Skip to main content

Full text of "Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften in Berlin"

See other formats


an 
a 
“ 


N ET 
ee 
ee © 


FETTE 
De ee in 
% ee Dre en 


ne een 
ange. 


Sr 


De 


j 
LA0X 
. 
Eu 
! 
i 
2 
ur 
f 
; 
ur 
Bun 
di 
fm 


us = 5 
F 52 
Be i Ö 


Abhandlungen 


der 
Königlichen 
Akademie der Wissenschaften 


zu Berlin. 


—— HD 


Abhandlungen 


der 


Königlichen 


Akademie der Wissenschaften 


zu Berlin. 


aan ananı.nannnonanagnnnnnnnen 


Aus dem Jahre 


1839. 


——n nun annannnnnnnnnnennnn—nnnn 


Berlin. 


Gedruckt in der Druckerei der Königlichen Akademie 
der Wissenschaften. 


1837. 


In Commission bei F. Dümmler. 


ollsrhensee 


„selod, a8 


T-n-hra It. 


na 


Ehstorische/Emleittungge as. velee ee ee ae eehtetele seien. Seite I 

_Verzeichnils der Mitglieder und Correspondenten der Akademie. ..........22...- ZUEXTH 

v@edächtniredes aufsftudolpharerlir Ihr HEll. LS AED IONREN ee - XVII 
Abhandlungen. 


Physikalische Klasse. 


er 
ESCHRICHT und -MÜLLER über die arteriösen und venösen Wundernetze an der 


Leber und einen merkwürdigen Bau dieses Organes beim Thunfische, 


HRYRTUSZUUISATESENelerete eistetetetelsfetntalel stetetereteterstettVolelefeisienete else etetete Seite 1 
“KuntH über die Linn£ischen Gattungen :Scirpus und 4Schoenussieeieeeneoceeneee as} 
\LisK über den Bau der Farrnkräuter (zweite Abhandlung) .........22ss2rs22202.. - 83 


‘ V MÜLLER über die organischen Nerven der erectilen männlichen Geschlechtsorgane 
des Menschen ’und.der ‘Säugethierer..... N ieeneeeenen. - 93 
Y VEHRENBERG: Mittheilung einer sehr einfachen Methode zum Festhalten, Vergleichen 
und Aufbewahren der feinsten und vergänglichsten mikroskopischen 
Objectelem ee te er ren ee Anl Ve le leraln ERS TAN VetetsleteYstaleieieiee - 141 
““Derselbe: Zusätze zur Erkenntnils grofser organischer Ausbildung in den kleinsten 


= thierischen‘ Organismen. se -.rejsteicteieielejeieieleiete eleterelene ste sfereiieneeiete = alaıl 
» ‘Derselbe über die Akalephen des rothen Meeres und den Organismus der Medusen : 
der stsee tee ler setlsretetstenetekefetateve olerersiaroleieterefetefege - 181 
Yv Weiss über eine versteckte gegenseitige Beziehung zwischen den Krystallsystemen 
des Feldspathes und des Kalkspathes .........2c2esseeeennenen. - 261 
“* Derselbe: Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung....... - 251 
“ »H. Rose über die Lichterscheinungen bei der Krystallbildung ............r0..... - 321 


“ Nachtrag zu der Abhandlung der Herren Escnricht und MÜLLER über die Wun- 
dernetze an der Leber des Thunfisches .........ssecorescnc000r - 325 


Mathematische Klasse. 


\ £ . ® 
“NEUMANN: Theoretische Untersuchung der Gesetze, nach welchen das Licht an der 


Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien reflectirt und 


gebrochen wird.....ceeeoeseroraerornnonennnsnnerenennnnnnn Seite 1 

VBesseu: Bestimmung der Länge des einfachen Secundenpendels für Berlin ........ - 161 
CRELLE: Einige Bemerkungen zu den Mitteln, algebraische Gleichungen näherungs- 

weisen aufzulösenüseererBsseleleriele ereretestokketstelel leiter stafeleinielelsietefs else - 263 

“ENCKE über den Venusdurchgang von 1769 ....ueraeeeeneenenernennenernnenee - 295 

“POSELGER: Das Taylor’sche Theorem, als Grundlage der Functionen-Rechnung... - 311 
“VDirKsEn über die Trennung der Wurzeln einer numerischen Gleichung mit Einer 

lUnbekanntenk rare ekreretejenstele etge lenete elerete reis leletelrksieietetatefejate - 337 


/s LEJEUNE - DIRICHLET über eine neue Anwendung bestimmter Integrale auf die Sum- 
mation endlicher oder unendlicher Reihen ............... Behr 294 


Philosophisch-historische Klasse. 


"Wiiken: Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh nach Mirchond ...... Seite 1 

HOFFMANN über die Besorgnisse, welche die Zunahme der Bevölkerung erregt.... - 121 

“ PANOFKA: Zeus und ‚Aeginay. . en eaeee close saniesieisisieeeefeemedee een nern eieeeeee - 153 
“ Lepsıus über die Anordnung und Verwandtschaft des Semitischen, Indischen, Alt- 

Persischen, Alt-Ägyptischen und Äthiopischen Alphabets ........ elyfa) 

VMIACHMANN, über, den Eingangydes, Barzivals....eier-..7. 1neere elsiofekeleioiete etsinıe.n slelofere,aieiefe -. 227 


“ GrAFF: Althochdeutsche, dem Anfange des 11! Jahrhunderts angehörige, Über- 
setzung und Erläuterung der Aristotelischen Abhandlungen: zerr- 

yopiccı und megt Eolamveiaes MOIDONSAON ROSS ORT ROLRNO ORDER - 267 

W RANKE: Zur Geschichte der italienischen Poesie ......22cereeeseeeee en Slersreterstelere - 401 
UnDEN über die unter dem Namen der Farnesischen bekannte antike Onyxschale im 

K. Bourbonischen Museum zu Neapel........u.sureenseesenee- - 487 

RankE: Nachträgliche Bemerkung zur Geschichte der italienischen Poesie ........ - 499 


nn ann 


Jahr 1835. 


=. nan.n 


D.: öffentliche Sitzung der Königl. Akademie der Wissenschaften 
zur Feier des Jahrestages Friedrichs des Zweiten am 29. Januar 
wurde durch die Anwesenheit Ihrer Königl. Hoheiten des Kron- 
prinzen und des Prinzen Wilhelm, Sohns Seiner Majestät des Königs, 
verherrlicht. Der vorsitzende Sekretar, Herr Wilken, eröffnete 
dieselbe mit einer Rede über Friedrich II. als Geschichtschreiber, 
worauf Herr Levezow, nach einigen einleitenden Worten, die Ab- 
handlung des kürzlich verstorbenen Herrn Uhden über die unter 
dem Namen der Farnesischen berühmte antike Onyxschaale im Bor- 
bonischen Museum zu Neapel vortrug und einige, zum Theil aus 
den hinterlassenen Papieren des Verfassers dieser Abhandlung ge- 
schöpfte, Erläuterungen hinzufügte. 

Die am 9. Julius 1835 gehaltene öffentliche Sitzung der Königl. 
Akademie der Wissenschaften zum Andenken ihres Stifters Leibnitz 
eröffnete Herr Böckh, als vorsitzender Sekretar, mit einer Rede über 
Leibnitz in Bezug auf die Besimmung der Akademien überhaupt, 
und der hiesigen insbesondere. Hierauf hielten die Herren Johannes 
Müller, Gustav Rose und Steffens ihre Antrittsreden. Den 


beiden ersteren antwortete Herr Erman, als Sekretar der physikalisch- 


I 


mathematischen Klasse, dem letztern Herr Böckh, als Sekretar der 
philosophisch-historischen. Hierauf las der andere Sekretar der letzt- 
genannten Klasse, Herr Wilken, das Urtheil über die Abhandlungen, 
welche zur Beantwortung der vor zwei Jahren gestellten Preisfrage 
eingegangen waren. Die Klasse hatte verlangt: „,‚aus den über das 
alexandrinische Museum vorhandenen sehr fragmentarischen Nach- 
richten mit Hülfe einer kritischen Combination ein Ganzes zusammen- 
zustellen, das eine anschauliche Idee von dem Zwecke, der Organi- 
sation, den Leistungen und den Schicksalen dieser berühmten Anstalt 
gewähre.” Es waren sechs Bewerbungsschriften eingelaufen, von 
denen jedoch die eine mit dem Motto: ,,Feeci quod potuı, ‚Jaciant 
meliora sequentes,” eıst den 10. April d. J. eingegangen ist, wels- 
halb sie, dem Programm gemäfs, von der Bewerbung ausgeschlossen 
werden mufs, und ein Urtheil über sie nicht gefället werden kann. 
Da der Verfasser für diesen Fall bestimmt hatte, wem der versiegelte 
Zettel, welcher seinen Namen enthält, zuzustellen sei, so ist derselbe 
nebst der Abhandlung selbst zurückgesandt worden. Von den fünf 
anderen Abhandlungen ist die eine französisch verfafste und mit der 
Devise: „Ei diRsrodias ErıQuueis, TARETREUKLeU auroIev” uU. Ss. w. versehene 
durchaus nicht eindringend, enthält Vieles, was sich als unrichtig 
berausstellt, und zeigt keine hinlängliche Kenntnifs der Sache und 
der griechischen Sprache. Die vier übrigen sind deutsch geschrieben. 
Die eine derselben, bezeichnet mit dem Motto: „Oix dyaSov rorvxogavin, 
eis nolgavos Errw, eis Pazıreis,” empfiehlt sich durch eine gebildete und 
lebhafte Darstellung, welcher man einige nicht zur Sache gehörige 
Scherze leicht verzeiht; indessen ist die Behandlung der einzelnen 
Partien sehr ungleich; Hauptgegenstände werden kurz abgefertigt, 
und Nebensachen überreich bedacht und durchgeführt; man vermifst 


1008 


weder Geist noch Belesenheit, aber man findet zugleich Spuren von 
Flüchtigkeit und mangelhafter Kenntnifs der neueren Forschungen auf 
dem Gebiete der griechischen Litteratur, auch fehlt eine genauere und 
kritische Benutzung der Quellen. Eine andere der genannten Schrif- 
ten trägt das Motto: ‚‚Prima sequertem honestum est in secundis 


et tertüs consislere.” 


Der Verfasser derselben hat sein Werk in vier 
Bücher eingetheilt; die beiden ersten enthalten die äufsere Geschichte 
des Museums, und zwar handelt das eine von der Gründung, der 
Einrichtung und dem Zwecke desselben, das andere von seinen 
Schicksalen und Mitgliedern. Diese beiden Bücher, welche schon 
an sich einen bedeutenden Umfang haben, liegen allein vor, weil 
der Verfasser, seiner Angabe nach, die Reinschrift der beiden übrigen, 
welche der inneren Geschichte des Museums, d. h. der Darstellung 
seiner Leistungen in der Poesie und Beredsamkeit und den beson- 
deren Wissenschaften gewidmet sind, zur gesetzlichen Frist nicht hat 
bewerkstelligen können, wiewohl sich Manches, die gelehrte Thätig- 
keit der Mitglieder betreffende, schon in der ersten Abtheilung vor- 
weg genommen findet. Die Klasse kann dem vorliegenden Theile 
dieser Schrift das Lob nicht versagen, dafs er mit grofsem Fleifs, 
mit wissenschaftlichem Ernst und mit sorgfältiger Forschung gear- 
beitet ist, obgleich einzelne Fehler vorkommen, welche leicht ver- 
mieden werden konnten. Auch hat der Verfasser aus der politischen 
Geschichte sowohl, als aus der griechischen Litteraturgeschichte zu 
viel allgemein Bekanntes eingemischt, und damit sein Werk ohne 
Noth angeschwellt, so wie die Darstellung überhaupt durch Weit- 
schweifigkeit lästig wird, und sich nicht über das Gewöhnliche erhebt. 
Der Preis konnte dieser Schrift schon aus dem Grunde nicht zuerkannt 


werden, weil sie nur einen Theil der Aufgabe umfafst. Dagegen 
b 


IV 


hat der Verfasser der Preisschrift, welche das Motto trägt: ,, Regium 
est iuvare litteras,” den Gegenstand in seinem ganzen Umfange bis 
ins Einzelnste abgehandelt, auch die Quellen vollständig zusammen- 
gebracht, mit Ausführlichkeit, wiewohl auf eine den Leser nicht 
angenehm berührende schwerfällige Weise geprüft, und im Ganzen 
genommen gründlich benutzt. Es ist aber zu bedauern, dafs er 
aus den meist wohl erwogenen Quellen und mit Hülfe der mannig- 
fachen Kenntnisse, welche er darlegt, dennoch kein des Preises wür- 
diges Werk gestaltet hat, und die Klasse wegen der bedeutenden 
Fehler der Schrift sich aufser Stande gesetzt sieht, eine so mühvolle 
Arbeit zu belohnen. Es hätte sich übersehen lassen, dafs auch in 
diese Abhandlung bei weitem zuviel ägyptische und Kaisergeschichte 
hineingezogen ist, und zu wenig zwischen alexandrinischer Gelehr- 
samkeit überhaupt und den Leistungen des Museums insbesondere 
unterschieden wird, wodurch die Schrift einen unnöthigen Umfang 
erhalten hat; allein die ganze Darstellung, vorzüglich der Ausdruck 
und auch manche von dem Verfasser angestellte Betrachtungen zeigen 
einen auffallenden Mangel an gebildetem Geschmack und feinerem Ur- 
theil; die Schreibart ist sehr vernachlässigt, breit, schlaff, ohne bered- 
ten Ausdruck, und der Stoff ist in eine grofse Anzahl kleiner schwach 
verbundener Abschnitte zersplittert, woraus öftere Wiederholungen 
entstanden sind: auch vermifst man eine geistvolle Verbindung des 
Thatsächlichen zu allgemeinen Ansichten. Die Preisschrift endlich, 
welche das Motto führt: #1 causas, non fata sequi,” empfiehlt sich 
durch Klarheit, Anmuth und Gefälligkeit der Darstellung, durch 
lebendige Auffassung des Alterthums, durch geist- und sinnvolle 
Betrachtung der Gegenstände und durch Feinheit des Urtheils und 
der Combination. Der Verfasser weifs den Stoff überall gleich in 


N 


Ideen umzubilden, und mischt sich solchen allgemeinen Ansichten 
auch leicht etwas Falsches bei, so sind die seinigen doch meisten- 
theils wohl begründet. Am glänzendsten erscheint das "Talent des 
Bewerbers in der vortrefflich verfafsten Einleitung. Im Folgenden 
bleibt sich zwar die Darstellung verhältnifsmäßsig zu den behandelten 
Gegenständen an Gewandtheit und Frische gleich, aber es finden 
sich doch neben den Vorzügen, welche auch darin vorwalten, einige 
bedeutende Mängel, welche die Klasse mit Bedauern bemerkt hat. 
Es fehlt nämlich der Abhandlung der einzelnen Theile an Gleich- 
mälsigkeit; das Topographische ist fast mit zu grofser Ausführlichkeit 
vorgetragen, wiewohl die mannigfaltigen Kenntnisse, welche der Ver- 
fasser dabei entwickelt hat, Anerkennung verdienen; dagegen ist ein 
und der andere Abschnitt dürftig, und giebt mehr Beiträge zur Lösung 
der Aufgabe als ihre vollständige Lösung. Davon liegt der Grund 
offenbar zum Theil darin, dafs der Verfasser keine eigenthümliche 
Sammlung der Quellen für diese Partieen gemacht, sondern nur den 
früher bereits von Anderen zusammengebrachten Stoff verarbeitet hat, 
wefshalb er auch öfter, wo man die Darlegung der vollständigen Quel- 
len gewünscht hätte, nur auf seine Vorgänger verweiset. Auch in 
der kritischen Sichtung der ihm zu Gebote stehenden Quellen läfst 
er Manches vermissen; insonderheit fehlt die Anwendung einer aus- 
gebildeten philologischen Technik, und die schwächsten Seiten der 
Schrift sind diejenigen Erwägungen, welche eine genaue und gelehrte 
Kenntnifs der alten Sprachen erfordern, wenn auch die hierbei vor- 
kommenden Versehen nicht tief in die Ergebnisse der Forschung 
eingreifen. In der Auseinandersetzung der Leistungen des Museums 
ist ‘die Einmengung zu vieler litteraturgeschichtlichen Thatsachen 


glücklich vermieden, und man findet dagegen geistvolle allgemeine 
b2 


vI 


Urtheile; doch fehlt gerade hier tiefere aus eigener Forschung ge- 
schöpfte Kenntnifs mancher Einzelheiten. Wenn daher dieses Werk 
einerseits eine sehr erfreuliche Erscheinung ist, so fehlt demselben 
doch in einigen Beziehungen das Gepräge des Vollendeten. 

Bei dieser Beschaffenheit der eingegangenen Schriften hat sich 
die Klasse bewogen gefunden, den Preis nicht zu ertheilen. Da in- 
dessen die Aufgabe eine so bedeutende Aufmerksamkeit erregt hat, 
und in den eingereichten Schriften theilweise schon sehr Dankens- 
werthes geliefert ist, so läfst sich erwarten, dafs eine Wiederholung 
der Preisaufgabe einen günstigen Erfolg haben werde. Sie bleibt 
daher zu einer neuen Bewerbung für das Jahr 1837 mit Erhöhung 
des Preises auf 100 Dukaten bestehen, und die Herren Verfasser der 
eingegangenen Schriften werden ersucht, diese zu weiterem Gebrauche 
von der Akademie zurückzunehmen. Auch die dazu gehörigen Zettel, 
welche die Namen der Verfasser enthalten, werden zugleich ausge- 
händigt, und diejenigen Zettel, welche nicht abgefordert worden, 
in der Leibnitzischen Sitzung des Jahres 1836 verbrannt werden. 
Der äufserste Termin für die Einsendung der Preisschriften ist der 
31. März 1837; über die Zuerkennung des Preises wird in der Leib- 
nitzischen Sitzung desselben Jahres entschieden werden. 

Herr Erman verkündigte hierauf zwei neue, von der physi- 
kalisch-mathematischen Klasse gestellte Preisaufgaben. Die erste, 
welche zu den von der Akademie nach der Reihefolge der Klassen 
regelmäfsig zu stellenden gehört, verlangt: 

„eine genaue anatomische Untersuchung mehrerer Wür- 
mer des süfsen und salzigen Wassers und mehrerer Ein- 
geweidewürmer, deren Stellung im System noch nicht fest 


bestimmt ist, von Würmern namentlich des Gordius aqua- 


vo 


ticus oder einer andern Species von Gordius, und vorzüg- 
lich, wo möglich, des Nemertes Borlasüi, mit Rücksicht 
auf die schon bekannte Struktur der Anguillula fluviatilis 
Ehrenb., der Ringelwürmer, der Planarien und der Fi- 
larien, mit neuen anatomischen Aufschlüssen über Penta- 
stoma, irgend eine Bandwurmspecies, einen Blasenwurm 
und die Cerkarien.” 
Der äufserste Termin für die Einsendung der Abhandlungen ist der 
31. März 1837, und der Preis, über welchen in der Leibnitzischen 
Sitzung desselben Jahres erkannt wird, 50 Dukaten. Die andere 
Preisaufgabe, welche nach einer besondern Stiftung aus dem Fache 
der Agrikultur und Agronomie entnommen werden mufs, fordert, 
„‚dafs aus sehr vielen, häufig vorkommenden Vegetabilien 
Zucker dargestellt werde, wo es noch nicht mit Zuverläs- 
sigkeit geschehen ist, und dafs man genau auch die Art 
des darin enthaltenen Zuckers unterscheide, we/shalb zu- 
gleich kleine Mengen des dargestellten Zuckers beizulegen 
sind, und zwar, wenn dieser Rohrzucker ist, im kryslalli- 
sirten Zustande.” 
Die Abhandlungen, welche zur Bewerbung eingesandt werden, müs- 
sen spätestens den 31. März 1839 eingehen; die Entscheidung über 
den Preis wird in der Leibnitzischen Sitzung im Julius 1839 erfolgen; 
der Preis ist 100 Dukaten. 

Nach der Verkündigung der neuen Preisaufgabe gab Herr Böckh 
eine kurze Charakteristik des verewigten Freiherrn W. von Hum- 
boldt, als Mitgliedes der Akademie, indem er zugleich bemerkte, 
dafs die nach den Gesetzen zu haltende Gedächtnifsrede auf den- 
selben einer späteren Sitzung vorbehalten bleibe. Herr Böckh 


VIU 


knüpfte hieran eine Nachricht von dem hinterlassenen, gröfstentheils 
bereits gedruckten, ‚Werke des Herrn W. von Humboldt über die 
Kawi-Sprache, und von der dazu gehörigen Einleitung über die Ver- 
schiedenheit des menschlichen. Sprachbaues und ihren Einflufs auf 
die geistige Entwickelung des Menschengeschlechts, in welcher der 
Verewigte seine Hauptansichten über die Sprache zusammengefafst 
hat. Zum Schlufs las Herr Böckh ein Bruchstück aus dieser Ein- 
leitung, welches von dem Charakter der Sprachen in Rücksicht auf 
Poesie und Prosa handelt. 

Die öffentliche Sitzung der Königlichen Akademie der Wissen- 
schaften am 6. August 1835 zur Feier des Allerhöchsten Geburtstages 
eröffnete der vorsitzende Sekretar Herr Encke. In seinem Vortrage 
zeigte er die sehr nahe gänzliche Vollendung des von des Königs 
Majestät durch die Allerhöchste Gabinetsordre vom 15. Oktober 1828 
gnädigst befohlenen und im Herbst des Jahres 1832 begonnenen Baues 
einer neuen Sternwarte an, wobei er die nähere Veranlassung zu die- 
sem neuen Deweise der Königlichen Huld und Gnade und die Art der 
Ausführung erwähnte. Hierauf las Herr Ehrenberg über die Struk- 
tur der Medusen und die Einheit des Planes in der thierischen Orga- 
nisation. Die Gedächtnifsrede auf das verstorbene Mitglied der Aka- 
demie, Herrn Rudolphi, von Herrn Müller, seinem Nachfolger im 
Amte, vorgetragen, machte den Beschlufs. 


Durch die Gnade Seiner Majestät des Königs empfing die 
Akademie die marmorne Büste des Königs Friedrichs II. zum Ge- 


schenk, welche in ihrem Sitzungssaal aufgestellt worden ist. 


IX 


Von dem Corpus Inscriptionum graecarum ist Fasc. II des 


zweiten Bandes erschienen. 


Von den akademischen Sternkarten sind fertig geworden Stunde 
12 von Herrn v. Steinheil in München und Stunde 23 von Herrn 


Harding in Göttingen. 


Dem Professor Gerhard wurde zur Anfertigung von Zeich- 
nungen etruskischer Kunstdenkmale eine Unterstützung von 400 Thlr. 
bewilligt. 


Der Reg.-Rath und Professor Graff erhielt zur Herausgabe 


seines althochdeutschen Sprachschatzes eine Unterstützung von 


200 Thlrn. 


Zum Behuf des Corpus Seriptorum historiae Byzanlinae wur- 
den dem Herrn Heyse in Rom für die Vergleichung des Vatikani- 
schen Codex des Cinnamos 25 Thlr.; ferner für die zu machende 
Vergleichung des Pariser Codex des Skylitzes und Cedrenus 40 Thlr. 
bewilligt. Da für die letztere Herrn Brunet’s Rechnung 400 Francs 
oder 110 Thlr. 7 Sgr. betrug, so wurden nachträglich noch 70 Thlr. 
7 Sgr. angewiesen. a a 

Der Geh. Reg.-Rath und Professor Böckh erhielt für die 
Bearbeitung des Corpus Inscriplionum Graecarum eine Remunera- 
tion von 400 Thlrn. Zur Anfertigung des Registers wurden 50 Thlr. 
angewiesen. 


Zur Anfertigung eines Verzeichnisses der arabischen Hand- 
schriften der hiesigen Königl. Bibliothek wurden dem Geh. Reg.- 
Rath und Oberbibliothekar Wilken 300 'Thlr. bewilligt. 


Dem Dr. Lepsius in Paris wurde zum Behuf einer wissen- 
schaftlichen Reise nach Italien, welche die Untersuchung der dortigen 
ägyptischen Alterthümer, namentlich der in der Rosellinischen Samm- 
lung in Pisa befindlichen, zum Zweck hat, eine Unterstützung von 
500 Thlrn. ertheilt. 


Zur ferneren Herausgabe der akademischen Sternkarten wurde 
die Summe von 300 Thlrn. ausgesetzt. 


Zur Anschaffung einer koptischen Schrift für die akademische 
Buchdruckerei wurde die Summe von 300 Thlrn. bewilligt. 


— m —_—_ un un ano. 


Im Jahr 1835 sind ernannt worden 


zu ordentlichen Mitgliedern 
der physikalisch-mathematischen Klasse : 


Herr v. Chamisso; 


der philosophisch-historischen Klasse : 
Herr Steffens, 
- Zumpt, 


- Gerhard; 


zum Ehrenmitgliede: 


der Geh. Legationsrath Bunsen; 


zu Correspondenten 


der physikalisch-mathematischen Klasse : 
Herr Beequerel in Paris, 
- Adolphe Brongniart in Paris, 
-  Döbereiner in Jena, 
- Dufrenoy in Paris, 
- Graham in Glasgow, 
- Nobili in Florenz, 
- Achille Richard in Paris, 
- de la Rive in Genf, 


- Sturm in Paris. 


—— nn mm nn 


XI 


Gestorben sind im Jahr 1834: 


Herr Wilhelm von Humboldt, ordentliches Mitglied der 

philosophisch-historischen Klasse. 

- Uhden, desgl. 

-  Levezow, desgl. 

- Stromeyer in Göttingen, Ehrenmitglied. 

- von ÄAutenrieth in Tübingen, Correspondent der 
physikalisch-mathematischen Klasse. 

- Nobili in Florenz, desgl. 

-  Böttiger in Dresden, Correspondent der philosophisch- 
historischen Klasse. 

- von Lang in Ansbach, desgl. 

- Hamaker in Leyden, desgl. 

- Reuvens in Leyden, desgl. 


Verzeıichnifs 


der Mitglieder und Correspondenten der 


Herr 


December 1835. 


1. Ordentliche Mitglieder. 


Physikalisch-mathematische Klasse. 


Grüson. Herr Poselger. 
Hufeland, Veteran. - Ehrenberg. 
Alexander v. Humboldt. - Crelle. 
Eytelwein, Veteran. - Borkel. 
vw. Buch. - Klug. 
Erman, Veteran, Sekretar. - Kunth. 
Lichtenstein. - Dirichlet. 
Weijs. - H. Rose. 
Link. - Müller. 
Mitscherlich. - G. Rose. 
Karsten. - ‚Steiner. 
Encke, Sekretar. - 9». Chamisso. 
Dirksen. 

Philosophisch-historische Klasse. 
Hirt, Veteran. Herr Meineke. 
Ancillon, Veteran. - Lachmann. 
Ideler. - Hoffmann. 
v. Savigny. - Eichhorn. 
Böckh, Sekretar. - Ranke. 
Bekker. - Graf. 
Wilken, Sekrear. - Zumpt. 
C. Ritter. - Steffens. 
Bopp. - Gerhard 


v. Raumer. 


Akademie. 


II. Auswärtige Mitglieder. 


Physikalisch-mathematische Klasse. 
Herr Gaufs in Göttingen. 


Herr Arago in Paris. 


v. Berzelius in Stockholm. 
Bessel in Königsberg. 

Blumenbach in Göttingen. 
Robert Brown in London. 


Jussieu in Paris. 


.van Marum in Haarlem. 


Olbers in Bremen. 
Poisson in Paris. 


Philosophisch-historische Klasse. 


Herr Cousin in Paris. 


Jacob Grimm in Göttingen. 
Hecren in Göttingen. 
Gottfried Hermann in Leipzig. 
Jacobs in Gotha. 

Letronne in Paris. 


Herr Zobeck in Königsberg. 


H. Ritter in Kiel. 

Silvestre de Sacy in Paris. 
v. Schelling in München. 

A. W. v. Schlegel in Bonn. 


II. Ehren-Mitglieder. 


Herr C. F. S. Freih. Stein vom Altenstein 


in Berlin. 
Bunsen in Rom. 
Imbert Delonnes in Paris. 
William Gell in London. 
William Hamilton in London. 
». Hisinger auf Skinskatteberg bei 
Köping in Schweden. 
Graf v. Hoffmansegg in Dresden. 
I. F. Freih. v. Jacquin in Wien. 


Herr Colonel Zeake in London. 


Lhuilier in Genf. 
». Lindenau in Dresden. 
Gen. Lieut. Freih. v. Minutoli_ in 


Berlin. 
Gen. Lieut. Freih. v. Müffling in 
Münster. 


Prevost in Genf. 
C. Graf v. Sternberg in Prag. 


IV. Correspondenten. 


Für die physikalisch-mathematische Klasse. 


Herr Accum in Berlin. 


Biddel Airy in Greenwich. 
Ampere in Paris. 

v. Baer in St. Petersburg. 
Elie de Beaumont in Paris. 


Herr Becquerel in Paris. 


P. Berthier in Paris. 
Biot in Paris. 

Brera in Padua. 
Brewster in Edinburgh. 


Herr Adolphe Brongniart in Paris. 


Alexandre Brongniart in Paris. 
de Candolle in Genf. 

Carlini in Mailand. 

Carus in Dresden. 

Chevreul in Paris. 

Configliacchi in Pavia. 

Dalton in Manchester. 
Desgenettes in Paris. 
Döbereiner in Jena. 

Dufrenoy in Paris. 

Dulong in Paris. 

I. Dumas in Paris. 

Faraday in London. 

F. E. L. Fischer in St. Petersburg. 
Gotthelf Fischer in Moskau. 
Flauti in Neapel. 

Florman in Lund. 

Freiesleben in Freiberg. 

Fuchs in München. 

Gaudichaud in Paris. 
Gay-Lussac in Paris. 

Gergonne in Montpellier. 

C. G. Gmelin in Tübingen. 

L. Gmelin in Heidelberg. 
Graham in Glasgow. 

Hansen in Seeberg bei Gotha. 
Hansteen in Christianıia. 
Hausmann in Göttingen. 
Herschel in Slough bei Windsor. 
Hooker in Glasgow. 

C. G. J. Jacobi in Königsberg. 
Jameson in Edinburgh. 

Ivory in London. 

Kielmeyer in Stuttgard. 

v. Krusenstern in St. Petersburg. 
Larrey in Paris. 

vw. Ledebour in Dorpat. 

Liebig in Gielsen. 


Herr Graf Libri in Paris. 


Lindley in London. 

v. Martius in München. 
Möbius in Leipzig. 

Mohs in Wien. 

von Moll in Dachau bei München. 
van Mons in Löwen. 

F. E. Neumann in Königsberg. 
Nitzsch in Halle. 

Oersted in Kopenhagen. 

v. Olfers in Berlin. 

Otto in Breslau. 

Pfaff in Kiel. 

Plana in Turin. 

Poncelet in Metz. 

de Pontecoulant in Paris. 

de Prony in Paris. 

Purkinje in Breslau. 

Quetelet in Brüssel. 

Rathke in Königsberg. 

Achille Richard in Paris. 

de la Rive in Genf. 

Aug. de Saint-Hilaire in Paris. 
v. Schlechtendal in Halle. 
Schrader in Göttingen. 
Schumacher in Altona. 

Marcel de Serres in Montpellier. 
v. Stephan in St. Petersburg. 
©. Struyve in Dorpat. 

Sturm in Paris. 

Tenore in Neapel. 

Thenard in Paris. 

Tiedemann in Heidelberg. 
Tilesius in Mühlhausen. 

G. R. Treviranus in Bremen. 
L. C. Treviranus in Bonn. 
Trommsdorff in Erfurt. 

Figors in London. 

Wahlenberg in Upsala. 


XVI 


Herr 


Wallich in Calcutta. 
E. H. Weber in Leipzig. 
W. E. Weber in Göttingen. 


Herr /Viedemann in Kiel. 
- PWöhler in Göttingen. 
- FWoltmann in Hamburg. 


Für die philosophisch-historische Klasse: 


Avellino in Neapel. 

Beigel in Dresden. 

Brandis in Bonn. 

Bröndsted in Kopenhagen. 

Cattaneo in Mailand. 

de Chambray in Pougues im Dep. 
de la Nievre. 

Graf Clarac in Paris. 

Constantinus Oeconomus in Griechen- 
land. 

Degerando in Paris. 

Delbrück in Bonn. 

v. Frähn in St. Petersburg. 

Freytag in Bonn. 

Fries in Jena. 

Del Furia in Florenz. 

Gesenius in Halle. 

Göschen in Göttingen. 

Wilh. Grimm in Göttingen. 

Freih. v. Hammer-Purgstall in Wien. 


Herr Hase in Paris.. 
- van Heusde in Utrecht. 
- v. Hormayr in Hannover. 
- Jomard in Paris. 
- ». Köhler in St. Petersburg. 
- Kosegarten in Greifswald. 
- Kumas in Smyrna. 
- Linde in Warschau. 
- Mai in Rom. 
- Meier in Halle. 
- K. O0. Müller in Göttingen. 
- Mustoxides in Corfu. 
- C. F. Neumann in München. 
- Et. Quatremere in Paris. 
- Raoul-Rochette in Paris. 
- Rosellini in Pisa. 
- Rosen in London. 
- ‚Schömann in Greifswald. 
- ‚Simonde-Sismondi in Genf. 
- Thiersch in München. 


— an num an. 


Gedachtnilsrede 


auf 


CARL ASMUND RUDOLPHI. 


wmunnwYenvwnn 


n der öffentlichen Sitzung vom 6. August 1835 von Hen) Müller elesen. 
5 5 8 


D.. Mann, von dem ich die Ehre habe, heute in der Akademie der Wis- 
senschaften zu reden, war einer jener in der Geschichte der Naturwissen- 
schaften seltener gewordenen Gelehrten, bei denen eine gleich gründliche 
und erfolgreiche Bildung in mehreren verschiedenen Zweigen der Naturwis- 
senschaften mit einer seltenen Gelehrsamkeit in diesen Fächern zusammen- 
traf. Wäre er auf der Bahn seiner Entwickelung in der Blüthe seiner Kraft 
abgerufen worden, so würde es uns schwer sein zu sagen, ob er in der 
äufsern Naturgeschichte der organischen Körper oder in ihrer innern Natur- 
geschichte, der Anatomie, gröfser gewesen, ob er in der Anatomie der 
Pflanzen oder der Thiere trefflicheres geleistet habe. Diese ursprüngliche 
Vielseitigkeit seiner Bildung hat, als eine bei dem Wachsthum der Wissen- 
schaften nothwendige Beschränkung und eine Stellung der ausgedehntesten 
Wirksamkeit seine Thätigkeit für immer der Naturgeschichte und Anatomie 
der thierischen Körper zuwandte, auch seine späteren Arbeiten beseelt und 
ihnen eine Frische gegeben, die man öfter in den Schriften der Anatomen 
vermifst. 

Carl Asmund Rudolphi, Königlicher Geheimer Medicinalrath, 
Professor der Anatomie und Physiologie an der Friedrich-Wilhelms- 
Universität und an der medieinisch-chirurgischen Militair- Academie, Di- 
rector des anatomischen Museums und anatomischen Theaters, Mitglied der 
wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen, Mitglied der Akade- 
mien der Wissenschaften zu Berlin, Stockholm, Petersburg und Neapel, Rit- 
ter des rothen Adler- Ordens dritter Klasse und des Schwedischen Nordstern- 
ordens, ist zu Stockholm den 14“ Juli 1771 geboren, wo sein Vater, aus 
dem Magdeburgischen gebürtig, Conrector der deutschen Schule war. Über 


xVIH G edächtnifsrede 


seine früheren Lebensumstände hat er selbst einen Aufsatz hinterlassen, 
welchen Herr Link in der medicin. Zeitung des Vereins für Heilkunde in 
Preufsen 1833 N. 4 mitgetheilt und welchem dieser Gelehrte, der Ru- 
dolphi am nächsten stand, das hinzugefügt hat, was Rudolphi den Le- 
benden auszufüllen übrig gelassen. Beiderlei Mittheilungen habe ich öfter 
benutzt. Seine erste Bildung erhielt Rudolphi auf der deutschen Schule 
in Stockholm und auf dem Gymnasium in Stralsund; in den Jahren 1790 
bis 94 studirte er auf der Universität zu Greifswald, wo er schon mit beson- 
derem Fleifse der Botanik sich hingab. Von seinen dortigen Lehrern sprach 
Rudolphi immer mit der gröfsten Pietät. Die philosophische Doctorwürde 
erlangte er daselbst im Jahre 1793, nachdem er prophetisch für seine Lauf- 
bahn seine Dissertation observationes circa vermes intestinales vertheidigt. 
Im Jahre 1494 besuchte er Jena und dort die Vorlesungen von Hufeland 
und Batsch und im Frühling des folgenden Jahres machte er eine botani- 
sche Reise über Dresden, Karlsbad, Erlangen, Fulda, Göttingen, den Harz 
und nach Greifswald, wo er nach vertheidigter Inauguraldissertation odser- 
vationes circa vermes intestinales, pars secunda die medieinische Doctorwürde 
erhielt. Seit 1793 war er Privatdocent in der philosophischen Facultät zu 
Greifswald und 1796 wurde er Privatdocent in der medicinischen Faecultät. 
Im Winter desselben Jahres ging er nach Berlin, um sich im Seciren zu üben 
und im folgenden Jahre wurde er Adjunct der medicinischen Facultät und 
Prosector. Im Herbste 1801 reiste er abermals nach Berlin um sich für die 
Thierheilkunde auszubilden, deren Professur ihm am Veterinär-Institut zu 
Greifswald übertragen wurde. Dort wirkte er bis zum Jahre 1810, nach- 
dem er 1808 zum ordentlichen Professor der Medicin ernannt worden. In 
diese Zeit fallen einige seiner wichtigsten Schriften. 

Im Jahre 1802 gab Rudolphi seine anatomisch -physiologischen Ab- 
handlungen heraus. Er schrieb dies Werk nach dem Tode seiner ersten 
Gattin in einer sehr bewegten Gemüthsstimmung. Als ich dies Buch 
schrieb und oft aufspringen und mich ausweinen mufste über 
die, die mir so frühe voranging, beginnt der edle Mann eine hand- 
schriftliche Bemerkung aus viel späterer Zeit, die er in sein Exemplar 
von jenem Buch geschrieben. Rudolphi theilt in diesem Werk aufser 
einigen neuen Schriften auch Bemerkungen über früher von ihm bespro- 
chene Gegenstände mit. Er handelt zuerst von verschiedenen Theilen des 


auf Carl Asmund Rudolphi. XIX 


Auges, wo er beweist, dafs die Zonula ein von der Netzhaut verschiedenes 
Gebilde sei, von der Durchkreuzung der Sehnerven bei den Fischen, von 
der Structur der Zähne, der Gehirnhöhlen, von den bewohnten und unbe- 
wohnten Hydatiden, vom Athemholen der Frösche, vom Bau der Darmzot- 
ten und der Peyerschen Drüsen. In der letzten Abhandlung beschreibt er 
bei vielen Thieren die Varietäten des äufsern Baues der Peyerschen Drüsen, 
die man noch vor nicht langer Zeit als zufällige und krankhafte Vorkommen- 
heiten dargestellt hatte. Wie richtig er hier gesehen, beweist die Wichtig- 
keit, welche dieser Gegenstand in der neuern Zeit erlangt hat. Rudolphi 
hatte sich auf den innern Bau der räthselhaften Körper nicht eingelassen, 
den er vielleicht allein damals aufklären konnte. Erst nachdem die Cholera 
und der T’yphus abdominalis Viele bei der Unkenntnifs des Wesens die- 
ser Gebilde überrascht, die Rudolphi gleichsam von neuem in die Wissen- 
schaft eingeführt hatte, ist die Erforschung ihres innern Baues so sehr Be- 
dürfnifs geworden. 

Durch seine Arbeit über die Darmzotten nahm Rudolphi eine noch 
bedeutendere Stelle unter den Anatomen ein, welche sich mit der Structur 
der Gewebe beschäftigt haben; und wenn auch Rudolphi den Zotten die 
Gefäfse absprach und zu allgemein das Dasein der Zotten bei den Fischen 
läugnete, so haben seine Beobachtungen doch die Irrthümer der Älteren in 
Hinsicht der sichtbaren Öffnungen dieser Theile gezeigt, auch hat er das 
Epithelium der Darmzotten schon deutlich in einigen Fällen nachgewiesen 
und durch die Erforschung der Variationen im Vorkommen dieser Organe 
den physiologischen Hypothesen eine Grenze gesetzt. Rudolphi blieb fast 
durchgängig bei den in diesem Werk niedergelegten Ansichten. In seinem 
Exemplar des fraglichen Buchs befindet sich die handschriftliche Bemer- 
kung: Librum duodecim annis elapsis legi anatomicus duodecies melior ac 
zum temporis eram, plurima tamen probo. 

Im Jahre 1802 machte Rudolphi eine Reise durch einen Theil von 
Deutschland, Holland, Frankreich und gab seine Bemerkungen hierüber aus 
dem Gebiete der Naturgeschichte, Medicin und Thierarzneikunde 1804 her- 
aus. Diese Reise entwickelt eine bewunderungswürdige Fülle von Kennt- 
nissen in der Botanik, Zoologie, pathologischen Anatomie und Thierheil- 
kunde und ist durch die vielen interessanten Bemerkungen, welche durch 


das Zusammentreffen eines so kenntnifsreichen Mannes mit den ersten Ge- 
d 


xx Gedächtnifsrede 


lehrten von Deutschland, Holland und Frankreich veranlafst wurden, un- 
gemein schätzbar. Von allen seinen Schriften sind diese Bemerkungen, die 
Beiträge zur Anthropologie und allgemeinen Naturgeschichte und die Phy- 
siologie am meisten geeignet, denjenigen, welche Rudolphi nicht persön- 
lich kannten, seinen Charakter aufzuschliefsen. Wer sollte nicht den Mann 
mit dem billigen, gewiegten Urtheil, den unbefangenen, offenen, geraden, 
der Erforschung der Realitäten gewidmeten Sinn lieben lernen, der überall 
einen richtigen Tact gegen das Unfruchtbare und die phantastische Richtung 
hat, der er hie und da begegnet. Wie wohlwollend und doch wie richtig 
sind seine Urtheile, wie interessant ist, was er über die damaligen Ärzte und 
Anstalten am hiesigen Orte sagt und wie anziehend ist sein Zusammentreffen 
mit Brugmans, Cuvier, Tenon, Richard, Gall, bis auf den wun- 
derlichen Beireis geschildert, dessen Zeichnung nicht weniger interessant 
ist als die von Goethe gegebene. Rudolphi’s Werk enthält so ausführ- 
liche Notizen über das was er gesehen, dafs es noch jetzt bei der Benutzung 
der Anstalten des Auslandes werthvoll ist. 

Wie vielseitig Rudolphi’s Kenntnisse in der Botanik waren, bewei- 
sen theils seine zerstreuten Bemerkungen in dieser Reise, theils verschiedene 
Aufsätze, vor Allem aber seine im Jahre 1807 erschienene Anatomie der 
Pflanzen. An dieser Stelle wird jeder lieber meinen Collegen Herrn Link 
als mich selbst reden hören. Er war so gütig mir über Rudolphi’s bota- 
nische Studien das Folgende mitzutheilen. 

Rudolphi wurde von Weigel in Greifswald zur Botanik angeleitet 
und er verband diese Wissenschaft so mit dem anatomischen Studium, wie 
vormals Haller, dessen Vorbild überhaupt sehr auf ihn wirkte. Er sam- 
melte fleifsig, beobachtete im Garten zu Greifswald, erhielt durch kauf- 
männische Verbindungen Pflanzen aus Barzellona und von einem Freunde 
Pflanzen aus Lissabon. Ornithogalum Rudolphü im Greifswalder Garten 
als neu beschrieben hat noch seinen Namen. Seine Pflanzenbeschreibun- 
gen stehen in Schrader’s Journal. Wildenow nannte nach ihm eine 
Pflanzengattung aus der natürlichen Ordnung der Leguminosen, die in un- 
serm Garten seit langer Zeit war und noch ist. Sprengel machte ihn auf 
die Anatomie der Pflanzen durch seine Anleitung aufmerksam und als die 
Göttinger Societät eine Preisfrage darüber aufwarf, arbeitete er daran. Der 
Preis wurde zwischen ihm und seinem Freunde Link getheilt. Sie hat- 


auf Carl Asmund Rudolphi. XXI 


ten beide vorher darüber oft aneinander geschrieben. Die Untersuchung 
des Zellgewebes ist bei ihm der schwächste Theil; doch erklärt er sich 
bestimmt und mit seiner gewohnten Lebhaftigkeit gegen Mirbel’s Lehr- 
system, der auf seine vorgeblich deutlich zu sehenden Löcher in den Wän- 
den der Zellen und Gefäfse die ganze Physiologie der Pflanzen gründete. 
Die Beschreibung der Tracheen ist genauer; er hält sie für Nahrungsgefäfse. 
Aber noch immer wahrhaft classisch und die Grundlage unserer Kenntnisse 
darüber sind seine Untersuchungen über die Spaltöffnungen, Poren, Sto- 
matia, auf den grünen Theilen, worauf er eine grofse Menge Gewächse un- 
tersucht hat. Dieser gleich steht seine Untersuchung über die Luftbehälter 
in den Pflanzen, die so gut noch nie wieder geliefert ist. Er hat endlich 
die sonderbaren gestrahlten Körper in den Zellen der Nymphaeen und an- 
derer Wasserpflanzen wieder aufgesucht, und die besten Beobachtungen 
darüber gegeben, die wir noch jetzt haben. 

Indefs der Ruf, den Rudolphi 1810 an einen viel gröfsern Wir- 
kungskreis hieher erhielt, entfernte ihn für immer von den botanischen Stu- 
dien. Als Professor der Anatomie und Physiologie, Director der anatomi- 
schen Anstalten, Mitglied der wissenschaftlichen Deputation für das Medici- 
nalwesen und der Akademie der Wissenschaften hat er nun 22 Jahre für die 
Anatomie und Physiologie in der ruhmvollsten Thätigkeit gewirkt. 

Walter war als practischer Anatom unübertrefflich gewesen und auch 
durch seine Schriften nimmt er den Rang unter den ersten Anatomen ein; 
aber die mikroskopische Anatomie, in welcher sich Rudolphi frühe aus- 
gezeichnet hatte, war Walter fremd geblieben; er hatte so viel mit blofsen 
Augen geleistet, dafs er die Anatomie beinahe für vollendet hielt und doch ist 
hier so viel mit blofsen Augen zu entdecken. Die vergleichende Anatomie 
umfafste Walter nicht und Rudolphi mufste der Universität und sich das 
Material erst schaffen. Vor Rudolphi fand sich für vergleichende Anatomie 
aufser den Präparaten der Thierarzneischule und einigem, was Privateigen- 
thum war, nichts vor. Als die Waltersche Sammlung 1803 von Sr. Maje- 
stät dem Könige angekauft wurde, enthielt sie 3071 Präparate gröfstentheils 
aus der menschlichen Anatomie. Von dieser Zeit bis 1810 unter Walter’s 
Direction vermehrte sich die Sammlung noch um 162 Präparate; unter Ru- 
dolphi’s Direction vermehrte sie sich um 3964 Präparate. Zugleich ent- 


hielt das Magazin mehrere Tausend Gegenstände, wovon ein grofser Theil 
d2 


xXu Gedächtnifsrede 


schon präparirt war, aber dermalen wegen der Ausgaben nicht aufgestellt 
werden konnte (1). Rudolphi hat also in der Zeit seines Wirkens das 
zootomische Museum von Grund aus geschaffen, und wenn diese Sammlung 
noch nicht mit den Museen von Paris und Leyden in Hinsicht der Skelete 
sich messen darf, so kann sie doch in Hinsicht der Präparate von weichen 
Theilen den ersten Sammlungen des Auslandes sich schon vergleichen; für 
menschliche und pathologische Anatomie ist unsre Sammlung unter den 
vorzüglichsten ausgezeichnet. Man mufs übrigens bedenken, dafs das Mu- 
seum erst seit 1803 als öffentliche Anstalt besteht, dafs die Sammlung erst 
seit der Gründung der Universität (1810) sich auf vergleichende Anatomie 
ausgedehnt hat, dafs unsere Mittel für Zootomie beschränkter sind als die 
von London, Paris und Leyden und dafs unsere Handelsverbindungen so 
sehr geringe sind. Eine seefahrende Nation ist in dieser Hinsicht im Besitz 
aufserordentlicher Vortheile und es erregt unsere gerechte Bewunderung, 
wenn der Pflanzengarten von Paris mit seinen mineralogischen, botanischen, 
zoologischen und anatomischen Sammlungen acht Reisende in den entlegen- 
sten Weltgegenden unterhält (?). 

Rudolphi erwarb sich in Berlin durch sein Lehrertalent und durch 
seine persönlichen Eigenschaften bald eine grofse Anerkennung und wie 
durch seine Schriften so war er als Lehrer eine der ersten Zierden der Uni- 
versität. Welchen Impuls er namentlich dem Studium der vergleichenden 
und pathologischen Anatomie hier gegeben, beweisen die vielen guten Inau- 
guralschriften dieses Inhaltes, welche theils merkwürdige Präparate des ana- 
tomischen Museums beschrieben, theils solche veranlafst haben. Man hat 


(') Durch Aufstellung der sehr vielen Präparate, die schon unter Rudolphi gefertigt 
waren, die er aber nicht mehr hatte aufstellen können, und der seit jener Zeit neu gefertig- 
ten Präparate, ist die Zahl der Gegenstände jetzt auf 11000 gestiegen, wobei nur die gan- 
zen Gegenstände gezählt und die sehr zahlreichen Materialien des Magazins (gegen 3000) 
nicht mitgezählt sind. Die Präparate aus der vergleichenden Anatomie der Menschen -Racen 
belaufen sich auf 214 Nummern, worunter 16 Skelete aufsereuropäischer Ragen und 134 
Ragenschädel. Die osteologische Sammlung von Wirbelthieren umfalst 434 ganze Skelete 
von Säugethieren, 336 von Vögeln, 154 von Amphibien, 279 von Fischen. Die pathologisch- 
anatomische Sammlung ist besonders reich an angebornen Misbildungen, an Knochenkrankhei- 
ten und specifisch bestimmten Geschwülsten. 

(@ ) Rapport sur les besoins du museum d’histoire naturelle pour l’annee 1835, presente 
au ministre de Pinstruction publigue. Paris 1834. 


auf Carl Asmund Rudolphi. XXL 


bei den gröfsten Gelehrten öfter eine Zurückgezogenheit bemerkt, die sie 
hinderte, ihre Methoden Anderen mitzutheilen, und Talente auszubilden, 
fähig sie zu ersetzen. Rudolphi hatte in dieser Hinsicht grofse Verdienste; 
nicht seine Lehren allein, auch sein Eifer gingen auf seine Schüler über. Er 
war den Jüngern leicht zugänglich,. und wenn man sich mit Empfehlungen 
keinen besondern Vorschub bei ihm verschaffte, so fand doch Jeder, der 
sich durch gute Eigenschaften empfahl, ohne alle Introduction Eingang zu 
Allem was er hatte. Studirende, hiesige und fremde Ärzte und Naturfor- 
scher wurden in seiner Bibliothek einheimisch; und da er die Jüngern durch 
seinen Unterricht anzog, durch seinen Rath aufmunterte und durch seine 
Bibliothek, durch die Hülfsmittel des anatomischen Museums und dessen 
was er selbst gesammelt, mit der Liberalität eines Banks unterstützte, so 
fehlte es nicht an eifrigen Schülern, die sich unter seiner besonderen Lei- 
tung für die Anatomie ausbildeten. Sein Enthusiasmus für die Wissenschaft, 
seine Wahrheitsliebe, sein edler und uneigennütziger Character, seine kräf- 
tige Opposition gegen falsche Richtungen zogen unwiderstehlich an. Solche 
Eigenschaften machen bei einem Lehrer auf das jugendliche Gemüth einen 
unvertilgbaren und das ganze Leben dauernden Impuls, und nie werde ich 
den Eindruck vergessen, den Rudolphi auf mich gemacht; er hat meine 
Neigung zur Anatomie zum Theil begründet und für immer entschieden. Ich 
habe anderthalb Jahre seinen Unterricht, seinen Rath, seine väterliche Freund- 
schaft genossen, als ich fortging beschenkte er mich mit mancherlei wissen- 
schaftlichen Hülfsmitteln; seine Theilnahme hat mich auch später begleitet, 
wenn unsere Ansichten auch öfter sehr abwichen und er nicht gerne sah, dafs 
ich mich mit dem abstracteren Gebiet der Sinnesphysiologie beschäftigte und 
lieber mit solchen Untersuchungen in der Anatomie der Sinnesorgane, wie 
die über die Augen der Insecten und Spinnen mich beschäftigt sah. Mit 
seinem Prosector und seinen Collegen stand Rudolphi in dem freundlichsten 
Verhältnifs. Wie hochachtungsvoll er sich gegen Knape, seinen nächsten 
Collegen im Fache der Anatomie, benahm, mufste jeden einnehmen. In der 
Facultät, im Senat hat sich Rudolphi durch seinen Antheil an den Geschäf- 
ten, durch sein richtiges und mit Entschiedenheit kräftig ausgesprochenes 
Urtheil unvergefslich gemacht, und seine trefflichen Arbeiten machten seine 
Stellung in der wissenschaftlichen Deputation für das Medieinalwesen, die 
er bald nach seiner Ankunft in Berlin antrat, gewichtig und einflufsreich. 


XXIV Gedächtnifsrede 


Im Jahre 1812 gab Rudolphi seine Beiträge zur Anthropologie und 
allgemeinen Naturgeschichte heraus. Die darin enthaltene Biographie von 
Pallas, die Aufsätze über die Eintheilung der Thiere nach dem Nerven- 
system, über die Verbreitung der organischen Körper, über die Schönheits- 
verhältnisse zwischen beiden Geschlechtern gehören zu dem Anziehendsten, 
was er geschrieben. In der Eintheilung der Thiere ging Rudolphi von 
dem anatomisch-physiologischen Princip und demjenigen Organsystem aus, 
das am meisten formgebend für alle übrigen ist, von dem Nervensystem. Die 
Wirbelthiere mit dem Spinalsystem nennt er Notoneura, auch Diploneura, 
wegen des gleichzeitigen Vorkommens des Spinal-Nervensystems und des Ner- 
vus sympathicus. Eine zweite Abtheilung nennt er Gastroneura oder Myelo- 
neura; bei ihnen liegt der Nervenstrang am Bauch, in der dritten Abtheilung 
umfafst er die Thiere mit zerstreuten Ganglien, in der vierten diejenigen, 
deren Nervensystem zur Zeit noch unbekannt ist, Cryptoneura. Wenn auch 
viele Wirbellose das System der Bewegungs- und Empfindungsnerven und 
das der organischen Nerven besitzen, auch beide Nervensysteme durch die 
ganze Thierwelt verbreitet sein mögen, so ist doch das Princip der Einthei- 
lung treffend und es bringt uns die Hauptabtheilungen der Thiere, freilich 
nicht der niedersten, in durchgreifenden Verschiedenheiten zur Anschauung. 

Die gröfsten Verdienste hat sich Rudolphi durch seine Arbeiten 
über die Naturgeschichte der Eingeweidewürmer erworben. Wenn die Ge- 
schichte der Naturwissenschaften einst nur bei den Namen der Entdecker 
verweilt, derjenigen, welche wichtige Thatsachen gefunden, aus denen viele 
andere erklärt werden, welche uns die Fülle der Formen und den Bau gan- 
zer Klassen der Naturkörper aufgeschlossen und welche die Prineipien für 
die Ordnung derselben gefunden und glücklich angewandt, so ist Rudol- 
phi’s Namen allein durch seine Arbeiten über die Entozoen unsterblich. 
Linne hatte in der 12'* Ausgabe des Syst. nat. nur 11 Arten Eingeweide- 
würmer aufgeführt, Gmelin in der 13 Ausgabe 299, Zeder 391. Ru- 
dolphi’s erstes grofses Werk über die Eingeweidewürmer, Entozoorum 
historia naturalis, welches noch vor seinem Abgang nach Berlin 1808 bis 
1510 in 3 Bänden erschien, enthält die Beschreibung von 603 gröfstentheils 
genau bestimmten Arten. Diese Zahl hat er durch eigene Forschungen, vor- 
züglich auf einer Reise nach Italien, die er 1817 hauptsächlich wegen der Ein- 
geweidewürmer machte, ferner durch die Benutzung der Mittheilungen seines 


auf Carl Asmund Rudolphi. XXV 


geliebten Freundes Bremser, durch die Sendungen der Herren v. Olfers 
und Natterer aus Brasilien in seinem spätern Werke Entozoorum synopsis, 
das 1819 zu Berlin erschien, fast um das Doppelte vermehrt. Hierin beschrieb 
er 992 genau bestimmte und 441 zweifelhafte, im Ganzen 993 Arten. 

Über die Anatomie der Eingeweidewürmer hat Rudolphi schon viele 
schätzbare Beobachtungen mitgetheilt und was er zum Vortheil der generatio 
aequivoca sagt, ist jetzt noch fast das einzige, wohin sich die Vertheidigung 
dieser Lehre zurückziehen kann. Rudolphi’s Classification hat sich auch 
immer noch als die bewährteste erhalten. Die Anatomie hat hier zwar, na- 
mentlich durch Mehlis, grofse Fortschritte gemacht; aber sie hat uns nicht 
berechtigt, diese an sich so verschiedenen Thiere in schon vorhandene Ab- 
theilungen der übrigen zu vertheilen, daher es bei dem heutigen Zustand 
der Wissenschaft am zweckmäfsigsten sein dürfte, die natürlichen Gruppen 
von Würmern des süfsen und salzigen Wassers und der Binnenwürmer ein- 
fach nebeneinander hinzustellen, so dafs die Annulaten, die Turbellarien 
von Ehrenberg, die Nematoideen von Rudolphi, die Trematoden des- 
selben, die Tänien nebeneinander stehen, gleichviel ob eine dieser anato- 
misch verschiedenen Gruppen in oder aufser dem thierischen Körper wohnt. 
Ein Punkt, worin ich Rudolphi nicht beistimmen kann, ist seine Tren- 
nung der Cestoideen und Blasenwürmer. Sie zeigt sich schon bei näherer 
Betrachtung der Tetrarhynchen und der ihnen ähnlichen Anthocephalen, 
welche letztere Rudolphi unter die Cystica versetzte, unstatthaft. Diese 
Abtheilung der Blasenwürmer enthält Thiere, die nicht ähnlicher einander 
sind, als die Blasenwürmer den Cestoideen überhaupt sind. Die längeren 
bandwurmförmigen Arten der Cysticercus (C. fasciolaris) machen den Über- 
gang von den Cestoideen zu den übrigen Blasenwürmern. Die Köpfe der 
Coenurus, Echinococcus sind bandwurmförmig und die jetzt unter den Ce- 
stoideen sich befindenden Tetrarhynchen haben abgesehen von den Rüsseln 
manche Ähnlichkeit mit den Echinococcus, obgleich sie nicht in Blasen leben 
und in Blasen entarten. Daher hat schon Wiegmann bemerkt, dafs die Cy- 
stica die Grubenköpfe und Bandwürmer wiederholen und als unausgebildete 
Formen derselben angesehen werden können. Nach meiuer Meinung müssen 
die Cestoideen und Cystica in eine Ordnung kommen und 2 Abtheilungen 
darin bilden. Was man von der Entwicklung der Bandwürmer kennt, ist 
dieser Stellung günstig, indem mehrere Bandwürmer nach Mehlis im Ju- 


xXVI Gedächtnifsrede 


gendzustande nur aus dem Kopftheil bestehen. Diejenige scheinbare Zusam- 
mensetzung, welche aus der Gliederung hervorgeht, kann in beiden Abthei- 
lungen stark oder fast gar nicht ausgebildet sein. Bei den Bandwürmern be- 
zieht sie sich auf die Vervielfältigung von Leibesgliedern und Geschlechts- 
theilen. Einige Cystica hingegen, die Coenurus und Echinococcus erschei- 
nen als wirkliche zusammengesetzte Thiere, mit gemeinsamem Stamm (Blase) 
und vielen Köpfen. 

Wenn wir uns in diesen verwandtschaftlichen Verhältnissen jetzt leich- 
ter zurecht finden, so verdanken wir das eben Rudolphi. Er hat die Ord- 
nung und das Maafs in diese neue Fauna der Natur gebracht, indem er gleich- 
sam einen neuen Welttheil der Naturgeschichte in allen Beziehungen erforscht 
und gemessen hat. Selten haben Deutsche das Glück gehabt, in vaterländi- 
schen Unternehmungen die Naturkörper fremder Welttheile zu erforschen. 
Forster, Pallas, Lichtenstein, Tilesius, Kuhl wurden in die Ferne 
geführt, indem sie sich Unternehmungen des Auslandes anschlossen. Diese 
Beschränkung, in die wir durch unsere geographische Lage versetzt sind, hat 
hinwieder unserm Geist eine bestimmte Richtung auf das Verborgene der Ge- 
genwart gegeben und hat uns desto gröfser in der Erforschung einer Welt 
von verborgenen Bewohnern unserer heimathlichen Geschöpfe, in der Er- 
forschung der Structur der Naturkörper und ihrer innern Lebensvorgänge 
gemacht. 

In seinen naturhistorischen Arbeiten verband Rudolphi die Methode 
von Linne und von Pallas. Seine Diagnosen sind einfach, kurz und be- 
stimmt wie die des grofsen Schweden; in seinen ausführlichen Beschreibun- 
gen nimmt er überall auf die Anatomie Rücksicht. In seinen Arbeiten über 
die Eingeweidewürmer, über Balaena rostrata und longimana, über Rana 
pipa und in anderen osteologischen Monographien, in den Schriften über 
die electrischen Fische, deren Nerven und Organe er genauer als einer 
seiner Vorgänger kennen lehrte, in den Aufsätzen über den Orang Utang, 
über den Embryo der Affen sieht man diese Verknüpfung des naturhistori- 
schen und anatomischen Interesses; charakteristische Naturbeschreibung er- 
scheint auch in seiner Physiologie wieder und was er von den Racen der 
Menschen und von den geistigen Eigenschaften der beiden Geschlechter 


sagt, kann als ein Muster naturhistorischer Behandlung dieser Gegenstände 
dienen. 


auf Carl Asmund Rudolphi. XXVI 


Die Schriften der Akademie der Wissenschaften enthalten von Rudol- 
phi eine Reihe schätzbarer Abhandlungen. Die vergleichend-anatomischen 
sind theils osteologisch, wie einige der erwähnten, theils neurologisch, wie 
die Arbeiten über den electrischen Aal und Wels und die Beobachtungen über 
den sympathischen Nerven, worin er den von Sömmering nur angedeuteten 
mit der Arteria vertebralis verlaufenden Theil des Sympathicus beschreibt; 
theils myologisch wie die Abhandlung zur Anatomie des Löwen. Unter sei- 
nen Arbeiten in der pathologischen Anatomie hebe ich besonders die über 
den Wasserkopf und über die aus einem blofsen Kopfe bestehende mensch- 
liche Frucht hervor. Bei dem letzteren Fall, wozu ich vor 2 Jahren ein 
Gegenstück erwarb, zeigte er zuerst, wie dergleichen Früchte ohne Herz, 
die so viele Hypothesen veranlafst, ernährt werden, indem jener Kopf mit 
der Nabelschnur eines zweiten vollkommenen Fötus verbunden und seine 
Gefäfse Äste der Nabelgefäfse waren, wie sich dies auch in unserem Fall 
wiederholte. Seine Abhandlung über den Wasserkopf des Embryo scheint 
mir noch wichtiger, indem sie mannigfaltige angeborne Defecte in der Aus- 
bildung des Gehirns und Schädels als aus derselben Quelle fliefsend erklärt. 
Mich wundert, dafs Rudolphi, der viele Facta der pathologischen Anato- 
mie hier unter dasselbe Gesetz brachte, die Idee einer secundären Zerstörung 
oder Hemmung der Entwicklung nicht auch zur Erklärung anderer Defecte 
anwandte, da er sie so auslegte, dafs der Keim nur zur Bildung eines Kopfes, 
Fufses u. s. w. hingereicht habe. Von einem in frühester Zeit rachitischen 
Embryo, an dem der Kopf so grofs als der ganze übrige Körper ist, ist es 
nicht weit bis zur unvollständigen Entwicklung der ganzen untern Hälfte und 
bis zur Insertion des Nabelstranges unter dem Kopfe. Die Abhandlung vom 
Hermaphroditismus zeichnet sich durch Gelehrsamkeit und Scharfsinn gleich 
sehr aus. Rudolphi betrachtet diese Erscheinung unter dem allgemeinsten 
Gesichtspunkt und geht sie in den mehrsten Thierklassen durch. Die ge- 
wöhnlichen sogenannten hermaphroditischen Bildungen, welche nichts an- 
ders als Hemmungsbildungen der männlichen oder progressive Metamorpho- 
sen der weiblichen Genitalien sind, schliefst er mit Recht aus; beschreibt 
aber einen seltnen wirklichen hermaphroditischen Fall vom Menschen, in 
welchem einerseits Hoden und Ductus deferens, anderseits Uterus und 
Tuba vorhanden waren. Dieser Fall ist sehr merkwürdig, obgleich ich mich 
nicht von der Existenz eines Eierstocks auf der weiblichen Seite, den Ru- 

e 


XXVIL Gedächtnifsrede 


dolphi annahm, überzeugen konnte. Wie in der Regel die Anatomen 
thun, so legte Rudolphi auf jede Abweichung in der Bildung des thieri- 
schen und menschlichen Körpers einen grofsen Werth. Wenn man ge- 
wohnt ist Alles mit der Schärfe der Sinne aufzufassen und sein Fach enthu- 
siastisch lieb hat, so geräth es einem oft so; mag man auch zuweilen das 
Sonderbare überschätzen, die Abweichung von der Regel kann auch zur Er- 
kenntnifs des Gesetzes führen, das über der Regel ist. Cuvier, dem die 
pathologische Anatomie fremd war, konnte den pathologisch -anatomischen 
Einzelheiten keinen Geschmack abgewinnen, und es ist sehr charakteristisch 
was Cuvier einst Rudolphi erwiederte, als dieser ihn in Paris von selte- 
nen pathologisch-anatomischen Merkwürdigkeiten unterhielt: Mais ce n'est 
qwacceidentel. BRudolphi erzählt es selbst in seinen Reisebemerkungen. 
Man mufs übrigens gestehen, Cuvier’s Landsleute haben, abgesehen von 
der Theorie der angebornen Misbildungen, worin die Deutschen so viel ge- 
than, aus der Bearbeitung des Accidentellen für die Arzneikunde das Meiste 
zu machen gewufst. Diese Verknüpfung der practischen Arzneikunde und 
der Anatomie mufste in einem Lande entstehen, wo Bichat aufstand und 
die Gesetze der gesunden und kranken Gewebe entwickelte. 

Übrigens war Rudolphi für alle Zweige der Anatomie gleich eifrig. 
Oft sprach er sich aus, dafs man in einem Zweig derselben nicht hinreichend 
ausgebildet sein und nicht leicht etwas Grofses leisten könne, ohne mit allen 
übrigen Zweigen vollständig vertraut zu sein. Sichere Kenntnisse in der 
Zoologie sind hinwieder zur fruchtbaren Bearbeitung der vergleichenden 
Anatomie nöthig. Daher verlangte er, dafs die Anatomen menschliche, ver- 
gleichende, pathologische Anatomie zugleich, wenn auch nicht alle Zweige 
mit gleicher Liebe, umfassen, und zuweilen äufserte er sich sehr tadelnd, 
wenn er aus dürftigen Studien oder aus einseitigen Kenntnissen oder Un- 
kenntnifs in einem jener Fächer Fehler bei den Anatomen hervorgehen sah. 

Rudolphi war ein Gegner der eine Zeit lang herrschend gewesenen 
Art der Naturphilosophie. Bei jeder Gelegenheit äufserte sich Rudolphi 
auf das Kräftigste gegen eine mit misverstandener Philosophie verbundene Art 
der Naturstudien, welche sich lange ziemlich anspruchsvoll durch Mangel 
an einer exacten Methode und durch gewaltsame Tendenz zum Allgemeinen 
aussprach. Rührend ist was Rudolphi hierüber in Pallas Biographie zur 


Warnung der Jüngeren sagt und kann seine Wirkung nicht verfehlen; und 


auf Carl Asmund Rudolphi. XXIX 


eben so merkwürdig sind seine Äufserungen in dem von ihm bearbeiteten 
Artikel Anatomie im encyclopädischen Wörterbuch der medicinischen Wis- 
senschaften. Dafs er dabei eine auf Erkenntnifs der Bildungsgesetze gerich- 
tete vergleichende Anatomie anerkannte, läfst sich nicht bezweifeln. Sowohl 
in jenem Aufsatz als in seinen Vorlesungen sprach er sich für die Existenz 
von ein Paar Wirbeln im Schädel aus und tadelte nur den Misbrauch mit die- 
ser Idee, die, gelegentlich sei es gesagt, weder Goethe, noch Oken, 
noch Dumeril zuerst geäufsert oder in Schriften aufgestellt, sondern 
J. P. Frank in seinem Werk de curandis hominum morbis 1792 lib. D. 
p- 42 so glücklich war, kurz hinzuwerfen. Wenn Rudolphi bei seinen 
Arbeiten auf dergleichen Fragen wenig einging, so mochte es gröfstentheils 
daran liegen, dafs ihm die willkührliche Art, wie die Naturphilosophie diese 
Gegenstände behandelt, die Sache überhaupt verleidet hatte. Es hat mir 
jedoch zuweilen geschienen, als wenn Rudolphi auf diese Erkenntnifs der 
Bildungsgesetze in der Anatomie zu wenig Werth gelegt. Die Entdeckung, 
dafs alle Embryonen frühzeitig Kiemenbogen am Halse haben, sagte seinen 
Ideen gar nicht zu; er vermuthete Täuschung und berief sich auf andere Er- 
klärungen. Eine ganze Zeit lang stellte er Brütversuche an; die Resultate 
fielen nicht gerade zum Vortheil der Idee der Kiemenbogen aus; aber es 
war doch mancherlei bei diesen Versuchen gesehen worden, welches eine 
viel gröfsere Übereinstimmung des Fötuszustandes der Vögel mit dem der 
Fische zeigte, als man erwartet haben mochte. Die Idee, dafs der Mensch 
bei der Entwicklung die übrigen Thierstufen durchlaufe, war ihm zuwider 
und darin hatte er Recht. Die Existenz der Kiemenbogen am Halse der 
Embryonen hätte indefs Rudolphi nicht beunruhigen können, wenn er mit 
der Idee des Durchlaufens der Thierstufen nicht vielleicht auch die der Ein- 
heit des Plans in den Classen der Wirbelthiere verworfen hat. Wie sich 
nun Rudolphi diese allerdings vorhandenen Bogen und Spalten am Halse 
der Embryonen erklärte, ist mir niemals ganz klar geworden. Vielleicht hat 
er schon das Richtige eingesehen, dafs die Anlage für alle Wirbelthiere an- 
fangs ähnlich ist, dafs sich aber nur bei den Fischen auf jenen Bogen Kie- 
men bilden, und dafs jene Bogen bei den übrigen Thieren theils eingehen, 
theils in Hörner des Zungenbeins verwandelt werden. Rudolphi war mit 
seinem Zweifel gegen Dinge, welche Andere, nicht er, annahmen, nicht 
zurückhaltend und hartnäckig; doch fanden gute Gründe bei ihm immer 
e? 


XXX Gedächtnifsrede 


Eingang und gern liefs er eine Meinung fahren, von deren Ungrund er sich 
überzeugte. Die Verbindung des Nabelbläschens mit dem Darm durch einen 
Gang hatte er nicht gesehen, vermuthlich weil er ältere Eier untersuchte, 
noch 1828 ist er dagegen eingenommen; Prof. Gurlt zeigte ihm die Ver- 
bindung eines Diverticulum ilei mit dem Nabel und er wurde in Hinsicht der 
Erklärung zweifelhaft. 

Rudolphi’s Tendenz in der Physiologie war Kritik der Beobachtun- 
gen und der herrschenden Lehren. Die Zeit in welcher Rudolphi zu wir- 
ken anfing, war für die Physiologie eine glänzende gewesen. Nachdem 
Aloysius Galvani den Galvanismus entdeckt, wurde diese Erscheinung 
lange von den ersten Physikern und Physiologen für ein physiologisches 
Phänomen gehalten. Wenn sich auch diese Ansicht später widerlegte, so 
gab sie doch Gelegenheit zur Entdeckung der Gesetze der thierischen Reiz- 
barkeit, und auf der Bahn, welche A. v. Humboldt eröffnet, folgten viele 
Physiker und Physiologen. Rudolphi nahm an dieser Thätigkeit insofern 
Antheil, als er die Hypothese von der sensibeln Atmosphäre der Nerven 
prüfte und die Gründe, womit er die aus den galvanischen Versuchen an 
Thieren gezogenen Beweise dafür bestritt, sind noch heutzutage gut. Nach- 
dem man eingesehen, dafs der Galyanismus nur ein Reiz für die Kräfte der 
thierischen Theile ist und nachdem die Anwendung dieses Reizes auf die 
thierische Faser den Physiologen geleistet, was damals gewonnen werden 
konnte, erkannte man, dafs man zu viel von jener Entdeckung für die Phy- 
siologie erwartet, und statt sich dieses Mittels unter neuen fruchtbaren Ge- 
sichtspunkten zu weiteren Forschungen zu bedienen, verfielen die Ärzte in 
eine Abspannung. Was war für Viele nun leichter, als sich den Täuschun- 
gen einer physiologischen Mystik und Magie hinzugeben, welche immer prä- 
tensiöser und ansteckend den Supernaturalismus der sogenannten thierisch- 
magnetischen Kräfte geltend machte und welche die Räthsel der Physiologie 
auf eine viel bequemere und leichtere Weise zu lösen vorgab. Wie traurig 
ist das Bild jener Bestrebungen, wie niederschlagend im Gegensatz der hoff- 
nungsvollen Periode, in welcher das Werk über die gereizte Muskel- und 
Nervenfaser erschien und die Methode gezeigt, auf der man fortzuschreiten 
hatte. Eine herrschend gewordene übermüthige und oft leichtfertige Art 
über die natürlichen Dinge zu philosophiren konnte dem Besonnenen im 
Angesichte jenes Schwindels auch wenig Trostreiches darbieten. Auch in 


auf Carl Asmund Rudolphi. XXXI 


Berlin, dem Sammelplatz der würdigsten wissenschaftlichen Bestrebungen, 
fehlte es nicht an Leichtgläubigen. Da war es vorzüglich Rudolphi, der 
durch seine kräftige Opposition die Verbreitung hemmte und viel verdankt 
man seiner Stimme, dafs die Ärzte von dem Felde des medieinischen Wun- 
derglaubens zurückgekehrt sind. Es liefsen sich noch andere Beispiele von 
den Diensten anführen, welche Rudolphi’s offenes Urtheil gegen falsche 
Richtungen leistete. Die Früchte geniefsen wir jetzt, sie sind ähnlicher Art, 
wie jene fruchtbaren Wirkungen, welche die Jahresberichte des grofsen 
schwedischen Chemikers auf die exactere Bearbeitung der Naturwissenschaf- 
ten gehabt. 

Einen Inbegriff seiner physiologischen Lehren gab Rudolphi in sei- 
nem Grundrifs der Physiologie, wovon der erste Band 1821, des zweiten 
erste Abtheilung 1823, die zweite 1828 erschien. Die letzte Abtheilung 
fehlt; sie sollte von den Excretionen und von der Zeugung handeln. In 
seinen Papieren fand sich nur ein Fragment über die Harnabsonderung, für 
ihn hatte die Arbeit zuletzt wohl an Reiz verloren, besonders da dieser Theil 
der Physiologie anderweitig viele Fortschritte gemacht, und Rudolphi am 
liebsten davon handelte, wobei er eigne Untersuchungen benutzen konnte. 
Kritik der Beobachtungen, eine bewunderungswürdige Gelehrsamkeit und die 
Benutzung eines reichen Schatzes von kostbaren anatomischen Erfahrungen 
zeichnen dieses treffliche Werk aus. Mit dem dogmatischen Zuschnitt an- 
derer Werke verglichen fehlt darin allerdings manches, was man gewohnt 
war, einiges sogar, was zu dem actuellen Zustand der Wissenschaft gehörte; 
über manches war er kurz, wenn er keine kritischen Bemerkungen zu machen 
oder keine eigne Beobachtungen anzuführen hatte; er hatte den Fortschrit- 
ten der Nervenphysik noch nicht die Aufmerksamkeit geschenkt, welche sie 
in Anspruch nimmt. Endlich verdeckte der ungemeine Reichthum von 
vergleichend-anatomischen Thatsachen und die Kritik manches Einzelnen, 
worin Rudolphi wegen eigner Untersuchungen ausführlicher war, einiger- 
mafsen die wirklichen Mängel und Unvollkommenheiten unserer Wissen- 
schaft. Indessen wird dieses treffliche Werk immer einen grofsen Werth 
behalten, wenn viele Schriften, die mehr physiologische Erfahrungen aber 
mehr Irrthum enthalten, längst verschollen sind. 

Rudolphi’s Richtung in der Physiologie war überwiegend anatomisch 
und skeptisch, meistens gelten seine physiologischen Untersuchungen der 


XXXIL Gedächtnifsrede 


Widerlegung herrschender Meinungen. Die physiologischen Erfahrungen 
sah er in gar keinem Verhältnifs mit der Gewifsheit der Anatomie; kein 
Wunder wenn der treffliche Mann, der seine Scheu vor Vivisectionen bei 
jeder Gelegenheit aussprach, gegen alle Hypothesen und schlecht begründe- 
ten physiologischen Erfahrungen eine feindliche Stellung annahm. Man 
mufste ganz seine gerechte Indignation theilen, wenn man sah, wie manche 
Physiologen ihr Bestreben, die Physiologie zu einer Erfahrungswissenschaft 
zu machen, durch ein planloses Eröffnen und Quälen von recht vielen Thie- 
ren äufserten, wobei die Resultate oft so gering und so unbeständig waren. 
Das Inwendige eines verletzten Thieres sehen ist so wenig sehen wie es lebt, 
als die Anschauung seines äufsern Lebendigen. Rudolphi ging aber wohl 
zu weit, wenn er glaubte, dafs die Experimente an Thieren uns noch wenig 
gelehrt. Experimente in wichtigen Fragen angestellt, haben hier wie in der 
Physik zu den gröfsten Entdeckungen geführt. Die Entdeckung der ver- 
schiedenen Eigenschaften der vorderen und hinteren Wurzeln der Rücken- 
marksnerven war zuerst allerdings ein Gedanke eines genialen Geistes, der 
dann von ihm und Andern durch Experimente bestätigt werden mufste. Ru- 
dolphi blieb indefs durchaus nicht gleichgültig bei der Entwickelung der 
Nervenphysik in der neuern Zeit. Auf seine Veranlassung und unter seinen 
Augen wurden 1823 in der Thierarzneischule viele Experimente zur Prüfung 
der Bellschen Ansichten über den Nervus facialis und trigeminus ange- 
stellt und wenn er anfangs sich zweifelnd gegen die Lehre von den verschie- 
denen Eigenschaften der Wurzeln der Rückenmarksnerven verhielt, viel- 
leicht weil er der jetzigen Physiologie keine Gewifsheit über solche Lebens- 
fragen zutraute, so sprach er sich später, als entscheidend bestätigende Er- 
fahrungen bekannt wurden, offen für die Sache aus und betrachtete sie als 
einen der gröfsten Fortschritte in der Physiologie. Eine mehr philosophi- 
sche Zergliederung der allgemeinen Verhältnisse der Lebensthätigkeit, die 
ihm weniger sicher als die Kritik der Thatsachen war, vermied Rudolphi und 
auch das Gebiet des Geistigen betrat er mit Resignation und meist nur so, dafs 
er bald in eine naturhistorische Auffassung des Factischen überging, die ihm so 
sehr gelang. Unter den allgemeinern physiologischen Schriften zeichnete er 
nur wenige aus, in denen er Consequenz und Schärfe sah und wenn er die 
Mängel von Reil’s Abhandlung über die Lebenskraft, und seine Ablei- 
tung aller Lebenserscheinungen aus der Mischung und Form anerkannte, so 


auf Carl Asmund Rudolphi. XXXIN 


betrachtete er diese Arbeit gleichwohl als ein Meisterstück von Behandlung 
solcher Gegenstände, wie er denn überhaupt von Reil immer mit grofser 
Achtung sprach. 

Was Rudolphi sehr betrübte, war sein Verhältnifs zu Meckel. 
Beide waren voller Anerkennung gegeneinander und doch kamen sie aus 
den gegenseitigen Neckereien nicht heraus und diese haben, obgleich Nie- 
mand darauf als sie selbst achtete, beiden ihre Tage verbittert. Rudol- 
phi’s gerade jedoch niemals scharfe Art seine Meinung in seinen Schriften 
zu äufsern, hat ihm auch sonst manche Kränkung zugezogen, diese wäre ihm 
nicht unerwartet gewesen, wenn er die Art der Menschen genauer gekannt 
und nicht Anderer Denkungsart wie die seinige sich gedacht. Herr Link 
sagt von ihm sehr schön, er war zu unschuldig, um den Menschen zum Ge- 
genstand seiner Beobachtung zu machen, und ich möchte hinzusetzen, 
keine Erfahrung war ihm bitterer, als wenn er sich in den Menschen ge- 
täuscht hatte. 

Rudolphi’s früher feste Gesundheit hatte in den letzten Jahren 
merklich abgenommen; früher war es ihm immer auf der Anatomie zu warm 
gewesen; es mufste immer kühl um ihn sein, so dafs sich die Anderen öfter 
erkälteten; in den letzten Jahren konnte er es nicht warm genug haben. Als 
ich 18928 nach 5 Jahren ihn wiedersah, war ich sehr erschüttert die Züge 
des edeln Mannes ernster und schärfer zu sehen, er hatte sehr gealtert, ob- 
gleich seine scharfe Sehkraft ihn noch zu allen feinen Untersuchungen befä- 
higte, wozu die Sicherheit der Hand weniger nothwendig war. Ich hatte 
mich so sehr gefreut meinen väterlichen Freund wiederzusehen und ich sollte 
ihn zum letztenmal sehen. Dies wufste ich und empfand es auf das schmerz- 
lichste. Denn zu auffallend sah ich ihn verändert gegen die ganze frühere 
heitere Pracht seiner Züge. Doch blieb Rudolphi noch bis ins letzte Jahr 
in frischer Thätigkeit; im August 1832 fing Ascites, von einer Leberaffection 
verursacht, an sich einzustellen, an diesem erlag er am 29“ November des- 
selben Jahres. Seine Sammlungen sind durch Genehmigung Seiner Majestät 
des Königs angekauft worden, seine Entozoen sind dem zoologischen Mu- 
seum, seine einzige Bibliothek der Königlichen Bibliothek, seine Medaillen- 
sammlung dem Kunstmuseum einverleibt worden. 

Rudolphi war als Mensch nicht kleiner denn als Gelehrter, integer 
vitae scelerisgde purus. Wer ihn kannte mufste ihn lieben und hochachten 


XXXIV Gedächtnifsrede auf Carl Asmund Rudolphi. 


und wenn seine offene Art zuweilen empfindlich machte, so konnte man ihm 
auf die Dauer nicht widerstehen. Das Erste was er von den Menschen ver- 
langte war Rechtlichkeit, Wahrheit der Gesinnung, Freiheit des Gemüths 
von allem unedlen Wesen. Wo er diese fand, gab er Alles hin und liefs 
sich nicht wieder durch den Schein irre machen. So äufsert sich schon sein 
Wesen in seinen Gedichten, in denen er die Freundschaft oft besingt. Er- 
innere ich mich der freien heiteren ehrfurchtgebietenden Züge seines Ant- 
litzes, des liebenswürdigen männlichen Ernstes mit dem Ausdruck der Ener- 
gie und Wahrheit des Charakters, sehe ich alles dies in einem Bildnifs von 
ihm wieder, so bin ich immer gerührt. In einer unedlen Stimmung würde 
ich mich scheuen das Bild des väterlichen Freundes zu betrachten und erin- 
nere ich mich der edelsten Begegnisse meines Lebens, so fällt mir sogleich 
Rudolphi ein. 

Was Rudolphi als seinen höchsten Wunsch einst aufstellte, ist ihm 
gewährt. Schon als Knabe liebte er den Linne, ihn singt er begeistert in 
seinen Gedichten. Er ist es, der ihm erscheint und ihn in den Tempel führt, 
wo die Tafeln beschrieben sind mit den Namen Hedwig, Gärtner, Thun- 
berg. Damals ahnete er nicht wie nahe er stand dem Denkstein von Hun- 
ter, Daubenton und Vicq D’Azyr. Eine Tafel war leer und darüber 
war heiliges Dunkel; nun ist sie beschrieben. Da glänzen auch Pallas und 
Peter Camper und jener, der als er noch lebte, sich eine Stelle zu Peter 
Camper’s Füfsen wünschte, Bojanus. 


[6 u" S) 


I 


13. 


AXXV 


Schriften von C. A. Rudolphi. - 


a. Botanische Schriften. 


. Einige botanische Beobachtungen. In: Journal für die Botanik, herausg. von H.A.Schra- 


der. 1799. Bd.II. St. IV. Göttingen. 1799. 8. I. Nr.4. p.274. 
Einige botanische Bemerkungen. In: Journal für die Botanik, herausg. von H.A.Schra- 
der. 1800. B.II. St.I. u. II. Göttingen. 1801. 8. I. Nr.8. p- 201. 


Anatomie der Pilanzen. Eine von der Societät der Wiss. in Göttingen gekrönte Preis- 
schrift. Berlin. 1807. 8. Mit vı Kpfiln. 


b. Zoologische Schriften. 


. Observationes circa vermes intestinales. Gryphiswaldiae. 1793. 4. 
. Observalionum circa vermes intestinales Pars II. Gryphiswaldiae. 1795. 4. 


. Beobachtungen über die Eingeweidewürmer. In: Archiv für Zoologie und Zootomie, 


herausg. von €. R. W. Wiedemann. B.I. St.I. Braunschweig. 1801. 8. Nr.I. p.1. 


. Fortsetzung der Beobachtungen über die Eingeweidewürmer. Mit 1. Kpftfl. In Demsel- 


ben. B. 1I. St. II. Braunschweig. 1802. 8. Nr.I. p.1. und tab.1. 
Fortsetzung der Beobachtungen über die Eingeweidewürmer. Mit 1. Kpftfl. In Demsel- 
ben. B. III. St. I. Braunschweig. 1802. 8. Nr. I. p.61. und tab. U. 
(In der folgenden Nr. 10 wurde der Beschluls dieser Beobb. versprochen: ist aber 
nicht erschienen.) 


. Neue Beobachtungen über die Eingeweidewürmer. In: Archiv für Zoologie und Zootomie, 


herausg. von €. R. W. Wiedemann. B. III. St. II. Braunschweig. 1803. 8. Nr. I. p.1. 


. Entozoorum sive vermium intestinalium historia naturalis. Amstelaedami. Vol.I. 1808. 


Vol. 1I. P.I. 1509. Vol. II. P.II. 1810. 8. cun XI. zad. aen. 


. Erster Nachtrag zu meiner Naturgeschichte der Eingeweidewürmer. In: der Gesellschaft 


naturforschender Freunde zu Berlin Magazin für die neuesten Entdeckungen in der ges. 
Naturkunde. Jahrg.VI. Berlin. 1814. 4. Quart. II. 1812. Nr. XII. p.83. 


. Entozoorum synopsis, cui accedunt mantissa duplex et indices. Berolini. 1819. 8. cum 1. 


tab. aen. 


c. Vermischte anatomische und physiologische Schriften. 


Anatomie. In: encyclopädisches Wörterbuch der medicinischen Wissenschaften, herausg. 
von den Profess. der med. Facult. zu Berlin, €. F.v. Gräfe, C. W. Hufeland, H.F.Link, 
K. A. Rudolphi, E. v. Siebold. B. HI. Berlin. 1828. 8. p.357. 


132. Besonderer Abdruck: über Anatomie. Berlin. 1828. 8. 


14. 


19: 


Beiträge zur Anthropologie und allgemeinen Naturgeschichte. Berlin. 1812. 8. Mit dem 
Bildnils von Pallas. 
Anatomisch-physiologische Abhandlungen. Berlin. 1802. 8. Mit vun. Kpftiln. 

it 


XXXVI 


16. 


16 


19. 


20. 


21. 


22. 


23. 


24. 


d. Vergleichend - anatomische Schriften. 


Über die Anatomie des Löwen. Mit v. Kpftfln. (vorgeles. d. 19. Febr. 1818.) In: Abhand- 
lungen der K. Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus den Jahren 1818-1819. Berlin. 
1820. 4. Phys. Kl. p.131. 
b. (Besonderer Abdruck.) Beitrag zur Anatomie des Löwen (eine in d. K. Preufs. Akad. d. 
Wiss. vorgel. Abhandl.) Berlin. 1820. 4. Mit v. Kpftiln. 


. Resp. C. Guil. E. Reimann: (diss. med.) spicilegium observationum anatomicarum de 


hyaena. Berolini. 1811. 4. cum 1. tab. aen. 


. Anatomische Bemerkungen (1. über den Orang-Utang, und Beweis, dafs derselbe ein jun- 


ger Pongo sei. 2. über den Zitterwels.). Mit v. Kpftlln. (geles. am 21. Octbr. 1824.) In: 
Abhandlungen der physikalischen Klasse der K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 
Aus dem Jahre 1824. Berlin. 1826. 4. p.131. 

Über den Embryo der Affen und einiger anderen Säugthiere. Mit ıv. Kpftfln. (geles. am 
12. Juni 1828.) In: Abhandlungen der K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Aus 
dem Jahre 1828. Berlin. 1831. 4. Phys. Kl. p. 35. 

Anatomische Beobachtungen 1. über den Knochen am Hinterhaupt des Seeraben, Pelecanus 
Carbo L. 2. Bemerkungen über das Auge. 3. Eine seltene Art des Hermaphroditismus bei 
einem Affen, Sirmia capucina L.) Mit ır. Kpftfln. (Vorgeles. d. 27. März 1817.) In: Ab- 
handlungen der K. Akademie der Wissenschaften in Berlin aus den Jahren 1816-1817. 
Berlin. 1819. 4. Phys. Kl. p.111. 

Einige anatomische Bemerkungen über Balaena rostrata. Mit v. Kpftlln. (vorgeles. den 
26. Octbr. 1820.) In: Abhandlungen der K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Aus 
den Jahren 1820-1821. Berlin. 1822. 4. Phys. Kl. p. 27. 

Über Balaena longimana. Mit v. Kpftfln. (geles. am 23. Juli 1829.) In: Abhandlungen der 
physikalischen Klasse der K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Aus dem Jahre 1829. 
Berlin. 1832. 4. p.133. 

Beobachtungen aus der vergleichenden Anatomie (1. über die elektrischen Fische. 2. über 
den sogen. Giftsporn des männlichen Schnabelthiers, ornithorhynchus paradoxus.). Mit I. 
Kpftfln. (vorgeles. d. 7. Juni 1821.) In: Abhandlungen der K. Akademie der Wissenschaf- 
ten zu Berlin. Aus den Jahren 1820-1821. Berlin. 1822. 4. Phys. Kl. p.223. 

Einige Bemerkungen über den Bau der Brüste (geles. am 20. Octbr. 1831) und nachträg- 
liche Bemerkungen im Juli 1832. Mit ır. lith. Tin. In: Abhandlungen der K. Akademie 
der Wissenschaften zu Berlin. Aus dem Jahre 1831. Berlin. 1832. 4. Phys. Kl. p.337. 


24. (Besonderer Abdruck des ersteren.) Einige Bemerkungen über den Bau der Brüste. 


25. 


29. 
30. 


Berlin. 1831. 4. Mit ır. lith. Tfln. 

Einige Bemerkungen über die Durchkreuzung der Sehnerven bei den Fischen. In: Archiv 
für Zoologie und Zootomie, herausg. von C. R. W. Wiedemann. B.1I. St. II. Braun- 
schweig. 1800. 8. Nr.V. p.156. 


. Resp. F. Guil. Breyer: (diss. med.) observationes circa fabricam ranae pipae. Berolini. 


4811. 4. cum N. tab. aen. 


. Resp. F. Ch. Massalien: diss. sistens descriptionem oculorum scombri, thynni et sepiae. 


Berolini. 1813. 4. cum 1. tab. aen. 


. Resp. L. Wolff: diss. anat. de organo vocis mammalium. Berolini. 1812. 4. cum ıv. 


tab. aen. 


e. Schriften über Anatomie des Menschen und allgemeine Anatomie. 


Resp. E.M. H. Schwarz: disp. anat. de pilorum structura. Gryphiae. 1806. 4. 


Itesp. C. F. L. Gantzer: diss. anat. musculorum varietates sistens. Berolini. 1813. 8. 


46. 


47. 


48. 


49. 


50. 


. Resp. Sels: diss. musculorum varietates sistens. Berolini. 1815. 8. 
. Einige Beohachtungen über die Darmzotten. In: Archiv für Physiologie von J. Ch. Reil. 


B.IV. Halle. 1800. 8. Hft.I. p.63. 


. Fortsetzung der Beobachtungen über die Darmzotten. In Demselben. Hft. II. p.339. 

. Diss. de oculi quibusdam partibus. Gryph. 1801. 4. 

. Resp. J. H. Carger: diss. de ventriculis cerebri. Gryphiae. 1796. 4. 

. Einige Bemerkungen über den sympathischen Nerven. (vorgeles. d. 18. Aug. 1814.) In: 


Abhandlungen der K. Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus den Jahren 1814-1815. 
Berlin. 1818. 4. Phys. Kl. p. 161. 


7. Progr. de solidorum c. h. partibus similaribus. Gryphiae. 1809. 4. 
. Resp. J. L. Held: (diss.) observationes circa dentitionem. Gryphiae. 1809. 4. 
. Beitrag zur Geschichte der Zähne. In: Archiv für Physiologie von J. Ch. Reil. B. II. 


Halle. 1799. 8. Hft. II. p.401. 


. Resp. I. G. Tesmer: diss. anat. sistens observationes osteologicas. Berolini. 1812. 4. cum 


II. Zab. aen. (vorzüglich über Zähne.) 


. Über Hornbildung. (vorgeles. d. 2. Febr. 1815.) Mit ı. Kpftfl. In: Abhandlungen der K. 


Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus den Jahren 1814-1815. Berlin. 1818. 4. 
Phys. Kl. p.175. 


f: Physiologische Schriften. 


. Etwas über die sensible Atmosphäre der Nerven. In: Archiy für die Physiologie von 


Reil. B. III. p.188. 


. Über die sensible Atmosphäre der Nerven (vorgeles. d. 22. Juli 1813). In: Abhandlungen 


der K. Akademie der Wissenschaften in Berlin. Aus den Jahren 1812-13. Berlin. 1816. 
4. Phys. Kl. p. 208. 


. Dubia contra J. Galli de organis in cerebro distinctis üsque cranii ope detegendis hypo- 


thesin. Nova act. academiae scientiarum imp. Petropolitanae. T. XIV. Petropoli 1805. 
pP 7. 7 


. Grundrils der Physiologie. Berlin. B.I. 1821. B. II. Abth.I. 1823. Abth. II. 1828. 8. 


g. Pathologisch-anatomische Schriften. 


Übersicht der bisher bei den Wirbelthieren gefundenen Steine. (vorgeles. d. 11. Novbr. 
1812, vermehrt zum Druck Sptbr. 1815.) In: Abhandlungen der K. Akademie der Wis- 
senschaften in Berlin. Aus den Jahren 1812-1813. Berlin. 1816. 4. Phys. Kl. p.171. 
Beschreibung des Gehirns von einem Kinde, welchem das rechte Auge und die Nase 
fehlten. Mit ır. Kpftfln. (vorgeles. d. 26. Oct. 1815.) In: Abhandlungen der K. Akademie 
der Wissenschaften in Berlin. Aus den Jahren 1814-1815. Berlin. 1818. 4. Phys. Kl. 
p- 183. 
Über eine menschliche Milsgeburt, die nur aus einem Theil des Kopfes und Halses besteht. 
Mit ıv. Kpftiln. (vorgeles. d. 20. Juni 1816.) In: Abhandlungen der K. Akademie der Wis- 
senschaften in Berlin. Aus den Jahren 1816-1817. Berlin. 1819. 4. Phys. Kl. p. 99. 
Über den Wasserkopf vor der Geburt, nebst allgemeinen Bemerkungen über Misgeburten. 
(geles. am 1. Apr. 1824.) In: Abhandlungen der physikalischen Klasse der K. Akademie der 
Wissenschaften zu Berlin. Aus dem Jahre 1824. Berlin. 1826. 4. p.121. 
Beschreibung einer seltenen menschlichen Zwitterbildung, nebst vorangeschickten allgemei- 
nen Bemerkungen über Zwitter-Thiere. Mit 1. Kpftfln. (geles. am 20. Octhr. 1825.) In: 
Abhandlungen der K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Aus dem Jahre 1825. Berlin. 
1828. 4. Phys. Kl. p.43. 

f2 


XXXVIII 


51. Über das Fehlen einzelner Theile in sonst ausgebildeten Organismen. (geles. am 20. Juli 


92. 


53. 


55. 


50. 


- 


59. 


60. 


64 


1826.) In: Abhandlungen der K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Aus dem Jahre 
1826. Berlin. 15829. 4. Phys. Kl. p.83. 


h. Vermischte naturwissenschaftliche und medicinische Schriften. 


Bemerkungen aus dem Gebiet der Naturgeschichte, Mediein und Thierarzneikunde, auf 
einer Reise durch einen Theil von Deutschland, Holland und Frankreich gesammelt. Ber- 
lin. Th.I. 1804. Th. II. 1805. 8. 

Schwedische Annalen der Medicin und Naturgeschichte. B.I. Berlin und Stralsund. 1800. 
(Mft.I. 1799. Hft. II. 1800.) 8. 


. Übersicht der Schwedischen medicinischen Litteratur von 1799. In: nordisches Archiv für 


Naturkunde, Arzneiwissenschaft und Chirurgie, herausg. von Pfaff, Scheel und Rudol- 
phi. B. II. St. II. Kopenhagen. 1801. 8. Nr. III. p.79. 


Übersicht der Schwedischen medicinischen Litteratur in den Jahren 1800 und 1801. In: 
nordisches Archiv für Naturkunde, Arzneiwissenschaft und Chirurgie, herausg. von Pfaff, 
Scheel und Rudolphi. B. IH. St. III. Kopenhagen. 1803. 8. Nr.I. p.3. 

Nordisches Archiv für Natur- und Arzneiwissenschaft, herausg. von Pfaff und Scheel. 
B. I. (St. I. I. TIL) Kopenhagen. 1799-1801. 8. Mit 1. Kpftfl. — Nord. Arch. für Natur- 
kunde, Arzneiwiss. und Chirurgie, herausg. von Pfaff, Scheel und Rudolphi. B.II. 
II. IV. (3 St.) Kopenh. 1801-1805. 8. Mit v. Kpftfln. — Neues nord. Arch. für Nat. 
Arzn. u. Chir. herausg. von Pfaff, Scheel und Rudolphi. B.I. (St.I. u. II.) Frank- 
furt a. d. Oder. 1807. 8. 


. Recensionen in der Jenaischen, Hallischen u. Leipziger Litteraturzeitung von 1800 bis 1810. 
. Anatomische und physiologische Artikel im eneyclopädischen Wörterbuch der medicini- 


schen Wissenschaften. 
i. Übersetzungen. 


Schwedische Robbenarten aus (C. P.) Thunberg Beskrifning pa Svenske djur. Upsala. 
1798. p.85. 

A.J. Retzius, Versuch einer Aufstellung des Mineralreichs. Übersetzt von K. A. Ru- 
dolphi. Leipzig. 1798. 8. 


k. Anderweitige Schriften nicht naturwissenschaftlichen Inhalts. 


. Peter Simon Pallas, ein biographischer Versuch. Berlin. 1812. Mit dem Bildnils von Pallas. 


Abdruck aus den Beiträgen zur Anthropologie und allgemeinen Naturgeschichte.) 


. Index numismalum in virorum de rebus medicis aut physicis meritorum memoriam per- 


eussorum. (Gratul. honores doctorales decem ante lustra acceptos Ch. Knape.) Berolini. 
1523. 8. cum I. tab. aen. (effig. Ch. Knape in nummo.) 


3. Index numismatum in virorum de rebus medicis vel physicis merilorum memoriam per- 


cussorum. (Physiophili Germanici gratul. diem semisecularem J. F. Blumenb ach.) Bero- 
lini. 1825. 8. (ed. II.) cum 1. tab. aen. (effig. I. F. Blumenbach in nummo.) 


Recentioris aevi numismalta virorum de rebus medicis et physicis meritorum memoriam 
servantia collegit et recensuit. Berolini. 1829. 8. (ed. III.) 


65. Gedichte. Berlin und Greifswald. 1798. kl.8. 


— ED — 


Physikalische 


Abhandlungen 


der 


Königlichen 


Akademie der Wissenschaften 


zu Berlin. 


zsasıır an raroeruerarıooeen.rar 


Aus dem Jahre 


1835. 


saurer ran 


Berlin. 


Gedruckt in der Druckerei der Königl. Akademie 
der Wissenschaften. 


1837. 


In Commission bei F. Dümmler, 


Enshrarie 


EscHRicht und MÜLLER über die arteriösen und venösen Wundernetze an der 
Leber und einen merkwürdigen Bau dieses Organes beim Thunfische, 


Thynnus vulgaris ..eeeseeeereersneenennnn ernennen nn nennen Seite 1 
KunTH über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus.ueuserensneneeene: - 33 
Link über den Bau der Farrnkräuter (zweite Abhandlung) ..........-versrenn. 0. -u133 


MÜLLER über die organischen Nerven der erectilen männlichen Geschlechtsorgane 

des Menschen und der Säugethiere .........--unerzoereneenun. - 9 
EHRENBERG: Mittheilung einer sehr einfachen Methode zum Festhalten, Vergleichen 

und Aufbewahren der feinsten und vergänglichsten mikroskopischen 

Übjecters ee ses gelesene naretanta ein sleleie efenmetsicteleieie Slalare dt - 141 
Derselbe: Zusätze zur Erkenntnils grolser organischer Ausbildung in den kleinsten 


thierischen Organismen -.........0000esnennnonennnneneennene - 151 
Derselbe über die Akalephen des rothen Meeres und den Organismus der Medusen 

deniOstseet ade elterekels er lelstefetetelo ereisterslateeleleietoreiereteleleteizieleteiniete - 181 
Weıss über eine versteckte gegenseitige Beziehung zwischen den Krystallsystemen 

des -Feldspathes und des Kalkspathes .......-2ersessererenenen. - 261 
Derselbe: Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung ....... - 281 
H. Rose über die Lichterscheinungen bei der Krystallbildung ..................- - 321 
Nachtrag zu der Abhandlung der Herren EschrichT und MÜLLER über die Wun- 

dernetze an der Leber des Thunfisches.........-.e--ersenren0» - 325 


— nn mn 


I 
Ireclkau 
. U U} F 


Ei 

r Kazk $ 
sr ( 

a U 


20 = - EN 7 fi ni 
Ende 


a. ICH ae 
B url nad ß 
An 5 


Über 
die arteriösen und venösen Wundernetze an der Leber 
und einen merkwürdigen Bau dieses Organes beim 
Thunfische, Thynnus vulgaris. 


+ 


Von 


H- ESCHRICHT und H”-_MÜLLER. 


unnnnnnnannnn 


[Mitgetheilt von dem Letztern in der Akademie der Wissenschaften am 29. Juni 1835.] 


Mit einigen neueren Zusätzen. 


1. Veranlassung der Untersuchung. 


\ V.: lange bekannt auch die Thunfische in der Geschichte der Fischereien 
sind, so ist doch die Naturgeschichte derselben bis auf Cuvier an Dunkel- 
heiten und Verwechselungen reich gewesen und die anatomischen Eigenthüm- 
lichkeiten derselben in der Ordnung der Scomberoiden sind gröfstentheils 
bis jetzt unbekannt geblieben. Aristoteles hatte zwar schon Thiere dieser 
Familie untersucht, und die aufserordentlich lange und enge Gallenblase 
seiner Amia (Pelamis sarda) entdeckt (!), mit welcher die Gallenblase der 
Thunfische (Thynnus vulgaris, alalonga) nach Cuvier’s (*) Beobachtungen 
übereinstimmt. Eine allgemeine sehr unvollständige Kenntnifs von der Form 
und Lage der Eingeweide und von den Eigenthümlichkeiten des Skelets ist 
indefs das einzige, was wir von der Anatomie dieser Thiere kennen. Die phy- 
siologischen Verhältnisse dieser Familie sind in mehr als einer Hinsicht merk- 
würdig. Man denke nur an die regelmäfsigen Wanderungen, über welche 
freilich noch vieles zu untersuchen übrig bleibt. Noch eigenthümlicher ist 
die hohe eigene Temperatur der Thunfische, auf welche ganz vor Kurzem 


(') Hist. anim. ed. Schneid. Lib. I, 11. vulg. 15. 
(?) Hist. nat. des poissons. T. VII, p. 66. 125. 


Physikal. Abhandl. 1835. A 


2 Escnrichr und Müter über die arteriösen und venösen W undernetze 


John Davy (!) aufmerksam geworden. T’hynnus pelamys, ein Thunfisch des 
atlantischen Meeres, hat nach J. Davy’s Beobachtung 99° F. eigene Tem- 
peratur bei 80°,5 F. des Mediums, und auch bei anderen Thunfischen soll 
die Temperatur nach weniger sicheren Nachrichten beträchtlich sein. Die 
Beobachtungen, die wir hier mitzutheilen haben, betreffen eine in anatomi- 
scher wie physiologischer Hinsicht gleich wichtige Eigenthümlichkeit in dem 
Bau der Unterleibseingeweide und ihrer Gefäfse, wovon sich bis jetzt keine 
Spuren bei irgend einem andern Thiere gezeigt haben. Die nächste Veran- 
lassung zu den folgenden Beobachtungen war eine Entdeckung meines 
verehrten Freundes Herrn Eschricht in Copenhagen. Derselbe schickte 
mir unter dem 1. November 1833 ein Stück von der Leber des Thun- 
fisches mit der Bemerkung, dafs er nirgends eine so eigenthümliche Structur 
der Leber erkannt habe. Sie bestehe aus lauter parallelen Gängen mit sehr 
kleinen Anhängseln und die Masse reifse sich nur in Längsschichten, die ganz 
faserig erscheinen. Das von Herrn Eschricht gesandte Stück erregte meine 
Aufmerksamkeit in hohem Grade; in der That schien die ganze Lebermasse 
nur aus solchen mit den kleinen acini besetzten Röhren zu bestehen; da 
die Stämme der Gefäfse nicht mehr an diesem Stück erhalten waren, so 
blieb es mir ungewifs, ob diese Röhrenbildung der eigentlichen Drüsen- 
substanz der Leber oder den Blutgefäfsen angehörte und der erstern fremd 
war. Glücklicherweise befand sich die Leber und der Darmkanal eines Thun- 
fisches auf dem Königlichen anatomischen Museum. Hier bestätigte sich nicht 
blofs die von Herrn Eschricht entdeckte Bildung; sondern ich konnte auch 
ermitteln, dafs diese zum Theil parallelen, gröfstentheils aber strahligen 
Röhren, woraus die Leber zu bestehen schien, in der That nicht die eigent- 
liche Drüsensubstanz der Leber, sondern nur Blutgefäfse waren, welche von 
grofsen Blutbehältern an der convexen Fläche der Leber ausgingen ; dafs 
dagegen die Drüsensubstanz der Leber nur in den kleinen, mit blofsen Augen 
noch ganz gut erkennbaren Anhängseln bestand, womit die Röhren besetzt 
waren. Ein solcher Blutbehälter war im convexen Theile jedes der 3 Leber- 
lappen. Der Blutbehälter des rechten Leberlappens ging nach aufsen in 
einen dicken kurzen Gefäfsstamm, die vereinigten Blutbehälter des linken 
und mittleren Leberlappens in einen gleichen Gefäfsstamm über. Beide Ge- 


(*) Z’Institut. Journal general des societes et travaux scientifiques. N. 108. 


an der Leber des Thunfisches u. s. w. 3 


fäfsstäimme waren dicht an der Leber abgeschnitten. Beim Aufblasen jener 
Behälter schwollen alle strahlenförmigen Röhren der Leber auf. Die Gallen- 
gänge dagegen nahmen an dem Zerfallen in parallele und in strahlenförmige 
Röhren keinen Antheil; überhaupt konnte ich die Lebersubstanz durch Auf- 
blasen des Duczus hepaticus nicht aufblasen. Keine jener Röhren füllte sich. 
Es war nun zu ermitteln, welche der Blutgefäfse, die Arterien, die Venen 
oder die Pfortaderzweige jene Röhren bilden. Leider waren auch die Stämme 
der Blutgefäfse auf der concaven Seite der Leber abgeschnitten und die Leber 
hing durch keine Blutgefäfse weder mit dem Darmkanal noch mit der Milz 
zusammen. Indefs bewies die Ausmündung der Sinus auf der convexen Fläche 
der Leber, dafs diese, wie die von ihnen ausgehenden Röhren, den Leber- 
venen angehören; denn jene Seite ist die dem Herzen zugewandte. Auch 
liefs sich von dem Hauptstamm an der concaven Seite der Leber nicht die 
ganze Leber aufblasen, und obgleich er auch viele Gefäfse in die Leber ab- 
s sehr von der der Lebervenen auf der andern 


ö 
Seite verschieden, deren ganze strahlenförmige Verbreitung mit einemmale 


gab, so war doch die Bildun 


von dem Sinus aufgeblasen werden konnte. 

Was vorläufig an unserm Präparat gewifs wurde, dafs der strahlig röh- 
rige Bau der Leber des Thunfisches von den Lebervenen herrührt, theilte 
ich meinem Freunde Eschricht mit, mit der Aufforderung, an seinem Prä- 
parate weitere Untersuchungen anzustellen. Doch war an den isolirten Thei- 
len der Leber weiteres nicht zu ermitteln. Mein Freund bemerkte, dafs er 
diese Gänge wenigstens hauptsächlich für Gefäfsfortsetzungen gehalten habe, 
und dafs es ihm sehr willkommen sei, zu erfahren, dafs sie es wirklich sind. 
Er glaube auch, dafs man in neueren Zeiten vielleicht etwas zu wenig Rück- 
sicht genommen auf die Rolle der Blutgefäfse in den Drüsen, vor allem in 
der Leber. Denn wenn es deutlich ist, dafs bei Embryonen der Ausführungs- 
gang die Hauptrolle spielt als Fortsetzung der Darmhöhle, so ändere sich 
dieses Verhältnifs wenigstens der Masse nach in der Leber doch ganz sicher. 
Auf den vortrefflichen Injectionspräparaten von Ibsen in Copenhagen, wo 
die drei Gefäfssysteme und die Gallengänge mit vier verschieden gefärbten 
Massen injieirt, dann das Ganze ungemein sorgsam corrodirt ist, zeige sich 
dieses sehr deutlich, obgleich allerdings von den Haargefäfsen und den letz- 
ten blinden Endigungen der Gallengänge dabei nicht die Rede sein könne. 


A2 


4A  Eschricaht und Mürrer über die arteriösen und venösen Wundernetze 


Er rathe die Leber von Delphinembryonen nachzusehen, wo dasselbe Ver- 
hältnifs ihm sehr deutlich zu sein scheine. 

Etwas Eigenthümliches, was ich an der Thunfischleber des hiesigen 
anatomischen Museums sah und zum Theil noch an dem von Herrn Esch- 
richt gesandten Stück der Leber erkannte, konnte ohne neue Hülfsmittel 
keine Erklärung finden. Diefs waren 2 Zoll lange und über 1-2 Zoll dicke 
und dichte Büschel von mehr röthlich grauen, nicht mit Lebersubstanz be- 
setzten Röhren, welche von der eigentlichen Leber verschieden, auf die 
concave Seite der Leber, da wo die Gefäfse verliefen, aufgesetzt und damit 
verwachsen waren. Diese Lappen enthielten auch in ihrem Innern keine 
Spur von Lebersubstanz; sie liefsen sich von irgend einer stärkern Röhre am 
Anfang der Quäste aus oder auf dem Querdurchdurchschnitt aufblasen. Die 
quastartigen Lappen waren sehr viel fester als die eigentliche Lebersubstanz 
und doch zugleich noch viel poröser durch die darin enthaltenen Röhren. Was 
nun diese mit der Leber verwachsenen Massen waren, liefs sich an unserem 
Präparat nicht ausmachen. Obgleich nämlich die unzähligen durch Zellge- 
webe verbundenen Röhrchen an der von der Leber abgewandten Spitze sich 
plötzlich in stärkere Gefäfse sammelten, so waren doch wieder diese Stämme 
durchschnitten und ich konnte also nicht ausmitteln, ob diese röhrigen, der 
Leber angewachsenen Massen eine eigene den 'Thunfischen zukommende 
Drüse bilden oder dem Gefäfssystem angehören. Mit den ungeheuren Massen 
der appendices pyloricae waren diese Lappen nicht zu verwechseln. Auf dem 
Durchschnitt glichen dieselben einigermafsen dem Durchschnitt der Hoden 
einiger Fische. Auch der Hoden des 'Thunfisches kann ganz aufgeblasen 
werden. Aber diese Massen gehören nicht zu den Geschlechtstheilen. Nach- 
dem so viel Merkwürdiges erkannt war, mufste uns alles daran gelegen sein, 
die besser erhaltenen Eingeweide eines Thunfisches zu erwerben. Hierzu 
gelangte ich durch die Gefälligkeit des Hrn. Lichtenstein, Königl. Preufs. 
Consuls in Montpellier. Die Eingeweide dieses Thieres von 3 Fufs Länge 
waren zwar schon etwas macerirt, aber über die Hauptfragen konnte man 
bald ins Klare kommen. Ich entdeckte nämlich, dafs die auf die concave Seite 
der Leber aufgesetzten Massen Wundernetze darstellen, zwischen den in der 
Leber sich verbreitenden Zweigen der Pfortader und den Darmvenen, Milz- 
venen und Magenvenen, so zwar, dafs alle Venen des chylopoetischen Systems 
sich erst in diese röhrigen Massen auflösen und aus den Wundernetzen erst 


an der Leber des Thunfisches u. s. w. 5 


das Blut in die Leber sich verbreitet. Diese Bildung ist einzig in der Thier- 
welt und ist um so merkwürdiger, als sie allen bisherigen Ideen über den Zweck 
der Wundernetze an verschiedenen Arterien und Venen entgegen scheint. 
Die Wundernetze an der Leber der Thunfische sind aber zusammengesetzter 
als alles, was wir bis jetzt von den Wundernetzen der einzelnen Gefäfse bei 
den Wiederkäuern, Tardigraden, Stenops, Delphinen u. a. wissen. Denn 
eines der mehrfachen gröfseren Wundernetze an der Leber des Thunfisches 
besteht allein schon aus vielen Hunderten von Röhren. 

Ehe ich zur genauern Beschreibung der Leber und der Wundernetze 
des Thunfisches übergehe, mufs ich eine kurze Beschreibung der Verdauungs- 
eingeweide dieses Thieres vorausschicken. 


Il. Allgemeines von den Verdauungsorganen des Thunfisches. 


Die Verdauungseingeweide des Thunfisches und anderer Scomberoi- 
den hat Cuvier bereits in seiner Histoire des poissons T. VII. im allgemei- 
nen beschrieben ; er kennt die lange darmähnliche Gallenblase des Thynnus 
vulgaris, alalonga, des Pelamis sarda und die gleichfalls lange Gallenblase 
der Scomber, Auxis, Thyrsites, Lepidopus. Meckel hat in seinem System 
der vergleichenden Anatomie die Scomberoiden, wohl aus Mangel an Mate- 
rialien, vernachlässigt, und auch Rathke giebt uns in seiner Abhandlung über 
das Pfortadersystem der Fische in Meckel’s Archiv 1826 keine Mittheilun- 
gen von der Leber und der Pfortader der Scomberoiden. 

Der Magen des Thunfisches Taf. IH. Fig. 1. X. ist ein langer conischer, 
bis in den hintern Theil der Bauchhöhle ragender Blindsack von fleischigen 
Wänden, die unmittelbare Fortsetzung des Schlundes. Das blinde stumpf- 
spitze Ende sieht nach hinten. Der pylorus befindet sich am obern Seiten- 
theile des Sackes. Die pars pylorica des Darms, worin die Stämme der 
appendices pyloricae (M.) einmünden, liegt vor dem Magen, die appendices 
pyloricae theils vor dem Magen, theils links von demselben. Der Darm steigt 
von der pars pylorica anfangs vorwärts unter die Leber, biegt sich dann um 
und steigt rückwärts bis zur Länge des Magens, dann wieder vorwärts bis unter 
die erste obere Biegung, nun wieder rückwärts, dicht an dem letzten aufstei- 
genden Theil bis zum After, ohne seinen Durchmesser zu verändern. Die 
Milz (5.) ist lang und schmal und liegt zwischen dem ersten absteigenden und 


6 Escnkicht und Mürrer über die arteriösen und venösen Wundernetze 


dem wieder aufsteigenden Theil des Darms. In Hinsicht der sehr zahlreichen 
Bündel der appendices pyloricae und ihres Baues verweise ich auf die Abbil- 
dung und Beschreibung, welche ich in der Schrift de glandularum structura 
penitiori p. 64 Tab. VI. Fig. 4. 5. gegeben. 

Die Leber bildet drei platte Hauptlappen, wie schon Cuvier angiebt, 
einen mittlern (G.) und zwei seitliche (7. H.). Im allgemeinen von dreieckiger 
Gestalt, sind sie hie und da eingeschnitten, wodurch Nebenlappen entstehen; 
die Nebenlappen sind indefs bei verschiedenen Individuen durchaus ungleich 
und ihre Zahl unconstant. Die drei Hauptlappen der Leber hängen durch 
dünne lappige Streifen von Lebersubstanz zusammen; überdiefs verschmilzt 
der mittlere Lappen mit dem linken an seiner Basis ganz; wie denn auch diese 
zwei Lappen nur einen gemeinsamen Lebervenenstamm haben. 

Die Gallenblase (1.) ist ein sehr langer, bei kleineren Thunfischen selbst 
gegen 1 Fufs langer, enger Kanal, mit unterem blindem Ende. Ihre Länge 
entspricht der Länge des ersten absteigenden Theiles des Darms, an welchem 
sie anliegt, und ihr blindes Ende reicht bis nahe zum After. In zweien Fällen 
war ihr Ausführungsgang, da wo er die Lebergänge aufnimmt, etwas erweitert. 
Die Einmündung des Gallenganges in den Darm befindet sich an der Stelle, 
wo der letztere die fünf Stämme der appendices pyloricae aufnimmt. Lage und 
Zusammenhang der Verdauungseingeweide sind in Fig. 1. Taf. IH. abgebildet. 


III. Strahlenförmiger Bau der Lebervenen. Wundernetze des 
Pfortadersystems. 


Auf der convexen Seite der Leber sieht man die Abgangsstellen der 
beiden Lebervenenstämme (Taf.1.). Der kleinere gegen 4 Linien breite Stamm 
führtdas Blut aus dem rechten Leberlappen, der zweite stärkere aus dem lin- 
ken und mittlern Lappen. Die beiden Stämme der Lebervenen durchbohren 
das Diaphragma und senken sich in den gemeinschaftlichen, auch die rechte 
und linke gemeinschaftliche Hohlader aufnehmenden Sinus aller Körpervenen, 
von wo das Blut in den Vorhof gelangt. Das mit der Leber verbundene Ende 
der Lebervenenstäimme dehnt sich in dem oberen Theile der Leber sinuös 
aus. Die sinuöse Erweiterung des rechten Lebervenenstammes im Innern des 
vechten Leberlappens ist gegen 2 Zoll lang; im linken und rechten Leber- 
lappen, wo die Erweiterung gemeinschaftlich, gegen 4 Zoll lang; beide Er- 


an der Leber des Thunfisches u. s. w. 7 


weiterungen gegen $ Linien bis 1 Zoll breit. Die inneren Wände dieser Höh- 
len, welche der Lebersubstanz zugekehrt sind, bestehen aus den Häuten der 
Venen und zeigen viele beckenartige Vertiefungen, von welchen die strahlen- 
förmigen Zweige der Lebervenen entspringen. Diese gehen an den verschie- 
denen Stellen theils abwärts, theils auswärts, alle mehr oder weniger strahlig 
divergivend, ab. Jeder strahlige Lebervenenzweig theilt sich bald wieder in 
mehrere Zweige, die so wie ihre dichotomischen Zweigelchen wieder in der- 
selben Richtung durchaus gerade gegen den Rand der Leber und die untere 
Fläche derselben fortgehen. Die stärksten radialen Gefäfse haben einen Durch- 
messer von 4-1 Linie, die feinsten von 1 und weniger. Die feinsten Röhrchen 
sind nun mit der flockenartigen Substanz der Leber besetzt, was man an den 
macerirten Stücken sieht. Wahrscheinlich findet also hier, trotz der strahligen 
Vertheilung der Lebervenenzweige, doch ein ähnliches Verhältnifs wie beim 
Menschen und den Säugethieren statt, wo nach Kiernan’s vortrefflichen 
Untersuchungen die Lebervenen auch mit den acini besetzt sind und durch 
unzählige kleine Öffnungen die venulae centrales der acini aufnehmen. 

Auf der untern Fläche der Leber sieht man die Wundernetze des 
Pfortadersystems. Die Wundernetze sind verschiedene 2 Zoll lange und 
1, Zoll bis 2 Zoll dicke Quäste von feinen gestreckten, hier und da anasto- 
mosirenden Blutgefäfsen, die untereinander durch dichtes Zellgewebe ver- 
einigt sind. Jede zum Pfortadersystem gehörende Vene geht abgesondert, 
ehe sie ihr Blut der Leber zuführt, in ein solches Wundernetz über und meist 
treten in den Anfang des Wundernetzes mehrere Venen zugleich ein. An 
der Basis des Wundernetzes sammelt sich das Blut wieder in stärkere Gefäfse, 
welche sich dann in der Leber als Pfortaderzweige verbreiten. Einige der 
(Juäste der Wundernetze haben eine birnförmige Gestalt, die Spitze ist dann 
von der Leber abgewendet und nimmt die Venen auf; die Basis sitzt auf der 
Leber auf; diese angewachsene Basis ist schmaler als der Körper. Andere 
namentlich kleinere Wundernetze sind spindelförmig; doch ist der gegen die 
Leber gerichtete Theil immer dicker als der Stiel. Eines der gröfsten Wun- 
dernetze ist fast so breit als lang und ist platt. Diese Form entsteht dadurch, 
dafs die Zahl der in das Wundernetz tretenden Venen zunimmt und dafs 
diese in einer Reihe nebeneinander eintreten. An einem solchen zusammen- 
gesetzten Wundernetz sieht man dann wieder die den einzelnen Venen ange- 
hörenden kleineren Büschel; und so wie die kleineren Büschel birnförmig 


S  EscnaricHht und Mürter über die arteriösen und venösen WW undernetze 


oder spindelförmig sind, so ist auch das Ganze, wo es auf der Leber aufsitzt, 
etwas zusammengezogen, der schmalern Basis der Büschel entsprechend. Der 
im Stiel des Wundernetzes liegende Gefäfsstamm zerfällt sogleich in eine 
Menge von Ästen, diese wieder in kleinere Zweige, so dafs nun die Haupt- 
masse des Wundernetzes viele Hunderte nebeneinander liegende, meist ge- 
streckte Röhrchen von 4-4 Linie darstellt, welche hier und da untereinander 
anastomosiren und alle die Richtung gegen die Leber nehmen. Bläst man 
die Gefäfse im Stiel auf, so schwellen die verschiedenen Theile des Wunder- 
netzes auf, deren Röhrchen von jenen Gefäfsen ausgehen. An der Basis hän- 
gen die Röhrchen wieder, in gröfsere sich sammelnd, auf das mannigfaltigste 
zusammen. 

Vom Magen gehen drei Gefäfse zu den Wundernetzen, eines an der 
rechten Seite des Magens, eines an der linken, ein drittes auf der hintern 
Fläche. Ein starker Gefäfsstamm tritt von der Milz zu einem besondern 
Wundernetz und viele Blutgefäfse kommen von den appendices pyloricae und 
dem Darm, um sich einzeln in das gröfste aller Wundernetze einzusenken. 
Diese bilden eine ganze Reihe über das pars pylorica des Darms. 

Der rechte Leberlappen hat zwei grofse Wundernetze, welche von 
einander getrennt sind. Sie sitzen mit ihren Basen an dem breitern Theil der 
concaven Fläche des rechten Leberlappens; das eine ist birnförmig, das an- 
dere mehr spindelförmig. Das spindelförmige Wundernetz nimmt ein Gefäfs 
von der rechten Seite des Magens auf; in die Mitte und den vordern Theil 
des Büschels treten noch mehrere kleine Gefäfse von dem vordern Theil der 
untern Fläche des Magens. Das birnförmige Wundernetz nimmt die grofse 
Milzvene auf. Am dünnern Theil dieses Wundernetzes treten überdiefs noch 
einige kleine Venenstämmchen vom Darm ein. 

Der mittlere Leberlappen besitzt ein sehr breites plattes Wundernetz, 
das keinen einfachen Stiel hat, sondern in viele Zipfel nach der freien Seite 
hin zerfällt. Es ist 2 Zoll lang und eben so breit, 1 Zoll dick. In die Zipfel 
treten viele einzelne kleinere Venenstämmehen von der pars pylorica des 
Darms und von den appendices pyloricae. Jeder Zipfel erhält ein oder meh- 
vere Stämmchen. In dieses Wundernetz tritt auch noch ein Gefäfs vom 
Magen, welches hinter der Gallenblase und Milz hergeht. 

Die Wundernetze des linken Lieberlappens sind mehrere Büschel, zwei 
gröfsere und drei kleinere Büschel. Von den gröfseren erhält der eine das 


an der Leber des Thunfisches u. s. w. 9 


Blut von der hintern linken Seite des Magens, die anderen von den appen- 
dices pyloricae, von letzteren noch mehrere kleinere Venen. An der concaven 
Seite der Leber liegt noch ein sehr starkes, diekhäutiges Gefäfs, welches 
auch theils in der Leber sich verzweigt, theils mit der Basis der Wunder- 
netze zusammenhängt. Es ist in Taf. II. Y. abgebildet. Dieses Gefäfs, dessen 
Ursprung an dem letzten Präparat nicht ermittelt werden konnte, weil der 
Stamm beim Herausnehmen der Eingeweide von anderen Gefäfsen des Rum- 
pfes abgeschnitten worden, theilt sich in zwei Äste, einen der an der concaven 
Seite des rechten, den andern, der an der concaven Seite des mittlern Leber- 
lappens und des mit ihm verbundenen linken Leberlappens hergeht. Bläst 
man diese Gefäfsstämme auf, so schwellen die Wundernetze auch an. Da aus 
den Wundernetzen theils viele Zweige unmittelbar sich in der Leber ver- 
breiten, aber auch die letzterwähnten Gefäfsstämme sowohl in der Leber als 
in den Wundernetzen sich verzweigen, so wurden diese Gefäfse noch räth- 
selhafter. Ist jener Stamm Arterie oder Vene? ist er ein Stamm der Pfort- 
ader, der sich aus den Wundernetzen wieder bildet und sie untereinander in. 
Communication setzt? aber woher dann das abgeschnittene Hauptgefäfs, in 
welches sich die beiden Äste vereinigen. Nimmt diefs vielleicht, fragte ich 
mich, Venen des Rumpfes oder der Geschlechtstheile auf, die an den Wun- 
dernetzen keinen Antheil nehmen, aber doch ihr Blut in die Pfortader ergie- 
fsen? Dagegen spricht die Stärke der Wände an diesem Gefäfsstamm und seinen 
Ästen. Diefs so wie die ganz aufserordentliche Stärke der dieses Gefäfs be- 
gleitenden Nerven blieben mir räthselhaft. Um darüber ins Klare zu kommen, 
mufste ein neuer Thunfisch und die Gefäfse in situ untersucht werden. 

Die vorhergehenden Beobachtungen über die Leber und die Wunder- 
netze des Thunfisches wurden mit dem letzten Abschnitte der Abhandlung und 
den Tafeln I. und II. der Königl. Akademie der Wissenschaften am 29. Juni 
1535 mitgetheilt. Neue Materialien, die sowohl in Copenhagen als hier ge- 
wonnen wurden, veranlafsten seither noch weitere Aufschlüsse, als sie unsere 
gemeinschaftliche Untersuchungen bisher ergeben hatten. Die späteren 
Ergebnisse, bestehend aus neuen und wichtigen Mittheilungen von Herrn 
Eschricht und aus den Resultaten der Untersuchung eines zweiten hier 
angelangten Thunfisches sind in den zwei nächsten Abschnitten enthalten. 
Die gemeinsame Angelegenheit war uns, nachdem ich meinem Freunde im 
Herbste 1535 in Copenhagen persönlich über die Wundernetze der Pfortader 

Physikal. Abhandl. 1835. B 


10 Escaricht und Mürrer über die arteriösen und venösen Wundernetze 


berichtet hatte, immer wichtiger geworden. Eine reiche Quelle eröffnete 
sich plötzlich in Copenhagen. Bald nach meiner Abreise von Copenhagen 
kam dort ein frischer im Sunde gefangener sehr grofser Thunfisch an. Herr 
Eschricht hat daran nicht blofs die Wundernetze der Venen des chylo- 
poetischen Systems bestätigt, sondern eine neue und wichtige Entdeckung 
gemacht, dafs ein Theil der Röhren der Wundernetze arteriös ist und dafs 
die Arterie des chylopoetischen Systems, eben jenes mir noch räthselhafte 
Gefäfs, wovon vorher die Rede war, sich einestheils in die Leber verzweigt, 
anderntheils an der Basis der Wundernetze sich in unzählige Röhren auflöst, 
die einen Theil der Röhren der Wundernetze ausmachen und sich an den 
freien Enden der Wundernetze wieder in einzelne Gefäfse sammeln, um zu 
den Eingeweiden hinzugehen. Besondere Röhren der Wundernetze nehmen 
daher das Blut aus den Darmvenen, Magenvenen, pancreatischen Venen und 
aus der Milzvene auf, um es zur Leber zu bringen und besondere Röhren, 
die zwischen den anderen liegen, nehmen das Arterienblut auf, um es zu den 
Eingeweiden, zur Milz, zum pancreas, Magen, Darm zu bringen, während die 
arteriösen Gefäfse der Leber nicht erst durch die Wundernetze durchgehen. 
Die Wundernetze haben daher die doppelte Beziehung, zur Leber einestheils 
durch die Pfortader, zu allen übrigen Eingeweiden des chylopoetischen 
Systems durch die Arterien. Obgleich sie an der Leber liegen und an ihr 
angewachsen sind, haben sie doch eine gleich grofse Beziehung zu allen übri- 
gen Organen des systema chylopoeticum. 

Das Resultat der Untersuchungen von Hrn. Eschricht an dem letz- 
genannten Thunfische theile ich nun wörtlich mit. 


IV. Wundernetze der Arterien des chylopoetischen Systems. Ver- 
halten derselben zu den Wundernetzen der Pfortader und zu 
den Lebervenen. 


(Beitrag zur Anatomie der Thunfischleber von Herrn EscHRIcHT.) 


Der Thunfisch, dessen Leber zu folgender Untersuchung benutzt 
wurde, kam am 29. September 1835 in Copenhagen an. Er war (angeblich 
am 27.) bei Helsingör in einem grofsen Fischernetz gefangen worden, das er 
grofsentheils zerrissen hatte. Sein Gewicht wurde auf 400 Pfund geschätzt, 


an der Leber des Thunfisches u. s. w. 11 


seine Länge betrug von der Schnautze zum Schwanzende 8’ 10”, zum Rande 
des Operculum 2' 2%”, sein Umfang, wo er am gröfsten war, 4° 2%”. Er war 
männlichen Geschlechts (wie sich später ergab). 

Es wurde die Bauchhöhle weit aufgeschnitten bis ans Pericardium, 
und, da die Lebermasse sehr weich war, so dafs sie bei dem Anfassen leicht 
rifs, näherte man sich mit vieler Vorsicht den Hauptästen ihrer Gefäfse, 
denen am leichtesten anzukommen war, und Herr Ibsen injieirte die zwei 
grofsen Lebervenenstämme, die dicht am Pericardium eingeschnitten wur- 
den, mit grüner Masse; einige Arterienstämme, die an der rechten Seite der 
Leber neben mehreren Pfortaderzweigen verliefen, mit rother, und mehrere 
Pfortaderzweige mit gelber Masse. Auch wurden die Gallengänge von dem 
Ductus cysticus aus mit weifser Masse injieirt, allein mit wenigem Erfolg. 
Die Injectionsmassen waren sämmtlich aus gefärbtem Leim bestehend. Es 
dauerte diese Arbeit an dem colossalen Thiere von 1 Uhr Mittag bis in den 
Abend hinein, und da unterdessen die Leber noch viel mürber geworden 
war, wurde sie herausgenommen und in starkem Weingeist aufbewahrt. 
Einige Tage später versuchte Herr Ibsen wieder noch mehrere Zweige zu 
injieiren, was jedoch nur einen unvollkommenen Erfolg hatte. Die Leber lag 
darauf mehrere Wochen im Weingeist und wurde erst untersucht, nachdem 
die Haut längst zum Ausstopfen benutzt, das Fleisch aber in sehr vielen Por- 
tionen als efsbar vertheilt war. Die Breite der Leber betrug 2’ 34”, von 
vorn nach hinten 11”. 

Die Thunfischleber ist sowohl an dem vordern convexen, als an dem 
hintern etwas concaven Rande mehrfach eingeschnitten und dadurch stark 
gelappt. Man kann auf jenem Rande 6, auf diesem 4 solcher Lappen unter- 
scheiden, die in verschiedenem Grade getrennt sind, und selbst wiederum 
mehrere weniger tiefe Einschnitte haben, oder mit kleineren Anhängen ver- 
sehen sind. 

Die obere Leberfläche ist im Ganzen genommen convex; die untere 
etwas concav. Auf dieser unteren Fläche zeichnen sich einige kegelförmige 
Massen von den eigentlichen Lappen sogleich aus. Es sind deren 8. 
Die 6 gröfsten stehen paarweise und können als rechtes, mittleres und linkes 
Paar unterschieden werden. Jedes dieser Paare besteht aus einem vordern 
und einem hintern Kegel, die an ihrer Basis mehr oder weniger verbunden 


B2 


12 Escmuicht und Mürzer über die arteriösen und venösen VV undernetze 


sind. Aufserdem aber finden sich zwischen dem linken und dem mittlern 
Paare 2 nicht gepaarte kleinere Kegel. 

Wo die Kegel mit ihrer Basis auf der unteren Leberfläche ansitzen, 
kann man mit einem Spatel zum Theil zwischen ihnen und der eigentlichen 
Leber eindringen, wenn man blofs etwas Zellengewebe entfernt. Sie sitzen 
also nicht mit ihrer ganzen Basis, als sich hiemit in die Lebersubstanz verlän- 
gernd, an; der Umkreis derselben ist nur contiguus damit, nicht continuus. 

An der Anheftungsstelle der Kegel ist die Leber selbst ungemein 
dünn, an meinem colossalen Exemplare höchstens 3” dick, Diese dünneren 
Stellen der Leber lassen sich auf der obern Leberfläche nicht unterschei- 
den, auf der untern Fläche aber erscheinen sie als Vertiefungen, die 
sämmtliche Kegel umfassen, und mit einander mittelst schmälerer Gänge zu- 
sammenfliefsen. Sie bilden die Leberpforte. 

In der Leberpforte finden sich 1) die Gallengänge, 2) einige Ner- 
venstämme und 3) eine grofse Arterie, die wir wegen ihrer fast knorpe- 
ligen Wände die diekhäutige nennen werden. Die Pfortader tritt hin- 
gegen in die Spitzen der Kegel hinein, und die Leberblutadern aus der 
convexen Leberfläche heraus, ohnweit des hintern Leberrandes. An den 
Spitzen der Kegel befinden sich aber aufser den eintretenden Venen noch 
mehrere Arterienstämme mit ungleich dünneren Häuten als jene in der 
Pforte; und an dem rechten vordern Kegel (der besonders gut injieirt und 
deshalb auch besonders genau untersucht wurde), ein Nervenstamm von 
der Dicke eines Federkiels. Ein ähnlicher noch dickerer Nervenstamm war 
an der Basis desselben Kegels, oder an dem damit paarigen Kegel zu sehen. 

Unter den Gallengängen ist der Ductus choledochus ziemlich eng, 
noch mehr aber sein einer Zweig, der D. cystieus, obgleich dieser in eine 
enorme (trocken 2 9” lange) Gallenblase überging, die längs der Mittellinie 
des ganzen Unterleibes lag, so dafs sie beim Aufschneiden des Unterleibes 
mit Noth entging beschädigt zn werden. Der D. hepaticus wechselte in seiner 
Weite mehrmals und sehr bedeutend ab, und verlief quer über die untere 
Leberfläche, sich in der Pforte für die verschiedenen Leberlappen verästelnd. 
Auffallend war der Verlauf seines einen Zweiges zwischen den beiden mitt- 
leren Kegeln, woselbst er von der diese verbindenden Mittelsubstanz brük- 
kenartig bedeckt wurde. 


an der Leber des Thunfisches u. s. w. 13 


In der Leber scheinen die Lebergänge hauptsächlich dem Tractus der 
Arterienzweige zu folgen; doch sind sie in der Tiefe, wegen ihrer dünnen 
Wandungen, sehr schwer zu verfolgen, und ihre Injection war nur sehr un- 
vollkommen gelungen. 

Die Pfortader wird aus sehr vielen kleineren Zweigen gebildet, die 
in die Kegelspitzen hineintreten. Diese Zweige kommen hauptsächlich von 
den Verdauungswerkzeugen, vielleicht auch, wie sich vermuthen läfst, von 
anderen Theilen der hintern Körperhälfte ('). Die drei vorderen der gepaar- 
ten Kegel scheinen vorzugsweise Eingeweideblutadern, die hinteren sowohl 
Venen der Eingeweide als der umliegenden Theile aufzunehmen. Der Ein- 
tritt des letztern Blutes, also in die hinteren Kegel, geschieht durch viele 
Stämme, z. B. 14-16 für die hinteren mittleren Kegel; jeder dieser Stämme 
wandelt sich aber alsbald in eine platte Masse um, dem Anschein nach einen 
Theil der Lebermasse. 

Schon vor der Injection hatte die Oberfläche der Leber zum aller- 
gröfsten Theil, nämlich überall an den Kegeln und an der convexen Ober- 
fläche, ein gestreiftes Aussehen, wie es mir schon vor langer Zeit an einer in 
Spiritus lange aufbewahrten Thunfischleber aufgefallen war, und wodurch 
im Grunde diese Untersuchungen zuerst veranlafst wurden. Nach der Inje- 
ction wurde dieses auf einmal ganz klar. Die Arterien waren roth, die Pfort- 
ader gelb, die Blutadern grün, die Gallengänge (sehr unvollkommen) weils 
angefüllt. 

Nach der Injection hatten die verschiedenen Leberparthieen ein auf- 
fallend buntes Aussehen, indem es fast überall gestreift mit abwechselnden 
Farben erschien. Die Kegel wurden durchaus roth und gelb gestreift, ohne 
Spur der grünen Masse oder sonst irgend einer zwischenliegenden Substanz. 
Die convexe Oberfläche der Leber zeigte sich fächerförmig gestreift; 
die Streifen hauptsächlich grüner Farbe mit weniger rothen, noch viel we- 
niger gelben und einzelnen weifsen Streifen. Die untere Leberfläche 
war der Pforte zunächst ebenfalls mittelst derselben Farben gesteift, mehr 
nach dem vorderen Rande hin aber ohne Streifen, graubräunlich gefärbt mit 
isolirten dunkleren rundlichen Flecken von etwa 1” Durchmesser. 


(') Diese Vermuthung, die ich theilte, hat sich an dem letzten Thunfisch nicht bestätigt. 
M. 


44 Escmkicht und Miızer über die arteriösen und venösen IWW undernetze 


Nachdem mehrere Einschnitte in die Substanz gemacht und viele Ver- 
suche angestellt worden, die einzelnen Stämme dorthinein zu verfolgen, ergab 
sich Folgendes. 

Bau der Kegel. Sie sind wahrhafte Corpora spongiosa, indem 
sie nur aus Gefäfsgeflechten der Pfortader und der Pulsadern 
bestehen. Diese Geflechte von beiderlei Blutgefäfsen sind aber von ein- 
ander durchaus getrennt, so dafs die Injectionsmasse nirgends aus jenem 
in dieses System gedrungen war. Die Gefäfsgeflechte bilden ferner keine 
Zellen, sondern nur sehr viele lange, ohngefähr gleich breite Röhren (etwa 
1” breit) [alle Messungen nur nach dem Augenmaafs genommen], die ziem- 
lich gerade und mit der Axe der Kegel parallel durch deren ganze Länge 
verlaufen. Dies sieht man sowohl an der Oberfläche der Kegel, als auch bei 
Einschnitten in dieselbe. Bei Querdurchschnitten nehmen die Schnittflächen 
sich siebförmig aus durch die Menge ohngefähr gleich starker Löcher der 
durchgeschnittenen Röhren. An mehreren Stellen weichen jedoch die 
Röhren von diesem gradlinigen Verlaufe ab. So namentlich um den oben 
erwähnten grofsen Nervenstamm herum, welcher sich nur wenig in dem Kegel 
selbst verzweigend, auch ohngefähr mit der Kegelaxe durch die röhrige Sub- 
stanz verläuft, und daselbst von einer zelligen Scheide eingeschlossen ist, 
ohngefähr wie die Commisura anterior im Gehirn. Um diese Scheide herum 
liegen die Gefäfsröhren nicht grade, sondern bilden eine Art Geflecht um sie 
herum. An der Basis der Kegel weichen die Röhren ganz und gar von ihrer 
Richtung ab, indem sie sich in die Quere legen, sich erst nach dem Centrum 
der Kegelbasis wendend, dann aber sich umbiegend und auswärts strahlend, 
um alsbald als wahre Gefäfsstämme zu erscheinen. 

Die Gefäfsröhren der Kegel stehen also sowohl an deren 
Spitze als an deren Grundfläche mit Gefäfsstämmen in Verbin- 
dung, und dies gilt sowohl von den zum Arteriensysteme als von 
den zum Pfortadersysteme gehörigen Röhren. Die Gefäfsröhren sind 
analog den Wundernetzen überhaupt, zumal aber denen an den Pulsadern der 
Extremitäten der trägen Säugethiere. Die Thunfische wären Leberfaulthiere 
zu nennen, wenn nicht im Grunde diese Kegel gar nicht wesentlich zur eigent- 
lichen Leber gehörten, sondern nur als Divertikel anzusehen wären des 
Kreislaufs der hinteren Körperhälfte überhaupt, zumal aber al- 


an der Leber des Thunfisches u. s. w. 15 


lerdings des Kreislaufs in den Verdauungseingeweiden, wie sich 
sogleich ergeben wird. 

Es entsteht nämlich jetzt die Frage, ob die Blutbahn in jedem Kegel 
von der Spitze nach der Basis, oder von dieser nach der Spitze hingeht, eine 
Frage, deren Lösung bei der Untersuchung der Theile im Zusammenhange 
sich sogleich ergeben mufs, jedoch auch durch die Untersuchung der isolirten 
Leber sich entscheiden läfst. 

Die Gefäfsstämme, mit denen die Kegelröhren an den Grundflächen 
in Verbindung stehen, liegen in der Pforte, und von hier aus verzweigen 
sich die Pfortaderstämme in die Leberlappen hinein und nur in diese; also 
offenbar eine spätere oder zweite Verästelung. Für die Pfortaderblutröhren 
wäre also die Frage leicht beantwortet; das Blut tritt aus den Verdauungs- 
eingeweiden in die Spitzen der Kegel, um darin in mannigfaltige Röhren zu 
zerfallen, und wiederum in der Pforte zusammenzustreten und sich dann erst 
auf die gewöhnliche Weise für die Leberlappen zu vertheilen. 

Dafs die Blutbahn für die Arterien hiermit übereinstimmend sei, 
liefse sich vielleicht daraus vermuthen, dafs auch sonst das Arterienblut mit 
dem Pfortaderblute einen Weg nimmt, es ist hier aber offenbar umgekehrt. 
Erstlich kommen die Pfortaderzweige von den Unterleibseingeweiden her, 
das Arterienblut kann nicht daher kommen, sondern mufs dorthin gehen. 
Zweitens sind die Arterienstäimme in den Kegelspitzen ziemlich dünnwandig, 
die in der Pforte hingegen sind sehr diekhäutig, so dafs das Durchschnei- 
den der sogenannten dünnen Leberstellen etwas Knorpeliges spüren läfst. 
Sie sind Aste der diekhäutigen Arterie in der Leberpforte, und 
sie verzweigen sich wiederum, die secundären oder wahren Pfortaderäste 
begleitend, in die Leberlappen hinein. Für diese Ansicht spricht aufser- 
dem auch noch der Umstand, dafs jener grofse Nervenstamm (Yagus) des 
rechten vordern Kegels auch nur ein durchgehender ist und zwar so, dafs 
er an der Basis hinein, an der Spitze heraustritt, in dem Kegel nur wenige 
Äste von sich schickend, alle mehr nach der Spitze hingerichtet, den 
letzten an der Spitze ausgenommen, der allerdings in die Kegelspitze hinein 
zurückläuft. 

Die Blutbahn des arteriellen Blutes ist demnach folgende. Die 
diekhäutige Arterie ist der gemeinsame Stamm der Leberarterien und der 
Arterien für die Verdauungseingeweide. In der Pforte verzweigt sie sich eines- 


16 ect und Mürıer über die arteriösen und venösen W undernetze 


theils als wahre Leberarterie in die Leberlappen hinein, mit ihren Zweigen 
denen der Pfortader folgend, anderntheils aber zerfällt sie in unzählige dünne 
Röhren, die in ziemlich stumpfen Winkeln von ihren Hauptzweigen entsprin- 
gen und darauf (mit den ähnlichen Wundernetzröhren der Pfortaderstämme) 
die schwammigen Kegel bilden, um sich wieder, aber in sehr spitzen Winkeln, 
in Äste zu sammeln (an den Spitzen der Kegel) und ihrer Bestimmung gemäfs 
an die Verdauungseingeweide zu treten. 

Wir gehen jetzt zur Beschreibung der eigentlichen Leberlappen. 
Es ist bereits angeführt worden, dafs die Lebervenen von der convexen 
Leberfläche dicht an ihrem hintern Rande entspringen; dafs dieselbe Fläche 
durch die Injection sehr dicht mit grünen (Farbe der Leberblutadern) Strei- 
fen bedeckt wurde, die fächerförmig über die ganze Fläche nach dem vor- 
dern Rande ausstrahlen, und dafs hiermit seltnere Zweige der Pfortader, 
der Leberarterien und einzelne der Gallengänge parallel verlaufen. Ferner 
wurde bemerkt, dafs zwar auch an der untern Fläche, wenigstens an ihrem 
zunächst der Pforte liegenden Theile, eine ähnliche fächerförmige Ausbrei- 
tung Statt hatte, sonst aber hier die Leberoberfläche mehr gleichförmig grau- 
bräunlich erschien mit isolirten dunkleren Flecken. 

Die Streifen, die sich an der Oberfläche der Leberlappen zeigen, rüh- 
ren allerdings auch von ziemlich gleichdicken, gerade gestreckten, also röh- 
renförmigen Gefäfszweigen her, und namentlich von allen drei Gefäfsklassen 
(besonders aber den Leberblutadern), so viel ich weifs, auch von den Gal- 
lengängen. Doch haben diese Röhren eine ganz andere Bedeutung als die 
der Kegel. Es sind keine Wundernetze. Ihre lineare Form rührt nur daher, 
dafs überhaupt die Leber sehr regelmäfsig von der Pforte aus in Unterab- 
theilungen zerfällt, ohngefähr in folgender Form: 

Zunächst der Pforte ist die ganze Lebersubstanz allerdings röhrenför- 
mig. Von hier aus verästeln sämmtliche Zweige sich auch nur schwach, ver- 
breiten sich aber erst nach dem vorderen Rande hin, dann gebogen mehr 
der unteren Fläche zu. Auf diesem Wege tritt aber mehr und mehr eine 
körnige Substanz zwischen die Gefäfsröhren, und zunächst an der untern 
Fläche und dem vordern Rande zu macht diese Substanz einen grofsen 
Theil des Ganzen aus. Zerreifst man die Lebersubstanz, zumal an etwas 
macerirten Stücken, so bricht sie immer parallel mit der angegebenen Rich- 
tung, erscheint aber nicht zellig, wie jene Kegel, sondern körnig, durch 


an der Leber des Thunfisches u. s. w. 17 


die den Gefäfsen anhängende Substanz. Die Gefäfse erscheinen hiedurch 
wieder oft wie mit blinden Anhängen versehen, doch fand ich nirgends die 
Injectionsmasse von einem Äste aus in sie hineingetreten. 

Wenn die Natur dieser körnigen Masse genügend erläutert werden 
könnte, so würden wir beim Thunflsch wohl die erste Leber haben, deren 
Bau hinlänglich ergründet wäre. So bleibt uns aber gewöhnlich eine — oft 
nur eine kleine — allein leider eine wichtige Brücke übrig, wo wir nicht hin- 
überkommen können. 

Gehen wir also auf einem Umwege jenseits dieser Brücke, und folgen 
dem zurückkehrenden Lebervenenblut, so sammelt sich dies in zwei grofse 
Becken, die auf der convexen Fläche der Leber transversal liegen, ohnweit 
des hintern Randes verlaufen, und von dort aus ergiefst es sich in zwei sehr 
grofse Stämme, die alsbald in den venösen Sinus sich ergiefsen. 

So weit reichen die besonderen Mittheilungen von Herrn Eschricht. 


V. Verhalten der übrigen Eingeweide und Gefäfse. 


Das Wesentliche der ganzen Untersuchung war nun ermittelt. Was 
noch aufzuklären übrig blieb, war das Verhältnifs der Venen der Geschlechts- 
theile und Harnwerkzeuge zu den übrigen Venen. Frühe genug, um auch 
dieses vor dem Abschlufs unserer Arbeit aufzuhellen, langte in Berlin noch 
gegen Mitte April ein schon im Herbste 1835 von Montpellier abgegangener 
Thunfisch (Thynnus vulgaris) von 3 Fufs Länge an, dessen Besorgung wir 
abermals der Gefälligkeit des Herrn Lichtenstein in Montpellier verdanken. 
Zugleich war Herr Eschricht so gütig, mit dem vorher mitgetheilten Be- 
richt die injicirte Leber des für Copenhagen acquirirten Thunfisches hieher 
zur Vergleichung zu senden, nachdem derselbe schon lange vorher die Resul- 
tate seiner Untersuchung brieflich mitgetheilt hatte. Zur Vervollständigung 
der letztern habe ich nach Untersuchung der injieirten Leber nichts zuzu- 
setzen. 

Eine Beobachtung, die ich zuletzt noch hier an dem zweiten Thunfisch 
von Montpellier gemacht habe, betrifft eine merkwürdige Eigenthümlichkeit 
im Bau der Nieren. Die Eingeweide dieses Thieres wurden iz situ präparirt, 
nachdem die Seitenwände des Rumpfes abgeschnitten worden, und hiernach 
wurde die Zeichnung Tab. III. Fig. 6. entworfen. 

Physikal. Abhandl. 1833. C 


18 Escrnkicht und Mürxer über die arteriösen und venösen WW undernetze 


Die Nieren des Thunfisches liegen nicht wie bei den meisten Fischen 
in der Länge der obern Bauchwand, sondern blofs über dem vordern Theile 
der Bauchhöhle, und zwar die Hauptmassen, innerhalb des Schultergürtels 
zu beiden Seiten des Anfangs der Aorta, wo sie aus der Vereinigung der 
Kiemenvenen entsteht, über dem Schlund und über und hinter den Kiemen. 
Siehe Tab. III. Fig.5. Ihr vorderes Ende reicht bis an die vorderen Kiemen- 
venen und fast bis in die Nähe des Hinterhaupts; die beiden hinteren Kiemen- 
venen jeder Seite sind schon von den Nieren von oben bedeckt. Von dem 
Anfang der Aorta bis zu der Stelle, wo rechts und links die grofsen Arterien 
für die seitlichen Rumpfwände abgehen, sind die Nieren getheilt und zwi- 
schen ihnen liegt der stärkste Theil der Aorta. Von dieser Stelle an ver- 
schmelzen die Nieren, vor der Fortsetzung der Aorta als arteria caudalis, mit 
einander zu einer Masse und von dem verschmolzenen Theil der beiden 
Hauptmassen setzt sich die untere Hälfte der Nieren unpaarig und schmal an 
der Mitte der obern Bauchwand noch eine Strecke fort, ohne jedoch die 
Hälfte der Länge der Bauchhöhle zu erreichen. Der vordere paarige Theil 
der Nieren ist sehr dick und breit, liegt mit der äufsern und obern Fläche 
dicht an dem äufsern und obern Theil der inneren Rumpfwandungen und des 
Schultergürtels an; der schmälere hintere Theil ist hingegen sehr dünne. Die 
Niere besteht deutlich aus kleinen platten Lappen, wie man besonders an 
dem obern Theil und an dem hintern schmalen Theil derselben sieht. Dicht 
vor dem hintern Ende theilt sich die unpaarig gewordene Niere wieder in 
zwei kurze Endlappen, aus denen jederseits ein Ast des Ureters hervor- 
geht. Beide Äste vereinigen sich sogleich unter spitzem Winkel zu einem 
unpaaren Kanal, welcher als eine dickhäutige Röhre in der Mittellinie der 
hintern Bauchwand herab läuft. Nur der Anfang des Ureters der Thun- 
fische ist also doppelt; der durch den gröfsten Theil der Bauchhöhle herab- 
gehende Stamm ist unpaarig, eine Bildung, die uns noch von keinem Fische 
bekannt ist. Nach Eröffnung der Bauchhöhle werden weder die Nieren noch 
der Ureter sogleich sichtbar. Sie sind durch eine fibröse Haut von der 
Bauchhöhle geschieden, die man erst wegnehmen mufs, um sie zu schen. 
Wo diese Haut vor dem unpaarigen Ureter herabgeht, ist sie sehr stark 
und fest. Mit der untern Wand des hintersten Endes des Ureters ist der 
Körper der 1 Zoll langen, festen Urinblase verbunden. Die Harnröhre geht 
hinter dem Mastdarm in den für die Geschlechtstheile und Harnwerkzeuge 


- 


an der Leber des Thunfisches u. s. w. 19 


bestimmten Ausgang über, dessen Mündung, wie gewöhnlich bei den Fischen, 
hinter dem After liegt. 

Der Anfang der Aorta entsteht aus den zwei ersten Paaren der Kie- 
menvenen. Die beiden ersten Kiemenvenen verbinden sich jederseits zuerst 
zu einem gemeinschaftlichen Stamm, beide gemeinschaftliche Stämme, venae 
branchiales communes, gehen unter spitzem Winkel, rückwärts gerichtet, zu- 
sammen. Hierdurch entsteht der unpaare Anfang der Aorta zwischen den vor- 
deren Enden des paarigen Theiles der Nieren. Der Anfang der Aorta nimmt 
dann noch die zwei hinteren Kiemenvenen jeder Seite auf. Vom Anfang der 
Aorta bis zum Abgang der Arterien der seitlichen Rumpfwände, arteriae 
axillares (?), ist die Aorta sehr dick. Von diesem Theil der Aorta gehen 
mehrere Nierenarterien seitlich und die einzige grofse Arterie des chylopoeti- 
schen Systems nach unten und hinten ab. Die arzeriae axillares selbst durch- 
bohren mit den venae axillares die hinteren Theile der seitlichen Hauptmassen 
der Nieren, um zu den Muskeln der Bauchwände zu gelangen, schief. Wäh- 
rend des Durchganges geben die arzeriae axillares auch noch Zweige für die 
Nieren ab. Nach dem Abgang der arzeriae axillares wird die Aorta plötzlich 
mehr als um die Hälfte dünner im Durchmesser. Dieser Theil der Aorta 
läuft nur eine kurze Strecke noch über dem hintern unpaaren Theil der 
Nieren, der hier noch Zweige erhält, weiter und tritt dann in den Kanal der 
unteren Dornfortsätze, bis er als arteria caudalis endigt. Der Kanal der un- 
teren Dornfortsätze beginnt beim Thunfisch schon über dem vordern Theil 
der Bauchhöhle am neunten Wirbel, indem die hinteren Rippen an den un- 
teren Dornen hangen; erst am neunzehnten Wirbel beginnt der Schwanz. In 
dieser ganzen Länge liegt also die Aorta schon in dem Kanal der unteren 
Dornfortsätze. 

Die arteria systematis chylopoetici geht mit den starken Nerven der 
Verdauungsorgane zwischen Schlund und Niere abwärts, kommt rechts vom 
Schlunde zur concaven Fläche der Leber und theilt, Zweigelchen an das Dia- 
phragma und die Umgegend gebend, sich hier in zwei Äste, wovon der eine 
an der concaven Fläche des rechten Leberlappens, der andere an derselben 
Fläche des mittlern und linken Leberlappens hergeht. Da wo sie an der Basis 
der Wundernetze ihrer Lappen hergehen, geben sie viele Zweige in die con- 
cave Fläche der Leber, arteriae hepaticae, der ganze übrige Theil dieser zwei 


Arterienäste vertheilt sich ganz in die Basis der Wundernetze und bildet den 
@2 


20 Escaricat und Mürzer über die arteriösen und venösen FV undernetze 


arteriösen Theil derselben. Aus den Wundernetzen sammeln sich die arteriö- 
sen Zweige wieder in die früher beschriebenen Stämme von viel dünneren 
Wänden als vor dem Eintritt der Arterien in die Wundernetze. Die aus den 
Wundernetzen entstehenden arteriösen Stämme verzweigen sich überall in 
Begleitung der Venen am Magen, Darm, an der Milz und an den appendices 
pyloricae. Alle Arterien des ganzen chylopoetischen Systems mit Einschlufs 
der Leber kommen aus jener einzigen Arterie, und alle Zweige derselben, 
die für den Magen, Darm, die Milz, das Pancreas bestimmt waren, lösen sich 
erst in die Wundernetze auf. Die Arterien der Geschlechtstheile konnte ich 
ohne Injection nicht finden. 

Der Sinus aller Körpervenen, der mit dem Vorhof zusammenhängt, hat 
links einen zipfelförmigen Anhang. Der Sinus nimmt von unten die beiden 
Lebervenenstämme, nachdem sie das Diaphragma durchbohrt haben, auf; 
von unten und vorn empfängt er eine Vene von der untern Wand der Kehl- 
gegend, vena jugularis inferior, links und rechts nimmt er die venae cavae 
communes auf, wovon jede aus einem vordern und hintern Ast entsteht, der 
vordere Ast liegt an der untern Seite des obern paarigen Theils der Nieren 
zwischen diesem und dem Herzbeutel, vena jugularis der hintere durch- 
bohrt den untern Theil der paarigen Hauptmasse der Niere auf jeder Seite, 
nimmt Nierenvenen auf diesem Wege, dann auch die Venen des Hodens auf 
und endigt als hintere Hauptvene der muskulösen Seitenwände vena axilla- 
ris oder vena lateralis posterior. Da wo die Fortsetzung der Aorta in den 
Kanal der unteren Dornfortsätze kommt, tritt kein Venenstamm aus diesem 
Kanal heraus. Man sieht, dafs die Anordnung der Hauptvenenstimme von 
derjenigen bei anderen Fischen etwas verschieden ist. 


VI. Wundernetze bei anderen Fischen. 


Die Wundernetze des Thunfisches sind nicht die einzigen Erscheinun- 
gen dieser Art in der Klasse der Fische. Für’s erste scheint diese Bildung 
bei den Arten der Gattung T’hynnus allgemein zu sein. Wir haben Gelegen- 
heit gehabt aufser T’hynnus vulgaris auch Thynnus brachypterus zu unter- 
suchen. Herr Dr. Grube hatte die Gefälligkeit, aus Cette das Bauchstück 
eines Thunfisches hieher zu senden, woran ich den T’hynnus brachypterus 
Cup. erkennen konnte, weil gerade dieser Thunfisch eine kleine silberglän- 
zende Schwimmblase hat, wie Cuvier angiebt. Die Wundernetze verhalten 


an der Leber des Thunfisches u. s. w. 21 


sich ganz wie bei Thynnus vulgaris, auch die Nieren liegen an derselben 
Stelle und der Ureter ist unpaarig wie dort. Die Wundernetze nehmen auch 
hier von denselben Theilen das Blut auf, nur gelangt hier das Blut der kleinen 
Schwimmblase auch in die Pfortader und zwar in das hintere der Wundernetze 
der rechten Seite; diese kleine Vene nimmt das Blut von der Oberfläche der 
Schwimmblase und der hintern Fläche des Peritoneums, wo es auf der 
Schwimmblase liegt, auf; noch andere Venen als die des chylopoetischen 
Systems gehen auch hier nicht in die Wundernetze ein. Pelamis und Thyr- 
sites habe ich noch nicht untersuchen können. Bei Scomber scombrus habe 
ich keine Wundernetze gefunden. Aber schon habe ich Gelegenheit gehabt, 
eine ähnliche Bildung bei einem Knorpelfische aus der Ordnung der Pla- 
giostomen, bei Squalus (Lamna) cornubicus zu beobachten. Vor Kurzem 
erhielt das Königliche anatomische Museum ein sehr grofses Exemplar von 
Squalus cornubicus, das bei Copenhagen gefangen war, in Salz. Herr Esch- 
richt hat diesen grofsen weiblichen Hai als Tauschgegenstand für uns aequi- 
rirt und frisch abgesandt. Obgleich die Tonne lange Zeit unterwegs gewesen, 
so hatten sich doch die Eingeweide in so weit erhalten, dafs sie untersucht 
werden konnten. Beim Herausnehmen derselben wurde ich auf zwei aus lau- 
ter Blutgefäfsen zusammengesetzte Massen aufmerksam, welche im obersten 
Theile der Bauchhöhle zu jeder Seite des Schlundes, zum Theil noch über 
der Leber lagen. Sie hatten eine pyramidale plattgedrückte Form; so dafs 
die Basis der Pyramiden nach hinten gerichtet war. Sowohl ihre Form als 
ihr Bau stimmten ganz mit den Wundernetzen des Thunfisches überein. Sie 
bestanden nämlich aus lauter der Länge nach verlaufenden anastomosirenden 
Blutgefäfsen, welche vom obern und untern Theil der Massen vollständig 
aufgeblasen werden konnten. Am obern und untern Theil der Gefäfskörper 
bildeten die Gefäfse weitläufige Communicationen und gingen in Stämme 
über. Ich konnte auch arteriöse und venöse Gefäfse an diesen Körpern 
unterscheiden. Die abgeschnittenen Gefäfse gingen vom obern Theil 
der Massen büschelförmig aus. Hier traten sie auf jeder Seite des 
Schlundes in das Innere der Wundernetze.. Woher die Stämme kamen, 
liefs sich an den ausgeschnittenen Eingeweiden nicht mehr unterscheiden. 
Der arteriöse Theil der Wundernetze schien überall von venösen Geflech- 
ten durchflochten. An der Basis der Wundernetze sammelten sich viele 
(arteriöse”) Gefäfse wieder in Stämme, welche sich an den Eingeweiden des 


99 Escuricnr und Mürrer über die arteriösen und venösen VVundernetze 


chylopoetischen Systems aber auch in der Leber selbst verbreiteten. In letz- 
term Punkt schien die Bildung mit den Wundernetzen des Thunfisches nicht 
überein zu kommen. Der venöse Theil der Wundernetze verhielt sich aber 
entschieden anders. Er wurde nicht von der Pfortader gebildet, denn diese 
trat ganz und unmittelbar zur Pforte, um sich in den beiden gar langen 
platten Leberlappen zu verbreiten. Die Lebervenenstämme hingegen, statt 
sogleich zum Sinus der Körpervenen zu gelangen, verliefen an der Basis der 
Wundernetze her und gaben eine grofse Menge von Büscheln in die Wun- 
dernetze ab; während am obern Theil der Wundernetze diese Gefäfse sich 
wieder in grofse Becken sammelten. Diese letzteren Becken waren indefs 
beim Ablösen der Eingeweide von der obern Bauchwand gerade durchge- 
schnitten. Wie sich die Gefäfse weiter verhalten, liefs sich nicht mehr ermit- 
teln. Überhaupt konnte bei dem verdorbenen Zustande der Eingeweide nur 
das Allgemeinste erkannt werden; und wird es von weiteren Untersuchungen 
abhängen, wie weit diese vorläufige Mittheilung erweitert und ergänzt wer- 
den kann. Die Nieren des Squalus cornubicus liegen nicht wie beim Thun- 
fisch im vordersten Theil der Bauchhöhle, sondern in der hintern Gegend 
derselben, wie gewöhnlich bei Haifischen. Auffallend war das Zerfallen der 
Milz in eine grofse Menge von Läppchen und die aufserordentliche Dicke 
des Ductus choledochus, die von seinen ungemein starken Wänden abhängt. 
Dieser ganz von einem muskulösen Gewebe mit deutlichen Längsfasern um- 
geben, senkt sich in den Anfang des mit der Spiralklappe versehenen Theils 
des Darms. Nach dem Herausnehmen der Augen fand sich beim Skeletiren 
auf dem Grunde der Augenhöhle auch ein Gewebe von gewundenen Röh- 
ren, dessen Zusammenhang nicht mehr erkannt werden konnte. Ich habe 
mehrere Haie aus den Gattungen Sceyllium, Galeus, Squatina, Mustelus, 
Spinax, Centrina, Zygaena (Tiburo) auf die Wundernetze der Bauchhöhle 
untersucht, aber bei keinem eine analoge Bildung vorgefunden. Die einzelnen 
Gattungen der Familie der Haifische haben so viele anatomische Eigenthüm- 
lichkeiten, dafs uns diese Verschiedenheit nicht sehr wundern darf. Auch 
die Rochen der Gattungen Myliobates, Raja, Trygon, Torpedo, Rhinobatus, 
die ich untersuchte, zeigten keine analoge Bildung. Die Leber des Squalus 
cornubicus besitzt nicht den ausgezeichnet strahligen Bau der Lebervenen, 
wie die Leber des Thunfisches, obgleich die Gefäfse zum Theil divergirend 
lange Strecken hingehen. 


N an der Leber des Thunfisches u. s. w. 23 


VII. Bedeutung der Wundernetze. 


Dafs die verschiedenen Venen, welche die Pfortader zusammensetzen, 
einzeln zur Leber treten, kommt bei den Fischen öfter vor. Rathke hat 
davon mehrere Beispiele beobachtet. Aber die ungeheuren Wundernetze bei 
diesem Übergang sind eine noch nicht beobachtete Bildung. Eben so wenig 
hat man bisher einen Fall bemerkt, der einigermafsen eine Parallele zu den 
Wundernetzen der Arterien des chylopoetischen Systems bildete. Dafs die 
Arterien des Darmkanals bei allen Thieren anastomotische Bogen erster, zwei- 
ter, dritter Ordnung bilden, kann hier nicht angeführt werden. Denn zum 
Wesen eines Wundernetzes gehört, dafs die Stämme wieder einfach oder in 
geringer Zahl aus der netzförmigen Auflösung hervorgehen. Eine geflecht- 
artige Vertheilung einer Arterie, ohne Entwickelung eines neuen Stammes, 
mag wohl mit dem wahren Wundernetze einige Verwandtschaft haben, indefs 
steht sie doch dem gewöhnlichen anastomotischen Verhalten der kleineren 
Arterien näher, welche überall, lange vor dem Übergang in die Capillar- 
netze, Netzwerke bilden. Die Auflösung eines Arterienstammes in ein Netz, 
das nicht zur bequemern Vertheilung des Blutes bestimmt ist, sondern das 
Blut in einen neuen Stamm sammelt, zeigt hingegen einen geheimen beson- 
dern Zweck der Natur in der Anordnung dieser Apparate an. Vergleicht 
man die Wundernetze der Eingeweide der Thunfische mit ähnlichen Bildun- 
gen anderer Thiere, so erkennt man, dafs sie zu den wenigen wahren Wun- 
dernetzen gehören, und dafs sie die zusammengesetztesten aller bis jetzt be- 
kannt gewordnen Bildungen dieser Art sind. Ohne Zweifel müssen sich die 
Erklärungen des Zwecks der Wundernetze an ihnen prüfen lassen. 

Die Wundernetze an den Extremitäten der Stenops und Tarsius, der 
Faulthiere, der Ameisenfresser und am Schwanz der letztern, an der carotis 
cerebralis der Wiederkäuer, an der arteria ophthalmica einiger Säugethiere 
und Vögel, am Penis der Vögel, an den venae iliacae und Intercostalarterien 
der Delphine, an der sogenannten Carotisdrüse der Frösche sind bekannt (!). 


(‘) Wir verweisen in dieser Hinsicht auf die Schriften von Carlisle, Vrolik, Rapp, 
Huschke, Barkow, v. Baer, Breschet. 
Carlisle Philos. Transact. 1800. Account of a peculiarity in the distribution of the arte- 
ries sent to the limbs of slowmowing animals. Continuation Philos. Transact. 1804. 
Vrolik disquisitio anatomico-physiologica de peculiari arteriarum extremitatum in non- 


nullis animalibus dispositione. Amstelod. 1826. 


94 Escrmicnhr und Mürzer über die arteriösen und venösen FV undernetze 


Die Erklärungen, welche sich für diese Bildungen anführen lassen, legen 
ihnen zum Theil einen mechanischen Zweck zu Grunde, wie man in der Ver- 
mehrung der Oberflächen und in der Kleinheit der Röhren eine Ursache zur 
örtlichen Verlangsamung des Blutstroms im Gegensatz der Geschwindigkeit 
desselben in den übrigen Theilen erkennt, indem die Wirkungen der Rei- 
bung und der Capillarität in diesen Bildungen zunehmen. Hieran hat man 
bei dem Wundernetz der Carotis cerebralis gedacht. Es ist merkwürdig dafs 
die Thiere, bei denen wahre Wundernetze an den Extremitäten vorkommen, 
wie die Faulthiere und Stenops, sich durch die Langsamkeit ihrer Bewegun- 
gen auszeichnen. Anderntheils hat man bei den Wundernetzen der Arterien 
der Extremitäten und des Schwanzes daran gedacht, dafs diese Bildungen bei 
den anhaltenden Anstrengungen der Muskeln beim Klettern die Strömung 
des Blutes erleichtern und die Hindernisse aufheben, welche durch die Zu- 
sammenziehung der Muskeln für die Bewegung des Blutes entstehen können. 
Die letztere Erklärung läfst sich nicht auf die Wundernetze anwenden, welche 
dem Muskeldrucke nicht ausgesetzt sind, wie die Wundernetze der Carotis 
cerebralis der Wiederkäuer, der Carotis der Frösche, die arteriösen und ve- 
nösen Wundernetze des Thunfisches und des Squalus cornubicus. Der Um- 
stand, dafs bei den Thieren mit einem Wundernetz der Carotis cerebralis 
nach Rapp’s Beobachtung die arteria vertebralis gar nicht das Gehirn mit 
Blut versieht, zeigt ziemlich deutlich, dafs in diesen Fällen mehr eine Re- 
tardation der Blutströmung bezweckt ist. Diese Erklärung hat den Vortheil, 
dafs sie auf alle Wundernetze angewandt werden kann, wenn man auch den 
Zweck einer örtlichen Retardation der Blutströmung im Gegensatz der übri- 
gen Theile nicht einsieht. Auf die arteriösen und venösen Wundernetze des 
Thunfisches und des Squalus cornubicus liefse sich jene Erklärung folgen- 
dermafsen anwenden. Die gewöhnliche Anordnung des Pfortadersystems bei 
allen Thieren wird schon Ursache zu einer localen Verlangsamung des Blut- 
stroms in den Capillargefäfsen des Darms, der Milz und der Leber sein. 


Rapp über das Wundernetz (der Carotis). Meckel’s Archiv für Anat. und Physiol. 1827. 
Huschke über die Carotidendrüse einiger Amphibien. Tiedemann’s Zeitschr. f. Phys. IV. 1. 
Barkow anatom. physiol. Beobachtungen. Meckel’s Archiv für Anat. und Physiol. 1829. 
v. Baer über das Gefälssystem des Braunfisches. Nov. Act. Nat. Cur. XVO. 

Breschet Aist. anat. et physiol. d’un organede nature vasculaire de cowvert dans les cetaces. 


Paris 1836. 


an der Leber des Thunfisches u. s. w. 25 


Dadurch dafs das vom Darm, von der Milz und dem Pancreas kommende 
Blut noch ein zweites Capillargefäfssystem, nämlich das der Pfortader in der 
Leber durchgehen mufs, mufs die Bewegung des Blutes in den Gefäfsen des 
ganzen chylopoetischen Systems etwas langsamer als in den übrigen Theilen 
des Körpers sein, deren Blut, nachdem es den Widerstand der Reibung und 
Capillarität eines einfachen Capillargefäfssystems überwunden hat, sogleich 
wieder in die allgemeine Strömung gelangt. Die Wundernetze des Pfort- 
adersystems beim Thunfisch werden die Blutbewegung noch mehr verlangsa- 
men als es schon im Pfortadersystem der übrigen Thiere geschieht. Die tau- 
sende von feinen Röhren, durch welche alles Blut der Pfortadern durchge- 
hen mufs, ehe es in die Leber gelangt, vermehren die Hindernisse durch 


einen neuen Widerstand der Reibung und der Capillarität, und dem zufolge 


wird das Blut sowohl in den Ganiliigebitsen des Darms als der Pfortader- 
zweige der Leber noch langsamer als bei anderen Thieren fliefsen. Die Wun- 
dernetze der Arterien des chylopoetischen Systems beim Thunfisch bilden 
abermals ein neues Hindernifs, welches auf alle in Hinsicht des Blutstromes 
hinter diesen Netzen liegenden Theile zurückwirkt, also auch wieder den 
Durchgang durch die Gefäfse des Darms, der Milz und der Leber verlangsamt. 
Beim Thunfisch könnte man aus den Wundernetzen der Pfortadern auf eine 
Beziehung dieser Wundernetze zur Leber schliefsen. Bei den Wundernetzen 
des Squalus cornubicus, an welchen die Pfortader keinen Antheil nimmt, fällt 
diese Beziehung weg. Nimmt man indefs die obige Erklärung des Zwecks 
der Wundernetze an, so pafst dieselbe ebensogut auch auf die Wundernetze 
des Squalus cornubicus. Denn die Bewegung des Blutes wird hier in den- 
selben Theilen gleich stark local gehemmt werden. Der Ursprung des arte- 
riösen Theils der Wundernetze hat dort nicht aufgeklärt werden können; in 
Hinsicht des Hindernisses, welches aus den venösen Netzen hervorgeht, ist 
es aber für das ganze chylopoetische System gleich, mag die Hemmung vor 
dem Durchgang des Blutes durch die Leber oder nach demselben angebracht 
sein. In beiden Fällen wird die Blutbewegung im ganzen chylopoetischen 
System langsamer werden. 

Es läfst sich vor der Hand nicht erweisen, ob diese Erklärung richtig 
ist. Die Verschiedenheit in der Anordnung des venösen Theils der Wunder- 
netze beim Thunfische und Syqualus cornubieus spricht aber dafür. Denn dafs 
das Blut, nachdem es das ganze chylopoetische System verlassen, ehe es zur 


Physikal. Abhandl. 1835. D 


236 Eschricat und Mütter über die arteriösen und venösen Wundernetze 


Masse des übrigen venösen Blutes gelangt, noch Wundernetze durchkreisen 
soll, kann wohl mechanisch auf die Bewegung des Blutes im ganzen .chylo- 
poetischen System zurückwirken, aber das Blut nicht qualitativ für die Ver- 
breitung in der Leber verändern. Letztere Voraussetzung ist nur beim 
Thunfisch möglich, wo die venösen Wundernetze vor dem Durchgang des 
Blutes durch die Leber liegen. 

Ob nun in den Wundernetzen des Thunfisches und überhaupt in Wun- 
dernetzen nicht auch qualitative Umänderungen des Blutes statt finden, läfst 
sich nicht bestimmt entscheiden. Mehrere Gründe veranlassen uns indefs 
vor der Hand diese Idee nicht aus den Augen zu verlieren. 

Die lymphatischen plexus und ihr Übergang in Lymphdrüsen, die 
wesentlich aus feinerer Vertheilung der Lymphgefäfse bestehen, liefern eine 
gute Parallele zu den Blutgefäfsbildungen, die hier genannt sind. Was sind 
die Lymphdrüsen anders als Wundernetze der Iymphatischen Gefäfse, die 
zwischen die vasa adferentia und efferentia gelegt sind” Hier sind die quali- 
tativen Veränderungen, die chemische Einwirkung der vermehrten thierischen 
Oberflächen offenbar der Zweck und ganz dasselbe könnte in den analogen 
Bildungen der Blutgefäfswundernetze der Eingeweide angenommen werden. 

Vielleicht liegt in den Wundernetzen der Thunfische und in der che- 
mischen Action der Gefäfswände und des Blutes eine Hauptquelle der be- 
deutenden eigenthümlichen Temperatur der 'Thunfische, die J. Davy ent- 
deckte (1). Derselbe beobachtete schon vor mehreren Jahren, dafs T’hynnus 
Pelamys Cup. eine Temperatur von 99° F. hatte, während das Medium 80°,5 
zeigte. Nach Schiffernachrichten soll der gemeine Thunfisch, Thynnus sul- 
garis, auch warmblütig sein und nach denselben Aussagen sollen auch die 
anderen Arten dieser Gattung eine höhere Temperatur besitzen. J. Davy 
vermuthet, dafs die hohe Lage der Nieren in der Nähe der Kiemen bei den 
Thunfischen mit der Wärmeerzeugung im Zusammenhange stehe, insofern 
die Kiemennerven so aufserordentlich stark und mit grofsen Ganglien ver- 
sehen sind. Diese Vermuthung ist unwahrscheinlich. Aus der blofsen Lage 
der Organe läfst sich für ihre Functionen kaum jemals etwas folgern. Die 
Nebennieren z. B., in der Nähe der Nieren, haben mit diesen nicht den gering- 
sten physiologischen Zusammenhang; sie könnten ebensogut im Becken oder 


(') LDinstitut. Journal general des societes et travaux scientifiques. No. 108. 


an der Leber des Thunfisches u. s. w. 27 


gar in der Brusthöhle liegen, und oft trennen sich Nebennieren und Nieren 
ganz von einander, indem die letzteren ihre Lage verlassen und tief herab- 
sinken. Der Versuch, aus der Lage der Eingeweide Schlüsse in Beziehung 
auf den physiologischen Zusammenhang zu machen, hat sich auch in Hin- 
sicht des Verhältnisses der Wolffschen Körper, der Nieren, Nebennieren 
und Hoden nicht gerechtfertigt. 

Von T’hynnus Pelamys, an welchem J. Davy allein seine Beobachtung 
anstellte, während das vom gemeinen Thunfisch Beigebrachte auf Fischer- 
nachrichten beruht, haben wir noch keine Kenntnisse in Hinsicht des Vor- 
handenseins der Wundernetze. Indessen läfst es sich nicht bezweifeln, dafs 
eine so ausgezeichnete Bildung den verschiedenen Arten der Gattung T’hynnus 
zugleich zukommen werde. Da die aufserordentlich starken Eingeweidener- 
ven nach Hrn. Eschricht’s Beobachtung nicht blofs durch die Wundernetze 
durchgehen, sondern ihnen auch Äste abgeben, so wird es einigermafsen 
wahrscheinlich, dafs in diesen Organen ein eigenthümlicher chemischer Pro- 
zefs stattfinde. An noch lebenden Thunfischen angestellte Beobachtungen 
über die Temperatur verschiedener Theile des Körpers, namentlich der 
Wundernetze und der davon entfernteren Organe werden die Richtigkeit 
oder Unrichtigkeit dieser Supposition bald entdecken lassen. Eben so wich- 
tig werden in dieser Hinsicht Beobachtungen über die eigene Temperatur 
des Squalus cornubicus werden können. 


VIII. Analogien des eigenthümlichen Baues der Lebergefäfse. 


Nachdem das Wesentliche der vorher beschriebenen Bildungen er- 
kannt war, suchte ich nach Analogien bei anderen Fischen. Bei unseren 
Flufsfischen liefs sich nichts ähnliches erkennen. Vorzüglich begierig war 
ich indefs andere Scomberoiden zu untersuchen. Bei Caranx trachurus 
suchte ich vergebens ähnliche Bildungen der Blutgefäfse. Die Exemplare 
von Scomber colias, die ich untersuchen konnte, waren ohne Eingeweide; 
indessen habe ich mich in Copenhagen an der frischen Makrele Scomber 
scombrus überzeugt, dafs der Bau ihrer Leber sich ganz vom Thunfisch 
entfernt und dafs sie keine Wundernetze besitzt. Dagegen fand ich bei 
Auxis vulgaris des mittelländischen Meeres einen Anfang von strahliger Bil- 


dung der Lebervenen, ohne Sinus. Unter vielen anderen von mir unter- 
D2 


38 Escrricht und Mütter über die arteriösen und venösen WW undernetze 


suchten Fischen des mittelländischen Meeres, welche Hr. Dr. C. W. Schultz 
(jetzt in Neapel) dem anatomischen Museum als sehr schätzbares Geschenk 
überwiesen hat, ist mir nur noch ein einziges Beispiel von strahliger Bildung 
der Lebergefälse vorgekommen. Bei der Bestimmung und Ordnung der Fische 
der Schultzschen Sammlung traf ich in einem Glase zwei von einander ge- 
trennte grofse Leberlappen mit dem davon getrennten Darmkanal eines gro- 
fsen Knorpelfisches aus der Ordnung der Plagiostomen, wie sich aus dem 
gleichzeitigen Vorhandensein des dichten Pancreas und der Spiralklappe des 
Darmes ergab. Die ganz platten Leberlappen mit parallelen Seitenrändern, 
abgerundetem Endrande gehören offenbar zusammen; der eine ist 1 Fufs, 
der andere 8 Zoll lang, beide 31, Zoll breit. An dem Seitenrand des einen 
Endes der Leberlappen treten alle Gefäfse aus und ein, von wo aus der ganze 
Leberlappen aufgeblasen werden konnte. Diese Gefäfsstämme laufen ober- 
flächlich der Länge nach auf der platten Fläche der Lappen hin, ohne Sinus 
zu bilden, und schicken lauter schief abgehende theils parallele, theils (am 
Ende der Leber) strahlige Zweige nach der Peripherie hin, so dafs diese 
Gefäfse durchaus einer Federfahne gleichen. Beim Aufblasen zeigte sich ihre 
strahlige Verbreitung nur auf der flachen Seite der Leber. Alle vom stum- 
pfen abgeschnittenen Ende der Leber in sie eindringenden Gefäfse zeigten 
jenes Verhalten. Nach der Gröfse der Leber konnte sie nur einem der 
gröfsten Knochenfische oder einem schon ansehnlichen Knorpelfische des 
Mittelmeers angehören. 

Von Thunfischen fand sich in der Schultzschen Sammlung nichts 
vor. Die Beschreibung der Leber anderer Thunfischarten durch Cuvier 
pafst auch nicht auf diese Leber. T’hynnus brachypterus habe ich selbst 
untersucht; die Leberlappen sind dreiseitig. Eben so wenig pafst die Be- 
schreibung der zweilappigen Leber des Thynnus alalonga, wovon der eine 
Lappen kartenherzförmig, der andere dreiseitig ist. Mehr würde noch die 
Leber von Pelamis sarda passen, der aber nur 2 Fufs und einige Zoll 
Länge erreichen soll. Cuvier sagt, seine Leber ist in zwei Lappen getheilt, 
wovon der linke breit mehr als ein Drittheil der Länge des Unterleibs 
einnimmt, der rechte ein wenig schmaler ist. Indefs die fraglichen Leber- 
lappen sind ungleich lang, dagegen gleich breit und sehr viel länger als breit. 
Unter die grofsen Knochenfische des Mittelmeers gehören noch der Schwert- 
fisch, Sciaena aquila und Coryphaena hippurus. Die Leber der letztern 


an der Leber des Thunfisches u. s. w. 29 


ist nach Cuvier’s Beschreibung ganz von der fraglichen verschieden. Über 
die Leber der Sciaena aguila theilt Cuvier nichts mit und leider war ein in 
grofsen Fisches 
ohne Eingeweide. Doch deutet Cuvier’s Bemerkung über die Leber der 
Sciaena hololepidota vom Cap eine gänzliche Verschiedenheit an. Die Leber 
des Schwertfisches ist auch ganz verschieden. Ich erhielt die Eingeweide 
ganz frisch aus einem ansehnlichen Exemplar, das zur Zeit meiner Anwesen- 


heit in Swinemünde dort gefangen wurde. 


der Nordsee gefangenes, hieher gesandtes Exemplar dieses 


Hiernach wurde es wahrscheinlicher, dafs die fraglichen Leberlappen 
mit strahliger Bildung der Gefäfse und der Darm eines grofsen Plagiostomen, 
die sich zusammen in demselben Glase vorfanden, in der That zusammen- 
gehören. Freilich zeigte bei allen wohlerhaltenen Rochen und Haifischen 
der Schultzschen Sammlung die Leber keine solche strahligen Gefäfse, ob- 
gleich die Form unserer Leberlappen im Allgemeinen sehr mit der Leber 
der Haifische übereinstimmte. Die Rochen und Haifische der Schultzschen 
Sammlung aus den Gattungen Spinax, Mustelus, Scyllium, Galeus, Squalina, 
Centrina, haja, Rhinobatus, Trygon, Myliobates hatten ihre grofsentheils 
wohlerhaltenen Eingeweide noch und konnten untersucht werden. Ein 
Exemplar von Carcharias Vulpes der Schultzschen Sammlung war ohne 
Eingeweide. Auch fand sich ein einzelner Kopf von einem grofsen Hammer- 
fisch, nämlich Zygaena malleus vor. Von einem von beiden konnten Darm 
und Leber herrühren. Ich konnte nur die Eingeweide der von Hrn. Erman 
aus Brasilien mitgebrachten kleinen Zygaena Tiburo vergleichen. Hier zeigte 
sich die Form der Leber im Allgemeinen ähnlich; beide Leberlappen waren 
sehr lang, schmal und platt; aber sie waren gleich lang, die Lage der Gefäfs 
stämme war auch ähnlich, aber die strahlige oder federartige Vertheilung 
ihrer Äste fehlte; die übrigen Baucheingeweide pafsten. Herr Dr. Schultz 
hat mir auf meine Anfrage brieflich mitgetheilt, dafs die Leber Zygaena 
malleus angehören könne (!). Ich bedaure sehr, dafs dieser Punkt nicht zur 


(‘) Denn aulser den Eingeweiden dieses Thieres besals Herr Dr. Schultz von einzelnen 
Eingeweiden von Fischen nur noch die eines grolsen Squalus. Letztere seien jedoch in seiner 
Abwesenheit von Palermo verpackt und daher bis auf die Leber, die er in einem besondern 
Glase verschlossen habe, verdorben in Berlin angekommen. Die Leber der verschiedenen genera 
von Squalus, die ich untersuchte, zeigt nur die gewöhnliche Anordnung der Blutgefälse. 
Squalus cornubicus zeigt kaum eine ganz schwache Spur der divergirenden Vertheilung der 


30 Escakicnt und Mürter über die arteriösen und venösen WW undernetze 


Gewifsheit erhoben werden kann und bitte die Naturforscher, welche Gele- 
genheit haben, die genannte Art der Gattung Zygaena zu untersuchen, zu 
entscheiden, ob diese Species in der That, abweichend von Zygaena Tiburo, 
jenen Bau der Leber besitzt oder nicht. 

Was übrigens das Verhältnifs des strahligen Baues der Lebergefäfse zu 
den Wundernetzen der Pfortadern und der Eingeweidearterien betrifft, so 
stehen beide offenbar in keinem abhängigen Verhältnifs. Die Leber des Auxis 
vulgaris, wo eine Andeutung des strahligen Baues vorhanden ist und die zu- 
letzt beschriebene strahlige Leber haben keine Wundernetze. Dafs der strah- 
lige Bau der Lebervenen nicht zu den Wundernetzen gehöre, ist schon vor- 
her bemerkt worden. Die Ursachen einer solchen Bildung sind gänzlich un- 
bekannt. 


Erklärung der Abbildungen. 
Taf. T. 


Convexe Seite der Leber des Thunfisches nach einem Präparat des anatomischen 
Museums. 
A. Sinus der Lebervenen auf der convexen Seite des rechten Leberlappens.. «a. Stamm, der aus 
dem Sinus hervorgeht und die Oberfläche der Leber verläfst. 
B. Sinus der Lebervenen des mittlern und linken Leberlappens. 2. Stamm, der aus dem Sinus 
hervorgeht. 
€. Strahlige Lebervenenzweige. 


Tate 


Die Wundernetze der Thunfischleber ir situ, 
nach dem Präparat des ersten Thunfisches (7’hynnus vulgaris) von Montpellier. Die Leberlappen 
sind aufwärts geschlagen und die Verdauungsorgane aus der natürlichen Lage so gezogen, dafs 
man Alles übersehen kann. Die natürliche Lage siehe Taf. III. 

D.E. Lebervenenstämme. D. Rechter, E. linker aus dem mittlern und linken Leberlappen. 

F. Rechter Leberlappen. 

G. Mittlerer Leberlappen. 

H. Linker Leberlappen. 

TI. Gallenblase. 1’. Anschwellung ihres Ausführungsganges. I”. Gemeinschaftlicher Gallengang 
kommt hinter dem Wundernetz Y. des mittlern Leberlappens zum Vorschein, liegt zwischen 
den Blutgefäfsen der appendices pyloricae und senkt sich in die pars pylorica des Darms. 

K. Magen, nach rechts gezogen. K’. Seitenast des Magens, pars pylorica desselben. 


Lebervenenäste. Sollten die fraglichen Leberlappen und der Darm von einem grolsen Squa- 
Zus herrühren, so sind sie doch keinesfalls von Squalus cornubicus. Die Milz palst ohnehin 
gar nicht auf diesen. 


SS I PS EFT 


ne. 


SEIIS 


X. 


DIR 


I 


Ya 


an der Leber des Thunfisches u. s. w. 3 


Pars pylorica des Darms. 


. Appendices pyloricae. 
. Schief aufsteigender Theil des Darms. 


Erster absteigender Theil des Darms. 

Zweiter aufsteigender Theil des Darms. 

Zweiter absteigender Theil des Darms. 

Mastdarm. 

Milz. 

Spindelförmiges Wundernetz des rechten Leberlappens. 


. Magenvene, die es aufnimmt. 7”. Kleine Venenzweige vom Magen. 


Birnförmiges Wundernetz des rechten Leberlappens. 


. Milzvene, die es aufnimmt. U". Kleine Darmvenenzweige. 


Plattes Wundernetz des mittlern Leberlappens. 


. Venen vom Darmkanal und den Apperdices pyloricae, welche in die Zipfel des Wundernetzes 


eintreten. Y”. Magenvene, welche in dieses Wundernetz tritt. 

Kleine Wundernetze des linken Leberlappens. 

Venen von den Appendices pyloricae, welche hineintreten. 

Arterie des chylopoetischen Systems. ! 

Y”. Ihre beiden Äste. Y’ tritt an die Basis des Wundernetzes 7°. und U. verzweigt sich theils 
im rechten Leberlappen, theils löst er sich in die Wundernetze auf, aus deren Spitzen die 
die Venen begleitenden Arterien für den Magen Z. und die Milz Z’. entstehen. 


Taf. IH. 


Fig. 1. Abbildung der Eingeweide des Thunfisches iz situ, nach dem zweiten Thunfisch 


Bam a 


SS? 


OR 


(Thynnus vulgaris) von Montpellier (verkleinert). Der Magen ist etwas nach links gezogen. 
Herzkammer. i 
Bulbus aortae.. 
Vorhof. 
Sinus der Körpervenen. D’. Zipfel von diesem Sinus. 

a.a. Lebervenen. 

b.b. Quervenenstämme. _c. Vena iugularis, _d. Vena lateralis posterior. _Die letztere 
geht durch die Nieren Z. durch und empfängt Venen aus den Nieren und Genitalien 
und tritt in die Rumpfmuskeln. 

Rechter, G. mittlerer, 4. linker Leberlappen. 
Gallenblase. I’. Erweiterung am Anfang derselben, bier treten einige Lebergänge aus dem rech- 
ten Lappen ein. I’. Ductus choledochus. 


. Magen. K'. Pars pylorica desselben. 


Pars pylorica des Darms. 


. Appendices pyloricae. N.O.P.Q.R. wie in Taf. II. 


Milz. 


. U. Wundernetze des rechten Leberlappens. 
- Wundernetze des mittlern Leberlappens. 
. Wundernetze des linken Leberlappens. 


Fig. 2. Stück des rechten Leberlappens (natürliche Grölse). 


. Zweig der Eingeweidearterie, der sich sowohl in der Leber als im Wundernetz verbreitet. 


Wundernetz. 
Pfortaderzweige, die aus dem Wundernetz hervorkommen. 


nt RER 


32 Escmricht u. Mürzer über /WWundernetze an der Leber des Thunfisches. 


d. Pfortaderzweig, der in das Wunderneiz führt. 
e. Arterie, die aus dem Wundernetz kommt. 


Fig. 3. Zusammenhang eines Astes der Eingeweidearterie mit der Leber und sei- 
nem Wundernetz, aufgeschnitten. 

a. Arterie. b.b. Wundernetz. 

c. Zusammenhang der Arterie mit dem Wundernetz. 


Fig. 4. Ein Ast der Eingeweidearterie mit den davon abhängigen Wundernetzen; 
aus der von Copenhagen gesandten injicirten Leber. 

a. Arterie. 

b.b. Leberzweige der Arterie. 

c.c. Zweige der Arterie in die Wundernetze. 

d.d. Wundernetze. 

e. f. Pfortaderzweige, die von den Organen des chylopoetischen Systems kommend, in die Wun- 


dernetze eintreten, Arterien, welche heraustreten und zu den Organen des chylopoetischen 
Systems sich begeben. 


Fig5. Querdurchschnitt eines Stückchens von einem Wundernetz der Thunfisch- 
leber. 


Fig. 6. Hauptarterienstämme und Nieren des Thunfisches von der Rückseite 
(etwas verkleinert). 


A.A. Oberer paariger Theil der Nieren, über dem vordersten Theil der Bauchhöhle dicht hinter und 
über den Kiemen. 

B. Commissur der paarigen Theile der Nieren. 

C. Unterer unpaariger platter und schmaler Theil der Nieren, C’ C”. Theilung desselben nach unten. 


D. Unpaariger Ureter. D'D’. Paariger Anfang desselben. 2". Harnblase. 2". Harnröhre. 
E. Samengänge. E'. Gemeinschaftlicher Samengang, liegt vor der Harnröhre und ist bis zur 
gemeinschaftlichen Ausmündung davon getrennt. F. Mastdarm. 


a. Vordere Wurzel der Aorta, aus den beiden ersten Kiemenvenen «a. 

b.b. Hintere Wurzeln der Aorta aus den beiden hinteren Kiemenvenen. 

c. Stamm der Aorta zwischen den paarigen Theilen der Nieren. 

d.d.d. Nierenarterien. d’d"”. Hintere Nierenarterien aus der Aorta. 

e. Gemeinschaftlicher Arterienstamm des chylopoetischen Systems (Y Taf. II.). e'e'. Seine 
beiden Äste (Y’Y” Taf. II.) 

f. Arteria axillaris durchbohrt mit der vena lateralis posterior, die Nieren. 


g. Dünnere Fortsetzung der Aorta für die Mittellinie, sie tritt in den Kanal der unteren Dorn- 
fortsätze. 


h. Vena lateralis posterior. 
h'. Vena lateralis anterior, iugularis. 


EZ 


ROSE RL TE 
ZUR: ler 


ER Aa ir . Madlers IH Ehe Thampisck . hy 172 1835. | 
c 


RE RE, 3 ne 
aM LEER Os Gh. 


Shan tet, 


De er 


br: 


SS 
N j NaTı iR 
NJ Tue 


Vu i . Y Bi 


IE 


Kaps CL 1835. Tat 
G 


g12 


Über die 
Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 


Von 
Hm KUNTH. 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 16. Juli 1835.] 


Erste Abtheilung. 


Über die Gattungen Seirpus, Isolepis, Fimbristylis, Eleocharis, Abildgaardia, 
Fieinia und Melancranis. 


W. verdanken Herrn Nees von Esenbeck in Breslau mehrere Abhand- 
lungen über die Familie der Cyperaceen, unter denen die im 9“* Bande der 
Linnaea abgedruckte die neueste, vollständigste und wichtigste ist. Das wie- 
derholte Zurückkommen eines so ausgezeichneten Beobachters auf dieselbe 
Pflanzengruppe beweiset auf der einen Seite, welche Schwierigkeiten das 
Studium derselben darbietet, auf der andern, mit welcher Beharrlichkeit 
Herr Nees von Esenbeck dieselben zu überwinden strebt. Ich hoffte mir 
durch obige Abhandlung die Bearbeitung der Cyperaceen für meine Enume- 
ratio sehr zu erleichtern, und Herrn Nees v. Esenbeck in Begrenzung der 
Gattungen und Arten unbedingt folgen zu können. Allein bei einer nähern 
Vergleichung unserer Ansichten über diesen Gegenstand ergab sich eine so 
grofse Verschiedenheit, dafs ich mich genöthigt sah, meine Untersuchungen 
über die Cyperaceen wieder aufzunehmen, und über die ganze Familie aus- 
zudehnen. Das freundliche Anerbieten des Herrn Professors E. Meyer in 
Königsberg, mir die Cyperaceen der so reichen Dregeschen Sammlung zur 
Bearbeitung anzuvertrauen, die grofse Bereitwilligkeit, mit welcher mir Herr 
Prof. Hornemann in Copenhagen die Ansicht der Vahlschen Cyperaceen 
gestattete, die mir vergönnte unbedingte Benutzung aller kostbaren Materia- 
Physikal. Abhandl. 1835. E 


34 Kunrtu 


lien der hiesigen Königl. Herbarien, des Meyenschen und Lucaeschen, 
bestärkten mich in meinem Vorhaben, und flöfsten mir die Hoffnung ein, 
dasselbe mit einigem Erfolg ausführen zu können. Wenn sich Herr Nees 
v. Esenbeck seinerseits mit Recht rühmen darf, bei seinen Arbeiten, an 
neuen Species reichere Sammlungen benutzt zu haben, so war ich meiner- 
seits so glücklich, eine gröfsere Menge gutbestimmter Arten untersuchen zu 
können. Ich hoffe der Akademie in kurzem meine Arbeit über die ganze 
Familie, welche sich auf sorgfältige Untersuchung und Vergleichung vieler 
Tausende von Exemplaren gründet, und mit einer grofsen Zahl analytischer 
Zeichnungen begleitet ist, in ihrem ganzen Umfange vorlegen zu können, 
und beschränke mich gegenwärtig blofs auf einige vorläufige Bemerkungen 
über mehrere von Vahl, Brown, Schrader und Nees v. Esenbeck auf- 
gestellte Gattungen. 

’ahl und Brown waren die ersten, welche die grofsen Linneischen 
Gattungen Scirpus und Schoenus nach der Gegenwart oder Abwesenheit ge- 
wisser Borsten, und nach dem Verhalten des Staubwegs bei der Fruchtreife 
abzutheilen versuchten. Ihre auf diese Weise gebildeten Gattungen Fimbri- 
stylis, Rhynchospora, Dichromena, Melancranis, Isolepis, Eleocharis, Chae- 
tospora und Cladium wurden von den meisten Botanikern mit Recht aner- 
kannt, und auch ich nehme jetzt zurück, was ich vor zwanzig Jahren über 
die Unzulässigkeit einiger derselben zu äufsern wagte. Durch jene wichtigen 
Arbeiten waren aber die Gattungen ‚Sceirpus und Schoenus noch nicht von 
allem Fremdartigen gereinigt, manche Art hat vielmehr noch in der Folge, 
durch die Bemühungen späterer Botaniker, ihren Platz anderweitig gefunden, 
oder ist der Typus einer neuen Gattung geworden. Mit diesem höchst ver- 
dienstlichen Streben, die Gattungen nach allgemeinen und richtigen Grund- 
sätzen abzutheilen und zu begrenzen, ist keinesweges jene, in neuerer Zeit 
immer mehr um sich greifende Sucht zu verwechseln, welche darin besteht, 
eben so kleinliche als unwichtige Unterschiede aufzusuchen, und ohne Aus- 
wahl zur Zersplitterung der Familien, Gattungen und Arten zu benutzen. 
Dieser letztern ist es hauptsächlich beizumessen, dafs manche der gröfsern 
Pflanzengruppen, rücksichtlich der Begrenzung ihrer Gattungen und Arten, 
noch so vieles zu wünschen übrig lassen, und einer nochmaligen genauern 
Bearbeitung dringend bedürfen. In wie weit sich diese Betrachtung auf die 


Familie der Cyperaceen bezieht, wird aus Folgendem hervorgehen. 


über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 35 


Über Eleocharis Brown. 

Die Gattung Eleocharis, von Herrn Brown unterschieden, und haupt- 
sächlich auf die in der Frucht stehenbleibende, verdickte Basis des Staub- 
wegs, so wie auf die Gegenwart von Kelchborsten gegründet, scheint mir 
um so mehr eine der natürlichsten in der Gruppe der Seirpeen zu bilden, 
da sich sämmtliche, hieher gehörige Arten durch einen eigenthümlichen Ha- 
bitus auszeichnen. Der Stengel ist nämlich in diesen Gewächsen durchgängig 
an der Basis mit blattlosen Scheiden bedeckt, und trägt an der Spitze eine 
nackte, einfache Ähre. Nach Herrn Brown kann der Griffel bald zwei-, bald 
dreitheilig sein; ich habe diesen Unterschied zuweilen selbst an einem und 
demselben Individuum wahrgenommen, z. B. in Eleocharis geniculata R. et 
S., E. obtusa R. et S., E. palustris Brown., forma capensis. Wenn Herr 
Brown die Frucht als meist linsenförmig zusammengedrückt angiebt, so hat 
er damit das theilweise Vorkommen einer dreieckigen keinesweges ausschlie- 
{sen wollen. Die Borsten unter der Frucht können zuweilen fehlen. So 
gelang es Herrn Brown nie, dieselben in Eleocharis acicularis aufzufinden, 
während ich und andere Botaniker an dieser Pflanze deren stets zwei oder 
drei antrafen. In Eleocharis uniglumis Link., einer an trocknen Stellen ge- 
wachsenen Form von Eleocharis palustris, zeigte sich mir etwas gleiches. 
Die meisten Individuen, welche ich davon untersuchte, waren mit Borsten 
versehen, und nur in einem einzigen, bei Rostock gesammelten Exemplare 
fehlten sie gänzlich. 

Was die Natur jener Borsten und Schuppen betrifft, welche sich in 
vielen Cyperaceen, z. B. in Scirpus, Eleocharis, Rhynchospora, Fuirena etc. 
vorfinden, und bei Unterscheidung der Gattungen vielfach benutzt werden, so 
läfst sich aus ihrer Lage vollkommen erweisen, dafs sie die Stelle des Kelches 
vertreten, oder richtiger, dafs sie als ein rudimentärer Zustand dieses Organs 
zu betrachten sind, und dafs folglich die von Herrn Brown dafür gebrauchte 
Benennung Setae hypogynae als unpassend zu verwerfen ist. Sie umgeben 
nämlich jederzeit ringförmig die Staubgefäfse, zeigen sich meist sechs an der 
Zahl, und sind in diesem Fall so gestellt, dafs in den triandrischen Species die 
drei mehr nach aufsen befindlichen den Staubgefäfsen entsprechen. Aufser 
diesem Organe findet sich aber in einigen kelchlosen Gattungen, z. B. in 
Ficinia, Melancranis, Fimbristylis etc. ein wirklicher Discus, welcher das 
Ovarium trägt oder an der Basis umgiebt, und an welchem (in den herma- 


E2 


36 Kunte 


phroditischen Blüthen) äufserlich die Staubgefäfse befestigt sind. Auffallend 
erscheint es, wie Herr Nees v. Esenbeck, welcher diese Familie so sorg- 
fältig beobachtete, diesen Discus mit dem Kelche, unter der gemeinschaft- 
lichen Benennung Perigynium, verwechseln konnte. Natürlich mufste eine so 
abweichende Ansicht auf seine Erkläruug des Blüthenbaus einen sehr nach- 
theiligen Einflufs haben. So betrachtet er z. B. den rudimentären Kelch als 
das Produkt metamorphosirter Staubfäden ete. Ich behalte mir gleichfalls 
vor, in meiner gröfsern Abhandlung diesen Gegenstand näher zu beleuchten. 

Die früher erwähnte grofse Übereinstimmung der zu Eleocharis ge- 
zählten Gewächse, im Habitus, Blüthen- und Fruchtbau, hat jedoch Herrn 
Nees v. Esenbeck nicht verhindert, diese Gattung von neuem abzutheilen ; 
seine Gattungen Eleogenus, Seirpidium, Limnochloa, Chaetocyperus sind auf 
Unkosten derselben gebildet worden (!). Untersucht man die jenen Gattun- 
gen beigelegten Karaktere genauer, so wird es oft schwer, sie gehörig zu 
verstehen oder wenigstens die Wichtigkeit, welche Herr Nees v. Esenbeck 
ihnen beizulegen scheint, gehörig einzusehen. So sagt er von Eleogenus, zu 
welchem Scirpus capitatus Vahl, Sc. atropurpureus Retz. et Vahl. und Se. 
oratus Roth. gerechnet werden, dafs der Stylus bifidus und die stehenblei- 
bende Basis desselben callosa sei; von Eleocharis, nach seiner Begren- 
zung (?), dafs sich der Stylus 2-3-fidus und die stehenbleibende Basis des- 


() Ich glaube bei dieser Gelegenheit auf das Bestimmteste versichern zu müssen, dafs die 
hier theilweise niedergelegten Resultate meiner Untersuchungen über die Cyperaceen bei der 
nothwendig gewordenen Bearbeitung des zweiten Bandes meiner Enumeratio entstanden sind, 
dals ihnen durchaus keine, der Wissenschaft fremden Gesinnungen zum Grunde liegen, dafs 
sie vielmehr dazu dienen sollen, meine, bald im Druck erscheinenden, abweichenden Ansichten 
über Begrenzung der Gattungen zu rechtfertigen und zu unterstützen. Die Schwierigkeit des 
Gegenstandes, welchen ich der Discussion unterwerfe, läfst übrigens verschiedene Meinungen 
zu, und selbst in dem Falle, dals die hier ausgesprochene als die richtigere erkannt werden 
sollte, könnte dies keinen Einfluls auf den hohen Rang haben, welchen die Person, der meine 
Bemerkungen hauptsächlich gelten, unter den ersten Botanikern der gegenwärtigen Zeit ein- 
nimmt, und den sie mit Recht ihren vielen und geistreichen Arbeiten verdankt. 


(*) Herr Nees v. Esenbeck zählt zu dieser Gattung folgende Arten: 


Scirpus obtusus Willd. Scirpus Baeothryon Ehrh. 
—  tenuis Willd. — _ caespitosus L. 
—  multicaulis Smith. —  planifolius Mühlenb. 
—  recurvatus Poir. —  acuminatus Mübhlenb. 
—  palustris L. Eleocharis tetraguetra Nees. 


—  uniglumis Link. _ albibracteata Nees. 


über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 37 


selben suberosa, rugosa zeige, während er in Zimnochloa (!) den Stylus 
für zrifidus und die Basis desselben für cartilaginea, compressa colora- 
taque erklärt. Alle übrigen Karaktere sind als übereinstimmend angegeben. 
Hiernach würde also der ganze Unterschied jener neuen Gattungen auf der 
Beschaffenheit der stehenbleibenden Basis des Staubweges beruhen, ob die- 
selbe nämlich callosa, suberosa oder cartilaginea erscheint; denn da der Staub- 
weg in seiner Eleocharis zwei- und dreispaltig vorkommen kann, so ist kein 
Grund vorhanden, in den beiden andern Gattungen auf die Zahl seiner Abthei- 
lungen eine Wichtigkeit zu legen. Es bedarf wohl kaum der Bemerkung, dafs 
die Verschiedenheit in der Consistenz der stehenbleibenden Basis des Staub- 
weges allein, selbst wenn dieselbe in der Art stattfände, wie sie Herr Nees 
von Esenbeck angiebt, nicht zur Begründung von Gattungen hinreichen 
würde. Mir ist es übrigens nicht gelungen, eine solche Verschiedenheit deut- 
lich aufzufassen. Erwähnungswerth ist noch, dafs Herr Nees v. Esenbeck in 
seine Gattung Eleocharis drei Arten setzt, nämlich Scirpus Baeothryon Ehrh., 
Se. caespitosus L. und Se. planifolius Mühlenb., wo jene verdickte Basis des 


Eleocharis costulata Nees. Eleocharis sulcata Nees. 
— constricta Nees. _ biocreata Nees. 
_ ochreata Nees. _ gracilis Brown., Nees. 


— polymorpha Nees. 
Von diesen Pflanzen sind mir die sechs letztern und Seirpus acuminatus völlig unbekannt. Die 
übrigen habe ich sämmtlich untersucht und, bis auf drei, richtig klassifizirt gefunden. Seirpus 
Baeothryon, caespitosus und planifolius gehören nämlich nicht hieher, sondern bestimmt zur 
Gattung Scirpus. Einen Seirpus recurvatus Poir. giebt es nicht, wahrscheinlich ist Scirpus 
retroflexus damit gemeint, welcher alsdann einerlei mit Cyperus depauperatus Vahl. und eine 
Eleocharis sein würde. Ich habe beide Species in Originalexemplaren untersucht. 


(') Früher hiels diese Gattung Zimnocharis. Herr Nees v. Esenbeck rechnet dazu: 

Seirpus plantagineus Metz. (Eleocharis plantagineas Brown.) 
—  mutatus L. (Eleocharis mutata Brown.) 
—  fistulosus Poir. (Eleocharis fistulosa Schult.) 
— acutangulus Roxb. (Eleocharis acutangulus Schult.); nach meiner Unter- 

suchung einerlei mit dem vorigen. 

—  spiralis Rottb. (Eleocharis spiralis Brown.) 
—  quadrangulatus Mich. (Eleocharis quadrangulatus Brown.) 
—  TZimosus Schrad. (Eleocharis limosa Schult.) 
—  medius Roxb. (Eleocharis media Schult.) 

Limnochloa articulata Nees. 

—_ obtusangula Nees. 
Die vier letzten Species habe ich nicht untersuchen können. 


38 Koustn 


Staubwegs gar nicht vorhanden ist, und die deshalb unfehlbar zu Scirpus ge- 
hören. Wahrscheinlich hat er diese Pflanzen, ob sie gleich sehr gemein in 
den Herbarien sind, gar nicht untersucht, und ist bei ihrer Klassifikation 
Herrn Link gefolgt, der die beiden erstern gleichfalls zu Eleocharis zählt. 

Eben so wenig wie Limnochloa und Eleogenus läfst sich Seirpidium 
blofs wegen der Setae 1-3 graciles fugaces unterscheiden; denn als fugaces 
kann ich diese letztern nicht betrachten, da sie in der Frucht stehen bleiben, 
und was ihre Zahl und Zartheit betrifft, so verdient dieser Umstand um so 
weniger Berücksichtigung, da dieselbe Verschiedenheit auch in andern Arten 
vorkommt, und hier stets unbeachtet geblieben ist. In Eleogenus giebt Herr 
Nees v. Esenbeck selbst zu, dafs die Setae zuweilen ganz fehlen können, 
was ich übrigens bei Scirpus atropurpureus Retz., den er als Beispiel anführt, 
nicht gefunden habe. Aufserdem ist noch zu bemerken, dafs Seirpus tenuis 
Willd., der bei Herın Nees v. Esenbeck die dritte Species der Gattung 
Scirpidium bildet, auf der folgenden Seite seiner Abhandlung wieder, und 
zwar diesmal mit allem Recht zu Eleocharis gezogen wird. 

Seine Gattung Chaetocyperus scheint mir eben so wenig haltbar, wie 
die eben genannten, ob er sie gleich, von Eleocharis weit getrennt, in einer 
ganz andern Abtheilung seiner Seirpeen suchen läfst. Was zuerst die Arten 
betrifft, welche er dazu rechnet, so ist ‚Seirpus capillaceus Mich. und Scir- 
pus trichodes Humb. et Kth. mit Unrecht in eine Species vereinigt. Der 
erstere ist bestimmt einerlei mit Seirpus pusillus Vahl. und ein ächter Seirpus, 
der zweite dagegen eine Eleocharis und, wie Herr Nees v. Esenbeck sehr 
richtig vermuthet, nahe mit Cyperus setaceus Retz. et Vahl. verwandt. Auf 
diese letztere Species gründet sich aber hauptsächlich die Gattung Chaetocy- 
perus. Auch selbst wenn nicht schon Herr Brown in seinem Prodromus 
p- 224 erklärt hätte, dafs diese Pflanze zu Eleocharis gehöre, so würde ich 
mich, wegen ihrer grofsen Ahnlichkeit mit Eleocharis acicularis und andern 
Species, nie entschliefsen können, sie von dieser Gattung zu entfernen, denn 
von allen angegebenen Karakteren bleibt blofs die Spica disticha übrig, die 
ich lieber subdisticha und aufserdem noch depauperata nennen möchte, 
welche zu obiger Trennung berechtigen würde. Bedenkt man aber, wie oft 
in mehrblüthigen Ähren, deren Schuppen die gemeinschaftliche Achse nach 
allen Seiten bedecken, die untern Schuppen distichae erscheinen, so wird 
man in dem vorliegenden Falle um so weniger hierauf eine Wichtigkeit legen, 


über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 39 


da es wahrscheinlich ist, dafs bei einer längern Entwickelung der Ähre die 
obern Schuppen eine mehrfache Richtung angenommen haben würden. Dafs 
sich aber jene Neesischen Gattungen selbst nicht als Unterabtheilungen der 
Brownschen Gattung Eleocharis benutzen lassen, werde ich an einem an- 
dern Orte zu zeigen mich bemühen. 


Über Sceirpus Brown. 

Von Herrn Brown folgendermafsen karakterisirt: Squamae undique 
imbricatae, conformes, omnes floriferae paucissimaeve exteriorum vacuae. 
Setae sguamis breviores. Stylus cum ovario inarticulatus (basi simplici), deci- 
duus vel basi mucroniformi remanente. Als wesentliche Merkmale verdienen 
hiervon herausgehoben zu werden, die Gegenwart von Kelchborsten und der 
abfallende Staubweg, dessen einfache Basis meist in Gestalt einer mucro- 
artigen Spitze auf der Frucht stehen bleibt. Die Unzulässigkeit der Angabe, 
dafs die Borsten jederzeit kürzer als die Schuppen sind, wird sich in der 
Folge ergeben. Herr Brown erwähnt nicht die Zahl der Abtheilungen des 
Staubweges, was zu beweisen scheint, dafs er diesen Umstand hier nicht als 
wichtig betrachtet. Nach Herrn Nees von Esenbeck kann derselbe zwei- 
oder dreispaltig sein, welcher Behauptung ich nicht allein beistimmen, son- 
dern noch hinzufügen mufs, dafs sich eine solche Verschiedenheit zuweilen 
in derselben ‚Spica beobachten läfst, z. B. bei Scirpus juncoides Roxb., Scir- 
pus Dwvallü Hopp. etc. 

Auch in dieser Gattung hat Herr Nees v. Esenbeck wieder mehrere 
Trennungen vorgenommen. Nachdem er nämlich mit vollem Rechte dazu 
Scirpus luzoniensis Presl., Sc. mucronatus, Sc. maritimus und Sc. lacustris L., 
Sc. juncoides Roxb., Sc. debilis Mühlenb., Sc. sylvaticus L., Se. atrovirens W., 
Sc. pungens Vahl. (der mit ‚Sc. americanus Pers. verbunden werden mufs), 
Se. triqueter L., Sc. Tabernaemontanus Gmel. und Sc. validus Vahl. (zu 
dem bestimmt Sc. Meyeni Nees. gehört) gezogen hat, unterscheidet er (in 
Might. Bot. und in Linnaea tom.9.) Scirpus grossus L. mit zwei mir noch 
unbekannten Pflanzen, wegen der Setae filiformes molles pubescentes deci- 
duae, als besondere Gattung unter dem Namen Ilymenochaete, nimmt die 
Gattung Trichophorum Pers., in welcher die Setae, 6 an der Zahl, capillares 
persistentes und sguamam superantes sind, unbedingt an, und vereinigt end- 
lich, wegen der Setae membranaceae pubescentes aut ciliatae, demum deciduae, 


40 Kuntn 


unter dem Namen Malacochaete folgende Arten: Seirpus littoralis Schrad., 
Sc. pectinatus Roxb., Sc. riparius Presl., Pterolepis scirpoides Schrad. und 
eine den Peruanern unter dem Namen Tatora wichtige Pflanze. Nimmt man 
zuerst auf die Länge, die verschiedene Krümmung und die sonstige Beschaf- 
fenheit der Borten Rücksicht, so findet man denselben Unterschied, welcher 
Herrn Persoon und Herrn Nees v. Esenbeck zur Aufstellung ihrer Gat- 
tung Trichophorum veranlafste, mehr oder weniger auch bei Scirpus brizoides 
Willd. herb., Link. Jahrb., bei Seirpus polyphyllus, radicans und lineatus 
Mich. Diese Gewächse müfsten also hiernach vielleicht simmtlich zu jener 
Gattung gezogen werden, was den Übelstand haben würde, dafs sich alsdann 
Scirpus sylWaticus L. und Se. atrorirens Willd., in denen die Borsten die ge- 
wöhnliche Beschaffenheit zeigen, von den nahe verwandten Seirpus radicans 
und polyphyllus weit getrennt befinden würden. Liefse man aber diesen 
Umstand unberücksichtigt, und behielte man die Gattung Trichophorum bei, 
so würde noch zu bemerken sein, dafs sich rücksichtlich der Länge und Be- 
haarung jener Borsten von einer Art zur andern einige Verschiedenheit zeigt, 
welche auf jeden Fall im Gattungskarakter angegeben werden müfste. In 
Trichophorum cyperinum Pers. (unter welcher Benennang übrigens zwei sehr 
verschiedene Pflanzen (?) verwechselt worden sind), dem Typus der Gattung, 
und in Seirpus brizoides Willd. sind die Seiae überaus lang, haarförmig, völ- 
lig kahl und verschiedentlich gekräuselt. In Scirpus polyphyllus Vahl. und 
Seirpus radicans Schk. erscheinen die Setae gleichfalls dünn, haarförmig 
und etwas hin- und hergekrümmt, aber sind nur ungefähr doppelt so lang 
als die Frucht, und aufserdem an der Spitze in dieser Art mit weichen, nach 
vorn gerichteten, in jener mit steifern, rückwärts stehenden Härchen besetzt. 
In Scirpus lineatus, den Herr Persoon deshalb zu Trichophorum zieht, 
sind die Setae haarförmig, blofs noch wenig gekrümmt, wie in Sc. radicans, 
an der Spitze mit kleinen Härchen besetzt, und nur um weniges länger als 
die Frucht. Wie schwierig ist es hiernach, zwischen Scirpus und Tricho- 


(') Seirpus eyperinus Kth. und Scirpus Eriophorum Mich. et Vahl. Zu diesem gehört 
Eriophorum cyperinum NVahl. herb., Scirpus thyrsifforus Willd. Enum. et herb. n. 1241. fol. 1-3, 
zu jenem Seirpus paniculatus ete. Gron., Eriophorum cyperinum L., Trichophorum cyperinum 
Mich. (excl. syn. Mich.), Scirpus thyrsiflorus Willd. herb. n. 1241. fol.4. Beide Arten unter- 
scheiden sich leicht durch die Stellung der Ähren, welche in Sc. Eriophorum einzeln, in Se. 
cyperinus zu dreien bis fünfen vereinigt angetroffen werden. 


über die Linneischen Gattungen Seirpus und Schoenus. 44 


phorum eine Grenze zu ziehen, und was wird am Ende bei einer solchen 
Trennung gewonnen? Ist es in diesem Falle nicht besser, jene Arten neben 
ihren Verwandten einzuschalten, und dabei die bemerkten Abweichungen 
jedesmal sorgfältig anzugeben’? 

Die fedrige Beschaffenheit der Borsten von Scirpus littoralis, der im 
jungen Zustande aus Versehen von Vahl Fimbristylis mucronatum, von 
Willdenow aber Scirpus balearicus genannt worden ist, war längst von 
Schrader und andern bemerkt und beschrieben worden, ohne dafs es Je- 
mandem eingefallen wäre, diese Pflanze deshalb von dem ihr so ähnlichen 
Seirpus lacustris L. zu trennen, und zu einer besondern Gattung zu erheben. 
Herr Nees v. Esenbeck fand eine ganz gleiche Struktur in Seirpus pectina- 
tus Roxb., der übrigens von Seirpus subulatus Vahl. durchaus nicht ver- 
schieden zu sein scheint, und den ich selbst nur für eine indische Form des 
Sc. littoralis halten möchte, und stellte danach seine neue Gattung Malaco- 
chaete auf. Herr Schrader seinerseits beobachtete an einer Cap’schen Cype- 
racea gleichfalls jene fedrigen Borsten, ohne jedoch, wie es scheint, dadurch 
an die nahe Verwandtschaft seiner Pflanze mit Scirpus littoralis erinnert zu 
werden, und benutzte gleichfalls diesen Karakter zur Begründung einer neuen 
Gattung, der er den Namen Pterolepis gab, und die später von Herrn Nees 
v. Esenbeck mit Recht für völlig übereinstimmend mit Malacochaete erklärt 
wurde. Die Reise des Hrn. Meyen lieferte Hrn. Nees v. Esenbeck aufser- 
dem noch zwei amerikanische Arten dieser Gattung, wovon er die eine für Seir- 
pus riparius Presl., die andere dagegen für neu erkannte und mit dem Namen 
Malacochaete Tatora belegte. Es war ihm aber hierbei gänzlich entgangen, 
dafs die erstere dieser beiden Pflanzen schon 1825 (im ersten Bande der 
Memoires des savants etrang. de Petersbourg) von Hrn. C. A. Meyer unter 
dem Namen Elytrospermum californicum beschrieben und abgebildet wor- 
den war. Der Staubweg ist in sämmtlichen, von Hın. Nees v. Esenbeck 
zu seiner Gattung Nalacochaete gezogenen Arten zweispaltig, was jedoch 
unter den angeführten Karakteren anzugeben von ihm vernachlässigt worden 
ist. In Malacochaete Tatora Nees., vorzüglich aber in M. riparia, welche 
aufserdem die gröfste Ähnlichkeit mit Seirpus littoralis zeigt, nähert sich die 
Beschaffenheit der Borsten mehr der von Scirpus; sie sind nämlich zwar 
breiter, aber, wie bei diesem, mit rückwärts gerichteten oder abstehenden 
etwas steifen Härchen besetzt, und bilden den Übergang von Malacochaete 


Physikal. Abhandl. 1835. F 


42 Kvnrtu 


zu Scirpus. Dieser Umstand, und vorzüglich die schon mehrmal erwähnte 
grofse Verwandtschaft sämmtlicher zu Malacochaete gezählten Arten mit 
Scirpus lacustris, triqueter u. s. w. veranlafst mich, dieselben sämmtlich mit 
Scirpus wieder zu vereinigen, und sie nicht einmal als eine Abtheilung dieser 
Gattung zu betrachten. Noch mehr verdient dies aber Hymenochaete, wenig- 
stens rücksichtlich der mir bekannten Species Scirpus grossus. Hier fand ich 
nämlich die Borsten jederzeit, wie in den meisten Scirpus-Arten, mit rück- 
wärts stehenden, steifen Härchen versehen und stehenbleibend; aufserdem 
zeigten sie sich an der Spitze etwas hakenförmig gekrümmt und ungefähr von 
der Länge der Frucht. Der von Herım Nees v. Esenbeck seiner Gattung 
beigelegte Karakter ‚Setae ‚Jlliformes, molles, pubescentes, deciduae pafst also 
durchaus nicht auf meine Pflanze, welche aus so unbedeutenden Rücksichten 
von Seirpus lacustris, glaucus, brizoides, Eriophorum u. s. w. zu entfernen, 
ich mich übrigens nie entschliefsen könnte. 


Über Zsolepis Brown. 


Nach Hrn. Brown ist Isolepis von ‚Seirpus blofs durch die Abwesen- 
heit der Borsten verschieden; er fügt aufserdem hinzu: Stylus cum ovario 
inarliculatus, basi simpliei, deciduus. Herr Brown rechnet zu seiner Gattung, 
aufser einer grofsen Menge von ihm entdeckter, neuholländischer Arten, 
Seirpus fluitans L. (Eleogiton fluitans Link., Nees., Seirpus stolonifer Roth., 
Scirpus fascicularis Willd. herb.), Scirpus nodosus Roub. (Seirpus globosus 
Spreng. [Sieb. Agrost. n.29.], Seirpus gracilis Rudge.), Scirpus supinus L. 
(Seirpus lateralis Retz., Schoenus junceus Willd. Phyt., Seirpus erectus 
Poir.), Seirpus setaceus L., Seirpus prolifer Rottb. und Seirpus barbatusRottb., 
worin ich ihm mit Ausnahme des letztern, von welchem in der Folge die 
Rede sein wird, vollkommen beistimme. Als ächte Isolepis-Arten habe ich 
aufserdem noch folgende erkannt: 

1) Scirpus pumilus Vahl. (Isolepis pumila R. et S.), zu dem ich Isole- 
pis oligantha Mey. rechnen mufs. 

2) Fimbristylis pygmaeum \ahl. Gewifs keine Fimbristylis, sondern 
eine ächte Tsolepis, zu der folgende Pflanzen als Synonyme gehören: Isolepis 
magellanica Gaudich., ‚Seirpus brevis Urv., Isolepis Meyeniana Nees., Iso- 
lepis brachystachya Presl., Isolepis brevifolia Presl., Isolepis pumila Link. 
Hort. [excl. syn. Vahl.], Scirpus leptaleus Koch., Isolepis leptalea Schult., 


über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 43 


Scirpus acicularis Salzm. [nee L.], Scirpus setaceus Brot. et? Sieb., Isolepis 
tenuis Presl., Eleocharis riparia Nees. in Sieb. Agrost. 20. [nec? Brown.], 
Tsolepis chlorostachya Nees., Isolepis trigyna Kunze, Isolepis fuscata Nees., 
Scirpus cernuus Vahl., Isolepis cernua R. et S., Eleogiton cernua Dietr., 
Isolepis Saviana Link. Hort. [exel. syn.], Scirpus pumilus Willd. herb. n. 1158 
und wahrscheinlich Isolepis chaetodes Link. Eine sehr verbreitete Species, 
welche in Südeuropa, England, mehreren Theilen von Südamerika, auf den 
Malouinen-Inseln, auf Neuzeeland, Neuholland, auf St. Helena und am 
Vorgebirge der guten Hoffnung angetroffen wird. 

3) Seirpus Savü Sebast. et Mauri, zu der als Synonyme gehören Scir- 
pus setaceus Bivon., Scirpus filiformis Savi, Isolepis sicula Presl., Isolepis 
Saviana Schult., Sceirpus numidianus Vahl., Isolepis numidiana R. et S. Ich 
möchte diese Species für eine Varietät der vorigen halten; von Zsolepis seta- 
cea unterscheidet sie sich aber hinlänglich durch die Fructus tuberculato- 
scabrati, während dieselben in jener costati, transversim striatuli sind. 

4) Scirpus articulatus L. (Isolepis articulata Nees., Scirpus fistulosus 
Forsk.) 

5) Seirpus praelongatus Poir. (Scirpus subarticulatus Roxb., Isolepis 
praelongata Nees.) 

6) Scirpus Holoschoenus Thunb. (Isolepis Thunbergiana Schrad. 
et Nees., Cyperus prolifer et marginatus Thunb.) 

7) Scirpus Holoschoenus Linn. (Scirpus romanus et globuliferus Linn., 
Isolepis Holoschoenus R. et S., Holoschoenus vulgaris Link. Hort.) 

8) Fimbdrystilis Ludwigü Steud. (Trichelostylis Ludwigü Nees.); we- 
der zu der einen noch zu der andern dieser Gattungen gehörig, vielmehr 
eine ächte Isolepis. 

9) Scirpus adscendens Willd. herb. n. 1208. (Tsolepis uninodis Delile.) 

10) Isolepis EcklonianaSchrad., Nees. (Scirpusverruculosus Steud., Nees.) 

11) Isolepis atropurpurea Nees. (excl. syn. ad Eleocharidem atropur- 
puream spectante.) 

12) Isolepis conspersa Nees. 

13) Isolepis incomtula Nees. 

14) Isolepis Bergiana Schult., Nees. (Scirpus Bergianus Spreng., 1so- 
lepis plebeja Schrad., Nees., Scirpus setaceus var. Steud., Scirpus minimus 
Sieb. Cap. n.98., Scirpus setaceus Thunb. Cap., Isolepis chrysocarpa Nees.) 

F2 


Kvusrtu 


en 
en 


15. Isolepis rivularis Schrad. (Scirpus natans Spreng., Isolepis Hystrix 
Nees?, Isolepis palustris Schrad., Scirpus setaceus var. Steud., Isolepis na- 
tans Nees. ab Esenb. [exel. syn. Thunb. et Brown.]) 

16. Isolepis nigricans H. et K. (Scirpus nigricans Spreng., Isolepis 
psilocarpa Kunze.) 

17. Isolepis bicolor Nees. 

18. Isolepis tenuissima Nees. 

19. Scirpus tenuis Spreng. (Isolepis tenuis Schrad., Isolepis atropurpu- 
rea Nees.) 

Herr Nees v. Esenbeck findet für nöthig, die Linksche Gattung 
Eleogiton anzunehmen, und bezeichnet sie durch folgende Merkmale: Stylus 
bifidus, basi cum ‚fruetu continuus, post casum mucronulum relinquens; ca- 
ryopsis compressa, pedicellata, und rechnet dazu Scirpus fluitans Linn., Iso- 
lepis digitata Nees., Schrad. und mehrere neue Species, welche er blofs mit 
Namen anführt. Was zuerst den aufgestellten Karakter betrifft, so ergiebt 
sich bei der Vergleichung mit /solepis kein anderer Unterschied, als dafs der 
Stylus in dieser trifidus und in jener bifidus sein soll; denn auf die Caryopsis 
pedicellata kann nicht Rücksicht genommen werden, da sich dieses Merkmal 
in Isolepis fluitans durchaus nicht auffinden läfst. Dieselben Gründe, welche 
ich bereits gegen die Unzulässigkeit eines zwei- oder dreitheiligen Staub- 
weges als Gattungsunterschied angeführt habe, mufs ich auch hier geltend 
machen, und noch aufserdem hinzufügen, dafs Herr Nees v. Esenbeck, 
ungeachtet er dem Genus Isolepis einen Stylus trifidus zuschreibt, dazu eine 
Pflanze rechnet, wo der Stylus offenbar difidus ist, nämlich Isolepis Ecklo- 
niana Schrad. Ich habe bis jetzt blofs von Isolepis fluitans gesprochen, weil 
ich rücksichtlich der zweiten mir bekannten Species, nämlich Isolepis digi- 
tata Nees in Schrad., eine Verwechselung der Namen befürchten mufs. Meine 
Pflanze, welche nach der Beschreibung und dem angeführten Synonyme die 
ächte Schradersche Pflanze zu sein scheint, hat einen Stylus trifidus, und 
so wenig Ähnlichkeit mit Seirpus fluitans, der sich übrigens sehr natürlich 
an Isolepis Ludwigü, Eckloniana, tenuissima, pygmaea, bicolor u. a. anreiht, 
als dafs ich mir denken könnte, Herr Nees von Esenbeck habe sie neben 
einander stellen, und als Gattung unterscheiden wollen. 

Ich habe mich vielfältig überzeugt, dafs in denen Species, wo sogenannte 
Setae oder Squamulae hypogynae vorkommen, diese Organe sich zuweilen 


über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 45 
sehr wenig ausbilden oder wohl gar verschwinden können. Den erstern Fall 
beobachtet man in einigen Eleocharis-, Rhynchospora- und Fuirena- Arten, 
ferner in Scirpus debilis, den zweiten habe ich in ‚Seirpus supinus vorgefun- 
den. Ich besitze nämlich von dieser Pflanze, welche bei uns stets ohne Bor- 
sten vorkommt, ein Exemplar, was bei Nismes in Frankreich gesammelt 
worden, von den unsrigen im übrigen durchaus nicht verschieden, aber mit 
fünf vollkommen ausgebildeten Borsten versehen ist, und also hiernach zu 
Scirpus gerechnet werden müfste. Es sollte mich daher nicht wundern, wenn 
sich in unsern Verzeichnissen Pflanzen unter verschiedenen Gattungen vor- 
fänden, welche blofse Formen einer und derselben Art wären. So könnte 
Scirpus melanospermus Mey. leicht eine mit Borsten begabte Form von Iso- 
lepis supina sein, Scirpus parvulus R. et S., Mert. et Koch. eine /solepis flui- 
tans ohne Borsten, und Isolepis pumila R. et S. gleichfalls eine borstenlose 
Varietät von Seirpus caespitosus L. Herr Link, gleichsam als wenn er dies 
geahnet hätte, stellt Scirpus parvulus und Isolepis fluitans in seiner Gattung 
Eleogiton schon neben einander. Nach diesen Bemerkungen würde ich nicht 
abgeneigt sein, selbst die Gattung Isolepis mit Scirpus wieder zu vereinigen. 

Eine besondere kleine Gruppe in der Gattung Isolepis, welche ich 
wegen ihrer Ähnlichkeit mit Zipocarpha, Lipocarphoides nennen möchte, 
bilden folgende Arten: 

Scirpus squarrosus L. (Isolepis squarrosa R. et S.) 

Scirpus mieranthus Vahl. (Isolepis mierantha R. et S., Seirpus subsquar- 
rosus Mühlenb., Isolepis subsguarrosa Schrad., Scirpus minimus Pursh. 
[exel. syn. ?)] 

Isolepis sguarrosa Humb. et Kth. excl. syn. (Scirpus sesquipollicaris Willd. 
herb., Isolepis Humboldtü R. et S.) 

Seirpus Michelianus L. (Isolepis Micheliana R. et S., Dichostylis Miche- 
liana Nees.) 

Isolepis Dregeana mihi, wozu Scirpus dipsaceus Vahl. herb. fol. 2. ex 
Cap. 6. spei, a Dahlio accepto (nec fol. 1 et 2.) gehört. 

Scirpus hamulosus Stev. (Cyperus hamulosus Bieb., Dichostylis hamosus 


Nees. (1) 


(') In Zinnaea IX. 289. Vier Seiten vorher (pag. 285.) ist diese Pflanze von Hrn. Nees 
von Esenbeck schon unter Cyperus aufgeführt. 


46 KustoH 


Scirpus dipsaceus Rottb. (Echinolyirum dipsaceum Desv., Nees., Isolepis 
dipsacea R. et S.) 

Die Schuppen sind in den eben angeführten Arten mehr oder weniger in 
eine Spitze verlängert, zuweilen fast in eine Granne auslaufend, der Staub- 
weg dagegen erscheint zwei- oder dreitheilig, oft in derselben Ähre. Die 
beiden Neesischen Gattungen Echinolyirum und Dichostylis gehören hie- 
her. Aus der letztern mufs aber auf jeden Fall Cyperus pygmaeus Rottb. 
entfernt werden, und ein Cyperus bleiben. Dichostylis soll nach Herrn 
Nees von Esenbeck Spicae pauciflorae, trifariam imbricatae und einen 
Stylus bifidus, basi subbulbosa persistente besitzen. Ich habe aber in den 
beiden Arten, die unfehlbar hieher gehören würden, nämlich in Scirpus 
Michelianus und Seirpus hamulosus keine einzige dieser Angaben richtig ge- 
funden; die Spicae sind vielmehr pluriflorae, die Squamae undique imbri- 
catae, der Stylus in Sc. Michelianus bi-, in Sc. hamulosus trifidus und an 
der Basis keinesweges verdickt. Echinolytrum wird blofs wegen der, an den 
Rändern mit gestielten Papillen besetzten Frucht von Dichostylis getrennt, 
wozu aber ihre grofse Ähnlichkeit mit den genannten Arten nicht zu berech- 


tigen scheint. 


Über Fimbristylis Vahl., Brown. 

Der wesentliche Karakter dieser Gattung besteht in dem mit dem 
Fruchtknoten gegliederten, abfallenden Staubwege. Dieser ist aufserdem ge- 
wöhnlich plattgedrückt, gewimpert, an der Basis knollig angeschwollen, 
öfters zwei-, seltner dreispaltig. In sämmtlichen von mir untersuchten Arten 
habe ich ferner einen kleinen häutigen Discus angetroffen, an dessen äufse- 
ver Basis die Staubgefäfse entspringen. Die zu Fimbristylis gehörigen Pflan- 
zen sind meist tropisch, von den 29 Brownschen Arten kommen blofs zwei 
aufserhalb der Wendekreise vor. 

Herr Brown rechnet zu Fimbristylis, aufser mehreren neuen, folgende 
bekannte Arten: Seirpus polytrichoides Retz. (zu dem nach Hrn. Nees von 
Esenbeck Scirpus scaber Roxb. gehört), Seirpus junceus Forst., Scirpus 
nutans Betz. und Seirpus miliaceus Thunb. Jap. 

Die von Vahl angeführten 24 Species sind, rücksichtlich der Gat- 
tung, bis auf zwei richtig bestimmt. Sie heifsen 1) F. acuminatum Vahl. 
2) F. nutans Vahl. (Scirpus nutans Retz.) 3) F. serrulatum \Vahl. (eine blofse 


über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 47 


‚forma humilis, monostachya von F. laxa.) 4) F. schoenoides Vahl. (Seirpus 
schoenoides Retz.; hieher gehört auch nach Herrn Nees v. Esenbeck Scır- 
pus monostachys Roxb., und nach meinen Untersuchungen Isolepis rariflora 
Schrad.) 5) F. hirtellum Vahl. (gehört zu F. laxum.) 6) F. miliaceum \ahl. 
(Scirpus miliaceus L.., Isolepis miliacea Presl., Trichelostylis miliacea Nees., 
Scirpus tetragonus Poir., Roxb., Fimbristylis tetragona Dietr., Isolepis te- 
tragona Schult., Trichelostylis tetragona Nees., Scirpus parviflorus Willd. 
herb., Scirpus benghalensis Pers. [fide Nees.], Fimbristylis benghalensis 
R. et S., Fimbristylis emarginata Wigbt., Fimbristylis littoralis Gaudich.) 
DER: dichotomum \Vahl. (Scirpus pallescens Roxb., Isolepis pubigera Schrad.) 
5) F. glaucum Vahl. 9) F. aestivale Vahl. 10) F. squarrosum Vahl. (hieher 
gehört Isolepis hirta H. et Kth., Fimbristylis comata Nees., Scirpus aestivalis 
Wall. in adn. ad Roxb. Flor.) 11) F. puberulum Vahl. (gehört zu F\ laxum.) 
12) F. diphyllum Vahl. (Seirpus miliaceus Nees., Isolepis curvifolia Schrad., 
Fimbristylis pilosum et tomentosum \ahl., Fimbristylis mauritiana Nees., 
Seirpus fimbriatus Willd. herb., Fimbristylis ovalis, cincta, marginata, trista- 
chya et obtusifolıa Nees., Fimbristylis gracilis Sieb. Agrost., Fimbristylis 
rigidula Nees.) 13) F. tomentosum \ahl. (vide F. diphyllum.) 14) F. pilo- 
sum Vahl. (vide F\. diphyllum.) 15) F. arvense Vahl. (ist die indische Form 
von Fimbristylis ferrugineum.) 16) F. umbellare Vahl. (Scirpus globulosus 
Retz., Vahl. [nee Roxb.], Trichelostylis globulosa Nees., Isolepis globulosa 
R.etS.) 17) F. ferrugineum \Vahl. (Seirpus cinereo-fuscus Willd. herb., 
Fimbristylis castaneum et arvense Vahl., Fimbristylis marginata Labill., Fim- 
bristylis compressa R. et S. [fide Nees.], Seirpus bonariensis Poir. [fide Nees.], 
Scirpus tranquebarensis Roth. [fide Nees.]) 18) F. Zaxum Vahl. (Seirpus 
Candelabrum Willd. herb. Fimbdristylis Candelabrum Schult., Fimbristylis 
brizoides Smith., Isolepis dichotoma H. et K. exel. syn., Scirpus annuus All., 
Fimbristylis puberulum et serrulatum \ahl., Isolepis varia Schrad., Seirpus 
depauperatus Willd. herb., Isolepis depauperata Link., Fimbristylis verru- 
cosa Presl., Scirpus sulcatus Ell., Seirpus Elliotti Spreng., Fimbristylis hir- 
tellum Vahl. [forma depauperata].) 19) F. castaneum Vahl. (gehört zu F. 
‚Ferrugineum.) 20) F. cylindricum Vahl. 21) F. spadiceum Vahl. 22) F. ar- 
genteum Vahl. (hieher gehört Seirpus nanus Poir.) 23) Fimbristylis pyg- 
maeum Vahl. endlich ist eine Jsolepis und 24) Fimbristylis mucronatum \Vahl. 
ein junger Scirpus littoralis. 


48 Kunst 


Aufserdem müssen zu Fimbristylis noch folgende Species gerechnet 
werden: 1) Seirpus villosus Poir. (wahrscheinlich einerlei mit Fimbristylis 
puberula [Vahl.] Willd. herb.). 2) Fimbristylis mariana Gaudich. 3) Fim- 
bristylis scaberrima Nees. 4) Fimbristylis speciosa Rhode. 5) Fimbristylis 
decora Nees. 6) Sceirpus glomeratus Retz. (Scirpus cymosus Lam., Isolepis 
Haenkei Presl., Seirpus rigescens Willd. herb.) 7) Scirpus bispicatus Koenig 
in Roxb. (F. bispicata Nees., Scirpus tristachyus Roxb.) und 8) Scirpus 
Vahli Lam. (Fimbristylis Vahli Link., Isolepis Vahlä H. et K.) Die ge- 
nannten Arten haben sämmtlich einen zweispaltigen Staubweg. 

Alle Vahlschen Species, mit Ausnahme von F. umbellare et F. milia- 
ceum, sind gleichfalls mit einem zweitheiligen Staubwege versehen. Herr 
Nees v. Esenbeck betrachtet blofs diese als ächte Fimbristylis, und bildet 
aus denen mit einem dreispaltigen Staubwege die Gattung Trichelostylis. 
Aufser den bereits genannten beiden Arten F. miliaceum und umbellare ge- 
hören hieher folgende: 1) Scirpus autumnalis Linn. (Fimbristylis autumnalis 
R. et S., Isolepis autumnalis Presl., Trichelostylis autumnalis Nees., Scirpus 
mucronalus Mich., Scirpus castaneus Willd. herb.) 2) Seirpus complanatus 
Retz. (Fimbristylis complanata Link., Isolepis complanata R. et S., Triche- 
lostylis complanata Nees., Scirpus anceps Willd. et? Roxb., Isolepis W illde- 
nowü R. et S., Cyperus complanatus Willd., Fimbristylis autumnalis var. in- 
dica Roth., Isolepis anceps Dietr.) 3) Scirpus cinnamometorum Vahl. (Tri- 
chelostylis cinnamometorum Nees.) 4) Scirpus quinquangularis Vahl. (Tri- 
chelostylis quinguangularis Nees., Scirpus pentagonus Roxb., fide Nees.) 
5) Seirpus obtusifolius Vahl. (Isolepis obtusifolia Beauv., Trichelostylis ob- 
tusifolia Nees.) 6) Scirpus falcatus Vahl. (Isolepis falcata R. etS.) 7) Tri 
chelostylis filiformis Nees. 8) Abildgaardia pubescens Presl. 9) Isolepis 
pubigera Reichenb. (Isolepis exilis H. et K.) 10) Isolepis gracilis H. et K. 
(Fimbristylis gracilis R. et S.) 11) Trichelostylis salbundia Nees. 12) Fim- 
bristylis Torreyana Gaud. 13) Fimbristylis brevifolia Presl. und 14) Tri- 
chelostylis juneiformis Nees. 

Trichelostylis Nees. kann nach meiner Ansicht nicht einmal als Ab- 
theilung der Gattung Fimbristylis beibehalten werden, da oft in demselben 
Individuum der Staubweg bald zweispaltig, bald dreispaltig erscheint, z. B. 
in Trichelostylis juncifolia, autumnalis et filiformis. 


* * 


über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 49 


1) Scirpus festucoides Poir. 2) Seirpus barbatus Rottb. (Isolepis 
barbata Brown., Nees., Scirpus antarcticus Vahl. [exel. syn.], Roxb., Scirpus 
capillaris 1. spec., Seirpus monander Roxb. [nee Rottb.], Isolepis fascicula- 
ris Sieb., Spreng., Isolepis Sieberi Schrad., Cyperus [Scirpus] capitatus Willd. 
herb.) 3) Seirpus stenophyllus Ell. (Diehromena caespitosa Mühlenb.) 4) Seir- 
pus filamentosus Vahl. 5) Cyperus recurvus Willd. herb. 6) Seirpus vestitus 
Reichenb. (Scirpus hirsutus Willd. herb., Scirpus barbatus Vahl. eclog.?) 
7) Zsolepis junciformis H. et K. (Seirpus juncoides Willd. herb., Seirpus Hum- 
boldui Spreng., Scirpus luzulinus et congestus Reichenb.) 8) Schoenus jun- 
codes Vahl. 9) Scirpus tenellus Willd. herb., Link. (Fimbristylis tenella 
Schult.) 10) Scirpus puberulus Poir. (Seirpus Thouarsü R. et S., Isolepis 
Thouarsü Nees., Seirpus cuspidatus Willd. herb.) 11) Seirpus capillaris Pursh. 
(Tsolepis capülaris R. et S., Nees., Seirpus Mühlenbergü Spr., Seirpus brachy- 
phyllus Willd. herb., Link., Zsolepis brachyphylYa Schult., Seirpus ciliatifolius 
Ell., Seirpus minimus Vahl. [exel. syn.], Zsolepis wichodes var. minima Schrad., 
Scirpus tenuifolius Rudge, Zsolepis tenuifolia Dietr., Zsolepıis bufonia H. etK., 
Scirpus bufonius Spr., Zsolepis asperiuscula H. et K., Seirpus asperiusculus, 
Juscus et humilis Willd. herb., Zsolepis fusca Link., Zsolepis scabra et ciliata 
Presl., Seirpus densus Wall., Roxb., Zsolepis densa Schult., Nees., Zsolepis 
tenuissima Don., Sceirpus capillaris L., Isolepis tenerrima Fisch. et Mey.) und 
einige andere neue Brasilianische und Capische Arten bilden eine kleine 
Gruppe von Gewächsen, welche mit Trichelostylis sehr nahe verwandt ist, 
sich aber dadurch unterscheidet, dafs die Basis des dreitheiligen (höchst sel- 
ten zweitheiligen) Staubwegs in Gestalt eines kleinen Höckers auf der Frucht 
stehen bleibt, wie bei Zleocharis, von welcher Gattung sich jedoch diese 
Gewächse durch Habitus und Abwesenheit der Borsten hinlänglich unter- 
scheiden. Die Schuppen sind carınatae und am Rücken meist dreinervig. 
Da sich die verschiedenen Gattungen der Cyperaceen vorzüglich auf das 
Verhalten des Staubwegs zur Frucht gründen, so verdiente diese Gruppe 
vielleicht um so mehr eine besondere Gattung zu bilden, da sie sich nicht 
füglich in einer der bekannten unterbringen läfst. 


Über Adildgaardia Vahl., Brown. 
Abildgaardia ist von Trichelostylis allein durch die Squamae distichae 
verschieden. Nach Herrn Nees v. Esenbeck sind diese aber blofs an- 
Physikal. Abhandl. 1835. G 


50 Kuntu 


fänglich distichae, und werden später, bei der Fruchtreife, durch eine leichte 
Drehung der Spindel, trifariae. Der Staubweg ist dreispaltig, an der Basis 
pyramidenartig verdickt, mit dem Ovarium artieulirt und später abfallend. 
Aufser den beiden Vahlschen Species Abildgaardia monostachya (zu der 4. 
Rottboelliana et indica Nees., A. compressa Presl. und Xyris brasiliensis Spr. 
gerechnet werden müssen) und 4. tistachya gehören mit Gewifsheit hieher 
Schoenus piosus Willd. herb. (Abildgaardia pilosa Nees.), Abildgaardia fusca 
Nees. und 4bildgaardia Eragrostis Nees. Die letztere, welche einerlei mit Scir- 
pus (Fimbristylis) obtusifolius sive Scirpus hybridus V ahl. herb. fol. 27 ist, bildet 
einigermafsen den Übergang dieser Gattung zu Schoenus Brown. Abildgaar- 
dia monostochya Vahl. herb. fol. 2 ist bestimmt Zumbristylis schoenoides \ahl. 


Über Ficinia Schrad., Nees. 


Diese Gattung wurde von Herrn Schrader in seinen Analecta ad 
Floram Capensem aufgestellt, und durch folgende Karaktere beschrieben: 
Spicae multiflorae. Glumae undique imbricatae, infima vacua. Perigynium 
subeyathiforme, irlobum. Stylus tripartitus, deciduus. Nucula perigynio süi- 
pata, crustacea. Vergleicht man die gegebenen Merkmale mit denen von 
Zsolepis, so findet sich, dafs der Unterschied beider Gattungen blofs auf der 
Gegenwart oder Abwesenheit eines Discus beruht, welchen Herr Schrader 
unter dem Namen Perigynium mit dem kelchartigen Organe in Seirpus, 
Rhy'nchospora ete. zu verwechseln scheint. Jener Discus ist nämlich in Ficinia 
vorhanden, erscheint hier meist stielartig und an der Spitze dreilappig, fehlt 
dagegen gänzlich in Zsolepis. Hiernach hat Herr Schrader zu der erstern 
mit Recht folgende fünf Arten gezogen: 1) Ficinia truncata Schrad. (Seirpus 
truncatus Thunb., Zsolepis truncata Nees. olim.) 2) Fieinta filiformis Schrad. 
(Schoenus filiformis Lam., Vahl. [exel. syn. Thunb.], Schoenus oliganthos 
Steud., Zsolepis oliganthes Nees., Seirpus marginatus Thunb., Vahl., Seirpus 
erinitus Poir., Isolepis marginata Dietr., Baeothryum erinitum Dietr.) 3) Schoe- 
nus indicus Lam., Vahl. (hierzu rechnet Vahl Schoenus Capitellum Thunb., 
welche beide zu meiner Fieinia striata (1) gehören.) 4) Ficinia gracilis 


(') Ich rechne hierzu Schoenus striatus Thunb., Vahl., Schoenus indicus Lam., Vahl., 
Schoenns Capitellum Thunb., Chaetospora striata et Capitellum Dietr., Hypolepis Capitellum 
Nees., Ficinia Capitellum Nees., Melancranis pallida Nees., Schoenus coronatus et subserratus 


über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 51 


Schrad. (Herr Nees v. Esenbeck vereinigt hiermit Seirpus gracilis Poir., 
Trichelostylis gracilis Nees. olim, Jsolepis gracilis Schrad.) und 5) Fieinia 
setiformis Schrad. (eine Form meiner Fiecinia striata.) 

Später (im 9“ Bande der Linnaea pag. 292) hat Herr Nees v. Esen- 
beck die Gattung Füeinia mit folgenden Arten bereichert: 1) Fieinia scariosa 
(Schoenus scariosus Vahl., nec Thunb.) 2) Ficinia acuminata ( Seirpus acu- 
minatus Steud., /solepis acuminata Nees. olim.) 3) Ficinia bulbesa (Schoenus 
bulbosus L. Aufserdem gehören folgende Synonyme hieher: Scirpus capensis 
Rottb., Steud., Zsolepis bulbosa Nees. olim [exel. Schoeno bulboso Thunb.], 
Scirpus vaginatus 'Thunb., Vahl. [fide Nees.], Schoenus spicatus Thunb. 
[ide Schrad.], Vahl., Schrad., Seirpus bicapitatus Poir., Scirpus biceps 
R.etS.) 4) Ficinia brevifolia (hiermit mufs nach meinen Untersuchun- 
gen Melancranis radiata Vahl. vereinigt werden.) 5) Fieinia praeusta 
6) Fieinia atrata (gehört zu meiner Fieinia striata.) 7) Ficinia pallida 
(ist gleichfalls mit Fieinia striata nob. zu vereinigen.) 8) Ficinia Capitel- 
lum (eine Form von Ficinia striata nob.) 9) Ficinia antarctica (Tsolepis 
diabolica R.etS., Seirpus diabolieus Steud., Scirpus antarcticus Thunb.) 10) Fi- 
cinia Eckloniana (Isolepis Steudeli Schrad., Scirpus Ecklonianus Steud.) 
11) Ficinia tristachya (Seirpus tristachyus Rottb., Thunb., Vahl. [excl. syn. 
L. et Burm.], Zsolepis tristachya R. et S., Scirpus Pseudoschoenus Steud.) 
12) Ficinia filamentosa (Isolepis flamentosa Nees. olim. Von Scirpus filamen- 
tosus Vahl. sehr verschieden.) 13) Ficinia laciniata (Tsolepis laciniata Schrad.) 
14) Ficinia composita (!) (Hypolepis composita Nees. olim.) 15) Ficinia 


Schrad., Schoenus atratus Schrad., Hypolepis atrata Nees., Ficinia atrata Nees., Ficinia seti- 
Jformis Schrad., Schoenus pallens Schrad. und Ficinia pallida Nees. 


(') Herr Neesv. Esenbeck stellte diese Species zuerst im 7" Bande der Linnaea unter 
dem Namen Hypolepis composita auf, und rechnete dazu Schoenus aggregatus Thunb., Scirpus 
Zaciniatus Thunb., Scirpus acrostachys Steud. und Zsolepis acrostachya Schrad.; im 9!e® Bande 
desselben Werkes gab er die Gattung Hypolepis mit Recht auf, und änderte daher jenen Na- 
men in Ficinia composita um, ohne jedoch der übrigen frühern Synonyme zu erwähnen; in 
seiner neuesten, im 10'“ Bande erschienenen Arbeit über die Capischen Cyperaceen endlich 
findet sich wieder eine Ficinia composita aufgeführt und beschrieben; da aber dabei durchaus 
keine Synonyme angegeben sind, so kann ich mit Gewilsheit nicht ausmitteln, ob sie einerlei 
mit der frühern ist, wie es die Beschreibung vermuthen läfst. In diesem Falle mufs hier 
wenigstens das zweite Thunbergsche Synonym wegfallen, daHerr Nees von Esenbeck 
diese Pflanze für eine besondere Art hält, und unter dem Namen Ficinia laciniata aufführt. 


G2 


52 Kuntn 


iwoides 16) Ficinia pieta 17) Ficinia semibracteata 18) Fieinia contexta 
19) Ficinia involuta und 20) Ficinia laevis. 

Von diesen 20 Arten kenne ich die 7 letztern blofs dem Niineh nach, 
und mufs mir darüber jedes Urtheils enthalten (). Was die übrigen 13 be- 
trifft, so habe ich in den 8 erstern den Discus deutlich beobachtet, in den 
5 übrigen aber keine Spur davon auffinden können, wobei jedoch zu be- 
merken ist, dafs ich diese Pflanzen blofs im blühenden Zustande untersuchen 
konnte. Dieser Discus, wodurch sich Fiecinia, wie bereits bemerkt, allein 
von /solepis unterscheidet, erscheint erst in der Frucht vollkommen ausge- 
bildet, und läfst sich zuweilen nur in dieser auffinden. So habe ich davon 
an Ficinia gracilis, im blühenden Zustande, keine Spur wahrnehmen können, 
während er sich mir später unter der Frucht in Gestalt eines fleischigen Stiels 
deutlich zeigte. In Fieinia striata habe ich ihn mehrmals am Ovarium beob- 
achtet, sehr oft schien er mir aber auch gänzlich zu fehlen. In Fieinia sca- 
riosa, fuiformis, acuminata, bulbosa und brevifolia ist er jederzeit vorhanden, 
und läfst sich schon im blühenden Zustande der Pflanze leicht auffinden. 
Hiernach wird es wahrscheinlich, dafs mehrere der Neesischen Arten, an 
denen ich bisher keine Spur des Discus entdecken komnte, sich in dem er- 
stern Falle befinden, den Discus nämlich erst später im Fruchtzustande ent- 
wickeln. Nach obigen Bemerkungen möchte ich Anstand nehmen, die Ge- 
genwart eines solchen Discus für wichtig genug zu erachten, um darauf eine 
Gattung zu gründen, und die damit versehenen Pflanzen für von Zsolepis hin- 


Jener Scirpus Zaciniatus Thunb. wird übrigens in demselben 7 Bande der Linnaca, wo 


(pag. 525) er als Synonym von Hypolepis composita erscheint, neunzehn Seiten vorher (pag- 
506) fragweise zu Zsolepis Eckloniana 2 gezogen. (Spätere Anmerk. des Verfassers. 
5 F 5e205 P 


(') Die neueste, von Herrn Nees v. Esenbeck im 10! Bande der Linnaea publicirte 
Arbeit hat in obige Angaben einige Änderungen gebracht. So finden sich z. B. von den 
früher blofs mit Namen angeführten Species hier zwei genauer beschrieben, nämlich Ficinia 
iwioides und Ficinia involuta; Ficinia praeusta dagegen wird für einerlei mit F. Zaevis erklärt. 
Als ganz neue Arten kommen folgende hinzu: Ficinia praemorsa, leiocarpa, albicans, argy- 
ropus, fascicularis, anceps und conifera. Scirpus fastigiatus Thunb. wird als eine Ficinia 
betrachtet, zu der vielleicht die mir blofs noch dem Namen nach bekannte F. picta gezogen 
werden muls. Scirpus gracilis Poir., Trichelostylis gracilis und Ficinia gracilis Schrad. ge- 
hören endlich jetzt drei verschiedenen Species an, wovon blols die letztere in der Gattung 


Fieinia bleibt, die beiden andern aber unter Zsolepis gesetzt werden. (Spätere Anmerkung 
des Verfassers.) 


über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 53 


länglich verschieden zu halten, wenn sie nicht sämmtlich im Habitus eine 
grolse Übereinstimmung zeigten, und ohne Ausnahme dem Vorgebirge der 
guten Hoffnung angehörten. Ob nämlich die auf der Norfolks-Insel auf- 
gefundene Zieinia guttata Endl. wirklich hieher gehört, lasse ich bis zur An- 
sicht der Pflanze noch unentschieden. 

Man mag sich aber hiernach entweder für die Vereinigung oder für 
die Beibehaltung von Ficinia entscheiden, so können auf keinen Fall Zypo- 
lepis Nees., Schoenidium Nees., Sickmannia Nees. und Pleurachne Schrad. 
als besondere Gattungen bestehen. Die erste ist bereits von Herın Nees 
v. Esenbeck selbst aufgegeben worden. Was die übrigen betrifft, so unter- 
scheidet sich Schoenidium von Fieinia blofs durch den zweitheiligen Staub- 
weg, während es sich durch seine übrigen Karaktere sehr natürlich an diese 
Gattung anreiht. Da die Zahl der Abtheilungen des Staubwegs in keinem 
andern Falle zur Unterscheidung von Gattungen als allein hinreichend be- 
trachtet worden ist, so mufs sie in dem gegenwärtigen um so mehr unbe- 
rücksichtigt bleiben, da sich der Staubweg in Ficinia guttata (von der jedoch 
noch zweifelhaft bleibt, ob sie wirklich hieher gehört), nach Herrn End- 
licher, gleichzeitig zwei- und dreispaltig zeigt. Mit noch mehrerem Rechte 
mufs aber Sickmannia eingehen, und mit Fiecinia vereinigt werden, indem 
sich zwischen beiden Gattungen durchaus kein Unterschied auffnden läfst; 
denn die von Herrn Nees v. Esenbeck angegebenen Merkmale sind ent- 
weder gar nicht vorhanden, z. B. die Spieula androgyna und der Stylus 
apice tridentatus (ich finde ihn nämlich jederzeit trifidus), oder werden 
auch gleichzeitig in Ficinia angetroffen. Herr Nees v. Esenbeck erwähnt 
nur einer einzigen Art, die er Sickmannia radiata nennt, und zu welcher von 
ihm Seirpus radiatus Thunb., Schoenus radiatus Linn. und Melancranis ra- 
diata Vahl. gezogen werden. Das letzte Synonym gehört aber nicht hieher, 
sondern zu Ficinia brevifolia. 

Wie bereits angedeutet worden, ist auch die Schraderche Gattung 
Pleurachne mit Fieinia zu verbinden. Der einzige Unterschied nämlich, wel- 
cher sich hier wirklich vorfindet, besteht in der Stellung der Spicae, welche 
in Pleurachne ährenartig, in Ficinia dagegen kopfförmig vereinigt erscheinen; 
denn diese sind keinesweges, wie Herr Schrader angiebt, pauciflorae, son- 
dern mudtflorae, und die Schuppen, aus welchen sie bestehen, nicht disti- 
chae, sondern undique imbricatae. 


54 Kuxrn über die Linneischen Gattungen Seirpus und Schoenus. 


Über Melaneranis Vabhl. 


Die Gattung Melancranis Vahl., welche wahrscheinlich auf eine einzige 
Art, nämlich M. scariosa Vahl. beschränkt werden mufs ('), unterscheidet 
sich von Fieinia allein durch den Habitus. Die Ähren sind nämlich auch hier, 
wie in den meisten Ficinien, kopfförmig vereinigt, aber durch sehr grofse, 
hervorstehende, trockne Bracteen getrennt. Aufserdem scheinen jene pauci- 
florae zu sein. Der Staubweg ist lief dreispaltig und nicht zweispaltig, wie 
Vahl, aus Versehen, angiebt. Ich schlage vor, die Gattung noch vorläufig 
beizubehalten, und auf folgende Weise zu begrenzen: 

Melancranis (vichtiger Melanocranis) Vahl. 

Spicae pauciflorae, capitato-congestae, bracteis distinctae longioribus un- 
dique imbricalis membranaceıs acuminato-mucronalis, dorso convexis. Squa- 
mae undique imbricatae, carinatae. Setae squamulaeque calycinae nullae. 
Stamina 3. Ovarium disco impositum. Stylus profunde trifidus, basi aequalis, 
deciduus. Acheniun trigonum, obtusum, disco trilobo insidens. — Culmi caespi- 
tosi, filiformes. Folia filiformi-capillarıa. Capitulum terminale, involueratum. 


(') Melancranis radiata Vahl. ist schon bei Ficinia brevifolia als Synonym aufgeführt wor- 
den, und Melancranis nigrescens Schrad. ist eine blofse Form von M. scariosa Vahl. 


Über die 
Linneischen Gattungen Scirpus und ‚Schoenus. 


Von 
Es KIUN TH. 


DunnLUVULnVUrrnn 


[Gelesen in der Königlichen Akademie der Wissenschaften am 14. Juli 1836.] 


Zweite Abtheilung. 


Über Rhynchospora, Dichroma, Cladium, Machaerina, Lepidosperma und mehrere 
andere mit ihnen verwandte Gattungen. 


ka noch gröfsere Theilung als Seirpus Linn. hat Schoenus Linn. erlitten, 
und die Zahl der daraus gebildeten Gattungen ist jetzt so bedeutend, dafs 
sie die gröfste natürliche Gruppe in der Familie der Cyperaceen ausmachen. 
Linne führte in der zweiten Auflage seiner ‚Species plantarum zwölf Schoenus- 
Arten auf, welche nach den jetzigen Ansichten fast eben so viel verschie- 
denen Gattungen angehören. Es ist daher nicht zu verwundern, wenn der 
von ihm gegebene Karakter nicht auf alle Arten pafst, und fast unverständ- 
lich erscheint. Dasselbe läfst sich gleichfalls von der Jussieuschen Be- 
grenzung der Gattung Schoenus sagen. Ich halte es für überflüssig, diese 
Behauptung hier mit weitern Beweisen zu unterstützen, da sie aus dem fol- 
genden von selbst hervorgehen. 

Spätere Botaniker bis auf Vahl haben hierin nichts wesentliches geän- 
dert, vielmehr dieses Übel durch das Hinzufügen einer Menge neuer, nicht 
dazu gehöriger Arten vergröfsert. Dieser Vorwurf trifft hauptsächlich 
Thunberg, indem die meisten seiner Species seitdem anderweitig ihren 
Platz gefunden haben, die übrigen aber noch zweifelhaft sind, und es so 
lange bleiben dürften, bis man Gelegenheit finden wird, davon Original- 
exemplare zu untersuchen. Die Compilatoren der damaligen Zeit haben 


56 Kunrn 


jene fremdartigen Materialien ohne Kritik aufgenommen, und in der Gat- 
tung Schoenus vereinigt gelassen. Auf solche Weise finden sich in Will- 
denow’s Species plantarum 39 Arten, und Persoon bringt ihre Zahl selbst 
bis auf 49, obgleich er davon schon in Folge Richardscher Mittheilun- 
gen zwei bekannte Arten getrennt, und darauf die Gattungen Dulichium 
und Dichroma gegründet hatte. 

Vahl fand bei seiner freundschaftlichen Verbindung mit Richard 
noch mehr Gelegenheit die scharfsinnigen Ansichten und reichen Materia- 
lien jenes unsterblichen Mannes kennen zu lernen, und vielfach zu benutzen. 
Die Gattungen Rhynchospora, Nlachaerina, Melancranis sind auf diese 
Weise entstanden. Aufserdem nahm Vahl die beiden Richard-Persoon- 
schen Gattungen Dulichium und Dichroma an, änderte blofs, und zwar 
mit Unrecht, den letztern Namen in Dichromena um. Ungeachtet dieser 
vorausgegangenen Trennungen zählt bei Vahl die Gattung Schoenus noch 
48 Arten, welches aber meist Gewächse von sehr verschiedenem Blüthen- 
und Fruchtbau sind, und worauf der von ihm gegebene kurze und unbe- 
stimmte Gattungskarakter daher keinesweges pafst. 

Herr Brown benutzte bei Bearbeitung der Neuholländischen Cype- 
raceen die vorgefundenen Materialien, säuberte die ältern Gattungen von 
vielem Fremdartigen, begrenzte dieselben durch neue und bestimmtere 
Karaktere, und bildete mehrere neue Gattungen theils nach ältern, theils 
nach vorher unbekannten, von ihm oder andern aufgefundenen Arten. 
Wenn seine Reform nicht gleich den allgemeinen Beifall fand, den sie 
verdiente, so lag es vielleicht darin, dafs sie sich nicht auf alle bekannte 
Arten erstreckte, und hauptsächlich, weil sie eine zu grofse Vermehrung 
der Gattungen und Arten befürchten liefs. Dieses letztere war wenigstens 
der Grund, welcher mich damals veranlafste, mit einer kleinen Abhand- 
lung über diesen Gegenstand aufzutreten. Wie weit sich seitdem meine 
Ansichten in dieser Beziehung geändert haben, wird aus dem Folgenden 
deutlich hervorgehen. 

Durch Brown’s vortreftliche Arbeiten war aber rücksichtlich der 
Gattung Schoenus noch nicht alles abgemacht und geordnet. Da sich 
Hr. Brown, wie bereits bemerkt, nicht über alle bekannte Arten erklärt 
hatte, so enthielt sie noch eine grofse Anzahl von Gewächsen, auf welche 
der von Hın. Brown neu aufgestellte Gattungskarakter keinesweges pafste. 


über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 57 


Von den Brownschen Ansichten mehr oder weniger durchdrungen und 
geleitet, suchten spätere Botaniker durch neue Trennungen diesem Übel- 
stande abzuhelfen. So bildeten theils auf Unkosten der Gattung Schoenus, 
theils mit neuen Materialien Herr Schrader die Genera Acrolepis, Hemi- 
chlaena, Pleurachne, Ecklonia, Melachne und Fieinia, Herr Link die Gat- 
tungen Blysmus und Streblidia, Herr Gaudichaud die Gattungen Mer- 
lotia und Baumea, Herr Adolph Brongniart die Gattung Pleurostachys 
und Herr Desyaux die Gattung Nemum. 

Palisot de Beauvois beabsichtigte, die Familie der Cyperaceen einer 
ähnlichen Bearbeitung zu unterwerfen, wie er sie über die Gräser geliefert 
hat, wurde aber durch einen frühen Tod daran verhindert. Was wir rück- 
sichtlich der Gattungen von ihm zu erwarten hatten, läfst sich aus den kur- 
zen Mittheilungen des Hrn. Lestiboudois blofs ahnden. Die Gattungen 
Spermodon, Zosterospermum, Schoenopsis, Trasi, Nemochloa und Ely'nanthus 
rühren von ihm her, und dürften bis auf eine einzige wohl in der Folge nur 
noch unter den unnützen Synonymen ihren Platz finden. 

Herr Nees von Esenbeck, wahrscheinlich von dem Grundsatze 
ausgehend, dafs sich kleinere Gruppen leichter und schärfer begrenzen las- 
sen, hat sich mit den vielen, auf Unkosten von Schoenus gebildeten Gattun- 
gen nicht begnügt, sondern noch 16 neue hinzugebracht, so dafs auf diese 
Weise die Zahl derselben mehr als um das Doppelte vermehrt worden ist. 
Die von ihm neu aufgestellten Gattungen sind folgende: Morisia, Haplosty- 
lis, Mitrospora, Calyptrostylis, Cephaloschoenus, Diplochaete, Ceratoschoe- 
nus, Haloschoenus, Echinoschoenus, Chapelliera, Asterochaete, Cyatocoma, 
Buekia, Sclerochaetium, Sickmannia und Schoenidium. Aufserdem behält 
er die meisten der frühern Gattungen bei, und sucht sie durch feinere Ka- 
raktere zu unterscheiden. 

Von Sickmannia und Schoenidium habe ich bereits im ersten Theile 
dieser Abhandlung gesprochen, und gezeigt, dafs beide Gattungen zu Fiecinia 
gezogen werden müssen, und also zur Gruppe der Scirpeen gehören. Was 
von den übrigen zu halten ist, wird sich bei Beleuchtung der einzelnen Gat- 
tungen ergeben, welche nach meiner Ansicht vor der Hand beibehalten wer- 
den müssen, und meine Gruppe der Rhynchosporeen bilden, welche die 
gleichnamige Neesische und seine Cladieen in sich begreift. 


Physikal. Abhandl. 1835. H 


58 Kunru 


Über Rhynchospora Vahl. 

Diese Gattung, von Richard aufgestellt, von Vahl publieirt, von 
Herrn Brown und den meisten neuern Botanikern fast unverändert ange- 
nommen, gehört zu den an Arten reichsten dieser natürlichen Gruppe. Sie 
ist vorzüglich durch die Frucht ausgezeichnet, welche mit der stehenblei- 
benden, verdickten Basis des Staubweges gekrönt, und von Kelchborsten 
umgeben erscheint. Obgleich sie eine der natürlichsten ist, so zeigt hier 
dennoch der Habitus nicht immer die grofse Ubereinstimmung, welche wir 
in dergleichen Fällen zu beobachten gewohnt sind. Die Ährchen erschei- 
nen bald zerstreut stehend, bald büschelförmig vereinigt, bald in dichte 
Köpfchen zusammengedrängt. Diese Verschiedenheit ist wahrscheinlich die 
Hauptursache weiterer Trennungen geworden, denn die Gattungen Morisia, 
Cephaloschoenus und Echinoschoenus scheinen offenbar diesem Umstande ihr 
Entstehen zu verdanken, da sie im Blüthen- und Fruchtbau durchaus keine 
wesentlichen Verschiedenheiten mit Ahynchospora zeigen. 

Rücksichtlich der Form und Länge des schnabelartigen Fortsatzes der 
Frucht findet bei den einzelnen Arten eine grofse Mannigfaltigkeit statt, kann 
aber durchaus nicht zu weiteren Theilungen der Gattung benutzt werden, 
da ganz ähnliche Arten hierin oft bedeutende Verschiedenheiten zeigen. 
Der Schnabel erscheint bald ungewöhnlich lang und dünn, wie in A. longı- 
rostris, R. triflora, R. polycephala u.a., bald kurz und breit, wie in A. cıliata 
und A. setacea. Am häufigsten aber kommen die verschiedenen Zwischen- 
formen vor. 

Eine eben so grofse Verschiedenheit zeigt sich gleichfalls in der Zahl, 
Länge und sonstigen Beschaffenheit der borstenartigen Organe, welche hier 
die Stelle des Kelches vertreten. Sie sind meist mit kurzen, steifen Härchen 
besetzt, welche gewöhnlich nach oben gekehrt sind; nur selten (in R. fusca 
und R. glomerata) zeigen sie die entgegengesetzte Richtung. Zuweilen wer- 
den diese Asperitäten durch längere, seidenartige Haare ersetzt, welche den 
Borsten ein federartiges Ansehen geben, z. B. in Ahynchospora capitata, glo- 
bosa, armerioides, barbata und plumosa. Sehr nahe verwandte Arten, wie 
R. globosa und armerioides, R. plumosa und R.laxa, zeigen sich hierin ver- 
schieden, daher auch noch niemand gewagt hat, darauf weitere Trennungen 
der Gattung zu gründen. Die Zahl und Länge der Borsten liefern hier eben 


über die Linneischen Gattungen Seirpus und Schoenus. 59 


so unbeständige Karaktere, und varüiren oft in ein und derselben Art. Man 
findet deren gewöhnlich sechs, zuweilen auch mehr, oft weniger. Die Bor- 
sten zeigen sich zuweilen so kurz, dafs sie von Herrn Nees von Esenbeck 
in meiner R. Wallichiana übersehen worden sind, oder verschwinden wohl 
auch zuweilen gänzlich, wie in R. exaltata, welche ich bei ihrer grofsen 
Ähnlichkeit mit AR. polycephala, aus diesem einzigen Grunde, nicht von 
Rhynchospora trennen möchte. Ich werde mich in der Folge bei Gelegen- 
heit der Gattung Dichroma auf diesen Umstand beziehen. 

Nachträglich zu den oben angeführten Beispielen von allmähligem 
Verschwinden der Kelchborsten verdient noch bemerkt zu werden, dafs 
Herr Nees von Esenbeck die erwähnte Ahynchospora Wallichtana als zwei 
verschiedenen Gattungen angehörig betrachtet, und diejenigen Exemplare, 
an welchen er die Borsten auffand, unter dem Namen Haplostylis Meyeni, 
diejenigen aber, an denen er sie, wegen ihrer Kürze, übersah, Morisia Wal- 
lichü nannte. Da sich jene beiden vermeintlichen Gattungen blofs auf die 
Gegenwart oder Abwesenheit der Borsten gründen, dieser Unterschied hier 
aber nicht vorhanden ist, so müssen sie schon aus diesem Grunde vereinigt 
werden. Herr Nees von Esenbeck beschreibt sie aufserdem als monö- 
cistisch, was ich vollkommen richtig gefunden habe; es fragt sich aber ob 
dieser Umstand allein zur Begründung von Gattungen benutzt werden kann, 
zumal in einer Gruppe von Gewächsen, wo sich fast überall die obern oder 
untern Blüthen des Ährchens unvollkommen ausbilden. Ich werde mich nie 
dazu entschliefsen können, jenes Gewächs von der so ähnlichen Rhyncho- 
spora polycephala zu tvennen, mit welcher letztern übrigens A. triceps und 
viele andere, als verschieden angesehene zusammenfallen. Unbegreiflich 
bleibt es mir, wie Herr Nees von Esenbeck jenen Schoenus triceps von 
seinem Cephaloschoenus (Rhynchospora mihi) polycephalus entfernen, unter 
dem Namen Echinoschoenus zu einer besondern Gattung erheben, und in 
eine verschiedene Abtheilung seiner Rhynchosporeen setzen konnte. 

Eben so wie Morisia, Haplostylis und Echinoschoenus halte ich auch 
die Neesische Gattung Mitrospora für nicht verschieden von Rhynchospora, 
denn die Setae fugaces vel nullae, welche den alleinigen Unterschied bilden 
g, zumal da diese Angabe noch dahin 


fo) 
berichtigt werden mufs, dafs die Setae meist fehlen, wenn sie aber vorkom- 


sollen, halte ich nicht für wichtig genu 


men, zwar sehr klein und zart erscheinen, aber keinesweges fugaces genannt 


H2 


60 Kunro 


werden können, indem sie an der Basis der Frucht jederzeit stehen bleiben. 
Übrigens zeigt Rlıy nchospora polyphylla Vahl., womit diese Gattung gebildet 
worden ist, die gröfste Ähnlichkeit mit meiner Rhynchospora Schiedeana, 
welche gewifs auch Hr. Nees von Esenbeck als eine ächte Ahynchospora- 
Art betrachten würde. 

Eine etwas abweichende Struktur der Anthere fand ich in Rhy'ncho- 
spora an mehreren von Herrn Nees von Esenbeck unter dem Namen Ce- 


phaloschoenus vereinigten Arten, scheint aber von ihm bei Aufstellung seiner 
Gattung übersehen worden zu sein. Die Antheren sind hier nämlich an der 


Basis bedeutend zusammengezogen, und enthalten an dieser Stelle keinen 
Pollen. AR. albiceps und R. exaltata, zwei neue Species, die sich durch 
ihren Habitus unfehlbar an jene Gruppe anschliefsen, zeigen aber diese Ver- 
schiedenheit gar nicht, oder wenigstens nur in sehr geringem Grade. 

Der Staubweg ist in Rhyynchospora jederzeit mehr oder weniger zwei- 
spaltig, in einigen Arten, z.B. in R. armerioides, Wallichiana, barbata, po- 
Iycephala, aurea u.a. überaus lang, und blofs an der Spitze in zwei kurze 
Lappen getheilt. In diesem letztern Falle wird zuweilen die Theilung über- 
sehen, oder durch das Abbrechen der Spitze unbemerkbar, ein Irrthum, in 
den Herr Nees v. Esenbeck bei Aufstellung der Gattungen Morisia, Ha- 
plostylis, Cephaloschoenus, Calytrostylis verfallen ist, denen er daher sämmt- 
lich, mit Unrecht, einen Stylus simplex zuschreibt. Dies würde einen 
neuen Grund liefern die vorgeschlagene Vereinigung obiger Gattungen 
mit Rhıynchospora zu rechtfertigen. Der zwischen dieser und Cephalo- 
schoenus aufserdem von Herrn Nees von Esenbeck angegebene Ge- 
schlechtsunterschied ist gleichfalls nicht vorhanden, ich finde vielmehr in 
sämmtlichen, von mir beobachteten Cephaloschoenus - Arten die obern 
Blüthen, wie in Ahynchospora, jederzeit männlich. 

Die Frucht zeigt in der Gattung Alynchospora zwar einige Verschie- 
denheit rücksichtlich der Form und Oberfläche, ist aber bis jetzt bei Tren- 
nungen mit Recht fast unbeachtet geblieben. Dafs sie zuweilen durch die 
herablaufende Basis des Staubweges geflügelt erscheint, habe ich, meines 
Wissens, zuerst bemerkt, mich aber geirrt, die Art, an der ich diesen Ka- 
rakter beobachtete, für neu zu halten. Nach Vergleichung von Original- 
exemplaren bin ich vielmehr zu der Überzeugung gelangt, dafs meine C’hae- 
tospora pterospora mit Schoenus globosus Rudg., Scirpus macrostylis Spreng. 


über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 61 


und Haplostylis bahiensis Nees. zu Schoenus barbatus Vahl. gehört, und also 
eine ächte Rhynchospora ist. Herr Nees von Esenbeck gründet auf jene 
Verschiedenheit eine Unterabtheilung seiner Gattung Haplostylis, die er Pte- 
rorhynchium nennt, und eben so wenig wie die ganze Gattung beibehalten zu 
werden verdient, da sich bei ganz ähnlichen Arten, wie in R. Wallichiana 
und polycephala, nicht diese, sondern die gewöhnliche Fruchtbildung vor- 
findet. 

Unter den von Herrn Nees von Esenbeck zur Gattung Cephalo- 
schoenus gezogenen Arten findet sich eine, welche er für neu hält, und Ce- 
phaloschoenus divergens nennt. Sie scheint in allen Stücken mit Rhyncho- 
spora aurea übereinzustimmen, und sich von dieser als Species nicht wesent- 
lich zu unterscheiden. Ich besitze sie aus verschiedenen Gegenden, unter 
andern auch, in einem sehr unvollkommenen Exemplare, aus den Marian- 
nen, von meinem Freunde Gaudichaud gesammelt. Sonderbar ist, dafs 
diese letztere Pflanze der Typus einer neuen Gattung geworden, und von 
Herrn Nees von Esenbeck unter den Namen Caljptrostylis Gaudichaudü 
bekannt gemacht worden ist. Dafs hierbei meinerseits kein Irrthum obwal- 
tet, geht aus dem Umstande hervor, dafs Herr Nees von Esenbeck die 
verschiedenen Exemplare meines Herbariums untersucht und selbst benannt 
hat. Hiernach findet sich also ein und dieselbe Species von Herrn Nees 
von Esenbeck in drei verschiedenen Gattungen zweier besondern Abthei- 
lungen aufgeführt, nämlich in Riynchospora als R. aurea, in Cephaloschoe- 
nus als C. divergens und in Calyptrostylis als C. Gaudichaudü. Herr Nees 
von Esenbeck hält ferner Schoenus floridus Rudg. für eine zweite Art sei- 
ner neuen Gattung, wahrscheinlich ohne darauf geachtet zu haben, dafs 
bereits seit 26 Jahren Herr Brown diese Pflanze zu Ahynchospora aurea 
rechnet. Calyptrostylis Rudgei Nees. würde auf diese Weise das vierte Sy- 
nonym jener Pflanze sein. Dafs sich übrigens die Gattung Calyptrostylis 
Nees. durch keine wesentlichen Merkmale von Ahynchospora unterscheidet, 
geht von selbst aus folgendem von Herrn Nees von Esenbeck aufgestellten 
Karakter hervor: Spicae hermaphroditae, basi apiceque sterlles. Perigynü 
selae 6. Stylus simplex, basi incrassatus. Caryopsis compresso-hexagona, 
scrobiculala, stylüi basi crassa calyptrata. 

Was von Diplochaete und Ceratoschoenus zu halten ist, wage ich ohne 
Ansicht der Pflanzen nicht zu entscheiden. Herr Nees von Esenbeck 


62 Kvusrte 


läfst sie auf Rhynchospora folgen, was ihre nahe Verwandtschaft mit dieser 
Gattung anzudeuten scheint. 


Über Dichroma Persoon. 


Von Rhynchospora blofs durch den Mangel der Borsten verschieden, 
denn die Fructus transverse undulato-rugosi würden keinen Gattungsunter- 
schied liefern, selbst wenn sie sich überall vorfänden; in Dichroma rigida, 
speciosa und consanguinea aber sind die Früchte nicht runzlich, sondern mit 
kleinen warzenartigen Punkten besäet. 

So lange sich diese Gattung auf die fünf Vahlschen Arten beschränkte, 
zeigte der Habitus etwas eigenthümliches, und der Name derselben war selbst 
von der verschiedenen Färbung des Involucrums hergenommen. Seitdem 
man aber Ahynchospora - Arten mit dem Habitus von Dichroma, und umge- 
kehrt Diehroma-Arten mit dem Habitus von Rhynchospora aufgefunden hat, 
fällt dieser Unterschied gänzlich weg, und es bleibt selbst fast kein Grund 
mehr übrig, diese Gattung beizubehalten, da ich eine Diehroma (D. rigida) 
besitze, die zwei kleine Setulae zeigt, und es umgekehrt Ahynchospora- 
Arten giebt, an denen die Borsten sehr kurz sind, wie in R. Wallichiana, 
oder selbst zuweilen gänzlich verschwinden, wie in A. ewaltata. 

Wird aber die Gattung beibehalten, so mufs dazu nach meiner Über- 
zeugung Haloschoenus Nees. gezogen werden, da die als Unterschied angege- 
benen Spieulae polygamae sich auch bei Dickroma vorfinden, und das Peri- 
gynium fructus quadrilobum breve selbst an Originalexemplaren von mir nicht 
hat aufgefunden werden können, also auch wohl nie vorhanden gewesen ist. 
Um so mehr mufs man sich wundern, dafs Herr Nees von Esenbeck beide 
Gattungen weit entfernt in zwei verschiedene Abtheilungen setzt, nämlich 
Haloschoenus unter die Rhynchosporeen, in die Nähe von Rhynchospora ; 
Dichroma dagegen, welche, wie wir eben gesehen haben, von Rhynchospora 
schwerlich zu unterscheiden sein dürfte, unter die Seirpeen, neben 7solepis. 
Gelegentlich mufs ich noch bemerken, dafs Haloschoenus sparsus und pyg- 
maeus Nees. derselben Species angehören, und beide zu Ahynchospora mi- 
crantha gezogen werden müssen. 

Spermodon Beauy. et Nees., von Richard früher mit dem Namen 
Triodon belegt, kann eben so wenig eine besondere Gattung bilden. Der 
einzige Unterschied, welcher angegeben wird, besteht darin, dafs hier die 


über die Linneischen Gattungen Seirpus und Schoenus. 63 


Frucht an der Spitze buchtig eingedrückt ist, und zu beiden Seiten ohrför- 
mige Lappen zeigt, was Herr Nees von Esenbeck weniger passend durch 
Caryopsis apice bidentata ausdrückt. Diese eigenthümliche Bildung zeigt sich 
allein bei Schoenus setaceus Vahl., und dient dazu, diese Pflanze von allen 
verwandten zu unterscheiden. Die Ähnlichkeit mehrerer derselben ist in der 
That so grofs, dafs sich Herr Nees von Esenbeck dadurch bewogen fand, 
eine dieser Arten zu Spermodon zu ziehen, obgleich sie den geforderten Gat- 
tungskarakter nicht besitzt, wie es der Name Spermodon edentulus hinläng- 
lich andeutet. Hiermit scheint mir Herr Nees von Esenbeck selbst das 
Urtheil über seine Gattung gesprochen zu haben. 

Dichromena squarrosa Link. Jahrb. ist, gelegentlich bemerkt, eine 
neue Rapatea, also einer sehr verschiedenen Familie angehörig. 


Über Pleurostachys Brongn. 

Diese Gattung, von Herrn Adolph Brongniart aufgestellt, unter- 
scheidet sich von der nahe verwandten Rhynchospora blofs durch den eigen- 
thümlichen Habitus, die kurzen, unter der Frucht stehenbleibenden Schup- 
pen, und die fedrigen Kelchborsten. 

Herr Nees von Esenbeck hat eine neue Trennung dieser Gattung 
für nöthig gefunden, gründet sie aber auf Unterschiede, welche mir, da ich 
die beiden zu seiner Nemochloa gezogenen Arten nicht in vollständigen 
Exemplaren besitze, weder aufzufinden, noch zu verstehen vergönnt ist. 
In Pleurostachys nämlich soll der Stylus deciduus sein, und die Frucht (Nux 
Nees.) in vertice delapsis stylis bipunctatus, bei Nemochloa dagegen heifst es: 
Stylus ab ovario rostrato-attenuato deciduus; caryopsis in rostrum angustum 
allenuala. In meinen Pleurostachys-Arten, welche auch die Neesischen 
sind, fällt aber der Stylus keinesweges ab, sondern zeigt sich, wie bei Rhyn- 
chospora und Dichroma, an der Spitze der Frucht in Gestalt eines schnabel- 
artigen Ansatzes, was folglich ganz im Widerspruch mit der von Herrn Nees 
von Esenbeck gegebenen Beschreibung steht, und mich vermuthen läfst, 
dafs wenigstens hierin zwischen Nemochloa und Pleurostachys keine Ver- 
schiedenheit statt findet. 


64 Kvunsrtu 


Über Ecklonia Schrad. 


Im Habitus der Dichroma setacea (Sjpermodon setaceus Nees.) ähnlich, 
durch Blüthen- und Fruchtbildung aber am nächsten mit Ahynchospora ver- 
wandt, vorzüglich mit den Arten, welche fedrige Kelchborsten zeigen, z. B. 
R. armerioides, capitala etc. 

Diese Gattung dürfte beizubehalten sein, indem sie sich durch die 
eigenthümliche Form der Kelchblätter auszeichnet. Es finden sich nämlich 
deren jederzeit nur drei, sie sind schmal, nach unten fedrig, nach oben in 
drei grannenartige Spitzen auslaufend, wovon die mittelste die zur Seite 
stehenden an Länge übertrifft. Die Form der Frucht, auf der äufsern Seite 
erhaben stumpfeckig, scheint anzudeuten, dafs der ungleich dreitheilige 
Staubweg hier nicht zu vernachläfsigen ist. Die stehenbleibende schnabel- 
artige Basis des Staubwegs erscheint aufserdem an der Spitze haarig. 


Über Arthrostylis Brown. 


Arthrostylis aphylia, die Pflanze, worauf sich dies Genus gründet, ist 
mir unbekannt, wenn aber Rhynchospora pauciflora Willd. herb. n. 1143 
fol. 1 und R. echinata Willd. herb. n. 1144 fol. 1 (specimen sinistrum) wirk- 
lich eine zweite Art (meine Arthrostylis T’houarsü) bilden, so dürfte sich diese 
Gattung von Dichroma blofs durch den dreispaltigen, abfallenden Staubweg 
und die dreieckige Frucht unterscheiden, was mit der Brownschen Bemer- 
kung differt a Rhynchospora stylo deciduo et defectu setarum keinesweges in 


W iderspruch stehen würde. 


Über Cladium Patrin Browne. 

Diese merkwürdige Gattung, welche Linne und die Botaniker seiner 
Zeit gänzlich vernachlässigt hatten, wurde zuerst wieder von Herrn Schra- 
der ins Leben gerufen, und seitdem allgemein angenommen. Ob Herr 
Schrader aber ihre eigenthümliche Struktur gehörig verstanden hat, geht 
aus seiner Beschreibung nicht recht deutlich hervor; er sagt nämlich von 
Cladium germanicum: Nux putamine dupliei: exterius substantiae tenutoris ac 
Fragilis, ex ovata basi in apicem subtrigonum, obsolete corrugatum desinens, 
Pagina exteriori laevissima, nitida, castanea, Interiori farina tenui virescente ad- 


spersa. Putamen interius subrotundum, crassiusculum, osseum, griseum, nitore 


über die Linndischen Gattungen Seirpus und Schoenus. 65 


expers, strüs A concentrieis exaralum, nullatenus vero quadrialatum, ut a 
pluribus describitur. Nucleus putaminıs inlerioris cavilali conformis, punctato- 


scaber, ex pallescente albidus. 


Diese Beschreibung ist zwarrichtig, enthält aber viel Aufserwesentliches, 
und sagt durchaus nicht, wie jene sonderbare Fruchtbildung entsteht. Um die- 
selbe einzusehen, ist es nöthig, das Pistill zu untersuchen, und seine allmälige 
Umbildung in Frucht zu verfolgen. In jenem jüngern Zustande bemerkt man 
nämlich ganz deutlich, dafs der Fruchtknoten (welcher ein aufrechtes Eichen 
enthält) allmählig in die verdickte Basis des Staubweges übergeht, und von 
derselben kaum durch eine schwache Einschnürung getrennt wird. Bei der 
Ausbildung des Ovariums in Frucht (Aechenium osseum) tritt dieses allmählig in 
die gleichzeitig anschwellende schwammige Basis des Staubweges hinein, wird 
endlich von derselben gänzlich umhüllt, und verwächst mit ihrer innern Wand; 
daher die rauhe Beschaffenheit seiner Oberfläche bei nachheriger Trennung. 

Ich habe bei Cladium triglomeratum Nees., zu der Scleria triglomerata 
Mich., Schoenus mariscoides Mühlenb. und Schoenus inermis Willd. gehört, 
eine ganz gleiche Fruchtbildung beobachtet, und halte diese Pflanze daher 
nur für eine kleinere Form von Cladium germanicum, wit welchem Herr 
Brown schon Schoenus Cladium und Schoenus effusus Swartz., unter dem 
Namen Cladium Mariscus, vereinigt hat. 

Es ist zu verwundern, dafs dieser genaue Beobachter, indem er die 
Gattung Cladium annahm, jenen eigenthümlichen Bau der Frucht gänzlich 
übersehen hat, sie als eine Nux calva beschreibt, und zu dieser Gattung eine 
Menge von neuholländischen Arten rechnet, die auf keinen Fall hieher gehö- 
ren, sondern vielmehr in vielen Stücken mit seiner Gattung Schoenus über- 
einzustimmen scheinen. Da ich von den letztern keine vollständigen Exem- 
plare besitze, so mufs ich es bei der ausgesprochenen Vermuthung bewenden 
lassen. Auch Herrn Nees von Esenbeck trifft jene Bemerkung, indem 
er die Nux als mit einem Pericarpium apicem versus incrassatum suberosum 
versehen beschreibt. Herr Link sagt Tunica caryopsis perigynio Caricis si- 
milis, comilatur styli basin et ubi solvitur stylus desinit, was gleichfalls mit 
meiner gegebenen Beobachtung nicht übereinstimmt, auch nicht die sonder- 
bare Fruchtbildung dieser Gattung erklärt. 

Vielleicht wäre es endlich passender gewesen, der Gattung Cladium 
den Linneischen Namen Schoenus zu erhalten, da die Gruppe von Gewäch- 

Physikal. Abhandl. 1835. I 


66 Kvunrtu 


sen, welche Herr Brown ganz willkührlich mit diesem Namen bezeichnet, 
keine einzige der ältern Linneischen Species in sich begreift. 


Über Caustis Brown. 


Diese Gattung scheint mit den neuholländischen Cladium-Arten sehr 
nahe verwandt, und von denselben vielleicht gar nicht verschieden zu sein. 
Da ich nur eine Species (C. flecuosa), und zwar allein im blühenden Zu- 
stand zu untersuchen Gelegenheit hatte, so glaube ich mich aller weitern 
Bemerkungen über die Haltbarkeit dieser Gattung entbunden. 

Als eine vor der Hand noch zweifelhafte Art der Gattung Caustis 
möchte ich Gahnia psittacorum Sieb. Agrostotheca no. 13 betrachten. Dafs 
diese Pflanze nämlich von der gleichnamigen Labillardiereschen sehr ver- 
schieden und keine Gahnia ist, erkannte schon Herr Presl, und gründete 
darauf seine Gattung Zipiandra, welchen Namen er später in Didymonema 
umänderte. Herr Nees von Esenbeck erwähnt dieser Gattung nicht, 
scheint sie vielmehr gänzlich übersehen zu haben, und zieht die Siebersche 
Pflanze zu Caustis pentandra, während er eine andere, in derselben Samm- 
lung unter no. 36 ausgegebene, von jener sehr verschiedene, gleichfalls da- 
für erklärt. Diese letztere scheint in der That die ächte Brownsche Art 
zu sein. Obgleich also hiernach jene Vereinigung zu verwerfen ist, so geht 
dennoch daraus, noch mehr aber aus nachfolgender Beschreibung, die nahe 
Verwandtschaft jener von Sieber fälschlich Gahnia psittacorum genannten 
Pflanze mit Caustis hervor. Die Spicae enthalten in dem mir vorliegenden 
Sieberschen Exemplare jederzeit zwei Blüthen, wovon allein die obere 
fruchtbar ist, und werden von sechs Schuppen gebildet, welche nach allen 
Richtungen sich dachziegelartig decken, und blofs an der Spitze der Ähre 
Blüthentheile umschliefsen. Diese beschränken sich in der untern Blüthe 
auf vier Staubgefäfse und ein unvollkommenes Pistill mit dreitheiliger Narbe. 
An der Stelle der obern Blüthe fand ich blofs die Frucht. Sie zeigte sich 
mir länglich, stumpfdreieckig, am äufsersten Ende zugespitzt und etwas 
haarig, und mit vier langen Staubfäden umgeben. Der Same erfüllt den 
innern Raum des Pericarpiums, und erscheint an seiner Oberfläche vollkom- 
men glatt und eben. Diese Karaktere stimmen bis auf den Staubweg, wel- 
chen ich nicht gesehen habe, mit Caustis vollkommen überein. Es bleibt 
blofs noch an vollkommnern Exemplaren als die meinigen zu ermitteln übrig, 


über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 67 


ob die von mir an der Frucht bemerkte haarige Spitze dem Pericarpium an- 
gehört, oder die stehenbleibende Basis des Staubweges ist. Wenn sich dies 
letztere bestätigen sollte, würden alle Zweifel über die defmitive Vereinigung 
dieser Gattung mit Caustis gehoben sein. 


Über Elynanthus Beauv. 


Unter denen uns von Herrn Lestiboudois aus dem Beauvoisschen 
Nachlasse mitgetheilten Gattungen scheint Zlynanthus die einzige haltbare 
zu sein, und ist daher auch mit Recht von Herrn Nees von Esenbeck bei- 
behalten worden: Sie begreift aufser Schoenus compar Linn. (zu welcher 
Schoenus arenarius et viscosus Schrad., Zlynanthus compar, arenarius et 
viscosus Nees., Rhynchospora nitida Spreng. und Schoenus pungens Willd. 
herb. gehört) und Schoenus cuspidatus Rottb. (Zlynanthus cuspidalus et fili- 
Jormis Nees., Chaetospora cuspidata Nees., Fuirena filifolia Reichenb.) meh- 
rere neue Arten in sich, und zeichnet sich durch folgende Karaktere aus: 

Elynanthus Beauv. 

Spicae 1-4-florae; los terminalis hermaphroditus, 3-, interdum 4-6- 
ander; reliqui masculi, pisüllo effeto, 5-S-andri. Squamae dislichae. Setae 
squamulaeque calycinae nullae. Stylus trifidus, bası bulboso-incrassatus, in 
achenio triangulari persistens. 

Hiernach dürfte sich Zlynanthus in vielen Stücken der Gattung Cau- 
stis nähern. 


Über Zepisia C.B.Presl. 
Von Elynanthus blofs durch Flores triandri und durch den Stylus bası 
pyramidato-incrassatus, cum fruclu continuus unterschieden, also kaum als 


Gattung beizubehalten. 


Über Buekia Nees ab Esenb. 


Eine Neesische Gattung, welche sich auf eine einzige Art, Schoenus 
punctorius Vahl., beschränkt, und wegen der Setae octo, longissimae, des 
Stylus longissimus, apice sexfidus, basi bulboso-incrassatus aufgenommen zu 
werden verdient, und am nächsten mit Asterochaete verwandt zu sein scheint. 
Man mufs hier nothwendig drei verwachsene Staubwege annehmen, wovon 


jeder an der Spitze gespalten ist. 
I2 


68 Kunrtu 


Über Ideleria. 


Eine von mir aufgestellte, neue Gattung, welche sich von #sterochaete 
hauptsächlich durch die doppelte Zahl der Staubgefäfse unterscheidet, und 
an folgenden Merkmalen zu erkennen ist: 

Ideleria. 

Spicae biflorae; flore utroque hermaphrodito?. Squamae paucae, disti- 
chae, carinato-naviculares; inferiores vacuae. Setae 5, capilares, hyalino- 
albidae, superne? pubescentes; duae multo breviores et tenuiores. Stamina 6. 
Stylus trifidus, basi conico - incrassatus tbique hispidus. Achenium ..... — 
Culmi trigoni, foliati, scabri. Folia angusta, rigida, canalıiculata, margine 
scabra. Pedunculi axillares et terminales, jascieulati, polystachyi; spicis 
Jasciculato-conglomeralis, brachiatis. 

Diese neue Gattung beschränkt sich gegenwärtig auf eine Art, welche 
Herr Drege am Vorgebirge der guten Hoffnung gesammelt, und mir, auf 
Veranlassung des Herrn Professors E. Meyer in Königsberg, mit vielen 
andern Pflanzenschätzen zur Publication mitgetheilt hat. Wahrscheinlich 
gehört Carpha hexandra Nees. hieher, und ist vielleicht selbst einerlei mit 
meiner Jdeleria capensis. 

Ich wünschte bei Benennung dieser Gattung das Andenken eines Jüng- 
lings (Edward Ideler) zu ehren, welchen vorzügliche Anlagen des Geistes 
und Herzens, ein grofser und unbegrenzter Eifer, vielseitige und gründliche 
Kenntnisse unter die edelsten unserer Hochschule setzten, welcher mir als 
Schüler lieb und theuer geworden war, und mit welchem ich mich einst zu 
gemeinschaftlichen Arbeiten zu verbinden gedachte. Sein früher Tod hat 
leider diese und andere schöne Hoffnungen schmerzlich zerstört, und ihn 
verhindert, einen schon in vielen andern Wissenschaften hochgefeierten 
Namen, seinerseits auch in der Botanik zu verewigen. 


Über Asterochaete Nees ab Esenb. 


Herr Nees von Esenbeck stellt diese Gattung im 9'® Bande der 
Linnaea auf, und rechnet dazu Schoenus glomeratus Thunb. (S. dactyloides 
Vahl.) und zwei neue Arten, welche er 4sterochaete angustifolia und A. ca- 
Pitata nennt, nachdem er früher, im 7 Bande desselben Werks, die Thun- 
bergsche Pflanze zu Carpha gerechnet hatte. Seine neue Gattun 


g wird 


über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 69 


von ihm mit folgenden Worten karakterisirt: Perigynium selosum. Stylus 
trifidus. Nux trigona, pericarpio tenul, mucronata. Spiculae glomeratae, 
pauciflorae, squamis suffultae. Vergleicht man hiermit die gleichzeitig von 
Carpha gegebenen Gattungsmerkmale, so scheint sich nach Herrn Nees 
von Esenbeck der einzige Unterschied derselben auf die Natur der Frucht 
zu gründen, denn er sagt von diesem Genus: Perigynü setae 3-6, elongatae, 
plumosae aut antrorsum hispidulae. Stylus elongatus, trifidus. Caryopsis tri- 
quetra, in stylum cuspidata. MHiernach hat also Carpha eine Caryopsis in 
stylum cuspidata und Asterochaete eine Nux mucronata, pericarpio tenul. 
Da aber Herr Nees von Esenbeck unter Caryopsis etwas ganz anderes als 
Richard versteht, nämlich das 4chenium des letztern, und (in Linnaea 9. 
p-282) den Unterschied zwischen Caryopse und Nüfschen (was also durch 
Nucula, nicht durch Nux zu übersetzen wäre) blofs in einer gröfsern oder 
geringern Verdickung des Pericarpiums sucht, so scheint der Zusatz bei Aste- 
rochaete ‚,Pericarpium tenue”’ dem Begriff der Nux zu widersprechen. Übri- 
gens schreibt Herr Brown, der Begründer der Gattung Carpha, dieser eine 
Nux zu. Ich mufs daher vermuthen, dafs Herrn Nees von Esenbeck der 
Unterschied zwischen diesen beiden Gattungen nicht ganz klar gewesen ist, 
da er seine #sterochaete früher zu Carpha rechnete, und sich noch jetzt 
wirkliche 4sterochaete- Arten bei ihm unter Carpha finden. 

Ich kenne von der Gattung Carpha nur eine Art, nämlich C. alpina 
Brown. Diese hat ein Achenium (Nux Brown.) oblongo-prismaticum, trian- 
gulare, stipitatum, apice in stylum altenuatum, welches mit 6 fedrigen Kelch- 
borsten umgeben ist. Dieser letztere Karakter findet sich nach Herrn Brown 
jedoch nur in zwei Arten. Die übrigen haben kahle, haarförmige Borsten. 
Der Staubweg von C. alpina ist an der Basis keinesweges verdickt, und bleibt 
blofs theilweise in der Frucht stehen, was auch mit der von Herrn Brown 
gegebenen Beschreibung vollkommen übereinstimmt. Hiernach setzt dieser 
ganz passend seine Gattung zwischen Rhynchospora und Chaetospora. 

In Asterochaete glomerata erscheint die Frucht gleichfalls als ein drei- 
eckiges, an der Basis mit Borsten umgebenes Achenium, ist aber mit der 
pyramidenartig verdickten Basis des Staubweges gekrönt. Eine ganz ähnliche 
Struktur der Frucht fand ich bei Schoenus radiatus Forst. (Schoenus arundi- 
naceus Vahl., Carpha arundinacea Brongn., Carpha Urvilleana Gaudich. et 


Nees.), Schoenus elongatus Willd. herb. und Schoenus nitens Willd. herb. 


70 Kunrtu 


(Carpha Aubertü Nees.), welche ich daher vorläufig als zu Asterochaete gehö- 
rend betrachte. Die letztere Art entfernt sich jedoch etwas von jener Gattung, 
indem hier der Staubweg mit der Frucht articulirt erscheint, und sich in der 
Folge von derselben trennt. Sie verhält sich daher zu Rhynchospora, wie 
Arthrostylis zu Dichroma, oder ist vielmehr eine mit Borsten versehene Ar- 
throstylis. Dies alles beweist hinlänglich, wie sehr auch in dieser Gruppe 
von Gewächsen, wie überall, die Karaktere sich verschiedentlich zusammen- 
stellen, in einander übergehen, und wie behutsam man daher bei Aufstellung 
neuer Gattungen verfahren mufs. 

Nach den vorausgegangenen Bemerkungen dürften die wesentlichen 
Merkmale beider Gattungen auf folgende Weise zu stellen sein: 

Carpha Brown. 

Spicae 1-2-florae. Squamae distichae; inferiores vacuae. Setae ca- 
Iycinae 3-6, squamas floriferas aequantes, plumosae vel capillares. Stylus 
subwlatus, cum ovario articulatus, 3- v. 2-fidus. Achenium (Nux Brown.) 
prismalicum, stylo persistente cuspidatum. 

Asterochaete Nees ab Esenb. 

Spicae biflorae; flore utroque hermaphrodito. Squamae paucae, di- 
stichae, carinato-naviculares; inferiores vacuae. Setae calycinae hispidae vel 
pubescenüi-plumosae, persistentes. Stamina 3. Stylus wifidus, bası pyramidato- 
incrassaltus. Achenium triangulare, basi persistente styli mucronatum wel ro- 
stralum, selis persistenüibus cinctum. 

Hiernach nähert sich also Asterochaete am meisten der Gattung Rhyn- 
chospora, und unterscheidet sich von derselben blofs durch die dreieckige 
Frucht und den etwas abweichenden Habitus. Carpha stimmt dagegen in 
vielen Stücken mit Chaetospora überein, und entfernt sich von „/sterochaete 
hauptsächlich durch den überall gleichdicken Staubweg. 

Carpha hexandra Nees. scheint zu keiner der beiden Gattungen zu 
gehören, vielmehr, wie bereits bemerkt worden, sich der Gattung /deleria 
anzuschliefsen. 


Über Machaerina Vahl. 
Nach der so eben gegebenen Begrenzung der Gattung Zsterochaete, 
dürfte sich Machaerina kaum von jener unterscheiden lassen, wie aus folgen- 
der Beschreibung hervorgeht: 


über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 74 


Machaerina Vahl. 

Spicae subseptemflorae. Squamae distichae, carinato-naviculares, per- 
sistentes; duae inferiores vacuae. Setae calycinae 6, superne hispidulo- pu- 
bescentes, persistentes. Stamina 3. Stylus trifidus, basi conico-incrassatus. 
Achenium pyriforme, stipitatum, interne planiusculum, externe convexo- 
angulatum, laeve, nitidum, rostratum; rostro continuo, conico, puberwlo. — 
Culmus anceps, foliatus. Folia lineari-ensiformia, equitantia. Panicula ra- 
mosa, subfoliata. Spicae in ramulis ternae, bracleis duabus inclusae; laterales 
minores, imperfeclae (semper?). 

Hiernach zeigen sich alle wesentliche Merkmale übereinstimmend, 
blofs die Ähren sind in dieser mehrblüthig, in 4sterochaete dagegen zwei- 
blüthig, auch unterscheidet sich Machaerina durch einen eigenthümlichen 
Habitus, und nähert sich in dieser Rücksicht mehr der Gattung Zepido- 
sperma. Sollte in der Folge eine Vereinigung beider Gattungen für nöthig 
gefunden werden, so müfste nothwendig der frühere Vahlsche Name den 
Vorzug vor den spätern Neesischen behaupten. 


Über Fincentia Gaudich. 


Von Machaerina blofs durch die Squamae undique imbricatae, und die 
Abwesenheit der Kelchborsten verschieden. Sie beschränkt sich aufserdem 
kaum auf mehr als eine Species, Yincentia latifolia mihi, zu der Scirpus indi- 
Jolius Bory. (nicht Poiret.), Seirpus lavarum Poir. und Zepidosperma ensifo- 
lia Willd. herb. no. 1089 als Synonyme gehören; denn die von Gaudi- 
chaud unter dem Namen Fincentia angustifolia aufgestellte, ist wohl nichts 
als eine schmalblättrige Form von jener. Ob Seirpus anceps Poir. (Zepido- 
sperma anceps Willd. herb. et Link. hierher oder vielmehr zu Chapelliera 
gehört, wage ich, bei dem Mangel an vollständigen Exemplaren, mit Ge- 
wifsheit nicht zu entscheiden. 

Vincentia latifolia zeigt im äufsern Ansehen eine so grofse Überein- 
stimmung mit Machaerina restioides Vahl., dafs sie von mehreren Botanikern 
fälschlich mit dieser verwechselt worden ist. So trägt z.B. im Königlichen 
Herbarium zu Paris jene Pflanze den Vahlschen Namen; Herr Gaudichaud 
hielt früher (in Freycinet, Joy. autour du Monde, partie botanique 104.) 
seine Fincentia ensifolia für Machaerina restioides Vahl., und Herr Link (in 


Jahrb. 3. 75) verfällt in denselben Irrthum, wenn er die Vahlsche Pflanze 


12 Kuntn 


als Synonym zu Lepidosperma ensifolia Willd. zieht. Folgendes ist der Gat- 
tungskarakter: 
Fincenta Gaudich. 

Spicae subsexflorae. Squamae undique imbricatae, carinato-convexae; 
inferiores minores summaque vacuae. sSetae sqguamulaeque calycinae nullae. 
Stamina 3. Ovarium stipitatum, trıangulare; angulis membranaceis, in sli- 
pitem decurrenübus. Stylus trifidus, inferne incrassatus, triangularis, cum 
ovario conlinuus. Achenium .... — Cilmi compresso-subancipites, foliati. 
Folia rigida, ensiformia, equitantia, basılaria disticha. Paniculae peduncu- 
latae, ramosae, ex azxıllis foliorum superiorum per ‚fasciculos erumpenles, pa- 
nıculam consüiluentes ramosissimam terminalem. 


Über Baumea Gaudich. 


Auch Baumea ist eine von den kaum beizubehaltenden Gattungen, 
indem sie sich, wie aus nachstehendem Gattungskarakter hervorgeht, von 
Fincentia blofs durch die Spicae 1-2-florae und die Squamae subdistichae 
unterscheidet. Der Habitus zeigt sich in beiden vollkommen ähnlich. Auch 
mit der Brownschen Gattung Causts scheint Baumea in den meisten Merk- 
malen übereinzustimmen. Auf jeden Fall sind dergleichen Gattungen nicht 
zur Nachahmung zu empfehlen. 

Baumea Gaudich. 

Spicae 1-2-florae. Sgquamae perpaucae, subdistichae, carinato-navi- 
culares. Setae sguamulaeque calycinae nullae. Stamina 3. Stylus profunde 
trifidus, basi conico-incrassatus, sericeo-hirsutus. Achenium sessile, osseum, 
obsolete trigonum, basi styli persistente conica continua sericeo - hirsuta rostra- 
tum.— Culmi compresso-ancipites, foliai. Folia equitantia, disticha, lineari- 
ensiformia, rigida. Pedunculi polystachyi, ex axıllis foliorum superiorum per 
ternos vel plures erumpentes, paniculam referentes terminalem, simplicem vel 
composilanı. 

Herr Nees von Esenbeck zieht zu seiner Baumea glomerata, welche 
er früher im Meyenschen Herbarium Trachyrhyngium iridifolium nannte, 
die Gaudichaudsche Pflanze, von der sie jedoch verschieden zu sein 
scheint. 


über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 73 


Über Chapelliera Nees ab Esenb. 

Diese Gattung zeigt mit dem Habitus von Daumea alle Karaktere der 
Brownschen Gattung Schoerus, und dürfte daher, von dieser kaum als hin- 
länglich verschieden, beizubehalten sein. Sie beschränkt sich auf eine ein- 
zige Art, nämlich Chapelliera iridifolia Nees., zu der Seirpus inidıfolius Poir. 
(nicht Bory.) und Zepidosperma iridifoliaWilld. herb. et Link. gehören. Ich 
schlage vor, sie folgendermafsen zu karakterisiren: 

Chhapelliera Nees ab Esenb. 

Spicae 3-4-florae ; flore terminali tabescente. Squamae 5-6, distichae, 
carinato-naviculares, persistentes. Selae sguamulaeque calycinae nullae. Sta- 
mina 3. Stylus trıfidus, basi aequalis. Ovarium apice subgloboso- incrassatum 
et hirtellum. Achenium osseum, obovato-ellipticum, trigonum, apice rotun- 
datum, erostre, basi cuneatum. — Culmus anceps, foliatus. Folia equitantia, 
lineari-ensiformia. Panicula terminalis, foliata. Spicae per ternas congestae, 


bractea dupliei spathaeformi involucratae. 


Über Lepidosperma Labill., Brown. 


Ich habe den Brownschen Gattungskarakter an allen von mir unter- 
suchten Arten (!) richtig gefunden, und erlaube mir blofs, ihn auf folgende 
Weise zu erläutern: 

Lepidosperma Labill., Brown. 

Spicae bi- (vel uni-) florae ; flore inferiore (vel superiore, fide Brown.) 
abortiente. Squamae undique imbricatae, naviculari-carinatae; inferiores sub- 
distichae, vacuae. Squamulae calycinae 5 vel 6, spongiosae, basi connatae, 
apice in selulam desinentes. Stamina 3. Stylus trifidus, basi aequalis, deci- 
duus. Achenium subosseum, ventricosum, umbonato-submucronalum vel cal- 
vum, ad basim squamulis induralis cinctum. — Herbae perennes, rigidae. 
Culmi simplices, aphylli, basi folüs saepe equitantibus eincuW. Panicula vel 
spica, saepius divisa, terminalıs. 

Herr Brown erklärt diese Gattung für schr nahe mit Cladium ver- 
wandt, denkt aber wohl hierbei blofs an seine neuholländischen, von Schoe- 


(!) Lepidosperma gladiatum, elatius, longitudinale, globosum und tetragonum Labill., Ze- 
pidosperma lineare, flexuosum, teiragonum (L. Nesii mihi) und gladiatum (L. Sieberi mihi) 
Nees ab Esenb. in Sieb. Agrost. 


Physikal. Abhandl. 1833. K 


74 Kvuxtu 


nus kaum zu trennenden Arten, und hat alsdann vollkommen Recht, in- 
dem sich Zepidosperma von jenen, aufser dem etwas abweichenden Habitus, 
blofs durch die Gegenwart von Kelchschuppen unterscheidet. Diese sind 
hier schwammig verdickt, an der Basis verwachsen, in eine feine Borste ver- 
längert und stehenbleibend. Ob Zepidosperma chinense Nees. zu dieser oder 
einer sehr verschiedenen Gattung gehört, läfst sich mit den unvollkommenen 
Exemplaren nicht ermitteln. Die Wissenschaft würde dabei nichts verloren 
haben, wenn diese Fragmente unpublicirt geblieben wären. 


Über Sclerochaetium Nees ab Esenb. 


Die beiden hieher gehörigen Pflanzen Schoenus thermalis Linn. und 
Schoenus involucratus Rottb. wurden früher von Herrn Schrader zu Zepi- 
dosperma gerechnet, woraus sich auf ihre nahe Verwandtschaft mit dieser 
Gattung schliefsen läfst, und in der That findet man auch bei genauer Ver- 
gleichung der beiderseitigen Gattungsmerkmale blofs einen geringen Unter- 
schied im Habitus, welcher darin besteht, dafs in Selerochaetium die Bracteen 
sehr entwickelt und scheidenartig sind, und in eine lange steife Granne aus- 
laufen. Ich habe diese Gattung vorläufig beibehalten, und auf folgende 
Weise karakterisirt: 

Sclerochaetium Nees ab Esenb. 

Spicae biflorae ; flore superiore hermaphrodito,; inferiore masculo, pistillo 
effeto. Squamae undique imbricatae, carinato-naviculares; inferiores vacuae, 
subulato-aristatae. Selae calycinae 6, breves, cartılagineae, piloso-ciliatae. 
Stamina 3. Stylus trifidus, basi aequalis. Achenium stipitatum, trıgonum, 
ad basim setis persistenübus brevibus cinctum. — Culmi subtrigoni, foliati. IJo- 
lia anguste linearia, carinata, rigida. Panieula terminalis, ramosa, subfoliata, 
nutans. Spicae fasciculato-congestae, bracleatae,; bracteis spalhaeformibus, 
elongatis, subulato - aristatis. 

Aufserdem finde ich rücksichtlich der hieher gehörigen Arten noch 
folgende Berichtigungen für nöthig. ‚Sclerochaetium Rottboellü Nees. (Lepi- 
dosperma Rottboellü Schrad.) ist nach dem Vahlschen Herbarium bestimmt 
einerlei mit Schoenus thermalis Linn., folglich mit Selerochaetium thermale 
Nees. (Zepidosperma thermale Schrad.) zu vereinigen. Herr Schrader will 
sein Zepidosperma Rottboellü durch schmälere Blätter, einen mehr zusam- 
mengesetzten Blüthenstand und einen zweispaltigen Staubweg unterschieden 


über die Linneischen Gattungen Seirpus und Schoenus. 75 


wissen, worin ihm auch Herr Nees von Esenbeck beistimmt. Die beiden 
erstern jener Unterschiede beruhen lediglich auf einem vollkommnern Zu- 
stand der Entwicklung, während der letztere, wenn dabei kein Irrthum ob- 
waltet, nur als eine Ausnahme angesehen werden kann, indem ich sowohl 
in den Schraderschen, als in den Vahlschen Exemplaren den Staubweg 
jederzeit dreispaltig gefunden habe. Zu obiger Species gehören ferner 
Schoenus dactyloides Nees. in Sieb. herb. Cap. (excl. syn. Vahl.), Zepido- 
sperma involucratum Schrad. (excl. synon., praeter Sieb.) und, nach Vahl’s 
Angabe, Schoenus bromoides Lam. ‚Schoenus involueratus Rottb., welcher 
die zweite Species dieser Gattung bildet, ist nach Exemplaren des Vahl- 
schen Herbariums von der gleichnamigen Schraderschen Pflanze zwar 
durch den schlankern Habitus und die am Kiel und an den Rändern kahlen 
Blätter hinlänglich verschieden, könnte aber doch zuletzt vielleicht blofs 
eine schmächtige Form von Schoenus thermalis sein. 


Über Cyathocoma Nees ab Esenb. 


Diese Gattung ist mir noch völlig unbekannt. 


Über Chaetospora Brown. 

Von Herrn Brown aufgestellt und auf folgende Weise karakterisirt: 
Spiculae distichae (nec undique imbricatae), pauciflorae; squamis exlimis ma- 
joribus, vacuis. Setae hypogynae squamis breviores. Stylus deciduus. 
Hiernach unterscheidet sich Chaetospora von der Brownschen Gattung 
Schoenus blofs durch die Gegenwart von Kelchborsten, und von Ahyncho- 
spora durch die Squamae distichae und den Stylus deciduus. 

Die Squamae distichae scheinen mir in diesem Fall keinen so wesent- 
lichen Unterschied zu begründen, da sich in der Gattung Ahynchospora, bei 
der gröfsten Übereinstimmung aller übrigen Merkmale, Squamae distichae, 
subdistchae und Squamae undique imbricatae vorfinden. Es würde daher als 
alleinige Verschiedenheit der Stylus deciduus übrig bleiben. 

Ich habe leider nur eine Brownsche Art (C. turbinata) untersuchen 
können, aber in derselben die angegebenen Karaktere aufgefunden. Folg- 
lich nehme ich keinen Anstand nachstehende Pflanzen mit der Gattung 
Chaetospora zu vereinigen. 

1) Schoenus ferrugineus Linn, (Chaetospora ferruginea Reichenb.) 
K2 


76 Kunrtu 


2) Schoenus nigricans Linn. 

3) Schoenus circinalis Schrad. (später von ihm und Hrn. Nees von Esen- 
beck gleichfalls zu Chaetospora gezogen. Schoenus microstachys Vahl. 
Enum. gehört hieher; das in seinem Herbarium liegende Exemplar ist 
sehr jung und unvollständig.) 

4) Chaetospora Burmanni Schrad., Nees. (Schoenopsis? Burmanni Nees., 
Lepidosperma Burmanni Spr.) 

5) Chaetospora flexuosa Schrad., Nees. (Schoenus flexuosus Thunb., Vahl., 
Schoenopsis flexuosa Nees., Lepidosperma involucratum Steud.) 

6) Chaetospora capillacea Nees. (Schoenus capillaceus Thunb., Vahl.) und 

7) eine neue Art vom Kap, welche ich Chaetospora robusta nenne. 

Die Linksche Gattung Strebldia, zu welcher Schoenus ferrugineus, 
nicht aber der ganz nahe verwandte Schoenus nigrieans gerechnet wird, mufs 
nothwendig der frühern Brownschen weichen, und mit ihr vereinigt werden, 
da zwischen beiden durchaus keine Unterschiede vorhanden sind. Den von 
Herrn Link und Herrn Nees von Esenbeck (welcher letztere diese Gat- 
tung beibehält) angegebenen Stylus basi disciformi secedens kann ich nicht 
auffinden; dieser ist vielmehr an der Basis überall von gleicher Dicke, fällt 
später ab, und läfst an der Frucht blofs eine kurze Spitze zurück, wie solches 
bei Seirpus und vielen anderen Gattungen dieser Familie angetroffen wird. 

Ob übrigens die Gattung Chaetospora in der Folge so fortbestehen 
kann, wie sie jetzt begrenzt ist, wird sich erst bei Untersuchung der vielen 
neuholländischen, mir unbekannten Arten ergeben. 


Über Biysmus Panzer. 

Diese Gattung wurde von Panzer aufgestellt, und von den Herren 
Link und Nees von Esenbeck angenommen. Obgleich sie sich in vielen 
Stücken den Gattungen Chaetospora, Schoenus und Elyna nähert, so scheint 
sie sich doch durch den eigenthümlichen Habitus, die Struktur der Frucht 
und des Staubweges hinlänglich auszuzeichnen. Ich glaube sie auf folgende 
Weise karakterisiren zu müssen: 

Blysmus Panzer., Link. 

Spicae 2-8-florae; flores omnes hermaphroditi. Squamae distichae?, 
carinalo-convexae; infima plerumque vacua. Setae calycinae 3-6, retrorsum 
spinulosae, interdum nullae. Stamina 3. Stylus bifidus. dchenium plano- 


über die Linneischen Gattungen Seirpus und Schoenus. . 77 


convexum, basi styli mucronatum. — Rhizoma horizontale, repens. Culmi 
erecti, basi foliati. Spica magis minusve composita, compressa, ‚folio suffulta; 
spieis partialibus distichis, bractea squamis simillima, nisi latiore suffulus, fer- 
rugineis. 

Die Gattung Bh:'smus beschränkt sich bis jetzt auf zwei Arten, welche 
hauptsächlich in der Beschaffenheit der Frucht verschieden sind. In Blys- 
mus compressus Panzer. (Schoenus compressus Linn., Scirpus Caricis Retz., 
Seirpus compressus Pers., Scirpus caricinus Schrad., Carex uliginosus Linn.) 
ist diese umgekehrt eiförmig-elliptisch, stachelspitzig, von 3 bis 6 langen 
Borsten umgeben, in Blysmus rufus Link. (Schoenus rufus Huds., Seirpus 
rufus Schrad.) dagegen ist die Frucht elliptisch, und an der Spitze schna- 
belartig verdünnt. Die Kelchborsten fehlen hier aufserdem gewöhnlich 


gänzlich. 


Über Dulichium Pers. 


Dulichium spathaceum, die einzige hieher gehörige Pflanze, zeigt beim 
ersten Anblick viel Ähnlichkeit mit einigen Cyperus-Arten, worunter sie 
auch Linne in der ersten Auflage seiner Species plantarum begriffen hatte. 
Später zog er dieselbe zu Schoenus, worin ihm Vahl folgte, aber noch 
aufserdem ohne Grund den specifischen Namen spathaceus in angustifolius 
umänderte. Mit dieser letztern Gattung, vorzüglich aber mit der später 
davon getrennten Chaetospora, zeigt Dulichium in der That eine sehr nahe 
Verwandtschaft. Der einzige wichtige Unterschied selbst, welchen ich bisher 
zwischen Chaetospora und Dulichium aufgefunden habe, besteht blofs im 
Habitus und in der Beschaffenheit des Staubwegs, welcher in diesem zwei- 
spaltig und in jener dreispaltig erscheint, was nothwendig eine dreieckige 
Frucht in Chaetespora und eine zusammengedrückte in Dulichium nach sich 
zieht. Hiernach würde sich Dudichium wieder kaum von Blysmus unter- 
scheiden, wie aus nachfolgendem Gattungskarakter deutlich hervorleuchtet, 
obgleich der sehr abweichende Habitus einer definitiven Vereinigung noch 
entgegen steht. 

Dulichium Pers. 

Spicae lanceolato-lineares, compressiusculae, 6-10-florae; Jloribus 
omnibus hermaphroditis. Squamae distichae, remotae, subcarinato -navicula- 
res; infima minor, vacua. Setae calycinae 3 (6-10, fide Vahl.), retrorsum 


78 Kunrtu 


spinulosae. Slamina 3. Stylus bifidus. Achenium (immaturum) slipitatum, 
lineari-oblongum, squamae parallele compressum, apice in stylum attenua- 
tum. — Culmi simplices, foliosi. Folia plana, membranacea. Pedunculi e 
vaginis foliorum superiorum erumpentes, solilarü, T-3-slachyi, racemosim 
disposili; spicis alternis, sessilibus, distichis. 


Über Hemichlaena Schrad. 

Die wesentlichen Merkmale dieser Gattung sind folgende: Spicae 5- 
9-florae ; Jlores omnes hermaphroditi, Squamae disticho-imbricatae, carinato- 
naviculares; A ©. 2 inferiores vacuae. Setae sqguamulaeque calycinae nullae. 
Stamina tria, Stylus trifidus, basi aequalis, deciduus. Achenium interne 
planum, externe convexo-angulatum, vix umbonatum, disco turbinato irre- 
gulariter lobato suffwltum. — Culmi simplices vel ramosi, foliati, Spicae Ier- 
minales, solitariae-ternae vel plures, fasciculato - congestae. 

Nach obiger Beschreibung ist diese Gattung sehr nahe mit Schoenus 
Brown. und Fiecinia Schrad. verwandt, und unterscheidet sich von dieser 
durch die Syuamae distichae und den eigenthümlichen Habitus, von jenem 
durch die Abwesenheit des Discus. 


Über Acrolepis Schrad. 

Ich kenne diese Gattung, welche sich auf eine einzige Art beschränkt, 
nur nach ganz unvollständigen Sieberschen Exemplaren, und wage daher 
nicht zu entscheiden, ob sie beizubehalten oder mit Hemichlaena zu vereini- 
gen ist. Folgende von Herrn Schrader entnommene Merkmale würden 
für das letztere sprechen. sSpicae bi-triflorae. Squamae disticho (?)-imbri- 
catae; infima vacua. Setae squamulaeque calycinae nullae. Stamina 3. 
Stylus profunde trifidus, basi aequalis, deciduus. Achenium erustaceum, tri- 
gonum, umbonatum, disco persistente cyathiformi triangulari, margine crenato 
stipitatum. — Culmi ramosissimi, foliosi. Spicae terminales et laterales, pe- 
dunculatae, bractea vaginante suffultae. 


Über Gahnia Forst. 
Labillardiere war der erste, welcher die Forstersche Gattung 
Gahnia wiedererkannte, mit zwei neuen Arten bereicherte, und durch ge- 
nauere Merkmale zu begrenzen suchte. Später fand Herr Brown, dafs sich 


über die Linneischen Gattungen Seirpus und Schoenus. 79 


Gahnia schoenoides von der andern Forsterschen Species durch die Frucht- 
bildung unterscheidet, und betrachtete sie als den Typus einer neuen Gat- 
tung, welche er Zampocarya nannte, und mit einer zweiten Art vermehrte. 
Aufserdem wird von ihm noch Gahnia trifida Labill. als zweifelhaft zu Zam- 
pocarya gezogen. Wie wenig Grund vorhanden ist, diese Gattung von Gah- 
nia zu trennen, geht hinlänglich aus der Vergleichung der beiderseitigen 
Gattungskaraktere hervor. Hierbei zeigt sich, dafs der einzige etwas wich- 
tige Unterschied blofs auf der Beschaffenheit des Endocarpiums beruht. 
Diese innere, das Fach bildende Schicht des Pericarpiums erscheint nämlich 
in Zampocarya vollkommen eben, während sie in Gahnia durch häufige Ein- 
schnürungen gleichsam in Glieder getheilt wird, und auf dem dicht anliegen- 
den Samen ringförmige, durch Kanten getrennte Eindrücke zurückläfst. 

Die Gattung Gahnia, nach dieser Begrenzung, begreift bei Herrn 
Brown, aufser der Labillardiereschen G. psittacorum, drei neue Arten in 
sich. Der Forsterschen Gahnia procera wird jedoch hierbei nicht erwähnt; 
nach der von Gärtner gegebenen Abbildung scheint sie aber in der "That 
die angegebenen Gattungskaraktere zu besitzen. 

Jene vier Arten gehören nach Herrn Brown zwei verschiedenen Un- 
terabtheilungen an, wovon die erstere G. psittacorum, G.leucocarpa und G. 
eryihrocarpa in sich fafst, und durch sechs Staubgefäfse und zweispaltige 
Narben, die zweite dagegen, welche sich auf Gahnia melanocarpa beschränkt, 
durch drei Staubgefäfse und ungetheilte Narben karakterisirt wird. Ich kenne 
von diesen Pflanzen blofs die Labillardieresche, und habe daran die von 
Herrn Brown angegebenen Merkmale der Frucht und der Staubgefäfse be- 
stätigt gefunden, dasselbe gilt auch rücksichtlich der Frucht von zwei andern, 
mir neu scheinenden Arten. Die Zahl der Staubgefäfse aber stimmt hier kei- 
nesweges mit den Brownschen Angaben, indem @. ‚Sieberiana deren 3 bis 4, 
und G. Urvilleana deren 7 zeigt. Hiernach würden also die von Herrn 
Brown angegebenen Unterabtheilungen auf jene beiden Arten nicht passen, 
und vielleicht aufzugeben sein, was bei der grofsen Unbeständigkeit derglei- 
chen, von der Zahl entnommenen Unterschiede übrigens nicht auffallen wird. 
Leider war es mir nicht vergönnt, in meinen neuen Arten die Narben zu 
sehen, und ermitteln zu können, ob jene von Herrn Brown angegebene 
Verschiedenheit wirklich vorhanden ist, und die Berücksichtigung verdient, 
welche er darauf nimmt. 


80 Kvusrtu 


Was endlich die Verwandtschaft betrifft, so scheint Gahnia sich am 
meisten den Gattungen Schoenus und Zepidosperma zu nähern, unterscheidet 
sich jedoch von diesem durch den Mangel der Kelchborsten, von jenem durch 
die zweizeilige Stellung der Schuppen, und aufserdem von beiden durch die 
harte, nulsartige Frucht. 


Über Lampocarya Brown. 

Ich habe von der geringen Haltbarkeit dieser Gattung schon beı Ge- 
legenheit von Gahnia gesprochen, und beschränke mich hier blofs auf einige 
Bemerkungen rücksichtlich der dazu gehörigen Arten. Herr Brown führt 
deren drei an, nämlich Gahnia schoenoides Forst., eine neue, welche er 
Lampocarya aspera nennt, und Gahnia trıfida Labill., die letztere jedoch als 
zweifelhaft. Ich habe leider keine derselben untersuchen können, besitze 
aber zwei andere Pflanzen, welche hieher zu gehören scheinen, nämlich 
Gaudichaud’s Morelota gahniaeformis und die Neesische Zampocarya 
aspera. Was zuvörderst diese letztere betrifft, so läfst sich bei der Kürze 
der Brownschen Beschreibung leider nicht mit Gewifsheit ermitteln, ob 
beide Pflanzen wirklich verschiedenen Species angehören, wie es die ab- 
weichende Zahl der Staubgefäfse und das verschiedene Vaterland vermuthen 
lassen. Die Brownsche Pflanze stammt nämlich aus Neuholland und ist 
tetrandisch, während die von Herrn Nees von Esenbeck in meinem Her- 
barium Zampocarya aspera genannte, von Herrn Gaudichaud auf Rawak, 
einer der Molukkischen Inseln, gesammelt worden ist, und sich hexandrisch 
zeigt. Ich habe daher die letztere vorläufig Zampocarya rawacensis genannt. 
Dafs Morelotia gahniaeformis Gaudich. keine besondere Gattung bilden kann, 
vielmehr zu Zampocarya gehört, hat schon Herr A. Brongniart erkannt. 
Sie ist triandrisch, und von Herrn Nees von Esenbeck im neunten Bande 
der Zinnaea nach einem in meinem Herbarium befindlichen blühenden Exem- 
plar von Owhyhee zum zweitenmale als ein neues Cladium, unter dem Na- 
men C. quadrangulare publieirt worden. 


Über Schoenus Brown. 
Die Gattung Schoenus bildet, so viel sich aus den wenigen, von mir 
untersuchten Arten urtheilen läfst, eine sehr natürliche Gruppe, welche sich 
durch die Spicae 1-3-florae, die Squamae distichae imbricatae deciduae, in- 


über die Linneischen Gattungen Seirpus und Schoenus. s1 


feriores (3-9) gradatim minores vacuae, die Abwesenheit der Kelchborsten, 
den dreispaltigen, an der Basis gleichdicken, abfallenden Staubweg und die 
dreieckige Frucht von den verwandten leicht unterscheiden läfst. Ob dies 
aber auch der Fall rücksichtlich der neuholländischen Cladium-Arten ist, 
wage ich zu bezweifeln, da z. B. Schoenus acutus Labill., welchen Herr 
Brown zu Cl/adium rechnet, vielmehr ein Brownscher Schoenus zu sein 
g der neuholländischen Cladium- 


) 
Arten mit Schoenus, welche ich nicht für unpassend halte, da sich der 


scheint. Durch eine solche Vereinigun 


ganze Unterschied beider Gruppen blofs auf die Richtung der Schuppen zu 
gründen scheint, würde die Brownsche Gattung Cladium von allen fremd- 
artigen gereinigt werden, und sich blofs auf die wenigen ächten Arten be- 
schränken. Welche Meinung man auch hinsichtlich dieser Vereinigung haben 
mag, so wird man immer zugeben, was ich schon früher bemerkt habe, dafs 
der Name Schoenus dieser Brownschen Gattung keinesweges zukommt, da 
sie keine einzige der ältern Arten in sich begreift, vielmehr der Gattung Cla- 
dium beigelegt werden, und diesem später aufgenommenen Namen vorgezo- 
gen werden mulfs. 

Schlüfslich füge ich noch hinzu, dafs Schoenus flavus Link. Jahrb. 
mit seiner Dichromena squarrosa zu derselben Gattung gehört, und eine neue 
hapatea ist. 


Über Nemum Desvauxs. 


Die Gattung /Vemum findet sich in Hamilton’s kleinem, mit Des- 
vauxschen Materialien angefertigtem, wenig verbreitetem Prodromus plan- 
tarum Indiae occidentalis aufgestellt, und mit folgenden Worten karakteri- 
sirt: Squamae horizontales, apice latiores, quadrifariam imbricatae. Styli 2. 
Semina minutissima, atro-nitentia. Sie ist von Sprengel, Dietrich, 
Römer und Schultes gänzlich übersehen worden. Auch Herr Nees 
von Esenbeck scheint sie nicht gekannt zu haben, denn sie wird in seiner 
Übersicht der Cyperaceen-Gattungen nirgend erwähnt. Obige kurze An- 
gabe allein würde zu einem Urtheile über die Haltbarkeit dieser Gattung 
nicht geeignet sein, selbst wenn sie überall richtig wäre, was ich noch aufser- 
dem bestreiten mufs. Die Squamae, welche Herr Desvaux als quadrifa- 
riam imbricatae angiebt, sind nämlich undique imbricatae, und, wenn unter 
Styl& 2, was wahrscheinlich ist, zwei getrennte Staubwege verstanden wer- 

Physikal. Abhandl. 1835. L 


82  Kuntu über die Linneischen Gattungen Scirpus und Schoenus. 


den sollen, so finde ich dies gleichfalls nicht bestätigt, vielmehr jene bis 
über die Mitte verwachsen. Auch dürfte hier wohl zum ersten Male Gröfse 
und Färbung der Frucht als Gattungskarakter benutzt worden sein. Bei 
einer etwas genauern Untersuchung des Vahlschen Schoenus spadiceus, 
worauf die Gattung Vemum gegründet ist, ergeben sich folgende wesentliche 
Merkmale: 

Spicae multiflorae. Squamae undique imbricatae; vix ullae inferiores 
vacuae. Setae squamulaeque calycinae nullae. Stamina duo? Stylus com- 
planatus, bifidus, basi parum constrietus, haud eiliatus, deciduus. Achenium 
(minutum) subrotundum, lenticulari- compressum, apice nudum. — Culmi sim- 
plices, basi vaginati?, aphylli? (1), monostachyi. ‚Spica terminalis, solitaria, 
elliptica, bractea brevi subulata suffulta. Squamae obovatae vel obovato- 
cunealae, acutiusculae, uninerviae, convexae, membranaceae, glabrae, fer- 
rugineae, apice sanguineae, siccae spadiceae, persistentes. 

Nach vorstehender Beschreibung weils ich Schoenus spadiceus nir- 
gends passend unterzubringen, und sehe mich daher genöthigt, die Gattung 
Nemum vorläufig beizubehalten. Von Fimbristylis und Isolepis, denen sie 
sich in vielen Stücken nähert, scheint sie durch die Bildung des Staubweges 
und die stehenbleibenden Schuppen hinlänglich verschieden zu sein. Der 
Habitus erinnert an beide Gattungen, zumal an Isolepis conifera und lanata, 
an Fimbristylis polytrichoides und juncea. 

Es ist mir jetzt nicht mehr erinnerlich, was mich früher zu den Irr- 
thum verleiten konnte, eine mir selbst jetzt noch zweifelhafte Humb oldt- 
sche Pflanze, nämlich meine Isolepis paradoxa, für den Vahlschen Schoe- 
nus spadiceus zu halten. Wahrscheinlich fand ich jene Pflanze in irgend 
einem Pariser Herbarium als Eriocaulon spadiceum bestimmt, und wähnte 
die ächte Lamarckische Art vor mir zu haben, welche Vahl mit Schoenus 
spadiceus vereinigt hat. 

Die Bedeutung des Wortes Vemum habe ich bis jetzt noch nicht er- 
rathen können. 


(‘) Hamilton sagt Culmus aphyllus, und beschreibt dennoch die Blätter als semiteretia ili- 
Jormia, wahrscheinlich meint er hiermit die wurzelständigen. 


—e— 


Über 
den Bau der Farrnkräuter. 


Zweite Abhandlung. 


Dei 
Hana 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 6. März 1835 und 3. März 1836.] 


I. der vorigen Abhandlung habe ich den Bau der Filices Epiphyllospermae, 
was die vorhandenen Arten von Stamm betrifft, abgehandelt. Es ergab sich, 
dafs man den wahren Stamm der Farrn ganz übersehen hatte, und eine ver- 
längerte Knospe oder Knolle dafür gehalten. Die Farrn kehren durch die 
Untersuchung des wahren Stammes in ihre alte Reihe zurück, in die Reihe 
der Monokotylen, aus der man sie entfernen wollte. Es wäre eben so leicht 
möglich, den Wedelstiel mit dem wahren Stamme zu verwechseln, und es ist 
nöthig zur Untersuchung der Theile überzugehen, welche man gewöhnlich 
Blätter nennt. 

Die Blätter der Epiphyllospermae tragen die Früchte auf der untern 
Fläche, was bei andern Pflanzen äufserst selten geschieht, und wenn es ge- 
schieht, von einer Verwachsung des Blütenstiels mit dem Blatte deutlich 
herrührt, wie Ruscus zeigt. Hier dringen aber die Früchte mit ihren Stie- 
len, wenn solche vorhanden sind, aus dem Innern der Blätter hervor, auf 
eine Weise, welche man nie an andern Pflanzen gefunden hat. Wir haben 
hier also eine innige Verbindung der Früchte mit dem Blatte, und nur diese 
Verbindung darf man Wedel (frons) nennen. 

Die Vermuthung, dafs hier ein Schaft (scapus) oder Fruchtstiel mit 
dem Blatte innig verbunden und verwachsen sei, liegt sehr nahe. Sie kann 
aber auch erwiesen werden, und wie es mir scheint nicht schwer. Folgende 


Gründe scheinen dieses zu leisten. 
169 


84 Lınk 


Wenn man den wirklichen Stamm, welcher dicht auf oder unter der 
Erde liegt, betrachtet, so fällt es auf, dafs die Blätter oder Wedel einzeln 
aus ihm hervorkommen. Das ist ganz gegen die Regel für die übrigen 
Pflanzen, die im Blattwinkel eine Knospe haben und wenn sie fehlt, wenig- 
stens eine Andeutung derselben. Auch die Blüten und mit ihnen die Früchte 
kommen aus dem Winkel eines Blattes oder einer Bractee hervor. Da hier 
nun nichts dergleichen vorhanden ist, so kann man wohl vermuthen, dafs 
Beides in Eins übergegangen sei. Dieses wird noch wahrscheinlicher, wenn 
man einen Wedelstiel genau betrachtet, und mit einem Blattstiel der Pha- 
nerogamen aufmerksam vergleicht. Der Blattstiel ist gewöhnlich rinnenför- 
mig, seltener walzenförmig oder stielrund (Zeres); der Wedelstiel ist auch 
rinnenförmig, aber man bemerkt eine halbrunde Erhabenheit in demselben, 
welche in der Rinne der Länge nach herabläuft, und gar oft von einer 
braunen und ganz anderen Farbe ist, als die grüne Umgebung oder Um- 
hüllung. Man kann diese Erhabenheit gar oft durch den ganzen Wedel 
verfolgen. Es scheint ein Stiel in den andern gleichsam eingedrückt und 
versenkt zu sein und zwar, wie die Lage anzeigt, der Blütenstiel in den 
Blattstiel. Dadurch wird es nun leicht erklärlich, dafs man nie ein Blatt 
mit einer Knospe aus dem Stamme hervorkommen sieht. Nur ist hier aller- 
dings eine Sonderbarkeit, dafs nämlich die Früchte der Farrn auf der un- 
tern und hintern Fläche der Blätter hervorkommen und nicht auf der obern, 
wo der Fruchtstiel eingesenkt erscheint. Aber es ist im Pflanzenreiche nicht 
selten der Fall, dafs die Blüten und Früchte eines Schafts nur nach einer 
Seite gekehrt sind, und hier scheint der lockere Bau der untern Blattfläche 
das Hervorbrechen der Früchte auf derselben zu veranlassen, oder wenig- 
stens zu befördern. 

Einen andern und ‚sehr wichtigen Grund für die Verbindung des 
Blattes und der Inflorescenz im Wedel giebt der innere Bau des Wedel- 
stiels in Vergleich mit den Blattstielen der Phanerogamen. In den Dikoty- 
len findet sich in dem rinnenförmigen Blattstiele ein Bogen, selten ein 
Halbkreis von Holzbündeln, die zusammenwachsen, wenigstens gegen die 
Mitte des Bogens und stralig anwachsen; in den Monokotylen findet man 
einen Bogen von getrennten Holzbündeln, welche niemals stralig anwachsen. 
Der runde Blattstiel bekommt in den Dikotylen nicht immer einen Holz- 


ring, sondern die Holzbündel bleiben oft getrennt, in den Monokotylen 


über den Bau der Farrnkräuter. s5 


bleiben sie immer getrennt. In den Wedelstielen der Farrn verhält sich 
die Sache anders und auf folgende Weise. 

Die Holzbündel — es ist aus der vorigen Abhandlung bekannt, was 
hier darunter verstanden wird — bilden ebenfalls einen Bogen im Blattstiel 
der Farrn, nur ist dieser Bogen immer viel gröfser; er nähert sich nicht 
allein gar oft einem Halbkreise, sondern er geht auch darüber hinaus und 
nähert sich einem Kreise; die Holzbündel sind ungleich, wie im Stamme 
der Farırn, besonders aber fällt es auf, dafs die beiden äufsersten Holz- 
bündel des Bogens, gegen die gerinnte Seite des Wedelstiels gröfser sind 
als die übrigen, welches man an den Phanerogamen nie bemerkt. Man sieht 
dieses Fig. 1. an dem Wedelstiele von Polypodium eristatum und andern 
Polypodien, Fig. 2. noch deutlicher an Woodwardia radicans, Struthiopte- 
ris germanica, Blechnum occidentale u. s. w., auch wo viele Holzbündel 
vorhanden sind, wie Fig. 3. an Didymochlaena, Tectaria, Polypodium 
Phyllitidis u.a. m. Die Öffnung des Bogens ist zuweilen mit andern Holz- 
bündeln gefüllt, wie Fig. 4. an Acroslichum alcicorne, wo sich auch die Stel- 
"lung der Holzbündel in mehren Kreisen und Reihen, wie Fig. 5. an Blechnum 
brasiliense zeigt. Zuweilen ist die Offnung des Bogens durch ein langes, in 
die Quere stehendes Holzbündel geschlossen, wie Polypodium aureum lehrt. 
In allen diesen Fällen ist das Hinzutreten von zwei grofsen Holzbündeln, so 
wie die Schliefsung des Bogens durch ein grofses oder durch mehre kleine 
Holzbündel etwas zu der Form der Phanerogamen Hinzukommendes; denn 
mit dem runden Blattstiele der Phanerogamen kann man diese nicht zusam- 
menstellen, zuerst weil die Blattstiele nicht rund sind und dann, weil die 
Stellung der Holzbündel in Kreisen bei den Farrn nie ganz genau und deut- 
lich ist. Doch zuweilen weicht dieser Bau noch mehr von dem Baue der 
Phanerogamrn ab. Es erscheinen nämlich zwei grofse Holzbündel, die ent- 
weder gerade sind und parallel liegen, wie an Gymnogramma sulphurea 
Fig. 6., oder gekrümmt, und zwar mit den concaven Seiten gegen einander, 
wie an Onoclea, Aspidium patens u. a. m., oder sie sind mit dem Rücken 
gegen einander gekrümmt, wie Fig. 8. an Doodia aspera, Scolopendrium vul- 
gare, Asplenium palmatum, Pteris aquilina u.a.m. Die kleinen Bündel sind 
in diesen letztern Fällen zuweilen ganz verschwunden, zuweilen sind einige 


aber kleinere übrig geblieben. 


86 Lınk 
Ich mufs noch hinzufügen, dafs die Bündel gegen die Spitze des We- 


dels zusammenwachsen, entweder in einen Bogen, oder wenn nur zwei Bün- 
del vorhanden sind, und mit der hohlen Seite gegen einander stehen, an 
einer Seite, oder wenn sie mit dem Rücken gegen einander stehen, mit die- 
sem Rücken selbst, wodurch bei unserer Pieris aquilina der doppelte Adler 
entsteht. 

Durch das Zusammenwachsen der Gefäfsbündel scheinen die Farrn 
mit den Dikotylen übereinzustimmen, aber dieses ist nur scheinbar. Denn 
die Bündel sind hier viel gröfser und wachsen nur mit ihren Rändern zusam- 
men, da sie hingegen bei den Dikotylen durch das strahlige Anwachsen des 
Holzes zusammenkommen, welches hier nie der Fall ist. Dieses stralige An- 
wachsen ist ein Hauptkennzeichen der Dikotylen. 

Das braune Zellgewebe, charakteristisch für die Familie der Farrn, ist 
hier auf mannigfaltige Weise vertheilt,; zuweilen umgiebt es die Bündel, alle 
oder einige, zuweilen umgiebt es sie an einer Seite und an der gegenüber- 
stehenden sieht man ein Bündel allein, zuweilen fehlt es auch ganz und gar. 

Offenbar zeigt der innere Bau des Wedelstiels, dafs zu der gewöhn- 
lichen Blattform der Phanerogamen hier noch etwas hinzugekommen, wel- 
ches wohl nur vom Fruchtschaft herrühren kann. Diese hinzugekommenen 
Bündel sind, die beiden äufsersten grofsen Bündel in dem Bogen, wenigstens 
der eine, ferner die Bündel, welche die Öffnung des Bogens schliefsen 
und endlich eins von den beiden grofsen Bündeln, welche sich im Wedel- 
stiel befinden. 

An der Fruchtbildung von einigen Farrn, z. B. Onoclea und Struthio- 
pteris, werden wir ebenfalls neue Beweise für die Behauptung finden, dafs 
der Wedel der Farrn eine Verbindung von Blatt und Fruchtschaft sei. 

Der vierte Beweis für die eben gegebene Behauptung bestebt darin, 
dafs die Nerven der Farrn gar oft auf beiden Flächen der Blätter hervortre- 
ten, welches bei den Phanerogamen nie der Fall ist. Es mufs also noch 
etwas im Wedel sein aufser dem Blatte, welches dieses Hervortreten verur- 
sacht. Für die gröfsern Nerven ist dieses schon angegeben, denn sie haben 
Antheil an der Gestalt der Blattstiele oder Wedelstiele. Aber von den kleinen 
Nerven gilt dieses nicht. Hier ist aber die Menge von Spiralgefäfsen gröfser, 
als sie an den Nerven der Phanerogamen zu sein pflegt, welches ebenfalls von 


über den Bau der Farrnkräuter. 87 


der Verdoppelung der Nerven herrühren mag. Sie sind mit wenig straffem 
Parenchym umgeben. Nicht selten hören die Nerven der Farrn mit verdick- 
ten, keulenförmigen Enden auf. Eine mikroskopische Untersuchung zeigt, 
dafs die Verdickung ganz und gar aus Spiralgefäfsen, oder vielmehr hals- 
bandförmigen Gefäfsen besteht, s. Fig. 10., wo ein solches Ende aus Dick- 
sonia adiantoides bei einer 534fachen Vergröfserung vorgestellt ist. Auch 
hier wird die Menge von Spiralgefäfsen eines so feinen Nerven auffallen. 
Was diese Verdickung bedeute, ist schwer zu sagen. Ich hielt sie einst für 
die Antheren der Farrn, aber sie könnte nur eine ferne Andeutung sein, 
denn gerade das absondernde Organ, das Zellgewebe, schwindet hier gegen 
das nährende, die Spiralgefäfse. 

Die Nerven der Farrn unterscheiden sich von den meisten Nerven 
der Phanerogamen dadurch, dafs hier die kleinen verbindenden Nerven ganz 
fehlen, welche sich sogar an den Monokotylen finden, wenn nicht sehr zarte, 
dichtstehende Nerven das ganze Blatt einnehmen, wie an den Gräsern und 
einigen andern Familien. Die Seitennerven der Farrn sind alle von einerlei 
Dicke und nehmen gegen den Umfang allmälig ab, wenn nicht Verdickungen 
erscheinen, von denen eben geredet wurde. Dafs mehre starke Nerven zu- 
gleich ins Blatt und den Wedel treten, oder dafs sie sich gegen den Rand 
verbinden und von dort kleine Nerven zum Rande senden, ist in den Farrn 
nie gesehen, so häufig beides auch bei den Phanerogamen ist, besonders den 
Dikotylen. Alles dieses entfernt die Farrn von den Dikotylen und stellt sie 
den Monokotylen gleich, ungeachtet die häufige Zusammensetzung des We- 
dels sie beim ersten Blicke auf eine gröfsere Stufe der Ausbildung und Ent- 
wickelung zu stellen scheint. 

Ad. Brongniart hat die fossilen Farrn nach den Nerven des Wedels 
mit Rücksicht auf die Gestalt überhaupt in Gattungen getheilt und ihnen 
besondere Namen gegeben, als Pachypteris, Neuropteris u. s. w. Das ist 
sehr zu loben, denn es ist nothwendig, Namen zu haben, um sich bei der 
Menge der Gegenstände zu verständigen. Auch konnte er die Kennzeichen, 
welche wir bei der Unterscheidung der Farrn in der jetzigen Welt brauchen, 
nicht anwenden, die Stellung der Fruchthaufen und Indusien, weil man 
äufserst selten Spuren von Fruchthaufen an den fossilen Farrn antrifft. Dazu 
kommt, .dafs sich wirklich die Nerven der fossilen Farrn viel besser erhalten 


tofo) Lınek 


haben, als man erwarten sollte. Es ist also gar sehr zu billigen, dafs der 
Verfasser vorzüglich auf die Nervenvertheilung bei der Bestimmung der Gat- 
tungen sah, mit einiger Rücksicht auf die Gestalt. Doch jeder erste Versuch 
erfordert Verbesserungen. So trennt der Verfasser die getheilten Nerven, 
welche einen wenig schiefen Winkel mit dem Hauptnerven machen, von 
denen, welche einen sehr schiefen Winkel machen, welches keine scharfe 
Eintheilung giebt. Auch bringt er zu den letzten die Farrn, wo die Blättchen 
sehr schief sind und der Hauptnerve beinahe an der Seite liegt, da diese 
doch vielmehr zu der zweiten Haupteintheilung mit fächerförmigen Nerven 
gehören. Es liefsen sich noch mehre Ausstellungen an dem System des Verf. 
machen. Die Rücksicht auf die Gestalt der Blättchen giebt ebenfalls keine 
Befriedigung; es ist nicht sehr von Bedeutung, ob die Blättchen von ein- 
ander völlig getrennt sind oder nicht. Endlich ist es gewifs nicht zweck- 
mäfsig und hat vielmehr etwas Verwirrendes, dafs der Verf. den Gattungen 
der fossilen Farrn ganz neue Namen giebt, wodurch alie Andeutung auf die 
Farrn der jetzigen Welt aufgehoben und dem Studium der fossilen Farın das 
genommen wird, was uns sonst die gröfste Theilnahme dafür einflöfst, die 
Vergleichung mit den jetzt noch lebenden natürlichen Körpern. Viel zweck- 
mäfsiger ist es, wie es sonst die Naturforscher machten und noch machen, 
die fossilen Gattungen mit denselben Namen zu belegen, als die jetzt leben- 
den, nur mit der Endigung ites, welche man den Namen der fossilen Körper 
giebt. Die Nomenclatur des Verf. ist auch um so weniger zu billigen, da die 
Betrachtung der Nerven und der Gestalt des Wedels auch auf eine genauere 
Bestimmung der Gattungen oder Untergattungen der jetzigen Farrn sich an- 
wenden liefse. Ich will es versuchen, eine solche Bestimmung der jetzt 
lebenden Farrn nach Nervenvertheilung und Gestalt zu geben, die sich auf 
die fossilen Farrn leicht wird anwenden lassen, und welche dazu vielleicht 
dienen wird, ein Band wieder zu knüpfen, was durch die übrigens äufserst 
schätzbaren Untersuchungen des Verf. zerrissen wurde. 

Diese Eintheilung der jetzt lebenden Farrn nach der Gestalt des 
Wedels und der Nervenvertheilung wird man auch als Unterabtheilungen 
brauchen können; wenn nämlich unter Polypodium die Unterordnungen von 
Polypodites, Phlebopterites, Struthiopterites u. s. w. vorkommen, eben so 
unter Aspidium und andern, so wird man leicht die Unterordnungen 


über den Bau der Farrnkräuter. 89 


zusammenstellen und daraus eine Gattung machen können, wovon die bisher 
eingeführten Unterabtheilungen sind. 

Struthiopterites. Gleichseitige Fiederung — die obere und untere 
Seite der Blättchen ziemlich gleich, die dritte kurz und angewachsen —; 
Federstücke gegen die Basis nicht abnehmend; ganze Fieder gegen die Basis 
sehr abnehmend; Nervenvertheilung einfach gefiedert, Seitennerven einfach, 
zweite wenig mehrtheilig (dichotom). Hieher Struthiopteris germanica; 
Polypodium concinnum; Aspidium patens, molle, Kaulfussü, Oreopteris, 
Thelypteris fragrans; Physematium u. a. m. Wenig abweichend ist hiervon 
die Form Arrhenopterites, indem hier nur die Fieder wenig an der Basis 
abnimmt. Hieher: Cystopteris; Aspidium Filix mas, cristatum, chrysolo- 
bum; Polypodium deflexum, armatum, diffusum, Ctenitis; Alsophila; Di- 
plazium obtusum u.s.w. Auch ist nicht schr von Arrhenopterites verschie- 
den Synpterites, dessen Blättchen zusammengewachsen und durch Nerven 
anastomosisch verbunden sind. Hieher gehören: Polypodium crenatum, 
polystichum, attenuatum, laetum, vacillans; Diplazium dubium, decussatum; 
Aspidium trifoliatum, macrophyllum u. a. 

Polypodites. Gleichseitige, zickzackförmige Fiederung (!); Fieder 
gegen die Basis sehr abnehmend;; Nervenvertheilung dichotom. Polypodium 
vulgare, Paradiseae, pulvinatum; Gymnogramma tomentosa u.a. 

Phlebopterites (Brongn.). Wedel einfach und mehrfach gefiedert; 
Federstücke an der Basis nicht abnehmend, auch nicht die Fieder. Nerven- 
vertheilung der Seitennerven netzförmig. ‚Polypodium serpens, percussum, 
excaralum, Iycopodioides, dimorphum, peltideum, phymatodes, aureum, lepi- 
dopodum, proliferum; Antrophyum; Acrostichum aureum; Aspidium arti- 
culatum; Camptosorus u.a.m. 

Taeniopteriies (Brongn.). Wedel einfach oder handförmig getheilt; 
Nervenvertheilung der Seitennerven dichotom. An der Basis verschmälert: 
Grammitis; Acroslichum conforme; Asplenium Nidus: Diplazium plantagi- 
neumu.a. Nicht verschmälert und mit wenig sichtbaren Nerven: Scolopen- 
drites: Scolopendrium. Wenig abweichend von Taeniopteris ist Fitta- 


(') Der Ausdruck zickzackförmig braucht keiner Erläuterung, da er sich beim ersten Blicke 
erklärt. Unter den Phanerogamen haben nur mehre Arten von Banksie und Dryandra eine 
solche Blattform. 


Physikal. Abhandl. 1835. M 


90 Lınk 


rites, wo die Seitennerven unter einem sehr spitzen Winkel von dem Haupt- 
nerven auslaufen, so dafs sie demselben fast parallel erscheinen. Hicher: 
Vittaria, Pter's Scolopendrium u. a. 

Phyllitites. Wedel einfach; Seitennerven einfach, durch zarte, 
wenig netzförmige Mittelnerven verbunden: Polypodium Phyllitidis, caespito- 
sum; Aspidium contiguum; Meniscium. 

Doodites. Gleichseitige, zickzackförmige Fiederung; Fieder abneh- 
mend. Seitennerven netzförmig verbunden, die Nerven der Verbindung, 
welche mit dem Hauptnerven parallel laufen, stärker. Doodia. 

Woodwardites. Gleichseitige Fiederung, Nervenvertheilung netz- 
förmig; die am Hauptnerven liegenden Maschen grofs zur Aufnahme der 
Fruchthaufen. 

Caenopterites. Gleichseitige Fiederung; die Nerventheilung ist so, 
dafs sich der Hauptnerve in die Abtheilungen des Wedels verläuft: Darea; 
Asplenium trichomanes, viride, Ihuta muraria, Halleri, praemorsum, Adian- 
tum nigrum; Allosorus; Pteris auriculata; Gymnogramma leptophylla, ca- 
lomelanos; Dicksonia; Davallia u. a. m. 

Ceterachites. Dreiseitige, zickzackförmige Fiederung; Fieder an 
der Basts abnehmend; Nervenvertheilung wenig sichtbar. Ceterach vulgare. 
Sehr nahe steht dieser Votochlaenites mit rundlicher, an der Basis nicht 
abnehmender Fiederung und wenig sichtbarer Nervenvertheilung: Voto- 
chlaena; Cheilanthes odora, lenligera, ferruginea; Ceterach crenatum u. S. W. 

Onocleites. Dreiseitige Fiederung; Federstücke und Fiederung nach 
oben breiter; Nervenvertheilung nach oben verästelnd in die Theile des 
Wedels. Onoclea. 

Lonchitites. Gleichseitige Fiederung, Blättchen mit einem Ansatz 
an der Basis nach oben; Fieder an der Basis abnehmend; Seitennerven di- 
chotom. Aspidium Lonchitis, acroslichoides, Nephrodium tuberosum, exal- 
tatum; Lomaria; Blechnum; Asplenium marinum, auriculatum; Gymmo- 
gramma larlarea u. a. m. 

Adiantites. Ungleichseitige (schiefe) Fiederung, wenigstens mit ei- 
nem Ansatz an der Basis nach oben. Nervenzertheilung fächerförmig nur oft 
an der Basis nach unten im Blättchen der Anfang von einem Hauptnerven. 


Adiantum Capillus, pedalum, curvalum, formosum, concinnum u. a. m. 


über den Bau der Farrnkräuter. 91 


Pterites. Gleichseitige Fiederung mit einem Ansatz nach unten, oder 
einem dort unsymmetrischen Aste. Seitennerven wenig dichotom: Pteris; 
doch könnte man von denen, welche gestielte Blättchen haben, eine beson- 
dere Abtheilung machen. 

Zuletzt mufs ich noch der grofen Veränderlichkeit erwähnen, welche 
die Blätter der Farrn besonders in Rücksicht der Zuspitzung haben. An 
einem und demselben Wedel findet man länger und kürzer zugespitzte Feder- 
stücke durcheinander, ja man sieht gestumpfte und rundliche Abtheilungen 
oben, auch unten, wo man in der Mitte lang zugespitzte hat. 


Ehe Rune RN 


123 Di nid 
het 


E Da 1 


Lindhs Dbh- iiber den Bar der Larrnfraeter:- Phagsch  Dble: ISIS. 


a, 
EIG IE: 


Ger: u ah r- CE Selhnudk. 


- A A 2 u, hi! er URS | 
u Ile Hi 1 
II N 46 En 


Über 
die organischen Nerven der erectilen männlichen 
Geschlechtsorgane des Menschen und der 
Säugethiere. 


Von 


gm MÜLLER. 


srwurrrvirrminin 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 26. November 1835.] 


D.. Hauptgegenstand der gegenwärtigen Abhandlung ist die Darstellung 
einiger bisher unbekannt gebliebener Nerven, welche dem erectilen Gewebe 
des penis bestimmt, wohl von den grofsen Gefühls- oder Rückennerven des 
männlichen Gliedes zu unterscheiden sind. Um das darüber vorzutragende 
einigermafsen leichter verständlich zu machen, ist es nöthig einen kurzen Ab- 
rifs meiner bisherigen Untersuchungen über das erectile Gewebe vorauszu- 
schicken. Der gröfste Theil des Gewebes im Innern der Corpora cavernosa 
des männlichen Gliedes besteht aus einem anastomosirenden Venengeflecht, in 
dessen cellulosen Räumen das Blut bei der Erection sich anhäuft. Nach Cu- 
vier’s Untersuchung der Ruthe des Elephanten und Tiedemann’s Untersu- 
chung der Ruthe des Pferdes sollten keine andern anatomischen Elemente im 
Innern der corpora cavernosa vorkommen. Vor mehreren Jahren beobachtete 
ich im corpus cavernosum des Pferdes eine mir unbekannte, röthliche, faserige, 
zusammenhängende Bündel bildende Substanz, in deren Zwischenräumen die 
Venengeflechte liegen. Ich legte mir die Frage vor, ob diese Substanz bei 
der Erection thätig sei und studirte ihren Bau. Ihre Primitivfasern sind 
etwas stärker als die der Muskeln, sie besitzen keine perlschnurartigen An- 
schwellungen wie die Muskelfasern des animalischen Systems und des Her- 
zens und ihre Bündelchen zeigen unter dem Mikroskop nicht die characteri- 
stischen Querlinien wie die letzteren. Da indefs die Muskelfasern des Darms, 
der Urinblase, des uterus, der Iris, also der meisten unwillkührlichen Mus- 


94 Mürter über die organischen Nerven 


keln, weder das eine noch das andere besitzen, konnte die Frage von der 
Natur jener Fasern nur durch chemische Versuche und Beobachtungen am 
lebenden Thiere entschieden werden. Die Fasern des penis der Pferde gehö- 
ren in die Klasse der eiweifsarligen Körper. Sie geben beim Kochen keinen 
Leim, und ihre essigsaure Auflösung wird von Cyaneisenkalium gefällt. 
Hierdurch sind sie hinreichend vom Zellgewebe, Sehnengewebe und elasti- 
schen Gewebe geschieden. Sie gehören in eine Klasse mit dem Eiweifs, 
Muskelgewebe und den übrigen eiweifsartigen Körpern. Über ihre Stellung 
in dieser Klasse konnten nur Versuche an lebenden Thieren entscheiden. 
Durch Galvanisiren des blofsgelegten cavernösen Gewebes am lebenden 
Pferde, Schafbock, Hund, habe ich mich überzeugt, dafs dies Gebilde 
keine Muskelkraft besitzt (!). 

Die glückliche Beobachtung der bei der Erection thätigen Arterien 
gab meinen Untersuchungen eine neue Richtung. Man hat sich bisher all- 
gemein vorgestellt, dafs das Blut bei der Erection in die anastomotischen 
Venen oder Zellen der cavernösen Körper durch die gewöhnlichen Capillar- 
gefäfsübergänge der Arterien in Venen gelange. Ich war so glücklich zu 
entdecken, dafs gewisse bei der Erection thätige Arterien von den bei der 
gewöhnlichen Circulation erfüllten Arterien verschieden sind, obgleich beide 
von denselben Stämmen ausgehen. Die bei der Circulation wirksamen Ar- 
terien verhalten sich wie in allen Theilen, die bei der Erection thätigen sind 
quastartige Divertieula der Arteria profunda penis, welche aus krummen, 
blindgeendigten, 4 Millimeter und mehr dicken, kurzen Zweigelchen beste- 
hen, und frei in die Zellen des penis hineinhängen, Arteriae kelieinae. Ob- 
gleich diese Gefäfse keine sichtbaren Öffnungen haben, so ist es doch ziem- 
lich wahrscheinlich dafs sie es sind, welche das Blut in grofser Menge in die 
Zellen der cavernösen Körper ergiefsen. Denn die Partikelchen der Zinno- 
ber-Leiminjection gehen mit der gröfsten Leichtigkeit ohne Zerreifsung aus 
ihnen über (?). 

Die Venen, welche das Blut aus den cavernösen Körpern wieder ab- 
führen, kommen zum Theil an der Oberfläche und Seite des penis in grolser 
Menge durch Öffnungen in der fibrösen Haut der cavernösen Körper hervor; 


(') Zeitung des Vereins für Heilkunde in Preufsen 1833. N.48. Müller’s Archiy für Ana- 
tomie, Physiologie und wissenschaflliche Medicin. 1835. p. 27. 
(*) Müller’s Archiv für Anatomie und Physiologie. 1835. p. 220. 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 95 


ich nenne sie Zmissaria venosa. Diese Venen ergiefsen sich in die Jena dor- 
salis penis oder in Äste von ihr, die das Blut aus dem corpus cavernosum ure- 
thrae bringen. Dann treten am hintern Ende der corpora cavernosa aus ihrer 
innern Seite grofse Stämme, welche unter der Symphyse ins Becken tre- 
ten und in das gemeinsame Labyrinth der Schamyenen übergehen, ohne sich 
vorher in die vena dorsalis penis zu ergielsen (!). Hieraus gieng deutlich 
hervor, dafs kein Muskeldruck auf die vena dorsalis penis, der ohnehin nicht 
möglich ist, die Ursache der Erection sein könne. Denn dieser Druck be- 
theiligt auf keine Weise diese hinteren oder tiefen Venen der corpora caver- 
nosa. Man kann sich daraus auch erklären, warum man durch einen künst- 
lich auf die vena dorsalis penis ausgeübten Druck keine Erection hervorbrin- 
gen kann. Die Ursache der Erection liegt also offenbar primo loco in dem 
erectilen Gewebe selbst und wahrscheinlich in den artzeriae helicinae. Das 
einmal angesammelte Blut kann dann allerdings durch die musculi ischio- ca- 
vernosi, welche den hintern Theil der Corpora cavernosa drücken, vorge- 
drängt werden. Ich stellte mir ferner die Frage auf, ob, wie es zwei Systeme 
von Arterien an den Corpora cavernosa giebt, es auch zwei Systeme von Ner- 
ven gebe, wovon das eine als die Ursache der Empfindungserscheinungen, 
das andere als Gonductor für den Impuls zur Erection zu betrachten ist. 
Im Sommer 1834 war ich so glücklich an einer menschlichen Leiche zu fin- 
den, dafs die grofsen Nerven des penis, nervi dorsales nur wenige Zweige in 
das Innere des penzs senden, während sie sich in der Haut, besonders aber 
in der Eichel verbreiten, dafs dagegen eine ganze Anzahl von grauen orga- 
nischen Nerven, die nicht dem animalischen System sondern dem Sympathi- 
cus angehören, schon am hintersten Theile des penis unter der Symphyse 
der Schambeine in die Corpora cavernosa eindringen und sich im erectilen 
Gewebe verbreiten. 

Um die Lage dieser Nerven in der bisher sehr vernachlässigten Ge- 
gend zu den Seiten des häutigen Theils der Harnröhre besser kennen zu ler- 
nen und ihren Verlauf genauer zu beschreiben, mufste ich eine neue Unter- 
suchung dieser Gegend vornehmen. 


(‘) Enceyelopädisches Wörterbuch der medicinischen Wissenschaften, herausgegeben von den 
Prof. Busch, v. Gräfe, Hufeland, Link, Müller. B.XI. p. 458. 


96 Mürzer über die organischen Nerven 


Die gegenwärtige Abhandlung zerfällt nun in zwei Abschnitte, I. von 
den Dammmuskeln des Menschen, insbesondere den Muskeln des häutigen 
Theils der Harnröhre, und II. von den Nerven des erectilen Gewebes. 


I. Abschnitt. 


Über einige Dammmuskeln des Menschen, insbesondere über den 
musculus constrictor urethrae membranaceae. 


Die Dammmuskeln des Menschen sind von allen Theilen des Muskel- 
systems desselben diejenigen, deren Kenntnifs und Beschreibung noch einen 
geringern Grad von Vollkommenbheit erreicht haben. Albinus, in der Be- 
schreibung der Muskeln sonst unübertrefllich, und von denjenigen, die sich 
speciell mit gewissen Muskeln beschäftigen, immer genau befunden, ist in 
der Beschreibung der Dammmuskeln dürftig und so fast alle späteren. San- 
torini, dessen meisterhafte myologische Beschreibungen immer ein Muster 
bleiben werden, hat dagegen eine fast vollkommene Abbildung und theil- 
weise vollkommene Beschreibung dieser Muskeln gegeben, zu welcher durch 
die späteren Beobachtungen von Wilson über den musewlus pubo- urethralis 
nichts wesentliches und eher etwas unrichtiges hinzugekommen ist. Leider 
ist Santorini’s Werk Septemdecim tabulae, Parmae 1775. in dieser Hinsicht 
von den Anatomen durchgängig unbenutzt geblieben, indem man gewöhn- 
lich, wo man auf seine Beobachtungen über die Dammmuskeln Acht hatte, 
die Abbildungen und Beschreibungen der Dammmuskeln in den Observatio- 
nes anatomicae, Venetis 1774. zu Grunde legte. Gleichwohl enthalten die 
Tabulae posthumae, obgleich ohne genügende Erklärung, für denjenigen, 
welcher die Dammmuskeln selbst genauer studirt, sehr schätzbare weitere 
Beobachtungen. Da keine vollkommene Beschreibung dieser Gegenstände 
für das Opus posthumum vorliegt, so war freilich die Benutzung dieser Tafeln 
in Hinsicht mehrerer neuer Gegenstände ohne eigene Untersuchungen sehr 
schwer, ja fast unmöglich, so dafs auch Girardi, der die Erklärung der 
Tabulae posthumae besorgte, sich oft in nicht geringer Verlegenheit befand, 
wie er die Abbildungen von Santorini zu deuten hätte. Bei Unter- 
suchungen über die Ursachen der Erection konnte ich eine genauere Zer- 
gliederung mehrerer zweifelhafter Theile der Dammmuskeln nicht überge- 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u. s.w. 97 


hen. Ich untersuchte sie während der Winter 18° und 18°% in vielen mus- 
kulösen Leichen von unten und von oben her; so gelang es mir mehrere 
bisher nicht beachtete muskulöse Theile zu erkennen, die ich hernach regel- 
mäfsig in jeder Leiche wiederfand, und von denen es mich sehr wunderte, 
keine Beschreibung in den anatomischen Werken zu finden. Meine Ver- 
wunderung war noch gröfser, als ich einen vor einiger Zeit beschriebenen 
Muskel, den musculus pubo-urethralis seu Wilsonü durchaus nicht wieder- 
fand, so wie er beschrieben ist, obgleich dieser Muskel sowohl von Wilson 
als von Velpeau abgebildet und auch von Bell und Meckel aufgeführt, 
von Seiler aber wenigstens nach eigener Erfahrung in Schutz genommen 
wurde. Erst durch die Zergliederung der Dammmuskeln sehr vieler Leichen, 
wobei ich nie den Wilsonschen Muskel, immer aber ganz andere constante 
muskulöse Theile der Harnröhre fand, gewann ich die feste Überzeugung, 
dafs jener Muskel in der Art wie er beschrieben ist, nicht existirt und nur 
durch eine verkehrte Präparation entstehen kann. Später fielen mir Santo- 
rini’s Septemdecim tabulae in die Hände; hier freute ich mich einen gründli- 
chen Vorgänger zu finden; nach meinen Untersuchungen war mir die Erklä- 
rung einiger seiner Figuren nicht schwer; denn ich sah hier ganz ähnliche 
Theile wenngleich nicht beschrieben, doch bildlich dargestellt; dagegen 
hier ebensowenig etwas von dem Wilsonschen Muskel zu finden ist. Um 
mich zu überzeugen, dafs auch andere Anatomen die von mir gesehenen 
Theile leicht finden würden, bat ich meinen hochverehrten CGollegen 
Schlemm den Constrietor der Harnröhre in der Art, wie ich ihn nun schon 
so oft dargestellt, aufzusuchen und zu präpariren. Dies gab dasselbe Resul- 
tat. Da nun alle untersuchten Leichen übereinstimmten, die Abbildungen 
von Santorini hinwieder das ähnliche, von allen Späteren verkannte, zei- 
gen, so mufste ich mich zu einer neuen Beschreibung dieser Theile an- 
schicken, welche mir Gelegenheit gab, noch mehrere Bemerkungen über 
die Dammmuskeln einzuflechten und mehreres mitzutheilen, was auch dem 
trefflichen Santorini noch nicht ganz klar sein mochte, was wenigstens 
durch seine Abbildungen nicht erläutert wird. Diese Untersuchungen wur- 
den im Winter 18°; und 18%; vorgenommen. Nachdem die hieher gehöri- 
gen Tafeln schon im Stich vollendet sind, lerne ich das schon 1834 erschie- 
nene Werk von Guthrie on the anatomy and diseases of the neck of the blad- 
Physikal. Abhandl. 1835. N 


98 Mürter über die organischen Nerven 


der and the urethra, London 8., kennen und sehe darin eine mit meinen Unter- 
suchungen im Wesentlichen übereinstimmende Beschreibung der muskulösen 
Schicht der Harnröhre, die er mit 4 Abbildungen begleitet hat. Dies mufste 
mich in der Ansicht von der Richtigkeit der Untersuchungen von Santorini 
und meiner eigenen noch mehr bestärken. Guthrie ging es bei dem Auf- 
suchen der Wilsonschen Muskeln gerade so wie mir; er fand bald, dafs 
dessen falsche Ansicht von der theilweisen Zerstörung des eigentlichen 
Muskels bei der Präparation von der Seite entstanden ist. 

Die Abbildungen und die Darstellung meiner Untersuchungen konnte 
ich, obgleich Guthrie auf das Wesentliche schon aufmerksam gemacht 
hat, um so weniger vorenthalten, als meine Beobachtungen diesen Gegen- 
stand sowie den Zusammenhang mit den übrigen Dammmuskeln weiter als 
Guthrie verfolgen und eine ganz genaue Beschreibung dieses Gegenstan- 
des schon zum Verständnifs der folgenden Beschreibung der cavernösen Ner- 
ven nöthig ist. Die hinlänglich bekannten gröfseren Dammmuskeln werde 
ich theils übergehen, wie den Sphincter ani, transversus superficialis, ischio- 
cavernosus, bulbocavernosus, theils nur kurz berühren, wie den Zevator anı, 
da es sich hauptsächlich um den muscewlus transversus profundus und constri- 
ctor urethrae membranaceae handelt. 


1 
Vom Musculus levator ani. 

Dieser Muskel entspringt bekanntlich von der innern Beckenwand, 
und zwar von der hintern Fläche der Synchondrose der Schambeine, fer- 
ner von der fascia pelvis, wo sie den obern Theil des muscwlus obturato- 
rius int. überzieht und im Begriff ist vom musculus obturatorius int. auf die 
innere oder Beckenfläche des Zevator ani zu treten, endlich von der Spina 
ossis ischü. Diese Ursprünge sieht man sämmtlich am besten bei der Präpa- 
ration von oben, indem man die innere Beckenfascie vom Zevator ani und 
wo sie sich an die Seitenwand der Blase anschliefst, aufhebt; hierbei kann 
man sich auch überzeugen, dafs am vordern Rande des Muskels in den mehr- 
sten Fällen noch ein Bündelchen zum vordern Rand von den mit der innern 
Beckenfascie zusammenhängenden Zgamenta pubo-vesicalia hinzukommt; 


Bänder, von welchen sonst auch ein Theil der Längenfasern der Urinblase 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 99 


den Ursprung nimmt ('). Die Bündelchen des Muskels gehen gröfstentheils 
parallel abwärts und rückwärts, der vordere Theil umgeht das vordere Ende 
der prostata und endigt vor dem anus, indem die Fasern mit denen der ent- 
gegengesetzten Seite zusammenstofsen; die folgenden stofsen auf den Seiten- 
rand des Afters oder den Sphineter, die folgenden gehen schief am After 
vorbei nach rückwärts; die übrigen, und zwar der gröfste Theil, gehen hin- 
ter dem After theils mit denen der entgegengesetzten Seite zusammen, theils 
bis zum os coccygis, wo sie sich befestigen. Die Endigung des vordersten 
Theils des Muskels vor dem anus oder am vordern Umfang des anus wird 
meistens nicht beachtet; um diese Endigung zu sehen, mufs man zwischen 
prostata und Mastdarm bis auf den muskulösen Grund zwischen der Einsen- 
kung der pars membranacea urethrae in den bulbus und dem After eindrin- 
gen, zugleich den an der Seite der prostata nur scheinbar befestigten vor- 
dern Rand des Zevator anı ablösen, wo man dann sehen wird, dafs der vor- 
dere Rand des Zevator, ohne wahre Insertion an der prostata, um sie herum- 
geht und vor dem After mit dem der entgegengesetzten Seite zusammen- 
kommt. Auf diese Art bildet also der Zevator ein diaphragma, worin vorn 
eine grofse unpaare Öffnung und hinten die Afteröffnung sich befindet, wäh- 
rend sich der hintere Rand an den Rand des musculus coccygeus anschliefst. 
Die vordere Öffnung ist oval und reicht von den Zgamenta pubo-vesicalia bis 
vor den vordern Rand des Afters; diese vordere Öffnung wird vom vordern 
Rand des Muskels gebildet. In diese Öffnung ragt der vordere Theil der 
prostata mit der pars membranacea hinein, und es läuft der vordere Rand des 
levator um die Seite des vordern Theils der prostata bis vor den After hin. 
Unter der prostata, nämlich von der Insertion des vordern Theils des Leva- 
tors vor dem After bis zum untern Rand der Symphyse oder dem Zgamen- 
tum arcuatum würde nun an dem muskulösen diaphragma des Dammes etwas 


(') Santorini, welcher die Ligamenta pubo-vesicalia Ligamenta prostatae nemnt, 
giebt dies sehr richtig an. Septemdecim tabulae. p. 167. Haec autem prostatae ligamenta... 
comperimus ex duobus fibrarum generibus conflata, scilicet ex summis extimisque vesicae fibris 
in longitudinem ductis cet. Aliae autem fibrae sunt ex üs, quae: pertinen£ ad elevatorum ani, 
quae cum imae sint, non prostatae, sed urethrae principio adjungi videntur (Es scheint blofs 
SO); quae tametsi in posteriora atque ima elevatoris ani ferantur, tamen sie eum locum urelhrae 
quasi inter duas regulas constitutum arctare posse videntur, ut nonnullo sphincteris munere 


fungi posse eredendum sit. 


N2 


100 Mürrten über die organischen Nerven 


fehlen, nämlich gerade der Boden, auf welchem die prostata ruht, und 
welcher die untere Fläche der prostata von der obern Fläche jenes hintern 
Endes des Zwlbus trennt, das die Insertionsstelle der pars membranacea nach 
hinten überragt und in die Nähe des Afters kommt. Dieses fehlende Stück 
an dem diaphragma des Dammes wird, wie wir hernach sehen werden, von 
der obern Schicht des transversus profundus ausgefüllt, während die untere 
Schicht desselben den dreieckigen Raum zwischen dem aufsteigenden Ast 
des Sitzbeins und bwulbus mit Querfasern, die zum obern Seitenrand des bul- 
bus gehen, ausfüllt und der vorderste Theil dieses dreieckigen Raumes näm- 
lich zwischen ramus descendens ossis pubis und corpus cavernosum urethrae, 
oder zwischen corpus cavernosum penis und urethrae, von fibrösen Fasern 
oder dem Zigamentum perinaei ausgefüllt wird. Indem sich nun der hintere 
Rand des museulus transversus profundus an die unter der prostata vor dem 
After zusammenkommenden vordern Ränder des Zevator anschliefst, ist das 
diaphragma perinaei vollständig. 

Der vorher beschriebene Ursprung des musculus levator ani findet in 
einer zusammenhängenden überall gleich hoch gelegenen Linie statt, von der 
hintern Fläche der Symphyse der Schambeine bis zur spina ischi. Es kommt 
aber noch eine andere tiefer entsprungene Muskelportion zum levator ani 
hinzu, deren Ursprung in gleicher Höhe mit den muscudi transversi perinaei 
ist. Diese Portion entspringt von der innern Fläche des aufsteigenden Sitz- 
beinastes und theilt sich in zwei Bündel, wovon das eine über dem muscu- 
lus transversus superficialis rückwärts und über dem sphineter ani am After 
vorbeigeht (Santorin. Septemd. tabul. XVI. fig. 1 h.), das andere, wie ich 
mehrmals bei der Präparation von oben gesehen habe, schief rückwärts vor 
den After geht, um sich am vordern Umfang des Afters zu endigen. Diefs 
letztere Bündel grenzt an den musculus transversus profundus, welcher als 
die vordere Fortsetzung des levator betrachtet werden kann. 


Kritische Bemerkungen. 


In den meisten Werken ist der vorderste am besten von innen und 
oben sichtbare Theil des Zevator ani, der von der Symphyse der Schambeine 
und zugleich vom Zfigamentum pubo-vesicale entspringt, um den vordern Um- 
fang der prostata geht und vor dem After mit dem der andern Seite zusam- 
menkommend endigt, in Hinsicht seiner untern Insertion vor dem After 


“ der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 101 


nicht beschrieben. Bei Albinus heifst diese von dem übrigen Muskel nicht 
im geringsten getrennte Portion m. compressor proslatae, bei Dumas (syst. 
method. de nomenclature et de classification des muscles. Montp. 1797.) pubio- 
prostatique, was jedenfalls unrichtig ist, da der vordere Rand des Zevator nur 
an der prostata angewachsen ist und sich nicht daran inserirt. Albinus be- 
schreibt diese Portion ganz mit Unrecht als besondern Muskel. Dieser Mus- 
kel soll über dem Anfang des /evator vom Innern des Schambeines in der 
Mitte zwischen dem untersten Theil der Synchondrose und dem nahen obern 
Theil des foramen obturatorium entspringen und schmal gekrümmt die pro- 
stata umfassen und zwischen prostata und rectum enden. So verläuft nur 
der vorderste Theil des /evator; aber niemals entspringt diese Portion über 
dem Ursprung des übrigen Muskels und ist auf keine Weise davon getrennt. 
Sollte Albinus das vom ligamentum pubo- vesicale entspringende Bündelchen 
des Zevator, das in der That ein paar Linien tiefer, aber nicht höher ent- 
springt, gemeint haben, so gilt hier dasselbe. Dies gehört ebenso zum 
vordern Rand des Zevator, aber verliert sich nicht zwischen prostata und 
rectum, sondern vor dem After mit dem der andern Seite zusammenkom- 
mend. Albinus citirt bei seinem Muskel Santorini observ. anat. Tab. IM. 
fig. 5. lit. V. Der hier abgebildete Zevator prostatae des Santorini ist wohl 
auch nichts anders. Santorini nahm ihn für einen besondern Muskel, 
weil er den continuirlichen Zusammenhang mit dem Zevator anı von innen 
oder oben nicht aufsuchte. Doch sagt er selbst, dafs er sich mit den äufser- 
sten Fasern des Zevator verbinde. Observ. anat. p. 181. Santorini sagt 
auch, dafs diese Portion von dem untern Theil des Schambeines entspringe ; 
dies ist jedoch nicht richtig; der um die prostata gehende vor dem anus von 
beiden Seiten zusammenkommende vorderste Theil des Zevator anı entspringt 
von der hintern Fläche der Symphyse neben den Zigamenta pubo- vesicalia. 
Einen eigenen compressor prostatae giebt es also nicht; aber der vorderste 
Theil des Zevator kann die prostata heben und zusammendrücken, indem sie 
eben zwischen den vordern Rändern des levator liegt. 

Sömmering beschreibt den problematischen compressor prostatae des 
Albinus nach dessen Worten und eitirt Santorini observat. anat. Tab. Il. 
fig.5. V, weit schöner sei er tab. posth. XV. fig. 3. F. zu sehen. Dies ist 
aber ein sonderbares Mifsverständnifs; denn der Tab. posth. XV. fig. 3. F. 
abgebildete Muskel ist ein ganz anderer und geht ja über die prostata, nicht 


102 Mürter über die organischen Nerven 


unter ihr weg. Haller (elem. physiol. VII. lib. 26. $. 24.) läfst den compres- 
sor prostatae auf sich beruhen, was offenbar besser ist als ihn ferner als einen 
besondern Muskel zu beschreiben. 


HD. 
Vom musculus transversus perinaei profundus. 

Einige Anatomen haben den musculus transversus perinaei alter seu in- 
ternus seu profundus vermifst; ich habe diesen Muskel, der viel breiter aber 
dünner und kürzer als der transversus superfieialis ist, gewöhnlich gesehen 
und ich bezweifle, dafs er oft vermifst wird, wenn man ihn auf die geeig- 
nete Art und an der zu bezeichnenden Stelle aufsucht. Dieser Muskel liegt 
in derselben Ebene, wie der vordere Theil der aponeurosis perinealis, die 
zwischen den absteigenden Ästen des Schambeines und aufsteigenden Ästen 
des Sitzbeines einen sehnigen Rahmen bildet, in welchen die Oberfläche 
des bulbus cavernosus eingespannt ist. Unter der aponeurosis perinealis 
versteht man die von Carcassonne, Bouvier, Velpeau (Chirurg. Anat. 
Weimar. p. 801) und Paillard (Traite des aponeuroses; Paris 1827. p. 40) 
beschriebene fascia, welche an der Ursprungstelle des Zevator von der fascia 
pelvis entspringt, unterhalb des musewlus levator ani liegt und von besonde- 
rer Stärke ist, wo sie den Raum zwischen dem absteigenden Schambeinast 
und dem obern Umfang des bulbus ausfüllt. Den vordersten dreieckigen 
und stärksten Theil dieser Aponeurose nannte Colles Zgamentum triangu- 
lare urethrae, was unrichtig ist, indem es nur zwischen dem innern Rande 
des absteigenden Schambeinastes und dem obern Seitenrand des bulbus ca- 
vernosus liegt. Es würde hier viel besser /igamentum bulbi urethrae heifsen. 
Man trifft dieses starke Band immer sogleich, wenn man den dreieckigen 
Raum zwischen der Wurzel des corpus cavernosum penis und dem bıdbus 
cavernosus von unten untersucht. In der Ebene dieses Bandes liegt nun 
der musculus transversus perinaei profundus. Untersucht man die Basis 
jenes dreieckigen Bandes zwischen dem absteigenden Schambeinast, aufstei- 
genden Sitzbeinast und dem Zulbus, und hebt einige sehnige Querfasern auf, 
so findet man den musculus transversus perinaei aller seu internus seu profun- 
dus, welcher von dem aufsteigenden Aste des Sitzbeines quer entspringt, 
den hintern und gröfsten Theil jenes dreieckigen Raumes durchsetzt und sich 
an den obern Seitenumfang des bwlbus befestigt. Auch in dem vordern 


der erectilen männlichen Geschlectsorgane u.s.w. 103 


Theile jenes Bandes findet man oft noch einige zerstreute Muskelfasern zwi- 
schen den queren starken Sehnenfasern. Hinten grenzt dieser Muskel dicht 
an den tiefern Ursprung des Zevator ani von der innern Fläche des aufstei- 
genden Astes des Sitzbeines. Die Muskelfasern dieses kurzen, dünnen, aber 
breiten Muskels heften sich nicht blofs an den obern Seitenrand des bulbus 
cavernosus an, sondern die obere Schichte des dünnen platten Muskels setzt 
sogar über die Oberfläche des hintern Endes des dul/bus hinter der Insertion 
der pars membranacea weg und kommt mit denen der andern Seite (zuweilen 
in einer Raphe) zusammen. Dieser obere Theil der Schichte des Muskels 
bildet also eine muskulöse Unterlage für die untere Fläche der prostata und 
eine muskulöse Decke des hintern Endes des bulbus, so dafs der Muskel die 
prostata heben, aber auch in Gemeinschaft mit dem dwlbo-cavernosus, der 
den bwlbus von unten und von den Seiten zusammendrückt, den buulbus com- 
primiren kann. Diese über die obere Fläche des hintern Endes des bulbus 
weggehende Schichte des transversus perinaei profundus scheint verkannt in 
den verwirrten Beschreibungen der mittlern Beckenfascie eine Rolle zu spie- 
len, indem man die pars membranacea durch die mittlere Beckenaponeurose 
durchtreten läfst. Die pars membranacea durchbohrt weder eine Aponeu- 
rose, noch die obere Schichte des transversus, die auf dem hintern Ende des 
bulbus hinter der Insertion der pars membranacea urethrae in den bılbus 
liegt, sondern sie geht nur durch ihren eigenen Constrietor durch und senkt 
sich in die obere Fläche des bulbus vor seinem hintern Ende und vor der 
über den bulbus weggehenden Production des transversus profundus. Man 
kann den transversus profundus mit dem musculus myhohyoideus vergleichen ; 
er bildet auch eine Art diaphragma im vordersten Theile der untern Becken- 
apertur, welches den obern Seitenrand des bulbus theils anfafst, theils über 
den bulbus weggeht. Dieses diaphragma schliefst denjenigen vordern Theil 
der untern Beckenapertur, welcher von dem eigentlichen Zevator ani nicht 
geschlossen wird und ist die Fortsetzung der tieferen Ursprünge des Zevator 
ani vom aufsteigenden Ast des Sitzbeines, während der Muskel einen Boden 
für die prostata bildet, deren Seiten von den vordern Rändern der hohen 
Ursprünge des levator anı umfafst werden. 

Um sich eine deutliche Ansicht von diesem Muskel zu verschaffen, 
mufs man ihn sowohl von oben als von unten präpariren. Von oben legt 
man ihn blofs, wenn man zwischen prostata und anus bis auf den Grund ein- 


104 Mürer über die organischen Nerven 


dringt. Hier, wo die vorderen Ränder des Zevator ani vor dem After von bei- 
den Seiten zusammenkommen, liegt vor dieser Commissur noch eine musku- 
löse Querschichte, welche nicht wie der vordere Rand der hohen Ursprünge 
des Zevator um die prostata herumgeht, sondern quer von einer Seite zur 
andern geht; diese muskulöse Scheidewand liegt auf dem hintern Ende des 
bulbus zwischen der Insertion der pars membranacea in den bulbus und dem 
vordern Rande des Afters. Es ist die obere Schichte des transversus pro- 
Jundus, welche man auch mit einem besondern Namen (transversus bulbi) 
bezeichnen könnte. Man sieht bei dieser Präparation, dafs diese auf dem 
bulbus liegende Lage von queren Muskelfasern auch mit einem vom aufstei- 
genden Aste des Sitzbeines zum vordern Seitentheil der prostata gehen- 
den Bande zusammenhängt. Dieses Band, wovon bei dem folgenden Muskel 
mehr die Rede sein wird, entspringt nämlich dicht über dem Ursprung des 
musculus transversus profundus und geht aufwärts zum vordern Seitentheil 
der prostata; indem nun der musculus transversus profundus unter dem 
Bande an den obern Seitenrand des bulbus geht, entspringen diejenigen 
Muskelfasern, die wir eben iransversus bulbi genannt haben, zum Theil 
noch von diesen Bändern. 


I. 


Von dem /igamentum ischio-prostaticum und musculus constrictor istmi 


urethralis. 


Um die hier zu beschreibenden Theile gehörig zu untersuchen, mufs 
man sich ein Beckenstück von einer Leiche so zurecht schneiden, dafs man 
ganz bequem von oben in die Tiefe präpariren und observiren kann. Man 
schneidet die Darmbeine ab und nimmt auch den obern Theil des Kreuz- 
beines durch einen Querschnitt weg, so dafs man von oben und hinten die 
bequemste Einsicht in die regio pubis und perinaei von oben gewinnt. Man 
nimmt dann das peritoneum weg und erblickt die obere Beckenfascie, welche 
sich von der Oberfläche des musculus levator ani auf die prostata und die 
obere Seitenfläche der Urinblase schlägt. Als Verstärkung der obern 
Beckenfascie sieht man die Zigamenta vesicae anteriora seu pubo-vesicalia. 
Schneidet man diese von der Symphyse der Schambeine ab und entfernt die 
obere Beckenfascie, so kann man die Urinblase von allen Seiten frei machen; 
ebenso lassen sich die Seiten der prostata von der innern Seite des vordern 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 105 


Theiles und vom vordern Rande des Zevator anı trennen, dafs der Damm bis 
hinter die prostata und bis vor den Mastdarm frei wird. Unter den Zga- 
menta pubo-vesicalia, zwischen diesen, der prostata, pars membranacea ure- 
ihrae, Symphyse der Schambeine und dem vordern Rande des Zevator ani 
liegt ein Venengeflecht, plexus pubicus impar, seu labyrinthus Santorini, in 
welches die vena dorsalis penis und die tiefen Venen der corpora cavernosa 
penis, die zwischen den Wurzeln der corpora cavernosa penis hervorkommen, 
übergehen, und welches sich theils über die Seiten der prostata in die bei- 
den plexus prostatico- vesicales fortsetzt, theils in die die arteriae pudendae 
internae begleitenden Venen, die sich unter dem levator ani verbergen, ver- 
längert. Hebt man den mittlern Theil des Geflechtes oder den plexus pubi- 
cus von der Symphyse der Schambeine bis zur prostata schichtweise vorsich- 
tig ab, so kommt man auf eine muskulöse Schichte von Querfasern, die den 
Raum von dem vordern Ende der prostata bis zum ligamentum arcuatum pu- 
bis einnehmen; dieses planum musculare ist vorn breiter, hinten schmäler an 
der prostata und ist zwischen zwei bogenförmigen Bändern eingespannt, 
welche unter dem vordern Rande des Zevator ani von aufsen heraufsteigen 
und sich an die Seiten des vordern Endes der prostata befestigen. Diese 
Bänder, ligamenta ischio-prostatica, müssen zuerst beschrieben werden. Je- 
des Band kommt also unter dem vordern Rande des /evator ani zum Vor- 
schein, entspringt, vom vordern Theil des Zevator ani bedeckt, in der 
Mitte zwischen dem aufsteigenden Aste des Sitzbeines und absteigenden Aste 
des Schambeines vom innern Rande dieser Knochen, über dem Ursprung 
des musculus transversus perinaei profundus, dessen obere über den hintern 
Theil des bwdbus weggehende Fasern damit zusammenhängen, wie man sieht, 
wenn man den Grund zwischen der untern Fläche der prostata und dem 
Ende des Mastdarms untersucht. Dieses Band geht jederseits von unten 
und aufsen nach oben, innen und vorn um den vordern Rand des levator 
ani in die Höhe (Tab.I. fig. 1. 2. a.) und erreicht bogenförmig die Seite des 
vordern Endes der prostata, wo es sich inserirt, indem seine Fasern theils 
an der Seite der prostata, theils an der Seite der obern Fläche sich noch 
etwas verlängern. Von der obern Insertion dieses Bandes auf der Fascie 
der prostata entspringen auch noch einige der Längenfasern der Urinblase ; 
diese Fasern gehören theils der Seite der Urinblase theils der Seite der obern 
Fläche derselben an. Das eben beschriebene Band darf mit dem ägamentum 


Physikal. Abhandl. 1835. Ö 


106 Mürter über die organischen Nerven 


prostatae des Santorini, welches er observ. anat. Tab... fig. 2. lit.x.n. 
abbildet und p. 198 beschreibt, nicht verwechselt werden. Denn Santo- 
rini’s ügamentum prostatae ist was man jetzt igamenta pubo-vesicalia nennt, 
doch findet sich unser ligamentum ischio-prostaticum auf tab. posth. XV. 
fig. 1. m. deutlich abgebildet, mit Angabe seiner Insertion am ram. descen- 
dens oss. pub. 

Zwischen den beiden ligamenta ischio- prostatica liegt die pars membra- 
nacea der Harnröhre, vom vordern Ende der prostata zur Oberfläche des 
bulbus cavernosus gehend und beträchtlich vor dem hintern Ende des bulbus 
cavernosus in diesen sich einsenkend. Sowohl über als unter der pars membra- 
nacea sind Muskelfasern quer ausgespannt, die von einem ligamentum ischio- 
prostaticum zum andern brückenartig über die pars membranacea hinüber- 
gehen. Den ganzen muskulösen Apparat zwischen den Zgamenta ischio-pro- 
statica um die pars membranacea urethrae kann man musculus constrictor 
urethrae membranaceae seu constrictor isthmi urethralis nennen, 
und daran 3 Schichten unterscheiden: 1) eine obere Schichte zwischen den 
lisamenta ischio-prostatica, eine Brücke von (Querfasern von dem Zigamentum 
arcuatum pubis an bis auf die Oberfläche des vordern Endes der prostata, 
2) eine untere viel schwächere Schichte zwischen den Zgamenta ischio-pro- 
stalica unter der pars membranacea urethrae, 3) eine innere zwischen den vor- 
hergehenden gelagerte Schichte von Cirkelfasern, welche um die pars mem- 
branacea urethrae herumlaufen, ohne von den ägamenta ischio- prostalica zu 
entspringen, siralum circulare. 


Stratum superius. Tab.1. fig. 1. 2.2. 


Dies ist eine ganz starke Lage von röthlichen queren Muskelfasern, 
ein ganzes planum musculare, vorn breiter, hinten schmäler, von dem 
ligamentum arcuatum ossium pubis an bis zur Oberfläche des vordern Endes 
der prostata, wo der Muskel am schmalsten ist. Über diesem Muskel liegt 
der plexus venosus pubicus, den man vorher vorsichtig weggenommen haben 
mufs, um diesen Muskel zu sehen. Zwischen der Insertion der /igamenta 
pubo-vesicalia und dem Anfang dieses Muskels am Z4gamentum arcuatum ist 
eine Distanz von mehreren Linien. In diesem Raume liegt eben der plexus 
pubieus oder das Labyrinth des Santorini. Die vordersten Querbündel 


entspringen noch nicht vom ligamentum ischio - prostalicum, sondern vor ihm 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgame u.s.w. 107 


vom ramus descendens ossis pubis jeder Seite und laufen bogenförmig aufstei- 
gend und dann wieder absteigend am hintern Rande des Zigamentum arcua- 
tum pubis (B) vorbei. Zuweilen sind sie an einen vom letzten Bande abge- 
henden sehnigen Streifen in der Mittellinie befestigt; dann sind diese Fibern 
getheilt und stellen zwei Schenkel eines Bogens dar. Dies ist indefs nicht 
constant; in den meisten Fällen sind schon die vordersten Bündel des con- 
strietor superior ganze Bogen und gehen ohne Unterbrechung zur andern Seite 
hinüber; und alle folgenden Bündel sind immer ganze Querbrücken, ohne 
Raphe in der Mittellinie. Nur die vordersten Querbündel entspringen vom 
ramus descendens ossis pubis; alle folgenden liegen durchaus zwischen den 
ligamenta ischio-prostatica über der pars membranacea; die hintersten schmal- 
sten Bündel liegen schon auf der Oberfläche des vordern Endes der prostata 
und inseriren sich an den Verlängerungen der ligamenta ischio-prostatica auf 
die prostata, oder entspringen von der fascia prostatae. Diese scheint San- 
torini gesehen zu haben. Observ. anat. p. 199. In cujus (prostatae) quidem 
priore facie, qua peclinis ossibus jungitur, non exiguos muscularium fibrarum 
Jascicwlos in lacertosis praesertim cadaveribus intextos observasse meminimus, 
quarum duplex incessus erat; aliae etenim lata superne basi in prostatae imum 
contrahebantur, ac velut inversam pyramidem exhibebant; aliae vero quasi 
transversim ductae subjectas fere ad decussim secabant. Auf die schmalen 
Querbündel auf der Oberfläche des Anfangs der prostata, tegmentum muscu- 
lare prostatae, folgen wieder breitere Bündel von bogenförmiger Gestalt mit 
nach hinten gerichteter Concayität. Diese bogenförmigen Bündel auf der 
Oberfläche der prostata sind von ganz anderer Beschaffenheit, als der con- 
strictor urelhrae membfanaceae, nämlich blafs, von der Farbe der Muskel- 
fasern der Blase, während der constrietor urethrae membranaceae in seinem 
ganzen Verlauf und bis auf das vordere Ende der prostata röthlich aussieht, 
wie die Muskeln des animalischen Lebens. 

Die bogenförmigen Bündel (Tab.I. fig. 1. 2. c’.) auf der Oberfläche der 
prostata laufen mit ihren Schenkeln nach rückwärts und auswärts, erreichen 
den Seitenrand der obern Fläche der prostata jedoch nicht und scheinen sich 
früher in die fascia prostatae zu inseriren; die hinteren (c) dieser bogenförmi- 
gen Bündel gehen sogar deutlich von der obern und Seitenfläche der prostata 
auf die Blase über und sind der Anfang derjenigen Längenfasern der Blase, die 
sich an den Seiten der Blase ausbreiten. Es gehören also die bogenförmigen 


02 


108 Mürrter über die organischen Nerven 


Bündel auf der Oberfläche der prostata grofsentheils schon der Blase oder 
dem Blasenhalse an. Stellt man sich mit Velpeau das Drüsengewebe der 
prostata zwischen der Schleimhaut des Blasenhalses und der Muskelschicht 
der Blase entwickelt vor, so begreift man dieses Verhältnifs sehr gut. Doch 
mufs man bemerken, dafs nur auf der Oberfläche der prostata Muskelfasern 
liegen; die Seitenflächen und die untere Fläche der prostata sind ganz von 
Muskelfasern frei (!). 

Was den Ursprung der Längenfasern der Urinblase betrifft, so habe 
ich darüber folgendes hier gelegentlich zu bemerken: 

a. Die Längenfasern der obern Fläche entspringen gröfstentheils von 
den Zigamenta pubo-vesicalia (Tab.1. fig.1. 2.d.), ferner auch aus den bogen- 
förmigen Bündeln auf der Oberfläche der prostata (ec). 

b. Die Längenfasern der Seitenfläche der Blase entspringen aus den 
Seitenschenkeln der Bogen auf der Oberfläche der prostata (c), zum Theil 
auch von Verlängerungen der ligamenta ischio-prostatica in die fascia prosta- 
tae, von wo sie sich nach oben und unten ausspreizen. 

c. Die Längenfasern der untern Fläche der Blase, welche die Fort- 
setzung der vom fundus der Blase umkehrenden übrigen Längenfasern sind, 
inseriren sich zwischen der untern Fläche des Blasenhalses und dem untern 
hintern Ende der prostata in der fascia derselben. Dafs die Blase keinen 
sphincter habe kann ich nicht annehmen. Zerschneidet man die Längenfa- 
sern am hintern Ende der obern Fläche der prostata, so kommt man auf 
einen deutlichen Ring von gehäuften Zirkelfasern. Santorini hat diese 
Schichte früher nicht gekannt und übersehen. Man mufs die oberflächlichen 
bogenförmigen Bündel hinter und auf der prostata wegnehmen, dann sieht 


(') Velpeau hat diese Fasern ganz gut gekannt. Er sagt nämlich von der prostata: 
Elle est enveloppdee par une couche d’apparence charnue plus on moins distincte, comme 
confondue avec son tissu propre et dont la direction des fibres est longitudinale. Je les ai 
suivies bien des fois jusqu’ü la vesie, dont elles me paraissent une dependance d’autant plus 
evidente, qu’on les cherche plus haut. Santorini drückt sich noch besser aus: Hae igitur 
transversae fibrae, quae frequentissimae sunt in priore cervicis facie sub nostro prostatae liga- 
mento (nämlich Zig. pubo-vesicale) ita eo loci inflectuntur, ut arcum potius, cujus cornua su- 
periora spectant, guam orbem describere videantur. Observ. anat. p- 203. Ferner Tab. posth. 
p- 167. Hae praeterea fibrae, ubi a vesicae fundo, seu vertice ex priori facie ad ima deducun- 
tur, luculentissimi feruntur in decussim, alque seu obtusi anguli, seu arcus in modum confor- 


matae in adversum latus feruntur. 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 109 


man die Cirkelfasern. Von einer Verwechselung mit den iubuli der prostata, 
die Santorini dem Bianchi vorwirft, kann an dieser Stelle dicht hinter 
der prostata nicht die Rede sein. Später Tab. posth. sagt er, dafs er den 
sphincter in der prostata gefunden habe, Tab. posth. p. 176, wo er ihn ohn- 
gefähr, wie ich eben gethan, beschreibt. 

Da der constrietor urethrae membranaceae superior zwischen den liga- 
menta ischio-prostatica nicht blofs die gewöhnliche Farbe der animalischen 
Muskeln sondern auch die mikroskopischen Querstreifen seiner Bündel hat und 
sich dadurch ganz von den Muskelfasern der Blase unterscheidet, so bin ich 
der Meinung, dafs nur der constrictor urethrae membranaceae entschieden zum 
animalischen System, zusammen mit den übrigen Dammmuskeln, gehöre. 
Am obern Drittheil der Speiseröhre grenzen die animalischen Muskelfasern 
des Schlundes, sich über den Anfang der Speiseröhre nach Schwann’s Beob- 
achtung verlängernd, auch an die organischen Muskelfasern der Speiseröhre. 

Santorini scheint einige Kenntnifs von unserm musculus constrictor 
urethrae membranaceae superior gehabt zu haben. Denn dieser Muskel findet 
sich zum Theil in den Tab. posth. XV. fig.1. o. und fig. 3. r. dargestellt, 
aber ohne alle Erklärung. In fig. 1. des Santorini sieht man ihn wohl nur 
auf dem Durchschnitt; denn er reicht viel weiter und ist bis zur prosiata 
noch bedeckt. Girardi macht zu letzterer Figur die sehr richtige Anmer- 
kung: Praeter hosce Santorini sinus cum alias, tum eliam in praesentia mihi 
haec conscribenti fibrae tenues in latam veluti membranam fusae occurrunt, 
quae huie delineationi plurimum respondentes, ex interna processuum pubis et 
ischü facie supra urethrae isthmum in transversum excurrentes, in 
oppositum pubis latus contendunt, eo valenter insertae. Wahrscheinlich ge- 
hören hieher auch die muscles prostatiques superieurs des Winslow. Exposit. 
anatom. p.972. Les muscles proslatiques superieurs sont de petits plans minces, 
attaches a la parlie superieure de la face interne des petites branches des os 
pubis, d’ou ils vont se repandre sur les prostates et s’y atlacher. Leurs attaches 
aux os pubis sont a cole de celle des muscles obturateurs internes. Guthrie 
hat den Muskel sehr gut beschrieben; nur darin weichen meine Beobachtungen 
ab, dafs ich eine mittlere Raphe nicht, und nur ausnahmsweise vorfinde (!). 


(&)) Guthrie on the anatomy and diseases of the neck of the bladder and of the urethra. 
London 1834. On the upper part then is a central median line of tendon, which runs back- 


110 Mürter über die organischen Nerven 


Stratum inferius. 


Um diese Schichte zu sehen mufs man die prostata von hinten frei 
machen und sich zwischen prostata und Mastdarm bis auf den Grund des vor- 
dern Endes des Zevator ani hineinarbeiten. Schlägt man dann die Urinblase 
nach vorn über die Symphyse der Schambeine, so sieht man die untere 
Fläche der prostata und statt der untern Fläche der pars membranacea ure- 
ihrae, eine dünne Schichte von Muskelfasern, welche ebenfalls von einem 
ligamentum ischio-prostatae zum andern hinübergehen. Hier ist der Verlauf 
der Fasern jedoch etwas anders als an der obern Fläche. Die stärksten und 
deutlichsten Muskelfasern kommen von dem Ursprung des Zigamentum ischio- 
prostaticum oder vom ramus descendens ossis pubis, gehen aufwärts vorwärts 
an der untern Fläche des 4gamentum ischio- prostaticum ihrer Seite hin, theils 
gegen die Seite des Anfangs der prostata, so dafs sie als Adductoren wirken, 
theils breiten sie sich auch bogenförmig an der untern Fläche der urethra mem- 
branacea gegen die der anderen Seite, mit denen sie zusammenkommen, aus. 
Auch von den Zigamenta ischio-prostatica gehen Muskelfasern aus, die, zwi- 
schen diesen beiden Bändern quer ausgespannt, ebenso unter der urethra 
membranacea verlaufen, wie die früher beschriebenen über derselben liegen; 
sie sind nur sehr viel schwächer. Die hintersten dieser Muskelfasern gehen 


wards to be inserted into the fascia covering the upper surface of the prostata, and again 
forwards on the urethra trough the triangular ligament to be inserted in front of it near the 
union of the corpora cavernosa. On the under part a similar tendinous line is to be obser- 
ved, which is attached backwards to the fascia underneath the apex of the prostata and for- 
wards to the central tendinous point in the perinaeum. The muscle on its upper surface is 
covered by fascia descending from the pubes which adheres to it, and this i take to be what 
Mr. VWilson described as the tendinous origin of his muscle and from which he supposed the 
fibres descended to surround the urethra, which they really do not. From the median tendi- 
nous line in the upper part of the urethra the fibres pass outwards an each side, converging 
towards the centre, where they forme a leg, as i term it, of muscular fibres. On the under 
surface the same thing takes place; and a leg on each side being thus formed from the su- 
perior and inferior fibres running from each half of the urethra, they pass outwardly, that 
is transversely across the perinaeum to be inserted into the ascending ramus of the ischium 
@ little below its junction wilh the descending ramus of the pubis on each side, they are in- 
closed between the two layers of fascia forming what is commonly called the deep perineal 
fascia. Cowper’s gland on each side lies under or posterior to the muscle an seems to be 
envelopped by it. 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 1 


über das hintere Ende des bulbus cavernosus weg zur andern Seite und hän- 
gen mit dem transversus profundus zusammen; diese hinterste das bulbus- 
Ende von oben und hinten bedeckende Lage ist schon vorher unter dem 
Namen der tiefern oder obern Schichte des musculus transversus perinaei pro- 
Jundus beschrieben worden. 

Santorini mufs ebenfalls einige Kenntnifs von dieser dünnen Schichte 
von Muskelfasern gehabt haben. Wenigstens glaubt man sie in Septemdecim 
tab. XV. fig. 1.i. zu erkennen, wo wieder die Beschreibung fehlt; es kann 
jedoch hier auch der musculus transversus profundus abgebildet sein. Viel- 
leicht gehört auch fig. 3. I. hieher. Der museulus prostaticus inferior des 
Winslow, den er auch ztransversus internus nennt, scheint nicht die hier 
beschriebene muskulöse Schichte, sondern wirklich der transversus internus 
zu sein. Vielleicht aber gehört der prostatieus superior des Winslow, den 
wir schon oben bei dem constrictor superior urelhrae membranaceae anführten, 
mit hieher. Der compressor prostatae des Albinus ist nicht hieher zu rech- 
nen, wohl aber wahrscheinlich der transversus prostatae von Walter. Myol. 
Handb. Berlin 1784. p. 156. Walter sagt: er nimmt seinen Ursprung von 
der innern Seite des rami ascend. oss. ischü und befestigt sich seitwärts an die 
prostatam. Seiler beschreibt den transversus prostatae des Walter etwas 
weitläufiger. Er soll bedeckt vom Anfange des levator ani vom ramus ascen- 
dens 0ss. ischil entspringen, ohngefähr einen halben Zoll breit, abwärts rück- 
wärts gehen, um sich verbunden mit den Fasern des Zevator ani theils an 
der Seiten- und hintern Fläche der prostata, theils am Blasenhals zu befesti- 
gen. Genau genommen pafst jedoch dies alles wenig auf die oben beschrie- 
bene zarte muskulöse Schichte, welche nicht blofs an das vordere Ende der 
prostata, sondern unter der pars membranacea urethrae zur andern Seite 


geht. 


Stratum internum circulare. 


Nach der bisherigen Beschreibung stellt der constrietor urethrae mem- 
branaceae eine doppelte Querschichte von Fibern dar, die beide zwischen 
den Zgamenta ischio- prostatica liegen und wovon der obere über, der untere 
unter der pars membranacea urethrae weggeht. Es giebt indefs noch eine tie- 
fere oder innere Schichte von Cirkelfasern um die pars membranacea, welche 
von den vorhergehenden bedeckt werden und nicht von den Zigamenta ischio- 


142 Müruenr über die organischen Nerven 


prostatica entspringen. Diese Schichte, welche dicht an der obern und untern 
Querschichte inwendig anliegt und hinwieder die pars membranacea dicht um- 
giebt, wird gesehen, wenn man die obere Querschichte durch einen Längen- 
schnitt bis auf die pars membranacea theilt, wo man die letztere von dem dicht 
anliegenden Muskelgewebe an den Seiten frei macht. Man sieht dann sehr gut, 
dafs die innere Schichte des constrictor urethrae membranaceae nicht von den 
ligamenta ischio-prostatica entspringt, sondern an den äufseren Querschichten 
dicht anliegend, rund um die pars membranacea herumläuft. Diese Schichte 
reicht von dem Zigamentum arcuatum bis zum vordern Ende der prostata, oder 
so weit als die obere Querschichte. Bei Santorini (Septemdee. tab. T.XV. 
fig.4. C.) findet sich eine Abbildung, wo Santorini wahrscheinlich dasselbe 
Object vor sich gehabt hat, und welche sein Erklärer Girardi auch zu deu- 
ten wulste. Dieser sagt nämlich, als er die über die urethra weggehenden 
queren Muskelschichten aus eigener Beobachtung angegeben: His aliae sub- 
sunt in orbem ductae, totumque urethrae isthmum adeo comprehendentes, ut 
hasce figura hujus Tab. IV. lt.C. Santorinum exhibere voluisse, conjectura 
assequi posse exislimemus. 

Die zuletzt beschriebene innere Schichte des constrictor urethrae mem- 
branaceae ist von kleinen Venen sehr durchdrungen, so dafs sie dadurch ein 
etwas schwammiges Ansehen erhält. Dieses Ansehen erhält sie aber nur 
dann, wenn man sie nicht nach der Richtung der Fasern präparirt. Bei mi- 
kroskopischer Untersuchung kann man sich endlich ganz bestimmt überzeu- 
gen, dafs dieses nur scheinbar spongiöse und deutlich cirkelförmig gefaserte 
Wesen aus Muskelfasern besteht; indem man auf den kleinsten Bündelchen 
die characteristischen mikroskopischen dichten Querstreifchen aller animali- 
schen Muskeln sieht. 

Der musculus constrictor isthmi urethralis ist nicht blofs dem Menschen 
eigen, sondern ist auch bei den Säugethieren sehr deutlich und verhältnifs- 
mäfsig noch viel mehr entwickelt, wie man beim Pferde, Hunde und bei den 
Nagern leicht sehen kann. 


Erläuternde Bemerkungen. 


James Wilson hat in den medico-chirurgical transactiors Vol.1. 
London 1813, zwei Muskeln beschrieben, welche die pars membranacea 


urethrae umgeben sollen. Das Folgende enthält einen Auszug seiner Be- 


(o} 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u. s.w. 113 


schreibung. Sie haben eine dreieckige Gestalt, sind unterhalb der pars 
membranacea durch eine gemeinschaftliche Sehne verbunden, aber jeder hat 
einen besondern tendinösen Ursprung an der innern Seite der Symphyse der 
Schambeine. Die Sehne, anfangs rundlich, wird bald flach und steigt 
herab; sie ist am hintern Theil der Symphyse der Schambeine befestigt, 
beim Erwachsenen ungefähr { Zoll über dem untern Rande des Scham- 
bogens (above the lower edge of the cartilaginous arch of the pubis) und fast 
ebenso weit unter der Befestigung des Jgamentum vesicae anterius, mit wel- 
chem und der Sehne des correspondirenden Muskels die Sehne durch locke- 
res Zellgewebe verbunden ist. Die Sehne steigt zuerst in Contact mit der 
gleichnamigen andern herab, wird dann breiter und giebt Fleischfasern ab, 
welche an Breite zunehmen und nahe der obern Fläche der pars membrana- 
cea urethrae sich von denen der andern Seite trennen, sich an den Seiten der 
pars membranacea in ihrer ganzen Länge ausbreiten, dann sich unter dieselbe 
begeben und in einer tendinösen Mittellinie mit denen der entgegengesetzten 
Seite zusammenkommen. Die Sehne, welche die beiden Muskeln unter der 
pars membranacea urethrae verbindet, sehe man deutlich von der Spitze der 
prostata unter der pars membranacea bis zum corpus spongiosum penis. Die 
Fleischfasern, welche sich von dem Zigamentum vesicae anterius über die pro- 
stata ausbreiten, seien ganz verschieden von dem Wilsonschen Muskel. 
Diese Muskeln seien nicht bemerkt worden, weil ihre Fasern etwas in 
der Richtung der lZevatores ani verlaufen, von welchem man sie je- 
doch durch blofse Trennung des Zellgewebes absondern könne. Kleine Ve- 
nen von den Seiten der Urinblase und prostata, die mit der vena dorsalıs 
penis zusammenhängen, sollen unveränderlich in dem Raum zwischen den 
Wilsonschen Muskeln der Harnröhre und dem vordern Rande der Zevatores 
ani durchgehen. Zuweilen beobachte man allerdings eine kleine Vermi- 
schung der Fasern der Wilsonschen Muskeln unter dem Durchgang dieser 
Venen, aber nie mehr als man es oft finde zwischen sich berührenden Mus- 
keln und die man als getrennte beschreibe. Am angeführten Ort sind diese 
Wilsonschen Muskeln abgebildet. 

Die Anatomen haben die Beschreibung des Wilsonschen Muskels 
zum Theil, wie Meckel, aufgenommen; aber nur wenige scheinen sich die 
Mühe genommen zu haben, diese Beschreibung zu prüfen. Diese Gleich- 
gültigkeit läfst sich nur aus der Vorstellung erklären, dafs, wenn auch an 


Physikal. Abhandl. 1835. 122 


114 Mürter über die organischen Nerven 


der bezeichneten Stelle keine besonderen Muskeln vorhanden sein sollten, 
man doch den vordersten Theil der Zevatores ani dafür in Anspruch nehmen 
könne. In der That betrachten viele Anatomen nur den vordersten Theil 
der levatores ani als die Wilsonschen Muskeln. Da ich in der grofsen An- 
zahl der Leichen, in welchen ich den oben beschriebenen constrictor urethrae 
membranaceae mit aller Sorgfalt präparirt habe, nie einen mit dem vordern 
Rande des Zevator parallel laufenden Wilsonschen Muskel gesehen habe, so 
mufste ich auf den Gedanken kommen, dafs Wilson den constrictor ure- 
ihrae membranaceae, der nichts weniger als mit dem vordern Rande des leva- 
tor parallel läuft, gar nicht gekannt habe, und dafs er in der That nur das 
vordere Ende des Zevator für einen besondern Muskel beschrieben habe. 
Dafs Wilson den wahren constrictor nicht gekannt hat, geht offenbar 
aus dem Umstande hervor, dafs der Wilsonsche Muskel unter der pars mem- 
branacea ureihrae herumgehen soll, während der gröfste Theil unseres con- 
strictor ureihrae membranaceae gerade über der pars membranacea gelegen ist. 
Aber auch die Ansicht, dafs Wilson den vordersten Theil des levator ani 
für seinen Muskel genommen habe, läfst sich nicht durchführen; denn Wil- 
son sagt bestimmt, dafs kleine Venen, die mit der vena dorsalis zusammen- 
hängen, zwischen dem vordern Rande des Zevater und dem Wilsonschen 
Muskel durchgehen; diese Venen gehen aber in der That zwischen dem vor- 
dern Rande des Zevator und dem Rande unseres constrictor urethrae membra- 
naceae durch. Es ist daher wahrscheinlich, dafs Wilsons Beschreibung 
nur durch eine fehlerhafte Präparation von der Seite entstanden ist, wo er 
mit der Wegnahme des zamus descendens ossis pubis einer Seite zugleich das 
ligamentum ischio-prostaticum wegnahm. Niemals als durch fehlerhafte Prä- 
paration, durch theilweises Verschneiden des ganzen constrictor urethrae mem- 
branaceae kann man einen solchen Muskel darstellen, wie ihn Wilson ab- 
gebildet hat, und niemals lassen sich, wenn man nicht den vordersten Theil 
des Zevator dafür nimmt, zwei sehnige Ursprünge zwischen Zgamenta: pubo- 
vesicalia und ligamentum arcuatum darstellen, von welchen zwei anfangs 
parallele, hernach die pars membranacea umgreifende Muskel ausgehen. Diese 
Fehler sind nicht verbessert in der Abbildung, welche Velpeau in der neuen 
Ausgabe seiner chirurgischen Anatomie von dem Wilsonschen Muskel gege- 
ben. Da der wesentlichste und stärkste Theil des constrietor urethrae membra- 
naceae, nämlich das über der pars membranacea weggehende stratum superius, 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 115 


bei Wilson unerwähnt ist, da das unter der Harnröhre weggehende stratum 
nicht, wie er darstellt, von oben entspringt, sondern auch zwischen den Ziga- 
menta ischio-proslalica ausgespannt ist, da endlich das um die Harnröhre rund 
herumlaufende stratum internum nicht oben zwei sehnige Ursprünge hat, son- 
dern eireulär ist, so weichen die Beobachtungen von Wilson von den mei- 
nigen ganz ab, mit welchen hingegen diejenigen von Santorini, Girardi 
und Guthrie übereinstimmen. 

Meckel giebt die Beschreibung Wilson’s wörtlich wieder, und es 
scheint, dafs er diesen Gegenstand nicht selbst untersucht hat. Charles 
Bell (the anatomy and physiology of the human body. Ted. Vol.I. Lond. 
1529. p. 380.) drückt sich vorsichtig aus. Zhere is a muscle described by 
Mr. Wilson, as a levator or compressor urethrae. T’he origine of this muscle 
is from the arch of the pubis and its fibres run around the membraneous part 
of Ihe urethra, being inserted on the lower part into each other: it is situated 
between Ihe Cowper’s gland and the levator ani, being separated from the 
last muscle by a thin fascia and some smale veins. In order to make out this 
muscle distinctly and with as large a tendon as Mr. Wilson describes it, it is 
necessary to. sacrifice several of the fasciae. Auch bei dieser Beschreibung 
ist das stratum superius unerwähnt, welches nicht herabsteigt, sondern sich 
brückenförmig über die pars membranacea wölbt, und der Ursprung des Mus- 
kels ist so angegeben, so dafs man eher an die unter der pars membranacea 
weggehende portio inferior unseres constrictor, der von dem Zigamentum ischio- 
proslalicum aus zur andern Seite geht, denken kann. 

Die einzigen anderen Anatomen, welche sich auf eine Beschreibung 
dieses problematischen Wilsonschen Muskels nach eigener Untersuchung 
eingelassen haben, sind Seiler und Velpeau. Seiler (Pierer’s med. 
Realwörterbuch) beschreibt den Wilsonschen Muskel folgendermafsen: 
An der hintern Fläche der Schambeinyereinigung entspringen diese Mus- 
keln von beiden Seiten kurzsehnig nebeneinander; sie gehen schräg ab- 
wärts und rückwärts; so wie sie an den häutigen Theil der Harnröhre ge- 
kommen sind, so trennen sich die Muskelfasern, ein Theil umgiebt die 
Harnröhre, ein anderer Theil geht aufwärts zu der Muskelhaut der Harn- 
blase. Zwischen ihnen und dem vorderen Rande des levator ani liegt ein 
kleines Venengeflecht, welches unter dem Schamknochen hervorkommt. In 


P2 


116 Mürter über die organischen Nerven 


dieser Beschreibung 
geflecht in Hinsicht des situs des Muskels; anderes ist eigenthümlich, nämlich 
die Fortsetzung des Muskels in die Muskelfasern der Blase. ‘Wäre das Ve- 


nengeflecht nicht angegeben, so könnte man vermuthen, dafs Seiler nur 


ist einiges wie bei Wilson, unter andern das Venen- 


denjenigen vordersten Theil des Zevator vor sich gehabt habe, der öfter noch 
vom Zigamentum pubo-vesicale mit entspringt, indem diefs Ligament auch 
den Längenfasern der Blase zum Theil zum Ursprung dient. 

Velpeau sagt: aufser dieser Art von Muskelhülle (der prostata) nimmt 
die prostata an ihrer obern Fläche noch zwei kleine Muskelfascikel auf, 
welche dem m. levator ani angehören, sich hinter der symphysis ossium 
pubis von ihm trennen, um fast perpendiculär auf den Ursprung der pars 
membranacea urethrae hevabzusteigen; sie sind in England unter dem Namen 
musculi MWüsonü bekannt. Traite complet d’anatomie chirurgicale. 2 edit. 
T.2. p.279. Pl. VIII. 16. Dieser hier abgebildete Muskel kann nichts an- 
deres als der vorderste Theil des Zevator anı sein, diejenige Portion, welche 
noch zugleich vom Zligamentum pubo-vesicale entspringt. Der innere Rand 
dieser vordersten Portion des levator ani ist blofs mit der Seite des vordern 
Endes der prostata verwachsen. Trennt man diese Verwachsung, so bleibt 
das Muskelbündel unverletzt und schliefst sich den übrigen Bündeln des vor- 
dern Theiles des Zevator ani an, welche nach unten und hinten um die pro- 
stata ganz herumgehen und vor dem anus denen der entgegengesetzten Seite 
begegnen. Nur durch eine künstliche Präparation bleibt dieses Muskel- 
bündel am Seitenumfang des vordern Endes der prostata sitzen und verläuft 
dann so, wie es in der Abbildung von Velpeau dargestellt ist. Ich habe 
den Wilsonschen Muskel wohl in 30 muskulösen Leichen aufgesucht und 
ihn niemals finden können, wenn ich nicht den Anfang des levator ani 
dafür nehmen wollte. An einer andern Stelle der angeführten Schrift 
(p- 292) giebt Velpeau von der muskulösen Umgebung der pars mem- 
branacea eine andere Beschreibung. Zlle (la portion membraneuse de 
Vuretre) est enveloppee par un prolongement de la gaine prostatique gu lu 
donne beaucoup plus de force et de resistance qu’on ne serait tente de le croire 
au premier abord. Plus immediatement on trouve une verıtable unique char- 
nue tantöt forte et trcs distincte, tantöt au contraire, comme transformee en 
ussu jannätre et dont la composition est assez remarquable pour meriter qu’on 


9 7 . . . 
sy arrete un moment. Les fibres les plus exterieures, verticales dependent 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 117 


evidemment de l’epanowissement du muscle de Wilson, qui prenant son point 
fixe derriere les pubis peut tirer l’uretre en haut, mais sans le comprimer d’une 
maniere tres prononcee. Les plus profondes, paralleles a la direction du ca- 
nal paraissent Eire la continuation de celles qui entourent la proslate et venir 
du col de la vessie. Eitant crotissees par d’autres fibres annulaires l’uretre 
peut Etre fortement retreci et repousser la sonde ou le catheter qu’on cherche 4 
conduire dans la vessie. Les glandes de Cowper sont enveloppees dans ces 
fibres ect. 

Auch in dieser Beschreibung des verdienstvollen Autors des trefflichen 
‘Handbuchs der chirurgischen Anatomie kann ich den von mir beobachte- 
ten Bau der muskulösen Hülle der pars membranacea urethrae nicht wieder- 
erkennen. 


II. Abschnitt. 


Von den organischen Nerven der erectilen männlichen Geschlechts- 
to} 
organe bei dem Menschen und den Säugethieren. 

Nachdem ich die Thatsache gefunden, dafs die arteriae helicinae, 
Zweige der arteria profunda penis, von den ernährenden Zweigen dieses Ge- 
fäfses verschieden sind (Müller’s Archiv für Anatomie und Physiologie 
1835) stellte ich mir die Frage, ob die Nerven des penis von einerlei oder 

5° P 
verschiedener Beschaffenheit sind, ob sie blofs dem animalischen oder auch 
dem organischen Nervensystem angehören, ob diejenigen Nerven, von wel- 
chen die Wollust-Empfindungen des penis abhängen, ihrer Natur nach ver- 
schieden sind von denjenigen, welche die Anhäufung des Blutes in den cor- 
pora cavernosa bewirken. Ich bin so glücklich gewesen, sowohl beim Men- 
schen als beim Pferde zu finden, dafs das organische Nervensystem zugleich 
s ) ) ) 

mit dem animalischen die Nerven der cavernösen Körper zusammensetzt 

h > 
während das animalische Nervensystem allein die Empfindungsnerven des 
männlichen Gliedes abgiebt. 

Die vorderen cavernösen Nerven des Pferdes, welche vor der Sym- 
physe der Schambeine in das corpus cavernosum penis eindringen, sind Aste 
der nervi dorsales penis. Die hinteren, welche unter und hinter der Sym- 


118 Mürter über die organischen Nerven 


physe in die Wurzeln der corpora cavernosa eindringen, werden sowohl 
durch Zweige des nervus pudendus, als durch Zweige des plexus hypo- 
gastricus n. sympathiei zusammengesetzt und das organische Nervensy- 
stem hat durch den plexus hypogastricus ebensoviel Antheil an diesen Ner- 
ven, als der nervus pudendus. An der Seite der Urinblase gehen viele feine 
Zweige des plexus hypogastricus gegen den Blasenhals vorwärts, die sich auf 
ihrem. Wege öfter verbinden und wieder theilen oder geflechtartig zusam- 
menhängen. In diesem vom plexus hypogastrieus abhängigen Geflecht, an 
der Seite des Blasenhalses und der prostata, liegen mehrere kleine Ganglien 
durch gröfsere oder kleinere, oft sehr grofse Zwischenräume von einander 
getrennt, von }; bis 2, 3 und mehr Linien Durchmesser. Von diesen Gang- 
lien gehen Zweige zur prostata und zum Blasenhalse und durch sie gehen 
die vom plexus hypogastricus zu den cavernösen Nerven bestimmten grauen 
Nervenfäden hindurch, worauf sie wieder geflechtartig weiter gehen. Ehe 
diese Nerven bis hinter die Symphyse der Schambeine gelangen, verbinden 
sie sich in der Gegend des Blasenhalses mit Ästen des nervus pudendus. 
Durch diese Verbindung entstehen nun mehrere stärkere Nerven, die hin- 
teren cavernösen Nerven, von welchen ich gegenwärtig allein handele. 
Nämlich mehrere stärkere auf diese Art gebildete Nerven, wovon ich im 
vorliegenden Fall 4 dickere und 2 dünnere zählte, gehen schon unter und 
hinter der Symphyse der Schambeine in die Wurzeln des corpus caverno- 
sum penis ein, theils mit der arteria profunda penis, theils an anderen Stel- 
len. Ich bemerke ausdrücklich, dafs weder die hinteren cavernösen Ner- 
ven, noch die vorderen vom zervus dorsalis penis entspringenden bei ihrem 
Durchtritt durch die fibröse Hülle der corpora cavernosa Anschwellungen 
bilden. 

Beim Menschen hängt ein noch viel gröfserer Theil der cavernösen 
Nerven mit dem plexus hypogastricus zusammen, und die Zahl der Zweige, 
welche allein vom n. dorsalis penis kommen, ist viel kleiner als beim Pferd. 
Bisher hat man nur die cavernösen Zweige des n. dorsalis gekannt. Die 
Auffindung der fraglichen Communicationen beim Pferd ist so leicht, dafs 
man die Hauptsache innerhalb einiger Wochen darlegen kann; dagegen er- 
fordert die Präparation der cavernösen mit dem plexus hypogastricus zusam- 
menhängenden Nerven beim Menschen eine ganz aufserordentliche Geduld 
und ein befriedigendes Präparat derselben mit dem plexus hypogastrieus kann 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 119 


erst in einem Zeitraum von mehreren Monaten vollendet werden. Die ganz 
starken cavernösen Nerven findet man leicht vor und unter der Symphyse 
der Schambeine, nachdem diese vorsichtig ausgeschnitten worden; aber das 
Schwierige ist die Verbindung derselben mit dem plexus hypogastrieus darzu- 
stellen. Ich suchte im Sommer 1834 die Zweige des nervus dorsalis penis 
zu den corpora cavernosa auf, von welchen ich mit den anderen Anatomen 
glaubte, dafs sie ihre Nerven allein von den nervi dorsales penis erhalten. 
Hierbei traf ich an der Wurzel des penis auf eine ganz ansehnliche Zahl grauer 
Nervenfäden, welche zum Theil schlingenartig von der rechten und linken 
Seite zusammenhängend zwischen den vasa dorsalia vorwärts giengen, um sich 
bald mit Zweigen der nervi dorsales zu verbinden, zum Theil aber an der Wur- 
zel des penis schon in die Tiefe drangen. Als ich die Stämmchen. dieser 
grauen Nerven rückwärts verfolgte, war ich sehr erstaunt, dafs die Stämmchen 
nicht von den nervi dorsales abgehen, sondern in ganz abweichender Richtung 
gegen die Seite des Anfanges der prostata unter dem hier liegenden Venen- 
geflecht rückwärts gehen. Einer von diesen Nerven ist hier besonders stark. 
Vor der prostata gehen nun diese Nerven in ein Geflecht von weichen wieder 
feineren organischen Nerven über, welches theils in der fleischartigen Hülle 
der pars membranacea urethrae verborgen liegt, theils zwischen prostata und 
Zevator ani nach rückwärts sich fortsetzt. Dieses Geflecht der cavernösen 
Nerven hängt mit Zweigen des nervus pudendus innerhalb der fleischartigen 
Hülle der pars membranacea urethrae und am Anfang der prostata zusammen; 
die mehrsten Zweige dieses Geflechtes gehören aber den organischen Nerven 
an. Diese setzen sich nun in viele feine Fäden zerspalten an der Seite der 
prostata, zwischen dieser und dem Zevator ani nach rückwärts fort, hängen 
wieder geflechtartig an der Seite der prostata zusammen und treten am hin- 
tern Ende der prostata, noch weit vor dem plexus hypogastricus, durch meh- 
rere kleine Ganglien, ganglia pudenda, welche theils wieder unter sich zu- 
sammenhängen, theils Zweige zum hintern, seitlichen und obern Theil der 
prostata geben. Die Ganglien sind theils oval, theils dreieckig 


fo) 
lich. Von diesen Ganglien setzen sich die Fäden theils gegen den plexus 


theils läng- 


hypogastricus fort, theils gegen den Ursprung des dritten und vierten Sa- 
cralnerven, in welchen sie enden. Die Ganglien entstehen also durch Ver- 
bindung theils von organischen, theils von animalischen Nerven, obgleich 
die ersteren bei weitem vorwiegen. Man verfährt bei der Präparation der 


420 Mürter über die organischen Nerven 


fraglichen Nerven am zweckmäfsigsten so, dafs man die cavernösen Nerven 
zuerst an der Wurzel des penis an den Stellen aufsucht, wo die meisten sich in 
die corpora cavernosa einsenken, nämlich unmittelbar vor und unter der Sym- 
physe der Schambeine. Vor der Symphyse, zwischen der vena dorsalis und 
den arteriae dorsales, findet man sehr bald einige graue Nerven, von denen 
aus man nun rückwärts geht, nachdem die Wurzel des penis sehr vorsichtig 
von der darüber liegenden Symphyse der Schambeine, die man aussägt, be- 
freit worden. Ist man bis auf die Stämmehen der cavernösen Nerven gekom- 
men, so verfolgt man sie durch die fibröse Masse, welche das Venengeflecht 
unter und hinter der Symphyse einhüllt, nach rückwärts bis vor die prostata, 
wo sie sich wieder feiner zu zertheilen anfangen und das genannte Geflecht 
bilden. Nun ist es gut das Präparat einige Zeit in Weingeist liegen zu las- 
sen, damit man die feinen Nerven von ihren Umgebungen besser unterschei- 
den kann. Dann kann man nun vor der schwierigsten Arbeit den plexus 
hypogastricus von hinten her heraussetzen, so dafs man jetzt von hinten nach 
vorn gegen das Geflecht der cavernösen Nerven vorschreitet. Die Ausarbei- 
tung der Verbindungen selbst ist sehr schwer und erfordert die meiste Ge- 
duld. Denn die Verbindungsfäden zwischen dem plexus hypogastricus und 
dem cavernösen Geflecht sind zahlreich, aber sehr fein. 

Aus dem plexus cavernosus, der durch die vom plexus hypogastrieus 
und die vom n. pudendus herkommenden Wurzeln zusammengesetzt wird 
und theils zwischen /evator ani und prostata, theils in der fleischartigen Hülle 
der pars membranacea urethrae liegt und am vordern Ende der prostata am 
stärksten ist, kommen nun die nervi cavernosi, mehrere kleinere und ein 
stärkerer. Diese stehen unter sich und mit Zweigen des nervus dorsalis penis 
in Verbindung, und treten theils unter der symphysis ossium pubis, theils 
bald vor derselben in das corpus cavernosum penis, theils mit der arteria pro- 
Junda penis, theils durch besondere Öffnungen der fibrösen Hülle. Einige 
Zweige verbinden sich mit dem nervus dorsalis selbst, andere mit den caver- 
nösen Nerven der entgegengesetzten Seite und mit Zweigen des nervus dor- 
salis der andern Seite, wodurch ein die vena dorsalıs begleitendes Geflecht 
entsteht, wovon an verschiedenen Stellen Zweige in die corpora cavernosa 
penis treten. Andere von den Zweigen des plexus cavernosus verbinden sich 


mit Zweig 


gen des nervus dorsalıs und steigen am hintern Theile des penis über 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 1941 


das corpus cavernosum penis herab, um in der Furche zwischen diesem und 
dem c. cavernosum urethrae in das letztere sich zu verzweigen. 

Die nervi dorsales penis sind gegen alle diese Nerven ganz weifs, gehen 
an der Seite der arteriae dorsales vorwärts, schicken auch mehrere kleine 
Zweige in das corpus cavernosum. Ihre Verbindungen in der Mittellinie 
durch communicirende Fäden werden beim Menschen so bewirkt, dafs 
Fäden, die von dem plexus cavernosus herkommen, daran Antheil haben. 
Der bei weitem gröfste Theil der Zweige der nervi dorsales ist der Eichel, 
wenigere der Haut des penis und der Vorhaut bestimmt. Von ihnen hängen 
die Empfindungen in diesen Theilen ab. 


1 
Beschreibung der cavernösen Nerven nach einem Präparat vom Pferde. Taf. I. 

Obgleich diese Nerven in einer Reihe hintereinander theils unter der 
Symphyse der Schambeine, theils vor derselben in die corpora cavernosa 
penis eindringen, so kann man diese Nerven doch in 2 Abtheilungen bringen, 
nämlich 4) in diejenigen, welche mit dem plexus hypogastrieus des nervus 
sympathicus zusammenhängen, diese liegen noch unter und hinter der sym- 
physis ossium pubis und 2) diejenigen, welche blofse Äste des nervus dorsalis 
penis sind, diese gehen vor der symphysis ossium penis an verschiedenen 
Stellen von dem nervus dorsalis penis ab. 

1) Die hinteren cavernösen Nerven des penis, welche mit dem plexus 
hypogastrieus zusammenhängen. Diese Nerven werden durch Wurzelzweige 
verschiedener Art, nämlich animalischer Art, aus dem nervus pudendus und 
durch Zweige des plexus hypogastrieus zusammengesetzt und das organische 
Nervensystem hat durch diesen plexus ebenso vielen Antheil an ihrer Bildung, 
als das animalische. Der plexus hypogastricus des Pferdes entsteht aus fort- 
laufenden Fäden des plexus aortieus und plexus mesentericus inferior. Von der 
Ursprungsstelle der arteria mesenterica inferior gehen aus diesen Geflechten na- 
mentlich 2 starke und einige schwächere Nerven in das Becken hinab; jeder 
dieser starken Nerven bildet mit den schwächeren zusammen und mit Ästen 
des dritten Sacralnerven den plexus hypogastrieus, von welchem Zweige auf 
den Harnleiter, die Samenblase und den ductus deferens gehen; der gröfste 
Theil des Geflechtes geht aber zur Harnblase, zum Mastdarm und zum plexus 
prostaticus. Die auf den Mastdarm übergehenden Zweige enthalten keine 

Physikal. Abhandl. 1935. Q 


122 Mürrter über die organischen Nerven 


Ganglien. Aber in dem langen und breiten Geflecht, welches an der Seite 
der Urinblase zur prostata hin sich ausbreitet und viele Zweige in die anlie- 
genden Theile schickt, liegen am Blasenhalse und an der Seite der prostata 
viele graurothe Ganglien von theils rundlicher, theils spindelförmiger, theils 
pyramidaler Gestalt. Taf. I. «e@yde2nS$ı. Die Knoten liegen schon sehr 
weit von dem übrigen Theil des plexus hypogastricus entfernt. Dieser Kno- 
ten, welche ich von den Schriftstellern nicht erwähnt finde, sind gegen 9 
kleine und gröfsere, die kleineren nur 1 Linie grofs, die gröfseren 2 bis 3, 
das gröfste pyramidale am Seitentheil des Blasenhalses, wo überhaupt die 
meisten zusammenliegen, gegen 6 Linien lang. Die Knoten nehmen von 
verschiedenen Richtungen her Zweige des an der Harnblase liegenden Thei- 
les des plexus hypogastrieus auf und schicken wieder Zweige in neuen Ord- 
nungen nach vorwärts und seitwärts aus. Die vom plexus prostaticus zu den 
cavernösen Nerven des penis tretenden Zweige kommen alle aus solchen 
Knoten und einige gehen durch mehrere kleinere graurothe Anschwellungen 
hindurch. Man kann 4 gröfsere gegen ° Linie dicke und mehrere kleinere 
hintere cavernöse Nerven unterscheiden. Ich beschreibe sie nach der Ord- 
nung, wie sie in die fibröse Haut der corpora cavernosa penis eintreten, also 
nach der Reihe von hinten nach vorn. 

Der hinterste grofse cavernöse Nerve (Taf. I. 1.) N. cavernosus 
major postremus ist nach seiner Bildung aus mehreren Wurzeln des animali- 
schen und organischen Nervensystems 3, Linie dick und 2 Zoll lang; er liegt 
unter und hinter der Symphyse der Schambeine über dem dulbus der Harn- 
röhre. Er entsteht mit mehreren Wurzeln, die sich unter einander vereini- 


um 


gen. Es sind mehrere Nervenwurzeln vom nervus pudendus.(1”") und meh- 
rere Wurzeln aus einem Geflecht von feinen organischen Fäden vom plexus 
prostatieus. In diesem letztern Geflecht unterscheidet man 2 längere dünne 
organische Nerven 1’ und 1”. Der erstere theilt sich am vordern Ende der 
Urinblase bald wieder in 2 Fäden, welche divergirend nach rückwärts gehen 
und mit anderen organischen Nerven des plexus prostaticus zusammenhängen. 
Der zweite geht rückwärts, hängt bald durch Schlingen wieder mit den Wur- 
zeln der anderen cavernösen Nerven zusammen und weiter nach rückwärts 
fortgehend, hängt er durch geflechtartig sich ausbreitende Zweige mit dem 


plexus prostaticus und mehreren seiner Knoten (« @ y &.) zusammen. Durch 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 193 


den plexus prostaticus und seine Knoten sind diese organischen Wurzeln wie- 
der mit dem plexus hy;pogastricus verbunden. 

Der nervus cavernosus major postremus tritt in die fibröse Scheide des 
corpus cavernosum unter der Symphyse, gerade wo sich die beiden Wurzeln 
der corpora cavernosa penis eben verbinden, mit 3 Zweigen nahe der Mittel- 
linie des Körpers ein. 

Der nervus cavernosus posterior major secundus (2) liegt neben dem 
vorhergehenden und ist ebenso dick und lang. Er senkt sich dicht dahinter 
ein mit einem grofsen und einem kleinen Zweig neben der Mittellinie; er steht 
mit dem Stamm des hintersten grofsen cavernösen Nerven in Verbindung. 
Dieser Nerve entspringt mit mehreren Wurzeln aus dem nervus pudendus 
und ebenso starken Zweigen aus dem plexus prostaticus 2 2" 2" 2”. Die 
letzteren hängen mit den organischen Wurzeln des vorhergehenden cavernö- 
sen Nerven zusammen, vorzüglich sind aber 2 organische Wurzeln (2 und 
2”’) von diesem Nerven zu bemerken, die sich rückwärts bald mit mehreren 
anderen grauen Nerven verbinden. Diese Wurzeln hängen am Halse der 
Urinblase mit den kleineren Knoten und den 5 bis 6 Linien langen pyrami- 
dalen, dicht dabei liegenden Knoten ßy. zusammen. Aus diesen kleineren 
und dem pyramidalen Knoten y., dessen Spitze vorwärts und dessen 3 Linien 
breite Basis rückwärts gewandt ist, gehen Zweige hervor, die sich mit Zwei- 
gen des n. pudendus verbinden und in die Häute des Blasenhalses und in die 
pars membranacea eindringen. An den vom cavernösen Nerven zu den vorher 
erwähnten Knoten tretenden Wurzelzweigen befinden sich, ehe sie zu die- 
sen Knoten kommen, noch mannigfaltige Verbindungen. 

Der dritte nervus cavernosus posterior major (3) ist ebenso stark als die 
vorhergehenden. Er tritt dicht vor dem vorhergehenden unter der symphy- 
sis ossium pubis, dicht neben der Mittellinie, in das corpus cavernosum auf 
seiner Seite ein. Er entspringt mit einer starken langen Wurzel aus dem 
Ruthen-Ast des nervus pudendus. Dieser Nerve hängt am wenigsten mit dem 
plexus hypogastrieus zusammen, nämlich nur durch die zum vorhergehenden 
Nerven gehenden organischen Zweige, die sich mit ihm verbinden. Der Nerve 
steht übrigens mit Fäden von dem vorhergehenden nervus cavernosus dicht 
vor seinem Eintritt in das corpus cavernosum in Verbindung. Auch der fol- 
gende nervus cavernosus (4), welcher schon kleiner ist und mit 3 starken Wur- 


Q2 


1924 Mürrer über die organischen Nerven 


zeln vom Ruthen-Ast nervus pudendus, einer sehr weit hinten abgehenden 
entspringt, hat nur mittelbare feinere Verbindungen mit dem plexus hypoga- 
stricus durch das cavernöse Geflecht, welches alle diese cavernöse Nerven an 
ihren Wurzeln verbindet. Er tritt an der Stelle ein, wo der Ast der arteria 
obturatoria in das corpus cavernosum penis witt, also mehr nach aufsen als die 
anderen. Hierauf folgen 2 kleine nervi cavernosi, nervi cavernosi posteriores 
minores (5). Sie treten an derselben Stelle in das corpus cavernosum penis. 
Sie entstehen mit dünnen Wurzeln vom zervus pudendus unter dem Scham- 
bogen und zwar vom ramus dorsalis des nervus pudendus. Sie bilden zusam- 
men ein kleines Geflecht um die Eintrittsstelle des ramus pudendus der ar- 
leria obturatoria, hängen hier auch mit dem vorhergehenden cavernösen Ner- 
ven zusammen und erhalten einen starken und langen organischen Nerven 
(5"), der vom plexus hypogastrieus der entgegengesetzten Seite herkommend 
unter der symphysis ossium pubis schief über die Mittellinie wegsetzt und sich 
mit diesem Geflechte verbindet. Aus dieser Verbindung treten 2 Nerven in 
das corpus cavernosum penis unter der Symphyse mit den Zweigen des ramus 
pudendus der arteria obturatoria ein. Der eine hängt mit dem mittlern hin- 
tern cavernösen an der Eintrittsstelle des letztern zusammen. 

2) Die vorderen cavernösen Nerven des penis, welche allein aus dem 
nervus dorsalis penis entspringen. Diese treten vor der Symphyse der Scham- 
beine an verschiedenen Stellen der Länge des penis in das corpus cavernosum 
penis. Die meisten sind dünnere Nerven, von denen ich an der kleinen 
abgebildeten Strecke allein gegen $ Zweige unterschied, die hinter einander 
eintreten, vorher aber geflechtartig unter einander zusammenhängen. Aber 
3 bis 4 Zoll von der Symphyse treten noch zwei starke nerwi cavernosi ante- 
riores majores ein, der eine in die obere Fläche, der andere an der Seite des 
corpus cavernosum. Von vielen sehr feinen Zweigen, welche auf der obern 
und Seitenfläche des corpus cavernosum penis sich verbreiten und Zweige zu 
dessen fibröser Hülle schicken, bleibt es zweifelhaft, ob sie ins Innere der 
corpora cavernosa eintreten. 

An keinem einzigen der cavernösen Nerven, sowohl der vorderen als 
der hinteren mit dem plexus hypogastricus zusammenhängenden, habe ich 
bei dem Durchtritt durch die fibröse Hülle des corpus cavernosum gangliöse 


Anschwellungen bemerken können. 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 125 


I. 
Die cavernösen Nerven des Menschen. 

In Hinsicht der bekannten Zweige des plexus hypogastrieus werde 
ich mich kurz fassen. Er giebt bekanntlich theils Zweige zum Mastdarm, 
theils zur Urinblase, prostata, zum Ureter, zum Samenbläschen. Weni- 
ger bekannt ist eine von diesem Geflecht abgehende Fortsetzung auf den 
duetus deferens, welche von Götz schon angedeutet wurde. Mein hoch- 
verehrter College Schlemm hat beobachtet und es liegt in einem kostba- 
ren Präparate vor Augen, dafs ein eigener ziemlich starker Nerve vom ple- 
zus hypogastricus auf den ductus deferens übergeht und diesen durch den 
Bauchring bis zu dem Hoden begleitet. Die Nerven des Hodens kommen 
also nicht blofs von demjenigen plexus spermatieus internus, welcher die ar- 
teria spermalica interna begleitet. Ein grofser Theil der feinsten Zweige des 
plexus hypogastricus ist dem prostatischen und cavernösen Geflecht bestimmt. 
Es ist auffallend, dafs die cavernösen organischen Nerven, welche bestimmt 
sind ins Innere des erectilen Gewebes einzutreten, nicht die Blutgefälse zu- 
nächst bis zur Ruthe begleiten, sondern einen viel kürzern Weg dahin neh- 
men. Die arteria pudenda communis ist zwar auch wie alle Zweige der arte- 
ria hypogastrica von feinen organischen Nervenzweigen begleitet, aber diese 
sind aufserordentlich fein im Verhältnifs zu den dem erectilen Gewebe be- 
stimmten organischen, vom plexus hypogastricus unmittelbar kommenden 
Nerven. Dieser Umstand allein schon zeigt deutlich genug an, dafs die or- 
ganischen Nerven eine wichtige Rolle in den Phänomenen der Erection 
spielen. 


A. Beschreibung der cavernösen Nerven nach einem Präparat vom Menschen. 
Taf. II. 

Der plexus hypogastricus entsteht wie gewöhnlich aus der Fortsetzung 
des plexus aortieus. Nämlich der plexus hypogastricus medius seu impar 
(Tab. III. p) auf der Theilungsstelle der aorta abdominalis und vena cava in- 
‚Ferior ist zunächst die Fortsetzung des plexus aortieus m, hängt durch meh- 
rere Fäden mit dem plexus mesentericus inferior (n) und mit dem Lumbal- 
theil des Grenzstranges des nervus sympathicus (0) zusammen. Nach unten 
auf dem Anfange des Kreuzbeins theilt sich der plexus hypogastrieus superior 


126 Mürzer über die organischen Nerven 


seu medius in seine beiden Seitentheile (p'), welche zur Seite des Mastdarms 
und der Harnblase herabsteigen und sich jederseits in den plexus hypogastri- 
cus inferior verbreiten. Dieser (g) hängt durch mehrere Fäden mit dem 
zweiten, dritten und vierten Sacralnerven zusammen. Zwei Fäden vom 
zweiten Sacralnerven (r) und mehrere Fäden vom dritten Sacralnerven (s) 
vereinigen sich zu einem stärkern Nerven (r’), der in den plexus hypogastri- 
cus eingeht, Mehrere Nervenfäden vom vierten Sacralnerven (t) treten 
ebenfalls in den hintern untern Theil des plexzus hypogastrieus. In dem ge- 
genwärtigen Präparat waren keine allein aus den unteren Sacralnerven ent- 
springenden Harnblasennerven, wie es sonst vorkommt, vorhanden. 

Der plexus hypogastrieus besteht aus der mannigfaltigsten Verbindung 
und Kreuzung der vom sympathieus und von den Sacralnerven herrührenden 
Wurzeltheile; in diesen Verbindungen liegen einige gangliöse Massen, aus 
welchen sogleich viele feine Nerven hervorgehen. Eine durchlöcherte Mem- 
bran, wie man zuweilen diesen plexus in den Abbildungen dargestellt sieht, 
bildet dieses Geflecht nicht, wenn es rein präparirt ist. Es versteht sich 
von selbst, dafs diese Präparation, wie die aller ferner zu beschreibenden 
Nerven, unter der Loupe geschehen mufs, damit die Nervenfäden und Gan- 
glien von allem umgebenden fremdartigen Gewebe befreit werden können. 

Vom plexus hypogastrieus gehen nun die vorher schon im Allgemei- 
nen angegebenen bekannten Nerven ab, bei deren Beschreibung wir uns 
nicht aufhalten werden, nämlich zur Harnblase (v. w), zum Ureter (w), zu 
dem Samenbläschen und duetus deferens (x), zum Mastdarm (y), endlich 
viele Zweige (2) zum plexus prostaticus (aa). 

Der plexus prostaticus liegt am hintern und Seitentheil der prostata, 
zwischen prostata M und musculus levator ani H. Er giebt nicht nur die 
Nerven zum obern und hintern Theile der prostata (nervi prostatici posteriores 
et superiores), sondern setzt sich auch zwischen levator ani und prostata in 
das sehr feine Geflecht der cavernösen Nerven (plexus cavernosus bb) fort, 
welches zuletzt unter der Symphyse der Schambeine auf der Wurzel des pe- 
nis hervorkommt, 

In dem plexus prostaticus liegen mehrere theils gröfsere theils klei- 
nere und sehr kleine Ganglien, sämmtlich am hintern Seitentheil der pro- 
stata. Dieser Ganglien aß y deln finde ich in gegenwärtigem Präparate 7. 
Zwei (a und 8) sind gegen 3 Linien lang und ', Linie breit, die anderen sind 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 137 


viel kleiner, eine Linie lang und noch weniger. Die gröfsten « und ö sind 
länglich, zwei sind oval, @ und y, diese sind gegen 1 Linie lang, die übrigen 
e2n sind sehr klein und dreieckig. Die angegebenen Gröfsenverhältnisse 
sind ganz genau, da die Knötchen wie alle feinen aus ihnen hervorgehenden 
Nerven unter der Loupe auf das sorgfältigste von allem Fremdartigen befreit 
wurden. Diese Kette von Knötchen, welche regelmäfsig in der Gegend des 
hintern Endes der prostata liegt, hängt mit dem plexus hypogastricus durch 
ziemlich lange und feine Nervenfäden zusammen, und mufs von dem plexus 
hypogastrieus selbst wohl unterschieden werden. Ehemals liefs man die vor- 
dersten Zweige des plexus hypogastrieus in der Gegend der prostata enden; 
aber, wie wir eben dargestellt haben, es bilden sich hier neue Centra für 
eine viel weitere Verbreitung der sympathischen Nerven. Wir nennen die 
kleinen Ganglien an dem hintern Ende der prostata ganglia pudenda, seu 
prostatica. Zu dem plexus prostatieus und zu seinen Ganglien kommen übri- 
gens auch noch Zweige vom vierten Sacralnerven hinzu, welche nicht erst 
durch den plexus hypogastricus durchgehen (u, w), diese senken sich theils 
in die Ganglien des plexus prostaticus ein (wie u”), theils schliefsen sie sich 
den aus diesen Ganglien hervorgehenden Zweigen zum plexus cavernosus 
an (w). 

Die einzelnen Ganglien haben folgende Verbindungen: Das gröfste « 
gegen 3 Linien lang, 4 Linie breit, mit fast parallelen Rändern zwischen 
dem hinteren Ende der prostata und dem Zevator anı liegend, steht an seinem 
hintern Ende mit Fäden in Verbindung, die theils vom plexus hypogastrieus 
(2), theils von einem kleinen, weiter hinten liegenden, ovalen Knötchen 
(2), theils vom vierten Sacralnerven (u) kommen. Der letztere Faden ver- 
bindet sich durch einen Ast (w’) mit dem Ganglion «, mit dem andern (w) 
hängt er mit dem aus dem vordern Ende dieses wie der anderen Ganglien 
kommenden cavernösen Geflecht zusammen. 

Das vordere Ende des ganglion « theilt sich in 2 Zipfel, einen obern 
und untern. Der untere nimmt noch einen Zweig des plexus hypogastrieus 
auf, der vorher durch das ganglion y durchgegangen ist, hängt mit einem 
vom vierten Sacralneryen kommenden Zweig w, der zum plexus cavernosus 
geht, zusammen und sendet mehrere Zweige « « in den plexus cavernosus. 
Der obere Zipfel des vordern Endes des ganglion « giebt einen Ast zu dem 
gegen 4 Linien langen vordersten ganglion ö am hintern Seitentheil der pro- 


123 Mürzen über die organischen Nerven 


stata, und einen andern Zweig zum ganglion e. Nämlich die Ganglien « und 
ö schicken zu e Zweige, welche sich zu einem verbinden. Das dreieckige 
ganglion e hat beinahe die Gröfse des ganglion ophthalmieum, liegt auf dem 
hintern Ende der prostata und hängt wieder mit den viel kleinern Knötchen 
£ und n zusammen. Aus den Ganglien e2y gehen die hinteren und oberen 
Nerven für die prostata (n'), aus dem grofsen Ganglion ö ein ganzes Fascikel 
von feinen Nerven für den hintern Theil der prostata hervor (8). 

Die Fortsetzung des plexus prostaticus nach vorn ist der plexus caver- 
nosus bb an der Seite der prostata, zwischen dieser und dem levator ani. Er 
entsteht durch Fäden, welche aus den gröfseren Ganglien « und & entspringen, 
a « und 0” 6”. Ein ganz starkes Fascikel von feinen Nervenfäden geht na- 
mentlich aus dem ganglion ö hervor (8”). Die Fäden « und 8” verbinden 
sich geflechtartig untereinander, an sie schliefsen sich Fäden an (w’), welche 
vom vierten Sacralnerven kommen und vorher schon mit dem ganglion « sich 
schlingenförmig verbunden haben. Das Geflecht der cavernösen Nerven zur 
Seite der prostata ist ungemein verwickelt, die Fäden ungemein fein, im All- 
gemeinen verfolgen die meisten Fäden die Längenrichtung gegen die Wurzel 
des penis. Aus diesem Geflecht treten noch Zweige für den Seitentheil und 
vordern Theil der prostata (8”) hervor. Weiter nach vorn liegt der plexus 
cavernosus zum Theil in der Substanz des musculus constrictor isthmi urethra- 
lis und ist seine Präparation ungemein schwer; unter der Symphyse werden 
diese zarten Nerven von der fibrösen Substanz eingeschlossen, welche die 
Wurzel des penis mit dem ligamentum arcuatum verbindet. So weit diese 
Nerven bis jetzt beschrieben sind, liegen sie zwischen levator ani, prostata 
und pars membranacea urethrae. So wie sie über den vordern Rand des le- 
palor ani weggegangen sind, schliefsen sich einige feine Zweige vom nervus 
pudendus an sie an, welche bisher vom plexus cavernosus durch den levator 
ani getrennt waren (9). Aus der Verbindung der aus dem plexus cavernosus 
unter der Symphyse auf die Wurzel des penis tretenden Zweige und dieser 
Zweige vom nervus pudendus entstehen die einzelnen nervi cavernosi. 

Man unterscheidet einen nervus cavernosus major und mehrere nervi 
cavernosi minores. Die nerpi cavernosi minores durchbohren für sich am hin- 
tersten Theil des penis die Wurzel des corpus cavernosum 5. Durch die 
Verbindnng von mehreren Zweigen des plexus cavernosus mit feinen Zwei- 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 129 


gen des nervus pudendus, die schon frühe abgegangen waren und in der Nähe 
der arteria penis lagen, entsteht der sogleich unter der Symphyse auf der 
Wurzel des penis jederseits liegende nervus cavernosus major (ı). Seine Wur- 
zeln treten am yordern Rande des lZevator anı zusammen. Er hat eine Stärke 
von 4 Linie, erscheint als Stamm und ist viel stärker als die feinen Wurzeln, 
die zu seiner Bildung zusammentreten. Aus ihm treten schon hinten Zweige 
für den vordern Theil der prostata, die pars membranacea (!), auch hängt 
er mit den kleinen cavernösen Nerven vielfach zusammen. Der nervus ca- 
vernosus major vertheilt sich schon am Anfang des corpus cavernosum penis 
unter und vor der Symphyse in das corpus cavernosum. Nachdem er sich in 
mehrere Äste zerspalten, durchbohren diese die fibröse Hülle des corpus 
cavernosum etwas schief, theils mit der arteria profunda penis, theils durch 
besondere Öffnungen eintretend (xx x’). Die Zweige dieses Nerven blei- 
ben nicht allein auf derselben Seite, einige treten hinüber auf die entgegen- 
gesetzte Seite. Im gegenwärtigen Fall wenigstens kommt von links ein ca- 
vernöser Nerve herüber zur rechten Seite (x), tritt in die Vertiefung zwi- 
schen den Wurzeln der beiden corpora cavernosa, dann zwischen corpus ca- 
vernosum urethrae und corpus cavernosum penis dextrum in die Tiefe und 
senkt sich an der innern Seite der Wurzel des corpus cavernosum penis dex- 
irum mit mehreren Zweigen in das erectile Gewebe ein. Dagegen giebt der 
nervus cavernosus major der rechten Seite in diesem Präparat einen starken 
Zweig zwischen den Wurzeln der corpora cavernosa in das corpus cavernosum 
urelhrae. Der nervus cavernosus major endigt übrigens nicht an der Wurzel 
des penis, wenn er die genannten Zweige in das Innere der Wurzeln der 
corpora cavernosa abgegeben hat, sondern setzt sich mit mehreren Zweigen 
über den Rücken des penis fort. Ein längerer Zweig A verbindet sich mit 
mehreren Zweigen des nzervus dorsalis penis und senkt sich mit mehreren 
Ästen X ohngefähr in der Mitte der Länge des penis unter der vena dor- 
salıs penis ein. Ein Zweig des vorerwähnten organischen Nerven (?”) verbin- 
det sich mit einem Aste des zervus dorsalıs und tritt auf der Seite des Rük- 
kens des corpus cavernosum penis, auch in der Hälfte der Länge des penis, mit 
einem cavernösen Zweige der arteria dorsalis penis ein. 

Feine Zweige des zervus dorsalis verbinden sich mit Zweigen des vor- 
hererwähnten grofsen cavernösen Nerven, und steigen an der Seite des 


Physikal. Abhandl. 1835. R 


130 Mürter über die organischen Nerven 


penis schief herab, um unten zwischen corpus cavernosum penis und corpus 
cavernosum. urelhrae in das letztere einzudringen. 

Die cavernösen Nerven der andern Seite nehmen denselben oder einen 
ähnlichen Verlauf; aber sowohl am mittlern als hintern Theil des peris fin- 
det eine Verbindung der cavernösen Nerven der rechten und linken Seite 
statt. Auf dem mittlern Theil des penis ist diese Verbindung sehr ansehn- 
lich durch Zweige (v), welche noch unter der vena dorsalis penis von einer 
zur andern Seite hinübergehen. Da der nervus dorsalis penis sich nun mit 
den organischen Nerven des penis vielfach verbindet (v’), so ist durch Ge- 
meinschaft der rechten und linken organischen Nerven auch eine Gemein- 
schaft der beiden nervi dorsales penis, welche Bock mit Unrecht läugnete, 
hergestellt; ohne Antheil der organischen Nerven scheinen die beiden nervi 
dorsales sich nicht zu verbinden. 

Die letzten Zweige der organischen Nerven endigen theils in den cor- 
pora cavernosa penis, theils umstricken sie die vena dorsalts penis (o). 

Der nervus dorsalis penis geht theils Verbindungen mit den cavernösen 
Nerven ein, theils schickt er an verschiedenen Stellen noch Zweige in das 
Innere der corpora cavernosa penis ein, theils giebt er Äste, welche die arte- 
ria dorsalis begleiten (f), theils giebt er viele Zweige in die Haut des penis 
und die Vorhaut (/”). Noch andere Zweige umstricken das vordere Ende 
der vena dorsalis, wo sie aus der Eichel entsprungen ist, sıch fein verzwei- 
gend (f”). Der gröfste Theil der Nervenmasse der nervi dorsales penis 
senkt sich an der Krone der Eichel in diese ein und durchdringt mit seinen 
Ästen das Innere der Eichel. Diese Zweige nehmen ihre Direction gegen 
die Oberfläche der Eichel (f””) und scheinen dieser gefühlsreichen Ober- 
fläche gröfstentheils bestimmt zu sein. 

Die Verbreitung der cavernösen Nerven im Innern des erectilen Gewe- 
bes habe ich schon bei einer andern Gelegenheit, nämlich bei Beschreibung 
der arteriae helicinae dargestellt und durch eine Abbildung erläutert (!). 


B. Beschreibung der cavernösen Nerven nach einem zweiten Präparat vom Menschen. 


Die Zweige zum plexus cavernosus kommen theils von dem mittlern 
Theil des plexus hypogastricus, theils vom untern Seitentheil des plexus hy- 


(‘) Müller’s Archiv für Anatomie und Physiologie 1835. Tab. II. fig. 6. 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 131 


pogastricus, wo Zweige des dritten und vierten Sacralnerven sich mit dem 
plexus hypogastricus verbinden. Die vom Seitentheil des plexus hypogastri- 
cus kommenden Zweige sind die zahlreichsten; obgleich sie mit den Fäden 
vom dritten und vierten Sacralnerven in Verbindung stehen, so gehören sie 
doch hauptsächlich dem zervus sympathicus an. Alle unsere Nerven haben 
die Direction gegen den hintern Seitentheil der prostata und gegen die Stelle 
der Verwachsung der prostata mit dem vordern Ende des lZevator ani. Den 
an dem hintern Ende der prostata liegenden gangliösen Theil des Geflechtes 
kann man plexus prostaticus nennen, obgleich dieses Geflecht der prostata nur 
wenige Zweige abgiebt (hintere Nerven der prostata). Ein Theil der zarten 
Fäden dieses Geflechtes liegt auf der prostata fest auf und in der fibrösen 
Hülle der prostata, andere und der gröfsere Theil der Fäden freier zwi- 
schen prostata und levator ani. Die vom mittlern vordern Theil des plexus 
hypogastrieus kommenden hieher gehörigen Fäden gehen mehr am obern Sei- 
tentheil der prostata her. Einige dieser Fäden treten am hintern Ende der 
prostata durch mehrere kleine aber sehr deutliche Knötchen und andere Fä- 
den kommen wieder daraus hervor und schliefsen sich der Fortsetzung des 
prostatischen Geflechtes an. Aus dem prostatischen Geflecht und den klei- 
nen Ganglien gehen alle Fäden in den plexus cavernosus über, welcher theils 
in der fleischartigen Hülle der pars membranacea, theils in dem fibrösen Ge- 
webe verborgen liegt, welches am vordern Ende der prostata hinter der 
Symphyse das Geflecht der Venen, in welches die vena dorsalis übergeht, 
einhüllt. Der plexus cavernosus liegt also unter und hinter der symphysis 
zwischen der prostata, dem vordern Rande des Zevator anı und der art. penis 
und dehnt sich nach vorn bis auf die Wurzel des penis aus. Dieser plexus 
steht nun auch mit Zweigen des nzervus pudendus in Verbindung, welche 
unter dem vordern Ende des /evator an! hervorkommen und mit der arte- 
ria penis auf die Wurzel des penis treten, indem sie durch die fibrös- 
muskulöse Hülle der pars membranacea hindurch sich dem Geflechte ein- 
mengen. 

Aus dem plearus cavernosus treten nun folgende Zweige. Aus seiner 
innern Seite kommen vorn mehrere Zweige zur Seite des vordern Endes der 
prostata. Diese verbreiten sich am obern Seitentheil der prostata und ste- 
hen mit den oben erwähnten hinteren, auch mittleren Nervenzweigelchen zur 
prostata in Verbindung; man kann sie nervi prostalici anteriores nennen. 


R2 


132 Mürter über die organischen Nerven 


Alle übrigen Nervenzweige gehen nach vorwärts auf die Wurzel des penis 
unter der Symphyse durch. Diefs sind die Stämmchen der nervi caver- 
nosi. Sobald diese aus dem plexus hervorgetreten sind, sind sie fester; 


5 
durch ihre graugelbe Farbe. Die nzervi cavernosi zerfallen wieder in einen 


sie unterscheiden sich von den weifsen Zweigen des nervus dorsalis penis 


einzelnen stärkern, zerpus cavernosus major, und mehrere nervi cavernosi 
minores. 

Der nervus cavernosus major wird zusammengesetzt durch 4 bis 5 
Wurzeln aus dem plexus cavernosus und einen Nervenzweig aus dem nervus 
pudendus, welcher Faden unter der arteria penis vorwärts einwärts geht. 
Sobald sich diese Wurzeln vereinigt haben, was unter der Symphyse in- 
nerhalb eines festen fibrösen Gewebes geschieht, hat nun der nervus ca- 
vernosus major eine viel gröfsere Stärke, und ist eine ganz kurze Strecke, 
soweit er keine Zweige abgiebt, gegen '; bis 4 Linie dick. Der Nerve 
fängt aber sogleich an sich zu verzweigen. Einige Zweige gehen sogleich 
in das hintere Ende des corpus cavernosum penis von oben ein, abgeson- 
dert von der arteri« profunda penis; andere Zweige gehen unter der arte- 
ria penis zur Seite der Wurzel des corpus cavernosum und dringen hier an 
verschiedenen Stellen durch die fibröse Hülle des corpus cavernosum wie die 
vorigen schief durch; ein sehr starker Zweig tritt mit der arteria profunda 
penis ins Innere; ein Zweig verbindet sich mit dem nervus dorsalis penis an 
der Wurzel des penis. Mehrere Zweige verbinden sich mit Zweigen des 
nervus dorsalis penis und steigen am hintern Theil des penis über das corpus 
cavernosum nach der Seite herab, um in der Furche zwischen dem corpus 
cavernosum penis und dem corpus cavernosum urelhrae mit vielen Ästen in 
das corpus cavernosum urethrae einzutreten. Diese nervi cavernosi inferiores 
treten am hintersten Dritttheil des penis ein; sie sind ebenfalls deutlich grau. 
Ein längerer Zweig des nervus cavernosus major verbindet sich mit einem 
ähnlichen der entgegengesetzten Seite und einem Zweig des nervus dorsalis 
penis derselben und der entgegengesetzten Seite. Dieses Geflecht geht an 
der vena dorsalis penis nach vorne hin bis zum vordersten Dritttheil des pe- 
nis, von ihm gehen Fäden an verschiedenen Stellen in die corpora cavernosa 
penis. Nervus cavernosus communicans. Durch diese Communication von 
Zweigen der nervi dorsales mit den nervi cavernosi beider Seiten kommt jene 


Communication des nervus dorsalis penis dexter und sinister zu Stande. 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 133 


Die nerei cavernosi minores, welche besonders aus dem plexus caver- 
nosus hervortreten, bilden mehrere kleine Stämmehen von % bis 5 Linie 
Dicke; sie geben Äste zum hintersten Theil der corpora cavernosa penis, 
hängen von rechts und links geflechtartig zusammen; sie hängen auch mit 
dem nervus cavernosus major zusammen. Ihre Zweige durchbohren die 
fibröse Hülle des corpus cavernosum penis im hintersten Dritttheil des penis 
von oben; einige liegen nach innen vom nerpus cavernosus major; noch ein 
kleiner liegt mehr nach aufsen, hängt aber auch mit dem zervus cavernosus 
major zusammen. 

Die nervi cavernosi durchbohren zum Theil schief, indem sie sich 
durch Ausbreitung ihrer Fasern abplatten, die fibröse Hülle der corpora ca- 
vernosa; jene mit der arteria profunda penis eintretenden Zweige verbreiten 
sich mit dieser, die anderen verbreiten sich für sich in dem erectilen Ge- 
webe. Man kann sie ohne grofse Mühe weit in dem erectilen Gewebe ver- 
folgen; sie scheinen nicht in demselben Mafse feiner zu werden als sie im 
Innern Zweige abgeben. Obgleich sie sich wegen der Feinheit des Gegen- 
standes nicht bis in die von mir entdeckten Arterienquäste der arteria pro- 
Junda penis, arteriae helicinae, welche in die Zellen der corpora cavernosa 
penis hineinragen, verfolgen lassen, so erleidet es doch keinen Zweifel, dafs 
sie vorzüglich diesen Theilchen, in welchen eine Hauptursache der Erection 
liegt, bestimmt sind. 

Anschwellungen der cavernösen Nerven an den Stellen wo sie die fibröse 
Hülle der corpora cavernosa penis durchbohren, habe ich nie bemerkt. 

Die nervi dorsales penis sind gegen alle diese organischen Nerven ganz 
weils, sie gehen an der Seite der arteriae dorsales penis, nach aufsen von 
ihnen gelegen, vorwärts und verbinden sich, obgleich sie sich oft theilen 
und wieder vereinigen, von rechts und links nicht, sobald die cavernösen 
Nerven keine Verbindungen mehr mit ihnen eingehen, oder unter ihnen 
vermitteln. Kleine Zweige von ihnen treten auch noch in die corpora ca- 
vernosa ein, aber nur sehr feine Zweige, von denen es ungewifs ist, wie 
viel sie von eingemischten organischen Fasern enthalten. Die ganze Masse 
ihrer Äste, welche auf jeder Seite sich schlingenartig verbinden und wie- 
der theilen, bleibt auf der Oberfläche des penis, die wenigsten Zweige 
verbreiten sich in- der Haut des penis, der gröfste Theil der Zweige geht 
vorwärts, theils in der Vorhaut, besonders aber in der Eichel sich aus- 


134 Müımzer über die organischen Nerven 


breitend, in welche das Ende des Nerven jederseits büschelförmig ein- 
tritt. Und so sind also die corpora cavernosa penis et urethrae grofsentheils 
von organischen Fasern, die sensible Eichel vorzüglich von animalischen 


Nerven versehen. 
Sämmtliche hier beschriebene Präparate sind dem Königl. anatomi- 


schen Museum zu Berlin einyerleibt. 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 135 


Erklärung der Kupfertafeln. 


Tafel I. 


Abbildungen des musculus constrictor isthmi urethralis. 


Fig. 1. Abbildung des musculus constrictor isthmi urethralis von oben. Die Symphyse der 


SBBSbu a 


d. 


Schambeine ist mit dem gröfsten Theil des Zevator ani ausgeschnitten. Die Zigamenta 
vesicae anteriora sind von der Symphyse abgeschnitten und die Urinblase nach rück- 
wärts gezogen. 

Symphyse der Schambeine. 


. Ligamentum arcuatum. 


Prostata. 

Harnblase. 

Musculus levator ani. 
Ligamentum ischio-prostaticum. 


Musculus constrictor isthmi urethralis. Stratum superius. 


. Bogenförmige Muskelbündel auf der Oberfläche der prostata, theils auf die prostata be- 


schränkt, Zegmentum musculare prostatae c', theils in die Längenfasern der Harnblase 
übergehend c. 
Ligamenta pubo-vesicalia, von der Symphyse der Schambeine abgeschnitten. 


Fig. 2. Seitenansicht des constrictor isthmi urethralis. Die Symphyse der Schambeine ist mit 


da. 


den anhängenden Theilen ausgeschnitten. Der vordere Theil des musculus levator ani 
rechter Seite ist bis auf das Zigamentum ischio-prostaticum durchschnitten, damit die- 
ses sichtbar wird. 

Symphysis ossium pubis. 

Ligamentum arcuatum. 


Prostata. 


. Harnblase. 


Theil des zmusculus levator ani. 


. Theile des querdurchschnittenen vordern Theils des Zevator ani der rechten Seite. 


Ligamentum_ ischio- prostaticum. 

Musculus constrietor isthmi urethralis. Stratum superius. 

Bogenförmige Muskelbündel auf der Oberfläche der prostata, theils auf die prostata be- 
schränkt c’, tegmentum musculare prostatae, theils in die seitlichen Längenfasern der 
Harnblase übergehend. 

Ligamenta pubo-vesicalia. Das rechte ist durchgeschnitten, so dals das eine Ende an 
der Symphyse bleibt @’, das andere der nach links hingezogenen Harnblase folgt d”. 


136 Mürzer über die organischen Nerven 


Tafel D. 


Plexus hypogastricus des Pferdes, Verbindung der hinteren Nerven für das 
Innere der Ruthe mit dem Plexus hypogastricus. 


(Vom penis ist nur die Wurzel dargestellt, der gröfste Theil der Ruthe fehlt wegen Ersparung 
des Raumes in der Abbildung.) 

4. Mastdarm. 

B. Urinblase. 

C. Üreter. 

D. Ductus deferens. 

E. Samenblase. 

F. Prostata. 

G. Muskulöse Bedeckung des häutigen Theils der Harnröhre. 

H.H. Wurzeln des corpus cavernosum penis. 

H. Musculus ischio - cavernosus. 

T. Anfang des penis, das übrige ist abgeschnitten. 

a. Stamm des plexus hypogastricus vom nervus sympathicus. 

öd. Verbindungsast zum plexus hypogastricus vom dritten Sacralnerven. 

ab. plexus hypogastrieus. 

c. Zweige zum Üreter. 

d. Zweige zum ductus deferens. 

e. Zweige zur Samenblase. 

J. Zweige zur Urinblase. 

g. Zweige zur prostata. 

h. Zweige zum Mastdarm. 

k. Plexus prostaticus und Ganglien des plexus prostahceus. 

k'. Verbindungen zwischen dem plexus prostaticus, seinen Ganglien und dem plexus hypoga- 
strieus. 

[8 Plexus cavernosus. 

m. Nervus pudendus. 

n. Zweige desselben zur muskulösen Hülle des häutigen Theils der Harnröhre. 

0. Zweige zum musculus ischio - cavernosus. 

p. Nervus dorsalis penis. 

«aßydsegnSı. Ganglien des plexus prostaticus. 

1. Hinterster cavernöser Nerve. 

1’. Verbindungen desselben mit dem plexus cavernosus und den Ganglien d. 2. £. des plexus 
prostaticus. 

1”. Verbindungen desselben mit dem plexus cavernosus und prostaticus und den Ganglien «. 2. 

1” mit den Ganglien 8. =. 

Ir Verbindungen mit Ästen des nervus pudendus. 

2. Zweiter hinterer cavernöser Nerve. 

2. Verbindung desselben mit dem plexus cavernosus und prostaticus und dem ganglion S. 

2”. Verbindung dieses Nerven mit den organischen Wurzeln des vorhergehenden cavernösen 
Nerven. 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 137 


2”. Andere Verbindung mit dem plexus prostaticus. 

2””. Verbindung mit dem plexus prostaticus und dem ganglion ß. 
2*. Ursprünge des cavernösen Nerven vom nereus pudendus. 
3. Dritter hinterer cavernöser Nerve. 

3. Ursprung aus dem nerous pudendus. 

3”. Verbindung mit dem plexus cavernosus. 

3”. Verbindung mit dem vorhergehenden Nerven. 

3””, Verbindung mit dem plexus cavernosus der andern Seite. 
4. Vierter hinterer cavernöser Nerve. 

5. Hintere kleinere cavernöse Nerven. 

d'. Ursprünge vom nervus dorsalis penis. 

5”. Verbindung mit dem plexus cavernosus der andern Seite. 
6.6.6. Vordere cavernöse Nerven vom nervus dorsalis penis. 


Tafel IH. 


Abbildung des plexus prostaticus und cavernosus, sowie der organischen 
Nerven der corpora cavernosa nach einem Präparat vom Menschen. 


(Der vordere Theil der Darmbeine und die Schambeine sind weggeschnitten.) 


A. Durchschnitt der Darmbeine. 

B.B.B. Die 3 untersten Lendenwirbel. 

B'. Ligamenta intervertebralia. 
Kreuzbein. 

. Musculus quadratus lumborum. 

. Musculus iliacus internus. 


. Musculus psoas. 


Nubbn 


. Musculus psoas minor. 

G. Theil des musculus pyriformis. 

H. Musculus levator anı. 

I. Harnblase. 

T. Harnleiter. 

K. Ductus deferens. 

K'. Samenbläschen. 

L. Mastdarm. 

M. Prostata. 

Haut des penis abwärts geschlagen. 


Corpora cavernosa penis. 


Eichel. 
. Vorhaut. 


Q. Aorta abdominalis. 


Physikal. Abhandl. 1835. S 


N. 
©: 
O'. Musculus ischio - cavernosus. 
pP. 
p' 


138 Mürter über die organischen Nerven 


R. Arteria mesenterica inferior. 

S. Arteria iliaca communis. 

T. Arteria cruralıs. 

U. Arteria hypogastrica. 

U'!. Arteria obturatoria. 

U?. Arteria umbilicalis. 

U°. Arteria glutaea. 

U*'. Arteria ischiadica. 

U°. Arteria pudenda communis. 

U°. Arteria dorsalis penis. 

F. Vena cava inferior. 

W. Vena iliaca communis. 

A. Vena cruralis. 

F. Vena hypogastrica. 

Z. Vena dorsalis penis. 

a. Nervus cutaneus externus femoris. 

b, Nervus cruralıs. 

c. Nervus obturatorius. 

d. Ursprünge des plexus sacralis vom 4. und 5. Lendennerven. 

d'‘. Erster Sacralnerve. 

d?. Zweiter Sacralnerve. 

a’, Dritter Sacralnerve. 

d*. Vierter Sacralnerve. 

e. Plexus sacralis. 

Jf. Nervus dorsalis penis. 

f'. Zweige desselben, welche die arteriae dorsales begleiten. 

f". Zweige desselben zur Haut des penis und zur Vorhaut. 

f”. Zweige, welche das vordere Ende der vena dorsalis umstricken. 

f””. Endigung desselben in der Eichel. 

k. Lendentheil des Grenzstranges vom Sympathicus. 

k'. Ganglion lumbale tertium. 

k®. Verbindungen des Lendentheils des Syrmpathicus mit den Lendennerven. 

2. Sacraltheil des Grenzstranges des nervus sympathicus. 

l!. Ganglion sacrale primum. 

1°. Ganglion sacrale secundum. 

?°. Verbindungen der ganglia sacralia mit den Sacralnerven. 

zn. Plexus aorticus. 

n. Anfang des plexus mesentericus inferior. 

0. Verbindung des plexus hypogastricus medius und aorticus mit dem Lumbaltheil des Grenz- 
stranges. 

p. Plexus hypogastricus medius s. impar. Er theilt sich in die beiden Wurzeln »’ der plexus 
hypogastrici inferiores. 


9. Plexus hypogastricus inferior dexter. 


der erectilen männlichen Geschlechtsorgane u.s.w. 139 


r. Zwei Nervenfäden vom 2. Sacralnerven und mehrere vom 3. Sacralnerven vereinigen sich 
zu einem Faden r’, dieser geht zum plexus Ahypogastricus inferior. 

s. Mehrere Nervenfäden vom 3. Sacralnerven zum plexus hypogastricus. 

£. Mehrere Fäden vom 4. Sacralnerven. 

u. Zweige des 4. Sacralnerven zum plexus prostaticus und cavernosus und zu den ganglia 
prostatica seu pudenda. 

uw. Zweig eines Fadens vom 4. Sacralnerven zum ganglion « und plexus cavernosus. 

u”. Zweig desselben Fadens zum ganglion «. 

v. Zweige des plexus hypogastricus zur Harnblase. 

w». Zweige zum ureter und zur Harnblase. 

x. Zweige zum Samenbläschen und zum duczus deferens. 

y. Zweige zum Mastdarm. 

2. 2‘. Feine Zweige des plexus hypogastricus zum plexus prostaticus und cavernosus, und zu 
den ganglia prostatica seu pudenda. 

aa. Plexus prostaticus und ganglia prostatica seu pudenda. 

bb. Plexus cavernosus. 

@. 2. y. 8.8.9.7. Kleinere und grölsere Ganglien (ganglia prostatica seu pudenda), welche mit 
dem plexus hypogastricus durch Fäden zusammenhängen und von welchen theils die Ner- 
ven der prostata abgegeben werden, theils der plexus cavernosus entspringt. 

1. Verbindungen zwischen den Ganglien unter sich. 

1”. Verbindungsfäden zwischen den Ganglien und dem plexus hypogastricus. 

1”. Verbindung zwischen dem ganglion « und dem 4. Sacralnerven. 

1”. Verbindung zwischen dem ganglion « und einem zum plexus cavernosus gehenden Faden 
(w') vom 4. Sacralnerven. 

ö. Nerven für den hintern Theil der prostatz aus dem ganglion ®. 

y'. Hintere obere Nerven für die prostata. aus den kleinen Ganglien er. 

«'«'. Zweige vom ganglion « zum plexus cavernosus. 

6”8”. Zweige vom ganglion 8 zum plexus cavernosus. 

8”. Zweige aus dem plexus cavernosus für den seitlichen Theil der prostata. 

S. Feine Zweige vom nervus pudendus, welche unter dem vordern Rande des /evator ani 
hervorkommen und sich mit dem plexus cavernosus zur Bildung der cavernösen Nerven 
verbinden. 

S’. Kleinere Nerven für das Innere des corpus cavernosum, nervi cavernosi minores. 

ı. Stärkerer Nerve für das Innere des corpus cavernosum, nerous cavernosus major. 

. Zweige aus demselben und dem plexus cavernosus für den vordern Theil der pros/ata und 
die pars membranacea urethrae. 

Krk Zweige des nervus cavernosus major für das Innere des corpus Ccavernosum penis. 

=". Cavernöser Nerve der linken Seite, auf die rechte hinübertretend, er geht zwischen den 
Wurzeln der beiden corpora cavernosa, dann zwischen corpus cavernosum penis dextrum 
und corpus cavernosum urethrae und senkt sich in die Innere Seite des erstern. 

PAR Zweig des NEeTVUs CAVEFNOSUS major zum Corpus cavernosum urethrae. 


7. Längerer Zweig des nervus cavernosus major, der sich mit mehreren Zweigen des nerous 


52 


140 Müruer über die organischen Nerven der erectilen u.s.w. 


dorsalis penis verbindet und sich mit mehreren Ästen ?’ in der Mitte der zus des 
penis unter der vena dorsalis einsenkt. 

7”. Anderer Zweig des n. cavernosus major, der sich mit einem Aste des n. dorsalis verbindet 
und auf der Seite des Rückens des corpus cavernosum penis in der Hälfte der Länge 
des penis mit einem cavernösen Zweig der arzeria dorsalis penis sich einsenkt. 

u. Feine Zweige des nereus dorsalis penis, die mit Zweigen des cavernösen Nerven verbun- 
den an der Seite des penis herabsteigen, um zwischen corput cavernosum penis und cor- 
pus cavernosum urethrae in das letztere einzudringen. 


v. Nerous cavernosus communicans, Verbindung zwischen den cavernösen Nerven der rechten 
und linken Seite und Zweigen der beiden neroi dorsales penis v'. 


OK Mer Sal 


Top. 


| oe . yes a 7039. 
2 C 


CE. Wüher „Sonip 


Arhumuzan hl, 


a 


j 
17 


Ba Fhiy v. eG OB I: 


Taf IH 


> 5 en 5 Walk v3 Va äd: / ren der masendl Geschbehtsengen or TEL 1935, 1 


Taf: IT.a. 


Pe 
P| 


F u. 
a s RN 


Mittheilung 


einer 


sehr einfachen Methode zum Festhalten, Vergleichen 
und Aufbewahren der feinsten und vergänglichsten 
mikroskopischen Objecte. 


Pa Von 


H"- EHRENBERG. 


mmanannnnvwn 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 21. Mai 1835.] 


D. von mir der Akademie seit einer Reihe von Jahren in einer allgemei- 
neren Beziehung vorgetragenen Organisations-Verhältnisse mikroskopischer 
Organismen haben, obschon meine Darstellung das Vertrauen sorgfältiger 
Beobachter gewonnen hat, doch auch hie und da Widerspruch erweckt. Ein 
individuelles peinigendes Gefühl, die obschon zu oft wiederholten Malen 
beobachteten Gegenstände doch zuweilen nur allein, oder nur mit einem und 
dem andern Beobachter übereinstimmend zu sehen, hatte mich früher zu- 
nächst zu den Versuchen angetrieben durch farbige Nahrung die von mir 
schon lange Zeit erkannte sehr zusammengesetzte Structur der Infusorien 
einigermafsen zur allgemeineren Ansicht zu bringen. Jene Versuche gelan- 
gen erst spät, aber vollständig, und es sind bereits so viele bestätigende 
Zeugnisse sorgfältiger Beobachter zur öffentlichen Kenntnifs gekommen, 
dafs über das Ernährungssystem der mikroskopischen und gallertigen Thiere 
späterhin nicht leicht mehr bedeutende Differenzen sich lange halten kön- 
nen (!). Anders verhielt es sich aber immer noch mit den andern Ergebnis- 


(') Auch der neuliche lebhafte Widerspruch der Herren Dujardin und Peltier in Paris 
über die Ernährungsorgane der Infusorien, zeigt sich nur als eine Folge individueller Schwie- 
rigkeit in der Behandlung des Mikroskops. Ich halte nicht für nöthig dagegen speciell etwas 
zu erinnern, denn die Farbenspectra des Mikroskops darf man freilich nicht, wie Herr Pel- 
tier, mit den durch Indigo oder Carmin gefärbten inneren Canälen verwechseln, auch ist es 
ein individueller, die Sache gar nicht berührender Irrthum, wenn Herr Dujardin die Bläs- 
chen in der Körpersubstanz der Eingeweidewürmer, welche mit dem Ernährungsgeschäft, wozu 


142 EHrENBERG über eine einfache Methode zum Festhalten 


sen der mikroskopischen Forschung. Beobachtungen über das Blut, die 
Nerven und andre für die animalische Organisation höchst wichtige Theile, 
sind immer noch nicht zur wissenschaftlichen Ruhe gekommen. So hat man 
die Röhrenform der Nervenfasern in Zweifel gezogen, so klar sie sich auch 
vorlegen läfst und andere bezweifelten ob alles Säugethier- und Menschen- 
blut ebenfalls in seinen Kügelchen einen Kern enthalte, wie das Amphibien- 
blut, bei dem der letztere durch Herrn Johannes Müllers Untersuchun- 
gen auch für andere so aufser Zweifel gestellt worden war, wie es die ihm 
vorangegangenen erfinderischen Untersuchungen von Hewson nicht hatten 
bewirken können. Viele ähnliche wichtige Verhältnisse, welche des Einver- 
ständnisses der Förderer auf diesem so interessanten Felde der Forschungen 
über den innersten Bau des Menschen entbehren und auch die Schwierigkeit 
der beliebigen Darstellung der feineren Zusammensetzung der kleinsten 
selbstständigen Thiere, womit ich mich angelegentlich beschäftigte, haben 
mich angetrieben auf ein Mittel zu sinnen, dergleichen vergängliche und 
kleine Objecte haltbar und jeder beliebigen Beschauung und Vergleichung 


zugänglich zu machen. Wie man das Zweckmäfsige gewöhnlich auf vielen 


8 
Umwegen in der Ferne sucht und häufig endlich ganz in der Nähe findet, 
sich wundernd, dafs es so nahe liege, so ist mir es auch mit diesen Versuchen 
gegangen. Alle Arten von Firnissen und Einbalsamirungs-Stoffen, die mir 
irgend zugänglich waren, benutzte ich mit mehr oder weniger mangelhaften, 
nie aber mit ganz erfreulichen Erfolgen. Endlich erreichte ich durch das 
einfachste Trocknen meine Absicht so vollständig, dafs ich glaube, durch 
Bekanntmachung der Methode den wissenschaftlichen Forschungen einen 
nicht unwichtigen Dienst zu erweisen und eine rasche Förderung der Er- 
kenntnifs vieler organischen Verhältnisse herbeizuführen. 

Es ist nämlich wohl keinem Zweifel unterworfen, dafs, so störend 
auch oft die Lust zum Sammeln auf die Entwicklung und geistige Production 
einzelner Menschen wirkt, doch gerade den Sammlungen der Naturkör- 
per die Naturwissenschaft den gröfsten Theil ihrer raschen und sicheren 


Entwicklung verdankt. Vielfacher Irrthum, Leichtsinn, und in Folge jener 


andere deutliche Organe dienen, gar nichts zu thun haben, mit den offenbaren Ernährungs- 
organen der Infusorien verwechselt und sie beide vacuoles nennt. Beide Aufsätze enthalten 
noch mehrere dergleichen ganz individuelle Verirrungen. Spätere Anmerkung. 


der feinsten und vergänglichsten mikroskopischen Objecte. 143 


Mifstrauen und Mangel an Theilnahme, lasten noch auf den so wichtigen Be- 
reicherungen, welche die Anatomie und Physiologie sowohl der Thiere als 
der Pflanzen durch das Mikroskop, das so vortreftliche Schärfungsmittel der 
menschlichen Sehkraft, erhalten könnte. Durch stehende Sammlungen 
wird es möglich sein, Wahres allgemein zu erkennen und Falsches mit aus den 
Gegenständen genommenen Gründen zu tadeln. So freut es mich denn der 
Akademie eine Sammlung von gegen 600 mikroskopischen Objeeten der 
zartesten und vergänglichsten Art in einem Zustande vorzulegen, wie sie zur 
Vergleichung und scharfen Prüfung keiner weiteren Vorbereitung bedürfen, 
sondern von jedermann auf das bequemste betrachtet werden können. 

Die ganze Kunst der Zubereitung besteht darin, dafs man je nach dem 
gröfseren oder geringeren eigenen Feuchtigkeitsgehalte der zarten Objecte 
einen angemessenen Wärmegrad zum raschen Trocknen derselben benutzt. 
Zuweilen ist Lampen-Wärme und Feuer nöthig, zuweilen ist diese Wärme 
viel zu stark und man erreicht seinen Zweck mit dem geringen Wärmegrad, 
welchen die flache innere Hand darbietet, zuweilen ist auch diese zu stark, 
es bedarf nur der gewöhnlichen aber durch Entziehen der gröfsern umge- 
benden Feuchtigkeits-Menge beschleunigten Verdunstung. Bei den meisten 
der für diesen Zweck sich eignenden Objecte läfst sich das Verfahren auf 


folgende Theorie stützen und demgemäfs modifieiren. Die zartesten organi- 
schen Körper und Stoffe sind beim Trocknen gewöhnlich zum Zerfliefsen 


geneigt und dieses Vergehen derselben unter den Augen des Beobachters hat 
eine grofse Menge der wunderlichsten Ansichten herbeigeführt. Jenes Zer- 
fliefsen und Vergehen ist meist eine Folge der grofsen Weichheit und des 
gallertigen Zustandes, nur selten ist es ein durch partielle Contractionen der 
festeren Haut bedingtes Zerplatzen und Austreiben der inneren weichern 
Theile, wie es von gröfseren Thieren Ascariden und Holothurien zeigen. So 
lange nämlich jene zarten und weichen Körper in der sie umgebenden Flüs- 
sigkeit suspendirt sind, sind auch alle ihre peripherischen Theile noch gleich- 
mäfsig gestützt und die Form ist natürlich. Sobald aber das Wasser verdun- 
stet, verlieren die Körper allmälig ihre allseitigen Stützpunkte und der erste 
Erfolg ist, dafs sie, wenn sie kugelförmig oder überhaupt angeschwollen sind, 
sich abplatten. Mit der Verdunstung des Wassers nimmt die platte Form zu 
und bei einem gewissen höheren Grade des Wassermangels reifst die zu stark 


ausgedehnte Oberhaut und die Eingeweide treten der Erscheinung nach wie 


{e) 


144 EHRENBERG über eine einfache Methode zum Festhalten 


durch starken Druck zermalmt hervor. Zu dieser Ausdehnung der Körper 
bis an das Moment des Zerplatzens ist eine gewisse Zeit nöthig, die nicht 
immer von der Verdunstungszeit, sondern häufig von der Eigenthümlichkeit 
der Substanzen abhängig ist. Es kommt bei einem Versuche, solche Objecte 
in der natürlichen Form zu erhalten, darauf alles an, dafs die Verdunstung 
der umgebenden Feuchtigkeit früher beendet werde, als die Ausdehnung 
des Körpers den höchsten Grad erreicht, oder vielmehr schon früher als 
der Körper eine unnatürliche Form annehmen kann. Steigert man jedoch 
die Wärme plötzlich so weit, dafs die Substanz, welche man aufbewahren 
will, chemisch verändert wird, so erhält man kein angemessenes Präparat. 
Wesentlich ist noch für solche Sammlungen, dafs die Objecte sogleich auf 
ein durchsichtiges Täfelchen angetrocknet und mit einem andern bedeckt 
und beschützt werden, zu welchem Zwecke ich Glimmer benutzt habe, ob- 
schon ich Glas für zweckmäfsiger halte. Die Glimmerblättchen kann aber 
jeder sich kostenfrei leicht selbst beliebig formen. Ähnliche geformte sehr 
dünne Glasblättchen sind schwieriger zu haben und sehr kostbar. Am be- 
quemsten schien mir im Übrigen die Einrichtung zu sein, bei welcher man 
solche Objecte im möglich kleinsten Raum nebeneinander hat und die schon 
seit alter Zeit benutzten Schieber der Mikroskope mit einer Reihe von run- 
den Öffnungen, in denen man Schmetterlingsschuppen, Ungeziefer und hie 
und da den Durchschnitt eines Krautes zur Bewunderung vorlegte, werden 
künftig unter der Sorgfalt treuer Pfleger der Wissenschaft den Fortschritten 
der Forschungen zur Beglaubigung und Stütze dienen. 

Unter den Objecten, welche ich der Akademie vorlege, befindet sich 


eine Sammlung von 364 Arten jener Infusorien, über welche ich bereits 


8 
öfter Mittheilungen gegeben habe, deren vertrauensvolle Aufnahme von Sei- 
ten der Akademie für mich sehr aufmunternd und belohnend war, die ich 
mich aber allerdings freue nun auch belegen zu können. So habe ich denn 
einige getrocknete Infusorien zur Vergleichung mit den früher von mir 
gelieferten Zeichnungen, welche für die Schriften der Akademie in Kupfer 
gestochen worden sind, zur Ansicht vorgelegt, unter denen, neben samt 
ihrem Rüssel wohl erhaltenen Monaden, besonders der Folvox Globator in 
seinem ganzen Entwicklungs-Cyclus nicht unbefriedigt lassen dürfte. 
Rücksichtlich der physiologischen und anatomischen Präparate be- 
merke ich noch, dafs ich durch diese Methode der Aufbewahrung doch 


der ‚feinsten und vergänglichsten mikroskopischen Objecte. 145 


einige bisher schwankende Sätze schon sogleich befestigt zu haben meine. 
Besonders rechne ich dahin die Form und das Verhältnifs der Blutkerne zu 
ihrer Hülle, sowie derselben Kerne zu den peripherischen Hirnkörperchen 
und den Retina-Körperchen. Durch die einfache Methode, mit einem in 
Wasser getauchten nicht zu nassen Pinsel einen feinen Strich über das mit 
Blutkörperchen belegte Glimmerblättchen zu machen, erreicht man sogleich 
eine Ansicht der Einwirkung des Wassers auf die Blutkörperchen, welche 
man übrigens in allen Gröfsen und Entwicklungsverhältnissen auf einmal im 
ruhigen Bilde vor sich hat und die sich für immer erhält. 

Besonders wichtig erscheint es, dafs man all diese Objecte in dem so 
erhaltenen Zustande noch messen und sogar zeichnen kann, ohne von ihrer 
Natürlichkeit, wenn sie nur gut getrocknet waren, ein sehr Bedeutendes zu 
verlieren. Ja es geht sogar so weit, dafs sich durch diese Methode die Ge- 
fäfse, Muskeln, der Kauapparat und selbst die Nerven der Räderthierchen, 
z.B. der Hydatina senta, deutlicher erhalten lassen, als es im lebenden Zu- 
stande vielen gelungen sein mag. Man kann diese zarten Organismen im 
Moment des Eierlegens, im Moment des Auskriechens aus dem Ei und in 
vielen ähnlichen schwer zu belauschenden Lebenszuständen plötzlich an- 
trocknen, und so den Act für jedermann leicht anschaulich machen, auch 
damit scharf erweisen, dafs die eben auskriechenden Jungen schon die voll- 
endete Form der Alten haben. Ferner habe ich die Verhältnisse des Rüssels 
und der Geschlechtsorgane in der Monadenfamilie erst recht gründlich er- 
kannt, seitdem ich diese Methode der Aufbewahrung der Objecte angewen- 
det habe und habe bemerkt, dafs oft da zwei Rüssel vorhanden sind und 
ganz scharf nachgewiesen werden können, wo ich bisher nur einen zweifel- 
haft zu erkennen meinte. 

Zu den völlig auf diese Weise befestigten physiologischen Sätzen 
rechne ich auch den schlauchartigen die Magen verbindenden Darmkanal 
der polygastrischen Infusorien. Die mit Indigo oder Karmin erfüllten Para- 
mecien, Kolpoden, Bursarien u. s. w. lassen im wohlgetrockneten Zustande 
ihre Speisebehälter oder Magen scharf erkennen und zählen. Die eiförmige 
männliche Samendrüse ihres mittlern Körpers läfst sich nicht so scharf im 
lebenden als im getrockneten Zustande erkennen. Auch die strahlenförmig 
sich verbreitenden contractilen Organe des Paramecium Aurelia bleiben 
sichtbar. Oft kann man den hervorgeschobenen Rüssel deutlich erhalten 

Physikal. Abhandl. 1835. AR 


146 Eurengeng über eine einfache Methode zum Festhalten 


und ganz leicht erkennt man die reihenweis gestellten Knötchen der ganzen 
Körperoberfläche, auf denen die Wimpern ruhen und welche die ganze 
Fläche chagrinirt erscheinen lassen. Die Wimpern selbst sieht man scharf 
am Körperrande, alles dies aber ansehnlich deutlicher als im lebenden 
Thiere. Ja die Monaden selbst zeigen getrocknet ihre farbigen Magenbla- 
sen, ihre männliche Samendrüse und ihren Rüssel. Das rothe Pigment der 
Augen entfärbt sich aber nach dem völligen Austrocknen sowohl bei den 
Räderthieren als den Polygastrieis, obschon es mehrere Tage lang deutlich 
sichtbar bleibt. Bei Nassula und Chilodon lassen sich die Zahneylinder des 
Mundes recht deutlich für immer festhalten und demonstriren. Aufser letzte- 
ren Structurdetails der so kleinen Körper und aufser den farbigen Magen- 
blasen läfst sich aber auch der wirkliche Darmkanal der polygastrischen 
Thierchen ebenso anschaulich erhalten, wie der der Räderthiere. Es ge- 
lang mir besonders; gut bei Ophrydium versatile, und ich zweifle nicht, dafs 
eine intensiv darauf verwendete Mühe es bei vielen, vielleicht allen Formen 
so darstellbar machen wird, dafs man bei Vorträgen es sogleich vorzeigen 
kann. Die schon mir selbst bisher gelungenen Präparate sind geeignet das 
Factum an sich bereits völlig zu demonstriren und der Meinung keinen Raum 
mehr zu gestatten, dafs dieses Structurverhältnifs eine nur individuelle An- 
sicht sei. 

Ganz besonders erfreulich ist es, dafs man auf die angegebene Weise 
nicht blofs die Gröfse, Form und viele Structurverhältnisse nicht blofs der 
gepanzerten, sondern der weichsten und zartesten Infusorien zu steter Ver- 
gleichung bereit haben kann, sondern dafs sich auch die Farbe vollständig 
gut erhält. Ich besitze einzelne Präparate, die schon seit Jahresfrist auf- 
bewahrt sind und noch die Farbe wohl erhalten haben. Die liebliche grüne 
Farbe des Folvox Globator, der Euglenen, Pandorinen, Gonien, der grü- 
nen Monaden u. s. w. erhält sich seit langer Zeit. Nur das rothe Pigment 
der Augen verschwindet. Ganz auffallend aber war es mir, dafs die so 
schön violette Farbe des gallertigen Darmsaftes der Nassula elegans und or- 
nata sich völlig schön erhält, nur etwas bläulicher wird. 

Die angegebene Methode des Trocknens der mikroskopischen Objecte 
erlaubt aber nicht nur das bisher für unmöglich gehaltene Sammeln aller 
Arten von Infusorien und deren physiologischen und anatomischen Präpa- 
raten, sondern es ist auch auf die feinsten Theile der gröfseren Thiere und 


der feinsten und vergänglichsten mikroskopischen Objecte. 147 


des menschlichen Körpers anwendbar. Die Gefäfse hatte man durch In- 
jection schon erhaltbar gemacht. Es gelingt aber durch rasches Trocknen 
auch die Elementarfasern der Sehnen, Muskeln und Häute anschaulich zu 
erhalten. Ich besitze sogar Präparate von gegliederten und eylindrischen 
Nervenröhren, welche von der Form ein bleibendes Bild geben und den 
Durchmesser treu erhalten. Man wird also Präparate von seltnen Thieren 
und pathologische Umbildungen zur Vergleichung sammeln und aufbewah- 
ren können. Ebenso besitze ich eine lange Reihe von so wohl getrockneten 
Blutkörperchen der verschiedenen Thiere, dafs sie die natürliche Form und 
Gröfse von der platten Seite völlig gut erhalten darstellen und untereinander 
nützlich vergleichbar sind. Ich besitze überdies eine Reihe von wohl erhal- 
tenen Spermatozoen vieler Thiere, selbst sehr kleiner Insecten (!), deren 
Form durchaus vergleichbar bleibt und ich halte die Anlegung solcher 
Sammlungen zum Gebrauch für akademische Vorträge für sehr nützlich, so 
wie sie leicht ausführbar ist. 

Um noch anderer sehr zahlreicher, nicht blofs Anwendungen, son- 
dern Resultate zu erwähnen, welche diese Methode des Festhaltens und 
Aufbewahrens ergeben hat, bemerke ich, dafs man bei solchem Auftrock- 
nen der Süfswasserpolypen (Hydra) ganz klar erkennt, dafs die Fangarme 
mit ihren Wärzchen keineswegs die eigentlichen Fangorgane dieser Thiere 
sind, sondern dafs aus den einzelnen Wärzchen jener Arme erst noch viel 
feinere bis ‚4, Linie dicke sehr contractile Fäden hervorhängen, an deren 
Enden Knoten befindlich sind und welche offenbar das Geschäft des Fühlens 
und Fangens vorzugsweise übernehmen. So sind denn die scheinbaren Saug- 
warzen gar keine Saugwarzen, sondern nur die Kapseln der contrahirten 
Fangfäden (?). 

Ebenso leicht als die genannten thierischen Objecte lassen sich sehr 
feine Pflanzen-Objecte auf dieselbe Weise sehr rein und scharf anschaulich 
machen und erhalten. Nur bedarf es dabei oft eines Gegendruckes beim 


(‘) Neuerlich auch von Mollusken, Balanen, Actinien u.s.w. Spätere Anmerkung. 

(?) Noch neuere Untersuchurgen haben mich belehrt, dafs die Knötchen am Ende der fei- 
nen Fangfäden aller Hydren birnförmige erystallbelle Körperchen sind, welche mit ihrem dün- 
neren Ende an dem feinen Fangfaden ansitzen und ebenda drei sehr scharfe und lange Wider- 
haken führen, oder dals sie geradehin Angeln sind. Vergl. die Mittheilungen der naturfor- 
schenden Gesellschaft zu Berlin, 2° Quartal. 1836. Spätere Anmerkung. 

Ta 


148 EurengerG über eine einfache Methode zum Festhalten 


Trocknen, so dafs man 2 Glas- oder Glimmerblättehen aufeinander und das 
Object dazwischen zu legen hat, bis es völlig trocken ist, so ungefähr, wie 
man zarte Pflanzen trocknet. 

Besonders leicht ist es alle Formen des Pollens und dessen heraus- 
getriebene Schläuche, die Gefäfsformen u. s. w. aufzubewahren. 

So lege ich denn hiermit der Akademie in 2 Kästchen, deren jedes in 
41, Zoll Höhe, 2 Zoll Breite und 25 Zoll Tiefe 50 Täfelchen und in jedem 
Täfelchen Raum zu 6 Objecten enthält, die erste Sammlung von 364 Ar- 
ten von Infusorien, selbst der feinsten Monaden, zu vieljähriger Aufbewah- 
rung und beliebiger Demonstration so zubereitet vor, dafs man die verschie- 
denen organischen Systeme bei den meisten panzerlosen, selbst bei Mona- 
den häufig wiedererkennt, Form, Gröfse und Farbe aber oft gar nicht, oder 
doch nicht mehr verändert sieht, als es bei den gröfseren Thieren der zoolo- 
gischen Museen der Fall zu sein pflegt, wenn man ihre Darstellung schon 
gelungen nennt, 


Naschschritt 


Seit der Vorlegung des Obigen hat sich meine Sammlung von der- 
gleichen Objecten auf 1208 Gegenstände vermehrt. Ich besitze jetzt 456 
Arten von Infusorien wohl erhalten und habe diese Präparate, von jeder Art 
oft 10 bis 100 Specimina in allen Entwicklungsstufen, bei Vollendung des 
jetzt erscheinenden gröfseren Infusorien -Werkes zur Vergleichung sehr nütz- 
lich gefunden, ja ich glaube dem letzteren dadurch einen besonders hohen 
Grad von Sicherheit und Wahrheit der Darstellung verschafft zu haben. 
Übrigens habe ich dergleichen Objecte dem pariser Institut sowohl als dem 
londoner Museum zugesendet und habe einzelne Präparate an viele Natur- 
forscher vertheilt. Bemerken möchte ich noch, dafs ich nun auch die 
Augenstiele der Medusen und deren Kalkkrystalle aufbewahrt vor mir habe 
und dafs es sogar möglich geworden ist mit Farbestoffen erfüllte Ernährungs- 


der feinsten und vergänglichsten mikroskopischen Öbjecte. 149 


organe der Infusorien durch zweckmäfsigen Druck aus dem Körper hervor 
zu bringen und so frei zu legen, dafs sie nun als freie Organe jedermann 
beliebig anschaulich sind. 

Auf ganz ähnliche Art lassen sich sowohl chemische Producte, als 
mineralogische und technische mikroskopische Gegenstände zu wiederholter 
bequemer Beschauung und Vergleichung in kleinem Raume systematisch 
ordnen und aufbewahren. 

Möge denn diese wissenschaftliche conservative Behandlungsweise mi- 
kroskopischer Objecte an die Stelle der Spielerei mit Streusand, Zwirns- 
fäden, Haaren, Flöhen, schillernden Flügeldecken der Insecten u. s. w. tre- 
ten und die Früchte tragen, welche zu hoffen wohl einiger Grund vorhan- 
den ist. 


——ea— a — 


PORN E las D 


j ey bs 


Zusätze 


zur Erkenntnifs grofser organischer Ausbildung in den 
kleinsten thierischen Organismen. 


7 Von 
H"-" EHRENBERG. 


nrw vewurnw 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 21. Mai 1835.] 


Ss. meinen letzten Mittheilungen über die Structur der kleinsten selbst- 
ständigen Thierkörper hat sich die Kenntnifs dieser Formen sowohl an Zahl 
als an Intensität der Übersicht ihrer organischen Verhältnisse wieder ansehn- 
lich gemehrt. Am kürzlich vergangenen 21. April dieses Jahres (1835) habe 
ich bereits in der hiesigen Gesellschaft der naturforschenden Freunde mit 
einem mündlichen kurzen Vortrage auf einige der Verhältnisse aufmerksam 
gemacht, welche ich jetzt in gröfserem Detail vorlegen, mit anderen in Ver- 
bindung bringen und vermehren will. 

Nach den bisherigen Kenntnissen der thierisch - organischen Bildun- 
gen hatte man ein gewisses Recht zu meinen, dafs es Formen gebe, welchen 
einzelne der organischen Hauptsysteme, wie sie in dem vollendeten Orga- 
nismus des Menschen, des Maafses und Messers der Schöpfung, erkennbar 
sind, ganz abgingen. Diesen wichtigen Gegenstand zu einer gröfseren Klar- 
heit zu bringen habe ich mich seit langer Zeit bemüht und meine intensivere 
Beschäftigung mit den Infusionsthieren und ähnlichen kleinen Organismen 
beruht auf diesen Bestrebungen. Die gewonnenen Resultate weichen von 
jenen früheren Ansichten ganz ab und liegen in einer vielleicht schon entschei- 
denden Reihe der Akademie vor. Allein das wissenschaftliche Interesse auf 
dem Standpunkte, welchen ich genommen hatte, erheischte dennoch jenen 
Gegenstand noch nicht fallen und liegen zu lassen und so mögen denn 
nachfolgende ähnliche Bemerkungen die ähnliche nachsichtsvolle Aufnahme 
finden. 


152 Enrenserns: Zusätze zur Erkenntnifs grofser organ. Ausbildung 


T. 
Über eine bis zu den Monaden hinab darstellbare Duplicität des 


Geschlechts der Infusorien. 


Man hat zwar noch vor Kurzem bestimmt bezweifelt, dafs den Infu- 
sorien, als den kleinsten Thierkörpern, ein Geschlecht überhaupt zukomme 
und die Annahme des Entstehens dieser Formen durch Generatio spontanea 
oder primaria liefs die Existenz desselben unnöthig erscheinen. Durch 
meine früheren Mittheilungen glaube ich aber schon vorbereitet und zu völ- 
liger Evidenz erwiesen zu haben, dafs den Räderthieren wenigstens sowohl ein 
weiblicher Eierstock, als zwei männliche samenbereitende Organe oder Hoden, 
verbunden durch eine sehr irritable und contractile Samenblase zugestanden 
werden müssen, und dafs diese Geschlechtsverhältnisse eine überaus grofse 
Ähnlichkeit mit denen der kleinen Schalkrebse oder Entomostraca haben, 
welche letztere nur dadurch einigermafsen bedeutend abweichen, dafs bei 
ihnen die Geschlechtsfunctionen auf zwei verschiedene Individuen vertheilt 
sind, während bei den Räderthieren jedes Individuum beide organischen 
Verhältnisse und Funetionen gleichzeitig enthält. In dieser Hinsicht ist die 
Organisation der Räderthiere offenbar zusammengesetzter als die der Ento- 
mostraca und Krebse, welchen beiden Reihen auch die irritablen Samen- 
blasen abgehen. Ja selbst die sämmtlichen Wirbelthiere und der Mensch 
haben in dieser Beziehung gröfsere Einfachheit im individuellen Organismus. 
Ich will versuchen dies noch weiter zu entwickeln. 


4. Weiblicher Geschlechts - Organismus der Infusorien. 
a. Eierstock und Entwicklung des Eies der Räderthiere. 


Bei den Räderthieren kann über die wirkliche Function des weibli- 
chen Geschlechts-Apparates kein verständiger Zweifel mehr ausgesprochen 
werden, denn man sieht zu jeder beliebigen Zeit die Jungen aus den im 
Eierstocke sichtlich allmälig entwickelten Eiern auskriechen und die leere 
Eischale zurücklassen. Ich habe aber der Entwicklung selbst noch eine be- 
sonders scharfe Aufmerksamkeit geschenkt und bin im Stande darüber fol- 
gendes mitzutheilen: Bei den jungen so eben dem Ei entschlüpften Thieren 
der gemeinen Hydatina senta findet sich im hintern Körpertheile der von 


in den kleinsten thierischen Organismen. 153 


mir schon bisher als Eierstock bezeichnete drüsige Körper in der Form eines 
gestielten Pilzes oder einer länglichen Birne und zeigt im dicken Theile eine 
feinkörnige, homogene, weilse, etwas undurchsichtige Masse. Nach 3 bis 4 
Stunden erkennt man in seinem Innern rundliche hellere Stellen, die sich 
alsbald mit ihrem allmäligen Erscheinen scharf begrenzen. Diese hellen 
Stellen sind Eikeime und zwar offenbar zuerst mit blofsem Eiweifs oder der 
Keimflüssigkeit erfüllte Bläschen. Nach wieder 2 bis 3 Stunden erkennt 
man in der Mitte jedes der hellen Flecke (Bläschen), in den zuerst entstan- 
denen zuerst, einen dunkeln Fleck, welcher im Verlaufe von einer Stunde 
sehr deutlich wird und offenbar Eidotter ist. In 5 bis 6 Stunden entwickelt 
sich der dunkle Fleck im hellen Bläschen so, dafs er die helle Flüssigkeit, 
welche ihn früher umgab, verdrängt und in seiner Mitte, etwas excentrisch, 
erscheint ein anderer hellerer runder Fleck. Dies ist der Zustand, in wel- 
chem die Eier vom Eierstocke getrennt und ausgeschieden, d.h. gelegt wer- 
den. Das Legen der einzelnen Eier folgt sich absatzweise meist in 4 bis 
5 Minuten bis 1 Stunde. 

Verfolgend die Entwicklung gelegter Eier, die man am Rande der 
Gläser, worin solche Thiere leben, leicht haben kann, erkannte ich fol- 
gende Entwicklungsverhältnisse. 

Nach 3 Stunden war allmälig der mittlere hellere Fleck, welcher etwa 
1 des Querdurchmessers des Eies einnimmt, verschwunden und die körnige 
Dottermasse war verändert, zeigte nicht mehr die deutlichen Dotterkörn- 
chen, war aber bis auf eine hellere unsicher umschriebene Stelle an einem 
Ende des Eies noch homogen. Nach wieder 2 Stunden, also 5 Stunden 
nach dem Legen, bildet sich in der Mitte des Eies ein dunkler Fleck aus, 
welcher in der sechsten Stunde nach dem Legen schon deutlich als Schlund- 
kopf mit Kiefer- und Zahnspuren erkennbar ist. In der eilften Stunde nach 
dem Legen des Eies bemerkte ich die ersten Bewegungen des Fötus, die im 
Spielen mit den Mundwimpern bestanden. Nach 12 Stunden liefs sich die 
spiralförmige Lage des ganzen Körpers im Ei deutlich erkennen. Man un- 
terscheidet dann den gegen den Kopf zurückgebogenen Zangenfufs und das 
Räderorgan scharf. Gleichzeitig erkennt man so kräftige Umdrehungen des 
ganzen Fötus, dafs man jeden Augenblick das Platzen der Eischale erwartet, 
welches aber oft noch 2 Stunden dauert. Hiernach ist die ganze Entwick- 
lung, vom ersten Erscheinen des Keimes an, das Werk von 24stündiger 


Physikal. Abhandl. 1835. \U 


154 Emmesseng: Zusätze zur Erkenntnifs grofser organ. Ausbildung 


organischer Thätigkeit, so, dafs ungefähr die Hälfte dieser Zeit innerhalb 
des Mutterleibes, die andere Hälfte aufser demselben abläuft. Schnellere 
Entwicklung habe ich bei dieser Form nicht beobachtet, wohl aber oft viel 
langsamere. Um den rascheren Verlauf zu sehen, mufs man die Hydatinen 
in Wasser halten, worin viel grüne Monaden, Chlamidomonas Pulvisculus, 
Euglena eiridis, oder ähnliche Formen leben, die zur reichlichen Nahrung 
dienen. 

Manche Eier überziehen sich bald nach dem Legen mit einer Hygro- 
crocis oder andern Algenform und sehen dann gewimpert aus. Dies hat einen 
sonst vortrefllichen Beobachter, Wagner, getäuscht, welcher es für Normal- 
Zustand gehalten (siehe Isis 1832 p. 386. Tafel IV.). Ferner giebt es Eier, 
welche ganz deutlich zwei Häute haben, eine festere äufsere und eine wei- 
chere innere, während man im gewöhnlichen Falle diese beiden Häute nicht 
deutlich gesondert erkennt. Sowohl die scheinbar gewimperten als die dop- 
pelhäutigen mufs man nicht zur Beobachtung der Entwicklung wählen, in- 
dem beide Formen sich viel langsamer entwickeln. Ja ich glaube mit ziem- 
licher Sicherheit ermittelt zu haben, dafs es eine durchgehende Eigenthüm- 
lichkeit der Räderthiere ist, zu gewissen Zeiten zweischalige oder mit festerer 
äufserer zuweilen zackiger Schale versehene Eier zu legen, die vielleicht zum 
Überwintern oder zum Schutz gegen Austrocknen im trocknen Boden dienen. 
Brachionus urceolaris trägt häufig einfach- und doppelhäutige Eier auf dem 
Rücken. Viele andere Räderthiere zeigen periodisch dasselbe (!). 


b. Eierstock und periodische Entwicklung eiartiger Körperchen im Körper 
der Magenthiere. 


Was nun die polygastrischen Infusorien anlangt, so war es mir eben- 
falls schon gelungen in ihren Organisations-Gliedern einen Geschlechts- 


(') Rücksichtlich der neueren feineren Unterscheidungen der inneren Theile des thierischen 
Eies im Allgemeinen dürfte zweckmälsig sein hier zuzufügen, dafs ich in den schon 1830 pu- 
blieirten Figuren der Räderthiere auf Tafel VIII. Fig. m. die Dotterbildung im Eibläschen des 
Eierstockes bei Hydatina senta und in den 1832 vorgelegten, 1834 publicirten Figuren an- 
derer Räderthiere dasselbe mehrmals auf Tafel X. dargestellt habe. Der auf Tafel XI. 1834 
in den Eiern der Polyarthra Trigla angegebene grofse helle und runde Fleck ist, wie es mir 
die neueren Untersuchungen bestätigt haben, ganz deutlich der Keimfleck im Dotter und in 
diesem also entwickelt sich der Embryo ganz so wie bei den gröfsten Thieren. 

Spätere Bemerkung. 


in den kleinsten thierischen Organismen. 455 


Apparat deutlich zu erkennen. Die Beobachtung von regelmäfsigen kugel- 
oder eiförmigen periodisch den ganzen Körper des Thieres erfüllenden, zu 
anderen Zeiten aber fehlenden Körnern, welche in netzförmig anastomosi- 
renden Röhren um den Darm und ganzen Ernährungs- Apparat dieser For- 
men liegen, läfst sich leicht und zu jeder beliebigen Zeit wiederholen und 
die oft farbige innere Substanz der Eier (welche wahrscheinlich das Eidotter 
ist) trägt zur leichten Erkenntnifs dieser Verhältnisse mit bei. Besonders die 
lebhaft grünen eiförmigen Körperchen, welche viele polygastrische Infuso- 
rien in sich entwickeln und ihr periodisches Verschwinden, wodurch ein 
und dieselbe Thierart, ja dasselbe Individuum, ohne allen Einflufs gefärbter 
Nahrungsmittel bald farblos wasserhell, bald lebhaft grün erscheint, lassen 
nicht wohl daran zweifeln, dafs diese Theile des Organismus der Fortpflan- 
zung wirklich dienen. Die Beobachtung des gemeinen grünen Trompeten- 
thierchens (Stentor polymorphus) zeigt diese Eier in lebhaft grüner Farbe 
sehr deutlich und wenn man solche Thierchen in Gläsern einige Tage auf- 
bewahrt, so erkennt man sehr bald zur vollen Überzeugung, dafs viele In- 
dividuen sich allmälig der grünen Körner entledigen und fast ganz weils oder 
wasserhell werden. Künstlich kann man sich den Act des Ausscheidens 
selbst deutlich machen, wenn man solche Thierchen auf einem Glastäfelchen 
mit wenig Wasser beobachtet. Sie werden erst breiter und sondern an 
irgend einer Körperstelle einige der grünen Körner durch Zerreifsung der 
Bedeckungen aus. 'Thut man in diesem Momente etwas neues Wasser hinzu, 
so runden sie sich meist wieder, der Rifs der Haut schliefst sich und sie 
schwimmen munter weiter, während sie im andern Falle allmälig ganz zer- 
fliefsen. 

Den Act des Gebährens durch die After- und Geschlechtsöffnung zu 
beobachten gelingt auch, aber nur bei solchen Formen zuweilen leicht, von 
denen man gleichzeitig viele in das Gesichtsfeld bringen kann, wie bei Aol- 
poda Cucullus, wovon eine Abbildung des Gebähractes bei meinem ersten 
Vortrage im Jahre 1830 mitgetheilt worden ist. 

Es verhält sich nun diese körnige Substanz im Innern des Körpers der 
Magenthierchen als Eierstock in Rücksicht auf ihre Verbreitung in der gan- 
zen Formenreihe so, dafs dieselbe in allen Familien ohne Ausnahme, 
dafs sie in den meisten Gattungen und in sehr vielen Arten der letz- 
teren mit Zuversicht neben den durch gefärbte Nahrung deutlich unterschie- 


U2 


156 Emensens: Zusätze zur Erkenntnifs grofser organ. Ausbildung 


denen Ernährungsorganen aufgefunden worden sind. Bei vielen Formen ist 
die grüne, gelbe, blaue oder braune Farbe der Eikörner schon leicht über- 
zeugend für ihre Anwesenheit. 

Gewöhnlich werden diese Körner so wie sie sind ausgeschieden, allein 
ich habe neuerlich auch Formen beobachtet, bei denen mir deutlich wurde, 
dafs sie zuweilen schon im Innern lebendig werden und also auskriechen, 
wodurch denn ein Lebendiggebären bedingt wird, wie es bei den Räderthie- 
ren an Rotifer und Philodina- Arten schon ebenfalls erkannt und aufser allen 
Zweifel gesetzt wurde. Ob bei diesem Lebendiggebären, wie ich es beson- 
ders bei Monas vivipara sehr auffallend beobachtete, sich auch eine doppelte 
oder nur einfache Eihaut vom Embryo löst, wie ersteres bei den Räderthie- 
ren der Fall ist, war bisher der Kleinheit halber der Beobachtung nicht zu- 
gänglich. Übrigens ist ein Umherirren von scheinbarer Brut im 
inneren Körper in der Bacillarien-Familie eine ebenfalls sehr 
allgemeine und schon mehrseitig ausgesprochene Erfahrung, 
nur haben andere Beobachter im letztern Falle diese bewegten Körperchen 
für Samen oder parasitische Monaden und die Bacillarien selbst für Pflanzen 
gehalten. Es lassen sich aber so viele entscheidende Gründe für den thieri- 
schen Character dieser Formen angeben, die ich neuerlich immer wieder 
bestätigt und schon öfter angezeigt habe (1), dafs hierüber jetzt mehr zu 
sagen unnöthig erscheint, ja dafs man bei deren genauerer Beobachtung viel 
geneigter wird, daran zu zweifeln, ob wohl nicht die Oscillatorien und Con- 
‚Fervae conjugatae auch Thiere sind, als jene offenbaren Bacillarien- Thiere 
zu den Pflanzen zu stellen. Der wirkliche Act des Auskriechens eines jun- 
gen polygastrischen Thieres aus einem solchen Eie, was die Natur dieser 
Körper ein für allemal feststellen würde, oder auch leere zurückgelassene 
Eischalen sind noch nicht beobachtet worden, indem die grofse Kleinheit 
dafür grofse Schwierigkeit bedingt, allein alle erreichbaren Erscheinungen 
und Beziehungen an denselben bis auf die meist lebhafte oft grüne, gelbe, 
blaue, braune, rothe oder milchweifse Färbung des Dotters, lassen mit 
überaus grofser Wahrscheinlichkeit vermuthen, dafs ein solches Verhältnifs 
statt finde. 


(') Zuletzt in einer Anmerkung in Poggendorffs Annalen der Physik 1836. p. 223. 
Spätere Bemerkung. 


in den kleinsten thierischen Organismen. 157 


2. Männlicher Geschlechtsorganismus der Infusionsthiere. 
a. Der Räderthiere. 

Die Structurverhältnisse aller Infusorien, sowohl der Räderthiere als 
Magenthiere, sprechen dafür, dafs sie hermaphroditisch sind. Jedes einzelne 
Individuum bildet Eier und hat überdies einen Apparat im Körper, welcher 
mit grofser Leichtigkeit und Wahrscheinlichkeit sich mit dem männlichen 
Geschlechtsorganismus solcher Thierformen vergleichen läfst, die getrenntes 
Geschlecht haben. 

Bei den Räderthieren habe ich die beiden langgestreckten keulenför- 
migen Samendrüsen, wie sie bei Cyclops in den Entomostracis leicht sicht- 
bar sind, bereits früher, schon 1830, erläutert und schon damals bemerkt, 
dafs dieselben aufser den Drüsen und deren gewundenen Ausführungsgängen 
noch ein besonderes, allen nicht hermaphroditischen Thierformen abgehen- 
des, contractilcs blasenförmiges Organ besitzen, welches zur unmittelbaren 
Übertragung (Ejaculation) der spermatischen Flüssigkeit in den Eierstock 
sichtlich zu dienen scheint. Dieses blasenförmige contractile Organ der Rä- 
derthiere befindet sich allemal an der Stelle, wo die Ausführungsgänge der 
Samendrüsen (Samenleiter) mit dem Eileiter zusammentreffen, am hintern 
Ende des Körpers dicht vor der Analöffnung und es ist völlig deutlich sicht- 
bar, dafs derselbe sich zu den Samenleitern gerade so verhält, wie der Ute- 
rus zu den Eileitern, oder die Harnblase zu den Ureteren. Beide Samen- 
leiter endigen in dieser contractilen Blase und die Mündung der Blase selbst 
ist sichtlich in der hintern Wand des Endes des Eileiters (oriduetus) auf des- 
sen Bauchseite. Die fortgesetzten Untersuchungen haben dieselbe Bildung 
bei allen wieder vorgekommenen Formen aller Gattungen der Räderthiere 
ebenfalls auffinden und dasselbe als ein zur Characteristik der ganzen Classe 
wesentliches Organ erkennen lassen. Gewöhnlich, aber nicht immer, sind an 
die Samendrüsen (wie es scheint an ein besonderes Gefäfs) die kleinen zit- 
ternden Organe geheftet, welche ich als innere Kiemen betrachtet habe. 
Bei den Rotiferen sind die beiden Samendrüsen eng an den Darm geheftet, 
gewöhnlicher sind sie frei. Spermatozoen sind mir im Innern der Samen- 
leiter, obwohl ich angestrengt und oft danach suchte, so wenig als in den 
spermatischen Drüsen bisher anschaulich geworden, aber die Feinheit der- 
selben kann leicht das alleinige Hindernifs ihres Erkennens sein. Den Sporn 


158 Eımmenseng: Zusätze zar Erkenntnifs gro/ser organ. Ausbildung 


im Nacken der Räderthiere halte ich aus den schon früher angegebenen 
Gründen jetzt mehr als je für eine Respirations-Röhre und meine, man 
könne sich die nackten sowohl als die gepanzerten Räderthiere dadurch er- 
läutern, dafs man sie als Thiere betrachtet, welche den Entomostracis oder 
Crustaceen im Allgemeinen gleichen, nur nicht mit einem an der Bauchseite 
offenen, sondern mit einem geschlossenen, nur durch eine kleine Nacken- 
öffnung oder Respirationsröhre durchbohrten, bald weichen, bald harten, 
die Kiemen einhüllenden Mantel versehen sind. Überdies sind sie nicht 
getrennten Geschlechts und ohne pulsirende Gefäfse, was sie als eigene 
Thierklasse hinreichend zu begründen scheint. 


ö. Der Magenthiere 


Aufser dem der Beobachtung vielseitig zugänglichen Eierstocke der 
Magenthierchen mit seinen Eikeimen als weiblichen Geschlechts - Apparat 
habe ich schon vor 3 Jahren (1832) der Akademie Mittheilungen über noch 
andere Organe im innern Körper einiger dieser Formen vorgelegt und durch 
naturgemäfse Zeichnungen erläutert (Dritter Beitrag), welche nicht ohne 
grofse Wahrscheinlichkeit auch einen männlichen Geschlechts- Apparat in 
jedem Individuum erkennen liefsen. Diese anderen, weder einem Bewe- 
gungssysteme, noch einem Ernährungssysteme, noch einem Cireulationssy- 
steme, noch auch einem Empfindungssysteme mit Wahrscheinlichkeit anzu- 
reihenden Organe waren zweierlei Art. Eine derselben bestand aus einer 
oder mehreren contractilen Blasen, welche hie und da mit strahlenförmig 
von ihrem Centrum abgehenden Canälen in unmittelbarer Verbindung sind 
und eine Verbreitung durch den ganzen Körper der Thiere erkennen lassen. 
Die andere bestand in einem oder zwei verhältnifsmäfsig grofsen drüsenför- 


migen Körpern, die gleichzeitig mit jenen fast immer in der Mitte des Leibes 


8 
jedes Individuums liegen. Zuerst betrachte ich 


«. Die bis zu den Monaden hinab sichtbaren contractilen Blasen (männlichen Samenblasen) der 
polygastrischen Infusorien: 

Die besonderen contractilen Organe der Magenthierchen sind schon 
frühzeitig gesehen, aber nur nicht von den anderen zum Theil ähnlichen 
Organen dieser Thiere unterschieden worden. Schon Rösel hat sie bei 
Vorticellen deutlich abgebildet. Ganz neuerlich erst haben sie sich aber 


in den kleinsten thierischen Organismen. 4159 


dadurch als besondere Organe von den ebenfalls contractilen Magenblasen 
scharf unterscheiden lassen, dafs sie nie durch farbige Speise, jenen gleich, 
sich anfüllen, sondern dann noch völlig klar bleiben, wenn alle Magenbehäl- 
ter strotzend überfüllt sind. Sie gehören offenbar nicht dem Ernährungs- 
systeme an. Es konnte nur ein Zweifel darüber bleiben, ob man diese Or- 
gane mit Herzen und Gefäfsen, oder mit jenen ähnlichen contractilen sper- 
matischen Organen zu vergleichen habe, welche sich bei den Räderthieren 
vorfinden. Ich habe in dem früheren diesen Gegenstand schon berührenden 
Vortrage mehr und wichtigere Gründe für die sexuelle Function als für die 
andere geltend machen zu können gemeint und finde nicht, dafs die in Wieg- 
manns Archiv für Naturgeschichte Heft I. p. 12. dagegen angegebenen, wo- 
nach es doch Herzen sein möchten, sie entkräfteten. Ein würdiger Physio- 
log verglich mir auch dieselben Organe, welche ich ihm bei Paramecium 
Aurelia zeigte, mündlich mit den baumartigen Respirations-Organen der 
Holothurien, allein auch dieser Vergleich ist der Starrheit der letzteren und 
der grofsen Irritabilität der ersteren halber wenig befriedigend. Zu den 
schon früher ausgesprochenen Gründen gegen beide Meinungen bemerke 
ich hier noch, dafs der viel zu langsame und ganz unregelmäfsige Rhythmus 
der Bewegung und der grofse Durchmesser dieser Organe bei fortdauernder 
Unklarheit von Gefäfsen und Circulation gegen alle Analogie für das Gefäfs- 
system mit Herzen anstreben und gewifs findet man sehr mit Recht, wie es 
auch in Wiegmanns angeführter anderer Darstellung nicht unbemerkt 
bleibt, in der unbeständigen Zahl dieser Organe selbst in den Arten der 
s auf Herz und Ge- 


8 
fäfse. Dafs diese Organe auch aufser der Zeit der Eibildung thätig sind, 


Gattungen, ein wesentliches Hindernifs für eine Deutun 


scheint mir kein wichtiger Grund gegen die Geschlechtsfunction zu sein, 
weil die Eibildung meinen Experimenten zufolge durch reichliche Nahrung 
zu jeder Zeit beliebig künstlich hervorgerufen werden kann, sie also eigent- 
lich wohl beim kräftigen Leben nie von selbst periodisch zurücktritt, son- 
dern nur in Folge der kärgeren Nahrung periodisch passiv beschränkt wird, 
weshalb sich denn der fortdauernde Reiz wohl leicht als naturgemäfs denken 
läfst. Die Analogie der contractilen mit den Samendrüsen deutlich in Ver- 
bindung stehenden Samenblase der Räderthiere scheint mir noch immer der 
wichtigste Leitfaden für die Function dieser Organe und somit wären denn 
auch diese wohl, wie jene, die erweiterten Enden der Samenleiter, welche 


160 Emenssens: Zusätze zur Erkenntnifs grofser organ. Ausbildung 


sich unmittelbar in die Eileiter oder den Eierstock einmünden, was hier di- 
rect zu erkennen sich bisher nur der Sehkraft entzog. 


* Verbreitung der contractilen Organe durch die Classe der Magenthierchen. 

Rücksichtlich der Kenntnifs der Verbreitung dieser contractilen Or- 
gane in der ganzen Formenreihe der polygastrischen Infusorien habe ich seit 
meinen letzten Mittheilungen viele Foftschritte gemacht, welche die Bedeu- 
tung derselben in noch klareres Licht stellen. Beim Druck des letzten Vor- 
trages im vorigen Jahre (1834) erstreckte sich meine Beobachtung derselben 
auf 24 Formen von Magenthierchen, welche 13 verschiedenen Gattungen 
und 7 Familien angehörten, nämlich 


Familie 1. Enchelia: Gattung Leucophrys; 


2. Euplota: —  Euplotes, Himantopus; 

3. Kolpodea: — .Kolpoda, Amphileptus; 

4. Monadina? — Urocentrum; 

5. Oxytrichina: — Kerona, Oxytricha, Stylonychia; 
6b. Trachelina: — Bursaria, Nassula, Trachelius; 
7. Vorticellina: — _Stentor. 


Es haben nun die neueren Untersuchungen gelehrt, dafs sie noch in 
8 anderen Familien und vielen anderen Gattungen, nämlich 
in der Familie der 1. Amoebaeen, 
. Aspidiscinen, 
. Astasiaeen, 
. Cryptomonadinen, 


{eb u Su ze So] 


. Cyelidinen, 
6. Ophryocereinen, 
7. Peridinaeen und 
8. Volvocinen ebenfalls vorhanden sind, dafs mithin von 
den 22 Familien, in denen ich die Magenthierchen übersichtlich zu machen 
versucht habe, 15, also etwa 2 dieselben erfahrungsgemäfs besitzen und nur 
7 sie bisher noch nicht haben erkennen lassen. Auch liegen Gründe nahe, 
wodurch bei den letztern 7 Familien die Auffindung dieser Organe erschwert 
sein mag, nämlich 
4) die Vibrionien sind zu fein, als dafs ihre innere Organisation überhaupt 
klar erkannt werden könnte, 


in den kleinsten thierischen Organismen. 161 


2) die Arcellinen, 3) Bacillarien, 4) Closterinen, 5) Colepinen und 6) Di- 
nobryinen sind sämtlich Panzerthiere, deren nur durch die Schale zu 
betrachtende Organe weniger deutlich unterschieden werden, 

7) die Ophrydinen oder gepanzerten Vorticellinen habe ich seitdem nicht 
wieder untersuchen und von neuem darauf prüfen können (!). 

In all jenen Familien fanden sich bisher schon diese Organe in mehre- 
ren Arten der verschiedenen Gattungen und nicht blofs bei den gröfseren, 
sondern bis zu sehr kleinen Arten der Vorticellen-Familie, ja sogar in meh- 
reren Gattungen der wahren Monaden-Familie. Die Gattung Urocentrum 
rechne ich jetzt nicht mehr zu den Monaden, sondern zu den Vorticellinen, 
allein dafür treten die noch kleineren Formen der wahren Monaden, nämlich 
Polytoma Üvella, Microglena monadina, Monas Guttula und lingens, bei 
welchen jene Organe stets darstellbar sind, an ihre Stelle. 


** Form und Zahl der contractilen Organe der Magenthierchen. 


Es war schon früher von mir eine doppelte Form dieser Organe er- 
kannt worden und obwohl sich jetzt die Übersicht über ihre Bildung durch 
die ganze Thierklasse sehr erweitert hat, so sind doch nicht mehr Verschie- 
denheiten in derselben zur Kenntnifs gekommen. Diese beiden Formen sind 
die einfach blasen- oder kugelartige und die sternartige. Bei weitem mehr 
verbreitet ist die einfach blasenartige, sie ist offenbar die vorherrschende, 
Die sternartige Form sah ich bisher nur in 5 Arten ebensoviel verschiedener 
Gattungen deutlich, nämlich in Paramecium Aurelia, Ophryoglena atra, 
Glaucoma scintillans und Bursaria Leucas, an welche sich Nassula ornata 
anschliefst, bei der man vielleicht eine dritte Form des Organs, die geperlte 
nämlich, annehmen könnte. Es hält schwer sich den Zusammenhang die- 
ser Organe mit ihren zubehörigen Systemen klar zu machen. Meine indi- 
viduelle Ansicht ist folgende: Die contractilen Blasen sind die erweiterten 
Enden der (noch nicht dargestellten) Samenleiter aus den bekannten und so- 
gleich umständlicher zu bezeichnenden Samendrüsen, Testikeln. In den 
gewöhnlicheren Fällen münden diese erweiterten contractilen Enden unmit- 
telbar in den Eileiter, wie bei den Räderthieren, daher die ebenso einfache 


(') Ich habe nun auch bei Ophrydium versatile 1 bis 2 solcher contractilen Blasen deut- 
lich gesehen. Spätere Bemerkung. 


Physikal. Abhandl. 1835. X 


162 Emenseng: Zusätze zur Erkenntnifs grofser organ. Ausbildung 


Form. In andern Fällen aber mag wohl der Eierstock in viele Eileiter über- 
gehen, welche sich an der Sexualöffnung (Afteröffnung) wieder vereinigen. 
Daher könnte wohl die contractile Blase mit den Canälen sternartig verbun- 
den sein, die aus ihr in die verschiedenen Eileiter führten. Dafs diese ra- 
dienartigen Canäle nicht Zuführungs-Canäle für die contractile Central-Blase 
sind, ist mir immer wieder auch aus ihrer Bewegung 
den und eine Concentration der Radien nach den Samendrüsen hin ist nicht 


wahrscheinlich gewor- 


vorhanden. Denkt man sich die contractilen Blasen auch da, wo sie einfach 
erscheinen, als mit mehrfachen Öffnungen versehen, die sogleich an die Ei- 
leiter angrenzen und in sie einmünden, so verschwindet die Schroffheit in 
den verschiedenen Formen, so hätten denn einige Thiere die Einmündungs- 
stellen aus den contractilen Samenblasen in die Eileiter nur entfernter von 
der Blase selbst als die Mehrzahl und die Radien wären diese Verbindungs- 
theile.. Auch die geperlte Form liefse sich dann leicht einreihen. Doch 
hier ist das Feld der künftigen Forschung offen und ungeärndtet. 

Was die Zahl der contractilen Organe anlangt, so ist zuweilen nur 
eins vorhanden und das scheint der Primitiv-Zustand wohl aller Individuen 
zu sein. Es liegt in den verschiedenen Arten zuweilen mehr nach vorn, zu- 
weilen mehr nach hinten, oft in der Mitte, zuweilen seitlich im Körper. 
Dieser Primitivzustand ist aber nicht der gewöhnliche, vielmehr erkennt man 
häufiger 2 solcher Organe, zuweilen, jedoch seltner, auch 3 und 4 bei den- 
selben Thierarten. Diese Verschiedenheit beruht, wie ich schon früher 
auch bemerkt habe, auf dem Vermehrungs-Zustande durch Selbsttheilung. 
Thiere, welche im Begriff sind sich durch quere Selbsttheilung in 2 Hälften 
zu spalten, entwickeln zuvor in sich alle Haupt-Organe doppelt. So er- 
scheint denn, eh noch irgend eine äufsere Einschnürung sichtbar ist, Duplici- 
tät der contractilen Samenblasen; etwas später theilt sich dann auch die Sa- 
mendrüse durch Einschnürung, zuletzt erst der äufsere Körper. Drei und 
vier solcher Organe sind mir nur dann vorgekommen, wenn die Thiere zu 
doppelter Selbsttheilung, Längs- und Quertheilung, disponirt sind, so sah 
ich es bei Paramecium Aurelia und acutum oft und auch bei Chilodon Cu- 
cullulus und Nassula elegans zuweilen. Nur in solchen Fällen scheinen zwei 
solcher Organe dem individuellen Normal-Zustande anzugehören, wo sie 
ganz dicht beisammen stehen und deren giebt es allerdings eine, nämlich Pa- 
ramecium Kolpoda. Vielleicht ist es aber nur ein durch eine Strietur getheil- 


in den kleinsten thierischen Organismen. 163 


tes. Zuweilen ist die Disposition zu schnell fortgehender Selbsttheilung so 
grols, dafs die Thiere schon in den Theilen, noch eh sie sich vollständig 
getrennt haben, wieder Duplieität der Organe zeigen. 

Endlich ist zu bemerken, dafs die verschiedenen Thierarten einer und 
derselben Gattung in der Lage dieser Organe sowohl, als in ihrer Form und 
häufigen Zahl sehr von einander abweichen. Nur Ophryoglena atra, nicht 
eine andere Art der Gattung, hatte die sternartige Form. Ebenso hatte nur 
Paramecium Aurelia die Sternform, während die übrigen Arten der Gattung 
die einfache Blasenform zeigten. Ebenso ist es mit der geperlten Form bei 
Nassula. Diese Verschiedenheiten der Lage und Form bei den Arten einer 
Gattung läfst allerdings die Ansicht, als wären die contractilen Organe Her- 
zen, abgesehen von allen übrigen Gegengründen, weniger annehmbar er- 
scheinen, aber dafs dergleichen Differenzen der Einmündung und Form der 
spermatischen Hülfsorgane bei den Arten von einerlei Gattungen vor- 
kämen, scheint weniger anstöfsig in Rücksicht auf die allgemeineren Bil- 
dungsgesetze der thierischen Organismen. 


£. Die bis zu den Monaden hinab sichtbaren Drüsen (männlichen Samendrüsen) im Körper der 
polygastrischen Infusorien. 

Die verhältnifsmäfsig ansehnlich grofsen drüsenförmigen Organe im 
Körper der Magenthierchen erwähnte ich bereits in gleichem Sinne, als se- 
xuelle, in meinem Vortrage von 1832 pag. 32 und 182, habe sie auch damals 
schon abgebildet, allein ich kannte sie nur bei wenigen Arten. Es waren 
deren 5: Chilodon Cueullulus, die 3 Nassuwla- Arten und nachträglich Para- 
mecium Aurelia. Bei einigen Stentor-Arten hatte ich sie zwar gesehen und 
abgebildet, aber ich war nicht sicher über die Deutung. Seitdem habe ich 
mich nun überzeugt, dafs dergleichen grofse Drüsen, die doch den Zweck 
irgend einer wichtigen organischen Absonderung haben mögen, bei allen po- 
lygastrischen Infusorien zu erkennen waren, deren Beobachtung ich mit der 
nöthigen Ruhe wiederholen konnte und die nicht in undurchsichtigen Be- 
deckungen ein bestimmtes Hindernifs zeigten. Ich habe dieselben bis zur 
Gattung der Monaden und in deren mit zu den kleinsten gehörigen Formen 
auffinden können und habe allmälig beobachtet, dafs sie zwar bei allen Indi- 
viduen einer und derselben Thierart sich immer vollständig gleich bleiben, 
allein bei verschiedenen Arten einer und derselben Thiergattung zuweilen 


X2 


164 Eimensers: Zusätze zur Erkenntnifs grofser organ. Ausbildung 


sehr merkwürdig verschieden gestaltet sind. So sind diese Drüsen bei Sten- 
tor niger allemal einfach kugelförmig, bei Stentor Mülleri allemal seiden- 
schnurförmig und gebogen, bei Sientor polymorphus allemal perlschnurför- 
mig u. s.W. 

Überhaupt haben sich bei einer übersichtlichen Betrachtung 8 ver- 
schiedene Formen dieser Drüsen feststellen lassen: 

1) Die Kugelform, vorkommend in 29 Gattungen: Acineta tuberosa, 
Amoeba verrucosa, Amphileptus Anser, Fasciola, die Arthro- 
desmen, Chilodon aureus, uncinatus und ornatus, Chlamidomo- 
nas Pulvisculus, Chlorogonium euchlorum, Closterium? Crypto- 
monas erosa, Cyclidium Glaucoma, Euplotes Charon, appendicu- 
latus, Gonium pectorale, Kerona Polyporum, Kolpoda Cucullus, 
Leucophrys patula, pyriformis, carnium, die Micrasterien, Mo- 
nas Guttula, gisipara, lingens, Nassula ornata und aurea, Ophryo- 
glena acuminata, Pandorina Morum, Paramecium Chrysalis, 
Kolpoda, Stentor niger und aureus, Synura Uvella, Tessararthra 
moniliformis, Trachelius Anas, vorax, Uroglena Volwox, Uro- 
siyla grandis, V olvox Globator, aureus, stellatus, Xanthidium 
aculeatum, ‚Fasciculatum und JFurcatum. 

2) Die Eiform, vorkommend in 15 Gattungen: Bursaria vernalis, 
intestinalis, Chilodon Cucullulus, Chlamidodon Mnemosyne, Cry- 
ptoglena conica, Crypltomonas ovata, cylindrica, Euplotes Pa- 
tella, Glaucoma scintillans, Kolpoda Ren, Loxodes Bursaria, 
Nassula elegans, Oxytricha rubra, Pellionella, Paramecium 
Aurelia, acutum, compressum, Peridinium Tripus, Stylonychia 
Mytilus, pustulata, lanceolata, Trachelius Meleagris. 

3) Die Scheibenform oder Linsenform, vorkommend in 1 Gattung: 
Euglena Pleuronectes und longicauda. 

4) Die Nierenform, vorkommend in 3 Gattungen: Bursaria Ento- 
zoon, Trichodina Pediculus und einigen Vorticellen, wo sie an 
die Bandform gränzt und aus dieser verkürzten entsteht. 

5) Die Bandform oder Seidenschnurform, meist gebogen vor- 
kommend in 8 Gattungen: Bursaria truncatella, Ilanarum, Episty- 
lis plicatilis, flavicans, leucoa, Mieroglena monadina, Ophrydium 


in den kleinsten thierischen Organismen. 165 


versatile, Prorodon niveus, Stentor Mülleri, Trachelius Ovum, 

Forticella nebulifera, microstoma, ‚fasciculata, Campanula. 

6) Die Perlschnur- oder Paternosterschnurform ausgezeichnet in 
3 Gattungen: im Amphileptus moniliger, im Spirostomum ambi- 
guum und im Stentor polymorphus und caeruleus. Vielleicht gehört 
hierher auch Closterium. 

7) Die Stäbchenform kommt als mehrere neben einander liegende 
Stäbchen oder als eckige, fast kugliche (kurz prismatische) Körperchen 
in 2 Gattungen bei Amblyophis viridis, Euglena viridis, deses und 
Acus vor. Endlich 

8) Die Ringform. Diese hat sich nur in 1 Gattung, bei Euglena spi- 
rogyra erkennen lassen. 

Um auch eine Übersicht des Vorkommens dieser so bestimmten und 
festen Organe nach den Familien zu erleichtern, theile ich folgendes Ver- 
zeichnifs mit: 

1) In der Familie der Monadinen wurden sie beobachtet in Monas Gut- 
tula, vivipara und tingens, ferner bei M icroglena monadina. 

2) Bei den Cryptomonadinen oder Panzermonaden in Cryptomonas 
ovata, erosa, cylindrica, Cryptoglena conica. 

3) Bei den Volvocinen in Pandorina Morum, Gonium pectorale, 
Synura Uvella, Chlamidomonas Pulvisculus, Uroglena Volox, 
Volvox Globator, aureus und stellatus. 

4) Bei den Vibrionien fehlt die Beobachtung. 

5) Bei den Closterinen gehören dahin vielleicht die hellen drüsigen Ku- 
geln (scheinbaren Blasen), welche in der Mitte mehrerer Arten von 
Closterium in einfacher Reihe, bei andern weniger regelmäfsig ge- 
ordnet liegen. 

6) Bei den Astasiäen sah ich sie in Amblyophis viridis, Euglena Spiro- 
gyra, Acus, viridis, Pleuronectes, longicauda und in Chlorogonium 
euchlorum. 

7) Bei den Dinobryinen sind sie noch nicht erkannt. 

8) Bei den Amöbäen in Amoeba verrucosa. 

9) Bei den Arcellinen unbekannt. 

10) Bei den Bacillarien scheinen sie in Micrasterias Tetras, hexactis, 
heptactis, Boryana, trieyclia und elliptica, ferner in allen Arten von 


166 Emmenseng: Zusätze zur Erkenntnifs grofser organ. Ausbildung 


Arthrodesmus, in Tessarathra moniliformis, m Xanthidium 
‚Fasciculatum, Jurcatum und aculeatum und in Acineta tuberosa er- 
kannt zu sein. 

11) Bei den Cyclidinen zeigten sie sich in Cyclidium Glaucoma. 

12) Bei den Peridinaeen in Peridinium Tripus. 

13) Bei den Vorticellinen in allen Arten von Stentor, in Trichodina 
Pediculus, Vorticella nebulifera, microstoma, Campanula, fascicu- 
lata, Epistylis plicatilis, flavicans, leucoa und nutans. 

14) Bei den Ophrydinen in Ophrydium versatile. 

15) Bei den Enchelien in Leucophrys patula, pyriformis, carnium und 
Prorodon niveus. 

16) Bei den Colepinen fehlt die Beobachtung. 

17) Bei den Trachelinen zeigten es Trachelius Anas, vorax, Meleagris, 
Ovum, Loxodes Bursaria, Bursaria truncatella, Entozoon, Rana- 
rum, inteslinalis, vernalis, Spirostomu m ambiguum, Glaucoma 
scinlillans, Chilodon aureus, Cucullulus, uncinatus, ornatus und die 
3 Nassula-Arten. 

18) Bei den Ophryocereinen sind sie in Amphileptus Anser, moniliger, 
Fasciola. 

19) Bei den Aspidiseinen in Aspidisca denticulata. 

20) Bei den Kolpodeen in Kolpoda Cucullus, Paramecium Aurelia, 
caudatum, Chrysalis, Kolpoda, compressum, Ophryoglena acumi- 
nata. 

21) Bei den Oxytrichinen in Oxytricha rubra, Pellionella, Kerona Po- 
Iyporum, Urostyla grandis, Stylonychia Mytilus, pustulata, lan- 
ceolata. 

22) Bei den Euploten in Chlamidodon Mnemosyne, Euplotes Patella, 
Charon, appendiculatus. 

Es geht hieraus hervor, dafs die drüsigen Organe eine eben so allge- 
meine Verbreitung durch die ganze Classe der Magenthierchen zeigen, als 
die contractilen. In bei weitem den meisten Fällen wurden beide gleichzei- 
tig erkannt. Von den 22 Familien sind nur 4 (Vibrionien, Dinobryinen, 
Arcellinen und Colepinen) der Beobachtung unzugänglich geblieben, diesel- 
ben deren Gröfsen- und Durchsichtigkeits-Verhältnisse überall Schwierigkeit 
der Anschauung ihres Organismus geben. Die Closterinen und Bacillarien 


in den kleinsten thierischen Organismen. 167 


haben zwar keine den contractilen Blasen vergleichbaren Theile mit Be- 
stimmtheit erkennen lassen, aber doch den Drüsen vergleichbare. 

Somit ist denn die Anwesenheit dieser drüsigen Organe als nie feh- 
lende Körpertheile als ein festgestelltes und sicheres Factum anzusehen. Es 
kann sich nur noch darum handeln, ihren Einflufs auf den Organismus zu 
beurtheilen und immer schärfer zu ermitteln. Da die Zartheit der hier ab- 
zuhandelnden Objecte bisher nicht erlaubte, den Gefäfs- Zusammenhang die- 
ser Organe mit den übrigen Körpertheilen direct zu erkennen, so sei es er- 
laubt vorläufig mit Hülfe der bei anderen nicht allzufern stehenden etwas 
gröfseren Thieren vorkommenden analogen Organe noch bestimmtere Erklä- 
rung zu versuchen und weitere bedächtige Forschung einzuleiten. 

Es bedarf keiner sehr scharfen Untersuchung um eine grofse Ähnlich- 
keit im Baue der Saugwürmer, T'rrematodea, und der polygastrischen Infu- 
sorien zu erkennen, obschon beide Formen-Reihen sich von einander scharf 
sondern. Zwischen beiden liegen offenbar die Planarien. Wenn man daher 
versucht diese nächstverwandten Thierformen durch einfache Vergleichung 
ihres Baues in den einzelnen organischen Systemen gegenseitig zu erläutern, 
so geht man offenbar auf geradem und zweckmäfsigem Wege. 

Bojanus entdeckte 1821 im Distomum lanceolatum zwei grofse ge- 
lappte Drüsen. Mehlis und Laurer sahen deren Ausführungsgänge sich in 
den männlichen Cirrus der Sexualmündung öffnen. Diese Beobachtung 
ist bei anderen Formen von Gurlt (Pathologische Anatomie der Haus-Säuge- 
thiere bei Distomum alatum), Burmeister (Wiegmanns Archiv für Na- 
turgeschichte 1835. p.187. bei Distomum globiporum) und von mir selbst an 
denselben Distomen wiederholt und bestätigt worden (!). Es ist dadurch 
festgestellt, dafs die beiden grofsen Drüsen der Trematodeen dem männlichen 
Sexualsysteme angehören und die eigentlichen Samendrüsen oder Testes sind. 
Ganz ähnliche kugelförmige drüsige grofse Körper finden sich, meinen eigenen 
Untersuchungen zufolge, im mittleren Körper mehrerer Planarien-Formen und 
auch da liefsen sich deren Ausführungsgänge nach der männlichen Spieula und 


Sexualöffnung hin verfolgen. In beiden Fällen zeigen diese drüsigen Kör- 


(') Dasselbe ist auch von Nordmann (Micographische Beiträge) und neuerlich von Sie- 
bold in Wiegmanns Archiv 1836 p. 217 beobachtet worden. Spätere Bemerkung. 


168 Emensens: Zusätze zur Erkenntnifs grofser organ. Ausbildung 


per die ganz ähnliche Form, verhältnifsmäfsige Gröfse und gleiche Stellung, 
wie die drüsigen Organe der polygastrischen Infusorien. 

Sammelnd das Resultat all dieser Beobachtungen und Darstellungen 
glaube ich nun, dafs es nicht mehr gewagt ist, diese Drüsen auch bei den In- 
fusorien männliche Samendrüsen zu nennen und es scheint durch obige 
Untersuchungen die Duplieität des Geschlechts durch die ganze Classe der 
Magenthierchen bis zu Monaden nachgewiesen zu sein, welche, wie Monas 
tingens, 


54, und, wie Folvox Globator, „t, einer Linie im Durchmesser 


führen. 


11. 


Über ein bisher unbekanntes kranzartiges Gefälsneiz am Kopfe 
der Räderthiere, und das Gefälssystem dieser Thiere im 
Allgemeinen. 


Unter den organischen Systemen der kleinsten Thiere hat das Gefäfs- 
system bisher sich der Betrachtung mehr als alle übrigen Systeme entzogen. 
Die Kenntnifs desselben ist noch weit hinter der Ausdehnung zurück, welche 
es selbst im roheren Umrifs haben zu müssen scheint. Zwar ist es mir schon 
vor 6 Jahren gelungen mehrere Theile desselben anschaulich zu erhalten 
und ich habe sowohl Beschreibungen als Zeichnungen davon damals mitge- 
theilt, allein, dafs jene Erkenntnisse nur einen so kleinen Theil umfafsten, 
dafs eine Beurtheilung der Form des ganzen Systems unmöglich war, liefs 
sich nicht überwinden. Es schien damals schon etwas und nicht wenig ge- 
wonnen zu sein, wenn nur Spuren desselben zur klaren Ansicht kamen, die 
einen weiteren Verlauf ahnen liefsen. 

Seit jenen ersten Mittheilungen habe ich die Aufmerksamkeit immer 
von Neuem auf dieses System mit besonderer Schärfe gelenkt und in den 
zum dritten Beitrage für die Kenntnifs dieser Organisationen gegebenen Ab- 
bildungen finden sich die Fortschritte angegeben, welche bis dahin gelungen 
waren. Der wichtigste Fortschritt war ohne Zweifel das Respirationssystem, 
oder die Reihe von zitternden kiemenartigen Organen, welche jederseits 
meist die Samendrüsen begleiten. Besonders auffallend wurden die For- 
men, welche diese zitternden Kiemen, von den Samendrüsen gesondert, an 
freien Gefäfsen angeheftet erscheinen liefsen, deren letzteren Durchmesser 


in den kleinsten thierischen Organismen. 169 


ebensogrofs und gröfser war als der der Kiemen, was einen Grund mehr 
abgiebt warum diese zitternden Organe nicht wohl die Function von Herzen 
haben können, indem die Herzen doch dicker sein müssen, als die von ihnen 
abgehenden Gefäfse, wenn sie zum Blutumlaufe gehörig wirken sollen. 

Aus den ersten Untersuchungen schien hervorzugehen, dafs ein Längs- 
gefäfs die Quergefäfse so verbinde, wie die Rückengefäfse der Insecten und 
dafs ein grofser Theil der Blutflüssigkeit frei in der ganzen oder einem Theil 
der Bauchhöhle befindlich sei, wozu die Daphnien und Krebse einige Ana- 
logie boten. Späterhin ergab sich dafs der innere Raum der Bauchhöhle 
dem äufseren Wasser zugänglich zu sein scheine und die aufgefundenen Kie- 
men-Analoga bestätigten in dieser Ansicht. So mufste die Idee aufgege- 
ben werden, dafs das Blut frei im Körperraume sei. Ferner wurde es all- 
mälig anschaulicher und wahrscheinlich, dafs das Längsgefäfs auf der Mitte 
des Rückens der Thiere kein wahres Gefäfs, sondern ein Längsmuskel sei, 
dessen Contractionen sich erkennen lielsen. So bleiben nur die Quergefäfse 
übrig, ohne irgend einen Zusammenhang mit den Kiemengefäfsen und den 
andern Körper-Organen erkennen zu lassen. 

Die neueren Fortschritte bestehen darin, dafs sich ein kranzartiges 
Gefäfsnetz am Kopfe vieler Räderthiere hat erkennen lassen, welches ganz 
offenbar den Charakter von Gefälsen trägt. Zuerst trat es bei der grofsen 
Notommata NMyrmeleo hervor, dann fand es sich bei Diglena lacustris und 
bei Notommata Syrinx in ganz ähnlicher Form und Lage. Neuerlich ist es 
von mir auch bei Hydatina senta nnd Otoglena erkannt worden. Man er- 
kennt dieses sehr zarte Netz nur im ausgedehnten Zustande des ganzen Räder- 
organs dicht hinter dem Wimperkranze. Die Gefäfszweige, welche das Netz 
bilden, sind zwar nicht allzufein, aber ihre Durchsichtigkeit und Flachheit 
erschwert das Erkennen sehr. Hat man es einmal gesehen, so findet man 
es wie vieles andere immer leicht wieder. 

Von diesem Gefäfsnetze nun gehen frei liegende feine einfache Fäden, 
Längsgefäfse, zu einigen, vielleicht allen Quergefäfsen des Rückens. So er- 
scheint es bei Notommata Myrmeleo, wo an das erste Quergefäfs 2 dieser 
Fäden gehen. Ebenso ist es bei Notommata Syrinx. Auch bei Hydatina 
senta gehen einfache Fäden von diesem Geflechte dem inneren Körper zu. 
Überdiefs hat sich nun immer deutlicher erkennen lassen, dafs alle gröfseren 
inneren Organe durch ein freies Netz sehr feiner Fäden, die wahrscheinlich 


Physikal. Abhandl. 1835. Y 


170 Emnensens: Zusätze zur Erkenntnifs grofser organ. Ausbildung 


Gefäfse sind, locker umsponnen und mehrseitig befestigt sind. Bei Hyda- 
lina senta wird es ferner noch deutlich, dafs aus der Mitte jedes Quergefäfses 
des Rückens ein Gefäfs-Faden in gerader Richtung vom Quergefäfse nach 
dem Darme hingeht und mit seiner Richtung diesen und das Quergefäfs im 
rechten Winkel schneidet. Diese quer laufenden freien Gefäfse scheinen 
auch durch das lockere Darmnetz sich mit dem Respirations - Systeme zu ver- 
binden und den Zusammenhang desselben mit den peripherischen Querge- 
fäfsen zu bilden. 

Bei H)datina senta sehe ich noch zwei bestimmte gefäfsartige einfache 
parallele Fäden vom Darme nach dem Zwischenraume zwischen dem After 
und dem nächst vor diesem gelegenen Quergefäfse gehen und ebenso 2 weit 
zartere Fäden von da nach innen wieder abgehen. Auch geht ein bestimm- 
ter gefäfsartiger Doppelfaden vom letzten Quergefäfse von der Bauchseite 
schief bei den Zangenmuskeln vorbei nach oben und hinten. 

Dies ist was sich über das Gefäfssystem bis jetzt nachtragen liefse. 
Möge es so lange, bis eine gründliche Einsicht in den Zusammenhang dieses 
ganzen organischen Systemes erlangt ist, dazu dienen bemerklich zu machen, 
dafs es nicht an vielfacher Zusammensetzung desselben, sondern nur an der 
mühsamen 'Theilnahme Vieler fehle, um die gewünschte Kenntnifs wirklich 
zu erlangen. Hieran schliefsen sich 


IM. 


Nachträge zur Formenkenntnils der kleinsten Organismen. 


In den bisherigen Mittheilungen über die Infusorien habe ich 547 Ar- 
ten, nämlich 394 Magenthierchen und 153 Räderthierchen verzeichnet. Die 
fortgesetzten Beobachtungen haben mir seitdem wieder eine sehr ansehnliche 
Zahl bisher unbekannter Formen zur Ansicht gebracht, die ich sogleich 
gezeichnet und rücksichtlich ihres Organisationsgehaltes möglichst scharf ge- 
prüft habe. Es sind nämlich wieder 98 Arten von Magenthierchen und 10 
Arten von Räderthierchen, deren Zeichnungen ich hierbei vorlege und von 
denen ich viele Formen nach der so eben mitgetheilten Methode besser als 
es früher gelang habe aufbewahren können. Mit diesen Beobachtungen 
steigt nun die Zahl der bekannten Arten von Infusorien der beiden Classen 
auf 655. Von diesen gehören 492 zu den Polygastricis und 163 zu den Ro- 


in den kleinsten thierischen Organismen. 471 


tatorien. Schon aus diesen Zahlen geht hervor, dafs die Formenmasse der 
Magenthierchen, deren Kenntnifs sich in gleicher Zeit wieder um das Zehn- 
fache stärker gemehrt hat, in der Natur in ansehnlich gröfserer Menge vor- 
handen sein mögen, als die Räderthierchen. 

Da ich durch die wissenschaftliche Theilnahme des Herrn Buchhändlers 
Leopold Vofs in Leipzig in den Stand gesetzt werde die sämtlichen Arten 
der beiden physiologisch so interessanten und in den Haushalt der Natur, 
ihrer unbegreiflichen Menge der Individuen halber, offenbar tief eingreifen- 
den Thierklassen nach meinen Handzeichnungen in Kupfer stechen zu lassen 
und mit dem nöthigen erläuternden Texte zu begleiten, so dafs ein zusam- 
menhängender Codex aller sicher: erkannten Species dieser mikroskopischen 
Thierwelt in Kurzem zu Stande kommen wird, so halte ich für unnöthig, 
dafs die neuen jetzt vorgelegten Formen vorher schon bekannt gemacht wür- 
den und ich beschränke mich denn auch rücksichtlich speciellerer Mitthei- 
lungen über dieselben nur auf die Charakteristik der neuen Genera und Ar- 
ten in Hinsicht auf ihren physiologischen Werth und Einflufs. 

I. PHACELOMONAS Pudlevisculus N. G. 

Für die Monaden-Familie ist eine neuerlich vorgekommene Form 
wichtig, welche anstatt eines einfachen Rüssels deren viele hat. Ich zählte 
meist 10. Es ist dieselbe Form, welche ich früher in den Jahren 1828 bis 
1830 häufig beobachtete und damals, auch noch im ersten Verzeichnifs der 
Infusorien, Monas Pulvisculus nannte. Ich erkannte schon damals vorn 
offenbar nicht einen einfachen Faden, sondern viele Fäden, welche wirbelnd 
zur Fortbewegung und zum Fange dienen. Gröfse und Farbe sind der C'hla- 
midomonas Pulvisculus, die ich später für dasselbe hielt, sehr ähnlich, nur 
ist die Form mehr einem kurzen Kegel gleich, dessen stumpfe Spitze den Hin- 
terleib bildet. Dieses Thierchen hat auch ein sehr deutliches rothes Auge und 
ebenfalls eine deutliche runde Samendrüse. Für Systematik hat diese Form 
den besonderen ansehnlichen Einflufs, dafs sie die Bildung mit einem ein- 
fachen fadenförmigen Rüssel genauer mit der anderen verknüpft, welche an- 
statt des Rüssels Wimpern, das ist also viele Rüssel, um den Mund zeigt, 
so dafs eine Eintheilung der polygastrischen Infusorien in Rüsselthiere und 
rüssellose (gewimperte) sich, wie andere, ebenfalls als der gewünschten 
Schärfe entbehrend zu erkennen giebt, zumal da es auch viele Formen con- 
stant mit 2 Rüsseln giebt und da eine Duplieität des Rüssels selbst bei vielen 


Y2 


172 Emensens: Zusätze zur Erkenntnifs grofser organ. Ausbildung 


einrüsseligen, welche Längstheilung haben, periodisch eintritt. Ich nenne 
diese neue Form Phacelomonas, Wedelmonade und bin der Meinung, 
dafs sie wohl mehr als Chlamidomonas Pulvisculus die eigentliche Monas 
Pulvisculus von O.F. Müller sei, deren Abbildung einen länglicheren Kör- 
per anzeigt. 

Monas vivipara n. sp. 

Diese neue Form der bekannten Gattung hat das schon oben erwähnte 
und im Special-Namen ausgedrückte physiologische Interesse, dafs sie leben- 
dige bewegte Junge mit sich führt, was keine der früheren zeigte. Sie hat 
übrigens alle Charaktere der Gattung, auch den fadenförmigen einfachen 
Rüssel und eine kugelförmige Samendrüse, welche bei der Selbsttheilung 
sich spaltet. Formen, welche, zur Selbsttheilung vorbereitet, oft nur erst 
leicht eingeschnürt sind, zeigen schon, anstatt eines Rüssels am Munde, de- 
ren zwei. Sie ist grölser als Monas Guttula und kleiner als Monas grandis, 
mifst 4 bis 4 Linie und hat eine kuglige Form. 

IH. CHLOROGONIUM euchlorum. N. G. 

Für die Familie der Astasiäen ist eine neue Form interessant, welche 
anstatt des einfachen peitschenartigen Rüssels, den alle Astasien und Eugle- 
nen führen, constant deren 2 hat. Es ist also eine Euglena mit doppeltem 
Rüssel. Diese Form, welche ich früher nie gesehen, bildet seit einem Jahre 
in Berlin die gröfste Masse der grünen Färbung stehenden Wassers und ge- 
hört sonach zu den Thieren, welche nach dem Tode die Priestleysche grüne 
Materie bilden. Mit dem spitzen Hinterleib hängen sich oft mehrere zusam- 
men und bilden rollende Beeren, wie Upella. Ein rothes Auge und eine 
kuglige Samendrüse sind leicht zu ‚erkennen. Das erstere ist aber fein. 
Gröfse dieses Chlorogonium 4, bis 4, Linie. 

II. CYPHIDIUM aureolum. N. G. 

Für die Familie der gepanzerten Proteus-Formen oder der Arcelli- 
nen ist eine neue Form vorgekommen, welche sich durch einen nicht in fa- 
denförmige Fortsätze sich ausdehnenden, sondern nur unförmlich ausbrei- 
tenden Fufs auszeichnet. Die Panzerbildung ist auch eigenthümlich, mit 
vielen, meist 4 vorherrschenden Höckern, weshalb der Name Cyphidium, 
Höckerthierchen, gewählt ist. Das Bewegungsorgan, welches wenig 
vortritt und, wie bei allen Arcellinen, oft schwer zu sehen ist, gleicht dem 


cz 


in den kleinsten thierischen Organismen. 173 


Fufse einer Sohlenschnecke und bildet die Übergangsform zu dem gleichen 
Organe der Bacillarien. 

Zur Familie der Bacillarien sind mehrere mir neue Körper getreten, 
welche sich durch Gattungscharaktere auszeichnen, als: 

IV. PENTASTERIAS margaritacea. N. G. 

Diese sehr niedliche Form steht in der Nähe von Desmidium und 
Staurastrum, hat aber nicht eine dreikantige Gestalt, wie jenes, noch eine 
vierkantige, wie dieses, sondern ist fünfkantig. Liegt es auf der flachen Seite 
so bildet es einen fünfstrahligen Stern. Ich habe es bisher nur einzeln ge- 
sehen, habe es, wie die obigen alle, getrocknet aufbewahrt, und vermuthe 
dafs es auch bandartig vorkommen mag. 

V. COCCONEIS sSeutellum. N.G. 

undulata. n. sp. 

Zwei den Naviculis verwandte Formen, welche nicht prismatisch sind, 
sondern flache Kugelsegmente darstellen und die mittlere Öffnung der Navi- 
cula nicht auf beiden, sondern nur auf einer Seite haben. Beide Formen 
sitzen, wie Coccus, mit der flachen Seite auf Ceramien des Meeres und 
Lemna-Wurzeln der Sümpfe, die sie zuweilen ganz bedecken. Sie gehö- 
ren zu den kleineren Bildungen, indem sie # bis , Linie messen. 

Ich berühre nur die neuen Gattungen schon bekannter Formen: 

VI. PYXIDICULA operculata. (Frustulia Agardh.) 

VI. TESSARATHRA moniliformis. (Tessarthonia Turpin.) 

VII. ODONTELLA Agardh mit einer neuen Art. 

IX. STRIATELLA Agardh. 

X. PODOSPHENIA, so nenne ich jetzt die keilförmigen mit kurzem 
Fufse ansitzenden prismatischen Stäbchen, während ich die ähnlichen immer 
frei umherkriechenden zur Gattung Meridion ziehe, welche, bei gröfserer 
Entwickelung ihrer bandartigen Form durch Längstheilung, nothwendig zu 
der so auffallenden, fast ringartigen Spirale werden müssen, welche das kei- 
neswegs ringförmige Meridion vernale zeigt. Die gestielten und verzweigten 
keilförmigen prismatischen Körper sind Gomphonemata. 

XI. TESSELLA Catena. N.G. 

Eine neue, Achnanthes nah verwandte, aber fufslose Gattung, welche 
sich, wie Bacillaria tabellaris, in Täfelchen spaltet, die an einem Ende noch 
eine zeitlang zusammenhängen und am anderen klaffen. 


474 Emensens: Zusätze zur Erkenntnifs grofser organ. Ausbildung 


XD. SYNCYCLIA Salpa. N. G. 

Bei dieser sehr ausgezeichneten Bildung findet man die Form der Na- 
gieula als kleine Röhren entwickelt, welche durch Längstheilung der Indivi- 
duen entstehen. Jedes Individuum theilt sich so in mehrere concentrische 
Theile, dafs ein leerer Raum in der Mitte bleibt. Diese Formen gleichen 
der zusammengesetzten Brut der Salpen-Schnecken und sind in gestaltlose 
von ihnen ausgeschiedene Gallerte gehüllt, die nicht ihr Keimstock ist. 

Zur Familie der Peridinaeen hat sich eine Form mit Augen gefunden: 

XIH. GLENODINIUM eincium. N. G. 

Das Peridinium einetum, Trichoda cincta Müller, ist neben dieser 
Form, der es sehr ähnlich und an Gröfse gleich ist, auch vorhanden. Bei 
beiden ist ein fadenförmiger Rüssel sichtbar geworden, welcher zu den festen 
Characteren der Gattung zu gehören scheint. Jedes Individuum besitzt einen 
rothbraunen, hufeisenförmigen Pigmentfleck als Augenpunkt. 

XIV. OPERCULARIA arteulata Goldfufs. 

Aus der Familie der Vorticellinen ist mir erst in diesem Frühjahr das 
sonderbare schöne Thierchen zur Anschauung gekommen, welches mehrere 
der älteren mikroskopischen Beobachter beschäftigt hat und das Baker schon 
gekannt zu haben scheint, nämlich Opercularia articulata von Goldfufs. 
Eichhorn hatte nur ein einzelnes Thierchen gefunden, aber viel schöner 
war es schon 1755 von Roesel abgebildet. Es ist der Afterpolyp mit 
dem Deckel, Hydra opercularia Linne, Vorticella opercularia 
Schrank, Opercularia articulata Goldfufs 1820, Operculina Roe- 
selii Bory 1824. Wer der Vervielfältigung der Gattungen abhold ist könnte 
es zur Gattung Kpistylis rechnen, allein da offenbar ein neues Organ bei die- 
sem Thierchen hinzutritt, welches den übrigen Epistylis und Vorticellen- 
Arten fehlt, nämlich der ganz eigenthümliche starke Muskel, welcher den 
vordern Discus (Öberlippe) bewegt und bei schwacher Vergröfserung einem 
Stiele eines Deckels gleicht, so bin ich geneigter den von Goldfufs zuerst 
vorgeschlagenen besondern Gattungsnamen aufzunehmen. Ich fand es auf 
einem Dyticus marginatus in grofser Menge und habe es getrocknet ziemlich 
gut erhalten können. Diese Form ist physiologisch dadurch besonders inte- 
ressant, dafs man bei ihr den Verlauf des die polygastrischen Magenblasen 
verbindenden Darmkanals beim Füttern mit farbiger Substanz ganz leicht und 
deutlich zur Ansicht erhält. 


in den kleinsten thierischen Organismen. 175 


Bei der Familie der Trachelinen ist zu bemerken, dafs ich die in dem 
so eben 1835 erschienenen sehr fleifsigen Werke von Purkinje und Valen- 
tin, über die Flimmerbewegungen pag. 43, unter dem neuen Gattungsnamen 
Opalina Ranarum beschriebene Form von der Gattung Bursaria, zu welcher 
ich sie früher zweifelnd zog, mit den ähnlichen anderen schon unter dem 
Namen Frontonia abgetrennt hatte und dafs mithin wohl der letztere Name 
beibehalten werden ul (Dritter Beitrag zur Erkenntnifs der Organisation 
im kleinsten Raume 1832-1834, pag. 93.) Übrigens ist für die Wimperform 
und das Wirbeln der Oberfläche, welches bei den Infusorien überhaupt auf 
deutlicheren organischen Verhältnissen beruht, besonders Paramecium Chry- 
salis zu weiterer Vergleichung sehr zu empfehlen. Bei den grofsen Räder- 
thieren: Megalotrocha, Melicerta, Limnias u.s.w. bleibt kein Zweifel über 
die von mir früher erläuterte Art der Bewegung. 

Endlich ist noch eine neue Form der Familie der Euploten besonders 
interessant: 

XV. CHLAMIDODON Nnemosyne. N.G. 

Das so bezeichnete Thierchen ist der äufsern Gestalt und Ausbildung 
nach einer Art der Gattung Euplotes ähnlich, unterscheidet sich aber durch 
einen Zahnapparat im Munde, welcher ganz dem von Chilodon nahe kommt. 
Reichte das Schild des kleinen Panzerthierchens nicht über den hintern Kör- 
pertheil hinaus, so könnte man es für einen gepanzerten C'hilodon, das heifst 
eine Form der Familie der Aspidiseinen halten. Dieses Überragen des Schil- 
des verändert aber die relative Stellung der Ernährungs-Mündungen und 
bringt die Form zu den Euploten. Aufser dem Zahnapparat ist es noch 
durch sichtliche Behälter eines schön violetten Saftes, dem Darmsafte der 
Nassula ähnlich, ausgezeichnet, so dafs sowohl der Zahnapparat als der ge- 
färbte Darmsaft (Galle?) nun auch in der Familie der Euploten beobachtet 
sind. Das Thierchen selbst lebt im Östseewasser bei Wismar und ist & 
Linie grofs. 

Aufser diesen 15 in das System einzuschaltenden Gattungen von Ma- 
genthierchen hat sich auch eine neue Gattung von Räderthierchen darge- 
boten: 

XVI. OTOGLENA papillosa. N. G. 

Die Form gleicht ganz der auf Tafel X. des dritten Beitrags abgebil- 

deten Votommata clasulata, welche auch nur wenig gröfser ist. Die innere 


176 Emmensens: Zusätze zur Erkenntnifs grofser organ. Ausbildung 


Struetur ist sehr verschieden. Jedenfalls gehören beide Formen zur Familie 
der Hydatinäen. Das sogleich unterscheidende sind die Mehrzahl von Augen. 
Die neue Form hat nämlich aufser dem Nackenauge noch 2 Stirnaugen. 
Diese 3 Augen würden dieselbe zur Gattung Eosphora ziehen lassen. Allein 
es hat keine Spur von Zähnen und Kiefern und die vorderen 2 Stirnaugen 
werden von besondern Augenstielen so getragen wie die Pigmentflecke der 
Medusa aurita. Diese Pigmentstellen sind seitlich auf den Stielen nach 
innen und vorn einander zugekehrt. Das stärkere Nackenauge sitzt auf einem 
grofsen conischen Hirnknoten und hat neben sich 2 dunkle (Kalk?) Beutel- 
chen. Die ganze Oberfläche ist mit ungleich grofsen Wärzchen besetzt. 
Vier starke deutlich fasrige Längsmuskeln bewirken die Contraction. Der 
kleine Zangenfufs hat 2 kurze spindelförmige Muskeln, an deren vorderes 
Ende 2 dünne Fäden geheftet sind, die gerade und einfach bis zum Räder- 
organ verlaufen. Ein starker Magen mit sehr dünnem Darme, eine grofse 
contractile Blase dicht an den Zangenmuskeln, 2 in diese Blase sich einmün- 
dende vielfach geschlängelte Samendrüsen und ein birnförmiger (unentwik- 
kelter) Eierstock, samt 4 Quergefäfsen, an deren in der Körpermitte gele- 
genen vordersten sich eine vom Augenknoten des Nackenauges kommende 
Nervenschlinge anlegt und wohl die Respirations- Öffnung bezeichnet, bil- 
deten die Summe der gröberen Organe des inneren Körpers. Im Nacken liefs 
sich beim Verändern des Lichtes ein zartes Gefäfsnetz erkennen, wie ich 
dergleichen oben bei anderen Formen angezeigt habe, und auch von diesen 
abgehende Fäden wurden deutlich. Diese neue Form fand sich zwischen 
grolsen Mengen des Folwox Globator bei Berlin. Ihre Gröfse beträgt % 
Linie. 

Von den neuen Arten der Räderthiere bekannter Gattungen erwähne 
ich nur eine als wohl physiologisch besonders interessant, nämlich die No- 
tommata Brachionus. Diese schon in ihrer Gestalt eigenthümliche Form, 
welche, wie keine andere der Gattung, ihre Eier auf dem Rücken mit sich 
herumträgt und ganz einem schalenlosen Brachionus gleicht, hat noch zu 
einer recht auffallenden Beobachtung Gelegenheit gegeben. Gleichzeitig mit 
diesem Thierchen nämlich fand sich wieder die schon früher von mir ange- 
zeigte Notommata granularis. Ich suchte umsonst nach den Eiern der letz- 
tern im Glase, worin sehr viele Individuen schwammen. Endlich fand ich 
bei Untersuchung der Eier, welche die Motommata Brachionus auf dem 


in den kleinsten thierischen Organismen. 177 


Rücken trug, dafs diese oft einen auffallend verschiedenen Durchmesser hat- 
ten und sah bald zu völliger Überzeugung, dafs die kleineren Eier die der 
Notommata granularis waren, welche zum Theil das Thierchen schon ganz 
entwickelt in sich hatten und, durch leichten Druck platzend, frei liefsen. 
Diese waren also der Notommata Brachionus parasitisch auf den Rücken 
gelegt. Dem Gedanken, dafs ein und dasselbe Thier zweierlei Junge bilden 
sollte, habe ich nicht Raum gegeben, weil noch die andere eben gegebene 
Erklärung der Erscheinung zur Hand liegt (!). 

Mehr über diese und alle übrigen neuen Formen werde ich in dem 
bereits angezeigten schon angefangenen und kräftig fortrückenden Werke, 
welches alle bekannten Arten physiologisch darstellen soll, mittheilen. 


(') Am 16. Juni 1835 trug ich in der naturforschenden Gesellschaft zu Berlin vor, eine 
Menge von Beobachtungen habe mich belehrt, dafs eine neue Art der Gattung Notommata, 
die ich N. Parasita nannte, sich im Innern der Kugel des lebenden FolWwox Globator auf- 
halte und in dieselbe ihre Eier lege. Schon im letzten Vortrage über kleinste Organismen, 
der 1834 gedruckt worden, erwähnte ich der Notommata Werneckü, welche ihre Eier in 
die Vaucherien legt und neuerlich habe ich noch eine zweite Art von parasitischer Nozom- 
mata im Yolvox Globator und auch eine andere derselben Gattung gefunden, welche ihre 
Eier in die Büschel und zwischen die Zweige der zusammengesetzten baumartigen Vorticel- 
len, Epistylis, legt. Hierdurch verallgemeinert sich das Factum des kukukartigen Verhaltens 
so sehr, dals die Lösung des Räthsels einfach wird und an Doppelformen zu denken unstatt- 
haft erscheint. Spätere Bemerkung. 


Physikal. Abhandl. 1835 Zi 


178 Emensens: Zusätze zur Erkenntnifs grofser organ. Ausbildung 


Erklärung der Abbildungen. 


Die beiliegende Tafel soll die angezeigte Beobachtung der männlichen Sexual- Organe 
bei den Infusorien anschaulich zu machen suchen. Um nicht die Abbildungen unnöthig zu 
mehren, ist die Structur der Räderthiere in dieser Hinsicht als den Krebsen ähnlich und als 
mithin einer weiteren Vergleichung weniger bedürftig, weggelassen worden. Auch sind Ab- 
bildungen dieses Organismus auf den frühern Tafeln häufig mitgetheilt worden, welche denn 
zu vergleichen wären. 

Einer besonderen Demonstration bedarf es nur noch bei den Polygastricis. Als deut- 
liche Verhältnisse in dieser Beziehung sind die gewisser Eingeweidewürmer angesehen wor- 
den und so ist denn als erläuternd Distomum globiporum dargestellt. 

Dals das gleiche Verhältnils in die Klasse der Turbellarien (eines Theils der Plana- 
rien) übergreift, ergiebt sich aus den beigefügten 2 Darstellungen solcher Formen und an 
diese nun als Typen schlielsen sich die oben erläuterten Formen des Sexual-Systems bei den 
Infusorien an. 


Fig.1. Distomum globiporum aus dem Darmkanale des Cyprinus Brama. t die Samendrü- 
sen, © die männliche Sexual- Öffnung. 

Fig. 2. Gyrator hermaphroditus E. (Symbolae physicae Evertebrata 1.) a die Mundöffnung, 
oe der Schlund oder Magen, i der Darm, o.o die vier ein inneres Zittern deut- 
lich zeigenden Längsgefälse, oo der Eierstock mit den Eikeimen, # die männliche 
Samendrüse, * ein dazu gehöriges unklares Organ, sp das männliche Sexual- 
Organ (Spicula duplex), o die Augen mit dem unterliegenden Nervenknoten, x die 
männliche Sexual - Öffnung. 

Fig. 3. Vertex truncatus E. (Symbolae physicae Evertebrata 1.) = Planaria truncata M ül- 
ler? @ der Mund, oe Schlund oder Magen, : Darm, ov Eierstock mit Eikeimen, 
2 männliche Samendrüse, o Augen durch einen Pigmentstreif abnorm vereinigt. 

Fig.4. Junges Individuum derselben Art mit getrennten Augen. Man erkennt aus dieser 
Augenbildung, dals es keine geschlossenen Linsenhöhlen sein können. 


Die folgenden Figuren stellen die verschiedenen Formen der männlichen Samen- 
drüsen bei den Magenthieren vor. ? bezeichnet die Samendrüse, s die con- 
tractile Samenblase. 


a. Kugelförmige Drüsen: 
Fig.5. Stentor niger, einfache Drüse. 
Fig.6. Zrachelius Meleagris n. S:, doppelte Drüse. 
Fig. 7. Monas vivipara N. Sp. 
Fig. 8. Micrasterias Boryana. 


in den kleinsten thierischen Organismen. 179 


ö. Eiförmige Drüsen: 
Fig. 9. Chilodon Cucullulus. 


Fig. 10. @. Paramecium Aurelia. 
ß. Dasselbe in der Quertheilun 
Fig. 11. Cryptomonas erosa. 


g, wo sich die Samendrüse mit theılt. 


e. Scheiben- oder linsenförmige Drüsen: 


Fig. 12. Euglena longicauda. a. von der breiten, 5. von der schmalen Seite. 


d. Nierenförmige Drüsen: 
Fig. 13. Trichodina Pediculus. 


e. Band- oder seidenschnurförmige Drüsen: 


Fig. 14. Stentor Roeselii n. sp. 
Fig. 15. Microglena monadina. 


f. Perlschnurförmige Drüsen: 
Fig. 16. Stentor Müleri, 


g. Stabförmige und crystallartige Drüsen: 
Fig. 17. Amblyophis viridis. 
Fig. 18. Euglena Acus. 
Fig. 19. Euglena deses. 


h. Ringförmige Drüsen: 
Fig. 20. Eugiena Spirogyra. 


Nachtrag zur Kupfererklärung. 


Veranlafst durch die interessanten Mittheilungen der Herren Burmeister und v. Sie- 
bold über Disztomum globiporum, vergl. p- 167, ergreife ich die Gelegenheit meine eignen 
Beobachtungen ausführlicher als ich früher beabsichtigte beizugeben, weil sie noch neue 
Details in sich einschlielsen und zur Übersicht des Ganzen dienlich scheinen. Ich war durch 
Burmeisters verschiedene Ansicht der Eierschläuche über die Richtigkeit meiner Auffas- 
sung schwankend geworden und hatte deshalb die Absicht, auf dieser Tafel nur Umrisse des 
Thieres und die Testes mit ihren Ausführungsgängen zu geben. Herrn v. Siebold’s An- 
sichten stimmen aber nun mit den meinigen so sehr überein, dafs ich theils zur Bestätigung, 
theils auch zur Förderung dieser Kenntnisse, meine Zeichnung im Detail für nützlich halte. 
Das Gefälssystem in seinen Hauptstämmen und auch die zweite Blase an der Zusammenmün- 
dung der 4 Ovarien waren nicht erkannt worden. Die kleinere gelappte Drüse halte ich mit 
Burmeister, gegen v. Siebold, für einen dritten Testicuus. Das Fortlaufen des Endes 


Z2 


180 Eimensens: Zusätze zur Erkenntnifs grofser organ. Ausbildung u. s.w. 


des Rileiters nach vorn bis neben die männliche Sexualöffnung mögen beide Beobachter durch 
Druck zur Anschauung erlangt haben. Ich sah ein Umbiegen des dicksten Endes des Eilei- 
ters links neben dem Saugfulse nach hinten und bei gelindem Druck rückten die Eier nach 
hinten in dem Canale fort. Verstärkter Druck gab unrichtige Canäle zum Austreten der 
Eier. Sollte nicht also doch der breite Canal, welcher, in der Körpermitte deutlich verlau- 
fend, bei » mündet, die Fortsetzung des von links kommenden Eileiters sein? Der gabel- 
förmige mittlere Canal, welchen v. Siebold für die Fortsetzung des Canals » hält, ist diese 
nicht, sondern begreift 2 starke Gefälsstämme, die, von oben kommend, sich in der Mitte 
vereinen und bald wieder nach hinten vielfach sich spalten, den ganzen Körper aber durch 
Verästelung mit einem Gefälsnetze überziehen. — Bei weniger entwickelten Eiern sieht man 
an der Stelle der beiden vorderen Ovarien eine kleinere markige Masse, die vielleicht das 
Hirn-Ganglion ist. 

Die Details der Figuren sind folgendermalsen bezeichnet: A Bauchlläche, B rechte 
Seitenansicht des Distomum globiporum. a Mund und Auswurfsöffnung; oe Schlundkopf; 
v vorderer Gefälsstamm; x männliche Sexualöffnung oder Mündung der Kapsel des Penis; 
! und oo? vordere beide Eierstöcke mit ihren einfachen Aus- 
führungsgängen nach hinten; f. sp. Einmündung der beiden funiculi spermatici in den Penis; 
p Saugfuls, bei dem der Eileiter links nach hinten umbiegt; f. sp'. Austritt des rechten Sa- 
menleiters aus dem vorderen rechten Hoden; z' vorderer rechter Hode; f. sp?. Austritt des 
linken, vom rechten, hinteren Hoden kommenden, Samenleiters aus dem kleinen Hoden; 
y vorderer Beutel des Eileiters; 2?” linker kleiner Hode; 0“ Verzweigungsstelle des Haupt- 
gefäfsstammes; f. 5p°. Austritt des linken Samenleiters aus dem hinteren rechten Hoden, 
welcher sich durch den kleineren fortsetzt; z ist der hintere Beutel des Eileiters; 2? ist der 


i der zweispaltige Darm; oo 


hintere rechte Hode; oo’ und o0* sind die beiden hinteren Eierstöcke; i der Darm; w der 
Ausgang des mittleren Canals (EKileiters?). Die Canäle der verschiedenen Systeme kaben 
verschiedene Pfeil-Zeichen. Besondere Respiralions-Organe sind nicht deutlich geworden. 


© 


Hrn. Eihrenbergs Abhandl. Zusätzezaor Or 


u 


- 
7 
_— 


Me 


= 


a. v. Kinsahere, 


ra 


er 


a 


en 


Ni 


: 


Mämliche Sexualorgane der Saugwürmer Strudelwiamer und Magentlierchen. 
F- Dirt gloisporum 17, I, Oyruor hermaphrsditur 17.10 IV; Fortan orunestur A674” 1°,Stmaor miger So MI Melnagi N". VI, More vürgsurs 363% VIE 
erusteriar Boryansı #9 IE. Chilocken Cucultuhr #5 = X. Parsuneeiem Aurelia #3”, AL, Crpywsnone eranı ko“ Ar Rnpleren brsgioauggn 145 "NIT. Prichanlina Podeuhue 494” I Stnır Roc 
eh 46T: Mkrsplens monuitina #60“ KT, Stenmor Mülteri #50” AV _Ambhuphir yiräte do“ Ay. Euplera A cur 


Ba=_XIn. 2. derer 467 AU K. Spiragyra 20” 


gear ch Wien 


) 


Über 
die Akalephen des rothen Meeres und den Organismus 
der Medusen der Ostsee. 


v Von 
H'"- EHRENBERG. 


mm 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 18. Juni 1835.] 


Nas den Infusorien und Polypen, deren sehr zusammengesetzten Bau 
ich bereits umständlich vorgetragen habe, glaubte man bisher bei den Medu- 
sen einen einfacheren, nicht alle Systeme der gröfseren Thier- Organismen 
in sich einschliefsenden Bildungstypus mit Bestimmtheit nachweisen zu kön- 
nen und die von OÖ. F. Müller, Gäde, Peron, Eysenhardt, Carus, 
Rosenthal, von Baer und neuerlich von Eschscholtz, Audouin und 
anderen gegebenen Beiträge für die Anatomie dieser Formen bestätigten 
um so mehr jene Ansicht, je reichhaltiger die Formenmasse und je weniger 
verhältnifsmäfsig die Structurcomplicationen waren, welche man erkannte (!). 
Ein geistreicher deutscher Anatom und Physiolog benutzte auch schon die- 
sen Umstand im Jahre 1831, um damit die Allgemeinheit der Infusorien- 
Organisation zu bezweifeln, indem er sagte: ‚Wenn man ein Rhizo- 
stoma Cuvieri von 1 Fufs Durchmesser vor sich hat und auch 
in dieser Masse nichts als einige Nahrungshöhlen und Canäle 
in der sonst homogenen Eistoffmasse ausgehöhlt findet, so wird 
man sich überzeugen, dafs es nicht die Kleinheit ist, welche 
uns das Erkennen von Nerven, Muskeln, Drüsen, Zähnen und 
doppelten Geschlechtsorganen unmöglich macht.’’ Die mühsa- 
men und zahlreichen Beobachtungen, welche Eschscholtz von 2 Weltum- 


(‘) Ich habe einen Auszug aus diesen Beobachtungen vorläufig (1834) in Hrn. Müllers 
Archiv für Physiologie mitgetheilt, jedoch nur so weit sie die Structur der Medusa aurita 
allein betreffen. 


182 Enrengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


seglungen, deren eine er mit Herrn von Chamisso unter Kapitain Kotze- 
bue gleichzeitig machte, binnen 6 Jahren zusammengetragen, und welchen 
eine autoptische Untersuchung von 73 verschiedenen Arten, also aller 
Formen der ganzen Classe der Akalephen zum Grunde lag, befestigten wohl 
allerdings die Meinung einer gröfseren Einfachheit dieser häufig sehr volumi- 
nösen Formen. Auch die Untersuchungen von Audouin und Milne Ed- 
wards, welche Georg von Cuvier der 2. Auflage seines Regne animal 
1530 in dieser Hinsicht zum Grunde legte, ergaben kein anderes Resultat, 
als dafs die Medusen oder Akalephen einfache gallertige Substanz ohne deut- 
liche Faserung wären, bei denen man jedoch noch einige Gefäfse erkenne, 
die meist deutliche Verlängerungen des Magens wären. Überdies erkannte 
Cuvier bei diesen Formen Eierstöcke an, ohne jedoch in der allgemeinen 
Übersicht ihrer zu erwähnen, vielleicht weil die Beobachter selbst noch ver- 
schiedener Meinung über die Function dieser Organe waren und ihre Be- 
richte eine Überzeugung herbeizuführen nicht geeignet waren. Das 1829 
erschienene classische Werk von Eschscholtz unter dem Titel: System 
der Akalephen, war Cuvier nicht zeitig genug bekannt geworden, um 
noch einiges Allgemeinere über die Structur daraus zu entlehnen. Es sind 
in diesem letzteren Werke besonders über die Rippenquallen oder Beroiden 
neue interessante Structur-Details mitgetheilt worden und wenn ich auch 
nicht der Meinung beitreten möchte, dafs die bei Cestum Najadis aufge- 
fundenen Canäle dem Gefäfssystem angehören, wie der überall treu beob- 
achtende gelehrte, leider schon verstorbene Verfasser annimmt und in den 
neueren Handbüchern wiederholt wird, so zeugen sie doch von einer an- 
sehnlichen Complication der Structur bei Körpern, die man für ganz einfach 
hielt, und denen man daher zum Theil eine Ernährung durch Aufsaugen mit 
der ganzen Oberfläche zuschreiben mufste. Ja Eschscholtz selbst war noch 
der Meinung, dafs wegen Kleinheit des Mundes und schwerfälliger Bewegung 
ein grofser, sogar der gröfste Theil der Ernährung nicht durch den Mund, 
sondern durch die Fangfäden geschehe, p.22. Die scheinbare Circulation in 
jenen Gefäfsen des Cestum sowohl als der Beroe' mag aber wohl die Bewe- 
gung des Speisebreies in den Darmverzweigungen gewesen sein, wie ich sie 
bei Medusa aurita sogleich anzeigen werde. 

Obwohl mir das Studium der Medusen für die Physiologie immer von 
grofser Wichtigkeit zu sein schien, und obwohl ich auf meinen früheren Rei- 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 183 


sen in verschiedenen Meeren dergleichen Formen kennen lernte, so war 
doch weder die Zahl der mir vorgekommenen Arten ansehnlich grofs, noch 
war die Gelegenheit für eine feine anatomische Betrachtung je recht günstig. 
Auf all meinen Seereisen und Küstenwanderungen im Orient habe ich nur 
6 Akalephen-Formen kennen gelernt. Bei Alexandrien im Mittelmeere 
beobachtete ich nur eine Art der Gattung Medusa, die ich für noch unbe- 
schrieben halte und Medusa stelligera nenne. Im rothen Meere waren die 
übrigen 5, nämlich: 1) Arhizostoma Cuvieri, 2) Medusa aurita, beides be- 
kannte weit verbreitete Formen, 3) Cephea vesiculosa, 4) Rhizostoma lori- 
‚ferum, 5) Cassiopea Andromeda, Lokalformen. Die letztere Form wurde 
zuerst von Forskäl beschrieben, die 2 anderen waren bisher unbekannt. 
Mithin sind von den 6 in jenen Gegenden von mir und Hemprich beobach- 
teten Akalephen 3 bisher unbekannt, 2 sehr allgemein verbreitet und eine 
zwar schon beschrieben, aber doch dem rothen Meere eigenthümlich. Von 
all diesen Formen habe ich Zeichnungen mitgebracht, ausgenommen von 
dem allzugrofsen Rhizostoma Cuvieri, welches wir bei Sues immer nur am 
Strande und halb aufgelöst, aber nicht selten fanden (!). 

Forskäl hat aus dem rothen Meere ebenfalls nur wenige Formen ver- 
zeichnet, nämlich auch 6, während er bei einem längeren Aufenthalte im 
Mittelmeere besonders auf dessen westlicher Seite, wo es offenbar viel rei- 
cher an solchen Formen, als in seinen mehr östlichen Theilen ist, 15 Spe- 
cies beobachtete. Forskäl fand im rothen Meere 2 Formen der Gattung 
Iihizostoma, die er Medusa tetrastyla und Corona nennt, die erstere ist we- 
gen gleicher Gröfse und gleichen Fundortes wohl offenbar dasselbe Thier, 
welches ich vorhin Athizostoma Cuvieri nannte, die zweite Art ist eigenthüm- 
lich. Ferner 2 Arten der Gattung Cephea, beide von der verschieden, 
welche ich mit Hemprich sammelte. Er nennt sie Medusa octostyla und 
Medusa Cephea. Seine fünfte Art ist Cassiopea Andromeda, die er Medusa 
Andromeda nennt und die sechste ist Cydippe? albens, die er als Medusa 
Beroe' albens verzeichnet. 


(') Vielleicht haben wir noch die Mammaria seintilans als Meeresleuchten viel gesehen, 
allein ich hielt damals diese scheinbar structurlosen Gallertkügelchen, welche meist auch zer- 
rissen waren, für blofsen Schleim. Spätere Anmerkung. 


154 Eurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


Ich halte für zweckmäfsig der leichtern Übersicht der geographischen Ver- 
breitung der Formen halber die Forskälschen Namen mit der neueren Syno- 
nymie und meinen Zusätzen in folgender kleinen Tabelle zusammenzufassen : 


Forskäl Hemprich u. Ehrenberg Eschscholtz 
beobachteten: Synonyme. 
a. im rothen Meere: 
1. Medusa tetrastyla = Rhizostoma Cwieri = Rhizostoma Cuvieri. 
Ira een ru) loröferun 
3, Corona — hihizostoma Corona 
A: _ octostyla = Cephea octostyla 
5. Cenhea — eyclophora 
Rn = 20002... Cephea? vesiculosa 
Re nr 'omeda =Cassiopea Andromeda =Cassiopea Andromeda 
8. —__—— Beroe albens? —= Cydippe Pileus? 
Or SE ET Medusa aurita — Medusa aurita 
10. See =7 SEEN: Mammariascintillans? 
d. im Mittelmeere: 
1. Medusa Persea — Rhizostoma Persea 
2 proboscidalis = Geryonia proboscid. 
DEREN 7, Ollıcına — Aequorea mollicina 
4 aequorea = Forskaliana 
5 cruciata = Medusa crucigera cf. 
Oceania cacuminalta 
EVENT RO EN Medusa stelligera 
ee nilenin — ÖOceania pileata 
Ser nochluca —= Pelagia noctiluca 
9. __——_ Beroe rufescens — Beroö? 
10. densa — Cydippe densa 
ey ee albens = Cydippe? 
12. Physsophora hydrostatica — Physophora Forskalü 
13, Se N llor mus = ‚Kliformis 
14. rosacea — Anthorybia rosacca 
15. Holothuria spirans m V elella spirans 
16. — Rataria cordata’ 
17, este udenudata —= Porpita mediterranea 
15. Anonym. Tab. 27 f: B. — Mesonema Coelum 


pensile. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 185 


Es ergiebt sich also hieraus, dafs das rothe Meer schr arm an Akale- 
phen ist, indem ich und Hemprich, samt Forskäl und Niebuhr, die 
einzigen Beobachter solcher Formen in jenem Meere, eines mehrjährigen 
Aufenthaltes daselbst ungeachtet, nur 9 bis 10 Formen zur Ansicht bekamen. 
Von sämtlichen 9 Formen sind nur 6 dem rothen Meere eigenthümlich, 3 
sind allgemeiner verbreitet. Sämtliche 9 sichre Formen sind aus 5 Generi- 
bus und gehören mit Ausnahme einer einzigen zweifelhaften den Scheiben- 
Medusen an. Die zweifelhafte Bero& oder Cydippe albens würde einen Re- 
präsentanten der Ruder-Medusen abgeben, aber die Seeblasen oder Röhren- 
Medusen haben bisher noch gar keine Art aus dem rothen Meere erhalten. 
Merkwürdig ist das Vorkommen der bisher nur im Nordmeere und der Ost- 
see beobachteten NMedusa aurita im südlichen rothen Meere, denn wir fan- 
den dieselbe ohnweit Gumfude, bei Ga el ma, jenseits Djedda und die Zeich- 
nung, welche ich von Finzi unter meiner Aufsicht nach dem Leben ent- 
werfen liefs und hier vorlege, zeigt keinen wichtigen Unterschied. Nach 
Herrn von Humboldt kommt sie aber auch bei den canarischen Inseln vor 
und unterscheidet sich nur daselbst durch die Eigenschaften des Brennens 
und Leuchtens, welche sie in der Ostsee meiner Untersuchung nach nicht 
hat, obschon ersteres manche Badende behaupten. Auch verursachte die Form 
des rothen Meeres kein Brennen und das Leuchten wurde von uns bei ihr 
nicht beobachtet. Vielleicht entdecken spätere Reisende noch Special- Un- 
terschiede an diesen geographisch sehr geschiedenen Formen. Da ich und 
Hemprich ungeachtet eines Aufenthaltes von 18 Monaten in jenem Meere, 
4 der Forskälschen Arten nicht zur Ansicht erlangen konnten, Forskäl 
hingegen bei einem ebenfalls mehrmonatlichen Aufenthalte daselbst 3 der 
von uns beobachteten Formen nicht fand, mithin nur 2, das Rhizostoma 
Cuvieri und die Cassiopea Andromeda von beiden Seiten aufgefunden wur- 
den, so läfst sich wohl schliefsen, dafs spätere Beobachter ebenfalls noch 
mehrere Formen daselbst finden werden, die uns nicht vorgekommen. Auf 
eine besonders reichhaltige Nachlese aber dürfte höchstens im südlichsten 
Ende des Meeres bei Moccha zu rechnen sein, wo die Formen des Südoceans 
mit der Fluth wohl zuweilen in gröfserer Anzahl eindringen mögen. 

Obwohl ich nun auf jenen Reisen mit meinem Freunde Hemprich 
mir manche Mühe gegeben habe, aufser den Formen auch den Organismus 
dieser Geschöpfe kennen zu lernen, so hinderten doch ungünstige Lokal- 


Physikal. Abhandl. 1835. Aa 


186 Enrensgeng über die dkalephen des rothen Meeres 


Verhältnisse, sehr oft die Seekrankheit, von der ich nur selten frei war, eine 
befriedigende Untersuchung, auch haben wir nur die Cassiopea Andromeda 


einen Tag lang in so grofser Menge gesehen, wie man wohl gewohnt ist die 


ö 
Medusa aurita in der Ostsee zu finden. 

Erst im Jahre 1833, wo ich eine zweimonatliche Reise mit meiner 
Familie nach der Ostseeküste und allein dann weiter nach Norwegen machte, 
erfafste ich die Gelegenheit meinen Wunsch der Structurkenntnifs einiger 
Formen zu erreichen. Ich erreichte aber damals mehr die Zuversicht auf 
ein Gelingen bei gröfserer Intensität der Beschäftigung mit dem Gegenstande, 
als die Einsicht in die Structur selbst, denn die zusammenhangslosen ober- 
flächlicheren Canäle, Wimpern, Tentakeln, Mund, Eierstöcke u. dergl. 
waren mir schon bekannt und ich rechnete dies nicht zur Einsicht in die 
Organisation. Jedoch erhielt ich schon damals eine mir erfreuliche Ansicht 
der Rippen-Medusen und mehrerer Leucht-Medusen aus bis dahin mir 
fremd gebliebenen Gattungen, sowie ich durch Färbversuche eine bestimm- 
tere Kenntnifs vom Ernährungssysteme mehrerer verschiedenen Gattungen 
erlangte. Erst im vorigen Jahre, wo eine Reise von einem Monat mich 
wieder zur Ostsee nach Wismar führte, wendete ich eine planmäfsige Unter- 
suchung an und der Erfolg erfreute mich mit in solcher Klarheit nicht erwar- 
teten Resultaten. 

Um mich nicht zu zerstreuen wendete ich mehrere Wochen lang meine 
ganze der Familie entziehbare Zeit und Aufmerksamkeit allein auf die Lebens- 
thätigkeit und die Organe der Medusa aurita, jener sonderbaren gallertigen, 
nicht selten bis über !, Fufs im Durchmesser haltenden Wesen, welche durch 
zarte bläuliche und röthliche Färbung, besonders durch ihre vier in ein 
Kreuz gestellten halbeirkelförmigen Eierschläuche, die Aufmerksamkeit der 
in der See Badenden erregen, die zuweilen ganz von ihnen umringt sind, 
Diese Form der Akalephen hatte noch das besondere Interesse, dafs die Be- 
schäftigung mit ihr eine weitere Entwicklung meiner Untersuchungen auf 
den früheren Reisen im Orient, namentlich dem rothen Meere war, wo die- 
selbe Thierform, wie ich bereits anzeigte, sich ebenfalls, aber unter weni- 
ger günstigen Umständen für die Untersuchung, vorgefunden hatte. Die 
weiche gallertige Consistenz dieser bald kleinen bald grofsen Organismen, 
die sich bald glockenförmig zusammenziehen bald scheibenförmig ausbreiten 


und dadurch fortbewegen, ist überall, selbst in bequemerer Lage, ein grofses 


te) 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 187 


Hindernifs für ihre Untersuchung. In gröfseren Glasgefäfsen von weifsem 
Glase holte ich mir vom Badeschiffe, welches ich täglich am frühen Morgen auch 
dieser Beobachtungen halber besuchte, dergleichen Thiere in frischem Was- 
ser und erneuerte das Wasser der vom vorigen Tage. Obwohl die gröberen 
Organisationsverhältnisse der gröfseren Exemplare mit blofsem Auge grofsen- 
theils ganz deutlich zu erkennen waren, so fand ich doch bald, dafs deren 
wiederholte Untersuchungen zu keinem bestimmteren Zwecke führten, dafs 
vielmehr erst Klarheit über die mikroskopischen Structurverhältnisse aufzu- 
suchen war, wozu kleine Exemplare besser sich eigneten als grofse. In 
grofsen Uhrgläsern und in nicht allzuweiten weilsen Fläschchen mit grofsen 
Öffnungen sammelte und beobachtete ich nun kleinere Individuen und erhielt 


folgende Resultate: 


Ernährungsorgane der Medusa aurita. 


Schon im Jahre 1833 hatte ich einen glücklichen Versuch gemacht 
die Ernährungsorgane durch spontane Aufnahme von Indigo für das Auge 
zu isoliren und derselbe Versuch gelang auf das Vollständigste, so oft ich 
ihn wiederholte. Ich erlangte dadurch die Gewifsheit, dafs die Canäle, 
welche man mit dem Munde und Magen zusammenhängen sieht und die man 
schon öfter durch Einspritzungen glücklich dargestellt hatte, über deren 
Function man aber deshalb noch Zweifel haben konnte, weil einige Beob- 
achter eine Circulation von Kügelchen darin gesehen zu haben berichteten, 
nicht blofs zum Ernährungssystem wirklich gehören, sondern dafs sie den 
eigentlichen zertheilten Darmcanal dieser Thiere deutlich vorstellen. Durch 
diese künstlichen Färbungen des Ernährungsapparates liefs sich auch auf das 
Deutlichste nachweisen und erkennen, dafs alle Ernährung nur durch den 
Mund und Magen vermittelt werde, dafs es keine Aufsaugung und Assimila- 
tion von Nahrung durch die Haut gebe und dafs auch die Randfäden dabei 
nicht concurriren, denn all diese Theile blieben in ihrem Inneren klar und 
wasserhell, während die fungirenden Canäle sich strotzend füllten. Auch 
die Fangarme oder 4 Mundlappen der Meduse, welche sich zwar äufserlich 
färbten, nahmen nichts in innere Räume auf, sondern zeigten nur eine An- 
ziehung und ein äufseres Festhalten und Weiterschieben der sie umgebenden 


Farbestoffe, besonders in einer mittleren Rinne ihrer inneren Seite bis 
NE 


158 Eurengerg über die Akalephen des rothen Meeres 


zum Munde und Magen. Auf diese Weise liefs sich das Ernährungssystem 
vollständig zur Evidenz bringen ('). 

Die Methode wodurch ich es erreichte führte noch eine andere dem 
Zwecke sehr entsprechende Beobachtung herbei. Man hatte nämlich bis 
dahin den Medusen nur eine einzige Darmöffnung zuerkannt, welche zu- 
gleich zur Aufnahme von Speise und zum Auswerfen des Unverdauten diene, 
zugleich Mund und After sei. Ich bin auch jetzt der Meinung dafs es äufserst 
schwierig bleibt bei diesen Thieren in ihrem gewöhnlichen Zustande sich 
von einem anderen Verhalten des Verdauungssystems zu überzeugen. Nimmt 
man nämlich diese Thiere aus dem Wasser, um sie behutsam in ein Gefäls 
oder aus einem Gefäfse in ein anderes zu versetzen, so entleeren sie jedes- 
mal ihre Analbeutel und da man sie gewöhnlich in klares Wasser setzt, ein 
getrübtes auch ihnen leicht schädlich oder doch so unbequem wird, dafs sie, 
wenn nicht die Trübung aus für sie geniefsbaren Substanzen besteht, bewe- 
gungslos zu Boden sinken und bald sterben, so füllen sie den Darm nicht 
leicht wieder an und man kann daher den Ernährungsprocefs nur vereinzelt 
oder nicht verfolgen. Überdies begnügt man sich allzu leicht, wie es bisher 
geschehen, mit der allerdings nicht seltenen Beobachtung, dafs man kleine 
Fische u. dergl. halbverdaut im Magen liegen und durch den Mund wieder 
auswerfen sieht. 

Mit Hülfe der Färbeversuche bin ich aber zu einem sehr bestimmten 
ganz neuen Resultate gekommen. Wenn sich nämlich der strahlenförmig 
verästete Darm mit Indigo stark angefüllt hatte, so liefsen sich am Rande 8 
grofse blaue Punkte erkennen, die gerade in der Mitte zwischen je 2 der 8 
braunen Randkörperchen waren. Berührte ich die Thiere, dafs sie unruhig 
wurden, so lösten sich immer plötzlich sämtliche oder viele der 8 blauen 
Massen ab und fielen zu Boden. Ich untersuchte nun die Stellen selbst un- 


ter dem Mikroskope genauer und fand an den 8 bezeichneten Punkten eben- 


(') Es hat mich einige Zeitlang die Erscheinung in Irrthum geführt, dals ich bei solchen 
Färbungen auch die Eierschläuche mit blauen Adern oder Querstreifen gefärbt sah, woraus 
hervorging, dals auch die Eierhöhlen Nahrungsstoffe aufnähmen. Allein ich habe später dies 
oft nicht gefunden und halte es daher für abnorm erzeugt durch eine Art Paralyse der Ei- 
höhlen- Öffnung und ihrer Fühlfäden, welche zuweilen dem farbigen Wasser den Eintritt 
gestatten und die Ablagerung des Farbestoffes an der klebrigen Fläche passiv bedingen mögen. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 189 


soviel Erweiterungen des Randcanals mit einer besonderen Klappe. Schon 
früher hatte ich Anhäufungen von Räderthierhülsen und kleinen Muschel- 
schalen in erweiterten Stellen des Randgefäfses zuweilen bemerkt. Jetzt 
überzeugte ich mich, dafs an jenen Stellen Öffnungen waren und dafs mithin 
jede Meduse 8 Afteröffnungen besitzt. 

Sobald diese Beobachtung zur Klarheit geworden war, fing ich mir 
im Meere frische Thiere so behutsam, dafs ich sie von selbst in ein nicht 
allzuweites Glas schwimmen liefs, welches ich ohne sie zu berühren mit 
ihnen erhob und worin ich sie sogleich mit der Lupe beobachtete. Fast 
immer fand ich so die kleinen Analbeutel mit braunen Stoffen so erfüllt, 
dafs ich anstatt der gewöhnlichen 8 braunen Randpunkte 16 derselben sah, 
wovon 8 abwechselnd die Analbeutel und ebensoviel die gewöhnlichen brau- 
nen Körperchen bildeten. Nun schnitt ich auch von einigen mit Glück sehr 
rasch solche Randtheile ab, welche noch gefüllte Analbeutel hatten und sah 
unter dem Mikroskope, dafs der braune Inhalt theils aus Bacillarien-Schalen, 
theils aus den Hülsen von Räderthieren, theils aus kleinen Krebs-Fragmenten 
oder jungen Muscheln bestand. Fing ich in einem Uhrglase die eben ent- 
leerten Excreta auf und untersuchte sie, so sah ich dasselbe. 

Ferner suchte ich besonders solcher Formen habhaft zu werden, welche 
irgend einen grofsen sichtbaren Gegenstand im Magen hatten. Ich fand oft 
genug Individuen, deren Magen einen ganzen kleinen schon halbverdauten 
Fisch, oder einen Gammarus, oder auch eine andere weniger bestimmbare 
gröfsere Masse enthielt. In Gläsern aufbewahrt verkleinerten und zersetz- 
ten die Medusen diese Dinge in Zeit eines Tages im Magen und die unver- 
daulichen oder unbehaglichen Überreste gingen sichtlich durch den Mund 
gewöllartig wieder ab. 

Hiermit war es denn sowohl durch künstliche Mittel als durch Beob- 
achtung des natürlichen Zustandes erwiesen, dafs der Darmkanal dieser Me- 
dusen aus jenen vielen einzelnen meist verästeten Kanälen besteht, welche 
unmittelbar vom Magen radienartig abgehen, dafs diese aber nur schon ver- 
daute oder verkleinerte Substanzen, harte sowohl als weiche aufnehmen, 
und dafs nur gröfsere Substanzen durch den Mund wieder ausgeworfen wer- 
den. Die kleineren Nahrungsstoffe gehen durch die strahlenförmigen Canäle 
zum eirkelförmigen Randgefäfse, welches die Stelle des Dickdarms vertritt 
und an $ Punkten desselben sind cloakenartige Erweiterungen, in denen sich 


190 Eunenpeng über die Akalephen des rothen Meeres 


die zum Auswerfen bestimmten Stoffe sammeln und wo sie durch Öffnungen 


ausgeschieden werden (). 


Sinnesorgane und Crystallbildung der Medusen. 


Nach vollständiger Ermittelung dieser organischen Verhältnisse wen- 
dete ich eine besondere Aufmerksamkeit auf die braunen Randkörper, welche 
man bisher für Excretionsorgane verschiedener Art gehalten. 

Ich fing wieder mit Beobachtung kleiner Individuen an und bestätigte 
alsbald eine im vorigen Jahre von mir gemachte Beobachtung, dafs unter 
jedem dieser von einer besonderen schützenden Hülle locker umschlofsnen 
Körper eine kleine Blase sei, in der ein zweischenklicher drüsiger Körper 
liegt und dafs in dieser Blase sowohl als in dem kurzen Stiele des braunen 
Körperchens darüber eine Cireulationsbewegung von kleinen sehr gleichar- 
tigen Körnchen war. Im vorigen Jahre schlofs ich, dafs weil der Eierstock 
dieser Thiere sehr entwickelt sei, es auch wohl deutlich entwickelte männ- 
liche Organe geben möge und ich war geneigt anzunehmen, dafs die braunen 
Randkörper, welche unter sich Drüsen (Zestes?) führten und bei den häufigen 
Contractionen der Scheibe durch Einwärtskehren des Randes immer in die 
Nähe der Eierstocköffnungen gebracht wurden, zu einem männlichen Zeu- 
gungsapparate gehören und die Befruchtung vermitteln mochten. Mit solchen 
Ideen verfolgte ich diese Verhältnisse eine Zeitlang von Neuem, und es störte 
mich nur besonders die sichtbare Cireulation gerade in diesen Organen. 

Bis dahin hatte mich auch ein anderer Zufall in Irrthum gezogen. Öfter 
hatte ich dergleichen braune Körper zerschnitten und mit dem Messer auch 
zwischen Glasplatten zerdrückt unter dem Mikroskope betrachtet, aber immer 
nur gefunden, dafs sie aus einer zelligen drüsigen Masse mit einem braun- 
röthlichen Pigmente gemischt bestanden. Nun kam mir aber bei weiterem 
Untersuchen eine andere Structur vor, ich fand, wie schon Gäde und an- 
dere vor mir auch gefunden hatten, einmal harte steinartige Körperchen 
darin und bald überzeugte ich mich, dafs dieselben regelmäfsig auserystalli- 
sirte Crystallformen hatten, nach Art des Quarzes, in sechsseitigen Säulchen 


(') Ich habe solche Färbeversuche auch an Melicertum campanulatum, Oceania pileata und 
Beroö Pileus im Meerbusen von Christiania schon im Jahre 1833 angestellt und, soweit sie 
die Darmform angehen, dieselben Resultate erlangt. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 19 


in längeren, kürzeren Formen mit doppelter 6flächiger Zuspitzung. Einige 


stellten hexagonische Täfelchen vor. Diese Beobachtung, welche mit den 


fo) 
früheren selbstgemachten contrastirte, veranlafste mich sehr viele braune 
Körper nochmals zu untersuchen. Ich fand ebenfalls wieder einige, aber 
nur wenige, von einer fast drüsigen weichen zelligen Structur, die meisten 
hatten wieder viele kleine Crystalle. Dabei liefs sich erkennen, dafs solche 
Körperchen, welche Crystalle in sich hatten, immer länger waren als die 
rein drüsigen und es war leicht zu ermitteln, dafs die kleinen Crystalle in 
einem besondern, bald mehr bald weniger ausgedehnten Beutelchen über den 
drüsigen Theil der braunen Körperchen hinausragten und also die Crystallab- 
sonderung bald häufig da war, bald (aber nur selten) weniger bemerklich war. 
Späterhin fand ich gar keine rein drüsigen Körperchen mehr, sondern weil 
ich überall scharf nachsah, fand ich auch überall Crystalle. Um die Sub- 
stanz der Crystalle zu erkennen, that ich auf mehrere abgeschnittene und in 
ein Häufchen auf eine Glasscheibe zusammengeschobene braune Körper einen 
Tropfen Vitriolsäure, worauf sich zwar das Organische etwas aber nicht be- 
deutend veränderte und die Crystalle sich gar nicht veränderten. Rosen- 
ihal, welcher dasselbe Experiment mit demselben Erfolge machte, schlofs 
daraus, dafs die harten Körperchen abgelagerte Kieselerde wären und aus 
der Härte hatte schon O.F. Müller in der Zoologia danica geschlossen, 
dafs es wohl Excremente von Meeressand wären. Die hexaedrische Gestalt 
hatte schon Gäde richtig erkannt, aber die zugespitzte regelmäfsige Crystall- 
form war noch niemandem deutlich geworden. Bei Wiederholung des Ver- 
suches fiel mir ein, dafs die organische Hülle, worin die kleinen Crystalle 
liegen, vielleicht die Einwirkung der Säure hindern möge und so zerdrückte 
ich denn erst die Beutelchen mit einem Messer so, dafs ich die Crystalle frei 
zu legen glaubte, was ich unter dem Mikroskope auch erreicht fand. Indem 
ich nun mit einem Glasstäbchen wieder einen Tropfen Schwefelsäure damit 
in Berührung und das Object sogleich unter das Mikroskop brachte, sah ich 
deutlich ein allmäliges Verschwinden der Crystalle und dafs sich bei ihrem 
Auflösen hie und da Bläschen bildeten. Ich habe später ein nicht sehr star- 
kes aber deutliches Aufbrausen mit blofsen Augen sehen können, so wie 
man es bei den Crystallen am Rückenmark der Frösche, wo es besonders 
stark ist, recht leicht erkennt. Es geht hieraus mit Gewifsheit hervor, dafs 
die Crystalle keine Kieselerde sind, und mit Wahrscheinlichkeit, dafs sie 


192 Enrenseng über die Akalephen des rothen Meeres 


4 


wohl kohlensaurer Kalk sein mögen, wie andere ähnliche Crystalle bei den 
Thieren. 

Diese Reihe von Untersuchungen lenkte mich immer mehr davon ab, 
dafs die braunen Körperchen männliche Geschlechtsorgane sein könnten. 
Vielmehr combinirte ich meine anderweitigen Erfahrungen über das Vor- 
kommen von Crystallen und vergegenwärtigte mir, dafs die bisherigen Fälle 
von Vorkommen der Kalk-Crystalle bei Thieren sämtlich in der Nähe von 
Nervensubstanz statt gefunden. 

Fortgesetzte Untersuchungen derselben Organe an möglichst grofsen 
Individuen gaben plötzlich ein unerwartetes Licht über die wohl richtigere 
Function derselben. Ich bemerkte nämlich schon mit blofsen Augen einen 
rothen Punkt auf der Oberseite der braunen Körperchen und mit der Lupe 
erkannte ich alsbald, dafs dieser Pigmentpunkt auf der Unterseite fehle. 
Dafs diese rothen Punkte Augen sein würden und dafs die zweischenkliche 
Drüse unterhalb des braunen Körpers ein Nervenknoten sei, dessen beide 
Schenkel Augennerven darstellten, dafs also hier wirklich sich wieder eine Ner- 
venmasse in der Nähe von Kalk-Crystallen nachweisen lasse, waren Ideen, die 
mich gleichzeitig erfüllten und befriedigten. Ebenso passend fand ich die Blut- 
Cireulation in der Nähe und um die Ganglien, denn gerade so überströmt 
das Blut der Daphnien ihr so sehr deutliches Gehirn mit seinen Augenner- 
ven. Da die Medusen beim Schwimmen die Convexität der Scheibe nach 
vorn, den Mund nach hinten gerichtet führen, so ist auch die Stellung der 
Augenpunkte auf der Oberseite der braunen Körper, also nach vorn, zweck- 
mälsig für das Erkennen der Richtung und das Dirigiren der Bewegung. 

All diese Gründe zusammengenommen in mir zur Überzeugung 
gebracht, dafs die Medusen wirkliche Sinnes-Organe und Nerven, nämlich 
5 einfache gestielte Augen besitzen, die jedoch, der beiden Sehnerven we- 
gen, vielleicht aus je 2 einander stark genäherten bestehen. 

Der Erfolg dieser Untersuchungen fesselte mich nun immer mehr und 
ich ging zur Beobachtung noch anderer organischer Verhältnisse über. 


Blutbewegung und Respiration. 
Die Circulation eines Blutartigen Saftes, welche man schon öfter gese- 
hen zu haben berichtet hat, und dessen Existenz mir deutlich geworden war, 
regte mich besonders an. Ich bediente mich zu Versuchen darüber der mög- 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 193 


lichst kleinsten Individuen und ich fand junge Thiere von kaum 6 Linien 
Durchmesser, welche schon ganz ausgebildet waren und daher nebenbei be- 
wiesen, dafs das von O.F. Müller in der Zoologia danica, als ein wegen 
seiner Jugend noch tentakelloses Thier, abgebildete Individuum, seiner Gröfse 
halber, kein wohl erhaltenes, sondern ein verstümmeltes Individuum gewe- 
sen sein mufs, und dafs die Entwicklungsgeschichte dieser Thiere noch erst 
eine weitere Aufklärung über die ersten Zustände erwartet. Ich untersuchte 
zuerst die strahlenförmigen Canäle des Darmes, in deren Umgebung ich Ge- 
fäfse vermuthete. Nebenbei konnte ich keine Circulation erkennen, wohl 
aber sah ich wieder, was ich auch früher schon beobachtet hatte, dafs in den 
Canälen selbst eine körnige Masse sich hin und her bewege, was zuweilen einer 
Bluteireulation gar nicht unähnlich war. Ich war aber schon zu vielfach be- 
kannt mit der wirbelnden Bewegung der innern Darmhaut vieler kleinen 
Thiere und mit wahren Blutkügelchen, als dafs ich nicht in jener Bewegung, 
die deutlich genug vorlag, vielmehr eine Chymus-Fluctuation, als eine Blut- 
Circulation hätte erkennen sollen. Bei Haleyonellen, Sertularien und vielen 
andern kleinen Thieren hat man von Circulation gesprochen, wo nur an 
Chymus-Bewegung zu denken war und dadurch versäumt, sich nach der 
wahren Circulation mehr umzusehen. Ich habe schon erwähnt, dafs ich die 
von Eschscholtz erkannte Blut-Circulation bei Cestum auch nur für 
Chymus-Fluctuation halten kann, da die Canäle, welche sie zeigen, deut- 
lich mit dem Magen zusammenhängen und man erst ein dem Organismus ge- 
nügendes Ernährungssystem nachgewiesen haben mufs, ehe man ein Gefäls- 
system wahrscheinlich machen kann, wie es denn bei den Beroön und bei 
Cestum an Ernährungsorganen für die Masse offenbar fehlen würde, wenn 
man jene Canäle für Blutgefäfse halten wollte. Also weder die Bewegung 
in den Gefäfsradien der Scheibe, noch die in dem Cirkelgefäfse des Randes 
konnte ich für Blut-Circulation halten, obschon ich der Erscheinungen hal- 
ber manchmal gern geglaubt hätte, dafs wohl ein Blutgefäfs über dem Darme 
liege. Querdurchschnitte belehrten mich deutlich, dafs auch dies nicht der 
Fall sei. Nirgends weiter habe ich mich von wahren Blutkügelchen und de- 
ren kreisender Bewegung ganz überzeugen können, als in und unter den 
braunen Körpern, in deren Nähe mir zuweilen wohl auch neben dem Rand- 
gefäfse ein Strom deutlich wurde. Eine Verbindung der 8 Circulationspunkte 
untereinander gelang mir nicht zur Überzeugung zu bringen, obschon ich 


Physikal. Abhandl. 1835. Bb 


194 Eurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


keine scharfe Grenze sah und jene auch hypothetisch lieber annehmen als 
glauben möchte, dafs die grofse Masse des Thieres nur durch Serum benetzt 
werde, welches sich etwa in den sichtbaren unzähligen netzförmig anasto- 
mosirenden Canälchen unsichtbar fortbewegt. Man sieht nämlich ein deut- 
liches Maschennetz in der Substanz überall verbreitet und durch zahllose 
kleine drüsige Körper unterbrochen, oder in diesen ihre Centralpunkte 
findend. 

Nach diesen Untersuchnngen wäre denn der allgemeine Ausdruck für 
das Gefäfssystem der, dafs der Körper der Meduse durch ein dichtes Netz, 
sehr feiner durch drüsige Körnchen verbundener Linien gebildet wird, welche 
leicht ein Gefäfsnetz sein könnten, dessen Gefäfse jedoch so fein sind, dafs 
sie die Blutkügelchen desselben Thieres ohne speciellen, dem Entzündungs- 
processe ähnlichen Reiz nicht aufnehmen können. Aufser dieser netzförmi- 
gen Organisation lassen sich in der Basis der 8 braunen Körper am Rande 8 
nicht deutlich verbundene Circulationen von rundlichen Blutkügelchen er- 
kennen, die von einfacher Structur zu sein scheinen und ‚!, bis ‚t; Linie 
Durchmesser haben, mithin den menschlichen Blutkügelchen an Gröfse 
ziemlich gleichen und denen von Daphnia Pulex gleich sind. Vielleicht 
sind dieselben Stellen, wo die Circulation deutlich hervortritt und in die frei 
stehenden Stiele der Augen übergeht, dem Respirations-Acte überwiesen 
und man mufs vielleicht den Medusen 8 Kiemen zugestehen, welche gleich- 
zeitig die Träger der Augen sind. Gegen die letztere Meinung spricht die 
Trägheit dieser Organe etwas, da die Kiemen, wo sie bestimmter vorkom- 
men, in einer undulirenden oder wirbelnden Bewegung zu sein pflegen, al- 
lein die deutliche Circulation in den freien äufseren Organen dürfte auch 
ein Gewicht für die Deutung haben und die auf dem Rücken der Asterias 
hervortretenden Cirren, welche sich sehr ähnlich verhalten, erleichtern diese 
Ansicht. Vielleicht findet man bei noch schärferer Aufmerksamkeit selbst 
an der Oberfläche der vermeinten Medusen-Kiemen eine ähnliche Wirbel- 
bewegung, 
giebt bei den Medusen Complicationen der Structur, welche darüber nach- 


auf welche scharf zu achten ich verabsäumt habe. Genug es 


zudenken veranlassen, ob man ihnen nicht sogar Organe für eine Respiration 
zugestehen müsse. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 195 


Bewegungsorganismus der Medusen. 

Nach diesen Untersuchungen, zum Theil gleichzeitig mit ihnen, habe 
ich mich bemüht, in das organische Bewegungssystem dieser Formen eine 
deutlichere Einsicht zu erlangen, als sie bisher vorhanden war und das Ver- 
trauen auf das Vorhandensein von besonderen Bewegungsorganen, so wie 
das Mifstrauen in die Gründlichkeit meiner Untersuchungen, so lange ich 
keine fand, haben dieselben denn auch ans Licht gezogen. 

Bei Medusa capillata kannte man schon vor Gäde’s Untersuchungen, 
der es aber zur bestimmteren Klarheit brachte, dafs die netzartigen parallelen 
Fasern, welche wie freie Schnüre concentrisch auf der Unterseite liegen und 
ansehnlich dick sind, die Contraction bewirkten und Muskeln wären. Allein 
diese Muskeln blieben doch verdächtig und gewannen kein allgemeines Ver- 
trauen. Der Grund lag darin, weil nicht alle, ja nur sehr wenige Medusen 
solche Apparate zeigen, obschon sie alle eine kräftige Bewegung und CGon- 
traction erkennen lassen. Dies Mifsverhältnifs ist es besonders, welches auf- 
zuklären ich mir vornahm und welches mir gelungen ist auf einen wohl an- 
sprechenden Gesichtspunkt zu führen und auszugleichen. 

Am frühesten überzeugte ich mich bei Medusa aurita von 2 keulen- 
förmigen Muskelbündelchen in der Basis jedes einzelnen Randfühlfadens. 
Ich fand diese schon im Jahre 1833, da sie aber zur Bewegung des ganzen 
Thieres nicht beitragen und vielmehr dessen auffallende klappende Totalbe- 
wegung, wenn sie ohne besondere Organe vor sich gehen sollte, in Verwun- 
derung setzt, so hielt ich das Problem damit nicht für gelöst. Ich suchte in 
der Substanz der Scheibe nach Organen der Bewegung. Die Durchsichtig- 
keit der gallertigen Masse liefs mich lange umsonst nach dem suchen, was ich 
mich hinterher wunderte nicht mit blofsen Augen sogleich erkannt zu haben, 
wie es ebenso mit den rothen Augenpunkten erging. 

Man sieht ganz leicht mit blofsen Augen jeden strahlenförmigen Er- 
nährungs-Canal, der vom Magen zum Rande geht, auf der Unterseite von 
2 röthlichen Linien eingefafst, die ich lange Zeit für blofses Pigment der 
Oberfläche hielt, allein als ich feine Querschnitte der Substanz machte, um 
zu erkennen, ob die Canäle blofse Aushöhlungen in der Gallerte wären, 
oder ob sie eigne bestimmte Gefäfswände hätten, die sich anschaulich machen 
liefsen, so bemerkte ich immer an 2 Stellen der unteren Seite der allerdings 


Bb2 


196 Eurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


deutlichen Gefäfshaut eine Verdiekung. Diese Verdickungen befanden sich 
immer an den Stellen, wo die beiden das Gefäfs einfassenden Pigmentstreifen 
äufserlich sichtbar waren. Dies erweckte in mir schon die Idee von Con- 
tractions- und Expansions-Organen für die Scheibe. Durch Compression 
abgeschnittener Theile, die nicht allzuviel Gallerte enthielten, erlangte ich 
sehr bald wirkliche Längsfaserung der röthlichen Linien zur Anschauung und 
es kann deshalb gar nicht gewagt sein, diese Linien für Muskellinien anzu- 
sprechen, welche überall die Darmeanäle begleiten und mit deren Gefäfs- 
wänden innig verbunden sind, da man sie leicht sehen kann. So ist denn also 
die Bewegung dieser Körper keineswegs ein unbestimmter Act der Irritabi- 


lität, sondern dem bestimmten Willenseinflusse des Thieres zugänglich. 


Fortpflanzungs- Organismus. 


Ein ähnliches doch etwas verschiedenes Verhalten beobachtete ich an 
Cyanea capillata, deren Darmverzweigung von obiger etwas abweicht, in- 
dem die vom Magen kommenden Haupt-Ernährungs-Canäle länger einfach 
bleiben und erst in der Nähe des Randes sich in viele kurze gebogene Zweige 
verästeln. Hier sah ich die röthlichen Muskelstreifen nur an den geraden 
Hauptradien, aber also doch wieder als Längsmuskeln. Ob nun diese For- 
men in jenen netzförmigen Schnüren der mittleren Scheibe noch concentri- 
sche Quermuskeln besitzen, wofür man bisher diese Fäden angesehen hat, 
oder ob diese freien Querfäden eine andere Function haben, konnte ich 
nicht entscheiden. Nach der Analogie von Medusa aurita würde die €. ca- 
pilata auch ohne das concentrische Fasernetz ihre Bewegung hervorzubrin- 
gen hinreichend organisirt sein. 

Endlich hatte ich auch noch Zeit, Lust und Mufse, mich nach dem 
Fortpflanzungs- Organismus derselben Thiere umständlich umzusehen. Ob- 
wohl Gäde, der erste umfassendere Monograph der Medusen- Organisation, 
die 4 röthlichen meist halbeirkelförmigen Wülste in der Mitte der Medusen- 
scheibe nicht für den Eierstock, sondern für die Leber hielt, so hatten doch 
später Eysenhardt, von Baer und Rosenthal die wahre Function der- 
selben schon bestimmter ermittelt und ich konnte dies nur bestätigen. Auf 
der Unterseite um den Mund hinter den grofsen Fangarmen liegen 4 abge- 
schlofsne Räume, welche vom Magen durch eine nicht sehr dicke Haut nach 
innen getrennt sind. In diesen Räumen liegen die 4 gelblichen oder röth- 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 197 


lichen Cirkelwülste, welche leicht in die Augen fallen. Jeder Raum hat 
unterhalb eine runde ziemlich weite Öffnung, durch die das Wasser bestän- 
dig freien Zutritt zum Eierstocke hat. Nicht weit von der Öffnung befindet 
sich am untern Blatte innerhalb ein Kranz von Fühlfäden, welche mit ihren 
von Saugwärzchen besetzten kolbigen Spitzen oft aus der Öffnung ragen. 
Am Grunde jedes solchen Fühlfadens, oder zwischen je 2, ist ein markiges 
Knötchen, welches wohl zum Nervenmark gehören könnte, so wie andere 
ähnliche Markknötchen zwischen je 2 Randfühlern liegen und mit ihren 
Schenkeln sich immer in 2 verschiedene Fühler einsenken. Im hinteren 
Raume der Eierstockhöhle liegt ein quergefalteter, festgehefteter, in der 
spätern Zeit locker werdender Schlauch, welcher mit violetten oder gelbli- 
chen Kugeln dicht erfüllt ist. Ich habe durchaus kein Bedenken, diesen 
Schlauch für den Eierstock und zugleich den Eileiter mit Zuversicht zu hal- 
ten, denn die von ihm eingeschlossenen verhältnifsmäfsig grofsen Kugeln 
bestehen, wenn sie kleiner sind und noch eine schön violette Farbe haben, 
aus einer farblosen Schale und einem dotterartigen, gefärbten, körnigen, zu- 
weilen blasigen Inhalte, wie man es bei allen Eiern zu sehen gewohnt ist. 
Hat dieser Eierstock eine mehr gelbliche Farbe und ist er mehr aufgelockert, 
so sind die Kugeln gröfser, gelblich, einige eiförmig 


8 ö 
letztern ohne Schale, also schon ausgekrochen, und etwas später entleert 


und bewimpert, die 


der gefaltete Schlauch immer mehr von diesen Körpern, bis er zuletzt ganz 
farblos oder milchfarbig wird. Die befreiten Kugeln, welche rücksichtlich 
der Gröfse, als Eier, kein unrichtiges Verhältnifs zum Mutterthiere hatten, 
obschon man sie mehr klein als grofs nennen kann, sammeln sich an den ge- 
franzten Falten der 4 grofsen Mundfühler, welche durch die herabhängenden 
langen Mundwinkel des viereckigen Mundes gebildet werden und durch ihren 
Reiz oder eine gleichzeitige Turgescenz des Mutterthieres bilden sich an jenen 
Mundfühlern dicht neben den Franzen kleine Taschen, welche sich immer 
mehr erweitern, je mehr bewimperte Junge oder Keime sich in sie hinein- 
drängen, bis zuletzt die 4 Fangarme ebensoviel beerenhaltigen Trauben glei- 
chen. Nach einiger Zeit entleeren sich die Taschen wieder, indem die Jun- 
gen im Wasser frei davon schwimmen und die Taschen selbst verschwinden. 
Fast scheint es, dafs die Saugwärzchen der Franzen an den grofsen Tentakeln 
nur zum Festhalten und Dirigiren der aus dem Eierstocke entleerten Brut 
dienen. Werden vielleicht auch die einzelnen Jungen durch die Fühlfäden der 


198 Ennengerg über die Akalephen des rothen Meeres 


Eierstockhöhlen erfafst und bis an die Fühlfäden der grofsen Tentakeln hin- 
geleitet? Diese Verhältnisse liefsen sich nicht ermitteln. 

Aus dieser einfachen Erzählung der Erscheinungen ergiebt es sich 
aber wohl deutlich, dafs man jene rundlichen Körper der Eierstöcke für die 
Brut dieser Thiere zu halten hat. Dennoch giebt es einige Schwierigkeiten, 
die nicht übergangen werden dürfen. 

Die Form der Brut, besonders wenn sie in den periodischen Beuteln 
der Fangarme aufgenommen ist, hat gar keine Ähnlichkeit mit einer Meduse, 
sondern eine sehr grofse mit einer Leucophrys oder Bursaria der Infusorien 
und man hat noch keine Entwicklung dieser Formen in Medusen gesehen. 
Deshalb hat man schon (wie v. Baer) davon gesprochen, dafs diese Körper 
wohl Parasiten sein könnten. Obwohl ich selbst auch die Verwandlung di- 
rect zu verfolgen keine Zeit mehr übrig hatte und in den Versuchen, die ich 
machte, nicht glücklich war, weil sie starben, so scheint es mir doch sehr 
unnatürlich, dafs das periodische Erscheinen der vielen Taschen an den 
Mundfühlern, das Anschwellen fast aller Individuen ohne Ausnahme mit sol- 
chen Beuteln zu gewissen Zeiten, ferner der Umstand, dafs man dieselben 
Körper mit andern, blafs violetten, kleinen Medusen ohne Fangarme mehr 
ähnlichen, an Zahl aber weit geringeren Körpern gleichzeitig schon im Eier- 
stocke selbst findet, blofs als Parasiten bezeichnen solle. Auffallend freilich 
waren mir auch die so sehr verschiedenen Formen der Eier der Eierstöcke, 
allein wenn man sich unter diesen Umständen nicht vorläufig mit den vorhan- 
denen Erfahrungen begnügen will, so würde ich vielmehr die Verschiedenheit 
der Formen auf ein Geschlechtsverhältnifs zu übertragen geneigt sein. 

Ungeachtet nämlich sehr angestrengter Untersuchung der Medusa 
aurita gelang es mir nicht eine Spur von Organen zu finden, die sich etwa 
für männliche Sexual-Organe halten liefsen. Anderweitige ausgebreitete 
Untersuchungen im Thierreiche lassen es mir aber nicht mehr wahrscheinlich 
werden, dafs es in der Natur überhaupt blofs weibliche Thiere gebe, die 
nicht getrennten Geschlechts, sondern wirklich Anandra wären. Unter 
diesen Umständen kommt jene grofse Verschiedenheit der Brut vielleicht 
etwas zu Statten, und es ist gewifs nicht mehr gewagt, die bewimperte, den 
Infusorien ähnliche, zahlreichere, in den Beuteln vorzugsweise aufgefangene 
Brut für eine sehr kleine männliche Form zu halten, als den immer mit Eier- 
stöcken versehenen Medusen ein männliches Geschlecht ganz abzusprechen. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 199 


Die Gröfsendifferenz, welche ansehnlich ist, würde hierbei gar nicht von 
grolsem Gewicht sein, da es sehr viele Thiere giebt, bei denen die Männchen 
den Weibchen an Gröfse ganz aufserordentlich nachstehen. Diese Meinung 
spreche ich blofs als eine Hypothese aus, die keinen wissenschaftlichen Werth 
der Festigkeit haben soll, aber darauf hinleiten möge, auch diesen Gesichts- 
punkt bei den künftigen Untersuchungen nicht aus dem Auge zu lassen ('). 


Über die Zahlenverhältnisse und Varietäten der Medusa aurita. 

Man hat die Zahl der Eierstöcke und äufseren Organe bei den Aka- 
lephen zu Gattungscharacteren benutzt. Nach den Beobachtungen, welche 
ich an Medusa aurita machen konnte, sind diese Zahlen bei den Individuen 
sehr unsicher und veränderlich. Schon frühere Beobachter, besonders aber 
Herr von Baer, haben speciell darauf aufmerksam gemacht, dafs zwar am 
häufigsten 4, aber nicht immer 4 Eierstöcke und Fangarme vorhanden sind. 
Schon OÖ. F. Müller beobachtete zuweilen 3. Herr von Baer beobachtete 
3, 4, 5 und 6 und letzterer fand, dafs mit der Zahl der Eierstöcke auch 
immer die Zahl der Fangarme und Canäle sich regelmäfsig anders zeigt. Das 
letztere Verhalten konnte ich leicht bestätigen und bei den Untersuchungen 
vieler Hunderte und dem prüfenden Anblick wohl vieler Tausende von Indi- 


(‘) Nach einer neueren öffentlichen Anzeige in Frorieps Notizen Sept. 1836 von Herrn 
Dr. von Siebold in Danzig und auch Privatnachrichten zufolge ist es demselben gelungen, 
in verschiedenen Individuen der Medusa aurita Geschlechtsdifferenzen zu erkennen, so dals 
es also allerdings ein getrenntes Geschlecht bei diesen Formen, aber auf andere Weise, gebe. 
Die Männchen sollen sich wenig, nur durch geringere Grölse und durch Mangel der kleinen 
Beutel an den Fangarmen, besonders aber dadurch von den Weibchen unterscheiden, dafs sie 
in den Eierstöcken keine Eier erkennen lassen. Dergleichen Formen sind auch mir sehr viele 
vorgekommen, allein ich habe all jene Charaktere nur für Jugendzustände der Weibchen des- 
halb halten zu müssen geglaubt, weil ich die entschiedensten allmäligen Übergänge all jener 
Zustände in die vollendet entwickelten eiertragenden Weibchen häufig vor mir hatte und nie 
bewegte Spermatozoen im Innern sah. Zufolge einer Privatnachricht glaubt Herr von Sie- 
bold die Bewegung von Spermatozoen bei den Männchen beobachtet zu haben und das wäre 
allerdings, wenn es nicht krankhafte Entozoenbildung ist, wohl entscheidend. Dieselben Or- 
gane in ganz gleicher Form und Farbe, welche bei den Weibchen Eier enthalten, sollen bei 
den Männchen bewegte Spermatozoen führen. Obwohl die so sehr gleiche Form und Farbe 
jener Organe beider Geschlechter etwas beunruhigendes hat, auch die anderen Gegengründe 
einiges Gewicht behalten, so verlangen doch jene Mittheilungen des sehr achtungswerthen 
geübten Beobachters besondere Aufmerksamkeit und machen eine baldige weitere Entwicklung 
dieser Verhältnisse noch wünschenswerther. Spätere Bemerkung. 


200 Enrengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


viduen, habe ich die Beobachtung dieser Verhältnisse noch ansehnlich erwei- 
tern können. Ich habe Individuen gefunden mit 1, 2, 3, 4, 5, 6 und 8 
Eierstöcken. Die übrigen Organe verhielten sich dabei folgendermalsen. 
Die Individuen, welche einen einzelnen Eierstock zeigten, hatten diesen im- 
mer cirkelförmig um den Mund und gewöhnlich war er aus 3 oder 4 ver- 
schmolzenen Eierstöcken entstanden, die auch immer ihre besonderen Öff- 
nungen zeigten, obschon die Räume innen zusammenhängen. Ein doppelter 
Eierstock, den ich beobachtet, war aus 6 einzelnen zusammengeflossen und 
hatte 6 Öffnungen für 2 Räume. Andere Bildung habe ich bei diesen Zahlen 
nicht gesehen. In jenen Fällen waren immer so viele Mundlappen (Tenta- 
keln) als Offnungen für die Eierhöhlen da waren, also 3, 4, 6. Ganz in 
gleichem Verhältnifs hatte sich die Zahl der Darm-Radien und braunen Rand- 
körper von der Grundzahl 4 entweder vermehrt oder verringert. Bei 4 Eier- 
stöcken sind als Regel 4 Fangarme an einem viereckigen Munde, 8 Kiemen- 
Augen (braune Körperchen), 8 Afteröffnungen und 16 Hauptradien des 
Darms, von denen 8 verzweigt sind. Bei 3 Fangarmen ist der Mund drei- 
eckig und es finden sich 3 Eierstöcke mit 3 Öffnungen, 6 Augen-Kiemen, 
6 Afteröffnungen und 12 Hauptradien des Darmes. Bei $ Fangarmen ist der 
Mund achteckig, es finden sich 8 Eierstöcke mit 8 Öffnungen, 16 Kiemen- 
Augen, 16 Afteröffnungen und 32 Darmradien u. s. w. 


5 
Nicht selten gab es jedoch Abweichungen von diesen Regeln. Zu- 


8 

weilen fanden sich 3 Eierstöcke und 4 Tentakeln mit viereckigem Munde und 
Disposition der übrigen Organe nach der 4-Zahl. Bei genauerer Betrach- 
tung fand sich dann immer, dafs ein Eierstock etwas gröfser war und sogar 
zuweilen 2 Öffnungen hatte. Ähnliches fand sich bei anderen Zahlen des 
Eierstockes. Allein es fanden sich auch bei sechseckigem Munde, 6 Tenta- 
keln, 6 Eierstöcken und Eieröffnungen, anstatt der nöthigen 12 braunen Kör- 
per und 24 Darmradien, nur 11 braune Körper und 22 Darmradien. Bei 3 
Eierstöcken, dreieckigem Munde, 3 Tentakeln fand ich zuweilen 7 braune 
Körper und 14 Darmradien, statt 6 und 12. Bei 8 Eierstöcken und 8 Tenta- 
keln zählte ich einmal 14 Kiemen-Augen und 28 Darmradien, anstatt 16 
und 32. 

Ich versuchte nun den Grund dieser schwankenden Zahlenverhältnisse 
zu erkennen und es gelang auch leicht. In allen Fällen, welche ich beobach- 
tete, ergab sich ein Streben zur Vierzahl, das bald durch Wucherung in ein- 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 201 


g nicht er- 


reicht war. Nie nämlich waren in Fällen wo die Zahlenverhältnisse dessel- 


zelnen Organisationstheilen überschritten, bald durch Hemmun 


ben Individuums untereinander differirten die Zwischenräume gleich, wie es 
sonst der Fall ist und was, wie es scheint, ein deutlicher Beweis ungleichar- 
tiger Ausbildung ist. Da hingegen, wo die Zahlen regelmäfsig als 3, 6, 12, 
oder 4, 8, 16, oder 6, 12, 24 in gleichen Zwischenräumen auftraten, könnte 
es scheinen als liefse sich nicht entscheiden, welche von diesen Zahlen die 
wahre dem Thier angehörige und welche die zufällige sei, oder ob alle gleich- 
mäfsig normal wären. Jedoch auch da geben andere Verhältnisse ein befrie- 
digendes Anhalten. Unter 100 Individuen nämlich, die ich beobachtete, 
läfst sich kaum ein anderes Verhältnifs auffinden, als dafs 90 die reine Vier- 
theilung 4, 8, 16 zeigten, etwa 3 die Dreitheilung 3, 6, 12, etwa 3 die 
Fünftheilung 5, 10, 20, vielleicht 2 die Sechstheilung 6, 12, 24 und die 
übrigen 2 andere Zahlen erkennen liefsen (!). Es gab also einen häufigen 
Typus und seltene Schwankungen um denselben, wie das Lebendige sie über- 
all zeigt. So finden sich 4 Blätter am Kleeblatt, so 5 Blättchen an der vier- 
theiligen Fliederblume zuweilen sogar häufig, aber nicht als Regel. Ja wo 
durch Cultur der Typus vollkommen verändert erscheint, kehrt er zurück 
wenn die Pflege nachläfst, wie die Gartencultur bei den Pflanzen und Ver- 
edelung der Hausthiere es zu allen Zeiten gelehrt hat. 

Bei Betrachtung dieser Zahlenverhältnisse in den Individuen der Me- 
dusen habe ich jedoch ein Gefühl nicht unterdrücken können, welches von 
mehreren Seiten her angeregt wurde und vielleicht auch anderen nicht fremd 
geblieben. Sind nämlich die Medusen wirklich einfache Thiere, Individuen, 
oder sind sie Aggregate von Thieren, den Polypenstöcken, den zusammen- 
gesetzten Ascidien gleich. Ich gestehe dafs die vielen Darmöffnungen, welche 
sich deutlich machen liefsen, mich ganz besonders mit dieser Idee erfüllt 
haben und dafs die Schwankungen in den Zahlenverhältnissen keineswegs 
dazu beitragen, diese Idee zu entfernen. Auch die strahlenförmige Anord- 


(‘) Unter den Tausenden der gesehenen Individuen erkannte ich nämlich nur 2 acht- 
theilige und etwa 15 bis 20 sechstheilige, nur etwa 20 bis 30 fünf- und dreitheilige, alle 
übrigen waren viertheilig. Die ein- und zweitheiligen Eierstöcke hatten keinen weiteren 
Einllufs auf die übrigen Zahlenverhältuisse und waren sehr selten. 


Physikal. Abhandl. 1835. @e 


2302 Eurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


nung der gleichartig wiederkehrenden Organisations - Glieder leiten zu diesem 
Gesichtspunkte hin. Wäre die Medusa aurita ein zusammengesetztes Thier, 
so würde die einfache Form einen röhrenförmigen einfachen Mund mit run- 
der Öffnung und einem einfachen Tentakel, einen halbeirkelförmigen Eier- 
stock, 4 Darmradien, 2 Kiemen-Augen und freilich auch noch 2 Afteröff- 
nungen haben. Rücksichtlich der Form -Entwicklung wird diese Idee nicht 
begünstigt. Ich habe 6 Linien grofse Formen dreitheilig, viertheilig und 
nicht viel gröfsere achttheilig gesehen, während ich auch dreitheilige von 6 Zoll 
und viertheilige von fast 1 Fufs im Durchmesser zu beobachten oft Gelegen- 
heit hatte. Alle von mir beobachteten gröfsten Individuen waren viertheilig, 
was noch ein nicht unwichtiger Grund mehr für das Typische dieses Zahlen- 
verhältnisses der Viertheilung ist und so erscheint denn in Rücksicht auf Ent- 
wicklung die Achttheilung nicht als eine Vergröfserung und Entwicklung der 
Viertheilung, sondern als ein Überbilden und Zertheilen des Keimes auf 
Kosten der inneren Kraft, oder, was gleich ist, als eine Monstruosität. Es 
scheint sich hiermit denn durch die Erwägung der Entwicklung der Medusen 
feststellen zu lassen, dafs sie zu den zusammengesetzten Thieren nicht gezo- 
gen werden können, odes es müfste sich denn der Entwicklungsprozefs vom 
einfachen zum zusammengesetzten Thiere schon in der zartesten Jugend vollen- 
den, was meinen Erfahrungen zufolge im Eie nicht geschieht, so lange das- 
selbe mit der Mutter in Verbindung ist. Auch die in den Brutbeuteln der 
Tentakeln sich weiter entwickelnden Jungen geben darüber keine Belehrung 
und doch erreichen sie da schon die Gröfse von 4 Linie. Die nächstfolgen- 
den Gröfsen der frei umherschwimmenden Brut bis zu der von 6 Linien sind 
noch nicht beobachtet, allein es ist nicht wahrscheinlich, dafs die Beobach- 
tung derselben in der Sache, wie sie schon vorliegt, etwas ändern werde, 
weil nach vollendeter Entwicklung und dem Selbstständigwerden der Jungen 
die Anlage zur Scheibenbildung bereits anschaulich wird und bei 6 Linien 
Gröfse schon alle Complicationen des strahligen Organismus wie im 6 Zoll 
grofsen Thiere vollendet sind, mithin die Form in der Zwischenperiode gar 
nicht, oder doch nur durch allmälige Verlängerung der Tentakeln und Aus- 
einandertreten der früher durch enges Aneinanderliegen undeutlichen Theile, 
verändert werden mag. 


und den Organismus der Medusen der. Ostsee. 203 


Übersicht aller der Nervensubstanz vergleichbaren Theile im Körper der 
Medusen. 


Dafs 2 drüsige Knötchen unter jedem der kleinen Augenstiele liegen 
und zur Pigmentstelle hinlaufende Schenkel haben und dafs diese Knötchen 
Nervensubstanz sein mögen, habe ich bereits als annehmlich auseinanderge- 
setzt. Die feinkörnige Natur der rothen Pigmentmasse und die völlig analoge 
ja gleiche Augenbildung bei den Cyelopiden der Entomostraca und der Rä- 
derthiere erlauben und befestigen diese Annahme. Ich habe aber die Spu- 
ren eines Nervensystems noch weiter verfolgt, indem ich auf die am meisten 
irritablen Stellen dieser Thiere meine intensiveste Aufmerksamkeit richtete. 
Ich glaube denn noch auf andere Nerven hinweisen zu können. 

Um den Mund unmittelbar hat es mir nicht gelingen wollen etwas Ner- 
venartiges oder Hirnartiges zu erkennen, allein ich fand längs des ganzen 
Scheibenrandes zwischen je 2 der feinen Fühlfäden einen beim auffallenden 
Lichte weifslichen, beim durchgehenden Lichte gelblichen, markigen, zwei- 
schenklichen Knoten in Form den obenbeschriebenen Augenknoten ähnlich 
und mit seinen 2 Schenkeln zu 2 verschiedenen Fühlfäden gehend. Diese 
Schenkel, oder dünner werdenden Verlängerungen, konnte ich in der Basis 
der Fühlfäden eine Strecke lang verfolgen, wo sie an der Innenseite der bei- 
den keulenförmigen blafs röthlichen Basalmuskeln als gelbliche Streifen sicht- 
bar waren. Zwischen den beiden Schenkeln je 2 benachbarter Ganglien liegt 
der kleine Blindfortsatz des ernährenden Randcanals, welcher sich mit Farbe 
füllt. So anschaulich nun diese Verhältnisse waren, so hat es mir aber doch 
nicht gelingen wollen, den blau erfüllten Darm von der danebenliegenden 
drüsigen (Nerven) Substanz zu isoliren, vielmehr schien entweder die drüsige 
Substanz geradhin einen Theil der Darmwand zu bilden, oder letztere war 
so fein und so fest angeheftet, dafs sie eine Isolirung nicht gestattete. 

Eine ähnliche Organisation erkannte ich bei den Fühlerkränzen, 
welche die Öffnungen der Eierstockhöhlen innerhalb umgeben. Auch hier 
fanden sich zahlreiche markige Knötchen an der Basis des Kranzes. Je 2 
Knötchen schienen zu jedem einzelnen Fühlfaden zu gehören. Sind diese 
markigen oder drüsigen, d.h. feinkörnigen, an Farbe bei durchgehendem 
Lichte ebenfalls gelblichen Knötchen Nervenmasse, so wäre die Nervensub- 

Cce2 


204 Eurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


stanz bei Medusa aurita keineswegs der Gallerte unsichtbar beigemischt, 
sondern folgendermafsen ganglienartig vertheilt: 

Dem Schlunde zunächst liegen 4 Gruppen von Markknötchen kranz- 
artig in den Geschlechtshöhlen neben den Eierstöcken und stehen mit eben 
sovielen Gruppen von Fühlfäden in nächster Beziehung. Eine andere mehr 
zusammenhängende Reihe von Markknötchen bildet einen dichten Kranz am 
äufsersten Scheibenrande dicht an der Basis der Randfühlfäden, welcher aber 
auch durch die eingeschalteten 8 braunen Körper achtmal unterbrochen ist. 
Endlich giebt es 8 Paar isolirter Markknötchen an der Basis der 8 braunen 
Randkörperchen selbst, welche die Unterbrechung der übrigen Randknötchen 
zu ergänzen scheinen, aber sich mehr isoliren, es sind die, welche ich vor- 
hin als Augennerven besonders bezeichnet habe ('). 

Die Localität und enge Verbindung mit den offenbar wahrscheinlich 
empfindungsreichsten Theilen dieser Thiere verdienen doch wohl die Auf- 
merksamkeit auf jene Markknötchen, welche ich denselben widmen zu müs- 
sen glaubte und die Verbindung einzelner mit einer deutlichen Absonderung 
von Kalkkrystallen und rothem Pigment, samt den übrigen angegebenen be- 
gleitenden Nebenumständen und Analogieen scheinen es genügend zu ver- 
theidigen, wenn ich von isolirter Nervensubstanz und einem Nervensystem 
dieser Thiere zu sprechen mir erlaubte. Dafs aber unter diesen genannten 
verschiedenen Theilen des Systemes keine Verbindung sei ist höchst unwahr- 
scheinlich, so wenig es auch ihrer Feinheit oder Durchsichtigkeit halber ge- 
lungen ist, dieselbe nachzuweisen. Für künftige Forschungen bleiben also 
die eigentlichen feinen Nervenverbindungen unter sich und den verschiede- 
nen Organen ein weites Feld der Untersuchungen. 


(‘) Nach einer neueren Untersuchung von Medusen in Helgoland im Jahre 1835 habe ich 
an der Cyanea Lamarckiü, helgolandica und Chrysaora isoscela keine rothen Pigmenttflecke 
erkannt, allein die beiden Drüsen unter dem gelben gestielten Crystallbeutelchen waren deut- 
lich ebenso vorhanden und überall fanden sich sehr deutliche Erystalle. Es mag wohl augen- 
lose Medusen geben, wie es solche Räderthiere, Planarien, Annulaten u. s. w. giebt, bei deren 
einigen auch Nerven und Ganglien in der Augengegend p’gmentlos wahrgenommen werden. 
Man vergleiche meine Darstellung des Nervensystems der Hydatina senta. 

Ich habe mich ferner nachträglich an in schwachem WVeingeist aufbewahrten Exem- 
plaren der Medusa aurita überzeugt, dals dem ausgeblichenen Pigmentllecke noch ein ansehn- 
licher drüsiger (Nerven) Knoten zur unmittelbaren Basis dient, welcher denn dem ähnlichen 
bei Planarien, Räderthieren und dem Cyclops vergleichbar ist. Spätere Anmerkung. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 205 


Bau der Gallertscheibe der Medusen an sich. 

Um die Aufeinanderfolge meiner Erfahrungen gerade so aufzuzählen, 
wie die Untersuchung statt gefunden, berühre ich jetzt erst specieller den 
Bau der Gallertscheibe. Gerade diese grofse Gallertmasse hat der früheren 
Untersuchung theils bei Medusa aurita, theils bei den Rhizostomen viel ge- 
schadet. Man hielt sie oft für den organischen Haupttheil des Tbhieres, 
welcher, die Oberfläche vergröfsernd, die Ernährung durch Absorbtion ver- 
mittle, während sie offenbar nur ein Nebentheil ist. Auch die, freilich 
nur scheinbare, Einfachheit ihrer Structur veranlafste deutlich bis in die 
neueste Zeit die Ansicht von allgemeiner Einfachheit der Medusen. Ich 
habe an dieser Gallertmasse, abgesehen von den ihr unterhalb fast nur 
äufserlich anhängenden bereits erwähnten vielfachen organischen Verhältnis- 
sen, folgende bisher nur theilweis bekannte Structur beobachtet. 

Die planconvexe Knorpelscheibe oder Gallertscheibe der Aledusa 
aurita besteht aus einer in 3 Häuten eingeschlossenen, mit Gefäfsen, drüsen- 
artigen Körnern und schüsselförmigen Saugwärzchen dicht durchzogenen, 
mithin keineswegs einfachen, vielmehr sehr organisirten Gallerte. Die ganze 
Oberfläche ist mit einem sehr klaren Schleim überzogen, welcher wahr- 
scheinlich die Stelle der Epidermis vertritt. Was zuerst die convexe oder 
Rückenseite anlangt, so liegt unter dem Schleimüberzuge eine glänzende und 
im Allgemeinen glatte Haut, welche nicht einzeln lösbar ist und ein dichtes 
Netz von meist sechseckigen Maschen einschliefst. Diese Zellen enthalten 
hie und da eine trübe sehr feinkörnige weifsliche Substanz. Die Fäden, 
welche das Netz bilden, sind nicht Zellwände, sondern erscheinen wie feine 
Gefäfse, deren Durchmesser zwischen „;, Dis „4, Linie liegt. Die Maschen 


1000 2000 
sind oft 4; bis 4 Linie, zuweilen bis /, Linie breit, zuweilen viel kleiner 
und ihr Durchmesser zeigt keine feste Regel, so wie auch ihre sechseckige 
Form zuweilen der dreieckigen, viereckigen und fünfeckigen coordinirt ist. 
Diese Oberhaut ist zwar glänzend aber nicht völlig glatt, sondern durch in klei- 
nen Abständen haufenweis gestellte schüsselförmige Körner (Saugnäpfchen), 
deren einzelne Häufchen auf kleinen Erhebungen (flachen Wärzchen) stehen, 
uneben. Die gröfsten dieser Saugnäpfchen, deren Zahl in jedem Haufen 5 
bis 10 ist und um welche herum oft noch 10 bis 20 kleinere unregelmäfsig 
gehäuft stehen, haben im Durchmesser 4; Linie. Ein ganzes Häufchen mifst 
20 bis 4 Linie und man kann diese Häufchen der Saugnäpfchen, weil sie den 


206 Eurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


Glanz der Fläche unterbrechen, jederzeit recht wohl mit blofsem Auge schon 
erkennen. 

Die concave oder flache Bauchseite der Knorpelscheibe, an welcher 
auch der Mund und die grofsen Fangarme befindlich sind, ist von der Rük- 
kenseite dadurch sehr verschieden, dafs sie nicht eine einfache, sondern eine 
doppelte netzartige Haut in geringem Abstande hintereinander besitzt. Die 
äufsere Haut, welche, wenn man den dünnen Schleimüberzug übersehen 
will, die Epidermis bildet, enthält, wie die der convexen Fläche, ein feines 
Gefäfsnetz und Körner oder Saugnäpfchen von ganz gleichartiger Natur, 
allein die Saugnäpfchen sind nicht haufenweis gruppirt, sondern einzeln zer- 
streut und durchgehend kleiner. In geringem Abstande hinter dieser äufsern 
Haut nach innen liegt eine zweite mit ihr parallele Haut, welche ebenfalls 
durch ein Gefäfsnetz von oft sechseckigen Maschen ausgezeichnet ist, aber 
keine Saugnäpfchen, sondern verstreute wasserfarbene Körner enthält, die 
den benachbarten der Gallerte gleichen. Diese 3 Häute bezeichne ich mit 
den Namen Rückenhaut, Mittelhaut, Bauchhaut. Der Zwischenraum zwi- 
schen der Mittelhaut und der Rückenhaut ist viel gröfser, als der zwischen 
derselben und der Bauchhaut. Beide Zwischenräume sind mit wasserheller 
Gallerte erfüllt, die zahlreiche verstreute Körnchen, wie Drüsen in sich ent- 
hält. Diese Körnchen sind rundlich, nicht gleich grofs und etwas, aber 
nicht viel kleiner als die Saugnäpfchen der Oberflächen. Jedoch differirt 
die Gröfse oft um die Hälfte. Alle Körnchen sind durch feine Fasern (Ge- 
fäfse?), nicht Häute, verbunden. Die übrige Gallertmasse ist zu durchsich- 
tig, um weitere Organisationsverhältnisse erkennen zu lassen, allein der 
scheinbar structurlose Raum ist nun nicht mehr bedeutend grofs, zumal da 
er noch von den grofsen Ernährungscanälen durchzogen wird. Letztere lie- 
gen sämtlich zwar sehr nahe an der Bauchhaut, aber doch immer zwischen 
der Mittelhaut und Rückenhaut so, dafs die Mittelhaut sich unter jedem Oa- 
nale ganz dicht an die Bauchhaut anlegt. 

Es ergiebt sich hieraus, dafs die Gallertscheibe der Medusen zwar kein 
unwesentlicher Theil ihres Körpers ist, dafs er aber für den Organismus nur 
ein Nebentheil ist. Er erscheint als ein festerer Stützpunkt für den allzu- 
weichen, meist an der Bauchseite und am Rande befindlichen Organismus 
und vielleicht als ein Reservoir für einen Theil der dem Organismus nöthi- 
gen Stoffe. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 207 


Gesammtorganisation oder übersichtliches Bild des Baues einer Akalephe. 
Medusa aurita besitzt einen runden, planconvexen, leicht glocken- 
artig am Rande eingebogenen, am äufsersten Rande mit feinen kurzen Fran- 
zen (Fühlfäden) dicht besetzten Körper, mit vom Munde ab gleichartig strah- 
lenförmiger, gewöhnlich, der Regel nach, viertheiliger, selten drei- oder 
Se) > 8 D Set, 
mehrtheiliger Anordnung der organischen Systeme. Ein unterhalb in der 
Mitte gelegener vierwinkliger Mund läuft, der Regel nach, in seinen Winkeln 
{o) o fe) ’ fo) ’ 
in 4 dicke, armartige, zweiblättrige und gefranzte Lippen oder Fangarme 
> 86 8 8 AB ö 
von der Länge der Körperbreite aus, die zugleich periodisch Brutträger 
sind. Vier Schlünde und 4 Magen, die in ein vielspaltiges Gedärm über- 
gehen, welches die leicht sichtbaren, zuweilen unregelmäfsig anastomosiren- 
den Canäle der Bauchseite (Mundseite) bildet und sich in einen eirkelförmi- 
gen Randcanal vereinigt, machen das Ernährungssystem. Acht mitten zwi- 
schen ebensoviel braunen Körperchen in gleichem Abstande am Rande gele- 
gene Erweiterungen und Öffnungen, mit besonderer sich auszeichnender 
Klappe versehen, vermitteln die Excretion der verdauten Stoffe. Die Ner- 
vensubstanz ist in mehrere Ganglien-Gruppen im Körper vertheilt und scheint 
deutlich abgeschlossene Sinnesorgane zu bilden. «a. Acht schönrothe, augen- 
artige, auf (Nerven) Mark ruhende Punkte stehen, von je 2 Ganglien unter- 
stützt, auf ebensoviel stielartigen, freien, eine innere Cireulation und Ab- 
sonderung 


5 
bräunlichen Körpern am Rande und die rothen Augenpunkte sind dem Rük- 


von Kalkerystallen zeigenden, sehr kleinen, dem blofsen Auge 


ken zugewendet. Dieselben Organe sind in dreitheilige, nach vorn offne, 
aber verschliefsbare Scheiden eingehüllt und besonders geschützt. Ö. Ein 
Ganglienkranz liegt am Rande der Scheibe mit ebensoviel sehr dehnbaren, 
und bei Beunruhigung schnell und stark contrahirten Fühlfäden in nächster 
Beziehung und abwechselnd, deren jeder einzelne zwischen je 2 Blättchen 
des eingekerbten Randes sitzt, welche kleiner sind als die Klappen der Anal- 
stelle. Sämmtliche Fühlfäden des Randes sind bei der Contraction, aufser 
den kleinen einen gekerbten Rand bildenden Blättchen der Bauchseite, noch 
von der Rückenseite durch eine schmale nicht eingekerbte freie Haut bedeckt 
und geschützt. c. Eine dritte Ganglien-Gruppe erkennt man unter den ebenso 
irritablen Fühlfäden, welche in den 4 Eierhöhlen liegen und bildet 4 dem 
Centrum und Schlunde näher liegende Massen. Ein Bluteireulationssystem 


208 Enrenseng über die Akalephen des rothen Meeres 


erscheint als in mehrere getrennte Systeme vertheilt und ist deutlich ohne 
pulsirende Central-Organe. Dieselben 8 freistehenden die Augen tragen- 
den Körperchen bilden die 8 kiemenartigen Mittelpunkte dieser Bewegung 
und lassen deutliche Blutkörperchen erkennen. Überdiefs erkennt man ein 
über und durch den ganzen Körper verbreitetes feines und lockeres Netz 
von wahrscheinlichen Gefäfsen ohne sichtbare Circulation im Innern und zu 
fein für die Blutkörperchen, zwischen welchem zahlreiche drüsenartige Körn- 
chen eingestreut sind. Ein Bewegungssystem besteht aus doppelt soviel klei- 
nen, keulenförmigen, röthlichen Muskeln am Rande der Scheibe, als Fühl- 
fäden vorhanden sind und aus muskelartig streifigen, schmalen Bändern von 
blafsröthlicher Farbe, welche die strahlenartigen Darmverzweigungen auf 
beiden Seiten begleiten. Männliche Geschlechtsorgane sind anatomisch nicht 
erkannt. Alle gröfseren Individuen sind deutlich weiblich und die kleineren, 
von 6 Linien Gröfse an, mit den grofsen in Gestalt der feinsten und gröfsten 
organischen Verhältnisse, sowie der Farbe, nur die Entwicklung der Eier- 
stöcke und Brut-Beutel ausgenommen, so übereinstimmend und so gleich- 
artig variirend, dafs auch ein getrenntes Geschlecht bisher nicht zu erweisen 
war. Vier besondere Geschlechtshöhlen mit Fühlerkränzen um eigenthüm- 
liche Öffnungen umhüllen vier schlauchartige, rothe oder violette, gefaltete 
Eierschläuche, welche das sogleich in die Augen fallende röthliche Kreuz in 
der Mitte der Scheibe bilden und zunächst unter den 4 Magenhöhlen und 
dicht um den Mund auf der Bauchseite liegen. Das rechte Ende jedes Eier- 
schlauchs scheint den Eileiter zu bilden, das linke den Eierstock zu enthal- 
ten. Die rundlichen Eier haben anfangs eine glatte Schale und eine inten- 
sive violette Farbe. Später verschwindet die Schale und die den Eiern noch 
ähnlichen Jungen sind überall bewimpert und schwimmen. Noch später 
bilden sich die armartigen Mundwinkel und die andern äufseren Organe aus. 
Alles dies ist aber schon vollendet, wenn die (weiblichen) Jungen 6 Linien 
Gröfse erreicht haben. Gröfsere defecte Exemplare sind also, wie es deren 
viele giebt, verstümmelt. Die aus dem Eierstocke ausgeschiedenen Jungen 
sind doppelter Art, blafsrothe und braune. Die blafsrothen scheinen als- 
bald wegzuschwimmen, die braunen werden vorzugsweise in die Brut-Beutel 
der grofsen Fangarme aufgenommen, wo man wenig scheibenförmige röthliche 
findet, welche doch vorher die Eierstöcke meist erfüllten. Sind jene braunen 
Jungen vielleicht Männchen? Wandeln sich die Formen erst in andere um? 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 209 


Aulsere Kiemen und fungirende Sinnesorgane bei Echinodermen. 


Kurzer Beitrag zur Kenntnifs der Structur der Asterias violacea. 


Gleichzeitig mit den obigen Experimenten und Beobachtungen, welche, 
die organischen Verhältnisse der Medusen zu erläutern, angestellt wurden, 
hatte ich in Wismar 1834 Gelegenheit, kleine Exemplare der Asterias vio- 
lacea lebend zu beobachten. Einige Resultate dieser Beobachtungen sind 
von allgemeinerem Interesse und schliefsen sich hier zweckmäfsig an. Sie 
betreffen bisher unbekannte Kiemen oder Respirationsorgane der Seesterne, 
und auch, was ganz in den Kreis der Ideen pafst, welche die Untersuchung 
der Infusorien und Medusen erweckt haben, bisher unbekannte Sinnesorgane 
bei ihnen. 

Seit Tiedemanns vortrefflichen und classischen Untersuchungen 
über den pomeranzenfarbenen Seestern, ist die von ihm ausgesprochene 
Meinung feststehend geworden, dafs die Seesterne und Seeigel ebenso wie 
die Holothurien eine Respiration in ihrem inneren Körperraume haben, zu 
welchem Behufe sie durch besondere Öffnungen Wasser einnähmen. Diese 
Öffnungen fand Tiedemann an der Spitze zarter Röhren, welche das 
lebende Thier auf der Rückenseite zahlreich hervorstreckt. Er fand es 
durch Quecksilber-Injection, wobei das Quecksilber diese Röhren aus- 
dehnte und aus den Spitzen ausflofs. Cuvier und alle neueren Zoologen 
haben diese Ansicht aufgenommen und jene Röhren als Wasser einsaugende 
Organe für die innere Respiration festgehalten. Directe Beobachtungen des 
Kreislaufes selbst machte Carus 1829 (Analecten p. 132) bei Seeigeln. Er 
sah innerlich unter den Amdvlacris kleine abgeschlossene Kreisläufe des 
Blutes, was man denn wohl als Anschauung der inneren Respirationsorgane 
hätte ansehen können. Mir haben sich bei lebenden Thieren von den ge- 
nannten sehr verschiedene Verhältnisse gezeigt, welche an die Stelle der in- 
neren Kiemen bei Seesternen sogar äufsere Kiemen setzen. Je gröfser näm- 
lich die mikroskopisch zu untersuchenden Thiere sind, desto schwieriger 
pflegt die Klarheit des Zusammenhanges der einzeln beobachteten Theile zu 
werden. Man mufs die gröfseren Thiere zerschneiden und jedenfalls ge- 
wöhnlich bedeutend in ihrer Lebensruhe stören, um sich dergleichen An- 
schauungen zu verschaffen, daher kommt mancherlei Schwierigkeit für das 


Physikal. Abhandl. 1835. Dd 


- 


210 Enurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


Erkennen der wahren Verhältnisse, so sorgfältig und mühsam auch die Stu- 
dien sind. Ich habe mich daher immer bemüht möglichst kleine Individuen 
ganz lebend zu erhalten und so mit dem Mikroskop in ihrer Lebensökonomie 
zu studiren. So sah ich denn 1833 beim Echinus saxatilis der norwegischen 
Küste, dafs alle Stacheln mit einer gewimperten wirbelnden Haut überzogen 
waren, welche bei den gröfseren Thieren nur an der Basis übrig bleibt, so 
dafs diese Stacheln sich also bei ihrer Bildung wie ein Hirschgeweih ver- 
halten. Ein Umstand, welcher in diese bisher unerklärlichen Bildungen 
wohl einiges Licht bringt. Ebenso habe ich nun junge frei kriechende Exem- 
plare der Asterias mit vieler Aufmerksamkeit betrachtet. Ich überzeugte 
mich sehr bald, dafs alle auf dem Rücken hervorstehenden einziehbaren 
Fasern keineswegs offne Röhren sein konnten, die Wasser aufnehmen, son- 
dern, dafs in diesen Röhren eine ganz deutliche kreisende Bewegung von 
Blutkörperchen des Thieres Statt finde. An den stumpfen Spitzen aller Cir- 
ren kehrte der innere Strom dieser Körperchen gerade so wieder um, wie 
man es am Ende der Glieder bei der Chara oder in den Enden der Kiemen 
anderer Thiere deutlich sieht. Diese Cireulation, einmal erkannt, liefs sich 
denn auch gegen das Licht schon mit der Lupe sehen und ich habe sie dann 
bei den gröfseren Individuen oft wieder aufgesucht und gefunden. Queck- 
silber mag sich also durch diese feinen Gefäfs-Enden einen künstlichen Weg 
durch seine Schwere gebahnt haben. Überdiefs zeigte das zusammengesetzte 
Mikroskop auch die äufsere Oberfläche der kleineren Respirationsröhren 
oder Kiemen in einer stark wirbelnden Bewegung und so mit hierzu thätigen 
Wimpern besetzt, wie sich diese oft in dergleichen Verhältnissen finden. 
In den weiteren Details des diesen Kiemen zum Grunde liegenden Gefäfs- 
systems hatte ich nicht die Zeit Tiedemanns fleifsige Untersuchungen tiefer 
zu verfolgen. Dafs die Circulations-Erscheinung, welche Carus unter den 
Ambulacris des Echinus fand, ebenfalls eingezogene Organe dieser Art ge- 
wesen sind, deren weitere Beobachtung wünschenswerth ist, wird sehr wahr- 
scheinlich. 

Nach Entdeckung der Augen bei der Medusa aurita war ich denn 
sehr begierig einen Seestern schärfer als bisher nach ähnlichen Organen zu 
untersuchen. Die Stellung der Augen bei der Medusa gab mir auch einen 
Fingerzeig für den Ort, welchem ich vrohl die Aufmerksamkeit zuzuwenden 
habe. Auf der Insel Pöhl nicht allzufern von Wismar hatte ich schon die 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 2311 


früheren Exemplare der Asterias violacea gefunden und eine neue Excursion 
dahin gab das allerdings wohl interessante Resultat, dafs auch die Classe 
der Echinodermen, welcher man bisher, aufser ein allgemeines Gefühl, be- 
stimmte fungirende Sinnesorgane nicht zuerkannt und die man höchstens mit 
Cuvier an die Spitze der unvollkommenen Thiere gestellt hatte, sich durch 
höchst wahrscheinliche ganz bestimmte edlere Sinne den höheren Thierfor- 
men anschliefst. 

Ich suchte und fand sogleich an allen Spitzen der 5 Arme der leben- 
den Asterias auf der Bauchseite einen schönrothen scharf umschriebenen 
Punkt und die Art, wie die lebenden Thiere diese Spitzen beim Kriechen 
stets zurückgebogen trugen, liefs mich kaum zweifeln, dafs ich nicht eben- 
falls wahre Augen aufgefunden hätte. Eine grofse Anzahl kleiner und gröfse- 
rer Individuen, welche ich sogleich auf die Beständigkeit dieser Erscheinung 
prüfte, gab völlig dasselbe Resultat. 

So haben denn also die Seesterne an den Spitzen ihrer Strahlen auf 
der Unterseite so viele bisher übersehene einzelne rothe Punkte, als sie ein- 
zelne Strahlen haben und diese Punkte bestehen ebenfalls aus einem schön- 
rothen körnigen Pigment. Diese punktführenden Spitzen sind durch kleine 
Kalk-Pallisaden ganz besonders dicht geschützt und letztere bilden einen 
ganz deutlichen Wall, welcher gerade diese Stelle in der Mitte frei läfst. 
Nur im ganz ausgedehnten Zustande biegen sich alle Stacheln in 2 Reihen 
ab und verwischen die Form des Walles oder der Augenbraunen. Beim 
Kriechen der Seesterne biegen sich alle Spitzen der Strahlen nach dem Rük- 
ken zu um in die Höhe und die rothen Punkte kommen sonach, aus der ge- 
wöhnlichen Richtung der ruhenden Bauchfläche nach unten, ganz in die ho- 
rizontale oder seitliche und obere Richtung, nach welcher alle Bewegung 
dieser Thiere geschieht. Sieht man die Bewegung derselben nur an, so 
bleibt gar kein Zweifel, dafs alle Erscheinungen dazu beitragen es deutlich 
werden zu lassen, dafs sie an den Spitzen ihrer Strahlen Sehempfindungen 
sen benutzen. Da es fer- 


{o) 


ner ziemlich leicht ist den Tiedemannschen Nervenring und die von ihm 


abgehenden hinter dem Gefäfs liegenden einzelnen Fäden für die einzelnen 
Strahlen der Seesterne aufzufinden, so verfolgte ich dieselben auch hier bis 


besitzen mögen, die sie bei ihren Ortsveränderun 


zur Spitze der Strahlen mit dem Messer. Da sie zähe sind gelang es leicht 
und ich fand an der Spitze dicht am Auge eine Verdickung des Nerven, auf 
Dd2 


32 Enrenseng über die Akalephen des rothen Meeres 


welcher das Auge aufsitzt, wie es bei den Räderthieren, Planarien u. s. w. 
häufig der Fall ist. Sie sitzen unmittelbar auf dem Ganglion und verhalten 
sich also mit den ebengenannten ganz so wie die einfachen Augen eines 
Cyclops. 

Ähnliche rothe Augenpunkte sind mir bis jetzt nur, aufser an der 
Asterias violacea, noch an Ast. militaris bekannt geworden, wo sie von Vahl 
in der Zoologia danica abgebildet sind. Im Spiritus aufbewahrte Exemplare 
mehrerer grolsen Arten zeigten keine besonders gefärbten Augen, oder das 
Pigment entfärbt. Denn auch die Augen der Asterias violacea verlieren im 
Tode, sowohl im Weingeist als getrocknet, ihre rothe Farbe (!). Vielleicht 
besitzen aber auch nicht alle, selbst nicht viele Arten dergleichen Augen, 
wie es augenführende und augenlsose Formen in fast allen Thierabtheilun- 
gen giebt. 

Zuweilen war die Intensität der rothen Farbe der Augen an den ver- 
schiedenen Strahlen verschieden. Auch fanden sich Individuen deren ein- 
zelne Strahlen einen undeutlichen oder gar keinen Pigmentfleck hatten. 
Manchmal waren alle sehr blafs. Dieselbe Erscheinung findet sich aber auch 
bei den Augen der Räderthiere, Planarien u.s. w. Auch bei dem Cyclops 
varüirt die Intensität des Roths. Bei den Philodinen der Räderthiere sind 
zuweilen beide Augenpunkte so blafs, dafs man sie leicht ganz übersieht, 
während sie bei andern Individuen stechend roth sind. 

Ich habe auch versucht die Faserung der Nervensubstanz selbst zu er- 
kennen. Der zähe Strang, welchen ich untersuchte, bestand aus umhüllen- 


(') Ich habe seitdem noch in Helgoland an der sehr kleinen, nur 2 Linien grolsen Asterias 
rothe Augen gesehen, welche sich daselbst zwischen den Tangen findet und die Tilesius bei 
seinem Aufenthalte dort leuchten gesehen zu haben berichtet, die ich aber nicht leuchten sah, 
obwohl ich sie direct darauf untersucht habe. Übrigens scheint es mir aber doch, als wäre 
dieser kleine weilsliche Seestern nicht das Junge der dort gemeinen Ast. violacea, sondern eine 
eigene Art. Sıe läfst sich folgendermalsen charakterisiren: Asterias helgolandica n.sp. 
Bilinearis, disco semilineari, radiis 4 ad 5 brevibus obtusis, dorso radiorum laevi, margine aci- 
cularum argute denticulatarum seriebus duabus armato. Bei A. violacea ist auch der Rücken 
der Strahlen bewaffnet und es sind 3 Reihen von Stacheln auf jeder Seite. In der Form 
mögen die Jungen sich sehr ähnlich sein. Ich habe die Exemplare unter meinen mikroskopi- 
schen Objecten aufbewahrt und konnte noch zwei Monat nach dem Trocknen die jetzt ver- 
blichnen rothfarbigen Augen in Berlin vorzeigen. Vergl. Schriften der Akademie 1836: Über 
das Leuchten des Meeres, unter: Tilesius 1819. Spätere Bemerkung. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 213 


den Sehnenfasern und von diesen verschiedenen andern, weniger geschlän- 
gelten, die auch nicht viel stärker waren. Eine Röhrenform liefs sich nicht 
zur Sicherheit anschaulich machen, allein sie wird durch die Analogie wahr- 
scheinlich. In der Nähe des Auges vor dem markigen Knoten nach dem 
Munde zu glaubte ich gegliederte Nervenröhrchen zu erkennen, was sie in 
der Nähe des Mundes deutlich nicht waren. Das Mark des Knotens selbst 
war feinkörnig, liefs sich aber nicht deutlich in Gliederfäden ausbreiten. Es 
verhielt sich wie die feinere graue Substanz des gröfsern Thiergehirns da wo 
ihre Faserung so fein und weich wird, dafs die weitere Entwicklung der 
Form der Theile nicht zugänglich ist. So wäre also der edlere Theil der 
Nervensubstanz bei diesen Thieren nur an den Spitzen der Strahlen. 

Von andern Details der Beobachtung, welche weniger auffallend neues 
ergaben, bemerke ich endlich nur, dafs der von Tiedemann beschriebene 
spiralförmige Kalkbeutel keinen Kalkstoff zum Baue des Kalkgerüstes ent- 
hält, wie nach ihm Cuvier und andere angenommen haben. Er enthält 
nur ein dickes Gewebe von harten Kalkfasern, welche sechseckige oder 
fünfeckige Maschen bilden und eine kalklose Höhle einschliefsen. Der Bau 
erinnert an die Corpora cavernosa der männlichen Zeugungsorgane gröfserer 
Thiere und wird dadurch nur noch interessanter für eine weitere künftige 


Forschung (!). 


Anwendung der bisherigen Beobachtungen auf die Vorstellung der 
thierischen Organisation im Allgemeinen. 


Sei es mir noch erlaubt diese Darstellung mit meinen früher vorgetra- 
genen Mittheilungen zu verbinden und zu versuchen einige Resultate dersel- 
ben herauszuheben. 


(‘) Die Augenpunkte der Seesterne sind von Prof. R. Wagner in Erlangen und neuer- 
lich von Prof. Volkmann in Leipzig, nach einer Mittheilung in Jena, bestätigt worden, 
letzterer hat auch den Markknoten darunter und das Kalkgerüst der leeren Kalkbeutel wieder- 
erkannt. Eine vorläufige Notiz über die Beobachtungen an Seesternen theilte ich im Jahre 
1534 in Müllers Archiv für Physiologie mit. Die folgenden Betrachtungen sind in Wieg- 
manns Archiv für Naturgeschichte 1835 zum Theil ausgezogen worden. Zweiter Band. p. 123. 

Spätere Bemerkung. 


214 Euresgeng über die Akalephen des rothen Meeres 


e 


Aus den Bemühungen der neueren Naturforschung scheint das Resul- 
tat hervorzugehen, dafs es eine Abstufung in den Organisationen, eine stu- 
fenweise Entwicklung und Vervollkommnung der Organismen in der Natur 
gebe. Man hat diese Idee auch auf die geologischen Systeme angewendet 
und in den untersten Erdschichten einfachere Organismen gesucht, als in 
den oberen, so wie man umgekehrt durch bestimmte Formen bezeichnete 
Lagerungen von organischen Überresten bis zur Beimischung von Wirbel- 
thierfragmenten in eine uns allmälig immer näher rückende Zeitfolge zu ver- 
setzen sich berechtigt meinte. 

Es ist meine Absicht die organischen Verhältnisse an sich in Kürze 
übersichtlich zusammenzustellen, vielleicht dafs es auch für jene Forschun- 
gen von einigem Interesse ist. 

Der begünstigtste und umsichtigste Forscher im Gebiete des Thierisch- 
Organischen zu unsrer Zeit, soviel Verdienst sich auch andere gleichzeitig 
erwarben, war unstreitig Georg von Cuvier. Ihm verdanken die Natur- 
wissenschaften eine Menge wohlbegründeter wichtiger Erweiterungen, das 
Gebiet des Thierisch-Organischen aber ganz besonders noch das ein ganzes 
langes und thätiges Leben hindurch fortgesetzte Prüfen und Sammeln der zahl- 
losen Einzelheiten zu einem nicht in leerer Speculation befangenen, sondern 
geprüften, wahrhaft philosophischen Systeme. Sein reichhaltiges Werk über 
das Thierreich ist nicht vollständig, auch nicht seine Arbeit allein, es ist aber 
eine nüchtern prüfende Zusammenfassung und Verarbeitung des Besten und 
Wichtigsten aller neueren Beobachter. Nicht rasche und übereilte Aufnahme 
alles Alten und Neuen, sondern die Aufnahme des als werthvoll Erkannten 
ist der Character auch der neuesten Auflage desselben vom Jahre 1830. 
Nimmt man in diesem Sinne das 1830 erschienene Werk als die Summe aller 
einflufsreicheren Kenntnisse der systematischen Zoologie, der Anatomie und 
Physiologie, mithin als Repräsentanten aller damaligen reellen menschlichen 
Kenntnisse in den Grundzügen des Thierisch-Organischen an, so ergiebt 
sich, dafs sämtliche Materialien der Zeit und das ernsteste Studium eines 
Menschenlebens in jenem grofsen Naturforscher die schon ältere Idee pfleg- 
ten und unverändert erhielten, als gebe es im Thierreiche eine Ab- 
stufung und Vereinfachung der Organisation vom Menschen ab- 
wärts bis zum allmäligen Verschwinden aller seiner einzelnen 
organischen Systeme. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 215 


Bei den Wirbelthieren, welche ich, bezeichnender wie ich glaube, 
Rückenmarkthiere oder Markthiere nennen möchte, fand jedoch schon 
Cuvier selbst diese Abstufung nicht so in die Augen fallend, als bei den 
wirbellosen oder marklosen Thieren. Es giebt Fisch-ähnliche und Vogel- 
ähnliche Säugethiere und auch den Fischen nahestehende Wasservögel, über- 
dies geflügelte Amphibien, Säugethiere, Fische. Dafs ein Hund höher or- 
ganisirt sei als eine Schlange oder ein Sperling, scheint Vielen einleuchtend, 
ob aber ein lebendig gebärender Hayfısch, ein Krokodil, ein Geier oder ein 
Leopard mehr entwickelt sei, ist immer schwer genügend zu beweisen, in- 
dem man den Hayfısch nicht am Lande, nicht unbehülflich an der Angel, 
sondern frei im Meere, Krokodil und Geier nicht in Käfigen, sondern frei 
in ihren Elementen und natürlichen Verhältnissen zu berücksichtigen hat. 
Ebenso wird es schwierig zu entscheiden ob ein Aal, eine Schlange, ob ein 
Sperling oder eine Maus in höherer Entwicklung den Vorrang verdienen und 
um so schwieriger, je specieller man die Lebensthätigkeiten dieser, ganz ver- 
schiedenen Classen angehörigen Thiere studirt, wobei sich nicht selten erken- 
nen läfst, dafs gewisse auffallende Verschiedenheiten im Bau der Organe für 
das Leben sehr unwesentlich sind. Dafs Linn mit dem Menschen, dem 
Affen, der Meerkatze und der Fledermaus das Thierreich anfangen liefs, 
war im Sinne der früheren nachdenkenden Menschen, schien aber doch 
dem beobachtungsreichen und geistvollen Pallas (dem durch d’Auben- 
ton’s starren Fieifs angeregten eigentlichen Begründer einer das innere We- 
sen mehr als die Form erfassenden physiologischen Naturgeschichte des Thier- 
reichs) unnatürlich. Er schlug bekanntlich vor, den Löwen oder vielmehr 
den Tiger und das Katzengeschlecht, als die mit der meisten Lebensenergie 
begabten Formen, das Thierreich anfangen zu lassen und hat wirklich in sei- 
ner 1511 erschienenen Zoographia rosso-asiatica das Katzengeschlecht vor 
dem Menschen verzeichnet. 

Cuvier, aller Einmischung von selbst geistreicher Willkühr und 
Poösie in die Wissenschaften abhold, ist, obwohl er den Grund seines Sy- 
stemes, nach Pallas musterhafter Weise, von allen Seiten in noch gröfserer 
Tiefe fester zu begründen bemüht gewesen war, dennoch bei der Aristo- 
telischen und Linneischen Ansicht verblieben, zufolge welcher der Mensch 
als Maafs und Messer der Schöpfung den Anfang bildet und Affe, Meerkatze 
und Fledermaus ihm zunächst folgen. Die Möglichkeit, dafs ein so eminen- 


216 Eurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


En 


ter physiologischer, keineswegs phantastischer Naturforscher, wie Pallas, 
im kalten wissenschaftlichen Ernste die höchste organische Entwicklung dem 
Menschen vor dem Tiger und Seelöwen absprechen konnte, zeigt allein 
aber schon deutlich an, dafs jene Stufenfolgen der materiellen Organisa- 
tion in diesem Theile der Naturforschung auf schwachen Gründen beruhen 
mögen. 

Anders als in jenen sogenannten oberen Classen der thierisch- 
organischen Wesen verhielt es sich bisher bei den unteren, den Wirbel- 
losen, die ich Marklose zu nennen vorziehe. Hier fand man eine stufen- 
weise Vereinfachung deutlich vor und es scheint klar, dafs seit Aristoteles 
Zeit sich von hier aus die Idee der Vereinfachung der Organisationen in einer 
bestimmten Richtung des Thierreichs verbreitet habe. 

Aufser der für sichtlich gehaltenen Organisations - Abstufung in dieser 
Thierabtheilung hat man auch Grade der Geistesfähigkeiten geltend gemacht 
und sogar darin ganz besonders den Maafsstab für die einzelnen Gruppen 
des T'hierreichs gesucht, wie bekanntlich Lamarck es durchgeführt hat. 
Georg von Cuvier schlug nach ihm diesen Weg zur Übersicht nicht ein. 
Er hat wohl die Unmöglichkeit erkannt, jene Fähigkeiten, die sich der ge- 
nauen Beobachtung und Ermittlung entziehen, mit Schärfe zu beurtheilen 
und zu vergleichen und daher in seinem streng wissenschaftlichen Werke 
vorgezogen, die materiellen Organisationsglieder zu berücksichtigen, deren 
regelmäfsigste und vollendetste, gleichmäfsigste Darstellung er, wie andere 
vor ihm, im Menschen erkannte. 

Geht man Cuviers Eintheilung des animalischen Naturreichs (Aiegne 
animal) auf den Grund, so nimmt er nicht, wie die Überschriften von 4 
gröfsern Abtheilungen, Wirbelthiere, Mollusken, Gliederthiere, 
Strahlthiere, glauben machen könnten, 4, sondern stillschweigend nur 
2 grofse Abtheilungen im Thierreiche an, nämlich: 

1) vollkommener, dem Typus des Menschen gleich organisirte und 
2) einfacher organisirte Thiere. 

Die Wirbelthiere, Mollusken und Gliederthiere, oder seine 
3 ersten grofsen Abtheilungen, gehören in jene Reihe, die Strahlthiere 
oder Zoophyten allein in diese. 

Cuvier benutzt nun, ohne es scharf hervorzuheben, folgende Cha- 
raktere zur Unterscheidung seiner 4 grofsen Abtheilungen: 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 217 


Die Wirbelthiere charakterisirt ein inneres Skelet und Rückenmark; 

Die Mollusken Mangel des Skelets und zerstreute Ganglienbildung; 

Die Gliederthiere ein äufseres Skelet und eine Ganglienreihe ; 

Die Strahlthiere eine einfachere sehr verschiedene Organisation bis 
zum Verschwinden aller Organisation. 

Die letzteren einfacheren oder unvollkommen organisirten und bis 
zum Nullpunkt der Organisation herantretenden Strahlthiere sind von 
Cuvier in 5 Classen vertheilt, die sich vom Zusammengesetztesten bis zum 
Einfachsten abstufen. 

4. Echinodermen. 
2. Entozoen. 

3. Akalephen. 

4. Polypen. 

5. Infusorien. 

Es ist nun lange Zeit hindurch mein Bestreben gewesen, die Formen 
all dieser verschiedenen Classen nach ihrem Organisations- Gehalte genau zu 
untersuchen, was mehr Schwierigkeiten darbot als andere Classen. Dabei 
bin ich allmälig zu dem wohlbegründeten Resultate gekommen, dafs in all 
den 5 genannten Classen die Organisation nicht einfacher ist als 
in den übrigen. 

Mit den schwierigsten habe ich den Anfang gemacht, mit den Infuso- 
rien. Die durchgreifenden Structurverhältnisse dieser Formen habe ich be- 
reits öffentlich vorgelegt und sie sind seitdem mehrseitig anerkannt worden. 

Die Structur der Polypen ist von mir ebenfalls genauer untersucht 
und studirt worden und wenn sich auch deutliche Sinnesorgane in Verbin- 
dung mit markigen Massen, die man mit einiger Sicherheit für Nerven ansehen 
könnte, hier nicht haben nachweisen lassen, so liefsen sich doch einerseits 
dergleichen markige Massen allein erkennen und das gelungene Nachweisen 
von Ernährungs-Organen, Muskeln, Gefäfsen uud Geschlechtsorganen liefs 
einen so vollendeten Organismus hervortreten, dafs die auffallend grofse 
Empfindlichkeit gerade dieser Formen auch die Anwesenheit von Empfin- 
dungsorganen allzu deutlich verräth. Die Weichheit der Substanz und 
Schwierigkeit der anatomischen Untersuchung machen es überdies wahr- 
scheinlich, dafs jene Unsicherheit im Erkennen von Nerven nur eine Folge 
der mangelhaften Untersuchung ist. Ich habe über die Organisationsverhält- 

Physikal. Abhandl. 1835. Ee 


218 Eurenseng über die Akalephen des rothen Meeres 


nisse dieser Polypen bereits allgemeine zum Theil schon sehr umständliche 
Mittheilungen, sämtlich nach den eignen Erfahrungen, in den Symbolis phy- 
sieis Evertebrata 1. und in der Abhandlung über die Corallenthiere des 
rothen Meeres, zum Theil schon in ihrer Anwendung als Eintheilungs- 
Gründe, vorgelegt. Die Seeschwämme habe ich aber aus ebenfalls directer 
vielseitiger Beobachtung des Mangels aller thierischen Organisation und we- 
gen grofser Übereinstimmung mit der Pflanzenstructur, zum Pflanzenreiche 
verwiesen, wie es von Andern auch schon angeregt war. 

Uber die Entozoen habe ich mit besonderer Aufmerksamkeit und Hin- 
gebung gearbeitet. Ich habe auf meinen Reisen in Afrika allein aus 196 ver- 
schiedenen Thierarten, die ich selbst zergliedert habe, die inneren Parasiten 
sorgfältig untersucht und aufbewahrt. Fast alle habe ich lebend mikrosko- 
pisch betrachtet, viele zergliedert und gezeichnet. Die bisher noch dunkle 
Structur der Bandwürmer habe ich vielfach erkannt. Ihre zuweilen ein- 
fachen, oft doppelten, vorn anastomosirenden, sich durch alle Glieder zie- 
henden Ernährungs-Canäle habe ich oft detaillirt gezeichnet. Ihre Sexual- 
Organe sind sehr leicht zu erkennen, ebenso die Längs- und Querfasern des 
Bewegungsorganismus. Die Circulation der Säfte sah ich bei Distomen und 
meldete die Erscheinung am Dist. militare bereits im Jahre 1823 aus Afrika 
in einem Briefe an Herrn Rudolphi der Akademie der Wissenschaften (!). 
Augen und Nerven waren schon bei einigen Entozoen erkannt, bei andern 
sind sie später deutlich nachgewiesen. Noch fehlten sie bisher in der Ab- 
theilung der Rundwürmer, Nematoideen oder Ascariden, wo ich sie in frei 
lebenden Seethierchen, den Anguillula ähnlichen Formen, nun ebenfalls 
aufgefunden habe, so dafs durch ihre Anwesenheit Rücken- und Bauchfläche 
dieser Formen nun bestimmt werden kann, was bisher unmöglich war, was 
aber den schwanzförmigen Hintertheil der Ascariden als Rückentheil, also 
nicht wie bei den Räderthieren als Fufsglied, erkennen läfst. Ich nenne diese 


(') Dieser Säftelauf ist später von Herrn Nordmann in anderen Formen ebenfalls auf- 
gefunden und noch umständlicher verfolgt worden. Ich bin jedoch nicht der Meinung, dafs 
die in den Gefälsen sichtbare Bewegung eine sichtbare Blutbewegung sei, sondern erkläre sie 
als Bewegung der inneren Gefälshaut und bei den Entozoen, wie bei den Turbellarien, glaube 
ich nicht sowohl wirbelnde Wimpern, als klappenartige Falten in oscillirender Thätigkeit zu 
erkennen, wodurch natürlich eine Fortbewegung des Blutes, das sich bisher nicht direct erken- 
nen liels, bedingt sein muls. Vergl. Symbol. physic. Evert. I. Entozoa. 1830. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 219 


augenführende Anguillula des Meerwassers bei Wismar Enchelidium mari- 
num und halte sie für einerlei mit OÖ. F. Müllers Fibrio marinus. Das rothe 
Auge ist der Körperdicke gleich vom Munde entfernt und hat einen markigen 
Knoten als Stützpunkt, den ich bei wahren Ascariden, ohne das Pigment, an 
derselben Stelle schon auch beobachtet habe. Dafs ferner der bisher sehr 
unklare Gordius durch getrenntes Geschlecht sowie durch Stellung und Form 
der weiblichen Geschlechtsorgane und deren Öffnung in der Körpermitte, 
auch der männlichen mit einer Spicula unter der Endspitze, den Ascariden 
sehr gleich gebildet sei, habe ich ebenfalls in den Symbolis physicis mitge- 
theilt. Im Darme finde ich jetzt mehr Ähnlichkeit mit dem des Echinor- 
rhynchus, da er doch blind zu enden scheint. 

Über die Planarien und den Vemertes habe ich sehr umständliche Be- 
obachtungen angestellt und sie in den Symbolis physicis, zur Begründung einer 
eignen Thierklasse mit ihnen, angezeigt. In Publication der Planarien-Structur 
ist mir Herr Duges zuvorgekommen und ich trete einem so tüchtigen Beob- 
achter gern das Vergnügen ab, diese Verhältnisse zuerst erläutert zu haben. 
Einiges, besonders über die wirbelnden Wimpern des Körpers, die Circula- 
tion und die keineswegs der übrigen Substanz beigemischten, sondern deut- 
lich geschiedenen Nerven habe ich noch berichtigen können ('). 

So bleiben denn von den 5 Classen der scheinbar einfacheren Thiere 
nur noch die Akalephen und Echinodermen übrig. 

Durch Tiedemanns schöne Preisschrift über die Echinodermen 
wurden 1819 schon alle organischen Systeme bei diesen letzteren festgestellt, 
nur das Empfindungssystem blieb zweifelhaft und allzu einfach. Durch Auf- 
finden von rothen Pigmentstellen und Ganglien am Endpunkte der von Tie- 
demann für Nervenfäden erkannten Organe habe ich bei einigen Seesternen 
wirkliche Sinnesorgane, nämlich Augen nachweisen zu können geglaubt und 
somit jene fraglichen Nervenfäden als deutliche fungirende Empfindungs- 
organe festgestellt. Überdies habe ich bei den Asterien äufsere Kiemen und 
Bluteireulation in denselben erkannt. 


(‘) Über die Augenganglien der P/anaria lactea habe ich am 19. Mai (1835) in der Ge- 
sellschaft der naturforschenden Freunde Mittheilungen gemacht, welche unterm 25. Mai in der 
berliner Zeitung angezeigt wurden. Die übrigen Organisationsverhältnisse wurden in den 
Symbolis physicis 1830, Turbellaria, mitgetheilt. 


Ee2 


220 Eurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


So blieben denn nun noch die Akalephen oder Medusen als Be- 
weise der Existenz einfacher Organismen übrig. Diese letztere Thierelasse 
habe ich aber durch gegenwärtigen Vortrag ebenfalls aus dieser Stellung her- 
vorheben und in die Reihe der vollendeten Organismen stellen zu können 
geglaubt. 

Obschon nun noch nicht alle einzelnen Thiere aller Classen unter- 
sucht worden sind, was natürlich bei unserm Leben nie der Fall sein wird, 
so läfst sich doch so viel aussprechen und feststellen, dafs es keine der 
bisherigen Thierklassen mehr giebt, welche man einfacher or- 
ganisirt zu nennen berechtigt ist, als eine andre. 

In Folge dieser Untersuchungen und Betrachtungen lege ich denn 
einen Versuch zu einer systematischen Übersicht des Thierreichs vor, wel- 
cher, jene frühere Idee von allmäliger Abstufung der Organisationen verlas- 
send, sich an die neu gewonnene eines überall gleichen Bildungstypus an- 
schliefsen, zugleich aber meine bereits mitgetheilten und mannigfache andere 
noch nicht mitgetheilte eigne Erfahrungen über diese Naturkörper sam- 
meln soll. 


Übersicht des Thierreichs nach dem Principe eines und desselben 
bis zur Monade überall gleichen Bildungstypus. 


Mit Berücksichtigung der der Akademie 1833 vorgelegten, 1836 ge- 
druckten mikroskopischen Untersuchungen der Nervensubstanz, oder des 
Seelenorgans, welche ich mich damals bemüht habe vergleichend durch alle 
Thierabtheilungen zu verfolgen und deren allgemeinere Verhältnisse man seit 
der frühesten Entdeckung des Nervensystems schon immer als die wesent- 
lichsten im Organismus anzusehen pflegte, theilen sich, wie es scheint, sämt- 
liche Thiere in Rückenmarkthiere und rückenmarklose Thiere, oder in 
Markthiere und marklose Thiere. Die Markthiere entsprechen voll- 
ständig den ehemaligen Wirbelthieren, welche aber weder sämtlich deutliche 
Wirbel besitzen, noch sich vor den sogenannten Wirbellosen, oft nicht un- 
deutlich wirbelführenden, durch jenen Charakter scharf unterscheiden. Bei 
den Markthieren bildet das durch seine mikroskopischen nervenmark- 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 221 


losen Gliederröhren (!) erkennbare Gehirn ein durch alle Haupträume 


(') Dafs die mikroskopischen Elementartheile der Nervensubstanz überall aus Röhren mit 
einem weilslichen Inhalte bestehen, ist, so weit die Sehkraft reicht, ohne Ausnahme. 
Die Form des Inhalts und der Röhren aber erlaubt verschiedene Meinungen. Beurtheilt man 
die Natur und Form der Röhren nach dem erwachsenen Organismus so, wie man beim Ver- 
gleichen der festen Theile, des Skelets, die Knochen, nicht die Knorpel berücksichtigt, aus 
denen jene sich bilden und sowie man gewisse Knorpel mit Recht dennoch als von den Kno- 
chen charakteristisch verschiedene Dinge betrachtet, obwohl alle Knochen zuerst Knorpel wa- 
ren und einzelne manchmal nie zu Knochen werden, so erkennt man leicht, dals die regel- 
mälsige gliederlose Röhrenform der Muskelnerven u. dergl., obschon sie sich aus der Glieder- 
röhrenform entwickelt hat und zuweilen noch Spuren der Gliederung an sich trägt, doch als 
charakteristisch betrachtet werden kann und mufs, da Hirn, Rückenmark und die edleren Sin- 
nesnerven auch beim Erwachsenen sich anders verhalten als Muskelnerven. Ob die Glieder- 
röhre der Nervensubstanz im Allgemeinen eine natürliche, nicht eine erst durch naturwidrige 
Behandlung erzeugte Form sei, kann man ohne Störung als gleichgültig ansehen nnd als un- 
wesentlich ganz auf dem Urtheile jedes Einzelnen beruhen lassen, indem die Erscheinung der 
Gliederung auch im letztern Falle grofser Beachtung werth ist, weil sie die Nervenröhren jener 
Substanzen charakterisirt und von allen übrigen Dingen zu unterscheiden behülflich ist. Meine 
individuelle Ansicht ist aber, dals auch wohl die Form, selbst bei schwächerer Spannung, prä- 
disponirt, d. i. natürlich sei und dafs der leichte Druck, oder die leichte Spannung, durch 
welche man sie zur Anschauung erlangt, kaum etwas anderes wirkt, als, die Erschlaffung beim 
Tode und Ablösen des zu betrachtenden Theiles (welche daher naturwidrige, geschlängelte, 
fast gleichförmige, gliederlose Röhren bewirkt) aufzuheben und den verlornen Turgor vitalis zu 
compensiren. Nur an lebenden Thieren wird man diesen im Characteristischen wenig ändern- 
den Umstand einmal entscheiden können, was mir bisher nicht gelang. Endlich bemerke ich 
noch, dafs der sichtbare körnige Inhalt der cylindrischen Nervenröhren ein so wesentlicher 
Charakter für diese Form zu sein scheint, dafs man daran schon im jungen Zustande die wah- 
ren Cylinderröhren erkennt, obschon sie noch gegliedert sind. Nervenmark führende Glie- 
derröhren sind also unentwickelte Cylinderröhren. Dieses Nervenmark der Cylinderröhren ist 
ohne Zusammenhang und von mir, auch im unverletzten, nur ausgebreiteten Schenkelnerven des 
lebenden Frosches, mehrfach unterbrochen gesehen, weshalb ich es mit einem nur mecha- 
nisch zusammengehäuften, langsam beweglichen Coagulum zu vergleichen kein Bedenken trage. 
Viel feiner ist die weilse zähe Flüssigkeit, welche die Gliederröhren des Hirns und Rücken- 
markes erfüllt, die ich von der Medulla nervea als Liquor nerveus zu unterscheiden vorschlug. 
Jenes im Gehirne und Rückenmarke selbst des Menschen fehlende körnige Nervenmark aller 
Cylindernerven erkennt man in den feinen Nervenröhren der Bauchganglienkette bei den In- 
secten noch deutlich und beim Druck erscheint es an den verletzten Enden dieser Röhrchen, 
wie schon Treviranus früher abbildete, hervorgedrängt, was zur Charakteristik dieser Theile 
wohl beiträgt. Übrigens mag auch in den Röhrenwänden noch eine tiefere Organisation ver- 
borgen liegen, die aber bis jetzt nicht zu erweisen ist. Weitere lebhafte Theilnahme möge 
diese für die grölsern Abtheilungen des Thierreiches wichtigen Structurverhältnisse noch viel- 
seitig beleuchten und dadurch immer klarer entwickeln helfen. 


222 Eurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


des Körpers ununterbrochen verlängertes Centralorgan für die Empfindung 
und geistige Kraft, welches allerdings charakteristisch zu sein scheint, da es 
noch bei keinem aller übrigen Thiere bemerkbar geworden ist, deren Ner- 
ven, wo sie deutlich erreichbar sind, nur, durch nervenmarkführende Cylin- 
derröhren verbundenen, kleineren Ganglien gleichen. „Auch die in der Form 
einem Centralorgane und Rückenmarke ähnliche Bauchganglienkette der In- 
secten ist in ihrer Structur offenbar ganz abweichend vom Baue des Rücken- 
markes und stellt nur eine lineäre Reihe von Ganglien dar, die wie die ge- 
wöhnlichen Ganglien von markführenden Cylinderröhren durchsetzt und 
verbunden werden (!). 

Diese Markthiere lassen sich nicht viel anders abtheilen, als sie 
schon immer geordnet gewesen sind, in Säugethiere, Vögel, Amphibien, 
Fische. Dafs man aus dem Schnabelthiere und den übrigen Monotremen 
eine besondere Classe der Greife machen müsse, wie Wagler vorschlägt, 
ist nach der bisherigen Kenntnifs jener Formen nicht zu entscheiden. Sie 
reihen sich, selbst wenn sie (doch wohl reife) Eier legten, leicht an die 
Säugethiere an. Anders ist es mit dem Menschen. Der Mensch ist bisher 
immer zum Thierreiche gestellt und auch von Cuvier, gewifs nach vieler 
Erwägung des abweichenden Urtheils Anderer, bei den Säugethieren einge- 
reiht worden. So lange die vollkommene Structur des Menschen und der 
Wirbelthiere nur eine höhere Entwicklungsstufe der unvollkommneren wir- 
bellosen Thiere zu sein schien, gab es, des allmäligen Überganges halber, 
allerdings ebensoviel Grund viele andere Gruppen der thierischen Organis- 


(') Man kann bei den Insecten mit vielen auch der neuesten Anatomen leicht verleitet 
werden aus der Function der Ganglienkette auf ihre dem Rückenmark ähnliche Natur zu 
schliefsen. Die mikroskopische Structur scheint aber für das Urtheil entscheidend zu sein 
und ich bin dieser gefolgt. Sehr verschiedene Organe können zuweilen, und auch constant, 
sehr ähnliche Functionen übernehmen, ohne dafs deshalb ihr tief begründeter organischer Un- 
terschied wegfällt. Die Fülse mancher Säugethiere werden zu Flügeln, der Schwanz der Affen 
und Springthiere, der Schnabel der Papageyen, die Rippen der Schlangen und der Mund des 
Blutegels zu Bewegungsorganen und sind doch sowenig Flügel und Fülse, als die Harn oder 
Galle absondernde Haut eines Kranken zur Niere oder Leber wird. So vertritt auch bei Hir- 
schen und Antilopen, die ich untersuchte, als Normal-Zustand eine Mehrzahl von Lebergängen 
die Stelle der Gallenblase und des Gallenganges, ohne den Namen der letztern zu verdienen 
und die wohl dem Pankreas ähnlich gestellten und vielleicht fungirenden Blinddärme der Fische 
sind kein Pankreas, weil es eben Blinddärme sind, die sich mit Chymus füllen. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 223 


men in ein besonderes Reich oder eine besondere Qlasse zu stellen, als gerade 
den Menschen. Anders aber erscheint es jetzt. Die allmäligen organischen 
Übergänge von Thieren bis zum Menschen, als zusammenhängende Reihe 
vom Einfachen bis zum Zusammengesetztesten, haben sich der forschenden 
Beobachtung als unbegründet erwiesen. Das Infusorium hat dieselbe Summe 
von Örganisations-Systemen als der Mensch. Daher ist es denn doch jetzt 
natürlicher und besser gethan, nicht mehr im Menschen den Typus der 
Thiere, sondern in den Thieren den Typus des Menschen zu suchen und 
anzuerkennen. 

Man hat nun, um den Menschen von den Thieren specieller zu son- 
dern, die Geistesfähigkeiten der letztern als geringer bezeichnet und die Ver- 
nunft oder das Urtheilsvermögen den Thieren abgesprochen und hat gemeint 
mit dem Namen Instinct eine Kluft zwischen Thier und Menschen zu be- 
zeichnen. Wer die Thiere in ihrer Lebensthätigkeit viel beobachtet, findet 
diese Kluft oft sehr gering und zweifelt wohl gar daran. Sie sind verständig 
und beurtheilen vieles. Ja ich könnte selbst über Infusorien manche Beob- 
achtung offenbarer freier Geistesthätigkeiten mittheilen. Es ist etwas andres 
was eine völlig abgeschlofsne Scheidewand zwischen den Menschen und die 
Thiere stell. Man hat es auch wohl längst erkannt und ausgesprochen 
(vergl. Rudolphi’s Physiologie II. p. 259), allein es ist auf Systematik, 
meines Wissens, nicht angewendet worden. Es ist die geistige Entwick 
lungsfähigkeit des Geschlechts. Auch bei den Thieren entwickelt sich 
Verstand, Vorsicht und Urtheil im Individuum mit dem Alter, aber das Ge- 
schlecht entwickelt sich nicht. Dieselben Thiere standen, soweit die 
Geschichte reicht, auf derselben Stufe sowohl körperlicher Entwicklung als 
geistiger Fähigkeit, während die Geschichte die Menschen unsrer Zeit vor 
den früheren, selbst den Weisen der Griechen und Inder, als geistig auf 
das glänzendste weiter entwickelt, völlig klar erkennen läfst. 

Es fragt sich nun, ist es erlaubt diesen einzigen abschliefsenden 
Unterschied des Menschen vom Thiere in die Systematik aufzunehmen. Die 
Fähigkeit zur Entwicklung ist allerdings wohl kein physiologischer oder or- 
ganischer Grund, wonach der Mensch in der Reihe der Organismen rangirt 
werden dürfte, allein der doch mit grofser Wahrscheinlichkeit hervortretende 
organische Grund dieser Fähigkeit scheint hinreichend zu sein, eine Iso- 
lirung des Menschen logisch zu vertheidigen. Der Grund der Fähigkeit einer 


224 Enurengene über die Akalephen des rothen Meeres 


fortschreitenden Entwicklung, nicht blofs der Individuen mit dem Alter, 
sondern der Geschlechter, läfst sich organisch in dem Abgeglichensein der 
verschiedenen organischen Systeme erkennen. Bei den Thieren sind meist 
das Bewegungs-, Ernährungs- und Fortpflanzungssystem überwiegend ent- 
wickelt. Beim Menschen zeigt die mittlere Körpergröfse und die verhält- 
nifsmäfsig stärkere Gröfse des Gehirns und Rückenmarkes eine gleich grofse 
verhältnifsmäfsige Entwicklung des Empfindungssystemes, die sogar nicht 
selten überwiegend und für den Organismus des Individuums, wie bei kei- 
nem Thiere, nachtheilig wird. 

Diesen Ansichten folgend habe ich denn das bisherige Thierreich dem 
Rechte und Gefühle des Menschen wie ich glaube angemefsner als ein Na- 
turreich des Menschen betrachtet, nach dessen vollendeterem Typus 
auch die Thiere sämtlich, nur ohne gleiche Harmonie der Organisations- 
Glieder, gebildet sind. Der Mensch selbst steht durch dieselben organischen 
Charactere, welche die Thiere ihm unterordnen, in einem eignen Kreise 
dieses Naturreiches, welches man auch das Reich der beseelten willens- 
freien Naturkörper, oder vielleicht mit noch glücklicheren, mir nicht zu 
Gebote stehenden, Namen benennen könnte, allen Thieren gegenüber. 

Der Kreis der Thiere im Gegensatze des Kreises des Menschen 
scheint im Reiche des Menschen bei einer, nicht durch vorgreifende Logik 
der Natur entfremdeten, Übersicht seiner besondern organischen Verhältnisse, 
6 grofse Abtheilungen zu bilden, deren 2 die Rückenmarkthiere, 4 die rük- 
kenmarklosen Thiere umfassen. Es sind 1) Familienthiere, 2) Einzel- 
thiere, 3) Gliederthiere, 4) Weichthiere, 5) Schlauchthiere, 
6) Traubenthiere oder Strahlthiere. Die letzten 3 nannte Linne 
Fermes, die ersten 2 nannte Cuvier Vertebrata, die letzten 2 derselbe 
Zoophyta. 

Die 4 Classen der Markthiere, Myeloneura, lassen sich nämlich be- 
quem, wie bisher, durch ihr Blutsystem in Warmblütige und Kaltblütige ein- 
theilen. Erstere sorgen, mit wenigen unsichern Ausnahmen, für ihre Jungen, 
letztere nicht, man kann sie daher, um einfachere Namen zu erhalten, auch 
Familienthiere und Einzelthiere nennen. Die warmblütigen Mark- 
thiere oder Familienthiere, Nutrientia, d.i. Säugethiere und Vögel, 
scheinen sich am schärfsten durch Reifgebähren und Unreifgebähren zu cha- 
vakterisiren. Die Einzelthiere, Orphanozoa oder kaltblütigen Markthiere, 


189) 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 995 


Amphibien und Fische, welche für ihre entwickelten Jungen nicht sorgen, 
sind nur durch das Athmungsverhältnifs der erwachsenen und unverkümmer- 
ten Individuen charakterisirt. Amphibien, welche neben den Lungen die 
Kiemen der Jugend beibehalten, wie Proteus, entfremden sich dadurch ihrer 
Classe nicht. 

Die marklosen Thiere, Ganglioneura, zerfallen, meinen Beob- 
achtungen nach, ebenfalls durch eine Eigenthümlichkeit ihres Blut- und Ge- 
fäfssystemes in 2 Reihen, welche den beiden Reihen der Markthiere ent- 
sprechen. Während nämlich alle Rückenmarkthiere ein Centralorgan des 
Gefäfssystems, ein pulsirendes Herz, besitzen, welches zur Fortbewegung 
und Cireulation der Blutmasse hauptsächlich einwirkt, so findet sich dies 
nicht ebenso überall bei den Rückenmarklosen. Ich habe mich überzeugt, 
dafs die Circulation des Blutes bei all den Formengruppen, welche Cuvier 
Zoophyten nannte, ohne Pulsation eines Herzens oder erweiterter Gefäfse 
auf bei ihnen näher zu bezeichnende Weise geschieht und wenn ich auch bei 
den Anthozoen oder Corallenthieren eine Säftebewegung überhaupt di- 
rect nicht deutlich sehen konnte, so sah ich doch pulslose mit Saft erfüllte 
Canäle, Gefäfse, bei ihnen, wie ich bereits angegeben habe, deutlich und 
bei andern Gruppen wenigstens nirgends eine Pulsation. Dagegen haben 
aber allerdings alle wahren Gliederthiere und Mollusken deutlich pul- 
sirende Herzen oder Gefäfse. Ich glaube daher, durch viele eigne Beob- 
achtungen unterstützt, die marklosen Thiere zunächst in Herzthiere oder 
Pulsthiere, Sphygmozoa, Cordata, und in pulslose Gefäfsthiere, 
Asphycta oder Vasculosa, nicht ohne Nutzen für klare Übersicht abzu- 
theilen. 

Die marklosen Herzthiere oder Sphygmozoen, Pulsthiere, 
werden durch die 2 grofsen Thiergruppen der Gliederthiere und 
Weichthiere repräsentirt und es handelt sich nun um einen wesent- 
lichen organischen Unterschied und Charakter, welcher jede der beiden 
Gruppen bezeichnet. Die Gliederthiere, Articulata von Cuvier, In- 
secla von Linne, unterscheiden sich, wie es mir den Untersuchungen zu- 
folge scheint, von den Mollusken nicht durch viele Gelenke, sondern 
durch eine wahre Gliederung ihres Körpers. Unter dieser wahren 
Gliederung verstehe ich aber keineswegs blofs gewisse deutliche ringartige 
Abtheilungen oder Einschnürungen des Leibes, denn solche ähnliche mehr- 

Physikal. Abhandl. 1835. Ff 


226 Eurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


fache Einschnürungen des Körpers giebt es auch bei den Corallenschnecken 
(Ascidiae compositae, Aggregata) und anderen wahren Mollusken. Viel- 
mehr scheint mir ein Charakter in der gegliederten Vertheilung der Nerven- 
substanz zu liegen. Die Nervenknoten der Gliederthiere bilden eine 
Gliederreihe, welcher die Körpergliederung entspricht und die den Mol- 
lusken überall zu fehlen scheint. Zwar finden sich auch bei den Glieder- 
thieren, obwohl oft, doch nicht immer gerade soviel Nervenknoten als 
Leibesgliederungen sind, allein dann treten doch, wie es scheint, immer 
bestimmte strahlige Fäden an die hin, denen die eignen Ganglien fehlen. 
Selbst in den Fällen wo die Ganglienreihe viel näher zusammenrückt als die 
Gliederreihe, oder wo sie gar in einen einfachen gröfseren Knoten ver- 
schmilzt, wie bei kurzschwänzigen Krebsen u. dergl., erkennt man theils die 
Zusammenhäufung, 
henden regelmäfsigen Strahlen. So weit die intensiven Untersuchungen und 


theils die zu den Körpergliedern einzeln davon hinge- 


die Sehkraft reichten sind mir Ausnahmen nicht bekannt geworden. Die 
Mollusken aber zeigten bisher nie eine solche reihenweise Gliederung der 
Nervensubstanz, sondern ihre Ganglien sind, wie schon Cuvier als Cha- 
rakter richtig bezeichnete, zerstreut und deren Strahlungen beziehen sich 
zwar auch auf alle Theile des Körpers, aber nicht auf Gliederungen. Die 
Gliederung der Gliederthiere kann man da, wo allen einzelnen Gliedern 
ein einzelnes Markganglion entspricht, eine vollkommne wahre Gliede- 
rung und wo die zusammengehäuften Ganglien nur durch Nervenstrahlen 
ihre Anwesenheit und directe Beziehung im Einzelnen anzeigen, wahre un- 
vollkommene nennen. 

Aufser den bisherigen 4 Classen der Gliederthiere, wie sie Cuvier 
in Übereinstimmung mit den neuesten Kenntnissen der Organisation gesich- 
tet hat, scheint mir noch eine fünfte sich aus den bisher bei den Ringwür- 
mern (Annulaten), oder bei den Planarien und Entozoen angehängten Nai- 
dinen (') zu ergeben, ich nenne sie die Classe der Spaltthiere oder So- 


(') Cuvier hat sie zwar neuerlich zu den Annulaten gestellt, allein der vorsichtige tiefere 
Kenner der Ringwürmer, Savigny, hat sie nicht in deren Gruppe aufgenommen. Oken 
hatte sie in seinem Handbuche der Naturgeschichte von 1815 mit Gordius bei den Plana- 
rien. Ich stellte sie 1830 interimistisch auch zu den Turbellarüs rhabdocoelis (Symbolae phy- 
sicae Evertebrata 1.). Ich hatte dabei die Ansicht, dafs ihre Selbsttheilung eine systematische 
Berücksichtigung verlange, denn sie sind Thiere welche Ringwürmer - Stöcke bilden, wie 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 227 


matotomen. Sie unterscheidet sich von den Ringwürmern durch Selbst- 
theilung ihrer Formen. Die Somatotomen oder Naidinen sind als Ring- 
würmer diejenige Entwicklung der Formen, welche die Ascidiae compositae 
(nur diese durch Knospenbildung) bei den Mollusken und die Strudel- 
würmer, Moosthiere und Kapselthiere (letztere beide Gruppen eben- 
falls durch Knospenbildung) bei den Schlauchthieren darstellen. Unter 
den Strahlthieren oder Traubenthieren ist diese Erscheinung für die 
ganzen Classen der Gorallenthiere (Blumenthiere) und Magenthiere 
wohl allgemein. All diese Formen bilden nämlich Thier-Stöcke, welche 
den Pflanzen-Stöcken, obwohl ihrer Natur nach völlig verschieden, in der 
Form sehr ähnlich sind. Es giebt Monaden - Stöcke, Corallenthier- 
Stöcke, Strudelwürmer-Stöcke, Kapselthier-Stöcke, Moos- 
thier- Stöcke, Mollusken - Stöcke, Gliederthier - Stöcke, so dafs 
es nur noch an Markthier- oder Wirbelthier - Stöcken fehlt, um dies 
Verhältnifs im Thierreiche allgemein erscheinen zu lassen. Ja in den jetzt in 
Europa lebenden siamesischen Zwillingen ist diese Stock-Bildung, Bestok- 


kung, sogar bei lebenden Menschen anschaulich, jedoch pathologisch, in- 
dem der Grund der Erscheinung in diesem Falle offenbar ein anderer, weder 


normale Knospenbildung noch Theilung, sondern abnorme, widernatürliche 
Doppelbildung vom ersten Entstehen an ist. 


Corallenthiere Corallenstöcke und wie der Yo%ox und andere Monaden durch Theilung 
Uvellen und Monadenstöcke bilden. Die Einwendung grölserer Organisation der Naiden, 
als der Planarien, welche man hätte machen können, konnte mich vom Anschlielsen jener an 
diese so wenig abhalten, als die etwas abweichende Form, da ich ersteres als ungegründet und 
letzteres als unwesentlich aus vielfachen Untersuchungen kannte. Die Turbellarien haben eine 
ebenso grofse Zusammensetzung des Organismus, als die Ringwürmer und haben auch oft 
deutliche Glieder, die vielleicht sogar eine vollkommene wahre Körpergliederung darstel- 
len, wie sie bei Blutegeln und andern fulsiosen Annulaten vielleicht nicht vollkommener sein 
mögen, obwohl diese dort noch nicht klar dargestellt werden konnte. Der Grund, welcher 
mich jetzt veranlalst die Naidinen von den Turbellarien wieder zu trennen, ist weder ihr 
röthliches Blut, noch sind es ihre Fülse und Gliederung, noch ihr sonstiges äufseres Ansehn, 
Gründe, welche wohl Cuvier leiteten, die aber allzu leicht bestechen und verleiten, es ist 
vielmehr die deutliche Pulsation und Contraction der Gefälse, ein, wie ich hiermit festzustel- 
len glaube, organisch sehr wichtiger, aber nur aus grolsen eignen Beobachtungsreihen abzu- 
nehmender Charakter. Naidinen sind Herzthiere, Strudelwürmer sind Gefäls- 
thiere. 


Ff2 


228 Enurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


Diese Thierstock-Bildung, welche sich in sehr bestimmten Grenzen 
hält, scheint dem Organismus gewisser Gruppen und Classen ganz zuwider 
zu sein, dagegen anderen giebt sie durch ihre Anwesenheit offenbar einen 
Charakter. Nun scheint es zwar dafs in den einer Thierstock -Bildung fähi- 
gen Gruppen diese Entwicklung sich zuweilen nur in gewissen einzelnen, 
nicht in allen Formen zeigt, allein eine genauere Beobachtung hat mich be- 
lehrt, dafs da wo viele Formen es haben, die verwandten abweichenden sich 
wahrscheinlicher nur der Beobachtung mehr entzogen haben. So ist bei 
den Polygastricis die Monadenstock-Bildung, sei es auch als einfache Selbsi- 
theilung oder Knospenbildung, ein meist nachweislicher, daher mit gröfster 
Wahrscheinlichkeit ganz allgemeiner Charakter. Ebenso verallgemeinert er 
sich, meiner Erfahrung nach, immer mehr bei den Anthozoen oder Co- 
rallenthieren u.s. w. Ich folgere daraus dafs man unrecht thun würde, 
wollte man aus diesen Classen die Formen entfernen, welche keine Stock- 
bildung oder Knospenbildung und Selbsttheilung erkennen lassen. Solche 
sind offenbar nur einer weitern Beobachtung zu empfehlen. Anders verhält 
es sich mit den Thier-Classen, deren Formen in der Abgeschlossenheit der 
Gestalten einen Charakter haben. Ein sich selbst theilendes oder knospen- 
treibendes Markthier oder Wirbelthier erscheint in der Vorstellung so mög- 
lich, als ein sich selbst theilender Zoophyt, allein ein knospentreibender oder 
sich selbst theilender Fisch oder Vogel erscheint als ein Widerspruch, als 
eine Contradictio in adjecto, ebenso ist es mit Amphibien, Vögeln, Säuge- 
thieren und dem Menschen. Ganz ebenso kann ein Hirsch mit 6 Füfsen, 
wenn deren einst als normale Bildung vorkommen sollten, so ähnlich er 
auch übrigens der Gattung wäre, nicht Hirsch genannt werden. Ja es läfst 
sich mit Recht behaupten dafs es nie vorkommen werde, weil es, wenn auch 
scheinbar logisch möglich, doch gegen die Analogie ist, daher aber wahr- 
scheinlich auch unlogisch ist. Ein eben solcher Widerspruch liegt in einem 
knospentreibenden oder sich selbst theilenden Räderthiere, einer solchen 
Akalephe, einem Seesterne, einem Seeigel, einem Saugwurme und 
einem Fadenwurme, ferner in einer sich selbst theilenden Scheiden- 
schnecke, einer Armschnecke, einer Muschelschnecke, Sohlen- 
schnecke, Flossenschnecke, wie in einem proliferirenden Tinten- 
fisch, endlich in einem sich theilenden oder knospenbildenden Insect, 
einer Spinne, einem Krebse, einem Ringelwurme. Dagegen fällt die- 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 229 


ses Gefühl des Widerspruchs, welches durch entgegengesetzte Congruenz 
der grofsen Massen von Erscheinungen hervorgebracht und mithin tief be- 
gründet ist, überall weg, wenn dergleichen Formen als besondere Classen 
von Thieren den grofsen Abtheilungen eingereiht werden. 

Dasselbe Gefühl des Widerspruchs, der Contradictio in adjecto, 
scheint hie und da angeregt zu haben, die, wie man behauptet, eierlegenden 
Säugethiere in eine eigene Olasse abzusondern, allein da läfst sich, wie ich 
bereits bemerkt habe, vielleicht ein andrer Ausweg zu Stande bringen. 
Erstlich ist das Factum nicht sicher und zweitens wäre im Falle dieser Sicher- 
heit nur dann erst eine solche Schwierigkeit vorhanden, wenn die gelegten 
Säugthier-Eier nicht das Junge schon vollendet entwickelt enthielten, sondern 
eine Bebrütung oder Brutzeit verlangten. Nur das Unreife des Vogeleies 
scheint die Verschiedenheit charakteristisch zu machen. Übrigens kommt 
bei vielen andern Thieren bekanntlich beides vereint in einem und demselben 
Individuum vor. Gewicht hat die Differenz nur bei den Familienthieren. 

Als eine sichere Beobachtung eines proliferirenden Thieres in einer 
dem Proliferiren selbst widerstrebenden Thier-Classe und Gattung ist mir, 
wenn ich die Naidinen, als auch sonst unterscheidbar, ausnehme, nur die von 
O.F. Müller 1784 in der Zoologia danica beschriebene und auf Tafel 52 
abgebildete NVereis prolifera bekannt, von welcher Savigny sagt (Systeme 
des Annelides) dafs sie in die Gattung Syllis übrigens recht wohl passe. Da 
man nun aber aufser dieser einzigen keine andere Form irgend einer unbe- 
streitbar wahren Gattung der Annulaten, die so zahlreich an Formen und 
Individuen sind, bisher beobachtet hat, da ich auch selbst viele Tausende 
dieser Thiere lebend, zum Theil oberflächlich wenigstens gesehen und be- 
trachtet, zum grofsen Theil aber sehr genau zergliedert habe, ohne je eine 
proliferirende zu bemerken, so dürfte es auch wohl naturgemäfser sein, dies 
einzelne Factum nicht für hinreichend zu erachten, so allgemeine Bildungs- 
gesetze schwankend zu machen. Es läfst sich auf 2 Wegen etwas einwenden. 
Einmal ist das Factum wieder noch nicht bestätigt und selbst wenn man, den 
Entdecker ehrend, der Beobachtung allen Glauben schenkt, so lassen sich 
über das Gesehene verschiedene Meinungen feststellen. Müller selbst 
würde das Thierchen, seines Proliferirens halber, wenn er es in süfsem 
Wasser gefunden hätte und wenn es keine Cirren an den Füfsen gezeigt 
hätte, gewils für eine Mais gehalten haben. Das Vorkommen im Meere, 


230 Eunesgeng über die Akalephen des rothen Meeres 


die Augen und Cirren überredeten ihn offenbar, es zur Gattung Nereis zu 
stellen. Der Eindruck, den das Proliferiren auf Müller machte, ist in sei- 
ner Beschreibung deutlich ausgesprochen. Er hielt es für etwas Unerhörtes, 
cujus ne suspicionis quidem rudimentum unquam in congeneribus adfuit. Sa- 
vigny, der Systematiker für die Ringwürmer, hatte die Anschauung nicht 
selbst gehabt und hielt sich deshalb an die besondern äufsern Organe, wie 
sie Müller beschrieben und abgebildet und beachtete das Proliferiren we- 
nig, daher stellte er die Form zur Gattung Syllis, obschon er in der geringen 
Körperlänge etwas ungewöhnliches fand. Auch ist die Anwesenheit eines 
ausschiebbaren Rüssels, die er annimmt, nicht aus Müllers Beschreibung 
klar, ja dieser sagt sogar ausdrücklich: nec in congeneribus solita proboscis 
videbatur. So kann man denn allerdings die den Sylis verwandte Form, 
welche sich durch den wichtigen Charakter des Proliferirens auszeichnet, 
doch wohl als gar nicht zu jener Gruppe gehörig betrachten. Es mag viel- 
leicht eine Naidenform gewesen sein, die durch ihre Cirren, welche gar nicht 
Kiemen waren, d.h. keine Blutbewegung im Innern besafsen, wie es oft der 
Fall ist, sich nur als eigene Gattung dieser durch ihr Proliferiren sehr aus- 
gezeichneten Gruppe zu erkennen giebt, an welche Eigenthümlichkeit sich 
denn auch noch andere bisher unbeachtete Organisations -Verschiedenheiten 
anschliefsen mögen. Genug ich halte es für sehr unsicher mit dieser Form 
irgend eine einflufsreiche Vorstellung zu begründen (!). 

Aufser dieser Nereis prolifera wurde im Jahre 1815 von Savigny, 
Desmarest und Lesueur die interessante Entdeckung gemacht und durch 
ersteren völlig begründet, dafs es proliferirende Mollusken gebe. Zwar 
hatte schon der Entdecker der Salpen, Peter Forskäl, deren Zusammen- 
setzung erkannt, allein dieses war kein Proliferiren und dafs es Mollusken im 
begrenzteren Sinne unserer Zeit waren, blieb ihm auch unklar, er verband sie 
mit Akalephen (Physophora) und Echinodermen (Fistularia = Holothuria) 


(') Neuerlich ist noch eine ähnliche Erscheinung von Herrn Sars in Norwegen zur 
Sprache gebracht worden. Er glaubt nämlich eine sich selbst theilende Akalephe beobachtet 
zu haben, die er Strobila octoradiata nennt. Ich habe in einem Vortrage vor der hiesigen 
naturforschenden Gesellschaft vom 24. Mai 1836 wahrscheinlich zu machen gesucht, dafs diese 
einem, wie es scheint, wichtigen physiologischen Bildungsgesetze widerstrebende Form wohl 
eine sich theilende Zucernaria, also keine Akalephe, sondern ein Anzhozoon sei. Vergl. Mit- 
theilung der berl. nat. Gesellsch. 2. Quartal. p. 22. Spätere Bemerkung. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 931 


in seiner Mollusken-Classe. Erst nachdem Cuvier und besonders Savigny 
durch seine musterhafte Anatomie der so schwierigen Ascidien, Salpen, Py- 
rosomen und Botryllen (Memoires sur les animaux sans vertebres) die orga- 
nische Übereinstimmung dieser Formen unter sich und mit den Molluscis 
acephalis aufser allen Zweifel gestellt hatte, wurde die Ordnung der schalen- 
losen Akalephen, oder der Scheidenschnecken (Mollusca tunicata) durch La- 
marck zu einer festen gesonderten Gruppe erhoben. Das Zusammenhängen 
der Salpen-Brut, welches durch von Chamisso’s schöne Beobachtung noch 
interessanter geworden (Vergl. v. Chamisso de Salpa) mag wohl die Ur- 
sache gewesen sein, warum man auf den ganz verschiedenen Charakter des 
Proliferirens der Pyrosomen und Botryllen weniger Gewicht legte. Daher 
hat Savigny sowohl als Cuvier die proliferirenden Mollusken nur als eine 
besondere Familie der Scheidenschnecken abgehandelt. Man berück- 
sichtigte und erkannte weniger ihr so merkwürdiges Kuospentreiben, als viel- 
mehr den dauernden organischen Zusammenhang einer Mehrzahl von Indivi- 
duen, welcher aber nur eine nicht nothwendige Folge jenes tieferen Bil- 
dungsgesetzes ist. Schon darin aber, dafs man die Formen als eine beson- 
dere Gruppe bildend ansah, liegt eine Anerkennung der organischen W ich- 
tigkeit des sie unterscheidenden Charakters, die ich hiermit noch mehr her- 
vorzuheben beabsichtige. 

Genug es scheint in jenen Charakteren und in deren organischen 
noch nicht ganz enthüllten Ursachen ein wichtiges Hindernifs für die Ein- 
reihung der Naidinen in die Classe der Ringwürmer obzuwalten, welches 
mich denn auch veranlafst hat, dieselben in einer besondern Classe als 
Spaltthiere, Somatotoma, zu verzeichnen. 

Übrigens habe ich die Gliederthiere nach der Festigkeit ihrer Glieder- 
zahl abtheilbar gefunden, die ich bei den Spaltthieren und Ringwürmern als 
nie völlig fest erkannte. Die Inseeten, Spinnen und Krebse nach dem 
Athmungssystem zu unterscheiden hat mir am naturgemäfsesten geschienen. 
Einzelne Schwierigkeiten mögen in der bisherigen mangelhaften Beobachtung 
begründet sein. Die inneren Lungen und Kiemen (Gefäfs-Blätter) der Spin- 
nen scheinen mir von den äufseren Luftikiemen (Gefäfs-Kämmen) einiger 
Crustaceen recht wohl unterscheidbar und wenn bei einigen Arachnoiden, 
wie ich es bei Solpuga beobachtet habe, Luftröhren und innere Kiemen 
gleichzeitig vorkommen, so erinnert dies an die doppelt respirirenden Am- 


232 Eurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


phibien (Proteus), welche dennoch wahre Lungenthiere sind. Die rothe 
Farbe des Blutes bei den Ringwürmern als Classencharakter anzusehen 
scheint weder durchführbar noch nöthig. Den röthlichen Saft im mittleren 
Bauchcanale der Aphrodita aculeata möchte ich nicht für Blut halten, ob- 
schon ich seine Bestimmung nicht ermitteln konnte. Andere weifsblütige An- 
nulaten hat auch Mertens beobachtet. Die Classe der Cirropoden nach 
Cuvier ist als eine Abtheilung der Gliederthiere und zwar der Crustaceen 
neuerlich befestigt worden. Eben da schliefsen sich meinen eignen, die 
Nordmannschen häufig bestätigenden, Untersuchungen noch die Lernaeen 
an, wenn auch einzelne Theile des Organismus, besonders das Verhältnifs 
des Nervensystems zur Gliederung, noch nicht klar entwickelt sind. 

In der Übersicht der zweiten grofsen Abtheilung der Herzthiere, den 
Mollusken, der vierten des gesamten Thierreiches, scheint die von Cu- 
vier eingeführte Mehrzahl von Classen sehr natürlich. Ich selbst würde die 
sämtlichen Formen meinen Beobachtungen nach in 7 Classen theilen, deren 
5 (Cephalopoden, Pteropoden, Gasteropoden, Acephalen und Brachiopo- 
den) mit den von Cuvier errichteten Classen übereinstimmen, eine von La- 
marck errichtet wurde, Tunicata, und eine von mir vorgeschlagen wird. 
Letzteres ist die bereits erläuterte Classe der Aggregata, welche die proli- 
ferirenden Mollusken umfafst, die ich Corallenschnecken nenne. Die 
Cirropoden Cuviers sind keine Mollusken, sondern Gliederthiere. Die 
Heteropoden Lamarck’s sind von den Pteropoden zu unwesentlich ver- 
schieden. Die ganze gröfsere Gruppe der Mollusken zerfällt in deutlich 
kopfführende und in kopflose Formen. Die kopfführenden geben nach den 
Bewegungsorganen, die kopflosen nach den Respirationsorganen die natür- 
lichsten kleineren Gruppen. Schwimmende Gasteropoden schwimmen, mei- 
ner Erfahrung nach, durch Bewegung des ganzen Körpers, nicht blos der 
Sohle. Brachiopoden habe ich nie lebend selbst beobachtet. 

Die noch übrigen zu betrachtenden Formen des Thierreichs sind die 
rückenmarklosen Gefäfsthiere, welche Cuvier Zoophyta nannte, die 
man bezeichnender Asphycta oder Vasculosa nennen kann. Sie zeigen, 
wie alle übrigen dem Gesichtssinne zugänglichen Thiere, Gefäfse mit einem 
Kreislaufe von Säften, aber nie einen Pulsschlag. Der Säftelauf erscheint 
wie rinnendes Wasser in einer Glasröhre. Die äufsere Gefäfswand ist ohne 
alle Bewegung, während im Innern ein rasches Strömen sichtbar ist. Zu- 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 933 


weilen erkennt man die Ursache des Stromes deutlich als ein Zittern der in- 
nern Gefäfswand, welche Wimpern oder Falten, den Klappen der Venen 
ähnlich, erkennen läfst. Oft sieht man nur dieses Zittern der innern Darm- 
anhänge, wo man Blutkörnerbewegung zu sehen meint. Anwesenheit von 
inneren bewegten Falten oder Wimpern in diesen Canälen beweist, dafs die 
Canäle selbst, so fein sie auch sind, aus wenigstens 2 Häuten bestehen. 


Diese sehr eigenthümliche Einrichtung, welcher eine ähnliche andere zur 


0? 
Seite geht, wonach bei vielen dieser Thiere anstatt einer wahren peristalti- 
schen Bewegung des Darmcanals blofs ein Wirbeln der inneren Darmhaut 
(Darmzotten) statt findet, welches den Speisebrei in oscillirende, kreisende 
oder fortschreitende Bewegung versetzt, ist der Charakter der ganzen Ab- 
theilung. Man mufs sich hüten die oft sehr ähnliche Chymusbewegung 
im Darme für Blutbewegung zu halten, daher die wahren Ernährungscanäle 
durch farbige Nahrung freiwillig anfüllen lassen. Auf diese Weise habe ich 
denn auch die verschiedenen Systeme gesondert erkannt. Pulsation der 
Gefäfse verweist eine neue Thierform sogleich aus dieser Abtheilung in eine 
der früheren, so ähnlich sie auch einigen Formen derselben, der Gestalt 
nach, sein möge. 

Diese Asphycta, oder Zoophyten nach Cuvier, habe ich durch Be- 
rücksichtigung der Form ihres Ernährungssystems am natürlichsten abtheilen 
zu können gemeint und dieser Charakter hat noch das Vorzügliche, dafs er 
leicht erkennbar ist. Sämtliche Formen der Abtheilung haben entweder 
einen einfachen schlauchartigen oder sackförmigen Darm, oder einen strah- 
lenartigen, verzweigten. Zuweilen ist der letztere nur einfach gespalten 
oder traubenartig. Die Anwendung dieses bisher unbenutzten Charakters 
auf Systematik zertheilt zwar die meisten bisherigen Classen der Zoophyten 
in 2 Theile, allein, wie es scheint, gar nicht zum Nachtheil einer reineren 
Übersicht. Die neuen Gruppen werden offenbar natürlicher. Denn dafs 
Seesterne und Seeigel als Echinodermen, Räderthiere und Magenthiere 
als Infusorien, Saugwürmer und Fadenwürmer als Entozoen u. s. w. 
bisher unnatürliche Verbindungen waren, liegt wohl am Tage. 

Die erste Abtheilung der Gefäfsthiere und zugleich die fünfte des 
Thierreiches bilden dann die Schlauchthiere, deren Ernährungscanal ein 
einfacher, unverästeter Schlauch ist. Einige von diesen haben, wie Säuge- 
thiere und Inseeten, eine beständige Form, andere proliferiren durch Knos- 


Physikal. Abhandl. 1835. Gg 


234 Eurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


penbildung oder Selbsttheilung und haben daher eine veränderliche Form. 
Die ganze Masse der Formen scheint sich mir in 6 Haupt- Gruppen oder 
Classen zu sondern. Unbeständige proliferirende Formen haben die 3 Clas- 
sen der Moosthiere, Bryozoa, Kapselthiere, Dimorphaea und der 
Strudelwürmer, Turbellaria. Beständige Formen haben die andern 3 
Classen, der Fadenwürmer, Nematoidea, der Räderthiere, Rotatoria, 
und der Seeigel, Echinoidea. Die Moosthiere, Bryozoa, welche aus 
den Haleyonellen, Flustren, Antipathes? und wohl den übrigen, in der Ab- 
handlung über die Corallenthiere pag. 153. 1834, von mir aufgezählten Gat- 
tungen bestehen, sind, soweit sie bekannt sind, immer weiblich, daher wohl 
hermaphroditisch und ihre männlichen Sexualorgane nur noch nicht beob- 
achtet, weil alle Formen sehr klein sind. Die Kapselthiere, Dimorphaea, 
welche aus den Tubularinen und der grofsen Formenmasse der Sertularinen 
bestehen, sind durch die Eigenthümlichkeit schr ausgezeichnet, dafs es keine 
freien selbstständigen Weibchen zu geben scheint, sondern, dafs alle Weib- 
chen nur Knospen von Männchen oder Geschlechtslosen sind (1). Diese 
beiden Classen haben Knospenbildung, aber keine Selbsttheilung. Die 
Strudelwürmer endlich, Turbellaria, haben zum Theil, vielleicht alle, 
Selbsttheilung, aber keine Knospenbildung und haben einen mehr oder we- 
niger fein gegliederten Körper, dessen Gliederung jedoch wohl keine durch 
Nerventheilung bedingte wahre ist, indem die Strahlungen oder Ganglien- 
reihen nicht sichtbar sind. Diese Turbellarien-Classe ist aber nicht mehr 
die frühere, welche ich 1830 in den Symbolis physieis, Evertebrata, zusam- 
menstellte, sondern auch diese hat das Schicksal der durch Cuvier bestätigten 
Classen der Echinodermen, Polypen und Entozoen erlitten, indem ich sie, 
den neuen Prineipien gemäfs, in 2 Olassen getheilt habe, deren Charakter 
die verschiedene Darmform ist. Die jetzige Turbellarien-Olasse, deren 


(') Diese von mir 1831 der Akademie in der Abhandlung über die Corallenthiere vorge- 
tragene Beobachtung ist neuerlich von Herrn Lov@n durch neue Beobachtungen bestätigt 
worden, welchen sehr saubere Abbildungen beigefügt sind. 

Die Hydra des sülsen Wassers scheint sich aber doch, meinen neueren Beobachtungen 
zufolge, von den Sertularinen und selbst von den Corynen in ihrem Baue sehr zu entfernen, 
da sie keinen einfachen schlauchartigen Darm, sondern einen in die Fangarme hineingehenden 
verästeten hat, mithin den Blumenthieren, oder Corallenthieren, denen ich sie 1834 anreihte, 
näher bleibt. Vergl. Mittheilungen der naturf. Gesellsch. 1836. Spätere Bemerkung. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 2335 


Formen häufig und vielleicht immer ein Wirbeln der Körperoberfläche zei- 
gen, umfafst nur die Gattungen mit einfachem Darme, welche die frühere 
Ordnung der Turbellaria rhabdocoela bildete, mit Ausschlufs der Naidinen, 
die wegen ihrer pulsirenden Gefäfse und Selbsttheilung eine eigne Classe der 
Spaltthiere bei den Gliederthieren ausmachen und mit Ausschlufs des 
Gordius, der zu den Fadenwürmern gestellt ist. Diese neue Olasse der 
Turbellarien besteht demnach aus den 18 Gattungen Turbella N., Vortex N., 
Eurylepta N., Leptoplana N., Disorus N., Micrura N., Polystemma N., 
Derostoma Duges, Chaetogaster Baer, Orthostoma N., Gyratrix N., 
Tetrastemma N., Prostoma Duges, Hemicyclia N., Ommatoplea N., Am- 
pkiporus N., Nemertes Cuvier und Notogymnus (Notospermus Huschke). 
Die Turbellaria dendrocoela mit verästetem Darme, oder die eigentlichen 
Planarien, bilden nun die eigne Classe der Complanata in der Abtheilung der 
Strahlthiere oder Traubenthiere (!). 

Die zweite Abtheilung der Schlauchthiere, welche keine Prolification, 
sondern eine beständige Form haben, besteht zuerst aus der Classe der Fa- 
denwürmer, /ematoidea, einem früheren Theile der Entozoen, nämlich 
der Ordnung Nematoidea von Rudolphi, überdies aber aus den Gattungen 
Gordius, Anguillula (sonst Fibrio) und Enchelidium, welche letztere Gat- 
tung ich hier zuerst beschrieben habe (s. p. 219). Getrenntes Geschlecht, 
Mangel an Wirbelorganen und Scheingliederung des Körpers unterscheiden 
die Classe wesentlich von den beiden andern. 

Es folgt die Classe der Räderthiere, Rotatoria, ausgezeichnet durch 
ihre Räder- oder Wirbelorgane am vordern Körperrande neben Hermaphro- 
ditismus und eigenthümlicher Bildung ihrer übrigen organischen Systeme. 
Es gehören dahin alle von mir bereits früher dieser Classe zugeschriebenen 

ıd ganz ausführlich bezeichneten Formen (?). 


(‘) In die gegenwärtige Classe der Turbellarien würde auch die neue Gattung gehören, 
welche Corda in Weitenwebers Beiträgen zur Natur- und Heilwissenschaft 1836 Copopte- 
roma Nais genannt und abgebildet hat, die aber wohl nichts weiter als dieselbe Species von 
Chaetogaster ist, welche von Baer als Ch. Limnaei beschrieb und abbildete, der zuweilen frei 
im Wasser lebt. Vergl. Nais diaphana Gruith. Acta Leop. XIV. Spätere Bemerkung. 

(°) Die neue Gattung der Räderthiere, Cystophthalmus Ehrenbergü, welche zu Prag 1836 
in Weitenwebers Beiträgen für Nat. und Heilwiss. II. p. 178, 1836 beschrieben und ab- 
gebildet worden, kann ich leider weder für der Familie der Ichthydinen angehörig, noch als 


Gg2 


236 Enrensenc über die Akalephen des rothen Meeres 


Endlich schliefst sich hier die Classe der Seeigel, Echinoidea, an, 
welche der einfache Darm von den Seesternen trennt. Mangel an Räder- 
organen und periodisches Vortreten deutlicher Eierstöcke in allen Indivi- 
duen, was Hermaphroditismus vermuthen läfst, unterscheiden die Classe 
von den beiden früheren. Zwar fehlt es noch immer an der Beobachtung 
männlicher Organe, allein da alle Individuen zu gewissen Zeiten Eiertrauben 
führen und da die männlichen Sexualorgane schon bei so vielen Thiergrup- 
pen, der Nachforschung ungeachtet, lange übersehen und dann doch auf- 
gefunden worden sind, so wird es wahrscheinlich, dafs auch hier mehr ein 
Mangel an Beobachtung, als ein Mangel an Organisation vorhanden sei. Die 
Holothurien gehören in diese Classe und den Sipunculus fand ich auch den 
Holothurien sehr ähnlich, wie man neuerlich schon öfter berichtet hat. Bei- 
den fehlt das Kalkgerüst der Echinen, wie es Gephalopoden mit und ohne 
Rückenschulpe giebt. Die Kalkschale der Echinen ist nämlich ein inneres, 


besondere Gattung anerkennen, indem es offenbar eine wohl kaum unbekannte, aber wegen 
Unklarheit der Beobachtung schwer zu entziffernde Species der Gattung Nozommata zu sein 
scheint. Es ist nämlich in der Beobachtung und Darstellung Widersprechendes. Sehr scharf 
ist die schwierige Organisation des Auges aufgefalst, so dals eine Crystalllinse und Augen- 
kammern in Anregung gebracht werden, die nie vorher gesehen worden, allein damit stimmt 
nicht die geringe Erkenntnils der groben Muskeln und Bewegungsorgane des Körpers überein, 
die man bei allen gröfseren Räderthieren so leicht unterscheidet und welche samt dem zu- 
rückgezogenen Räderorgane und dem Zangenfufse gar nicht erkannt worden sind. Dals aber 
die Crystalllinse des Auges samt all jenen Feinheiten auf einer Täuschung beruht, läfst sich 
aulser dem genannten Widerspruche noch anderweitig wahrscheinlich finden. Die Räderthiere 
können nämlich, wie auch die Planarien, schon deshalb keine Crystalllinse und wahre Augen- 
kapsel besitzen, weil die Pigmentvertheilung auf ihrem Nervenganglion variabel ist. Die vier- 
äugigen Planarien zeigen oft die Augen in 2 verschmolzen und Rotifer zeigt nicht selten wi 
Planaria lactea 4 und 6 Pigmentllecke (Augen) anstatt der 2. Diese Variation hat man sch 
als Beweise gegen die Natur dieser Pigmentstellen als Sehorgane überhaupt angewendet, w! 
aber nicht entscheidend ist. Entscheidend ist die deutliche analoge Structur des einfacheı 
Auges der Daphnien, neben dem zusammengesetzten dieser Thiere, wegen des unterliegenden 
Hirnfortsatzes. Jener Augenbulbus der Räderthiere mit der sogenannten Crystalllinse u. s. w. 
ist also nur das Nervenganglion mit seinem dunkeln (Kalk?) Beutelchen und seinem aufsitzen- 
den Pigment, welches allerdings in einer aber nicht blos runden, sondern oft viereckigen Zelle 
liegt, die bei den Brachionus-Arten, so wie bei Cyclops, deutlich ist. Entweder scheinen 
zahllos viele kleine Linsen, die einzeln, wie bei den Insecten, mit Pigment umgeben sind, oder 
gar keine angenommen werden zu müssen. Der Gebrauch des Mikroskops wird freilich eine 
zeitlang noch viele, besonders junge Augen, zu raschen unrichtigen Vorstellungen und Mitthei- 
lungen verleiten, aber doch im Ganzen mehr nützen als schaden. Spätere Bemerkung. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 237 


kein äufseres Skelet und auch die Holothurien-Haut ist mit Kalkstacheln 
durchwirkt. Die Echinen haben aufser den Füfsen äufsere Cirren, welche 
denen der Seesterne sehr gleichen, in welchen ich eine Cireulation beob- 
achtet habe. Die Holothurien haben innere baumartige Respirationsorgane 
und all ihre äufseren Cirren scheinen nur Füfse zu sein. Sipunculus hat we- 
der äufsere Füfse noch Cirren. Seine Respiration geschieht vielleicht durch 
die Tentakel ähnlichen Organe des Mundes. Priapulus, den ich flüchtig 
gesehn, hat ebenfalls grofse Ähnlichkeit mit dem Baue der Holothurien und 
Echinen. Es fehlt hier noch einige Vervollständigung im Sinne dieser neue- 
sten Ansichten. 

Die sechste und letzte grofse Abtheilung des Thierreichs bilden alle 
solche rückenmarklosen und pulslosen Thiere, deren Ernährungscanal nicht 
einfach schlauchartig, sondern verästet, gabelförmig, sternförmig, baumar- 
tig oder traubenförmig ist. Ich nenne diese Thiere Traubenthiere, Aa- 
cemifera, und würde sie lieber Strahlthiere, Aadiata, nennen, wenn 
nicht dieser Name schon in soviel andern Bedeutungen angewendet worden 
wäre. Auch in dieser Abtheilung zeigen sich 6 natürliche Gruppen oder 
Classen, deren einige gleichsam als Wiederholung und geringe Abänderung 
jener früheren Typen der Schlauchthiere erscheinen und bisher sogar mit 
diesen vereint besondere Classen bildeten. Die 6 Classen der Trauben- 
thiere oder Strahlthiere sind die Seesterne, Asteroidea, die Quallen, 
Acalephae, die Blumenthiere, Anthozoa, die Saugwürmer, Tremato- 
dea, die Plattwürmer, Complanata und die Magenthiere, Polygastrica. 
Berücksichtigt man die Form und Stellung der Ovarien und sämtlichen Se- 
xualtheile all dieser Formen, so treten sie in 2 gröfsere Gruppen, welche 
die natürlichen Classen ungestört beisammenhalten. Eine dieser Gruppen 
‚zeigt eine strahlige Anordnung des Geschlechtsorganismus, die andere eine 
zerstreute. Jede enthält 3 Classen. Strahlige oder concentrische Anord- 
nung der Ovarien besitzen die Classen der Seesterne, der Quallen und 
der Blumenthiere oder Corallenthiere. Von diesen 3 Classen haben 
die beiden ersten nie eine Bestockung, weder durch Knospenbildung, noch 
durch Selbsttheilung, all ihre Formen haben vielmehr eine beständige, zu- 
weilen wohl verbildete, monstruöse Gestalt, aber nie eine auch durch Aus- 
wachsen äufserlich entwickelnde Fortpflanzung. Die erstere der beiden 
Classen, die Seesterne, Asteroidea, welche man bisher mit den Seeigeln 


238 Eurenserg über die Akalephen des rothen Meeres 


verbunden Echinodermata pedicellata nannte, sind von den Akalephen orga- 
nisch viel schwerer scharf zu unterscheiden, als von den Seeigeln, da harte 
und weiche Thiere sich in allen Classen finden. Die besten Charaktere der 
Seesterne sind wohl die Scheingliederung ihres Körpers, welche durch ein 
wirbelreiches daher biegsames inneres Kalkgerüst unterstützt und hervorge- 
hoben wird, und die Anwesenheit von Kriechorganen ohne Schwimmorgane. 
Einige Seesterne sind festsitzend auf Stielen; verästete kann es aber darun- 
ter nie geben. Sollten ihnen ähnliche verästete, nicht vom Ei an doppelte, 
Formen vorkommen, so würden diese durch Knospenbildung oder Selbst- 
theilung entstanden sein müssen, eine auf organische Verhältnisse gegründete 
Erscheinung, die sie selbst, samt ihren einfach scheinenden nächsten Ver- 
wandten, zu Umbellularia Encrinus, Lucernaria und den ähnlichen proli- 
ferirenden Anthozoen gesellen würde. Alle bekannten Formen der See- 
sterne zeigen den Charakter der Strahlung durch alle Systeme ihres Orga- 
nismus. 

Die Classe der Quallen oder Medusen, Acalepha, wie sie Esch- 
scholtz reiner aufgefafst hat, unterscheidet sich von den Seesternen 
durch Mangel an Gliederung und durch Vorhandensein von Organen zum 
Schwimmen, ohne Organe zum Kriechen. Es sind keine festsitzende he- 
kannt und die Strahlung der Organisation geht zuweilen zwar deutlich, aber 
nicht bei allen Formen gleichartig, durch sämtliche organische Systeme. 
Einige Gattungen führen dachziegelförmig zusammengesetzte, mehr gelappte 
als gegliederte Schwimmblasen. Zuweilen hesteht eine Strahlung nur aus 
Opposition von 2 gleichartigen Theilen in ihrer Beziehung auf den Central- 
theil des Körpers (1). 

Jenen beiden Classen ähnlich ist der strahlige Bau der Corallen- 
thiere (eines Theiles der Polypen Cuviers), welche ich als Classe der 
Blumenthiere, Anihozoa, bezeichne. Diese unterscheidet sich von jenen 
dadurch, dafs ihre Formen sich in überwiegender Mehrzahl als proliferirend 
zu erkennen gegeben haben, durch welche Eigenthümlichkeit die wunder- 


(') Über die Strobila octoradiata von Sars, welche eine theilbare Akalephe sein sollte, 
habe ich pag. 230 mich bereits erklärt und sie vorläufig zu den Lucernarien der Anthozoen 
(Polypen Cuviers) gezogen. Lov£n vergleicht sie in seiner schätzbaren Abhandlung 
über Campanularia, die ich Monopyxis nannte, p- 21 mit Syncoryna der Anthozoen. Feetensk. 
akad. Handlingar 1836. Spätere Bemerkung. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 2339 


bare, so lange mifsverstandene Form der Corallenstöcke hervorgeht, die eine 
in den Organisationsgesetzen des Individuums fest begründete, aber der Form 
des Individuums selbst ganz fremde, charakteristische Familienform bildet ('). 
Nur wenige Anthozoen sind noch nie proliferirend gesehen worden, bei eini- 
gen dieser einfachen, z. B. den Actinien, hat es sich beim schärferen Nach- 
forschen doch auch beobachten lassen, so dafs die übrigen einfachen in der 
Einfachheit nur einen zufälligen Charakter a potiori zu besitzen scheinen. 
Besondere Bemerkung verdient es hier, dafs alle Corallenthiere auf dem 
Rücken liegen und meist mit dem Rücken durch eigne Kalkabsonderung fest- 
geheftet sind. In meinem specielleren Vortrage über die Corallenthiere von 
1831, gedruckt 1834, habe ich die Familien der Sertularinen, Tubularinen 
und Hydrinen mit zu den Anthozoen gestellt. Neuere Beobachtungen haben 
mich davon abgehen lassen und rathsamer gemacht, die Sertularinen und 
Tubularinen als eine eigne Classe der Kapselthiere, Dimorphaea, fest- 
zustellen, wie ich schon pag. 9 jener Abhandlung vorbereitet hatte. Zu die- 
ser Classe tritt denn auch die Gattung Coryna durch ihre Kapselbildung, so 
ähnlich sie auch der Form nach der Gattung Hydra ist, welche letztere der 
neuerlich von mir aufgefundenen Darmform halber, und da ihre sich auf 
Pallas stützende Kapselbildung noch unklar ist, bei den Anthozoen in be- 
sonderer Familie verbleiben mag. Die von Rösel beobachtete spontane 
Längs- und Quertheilung der Hydra ist von mir zwar nicht in Erfahrung 
gebracht, pafst aber allerdings für die Classe der Anthozoen. Seine haari- 
gen Körper, die er für äufsere Eier gehalten, mögen wohl ein parasitisches 
Infusorium (Actinophrys?) gewesen sein, dessen Vergröfserung er für Eient- 
wicklung hielt. 

Die letzten 3 Classen der Traubenthiere und des ganzen Thier- 
reiches zeigen keine strahlige Anordnung der Ovarien und des ganzen Ge- 
schlechtssystems. Zwei derselben, die Saugwürmer und Plattwürmer, 
unterscheiden sich von der dritten, den Magenthierchen, durch Mangel 
an Prolification (?). 


(') Dals diese oft pflanzenartigen Familien-Formen gar keinen innern physiologischen Cha- 
rakter einer Pflanze, aber alle Haupt- Charaktere des Thieres enthalten, habe ich samt den spe- 
ciellen Bildungsgesetzen der Corallenthier-Stöcke in meinem Vortrage über die Corallen- 
thiere zuerst entwickelt. 

(?) Ich bediene mich dieses neueren Zerminus technicus aus Linn&@’s philosophia botanica, 


240 Eurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


Die erstere dieser Classen, die Saugwürmer, Trematodea, hatte 
man bisher mit den Fadenwürmern, Nematoidea, in eine und dieselbe 
Classe der Entozoen vereinigt. Die Verschiedenheit der Form des Ernäh- 
rungsorgans hat mich veranlafst, die Nematoiden als eine besondere Olasse 
der Schlauchthiere anzusehen. Die übriggebliebenen ehemaligen Tremato- 
den, samt den Cestoideis und den Acanthocephalis, bilden vereint die gegen- 
wärtige Classe der Trematodeen oder Saugwürmer, welche der gespaltene 
Darm charakterisirt. Die Cyszica, deren Structur noch mannichfachen Un- 
klarheiten unterliegt, scheinen sämtlich sich den Cestoideen anzuschliefsen, 
deren Kopfbildung sehr ähnlich ist, obschon sie einen blasenartigen Anhang 
haben, dessen Verhältnifs unklar bleibt. Etwas Ähnliches findet sich aber 
auch bei einer von mir derselben Classe angeschlofsnen, in den Symbolis 
physicis 1530 erläuterten Gruppe der Cercozoen, welche aus den Gattungen 
Cercaria, Histrionella und vermuthlich den Spermatozoen besteht, wozu 
auch das Distoma duplicatum der Anadonta von v. Baer als besondere Gat- 
tung gehören mag. Diese Cercozoen sind für die Gruppe der Distomen 
ziemlich dieselbe Entwicklungsform, wie die Cystica für die Bandwürmer, 
sie haben einen Anhang am Körper, dessen physiologischer Character unklar 
ist. Es unterscheidet sich aber die ganze Classe der Saugwürmer in die- 
sem Sinne von der Classe der Plattwürmer, Complanata, durch Mangel 
an wirbelnden Wimpern auf der Oberfläche des erwachsenen Thieres und 
durch Anwesenheit von Saugscheiben, während der Aufenthalt im thieri- 
schen Körper oder aufser demselben keinen Classencharakter bilden kann, 
sofern nicht ganz bestimmte eigenthümliche Organisationsverhältnisse jenes 
unterstützen und veranlassen. Planarien mit besondern Saugscheiben und 
Mangel an Wirbelorganen der Oberfläche würden also in besondern Gattun- 
gen den Saugwürmern und scheinbare Saugwürmer ohne Saugscheibe 
und mit Wirbelvermögen den Plattwürmern anzureihen sein. Rücksichtlich 
der Spermatozoen (!) bemerke ich noch, dafs ihre Formen starke Verschie- 


weil er bei den Pflanzen angewendet wird und es gut ist die gleichen Verhältnisse des Thier- 
reichs nicht durch andere Benennungen unklar zu machen. 

(‘) Schon im Jahre 1830 schlug ich als Folge vieler Untersuchungen in den Symbolis 
physicis vor, die Spermatozoen den Cercarien und Histrionellen im neueren Sinne anzureihen. 
Seitdem ist von tüchtigen Beobachtern vieles Material für diese Untersuchungen zusammen- 
getragen und publicirt worden. Die Neuheit der mikroskopischen Untersuchung hat einige 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 241 


denheiten zeigen und dafs sie späterhin wahrscheinlich noch mannichfachen 
Trennungen ausgesetzt sein werden. Obwohl ich bereits Material für eine 
solche Übersicht seit mehr als 6 Jahren eifrig gesammelt habe, so ziehe ich 
doch vor, nicht die schon bestehenden Schwierigkeiten durch zu rasche Mit- 
theilung der Einzelheiten zu vermehren. Im Allgemeinen nur scheint es 
mir, dafs wohl ein grofser Theil derselben späterhin zu den Fadenwürmern 
zu stellen sein mag, wenn nämlich die Form nicht trügt, ein anderer grofser 
Theil aber wohl bei den Saugwürmern bleiben wird. Einige Formen zei- 
gen noch andere, beiden Glassen fremde, Eigenschaften. Die besonderen 
Formen beschränken sich, beinah in der Art wie die Epizoen der Vögel und 


wunderliche Meinungen zu Tage gefördert, z. B. Anwesenheit von Bacillarien in den Sexual- 
organen u. dergl., die niemand anerkennen wird, der den Charakter dieser Körper nicht in 
der Form, sondern in dem Kieselpanzer und der Organisation sucht. Körperchen mancherlei 
Art sind neben den spermatischen Würmern gesehen worden und allerdings vorhanden. Da- 
neben sind auch die physiologischen 'Thiere samt der ihnen anhängenden Generatio prima- 
ria von neuem erstanden. So wenig man irgend die Generatio primaria ihrer Möglichkeit 
nach läugnen darf, denn wie gering ist unser Wissen und was wäre nicht alles möglich, so 
scheint es mir doch nöthig, das Wirkliche, das Wissen, nicht zu verläugnen und nicht das 
Unklare dem klar Erkennbaren gleich zu achten. So wenig die Distomen ins Fischauge und 
in die Leber der Schaafe, oder die Ascariden in den Darm und die Epizoen der Vögel zur 
Haut gehören, obwohl sie häufig, zuweilen in allen untersuchten Individuen, da sind, so wenig 
kann die häufige Erscheinung der Spermatozoen, deren viele den Cercarien der Schnecken, 
(welche in ihrer ganzen Masse fast zuweilen aus diesen zu bestehen scheinen) auffallend gleichen, 
für ihre Nothwendigkeit im Organismus beweisend werden. Die physiologischen Thiere haben 
sich, aller Geschichte nach, immer bisher (von den Fröschen im Magen und der Läusesucht 
an, bis zu den Monaden) in die Zoologie übersiedeln lassen. So lange die Sehkraft nicht ver- 
stärkt werden kann, ist es gewils besser nicht der Speculation und Po&sie, durch Anerkennen 
der nirgends klaren physiologischen Thiere, Thür und Thor zu öffnen. Alle Einzelheiten der 
Spermatozoen: abgeschlolsne Form, Bewegang, Gliederung und die Details der Structur, so 
weit sie irgend der Sehkraft vorliegen, sprechen schlagend dafür, dals es selbstständige Wür- 
mer sind. Ihre unklaren Verhältnisse bei der Zeugung, die man immer ferner untersuchen 
mag, wiegen jene klaren Erscheinungen nicht auf und gründet sich die Annahme und Existenz 
einer Generatio primaria nicht auf anschaulichere Facta, als das Häutchen auf dem Wasser, 
welches für Geübte nachweislich meist aus erkennbaren Formen farbiger oder farbloser In- 
fusorien-Cadaver besteht, oder auf die Entstehung der Spermatozoen, deren Eierstöcke und 
übrigen Organisations-Verhältnisse, ihrer Kleinheit halber, jenseits der Grenzen der Sehkraft 
liegen, so ist für diese Vorstellungsweise, der ganzen übrigen aus Saamen hervorgehenden 
Menschen-, 'Thier- und Pflanzen - Masse gegenüber, nichts gewonnen. Naturgesetze ver- 
stecken sich nicht, sondern treten, einmal erkannt, aller Orten klar ent- 
gegen. 
Physikal. Abhandl. 1835. Hh 


- 


242 Eurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


ja auch die übrigen ehemaligen Entozoen, meist auf sehr bestimmte Thier- 
arten. Fadenförmige ungegliederte Formen der Samenthierchen, welche 
den Anguillulis und der Phacelura Paludinae gleichen, bilden eine dieser 
Gruppen, die ich Trichozoa nenne, eine andere Gruppe zeigt eine geglie- 
derte Form, welche einer Cercaria gleicht, diese nenne ich Cephalozoa. 
Blofse Kugeln sind mir nicht vorgekommen, denn bei den Fischen sind sie 
auch geschwänzt. Dafs die fadenförmigen Trichozoen ihrer Form halber zu 
den Fadenwürmern sogleich zu stellen wären, halte ich nicht für rathsam, 
weil die Acanthocephalen ebenfalls den Fadenwürmern in der Form sehr 
gleichen, aber doch im Bau der gespaltenen Ernährungsorgane sich den 
Trematodeen gleich verhalten. Übrigens ist die Form der letzteren im 
Leben bandartig und gefaltet, nur im Tode meist drehrund, den Ascariden 
ähnlich. 

Die zweite Classe der Traubenthiere, welche ebenfalls ohne Prolifi- 
cation oder Thierstockbildung ist, die vorletzte des Thierreichs, ist die der 
Plattwürmer, Complanata. Es umfafst diese Classe den Theil der Pla- 
narien- und Turbellarienformen, welcher einen verästeten Darmcanal be- 
sitzt, die Turbellaria dendrocoela von 1830. Durch die bereits angezeigten 
Charactere des Mangels von Saugscheiben und der Anwesenheit wirbelnder 
Wimpern an der Oberfläche des Körpers, überall oder vorn, unterscheiden 
sich alle Formen von den Saugwürmern. Ein anderer Charakter scheint 
in der Schleimabsonderung zu liegen, welche alle Plattwürmer, aber nie 
Saugwürmer zeigen. Der Grund mag in der drüsigen Structur der Kör- 
peroberfläche der erstern liegen. Von den Magenthieren unterscheiden 
sie sich durch vieltheiligen Darm und einen einfachen oder keinen Magen. 
Alle haben nur eine Darmöffnung und sind gröfser als die Magenthierchen. 
Die hieher gehörigen Gattungen habe ich 1830 in den Symbolis physicis ver- 
zeichnet. Es sind die Gattungen T’yphloplana N., Planoceros Blainville, 
Monocelis N., Planaria N., Tricelis N., Tetracelis N., Polycelis N., Sty- 
lochus N. Es scheint noch eine grofse Menge dieser Formen in Bächen und 
den Meeren zwischen Corallen zu geben, welche spätere Forschung zu Tage 
fördern wird. Duges, welcher gleichzeitig seine fleifsigen Beobachtungen 
über die Planarien mit mir publieirte, hat eine Pulsation der Gefäfse und 
herzartige Erweiterungen beschrieben und bei Prostoma? arcuatum, einer 
Turbellarienform, und Polycelis viganensis abgebildet, allein er spricht sich 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 243 


rücksichtlich der Contractionen sehr behutsam aus. Er sah eine Anschwel- 
lung, (renflement pellueide) und sagt 1828: je crois Tavoir vu changer de 
‚forme mais lentement et non par pulsations regulieres. Derselbe sah es spä- 
ter, wie er 1830 sagt, bei Planaria tremellaris, wo es einem Nervenganglion 
glich und bemüht sich Gründe für die Gefäfsnatur geltend zu machen. Die 
Prostomen zeigten nach p. 14 deutlich contractile Gefäfse und die Contractio- 
nen des Herzens: quoique lentes et irregulieres assez marquees pour n’etre 
pas douteuses. Qoy und Gaimard hielten aber denselben Körper doch, 
wie er sagt, bei Planaria pelagica (Planoceros Gaimardi?), für ein Nerven- 
ganglion. Neuerlich hat Mertens wieder dieses Organ für ein Herz erklärt 
und es mit Zweigen abgebildet. Contractionen sah er aber auch nur sehr 
schwach und unregelmäfsig. Wer die Gontractilität der Planarien in allen 
ihren Theilen nur einmal gesehen hat, dem wird es nicht sehr auffallen, dafs 
darüber verschiedene Meinungen sein können, ob es bei ihnen ein langsam 
contractiles Herz giebt oder nicht. Was den Beobachter leiten mufs, haben 
aber die frühern nicht beachtet. Es ist nämlich zwischen der sichtbaren 
äufserst raschen scheinbaren Säftecirculation in den Gefäfsen (die aber nur 
ein sichtbares Wirbeln der inneren Gefäfswand ist, welche einen ebenso 
raschen Säftelauf allerdings befördern mufs) und dieser zweifelhaften Con- 
traction des sogenannter Herzens, wenn sie existirte, ein völliger Wider- 
spruch im Rhythmus, welcher die Meinung, dafs das Organ gar kein Herz 
sei, sehr unterstützt. Die Planarien müfsten, der Cireulationsbewegung nach, 
offenbar ein sehr schnell pulsirendes Herz haben. Ich glaube aber dadurch 
den Gegenstand völlig aufgeklärt zu haben, dafs ich bei Planaria lactea 2 
solcher drüsigen Körper erkannte, deren jeder einzelne unter einem einzel- 
nen Augenpunkte liegt und das Pigment selbst trägt. Untersucht man nun 
die Stellen, wo jene andern Beobachter das Herz fanden, so ist es meist die 
den Augen entgegengesetzte Stelle auf der Bauchseite und weil da die Gefäfse 
umbiegen und vom Ganglion bedeckt sind, so sieht es unter dem Mikroskope 
aus, als gingen Gefäfse in diesen Körper einerseits ein und kämen auf der an- 
dern Seite wieder andere heraus. Bei der Polycelis, wo die Augenpunkte 
lange Reihen bilden, sind mehrere strahlige Nervenknoten in der Mitte. Die 
Sache wird sich leicht vollends entscheiden lassen, wenn man überall da, 
wo 2 Augen entfernt von einander stehen, 2 solche Körper und wo sie nah 
beisammen stehen, einen findet. Sollte es ein Herz sein, so müfsten auch 


Hh2 


944 Eunenseng über die Akalephen des rothen Meeres 


seine kaum bemerkbaren, daher wohl passiven Contractionen rascher selbst 
vor sich gehen, als bei den Daphnien. Die scheinbaren Contractionen 
mögen durch Hautmuskel-Contractionen bedingt gewesen sein. Ich habe 
keinen Zweifel mehr über die Function, denn bei Pl. lactea habe ich es wie- 
derholt geprüft und die weifsen Flecke der Planaria torva entsprechen 
gerade auch oft nur den Ganglien der mitten darauf liegenden Pigmentstellen 
der Augen (!). 


(‘) Im Jahre 1828 legte ich die Tafeln zu den Symbolis physicis, Evertebrata ]., im Sep- 
tember den zu Berlin versammelten deutschen Naturforschern fertig vor. Sie enthielten die 
in den Jahren 1820 bis 1825 von mir und Hemprich auf der Reise gemachten Beobach- 
tungen. Der Text wurde erst 1830 gedruckt. Gleichzeitig im September 1828 sandte Duges 
seine erste Abhandlung über die Planarien an das pariser Institut und 1830 im Juli die zweite. 
Ich konnte damals nur die erste zum Text benutzen und versuche jetzt die Synonymie zu 
vergleichen. Duges hat seine Formen in 3 Genera einer Familie der Planarien und 1 Sud- 
genus vertheilt. Ich habe sie nach wesentlichen Organen in mehr Genera getrennt. Folgen- 
des sind meine Urtheile über diese Formen. Zwei Genera jener 3 von Duges und das Sub- 
genus zähle ich zur Classe der Turbellarien, nämlich Prostoma, Derostoma und Mesostoma, 
mit Ausschluls des Derostoma polygastrum und Mesostoma viridatum, nach beistehender Sy- 
nonymie. 

Duges. 


Prostoma armatum Prostoma? Ommatoplea? 


candidum Tetrastemma cand. 
clepsinoideum Prostoma_cleps. 
lumbricoideum Tetrastemma lumbr. 


Derostoma angusticeps Derostoma ang. 


griseum Derostoma gr. 
lanceolatum Turbella lanc. 

laticeps Derostoma lat. 

leucops Derostoma leue. 
lineare Derostoma lin. 
megalops Phaenocora N.G. meg. 
mutabile Derostoma? mut. 
notops Turbella? Phaenocora? 
platurum Turbella plat. 

selenops Turbella sel. 

Squalus Turbella? Sq. 


Mesostoma fusiforme Mesostoma fus. 


grossum Mesostoma gr. 


nun anna 


rostratum Mesostoma rostr. 


Die zu den Plattwürmern gehörigen Formen von Duges vertheile ich wie folgt: 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 245 


Herr Duges spricht 1830 pag. 9 noch von der Selbsttheilung der 
Planaria subtentaculata von Draparnaud, welche er von der torva oder 
‚fusca für verschieden hält und bildete auch schon 1528 ein zweischwänziges 
Exemplar der Pl. lactea ab. Beides waren aber doch wohl nur Monstruosi- 
täten oder Regenerationen nach Verletzung. Was derselbe sehr fleifsige 
Beobachter über die nahe Verwandtschaft der Planarien mit den Egeln, 
Clepsine, den Distomen und den Infusorien (Leucophrys und Vibrio) sagt, 
beruht nur auf allgemeinen unwichtigen Ähnlichkeiten. Die Clepsinen 
haben zweifellose Gefäfspulsationen, die Distomen haben Saugscheiben und 
wirbeln nicht, können daher auch nur kriechen, die Infusorien sind poly- 
gastrisch und proliferirend. Formähnlichkeit haben auch Hydra und Sepia, 
aber ihre organische Verschiedenheit trennt sie fern von einander (!). 


Derostoma polygastrum = Typhloplana pol. 

Mesostoma viridatum = Typhloplana vir. 

Planaria coeca = Typhloplana coec. 
fusca s. Zorva = Planaria torva. 
gonocephala = Planaria gon. 
lactea = Planaria lact. 
longiceps = Planaria long. 
nigra s. brunnea = Polycelis nigr. 
pelagica Joy et G. = Planoceros Gaimardi? 
subtentaculata Drap. = Planaria subt. 
terrestris = Planaria terr. 
tremellaris = Pianaria? trem. 
viganensis = Polycelis vig. 
Fitta = Planaria Vitta. 


Hieran schliefse ich auch die Synonyme zu Mertens 3 Arten, welche 1833 in den 
Memoires de ’Academie de Petersbourg, Sixieme Serie Sect. physic. T. I. gedruckt erschienen. 
Planaria lichenoids = Discocelis? N.G. lich. 
pellueida = Stylochus pell. 

sargassicola = Stylochus sarg. 

Von den seltneren und 2 neuen Gattungen, welche aus dieser Vergleichung hervor- 
gehen, ist Planoceros durch Hörner ohne Augen ausgezeichnet, vielleicht wurden aber letz- 
tere übersehen und die Form gehört zur Gattung Stylochus. Phaenocora ist ein Derostoma mit 
2 Augen. Discocelis ist ein Siylochus mit vielen nebeneinander scheibenartig stehenden Augen- 
punkten jederseits, ohne Stiele. Waren die Stiele oder Hörnchen nicht eingezogen ? 

(‘) In diesem Jahre 1836 hat Herr F. F. Schulze zu Berlin in einer Inaugural - Disser- 
tation de Planariarum oivendi ratione et structura einige interessante Mittheilungen seiner 
Beobachtungen gemacht und hatte dafür 1835 die Universitäts- Prämie erhalten. Von der 


- 


246 Eurensgeng über die Akalephen des rothen Meeres 


Die dritte Classe der Traubenthiere oder Strahlthiere, die 
letzte des Thierreichs nach dieser Anordnung, ist die der Magenthier- 
chen, Polygastrica. Sie steht nicht am Ende wegen der Einfachheit ihres 
Baues, denn sie könnte ebensowohl den Anfang oder die Mitte bilden, aber 
sie giebt einen guten Schlufs als diejenige Gruppe, welche die kleinsten, bis 
zur Grenze selbst der geschärftesten Sehkraft hinabsteigenden, Formen ent- 
hält. Diese Classe ist durch viele an einem verästeten, nur scheinbar ein- 
fachen Ernährungscanale, oder sogleich am Munde hängende Magen charak- 
terisirt. Diese Magen sind keine Darmanhänge oder Blinddärme, sondern 
wahre Magen, weil sie sich mit rohen festen Stoffen unmittelbar und allein 
füllen. Alle Formen sind hermaphroditisch und sehr viele, wahrscheinlich 
alle, bestocken sich überdies durch Theilung und Knospenbildung. Dafs 
die bei ihnen geschlechterweis völlig beständig vorkommenden rothen Punkte 
am Kopfe Augen sind, zeigt der Bau und die Analogie der Entomostraca 
und Rotatoria ganz scharf und bestätigen die bei vielen andern Thierklassen 
gleichzeitig zu beobachtenden Markknoten unter solchen Punkten. Selbst 
bei den Magenthierchen haben neuerlich mehrere Arten der Gattung 
Euglena einen grofsen hellen Markknoten unter dem rothen Augenpunkte 
erkennen lassen. Diese Classe der Magenthierchen bildet einen Theil der 
Infusorien von O. F. Müller und aller Neueren, den ich’in früheren Vor- 
trägen scharf zu charakterisiren, der allgemeineren Beziehung halber, mich 
angelegentlich bemüht habe. 


Circulation des Blutes sagt er, ne minimam quidem vasorum contractionem et expansionem 
potui observare, gquamquam sanguinis fluxum apertissime obseroaei p. 18. Spontane Theilung 
läugnet er, obwoll er mehrere Tausende von Planarien beobachtet habe. p. 30. Dieser Cha- 
rakter gehört auch nur den Turbellarien. Die Augenganglien hat er anders und noch com- 
plicirter gesehen, als ich sie beschrieben. Sein Corpus vitreum scheint aber das zu sein, was 
ich Markknoten nenne. Er hat bei Planaria torva überdies von den Augen 2 feine Fäden 
abgehen und, durch 4 Knötchen verbunden, die Mundöffnung umgeben gesehen. Die Körper- 
wimpern hat er auch gesehen. Was er über die Olasse sagt, konnte natürlich nur oberfläch- 
lich sein. Die Beobachtungen sind mit Liebe und Treue, fleifsig und gut und eine Fort- 
setzung und weitere Mitiheilung, die er verspricht, ist als Bestätigung und Fortbildung recht 
wünschenswerth. Spätere Bemerkung. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 247 


Ich schliefse mit der Bemerkung, dafs denn wohl durch die Erkennt- 
nifs der durchgreifenden Organisation bei den Thieren und durch die Dar- 
stellung eines und desselben Bildungstypus rücksichtlich der Hauptsysteme 
der Organisation ein bisher unbekannter Ausdruck für den Begriff des 
Thier-Individuums im Allgemeinen sich entwickelt hat. Ein Thier ist 
jeder dem Menschen in den Hauptsystemen des Organismus 
gleicher lebender Körper ohne Gleichmaafs dieser Systeme, 
oder jeder (und mit Sicherheit nur ein solcher) Organismus, welcher 
ein Ernährungssystem, ein Bewegungssystem, ein Blutsystem, 
ein Empfindungssystem und ein Sexualsystem besitzt. Darum 
ist auch ein Polypenstock ein Haufen von Thieren. Für den Begriff der 
Pflanze giebt es noch keinen genügenden durchgreifenden Ausdruck. Noch 
weifs man nicht was ein Individuum ist, die meisten sind offenbar den Co- 
rallenstöcken vergleichbare Aggregate von Individuen und dafs man bis zu 
dieser Erkenntnifs von einer Circulation der Säfte, welche mit der bei den 
Thieren vergleichbar sei, sehr vorsichtig zu handeln habe, liegt am Tage. 

Endlich kann es in früheren Perioden der Erde wohl andere Thiere 
gegeben haben als die heutigen, aber einfachere würde es sonach schwerlich 
gegeben haben, da in den untersten Tiefen Mollusken und Crustaceen liegen. 
Wie tief die Markthiere gehen scheint ebenfalls unberechenbar. Weitere 
Schlüsse hieraus, auch auf die Analogie der Vegetabilien, liegen nahe und 
können füglich jedem überlassen werden. Werth erlangen sie aber erst 
nicht durch poätische Ausschmückung, sondern durch fortgesetzte Prüfung, 
sorgfältige Feststellung und weitere Entwicklung der Thatsachen. 

Die beiliegende Tabelle soll die Übersicht des vorgetragenen Details 
erleichtern helfen. Sie zeigt nur den momentanen Zustand meiner eignen 
vieljährigen, durch die Geschichte geleiteten und vorbereiteten Forschungen 
und Erkenntnisse, die oft unzureichend wie alles Wissen, aber mühsam ver- 
folgt und hie und da in grofsen Reihen neu sind, daher wie ich hoffe im 
Ganzen nicht ohne Nutzen sein werden. Mögen sie von den Männern und 
Freunden der Wissenschaft freundlich und ernst aufgenommen werden. 


248 Eurenseng über die Akalephen des rothen Meeres 


Erklärung der Abbildungen. 


Die beiliegenden 8 Tafeln sollen die Organisation einer Form der Acalephen, der 
Medusa aurita, in allen bisher erkannten Einzelheiten anschaulich machen und dadurch die in 
der ganzen Qlasse dieser Thiere vorhandenen Organisationsverhältnisse mit dem allgemeinen 
Typus thierischer Organisation vergleichbar machen. Ich habe sämtliche Abbildungen selbst 
gezeichnet. 

Fig.I. der ersten Tafel und die sämtlichen Figuren der dritten Tafel sind die Normal- 
Formen der Medusa aurita, die übrigen sind Abänderungen verschiedener Art. 

Die erste, zweite und dritte Tafel enthalten Abbildungen der Medusa aurita in ihrer 
natürlichen Grölse. Die vierte bis achte enthalten vergröfserte einzelne Theile. 

Als Zugaben sind auf der achten Tafel die Sinnesorgane und Kiemen der Seesterne 
und einige Details über andere Gattungen der Akalephen zur Vergleichung hinzugefügt. 


Tafel I. 


Fig.I. Darstellung einer Normalform der Medusa aurita der Ostsee bei Wismar in na- 
türlicher mittlerer Gröfse von 7 Zoll Durchmesser, vom Rücken gesehen. Die 4 ein Kreuz 
oder einen Stern bildenden röthlichen Eierstöcke umgeben den von unten durchscheinenden 
vierwinkligen Mund in der Mitte, dessen verlängerte Winkel oder 4 dicke Arme durch die über- 
liegende Gallertscheibe hier verhüllt und unsichtbar sind. In der Mitte jedes Eierstockraumes 
ist die Eihöhlenöffnung zuweilen, wie auf der Figur, durch die Gallertscheibe hindurch sichtbar. 
Dicht an jedem Eierschlauche liegt ein Wimpernkranz, der meist schwer zu erkennen ist, ehe 
man die Höhle selbst geöffnet hat. Derselbe äulsere Raum, welchen die Eierschläuche einneh- 
men, ist in seiner ganzen Ausdehnung durch eine horizontale Haut in 2 Theile geschieden, 
deren unterer nur die Eierschläuche enthält, deren oberer aber die Fortsetzung des Mundrau- 
mes als Magen ist, wie man beim senkrechten Durchschnitt der Scheibe auf Tafel IH. deutlich 
erkennt. Mit diesem viertheiligen Magen hängen alle strahlenartigen Canäle zusammen, welche 
von der Unterseite her durchscheinen. Diese strahligen Canäle sind der verästete Darm. Oft 
anastomosiren sie, ohne Regel. Einige Äste enden auch wohl blind. Die alle Darmradien ein- 
fassenden röthlichen Linien sind Muskelparthieen. Die wichtigsten übrigen Theile der Organi- 
sation liegen am äulsersten Rande. Die Franzen daselbst sind sehr contractile und empfindliche 
Fühlfäden. An der Basis der Fühlfäden ist der gezahnte Rand sichtbar, welcher durch eine 
gekerbte Haut gebildet wird, die die Basis der Fühlfäden auf der Bauchseite bedeckt. Am 
äufsersten Scheibenrande, wo die Franzen oder Fühlfäden ansitzen, befinden sich in gleichen 
Abständen 8 gelbbraune in eine dreiklappige Scheide eingeschlofsne Körperchen, o, mit einem 
rothen Punkte, dem Auge. Zwischen je 2 solchen Augen in der Mitte ist unter einer grölsern 
Randklappe eine Analöffnung, w, so dals deren auch acht vorhanden sind. 

Fig II. bis VI. ist ein jüngeres Exemplar derselben Medusa aurita von Wismar in ver- 
schiedenen Stellungen, aber mit 6 getrennten Eierstöcken und Fangarmen anstatt der gewöhn- 
lichen 4. Fig. I. und II. sind Seitenansichten des schwimmenden Thieres, letztere im ganz 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 249 


flachen, erstere im etwas glockenartigen Zustande. Fig. IV. ist der ganz glockenartige Zustand, 
welcher entsteht, wenn das Thier sich nach der Richtung der Zahl hin fortbewegt, im Moment 
des Stolses selbst. Dabei verlängern sich die Randwimpern etwas und ihr Kreis wird trichter- 
förmig. Fig.VI. ist vom Rücken gesehen (wie Fig. 1.), Fig.V. vom Bauche, wobei die Fangarme, 
oder verlängerten Mundwinkel, oben liegen. Die Oyarien liegen zwischen den Fangarmen, mit 
ihnen abwechselnd. Der Mund ist sechseckig und es giebt 12 Augen am Rande und 2/ Haupt- 


Darmradien. 


Tafel I. 


Darstellung der Abänderungen und Zahlenverhältnisse der Medusa aurita in 12 von 
den 2 der ersten Tafel verschiedenen Formen, in natürlicher Gröfse, aber nach kleineren Exem- 
plaren. Alle vom Rücken gesehen. Bei allen Exemplaren entsprechen die Zahlen der Fangarme 
den Zahlen der getrennten Ovarien. Bei Fig. IX. waren aber nur 4 und bei Fig. X. nur 5 Fang- 
arme zugegen, während die Zahlverhältnisse der Darmradien den Ovarien gemäls grölser waren. 

Fig.I. und II. sind Exemplare, welche nur einen einzigen zusammenhängenden Eier- 
stock um den Mund führen. Man sieht aber sogleich an der Form und auch an den Zahlenver- 
hältnissen der Darmradien, dafs das scheinbar einfache Ovarium bei Fig. I. aus 3, bei Fig. II. aus 
4 zusammengeflossenen entstanden ist. Auch ist der mittlere dnrchscheinende Mund bei Fig.1. 
dreieckig, bei Fig. II. viereckig. Bei ersterer waren am Munde unterhalb 3 grolse Fangarme, 
bei letzterer 4. o Augen, w Analstellen. 

Fig. IH. ist ein Exemplar mit 2 Eierstöcken, dem man aber sowohl an der Form dersel- 
ben, als an der Zahl der Hauptdarmradien deutlich ansieht, dafs es 6 zu je 3 verschmolzene Ova- 
rien besitzt. Auch der sehr zusammengezogene Mund in der Mitte zeigt 6 Strahlen. Am Rande 
sind 12 Augen und 12 Analöffnungen. Am Munde waren 6 grolse Fangarme. 

Fig. IV. ist ein Exemplar mit 3 getrennten Ovarien, dreieckigem Munde, 3 Fangarmen, 
6 Augen, 6 Analöffnungen, 12 Darmradien und dies ist mithin die niedrigste wahre Zahl, welche 
bisher beobachtet wurde. Vergl. Fig. 1. 

Fig. V., VL, VII, VII. und IX. sind 5 verschiedene Formen des Ovariums mit der 
Vierzahl, woran sich, als sechste, Fig. 1. der ersten Tafel schliefst. In Fig. I. der ersten Tafel hat 
jedes Ovarium die Gestalt eines sanft triangulär eingebogenen Schlauches. In Fig. V. Tafel I. 
ist jedes einzelne Ovarium ein nierenförmiger gelappter Körper. In Fig. VI. ist es ein rund- 
licher gelappter Körper mit einem sehr kleinen leeren Raume in der Mitte. In Fig. VI. ist jedes 
Ovarium fast ein geschlolsner Cirkel. In Fig. VII. ist es hufeisenförmig. In Fig. IX. ist sicht- 
lich keine reine Viertheilung mehr, indem eins der 4 Ovarien aus 2 verschmolzenen besteht. 
So haben denn auch die 5 ersten der genannten Exemplare 4 Fangarme, einen viereckigen Mund, 
8 Augen, 8 Darmöffnungen und 12 Haupt-Darmstrahlen; die letzte Form hatte zwar ebenfalls 
nur 4 Fangarme, aber einen fünfeckigen Mund, 10 Augen, 10 Analöffnungen und 20 Darm- 
radien. Die Figuren V. und VI. stellen jüngere Individuen mit weniger entwickelten Eier- 
stöcken dar, als die übrigen. Zu den Formen der Ovarien sind auch noch zu vergleichen 
Fig. I. und V. auf Tafel III., welche diese halbeirkelförmig und Fig. IV. Tafel IIl., welche 
sie halbmondförmig zeigen. Vergl. Fig. I. 

Fig. X. ist ein regelmäfsig fünftheiliges Exemplar. Ähnliche Fünftheilung findet sich an 
Fig. IX. und XL, aber bei ersterer mit Mangel eines Fangarmes und mit unvollendeter Tren- 


Physikal. Abhandl. 1835. Ti 


350 Enrenpeng über die Akalephen des rothen Meeres 


nung des fünften Ovariums. Bei letzterer dagegen ist Überschufs. Sie hat zwar nur 5 Fang- 
arme, aber das fünfte Ovarıum ist aus 2 zusammengeflossen, der Mund ist sechseckig und die 
Strahlung nach der Sechszahl. 

Fig. XI. ist ein unvollkommen sechstheiliges Exemplar, welches nur 5 Fangarme hatte, 
aber einen sechstheiligen Mund und alle Darmstrahlen und Randorgane nach der Sechstheilung 
enthielt. Sein sechstes Ovarıum ist mit dem fünften noch verschmolzen. Eine vollendete Sechs- 
theilung ist auf Tafel I. Fig. II. bis VI. dargestellt. Auch Fig. III. der Tafel 11. gehört zur Sechs- 
theilung, obschon die 6 Ovarien in 2 verschmolzen sind. 

Fig. XH. ist ein achttheiliges Exemplar. Ich habe nur 2 und beide in der dargestellten 
Grölse gesehen. Beide waren in den Ovyarien vollständig getrennt und hatten $ Fangarme und 
$ Mundwinkel. Das dargestellte hatte dabei aber nicht 16, sondern nur 14 Augen und 14 Anal- 
öffnungen und nicht 32, sondern nur 28 Hauptradien des Darms. 


Tafel III. 


Es sollen auf dieser Tafel besonders die Form und Verhältnisse des Ernährungssystems 
der Medusa aurita in natürlicher Gröfse dargestellt werden. Fig. II., II. und IV. sind natür- 
liche Zustände. Fig.I. ist ein senkrechter Durchschnitt der Scheibe. Fig. V. ist ein durch In- 
digonahrung vorbereitetes Exemplar. 

Fig.I. Senkrechter Durchschnitt einer viertheiligen Medusa aurita in der Mitte der 
Scheibe so, dafs 2 ihrer Eierschläuche halbirt sind und mithin der Schnitt zwischen 2 Fangarmen 
durchgeht. Die dicke Gallert- oder Knorpelscheibe zeigt sich so in ihrem überwiegenden Ver- 
hältnils der Masse zu den übrigen zarten Organisationstheilen. Die Mundöffnung ist unten bei 
a zwischen den Fangarmen und ist mit gespalten. Mit 2 ist der innere Mundraum bezeichnet, 
welcher zwischen den Wurzeln f der Fangarme g liegt. Mit c sind 2 durch den Schnitt gespal- 
tene Oesophagi bezeichnet, welche den Mund mit dem Magen verbinden und deren 4 sind. Mit 
d ist einer der Magen bezeichnet, dem gegenüber noch ein anderer ist und deren 4 vorhanden 
sind. Durch e ist der Zapfen der Gallertscheibe bezeichnet, welcher die Magen und Eierhöhlen 
trennt. Bei f ist die Schnittfläche, welche die Wurzeln der Fangarme in ihren Zwischenräumen 
trennt. Mit g ist einer der mit erfüllten Brutbeuteln besetzten grolsen Fangarme oder Mund- 
winkel bezeichnet. % zeigt die Eierstockhöhle an, worin der gefüllte Eierschlauch liegt. Bei i 
ist die Eierhöhlenöffnung. Zwischen A und 4 ist die zarte Scheidewand des Magens von der 
Eierhöhle. Bei % gehen die Darmradien vom Magen ab. 

Fig. II. zeigt dasselbe Individuum in seiner glockenförmigen Gestalt mit den durch- 
scheinenden bruttragenden 4 grolsen Armen und den leeren, über den Eierschläuchen als be- 
grenzte Räume sichtbaren, Magenhöhlen. 

Fig. IH. ist ein Specimen von weniger als mitteler Gröfse mit halbeirkelförmigen Ovarien 
und der gewöhnlichen Viertheilung, welches einen kleinen Fisch schon halb verdaut im Magen 
hat und sämtliche Analbeutel so erfüllt hat, dafs man sie leicht für die 8 braunen Körper oder 
Augen hält. 

Fig. IV. ist ein kleineres ebenfalls mit Nahrungsstoff natürlich erfülltes Thier. Es hatte 
in 3 seiner Magenhöhlen Nahrung aufgenommen, deren Bestandtheile nicht mehr sicher zu er- 
kennen waren. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 351 


Fig. V. ist ein 24 Stunden lang in mit Indigo gefärbtem Wasser erhaltenes Thier in na- 
türlicher Gröfse. Alle zum Ernährungssysteme gehörigen Theile sind mit einem Blick zu 
übersehen. Die Magen haben nicht viel von dem schon hinlänglich zerkleinerten Nahrungs- 
stoffe aufbehalten, aber die Darmradien, der Randkanal und die cloakenartigen Analbeutel sind 
strotzend erfüllt. Bei + entleert das Thier einen solchen Raum. Beunruhigt man es, so ent- 
leert es plötzlich alle. Besonders deutlich werden so auch die beiden kleinen Blindfortsätze des 
Darmes unter jedem Augenstiele, bei o. Die blauen Furchen der Ovarien sind vielleicht nur die 
Rinnen der auf ihren Falten aufliegenden Scheidewand des Magens. 


Tafel IV. 


Diese Tafel zeigt die in den früheren Figuren mit o und w bezeichneten zarten Rand- 
theile unter 75 maliger Vergrölserung. 

Fig.I. ist einer der mit o bezeichneten Theile eines mit wenig Indigo erfüllten Exem- 
plares der Meduse, nämlich ein Augenstiel oder brauner Körper in seiner dreiklappigen Kapsel, 
von der Bauchseite gesehen, wo man den rothen Pigmentfleck abgewendet, also nicht, sieht. 
Zu beiden Seiten der Augenkapsel liegen die Fühlerreihen des Randes, welche man ohne Ver- 
grölserung als sehr zarte Franzen erkennt. Die Basaltheile dieser Franzen oder Fühlfäden sind 
doppelt eingehüllt. Unterhalb ist eine zusammenhängende feine Haut, oberhalb sind so viele 
einzelne sehr stumpfe zahnartige Häutchen, als es Fühler giebt. Jeder Fühlfaden ist sehr con- 
tractil und kann sich so stark verkürzen, dals er viel kleiner wird als die Häutchen seiner Basis, 
so dafs er sich in den Zwischenraum seiner 2 Basalmuskeln ganz zurückziehen und verbergen 
kann. Am Grunde jedes Fühlfadens sind nämlich 2 deutliche etwas keulenartige Anschwellun- 
gen, wie Schenkel, welche bei den Contractionen sich verkürzen und breiter werden, bei den 
gröfsten Expansionen bis auf die Farbe fast unmerklich werden. Sie verhalten sich ganz wie 
Muskeln, besonders ganz wie die Muskeln des Zangenfufses der Räderthiere, denen sie auch an 
Form ganz gleichen. Zwischen jedem Schenkelpaare sieht man noch 2 Streifen, die einen Fort- 
satz des Darmes vom Randcanale einschlielsen und welche von etwas stärkeren Anschwellungen 
kommen, die zwischen je 2 Paaren der Fühler-Schenkel liegen. Diese Anschwellungen, welche 
von zarten queren Muskelfasern bedeckt sind, mögen Nervenknötchen sein. Ähnliche noch 
deutliche Markknötchen liegen unter dem gelben Körper bei r, in dessen Stiele z eine Circula- 
tion von Blutkörperchen sichtbar ist. In den Darmeanälen sind viele kleine Strömungen der 
Farbetheilchen, aber keine zusammenhängende sichtbar. 

? bezeichnet das Gefälsnetz der untern Seite mit einzeln verstreuten Körnern. zz ist der 
rechte Theil der Augenkapsel, n der linke, p der mittlere. q ist der Augenstiel, r die 2 Markknöt- 
chen in der Kapsel unter dem Auge, deren Schenkel in g fortzugehen scheinen. s der Crystall- 
beutel über dem Auge. ? der mittlere Raum im Augenstiele, wo deutliche (Blut?) Circulation 
sichtbar ist. u die kleinen Blindanhänge des Darmes unter dem Auge. vo die strahligen Ernäh- 
rungscanäle samt dem Randcanale. » die Fühlermuskeln. x die Markganglien der Fühler. y die 
Fühlerfortsätze des Cirkelcanals am Rande. « das ganzrandige Deckhäutchen der Fühler, das 
gelappte. 

Fig. II. ist eine Analöffnung mit dem Analbeutelchen und der gröfsern Randklappe, 
welche in den früheren Tafeln mit w bezeichnet wurden, 75 mal vergröfsert, von der Rücken- 
seite gesehen. Das Gefälsnetz der Oberfläche mit den gehäuften schüsselförmigen Körperchen 


Ii2 


252 Enrengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


bezeichnet die Rückenseite. o ist der Ernährungscanal. z das Analbeutelchen mit Überresten 
verdauter organischer Stoffe, in denen man eine kleine bivalve Muschel, Räderthierchen (No- 
tommata?) und Naviculas erkennt. « die untere Deckhaut der Fühler, ß die gezahnte obere, 
% die grölsere Randklappe der Analöffnung. 


Tafel V. 
Die Augen und Crystallbildung ist der Gegenstand der Darstellung auf dieser Tafel. 


Vergröfserung 75 mal im Durchmesser. 

Fig. I. ist eins jener auf Tafel III. Fig.V. abgebildeten mit o bezeichneten Randkörper- 
chen einer mit Indigo stark erfüllten Meduse, die ich als Augen betrachte, von der Rückenseite 
gesehen, wo es einen grellen rothen Pigmentpunkt zeigt. Das eylindrische Körperchen ist hier 
noch im Zusammenhange mit den ihm zunächst verbundenen Theilen uud liegt in seiner drei- 
klappigen Kapsel nach oben von der mittleren Klappe bedeckt. zz ist die rechte Klappe, r die 
linke, » die mittlere. q der Augenstiel oder der kiemenartige äufsere Fortsatz unter dem Auge, 
in welchem Körnchen cireuliren, die den Blutkörperchen ganz ähnlich sind. sind die beiden 
Markknoten unter dem Auge, deren Schenkel nach dem Auge hin gerichtet sind. s ist das Cry- 
stallbeutelchen über dem Auge. z ist die Circulations-Höhlung in den Kiemen oder den Augen- 
stielen. « sind die Blindfortsätze des Ernährungssystems unter dem Auge. » die Ernährungs- 
canäle des Scheibenrandes. w die Basalmuskeln der Randfühler. x die Markknötchen zwischen 
den Fühlern. X der grölsere Markknoten, auf welchem das, bei auffallendem Lichte zinnober- 
rothe, bei durchgehendem Lichte braunrothe Pigment des Auges unmittelbar aufsitzt. y der 
kurze Darmfortsatz des Randcanals zwischen den Fühlern. 

Fig. Il. bis VII. stellen 3 einzelne Augenkörperchen dar von einer und derselben Me- 
duse, welche die ungleiche Gröfse der Crystallbeutelchen anschaulich machen. Fig. II. und IV. 
sind dieselben Körperchen, wie Fig. II. und V., von der Bauchseite gesehen, während letztere 
von der Rückenseite gezeichnet sind. Die Zeichen bedeuten dasselbe. 

Fig. II. bis V. sind ohne Druck, frei herauspräparirt gedacht, mit Weglassung der 
Nebenorgane gezeichnet. 

Fig. VI. ist durch leichten Druck eines aufgelegten Glasblättchens etwas breit gedrückt, 
wodurch die Form der innern Crystalle schon hervortritt. 

Fig. VI. ist durch etwas verstärkten Druck zerquetscht. Bei Xist der unter dem Pig- 
ment liegende Nervenknoten. Die Pigmentfarbe der Figuren 1. bis V. ist nach dem auffallenden 
oder reflectirten Lichte, die der Figuren VI. und VII. nach dem durchgehenden Lichte 


gegeben. 


Tafel VI. 


Bau der Gallertscheibe und der Fühlfäden. 

Fig. I. stellt einen kleinen Randtheil mit natürlich ausgedehnten Fühlfäden vor. «& die 
ungezahnte, ß die gezahnte Deckhaut der Fühlfäden des Randes. w die Basalmuskeln der letz- 
tern. x die im Muskelrande des Cirkelcanals des Darmes liegenden, von feinen Muskelfasern zu- 
weilen deutlich umhüllten, zweischenklichen Markknötchen, welche zu den in der Ausdehnung 
perlschnurförmig gegliederten, in der Contraction eylindrischen Fühlfäden gehen. Die Fühl- 
fäden sind an ihrer ganzen Oberfläche sammtartig und mit Körnchen durchwirkt, unter denen 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 953 


grölsere Schüsselchen, wie Saugnäpfchen, liegen. Im gedehnten Zustande der Fühler liegen die 
Saugschüsselchen auf den Knoten beisammen. Die ganze Oberfläche wirbelt. Die Wimpern, 
welche es bewirken, sitzen auf Knötchen und diese sind zum Theil wieder gestielt. Die Fühl- 
fäden haben eine so energische Contractions-Fähigkeit, dals sie (wie manche Ringwürmer, 
bekanntlich auch Krebse) dabei zerbrechen und theilweise sich ablösen. Solche Theile schwim- 
men dann selbstständig fort, wie die wirbelnden Fragmente der Schnecken -Kiemen. 

Ich unterlasse nicht bei diesen in der Contraction eylindrischen und gebogenen, in der 
Expansion perlschnurartig gegliederten Fühlfäden das ähnliche Verhalten der weit feineren 
Elementar-Hirnröhren ins Gedächtmifs zu rufen. Die ähnliche Form kommt aber in beiden 
Fällen nicht aus derselben Ursache. Bei den Fühlfäden der Medusen ist der cylindrische ver- 
kürzte und gebogene Zustand eine active Contraction und Spannung. Mit dem Tode, wo diese 
aufhört und Abspannung, Expansion, eintritt, kommt die Perlschnurform zum Vorschein. 
Auch im lebenden Thiere erscheint sie, durch willkührliche Erschlaffung, beim Verlängern der 
Fäden zum Tasten und Fangen. Umgekehrt ist es bei den elastischen Elementartheilen des 
Thierkörpers, wozu die Nervenmasse gehört. Willkührliche Erschlaffung oder Tod erzeugt 
bei diesen Contraction, Verkürzung, Biegung und eine mehr oder weniger eylindrische Form, 
leichte geradlinige Anspannung erzeugt die Perlschnurform oder Gliederung. Bei der Sehne 
der Armbrust ist der gebogene Zustand Erschlaffung, beim Bügel derselben ist der gebogene 
Zustand die Spannung. Auch diese Fühlfäden sind nicht streng regelmäßig gegliedert, aber 
dals sie zur Gliederung, als ihrem natürlichen Zustande, nicht prädisponirt wären und dafs die- 
ser perlschnurartige Zustand nicht ein anatomisch und physiologisch wichtiger Zustand auch für 
sie wäre, dürfte schwer zu verneinen sein. 

Fig. II. ist ein Theil eines 500 mal im Durchmesser vergröfserten Fühlfadens an seinem 
dünnen, durch Druck etwas gequeischten Ende. Der dickere Theil ist nur ausgebreitet und 
wirbelt noch, der dünnere aber von seiner äulseren Sammt-Schicht eniblölst. Innen befindet 
sich nämlich, unter der Wimper-Lage, ein axenartiger contractiler (Muskel-) Cylinder, welcher 
noch manchen feinen Organismus enthalten mag, den man nicht specieller erkennt, aber, der 
obern Wimper- und Saugwarzenschicht halber, nicht grundlos vermuthen kann. 

Fig. II. ist ein Stück eines feinen Querdurchschnittes der Gallertscheibe einer grolsen 
Meduse bei 50 maliger Vergrölserung und nach Anwendung von etwas Druck, wodurch der 
Schnittrand der Rückenseite etwas weiter nach 2! hin getrieben ist, als der der Bauchseite 7. 
Man erkennt so die 3 Gefälshäute der Gallertscheibe. Mit 7! ist die Rückenhaut, mit 72 die 
Mittelhaut und mit 73 die Bauchhaut bezeichnet. Drei durchschnittene Darmröhren sind mit 
de bezeichnet. Sie liegen, obwohl sehr nahe an der Bauchhaut, doch zwischen der Mittel- 
und Rückenhaut. Wo sie liegen biegt sich die Mittelhaut gegen die Bauchhaut hin ein und legt 
sich dicht an diese an. Besonders anschaulich wird auch bei solchen feinen Durchschnitten, 
wenn sie gut gelingen, dals die Canäle selbst eigene Wände und darin Cirkelfaserung haben, 
was mit 9 bezeichnet ist. Jeder Canal hat bei $ zwei verdickte Stellen mit Längsstreifung, 
welche den röthlichen Streifen der Scheiben-Radien entsprechen, die man mit blolsen Augen 
sieht. A bezeichnet die körnige Gallertmasse zwischen der Mittel- und Rückenhaut, deren 
Körnchen man zuweilen durch zarte Fasern oder Gefälse verbunden sieht. In diese dicke Gal- 
lertmasse fressen sich zuweilen kleine, dem blolsen Auge recht wohl sichtbare Crustaceen ver- 
schiedener Krebsgattungen an. Es scheint meist Brut grölserer Krebsformen zu sein, weshalb 


254 Eurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


man mit ihrer besondern Benennung, will man nicht schädliche Synonyme häufen, zurückhal- 
tend sein mag, bis man die Entwicklung noch mehrerer Krebse genau verfolgt hat. 


Tafel VI. 


Diese ganze Tafel ist dem Fortpflanzungsorganismus, den Eiern und der Brut gewid- 
met, so weit sie bisher anschaulich wurde. Fig. I. und I. sind 75 mal vergrölserte solche Eier- 
schläuche, welche auf den ersten Tafeln zu 4 bis 8 den farbigen mittleren Stern bilden. 

Fig. 1. ist ein einzelner Eierschlauch, vom Rücken aus gesehen, im jugendlichen Zu- 
stande. Er erscheint als ein cylindrischer, vielfach eingebogener, dicht mit violetten rundlichen 
Eiern erfüllter Schlauch in Form eines Halbcirkels. Beide Enden des Schlauches sind meist an- 
liegend und versteckt, ziemlich gleichartig. Ich habe aber einigemal beobachtet, dafs die Eier 
im linken Ende bei % mit weit mehr sehr kleinen Eikeimen (Eibläschen) vermischt waren und 
habe auch einigemal deutlich, wie es schien, bemerkt, dafs das rechte Ende einen nach innen ab- 
gehenden Anhang & hat, der dem linken, damals nach oben angebogenen, fehlte. Ich vermuthe 
daher, dafs die linke Seite des Eierschlauches (von oben gesehen) mehr Eierstock, die rechte 
mehr Eileiter ist und dals alle Eier rechterseits bei E entleert werden mögen, was ich nicht be- 
obachten konnte. Der ganze Eierschlauch liegt in einer besondern häutigen Zelle 7. In der 
Mitte ist eine ovale, grolse, stets offne Mündung, welche nur durch den Kranz von Fühlfäden 
willkührlich geschlossen zu werden scheint. Die Fühlfäden sitzen je auf 2 Markknötchen, die 
bei starker Expansion wenig sichtbar sind, zuweilen aber durch weilsliche, im Mikroskope bei 
durchgehendem Lichte, gelbliche, Färbung stark ausgezeichnet bleiben. 

% linkes Ende des Eierschlauchs (Eierstock); & rechtes Ende (Eileiter); 7 Zelle des 
Eierschlauchs; Q Mündung dieser Zelle; & Fühlfäden der Eierzelle; 7 Nervenknötchen der 
Fühlfäden. 

Fig. II. Ein ähnlicher Eierschlauch im mehr entwickelten Zustande, wo die Mehrzahl 
der Eier und Brut schon entleert ist. Die gröfste Menge der Eier und Brut gleicht nicht der 
braunen cylindrischen Brutform, sondern der röthlichen, mehr kugelartigen und scheibenförmi- 
gen. Jedoch fehlt es auch nicht an cylindrischen braunen im Eierschlauche selbst. 

Fig. III. Ein einzelner 300 mal vergröfserter Fühlfaden der Eierzelle. 

Fig. IV. bis XIX. sind die verschiedenen Zustände der Eier und ihre Entwicklung, so 
viel sie meiner Beobachtung bisher zugänglich war. Alle, aulser Fig. XIX., sind bei 300 maliger 
Linear-Vergrölserung von In Linie Grölse an bis zu r Linie im Durchmesser gezeichnet. Bei 
Fig. IV., V., VI. und XVI. sind die Grölsen angezeigt, wonach die andern leicht zu vergleichen 
sind. Von der n Linie grofsen cylindrischen braunen Form Fig. XIX. ist nur der Vorderrand 
500 mal vergrölsert gezeichnet. Es erscheinen da einzelne längere Wimpern, welche auf beson- 
deren Knötchen sitzen und sich samt den Knötchen leicht ablösen. 

Fig. IV. bis X. sind Eiformen, die nur im Eierschlauche vorkommen und noch eine 
besondere Eischale erkennen lassen. In Fig. VII. und IX. ist bei # ein Keimbläschen im Innern 
des Eies sichtbar, dort central, hier excentrisch. 

Fig. XI. bis XIX. finden sich theils im Eierschlauche, theils in den Brutbeuteln der 
Fangarme, oder schwimmen frei in Gefälsen, worin man solche Medusen hält. Fig. XI. bis XII. 
sind brommbeerartige Formen ohne Schale (?) und ohne Bewegung. Man findet sie im Eier- 
schlauche. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 255 


Fig. XIV. ist ein wirbelnder und etwas plattgedrückter, der Eischale entschlüpfter 
Fötus, welcher schon Ähnlichkeit mit dem Mutterthiere, aber keine Fangarme hat, von fast 
2 Linie Gröfse. 

Fig. XV. bis XVII. sind die sonderbaren braunen, bewimperten, frei schwimmenden 
Körper, welche vorzugsweise von den Brutbeuteln der Fangarme, wahrscheinlich mit Hülfe der 
Fühlfäden, aufgenommen werden und diesen die gelbbraune Farbe geben. Sie scheinen bei @ 
offenbar eine Mundöffnung zu besitzen, zeigten aber nie eine Aufnahme farbiger Nahrung. Ihre 
Form ist die einer Enchelys der Infusorien, aber der Menge, Localität und constanten Erschei- 
nung halber sind sie gewils nicht erst ein Enzozoon, dann ein Epizoon. 

Eier und wirbelnde Junge verschiedener Entwicklungsstufen findet man zuweilen auch 
in den Darmröhren der Medusen, was aber nicht zu der Meinung verleiten darf, dafs sie dahin 
gehörten. Sie werden mit den übrigen Nahrungsstoffen zufällig mit aufgenommen und verdaut, 
wenn man nicht durch gewaltsame Zerreilsung der Canäle sie befreit, wo sie denn zuweilen 
fortwirbeln und weiter schwimmen. 


Tafel VI. 


Diese Tafel enthält, aufser den Brutbeuteln der Medusa aurita der Ostsee und, aufser 
den durch Indigo-Nahrung aufser Zweifel gestellten Ernährungscanälen noch anderer Akale- 
phen der Nordsee, die im Jahre 183/ beobachteten physiologisch wichtigeren Organisations- 
verhältnisse der Seesterne. 

Fig. I. ist die 100 mal im Durchmesser vergröfserte Spitze eines grofsen Fangarmes der 
Medusa aurita mit den an ihren 2 Blättern befindlichen Brutbeuteln. Man vergleiche zur Orien- 
tirung Tafel IH. Fig.I. g. Die Brutzellen sind in verschiedenem Grade ihrer Entwicklung. 
Bei * bildet sich eine, wegen der dort sich ansetzenden 2 Jungen. Oder fing die Zelle eher an 
sich zu vertiefen und benutzen nur die Jungen ihre Gegenwart, sich darin aufzuhalten? Die 
Mehrzahl der Brutformen gehört der cylindrischen, braunen, bewimperten an. Auch die Fühl- 
fäden am Rande der Fangblätter sind bewimpert und wirbeln. Sie zeigen weder Muskeln noch 
Nervenknötchen. 

Fig. II. bis IV. ist Oceania pileata aus dem Canal von Christiania, welche ich 1833 da- 
selbst in Droebak, durch Indigo-Nahrung rücksichtlich ihrer Ernährungsorgane prüfte. Die 
gelblichen Beutel sind die 4 Eierstöcke. Fig. I. ist in natürlicher Grölse. Fig. IH. von der 
Schwimmscheibe, dem Rücken, gesehen. Fig. IV. vergröfsert. 

Fig. V. bis VII. ist Melicertum campanulatum, ebenfalls 1833 mit der vorigen beob- 
achtet und mit Indigo geprüft. Fig. V. ist natürliche Grölse. Die 8 gelben Beutel sind die Eier- 
stöcke. Fig. VI. vom Rücken gesehen, Fig. VI. vergröfsert. 

Fig. VI. bis X. ist Zero® Pileus, gleichzeitig mit den vorhergehenden beobachtet. Es 
zeigten sich bei dieser, aufser dem grofsen mittleren Canale, nur die beiden Höhlungen der 
Senkfäden farbig. Letztere wohl passiv. Es scheint dafs, bei glücklicher Behandlung, sich 
noch mehr besondere Canäle bei den Beroiden erkennen lassen werden. 

Fig. XI. ist 4szerias violacea, ein Seestern, in seinem lebendigen natürlichen Zustande, 
ein Exemplar von weniger als mitteler Grölse. Es kriecht auf der Bauchseite, den Mund nach 
unten gerichtet. Die Spitzen der Strahlen sind zurückgebogen und zeigen die rothen Augen- 
punkte offen. Das Thier kann demnach recht wohl sehen, wohin es kriecht und da es auf jedem 


256 Eurengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


Strahle gleich organisirt ist, so kann es die Richtung sogleich verändern, ohne sich umzubiegen. 
Die Kalkstacheln seines Rückens sind durch die ausgedehnte Oberhaut fast ganz überdeckt und 
die weichen Cirren bewimpern den Rücken. An der Seite ragen die trompetenartigen Fülse 
der Bauchseite hervor, welche die Bewegung bedingen. 

Fig. XI. ist die vergrölserte Spitze eines Strahles desselben Seesternes im ausgedehn- 
testen Zustande. Ein rother Pigmentfleck, umgeben von einer nicht undeutlichen scharfen Be- 
grenzung, welche den darunter liegenden Markknoten theilweis bezeichnet, liegt auf einer 
freien weichen Stelle der Unterseite. Dicht bei ihm, nach unten, fangen die vorn erweiterten, 
trompetenartigen Fülse @ mit ihrer Saugscheibe an, welche unterwärts in 4 Reihen stehen. Auf 
jeder Seite des Strahles verlaufen 3 Reihen etwas zackiger, rauher und stumpfer Kalkstacheln, 
b, c, d, zwischen deren beiden oberen, wie über den ganzen Rücken, Reihen von weichen co- 
nischen Röhrchen e stehen, in deren innerem Raume eine an der stumpfen Spitze umkehrende 
Bewegung von rundlichen Körperchen sichtbar ist; f ist eine zurückgezogene Röhre. 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 257 


Nachträgliche Bemerkungen. 


Obwohl ich mehrmals eifrig versucht hatte die zarten und volumi- 
nösen, schon beim Aufheben mit der Hand aus dem Wasser zerreifsenden 
und zerfliefsenden gallertigen Organismen der Medusen lebend in vom Meere 
entferntere, für die Untersuchung bequemere Punkte zu transportiren, so 
lief es doch damit, über geringe Entfernung hinaus, stets unglücklich ab. 
Besonders im Jahre 1835 und in diesem Jahre, 1836, erhielt ich durch die 
Güte des Herrn Dr. Med. Ferdinand Rose in Wismar mehrere Sendungen 
lebender Medusa aurita der Ostsee, sowohl in Glas- als in Fayence-Gefäfsen 
und auf verschiedene Weise verpackt, allein keine kam lebend in Berlin 
an, doch war mit jedem Transport der Zustand Hoffnung erregender, dafs 
es doch gelingen werde. Die letzten waren einzeln in Gefäfsen und so wohl 
erhalten, dafs die ganze Form samt den Franzen des Randes und der grofsen 
Fangarme wohl erhalten, nur das Leben, wahrscheinlich wegen Luftmangels, 
erloschen war, was in wenig Stunden ihre schnelle Auflösung herbeiführte. 
Zu Ende Octobers dieses Jahres erhielt ich in Berlin eine Sendung von vie- 
len kleineren Exemplaren der Cyanea capillata aus Copenhagen, wo diese 
Formen mit dem Nordwinde aus dem Cattegat zuweilen häufig vorkommen, 
durch die Güte des Herrn Dr. Switzer. Auch diese kamen, in einem höl- 
zernen Fasse, nicht lebend und nicht unbeschädigt an, aber die Scheiben 
waren in Farbe und Substanz noch recht wohl erhalten, so dafs sich einige 
Structurverhältnisse gut erkennen und andern mittheilen liefsen. Die ge- 
sammelten Erfahrungen weiter benutzend bemühte sich der Studiosus Herr 
Hecht aus Stralsund, auf mein Ersuchen, in viel Wasser fassenden langen 
Cylindergläsern mit grofsem Korkpfropf, mit Ausschlufs eines Verbandes von 
Blase und mit Einschlufs von etwas aber wenig Luft, den Transport unschäd- 
lich zu machen. Dies gelang bei der kühleren Witterung im November so 
wohl, dafs Sonnabend am 12. November 7 Stück 2 bis 4 Zoll grofse Exem- 
plare ganz unversehrt und lebend von Stralsund in Berlin mit der Post an- 
kamen, die noch Montag den 14. und Dienstags am 15. so deutliche Bewe- 
gung zeigten, dafs sie in der Sitzung der physikalischen Classe der Akademie 

Physikal. Abhandl. 1835. Kk 


258 Enrengeng über die Akalephen des rothen Meeres 


und in der Versammlung der naturforschenden Gesellschaft als lebende 
Thiere vorgezeigt werden konnten. Am folgenden Tage waren sie todt. 
Die rothen Pigmentflecke, Augenpunkte, waren überall oberhalb deutlich 
zu erkennen. Die Augenstiele waren bei allen lebenden Exemplaren samt 
ihrer dreiklappigen Kapsel frei in die Höhe zurückgebogen in einer ähnli- 
chen Stellung wie die umgebogenen Spitzen der Seesterne. Die kleinen 
Kalkerystalle fanden sich überall über den Augen wieder, die Nervenknöt- 
chen unter den Augenstielen ebenfalls, weniger deutlich unter den Rand- 
fühlern und den Eierhöhlen-Fühlern, wovon die schwache Färbung aller 
Exemplare die Ursache sein mochte. Alle Exemplare hatten in ihren Eier- 
höhlen deutliche Eier, keins Spermatozoen. Das Wirbeln der Fangfäden 
bestätigte sich. Viele Eier, besonders alle von „1; bis 4 Linie Gröfse, hatten 
kein deutliches Keimbläschen, gröfsere hatten deren. Viele zerrissene und 
abgefallene Fühlfäden schwammen oder krochen wie selbstständige Infuso- 
rien umher, waren aber an der Structur leicht zu erkennen. Ihr noch nicht 
erloschnes Wirbeln bewirkte die Bewegung. Exemplare mit stark entwik- 
kelten Eiern hatten Brutbeutel, die andern nicht. An den cylindrischen 
braunen Jungen erkannte ich eine Mehrzahl längerer, mir unbekannt geblie- 
bener Wimpern, die auf einem besondern Bulbus aufsafsen und sich beim 
Trocknen samt diesem ablösten. Vorn waren deren bei einigen bis 10, hin- 
ten bis 5. Fig. XIX. Tafel VI. stellt dies dar. Weitere Entwicklung dieser 
Formen blieb unerkannt. Das Linien-Netz der Oberfläche der Scheibe 
zeigte deutlich 2 Contoure bei jeder Linie, also einen Gefäfsdurchmesser, 
keine einfache Zellwand. Leuchten war weder im Leben noch im Tode, 
weder gereizt noch ungereizt, im Dunkeln zu erkennen. Angestellte galva- 
nische Versuche reizten auf der Unterseite, wo die Muskelstreifen liegen 
deutlich. Besondere galvanische Reizung an den Augenstielen und Rand- 
fasern war nicht auffallend stärker. Eine Fortsetzung ruhigerer Versuche 
wird, wenn es wieder gelingt, lebende Thiere zu erhalten, wahrscheinlich 
noch bestimmtere Resultate geben. Diesmal mufste die Beobachtung der 
ganz erhaltenen Form die mögliche Beobachtungszeit ausfüllen. Kleinere 
Seethiere leben bei mir jetzt schon länger als ein Jahr in demselben Wasser, 
worin sie geschöpft wurden. Gefäfse mit kleiner Öffnung verhindern die 
starke Verdunstung. Oxytricha rubra, Isthmia enervis, Schizonemata und 
selbst ein kleiner Cyelops, Seethiere, die ich am 19. Januar, als bereits 4 Mo- 


und den Organismus der Medusen der Ostsee. 359 


nate alt, der hiesigen naturforschenden Gesellschaft lebend vorzeigte (Vergl. 
Mittheilungen der nat. Ges. 1836), leben mit Ulra Lactuca noch jetzt im 
November. Vielleicht erlaubt auch Seesalz in Wasser aufgelöst, künstliches 
frisches Seewasser zu bereiten, welches zu noch längerer Erhaltung vieler 
solcher Thierformen, deren intensive mikroskopische Betrachtung jetzt ein 
besonderes gröfseres wissenschaftliches Interesse hat, beitragen wird. Alle 
Methoden, solche Thiere todt aufzubewahren erlauben keine sichere mikro- 
skopische Analyse. 

Es scheint, dafs die Behauptung des Nesselns oder Brennens der Me- 
dusa aurita nur auf einer Verwechselung mit anderen Formen beruht. In 
der Ostsee, wo diese Meduse allein vorhanden ist, bin ich beim Baden oft 
mit dem Körper in Berührung mit diesem Thiere gekommen, ohne je ein 
Nesseln zu fühlen. Auch das Berühren mit der Zunge gab kein Gefühl von 
Schärfe. Dagegen habe ich nach vielem Berühren der rothen Cyanea (Me- 
dusa) capillata mit den Händen in der Nordsee an heftigem Brennen und 
Schwellen der Rückenseite der Hände sehr gelitten. In der Nordsee, in 
Wangeroge, Norderney, Helgoland, Cuxhaven dergl. Badende haben sich 
daher, wie im Mittelmeere und im atlantischen Meere, vor Berührung der 
Medusen mit dem Körper in Acht zu nehmen, dagegen alle an der Südküste 
der Ostsee, in Swinemünde, Doberan dergl. Badende, die im Wasser gar 
lieblich anzusehenden Medusen nicht zu fürchten haben. Badende, die 
nicht blofs in der Ostsee baden, warnt man allerdings zweckmäfsig vor Be- 
rührung aller Medusen, weil sie an andern Orten leicht schädliche mit den 
unschädlichen verwechseln. Auch kommen schädliche schon an der Nord- 
küste der Ostsee nach Nordstürmen häufig vor. Sie pflegen aber, weil sie 
salzigeres Wasser zu bedürfen scheinen, bald zu sterben, so dafs es an der 
Südküste der Ostsee nur die unschädliche sehr zarte Medusa aurita giebt. 


Kk2 


260 Enrengeng über die Akalephen des rothen Meeres u. s. w. 


Kurze Beschreibung der 3 neuen Akalephen. 


4. RHIZOSTOMA Doriferum Hempr. et Ehr. 
Disco sexpollicari, forma R. I eptopodis, colore amethystinum, mar- 
gine albo et violaceo late maculato, integro, brachüs discretis loriformi- 
bus, pedem longis, tenuibus, basi octaödris, apice triquetris, corpusculo 
cartilagineo, conico, hyalino, glabro terminatis. 
R. leptopus Chamissonis et Eyssenhardti, differt brachüs te- 
traedris, appendicibus apice barbatis. 
Ad Tor in mari rubro bis lectum Novembre. 
2. CEPHEA vesiculosa H. et E. 
Disco fere bipollicari, plano, glabro, roseo; radiatim plicato, hine mar- 
gine crenato, brachüs ramosissimis brevibus undique vesicularum nigro- 
‚Jfuscarum et coacervatarum capitulis obtectis, cirris hyalinis e medio 
disco plurimis, comae ‚forma, pendulis, tripollicaribus. 
A Medusa Cephea Forskaäli differt: disco plano roseo glabro relig. 
Prope Tor in mari rubro Novembre semel lecta. 
3. MEDUSA (Avsern) stelligera H. etE. 
Disco sexpollicari, habitu M. auriiae, colore hyalino cinerascente, ova- 
rüs 4, conglomeratis, fuscescentibus, radüs disci fere 16, rufo punctatis, 
stellam referentibus, eirris marginalibus paucis, inter ocellos rufos sin- 
gulos quinis, validis, brachüs 4, plicatis, marginem non excedentibus. 
Alexandriae Aegypti in portu novo Octobre frequens. 


’ d einem (wahrscheinlich überall zweitheiligen) Fortpflanzungssysteme. 
zur Bildung von klarem Selbsthewufstsein und über das Individuum hinaus wachsender Entwicklung geschickt (Sprache, Wissenschaft, Kunst, Religion) 
(hierin unabschbar unbeschräukter Ersatz alle mangelhafte und einseitige Organisation): 


Kreis der Völker. | 


herzthätig, warmblütig, lungenathmend, getrennten Geschlechts, reif | 


gebirend, siugend) 


Zweite Abtheilung. | ! 
“ cklung ildung vi istesthäti i chickt (Laute, Kunsttriche) 
‘ u Systeme. Empfind tem nur zur Bildung vielfacher unklarer Geistesthätigkeiten, ohne klares Selbstbewufstsein, mit auf das Individuum beschränkter Entwicklung, ges 
e een 5 ‚hierin beschränkter Ersatz für mangelhafte und einseitige Organisation); _ 


Kreis der Thiere. 


4. 
Rückenmarkthiere = Wirbelthiere. 


E Markthiere (MYELONEURA). 
i i - Geirenntes Geschlecht. Herz. b. Kaltblütige Markthiere 
a. Warmblütige Markthiere r i i 
oder I. Familien-Thiere, NUTRIENTIA (Sorge für die Jungen). 7 oder I. Einzel-Thiere, ORPHANOZOA (keine Sorge für die Jungen). 

2 Hal A: SETZE 3) kalblütig, Lungenathmung des Erwachsenen, mit Fülsen oder fulslos: 
u. 1 Classe, Säugethiere, Mammalia; j IV. II* Classe, Amphibien, Amphubia; 

2) Mei ne des Erwachsenen, Unreif Gebären (Eierlegen, Brüten), Äzen nn are ne 
u I" Glasse Vögel Ei : V. IV'* Classe. Fische, Pisces. 


B. 
Rückenmarklose Thiere = Wirbellose Thiere. 
Marklose Thiere (GANGLIONEURA). 
Überall Eibildung. Gefüßse mit oder ohne Herz. En 
il üfsthiere 
a. Herztbiere (marklose Herzthiere), . Ge r 
SPHYGMOZOA, CORDATA. ASPHYCTA, VASCULOSA. a ee 
Mangel an Rückenmark, Blutlauf durch ein Herz oder pulsirende Gefäße angezeigt. Mangel an Rückenmark, schneller Blullauf in pulslosen Gefäßen, durch zitternde Bewegung der inneren D 


(Gefähie, kei fach oder zertheilt. 


Verdauungsorgan einfach sackförmig oder schlauchfürmig; keine wahre Körpergliederung oder Scheingliederung (durch Muskel- 
und Gefäßvertheilung). 
@. Form unbeständig, durch Knospenbildung und Selbsttheilung veränderlich: 
® Körpergliederung mangelnd, vorwaltende Knospenbildung, keine Selbsttheilung: 


gr Gliederung durch mehr oder weniger genäherte Ganglien-Reihen der Nerven und deren Strablen bezeichnet): 
@. Glieder- und Ganglien-Zahl fest; getrenntes Geschlecht: 
* innere Luftröhren-Atbmung beim Erwachsenen: 


nn en en # Alle Individuen der gleichen Art weiblich (wahrscheinlich hermaphroditisch): 
Ö te, Insecta; Eschara reli 
h R he X E fe Glasse. thiere, Bryozo, Halcyonella, Flustra, Eschar. v 
& ®* innere Lungen- oder Luftkiemen-Ahmung beim Erwachsenen: XVII.  XYIl Class. Moosthiere, # Alle Individuen der gleichen Art mit ungleicher Geschlechts-Entwicklung (frucht- 
VO.  veeChse Spinnen, Arachnoidea: nen 


bildendenicht selbstständig, sondern aus geschlechtslosen [männlichen?]sprossend): 
XIX. XVII“ Classe. Kapselthiere, Dimorphaca; = Sertularina, Tubularina; 
## Scheingliederung des Körpers, Gliederzahl unbestimmt, keine Knospenbildung, au- 
weilen, vielleicht überall, Selbsttbeilung: 
RX NIX!* Classe. Strudelwürmer, Turbellaria; = Turbellaria rhabdocoela, exclusis Naidinis et 
XX. 3 8 


®** äufsere Diutröhren-Aıhmung (Wasser- oder Lufikiemen-Athmung) beim Erwach- 
senen: 


VII. VII“ Glasse. Krebse, Crustacca; cum Entomostracis, Cirropodis, Lernaeis. 


R. Glieder- und Ganglien- Zahl schwankend; vereintes Geschlecht: 


® Gestalt bleibend, einfach, allmälig verlängert; keine Selbsuheilung: 


Gordio, = Derostoma, Turbella, Wertex relig. 
IX. VIII“ Glasse.  Ringelthiere, Annulata; ‚ß. Form beständig; weder Knospenbildung noch Selbstheilung; Scheingliederung. 
®® Gestalt durch Selbstheilung verändert, verkleinert: ® Getrenntes Geschlecht, keine äufseren Wirbelorgane; 
9 IX!“ Glass, Spaltthiere, Somatotoma; = Naidina e Turbellarüs rhabdocoelis. 


RP ER RER 3 llulis, 
XXI, XX"* Classe.  Fadenwürmer, Nematoidea; = Entozoa intestino simplici cum Gordio et Anguillulis, 
## Hermaphroditimus, (äufsere Wirbelorgane zum Schwimmen, Ernähren oder Athmen): 


IV. Weichthiere, (Schnecken) MOLLUSCA. 
Keine Körpergliederung, zerstreute Nerven- Ganglien: 
(Form beständig oder durch Knospenbildung veränderlich.) 

a. Form beständig, 


* Riderorgane zum Schwimmen oder Fangen, (zitternde innere Organe, ‚Kiemen 2); 
ein einfacher Saug-, Griffel- oder Zangen-Fufs; deutlich hermaphroditisch; 
XXI.  XXT' Classe,  Räderthiere, Motatoria; 4 R 
ö #" keine Röderorganc, kein Schwimmen (ufseres Wirbeln zum Athmen? keine 
inneren Zitterorgane), viele Füßse oder Arme zum Kriechen; Alle eibildend: 


Munil in einen kopfarigen Fortsatz verlängert: 
® Bewegungsorgane um den Kopf gestell 


t, armartig oder segelartig, zum Fangen, 
Schwimmen und zum Kriechen dienlich: SSR UE ER 


XI XXI.  XXID“ Classe. Secigel, Echinoidea; = Echinus relig. Holothuria, Sipunculus. 
“6 E 5 
h X“ Glasse, Der Crphalopoda; er b VI. Traubenthiere, RACEMIFERA (nADıArA), 
ewegungsorgane segelarti c) iı lienlich: er . x Je} 
x, Kr Classe. Elösenalnesken 7 = Ex 5 6, nur zum Schwimmen dienlich: Verdanungsorgan zertheilt, gabelförmig, sternfürmig, baumförmig oder traubenförmig. 


(Häufige Selbsttheilung, keine Gliederung oder Scheingliederung.) 
a. Strahlige Anordnung der Geschlechtsorgane (und oft aller übrigen): 
® Form beständig, strahlig, keine Knospenbillung, keine Selbsütheilung: 
® Scheingliederung des Körpers, Strahlung durchgehend, Fülse kein Schwimmen: 
XXIV. XXI" Classe. Seesterne, Asteroidea: B 
*# Keine Gliederung, Strahlung einseitig oder durchgehend, Organe zum Schwiin- 
men, zuweilen eine dachziegelförmig zusammengesetzte Schwimmblase: 
XXV.  XXIV" Classe. Quallen, Acalephae; 
®* Form unbeständig durch Knospenbildung und Selbsttheilung; Strahlung durchgehend: 
XXVI. XXV"Classc. Blumenthiere, Anzhozoa: excl. Sertularinis, Tubularinis et Coryna. 
PB. keine strahlige Anordnung der Geschlechtsorgane: i 
* keine Selbstheilung, kein Wirbeln äußserer Wimpern beim Erwachsenen, einfacher, 
oder kein Magen, getheilter Darm: 
XXVIL  XXVI“ Classc. Saugwürmer, Trrmatodea; = Entosoa intestino ramoso (cum Cercozois: Cer- 
caria, Histrionella, Spermatozois? relig.) } F 
en De Selbstheilung, wirbelnde äufsere Wimpern beim Erwachsenen, ‚einfacher oder 
«in Magen, getheilter Darm: * 
XXVII. XXVIP“ Classe. Plattwürmer, Ge Turbellaria dendrocoela: Typhloplana, Planaria Ze 
#** Sclbsttheilung und Knospenbildung, meist wirbelnde Wimpern, einfacher Darm 
kein Darm, aber viele Magen: 


XXIX.  XX VIII“ Classe. Magenthiere, Polygastrica; — Monas relig. 


®** Bewegungsorgane eine Bauchsohle billend, nur zum Kriechen dienlich 
Sohlenschnecken, Gasteropoda; 

B. Form beständig, 
Knospenbildung: 
® blättrige an den Mantel geheflete freie Kiemen: 

Muschelschnecken, Acephala; 
®* fndenförmige, gestielte, freie Kiemen: 
Armschnecken, Brachiopoda; 


®9® netzartige eingewachsene Kiemen: 
XV. XV Classe. Scheidenschnecken, Tunicata; — 


XI. XITe Glasse, 
Mund in den Mantel eingeschlossen ohne kopfartigen Fortsatz, keine 
XIV. XI Classe, 


xV. XIV" Classe. 


Ascidiae simplices, 

%. Form unbeständig, durch Knospenbildung veränderlich, 
netzarlige eingewachsene Kiemen: 

Corallenschnecken, Aggresata; = Ascidiae 


Mund vom Mantel eingeschlossen; 
XVIL  XVIM Classe compositae. 


am 
AmMAATADDUNLTUDDEUUUUUUDUUDUDERLDUUDEUDETDEUDUDETURURDENEUNAUGNUUU 


N mn Au 7 IN 4 vr 
u ” TORE “ u" Br Dahl U 
En MN wer ma er a a 


4 


» ei RK Ball BT ir = 


Vol Bye 3 
vage MR. 
lieh, 
BaurrN F 
> a RE: Er a 
a R ars 
| u I Au va EB 1 


DIEDITSA aurita 


gen .rum Hiruabens ‚we von DE Vüben, 


i 2 = = —— - 
| a nn Se En a? SEHRETER Io TEN. 


1} 


De Üintrungen end 


Serdtenverhilte Ye der ı Hatufa aureki. 
Er Bamberg, a £ ” 


en Een 


Nedusa auırcla. 


Ze 


Z nalungsorgas 


ya nun Kara 


u 
i v 0% 

u nr 

in 


Kat 
te 


u 


run Ren 


Organe 


danzig 


r 
ZZ 


5 2, fr 
ar» Hediasa 


2 
7 


R; 


Erruitirungs und 
c 


Fer.run Ehrenkung, 


| 


Pa ur [0 
. 


“ont * 


en 


| 


. Tagen ar Orysantdbeiitung VOR: Wedupar e2cHii: 


wer. von Direnburg. geiron CR Nie 


[9 


Aler und c Za 


# 
fd 


bar dar and 


ederdfified Pe 


der » Med Urli. 


geunc.Krier 


> m 


A Kin. Khewnberge Abh. ber Mertaren Ingo. Kt. 168, T.VIT, 
x 
x 
u 
Kr 
vn. 
x. 
x 
R 5 ıL. 
XIV. 
NW. 
jr 


XxVI 


ur NIX 


= e [2 GRGD, 
. ergylan Oz /£ VEN Car md »Dayit 


vr Birmbery der. Medard AUS 


gain. CR Wiber, 


FR Ih Zn 
k pi D 23 fi 


[a u DM _ 4 


Über 
‘ eine versteckte gegenseitige Beziehung zwischen 
den Krystallsystemen des Feldspathes und des 
Kalkspathes. 


Von 
Hi WEI SS. 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 9. Dechbr. 1833, nebst Nachtrag vom 
26. Febr. 1835.] 


D.: das Feldspathsystem, wie ich es in den Schriften der Akademie für 
die Jahre 1816 und 1817 nach seinem Fundamentalverhältnifs &:d:c 
=Yı3:V39:V3=V4-:1:V 5 aufgestellt habe, und das System des Haüy- 
schen Kalkspathrhomboeders, wo s:c=1:1 ist, beide aus einander kry- 
stallonomisch sollten abgeleitet werden können, möchte auf den ersten An- 
schein wohl die gröfseste Unwahrscheinlichkeit gegen sich haben; und man 
möchte leicht glauben, dafs, wenn irgend Krystallsysteme gänzlich verschie- 
den und unvereinbar seien, es gewifs auch diese zwei sein werden. 

Dem ist aber doch nicht so. Wenn ich die unter ihnen beiden wirk- 
lich Statt findende gegenseitige Ableitbarkeit geometrisch darthun werde, so 
bin ich allerdings weit entfernt, diesem geometrischen Zusammenhang eine 
reelle physikalische Bedeutung beizulegen und ein Krystallsystem aus beiden 
zu machen, oder in der Natur die Umgestaltbarkeit der wirklichen Kalkspath- 
in Feldspathformen, oder umgekehrt zu behaupten; es wird mir vollkom- 
men genügen, meine Aufgabe geometrisch gelöst zu haben; und in dem ganz 
ungleichartigen physikalischen Werth und Beschaffenheit dessen, was 
geometrisch gleichartig gedacht werden kann, wird, nach wie vor, die 
wesentliche Verschiedenheit beider Krystallsysteme begründet erscheinen. 
Immer aber wird es eine neue, gewils unerwartete Eigenschaft für das auf- 


262 Weiss über eine versteckte gegenseitige Beziehung 


gestellte Feldspathbild sein, welches sich so unerschöpflich reich an merk- 
würdigen und interessanten versteckten Eigenschaften und Analogieen längst 
gezeigt hat: dafs es eine geometrisch gar nicht entfernt liegende Verwandt- 
schaft mit dem Haüy’schen Kalkspathsysteme in sich verbirgt. Und gewifs, 
wenn je zwei Bilder von Krystallsystemen unabhängig von einander und ohne 
alle gegenseitige Beziehung aufgefunden oder aufgestellt worden sind, so 
sind es gewifs die zwei: das des Haüy’schen Kalkspathrhomboeders mit 45° 
Neigung gegen die Axe, und mein Feldspathbild, @a:5:c=Vı3: 39: V3. 
Der Charakter einer besondern Einfachheit und grofser innern Regelmäfsig- 
keit ist in dem erstern evident, da für dasselbe gilt s:c=1:ı; das zweite 
in der Form a:d:c= V: 2 V: - V: —- = besitzt einigermafsen ein solches 
Gepräge. 

Zur Sache. Man denke sich drei Feldspathflächen, [4a':d:e], 
32:58:e] und |a: a:45':%el, so werden diese drei nebst den ihnen paral- 
lelen zusammen das Haüy’sche Kalkspathrhomboöder ausmachen. Sie sind 


fürs erste gegen die Axe c alle genau geneigt unter 45°; denn für die erste 
hat man in Bezug auf diese Neigung, 


a 
—.D 
2 


sin :cos = U —— 


2 = 2 2 
er Va? +40 


also, wenn a:5:c=YVı13:Y39 :V3, 


sin: cos = ee er 
Vi3-r4.39 
für die zweite, 
a ab c 
sm cos ————) —; 


A ».:Y@) + 2 Se VozsEr 


wenn a:b:c die vorigen Werthe haben, 


en 13.39 2) DEN 13.3 s=Ve:: er ri 
—— Br. (25 + 27) 13 ° :Y Vv-=VE:V 


und für die dritte, 


zwischen den Krystallsystemen des Feldspathes und des Kalkspathes. 263 


ab 2 
TERN = Va? +5: 


a BE v=yV:: 13.3 3 A 
en 134 39° an Ar Vz =Ver Vs =1:1 


Aber die 3 genannten Flächen liegen auch, wie die Flächen eines 


c 
42 
r7 


sin :cos— 


Rhomboeders liegen müssen, gleichmäfsig um die Axe vertheilt; d.i. ihre 
3 Neigungsebnen gegen die Axe schneiden sich unter Azimuthen von je 
120°, oder ihre Durchschnitte mit der auf der Axe senkrechten Ebne einan- 
der unter je 60°. 

Dies wird durch die Construction in fig. 1. leicht erwiesen. Es sei 
nämlich AC=AC=a=ı, CB=CB'=b=ys, oder A'"B'AB der 
Rhombus von 120°, eC =34'C, 0 C=34AC, op=+CB, C4=+CB!, 
so sind die Linien eb, op, Ag, die den Flächen [+@'::c], a: tb: +c], 

GE bi inc entsprechenden Durchschnitte mit der Ebne der Dimensionen 
a undd. Man lege die Fläche — [Fe:58:2e] durch 1 paral- 
lel mit eB, so das uc=ZeC=--4'C, und Ct=+CB, so gehen alle drei 
Flächen gemeinschaftlich durch 4c, und die Linien ut, op, Ag, verlängert, 


bis sie sich einander schneiden, beschreiben mit ihren Durchschnittspuncten 
das gleichseitige Dreieck mnr, und zwar so, dafs jede dieser Linien in dem 
regulären Sechseck 4'DEAFG einer Linie entspricht, aus einer der drei 
abwechselnden Ecken A, G, D nach der Mitte einer ihr links gegenüberlie- 
genden Seite d, f, £ gezogen; hieraus leuchtet ihre symmetrische Lage um 
den Mittelpunct C und die Axe ce vollkommen ein, so dafs es keiner weitern 
Beweisführung bedarf, dafs das Dreieck mnr ein gleichseitiges ist. Die drei 
angegebenen Feldspathflächen mit den ihnen parallelen bilden also in aller 
Strenge das Haüy’sche Kalkspathrhomboeder. Für den Krystallkundigen 
ist also auch kein Zweifel mehr: dafs sich jede Kalkspathfläche und in jeder 
ihr zukommenden Wiederholung der gleichartigen (!) sich im Feldspath- 


systeme ausdrücken läfst, und umgekehrt. 


@ ) Jeder der 3 Ausdrücke [#ei:2:e| bzec| u.s.w. lälst sich viermal wiederholen, nämlich 
zer sdi: dh 4a:db:c| und |$za: 3a:d':c| und drückt dann 4 nach demselben Ende ge- 


264 Weiss über eine versteckte gegenseitige Beziehung 


Der Gang, auf welchem ich zu diesen Resultaten geleitet wurde, war 
folgender. Ich stellte mir die Frage: welche 6gliedrigen oder rhombo&dti- 
schen Systeme überhaupt fähig seien, Flächen und zwar Sechsundsechskant- 
nerflächen (= Dreiunddreikantnerflächen im rhomboädrischen Systeme) in 
sich zu enthalten, welche gegen die Axe c genau 45° geneigt wären, wie die 
Fläche des Haüy’schen Kalkspathrhomboeders. Von den Flächen eines 
Dreiunddreikantners aber liegen bekanntlich 3 abwechselnde jederzeit wie die 
Flächen eines Rhomboöders regelmäfsig um die Axe herum, und geben zu- 
sammen mit den ihnen parallelen jederzeit ein Rhomboeder, das ich ein ge- 
drehtes nenne, als Hälftflächner des Dreiunddreikantners. 

Die Formel für die Neigung jeder solcher Fläche gegen die Axe (s. m. 
Abh. in d. Schr. d. Akad. von 1823. S. 222) ist 


. . 9 
SINELCOSI— — Ele y/C 
} n"—-n-#i 


und dieses Verhältnifs gesetzt =1:1, führt auf den Werth von n, wenn man 
die hiedurch gegebene unreine quadratische Gleichung auflöst, 


n=--+ ST ET ER 1-+ Fe: 


n wird also ein krystallonomisch möglicher Werth für ein durch rn gegebnes 
rhomboädrisches oder 6 gliedriges System sein, wenn le - — — oder (da für 


yc hier-c gesetzt, d.i. yc unmittelbar für die Axe des gesuchten Systems 


E] R > 2 
angesehen werden kann) wenn v2 — — eine Rationalzahl, also — —_—- 
? . 
oder I — 3 das Quadrat einer solchen ist (?). 


Unter den so ausgemittelten Verhältnissen z oder = fanden sich gar 


. ve . Ss Ss 39 . 
bald zwei, nämlich > Vı3, und N. ‚ von denen es nicht schwer war 


neigte gleichartige Flächen (eines Rhomben - Octa@ders), alle drei daher in diesen Wiederho- 
lungen 12 gegen dasselbe Ende gleich geneigte Flächen, d.i. die gegen dasselbe Ende geneigten 
Flächen eines Sechsundsechskantners vollständig aus, dessen Viertelflächner, oder 
Hälftflächner eines Dreiunddreikantners das construirte gedrehte Rhomboöder ist. 

(‘) Es ist eben so leicht zu sehen, dafs die Bedingung des gleichen Zusammenhanges eines 
6gliedrigen (oder rhomboädrischen) Systems mit dem regulären die ist: dals Er — — oder 
7 —3 das Quadrat einer Rationalzahl sein mufs. 


I2o2 


zwischen den Krystallsystemen des Feldspathes und des Kalkspathes. 265 


zu bemerken, dafs Yı3 = > des Feldspathsystems, und Di = u x & wie- 
derum des Feldspathsystems war. Der Feldspath besitzt aber bekanntlich 
unter der Voraussetzung, dafs seine Säule genau 120°, oder sein a:5b=1:V3 
ist, die allgemeine geometrische Vergleichbarkeit mit einem 6gliedrigen und 
rhombo&drischen Systeme. 


ne A age 3 ; N 
Für das Verhältnifs —- = je gab die obige Formel n— ur 
%Y [a 4 2 
für — =Yı3 gab sien=4; 
Y. c 


und nun bedurfte es nur der Anwendung der allgemeinen Methode (!), um 


aus beiden Zeichen für die Fläche 


Ve 


oder a:Za!za 


2 


NOTE I 


die Werthe in den Feldspathdimensionen a, d, c für die drei gesuchten 
gleichartigen Flächen abzuleiten. 

Wenn wir das Sechseck 1DEAFG als das der Lateralkanten eines 
Dihexaöders betrachten, dessen «= _AC der Figur u. s. f., so haben wir für 
eine Linie, wie Ad, Gf, Dt den Ausdruck 


(') Vgl. die Abh.: „Grundzüge der Theorie der Sechsundsechskantner und Dreiunddrei- 
kantner,” in den Schriften der phys. Kl. d. Ak. d. Wiss. für 1822 u. 1823. S. 217 u. fgg., wo 
das allgemeine Zeichen 


———sı, Ss 
n+1 2n —1i n—2 


entwickelt worden ist. 


Physikal. Abhandl. 1855. L1 


266 Weıss über eine versteckte gegenseitige Beziehung 


Die Linie Dt zeigt unmittelbar, dafs (ihr ı@ in CD genommen) in 
dem zweiten a unseres Zeichens, d.i. inC4Ä, ihr der Werth a, d.i. 
Cu=-+C A zukommt, in dem darauf rechtwinklichen Cz aber, d.i. in 
dem dritten s der geschriebenen Formel, das Stück ıs selbst, d.i. Ci 
— CB; das Zeichen in Beziehung auf die Feldspathdimensionen, wo CA 
—d, CB=b, drückte dies durch Een] unmittelbar aus. 

In gleicher Weise thut die Linie Gf dar, dafs, ihr ı@ in CG genom- 
men, in dem dritten @ von da aus gezählt, d.i. in CA, ihr das a unseres 


Zeichens, d.i. der Werth Co=-(A zukommt, in dem auf diesem recht- 
winklichen CB, d.i. in dem zuerst geschriebenen s unseres Zeichens aber 
das Stück Cp=Ct=--CB; beides drückte unser Zeichen [3a:45... 
in Beziehung auf die Feldspathdimensionen aus, für welche CB=b, CA 
=a war. 

Die Linie 4d endlich zeigt, wie das auf dem ersten a, d.i. auf AC 
senkrechte Stück C'gq der Linie CB’ oder Cs’ das 7 s unseres Zeichens ist, 
oder den Werth ht = Cs —=- CB, daher wir sie in Beziehung auf die 
Feldspathdimensionen | a ] geschrieben haben. 

Das Perpendikel aber, aus C auf die von 4-«d nach Z5, oder von 
—a nach 45, oder von a nach +2’ gezogene Linie, ist = c der Feldspath- 
dimension c; die Fläche wird also 45° gegen die Feldspathaxe ce geneigt 
sein, wenn sie, durch eine jener Linien gelegt, zugleich durch —c geht. 

Die drei Feldspathflächen 
[ a:+b:-c | lösen sich sonach in die ihnen gemeinschaftliche dihexaödri- 


sche Form |a:+a:ye| auf; jede einzelne giebt eins der drei @ des Zeichens 


TOBIT arg | Steige 
za .-b ec Ih [za 5 —b 5 ze] und 


mit dem auf ihnen rechtwinklichen s, letzteres im Werthe von 4 =2s aus- 


gedrückt, an. 


Es ist bemerkenswerth, dafs die Form [e: ta:...| von der gröfsten 


Einfachheit ist; sie findet sich überdem identisch unter andern mit der, 


zwischen den Krystallsystemen des Feldspathes und des Kalkspathes. 267 


welche der gewöhnlichsten Trapezfläche des Quarzes zukommt (Abhandl. d. 
phys. Kl. d. Akad. d. W. aus d. J. 1516 u. 1817. S. 320. 323. u. £.; vgl. den 
Band v. d. J. 1822 u. 1823. S.251.) und der ihr entsprechenden im Kalk- 
spathsystem (vgl. Taf. I. der letztgenannten Abhandlung, B. a. 1.). Selbst 
wenn wir den Coefficienten von e ganz im Sinne des Feldspathsystems mit 


berücksichtigen, so finden wir den Ausdruck der Fläche re 377 | voll- 
kommen wieder als identisch mit derjenigen Kalkspathfläche, welche wir in 
der ebengenannten Tafel unter A. a. 5. aufgeführt haben, d.i. mit der Mon- 
teiro’schen Kalkspathfläche D_rbei Haüy. 

Dafs übrigens der nämliche so einfache Ausdruck auch aus dem ande- 
ren, welchen man für eine Fläche mit genau 45° Neigung gegen die Axe, 
bei — = V -. erhält, nämlich aus dem Ausdruck a:za:za | folge, 
das macht die Fig.2. deutlicher, in welcher das um das vorige umschriebene 
Sechseck HIKLMN dasjenige ist, auf welches der Ausdruck der Fläche 
a:Za:... u.s.f. sich bezieht, und dessen s = dem a des kleineren Sechs- 
ecks = A!C... u.s.t, dessen a,aber. = CH —.C-Mü.s.4.—3C:=s.des 
kleineren Sechsecks ist. Man ziehe z.B. N! so, dafs CllI=-CD, so ent- 
spricht sie dem Ausdruck 


Es ist nämlich, CN =a gesetzt, C'h=7CH, Ci=ZCI Cg=5CG, 
C=-CAundCi=+CD. 

Man ziehe nun die mit VI parallele Linie Di, wie in Fig. 1., so ist 
(o we CD=2CL Ci=-CN,) so uh Cu=-Cv=.5304 
—={CA=-a im Sinne des kleineren Sechsecks; eben so Cw=-Cg 
=7.70G=*1(0G=+a. Feme Ca=-Ci=.7CI=Cd=7s 
des kleineren Sechsecks;; Cy=Ch=—.+CH=7Cz=7s im näm- 
lichen Sinne, Ct endlich = s selbst. 

Und somit ist vollständig klar, dafs die Richtung, im gröfseren Sechs- 
eck ausgedrückt durch 

L12 


268 Weıss über eine versteckte gegenseitige Beziehung 


identisch ist mit der Richtung, welche in Bezug auf das kleinere Sechseck 
ausgedrückt wird durch 


Wir haben hierbei in einem speciellen Falle eine Aufgabe gelöst, 
welche in gröfserer Allgemeinheit zu lösen für die Behandlung 6gliedriger 
Systeme nicht ohne Interesse ist, nämlich einen gegebenen Flächenausdruck 
in den entsprechenden eines Dihexaöders entgegengesetzter Ordnung 
zu übersetzen; denn die zwei Sechsecke der Fig.2. entsprechen denen der 
Lateralkanten der Dihexaöder entgegengesetzter Ordnungen eines und des- 
selben Systems. Die allgemeine Auflösung der Aufgabe ist: Es sei gegeben 
die Fläche in dem einen System als 


1 ° 
a: —aru.s. f. und werde gesucht in dem andern 


N i 
alsa: —« :u.s.f. so findet sich 


EZ 1 
2 m n—2 ( ) 


Dies giebt jede der Proportionen, wie sie in Fig. 2. klar sind; z.B. 


28 R 
a.— —= .__ giebt 
n n—2 2n’—i 8 


(') Es ist dies dieselbe Gleichung, welche in der Ahh. über die Sechsundsechs - und Drei- 
unddrei-Kantner vorkam (s. d. Schr. d. Ak. f. 1822 u. 23. S. 221). Wir nannten da m, was 
hier n’ geschrieben ist. Der Grund der Gleichheit der Formel, die aus beiden Betrachtungen 
hervorgeht, ist auch leicht zu finden. 


zwischen den Krystallsystemen des Feldspathes und des Kalkspathes. 269 


2n’ —1 
’ 
n 


n(" —2)=2n'—ı, alon= , welches sich auch auflösen läfst in 


En 


ar 4 
= n—2 C)- 


a 2 Ta 2 Er 
Oder vYa= ——s :——$ giebt 
n—i nr +1 n —2 


N"+1=(n—ı) ("—2)=nn" —ın—n +2 


2n=nn —2n-+1 


zn —1 
2n—ı=(n—2)n, also n = 
(n ) nm’, als a: 
2 7 en ee 
Oder auch sıa=«d:——$, giebt 
n—2 n—2 
ad a a 4 A 4 
er TEE, Aber =— = V: I — 
ERS TER) (n’—2) s & 3% 3 (n—2) (n’ — 2)’ 
d.i. 
(n— 2) (" —2)=3, oder nn — 2n —2ın +4\=3; "(n—2)=2n—1, 
2n —i . . 
und = ee vorhin. 


Der entsprechende Werth in c’ aber wird ausgedrückt sein durch y’c' 
allgemein nach der Formel 


ec’ c n—2 

7 =. ‚2, oder auch 
a s 2 

y F = ye 2 (2) 
U ee ; 


(') Denn aus n (n’ — 2) =2n’— 1, d.i. nn —2n = 2n’—1 folgt (n— 2)" =2n—1, also 
‚_ 2n-i 2 


n—2 


(*) Dals diese beiden N welche sich aus den Proportionen ergeben siye 


=a':y'c, und a:yc= TE ıy’c', gegenseitig aus Eumder folgen, findet mans. wenn man 


fürs erste statt — Erz „ wie jederzeit geschehen kann, setzt —. 7: Vo; und statt — eben so 


4 9 e dc 
—; V-; dann hat man zunächst statt der zweiten diese, a 


2370. Weiss über eine versteckte gegenseitige Beziehung 


._0s . . . c FR Tl 
Wenn, wie in dem einen Beispiel oben, das — der Fläche Fe:za:... | 
’ 


(wo also y=1) zu übersetzen war in die Feldspathdimensionen —, so dafs 


2. (yel 158269: Z.1.) so erhält man nach der ersteren Formel 
3 a IS; 2 

2 2) 22 Sr ee Aa : 
y- -. 27 - =; 77 aber n == und so haben wir 


das vollständige Zeichen 


.. - . en—ı—2n-+4 > 2 2 
Nun löst man n’ in n auf, so it " — 2 = — — — —— ‚also — =—(n—2). 
n—? n—2 n—2 3 
EX 3 CE ce n-—2 BUT: 
Jetzt hat man — = — . 2°. -9= I. „ wie in der ersten Formel. 
d 4 SIa778 s 2 
Auch die Gleichung, auf welche die Proportion führt ıye= —— sıyc 
2 ’ n-ı + i 2 
cd’ ie 2(n-—1) . - ® 0 > en—i+n—2 
d. i IL — Nele ist mit der zweiten identisch; denn rn’ +1 = —  ———— 
Ss a r +1 n—2 
3n—3 sız—1 a | 2 
= See). also Se - ’ 
n—2 n—2 r+1 3 n—2 
Os . 74 . B 
Eben so ist die aus der Proportion „5:yc=r :YC sich ergebende Gleichung 
c' c an. . B an—i en—i n—2 
xe — te, — identisch mit der ersten; denn — =n-—?2; also —— = 2 
a Ss zn n 2n 2 
Will man auch noch die aus den zwei übrigen Proportionen sich ergebenden Gleichun- 
2 


gen mit den obigen vergleichen, so giebt die Proportion — Vene 3 yc die 
HU 


Yc Ye en uın—2—n-+2 an nd en 


Gleichun = .——. Abe 2" = —  — ; und ——— 
z 5 77 a an’—ı n—2 n—2’ en’ —1 
= — (n— 2), wie vorhin. 
; Die P ti = 2 ' ec’ endlich giebt die Gleichun De 
ie Froportıon SAERJIC, — — ze rmahhe IC I 1 ıchu = 
eh nn +4 7 w —1 7 5'e 5 e 57 
c +4 en—ıi—n+2 n-+1 { n+1 n—2 . 
= —.———. Aber n -1= ; folglich —- —— = „ wie 
s 2 (n’—ı) n—2 n—2 2(n’ —ı) 2 
vorher. 


Alle diese sechs Proportionen sind mit Hülfe der Fig. 2. leicht anschaulich, in Bezug 


auf welche sie heilsen Cliyce=CD:y'c 


Ce:yce=Cwiyc 


zwischen den Krystallsystemen des Feldspathes und des Kalkspathes. 274 


wobei wir nur die Accente der Buchstaben wieder weglassen, die wir vor- 


hin blos zur Unterscheidung gebrauchten. 


Bekanntlich ist in dem wirklichen Kalkspathrhomboeder die Dimen- 
sion c ein wenig kürzer, als im Haüy’schen, d.i. die Neigung der Fläche 
gegen die Axe ein wenig über 45°. Käme es darauf an, auch für ein so zu 
corrigivrendes Kalkspathrhomboäder die obige Analogie mit dem Feldspath- 
system zu verfolgen, so würde das letztere durchaus gleichen Schritt mit 
jenem halten, wenn man die Axe c des Feldspathsystems in dem gleichen 
Verhältnisse verkürzte. So lange nur dem Feldspath die gleichwinkliche 
sechsseitige Säule, in Folge der geschobnen symmetrischen von 120° bliebe, 
würde auf diesem Wege das Feldspathsystem immer in das Kalkspathsystem 


transformirbar bleiben, und umgekehrt. 


2372 Weiss über eine versteckte gegenseitige Beziehung 
Nachtrag. 
Die obige Vergleichung zwischen dem Feldspathsystem a: 5b: c 
a le. a — und dem Systeme des Haüy’schen Kalkspathrhomboeders 
sic=ı3:1ı läfst sich übrigens noch aus einem andern Gesichtspuncte ent- 
a 


Wenn man im Feldspathsystem eine Fläche, welche die Eigenschaft 
haben soll, wie die des Haüy’schen Kalkspathrhomboeders, die Axe c 
genau unter 45° zu schneiden, sich unter der allgemeinen Form ae, 
vorstellt, und hat a: d:c = Ve A 2 ‚ so führt dies auf die Gleichung 
3m’+n?= 13 (!); und eine Feldspathfläche wird eine krystallonomisch 
mögliche sein, wenn die Werthe von m und n rationelle Gröfsen sind und 
zugleich dieser Bedingung entsprechen. Fast der erste Blick auf die Glei- 


chung lehrt schon, dafs dies der Fall ist, wenn m = 2 undn=ı, d.i. wenn 


die Fläche = | 4a:b: e]. Der Bedingung wird aber auch genügt, wenn 


U — m und2=+; dnn3.2+%° =*%2=1ı3; oder wenn m=-+ und 
n— ; den : 3R En +7 =*7=13; also wenn die Flächen die Werthe haben 
1 


Fa: Eb me za:+5:%e]und| > EN — ee 
Daß; ei Er drei Flächen [ a BE a» eo ne ] nd 


| e:-! ebene ze |] um die Axe c so herum Ver dafs ihre Neigungsebnen 


gegen re einander unter Azimuthen von je 120° schneiden, also wie 
die Flächen eines Rhomboeders, ist oben erwiesen worden. 

Es leuchtet aus diesem Resultate schon ein, dafs alle und jede Flächen 
und Formen des Kalkspathsystems krystallonomisch mögliche im Feldspath- 


systeme seien und umgekehrt. Will man indefs diesen Satz für irgend ein 


(') Es wird nämlich das Perpendikel, aus dem Schneidungspunct der drei Axen a, 2, © 


a b ab 
auf die Linie von = nach — gefällt, = c, also ———— =, d.i. 
T n 


Vn® a” + m? b* Vn? +3m! 
n? +3m? = 13. 


zwischen den Krystallsystemen des Feldspathes und des Kalkspathes. 273 


Beispiel, z. E. für die Flächen des gewöhnlichen Dreiunddreikantners (Tri 
merocraspedon’s (!)) am Kalkspath, d.i. für sein [ .: PaegEn ta | verfolgen, 
so dürfte das, wenn auch nur für die Anwendung der Mieosenen Methode, 


doch von einigem Interesse sein, und man wird zum Resultate erhalten, dafs 


folgende sechs Flächen des Feldspathsystems: [Fa: Zölle], [+a:45: aD: a:b:c], 
[d:50:e], #d:%:+e], [>ed:50:4e] und [3e:56:4 c|, oder 
die mit den umgekehrten von a und 5, zusammen die Form des 
ebengenannten Dreiunddreikantners am Kalkspath geben werden. 

Verfolgen wir den eben betretenen Weg, und suchen für eine Feld- 


spathfläche [+a:+B:c die ee dafs sie gegen die Axe c geneigt sein 


. . r = —c 
solle, wie die Kalkspathfläche a:ta:t a | es gegen die rhombo&drische 
Axe ist, so kommen wir zu der een sm’+n?=7.13=91; denn es 
ab 


mufs werden re :c=1?V7, weil beim Sn nach der allgemei- 


a’+ m? b? 
nen Formel für die Neigung einer Fläche 


wrebeeurg 


:yc(?), diese Formel, wenn, wie hier, 


gegen die Axe, sin!cos= ee 


. . 1 /, . 
s=c, n=3, und y=1, wird, sin:cos= ,1=1:V7. Also bei den 
1 


(') Dreiunddreikantner, Vierundvierkantner, Sechsundsechskantner (lat. soidum ternomar- 
ginatum, quaternomarginatum, senomarginatum), werden mit einem griechischen Ausdruck, 
welchem also der Vortheil nicht abgeht, in alle lebenden Sprachen übergehen zu können, am 
füglichsten Trimerocraspedon, Tetramerocraspedon, Hexamerocraspedon, assonirend an Paral- 
lelepipedon, übersetzt werden können. Ich würde, um der Kürze willen, vorziehen: T’rimero- 
gramm, Tetramerogramm, Hexamerogramm, wenn nicht, nach der Analogie von Parallelo- 
gramm, schicklich nur eine Fläche mit diesem Namen bezeichnet werden dürfte; also wird 
das dreiunddreiwinkliche Sechseck, das vierundvierwinkliche Achteck, das sechsundsechswink- 
liche Zwölfeck richtiger mit den Namen Trimerogramm, Tetramerogramm, Hexamerogramm zu 
belegen sein. Der später von andern Schriftstellern für Dreiunddreikantner eingeführte Name 
Scaleno@der ist offenbar weit weniger bezeichnend, als Dreiunddreikantner; denn mit ganz glei- 
chem Rechte würde er auch für den Vierundvierkantner, den Sechsundsechskantner und das 
Rhombenoctaöder (Zweiundzweikantner, wenn man will, Dimerocraspedon), ja eben so gut auch 
für das Hexakisoctaöder und das Hexakistetraöder des regulären Systems gebraucht werden 
können. Neuere Namen sollten bessere sein. 


(?) S. die Abhandl. d. Akad. für 1823. p. 222. S. 5: 
Physikal. Abhandl. 1835. Mm 


274 Weiss über eine versteckte gegenseitige Beziehung 


1 


obigen Feldspathwerthen für a, d, c, :Y5; =ı:31Vr1; folglich 


Vn? + 3 m? 
n?+3m?=7.13=9i, wie vorhin. 

Man sieht, dafs alle 6 obigen Feldspathflächen diese Eigenschaft be- 
sitzen; denn 82 +3.,2 =-A4+7—9g: 


+3.’ =6 +5 —=9J; 


—— 364 
= a () = Fe 
4 - a 121 1 363 


Mi 43.1 121-428 
ra y; +3. € ) = ——— = 9; und 


17 239 75 364 
(Z ) +3. (- ) = nn ==. 


Den vollständigen Beweis aber, dafs die 6 genannten Flächen es sind, 


welche den Dreiunddreikantner 


ta | zusammen geben, wenn die 


3 erstgenannten Feldspathflächen | a: 3 a] u.s.f. den Rhomboederflächen 


a:a:wa | entsprechen, findet man in der Fig.3. Wenn in ihr das 
Dreieck mr n das nämliche ist, wie in Fig. 1, dessen 3 Seiten den 3 Rhom- 


bo@derflächen entsprechen, wenn sie gemeinschaftlich durch = der Feld- 
spathdimension c gelegt sind (1); so werden die um den Mittelpunct der 
Figur ein dreiunddreiwinkliches Sechseck beschreibenden 6 Linien den er- 
wähnten, zugleich sämtlich durch — zu legenden Dreiunddreikantnerflächen 
angehören, wenn die Linien so gezogen sind, dafs jede von ihnen aus einer 
Ecke des Dreiecks mr n durch -- des Abstandes einer der beiden andern 
Ecken des Dreiecks vom Mittelpunct geht. Denn wenn die das gleichseitige 
Dreieck beschreibenden Linien wie mr oder Di (Fig. 1.) die Durchschnitte 
der Rhomboederfläche 


(‘) In Fig.1. war die Feldspathfläche [+ SR e] diesem entsprechend zuerst durch eB 

gelegt. Wurde sie, sich ‚eich, parallen dann durch Dz gelegt, so gieng sie durch —, und stellte 

l- So beschrieb sie mit den durch Gf und 4d gelegten 

| ar td ze | ae gemeinschaftlich das Dreieck mr.n; s. oben 
S. 263. 


sich dar als | 4a 4ad:4 BE} BEST 


[80] 
SI 
o 


zwischen den Krystallsystemen des F eldspathes und des Kalkspathes. 


mit der Horizontalebne darstellen, so sind Linien wie Cm, Cr, gleich 2s 
des Zeichens. Aber eine Fläche 


(durch denselben Punct in c gelegt) geht, wie man aus den in der unteren 
Reihe geschriebenen Werthen in s ersieht, von einem geschriebenen 2s- 
punct (über einen —s-punct, d.i. einem der stumpferen Winkel des drei- 
unddreiwinklichen Sechsecks) nach einem 5 s-punct, d.i. von m nach 7’ 
(Fig. 7.) d.i. dem +-Cr-punct, oder von r nach m’ (Fig. 5.) d.i. dem 4 Cm- 
punct u.s.f. Daher umschreiben die 6 so gezogenen Linien wirklich jenes 
dreiunddreiwinkliche Sechseck mit den abwechselnden Radien von + s und 
-s um den Mittelpunct der Figur 3, 

Die Lage der Puncte m, r und n, ausgedrückt in den Feldspathdi- 
mensionen @ und Ö, findet sich, wenn in Fig. 1. und 4, CA =«a, CB =b, 
AZ aNGB— bsals: 


m=(-—d +— 0b); r =(, a +5 ; n=(a+,,0) 
Beweis. Betrachtet man das Dreieck AD_A4 als durch die Linien 


Ad und Du getheilt, so ist nach dem Lehrsatze (Abh. d. Akad. v. J. 1819. 
p- 277.) 
nm —=xc(o-rd): Ta 
Dm:mu=Dd.AA:dA.Au;, odrda Dd=dA, 
Dm:mu=AA:Au=20A:-CA=s:5 
5 
mu; Miu; 

folglich das Perpendikel aus m auf CA), 
d.i. mk=De=-.- CB=-.- =—b 


276 Weiss über eine versteckte gegenseitige Beziehung 


_ 


ferner Ck=Cu+ruk= (-+-; : —) cCA= = ae a; 
mithin der Punect m= © ae 5) 
Für die Lage des Punctes z hat man u.a. 
ar 1 R 3 3 
Grirp=Dg:pt=b: (---) b=10:3; p=,0p; also r2= Gt 


3 er 3 7: x N EN 1 3 en: 
— ne ferner CG=Cp+p=(+-4—-4)b= 


also der Punct r=(—-d+—5b 


Und für die Lage des Punctes rn hat man, nach dem oben angeführten 
Lehrsatze, in dem durch pf und Ag getheilten Dreiecke AB'p, 


Anıng=Af.Bp:fB.pg=Bp:3.p9=2:2(5+-)=6.1:3.2=1:6; 
(n) :(m)= (x). (@a+b):(Yy): (a) 
daher ng = — 4; mithin auch Chk=— CA=— a; 


. 


und An=— Ag; mithin auch nk= 2 09=—.-b=-b; 


7 13 


also der Punct De ap 3). 


Wenn nun in Fig.5. mrn das vorige Dreieck, und Ci= E Cn, also 
der Punct i=(- er a4. ga -5)= (-a+-% ‚ oder Ci=- ca, 


und i’ = - @B7 N man En wie in Fig. 3, die Linie mi, bis sie CA in 
x schneidet, während y ihren Durchschnitt mit CB’ bezeichnet; man sucht 
nun die Werthe Cx und Cy als der durch mi (und — aufserhalb der Figur) 
gelegten Fläche des Dreiunddreikantners in den Feldspathdimensionen CA 
und CB’, d.i. a und d’ zukommend, so ist 


On 29? Ed eefıe En EEE RER] 4 2 U 3 R 
ix: ki + ix = ıı ml =—:,=1:10; 


X —=— ki = — 


—_9#4 1 
Aber Cx=l(i = a=-a 
Fl an 13 6.13 6 


zwischen den Krystallsystemen des Feldspathes und des Kalkspaihes. 277 


’ ! AA 9 . . 
Und Cy:mk=Cx:kı=—-:'- +, =26:2046.9=13:10, 
CYy=ı.—_b=—d 


"26 16 
folglich die gesuchte Fläche = br: Ze za: b:ze] =| +a:2b:c I. 
Wenn ferner in Fig. 6. die Linie ri die Linien CB und CA iny und 


x schneidet, so hat man syıyl=reit= on; 
also zy = ea + b=—- b. 
1 13 1 
Aber CGy= =yi OA "5 b= ed 
Und Cx:W=Cy: pl =: = 18:15; Ca=.—a= a 


folglich die durch ri gehende Fläche des Dreiunddreikantners = | na: el 


va: —b:c|. 


——Allärsr Se® 


Wenn weiter in Fig.5. Cm’ =--Cm, also der Punct m’= ( — + „0 )» 


und man zieht durch ihn m’y’ bis zum Schneidungspuncet y’ ai c b'; man 


sucht nun Cy’ und Cx’, x’ als den Schneidungspunet von rm’ mit CA’ ge- 


. 9 3 „ 
nommen, so ist (!) m’y :zy =mm’!rz= :—=3:4; also m’z: 


4 


4.28 ° a 
— IN IN (ET  —E =1(I+ = b=—b. 
Aber CY=zy —Cz= 2_1)5 a eB/; a 
Me le al 3 BE ’ 
Cxn. 22 —=Cye: z; folglich a = re. zei. 


mithin die durch m . Fläche des Dreiunddreikantners = Et Tab! :c]. 


In Fig. 6. sei wiederum x’ der Schneidungspunct der Linie nm’ mit 
8 8°P 
CA’, so wie y’ ihr Schneidungspunct mit CB’, und m’m” das Perpendikel 


A 5 1 

ausszız Kal ıC,,, 180: ist. x.m. En. = mim; snn = 55555 und 
0 6 9 6.59 

znı.mn — 8:35. aber mn = Cn!+Cm"= (= en ) a= 4 


(') Um die Figur nicht zu undeutlich zu machen, ist die Linie m’m”, von m’ senkrecht 
auf CB’ zwar ausgezogen, aber der Buchstabe für den Punct =” in der Linie CB’, dessen 
es indels zum Verständnils nicht bedürfen wird, nicht eingeschrieben worden. 


278 Weıss über eine versteckte gegenseitige Beziehung 


57 5 ED EB 87, Du 
= —— 4; le ie az — a 
ei folglich x’ ac as Tal 
{ 19 6 
und Cx =xn’ — Cn= (5-5 sun 
oder der Punct x’ zusammenfallend mit dem Punct A’. 
; ; En Ars = RE NA ig 16 I TEN 
> . =Cxı:cn =1, — = nn =—-.—b=—-b. 
Aber Cy’:nn'=C En Cy 5 en 7 
Folglich die durch nm’ gehendeFläche des Dreiunddreikantners = [@': 4b:c. 


Ferner sei in Fig.7. Cr'+Cr, d.i. der Punct "= (; — d-+ x b); 


und die Linie mr’ schneide CA’ inx, CBiny; r'r" aber sei das Perpen- 


dikel aus r’ auf CB (!), eben so mm’ das aus m auf CB’, so ist 
9 3 


MIETEN. SET =: rei, und 
RN Sa NE ry=—mr' =. + nr Lie also 
7 27 742 1 
rec ar yet) en 
Aber Cx:mm=Cy:my= +. =%:5+6=3:s; 
mithin Cca="mm=2.2d=la); 
st st" 2% 9 


folglich die durch mr’ gelegte Fläche des Dreiunddreikantners— [> mb: +e] : 


Sat 


Endlich sei in Fig. 7. «’ und y' (?) der Durchschnitt der Linie nr’ mit 
CA und CB; nn! das Perpendikel aus n auf CA, r’r" das aus r’ auf CA', 


2 1 7 
soäst nix x. = nnemir: = —: —, Je 
3°2.% 
7 7 (8 3 7 5 
art" =— nr" = —- (—+ = .— a; 
15 5 \13 7 4.% 15 ° 4.2 
a 3 MB 104 N 
CX=xr" Cr = —. _ = —_—_ _g= _————_g—=—g. 
15 ° 4.26 4.26 5.4.26 5.4.2 5 
106 1 
Und Cy':n" =C&X:Cn" —CıH=z: BTzZ FO BR, 


Be BEN 
nr ae ar aaRe 


Daher die durch nr’ gelegte Fläche des Dreiunddreikantners — [+e: ob:4 e] 5 


(') Es hat wieder unnöthig geschienen, die Linie r’r” in der Figur auszuziehen. 
(°) Hier ist, um die Figur nicht zu überladen, auch der Punct y’, so wie der folgende r”, 
nicht angegeben worden. 


zwischen den Krystallsystemen des Feldspathes und des Kalkspathes. 279 


Wir haben, da es ohne gröfsere Weitläuftigkeit geschehen konnte, 
den geometrischen Beweis für die Ausdrücke der sämtlichen Dreiunddrei- 
kantnerflächen, von welchen die Rede war, in den Feldspathdimensionen 
im einzelnen geführt; aufserdem würde die Verweisung auf die allgemeinen 
Formeln, um solche Ausdrücke zu finden, genügt haben. (S. die Abhandl. 
d. Akad. für 1820 u. 1821. S. 172.) 

Bemerkenswerth ist die Einfachheit der beiden ersten Ausdrücke 
[ze:+®d:e] und +a:zb:e|, welche als Krystallflächen dem 
Systeme sowohl des Feldspathes selbst als der ihm zunächst verwandten 


Systeme gar nicht fremd sind. Diese einfachsten Ausdrücke kommen den 
beiden Flächen zu, welche durch den der Rhomboöderfläche mit dem ein- 
fachsten Ausdruck, nämlich | —a:d:c | gegenüberliegenden —-punct 
der Linie Cn gehen. — Mit einer gewissen Einfachheit überraschen auch 
noch die Ausdrücke der Flächen, welche durch den —-punet von Cm, 
d.i. dem der Rhomboöderfläche [ —a:—b:-c | gegenüberliegenden 
gehen, insofern nämlich die Linie » m’ die Linie CB’ in dem Puncte B’ 
selbst, und die Linie nm’ die Linie CA’ in A’ selbst schneidet. Und 
kommt auch den beiden übrigen Ausdrücken eine noch mindere Einfachheit 
zu (den durch den -;--punct von Cr gehenden, d.i. dem der Rhomboöder- 
fläche Le: + b’24c ] gegenüberliegenden), so bemerkt man in sämtlichen 
vorkommenden Zahlenwerthen noch eine gewisse Einfachheit des Fortschrei- 
tens, d1=3+8, 9=1-+8, 17=9+8s, 9—=5+4, 3 und s aber, und 
5 und 4, die Divisoren von a und 5 in den beiden ersten einfachen Ausdrük- 
ken sind. 

Es ist übrigens einleuchtend, dafs die genannten 6 Ausdrücke bei 
jedem Werthe von ce einen Dreiunddreikantner geben gleichen (Quer- 


schnittes mit dem des gewöhnlichen Dreiunddreikantners beim Kalkspath 


8 

. . m a ———— . . . 

oder des Dreiunddreikantners RR | jedweden rhomboedri- 
schen Systemes. Die Eigenschaft hängt einzig an dem Verhältnifs @:d 


=1:Y3. Es ist daher klar, dafs, wenn man, statt dafs wir die Vergleichung 
des Systems a:5:c=V-:1:V5 mit dem System des Haüy’schen Kalk- 


spathrhomboöders s= c angestellt haben, sie mit dem Kalkspathsystem, so 


250 Weiss über eine versteckte gegenseitige Beziehung u. s. w. 


wie es in der Wirklichkeit von dem Haüy’schen abweicht, oder mit den 
noch um etwas stumpferen rhomboedrischen Systemen seiner krystallogra- 
phisch verwandten, wie des Bitterspathes, Spatheisensteins u. s. f. anstellen 
wollte, das erstere System rechtwinklicher Axen sich dieser Vergleichung 
Schritt für Schritt, und überall genau, accommodiren würde, indem nur 
seine Dimension ce im entsprechenden Verhältnifs vermindert würde. Setz- 
ten wir sie z.B. bis Y/, statt Y, herab, so entspräche die angestellte Ver- 
gleichung in allen ihren Theilen eben so genau einem rhombo&drischen Sy- 
steme mit 46° 3’ 40” Neigung gegen die Axe, also mit 106° 7’ 40” Neigung 
in den Endkanten; oder bei der Herabsetzung auf V-;, einem anderen mit 
47° % 53” Neigung gegen die Axe, d.i. mit 107° 40' 20” Neigung in den 
Endkanten; zwischen beiden lägen die Werthe des Bitterspathes (blättrigen 
Magnesites) und Spatheisensteins; das letztere Rhomboeder wäre das des 
Galmeies nach der Messung von Wollaston. Ja ginge man bis zu der Ver- 
winderung von c bis auf VY;—=-; herab, so befände man sich schon über 
die Messungen der Rhomboäder des Rothgiltigerzes hinaus; es wäre das 
Rhomboöder mit 47° 588” Neigung gegen die Axe, was man vor sich hätte, 
oder mit 109° 7’ 20” Neigung in den Endkanten. Die neueren Messungen 
des Rothgiltigerzes, welche, wie bekannt, die des Galmeis fast berühren, 
bleiben diesseits dieses Werthes; nur die Haüy’sche Angabe gieng jenseits 
desselben. Das Rothgiltigerz-Rhomboeder ist dem Bitterspath -Rhomboöder 
weit näher, als dieses dem Kalkspath-Rhomboöder. 

Dafs auf schärfere rhomboedrische Systeme dieselbe Betrachtung ihre 
Anwendung findet, bedarf keiner Erörterung; wir haben für den Dreiund- 
dreikantner Were allgemein den Ausdruck seiner Flächen im Sy- 
stem einer geschobnen vierseitigen Säule von 120° gegeben. 


ED — 


Betrachtung des Feldspathsystems in der 
viergliedrigen Stellung. 


Yon 


Hm- WEISS. 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 26. Febr. 1835.] 


D. Betrachtung des Feldspathsystems in der Stellung seiner rechtwink- 
lich vierseitigen Säule ist nicht blos, wie etwa die in der vorangehenden Ab- 
handlung entwickelte seiner geometrischen Beziehungen zu dem System des 
Haüy’schen Kalkspathrhomboäders, eine zuläfsige, aber beliebige; sie ist 
vielmehr eine von der Natur selbst vielfach angeregte, unabweisliche. Sie 
ist naturgemäfs zu nennen, schon insofern eine zahllose Menge der Feld- 
spathkrystalle unmittelbar als diese rechtwinklich vierseitige Säule von der 
Natur gebildet sich darstellt, ganz mit dem Gepräge, dafs diese Erscheinung 
nicht etwas rein zufälliges ist, sondern dafs sie aus dem Innern der Substanz 
hervorgeht, im Gleichgewicht mit einer zweiten Erscheinungsweise einer 
andern Hälfte der Feldspathkrystalle, welche sich mit nicht minderer Ent- 
schiedenheit, ohne Zweifel ebenfalls aus innerem Grunde, als die geschobne 
vierseitige von 120°, mit Inbegriff der ihr zugehörigen gleichwinklich sechs- 
seitigen, darstellen. Sie ist es um so mehr noch, als in den Zwillingen, 
Drillingen und Vierlingen nach dem Gesetze des Adulars und der Kry- 
stalle von Baveno die geometrischen Verhältnisse, analog den viergliedri- 
gen Systemen, mit der Vierlingsgruppe zur Vollendung kommen. Sie ist es 
endlich, und vielleicht am entscheidendsten, um der optischen Eigenschaf- 
ten des Feldspathes willen. Es ist also gewifs keine blos willkührliche Be- 
trachtungsweise, es ist eine durch die gesammten Eigenschaften dieses Kry- 
stallsystemes geforderte, und, wie wir sie schon nannten, unabweisliche. 


Physikal. Abhandl. 1835. Nn 


989 VEN Ss. S* 


vr 


Der Vierling, in welchem jedes Individuum mit den 3 übrigen der 
Gruppe in directem gesetzlichem Zwillingsverhalten sich befindet, kann uns 
schon eine Bürgschaft sein, dafs jede Structurrichtung des einen Indivi- 
duums in allen übrigen als eine ächt krystallonomische sich fortsetzt, in 
ihnen gleichsam fortklingt, fortvibrirt, dafs sie eine krystallonomische 
Realität auch in ihnen behalten, auch in ihnen einen krystallonomischen 
Werth haben mufs; und die Rechnung bestätigt diesen aus der Natur des 
Zwillingsverhaltens entlehnten Schlufs auf die befriedigendste Art. 

Im Feldspathsysteme also haben krystallonomische Rea- 
lität alle Flächen, welche zu den bekannten gewöhnlichen, als 


5 
Gegenstücke und als Seitenstücke, die Ergänzungen zu den 


8 
Formen des viergliedrigen Systemes bilden — seine rechtwinkliche 
vierseitige Säule als die eines viergliedrigen Systems, und mithin dessen Axe 
parallel der Axe jener Säule genommen. 

Es haben also krystallonomische Realität die Gegenstücke und Sei- 
tenstücke sowohl zu den auf der Seitenfläche des ersten blättrigen Bruches, 
P, gerad aufgesetzten, einzelnen Endigungsflächen x, y, q u.s.w., welche 
an den Feldspathindividuen als je eine schief angesetzte Endfläche erschei- 
nen, d.i. die drei jedesmal unter gleichen Winkeln auf die drei übrigen 
Seitenflächen gerad aufgesetzten, welche mit jener zusammen eine zirkon- 
ähnliche, viergliedrige Zuspitzung bilden würden, und eine solche in der 
Vierlingsgruppe wirklich bilden; nicht minder die Gegenstücke und Seiten- 
stücke der paarweise an einem Feldspathindividuum erscheinenden Endi- 
gungsflächen, wie z.B. der Seitenflächen der geschobnen 4seitigen Säule 
(von 120°), oder der Rhomboidflächen, der unteren Rhomboidflächen, 
der Flächen, die wir die der zehnseitigen Säule genannt haben u. s. w. Je- 
des solche Paar, sagen wir, hat sein Gegenstück und seine beiden Sei- 
tenstücke, wie sie mit ihm zusammen dem Vierundvierkantner eines 
viergliedrigen Systemes angehören, als krystallonomisch in demselben Feld- 
spathindividuum begründet; und es kommt jetzt darauf an, die richtigen 
Ausdrücke aller dieser Gegenstücke und Seitenstücke in den keineswegs auf- 
zugebenden, auf die geschobne vierseitige Säule von 120° sich beziehenden 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 283 


Feldspathdimensionen a, d, c (im gegenseitigen Verhältnifs von Y--:1:V;5), 
so wie die Zonen aufzufinden, durch welche alle diese Flächen, als der in- 
neren krystallinischen Structur des Feldspathes angehörig, deducirt werden 
können. 

Den ersten Schritt in dieser Betrachtung macht wohl die Bemerkung, 
welche nahliegende krystallinische Realität die gerad angesetzte End- 
fläche der rechtwinklich vierseitigen Feldspathsäule hat; denn man sieht 
wohl ein, dafs, wenn alle die zur zirkonähnlichen Zuspitzung sich einander 
ergänzenden Gegenstücke und Seitenstücke der schiefen Endigungsflächen 
eine krystallonomische Realität haben sollen, die gerad angesetzte Endfläche 
eine solche nothwendig auch haben müsse. 

Sie ist aber — in der gewöhnlichen Feldspathstellung — (seiner ge- 
schobnen 4seitigen Säule) nichts anderes als die auf der Schief-Endfläche 
ersten blättrigen Bruches rechtwinkliche Fläche der vertikalen Zone, 


Wenn aber die Schief- Endfläche ist [ ae ab , so ist die auf ihr recht- 


; denn eine 


winkliche der verticalen Zone jederzeit — — a »c:oob 


solche hat gegen die Axe c die Neigung, sin: cos—= = 2e— c: as.d:z..das 
umgekehrte Verhältnifs von Sinus zu Cosinus, verglichen mit der Schief- 
Endfläche selbst, welche es hat =.«a:c; also sind es die beiden einander zu 
90° complementirenden Neigungen; und ihre Summe ist 90°, wenn die con- 


struirte der entgegengesetzten Seite des Endes angehört, als die als Schief- 


Endfläche gegebne; | a: c: 0b ] und | z ad:c:ob|, welches letztere 


man auch schreiben kann |«:; Sc :oo5| bilden also jederzeit einen Zu- 
schärfungswinkel von 90° in der vertikalen Zone. Wir nennen die gefun- 
dene Fläche in unsrer allgemeinen krystallographischen Sprache die Zt ach 
gegen die Axe geneigte, indem wir damit die Vervielfachung des Sinus ihrer 
Neigung aussprechen, während der Cosinus mit dem der anderen constant 
genommen wird, oder, was auf dasselbe hinausläuft, die Vervielfachung der 
Tangente der Neigung (wobei der Radius gleich gesetzt ist). Je nachdem 


sie aber stumpfer oder schärfer geneigt ist, als die, mit welcher sie ver- 


Nn2 


384 WEıss: 


glichen wird, d.i. je nachdem | <h ‚ wird sie im ersteren Fall die <Tfa ch 


“fach schärfere heifsen. 


stumpfere, im andern die — 

Wenn nun im Feldepahreent a:c=Vı3:Y3, so ist die gesuchte 
Fläche, d.i. die grad angesetzte Endfläche der rechtwinklich 4seitigen Feld- 
spathsäule = [3« ESS [e:$c:05 ob ob]; ; wir sprechen dies, da 
die Vermehrung den Oosinus trift, so aus: es ist die %?fach schärfere 
der vertikalen Zone, und zwar des hinteren Endes. 

So wenig einfach der Coöfficient 7° scheint, so unerwartet möchte es 
sein, wenn sich findet, dafs diese Fläche durch zwei Zonen bestimmt wird, 
von unserer unteren Rhomboidfläche [+d:#B:e] nach derjenigen 
Seitenfläche der zehnseitigen Säule Las Brese], welche nicht mit 
derselben unteren Rhomboidfläche und der Fläche |s«:5c:%56 | in 
Einer Zone liegt (und in welcher die letztere Fläche ihre Deduction 
fand (1)). Dafs dem so ist, läfst sich a leicht schon durch den 


Lehrsatz beweisen, dafs eine Fläche 


x 
gegen («a :b:ooc | in vorgedachter Weise la in der vertikalen Zone 


eine Fläche | a: (@+y)e: ob | bestimmt (?). Denn wenn man [e: +b:00c 
mul ma orale überträgt, so wird dem gemäfs | a: —bB:e ] zu 
3 


[ la bie ), aox=3, y=-, mithin e-+y=; folglich die 
gesuchte Fläche = [ a 


1 913 5 
a. | durch ihre, Zone 


Was für den weiteren Verfolg dieser Art von Betrachtungen höchst 
empfehlenswerth wird, nämlich: sich der graphischen Methode zu be- 
dienen, um die Gesetze gewahr zu werden, von welchen die Zonen -Bestim- 
mungen der abzuleitenden Krystallflächen samt und sonders abhängen, das 


wird schon hier sehr zu empfehlen sein; ohne dieses vortreffliche wissen- 


(') s. d. Abh. d. Akad. v. J. 1820 u. 21. S.177 unten. 

(2) s. die Abh. über den Epidot in den Abh. d. Akad. für 1818 u. 1819. S. 253. Note, Z.6. 

(%) Die Deduction der Fläche mit diesem Ausdruck durch die genannten Zonen ist, wie 
man sieht, allgemeingältig für jedes 2- und i- sriedeige System, für jeden Werth von 
a und ce. :c05|, oder beim Feldspath die 
gerad angesetzte Endfläche seiner rechtwinklichen Säule, = sieht man, hängt streng an dem 
Verhältnis a: c=yı3: y3. 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 285 


schaftliche Hülfsmittel würden die feinen und mannichfaltigen Fäden einer 
so verwickelten Aufgabe nicht mit der Vollständigkeit, Leichtigkeit und An- 
schaulichkeit verfolgt werden können, als es vermittelst derselben so be- 
quem geschieht. 

Das Verdienst der graphischen Methode gebührt, wie jeder Krystallo- 
graph weils, ihrem Entdecker, Herrn Prof. Neumann in Königsberg; ein 
neues Verdienst um die Belebung desselben in der Anwendung durch Um- 
gestaltung in diejenige Form, wo die sämtlichen Flächen eines Krystallsyste- 
mes selbst, nicht ihre Normalen, auf eine gewählte Projections- oder Inter- 
sectionsebne, wie die Ebne zweier Grunddimensionen (und gemeinschaftlich 
durch einen und denselben aufserhalb der Projectionsebne liegenden Punct 
der dritten Dimension gelegt), projieirt werden, hat sich neuerlich Herr 
Quenstedt erworben (!); eine Umgestaltung, welche allerdings von Hrn. 
Prof. Neumann selbst in $. 50. seiner gehaltreichen Schrift (?) schon aus- 
gesprochen war, welcher indefs Hr. Prof. Neumann keine weitere Folge 
gab, indem er es vorzog, die Normalen der Flächen (durch Puncte), nicht 
die Flächen selbst (durch Linien) zu projieiren; und es ist unverkennbar, 
dafs, je höher die Anzahl des Zuprojieirenden steigt, desto mehr die Vor- 
züge der ersteren Art von Projectionen vor der letzteren hervortreten, da- 
gegen bei einer geringeren Anzahl des Zuprojicirenden die letztere Methode 
eine wohl noch allgemeiner ansprechende, unmittelbarere Anschaulichkeit 
besitzt, und so lange wir die Krystallflächen so, wie wir thun, nicht ihre 
Normalen zu schreiben pflegen, auf den Namen der directeren Anspruch 
hat, während die Neumann’sche Punctmethode, wie zuletzt alle Über- 
setzung der Flächen in ihre Normalen, die höhere Auffassungsweise der Sache 
zu nennen sein möchte. 

So wie nun bei dieser die Zonen des Krystallsystems durch die Li- 
nien erscheinen, welche man nach Belieben von einem solchen Puncte oder 
Flächenorte nach einem anderen ziehen kann, so erscheinen sie bei jener 


(') vgl. Poggendorffs Annalen, B. 34. St. 3 u. 4. 
(*) Beiträge zur Krystallonomie, 1. Heft. Berlin u. Posen, 1823, S.117. 118. 


956 NWERTISES® 


durch die Puncte, in welchem zwei oder mehrere der die Flächen reprä- 
sentirenden Linien in der Projectionsebne sich schneiden; die Axen der Zo- 
nen aber sind gleichfalls direct ausgedrückt; denn jene Puncte sind jedesmal 
der zweite Endpunct einer Zonenaxe, deren erster der aufserhalb der Pro- 
jeetionsebne für alle Flächen gemeinschaftlich gewählte Punct ist. Es fol- 
gen sich die in eine und dieselbe Zone fallenden Flächen am Krystall, wie 
die in demselben Puncte sich schneidenden Linien in der Projection (!). 

In der nach dieser erneuerten graphischen Linear- oder Intersections- 
methode entworfenen Tafel I. Fig. 12. sind die Feldspathflächen (sämtlich 
als durch ı c gelegt gedacht) auf der Ebne der a und d projieirt. Die ver- 
tikale durch den Mittelpunct der Figur gelegte Linie entspricht unserm a, 


die horizontale unserm 5; in jener sind Abschnitte als 4, —, 1, und 3 auf 


der einen Seite, 4, %, ı auf der anderen, in dieser Theile 4, 4, 4, ı zu 
beiden Seiten angegeben; man sieht also — um den Gebrauch einer solchen 
Projection an einem Beispiele zu erläutern — dafs z.B. die unteren Rhom- 
boidflächken | @ :—bd:c durch die Linien ausgedrückt sind, welche 
vom oberen + a nach + 5 gezogen sind; nicht minder, dafs die Flächen der 


zehnseitigen Säule | a:—5:xc | es durch die Linien sind, welche aus 


dem Mittelpunet durch einen Punct (a + 5-5) gezogen werden. Die 


Durchschnittspunete einer Linie der letzteren Art mit einer der ersteren 


sind also die in der Ebne a und 5 liegenden Endpuncte der Zonenaxen, 


deren Zonen von [ La2b:eN] nach | a;28:00c | oder von 


+d:tb:c ] nach | @:—d:ooc | gehen, d.i. der Zonenaxen 


(5; 5@ +55) (2) und (c; 5 + 55). Zieht man nun durch beide 


(') Die Zonenlinien, welche in den Neumann’schen Projectionen nicht gezeichnet sind, 
sondern beliebig gezeichnet werden können, und eben dadurch, dafs sie es nicht sind, gar 
keine Verwickelung hervorbringen, sondern überall nach dem Bedürfnils ausgezogen werden 
oder unausgezogen bleiben können, diese Zonenlinien sind nicht unsere Zonenaxen, sondern 
vielmehr die auf unseren Zonenaxen senkrechten, in die gewählte Projectionsebne fallenden 
Linien. 

(?) Wenn in Fig. 8. Taf. I. C4= a, Cn=4b, C(m=4ad, AD=-+2, und my paral- 
lel mit 4D und Cn, so wird md=4+AD=+2b. Wenn also & der Schneidungspunet 


g 
von mn mit CD ist, so hat man m&e;an=dx!xC=md:Cn=4+:+=433; folglich 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 287 


gleichartige Durchschnittspuncte eine Linie, so wird dieselbe offenbar durch 
7; @ und parallel mit d gehen. Also die Fläche, welche beiden angegebe- 
nen Zonen gemeinschaftlich ist, oder beide Zonenaxen in sich verbindet, 


wird keine andre sein, als | Z«@:c:»d |=| d:2c:»5 |k 


In einer ähnlichen Weise werden sich alle Aufgaben solcher Art, wie 


sie die fortgesetzte Reihe der Betrachtungen darbietet, leicht lösen. Die 
von Hrn. D. Kayser sehr sorgfältig entworfene Taf. II. zeigt das Feldspath- 
system in der viergliedrigen Stellung, d.i. seine Flächen auf dem Quer- 
schnitt seiner rechtwinklichen quadratischen Säule P und M projicirt (t), 
mit allen zu seinen Flächen gehörigen Gegen- und Seitenstücken, welche 
das System zum 4gliedrigen ergänzen würden; die seinen wirklichen Flä- 
chen entsprechenden Linien sind stärker ausgezogen, die Gegen- und Sei- 
tenstücke durch schwächere Linien angedeutet, und die einzelnen Feldspath- 
flächen durch die bisher für sie üblichen Buchstaben kenntlich gemacht. 
Denkt man sich die Feldspathflächen in den 3 auf einander rechtwink- 
lichen Dimensionen seiner rechtwinklich vierseitigen Säule PM oder nn so 
ausgedrückt, dafs in dieser Stellung « die auf P rechtwinkliche (also M 
parallele), 5 die auf M rechtwinkliche (also P parallele) Querdimension, 
c die Längendimension dieser Säule bedeute, also die Diagonalflächen n als 
(@:5:0c) (?) unda=Ö, wie aus der Rechtwinklichkeit der Diagonal- 


Cx=7;Ca, und demnach GG = Cm=;;a; so wie vo=;md= 5; folglich der Punct 
x, durch seine Coordinaten in @ und 5 ausgedrückt, = (;@’ +2), wie oben. Man sieht, 
wie Fig. 8., als Hülfsfigur, gleichsam nur einen Theil der Fig. 12. ausmacht, den sie zu er- 
läutern bestimmt ist; und so in allen ähnlichen Fällen. 

(‘) Da, wie bekannt, beim Feldspath die zwischen P und M liegenden, in Taf. II. durch 
die Diagonalen der Figur gehenden Flächen n, unsre „Diagonalflächen,” ebenfalls rechtwink- 
lich untereinander sind, wie P und M unter sich, so liegt eben hierin das Element der vier- 
gliedrigen Beschaffenheit des Systems in dieser Stellung. 

(?) Man könnte nach Belieben als die gleichen Querdimensionen a des viergliedrigen Sy- 
stems auch die auf den Diagonalflächen » senkrechten Richtungen, diese Flächen also als 
(a:&©.a:00c) nehmen, undy=(a:a:c), d.i. als die Fläche des ersten schärferen Octae- 
ders von (a:c: 005) u.s.f. Dann wäre a: c=1:Y5 5 =1:Yy-, und man hätte blos 
die eine Ordnung von Octaödern eines viergliedrigen Systems mit der andern vertauscht. 


Wir behalten die obigen Ausdrücke bei. 


288 WeEıss; 


flächen n gegen einander folgt; denkt man sich ferner c zu a im Verhältnifs 
von V, :1, oder das a:b:c des so genommenen Systems =1:1:V55, 


so ist 

Y di] na: ser ooiöill]| jezu—i(ar:e : 0918)1(%) 

k, dere a:ob:ooc ] .. = (ad:3c:065) =(4«a:c:oob) 
2, da IMEITERESIN] Ta Se: ol) eil ae: 000) 
Tr, deael | 3d:5c%;o0b | (al sBrersesd = are: 60) 
onerdii: Regie] ..y=1(ar 9 2)osb)— (> @:c:oob) 
ti utda: NEE le ei (al: 1iclco5)— (- @u:ic:005) 
P, di | Wareıeod 2.2 (01:10062096), = (a. 2.c.:.b) 


M, d.i.[ d:®a:we | .. =(b:wa:oc)=(a: &b:e) 


. 5 . 


Die gerad angesetzte Endfläche der gewöhnlichen Feldspathsäule 
[_e:»a:005 |] würde sein=(a:13c:05)=(#a:c:ooBb) 


Die gerad angesetzte Endfläche der rechtwinklichen Feldspathsäule 


d@:%c:00d | würde sen = (c!»a:%b) 


Aufserdem würden sein 


otrd.l 


25... di Wa aRroolc |=@«:%b:0) 
Dr de: +d:+b:c |=(a:+b:e) 
v, d.i. | ar bEceh —ar . Io) 
m, di. za: —b:c |=e2: 25:0) 
5 d.i. | da:—brc |=@e:%5:o) 
d, d.i. | —arzbic |=@e:32:9 


a. d.i. Worker = (4a:tb:o) 
Der Beweis, dafs die Ausdrücke der Flächen der vertikalen Zone sich 
in der viergliedrigen Stellung in die angegebenen verwandeln, geht leicht 


(') Indem wir die in Klammern eingeschlossenen Zeichen für die Ausdrücke der Flächen 
in der neuen oder veränderten Stellung gebrauchen, so unterscheiden sie sich damit bequem 
und sogleich von den in die Rechtecke eingeschlossenen, welche für die ursprüngliche oder 
Normalstellung des Feldspathes gelten, und früher im Gebrauch sind. 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 289 


daraus hervor, dafs ihre Neigungen gegen die Axe der letzteren die Summen 
oder die Differenzen sind von ihrer und der Fläche | a: c: 5 |Nei- 
gung gegen die Axe ce der gewöhnlichen Feldspathsäule. 

So ist für die Neigung von y gegen die neue Axe, 

sin:icos— (3 #1) Va.2:13 —3. 3 = Va BA —=yV39:1; 

für x, sin:cos=2V3.3:13—3=Vi.3:5; daher diese Fläche 
mit der fünffach schärferen Neigung gegen die Axe der neuen Stellung, 
—i(@5 e:.00/b), wenn y:= (a,.:\c cold), 

für. Te, s510,.3.C08:— V43):V3:—=1V1373...85,. daher) Klaas (3. 012050), 
d.i. auf der entgegengesetzten Seite von y die mit der dreifach schär- 
feren Neigung gegen die neue Axe; 

für 7, sin?cos=(5+3)V13.3:3.13 —5.3=s3V 39:24—=V3:3; 
daherr = (a:3c:»b) gleicher Seite mity, das Gegenstück von k. 
usisat: 

Die Fläche T ist durch die 2 Zonen bestimmt: von k nach M, und 
von y nach n. Verbindet man (Taf. II.) (') einen Durchschnittspunct von 
y mit n mit dem Durchschnittspunet von k mit A7 durch eine Linie, die wir 
schreiben (*@; a -+ b), so schneidet diese Linie +5 ab, welches evident 
ist; folglich ist T=(—a:—b:c). 

Die Fläche o ist bestimmt durch die Zonen von T' nach P, und von 
x nach NM; die Axe der ersteren ist (c; — 5), der andern (c; + a), dies 
giebt unmittelbar (-a:— 5: c) für ihren Ausdruck. 

Die Fläche u durch die Zonen von T' nach P, und vony nach M, 
deren Axen (c; —b) und (c; a); giebt ebenso unmittelbar (a: —- d: c) als 
ihren Ausdruck. 

Die Fläche m wiederum in der Zone von T' nach P, und von dem 


andern 7’ nach demjenigen 2, mit welchem es nicht in einem Puncte (+2), 


(') Die mittlere Verticallinie der Figur stellt sowohl die obere Hälfte, welche a’, als die 
untere, welche a vorstellt, und welche letztere sich durch die Querlinie y endet, in Theile, 


wie 4a’ bei A, u. s. f. getheilt dar; eben so die mittlere Horizontallinie (& und 2’) in Theile, 


wie 4, u.s.f. Der Schneidungspunct von y mit n ist in einer Ecke unten, und ein solcher 


Punct = (a +) oder (a + 2’); der Durchschnittspunct von k mt M= +a+o.b). 
Physikal. Abhandl. 1835. Oo 


290 Weiss: 


sondern in einem Puncte + «a + +’) (!) sich schneidet; die Axe der letz- 
teren Zone ist also (c; +a’-+ +’), die der ersteren (c; — 5); dies giebt 
fürm, (;.+ad:4b:)=(„«:zb5:c); denn ohne die Hülfsfigur aus- 
zuziehen, welche aus der Zeichnung der Tafel D. leicht in allen solchen 
Fällen entnommen wird, ersieht man leicht, dafs die Coordinate in « für 
die Fläche bestimmt wird durch die Ähnlichkeit der zwei Dreiecke, deren 
Grundlinien sich verhalten = 5:4 =7:4, die Coordinate in « aber 
demgemäfs für die Fläche m sein mufs = .+«d = {;d, während 45 und 
c als Coordinaten in 5 und c für sie bereits gegeben sind; u. s. f. 

Wenn nun die Fläche y durch die untere Seite des grofsen Quadrates 
in Taf. II. dargestellt wird, so wird es sein Gegenstück (a : c: oo 5) durch 
die obere, und seine Seitenstücke (ic: 0a) und (5 :c:ooa) durch die 
beiden seitlichen, vertikal in der Figur stehenden Seiten dieses Quadrates. 
Im nächst kleineren Quadrate sind 7 und k als die Gegenstücke von einander 
schon vorhanden; die Seitenstücke (-d5:c:ooa) und (+ b:c:ooa) wer- 
den durch die seitlichen Linien dieses QJuadrates dargestellt; und so mit den 
übrigen. 

Für die Gegenstücke der Flächen der vertikalen Zone ergeben sich 
die Ausdrücke in den eigentlichen Feldspathdimensionen ohne Schwierigkeit 
aus ihrer gleichen und umgekehrten Neigung gegen P= [e:e:8]- 


Hieraus ergiebt sich z. B., dafs das Gegenstück von [ 2.123,0121698 | gegen 


die Axe c geneigt sein mufs mit der Differenz der Winkel, deren einer, 
der Neigungswinkel von P gegen die Axe c, hat sin: cos=Yı13:!V3=V39:3, 
der andere, des Gegenstückes Neigung gegen P, hat V39:ı. Für diese 
Differenz aber ist sin: cos= (3 — ı)VY39:39 +3 =YV39: 21 =Vı3:7V3 


=.a:rcFeldsp.; und die Lage des Winkels in umgekehrter Richtung von 


(‘) Für einen Durchschnittspunet von 7=(4a’:42’:c) mitn=(a:b':ooc) findet 
man die Coordinaten in @ und 2 leicht aus der Ähnlichkeit der beiden Dreiecke, welche diesen 
Durchschnittspunet zum Scheitel und die parallelen Linien —2’ und eine andere = 4b’, in 


der Linie % genommen, zu Grundlinien haben; die Seiten beider Dreiecke verhalten sich also 


4:4=3:4; die Coordinate in «’ wird +. =+.a'; die Coordinate n 7 =+.4 
+0’; daher der Durchschnittspunct = (+ «+ + d'). 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 291 


der Axe, als der Neigungswinkel von P; also ist der Ausdruck des gesuch- 
ten Gegenstückes von y, [ d:rc:oob |; es ist die Fläche mit 7fach 
schärferer Neigung gegen die Axe, auf der hinteren Seite. 

Das Gegenstück von x hat eben so zur Neigung gegen die Axe die 
Differenz der Neigungen, deren eine hat, sin : cos = Yı3 ; V3 —= V39 : 3 
und die andere, sin:!cos=V39:5; folglich die, deren sin : cos = 
2V39:39+15=V39:27=Vı13:9V3; die Fläche also, auf gleicher Seite 
mit P liegend, erhält zum Ausdruck a:9c:»b |; es ist die mit 
9fach schärferer Neigung, auf der vorderen Seite u. s. f. 


Es sei allgemein [@:n.c:d| die Fläche, deren Gegenstück gesucht 


k 3 = 2 1)ce? —a® 
wird, so ist der Ausdruck des Gegenstückes = ee nee 


(n+-2D)a’—nc? 
Denn in Fig. 9. Taf. I. sei CA die Axe c, DAC der Neigungswinkel der 
Fläche [e:e:] gegen dieselbe, E_4C der der Fläche Manieren 5 
EAD die Summe beider, für welche also sin: cos=(n+ 1) ac:a’ —nc?; 
essi FAD=EAD, also FA das Gegenstück von E4 für AD, und ge- 
sucht dessen Neigung gegen AC. Es werde FA verlängert in AG, so ist 


G_AC die gesuchte Neigung des Gegenstückes gegen die Axe AC. Danun 
für GAD, sin:cos=(n+1) ac:a® —nc’, (und für DAC, sin : cos 
=a:c), soistfür@AC, als GAD— DAC, 
sin!’cos=(n+1)ac zane —aa:(n+1)ac+ac—nc.= 
.n+1)ace —aa:(n+2)ac—nec= 
a(en+1)ce —a’):c(n+2)a® —nc?), 
also die gesuchte Fläche, auf der entgegengesetzten Seite der Axe ausge- 
drückt, als [@:c:2] = [ 


(2n +1) c? — a” 
(n +2) a® —nc? 


(en+1)c”—a’) a: ((n+2) a’ — ne’) c:ob 


as e:00b 


Für die Feldspathwerthe, 


wnnn=3 „—- = 7=H4; [+@:e: 2] 
vmn=17, as =: =5; »d:c:ooß] 
wennn=ı, 7 = — 5; =—5; |—>+a c:ood] —i] -arcab ] 

uss.E: 


292 Weiss: 


Für die Seitenstücke der Flächen der vertikalen Zone ist klar, dafs 
sie samt und sonders in der Diagonalzone der Fläche [3d:e: agree] dd. 


zwischen der Fläche, welche zur gerad angesetzten Endfläche = rechtwink- 


lichen Säule wird, und M liegen, folglich das Verhältnifs ;«@ : c in ihrem 
Ausdrucke gemein haben. 

Lösen wir die Aufgabe allgemein, welches der Ausdruck des Seiten- 
stückes ist, welches eine Fläche Kae und deren Gegenstück 


zu dem viergliedrigen Octaöder ergänzt, dessen Axe parallel der Längendia- 


gonale von | GRlIe: 86 |, d.i. (cs; «-++0.b)ist; so erhalten wir zum Re- 
. (Rn +1) c® „b: 2 


sultat: es ist die Fläche ‚ wenn p den erforder- 


. 
p (a? —nc? 
ac 


Va? + c? 


lichen Werth ausdrückt, damit r = ‚ so wie es beim Feldspath 


der Fall ist, wennp = 4. 
In Fig. 10. Taf. I. siCA=a, CC’=c, also AC’ die Längendia- 


gonale der Fläche | a: c: b , beim Feldspath parallel der Axe der 


rechtwinklich vierseitigen Säule, EC’ senkrecht auf 4C’, parallel der Län- 


gendiagonale von | 2 arzlcı: ob oder der auf [ GEHEN ] senkrech- 
ten Fläche der vertikalen Zone (welche Fläche beim Feldspath an der recht- 
winklich vierseitigen Säule zur gerad angesetzten Endfläche wird); es sei 
also ZC= = CA; CF senkrecht auf EC, so ist 


CF: AC= EC: EA= :1+ 5 =c':a° +’; folglich 


ch=- ende War = 
a? +c Terra? aperct Vase 


Es sei fener CD= - CA, also DC'C die Neigung der Fläche 


1 } 2 
a:n.c:»b| = —-a:c:wb| gegen die Axe CC’, so ist, wenn DG 
7 oo ’ ’ 


senkrecht auf das verlängerte EC’, für die Neigung von DC’ gegen AC’ 
sin: cos, d.i.GC’:DG=(n+1)ac:a —nc. 
Wenn nun das gesuchte Seitenstück durch E und C’, d.i. durch die 


c? ° . . . 
Puncte — a’ und c in den Dimensionen @ und c, also zugleich durch F’ ge- 
Be 
legt, und sein Werth in 5, d.i. in der in € senkrecht auf der Ebne der 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 293 


Figur errichteten Dimension gesucht, also für seine Neigung gegen CF, 
diese Linie CF als Cosinus gegeben, und der Werth in 5 als der entspre- 
chende Sinus gesucht wird, so mufs dieser Werth = x sich verhalten, 

x: CF=CÜG:GD=(n+1)ac:a® — ne? 
(n-+1) ac c? 


z a 
Ze uc Va?-rc? 


Es mufs also sein x = 


= ac Q : 5 b & 
Wenn nun für IS gesetzt wird das ihm gleiche —, so ist der 
72 2 p 


gesuchte Werth +9 ‚2? _ _@ +9 3, folglich die gesuchte Fläche 


a? —nc® EEE, a? —nc? 
F pP 


‚ wie oben. 


Es ist klar, dafs durch diese Formel die Lage der das viergliedrige 
Octaöder erzeugenden Flächen in Bezug auf das Krystallsystem, dessen Axen 
a, b, ce sind, ohne Einschränkung allgemein bestimmt wird, p möge eine ra- 
tionelle Gröfse sein oder nicht. Nur im ersten Falle wird die Lage der Er- 
gänzungsflächen eine krystallonomisch mögliche sein, vorausgesetzt, dafs das 
Verhältnifs der Quadrate von @ und c ebenfalls ein rationales ist, wie wir 


dies als Grundregel für alle krystallonomischen Linien ansehen dürfen. Ist 
aber, wie beim Feldspath, a? ic” = 13:3 (also er =-,;) undp=4, so wird 
der Coöfficient von 5, wie folgt: 

(S. Beilage I.) 

Hieraus ist also zugleich zu ersehen, welches bei dem Bavenoer 
oder Adular-Zwilling die Krystallrichtungen sind, in welchen 
in dem einen Individuum die Richtungen der Flächen der verti- 
kalen Zone des andern Individuums sich fortsetzen. Und eben so 
beim Drilling und Vierling. 

Vergleicht man die Coöfficienten von d, während der vonc=1, un- 


ter sich und mit dem ersten =, so zeigt sich, dafs sie sämtlich unter der 


: ; 3 RER ; 
Form begriffen sind ———— ('), und man hat die Fälle vor sich wo 
4(2x% + 1) 
2=0,1,2,3, 4,6, nebt = —. 
(') Diese Form wird zu — 4, = er „> wenn alle Coäfhicienten durch 3 dividirt 


werden, d.i. wenn der Coäfficient von c=-- gesetzt wird. 


2394 Weıss: 


Gehen wir fort zu den Gegenstücken und Seitenstücken der übrigen 
Feldspathflächen, welche symmetrisch gepaart bei dem Feldspathindivi- 
duum vorhanden sind, nicht einzeln, wie die Flächen seiner vertikalen 
Zone, so ist klar, dafs sich diese einander jederzeit zu Vierundvierkant- 
nern (Tetramerokraspedon’s) ergänzen; und es ist in dieser Frage die Auf- 
gabe nicht minder, als im vorigen Fall, mit eingeschlossen, welches die 
Feldspathflächen sein würden, als welche sich bei dem Bavenoer und Adular- 
Zwilling, Drilling und Vierling dergleichen gepaarte Flächen des einen Indi- 
viduums in den anliegenden und dem gegenüberliegenden Individuum fort- 
setzen, und gleichsam in ihnen fortklingen. 

Es ist auch klar, dafs das Gegenstück ein Flächenpaar sein wird, 
gleicher Neigung unter sich wie das gegebene, und aus der Diagonalzone 
derjenigen Fläche der vertikalen Zone, welche gleiche und umgekehrte Nei- 
gung gegen die Axe der vierseitigen Säule hat, als die Kante des gegebnen 
Paares oder deren Abstumpfungsfläche. So wird das Gegenstück der Säule 
BRAIN in der Diagonalzone von r oder | za’:c:&d ] 
= |3a': sc :o0b | als dem Gegenstück von k d.i. von |a: ob:xc] 
sich befinden (!), und 60° gegen | 5:ooa:o0c | geneigt sein, wie T'es 
ist. Nennen wir also die gesuchte Fläche Bir 2 a In Nbe | so wird man 


GC 
haben n.b: ER aM — Va aand.i.:wennd —4, gay, , ey, 
TeSER SaBEB 
Va): —+c” 
33 3 ed e 
ne on — = —— =; mithin ist das Gegenstück 
.3.V3+3 I W%.o+2 


von [a:8:c b.2 00€ dere —a:—bic ae call 


Das Gegenstück der Fläche | a:Z5:xe | ist - 3fach schärfer 
geneigte Fläche in der nämlichen Diagonale von | —d:c:oob : folglich, 


wie man ohne weitere Rechnung sieht, =| —a’:+bie |. 


In ähnlicher Art befindet sich das Gegenstück der Rhomboidfläche 


[ a:—b:c ] in der Diagonalzone von | @:9c: ob ee — E a:c: >a:c:ood |, 
und ist geneigt gegen [ b:ooa:e |, als den gemeinschaftlichen Zonen- 
aufrifs sämtlicher Diagonalzonen, mit sin?cos=2:1; folglich ist hier, wenn 


(') vgl. oben S. 288. 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 295 


die gesuchte Fläche | 5a:n.d:c | genannt wird, n.d:— = s:1; 
Va? + 9c? 


2 2 5 RL. a 
n= a, =; mithin ist das Gegenstück 
Vs. .Vezr2a Vı3 + 23 


von| d:$ ZEESBScHN dieikläche |V-2: rate" 


Das Gegenstück der Fläche [ day bc ] würde abermals die 


3fach schärfere der vorigen in der nämlichen Diagonalzone sein, folglich 
= [ Z—arybic l- 

Da die untere Rhomboidfläche | +@:+6:c | gegen [d:»a: oe ] 
geneigt ist unter sin? cos=V5:YV2, so ist ihr Gegenstück die Fläche mit 
gleicher Neigung gegen gen | d:wa:nc b:o0a:ooc Ik aus der Diagonalzone des Gegen- 


stückes von [z+d:: als ch eobıl, d.i. von 224% :005 +@;c:ob |; mithin wird, wenn 
7, . b:e £ nn — 
die gesuchte Fläche |+@’:n.b:c | genannt a 73bi: Se V5:V2; 


1 5 1 5 1 1 1 


5 ij mn — rn —_ 0 1. 
Dal: Vase Ver, me KEEERE 29 = ee 1 ln 
folglich das gesuchte Gegenstück — Erdszren ra ab:en]. 
Eben so wäre das Gegenstück der _—_ Er za:b more] die 2fach 


7 


schärfere der nämlichen Diagonalzone, folglich= | +@: = .c 
Da die Fläche [ >—a:zb:c | gegen [ bz:ooa:ooc | die 2fach 


stumpfere Neigung hat als - ENTE ugly) also sin; cos—=2Y5:Y2=Vıo:1, 


ORTE 
so mufs ihr Gegenstück die nämliche Neigung gegen [ b:ooa:ooc |haben 


in der Diagonalzone des Gegenstückes von ® a:cı&b | — [ a:3c:005 |, 


. DE EEE . 2 1 — 
d.i. von [re c200b |: denn wenn in der Formel Keen Seincoo|. 
ee ee (n+2) a®—nc? | 
(s. oben S.291.), n=—3, so wrd oo, == =°"=n, also 
das Gegenstück von [ +a:crab | ist [ 7d:c:oob |; und es wird 
s BE R Tac 
jetzt für die Fläche Bao Ne, n.0: ——- —VAoı 21: 
V43 a? + ec? 
/ 7 / 7 N T . d 
n=V0. — — — =Y0.——=VY0.-— =; folglich as 
Y3.3.Ve+% V9.13 +3 ys.0 
u za:4b:e |ist| 7d:ZÖd:e Je a:zb:+e]. 


—a: Er Ag c |, welches gegen [8:06 .©a: oc |] geneigt ist un- 


ter sin ! eos—Yı1: Vs, et das Gegenstück die eben so gegen 6: ooa:oc|] 


geneigte Fläche aus der Diagonalzone von | «:.c:xdb | = [>€: :c:06] 


296 WeEıss: 


.. . .. de} . [3 Sac . 
sein; es wird also für die Fläche | a :n.die|,n.b: Var =Vu:Vvs; 


5 LEN, BEE SEEITT TEE it a a .1 
nen Vie also | —a a >@:78 re] 
das gesuchte Gegenstück zu [ a: brc |. 


Für [| Ze:=d:e | (') würde Te wie man sogleich einsieht, 
das gesuchte Gegenstück = [3:3 Bl. u die] sein. 


Wenn endlich für Meise Ste: oa | das Gegenstück gesucht wird, 


welches, wie jenes, gegen [ b:oo0a:ooc 1:00c |] unter sin! cos=Vı3: 1 geneigt 


sein mufs, so wird es in der Diagonalzone von [3e:: zarc:oob c200d | als dem Ge- 


genstücke von | ce: »a:b e:o0a:o0d | (ZiEzER BOrCcENG ) liegen, und es wird 


5 
für die gesuchte Fläche | Za:n.b:ec az sein, n.b: = —=Yıs3ı; 


V25a? ++ 1690? 
5 Yı3 


5 

V5s.3+132.3 Vsrß.3 
3 = BuBch —| 1 Feen] 

—l 734 b: [6 = ae. 


Sucht man den Ausdruck des Gegenstückes für | ae —b Je 
n 2 


=; folglich das gesuchte Gegenstück 


alson = 8 


allgemein, welcher, als einer Fläche aus der Diagonalzone des Gegen- 


stückes von [ a. m...c.10816 ] gehörig, vorerst geschrieben werden kann 


1 r 1 


—— ne u Sala Ze zufolge der 
en Rene ‚ so hat man, g 
’ ac b 2 
Proportion —_———!— —- = = — 
Ve? +n?c2 m } (Rn +1) c? — a?)?a® + ((n+2) a® —nc?)?c? 


Va? + n?c® 
mV(@n + 1) ce? — a?)2a? + ((n+2)a! —nc!)2c? ’ 
und der gesuchte allgemeine Ausdruck ist 


b Va? + n?c? R (0 


n+2)a’—nc? men —.a’)?’a ?+-((n+2)a?— —nc?)?c? "(en +1)e?—a? 


Ö) 


(') Es ist dies eine beim Feldspath zwar nicht vorgekommene, jedoch mit den Flächen 
seines Systems in naher Verbindung stehende Fläche. 

(°) Für Flächen aus der eigentlichen Diagonalzone selbst, d.i. für Flächen a:—b:c | 
ist nach den obigen Voraussetzungen (S.291.) n=— 1; also beim Feldspath, wo a? :c? 
= 13:3, (n+2)a® —nc=1.3+1.3=146; ferner (n +1)e — a =—- + B)=— 16; 
mithin V(?2r + ei—a’)fai ((n +2) a®— ne?)? ce? =V16.16.13+ 16.1.3 16 V13 +3 
= 16 Va’ +n?c”; folglich wird der Ausdruck des Gegenstücks für eine Fläche der Diagonalzone 


bei ihm gemeint Hisır:i=|ei#bie|, di. gleich dieser Fläche selbst. 


.c 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 297 


Beschäftigen wir uns mit den gefundenen Werthen dieser Gegenstücke 
etwas mehr im einzelnen, so zeigt sich bald, dafs nicht weniger als sechs von 
ihnen in der (ersten) Kantenzone selbst (1), d.i. zwischen P und 7, und 
zugleich in Diagonalzonen von Flächen liegen, welche theils bekannte Feld- 
spathflächen, theils mit den bekannten in dem nächsten und engsten krystal- 
lonomischen Zusammenhang stehende sind. Das Gegenstück der Seiten- 


fläche |a:b: ooc] also liegt in der Diagonalzone von r, d.i. «:>c:%6 |, 


und dafs es auch in der (ersten) Kantenzone liegt, spricht sein Zeichen 


| zad:>b:c ] ebenfalls unmittelbar aus; denn -———-=ı (?). Das Ge- 


genstück der Rhomboidfläche o = [ d:+b:c ] liegt auch in dieser Kan- 


tenzone, wie sein Zeichen | “a: +br:e ] ausspricht; denn 9— s = 1; 


und in der Diagonalzone der Yfach schärferen (Fläche der vertikalen Zone) 


vorm, d.i. von | a:9c:oob ) welche mit |a:c:o05 | und | a:5c:»Ö |, 


wie man sogleich sieht, in einer Reihe sich befindet, und durch 2 Zonen 


-ar-b:c ] (wel- 


direct bestimmt werden würde, welche von Flächen 

ches auch Abstumpfungen der stumpfen Endkanten sind, wie | +a IB:e ] 
und in der Diagonalzone von | a:5c:!xb ] liegen), nach den Seitenflä- 
chen [ @: 2: o0c |, und von Flächen [ a: We ] nach Seitenflächen 
[ a:b:occ | gehen würden. Das Gegenstück der unteren Rhomboidfläche 


[ +ad:—bic | liegt, wie abermals sein Zeichen [ 4a: +b:c | darthut, 


in der (ersten) Kantenzone; denn auch s—7=1; und zugleich liegt es in 
der Diagonalzone von | @:rc:»b |, d.i. der 7fach schärferen hinten, 
jener Fläche, welche durch 2 Zonen von | +a:—+b:c | nach den Seiten- 
flächen E :5:0c | übers Kreuz bestimmt (3), und schon in Fig. 8. Taf. I. 
durch die Puncte angedeutet ist, in denen sich die Linien am und Cy kreu- 


zen, analog den oben betrachteten Durchschnittspuncten der Linien nm 


(‘) Man sieht dies unmittelbar in der Figur der Taf. II., wo alle die erwähnten Flächen 
sich gemeinschaftlich in dem Puncte kreuzen, in welchem 7 und P einander schneiden, und 
welcher mithin den Zonenpunct der Kantenzone TP in dieser Projection darstellt. 

(2) s. die Abh. über den Epidot in den Abh. a. d. J. 1819. S.261. Anm. vgl. mit S. 254. Anm. 

(°) Die Fläche la :7c:005| würde auf gleiche Weise, wie durch |+@': 4b: el» so auch 


durch | LABTLISLE | bestimmt sein; denn auch 6 H=4+3= 1. 


Physikal. Abhandl. 1835. Pp 


298 Weiss: 


und CD, durch welche wir die grade angesetzte Endfläche der vierseiti- 


2 


gen Säule [@ :2e:o0b | sich bestimmen sahen. Das Gegenstück von 


[Fe:3Bn2e] 1: nochmals in der (ersten) Kantenzone, wie aus seinem 


Zeichen [ MENSA DENC ] wiederum zu erkennen ist; denn auch — t=1; 


zugleich in der Diagonalzone von [ nal2c):00l6 jh d.i. der 7fach stumpfe- 


ren hinten, wieder in einfacher Beziehung zu dem bekannten | 30 :c: 5 ] 


u.s.f. Auch das Gegenstück von [ —a:-—b:c | würde in der ersten 


Kantenzone liegen; c hier immer in der Einheit genommen, ist sein Zeichen 


=[3@:=b:e |; und auch -— -=1; die Fläche aber, in deren Dia- 


gonalzone es zugleich liegt, d.i. | <a :c:ood | haben wir vorhin als das 


Gegenstück von [ @:5c:008 | gehabt. Endlich würde auch das Gegen- 


stück von [ b:c:»a |,d.i.| Za:zb:c ] noch in der ersten Kanten- 


zone liegen, weil auch Z7—;-=1; und zwar zunächst über = a:b zell: 
Dem De der unteren Rhomboidfläche möchte der Name einer 
noch untreren gegeben werden; denn sie stumpfte die Kante zwischen jener 
und der Seitenfläche ab; das Gegenstück der Seitenfläche läge zwischen der 
Rhomboid- und der unteren Rhomboidfläche (als die halb-untere, wenn wir 
uns der analogen Benennungen von schon früher angewendeten bedienen 
wollten). Die Gegenstücke von | za: +b:e] und [ +a: +b:e] wären 


dann obere Rhomboidflächen zu nennen; sie liegen in der Kantenzone über 
den Rhomboidflächen | @:+4b:e ] und auch auf der hinteren Seite des 
Endes; die Gegenstücke der letzteren selbst, als Abstumpfungen der stump- 


fen Endkanten dagegen auf der vorderen Seite des Endes. 
Das Gegenstück zu es 8 —b:oc der i:@' 34 brie] böte, 
aufser seiner schon bemerklich gemachten a Beziekunz zu dem von 


ab :io0c ıh die wieder sehr einfache Eigenschaft dar, welche in der Fi- 
gur der Taf. II. auch unmittelbar auffällt, dafs es nämlich in der Kanten- 


zone der Seitenfläche der 10seitigen Säule, d.i. in der Zone sP, oder von 
[ a:—<b:ooc | nach [ alelc1:768,5 ] läge. Auch dies wird in seinem Zei- 


chen zu erkennen sein; denn denken wir es in Beziehung auf die Dimensio- 


nen dieser Säule geschrieben, wo, a und ce unverändert gelassen, 5 auf das 
Drittel vermindert ist, so wird sein Ausdruck [>« ı2bic IE und dann 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen ns 299 


haben wir wieder &— =1. Das Gegenstück von [+<d:55:e] eil('), 
dıii. [+@ :;b:ce|, hat aufser der schon hervorgehobenen ee Be- 


ziehung auf das von EZ :—b:c noch die krystallonomisch einfache 


o 


Eigenschaft, dafs es es in der Kantenzone von [ a:9c:oob | nach der Seiten- 
fläche hear ab fällt; denn 16 —7=9; es ist darin Abstumpfung der 


scharfen Ei a jede Fläche, die wir Rhomboidfläche a): Das 
Gegenstück von | a: bie sten] läfst in seinem Zeichen [> a:5b: al eine 


nähere Beziehung zu dem Gegenstück von | dic! oa ] erkennen, indem 
es in die Kantenzone einer Schief-Endfläche Baer c:oob ob] gehört — 
(denn #— =?) —, in deren Diagonalzone jenes zweite Gegenstück 
liegt. Dieses selbst aber erscheint wiederum, wie oben bemerkt, in der 
ersten Kantenzone der Schief-Endfläche | a:c:»Db |. 

So viel nur hier über den fast unerschöpflichen Reichthum von Eigen- 
schaften, welche sich der Reflexion auf diesem Wege darbieten. 

Es bleibt uns noch übrig zu untersuchen, welches die Seitenstücke 
zu den jetzt erörterten gepaarten Flächen sein werden, durch welche also 
sie und die Gegenstücke zu den Vierundvierkantnern erst vollends ergänzt 
werden. 

Die Seitenstücke eines jeden der vorigen zerfallen offenbar in zwei 


verschiedene Glieder, das eine gegen die Seite gekehrt, wo | @:3c: 8 ] 
u.s.f., das andere, wo | a: xb: ooc] uss.f. liest. Jene mag in der 
4gliedrigen Stellung die vordere, diese die hintere Seite des Endes heifsen. 
So ist klar, dafs von einem Paar von Flächen des Vierundvierkantners, 
welche über einem und demselben M, d.i. | db: »a:»c ] als Seitenfläche 


der vierseitigen Säule, erscheinen werden, die nach vorn und die nach hinten 
P) ’ 


sich neigende ganz verschiednen krystallographischen Werth im Feldspath 


(') Diese Fläche sewohl als ihr Gegenstück und ihre Seitenstücke sind in der Figur Taf. II. 
ausgelassen worden; aus ihrem Zeichen (2:42 :c) für die viergliedrige Stellung ist sogleich 
einleuchtend, dafs der Punct +2, d.i. ihr Durchschnitt mit ?, auch ihrem Gegenstück (a5: c) 
zukommt, und dals folglich auch dieses Gegenstück in einer Zone von | La’:-bie | nach 
P liegen mufs. Zu einer grofsen Reihe ähnlicher Schlüfse führt die blolse Betrachtung der 
Taf. II. Der Buchstabe v in dieser Zeichnung entspricht nicht unsrer Fläche | $a’:4d:e I» 


sondern der Fläche | 4a: +2 ce}; vgl. d. Abh. a. d. J. 1820. S. 160 u. 169. 
Pp2 


300 Weıss: 


haben wird, zwei Flächen hingegen, welche über gegenüberliegenden 
M-Flächen mit gleichen Neigungen, beide nach vorn oder beide nach hin- 
ten erscheinen, gleichen krystallographischen Werthes sind. 

Zu ihrer allgemeinen Bestimmung wird folgendes gehören: Den bei- 
derlei Gliedern, in welche die Seitenstücke zerfallen, sind diejenigen Linien 
(welche immer als Zonenaxen betrachtet werden können) gemein, welche als 
die abwechselnden Kanten des Vierundvierkantners den von den gegebnen 
Paaren selbst oder deren Gegenstücken unter sich gebildeten Kanten gleich 
sind, also gleiche Neigung gegen die Axe c der rechtwinklichen Säule haben, 
aber gegen die Dimensionen d derselben (senkrecht auf|d:oa: oc ) ge- 
kehrt sind, wie es jene gegen die Dimensionen a sind (d. i. gegen die Dimen- 
sionen senkrecht auf P=| a:c: 5 ]). Wird also eine solche Linie be- 
stimmt, so kennen wir eine Zone, in welche die zu bestimmende Fläche ge- 
hört. Wir wissen zweitens von letzterer, wie sie gegen den Aufrifs einer sol- 
chen Zone, d.i. gegen die Ebne P oder a: c: ob] geneigt ist; nämlich wenn 
sie das Seitenstück zu einer gegebenen Fläche sein soll, eben so, wie diese 
gegen [d:oa:oc . Wenn wir jetzt noch in Rechnung bringen, wie sie 
mit dieser 1 Neigung einmal gegen die vordere, das andremal gegen die hin- 
tere Seite des Endes der rechtwinklichen Säule liegt, so haben wir die Ele- 
mente zu ihrer Bestimmung, ohne dafs wir uns andrer Hülfsmittel bedienen, 
vollständig. 

Ein solches reiches Hülfsmittel würde allerdings hier wiederum die 
Anwendung der graphischen Methode, also das nähere Studium der Figur 
Taf. II. sein; sie würde ungemein vielfältige Betrachtungen darbieten, und 
auf viele Zonen aufmerksam machen, mit Hülfe welcher wir bald auf kürze- 
rem, bald auf längerem Wege zu der Bestimmung des gesuchten Seiten- 
stückes gelangen würden (!). Je mannigfaltiger diese Betrachtungen durch 


die Methode dargeboten werden, desto nothwendiger wird es sein, indem 


(') Es kann hier nicht von der blofsen Einzeichnung in die Figur die Rede sein; denn 
diese ist durch Umkehrung der Werthe in den a und 2 der viergliedrigen Stellung, d.i. in 
der vertikalen und horizontalen Mittellinie der Zeichnung schon gegeben, wie durch den Be- 
griff des Seitenstückes es sein Zeichen in der viergliedrigen Stellung ist: a: 45: c) u.sf. 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 301 


wir dem Selbststudium den weiteren Verfolg derselben empfehlen, uns hier 
nur auf die erlangten Resultate und auf einige Beispiele zu beschränken, 
welche wir zunächst im Wege des ersten Verfahrens wählen. 

Die Resultate geben wir in folgender Tabelle, in welcher wir die 
bereits gefundenen Gegenstücke, so wie die der viergliedrigen Stellung ent- 
sprechenden Ausdrücke der Flächen (in Klammern) zugleich mit aufnehmen. 

(Smbrer larer ii.) 

Für beide Seitenstücke zu | a:b: oc ] also wäre gegeben die 
Zone, deren Axe die Linie ist, welche wir in der viergliedrigen Stellung 
die Längendiagonale des Seitenstückes von [ «: 5: o0c | nennen können, 


d.i. die Linie, in welcher [5@ ee vonP= | BEIeH 5 ] ge- 


schnitten wird; also die Linie (c; a++b)= ($5; @+.c). Diesen letz- 


teren Ausdruck der Linie wählen wir hier, damit die Ebne, durch sie 
und den Mittelpunet der Construction gelegt, parallel wird der Fläche 
| e:e:%2 |]. 

In der Richtung senkrecht auf [| @:c: 8 aber vom Mittelpunet 
der Construction aus kommt der gesuchten Fläche, wenn sie durch die Linie 
(5; ad +c) gelegt wird, ein Abstand Cp oder Cp’ (Fig. 11. Taf.I.) (') 
zu im Verhältnifs zu dem Perpendikel auf diese Linie, d. i. zu dem Perpen- 
dire een 

VG)’ +a’+.c° 
der gesuchten Fläche. Wir haben nun für die gesuchte Ebne: 1) den Punct 
—>-b (aufserhalb der Figur); 2) und 3) in der Ebne ac die beiden Puncte 


(@ + c), d.i. q, und den eben construirten Endpunct p oder p’ des Perpen- 


=Ys3:1; dies ist das zweite Datum zur Bestimmung 


dikels auf die durch den Mittelpunct parallel mit [area] gelegte 
Ebne. Man darf also nur die Puncte qg und p oder p’ durch eine gerade 
Linie qgp oder gp’ verbinden, so giebt der Durchschnitt jeder derselben mit 
den Coordinatenlinien « und c die der Fläche zukommenden Werthe in a 


und c, während sie in d, +5 hat. 


(‘) In Fig. 11. Taf. I. ist die Ebne @c dargestellt, Ca=a, Cn=c; der Punct g ist also 
der Punct (a’ + c); CI ist senkrecht auf @n, Cp und Cy’ in der Verlängerung von C/. Die 
Dimension 3 ist in C senkrecht auf der Ebne der Figur. 


302 WeEıss: 


ala een I 4.1.4 
Vi68°+ 9a? +e?) 


Da nun in den Feldspathwerthen 


4 TE : . EN enger 
= 5 mw so ist das gesuchte Perpendikel Cp: 32 —jVayts 


also Cp=1; und da Cl (Fig. 11. Taf. 1.) d.i. das Perpendikel aus C auf 
—— ac 1 1 , } > 
se c:!o0d Bere VemVez 2 soist Cp=4Cl. 


Da ferner die von a nach e gezogene Linie an durch das Perpendikel C2 
getheilt wird im Verhältnifs nl! la= 3:13, so ist der Ausdruck des End- 
punedessp=1A(Ja+r)=(-a+Tec). 

Unsre beiden Theile des Seitenstückes von Nee haben nun 
den Werth von p in entgegengesetztem Sinne, während sie die Linie (4-2; 
ad + a gemeinsam haben. Diejenige Fläche, welche nach der Seite von 
:3c:005 | hin liegt, welche wir in der Tabelle die vordere nannten, 


” ren in Cp (Fig.11. Taf.I.), die entgegengesetzte in C'p’ derselben 
Figur. Es sind also die zwei Linien pgr und gp/f, welche den beiden ge- 
suchten, gemeinschaftlich durch —5 gelegten Flächen zukommen, und die 
Linien Cr, Cd und Cs, Cf die ihnen entsprechenden Werthe in @ und c. 
Nun ist, wenn pg und p’h, so wie qn und /m, senkrecht auf gF; 
dn:dg=ng:pg=1:7=4:3;, dnn=- (dn+dg)=-.ng. 
Aberng=Cg— Cn=(Z—ı)e=-c; alsodn=—.-c=7c; 
undCd=(+ı)c=e; 
femer Cr ing= Cdfan=7!7 =16.9, Ccr=Zöng=>a; 


Weiter Ist Sf — 2: kp: — Alssı nalsofmPenp ie 
aber nrh=Cn+Ch=(i+T)e=?ec; folglihnf=4. Fe=ırc; 
und Cf= (1 —ı)ce=1i6c; 
ferner/@s ng — Cf.nj 16:17, mim Cs= ng—..a; 
also die gesuchte Fläche = Ha: 3b: = ad: 5b:C= — [Ba:5d:e al 


im Sinne eines zwei- und eingliedrigen De wie das des Feldspathes ist, 


nicht verschieden von der ihr gleichartigen | 5a: 56: 22]: 
Es sind also die zweierlei Flächen, Mn: zusammen = Seitenstück 
zu [| a:b:ooc | bilden, |=a:5d:c Een Jede 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 303 


der beiden Flächen zeigt sogleich eine bemerkenswerthe Eigenschaft, die 
erstere, dafs sie in der Kantenzone von [| @:5c: 5 |, die letztere, dafs 
sie in der Kantenzone von [ aealeı: 5b | liegt, weil 17 —ı2=5, und 
2+7=*%=3, oder 2+9=3x7. Diese Eigenschaften legen sich 
sogleich an den Tag bei Betrachtung der Taf. II. Und in ähnlicher Weise 
ist eben eine solche Darstellung fruchtbar an Auffindung von Zonen, durch 


welche die Bestimmung der Flächen erhalten werden kann, oder welche an 
schon bestimmten Flächen zur weiteren Kenntnifs gelangen. 

Um den Weg deutlich zu machen, auf welchem man mit Hülfe einer 
solchen graphischen Darstellung Aufgaben wie die gegenwärtigen löst, so 
fassen wir die Linien, welche die beiden Seitenstücke von 7’ (t) in der Figur 
der Taf. II. bezeichnen, näher ins Auge, und verfolgen ihre Durchschnitte 
mit den übrigen Linien, deren Bedeutung, wenn sie bekannten Feldspath- 
flächen selbst angehören, durch die für die letzteren gewöhnlich gebrauch- 
ten Buchstaben, wenn sie Gegenstücken oder Seitenstücken von solchen an- 
gehören, durch die Symmetrie ihrer Lage gegen jene, kenntlich wird. Hier 
sind also die beiden Seitenstücke durch die zwei Linienpaare ausgedrückt, 
welche von einem $-punct der horizontalen (5), rechts oder links, nach 
einem 4-punct oben oder unten der vertikalen Mittellinie der Figur, von 
einem und demselben Z--punct (5) also aus, die eine gegen y hin abwärts, 
die andere aufwärts nach der Seite, wo %k liegt, ausgezogen sind. 

Die Linie gegen y hin schneidet y wieder in dem Puncte, in welchem 
y selbst von den Linien n, T, o u. s. w. geschnitten wird. Dafs dem 
genau so ist, wird durch eine leichte Rechnung gefunden. Ein solcher 
Puncet ist aber nichts andres als der Zonenpunct der Zone T, n, o, y, d.i. 
der Zone von [ ab: oc ] nach [ @:3c:%Ö |, welche wir früherhin 
die zweite Kantenzone (?) genannt haben, und deren Axe = (sc; «+ b) 


(') Die Flächen 7 selbst gehen von einem Puncte der oberen Hälfte der vertikalen Mit- 
tellinie, der vom Mittelpunct um + des Abstandes der Seite des Quadrates selbst absteht, kurz 
ausgedrückt, vom -@’-punct durch einen +5-punct (in der horizontalen Mittellinie) verlängert 
in eine der unteren Ecken des Quadrates der Figur, in welcher y von n geschnitten wird. 

(°) Eine strengere Benennung wäre: die Kantenzone der 3fach schärferen hinteren 


Endfläche; und so in andern Fällen mehr. 


304 WeEıss: 


= (c; ad +45). Der Punct 5 (d) selbst ist der Durchschnittspunct der 
Linie P mit der des Seitenstücks zu k und 7, d.i. der Punct, welcher 


die Zone von | a:c:xb | nach | „a:+b:c | ausdrückt; die Axe 


dieser Zone ist (c; «+ zb). Die beiden eben geschriebenen Zonen 


aber combinirt, geben für die, beiden gemeinschaftliche, Fläche den Werth 
‚ wie, sei es durch die allgemeinen Formeln, sei 


es durch eine leichte specielle Construction nach Art der vorigen gefun- 
den wird. 

Eine dritte Zone ist für dieselbe Fläche angedeutet durch den + -punct 
in (a), welcher die Zone anzeigt, in welcher eine Fläche (a: c: ob) von 
M=|b:»a: oc | geschnitten werden würde, d.i. die Diagonalzone von 
(-a:c:oob). Aber diese Fläche wird zu übersetzen sein in die Feldspath- 
werthe a, 5, ce der zwei- und eingliedrigen Stellung. In Fig. 10. Taf. I. wird 
sie der Linie CHK entsprechen, wenn GH=4.GD (also DH=3.GD); 
in dieser Figur nämlich entspricht DC’ der Fläche y = ern 
= (a:c:»b) viergliedrig, C’G= (a), DG= (c) viergliedrig genommen; 
AC' entspricht der Fläche P = res) also AC=Za, CC’=:ie, 
DC=ZAC, EC(!)=,4C, DE=(—3)4C=„,AC, ferner 
0G:GDZyVs:ın und GES HC —1:42,(2). 

Die Frage ist jetzt: wie grofs ist CA? Aber in dem Dreieck AG C 
haben wir GE:EC =ı:ı, und GD:DH=ı:3, folglich nach unserm 
Lehrsatz (Abh. v. 1824. S. 244. Note.) vw = m (a -+y)!ny— mx) 
KD:DE=DH.GC:GD.EC— DH.GE 

= 3.1334.12—3.1=3929—13:3 
also XD=7 DE=72.,4C0C=>A4AC; 


° 39 


und KC=KD+DC=(5--+J5,) AC—Z 7 AC— a‘; 


') Die Linie C’EG ist senkrecht auf 4C’ und HG; daher 37G parallel mit 4C’, parallel 
B EB, 
der Axe (c) in der viergliedrigen Stellung, gegen welche Axe die Fläche y geneigt ist, mit 
sin!cs=(G:DG = 3 :1. 
(?) Wenn nämlich C4=y3, CC’=y3, DC= Aue ,„EC=Zy3= Fr so ist 
De = V2 +3 nt, Ge’ =ySDc — za0. = 2; EC=V2-+3= pn FELE 3 GC 


43043; 
=!Gc, mithin GE: EC’ —14A _—::5=1:2 wie oben. 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 305 


folglich KCH@ = at: c; 


7 


und die gesuchte Fläche = | «a: c: ob ] — | 4a: +c:005 |! 
b 


1 ! 


in deren Diagonalzone offenbar die vorhin gefundene Fläche + Bro 


liegt. Die Axe der Zone, welche der Punct (4a) ausdrückt, ist in der 
zwei-und-eingliedrigen Stellung = (ce; —a-+0.5). Combinirt man diese 
Zone mit einer der beiden vorigen, so erhält man das vorige Resultat. 

Der Theil des Seitenstückes, welcher auf der hinteren Seite oder 
gegen k hin liegt, würde sich eben so durch die zwei Zonen bestimmen 
lassen, deren eine durch den —-punct in (a) gegen k hin, die andere durch 


den —-punet in (5) angegeben ist. Die letztere Zone ist die obige, de- 


ren Axe = (c; a+7-b); die erstere als die Diagonalzone des Gegen- 
stückes von 4 — |Yra02 10.6686, a ist die der Fläche 
[ marc: 5 |; denn wenn 2 =, so ist nach der Formel des Gegen- 
r 2 eu s 2 3,3 —43 
stückes Kerr) a: c:0oob die gesuchte Fläche = 2 — «d’ : u.s.f. 
(n +2) a® — ne” 2.3—4 
3— 9 four, 
Mn ul 1 
209 — 27 272 


Und beide Zonen combinirt geben für dieses Seitenstück die Fläche 

marzdnc]. 

Allein die graphische Zeichnung giebt zwei andere Zonen für dieselbe 
Fläche sogleich zu erkennen, nämlich die, in welcher sich T und 7 mit n 
schneiden, d.i. dievon | a:b:xc | nach | a:5c:05 Jh oder unsre 
dritte Kantenzone (!), deren Axe = (a; b+5c0)=(c; -a+-b);, und 
zweitens die Zone, in welcher n das Gegenstück von y, d.i. [@ Alter &b] 
schneidet; die Axe dieser Zone ist (cs; +d-+-b)). Man kann somit auf 
mannichfache Weise die Rechnung variiren, und die eine zur Controlle der 
andern gebrauchen. Man wird im weiteren Verfolg mehr und mehr bis da- 
hin unbeachtet gebliebene Verbindungen der Flächen in Zonen beinah un- 
willkührlich gewahr. 

Wollen wir uns den Vierundvierkantner vollendet vorstellen, welchen 


die Flächen [ a:2b:00C ] mit ihrem Gegenstück und ihren beiden Seiten- 


(') d.i. die der fünffach schärferen vorderen Endfläche. 


Physikal. Abhandl. 1835. Q q 


306 Weiss: 


stücken zusammen geben, so erhalten wir ihn zunächst in der Gestalt, wie 
er an dem Vierling des Adulars an dem dem gewöhnlichen freien ent- 
gegengesetzten Ende erscheint, d.i. an dem, an welchem die Flächen 
der vertikalen Zone nicht die ausspringenden, sondern die einspringen- 
den Zwillingswinkel bilden; an diesem Ende nämlich stofsen die Flächen 
T, T jedes Individuums paarweise symmetrisch in ihrer Kante von 120° zu- 
sammen, die Fläche 7' des einen Individuums aber mit der des angrenzenden 
in jenem flach einspringenden Winkel, welcher gleich ist dem an dem 
gewöhnlich freien Ende so characteristischen flach ausspringenden 
Zwillingswinkel zwischen den zusammenstofsenden 7’ und T' (169° 51’ 29/5; 
für dessen Hälfte sin ; cos = Yı27 : 1) mit einer Neigung ihrer Kante gegen 
die Axe der vierseiligen Säule von 51° 36’ (sin! cos=Yrs:7). Eben diesen 
Winkel nun würde, wie die Zeichnung in Taf. II. deutlich darthut, die 
Fläche T oder ihr Gegenstück mit dem Seitenstück einspringend bilden, 
wenn wir bei dem einen, wie bei dem andern, von den entsprechenden 
*-puncten in (a) und (5), nicht von den —-puncten ausgehen; die dann 
entstehenden flach einspringenden Winkel des Umrisses sieht man in der 
Zeichnung; sie liegen in den Durchschnitten mit den Flächen n. Die Linien, 
welche sie bilden, müssen sich daher erst kreuzen, und die Fläche |a:b: ec] 
und ihr Seitenstück ihre Lage jenseit der Fläche n gegenseitig vertauschen, 
um ausspringend in den Kanten des wirklichen Vierundvierkantners zusam- 
menzustofsen; es verschwinden dann auch die Kanten von 120° aus dem 
äufseren Umrifs des Vierundvierkantners, und an seine Stelle treten die 
neuen Kanten in den durch (a) und (5) gehenden Vertikalebnen, von gleich- 
artigen Hälften der Seitenstücke untereinander gebildet, so wie von einer 


Fläche [ a:b:»c ] mit der ihres Gegenstückes gleicher (rechter oder 


linker) Seite; die beiderlei ausspringenden Winkel des Querschnittes zeigt die 
Zeichnung wieder deutlich; die wahren Kantenwinkel des Vierundvierkant- 
ners aber sind durch die leichten Formeln des viergliedrigen Systems aus dem 


gegebenen Werthe der Flächen = [>«@ > za:e] leicht zu berechnen (!). 


!) Allgemein ist, wenn im viergliedrigen System die Fläche des Vierundvierkantners als 
5 ’ 5 5 J 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 307 


Zu ähnlichen Erörterungen würde uns, wollten wir alle die Beispiele 
der übrigen gepaarten Flächen durchgehen, und ihre Seitenstücke entwik- 
keln, jedes derselben Anlafs bieten; wir mufsten uns begnügen, die Resul- 
tate in der Tabelle anzugeben, und überlassen dem Selbststudium die Be- 
trachtungen, zu welchen auch nur die Vergleichung der in der Tabelle an- 
gegebenen Resultate führt. 

Es bleiben uns noch verschiedene andere Bemerkungen übrig, die 
wir nicht ganz mit Stillschweigen übergehen können. 

Die erste möchte die Aussicht sein, welche sich aus der viergliedrigen 
Betrachtung des Feldspathsystems, wie wir sie bis hieher durchgeführt haben, 
wenigstens als möglich und fragweise ergiebt: ob es wohl nunmehr gelingen 
möchte, mit einiger Sicherheit andre wirklich viergliedrige Systeme, 
Feldspathverwandter Fossilien insbesondre, mit dem Feldspath- 
system in einen strengern Zusammenhang zu bringen, und sogar aus ihm ab- 
leiten zu können? — Man wird zunächst an Skapolith und die ihm ver- 
wandtesten Fossilien erinnert. Wie mannichfaltig lägen jeizt die möglichen 
Vergleichungen vor uns, um solche Formen, so weit sie durch ihre Winkel 


specifisch mit hinlänglicher Sicherheit bekannt sind, unter denen wiederzu- 


für die halbe Neigung in der Endkante an a, 


n a Var m2ca.® 
sın ‘ c0s = — } — Ya’ + m’c’ inc 


5 
. 2S 2sc ImER2 2 .2 

. — . er ENTE DE 
a Ten TRese(Ea Vas® + (n-+ m) ( ) 


für die halbe Neigung in der Endkante an s, 


c 


IERSR AN. een, ER \ ea al 
für die Neigung der Endkante an a gegen die Axe c, sin! cos= = 


2ER, 


c 
n+m " 


für die Neigung der Endkante an s gegen die Axe c, sin! cos= 


Dies giebt, wenmwao)c—y314, n=3, m=A, 


.. . ” * / ee 
für die erste Neigung, sin: cos=V9+ 16:3= 55:3 
.. . . . / . 
für die zweite, sin: cos=V73+4:1= Y127 ;1, wie oben; 
für die dritte, sin : cos = V39 5 4 
für die vierte sin : cos = Y73 : 7, wie oben. 
’ 


Qq2 


308 WeEeıss: 


finden, welche das Feldspathsystem umfafst, wenn es zu seinem viergliedri- 
gen Character ergänzt wird! Wir dürfen nur zunächst an den Feldspath- 
zwilling und Vierling zurückgehen, zu denjenigen Octaödern, die wir con- 
struirt haben, die Octaöder der andern Ordnung hinzudenken, welche durch 
die Zwillingskanten und deren Neigung gegen die Axe repräsentirt werden, 
dann diejenigen hinzufügen, welche mit seinen verschiedenen Vierundvier- 
kantnern in directer krystallonomischer Verbindung stehen; so gewahrt man 
bald den kaum erschöpfbaren Reichthum an solchen zu versuchenden Zu- 
sammenstellungen und Vergleichungen; das Feld derselben ist aber zu aus- 
gedehnt, als dafs wir es hier hätten mehr als blofs eröffnen wollen; es er- 
heischt seine eigne specielle Bearbeitung. 

Eine andere allgemeinere Reflexion liegt den vorangegangenen Be- 
trachtungen gleichfalls nahe, nämlich die Frage: Kann wohl in dem Feld- 
spathsysteme eine Fläche vorkommen, welche gegen die Axe der rechtwink- 
lich vierseitigen Säule genau 45° geneigt wäre? Wäre dem so, so sieht 
man ein, dafs das viergliedrige Feldspathsystem aus dem regulären (sphä- 
roödrischen) ableitbar, und nichts andres als ein Theil von die- 
sem wäre. Denn sobald es irgend eine Fläche eines Vierundvierkantners 
in einem viergliedrigen Systeme giebt, welche gegen dessen Axe genau 45° 
geneigt ist, so giebt es in diesem Systeme auch zwei unter sich gleiche und 
rechtwinkliche Queraxen, gleich der Längenaxe und ebenfalls rechtwinklich 
auf ihr, also ein System mit drei unter sich gleichen und rechtwinklichen 
Axen, d.i. ein System zusammenfallend mit dem regulären. 


Wo dem so ist, da ist also, wenn wir die Fläche allgemein schreiben 


2:2 re |, das Perpendikel aus dem Mittelpunct auf die Linie von 
n zn 
— nach — gleich c, also —— =c, oder a’ = (n? + m?) c?, folglich 
n zn 2 2 
n" + m 


bei den Werthen des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung 
n? + m? = 39 


n und m aber müfsten rationale Zahlen sein, ganze oder gebrochene, wenn 
der Fall krystallonomisch möglich wäre. Im Fall es gebrochene Zahlen 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 309 


wären, und wir deren Nenner unter einen gemeinschaftlichen Ausdruck 
brächten, demnach also die Zähler und Nenner besonders schrieben, wie 


n ni . . . 
— und , so wäre die Bedingungsgleichung 
p p 


n’ + m’ =p?.3. 


Dieser Bedingungsgleichung leisten jedoch keine rationellen Werthe 
von n, m nnd p Genüge; und daraus folgt, dafs es im Feldspathsysteme 
keine Krystallfläche giebt, welche gegen die Axe der rechtwinklich vierseiti- 
gen Säule genau 45° geneigt wäre, und dafs somit das viergliedrige System 
a:a:c=YV39:Y39:ı in dieser Weise aus dem regulären keineswegs ab- 
leitbar ist. 

Allein, was sich bei weiterer Betrachtung ergiebt: das Feldspath- 
system ist noch andrer viergliedriger Stellungen fähig, als der 
seiner rechtwinklich vierseitigen Säule P und M, als gerader Abstumpfungen 
der Kanten der ebenfalls rechtwinklichen vierseitigen Säule n = [e:43:e] 
(beide, wie wir schon bemerkt haben, sich verhaltend wie die erste und 
die zweite rechtwinklich vierseitige Säule eines viergliedrigen Systems). 


Der Fall wird so oft da sein, als in der Diagonalzone einer seiner 


Flächen | a:m.c:»D |, DE CSC ‚b:oc ], [MORgEzEIXe ImNNC...0Sam.|wes 


Flächen | a: — —b: m. 


‚ oder za: DEREN 


a Te 
GET DIREIE 
x 


’ 


mit 90° ae Veigung gegeneinander (wie die der Diagonalflächen [ «: 7 =b: bie |) 


geben wird; die Längendiagonale (!) einer solchen Fläche dan gene jedes- 


mal die Axe der viergliedrigen Stellung sein. Ob überhaupt in einem ge- 
gebenen einundeinaxigen Krystallsysteme a: 5: c die Anlage zu einer vier- 
gliedrigen Stellung, so wie beim Feldspath, vorhanden ist, wird auf dieselbe 
Bedingung zurückkommen. 

Ist die Fläche aus der Diagonalzone einer Fläche unsrer vertikalen 


Zone [ a:m.c:xb |, so ist, wenn sie mit der ihr gleichartigen 90° bil- 


(') In dem Falle der Fläche | a: m.b2—_c ist es die horizontale Linie von « 
nach n.2 


310 Weıss: 


den, also der Sinus ihrer Neigung in der Diagonalzone dem Cosinus gleich 
sein soll, die Gleichung offenbar diese 


b amc 


= ° Valımec’ 
wobei, wenn der Fall krystallonomisch möglich sein soll, x sowohl als m, 


rationale Gröfsen sein müssen. 
b Va? + m?e? r X k x 
Da nun <= — —— —, so wird, wenn man für a, 5, c die Werthe 


ame ren 
Vi13 + m? .3 


Yı3, V39, V3 substituirt, allgemein x = ‚ also der Fall so oft 


zn 
möglich sein, als 13-+ m°.3 das Quadrat einer Rationalzahl ist. Dies findet 
aber offenbar, aufser dem Fall, wo m = 1, auch Statt, wenn m = 2, also 
3+4.3=3, wo x=-- wird; und man sieht auf der Stelle, dafs der 


Feldspath zum zweitenmal eine viergliedrige Stellung erhält, wenn eine 


Fläche | @:2c:008 | an a ee seiner Esche | a:c:8 |] wäte, 


und mit ihr eine Fläche [| @: #2: 2c N GEBE c oe] an die Stelle 


vonn= DE: chils Pu auch diese Dr wäre, wie n, unter 90° 
gegen die cn ern ;e geneigt in der Diagonalzone von "2icr:\cold IL 


c 


Me 


— =, wenn a, d, c die Feldspathwerthe Yıs, je V3 hat; die 


wie die Rechnung leicht bestätiget; allerdings wird — 2, oder 
ac 

Va? +ac® 

Gleichung redueirt sich dann auf diese, Yıs +4.3=5. 


Nicht minder, wenn m = 6, also 13 + 36.3 = ı21, mithina =". 


In der Diagonalzone von [@ a ) ie I fände sich die gleiche Eigen- 


schaft für die Fläche a5 br: GE ] = ub:c |- Wiederum wäre 


ac b Sr o 
— 2 __—_ I; Vs -+ 10 = Yızı = 1. et aber auch, wenn 
Va? + 360? 11 


m=9, also 13. 1 .3=256=1°, =. Die Fläche ET TAT: 


= biac mezeh| besitzt abermals die Eigenschaft, wie unsre Diagonal- 


fläche n, genau 45° geneigt zu sein gegen [ b: o0a:00c Ib wie gegen 


a gen . a ac b 
[ +a:c:xb |; und wiederum ist ——— = Er oder Yı3 + sı.3 


Va? + sic? 1 
—716 ): 


(') Der nächste Fall, immer m noch als ganze Zahl genommen, ist, wenn m = 23, also 


13 + 3.529 = 1600, und x=#. Auch die Fläche 


a:d&brc | wird noch genau 45° 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 314 


Wollte man den Werth von m, bei gegebnem x», allgemein aus der 
Formel entwickeln, so würde er so hervorgehen 


ab 
Me 


cVx?a? — »2 


Denn wenn a’a’m?c? = b* (a? + m?’c’) = a’b?” + m?c?b?, so ist 


m?c? (x’a® — b’) = a”b’, also m, wie so eben. 

13 
13 & Visa? —39 
Ve; und man sieht, dafs x” — 3 ein Vielfaches von ı3 durch das Qua- 


drat einer (ganzen oder gebrochenen) Rationalzahl sein mufs, so oft im 


Dies gäbe für Feldspath in der vertikalen Zone allgemein m = 


Feldspath die viergliedrige Stellung in der vertikalen Zone sich wiederholen 
soll, aufser dem Fall, wo x = 4 und also x&° — 3 = ı3. 


Ist x, wie vorhin, =, sitz? — 3 ==”), Itı=%, 
so it @ —3 = 52 =5; und in gleicher Weise, wenn 2 = *f, 
a? — 3 = 227702 — 22, oder auch, wenn =, x" — 3 “0023. 52% 
Fa 13 
Tei1s297° 


Denken wir uns nun die Flächen seiner horizontalen Zone 
[ GESbEIOSIC ] in einer gewendeten Stellung, z. B. d als Axe, so wird eine 


R f Eur: 3 Ä 
Fläche |a:m.b:—c | gegen die ihr gleichartige genau unter 90°, oder 
x 


amb 


ym . . c 
gecen am“ b =. 09°C unter 18392 senelet sein, wenn — = — 
EP on BEER > 2 £ = Va? + m?b: 


2 222 ac oe 
also. 2 — eVa’ mio? und m = ————, somit in den Feldspathwer- 
amb BVx?a? — c? 
Vi3 + 39m? N 3m? +1 1 
ibeng—ı en Ze a, mdm—= _ es muls also 
-UIZe mm 13 130? —3 


3m” +1 das Vielfache von ı3 um das Quadrat einer Rationalzahl, 130° — 3 
aber selbst das Quadrat einer Rationalzahl werden, um die Bedingung zu 
erfüllen. Aber wenn x=3>, so ist 32° —3= 2 —3=W= 


7 
umgekehrt, wenn m =+#, so it3m®’ Hp =2=13.5=13.(4)’; und 
b2 
49.13 


=M=2. 


b 0 P——— Fe ac b 
geneigt sein gegen | BIST NEOSC und gegen za Cd s und ——— = —, 
a) _ I Va? +23?c? 40 


oder V3 + 59.3 = 4. 


312 Weiss: 


Folglich ist das Feldspathsystem wiederum einer vierglie- 
drigen Stellung fähig in Beziehung auf eine Axe, parallel der 
Linie @a:-+5; und es muls die Fläche & ne >e] gegen |@:--5:ooc 
und [ c:a:o0b | geneigt sein unter 45° (!). 

Eben so, wanna =, sit sa —-3 =? —3ı=2=(4)’ = — 
undm =2; 

Folglich ist das Feldspathsystem einer abermaligen viergliedri- 
gen Stellung fähig in Beziehung auf eine Axe parallel einer 
Linie @:25; und es ist wiederum die Fläche la 2b s2e] — EEE ıh 
welche 45° geneigt ist gegen | e!xa:»b ] und gegen | a: 25: o0c I 


Nicht minder, wenn a =, it sa 3 = —3ı=?=-() = —,; 


undm=*. 
Folglich ist das Feldspathsystem einer neuen viergliedrigen 
Stellung fähig in Bezug auf eine Axe parallel der Linie a: 


—+a:+45b; undesist dieFläche a:4-5:2c=| Za:+b:zec ), welche 


wiederum 45° gegen | c:00a:008 | und gegen [| >a: +5: c ] ge- 
neigt ist. 

Dies sind allerdings Resultate, welche wir anderwärtsher bereits ken- 
nen. Es sind die so eben construirten Flächen dieselben, welche zusammen 
das Haüy’sche Kalkspathrhomboeder geben; und ihre Neigung von genau 
45° gegen die Feldspathaxe c hat zur unmittelbaren Folge, dafs die jenseit 
der Axe oder jenseit des Querschnittes derselben sich gegenüberliegenden 
Flächen genau 90° gegen einander geneigt sind, für sich genommen also den 
Seitenflächen einer rechtwinklichen vierseitigen Säule, gleichen Werthes der 
Flächen, entsprechen; worin man die Begründung aller Verhältnisse eines 
viergliedrigen Systemes wiedererkennt. 

Die Frage, ob in einer dieser drei letzteren viergliedrigen Stellungen 
eine Neigung irgend einer Feldspathfläche gegen die Axe genau 45° sein 


8 
könne, und ob also auf diesem Wege die Ableitbarkeit des Feldspathsy- 


13 Y3 di 13 V3 N c 


’ 5 n 
V49 . 13 +39 V52 . ı3 2 = 


. amb c 
(') Es ist u) oder 
Va’ +m’b* “2 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 313 


stems aus dem regulären möglich sei, läfst sich auf die Frage zurückbringen, 
ob ein viergliedriges System mit dem Verhältnifs «:c=V3: ı aus dem re- 
gulären ableitbar ist. Denn welche von den Linien (a: 25), (a: —b), oder 
(4a: --b) man sich als Axe denke, und welche Fläche unsrer horizontalen 
Zone des Feldspathes man hier in der Function einer Fläche der vertikalen 
Zone in Bezug auf diese Axe wählen möge, immer wird ihr Neigungsver- 


hältnifs gegen die Axe ein Multiplum des Verhältnisses V3: ı sein, d.i. des 
Neigungsverhältnisses der Fläche | a: 5: »ec ] gegen die Axe a. Für 


1 1 o r 2 
al — are | in dem vier- 
n zn 


. . . a 
gliedrigen System, woa:c=V3:1, aber erhalten wir, wenn ——— =c 
Vn? + m? 


den allgemeinen Ausdruck einer Fläche 


werden soll, a R 
24 mi 3 


oder, wenn wir uns n und m als gebrochene Zahlen unter der Form == und 


denken, 2 ß s 
p n” + m’ = 3p? 


wobei n, m und p ganze Zahlen sein müfsten. Das Resultat fällt wiederum 


verneinend aus. 
Noch wird in Bezug auf das Feldspathsystem die Frage entstehen: ob 


in der Zone seiner Flächen | db:ce:xa ] als vertikale genommen, eben 


so, wie in den beiden anderen, eine Anlage zu den Verhältnissen eines vier- 
gliedrigen Systems begründet sei. Wenn es also wieder irgend eine Fläche 
6b: mc:ooa | wäre, deren Diagonale zur Axe eines viergliedrigen Systems 


bmc 


für die Feldspatliächen werden könnte, so hätten wir - = — ZZ, 
x VB? + mc? 


EC HFERE EL IT N 
aVd? + m?c? A V39 + 3m? Ze, 
2 — — bei den Feldspathwerthen, « = — —— = — 
mc 3m 


ferner x’5’m?c? = a*b? + a’m?c?; m?c? (xb? — a’) =a 2 ae 


ab 
Du — = 


c V.x?»? — a” 


Ä o ß An 13 ER er 
und bei den Feldspathwerthen, m = rer NV ; 
Physikal. Abhandl. 1835. Rr 


314 WVEERTUSWSL: 


es müfste also m* -+ 13 das dreifache Quadrat einer Rationalzahl, eben so 
390” — 13 das Quadrat einer Rationalzahl, oder 3° — ı das Multiplum einer 
solchen mit 13 sein; welches jedoch, eins wie das andere, unmöglich ist. 

Angenommen, es gäbe Rationalzahler, welche dieser Bedingung Ge- 
nüge leisteten, dann würde die Frage, ob eine so erhaltene neue vierglie- 
drige Stellung des Feldspathsystems aus dem regulären ableitbar wäre, wie- 
der auf die Frage zurückführen: ob in einem viergliedrigen System mit dem 
Verhältnifs @:c=Vı3: ı die Neigung einer Fläche gegen die Axe c von 
‚genau 45° möglich sei. Bei gleicher Lösung dieser Frage, wie vorhin, wird 
die Formel ———— =.6,.wenna;c=/ 13:1, geben 

n“" + m 


n? + m’? = ı3 


wo es sogleich in die Augen springt, dafs dies freilich der Fall ist, wenn das 
eine = 2, das andre =3, es also für die Fläche [ za:+a:c|gilt; und 


.1* . a . 
freilich, wenn a: c = Yıs : 1, so st ——— !c=V3:ı=13:1; jenes 
; : Ve? +3 } 


aber der Sinus, dieses der Cosinus ist. 

Die Aufgabe, ob eine Ableitbarkeit aus dem regulären System in der 
ersten viergliedrigen Stellung des Feldspathsystems, von welcher wir um- 
ständlich gehandelt haben, oder in einer von denen möglich sei, wo die Dia- 
gonale einer Fläche | a:m.c: ob ] die Axe eines viergliedrigen Systems 
repräsentiren könnte, liefs sich allerdings allgemein auch in der Form der Frage 
aufstellen, ob ein viergliedriges System mit dem Verhältnifs @:c = Vı3:V3, 
wie es das Grundverhältnifs in der vertikalen Zone des Feldspathes ist, aus 
dem regulären System ableitbar sei. Denn ob wir gleich nicht dieses Ver- 
hältnifs selbst (wie geschehen sein würde, wenn wir die Neigung der Fläche 

a:»ob:ooc | gegen die Axe der rechtwinklichen Säule zum Grunde ge- 
legt hätten), sondern das der Neigung von y gegen jene Axe zum Ausgangs- 
puncte gewählt haben, so ist doch dieses, nämlich a:c=V39: 1 nichts 
andres als das dreifache von jenem Yı3 : V3. Und wenn wir also statt dessen 


von dem viergliedrigen Systeme, a:c=Vı13:YV3 gesprochen hätten, so 


2 


würde die Formel — = —e gegeben haben = 
’n? + m? 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 315 
3 (n? + m?) = 13 
oder, Zähler und Nenner einer gebrochenen Zahl besonders geschrieben, 
3 (n? + m?) = p* ..ı3 


statt dafs wir hatten n? + m’ = 39; aber 3 (n? + m?) = ı3, ist identisch 
mit 3° (n’ + m’) — 39, und es ist also ersichtlich, dafs die Werthe von n 
und m nichts andres sein würden, als die aus der Gleichung 2? + m’ = 39, 


dividirt durch 3. 


Wenn wir uns jetzt zu der naturhistorischen Betrachtung des Feld- 
spathsystems nochmals zurückwenden und fragen, ob, nachdem wir die 
Überzeugung erlangt und durchgeführt haben, dafs die geometrische Anlage 
zu den Verhältnissen eines viergliedrigen Systems in ihm wirklich streng vor- 
handen ist, er wohl für ein ursprünglich viergliedriges System zu halten 
sei? (— in welchem Falle man kurz sagen könnte, dafs er sich als tetar- 
to@drisch-viergliedrig darstelle, eine Octaöderfläche statt der vier zusam- 
mengehörigen, ein Paar von Flächen eines Vierundvierkantners statt der 
vier gleichartigen u. s. f. — was also keineswegs ohne alle Analogie in den 
gesammten Erscheinungen von Meroäödrie, Partiellllächigkeit, welche uns die 
sämtlichen verschiedenen Abtheilungen der Krystallsysteme darbieten, — kei- 
neswegs ein so ganz isolirtes Phänomen sein würde —) so können wir uns 
doch krystallographisch nicht dafür erklären. Auffallend würde es zuerst 
sein, wie ganz fremdartig dem Entwicklungsgang eines viergliedrigen Sy- 
stems er sich verhält. Nichts von der Reihe von viergliedrigen Octaödern, 
deren eines durch die gerade Abstumpfung der Endkanten des andern u.s.f. 
entsteht. Dagegen die eigne Fortschreitung der Octaäderflächen einer und 
derselben Ordnung (a: c: 005), (dW:3c:»b), (a:5c:ob), (d:7c:oob), 
(a:9c:oob). Überhaupt kein Octaöder erster Ordnung, wenn wir 
die durch die Flächen der vertikalen Zone mit ihren Gegenstücken und Sei- 


Rr2 


316 MWUEUBNSE: 


tenstücken gebildeten nach Analogie unserer Bezeichnung als zweiter Ord- 
nung nehmen; die in den Zwillingen durch die geneigten Zwillingskanten 
der ebengenannten Flächen angedeuteten zwar nothwendig, wie dieEndkanten 
eines viergliedrigen Octaöders, den Flächen folgend, und eine gleiche Reihe 
der andern Ordnung bildend, die aber durch dasjenige Octaöder auf eigen- 
thümliche Art unterbrochen werden würde, welches an dem Zwilling viel- 
leicht naturhistorisch als das nächstbegründete erscheinen möchte, nämlich 
das, dessen Flächen in die horizontalen Zonen beider Individuen gemein- 
schaftlich fallen, also die Axen c beider Individuen in sich vereinigen, oder 
durch 2 Kanten gelegt werden würden, welche die Flächen T mit M bilden, 
wie zwei solche Kanten der beiden Individuen an der Zwillingsgrenze zusam- 


menstofsen; die Rechnung giebt, dafs dies die Flächen [ a:-+b:ooc | sein 


und dafs diese bei beiden Individuen in der Grenze zusammenfallen würden; 
(sie würden eine Neigung von 55° 48’ 32/88 gegen die Axe der rechtwinkli- 
chen Säule haben; sin : cos = V7s:6); gleich über der Lage dieser Flächen 
erscheint die Zwillingskante der Flächen 7‘, 7’, unter sin : cos=Y7s: 7 gegen 
dieselbe Axe geneigt, während die Kante zwischen y und y', den auswärts 
liegenden o und o’, und den einwärts liegenden 7’ und 7” hat (t), sin : cos 
=Yrs:ı; die der auswärts liegenden z und w (untere Rhomboidflächen) 
nebst der von k und X (d. is [ a:oob:ooc )) (2)#hat, sin 2,cosi—/Vzsiets; 
die zwischen x und x’, und den einwärts liegenden z, w, sin! cos=V7s:5, 
die zwischen q und g’, den einwärts liegenden o, o', und den einwärts 
liegenden z, z', sin:cos=YV7s:9; endlich die der auswärts liegenden z, z', 
so wie der auswärts liegenden [ zZarabyc h sin:cos—=YV7s3; 15. Wenn 


nun gleich solche in ihrem Fortschreiten dem Gang eines viergliedrigen Systems 
an sich ganz fremd erscheinende Verhältnisse einer Deduction in demselben 
dennoch fähig sind, so kann doch keine solche Deduction mit der Einfachheit 
sich messen, in welcher, wie wir längst dargelegt haben, und wie ein Blick 
auf das nach der graphischen Methode entworfene Feldspathbild von neuem 


(') Alle diese drei Zwillingskanten laufen einander parallel. 
(?) Diese beiden Zwillingskanten laufen wieder parallel; eben so die folgenden zusammen 
genannten. 


Betrachtung des F eldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 317 


anschaulich zu machen dienen kann, eben diese Verhältnisse in dem Gang 
eines zwei- und-eingliedrigen Systems begründet liegen, für welches der 
Feldspath ein vorzügliches Beispiel ist und bleibt. Nur als Folge seiner 
speciellen Dimensionsverhältnisse ist es somit anzusehen, dafs gewisse zwei 
aufeinander rechtwinkliche krystallinische Richtungen in ihm commensu- 
rabel unter sich (und gleich) werden, worin eben die Anlage zu den Ver- 
hältnissen eines viergliedrigen Systems besteht (denn an einer dritten, auf 
beiden rechtwinklichen und von ihnen verschiedenen, kann es, als einer 
auch krystallonomisch begründeten, alsdann nie fehlen); eine Folge, die 
sich nicht einmal, sondern, wie wir gesehen haben, verschiedenemale in 
ihm für je zwei Richtungen wiederholt. Auch wird es keineswegs etwas be- 
fremdendes haben, wenn jene aus seinen ungleichen Dimensionen a, b, c 
folgende Gleichheit und Commensurabilität der auf seinen beiden Richtun- 
gen des vollkommensten blättrigen Bruches rechtwinklichen krystallinischen 
Richtungen auf das Licht als die zweier gleichartiger Kräfte wirkt, und zum 


Schlüssel der optischen Eigenschaften des Feldspathes wird. 


Zuletzt wollen wir noch die einfache Schlufsfolgerung ziehen, dafs 
das Augitsystem, nach den Haüy’schen Bestimmungen, d.i. das Kry- 
stallsystem, für welches @:5:c=V4%,:V4,:5%, alles das in seiner 
Art wiederholen würde, was wir von den verschiedenen Anla- 
gen des Feldspathsystems in Bezug auf viergliedrige Stellung 
entwickelt haben. Denn da, wie wir anderswo gezeigt haben (!), und 
in obigen Augitverhältnissen leicht wiederzuerkennen ist, zufolge dieser 


Haü y’schen Elemente 


('!) Abh. v. J. 1825. S.180. Zur Ergänzung möchte noch dienlich sein, zu bemerken, 
dals auch a: c (Augit) =a: 5 (Feldspath). 


318 Weıss: 
a:b:c(Augit)=a:c:,,b (Feldspath) = a: 2c: +5 (Feldspath), 


so ist nichts leichter, als Schritt vor Schritt bei allem, was wir vom Feld- 
spath auseinandergesetzt haben, das entsprechende im Haüy’schen Augit- 
system durch Substitutionen zu reconstruiren. 

Die Axe der rechtwinklichen Feldspathsäule also, d.i. die Längen- 
diagonale von NEN wird im Haüy’schen Augitsystem sein die 
Linie von 2a:5=a:-;b; und welches im Augit die dem n des Feldspathes 
entsprechende Fläche mit 90° Neigung gegeneinander in der Diagonalzone 
seines (2a: 5: ooc) sein wird, finden wir, wenn wir sie mit Bere] 


bezeichnen, sogleich durch Anwendung der Formel 


2@.b 
—— 40 
Via? + 22 x 
. 2 2 4 1 1 
d.. — —— = —————et=r.c;, alox=3; dnn3z.5;=+4; 
Va.3 V5+% V4.13+ 12 


mithin ist die gesuchte Augitfläche | 2.0.b.: 3C B d.i. diejenige, welche 


mit[ 2@:d6:3c | 90° macht. 

Eben so leicht findet man die Anwendung der übrigen viergliedrigen 
Stellungen, deren das Feldspathsystem fähig ist, auf den Augit. Wir wäh- 
len die, deren Axe die Feldspathlinie —a: bist. Aber a: 5 (Feldspath) 
= .a:ızc (Augit). Es ist also die Augitfläche Le:120c:%5 | deren Län- 


a.i2c 


gendiagonale die Axe dieser viergliedrigen Stellung ist; und 7 0b, 


a?+12?c? 
=V;=x.b, giebt <=1; die gesuchte Augitfläche ist 


BAT 12c 
veV&+ı 
also — le: bzıze ]; sie ist 90° geneigt gegen & Bl zizei]. 
Eben so ist die Feldspathlinie a5 = (@a:Zc=)a:-c (Augit); 
folglich ist aueh.dies eine der viergliedrigen Stellung entsprechende Axe im 


& 1 
Au itsystem ; und ann. z=Xx. b 1: salat nen lg 
5 ii ö Va? + (&c)* 3 4 y2 V5 + (9° V14? + 12 
—emalkes —; giebt =, und die Augitfäcke =a:—5:7c 


—l OA oa: auch diese also hat wiederum, wie n beim Feldspath, 


90° 90° Neigung gegen die ihr gleichartige [Ze:L za: Hb:-c 2 e]. 


Betrachtung des Feldspathsystems in der viergliedrigen Stellung. 319 


Oder auch die Feldspathlinie —a: ;-5 wird im Augitsystem gleich der 


ale 5.4 15 
Linie za: ?c= 5a: +c=5a:ısc,;, aber — —— = ———— 
veV2++ V4.254+9.12 


15 


giebt =}, und die gesuchte Augitfläche wird sa: 2b: ısc 


Man sieht zugleich: — wir haben in den drei Augitflächen [a: db: ı2c 
ö ) ’ 
+a:„b:+c | und [ —ad:—b:-ec |, und zwar in der Combination, 
wie sie die Accentuirung der Buchstaben angiebt, die drei Flächen wieder, 
welche zusammen das Haüy’sche Kalkspathrhomboöäder (!) bilden 
J Iy 
werden, und zwar in Beziehung auf die Augitaxe 5, gegen welche sie alle 
45° geneigt sind, während ihre Durchschnitte mit der auf 5 senkrechten 
gene D 
Fläche |d:»a: oc sich gegenseitig unter 120° und 60° schneiden. Und 
so wäre es ein leichtes, wenn man wollte, auch die sämtlichen Flächen des 
. . c 
Kalkspath-Dreiunddreikantners | „.ı.:1z | : 
S2E3 ee. 


liebigen, in den Werthen des Augitsystemes wieder auszudrücken, nachdem 


oder welches anderen be- 


wir die entsprechenden Ausdrücke derselben im Feldspathsysteme gefunden 
haben. 


(') vgl. die vorhergehende Abhandlung. 


—————— 


PELTLTINERTARESS EEE 
Er 


a re br nah: 
N RN AN 


Ka u ur 
NEHTE " 
rl en! MN Via 
une Paar: er) KILIT LEINE 
Y fin, 7 TU a 

VE 12 URN 
Be hi! EEE 

j, u m mu 4 


Ss —__ 
(=) 


wenn 77. 

umgekehrt, wenn 7 
wenn 717 

und wenn 7 

wenn N 


und wenn 


No 
ne 
Is} 


wenn 
b 


und wenn + ur. 


und wenn Zi 
SsniC 5 

desel. wenn ——. 
\ Daszsel]; 


und wenn 7% )) 


endlich wenn 


das Gegenstück 


das Gegenstück 


das Gegenstück 


das Gegenstück 


das Gegenstück 


; das Gegenstück war [ a :7c:06 I 


wu, 


wennn=3, 
umgekehrt, wenn n = 17, 
wennn=1, 
und wenn n=— 9, 
‘ 
wenınn=7, 
und wenn n = — 


A’ wennn=—x, 


und wenn n 


wenn 2n= 


und wenn n 
(desgl. wenn zı 


und wenn n 


endlich wenn n = 


N) 


+ 1)3 3 


43—3.) 4’ 
+3 


2.3 3 


— ss 


also zu :30:005 | das Seitenstück = 
also zu E @:re:oohb | das Seitenstück — 
also zu das Seitenstik=[«@:. 


das Seitenstick — 


das Gegenstück 


a:9ec: 258 


also zu[ @:-c:Ö | das Seitenstük — [ ze 


c:cod | das Seitenstü& — [ 


"a:oob:ooc | das Seitenstück— [ 


das Seitenstück = [ 


das Gegenstück 


das Seitenstück = | das Gegenstück 


] das Seitenstück = 5 ad 


Il 


das Seitenstück — ® a das Gegenstück 


das Seitenstück — EZ 


T4Ww—-t.) 0’ 


ee | 
(39.9), mn’ 
+.3 1 
73 — 4.3) 12? 
—_4.3 1 
BO 
zo. Id 
ACH) m 
33 u 
1a—%.) 4 
—4.3 3 
mes) 
e— auc® = Zoe = 
43-3) s—)9 
4.3 3 
4 (13 — 0) 52? 
ges 2.3 
—rNeEa 5 ee 
4.3 ä 


das Seitenstück — 


; das Gegenstück war | «: 70:8 |; 


a:9c:o0b |; 


das Gegenstück | «:%c:%0 |; 


(FE 


a N a - 
Sr on ng ie en N 


peter; rar.) 
oh 


« 


\ FIR, un 
R Ay 


(Rs ar alle 


vr 


# N: » Fee SR 


deren Ausdruck in 
| viergliedr. Stellung 


STEE 


Feldspathfläche (a hie c), 


nicht aufgenommen worden. 


8$+3=1, 9-3 —1— 
r Columne 7 + 6 +1 = 24, 
dirten Glieder ist, 6= 2.5; 
; und für die, auch nicht in 


=8; oder auch 4-#5 +3 


Zen beBsrt 


(6) nämlic 
| 


Ga:zb:0),usf. 


auffallen in der Columne a: 


ee 


(*) Diese Fläche ist, wie schon bemerkt, nur um ihrer nahen Verwandtschaft mit den übrigen willen hier mit aufgeführt, in die Zeichnungen Taf. IL. aber nicht aufgenommen worden. 

(2) Man vergleiche in Beziehung auf diese Seitenstücke, was wir S. 293. unten über die Werthe der Coäfficienten von 5 bemerkt haben. Nächstdem wird auffallen in der Columne a: 
+ 7-1, S+1()=i, 5+ 116; in der Columne 4: 1 —1=1, 3—9=1, 4—5=16. Und in der Columne der Gegenstücke: s+5+3= 16, 9483 —1= 16, 
I+s+1=6 14+3+7=16, 3 +85 =, A-5- 3, AHL— 96... 3 HSH5—=li. Dagegen für die beiden vorletzten Zeichen dieser Columne +6 +1=4, 
und 3-+16+5=21. Bei den ersten 5 Flächen, so wie bei der letzten, welche 6 gemeinschaftlich der (ersten) Kantenzone angehören, ist, da 5 eins der addirten Glieder ist, 6=2.3; 
die Regel fällt demnach zusammen mit der s+3=5, 9—1=3 u.s.f.; bei den zwei Ausnahmefällen hat man statt dessen +1= "=, 3+5=1=3; und für die, auch nicht in 


der ersten Kantenzone enthaltenen, dennoch der ersten Regel noch analog bleibenden Flächen, nämlich die sechste und siebente, s+3=&, 9-1=#=4=5; oder auch 445 +3 
=2=2.4; ud 349 —-1=2=2.16. E 


(*) nämlich @ gedacht als =4 @', so wie später c= +. 


IT al 


er ”, 
Da n 


' 
1 
DS 
x 
| 
# N | 
DT \ « 
| a 
N 
" | ; 
>» ” IR 
x k‘ 
" nn 
r \4 
\ 
\ 
A 
Sg 
| 
Ar —e- 
F 


DT rer det, 


7 7, v7 DR, VALORR: 
Ierptachur mschen Allyueth und Aulhyuih. Aryprtatteiad % 


—e 5 


2 


r 


—.o 


Ds 


DEI N. 


we nee 
y 


an 
Da) 


EEG? =) 
nen 


Über 
die Lichterscheinungen bei der Krystallbildung. 


H”- H. ROSE. 


nummnamnann 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 30. Juli 1835.] 


M.: hat sehr oft ein Leuchten beim Anschiefsen von Krystallen bemerkt; 
aber immer ist diese Erscheinung eine zufällige gewesen, und nie, wie ich 
glaube, hat man sie willkührlich hervorrufen können. Ich habe bei der 
Bildung von Krystallen der arsenichten Säure ein starkes Leuchten gesehen, 
welches sich von dem beim Krystallisiren anderer Substanzen dadurch unter- 
scheidet, dafs man es zu jeder Zeit willkührlich hervorzubringen im 
Stande ist. | 

Man nehme zwei bis drei Quentchen der arsenichten Säure von glas- 
artiger Beschaffenheit, übergiefse sie in einem Kolben von weifsem Glase mit 
drei Loth nicht rauchender Chlorwasserstoffsäure von gewöhnlicher Stärke, 
und einem Loth Wasser, bringe das Ganze in’s Kochen, lasse es zehn Minu- 
ten oder eine Viertelstunde kochen, und erkalte es dann möglichst langsam, 
am besten durch sehr allmälige Verkleinerung der Spiritusflamme, deren man 
sich zum Kochen bedient hat. Wenn an einem dunklen Orte die Krystalle 
anfangen anzuschiefsen, so ist diefs mit einem starken Leuchten verbunden; 
die Erzeugung von jedem kleinen Krystall ist mit einem Funken begleitet. 
Schüttelt man alsdann das Gefäls, so schiefsen plötzlich sehr viele Krystalle 
an, und es entstehen zu gleicher Zeit eben so viele Funken. Hat man bedeu- 
tende Mengen von arsenichter Säure, z. B. zwei bis drei Loth oder mehr mit 
der entsprechenden Menge von verdünnter Chlorwasserstoffsäure behandelt, 
so ist, wenn man gerade den richtigen Zeitpunkt getroffen hat, beim Schüt- 
teln das Leuchten der anschiefsenden Krystalle so stark, dafs ein dunkles \ 
Zimmer dadurch erleuchtet werden kann. 


Physikal. Abhand. 18353. Ss 


323 Ei.  BVossır: 


Es dauert sehr lange, ehe die saure Auflösung der arsenichten Säure 
aufhört Krystalle abzusetzen. Daher leuchtet die erkaltete Auflösung noch 
am zweiten und selbst bisweilen am dritten Abend, aber nur aufserordentlich 
schwach, und nur wenn sie geschüttelt wird. Später ist es indessen nicht 
möglich ein Leuchten hervorzubringen, ein Beweis, dafs dasselbe nur durch 
Anschiefsen von Krystallen, nicht durch Reibungselektricität entsteht. 

Läfst man die heifse Auflösung der glasartigen arsenichten Säure schnell 
erkalten, wodurch man eine pulverförmige Masse von arsenichter Säure erhält, 
so kann man dabei entweder nur eine sehr schwache oder gar keine Licht- 
erscheinung bemerken. 

Man kann eben so wenig ein Leuchten beobachten, wenn man die 
glasartige Säure mit Salpetersäure (von gewöhnlicher Stärke und auch 
rauchende) und mit Essigsäure behandelt. Der Grund davon ist aber nur 
der, dafs diese Säuren zu wenig von der arsenichten Säure auflösen, was 
besonders bei der Essigsäure der Fall ist, so dafs diese Auflösung durch 
Schwefelwasserstoffwasser nur schwach gelblich gefärbt wird, ohne einen 
Niederschlag von Schwefelarsenik abzusondern. — Verdünnte Schwefelsäure 
hingegen löst durch’s Kochen etwas mehr arsenichte Säure auf, und wenn 
man die Auflösung sehr langsam erkalten läfst, so kann man in der That ein 
schwaches Leuchten bemerken. Behandelt man eine grofse Menge der glas- 
artigen arsenichten Säure mit so wenig Königswasser (welches aber über- 
schüssige Chlorwasserstoffsäure enthalten mufs), dafs erstere nicht vollständig 
aufgelöst und zu Arseniksäure oxydirt werden kann, so zeigt sich beim Er- 
kalten ein starkes Leuchten. 

Die Ursache des Leuchtens beim Anschiefsen von Krystallen schien 
mir schon seit längerer Zeit die zu sein, dafs die als leuchtender Krystall sich 
aus einer Flüssigkeit ausscheidende Substanz nicht als solche in derselben 
aufgelöst enthalten war, sondern dafs sie sich erst bildete, wenn der Krystall 
gebildet wurde, und dafs durch die Entstehung der neuen Substanz in kry- 
stallinischer Form die Lichterscheinung bedingt wird. 

Bekanntlich kennt man zwei isomerische Zustände der arsenichten 
Säure; sie ist entweder durchsichtig und glasartig, oder porcellanartig und 
undurchsichtig. Ursprünglich nach dem Schmelzen ist sie vollkommen 
durchsichtig, und durch’s blofse Aufbewahren wird sie, ohne eine Gewichts- 
zunahme zu erleiden, milchweifs und undurchsichtig. In beiden Zuständen 


über die Lichterscheinungen bei der Krystallbildung. 323 


hat die Säure ein verschiedenes specifisches Gewicht und eine verschiedene 
Löslichkeit in Wasser. 

Das starke Leuchten bei der Krystallbildung der arsenichten Säure 
habe ich nur wahrnehmen können, wenn ich glasartige Säure auf die oben 
erwähnte Weise mit Chlorwasserstoffsäure behandelte. Behandelte ich so- 
wohl porcellanartige Säure, als auch die pulverförmige arsenichte Säure, 
welche durch’s Rösten der arsenikalischen Erze vermittelst Sublimation ge- 
wonnen wird, und unter dem Namen von Giftmehl im Handel bekannt ist, 
mit Chlorwasserstoffsäure, so konnte ich beim langsamsten Erkalten entweder 
kein, oder beim Schütteln des Kolbens nur ein sehr schwaches Leuchten 
bemerken; im letzteren Falle wahrscheinlich, weil die porcellanartige Säure 
noch glasartige enthielt. Aber immer war diefs schwache Leuchten gar nicht 
mit dem starken zu vergleichen, das sich zeigte, wenn glasartige Säure ange- 
wandt wurde. — Das Leuchten beim Anschiefsen der Krystalle der arsenich- 
ten Säure scheint also dadurch zu entstehen, dafs aus der Auflösung der glas- 
artigen Säure dieselbe sich in porcellanartige verwandelt. Dieser Übergang 
geschieht in dem Augenblicke der Krystallisation, und in diesem zeigt sich 
die Lichterscheinung. Die gebildeten Krystalle gehören also zu der porcel- 
lanartigen Modification; und das Porcellanartigwerden der glasartigen Säure 
besteht auch in nichts anderem, als darin, dafs die Säure aus einem vollkom- 
men unkrystallinischen in einen krystallinischen Zustand übergeht. 

Die erhaltenen Krystalle der arsenichten Säure, wenn dieselben aus 
einer sehr langsam erkalteten Auflösung in Chlorwasserstoffsäure anschiefsen, 
sind zwar durchsichtig, aber diese Durchsichtigkeit verdanken sie wohl nur 
ihrer Gröfse, und ein Aggregat von sehr kleinen Krystallen der Säure würde 
ein porcellanartiges Ansehen besitzen. — Die gebildeten Krystalle waren 
immer reguläre Octaöder, und besafsen nicht die von Wöhler beobachtete 
Form, welche vielleicht eine dritte isomerische Modification der arsenichten 
Säure ist. 

Wird die glasartige Säure mit Chlorwasserstoffsäure auf die oben an- 
geführte Weise und im angegebenen Verhältnifs behandelt, und haben sich 
unter Lichtentwicklung nach vollständigem Erkalten die Krystalle abgeschie- 
den, so kann man noch einmal ein Leuchten, bisweilen sogar ein starkes her- 
vorbringen, wenn man das Ganze noch einmal bis zum Kochen erhitzt und 
langsam erkalten läfst. Doch ist dieses Leuchten weit schwächer als das 

Ss2 


324 H.Rose: über die Lichterscheinungen bei der Krystallbildung. 


erste, und entsteht nur daher, dafs in der chlorwasserstoffsauren Auflösung 
noch glasartige Säure aufgelöst enthalten war, die durch’s Krystallisiren das 
schwächere Leuchten hervorbrachte. Übrigens ist auch die Quantität der 
verdünnten Chlorwasserstoffsäure in der oben angegebenen Menge nicht im 
Stande alle arsenichte Säure aufzulösen, und es bleibt ein kleiner Theil der- 
selben im glasartigen Zustande zurück. 

Es werden indessen durch die Ursache einer neuen Bildung nicht alle 
Lichterscheinungen erklärt, welche man bis jetzt beobachtet hat, und ich 
selbst halte diese Hypothese für eine solche, die noch mehr beobachteter 
Thatsachen bedarf, um für eine wahrscheinliche gehalten werden zu können. 
So beobachtete Berzelius eine Lichterscheinung beim Krystallisiren von 
Fluornatrium aus einer Auflösung, welche dieses Salz schon aufgelöst enthielt. 


Nachtrag 


zu der Abhandlung der Herren Eschricht und 
Müller über die Wundernetze an der Leber des 
| Thunfisches. 


nn 


Über die Wundernetze am Darmkanal des Squalus vulpes L., 
Alopecias eulpes Nob. 


D ie im letzten Abschnitt der Abhandlung angeführten Eingeweide eines 
Haifisches, von welchen es wahrscheinlich gemacht wurde, dafs sie entweder 
Zygaena malleus oder Carcharias vulpes Cuv. angehören, sind, wie jetzt 
bestimmt zu erweisen ist, von Carcharias vulpes Cuv., Squalus vulpes L. 
Herr Duvernoy hat neulich (Annales des sciennes naturelles, 1835 Mai) 
gezeigt, dafs sich Zygaena tudes von den übrigen Haien durch die eigen- 
thümliche Bildung der Spiralklappe des Mittelstücks des Darms, wohin Galle 
und Pancreassaft gelangen, unterscheidet. Diese Klappe ist gemeiniglich bei 
den Plagiostomen schraubenartig, d.h. ihre Insertion an den Darmwänden 
sowohl als ihr freier Rand bilden eine schraubenförmige Spirale; bei Squalus 
thalassinus Val., der den Typus eines neuen Genus in der Nähe von Galeus 
bildet, und bei Zygaena tudes entdeckte indefs Hr. Duvernoy eine in einer 
longitudinalen Linie angeheftete segelartige Klappe, welche nur spiralförmig 

5 5 8 8 PPS ö 
gerollt ist und einen starken Ast der Pfortader im freien Rande der Klappe 
enthält. Da sich dieselbe Bildung, wie ich hierauf sah, bei Zygaena 
Tiburo findet, so wurde es schon sehr wahrscheinlich, dafs die erwähnten 
Eingeweide in der Schultzschen Sammlung mit der Siructura pinnatifida 
der Lebergefäfse nicht Zygaena malleus angehören. Denn die Spiralklappe 
war an jenen Eingeweiden schraubenförmig, und so wurde es höchst wahr- 

8 & 

scheinlich, dafs die Eingeweide von Squalus vulpes waren, aulser Zygaena 


3236 Mürter über die Wundernetze am Darmkanal 


malleus, dem einzigen Haifisch der Schultzschen Sammlung, dessen Einge- 
weide ausgenommen waren. Diefs wurde zur völligen Gewifsheit durch die 
Untersuchung eines andern Exemplars von Squalus vulpes im zoologischen 
Museum, dessen Untersuchung Hr. Lichtenstein gefälligst gewährte. Die- 
ser Fisch war vom Cap gesandt, er stimmt aber ganz mit Squalus vulpes des 
Mittelmeers überein. Bei der Untersuchung dieses Fisches fand ich nicht 
allein die Structura pinnatifida der Lebergefäfse, dieselbe Form der Leber, 
Milz, des Pancreas wieder, sondern überzeugte mich auch, dafs die Stelle, 
welche Cuvier dem Squalus vulpes L. angewiesen, nicht richtig ist. Er 
gehört zwar mit den Gattungen Carcharias und Lamna zur Abtheilung der 
Haifische ohne Spritzlöcher mit Afterflosse, aber unter die Gattung Carcha- 
rias kann er nicht gebracht werden. Squalus vulpes hat eine schraubenför- 
mige Spiralklappe des Darms. Die wahren Carcharias haben aber, wie ich 
bei Carcharias vulgaris und Carcharias glaucus gefunden, dieselbe segel- 
artige Spiralklappe wie die Zygaenen und der Squalus thalassinus Val. Schon 
an den von Hrn. Meyen mitgebrachten Eingeweiden eines Squalus glaucus 
fand sich die longitudinale Klappe. Da jedoch der Carcharias glaucus Cuv., 
Squalus glaucus Bloch, mit dem Squalus thalassinus Val. in der Färbung 
ganz übereinstimmt, so war eine noch bestimmtere Nachweisung nöthig. 
Diese gewann ich durch die Untersuchung des Carcharias vulgaris und Car- 
charias glaucus des zoologischen Museums. Der letztere ist das von Bloch 
beschriebene und abgebildete Exemplar. Also die wahren Carcharias haben 
eine longitudinale segelartige Darmklappe, Squalus vulpes, wie die Gattung 
Lamna in derselben Familie, eine schraubenförmige Klappe. Die Zähne der 
Carcharias sind von denen des Squalus vulpes nicht ganz verschieden; bei 
beiden sind sie dreieckig, platt, aber nur bei den Carcharias am Rande meist 
sägeartig gezähnelt. Allein die abortive Afterflosse und abortive zweite Rük- 
kenflosse und der ungeheuer verlängerte obere Lappen der Schwanzflosse 
sind bei Squalus vulpes eigenthümlich. Ich bilde daher aus Squalus vulpes 
L., Carcharias vulpes Cuy. mit Rafinesque eine eigene Gattung, Alope- 
cias Nobis, Alopias Rafinesque. Man kennt bis jetzt nur eine Art, Alo- 
pecias vulpes. Die Familie der Haifische ohne Spritzlöcher mit Afterllosse 
enthält also die Gattungen Carcharias, Alopecias, Lamna. Der Name Alo- 
pecias kommt schon in der Ichthyologie der Alten vor. Artedi synonymia 
piscium ed. Schneider. Lips. 1789. 134. 138. Was die Verbreitung der segel- 


des Squalus vulpes L. 327 


artigen Klappe betrifft, so habe ich sie in anderen Gattungen von Haifischen 
und auch bei Rochen nicht vorgefunden. Untersucht wurden die Gattungen 
Lamna, Seyllium, Galeus, Mustelus, Spinax, Centrina, Squatina, Rhino- 
batus, Torpedo, Narcine, Raja, Myliobates. Sie alle haben die schrauben- 
förmige Spiralklappe. Die segelartige longitudinale Klappe ist also bis jetzt 
nur von den Gattungen Carcharias, Zygaena und dem Squalus thalassinus 
Val. bekannt. Die Eingeweide der Gattungen Notidanus, Selache, Cestra- 
cion, Scymnus, Pristis, Rhina, Anacanthus, Propterygia, Rhinoptera, Ce- 
phaloptera sind noch nicht untersucht. 

Der zweite Theil dieses Nachtrags betrifft die von mir bei Alopecias 
vulpes beobachteten Wundernetze am Darmkanal, die ich an den von der 
Leber isolirten Eingeweiden der Schultzschen Sammlung nicht wahrneh- 
men konnte. An der Seite des Magens liegt ein grofses quastförmiges Wun- 
dernetz von vielen hunderten strahlenförmigen Röhren, welche von allen 
Seiten zusammentreten und ihr Blut an einer gemeinsamen Stelle in den 
Stamm der Pfortader, noch in einiger Entfernung von der Leber ergiefsen. 
Sie kommen theils parallel, theils büschelartig aus den Wänden des Magens 
und haben eine Dicke von # bis } Linie. Sie anastomosiren unter einander. 
Dicht vor dem Eintritt der Pfortader in die Leber nimmt sie noch ein kleines 
Wundernetz vom obersten Theile des Magens oder vom Schlunde auf. Aber 
der Stamm der Pfortader, der vom Darmkanal her aufsteigt, nimmt schon 
viel früher und lange vor der Aufnahme des grofsen Wundernetzes des Ma- 
gens, kleine Büschel von gehäuften Adern von der Milz, vom Pancreas und 
ein schr grofses Wundernetz von dem Theil des Darms auf, worin sich die 
Spiralklappe befindet. Das letztere Wundernetz ist ebenso grofs wie das 
des Magens. Eine grofse Darmvene, der Anfang der Pfortader, steigt wie 
bei den übrigen Plagiostomen mit schraubenförmiger Darmklappe von dem 
untersten Theil des Darms herauf, dicht auf der Oberfläche des Darms gele- 
gen; bei Alopecias vulpes befindet sich an dieser Stelle eine Anschwellung, 
so weit der Venenstamm über den Theil des Darms hingeht, der mit der 
Klappe versehen ist. Sie entsteht durch das Wundernetz. Alle von diesem 
Darmstück kommenden Gefäfse bilden lauter feine, parallele, hier und da 
unter einander anastomosirende Röhren, auf das dichteste gedrängt, so dafs 
man an dieser Stelle die Wände des Darms selbst wegen der gehäuften Ge- 
fäfse nicht sieht. Die Gefälse treten unter geradem oder wenig schiefem 


338 Mürren über Wundernetze am Darmkanal des Squalus vulpes L. 


Winkel in den Stamm, und zwar von beiden Seiten, so dafs das Ganze die 
vollkommenste Ähnlichkeit mit einer Federfahne darbietet. Das Wunder- 
netz hört unten, wo die Spiralklappe im Darm aufhört, auch auf und hier 
auf dem Mastdarm haben die Blutgefäfse die gewöhnliche Anordnung, die 
baumförmige Verästelung. 

Diese Art der Wundernetze unterscheidet sich von denen an der Leber 
der Thunfische und den Wundernetzen des Squalus cornubicus, dafs die 
quastförmig in einer Richtung vertheilten Gefäfse nicht wieder sich in neue 
Stämme sammeln und hat mehr Ähnlichkeit mit den Wundernetzen an den 
Extremitäten der Tardigraden, wo wenigstens diese Sammlung nicht voll- 
ständig ist. Die Arterien der Eingeweide nehmen innerhalb der Wundernetze 
des Alopecias vulpes ein ähnliches Verhalten wie die Venen an. Ich habe viele 
Rochen und Haifische auf diese Bildung untersucht, sie aber nicht wieder- 
gefunden. Die Fische, bei denen bis jetzt Wundernetze beobachtet sind, 
sind demnach unter den Knochenfischen Thynnus vulgaris, Th. brachypterus, 
unter den Knorpelfischen Lamna cornubica und Alopecias vulpes. Bei einer 
andern Gelegenheit werde ich die Wundernetze der letzteren durch Abbil- 
dungen erläutern. Noch mufs ich der sehr langen canalartigen, aber geschlän- 
gelt gewundenen und von der Substanz des gröfsern Leberlappen gröfsten- 
theils verdeckten Gallenblase des Alopecias vulpes erwähnen, wovon ich an 
einem andern Ort auch eine Abbildung geben werde. 


———ahil>— 


Mathematische 


Abhandlungen 


der 


Königlichen 
Akademie der Wissenschaften 


zu Berlin. 


sa aonaanoennorereoonenen 


Aus dem Jahre 
1833. 


„aaa ıeenooagaoeernaerearnn 


Berlin. 
Gedruckt in der Druckerei der Königl. Akademie 
der Wissenschaften. 


1837. 


iM) 


> pi is 


ERSR HEIM hr oh 2 ae M Ui! So 
HERE m # a Re RN 
‚ noflnoe seit ah VORAN 


uk a 


Bere 


Knshra et 


NEUMANN: Theoretische Untersuchung der Gesetze, nach welchen das Licht an der 
Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien reflectirt und 


gebrochen wird eye stets geleten a sielde a oielojeinte eizrelaisten eier el ET EENSE Seite 1 
BEssEL: Bestimmung der Länge des einfachen Secundenpendels für Berlin ........ - 161 
CRELLE: Einige Bemerkungen zu den Mitteln, algebraische Gleichungen näherungs- 

weiseWaufzulösengetstass eraeetze njetekemelselereistereie leiser ee - 263 
ENncrEhüberiden, Venusdurchgang! von 1769). ieeieselneersnleiien dee aieaeee ne nenne - 295 


PosELGER: Das Taylor’sche Theorem, als Grundlage der Functionen-Rechnung... - 311 
DiRKsEn über die Trennung der Wurzeln einer numerischen Gleichung mit Einer 
Unbekannten serfestersejsteiete erolo ale elereieieieiefen sie Sorctetefeettelee ale slaisore - 337 
LEJEUNE - DIRICHLET über eine neue Anwendung bestimmter Integrale auf die Sum- 
mation endlicher oder unendlicher Reihen ..........2..22020..- - 391 


—— u nn ann 


SR 


# | = & u RS a 
! | er 
| f ze ae 


x 


6 Tv 
l 4 i 


+ U N 
seen. RB. 
j u 
w' I 


a ei i 


er Erna Pe beta vorher | I rn ne E Mi 
Br BE ae en re are Eat wur gunghrohionnV ba: MR 
so ah gelkuri ale unit air zorl 1a 
1 a RE ge Br 2 -apabaarısn 27 ne als ah aniasna ib Be ae BrCl an 
Vene: NER - ELEE ET, Arsen ne erden sneng ; Ran nal Fre. f > 
j ö PET h x 5 


‚md ai Ins, legend 


ah i Bi Re EIER EIER LER u 
D 


a RUNDER 
N 4 Br 


Be ik \ 
KU NER 


Theoretische Untersuchung der Gesetze, nach welchen 
das Licht an der Grenze zweier vollkommen durch- 
sichtigen Medien reflectirt und gebrochen wird. 


Von” 
F_ 


Hm: F, E. NEUMANN. 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 7. December 1835.] 


$.1. 


D ie Theorie der Reflexion und Refraction besteht aus zwei Theilen, der 
eine beschäftigt sich mit der Richtung der reflectirten oder gebrochenen 
Lichtstrahlen, der andere mit deren Intensitäten. Der erste Theil hat einen 
hohen Grad der Vollendung erreicht, sowohl in der Emanations-Theorie des 
Lichtes als in der Undulations-Theorie durch die Arbeiten von Newton, 
Laplace, Huyghens und Fresnel. Die Gesetze der Richtungen, sowohl 
der reflectirten als der gebrochenen Strahlen sind in der Emanations-Theorie 
in vielen Fällen aus der Theorie abgeleitet, in der Undulations-Theorie aber 
kann man sie als vollständig aus den theoretischen Vorstellungen dedueirt 
ansehen, vorausgesetzt, dafs es nicht noch krystallinische Medien giebt, in 
denen sich das Licht nach andern Gesetzen bewegt, als in den bis jetzt 
untersuchten, was mehr als wahrscheinlich ist. Mit dem andern Theil, mit 
der Untersuchung der Intensitäten, mit welchen das Licht reflectirt und ge- 
brochen wird, hat man vor Lambert sich gar nicht beschäftigt, und er ist, 
sagt Lambert, den früheren Physikern so schwierig erschienen, dafs sie 
nicht einmal die hierher gehörigen Erscheinungen durch genaue Experimente 
zu bestimmen versucht haben. Was Lambert selbst aber in seiner Photo- 
metrie dieserhalb versuchte, mufste vergeblich sein, da der Schlüssel der 
hier zu untersuchenden Erscheinungen noch fehlte, nämlich die von Malus 
entdeckte Polarisation des Lichtes, welche durch Reflexion hervorgebracht 
Mathemat. Abhandl. 1833. A 


D) Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


- 


wird. Fresnel erst, nachdem der Malusschen Entdeckung die so einflufs- 
reiche von ihm und Arago gemachte Entdeckung der Gesetze über die 
Interferenz polarisirter Strahlen hinzugefügt war, konnte sich an dieses bis 
dahin unangreifbare Problem über die Intensität des reflectirten und ge- 
brochenen Lichtes wagen, und das, was er hier leistete (Pogg. Ann. d. Phys. 
Bd.XXI.), ist nicht das geringste Document des hohen und scharfsinnigen 
Talents, womit er die Epoche der neueren Optik begründete. Er löste das 
Problem, die Intensität des Lichtes zu bestimmen, mit welcher dasselbe 
durch die Oberfläche eines vollkommen durchsichtigen unkrystallini- 
schen Körpers reflectirt oder gebrochen wird, und mit dieser Lösung er- 
gaben sich ihm als Folgerungen die theoretischen Bestimmungen für grofse 
Klassen von Phänomenen, die schon lange die Aufmerksamkeit der Physiker 
auf sich gezogen, zum Theil genauer durch Experimente bestimmt waren, 
ohne dafs die Gesetze, wodurch sie untereinander verbunden waren, hatten 
entdeckt werden können; dahin gehören: die vollständige Polarisation durch 
Reflexion unter dem Polarisations- Winkel und die theilweise Polarisation 
durch Reflexion unter andern Winkeln und deren Vermehrung durch wieder- 
holte Reflexionen; ferner die theilweise Polarisation durch Refraction und 
ihre Vermehrung durch wiederholte Refractionen; ferner die Drehung der 
Polarisations-Ebenen, wenn polarisirtes Licht reflectirt oder gebrochen wird 
u.s. w. Der merkwürdigste Gebrauch, den Fresnel von seinen Formeln 
machte, ist wohl ihre glückliche Interpretation für den Fall der totalen Re- 
flexion, wodurch er die Gesetze einer Klasse von Erscheinungen auffand, 
welche der experimentellen Untersuchung wohl noch für lange Zeit verbor- 
gen geblieben wären, die Gesetze, nach welchen das hier reflectirte Licht el- 
liptisch oder eireulär polarisirt wird. — Als Fresnels Arbeiten, zum Nach- 
theil für die Fortschritte der Wissenschaft zu lange zurückgehalten, bekannt 
wurden, hatte der Kreis von Erfahrungen die Grenzen, welche er sich in 
seiner Theorie der Reflexion und Refraction gesteckt hatte, schon über- 
schritten und hat sie später noch mehr überschritten. Seebeck hat die von 
Brewster (Philosophical Transact. 1819.) früher angefangene Untersuchung 
über den Einflufs der Oberflächen krystallinischer Körper auf das reflectirte 
Licht mit dem glücklichsten Erfolge weiter geführt (Poggend. Ann. d. Phys. 
Bd. XXI.) und Brewster hat eine Klasse von Phänomenen genauer kennen 
gelehrt, welche von der Einwirkung metallischer Oberflächen auf das re- 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 3 


flectirte Licht abhängen, womit die früher von Arago (Pogg. Ann. d. Phys. 
Bd. XXVI.) beobachteten und später durch Nobili (Pogg. Ann. Bd. XXI.) 
und Airy (Pogg. Ann. Bd. XX VI.) erweiterten Thatsachen in Zusammen- 
hang stehen. Diese von Brewster entdeckten Eigenschaften des an Metall- 
flächen reflectirten Lichtes, für welche ich das Gesetz aus seinen Beobach- 
tungen abgeleitet (Pogg. Ann. Bd. XX VI.) habe, scheinen durch die von 
Airy gemachten Wahrnehmungen an dem von der Oberfläche des Diamants 
reflectirten Lichte (Pogg. Ann. Bd. XX VII.) in Zusammenhang gesetzt zu 
werden mit denjenigen, welche das an der Oberfläche vollkommen durch- 
sichtiger Körper reflectirte Licht zeigt. 

Man darf nicht eher hoffen, die Erscheinungen, welche das an Metall- 
flächen reflectirte Licht zeigt, aus einer allgemeinen Theorie des Lichtes zu 
deduciren, bis man eine genaue optische Definition hat von dem, wodurch 
der gröfsere oder geringere Grad von Undurchsichtigkeit bewirkt wird, wo- 
zu, ungeachtet der Vorarbeiten durch die mannigfaltigen Untersuchungen 
über die Absorbtion des Lichtes, namentlich von Brewster und Herschel, 
doch der Schlüssel noch zu fehlen scheint. Offener dagegen zeigt sich der 
Weg auf der andern Seite für die Vervollständigung der Fresnelschen Theo- 
rie der Reflexion und Refraction, ihre Ausdehnung nämlich auf die Fälle, 
wo die Reflexion und Refraction durch Oberflächen vollkommen durchsich- 
tiger, aber krystallinischer Körper hervorgebracht wird. Auch ist in die- 
ser Hinsicht schon von Seebeck ein Versuch gemacht, nämlich das Gesetz 
für die von ihm beobachteten Winkel der vollständigen Polarisation durch 
Reflexion an krystallinischen Oberflächen aus ähnlichen theoretischen Prin- 
cipien, als die, welche Fresnel für unkrystallinische zu Grunde gelegt hat, 
abzuleiten (Pogg. Ann. Bd. XXI.). Diese Erweiterung der Fresnelschen 
Theorie leidet indefs an einigen Schwierigkeiten, besonders aber an der, 
dafs sie sich nicht auf alle hierher gehörige Erscheinungen ausdehnen läfst. 

Die durch die vorgeschrittenen experimentellen Untersuchungen vor- 
gelegten Fragen sind etwa folgende: Das allgemeine Gesetz der Polarisations- 
Winkel, welche Lage auch die reflectirende Fläche in Beziehung auf die op- 
tischen Axen habe, und in welchem Azimuth die Reflexion stattfinde. — Das 
Gesetz für die Drehung der Polarisations-Ebene im reflectirten Strahl, welche 
bei der Reflexion an krystallinischen Körpern auch dann stattfindet, wenn 
der einfallende Strahl parallel oder senkrecht mit der Reflexions-Ebene po- 


A2 


A Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


larisirt war. — Das Gesetz für die Abweichung der Polarisations - Ebene, 
wenn natürliches Licht unter dem Polarisations-Winkel reflectirt ist. — Das 
Gesetz, nach welchem das gebrochene Licht sich unter die zweierlei Strah- 
len, den gewöhnlichen und ungewöhnlichen, theilt; durch dieses Gesetz wird 
die Lage der Polarisations-Ebene des einfallenden Lichtes bestimmt, bei 
welcher der eine oder der andere Strahl verschwindet. — Das Gesetz, nach 
welchem sich bei der Reflexion: im Innern eines krystallinischen Mediums 
das Licht zwischen den zwei refleetirten Strahlen und dem gebrochenen 
theilt. Erst wenn man diese beiden letztern Gesetze kennen wird, ist eine 
vollständige Theorie der Farben, welche die Krystalle im polarisirten Lichte 
zeigen, möglich. Man sieht, die Anzahl der Erscheinungen und Thatsachen, 
welche ihre Gesetze erst aus einer erweiterten Theorie der Reflexion und 
Refraction erwarten, ist grofs genug, um diese wünschenswerth zu machen. 
Der Zweck dieser Abhandlung ist diese Erweiterung der Theorie der Re- 
flexion und Refraction, und sie erledigt nicht nur die aufgestellten Fragen, 
sondern erklärt überhaupt alle diejenigen Phänomene des Lichtes, welche 
von der Verschiedenheit der Fortpflanzungsgeschwindigkeiten desselben ab- 
hängen. — 

Wenn man alle Umstände erwägt, wodurch die Reflexion durch un- 
krystallinische vollkommen durchsichtige Körper sich von der Reflexion 
solcher krystallinischen Körper unterscheidet, so kann man nicht zweifeln, 
dafs in der Theorie jene uur als ein besonderer Fall erscheinen mufs; man 
findet nichts, woraus ein qualitativer Unterschied zwischen diesen beiderlei 
Fällen entstehen könnte, wie z. B. zwischen der Reflexion durch vollkommen 
durchsichtige Körper und durch metallische. In den Principien, worauf die 
Intensität des von unkrystallinischen durchsichtigen Körpern reflectirten und 
gebrochenen Lichtes beruht, mufste also die Möglichkeit liegen, sie so all- 
gemein zu fassen, dafs auf ihnen auch die Theorie der von krystallinischen 
durchsichtigen Oberflächen reflectirten und gebrochenen Lichtmengen ge- 
gründet werden könnte. Dies ist indefs bei den Fresnelschen Principien 
nicht der Fall, schon deshalb, weil sie in allen durchsichtigen Körpern eine 
gleiche Elastieität des Lichtäthers voraussetzen. Dadurch sind bei mir die 
Zweifel gegen ihre Zulässigkeit verstärkt worden, die schon von einer an- 
dern Seite her in mir erregt waren. Diese waren zuerst entstanden aus der 
Definition, welche Fresnel von der Polarisations-Ebene gegeben hat, dafs 


2 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 5 


sie nämlich diejenige sei, welche durch den Strahl gelegt, senkrecht auf 
der Richtung der Bewegung seiner Theilchen steht; diese Definition ist ein 
wesentlicher Bestandtheil des Fundaments, worauf er seine Theorie der re- 
flectirten und gebrochenen Lichtintensitäten gegründet hat. Die Theorie der 
doppelten Strahlenbrechung aber (Pogg. Ann. Bd.XXV.), welche ich auf 
eine strenge Weise aus denselben Principien abgeleitet habe, auf welchen 
Fresnel die seinige gründete, forderte eine andere, entgegengesetzte Defini- 
tion von der Polarisations-Ebene, dafs sie nämlich diejenige Ebene sei, 
welche durch die Richtung des Strahls und zugleich durch die Richtung der 
Bewegung seiner Theilchen gelegt sei. 

Ich werde im Folgenden eine auf andere Voraussetzungen gegründete 
Theorie der reflectirten und gebrochenen Lichtquantitäten entwickeln, de- 
ren Principien so allgemein sind, dafs sie nicht allein auf unkrystallinische 
durchsichtige Körper angewandt werden können, sondern auch auf krystal- 
linische, diese mögen zur Abtheilung der einaxigen oder zweiaxigen Krystalle 
gehören, und die zugleich die Definition der Polarisations- Ebene in sich 
schliefst, welche die erwähnte Theorie der doppelten Strahlenbrechung for- 
dert. Wenn in gewissen krystallinischen Medien noch andere Gesetze der 
Fortpflanzungsgeschwindigkeiten des Lichtes, als die bis jetzt gekannten, 
sollten entdeckt werden, so werden auch auf diese meine Principien mit 
Leichtigkeit angewandt werden können. 

Ehe ich mich aber zu deren Auseinandersetzung wende, werde ich 
die Resultate der Fresnelschen Arbeit über die Intensitäten der an der Ober- 
fläche unkrystallinischer Medien reflectirten und gebrochenen Lichtstrahlen 
kurz anführen, weil ich diese, obgleich mit den Prineipien, aus denen sie 
hergeleitet, nicht einverstanden, durch die Erfahrung als genau erwiesen an- 
sehe, und sie deshalb den Resultaten, zu welchen ich auf einem anderen 
Wege gelange, zur Bestätigung dienen. 

Das auf die Oberfläche eines durchsichtigen Mediums fallende Licht 
sei polarisirt, nach irgend einem Azimuth; man denke es sich zerlegt in zwei 
Portionen, wovon die eine, deren Intensität mit ‚S? bezeichnet werden soll, 
nach der Einfalls-Ebene polarisirt sei, die andere, mit P? zu bezeichnen, 
senkrecht auf der Einfalls-Ebene; das von der Oberfläche reflectirte Licht 
Ri? denke man sich gleichfalls zerlegt in die Theile A? und A} und das ge- 
brochene 7” in die Theile 7? und 7’, wo die Theile AR? und T® nach der 


p)> 


6 


Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Einfalls-Ebene polarisirt sein sollen, R} und 7’ senkrecht auf der Einfalls- 
Ebene. Hiernach ist R?= R?+ AR} und T’’=T?+T?, und nimmt man 
als Einheit der Lichtintensität diejenige des einfallenden Lichtes an, so ist 
Se + BR ——e 


Die Hauptformeln der Fresnelschen Theorie sind folgende: 


: I ° ge 
RAZER sin d-+p’ 


eS 


2. R = [ °p: 
(A) tango-+b 
Sim sin 2b sin 2 Se 
Hg sin? d-+ 9 
Ag sin 2b sin 2b’ _ p: 
pP 


sin ? {0b} +9’’ cos ? P— op’ 


wo & den Einfalls-Winkel bedeutet und $ den Brechungs-Winkel. 


Es sind mehrere Arten von Beobachtungen, durch welche diese Aus- 


drücke bestätigt worden sind, nämlich: 


1) 


9) 


Die sehr genauen Beobachtungen über die Polarisations-Winkel durch 
Seebeck, wodurch das Brewstersche Gesetz über allen Zweifel er- 
hoben ist, welches selbst eine Folge aus 2. ist. Nämlich aus A, = 0 
ergiebt sich tang$—=n, wenn n der Refractions-Coefficient des re- 
flectirenden Körpers ist. 

Durch die zahlreichen Beobachtungen über die Drehung der Polarisa- 
tions-Ebene durch Reflexion, welche von Fresnel (Pogg. Ann.d. Phys. 
Bd. XXII.), besonders aber von Brewster (Pogg. Ann. Bd. XIX.) 
angestellt sind. Die Tangente des Azimuths der durch Reflexion abge- 
lenkten Polarisations-Ebene ist 


R, _cosp+d P 
R, cosb—d SS’ 


wo o die Tangente des Azimuths der Polarisations-Ebene des ein- 


fallenden Strahles ist. 

Durch die von Brewster angestellten Beobachtungen über das Azi- 
muth der Polarisations-Ebene im gebrochenen Strahl (Pogg. Ann. 
Bd. XIX.); dieses Azimuth ist 


IX 1 pP 


P_ 


T,  cod—g S' 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 7 


4) Durch zwei directe Beobachtungen von Arago über die reflectirte 
Intensität des nicht polarisirten Lichtes. Er beobachtete die Einfalls- 
Winkel, unter welchen der dritte und der vierte Theil des einfallenden 
Lichtes reflectirt wurde. Im nicht polarisirten Licht mufs man, wenn 
S’+P’=1ist, setzen $=P°—=+, und die Intensität, mit welcher 
das natürliche Licht reflectirt wird, ist 


2 ZA sin®b — &’ _tang "9—$ 
R; +h; =y7 az sn u tang a 


Alle diese Beobachtungen stimmen so vollkommen mit den vorgeleg- 
ten Ausdrücken überein, dafs man nicht zweifeln darf, dafs sie wirklich die 
genauen Gesetze derselben darstellen, wenigstens in so weit, als der Begriff 
eines vollkommen durchsichtigen Mediums in der Natur sich realisirt findet. 

Ein besonderes Gewicht ist auf die unter 2) und 3) angeführten Be- 
obachtungen von Fresnel und Brewster zu legen, nicht nur wegen ihrer 
grolsen Ausdehnung, sondern weil sie die Richtigkeit der Formeln (A) am di- 
rectesten beweisen. Es ist wahr, jede dieser Beobachtungs-Reihen bestätigt 
nur die Richtigkeit der Verhältnisse der Gröfsen R, zu A, und P, zu P,, aber 
beide zusammen beweisen die Richtigkeit der absoluten Werthe. Man kann aus 
den beobachteten Winkeln, welche die Polarisations-Ebenen im reflectirten 
und gebrochenen Licht mit der Einfalls-Ebene bilden, wenn das einfallende 
Licht, schon polarisirt, auf einen vollkommen durchsichtigen unkrystallini- 
schen Körper fiel, die Intensität des reflectirten und gebrochenen Lichtes 
bestimmen. Denn es folgt aus dem Begriff eines durchsichtigen unkrystalli- 


nischen Körpers, dafs 

T=$S’—R md T=Pi=!R 
und man hat also, wenn « und £ die beobachteten Azimuthe der Polarisations- 
Ebene im reflectirten und gebrochenen Strahl bezeichnen, 


p?—R? 
Be 2 
> 


= =tange, 
woraus R/ und AR} bestimmt werden können. 

Jede Theorie der Reflexion und Refraction, welche nicht für die re- 
flectirten und gebrochenen Intensitäten dieselben Werthe als die von Fresnel 
aus seiner Theorie abgeleiteten in (A) giebt, mufs verworfen werden, kommt 


8 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


sie aber zu denselben Ausdrücken, so kann dies als eine für sie sehr günstige 
Bestätigung angesehen werden. 


$.2. 


Die der neuen Theorie zu Grunde gelegten Voraussetzungen sind 
folgende: 

1. Die Verschiedenheit der Fortpflanzungsgeschwindigkeiten in ver- 
schiedenen Medien oder die Brechung des Lichtes, rührt bei vollkommen 
durchsichtigen Medien allein her von der Verschiedenheit der Elastieität des 
Äthers; die Dichtigkeit desselben ist in allen diesen Medien gleich. In der 
Theorie von Fresnel ist es eine wesentliche Voraussetzung, dafs die Elasti- 
eität in allen durchsichtigen unkrystallinischen Medien gleich sei, und ihr 
verschiedenes Brechungsvermögen allein von der Verschiedenheit der Dich- 
tigkeit hervorgebracht wird. Eine dieser beiden Voraussetzungen ist nöthig; 
man kann, wie aus 5. erhellen wird, nicht annehmen, dafs beide, Dichtigkeit 
und Elastieität, verschieden sind, wenn, wie die Erfahrung zu lehren scheint, 
die Phänomene der Reflexion und Refraction bei durchsichtigen Körpern 
allein vom Brechungs-Index dieser Körper abhängig sind. Mufs man sich 
aber für die eine oder die andere entscheiden, so kann man, glaube ich, 
nicht zweifelhaft sein, sich für den von mir aufgestellten Grundsatz zu ent- 
scheiden. Man kann in den krystallinischen Medien wohl verschiedene Ela- 
stieität nach den verschiedenen Richtungen annehmen, aber nicht verschie- 
dene Dichtigkeiten. Diese Gründe beziehen sich nur auf die durchsichtigen 
Körper, es wäre möglich, dafs bei den metallischen und andern, in so weit 
sie nicht vollkommen durchsichtig sind, eine Verschiedenheit in der Elastici- 
tät und Dichtigkeit zugleich statt fände. 

2. Das einfallende Licht besteht aus Transversalschwingungen, und 
erzeugt bei der Reflexion und Refraction nur eben solche Schwingungen. 

3. Die Richtung der Schwingungen liegt überall, in krystallinischen 
und nichtkrystallinischen Medien, in der Wellen-Ebene. 

Diese beiden Voraussetzungen sind den Fresnelschen Theorien ent- 
lehnt; jene legt er in der oft erwähnten Theorie der reflectirten und ‚ge- 
brochenen Licht-Intensitäten zum Grunde, diese erhält er als ein Resultat 
seiner Theorie der doppelten Strahlenbrechung. Nach der von mir gegebe- 
nen Theorie der doppelten Strahlenbrechung macht die Richtung der Be- 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 9 


wegung der Theilchen im Allgemeinen einen kleinen Winkel mit der Wellen- 
Ebene. 

4. Die Polarisations-Ebene einer Wellen-Ebene ist die durch ihre 
Normale und die Richtung ihrer Bewegung gelegte Ebene. Diese der Fres- 
nelschen Bestimmung entgegengesetzte Definition geht mit Nothwendigkeit 
aus meinen Untersuchungen über die doppelte Strahlenbrechung (Pogg. Ann. 
d. Phys. Bd. XXV.) hervor. 

Die Polarisations-Ebene eines Strahls nenne ich die durch ihn und 
die Richtung der Bewegung seiner Theilchen gelegte Ebene. Ich werde 
später zeigen dafs der Strahl immer senkrecht auf der Richtung der Bewe- 
gung seiner Theilchen steht. 

5. Über die Reflexion und Refraction an der Oberfläche vollkommen 
durchsichtiger Körper sind folgende Vorstellungen zu Grunde gelegt. 

A. Es sei SB in Fig. 1. eine Wellen-Ebene, welche durch die gemein- 
schaftliche Grenze G@ zweier durchsichtigen, und der gröfseren Allgemein- 
heit wegen werde ich annehmen, krystallinischen Medien gebrochen ist in 
die Wellen-Ebene BC und reflectirt in die Wellen-Ebene BD. Diese drei 
Wellen-Ebenen schneiden die brechende Ebene GG in derselben Linie. 
Jede dieser drei Wellen-Ebenen AB, BC, BD schreitet mit der ihr eigen- 
ihümlichen von der Richtung ihrer Polarisations-Ebene und ihrer Lage in 
Beziehung auf die optischen Axen abhängigen Geschwindigkeit parallel mit 
sich fort, so dafs nach Verlauf einiger Zeit sie die mit ihnen parallelen Lagen, 
welche in B’ durch punktirte Linien angegeben sind, erhalten haben; sie 
sind aber so mit einander verbunden, dafs sie zu gleicher Zeit 
in B’ anlangen. Durch diese Bedingung ist die relative Lage der drei 
Ebenen dieses Systems von Wellen-Ebenen bestimmt. In der That, es sei der 
Einfalls-Winkel der Wellen-Ebene ABG =i, der Reflexions-Winkel DBG 
=r und der Refractions-Winkel CBG = s, die respectiven Fortpflanzungs- 
geschwindigkeiten seien n, m und u, so ist die Bedingung, dafs der Punkt B, 
man mag ihn zu der einen oder der andern Wellen-Ebene gehörig betrachten, 
sich immer mit derselben Geschwindigkeit bewege, ausgedrückt durch fol- 


gende zwei Gleichungen: 
ee I Re tutke 
_ın=—sn?, —snz= — sans. 
n zn n u 


Mathemat. Abhandl. 1533. B 


10 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Die Gröfsen n, m, u hängen von der Lage der ihnen angehörigen Wellen- 
Ebenen ab, und sind also, weil bei einer gegebenen brechenden Ebene und 
Einfalls-Ebene, ihre Lage allein durch z, 7, s bestimmt ist, bekannte Func- 
tionen dieser Winkel. Von den beiden Gleichungen wird also die eine den 
Winkel r zu bestimmen dienen, die andere den Winkel s. Führt man die 
Rechnung aus, indem man für 2, m und u die von Fresnel gegebenen 
Werthe setzt, ausgedrückt durch die Winkel i, 7, s, so führt jede dieser bei- 
den Gleichungen auf eine biquadratische Gleichung. Wir werden sehen, 
dafs bei der ersteren es die beiden negativen Wurzeln sind, wodurch die 
zwei reflectirten Wellen-Ebenen bestimmt werden, und bei der zweiten sind 
es die beiden positiven Wurzeln, wodurch die zwei gebrochenen Wellen- 
Ebenen bestimmt werden. 

B. Alle Theilchen derselben Wellen-Ebene haben dieselbe Bewegung, 
sowohl ihrer Richtung als ihrer Geschwindigkeit nach; diese Gleichheit inner- 
halb jeder Wellen-Ebene erstreckt sich bis zu der gemeinschaftlichen Durch- 
schnitts-Linie sämmtlicher Wellen-Ebenen in B. Die Bewegung der Theil- 
chen, welche in diesem Durchschnitt B liegen, ist die Summe der Bewe- 
gungen, welche ihnen von den Wellen-Ebenen des ersten Mediums, also von 
der einfallenden Wellen-Ebene und den reflectirten Wellen-Ebenen mitge- 
theilt oder die Summe der Bewegungen, welche ihnen von den Wellen- 
Ebenen des zweiten Mediums, d.i. den gebrochenen Wellen-Ebenen mit- 
getheilt wird. Beide Summen sind sich gleich. Die Componenten der 
Bewegung, welche den Theilchen in B von der einfallenden und 
den reflectirten Wellen-Ebenen ertheilt wird, sind gleich den 
Componenten der Bewegung, welche ihnen von den gebroche- 
nen Wellen-Ebenen ertheilt wird. Fresnel nahm nur die Gleichheit 
der beiderlei Componenten an, welche parallel mit der brechenden Ebene 
sind. Meine Annahme habe ich auf folgende Betrachtung gestützt: 

Wenn man das Problem der Reflexion und Refraction von Licht-Wellen- 

Ebenen an der Grenze zweier durchsichtigen Medien strenge aus den 

Gleichungen der Mechanik, welche ich in Pogg. Ann. d. Phys. Bd.XXV. 

aufgestellt habe, lösen wollte, so müfste man in Beziehung auf diese 

Grenze die zwei Bestimmungen machen, 1) dafs in ihr beide Medien fest 

mit einander verbunden seien, und 2) dafs der Druck, welcher durch die 

Verschiebung der Theilchen in B in dem einen Medium erregt wird, gleich 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 11 


sei dem Druck, welcher durch dieselbe Verschiebung in dem andern Me- 
dium erregt wird. Durch diese zwei Bestimmungen würde man sechs 
Bedingungsgleichungen erhalten, wodurch die willkührlichen Functionen, 
welche in dem allgemeinen Integrale enthalten sein müssen, bestimmt 
werden. Die erste dieser Bestimmungen, dafs die beiden Medien fest mit 
einander in ihrer Grenze verbunden sind, verbunden mit der Annahme, 
dafs alle Theilchen derselben Wellen-Ebene dieselbe Bewegung haben, 
ist genau meine Annahme. Denn aus der Gleichheit der Geschwindig- 
keiten der Theilchen in B folgt die Gleichheit ihrer Verrückungen. 

6. Die lebendige Kraft in der einfallenden Wellen-Ebene ist gleich 
der Summe der lebendigen Kräfte in den reflectirten Wellen-Ebenen und in 
den gebrochenen Wellen-Ebenen. 

Dieses Prineip hat die hier zu entwickelnde Theorie der reflectirten 
und gebrochenen Licht-Intensitäten gemeinschaftlich mit der Fresnelschen 
Theorie. Ich gestehe aber, dafs es dasjenige ist, welches von der theore- 
tischen Seite am meisten Zweifel in Beziehung auf seine Zulässigkeit erregen 
mufs; denn man begreift nicht, wie nicht ein Theil der lebendigen Kraft der 
einfallenden Wellen-Ebene zu longitudinalschwingenden Wellen, die nicht 
als Lichtwellen wahrgenommen werden, sollte verwandt werden; es müfste 
ein Theil des Lichtes immer verschwinden, weil seine Intensität eben durch 
die lebendige Kraft der transversalschwingenden Wellen-Ebenen gemessen 
wird, und es existirten eigentlich keine vollkommen durchsichtige Körper. 
Dieses Princip kann also nur auf den Grund der Erfahrung angenommen 
werden, dafs es wirklich Körper giebt, bei welchen die Intensität des ein- 
fallenden Lichts gleich ist der Summe der Intensitäten, mit welchen das Licht 
reflectirt und gebrochen wird. 


$. 3. 

Ich werde die im vorigen Paragraphen entwickelten Grundsätze zuerst 
anwenden auf den Fall, wo das zurückwerfende und brechende Medium ein 
unkrystallinisches ist. 

Das auf die Oberfläche auffallende Licht mag polarisirt sein oder 
nicht, immer kann man es sich zerlegt denken in zwei Theile, von denen 
der eine nach der Einfalls-Ebene polarisirt ist, der andere senkrecht darauf; 
jener erzeugt eine reflectirte und eine gebrochene Welle, die wiederum nach 


B2 


12 Nrvmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


der Einfalls-Ebene polarisirt sind, dieser erzeugt nur senkrecht auf der Ein- 
falls-Ebene polarisirte Wellen durch Reflexion und Refraction. Beide Licht- 
Portionen lassen sich also von einander unabhängig betrachten. Ich werde 
dasjenige Licht zuerst untersuchen, das senkrecht auf der Einfalls- Ebene 
polarisirt ist. Es sei Fig.2. AC eine auf die brechende Oberfläche GG fal- 
lende, senkrecht auf der Einfalls-Ebene polarisirte Wellen-Ebene, FB ihre 
reflectirte und BD ihre gebrochene; in allen drei Wellen-Ebenen geschieht 
die Bewegung parallel mit der brechenden Ebene, und die Geschwindigkeit 
dieser Bewegung sei in der einfallenden, in der reflectirten und in der ge- 
brochenen Welle respective P, R,, D,. Alsdann hat man nach dem Prineip 
der Gleichheit der Componenten $.2. 5, B. 
A) P+R=D,. 

Die Gleichung der Erhaltung der lebendigen Kräfte wird eine zweite 
Gleichung gewähren, um A, und D, zu bestimmen. Wegen der Gleichheit 
der Dichtigkeit nach $.2. 1 kann man in die Gleichung der lebendigen Kraft 
die Producte der Quadrate der Geschwindigkeiten, multiplieirt mit den Ver- 
hältnissen der Räume setzen, welche von den Bewegungen derselben Undu- 
lation in der einfallenden, reflectirten und gebrochenen Welle eingenommen 
werden. Das Verhältnifs dieser drei Räume ist, wenn d und d’ die Undula- 
tions-Längen des Lichtes bedeuten, in dem Medium, in welchem die ein- 
fallende Welle sich bewegt und in dem Medium, durch welches sie ge- 
brochen wird: ACxd:BFxd:BDxd'. Es it AC=BF, und wenn & 
den Einfalls-Winkel CAB und &' den Brechungs-Winkel ABD bedeutet: 
AC:BD = cos® : cos d'; aufserdem hat man d:d’= sin #: sind. Dem- 
nach ist das Verhältnifs jener drei Räume: 

x 2 EN, r sin cd’ cos &’ 
sndcosd:sındcosh:!sındcos® an 
Es ist also die Gleichung, welche das Princip der Erhaltung der lebendigen 
Kraft giebt, folgende: 
& pr= nn nen 

Bringt man AR? auf die andre Seite des Gleichheitszeichens und divi- 
dirt diese Gleichung durch (1), so erhält man: 
sin <b’ cos (p’ 


P-R,=D 


? sin b cos b 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 13 


und hieraus und aus (1) ergiebt sich 
Rerp sin bcosb — sin d’cosd’ __ P tang (P — ') 
PT sindcos®p-+Hsind cos ° — tang(P-+W)’ 
Di 2P sınhbcos& 
P° sin (p + EP) cos (p — $) 
Bezeichnet man mit P? die Intensität des Lichtes der einfallenden 
Wellen-Ebene, so ist A} die Intensität des reflectirten Lichtes und 


D: rs Ge eleusirät des gebrochenen Lichtes: man hat also, wenn 


Dre _ T} gesetzt wird: 
Pr sınd cos& 


R: —_ı1p% tang” Cu) 


tang’(P+-P) (3) 
T:? Bar 2 sin 2£ sin 26’ 
7 sin?(P+P)) cos?(P—P') ’ 


welches dieselben Ausdrücke als die in $.1. (A) sind, deren Richtigkeit also 
erwiesen ist. 

Es sei die einfallende Wellen-Ebene AC parallel mit der Einfalls- 
Ebene polarisirt, ihre Bewegung sowohl, als die der reflectirten und ge- 
brochenen Welle also gleichfalls parallel mit dieser Ebene; die Geschwindig- 
keit der Bewegung in der einfallenden Wellen-Ebene sei S, die in der re- 
flectirten Welle A, und die in der gebrochenen Welle D,. Die Erhaltung 
der lebendigen Kräfte giebt folgende Gleichung: 

Sem R: a yk cosh’ (4) 


“ sın db cos p 


Denkt man sich die Bewegungen S, R,, D, zerlegt nach Richtungen, 
die parallel mit der brechenden Fläche und senkrecht darauf sind, so erhält 
man aus dem Princip der Gleichheit der Componenten folgende zwei Glei- 
chungen: 

Ssno+AR,snp=D, sin d' n 
Scosp —R,cos$ =D, cos d'. 6) 

Hier erhalten wir also eine Gleichung zuviel, da nur zwei Unbekannte, 
R, und D,, zu bestimmen sind; man sieht aber sogleich, dafs die dritte 
Gleichung aus den zwei anderen Gleichungen abgeleitet werden kann, und 
sie also nichts widersprechendes enthält. — Man mufs geneigt sein, in diesem 
Umstand eine Bestätigung der in $.2. entwickelten Betrachtungen zu sehen, 


14 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


dafs namentlich die vollkommene Durchsichtigkeit nur bei Gleichheit der 
Dichtigkeit der schwingenden Medien bestehen kann, denn die Gleichung 
der Erhaltung der lebendigen Kräfte würde bei ungleicher Dichtigkeit eine 
andere sein. 
Aus den Gleichungen (5) erhält man: 
sin (d—d’ sin cos 
a am =, N en 


sinh’cosh’ . 5 
a mit 7'’?, so wird: 


und bezeichnet man wiederum D?_—— — 
sın d cos & x 


R=£ sin’(#— $') 


7 ar) 
2__ 92 Sin 2b sin 20° 
ae sin’(P+9') ? 


welche Werthe wiederum dieselben als die in $.1. (A) sind. 

Die neue Theorie giebt also die richtigen Werthe für die Intensitäten, 
mit welchen das Licht reflectirt und gebrochen wird an der Grenze zweier 
durchsichtigen unkrystallinischen Körper. 


$.4. 

Dieselben Grunsätze werde ich jetzt anwenden auf den Fall, wo die 
Zurückwerfung und Brechung des Lichtes geschieht an der Grenze eines un- 
krystallinischen und eines krystallinischen vollkommen durchsichtigen ein- 
axigen Mediums. Ich werde aber zuerst einige allgemeine, obgleich zum 
Theil bekannte Relationen entwickeln, weil sie im Folgenden gebraucht 
werden. 

Die Lage der verschiedenen Linien und Ebenen soll durch ihre Win- 
kel mit den drei rechtwinkligen Elastieitäts-Axen des krystallinischen Me- 
diums ausgedrückt werden, an dessen Oberfläche die Reflexion und Refrac- 
tion statt findet. Die Cosinusse der Winkel, welche die Normale der bre- 
chenden Ebene mit jenen Axen bildet, seien: 


Ar BIC. 
Die Cosinusse der Normalen der einfallenden Wellen-Ebene seien a, 5, c, 


der reflectirten «, £, y, der gewöhnlich gebrochenen Wellen-Ebene «', B',y' 
und der ungewöhnlich gebrochenen «”, @”, x”. 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 15 


Die Normale der Einfalls-Ebene habe zu Cosinussen 
Ei, SEA B.: 
Die Linie, in welcher die brechende Ebene von der Einfalls-Ebene ge- 
schnitten wird, sei bestimmt durch die Cosinusse 
N re ar 
Der Hauptschnitt der brechenden Ebene habe die Cosinusse 
12 Bags = FAspiage Bi 
Die Winkel, welche die brechende Ebene mit der einfallenden Wellen- 
Ebene und der ungewöhnlich gebrochene Ebene bildet, seien 
®, d, o". 
Der Winkel, welchen der Hauptschnitt (7,, H,, H,) mit dem Durchschnitt 
der Einfalls-Ebene und der brechenden Ebene (F,, F,, F,) bildet, d.i. das 
Azimuth der Einfalls-Ebene, sei w. Endlich seien # und w” die Fortpflan- 
zungsgeschwindigkeiten der gewöhnlichen Wellen-Ebene und der ungewöhn- 
lichen Wellen-Ebene, die Fortpflanzungsgeschwindigkeit in dem umgebenden 
unkrystallinischen Medium = ı gesetzt. 
Zur Bestimmung von E,, E,, E, hat man EP?+E?+E}=ı und 


AE,+BE.LCE =o 


aE,+ DBE,+ cE,=o. G) 
Für F,,F,, F, hatman FF+-F}/+-F}=ı und 

AF, +BF, +CF, = 0 

E,F,+E,F,+ E,F,= 0. © 
Zur Bestimmung von H,, H,, H, hat man H’+ H}’+ H,’=ı und 

AH, + BH,+ CH, = o 3) 


XH, + YH,+ ZH, = 0, 


wo X, Y, Z die Cosinusse der Normale der Ebene sind, welche durch den 
Hauptschnitt senkrecht auf der brechenden Ebene gelegt ist, und also be- 
stimmt werden durch X’+- Y’=ı, Z=o und 


AX + BY=o. (4) 
Für den Winkel $ und w endlich hat man 


16 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


(5) cso$= Aa + Db + Ce. 
(6) csw=HF,+H,F,-+ H,F,. 


Mittels (1) (2) und (3) (4) können F',, F,,F, und H,, H,, H, durch 
a, b, c ausgedrückt werden, und diese Werthe in (6) gesetzt, geben eine 
Gleichung, welche mit (5) verbunden, die Gröfsen a, 5, c durch $ und w 
ausdrücken läfst, wenn zugleich berücksichtigt wird, dafs a +5’+ c’= 1 ist. 

Um aber keine überflüssige Weitläufigkeit herbeizuführen, kann man 
annehmen, dafs B=o ist, weil bei den optisch einaxigen Krystallen nur 
die Richtung einer der Elasticitäts- Axen eine fest bestimmte ist. Alsdann 
ergiebt sich: 

a=Acosp — C sind cosw 


(7) b = sin d sin w 
ce=(cos$ +Asind cos u. 
T, = Ccosw 
(8) T, = — sin w 


T,=—4cosuw. 


BE, =Csinu 
(9) E,= cos w 
E,=— 4 sin w. 


Man erhält die Werthe von «, ß,y, «,ß',y', a’, ß”,y’ aus (7), 
wenn man, da die durch diese Cosinusse bestimmten Normalen alle in der- 
selben Ebene liegen, in welcher die durch A, B, C und a, b, c bestimmten 
Normalen sich befinden, d.i. in der Einfalls-Ebene, den Winkel & vertauscht 
mit: —d, 0, d". 

Es seien G,, G,, G, die Cosinusse der Winkel, welche der Durch- 
schnitt der Einfalls-Ebene und der einfallenden Ebene mit den Elasticitäts- 
Axen bildet, und 7,, I,, I, die Cosinusse der Winkel des Durchschnitts der 
reflectirten Wellen-Ebene und der Einfalls-Ebene mit jenen Axen, so hat man 


aG, + bG, + <G, =0 
E,G,+ E,G,+ E,G, = 0 
und 
al, + PL, + yl, =o 
EI +EJL,+E&,/],=0 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Körper. 17, 


und hieraus erhält man, wenn man die Werthe für a, b,c, ,ß,y, E,„E„E, 
aus (7) und (9) setzt: 
G,=4Asing+C cosd cosw 
G,= — 005 $ sin w (10) 
G,=Csin$ — A cosd cos w 


und 
= Asin® — C cosd cosw 


1, 
I, = cos $ sinw (11) 
=(Csindg-+41c0s® cosu. 


m 


Um & und $’ durch $ zu bestimmen, hat man: 
“snso=sind und w’snds= sind”, 


wo u eine constante Gröfse = u ist, nämlich die gleiche Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit der beiderlei Wellen, wenn sie beide senkrecht auf der Axe 
sind, daher die erste dieser beiden Gleichungen keiner weiteren Untersuchung 
bedarf. In der zweiten Gleichung ist aber «” eine Function des Winkels, 
welchen die Normale der ungewöhnlichen Welle mit der Axe bildet, d.i. 
eine Function von y”, nämlich 


„2 


vr’ + (W—r’) y”, (12) 


wo = die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der ungewöhnlichen Wellen-Ebene 
ist, wenn sie parallel mit der Axe ist. Zur Bestimmung von &” hat man also, 
wenn statt y’ sein Werth durch $ ausgedrückt gesetzt wird, die Gleichung: 


sin’o $r’+ (u’—r°) (C cos$’+A sind’ cos w)’} = sin’®". (13) 


Von den zwei Wurzeln dieser quadratischen Gleichung entspricht die posi- 
tive der vorliegenden Frage; die negative hat ihre Bedeutung bei der Re- 
flexion im Innern des krystallinischen Mediums. 

Es sollen die Richtungen der Bewegung in der gewöhnlichen Wellen- 
Ebene und in der ungewöhnlichen gefunden werden; die Cosinusse der 
Winkel, welche die erste Richtung mit den Elasticitäts-Axen bildet, seien 
R,, R,;, R. und die zweite: AR’, AR}, R’. Die durch R/, R,, R! bezeich- 
nete Richtung ist der Durchschnitt der Wellen-Ebene, deren Normale die 
die Cosinusse «', @', y’ hat, mit der durch die Axe und diese Normale ge- 
legten Ebene; die andere Richtung, A}, R/, R’, steht senkrecht auf der 

Mathemat. Abhandl. 1835. C 


18 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Ebene, welche durch die Axe und durch die mit «”, 8’, y” bezeichnete Nor- 
male gelegt ist. Für die letztere Richtung hat man also: 


GER Ei BR: an y"R' —=o 


Rio 
oder j 
„ JeH a” 
14 EEE R=0. 
( ) Ve P”2 ? y Va?” ß”? ? 2 


Setzt man statt «”, £” die Gröfsen «', P’, so erhält man die Cosinusse der 
Normale der Ebene, welche durch «, £, y’ und die Axe gelegt ist, und 
demnach hat man: 
@R,+QR,+yR=o 
BR aR, —=0, 
woraus 
te! RE a a a 
ee eye 

Aus der gegebenen Lage der Wellen-Ebene soll die Richtung des ihr 
angehörigen Strahls gefunden werden. Bei der gewöhnlichen Wellen-Ebene 
steht der Strahl senkrecht auf der Wellen-Ebene; bei der ungewöhnlichen 
Wellen-Ebene hat der Strahl die Richtung des Radiusvectors, welcher von 
dem Mittelpunkt des Ellipsoids 

u?x°? + wy°+ De ur’, 
wo die Ordinate z parallel mit der optischen Axe ist, nach dem Punkt der 
Oberfläche gezogen wird, in welchem dieses von der gegebenen Wellen- 
Ebene berührt wird. Die Gleichung der ungewöhnlichen Wellen-Ebene ist: 
ex + P"y +y'2=0. 

Der nach dem Berührungspunkte gezogene Radiusvector bilde mit den drei 
Axen-Winkel, deren Cosinusse seien X, Y, Z, so ist seine Gleichung: 


x = —2, y=7° 


Für den gemeinschaftlichen Berührungspunkt des Ellipsoids und der Ebene, 
nach welchem diese Linie vom Mittelpunkt aus gezogen ist, ist aber 


„ 


dx RENREENT Y 
zit BE ET a" 
dr 2 ” 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 19 


Setzt man die sich hieraus ergebenden Werthe für 7 und X in die vorher- 
gehenden Gleichungen, und bemerkt, dafs X’+ Y+ Zu ı ist, so fin- 


det man: 


a ma” 
A 7 
75 aß" r 724 2a 72% 
Y= T T=Ved"r’+ Bar yo (16) 
ZEN 
TE er 
ZB 


Nennt man w” das Azimuth des Strahls in Beziehung auf die Einfalls-Ebene, 
und ö” seine Neigung gegen die Normale der brechenden Ebene 


2 2 
. 17 
Ay” sin u ame 


" nm 
tangu = ni DAB ren (17) 
sind’ + Ay” cos u 


N cos” =, Cy" 
cos d’ = — ——— (18) 


pr’ u"r2 
V!+ FE, 


G.2. 

Wir wollen jetzt die Gleichungen bilden, welche sich aus dem Princip 
der Gleichheit der Componenten ergeben. Die Einfalls-Ebene liegt im Azi- 
muth =, der Einfallswinkel ist $, die Brechungswinkel sind # und $. Die 
Geschwindigkeit der Bewegung in dem einfallenden Licht, parallel der Ein- 
falls-Ebene, sei S'; senkrecht auf der Einfalls-Ebene P, in dem reflectirten 
Licht, seien die beiden entsprechenden Componenten der Geschwindigkeit 
A, und R,, und die Geschwindigkeit der Bewegung in der gewöhnlichen 
Welle seien D’, in der ungewöhnlichen D”. Diese sechs Bewegungen zer- 
legen wir in ihre Componenten, parallel den drei Coordinaten-Axen, und 
dann giebt das genannte Princip folgende drei Gleichungen: 

PE,+S5SG,+R,E,+ RI = DR, +D'R} 
R L=DR,+D'’R; 
PE,+SG,+R,E,+ RL, = DR + D'R 
Multiplieirt man die erste, zweite und dritte dieser Gleichungen zuerst mit 


E,, E,, E,, dann mit F,, F,, F,, und endlich mit A, B=o, C, und addirt 
C2 


20 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


jedesmal die drei Producte, so verwandeln sich diese drei Gleichungen, 
wenn berücksichtigt wird, dafs: 
en F,G,+F,G,+ F;G0,=cos$ = FL +F,L-+F;l, 
AG, +CG;, =snoe=— (AL, +CI,) 
in die drei folgenden: 


P+ R,=D(RE+RErRE)+D’/R’E+R’E,+R'E,) 
(1) S+2R)c0s$=D(R,T,+R,T,+R!T,)+D/RF,+R/F,+-R'F,) 
(S-R,) sine = D/(R,A+R!C) +D’(R.A+R!C). 


Wenn man die Werthe von A, ..., R}.., E’.., T’.. aus (13), (12), 8), 
(7) des vorigen Paragraphen setzt, und statt «R'y’, «’ ß’y” diejenigen, 
welche sich aus den Gleichungen (6) $.4. ergeben, wenn in diesen, statt &, 
gesetzt wird & und $”, so findet man, nach gehörigen Reductionen:: 


R.E+ RE +R.E,= + 
ve 
BeB. BURN Rp pam = Teoengenin 
Vı—y"”2 
’ N , ’ 2 ei VSlDN ’ N 
Ras HaBE, = ae Amann 
6) N 
EF+RFR+ErR=+ 0 
Vi—y 
RA +R!C _ _ Sin oc sing’ — Acosel coswf 
Vı— y? 
R’A +R'C Ba nee 


Vi y": 
und demnach verwandeln sich die Gleichungen (1) in folgende: 


4 sin w +.D" C sing" — A Pos cosp" 
Vı—y’? Vz 


a. P+R,=+D 


Dr <° $d’(C sind’ — A cos d’ cosw) +D' A cos p” sin w 
N y® Vi 
D' sin b’(C sin d’— A cos d’ cos w) +D" A sin &” sin w 


vi=y® ZerZ 


(3)b. (S—-R,)cosp = 


ce. (S+R) sing = 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 21 


Ich werde jetzt die Gleichung entwickeln, welche sich aus dem Prin- 
cip der Erhaltung der lebendigen Kräfte ergiebt, und zu diesem Ende zuerst 
das Verhältnifs eines Volumens der einfallenden Welle zu denjenigen der 
gebrochenen und reflectirten Wellen aufsuchen, über welche sich die in 
jenem vorhanden gewesenen Geschwindigkeiten nach der Brechung und Re- 
flexion verbreitet haben. Es sei Fig. 3. «5 der Durchschnitt einer einfallen- 
den Wellen-Ebene mit der Einfalls-Ebene, welche die Ebene der Zeichnung 
ist, und AB der Durchschnitt einer der folgenden Wellen-Ebenen mit der 
Einfalls-Ebene; in @ denke man sich eine Linie, die senkrecht auf die Ebene 
ABab, d.i. den Durchschnitt der einfallenden Welle mit der brechenden 
Ebene, und denke sich diese verlängert bis «’; die drei Linien ad, aA, aa’ 
seien die drei Seiten eines rechtwinkligen Parallelepipedums, welches das 
ursprüngliche Volumen der einfallenden Wellen sein soll, womit wir die 
Volumina, über welche sich die in diesem vorhandenen Geschwindigkeiten 
in den gebrochenen und reflectirten Wellen verbreiten, vergleichen wollen. 
Die Endpunkte der mit aa’ parallelen Seiten des ursprünglichen Parallel- 
epipedon, welche durch A, B, b gehen, sollen mit 4’, B', # bezeichnet wer- 
den; die Seite Bd trifft die brechende Ebene in C, und die Seite Bd treffe 
dieselbe in C’. Ich werde, da wir annehmen, die einfallenden Wellen be- 
wegen sich in einem unkrystallinischen Medium, nur das Volumen in den 
ungewöhnlich gebrochenen Wellen zu bestimmen haben, da das Volumen 
der gewöhnlich gebrochenen Wellen wie in einem unkrystallinischen Me- 
dium bestimmt wird, und das Volumen in den reflectirten Wellen gleich ist 
demjenigen in der einfallenden Welle. Es sei CD die ungewöhnlich ge- 
brochene Wellen-Ebene, welche aus AB entstanden ist, und cd diejenige, 
welche aus «5 entstanden ist; alle Geschwindigkeiten, welche von dem ur- 
sprünglichen rechtwinkligen Parallelepipedum Aaa’ herrühren, sind ein- 
geschlossen zwischen den beiden Ebenen CD und cd. Die Entfernung die- 
ser beiden Ebenen, gemessen auf ihrer Normale aH ist @g. Die zu diesen 
Wellen-Ebenen gehörigen Strahlen seien «S und CT, und zwar aS der ge- 
brochene Strahl von aE und CT der gebrochene Strahl von CF; diese ge- 
brochenen Strahlen liegen im Allgemeinen nicht in der Ebene der Zeich- 
nung, d.i. in der Einfalls-Ebene; die Buchstaben D, d, c in der Figur 
sollen sich auf die wirklichen Durchschnitte der Wellen-Ebenen mit den 
Strahlen @$' und CT beziehen. Wir denken uns ferner durch die Punkte 


22 Nevmans: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


a’ und €’ zwei andere mit aE und CF parallele einfallende Strahlen: «’E’ 
und C’F’', und die diesen entsprechenden gebrochenen Strahlen bezeichnen 
wir mit a’S’ und C’T’; die Durchschnitte dieser Strahlen mit den Wellen- 
Ebenen, entsprechend den Durchschnitten D, d, ce bezeichnen wir mit D', 
d', ce’. Die Geschwindigkeiten, welche ursprünglich in dem rechtwinkligen 
Prisma ABab AB’a’ sich befinden, haben sich ausgebreitet auf den Raum 
des schiefwinkligen Prisma CDed C’D’c’d', das Verhältnifs dieser beiden 
Prismen ist also das gesuchte Verhältnifs der beiden sich entsprechenden Vo- 
lumina in den einfallenden und in den ungewöhnlich gebrochenen Wellen- 
Ebenen. Um den Inhalt des Prisma C’DD’d zu finden, wollen wir den In- 
halt der Basis CC’DD’ berechnen; diese Basis ist Fig. 4. dargestellt und 
durch die entsprechenden Buchstaben bezeichnet; @ ist der Durchschnitt 
der Ebene dieser Basis mit ihrer durch « gelegten Normale, und G’ ihr 
Durchschnitt mit ihrer durch @’ gezogenen Normale. Der Inhalt der Basis 
soll mit W bezeichnet werden, und der Winkel DGC durch /, der Winkel 
DCG durch £ und die Linie CC’ durch «. Die Einheit des Maafses sei aC; 
alsdann ist @C’= cos $", a@ = sin ®”. Der Winkel, welchen der Strahl «D 
mit der Normale a@ bildet, sei q, alsdann ist @GD = sin $’tangg. Man hat 


W=DCxCC'xcos&£=acos£xCD. 
Es ist aber 

CD cos&E=CG—GD cosY = cos’ — sin d” tangg cos % 
und also 


(3) W = a (cos$”’ — sin d” cos / tang g). 


Hierin mufs der Werth für tang g substituirt werden. Die Cosinusse der 
Winkel, welche der Strahl mit den drei Coordinaten-Axen bildet, sind oben 
(16) $.4. mit X, Y, Z bezeichnet und die Cosinusse der Normale der Wellen- 
Ebene durch «’, 2", y". Es ist cosg= «X +@’Y-+y’Z; seizt man hierin 
die Werthe für X, Y, Z aus $.4. (16), so findet man 

ua An wi An 2 =? + (u —r?) Su 


cos g = ———————t— — 
Vrta"? + a’R"? + ury"2 Vr* + (u?—r°) y"2 
und hieraus 
ru) yı Vz? 


m— (#? — u?) y’2 


B) 


(4) ungg=+ 


wo statt das + vor dem Werth von tang qg das -+ gesetzt ist. Dadurch erhält 
59 8 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 23 


in einaxigen Krystallen tang q immer einen positiven Werth, vorausgesetzt, 
dafs wie beim Kalkspath, die Axe des optischen Ellipsoids der kleinste Ra- 
dius desselben ist. Diese Voraussetzung werden wir, der Gleichförmigkeit 
wegen, bei der Discussion über die Wahl der Vorzeichen immer annehmen. 
Ferner mufs in dem Ausdruck für /V der Werth von cos W substituirt wer- 
den. Es ist % der Winkel, den die Einfalls-Ebene mit der durch die Nor- 
male der Wellen-Ebene und den Strahl gelegten Ebene bildet. Diese letzte 


Ebene bildet mit den drei Coordinaten-Axen a, y, s Winkel, deren Sinusse 


£ je a” : i 7. e 
sind & Tee En o, und die Sinusse der Winkel der Einfalls- 
Melt 4—y”? 
Ebene mit den drei Axen haben wir oben durch E,, E,, E, bezeichnet; es 
tE,Rß”"FE,«” SLERS £ es 
—Z 21@_, und wenn hierin die Werthe für E, E, aus 


n2 


ist also cosY = 
Vi=3 
$.4. (9) gesetzt werden, 
+ CP” sinw F«” cosu 
Vı—y”? 


Um über die Wahl des -+ oder — zu entscheiden, setzen wir r = o, so dafs 


! ep a’ 
TOSKANA 


Veen 2 

woraus, wenn aus (7) $.4. statt «’ und y” ihre Werthe gesetzt werden, man 
erhält: 

+ sin Ad” 


cos Y == en 
+V sin?! — 9” 


b) 
wo A=sinA, C=cos‘ gesetzt ist, und 90—A also die Neigung der bre- 
chenden Ebene gegen die optische Axe bezeichnet. 

Setzt man nun, wie dies in der That schon bei Herleitung der Formel 
(3) geschehen ist, den Winkel / = o in dem Falle, wenn der Strahl mit der 
Normale der brechenden Ebene einen gröfseren Winkel, als die Normale 
der Wellen-Ebene bildet, und umgekehrt, wenn er einen kleineren Winkel 
mit ihr macht, Y = ıso, so mufs man, da im ersteren Falle A kleiner als #" 
ist, und im letzteren Fall A gröfser als ®”, das obere Zeichen nehmen. Man 
hat also 


+ CP” sin w — «” cos w 


cos ' == SaeE 
u y, . 


24 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Setzt man hierin die Werthe, welche man für a”, £" aus $.4. (7) er- 
hält, wenn dort statt & gesetzt wird ®”, so findet man 


cos Yı —y””= C sind’ — A cos d” cosw 
und hieraus 


cosYWVYı —y”’sin®”’ = +C— G cos d” + A sind” cos w) cos d" 
=+(C-—y” cos”. 


(5) 


Setzt man aus (4) den Werth für tang q in (3): 
„ cos) y’Vi— y”? m) 


EZ (m? RZ 14?) SrEiRUUTE 


Haie (cos P’— sind 
und hierin statt: cosYVı—y”” sin $” aus (5), seinen Werth: 


Ron N y”(C— y” cos $”) (r?— 1?) 


Das Volumen des schiefen Prisma CC’DD werde ich mit Z” bezeich- 
nen; es ist, da @g die Höhe des Prisma ist, 


= GgxW. 


Es verhält sich aber diese Höhe Gg zu der Höhe Aa des entsprechenden 
rechtwinkligen Prisma AA4'Ca der einfallenden Wellen wie die Geschwindig- 
keit @” zur Geschwindigkeit Y. Die Höhe Aa sei durch H bezeichnet, so 
hat man 

1” sin ” 


m sin & H, 


und demnach erhält man: 


sin d’ cos p” I 0 cn 3 eh 
(7) Z’=.«H sin == = 2 ee m? — (m?—u:) y” 


Dies ist das gesuchte Volumen in den ungewöhnlich gebrochenen Wellen; 
das entsprechende Volumen in den gewöhnlich gebrochenen Wellen werde 
mit Z’ bezeichnet, und dasjenige in den reflectirten, welches gleich ist dem 
der einfallenden Wellen, durch Z. Man erhält diese Volumina, wenn man 
in (7) #®—u’=0 setzt, und statt $”, wenn Z’ bestimmt werden soll: 9, 
wenn aber Z gefunden werden soll, mufs statt #” gesetzt werden: &. Es ist 
also: 


10 
or 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 


ZI cH sin Bi cosh’ 
Di Ö 
Zi «Hl: 60310. 
Die Gleichung, welche aus dem Princip der Erhaltung der lebendigen 
Kräfte fliefst, ist: 
(P’+ se R};—R}) zZ — D"Z' + .D"?Z”; 


„ 


sie verwandelt sich also, wenn die eben gefundenen Werthe für Z, Z, Z 
gesetzt werden, und der gemeinschaftliche Factor «FH fortgelassen wird, in 


folgende: 


„(_C „ 
2 2 2 2\.° \L POBBER) D 28 HN 7 (m’—p?)y a) 
(P’P+S —R;—R})sinpcosp=D sin d’cosb’+ D""sinb”cos® oa (9) 


S.6. 


Um die unbekannten Gröfsen R,, R,, D’, D” zu bestimmen, hat man 
in (3) und (9) die hinlängliche Anzahl von Gleichungen. Es scheint aber 
beim ersten Anblick, dafs diese Gröfsen von quadratischen Gleichungen ab- 
hängen, wodurch eine Zweideutigkeit entstehen würde, welche nicht in der 
Natur des Gegenstandes liegt. Ich werde indefs zeigen, dafs das System von 
Gleichungen (3) und (9) sich in vier Gleichungen des ersten Grades auflöst. 
Multiplieiren wir die Gleichungen b. und c. in (3) $.5. miteinander, so er- 
halten wir: 
mtl = (A) 

Vı—y? 
= sin u) zen) _DD" (€ sin d’— A cos d’ cos w) Asin w sin (d’ BR 

ey? Vi y’2 Vı—y”? 


(S’— AR?) sin$ cos$ = D’” sin #’ cos 9 ( 
+.D"” sin®” cos $” 


Berücksichtigt man, dafs, wenn statt y’ und y” ihre Werthe, durch #, &’ und 
w ausgedrückt, nach (7) $.4. gesetzt werden, man hat: 


A ( C sin d’— A cos’ cos w )= AE A? sintw u 
Vi y® ET 
: 2) 
PR A sin w ) = (€ sind” — A cos PR w)? 
ee en Vz ’ 


so erhält man, wenn die Gleichung (1) von der Gleichung der lebendigen 
Kräfte (9) $.5. abgezogen wird: 
Mathemat. Abhandl. 1835. D 


236 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 
(3) (P’— R}) sind cos® 


DE sind’ cos no sin ? 2 —— +. Di sin b’ cos »" = ee Eau) 
2% — 97 — 
+ D'D"4X (€ sind’ — A cos’ cosw) 


n n 
3 Vom sin vw sin (P-+P"), 


Ge ar) ) gesetzt ist. 
ie TR 


Ich werde jetzt zeigen, dafs der Theil dieser Gleichung (3), rechts 
vom Gleichheitszeichen, sich in die zwei Factoren Mund N zerlegen läfst, wo 


wo A statt 


} A . R f (1 . DR] 72 
MD pn Gnn een). 
Ni—y'" Vı—y”? 
(4) 


A sin w 


N =D'sing' cos pP, 


1 y’? 
+D" = P” cos” . sind” — A c0s$” cos w) AV1— y”? sind” cosb” 
Vi—y’2 C sind” — A cos p” cos w 


Multiplieirt man nämlich diese Factoren miteinander und vergleicht das Pro- 
duct mit dem zweiten Theil der Gleichung (3), so sieht man, dafs diese Zer- 
legung richtig ist, wenn 

A sinwA (1—y”?) sind”cosd” 


je a LEE „ s ’ ’ “ ”„ U 
A sin w (C sind” — A cos p” cos w) (sin d’ cos b’-+ sind” cos$”) + ER 


Vize Vi23 
_ A sinw (C sind’— A cos d’ cos e sin (b’+P”) 
Vi: Vızy® 


ist. Diese Relation ist also zu beweisen. Läfst man die gemeinschaftlichen 
Factoren fort, so mufs sein: R 


sin &$”cos pP” (A —y”?) A 
C sind” — A cos p"cosw 


(5) (Csind’—Acosp"cosw) sin (B+P") cos(d — P")+ 


= (Csin® — A cosd$' cos w) sin (P +"). 
Es ist: 
(—rt)y’(C—y”ecosp”) , 
== " c0sp” (m? (m? 2—7°)y”?) 


Man findet: 
C—y"cos$’= sin p”’ (C sin #’— A cos #" cos w) 


und erhält aus 


(6) sin’o $r’+(u’—r’)y’}=sin’®’” und sin’pu’=sin’e 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. IM 
die Ausdrücke: 
eure sin?p’—sin?p” __ sin ($’—$”)sin(b’-+P”) 0) 
KH aingaa= 7) menge 
. 2,» 
p* MEBueN ung au P, 
Fr ( 2% sin ?«p 6) 


Setzt man die Werthe (6) (7) (8) in den Ausdruck für A, so verwandelt sich 
dieser in folgenden: 


sin d’— &” sin d’+$” (C sin $’— A cos” cos w) y” 9) 


Ser sind” cos” (1—y”?) 


Dieser Werth von A in der Gleichung (5) substituirt, und den entstandenen 
gemeinschaftlichen Factor sin (9 -+#”) fortgelassen, giebt: 


(Csind’— A cos $"cosw) cos (pP —$”) + sin (P —$")y’"=Csind— Acosd'cosw, 


eine Gleichung, von deren Richtigkeit man sich leicht überzeugt, wenn man 
bedenkt, dafs 


€ (sin $” cos (# —$”)— sin $) = — C cos ” sin (9 —®”) 
A cosw (cos®”cos(P — B”)— cosp)) = A cos u sin $” sin (d’—®”) 


ist, und dafs 
y"=(cos#’+Asing’cosuw. 


Die Richtigkeit der Zerlegung des zweiten Theils der Gleichung (3) 
in die beiden Factoren M und N in (4) ist also erwiesen; der erste Theil 
dieser Gleichung zerfällt in die zwei Factoren (P+R,) und (P—R,) sin ® cos d. 
Vergleicht man die Factoren jedes Theils der Gleichung (3) mit den beiden 
Theilen der Gleichung (3) a. in $.5., so sieht man, dafs die Gleichung (3) 
sich durch diese dividiren läfst, und man erhält statt (3) die folgende Glei- 


chung: 
: , ds 
(P—R,) sind cos = D’sin d’cos® Sr 
y 


sin #” cos d”’ (1 —y”?)A 


® „ „ “ ” ” 
sin b” cos” (C sind’ — A cos cp” cosw) + C sin d’— A cos d” cos w } 


Di 


Zee 


oder wenn statt A sein Werth aus (9) gesetzt wird: 


38 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


D' sin db’ cos b’ A sin w 


Vi—y'2 


(10) (P—A,) sind cosd = 


+D" | sin d” cos B” (C sin $’— A cos d” cos w) + y” sin (b’-H&”) sin (— $”) 
Vı —y"2 ? 


Setzt man statt y” in dem Factor von D” seinen Werth, nämlich: 


y’=(cos $’+ A sind” cosw, 
und bemerkt, dafs 


sin (#4 9°) sin (#9) sin’P— sin’, 
so findet man: 


sin $’cos d”(C sind”— A cos d”cosw) + y”sin (d+#”) sin (#— 4”) = C cos d”sin?$’— A sin d”cos?d’ cosw, 


welcher Werth in (10) gesetzt, diese Gleichung noch etwas einfacher macht. 
Die vier Gleichungen des ersten Grades, durch welche die Geschwin- 
digkeiten A, R,, D', D" bestimmt werden, sind also folgende: 


” 


— A cosd”cosw) 


_n, Asinw „ (Csind? 
a. (P+R,) =D 7 —— +D! Vaopz 
er 2=y 
: _ 7, Sind’ cosd’ A sinw „ (C cos d’sin”#’—A sin d’cos?d’ cosw) 
b. (P—-R,)sinp csp=D See Er 
(11) 1, re 

a ARME sind’ (Csind’— A N A sin d”sinw 

2 h} Vı—y” Vı-y” 
d. (S-R,)cos® aim cos d’ (C sin d’— A cos d'cosw) + D’ 4 cosdb”’sinw 

Yı yr Vı-y"* 


8.7. 


Es ist leicht aus a. und b. der Gleichungen (11) des vorigen Para- 
graphen die Gröfse R, zu eliminiren, und aus c. und d. die Gröfse R,; man 
findet 


2Psinp cosp = az sin (P-+&')cos(P— P) A sin w 
Sr 


D" 
Yı _y"? 


2Ssinp csd=— 


(1) + $C (sin®”sind cosp + cosh”sin?P’)—A cosw (cosh”sind cosp + sinb”cos’P’)} 


" 


sin(P”’ +) Asinw 


sin(b-+P') (Csinp’—Acosw cosb") + 


D 
Vı-y"” 


und eliminirt man aus denselben Gleichungen P und $, so erhält man: 


Vı—y”” 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 29 


2R,sinp cosh = sin (P— 0) cos ($ +’) A sin w 


Vı-y”* 
DE . . EDEN} 2 [2744 . , o 
er $C (sin $”sin$ cosp — cos p” sin?) — A cos w (cos$”sind cosp—sind”cos?p’)} (2) 
1—y” 
e DIEB: r ) d . 3 
aR, sind cos& ze: sin (B—$’) (C sind’ —A Ne = sin (P— pP”) A sin w. 
1—y ME y” 


Aus (1) erhält man die Geschwindigkeiten in dem gewöhnlichen und in dem 
ungewöhnlich gebrochenen Strahl. Setzt man nämlich: 


N=sin(6+#)(C sin’ —Acos u cos$’) (C (sind”sind cosp-+ cos$”sin*&’)—Acos w (cosd’sinp cosk +sing”cos?$')) 
+4? sin’w sin (+6) cos (b—#’) sin (b-+@”), 


so erhält man: 
ah Yi —y'”sın dcos® 
D=2 RE aan x 
$Psin(p-+$”) Asina—S (C(sinp”sinpcosp+cosp”sin?P')—Acosw(cosp”sinpcosp-Hsinp”cos?$’))} 
D'=3 V:—y”? sin & cos & x (3) 
N 
$P sin (B +9) (C sin $’ — A cos w cos”) +8 sin (+9) cos (p— P) A sin ut. 


Diese Werthe in die Gleichungen (2) gesetzt, sieht man, dafs die Ausdrücke 
für die Geschwindigkeiten in den beiden, senkrecht und parallel mit der 
Einfalls-Ebene polarisirten, reflectirten Strahlen die Form haben: 


R »=P 12 +Ss $ 
A, — piPler iss: 
und man findet für p und s folgende Werthe: 
Np=sin(d+$')(Csind’—A cos w cos‘) ( € (sind”sind cosd—cosh”sin?6’)—4cos w (cosb”sind cosb—sind”cos” $)) 
+4*sin’w sin (b—d') cos (b+4°) sin (b-+4”) 
Ns=-sin($—$#’)(Csin®’—Acosw cos#’)(C(sind”sind cosb-+coss”sin?&’)—Acosu (cos#”sind cosp+sing’cos?d))) 
— 4’sin’o sin (d-+4)) cos (b— #’)sin (#— 4”) 
und für p’ und s’ nach einigen Reductionen:: (5) 
Np = — A sinv (C sin # — A cos u cos 9) sin 26 sin (#— ®’) 
Ns’ = — 4 sinu (C sin ++ A cos w cos d') sin 29 sin (#’ — ®”.) 
Setzt man in diesen Ausdrücken für D’, D’, R,, R, den Winkel 
#=6", d.h. nimmt man an, dafs nur eine einfache Strahlenbrechung statt 


30 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


findet, so verwandeln sie sich in die oben $.3. für die Reflexion an un- 
krystallinischen Medien gefundenen Werthe. Es wird nämlich, wie man 
sogleich sieht, s’=o und p=0, und 


_ sin($—P)) cos(P+9P)) _ _sin(p—P) 
(a) P'—= sin(D 1-') cus(Pp—p)? Ve sin (P+P) E 
Setzt man diese Werthe in (4), so findet man für R, und A, die im 6.3. 
aufgestellten Werthe für die reflectirten Bewegungen in den senkrecht und 
parallel mit der Einfalls-Ebene polarisirten Lichtstrahlen. Man erhält fer- 
ner aus (3), wenn man berücksichtigt, dafs 


j 1— y”= 4’ sin’o + (C sin 9’ — A cosw cos $))* 
1st: 
sin?®(P’-+®) cos (P—$)V1— y'? 
D’— z RP c0s$TP (@ sin P—A cos cos@) sin (+9) + SAsinwsin(p+o)eost@— 
sin?(P’+ 4) cos(P —p)Vi— y’? 


= R z P R A ., Asin 
und hieraus zieht man, indem man einmal die erste Gleichung mit Vor > " 
ar P 1—y’ 
h h «., Csınd’— A cos’ cos ee 5 A 
und die zweite mit IT? —4eos@ cosw multiplieirt und dann die erste mit 


Vi—y’? & 
ö R u AnSIn « 
und die zweite mit - 


€ sind’ — A cos’ cos w oe > 
SOWIE EIEDEREOT ——— multiplieirt, das erstemal die 
1—y'° 


Vi—y’2 
‘ 
Producte addirt, das zweitemal sie von einander subtrahirt: 


D' Zalueı +D" Sein een Ben ac EN 
b) Vı—y’? Vi—y’2 sin (+) cos(P—P) 
( um C sind’ — A cosw cos’ +D" Asnm) 1 2a dleog% |; 
Vı—y’? Vı—y’? sin (PHP) 


Wenn x, den Winkel bedeutet, den die Einfalls-Ebene mit der Ebene 
bildet, welche durch die Axe und die Normale der unter $ oder ®” ge- 
brochenen Wellen-Ebene gelegt wird, so findet die Bewegung .D” statt in 
dem Azimuth 90 —x% und die Bewegung D’ in dem Azimuth 1ıs0 — x, das 
Azimuth gerechnet von der Einfalls-Ebene an. Zerlegt man also die beiden 
Bewegungen D’und D” nach der Einfalls-Ebene und senkrecht darauf, und 
nennt die Componenten respective D, und D,, so hat man: 


(©) D,=—D'cosy+ D’siny, 
c 
D,= D'sing-+D"cosy. 


p 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 31 


e A sin 
und siny = —— 
7 7 73 


ist, vergleicht man daher (b) und (c) miteinander, so ergiebt sich: 


€ sind’ — A cos do’ cos w 


Nun findet man aber, dafs cos = 


> 2P sind cosb a 
PT sin (P’+p) cos (PP) 
__.2S sin cos 
TI Z 
Dies sind aber dieselben Werthe für D, und D,, welche wir oben im $.3. 
gefunden haben. 


$.8. 


Aus den Gleichungen (4) und (5) kann man die Gesetze der Polarisa- 
tion des Lichtes durch Reflexion an krystallinischen Oberflächen ableiten. 
Ich beschäftige mich mit dieser Untersuchung um so lieber, weil die sehr 
schätzenswerthen Beobachtungsreihen des Hrn. Dr. Seebeck zur Verglei- 
chung mit den theoretischen Resultaten vorliegen, und aus dieser Verglei- 
chung eine sehr schöne Bewährung der Theorie hervorgeht. 

Man kann, ausgehend von den Erscheinungen der Reflexion an un- 
krystallinischen Oberflächen, den Polarisations- Winkel auf eine doppelte 
Weise definiren: 1) als denjenigen Einfalls-Winkel, unter welchem ein senk- 
recht auf der Einfalls-Ebene polarisirter Strahl auf die reflectirende Ebene 
fallen mufs, damit der reflectirte Strahl verschwinde; oder 2) als denjenigen 
Winkel, unter welchem natürliches Licht reflectirt werden mufs, damit der 
reflectirte Strahl nur Licht, welches parallel mit der Reflexions-Ebene 
polarisirt ist, enthalte. Diese Definitionen sind aber beide, streng und all- 
gemein gesprochen, nicht anwendbar auf krystallinische Oberflächen. — 
Nehmen wir an, das einfallende Licht sei senkrecht gegen die Einfalls-Ebene 
polarisirt, so haben wir für das refleetirte Licht nach (4): R,= pP und 
R,=pP, und die Intensität des reflectirten Lichtes: 


R’+R’=(p’+p”)P°. 


Diese kann also nur in den Fällen durch eine schickliche Wahl des Einfalls- 
Winkels & verschwindend gemacht werden, in welchem, unabhängig von &, 
die Gröfse pP = ist, was bei unkrystallinischen Oberflächen zwar immer 
der Fall ist, bei krystallinischen aber nur in gewissen besonderen Fällen. 


32 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Man kann aber die erste Definition allgemeiner fassen, so dafs sie auf 
krystallinische und unkrystallinische Körper anwendbar wird, dafs nämlich 
der Polarisations-Winkel derjenige Einfalls-Winkel sei, unter welchem ein 
senkrecht auf der Einfalls- Ebene polarisirter Strahl reflectirt werden müsse, 
damit im reflectirten Strahl kein senkrecht auf der Reflexions-Ebene pola- 
risirtes Licht enthalten sei. Diese Definition des Polarisations-Winkels zu 
Grunde gelegt, erhalten wir ihn durch die Auflösung der Gleichung p=, 
d. i. für p seinen Werth gesetzt mit Weglassung des gemeinschaftlichen Fac- 


ER 
tors N: 


(1) 0=4?sin?u cos (+9) sin (—4)) sin (#+4”) 
+sin(d+$’)(Csinp—4 cosu cos$’)$C (sind”sin d cos6— cos b”sin?#)—A cos u (cosd”sinb cosp—sind”cos?4’)} ’ 


wo die Relationen zwischen ®, &, #” folgende sind: 


5 sind =nsin® 
2) 1—r’sin?usin?”&b 
sin’& 


tang? de” = u? (C + A sinw tang $”)? + =? (A?— C cos uw tang $”)?. 

Ich werde jetzt zeigen, dafs auch der zweiten Definition des Polarisa- 
tions-Winkels in der Reflexion auf krystallinischen Oberflächen nicht genügt 
werden kann, und zu dem Ende den Ausdruck der reflectirten Lichtintensität 
geben, wenn das einfallende Licht unpolarisirt war. Das natürliche Licht 
mufs man sich vorstellen als eine so rasche Folge von Oseillationsbewegungen 
nach allen Richtungen, dafs man annehmen kann, dafs während des kurzen 
Zeitmoments, welches erforderlich ist, um einen Lichteindruck im Auge hervor- 
zubringen, in allen Azimuthen gleich viel Oscillationen stattgefunden haben. 
Es sei die Intensität des gesammten einfallenden Lichtes = I?, so wird die 
Intensität desjenigen, das seine Oseillationen im Azimuth £ ausführte, sein: 
Enjer dieser Theil giebt im reflectirten Lichte: 


(R?)=(pcosß+s'sinß)? — 08 
(R2) = (p’cosß + s sin ß)? TOR. 


Die Intensität des gesammten reflectirten Lichtes, welches senkrecht, und 
desjenigen, welches parallel mit der Einfalls-Ebene polarisirt ist, erhält man, 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 33 


wenn man von (R}) und (A}) die Summe in Beziehung auf alle Werthe von 


® nimmt; dies giebt: 


2 o [24 z2 
R,= (p’+s?)Z 
R=(p’+s') 


Das reflectirte Licht wird vollständig nach der Einfalls-Ebene polarisirt sein, 
wenn 2°+s = 0 ist, und der durch diese Gleichung bestimmte Einfalls- 
Winkel & wird der Polarisations-Winkel, zufolge seiner zweiten Definition, 
sein. Aber dieser Gleichung ist, wie man sieht, im Allgemeinen nicht zu 
genügen, nur in den besonderen Fällen, wo s’= 0, unabhängig von $; als- 
dann ist der Polarisations-Winkel durch » = 0 bestimmt. Die zweite Defini- 
tion des Polarisations-Winkels kann aber leicht so allgemein ausgesprochen 
werden, dafs sie auf krystallinische eben so gut wie auf unkrystallinische an- 
wendbar ist, nämlich: der Polarisations-Winkel sei derjenige Ein- 
falls-Winkel, bei welchem natürliches Licht reflectirt werden 
mufs, damit es vollständig polarisirt sei. Bei unkrystallinischen 
Körpern fällt die Polarisations-Ebene des durch Reflexion vollständig pola- 
risirten Lichtes immer mit der Reflexions-Ebene zusammen, bei krystallini- 
schen Körpern dagegen ist dies nicht der Fall. Es ist Dr. Seebeck, welcher 
diese merkwürdige T'hatsache zuerst als eine allgemeine hat kennen gelehrt 
(Pogg. Ann. d. Phys. Bd. XXT.), obgleich Brewster schon früher (PAxlos. 
Transact. 1819.) sie unter besonderen Umständen, durch welche die Ab- 
lenkung der Polarisations-Ebene von der Reflexions-Ebene aufserordentlich 
vergröfsert wird, aufgefunden hatte. Es ist leicht aus den Gleichungen (4) 
$. 7. den so definirten Winkel der vollständigen Polarisation und 
das Azimuth, in welchem diese stattfindet, abzuleiten. Dieses Azimuth werde 
ich die Ablenkung der Polarisations-Ebene nennen. 

Die beiden Bewegungen, A, und A,, von denen die erste in der Re- 
flexions-Ebene statt findet, die zweite senkrecht darauf, wollen wir zerlegen 
1) parallel mit einer Ebene, die durch den reflectirten Strahl gelegt ist, und 
mit der Reflexions-Ebene den Winkel « bildet, und 2) senkrecht gegen diese 
Ebene. Die erste Componente sei A}, die zweite A); alsdann haben wir: 


R,=R,sina+R,cosa=P (p sina-+p'cos«) +S (s’sina@-++scos«) 
R,=R,cosa—R, sina=P (pcosa— p'sin«) + S(s’cos« —s sin a). 
Mathemat. Abhandl. 1833. E 


34 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Der reflectirte Strahl wird vollständig in dem Azimuth « polarisirt sein, 
wenn R,—=0, unabhängig von P und $. Man hat also, damit eine vollstän- 
dige Polarisation des natürlichen Lichtes durch Reflexion statt finden soll, 
zu genügen den Gleichungen: 

p cosae—p'sne=0 


s cos — ssina—0, 


welches durch eine schickliche Wahl von « und des Einfalls-Winkels & im- 
mer geschehen kann. Der Winkel « ist das Azimuth, welches wir die Ab- 
lenkung der Polarisations-Ebene genannt haben. Eliminirt man « aus diesen 
Gleichungen, so hat man, um den Winkel der Polarisation zu bestimmen : 


(3) ps—ps=®, 


und die Ablenkung der Polarisations - Ebene ist: 
(4) tanga = — . 

Ich werde im Folgenden den durch (3) bestimmten Einfalls-Winkel 
den Winkel der vollständigen Polarisation nennen, auch wohl 
schlechtweg: Polarisations-Winkel; denn es scheint mir doch dieser 
Winkel eigentlich der zu sein, welcher mit demjenigen, den man an un- 
krystallinischen Körpern den Polarisations-Winkel genannt hat, die gröfste 
Analogie besitzt; auch ist es dieser Winkel, den Seebeck beim Kalkspath 
für die verschiedenen Flächen und Richtungen der Reflexions-Ebenen voll- 
ständig durch Beobachtungen bestimmt hat, und den Polarisations-Winkel 
genannt. Übrigens sind die Unterschiede zwischen den durch (3) bestimmten 
Einfalls-Winkeln und den durch (1) bestimmten, d.i. durch y=o von der 
zweiten Ordnung in Beziehung auf die Differenz (r—u*), die nur bei so 
stark doppeltbrechenden Medien, wie Kalkspath, der Beobachtung nicht 
ganz entgehen. 

In dem besonderen Falle, wo die Reflexions-Ebene parallel mit dem 
Hauptschnitt der reflectirenden Ebene ist, d.i. wo v0, hat man s’=0, 
also auch «=, und der Winkel der vollständigen Polarisation hängt ab von 


p=2, d.i. von 


(5) C (sinp”sinp cosp— cosp’sin’$') — A(cosp”sinp cosp— sinp”’cos’#)=0, 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 35 


wo 
sin =usin® 


tang’p’—=sin’&b fu? (C-+Atango”)’+r’(A— Ctangg”)’}. (6) 
Aus (5) erhält man: 


Asind cosp + € sin ?d’ 


tang (1 — 27729 
ie) C sin cosp + Acos?p 


und hieraus: 
A? cos?p’— C*sin?p’ 
Acos?p + Csinpcosp ’ 


AC—+ sind cos 


— Ctaned’= 2 i ’ 
A—Ctang$ Acos?p + Csindcosp 


Atangd +C= 


Mittels dieser drei Relationen eliminirt man &” aus (6); dies giebt: 


Asindcosp + € sin?’ 
( sind 


) - v’(AC+sind cosp)’—=r’(A?cos’d — C*sin’p))*. 


Der erste Theil dieser Gleichung löst sich, wie man leicht sieht, in folgen- 
des Product auf: 

(A’— sin’) ( —u’C’—sin’s), 
wodurch, da A?cos’®’— C* sin’® = A’— sin’o’ ist, die Gleichung, in Bezie- 


hung auf sin’, lineär wird: 
(1 —u’C’— #’A4’— (1— z’u?) sin’ot $A’— sin’o} = 0. 


Nur der erste Factor enthält die brauchbaren Wurzeln, und der Polarisations- 
Winkel für den Fall, wo der Hauptschnitt mit der Reflexions-Ebene zu- 
sammenfällt, ist also: 


U—r’) Alu)? (7) 


sn’ do= FREE 
Dies ist dieselbe Formel, welche Seebeck bereits aus theoretischen 
Betrachtungen hergeleitet und deren Richtigkeit sich durch die Vergleichung 

mit seinen Beobachtungen bewährt hat (Pogg. Ann. d. Phys. Bd. XXTI.). 
Ich werde jetzt den Fall, der nächst diesem der einfachste ist, unter- 
suchen, den nämlich, wo die Reflexions-Ebene senkrecht auf dem Haupt- 
schnitt steht, wo also = 90° ist. Setzt man in (3) die Werthe von p, s, 
p', s’ aus (5) $.7., führt die angeführten Multiplicationen aus, und vernach- 
lässigt die gemeinschaftlichen Factoren sin (d—9), sin (#+4), und N’, 
von denen nur der erste in dem besonderen Falle eine Bedeutung hat, wo 
o= 6 ist, d.h. wo das krystallinische Medium von einem unkrystallinischen 
E2 


36 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Medium umgeben ist, dessen Brechungs-Coeffhicient seinem gewöhnlichen 
Brechungs-Coeffieienten gleich ist, — einen Fall, den ich später besonders 
untersuchen werde, — dann erhält man: 
A cos(P—9') cos (P+P) sin (B+9”) sin (#— 2”) 
+C' sin? (sin’p"sin’® cos’P — cos’ p”sin'$') 
+ 4°C? sin d' cos ($—$') sin (P+P”) (sin$#” sind cosp — cosd” sin’ ®) 
+ 4°C” sin cos ($-+P') sin ($—P”) (sin p” sind cos® + cosp”sin’®) = 0. 


Diese Gleichung löst sich in zwei Factoren auf: 


$. 4° cos(P—P) sin (P-+P”) + C’sin (sin $’sin $ cosb +cos P’sin’®')} 

$4°cos(#+0') sin (P— 9") + C’sin $ (sin 9’sin $ cos — cos$’sin’P)} = 0, 
von denen der erstere keine für die vorliegende Frage brauchbare Wurzeln 
hat, wie man sich überzeugt, wenn man d’ —=#” setzt, d.h. diese Gleichung 
auf den Fall eines unkrystallinischen Mediums anwendet. Der Polarisations- 
Winkel ist also allein durch den zweiten Factor bestimmt: 


, 


(8) A’cos(P-+9) sin (p—P') + C’sin dp’ (sin $” sind cos$ — cosd” sin’®)=0. 


Es ist leicht hieraus $” mittels der Gleichung (2) zu eliminiren, welche man 
in diesem Falle, wo cosw = 0, schreiben kann: 


73 sin Py 1+ Fer A? 
K 


tang od’ = 7 


2 2 
1— a2 sin?og—— —E- n2sin?$ 
KH 


oder, da sind —=usin® 


(9) tang 9’ = tang p' 


E 
rn 


1— tang?p’ 
Setzt man nämlich: 

r A? cos(P+P') ind — C’sin’! =M 
19) A?’cos(#+P')cosp — C’sinp’sinpcos$=N, 


so erhält man aus ($) und (9): 
‚ a®—u? 


M?° cos’ — N’ sin’ = (M’+ N’ 4°) sin’® nn? 


welches, wenn aus (10) gesetzt wird: 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Körper. 37 
Meos® — N sind’ = (A’+ C? sin’) cos(d-+$)sin($—$)) 
Meos$'+N sind’ = A? cos(#+9')sin (#+9)— C* sin’®' cos (b—$)sin (+9), 


sich verwandelt in: 
(M°-+ 4? N?) sin? 


er sin(d—') sin(d-+$') (A? C*sin?p’) (4? costp+P)— C*sin?$’cos(p—P’)) (11) 


Nun findet man, wenn man die Werthe für Mund X setzt, dafs M?+4°N’ 
den Factor A’+C”sin’$ hat; aufserdem ist 


1—u? 


sin’p'; 


sin (—P) sin (+9) = 


n? 
dadurch verwandelt sich die Gleichung (11) in: 
mu? 


(A?cos’P — sin?®’)?-+ A? cos? (p-+P') sin? (d—P') En 12) 


eos(p+9) 42cos (P+P') — C? sin?’ cos (p—P’) 


Diese Gleichung läfst sich aber nur annäherungsweise auflösen, da sie 
vom vierten Grade ist. Man bringt sie am einfachsten in die gewöhnliche 
Form der algebraischen Gleichungen durch folgende Substitution : 


cosh’ __ 
OR 
woraus sich findet: 
E z°—1 R 2? (2 
sin’& = 777) ing 
xI—[aT xT— la (13) 
cost cos: al) 
10) = a2 u? b) P Tem zu? 


_ Dadurch verwandelt sie sich in folgende Gleichung: 
Aa+m)’a—ux)’— C’ula’— 1) —ux?) (14) 
— (Aa) u) +A au) a 1)a—un)} 


==i0s 


1— un? 
Von den vier Wurzeln ist die für die vorliegende Frage brauchbare Wurzel 
wegen (13) dadurch bestimmt, dafs wenn u kleiner als ı ist, & gröfser als ı 
sein mufs, und umgekehrt, wenn u gröfser als ı, & kleiner als ı ist, wobei & 
aber immer positiv bleiben mufs. 

Die Form der Gleichung (12) ist sehr geeignet, um sin’® nach den 


2 2 


Potenzen von 


— zu entwickeln; multiplieirt man beide Theile der Glei- 
chung mit cos(p—') und setzt auf der linken Seite 


38 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


cos (+9) cos (PP) =1— (141?) sin?®, 
so erhält man: 


1 _(4?eos’p—sin’®)’+A°cos?(P+9) sin?(P—P') ‚ 
u 4° 608 (PHP) — C* sin? ®’ cos (P—p') cos(P—P) 1— a?’ 


sin’d= 


und hieraus findet man: 


1 
+1? 


m’—u? 
1— 


Iiruzc? r 
PM 


(15) sin’d= (sur) 4) (IE) +} 


1—p 

Zur Prüfung der Gleichung (12) habe ich den Polarisations-Winkel 
beim Kalkspath im Azimuth » = 90 für die Flächen berechnet, für welche 
Seebeck ihn durch Beobachtung bestimmt hat. Ich stelle zur Vergleichung 
das Resultat der Rechnung und der Beobachtung in folgender Tafel zu- 
sammen : 


Neigung der reflec- Berechnete Beobachtete 
tirenden Flächen | Polarisations- Polarisations- Unterschied. 
gegen die Axe. Winkel, Winkel. 

o 0 ° 1 o ’ ’ 
012 55 54.9 53 56 + 1,1 
023 58 54,9 58 56,1 + 12 

27 2 59 19,1 59 3,9 15,2 
45 23,5 59 53,4 59 50,9 — 2,5 
45 29 5905335 59 47,7 — 5,8 
45 43,5 59 54,1 59 46,7 _ 7,4 
64 1,5 60 26,3 60 14,8 — 11,7 
89 47,5 60 33,4 


Um die allgemeine Gleichung für den Polarisations-Winkel zu ent- 
wickeln setze ich: 


C (sin®”sin® cosp — cos®”sin’®') —A cosu (cosp”sinp cosb — sind’cos’$)—= M 
C (sind sin cosb + cosp”sin’P') — A cosu (cos®’sinp cosb + sind’cos’P)—= NM’ 
C sind — A cosw cosd’ —=N. 

Dadurch verwandelt sich die Gleichung (3), nachdem einige leicht zu über- 
sehende Reductionen ausgeführt sind, und der gemeinschaftliche Factor 

on fortgelassen ist, in folgende: 
cos(d-+P') cos(B—P') sin(d-+9”)sin(B—”) A*'sin'u+ N’ MM’ 1 
+ c0s(d+9') sin(p—9") A’sin’w NM + cos(P—$') sin(d-+9") A*sin’« NM 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 39 


und diese löst sich in folgende zwei Factoren auf: 


(cos ($—P) sin (P+9") A sin’w+ NM) 

(cos (+9) sin (p—$") A’ sin’w+- NM), 
von denen nur der letztere die brauchbaren Wurzeln enthält, wie man sich 
überzeugt, wenn man, wie oben, = #” setzt. Stellt man also die Werthe 
für N und M wiederum her, so erhält man folgende Gleichung, wodurch 
allgemein der Polarisations-Winkel bestimmt wird: 


cos(#-+P') sin (P—p”) A? sin’w+ (C sind’ — A cosw cos$') X (16) 
$C (sind”sin® cos$ — cosp”sin’p') — A cosw (cos$’sind cos —sind”cos’#')}=0, 


aus welcher $” eliminirt werden mufs durch: 


2 „„fA—r°sin?wsin?& 2 ned IR 
tang’& a) (C+Aecosutang$”)’+r’(A—Ceoswtangp”)’(17) 
Hr. Seebeck hat eine Reihe Beobachtungen über den Polarisations- 
Winkel auf der natürlichen Bruchfläche des Kalkspaths in den verschiedenen 
Azimuthen angestellt; für dieselben Azimuthe habe ich die Polarisations- 
Winkel nach (16) und (17) berechnet und sie mit den beobachteten in 


folgende Tafel zusammengestellt: 


Berechnete Beobachtete 


w Polarisations- Polarisations- Unterschied, 
Winkel. | Winkel, 
o° ’ o ’ o ’ ’ 
00 57 20,1 SIT, —0,4 
22 30 57 42,9 57 45,9 +3,0 
45 0 55 34,9 55 33,9 —1,0 
x 67 30 59 30,1 59 29,1 — 1,0 
90 | 59 53,4 | 59 50,9 2 


Ich glaube nicht, dafs man eine gröfsere Übereinstimmung der Beob- 
achtungen mit der Theorie erwarten darf; sie bestätigt eben so sehr die 
Richtigkeit der Theorie, als sie die grofse Geschicklichkeit des Beobachters 
beweist. 

Da der vorher besonders untersuchte Fall für cosw= 90° auf eine 
Gleichung des vierten Grades führte, so darf man nicht hoffen, die Wurzel 
der Gleichungen (16) und (17) anders als durch eine Reihe auszudrücken. 
Es ist leicht, die Gleichungen zu diesem Zweck in eine ähnliche Form, wie 


40 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


(12) zu bringen, und die Wurzel dann nach den Potenzen von I= zu 
entwickeln. 

Man sieht unmittelbar aus den Gleichungen (16) und (17), dafs der 
Polarisations- Winkel für + w und —w derselbe ist; dafs aber auch der 
Polarisations-Winkel sich nicht ändert für w und 150—w, wie Brewster zu- 
erst beobachtet hat und Seebeck es bestätigt gefunden, erforderte eine 
nähere Untersuchung. Ich entwickelte die Wurzel von (16) nach den Po- 


tenzen von =’—p” und fand sie bis zur dritten inclusive unabhängig von 


den ungeraden Potenzen von cosw. Hieraus wurde es mir sehr wahrschein- 
lich, dafs sie überhaupt unabhängig davon sei. Die ausgeführte Elimination 
von $” aus (16) bestätigte diese Vermuthung. Meine Rechnung ist aber so 
weitläufig, dafs ich sie nicht hinschreibe, um so weniger, da mir die fol- 
gende kürzere mitgetheilt ist. 

Aus (16) nehme man den Werth: 


!+m cosw 


tange d’— 
5P n-+-p cosw 


wo /, m, n, p nur gerade Potenzen von cosw enthalten sollen. Man findet: 
1= A’sin’w sind cos(d-+9') — C* sin’P’+ A? cos’w cos$'sind cos® 
n— A’sin’wcos®d cos(P+P') — C* sin sind cos$ + A? cos’w cos’®’ 
m —= AC sind’ $sin d’cos$’— sin® cos$ } 
p = ACcos$’Ssin® cos$ — sind’cosQ}. 
Man substituire in diesen Ausdrücken für sin ® cos® überall den Werth: 
sind cos$ = sind’ cos$’+ cos (d-+9)) sin (P— 9), 
so erhält man: 
1= A?cos($-+9)) $sin’w sin$ + cos*w cosp’sin (dp —P)} + sin M 
n= _cos(6d+9)$A’sin’w cosp — C*sin p'sin (P—9)}+cosp M 
m = — AC sin $ cos (+9) sin (d—$)) 
p= ACcosgp'cos(P+P)) sin (#—9)), 
wo der Kürze halber gesetzt ist: 


M = A? cos’w cos’$' — C* sin’. 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 41 


Man setze ferner in den Werthen von /,n für sin ®, cos d, wo sie allein vor- 
kommen, die Werthe 
sin d = sin ®' cos (d—$)) + cos $' sin (d—P') 
cosp — c05 cos (P—d') — sin d' sin (d—)), 
so erhält man 
2 = 4? cos (d-+4)) $sin ?u sin d’ cos (PP) ++ cos d sin (d-P)} + sind’ M 
n= _ cos(b-+$)) $4? sin ?w cos’ cos(b—b') — (C’-+A? sin? w) sind’ sin (d-P’)} + cos d’M. 


Es sei jetzt 
2!-+m’ cosw 


C+Acosuwtange’ = 
en a 5P np cosw 


Um!” cosw 


A— C cos w tangd”’ = . 
ntp cosw 


so wird 
!=Cn+Aco’um mM=Cop+Al 


"= An+C cos’um m’= dp—Cl 
oder wenn man die zuletzt angegebenen Werthe von /, m, n, p substituirt: 
! = C c0s(d+$)) $4° sin *u cos d’ cos (d—P’) — sin d’ sin (dB) + C cos$’M 
m’ = Acos ($-+b') $A? sin ?w sin d’ cos (bb) + cos’ sin (Pp—P)} + A sin d’M 
"’ = Asin?w cos (d-+d’) $4? cos P’ cos (dd) — sin d’ sin (d-P)} + A cosd’M 
m” = — 4° C sin ?w sin d’ cos (d-+#’) cos (b—d’) — C sin d’M. 
Aus diesen Ausdrücken bilde man die Werthe von: 
!&lsing, m=#Y'sind 
Isinw + VY—ıl", msinw + Y—ı m” 
und setze der Kürze halber: 
cos (HP) $ 4? sin ?w sin d’ cos (P—h’) + (cos P’+-C) sin (d-P)} + sing M =D 
cos (d-+$') $4° sin *w sind’ cos (PP) + (cos P’—C) sin (p-P)} + sind M = D’ 
A sin w cos (b+d') $4 sin w cos (db) — VA sin (d)-P)$ + M=E 
A sin» cos (d+$') $A sinw cos (PP) + V-1sin(g #9) HM=E, 
so erhält man 
I! —! sing =(i-Cceos$)D, I +17 sind’ = (1+cos4').D' 
m — msnd = —4Asind'D, m+msn®—=+4Asing'D', 
Mathemat. Abhandl. 1835. F 


42 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


ferner. Hab KR 
I sino-F Y—ıl" = (sinw sin®’+Y—1 A cos$) E 


I sinu— V—1l" = (sinw sind’ — V—ı A cos) E’ 
msinuw+ VY—ım'= — C V—-1 sin PE 
msina— VY—ım'= CV-ısin oE. 
Es ist aber 
(n+p cos w) Stang d”— sin d’ (CHA cos w tang d)} = Hm cos wu — sind’ (Hm? cos w) 
(n-+p cos w) Stang b”+ sin d’ (CHA cos w tang$”)} = I4-m cosu-+ sin d’ (2’-+m! cos w) 
(n-+p cos w) $sin wtang d’+ V-1(4-Ccosw tangp”)t = sinw(l4-mcos w)-HV— 1(2”-Hm” cosw) 
(n-H+p cos w) $sin wtang d”— Vi (A—0 cosw tang p”)$ = sin w (4H-mcosw) —V— 1 (?’+m” cosw) 


und daher, wenn man n+p cosw = N setzt 
N Stang b”— sin d’ (C+A cosw tangd”)} = (L—C cos d’— A cosw sind’) D 
N Stang” + sin d’ (CHA cos w tang d”)$ = (14-C cos h’+ A cos w sin d’) D’ 
N Ssin w tang d”’+- V—1(4—C cos tang PR = Ssinw sind’ + V—1(4 cos’ —Ceos wsin PR E 
N sin w taug d"— V—1(A-C cosw tangp")} = $sin » sind’ — = (4 cos’ — C coswsind’)} E. 
Substituirt man diese Werthe in die Gleichung (17), die man so darstellen 
kann: 
tang ?d”’— sin ?d’(C+Acosw tangh”)” = 7” sind $sin "wtang ?P’+(d—C coswtangp”)??}, 
so erhält man, da 
1— (0 cos +A cos w sind)’ = sin’w sin’®’+(A cos$’ — C cosu sind')”, 
die Gleichung 
0o= $1ı—(C cos +A cosw sind')’} $DD’—r° sin’sEE?}, 
welche sich, da der erste Factor für einen reellen Werth von $' nie ver- 
schwinden kann, auf folgende redueirt 
(15) o= DD_—-7° sin’®EE', 


in welcher nur gerade Potenzen von cosw vorkommen. 

Dies ist die Gleichung, wodurch allgemein der Polarisations-Winkel 
bestimmt wird, nachdem $” eliminirt ist. Setzt man für D, D', E, E ihre 
Werthe, so bekommt man: 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 43 


$eos(d-+$)) (A? sin? sin d’ cos(p dp) + cos’ sin(P—b')) + sin d’ (4? cos?w cos?’ —C? sin?p)}? 
= sin?& $4° sin?w cos (P+$') cos (db) +4? cos? u cos?$’—C* sin?d’}? (19) 
+ 7° sin?$ 4? sin?» cos? (d-+b)) sin’ (d—$’) + C* sin? (d—’) cos? (PHP). 
Setzt man für r? sin? $ seinen Werth: 
7’ sin’d = sin’®d’+r°’— u? sin?® 
und bringt die Gleichung (19) in die Form: 
R= S(r#’—u?) sin?® (20) 
so findet man 
R= cos(d+$))sin(d—$)sin(p+P) SA sin? w cos(dp+P’)+-(4?cos*u cos?’ —C*sin?$’)cos(p—$)} 
S = $A’sin’w cos(b+P)) cos(p—P’)HA’cos’wcos’p’—C’sin’p’t’+A’sin?u c0s’(P-+-P)sin’(d—Q)). 
Man hat also, wenn man statt sin ($—') sin (#+-#') seinen Werth (1—u?) sin?& 
schreibt: 


(21) 
(A? sin?u cos(#+6’) cos(d—-#’)-+A4? cos? uw cos?d’—C*sin?6’)’-+A? sin?wcos? (#+46’) sin? (#6) 
{ 4°” sin’w cos (6+4') + (4° cos’w cos? #’—C* sin’#') cos (b—$') }. 


Multiplieirtman diese Gleichung auf beiden Seiten mit cos (d#—#') und schreibt 
statt cos (d-+$') cos (P—P') seinen Werth 1—(1+4?) sin?®, so erhält man: 


ne 

len (22) 

er rn #')+A?cos?wcos? SEN #')’-+4 "sin? w cos? (#+6)) sin? (#4) r 
° sin?w cos (#+#’)+ (4° cos’w cos’$—C’ sin’4') cos (b—$) }eosd-6 » 


welche Form zur Entwickelung von sin?# nach den Potenzen von ei “ sehr 
passend ist. Da cos(®#-+9') zugleich mit r?—u? verschwindet, so erhält man 
unmittelbar das Glied von sin *®, welches von der ersten Potenz r?—u? ab- 
hängt, indem man cos (#-+4$’) = 0 setzt: 


re eine ——- (4? cos?w cos? —C? sin?$) 


._ 9 
sın"o = - 
2 1-4” 11° 


oder (23) 
sin?o zit 1 i den (= Ze). 
1414” 7 14-14” 


Will man nun noch das folgende Glied, welches von (r2—u?)? abhängt, so 
kann man in (22) cos’(#+d') = 0 setzen, und erhält dann: 


F2 


44 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


2 2 
. 4 1 ” ir 
sin’ = en x 


$.42 a 27 agelany a..n r ‚ 
R N 1A cosawlc0s39 — Cusin $+24’sin?u cos(6+6)) cos(d-#)Tcos(d-#) 
{4° Con Di (4* cos’w cos?#’—C? sin’d') cos($-6)+ 4? sin?w cos (+4) )} 


oder 


4 2 ar 2002 r’zp? n 2.2, 6082(6=$)) 
Er (A? c05?u cos ’b’— C*? sin ’P) — er cos(b-+d’) A? sin?w le 

Setzt man in den zweiten Theil dieser Gleichung den Werth von sin? aus 

(23) und vernachlässigt die dritten Potenzen von r?—u?, so findet man 


2 2 2 
(24) sin’ = U a —e Ger cos’u— CO’ u —n 
1+u iu 1+n: 


m’—u (A? cos’o-+C?) = 
a u (4?cos’w— C?a? De -+A? sin? (1 ( 


Man sieht, dafssin?® = —; wird in dem Azimuth w’ für welchescosW —+° ER; 
in diesen vier Aemuthen, verhält sich also die krystallinische Oberfläche wie 
die Oberfläche eines unkrystallinischen Körpers mit dem Brechungs - Coeffhi- 
cienten m und es ist cos(#+#) =. Dies gilt aber nicht allein annäherungs- 
weise, sondern streng, wie man aus (21) ersieht, aus welcher Gleichung sich 
ergiebt, dafs wenn cos ($-+P) = 0 ist, auch A? cos w cos? —C? sin?9’ = 0 
sein mufs, und umgekehrt. 

Es kann von Interesse sein, die Gleichung (19) in der gewöhnlichen 
Form der algebraischen Gleichung zu haben. Man gelangt am einfachsten 


8 
durch die oben schon gebrauchte Substitution dazu, nemlich durch 


dies giebt die Gleichung: 
$u(A? sin?w+n?C?) + (u?) a—u (1—A? cos?w)x?}? 
— m°$4? sin 2u+u?C?— (u?— A? cos?u)x?}? 
+ (1-u?) $r? 4? sin?wo+ u? C’— (#? A? sin?o+ C?)x?} (ı—uxr)? = 0, 


deren Entwickelung nach den Potenzen von x ich nicht weiter hinschreiben 
will. 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 45 


.9. 


Ich werde mich jetzt mit der Gleichung (4) des vorigen $. beschäfti- 
gen, durch welche die Ablenkung der Polarisations-Ebene durch 
Reflexion bestimmt wird. Das in dieser Gleichung vorkommende & bezeich- 


net den Polarisations-Winkel. Der Werth für s’ ist nach (5) $. 7. 
‘;—=— A sin» sin (9 —d”) (Csind’ + A cosu cos p') sin2& 
und der Werth von s daselbst verwandelt sich, wenn in ihm statt 4° sin’wx 


sin (d—&”) sein Werth aus (16) $. 8. gesetzt wird, in folgenden Ausdruck :: 


se 1 (0? sin ?’— A? cos ?w cos ?&’) sin (P’—$”) sin2$ 
BT TC EIER WERTTAUTBENT IE 
Man erhält demnach für die Ablenkung der Polarisations-Ebene «: 


4 sin» cos (b-+$’) (di) 
€ sind’ — A cosw cos’ 


tang == 


Dieses einfache elegante Resultat läfst sich in folgendem Theorem_ aus- 
sprechen: 

Die Tangente der Ablenkung der Polarisations-Ebene ist 
gleich der Tangente des Winkels, welchen die Polarisations- 
Ebene der gewöhnlichen Wellen-Ebene mit der Einfalls-Ebene 
bildet, multiplicirt mit dem Cosinus der Summe des Winkels der 
vollständigen Polarisation und desihm entsprechenden gewöhn- 


lichen Brechungs-Winkels. 


Dafs nämlich in die Tangente des Winkels ist,welchen die 
E sin d— A cosw cos& {e) 
Einfalls-Ebene mit der Richtung der Bewegung in der gewöhnlich gebroche- 
nen Wellen-Ebene, d. i. mit ihrer Polarisations- Ebene bildet, davon über- 
zeugt man sich leicht aus den Gleichungen (2) $. 5. 2), wo der Sinus dieses 
Winkels nach den in $. 4. und $. 5. erklärten Bezeichnungen 

j, r ’ 772 ’ 7 Asin u) 

RE+RE+RE=— VER 

My? 


angegeben ist. 
Zur Untersuchung der Frage, in welchen Azimuthen die Ablenkung 
der Polarisation verschwindet, d. h. tang «= o ist, dient die oben gemachte 


46 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Bemerkung, dafs cos (#-+9') zugleich mit (C* sin’p— A? cos’w cos’$') ver- 
schwindet, und nur in diesem Falle = 0 wird. Die Ablenkung der Polarisa- 
tions-Ebene wird also = 0 werden, wenn: 


(2) A sinw (C sind’ +A cosd' cosw) — 0 
ist. Demnach findet keine Ablenkung statt 


1) wenn A=0, d. h. auf der geraden Endfläche, 
2) wenn sinw=0 oder = 180 ist, d. h. wenn die Reflexions- Ebene 
parallel mit dem Hauptschnitt 


c ‚ c 
3) wenn cosy = — Z tangp = og 


Es ist nämlich, wenn cos (#-+#') = 0 ist, tang ’ —= u. 

Durch die dritte Gleichung sind im Allgemeinen zwei Azimuthe 
gleichen Werthes aber entgegengesetzten Zeichens bestimmt. Jede reflecti- 
rende Ebene wird also im Allgemeinen in 4 Theile getheilt, etwa so, wie es 
in Fig. 5. durch den Hauptschnitt AH, und die Linien AB, BC geschieht; 
je zwei aneinander stofsende Theile geben im Vorzeichen entgegengesetzte 
Ablenkungen, und sind getrennt durch Richtungen ohne Ablenkung. Die 
Richtung HH theilt das ganze System von Ablenkungen in zwei symmetrische 
Hälften. Die beiden andern Richtungen ohne Ablenkung AB und CD fallen 
zusammen in eine Linie, die senkrecht auf HH steht, wenn die reflectirende 
Ebene eine mit der Axe parallele Lage hat. Je mehr sich die reflectirende 
Ebene gegen die Axe neigt, je mehr nähern sich die Linien AB und BC der 
Linie HH, und zwar auf der Seite 7’, welche im Azimuth u» = 150 liegt, so 
dafs also die Linie H’H mit der durch H nach unten gelegten Axe einen 
spitzen Winkel in I einschliefst. Es giebt eine gewisse Neigung der reflec- 
tirenden Ebene gegen die Axe, wo die beiden Linien AB und BC mit BH’ 
zusammenfallen, und von wo an die Fläche nur noch eine Linie ohne Ab- 
lenkung hat, den Hauptschnitt; diese Neigung ist bestimmt durch 


. —tanele =. 


Beim Kalkspath ist diese Neigung 58° 55’, also etwas stumpfer als die Fläche 

des ersten stumpferen Rhomboöders, die etwa 54° gegen die Axe geneigtist. 
Wenn man in (1) von tang « alles ernächliseier, was von der zweiten 

Potenz von (u°—r*) abhängt, so kann man aus (21) des vorigen $. setzen: 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 47 


m’—u? A? cos?w cos ’b’—C? sin ?@’ 


N) cos (d—$) 
und hierin sin’® = 0? wodurch man erhält: 
, z—u: (A? c0os?u—. Cu: 
eos (+9) =" (— —), 
dies giebt: 
(1-Hu?) u? —r? 


tanga = 4 sin w (A cosw + Cu) —— 


214 1-14" 


Die Ablenkung « ist also in Substanzen wie Kalkspath, in welchen r> « ist, 
positiv von w=0 bis v= w, wenn cosW— — < K, von w = w bis w = 180 
ist sie negativ. Umgekehrt verhält es wenn r<wu. Es scheint nöthig, 
über die Bedeutung der positiven und negativen Neigungen einige Erläute- 
rung zu geben. Es sei IHK in Fig. 6. ein Kalkspathrhomboäder, MH seine 
stumpfe Endecke, HH’ der Hauptschnitt der Rhomboöderfläche HH'G. Es 
sei ferner EI ein auf diese Fläche fallender Lichtstrahl, der in ZR noch dem 
Auge in A reflectirt wird; er stellt den Durchschnitt der Einfalls-Ebene 
RIE mit der reflectirenden Ebene HH'G vor, so dafs also eIE= 90 — @ ist, 
und HIe=w. Wenn der Lichtstrahl ZA durch die Reflexion vollständig 
polarisirt ist, und « einen negativen Werth hat, so liegt seine Polarisations- 
Ebene auf der linken Seite in Beziehung auf das Auge in R. Dies beruht 
darauf, dafs wir in den Formeln (11) $. 6. angenommen haben, dafs die Be- 
wegung P von der Einfalls-Ebene aus nach der rechten Seite geschehe, und 
die Bewegung S in der Einfalls-Ebene von unten nach oben, und dafs die 
Bewegungen R, und R, respective in denselben Richtungen stattfinden. 
Um die Maxima von « zu finden, hat man nur das Differential dieses 
Ausdrucks nach w gleich o zu setzen, und erhält so folgende Gleichung 


C2 


cosu=—tlur) a (3) 


Von den beiden Richtungen der Maxima der Ablenkungen wandert, während 
die Neigung der reflectirenden Flächen gegen die Axe zunimmt von o bis 90°, 
die eine von w = 45 bis w = 90 und die zweite von w= 135 bis w= 180, aber 
so, dafs die letztere viel rascher sich dem Azimuth ıso nähert, als die erstere 
sich dem Azimuth 90 nähert; wenn 2 — u, hat sich diese dem Azimuth 90 so 


genähert, dafs cos»—=-;, während die zweite Richtung in das Azimuth 150 


» 
r7 


48 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


gefallen ist, und damit als Richtung eines Maximums verschwunden ist. Von 
einer so gegen die Axe geneigten Ebene an, für welche 3 =» ist, bis zu der- 
jenigen, welche senkrecht gegen die Axe geneigt ist, giebt es nur eine Linie 
der gröfsten Ablenkung; diese Linie nähert sich der Rechtwinkligkeit mit 
dem Hauptschnitt immer mehr, zugleich wird das Maximum immer kleiner, 
und es wird =, wenn die Linie ohne Ablenkung senkrecht auf dem Haupt- 
schnitt steht. Dies tritt ein auf der gegen die Axe senkrecht stehenden Ebene, 
hier ist die Ablenkung in allen Azimuthen = 0. 

Ich bin so glücklich gewesen, diese Resultate der Theorie über die 
Ablenkung der Polarisations-Ebene nicht nur im Allgemeinen bestätigt zu 
finden in den Beobachtungen, welche hierüber Hr. Seebeck schon vor 
langer Zeit angestellt hat, und die er die Güte hatte, mir mitzutheilen ; 
ich habe auch die numerische Berechnung der Gröfse der Ablenkung auf eine 
Weise mit seinen Beobachtungen in Übereinstimmung gefunden, dafs ich die 
grofse Geschicklichkeit und den Grad von Genauigkeit bewundern mufste, 
womit dieser Experimentator so feine und delicate Phänomene zu bestimmen 
gewufst hat. Hr. Seebeck wird ohne Zweifel seine Beobachtungen selbst 
sehr bald mittheilen, und ich mufs den Leser darauf verweisen. 

Bis jetzt haben wir uns nur mit dem Falle beschäftigt, wo unpolarisir- 
tes Licht von der krystallinischen Fläche reflectirt wurde. Wir wollen jetzt 
annehmen, das auf die reflectirende Ebene auffallende Licht sei bereits pola- 
risirt. Ich werde das Azimuth der ursprünglichen Polarisation mit a bezeich- 
nen, so dafs also in den Formeln (4) $. 6. = —tangaist. Die Polarisations- 
Ebene des reflectirten Lichts wird durch die Reflexion eine Drehung erlei- 
den, und ich werde ihr neues Azimuth mit ö bezeichnen. Es ist allgemein 
tang do = 2 Wenn der einfallende Strahl senkrecht auf der Einfalls-Ebene 
polarisirt ist, sei die Drehung seiner Polarisations-Ebene, d. i. der Winkel, 
den die Polarisations-Ebene mit derjenigen macht, die senkrecht auf der 
Reflexions-Ebene steht, gleich d,, und wenn er parallel mit der Einfalls- 
Ebene polarisirt war, sei die Drehung mit ö, bezeichnet. 


Es ist alsdann 


tans = p 

ang 6, z 

(4) 
tanako, — —. 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 49 


Man kann die Ausdrücke von p, p', s, s’ in (5) unter folgende Formen brin- 
gen, in welchen die Glieder nach dem Unterschied der Brechungen (9—#") 
geordnet sind 
Np=  sin(#—$)cos(P+9') sin (+9) (1—Y’?) cos(# —P")—II sin(P —o”) 6) 
Ns = —sin(#+$)cos(P—P) sin (B—P)) (1—y”) cos(# —$”)— M’'sin(# —$") 
wo, wenn man der Kürze halber setzt 
T=y'sin® cos +Csin’®-+A cosw cos’$' 
T=y'sin® cos®# —C sin’P—A cosw cos’, 
die Werthe von M und M7’ folgende sind: 
M = sin (#—$') cos’(#+9') A sin’w+-sin (#+9) (C’sin # —Acoswcos$)T 
M = sin (#+P)) cos’ (#— pP) A’ sin’u— sin (#— 9) (Csin® — Acoswcos$)T'. 
Die Werthe von p’ und s’ sind nach (5) $. 6. folgende: 
Np = —A sin wo (C sin d'-—A cos$' cosw) sin 2$ sin (d —Q”) 6 
Ns = —Asin vw (Csin®+4A cosw cos) sin 2 sin (P —Q”). 
Diese Werthe von p, s, p', s', in die Gleichungen (4) substituirt, geben: 
RUN ER — A sino (€ sin d’ —A cos w cos d') sin2P tang (P’— P”) 
8 77 sin (PP) cos(P+P)) sin(P+P) d—y)—M tang (P’— ®”) 


A sinw(C sin P’+ÄA cos w cos ®’) sin 2P tang (d’— P”) 
sin (P+P)) cos (P—P’) sin (PP) (1—yY’?) + M’ tang (P’—P”)" 


(N 


R 
tang ON 


Die tang (P—®”) hängt ab von einer quadratischen Gleichung, die man leicht 

bildet aus sin ’®’ = sin ’s(#’+(u?— r°)y”?) und sin’®’ =w”sin’®. Zieht 
man diese Gleichungen von einander ab, so erhält man: 

2 2 G 

> N . ‚ „ Or} MATT o 

sin (#+®”) sin (# — 9”) = (1—y”?) sin °$ : (5) 

Setzt man hierin statt 9” überall #— (—®”) und dividirt durch cos’(#’—”), 

so erhält man die quadratische Gleichung für tang (#—”); ihre kleinste 

* .” - = . nd - - . 
Wurzel ist in (7) zu setzen. Für die numerische Rechnung wird es bequemer 


n2 


1? 


sein, diese aus (8) durch angenäherte wiederholte Rechnung abzuleiten. 
Will man in den Winkeln von tang d, und tang d, nur die ersten 


2 2 
PR 


Potenzen von a berücksichtigen, so darf man in tang d, das Glied von 


Mathemat. Abhandl, 1835. 2 G 


50 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


ı\2 


tang (#—$”), welches von (2° abhängt, in den Fällen nicht vernach- 
lässigen, wo die Reflexion in der Nähe des Polarisations-Winkels statt findet, 
weil alsdann cos(#-+4#') gleichfalls den Factor #”—r* hat. Geschieht die 
Reflexion unter dem Polarisations-Winkel, so ergänzen sich die beiden Ab- 
lenkungen der Polarisations-Ebenen bei ursprünglich senkrechter und paral- 
leler Polarisation d, und ö, einander zu 90° und die letztere d, wird gleich 
dem Winkel «, d.i. der Abweichung der Polarisations-Ebene, wie sich 
aus (3) und (4) $. 8. ergiebt. 

Beide Ablenkungen d, und ö, verschwinden auf der gegen die Axe 
senkrechten Fläche und auf jeder andern, wenn die Reflexions-Ebene paral- 
lel mit dem Hauptschnitt derselben ist. Aufserdem giebt es auf jeder Fläche 
in jedem Azimuth der Reflexions-Ebene zwischen 0 und + 90° einen Einfalls- 
Winkel, bei welchem ö, = 0 wird und in jedem Azimuth zwischen + 90° und 
ıso einen Einfalls-Winkel, bei welchem d, verschwindet. Das System dieser 
Einfalls-Winkel wird symmetrisch durch den Hauptschnitt der reflectirenden 
Ebene getheilt. Um für jede reflectirende Ebene das System von Strahlen 
zu erhalten, in welchen die Drehungen bei paralleler und senkrechter Pola- 
risation verschwinden, dient folgende Construction: 

Es sei Fig. 7. HH’ der Hauptschnitt der reflectirenden Ebene, die in 
H mit der unter ihr liegenden Axe einen spitzen Winkel einschliefst. Als 
Mittelpunkt des Krystalls nehmen wir einen auf der in errichteten Normale 
der brechenden Fläche liegenden Punkt, dessen Entfernung von N wir = 1 
setzen. Man mache MNN=MN=4* 2, beschreibe um M und M’ mit dem 
Halbmesser IIN zwei Kreise. Jede vom Mittelpunkt des Krystalls nach der 
Peripherie des Kreises M gezogene Linie stellt einen gewöhnlich gebroche- 
nen Strahl vor, der aus einem solchen auffallenden Strahl entstanden ist, 
welcher keine Drehung bei ursprünglich senkrechter Polarisation erleidet, 
während die vom Mittelpunkt nach der Peripherie des Kreises M’ gehenden 
Strahlen von solchen einfallenden Strahlen durch die gewöhnliche Brechung 
herrühren, die keine Drehung bei ursprünglich paralleler Polarisation 
erleiden. 

Welches mufs das Azimuth der einfallenden Strahlen sein, damit der 
reflectirte Strahl entweder parallel oder senkrecht gegen die Reflexions- 
Ebene polarisirt sei? 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 51 


Ich werde das erstere Azimuth mit d,, das zweite mit d, bezeichnen. 
Aus den Gleichungen (4) ergiebt sich, dafs, wenn der reflectirte Strahl pa- 
rallel mit der Reflexions-Ebene polarisirt sein soll, 2,= 0 sein mufs; es 
mufs also = — 5 sein und daher: 


_ je = tang d,. (7) 


Dieselbe Betrachtung zeigt, dafs 
= 7 = tang d,. (8) 


Diese beiden Azimuthe der ursprünglichen Polarisations-Ebene d, und d, 
werden sich gleich, wenn die Reflexion unter dem Winkel der vollständigen 
Polarisation vor sich geht, denn dieser ist ja nach (3) $.8. bestimmt durch 
—— 7 Es wird bei diesem Azimuth gar kein Licht reflectirt. 


Es ist — 5 oder — 2 wenn für & der Winkel der vollständigen Polarisation 
gesetzt wird, die Tangente des Azimuths, in welchem ein Strahl ursprünglich 
polarisirt sein mufs, damit er durch die Reflexion unter dem Polarisations- 
Winkel gänzlich verschwindet. Diese Tangente verhält sich zur Tangente 
der Ablenkung der Ebene der vollständigen Polarisation wie — szup. Man 
sieht, dafs man den Winkel der vollständigen Polarisation durch Reflexion 
auch definiren kann als den Einfallswinkel, unter welchem ein in dem Azi- 
muth d, oder d, polarisirter Strahl nicht reflectirt wird. 

nn sieht man das d, und ö, sowohl als 90 — d, und d, zugleich 
a und dafs bei demselben Einfalls-Winkel nd AOSIDEn Ein- 


falls- Ebene: 
tang d, __ cotgd, 
tang d. = tang 0, ; 


Der allgemeine Ausdruck für das Azimuth & der Polarisations-Ebene des 
reflectirten Strahls, wenn das Azimuth der ursprünglichen Polarisation « war, 


so dafs also tang « = S ist, ist folgender: 


= tang « + tang Ö, 


zus I= 1—cotg d, tang« " 9) 


G2 


52 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


$. 10. 


Bis jetzt habe ich angenommen, dafs »’— u? gegen ı— u? eine kleine 
Gröfse ist, wie dies der Fall ist, wenn der Krystall von Luft umgeben ist. 
Wenn aber 1— u” selbst eine kleine Gröfse ist, oder gar =0, dann treten 
Eigenthümlichkeiten auf, welche näher zu verfolgen um so mehr von Inter- 
esse ist, als Brewster diesen Fall schon vor sehr langer Zeit durch das 
Experiment verfolgt hat, und neuerlich hierher gehörige viel versprechende 
Beobachtungen angestellt zu haben scheint. Dieser Fall tritt ein, wenn auf 
der reflectirenden Fläche sich eine Schicht einer Flüssigkeit befindet, in 
welcher sich das Licht nahe eben so geschwinde bewegt als in dem Krystall. 
Dadurch werden einige Gröfsen, welche bei der Reflexion von der Doppel- 
brechung abhängen, aufserordentlich vergröfsert, z. B. der Winkel, den wir 
dieAbweichung derPolarisations-Ebene genannt haben, der, wenn das Licht 
aus der Luft auf den Krystall fällt, immer nur einige Grade beträgt, der aber 
bei einerschicklichen Wahl einer Flüssigkeit bis auf 90° gesteigert werden kann. 
Bei solchen enormen Vergröfserungen dieses Winkels war es, dafs Brewster 
die Abweichung der Polarisations- Ebene entdeckte (Philos. Trans. 1819). 

Ich werde mich also mit den Gleichungen der Polarisations-Winkel 
und der Abweichung der Polarisations-Ebene noch einmal beschäftigen, in 
der Voraussetzung, dafs ı—u” eine kleine Gröfse, oder das $ wenig von # 
verschieden sei. Entwickelt man die Gleichung des Polarisations-Winkels 
(16) 8.8. nach den Potenzen von sin ($—®) = Rene 


sın (b+4') 
die Glieder der dritten und höhern Ordnung in Beziehung auf 1ı—u” und 


und vernachlässigt 


=’— u”, so erhält man: 
(1) (da?) cos(p+P)— (r?—u?) $A? sin? w cos(p+P') + A? cos?w cos’p’—C? sin’pt = 0. 


Hierin kann man bei demselben Grade der Annäherung setzen für: 


1— 


4 


2 
cos (d+P') = 00520 — a sin ’o', 


indem hierdurch nur Glieder der dritten Ordnung vernachlässigt werden. 
Setzt man alsdann für cos 2% seinen Werth cos’P—sin’p' und dividirt die 
Gleichung durch cos°9', so erhält man: 


2$ 2 2 ey 0n2 
6) Dale Paar?) AH (iu?) H 
©) un3s,9 (1—#°? — (R’— 1”) sin °w) A? (du — u? (=®—1#°)) GE 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 33 


woraus! 

1— 7?) 4? 1—n2)C? 

Ga. > in O2 LER (3) 
1— 14" 7° — (a — u) A" sin "w 


sin’ = 


Für den Fall sin »—= 0 giebt dieser Ausdruck für den Sinus des Polarisations- 
Winkels ein genaues Resultat, dasselbe, welches in (7) $. 8. angegeben ist. 
So lange #° und u°, oder wenn man, statt die Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit des Lichtes in der den Krystall berührenden Flüssigkeit = 1 zu setzen, 
diese v nennt, so lange = und En kleiner als ı sind, erhält sin & einen mög- 
lichen Werth, und ebenso wenn beide gröfser als ı sind. Man übersieht 


dies am leichtesten, wenn man setzt: 


2 2 
en Ben 
zmion, gi. 
Dadurch erhält man: 
! 2 2 
2 VA rl ’ 
Sy (dHhr—_l v—(v—/) sin wo) AH (V +v—bo) c“ ( ) 


oder wenn man das Product Yy vernachlässigt 


1072 2 
ED VA’ + vC - 
sind. 1 = — FR 2) 
p (+ —w—/)) sin?) + (Hr /) G“ ( ) 
Die beiden Grenzfälle sind: 
Y=o0 sin’ = © 
ILtL Page sin u 
A? 


VE sin” ln oem) 
3 2 14+4°" sın "w 


Die letztere Gleichung hat aber gänzlich ihre Bedeutung verloren, denn für 
den Fall, wo die umgebende Flüssigkeit genau denselben Brechungs- Coeffhi- 
cienten wie der gewöhnliche des Krystalls hat, giebt es keinen besondern 
Winkel der vollständigen Polarisation — wir werden sehen, dafs in diesem 
besondern Fall jeder reflectirte Strahl vollständig polarisirt ist. Wir werden 
später auch den sonderbaren Umstand aufklären, wie die Gleichung (4) für 
jeden noch so kleinen Werth von v gilt, aber nicht für v— 0. 

Die Gleichung (4) giebt immer einen reellen Werth für #, so lange v und 
W zugleich positiv oder zugleich negativ sind. Wenn aber diese beiden Gröfsen 
entgegengesetzte Vorzeichen haben, dann giebt es Fälle, wo der Polarisations- 
Winkel unmöglich wird. Wenn z. B. die umgebende Flüssigkeit einen 


94 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Brechungs-Coeffieienten hat, der gerade in der Mitte zwischen dem gewöhn- 
lichen und ungewöhnlichen Brechungs-Coefficienten des Krystalls steht, 
wenn also —=— v, dann erhalten wir: 

5 42 —c? 

sin’® = ee 
welches sin & imaginär macht, z. B. für alle Flächen, welche gegen die Axe 
schärfer als 45° geneigt sind, und auf den übrigen Flächen giebt es nur eine 
beschränkte Anzahl Azimuthe, wo der Polarisations-Winkel reel ist. Auf 
einer Fläche parallel der Axe ist für »—= 90 der Polarisations-Winkel 
sin’d= ee) beiw=4sist sin’9=3» also $ nahe = 90, für kleinere » wird 
$ bald unmöglich. In dem Azimuth »—= 0 giebt es nur reelle Werthe für 
den Polarisations-Winkel in dem kleinen Intervall der Neigungen der Flächen 
gegen die Axe von 45° bis 4°—C’=\, und in diesem kleinen Intervall 
varliren sie von o bis 90°. Man sieht also, dafs durch eine solche Flüssigkeit 
auf der Krystallfläche der Einflufs der krystallinischen Structur auf den 
Polarisations-Winkel bis in’s Enorme gesteigert werden kann. 

Die Gleichung für die Abweichung der Polarisations -Ebene (1) 8.9. 

verwandelt sich, wenn man statt cos (#+#') seinen Werth aus (1) d. $. setzt, 


nämlich: 
m? —n?)(A? cos?w cos?p’—C? sin ?$’ 
co N) 
1— 2° — (a — a”) A sin "w 
in: 
2__2 : nr / 
(6) ne ee 7 Belang @ sin 2 a co cos) 
° 1— 4? — (#?— u?) A? sin ?w 


Diese Formel müfste die Beobachtungen darstellen, welche Brewster 1819 
in den Philos. Transact. bekannt gemacht hat, über die Ablenkungen der 
Polarisation an der gemeinschaftlichen Grenze zwischen Kalkspath und Cassia- 
Öl, wenn diese genau unter dem Polarisations-Winkel beobachtet wären, 
was nicht der Fall gewesen zu sein scheint; denn dieser variirt ungefähr zwi- 
schen 30° und 45° auf der natürlichen Bruchfläche mit Cassia-Öl bedeckt, und 
Brewster scheint immer in der Nähe der Incidenz 45° beobachtet zu haben. 
Ich will aber doch aus dieser Formel die Abweichung der Polarisations- 
Ebene für diesen Fall, nämlich wenn die natürliche Bruchfläche des Kalk- 
spaths, bedeckt mit Cassia-Öl, die reflectirende Ebene ist, berechnen, und 
sie mit den Beobachtungen von Brewster zusammenstellen. Wenn wir auch 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 55 


wegen des angegebenen Umstandes keine grofse Übereinstimmung zwischen 


Berechnung und Beobachtung finden werden, so wird doch der Gang der Ab- 


weichungen der Polarisations-Ebene in beiden noch derselbe sein, was schon 


als eine Art Bestätigung der Formel (5) angesehen werden mufs. Diese Formel 


verwandelt sich, wenn die reflectirende Ebene unter 45° gegen die Axe geneigt 


ist, was bei der natürlichen Bruchfläche des Kalkspaths nahe der Fall ist in: 


IT ch . . 
—— sin w (sin d’-+ cos w cos &’) 
tanga= EEE : (7) 
1-17 — sın "w 


Da der Brechungs-Coeflficient des Cassia-Öls nicht genau bekannt ist, werde 


ich statt seiner die Beobachtung von Brewster der Rechnung zu Grunde 


ö 
legen, dafs im Azimuth » = 42° die Abweichung « = 90° war; man erhält 


hieraus, wenn man statt x und 7 schreibt -, —, die Gleichung: 


ar ee Zu sin ?42°, 

wo — nahe gleich dem Brechungs - Coeffieienten des Cassia-Öls sein mufs. 
Setzt man für x und z ihre Werthe im Kalkspath x = 0,60283, 7 = 0,67251, so 
findet man p° = 0,3831 und # = 0,6192. Dieser Werth von # stimmt nahe genug 
mit einer von Brewster gemachten und von J. Young reducirten directen 
Bestimmung des Brechungs-Coeffieienten des Cassia-Öls überein (Herschel 
Traite de la lumiöre p. Quetel. p.291.), wonach v = 0,6153 sein würde. 

In der folgenden Tafel habe ich die mit # = 0,6192 berechneten Pola- 
risations-Winkel und Abweichungen der Polarisations- Ebene auf der natür- 


lichen Bruchfläche des Kalkspaths mit Cassia-Öl berechnet: 


Polarisations- a Een Brewsters 
2 Winkel. Re Beobachtungen. 
Ebene, 

o o ‚ ’ 

0 A746 ( 0° 
12 46 4 — 35 41 — 45 
42 37 47 90 90 
90 31 30 + 41 53 +45 


180 47 16 | f) | f) 


Eine besondere Betrachtung verdient der Fall, wo die umgebende Flüssigkeit 
genau den gewöhnlichen Brechungs-Coeflicienten des Krystalls hat, wo also 


56 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


„= 1 ist. Entwickelt man die Ausdrücke für p, s, p', s’ in (5) $.7. für die- 
sen Fall, so findet man: 


P= (©? sin P— A? cos?w cos ?$p) sin (b’— $) 


1=y° sin (P’+P) 
a A sinw(C sind -+A cosw cos p) sin (P”’— &) 
135 sin (pP’+P) 
(5) = A sin w (C sin — A cos u cos p) sin (P’— P) 
177 sin (P’+P) 


_ A? sin?w sin (P’— $) 
1—y? sin (P’-+P) 


und hieraus nach (4) $. 7.: 


C sin p—Acosw cosp)P+Asinu S R sin ($”’— 4) 

R,= (denpe Asse scene Csin A cosw cos Sm 

pP 1—y? ( + w $) sin (p”’+P) 
__ (Csinp—Acoswcosp)P+AsinwS ,.  sin(b’—d) 

in EN 1—y? ds sin (d’+P) u 


woraus sich ergiebt, dafs der Quotient R, durch A, unabhängig von P und 
Sist, dafs also, welches auch die Richtung des einfallenden Lichtes ist, das 
reflectirte Licht immer vollständig polarisirt ist, und zwar in dem Azimuth 


a, wo 


R C sind + A cosw cos 
9 cd Bi 2 = FSDAWERERETT CELENFE ce 
( ) tanz e R, 4 sin 
Dabei ist es gleichgültig, ob das einfallende Licht natürliches oder polarisir- 
tes ist. Das Azimuth a hat eine einfache physikalische Bedeutung. Man 
denke sich in dem Krystall eine ungewöhnliche Wellen-Ebene parallel mit 
der reflectirten; das Azimuth der Polarisations-Ebene dieser ungewöhnlichen 
Wellen-Ebene ist dasselbe als das in der reflectirten Wellen-Ebene, ist = a. 
Dieses Azimuth ist übrigens die Grenze der Abweichung der Polarisations- 
Ebene in (6), wenn dort u=1 wird. Wenn man v die Neigung des einfal- 
lenden Strahls gegen die Axe nennt, so dafs also 

siny—=1—y’—= A’ sin’o + (Csin®—A cosw cos®)” 
und v’ die Neigung des reflectirten Strahls gegen die Axe, wo also: 

sin ’v’ = A’ sin’o + (Csin$ +A cosw cos)” 

ist, so hat man, wenn es unpolarisirtes Licht war, welches einfiel, für die 
Intensität des reflectirten Lichtes 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 97 


sin ?v’ sin °(P’— ®) 


4 an 
2 sin?v sin?(®’+-P) 


Wenn das einfallende Licht im Azimuth 5 polarisirt ist, und 


er — 4 sin o 
ans —  Csind—Acosw cosh 


ist, so wird gar kein Licht reflectirt; es wird im Maximum reflectirt, wenn 
es im Azimuth c polarisirt ist; wo: 


tangc— € sin ——_ı w COS m 

Zerlegt man also das einfallende polarisirte Licht in zwei Theile, die nach den 
zwei auf einander senkrechten Azimuthen 5 und ce polarisirt sind, so wird nur 
der nach e polarisirte Theil reflectirt, und nennt man diesen C*, so ist die ganze 


reflectirte Lichtmenge: RE ee 

te rn (10) 
wo v und v’ die Neigung der optischen Axe gegen den einfallenden und 
reflectirten Strahl bezeichnen; die beiden Azimuthe d und c sind aber die- 
jenigen, in welchen eine mit der einfallenden Wellen- Ebene im Innern des 
Krystalls parallele Wellen-Ebene polarisirt ist, je nachdem sie eine gewöhn- 
liche oder ungewöhnliche ist. 

Ich habe vorher schon gesagt, dafs die Gleichung (4) für jeden noch 
so kleinen Werth von vgilt, nur nicht für v= 0, d.i. für „= ı. Dies hat sei- 
nen Grund darin, dafs die Gleichung ps—p's’ = 0, aus welcher die Gleichung 
(4) abgeleitet ist, den Factor (u’—1ı) hat. Um dieses scheinbare plötzliche 
Verschwinden der Bedeutung des Winkels der vollständigen Polarisation zu 
verstehen, mufs man einen allgemeinern Gesichtspunkt der Polarisation durch 
Reflexion an Krystallflächen verfolgen. Wie bei unkrystallinischen Medien, 
so wird auch hier bei jeder Reflexion, welches auch die Incidenz sei, ein 
Theil des Lichtes polarisirt, und dieser Theil vermehrt sich, je mehr sich u 
dem Werthe ı nähert, wo unter allen Ineidenzen der polarisirte Theil gleich 
dem reflectirten wird. Das Polarisations-Azimuth des polarisirten Theils im 
reflectirten Licht fällt aber nicht wie bei unkrystallinischen Körpern mit der 
Einfalls--Ebene zusammen, sondern hängt hier von der Richtung des reflec- 
tirten Strahls ab. — Nehmen wir an, dafs natürliches Licht von der Inten- 
sität I” einfalle, zerlegen wir das reflectirte Licht in zwei Portionen, die eine 


Mathemat. Abhandl. 1835. H 


58 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


in dem Azimuth ® polarisirt, die andere senkrecht darauf, die erstere werde 
mit AR’? bezeichnet, die andere mit A’, so hat man nach $.8.: 


Hi — . (p sinß-+p’cosß)? + (5 sin®+s cosß)”} 
Rr —_ (pcos®—p’ sin ß)? + (s’cos®—s sinß)*}. 
Der volle Theil polarisirten Lichtes im reflectirten Licht ist das Maximum 
von (R?— R’?) in Beziehung auf £. 
Man findet überhaupt: 
R”—R? = $(p”+s°)— (p’+s'?)) cos2ß+2(pp+-ss') sin2@} - 
und für das Maximum oder Minimum die Gleichung 
(7) 0= ((p?+s)— (p?+s?)) sinaß — 2(pp+55') cos2ß, 
deren zwei Wurzeln um 90° von einander verschieden sind. Durch diese 


Gleichung erhält man den Werth von A?’ —R?: 


Ei; 
‚2 2; Sie 
R’—R;=7 


WE) pp+ ss)” 
oder, anders geschrieben: 


2 
(8) R?— Rh} — — V(p+p’+s’+s'”)’ — A(ps—p's’)” R 


Da die ganze reflectirte Lichtmenge ist: A’ +R} = p’+p”+s’+s” und 
da (ps—p's’) den Factor (ı—p°) enthält, so ersieht man, dafs bei kleinen 
Werthen von 1—u” das reflectirte Licht unter jeder Incidenz nahe vollständig 
polarisirt ist, denn der Rest, welcher nicht polarisirt, hängt ab von (1—u?)?. 
Es hört also die Bedeutung der Gleichung (4) nicht plötzlich mit „’—ı = 0 
auf, sondern sie verliert nach und nach ihre Bedeutung, und für die Praxis 
ist sie schon lange vorher, ehe u„’—ı=0 ist, ohne Bedeutung. Dafür ge- 
winnt die Gleichung (7), welche das Azimuth ß der stärksten Polarisation 
bestimmt, immer mehr an Bedeutung. Dieses Azimuth £ fällt zusammen 
mit dem in (6) bestimmten Azimuth @ oder mit dem in (5) bestimmten Azi- 
muth «, wenn ps—p's’= 0 ist, je nachdem der eine Factor dieser Gleichung 
1ı—u°, oder der andre Factor = o ist. Um aber für den Werth von £ allge- 
mein eine Annäherung in dem Falle zu haben, wo der Krystall von einer mit 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 59 


ihm nahe gleich stark das Licht brechenden Flüssigkeit bedeckt ist, kann man 
in den Werthen von p, p', s, s’ in (5) $. 7. die höhern Potenzen von sin (d#—$)) 
und sin(#—#”) vernachlässigen und erhält dann: 


sin2& 1—y? sin2d 
sin(b—&) 4? sin’w sin (P’—$”) 
Ser sin2b 1—y? sin2d 
‚__ Asinw(C sind —A cosw cosp) sin (b’— P”) 
Alla 1—y? sin2 
a A sinw (C sind +A coswcosh) sin (P’— &”) 


1—y? sin2d 


Um von der Formel (7) eine Anwendung zu machen, werde ich annehmen, 
dafs der Einfalls-Winkel 45° betrage, dann erhält man: 


Erle y2Asinw (C-+A cos w) (u? —(#?—u?)(1—y?)) (u’—r?) 
Seen (1—#2)?+24° sin? (u? —r ?)(—u) HA? sin? —(C+Acosw)?)1—y? (ar?) 


Wollte man diese Formel durch Reflexion an der natürlichen Bruchfläche 
des Kalkspaths prüfen, so kann man setzen 

A4A=C=V+t und ı—-y’=+{sin’o+ L(1—cosw)”}, 
und dann findet man: 


c n°—1 
/2sinwcos’tw[- — cos’ 
2 nen? 2 


tang2ß = k 


nn HI ee Hm 
1—B .o. = . . 
Er en 2.) — Z sin u (sin wo #8 cos w) 


Tr 


Ich habe diese Formel berechnet für den Fall, wo die natürliche Bruchfläche 
des Kalkspaths mit Cassia-Öl bedeckt ist, für welches ich den oben gefun- 
denen Brechungs-Coefficienten 1,6192 angenommen habe. Ich stelle die be- 
rechneten Azimuthe der Polarisations-Ebenen im reflectirten Strahl bei einer 
Incidenz von 45° in folgende Tafel zusammen, weil es von Interesse ist, in 
einem numerischen Beispiel diese Azimuthe zu vergleichen mit denjenigen, 
die stattfinden, wenn die Reflexion unter dem Winkel der vollständigen Po- 
larisation geschieht, welche in der vorhergehenden Tafel angegeben sind. 


H2 


60 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


w ß 
0 ’ 0 ’ 
12 — 35 45 
44 — 41 19 
40 22 90 
42 + 87 22 
90 + 43 57 
180 0 
$.11. 


Die Gleichungen (3) $.7. enthalten das Gesetz, nach welchem das 
gebrochene Lichtsich zwischen den gewöhnlichen und ungewöhnlichen Strah- 
len theilt. Es seien deren Licht-Intensitäten Z’” und I”?, so ist, da sich diese 
wie die lebendigen Kräfte verhalten: 


IT: IE — D: . DD"? U, 


_sin2'” nn y” (Csin P’— A cos w cos$”) sin ($’-+ $”) sin (d’— = 
— sin2p’ (1—y”?) sin ®” cosp” 

und D’ und D” die Bedeutung haben, in welcher sie in $. 7. gebraucht sind. 

Wenn das einfallende Licht senkrecht auf der Einfalls-Ebene polarisirt ist, 

so hat man demnach: 


(1) T::I° — en sin? 2 (540): .(Csind Zen w cos’)? sn :(d+9) U. 


Der gewöhnliche Strahl verschwindet hier also 1) wenn die brechende Ebene 
senkrecht auf der Axe steht, 2) wenn die Einfalls-Ebene parallel mit der 
Axe ist. Der ungewöhnliche Strahl verschwindet, wenn 
(2) C sind’ —A cosw cosp’—= 0 
ist, d. i. wenn die Polarisations-Ebene des gewöhnlichen Strahls senkrecht 
gegen die Einfalls-Ebene steht. Dies sind dieselben Strahlen, für welche wir 
in $. 9. tang d,— 0 gefunden haben, und welche dort durch die Kegelfläche 
M in Fig. 7. construirt sind. 

Angenähert hat man für das Verhältnifs 7°”: I’”, wenn man für U 
seinen Werth setzt und die zweiten und höhern Potenzen von sin (#—#”) 
vernachlässigt: 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 61 


sin (b—') sin ($d’— ’ 2). (3) 


I?:I"” = 4*sin’w:(Csin®p’—Acoswcos$’)’ (1-: ins) sin (are) 


Wenn der einfallende Strahl parallel mit der Einfalls-Ebene polarisirt ist, 
so hat man 
C(sin 6”sin bcosb+cos #”sin ?6’)—Acos w(cos 4”sin bcosb-+sin d”cos? an A’sin’w v, (4) 


re { | ar 
sin (#+4) cos (6-4) Yı—y,? ver: 


wonach der ungewöhnliche Strahl verschwindet: 1) wenn A=0o, 2) wenn 
sinw=0. Der gewöhnliche Strahl verschwindet, wenn 
C(sin "sind cosp-+cos p”sin’®)— Acosw(cos d’sind cosh+sing”cos’$#’)—= 0 (5) 
oder, wenn man &’ und & eliminirt: 
(Csing’—A cosu cos”)? $u’— (u’— m’) (1—y,)— sin’o"} 
= (u? cosd”’(Csinp’”—A cosw cos$")+ (u’— r’) Acosw(1—Y,))”. 


Diese Strahlen gehören einem Kegel vierter Ordnung an; annäherungsweise 
erhält man für die brauchbare Wurzel: 


„__Acosw m°— 1? A? sin uw (1—A? sin?w) 
lt ee (6) 


so dafs also der Kegel (2) die erste Annäherung darstellt. 
Bei Vernachlässigung der höhern Potenzen von sin (# — #”) findet man 
das Verhältnifs der beiden Intensitäten (4) 


sin(d—-$')cos(#+$’)(Csin$’+4cosw cos$')sin(#—$”) 


2a 712 — C ya ey 42 7.19 
T’?2J’? = (Csin®’—Acoswcos®’)? 2 4?sin uch a Te ee ua ; 


Wenn der einfallende Strahl allgemein im Azimuth « polarisirt ist, 
so hat man: 


A . Ki 2 w ” Ps ” 
sinw (Set Acos w cos d”)cos(d—&b re y’(sin?d’—sin?6”) cosa 


2 N anliecn) Vi=y,? Mapa 7 Em 
sin? (6+4$') (rent Sina Zt c0s(d—®) cosah U 
1—y, Ruhr 


Bei einem gegebenen Einfalls-Winkel und einem gegebenen Azimuth der 
Einfalls-Ebene kann man immer durch die Wahl des Azimuths der Polari- 
sations-Ebene des einfallenden Strahls entweder den gewöhnlichen oder den 
ungewöhnlichen Strahl verschwinden machen. Soll der gewöhnliche 


62 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Strahl verschwinden, so hat man für das Azimuth a der ursprünglichen 
Polarisations-Ebene: 


(€ sin 9”—A cos w cos d”) y” (sin ?p’— sin ?$”) 


ONasT Aus TI H Ta ren 


Soll der ungewöhnliche Strahl verschwinden, so ist das Azimuth @’: 


A sin» cos (P—P)) 


©) unse C sind’ — A cos w cos p” 


Die Richtigkeit dieser beiden Formeln habe ich an zwei mir von Herrn Dr. 
Seebeck mitgetheilten Beobachtungen bestätigt gefunden. 

Die beiden Azimuthe « und «@’ stehen nicht aufeinander senkrecht, 
wie man nach der von Biot im Traite de physique T.IV. p, 368. gegebenen 
Regel hätte erwarten sollen. Diese Regel entfernt sich aber überhaupt für 
Einfalls-Winkel, die nicht sehr klein sind, sehr stark von der Wirklichkeit (*). 
Wenn die brechende Ebene parallel mit der Axe, also C=o ist, seien die 
entsprechenden Azimuthe («’) und (a”), dann hat man: 


„(sin ?P’— sin ?$”) 


tang (a) = — colgw cos$” cos($—P”) + colgw sin $ sin (P+P”) 
ln  cos(0 09) 
tang (a”) = tang w een 
während die erwähnte Regel von Biot heifst: 
tang(ad)=— cotgw und tang(a’) =tang uw. 


Die Formel (9) hat eine einfache Bedeutung. Sie bestimmt genau dasjenige 
Azimuth, in welchem ein Strahl polarisirt sein mufste, damit er nach der 
Refraction durch einen unkrystallinischen Körper in demselben Azimuth 
polarisirt sei, nach welchem der gewöhnliche Strahl in einem krystallinischen 
Medium polarisirt ist. Bei dem Werthe von « in (8) gilt dies nur von seiner 
ersten Annäherung. 

Wenn natürliches Licht auf ein krystallinisches Medium fällt, so haben 
die beiden Strahlen, in welche es durch die Refraction getheilt wird, im 
Allgemeinen nicht gleiche Intensität. Man hat in diesem Falle, indem man 


(*%) Anmerk. Ohne Zweifel ist diese Regel auch deshalb in dem Precis elementaire 
von Biot nicht aufgenommen. 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 63 


dieselben Betrachtungen anwendet, welche uns in $.8. die Ausdrücke für 
die Intensität des reflectirten Lichtes, wenn das einfallende Licht nicht pola- 
risirt war, gegeben haben, anwendet: 


1788 $ Asinusin(#+0”)} ?+$(Csind”—Acosweosh”)sin(6-+6”)cos(4—6”)-++y’(sin? sin? 4”)% ? ZYaR 10 
az $(Csin $—4 cos w cos $')sin er} ’+ $A sin w sin (6-++#) cos (-P)} 2 ea ) 


Entwickelt man diesen Ausdruck und vernachlässigt alle Glieder, welche von 
sin(#—d”) abhängen, so erhält man als erstes, allein von der Lage der 
Polarisations-Ebenen in den gebrochenen Strahlen abhängiges Glied: 


(Csin d’—A cos w cos #’)? 


r? x 1 1—y2 sin (P—®') 
ee A=SsınzuseNG r 17% 
1 1 2 sin «(P—) 
we 
$.12. 


Bis jetzt haben wir uns mit den Phänomenen beschäftigt, welche den 
Eintritt eines Lichtstrahls in ein einaxiges krystallinisches Medium begleiten; 
ich werde jetzt den Austritt eines Strahls aus einem solchen Medium unter- 
suchen. Die oben erhaltenen Grundgleichungen (11) $. 6. lassen sich hier 
nicht, wie dies in dem entsprechenden Fall bei unkrystallinischen Medien 
der Fall ist, anwenden, diese müssen vielmehr aus den im $. 2. entwickelten 
Principien erst abgeleitet werden. 

Es sei Fig. 8. Ad eine im Innern des krystallinischen Mediums sich 
bewegende Wellen-Ebene, ihr zugehörige Strahlen seien AD und A’D'; 
diese Wellen-Ebene werde an der Grenze des Mediums 44 theils gebrochen 
in die Wellen-Ebene As, deren zugehörige Strahlen die Linien AS und AS’ 
vorstellen, theils reflectirt in die Wellen-Ebenen Ar’ und Ar", erstere eine 
gewöhnliche Wellen-Ebene, letztere eine ungewöhnliche. Die Linien AR’, 
AR und AR’, AR’ stellen zu den Wellen-Ebenen A’r’ und Ar" gehörige 
Strahlen vor. Es sei die einfallende Wellen-Ebene Ad eine gewöhnliche; 
ihr Einfalls-Winkel A’Ad sei VW’, der Reflexions-Winkel von Ar’ sei &/ und 
der von A’r” sei &/; der Brechungs-Winkel A’As sei gleich ı'. Unter die- 
sen vier Winkeln finden folgende Gleichungen statt: 


2 sin Y/’ sin ?& in ?&/ 
sin !’ = a - Te nn (1) 
14° 14° — (a’—u?)y”? 


64 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


IN 


wo y' den Cosinus der Neigung der Normale der Wellen-Ebene A’r” gegen 
dieAxe bezeichnet. Die Cosinusse der entsprechenden Winkel für die Wellen- 
Ebenen Adund Ar’ seien y’ und y/. Wenn die einfallende Wellen- Ebene 
Ad eine ungewöhnliche ist, werde ihr Einfalls-Winkel mit W” bezeichnet, ihr 
Brechungs-Winkel mit ı” und die beiden Reflexions-Winkel mit &) und &). 
Die Sinusse der Neigungen der einfallenden und der beiden reflectirten 
Wellen-Ebenen gegen die Axe seien respective y”, y, und y/. Zwischen 
v”, ı', &, und &/ finden folgende Gleichungen statt: 

(@) or, sin AL” sind, __ sin &, 


sin = on — 5 


n— (’—u?)y”? Dee a (Fr ne)y]2 
In (1) bestimmen sich sin £/ und sin / unmittelbar aus dem gegebenen sin W'; 
für sin &” erhält man, wenn statt y,’ sein Werth gesetzt wird, eine quadrati- 
sche Gleichung, in welcher die negative Wurzel den Werth für &” giebt. 
Die positive Wurzel gehört einer ungewöhnlichen Wellen-Ebene an, nahe 
so liegend wie Ad, welche unter demselben Winkel /’ wie Ad aus dem kry- 
stallinischen Medium austritt. Es ist die zu der gewöhnlichen Wellen-Ebene 
Ad gehörige ungewöhnliche Wellen-Ebene. Nennt man die Neigung die- 
ser ungewöhnlichen Wellen-Ebene gegen die brechende Ebene %), so 
findet man: 
2(7’— 1?) AC cos w sin?!’ wat 

42 sin 2 + (m? — 12) 42 cos ?w sin ?r’ 
ur (=? A’-+u? C?) sin!‘ 

1—r? sin ?’+ (a?— 1?) A? cos? sin?" 


tang &" + tang V’ = 


3) 


tang gE tang 


In (2) wird durch das gegebene W” unmittelbar ı” und & bestimmt; u 

Y\” und &/ finden Relationen statt, die man aus (3) erhält, wenn statt &”, W/, 
ı gesetzt wird respective &/, X”, ı’, Ich werde die Winkel £/, &’, &,, &, mit 
ihrem negativen Vorzeichen in die folgende Rechnung einführen. 

Die Cosinusse der Neigungen der Normale der einfallenden Wellen- 
Ebene gegen die drei Coordinaten-Axen, wenn sie eine gewöhnliche ist, seien 
«',@',y", dieselben Cosinusse für die aus ihr entstehende ea Wellen- 
Ebene und die beiden reflectirten seien a’, b', ec’ und «/, ß), Y, a, 8, y). 
Wenn die einfallende Wellen-Ebene eine ungewöhnliche ist, so sollen diese 
Cosinusse bezeichnet werden mit «”, ß”, y"; a”, b”, c"; a), ß,, y, und 
a,, 8}, y/. Man hat nach (6) $.4.: 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 65 


a'—= A cos!—C cos! cosw 
b’= sin! sin w (4) 
ce =C cos!’+A sin! cosw', 


wenn A, B=o, C die Sinusse der Winkel sind, welche die brechende Ebene 
mit den Coordinaten-Axen bildet. Hieraus erhält man @”, 5’, c”, wenn statt 


7 


ı gesetzt wird ı”. Man erhält ferner «’ [OR N ae HR ARE 
wenn / vertauscht wird, mitY’, X’, —&, —&/, —E&,—&. 

Die Oscillations- Geschwindigkeit in der einfallenden Wellen -Ebene 
soll, je nachdem sie eine gewöhnliche oder ungewöhnliche ist, bezeichnet 
werden mit D’ oder D". Die Geschwindigkeiten in der reflectirten gewöhn- 
lichen und ungewöhnlichen Wellen-Ebene respective mit R/ und R/’, wenn 
sie aus D’ entstanden sind, und mit AR) und AR), wenn sie aus D” enstanden 
sind. Die Geschwindigkeit in der gebrochenen Wellen-Ebene zerlegen wir 
parallel und senkrecht auf der Einfalls-Ebene, und nennen die Componenten 
respective 5’ und P’, wenn sie aus D’ entstanden sind, und ‚$” und P”, wenn 
sie aus D” entstanden sind. Die Richtungen der Geschwindigkeiten D’ und 
D' bilden mit den Coordinaten-Axen Winkel, deren Cosinusse ich bezeichne 
mit (D/), (D/), (D!) und (D)), (D/), (D/). Die Größen (2) ), (R,), (Rt) ), 
(R/)... (R),)..- (R))... sollen die entsprechende Bedeutung für die Ge- 
schwindigkeiten A), R/, R), R/ haben. Die Richtung der Geschwindig- 
keiten P', P” und $’, $” bilden mit den drei Elastieitäts-Axen Winkel, deren 
Oosinusse sind: Pr By BEE EN, EIG NEIGEN GE. 

Diese Bezeichnung vorausgesetzt, giebt das Prinzip der Gleichheit der 
Componenten, wenn die einfallende Ebene eine gewöhnliche ist, folgende 
Gleichungen: 

PE}+S'G)=DD))+R/(R))+R/(R/) 

P'E},+S’G,;,=D'(D))+R/(R,)+R/(R,) (5) 

P'E,+S'G/=D(D!/)+R/(R))+R/(R}) 
und ist die einfallende Wellen-Ebene eine ungewöhnliche, so erhält man ein 
ähnliches System, man hat nur statt A), A, R,, ete. zu setzen R,, R), R,, 
etc. und den übrigen Buchstaben oben noch ein ‚hinzuzufügen. Die Cosinusse 
E;, Eu, Es, Ei... Ge. @i erhält man aus (8) und (9) $. 4," wenn statt 
& gesetzt wird respective ı' und ı”. Die Cosinusse (D/)... und (D/)... sind 
dieselben, welche in (13) und (12) $. 4. mit A und 22’... bezeichnet sind, 

Mathemat. Abhandl. 1835. I 


66 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


nd. man. erhält aus ihnen B%. Ra RR wenne, OR yund 
a”, 8”, y” vertauscht werden mit a), B/, ea under. 

Multiplieirt man die Gleichungen (5) respective 1) mit E), E,, E}, 
3) mit F,, F,, F,, diese Buchstaben in derselben Bedeutung genommen, % 
in (7) $.4., und 3) mit 4, B=o, C, und nimmt jedesmal die Summe der 
Producte, so verwandeln sich die Gleichungen (5) in folgende: 


p'— pn {0 R/ 4 sinw ESSEN "+4 cos&) cosw 
Vy Vı=-y? Yı-y® 
(6) Sie pie. n ‚(CsinW—A SIE AIR dsl g(Ceine +4 (Csin&/+4 cos$, SE „Asin wcos 8” 
Yı ya Innere Iyızyr 
Senna ‚(esinW— 4cosw cosY') eiansn & ‚(Csin &/-+4 cos&/cos w) nn lunsin g” 
Vı-y [7 Vı-y? Vı— 


wenn man die Relationen in (2) a) $. 5. berücksichtigt, und daselbst statt A}... 
und A... nach und nach setzt D/... R/... und A... und statt 9: W’, &/ 
und statt": etc. 

Um die aus dem Prinzip der Erhaltung der lebendigen Kräfte sich 
ergebende Gleichung zu bilden, mufs man a Verhältnifs eines Volumens 
der einfallenden Wellen-Ebene suchen zu den entsprechenden Volumen, 
über welche die in jenem enthaltene Geschwindigkeit sich in den gebrochenen 
und in den reflectirten Wellen-Ebenen verbreitet. Ich werde W und P” das 
Volumen in den einfallenden Wellen-Ebenen D’ und D’ nennen, in ihren 
gebrochenen Wellen-Ebenen O und OD’ und in den reflectirten R/, 4,’ werde 
ich die entsprechenden Volumina mit P/, ®,’ bezeichnen, so wie in den re- 
flectirten Wellen-Ebenen 2), R) mit P,, V). Alsdann findet man durch 
dieselben Überlegungen, welche uns in $. 5. zu den Gleichungen (8) und (7) 
geführt haben, wenn man das dort gebrauchte «IT = sin ı' setzt, wenn die 
einfallende Wellen-Ebene eine gewöhnliche ist, und = sinı”, wenn es eine 
ungewöhnliche ist, folgende Ausdrücke: 


2 = cos! sin!, = cos.” sin:”, 
” 
—(m’—p?)y -y 218 
SP’ = sin V’cosW’, 2” = sin)”cos\ e (a 
(7) nr’ — (r’—p')y 
P, = sin &/ cos&), Y,, = sin, cos&,, 


— ERTL „ 2 TE Em 
Di = sin E ‚'cosE E se a R m eos En BB ls Mi sın Ejcos En N @ b Bis jr = a) 3 
"= (2’—p?)y/” m? (r’—u?)yn 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen ‚Körper. 67 


Die Gleichung der lebendigen Kräfte, wenn die einfallende Wellen - Ebene 
eine gewöhnliche ist: 
D 2 1 — (P”+S') Deren P+R”P, 


verwandelt sich demnach in: 


2r ee elete, N den = (Eh) 2 
D"sinV’cosY/—R/sin &cos&—R; sin &, nee u) = =(P*+-S’)sin:’cos:'.(S) 
RERZZRR) 


Diese quadratische Gleichung läfst sich auf eine lineäre zurückführen. Mul- 
tiplieirt man die zweite und dritte der Gleichungen (6) mit einander und zieht 
das Product von (8) ab und berücksichtigt, dafs wegen (1) /=W ist, so 


erhält man: 
x FR 4? sın’w ‚4? sin’w 
P’? sin. cos! = D’* sinV’cos/’ ——— — Ri? sin &) cos& rare 
DR z —r£ 


en 


u re cos&, 
= co: 8” (#’— (m’—p°)y,”) 


cosw)”  @’=a?)y’(C=y’cos$” 


—: Ri * sin& cosE 


sWeosu) , np’ sin(Y’ ey w (Csin 8&’+4 cos$/cosw) 
ip” Yı-y Vz ER R 


4sinw (eins Weosn) 


-FD’R)sin(J Ze 


Diese Gleichung läfst sich dividiren durch die erste der Gleichungen (6) und 


man erhält: 


> . 4sin 4sin 
P' sin cos!= D’sind’cosl’ —E—_R sin &} cos&, >= 
Vı-y/: Rz 9) 
+ Ri [sinEr cos&; Csin&”+4coswcose”)  (m’-n”)sin&”y”(1-y?) } 
=; 54 Yı-y”? VE TERN 2 ay,m2yf" 
1%, ee 


Multiplieirt man nämlich diese Gleichung mit der ersten der Gleichungen (6) 
und vergleicht das Product mit der vorhergehenden Gleichung, so findet man, 
dafs die Richtigkeit von (9) bedingt ist durch folgende Relationen: 


2 2 ‘ 2en,n "2 
(B’—R”)sm’8’y’(1-y?) 
Ur} 


ie 
= — sin (VE) (Csinb’—A cos w cos) ’) 


sin (L’—&/) cos (U ’+&)) (C sin &’ +4 cos&) cosw) + 


und 
sin (&+&/) cos (&— E)) (C sin &’+Acos&/cosw) — 


SG 


Br Jamie &"y’(a—y””) 
"2 


n’—(m’—u® Sp 
= sin (+!) (C sin +4 cos cosw), 
und von deren Richtigkeit überzeugt man sich, wenn man «° und 7° elimi- 


nirt mittelst: 
sin ’&’ = sin ’ı(r’— (r#’—u?)y/”) 
und — (#’— u?) (1—y?) sin ’ı = sin (&/+&) sin (&/—&"), 
wodurch die beiden Relationen identisch werden. 
169 


68 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Die Gleichungen (6) und (9) enthalten die Theorie desjenigen Falls, 
wo der direkte Strahl ein gewöhnlicher ist. Ich habe schon gesagt, in welche 
andere Gleichungen die Gleichungen (5) sich verwandeln, wenn der direkte 
Strahl ein ungewöhnlicher ist. Wendet man auf diese dieselbe Behandlung 
an, durch welche aus den Gleichungen (5) die Gleichungen (6) entstanden 
sind, so erhält man folgende: 


nn, h C en „ 
C sin d’—A cosw cos +R® sn _Rr” C sin &,+ A cos$&,, cos w 


„ m  ——— 
Vı=y": Va Vı=y® 
A sinw cos” 
rl —r R), cos Su —+R, = 
Vı-y Vı-y Vı-y® 
4 SER LEN I Reine, (Csin&,+ A cos&),cosw) RB) A sinw a Er 
Yı y” V 1 y? Vı-y° 
Die Gleichung der Erhaltung der lebendigen Kräfte ist: 
DE V’— (P"’+8"?) Be P,+R) Ur 


und hierin die Werthe für 9”, Q”... aus (7) gesetzt, giebt: 


P'—= D” 


£, (Csin &,+Acos&), cos w) „ Asinw cos&, 


(10) S” cos!" —= D” 


S” sin!” = D” 


(a’—n?) (C=y”cosy”)y” 
cosy”(a’—ır’—n?)y”? 


3) (C-y}cosEl)y} 
(11) —.R} in EreonEn = Meinten [1 Klee ER 
cos, (r’—(r’—u?)y°) 


D"? sin\L” cos vl m 


= (P"?48”?) sin.” cosı”. 


Multiplieirt man die beiden letztern Gleichungen von (10) mit einander und 
zieht das Product von (11) ab, so erhält man: 


Csinb”—A coswcosiW”)? r°— u?) (C-y” cosW”)y” sind” 
„ Bet) Y Y 


P”? sin.” cos!" — D’ (sin ”cosy 


1—y"? n’—(m’—u?)y”® 
an Eee nn sin? o_ pr2(sin ErcosE', ‚(Esin&, EA 60800032) LeelCesvessEn2 yısin 2 
rn 2 1m? n’— (n’—p’)yn" 


g,, Asino Csin&,+4 cosw cos$), 


1.9 D"R, sin (dr sh EDER Nee sin (d’— & )A°: sin ?w 


Vo Ver: Vor Vom 


‚BR si 2 nd Cs ‚+A cos Er 
RR een een); 
Yı —uh Yı-y 


Dividirt man diese Gleichung durch die erste der Gleichungen (10), so 
erhält man: 


2 A, m Be m a „? ” A n 
Psin!”’cos”—=.D” sin co EN But De N - R,sin&),cosE,—— ai Zn 
VE Vı-y*(@’-(#-p')y”) Yızya 


5 9) n (& 7 A s& = NM bee Y2 2 
(12) a a [sin Eh cos an Cr teen) _ a 
Vı-y* MyEyR (a’— (m’—u?)yo° 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 69 


Multiplieirt man nämlich diese Gleichung mit der ersten der Gleichungen 
(10) und vergleicht das Product mit der vorhergehenden Gleichung, so sieht 
man, dafs folgende Relationen stattfinden müssen ; 


(rn? ame ")y”(i— y”°)sin ?'” 
= — (2 pn)aR 
= — sin (&,—Y”) (C sin &,-+Acosw cos&),) 


1. sin (&,—Y”) cos (&,+W”) (Csin V’—A cos w cos/”) + — 


2. sin (&,+-&3) cos (&,— &)) (C sin &) + A cosw cos &)) — ("’—u?)yi (1?) sin ?&), 
= sin (&,+&)) (C sin &,-+A cos$),cos w) 


3. sin(V”’— &)) cos(L”+ &) (C sin )”’—A cosw cos/”) (C sin &; +4 cosw cosd, 
W—8n 
n°— 1—y””)(Csin&/+4 cos wcos&,,)sin? ae! 2 —u?)yu(1-y)?)(Csin'”—A coswcoswW”)sin?&, 
ur)y” yalıyn? sin’, 
ae RM n’— (r’—u?)yr 
= 4? sin ?w sin (V’—£&)). 


Von der Richtigkeit der ersten und zweiten dieser Relationen überzeugt man 
sich leicht, indem man wiederum statt der Gröfsen, womit y” und y, multi- 
plieirt sind, setzt sin *&,— sinW” und sin°&, — sin°&/. Um die dritte Rela- 
tion zu beweisen, bemerken wir, dafs 


—("’—p*)siny’ _ sin’y’-sin?$, Ss —(=’—-p?)sin? 
r’— (r’—u?)y”? 17 


u *’— (m’—n’)y) = 


Dies in die dritte Relation substituirt, mit y’*—y,” multiplieirt und einige 
Reductionen ausgeführt, erhält man: 


$y” (C sin &)-+ A cos&/;cosw) + y(C sin V’— A cos w cosY”)—sin (Y’+&7)} X 
$y" (Csin &, +4 cos &),cosw) — yı(CsinV’—A coswcosY/”")} + A? sin u (y?—y) = 0. 


Werden, statt y’ und y, ihre Werthe nach (2) gesetzt, die angedeuteten Ope- 
rationen ausgeführt, so findet man, dafs diese Gleichung identisch = o ist. 

Die Gesetze, nach welchen das Licht beim Austritt aus einem krystal- 
linischen Medium in ein unkrystallinisches theils reflectirt, theils gebrochen 
wird, sind vollständig in den Gleichungen (6) (9) (10) (12) enthalten. 


70 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


$.13 a. 
Ich werde der Kürze wegen folgende Bezeichnungen einführen : 
Asno __ sin y’ GC sind ’— A cosıl’ cosw EN N, 
Vy® Viy® 2 
A sin w N CsinV”’—A cos” cosw 
Vi—y Va y”? 
A sın w ern P (64 sin & +A cos ’ cosw r 
Vo = sin z; ne = — cosz, 
OT 1—19, 
(1) 
A sinw : C sin &’-F A cos&” cosw 
Ten —trl FT ee = —c0s52/ 
ey 1— 77 
Alsino. | I € sin &)+ A cos &,, cos w ; 
Vz = sınZ, SE HBG Veen Egger =.— C0S3, 
1—-yn° My% 
A sin w SER, € sin &,-+4 cos) cosw „ 
— 02, Eee LE IN COTZRE 
Vı—y)? V 1—y,? 


Man wird bemerken, dafs diese verschiedenen y und z die Azimuthe der Polari- 
sations-Ebenen der Strahlen im Innern bedeuten. Ich werde ferner setzen: 


”„ 


Al „ 5) = I 


2) sin (#8) sin (+2) =K' 


Vz 


’ . sin (881) sin (E42) = K". 


Alsdann verwandeln sich die Gleichungen (6) und (9) des vorigen $. 
folgende: 


P'=D'siny’ —+R)/sinz/ —+-R)' cosz,’ 
G S’cos!=—D’cosy’cosV’ —R,)cosz/cos£/ -+R/'sinz,’cos&)” 
) 8’ sin! =—.D’cosy’siny’ -+R)cosz/ sin &/ —.R)” sinz)” sin &” 


P’ sin!’ cos!’ = D'siny’sin V’ cos /’— R/ sin z/ sin &/ cos &/— R)” (cos 2,” sin&,’cos&’—K’) 


und die Gleichungen (10) und (12) des vorigen $. verwandeln sich in: 


P"=D”cösy” + R),sin 2), + R),cosz), 
a ” c0sı” = D”siny” cos/” — R),cosz,cos&,  -+Risinzy)cos&, 
„ S” sin!” = D”siny” sin)” -+ R),cosz),sin &, — R),sin 2), sin &, 


in 


P” sin.” cos” = D” (cosy” sin” cosV”’+D)—R),sinz/, sin &,cos&),—R},(cosz} sin &, cos &,—K”). 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. Zt 


Man erhält aus (3), wenn berücksichtigt wird, daß /=W': 


‚sin ((—W’) ( (sin y’sin 3’cos (U+W)+cosy’ cos z,’cos ((—&”))sin (U+&”)—cosy’K’ 
sin (+ 1%’) U(sin z/sinz)’cos (U—W)+cosz/cosz, "cos (W— &”)) sin (+8”)—cosz, K’ 


a 7 Din sin y’ cos z/ cos (/+W)—cosy’sin 2/cos (l-E)) Ze 


sin z/sin 3,’ cos ((—ı')+cosz/cosz,’cos (/—&/ ))sin (+8,")—cosz, 


R/=—D 


(5) 


und aus (4) 
p’ 
feeren 2,,cos(v”+Hh”)—siny”cosz); cos(ı”—E))sin(ı”— DL Eee 
(sin z),sin 2), cos (v—&))+ cos 2), cos 3,,cos (U &,,))sın (+87) — cos, K” 


R,= — 


(cosy” BE cos (+) + sin, y”sın 2, cos (-E e’,)) sin (I — ler cos2’,I (6) 
(sin 2’, sin 2),cos ((’—&',)-+ cos’, c0s 2), cos le )) sin (d’+&,)— cos 2’ Kr } 


Ri= or 

£% 
Für den praktischen Gebrauch wird man diese Ausdrücke nach den Potenzen 
des Unterschiedes der Elasticitäts-Axen entwickeln und die ersten Glieder 
nur zu berücksichtigen haben. Das erste Glied, welches unabhängig vom 
Unterschied der Elasticitäts-Axen ist, und nur von ihrer Lage abhängig, 
giebt: 


D' sin (/— \) cos(!-HV)) 
R)= — ———— sin y’ sin z/ —-— + c08,y’ 6083, 
% sin (U + W) Y "cos (!— 02) Art ee 7) 
Ä 
D’sn!—/) f. cos (!-HV)) 
Ri'=— -— —  —- !siny'.c0s2! — — 7 —.€08.Y' sinz, 
{ sin (+YV) AurOn) cos @—Y) A) IR ö 


D’sin ("N TEN 5 
BR, rt cosy sinz — —  —— — SiNY. C052 
& sin («+ \”) ” % cos (("— VW Y BL 


) 
„ __ D’sin(! ZN) „cos(” + V”) 5 7ER, 8) 
RN cos, 16082, 9) +- sin y' sinz;}. 


HN) s@ 
Aus (3) erhält man für das gebrochene Licht, wenn berücksichtigt wird, dafs 
En aund: 
cosz,' sin (&— &)cos(&/ +) + ae ee = c0sy "sin (&/—£&/) 


und Vı—y" sinz’= Yı—y” sin Da 
pn D'siny’ sin 2/’ +R" V 1—y cosy'sin (&,/—&/’) 
STTY ı 


sin (+ WW) cos(/—V) 1—,/? sin (!+WV) cos(—V') 
ER D’ cosy’ sina\/’ ” &) 


©) 


N—y’2 siny’ sin(&/—E 
sin (W+W’) Tag sine) 


72 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Um die Werthe P” und $” aus (4) einfacher auszudrücken, werde ich noch 
eine Wellen-Ebene einführen, nemlsch die zu D” gehörige gewöhnliche. 
Ihre Neigung gegen die brechende Ebene bezeichne ich mit vi so sun, E,: 
Das dieser Wellen-Ebene angehörige y bezeichne ich mit y, und die Neigung 
ihrer Normale gegen die Axe mit «’, so dafs 


«= (C cosb)+A sin) cosw 


(10) ,. Csinb)—A cos), cosw LER A sin w 
cos Y,, == EIETESRENTERNN und sınYy,, — VaessrE: 
1—ı 1—ı 


Berücksichtigt man nun, dafs 


j} 


cosy” sin (&,+W") cos(,—Y") HI -Ve == cosy, sin (V,+V”) 


cosz,, sin (&,—&,) cos (+85) + X = = — GR 7 cosy, sin(&,— &}) 
und Vı—y”” siny” = Vı—y,” sinz, = Yı—x” siny,, 


so erhält man: 


VaRETZN 
DD“ IE — 7% N 1, I” ” ERTL . , „ 
PU ip”? 059 sin (Un Y ) De sin (&,— &)) 
wer sin ( '+%,) cos (« ZU D’F 1—y,? sin (dr Y”) 


(11) 


43 
a iny„ si ; e a GREEN „ 
sn er siny, sin (V,+Y”) („Zy= 2 sin(&)—E) } 


a) Dt 1? sin (WHY) 

In den Ausdrücken (9) und (11) kann man, wenn nur os ersten Potenzen 
von #’—w” berücksichtigt werden sollen, statt - und X j» Ihre angenäherten 
Werthe aus (7) und ($) setzen. 

Die Gleichungen (5) (6) (9) (11) geben imaginäre Werthe innerhalb 
der Grenze der totalen Reflexion, ebenso wie dies bei unkrystallinischen 
Medien der Fall ist. Man weis, dafs in dem Falle der totalen Reflexion P’ 
und 5’ und P” und $” verschwinden. Die Werthe von A/, R/, R,, R) kann 
man für diesen Fall durch dasselbe Räsonnement bestimmen, welchesBresnel 
auf den analogen Fall bei unkrystallinischen Medien angewandt hat, das freilich 
an sich wenig evident, seinen Resultaten nach aber dort durch eine Reihe ge- 
nauer Beobschtan: gen sicher gestellt ist. Ich werde dieses Räsonnement nur auf 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 713 


die angenäherten Werthe (7) und ($) anwenden. Esnimmt AR/, wenn sin!’ >1 
ist, die Form an: A+ByY-—ı. Nach Analogie von Fresnels Räsonnement 
ist die wirkliche reflectirte Intensität aber A’+B’— (A-+BY—1) (A— BY—1). 
Man erhält A—BV-— ı, wenn man in dem Werthe für R/ überall statt . setzt 
150—!/. Auf diese Weise erhält man aus (7) und (8), wenn bei der totalen 
Reflexion, die reflectirten Geschwindigkeiten mit (A/)), (R/), (R}), (#/) 
bezeichnet werden: 

(R}”) = D" fcos’(y’—z') — Z’sin2y’sin2z’} 

(R/”) = D" $sin’(y’—z’) + L’sin2y’sin2z’} 

(R,?) = D"* $sin’(y”—2z”) + L’sin2y”sin2z”} 

(R/?) = D"* $cos’(y’—z”) — L’sin2y”sin2z”}, 


ul) C 2,1” 
sın sın 
> und ZD’= 


L= TEQOU” 197 ETTERSTONTERTEEDMTFS * . 
NIO #?—(1+ u?) sin?’ R?— (1-+12?) sin Ab” 


Von den vier reflectirten Strahlen verschwinden (R/”) und (R,) nur in eini- 
gen besondern Fällen, nämlich 1) wenn die reflectirende Ebene senkrecht 
auf der Axe steht, 2) wenn das Azimuth der Einfalls-Ebene — o ist, 3) wenn 
das Azimuth der Einfalls- Ebene = 90° und zugleich die reflectirende Ebene 
parallel mit der Axe ist. Die Strahlen (A) und (A) dagegen verschwin- 
den nie. 


8.132. 


Aus den Gleichungen (11) ergiebt sich ein sehr einfaches Gesetz für 
die Lage der Polarisations-Ebene für einen ungewöhnlichen Strahl nach sei- 
nem Austritt aus dem krystallinischen Medium. Bezeichnet man ihr Azimuth 
in Beziehung auf die Austritts-Ebene mit «”, so hat man: 

Dp% cotg y,, 
tang ae’ == Rn: (12) 
Bezeichnet man denselben Winkel für den gewöhnlichen Strahl mit «’, so 


so hat man bei Vernachlässigung der höhern Potenzen 


dafs tang «’—= 2 g 


5 
von &—&/ 


tang y’ R’afi—y” sin (&,/— &/” . 
tangal— 57 li -y N en LUN ce) 
cos ((—Y') D 1—y,'? siny’cosy'sin (2/5) 


z sein Werth aus (7) zu setzen ist. 


Mathemat. Abhandl. 1335. K 


wo für 


74 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Aus (9) und (10) leitet man leicht die Intensität des Lichtes des ge- 
wöhnlichen und des ungewöhnlichen Strahls ab, nach ihrem Austritt aus dem 
krystallinischen Medium, nämlich P?+8”° und P"?+5"*. Diese Ausdrücke 
werden von grofser Wichtigkeit werden für photometrische Untersuchungen. 
In diesen und ähnlichen Anwendungen der Ausdrücke (9) und (10) mufs 
man die Werthe von D’und D” kennen. In den häufigsten Fällen werden 
dies aber die Geschwindigkeiten in den beiden zusammengehörigen Strahlen 
sein, in welcher sich ein gegebener Strahl bei seinem Eintritt in das krystal- 
linische Medium theilt. Sie sind alsdann gegeben durch die Formeln (3) $.7. 
Führt man die Azimuthe der Polarisations-Ebenen der Strahlen D’ und D” 
in jene Formeln ein, um sie unabhängig von der Lage der Ebene auszu- 
drücken, durch welche das Licht in das Medium eingetreten ist, d. h. setzen 
wir in den Formeln (3) $.7. 


A sin w > € sın d’ —A cosw cos d’ 


— mag — re 082) 
n V 1— Yı V 1i— Yı 
(14) 
A sin w PURBR, € sind” — A cosw cos$” n 
——— =sinx _— ——— — = c0sx 
Vi—y”? Vı—y”? 
und setzen wir ferner: 
” 
px a ‚ Na ’ 
re) 3 
so ist: 
‚,__ sin2& (Psin a” — S cos” cos(P— 9”) sin (d+6”) — SG 
15 sin (P+P’) (sin z,sinx,cos(P—P’)+cosx’cosx”cos(P—P”)) sin(P+P") 4 cosx’G 
c 5 ERSEENS (P cosa’+8 sin’ cos(P—P')) 
wer, (sin ©’ sin&” cos (P—4”) + cos x’ cos x” cos (pP—P”)) sin (P+P")+ cos x’G 5 


Vernachlässigt man in diesen Werthen alles, was vom Unterschied der 
Elastieitäts-Axen abhängt, so erhält man als erste Annäherung: 


/ sın 2 cb P sinx’ e 
De ler =) — Scos«‘) 


N: sin2b P cosx’ Ö P 
DZ sin(P+P) Eon 9) „+ I sine‘). 


Durch (9) (11) (15) kann man die Frage beantworten, wie das Licht eines 
polarisirten Strahls, nachdem er durch ein Prisma aus einem krystallinischen 


(16) 


einaxigen Medium gegangen ist, sich vertheilt hat zwischen dem gewöhnlichen 


77 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 75 


und ungewöhnlichen Strahl. Ich werde dies erläutern durch die Anwendung 
auf einige einfache Fälle, die zugleich für die Praxis von Werth können 
werden. 

1) Die Eintritts-Ebene des Strahls in das Prisma und seine Austritts- 
Ebene sollen zusammenfallen, und die Kante des Prisma soll senkrecht stehen 
auf der optischen Axe. Alsdann ist sowohl für den eintretenden Strahl als 
für die austretenden Strahlen „= 0, also: 


sinx’=sin®”= =siny = = siny' '"='sinz 2, = sinz 2, — sn Z Zu; = sinz 2, =o0 


und man erhält: 


DIE Ssin2d 
um sin (P+®) 


DZ Psin2& Een: 
— sin(P +9”) cos (P—$”")+G 


0 


I 
I 


Ay KEIN D’sin2,/’ 
hr ne, 


‚»V= ae, 
cos ("I") sin ("—L Del sin (&,— &)) 
sin @+W 77 ”) cos (”—YV”) cos (e — &,) sin (+ &)—K’T 1? sin(YotV”) 


S"=o, 


sin ( ir”) 


woraus das Verhältnifs der Lichtstärken in den beiden Strahlen nach ihrem 
Austritt durch das Prisma: 


1—y"” / sn2eW  sin(+4W”) 5 sin (6+$”) cos (d—-4”)+G 
P'? +8’? __ 1— x’? \sin(p/#W”) sin (+) ) ee z (17) 
DUFT U ET cos (i’+W”) sin (ı— eye sin (&,—$&)) ö 

- ((- cos (v—&,)sin er nr x) 1—yn” sin En y 


cos ("NL 


2) Die Kante des Prisma sei parallel mit der Axe, und die Eintritts- 
Ebene so wie die Austritts-Ebene stehe senkrecht darauf. Hier ist C=o0 
und v= 90, also 


082. — COS EL — 1608), — 608%. = 6032, — 6032, — 6082, — 6032, — VD 


r 2 ! „ ’ ” ! 
IN ey =eymy,—y—r =) 
Demnach: 
nl Psin2& "_...sin2& 


— sin (P+$)cos(p—P') ? — sin(p-+P”) 
K2 


76 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


D’sn2l’s Ss’ 
= = 
I sin@+Y) cos —Y’) ’ 0, 
„ _ D”sin (WHY) sin (1”—L”) sin (&,— 8) u 
N ot Fear Rn lea ” ” [72 P =, 
sin (+) sin (+Y”) sin(Y,l"))? 


und das Verhältnifs der Lichtstärken in dem gewöhnlichen und ungewöhn- 
lichen Strahl nach ihrem Austritt: 


( sin2y’  sin(+)r) Tr) sin” (d+4”) PX 
(is) Namen Hat=D) inte nr) 5 
p"2.2.8"2 Tage (: en 
sin ((”+W”) sin (Wr +%”) 


Ich werde jetzt noch die Formeln (9) (11) (15) anwenden auf den 
Durchgang des Lichtes durch ein von zwei parallelen Ebenen begrenztes 
krystallinisches Medium, das auf beiden Seiten von einem gleichen unkry- 
stallinischen Medium umgeben ist. Dieser Fall, für sich von Interesse, wegen 
seiner Anwendung auf die Theorie der Farben, welche dünne krystallinische 
Blättchen im polarisirten Lichte zeigen, ist besonders geeignet, jene Formeln 
(9) (11) (15) mittelst Beobachtungen unter schr mannigfachen Umständen 
zu bestätigen. 


Die Formeln (15) bleiben für diesen Fall unverändert; in (7) (8) (9) 
und (11) aber hat man folgende Substitutionen zu machen: 


—, ’ a Da ’ 
y=x HE HILS We 
77 n „ „ 7 
Ben! a ya 
=% HI 
„ 
ı =zı=6 


k — % y — Yı y = y,. 


Demnach erhalten wir, wenn der Gleichförmigkeit wegen statt &’” oder 
&/ gesetzt wird #”: 


7 D’sinx’sin2&’ +R = cos x’ sin (d’—$”) 
sin (P+$') cos(P— 9%’) 7 Pay? sin (P+$') cos(P—P’) 


(19) u 
7 D cosx’ sin 2$' R" 1—-y”? sın x’ sın P—p” 
Ay = Tin(p- ®) t ’ } de y? sin (& } #) 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 17 


” 1—y”? NO ’ nn 
DAN: er rk, zu 2 mama 
sin (P-+$') cos(P—') D’T 1—y/? sin (#+P") (20) 
D" 1—y’® . ’ m ya ’ R — , n m 
s— = sin e (PHP ( Rn} eye sin 0-4") 
sin (P+®) D’T 1—y/"? sin (+) 


er DES ‚ sin. ©’ cosz’ cos(b + $')— cos x’ sin z’ cos (P—&') 
R’=—D sin(#—P m 2’ cos(P—p')F cos z’cos z"cos(p—P”)) sina(p+P”)— cos z’K 


(sin =’ sin 2” cos (P—$’) + cosz’ cos =” cos (P—P”)) sin (P+P")—cosz 


2 


R—-_D" (cos x” cos 2’ cos (b-+P”) + sin =” sin 2’ cos (—')) sin (P—b”)— cos z’G (21) 
— FE 


und: 
K=——_— sin (—P"” 


Vı—y”? 


) sin (d+P"). (22) 


Will man in (19) und (20) nur die ersten Potenzen von #’—y* berücksich- 
tigen, so kann man setzen: 

R'’=—D' MEEDIN neo LEE) 

; sin (b-+P) cos (P—P') 

‚, cos (P+P") 


—.C0S%x sinz 


(23) 


DR sin(P—$”) 


! 1 ! = ’ 
- 7 coSsXx COSszZ +-sınz sınz » 
et } 


44: 

Wenn ein Lichtstrahl, polarisirt nach dem Azimuth «, durch ein un- 
krystallinisches Medium, welches von parallelen Ebenen begrenzt ist, 
gegangen ist, und nach dem Durchgang das Azimuth seiner Polarisations- 
Ebene mit & bezeichnet wird, so ist: 

tang « Br pP 
cos($—-P) Scos?!(—®) 
Wird dieser Strahl mit einer Turmalinplatte aufgefangen, so verschwindet 
er gänzlich, wenn sich diese, ich meine diejenige Richtung in ihr, nach 
welcher sie das durchgehende Licht polarisiren würde, in dem Azimuth @' 


befindet, und 


tang ß — 


__Scos "G-M (4) 


tang = BD 


Wir wollen jetzt statt des unkrystallinischen Blättchens ein dünnes krystalli- 
nisches Blättchen substituiren, hinlänglich dünn, damit der gewöhnliche und 


78 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


ungewöhnliche Strahl im durchgegangenen Strahl nicht getrennt werde. 
Das einfallende Licht soll dabei polarisirt bleiben in dem Azimuth «, wo 
tanga = = und die Turmalinplatte befinde sich noch ferner in dem Azi- 


muth £', wo tang P= — malen Der Strahl wird jetzt durch den Tur- 
malin nie ganz zerstört werden, aber es wird immer gewisse Azimuthe des 
Hauptschnittes des Krystallblättchens geben, bei welchem das durch die Tur- 
malinplatte gehende Licht ein Minimum wird. Diese Azimuthe des Haupt- 
schnittes wollen wir aus unsern Formeln ableiten. Sie scheinen vorzüglich 
geeignet zu einer ausführlichen Vergleichung mit Beobachtungen und einer 
sich daraus ergebenden Bestätigung oder Widerlegung der Formeln (17) (18) 
und (20). Ich werde das durchgegangene Licht zerlegen in solches, welches 
nach £ polarisirt ist und in solches, welches senkrecht darauf polarisirt ist. 
Die Componenten der Bewegung nach £', welche von P’ und 5’ in (20) 
herrühren, werde ich mit © und die, welche von P” und 5” herrühren, mit 
E bezeichnen; dann ist: 

O=P'sin®+S’ cos®' 

E= P"sin®+S” cos® 
und man erhält, wenn man die Werthe für sin ®’ und cos’ aus (1) und für 
PX, BD... aus (203.018. setze: 


OVP2+S?cos (PP) = 
DemaR (P cos’ +8 sin a’ cos (p-P))— R/ V Zu nz) (P sin. &’— 8 cos x’ cos (#9) 


du Ge) 1—y/? sin (+9) 
(2) EVP?+S° 609-9) = 
Wr (Dame: ’ D’sin(#+8)  yu Vı=r” sin(&-9”) 
-) Terz (Psina —Scosx cos(b—$))) er mn 


Aus diesen Ausdrücken übersieht man, dafs O®+E?’= o im Allgemeinen 
nicht stattfinden kann, weil O und E keinen gemeinschaftlichen Factor, der 
=0o werden kann, enthalten, dafs also der im Azimuth @ sich befindende 
Turmalin den durchgegangenen Strahl im Allgemeinen nicht zerstören kann. 
Wenn aber die doppelte Strahlenbrechung sehr schwach ist, und man die 
von (#—#”) abhängigen Glieder vernachlässigt, so erhält man, wenn man 
für D’ und D” ihre Werthe aus (19) setzt: 
(0°’+E?) (P?+5° cos'(#—9)) = 

2(P cos’ +Ssinx’cos(d—P'))’(P sine’ —Scosx’cos(p—$'))” an Ar au 2 

sin*(P+')cos?(P—P) 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 79 


woraus sich ergiebt, dafs O’+E? nahe = o ist, nämlich bis auf Gröfsen von 
der Ordnung (#— #”)?, in zwei Fällen: 
1) wenn P cos&x’+S sinx’ cos(ö—$) = 0 


(3) 


Hieraus zieht man zwei Werthe für x’ und durch diese sind mittelst (14) 8. 13. 


2) wenn P sin €’ — Scosx’ cos(Pp—Q) = 0. 


zwei Azimuthe w bestimmt, in welchen die Einfalls-Ebene liegen mufs, damit 
O’+E? beinahe verschwindet. Man findet aus der ersten, wenn man 


Ss cos(p—$') 


PTesEn EE tang II, 
setzt: 
2 tang $p’ 
A 
cos (I, +w) = ea 
V: un; a P cosd 
und aus der zweiten, wenn 
p 


us S cos’ cos(P—ıp') 


gesetzt wird, findet man: 
c ‚ 
ZR 


SS ENT JE TUE EEEREREERGE 

V: eur (5 csß@- Ge 

Man sieht, dafs es nicht für jedes $ ein mögliches » giebt. So lange der 
gebrochene Strahl unter einem kleinern Winkel gegen die Normale der 


sin (I,+w) = 


brechenden Fläche geneigt ist als die nn ist das Azimuth » für jedes & 
möglich, welches auch der Werth sei von - = d. i. des Azimuths der Polari- 
sations-Ebene des Strahls. 

Ist tang 9 > 1 5, so mufs, wenn der ersten Gleichung in (3) ein mög- 
liches w genügen soll, sein : 


sin ?’ Scos(bp—P')\° 
en 


und wenn der zweiten Gleichung daselbst durch ein mögliches w genügt wer- 


den soll, mufs sein: 
sin sr 


wear Ge cos(P—W') m) 


Wenn die beiden durch (3) bestimmten w zugleich möglich sein sollen, so 
müssen diese beiden Bedingungs-Gleichungen zugleich stattfinden. Indem 


s0 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


man sie mit einander multiplieirt, erhält man noch eine dritte von = unab- 
hängige Bedingung, die erfüllt werden mufs, nämlich: 
sin’®#'<24°. 

Wir können also setzen sind = (1+«) A’, wo @a< 1 seinmufs. Wir brauchen 
aber nur die Werthe von «@ zwischen o und ı zu berücksichtigen, denn für 
. . . 2,7 Ale 
ein negatives « wird tang op’ < 7, 
bemerkt haben, die beiden w immer möglich. Alsdann kann man die beiden 

ersten Bedingungen schreiben : 


und in diesen Fällen sind, wie wir schon 


p 
cos (P—P) 


p V: 
Ss cos(P—P') NZ: 


Man erhält, wenn w durch die erste der Gleichungen (3) bestimmt wird: 


>Ya 
(4) 


(5) ne Bello, 
3 2 gl " a-y? sin(d+4)/ 
Hs sin ?+ cos ?x cos? (p—p’) ? 

wo R/ aus (23) und (16) mit Berücksichtigung, dafs = = —tangx’cos(P—$') 
ist, zu nehmen ist. 

Wenn w durch die zweite Gleichung in (3) bestimmt wird, so ist: 
D’? sin ?2$’ 
2 Sie a te REN TEE SER ER 
(6) 0,+E, = sin ?(P+P') (cos x + sin *x cos ’(P— ®)) ? 
wo D’ aus (16) zu entnehmen ist, mit Rücksicht, dafs = cotgx cos (P—P') 
ist. Diefs giebt, wenn man nur die ersten Potenzen von (#—d$”) berück- 


sichtigt, nach einigen Reductionen:: 


(7) ‚—_ _sin2$ ysin (+9) Bez coszr, eos! sin(p— 9”) 
sia(@+P) | Vi-y®  Vızy”? c0s(Pp—P) J sin(P+9@) 

Wenn die doppelte Brechung so stark ist, wie z. B. im Kalkspath, so werden 
die Beobachtungen Azimuthe w ergeben, welche von denen, die sich aus (3) 
bestimmen, etwas verschieden sind. Es werden überhaupt die beobachteten 
Azimuthe diejenigen sein, für welche O’+E? ein Minimum ist, hierin die 
vollständigen Werthe aus (2) gesetzt. Die Gröfsen in (3) werden also nicht 
= 0 sein, sondern endlich Werthe von der Ordnung (#—#”) haben, welche 
ich respective mit X’ und X” bezeichnen will. Ich werde die Bedingungen 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 81 
untersuchen, unter welchen O’+E? ein Minimum wird, dabei aber nur die 
ersten Potenzen von (#’—d”) berücksichtigen. Setzt man also: 

P cos&+Ssinx’ cos (pP) = X (8) 


in (2) und vernachlässigt die höhern Potenzen von (#—#”), so erhält man: 


NIDERNGEETE N sin2&sin2P’ x 1y”? ° sin($’—P”) 
0] Pi +5°cos Gr ent 2949)” HR ’V a nr ID) ee H 


E)] Pr S?c0s (9-9) ar er sin aD x} % + (9) 


sin“ (P+-P) cosx 


Dies in O°+E? = Min. gesetzt, giebt: 


Se IN NE) (10) 
sy pie 2sın2&bsın2$ 


oder, wenn man bedenkt, dafs man nach (16) des vorigen $. wegen (8) 
setzen kann: 


ER sin 2 Ay 
— sin(P-+d’) cos x’? 
x _ EV1=y” sin@-9”) Scos@-®) (1) 
DPF ı4—y)? 2sin2p’ cos.’ ? 


worin aus (23) $. 13. zu setzen ist: 


R" . As 
I NE)  (sinz’ cos 
D sin(P+%) 


‚ cos (B+#)) 


7 — cos&'sin 2‘). 
cos (P—P') 


Aus (8) und (11) findet man x’. Wenn man die erste Annäherung von x’ 
bezeichnet mit Y’, so dafs 


pP 
[ae a a SEND. > 
ns ı— Scos(p—P)’ 
so erhält man: 
hy"? 2 sin (—$”) 12 
sin(«— Y) = +2 A) EHER) (12) 


woraus mittelst (14) 8. 13. » zu bestimmen ist. Dieser Werth von w bringt 
O/+E? auf die Hälfte des Werthes in (5). 
Setzt man in (2) 

P sin&’— S cosx’ cos($p —d) = X” (13) 
und berücksichtigt nur die Glieder der ersten Ordnung in Beziehung auf 
(#— 9"), so erhält man: 

Mathemat. Abhandl. 1835. L 


82 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


D’ sin29’ Scos($—b’) 
sin (P-+P') sin x’ 


O’VP’+ 8? cos’ —$) = 


; z 7 Disin2®, 26hsin2d’ S 
KuVR: = (— ee EN EETE NUN SL EZ ” 
v a Se (P P) sin (P-+1P’) A sin °(P +9) sin « x X 


Man erhält aus (15) $. 13., indem man nur die Glieder der ersten Ordnung 
berücksichtigt, nach einigen Reductionen: 


sin DEE 


— sin "(#+#) cos($— 4) 3% 
{x’sin GHP)HrS cos (PHP) + cosx’ sin (+ ®) sin (—®') sin (P’— oh 


pP 


was sich umformen läfst in 


A ee sin 26 Kr sn(b4r6 Ccosb— A coswsind 6 er 
(A 3) sin °(d+$’) cos (d—#') sin (PHP ze na sin (p—$') sin(p’—$ 4. 


Hieraus ergiebt sich: 
(0"’+E"?) (P’?+ 5° cos’($#—4)) = 


(16) sin?2.b sin?2.p’ 5 Ce wsin p)sin (PP) m z2 
Be. (rs Ems Nu any] 


und der Werth, für welchen O’”°’+E”? ein Minimum wird, ist 


na 71 S(Ccosp—Asinpcosw) sin(B—P’) CENT 
Al IX ee een 
2) Vioy o@+9) 2 


Hieraus und aus (13), wenn die erste Annäherung für x’ bezeichnet wird 
mit Y”, so dafs 


Q = RE S'cos (PP) 
(18 a.) nn ee) 
erhält man: 
(18) En (x’—Y”) a oe sing cos») sin(B—d) sin sin (d— u: 
ve: y'2 cos (P—P') sin (P+9') 2 


woraus das dazu gehörige w gefunden wird mittelst 
A sin w 


tan 
ie) C sind’ — A cos p’ cosw 


Es ist gut, einige particuläre Fälle zu bemerken. 
” 
Wenn in (12) P=0 gesetzt wird, so wird tang x’= 0, weil u in die- 
sem Falle = 0 wird, da sin’ mit sinz’ zugleich verschwinden, Eben so wird 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 83 


tang x’= o in (18), wenn S= 0 gesetzt wird. Dies ist streng richtig, wie aus 
den vollständigen Ausdrücken für O und E in (2) erhellt, und ist übrigens 
ein sich selbst darbietendes Resultat, dafs nämlich ein parallel oder senkrecht 
auf der Einfalls- Ebene polarisirter Strahl, wenn er durch ein krystallinisches 
Blättchen so hindurchgegangen ist, dafs die Einfalls-Ebene mit dem Haupt- 
schnitt zusammenfällt, seine Polarisations-Ebene unverändert behält. Von 
gröfserem Interesse sind die folgenden zwei Fälle: 

1) Wenn in (12) $=0 ist. Dies wird uns die Bedingungen geben, 
unter welchen bei einem senkrecht auf der Einfalls-Ebene polarisirten Strahle 
nach seinem Durchgang durch ein dünnes Blättchen, seine Polarisations- 
Ebene so wenig wie möglich unverändert wird. 

Da mit $ = 0 auch cos Y'= 0 wird und sin Y’= 1, so hat man 


IR r ‚ r 
Do» =” tang(#—$') cotg(P+P) c0OSZ 


und 
sin («— Y’) = — cosı’ = — y= 5 tang (&E— 0’) cotg ($-+&’) cos’ u) (19) 
ma 


72 25] 2. = 
7K) 2sın 2b 


Die Formeln (12) und (18) geben überhaupt die Relation, die zwischen $ und 
w stattfinden mufs, damit O’+E°” ein Minimum wird. Man kann darin & als 
gegeben ansehen und daraus » bestimmen. So haben wir es bis jetzt ange- 
sehen; man kann aber auch w als gegeben ansehen und hieraus & bestimmen. 
Diese letzte Bedeutung der Formel (12) ist von Interesse in Beziehung auf 
ihre Prüfung durch Beobachtungen bei dem particulären Falle, der in (19) 
dargestellt ist. Es soll also aus (19) der zu einem gegebenen w gehörige 
Einfalls-Winkel & bestimmt werden. Man kann in (19) für &, $ und (9 —”) 
die Werthe setzen, welche sich aus cos x’= 0, d. i. 


C sin’ —A cos d’ cosw = 0 (20) 
ergeben. Bezeichnet man den hieraus in (19) hervorgehenden Werth von 


cosx’ durch cos (x), so hat man: 


sı Ve db’ 
zu ) — I? — cos(&’), (1) 


woraus d’ und also & gefunden wird. Bezeichnet man den aus (20) hervor- 
gehenden Werth von & mit ($') und den aus (21) mit (#)-+£, wo E von der 
Ordnung cos (x), d. i. wegen (19) von der Ordnung (P—#”), so hat man 
bei Vernachlässigung der Potenzen von (# —®”) 


L2 


54 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


a De Be cos(x’). 


Bezeichnet man den zu ($) ee Winkel $ mit (#) und den zu (#)+E 
gehörigen mit (#)-+V,, so hat man aus sin ((#)+&) = # sin (($)+W,) 


we _ cos($') Be Vi-y" cos (P') 
1 cos (P) Ry’  cos($) 


cos (x). 


Berücksichtigt man nun, dafs bis zu der hier gebrauchten Annäherung ist: 


sin (p—9") = (I) in @—9)), 


so hat man endlich: 


zen cos@" cosz’ e 

[9] BIER Yu % r Ü ’ Ü 
2) Ya ng Mn lP—P) colg(d+9)) sin ($’— 2"), 
wo für die respectiven $ die Werthe, welche sich aus (20) ergeben, zu 
setzen sind. 

2) Wenn in (18) P= 0 gesetzt wird, so wird, wie aus (18 a.) erhellt, 
cos Y"= 0 und man hat 

ne (© cos (ee sin.p cosw) tang 9) sin (P’—&”) 
yı—y® sinp+p) 2 


oder, da wegen der Gleichung cos Y’= o man hat: 


C cosp—Asind cosw—=y’cos(b+9)), 
so ist: 
Ze: EN 


% — 
(23) c0osc VER 


„ tang (PP) cotg(P+P) 


Hieraus kann man N das zu einem gegebenen w gehörige & bestimmen. 
Bezeichnet man das durch (23) bestimmte $ mit (#+W,), wo $ sich bezieht 
auf das durch (20) bestimmte $, für welches 


A 
tangd = —z 05%, 


so findet man durch ähnliche Betrachtung, wie oben ’ gefunden wurde: 


AR Vı—y’? cos d’ 
eye cosih 


052% 


wo für cos x’ sein Werth aus (23) zu setzen ist. Es ist also: 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 55 


V,=— 28. tang(p— 9) coig(p-+9) sin (#4), 


2% cos ® 


wo für $ und $’ die sich aus (20) ergebenden Werthe zu setzen sind. Ver- 
gleicht man W, mit W,, so sieht man, dafs man hat: 


ey Vi—-y)? cosz’ 
HZ „ 


: . 
y' sin 2p’ 


Aus Yı—y,” cos? = —Csin P—Acosd'cosw und aus Csin®’ —Acoswcosh’— 0 


findet man: 
Vi —y? 0052 M- yr 


5 — —— 


Y sin 20" Vı—y2 


und demnach kann man setzen, weil die Quadrate von (—#”) vernachlässigt 
werden: 


V+ V, =»). 


$. 15. 

Es sollen jetzt die in $. 2. aufgestellten Grundsätze angewandt werden 
auf krystallinische Medien mit zwei optischen Axen. Zu dem Ende werde 
ich erst die allgemeinen Formeln aufstellen, wodurch die Fortpflanzungs- 
Geschwindigkeiten der Wellen-Ebenen, die Richtungen ihrer Bewegungen 
und die Lage der ihnen angehörigen Strahlen bestimmt werden. Es seien 
f#, v, 7 die Werthe der drei Elasticitäts- Axen, und zwar seien x und r der 
kleinste und gröfste und v der mittlere Werth. Das Coordinaten-System 
x, y, z legen wir parallel mit den Elastieitäts- Axen u, v, #. Die Gleichung 
der Fresnelschen Elastieitäts-Fläche ist demnach: 

o° — Kr av” b° -+7° € (1) 
wo g ihren Radius vector bedeutet, und a, 5, c die Cosinusse der Winkel, 
welche dieser mit den Elasticitäts-Axen bildet. Die beiderlei Fortpflanzungs- 
Geschwindigkeiten einer Wellen-Ebene, je nachdem sie eine gewöhnliche 
oder ungewöhnliche (*) ist, erhält man, wenn man diese Ebene durch den 


(%) Anmerk. Der Sinn dieser uneigentlichen Benennung kann nur zweifelhaft sein, wenn 
die beiden optischen Axen gerade unter 90° gegeneinander geneigt sind. Ich nenne nämlich 
die gewöhnliche Wellen-Ebene diejenige, welche es im eigentlichen Sinne des Wortes werden 
würde, wenn man sich den spitzen Winkel der optischen Axen verkleinert bis auf 0° denkt. 


86 Nevmans: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Mittelpunkt der Rlastieitäts-Fläche legt und den gröfsten und kleinsten Radius 
dieses Schnittes bestimmt. Wenn «, ß, y die Cosinusse der Neigungen der 
Normale der Wellen-Ebene gegen die Elasticitäts- Axen u, v, x bedeuten, so 
ist vu der gröfste oder kleinste Radius des Schnittes, bestimmt durch folgende 
Gleichung: 
«? 2 2 
@) mut. oo 

Ich werde die beiden Wurzeln dieser quadratischen Gleichung mit o und e 
bezeichnen, so dafs also o oder e die Fortpflanzungs-Geschwindigkeit einer 
Wellen-Ebene bezeichnet, die parallel mit «ae +ßy-+Yyz = 0 ist, je nachdem 
sie eine gewöhnliche oder ungewöhnliche ist. Die Richtung der Bewegung 
in dieser Wellen-Ebene steht senkrecht auf demjenigen Radius vector ihres 
Schnittes mit der Elastieitäts-Fläche, durch welchen ihre Fortpflanzungs- 
Geschwindigkeit ausgedrückt ist. Man findet für die Cosinusse o,, 0,, 0, 
der Winkel, welche die Richtung der Bewegung in der Wellen-Ebene 
ax -+Py-+yz= o mit den Elasticitäts-Axen bildet, in dem Falle, dafs sie eine 


gewöhnliche ist: 
ce 


AT Keen? 
ß 
(3) 9% TaysyE 
u y 
0; > (e?—r?)E 9 


wo der Kürze halber gesetzt ist: 


Bezeichnet man die entsprechenden Cosinusse in dem Falle, dafs die Wellen- 
Ebene ax +Py+yz= 0 eine ungewöhnliche ist, durch e,, e,, e,, so 
hat man: 


Eule a 
17 Ko —p3)/0 
[9 
7 
> De (0o°—v?) O 
e,= 2 


— (o2—r?)0’ 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 87 


wo man für O hat: 


O'= Va) +( a =) + (=): 
o—ı o—v 0o"—ra 


Diese Werthe (3) und (4) ergeben sich leicht aus denjenigen Ausdrücken, 


welche ich in meiner Abhandlung über die doppelte Strahlenbrechung (Pogg. 
Ann. Bd. XXV. p. 445) gegeben habe. 

An einem andern Orte (Pogg. Ann. Bd. XXXTII.) habe ich gezeigt, 
dafs die Wurzeln o und e der Gleichung (2) einen sehr einfachen Ausdruck 
erhalten, wenn man die Lage der Ebene ax +ßy+Yys = 0 auf die optischen 
Axen bezieht, d.h. auf die Normalen der Kreisschnitte der Elasticitäts-Fläche. 
Bildet nämlich die Wellen-Ebene mit dessen Axen die Winkel 9o—u und 
g9o—u', so ist: 


2 


2 2 2 " 
o = u’ — (u’—r°) sin ( 


u— u Re-ern? p?—r? 
) == — ee 608 (u— u’) 
i 2 2 


2) Br a? Hr? u? —r? (5) 


e = u’ — (u’— 7°) sin ( aan SOUL De 


Der zur Wellen-Ebene ax +ßy-+yz= 0 gehörige Strahl ist die Linie, in 
welcher sich der Durchschnittspunkt dieser Wellen-Ebene mit anderen 
Wellen-Ebenen: «x+ß’y+y’z = 0, die in ihrer Richtung nur unendlich 
wenig verschieden von der erstern sind, bewegt. Diese Richtung fällt in kry- 
stallinischen Medien nicht mit der Normale der Wellen-Ebene ax -+Ly-+ys= 0 
zusammen, weil mit der Richtung der Wellen-Ebenen sich zugleich die Fort- 
pflanzungs- Geschwindigkeiten ändern. Es sei axc+ABy-+Yz — 0 eine unge- 
wöhnliche Wellen-Ebene, und nach Verlauf der Einheit der Zeit sei ihre 
Lage gegeben durch 

ax +Byr-+yz=e. (a) 
Die Lage zweier andern unendlich wenig der Richtung nach verschiedenen 
ebenen Wellen wird man erhalten, wenn man diese Gleichung nach einander 
einmal nach « und dann nach £ differentürt: 


a) De b 
Ey an 0) 
ya de, ; 
hai 0 ( 


Eine Linie vom Mittelpunkt x—=0o, y—=0o, z3—=o nach dem von da und oß 
unabhängigen Durchschnittspunkt der drei Ebenen a, b, c ist die Richtung 


83 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


des Strahls, welcher zur ungewöhnlichen Wellen-Ebene ax-+ß y+3=o 
gehört. Man mufs die Differentiale nach d« und d£ eliminiren. 
Die Differential-Quotienten von y erhält man aus der Bedingung 
a +ß’+y’=1: 
len 2 
@ = = 
und die Werthe der Differential- Quotienten von e findet man durch Diffe- 
rentiation der Gleichung (2) in welcher v= e ist, so dafs also 


f 2 2 2 
(e) Tee l 


Differentiirt man diese Gleichung nach «, setzt statt o seinen Werth aus (d) 
und setzt nach (3) 


&) (=) + ()+ (=) = E*, 


so erhält man: 


@ en 
und ganz ähnlich findet man 
aa ß 
(h) eE? 2 == on — Fre 


Werden die Werthe aus (d) und aus (g) und (h) in (b) und (ec) substituirt, 


so verwandeln sich diese in 


° [42 1 1 1 

6) = 2-0. en) 
ß 1 1 1 

(k) DEE = (a ra =) 


Fügt man noch hinzu: 

() s—3=0 
und multiplieirt die Gleichungen (i) (k) (l) respective mit «, , y und addirt 
sie, so ist die Summe: 

zZ «? ß? v? +£? 1 

(m) ur Or va rt ler 

Es ist aber nach (a) 
ac +Py-+yz=e, 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Körper. 59 


und nach (b) 


Dies berücksichtigend findet man aus (m) 


1 
sry 


Dieser Werth in (i) und (k) substituirt, giebt die Werthe von x und y. 
Es ist also, wenn die Ordinaten des Durchschnittspunktes mit &,, y., z, be- 
zeichnet werden, um anzudeuten, dafs er zu einem System ungewöhnlicher 


Wellen-Ebenen gehört: 
1 
ee [. 3 m 


Y. = ler} (6) 


1 
el l. + rt 


In derselben Zeit, in welcher die Wellen-Ebene den Weg e durchläuft, 
durchläuft der ihr zugehörige Strahl den Weg Vx?. +y:+2°, den wir=r, 
setzen wollen. Die Fortpflanzungs-Geschwindigkeit des Strahls ist also r, ; 
man findet, indem man die Quadrate der drei Gleichungen (6) addirt, dabei 
die Gleichung (e) berücksichtigt und bedenkt, dafs wegen (f) 


1 «? ß? y? ER 1 
ED) (eu His ne Balz 
ist: 


n=e+— (7) 


Die Cosinusse der Winkel (S,a), (S,5), S.c), welche der Strahl mit den 
drei Elasticitäts-Axen bildet, sind: 

cos (S,a) = — cos (80) — Ze C03(18:c) — ae (8) 
Wenn die Wellen-Ebene ax-+@y-++yz= 0 eine gewöhnliche ist, so geben 
ganz dieselben Betrachtungen für die Componenten der Geschwindigkeit des 


ihr zugehörigen Strahls nach den drei Elasticitäts- Axen: 


Mathemat. Abhandl. 1535. M 


90 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


1 
2,= (04 9,05) 


9) 9. = Bo haar) 


1 
= y(o+ rail) 
und für die Geschwindigkeit selbst: 


NN 1 
(10) ,=0-+ E08 


Mittelst dieser Formeln kann also immer, wenn eine Wellen-Ebene gegeben 
ist, der ihr zugehörige Strahl gefunden werden (*). 

Jetzt werde ich mich mit dem umgekehrten Problem beschäftigen, 
nämlich, wenn der Strahl gegeben ist, die ihm zugehörige Wellen-Ebene 
zu finden. 

Aus der Gleichung (10) findet man, indem von beiden Seiten u? ab- 
gezogen wird: 

0202 (0? —u2) +1 
(11) ru — Ser net, 
während man aus (9) erhält: 
AR: «(0° 0? (0°— u?) +1) 


o 0? 0(0?—u?) 


Dividirt man diese Gleichung durch die vorhergehende, so erhält man: 


x, «o 


Fagses on Sigma Fo * 
n— u? 0°— 1? 


(®) Anmerkung. Aus den Gleichungen (6) oder (9) kann man leicht «, £, , und die 
Geschwindigkeit der Wellen-Ebene bestimmen und diese Werthe in (e) gesetzt, geben eine 
Gleichung zwischen x, y, z. Dies ist die Gleichung der Wellen-Oberfläche. Es ist der 
Herr Doctor Senf, jetzt in Dorpat, der zuerst diesen höchst einfachen und eleganten Calcul, 
um zu dieser Gleichung zu gelangen, angewendet hat. Fresnel hielt seine deshalb ange- 
stellte Rechnung nicht für darstellbar, und Herrn Ampere’s Arbeit über diesen Gegenstand 
(Annales de chimie T. XXXIX.) wird man jetzt gerne entbehren. Herr Dr. Senf hat auch 
zuerst die der Gleichung der Wellen-Oberfläche angemessene Form gefunden, nämlich: 

p? x’ v’y: m* z® 


+ = o0. 


RT 


r’—u? r’—y: 
Aus dieser Form ergiebt sich sogleich die von Fresnel angegebene Construction der Wellen- 
Oberfläche mittelst des Ellipsoids, welches um die Axen der Elasticitäts-Fläche beschrieben ist. 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 91 
Man erhält zwei ähnliche Gleichungen, wenn man x, «, # vertauscht einmal 
mit,y, 8, v und dann mit z, y, 7. Man hat also: 


x ao 5 ee Bo c; aut yo 
m ee en Zend) 


2 Sun 82 2 2 2 2 2 2 
nz —l 0 —u nn —v 0" —v nn, —r 0—r 


Addirt man die Quadrate dieser Gleichungen zusammen und setzt: 


Gr e = (13) 


so hat man: 


= 0:08. (14) 
Setzt man diesen Werth in (10), so ist also: 
2 2 1 - 
u (15) 


Durch diese Gleichung ist also aus der Lage und Fortpflanzungs - Geschwin- 
5 8 1% 5 
digkeit des Strahls die Fortpflanzungs- Geschwindigkeit der Wellen-Ebene 
gefunden. Aus (14) und (12) erhält man die Cosinusse der Neigung der 
Normale der Wellen- Ebene gegen die Elasticitäts- Axen, nämlich: 
tolte) 0) 


1 
OZEAN = 
il ur) 


oß=y, Go 2) (16) 


1 
ON one 
2 L Pe) 


Ganz ähnliche Werthe erhält man, wenn der Strahl ein ungewöhnlicher ist, 
indem man überall o mit e vertauscht, und statt ‚S, setzt $,., wo S, durch 
die Gleichung (13) gegeben wird, wenn in ihr, statt des Index o überall der 
Index e gesetzt wird. 

Dividirt man die Gleichungen (12) durch die Gleichung (14), nämlich 
durch S,= 00 und berücksichtigt die Gleichungen (4), so findet man die 
Cosinusse e,, e,, e, der Richtung der Bewegung in einem ungewöhnlichen 
Strahle bestimmt durch seine Richtung nämlich: 


A 


e, = — — 

z (F—u?)S, 

UNE Er , e 
e,— (r?—v?) Ss, (17) 
0, Gr)s,‘ 


92 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


- 


Eben so erhält man die Cosinusse der Winkel, welche die Richtung der 


Bewegung in einem gewöhnlichen Strahl mit den Elastieitäts- Axen bilden, 


bestimmt durch die Cosinusse des Strahls selbst: 


0o—= = 
ıT (ur) S, 


Hier Ve 
cn 45, 


zZ 


e 


ee (r?—r°)S, R 


Für den Cosinus des Winkels, den ein Strahl, wenn er ein gewöhnlicher ist, 
mit der Richtung seiner Bewegung macht, hat man: 


0 %t0%t+ O,;z, 
T, 


Setzt man hierin die Werthe für o,, 0,, 0, aus (3) und für &,, y,, z, aus (9) 
und berücksichtigt, dafs 


e—ua” at e—v? = Pr u 2 
und dafs: 
a? ß? y2 1 
Ft ee Fee) —) Du 


weil dies der Cosinus der Neigung der beiden durch o,, 0,, 0, und e,, £,, €, 
bestimmten Richtungen ist, diese aber rechtwinklig gegen einander geneigt 
sind, dann findet man: 


(18. b) 0, x,+0,Y,+ 0,2, = 0, 


woraus folgt, dafs der gewöhnliche Strahl immer senkrecht auf der 
Richtung seiner Bewegung ist. Man findet ebenso: 


(18. c) e,%.+ 6:9.+ E,2;, = 0. 


Also sowohl der gewöhnliche als ungewöhnliche Strahl stehen 
senkrecht auf der Richtung ihrer Bewegung. Für optisch einaxige 
Krystalle ist dieses schöne Theorem, welches im Widerspruch steht mit einer 
Behauptung der Fresnelschen Theorie, eine aus der einfachen geometrischen 
Construction der Wellen-Ebene und des Strahls sich ergebende Folgerung 
aus der von uns angenommenen Definition der Polarisations- Ebene. 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 93 


Sowohl die Formeln, durch welche die zu einer Wellen-Ebene gehö- 
rigen Strahlen bestimmt sind, als diejenigen, wodurch die zu einem Strahle 
gehörigen Wellen-Ebenen bestimmt sind, werden in einigen Fällen unbe- 
stimmt. Diese Fälle werde ich discutiren, und dies wird mich auf eine sehr 
einfache Weise zu den beiden schönen Theoremen von Hamilton (Pogg. 
Ann. Bd. XXVIO.) über die konische Refraction führen. Ich werde mich 
zu dem Ende mit den Formeln (12) beschäftigen, in ihnen aber den Index 
o fortlassen und statt der Geschwindigkeit o setzen v, wo v sowohl die ge- 
wöhnliche als ungewöhnliche Fortpflanzungs-Geschwindigkeit der Wellen- 
Ebenen bezeichnen soll, eben so wie 7 ohne Index die beiderlei Fortpflan- 
zungs -Geschwindigkeiten der Strahlen bedeuten soll, so aber, dafs » und » 
zugleich die gewöhnlichen Geschwindigkeiten oder zugleich die ungewöhn- 
lichen Geschwindigkeiten bezeichnen. 


Die Relationen in (12) sind also: 


x av 
—TaRITeBR 
ra? v?—u? 
5 Bv 
2 Pe LEHE (19) 
r—v vr—v 
z yVv 
Tag mr eh rros In Din® 
r®—r? v:—r? 


Wenn man hierin = 0 setzt und zugleich « und y so bestimmt, dafs v—=v 
wird, so wird der Werth von y= =, und man mufs schliefsen, weil ß und 
v— v von einander unabhängig = o werden, dafs y keinen bestimmten, son- 
dern sehr viele Werthe hat, nämlich alle diejenigen Werthe, welche der 
ersten und dritten der Gleichungen (19) genügen. Durch diese beiden 
Gleichungen wird aber eine Curve bestimmt und es gehören also alle Strah- 
len, welche vom Mittelpunkt der Coordinaten nach dieser Curve gezogen 
sind, zu einer und derselben Wellen-Ebene, nämlich derjenigen, für welche 
ß=o und v=v; zu dieser Wellen-Ebene gehört also nicht ein Strahlen- 
Paar, sondern ein Strahlen-Kegel. Diese Wellen-Ebene, für welche B=o 
und v=v, ist parallel mit dem Kreisschnitt der Elasticitäts-Fläche. Man 
erhält die ihr angehörigen Werthe von « und y, wenn in (2) @=o gesetzt 
wird, wodurch man erhält: 


94 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


und hierin « und Q so bestimmt werden, dafs v=»v ist. Man findet: 


(20) ee Se 


m— 1° Rm—lh 


Setzt man diese Werthe in die erste und dritte der Gleichungen (19) und den 
Werth für = x*”+y’-+2°, so ist: 
v 


Fe a ee 


(21) 
RE x’ er ce a ar 
( 7 ) Vr?— a?) (#’—v?) ; 
woraus sich ergiebt, dafs die Curve ein Kreis ist. Die Ebene dieses Kreises 
steht senkrecht auf der Coordinaten-Ebene y= o, sein Mittelpunkt liegt in 
dieser Ebene, und nennt man die Coordinaten der beiden Durchschnitts- 


! 


punkte der Coordinaten-Ebene y=o mit dem Kreise: x’, # und x”, 2”, 


so ist: 
I? 2 2 
, vu ven 
en en 
ap 
2 
en oe ER w? 1 m —v 
Pa 77 — P 
nm—u? v me—lh 


Der Durchmesser des Kreises ist also: 
7 IM? 7 TZACH 1 Tran 2 ST SRBReeRE 
V(a’—x )+@-2) = — Vir —y )W — uU Na A 


Die vom Mittelpunkt der Coordinaten nach dem Durchschnittspunkt (z', y', z’) 
gezogene Linie steht senkrecht auf demjenigen Durchmesser des Kreises, der 
von diesem Durchschnittspunkt nach dem Durchschnittspunkt (x=”, y”, z 


[24 
gezogen wird, und ist also auch senkrecht auf der Ebene des Kreises. Aus 
der Vergleichung mit (20) ergiebt sich, dafs diese vom Mittelpunkt nach 
x’, y’, z' gezogene Linie zugleich die Normale der dem Strahlenkegel zuge- 
hörigen Wellen-Ebene ist, d. i. die optische Axe. 

Die Entfernung des Durchschnittspunktes &’, y’, z’ vom Mittelpunkt 
ist —=v. Man kann hieraus also den Strahlen-Kegel construiren, welcher zu 
der dem Kreisschnitt der Elasticitäts-Fläche parallelen Wellen-Ebene gehört. 
Benennt man die durch « und y in (20) bestimmte Neigung gegen die Axe 


= mit n, wo also n die halbe Neigung der optischen Axen ist, so ist: 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 95 


/w? —n? 
sinn= | m cosn = 


T—lT 


Führt man diesen Winkel in den Ausdruck für den Durchmesser ein, so 
erhält man: 


1 m—u? . 
eR= — ———- sin2n. 
v 2 


Legt man durch die optische Axe eine Ebene mit der Neigung w gegen die 
Ebene durch die beiden optischen Axen, so ist die a ehe in dem 


Kreise (21) durch diese Ebene abgeschnitten wird, sin2ncosw, und 


also, wenn die Neigung der Seite de Kegels in Er Ebene gegen die opti- 


sche Axe durch q Besschikt wird: 


RL en x 93 
tangqg = —,„ - Sin2n cosu. (25) 


Dies ist die einfachste Form der Gleichung des Strahlen-Kegels. 


Setzt man in (19) y=o und r=v, d. h. nimmt man an, der Strahl 
bewege sich in der Richtung der Normale eines Kreisschnittes des Ellipsoids, 
wodurch Fresnel die Geschwindigkeiten der Strahlen construirt hat, so 
wird 8 =- ‚ was man auch hier so auszulegen hat, dafs £ alle mögliche 
Werthe haben kann, wenn nur der ersten und dritten der Gleichungen (19) 
Genüge geschieht. Wenny=oundr= ist, so findet man: 


RE 1 1 j 1 1 

ve— u? ua ya nm°—v? FalyaE Up 2 
z=aV- —yy FE und z=u = ,] ——_, (24) 

7“ ’— u? 1 1 T—Ih" 1 1 

Bates > 


Substituirt man in der ersten und dritten der Gleichungen (19) diese Werthe 
für ©, z und r und setzt man zugleich ar=x', ßer=y', yr=z', wo also 
x', y', z’ die Coordinaten des Durchschnittspunktes sind, der zum Strahle 
y=oundr=v gehörigen Wellen-Ebene mit ihrer vom Mittelpunkt auf sie 
gefällte Perpendicul, so erhält man: 


’ r(e’—u?) De n.(0°— 7°) (25) 


a ——— —  —— = = 
Vo’—u?) (#?— 12) ] (7 (#?— v2) nt @—?) b) 


wor=x"+y"”+2z' ist. Die durch diese Gleichungen bestimmte Curve ist 
ein Kreis, dessen Ebene parallel ist mit der Axe y und dessen Mittelpunkt 


96 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


in der Ebene (x, z). Es seien die Coordinaten der Durchschnittspunkte die- 


nm 


ser Ebene mit dem Kreise x”, z’ und x”, 2”, so ist: 


m 
DE a? mV (w—u?) ("’— u?) m V: —u? 


= 2 3 7 7 x =7T 
(26) . 1° w—n?) + #° (a’—v?) n’—n 
ee =? uV(#®—v?) (#?— 1?) SO = v2 
A 12 (w— 1?) +7: (#’— v2) 2 —=K mn: 


Man erhält hieraus den Durchmesser des Kreises: 


PT uen) 


= +-n?—v 


Die vom Mittelpunkt der Coordinaten nach x”, y”, z” gezogene Linie steht 
senkrecht auf dem Durchmesser zwischen =”, y”, 2’ und &”, y'”’, 2” und ihre 
Länge ist: Tee die vom Mittelpunkte der Coordinaten nach &”, y’” 
' gezogene Linie fällt zusammen mit der Normale des Kreisschnittes des 
Fresnelschen Ellipsoids und ihre Länge ist —=v. Die vom Mittelpunkt der 
Coordinaten nach der Peripherie des, dem Gesagten zufolge leicht zu con- 
struirenden Kreises gezogenen Linien bilden einen elliptischen Kegel, welcher 
der Ort der Normalen der Wellen-Ebenen ist, welche zu dem Strahl senk- 
recht auf den Kreisschnitt des Ellipsoids gehören. Beziehen wir diesen Ke- 
gel auf ein ähnliches Coordinations-System, wie vorher den Kegel (23). Es 
sei (g) die Neigung einer Seite dieses Kegels gegen die vom Mittelpunkt nach 
x”, y", z” gehende Seite und » der Winkel, unter welchen die durch diese 
zwei Seiten gelegte Ebene gegen die Ebene der beiden optischen Axen geneigt 
ist, so ist: 
tang(g) = cosw V & ED ae — cos (+—-) (z-7)- 
‚m 


Benennt man die Winkel, unter welchen die vom Mittelpunkte nach x” und y 
gehende Seite gegen die Axe 7 geneigt ist mit (n), wo also 2(n) die Neigung 
der Normalen der Kreisschnitte des Ellipsoids ist, so ist, wie aus (24) erhellt: 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. In 


Dies in tang (7) substituirt, giebt: 


1 1 
tang (9) = v" (==) sin2(n) cosw. (25) 


Die verschiedenen Brechungs-Coeffieienten des längs der Normale des Kreis- 
schnittes des Ellipsoids sich bewegenden Strahls stellen die in ı dividirten 
Linien vor, welche vom Mittelpunkte nach der Peripherie des Kreises (25) 
gezogen sind, d. i. = Man findet: 


4 2 
ea} 


= v’+ ( = ) sin’n cos’ncos”’w, (29) 
woraus man ersieht, dafs die Brechungs-Coeffieienten bis auf die zweite 
Potenz des Unterschieds der gröfsten und kleinsten Elastieitäts- Axe constant 
sind. Die Herleitung der Gleichung (29) geschieht am einfachsten auf fol- 


gende Weise. Man erhält aus (25) 


je 
x rm e—u? IR —v 7 e—y? + 
mo 0] — 2 cotgn. (30) 


2 2 
m“ 


v—u2 Ro 0 


Legt man durch die Seite des Kegels, welche durch (28) bestimmt ist, eine 
Ebene senkrecht auf der Ebene der beiden optischen Axen und nennt den 
Winkel, den die Durchschnitts-Linie beider Ebenen bildet mit der Linie, 
welche von dem Mittelpunkt der Coordinaten nach x”, 2” in (26) gezogen 


." 


ist, @«, und setzt man ferner 7, —=tangp, wo &” und =” die in (26) bestimmten 


Werthe haben, so erhält man für 7 in (30) noch einen Ausdruck, nämlich: 


’ 


— = tang (p-H«). 


Man hat aus (26) tangp = *-tangn, wo n die halbe Neigung der optischen 
Axen; aufserdem hat man tang « —= cos wtang (9), wo für cos (g) sein Werth 
aus (28) zu setzen ist, und wo w dieselbe Bedeutung wie in (28) hat. Setzt 
man diesen Werth für p, « und (g) in tang (p-+«) und den sich ergebenden 
Ausdruck statt — in (30), so findet man den in (29) angegebenen Ausdruck. 

Indem man die Lage der Weilen-Ebenen auf die optischen Axen be- 
zieht, statt sie auf die Elastieitäts- Axen zu beziehen, erhält man für mehrere 
der obigen Formeln sehr einfache Ausdrücke, die, da sie im Folgenden von 
Nutzen sein werden, ich hier angeben werde. Wenn v und w’ die Winkel 
sind, welche die Normale der Wellen-Ebene mit den beiden optischen Axen 

Mathemat. Abhandl. 1935. N 


98 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


bildet, d.h. den Normalen der Kreisschnitte der Elastieitäts-Fläche, während 
wie oben «, ß, y die Cosinusse der Neigung der Wellen-Normale gegen die 
Axen x, y, z bedeuten, so ist: 


BoSER in (“**) sin n (*=*) Ve 
v u 
y= cos (= ') cos os(*>*) ve zur 
Tr” yz 
Man hat nach (5): 0° = u’+(#’—u?) sin (**) und hieraus also: 
0°—v” = u’—v’+(r’— u?) sin a) = r’—v’— (#’— u?) cos (*>”) 
=yM I a K z 
2 Dar 2 2 ® (u—u' 
o— = — (Tu )cos ( 5 )- 


Setzt man diese Werthe in den Ausdruck für ©? in (4), nämlich in: 


2 
0—=(— ) 
e—ıw 


so erhält man, wenn man mit (r°—4°) die Gleichung multiplicirt: 


2 2 o z 
o—u’—= (T’—u”) sin ( 


0°— rm? 


EL 1) ve 
sin 
2 
ur’ u-u'\ (r’—u 2 (u+u' 2? zu_u'\ m’—u? u+u' 
ee Vena a eu 
v’—u? 2 2 n—v ei 

o?'—v’\ 2 u-u\ m 
(=) (5) 


Bringt man den zweiten Theil dieser Gleichung unter ss Be so 


. . . ” . a, 2 rer — 
aber, dafs man das erste Glied multiplieirt mit gr = Ss 3 +sin- “—*) 
= ° a2 ?_,y? 2 er: nd 
und das dritte mit Pan — em: — cos (= ‚ so erhält man nach einigen 
Reductionen:: 


0: (#— u)? — 
(=’—v?)cos (=) sin ()+@ —u?)sin no 


ee er ey 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 99 


Der Zähler dieses Bruchs löst sich in folgende zwei Factoren auf: 
(sin =) )—sin = -)) (v’ —v’+(r’— u?) sin = -)) 


und man erhält also: h 
4 (sin (Z -) _ sin (=) 


sin °(w’— u) (u + sin (=)) 


O°’(a’— u)” — 


oder 


v’—u? ae cc 
1 —u2 SUR Ba Ver 2 ) x ‘ 
—= ( = “) sin (u—u’ ee] 4) 


sin u sin w 


Durch eine ähnliche Rechnung, wenn statt 0 gesetzt wird e und hierfür sein 
Werth aus (5), findet man: 


a (=) sin® wen“ 3 ee) (32) 


192 sin u sin u 


Die in $ } eingeschlossenen Gröfsen in (31) und (32) haben eine einfache 
geometrische Bedeutung. Betrachtet man nämlich die dreiseitige Pyramide, 
deren Kanten die beiden optischen Axen und die Normale der Wellen-Ebene 
sind, und nennt den Winkel, den die beiden optischen Axen mit einander 
bilden 2, und den Winkel, unter den die beiden Seiten-Ebenen, welche 
sich in der Wellen-Normale schneiden, gegen einander geneigt sind, 27, so 
hat man: 
cos2n = cosu coswW+-sinu sinw cos2), 


und wenn man bedenkt, dafs nach (22 


m— 3 vu? 
cs’rn=,— und sin’n=-— 
nn —lh u 
ist, so zieht man hieraus: 
v’—u? () an (a v’—u? 
m sin 1 mn 
OR n’—u” 2 - n’— 33 
sin’j = --E_—_ —., cos N Euf wen, (33) 
sın z sın z 


sın z sın z 


Diese Werthe in (31) und (32) geben also: 


1 


—_ —ck: 
[7] 


" sin (u—u‘) sinz (34) 


+? 
E Er 2 


- sin (u-Fu) cosj. (35) 


100 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Ich werde im Folgenden den Winkel j für eine ungewöhnliche Wellen- 
Ebene mit k bezeichnen, und nur für eine gewöhnliche Wellen-Ebene den 
Buchstaben j beibehalten. 


$. 16. 


Es soll die Gleichung, welche aus dem Prinzip der Erhaltung der 
lebendigen Kräfte sich ergiebt, gesucht werden. Wir nehmen die Betrach- 
tungen wieder auf, die uns zu dem Verhältnifs der entsprechenden Volumen 
der einfallenden Wellen-Ebene und der gebrochenen bei den einaxigen Kry- 
stallen in $. 5. geführt haben, und bedienen uns auch derselben Bezeichnung. 
Es ist also «MH cos® das Volumen der einfallenden Wellen - Ebene und das 
Volumen der gebrochenen Wellen-Ebene: as 

Wir finden aus (3) $. 5. für die gewöhnliche Wellen-Ebene: 

(1) W'= afcos$’— sin d tangg’ cosıt'}, 

wo g’ die Neigung des Strahls gegen die Normale der Wellen-Ebene und X’ 
den Winkel bezeichnet, unter welchem die durch die Normale der gewöhn- 
lichen Wellen-Ebene und ihren Strahl gelegte Ebene gegen die Einfalls-Ebene 
geneigt ist. Dieser Winkel X’ ist so gerechnet, dafs wenn man die drei Linien, 
nämlich die beiden Normalen \ und n der brechenden Ebene und der Wellen- 
Ebene und den Strahl S durch den Mittelpunkt einer Kugel legt, in dem sphä- 
rischen Dreieck ihrer Durchschnitte mit dieser Kugel Nn$ die Seite NS dem 
Winkel 150 —\/ gegenübersteht, oder was auf dasselbe hinauskommt, dafs 
%=0, wenn der Strahl in der Einfalls-Ebene liegt und die Neigung von S 
gegen I gröfser ist, als von n gegen N. 

Es ist leicht, die Werthe für tang g’ und cos W’ aus den angegebenen 
Formeln zu finden. Man hat: 

cosg — en we Kar, 
Setzt man hierin die Werthe für &,, y,, z, und r, aus (9) $. 15., so findet 


man: 
o 


cos De ne 


5 1 
V-+ O0? o® 


1 
(2) tang= 


[7] 


und also: 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 101 


In dem eben erwähnten Dreieck NnS$ ist die Seite N\n= 9 und nS=g; 
die dritte Seite VS ist die Neigung des Strahls gegen die Normale der bre- 
chenden Ebene. Es ist also: 


= AR ByE-tICH 
N ee 


rt 2 


wenn A, B, C die Cosinusse der Winkel sind, unter welchen die Normale 


N der brechenden Ebene gegen die Elastieitäts-Axen geneigt sind. Hierin 


aus (9) $. 15. die Werthe für &,, y,, z, und r, gesetzt, erhält man: 


1 Ad BP Cy' 

a or en ac 

cs NS = ————— m 
RT Toro: 


Endlich hat man für den der Seite NS gegenüberstehenden Winkel 150 —WV: 


n cos NS — cos’ cosg’ 
— cosY'= ——  — 
sn sınq 
und hieraus, wenn für cos V,$ und cosg und sing ihre Werthe gesetzt 
werden: 


Da) 2 Se 
— sind’ cosVW'= rer (3) 


o— u 0°— v* 0° —r“ 


Eben so giebt uns die Betrachtung in $.5. für die ungewöhnliche Wellen- 


Ebene: 
MW" = a $cos$’— sind" tangg” cos W”}, (4) 


wo g’ und X” dieselbe Bedeutung für diese Wellen-Ebene haben als g’ und 
U’ für die gewöhnliche. Wir finden ganz ähnlich hier: 


tangg’= Pe (0) 


und 


3 1 4 72 gr C= ” 
— sind” cost" = + +2 5 +, (6) 


wo ich der Gleichförmigkeit der Bezeichnung wegen die Cosinusse der Win- 
kel, welche die Normale der Wellen-Ebene mit den Elasticitäts-Axen bildet, 
durch «” und @” und y” bezeichnet habe. Ich werde statt der Winkel X’ 
und X” andere einführen, nämlich diejenigen, unter welchen die Richtungen 
der Bewegung in der gewöhnlichen Wellen-Ebene und in der ungewöhnlichen 
geneigt sind gegen die Einfalls-Ebene. Diese Winkel sollen x’ und x’ heifsen. 


102 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Da aber gefunden wurde, dafs die Strahlen senkrecht auf den Richtungen 
ihrer Bewegung stehen, so ist: 
a’ = 904+W' "= o+V”, 


wobei man bemerken mufs, dafs ©’ und &” in demselben Sinne gezählt 
werden, wie V’ und V”. Demnach hat man also: 


3 6 & A BE Cy’ 
cosY’ sind’ = sinx’ sind’ — - (a & EA a) 


0 — u? 0" — v oe —r 


02) 


“ r N A 1 Ac ” B „ (6) ” 
cosW”sing”’= sinx”’sindg’"—= — + ( Er, a ß : +) 


Die entsprechenden Volumina in der gewöhnlichen und ungewöhnlichen 
Welle werden hiernach: 


Fr — fsing‘ cos d’ — sin’ sin’$’ tangg’ } 


und 


= n „ 
— 'tang 
I {sin 0” cos$’— sinx” sin ’p"’tangg”}. 


Die Gleichung der lebendigen Kräfte wird also folgende: 
$PP+S?—R2—RER sind cos 


8 Ä a RN 
6) = D” (sin p’ cos d’— sin. x’ sin ’p' tangg’) + D”? (sin ” cos $”’— sin«” sin?$” tang 2”), 


wo P, S, R,, R, dieselbe Bedeutung wie oben haben, und D’ und .D” die Ge- 


schwindigkeiten in der gewöhnlichen und ungewöhnlichen Welle vorstellen. 


Um die Gleichungen zu bilden, welche sich aus dem Prinzip der Gleich- 
heit der Componenten ergeben, werde ich die Geschwindigkeiten D’ und D’ 
in dem gewöhnlichen und ungewöhnlichen Strahl nach folgenden Richtungen 
zerlegen: 1) senkrecht auf der Einfalls-Ebene, 2) senkrecht auf der brechen- 
den Ebene, 3) parallel mit der Einfalls-Ebene und parallel mit der brechen- 
den Ebene. Diese Componenten sind respective: 


1) D’ sin x’ und D" sm =" 
2) D’cosx’ sin &' - — D"” cosx” sin ®” 
3) D’cosx’ cos - — D" cos&” cos®”. 


Zerlegen wir nach denselben drei Richtungen die Geschwindigkeiten in dem 
einfallenden Strahl und in dem reflectirten Strahle, so erhalten wir: 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 1053 


1) 228 und R, 
2) —Ssin® - — A,sin® 
3) — Scos® - + R,cos® 
und demnach erhalten wir aus dem Prinzip der Gleichheit der Componenten: 
P+R,=D'sin x’ + D”sinx” (9) 
(S+R,) sin$ = —.D’ cosx’ sin #+.D" cosx” sin &" (10) 
(S—R,) cos$ = —.D’ cosx’ cos’ +D"” cosx” cos$”. (11) 


Diese drei Gleichungen, in Verbindung mit der Gleichung (8) bestimmen 
die gesuchten Gröfsen. Ich werde jetzt zeigen, dafs die Gleichung ($) auch 
hier, wie bei den einaxigen Krystallen, sich durch eine lineäre Gleichung 
ersetzen läfst. 
Multiplieirt man (10) und (11) mit einander: 
(S’—R?)sinp cos$ = D’*cos’.x’ sind’ cos $’+D”?cos’x” sin d”cos$p”—D'D”cos.x’ cos a”sin(p’+P") 
und zieht dieses Product von (8) ab, so erhält man: 
(P?—R}) sind cos p 
= D”(sin?x’ sind’ cos’— sin x’ sin p’tang 2’) + D”*(sin?x” sin d” cos p’”— sin x” sin’p”tang 7”) 
—+ D’D” cosx' cos” sin (’ +”). 
Diese Gleichung ist durch (9) theilbar und man erhält durch diese Division: 
(P—R,)sin$cos$ = R’(sin x’sin d’cos p’— sin ?p’tg 7’) +R” (sina” sin d”’cosp”—sin’p”tgq”) (12) 
vorausgesetzt, dafs folgende Relation stattfindet: 
sin (d’ +”) (sin x’sin. x” cos (P’—$”) — cosx’ cosx”) = sin *b’ tang 2’ sin «”+-sin *p” tangg” cos”. 
Um die Richtigkeit dieser Relation zu beweisen, werde ich sie zuerst in eine 
andere Form bringen. 
Setzt man aus (2) und (5) für tangg’ und tang g” die Werthe, nämlich: 


! 1 „ 
tangq =a0 tanggq = FE? 


berücksichtigt ferner, dafs 


sin?’ sin ?b” 
—-ı= —;—- 


— 7 2 
2 = sın [0] 


und dafs 
m’—u? 


sin (P’—”) sin (+ $”) = sin? (0— e*) = — P (cos (u— u’) — cos(o +0) sin?o, 


104 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


so findet man: 


sinx” sin ) 
‚ : o E : 
sin x’ sin” cos(#’ —$”")— cos’ cosx” = ea TE TE sin( —®”). 
(13) z (cos (u—u’) — cos (o+o )) 


Ehe die Werthe für — und —- aus $. 15. (34) gesetzt werden, müssen wir 
untersuchen, welches von ihren Vorzeichen anzuwenden ist. Setzen wir in 
(7) A=o, C=o, so erhalten wir: 


: : » 1 ; 
cosy' sing = sine in’ =— > =, 
Oz—y, 


(u 


- . » . 2 (u—w . . 
Aus (5) $. 15. sieht man, dafs, weil sin u) nicht gröfser werden kann, als 


sinn = _-. o* nicht gröfser werden kann als v*, wenn, wie wir immer 
der Gleichförmigkeit wegen annehmen, #> u ist. Folglich ist 0°—v”? eine 
negative Gröfse. Der Werth von cos W’ ist aber in diesem Fall, wo A=o, 
C= 0, immer eine positive Gröfse, wie daraus erhellt, dafs wenn man y’= 0 
setzt, der Strahl immer mit der Elastieitäts-Axe v einen gröfsern Winkel bildet, 
als die dazu gehörige Wellen-Normale; es mufs also —- das positive Vor- 
zeichen haben. Demnach ist: 


1 m— u 


ale ) sin (u— u‘) sin), 


wo u immer gröfser als w’ sein mufs. Geht man also von einer Wellen- 
Normale «, 8, y’ über zu einer andern — «', £', y’, so vertauschen die u, w 


ihre Bedeutung, der Bogen, welcher vorher mit u bezeichnet wurde, mufs 


) 
jetzt mit w bezeichnet werden und umgekehrt. 


Um das Vorzeichen von —- zu discutiren, setzen wir in (7) B=o, 
C=o, so dafs 


3 k 5 1 a” 
cos V’ sind” = sinx” sino’—= — u ze: 
eu 


Der Werth von e®—u° ist immer positiv, der Werth voncos'W, wiederum vor- 
ausgesetzt, dals r’ > u?, ist wie man sieht negativ, wenn man 8’ 0 setzt, wo 
der Strahl mit der Elastieitäts-Axe x einen kleinern Winkel als die zugehörige 
Normale macht. Also ist auch für E in (34) $. 15. das positive Vorzeichen 
zu nehmen. Indefs der Werth von cos W” behält sein negatives Vorzeichen, 
das Zeichen von y” mag positiv oder negativ sein, d. h. die Wellen-Normale 
mag mit der r Axe einen scharfen oder stumpfen Winkel bilden; es verändert 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 105 


” 


auch —— sein Vorzeichen mit y” nicht, aber wohl der in $. 15. (34) gege- 
ep 


bene Werth von 5 


y” negativ (uw) > 180. Demnach muls man schreiben: 


weil wenn y’ positiv gesetzt ist, (u+u‘) < 180, und wenn 


2 2 


——— sin (u+v)) cosk, 


wo das negative Zeichen nur zu nehmen ist, wenn sin (u-Hv’) negativ wird. 
Ich werde im Folgenden der Gleichförmigkeit wegen nur das + Zeichen 


einführen mit dem Vorbehalt, dieses in das — Zeichen zu verwandeln, wenn 
1 


z negativ werden sollte. 


Diese nun näher bestimmten Werthe für 5 und —; in (13) gesetzt, 


verwandelt sich diese Relation in folgende: 


sin” sin / sin (u—u)+sin x’cos ksin(v-+v’) 
cos (u— wu) — cos(v-+v') 


cosx’ cos x” — sin’ sin&”cos(P’—p”) = { }sin (P’—®"). 

(14) 
Diese Relation läfst sich an eine geometrische Construction auf der Kugel- 
fläche knüpfen. Wir legen durch den Mittelpunkt einer Kugel die beiden 
optischen Axen und die Normalen der gewöhnlichen und ungewöhnlichen 
Wellen-Ebene; die Durchschnitte dieser vier Linien mit der Oberfläche 
seien Fig. 9. A, A', O, E. Die Einfalls- Ebene schneidet also die Kugel in 
dem gröfsten Kreise OE. Die Bogen AO und AO sind u und w', die Bogen 
AE und 4’E sind v und v', der Bogen EO = (9 —#”), der Bogen AA'=:n. 
Die Richtung der Bewegung in der gewöhnlichen Wellen-Ebene O liegt in 
der Ebene, welche den Winkel 04’ = 2) halbirt; der Durchschnitt dieser 
Ebene mit der Kugel ist OO’. Construirt man EE’ so, dafs AEA' =:k 
dadurch halbirt wird, und zieht Ee senkrecht auf EE’, so ist Ee der Durch- 
schnitt der Kugel mit derjenigen Ebene, in welcher die Bewegung der unge- 
wöhnlichen Welle E liegt. Da diese Richtungen der Bewegungen senkrecht 
auf die resp. Wellen-Normalen stehen, so ist O!’ ON = a und eEN=«". Es 
soll nämlich N den Durchschnitt der Kugel mit der Normale der brechenden 
Ebene bezeichnen. 

Aus dieser Construction habe ich mich von der Richtigkeit der Rela- 
tion (14) überzeugt, aber auf einem etwas mühsamen Wege. Die folgende 
einfachere Beweisführung ist mir von Herrn Professor Jacobi mitgetheilt 
worden. Es werden die Winkel EAO und EA’O noch mit « und «’ 

Mathemat. Abhandl. 1833. Ö 


106 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


bezeichnet und es sei EO= (9 —#”)=A. Die Dreiecke EAO und EA’O 


geben folgende Gleichungen: 


sin« cosu = cos («”— k) cos(x’+j) cosA — sin (x”’— k) sin (x’-+j) 
sin «' cosw’ = cos (x”’+k) cos (x — j) cos A — sin (x +k) sin (x’— j) 
@) — sin« cosv = sin (x”’— k) sin (x +-j) cosA — cos (x”’— k) cos (x’+j) 

— sin«’ cosv’ = sin (x”’+%) sin («’—j) cosA — cos (x’+k) cos (x'-- j). 
Multiplieirt man die beiden erstern mit sin «”, die beiden letztern mit sin x’ 
und setzt respective: 


cosk—= cos(a’+k) cos@’+ sin (@”+k) sin. @” 
= _cos(x’—k) cos&”+ sin («”— k) sin.«” 
sinjy = —sin (x’— j) cos &’+ cos (a’— j) sin x’ 
= —cos(x’+j) sin. @’+ sin (x’+ 7) cos’, 
so erhält man: 
— sine cos usin&” = sin (x’+j) cosk— (sin (x’-+j) cos” + cos (x’-+j) sin.x”cosA) cos (x”— k) 
— sin «’cos u'sin®” = sin (x’—j) cos k— (sin (x’—j) cos x” + cos (x’—j) sin.x” cos A) cos (x”+-k) 
(b) — sin cosvsin®’” — c0s (x — k) sin; — (cos (x — k) cos x’— sin (x — k)sin x’ cos A) sin (x’+-7) 


— sin «'cosv’sin®’ = — 005(x”+k)sin;— (cos(x”’+-k) cos &’— sin(x”+-%k)sin.x’ c0sA) sin (x’—). 
Man hat ferner: 


(©) — sine sinu = sinA cos (x”— k) sin« sinv = sin (x'+j) sin A 
c 


— sin «’sinu’ = sin A cos (a”+k) sin «’'sinv’ = sin (x’— j) sin A. 


Man erhält aus (b) und (ec) 


nn sinx” sin (u—u‘) = cosk (cos (x”—k) sin (x’—j) — cos (x”’ + k) sin (x’+ D)) 
++ 2.005 (x”’+k) cos (x”’—k) sinj (cosx’ cosx” — sin.’ sin ©” cos A) 
sinasin« . a On „ B : D . ; 
a en x sin (u+V’) = — sin) (cos (x”—k) sin («’—j) — cos (x”’+-k) sin 4) 
+2 sin (x’— j) sin (x’+j) cosk (cosx’ cos®” — sin’ sinx” cosA) 
und hieraus: 
Sinläisine ee r Dr & N 
(da (sin x” sinj sin (u— u’) + sin x’ cosk sin (+ v’)) 
= 2(cos (x”+k) cos (x —k) sin?y+sin (x’+j) sin (x —j) cos?k) (cosx’ cos®”’— sin x’sinx” cos A), 


woraus sich sogleich die verlangte Relation ergiebt. Man hat nämlich: 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 107 


cos2n = cosu cosu+ sin u sinu’ cos2j = cos (u— u‘) — 2sin u sin u’ sin ?j 
SE: . A. TER (e) 
cos2n = cosv cosv’—+ sınv sınv’ cos2k= cos(u-+V)) —+- 2sınv sın v’cos"k, 

also: 
cos (u— u) — cos(u+-vV’) = 2 (sin u sin w’ sin %y + sinv sinv’ cos ”k), 


woraus nach (ce) 


sinasina’ 
sin A 


(cos (u—w') — cos(u+v))) = 2 (cos(x’—k) cos (x +k)sin?j-+ sin (x’—j) sin(&’+j) cos? x). 


Dividirt man (d) durch diese Gleichung, so erhält man: 


sin x” sin) sin (u—w) + sinz’ cos k sin (v-+v’) 
cos (u— wu) — cos (v+vV’) 


sinA = cosx’ cosa” — sinx’ sina” cosA, (f ) 


welches eben die zu beweisende Relation (14) ist. 

Es lassen sich aus (a) auf ähnliche Weise noch einige Relationen ab- 
leiten, die uns später von Nutzen sein werden. Multiplieirt man die beiden 
ersten Gleichungen (a) mit cos x” und die beiden letzten mit sin &’, so erhält 
man: 

sin cosu cosx&” = + sin k sin (x’+j) — cos (x”—k) (sin(x’+-j) sin x” — cos (x’+-j) cos x” cos A) 
sin «' cosu'cosx” = — sin k sin (x —j) — c0s (x +k) (sin(x’—j) sin x” — cos (x’+-j) cos” cosA) 
—sin«cosv sina’ = sin) cos(x”—k) — sin (x’+ 7) (cos(x”—k) cosx’— sin (x”’— k) sin.x’ cos A) 


— sin«’cosv’ sin’ = — sin) cos (x”+k) — sin (x —j) (cos(x”+k) cos x’— sin (x”+k) sin’ cos A) 


und hieraus: 


sinasin« . x Er OEIEDEDE nz: De ” 
na sn (u—u) cos” = sin k (sin («’—j) cos(«’—k) + sin («’+j) cos (x’+-k)) 
— 2 sinj cos (x + k) cos (x — k) (cosx’ sin x” + sinx’ cos x” cosA) 


A sin („—v))sin®’ = sinj (cos (x”— k) sin («—j) + cos (x”’+k) sin («+7)) 


"sinA 
— 2 sin k sin (x’+j) sin («—j) (cos x sina”’+ cos” sin x’ cosA) 
also: 
INeWLYF 
(sin (u— 1’) cos” sin; — sin (y— v’) sin’ sin k) (8) 


= — 2 (sin?jcos (x’+k) cos (x —%k) — sin? k sin (x’+J) sin(x’—j)) (cos x’ sin x’ + cos x” sin a’cos A). 
Man hat ferner aus (e) 
cos (u— u) — cos(v—vV) = 2(sinu sin u’ sin °j — sinv sinv’ cos”k) 
und wegen (e) 
an (cos (u—u’)— cos(u—v’)) = 2 (cos (x”—) cos (x’+k) sin”j— sin (2’—j) sin(&’+j) cos?k). 
02 


108 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Hiermit in (g) dividirt, giebt: 


“ sin (u—w) cosx” sin) — sin (v—v)) sinx’sin k R 
(h) — sinA NEE) EITHER IN SE = cos sin” c0sx” sin®’ cos A. 
cos (u— uw) — cus(v—v’) 


Eine andere nützliche Relation erhält man auf folgende Weise. Man multi- 
plieirt die beiden ersten der Gleichungen (a) mit sin x” und die dritte und 
vierte mit cos’: 

sin« cosu sin«” = — cosk sin (x’-45) + c0s (x” —k) (sin (x’-+j) cos” + cos (x’-4+J) sin” cosA) 

sin «’ cos u’ sin®” = — cosk sin (x’—j) + cos (x”’+k) (sin (x’—j) cos x’ + cos (x’—j) sin” cos A) 
—sin« cosv cosx’ = — C0sJ 005 (x —k) + sin (x’+j) (cos (x —k) sin. x’ + sin (x”—k) cos’ cos A) 
— sin «' cosv’cosx’ = — c0sj cos (x”+-k)-+ sin (x’—)) (cos (x”+k) sin’ + sin(x”-+k) cosx’cos A). 
Hieraus ergiebt sich: 


— sin« sin a’ 


sin. «” sin (u+-u’) = — cosk (sin («’4j) cos (x + k) + sin (x’—)) c0s(x’— k))) 


sin A 
+ 2c0s (x — k) cos (x”+-%) cos) (sin x’ cos x” + cos x’ sinx” cosA) 
ern cosx’ sin (u-+V’) = — c0sj (cos (x”—k) sin (x’—j) + cos (x”+%) sin (x’+7)) 
+ 2 sin (x’+-j) sin (&’—j) cosk (cosx” sina’—+ sin” cos’ cos A). 
Also: 
—sinasn«@ ,. ,„ re v N 
nz (sin ©” c0sj sin (u + u) — cos x’ cosk cos(u+-V))) 


= 2(cos (x”—k) cos (x”-+k) cos ?j — sin (x’-+j) sin (x’—j) cos ?k) (cos x” sin x’+ sina” cosx’ cos A). 


Es ist aber: 


ee = se e: (cos(u+u')—cos(u-+V')) = —2(cos?j cos(x”—k)cos(x”-+k)—cos?ksin(x’+Hj)sin(x’—)) 
daher: 
(i) sin a " x” cos sin een) — cosx’ ns cos(u-+v') = (c0s2” sinx’-+ sina” cos=’ cosA). 

cos (u+w) — cos(v+vV') 


$. 17. 


Die Gleichungen, von welchen die Intensitäten der reflectirten und 
gebrochenen Strahlen abhängen, sind also folgende: 
(S+R, )sin & = — D’ cosa’ sin d’+ D” cos«” sin d” 
(S—R,)cos® = — D’ cosx’ cos®’+ D” cosx” cosp” 
P+R, = Dsina’ + D” sin x” 
(P—R,)sin® cos$ = D’(sin«’sind’cosp’— sin? p’tangg’)+D”(sin®”sinp”cosp”—sin?p”tangz”). 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 109 


Man erhält hieraus: 


R,=pP+sS } 
BR, —=pBDE3S; 4) 
wo die Coefficienten p, p', s, s folgende Werthe haben: 
Np = _cosa” sin(P-+#”) (sin «’ sin (B—’) cos (P +) + sin?’ tangg’) 
+ cos’ sin (d-+ P') (sin. &” sin (P— pP”) cos(P+P") + sin ”p”tangg”) 
Ns = — cosa’ sin (P—)) (sin®” sin (B-+@”) cos(P— P”) — sin ?p”tangg”) " 
— cos«” sin (d—P”) (sinx®’ sin (P-+%') cos (P — @') — sin?’ tangg’) ©) 
Np' = — sin 2 cos’ cos” sin (d’— P”) 


Ns’ = sin2 9 fsin a’ sin «” sin (P’—p”) cos (P’+P”) — sin. x” sin ?®’tang g’ + sin a’ sin ?p”tang q”}, 
worin: 


wma cos” sin (b-+&”) (sin a’ sin (d-+&’) cos(p— P’) — sin ?®’ tangg’) 
+ 0052 sin (+) (sin @” sin (P-++$”) cos(P—P”) — sin ? b”tangg”) ö 


Für die Geschwindigkeiten in den gebrochenen Strahlen findet man: 


ND' = 2sin $ cos$ $P cos” sin(p+P") — S(sin«” sina(B+P”) cos(P—P”) — sin?p”tangg”)} 3 
N.D” = 2sin p cos $ $P cos ’sin (P+P’) +S(sin x’ sin (P +9") cos (PP) — sin? p’ tang N. (3) 


Hieraus erhält man die Intensitäten des Lichtes in den gebrochenen gewöhn- 
lichen und ungewöhnlichen Strahlen. Diese sind nämlich respective: D’U’ 
n2T7n k 
D"’U", wo: 
De sin d’ cos b’— sin ®’ sin ?«p’ tangg’ 
er sind cos& (4) 
4 
Ds sind” cos” — sin ©” sin ?p” tang g” 
Mr sind cos i 
Wenden wir diese Formeln, um sie zu erläutern, auf die drei einfachsten 
Fälle an, nämlich: 


1) wenn die Einfalls-Ebene den spitzen Winkel der optischen Axen 


halbirt. Hier ist u—_wW = o —=tangg’=0, u+U=2v. Ferner ist 
’ 57 . 


4 
sinx= 0, cosx”=o, aber cosx&’—=1, je nachdem die Normale der 
brechenden Ebene auf der Seite der r Axe oder der v Axe liegt, in Bezie- 
hung auf die Normale der gebrochenen Wellen-Ebene, angenommen, der 
bequemeren Verständigung wegen, dafs die = Axe es ist, welche den 
spitzen Winkel der optischen Axen halbirt. Unter denselben Umständen ist 


sınx==#1ı. 


110 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 
Man findet aus (1) und (2) und (3) p =o, s = o und 


er sin (d—') 
IT sin (P+P') 
(sin (P—$”) cos(p+P") E zu pP 
Du ER a 
sin (P-+P") cos(Pp—P”) F BE 
Di #2sinpcospS 
(5) I sin (P+P) 
De + 2sind cos P 
Br sin — 


sin (+) cos(P—&”) E 


Da sin db’ cosp’ 


sinb cos 
rn 2 1m 
RT. 7 sın °& 
sin b” cos” 2 — 
U’ p HENeE 
sin b cos®& E 


2) Wenn die Einfalls-Ebene den stumpfen Winkel der optischen Axen 
halbirt, oder, was dasselbe ist, zusammenfällt at der Ebene der v und u Axe. 
Hier ist (u-+v’) = 150° und also — =tangg”= o, Gi = 190 —2u'. 
Ferner ist cosx’= 0, sin x’ = o und sin& = +1, cos&’=F 1, je nachdem 
die Normale der brechenden Ebene auf der Seite der v Axe oder der u Axe 
liegt, in Beziehung auf die Normale der gebrochenen Wellen-Ebene. Man 
findet pf =o, !=o 


ul sin(Pp-$P")S 
* sin (B+P”) 
(sin (9) eos(@+9) + F) p 
R= cn 
sin (P+P)) cos(Pp—P) F a) 
De #2sind cos$ P 


sin (P-+P') cos (-P)77 an ni 


(6) 


„_ F#2sinpcospS- 
DZ sin(P++®”) 


ur 5 sin ?6’ 
sin.’ cosh’ EZ ——- 
v pP le ) 
FR sind cos(d 
U" sınd” cos” 


—  sindcos® " 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 111 


3) Die Einfalls-Ebene fällt mit der Ebene der optischen Axen zusam- 
men. Hier haben wir zwei Fälle zu unterscheiden: 

a) Die Normalen der gebrochenen Wellen-Ebenen liegen in dem 
stumpfen Winkel der optischen Axen 


saerk— 10 Eos 0,11: 0, ık = 0, 5>9 


und: COS run — It 1, 
wo das obere oder untere Zeichen zu nehmen ist, je nachdem die Normale der 


brechenden Ebene auf der Seite der r Axe oder der u Axe liegt, in Beziehung 
auf die Normale der gebrochenen Wellen-Ebene. Man findet = o, s =o 


RR: sin (d— 4) S 
g sin (P-+P') 
(sin (#—#”) cos(@+9) #E-) P 
R, fund - R nr sin '&” 
sin (P+E”) cos(P—)z Eye 
+ 2sinc 
De Rn Rep 
sin (P-+-P’) (7) 
m + 2sind cosb P 
D’= sin ?6” 


. an 
sin (P+P") cos(B—d”) FE EEE 
in.’ cos’ 
U’ > {6} 
sind cosd 
N ll hkinge 
1 —_— 
Ss n& » ar e’E 
sind cos& 


708% — 


5) Die Normalen der gebrochenen Wellen-Ebenen liegen in dem spitzen 
Winkel der optischen Axen: 
a, 2 1 
COS — 05 81n\24,— 0) 22130, 2 le == 150, z=0 
und 
SIDE SE VEeoSIrı er 


wo die obern oder untern Vorzeichen zu nehmen sind, je nachdem die Nor- 
male der brechenden Ebene auf der Seite der r Axe oder der u Axe liegt, 
in Beziehung auf die Normale der gebrochenen Wellen-Ebene. Man erhält 
Bio, Ist grund 


112 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


N ED 
R,= sin (PH P") 
(sin #9) cos(o+9) + ME) p 
Re DSH ER. 17: 2020 
pP 


sin (P+P') cos (P—P) mE 


Di #2sinpcosp P 
(8) sin (P+P) co (pP) 
„.. #2sind cosp I 
2 sin (P+P”) 
Y . l guhn sin 2.p’ 
U’ = sing’ cos® +0 


sind” cos®” 
U" = —  ———, 
sın d cosh 
Dafs von diesen Formeln diejenigen, welche sich auf die reflectirten Strahlen 
oc 
beziehen, auch für den besondern Fall, der in der Mitte zwischen den beiden 
$) $) 
Fällen in (a) und (d) liegt, wo die Normale der gebrochenen Welle mit der 
optischen Axe zusammenfällt, richtig sind, und man nur # = #” zu setzen 
habe, werde ich im folgenden $. zeigen. 


$. 18. 


Ich werde mich jetzt mit der Anwendung der Formeln (1) (2) (3) des 
vorigen $. auf einen Fall beschäftigen, der beim ersten Anblick einige Schwie- 
rigkeit darbietet, nämlich auf den Fall, wo statt der doppelten Brechung 
des einfallenden Strahls die konische Brechung eintritt. Ich werde unter- 
suchen die Licht-Intensitäten und die Lage der Polarisations-Ebenen in den 
verschiedenen Seiten des Lichtkegels, in welche der einfallende Strahl sich 
zerspaltet. Die Formeln (1) (2) (3) werden in diesem Falle völlig unbestimmt, 
weil x’ und &”, j und k hier jeden Werth haben können, sie bekommen die 
Natur eines Ausdrucks, der durch bestimmte Werthe zweier von einander 


unabhängiger Grölsen = wird. Es bedarf in solchen Fällen immer einer 


besondern Untersuchung über die Bedeutung dieses = Diese werde ich an 
die Fig. 10. knüpfen. Durch den Mittelpunkt einer Kugel sind die beiden 
optischen Axen gelegt, welche ihre Oberfläche in A und 4’ schneiden. 
Durch denselben Mittelpunkt legen wir die Normale der brechenden Ebene 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 113 


und die Normale der gewöhnlichen und ungewöhnlichen Wellen-Ebene 
und den dazu gehörigen einfallenden Strahl, welche Linien die Oberfläche 
respective schneiden in B, OÖ, E und $. Die Einfalls-Ebene ist also der 
gröfste Kreis BEOS. Ich habe angenommen, dafs die Normale der brechen- 
den Ebene in der Ebene der optischen Axen liegt, und zwar in ihrem spitzen 
Winkel, und ich werde später den allgemeinern Fall untersuchen. Die Be- 
wegungen in der gewöhnlichen Wellen-Ebene O liegen in der Ebene des 
Kreises OO’, welcher den Winkel 40.4 halbirt, und ihr zugehöriger Strahl 
in o, so dafs der Winkel oOO’ ein rechter ist und die Tangente des Bogens 
o0=—,, wo o und O in der Bedeutung $. 15. (5) und (4) genommen 
sind. Dies beruht auf (2) $. 16. und 185. 8.15. In der ungewöhnlichen 
Wellen-Ebene E findet die Bewegung in der Ebene des Kreises EE’ statt, 
welcher 4EC halbirt, der dazu gehörige Strahl liegt in e, so dafs eEE"ein 
rechter Winkel ist, und die Tangente von eE= —-. Die Winkel 404’ 
und AEA' sind dieselben, welche wir mit 27 und 2% bezeichnet haben, der 
Winkel SEE” ist unser &” und SOO’ gleich x’. Denken wir uns nun den 
einfallenden Strahl allmählig von $ nach 5" bis S” rückend, so aber, dafs die 
Normale der gewöhnlichen gebrochenen Wellen-Ebene sich bewegt in dem 
Kreise AO, während die brechende Ebene B unverändert bleibt, so fallen 
O und E immer näher an einander und sie fallen zusammen, wenn O in 4, 
S in ‚$” angekommen ist. Verfolgen wir die verschiedenen Lagen der Pola- 
risations-Ebenen von O und E während der Bewegung von O auf AO nach 
A, so sehen wir, dafs diese, wenn O und E in 4 zusammenfallen, die Lagen 
Aa und Ab angenommen haben, wo Ad den Winkel 440 halbirt und da 
den Winkel 048”. Wir haben also in dieser Grenze S’ Aa=x, S’Ab=x". 
Der W.2j=2k=BAD = 30 — 22’= 2x” — 150, und also «’+x” = 270. 
Der zur Wellen-Normale 4 gehörige gewöhnliche Strahl liegt in 2’, der dazu 
gehörige ungewöhnliche Strahl in «‘. Ich werde die Bogen 45 und Aa’ mit 


g und g” bezeichnen, dann ist: 


taneg’ — 2 = iR 5 . ’ 
8 ao nz,  sln2nsinz 
tan I Enns = in anlcosa 
Sulzeo FE 2v® g = 2v2 J 
. 2 En 1 EIER AL UL EN URN 2 
weil 0—=e’—=»v°’ und weil in = ==p" sin (u—u’) sinj, der Winkel 


Nlathemat. Abhandl. 1835. 13 


414 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 

Ba 2 n 
W“=o und u=2n ist, und in ;—= "75" sin (+v') cosk der W.v—= o und 
p=2nist. Setzen wir 1s0—x’—=w, wo also = W..«a’AS” ist, so ist: 


Th. E mu. 
(1) „tangıg == — — sinensinw und tang Da =, — sinzn cos w. 
2v 


2v? 


Hierbei mufs man bemerken, dafs der Bogen g” sich zwar in dem Azimuth w 
befindet, nicht aber der Bogen g’, vielmehr liegt letzterer in dem Azimuth 
w—90; nennt man sein Azimuth w, so ist also » — w'+90; dieser Werth für 
w in tangg’ gesetzt, giebt: 


7 . ‚ 
tang Big, — —. 7 sin2ncosw, 
2v” 


woraus erhellt, dafs in demselben Azimuth, d.i. für »—=w, man auch hat 
g7=g' Nun kann die Linie AO unter jedem Winkel gegen AA’ geneigt 
sein, d.h. der Winkel 5” AO kann wachsen von o bis +7 und von o bis —r, 
mithin kann », welches immer gleich dem halben Winkel S’”AO ist, alle 
Werthe zwischen ++ und — 4 r haben. Folglich stellen die Gleichungen 
(1) einen Kegel vor, dessen Seiten alle die Strahlen darstellen, welche zur 
Wellen-Normale A gehören. Es ist derselbe Kegel, den wir oben $. 15. (23) 
bereits aus andern Betrachtungen abgeleitet haben. Die jetzige Betrachtung 
giebt aber eine deutlichere Einsicht in die physikalische Natur desselben. 
Man mufs sich den einfallenden Strahl $” entstanden denken aus einem Kegel 
dadurch, dafs die Seiten desselben mit seiner Axe zusammengefallen sind. 
Jede Seite, obgleich sie nun alle dieselbe Richtung haben, hat zwei Strahlen 
a’ und ’ erzeugt, deren Ort ein durch die Axe A gehender elliptischer Kegel 
ist, welcher von der Ebene senkrecht auf 4 in einem Kreise geschnitten wird. 
Die beiden Strahlen @’ und 5’ nenne ich zusammengehörige. Wenn 
der Strahl @’ gegeben ist, findet man den dazu gehörigen Ö', indem man durch 
die Axe 4 und den Strahl «a eine Ebene legt, und eine zweite Ebene durch 
A senkrecht auf jene; diese zweite Ebene schneidet den Kegel in dem Strahle 
b'. Je zwei zusammengehörige Strahlen sind senkrecht auf einander polarisirt 
und zwar jeder senkrecht auf der Ebene, die durch ihn und die Axe 4 
gelegt ist. Wenn die Amplitude in dem einfallenden Strahle $” mit I be- 
zeichnet wird, rühren die zwei zusammengehörigen Strahlen @’ und 5’ von 
dem Theil — = her, wo 2 die Peripherie eines Kreises vom Halbmesser 1 
vorstellt, und ß ein Element dieser Peripherie, weil man die Seiten des Ke- 
gels, aus welchem .S” durch das Verschwinden des Kegelwinkels entstanden, 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 115 


sich alle mit gleicher Geschwindigkeit oseillirend vorstellen mufs. Ich werde 


8 ENTE ; NEIN 2 3 
die Geschwindigkeiten in den Strahlen 5 und @” mit — und e bezeichnen. 


Um ihre Ausdrücke zu finden, haben wir in (3) $. 17. zu setzen: 


pß sß 
er en 
x =10 — uw "= 90-+w 
= 
= u 
D’= 2% Di= ER, 
27 27 
Man findet hierdurch: 
N=-—sin(P+4%)) (sin @a+9) cos(P— d') — sin ?$’ sin 2n Fr 
NO'= —2sinp cos el Psinp+p "sin u+S(sin(p+% )cos(p—d )— \ sin 2nsin?& ')cos «N 
a 2) 
NQO’=—2sindcos o[Psinp+9 ")cos 0 S(sin(p+# )cos(p—d’ )— ine sin? ) sin w } 
sind’ cos$’— sin ?w sin ?«p’ sin? Ye 
ne EL 
sın d cos 
sin d’ cos &’— cos ”w sin ?P’ sin2n ca zu 


z2 
UN Ra Te 
Der Werth von ©” gehört einem Strahle an, dessen Neigung gegen die Axe 
A ist g’ und der sich im Azimuth » befindet, der Werth von Q’ gehört zu 
dem unter q’ geneigten Strahle, welcher sich im Azimuth »—90 befindet. 
Führt man in ihn statt w sein zugehöriges Azimuth ein, d. h. setzt man statt 
w den Winkel w+-90, so sieht man, dafs für "= w auch Q' = Q”. Man kann 
daher die beiden Gleichungen (2) eben so wie wir es bei den beiden Gleichun- 
gen (1) gesehen haben, durch eine ersetzen, in welcher die Geschwindigkeit 
durch das correspondirende Azimuth des Strahls ausgedrückt ist, also durch 
den Werth für Q”. Dabei mufs man aber bemerken, dafs alsdann jede Seite 
des Kegels (1) als doppelt zu betrachten ist, einmal einen gewöhnlichen Strahl 
vorstellend und dann auch einen ungewöhnlichen, in beiden Fällen findet 
aber dieselbe Geschwindigkeit in derselben Richtung statt, die man also 
addiren kann. Demnach wird man die jeder einzelnen Seite des Kegels 


P2 


116 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


angehörige Geschwindigkeit erhalten, wenn man Q” mit 2 multiplieirt. Ich 


werde die Neigung einer Seite des Kegels gegen die Axe 4 im Azimuth » 


mit q bezeichnen, und die Geschwindigkeit in dem durch diese Seite darge- 
stellten Strahle mit ©, alsdann ist: 


m—u? 
tangqg = " sinen cosw 
81= 2v? 


(2) ? ? 
Psin (P-+®') cosw —S(sin(p+)eosp-9)-"—H- sin2n sin 29’) sin w 
Q=1Asindg cos ı  — — — — — a: ? 
sin (P+ ®') (sin (P+P') cos(P — EP’) — ar sin 2n sin 2) 


Dieser Ausdruck enthält das Gesetz, nach welchem ein einfallender Licht- 
strahl sich in den Seiten des Refractions-Kegels verbreitet, wenn er ursprüng- 
lich in dem Azimuth dessen Tangente = u polarisirt auf eine brechende 
Ebene fällt, deren Normale in dem spitzen Winkel der optischen Axen liegt. 
Die Intensität des Lichtes in der Seite des Kegels, welche in Beziehung auf 
die Ebene der optischen Axen in dem Azimuth u liegt, ist nämlich: 


2? 2 
. . . ee 
Q° (sin $’ cos d’— cos ?w sin ”p’ sinn -) 
2v 


EZ, 


sin d cos 


Zwischen & und & hat man die Relation v sin $ = sin ®’ und $ ist hier die 
Neigung der Normale der brechenden Ebene gegen die optische Axe. Setzt 
man d =, d. h. nimmt man an, dafs die Ebene, durch welche das Licht 
in den Krystall eintritt, senkrecht auf der optischen Axe steht, so erhält man: 


(0) = 4 (P cosw — S'sinw), 


woraus erhellt, dafs in der Seite des Kegels, welche im Azimuth der ursprüng- 
lichen Polarisation liegt, das Licht = o ist, und dafs es ein Maximum in der 
Seite, deren Azimuth senkrecht auf der ursprünglichen Polarisations-Ebene 
steht, ist. Ein ähnliches nur durch die Brechung der Wellen-Ebene modi- 
ficirtes Verhältnifs findet allgemein statt; denn man kann (3) immer in die 
Form Q = A sin (B—w) bringen. 

In der Wirklichkeit ist es nun aber nicht ein Strahl, welcher auffällt, 
sondern ein Strahleneylinder; dieser erzeugt nicht einen einfachen Lichtkegel, 
sondern das gebrochene Licht verbreitet sich über einen Raum, welcher von 
der Enveloppe unendlich vieler Refractions-Kegel eingeschlossen ist. Dadurch 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 447 


wird nun sowohl die Vertheilung des Lichtes als die Lage seiner Polarisations- 
Ebene modificirt. Ehe ich mich aber hiermit beschäftige, wird es gut sein zu 
untersuchen, was aus den Formeln (1) und (2) $. 17. für das reflectirte Licht 
in den Fällen wird, wo die gebrochene Wellen-Ebene senkrecht auf einer 
der optischen Axen steht. Die reflectirten Geschwindigkeiten A, und A, mufs 
man betrachten als zusammengesetzt aus den reflectirten Geschwindigkeiten, 
die zu den einzelnen gebrochenen Strahlen im Azimuth x’ und &” gehören; 
die einzelnen reflectirten Geschwindigkeiten, da sie dieselben Richtungen 
haben, addiren sich und man hat also: 


he 
R,=f(pP+s9 2 
R,= fpP+ss)Z, 


wo ‚f die Summe in Beziehung auf alle x’ und x” von o bis 27 bedeuten soll. 
Die Gröfsen p, p', s, s’ sind im Allgemeinen Functionen dieser Gröfsen. 


Man findet aber aus (2) $. 17.: 
Np = —sin(#-+9)) (sin (P— 9) cos(P-+9)+sin’o' sin2zn —#£) 


Ns = +sin(#—') (sin (+9) cos(p — 9) — sin’p’ sin2n nn) 
A) 
Ns = o, 

woraus erhellt, dafs (p@=p:r, fsß=s:r, fp=o, fs =o, und dafs, 


wenn statt /V sein Werth aus (2) gesetzt wird, man erhält: 


aeg 
sin (p—d') cos(P-+#") + sin ?@’ sin 2n = un 
ee aan = EEE RNEERN NENGT TIGER a er 
sin(d +’) cos (P—P’) — sin?p’ sin2n Er (5) 


sin(P—$’ 
Be ne 

Dies sind genau die Formeln, welche man aus denen in (7) und (8) $. 17. 
erhält, wenn dort = $” gesetzt wird. Die konische Refraction übt also 
auf die Reflexion keinen Einflufs aus. 

Die Bewegungen O in (3) stehen senkrecht auf dem Azimuth w, zerlegt 
man dieselben nach dem Azimuth 0° und 90° und nimmt die respectiven Sum- 
men dieser Componenten, so müssen deren Werthe zusammenfallen mit D’ 


118 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


und D” in (7) oder (8) des $. 17., wenn dort # = ®” gesetzt wird. So fin- 
det man es in der That. Die Componenten der Geschwindigkeiten im Azi- 
muth 0° sind: 

— Qsinw = und im Azimuth 90°: Q cos w a 
Es sollen also die Summen — f'Q sin w a und fQ cosw n gleich sein den 
Werthen von D’ und D” in (7) und (8) $. 17., diese Summen genommen in 
Beziehung auf alle Seiten des einfallenden Lichtstrahls, den wir uns als einen 
mit seiner Axe zusammengefallenen Lichtkegel gedacht haben. Wir müssen 
uns erinnern, dafs » immer der halbe Winkel S’”40O Fig. 10. ist; ich be- 
zeichne diesen Winkel mit «. Giebt man dem « alle Werthe zwischen + 7 
— 7, so erhält man die gebrochenen Strahlen, welche allen Seiten des einfal- 
lenden Strahls entsprechen, und man kann statt 8 schreiben da. Dadurch 
verwandelt sich die erste Summe in: 


0 ß nee: 4 da 
— /Qsnu —— — sin L« —, 
27 “ 27 


oder wenn man wieder w einführt, v= + «: 


4 

5 ß a ER m 

— /Qsinw zuie: Q sinu — . 
a} 


Eben so ist: 


Hierin die Werthe für Q aus (3) gesetzt, erhält man: 
: ß _ 2sindcos®S 
—fQ SE Sin(®-+9) 


„Jose — EN 0 O1 SZSUEPIEDE DSLNEEIE SISRLPEREENEN, 
Br sin (P-+P’) cos (P—#’) — u E sin 2n sin ?&’ 


welches eben die Werthe für D’ und D” in (7) und (8) $.17. sind, wenn 
dort #' = #” gesetzt wird. 

Bis jetzt habe ich angenommen, dafs die brechende Ebene senkrecht 
auf der Ebene der optischen Axen steht. Ich werde jetzt den allgemeinen 
Fall betrachten, wo die brechende Ebene irgend welche Lage habe. Ihre 
Normale sei gegen die optische Axe unter & geneigt, und die Ebene durch 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Körper. 119 


diese Normale und die optische Axe, d. i. die Einfalls-Ebene bilde mit der 
Ebene der beiden optischen Axen den Winkel A, diesen Winkel A in demsel- 
ben Sinne gerechnet wie vorher w. Die Polarisations-Ebenen irgend zweier 
zusammengehöriger Strahlen des elliptischen Kegels liegen im Azimuth x’ 
und x”, diese Buchstaben in der Bedeutung der Formeln (1) (2) (3) $. 17. 


genommen. Es sei: 
w — 10 —x' = x”’— 9, 


wo also w das Azimuth des ungewöhnlichen Strahls in Beziehung auf die 
Einfalls-Ebene ist. Dann ist der Winkel, den wir vorher mit w bezeichnet 
haben, d. h. das Azimuth des ungewöhnlichen Strahls in Beziehung auf die 
Ebene der optischen Axen = w-+r. Man hat also aus (1) dieses $.: 


m* pe 


tangg’ = 5, sin 272 sin (w+-A) 


2 
—f 


tangg”= sin2ncos(w-+A). 


2v? 


Durch Einführung von w’ statt x’ und x” und dieser Werthe von tangg’ und 
tang g” in (3) 8.17. und durch Substituirung von En SP statt P und S erhält 
man, wenn die Geschwindigkeiten in den beiden zusammengehörigen Strah- 


len wiederum mit ı 2 und Se a. bezeichnet wird: 


zsin $ cosö (P sin (+9) sinu’+ 5 (cosa’ al Da Ben °Yeos(«“+%))) 


O2 


sin (944) (sin (#+4) cos(d— en sin2r. sin 6’ En) 


esind cos$ (sin (#+9)cosu'— 5 (sin «’ Ba he z =E sin2ersin °psin(+%))) 


OS 


sin2z sin ’&' c0s%) 


sin (+4) (sin(#+$) cos (9-4) —" 


Die Werthe für g’ und Q’ gehören Strahlen an, welche im Azimuth w’— 90 
liegen; führt man in ihre Ausdrücke diese ihnen angehörigen Azimuthe ein, 
d. h. setzt man statt w den Winkel w+-90, so findet man ’ = g’ undQO'=Q". 
Man kann also auch hier den Strahl im Azimuth w als bestehend aus zweien 
betrachten, einem gewöhnlichen und einem ungewöhnlichen, in beiden die- 
selbe Geschwindigkeit und von gleicher Richtung. Man erhält demnach die 
Geschwindigkeit in einem Strahl in dem Azimuth w, wenn man Q” mit 2 
multiplieirt. Nennt man also Q die Geschwindigkeit eines Strahls im Azimuth 


120 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


w' und seine Neigung gegen die optische Axe g, so hat man, wenn statt w 
sein Werth = w—A gesetzt wird: 


4sinb cos en ler En ansin?’d sine) 
g=1l"=— — — ——  — — 1 > 
(6) sin (+4) (sin (#+$)) cos (#— 9)" z 


Hier sin ?6' - 


Setzt man A=0, so reprodueirt sich der durch (3) ie Fall, aber 
?= ıso stellt den Fall dar, wo die Normale der brechenden Ebene in dem 
stumpfen Winkel der optischen Axen liegt, und man erhält in diesem Falle: 


«sind cosb & sin(6+6’) cosw — S (sin (6-+4’) cos er Or sin2rsin :$)sin °): 


0=- 


sin (#-+4') (sin (6+6') cos ($—#) +" P —e Bilehen sin =; 


Für die reflectirten Strahlen erhält man die Geschwindigkeiten, wenn man 
die Summen nimmt der einzelnen Geschwindigkeiten, die jedem einzelnen 
gebrochenen Strahl des elliptischen Kegels entsprechen. Also: 


RB,=Pf? +5 


BB ae sß 
R,=PfI-+S/—- 


Man findet: 


ß@ (sin (P—P') cos (Pd +P) + — sin ?’ sin2n cos x) 
> -P= ST TGRTBRgRe He Se wer OT Per Se rmENEBETER 
yz sin (d+$') cos (P—P') — — sin ?p’ sinZn cos‘ 
IE sin ($®—P) 
ET San 
27 sin (+) 
D=9 
je it sin2ch sin ?®’ sin2n sinA 
ZEUSEGH sin (p-+9) (sin (+9) cos (P— pP) 2.p sinzn cos2). 


Dieselben Ausdrücke erhält man auch, wenn man die conische Refraction 
unberücksichtigt läfst, und die Werthe für p, s, p’, s’ sucht für irgend eine 
brechende Ebene, wenn die Einfalls- Ebene durch eine der optischen Axen 
geht und der Strahl so gebrochen wird, dafs die gebrochene Wellen- Ebene 
senkrecht auf der optischen Axe steht, was darauf hinauskommt, in (2) $. 17. 
zu setzen: 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 121 


x’ = 10 +1 "= 90—4r 
je ee, x Sg A d t De mE —n: “ 4 N 
tan Ei — Tan 2nsın 7 un anzg = BEREIT: sın2n cos DAR) 


Die konische Refraction übt also allgemein keinerlei Art von Einflufs aus auf 
die Phänomene der reilectirten Strahlen. 

Wir haben nun noch zu untersuchen, wie sich die Vertheilung des 
Lichtes in dem elliptischen Kegel verhält, wenn das einfallende Licht nicht 
polarisirt ist. Das natürliche Licht mufs man als eine so rasche Folge von 
Öscillationen nach allen Richtungen ansehen, dafs man diese innerhalb einer 
sehr kleinen Zeit als gleich in den einzelnen Richtungen annehmen kann. 

Setzt man in den Ausdruck von Q für P und S ihre Werthe P=Isinß 
und S=Icosß, wo I die Intensität des einfallenden Lichtes und ß irgend 
ein Azimuth der Oscillation bezeichnet, nimmt ferner das Quadrat von S 
und multiplieirt dies mit E so erhält man die Intensität des Lichtes I”? üı 
jedem Strahl des Kegels für nicht polarisirtes einfallendes Licht, wenn man 
von UQ° + das Inieera] von o bis +27 nimmt. Man hat also: 


ae 
= [ug ah 


cos’(w—A)sin?(6+6')+ (sin-»sin (6+6’)cos(b—b je 


ame ansin’d'cos »)" 
U 


I? =8I’sin’bcos’b 
(sin (+4) cos(#—$') — —- sin2rsin ?®’ cos ” sin?(#+6)) 


ee S n—u? . 5 
sin d' cosd’ — —, — sin2n cos (»—?)sin?&b 


Er sind cos& 
Vernachlässigt man #’— u”, so erhält man als erste Annäherung: 
‚2 >» sin2& sin2d’ | cos’(w— 7) ae 
= — - ; - sin (w—A 
a zu lee \ Ip 
woraus man sieht, dafs nur, wenn die brechende Ebene senkrecht auf der 
optischen Axe steht, das Licht gleichförmig in dem Kegel verbreitet ist; im 
Allgemeinen hat die Lichtintensität ein Maximum in = und ein Minimum 
in w=A-—90, und das Maximum verhält sich zum Minimum wie ı zu 
cos’(#—$®'). In den Beobachtungen des Herrn Lloyd am Arragonit (Pogg. 
Ann. Bd. XX VII.) war dieser Bendened klein genug, da $ nur etwa 9° 
betrug, dafs derselbe unbemerkt bleiben konnte. 
Mathemat. Abhandl. 1833. Q 


19 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


In der Wirklichkeit haben wir es nicht mit einem Lichtstrahl zu thun, 
sondern mit einem Strahlen-Cylinder. Es sei Fig. 15. AA4' DD’ der Durch- 
schnitt der Einfalls-Ebene mit dem einfallenden Strahlen-Cylinder, ABC 
und A’B’C’ die Durchschnitte derselben Ebene mit den Refractions -Kegel- 
flächen, die zu den beiden einfallenden Strahlen AD und AD’ gehören, AB 
und A’B’ die Richtung der optischen Axe. Die Bewegungen, welche nach 
irgend einem Punkte F geschickt werden, rühren her von alle denjenigen 
Punkten des Durchschnitts 14’ des einfallenden Strahlen - Cylinders mit der 
brechenden Ebene, von denen die durch die Wellen-Ebene AA” erregten 
Bewegungen zu gleicher Zeit in F anlangen. Wenn man durch F die FG 
parallel mit der optischen Axe zieht und durch FG den Refractions-Kegel 
FGE beschreibt, so wird dieser von der brechenden Ebene im Allgemeinen 
in einer Ellipse geschnitten. Das Stück dieser Ellipse, welches innerhalb des 
Durchschnitts A_4 des einfallenden Strahlen - Cylinders mit der brechenden 
Ebene liegt, enthält alle diejenigen Punkte diesesDurchschnitts 44’, von denen 
die Bewegungen zu gleicher Zeitin /’anlangen. Diese Bewegungen finden nicht 
alle in derselben Richtung statt, sie müssen also erst zerlegt und dann addirt 
werden, um die in F’resultirende Bewegung zu erhalten. Dies führt zu schwie- 
rigen Rechnungen, und das Resultat hängt auch in den einfachern Fällen von 
elliptischen Transcendenten ab. Ich werde, um das Prinzip zu erläutern, 
diese Rechnung 
der frei von analytischen Schwierigkeiten ist. Ich werde annehmen, dafs die 
brechende Ebene senkrecht auf der optischen Axe stehe, und dafs die ein- 
fallenden Strahlen einen geraden Cylinder bilden. Es sei Fig. 11. der Kreis 
ABC der Durchschnitt dieses Cylinders mit der brechenden Ebene. Sein 
Durchmesser AB sin = 29. Durch irgend einen Punkt D innerhalb des 
Krystalls, dessen Entfernung von der brechenden Ebene d sei, ziehen wir 
eine Linie parallel mit der optischen Axe, welche die brechende Ebene in 
dem Punkte E der Fig. 11. schneidet. Ferner legen wir durch DE die Ebene 
der beiden optischen Axen, welche den Durchschnitt EF Fig. 11. mit der 
brechenden Ebene bildet. Auf EF machen wir EG = —e dsnen—=R 
und beschreiben um G mit GE einen Kreis. Der durch den Punkt D und 
diesen Kreis gelegte Kegel ist der zu D gehörige Refractions-Kegel. Die 


nur für einen sehr speziellen und einfachen Fall durchführen, 


Bewegungen, welche von dem einfallenden Strahlen - Cylinder nach D ge- 
schickt werden, rühren von den Strahlen her, welche die brechende Ebene 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 123 


in dem Kreisbogen ITI schneiden. Es ist hiernach leicht, auf der durch D 
parallel mit der brechenden Ebene gelegten Ebene die Punkte zu bestimmen, 
welche von dem einfallenden Strahlen-Cylinder Licht erhalten. Die Grenzen 
dieser Punkte werden diejenigen sein, für welche die durch die E-Punkte 
auf die eben angegebene Weise construirten Kreise den Kreis ABC berühren, 
für welche also GN=R$3 ist. Zieht man durch E die Dre EM parallel 
mit GN und die Linie BA parallel mit EF, so it NM = EG = 
Der Punkt A/ ist also seiner Lage nach unabhängig von E, und ME ist immer 
die Entfernung des Mittelpunktes V von dem Mittelpunkte G des durch E 
beschriebenen Kreises. Zu den Grenzpunkten D, welche noch Licht von 
ABC erhalten, gehören also solche E-Punkte, für welche ME=R-+3. 
Diese liegen also in zwei um Afbeschriebenen concentrischen Ei zeisen ao und 
1302 a Halbmesser MP — 
sind. Man hat nur durch Aioss Kecise zwei gerade Eylinder x zu I die 


“ sin2nd. 


“ dsin2 n—2 und MP — 


Durchschnitte derselben mit der Ebene, welche parallel mit der en 
durch D gelegt ist, enthält die Grenzpunkte, nach welchen von dem einfal- 
lenden Licht-Cylinder, dessen Basis 4BC ist, noch Strahlen gelangen. — 
Wenn R=p, so wird der Halbmesser des innern Kreises APQ gleich o. 
Wenn R<op, so wird der Halbmesser dieses Kreises negativ, und das will 
sagen, er bekommt eine Lage wie in Fig. 12., wo er die innere Seite des 
Kreises ABC berührt. Hier aber hat nr Kreis auch eine andere Bedeu- 
tung; innerhalb seiner liegen alle E-Punkte von der Beschaffenheit, dafs 
wenn man um ihre @-Punkte mit Zt Kreise beschreibt, diese den Kreis ABC 
gar nicht schneiden. Nach den diesen E-Punkten angehörenden D-Punkten 
kommen also alle Radien eines ganzen Refractions-Kegels. In dem Ringe 
zwischen AQP und RQ’P’ liegen die Punkte, welche nur einen Theil der 
Radien eines solchen Kegels erhalten. 

Die Lage des Punktes D werde bestimmt durch seine Entfernung A-+x 
von der durch A/ gelegten optischen Axe und durch die Neigung der durch 
diese Axe und ihn gelegten Ebene gegen die durch dieselbe Axe und N ge- 
legte Ebene, d. i. durch den Winkel PME=I. — Beschreibt man um M 
den Kreis abe mit dem Halbmesser ge, und um £ einen Kreis mit dem Halb- 
messer Jt, welcher jenen in A und i schneidet, so ist der Bogen hi gleich dem 


Bogen HI und die Radien ER, Ei, EM sind gegen PA unter doppelt so 
Q2 


124 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


grofsem W inkel geneigt, als EH, EI, En, wo n den Durchschnitt von GN 
mit dem um G en Kreise bezeichnet. 
Es sei Winkel MEh = MEi=z), so ist: 


TTZR(R+x)" 

Ein Radius Ev bilde mit EM den Winkel z, und der Punkt 7 innerhalb des 
Kreises ABC entspreche dem » auf die Weise, dafs EY mit En den Winkel 
4 zbilde. Die Geschwindigkeit, welche von /nach E gelangt, werde mit 
Q bezeichnet. Diese Geschwindigkeit Q ist eine Function der Neigung von 
VE gegen AB, d. i. von +(II+2), und sie ist senkrecht gegen FE gerichtet. 
Zerlegen wir sie nach EN und senkrecht darauf, und nennen wir die erste 
Componente p’, die zweite s’, so ist: 


= Qsin+z s= Qcos+2. 
Multiplieiren wir diese Componenten mit dem Element des Bogens IT, d. i. 
mit R0dz, und nehmen die Summe von —z' bis +z', so erhalten wir die 
Componenten p und s der in E vom Bogen HI resultirenden Bewegung: 


p=RfQ sin 4203 sn Q cos + 202. 


Setzen wir hierin den Werth für Q aus (4) 


P= 5; NP cos + (NI-+z) — Ssin 1 (N-+2)} sin -202 


MeRHES — f[{P cos + (N+z) — S sin+ (N-+2)} cos+ 202 


und hieraus: 


— ren 5 {P sin + Scos+N} (!— sinz) 
(10) 
So {P cos41— S sin II} (+ sinz)), 
wo sin’-42= RT 


und g-+x die Entfernung des Punktes D oder E von der innern Grenze und 
g— x seine Entfernung von der äulsern Grenze des Ringes, innerhalb dessen 
alle Punkte liegen, wohin Bewegung geschickt wird. Wenn g’—x” negativ 
wird, so bekommt der durch #i+x und II und 0 seiner Lage nach bestimmte 


: . N Mike u i 
Punkt keine Bewegung mehr; wenn abeı Re)! oder >ı wird, so 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 125 


ist in (10) statt zZ’ immer r, d. i. der halbe Umfang eines Kreises, dessen 
Radius = ı zu setzen. In diesem Fall erhält man: 


° 4RrP 
psintl — scos+1 = — — —— 
\ j Sr (1) 
pcosAN+ssintin—— ArS 
3 2 1+v 


Die Gröfsen links sind aber die Componenten der nach D geschickten Ge- 
schwindigkeiten, senkrecht und parallel mit der Ebene der optischen Axen, 
wie auch P und $ die entsprechenden Componenten in dem einfallenden 
Lichte sind. In diesem Falle bleibt also die Polarisations-Ebene im gebroche- 
nen Licht dieselbe, als sie im einfallenden Lichte war. Dies gilt für alle 
Punkte, deren E-Punkte innerhalb des Kreises APQ Fig. 12. liegen; von 
hier an, d. h. für die Punkte, welche aufserhalb dieses Kreises liegen, dreht 
sich die Polarisations-Ebene, bis die äufsersten beleuchteten Punkte im Kreise 
BP'Q' senkrecht auf ihrem Azimuth, d. h. senkrecht auf der Linie, die von 
ihnen nach B gezogen ist, polarisirt sind. Die Ausdrücke in (11) sind übri- 
gens dieselben, welche wir für D’ und D” in $.17. (7) und (8) gefunden 
haben, wenn dort vsn®=sin®’ = sin®” und $ = 0 gesetzt wird. 

Wenn A>p, so ist die Mitte des hohlen Ringes APQ ohne Licht. 
Sowohl die Lichtstrahlen auf dem äufsern als innern Umfang des hohlen 
Ringes sind senkrecht auf ihren Azimuthen polarisirt, d. h. erstere senkrecht 
auf der Ebene, die durch dieselben und durch die optische Axe in B gelegt 
wird, letztere senkrecht auf der Ebene, die durch sie und die optische Axe 
in A gelegt wird. 

Wenn das einfallende Licht nicht polarisirt war, so erhalten wir 
aus (10): 


= sR? Sur DEN, 
p = GE @—-sinz) 

Se sr? 2 /( »_ _Nn2 
Ry er (Z+sinz) . 


Für !=0o, d.h.x=+3, ist das Licht senkrecht auf dem Azimuth 4 
polarisirt. Für sins=o und s=r ist das Licht im natürlichen Zustande. 
Für die übrigen Stellen ist es nur theilweis polarisirt, senkrecht auf dem 
Azimuth +II, und der polarisirte Antheil ist: 


2 . 
s—p® 2zsinz 


126 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


8.19. 


Ich werde mich in diesem $. mit der Untersuchung des Polarisations- 
Winkels beschäftigen, und zuerst mit den einfachern Fällen, wo das Problem 
eine vollständige Auflösung erlaubt. Es sind dies die drei Fälle, wo die 
Einfalls- Ebene zusammenfällt mit einer der drei rechtwinkligten Ebenen, 
durch je zwei Elastieitäts-Axen gelegt. Man hat in den Formeln (5) (6) (7) 
und (8) $.17. R,=o zu setzen und hieraus $ zu bestimmen. Dieses & ist 
der Winkel der vollständigen Polarisation. 

1) Es halbire die Einfalls-Ebene den spitzen Winkel der beiden opti- 
schen Axen, es ist also nach (5) $.17.: 


sin = 


(1) o= AR, = sin(#—$”) cos(#-+P”) E 


Hierin ist: 
1 r— u? s 
z = IE cosksin2v. 
Nennt man £ die Neigung der Normale der ungewöhnlichen Wellen-Ebene 
gegen die Elastieitäts-Axe, welche den spitzen Winkel der optischen Axen 


halbirt, so hat man: 
sin2uysink—=sinzncos& und cotgk = sin£ cotgn 
und dies in —; substituirt, giebt: 


1 Ta— nz m— 


re 


cos’nsinzE = 2 sin2£. 


Diesen Werth in (1) substituirt und zugleich berücksichtigt, dafs sind — sin?o 


ist, erhält man: 


(2) o = sin (#— 6”) cos($+9’) E ——. — sina£ sin ’&. 


Hieraus kann man £ eliminiren mittelst der a der reflectirenden Ebene 
gegen die Elastieitäts-Axe, welche den spitzen Winkel der optischen Axen 
halbirt. Diese Neigung sei 90— I, alsdann hat man: 


(3) £-9"=I ode E40" =1, 


—- genommen werden mufs, 


je nachdem in (2) das Zeichen + oder — vor ” 
weil nach (5) $. 17. das obere oder das untere Vorzeichen zu nehmen ist, 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 127 


je nachdem I<£ oder I>£. Setzt man für £ seine Werthe aus (3), so 
kann man beide daraus entstehende Gleichungen in eine zusammenziehen, 
wenn man dem / positive und negative Werthe nn und man erhält: 


o= sin(P—d”) cos(d+9”) — —— sin’o sin’(I—E”). (4) 
Zwischen & und #” findet aber die Relation statt: 
sin’®’ = sin’® (u + (#’— u?) sin’v), 


welche durch die Elimination von v durch £ und I sich verwandelt in: 


2 2 ging 

sin’®’ = sin’® Ge — ZZ eos2(I— ))- (5) 
Entwickelt man die Gleichungen (4) und (5) nach sin2#” und cos2$”, so 
leitet man leicht folgende Werthe daraus ab: 


(#’—v?) (1 (m’+v?) sin 9) sin’#sin2/—sin2& (1-(r’—v?) sin? &cose7) 
((=’ —v’)sin® ‘#sinz 7)’ + (1- (= —v’) sin’ $ cos27))} 


sin2d”’ = — 


(1-(@° ’+v?)sin? +) (-(#° —v?’)sin?® $cos27) + (e’ —v?) sin26 sin "peosel 


cos2p" = (= —v?) sin 6 sin2 TI)? + (1—-(#’—v?) sin ‘d cos2 1)? 


Addirt man die Quadrate dieser beiden Gleichungen zusammen, so findet 


man nach einigen Reductionen für den gesuchten Polarisations-Winkel: 


(6) 


2) Wenn die Einfalls-Ebene den stumpfen Winkel der optischen Axen 
halbirt und senkrecht auf deren Ebene steht, so hat man die Gleichung (6) 


8. 17. auf eine ähnliche Art zu behandeln. Das Resultat ist aber leicht vor- 
2 


(—v?) cos? IE —) sin = 


MÜSSE ALe 
sun Pi 1— ra? v? 


her zu sehen, man kann dasselbe aus (6) ableiten, indem man 7° mit #° ver- 
tauscht, und / mit I’, wo 90—I’ die Neigung der reflectirenden Ebene gegen 
die Elasticitäts-Axe ist, welche den stumpfen Winkel der optischen Axen 
halbirt. Man hat also in diesem Falle: 

» 2, __ (iv?) cos’T’+ (1—1?) sin ?7’ 

N ® 

3) Wenn die Einfalls-Ebene mit der Ebene der optischen Axen zu- 

sammenfällt, so ist in den Ausdrücken (7) 8.17. R,=o zu setzen. Dies 
R,= 0 verwandelt sich durch Einführung von £ und J auf dieselbe Weise, 


wie in (2) dieses $., in: 


128 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


()  0o= sin(#— 9") cos(P+P") — —.— sin’(I— 9”) sin’®, 
und für die Relation zwischen $ und ®” erhält man: 
(8) sin’p’= sin le En —_ Fer cos2(I—4$"). 


Hieraus findet man: 


(9) sin’® = 


(—1?) cos sk Gear sin ? 

1—p? m? 
Die Lösung der Gleichung R,= 0 in (8) $. 17. erhält man aus (9) dieses $., 
wenn man statt u” setzt =” und statt m?» und statt Z den Winkel 7’, wo I’ 
dieselbe Bedeutung wie vorher hat. Da aber hier /+I’ = 90°, so ersieht 
man, dafs der Ausdruck (9) des Polarisations-Winkels durch diese Substitu- 
tionen nicht verändert wird. 

Zufolge der Betrachtungen, welche uns in $. 8. zur Gleichung (3) 
geführt are und die gültig sind, zu welcher Abtheilung von Kıyatallen 
das reflectirende Medium auch gehört, hängt der Winkel der vollständigen 
Polarisation allgemein auch hier ab von der Gleichung: 


(10) ps—ps=o0. 


Ich werde diese Gleichung auf eine einfachere Form zurückbringen. Setzt 
man: 


sin x’ sin(P—$') cos (P+9$') + sin "op tangg’ = A’ 
sin” sin(P—®”) cos(® +9") + sin "o’tangg” = A" 
— sine’ sin(d+9) cos (P— 9) + sin’$’ tangg’ = B’ 
— sin x” sin (#+9") cos (P—$”") + sin’$"tangg’= B”, 
so verwandeln sich die Ausdrücke für p, p', s, s’ in (2) 8.17. in folgende: 


p = A'cos&” sin($#+9’) + 4" cosx’ sin (#-+%)) 
Ns = B’ cos&” sin(#—#”) + B” cosx’ sin (#—$') 
INs2— ArB2— AB: 
Np = — cosx’ cosx” sin2$ sin (’ —®”). 
Diese Ausdrücke in (10) substituirt, giebt: 


(4 c0sx” sin (p+P”) + A” cos.x’sin (P+P')) (B’ cos&”sin (Bp—P”) + B”cosa’sin u Ze 
+ (4’B"— 4”B’) cos&’ cos” sin2p sin (P’— $”) ; 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 129 


Führt man die Multiplicationen aus, so übersieht man bald, dafs sich diese 
Gleichung unter folgender Form schreiben läfst: 


(4’ cosa” sin ($—$”) +4” cosx’sin (#—9)) (B’ cosa” sin (B-+P”) + B” cosx’sin ($+P))) = 0. 
Von den zwei Factoren dieser Gleichung enthält nur der erste der vorlie- 
genden Frage genügende Wurzeln, wie man sich überzeugt, wenn man die 
Unterschiede der Elastieitäts-Axen = 0 setzt. Der Winkel der vollständigen 
Polarisation hängt also allein ab von 

4 cosx” sin(d—$”) + 4" cos’ sin(P—P) = 0, 
oder nach Wiederherstellung der Werthe für 4’ und 4”, von: 


in 2 17 , d in? +” 0) 
sin®’cosx”cos(d-+-P’)-+sin "cos x’cos(p+$")-H ae an = 0. (11) 
Setzt man statt tangg’ und tangg” ihre Werthe aus (2) und (5) $. 16. und 


I 2 19 um 2 197 s . F n Mt 
statt ",* und “4° die Gröfse sin’®, so erhält man: 


=0. 
2 


FOREN i DD, nr 
sin x’cos x”cos(#-+#')+sin a’cosa’cos(g+4/) sin 4 (FE ee se en z)° = 
Ich werde hieraus angenäherte Werthe für sin®, in denen nur die ersten 
Potenzen der Unterschiede der Elastieitäts-Axen berücksichtigt sind, ableiten. 
In dem mit r»’— u” multiplieirten Gliede kann man alsdann setzen j=k, 
u=uund vV=v, sin® = —cosx” und cos&’—= —sinx” und endlich =". 
Setzt man aufserdem: 
cos (d-+@”) = cos (+9) + sin (P+P) in (@— 9), 

so erhält man: 


cos(B-+9) + cos’x’ sin(#-+$') sin (d’ —$") 


2 2 2 
sin ?& Be n 7, ER: NS 
m SSR ETSIEEGEHEINEn / — sınJ sıın(vU—u)sım& ) ——— 
AO (cosj sin (u+u) cosx 7 sin ( ) 
Setzt man hierin: 
2 2 . . ROT] 
. / 7 ”"—n? sinusinuw sin®& 
1 = a  ——— N re FRE TEE , 
Sal 2 sin cd’ cos d’ 
so hat man: 
n _ S(eosjsin(u+W)cosX’—sinjsin(u-w)sine’) sin (#+$)) ar \ Sr 
cos(p-+& ) = ee sind’cosg’ cosxr sınusınz Fsın & z . 
(12) 


Ich werde die mit 7=# multiplieirte Gröfse durch « bezeichnen, so dafs 


2 


Mathemat. Abhandl. 1835. R 


130 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Na an? 
cos(Pp+H) = « —_—— 


ist. Bei Vernachlässigung der höhern Potenzen von #’—u” erhält man 
hieraus: 
. 2 OITIrE) Q 2 2 
sind + sin’ ® = 1—sind cosda (T’— u”) 
und da 
n 


nm: — u? - n 
sin’ —=sin® a ELETN) B 


so ist: 
1 


sinSh— ——rf: + (cos (u—u)) sin’® — sin2o «) =} 


det 


und hierin wieder den Werth für « gesetzt, giebt: 


sin’d= 


1 
1+4(r’+u?) * 


r sin(b+#')sin2a® _- . ARNO (c0s j sin(w-+u')cos 2°’ — sinj sinfu—u')sinz')\ » 2, m2—u? 2 
14 (eostu u) ng Sin usinu’cos a’ —sin2& Dot Tees nn 


Man kann diesen Ausdruck noch zusammenziehen, wenn man setzt: 


cos’x = +++ cos2x 


und wenn man bedenkt, dafs die erste Annäherung, cos(#+$') = 0, giebt: 
sin(P+ P)sin2p sin2 Pe 


sin b’ cos op 


und sin(#—#) = — c0s29. 
Dann erhält man: 
(15) ae x 


ee: a8 ER 5 > m’—u? 
I + (coszcosw— sin usin w cos22’+ tang2& (cosjsin (u+w) cosx’— sin) sin (u-w’)sin x’)) sin ’& — t 


In diesen Ausdruck von sin’$ müssen statt u, ı, a’ ihre Werthe gesetzt wer- 
den, ausgedrückt durch den angenäherten Werth von sin’® = le) 
und den die Gröfsen, welche die Lage der reflectirenden Ebene und das 
Azimuth der Reflexions- Ebene De 

Die Normale der reflectirenden Ebene bilde mit den beiden optischen 
Axen die Winkel U und U’. Das Azimuth der Reflexions-Ebene sei X, und 
es werde gerechnet von derjenigen Ebene, welche den Winkel halbirt, wel- 


chen die beiden durch die Normale der brechenden Ebene und die beiden 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 131 


optischen Axen gelegten Ebenen mit einander bilden. Dieser Winkel selbst 
werde mit 2.J bezeichnet. Alsdann hat man: 


cosu = c0s$ cosU + sin $ sin U cos(X+J). 
cosW'= cos$ cos U’+ sin $ sin U’cos(X— J) 
— cos (xX’+J) sinu = sind’ cos U — cos$ sin U cos(X+-J) 
— cos (x’—j) sinu' = sind’ cos U’— cos $' sin U’cos(X—J) 
sin (@’ +7) sinu = sin U sin (X+J) 
sin (@’—j) sinwW= sin U'sin (X—J). 
Eliminirt man mittelst dieser Ausdrücke z, w’, &', j aus (13) und setzt in den 
mit 7’— u” multiplieirten Theil # =90— 9, so erhält man nach einigen Re- 
ductionen: 


sin’d= 7 [1- (cos Yeos’—sin Vsin” ( cos (X —J) cos(X+J) ))=- ’on’—u —} 


1++ wm +n° sin(X—J)sin(X-+J)cos26)) cos2# 2 
(15) 
Man kann J eliminiren mittelst der Relationen: 
2sin U sin U’ cos’J = cos2n — cos(U+ÜU') 
— 2sin U sin U" sin®J = cos2n — cos(U— U’) 
und erhält alsdann : 
gr 
u 1++(u’+n?) 2 
[1 (cosveost + (cos U—U’)—cos2n)cos®p—sinUsinV’(cos”? X+sin®Xcos2$)) — Ze 
oder für sin’® und cos°& ihre angenäherten Werthe gesetzt: 
or Det dl le 
sın P a 1++(u?+#?) x (16) 
2 2 
& = c052n meine EN, 
See a ] ee 
ee re > (cosUecosV '(+u°-+7°)— sinUsinÜU’ coseX) 


2 2 


Man kann aber, da wir die Quadrate von r’—u* vernachlässigt haben, 
schreiben: 


?+n2 1 
cos2n 2 2 _ z 7 
: n ee Et ) ee rn 
—— —_ — - — n 
1+3.(e’+7°) AU ELEEI 02 e 2 au? 
2 p’+rT 2 


132 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


2 * E Balnl.a 
und dieser Ausdruck verwandelt sich, wenn für cos2n sein Werth nn 
gesetzt wird, in: 


und demnach hat man endlich: 


? 2 
u'+r 
1— . . 
u 2 cos U cos U’1-Hu?-+r?) — sin Usin U’ cos2X m?— u? 
ie en en 
an ‚2 h ( +r ) 2 
2 2 


1 

Die sich unmittelbar darbietenden sehr merkwürdigen Folgerungen aus die- 
sem angenäherten Ausdruck des Winkels der vollständigen Polarisation sind: 

1) Dafs es in jeder reflectirenden Ebene zwei auf einander rechtwink- 
lige Azimuthe der Einfalls-Ebenen giebt, in welchen der Winkel der voll- 
ständigen Polarisation ein Maximum und Minimum ist. In Beziehung auf 
diese Azimuthe ist das System von Polarisations-Winkeln der Ebene symme- 
trisch vertheilt, d. h. in je zwei Einfalls-Ebenen, welche gleich geneigt sind 
gegen die Einfalls-Ebene des Maximums oder Minimums des Polarisations- 
Winkels, finden sich gleiche Polarisations-Winkel.e. Die zwei Einfalls- 
Ebenen des gröfsten und kleinsten Polarisations -Winkels sind parallel dem 
gröfsten und kleinsten Radius vector des Schnittes, den die reflectirende 
Ebene mit der Elastieitäts-Fläche bildet, durch deren Mittelpunkt gelegt. 

2) Dafs wenn die reflectirende Ebene senkrecht auf einer der optischen 
Axen steht, in welchem Falle nämlich U=o oder U'=o ist, die Winkel 
der vollständigen Polarisation in allen Azimuthen gleich sind. 

Diese zwei Theoreme sind ganz analog den ähnlichen bei den einaxigen 
Krystallen und ich vermuthe, dafs sie auch hier nicht nur annäherungsweise, 
sondern streng stattfinden. 


$. 20. 


‚Bei dem durch Reflexion vollständig polarisirten Strahl bildet die 
Polarisations-Ebene mit der Einfalls-Ebene den Winkel «, und für diesen 


gelten dieselben Überlegungen , wie bei den einaxigen Krystallen in $. 8. 
Man hat: 


’ 


(1) tanga = —, 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 133 


wo in 8, s die Werthe für &, #', ®” zu setzen sind, welche der vollständigen 
Polarisation entsprechend durch $. 19. bestimmt sind. Wir haben oben 
$. 17. (2) gefunden: 


Ns’ = sin 26 $sin «’ sina” sin(p’—p”) cos(b’+P")— sin?’ tangg’sin«” + sin?” tangg” sina’}. (2) 


Für s aber erhält man aus (2) $. 17., wenn man tangg’ und tangg” mittelst 
(11) $. 19. eliminirt: 


Ns = — sin2$ (cos&’ sin x” sin($—®') + cosx” sin’ sin (d—®")). 


Man hat also: 


tang (= 


sin x’ sin ©” sin(p’—&”) cos (d’+$”) — sin? p’tangg’sina”’-+sin?$”tangg”sinx’ (3) 
cos x sin” sin (P—P’) + cosa” sin x’ sin (P—&”) ö 


Wenn man nach (2) und (5) $. 16. setzt: 


‚ 1 
tangg = 0: 
und nach (34) $. 15.: 


© "— 
tangq CE 


1 m—u? © ie n®—u? 5 r 
5 =, ;uaw-u)sin), — = —-sin(u+v) cosk 


und endlich: 


— ren 2 
> = ——-=sin’o 
und 
au: __ sin ?p’— sin ?®” 
2 77008 (u+V)) — cos(u—u)’ 
so erhält man: 


tang « Be (4) 
. 1. 7 ’ 7) FER '—5i +v’)cos U: ’ ” 
1, [erringen (Eee in een) u) 
= —sin(® —ob ) —— ——o 


cos«’ sin.” sin (P— $’) + cosx” sin’ sin (P — &”) 


Numerisch kann man hieraus immer die Ablenkung der Polarisations- Ebene 
berechnen aus dem Winkel der vollständigen Polarisation, dem Azimuth der 
Einfalls-Ebene und denjenigen Gröfsen, wodurch die Lage der reflectirenden 
Ebene bestimmt ist, und man kann der Gleichung (3) leicht eine hiefür noch 
bequemere Form geben. Die vollständige analytische Elimination von &', 
x”, u, wW, v, v’ scheint aber zu weitläufigen Rechnungen zu führen, und ich 
werde mich daher begnügen, in dieser Elimination nur die erste Potenz von 


=’—u” oder, was dasselbe ist, von sin (# — ®’) zu berücksichtigen. Bei dieser 


134 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Annäherung kann man im Ausdruck (4) setzen: u=v, u" =v, sine” —=— cos‘, 
cos®’—=—sinx, k=j und in dem mit sin(#—#”) multiplicirten Theil 


# =". Dann erhält man: 


i sin(p’—$”) (sin u sin w’sin2a’cos2b’+(sin u coswsin(x-Hj)-Hsin wcosusin(x—j))sin 2” 
I SS Er me ESS, | Bee m Te ———— eo SEEN mom am gr BT eSnsEmOem ment m 7 [93 

5° sin (P—®') 2 sin u sin w 

6) 

Aus (14) des vorigen $. erhält man: 

sin U cos U’ sin (X+J) 

+sin/’cosUsin(X—J) 

sinUcosU’sin(X-+J) 

sinU’cosUsin(X—J) 


sin u. cos wsin(x4j) + sin u’cosusin(x—j) = { cosp’+sinU sinV’ sin2X sind’ 


sin u sin w’sin2x = - sin d’+-sinV sinU’sin2Xcos d’. 


Ele ER » 7 —sin(d'-d’) __ n’—u? sin?& : h 
Dies in (5) substituirt und zugleich , = —- „ gesetzt, giebt: 


tga= ın en $sinV sin U’sin 2X cos d’+ (sin(U+U”)sinXcosJ+sin(U—U’)cosÄsinJ)sin HR. 
(6) Kai 

Von dem System der Ablenkungen der Polarisations-Ebene verschafft 
man sich eine übersichtliche Anschauung, wenn man diejenigen Einfalls- 
Ebenen aufsucht, wo dieselbe = 0 ist. Man erhält aus tang «= o: 


(7) sin Usin U’ sin2X cos’+ (sin (U-+-U’) sin X cosJ + sin(U— U’) cosX sin J) sind’ = 0, 


woraus X, nachdem für $ der dem Polarisations-Winkel entsprechende 
Werth gesetzt ist, zu bestimmen ist. Untersuchen wir die einfachern Fälle, 
wo die reflectirende Ebene parallel mit einer der Elasticitäts- Axen ist: 
1) U-U’=o. Dies giebt: 
$sin U cos cosX + cosU cosJ sinp} sinX= 0. 


Die vollständige Polarisation ohne Ablenkung der Polarisations-Ebene findet 
also statt: 

a) bei ssnX=o 

b) bei cos X = —cotgÜ tangd$’ cos J, 
wodurch im Allgemeinen vier Azimuthe der vollständigen Polarisation ohne 
Ablenkung bestimmt sind. 

2) U+-U’=ıso. Dies giebt: 
$fsin U sinX cos®’+ cosU sinJ sind} cosX = 0, 

woraus: 

c) cosX—=0 

d) sin X = — cotgÜ’ sin Jtang $'. 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 135 


3) Wenn die reflectirende Ebene parallel mit der mittlern Elasticitäts- 
Axe ist, so ist entweder J=0 oder J=90°. Wir haben im erstern Falle: 
e) sn X=0 
) Er ae sin (U+ U’) tang op’ 


2sin U sin U’ 


und im zweiten Falle: 
g) cosX=o0 


: in (U— U’) tang &’ 
h ER TE sin ( se 
) sin X 2sin U sin U’ 


Es giebt also im Allgemeinen in diesen Fällen aufser dem Hauptschnitt immer 
noch zwei andere Azimuthe, wo die vollständige Polarisation ohne Ablenkung 
ihrer Ebene stattfindet. Diese wollen wir näher untersuchen. Die Gleichun- 
gen b) und d) können zusammengefafst werden. Es sei 990—£ die Neigung 
der reflectirenden Ebene gegen die den Winkel 27 der optischen Axen 
halbirende Elasticitäts- Axe, so dafs: 


cosU = cos£cosn 


Dies in b) gesetzt, giebt: 
tang & cos ?n 


cos X —=-—-taneo, =, 
5P tang ?E+sin?n 


(8) 
Die Gleichung d) giebt eine ganz ähnliche Gleichung, nur dafs statt n steht 
90—n und dafs £ nicht wie in (8) die Neigung gegen die r Axe bedeutet, son- 
dern gegen die u Axe. Die Eigenschaften der reflectirenden Ebenen, welche 
durch (8) ausgedrückt ist, werden am leichtesten erkannt, wenn wir diese 
Gleichung umkehren und schreiben : 


+t h . 
tang & EAN ann n yes Fr _ sin®n &’ cos®n An n, (9) 


4cos?X 


woraus sich ergiebt, dafs jedem Werthe von cos X zwei positive Werthe von 
tang£ entsprechen, dafs aber cos’X ein Maximum hat, welches nicht über- 
schritten werden kann. Unterscheiden wir zwei Fälle: 

1) wo das Maximum von cos X reel ist. Die Bedingung dafür ist: 


(10) 


tang 2. < 4tang ?n 


2 
cos"n 


136 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Das Maximum selbst ist: 
tang d’ cos ?n 


cosoX= — - 
2sınr 


und es fällt auf die Fläche, für welche 
(11) tang£ = sinn. 
Die Grenze der Möglichkeit dieses Maximums ist: 


tang ”n 
cos?n 


tang °o == 


’ 


alsdann ist cosX=— 1, für die reflectirende Ebene bleibt tang£ = sinn. 


2) Wo das Maximum vor cos X nicht reel ist. Dies tritt ein, wenn 
2,1 4tang”’n 
| na cos”n 
Der cos X wird hier — ı bei: 
tang£’ = 4tang$ cos’n — 4 Viang’ 9 cos'n — Asin’n 
(12) und 


tang£” = +tangd’ cos’n + 4Vtang”® cos'n — Asin’n. 


Auf allen reflectirenden Ebenen zwischen diesen beiden durch £’ und £” 
bestimmten ist es nur der Hauptschnitt, in welchem die vollständige Polari- 
sation ohne Ablenkung der Polarisations-Ebene stattfinden kann. Zwischen 
E=E£' und £=o und zwischen &=£" und E=90 erscheinen zwei neue solcher 
Azimuthe aufser dem Hauptschnitt und nehmen ab von 150° bis 90°. 

Da der Polarisations-Winkel bei demselben Krystalle nicht viel variirt, 
so lassen sich diese Resultate durch ein Beispiel anschaulicher machen. Es 
sei der Polarisations-Winkel 56°, also ® ungefähr 34°. Aus (10) erhält man: 
sin?®4&’ 


tang’n > IR 


worin 6 = 34° giebt n> 174°. Wenn also der Winkel der optischen Axen, 
d. i. 2n, zwischen 35 und 1s0—35 liegt, so sind die Azimuthe ohne Ablenkung 
der Polarisations-Ebene aufser dem Hauptschnitt sowohl auf allen Ebenen, 
welche mit der gröfsten Elastieitäts-Axe als auf denen, welche mit der klein- 
sten Elastieitäts-Axe parallel sind, möglich. Liegt der Winkel der optischen 
Axen aufserhalb dieser Grenzen, so hat nur das eine System dieser Ebenen 
immer solche Azimuthe. 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 137 


Ich wende mich zu den reflectirenden Ebenen, welche parallel mit 
der mittlern Elasticitäts- Axe sind. Nennt man ihre Neigung gegen die 
Elastieitäts-Axe, welche den Winkel der optischen Axen halbirt, wiederum 
£, so hat man in f)) zu setzen: 


U=n+£ 
U'=n-£E 
und in h) U=£!+n 
U'=n-!. 


Da in h) der Winkel X von der auf dem Hauptschnitt senkrechten Ebene 
an gerechnet wird, werde ich dessen Nullpunkt mit dem X in f) übereinstim- 
mend machen, wo dieser Winkel vom Hauptschnitt selbst an gerechnet wird, 
und in h) statt X setzen X—90; dadurch verwandeln sich beide Gleichungen 
f) und h) in eine, nämlich: 

ee een, angd'. (15) 


sin ?E— sin ®n 
Die Azimuthe X ohne Ablenkung bilden also immer einen stumpfen Winkel 
mit dem Azimuth der nächsten optischen Axe, die Normale der reflectirenden 
Ebene mag in dem spitzen oder stumpfen Winkel der optischen Axen liegen. 
Kehrt man die Gleichung (13) um, so kann man dieselbe schreiben: 
tang = er Buß: nn ar tang” a Sa ang (14) 


4cos’n cos? 2cos”’ncosX 


wo cos X positiv oder negativ sein kann. Man sieht, dafs dieses Azimuth 
ohne Abweichung wegfällt, oder vielmehr, dafs wegen e) und g) nur, wenn 
die Einfalls-Ebene mit dem Hauptschnitt zusammenfällt, die Polarisations- 
Ebene keine Ablenkung erfährt, von 


GEAR TUNER ‚ 
tang”& 2 tangb 
tan = N tang "n — —,— 
85 4cos 'n ar 5 2cos“r 
bis 
"2. tang ?’ 2 tang p’ 
AUS } 4cos'n Te ealDer 2cos’n " 


Aufserhalb dieser Grenzen treten neue Azimuthe ohne Ablenkung auf, die 
bis 90° wachsen, welche Grenze sie erreichen, auf den auf den Elasticitäts- 
Axen senkrechten Ebenen. Der Winkel, den die zu £’ und £” gehörenden 
Ebenen mit einander bilden, hat einen einfachen Ausdruck, nämlich: 
tang (£’—E') = tang ed. 
Mathemat. Abhandl. 1835. S 


135 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Bezeichnet man mit (2’) und (2”) allgemein zwei Werthe für £ in (14), welche 
zu X und 150—_X gehören, so hat man: 


(15) tang (d’— €) = Ktangp' 


cosKX 


Es ist gewifs unerwartet, dafs auf den Ebenen, welche senkrecht auf 
den optischen Axen stehen, obgleich in allen Azimuthen derselbe Polarisations- 
Winkel stattfindet, doch in jedem Azimuth, aufser in sin X = 0, eine Ablen- 
kung der Polarisations-Ebene sich findet. Diese Ablenkung ergiebt sich aus 
(6), wenn dort U'=o, J=0 gesetzt wird. Man findet: 

(16) tanga = I 

Dafs es auf jeder reflectirenden Ebene wenigstens immer zwei Azimuthe giebt, 
in welchen die Ablenkung der Polarisations-Ebene = 0 ist, d. h. dafs die 
Gleichung (7), welche vom vierten Grade in Beziehung auf X ist, wenigstens 
immer zwei reelle Wurzeln hat, wird sich aus dem folgenden $. ergeben. 
Für das Azimuth der gröfsten Ablenkung erhält man aus (6) durch Differen- 
tiation nach X, wobei man bei der Annäherung, worauf dieser Ausdruck 
beruht, & und &’ als constant ansehen kann: 


(17) 2cosd’ sin U sın U’c0s2 X + sind’ (sin (U ++ U’)cosJcos X — sin (U— U’) sinJsinX) = 0 


und dies gröfste Azimuth mit m bezeichnet, ergiebt sich: 


(18) tangm — m— u? sin 2p i 2sin Usin U’cos d’ cos’ Kt sin(UHU’)eosIsinp'\ 
2  sin2$’ sin (P—#’) sin X 


8.21 

Im vorigen $. haben wir die Drehung der Polarisations-Ebene bei der 
Reflexion unter dem Polarisations-Winkel untersucht. Um die Drehungen 
der Polarisations-Ebenen überhaupt durch Reflexion zu untersuchen, machen 
wir folgende Unterscheidungen. 

1) Die Drehung, welche ein ursprünglich Baal mit der Einfalls- 
Ebene polarisirter Strahl durch die Reflexion erleidet, bezeichne ich mit d,. 

2) Die Drehung, welche ein ursprünglich senkrecht gegen dieEinfalls- 
Ebene polarisirter Strahl erleidet, mit 90—6,. 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 139 


3) Das Azimuth der ursprünglichen Polarisation eines einfallenden 
Strahles, damit im reflectirten die Polarisations-Ebene parallel mit der Ein- 
falls-Ebene sei, mit d, und 

4) das Azimuth der ursprünglichen Polarisation, bei welchem der 
reflectirte Strahl senkrecht gegen die Einfalls-Ebene p polarisirt ist, mit 
9—d,. 

Man hat: 

tangd, = . tangd,— — & 
di) 
tangd,— — 


tangd, = 


p 
’ 
u 
zu 


V | 


wo s, $, p, p die in (2) $.17. angegebene Werthe haben, wonach diese 
Winkel in jedem gegebenen Falle berechnet werden können. Die Relation 
dieser Winkel unter einander: 

tang d, tang d, = tang.d, tang d, 
ist allgemein und gilt von jedem reflectirenden Medium. 

Ich werde untersuchen, unter welchen Umständen diese Winkel d,, ö,, d,, 
d, verschwinden werden. Wir haben also zu untersuchen die Gleichungen: 
De—10 Bundes. —:0 

oder wenn dafür aus (2) $.17. ihre Werthe gesetzt werden: 

sin (d — $”) cosx&’cosaı” — 0 (7) 
sin x’sin.«” sin (d’ —®”) cos (#’ +9”) + sin x’ sin’®’tgg”— sin«”sin’o'tgg’ = 0. (F) 
Ich werde mich nur mit der ersten Annäherung dieser Gleichungen beschäf- 
tigen, und das, was von den zweiten und höhern Potenzen von sin (d —®") 
abhängig, vernachlässigen. Bei dieser Annäherung verwandelt sich (=) in 
sin2x = o und dies, mittelst (14) $. 19. entwickelt, giebt: 


0= sind’ (sin(U+U’) cosJ sin X + sin (U— U’) sin J cos.X) — cos d sin U sin U’ sin2X. (=') 
Die zweite Gleichung (7) giebt denselben Ausdruck, der in (7) $. 20. gefun- 


den wurde, nur dafs in ihm & sich nicht auf den Polarisations-Winkel bezieht, 
sondern jeden Werth haben kann. Man hat also: 


= sind’ (sin (U+-U’) cos J sin X + sin (U— U’) sin J cos X) + cos d’sin U sin U’ sin2X. (=) _ 


Diese Gleichungen stellen zwei Kegelflächen im Innern des Krystalls dar; 
denkt man sich die Seiten derselben als Normalen von Wellen-Ebenen und 
So 


140 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


construirt die Richtungen, welche sie bei ihrem Austritt aus dem Krystall 
annehmen, so erhält man die Systeme von Richtungen, in welchen die Strah- 
len auf die Krystall-Ebene auffallen müssen, damit ihre ursprünglich senk- 
rechte oder parallele Polarisations-Ebene durch die Reflexion unverändert 
bleibt. Die beiden Kegelflächen sind dritter Ordnung; sie sind beide ein- 
ander gleich und ähnlich, haben die Normale der reflectirenden Ebene ge- 
meinschaftlich, die eine ist aber gegen die andern um diese Linie um 130° 
gedreht. Ich habe also nur den Kegel (7) näher zu untersuchen. Dieser 
wird uns auch noch wichtig werden bei der Untersuchung der Refraction. 
Da tang$’=o ist, sowohl wenn sin X=0, als wenn cos X=0, so 
müssen zwei Zweige des Kegels durch die Normale der brechenden Ebene 
gehen und sich in ihr rechtwinklig schneiden. Wenn X=J, so wird 
tangd' =tangÜÜ’, und wenn X = —.J, so wird tang#’—=tangÜ. Der Kegel 
geht also immer durch die beiden optischen Axen. Wenn 
sin (U— U’) 


ag = — udn) 


tang J, 


so ist # —=9. Das durch diese Gleichung bestimmte Azimuth X ist immer 
negativ, weil wir U’ immer < U nehmen; nennen wir es —X', so ist: 


tang U sin (J—X’) = tang U’ sin (J+X'). 
Es werde Fig. 13. die reflectirende Ebene von ihrer Normale und den beiden 
optischen Axen, diese drei Linien durch denselben Punkt O unterhalb der 


Ebene gelegt, in den Punkten V, U, U’ geschnitten. Es theile die Linie 
NP den Winkel UNU’ so dafs 

sin UNP:sinU’'NP = tang U’:tang U, 
so ist NP eine mit der Seite des Kegels parallele Linie. 

Es werde ferner durch N eine Ebene gelegt, die senkrecht stehe auf 
der Ebene, die durch die beiden optischen Axen gelegt ist; der Durchschnitt 
beider Ebenen OS ist eine Seite des Kegels. Diese letztere Eigenschaft des 
Kegels (#') erweist sich am leichtesten, wenn man VUU’ als die Durchschnitte 
der Normale und der optischen Axen mit einer Kugelfläche, die um O be- 
schrieben ist, betrachtet, wo man durch N einen gröfsten Kreis senkrecht auf 
UU' zu legen hat, und zu beweisen, dafs VS = und SNU'=J—X und 
UNS=J+X der Gleichung (7) genügen. 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 141 


Wir haben für den Kegel (7') also fünf Seiten bestimmt, und die Lage 
zweier Tangential-Ebenen. Er wird die reflectirende Ebene im Allgemeinen 
in einer Curve schneiden, welche ungefähr die Gestalt ANSU'’NUB hat. 
Die Linien NH und NH’ stellen die Richtungen des gröfsten und kleinsten 
Radius vector des Schnittes vor, den die reflectirende Ebene mit der Elasti- 
citäts-Fläche machen würde. Eine merkwürdige allgemeine Eigenschaft des 
Kegels ist, dafs er innerhalb der Azimuthal-Winkel HP nur negative 
Werthe für $ bestimmt, bei welchen die ursprünglich senkrechte Polarisation 
des einfallenden Strahles durch die Reflexion unverändert bleibt. Diesen 
Winkel HNP haben wir X’ genannt, und bestimmt durch 


tang U sin (J—X') = tang U’ sin (J+X). 


In dem Theil des Kegels VNU’S erlangt # ein Maximum. Man erhält dieses 
aus (#) durch = = 0, und findet dies Maximum in dem Azimuth:: 
_ VW... [mw-v) 
tangX = l} tang I or) (3) 
und sein Werth ist: 


entleeren rag 
tangp’= esinUsinU’V (sinJsin(U—U’))3 + (cosJ sin(U+U’)) 3 — (sinJ cosJsin(U—U’)sin(U+U”))5 . 4) 


Vsin ?(U— U’) sin ?J + sin *(U+U’) cos J $(sin(U— U’) sinJ)s + (sin (U+U’) cosJ)zt 


Der Werth dieses Maximums ist wichtig für die Frage nach den Azimuthen, 
in welchen die ursprünglich senkrechte oder parallele Polarisation durch die 
Reflexion nicht geändert wird, bei einem gegebenen Einfalls-Winkel 9. So 
lange das zu diesem & gehörige $' kleiner ist, als der in (4) angegebene Werth, 
so lange wird der Frage immer durch vier Azimuthe genügt, im entgegenge- 
setzen Fall aber nur durch zwei Azimuthe. Dies findet Anwendung auf die 
Gleichung (7) des vorigen $., welche dieselbe als (r’) dieses $. ist, die, wie 
schon bemerkt, von (7) sich nur dadurch unterscheidet, dafs das zu jedem X 
gehörige # negativ genommen ist. In der Gleichung (7) ist # der Brechungs- 
Winkel des Polarisations-Winkels gegeben und X ist zu bestimmen. 

Dem Auseinandergesetzten zufolge wird man sich immer eine anschau- 
liche Vorstellung machen von der Lage der Kegelfläche (7), wie auch die 
reflectirende Ebene gelegen ist; wir wollen aber doch noch der Grenzfälle 
erwähnen, wo nämlich diese Ebene mit einer der Elasticitäts-Axen parallel 
ist. Wenn die reflectirende Ebene parallel mit der gröfsten oder kleinsten 


142 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


4 


Blastieitäts-Axe ist, also entweder U—U’= 0 oder U+-U'= ıs0, so löst sich 
die Gleichung (7’) in zwei Factoren auf, der eine stellt eine Ebene vor, der 
andere einen Kegel zweiter Ordnung. Die Ebene geht immer durch die Nor- 
male der reflectirenden Ebene und steht senkrecht auf derjenigen Elasticitäts- 
Axe, mit welcher jene parallel ist. Der Kegel geht immer durch die beiden 
optischen Axen und die Normale der reflectirenden Ebene, und schneidet 
diese in einem Kreise. Wenn die reflectirende Ebene senkrecht auf einer 
der Elastieitäts- Axen steht, so stellt (7) zwei sich rechtwinklig schneidende 
Ebenen vor, parallel mit den beiden andern Elastieitäts-Axen. Wenn die 
reflectirende Ebene parallel mit der mittlern Elastieitäts-Axe ist, so stellt (7) 
gleichfalls eine Ebene und einen Kegel zweiter Ordnung vor. Die Ebene 
geht hier durch die beiden optischen Axen, der Kegel geht durch die Nor 
male der reflectirenden Ebene und schneidet diese in einem Kreise. 

Es seien Fig. 14. N, U’, U die Durchschnitte der Normale und der 
optischen Axen mit der reflectirenden Ebene, jene drei Linien durch densel- 
ben Punkt O gelegt; es sei NS der Kreis, in welchem die Ebene von dem 
Kegel geschnitten wird, alsdann findet folgende harmonische Proportion statt: 

sin UON’: sin U’ON’ = sin UON : sin U'ON. 
Es kann also ON oder ON’ die Normale der brechenden Ebene sein, der 
Kegel ist derselbe; es giebt immer zwei correspondirende reflectirende Ebe- 
nen in dem stumpfen und in dem scharfen Winkel der optischen Axen, welche 
denselben elliptischen Kegel haben. Dieser Kegel verwandelt sich in eine 
gerade Linie, wenn die reflectirende Ebene senkrecht auf einer der optischen 
Axen steht. 

Das Azimuth ö eines ursprünglich im Azimuth a polarisirten Strahls 
nach der Reflexion ist: 


Rp tanga + tangö, 


s 
122 ı= 1+-tangad, 


$. 22. 

Der im vorigen $. betrachtete Kegel (7) ist wichtig für die Unter- 
suchung der Fälle, in welchen im gebrochenen Licht einer der beiden 
Strahlen verschwindet, vorausgesetzt, dafs das einfallende Licht ursprüng- 
lich parallel oder senkrecht mit der Einfalls- Ebene polarisirt war. Wenn 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 143 


er senkrecht gegen die Einfalls-Ebene polarisirt war, so hat man nach 


(2) $.17.: 
D':D’ = sin(#+$") cosx” :sin(d-+9®) cosx', 
woraus erhellt, dafs der gewöhnliche oder der ungewöhnliche Strahl ver- 
schwindet, je nachdem cosx” = 0 oder cosx’—= 0. Da aber im Allgemeinen 
x” so gerechnet ist, dafs wenn $’ = #’ wird, cosx” = —sinx’ ist, so sind 
beide Fälle Wurzeln von derselben Gleichung, nämlich von sin2x’= 0, d. i. 
von der Gleichung (=). Denkt man sich Fig, 13. auf einer Kugelfläche ent- 
worfen, die um den Durchschnittspunkt O der Normale ON und der opti- 
schen Axen OU und OU’ beschrieben, so ist jede Seite OD’ des Kegels (7), 
für welche, wenn D’d den Winkel UD’U’ halbirt, der Winkel ND’d = 90° 
ist, ein nach dem Gesetz eines gewöhnlichen Strahls gebrochener Strahl eines 
solchen senkrecht polarisirten einfallenden Strahls, der keinen ungewöhn- 
lichen Strahl erzeugt. Jede Seite OD” aber, für welche VD” den Winkel 
UD’U halbirt, ist der ungewöhnlich gebrochene Strahl eines solchen ein- 
fallenden Strahls, der, senkrecht auf der Einfalls-Ebene polarisirt, keinen 
gewöhnlichen Strahl erzeugt. Es sind hiernach die Richtungen der einfallen- 
den Strahlen leicht zu finden; bezeichnen wir nämlich im erstern Falle die 
Neigung von D’ gegen N mit &, im zweiten Fall die Neigung von D” gegen 
N mit #”, und die zu $' und &#” gehörigen Einfalls-Winkel mit £’ und £”, 
so ist: 
an emo ne une 


2; Fr 70,2 Rem 
Veen & er (- nn cos (+ u) 


Es wird in einem gegebenen Falle keine Schwierigkeiten haben zu discutiren, 
für welchen Theil des Kegels (7’) cos x’ = o und für welchen sinx’=o. In 
Fig. 13. z. B. ist für den Theil des Kegels U ND’U überall cos x’= 0, für 
die beiden Theile U’SND’ und UB aber immer sinx’—=0o. Wenn die 
brechende Ebene parallel mit der Elastieitäts-Axe ist, welche den stumpfen 
Winkel der optischen Axen halbirt, d. i. U—-U’=o ist, so ist cos «' — 0 für 
alle Seiten des elliptischen Kegels, für welche 9 < U, sin & ist aber = 0 für 
die Seiten, für welche > U ist und für die im Hauptschnitt liegenden 
Strahlen. Umgekehrt verhält es sich bei den brechenden Flächen, die paral- 
lel mit der Elastieitäts-Axe sind, welche den spitzen Winkel der optischen 
Axen halbirt, d. h. für welche U+U’= ıso®. Wenn die brechende Ebene 


44 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


parallel mit der mittlern Elastieitäts- Axe ist, so ist für die Strahlen des 
elliptischen Kegels cosx’= 0, wenn die Normale der brechenden Ebene im 
stumpfen Winkel der optischen Axen liegt und sin«’= 0, wenn sie im schar- 
fen Winkel desselben liegt. Für die Strahlen im Hauptschnitt, welche im 
stumpfen Winkel der optischen Axen liegen, ist sin &’ = 0, welche im schar- 
fen Winkel liegen, ist cosx’= 0. 

Wenn die einfallenden Strahlen parallel mit der Einfalls- Ebene pola- 
risirt sind, so ist nach (3) $. 17.: 


D': D"’ = sin@”sin(p-+P”)eos(p—p”)— sin? p”tang g” :sin«’sin(P+P’)cos(Pp—P’)— sin? d’tangg”. 


Der ungewöhnliche Strahl verschwindet also beinahe, weil tang g’ und tangg” 
nur kleine von (#—#”) abhängige Gröfsen sind, wenn sinx’=o, und der 
gewöhnliche, wenn sinx’=o ist. Diese beiden Fälle sind wiederum in 
sin2x’= 0 enthalten, d.h. in der Gleichung (7). Die Seiten des Kegels 
Fig. 13., für welche sin «’= 0, sind annäherungsweise die nach dem Gesetz 
des gewöhnlichen Strahls gebrochenen Richtungen, in welchen ein parallel 
mit der Einfalls-Ebene polarisirter Strahl auffallen mufs, damit der unge- 
wöhnliche Strahl verschwindet, und die Seiten, für welche cosx’= 0, sind 
die nach dem Gesetz der ungewöhnlichen Strahlen gebrochenen Strahlen, 
welche parallel mit der Einfalls-Ebene polarisirt, keinen ungewöhnlichen 
Strahl erzeugen. Mittelst der durch (7’), d.i. sin2x’=0, gegebenen ange- 
näherten Werthe bestimmt man leicht genauere aus: 


=’—u? sin?® cosx’ sin (u— u’) sinj 


sin’ 2a" - z N 
4 sin (+9) cos(P—®') 
ha: ”’— u? sin?& cosx”sin (vv) cosk 
nee sin (P+P) cos(Pp—P) " 


Die Relation, welche zwischen der Lage der Polarisations-Ebene des ein- 
fallenden Strahls, seinem Einfalls-Winkel und dem Azimuth der Einfalls- 
Ebene stattfinden mufs, damit der gewöhnliche oder der ungewöhnliche Strahl 
verschwinde, erhellt allgemein aus (3) $.17. Wenn Einfalls-Winkel und 
Azimuth der Einfalls-Ebene gegeben sind, so hat man unmittelbar für das 
Azimuth a’ der ursprünglichen Polarisations-Ebene, bei welchem nur ein 
gewöhnlicher Strahl erzeugt wird: 

sin ?p’ tangg’ 


(4) tanga = —tang a cos) + rin) 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 145 


und für das Azimuth @’, bei welchem nur ein ungewöhnlicher Strahl erzeugt 
wird: 
Mges „ N sin Zhh tangg” 9 
tang a’ = + tang x” cos(—$”) ana‘ (2) 
Wenn die einfallenden Strahlen in den Azimuthen «a’ oder @” polarisirt sind, 
so bekommen die Ausdrücke für die Geschwindigkeiten in den reflectirten 
und gebrochenen Strahlen eine bemerkenswerthe Einfachheit. Wenn die 
ursprüngliche Polarisation statt hatte 


1) in dem Azimuth @, so wird: 


| 2sindcos& 
DZ cosa’ sin ($-+®) 
_ _. Sin($—®) 
R, isn (P+%) S 0) 
ia sin a’ sin (B—d)) cos (b-+&') + sin ?&’tangg’ Ss 
Dee herz yore 7 
cos a’ sin(P+ 4%’) 


und das Azimuth ö’ der Polarisations- Ebene im reflectirten Strahl: 


605 (PHP) 
c0s(P—P) 


2sin 2b sin ?«d’ tangg’ 


jan !=— sin2(P— ’) sin (+) cos x’ " 


tangd’ + 


2) in dem Azimuth @”, so ist: 


De 2sind cos& 
Di= cos x” sin (P+%”) S 
R — _ 0-9 
“7 ia) 
sin” sin (P—$”) cos (d-+P”) + sin ?&” tangg” 
Pr., — S TIEF nee „ S 
cosx” sin (P-+P”) 


und das Azimuth ö” der Polarisations- Ebene im reflectirten Strahl: 


„ cos(P-+P") 2sin2& sin P” tangg” 


Be Mn Ba EEE AT hl De: 
ung "= tansia cos(P — ®”) cosx” sin2(Pp—&”) sin(P +”) 


R $. 23. 


Ich werde mich jetzt mit der Untersuchung des Austritts eines Strahls 
aus einem krystallinischen zweiaxigen Medium beschäftigen. Die Geschwin- 
digkeit in dem austretenden Strahl werde ich, je nachdem er ein gewöhnlicher 
oder ungewöhnlicher ist, mit D’ oder D” bezeichnen, und die Geschwindig- 

Mathemat. Abhandl. 1835. ıy 


146 Nevmann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


keiten in den beiden reflectirten Strahlen, je nachdem sie von D’ oder D” 
herrühren, mit A/ und A) oder A, und A}. Den ausgetretenen Strahl 
zerlege ich in einen, der parallel mit der Austritts-Ebene polarisirt ist und 
in einen, der senkrecht gegen diese Ebene polarisirt ist, und nenne die 
respectiven Geschwindigkeiten ‚S’ und P’, wenn sie von D’ herrühren, oder 
$” und P”, wenn sie von D” herrühren. Ich bezeichne ferner die Azimuthe 
der Richtungen der Geschwindigkeiten D’ und D”, in Beziehung auf die 
Einfalls- Ebene, mit y’ und y” und zwar so gerechnet, das y’—90 und y’—90 
die Azimuthe der zu D’ und D” gehörigen Strahlen sind. Diese Winkel 
y'—% und y”—90 sollen immer positiv sein, und sie sind gleich o, wenn die 
Strahlen in der Einfalls-Ebene liegen und einen gröfsern Winkel mit der 
Normale der brechenden Ebene bilden, als die Normalen der ihnen zuge- 
hörenden Wellen-Ebenen; im entgegengesetzten Fall, wenn der Strahl zwi- 
schen seiner Wellen-Ebenen-Normale und der Normale der brechenden 
Ebene liegt, soll y’— 90 und y’—90 gleich 150° sein. Die Azimuthe in Bezie- 
hung auf die Einfalls-Ebene von den Richtungen der Bewegungen in den im 
Innern des Mediums reflectirten Strahlen, R/ und A,’ seien z/ und z, und 
in den Strahlen AR) und R/ seien z, und z/. Diese Winkel sind so gerech- 
net, dafs sie respective zusammenfallen mit den Winkeln y’ und y”, wenn 
der ausgetretene Strahl senkrecht auf der brechenden Ebene steht. Es sollen 
ferner W’ und /” die Winkel bedeuten, welche die Wellen-Normalen von 
D' und D” mit der Normale der brechenden Ebene bilden, ebenso &/, &’ 
und £,, &/ die Neigungen der Wellen-Normalen AR), AR) und RA), R) gegen 
die Normale der brechenden Ebene. Mit ı’ bezeichne ich die Neigung des 
ausgetretenen Strahls gegen die Normale der brechenden Ebene, wenn er 
von D’ herrührt und mit ı", wenn er von D” herrührt. Endlich sollen p’ 
und p” die Neigungen der Strahlen D’ und D” gegen ihre Wellen -Normalen 
sein, und z/, r,’ und z,, r,/ die Neigungen der Strahlen R/, R/ und A,, A, 
gegen ihre respectiven Wellen-Normalen. Die Winkel p’ und p” sollen 
immer positiv sein, die Winkel z/, z, und z,’, z, aber werden negativ, wenn 
die Strahlen R/, R, und R/, R) nicht in dem Azimuth in Beziehung auf die 
Einfalls-Ebene z/—90, 3,—9 und z”’— 90, 2/—90 liegen, sondern in den Azi- 
muthen 2/+90, 2,490 und 3-49, 23/490. Diese Bezeichnungen voraus- 
gesetzt, findet man, wenn die entsprechenden Volumina, über welche sich 
die Bewegung der einfallenden Strahlen D’ und D” verbreitet, in den 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 147 


reflectirten Strahlen R/, AR und AR), R,) und den gebrochenen Strahlen 
P/yS!iundiP45 8: bezeichnet werden mit 05102550750): 0), O7: 752 

—= a sinı cos: 

= «a sin.” cosı” 

Q' = a(sind’ cosW’— sin’W’ siny’ tangp’) 
Q’ = a(sind” cost ”’— sin’W”siny”tangp”) 
Q/ =a(sin&/ cos&-+sin°£/ sinz/ tangr,) 
0’ = «(sin &/ cos&”+ sin ?&/ sinz)’ tangr”) 
Q,; = «(sin &) cos&, + sin°£, sinz, tangr,;) 
Q,) = «(sin ) cos&, + sin?£, sinz,) tangr,,). 


(1) 


Die Gleichungen, welche sich aus dem Prineip der Erhaltung der lebendigen 
Kräfte ergeben, sind: 1) wenn die einfallende Welle eine gewöhnliche ist: 


D”"Q' = R/’Q/+R/?’Q’+(P”+S”,T 
und 2) wenn die einfallende Welle eine ungewöhnliche ist: 
D"”Q'= BR} Q,+ BR,’ Q/+ (P"”+S"”)T”. 
Hierin die Werthe für die Volumina aus (1) gesetzt, erhalten wir im ersten 
Falle: 
D’” (sinV’cosW — sin’ V’ sin y’tangp') — R/? (sin &/cos&/+sin*&/sinz/tangr/) 
— R/” (sin& cos&’+sin’&” sinz/tangr/’) = (P'’’+8"?) sin! cos! (2) 
und im zweiten Falle: 
D"* (sinV’ cos’ — sin’V’siny”tgp”) — R}? (sin&) cos&,;-+sin’&/sinz, tgr,,) 
— AR,” (sin &,/ cos&, +sin’&/sinz/tgr,) = (P"’+$"*)sinı’cosı”. (3) 
Was die Winkel ı', ı", W’, W”, &/, &/, &, &) betrifft, so hat man dafür fol- 
gende Relationen: 


2 2 
a) sinuay 2 io sin 14 — Gr Br (u-1)) sin’ 


2 2 
b)sin’&, =; sin’ = (+ _ en cos(u,—u,))sin®' 
ER en _ re cos(y,+ v)) sin® (4) 
a) sin'W"=e sin’’— en 4 ZZ cos (u-+v ))sin” 
ß) Sins en—ioNsme ul zz en zei cos(u,—u,) sin?’ 
S), sin? &,,— 67 sin. :l— (re c0s(v,4+9,))sin’‘', 


T2 


148 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


wo die Bedeutung von 0, e, 0, €, 0,, €, sich von selbst ergiebt, und wo die 
Neigungen der Wellen-Normalen D', D", R), R/, R,, R,) gegen die optischen 
Axen bezeichnet sind resp. mit u, u’; v,v'; u,u/; v,v/; u, u,; v„v,. Diese 
Winkel werden durch die folgenden Relationen bestimmt. Es seien U, U’ 
die Neigungen der Normale der brechenden Ebene gegen die beiden optischen 
Axen, und es liege die Einfalls-Ebene im Azimuth X, dieses Azimuth gerech- 
net von der Richtung an, in welcher die Bewegung stattfinden würde, wenn 
die brechende Ebene eine gewöhnliche Wellen-Ebene wäre, und zwar so, 
dafs fürV’=0o X=y’wird. Es sei 27 der Winkel, den die beiden Ebenen 
durch die Normale der brechenden Ebene und die beiden optischen Axen 
mit einander bilden; die entsprechenden Winkel für die Wellen-Normalen 
D' und D” seien 2i und 2k, und für die Normalen AR) und AR,’ seien diese 
Winkel 27’ und 2%’, so wie für die Wellen-Normalen RZ, und R/: 2i” und 
2k”. Alsdann finden folgende Relationen statt: 
cosu = cosÜU cosW’+ sin sin’ cos(X+-I) 
cosu’ = cos Ü’cosV’+ sin U’ sin’ cos(X—I) 
u — sinu cos(y’+i) = cosU sind’— sin cosW’ cos(X-+-I) 
N — sinw’ cos(y’—i) = cos U’ sindV’— sin U’sinV’ cos(X—I) 
sinz sin(y-+i) = sin U sin(X+-I) 
sinu’ sin(y—i) = sin U’ sin(X—I) 


cosv —=cosU cosW”+sinVV sin” cos(X-+-I) 
cosv’ = cosU’ cosV”+ sin U’ sind” cos(X—I) 
(6) sinv sin(y’—k) = cosU sind”’— sin U cosW” cos(X-+I) 
sinv’ sin(y’+k) = cosU’ sin” — sin U’ cost” cos(X—I) 
— sinv sin(y’—k) = sin U sin(X-+-J) 
— sinv’ sin(y’+k) = sin U’ sin (X —I). 


Diese sphärisch -trigonometrischen Formeln leitet man leicht aus Fig. 9. ab, 
wo die Durchschnitte der Wellen-Normalen D/, D/’, der optischen Axen 
und der Normale der brechenden Ebene mit einer Kugelfläche, jene Linien 
durch ihren Mittelpunkt gelegt, angegeben sind. 

Mittelst der Gleichungen (5) kann man u, u’, y’, ausdrücken durch 
den Einfalls-Winkel W%’ und durch die Winkel U, U’ und X, welche die 
Lage der brechenden Ebene und die Lage der Einfalls- Ebene bestimmen, 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 149 


und da diese beiden Ebenen jedesmal gegeben sind, so kann man mittelst (5) 
die Winkel v, w, y’, i als Functionen von W’ ausdrücken. Eben so sind 
durch (6) die Winkel v, v', y”, k als Functionen des Winkels I” gegeben. 
Der Winkel Z ist bestimmt durch U und U’ und den Winkel der beiden 
optischen Axen 2n; man hat nämlich: 


cos2n = cosU cosÜ’+sinT sinÜV’ cos21. 

Man erhält aus (5) und (6) zwei ähnliche Systeme, indem man für 
und X” setzt —£/ und —&/, statt y’ und y” die Winkel z/ und z,’, statt 2 und 
% die Winkel z’ und %’, ferner statt u und w’ die Winkel z, und w/ und end- 
lich statt v und v’ die Winkel v, und v/: 

cosu, = cos cos&/— sin sin&/ cos(X-+-I) 
cosu, = cos Ü’ cos&/— sin U’ sin&/ cos(X—I) 


sinu, cos(z/+i') = cosÜ sin&/ + sin U cos£) cos(X-+I) 


sinu/ cos (z/—i') = cos’ sin&/+ sin U’cos£,) cos(X—I) Ya) 
sinu, sin(z/+?) = sin U sin(X+-I) 
sinu, sin (z3/—?) = sin U’ sin(X—I) 
cosv, = cos cos&— sin sind” cos(X+-I) 
cosv, —= cos U’cos&— sinV’ sin &cos(X—I) 
— sinv, sin (3 —k’) = cosU sin&”+ sinÜ cos£&/’cos(XÄ+I) (8) 10) 


— sinv/ sin (3 +k') = cos U’ sin & + sin’ cos& cos(X—I) 
— sinv, sin (3 —k') = sin U sin(X+-I) 
— sinv/ sin (2 +k') = sin U’ sin (X—I). 


Endlich erhält man zwei Systeme Relationen für w,, w,, v,, v,.... dadurch, 
dafs man statt des untern Index , überall den untern Index „ setzt und statt 
Ü und %’ die Winkel z” und %k”. Ich bezeichne diese Relationen mit (9) 
und (10). 

Substituirt man in (4) a. b. c. die Werthe von u, u‘, w,, u), v,, v,, SO 
erhält man drei Gleichungen, von denen die erste nur W’, die zweite &/ und 
die dritte Z” enthält. Man überzeugt sich aber leicht, dafs alle drei Gleichun- 
gen entwickelt zu derselben biquadratischen Gleichung führen, so dafs W’, 
&/ und &” drei ihrer Wurzeln sind; die vierte Wurzel, welche ich mit 
bezeichnen will, ist die Neigung gegen die brechende Ebene der zu ı' gehö- 


150 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


rigen ungewöhnlichen Wellen-Ebene. Ebenso findet man, dafs p”, &,, &/ 
drei Wurzeln einer andern biquadratischen Gleichung sind, deren vierte, 
welche ich mit W, bezeichne, der Brechungs-Winkel der zu ı" gehörigen 
gewöhnlichen Wellen-Ebene ist. Wenn =", so itY'=Y,, V’=W 
und &£/ =& und &’=ö,/, und V,WV\, &=&,&=8&) sind die vier Wur- 
zeln derselben biquadratischen Gleichung. 

Es sind nur gewisse, leicht vorher zu sehende particuläre Fälle, wo 
diese biquadratischen Gleichungen sich in zwei quadratische zerfällen lassen. 
Im Allgemeinen kann man also zu ihrer Auflösung nur Näherungs-Methoden 
anwenden, und dazu dienen die Relationen (5) bis (10). Wenn der einfal- 
lende Strahl D’, d. h. ein gewöhnlicher ist, so ist W’ gegeben und man be- 
stimmt aus (4) a. mittelst (5) den Winkel ı’. Diesen Werth in (4) b. und c. 
gesetzt, erhält man für £/ und &” eine erste Annäherung, in welcher die Qua- 
drate von r’—w” vernachlässigt sind, wenn man in die Werthe für w, w’ und 
u, v/ in (7) und (8) statt &/ und &/ setzt W. Setzt man hierauf in (7) und (8) 
die oben gefundenen angenäherten Werthe für £/ und £”, so erhält man z,, 
u/ und v,, v/ richtig bis auf die erste Potenz von r—u?, und aus ihnen die 
Ausdrücke cos(u,—u/), cos(v,+v/) gebildet und in (4) b. c. gesetzt, erhält 
man £/ und &/ richtig bis auf die zweite Potenz von r»’—u?. Dieser Grad 
der Annäherung wird in allen Fällen zureichend sein. Ein ganz gleicher Weg 
führt zu den angenäherten Werthen für &) und &/, wenn der einfallende 
Strahl ein ungewöhnlicher ist, mittelst der Gleichungen (4) «. @. y. und 
(5) (6) (9) (10). 

Ich werde jetzt die Gleichungen bilden, welche sich aus dem Prinzip 
der Gleichheit der Componenten ergeben. Ich zerlege wiederum die Ge- 
schwindigkeiten D', D’, R/, R/, R,, R, nach folgenden drei Richtungen: 
1) senkrecht auf der Einfalls-Ebene, 2) senkrecht auf der brechenden 
Ebene, 3) parallel mit der Einfalls-Ebene und mit der brechenden Ebene. 
Ich werde die Cosinusse der Winkel, welche die Richtungen der Geschwin- 
digkeiten D’, D’, R/... mit diesen drei untereinander rechtwinkligen Rich- 
tungen bilden, in folgender Tafel zusammenstellen: 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 151 


| p' | p’ | R’ | R? | R, R) | 
1) Gegen die 
Senkrechte aufd. E f h 3 R he ET 
Einfalls - Ebene siny’ +siny” sin 2) +sinz,” +sin2,, +sin2,, 
2) Gegen die 


Senkrechte aufd. A h N 2 4 . Hi; N 1 

brechend. Ebene | +sinWcosy’ |—sin W”cosy” | —sin&) cosz)|+sin&’cosz,’|—sin &,,c0s2,|-+sin&), cos 2) ( ) 
3) Gegen die 

Parallele mit d, 

Einfalls-Ebene u. 

d. brech. Ebene | + cos W cos y’ | —cosW’cosy” | +cos&/cos 2’ | —cos&’cos3,”| +cos &,/c08 2, — cos &)C08 23, 


Für die Geschwindigkeiten der ausgetretenen Strahlen, zerlegt nach denselben 
drei Richtungen, haben wir, je nachdem sie aus D’ oder D” entstanden sind: 


SEHE ad oder PZ 
2) —S’ sn’ - —$” sin” (12) 
3) — S’ cos!’ =..." cosı”. 


Demnach giebt das Prinzip der Gleichheit der Componenten folgende 
Gleichungen: 
1) Für einen gewöhnlichen einfallenden Strahl: 
78% = D' siny’+ R/ sinz/+ A) sinz,” 
— 5’ sin! = D’ sind’ cosy’— R/ sin&/ cosz/-++ R/' sin& cosz' (13) 
— 5’ cosı' = D’ cosW’ cosy’+ R) cos£) cosz/— R)’ cos&)’ cosz). 
2) Für einen ungewöhnlichen einfallenden Strahl: 
12% = D" siny”+ R} sinz, + R/sinz, 
— 8” sin!” = — D” sind” cosy”— R, sin&) cosz,+ RA sin&)/cosz, (14) 
— 8" cos!" = —D"cosW”cosy”+ R, cos &) cosz,, — Ri cos£, cosz,. 


Es soll jetzt gezeigt werden, dafs die quadratischen Gleichungen (2) und (3) 
mittelst der Gleichungen (13) und (14) sich in lineäre verwandeln. Ich werde 
mich zuerst mit (2) und (13) beschäftigen. Das Product der beiden letzten 
Gleichungen von (13) giebt: 


S’? sin! cos! = D’? sin ’cos\’ cos ?y’— R/? sin&/ cos&/cos?z/— R/? sin &/" cos&/’cos?z/? 


+ D’ Risin (V’—&) cosy’cos z/— D’R/ sin (U’—E}) cosy’ cos2/+R;R) sin (&4-E&/) cos2)cos2). 
Dies von (2) abgezogen, erhält man: 
P’? sinı’ cosı’” = D’? (sin V’ cos’ sin ?y’— sin?’ siny’tangp’) 
&sin?z/+-sin?E&/sin z/tangr)') 
— .D' R;sin(V’—E)) cosy’cos2/+ D’ R/ sin(V’—E/) cosy’ cos2/ — RR) sin(&-+E/) cos z)cos2). 


— RB}? (sin & cos & sin?2,+-sin? &sin zjtangr/)— R/? (sin &/ cos 


152 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Diese Gleichung durch die erste der Gleichungen (13) dividirt, giebt: 
15 P’sinı’ cos! = D’ (sin /’ cos /’siny’— sin ıL’tangp’) 
(15) — R; (sin &) cos &/ sin z) + sin *E/tangr/) — R/ (sin &/ cos E/ sin + sin ?E/tang r/), 
vorausgesetzt, dafs folgende Relationen stattfinden: 
(sin &/cos &— sin V’ cos sin y’sin + sin? &tgr)siny’+ sin'V’ tgp’ sin z) = sin (V’—E)) cosy’cosz} 
(sin'’ cos/’—sin &/ cos E)) sin y’sin 2/— sin”V tg p’sin 2’ — sin’& tgr/siny’ = sin(V’—E))cosy’cosz) 
(sin & cos &+ sin &/ cos &/)sin z, cos 2/-+sin’&tgr/sinz/+sin’E/tgr/sinz) = sin(&-+&7) cosz/cos2/ 
oder, etwas anders geschrieben : 
sin (Y’— &)) (siny’sin z/cos (\’+&)) + cosy’ cosz)) = sin’&,tgr/ siny’+ sin?\P’ ig’ sing, 

(16) sin (L’—E/) (siny’sin 27 cos(Y’+8/) — cosy’ c0s2/) = sin?&/tgr/ siny’+sin®\/ tg’ sin z/ 

— sin (&+&/) (sin 2; sin 2) cos (&/— &/) — cosz) cosz/) = sin?&, tgr) sinz/+sin?E/tgr/sinz). 
Die Richtigkeit dieser Relationen werde ich nachweisen. Setzt man die 
Werthe: 


tangr, = 0, tang rn GE tanen — ug ; 
wo 
5 = — sin z, sin (u— u)) 
1 n-— 7 4 . ’ 
ER : cosk, sin (v,+v/) 
r _—_ sini sin(u—u)), 
setzt man ferner: i i 
= % = nn je. u yL PER, 
und endlich : 
sin ?ı’ _ sin(V+#E) _ at sin (VE) 
sin (1 Er) as on u (cos (u— u’) — cos (u,— u) 
sin 21’ _ salV+E) __ 2ER sin (V’+E)) 
(17) sinl—&) ot BL (cos (u— u) — cos(u+v/)) 
sin’  _sn&-E) ___ sin (&/— &/”) ) 
BIoGrE En TE (cos(u—w/)— cos(urkv) 


so verwandeln sich durch diese Substitutionen die Gleichungen (16) in 
folgende: 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 153 


sin’siny’sin(z,—W)+sin A) in +E) 


. y;e ’ I. er ’ 24 
. )cos(l’+&)—cosy'cos2:) = — 
1. sin y’sin z/cos(Y’+&;) ß) ; ( EHEN) 


cosk’siny’sin(v,-tFv/)+#sinisinz/sin(u—)\ . 
siny’sin(v,+v/) in(u—u sin(+EN) (18) 


. ı* „" ’ En et “L zu —) ln - 
2. siny’sinz)cos(/’+&)—cosy’cos ( eos je ta 


A h Be: , 
4 h ; sin’’sinz, sin(z,—ıd)-+cosk’sinz/sin(v4V;)\ . ,r, ; 
3. sin.z} sin 2)/cos(&—&/)—c0s2/c05 2) = ( @ ))sin&— E 


cos (u,— U) — cos (v-+v,) Er). 


Die Richtigkeit dieser drei Relationen erhellt aus denen in $. 16. f) und h). 
Von der dritten gilt dies unmittelbar, sie ist für die beiden reflectirten Strah- 
len R/ und R/’ dasselbe, was die Relation f) in $. 16. für die beiden ge- 
brochenen Strahlen D’ und D’” ist, nur haben in diesen beiden Fällen die 
Bogen, hier (£/—&) und dort (9 —”), eine umgekehrte Lage, daher hier 
(&—8/) = — sinA zu setzen ist. Die zweite Relation (18) ist mit derjenigen 
in f) $. 16. gleichfalls übereinstimmend, hiervon überzeugt man sich am 
leichtesten, wenn diese Formel auf eine ähnliche Art auf einer Kugelober- 
fläche construirt, wie dies in $. 16. geschehen ist. Man sieht dann, dafs die 
Formel (18) 2. sich auf die Strahlen D’ und A’ ebenso bezieht, wie die For- 
mel f) $. 16. auf die Strahlen D’ und D”, und dafs daher in ihr statt v, v', k, 
x” stehen mufs v,, v/, %, z/’ und statt (# —”), d. i. der Winkel, den die 
beiden Normalen D’ und D” mit einander bilden, der Winkel (Y+E/), d.i. 
der Winkel, den die Normalen D’ und A,’ mit einander bilden. Die erste 
Relation in (18) ist übereinstimmend mit derjenigen in h) in $. 16. Die Re- 
lation in 1. (18) bezieht sich auf die Normalen D’ und A/, die Relation in 
h) $. 16. bezieht sich auf die Normalen D’ und D”, in jener müssen sich 
also, statt v, v’, %k, die Winkel w,, w/, z' finden, statt (# — #”) der Winkel 
(+2). Was endlich den Winkel x” in h) $. 16. betrifft, so mufs man 
bedenken, dafs wenn man den ihm entsprechenden bei der Normale 72) mit 
z,' bezeichnet, man hat z-+z/ = 270°, und dafs also x” ersetzt werden mufs 
durch 3” —=270°—-z/. Diese Substitutionen in h) $. 16. ausgeführt, erhält 
man die erste der Relationen in (17) d. $. 

Die quadratische Gleichung (2) kann also ersetzt werden durch die 
lineäre Gleichung (15). Diese Gleichung (15) und die Gleichungen (13) 
enthalten also die vollständige Lösung des Problems der Reflexion und 
Refraction im Innern eines krystallinischen Mediums, wenn der einfallende 
Strahl D’ ein gewöhnlicher ist. 


Mathemat. Abhandl. 1835. U 


154 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Ich werde jetzt zeigen, wie die Gleichung (3) mittelst (14) gleichfalls 
durch eine lineäre Gleichung ersetzt werden kann. Das Product der beiden 
letzten Gleichungen in (14) giebt: 

S”2 sin.”cosı!” = D"? sin” cosW”cos?y”— R/} sin&;cos&;cos ?2,— R},? sin E},cos&,cos ?z/, 
—D’R),sin(Y’—E&,)cosy”cos ,-+D”R),sin(Y’—&))cosy”cosz,+-R;,R)sin(&,-4-&)})cosz),cosz},. 
Dies von (3) abgezogen, erhält man: 
P"? sin \” cos” = D”? (sin V” cos /”sin ?y’— sin ?/” siny”tgp”) 
—.R/} (sin &), cos &,,sin? 2), + sin?W),sin 2, tgr,,)— R}? (sin &/} cos&/sin?2/+sin®'W/;sinz),tgr/))) 
+D’R,sin(P”’—&,)cosy”cos ,—D’R}sin(Y’—E/)cosy”cos</—R/,R)sin(&,4+E/)cos z),cos 2). 


Diese Gleichung endlich durch die erste in (14) dividirt, giebt: 


(19) 


weil 


Psm” cosı” = .D” (sin.V” cosY” siny” — sin *L”tgp”) 
— R,, (sin &,, cos &), sin z/, + sin ?&,tgr,,) — R/ (sin &, cos &, sin. 2, + sin?E,tgr,, 
sin ?\)” tgp” sin z), + sin ?E, tgr), siny” 
sin (b’—-&,) 
En = sin ?ıy” tg,p” sinz), + sin ?&, tgr sin y’ 
SHNEE sin (b’—&),) 
sin ?&,, tg), sin 2), + sin ?Eu tg r, sin, 
sin (Er— &) 
Diese Relationen verwandeln sich nämlich durch die Substitutionen (17) und 
durch ähnliche in: 


1. c0sy”c0s2,—sin y”sin2),cos (W’+&),) = 


cosy” cos 2), — siny” sinz), cos(V’+&,) = — 
" 


cosy” 608 2, + siny” sin 2}, cos (+ 


c0s 2), 6052), — sin 2), sin 2), cos (&,+ &)) = 


cosk sinz/,sin(v+v’)+sin 2”sin y’sin(z, un) si in@W+$,) 
cos (v-+V) — cos (1,—u),) 

ArunlHRR ‚ A Nor r 
cosksin DENE NER k siny sin(v,+v',) sin(W+E/) 
cos (u-+vV’) — cos (v,+v,,) 

_ sin? "sinz,,sin(z, zzun)rcosk" 'sinz,sin(v, +v),) 
cos (u,— 1,) — cos (v,+v)) 


(20) 2. cosy” cos 2), +siny”sinz};cos(W’+&,) =— 


sin(&—&,) 


3. c082), c082),—sin 2/,sin 2); cos(&),—&,) = 


und von diesen Relationen ergiebt sich die Richtigkeit der ersten und dritten 
aus f) $.16. und der zweiten aus i) $.16. Setzt man nämlich in f) statt x, 
u’, &, (#—@") die Winkel w,, w,, 3,, —(W'-+E&/), so erhält man die erste 
Relation in (20), und zugleich statt v, vV, &”, (#—#”) die Winkel gesetzt: 
v,, 0,555 —(&—8&/), erhält man die dritte Relation (20). Von der Zu- 
lässigkeit dieser Substitutionen überzeugt man sich aufserdem bald. Die 
zweite Relation in (20) entsteht aus i) $. 16., wenn statt u, w, (#—®”) gesetzt 
wird: v,, v,, —(W’+&/) und statt x der Winkel 270—y,). 

Statt der Gleichung der Erhaltung der lebendigen Kräfte in (3) kann 
also die Gleichung (19) gesetzt werden. 


a 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 155 


$.2 
Die vollständigen Gleichungen der Refraction und Reflexion im Innern 


eines krystallinischen Mediums sind also folgende: 


P’ sin! cos! = D’ (sin\V’cosY’siny’—sin?\V'tgp’) — R} (sin &;cos&sin Ze 2) 
— R/ (sin &/ cos &/ sin) + sin?&/tgr/') 


p' = D’siny’ + R;sinz) + R/ sin z/ (1) 
S’sin?  =—D’cosy’sind’ + R;cosz sin — R)cosz) sin&/ 

S’ cos!’ =— D’cosy’cosb’ — R;cos2jcos&; + R)'cosz) cos&/ 

und: 


P” sin.” cos!” = D” (sinL” cos Y”siny”—sin®\/”tgp”) — R), (sin & cos &,,sin z,+sin?&,tgr,,) 

— R;, (sin &),cos &, sin?2,+-sin?&,tgr‘,) 
2” = D”siny” + R), sinz), + R; sin z/), (2) 
Ss” sin.” = D”cosy” sin!’ + R),cosz,sin&, — R),cosz) sin&). 
$”cos” = D’cosy”’cosl” — R),cosz,cos&, + R},cosz),cos&, 


Hieraus erhält man: 
sin (W—W) sin (d-+&/') (cos (!-+W') sin y’ cos 2 + cos (!—&/) cosy’sin z/') 
Sf D’ nn (+&/)tgp’cosz/ +sin’&'sin (U—Y) tgr/'cos 
ER sin (U +8&)sin (d+8)) (cos (v‘—&)) sin z,cos 2) + cos ((—&/)sinz/ cos2}) 
+ sin ?&sin ((+&/)tgr/cos2/’+sin ?&/sin (U+&)tgr/’cosz, 


sin (U—’) sin (d’+&)) (cos (HP) sin y’cosz};— cos (V—&))sinz) cosy) 


iR) 
(3) 


Rn D' + sin ’W’sin (+8) tg’ cosz) — sin’& sin (/—W)tgr) cosy’ 
JE sin (d+&)) sin (d+$&)) (cos (v‘—&}) sin 2)cos 2) + cos (—&/') sin z)' cos z}) 
+sin’&sin (U+$&)tgr/cosz/+sin’&sin (+&)tgr/'cos2) 


sin (v’—ı”) sin (v’+&;,) (cos (d”+W”) sin y”’ cos 2, — cos ("— 8) sin 2,,c0sy”) 

Bean + sin?” sin (1 +$),) igpleos® —sin’&)sin DE 
4 sin (U’+&),) sin (d’+8&,,) (cos (d— &),)sin z},cos Zn 4icos = ®) sin 2),c0s2),) 

+ sin?&,sin (+&)) tg 7, cos 2,,+ sin’ &) sin (+8) cosz,,tg rn 


sin (d”—W”) sin (1”+8&),) (cos (ı”—y”) siny" cos 2),+cos (1”—&),) sin 2),c0s,y”) 
D" + sin sin (U +&/) tg,p” cos z),+sin?&,sin (”—Y”) tg r},cosy” 
sin (v’+&),) sin (d’+&/) (cos (1”—&',) sin z/,cos 2), + cos (1—&/))sin 2),cos2),) 
+sin?&,sin (W+&/) tg r,cos 2, +sin?&) sin («/+&),) cosz,tgr), 


LU 
1 


Die ersten angenäherten Werthe erhält man, wenn man die Unterschiede der 
Elastieitäts-Axen gänzlich vernachlässigt, und also setzt: 
Er = und cosz, = —smz,, sin 2” = — 0053), 


ferner: 
&;=&) und cosz/=—sinz, und sinz) = —.cosz,. 


U2 


156 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


Man erhält dann: 


. ’ ! r ’ ’ 
’ ‚, sin(W—\Y’) cos (+) . RER / ’ 
= — —[ ——— sin z, 
R, D ne) Kose en My’ sinz/ + cosy cosz/ ) 
0) sin (!—\V’) f cos(! +) 
ee 79) Eu a) r ' ER ' 
— - - in 2, — 2 
AR, + ar) (con 2 Cosz) — c0osy' sin 2) 
5 sin(”—/”) fcos("HI”) . ; u 
RI & “ @ 2) siny” cosz,) — cosy” sinz/)) 
(6) sın (t +5) cos (1 —5) 
nn in («(”— I”) (cos("” +”) 
R’ = — Dr ne mr ee) 
z BEE Neo Ed en 000 CO 


Multiplieirt man die erste der Gleichungen (1) mit sin y’ und die zweite mit 
sin’ cosW’ siny’— sin’V’tangp', und addirt beide, so erhält man, mit 
Berücksichtigung der Relationen (16) $. 23., P’ in einer Form, welche für 
angenäherte Berechnungen seiner Werthe bequem ist. Auf eine ähnliche 
Weise erhält man auch S’ und P” und $”. 


pP— D/(2sinV’ cos Y'siny’—sin?V tgp’)sin y’—(R}cos z/sin(V—E))— R}cos 2} sin(V—E)))cosy’ 
Ing sin (’+W') cos (— W) siny’— sin "V tgp’ 
(7) 


Ge 2.D’ sin) cos/ cosy’ + R} cos 2) sin (V’— &) — R/ cos =) sin (V’— &}) 
Fr sin (+) 


p— D’(esiny”cosYsiny’—sin?Y’tgp”)siny’—(R},cosz,sin(V’—E))—R)cosz}sin(W’—E)))cosy” 
pe sin (+ Y”) cos (’— 4”) siny”"— sin 2.1” tgp” 
(6) 


” 


2.D” sin L” cos\L” cosy”— R), cos z), sin (V’— &,) + R), cos 2) sin (V’— &)) 
sin (= Y”) . 


Will man in diesen Werthen für P', $', P’, $” nur die erste Potenz des 
Unterschiedes der Elastieitäts- Axen berücksichtigen, so sind für AR/, R/, 
4, I ihre angenäherten Werthe aus (5) und (6) zu setzen. 

Die Formeln (3) bis (8) werden imaginär, wenn die Einfalls-Winkel 
innerhalb der Grenze der totalen Reflexion liegen. Man kann in diesem Falle 
die reflectirten Intensitäten hier auf dieselbe Weise ableiten, wie bei den 
einaxigen Krystallen. 

Ich werde die Formeln (7) und (8) noch anwenden auf den Fall des 
Durchgangs des Lichtes durch ein von parallelen Ebenen eingeschlossenes 
Medium, weil diese Formeln für die Theorie der Farben, welche krystal- 
linische Blättchen im polarisirten Licht zeigen, von Wichtigkeit sind. Als- 


an der Grenze zweier vollkommen durchsichtigen Medien. 157 


dann sind D’ und D” zwei zusammengehörige Strahlen, welche aus demsel- 
ben einfallenden Strahl entstanden sind, und ihre Werthe sind durch die 
Formeln (2) $. 17. gegeben. Ferner ist aldan !”={!'=9,V'=d), 
VW a N a — 9; EL— ERBEN — iS. 2 am 
2’ =z,; ich werde die Winkel £/, &’, z/, z,’ mit £’, E”, zZ’, z’ bezeichnen. 
Diese Substitutionen gemacht, erhält man: 


Pu D’ (2sin d’ cos d’sin a’—sin?$'tgg')sina’— (R} cos z}sin(p’—E))— R/ cos ’sin(p—&/))cos.&’ 
TE sin (P +) cos (#— $') sin a’ — sin ?p’ tg’ 
9) 


Ss 2.D’ sind’ cos ch’ cosx’ + R) cosz sin (—&)—R/ cos z/ sin (d’— &/ 
sin(Pp+P) 


po D”(2sinp”cos 9”sina’—sin?p"tgg”)—(R),cos2/sin(p’—E/)-HR)cos ’sin(p’—E/))cosx” 
BER sin (P-+P”) cos(P— P”) sina” — sin pP” tgg” 
(10) 


) 


Kt 2D" sind” cos” cosx”’— R), cos z, sin (P’— &) + R), cos =) sin (#’—&/) 
sin (B+P") 


worin für D’ und D” die Werthe aus (2) $. 17. zu setzen sind. 


Will man nur die erste Potenz von r’—u” in (9) und (10) berück- 
sichtigen, so ist zu setzen: 


Run rn as sin’ sinz’-+ cos’ cos?’) ee 
RD EN na cosz — cosx' sinz ) 

R,=+ De rn cosx sinz’ — sin’ cos?‘) en 
Ka u en u cosx' cosz + sin sinz‘). ö 


Vernachlässigt man aber in (9) und (10) Alles, was von dem Unterschied der 
Elasticitäts--Axen abhängt, so bekommt man nur das Glied, welches von der 
Lage derselben abhängt, und erhält, wenn für D’ und D” ihre Werthe 


gesetzt werden: 


158 Neumann: über die Reflexion und Brechung des Lichtes 


p’= m) rg) _ Scosa’} sin x’ 
u N es — Ss cosa’} cos x 
P'=+ a + Sina} cos.x' 
S!=+ en + Ssin’} sin. 


Dies sind dieselben angenäherten Formeln, welche ich in einer Abhandlung 
über die Farben zweiaxiger Krystalle im polarisirten Lichte (Pogg. Ann. d. 
Phys. Bd. XXXII. p. 271.) direct entwickelt habe. 


ni 


SE 


{0} 
. 


8.9. 


$. 10. 


Inhalts-Verzeichnifs der $$. 


Einleitung. Stand der Frage. Die Fresnelschen Formeln; ihre Richtigkeit durch die 
Beobachtungen erwiesen. 
Entwickelung der Grundsätze, worauf die in dieser Abhandlung ausgeführte Theorie beruht. 
Anwendung dieser Grundsätze auf den Fall, wo das Licht von einem unkıystallinischen 
Medium reflectirt und gebrochen wird. 
Vorbereitung für die Anwendung derselben Grundsätze auf optisch einaxige Medien. 
Aufstellung der Gleichungen, von denen die Intensitäten des gebrochenen und reflectirten 
Lichtes bei optisch einaxigen Krystallen abhängen. 
Zurückführung jener Gleichungen auf Gleichungen vom ersten Grade. 
Ausdrücke für die Geschwindigkeiten in den reflectirten und gebrochenen Lichtstrahlen 
bei einaxigen Krystallen. Ihre Analogie mit denjenigen für unkrystallinische Medien. 
Discussion über den Winkel, welchen man bei krystallinischen Medien den Winkel der 
vollständigen Polarisation nennen soll. Ablenkung der Polarisations-Ebene 
bei kıystallinischen Medien. Die Seebeck’sche Formel für den Polarisations-Winkel, für 
den Fall, dafs die Reflexions-Ebene parallel mit einem Hauptschnitt ist. Der allgemeine 
Ausdruck für den Polarisations-Winkel hängt ab von einer biquadratischen Gleichung. 
Numerische Vergleichung der berechneten Polarisations-Winkelmit Seebeck's Beobachtungen. 
Beweis, dafs der Polarisations-Winkel derselbe ist, wenn die Reflexions-Ebene mit dem 
Hauptschnitt den W. »und 180—w bildet. Angenäherter Ausdruck für den Polarisations-W. 
Ein einfaches Theorem über die Beziehung zwischen dem Polarisations-Winkel und der 
Ablenkung der Polarisations-Ebene. Es giebt im Allgemeinen drei Lagen der Reflexions- 
Ebenen, in welchen keine Ablenkung der Polarisations-Ebene stattfindet. Drehung der 
Polarisations- Ebene durch Reflexion, wenn die einfallenden Strahlen parallel oder senkrecht 
gegen die Reflexions-Ebene polarisirt sind. 
Untersuchung über den Fall, in welchem das einen einaxigen Krystall umgebende Medium 
nahe denselben Brechungs-Coefficienten hat wie der Krystall. 
Der Polarisations-Winkel wird in gewissen Fällen, wo der Brechungs-Coefficient des umgeben- 
den Mediums zwischen dem gewöhnlichen und ungewöhnlichen desKrystalls liegt, unmöglich. 
Die Ablenkungen der Polarisations-Ebene werden verglichen mit den Beobachtungen von 
Brewster auf einer mit Cassia-Öl bedeckten natürlichen Bruchfläche des Kalkspaths. 
Wenn das umgebende Medium genau denselben Brechungs-Coefficienten hat wie der gewöhn- 
liche des Krystalls, so ist der reflectirte Strahl unter allen Incidenzen vollständig pola- 
risirt. Einfaches Theorem über die Lage seiner Polarisations-Ebene. Azimuthe der 
Polarisations-Ebene des einfallenden Lichts, bei welchen es gar nicht reflectirt wird, 
und bei welchen es im Maximum reflectirt wird. Wenn der Brechungs-Üoefficient des 
umgebenden Mediums wenig von denen des Krystalls verschieden ist, so findet unter 
allen Reflexions-Winkeln immer eine nahe vollständige Polarisation statt. Ausdruck 
für die Lage der Ebene, nach welcher das Licht nahe vollständig polarisirt ist. 
Die Gesetze, nach welchen ein polarisirter Strahl bei seinem Eintritt in einen oplisch ein- 
axigen Krystall sich zwischen dem gewöhnlichen und ungewöhnlichen Strahl theilt. Die 
Azimuthe der Polarisation des eintretenden Strahls, bei welchen der gewöhnliche oder 
ungewöhnliche Strahl verschwindet. Die Intensität der beiden Strahlen, wenn das ein- 
tretende Licht unpolarisirt war. 
Austritt des Lichtes aus einem einaxigen Krystall in ein unkrystallinisches Medium. Die 
Grundgleichungen. 


8. 13 


8.13. 


8. 15. 


8. 17. 


un 
[nr 
5 


unen 


. a. Allgemeine Ausdrücke für die Geschwindigkeiten in den im Innern reflectirten Strahlen 


und in den ausgetretenen Strahlen. Ihre Interpretation für den Fall der totalen Reflexion. 


b. Lage der Polarisations-Ebene der ausgetretenen Strahlen. Ausdrücke für die Intensitäten 


des aus einem einaxigen Medium ausgetretenen gewöhnlichen und ungewöhnlichen Strahls. 
Anwendung auf Prismen, deren brechende Kante parallel mit der Axe ist oder senkrecht 
darauf steht, nach welchen Gesetzen durch sie das Licht eines einfallenden polarisirten 
Strahls zwischen dem gewöhnlichen und ungewöhnlichen Strahle vertheilt wird. 
Anwendung auf den Fall des Durchgangs von polarisirtem Licht durch ein von zwei 
parallelen Ebenen begrenztes einaxiges Medium. 
Anwendung der vorhergehenden Ausdrücke auf den Fall, dafs das krystallinische Blätichen 
so dünn ist, dafs sich der gewöhnliche und ungewöhnliche Strahl nicht trennen. Relation 
zwischen Einfalls-Winkel, Azimuth der Einfalls-Ebene und Azimuth der ursprünglichen 
Polarisation, bei welcher das durchgegangene Licht so vollständig als möglich polarisirt ist. 
Anwendung auf den Fall, wo die ursprüngliche Polarisations-Ebene parallel mit der Einfalls- 
Ebene ist oder senkrecht darauf. 
Anwendung der Grundsätze in $. 2. auf krystallinisch zwei-axige Medien. Vorbereitende 
Untersuchung. Zu einer gegebenen Wellen-Ebene den zugehörigen Strahl zu finden und 
umgekehrt, zu einem Strahle seine Wellen-Ebene zn finden. In einem gegebenen Strahle 
die Richtung seiner Bewegung zu finden. Die Strahlen stehen immer senkrecht auf den 
Richtungen ihrer Undulationen. Über die konische Refraction beim Eintritt und über die 
konische Refraction beim Austritt. 
Entwickelung der Grundgleichungen über die Geschwindigkeiten in den reflectirten und 
gebrochenen Strahlen. Zurückführung auf Gleichungen vom ersten Grade. 
Allgemeine Ausdrücke für die Geschwindigkeiten in den reflectirten und gebrochenen 
Strahlen. Anwendung auf einige besondere Fälle. 
Anwendung auf die konische Refraction beim Eintritt. Geomet. Herleitung des Refractions- 
Kegels. Über die Vertheilung des Lichts in diesem Refractions-Kegel, wenn ein einzelner 
polarisirter Lichtstrahl eintritt, und die Lage der Polarisations-Ebenen in den einzelnen 
Seiten des Kegels. Die konische Refraction hat keinen Einflufs auf die Phänomene der 
Reflexion. Vertheilung des Lichtes in dem Kegel, wenn das einfallende Licht unpolarisirt 
ist. Die Vertheilung des Lichtes, wenn das einfallende Licht nicht ein einfacher Strahl, 
sondern ein Strahlen-Cylinder ist; Berechnung dieser Intensität für einen sehr einfachen Fall. 
Über die vollständige Polarisation durch Reflexion an zwei-axigen Krystallen. Ausdrücke 
für den Polarisations-W inkel, wenn die Reflexions-Ebene senkrecht auf einer der Elasticitäts- 
Axen steht. Angenäherter allgemeiner Ausdruck für den Polarisations-Winkel. Zwei 
daraus sich ergebende Theoreme über den Polarisations-Winkel. 
Von der Ablenkung der Polarisations-Ebene. Untersuchung der Azimuthe der Reflexions- 
Ebenen, wo die Ablenkung =0 ist. Solcher Azimuthe giebt es im Allgemeinen vier, von 
denen zwei immer reel sind. Die Maxima der Ablenkungen. 
Von den Drehungen der Polarisations- Ebenen durch Reflexion. Untersuchung der Fälle, 
wo Strahlen, die ursprünglich parallel mit der Einfalls-Ebene polarisirt waren, oder senk- 
recht darauf, nach der Reflexion ihre Polarisations-Ebene unverändert behalten. Diese 
Strahlen liegen in einem Kegel dritter Ordnung. 
Ausdrücke für die Intensität des Lichtes in den zweierlei Strahlen, in welche ein polari- 
sirter Strahl beim Eintvitt in ein zwei-axiges Medium sich spaltet. Azimuthe der ursprüng- 
lichen Polarisation, bei welchen der eine oder der andere Strahl verschwindet. 
Austritt des Lichtes aus einem zwei-axigen Medium in ein unkrystallinisches. 
Ausdrücke für die Geschwindigkeiten in den im Innern reflectirten Strahlen und in den 
ausgetretenen Strahlen. Anwe:dung dieser Ausdrücke auf den Durchgang des Lichtes durch 
ein zwei-axiges Medium. welches zwischen zwei parallelen Ebenen eingeschlossen ist. 


nm EEE 


in Mumanns Ah Illu, Il 1835. / 


EEE Se In I - 


f 
ü 
15 Ro 
r ve 
2 u . 
Se neh . . ö 
5 ö Al 
2 . 
l ü 
1 
Er u R . 
U BE 5 Su re 
ie X 
i big u 
. D 
Di ö 
j Br . . 
J = er 
2 
ö 
ar 
fi A 
rs \ eg 
DE . 
. 
Lu \ 
a jr Re 
em 
Zu 
ni = 
k Ö 
f vn 
f 6 
5: 
ü 
ir 
" 
ü 
| 
m 
iR 
u 5 SE 
D 
{ 
> 
h 
t 
= i u 
5 Y 
' “un 
a ü \ 


= 


z 
a“) 


a 


£ /] 
Eerch £ 


g 
ec‘ 
Ben 
a 
De } 


Bestimmung der Länge des einfachen Secunden- 
pendels fur Berlin. 


Von ‚ 


Hr. F, W. BESSEL. 


nn 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 30. Mai 1835.] 


D: im Jahre 1816 gegebene Maafs- und Gewichts- Ordnung für die 
Preufsischen Staaten verweiset auf eine vorzunehmende Bestimmung der 
Länge des Secundenpendels für Berlin, als auf ein Mittel, durch welches die 
angenommene Einheit des Längenmaafses zu allen Zeiten, bei entstehenden 
Zweifeln, wiedererlangt werden könne. Die Königliche Akademie der Wis- 
senschaften beabsichtigte, diese Bestimmung, durch eines ihrer Mitglieder, 
vornehmen zu lassen, und beauftragte Hrn. Tralles, die dazu nöthigen 
Mafsregeln zu ergreifen und demnächst die Pendellänge festzusetzen. In 
Folge hiervon verfügte sich derselbe nach London, um dort den Apparat, 
den er anzuwenden gedachte, verfertigen zu lassen. Allein dieser erste 
Schritt blieb fruchtlos, indem Tralles starb, ehe er, wie es scheint, feste 
Abrede mit einem der Londoner mechanischen Künstler getroffen hatte. — 
Im Jahre 1833 erhielt ich von dem hohen Königlichen Ministerio den Auf- 
trag, die noch fehlende Bestimmung der Länge des Secundenpendels für 
Berlin auszuführen. 


1: 


Die Erbauung einer neuen Sternwarte in Berlin liefs angemessen 
erscheinen, den Punkt, für welchen die Pendellänge bestimmt werden sollte, 
in der Nähe derselben zu wählen. Hr. Professor Encke bot einen Platz, 
in dem Garten der Sternwarte, bereitwillig an. Hier wurde, im Winter 
1534-35, ein Haus von Holz erbaut, welches geräumig genug ist, um da- 
selbst die Methode in Ausführung bringen zu können, welche ich früher, 


Mathemat. Abhandl. 1835. DRK 


162 Besser: Bestimmung der Länge 


zur Bestimmung der Pendellänge für die Königsberger Sternwarte ange- 


wandt habe. 

Der innere Raum dieses Hauses ist 30 Fufs lang und 20 Fufs breit; 
seine längeren Seiten sind dem Meridiane parallel, die kürzeren also darauf 
senkrecht. Nahe an der nördlichen Wand ist ein Pfeiler aufgemauert, an 
welchem derselbe Repsoldsche Apparat aufgestellt worden ist, welcher 
nicht nur die Bestimmung für Königsberg ergeben hat, sondern welcher 
auch, in der Zwischenzeit zwischen dieser und der Berliner Anwendung, 
von Hrn. Etatsrath Schumacher, zur Bestimmung der Pendellänge für 
Güldenstein, benutzt worden ist. Das Haus hat doppelte Wände, zwischen 
welchen ein leerer Raum ist; seine auf allen Seiten, mit Ausnahme der 
Nordseite, angebrachten Fenster können von Innen, durch undurchsichtige 
Vorhänge, von Aufsen durch mit Leinwand bezogene Rähmen verdeckt wer- 
den, so dafs die Sonnenstrahlen weder in das Innere des Hauses dringen, 
noch plötzliche Veränderungen der Wärme daselbst erzeugen. Während 
der Dauer der ganzen Reihe der Pendelversuche wurde stets dafür gesorgt, 
dafs die Fenster an den von der Sonne beschienenen Seiten des Hauses ver- 
deckt waren; allein am Anfange war nur die innere Verdeckung, durch die 
Vorhänge, vorhanden, weshalb die Wärme im Hause schnellere v eränderun- 
gen erfuhr, und die erste der sechs vollständigen Bestimmungen der Pendel- 
länge, welche ich jetzt bekannt mache, für weniger sicher zu erachten ist, 
als die fünf späteren. 

Der Pendelapparat war, bei seiner Anwendung in Berlin, nicht ganz 
in demselben Zustande, in welchem ich ihn in Köniedbere angewandt habe: 
vor seiner Anwendung in Güldenstein hat er einige Anden erfahren, 
welche ich jetzt erwähnen werde. Die erste Bellchin in einer Verbesserung 
der Einrichtung, durch welche das Pendel, bei geschlossenem Gehäuse des 
Apparates, in Bewegung gesetzt wird. Früher war zu diesem Zwecke eine 
verschiebbare Zange vorhanden, durch welche man den Pendelfaden, nahe 
über dem schwingenden Körper, ergreifen, und wenn man ihn, durch Ver- 
schiebung der Zange, beliebig weit von der Lothlinie entfernt hatte, frei 
lassen konnte. Hierdurch nahm das Pendel zwei verschiedene Bewegungen 
an, nämlich aufser der langsameren um seinen Aufhängungspunkt, noch die 
weit schnellere um den Punkt, an welchem die Zange den Faden gehalten 
hatte; man mufste den Anfang der Beobachtungen so lange verzögern, bis 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 163 


die letztere durch den Widerstand vernichtet war, was durch das Aufhören 
einer zitternden Bewegung des schwingenden Körpers bemerkbar wurde. 
Der hierdurch verursachte Zeitverlust wird durch eine Einrichtung vermie- 
den, deren Hinzufügung zu dem Apparate ich Hrn. Etatsrath Schumacher 
verdanke: statt der Zange ist jetzt eine Gabel verschiebbar, welche nicht 
auf den Faden, sondern unmittelbar auf den schwingenden Körper wirkt, an 
Punkten, welche in der Höhe des Schwerpunktes desselben liegen. Schiebt 
man ihn, durch diese Gabel, aus der Lage der Ruhe und befreiet man ihn 
dann, durch schnelles Zurückziehen der Gabel, von derselben, so fängt er 
seine Schwingungen um den Aufhängungspunkt an, ohne in die en 
zitternde Bewegung zu gerathen. — Eine zweite Änderins ist noch wesent- 
licher, indem sie den Schmingenden Körper selbst beizifft. Die erste Reihe 
meiner Versuche in Königsberg wurde mit einer Kugel von Messing gemacht 
und nachher, um die Einwirkung der Luft kennen zu lernen und aus dem 
Resultate zu schaffen, mit einer gleich grofsen, aber weit leichteren Kugel 
von Elfenbein wiederholt. Die zweite Reihe ist mit einem Hohleylinder von 
Messing gemacht worden, in dessen inneren Raum die verschiedenen Körper 
acht wurden, für welche die Pendellänge bestimmt werden sollte; ver- 
schiedene Gewichte dieser Körper wurden angewandt, um dadurch die Ein- 
wirkung der Luft von der Schwere zu trennen. Obgleich durch beide Mittel 
der beabsichtigte Zweck, nämlich die Störung des Resultats durch die Luft 
aus der Bestimmung zu schaffen, erreicht worden ist, so konnte das zweite 
derselben doch noch vortheilhafter gemacht werden, wenn statt des Hohl- 
eylinders von Messing und statt der darin zu verschliefsenden verschiedenen 


) 
Körper, beides von möglichst schwerer Materie verfertigt, angewandt wurde. 
Hierdurch konnte man den Widerstand der Luft verkleinern, also die Schwin- 
gungen des Pendels länger in erforderlicher Gröfse erhalten. Aus diesem 
Grunde liefs Schumacher, vor seinen Versuchen in Güldenstein, einen 
Hohleylinder von Platin von Repsold verfertigen, dessen innerer Raum 
durch einen vollen, aus demselben Metalle bestehenden Cylinder gefüllt 
werden kann. Dieser Cylinder ist dem ähnlich, welchen ich bei meiner 
zweiten Reihe von Versuchen angewandt und in den Abhandlungen der 
Akademie für 1830 beschrieben und abgebildet habe. Er hat, wie dieser, 
in beiden Böden Schraubenlöcher, sowohl für die Fadenklemme, als für 


einen kleinen Ansatz von Messing, mit welchem der Fühlhebel des Apparats 
R:9 


164 Besseu: Bestimmung der Länge 


in Berührung gebracht wird. Das Gewicht des gefüllten Hohleylinders ist 
etwa so grofs wie-das Gewicht der früher angewandten Kugel von Messing; 
es wird bis auf etwa ein Drittel seiner Gröfse gebracht, wenn der Hohl- 
cylinder geleert wird. Die Einwirkung der Luft auf den Unterschied der 
aus Versuchen mit den schweren und mit den leichten Pendeln gefolgerten 
Längen des Secundenpendels ist daher etwa doppelt so grofs, als die an die 
ersteren, dieser Ursache wegen anzubringende Verbesserung. Diese Ver- 
besserung kann also mit Vortheil, durch die Versuche mit beiden Pendeln, 
gefunden werden. 

Indessen nöthigt die Anwendung des Hohleylinders von Platin, auf die 
abgesonderte Bestimmung der Einwirkung der Luft auf das längere und 
auf das kürzere Pendel, welche ich bei meiner zweiten Königsberger Reihe 
von Versuchen erlangen konnte, Verzicht zu leisten. Um die Einwirkung 
der Luft auf beide Pendel abgesondert kennen zu lernen, ist erforderlich, 
dafs man sowohl das längere schwerere Pendel mit dem längeren leichteren, 
als auch das kürzere schwerere mit dem kürzeren leichteren vergleichen 
könne. Dieses erlangte ich, bei der erwähnten Reihe von Versuchen, durch 
das immer angewandte arithmetische Mittel aus zwei Beobachtungen, zwi- 
schen welchen der Hohleylinder umgekehrt war, welches also von der Vor- 
aussetzung befreiet war, dafs die Mittelpunkte der Figur und der Maafse, 
sowohl des gefüllten als des leeren Hohleylinders zusammenfallen. Bei der 
Anwendung des Hohleylinders von Platin mufste man auf seine Umkehrung 
Verzicht leisten. Denn einerseits war keine Schraube an demselben vorhan- 
den, durch welche man den eingeschobenen vollen Cylinder hätte befestigen 
können, so dafs man hätte annehmen dürfen, dafs er, bei der Umkehrung, 
nicht auf den untern Boden herabgesunken wäre; denn obgleich er die Höh- 
lung äufserst nahe ausfüllt, so ist doch nicht zu bezweifeln, dafs ein Zwischen- 
raum von einigen Hunderteln einer Linie zwischen den ihn begrenzenden 
Ebenen und den inneren Begrenzungsebenen der Böden des Hohleylinders 
vorhanden und also sein Ort in dem Innern desselben um so viel veränderlich 
ist. Andrerseits macht die Weichheit des Platins zweifelhaft, ob die Faden- 
klemme und der mit dem Fühlhebel in Berührung kommende Ansatz, vor 
und nach ihrer Verwechselung, immer auf völlig gleiche Art eingeschraubt 
werden. Man darf, aus diesen Gründen, nur so lange auf den unveränderten 
Zustand des schwingenden Körpers rechnen, als man ihn in unveränderter 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 165 


Lage läfst und die Schraube des Ansatzes nicht drehet. Man mufs sich also 
begnügen, aus der Combination einer Reihe von Versuchen mit beiden 
schwereren Pendeln, ein Resultat für die Secundenpendellänge zu ziehen 
und dieses mit dem ähnlichen, aus einer Versuchsreihe mit beiden leichteren 
Pendeln gezogenen Resultate zu vergleichen, um dadurch die Einwirkung 
der Luft fortzuschaffen. — Die Umkehrung des schwingenden Körpers 
erschien, bei der zweiten Reihe meiner Königsberger Versuche, als ein Vor- 
theil, indem dadurch die mit jedem der Pendel gemachten Beobachtungen 
über die in seinem Inneren verschlossene Materie, abgesondert vergleichbar 
wurden und man dadurch eine Bestätigung derselben erhalten konnte, welche 
wünschenswerth war, da die Bestimmung der Pendellänge für jede dieser 
Materien nicht wiederholt wurde. Da die Pendellänge in Berlin nur für 
Einen Körper, für diesen aber durch mehrere getrennte Reihen von Ver- 
suchen bestimmt werden sollte, so konnte man diese Bestätigung entbehren, 
indem man, durch die Übereinstimmung der verschiedenen Reihen, eine 
andere erhalten konnte. Der Vortheil der Anwendung des Körpers von 
Platin durfte also nicht aufgegeben werden, wenn man auch auf seine Um- 
kehrung Verzicht leisten mufste. 

Bei der ersten Reihe meiner Königsberger Versuche habe ich ver- 
schiedene Aufhängungsarten der Pendel angewandt; bei der zweiten nur die 
Aufhängung an einer Schneide. Alle diese Arten sind völlig gleichgültig, 


5 
indem die Methode nur auf dem Unterschiede der Längen zweier Pendel 


beruhet, also das Resultat von jeder Unsicherheit über den Aufhängungs- 
punkt befreiet. Ich habe daher auch in Berlin nur eine Aufhängungsart, 


und zwar die Schneide angewandt. 


9 


PT 


Indem der Apparat nur die angeführten beiden Veränderungen erfah- 
ren hat, so darf ich mich auf seine weitere Beschreibung hier nicht einlassen, 
sondern kann deshalb auf meine, unter den Abhandlungen der Akademie für 
1526 gedruckte Schrift verweisen. Ich mufs indessen die Einzelnheiten an- 
geben, von welchen die Berechnung der Beobachtungen abhängt. 

Es wurden sechs von einander getrennte Bestimmungen der Länge des 
einfachen Secundenpendels, zwischen dem 22. Mai und dem 14. Juli 1835 


166 Besser: Bestimmung der Länge 


gemacht. Jede dieser Bestimmungen beruhet auf 6 Versuchen mit den 
schwereren Pendeln und auf eben so vielen mit den leichteren. Mit den 
längeren Pendeln sind immer 4 Versuche gemacht, mit den kürzeren 2, 
welche, der Zeit nach, in der Mitte jener liegen. Die 6 zusammengehörigen 
Versuche sind immer genau vergleichbar untereinander, indem der schwin- 
gende Körper zwischen ihnen keine Veränderung erfuhr. Man darf aber 
weder annehmen, dafs die Schwerpunkte des gefüllten und des leeren Hohl- 
cylinders gleiche Entfernungen von dem, mit dem Fühlhebel in Berührung 
kommenden Ansatze besessen haben, noch dafs sie, bei nicht zusammen- 
gehörigen Versuchsreihen, unverändert geblieben seien. 

Die Pendeluhr, welche ich bei den Versuchen angewandt habe, ist die 
der Königsberger Sternwarte gehörige, von Repsold verfertigte. Die Be- 
stimmung ihres Ganges verdanke ich der gütigen Bemühung des Hrn. Pro- 
fessors Encke. Indem sie in dem Pendelhause, vor dem Apparate, aufge- 
stellt war, konnte ihr Gang nicht unmittelbar, durch astronomische Beob- 
achtungen, untersucht werden: Encke bestimmte, an jedem heiteren Tage, 
den Stand einer vortrefillichen Pendeluhr von Tiede und übertrug, mittelst 
eines Chronometers, die Zeit von dieser zu der Repsoldschen. Zu seinen 
Beobachtungen benutzte er, vom 19. bis 26. Mai ein kleines Passagen- 
Instrument von Ertel, welches er in einem Meridiandurchschnitte der neuen 
Sternwarte aufstellte; nachher bediente er sich eines gröfseren, der Königs- 
berger Sternwarte gehörigen Passagen -Instruments von Hrn. Repsold; 
allein da bemerkt wurde, dafs dieses Instrument eine kleine Wandelbarkeit 
zeigte, so kehrte er, vom 2. Juli an, wieder zu dem früher angewandten 
zurück. Das durch diese Beobachtungen erlangte Register des Ganges der 
Repsoldschen Uhr ist folgendes: 


Zeit der Uhr St. 2. Corr. d. Uhr | Tägl. Gang geltend für 
h ’ ” h ’ ” ” 
® Er - 2 ” h ’ 
Mai 21 | 14 25 57,0 | 14 25 46,698 — 10,302 + 19.081 | Mai 22 | 1412 
23 | 13 58 35,0 13 58 48,631 | + 13,631 ® 
3 : + 12,431 23 | 27 42 
24 | 17 25 15,5 | 17 25 43,346 | + 27,846 4 12:406 ee 
26 | 16 21 17,5 | 16 22 9,606 | + 52,106 Bi oe Fs S 
Juni 1|19 7 12,25 | 19 9 18,097 | + 125,847 PR : 
—+- 11,713 | Junı 2| 549 
2 | 16 31 21,0 | 16 33 37,291 | + 136,291 Kar onen 
3| 14 22 50,0 | 14 25 16,607 | + 146,607 er las 5 % r 
4 48 3 54 26,192 158,192 f 
13 51 48,0 13 54 26,19 —- 158,19 -F 12,003 Al 2Gılk 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 167 


Zeit der Uhr St. Z. Corr. d. Uhr | Tägl. Gang geltend für 
— u | en | um rn, | (m en 
Juni 5 14 16 0,75 1k 18 51151 + 170,401 Een kastı ER 
6| 13 46 30,5 | 13 49 32,696 | -F ıs2,196 | F er 2 e Re 
713 50 52,5 | 13 54 6,850 | + 194,380 | F Be SE 
s | 13 AT As,5 | 13 51 14,987 | + 206,487 Ss 7 
9 | 13 45 57,5 | 13 49 36,303 | + 218,803 Br SE 
10 | 1414 75 | 14 17 59,559 | -+ 232,059 = nr Non 
m1|1556 2,5 | 16 0 8,4114 | + 245,614 Bu 12059 10.20 
12 | 13 46 35,5 | 13 50 52,449 | ++ 256,949 | 7 1253 u 
13 | 14 56 17,5 15 0 47,749 270,249 ur 12.| 26 21 
14 | 14 19 51,5 | 14 19 32,874 | — 18,626 
15 [13.48 35,5 | 13.48 16,152 | — 19,348 | 738 a 
18 | 13 42 11,0 | 13 41 48,566 | — 22,131 | 02 re = 
19 | 13 49 33,5 | 1349 9,793 | — 23707 | = 126° ee 
20 ad 123555 ra As a0,58hr) —vamgıcı | D88> alas : 
21|1349 5,0 | 13 48 38,742 | — 26258 | 0 EEE 
22 |15 16 4,0 | 15 15 36,366 | — 27,634 He: a 
23 | 13 59 10,0 | 13 58 41,362 | — 23,635 | 13165 || 5 
2ha|ı3 48 1,5 | 13 47 31,930 | — 29,570 |  99°0 ee 
25 | 13 32 Ar,s | 13 32 16,898 | — 30,607 | 108 re 
26 | 13 Ao 52,5 | 13 40 21,052 | — 31,448 | 0539 2 et 
27 | 1427 14,0 | 14 26 41,646 | — 32,354 ER Ze: 
28 |15 31 0,0 | 15 30 27,608 | — 32,398 DR N 
29 | 13 29 56,0 | 13 29 22,746 | — 33,854 I 200 
Juli 2j414 211,0 | ı4 134583 | — 36,117 GET ALS 
3| 844125 | 843 35,107 | — 37,393 4638 | Juli; 2 11,23)23 
15 17 15,0 | 15 16 16,833 | — 58,167 
A| 14 17 31,5 | 14 16 39,186 | — 52,314 BR Fi j & 5 
5| 1555 0,0 | 25 54. 14,357 | — 45,643 2° er n 2 
9| 13 57 250 | 1357 ıır | — 23223 | F uns Ge 
10 | 14 130,0 | 14 111,865 | — 18,135 He 0T= ZN 
11 | 13 .59.21,0. | 13 59..8,405. | — ‚12,595 | FT 9°8 A029 
12 | 16 20 55,5 | 16 20 48,650 | — 6,820 Er Ba A DEE 
15 | 15 54. 16,5 | 15 54 24,353 | m zs53 | 3 2t A Hr 
+ 4,745 15 | 27 42 


16 1 15 29 45,0 | 15 29 57,517 | ++ 12,517 


Es geht hieraus hervor, dafs die Regelmäfsigkeit des Ganges der Uhr 
nicht so grofs war, als nach vieljährigen früheren Erfahrungen in Königsberg 
erwartet werden durfte. Die Ursache hiervon konnten wir nicht entdecken: 
die Aufstellung der Uhr vor dem Pendelapparate war vollkommen fest; auch 
war sie, vor ihrer Anwendung, von Hrn. Tiede sorgfältig gereinigt worden. 


168 Besser: Bestimmung der Länge 


Während der Zeit der Pendelversuche wurde sie noch einmal zerlegt und 
gereinigt, jedoch ohne den gehofften Erfolg. Glücklicherweise war das 
Wetter so günstig, dafs Hr. Professor Encke den Stand der Uhr sehr häufig 
bestimmen konnte. Den täglichen Gang derselben zur Zeit eines jeden 
Versuches, habe ich immer aus seinen beiden, den Versuch zunächst ein- 
schliefsenden Bestimmungen, unter der Annahme der Zeit proportionalen 
Änderungen, abgeleitet. 


3. 


Die Pendel, mit welchen die Versuche gemacht worden sind, nehme 
ich aus vier Theilen zusammengesetzt an; nämlich aus der Schneide, dem 
Faden, dem Coineidenz-Cylinder und dem Körper von Platin. Wenn man 
die Gewichte dieser Theile durch m‘, m‘”, m‘, m‘ bezeichnet; die Ent- 
fernungen ihrer Schwerpunkte von der Schneide durch s', s”, s”, s"; 
ihre, auf diese Schwerpunkte bezogenen Momente der Trägheit durch u”, 
u”, »”, a”, so erhält man die Länge des einfachen Pendels, welches mit 
dem so zusammengesetzten, aber als unbiegsam betrachteten, gleichzeitig 


schwingt: 
Zu 3Imss 


Ims 


le 


’ 


welcher Ausdruck auch geschrieben werden kann: 


Eu m dd (9 _ N) — m dd (Id _ 2) — md (9 _ 9) 


Sms 


’+ 


Die vier in diese Formel eingehenden Theile werde ich jetzt näher angeben. 


1. Die Schneide. 


Sie wird, verbunden mit ihrem Rahmen und der in denselben einge- 
schraubten, den Pendelfaden haltenden Klemme, als ein Körper betrachtet. 
Dieser Körper kann in verschiedene Zustände gebracht werden, indem, von 
dem Rahmen der Schneide, ein mit Schraubengewinden versehener Stift auf- 
wärts geht, an welchem ein Cylinder verschoben und in beliebige Entfernun- 
gen von der Schneide gebracht werden kann; durch die Veränderung des 
Ortes dieses Cylinders kann man dem ganzen Körper verschiedene Schwin- 
gungszeiten geben. Das Gewicht der Schneide, ihres Rahmens und der 
Fadenklemme ist 277,14 Preufs. Gran; das Gewicht des verschiebbaren 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 169 


Cylinders 61,57 Gran; des ganzen Körpers also 339,01 Gran. Da dieser Kör- 
per nicht einfach genug ist, um sein Moment der Trägheit, aus den Abmes- 
sungen und Gewichten seiner einzelnen Theile, mit hinreichender Sicherheit 
berechnen zu können, so habe ich dasselbe aus Beobachtungen der Schwin- 
gungszeiten, welche er bei verschiedenen Stellungen des verschiebbaren 
Cylinders besafs, abgeleitet. 

Wenn das Moment der Trägheit seines unveränderlichen Theils, näm- 
lich der Schneide, ihres Rahmens und der angeschraubten Fadenklemme, 
auf eine, der Schneide parallel, durch seinen Schwerpunkt gelegte Axe 
bezogen, durch # bezeichnet wird; das Moment der Trägheit des Cylinders, 
auf eine ähnliche, durch seinen Schwerpunkt gelegte Axe bezogen, durch u; 
die Entfernungen beider Axen von der Schneide durch s und s,; die Gewichte 
durch m und m,, so schwingt der ganze Körper wie ein einfaches Pendel, 


dessen Länge 
br; kt + mss + m,s,S: 
Ss ms m,s, 


ist. Schreibt man x für u+w,-+-mss, y für ms, so erhält man hieraus: 
x—Ly = m,s,(L—s, 


und kann also durch Beobachtung, wenigstens zweier zusammengehöriger 
Werthe von Z und s,, die beiden unbekannten Gröfsen x und y bestimmen. 
Ich habe die Schwingungszeiten und dadurch Z, für 7 verschiedene Werthe 
von s, folgendermafsen beobachtet: 


s=— gu bZL=. 5897 
= — 10,50 — | 
= — 11,73 —1148,189, 
= — 13,47 =—=150502 
= — 13,44 ZEN 25454 
= — 14,14 =. 440,70 
= — 15, 10 == 3642, 67 


Die diesen Beobachtungen am meisten genügenden Werthe der unbekannten 
Gröfsen, nämlich: 


& 
I 


16927; Y = 38,2 
stellen die einzelnen Messungen von s, bis auf: 
— 0702, — 004, #003, +0,01, +0,01, + 0702, 0.00 


Mathemat. Abhandl. 1835. \Y 


170 Besser: Bestimmung der Länge 


dar und zeigen dadurch, dafs die aus den Beobachtungen gezogenen Werthe 
der unbekannten Gröfsen, eine zu der Berechnung der Pendelversuche hin- 
reichende Sicherheit besitzen. 

Wenn der Zustand des hier betrachteten Körpers, bei seiner Anwen- 
dung zu den Pendelversuchen, so ist, dafs er eine Schwingungszeit, welcher 
die einfache Pendellänge Z zugehört, besitzt, so geht s, aus der Auflösung 
der Gleichung: 

x—Ly=m,s,(L—s,) 
hervor und man erhält dadurch: 


(di 1) 1) 1) 


Pt =yı+m,s,; u" = a-4m,s,s— mV", 


m‘ = m-+-m,; m 


Bei den vier ersten Bestimmungen der Pendellänge war der verschieb- 
bare Cylinder am Rahmen der Schneide so gestellt, dafs der ganze Körper 
eine Schwingung in 2/s75 machte; bei den beiden letzten Bestimmungen war 
er der Schneide näher gebracht, so dafs die Schwingungszeit genau ı"M. 2. 


betrug. Hieraus findet man: 
s=—ı30 und =— 14146 


und ferner für beide Zustände des Körpers: 


m’ sm) un 

Gase ass or PrEigrergen. Green 
KENT gaaooe 339,01 | # 0, 0251 | 30966 
NEN os, 339,01 | + 0, 1953 | 29234 


2. Die Fäden. 


Sie waren, wie bei meinen früheren Versuchen, von Stahl. Ihre 
Gewichte betrugen, bei den beiden ersten Bestimmungen, für beide Pendel 
11,33 und 3,73 Gran; bei den vier letzten Bestimmungen 11,61 und 3,83 Gran. 
Ihr oberes Ende war 9/16 unter der Schneide. Wenn 7 ihre Länge bedeutet, 


ist also: 
(2) 


ss’ — Y16-+ ir; Da — Tal2e 


12 

Das untere Ende des Fadens ist 6,63 über dem Mittelpunkte des Platin- 
Cylinders; die Entfernung dieses Mittelpunkts von der Schneide ist also 
= ı15,si+r. Aus der Vergleichung dieses Ausdruckes der Entfernung mit 
ihrem, aus den Pendelversuchen selbst hervorgehenden, Werthe kann man 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 171 


also » kennen lernen. Ich habe es, für die einzelnen Bestimmungen, folgen- 
dermafsen gefunden: 


Pendel. se serakgal2er. Schwereres Leichteres 
längeres kürzeres längeres kürzeres 
L L L L 
Bestimmung ...... | 1288, 85 | 424,67 | 1287,'93 | 424,37 
I.....: 1288, 74| 424,67 | 1287,83 | 424, 37 
11% 1289, 08 | 424,95 | 1288,18 | 424, 64 
IV .....| 1289, 03 | 424,91 | 1288, 10 | 424, 60 
Verse 1289, 01 | 424, 91 | 1288, 09 | 424, 60 
VI .....|1289, 01 | 424,91 | 1288, 09 | 424, 60 


Hieraus gehen folgende, zu der Berechnung des Einflufses der Fäden auf die 
Zusammensetzung der Pendel nothwendige Zahlen hervor: 


Kürzeres Pendel 


Längeres Pendel 


m? | 52) „(2 m‘? 2) „2 

= L £ Q ” 209 h & 7 

N schwer | 11,33 653, 585 1568388 3,73 221, 495 56057 
leicht _— 653, 125 1566156 — 221, 345 55981 

u schwer | 11,33 653, 530 1568120 3,73 221, 495 56057 
leicht 653, 075 1565906 221, 345 55981 

Im schwer | 11,61 653, 70 1607721 3,83 221, 635 57637 
leicht 653, 25 1605477 221, 48 57551 

v schwer | 11,61 653, 675 1607596 3,83 221, 615 57626 
leicht 653, 21 1605278 221, 46 57541 

v schwer | 11,61 653, 665 1607547 3,83 221, 615 57626 
leicht 653, 205 1605253 221,46 5754 

vI schwer | 11,61 653, 665 1607547 3,83 221,.615 57626 
leicht 653, 205 1605253 221, 46 5754 


3. Der Coincidenz-Cylinder. 


Die Mitte des schwarzen Streifens an der Scale, auf welchem der 
Coineidenz -Cylinder eine weils gelassene Stelle verdeckt, war von den 
Aufhängungspunkten beider Pendel 12542 und 420/2 entfernt. Man hat 
für beide: 


m“3) (3) u?) 
Gr L 
für das längere Pendel ...... | 2,'88 1284 2 2 
— — kürzere — ..... 0 014,,50 420, 2 1 


Y2 


172 Besseu: Bestimmung der Länge 


4. Der schwingende Körper. 


Dieser Körper besteht aus dem Hohleylinder von Platin, der in den- 
selben eingeschraubten Klemme, durch welche er an den Faden befestigt ist, 
und dem, gleichfalls in ihn eingeschraubten Ansatze, mit welchem der Fühl- 
hebel in Berührung gebracht wird. Bei den Versuchen mit dem schwereren 
Pendel ist der Hohleylinder gefüllt, bei den Versuchen mit dem leichteren 
leer. Die Höhe des Hohleylinders ist, nach Schumachers Messung — 15) 2%, 
sein Durchmesser = 15,305; seine eylindrische Höhlung hat 13/360 Höhe und 
13,345 Durchmesser. Sein Gewicht, im leeren Raume, habe ich, wenn er 
gefüllt ist = 11141,83 Gran, wenn er leer ist = 3702,61 Gran gefunden. Jedes 
der in die Böden eingebohrten Schraubenlöcher würde, wenn es mit Platin 
gefüllt wäre, sein Gewicht um 3,16 Gran vermehren. Man würde also für den 
gefüllten und den leeren Hohleylinder, wenn er ohne Schraubenlöcher wäre, 
die Gewichte 11145,75 Gran und 3709,53 Gran finden. Hieraus ergeben sich 
die Momente der Trägheit des gefüllten und des leeren Hohleylinders, auf 
eine, seine Axe in seinem Schwerpunkte senkrecht durchschneidende Axe 
bezogen — 379721 und — 156266. ’ 

Es kann hier angenommen werden, dafs der Schwerpunkt sowohl des 
gefüllten, als des leeren Hohleylinders, mit seinem Mittelpunkte zusammen- 
falle. Er wird nicht verändert durch die in beiden Böden befindlichen 
Schraubenlöcher; allein die Fadenklemme und der Ansatz verändern ihn ein 
wenig, indem sie nicht ganz symmetrisch sind; sie verursachen also, dafs 
seine und des Mittelpunktes Entfernungen von dem Aufhängungspunkte des 
Pendels, s“ und 9, verschieden sind. Sowohl die Schraubenlöcher, als diese 
beiden Körper ändern auch das Moment der Trägheit. Alle diese Änderun- 
gen müssen nach folgenden Angaben in Rechnung gebracht werden. 

a) Die Schraubenlöcher. Der Schwerpunkt eines jeden derselben 
liegt in der Mitte des Bodens, in welchen es eingebohrt ist, also 77,164 von 
dem Mittelpunkte des Cylinders entfernt. Sein Moment der Trägheit, auf 
eine durch seinen Schwerpunkt gelegte Axe bezogen, ist = 1. 

b) Die Fadenklemme. Ihr Schwerpunkt ist, ihrer Figur zufolge, 
0,1501 über der oberen, den Hohleylinder begrenzenden Ebene, also — 7,7981 
von seinem Mittelpunkte entfernt. Ihr Gewicht ist 4,59 Gran; ihr Moment 
der Trägheit =. 


des einfachen Secundenpendels ‚für Berlin. 178 


c) Der Ansatz. Sein Schwerpunkt ist, seiner Figur zufolge, ara 
unter der unteren, den Hohleylinder begrenzenden Ebene, also +7, 5227 von 
dem Mittelpunkte desselben entfernt. Sein Gewicht ist 4,92 Gran; sein Mo- 
ment der Trägheit = 3. 

Man findet hieraus für den ganzen schwingenden Körper, wenn er 
gefüllt ist: 


m) m) (92) 19 

Cylinder von Platin ....... | 11148,75 0 es 
beide Schraubenlöcher ..... — 6,92 0 — 6 9273164)" — 
Fadenklemme ..... Brent: + 1,89 | — 4,89 » 7,7981 + 4,89(7,7981)° "L 3 
JATISALZG WERT ellene retail | + 4,92 | + 4,92 - 7,8227 | + 4,92(7,8227)” + 3 

Summersit re Belehe | 11151,64 + 0,3550 | 379968 

und wenn er leer ist: 

Gylinder von Platin ....... | 3709,53 0 186266 
beide Schraubenlöcher ..... — 6,92 0 — 6,92(7,164)° — 
Fadenklemme............ | #489 | — 4,89 - 7,7931 | + 4,89(7,7981)” ++ 3 
Ansatz ..... ER Ehe ...| #492 | +4,92 - 7,8227 | + 4,92(7,8227)° + 3 
VuftimInneren aa. e.ae. + 0,43 0 11 

Summer eeslen es. 123742585 | > -1-0,5550. | 186524 | 


Man hat also für 


sg 
m 
das schwerere Pendel ...... 11151,64 + 07.000032 379968 
— leichtere — ...... 3712,85 + 0, 000096 186524 


Nach der oben schon angeführten Formel ist der Ausdruck von o durch die 
Länge des Fadens, g= 15, si+r. 

Wenn man diese Angaben für die vier Theile, aus welchen die Pendel 
zusammengesetzt worden sind, in die am Anfange dieses Paragraphen ange- 
führte Formel setzt, so erhält man die Länge des einfachen, mit dem zusam- 
mengesetzten gleichzeitig schwingenden Pendels. Jedoch beruhet diese For- 
mel auf der Voraussetzung der Unbiegsamkeit des Fadens, und erfordert, da 
diese nicht stattfindet, eine Verbesserung, deren Ausdruck man S. 137 meiner 
Untersuchungen über die Länge des einfachen Secundenpendels findet. Wenn 
man die Entfernung des Schwerpunktes des schwingenden Körpers von dem 
Befestigungspunkte desselben an dem Faden, durch s bezeichnet, übrigens 


174 Besser: Bestimmung der Länge 


aber die hier angewandten Bezeichnungen beibehält, so ist diese Ver- 


besserung: 
5 2 (Ms) 


N a 
Ope ANDI 


Den Werth von s habe ich = s/ 794 gefunden, und dadurch die Verbesserung 


Bea Schweres Leichtes 

ENdEIT. ne iereieee : langes kurzes langes kurzes 
— 

Verbesserung ....... | + 000009 | + 0,00077 | -+ 0,.00019 | ++ 0, 00167 


Setzt man die Länge des gleichzeitig schwingenden einfachen Pendels 
=2g+c, so ergiebt sich c, aus den in diesem $. mitgetheilten Angaben, 
folgendermafsen : 


Bestimmung ....... | — 2010 | + 00557 | — 0%6417 | + 0Yo1s5 
Ts ers — 0,2010 | + 0,0557 | — 0,6415 | + 0, 0485 
TITW! U — 0,2067 | + 0,0549 | — 0,6585 | + 0, 0462 
TVöe 2.202 — 0,2066 | + 0, 0549 | — 0,6584 | —+ 0, 0463 


Vu.VI..| — 0,2120 | + 0,0493 | — 0,6745 | + 0, 0294 


4. 


Die beobachteten Schwingungszeiten der Pendel erfordern zwei Ver- 
besserungen, durch welche sie mit den Messungen ihrer Längen vergleichbar 
werden. Sie müssen nämlich sowohl auf die Temperatur reducirt werden, 
welche, zur Zeit der Messung, im Gehäuse des Apparats vorhanden war, als 
auch auf unendlich kleine Schwingungswinkel. 

Die Messung der Länge ist immer am Anfange und am Ende jedes 
Versuches gemacht worden; die zugleich abgelesenen Angaben zweier Ther- 
mometer, deren eins in der Höhe des unteren, das andere in der Höhe des 
oberen Endes des Pendelfadens hing, ergeben die Wärme, welche der Faden 
hatte, als er gemessen wurde. Bezeichnet man das Mittel aus diesen beiden 
Ablesungen der Thermometer durch Z, das Mittel aus einer, im Laufe des 
Versuches gemachten Ablesung durch Z/, so verhält sich die gemessene Länge 
des Fadens zu der Länge, von welcher die Dauer der Schwingungen abhängt, 
wenn Z und Z’ in hunderttheiligen Graden angegeben werden, und wenn 
die Ausdehnung des Stahlfadens von dem Eispunkte bis zum Siedepunkte des 
Thermometers, nach Horners Bestimmung = 0,001074 gesetzt wird, wie 

1-+ ZL » 0,00001074 3 14 L/ » 0,00001074. 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 175 


Wenn i die der gemessenen Länge entsprechende Dauer einer Schwingung 
bedeutet, so ist also die, der Temperatur Z’ entsprechende, sehr nahe 
= t$1-40,00000537 (L’ L)}. 
Die Dauer einer Schwingung, welche das Pendel um den Winkel v 
von der Lothlinie entfernt, ist bekanntlich: 


= +4}. 


Zur Bestimmung von u ist die Entfernung der Grenzen der Bewegung des 
Pendelfadens auf einer, in halbe Pariser Linien getheilten, Scale beobachtet, 


deren Entfernung von den Aufhängungspunkten beider Pendel = 1281,25 und 

420,25 war. Diese Scale war 3/75 hinter der Ebene der Bewegung des Pendel- 

fadens; das Fernrohr, mit welchem die Ablesungen gemacht wurden, war 
’ BD) d 5 9 

11s5 L., oder 316 Mal so weit, vor derselben. Wenn # die abgelesene Ent- 

fernung der Grenzen bedeutet, so ist also 


316 “316 ar 
ameuy=ı 0 und = — :. — ._—_., 
2 37. 1284,25 2. , 13172, 4 400,25 


Man erhält hierdurch den Ausdruck der jedesmaligen Schwingungszeit 
=tfıraunt. 
in welcher Formel 
log« = 1,97378—10 und = 2,94106— 10 
ist. 

Beide Verbesserungen vereinigt, sind auf die Art in Rechnung gebracht 
worden, welche ich im 12‘ Art. meiner ersten Abhandlung erklärt habe. 
Die wahrscheinlichste Dauer einer Schwingung des Pendels für unendlich 
kleine Schwingungszeiten und für die mittlere Temperatur des Fadens zur 
Zeit der Messungen, ist nach der ebendaselbst gegebenen Vorschrift bestimmt 
worden. 

Die Versuche ergeben, auf diese Art, die Dauer der Schwingung des 
Pendels, in Secunden der Uhr ausgedrückt. Um sie in mittleren Secunden 
ausgedrückt zu erhalten, ist sie mit der Dauer einer Secunde der Uhr, näm- 
lich mit 

+8 86400 a 365,2422176 
86400 —s 366,2422176 


multiplieirt worden, wo s den täglichen Gang der Uhr bedeutet. 


176 Besse: Bestimmung der Länge 


5. 


Die Messung des Unterschiedes der Längen der Pendel, welcher die 
gesuchte Länge des einfachen Secundenpendels, der angewandten Methode 
zufolge, ergiebt, setzt voraus, dafs man den Werth einer Umdrehung der 
Schraube, welche den Fühlhebel bewegt, und den Einflufs der Wärme auf 
den Mefsapparat kenne. 

Den Werth einer Schraubenumdrehung (p) habe ich früher, durch 
Vergleichung beobachteter Schwingungszeiten eines Pendels, dessen Länge 
um einige Linien verändert wurde, mit der durch die Schraube angegebenen 
Gröfse der Veränderung bestimmt und = 0/0902 gefunden. Nach der Been- 
digung der Versuche in Berlin habe ich einen Apparat zur Vergleichung ver- 
schiedener Maafsen, welchen, eines anderen Zweckes wegen, Hr. Baumann 
für meinen Gebrauch verfertigt hatte, benutzt, um eine unmittelbare Bestim- 
mung von p zu erhalten. Die Fühlhebeleinrichtung wurde deshalb von dem 
Pendelapparate abgenommen und auf den Mefsapparat gebracht, welcher, 
durch zwei verschiedene Messungsreihen, die eine von 10 zu 10, die andere 
von 11 zu 11 Umdrehungen der Schraube fortgehend, ergab: 

| 120,033D — 10, 7938; 110,030 D — 9, 3986. 
Diese beiden Messungen geben, nahe mit der früheren Bestimmung und noch 
näher unter sich übereinstimmend, p = 0, 03991; welches Resultat ich zu der 
Berechnung der Berliner Versuche angewandt habe. 

Die Einwirkung der Wärme auf den Mefsapparat der Pendel habe ich 
zwar auch schon in meinen früheren Abhandlungen angegeben, mufs sie aber 
jetzt neu aufsuchen, indem die Anwendung des neuen schwingenden Körpers 
eine Änderung darin hervorbringt und auch die neuere Bestimmung der Aus- 
dehnung des Stahls, von Horner, den Vorzug vor der früher angewandten 
verdient. Die drei, in das Eisen des Apparates eingelegten, Thermometer 
habe ich aufs Neue, durch schmelzendes Eis und durch, bis zu der Tempe- 
ratur von 30° gehende Vergleichungen mit zwei genau berichtigten Normal- 
Thermometern, geprüft und dadurch das Mittel erhalten, die an ihnen ge- 
machten Ablesungen auf wahre hunderttheilige Grade zu reduciren; diese 
letzteren habe ich bei den Versuchen unmittelbar angegeben. 

Die Kugeln dieser Thermometer befinden sich resp. 196, 584, 1292 
Linien über dem Boden des Gehäuses. Wenn die von ihnen angegebenen 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 177 


Temperaturen durch e', e”, e” bezeichnet werden, und wenn vorausgesetzt 
wird, dafs dieselben sich, sowohl zwischen den beiden unteren, als zwischen 
den beiden oberen, der Höhe proportional ändern, so erhält man die Tem- 
peratur in einer Höhe }, wenn sie gröfser ist als 196 und kleiner als 51 Lin. 


nach der Formel: 
ea 
an en 


G rn 
Üe ce = 
25 383 338 


und wenn sie gröfser ist als 554 und kleiner als 1292 Lin. nach der Formel: 


1292 —h h—554 
„ rm „ Ui 
de ae m ee en 

et 708 708 


Nach diesen Formeln kann die mittlere Temperatur jedes Theiles des Appa- 
rats, welcher Einflufs auf die Messung hat, bestimmt und also auch seine 
jedesmalige Länge ausgedrückt werden. 

Der Fühlhebel am Pendelapparate giebt die Länge des kürzeren Pen- 
dels, von seinem Aufhängungspunkte bis zu dem Mittelpunkte des schwin- 
genden Körpers gerechnet, von einer Gröfse F abhängig, welche unver- 
änderlich sein würde, wenn die Wärme immer dieselbe wäre, welche aber 
von der Wärme verändert wird. Die Länge des längeren Pendels giebt er 
von der Summe derselben Gröfse und der Toise abhängig. Man mufs also 
die Änderungen aufsuchen, welche F und die Toise durch die Wärme 
erleiden. Die zur Berechnung der ersteren nothwendigen Angaben sind in 
folgender Tafel enthalten: 


Höhe Ausdruck Länge | Ausdehnung 
der der des für 
Mitte Temperatur Theils 1° Gent 


u. . L ’ „ L 
Kugel am Aufhängungs-Cylinder ... | 568,5 | + 15,5 e+372,5 e :388 3,0/+ 308 


Cylinder, auf welchem sie ruhet .. 544,0 |-+ 40,0 e'+345,0 e”’:353 | 46,0 | + 46,08 
Eisen des Apparats, von dem festen 
Punkte bis zur Mikrometervor- 


TE 308, 75| -+275,25e+112,75e”:388 | 424,5 | + 424,5 E 
Hülse der Mikrometervorrichtung . | 70,75 | 4513,25 e—125,25€":358| 5,5 | + 51,5@ 
Mikrometerschraube ........... 51,25| +532,75€ —144,75e":388 | 12,5 | — 12,58 
Schraubenmutter derselben ...... 60,5 | +523,5 € — 135,5 e':358| 50|— 6,0M 
Stahl-Cylinder am Fühlhebel ....| 92,0 | +492,0 € —104,0 e”:3ss | 57,0 |— 57,08 
Ansatz des Platin-Cylinders ..... 120, 95 | +163,05e — 75,05€" :388 0,9)— 0,9M 
Halbe Höhe des Platin-Cylinders ... 125,2 | +455,8 € — 70,8 e”:388 ,61— 76P 


Mathemat. Abhandl. 1835. Z 


178 Besser: Bestimmung der Länge 


Die der letzten Columne beigeschriebenen Buchstaben $, E, G, M, P 
bedeuten die Änderungen einer Längeneinheit von Stahl, Eisen, Glocken- 
metall, Messing, Platin für einen Centesimalgrad des Thermometers. Nimmt 
man ihre Werthe: 


$ = 0,00001074 nach Horner 

E = 0,00001167 — Bessel 

G == 0,00001998 — Berthoud 

M == 0,00001878 — Lavoisier und Laplace 
P == 0,000008565 — Borda 


und multiplieirt man die Zahlen der zweiten Columne der Tafel, in die der 
letzten, so erhält man, durch die Summe der Producte, den Ausdruck der 
Gröfse von F für die Temperaturen € und e”: 
F + 0,.0036567 € + 0 0018651 €" 
oder, wenn man 7 = 0,6622 e' + 0,3378 e” setzt, 
F +0, 0055218 r. 


Die zu den Versuchen angewandte Toise ist dieselbe, welche bei mei- 
nen beiden Königsberger Versuchsreihen und auch in Güldenstein benutzt 
worden ist. Nach dem zu ihr gehörigen Certificate der Herren Arago und 
Zahrtmann ist sie 0/0008 kürzer als die Toise du Perou; ihre Ausdehnung 
durch eine Vermehrung der Wärme von 1° Cent., haben meine früheren 
Pendelversuche = 0,00001167 gegeben. Aus diesen beiden Bestimmungen folgt 
ihre Länge für die Temperatur 7’: 

1 + 7 - 0,00001167 


—a nn  ——_ — 863783538 + 7 0,.010081. 
1 16,25 - 0,00001167 


== 863, 9992 


Die Temperatur der Toise erhält man aus der in meiner ersten Abhandlung 
gegebenen Formel, in Beziehung auf welche am Apparate nichts geändert ist, 


7 = 0,4095 €’ + 0,5905 €”. 


Der gemessenen Länge eines jeden der Pendel mufs noch eine Ver- 
besserung hinzugefügt werden, indem das Pendel, während der Messung sei- 
ner Länge, kürzer erscheint als es wirklich ist. Das Gewicht, mit welchem 
der Fühlhebel der Schwere des Pendels entgegenwirkt, ist, wie bei den 
früheren Versuchen, 32,52 Gran; die dadurch erzeugte Verkürzung der Fäden 
habe ich, durch die Beobachtung der Verlängerungen, welche die Fäden 
sowohl des längeren, als des kürzeren Pendels, durch die Auflegung ver- 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 179 


schiedener Gewichte auf den Platinkörper erfuhren, = 0,0041 und 0'014 
gefunden. Diese neue Bestimmung ist von der früheren kaum verschieden, 
so wie auch die jetzt angewandten Fäden, den früher angewandten in dem 
Gewichte und also auch der Stärke fast gleich sind. Einen Unterschied der 
Wirkung des Fühlhebels auf die schwereren und die leichteren Pendel habe 
ich nicht mit Sicherheit bemerken können. 

Zufolge der Bestimmungen im gegenwärtigen $. sind die Längen bei- 
der Pendel, wenn die Schraube des Fühlhebels f angiebt: 


des längeren = F + 000552187 + 0,0041 + Toise — fp 
des kürzeren = F + 0, 00552187 + 0, 0014 — fp. 


6. 


Wenn die Dauer der Schwingung eines zusammengesetzten Pendels 
in der Luft =t, die Länge des seiner Zusammensetzung entsprechenden ein- 
fachen Pendels =p-+c, die Länge des einfachen Secundenpendels =, so 
sind diese drei Gröfsen durch die Gleichung: 


m’ s’ 


miteinander verbunden, in welcher m die Masse des Pendels, ms das Product 
der Masse in die Entfernung 
punkte, und m’ und m’s’ das Ähnliche für die aus der Stelle verdrängte Luft 


bedeuten; %k ist ein Coefficient, welcher durch Versuche bestimmt werden 


seines Schwerpunktes von dem Aufhängungs- 


mufs und welchen ich für beide Pendel nicht als gleich voraussetzen, sondern, 
während ich ihm dieses Zeichen für das längere Pendel gebe, für das kürzere 
durch A’ bezeichnen werde. Diese Gleichung werde ich 


2 ’ 
ms m 


ns zn 


prce=At— At. (e+c) k 


schreiben; die beiden letzten Glieder sind die Reduction der Pendellänge 
auf den leeren Raum. 

Um diese Reduction berechnen zu können, mufs man m’ und m’s’ 
kennen; m und ms sind, aus $. 3., schon bekannt. Für die Schneide, den 


Faden und den Coineidenz-Cylinder kann man m’, aus den als bekannt 
Zz2 


180 Bssser: Bestimmung der Länge 


angenommenen Dichtigkeiten und Gewichten dieser Körper berechnen; für 
den Platincylinder folgt es aus seinen bekannten Abmessungen. 

Nimmt man die Dichtigkeit des dichtesten Wassers zur Einheit der 
Dichtigkeiten an, und setzt man dieselben für die Schneide, den Faden und 
den Coineidenz -Cylinder =", 8”, 8'”, die Dichtigkeit der Luft aber A, so 
ist die Masse der Luft, welche jeder dieser Körper verdrängt: 


m m‘?) Ro) 


ee ee 


Bezeichnet man ferner den Raum, welchen der Platineylinder ausfüllt, in 
Cubiclinien ausgedrückt, durch / und nimmt man das Gewicht einer Qubic- 
linie des dichtesten Wassers = 0,1831961 Preufs. Gran, so ist die Masse der 
Luft, welche dieser Körper verdrängt :: 

= 0,1884961 - V- A. 
Man hat also: 


’ zn“ 1) zn‘?) zn‘ 3) 3 % 7 
Te 
(1) ct) (2) „(2) 3) 3) 
’ zn Ss zn Ss mn Ss 17 
I y c “ 
MUS ! xD 7 5 + 91854961 Vs ha. 


Die Werthe von ö", 6'”, 8° können, mit hinreichender Annäherung, 

oe a 
angenommen werden. Der Raum, welchen der Platin -Oylinder ausfüllt, ist, 
seinen angegebenen Abmessungen zufolge, = 2511,067 Cubic-Linien; wegen 
der über ihn hervorstehenden Theile der Fadenklemme und des Ansatzes 
kommen noch 2,504 und 2,567 Cubic-Linien hinzu, und man erhält dadurch: 

V = 2319,138. 

Die Dichtigkeit der Luft ist, bei der auf die Temperatur des schmelzenden 
Eises reducirten, in Pariser Linien ausgedrückten Barometerhöhe 5, und der 
auf der hunderttheiligen Scale beobachteten Temperatur 7’: 


1 b N 
— 700,455 076-4326 AZ: 0,0375. 
ur! b 
2905 AH+T- 000375 " 
Setzt man 
m’ s’ ab m’ db 


ms 7 AP7 20,005 ? Im NE TITOwBTT 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 181 


so findet man, aus den Angaben des gegenwärtigen und des dritten $.: 


Schweres Leichtes 
Pendelle. . .yerr:rr. 2 eferape rs yapelche en re Kurzes 
—— mn, | u | (m 

Bestimmunglu. I ....| 3,26437 3,26403 3,74135 3,74143 
Log. « Iuaalvae. 3,26438 3,26403 3,74135 3,7414 
VZuavdee.l 3526438 3,26404 3,74134 3,7414 
Bestimmung Iu.II ....| 3,28595 3,28544 3,73766 3,73776 
Log. « Mu.IV ..| 3,28598 3,28543 3,73767 3,73775 
Ve VE 02, 03328598 3,28543 3,73767 3,73775 


Die aufser diesen Werthen von « und «, zur Reduction der Pendellängen 
auf den leeren Raum, noch nöthigen Werthe von /!’ und 5 sind bei jedem 
Versuche angegeben. Ich habe nicht die unmittelbare Ablesung des Baro- 
meters, sondern seinen auf die Temperatur des schmelzenden Eises reducirten 
Stand angeführt. 


7% 


Jede der sechs Bestimmungen der Pendellänge, welche ich in Berlin 
gemacht habe, besteht, wie ich schon im 2” $. gesagt habe, aus 12 einzelnen 
Versuchen, von welchen 6 mit den schwereren und 6 mit den leichteren 
Pendeln gemacht sind. Zwischen zwei aufeinander folgenden Versuchen 
wurde der Fühlhebel immer um ıs0° gedrehet, so dafs er sich abwechselnd 
auf der rechten und auf der linken Seite befand. Die Versuche mit den 
schwereren Pendeln bezeichne ich durch a, B, c, d, e, f;, die beiden ersten 
und die beiden letzten sind mit dem langen Pendel gemacht, die beiden mitt- 
leren mit dem kurzen. Die Versuche mit den leichteren Pendeln, welche 
ich durch a’, b, c', d’, e', f’ bezeichne, haben dieselbe Anordnung. Das 
schwerere lange Pendel wurde so in Bewegung gesetzt, dafs es am Anfange 
jedes Versuches, eine Schwingungsweite von etwa 40 Linien hatte; diese 
verkleinerte sich, während der Dauer des Versuches von etwa zwei Stunden, 
in welcher Zeit das Pendel mehr als 4000 Schwingungen machte, auf etwas 
weniger als 20 Linien, bei welcher Ausdehnung der Bewegung die Beob- 
achtungen seiner Coincidenzen noch die erforderliche Genauigkeit besafsen. 
Allein das leichtere lange Pendel, dessen Bewegung Anfangs dieselbe Aus- 
dehnung hatte, kam schon nach 2000 Schwingungen auf eine so kleine 
Schwingungsweite, dafs es nicht rathsam gewesen sein würde, den Versuch 


189 Bessen: Bestimmung der Länge 


weiter fortzusetzen; um aber dennoch Resultate zu erhalten, deren Genauig- 
keit nicht beträchtlich kleiner ist, als die durch die Versuche mit dem 
schwereren langen Pendel erlangte, wurde jenes, nachdem es mehr als 2000 
Schwingungen gemacht hatte, aufs Neue in Bewegung gesetzt und zum zwei- 
tenmale eben so lange beobachtet. — Bei den Beobachtungen des schwereren 
und leichteren kurzen Pendels war ein ähnlicher Unterschied unnöthig, indem 
ihre Genauigkeit von der Ausdehnung der Bewegung fast unabhängig, und 
selbst bei kleinen Schwingungsweiten äufserst grofs ist. 

Die Beobachtungen, welche zu den sechs Bestimmungen der Pendel- 
länge für Berlin geführt haben, sind am Ende dieser Abhandlung abgedruckt. 
Die Schwingungszeit des kürzeren Pendels ist durch vollständig, d. h. in 
ihrem Anfange und Ende beobachtete Coincidenzen, mit den Pendelschlägen 
der Uhr verglichen worden. Das längere Pendel, dessen Coincidenzen mit 
dem Uhrpendel in kürzeren Zwischenzeiten aufeinander folgen, ist auf die 
Art beobachtet, welche ich im 5“ Art. meiner ersten Abhandlung beschrie- 
ben habe, d. h. ich habe die Zeit der Uhr, welche jeder 500" Schwingung 
dieses Pendels entsprach, durch Beobachtung aller, während einiger Minuten 
vor und nachher bemerkter Coincidenzen bestimmt und das Mittel aus den 
6 bis 10, auf diese Art erhaltenen Momenten, auf runde, immer 500 von 
einander entfernte Zahlen von Schwingungen reducirt; die einzelnen, un- 
mittelbar beobachteten Momente anzuführen, habe ich für unnöthig gehalten, 
mich also auf die Anführung der auf runde Zahlen reducirten Mittel beschränkt. 
Die unter den Überschriften 7’, 2” oder !” angeführten Zahlen sind die, in 
Graden der hunderttheiligen Scale beobachteten Temperaturen der Luft im 
Gehäuse des Apparats am unteren und am oberen Ende des Pendels; €, €”, e” 
sind die von den in das Eisen des Apparats eingelegten Thermometern ge- 
zeigten Temperaturen; u ist die abgelesene Schwingungsweite, in Pariser 
Linien ausgedrückt. Die Länge des einfachen Secundenpendels, nach welcher 
die Länge des einfachen, der Schwingungszeit entsprechenden Pendels berech- 
net worden ist, ist —= 440/73 + € gesetzt worden. 


8. 


Ich werde jetzt zusammenstellen, was die einzelnen Versuche ergeben 
haben, nämlich die aus ihnen gefolgerten Ausdrücke für die Constante F. 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 183 


Bestimmung I. 


Versuch ... | @| 44650937 + 2,9602 8 — 0,0801k |a’| A46f2732 + 2,9575€ — 0,2219 % 
b 0923 + 2,9601 8 — 0,0803% | 2838 + 2,9575 € — 0,2230 k 
ce | 446, 0391 ++ 0,9997 € — 0,0275K' |c’ | 446, 0776 -F 0,9991 € — 0,0751 X 
d 0419 + 0,9997 € — 0,0272K |d' 0751 + 0,9991 € — 0,0767 K' 
e | 446, 0985 4 2,9601 8 — 0,0803k | e’ | A46, 2933 + 2,9576 € — 0,2250 k 
jR 1055 + 2,9602 8 — 0,0792k |f' 2826 + 2,9575 8 — 0,2256 k 
Mittel 446,09825 4 2,9602 € — 0,07998 k 446,28323 + 2,9575 8 — 0,22463 k 
1 .... . > 
446,0405 + 0,9997 € — 0,02735 k' 446,07635 4 0,9991 € — 0,0759 K' 
Bestimmung H. - 
Versuch ... | @ | 446) 1036 + 2,9600 8 — 0,0794k |a’| 4462877 + 2,9572 8 — 0,2298 k 
b 0968 + 2,9600 € — 0,0795k | 2824 4 2,9573€ — 0,2285 k 
ce | 446, 0422 + 0,9997 & — 0,0269K | e' | 446, 0751 + 01909. € — 0,0775 
d 0399 + 0,9997 € — 0,0270% |a 0757 + 0,9992 € — 0,0766 k' 
e | 416, 1083 + 2,9599 € — 0,0807%k |e’ | 446, 2896 ++ 2,9574 € — 0,2262 k 
fi 1148 4 2,9600 € — 0,0808k |f’ 2807 + 2,9574€8 — 0,2256 k 
Mittel 4/16,10588 4 2,9600 € — 0,0801 k 446, 2851 + 2,9573 8 — 0,22753 k 
ur: 446,04105 4 0,9997 € — 0,02695 k' 446, 0754 4 0,9992 € — 0,07705 k 
Bestimmung IH. 
Versuch ... | @| 4460746 + 2,9606 € — 0,0800&k |a’| 4462694 + 2,9550 8 — 0,2245 k 
b 0797 + 2,9607 € — 0,0796k | 2656 + 2,9580 € — 0,2262 k 
c | 446, 0109 + 1,0003 8 — 0,0266 | ce’ | 446, 0582 -F 0,9997 & — 0,0760 K 
d 0090 -F 1,0003 8 — 0,0267K |d 0587 + 0,9997 € — 0,0753 K’ 
e | 446, 0683 4 2,9607 € — 0,0787k |e’ | 446, 2709 ++ 2,9580 € — 0,2231 k 
Ti 0799 + 2,9608 8 — 0,0797 k | f 2610 + 2,9550 8 — 0,2218 k 
Mittel 446,0756 4 2,9607 8 — 0,0795 k 446,26673 4 2,9530 8 — 0,2239 k 
SurE 446,00995 4 1,0003 € — 0,02665 k' 446,05845 + 0,9997 & — 0,07565 K’ 
Bestimmung IV. 
Versuch ... | a 446, 1161 + 2,9606 € — 0,0795k | a’ 446, 2723 + 2,9579€ — 0,2235 k 
5 0864 + 2,9606 E — 0,0793k | 2721 + 2,9579€ — 0,2236 k 
e | 446, 0359 + 1,0002 & — 0,0271% |c’| 446, 0535 ++ 0,9996 € — 0,0758 K’ 
d 0329 +4 1,0002 8 — 0,0269 K | d’ 0629 -+ 0,9996 € — 0,0769 K' 
e | 446, 0990 -F 2,9605 € — 0,0800% |e' | 446, 2746 + 2,9577 € — 0,2268 k 
fi 0990 + 2,9606 € — 0,0797 k |f' 2631 + 2,9578 8 — 0,2256 k 


Mittel 446,10013 4 2,9606 € — 0,07963 k 446,27053 + 2,9578 € — 0,22488 k 
DEREN Y 446,0344 4 1,0002 € — 0,0270 K’ 446,0582 + 0,9996 € — 0,07635 k' 


184 Besser: Bestimmung der Länge 


Bestimmung V. 


r ’ 
Versuch ... 


446 2671 + 2,9577 € — 0,2277 k 
2309 # 2,9577 8 — 0,2288 k 
446, 0631 + 0,9996 € — 0,0766 k' 
0667 + 0,9996 € — 0,0769 K' 


446, 2765 4 2,9577 € — 0,2265 k 


a| 446, 1050 ++ 2,9605 € — 0,0792k |a 
b 1013 + 2,9606 € — 0,0786k | 
e | 446, 0318 + 1,0002 8 — 0,0265K | 
d 0350 + 1,0002 8 — 0,0268 K | a 
e e 
Ti ! 


! 


446, 1074 + 2,9604 8 — 0,0801 k | e' 


0947 + 2,9604 8 — 0,0794 k | f 2868 + 2,9578 8 — 0,2282 k 

Me ee ! 446, 1021 4 2,9605 8 — 0,07933 k 446,27783 4 2,9577 8 — 0,2278 k 
446, 0334 - 1,0002 € — 0,02665K 446,0649 4 0,9996 € — 0,07675 k' 

Bestimmung VI. 

Versuch ... | @ | 446, 1082 ++ 2,9604 € — 0,0807k |a’| 4462708 -+ 2,9579€ — 0,2228 k 

b 1053 + 2,9606 8 — 0,0791k | 2737 + 2,9579 € — 0,2225 k 

ce | 446, 0406 4 1,0003 & — 0,0265%K |c’ | A446, 0749 + 0,9996 & — 0,0766 K 

d 0300 + 1,0003 € — 0,0267 K |’ 0670 + 0,9996 € — 0,0756 k' 

e | 446, 0992 4 2,9606 € — 0,0789k |e’ | 446, 2607 + 2,9578 € — 0,2229 k 

Ti 1098 + 2,9606 8 — 0,0794k |f’ 2769 + 2,9578 € — 0,2252 k 
NT [ 4416,10563 —- 2,9606 € — 0,07953 2 446,27053 + 2,9579€ — 0,22335 & 
446,0353 ++ 1,0003 € — 0,0266 k 446,07095 4 0,9996 € — 0,0761 k 


Die Unterschiede der durch die Versuche mit den schwereren Pendeln 
erlangten beiden Ausdrücke der Constante F ergeben die Gleichungen: 


Bestimmung I..... 0= + 0,05775 + 1,9605 € — 0,07998 k 4 0,02735 k’ 
IT.... = +0, 06485 + 1,9603 8 — 0,08010k + 0,02695 k' 
II.... = +0, 06565 + 1,9604 8 — 0,07950 k + 0,02665 k' 
IV.... = -+0,06573 + 1,9604 8 — 0,07963 k + 0,02700 k 
Ver. = + 0,06870 4 1,9603 € — 0,07933k + 0,02665 k 
VI.... = +0, 07033 + 1,9603€ — 0,07953 k -F 0,02660k . 


Aus den Versuchen mit den leichteren Pendeln erhält man eben so 
die Gleichungen: 


Bestimmung I..... 0 = -+ 020688 4 1,9584 € — 0,22463k + 0,07590 k 
DT.... =-+0,20970 + 1,9581 8 — 0,22753k + 0,07705 k 
IH.... = 0, 20828 + 1,9583 8 — 0,22390 k + 0,07565 k 
IV.... = +0, 21233 + 1,9582 e — 0,22488 k + 0,07635 k' 
V.... =-+0, 21293 + 1,9531 8 — 0,22780k ++ 0,07675K 


V.... = + 0,1995 + 1,9533 8 — 0,22335 k -# 0,07610K'. 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 155 


Die Summen dieser Gleichungen, mit Ausschlufs der auf der ersten, 
für weniger sicher als die übrigen gehaltenen Bestimmung beruhenden, sind: 
0 = + 0/33526 + 980178 — 0,39809 k -F 0,13385 &’ 
0= + 1, 04282 + 9,7910 € — 1,12746k -F 0,38190K. 
Ihre Auflösung ergiebt: 
1,51535k — 0,51535 k' = 1,16992 
€ = + 0,005422 — 0,000237 (k—k'). 


Da der Einflufs des unbestimmt bleibenden k—%’ unbedeutend ist, so erhält 
man hieraus die Länge des einfachen Secundenpendels für den Beobach- 


tungsort S 
— 440,7354 Linien. 


9. 


Wenn man die gefundenen Werthe der unbekannten Gröfsen, nämlich 
€ = ++ 0,005422 — 0,000237 (k—k') 
k= 1,16992 — 0,53535 (k—k') 
in die 12 Gleichungen des vorigen $. setzt, so wird ihnen bis auf 


Schweres Pendel Leichtes Pendel 

m oo | 

Bestimmung l ...... — 07.0089 — 0,0007 (k—Kk') | — 0,0011 + 0,0007 (k—k') 
Hein: — 0, 0026 + 0,0000 (k—k') | — 0,0009 0,0000 (k—k') 

INIR 2; — 0, 0014 +4 0,0001 (k—K) | -+ 0, 0010 ++ 0,0003 (k—K') 

WER — 0, 0010 + 0,0003 (k—%) | + 0, 0046 — 0,0003 (k—k') 

NE DE + 0, 0019 + 0,0000 (k—K') | + 0, 0015 -+ 0,0006 (k—k') 

Yu DR + 0, 0031 + 0,0002 (k—K') Ihe 0, 0063 — 0,0006 (k—k') 


Genüge geleistet. Unter der Annahme des gefundenen Werthes von k wür- 
den also die einzelnen Gleichungen folgende Werthe der Länge des einfachen 
Secundenpendels ergeben haben: 


Pendel tun Schweres | Untersch. | Leichtes | Untersch. 
D L L L L - 
Bestimmung I....... 440, 7397 | + 0, 0043 | 440, 7360 | 4 0,0006 
DIRT 7367 | + 0, 0013 7359 | + 0, 0005 

1 1 1 OR 7361 | + 0, 0007 7349 | — 0, 0005 

VER 7359 | + 0, 0005 7332 | — 0, 0022 

VEIT 7345 | — 0, 0009 7347 | — 0, 0007 

Ve 7339 | — 0, 0015 73385 | + 0, 0031 


Mathemat. Abhandl. 1835. Aa 


186 Besseu: Bestimmung der Länge 


Aus dieser Vergleichung geht hervor, dafs die einzelnen der fünf zum Re- 
sultate gezogenen Bestimmungen so nahe untereinander übereinstimmen, als 
die Unsicherheit erwarten läfst, welche, trotz der häufigen Beobachtungen 
der Thermometer, in der Temperatur des Apparats ohne Zweifel übrig bleibt. 
Auch die erste, als weniger sicher zu betrachtende, Bestimmung weicht von 
dem Mittel der übrigen nicht so beträchtlich ab, dafs sie als gänzlich mifs- 
rathen erschiene. 

Die Einwirkung der Luft, welche angenommen werden mufs, um die 
Berliner Versuche mit den schwereren und mit den leichteren Pendeln in 
Übereinstimmung zu bringen, ist beträchtlich gröfser, als sie sich bei meinen 
früheren Versuchen gezeigt hat. Selbst bei der früheren Anwendung eines 
dem gegenwärtigen ähnlichen, aber im Verhältnisse ı : 3,56 gröfseren Cylinders, 
habe ich für das längere Pendel k = 0,9519 und für das kürzere %’ = 0,75487 
gefunden, woraus der Werth von 1,51535%& — 0,51535%', welchen ich gegen- 
wärtig — 1,1699 bestimmt habe, = 1,0531 folgen würde. Da der Unterschied 
beider Werthe weit aufserhalb der Grenze der möglichen Unsicherheit der 
Versuche liegt, so ist an dem Vorhandensein einer beträchtlichen Verschie- 
denheit der Einwirkung der Luft auf die Bewegung der früher und jetzt 
angewandten Pendel nicht zu zweifeln. Alle Versuche, welche ich gemacht 
habe, sowohl mit schwingenden Kugeln, als mit schwingenden Cylindern, 
sind noch weit weniger vereinbar mit dem Werthe von k, welcher nach der 
von Hrn. Poisson, für den Fall einer schwingenden Kugel, entwickelten 
Theorie stattfindet. Denn wenn man den von diesem grofsen Geometer 
gefundenen Werth von %, nämlich 4, in die sowohl aus meinen früheren, 
als gegenwärtigen Versuchen gezogenen Bedingungsgleichungen setzt, so sieht 
man einen Unterschied von mehr als einem Zehntel einer Linie hervorgehen 
in Versuchen, deren Genauigkeit hinreichend ist, über ein Paar Tausentel 
einer Linie keine Unsicherheit zu lassen. Die Beobachtungen der Bewegung 
desselben Platin-Cylinders, welcher später in Berlin angewandt wurde, die 
Hr. Etatsrath Schumacher in Güldenstein gemacht hat, geben die Gröfse, 
welche ich gegenwärtig = 1,1699 gefunden habe, = 1,3614. Hr. Francis 
Baily hat für Kugeln von 1,5 Zoll Durchmesser k = 0,865 und für Kugeln 
von 2 Zoll Durchmesser k = 0,716 gefunden. Alle diese Bestimmungen zei- 
gen übereinstimmend, dafs ein Werth von % zu der Berechnung von Pendel- 


des einfachen Secundenpendels ‚für Berlin. 187 


versuchen angewandt werden mufs, welcher viel gröfser ist als 4. Es mufs 
ein Umstand vorhanden sein, welcher das aus der Theorie gezogene Resultat 
von dem Einflusse der Luft verschieden macht, welcher sich bei den Pendel- 
versuchen zeigt. 

Die Theorie setzt voraus, dafs eine Kugel sich auf einem Kreisbogen 
frei bewege. Sie kann auf Pendel, welche aus einem Faden und dem daran 
befestigten schwingenden Körper zusammengesetzt sind, nur unter der Vor- 
aussetzung angewandt werden, dafs die Bewegungen der Luft, welche der 
Faden erzeugt, vergleichungsweise mit den von der Kugel hervorgebrachten, 
unmerklich seien. Die Rechtmäfsigkeit dieser Voraussetzung ist aber nichts 
weniger als offenbar; die Durchschnittsflächen des Fadens und des schwin- 
genden Körpers, durch eine die Längenaxe des Pendels schneidende Ebene 
erzeugt, haben keinesweges ein so grofses Verhältnifs zu einander, dafs man 
die durch die erstere hervorgebrachte Bewegung der Luft, vergleichungsweise 
mit der durch die andere hervorgebrachten, als unmerklich betrachten könnte. 
Diese Durchschnittsfläche, in Quadratlinien ausgedrückt, ist für die Kugeln 
von Messing und Elfenbein, mit welchen die erste Reihe meiner Königsberger 
Versuche gemacht worden ist, — 158,6; für den Cylinder von Messing, welcher 
der zweiten Reihe zum Grunde liegt, —= 557,5; für den Cylinder von Platin 
= 234,1. Für die Fäden beider Pendel, deren Durchmesser ich = 0/0861 
gemessen habe, ist sie 111,2 und 36,5. Sieht man, um eine beiläufige Übersicht 
über die Art des Einflusses zu erlangen, welche die Fäden auf den Werth von 
k ausüben, die in Bewegung gesetzte Luftmasse als dem Pendel anhängend 
und ihm während seiner Bewegung folgend an, so findet man leicht, dafs der 
Faden dem, dem schwingenden Körper allein zukommenden, Werthe von k 
eine Vergröfserung hinzusetzet, welche im Verhältnisse der Länge des Fadens 
und im umgekehrten Verhältnisse des Volumens des schwingenden Körpers 
ist. Man mufs also, unter dieser Annahme, für ein längeres Pendel einen 
gröfseren Werth von % erhalten als für ein kürzeres; für einen kleineren 
schwingenden Körper einen gröfseren Werth als für einen, ihm ähnlichen 
gröfseren. Dieses ist übereinstimmend mit den von den Beobachtungen 
ergebenen Resultaten. Bis zu einer weiteren Entwickelung der Theorie und 
ihrer Ausdehnung auf ein aus dem Faden und dem schwingenden Körper 
bestehendes Pendel, bleibt es nothwendig, den zur Berechnung einer Reihe 

Aa? 


188 Bessen: Bestimmung der Länge 


von Pendelversuchen anzuwendenden Werth von % aus den Versuchen selbst 
zu bestimmen. 

Zwischen den Bestimmungen von % in Güldenstein und in Berlin ist 
ein Unterschied von 0,1085, welcher den Pendeln selbst nur zugeschrieben 
werden kann, wenn ihre Fäden und sonstigen Theile als verschieden ange- 
gesehen werden, denn der schwingende Körper war in beiden Fällen derselbe. 
Die Schneide erfuhr in der That, vor ihrer Anwendung in Berlin, durch die 
Hinzufügung des im 3. $. erwähnten verschiebbaren Cylinders von 61,57 Gran 
Gewicht, eine Änderung, welche eine Vermehrung der in Bewegung gesetzten 
Luftmasse zur Folge haben mufste; dafs die Fäden merklich verschieden 
gewesen wären, glaube ich nicht (*). Den Einflufs der Änderung der Schneide 
halte ich für unbedeutend, da er sehr nahe am Aufhängungspunkte, wo die 
Bewegung sehr klein war, stattfand. Will man den gefundenen Unterschied 
von 0,1085 ganz den zufälligen Fehlern der Versuche zuschreiben, so darf man 
jedes der vier arithmetischen Mittel, welche aus den Beobachtungen der 
beiden schwereren und der beiden leichteren Pendel, sowohl in Güldenstein 
als in Berlin, gezogen sind, nur um etwa # 0,001 ändern, um Übereinstimmung 
hervorzubringen. Obgleich an beiden Orten wissentlich nichts vernachlässigt 
worden ist, was die Genauigkeit der Resultate hätte beeinträchtigen können, 
so wird doch, aus der Zusammenstellung der einzelnen Bestimmungen am 
Anfange dieses Paragraphen, nicht dringend wahrscheinlich, dafs dieselbe 
innerhalb einer so engen Grenze wirklich erreicht worden wäre. Übrigens 
ist der Einflufs von %k auf die Schwingungen des Platin- Cylinders nicht grofs 
genug um einer sehr genauen Bestimmung dieser Gröfse versichert sein 
zu können. Wäre der Zweck nicht die Fortschaffung des Einflusses der 
Luft auf die Länge des einfachen Secundenpendels, sondern die Bestimmung 


seiner Gröfse gewesen, so würde man die Versuche anders angeordnet 
haben. 


(*) Nach der Absendung dieser Abhandlung hat Herr Etatsrath Schumacher mir die 
Gewichte der Fäden mitgetheilt, welche er in Güldenstein angewandt hat. Sie waren kaum 
halb so schwer, als die von mir in Berlin angewandten; also auch beträchtlich feiner und 
haben daher wahrscheinlich weniger Luft in Bewegung gesetzt. B. 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 159 


10. 


Der Punkt, an welchem die Versuche zur Bestimmung der Länge des 
einfachen Secundenpendels in Berlin gemacht worden sind, hat, nach der 
Mittheilung des Hrn. Prof. Encke, die Polhöhe 52° 3016”. Der Fulsboden des 
für diese Versuche erbaueten Hauses ist 17,603 Toisen, die Pendelkugel 17,77 
Toisen über der Meeresfläche. Diese Bestimmung ist das Resultat eines 
irigonometrischen Nivellements zwischen der Ausmündung der Oder in die 
Ostsee und Berlin, welches von Seiten des Königl. General- Stabes, durch 
Hrn. Major Baeyer, in demselben Sommer, in welchem ich die Pendel- 
versuche gemacht habe, ausgeführt worden ist. Sie ist weit sicherer, als 
ähnliche Bestimmungen gewöhnlich sind, indem Hr. Major Baeyer den 
nachtheiligen Einflufs der irdischen Strahlenbrechung auf die Höhenunter- 
schiede dadurch so vollkommen als möglich vermieden hat, dafs er jedes 
Paar seiner Stationen durch nicht nur gegenseitig, sondern auch gleichzeitig 
und überdies zu verschiedenen Zeiten wiederholt beobachtete Zenith- 
distanzen miteinander verbunden hat. Die beiden, von ihm und seinem 
Gehülfen gleichzeitig gebrauchten, Instrumente lassen gleichfalls nichts zu 
wünschen übrig und sind auch so angewandt worden, dafs etwanige bestän- 
dige Fehler der von ihnen angegebenen Zenithdistanzen aus dem Resultate 
verschwinden mufsten. 

Die von Laplace entwickelte Theorie der Schwere an der Oberfläche 
der Erde zeigt, wie die an dieser Oberfläche beobachtete Länge des einfachen 
Secundenpendels A, mit der an der Oberfläche des Meeres stattfindenden A 
zusammenhängt. In einem Falle wie der in Berlin stattfindende, in welchem 
die Ausdehnung der sich über die Meeresfläche erhebenden Masse der Erde 
weit gröfser ist als ihre Höhe, welche ich, in Theilen des Erdhalbmessers 
ausgedrückt, durch A bezeichne, ist: 

x=rH+rhli——), 
wo g die Dichtigkeit des sich über die Meeresfläche erhebenden Theils der 
Erde und D die mittlere Dichtigkeit der Erde bedeuten. Um diese Formel 
hier anzuwenden, habe ich das Gewicht eines Preufs. Cubicfufses des feuch- 
ten Sandes, aus welchem der Boden von Berlin besteht, — 115 Pfund, oder 


190 Besser: Bestimmung der Länge 


g= 1,5 angenommen und D, nach der Bestimmung von Cavendish, = 5,18 
gesetzt. Hieraus folgt, wenn man noch auf die Höhe des Platin-Cylinders 


über dem Fufsboden (= 0,1667 Toisen) Rücksicht nimmt, 

A = 1410,7354 =} 0,0036, 
oder die Länge des einfachen Secundenpendels an der Oberfläche des Meeres, 
lothrecht unter dem Beobachtungspunkte: 


— 440,739 Linien. 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 191 


Versuchl. a. Mai 22. 10° 39 St. Z. 


Fühlhebel rechts. Barometer —= 335/83. Gang der Uhr = + 12) 047. 


7 >dueirte Mittel Schwingungsweiterund 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m v [AR 1, 72501640 Fehler 
h 7 ” L 0 -0 h 1 n n 
120 | 935 44, 0077 | 39,8 | 15,26 | 16,13 | 9'35 44, 0015 | — 0, 0062 
620 50 6,5107 | 35,9 50 6,5220 | + 0, 0113 
1120 | 10 4 29, 0423 2,2 | 15,25 | 16,00 | 10 4 29, 0402 | — 0, 0021 
1620 18 51,5640 | 2%, 4 18 51, 5564 | — 0, 0076 
2120 33 14,0629 | 26,6 | 15, 06 | 15, 89 33 14, 0709 | + 0, 0080 
2620 47 36,5871 | 24,3 AT 36, 5540 | — 0, 0031 
3120 | 11 1 59,0978 | 22,0 | 15,04 | 15,68 | 11 1 59,0959 | — 0, 0019 
3620 16 21,6049 | 20,3 16 21,6068 | + 0, 0019 
4120 30 44,1175 | 19,0 | 14, 92 | 15, 66 30 44, 1171 | — 0, 0004 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 

Fühlhebels]| e e” e"” {R 2” 

| See LER een ee 
Anfang ee 1alehe le saueılı 59,653) | 15,18] 15,62 | 15,60 | 45226 | 16,127 
Enden) tasee- TEEN | 59, 667 | 44, 98 | 15, 52 | 15, 60 | 14,92 | 15, 66 
Mitteln aaa sn ... | 59 660 | 15,08 | 15,57 | 15,60 | 15,.09 | 15,965 
Gremessenerlkänses se a Nepeper ent efehetekekes onen et eleksn en tnerere elle F— 5, 3658 
TWenperaturson F.— 152.95... .-.ciseiensihoceteimnorsenn ale alerekere Bern + 0,0842 
Koisernlemperatun— 52591 ner orchezoscheronegepenenerenete Area felefoze ent + 563, 9925 
Blastieitätides Radensk ern ee TAN + 0,0044 

TängeldestDendelsk rare Mate alatatetelatalt a oheteterere era fehe = F-+- 558, 7150 


Schwingungszeit = 1, 72501640 der Uhr = 1) 7205462 M. 7. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1304, 6839 =} 2,9604 € 


Reduction auf den leeren Raum... ........... — 0,0762 — 0,0002 8 — 0,0801 k 
— aufdas zusammengesetzte Pendel ....| ++ 0,2010 
— UNE ANNE a lerereibaeieeie teste le — 858, 7150 


Resultat des Versuchs ............. F=| 446, 0937 + 2,9602 — 0,0801 k 


Besseu: Bestimmung der Länge 


VersuchT. 2. Mai 22. 1? 10/:St. Z. 


Fühlhebel links. Barometer = 334775. Gang der Uhr =-+ 10% 184. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m v (ki 1, 72500026 Fehler 
72 „ L o 0 h ! 7 „ 
100 | 0 12 3,5100 | 41,2 | 13,43 | 14,00 | 012 3,5090 | — 0, 0010 
600 26 26, 0148 | 37,3 26 26, 0212 | + 0, 0064 
1100 40 48,5426 | 33,8 | 13,44 | 14,00 40 48,5317 | — 0, 0109 
1600 55 11, 0400 | 30,7 55 11,0405 | + 0, 0005 
2100 | 1. 9 33,5426 | 27,8 | 13,54 | 14,04 | 4 9 33, 5474 | + 0, 0048 
2600 23056, 0411 1 25,3 23 56, 0534 | + 0, 0057 
3100 38 18,5601 | 23,2 | 13,59 | 14,18 38 18, 5586 | — 0, 0015 
3600 52 41,0696 | 21,3 52 41, 0632 | — 0, 0064 


4100 | 2 7 3,5641 | 19,5 | 13,61 | 1422| 2 7 3,5672 | + 0,0025 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels ed e" e” IN 2 
R 0 o 0 o 0 
Anfang ..... a0 59, 593 | 13,48 | 13, 84 | 13, 93 | 13, 39 | 14, 00 
Endes 2 a0... Aeeelelelelee 59, 581 | 13, 62 | 13, 89 | 14, 03 | 13, 62 | 14, 22 
Mittels ae. Me | 59,587 | 13, 55 | 13,865 | 13, 93 | 13,505 | 14, 11 
Gemessenerllängen ver eerekee Kere es eee ER Reke F— 5/3593 
Memiperaturgvon. #4 — 13466 123 Scheierelcrtsteterenetekonen LESER + 0,0754 
Woise, Temperatur —A3, 93 1ercrerarrererele 00000 BEER EDER + 563, 9758 
Elasticität des Fadens...... elenstetonetsne Tone feet faederehereNehene orlee iefel: (05.004 
TängerdesiBendels an 202er Aselreiete — F-+ 358, 6960 


Schwingungszeit 1) 72500026 der Uhr = 1, 7205329 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels..... 1304, 6637 4 2,9603 € 


Reduction auf den leeren Raum. ............. — 0,0764 — 0,0002 € — 0,0803 k 
— auf das zusammengesetzte Pendel ....| + 0,2010 
—e TRauliE er das. sretelee eier see se — 358, 6960 


Resultat des Versuchs ............. F=| 46, 0923 + 2,9601 8 — 0,0803 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 193 


Versuch]l. c. Mai 23... 0*50' St. Z. 
Fühlhebel rechts. Barometer = 337,96. Gang der Uhr = ++ 12/404. 


Schwingungsweite und 


Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen u 1% {2 1700249814 Fehler 
m L, o 0 h ’ 7 „ 
{) 23W 55W 51:78 12,45 | 11,75 | 12,05 | 23° 55 57, 5016 | + 0, 0016 
796 010 945,15 11,6 0 9 45,5003 | + 0, 0003 
1592 22 33,5 141,708 11,075 10125105 22 33, 4978 | — 0, 0022 
2391 35. 54,5 10, 4 35 54, 5018 | # 0, 0018 
3187 49 12,5 958 1041,375110125:05 49 12,4976 | — 0, 0024 
3986 112343355 9,3 433733515000 0, 0000 
A7s4 15053,5 | 8585 1611,,8011:42,,05 15 53, 4993 | — 0, 0007 
5583 29 14,5 8,35 29 14, 5005 | 4 0, 0005 
6382 42 35,5 7,85 | 11,86 | 12,14 42 35,5011 | + 0, 0011 


Messung der Länge des Pendels. 


o 
Schraube 
des 
Fühlhebels e’ e” €” v iR 
— | | | (| (un | (un 
Antane Mer ı: Sasse 6156285 | 1198 | 12911 | 12/35 | 11,75 | 11294 
Engeln sd | 61, 6335 | 12, 02 | 12,16 | 12,35 | 11,86 | 12,11 
tree AUT el A | 61,631 | 12,00 | 12,135 | 12, 35 | 11,805 |. 12,025 
Gemessenejliänge....i. Su nEele meh areas ee Are F— 5,5431 
Temperatur von F = 12P05 Sue ek fellerarranererane)erene are. Darehehereet Kette + 0, 0665 
EilastieıtättdestHadensa .erehlercseseleneuerokeunuchenotenenenenonerener are een + 0, 0014 
Länge des’Pendels .....1....°.e.0.2 0010 cresenerenn re ee eeshee . = F-- 5,4752 
Schwingungszeit 1, 00249814 der Uhr — 0, 9999044 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... 440,6457 + 0,9998 € 
Reduction auf den leeren Raum .............- — 0, 0261 — 0,0001 8 — 0,0275 K' 
— auf das zusammengesetzte Pendel ..... — 0, 0557 
SE Vak e e BL + 5, 4752 
Resultat des Versuchs .....2........ F= | 446, 0391 + 0,9997 € — 0,0275 K 


Mathemat. Abhandl. 1835. Bb 


194 Besseu: Bestimmung der Länge 


VersuchI.d. Mai 24. 10"40 St". 
Fühlhebel links. Barometer —= 336/97. Gang der Uhr = + 12) 127. 


Schwingungsweite und 


i Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen | u [R u 1,.00251352 Fehler 
h 7 „ L o o h I ” „ 

0 9 46 40,5 12,15 | 13,68 | 14,22 | 946 40, 5005 | + 0, 0005 
192 59 54,5 11, 35 59 54,5005 | + 0, 0005 
1584 1013 855 10, 65 | 13,68 | 14,22 | 10 13 8,4994 | — 0, 0006 
2377 26 23,5 10, 25 26 23, 5000 0, 0000 
3170 39 38,5 9,55 | 13,73 | 14, 27 39 38,4999 | — 0, 0004 
3963 52 53,5 91 52 53,4992 | — 0, 0008 
4157 44, 219,15 8,6 |13,79 | 14,27 | 11 6 9,5003 | + 0, 0003 
5550 19 24,5 8,15 19 24,4986 | — 0, 0014 
6345 | 32 4,5 7,65 | 13,90 | 14, 33 32 4,5016 | + 0, 0016 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels ed e” e” 27 dr 
Vase es error el re 
Anfang. .seeescoenenene| 61,619 | 13,85 | 13, 80 | 13, 98 | 13, 68 | 14, 11 
Eindegeteleere feota fe reellen 1161015 | 13, 80 | 13, 89 | 13, 98 | 13, 96 | 14, 33 


Mittel ....2.22200020..0. | 61,617 | 13,825.| 13,845.| 13,98 | 13, 82 | 14, 22 
GemessenerLänge.. 111 ereiersinie reine ernennen ee ee 
Temperätur-von KR — 18983 ee roretorateteierererstolveta.e a0 eielelerd hear 
ElästiertätdesKadens uneretesaistorosonorelererssokeretoneferare rare toren ee ONOOTK 
Länge des Pendels .....2.0:210:010:270r2:010 1012:010:010:0reretoreraretne ne = Ei 5,4640 
Schwingungszeit 1) 00251352 der Uhr — 0, 9999200 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... | 440/6595 + 0,9998 € 
Reduction auf den leeren Raum ...2.2.2=..... | — 0, 0259 — 0,0001 8 — 0,0272 K 
— auf das zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0557 
N au. Neralerer te oletetetereloloteterorererere en u frr57 00: 
Resultat des Versuchs . ..... os... F=| 446, 0449 0,9997 € — 0,0272 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 195 


Versuchl. e Mai 25. 0' 48’ St. 2. 


Fühlhebel rechts. Barometer —= 335,12. Gang der Uhr = +- 12) 377. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 

Beobachtungen k IL 12 1, 72499326 Fehler 
90 | 23. 50 26, 2425 | 38,9 | 13,56 | 14,00 | 23° 50° 26, 2424 | — 0, 0001 
5900| 0 4 48,7575. | 34,3 0 4 48,7510 | — 0, 0065 
1090 19 11,2600 | 30,8 | 13,56 | 14, 00 19 11, 2574 | — 0, 0026 
1590 33 33, 7625 | 27,8 33 33, 7622 | — 0, 0003 
2090 AT 56,2600 | 25,2 | 13,68 | 14,12 AT 56, 2661 | + 0, 0061 
2590, |, 1. 248,7575: | 22, 1 2 18,7695 | + 0, 0120 
3090 16 41,2700 | 20,6 | 13,90 | 14,38 16 41,2726 | + 0, 0026 
3590 S1EESsL URS 618,7 31 3,7755 | — 0, 0020 
4090 45 26,2875 | 17,1 | 14,05 | 14,54 45 26,2783 | — 0, 0092 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels| e& e” e” [u 2 
R | 0 Fo o 0 0 
Anfang tele sion sie eepaeleıs 59, 629 | 13, 29 | 13, 60 | 13, 65 | 13, 56 | 14, 00 
Endem tt aerste.e eienete ONE | 59,617 | 13, 89 | 14,14 | 14,12 | 14,10 | 14, 55 
Bittelnaagenineen..e .. | 59 623 | 13,59 | 13,87 | 13,885 | 13, 83 | 14,275 
Gemessenenlänge 2 re leere F— 5,3625 
Memperatur.yon F== 13869... 42... nee men ee + 0,0756 
Toise, Temperatur = 13,88...... en lehsuenenelsräleer ehatstelorskereuege -+ 563, 9753 
Bilastrertatdes\Kadenst ger ee S erereane jeeleher hits + 0,004 
angerdessBendelsteietensh re rerelete elaral Heleyeren- oo = F-+ 358, 6925 


Schwingungszeit = 1, 72499826 der Uhr = 1) 72053147 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1304/6664 + 2,9603 € 


Reduction auf den leeren Raum... ........... — 0,0764 — 0,0002 8 — 0,0803 k 
— aufdas zusammengesetzte Pendel .... | -+ 0,2010 
a RE TE RE N RER — 858, 6925 
Besultatides Versuchs. ....2.0. ee. F=| _ 446, 0985 + 2,9501 8 — 0,0803 k 


Bb2 


196 Bessen: Bestimmung der Länge 


Versuchl. f. Mai 25. 838 St. 2. 


Fühlhebel links. Barometer — 333/59. Gang der Uhr = + 12) 411. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur 5 Rechnung 
Beobachtungen p l 2 1, 72503234 Fehler 
100 | 7" 39’ a4) 5124 | 39/6 | 16%22 |araı | 7° 39/ 44) 5053 | — 0,0071 
600 54 7,0334 | 35,3 541 7,0325 | — 0, 0009 
1100 | 8 3 29, 5542 31,9 | 16,40 | 11,34 | 8 8 29,5581 | —+ 0, 0039 
1600 22 52,0825 | 29,0 22 52,0823 | — 0, 0002 
2100 37 14,6094 | 26,2 | 16,42 | 17,38 37 14, 6052 | — 0,0042 
2600 51 37, 1474 24,0 51 37, 1271 | + 0, 0100 
3100| 9 5 59,6336 | 22,0 | 16,42 | 17,39 | 9 5 59,6482 | —+ 0, 0146 
3600 20 22,1707 | 20,0 20 22,1688 | — 0,0019 
4100 34 44, 7030 | 18,3 | 16,45 | 17,49 34 44, 6888 | — 0, 0142 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube | 
des 
Fühlhebels [4 e” | e” Zu (di 
R : o | {) | o -0 I ) 
WE 000.0.000009000008 59, 570 | 15,76 | 16, 01 | 16, 29 | 16, 23 | 17, 11 
Eindeten. lernst tetetererehetee | 59, 558 | 16,16 | 16, 50 | 16, 88 | 16, 45 | 17,355 
N AN | 59,564 | 15,96 | 16,255 | 16,585 | 16, 34 | 17, 33 
Gemessene/liänge terekofekereeraretstenetetsterefatetetefefeleteteteteteteteteteke F— 5,3572 
Temperatur yon 40606: #r.1rerssstereteietetetereteneter. St SEM: + 0,0887 
Moiseulemperatun— N6WAowrenetenstoferetelezefekefeletotete torchsteje tete reRe + 564, 0012 
Elasticität des Fadens....:.. utefeleife ne feleie seen te he Sa tere le 10) 004 
Wangeldes/Pendelswerhens here. Venen eVerehelenentereheteistenerekeketete — F + 358, 7368 


Schwingungszeit 1. 72503284 der Uhr = 1, 7205698 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels... .. 130477197 + 2,9604 € 


Reduction auf den leeren Raum. 2... .::.... — 0,0754 — 0,0002 € — 0,0792 k 
— auf das zusammengesetzte Pendel....| + 0,2010 
EN N EEE 06 — 858, 7368 


Resultat des Versuchs ......... +... F=| 446, 1085 4 2,9602 € — 0,0792 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 197 


Versuchl. d. Mai 25. 0° 56’ St: Z. 


Fühlhebel rechts. Barometer — 332/54. Gang der Uhr = ++ 12) 377. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und | | | 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen u v Ur 1572432221 Fehler 
h r „mr L 0 „o h ! „ h, „ 
100 | 23° 51 16, 4217 | 37,7 | 13,99 | 14,63 | 23° 51 16, A242 | + 0, 0025 
600 | 0 5 38,5890 | 27,7 0 5 38,5932 | + 0, 0042 
1100 20 0,7571 | 21,0 | 14,03 | 14,70 20 0,7586 | + 0, 0015 
1600 34 22,9218 | 16,6 34 22, 9222 | + 0, 0004 
2100 As 45,0936 | 13,1 | 14,09 | 14, 84 4s 45, 0851 | — 0, 0085 
100 | 1 2 32,4243 | 37,8 | 14,13 | 14,88 | 1 2 32,4234 | — 0, 0009 
600 16 54,5963 | 28, 8 16 54, 5935 | — 0, 0028 
1100 31 16, 7696 | 22,0 | 14,14 | 14, 88 31 16,7601 | — 0,0095 
1600 45 38, 9191 | 16,7 45 38, 9246 | + 0, 0055 


2100| 2 0 1,0801 | 13,0 | 14,20 | 14,88 | 2 0 1,0879 | + 0, 0078 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels €’ e” e” [8 [iD 
R 0 0 »0,, | Orr 0 
Anfang Jets eee.oeeeeceee| 69,839) | 14,13: | 14,43% |14,'61° 613,796: 114,761 
Einde% stress. oletelsreleistenl 69,82% | 140131. ne il Also] 


Müttel.....o.oe0ece00..| 69, 8325 | 44, 22 | 14,48: | 14,76: | 14,13: | 14, 76 
Gemessenesluäanoe MYesteneterenet tele ehe eleheteN en ekenersloncketershetefen ste 65.2807 
Miemperatursvon: Mi AuHaHl a. aiatetnteseret hehe et tete ee er 1050790 
Woise, Wemperaturi= AN 105 Ser leteiotetaroteneretohetetenste balene e alere 2 e11863,, 9831 


Blastieität des’Radensstersterarefotereterstotetoreteteforaterotetetete nero ee 20200441 
TängerdessDendelsteretshsngeneret nn tert ekher steel er ae ee ee —EI-T78576 1855 
Schwingungszeit 1, 72432221 der Uhr = 1) 7198603 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 130376439 4 2,9580 € 
Reduction auf den leeren Raum... ....22... | — 0,2269 — 0,0005 8 — 0,2249 k 
_ auf das zusammengesetzte Pendel.... | + 0,6417 
U ee eidreterste are eltern elehelerete | 85741855 
Resultat des Versuchs ......oo00... P=| 1446,2732 + 2,9575 8 — 0,2249 k 


198 Besser; Bestimmung der Länge 


Versuchl, d. Mai 26. % 189 St. Z. 


Fühlhebel links. Barometer = 3315 31. Gang der Uhr =+ 12, 347. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und | 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m v 12 1,72433950 Fehler 
> TEN in nn Ten een 
100 | 8.15 42, 4326 | 37,6 | 15,34 | 15,97 | 8° 15’ 42, 4235 | — 0, 0041 
600 30 4,6037 | 28,3 30 4,6065 | + 0, 0028 
1100 44 26,7796 | 21,4 | 15,46 | 16, 14 44 26, 7810 | + 0, 0014 
1600 58 48, 9582 | 16,7 53 48, 9538 | — 0, 0044 
2100 | 9 13 41,1213 | 13,0 | 15,52 | 16,23 | 9 43 11,1256 | -+ 0, 0043 
100 22 20, 4263 | 37,9 | 15,56 | 16,25 22 20,4233 | 4 0, 0020 
600 36 42,6090 | 28,6 36 42,6075 | — 0,0015 
1100 51 4,7801 | 21,6 | 15,60 | 16,-27 51 4,7830 | + 0, 0029 
1600 | 10 5 26,9559 | 16,8 10 5 26,9564 | 4 0, 0005 
2100 19 49,1326 | 13,0 | 45,66 | 16,27 19 49, 1288 | — 9% 0038 


Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 


Fü hihcbels e’ e" e” v 2% 

a EN er N ee een 
Anfang..oooeceneseneee | 69,838 | 15,23 | 15,52 | 15,65 | 15,32 | 15, 94 
Enden tiere See Fer 1E69 85 er 15, 72 | 15,89 | 15, 66 | 16, 18 
Mittel ....eseeeeosennne | 69, 8345 | 15,325 | 15, 62 | 15, 77 | 15,49 | 16,06 
Gemessene Längen ee en 6,2809 
Temperatur yon F— 45242... 22a aa meinen elnelesieteie ae 00 
Toise,uRemperatur — AHA ar ereisrehecyelaleteehele.n steel suelsjerekeeh 4186319933 
Elasticitätides; Badenssta are eleteretekete ereieole a ler ehsrekekekens eat ee 80510044 


TängerdesiBendelss. un. een. oa eteriere lleleiel ek sleter ers er FENCH 1357513022 


Schwingungszeit 1, 72433950 der Uhr = 4, 7198771 M.Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels..... 13035 6693 4 2,9580 € 


Reduction auf den leeren Raum... ....222....| — 0,2250 — 0,0005 € — 0,2230 k 
— aufdas zusammengesetzte Pendel....|-+ 0,6417 
—— AU erteilen ee erleke male 118577418022 


Resultat des Versuchs ........... F= | A446, 2838 + 2,9575 8 — 0,2230 k 
ae a RERRAITEN ANNETTE 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 


Versuchl. c. Mai 26. 043 St. Z. 
Fühlhebel rechts. Barometer = 331,52. Gang der Uhr = + 12) 292. 


Schwingungsweite und 


‚ Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen Mm 2% Ir 1500225618 Fehler 
h r „" L „o o h ’ 7 „ 

0 23 58 14,5 11,4 | 14, 70 | 15, 00 | 23° 55° 14, 4993 | — 0, 0007 
884 0. 413.00,/5 94 0 13 0,5018 | 4 0, 0018 
1767 27 45,5 7,7 | 14,70 | 15, 00 27 45, 4994 | — 0, 0006 
2652 42 32,5 65 42 32, 4998 | — 0, 0002 
3537 57 195 5,5 | 14,70 | 15, 00 57 19, 4991 | — 0, 0009 
A423 a 4,6 1 12 7,5000 0, 0000 
5309 26 55,5 3,9 | 14,84 | 15,13 26 55,5006 | -# 0, 0006 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e €" e" [E 2” 
RA 0 o o 0 0) 
Anfang...eeeeeneecnnee | 65, 0695 | 14,55 | 14,63 | 14,95 | 14 58 | 14, 94 
ER SE 14,79 | 14, 93 ka as 15522 


Mittel tere ete el arenarare: ofahers 


GemesseneDänge sa canenemese ss eass essen 5 8526 
Temperatur vn F=U 1 u snssssisieeinsenonnennenne Fr 0) 0812 
Blastieität des Fadens. u ccceaseesnsetnenesnnnnnianenn nenne Fr 0, 0014 


Länge des Pendels .....soc2erseas0n0cssa sr nn 000. = F— 5,770 


Schwingungszeit 1, 00225618 der Uhr = 0, 9996615 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... 44074319 - 0,9993 € 


65,072 | 14,67 | 14,78 | 14,975 | 14,695 | 15, 08 


| 


199 


Reduction auf den leeren Raum ©... == +... . =» | — 0, 0758 — 0,0002 8 — 0,0751 k 


— aufdas zusammengesetzte Pendel „.... | — 0, 0485 
— aufn telelesretete, deteteie oleiekefateteletetetet 11-753 717100; 


Resultat des Versuchs. 2.2.22. eee 0... F= | 446, 0776 4 0,9991 € — 0,0751 K 
ee a N ee 


200 Bessen: Bestimmung der Länge 


Versuch I. d’., Mai,27.,, 0° 42/.St..2. 
Fühlhebel links. Barometer — 336, 36. Gang der Uhr = + 12) 206. 


Schwingungsweite und 


Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen m v 1% 1700225884 Fehler 
h ! ”„ L 0 o h ! 7 2 

0 23° 56, 43, 5 12,3 | 414,70 | 45,05 | 23 56 43, 5000 0, 0000 
882 OR 10, 15 0 11 27,5003 | + 0, 0003 
1765 2612,5 8,45 | 14,81 | 45,27 26 12,5001 | 4 0, 0001 
2648 40 57,5 7,05 40 57, 4986 | — 0, 0014 
3533 55 44,5 5,9 | 14,98 | 15,52 55 44,5012 | + 0, 0012 
4416 1 10 29,5 4,9 1 10 29, 4989. | — 0, 0011 
5301 25 16,5 4,1 | 15, 15 | 15, 66 25 16,5008 | + 0, 0008 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e e" N KR IM 
Anfang. eioeseoernieluoie eicie | 165510685) | 14,60 | 14,83 RE On 15, 02 
1 Bnuld 10.0000 00009000080 || 8.046) hs | 15,07 15,3 Ar 
Mittel u enenrennenenen | 6 65, 049 Der ar Zn 
Gemessene,bänge 12 =1-jojelejoralnjaie ojetefer salerelele sale ger. F—5 8510 


Temperatur von F = 44) 84 eleloreleletejorefezokolenereiene.olefetelehefetatsteketen==10510820 
BlastieitätudesBadensrereresaer era ssero erelerer a arelo nen eleie okerelenelen kerefeee = ONO0A 


Länge des Pendels ......eesarssreresneepeseeene ne. = F — 5,1676 
Schwingungszeit 1)'00225884 der Uhr — 0, 9996635 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... 4407 4334 + 0,9993 € 
Reduction auf den leeren Raum .............. | — 0,0774 — 0,0002 € — 0,0767 k' 
— aufdas zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0485 
— AU ee El ep erst er oteseregsler en lie T=755410170, 


Resultat des Versuchs... ..oroso0r.. F| 446, 0751 4 0,9991 € — 0,0767 K 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 201 


Versuchl. e. Mai 98. 9% 47'"St.2. 


Fühlhebel rechts. Barometer == 335/20. Gang der Uhr = + 12) 173. 


Reducirte Mittel | Schwingungsweite und 
der Temper atur Rechnung 

Beobachtungen m v 2 1572435043 Fehler 
FINE ech tes öige en en ae ENTE era: GEN 
100 8" 42’ 33, 4499 | 38,8 | 16927 | az)22 | 8" AR’ 33Ü 4423 | — 0,0076 
600 56 © 6225 | 2,4 56 55, 6267 | + 0, 0042 
1100 | 9-41 47,8074 | 22,4 | 16,38 | 17,25 || 9 14 47,8073 | -+ 0, 0002 
1600 25039593327 1192 25 39, 9858 | + 0, 0026 
2100 40 2,1627 | 13,4 | 16,40 | 17, 32 40 2,1632 | + 0, 0005 
150 51 15,6680 | 38,8 | 16,40 | 17,33 51 15,6682 | + 0, 0002 
650 | 10. 5 37,8545 | 29,2 10 5 37,8531 | — 0, 0014 
1150 20 “0, 0289 22, 16, 40 | 17,33 20 0,0340 | + 0, 0051 
1650 34 22,2044 | 17,2 34 22,2127 | 4 0, 0083 
| 2150 As 44,4022 | 13,2 | 16,40 | 17,33 4s 44, 3901 | — 0121 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 

des 
Fühlhebels ed’ €” e” 14 [A 
ln | (en | (| (tn | nn | (en 


Anfangaeneseseneeenane | 69,988 | 15296 | 16,40 | 16,49 | 16,23 | 17722 
Eindemstenterersteleterete lets Neal 9,1991 lea 16, 39 | 17, 33 
Mittel. .oo2enoosüen.une]| 699895 ||16,085,|/16, 50 |'16,735:])16, 31 |,17,275 


Gemessene Hänge. ou e nee een ee M6NZINg 
Temperaturivon BI A6H0B 2 oisiee sieeeeine ee sion eat ck ereie, Mer 11050396 
ToisenBemperatur— 16746: 2 een ee ae ere nee ein Be eheherae ee 8 0081 
BlastieitätidesBadensis.ane Aelateeraseiisla eloieiereleleiele eralelereie alederetskiche Bo 


Länge desPendels ...o. voor ee eeneneennnenene = F+ 857,019 | 
Schwingungszeit 1, 72435043 der Uhr = 1) 7198845 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels.... 1303, 6805 4 2,9581 € 


Reduction auf den leeren Ranm . seenernen | — 0,2270 — 0,0005 € — 0,2250 
— auf das zusammengeseizte (© Pendel „ol + 0,647 
U era en seen Reh eXe || = 18517518019) 
IresultätidesaViersuchsiadi. ero.. erete ehe are eh —— | 446, 2933 4 2,9576 € — 0,2250 k 


Mathemat. Abhandl. 1835. Ce 


[8>} 
[82) 


Besser: Bestimmung der Länge 


Versuch1.2/..4Ma1128.217 18.8132: 


Fühlhebel links. Barometer —= 335,44. Gang der Uhr = ++ 12) 117. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen 2” [RL 1772434172 Fehler 
mn N een En en‘ ee — (re 
130 | 0°14 26, 9320 | 40,4 | 15,44 | 16,27 | 0' 14 36, 9384 | + 0, 0064 
630 28 59, 1186 | 299 23 59, 1182 | — 0,0004 
1130 43 21,2988 | 22,5 | 15,75 | 16,51 43 21,2942 | — 0,0046 
1630 57 43, 4719 17, 8 57 43, 4685 | — 0,0034 
2130 | 112 5,6396 | 13,9 | 15,83 | 16,56 | 1 12 5,6416 | -F 0, 0020 
100 21 28,4246 | 40,8 | 415,83 | 16, 59 21 28,4214 | — 0,0032 
600 35 50,6059 | 30,4 35 50, 6029 | — 0, 0030 
1100 50 12,7789 | 23,1 | 15,91 | 16,63 50 12,7802 | + 0, 0013 
1600 | 2 4 34,9477 | 17,9 2 4 30,9553 | + 0, 0076 
2100 18 57,1323 | 13,9 16,12 | 16,74 | 18 57,1296 | — 0, 0027 | 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels ed e” e” [AR 2m 
A 0 07, 0 0 0 
Anfang. 22 oeeeceneece.| 69,937 | 15,27 | 15,67 | 15, 89 | 15, 37 | 16,22 
linden & sletete.ie slenie leer ee 169935 en 16,16 | 16,78 


Mittelöo.coooeescceeneee | 69936 | 15,54 | 15, 84 | 16,065 | 15,765 | 16, 50 
G omessene Kanzel RNIT ee F— 6,2900 
Temperatur.yon,.H — 45064... 2 120.2 a olaelaaeiatdle lan ER Nana 
Base Wemperatuni— 15,970 erelere elle eheisterefeieie oje elslarelelstee res GEN TABLE 


Blasucitätides-Radens sec eecie ee eee dee ehem. oe ee 00 
TLänge:des);Pendels .iezerekoroneronsnorsnonoreunsenokeioleneinueiorareie.e a Et 8574.4969 


Schwingungszeit 1) 72434172 der Uhr = 1) 7198745 M. Z. 

Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1303, 6654 + 2,9580 € 

Reduction auf den leeren Raum. ............| — 0,2276 — 0,0005 8 — 0,2256 k 
— aufdas zusammengesetzte Pendel ....| + 0,6417 
— AULC HYPE erel lere et olenolokokerckenelshe reg N 18511969 


Resultat des Versuchs... 200. 0... E| 446, 2826 + 2,9575 8 — 0,2256 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 


VersuchIIl. a. Mai 29. 2°9 St. Z. 


Fühlhebel rechts. Barometer — 333/42. Gang der Uhr = ++ 12) 028. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m | {E | m 15772496264 Fehler 
h ! „ r ,,L o 0 h ’ 7 y „ 
100 | 040 11,5094 | 41,5 | 15,81 | 16,47 | 0'410 11, 5004 | — 0, 0090 
600 24 33, 9882 | 36,9 24 33, 9946 | + 0, 0064 
1100 38 56, 4817 32,9 | 15, 70 |.16, 33 38 56,41860 | + 0, 0043 
1600 53 18, 9731 | 29,9 53 18,9753 | + 0, 0022 
2100| 1 7 41,4652 | 27,1 | 15,66 | 16,31 | 1.7 41,4632 | — 0, 0020 
2600 22 3,9477 | 24,6 22 3,9498 | -+ 0, 0021 
3100 36 26, 4403 | 22,5 | 15,64 | 16, 24 36 26, 4354 | — 0, 0049 
3600 50 48, 9183 | 20,6 50 48, 9200 | -F 0, 0017 


4100 | 2 5 11,4046 | 19,0 | 15,49 | 16,15 | 2 5 41,40338 | — 0, 0008 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e' e” e” Zu 2 
R o 0 b} o o 
Anfang ..eeeseecernene. | 60,798 | 16,01 | 16,40 | 16, 44 | 15,'83 | 16,50 


Ende ceoeoeseeeneneone] 60,792 | 15,81 | 16,01 7 16,14 16,49 | 16, 22 
Mittel e2o2eeeeseoneeren| 60,795 | 15,91 | 16,205 |. 16, 29 |-15, 66 | 16, 36 


Gemessene Banger ....2 0007 muss Usene einen ee 

Deimperaturmon E.— 16,042. ana nase rc ACH ENGHOITE 

Toise, -Lemperatur.—. 16, 26, 1. "was nee einen nie ejee Aue eleele)e 803, 9993 

Elasteitätdes-Badense- eos ae.a nen eceie 0 a00.0 sö0.0. ee let 0500 
Länge des Bendels. „ou srreweneneunn een en. = HE 858, 6239 

Schwingungszeit 1, 72196264 der Uhr = 1, 7204922 M. Z. 

Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1304, 6020 +} 2,9602 € 


203 


Reduction auf den leeren Raum . 2.22.2222... | — 0,0755 — 0,0002 8 — 0,0794 k 


—  aufdas zusammengesetzte Pendel.... | + 0,2010 
— auf een ana erene er 8585 6239 


Resultat des Versuchs... co. F=| 446, 1036 4 2,9600 8 — 0,0794 k 


Cc2 


[So] 
nn 


Besser: Bestimmung der Länge 


VersuchIl. d. Mai 30. 9 54 St. 2. 


Fühlhebel links. Barometer — 333/14. Gang der Uhr — + 11) 992. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m R | pr 1572195752 Fehler 
ET TU L 0 0 h G 7 „ 
100 | 855 27,5084 | 41,8 | 14,92 | 15,61 | 855 27, 5013 | — 0, 0071 
600 | 9 9 49,9873 | 37,6 9 9 49, 9932 | + 0, 0059 
1100 24 412,4783 | 33,5 | 14,91 | 15,61 24 12, 4824 | + 0, 0041 
1600 35 34, 9674 | 30,5 38 34, 9697 | + 0, 0023 
2100 52 57,4542 | 27,7 | 14,86 | 15,61 52 57,4555 | + 0, 0013 
2600 | 10 7 199500 | 25,4 10 7 19,9400 | — 0, 0100 
3100 21 42,4221 | 23,2 | 14,81 | 45,59 21 42,4236 | ++ 0, 0015 
3600 36 4,9052 | 21,2 36 4,9062 | + 0, 0010 


44, 80 


A100 | 50 27,3872 | 19,3 15, 55 50 27,3882 | + 0,0010 


Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 


des 
Fühlhebels e €” en (# UM 
Anf: R or 05% 0 „oO 0 
DIANG see rennen nn 000. 60, 675 15, 18 | 15, 37 | 15, 50 14, 92 15, 61 


Ende ...ocroocenenen.. | 60675 | 15,13 | 15,32 | 15,40 | 14,75 | 15,55 
Mittels... nio.02 el ala eletstei, 1060;1675.0 15455111, lee 
Gemessene Länge ... „eco nc een een nen ee ee ee ah 
Temperatur.gon, F.— 45922, son eeiosa nen eo. e alelelelelerenele, FO DEAN 
Teoise, Temperatur — 15,41 sereze,ajo.nele oneneselniekeroiolefe ailekezurelateiatete118035 9907 
Bllastiertätides/Eadens.. sieisisioreeneleere olalalele era ereeiaelare e erefeietend-T- 1203004 
Länge des Bendels... ee. rooerossesee nennen... 54-4858, 6247 
Schwingungszeit 1 72495752 der Uhr = 1) 7204564 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 13045932 -}+ 2,9602 € 
Reduction auf den leeren Raum 222.2 ..200... | — 0,0757 — 0,0002 8 — 0,0795 k 
— auf das zusammengesetzte Pendel....|-+ 0,2010 
met BaulF  aee heierene az etc lan ee me B LO ZAT 


Resultat des Versuchs. .eeoecse00.. F=| 146, 0968 + 2,9600 8 — 0,0795 k 


Fühlhebel rechts. Barometer — 332, 72. 


Beobachtete Coincidenzen 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 


Versuchll. ce. Mai 30. 


Schwingungsweite und 


Temperatur 


Hk v 


Ir 


0" 57' St. Z. 


Gang der Uhr = + 11) 926. 


Rechnung 


1500251295 


Fehler 


m N | (tn 


[S@) 
Qı 


ol 0° 2’22/5 |13/ı5 | 13°56 | 1400 2 22/4991 | — 0, 0009 
192 15 36,5 12,5 15 36, 5005 | + 0, 0005 
1584 28 50,5 11,95 | 13,62 | 13, 94 28 50,5009 | + 0, 0009 
2376 42 4,5 1451 42 4,5002 | + 0, 0002 
3168 5518,10 10,55 | 13,64 | 14, 00 55 18,4985 | — 0,0015 
3962 1778934,5 10, 0 s 34, 5011 | + 0, 0011 
4755 21 49,5 9,45 | 13, 70 | 14, 00 21 49,5004 | + 0, 0004 
5548 SSMEnA,5 8,9 35 4,4992 | — 0,0008 
6342 | 48 20,5 8,5 | 13,85 | 14,05 48 20,5001 | # 0, 0001 
Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 
des 
Fühlhebels ed e” e” {R I” 
R TEN N er (N ee 
ENT. 61, 6895 | 13, 85 | 13, 89 | 14,12 | 13,56 | 14, 00 
Enden ers een 61, 6825 | 13,98 | 13, 99 | 14,22 | 13,85 | 14,00 
Miktehe MANN Een .| 61,686 | 13,915| 13,94 | 14, 17 | 13,705 | 14, 00 
(Lemessene, länge... a ee ee F— 5, 5180 
Temperatur von F = 13793 else elehsletelehet starelahe erento ee Ne + 0, 0769 
Blastuiertatfdesyadens we ee + 0, 0014 
TängerdestPendelse agree tee a erseeler: .... = F— 5,4697 
Schwingungszeit 1, 00251295 der Uhr — 0, 9999136 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... 440, 6538 + 0,9993 € 
Reduction auf den leeren Raum .............. — 0, 0256 — 0,0001 8 — 0,0269 k' 
— auf das zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0557 
NE Re lets +- 5, 1697 


Resultat des Versuchs ........ N | A446, 0422 4 0,9997 € — 0,0269 k' 


206 Besser: Bestimmung der Länge 


Versuch ll. d>#Mails1. 110:248:02, 
Fühlhebel links. Barometer = 33471. Gang der Uhr = + 11'893. 


Schwingungsweite und 


i Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen m R Di 1500251909 Fehler 
bh 7 n L 0 0 h ’ „ „ 

0 9 7545 |13,0 |14,70| 14,94) 9° 7 54,5006 | + 0, 0006 
790 21006, 5 12, 25 21 6,5019 | + 0, 0019 
1578 34 16,5 11,55 | 14,70 | 15, 00 34 16,4976 | — 0, 0024 
2369 AT 29,5 11, 05 47 29, 4994 | — 0, 0006 
3160 10 043,5 10,3 | 14,70 | 15,00 | 10 0 42,5003 | + 0, 0003 
3951 413155, 9 75 13 55,5001 | + 0, 0001 
4742 278,5 9,2 | 14,70 | 15,05 27 8,4992 | — 0, 0008 
5534 40 22,5 8,8 40 22,5003 | + 0, 0003 
6326 | 53 36,5 8,2 |14,70 | 15,05 53 36, 5008 | + 0, 0008 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels ed e” 1% (2 
R- Si ERIG 42 N o 0 
Anfang. .eeeeenunaenoe. | 61, 6395 | 1441 | 14953 | 14961 | 14,58 | 14,88 
Eindewe ansehe Erlen, sars | 4 a ara 14, 76 ale 


Mittel ....20220en0020e.| 61, 6385 | 14,46 | 14,63 | 14,685 | 14,64 | 14,965 
IGemesgene länge „une ccldee een e nun eine nee 
Weniperatar von. P— 44052, „u en ste sea one ein eeleid ee ERENTO 
Blasticitätydes,Badensı eco eleioe eo nleleinieleieieie ein nee ee 000 
IängesdestBendelsi sau estate ee ee nn 
Schwingungszeit 1) 00251909 der Uhr — 0) 9999194 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... | 440/6590 + 0,9998 € 
Reduction auf den leeren Raum ......... en... | — 0, 0257 — 0,0001 8 — 0,0270 k 
— auf das zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0557 
AU rg lkleletere.e seletele teten 1154245011623 
Resultat des Versuchs 22. -222200... F=| 446, 0399 + 0,9997 € — 0,0270 K’ 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 207 
VersuchIT. e! Mails1: .L 338: Z 
Fühlhebel rechts. Barometer —= 336, 45. Gang der Uhr = + 11/328. 
Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen 3 DL Tas 1, 72494947 Fehler 
a TE L 0 o h G n n 
120 | 054 3,0097 | 39,2 | 13,56 | 14,00 | 054 3/0152 | -F 0,0055 
620| 1 8 25,4975 | 35,6 1 8 25,5013 | + 0, 0038 
1120 22 47,9940 | 32,4 | 13,56 | 14,00 22 47, 9854 | — 0, 0086 
1620 37 40,4702 | 29,4 37-10, 4680 | — 0, 0022 
2120 51 32,9535 | 26,6 | 413,56 | 14,00 51 32, 9491 | — 0, 0044 
2620"| 2: 5 55, 4247 I 24,3 2 5 55,4291 | + 0, 0044 
3120 20 17,9095 | 22,3 | 13,56 | 14,00 20 17,9083 | — 0, 0012 
3620 34 40,3876 | 20,5 34 40, 3867 | — 0, 0009 
4120 49 2,8609 | 18,7 | 13, 56 | 14,00 49 2,8645 | + 0,0036 
Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 
des 
Fühlhebels| e €” e” [2 [22 
R } 0 FE Inaso I 0 o 
INTFANEH Re er ekete end el eeke 60, 752 | 13,57 | 13, 80 | 13,93 | 13, 56 | 14, 00 
Endes aeiete delete | 60, 742 | 13, 66 | 13, 84 | 14, 07 | 13,56 | 14, 00 
Ne | 60,747 | 13,615| 13, 82 | 14, 00 | 13, 56 | 14, 00 
Gemessenellange key. 2 erpereleiereieleleieislereten euelVeleiererekerefe ige F— 5,4636 
Ten peratun von. 132.604... 1212 laeere elaan sn nr + 0,0756 
Moisellemperatun) —135 93Ry2L- jorn eiajere.e elole efers elle re ee 863, 9758 
Elasticität des Fadens ....... else ERIC IRIE N, oe le 10,00 
anpeidespDendelst.epefsnarperetonede terenehehekenekapareferepokererätere —= F-+ 358, 5919 
Schwingungszeit = 1, 72494947 der Uhr = 4, 7204751 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1301, 5760 + 2,9601 € 
Reduction auf den leeren Raum. ...... ren. | — 0,0768 — 0,0002€ — 0,0807 k 


— aufdas zusammengeseizte Pendel .... | + 0,2010 
NEN DOC HRDERO Bl ekener en era. — 353, 5919 


Resultat des Versuchs ....... ern... F=|  446,1083 + 2,9599 € — 0,0807 k 


208 


Bessex: Bestimmung der Länge 
VersuchII. £4 Juni 1.5 9.335512. 
Fühlhebel links. Barometer = 337,15. Gang der Uhr = + 11} 797. 
Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m v [Au 1572495226 Fehler 
h 7 I (mern GREEN en re STTEEeEE GEN 
120 | 8" 34 6,9828 | 40,3 | 13,56 | 13,89 | 8" 34 6,9865 | + 0, 0037 
620 4s 29, 4751 | 36,1 48 29, 4745 | — 0, 0006 
1120| 9 2 52,9598 | 32,7 | 13,61 | 13,93 | 9 2 52,9603 | -F 0,0005 
1620 47 14, 4546 | 30,0 17 14,4446 | — 0, 0100 
2120 31 36,9245 | 27,1 | 13,57 | 13, 94 31 36, 9274 | 4 0, 0029 
2620 45 59,4095 | 24,7 45 59, 4090 | — 0, 0005 
3120 | 10 0 21,3875 | 22,6 | 13,56 | 13,94 | 10 0 21,8398 | + 0,0023 


3620 14 44,3628 | 20,7 


14 Ad, 3699 | + 0, 0071 
4120 | 29 6,8546 | 18,9 


13,56 | 13, 94 29 6,8492 | — 0, 0054 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 

Fühlhebels| «’ e” e” Lu U 

a a re en een 
Anfang ....... ERNee 60, 774 | 13, 66 | 13, 75 | 13,93 | 13, 56 | 13, 89 
Eindega-t ken ee 60, 783 | 137 13, 75 | 13, 93 | 13, 56 | 13, 94 
Nittelatt ne N RORER | 60, 7785 | 13,685 | 13, 75 | 13, 93 | 13, 56 | 13,915 
Gemessenerl.aneen 1ER F— 5,4664 
emperaforsvonAr — Aa An seele EN + 0,0757 
oisesy Temperatur — 1135 800 a ehe erene tere ee RE er + 563, 9751 
Elasticität.deskbadens = =... 12 es are teeteerete gro netste arsrereree Kelle + 0,0041 

TLängerdesfBendelsuor ne ragen gene ereneneketekese ee reger — F-+ 555, 5885 


Schwingungszeit 1, 72495226 der Uhr —= 4, 7204772 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels.... 13047 5792 ++ 2,9602 € 
Reduction auf den leeren Raum 


— auf das zusammengesetzte Pendel.... | + 0,2010 
NE N Re EEE — 553, 5385 


SR Bor eNaleifelleiekune te — 0,0769 — 0,0002 € — 0,0808 k 


Node u 446, 1148 + 2,9600 € — 0,0808 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 209 


Versuch. «. 'Juni-f. 17 322SE72. 


Fühlhebel rechts. Barometer — 338706. Gang der Uhr =+ 41, 731. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m v UN 1572125953 Fehler 
mn N GELER GREEN GREERN Ge En 7 
110 | 0:27 58, 6697 38,0 | 12,51 | 12,91 | :0°27 58, 6635 | — 0, 0062 
610 42 20,8029 | 28,4 42 20, 8013 | — 0,0016 
1110 56 42,9317 | 21,7 | 12,55 | 12,95 56 42, 9354 | + 0, 0037 
1610 | 41 11 4,0630 16, 8 1 11 4,0675 | + 0, 0045 
2110 25 27,1992 | 13,0 | 12,65 | 13,06 25 27,1987 | — 0,0005 
120 s172,9321 || 37,9) | 12,79 | 13,44 34 2,9346 | ++ 0, 0025 
620 4s 25, 0713 25,4 48 25,0737 | + 0, 0024 
1120 | 2 2 47,2099 | 21,5 | 12,93 | 13,29 | 2 2 47,2093 | — 0, 0006 
1620 47,2.9,,3413 16, 8 17 9,3430 | + 0, 0017 
2120 31 31, 4815 13,0 | 12,99 | 13, 37 31 31,4756 | — 0,0059 | 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e’ e” Eh {P zw 
pri 0 o 0 I} 0, o 
Anfanalrafeis ei ose ein elete.| 7155067 142,83; a2 ara 112,971, 12,743 71 12,:94 
Endet later elsteisetettgen | 11.1.0220 11,135.02416125 964 [e135 12 El 
Mittel aoaeetocse.e.dasl 74,.0445 112/925 12,565; |,1350457912,7251113,%5 


Gemessene Länge ...seonseneeonenenennnene innen — 6,3897 


Temperatur von P,— 12290). se1are sraleratotetefntel tere etenıeel rare e ste 05.0712 
Toise, Bemperatur— 12, 97..ere00 sieistereleiieie la etn ee ine seele 48063, 9661 
Blasticıtät des Kadensterereierererotefanoreterofotetoreketeteteteleieteretere ee 1.05.0041 
Länge:des;Pendels ...1 ee re reitet rettete nenne — RE 857516517 
Schwingungszeit 1, 72425958 der Uhr = 1, 7197851 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 130375298 + 2,9577 € 
Reduction auf den leeren Raum. 2... 2.2.22... | — 0,2319 — 0,0005 &E — 0,2298 k 
— auf das zusammengesetzte Pendel.... | + 0,6415 
— auf Rene elle een nee nadere 177831510517, 


Resultat des Versuchs ............. F=|  446,2877 + 2,9572€ — 0,2298 k 


Mathemat. Abhandl. 1835. Dd 


210 Besser: Bestimmung der Länge 


Versuch 11. .:.Junn2. 410°7.St. 2: 


Fühlhebel links. Barometer — 333,43. Gang der Uhr = + 11} 636. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m „4 u 1, 72427471 Fehler 
h 7 ” L Der o h 7 Zn c „ 
100 | 9° 3 32, 4413 | 40,2 | 14,36 | 15,13 | 97 3 32,4506 | + 0, 0093 
600 17 54, 6039 | 30, 0 17 54, 5973 | — 0, 0066 
1100 32 16, 7432 |: 22, 14, 61 | 45, 22 32 46, 7402 | — 0, 0030 
1600 46 38, 8847 | 17,6 46 38, 8309 | —— 0, 0038 
2400: |. 10. 1 4,0165 |213,9 |44,170 |'45,:2 10 4 1,0206 | + 0, 0041 
110 9 23, 6908 | 40,0 | 14,70 | 15, 31 9 23, 6953 | + 0, 0050 
610 23 45,8478 | 29,6 23 45, 8434 | — 0, 0044 
1110 33 7,9914 | 22, 44,71 | 15, 44 335 7,9870 | — 0, 0044 
1610 52 30,1338 |. 17,3 52 30,1283 | — 0, 0055 


2110, |H142 16 52,,2592 | 135.61 adayzz 15,46 | 11 6 52.2685 | + % 0093 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e e” e” v 20 
een) in nn N —— 
Anlangı te nun ereasietsere 174,003 ib 14,03 | 14,28 | 14,42 | 14,30 | 15, 41 
ou | 


Eindeay are Suorelotekesscrdlerene 
Miele Sa 


71,015 | 14,41 14,6 44, 81.| 15,47 
71,009 | 14,22 | 14,455.| len 29 
see Dre bis ass Ib8 65 3365 
Temperatur. von P== 14930... m... einer See ee 0,0 


Toise, Temperatur —= 11,52. \eaeisieiea lie ee leisieielenneiel sie elatezere/dnlee 3039818 
BlastieitätcdesiBladensıs 27... 2.cnesere eleustelekehekenekelens jene ele le Lens porelea It 30540044 


Länge des Pendels ...... one. oneannneeeenee. — E-+1857, 6784 
Schwingungszeit 1) 72427471 der Uhr = 1, 7197983 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels..... 1303, 5499 4 2,9578 € 
Reduction auf den leeren Raum... .....2.2.2...| — 0,2306 — 0,0005 € — 0,2235 k 
— aufdas zusammengesetzte Pendel.... | + 0,6415 
N aURIR er ee ehealen ne lalal an onenal ol enekoleheken| rm BD LEO SL 


Resultat des Versuchs ......cc..:. F==| . 446, 2824 + 2,95738 — 0,2285 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 211 


Versuch I. c. Juni 2. . 1",8" St.'2. 
Fühlhebel rechts. Barometer — 338/65. Gang der Uhr =+ 11, 369. 


Schwingungsweite und 


Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen m v | ‚2 1300225562 Fehler 
h 7 „ L 0 | „o h ’ TZaR „ 
0 020" 51,5 13,3 | 13,62 | 14,06 | 0° 20’ 51,4993 | — 0) 0007 
s82 35. 35,5 10, 95 35 35,4992 | — 0, 0008 
1766 50 21,5 9,05 | 13, 79 | 14, 22 50 21,5004 | -F 0, 0004 
2651 2.511885 7,55 1 5 85017 | + 0,0017 
3536 19 55,5 6,3 | 13,91 | 14,33 19 55,5016 | + 0, 0016 
4420 34 44,5 8 34 41,4985 | — 0, 0015 
5306 49 29,5 4,5 | 14,02 | 1444 49 29,499 | — 0, 0006 
Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 
des 
Fühlhebels ed e' e” v [A 
Me, {) l 0 | „o } 0 
Anfangree.neeoseocenee | 65, 1415 | 13,75 | 13, 99.|.14, 171.43, 56 -|. 14,00 
indestehefetgersia stetelecetel state len a: 14,419 | 14, 61 
Mittel o..aoeoesnceenne. | 65133 | 13, 89 | 14,065 | 14,245.|.13,875.|.14,305 


GemesseneFänge.. cur emieleheuere orenenehsrnnereie Dem ohne re SER Et 
Temperaturvon Fl — A3N95E rn ierelererom en are olormre.c ol ala) rei 201000 
Blasticitatides@Eladens siesskerenokenese uote zehehenetenetetolenelane Ierensie tele Mehr 100044 


Länge des Pendels .....cor.r0c0orceeecennen era se = F— 5,7797 
Schwingungszeit 1) 00225562 der Uhr — 0, 9996506 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... A440, A221 ++ 0,9993 € 
Reduction auf den leeren Raum .......2..2.22.2.. | — 0, 0782 — 0,0001 8 — 0,0775 k 


’ 


— aufdas zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0485 
aut El elere era erenalererenats te tarele tue relejtehee |n-Fr 55, 11197, 
Resultat des Versuchs... 2.222 e er... F=| 446, 0751 + 0,9992 8 — 0,0775 K 


Dd 


[82] 


312 Besseu: Bestimmung der Länge 


Mersuch HM. ad. Juni 3. , 3 18,852. 
Fühlhebel links. Barometer — 337, 64. Gang der Uhr = + 11, 481. 


Schwingungsweite und 


Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen (E [42 1500226600 Fehler 
h 77 [ L o Oyy h ! 7 ” 
0 8 31 28,5 13,3 | 15,83 | 16,44 | S 31 28, 49s4 | — 0, 0016 
879 46 9,5 la 46 9,5010 | + 0, 0010 
1758 9 0505 9,15 | 15,94 | 46,55 | 9 0 50, 5000 0, 0000 
2639 15 33,5 748 15 33,5017 | + 0, 0017 
3519 30 15,5 6,2 | 16,23 | 16,78 30 15,4999 | — 0, 0001 
4400 Ak 58,5 a 44 58,4997 | — 0,0003 
5281 59 41,5 4,45 | 16,39 | 17,00 59 41,4993 | — 0,0007 
Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 
des 
Fühlhebels| e e” e'" {A [A 
—— (tn | (tn | (tn | (un, 


Anfang ..ensaoreneenee | 65,124 | 15023 | 15052 | 15099 | 15083 | 16027 
Einde were. er 002 602000.152193 16521205 ae 16,78 | 16, 39 | 17, 05 
Mittel ...uoossosconcen.| 65122 | 15,57 | 15,865] 16,385 | 16, 11 |.16, 66 
Gemessene Längen ne le 
Femperatur,yon Fl A567 2.00. emo ca nelenielee u.ete ereke slaele 1 F-10N0865 
Blasticitätides Kadens, eersreicke eine lole erere\etelstelelete 10 ie erereleietet tete rLONOONKE 


Tängexdestbendelsp.rersTelalaie elo,eLesenaroienefatereferero/e.e slele ea EL 5511692 
Schwingungszeit 1) 00226600 der Uhr — 0, 9996622 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... 440, 4323 + 0,9993 € 
Reduction auf den leeren Raum „2.22.22... | — 0,0773 — 0,0001 8 — 0,0766 K' 
—  aufdas zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0485 
_— AU role en leraletstahe lotekekete, «un -t-255 11092 


Mesultat/des Versuchs. 4.002 tere ae ech EL | 446, 0757 ++ 0,9992 € — 0,0766 k' 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 


Versuchll. e. Juni 3. 4" 238% St. Z. 


Fühlhebel rechts. Barometer == 337/26. Gang der Uhr = + 11/823. 


Redueirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 

Beobachtungen m {R 10 172429336 Fehler 
BE | en en onen) BROT 
130 | 0'22 23, 1566 | 40,0 | 16,21 | 17,03 | 0'22’ 23, 1574 | ++ 0, 0008 
630 36 45, 3155 297 36 45, 3151 | — 0, 0004 
1130 51 7,4124 | 22,4 | 16,40 | 17,19 51 7,4688 | — 0, 0036 
1630 | 1 5 29,6166 | 16,7 1 5 29,6205 | + 0, 0039 
2130 19 51, 7716 | 13,2 | 16,45 | 17, 28 19 51, 7710 | — 0, 0006 
150 30 56,6369 | 39,1 | 16,49 | 17, 32 30 56, 6368 | — 0, 0001 
650 45 18, 7961 29, 6 45 18, 7956 | — 0, 0005 
1150 59 40, 9461 | 22, 16, 68 | 17,55 59 40, 9507 | + 0, 0046 
1650 | 214 3,1100 | 17,2 2 14 3,1040 | — 0, 0060 
| 2150 28 25,2544 | 13,4 | 16,83 | 17,70 28 25,2564 | + 0, 0020 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e’ €" ee” 2 zu 


— | [rn [rn ln 


Anfang ileneoseneeenee 


"018 | 16/16 | 16,50 
EindeWteislersieie eis late eeieiele | 


71, 
16, 46 | 16, 79 


16,88 | 16,16 | 17,00 
70, 971 | | 


17,08 | 46,90 | 17, 78 


Mittel ..ooeeoeeoeeeeee-| 70,9945 | 16, 31 | 16,645 | 16,98 | 16, 53 | 17,39 


Gemessene Länge oo. -oenneoseacnnnsnnnennne same nn. B— 65.3852 
Temperatur-yon EI A6NAh an none else near neun ee ee 0,,0908 
Toise) Temperatun— A6n8h =... 00 neesisie on aueneee res A SE 005 
Bilasticıtät desnHadensts carsıesıe sloLeorelar arena, onekelleraresereters to enele era hr 051002 


Länge des Pendels ...oe.coreeeseonenesnsennnne —= F+ 857, 7148 


” 


Schwingungszeit 1) 72429836 der Uhr = 1, 7198255 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels.... 1303, 5911 + 2,9579 € 


13 


Reduction auf den leeren Ranm....»e..2.2.2.... | — 0,2232 — 0,0005 € — 0,2262 k 


— aufdas zusammengeseizte Pendel....|+ 0,6415 
AUS Nestle le sin! elatehekonekereter sten | BON AUS 


Resultat des Versuchs „2... ss00. F=| 446, 23896 + 2,9574 8 — 0,2262 k 


214 Besser: Bestimmung der Länge 


Versuch ll. I Juni, 12 31/8122, 


Fühlhebel links. Barometer — 337, Ar. Gang der Uhr = + 11} 996. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m iR | m 17772430033 Fehler 
h 7 72 L o o h ’ EIERN, n 
110 | 0 25 40, 6852 | 40,5 | 17,09 | 18,25 | 0'25 46, 6845 | — 0, 0007 
610 40 2,8415 30, 4 40 2,8437 | + 0, 0022 
1110 54 24.9967 | 23,1 | 17,38 | 18,36 54 24,9990 | + 0, 0023 
1610 |: 1! 8 47,1595 | 17,6 11.8 47,4522 || — 0,0073 
2110 23 9,3005 13,7 | 17,45 | 18,43 23 9,3041 | ++ 0, 0036 
120 32 52,9195 | 40,4 | 417,49 | 18,47 32 52,9215 | ++ 0, 0020 
620 AT 15,0865 | 30,3 AT 415, 0821 | — 0, 0044 
1120 | 2.1 37,2373 | 22,7 \ 17,60 | 18,67 | 2 1 37,2387 | -+ 0,0014 
1620 15 59, 3914 | 17,5 15 59, 3931 | # 0, 0017 
| 2120 30 21, 5472 AI HASTE ST | 20 21, 5466 | — 0, 0006 | 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels ed e” e" X 42 
R o o Foren o 0 
Anfang....... Sleleisio oe ersre 111 14,103311. 104.735 017,778, 1.1818. 1.47.04. 18,922 
Eindeme en steno ed el elerecererenetete 1167031980 l1n,55 105 a 16 18, 83 


Mütteltsy Versve anetefe lee stereferte 


71, 0065 | 17,45 | 17,855 | 18,255 | 17,405 | 18,525 
Gemessene Länger Se ju.ce nen en ne ee le 6X3863 
Temperatur.von > 17591 Mealeeice ei ala nkaerene ee ee + 0,0971 
Toise,gRemperatur —=1185109e are 'o ale ein olet el feteierore 2 olekel ale ererektee OT 
Blasticitätides.Hadensr ri ee ee re ae OO 

Längerdes’Bendels'.........2...0.0. 10 01010.0.0jereieieserarsse,o,eerere, —— EL =}-18515,11326 
Schwingungszeit 17 72430038 der Uhr = 1) 7198310 M. Z. 1 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1303, 5994 4 2,9579 € 
Reduction auf den leeren Raum. „2... ....... | — 0,2276 — 0,0005 € — 0,2256 k 

—_ auf das zusammengesetzte Pendel ....|-+ 0,6415 

EL RE AR A ER > a8, 7326 


Resultat des Versuchs. ..eeeeeo... F=|  446,2807 + 2,9574€ — 0,2256 


[89] 
een 
ou 


des einfachen ‚Secundenpendels ‚für Berlin. 


Mersuchtill.na: Jun. 280 Stı 2: 


Fühlhebel rechts. Barometer — 339, 30. Gang der Uhr =+ 12, 044. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen u | 1 U 1572513960 Fehler 
140 | 1° 2 55,5322 | 42,7 [18,05 | 19,04 | 1° 2 55,5361 | +0, 0039 
640 17 18, 1187 38,1 17 18,1180 | — 0, 0007 
1140 31 40, 7024 34,6 | 18,12 | 19,18 31 30, 6975 | — 0, 0049 
1640 46 3,2735 31,4 46 3,2753 | + 0, 0018 
24140. 2) 0 25,8552 :| 28,3 (18, 25°|119,27 | 2 0 25, 8519 | — 0, 0033 
2640 14 48,427& | 25,9 14 48, 427 + 0, 0001 
3140 29 10,9979 | 23,6 | 18,43 | 19, 45 29 41,0025 | # 0, 0046 
3640 43 33,5797 | 21,6 43 33,5771 | — 0, 0026 
4140 | 57 56,1503 | 19,9 | 18,60 | 19, 62 57 56,1515 | ++ 0, 0012 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels ed e” €” 14 24 
Gen Ger Sen (N ee TEN. — 
Anfang s2osroenneseneee| 57,899) | 18,00.| 18,58 | 18,98 "48203 | 19200 


Ende .2.....ce200r000. | 57,844 | 18, 34 19,13 | 18,65 | 19, 67 


| | 
Mittele „oueo. 00.020000. | 57, 8745 | 18, 17 | 18,705.| 19,055 | 18,34 | 19,335 


Gemessenebange 1.0.1: Aekserreleie aloe lerne leneieneieleineleeie- PRR 0005552050 


Temperatur von F— 1835 0004 000.0.0.0090002 395 00.0000 
‚Toise, ‚bemperatur— 18,,901 e 0... 0 oeie.e e/e.ea » o.eie eleie/ein olsroleiereie «4804, 0259 
BlasticıtaggestRadenskterereketeerazeieı e ejofereferefere,sterafstererete (era ie ON 00M 
Länge des Pendels..,ei. e.eieriere sreieiereie oieie eiernieieieiolore a = Alt 85859263 
Schwingungszeit 1) 72513960 der Uhr = 1) 7206691 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1304, 8703 + 2,9608 € 
Reduction auf den leeren Raum .........2....| — 0,0761 — 0,0002 8 — 0,0800 k 
— aufdas zusammengesetzte Pendel.... | -+ 0,2067 
au Eee seen einte 0 order een 183 8519263 


Resultat des Versuchs... ..eeeso... FP=| 446, 0746 + 2,9606 8 — 0,0800 k 


916 Besser: Bestimmung der Länge 


Versuch l1l. 2 Juni 7. 1° 49 St. Z. 


Fühlhebel links. Barometer — 339, 64. Gang der Uhr = + 12) 133. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m v [62 1572516254 Fehler 


140 | 0" 47’ 545303 | 42,5 | 19P80 | 21901 | 0" 47’ 545333 | +0, 0030 
640 | 1: 2 47,1227 37,9 41 2 17,1261 | + 0, 0034 


1140 16 39, 7205 | 34,0 | 19,94 | 21,10 16 39, 7165 | — 0, 0040 
1640 S102,3033.0 1m 31,1 31 2,3054 | — 0,0029 
2140 45 24,8949 | 28,1 | 20,17 | 21,26 45 24, 8931 | — 0, 0018 
2640 59 47,477 25,5 59 A7,As0t | + 0, 0025 
3140 | 2 14 10,0713 | 23,5 | 20,42 | 21,41 | 2 14 10,0666 | — 0,0047 
3640 28 32516513 | 21,5 23 32,6528 | + 0, 0015 
4140 2 55,2357 | 19,4 | 20,62 | 21, 63 2 55,2357 | + 0, 0030 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e e" e" v (AD 
Pi o o I) 0 o 
Anfang ooeooocuneeeoeee| 51,874 | 49.7830 20,52 || 20,88) || 49,778. | 21.200 
Ende ....eeceeenseneeeı 57,813 | 20,23 | 20, 72 | 21,08 | 20,62 | 21,78 


Mittel... 20,055 | 20, 62 | 20,98. | 20,.20 |. 21, 39 
Gemessene Länge . 


Sa sl 5782 


nelelele ee ee ee ee 52023 
Memperatunsron hf 100425227212 eialererelejeleratele 2 Re: + 091118 


Toise, Temperatur = 20,82. ...or..sseronoreocononnnenene. 864, 0453 
Elasticität. des,Wadensieeeereie oletelokete ereloleleleie.e oo elereke ee = 05004 
Länge des Pendels.......o-.eorereereeeneennnee —= F+ 858, 9589 
Schwingungszeit 1, 72516254 der Uhr = 1, 7206937 M. 2. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1304/9076 + 2,9609 € 
Reduction auf den leeren Raum . „2... .......| — 0,0757 — 0,0002 € — 0,0796 k 
—  aufdas zusammengesetzte Pendel.... | + 0,2067 
EI I 0100 aan oon — 858, 9559 


Resultat des Versuchs... ser... P=| 446, 0797 + 2,9607 8 — 0,0796 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 


Versuch III. c. Juni 8. 10* 36’ St. Z. 
Fühlhebel rechts. Barometer = 33563. Gang der Uhr = + 12) 208. 


Schwingungsweite und 


Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen u IR 2 1500273932 Fehler 
h m „ L Or o hyyr 7 n 

0 9 4 22,5 12,05 | 22,41 | 23,17 | 944 22, 4985 | — 0, 0015 
715 56 19,5 1497 56 19, 5014 | # 0, 0014 
1429 109° 8915, 5 11,05 | 22,46 | 23,22 | 10 8 15,5009 | -+ 0, 0009 
2143 20, 5 10,5 20 11,4997 | — 0, 0003 
2358 320855 9,95 | 22,52 | 23, 34 32 8,5007 | + 0, 0007 
3572 44 4,5 9,45 44 4,4985 | — 0, 0015 
4287 SomMA, 3 9,05 | 22,58 | 23, 42 56 1,4986 | — 0, 0014 
5003 142 :70159,,5 8,6 11 7 59,5012 | + 0, 0013 
5718 19 56,5 8,05 | 22,63 | 23,45 19 56, 5004 | + 0, 0004 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e e” e” | v La 
BE RESEN EREN NERTE, EEE Eee sEueeE: 
Anfangrs CYeterstelerstefereleleiene 159, 1025 | 21, 87|.22,.45.1. 22,96 |.22, 41 |.23, 06 
Endeaeganrs Nefens 2 een 59,101 | 22,21 | 22,89 | 23, 26 |.22, 63 | 23,45 
VNA AD RRBARBALHEE . | 59, 102 | 22, 04.|'22, 67 |.23, 11 |.22, 52 | 23,255 
GemessenenlJan else eye reie eleke penekeneseresckehenepehegenereheAcpekekeh euehefenckefe F— 5, 3156 
Mempenatursvon 92,25 era nase sickener eher etenenne Ele + 0, 1229 
Elasticitatsdes\KadenshereVeschevehsyenanehenerckoi sveneneneteneneh en er enenshe ats hetele + 0, 0014 
Tranmerdes!Pendelsiuysutenrtetonoretelekedoxckeroxerenskenshekekelekegereie „= F-— 5,1913 
Schwingungszeit — 1, 00278932 der Uhr = 1, 0001926 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... 4407-8998 + 1,0004 & 
Reduction auf den leeren Raum .............. — 0, 0253 — 0,0001 8 — 0,0266 k' 
— auf das zusammengesetzte Pendel. ..... | — 0, 0549 
UN HAauUflE SE der ehehe elsannencheheuenefe EM —+- 5, 1913 
Resultat des Versuchs ......%..J...... F— | 446, 0109 + 1,0003 & — 0,0266 K' 


Mathemat. Abhandl. 1835. Ee 


27 


218 Bessen: Bestimmung der Länge 


Versuch MI. & !iJuaı 8 :4°1437852 


Fühlhebel links. Barometer = 339/00. Gang der Uhr = + 12) 330. 


l 


Schwingungsweite und 


F Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen BR [8 2. 1700278219 Fehler 
a er De zu EN L 0 o h r „ „ 
0) 00520.15,,5 12,55 | 20,95 | 21,62 | 052 15, 5014 | + 0, 0014 
715 4) 4142,,5 12, 0 1 4 12,4997 | — 0, 0003 
1431 16 10,5 11737 245101 11215773 16 10, 5000 0, 0000 
2147 238 8,5 10, 75 23 8,4995 | — 0, 0005 
2363 0 65 10,19 021,12) 0245278 40 6,4984 | — 0, 0016 
3580 52 05,5 9, 65 52 5,4995 | — 0,0005 
4297 2) KEN 9,25 | 21,18 | 21,54 | 2 4 4,5002 | -F 0, 0002 
5014 AG 3,5 8,8 16 3,5006 | + 0, 0006 
5731 | 232,5 8,35 | 21,29 | 22,00 238 2,5007 | 4 0, 0007 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlbebels ed e” e" Zu UL 


Anfang. ooeoeneoenennee 


59,080 | 20,91 | 21°46 | 2193 | 20°34 | 21256 
EindeXere ie ala elelotelalarerereieke 


59,068 | 21,20 21,35 | 22,00 
Mittel .....0..00000....| 59,074 | 21,055 | 21, 56 |.21, 98 | 21,095 | 21, 78 
Gemessene länge... jaispnrtnrnicne en nramicnae nen er um np ee 
Temperatur von F == 21/22 Blefekolelelenorelatolskenederakene Ale e Reto Kaltat oa EL ROHR 
Blasticitättdes-Badens: ».u.1.ssusenexonsseneuoxokenekereverereseiete een nm aletelelee | 


Wängerdes/Pendels voreraseraranetoratatetossieienete Lofakereteteketeke jene ae le A D/ES 
Schwingungszeit = 1, 00278219 der Uhr = 1) 0001869 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... | 4408948 + 1,0004 € 
Reduction auf den leeren Raum ©. 22....2.2.... | — 0, 0254 — 0,0001 & — 0,0267 k' 
— aufdas zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0549 
—_— aubi DACRS ER ereharerokexorsintene lekekeien ken AD 
Resultat des Versuchs ses seeeneen.. F| 4460090 + 1,0003 8 — 0,0267 K’ 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 219 
VersuchIIl. e Juni 9. 10° 44 St. 2. 
Fühlhebel rechts. Barometer — 338) 63. Gang der Uhr = + 12) 576. 
Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen k u U 1, 72515492 Fehler 
120 | 9 42 26, 0190 | 43,1 | 22,62 | 23,35 | 9'42 26, 0134 | — 0, 0056 
620 56 48, 5982 | 38, 8 56 48, 6044 | ++ 0, 0062 
1120 | 40 11 41,1975 | 35,0 | 22,73 | 23,38 | 10 41 11,1929 | — 0,0046 
1620 25 33, 7748 | 31,6 25 33,7795 | + 0, 0047 
2120 39 56,3604 | 28,6 | 22,69 | 23,35 39 56, 3643 | + 0, 0039 
2620 54 18, 9478 | 26,1 54 418, 9479 | + 0, 0001 
3120 | 14 8 41,5340 | 23,9 | 22,71 | 23,39 | 11 8 41,5305 | — 0,0035 
3620 23004, 14550, 21,7 23 4,1123 | — 0, 0032 
4120 37 26,6914 | 20,0 | 22,75 | 23,41 37 26,6935 | + 0, 0021 
Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 
des 
Fühlhebels e e” e"” v UA 
Bar GE ee ee 
Anfang ......... PD 8018 58,069 | 22,36 | 22,74 | 23,06 | 22,53 | 23, 34 
Endesnekseoi@tstedehible | 58,077 | 22,55 | 22, 94 | 23,16 | 22,75 | 23,45 
Nittel pen nee ae ...| 58,073 | 22,455] 22,54 | 23, 11. | 22,665 | 23,395 
Gemesseneslänger ee ee ...F— 5/2231 
Mlemperätunron E22, 59 0 05. ee ee + 0,1247 
Meise, hemperatnri— 23,000 020 soeben 6a eich. Dos rehetekere 864, 0672 
BlasticıtätidesiBadensta ehe sseeiee a pe eroansteee sis + 0,004 
WangerdessBendelse ug th Veto ee = F-+-55s, 9729 
Schwingungszeit =") 72515492 der Uhr = 1) 7206949 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels . 1304/9094 -} 2,9609 € 
Reduction auf den leeren Raum. ............ — 0,0749 — 0,0002 € — 0,0787 k 
—  aufdas zusammengesetzte Pendel ....| + 0,2067 
u EL OL ARE 1 RR — 858, 9729 
Presultätides/Vensuchs.a. .... 4. Acocnen F=| _ 446, 0683 + 2,9607 € — 0,0787 k 


Ee2 


2 


0 


Besser: Bestimmung der Länge 


Versuch Ill. f£ Juni 9. 1° 41'St.2. 


Fühlhebel links. Barometer = 340, 41. Gang der Uhr =-+ 12, 990. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m [d II 1572513188 Fehler 
h N „ L o o h I 2 „ 
100 | 0° 39 48, 5095 | 41,8 | 20,13 | 21,19 | 0 39 48, 5067 | — 0, 0028 
600 54 11, 0811 38, 4 54 11, 0853 | —+ 0, 0042 
1100 | 1 8 33,6637 | 34,0 | 20,18 | 21,23 | 1 8 33,6615 | — 0,0022 
1600 22 56,2307 | 30,9 22 56,2358 | + 0, 0051 
2100 37 18,8107 | 28,1 | 20,24 | 21, 24 37 18, 8086 | — 0, 0021 
2600 51 41,3548° | 25,7 51 41,3803 | — 0, 0045 
3100| 2 6 3,9503 | 23,5 | 20,30 | 21,350 | 2 6 3,9513 | + 0,0010 
3600 20 26,5199 | 21,5 20 26,5215 | + 0, 0016 
A100 34 49, 0912 | 19,6 | 20,36 | 21, 36 34 49, 0912 0, 0000 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlbebels e’ e” e” [iR [2 
n 0 \ 0 1 0 0 0 
IAntanot. ep eht fernen 58,138 | 20,32 | 20,77 | 21,18 | 20,11 | 21,17 
Einde#e.% schreiten | 58, 096 | 20, 52 | 20, 87 | 21,18 |:20, 39 | 21, 45 
UI 823 Er BA Ra AR | 58, 117 | 20,42 | 20, s2 | 21, 18 | 20, 25 | 21, 31 
GemessenerLänge: era eheeletaeree ekaere leer ee F— 5/2270 
Temperatur von f = 20,56 le Kia feihieie denen ea everaffelefelerstelsneie + 0,1135 
Toise,»Remperatur — 21,08. 0° eo = 0000. ek aeisie ee eerdelcee eoonce 864, 0474 
Elasticität des Fadens......... Asteleia.s sI0 Karme erelesgels ae O0 
Länge des Pendels..1.r.4.0uresanesctseiateretore are ie aite feire ra Zei = F + 558, 9330 
Schwingungszeit = 1} 72513188 der Uhr = 1, 7206802 M. 2. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels..... 1304, 8871 4} 2,9608 € 
Reduction auf den leeren Raum. ............ — 0,0759 — 0,0002 8 — 0,0797 k 


— aufdas zusammengesetzte Pendel.... | + 0,2067 
BAU EL EN N RA en a en enter ae retenane ee — 558, 9380 


Resultat/dessViersuchs ..... « Joe stern. Al | 446, 0799 ++ 2,9606 & — 0,0797 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin 921 


VersuchIll. «. Juni 10. 7: 21’ St. 2. 


Fühlhebel links. Barometer —= 340,37. Gang der Uhr =+ 12) 930. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 

Beobachtungen m v Zur 1, 72446704 Fehler 
100 | 6.15 30,4539 | 40,2 | 21,13 | 21,96 | 6'15' 30, 4598 | + 0, 0059 
600 29 52,7040 | 29,9 29 52, 7030 | — 0,0010 
1100 44 44, 9379 22, 219354 1022,35 44 14, 9424 | + 0, 0045 
1600 53 3751866 | 17,5 55 37, 1797 | — 0, 0069 
2100 | 7 12 59, 4185 13,6 | 21,39 | 22,25 | 7 12 59,4160 | — 0,0025 
100 20 56,4005 | 40,4 | 21,42 | 22,26 20 56, 3885 | — 0, 0120 
600 35 .48,,6313. | 30,2 35 18,6330 | + 0, 0017 
1100 49 40,38735 | 22, 21,46 | 22,33 49 40, 8733 | — 0, 0002 
1600 | 8 4 3,1007 | 17,6 Ss 4 3,1114 | 4-0, 0107 
| 2100 18 25, 3484 13,61 215.55.1.22,137 | 18 25, 3482 | — 0, 0002 


Messung der Länge des Pendels, 


Schraube 

des 
Fühlhebels €’ e” e” v [#2 
oR o 0 o o o 
Anfang os eneoecennceeene|: 68,195 | 20,96 | 21,41 | 21,78 | 21,07 | 21,89 
Einde@.in are ce zefe eleie.e acht 695.194: || 21512911 21, 71 225,082 1024,,50.|.22,139 
Mittel. ..ooooeceoneenen| 68.1945 | 21,125 | 21,56 | 21,93 | 21, 32 | 22, 44 
GemessenelLänge, sie o oe era en ce nee nee nee ee ee Er 65433 


Memperaturivon Ei 210 37...020.010 0 sn:0.0 0 910.0 0.0 .0le elelekare else Ar 05 AUT 
TRoise, Temperatur — 21, 1Teree sieleisieieiorsieze ernie orofaterolenstetereteteferete18045,0549) 
Blasticıtätrdes-Badens.sreriereeielelersioree elsieleierelereetelt aloe era == 000 
Länge des BPendels.... „oc... sonen eonennenenen. = PH 858, 0431 
Schwingungszeit = 1, 72446764 der Uhr = 14, 7200164 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1303, 8805 4 2,9585 € 
Reduction auf den leeren Raum... ...2..22... | — 0,2265 — 0,0005 8 — 0,2245 k 
— auf das zusammengesetzte Pendel....|-+ 0,6585 
SE HAUSEN TefenofeTonstekerakel orotszerelenefefefeterere — 858, 0431 


Resultat des Versuchs ..oe.ocev er... F=| 446, 2694 + 2,9580 8 — 0,2245 k 


Besser: Bestimmung der Länge 


Versuch IIL.o. (Juni 10... 12 48St. 2! 


Fühlhebel rechts, Barometer — 341,39. Gang der Uhr =+ 12) 678. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m IR im 1572446293 Fehler 
h r ” f 7 1} h o h r 7 „” 
80 | 0’41 22,9516 | 33,9 | 19,51 | 20799 | 0" At’ 21,9531 | + 0, 0015 
580 55 45, 1937 29,1 55 45,1930 | — 0,0007 
1080 | 1 10 7,4284 | 21,9 | 19,93 | 21,06 | 1 410 7,4291 | -F 0, 0007 
1580 24 29, 6583 17,0 24 29,6631 | + 0, 0048 
2080 38 51,9025 | 13,4 | 20,08 | 21,08 38 51, 8962 | — 0,0063 
100 48 56, 4261 38,8 | 20,11 | 21,12 48 56,4200 | — 0, 0061 
600| 2 3 18,6553 | 25,6 2 3 18,6607 | + 0, 0054 
1100 17 40, 8956 | 21,9 | 20,20 | 21,21 17 40, 8976 | + 0, 0020 
1600 32.354387 16,9 32 3,1327 | — 0,0060 
2100 46 25,3622 | 13,2 | 20,36 | 21,36 46 25, 3669 | ++ 0, 0047 | 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e e" e" v 1” 
N en Fe Euer ee ern 
Anfang .ooerereeoneeene | 68,206 | 1993 | 20,67 | 20798 | 19778 | 20,96 
Ende. ocfee ie ses een nes >11 68, 1431 |.20,2211°20,77. 1424,08: [720,397 121,39 


Mitteloo2oeceeeeennnnn | 68, 1745 | 20,075 | 20, 72 | 21,03 | 20,085 | 21,175 
Gemessene Länge „..0.:23 00 cr 000 00h En nee A NT 
Temperatur/von.F —:20°29 2.00. .0bevenenoesecn eldtecre eo 120 


Toise, Temperatur =:20, 90, 20 eco see sem ses 00 ce olaerere ati sale 8610 RON 
Elasticität/des Wadens.. urso.ars einen en sera aa orziaree a ee => 100044 


Längeldes Pendelst. x... 100er oe area era ee ee er = SF 185810306 
Schwingungszeit — 1. 72446293 der Uhr — 1, 7200068 M. 2. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels.... 1303) 8659 + 2,9585 € 
Reduction auf den leeren Raum. ....2........ | — 0,2282 — 0,0005 8 — 0,2262 k 
_ auf das zusammengesetzte Pendel.... | + 0,6585 
—U AU Re ee el etetgfatntatetereteteterer | 85850306 


Resultat des Versuchs ... cc... F = | 446, 2656 + 2,9530 € — 0,2262 k 


[80) 
m 
= 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 


Versuch’IM1. .e&. Juni 14.117129 St. 
Fühlhebel rechts. Barometer — 340/11. Gang der Uhr = + 12/470. 


Schwingungsweite und 


Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen m 2. [2 1500253459 Fehler 
h ' „ L, [vr o h ’ 7 n 
0 040 0,5 13,4 | 20,62 | 21,34 | 0 40 0,5009 | + 0, 0009 
785 530175,5 143 53 7,4998 | — 0, 0002 
1572 1.764116,,5 9,4 | 20,62 | 21,28 | 1 6 16,5007 | + 0, 0007 
2358 19 24,5 8,05 19 24, 4974 | — 0, 0026 
3147 32 35,5 6,7 | 20,67 | 21,28 32 35,5003 | + 0, 0003 
3935 45 45,5 ST = 45 45,4997 | — 0, 0003 
A724 58 56,5 4,9 | 20,73 | 21,51 53 56,5012 | + 0, 0012 
Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 
des 
Fühlhebels e e” e"” [4 12% 


Anfang .coessueoesancee | 62,508 | 20276 | 21031 | 2163 | 20962 | 21234 
Endes ersfets efee elaefeltetekeer | 627456 I ee ae 21,51 
Mittel. .o..onccooseneine| 62,482 | 20,785 | 21,335 | 21, 63,| 20,67. | 21,425 


Gemesseneibänge ne ann sa ee edel ee 5516196 
Memperaturvon.F —,20° 9 elsleeoiescraretederokenn o.sjero.ele enerasee tere = OA SE 
Bilastieitätides,;Kadens. 2. era ale a oerslere erarsia.a aleraiareı a area ale ee 00H 
Länge des Pendels N 

Schwingungszeit = 1) 00253489 der Uhr = 0) 9999418 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... 4140, 6787 =} 0,9999 € 
Reduction auf den leeren Raum „........ +02... | — 0,0767 — 0,0002 € — 0,0760 K 
— 0, 0462 

+ 5, 5024 
Resultat des Versuchs ...occososo00.. F=| 446, 0582 + 0,9997 8 — 0,0760 K' 


— aufdas zusammengesetzte Pendel ..... 


Paula NE A ursreisl era ainte ollelelefatehetete 


994 Bzsseu: Bestimmung der Länge 


VersuchIIl. d. Juni 12. 10° 33181. Z. 
Fühlhebel links. Barometer = 338/96. Gang der Uhr = -F 12) 530. 


Schwingungsweite und 


Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen Mm Ta IR 1700253939 Fehler 
h ! 2} L o o h / ” ” 
0 9:49 21,5 12,1 | 22,24 | 22,73 | 9.49 21, 5007 | -+ 0, 0007 
783 10 2 26,5 10, 25 10 2 26,4978 | — 0, 0022 
1569 15 34,5 8,65 | 22,35 | 22, 84 15 34,5002 | + 0, 0002 
2355 28 42,5 7,4 23 42,5012 | + 0, 0012 
3141 4A 50,5 6,25 | 22,41 | 22, 94 41 50,5011 | + 0, 0011 
3927 54 55,5 53 2 54 58,5002 | + 0, 0002 
A713 142 83106,,5 4,5 | 22,46 | 22,94 | 11 8 6,4987 | — 0,0013 
Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 
des 
Fühlhebels| « e” ee v 1% 
R N 0 () 0 0 | 0 
Anfang .oceeeesoeneeen.| 62,500 | 21,87 | 22,35 | 22,471 22,07 | 22/773 
Eindeeb-jerete (erg erefeyetsrera1aler 16210192 29,14 | 22,55 22, 87 930821] 23408 


IInttelWope peter ee rare ren 6254196 


21,99 | 22,45. | 22,,67:| 22,295 | 22,865 
Gemessene angeln laleersieleleie a nee ea 15:,6209 
Temperatur von.E— 12204 54s.1eepere:oreteteteneiolerererene. Srafaleleterer sie 10 = 0,1223 
ElasticitätXdes)Eadensii.erereetereners eiereraeter eos steel ONO0AL 
TrangerdesiBendelser-ienciereie orele sie lsie ee reäe latente ee EN L9TL | 
Schwingungszeit — 1 00253989 der Uhr = 0, 9999475 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... 4405 6837 —+- 0,9999 € 
Reduction auf den leeren Raum „2. ..2.220..0 00. | — 0,0760 — 0,0002 & — 0,0753 k' 
— aufdas zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0462 
— aufcHl. Aell rare dehaoreneleeele ekeeke.e en, | eher 
Resultat des Versuchs... 2.0... F| 446, 0587 + 0,9997 € — 0,0753 K 


r 
ou 


des einfachen Secundenpendels ‚für Berlin. 9 


VersuchIII. e. Juni 12. . # 38’ St. Z. 


Fühlhebel rechts. Barometer == 338,03. Gang der Uhr = + 12) 686. 


Reducirte Mittel | Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 

Beobachtungen m U [2 1, 72447936 Fehler 
En ——n Varna En ARTEN GEN ae ee ri m, ; GE 
100.| 1 31 59, 4535 | 38,7 | 20,96 | 21,67 | 1 31 59, 4604 | +- 0, 0069 
600 46 21, 7051 29, 8 46 21,7086 | 4 0, 0035 
1100| 2 0 43,9580 | 22,2 | 20,96 | 21,69 | 2 0 43,9530 | — 0, 0050 
1600 15 6,1990 Ati 15 6,1951 | — 0, 0039 
2100 29 23, 4375 13,4 | 20,97 | 21,76 29 28,4360 | — 0, 0015 
100 3105734353, |, 39,50 1621,00, 215:82 37 57,4324 | — 0, 0029 
600 2 19, 6825 29,8 2 19, 6814 | — 0, 0011 
1100 | 3 6 49, 9276 | 22,4 | 21,07 | 21,85 | 3. 6 41,9264 | — 0, 0012 
1600 21 4,1764 12 21 4,1693 | — 0, 0071 
| 2100 35 26,3990 | 13,4 | 21,32 | 21,94 35 26,4113 | + 0, 0123 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 


des 
Fühlhebels e e” e” IB um 
o 0 0 | or 0 
Anfang ..eeeeeeeereneen 687040 RN IR 21, 48 | 20, 96 | 21, 67 
Ende ae neennssccicn| a0 015 Kaetalane ee 
Mittele ade sane nn. ]N6 75 | 20,905 | 21,335 | 21,53 | 21,18 | 21,835 


en er RT UN 60181 
Temperatur von F = 21,05 oreketoteleretzteleferenetekeretotelekoteleleleretsren a Tune 0, 1102 
Moise, „Wemperatunr — 21215 eatexetotereteterefereietereleieroferejele, suoreietaleier 2313 045,054.0 
EilasticitatidesrRadenskrekrelerersleroreratotehetetehelonsteretefenstenororet Fell RTE0SLOOHN 

EN Le ee 


Schwingungszeit — 1, 72447936 der Uhr = 1) 7200233 M. Z. 

Entsprechende Länge Be En Pendels... ... 1303/8910 + 2,9585 € 

Reduction auf den leeren Ranm.............|— 0,2251 — 0,0005 8 — 0,2231 k 
— auf das zusammengesetzte Pendel....|-+ 0,6585 


EN ann een REEL 85840535 
Resultat des Versuchs „..e..2..... F=| 446, 2709 + 2,9580 € — 0,2231 


Mathemat. Abhandl. 1855. Ff 


9236 Bessen: Bestimmung der Länge 


Versuch III. SR Juni 183. .117808St22. 


Fühlhebel links. Barometer — 337/06. Gang der Uhr = + 12, 772. 


Redueirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen IR (RR 1372447669 Fehler 


se L 0 0 NER er n 
120 | 10: 23 37, 9388 38,0 | 22,02 | 22 49 | 10. 23 37, 9372 —l 0016 


620 38 0,1798 || 28,6 38 0,1846 | + 0, 0048 
1120 52 22,4255 | 21,8 | 22,02 | 22,42 52 22,4283 | 4 0, 0028 
1620 | 11 6 44,6595 | 16,6 11 6 44,6696 | + 0, 0101 
2120 21 6,9259 | 12, 22.02 122433 21 6,9096 | — 0, 0160 

110 29 20,6961 | 38,5 | 22,02 | 22,29 29 20,6919 | — 0, 0042 

610 43 42,9429 | 29,0 43 42,9393 | — 0, 0036 
1110 58 5,1847 | 21,9 | 22,02 | 22,33 58 5,1827 | — 0, 0020 
1610 | 412: 12 27,4158 | 16,8 12 42 27,4239 | + 0, 0081 
2110 26 49, 6622 | 13,0 |'22,02 | 22,34 | 26 49, 6639 | + 0, 0017 


Messung der Länge des Pendels. 


Mitteln keller ee 


Schraube 
des 
Fühlhebels e e” e"” {B AU 
2 0 o ER o 0 
Anfang....oeeecoeseeene]| 68,050 | 21,87 | 22,15 | 22,33 | 2202 | 22,50 
EndeayerYerskteleererekelsregeen | WOSOST N 2 TRR8.T | 22,02 | 22,34 


68, 0655 | 21,87 | 22,175 
Gemessene Länge. ee Stans 
Temperatur yon P— 1212,97 22.0 ou 2a sem ORTS 
Moise, lemperatun— 32 2125 1e era etekeleteketentofekelerele saleyeke arehelekorel en 36121059 
ElasticitätrdesRadenswersteieienetersvereserstehetoiere one ea ee ee ehe ee ON 00 


Längerdes}Dendelsperstererzreler-ieefofere aterarehele ala enter el HT 858510633 
Schwingungszeit = 1, 72447669 der Uhr = 4, 7200224 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1303}'8896 + 2,9585 € 
Reduction auf den leeren Raum. oe. 2.220200. | — 0,2238 — 0,0005 8 — 0,2218 k 
— aufdas zusammengesetzte Pendel....|-+ 0,6585 
RR 95800633 


Resultat des Versuchs oc. oeoec.0... A | 446, 2610 + 2,9580 € — 0,2218k 


des einfachen Secundenpendels ‚für Berlin. 92m 


VersulchaV. @\ Juni 12. . 2492St2273 


Fühlhebel rechts. Barometer = 337,06. Gang der Uhr = — 0,73. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen u u ur 1572540478 Fehler 
[ Z „ j, nit) 0 o h ! ” „ 
110 | 4 14 17, 8064 | 41,4 | 18,20 | 19,05 | 1 14 17, 8090 | -F 0, 0026 
610 28 40,5204 | 37,2 28 40, 5239 | + 0, 0035 
1110 aesn242330| 33,52118512081019) 05 43 3,2364 | — 0, 0059 
1610 578255950871 30,5 57 25, 9471 | — 0, 0037 
2110| 2 11 48,6579 | 27,9 | 418,21 | 19,04 | 2 41 48,6564 | — 0, 0015 
2610 26 11,3627 23 26 11,3646 | + 0, 0019 
3110 40.34, 0696 | 23,1 | 18,25 | 19,00 40 34, 0718 | + 0, 0022 
3610 Sun56, Tas | 21,3 54 56,7782 | + 0, 0036 
A 


3 
! 
4110 | 3 9 19, 4868 19, 18,25 | 19,00 | 3 9 19, 4840 | — 0, 0028 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e’ e"” e"” 2. EM 
Rn o o b} 0 o 
Anfang. .eecerennsencee,| 58,218 | 18,:63.| 18, 98 |.19, 18 | 13,20 | 19,05 


19, 06 | 18, 25 | 19, 00 


l 
Ende „o.ecserenennenne | 55,188 | 18,58 | 18, 98 
0 19,12 | 18,225 | 19,025 


Mütels emeraei lasse dele 3 | 18,605 | 18, 98 


GeemessenesEänge u.a. euch neermers Iohnaenenninrehehsnerenen sense ER 


Temperatur von F = 18/73 Re leue een tesnhehetehele none ker se ehekorefe ee OBH 
o1se,gKemperatun—=i19, 06..2rese esele.e.ere olerelennln/elnretelatekessterekälleneneks HB 0A, NO ZB 
BlastieitäudestRadensul er tererspeneveraneke jene helerenoneunkelenenelorer enetekeraltele Th: I004T. 


Länge des Pendels...u.ooooseeneennneeseneenn.. —= FH 858, 9002 


„ 


Schwingungszeit —= 1, 72540478 der Uhr — 1, 7206791 M. Z. 

Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1304, 8854 4} 2,9608 € 

Reduction auf den leeren Raum „2... 222.22. | — 0,0757 — 0,0002 8 — 0,0795 k 
— aufdas zusammengesetzte Pendel.... | -+ 0,2066 
—ı aufF.o.eeeeeneesereeieeienenee |) 85859002 


Resultat des Versuchs. ............ FP=| 446, 1161 + 2,9606 € — 0,0795 k 


Ff2 


Besser: Bestimmung der Länge 


Versuch IY.2./ Juni 415. 1, 3 4StT2Z. 


Fühlkebel links. Barometer — 336/80. Gang der Uhr = — 0) 791. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m v Die 1572539441 Fehler 
h 7 7 L 0 0 h ß ” „ 
100 | 954 26, 5375 | 41,2 | 18,79 | 19,17 | 9° 5% 26, 5496 | 4-0, 0121 
600 | 10 8 49,2602 | 37,3 10 8 49,2591 | — 0, 0011 
1100 23 41,9739 | 33,6 | 18,835 | 19,18 23 11, 9664 | — 0, 0075 
1600 37 34,6809 | 30,4 37 34, 6718 | — 0, 0091 
2100 51 57,3791 | 27,6 | 18,81 | 419,22 51 57,3758 | — 0, 0033 
2600 | 11 6 20,0758 | 25,2 11 6 20,0786 | + 0, 0028 
3100 20 42,7787 | 23,4 | 18,83 | 19, 24 20 42, 7805 | + 0, 0018 
3600 35.5,4805 || 21,2 35 5,4818 | ++ 0, 0013 


4100 49 28,1799 | 19,1 | 18,90 | 19, 28 49 28,1826 | + 0, 0027 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e& e” e” v [ER 
R o ) 0 o o 
Anfang. .o.nenesnneace.|| 58100) | 18,88 || 19517. | 19,12 | 48,76 | 19, 17 


Eindewele srereteleio.oteterslete.ete..nı 58509/0011 1185,9241195,23, 1,19, 1841113,,932119028 
l | | | 


Mittel. .oeaoeeeneronee| 58,097 | 18,91 | 19, 20 | 19, 15 | 18,845 | 19,225 
Gemessene-Länge..urnsmatrennteneleiete ne ehe ee er ER ET E572252 
Memperaturivon Bir MOSOR eeier nen eele eleeeie ee + 0,1050 
FRoise,gcmperatur — MIA TE teste oleletetetefereteteleletotelele eretefetetetetetete 8 021,10280 
BlasticıtätidestHadensiercneretetehe ren aloe te srole ie ale ler oke ee leteiteefekelere ON NO 
Länge'des Pendels......... 2. 0...0.0 01orerersin.eiere elenniesojele.a o) = FU} 858,,9125 
Schwingungszeit — 1} 72539441 der Uhr = 1/ 7206675 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1304/8678 + 2,9608 € 
Reduction auf den leeren Raum . .2.2..2.2.2....| — 0,0755 — 0,0002 8 — 0,0793 k 
—  aufdas zusammengesetzte Pendel.... | + 0,2066 
SHE DU LÜRNN DER Lee eh es fevetenehegerststeheleis in tele — 858, 9125 


Resultat des Versuchs. 2 .oceccec... F=| 446, 0864 + 2,9606 € — 0,0793 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 229 


VersuchFV. e&! Junı.19. .2130St.12» 
Fühlhebel rechts. Barometer —= 338/13. Gang der Uhr = — 0) 885. 


Schwingungsweite und 


Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen m U [A 1, 00291341 Fehler 
ee L, -0 0 Keen ” 
0 127 59, 5 12,4 | 16,39 | 16, 78 | 127. 59, 4991 | — 0, 0009 
683 39 24,5 11,65 39 24, 5011 | # 0, 0011 
1366 50 49,5 11,15 | 16,39 | 16, 78 50 49,5022 | + 0, 0022 
2048 27.2043,/5 10, 55 2 2 13,4997 | — 0, 0003 
2731 13 38,5 10,2 | 16,39 | 16, 78 13 38, 4994 | — 0, 0006 
3413 250112315 9,6 25 2,4957 | — 0, 0043 
4098 36 29,5 9,15 | 16, 39 | 16,78 36 29, 5001 | + 0, 0001 
4783 47 56,5 8,7 47 56, 5041 | -# 0, 0041 
5465 59 20,5 8,35 | 16,39 | 16,.78 59 20,4988 | — 0, 0013 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e e e" 24 12 
R ) -0 l 0, 0 0 
Anfang leise. o.lelue encle «, 1. 59,233 | 16,70 1, 16,991 47,43) || 46,,391 | 16,778 
Ende erelere in eeteke 59, 265 | 16, 70 | 16, 99 | 17,18 | 16,39 | 16, 78 
Witte | 59, 274 | 16, 70 | 16,99 | 17,305 | 16, 39 | 16, 78 
Geemessenehäanoer sa ee ee ee F— 5/3311 
Hemperaturvon Fi 109805. 10 20... ..0.0 0 in ara n alere oranae nee ++ 0, 0928 
BlastrettatsdesfBadensares dere eitehe re eherevsnsneka tar ers Beet RER ee + 0, 0014 
IkängerdesyBendelsars tesa 0 Selereye eleya Geheeleteronike = F-— 5,2369 
Schwingungszeit = 1, 00291841 der Uhr = 1/ 0001698 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... 4407 8797 4 1,0003 € 
Reduction auf den leeren Raum .............. — 0,0258 — 0,0001 8 — 0,0271 k’ 
— auf das zusammengesetzte Pendel ..... — 0, 0549 
— energie 2 aelerehe + 5, 2369 


Resultat des Versuchs .... 2... ..... . F= | 446, 0359 + 1,0002 € — 0,0271 K 


230 Besser: Bestimmung der Länge 


Versuch IV. d. Juni 16. 11" 30° St. Z 
Fühlhebel links. Barometer —= 337,78. Gang der Uhr = — 0) 942. 


Schwingungsweite und 


Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen IM v [iR 1, 00291692 Fehler 
h ! „ N L o o h ! n 7 

0 10 44 19,5 12,4 | 17,52 | 17,89 | 10°44 19, 5014 | +0, 0014 
683 55 44,5 11,75 55 44,5021 | 4 0, 0021 
1365 AUT TURR SS 11,2 | 17,63 | 18,00 | 11 7 8,4993 | — 0,0007 
2049 18 34,5 10, 6 18 34, 4986 | — 0, 0014 
2732 29 59,5 10, 05 | 17,68 | 18, 00 29 59, 4974 | — 0, 0026 
3416 41 25,5 9,55 At 25,49385 | — 0, 0015 
4100 a5 9,415 | 17,63 | 18, 00 52 51,4990 | — 0, 0010 
A785 12) 4048,5 8, 65 12 4 18,5020 | +- 0, 0020 


5669 15 44,5 8,3 | 17,68 | 18, 06 15 44,5017 | + 0, 0017 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Buben e e” e” | d. 1 
0 0 0 | 0 0 
Anfang. coeeerocenocce os 3058.1117.93501011,5534 | KAT @132 101753525 A789 
ee 17, 65 11.88 | 11.88 laraı 


tele 2 ee -.. || 59, 3085 | 17,50 | 17,705 | 17,.68.| 17, 60 | 18, 00 
ar VoodRLR FERNER 0 SEN) 
Temperatur von F= 17)5 Fe etetele later =F-10,.0970 


Blasutcıtätldes>Kadenswlen. a eraree sieieleetelelskeletetsreie onen ee et OF OT 


SI 
. 
. 
. 
. 
. 
. 
. 
. 
. 
. 
. 
. 
. 
. 
. 


BängerdestPendels.rtersio eroseieie ejeinefaletele er lei efeLeie orale —1,10558 
Schwingungszeit — 100291692 der Uhr = 1, 0001676 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... 440, 8777 + 1,0003 € 
Reduction auf den leeren Raum ......... 2222. | 0, 0257 — 0,0001 € — 0,0269 k' 
— aufdas zusammengesetzie Pendel ..... | — 0, 0549 
ER ee T582358 
Resultat des Versuchs „22. ...22000.. F=| 446, 0329 + 1,0002 € — 0,0269 k 


des einfachen Secundenpendels ‚für Berlin. 231 


VersuchIV. ee Juni 16. #5% St 2. 


Fühlhebel rechts. Barometer — 337, 65. Gang der Uhr = — 1/ 030. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen M {R [A 1, 72535305 Fehler 


(mt | mn | mu en | (mn | m m | me men, 


120 | 055° 2/0335 | 41/4 | 16°55 | 7223 | 0° 55’ 270366 | -H 0, 0031 

620 | 1 9 24,7400 | 37,4 1 9 24,7397 | — 0, 0003 
1120 23. 47, 4427 |. 33, 31111679 1117, 28 23 47, 4409 | — 0,0018 
1620 38 10, 1451 30, 6 38 10, 1404 | — 0, 0047 
2120 52 32,83/47 | 27,9 1116,87 |. 17,533 2 32, 8336 | -+ 0, 0039 
2620| 2: 6 55,5354 || 25,5 2 6 55,5357 | + 0, 0003 
3120 21 18,2334 || 23,2 | 16,93 | 17, 40 21 418,2321 | — 0, 0013 
3620 35 40,9302 | 21,3 35 40, 9250 | — 0, 0022 
4120 50.%35,6208 4) 19,5 447,.1621,17,.63 50 3,6238 | + 0, 0030 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 

Fühlhebels e’ e” er 

Ger see er —[ 

58, 187: | 16, 70 

58, 146 | 


58, 1665 | 16,87 


NEIN 00 00 BoD ERWOOH HA 
Ende. s.0e. ER 1 slenatelet steel 


Mitteleria ser rar: N 


Gemessene Länge ..... SERRRSEL SEES el. Sepene Re Er PER? 
FEemperatur von Hl 4697 Seele sarah ee Slefenzue 1: 21=1310,10937 
Toise, Temperatun—=11, 19.2... 0. elle mlelekeneneror en ana a e sehe ee ee, 008 
BlasticıtatidesyRadenst russ erererererekenn are eleleiosenetereren ersehen re) 10500 
Länge des Pendels..... Srelere leherfoletz orale sehe ns .„—=F-+ 553, 8750 
Schwingungszeit — 1) 72533305 der Uhr = 4, 7206515 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 130478436 —+- 2,9607 € 
Reduction auf den leeren Raum ........ 2en2.. | 0, 0762 — 0,0002 8 — 0,0800 k 
—  aufdas zusammengesetzte Pendel .... | + 0,2066 
—: WaußEi este role hekoxe arena Me — 858, 5750 


Resultat des Versuchs .......... ...F=| _ 446, 0990 + 2,9605 € — 0,0800 k 
I ee we 


17,24 


16, 87. | 175445 


u 
- 
= 
- 
- 
> 


[N0) 


NG 


Besser: Bestimmung der Länge 


VersuchIV. £% Junı17.:1: 998142: 


Fühlhebel links. Barometer —= 336, 76. Gang der Uhr = — 1} 118. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m v 1m 1572539266 Fehler 
u u | u u en | (ze 
h ! 7 L On, 0, h ! Vie „ 
110 | 058° 2,8113 | 41,1 | 17,04 | 17,79 | 0'538’ 2,8130 | -+ 0 0017 
610 | 1 12 25,5205 | 37,2 1 12 25,5211 | + 0, 0006 
1110 26 48, 2284 | 33,6 | 17,14 | 17,83 26 48, 2271 | — 0, 0013 
1610 41 10, 9282 | 30,5 41 40,9315 | + 0, 0033 
2110 55, 33416336 1 27,7 14022 147,85 55 33, 6345 | + 0, 0009 
2610| 2 9 56,3444 | 25,2 2 9 56,3364 | — 0,0080 
3110 24 49,0400 | 23,1 | 17,34 | 17, 91 24 49,0377 | — 0, 0023 
3610 33 4,7405 | 21,2 38 41, 7384 | — 0, 0021 
A110 53 4,4316 | 19,5 | 17,49 | 17,94 53 4,4387 | + 0, 0071 
Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 
des 
Fühlhebels € e” €” U2 [52 
R h 0) | () | 0 E70 0 
LINENE HOSE 0.6 5 abo 53,150 | 17,,25/ | 17,53) 47,,88: 1 47,01, 117.978 
Endes Aolaneie erreiche | 58, 118 | 17,40 | 17, 68 | 17,88: | 17,52 | 17,94 
Mittelaca Seiser ER | 58, 137 | 17,325 | 17,63 | 17, 88 | 17,265 | 17, 86 
Gemessenelllänge yore .gerzierehehehen- eucleretn SReheWsSelenersnehonchleikeneteNenere F— 5,2288 
Temperatur von F = a7, a4 BES ONG OO GO: + 0,0963 
Howe, pliemperatun —M 771 3fene steel eneenerenelesevele eletatareenelaretedehelehe . 864, 0146 
Blastieität/des Badens..geresereneselenonauensten snerererefenereretenelenerehete ehe + 0,0041 
TüngeldessBendelstars erst snereleieege essen et: eek = F + 855, 8362 


Schwingungszeit — 1’ 72539266 der Uhr = 1, 7206537 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels... .. 1304) 8545 +} 2,9608 € 


Reduction auf den leeren Raum. ............ — 0,0759 — 0,0002 8 — 0,0797 k 
— auf das zusammengesetzte Pendel ....| + 0,2066 
— Auf A Er eeetsietetelskg tet — 858, 8362 


ResultatidesöVersuchs ! . ..... 00... IR | 446, 0990 + 2,9606 € — 0,0797 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin, 233 


VersuchIV.«. Juni 18. 10%44 St.Z. 


Fühlhebel rechts. Barometer — 336/01. Gang der Uhr = — 1} 197. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen A 2% [80 1, 72472272 Fehler 
z —m Cen —n Ger EEE (——— 
100 | 942° 41, 4616 | 38,8 | 18, so | 19,34 | 9" 42’ 41/4609 | — 0, 0007 
600 DB 3S315 11 29,5 57 3,8311 | — 0, 0004 
4100 | 10. 11 26,1955 | 22,4 | 18,93 | 19,41 | 10 11 26, 1975 | -+ 0, 0020 
1600 25 48,5610 | 17,2 25 48,5619 | + 0, 0009 
2100 40 10, 9269 | 13,6 | 18,97 | 19, 49 40 10, 9251 | — 0, 0018 
120 49 24,9699 | 38,4 | 18,99 | 19, 51 49 24, 9709 | + 0, 0010 
620 | 11. 3 47,3438 | 29, 0 11 3 47,3417 | — 0,0021 
1120 18 9,7092 | 21,9 | 19,07 | 19, 60 18 9,7088 | — 0, 0004 
1620 32 32,0715 | 16,9 32 32,0737 | + 0, 0022 
2120 46 54, 4384 | 13,2 | 19,15 | 19, 67 | 46 54, 4377 | —— 0, 0007 | 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e’ [8 (22 
—— om mon mon more 
Anfang oeeeeouonaunens| 68,212, | 18,64 | 18,78 | 18,98, 18,276. | 19533 
Eindenkrereae end ter suetsreretere 1.635.209 no) | 19,16 | 19, 67 
Mittel. ....eeeeeecnene. | 68,2105 | 18, 79 | 18, 98 08 | 18,.96 | 19, 50 
Gemessene-Bängese. namen ee 064309 


Nemperatuu. von FI 419788128, «10a .lateian aleieae ein al ate ee data 0,10 
Toıse, Bemperatun— 19, 04. 2007.7010L0.0lshnsnekenerere ei oloraler er eenret ein Lee10 1011804510273 
Blastieitätides/Kadensiesyrerete sb, lie ae) ele re et H0N004 
TängeldesuBendelssrsarsetgeretare a arefararetatelafefe elaretateteie SE RI=E 1953,10006 
Schwingungszeit — 1, 72472272 der Uhr = 1) 7199897 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1303/8400 + 2,9584 € 
Reduction auf den leeren Raum... 2.2.22... | — 0,2255 — 0,0005 8 — 0,2235 k 
— auf das zusammengesetzte Pendel ....| ++ 0,6584 
BAUER erele ae statokere slelelstetelaleteterete 11 —— 1858510006 


esultarides@Vfersuchsyetrersieierezeae a 5 Bu — | 446, 2723 4 2,9579 8 — 0,2235 k 


Mathemat. Abhandl. 1835. Gg 


[X2} 
SS 


Besser: Bestimmung der Länge 


Versuch1IYN. . Juni 18, : 2140St.!2. 


Fühlhebel links. Barometer — 335/14. Gang der Uhr = — 1} 264. 
Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m 1. Im 1572471265 Fehler 
h ! „ L o o h ’ ” „ 
120 | 111 53, 9804 | 39,0 | 18,01 | 18,57 | 1’ 11 53, 9828 | + 0, 0024 
620 26 16, 3483 29, 2 26 16,3485 | + 0, 0002 
1120 40 38, 7107 | 22,2 | 18,09 | 18, 52 40 38, 7101 | — 0,0006 
1620 55 © 4,0723 17,2 55 1,0695 | — 0, 0028 
2120 | 2 9 23,4269 | 13,4 | 18,09 | 18,54 | 2 9 23,4277 | + 0, 0008 
100 18 32, 4817 39,9 | 18,09 | 18, 52 18 32,4803 | — 0, 0014 
600 2 54,8476 | 29,8 32 54, s464 | — 0, 0012 
1100 47 17,2086 | 22,8 | 48,09 | 18,55 47 17,2084 | — 0, 0002 
1600 | 3 1 39, 5646 17,6 3 1395680 | + 0, 0036 
| 2100 16 1,9269 | 13,6 | 18,09 |'18, 59 | 16 1,9263 | — 0, 0006 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e’ Be ce” v (ER 
-„R 0 0 I 0 0 
AuMang e.etelereine olerega ne ori er 0888151 || 18:041.5 mo 18,58: | 47, 97. | 18, 61 
Ende ....222eerorceeen | 68,303 Em „48 | 18, Balan ee 
Mittel 2. .uereeennennene | 6 68,308 | 18, 15 | 15,48 | 18,555 | 18, 03 | 18, 61 


Glemessene- Längen un EN NNEANSE 
Temperaturivon Fl A8226 voma aan + 0,1008 
Voise, Temperatun== 18,52 Terosenetesoroiereroleneteteieletereiölere  aleralelolele..0804, 0224 
Elasticität/ des: Badensrevrtrenen ah eat eletateleseneheteneterer ehekeheh tee EN HOTOOM 


Kangeldenendelun ne sr Par aa a er te BE 


Schwingungszeit — 4, 72471265 der Uhr = A, "7199783 M. Z. 

Entsprechende Länge ne einfachen Pendels .... 1303)'8227 4 2,9584 € 

Reduction auf den leeren Raum. ..22:2222022.. | — 0,2256 — 0,0005 € — 0,2236 k 
— aufdas zusammengesetzte Pendel.... | -+ 0,6584 
— URN SE eeleve tere ante a sehe Bee 85983 


Resultat des Versuchs „ee ooee... F=|: 446,2721 + 2,9579€ — 0,2236 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 235 


Versuch IV. c. Juni 19. 10" 56" St.Z. 
Fühlhebel rechts. Barometer —= 335/72. Gang der Uhr = — 1} 237. 


Schwingungsweite und 
Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen mM v 2% 1500266172 Fehler 
(one zur TEN een EReD ern En — hen 
(0) 410. 18 40, 5 12, 2 17, 92 | 18, 22 10 18 40, 5029 + 0, 0029 


748 31 10,5 10,5 31 10, 5010 | + 0, 0010 
1496 43 40,5 9,0 | 17,86 | 18,17 43 40, 4971 | — 0, 0029 
2246 56 12, 7,85 56 12,4982 | — 0, 0018 
2996 18 4,5 67 17,75 | 18,11 | 11 8 44,4971°| — 0,0029 
3748 21 18,5 5,15 21 18,5005 | + 0, 0005 
4500 33,52, 5 4,95 | 17,63 | 18,11 33 52,5032 | + 0, 0032 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e €” e” 24 [Ä2 
EURE: OR) 0, 0 0 
Anfang. aeeseeeeneseenee | 62,576. | 18,20 |.18,53 | 18,.68 | 17,97 | 18,.22 
Eindeireheete.sie ei leejee det | 25T | 18, 00 | 18, 43 | 18, 28 | 17,63 | 18, 11 


Mittel‘: „fo. 02 2.1610,000 era, |) 6255754 | 28, 10:]\ 18, 48) 118,48, | 17,80 | 182465 


GemesseneBängei. a aan n an en nee 55i6380 
Vemperatun von EM — 187031. „u. ea neck nteeterekg net 40531007 
BlastiertätsdesaWadens ca ea tee o arela a elejelere ara eje or ern eleterereen ee 05004 


TängeldessBendels 2 iepie esse seele ee elal—thl — 15,15259 
Schwingungszeit — 1) 00266172 der Uhr = 0, 9999097 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... | 4406504 + 0,9998 € 
Reduction auf den leeren Raum ..2 2.22.2222... | — 0,0765 — 0,0002 8 — 0,0758 k' 
— aufdas zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0463 
_ AUß En eek ee ae eat lte. 55.5259 


Resultat’des Versuchs... . « etsiele oda, | 446, 0535 + 0,9996 € — 0,0758 k' 


9336 Bessen: Bestimmung der Länge 


Versuch IV. d‘.. Juni 19. .2" 16" St.'2. 
Fühlhebel links. Barometer — 336, 83. Gang der Uhr = — 1} 191. 


Schwingungsweite und 


Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen M v | [24 1,00265103 Fehler 
bh 7 ” h In 0 g 0 h Y ” ” 
0 1233215,,5 13,0 | 14,29 | 14,72 | 138 15,5010 | + 0, 0010 
750 50 47,5 11,0 50 47, 4984 | — 0, 0016 
1503 21.3022, 9,3 | 14,53 | 14,83 | 2 3 22,5014 | -+ 0, 0014 
2255 15 56,5 8,0 15 56,5002 | + 0, 0002 
3007 23 30,5 6,9 | 14,64 | 14, 85 238 30,4978 | — 0, 0022 
3761 4406515 5,9 41 6,4999 | — 0, 0001 
4515 53 42,5 5,1 | 14,64 | 14, 94 53 42,5013 | + 0, 0013 
Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 
des 
Fühlhebels e e” e” v IR 


RER: {) „o | 0 I ,,0 „0. 
1X) &111:00800000.00000088 1.934198 I ler 14, 77 


Einderer.\. terre eloretenele ee 6205 5 1171498 A530 14T AA 
Miütel ...ooeeoooconcee.| 62,5765 | 14,65 | 14,93 | 15, 20 | 14,445 | 14,855 
l 


| 


Gemessene Länge an ENGE 
Temperatur von PA 75 + ertetsialetsthsislotoiteierete se nie siain ale aa) = 0,0314 
Eilasticıtät’des/Badensimstenetereretettotetetetoteteleloleherei ei che etoteistele ee | 


Länge des Bendels . „nn. .ooe.neseonlareenenennn se FU 15515453 


Schwingungszeit — 1. 00265103 der Uhr — 0, 9998996 M. Z. 

Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... | 4406415 -+ 0,9998 € 

Reduction auf den leeren Raum 22.22... 0... | — 0,0776 — 0,0002 € — 0,0769 K’ 
— aufdas zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0463 
— au ee errelee Sleten et ebave relae er tel =h35575453 


Bresultatides"Versuchst.te ers efere Aereteteret ah — | 446, 0629 + 0,9996 € — 0,0769 k' 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. D3N, 


Versuch IV. e. Juni 20. 2 39 St. 2. 


Fühlhebel links. Barometer == 335, 29. Gang der Uhr = — 17 364. 


Reducirte Mittel | Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m v 22% 1572467464 Fehler 
EEE ee 14/01 | 14,66 | 1" 36 37/0871 | +0, 0004 
610 51 0,0348 28, 8 51 0,0329 | — 0, 0019 
1110| 2) 5 22, 3725 22,0 | 14,11) 1464| 2 5 22,3747 | + 0, 0022 
1610 19 44, 7160 17,0 19 44, 7144 | — 0, 0016 
2110 34 7,0519 13,1 | 14,08 | 14, 64 34 7,0523 | + 0, 0009 
110 A3E317420 011 38,91 1 M2I 1473 43 31, 7143 | + 0, 0023 
610 57 54, 0596 29,2 57 54,0607 | 4 0, 0011 
1110 | 3 12 16,4075 | 22,1 | 14,18 | 14,81 | 3 12 16, 4032 | — 0,0043 
1610 26 38, 7464 17,1 26 38, 7437 | — 0, 0027 
2110 41 1,0795 13,2 | 14,23 | 14, 92 41 1,0831 | ++ 0, 0036 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 

des 
Fühlhebels e EN 
FERUEE o Ge Gen je 
Anfang ..eo.eoeeresenee | 68,369 | 14,08 as 14, 61 ragen 
Einde@a steteletere Aetotone)e a eteker 1.68, 3383 | AUTSTEN AU AS aaa 14,41 | 15, 00 
Mittelle sleea. 2a 2.000] 68 3535 || 14,175 | 14,387 | 414766: 1A, 19: 19,83 
GemessenelBängers cm enelan ce dene nela nie de ee 7 


Temperatur von F= 14 24 ee falerelerelre o.n)ale/elnie are, erelesalererere, suchl=1>21n0,:.0186 

Toise, Temperatur — 14,55 on oooeesieeeeneeonn nennen. een ee 803, 9824 

Bilastieitat.desthladensire a erercte steakeletereierterster peter eletofe tere tere ee LO00AA 
Länge des Pendels ...oo.coreeoseererseersenne en. = FH 8575 AT 

Schwingungszeit —= 1} 72167464 der Uhr = 1, 7199383 M. Z. 

Entsprechende Länge des einfachen Pendels. ... 1303/7621 + 2,9582 € 

Reduction auf den leeren Ranm.....2.......| — 0,2288 — 0,0005 & — 0,2265 k 

— auf das zusammengeseizte Pendel....) + 0,6584 


EN BL 0 HORROR 
Resultat des Versuchs „oe. .cc cc... F=| 446, 2746 + 2,9577 8 — 0,2265 k 


238 Besser: Bestimmung der Länge 


VersuchIV. f.2Juni 21. ‚11440832. 


Fühlhebel rechts. Barometer —= 335/68. Gang der Uhr = — 1, 339. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m [ zn 1272468453 Fehler 
ENTE BarSEER) f) IENET ” 
120 | 10 38 48, 9732 | 38,'6 | 15,83 | 16,25 | 10° 38 As, 7643 | — 0, 0089 
620 53 11,3162 | 28,9 53 11, 3150 | — 0, 0012 
1120 | 11 7 33,6555 | 21,9 | 15,86 | 16,36 | 11 7 33, 6619 || + 0, 0064 
1620 21 55,9993 | 16, 8 21 56, 0067 | + 0, 0074 
2120 36 18,3543 | 13,1 | 15,94 | 16, 48 36 18,3506 | — 0, 0037 
110 45 48,7293 | 39,1 | 15, 94 | 16,52 45 48, 7314 | + 0, 0021 
610) 1712.10. 41,.0835 |2.29,3 12 0 11,0832 | — 0, 0003 
1110 14 33,4263 | 22,1 | 16,02 | 16, 60 14 33, 4311 | + 0, 0048 
1610 28 55,.1748 |. 17,0 28 55, 7768 | + 0, 0020 
2110 43 18, 1301 | 13,1 | 16,10 | 16, 65 43 18, 1215 | — 0, 0086 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels] e e” e” v [£ 
„RAR 0 0 o 0 -0 
ANfangye/e/siee 0 elafegelerefe.alsıe 111068,5527111115,152.1015,17221.1554104,445,:83 1165822 
| 68,299 | 15,86 | 16,15 | 16, 14 | 16, 23 | 16, 66 


68,285 | 15,69 | 15,935 | 15,92 | 16, 03 | 16, 44 


Endes erstetene er eteteteletel the 


IMTttellsrtekererare oteratera state 


Gemessene Länge, un. no soon ea ee RT ROSA 
Teemperatur.yon,E— Aa 7 e20 oeln.o oe son on ein.0 0 aid eerbhererae LOST 
hoise, Demperatun—15, 93. 0... 2er... sinlsiole.e 0 eletererelstefetatelet3418035.9900 


Elastieität des.Kladens ul... 0.00 ee ee ee elnloielere s.nleiees estate 1050044 
Länge des Pendels .....ooe.ronsennnnnennnnune.. —= FH 857, 9456 


Schwingungszeit — 1} 72168453 der Uhr = 1) 7199487 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1303) 7779 + 2,9583 € 
Reduction auf den leeren Raum. ............| — 0,2276 — 0,0005 8 — 0,2256 k 
— aufdas zusammengesetzte Pendel ....|ı + 0,6584 
— I AURHE Ak elenalenere 3 srouerenerenedel etenel en 1118571519156 


Resultat/des Versuchsiä.... | ua... E=| 446, 2631 + 2,9578 € — 0,2256 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 239 


VersuchW. ae. Juni.22. . 3 31'St.2. 


Fühlhebel rechts. Barometer — 334,65. Gang der Uhr = — 1) 167. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m 2 In 1,72533629 Fehler 


Sn | um, | (mn | (u | m m | (m en 


h ı 7 


90 | 1°3# 4,2772 | 40,3 | 17216 | 17?96 | 1° 3X A/a72ı | — 0,0051 
590 48 23,9743 | 36,5 48 23, 9760 | + 0, 0017 
1090 | 2 2 46,6742 | 33,0 | 17,44 | 18,19 | 2 2 46,6783 | + 0, 0041 
1590 a7 93794 | 29,8 17 9,3791 | — 0, 0003 
2090 31 32,0804 | 27,0 | 17,52 | 18,30 31 32,0789 | — 0, 0015 
2590 45 54, 7744 | 24,6 45 54, 7777 | + 0, 0033 
3090| 3 0 17,474s | 22, 17,58 | 18,45 | 3 0 17,4760 | + 0, 0012 
3590 14 40,1753 | 20,7 14 14,1737 | — 0, 0016 
4090 | 29172,8730 | 19,0 | 47,72| 18, 54 29 2,8712 | — 0, 0018 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e’ e” e” 2% 10 
RA 0 o 9 o o 
Anfang reis alele lernte sletefe eleiell 5857290 | 17552001 47,58,,1147.:93 11 142,.07 1176489 
Ende „oeocoeesceerenn. | 55,240 | 17,55 | 17,88 | 18,08 | 17, 86 | 18, 67 
Mittel non oelen ao olwieneieiell 58,265) | 47,375, || 17,731] 18,005 | 17,465 | 18, 28 
En LE re En En 


Gemessene Länge vesa-oreserereiesoierorei res araketersroneiei er eseraren aus) ein. ont 11552404 
em peratunev onKZU— AT 0.eLerefeleroremiern ersteneietete ee aa rer Re + 0,0966 
Toise,;lemperatur.— 47,89: 1.0. ei or inier oleraioiesse.nra olelererareielerseniel 804, 04.57] 
Bilastreität’des Hadensiea KekororsnonerenssoxeteänzenehohonorernrolstereletereLer este ANOSLOGAM 


Länge des Pendels....oecoeeseaeeenneneennnen.. = F+ 858, 8760 


”„ 


Schwingungszeit — 1, 725338629 der Uhr = 1, 7206520 M. Z. 

Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1304, 8443 4 2,9607 € 

Reduction auf den leeren Raum . 22»... 2.2... | — 0,0753 — 0,0002 € — 0,0792 k 
— auf das zusammengesetzte Pendel....|-+ 0,2120 
N Aula lenetekeratenetookoksreiretetepeilnetedn k—= 18584181160 


Resultat des Versuchs. 2. ceecce 0.» F=| 416, 1050 + 2,9605 € — 0,0792 k 


240 


Bessen: Bestimmung der Länge 


VersuchV.oIum28: 27 347SE12% 


Fühlkebel links. Barometer — 333/68. Gang der Uhr = — 0, 943. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen Mm IB Ir 1572539100 Fehler 
TTT —n GETIeR (mau FREE Fee iS eigen z - N 
100 | 1.37 8,5477 | 39,4 | 18,52 | 19,37 | A 37 8,5537 | +0, 0060 
600 SAtaay 2643 0 35,3 51 31,2606 | — 0,0037 
41100 | 2 5 53,9713 | 32,0 | 18,50 | 19,32 | 2 5 53,9653 | — 0, 0060 
1600 20 15,6692 | 29,0 20 16, 6683 | — 0, 0009 
2100 34 39, 3668 | 26,4 | 18,52 | 19, 28 34 39, 3700 | 4#- 0, 0032 
2600 49 2,0672 | 24,1 49 2,0706 | + 0, 0034 
3100 | 3 24,7705 | 22,1 | 18,48 | 19,28 | 3 3 24,7703 | — 0, 0002 
3600 RATTE 2053 17 47,4693 | — 0, 0034 
4100 | 32 10,1659 | 18,5 | 18,52 | 19, 24 32 10,1677 | + 0, 0018 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e e" ee” v (u 


m | (men met) men Verne 

Anfang ann cceeseenenen.| 58,284 | 18974 | 19023 | 19938 | 18°54 | 19239 
Ende ..oceceeeoennene. | 58,309 | 18,69 | 19 08 | 19,18 | 18, 54 | 19, 22 
Mittel. .ooesoseeonaecee | 58, 2965 | 18,715 | 19,155 | 49, 28 | 18, 54 | 19,305 
Gemessene Länge. ..., ierateunseiensiernnnnenennieneneisineier nen sensnehele ehe A ERZUBE 
Memperatungvon) Ri 118286 1eisielerieleie miele elakeleie 01a > oletere Se et 0 10 
Moise,liemperatun— 119,123) eetorenetstereieteteretelele e.elelelalate ereteteketelete 180410292 
Elasticıtät/desKladens.-tcreraterorenoneroreronteuenelexene lorenoronenenenonerefetefete 0004 
Tängerdes:Bendels...... 2.2 2..re.0/e/o ei srare, erafe. ejerereioiere, oe a) ER --1858,18 942 


Schwingungszeit — 4, 72539100 der Uhr — 4, 7206612 NZR 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1304, 8583 4 2,9608 € 


Reduction auf den leeren Raum . „2. ....2.....| — 0,0748 — 0,0002 € — 0,0736 k 


— aufdas zusammengesetzte Pendel.... | -+ 0,2120 
— u UL erste IT LN LEN — 358, 8942 


Resultat des Versuchsesaececcce... F=| 446, 1013 + 2,9606 € — 0,0786 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 241 


VersuchN\. c\.Juni 244 2713 S1,2. 
Fühlhebel rechts. Barometer = 331) 21. Gang der Uhr = — 1} 043. 


Schwingungsweite und 


Temperatur Rechnung 

Beobachtete Coincidenzen m % I” 1700291335 Fehler 
0 172165255 13,75, 1465179147722 6 451275 52549755 | — 03.0025 
654 39 18, 5 12,75 39 18, 5038 | + 0, 0038 
1365 50 41,5 12,35 | 16,79 | 17, 22 50 41,5006 | + 0, 0006 
2047 2 2 55 11, 65 2 2 5,4996 | — 0, 0004 
2729 13 29,5 11,00 1116, K79 A a22 13 29, 4975 | — 0, 0025 
3413 2455,15 10, 55 24 55,5006 | + 0, 0006 
4096 36 20,5 10,0 |.16,85 | 17, 22 36 20, 5003 | 4 0, 0003 
4779 ATOAS,5 9, 55 AT 45, 4993 | — 0, 0007 
5463 59 11,5 9544 11416,185419179522 59 11,5008 | + 0, 0008 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels 4 e” e” % 2% 
A - 0 I} o l o 0 (7 
ANFANBerehelenet ee efsleisiene siegen |t 39.200111 117,108, 17,75301 17,793 16279. 17,522 
Ende near ckole Z | 59, 205 | 17, 05 | 17,48 | 175,33. | 16,,85. 175.32 
Mittel a . |} 595 2055 | 17,075 | 17,505 | 17, 88. | 16, 82 | 17, 22 
Gremessenerange derer her elle ae are ain ee u a — 5513249 
Temperatur von KH 22.000... ee NET Are + 0, 0951 
Elasticität des Fadens ......... RE TREE TOT Hi —+- 0, 0014 
Läänge.desDendels sa... oe..e.. er elarauallel ale ale olelaria elle Pas 552 284 


Schwingungszeit — 1, 00291835 der Uhr = 1) 0001678 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... 44078779 + 1,0003 € 


Reduction auf den leeren Raum ......... 2222. 1 — 0,0252 — 0,0001 8 — 0,0265 k' 
— aufdas zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0493 
en N EAU ee end nr en erera ee alare + 5, 2254 
ResultaßdessViersuchsa.\.. . an. een Au | 446, 0318 + 1,0002 € — 0,0265 K’ 


Mathemat. Abhandl. 1835. Hh 


242 Besser: Bestimmung der Länge 


Versuch\V: da. Juni925. 7 I St zZ 
Fühlhebel links. Barometer — 332/48. Gang der Uhr = — 0, 838. 


Schwingungsweite und 


Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen m R RD 1300290305 Fehler 
h 7 ” L o [0} bh 1 7 n 

{) 27.002025 12,95 | 15,10 | 15,49 | 2° 0 26, 5013 | + 0, 0013 
683 1151, 5 12, 4 11 51,4970 | — 0, 0030 
1369 23 19,5 11,85 | 15, 10 | 15, A4 23 19,5006 | + 0, 0006 
2054 34 46,5 11,3 34 46, 5005 | + 0, 0005 
2737 46 13,5 10,8 | 15,10 | 15, 44 46 13, 4997 | — 0, 0003 
3425 57 4,5 10,1 57 41,5010 | + 0, 0010 
4111 37 91119,75 9,7 1415,15 | 15,49| 3 9 9,5018 | ++ 0, 0018 
4796 20 36,5 9,2 20 36, 4992 | — 0, 0008 
5482 324,5 8,9 |15,15 | 15,49 32 4,4990 | — 0, 0010 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e e” e"” v [R 
N ee) | een een 


On 
Anfang. .ooerereeeneese| 59,192 | 15032 | 15072. |. 16°14 |. 15°10.| 15047 
Ende as. 59, 223 liser 155.57 |.16,.09.|.15,.24 | 15, 55 
Mittel 2.910... ale. 2 50, 1059, 28011572951]145,645:]216,195:]11571551 1551 
Gemessene-Bänge Do sna sc. dee an ee I 
Temperatur von. PIUS. Seine ea se elalarae le ante re Mole a0 
ElastreitäpfdesWadense de ede ae eleiolo Alehsteteterer one ent ee ER RR TTONOOAR 
LängerdesöBendelsizsue.eooanoeennuee eo «enme nee 4510888 
Schwingungszeit = 1}'00290805 der Uhr = 1, 0001600 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... | 44078710 4 1,0003 € 
Reduction auf den leeren Raum .......»»- 2222. | — 0,0255 — 0,0001 8 — 0,0268 k' 
— aufdas zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0493 
auf Arsen nie + 5, 2383 
Resultat des Versuchs .....eescee0.. F=| 446, 0350 + 1,0002 8 — 0,0268 K 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 243 


VersuchV. er Juni 26... 37107St.2: 


Fühlhebel rechts. Barometer — 334,68. Gang der Uhr = — 0,812. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m 1% [22 1, 72534196 Fehler 
GEST TTS L 0 0 Hausa „ 
410 |, 2:13 7,7791 | 38,3 | 413,64 | 14,73 | 213 7,7746 | — 0,0045 
610 27 30,4489 | 33, 5 27 30,4559 | + 0, 0070 
1110 41 53,1416 :| 30,4 | 13,90 | 14,78 At 53,1354 | — 0, 0062 
1610 56 15,:8081 | 27,8 56 15, 8137 | -+ 0, 0056 
2110 | 3 10 38,4937 | 25,3 | 13,94 | 14,87 | 3 10 38,4910 | — 0, 0027 
2610 25 1,4697 z| 23, 0 25 1,1674 | — 0, 0023 
3110 39 23,8373 | 21,3 |:14,.06.| 44,96 39 23, 8434 | + 0, 0061 
3610 53 46, 5176 19, 6 53 46,5190 | + 0, 0014 


40 | 4.8 9,1986 | 17,8 | 14,15 | 15,01 | 4 8 9,1942 | — 0, 0044 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 


Fühlbebels e e” e” [H [62 
an re RER TEE ER 
Ananas hr erelre tele 58, 370 | 14,03 | 14,43 | 14,86 | 13,56 | 14,72 
Enlegel wa. 2 10er | 58, 305 | 14, 31 | 14, 53 | 14,91 | 14,64 | 15, 44 
Mittele daine 92 Sasse 1% . | 58, 3375 | 14,17 | 14, 48 | 14,885 | 14, 10 | 15, 08 
[Em essen ehL Arte Eee ee F— 5/2469 
MeniperaturyonEi=—=14° 29... una nme agree AH + 0,0789 
Hhoisesg Kemperaturs— AU E12 ee era teten eher etekelere ea 863, 9538 
BlestieitanddesRadensyater ae leere + 0,004 
Taänzerdes.Pendels-,. Hu... aan. sssaeeenlein an: — F-+ 355, 3199 
5 


Schwingungszeit = 1, 72534496 der Uhr = 1) 7206172 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1304, 7915 + 2,9606 € 


Reduction auf den leeren Raum. ............ — 0,0762 — 0,0002 8 — 0,0501 k 
— aufdas zusammengesetzte Pendel .... | -+ 0,2120 
lau FE er le FR — 858, 9199 

Resultat des. Versuchs .....:....... ER | 446, 1074 + 2,9604 € — 0,0801 k 


Hh 


[85] 


244 Bessen: Bestimmung der Länge 


Versuch V. f. Juni 27. 10'50' St. 2. 


Fühlhebel links. Barometer — 333/95. Gang der Uhr = — 0) 583. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m v [Au 1772534874 Fehler 
h 2 LE} L 07 -0 h ’ Wo) „ 
100 | 9° 53 21, 5436 | 39,5 | 15,84 | 16,29 | 953 21, 5425 | — 0, 0611 
600 | 10 7 442275 | 35,6 10 7 44,2272 | — 0, 0003 
1100 22 6,9117 | 32,1 | 15,90 | 16, 42 22 6,9101 | — 0, 0016 
1600 36 29, 5500 | 29,3 36 29,5916 | + 0, 0036 
2100 50 '52,2730 | 26,7 | 15,99 | 16, 52 50 52, 2720 | — 0, 0010 
2600 | 11° 5 14,9507 | 24,3 11 5 14,9516 | 4 0, 0009 
3100 19 37,6286 | 22,3 | 16,15 | 16, 59 19 37, 6306 | + 0, 0020 
3600 31 0,3092 | 20,4 34 0,3091 | — 0, 0001 
4100 | 48 22,9898 | 18,7 | 16,32 | 16, 69 4s 22, 9874 | — 0, 0024 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels ed e” eu Zi 12 
R \ 0 l 0 0 0 0 
Anfaneı 2 Serenetere eherafelsteretere 53,269 | 15,67 | 15,,77: | 45,89 | 45,:83\ |, 16,25 
Ende NAT INS SEN. 58,277% | 15,94 | 16, 16 | 16, 19: | 16,39: | 16, 71 
Mittelle 2 tn ARE N | 53,273 | 15,79 | 15,965 | 16, 04: | 16,.11- | 16, 48 
Gemessene Länge :.r.1.1.0.1o10r oder onetouoreneterenelohetetenesenetekoneleteretone F— 5,2411 
Teemperaturiyon M=— 16285 ....nerrcranter onotenetonononenonlelegn  erarehn.d + 0,0875 
Toise,Demperatur —=46,,08 ver .vorcreteroretsnenntotenen er otlarote arale ot olerekele . 863, 9963 
Elasticıtätides)Kadensmir.renssezcaehorsnenenskerstenanereheneberenenederene lee EOR0044 
Länge des Pendels ......... 0.0.4.0 0 .00e1etaretoretstotenenetenere — F + 355, 8468 


Schwingungszeit — 1” 72534874 der Uhr = 1} 7206261 M. 2. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels... .. 1304, 3050 —- 2,9606 € 
Reduction auf den leeren Raum 


Kue efehefetepeiee korere — 0,0755 — 0,0002 € — 0,0794 k 
— auf das zusammengesetzte Pendel.... | + 0,2120 
— auf Rl ne Riese her — 558, 8468 


Resultat/des Versuchs... ..aeneen. Rl= | 446, 0947 + 2,9604 8 — 0,0794 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 245 


VersuchV. d.' Juni 27. .# 46" St. 2. 


Fühlhebel rechts. Barometer — 336/12. Gang der Uhr = — 0, 019. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen M 1% ur 13 72165350 Fehler 
h 7 7 ar GERN Gere‘ ER hyyf n’ 7 Ge 
so | 4 44 24,9870 | 35,8 | 13,58 | 14,61 | 1 A4 24, 9854 | + 0, 0014 
580 538 47, 3141 27,6 55 47,3130 | — 0, 0011 
1080 | 2 13 9,6361 | 21,1 | 13,69 | 14,61 | 2 13 9,6343 | — 0, 0018 
1580 27 31, 9564 16, 3 27 31,9538 | — 0, 0026 
2080 At 54, 2681 12,6 | 13, 76.| 14, 61 41 54,2721 | + 0, 0040 
90 50.20,,2257 U|. 365.3 217133178311 14561 50 20, 2244 | — 0,0013 
590 | 3. 4 42,5507 | 27,4 3 4 42,5495 | — 0, 0012 
1090 19 ©:4,,8695 ul; 21,0] 13, 92: |: 14, 61 19 4,8713 | + 0, 0018 
1590 33 (27182201 16,1 33 27,1911 | + 0, 0089 
| 2090 a7 49,5182 | 12,5 | 13,96 | 14,61 |. AT 49,5100 | — 0,0082 | 
Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 
des 
Fühlhebels 4 e” ee” [P 72 


N enter ren ee ee een 
Anfang »..ee.ecenonnen. | 68,356 le 14, 61 


Eindeik: sesreklor ca seta srye all 168513277 1| AUSLOBElı AA. 33 13, 96 | 14, 61 
68, 3415 | 14,055 | 14, 33 | 14, 66 | 13, 76 | 14, 61 


INiiEtelker ee. hale ss telafete > forte 


G@emesseneslLanner sera eelelelse seleleelelene ee nee ee EN ER 65 11166 
emperaturivon H — AU AS re esta an eree olea,nlere ale ala »tere ler N0HDZEH 
Moise,uemperatur — MU 52 ae lennereeieeiein la edle) ale) rare eterer stetet863,,9818 
Blasticität/des Badensters elerstcie aleleretelsteteisteere eere leere 000 
Bängeldes»Dendels er. eele eorera a 2 oe neletorels oiene aieteheie DEZE TIEITL KIA 
Schwingungszeit = 1, 72163350 der Uhr = 1, 7199235 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 130377397 + 2,9582 
Reduction auf den leeren Raum. ......2....2... | — 0,2297 — 0,0005 8 — 0,2277 k 
— auf das zusammengesetzte Pendel....| + 0,6745 
auf ER reeE Ve oreliiten sl al ehe onenshagenelehekene ten 33125 97 A 


Resultat des Versuchs... ...cce2.... FP=| 446, 2671 + 2,9577 8 — 0,2277 k 


946 Besseun: Bestimmung der Länge 


VersuchV. 5. Juni 28. #45'St. ZU 


Fühlhebel links. Barometer = 338/58. Gang der Uhr = — 0,934. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 

Beobachtungen R v (Ri 1572466354 Fehler 
N DE rear Gen Greg GT ee 
100 | 1 43 37,4783 | 38,3 | 14,13 | 14,83 | 1° 43’ 57, 4784 | + 0) 0001 
600 57 59,'8240 | 28,7 57 59, 8186 | — 0,0054 
1100| 2 412 22,1449 | 21,8 | 14,13 | 14,84 | 2 12 22,1548 | -# 0, 0099 
1600 26 44, 4922 16, 8 26 44,4890 | — 0, 0032 
2100 Al 6,8234 || 13,1 | 14,15 | 14,90 A 6,8220 | — 0, 0014 
110 50 30, 7420 | 39,3 | 14,17 | 14592 50 30, 7121 | + 0, 0001 
6140| 3 4 48,0528 | 29,5 3 4 48,0532 | ++ 0, 0004 
1110 19 410, 3916 "| 22,4 | 14,23.) 14, 94 19 10, 3902 | — 0, 0014 
1610 33 32, 7244 ı\ 17,3 33 32,7250 | + 0, 0006 
| 2110 AT 55,0584 | 13,5 | 14,34 | 14,99 | AT 55, 0588 | + 0, 0004 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e’ e” e"” [2 (AD 


Anfangs iso fehjeichaelateie.es.ehll 0358352 


0 0 I 0 o 
14,32 | 14,58 | 14,91 | 14,13 | 14, 83 
Eindefers esetefe es enteieter &8.110.634325 | | 


14,53 | 14,86 | 14,41 | 15, 45 
Mittel....00o2cseneren. | 68,339 | 14,32 | 14,555] 14,885 | 14, 27 | 44, 99 
Gemessene Längen ar. ve Re ON 
emperaturivon .E 440101. .oj2.00.000.+..eee araıny.a. a herleiten ANTFENMONORTS 
HRoise,aRemperatur — HA 750 3. 00 lee ea ereleee.eLelelerer ARE EHSC3N Lg THA 
Blastieität.des;Badensi.. ers olelaeieeereoiereloteiereein een ee Zee 101004 
Länzeides; Peudels,. ur. => sie ercete Selnle rer oleiein tel Rl-reI857 102 
Schwingungszeit — 1} 72466354 der Uhr = 1, 7199359 M. 2. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels.... 1303, 7585 + 2,9582 € 
Reduction auf den leeren Raum... ........... | — 0,2308 — 0,0005 8 — 0,2233 k 
— auf das zusammengesetzte Pendel....|-+ 0,6745 
—, 1 AU ee realer eleherete cin ne lokale Kr 85149243 


Resultat des Versuchs „2.2.0... F=| 446, 2809 4 2,9577 8 — 0,2285 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 247 


VersuchiV? CL Juni29N 11° 2318152. 
Fühlhebel rechts. Barometer = 337,53. Gang der Uhr = — 0,936. 


Schwingungsweite und 


Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen Mm 2 In 1700263263 Fehler 
h 27 n L 0 o h ’ ” 0} 

0 10 46 21,5 13,15 | 15, 83 | 16, 05 | 10 46 21, 5030 | + 0, 0030 
754 58. 57,5 11,15 58 57,4977 | — 0, 0023 
1512 1111493 1545 9%6 | 15,83 | 16,11 | 41 11 37,5004 | + 0, 0004 
2269 24 416,5 8,0 24 16, 4984 | — 0, 0016 
3027 36 56,5 6,85 | 15,83 | 16,16 36 56,4976 | — 0, 0024 
31787 49 ‚38,5 5,95 49 38,5012 | + 0, 0012 
4546 12) 2,119,,5 Sa 15583 | 16,22 | 12 2 19,5016 | + 0, 0016 


Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 


des 

Fühlhebels e& e” ee” v Ag 

Ra 0) \ 0% 0 () {) 

Anfang. .cieoeeesleneneie | 62,590: | 15, 47°1145,.62. | 15,.60. |. 15,:83 | 16,:05 
Eindess leiser crteses a tete] 1624596 ee ler 
Mittels. Is 1220.08 1385 62515937 |115559:]115,713 | 15,221 55,83, 16435 
Gemessene länge. ..u.nne nadaa aa nnn san eh 
Teroppratur. von,F — 15963 Selrıno.oneusnafersiermorsnsierene ale Alslereze Se krey =F710550863 
a 


Tange-dessBendels „2.000000 0 so 0 min en a nen en » alla hr, 15119 


Schwingungszeit — 1} 00263263 der Uhr = 0) 999342 M. Z. 

Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... | 44076279 -# 0,9998 € 

Reduction auf den leeren Raum... “2.2.2.0... — 0,0773 — 0,0002 € — 0,0766 K 
— aufdas zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0294 
— Eau ER er ertre nteneretor era Shelfodenel a Ii=kr. 55 59) 


Besultat:des Versuchsil\.. u sh ana Al | 446, 0631. 4 0,9996 € — 0,0766 K’ 


Besseu: Bestimmung der Länge 


Versuch V. 4! Juni 29.» 2*45'St.12. 
Fühlhebel links. Barometer = 337,18. Gang der Uhr = — 0) 941. 


Schwingungsweite und 


Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen m IR 12 1500262673 Fehler 
bh 772 ” L 0 o h ! 7] » 
0 2 8iEl8,,5 12,95 | 14,70 | 45,00 |'2° 8 8,5016 | 4-0, 0016 
757 20 47,5 11,05 20 46, 4994 | — 0, 0006 
1516 33 28,5 9,40 | 14,72 | 15, 02 33 28, 5000 0, 0000 
2275 46 9,5 8, 05 46 9,4957 | — 0, 0013 
3035 58 51,5 6,9 | 14,75 | 15,05 58 51,4987 | — 0, 0013 
3796 3.111345 5,85 3 11 34,5004 | + 0, 0004 
4557 24 47,5 5,0 | 14,78 | 15, 05 24 17,5013 | + 0, 0013 
Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 
des | 
Fühlhebels e e” e"” 1. 2” 
R N 0 o | 0 0 | 0 
Anfang . esse ecsacneen.. |162,656° | 14,88 | 15,:22: |: 15,:20- 1-14, 70.115,00 
Endeasltfotesrotereteiele 2,656 1%38 |15,47.| 15415 Me 
Mittel ....ooerneneeene.| 62,656 | 14, 58 | 15,195 |. 15,175 |. 14,74 | 15,055 
GemessenerHängeh.sesenekelanneren Leser eteke n eeeeee ee ses Fi 5, 6353 


Temperatur von.E —:44009 kerstaranoserereterotniereiereinrere obiarelarere Sloraret = 07.0328 
Elastieitätides.Badens!orereterer net etorerstornteroreleneleker ren en ve ee ION OUT 
Länge.des’Bendels „nen. oo» our osennnnnpeen on des Aue 1035511 
Schwingungszeit = 1’ 00262673 der Uhr = 0, 9998782 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... 4407 6226 ++ 0,9998 € 
Reduction auf den leeren Raum . 22.222... +. | — 0,0776 — 0,0002 8 — 0,0769 K' 
—  aufdas zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0294 
U auf pen lerele a orekeheger lorer edelele ehele) had 


Resultat des Versuchs. „2.202.200... F| 446,.0667 4 0,9996 8 — 0,0769 K’ 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 249 


VersuchiV: e\ Juni 30.. 3U141/St3Z2. 


Fühlhebel rechts. Barometer == 335/64. Gang der Uhr = — 0,969. 


Reducirte Mittel | Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m % um 1572465967 Fehler 


100 | 2" 9° 49/4659 | 40,1 | 14266 | 14°94 | 2" 9’ 49/4673 | +0, 0014 
600 24 11, 3099 29,9 24 11,8065 | — 0, 0034 
1100 33 34,1377 | 223,6 |'14,70| 14, 97 33 34,1413 | + 0, 0036 
1600 2 56, 4736 17,4 52 56,41739 | + 0, 0003 
2100 | 3 7 48,073 13,5 | 14,72 | 15,07 | 3 7 18,8054 | — 0, 0019 
110 16 14, 7104 | 39,3 | 14,73 | 15, 09 16 14, 7124 | + 0, 0020 
610 30 37, 0559 | 29,5 30 37,0517 | — 0, 0042 
1110 AA 59, 3841 22,4 | 14,77 15,13 44 59,3871 | + 0, 0030 
1610 59 21, 7247 17,3 59 21,7202 | — 0, 0045 


| 2110 4 13 44, 0485 13,5 | 14,85 | 15,16 | 4 13 44,0521 | + 0, 0036 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 


Fühlhebels e e” e” 1% zer 


Anfangeceeesenecceesen| 68,388 | 14060 | 14073 | 14091 | 14064 | 14lgk 
Endes erefle sr sre, otelelses sushi 685:365 een alone ne 
Mittel. nie celeneiseiele..eecnl| 68, 3765| 14,/67.| 44, 83.|114, 91] 14,181 145,103 


Kemessenesbäangekereerneroroleratonotenet orenskonetetohehoteletel ereketelefeken sn OAAIE 
Memperaturvon.E — 072 ae 00 nee este getreu 0 
Roise abemperatun— AN, 88 deraerz or Vereietere. ofeketenotetelefe he era eeeE0ITO 
Blasticitäatides!Radensie.renerenskoronorenereneleketeneronotenote ken ehan state ck ER OMONLT 
Länge des Pendels .......oeoereseneneesnenee.. = F+ 857,9210 | 
Schwingungszeit = 1) 72165967 der Uhr = 1, 7199313 M. 2. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels.... 1303) 7515 ++ 2,9582 € 
Reduction auf den leeren Ranm. ..»....2....|— 0,2235 — 0,0005 € — 0,2265k 
— aufdas zusammengeseizte Pendel....| + 0,6745 
a BUBEN Ve era eletare.e ie. leere ale ren —e 851,9210 


Resultat des Versuchs .....22..... F=| 446, 2765 + 2,9577 € — 0,2265 k 


Mathemat. Abhandl. 1835. Ti 


250 Bessen: Bestimmung der Länge 


Mersuch'WV. #2 Iuli1.3 2798554.12: 


Fühlhebel links. Barometer — 338/77. Gang der Uhr = — 1) 328. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m v (2 1772468086 Fehler 
ET ee L o 0, h 2 ” 2 
110 | 1 55 55, 7125 | 38,8 | 15,34 | 15,68 | 155 55,.7060 | — 0, 0065 
610 | 2 10 18, 0598 29, 4 2 10 418, 0558 | — 0, 0040 
1110 24 40, 4014 | 22,0 | 45,37 | 15,72 24 40, 4018 | + 0, 0004 
1610 39 2,7490 ‘| 17,0 39 2,7454 | — 0,0036 
2110 53 25, 0741 13, 3 15,37 1155,72 53 25,0878 | + 0, 0137 
100 | 3 3 39,4783 | 40,0 |15,37 | 15,72 | 3 3 39,4899 | -F 0, 0116 
600 18 1,8315 | 30,0 18 4,8304 | — 0, 0011 
1100 32 241736 | 22,5 11115, 41015, 75 32 24,1768 | + 0, 0032 
1600 46 46, 5290 | 17,3 46 46,5207 | — 0, 0083 


2100 | 4 1 8,8686 | 13,6 


| 15, 43 15, 77 | 4 1 8,8634 — 0,0052 | 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels ed e” ee" 22 um 
BE er (en an 
JAnfangrerfeitte te sonne, 68,425 | 15,47 | 15, 62 | 15, 79 | 15,-32 | 15,66 
Endes A | 68,407 | 15,42 | 15, 57 | 15, 74 | 15,,37. | 15572 


Mittel. ..2202eeueeenene | 68416 | 15,445 | 15,595 | 15,765 | 15,345 | 15,69 


Gemessen enran per gen Bee Vene ee 6,1533 
Memperaturivon RR — 15550... uuonemmene nenne ee hear 00085 
Moise,sliemperatun— 155,70). erenstelerer sel elegen eleteneh ale efey enszetalelen21863, 1998| 


BElasticitätides Badens, ac. ae aaa an ala rear shenonenonenens er eleret Fr 110510041, 
Länge des Pendels ...... eueheeloeleketolallteie sLete ea = ee BAT 


Schwingungszeit — 1, 72168086 der Uhr = 1, 7199452 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels.... 1303) 7726 -H 2,9583 € 


Reduction auf den leeren Raum....... eeen0. | — 0,2302 — 0,0005 € — 0,2232 k 
— aufdas zusammengesetzte Pendel .... | + 0,6745 
SE AULEHI HU TR telelelerelersıeielerele — 857, 9301 


Resultat des Versuchs ...s.esree.. F=|. 446, 2868 + 2,9578 8 — 0,2282 k 
Re ER EEE N re 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 251 


Versuch'Vl.:«a' Julil2. ’32%.St. Z& 


Fühlhebel rechts. Barometer —= 338) 76. Gang der Uhr = — 1) 688. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen Mm v ur 1, 72537362 Fehler 
Ro Nam 213) L O4, 20% BINR27T Syner „ 
100 | 2° 5 17,5434 | 41,8 | 15,26 | 15, 72| 2° 5.17, 5460 | + 0,0026 
600 19 40, 2474 ‚| 37,9 19 40, 2448 | — 0,0026 
1100 34512,9430 | 34,2 | 15,27 | 15, 73 34 2,9413 | — 0, 0017 
1600 48 25,6282 | 31,0 48 25, 6360 | —+- 0, 0078 
2100 | 3 2 48,3309 | 28,2 | 15,36 | 15,81 | 3 2 48,3294 | — 0,0015 
2600 17 41, 0291 | 25,6 17 11,0218 | — 0,0073 
3100 31 33, 7137 | 23,4 | 15,45.| 15, 91 31 33, 7134 | — 0, 0003 
3600 556, 4067 | 21,5 45 56, 4045 | — 0, 0022 


4100 | 4 0 19,0900 | 19,6.) 15,64 | 15,98 | 4 0 19,0952 | + 0, 0052 


Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 


des 
Fühlhebels € e” €" 24 [KO 
A Rn 055 o by oe: 0 
Dfang . en ennenensnsnee| 58,338 | 15°27:| 15°52.|. 15270 | 15026 | 15972 


Ende ....ueeconsecenen]| 585,323 | 15,47 | 15, 62 | 15, 70 | 15, 72 | 16, 00 


Mittel. .o.0uecsonceenee| 58, 3305 | 15,37 | 15,57 | 15, 70 | 15, 49 | 15, 86 
Gemeszenel.änge,, 2 as aaa aan aan a ea lee 


Pemperaturvon,F — 150 nun anne nn nee eleeree Seien Er 505:0853 

“Roise,ghemperatun— 15, 03 elelehensusuesehsuehepereneuehete lelenleh str» elelerer-fe13033.9932 

Elasticität dest Hadenskan. arereaa elöreker error later el are eue era are rather” + 0,0041 
Längerdes.Bendels’. eier aa afere stein ntelaielate alelereze ers) eh 485858304 

Schwingungszeit = 1, 72537362 der Uhr = 1, 7206290 M. Z. 

Entsprechende Länge des einfachen Pendels..... 1304, 8094 + 2,9606 € 

Reduction auf den leeren Raum . ............| — 0,0768 — 0,0002 8 — 0,0807 k 

— aufdas zusammengesetzte Pendel....|-+ 0,2120 


— N EDIRIG OO RO oe ee 
Resultat des Versuchs. ............ FP=| 446, 1082 + 2,9604 € — 0,0807 k 


Ii 2 


Besser: Bestimmung der Länge 


MersuchMVLEdN du land. 3920 STH: 


Fühlkebel links. Barometer — 337, 32. Gang der Uhr = + 6 2uh. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 

Beobachtungen BR [R (RZ 1572526018 Fehler 
mm mn — MaD GEBE ROTER re N pen EN 
90 | 2734 53, 2895 | 42,0 | 19, 80 | 20,73 | 2" 3% 53, 2955 | +0, 0060 
590 49 15, 9395 37,9 49 15, 3982 | — 0, 0013 
1090 | 3 3 38,5798 | 34,1 | 19,90 | 20,74 |. 3 3 38,5785 | — 0, 0013 
1590 18 4,2242 | 30,9 18 4,2172 | — 0,0070 
2090 32 23,8548 | 28,1 | 19,96 | 20, 78 32 23,85413 | — 0,0005 
2590 46 46,4890 | 25,7 46 246, 4904 | + 0, 0014 
3090| 4 1 9,1235 | 23,3 | 20,02 | 20,78| 4 1 9,1256 | + 0, 0021 
3590 EN lo 15 31,7600 | — 0,0017 
4090 | 29 54,3914 | 19,5 | 20,06 | 20, 32 29 54,3935 | + 0, 0024 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e' e" e” v 2 
ern agaznse 
Anfang... eoceeedoloeie..| 58,:416° || 20,513. 20,57 120,188 .|,19578 | "20473 


Ende ....erceeseenens.} 58,363 | 20,13 | 20,57 | 20, 78 | 20,06 | 20, 84 
Mittel. ! 2.11. 2 Sen... 5% s2]1753,13895 20, 434] 20, 577720, 831[49,7921 20733 
Gemessene Länge ......... ER ar 
"Temperatur von Pe 20.908) sierer torertoheroteneintererere Bleneietetere A E0,AAZO 
Moise, -Demperatur:=120, 72 pesssasererorekerefotetorenenebete, BUN sleterere eek 01,024 
Blastieität,des Radenszrer.aa «et arenenaneher ozeroxefeneken onen stone one. ee ale SEO NOOA| 


Länge des Pendels........:0c.e.rr0neseuonne ne. = F + 858, 9088 
Schwingungszeit — 1, 72526018 der Uhr = 1, 7206738 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ... . 1304/8774 -+ 2,9608 € 
Reduction auf den leeren Raum . 2... .2..0...| — 0,0753 — 0,0002 € — 0,0791 k 
—_ aul das zusammengesetzte Pendel.... | -+ 0,2120 
— AUFREHR SL oralen eterekaterekenabekenehene — 558, 9088 


Resultat des Versuchs. ..eroscccc.. F=| 446, 1053 + 2,9606 € — 0,0791 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 253 


Versuch VL..ie. Juli ‚9..23° 3918: 
Fühlhebel rechts. Barometer —= 336/24. Gang der Uhr = -+ 6, 032. 


Schwingungsweite und 


Temperatur Rechnung 

Beobachtete Coincidenzen m U I” 1,.00235755 Fehler 
— m [am Genen men re 
0 53 95,5 13,6 -| 21,07 | 21,62 | 2°53 9,4997. | — 0, 0003 
697 3) K48,5 13, 0 3 4 4,5020 | + 0, 0020 
1393 16 26,5 12, 05: |. 21, 01.|: 21, 62 16 26,5002 | —- 0, 0002 
2089 28 4,5 An 238 4,4973 | — 0, 0027 
2787 39 44,5 11,08 245.425 215,67 39 44, 4995 | — 0, 0005 
3485 51 24,5 10, 55 51 24,5011 | # 0, 0011 
4182 2 301355 10,0 | 21,18 | 21,73| 4 3 3,4995 | — 0, 0005 
A880 14 43,5 9,55 14 43, 5002 | + 0, 0002 
5578 26 23,5 9,071 215 242121578 26 23,5005 | + 0, 0005 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels  e’ e” e” [2 IR 
R,, Oor | | 1) | 0 | ) 
Anlang len. serizlsißelt 59,342 || 208968 21,,46.1121..7821 20,,90.1021262 
Enden. ane. Sa °F 59,336 | 21,15 | 21,51 | 21.83 | 21,35 | 21,78 
Mittel. Eer00...23 19.1080 | 59,339 | 21,055] 21,185] 21,505 | 21,125] 21, 70 
Gemessenerbängerucruurer len dene anleere as 553869 
Memperatur von E21, 20.uue eo ae are er Beer er OT 
BlastieitäßdesKadensnevenlerenoneneicnerevoserere enan si alaer her are ee ee + 0, 0014 
Länge des Pendels ............ ... N EN REN RE ON. .—=F-— 5,2184 


Schwingungszeit = 1, 00235755 der Uhr = 1, 0001891 M. 2 
Entsprechende Länge de einfachen Pendels ..... | 44078967 -# 1,0004 € 


Reduction auf den leeren Raum ........... 22. | — 0,0252 — 0,0001 8 — 0,0265 k' 
— aufdas zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0493 
—.ı\, ul: ee eher + 5, 2184 


ResultatidesiVersuchs. . 2. ......2..,E = | 446, 0406 4 1,0003€ — 0,0265 k' 


254 Besser: Bestimmung der Länge 


Versuch VI. d. Juli 6. 3'418 St. Z. 
Fühlhebel links. Barometer = 338/38. Gang der Uhr = + 5) 821. 


Schwingungsweite und 


i Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen m U 2” 17.00235324 Fehler 
h [2 ” 15 6 o o bh ! 7 7 

0 21 32% 27,5 14,0 | 20, 90 | 21,28 | 2° 32 27, 4999. | — 0, 0001 
697 44 6,5 13,2 44 6,5001 -+ 0, 0001 
1395 55 46,5 12,65 | 20,90 | 21, 23 55 46,5020 | -+ 0, 0020 
2092 a1 2545 11, 95 3 7 25,5001 | + 0, 0001 
2789 19 ° 45 11,4 | 20,90 | 21, 23 19 4,4972 | — 0, 0028 
3488 30 45,5 10, 85 30 45,4993 | — 0, 0007 
4487 42 26,5 10,25 | 20,79 | 21,17 42 26,5004 | + 0, 0004 
4886 57 9,8 54 7,5007 | + 0, 0007 
5585 | 4 5 48,5 9,2 |20,79 | 21,17 | 4 5 48,5004 | -# 0, 0004 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels e e” ee” v [AR 


0 07 ORG Go 
21,20 | 21,61 | 21,88 .1.20,90 | 21,28 
20, 96 | 21, 41 | 21,68 .|.20, 79 | 21, 23 
Mittel. 2...0.20eeneenee| 59 2895| 21, 08.| 21, 51 |.21, 78 ‚| 20,845 | 21,255 
Gemessene Länge. .icrarerersteniersienniersneionnseiernnerebere nei een ee A 5553325 


Temperatur von F= 21/23 ekalste tete aehaor een olietie te Ole tale he BET OST, 
BilasticrtätsdespHadensunay ne Verst euozorefopoVenskenokexernchofeketet- er leheke es 


AufangIelene.e)erstaferendlerchefehe,d 59,291 
Endet .I.atı ath.leite chanel] 1595288 


Bängerdes Bendelswetner rereterenetonorefnzerenotekernseretonaneregeie Se Hr 512139 
Schwingungszeit — 1) 00285324 der Uhr — 1, 0001824 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... 440, 8908 -# 1,0004 € 
Reduction auf den leeren Raum 2 ..22..*...... | — 0, 0254 — 0,0001 8 — 0,0267 K' 
— aufdas zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0493 
u U ee ereterehen Hebrt9512139 
Resultat des Versuchs .....222...... F=| 446, 0300 + 1,0003 € — 0,0267 k 


des einfachen Secundenpendels ‚für Berlin. 255 


Versuch\VI. & :Iuli 7. 353% St; ZI 


Fühlhebel rechts. Barometer — 336, 15. Gang der Uhr = + 5) 579. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m u u 1, 72526746 Fehler 


b 7 nv L 0 b ’ 2 „ 
100 | 2756 18, 5343 | 41,7 | 19,49 | 20,39 | 2° 56' 18/5331 | — 0, 0012 


600 | 3.10 41,1745 | 37,4 3 10 41,1795 | + 0, 0050 
1100 25 3,8256 | 33,9 | 19,49 | 20,39 25 3,8234 | — 0, 0022 
1600 39 26, 4669 | 30,6 39 26, 4654 | — 0, 0015 
2100 53 49,1003 | 27,9 | 19,49 | 20, 38 53 49, 1060 | # 0, 0057 
2600 || 4 8 1157555 | 25,5 4 8 11,7455 | — 0, 0100 
3100 22 34,3834 | 23,2 19,49 | 20, 34 22 34,3838 | + 0, 0004 
3600 36 57,0197 | 21,4 36 57,0214 | # 0, 0017 
4100 | 51 49,6565 | 19,6 | 19,53 | 20,37 51 19,6556 | + 0, 0021 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlhebels]| e e* e” u Un 
Anfan han. 190 aus. Prelene 58, 346. |.19, 73. 20,47 | 20,38 | 19,49 | 20,39 
Endet se. ent. | 58,332 | 19,73 | 20,07 | 20,23 | 19,55 | 20, 39 
Mittele Ele aca er | 58,339 | 19,73 | 20, 12 | 20,305 | 19, 52 | 20, 39 
GemesseneJlang en ee RS EEE F— 5 2470 
iNemperatur won El— 1938G ra 2 ya Saale ren ara Hei + 0,1097 
Moise, Bemperatunr 20123712 Staa rate a steratar eher et Re 864, 0393 
Klästieitätdes; Baden era rslerersirerafere alerstetertere er + 0,004 
Bängerdesibendelsn seyn nee NE = F-+ 558, 9061 


Schwingungszeit = 1) 72526746 der Uhr = 1, 7206679 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... 1304, 8684 -# 2,9608 € 


Reduction auf den leeren Raum ............. — 0,0751 — 0,0002 8 — 0,0789 k 
— auf das zusammengesetzte Pendel .... | ++ 0,2120 
N RUE nn — 358, 9061 


Resultat des Versuchs .......:.... ..F=| 446, 0992 + 2,9606 8 — 0,0789 k 


256 Besser: Bestimmung der Länge 


Versuch VI. f Iuli'8. Br 59 Str 


Fühlhebel links. Barometer — 337, 38. Gang der Uhr = + 5, 305. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Teinperatur Rechnung 
Beobachtungen m N Er 1372527352 Fehler 
h 72 72 L; 0; 0, h I 7 „ 
120 | 2°56 3,0359 | 40,6 | 18,68 | 19,63 | 256 3,0337 | — 0,0022 
620 | 3 10 25, 677 36, 6 3 10 25,6818 | + 0, 0042 
1120 24 48,3253 | 33,0 | 18,78 | 19, 69 24 4s,3278S | -+ 0, 0025 
1620 39 10,9697 | 30,0 39 10,9722 | -# 0, 0025 
2120 53 33,6263 | 27,2 | 18,91 | 19, 81 53 33, 6156 | — 0, 0107 
2620| 4 7 56,2558. | 24,8 4 7 56,2581 | -+ 0, 0023 
3120 22 18,9010 | 22,7 | 19,09 | 19, 91 22 18,9000 | — 0, 0010 
3620 36 41,5429 | 20,8 36 41,5415 | — 0, 0014 
4120 | 51 4,1786 | 18,9 | 19,21 | 19,95 51 4,1824 | + 0, 0038 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 
des 
Fühlbebels €’ e” eu (0 [62 
BER, oe 0) 20 Deo 
Anfang ae stelere ht keele ae 58, 356 | 18,94 | 49, 28 | 19, 58 | 18, 65 | 19, 61 
Enden... 2.0 IE IE I | 58, 319 | 19, 24 | 19, 48 | 19,78 | 19,21 | 19,95 
I a ae | 58, 3375 | 19,09 | 19, 38 | 19, 68 | 18, 93 | 19, 78 
Gemessenerlünger nassen dee ee ee leeeidiele F— 5,2469 
Temperatur von f = 19,49 EB En Ar + 0,1060 
Toise,uliemperatur = 19,56 2... 00 00 aee eiee lets eletetetedhelere .. 864, 0326 
Elasticität des Fadens........- Erlen ner en EN NeTERER eh sta etsr ers ee... 0,004 
Tängerdes-Bendelss.n.00 0.2. 00an rannte = F + 358, 3958 
Schwingungszeit — 1} 72527352 der Uhr = 1) 7206684 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels..... 1304, 8692 + 2,9608 € 
Reduction auf den leeren Raum. ............ — 0,0756 — 0,0002 € — 0,0794 k 


— auf das zusammengesetzte Pendel... | + 0,2120 
— UP AO RE el anerereresorehane reale — 555, 8958 


Resultat des Versuchs ...........:. F=| 46, 1098 + 2,9606 8 — 0,0794 k 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 


Versuch VI..«. Juli 9. .3’ 56’ St. 2. 


Fühlhebel rechts. Barometer — 335/35. Gang der Uhr = + 5/ 113. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen M [ik [22 1472458245 Fehler 
70: | 254 26, 7246 |'38,'7 | 18,79 | 19,90 || 2° 54 26, 7257 | +0, 0041 
570 | 3 8 49,0263 | 28,9 3 8 49,0278 | -+ 0, 0015 
1070 23 11,3236 | 21,9 |'19,06 | 19,95 23 11,3233 | — 0, 0003 
1570 37 33,6158 | 16,9 37 33,6169 | + 0, 0011 
2070 51 55,9159 |113,2 |'19,23 | 20,.01 51 55,9095 | — 0, 0064 
110| 4 0 6,7078 138,9 | 19,25 | 20,06 | 4 0 6,7049 |'— 0,0029 
610 | - -14 29, 0095 28,9 14 29, 0055 | — 0, 0040 
1110 23 54,3033 22,0 1:49,40 | 20,.16 28 51,3022 | — 0, 0011 
1610 43 4355927 | 17,1 43 413,5971 | + 0, 0044 
2110 57 3558377 13,3 | 419,.66 | 20, 34 57 35,8913 | + 0, 0036 | 


Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 


es 
Fühlhebels €’ e” e” v (4 
— [ll ln 


Anfang oe uoeeoneneonene.| 68,398 | 19704 | 19248. | 19293. |. 18,76. |. 19989 
ondelra ges eteloretate tet 03328 ae ae 20, 39 


Mittel. 2 ocueoeccaseone.e | 68,363 | 19, 19 | 19,,58.|. 19,955]: 19,.24 | 20, 14 
Gemessene Lange serercnoner eier meiner et eiein er ei et euere etereroretetensteierete OEL NO 
Memperatungon. Fı— 19132 aeiersierotere nm et rer enor ren n tale are R=FEN0A 00T 
Toise, Lemperatun— 49180RFetorerohorekstokerstereletenekere Mile ale are eislelel 801, 0860 
Blasticıtätrdes-Radens-creneperexeneneneheuenoreranorenanekeneretozer en erenesat ones A000! 
Länge des.Pendels. .xersrerenereionsierteieistneloneieietnie. one ne.» a = 418571519912 
Schwingungszeit — 1, 72455245 der Uhr = 1/ 7199754 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1303, 8183 + 2,9584 € 


257 


Reduction auf den leeren Raum. ...2.. „2.2... — 0,2248 — 0,0005 8 — 0,2223 k 


—_— auf das zusammengesetzte Pendel ....|-+ 0,6745 
U Re kebelen erste ele. er cl elenskerele ee | 8592 


Resultat des Versuchs ..............F=| . .446,2708 + 2,9579€ — 0,2228 k 


Mathemat. Abhandl. 1835. Kk 


38 


Besser: Bestimmung der Länge 


Versuch VI. d. Juli 10. # 15'St. 2. 


Fühlhebel links. Barometer — 336, 08. Gang der Uhr =+ 5, 524. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 


der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m v (Ki 1, 72458678 Fehler 
h ! „ Ih 0 0 h ’ 7 „ 
90 | 3.413’ 11,2156 | 39,1 | 20/23 | 21.23 | 3° 13’ 11/2180 | + 0) 0024 
590 27 33,5184 | 29,1 27 33,5207 | + 0, 0023 
1090 4 55,8223 | 22,1 | 20,23 | 21,23 41 55,8193 | — 0, 0030 
1590 56 18,1188 | 417,1 56 18,1157 | — 0, 0031 
2090 | 4 10 40,4094 | 13,3 | 20,23 | 21,21 | 4 10 40,4108 | + 0, 0014 
120 19 52,9599 | 38,5 | 20,23 | 21,19 19 52,9619 | + 0, 0020 
620 34 15,2705 | 28,8 34 15, 2643 | — 0, 0062 
1120 48 37,5628 | 21,8 |120,.27 21,17 418 37,5627 | — 0,0001 
1620 | 5 2 59,8556 | 16,9 5 2 59,8590 | -F 0, 0034 
2120 17 22,1532 13,1 1:20,32 (121,121 | 17 22,1542 | —+- 0, 0010 | 
Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 
des 
Fühlhebels ed e” e” v (FL 
N urn en Ge Fan Fr 
Anfang. eieie io oeloe.nee sie 111.68, 419) || 20,.521,21,.06. |. 21,23. 20, 23. | 21,123 
Eindeer eregyeiele e ekelareie oate21| 1635398: H11120EUE7, Bee 20, 34.| 21,23 
Mittel... ion so eoaeceen-.|16854085 || 20,495] 20,965 | 21,18. | 20,285 | 21,23 
Gemestene Länge „iansndanaen mau ae een nn eheinesee SEE INES UG2H 
Temperatar. von FL 20565... „use meissoioreierer none chend srte 3. Ale100 AO 


Toise, Lemperatun— 21109. 7etesekorenonezoneiokenskakoheionesoksloreletsuekotelanet-121304,.0480 
Blastieitat,desiEadensi.rcuee uerereneheusnersnerenekaketätenencneschehenene + 0,004 


.=F-+ 558, 0134 
Schwingungszeit — 1, 72458678 der Uhr = 1, 7199878 M. 2. 


Entsprechende Länge des einfachen Pendels.... 1303/8371 + 2,9584 € 
Reduction auf den leeren Raum. ............|1— 0,2245 — 0,0005 € — 0,2225 k 
+ 0,6745 
— 358, 0134 
446, 2737 # 2,9579€ — 0,2225 k 


TrängeldestBendelspa was s.eierea eiejeralefsrekelekoreiete 


auf das zusammengesetzte Pendel.... 
auf un heise 


Resultat.des Versuchs ......0..... F=] 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 259 


Versuch WI. £! Juli 14..13° 26,54% 
Fühlhebel links. Barometer — 338/29. Gang der Uhr = + 5, 256. 


Schwingungsweite und 
Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen m v [2 1, 00258761 Fehler 
m N — u | (en 


o b 


0 |) -x2* 47/53) 5 14,25 | 16°96 | 17°33 | 2" 47’ 53)5015 | + 0,0015 
768: | -13|.0:43,5: | 11,9 3 0 43,4999 | — 0, 0001 
1538 413938,,5 10,1 | 16,96 | 17, 39 13 35,5001 | 4 0, 0001 
2308 26:27,5 8, 65 26 27,4983 | — 0, 0017 
3079 39 20,5 7,35 | 17,07 | 17, 50 39 20,4977 | — 0,0023 
3852 52 15,5 5, 95 52 15,5012 | + 0, 0012 
A| A 5 95 5,25 | 11,13 |17,67 | 4 5 9,5014 | + 0,0014 


Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 


des 
Fühlhebels| e e" e” [2 zn 
R | o o 0 o 
Anfang ..ce üeoeeeeoueeeı 62,583 Be 17,33 


Einde®4cle@ejse o.ersteleie elle 12 625587, 17,58.1,18,.43.|, 175.07. |, 47567. 


62,570 | 17,275|| 17,.58.| 18,155 | 17,015 | 17, 50 


Mittelue 1 eaelets el efatenetäelalet 
Geniessenerlänge... ........, male a el ale mas, beine nuernunnnede siesereeel ee 
Temperatiir von F — 17738 le. .....eieneieieieinnne.o 6 a ein etara elern.e 1 05.0960 
Elasticitätrdes,Badens ..cscio,osornsorsiesnuenerenake,osohexereuerener enehalene ne terhher eher 0, 00H 
N 
Schwingungszeit = 1} 00258761 der Uhr = 0, 9999109 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... | 4406515 -# 0,9998 € 
Reduction auf den leeren Raum „2.2... 2....... | — 0,0773 — 0,0002 8 — 0,0766 k’ 
— aufdas zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0294 
— U aut ee rer sZeretene sone here 4545301 
Resultat des Versuchsids. I one ner | 446, 0749 + 0,9996 € — 0,0766 k' 


Kk 


[S0} 


260 Besser: Bestimmung der Länge 


Versuch .V]..d‘. Juli 12. ..3° 407 St. Z 
Fühlhebel rechts. Barometer = 335/32. Gang der Uhr = + 5/09. 


Schwingungsweite und 


Temperatur Rechnung 
Beobachtete Coincidenzen m [Ki Ir 1700259033 Fehler 
h 12 ” L o 0 h / „ n 

0) 3 Ayl2b25 12, 17,92 | 18,28 | 3° 1° 25, 5003 | + 0, 0003 
769 14 16,5 10, 95 14 16,5012 | + 0, 0012 
1538 DT 915 | 17,97 | 18, 44 27 7,4995 | — 0, 0005 
2308 39 59,5 7, 85 39 59, 4986 | — 0, 0014 
3079 52 52,5 6,85 | 18,09 | 18, 56 52 52,4994 | — 0, 0006 
3850 k 545,5 5,85 4 5 45,4995 | — 0,0005 
4622 18 39,5 49 | 18,14 | 18,72 18 39, 5016 | + 0, 0016 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 

des 
Fühlhebels € e” e" [2 1% 
re an 


Anfang ooseeeocdonccene 


627508 | 17°95 | 18°43.\. 18078. 1792 |. 1828 
Eindene.).tetersteleioiefeisrofel eier | | | 


62,515 | 18,15 | 18, 4s.| 18,78 | 18, 25.| 18, 78 
Mittel 2.220 2.0enobene.| 62, 5145 | 18,005 [118,455 |} 18, 78.].15,085.].185 53 
Gemessene-Länger.lererererstoroinenener none er ee REN 6255 


Temperatur von F = 18/19 00.00.0.0.00.060000 00000009 0028.00 5.0.:. 0 DON 
Elasticıtät-des-Badens; teuVoxeroxoreronororeransretonorsterskstenav nen ovoreker oe ae ON ON 


Länge des Pendels „so. ooe-sooenenneonenne ne. a FL— 5,5205 
Schwingungszeit — 1, 00259033 der Uhr = 0, 9999117 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels ..... 4140, 6522 + 0,9998 € 
Reduction auf den leeren Raum ....... "nennen. | — 0,0763 — 0,0002 8 — 0,0756 k' 
— aufdas zusammengesetzte Pendel ..... | — 0, 0294 
Saul Re N lenken enee | 551555205 


BNesultat/desViersuchsieis s.2 arezel Kerotsrofeien Fi —— | 446, 0670 4 0,9996 & — 0,0756 K 


des einfachen Secundenpendels für Berlin. 


Versuch VI. e. Juli 13. .14 24 St. Z. 


Fühlhebel rechts. Barometer = 334/15. Gang der Uhr = + 4, 920. 


Reducirte Mittel | Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen u {2 Dr 1572456746 Fehler 
FF Se P) o ET: „ N 
110 | 3° 18’ 40, 6895 | 38/7 |,1s?09 | 19°09 | 3" 1s’ 40) 6891 | — 0, 0004 
610 33 2,9770 en 0 33 2,9822 | + 0, 0052 
1110 47 25,2733 | 22,0 |-18,09 | 19, 05 47 25,2713 | — 0, 0020 
1610 | 4: 1 41,,5529 ;| 16,9 4 4 47,55531 | + 0, 0052 
2110 16 9,8517 | 13,2 | 18,09 | 19, 01 16 9,8436 | — 0, 0081 
120 31 30,9470 | 37,7 | 18,09 | 18,99 31 30, 9451 | — 0, 0019 
620 45 53, 2431 28,0 45 53, 2374 | — 0, 0057 
1120 | 5. 0 45,5201 ı|: 21,5 |'18,09:|18,95 | 5 0 15,:5260 | + 0, 0059 
1620 14 37,8150 | 46,7 14 37,8125 | — 0,0025 
2120 29 0,0936 ‘| 12,9 |:18,09:| 18, 95 29 0,0978 | + 0, 0042 


Messung der Länge des Pendels. 


Schraube 

des 
Fuhliebb e e” ee” [2 [4 
Anfang. coosecsloccnecee re 18,45 | 18, ı 19,18 | 18,.09, | 19, 11 
Eöndeser. ayejarıa ste aslersielshe 385 Is: cn Kell kunden 18, 95 
Mittel...o220ocseeeo nen || 654255 | 48;,35,| 18, 83 | 19, 08 | 18, 09 | 19,03 
Be Tee 6,1541 


Temperatussnon HF — BE Hl uecre ee njeinmiefeneiss enorm leere Azaeit 5 + 0,1022 
Toise, Temperatur —.18, 98 a... nen eeleomeldien eszersierie«r8045 0267 
Elästicität. des Eadens.. geehrte rel e eee eEt2 0,00 


Länge des Pendels .....:ssererseroneneerren en FH 851, 9189 


Schwingungszeit — 1} 72456746 der Uhr = 1, 7199567 M. Z. 
Entsprechende Länge des einfachen Pendels.... 1303, 7900 + 2,9583 € 


261 


Reduction auf den leeren Ranm ........+-....| — 0,2249 — 0,0005 &E — 0,2229 k 


— auf das zusammengesetzte Pendel....| + 0,6745 
— DU RRELET er sue ee ee a ekekelet eier se 831 


ur re er SENT IN Eee 
Resultat des Versuchs ........... F=| 446, 2607. 4 2339578€ — 0,2229k 
Be RE WE TER TREE 


[80] 
[82) 


Besseu: Bestimmung der Länge des einfachen Secundenpendels etc. 


Versuch VI. F. Juli 14... 2 317SvZ. 


Fühlhebel links. Barometer —= 335/76. Gang der Uhr = + 4 s31. 


Reducirte Mittel Schwingungsweite und 
der Temperatur Rechnung 
Beobachtungen m v Z 1572456268 Fehler 
m N 3 o f) BIER 77 „ 
80 | 3 18 48, 95836 | 38,8 | 16,39 | 17,19 | 3° 18 49, 9845 | ++ 0, 0009 
550 33 44, 2754 4029,90 33 11, 2745 | — 0, 0009 
1080 AT 33, 5589 2,0 | 16, 39 | 17,22 AT 33, 5606 | + 0, 0017 
1550 | 4 1 55,8448 | 16,9 4 1 55,8444 | — 0, 0004 
2080 16 18, 1284 13,1 || 16, 39 117, 22 16 18,1271 | — 0, 0013 
120 25 43,9436 | 38,2 | 16,39 | 17,22 25 43, 9444 | 4 0, 0008 
620 40 6,2393 | 28,5 40 6,2343 | — 0, 0050 
1120 54 28,5157 | 21,5 | 16,49 | 17, 27 54 28,5204 | + 0, 0047 
1620 | 5 8 50,8064 | 16,6 5 8 50,8047 | — 0, 0017 
2120 23 13,0869 | 12,9 | 16,75 | 17,32 23 13,0881 | + 0, 0012 | 


Messung der Länge des Pendels. 
Schraube 


des 

u ed e” e" 12 0% 

ae a een nenn nes, 

a 68, 396 | 16, 55 | 16, 79 | 47,18 | 16, 39 | 17, 17 


ia 


Eindesl. eat se 68,433 | 16,65 | 16,89 | 47,18 | 16, 79: | 17, 33 
ERSTER TTa ET . | 68, 4145 | 16, 60 | 16, 84 | 17,18 | 16, 59 | 17, 25 
Gemessenebinge enger ah er NE 6,1532 


Temperatur/von Pi 416%68:ereroretereiereternteletateteteinte de a elo arten + 0,0921 

Toise, Temperatur; 17,04r.reretehe orolateiatetoretosetorete & 00, elorre «elle 2411864,.0072 

Elastieität des Fadens: „ou. cceetetoioteretoroteretoiote ste nette ne nee = 105,004 
Länge desrBendels- 0.00.00. .onnosanoosse 00... Hi -R 85119502 

Schwingungszeit — 1} 72456268 der Uhr = 1, 7199500 M. Z 

Entsprechende Länge des einfachen Pendels .... 1303/7798 + 2,9533 € 


Reduction auf den leeren Raum....... een. | — 0,2272 — 0,0005 € — 0,2252 k 
— aufdas zusammengesetzte Pendel ....| + 0,6745 
au ae el es aalli 1857419502 
Resultat des Versuchs 22.22.00: F=| 446, 2769 + 2,9578€ — 0,2252 k 


—— 


Einige Bemerkungen zu den Mitteln, algebraische 
Gleichungen näherungsweise aufzulösen. 


‚yon 
H'"- CRELLE. 


anna dv. 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 4. Juni 1835.] 


Ve sind in der neueren Zeit, seit Lagrange, die Mittel, algebraische 
Gleichungen näherungsweise aufzulösen, insbesondere durch die Arbeiten 
Fourier’s, sehr vervollkommnet worden. Da indessen der Gegenstand, 
wenigstens theoretisch, noch nicht erschöpft ist, so wird mir vielleicht erlaubt 
sein, einige dahin gehörigen Bemerkungen und Sätze, auf welche ich gele- 
gentlich gekommen bin, hier mitzutheilen. 

Die Gelegenheit und den Anlafs, über die approximative Auflösung 
der algebraischen Gleichungen neuerdings einige Untersuchungen anzustellen, 
gab mir ein Aufsatz des Gymnasial-Lehrers Hrn. N. W. Schulze zu Ru- 
dolstadt, der sich in dem Journale der Mathematik, welches ich herausgebe, 
im 3“ Hefte des 13'= Bandes, abgedruckt befindet. Der Verfasser schlägt 
vor, eine cubische Gleichung, wie x° = ax-+b, näherungsweise dadurch 
aufzulösen, dafs man, durch Verbindung derselben mit einer anderen, will- 
kührlich gesetzten Gleichung (@e—p)” = 0, oder, beispielsweise, (e—p)’ =, 
wo p schon dem Werthe von x nahe kommen mufs, die verschiedenen Po- 
tenzen von x, bis auf die erste, wegschaffi und aus dem Resultate, mit der 
ersten Potenz von »allein, & nimmt; welches dann ein Näherungswerth von 
x sei. Hr. Schulze verfolgt in seiner Abhandlung diesen Gedanken in 
Beziehung auf Gleichungen nicht weiter und nicht in’s Allgemeine; noch 
giebt er den Beweis, dafs das gefundene x dem Werthe dieser Gröfse näher 
komme als p, sondern wendet sein Verfahren nur noch insbesondere auf die 
Quadratur einiger Curven an. 


964 Creıze: einige Bemerkungen zu den Mitteln, 


Nachdem ich nun über die Wirkung des vorgeschlagenen Verfahrens 
auf die Auflösung der Gleichungen, welches Verfahren an sich mit demjenigen 
übereinkommt, dessen sich Euler zu einem anderen Zwecke, nämlich bei der 
Zerlegung von Brüchen, deren Zähler und Nenner rationale Polynome sind 

gung D 5 
bedient hat, weiter nachgesonnen, bin ich auf Dasjenige gekommen, was ich 
hier vortragen will. 


1. 


Zuerst ist zu bemerken, dafs sich bei der Aufgabe, eine aufzulösende 
algebraische Gleichung mit rationalen Coefficienten, die also auch immer 
ganzzahlig angenommen werden können, wie 

ie ta vHa,vV’+a,v’.... +4, V=y=0 
mit der Hülfsgleichung 
2. (w—p) = 0, 
wo p dem v nahe kommt, durch Wegschaffung aller Potenzen von v, bis 
auf die erste, zu verbinden, die Rechnung vereinfachen läfst, wenn man 
3 v=p+x 
setzt. Die gegebene, aufzulösende Gleichung wird sich dadurch in 


4. a+astax+raa..aXmey=fxı=0 
o 1 2 3 m 


verwandeln, wo nun x sehr klein ist, und wo die Coefficienten a,, @,, 
@,.... a, ebenfalls als ganze Zahlen betrachtet werden können, die Hülfs- 
gleichung aber in 
>. a —0r 

und es ist nun schon vorauszuschen, dafs der Werth von x, den man erhält, 
wenn man zwischen den beiden Gleichungen alle Potenzen von a, bis auf 
die erste, wegschafft, denjenigen Grad der Näherung besitzen werde, der 
entsteht, wenn man aus der Rechnung nicht etwa &, &*, &°...., sondern 
erst höhere Potenzen des sehr kleinen & wegläfst. 

Bezeichnet man das Polynom der gegebenen Gleichung (1.), weil 
v =p-+x gesetzt worden, Typ): so ist die Gleichung (1.) folgende: 


6. For) Spt adfp rd fp er“ 10% 
also ist, mit (4.) verglichen, 


Ta, ip: a=dfp, ,=72dfp, a, =, difp Zlal=te,.: 


algebraische Gleichungen näherungsweise aufzulösen. 265 


Stellt man sich nun die Curve vor, deren Abeissen v=p-+x und deren 
Ördinaten f(p-+x) sind, so ist, in so fern p dem v nahe kommt, oder x sehr 
klein ist, der erste Näherungs-Werth von x (der Newton’sche), von welchem 
auch Fourier ausgeht, gleich der Subtangente für die Ordinate fp; also 


=— nn =— nn 7.). Diesen Näherungs-Werth erhält man auch aus der 
Gleichung (4.), wenn man darin alle Potenzen von @, bis auf die erste, 
als Null betrachtet; denn alsdann giebt die Gleichung (4.) a,+a, x = 0; wor- 
aus ebenfalls = — —= folgt. Es ist also einstweilen wahrscheinlich, 
dafs der Näherungs-Werth, den man hier erhält, wenn nicht alle Potenzen 
von x, bis auf die erste, sondern nur erst höhere Potenzen vernachlässigt 
werden, im allgemeinen dem genauen Werthe von x näher kommen werde, 
als der Newton’sche, so dafs also die Verbindung der gegebenen Gleichung 
mit der zugezogenen Hülfsgleichung möglicherweise wirklich eine Verstär- 
kung der Approximation zur Folge haben kann. 


2. 


Die Elimination der verschiedenen Potenzen von v, bis auf die erste, 
zwischen den beiden Gleichungen (1.) und (2.), oder von x zwischen den 
beiden Gleichungen (4.) und (5.), kann nun auf verschiedene Weise geschehen. 

Die erste Art, welche sich zunächst darbietet, und deren sich auch der 
Verfasser des oben genannten Aufsatzes in seinem Beispiele, so wie Euler 
bei der angezeigten Gelegenheit bedient, ist: dafs man, je nachdem n > m 
oder m>n ist, die eine oder die andere Gleichung durch Multiplication mit 
v””” oder v””” zu dem Grade der anderen erhebt, darauf die höchste Potenz 
von v zwischen den beiden Gleichungen wegschafft, also so eine erste 
Gleichung darstellt, dieum einen Grad niedriger ist; hierauf diese Gleichung 
wieder durch Multiplieation mit v zu dem ursprünglichen Grade erhebt, 
zwischen dem Resultate und einer der ursprünglichen Gleichungen wiederum 
die höchste Potenz eliminirt, also eine zweite Gleichung darstellt, die um 
ı Grad niedriger ist; darauf zwischen den beiden um ı Grad niedrigeren 
Gleichungen die höchste Potenz von v wegschafft, und so eine Gleichung 
darstellt, die um 2 Grade niedriger ist als diejenige unter den ursprünglichen 
Gleichungen, die den höheren Grad hat; sodann mit dieser Gleichung auf 
ähnliche Weise, und so weiter verfährt, bis man zu einer Gleichung gelangt 


Mathemat. Abhandl. 1835. ul 


966 Crerıe: einige Bemerkungen zu den Mitteln, 


ist, die blofs noch die erste Potenz von v enthält, und aus welcher dann v 


genommen wird. 


3: 


Ein zweites Verfahren, aus näherer Betrachtung des ersten sich erge- 
bend, ist eigentlich das erste selbst; nur in anderer Form. 

Es läfst sich nämlich nicht eigentlich sagen, dafs neben der gegebenen 
Gleichung „= die Hülfsgleichung x" =o selbst stattfinde und gesetzt 
werden könne; denn diese beiden Gleichungen können niemals einen und 
denselben Werth von x geben, wenn anders nicht das erste Glied a, des 
Polynoms y Null ist. Die Hülfsgleichung giebt vielmehr immer @= 0: in 
der Gleichung y=0 kann dagegen x nicht Null sein, aufser in dem beson- 
deren Falle a,—o. Das Hinzutreten der Hülfsgleichung kann daher eigent- 
lich nur auf die Weise geschehen, dafs man setzt: nicht „—=o und x’ =0o, 
sondern y= x”; und daraus würde allerdings, in so fern x sehr klein ist, 
ein Werth x, von x, der demjenigen, für welchen fx = o ist, nahe kommt, 
genommen werden können. Denn, wenn x sehr klein ist, so ist das Polynom 
y für einen dem x nahe kommenden Werth x,, der also ebenfalls sehr klein 
ist, eben deshalb weil x, dem x nahe kommt, nur eine kleine Gröfse. Aber 
auch x; ist dann nur eine kleine Gröfse, und folglich kann allerdings fx, = x! 
sein und gesetzt werden, und das x,, welches daraus folgt, wird dem &, für 
welches fx=o ist, nahe kommen. Da aber, wenn man y=.x" setzt, 
nicht nothwendig eine Gleichung vom ersten Grade entsteht, aus welcher 
man x nehmen könnte, sondern, in so fern n und m gröfsere Zahlen sind, 
eine Gleichung höheren Grades entstehen kann: so würde die Voraussetzung 
y= x" nicht zum Ziele führen. Um dieses Ziel zu erreichen, nämlich, um 
eine Gleichung vom ersten Grade zu bekommen, aus welcher sich ohne 
weiteres v nehmen lasse, mufs man daher vielmehr, etwa das Verfahren 
Euler’s bei der Elimination nachahmend, erst y und x” mit Polynomen von 
x multiplieiren, die so viele unbestimmte Coefficienten enthalten, dafs zur 


Bestimmung derselben die Coefficienten aller Potenzen von & in den Pro- 


5 
ducten, bis auf den der ersten Potenz, einzeln gleich Null gesetzt werden 
können. Bei dem Eulerschen Eliminations-Verfahren müssen die Multi- 
plicatoren so viele unbestimmte Coeffhieienten enthalten, dafs die Coefficienten 


aller Potenzen von x, ohne Ausnahme, gleich Null gesetzt werden können; 


algebraische Gleichungen näherungsweise aufzulösen. 267 


hier also ist ein unbestimmter Coefhicient weniger nöthig. Man mufs daher, 
renn die beiden Multiplicatoren durch ‘F und "U bezeichnet werden, wo 


die Zeiger s und r die Exponenten der höchsten Potenzen von x in / und 
U bedeuten: 
8. ya 2 0 
setzen. Damit in dieser Gleichung die Coefficienten der verschiedenen Po- 
tenzen von x, bis auf diejenigen der ersten Potenz, gleich Null gesetzt wer- 
den können, mufs zunächst 
9: m+HSs—=n+r 


sein. Alsdann haben die beiden Producte jedes m+s-+1 Glieder. Dem 
Gliede mit der höchsten Potenz von x kann man immer den Coefficienten 
ı geben; und das Glied mit der ersten Potenz von x, nebst dem Gliede ohne 
a, sollen übrig bleiben, damit eine Gleichung vom ersten Grade entstehe, 
aus welcher man x nehmen könne. Also müssen noch m-++5-H1—3 = m-++s—2 
Glieder zur Bestimmung der Coeffhicienten in den Multiplicatoren U und Y 
vorhanden sein. Die Multiplicatoren haben aber, die ersten Glieder aus- 
genommen, deren Ooefficienten = ı gesetzt werden, zusammen s+r Glieder, 
und folglich s-++r unbestimmte Coefficienten. Also mufs 
10. mMm+S—2 —=s+rT 


sein, woraus 
44% e=m-—.2, 


und nun vorige (9.) m+s=n+m—2, also 


12. s=n—2 
folgt. Man mufs also setzen: 


18 pr y— TU. =0, 


und aus dieser Gleichung kann x mittelst einer Gleichung des ersten Grades 
genommen werden, wenn man die in der Gleichung enthaltenen unbestimm- 
ten Coefficienten so bestimmt, dafs alle Glieder, etwa bis auf die zwei letzten, 
nämlich die beiden mit x allein und ohne x, für jeden Werth von x ver- 
schwinden, so dafs nur diese beiden letzten Glieder übrig bleiben, die dann 
das Polynom einer Gleichung ersten Grades geben. Der hieraus folgende 
Werth x, von kann, in so fern dasjenige &, für welches y=0, sehr klein 
ist, diesem @.nahe kommen, weil, wenn x, dem & nahe kommt, y= fx, 
und x beide zugleich sehr klein sind, so dafs also umgekehrt aus der 


L12 


2368 Orerre: einige Bemerkungen zu den Mitteln, 


Gleichung (13.) ein Werth x, von x folgen kann, der dem wahren Werthe 
von x nahe kommt. Dafs es wirklich geschehe, kann sich erst weiter unver 
zeigen. 

Zu bemerken ist, dafs, sobald n > 1, die Coefficienten des Multiplica- 
tors U, wenn man x aus derjenigen Gleichung ersten Grades nimmt, welche 
die zwei letzten Glieder von /y— Ua" bilden, gar nicht zu entwickeln 
nöthig sind, sondern nur diejenigen des Multiplieators 7’; denn einestheils 
kommen die Coefficienten von U, sobald n > 1 ist, in den zwei letzten Glie- 
dern von /y—Ux", aus welchen x genommen werden soll, gar nicht vor, 
weil die niedrigste Potenz von x in Ux”, x", also höher als die erste ist: 
anderntheils reichen auch die übrigen Glieder, welche ebenfalls die Coefhi- 


cienten von U nicht enthalten, gerade zur Bestimmung der Coefficienten 


_—1 —2 3 


von / hin; denn diese Glieder sind diejenigen mit "7", &""°, @""°....x°, 
deren Zahl also n—2 ist: und gerade so viele Coefficienten hat 7’; die auch 
alle in jenen Gliedern vorkommen. Dadurch wird denn die Rechnung be- 
deutend abgekürzt. 

Nun geschieht bei dem Verfahren ($. 2.) durch das successive Multi- 
plieiren mit x, um allmälig die verschiedenen Potenzen von x wegzuschaffen, 
im Ganzen nichts anderes, als dafs Multiplicatoren eingeführt werden, 
welche nothwendig gerade die vorigen / und U sein müssen, weil durch jenes 
Verfahren und die gegenwärtigen Multiplicatoren genau das Nämliche erzielt 
wird. Das gegenwärtige Verfahren ist also ‘im wesentlichen das vorige; nur 


in anderer und zwar evidenterer Form. 


4. 

Eine dritte Art, vermittelst Verbindung der beiden Gleichungen 
y=° und @&’=o zu derjenigen Gleichung ersten Grades zu gelangen, aus 
welcher bei dem vorigen Verfahren der Näherungswerth &, von x genom- 
men werden soll, ist folgende. 

Man dividire nämlich die beiden Polynome ”y und x” mit einander: 
dieses mit jenem, oder jenes mit diesem, je nachdem n > m oder m >.n ist. 
Der Rest der Division wird um wenigstens einen Grad niedriger sein, als 
der Divisor. Man dividire ferner den Divisor durch den Rest. Der zweite 
Rest wird um einen Grad niedriger sein als der erste. Man dividire darauf 


algebraische Gleichungen näherungsweise aufzulösen. 269 


den ersten Rest durch den zweiten, und fahre so fort, wie, wenn man den 
Bruch %- oder — in einen Kettenbruch verwandeln wollte: so wird man 


zuletzt nothwendig auf einen Rest kommen, der x nur noch in der ersten 
Potenz enthält. Diesen Rest setze man gleich Null: so wird auf diese Weise 
die nämliche Gleichung ersten Grades hervorgehen, zu welcher das obige 
Eliminations-Verfahren führt, und man kann also den Werth von x, welchen 
jenes Verfahren giebt, daraus nehmen. 

Dafs sich dies so verhält, folgt aus dem in $. 20. meiner Abhandlung 
über die Zerlegung der algebraischen polynomialen Brüche (Journal der 
Math., Bd. 10. S. 55. seq.) von denselben bewiesenen Satze. Zufolge des- 
selben kommt nämlich den Kettenbrüchen von Polynomen eine ähnliche 
Eigenschaft zu, wie denen von Zahlen. Wenn man nämlich den Bruch 
zweier Polynome, hier z. B. 2” _ in einen Kettenbruch verwandelt, bei dem 
Rest R stehen bleibt, darauf diesen Rest = o setzt, und denjenigen Bruch, 
in welchem R=o gesetzt worden, etwa durch z bezeichnet: so ist der 
Zähler des Bruchs, der dem Unterschiede der beiden Brüche _ und T 
gleich kommt, A, der Nenner desselben yU, das heifst, es ist 


14. pn re) 
Y U Y DE! 
woraus 
15. «"U—-yV/=R 


folgt. Giebt man also x denjenigen Werth, der der Gleichung AR = 0 Genüge 
thut, so wird es der nämliche sein, welcher der Gleichung 
16. «"U—yV = 0 

entspricht, das heifst: der Werth von x, auf welchen das Divisions-Verfahren 
des gegenwärtigen Paragraphs auf die Weise führt, dafs man bis zum Reste 
R von der ersten Ordnung geht, wird sich auch finden lassen, wenn man 
a” und y mit zwei Polynomen U und 7 multiplieirt, die Coefficienten der- 
selben so bestimmt, dafs sie in allen Gliedern, etwa bis auf die beiden letzten, 
jedem beliebigen Werthe von x entsprechen, und darauf aus der Gleichung 
ersten Grades, die die beiden letzten Glieder zusammen bilden, & nimmt: 
ganz wie es bei dem Verfahren des vorigen Paragraphs geschieht. Es zeigt 
sich nämlich, dafs man, wenn man den Rest A ersten Grades, den die Ketten- 
Division giebt, ohne dieselbe finden wollte, die Polynome y und &” mit den 


Polynomen / und Umultiplieiren müfste, die zusammen so viele unbestimmte 


370 Creıue: einige Bemerkungen zu den Mitteln, 


Coefficienten enthalten, als nöthig ist, damit, nachdem sie unter der Bedingung 
der Willkürlichkeit von x bestimmt worden sind, von der Gröfse = U—yV 
blofs eine Gröfse A vom ersten Grade übrig bleibe, die alsdann, um den 
besonderen Werth von x, den man sucht, zu finden, gleich Null gesetzt 
werden soll; welches ganz das Nämliche ist, was im vorigen Paragraph geschah, 
so dafs also die beiden Verfahren, das des vorigen und das des gegenwär- 
tigen Paragraphs, nothwendig das Nämliche geben müssen. 


2. 


Es läfst sich die Rechnung bei dem zweiten Verfahren auch auf fol- 
gende Weise abkürzen; was, wenn man will, ein viertes Verfahren giebt. 

Anstatt nämlich in der Gleichung (13.), die so viel ist als 

1% ar lan, 

die Multiplication beider Gröfsen y und x” mit den Polynomen Fund U 
erst auszuführen, multiplieire man blofs x" mit dem Polynom U, und di- 
vidire darauf das Product durch y: so wird ein Rest bleiben, der um einen 
Grad niedriger als y, also vom Grade m— ı ist, und folglich m Glieder hat. 
Dieser Rest wird blofs die m—2 unbestimmten Coefficienten des Polynoms 
"U enthalten, weil keine anderen unbestimmten Ooefficienten in Rechnung 
gebracht worden sind. Sucht man nun diese m—2 Coefficienten aus den 
m—2 ersten Gliedern des Restes, auf die Weise, dafs man die Coefficienten 
dieser Glieder einzeln gleich Null setzt: so werden zwei Glieder, das eine 
mit a in der ersten Potenz, das andere ohne x, übrig bleiben, die also zu- 
sammen eine Gleichung ersten Grades ausmachen, aus welcher x genommen 
werden kann. Es sind folglich hier, statt der sämmtlichen m-+n—4 unbe- 
stimmten Coeffieienten der beiden Polynome Y und U, jetzt blofs die 
m—2 Coeflicienten des Polynoms U zu berechnen nöthig; so dafs diese 
Rechnung kürzer ist. 

Dafs das gegenwärtige Verfahren das Nämliche geben müsse, wie das- 
jenige ($. 3.), erhellet wie folgt. Man setze nämlich, die Gröfse Ux” gebe, 
mit y dividirt, 

18. =S+—: 


so folgt daraus: 


19: Ux= Sy+R == Vy (479); 


algebraische Gleichungen näherungsweise aufzulösen. 2741 


und es mufs also R= 0 gesetzt und daraus x genommen werden, wenn das 
Nämliche gefunden werden soll, wie, wenn Ux’ = Yy gesetzt wird. Dieses 
geschieht aber in der That, indem die Coefficienten der einzelnen Glieder 
von R, bis auf die zwei letzten, für jeden Werth von x zum Verschwinden 
gebracht werden, aus den beiden letzten Gliedern aber, dieselben zusammen 


gleich Null gesetzt, x genommen wird, so dafs der gesammte Rest A 
Null ist. 


6. 


Die sämmtlichen bis hierher beschriebenen Verfahren, den Werth von 
a zu finden, welcher der gegebenen und der Hülfsgleichung zugleich, oder viel- 
mehr der Gleichung /y = Ua” (13.) ein Genüge thut, erfordern aber nicht 
allein viel Rechnung, sobald der Grad der gegebenen Gleichung etwas hoch 
ist, sondern sie machen es auch nicht deutlich sichtbar, auf welche Weise 
die Näherungs-Werthe von & weiter rücken, so wie der willkürliche Grad 
der Hülfsgleichung höher steigt. Folgendes fünfte Verfahren thut das letz- 
tere, und ist zugleich an sich selbst einfacher. 

Man darf nämlich blofs irgend eine, z. B. von x unabhängige 
Gröfse, z. B. die einfachste von allen, 1, durch das Polynom y der gegebenen 
Gleichung dividiren, und zwar so, dafs der Quotient nach steigenden 
Potenzen von x fortschreitet: so geben die Quotienten der Coeffieienten je 
zwei auf einander folgender Glieder jenes (uotienten die verlangten Werthe 
von x für jeden beliebigen Exponenten rn der Hülfsgröfse &", bis ins Un- 
endliche. Es sei nämlich: 


1 
2. Br =PptPp,a+Pp a HP HP see 


so ist näherungsweise allgemein derjenige Werth von x, der der Gleichung 
Fy=ÜUx* entspricht, immer vorausgesetzt, dafs & für y= 0 sehr klein sei, 


2% a, Fer 


= n Fre , 


Pn 
für jeden beliebigen positiven ganzzahligen Werth von n. 

Um diesen, seiner Einfachheit wegen merkwürdigen Satz zu über- 
sehen, erwäge man zuerst, dafs, wenn, für „= 0, x sehr klein ist, auch &” 
eine sehr kleine Gröfse sein wird, und um so kleiner, je gröfser n angenom- 
men wird. Umgekehrt wird, wenn a, also auch a, irgend eine Gröfse x 


272 Crerre: einige Bemerkungen zu den Mitteln, 


ist, die, ohne dem kleinen x, welches der Gleichung y= 0 ein Genüge thut, 
gleich zu sein, sehr klein ist, für sie „= fx ebenfalls nur sehr klein sein. 
Setzt man daher in irgend einer Gleichung, in. welcher y und x” zugleich 
vorkommen, diese beiden Gröfsen willkürlich zugleich Null, und zwar 
auf die Weise, dafs man nur die Glieder, welche y und x* zu Factoren 
haben, als Nullen, wegläfst, ohne gleichwohl alle übrigen &, in niedrigeren 
Potenzen als n, wie es vermöge x” = 0 strenge genommen sein müfste, zu 
streichen (was allerdings nur näherungsweise angeht, weil ©" =o oder x=0 
der Gleichung y=o nicht zugleich Genüge thut): so wird derjenige Werth 
von x, der aus der auf diese Weise übrig bleibenden Gleichung folgt, zwar 
allerdings dasjenige x nicht sein, welches der Gleichung y = 0 Genüge thut, 
noch auch dasjenige x, welches die Gleichung x’ = 0 erfüllt, nämlich Null; 
aber es wird beiden Werthen nahe kommen, und zwar um so näher, 
je weniger die willkürliche Voraussetzung, dafs y und x” für irgend einen 
Werth von x zugleich Null seien, von der Wahrheit abweicht, das heifst, 
je kleiner x und je gröfser n ist. Das Verfahren würde im allgemeinen, 
für beliebig grofse Werthe von x, allerdings nur gänzlich unrichtige 
Resultate geben können, die, statt sich der Wahrheit zu nähern, nur mehr 
und mehr davon sich entfernen: allein unter der gegenwärtigen Bedingung, 
dafs das x, welches der Gleichung „= o Genüge thut, sehr klein sei, ist 
es anders, und das Verfahren ist allerdings zuläfslich und wird der Wahrheit 
um so näher führen, je kleiner x und je gröfser n ist. 

Dieses vorausgeschickt, bezeichne man nun den Anfang des Quotienten 
in (20.), bis zur Potenz n—2 von x, durch Q, den Rest aber, der, nachdem 
man mit der Division von ı durch y bis zum Gliede mit &””" gegangen ist, 
übrig bleibt, und der, wie leicht zu sehen, x” zum Factor aller Glieder haben 
wird, deren Zahl um ı geringer ist als die Zahl der Glieder des Divisors y, 

Sue . 
also jedenfalls endlich sein wird, durch AR, x”, so ist 
Me 0c 


2. _ a 
an Op 


19 


LE2) 


Geht man dagegen mit der Division noch um ein Glied weiter, und bezeich- 
net den alsdann bleibenden Rest, der nunmehr x”*' zum Factor aller Glieder 


hat, durch R,x"*', so ist 


1 - R Rox 
23% ER, 04 en en 


algebraische Gleichungen näherungsweise aufzulösen. 273 


Die Gleichungen (22.) und (23.) geben 
94 [ ION EYpalK& ir Bra rund 
N N ee rn era are oa 


also auch 
1— YPs4az"'pR,x" 
er nn = Az! rn 19 oder 
1— QOy—YPa-ı% Wr FRE 
35 &.- 09 _ Amer aRıe 
ii 1—-Qy—yp._,a”" ypn SER: 


Setzt man nun in dieser Gleichung zuerst x” = 0, ohne Rücksicht auf y, also 
y gleichsam unabhängig von x betrachtend, so fällt linkerhand kein Glied 
weg, weil x in Q nur bis auf die Potenz n—2 steigt: rechterhand dagegen 
fallen die Glieder R, x” und A,x” weg, weil AR, und A, endliche Gröfsen 
sind. Also verwandelt sich die Gleichung (25.) in 


2 Oo ne OCEEEN ni 
26. x: 2, == _— na 2 1 1 Duzsa x 
NONE IP % Pr 


Setzt man hierauf auch noch y= 0, so giebt (26.) 


27 x — Fer 


. Au ’ 


Pn 
welches, wie es im Eingange dieses Paragraphs bemerkt, der der willkürlichen 
Annahme: x° = 0 zugleich mit „= 0, entsprechende, dem & für y= 0 sich 
nähernde Werth von «x ist, in so fern nämlich x sehr klein ist. 

Dafs Se der nämliche Näherungswerth von x ist, den die vorigen 
Methoden geben, folgt daraus, dafs die willkürliche Annahme: a” und y 
seien zugleich Null, auch der Gleichung /y = U.x”, aus welcher, bei dem 
vorigen Verfahren, die Näherungswerthe von x genommen wurden, Genüge 
thut. Das gegenwärtige Verfahren zeigt aber zugleich, dafs der Näherungs- 
werth FE dem wahren Werthe von x um so näher kommen wird, je gröfser 
n ist, welches bei der vorigen Operation sich nicht ohne Weiteres offenbart, 
so dafs das gegenwärtige Verfahren, aufser wegen seiner grolsen Einfachheit, 


auch dieses Umstandes wegen vorzuziehen ist. 


7. 


Ehe wir weiter gehen, wird es nicht unangemessen sein, an einem 
Beispiele es sich zeigen zu lassen, dafs die Näherungs-Werthe von x, welche 
Mathemat. Abhandl. 1833. Mm 


274 Creuue: einige Bemerkungen zu den Mitteln, 


die verschiedenen obigen Verfahren geben, in der That völlig ein und die- 
selben sind. 
Es werde eine Gleichung vom 4“ Grade, also 


28. tax +a,@0”+a,20+a’=0 
zum Beispiele genommen, und die Hülfsgröfse x" sei vom fünften Grade: 
so ist 
I. für das erste Verfahren ($. 2.), welches sogleich in der Form des 


zweiten genommen werden möge, m—=4,n=5, also s=3, r —=2 (11 und 


12). Folglich mufs man für U und F’Polynome vom zweiten und dritten 
Grade mit unbestimmten Coefficienten setzen, so dafs also die Gleichung 
(13.) folgende ist: 
29. (ata, x +a,x°+a,x’ +2) (a Hua vH 0) 
— a (a Hr +r)—=0. 
Dieses giebt 
x’ +a,x’+a,x” +a,x" +a,x 
+uxX° +pa,@’+wa,x’ + pa, x’ + ma,x” 
30. +v2? +va,X' +va,X’ +va,a” + va, 
+ o.x" + pa,x” + pa,x” +2a,0+2a, 
— ı'— 2° —i@’=0. 
Folglich dienen zur Bestimmung der 5 unbestimmten Coefficienten u, v, g, 
x, A, die fünf Gleichungen 
a, +tu—r—=0, 
a,+pa, tv —A= 0, 
ar a, +na,+vVa, +0 =0, 
a,+na,+va,+2a,= 0, 
Pa,tva, +00,=0, 
und die Gleichung ersten Grades, welche, nachdem man u, v, g, gefunden 


hat, a giebt, ist 
32% Va, +2a)x+0a,=0, 
also 


33. = — — a —., 
vaot 2a, 


algebraische G leichungen näherungsweise aufzulösen. 275 


Da nur u, v, g zu suchen nöthig sind, so kommen von den fünf Gleichungen 
(31.) nur die 3 letzten in Betracht. Sie geben zunächst 


nn N. —=0 und 
34. 


a,a,+ (a) —a,)+v(a,a,—a,) = 0; 
und hieraus folgt 
a,a, (a; —a,)— a,(a; —a,) — a, a,(a,a,—a,) 
+ v[(a? —a,) (a3 —a,) — (a,a,—a,) (a,a,—a,)] = 0, oder 
— a,(a,a,—a,a,) — a,(04,—q4,) + v(a,0,—a) + 2a,4,4,— a, — 4,05) = 0; 
also 


ao(a —ao) + a, (aa, —a, @;) 


33% I 


2 3 2? 
agaz,— a, +2a,aga3; —a, —agQz 


desgleichen 
(a, a,—a,) (a,a,—a,) — a,a,(a? —a,) 
+ u [(a,a,—a,) (a,a, —a,) — (a3 —a,) (a3 —a,)] = 0, oder 
+ a,(a,a,—a,)+a,(a,a,—a})+1(+a,0,— a} -+2a,a,a,—a,+a,a) = 0; 
also 


36. u= au (a, —a,a,)-Ha,(a,—a,a;) 


2 


2 3 2 
agaaz,—a, t-2a, aaa3; —az —aygaz 


Endlich findet man, die Werthe von 4 und v in die letzte Gleichung (31.) 
gesetzt: 
pa,[a,a,— a) +2a,a,a,— a, — a,a;] 
+ a,4,— a,4,4,+4,4,a5 — a,07a,+4a,4,a3 — aa, +4,07a,— a4, =0; 
also 


3 2 
37 a, + aa, —2aga,Qa 


le = 


2 ? 3 Beh? 
aya,—a, +2a, azaa3, — a, —ayaz 


welches nunmehr, vermöge (32.), 


2:72 3 2 2 4 2 2 
(va; — a, +a,a,a,— a,a) a,+a) +a,a,a,— 2a,a) a,)x 
3 2 — 
+4a,(a, +a,4,—2a,4,4,) =, 
also 
(a +00 —2 ) 
a,ula, + a, az —2a,Qa;, Aa 
38. AZ 3 = — 2 — 2 2 
ag —a, —aygaz +I3aya;, Aag—2aygay,dz 


giebt. 
Mm? 


276 Crerır: einige Bemerkungen zu den Mitteln, 


II. Das dritte Verfahren ($. 4.) giebt 


3 2 5 r 
z’+a,a0’+a,0”+a,0+a,|x |0—a, 
—a,0"—a,x2’—a, 2 — a,x— x 
+a,0+a52’+a,a,x’+a,a,x+a,a, 


Erster Rest (a3 —a,) =’ +(a,a,— a,) x’+(a,a,—a,)x-+a,a,. 


Setzt man die Coefhicienten dieses Restes: 


a; —4\,=P, 
29, a,a,—-a=g 
a, ala, —ıT, 
a,4; © 


undmultiplieirt zugleich den nunmehrigen Dividenden x’-+a x’-+a,x’+a, x-Fa , 
um die Brüche zu vermeiden, mit p*, so ist die weitere Rechnung folgende: 
pe’ +gae’+ra+s|p’a’+p’a,@’+p’a,@’+p’a,c+p’a, |\px-+pa,—q 
— pa’ —pga’—pra®—psx 
+ p(pa,—g) @’+p(pa,—r) @’+p(pa,—s) @+p’a, 
— p (pa,—g) ©’ — q (pa,— g) x —r (pa,— g) e—s(pa,— 9) 
Zweiter Rest 
[r(pa,—r) 9 pa— g)]»°+[p(pa, —)— r (pa—g)]a+p°a,—s(pa,—9)- 


Setzt man wieder die Coeflicienten dieses Restes: 


pPps,—nN)—-4pa—-)=P, 
4. pp, —-)—-rPpa,—-)=R 
pP’a,—s(pa,—gq) —eh, 
und multiplieirt wieder, um die Brüche zu vermeiden, den neuen Dividenden 
px’+ga°’+-ra+s mit P?, so ist die letzte Division folgende: 
Px’+Qx+R|P’px’+P’gx’+P’rx+P*s| Ppx+Pqg— Op 
— P’px’— PQOpx’— PRpx 
+ P(Pg— Op) @®+P(Pr— Rp) + P’s 
— P(Pg — Op) #— OP — Op) a — RP) 
Dritter Rest [P(Er— Rp) OP Oje hPre Er 


algebraische Gleichungen näherungsweise aufzulösen. 377 


Dieser Rest, gleich Null gesetzt, soll x geben. Also ist 


R(Pqg— Op) —ıp2s 
P(Pr—Rp)— Q(Pg—Qp) " 


41. x—= 


Nun findet man, (39.) in (40.) gesetzt: 
P=a,a3 —a,a,+a +a,—2a,a,a,, 
42.12 Q = a,a, —a,a,a, +a,a, — a, a,, 


I — a,(a, — a,4,); 


und dieses, nebst den Werthen von p, g, r und s (39.), in (41.) substituirt, 
giebt, nachdem oben und unten mit dem bei der Division hinzugekommenen 
Factor p? = (a3—a,)” dividirt worden, 

ao(a, + 000, —2agaı a) 


FR 
43. Kl 3 4 ZUME 2 2 
ag —a, —aygaz + I3ayga, az —2agayQz 


genau wie (38.). 

II. Nach dem vierten Verfahren ($. 5.) ist Ux", also hier ©’ (x°-+#2+2), 
mit y=a,ta,x+a,x’+a,x’+x" zu dividiren, und aus den Coefficienten 
der beiden höchsten Potenzen von x im Reste, sind die unbestimmten Coeffi- 
cienten z und A zu suchen. Darauf ist » aus den beiden übrig bleibenden 
Gliedern des Restes zu nehmen. Diese Rechnung ist folgende: 


x’ +a,0’+a,a’+a 0 +a, | a He rm | a’ + (2 a,)x® 


Erster Rest (z—a,)@°+(—a,)a’—a, @’—a,x’ 
Zweiter Rest (A—a,—a, (2— 4,)) ©’ — (a, +a,(2x—a,)) x 
— (a,ta, (2—a,)) x’ —a,(r—a,)x°. 
Setzt man die Coefhieienten dieses Restes: 


A —4,2 —4d,+a, =Pp, 


m a, —q4,4,+0,% =g, 
a,—a,a, +4,# =r, 
a,%— 4,4; =. 


so giebt die weitere Rechnung: 


2378 Creure: einige Bemerkungen zu den Mitteln, 


“+ a,a’+a,a’+a,@+a, | pr’ —ge'—re’— x” |px— (9-+a,p) 


Dritter Rest — (9+a,p) ©’ —(r+a,p)@’—(s+a,px’)—a,px 


Vierter Rest ((g-+pa,)a,—(r+pa,))x’+((9-+-pa,)a,—(s+Pa,))x” 
+ ((94+-Pa,)a,—P4,)&+(g+Pa;) .- 
Es mufs also gesetzt werden: 


Ne ga,—r+p(a—a) =, 
j g94,—s+p(a,a,—a)=0, 
und dann ist 
46 Be ao(9+Pa3) 


pao— a, (9+pas) ' 
Substituirt man (44.) in (45.), so ergiebt sich: 


2 2 a 3 2 
- keauaz—3a; a3, —ay ta; +a3 +%(laga3>—a9—a;)+r(a3, —a,) =), 
I» 3 
2 


3 2 2 2 
2a,a,— 2a; a, + aygaztaya, —a,a, +r2(a3—ag—a5a5, +a,a3)+%lagaz —a,) = 0, 


und hieraus 


3 2 2 3 2 
— a943 + a,a;, —2a, a3 —a,d; 2a, aza;, tagay 


RZ 2 [2 3 
r agda—aga, —a, +?2a,AagA43 — ap 
18. 
2 2 Ze, 2 2 4 
A — a, + ?2a,a,a, —2aga9aaz — a, Adz3 +2agQaz — 2a, a5 —a;z t3a,azaz 
-— 3 2 


Agdg—aga, —a, +?a, aga3—az 


hieraus ferner 


2 2 2 
p= — a9 +0,04, 43 + aogQa2 —a,QAp 
De 9» 


3 2 
a9g@a5, —AgAd; —a, 2a, az3a3 —az 


2 3 2 2 
2ayg ad; Aa —ayga, a, — a, — AygA5Adz t a, agaz 


== 2 2 3 9 
agdz;, —Aygadz; —a, 2a, azga3 —az 


und nunmehr, vorige (46.), 


3 2 
ao(a, + a9a3 — apa, a,) 


. 
a0. Kl = z —, = 2 . 
ag —a, —aygaz, + 3ayga, az, —2Zaya; az 


wiederum genau, wie (38.). ; 
IV. Das Resultat des fünften Verfahrens ($. 6.), in dem gegenwärti- 
gen Beispiele, wird sich leichter, als durch eine besondere Rechnung, im 
folgenden Paragraph aus dem allgemeinen Ausdrucke der Coefficienten 
1 


von —- (20.) ergeben, und es wird sich zeigen, dafs & ebenfalls denselben 
Ausdruck bekommt, der oben gefunden wurde. 


algebraische Gleichungen näherungsweise aufzulösen. 279 


8. 


Die Entwickelung der Coefficienten von Zr giebt Folgendes. Es ist, 
wenn man, wie in (20.), 


E 1 1 2 5 
31. m ——— nn TI I D, X DC D,X oo 00o 
Y ao ta, xt az@Ha3X°..... —+- x” Por uC FPe Xi Ps 
setzt, 
92. —iEPo rap, x + 4.Pp:x Fap;sxit- a,prx.. 


2 3 4 
+4a,Pp,x +a,p,x’+a,p,X + ap... 
+ 4,Pp,2”+4a,Pp, X + 4,P;X .:.: 
13 “ 
+A,Pp, x +a,Ppı X... 
a Don, 


und hieraus folgt, da die Gleichung (52.) für jeden beliebigen Werth von ., 
also auch für @&= o gilt, so dafs die Coeffieienten zu gleichen Potenzen von 
x gleich Null gesetzt werden können: 


on: 
a,Ppı F 4, Po =0 
ap: tr a4,Pp, + %p, = 9 


= a,Pp; +a,Pp.+a,p, +4,p, = 0 
ap, +4, P; + 4,Pp;+a,p, +a,p, = 
Dieses giebt 
PA 
asp, ——. (a,Po) rl, 
asp; — an (a,P.) —4,4, (@,P,) = —4,4,+4, 
a,P; —=—e& (asp;) 22.0 (a; P,) naar (a,P0) 
I4. = —a,(a—a,a,) + 4,4,4,— 0,0, =—a,4,-+24a,4,4,—a, 

ap, =—a, (a‘P,)— a,a,(a!P.) — a,a}(a}p,) — a,a}(a,p,) 

= —a, (—a}a,+2a,a,0,—a))— a,a,(a—a,a,)-+a,a,a,—asd, 

= —a,a,+2a,a,a,+a,a;, —3a,0a,4,+4, 
u. Ss. w. 


Für das Beispiel in ($. 7.), woa,=ı undn=5, p, aber, wie aus (26.) 
zu ersehen, als der Coeflicient zu x* zu betrachten ist, geben diese Ausdrücke 
unmittelbar, für den Näherungswerth von x, vermöge (27.): 


280 Crerıe: einige Bemerkungen zu den Mitteln, 


2 3 
Er - Pat an (anas— 2aoa, 05a (54.): 
29. EI TE 2 ZiRE2 2 4 le 
P4 au —2aga, a3, —ayaz +-3ay a; az —a, 


genau wie (38.). Der Reihe nach sind die verschiedenen Näherungswerthe 


von x: 
a u. . 
x, = #7 = — %, welches der Newtonsche Näherungswerth ist; 
Pi en 
a,a 
3, — En 
Pz a7n—agüaz 


( D) 
ag \aoaas a; 


Su — 3 3 379 
P3 ayaz3 —2aya, as ta, 
2 3 
R\ P3 ao(aga, —2aya; as-+aı) 
x = Bao WÜiCgE: EmSEERE ST HERD EFRENUETEE SHERBETTETTE NARBEN) 
Ps a, a, — 2ag a; Adz3— Aga, + I3ayga, az —a, 


. [er 2181211118 eo 


Diese Ausdrücke hätten, nach der obigen Verfahrungsart, einzeln berechnet 
werden müssen. Man sieht also, dafs das gegenwärtige Verfahren in jedem 
Betracht bei weitem leichter zu dem Resultate führt, als irgend eins der 
anderen. 


g. 
Die Ausdrücke der Coeffieienten p in (20.) oder (51.), deren Quo- 


tienten, der Reihe nach, Näherungswerthe von x sind, geben nun zunächst 
ferner für diese Näherungswerthe folgende merkwürdigen allgemeinen 
Ausdrücke. 

Es ist nämlich aus (53.) allgemein 


Fol 
BF} 


ä am = —a,Pı— AePr-2— AsPa-s**-— 4,Po; 


folglich ist, vermöge (27.): 


eQ n— a nm a nm 
>8. U (Bnzın — on = — Ba tn 2 2 EA 
Pr aoPr a Pn_ı + a2Ppa_a + a3Pa_a---- + a,Po 
oder 
a 
Se 5 x 5 r 3 
Pn-2 n n—4 0 
a,ta ta + ....ta 
; ; Pn-1 ? Pn-1 2 Pn-1 Pr-—1 


algebraische G leichungen näherungsweise aufzulösen. 281 


Es ist aber 


Pn-3_ __ Pn-3 , _Pn-2 
Pat a De 
Pa—a __ Pn-4 , Pn-3 Pn-2 
60. L Pa-ı Pn—3 Pn—2 Ba, 
[ [ [ ... . [2 ..» [I . ®. [ [ “ ” * [ Be . ’ 
I ) R UA ELSE 23 Pa—2 , 
Ba: Pa pe, Po Pa ae 


folglich ist in (59.), weil (27.) 


Pr — RLen 


Po n Pı 
61.2 =, —=x, 
Pi P2 P3 Pa 


a 
x 0 
Be ar AN LE En "a = Ma NN rt RE 
a, +a2%,_1t023%,_-1% a2 Fa 152% 3.00. FR KR AK 2Kn 3er 0} x 
oder auch 
@o 


63. x, =— Vet z,_ılao tel + (a0... Haı)))e-) 


Dieses giebt, wenn man der Reihe nach n=1, 2, 3.... setzt: 


x, = — 2, welches, wie oben, der Newtonsche Näherungswerth ist, 
24 


@o 
a, tx; az 
@o 
a, tx, (a3, +x;a;) 
ao 


a,t+x; (a2 + x, (a;>+ x, a,)) 


@o 
NL ZZ oem 2072 nn nn 
x a, +2, (as +%3 (a5 +x2 (a, +%ı;))) 
U. S. W. 


so dafs man nach diesen Ausdrücken die auf einander folgenden Näherungs- 
werthe ohne weiteres unmittelbar jeden aus dem vorhergehenden 
finden und nach dem sehr einfachen Gesetze, welches die Formel (63.) 
ausdrückt, die Näherung so weit treiben kann, als man will. Die Zahl der 
Glieder im Nenner von (62.) oder (63.) wächst auch nicht etwa immer fort 
mit 2, sondern sie ist niemals gröfser als der Exponent m der höchsten Po- 
tenz von x in der aufzulösenden Gleichung y=0; denn die Coefficienten 


Mathemat. Abhandl. 1835. Nn 


282 Creıze: einige Bemerkungen zu den Mitteln, 


@,,1@,,2... sind Null, so dafs der Nenner von (62. und 63.) immer nur 


die m Glieder mit @,, @,, a,....a, hat. 


10. 


Zu bemerken ist, dafs der allgemeine Näherungs- Ausdruck (62.) oder 
(63.) auch zugleich durch seine Gestalt selbst anzeigt, dafs die Werthe von 
X, 0, X... dem genauen Werthe von x, der der aufzulösenden Gleichung 
Y=4%4+4,%+4a,%....44,x”=0 genug thut, nothwendig stufenweise 
näher kommen müssen. 

Der ursprünglichen Bedingung gemäfs mufs nämlich zuerst der 
erste, Newtonsche Werth — nn von x& (64.) dem wirklichen Werthe von 
x iny= 0 näher kommen als der Werth o von x, das heifst: =— statt a 
in y=0 gesetzt, mufs für y eine kleinere Gröfse geben als a,, die man 


0 


zwischen o und & 


erhält, wenn man in y, x = 0 setzt; also muls — 2 
liegen. Nun erhält man aber den Newtonschen Näherungswerth, wie schon 
oben bemerkt, wenn man nicht mehr alle Potenzen von x, sondern nur die- 
Jen von der zweiten an, als sehr klein, vernachlässigt; denn wenn man 
EN ll a so geht die Gleichung y=0 in a,+a,x= 0 über, 
welches x = — = giebt. Dieser ee ist aber kein anderer als der, 


welcher sich ergiebt, wenn man aus der gegebenen Gleichung 
65. ra, ee. — 0 


die erste Potenz von x nimmt, nämlich: 


@o 
a; + ax + a3%2....0,% 


und im Nenner x, &°.....x”-' als Null betrachtet; was mit dem Weglassen 
der höheren Potenzen von x in dem Polynome der Gleichung, von der 
zweiten an, übereinkommt. Nun kommt x, = — = bedingungsmäfsig dem 
genauen Werthe von x näher, als der W ih ) aan x. Setzt man daher eben 
dieses x, statt x in (66.), was 
67: a =— —— el ne — 
a, + x (a8 + a; x, +a,x; ....+ 0% ) 
giebt, so wird dieses x demjenigen, welches der Gleichung y= 0 genau 
. a [74 
genug thut, nothwendig schon näher kommen, als der Werth — a, vona, 


algebraische Gleichungen näherungsweise aufzulösen. 233 


bei welchem alle höheren Potenzen von x gleich Null gesetzt wurden; und 
selbst dann noch, wenn man wieder die höheren Potenzen von x,, von der 
zweiten an, vernachlässigt, wodurch der Ausdruck (67.) in 


@o 


68. El — men 
= at xıasa 


also in den zweiten Näherungswerth von x in (64.) )oherseht; denn aus die- 
sem Ausdrucke geht erst der erste Näherungswerth &, = — — dann hervor, 
wenn man statt ©, den der Gleichung y= 0 weniger ei Werth 
0 von x setzt. Heiner wird wiederum (67.) eine dem genauen Werthe von 
x näher kommende Gröfse geben, als die (67.), wenn man statt des Factors 
&,, im Nenner, den genaueren Werth x, von x (68.) setzt; auch dann noch, 
wenn man die höheren Potenzen von x, als die erste wegläfst, was 


@o 


69. a ee 
a, t+x2a3+ x%2%; az 


giebt; denn aus diesem Ausdrucke geht, wenn man die höheren Potenzen 
von x, also das Glied x,x, x, ausstreicht, erst der Ausdruck von x, (68.) 
hervor, der schon dem genauen Werthe von x näher kommt als = — * ; 
1 


und so weiter. 

Diese Erwägung liefert also zu demjenigen in ($. 6.) einen zweiten 
Beweis, dafs die Ausdrücke von a (b4.) Werthe haben, welche dem genauen 
Werthe von x in der Gleichung y= 0 allmälig immer näher kommen. 


11. 
Der allgemeine Näherungs- Ausdruck für x (62.) oder (63.) hat fol- 
gende sehr einfache geometrische Bedeutung. 


Wenn man in der T aylorschen Reihe 
d’fx.... 


@=ound k=.x setzt und die daraus entstehenden Werthe von fx, dfx, 
d’fx.... durch f,x, d, fx, d;fx.... bezeichnet, so erhält man 


0. farh=fae+k 


171. fx = fa+d, fer defc+  defa....; 
Nn2 


[x2} 


84 Creuıe: einige Bemerkungen zu den Mitteln, 


also in dem Falle 

MC nn — ET, 

2. Je= a 

73. = +24, ()+ d(-- 2)+ -&(—)...- 
Dieses mit (51.) verglichen giebt 


74. r=dl-), D= 


Jo 


°| - 


4) m =HH&).-; 


also, dax, = (27.) ist, 


io 
a ee 


Nun stelle man sich die Curve vor, deren Abeissen x und deren Ordinaten 

de (-) sind, so ist en) die trigonometrische Tangente des al den 
d'- 1 

Pr 2) ist die 

Subtangente der Curve für die Abseisse &. Der Näherungswerth x, (76.) ist 

also gleich der nfachen Subtangente der Curve, deren Abseissen x 


und deren Ordinaten ee) sind, für die Absceisse z=0. 


die Tangente der Curve mit der Abscissen-Axe macht, und 


12. 


In ($. 6.) ist ı durch y dividirt worden. Dieses ist beliebig gesche- 
hen; und auch wenn man irgend eine Function von x, die mit y keinen 
gemeinschaftlichen Factor hat, auch dann nicht, wenn x” und die höheren 
Potenzen von x gleich Null gesetzt werden, durch y dividirt, folgen daraus 
Näherungswerthe von a für die Gleichung y= 0. 

Man setze nämlich, ähnlich wie in ($. 6. 20.): 


rer ar! R,% 
76 Y =, +91%4+9,%° +9g,% ....+9,_1% end 
[207 

PEN 2 3 & Rau 

y —=9t9,%°4+9:% +95 % 2...+9,% Sons Tan ; 


und bezeichne die Summe der Glieder rechterhand, bis zum Gliede STE 
einschliefslich, durch Q, so dafs 


Qu 


algebraische Gleichungen näherungsweise aufzulösen. 28 


7 > Qy=yg,,x’'+R,x und 
. dx — Qy —%g0.4 5 ick =Yg,x0 Rx: 


LaUEL Men 0r  Nelsiinn.eriensr 
pr— QOy—yga-ı "7" Yan xX” ip Rox" 


Setzt man nun hierin zunächst x” = 0, und bezeichnet, für den Fall dafs $& 
etwa höhere Potenzen von x als die n— ı“ enthält, den dadurch veränderten 
Werth von da nach $, x, so giebt (78.) 


9,2— 0y een 
a ER men 0n ann we 


px — QOy—ygn_’1 x"! An ln In 


Setzt man hierauf auch noch y=, so ergiebt sich 


80. al; 
ganz ähnlich wie (27.). 
Ist nun $.x etwa ein Polynom mit x, z. B. 
81. ga—=b,rb,0+rb,0®+b,X°....+b,x", 
so erhält man für die Coeffieienten g in (77.) 


82.5, +db,2x rb,a0’+b,0°....+b,x" 
= 4,9 +%9,% 4 09,8% + 4,9; + 0,9,% ... 
+4,9,°+4,9,%° +4,98 44,95%... 
+ 4,9% + Q,9,%° + 4,95% .... 
+4,9,%°+4,9,% :... 
+ a,Io8 san. D 


also 
u bo; 
49, 4,9» = b,, 
49+4,9, 9,9% b;; 
83. 544,4: +, +, —b;, 
4,9,+4,9 44,9 +99, 4,9, = b, > 
99.7T+4,9,.-1+ 29._2t Q39.-3 tr %90 = b,. 


eiiene ne 0, e ee oe e)le,.e elie elle oe 0,0 0 eo oe ©,e ee © 0; oje, e je, ,oJ/iaN« 


Daraus folgt, auf die Weise wie in ($. 9.), 
4. 9,9, = — (ag, Ft %9,.-. + 9% 9... +0,9— 6.) 


286 Crerze: einige Bemerkungen zu den Mitteln, 


also, vermöge (80.), 


85 ee Nr N SEBBe okzn= 1, N ur Er Rn 
x 5 @o In a, 9n-1 tr a29n_2 +03 9n_3::.-Ango—bn ” 
oder 
EIER AA 1113 DEIN an ABER LI BOHREN N 
En I en, Ja Kor ae 
In—1 In—1 In—i In—1 In—i 


oder vermöge der Ausdrücke (60.), von welchen ähnliche auch hier Statt 
finden, und vermöge welcher auch 


1 RK Ko Xz eo o0. Kun Ag . 
= — = nm a reist: 
Ia-1 70 do 
@o 
uw =—_— FE > 
a4 Fa2,%,._1ı FQ3%,_ı An_2. Fan Kai %n_2 Km b Kat Kn-zer.Xq 
0 
oder 
aobo 
Sl 


n 


bo(ay + a3 %,_1%._3.:- FF a,%,_1 %n_2 .-- %ı) — A0dn Kn_1 Kn_2-%ı 
und im Einzelnen: 


aob 
z=— 2, 
a,b, — aobı 


x.= @obo 
38. Sarg do(a5, +az32,)— aobax; 
a,b 
x, 090 


; ae OF 
bo(a5, + ag3x5 + a3 %5%,) — aobz3xg%, 


se . 1 0 00808 8 08 8 0 8} LT 8 LT LT LT Te 


Die geometrische Bedeutung dieser Näherungswerthe von « ist der- 
jenigen der Werthe, die man erhält, wenn man von — ausgeht, ganz ähnlich. 
Man darf nur in (75.) —z statt 7 setzen, so findet man, auf dieselbe Weise 
wie in ($. 11.): 


(2) 
39. ann = Z 
d, =) i 


und es ist also x, gleich der nfachen Subtangente der Curve, deren 


Abscissen x und deren Ordinaten a) sind, für die Abscisse 
0, 


algebraische Gleichungen näherungsweise aufzulösen. 287 


13. 


Wenn man in ($. 12.) zu dem willkürlichen Polynome ®x den ersten 
Differential-Coefficienten des Polynoms y der aufzulösenden Gleichung 
y= nimmt, also 

90. oe = d Y 
setzt, so führt in diesem besonderen Falle die Rechnung ($. 12.) auf die 
Bernouillische Näherung, die auch Näherung durch rücklaufende Rei- 
hen genannt zu werden pflegt. 

Wenn nämlich die m Wurzeln der aufzulösenden Gleichung y= 0 
durch 7,, 7,, 7,....r, bezeichnet werden, so dafs 


N. en - nn... (nd): 
so ist 
92. y = —(r,—2) (r,—%)....(7,—%) —(r,—a)(n,—R) 2... (7 R) er: 
— (r,— 2%) (1,— 8) ....(7,_, —R%) + 5 
oder 
93, y=-—— + re). 
r—x r—x Tz—ı® In— x 
Es ist also 
a U BEE EIN Be ar) a ), oder 
y ra ro—x Tz—x In x 
De Ai Bl —) 
BF rı To 3 In 
1 1 1 
Tr Tg "3 Tr 
1 1 1 2 
al cs ee +7) ® 
Tr Ta 3 Im 


oder, wenn man die Summe der — ı!=, — 2", — 3!” etc, Potenzen der Wur- 
zeln der Gleichung durch S_,, $_,, S_, etc. bezeichnet, 


u — = —($, +5,02 + IS, +S 48°...) 


Dieses mit (76.) verglichen, zeigt sich, dafs für den gegenwärtigen Fall 


238 Creure: einige Bemerkungen zu den Mitteln, 


Ya on 8 > 
ZT Dr 9 
Ta 
a Se ’ 
und folglich, vermöge (80.) 
98. N Ser 


ist, wie es die Bernouillische Methode verlangt. Man sieht, dafs die 
Näherungs-Methode der Paragraphen (1. bis 11.), die von dem Quotienten 
— ausgeht, zwar nicht die Bernouillische Methode selbst, aber ihr doch 
ähnlich ist. Sie ist gleichsam eine Vereinfachung derselben, indem diese 
von dem weniger einfachen Quotienten . ausgeht. 

In dem allgemeinen Ausdrucke von a, (87.), fällt, wie die Vergleichung 
mit (62.) zeigt, das letzte Glied des Nenners — ae EaHRR, 
wenn man statt von X blofs von 7 ausgeht. Die von — ausgehende Nähe- 


EL ererde, EHNERT 


rungs-Methode ist unter denjenigen (wenn man sie so nennen will) durch 
rücklaufende Reihen, gleichsam die einfachste. 

Für den besonderen Fall der Bernouillischen Näherung ist, weil 
hier 


1 


99. gae=dy=a-+29,2+30,2°+40,%....+ma,x', 
in (81.): 


bu, =a, 
Dina 
EL 
100. i AN 
ER, 
DE 40. etc, 


Es ist also in (87.) 


aoyaz 
101.0, = u a ee a u en 1 N are 
a,(a,tra;3X,„_1ı +az%,_1%n_2-.. 4% LK _2r Ku) —NagAn 41 n—1Kn2r% 


und, im Einzelnen, nach ($8.), 


algebraische Gleichungen näherungsweise aufzulösen. 289 


a0 a9aı 


N — I Te Seen ger 
a, —2ayaz 2agaz—a;, 
2 
ö a,ay; ao ER) 
IE NEE ._ —H4 2 3 
102. a,(aı az,2,)—3agazx; 3ay az —3aga,az ta, 
2 3 
ayay 2, 2,0, 3a,0,0, Pan) 
3 R ne 3 REN ER: 2 22 4° 
a,(a, +azX;+a;2,%,)—4aga,nyr, 4apa,—4aga,a,—Layaz-riayaıa,—ay 


. 2 0 28T 8 Tr Tr Tr Tr Tr Tr Tr Tr Tr Tr TTer ee 


Bei Vergleichung dieser Ausdrücke mit denen (56.) zeigt sich die Ver- 
schiedenheit der Resultate der Bernoullischen Methode und der der 
obigen Art. 

Die Gleichungen (83.) geben die Coefficienten q, welche unmittelbar 
die Summen S_,, S_,, S_,.... der — 1", — 2, — zi= etc; Potenzen der 
Wurzeln der aufzulösenden Gleichung y= 0 sind (97.), und die Ausdrücke 
(101.) und (102.) zeigen, wie die Bernoullischen Näherungswerthe nach 
und nach einer aus dem anderen berechnet werden können, auf ähnliche 
Weise, wie bei der obigen Näherungs - Methode. 

Endlich zeigt der Beweis in ($. 6.), der ohne Veränderung auf + 
statt —, also auch auf Anwendung findet, dafs die daraus hervorgehenden 
Ausdrücke von x irkhen Näherungswerthe dieser Gröfse sind; was 


andererseits für den Bernoullischen Fall bekanntlich daraus erhellt, dafs, 


wenn in 

1 f 1 1 

5 Far Sremieeleiin heleen 

= r Ta T Ta 

103. av =——- = . > 

Sa 1 1 N 1 
an te een te ar Sn 
7, Ta Tz Im 


eine der Wurzeln, z. B. r,, wie es hier vorausgesetzt wird, gegen die übrigen 
sehr klein ist, die Summe der Potenzen der übrigen, oben und unten, 
gegen die Potenzen der einen verschwinden, so dafs blofs 


7a 
104. = ——-=r 


übrig bleibt. 


Mathemat. Abhandl. 1835. Oo 


2390 Creıre: einige Bemerkungen zu den Miteln, 


14. 


Nach der Analogie des Ausdrucks (62.) oder (63.) des aus 7 her- 
genommenen Näherungswerthes der Wurzel & der aufzulösenden Gleichung 


105. ,+2(, +4,2x+0,2°....+4,27))=y=0 


läfst sieh auch auf folgende sehr einfache Weise noch ein anderer Näherungs- 


Ausdruck aufstellen. 
Da aus (105.) 


106. a,+24,2x+3a,x°....+ma,x"' =dy, 
ist, und 
107 Bay Sen aot+x(a, +a,x+ a,x?....ta, eh) 
= dy gr a,t+x(2a;+3a,x+4a,xg....+ ma, x”?) 


die Subtangente der Curve ausdrückt, deren Abscissen & und deren Ordi- 
naten y sind: so ist diese Subtangente für = 0, gleich a: und die- 
ses ist der erste Näherungs - Ausdruck für x (der Newtonsche), wenn x sehr 
klein ist. Man erhält ihn, wie schon oben bemerkt, gleichfalls aus (105.), 
wenn man in der aus dieser folgenden Gleichung 


ar 
108. ae — 
au ta3x + a;,X%2.... 0a,% 


rechterhand x = 0 zugleich mit y= 0 setzt, das heifst also, die Ordinate y 
für das kleine x als Null betrachtet. 

Nun nehme man an, die aufzulösende Gleichung sei so eingerichtet 
worden, dafs die Subtangente — — für die Abseisse @=o nach der Fou- 
rierschen Regel zwischen &=0 und den genauen Werth von x, für 
welchen y= o ist, oder zwischen den Fufspunct der Ordinate in = und 
den Durchschnittspunct der Curve mit der Abseissen-Axe fällt, so wird die 
zur Abscisse — a = x, gehörige Ordinate, die durch y, bezeichnet werden 
mag, nothwendig zwischen o und y, (die Ordinate für die Abscisse x = 0) 
fallen, und mit ihr einerlei Zeichen haben. Es wird also, wenn man in (105.) 
x, statt x setzt, welches 


m—1 


109. a, +x,(a +a,2,+a,207....+a.7)=y, 
und 


an 
110. er 2 a mt 
a,tazxı Fa3x; ....a,X%ı 


algebraische Gleichungen näherungsweise aufzulösen. 291 


giebt, die Ordinate y, nothwendig der Null näher kommen als y,. Wenn 
man also nun, statt dafs man in (108.) näherungsweise =o und „,=0 
annahm, hier eben so, näherungsweise, für = x,, y, = 0 annimmt, wovon 
das Resultat durch 


a 
111. VZO 
an tra:x, + a3X%, . +... %ı 


bezeichnet werden mag: so wird man sich von der Wahrheit weniger ent- 
fernen als vorhin; und folglich wird ©, dem genauen Werthe von x, für 
welchen y= 0 ist, näher kommen als x,. Es wird also auch weiter, wenn 
man in (105.) x, statt x setzt, wovon das Resultat 


112. a,+2%,(04,+4,%,+4,0%,....+a,a2)7')=yY, 


sein mag, die Ordinate y, abermals der Null näher kommen als y,. Nimmt 
man nun wieder, statt wie vorhin, in (110), 2=x, undy, =0, jetzt a = x, 
und y,=o an, wovon das Resultat durch 


113. a — — 
a,t+ a3 X ta; %2....+0,%z 
bezeichnet werden kann, so wird man abermals der Wahrheit näher kommen, 
das heifst, &, wird dem Werthe von x, für welchen y = o ist, wieder näher 
liegen als x,; und so immer weiter. 
Es ergeben sich daher auf diese Weise folgende Näherungs-Ausdrücke: 


@o 
x b) 
24 
@o 
GNS er ENTE nr ET) 
a, ta32,+03%,....t+0,%4 
A a 
AA wenn 71.180 


2 m—i1 ) 
an tr ag3 X tr Qa3%2....t a0, %z 


ellelkoktekol so er ole ellenleilehe/enenialie, ch eile tere” 
@o9 


2 m—i ) 
u, + a,X%,.-ı FQa3%,_ı1..--t,%-1 


die ebenfalls, der Reihe nach, einer aus dem anderen berechnet werden kön- 
nen, und die auch in der Regel, und unter der angenommenen Bedingung, 
dafs x, zwischen o und x liegt, eine noch bessere Approximation gewähren 
werden als diejenigen (64.) 


002 


292 Creıte: einige Bemerkungen zu den Mitteln, 


1.38 


Der directe, und gleichsam natürlichste Näherungs- Ausdruck für die 
Wurzeln algebraischer Gleichungen, nämlich derjenige, welchen die Um- 
kehrung der das Polynom der aufzulösenden Gleichung bildenden Reihe 
giebt, dürfte hier ebenfalls noch in Betracht kommen; und er dürfte auch 
selbst für die wirkliche Berechnung, wenn nur die Bedingung erfüllt wird, 
dafs in der aufzulösenden Gleichung x sehr klein ist, und dafs die Subtan- 


a 
gente Zr 


0 


zwischen o und x fällt, keineswegs so unbrauchbar sein, als es 
vielleicht scheint. 

Es mag noch eine einfache Entwickelung des aus Umkehrung der Reihe 
sich ergebenden Ausdrucks folgen. 

Das Polynom der aufzulösenden Gleichung werde, wie oben, durch 
y bezeichnet und x = $,y gesetzt, so ist, wenn y um %k sich verändert, 


k® re kz ee BL, 
2 y: 2-3 y’ . ....— y . 


115. py+h) = a+k + 
Es ist aber 


116. yZ.=i 


d f m 
und daraus folgt — = —— , oder wenn man, der Kürze wegen, da wo 
7 
—A7 
= 


d auf x sich bezieht, das & nicht besonders anzeigt: 


d 1 
117% — =. 
Y 2 
Hieraus folgt weiter 
BEN Me a%y 
Nr dy’ ? 
a’ dal: ediy 34? y? 
RAN A 
a a oaanasy ey 
418.27, day’ dy® ay,n? 
RE NEN 10d°’y? __ tnsd’ya?y? 105 4? y* 
ENLER. RA ay’ day! ay® ap 
a® a 2a’yd? 35d’yd? 210d'ya?y? 2s0d°y?a?y , 1260d’yd?y? Yisa?y? 
or I ydy ydy yay ydy PEBR 
Fe onen E Bier 87.133 9 10 Day 
% dy dy dy dy dy dy Y 


ee le..0 0 ee wre .0,,\0. 0 ee © m 0.6 =.e. ale e je on 8,20 a zlerlsimiLelleker.er e je liszLe Leneine 


algebraische Gleichungen näherungsweise aufzulösen. 293 


Diese Ausdrücke (117. und 118.) sind in (115.) zu setzen. 
Nimmt man nun k=y und «= 0 an, so geht (115.), wo nun das erste 
Glied & rechterhand Null ist, in 


d ‚2 d? ‚3 d’ 
119. PEN) EHI ZrT Rt zz Zr = 


über; und giebt man y den Werth y,, der dem Werthe o von x correspon- 
dirt, negativ genommen, so ist ® (Y,—Y) = $, = demjenigen Werthe von x, 
der dem y= 0 zukommt, also gleich der Wurzel der aufzulösenden Gleichung 
y=0. Man erhält also 


oNB 


y 


120 = / ENT aeg, 
Zee Joy 0 2 y o 


Es kommt also nur darauf an, die Werthe von y, - 8, Zr Kern et. für 
= 0 zu haben. 


Es ist 


y=a+tax+a,2x”+a,2......+a,x”; also 


dy= +a, +2a,x0%+3a,2% .....+ma,x”' 
121.22 day — +20, +2:304,0%....+m: m—ıa,x”” 
— +2:34, 2... Hm: m—1:m—2:-a,x"” 


ee u) 071028. .0, oikole 0.10. de .9'.0,,0 ©, 8 © © 0 '@.0 0... elle e,.e ein 0,o oe, era. oiea a 7,e 


also, für = 0, 


y=45 
dy =ia}, 
dy— 20 


3 
dy=2aaah, 


dB NR: 


und nun, vermöge (117 und 118.), 


294 ÜRELLE: einige Bemerkungen zu den Mitteln, u. s. w. 


Yo %» 
2 zu oa 
le Zu 
a? x 2a, 
2% I — 
a; 
2 
ER PER 23a; 3-4 a3 
123.300 nen Su053 
a a 
antın 2 unygesriarce, 10-6 20305 15-8a, 
EST Fee BE le Perg FDVer ap oe Far 
a a a 
h 
BB 2-3-4-5-a, | 15-M+2aza, | 103-0, 105-6-dayaz | 109-16-az 
BEER 7” Von arena NIRRETORERE ESUERET ER I RERTRGEEIT HRRRSGIER EL ESGTE: A ano SITE THESE TUT get) 
J a, a; aı a, aı 


...:. 1 18 0001001080100 7, 1 1 01 LT Tr Tr Tr T T T Tr TTrrT—« 


Man erhält also, vermöge (121.) 


2 3 
9A 14238 [720 Ayla ao ,„._?2 [7m 2 3 
194. m —o —-o —- 2a3—a,a;) — — (a,a, —5a, aza5+5a,) 
aı ay a; a 


a, 3 2 2 2 4 
——r (— a; a, t+6a,az3a; -3a,a3 —Ua, a3 a3 +14a,) 
aı 
a; 3 
0 % 3 2 2 2 2 3 5 
— —T (+asa, —7a,aza,—Ta,aza, + 3a, a30,+3a,a50, —Siajaza,r42a,). 


.e ee 011100100100 10101 01 01T Tr Tr Tr Tre 


Da das n' Glied dieser Reihe die Gröfse «a, =). zum Factor hat und 


a; 
nach der Voraussetzung schon -* kleiner ist als das sehr kleine x, um so 


1 
mehr also “2: so ist es schon wahrscheinlich, dafs die Reihe unter den 
aı 


angenommenen Bedingungen immer convergiren werde. Indessen mufs aller- 
dings die Convergenz derselben näher untersucht werden; was einer anderen 
Gelegenheit vorbehalten bleiben mag. 


Über 
den Venusdurchgang von 1769. 


Von 


H”- 'ENCKE. 


mm 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 30. April 1835.] 


® vorigen Jahre ist eine Handschrift aufgefunden worden, welche über 
einen viel bestrittenen Punkt in einer Angelegenheit von hohem Interesse 
vollständige Aufklärung giebt, so weit sie überhaupt noch erreichbar ist. 
Da ich früher veranlafst worden war, den Gegenstand ausführlich zu bear- 
beiten und ein paar Bändchen darüber herauszugeben, das was jetzt noch 
dieser Auffindung wegen hinzuzufügen wäre, sich zu einem besondern Zu- 
satze nicht eignet, und doch zu wichtig ist, als dafs es einer vorübergehenden 
Bekanntmachung allein anvertraut werden dürfte, so erlaube ich mir hier, 
das Endresultat im Zusammenhange mit den früheren Untersuchungen nie- 
derzulegen. 

Die beiden Venusdurchgänge von 1761 und 1769 hatten im vorigen 
Jahrhundert viele Jahre hindurch die Aufmerksamkeit der gebildeten Welt 
überhaupt in Anspruch genommen, seitdem Halley in den Philos. Transact. 
1691 und 1716 darauf aufmerksam gemacht, dafs sie für eine sehr lange Zeit 
das genaueste und selbst das einzige Mittel seien, mit einem gewissen Grade 
von Sicherheit die Entfernung der Sonne von der Erde in bekannten Erd- 
Maafsen zu finden. Bei diesem wie bei jedem Problem die Entfernung eines 
unzugänglichen Pıinktes zu finden, wird es zuletzt immer auf eine Anwendung 
des einfachen Prineips hinauskommen, von den Endpunkten einer bekannten 
Linie aus die Richtung der beiden Linien zu finden, welche sich in dem 
gesuchten Punkte kreuzen, und daraus den Winkel selbst zu schliefsen, unter 
welchem die Grundlinie von dem entfernten Punkte aus gesehen sich zeigt. 
Die Kleinheit dieses Winkels wird über die Sicherheit der Operation ent- 


296 EnexEe: 


scheiden. Wenn der Winkel sehr klein ist, folglich die gesuchte Entfernung, 
in Vergleich mit der bekannten Basis, sehr grofs (abgesehen von einer so 
unvortheilhaften Lage der letzteren, dafs aus diesem Umstande allein die 
Kleinheit des Winkels hervorgeht), so wird die Unsicherheit des Resultats 
so gut wie genau in gleichem Verhältnifs wachsen, wie der Quotient: gesuchte 
Entfernung dividirt durch die bekannte Grundlinie. Hieraus geht hervor, 
dafs in diesem Falle bei einer einzigen Grundlinie, auf welcher der ganzen 
Ausdehnung nach mehrere Beobachter vertheilt sind, die übrigens gleich 
gute Mittel, die Winkel zu messen, besitzen, die Bestimmungen von den End- 
punkten der ganzen Basis aus am entscheidendsten sein werden, und die Zu- 
ziehung aller Beobachtungen, welche aufserhalb dieser Endpunkte mehr nach 
der Mitte der Grundlinie hin angestellt sein mögen, nicht wesentlich das 
Resultat zu ändern im Stande sein werden, was die Endpunkte allein geben. 
Bei den Venusdurchgängen können wir, vermöge der Keplerschen 
Gesetze, die relative Veränderung der drei Punkte, Erd- Centrum, Venus- 
Centrum und Sonne- Centrum, während der wenigen Stunden der Dauer des 
Durchgangs mit einer so grofsen Genauigkeit bestimmen, dafs sie als gänzlich 
fehlerfrei zu betrachten ist. Die beobachteten Berührungen der Venus- und 
Sonnenränder, von einem Orte auf der Oberfläche der Erde aus, werden 
folglich, wenn man die Winkelhalbmesser der Sonne und der Venus bestimmt 
(wozu die Beobachtungsart selbst das schärfste Mittel darbietet), und die 
sämmtlichen Beobachtungen von verschiedenen Punkten der Erdoberfläche 
aus auf ein absolutes Zeitmoment reducirt, theils durch Berücksichtigung der 
Längendifferenz des Beobachtungsorts auf der Erde, theils durch Berück- 
3 der Erde und der Venus um die Sonne, 
nur noch darin von einander verschieden ausfallen können, dafs die Stand- 


sichtigung der relativen Bewegun 


punkte auf der Oberfläche der Erde von einander verschieden sind, und eben 
dadurch das Mittel darbieten, diese unmittelbar durch Gradmessungen zu 
bestimmenden Entfernungen der Beobachtungsörter zu vergleichen mit dem 
Abstande der Venus von der Erde, und also auch, zufolge der Keplerschen 
(Gresetze, der Sonne von der Erde. Es giebt unter den bekannten Himmels- 
körpern keinen, der bequemer läge. Denn der Mond, dessen Abstand von 
der Erde wir auf ähnliche Weise mit noch gröfserer Genauigkeit bestimmen 
können, ist als Erdtrabant nicht unmittelbar mit der Sonne verbunden; seine 


Entfernung von der Erde erlaubt nicht absolut den Schlufs zu machen, auf 


über den F enusdurchgang von 1769. 297 


die Entfernung der Erde von der Sonne. Mars kommt selbst in den Oppo- 
siionen, die am günstigsten liegen, der Erde nicht so nahe als Venus bei 
einem Durchgange, folglich ist für Mars die Basis, die wir allein annehmen 
können, der Erddurchmesser verhältnifsmäfsig noch kleiner wie bei der 
Venus, und derselbe Fall tritt auch bei Merkur ein. Indessen haben doch 
alle drei Himmelskörper, bei der grofsen Seltenheit der Venusdurchgänge, 
bevor diese beobachtet waren, dazu gedient, die Entfernung der Sonne mit 
gröfserer oder geringerer Annäherung zu bestimmen. Der Merkurdurchgang 
von 1677 führte Halley zuerst auf die Entdeckung der Wichtigkeit der 
Venusdurchgänge. Direcete Beobachtungen des Mars veranlafsten vor 1761 
die ziemlich allgemeine Annahme einer Sonnenparallaxe von 10”, und eine 
Störungsgleichung in der Mondstheorie gab dem grofsen Tobias Mayer, mit 
noch gröfserer Annäherung an die Wahrheit, eine Parallaxe von 7/8, dieselbe 
Gleichung, welche Laplace später vollkommen mit den Ergebnissen der 
Venusdurchgänge übereinstimmend gefunden hat. 

Aufser dem theoretischen Vorzuge der Venusdurchgänge, dafs bei ihnen 
der Schlufs vom kleinen Erddurchmesser auf eine viel gröfsere Entfernung 
noch den kleinsten Sprung darbietet, liegt aber auch in der Beobachtungs- 
art ein praktischer Vorzug, der bei den andern Methoden entweder ganz fehlt 
oder doch nicht so überwiegend hervortritt. Die Beobachtung der Berührung 
giebt den Augenblick, wann das Venus- Centrum von dem Sonnen - Centrum 
scheinbar um einen bekannten Winkel entfernt ist, ohne Hülfe eines Winkel- 
instruments durch blofse Anschauung, und zwar um so genauer, als die Be- 
wegung der Venus langsam genug ist, um diesen Winkel innerhalb eines sehr 
kleinen Theils einer Bogensecunde richtig zu erhalten, wenn anders die Be- 
rührung bis auf eine oder mehrere Zeitsecunden genau wahrzunehmen sein 
sollte. Venus durchlief eine Raumsecunde bei den Durchgängen von 1761 
und 1769 etwa in 20 Zeitsecunden. Wäre es möglich gewesen, wie Halley 
hoffte, die Berührung bis auf eine Zeitsecunde genau zu beobachten, so 
würde man den Winkelabstand bis auf 0/05 einer Bogensecunde erhalten 
haben. Die Erfahrung hat dieses freilich nicht bestätigt. Der Fehler wird 
ihrzufolge im Durchschnitt etwa 7 Zeitsecunden betragen, immer indessen 
noch den Winkelabstand bis auf 4 einer Bogensecunde, genauer als die da- 
maligen Winkelinstrumente vermogten, finden lassen. 


Mathemat. Abhandl. 1835. Pp 


298 EncKEe: 


Man darf dabei aber nicht übersehen, dafs diese sieben Zeitsecunden 
in gewissem Sinne der Inbegriff sämmtlicher Fehlerquellen sind, diese mögen 
nun in der Verschiedenheit der Fernröhre, der damit wahrscheinlich verbun- 
denen gröfseren oder geringeren Irradiation, der selten ganz günstigen Con- 
stitution der Atmosphäre und hauptsächlich vielleicht der ziemlich beträcht- 
lichen Unsicherheit bestehen, welche durch die Nothwendigkeit herbeigeführt 
wird, die Längen der verschiedenen Beobachtungsörter mit grofser Genauig- 
keit zu kennen, um alle Berührungsmomente auf einen bestimmten Meridian 
zurückzuführen. Diese letztere Nothwendigkeit war unbedingt vorhanden 
im Jahre 1761, wo nur solche Beobachtungen angestellt waren, welche diese 
Zurückführung durchaus erforderlich machten. Sie konnte dagegen bei dem 
Durchgange von 1769 umgangen werden. Denn bei ihm trat der sehr gün- 
stige Umstand ein, dafs an Örtern der Erde, die weit von einander gelegen 
waren, Eintritt der Venus auf der Sonnenscheibe und Austritt gesehen wer- 
den konnte, also die Gröfse der Sehne bestimmt, welche sie durchlief, und 
aus der Verschiedenheit zweier Sehnen, bei welchen der Längen-Unterschied 
ganz wegfiel, die Parallaxe ermittelt. 

Immer indessen bleibt bei allen diesen Vorzügen der Umstand in voller 
Kraft, dafs die Basis, auf welcher sich die Beobachter vertheilen konnten, 
sehr klein ist, dafs die Endpunkte derselben entweder beide oder doch wenig- 
stens einer in Gegenden fielen, wo nur wenige Beobachter sich vereinigen 
konnten, und dafs demnach die Resultate dieser geringen Anzahl von Beob- 
achtungen an den Endpunkten der Basis ein so überwiegendes Gewicht, der 
Natur der Sache nach, haben mufsten, dafs auch die zahlreichsten und ge- 
nauesten Wahrnehmungen, die mehr nach der Mitte zu angestellt wurden, 
eher nur eine Prüfung als eine wesentliche Berichtigung geben konnten, wenn 
an den Endpunkten Fehler begangen worden wären. 

Bei dem Durchgange von 1761 kann man die sämmtlichen Beobach- 
tungen als in zwei Gruppen vertheilt betrachten. Zu der ersten gehören die 
sämmtlichen Europäischen und überhaupt die auf der nördlichen Halbkugel. 
Sie sind an Standpunkten angestellt, die so nahe bei einander liegen, dafs, 
bis auf die unvermeidlichen Fehler der Beobachtungen, alle so gut wie völlig 
unter sich übereinstimmen müssen. Die zweite Gruppe umfafst die auf der 
südlichen Halbkugel und besonders oder eigentlich ausschliefslich die am 
Vorgebirge der guten Hoffnung und der Insel Rodrigues, gleichzeitig mit den 


über den Venusdurchgang von 1769. 299 


Europäischen gemachten Wahrnehmungen beim Austritt. Alle beobachteten 
Eintritte und folglich auch alle Verweilungen sind unsicher und tragen höch- 
stens zur Berichtigung der Venus-Elemente bei, auf die Parallaxe haben sie 
keinen Einflufs. Will man auch unter diesen Umständen dem einen End- 
punkte der Basis, wegen der grofsen Anzahl der Europäischen Beobachtungen, 
eine grofse Sicherheit zugestehen, so ist es doch klar, dafs das Resultat, in 
Bezug auf die Parallaxe, nie eine viel gröfsere Sicherheit wird erlangen kön- 
nen, als die wenigen Beobachtungen auf der südlichen Halbkugel dem andern 
Endpunkte der Basis es gestatten. Hier aber trat der ungünstige Umstand 
ein, dafs von den beiden Orten, dem Vorgebirge der guten Hoffnung und der 
Insel Rodrigues, nothwendig einer ganz aufser Betracht kam, weil in jeder 
Annahme zwischen den Beobachtungen dieser beiden Stationen ein Unter- 
schied von einer Zeitminute stattfand. Der Verdacht fiel gleich anfangs auf 
Rodrigues, weil hier die ungünstige Witterung nur ein Moment, die innere 
Berührung beim Austritt, dem einzigen Beobachter Hrn. Pingre wahrzu- 
nehmen erlaubt hatte, während auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung zwei 
Beobachter jeder zwei Momente, die innere und äufsere Berührung sahen. 
Fast allgemein entschied man sich, als später die Nothwendigkeit, Rodrigues 
auszuschliefsen, erwiesen war, für die Annahme, dafs die Zeitminute ver- 
schrieben sei, also ein Irrthum des Beobachters stattgefunden. Ich glaube 
aber wahrscheinlich gemacht zu haben, dafs noch jetzt es in unserer Gewalt 
steht, diese Beobachtung vollständig zu retten und dadurch die Sicherheit 
der Bestimmung zu vermehren. Denn da zur Benutzung derselben eine mög- 
lichst scharfe Längenbestimmung nothwendig ist, und ein Fehler in der Länge 
ganz eben so viel wirkt, als ein Irrthum der Beobachtung selbst, da ferner nur 
wenige Jupiters-Trabanten-Verfinsterungen und Sternbedeckungen, gleich- 
zeitig von Hrn. Pingr& beobachtet, die einzige Quelle sind, aus der wir bis 
jetzt eine Längenbestimmung herleiten können, so hat mir meine Berechnung 
dieser Beobachtungen zu erkennen gegeben, dafs höchst wahrscheinlich die 
von Pingr& angenommene Länge um etwa eine Zeitminute fehlerhaft ist und 
man mit den neueren schärferen Daten eigentlich mit gröfserer Annäherung 
eine Länge findet, welche die Harmonie zwischen den Beobachtungen des 
Durchgangs am Cap und zu Rodrigues fast völlig herstellt. Es kommt folg- 
lich nur darauf an, dafs die Länge der Insel Rodrigues genauer besimmt wird, 
etwas, was früher oder später ganz gewifs der Fall sein wird, nun die Befrie- 


Pp2 


300 Ener; 


digung zu haben, Beobachtungen von dieser Wichtigkeit, von denen wir in 
diesem Jahrhundert keine Wiederholung von gleichem Werthe zu hoffen 
haben, ganz so hergestellt zu sehen, dafs kein weiterer Zweifel über ihre 
Brauchbarkeit stattfindet. 

Bei dem zweiten Venusdurchgange 1769 waren die Umstände bei wei- 
tem günstiger. Man konnte vier Stationen wählen und wählte sie wirklich, 
bei welchen die absolute Genauigkeit der Längenbestimmung entbehrlich war, 
nämlich die Nordküste der skandinavischen Halbinsel, die Gegend an der 
Hudson’sbai, die Halbinsel Californien und die Insel Otaheite im Südmeer. 
Der Anblick der Charte zeigt, dafs hier die Endpunkte der Basis Skandinavien 
und Ötaheite waren, und dafs, wenn an diesen Punkten keine groben Fehler 
vorgefallen, die in der Mitte liegenden, Hudson’sbai und Californien, sich 
nahe genug den aus jenen abgeleiteten Resultaten anschliefsen müssen. Zahl- 
reiche Stationen am nördlichen europäischen Eismeer hin schienen das Ge- 
lingen zu sichern, allein unglücklicherweise vereitelte schlechtes Wetter an 
allen die Wahrnehmung des merkwürdigen Phänomens mit Ausnahme von 
Wardoehus, wo sie vollständig gelang, und von Cajaneborg, wo sie zwar 
durch Wolken unterbrochen, aber doch so erhalten wurde, dafs, in Erman- 
gelung anderer Daten, sich aus dieser Station etwas würde haben schliefsen 
lassen. Die übrigen Punkte der Hudson’sbai, Californien und Otaheite 
erfreuten sich günstigerer Witterung. Immer waren an jedem von diesen 
nur zwei oder drei Astronomen versammelt. Aufser diesen vier Stationen 
ward zwar noch das Phänomen theilweise in Europa und Nordamerika zahl- 
reich beobachtet, allein da hier immer nur eine Erscheinung, entweder Ein- 
tritt oder Austritt, gesehen wurde, so würden diese isolirten Angaben keinen 
erheblichen Einflufs gehabt haben, wenn jene vier Hauptpunkte mit günstigem 
Erfolge den gehegten Erwartungen entsprochen hätten. 

Leider trat auch hier wieder der nachtheilige Umstand ein, dafs gerade 
an einem der Endpunkte der Basis, folglich an dem Punkte, der unter den 
übrigen der wichtigste ist, zwischen der vollständigen Wahrnehmung in War- 
doehus und der weniger vollständigen in Cajaneborg, ein Mangel an Über- 
einstimmung stattfand, der eine Erklärung der Ursache nothwendig machte. 
Es konnte hier nicht von einem Verschreiben der Minute die Rede sein, da 
theils die runde Zahl nicht den Unterschied strenge aufhob, theils die Anwe- 
senheit mehrerer Beobachter an jedem Orte dagegen sicherte. Aber wenn 


über den V enusdurchgang von 1769. 301 


auch ein zufälliges Verschreiben nicht annehmbar war, so hatte sich der Ruf 
des einen Astronomen, des Pater Hell in Wardoehus, nicht so fleckenlos 
erhalten, dafs man nicht die Vermuthung einer wissentlichen Änderung bei 
sich hätte aufkommen lassen können. Viele Umstände trugen dazu bei. 
Einmal gehörte Pater Hell einem Orden an, der gerade in dieser Zeit grofsen 
Anfechtungen ausgesetzt war und kurz nachher aufgehoben ward, er war 
Jesuit. Als solcher hatte er in seiner langjährigen Verwaltung der Wiener 
Sternwarte, von woher der König von Dänemark ihn ganz eigends zur Beob- 
achtung des Phänomens nach Wardoehus zu gehen eingeladen hatte, sowohl 
eine ganz unumwundene Partheilichkeit für alle andere Ordensbrüder gezeigt, 
so dafs er mit fast blindem Eifer und nicht richtig überlegter Besonnenheit 
für Alles kämpfte, was von den Ördensmitgliedern ausgegangen war, als auch 
von Anfang an eine fast beleidigende Eitelkeit auf seine Geschicklichkeit im 
Beobachten an den Tag gelegt und seine Ansichten von zweckmäfsiger Lei- 
tung. Seine und seiner Ordensverwandten Beobachtungen waren die besten 
und stimmten vortrefflich unter sich, und wo andere Gründe in wissenschaft- 
licher Hinsicht nicht durchdringen wollten, trug er kein Bedenken, eine 
Autorität geltend machen zu wollen, welche die andern Astronomen nicht 
geneigt waren, anzuerkennen. Dann hatte er auch, ganz im Widerspruch 
mit dem Verfahren der übrigen Beobachter, mit der Bekanntmachung seiner 
Zahlen so lange gezögert, dafs wenigstens die Mehrzahl der fremden Angaben 
ihm bekannt sein mufsten, ehe er mit den seinigen vortrat. Um so mehr 
ward ihm dieses zum Vorwurf gemacht, als namentlich besonders Lalande 
mit seinem für die Astronomie so wohlthätigen Feuereifer schon im Voraus 
dringend aufgefordert hatte, um aller Ungewifsheit auszuweichen, schnell in 
öffentlichen Blättern oder durch briefliche Berichte an die Akademien das 
erste Resultat bekanntzumachen, was man gefunden, gesetzt auch, dafs eine 
spätere genauere Berechnung in Kleinigkeiten noch Änderungen bewirken 
könne. Am 3. Juni 1769 war die Beobachtung gemacht, am 9. reiste Hell 
von Wardoehus ab, las im November eine Abhandlung in der Kopenhagener 
Societät über seine Reise, aber theilte erst die Zahlen, auf welche es allein 
ankam, im Februar des folgenden Jahres durch den Druck mit. Im April 
scheint diese gedruckte Abhandlung erst recht bekannt geworden zu sein. 
Was endlich zuletzt noch beitrug, den Verdacht zu verstärken, so vertheidigte 
sich auch Hell gegen die offenen und versteckten Angriffe auf eine unge- 


302 EN eKeE: 


schickte Weise. Anstatt entweder ganz sie als seiner unwürdig abzuweisen 
oder triftige Gründe entgegenzustellen, schützte er einen vermeintlichen Be- 
fehl des Königs von Dänemark vor, den Niemand annehmen konnte oder den 
Hell selbst nur veranlafst haben mufste, berief sich auf Übereinstimmung 
seiner Resultate mit andern, von welchen sogleich sich auswies, dafs sie auf 
Rechnungsfehler beruhten, und dadurch den Verdacht eher verstärkten, Hell 
habe, durch diese Rechnungsfehler verleitet, seine Zahlen modifieirt, erbot 
sich, was ganz unwürdig war, sein ursprüngliches, von jeder Correctur freies 
Journal vorzulegen und stützte sich auf seine langjährige Autorität, in Ver- 
gleich mit welcher er die Geschicklichkeit der Gegner herabsetzte und so nur 
die Angriffe bitterer machte. Es war etwas schwierig, bei diesem Widerstreit 
der Meinungen einen Weg bei der Benutzung der Wärdoehuser Beobachtun- 
gen einzuschlagen, der nichts wohlbegründetes übergehen liefse und doch 
keiner Verfälschung zu vielen Einflufs einräumte. Denn so wie die Streit- 
schriften vorlagen, konnte man sichere Beweisgründe für eine Verfälschung 
nicht aufstellen. An den einmal bekanntgemachten Zahlen hielt Hell fest, 
ohne davon abzuweichen, man mochte später Übereinstimmung oder Abwei- 
chung von andern nachweisen. Nur ein starker Verdacht blieb bei jedem 
Unpartheiischen zurück. Demgemäfs schlug ich auch den Weg ein, dafs ich 
den Vorzug der Hellschen Beobachtung, dafs sie frei von einer scharfen 
Längenbestimmung war, aufgab, und seinen beobachteten Eintritt und Aus- 
tritt nicht in die natürliche Verbindung brachte, sondern als isolirte Beob- 
achtung aufführte. Hierdurch wurde erreicht, dafs durch die Zusammen- 
stellung mit den andern Europäischen Beobachtungen, welche freilich nur 
den Eintritt gegeben hatten, eine etwanige Verfälschung dieses Datums von 
Hell’s Seite keinen merklichen Einflufs haben konnte, und da der Austritt 
von Hell noch weniger merklich von den übrigen, wenngleich entfernter 
liegenden Stationen verschieden angesetzt war, so erreichte ich dadurch den 
Zweck unter Benutzung der Hellschen Beobachtung als einer strengrichtigen, 
doch mich am meisten dem Resultate zu nähern, was die andern Beobach- 
tungen gegeben haben würden, wenn Hell’s Beobachtung nicht vorhanden 
gewesen wäre. So gab die Mitbenutzung der Wardoehuser Bestimmungen 
die Parallaxe = 8/60, die sämmtlichen Beobachtungen ohne sie 8/58, eine 
Differenz, die ganz innerhalb des wahrscheinlichen Fehlers lag. 


über den V enusdurchgang von 1769. 303 


Nach einer so langen Zwischenzeit hätte man fast die Hoffnung auf- 
geben sollen, eine nähere Einsicht in den Grund oder Ungrund des Verdach- 
tes zu bekommen, wenn nicht unerwartet eine kürzlich erschienene Schrift 
des Hrn. ©. L. Littrow (Sohn des Direktors der Wiener Sternwarte) alle 
Aufklärung verschafft, die man wünschen kann. Ein Theil von Hell’s hin- 
terlassenen Handschriften fand sich im Besitze des Herrn Georg Freiherrn 
von Münch-Bellinghausen, auf den sie von seinem Oheime, dem ver- 
storbenen Joseph Freiherrn von Penkler, einem eifrigen Beschützer und 
Freunde Hell’s, übergegangen war. Auf den Wunsch des Hrn. Direktor 
Littrow wurde nicht nur die Mittheilung derselben gestattet, sondern auch, 
als man ihre Wichtigkeit erkannte, das Ganze der Bibliothek der Wiener 
Sternwarte zum Geschenk überlassen. 

Unter diesen Manuscripten fand sich gleich bei der ersten Durchsicht 
ein Heft, was den unläugbaren Stempel des von Hell in Wardoehus geführ- 
ten astronomischen Tagebuchs trägt. Hiefür sprechen die stets chronologi- 
sche Ordnung der darin enthaltenen Bemerkungen, die eilige schlechte häufig 
wechselnde Schrift, die Aufzeichnung von Beobachtungen, welche nicht pu- 
blieirt sind, viele nur bei einem Brouillon allenfalls zu gestattende Bemer- 
kungen, lauter Andeutungen, welche es gänzlich unterschieden von andern 
für die öffentliche Bekanntmachung bestimmten Papieren, welche ebenfalls 
unter den Manuscripten sich befanden. 

Wenn nun aber auch dieses Heft sogleich zu erkennen giebt, dafs die 
von Einigen der erbittertsten Gegner von Hell hingeworfene oder angedeu- 
tete Beschuldigung, als habe ungünstige Witterung ihn in Wardoehus eben 
so an der Beobachtung gehindert, wie es den meisten ihm nahe eingerichteten 
Sternwarten ergangen, und er erst später aus andern entfernteren Beobach- 
tungen die Zahlen gerathen, gewissermafsen interpolirt, gewifs ungegründet 
ist, eine Beschuldigung, die in der That auch, bei ruhiger Erwägung der 
Verhältnisse, so unwahrscheinlich war, dafs sie fast an Unmöglichkeit grenzte, 
so ergiebt sich doch leider aus eben dem Manuscripte, dafs der gehegte Zwei- 
fel gegen die völlige Treue, mit welcher Hell die Resultate seiner Beobach- 
tung bekanntgemacht haben sollte, in jeder Hinsicht gegründet ist, ja es gehen 
daraus auch einige Umstände hervor, die über die praktische Erfahrung, 
welche man Hell’n hätte zutrauen sollen, ein nachtheiliges Urtheil fällen 
lassen. Hell hat auf eine unzweckmäfsige Weise die Hülfsmittel, welche ihm 


304 EncareE: 


zu Gebote standen, benutzt, er hat weder unbefangen noch scharf beobachtet 
und, was das nachtheiligste ist, in wichtigeren wie in unwichtigeren Zahlen- 
Angaben nie Bedenken getragen, durch Correcturen und Radirungen im Ma- 
nuscripte selbst und durch ungenaues, absichtlich nicht treues Ausziehen der 
Data aus den Originalpapieren sowohl der Sache als der Form nach etwas 
anderes gegeben als er gesehen, so dafs nicht einmal in allen Fällen das Rich- 
tige oder vielmehr Unverfälschte wieder hergestellt oder auch nur immer der 
Grund angegeben werden kann, warum er gerade hier von seiner Beobach- 
tung abgewichen sei. Namentlich ist das wichtige Moment des Eintritts, das 
Moment, wegen dessen Unterschied von Cajaneborg am heftigsten der Streit 
entbrannte, so geändert, dafs von den drei Beobachtern, Hell, seinem eige- 
nen Gehülfen Sainoviez, und einem Norwegischen Gehülfen Borgrewing, 
nur von einem Einzigen, von Borgrewing, den Hell als einen ganz 
ungebildeten und ungeübten Beobachter schildert, die gemachte Wahr- 
nehmung als rein von allen Correcturen erscheint. Weniger sind bei dem 
Austritt die Zeiten verfälscht. Dagegen sind wieder die correspondirenden 
Sonnenhöhen, aus welchen die Zeitbestimmung hergeleitet ist, nicht treu von 
Hell bekannt gemacht. Alle die, welche weniger gut mit dem Mittel über- 
einstimmten, sind entweder weggelassen oder so geändert, dafs sie dem Mittel 
möglichst nahe kommen. Ein Verfahren, was, wenn es auch im Ganzen 
nicht wesentlich das Resultat ändern kann, da das allgemeine Mittel der Prüf- 
stein für die weniger gut stimmenden Beobachtungen ist, und folglich eine 
Annäherung daran nicht wesentlich das Endresultat ändert, doch ein sehr 
nachtheiliges Licht auf die Gewissenhaftigkeit Hell’s wirft. Wie soll man 
Zutrauen zu seinen Zahlen-Angaben haben, wenn ein so augenscheinliches 
Beispiel lehrt, dafs er nur darauf sah und jedes Mittel erlaubt hielt, wodurch 
er die hohe Meinung von seinen Fähigkeiten zu befestigen hoffte. Es ist 
dabei merkwürdig, dafs auch hier wieder ein Fall eintrat, in welchem die 
Dreistigkeit des Corrigirens den beabsichtigten Zweck ganz verfehlte und von 
der Wahrheit entfernte. Den Tag nach dem Venusdurchgange fand eine 
Sonnenfinsternifs statt, welche an vielen und denselben Orten eben so wie 
der Venusdurchgang beobachtet ward, und ein höchst schätzbares Mittel dar- 
bot, die Länge dieser Örter, deren man für den Durchgang bedurfte, zu 
bestimmen. Hätte Hell seine unverfälschte Beobachtung bekannt gemacht, 
so würde sein beobachteter Anfang und Ende gut zusammen gestimmt haben. 


über den Venusdurchgang von 1769. 305 


Statt dessen machte er in der Beobachtung des Anfangs eine Änderung, die, 
nach seiner Berechnung, Anfang und Ende vollkommen übereinstimmend 
machte. Allein da er irrige Elemente bei der Berechnung angewandt, so fand 
sich bei der schärferen Untersuchung, dafs die Beobachtung des Anfangs, wie 
Hell sie verfälscht bekannt gemacht hatte, um 40” in Zeit fehlerhaft war, ein 
so grober Irrthum, dafs dadurch die 26jährige Erfahrung, mit der Hell sich 
brüstete, sehr in das Gedränge kam, und von seinen Gegnern, als doch nicht 
so ganz unfehlbar, mit einigem Spotte angegriffen ward. 

Aus diesen Bemerkungen geht folglich im Ganzen das hervor, dafs die 
Auffindung des Hell’schen Manuscripts den Werth, den man auf die Wardoe- 
huser Beobachtung, so wie Hell sie bekannt gemacht, legen kann, so verrin- 
gert hat, dafs man sie durchaus nicht mit anderen unverfälschten, wenn auch 
vielleicht unter weniger günstigen Umständen angestellten, zusammenbringen 
darf. Die von Hell bekannt gemachten Zahlen müssen ganz verworfen wer- 
den. Dagegen kann man aus dem Manuscripte, mit gröfserer Zuversicht auf 
die Wahrhaftigkeit der Angaben, alle die Zahlen nehmen, welche frei von 
Correcturen sind, oder bei welchen die ursprüngliche Lesart sich noch 
erkennen läfst. Ob Borgrewing, den Hell als ungeübt schildert, die Be- 
obachtung gemacht hat oder Hell selbst, kommt dabei weniger in Betracht, 
und in der That zeigt auch der Erfolg, dafs hier, wie in den meisten andern 
Fällen, eine vorurtheilsfreie Wahrnehmung auch von einem ungeübten Beob- 
achter sich der Wahrheit und den übrigen gleichzeitigen Beobachtungen näher 
anschliefst, als eine verfälschte und willkührlich geänderte Angabe. Diesen 
Weg hat Hr. Littrow eingeschlagen, und ich finde nicht für nöthig, in irgend 
einem Punkte von seinen Reductionen abzugehen. 

Hiernach stellen sich die Beobachtungen so: 

1) Für die Länge von Wardoehus. 
Anfang der © Finsternils Jun. 4. 2120 3/6 M. Zt. 
Ende « « « « 234204237 3)2« Sic 
wo bei dem Anfange, nach den Worten des Tagebuchs ... 10°’ 10” sed mihi 
jam 20 circiter secundis antea coepisse videtur ... als Uhrzeit des Anfangs 
10° 7’ 50” angenommen ist. 
2) Für den 9 Durchgang. 
Eintritt Inn. Berührung Lichtfaden. 9° 32’ HA M. Zt. Borgrewing. 
Austritt « « « 15, 251,6 cc Hell. 


Mathemat. Abhandl. 1835. Qgq 


306 Enake: 


Hieraus findet sich: 
1) Länge von Wardoehus. Nach den Berechnungen der Sonnenfinsternils, 
mit Zuziehung der Correctionen 
d=+35s0 dß=—s/23 d(R-+r) = +1,30 
sollte der Anfang und das Ende stattfinden um 
19" 24 54,7 M. Par. Zt. 
21 25 22,0 « « « 
folglich Länge aus dem Anfange 1" 55’ 8/9 
Ende 47550143 
oder mit Ausschlufs des unsichern Anfangs, wie bei allen andern Orten, 
4" 55’ 1,3. 
Die frühere Rechnung nach Hell’s Angaben macht sie 
4" 55’ 3) 3 
folglich nur wenig verschieden. 
2) Für den 2 Durchgang geben die auf die hypothetisch angenommenen 
Elemente gegründeten Rechnungen den Eintritt in mittlerer Pariser Zeit 
7" 37° 7 + 10,2367 da@ + 16,2359 dd — 44,4996 dr — 19,652 d(R — r)) 
und den Austritt 
13" 29° 56/5 + 16,5381 da — 8,1345 dd + 30,8367 dr + 19,666 d(R— r), 
die Beobachtung gab dafür mit der obigen Länge 
Tale 
130.30. 343% 
Folglich sind die beiden Bedingungsgleichungen für den Eintritt und Austritt 
— 0/1 + 10,2367 da + 16,2359 dd — 44,1996 dr — 19,652 d(R—r) 
— 6,8 + 16,5331 da — $,1345 dd + 30,8367 dr + 19,6636 d(R—r). 
Nach den früheren Rechnungen waren die zur Ermittelung der wahrschein- 
lichsten Werthe gebildeten Summen bei der Vereinigung beider Classen: 
[rn] = _17377,435 
[an] = + 4045,232 
[ön] = + 6789,685 
[ern] = — 20681,562 
[dn] = — 249,372 


über den Venusdurchgang von 1769. 307 


[aa] = -+ 8683,336 
[ad] = + 11500,665 


[ec] = — 33514,737 
[ad] = — 13151,901 
[6] = + 22556,833 
[de] = — 53010,147 
[dd] = — 28647,515 


[ec] = + ır1021,172 
[ed] = + 63756,697 
[dd] = + 36395,779, 
bei welchen, wegen der Wardoehuser Beobachtung, folgende 3 Bedingungs- 
gleichungen, die zwei ersten für den Eintritt, die dritte für den Austritt mit 
zugezogen waren: 
+ 16/5 + 10,2367 da + 16,2359 dö — 44,1996 dr — 19,6552 d(R—r)) 
+ 19,5 + 10,2367 da + 16,2359 dd — 44,1996 dr — 19,6582 d(R—r) 
— 11,0 + 16,5351 da — 8,1315 dd + 30,3367 dr -+ 19,6636 d(R—r). 
Bildet man folglich die Producte aus diesen drei Bedingungsgleichungen, 
zieht sie von den obigen Summen ab, und legt dafür die Producte aus den 
obigen zwei neuen, in die Stelle dieser drei eintretenden Bedingungsgleichun- 
gen hinzu, so erhält man für 105 Gleichungen die folgenden Producte: 
[rn] = + 16650,455 
[en] = -+ 3745,150 
[dr] = +  6169,104 


[er] = — 18918,916 
[dn] = — 7457,142 
[ea] = + 3573,596 
[ed] = + 11334,461 
[ac] = — 33059,204 
[ed] = — 12950,668 
[#5] = + 22623,227 
[de] = — 52237,647 
[dd] = — 23323,646 


[e ce] = + 169010,934 
[ed] = + 62581,917 
[dd] = + 36009,313 


Qq2 


308 EncxKe: 


bei welchen das Gewicht einer Beobachtung der I. Classe = ı, das einer der 
II. Classe = 0,1530156 angenommen ist. Es sind 52 Beobachtungen derI. und 
23 Beobachtungen der IH. Olasse. 
Die strenge Elimination giebt dafür die Werthe: 
Aa = + 0,00709 — 0,A54112 d(R—r) 
Ad= — 0,04599 + 1,45457 
Ar = + 0,095833 — 0,01087 d(R—r), 
wobei die Divisoren sind: 
für A@.... 1922,677 
Ad.... 5868,068 
AT....31951,678. 


Der Unterschied dieser Resultate von den früher gefundenen beträgt 


nur bei 
Aa....+003 


No ae.0802 
AFT....+0,01, 


so dafs für die beiden andern Elemente es ganz unnöthig sein wird, den Ort 
der 2 ihnen zufolge neu zu bestimmen. Für 7 erhält man, wenn die Cor- 
rection von d(R—r) = — 0,4375 + 1,031 dg’ angebracht ist, wie sie sich aus 
der Vergleichung beider Durchgänge ergab, und wenn man die hypothetisch 
angenommene Gröfse für = = 3,19 berücksichtigt, als Resultat der neueren 
Berechnung aus dem @ Durchgange für 1769 allein: 


7 = 3,593087 — 0,0112 dg 
W.F.— =# 0/0459. 


In aller Strenge hätte noch das Verhältnifs einer Beobachtung der 
I. Classe zu einer der zweiten so bestimmt werden müssen, wie es den übrig 
bleibenden Fehlern gemäfs ist. Dieses würde für die jetzige Rechnung ge- 
wesen sein 0,1379, 


wofür angenommen ist 0,1530. Der Unterschied ist aber auch hier so unbe- 
trächtlich, dafs eine neue Rechnung nicht der Mühe verlohnt. 
Vereinigt man endlich die Resultate beider Durchgänge: 
1761 .... 3,5309 — 0,0136 dd. MW. F. + 0,0623 
1769 .... 8,5931 — 0,0112 « « « ZE 0,0460, 


über den Venusdurchgang von 1769. 309 


so findet sich zuletzt 
== 8, 57116 — 0,0120 dp 


W.F. = =# 0,0370. 


Statt dieser Gröfse hatten die früheren Rechnungen gegeben 


De 
8 5716, 


nur um 0,0064 verschieden, eine Gröfse, die, da sie ganz innerhalb der wahr- 
scheinlichen Grenze liegt, weiter keine Beachtung verdient. 
Dieser neuen Bestimmung zufolge wird also die Entfernung von der 


Sonne 
— 20,682329 Geogr. Meil. 


mit einer Unsicherheit von etwa —{; des Ganzen oder von + 90,000 Meilen. 
Die frühere Rechnung war nur um 15,500 Meilen verschieden. 


Su M EEE 
Ya Haren 


ERSTER! ran Roi BIER INN EHURNSCNWELGUN 
alla? | AU IR ALeR BEN. a inlauc 


gg em ns Ay: A Sr Mana Anna ran au! 


Ku PRRITE 2 - ER La AR IR v4 Hr u hen 


la AH, ng: Ba ch 
Sailer, PRteS Mn Tri Re ut: as ie a 2 
a ar enhäindE En Welh Ri) role Aal Hier kagseikel 


A FREI EL | 


AN ERaN, 
{ tal ab aaieN. 8 = In 
an AN? up Kir wahr 0% N ob 1% 5 Ans ex ra h 


Rh ne "esta due.or' Hier ll u Sn 


N 2 
j 2 { j 
e un N f i 
l 1 ar 
MI 1 N 
i 2 T " ap u‘ Yu: { ee ! jr 
Er R cal h 2° 
03,9 Inn AST HEEN EITOG PH Inn: ben RL LER. 
j a " b ID I NE ER U 
! ER in m Zur ZH u Imasıt ! 
D ; ! ‘ s 
[2] ‘ j a) EL” ) ET } 
i } s f 
a, iv ME a DEN 1 rn 
= i FEETE i ! { 
x x 
er wor! Ki = j 
He “ 
BUET 
1) r 
v L 
| j . ui KOAEN 
ib ” N h N 
EN, Ile, IE: ‘ 
# \ 
”„ ray) | Ani i BT 
f 
Bay are 
= * 


Das Taylor'sche Theorem, als Grundlage der 


Functionen - Rechnung i 


v Von 
H"- POSELGER. 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 14. Mai 1835.] 


Function. 


IR: \ V'. nennen: Ausdruck eine beliebige Anzahl von (n-+1) alge- 
braischen Rechnungs-Elementen, vereinigt durch symbolische Reihen, welche 
die Regel ihrer Zusammenstellung andeuten. Werth ist die Zahl, in welche, 
für eine angenommene Einheit, der Ausdruck übergeht, wenn die darin sym- 
bolisch angedeuteten Rechnungen in Zahlen wirklich ausgeführt werden. Ist 
der Werth des Ganzen, n-+1 Elemente enthaltend, vorgeschrieben, so können 
n derselben, ihrer Gröfse nach, willkührlich angenommen werden, das n-+ 1"* 
ist dann als Erg 
übrigen wird in der Form einer Gleichung jenes mit diesen dargestellt. Durch 
eine solche erlangt das Element einen absoluten Werth. Es kann in dieser 


änzung mit bedingt. Diese Bestimmung des einen durch alle 


Beziehung nicht in mehr als einer Gleichung, als das zu bestimmende, vor- 
kommen. Wenn wir &—a— 0 setzen, so ist es unmöglich, dafs »—b= 6 
sei, wenn 5 und a verschiedene Werthe haben. Dies aber hindert nicht, das 
a, ohne Rücksicht auf seinen Werth, als blofses Rechnungs - Element anzu- 
sehen und &—a = 0 mit &—b = 0 zu multiplieiren, worauf denn das Product 
keine absolute Werthbestimmung für x, sondern nur die Aufgabe enthalten 
kann, dafür eine Zahl zu finden, welche der in der Aufgabe liegenden Be- 
dingung genüge. Die Auflösung zeigt dann wieder nur die Regel, dahin zu 
gelangen, und, nach ihr verfahren, müssen aus einer solchen wirklichen Ver- 
schmelzung ganz verschiedener Werthgleichungen desselben Elements x in 
eine einzige, eben so viel einzelne Werthbestimmungen hervorgehen. Ist 


312 Poszeser: das Taylor'sche Theorem, 


aber die Aufgabe keine solche wirkliche Combination verschiedener wirk- 
licher Gleichungen, sondern nur die Form einer solchen, und sind darin die 
bestimmenden Elemente: a, 6, c... nach Willkühr, ihrem Werthe nach, 
gegeben, so kann in solcher willkührlichen Annahme ein Widerspruch liegen, 
welcher die Werthbestimmung des x durchaus oder theilweise unmöglich 
macht. Daher die sogenannten imaginären Wurzeln einer Aufgabe. 

Keine Wurzeln einer Gleichung sind also an sich selbst imaginär, sie 
werden es erst durch eine widersinnige Werthbestimmung der darin vorkom- 
menden Rechnungs- Elemente, wie wenn man «+5 =3 und 4ab = ı2 setzen 
wollte, welches unmöglich ist, weil nothwendig ad <(a-++b)’ sein mufs; 
daher zwar (a-+b5)’— ab = (a—b)” zwei verschiedene Wurzeln + (a— b) 
und — (a—b) hat, die aber aus jenen willkührlich angenommenen Werthen 
nicht darstellbar sind, weil diese Annahmen etwas widersprechendes enthalten. 

Es liegt hiernach in der Natur einer Gleichung, dafs jedes einzelne 
Element, wenn die damit verbundenen als unveränderlich gegeben sind, nur 
gewisse reale oder imaginäre Werthe erhalten kann, und soll es aufser diesen, 
durch die Rechnungsform der Gleichung selbst bedingten, noch andere er- 
halten, soll es continuirlich jeden zwischen — x und + x liegenden Zahlen- 
werth annehmen können, so mufs wenigstens noch eines der übrigen als eben- 
falls veränderlich und jeden Werthes fähig gedacht werden. 

2. Hieraus ergiebt sich der Begriff einer Function, eines Ausdrucks, 
welcher einer veränderlichen Zahlengröfse gleich gelten soll, in sich selbst 
aber solche enthält, deren Werth als mit jener zugleich sich ändernd gedacht 
wird. 

Bezeichnen wir mit: 

DNS Vs Ze URAN DRLCT) 


einen algebraischen Rechnungsausdruck, in welchem die Elemente &,9,2.... 
a,b, c.... auf irgend eine beliebige Weise combinirt sein mögen. 
Wird nun, durch ein zulässiges Rechnungsverfahren, eins derselben, 


u, von den übrigen getrennt, in dieser Form einer Gleichung: 
(1) DT Ze ER Che 3, 
so ist u eine Function der veränderlichen Zahlgröfsen &, y, z...., die aber 


keinen Einflufs hat auf die Werthe der a, d, c...., welche als unveränder- 
lich gedacht werden. 


als Grundlage der Functionen- R echnung. 313 


Es liegt aber in der Natur des Rechnungsverfahrens überhaupt, dafs 
jede Änderung eines Zahlenwerthes als eine Addition dargestellt werden 
kann, wenn wir unter diesem Namen die Subtraction mit verstehen. Wir 
drucken also jede Änderung des Werthes einer Variabeln, x, aus, durch 
&-+-Ax und verstehen dann unter x eine an sich in bestimmten Grenzen ein- 
geschlossene Zahl, welche durch den Zusatz oder die Hinwegnahme eines 
Incrementes Ax verändert werden soll. 

Eine solche Werthänderung geschieht in der That sprungweise? sie 
wird aber der Idee eines continuirlichen Flusses von Änderungen dadurch so 
nahe gebracht, als wir wollen, dafs Ax kleiner gesetzt werden kann, als jede 
angegebene Gröfse. Das gänzliche Verschwinden aber desselben durch eine 
Verkleinerung ohne Ende, oder, wie gesagt wird, das unendlich Rleine, liegt 
nur als ein Näherungsverfahren in der Idee und läfst sich eben so wenig in 
Rechnung nehmen, als sich aus geometrischen Punkten eine Linie zusammen- 
setzen läfst. 

Um nun die Änderungen der Function U als von den Änderungen der 
darin enthaltenen veränderlichen Elemente abhängig, in Form einer Gleichung 
darzustellen, schreiben wir: 


(2) Us Na aNdrch 2) 
(3) U:,y = f&,y,2 Erekars aBlen..N) 


Us Siwas; 


je nachdem wir darin vorzugsweise die Abhängigkeit des x oder des y oder 
mehrere von den übrigen in Betracht ziehen wollen; und für wirkliche 
Werthänderungen : 


(4) (ÜREERE I FAR, F, ze ad, Ce 
(5) UÜ:RAz y+y= xz—Ax, yHÄAy, 2....%b,C.... 


U. Ss. W. 


3. Da nach dem Gesagten auch die Veränderung der Function z, wie 
die der x, y, u. s. w. als eine Addition angesehen werden kann, so setzen 
wir ferner: 

ON N Free 
und um genauer anzudeuten, welche dieser Variabeln eigentlich das AU 
erzeugt, bezeichnen wir dieses mit: AxU; A,U; Ay, vu. s. w. 


Mathemat. Abhandl. 1835. Rr 


314 Poszser: das Taylor'sche Theorem, 


Weil nun dies Increment für sich, aus dem ursprünglichen Ausdruck 
Jay, 2... gezogen werden mufs, so läfst sich in AU kein anderes veränder- 
liches Element annehmen, als welches auch in dem ursprünglichen U ent- 
halten war. Zu den in diesen enthaltenen Constanten aber, a, db, c.... 
kommen nun noch die Incremente Ax, Ay etc. hinzu. AU ist mithin eine 
von U abstammende Function, welche aber von dieser im Allgemeinen ver- 
schieden ist, sowohl in den ihr eignen Elementen, als in der Art ihrer Zu- 


sammensetzung. 
Bezeichnen wir also die Function U mit U,, ,, =..... ‚ oder auch mit 
20» Yo» 20 «....; SO werden wir analog AU zu bezeichnen haben mit 


Ur.7. Zr ee ee AR Ay IE 
In dem angegebenen Sinne erhalten wir nach (4), (5), (6), aus 
U=ıf27 2222. a,ibichne% 
() Ur = Ur + Av. 
Diese Gleichung zeigt offenbar, dafs Arv = 0 sein mufs, wenn Ax = 0 wird. 
Es kann aber nicht gleichzeitig mit Ax und völlig mit demselben anders ver- 
schwinden, als wenn Axv ein Product ist, dessen einer Factor = Ar und der 


andere eine aus der Function Ux abgeleitete neue Function Ux,, Ax. 
Hieraus folgt die Grundgleichung der Functionen-Rechnung: 


(5) Uz,+4x = Ur, +Axe Ur, Axs 
4. Aus (8) ergiebt sich, ganz auf die nämliche Weise: 
(9) Ux,+ Ar = Un, +Ax. U: Ar 


(10) Ur, —+Ax’+ Aa” 


Ur, +Ax Ur,, Ax” 
+ Axe Ur, TARA 
Ur, + Aa” — U: +Ax' Uz,Ax; daher 
(11) Ux+Ar rar = Ur, +Ax ÜUr,a2”+Ax- AR” Ur, Ad,Ae” 
— Ax'. Ur, Ax’ 


für zwei hinzukommende von einander verschiedene Incremente: Ax', Ax’. 


Durch Wiederholung desselben Verfahrens erhalten wir für drei In- 
cremente:; ‚Aal Az, Axl: 


als Grundlage der Functionen- Rechnung. 315 


(12) Ur, + As FAR ERa” 
— Ux+ Ax' . U; 1 ‚Ax’ — Ax' . Ax” . Ur ,.Ax,Ax” + Ax' Ax’s Ax”s. U: ,,Ax',Ax",8x” 
+ Ax’. Uz Az AxlAx. Ur, 0x ,Ax” 


m 


-+Ax”. Ur, ,x”+Ax” Ax”. Ur,,Ar”, ax”. 


Für jedes hinzukommende neue Increment erhalten wir auf dieselbe Weise 
eine Reihe, wie (12), bestehend, für 2 Incremente, aus 2-+ı Gliedern, deren 
erstes: die ursprüngliche Function Ux ; das zweite: die Summe aller Pro- 
ducte der abgeleiteten Functionen: Ux,,Ax in die Unionen der Ax; das 
dritte: die Summe aller Producte der abgeleiteten Functionen: Ux,, Ax, ax” 
in die Binionen der Ax, und so weiter die Summe aller Producte der abge- 
leiteten Functionen: Ux,, 3x, Ax”....Ax® mit allen Zusammenstellungen der 
n Ax zu r ohne Wiederholungen. 

Der geführte Beweis ist blos auf die Natur gegründet der Änderung 
des Werthes einer Variabeln, nach welcher sie sich als eine Addition oder 
Subtraction darstellen läfst. Er umfafst also alle Functionen ohne Unterschied, 
und so, wenn wir z. B. sin & für U setzen, mufs sich auch sin @-+Ax.... 
in einer Reihe, wie (12), entwickeln lassen. 


sine +AxX-.=sinz,+Axr sinz,,Ax +Axr, Ax”sinx,Ax', Ax” -Hetc. 
== Ar sin x; , Aa > Ax Ara sin, Axı Axı 
+ ...o En .... 


Ar Dsina,, Ax@-F/Ar7, Ar0 sn, Az, Rx 


Setzen wir nun die Incremente Ax einander gleich, oder, was einerlei 
ist, zerlegen wir die Summe aller Änderungen der Variabeln in gleiche Quo- 
ten, so wird die Entwickelung von Ux+Ax in eine Reihe übergehen, deren 
Glieder nach steigenden positiven ganzen Potenzen eines Incrementes Ax 
fortschreiten. 

Die nach (12) gebildete Reihe verwandelt sich dann in diese: 


n.n—i 


(13) Ux+n Ax = Ux, + — Axe Ux,, Art amate ÜUx,, Ax 


nn—i1*n—2 3 MT  — 
I Ax e Ur,, Axt vv». 


n.n—i**:*"-:n—c-t1 


N En er Hop 


1.22. 
Rrz 


316 Poseıser: das Taylor'sche Theorem, 


In einer solchen Reihe läfst sich also jede Function fx, wenn die 
Variable x in x # Ax übergeht, darstellen, und da in obiger Herleitung keine 
Rücksicht genommen ist auf die Werthe von x und Ax, so mufs diese Ent- 
wickelungsreihe gelten, was für Werthe man auch demnächst diesen Gröfsen 
beilegen möge, und der Schein, als gäbe es Ausnahmen hievon, und als wäre 
die Reihe in einigen Fällen mangelhaft (fautif), mufs sich jederzeit weg- 


schaffen lassen. 


Reihe von Taylor. 


5. Die Summe aller Zusammenstellungen von n gleichen Elementen 


Ax zu « derselben ist 


nen—l*««..n—c +2: n—c—+1 
= m: Ar, 
1.2 .c—1e.c 


[43 
wir bezeichnen diese der Kürze wegen mit p, Ax. 


Es ist also, nach (12), 


1 1 
14. Un HA Haare Aa Un, +p,AX Ur, Pp,Ax 


2 2 cc [3 
+p,Ax + Ux,, P, Axt. +p,AxX Ur, pP, Axt rr** 


vom ersten bis zum 1-+ «'® Gliede einschliefslich. 
Dies ist, wenn wir uns des Summenzeichens $& in dem üblichen Sinn 
bedienen: N a 
Us, +237p,Ax« Ux,, Pax. 
Sei Ax der mittlere Werth der n verschiedenen Incremente: 


Ax’> Aa” ee... Az”) 
Axt = ——, 


n 


so können wir dem Ax jeden beliebigen Werth beilegen, und die Function 
Uxo+Ax+....+4Ax0 erlangt dann die Form: Ux+nAx. 


[43 
Multiplieiren wir die Factoren des Zählers von p, Ax in einander und 
setzen für die negativen Glieder des Products: i statt —ı, so wird 


; an & _2 E 

= n°+ia,n!+i?a,n® + +. +-nita, 

p, Aa = —— 2 5 
vr 2ree..X& z 


[-3 
a, die Combinationen der n Elemente 1.2°.3°...n zua. Ur,, P,Ax Ist 
aber gleichbedeutend mit Ur, Az. 


als Grundlage der F' unctionen- Rechnung. 317 


Es wird daher 


r— an" +ia,ntT ee. Hniaf Ar“ 
GEN U. Te 


ir2e see. 


Setzen wir dann: 


nA n—r 


so können wir dem A’ und Ax jeden beliebigen Werth beilegen, nur dafs der 
Quotient eine positive ganze Zahl sei. 
Durch Einführung des % statt des 2 wird die Gleichung (15): 


= +ia (5) ++ Js BE 


Av 2ere.X 


(16) UnFR— a 


BB KyTAAR es. PKiazsAxtT! 
= U.,+>i @) ——|- U Ace 


1o2oo,..« 


Der Theil rechts enthält unter seinen Elementen das Ar, und von demselben 
ist der Theil links ganz unabhängig. Es läfst sich daher die Gleichung (16), 
nach den vorhin angegebenen Bezeichnungsarten, auch so darstellen: 
(17) (0) U, ®U,R — N U, K X 

Da nun Ax jeden beliebigen Werth annehmen darf, so kann diese erwiesene 
Gleichung nicht anders bestehen, als wenn in der Combination der Elemente 
des Theiles rechts der Gleichung das Ax verschwindet. Folglich müssen 
alle mit Ax oder einer Potenz desselben multiplieirten Glieder der Reihe L 
sich unter einander, sowohl in den Ausdrücken S4 e» ++ ki’a,Ax“', als in 
Ur,Ax. Und weil die Gleichung (17) wirklich besteht, so mufs auch 
YD,%,Ax durch Aufhebung der mit Ax verbundenen Ausdrücke unter sich, 
befreit werden können. Die Gleichung (16) mufs also in der That diese 


Form erhalten: 


(By Desep = Use} es 


1.2. c—leı 


“ T X) 


vom 1"“® bis @-+1"" Gliede einschliefslich. 
Dies ist das Taylor’sche Theorem für die Entwickelung einer Function, 
wenn nur ein Element derselben als sich wirklich ändernd angesehen wird. 
Die Herleitung desselben hier unterscheidet sich dadurch von andern: 
1) dafs kein anders Reihengesetz, wie z.B. das einer Binomial-Potenz, 
zum Grunde gelegt wird, daher aus diesem Theorem sowohl die Entwickelung 


318 Poserser: das Taylor'sche Theorem, 


eines Binomiums als die eines Polynomiums und zwar für jede Art des Ex- 
ponenten, wie aus seiner eignen Quelle, fliefst; 

2) dafs auch das Increment Ax jede angebbare endliche Gröfse erlan- 
gen darf; mithin der transcendente Begriff von einem Unendlich -Kleinen 
hier ganz beseitigt wird und das Theorem als ein rein algebraisches in der 
Einfachheit eines Elementar-Satzes erscheint, folgend aus der allerersten 
Verstandes-Operation: dem Combiniren endlicher Gröfsen miteinander. 

Übrigens ist es aus (18) klar, dafs die Reihe nicht anders abbricht, als 
wenn die abgeleitete Function Ux.—= 0 wird. So lange dies nicht geschieht, 
haben wir nur einen Theil derselben, und was dann von diesem Theile gilt, 
kann nur annäherungsweise auf das Ganze Anwendung finden. Eine Bemer- 
kung, welche besonders im Auge mufs behalten werden, wenn von der der 
Reihe zum Vorwurfe gemachten Mangelhaftigkeit die Rede ist. 

6. Die bis hieher betrachtete Function war: 

Ux = Jz,y,2*-.-a,b,c 
und wir nahmen darin von allen den veränderlichen Elementen nur x, als 
sich wirklich ändernd an. Es werden daher auch die abgeleiteten Functionen 
Ux., die y,z ete. enthalten, welche in obigen Entwickelungen lediglich als Con- 
stanten behandelt und aus der ursprünglichen Function U. übertragen sind. 

Wollen wir nun noch die Änderung eines zweiten Elements, z. B. y, 
in Erwägung ziehen, so können wir die ursprüngliche Function so ausdrücken: 


Re 


ir2ee.eoX% 


(19) Uxot+k,y = Üxoy +3; ® Ur.y; 


welches sich von (18) in nichts unterscheidet, als durch das Sichtbarwerden 
des dort stillschweigend inbegriffenen Elementes y. 

Gehe nun y über in y-+%”, so wird aus (19): 

1e* 


1.2 .e.X& 


(20) Ux,+k, er = Üxoyotk” + >, . Uxuyotk'. 


Es ist aber, nach (18), wenn wir Ux,, yo+ x” entwickeln, bis zum 
R-+1"® Gliede: 
Alle) 


Tess) RT Te Trees ß Ur; 
Un, york’ = Uy Hk = U,+3; Tara 


und 
2B 


1e2v... 8 


Ux.,yo+ ll Ux.,yo + > . Ur. yp: 


als Grundlage der F' unetionen- Rechnung. 319 


Durch diese in (20) substituirten Werthe verwandelt sie sich in 


ee Pr Be Seihet ß B 
21) Uxork york = Ur,y ts, Teig, Us; 
Tess _ 
En ee TE: 
a Aref2ejetefeire Us, 
< K* 6 ALLE) 
« { U 
ek 1rrrec« x>, 1.2....ß e Xu Y5 
+ß LE. 2"B 
“hr U 
Dar = Vi,nt2: 1eesea@eleee.«ß = xuIV% 


vom ersten bis @+ß-1"” Gliede einschliefslich. 


Setzen wir in dieser Gleichung 


Uz,,yß 2 = Di; 
so ıst 
- — — ELEND & ß AL All) — 
Uxot+-&K, york’, zo+k = LEBE 272% Hi Messelceietle sche ß i Mir” 
are IV pie 
Vie" = Fa+>3 E 
folglich: 
e—— Re egB a 
Re a Ent 
Vet RR = Uran HE Ga 730 
Ak R ALLE) KPY Sc 
yia+ß b2 
Be 1esseaeler.. YR 1e.°y : 2 


a ae 


Y 
+37 °+ EEE ER ERITRRER 
lereaeter Belerey 


—— Uxoy 0» 20 ni Ur, Yo Zu 


vom ersten bis zum &+d-+y-+ 1“ Gliede einschliefslich. 
Die Fortsetzung desselben Verfahrens giebt, wenn, so viel man will, 
Elemente in U sich ändern: 


3 AL RL Pl OO 


(22) UxtK, y+k", z+k'”« ... U + za ” Ü x Ya iyr** 


1eeoueleeoQoleseyoren 


die Reihe von Ta ylor in ihrer gröfsten Ausdehnung und allgemeinsten Form. 


Differenzen und Differenziale. 
7. Nach (7) und (8) ist 


Ur, +Ax— Ux, a u Ar, ‚dv 
a 


320 Poseuser: das Taylor'sche Theorem, 


Hiernach ist auch 


U Ar, U 
x HAx— Ux, ER ee Ax ) Be (Z U 
Ax aa ce AI Ax Yo Ax?2 
® Ar; 
U: + Ar — Ux, Ax? ) Ax, U 
Ts ar —= — (7 
Ax Ax Ax 
U. S. W. 
überhaupt U: — er). 
ji %u, Ax Be 


In der Taylor’schen Reihe wird nach (18) 


Ar, U 
Ax® BE u} 


weil darin die von Ax abhängigen Ausdrücke verschwinden. In dieser Hin- 
sicht wird 


ar or,U 
Te Pr OXa 
Ur, = dx [77 b} 
wo = «— dasselbe bezeichnet, was Zen nämlich einen Quotienten, Ma 
; Ar. 
der Function Ux, gleich ist und auf die oben bestimmte Weise aus —- en I abge- 


leitet wird. Es kann daher für die Correlaten 0x,U, 0x“, was für Größen 
man wolle, gesetzt werden, wenn nur ihr V erhältnife zu einander gleich ist 
der Function Ux,. Es leuchtet zugleich ein, dafs die Gröfsen 0x, 0x,D, 
0x, etc. unzertrennlich verbunden sind mit dx, dx”, Ox’+... 0x“, und nur 
in Beziehung aufeinander als algebraische Rechnungsgröfsen behandelt wer- 
den dürfen; für sich selbst aber, ohne eine solche Beziehung, aller Bedeu- 
tung entbehren (*). 

Die Gröfsen Ar,U, Ax“ werden Differenzen genannt. Sie verwan- 
deln sich in Det : 0x,U, dx“, wenn das der Veränderlichen & in 


k : $ . Ara 
der Function hinzugefügte Increment + Ax aus den Functionen En ent- 


fernt wird. 


(*) Der Differenzial- Quotient ni bedingt im unzertrennlichen Zusammenhange seiner 


beiden Correlate die ihm gleiche Function. Nicht auf den Werth, sondern allein auf das 
Verhältnifs der beiden Differenziale kommt es dabei an. Soll also die Function sich ändern, 
so ist es ganz der Willkühr anheim gegeben, entweder den Zähler oder den Nenner oder 
Beide als variabel anzusehen und zu behandeln. 


als Grundlage der F unctionen- Rechnung. 321 


8. Nach (22), wenn U= fx,y, 2°. .-a,b, c, SO ist 


Ga)RAU ZEN ie 7 en Beiemeee: 
leeoa@elee. BD eleeeye... dx*, dy?, det...» 


Setzen wir aber 
F=: nz. a,b,c — 0: und 
J=s+Ax,y+%,, z+Aze ee a,b,c—= IV +UAP, 


Ar" "U 
kn De EN 
AV —N IDEE 1 +. n—1en I QVE= 


so ist 


Ist nun a#Ö+y-+ «+ auch=n, undX®—=k’—= k”= etc., so ist auch 


n Re" dx, 2 ..coc U 
SUN AlG—ı>, DENE 


1eeeaetereQeleroyerer 2; Orte dy?edzteer. 
Setzen wir nun, was jederzeit erlaubt ist, 


dee" —dU” und 


so wird, da die beiden Reihen einander gleich sind, 


0” U Eu Ox.,yB Zy .... U 


Teesemelen), vu leerer Qelereyere» 


"U 1.2. .en—1en en 
a m—m— nn . x Rs 2 .»... 
1eeenetereQrlereyer.. Var YBr 2y ’ 


wenn @&+ß-++y-H**«*—=n, und für «, ß, y«*«« jeder Werth in der Reihe 
gesetzt wird: 1, 2, 3, 4... bis n einschliefslich. 

Dies beispielsweise auf eine Function reiner Veränderlichen angewen- 
det, ist 


n.n—1 


a u Dre pas 
d day = Ox,yo da,y+ er ox,_19ı Pay FEIERN Ox,_2Jy? dx,y 


n.n—1l+«:.n—c—+1 —— 
+ see > ———— Ox,_aYa Da,yer* 


1. 2r ec —l.+ca 


n«.n—i 


1.2 Oyn_2 x%o Dx,y + etc. 


+ Yan dry + Iris da,y + 


Da der Ausdruck: 


way zyrer- U 
em —— 
dx ’ Y ’ 2% 


Mathemat. Abhandl. 1835. Ss 


3292 Poszerscer: das Taylor'sche Theorem, 


anzeigt, dafs die Function U «mal nach x, @mal nach y: und so weiter diffe- 
renziirt, und bei jeder Differenziation nach einer dieser Veränderlichen jede 
andere als constant betrachtet werden soll, so erhellet daraus von selbst, dafs 
es gleichgiltig ist, in welcher Ordnung die mehrfachen Differenziirungen der 
verschiedenen Variabeln aufeinander folgen. 


Anwendung der Taylor'schen Reihe auf die verschiedenen 
Gattungen von Functionen. 

9. Die allgemeinste Form einer von zwei Variabeln abhängigen 
Exponential-Gröfse ist: (®x)”. 

Wir können setzen: 

(027 = Uxr, 
so ıst, nach (8): 
(6x)’*” u Ux,y+iy = Ux,y+Ay . U,,y:: Ay, 


daher " “ £ 
(82) — ($2)” = ($8)’ (62) — 1) 
= Ay. ÜUx,y,,4y 
und SO —_ my, Ar 
= (9x) 


Da hier der Ausdruck links unabhängig ist von y, so mufs dies der Ausdruck 
rechts ebenfalls sein. Wir setzen ihn in dieser Beziehung = X, 4, folglich 


Grit _ 
T Hayes = bz, Ay 
x) — a EN Ur, 
N ern ee 


Ay Ay 7 Ay 
mithin 


FE en Ay Ux,y 
(9) Ya, = rer 


und daher, nach No. 7., weil Ay in dem Ausdrucke links verschwindet: 
& ee dy Ux,y dr (dx) 
34 EN Te EN RE ION 
24) (BE) Wi 3y dr 
Dieser Satz beruht lediglich auf dem in der Formel ($) aufgestellten Grund- 
begriff der Veränderung irgend einer von einer Variabeln abhängigen Function 


als Grundlage der Functionen- Rechnung. 323 


und gilt daher, was auch der Exponent y für eine ganze, negative, gebrochne, 
rationale oder irrationale Zahl sein möge. Die Function $x wird als unab- 
hängig von y betrachtet, und ist die Basis eines Logarithmen-Systems zu den 
Logarithmen y; Wx aber ist eine von dieser Basis abgeleitete Function der 
Zahl x, welche auch in Beziehung auf y als eine Constante angenommen 
werden kann. Setzen wir sie =a, und dx = a, so ist, nach (24): 


= or ae 
I) erde. 


y ist der Logarithmus der Zahl a” in einem System, dessen Basis « ist. Wir 
bezeichnen dies, wie folgt: 

W108, 052 van 
Hiernach giebt die Formel (25): 

2) y = 


In welcher Gleichung dann für @ jede von y unabhängige Gröfse gesetzt wer- 
den kann. 

Durch die Bestimmung der Function Yz erhält @ einen bestimmten 
Werth. Er werde mit e bezeichnet, wenn Vz = ı genommen wird, und dann 
werde log, v bezeichnet mit Zv, so ist, nach (26): 

d 


v 
. 
UV 


(DAY) Ba ol 


Was nun auch v für eine Zahl sei, so werden wir sie jederzeit setzen können 
=e”. Es gilt also die Formel (27) für jede veränderliche Gröfse. Setzen 
wir also: 


UN [U%:, 7, zeee.e]) , 
a constant, so ist 
lv= al[U:,y, 2... +..]; 
daher, nach (27): 
dv d -[Ux, y, ze....] 
—=nlL — y 
v [O%x, y, 2+ ++ ++] 


woraus folgt: 

(28) 0- [Us 2...) = a[Uz 7,2. .+-]°' 0- [U 2°. ---] 
und dieser Satz ist, zufolge seiner Herleitung, gemeingiltig, was auch der 
Exponent a für eine Zahl sein möge. 


Ss? 


324 Posencer: das Taylor'sche Theorem, 


Hieraus aber folgt sogleich die Reihe der Entwickelung eines Polyno- 
miums in steigenden Potenzen eines der darin enthaltenen Elemente für jeden 
beliebigen Exponenten a. 

Aus 

oU° = aU’' YU (28) folgt: 
U’ =a.a—ı.U°" 09V’ u. Ss. w. 
überhaupt: 
(29) "U’= a.a—1.a—2....a—n+ı1U°""dU*, und 
ox, "Yarzyr*** U’ = a.a—1:....a—nH+i1 UÜ’"9U”, 
gesetzt arß +y+ nn. 
10. Nach (22) und Nr. 7. ist 


LE. 3 eK" Yoo.. 0x JB zyre**® U 
dat. y®> z/ eo... £ 


AU — > .... 


Sei nun 


1eeeaetereQrtereyerie 5 
U= [x +y+z+:+..] und a+y+z+e + =v, 
so ist, wenn a+ß-+y-+ »* «+ gesetzt wird =n, 


(30) [e+Yy-+2+ ... Ey RER KR ALLE ae «]” = + v(k+-Kk'+ kr as ] 


nm-m—i m_2 ‚2 2 2 

Terz on? = UV °[k ZI ES —»ee.. 
+2kKk'+2kk"+e.e..] 

m m—i m—?2 „_ 3 7 

Toaszaar © Hk’ eeee 


u 3 (K? k'"+k'? K'"+ siels a Ik"? I" ars k'? K' sie 
+3(k KHK" pero ee.) + etc. 


Setzen wir nun @—=k, y=0, z=0+....ctc., so ist diese Reihe die Ent- 
wickelung des Polynomiums: [k-+K’+k"+....]” in einer nach fallenden 
Potenzen von k geordneten Folge der Glieder. 


m 


Sie wird, für das Binomium k-+k’ gesetzt, k”, k” ete. = 0: 


(31) (k+k)" = kr + a a ee a A era Kr? Kr etc. 


[K+k+RT = +++ Ref 4K” +2) 


4.3°2 Jaryız 113 2 N LT? 
hits KT k+3k” "+ 3kk"?] 
ET ra Ri pake ET Ken], 


als Grundlage der F: unctionen- Rechnung. 325 


Die Reihe des Polynomiums ist also nichts anders als die Taylor’sche, 
angewendet auf diesen besondern Fall. Sie gilt für jede Zahlengattung des 
Exponenten m, weil die Taylor’sche für jede Function ohne Unterschied gilt. 
Wenn die Reihe des Polynomiums ohne Vermittelung der Taylor’schen 
durch die Regeln des Combinirens gegebener Elemente ihre Rechtfertigung 
erlangt, so ist solches nur für ganze positive Exponenten m statthaft, wogegen 
die Taylor’sche Reihe auch auf die negativen und gebrochnen ihre vollkom- 
mene Anwendung findet. 

Auch die Bestimmung des Differenzial- Quotienten einer Exponential- 
gröfse (26) 


d°ar ee 
a7 = qq Jr 


ist lediglich aus der Natur einer solchen Function hergeleitet und beruht auf 
denselben ersten Gründen der Taylor’schen Reihe. Auf diese stützt sich die 
Reihe des Polynomiums, und diese selbst vermittelt erst wieder die vollstän- 
dige Anwendung des Taylor’schen Satzes auf die Entwickelung logarithmi- 
scher Functionen. Es ist nämlich, nach No. 9.: 


(92)” = 1+Ay Wu,2y 
und, was auch Ay für eine Zahl sein Ei 


u 


+1)? = 14 (+2 (921) 


Age Ay an A 
una (dx — 1)’ err. 


12°, ..n 


+ 


1°2 1°2°3 


=41-+AYy Br T= es) Di IRZIE — ete. | 


+Ay’ Ioz-9;5 daher 
En, Pr —1 ($x—1)° NETZ 
Ay e\Lz, Ay — Ay | 7 — — 0000 etc. | + Ay /@==9 


1.2 
Ya, = | 95-9 + Ben = en etc. | + Ay fon). 


Hieraus aber folgt sofort, wenn wir in Yz, Ay die von Ay abhängigen Ele- 
mente aussondern: 


= (a 


— ee. etc. 


326 Poszeıcer: das Taylor'sche Theorem, 


Das Taylor’sche Theorem aber weil & _ a’ Wa 


dp” =1--AY» je a He t+- - (Ua) here 
fürdr =ı, Ka 

er = en 
und für Ay =1ı 

Beryatet u +ee+- = te 
folglich e” = dr, 

Yx = log. px 

und log. (#&x-+1) = = = Het = ae ua 


11. So wie der erste Differenzial- Quotient einer ERROR EN. 
$x” keines Lehrsatzes bedarf, sondern unmittelbar aus ihrer Natur abgeleitet 
werden kann, eben so verhält es sich auch mit den trigonometrischen Func- 
tionen. 

Da = ® jederzeit > 1, sich aber der Grenze = ı desto mehr nähert, je 


sin db 
kleiner $ genommen wird, so mufs sind, als Function von &, diese Form haben: 


sinp =PU-9f9). 


Also: { 
sinA® = Ad(I—APFAH) 
csd =ı1—-4’Fo 
cosAd = 1— AP” FAB; 
folglich: 


(32) sin(P+A9P) = sind cosAb + sin Ad cos® 
= d(1—9f$) — Ap° FApfPlı—Pf9) 
+ Ad (1— AP f AP) — $° FB» AP (i—AYf AY) 


er —_ u —1—-0°-F$+A6F'; 
nn = cos® 
und, gesetzt = 90°— x, od = — dx 
er in 


dx Zr 


| 


als Grundlage der Functionen- Rechnung. 32 


Auf ähnliche Weise können wir setzen: 


pP =d(1—-9f$) 
ig Ab = Ad(1—AY fA9) 


‘ — __ toHrtgAäp 
N he tg P1g AP 
Arte _ 1+1gp’+Ap Fo 
AP HnSE 1—ApF’® > 
mithin 
dtgH SE, En? 
er ıi+igp. 
Auch auf folgende Weise ergiebt sich der Differenzial- Quotient I a, 


Seip=kx, so ist sinkx -+COSkr — 1. Gegenseitig, wenn @’+ß? = 1 
und «=o für =, da denn auch ß = 1 für «= 0, so können wir jederzeit 
setzen «= sin’ und = cosk.. 


Nun ist wirklich 


av! a ’- ar’ Tan 
er la eh 


und für = das erste dieser beiden Quadrate = o, das zweite =ı. Wir 
können also jederzeit setzen: 


34 : er el 
34) sno= sing = ot 
( ) ® Ss k x 2 y—i 
und darauf ziehen 
Kar Z y—1 —/-1 ve 
ae _ HT — cos, 
oder auch 
0» sinkx = k coskx » dx. 
Entwickeln wir die Exponential-Gröfsen a*'”', @“'”’ in Reihen, so 
kommt 
ee kx k?’ x? u k?x° etc 
en ze 1°2°304°5 : 
wo 
an = —4 
ar en ee 


und k= 1 für a=e. 


328 Poszencer: das Taylor'sche Theorem, 


Reihen-Entwickelungen mit Hülfe des Taylor'schen 
Theorems. 


12. So wie hier die Reihe von Taylor sich darstellt, unabhängig von 
jeder andern, erscheint sie als unmittelbar hervorgehend aus der mathemati- 
schen Idee von einer Gröfsenänderung überhaupt. 

Die Veränderliche: x, y, ete. ist irgend eine in bestimmte Grenzen 
eingeschlossene Zahlgröfse, welche durch das eben so bestimmte Increment 
+ Ax, & Ay, discontinuirlich geändert wird. Die Gleichheit aber zwischen 


Px--Ax,yHAyeee* 
und der entwickelten nach Potenzen von Ax, Ay ++» «+ fortgehenden Taylor- 
schen Reihe beruht auf innerer Nothwendigkeit. 

Es folgt hieraus, dafs diese Gleichheit bestehen müsse, welche Werthe 
wir auch den x, y««» und den Ax, Ay+ «=» in beiden Theilen der Gleichung 
setzen mögen. 

Es läfst sich hiernach kein Fall denken, in welchem die Reihe für 
besondere Werthe von @, y« «+» oder Ax, Ay» +, wenn diese an sich selbst 
zu lästig sind, ein fehlerhaftes (fautif)) Resultat geben könnte. 

Dies würde scheinbar der Fall sein, wenn für solche Werthe der 
eine Theil der Gleichung die Form eines unendlich Grofsen, und der andere 
die einer endlichen Gröfse erhielte. 


Sei z. B. d2 = l(x—.a) 
so ist = 
d dx Zar 1 
dx TB 
d« dx er v1 0 4e20 31 oe c— A Er 4 
dx“ Fr, (2 — a)“ ar f 
Nach dem Taylor’schen Satze ist also: 
au re NEE Bu k® ie Aeea—1 
3) Je — u SE On 
( ) li a-+k Ix at, Tsz (x — a)“ 
P ‚ae—1 k® 
=lk-a-+2,; re RE 
Setzen wir nun 2=a, so kommt: 
k® 


(36) Ik=lor2e 


o 


als Grundlage der Functionen- Rechnung. 329 


Der Theil links ist eine endlich vollkommen bestimmte und der Theil rechts 
eine unendliche Gröfse. Das Paradoxon liegt aber nicht in der Fehlerhaftig- 
keit der Taylor’schen Reihe, sondern in der unangemessenen Form der Ent- 
wickelung. 

Denn setzen wir de —=Iix, 


so kommt 
de dx Lk, weil 10230 0 0 0—1 


dx“ ur x® 


Setzen wir hierauf k—a = — (a—k) als Increment zu x, so wird: 


(37) Ua—a+k) = 1x +2: N) 


und nun, &= a gesetzt, 


(35) Ik=la+i — (4°). 


Die unbestimmte Gleichung (35) fällt mit der bestimmten (38) Zn IEn, 
und jene wird in diese etschen‘ wenn wir in jener !x—a und ee in 
Reihen entwickeln. 

Ein zweites Beispiel dieser Art liefert die Gleichung 


dx —eeEr D 
daraus: 
Sn 1 
dx BRIEF ZZ 
da dx Vet etele3eSeeee2a—3 | 
e Drag: 2° (2— a)“' Ve=a 2 
folglich: 


« keit eoiole3- 5 ee. 20—3 


’ 


(39) P®x-+k = VIEzRr = Vk=a + 3 


22 (x— a)*=! Vz—a 
dies giebt für x = a 
Keim efele3e 5er. 203 


A DE, « 
(40) VE=0+ 2, Teeny ee: e 


Setzen wir dagegen: dx =Vx, 
so ist 
Er j&-1 4° ..ee2ac—3 
de®x uBISE 1.1+.3+5 [2 ; nd 
dx“ 2° x al .y x 
et efole3eeer2u—3.Kk® 
PETERS TE GE x 


Mathemat. Abhandl. 1835. at 


<a 


Park =Vı-ark=Vce+> 


330 Poseuser: das Taylor'sche T’heorem, 


Hieraus ergiebt sich, wenn «= a gesetzt wird: 


Vet eo1eo1e3e05. 001 :20a—3.:Kk® 


v2. 3000 u.2% a! eyYa 


(41) Yk=Va+2° 


Da in dieser Gleichung der Theil links von a befreit ist, so müssen in dem 
Theile rechts die Glieder, welche von a abhängig sind, sich unter einander 
aufheben. Weil aber die Reihe rechts eine unendliche ist, so wird sie sich 
dem wahren Werthe Yk nur annähern können, und zwar desto mehr, je mehr 
abwechselnd positive und negative Glieder genommen werden. 

In der Taylor’schen Reihe für 12—-a+x (35) wird das erste Glied /x—z 
imaginär für jeden Werth von & <a, wodurch der Schein entsteht einer 
Gleichheit zwischen einer realen und einer imaginären Gröfse. Auch dieser 
Schein mufs sich in dem ganzen Umfange der Reihe, der aber als unendlich 
sich nicht darstellen läfst, auflösen. Denn setzen wir für den Fall, dafs x < a, 
in der Reihe (37) k statt x und (a—.a) statt k—a, so wird 


2 a—x 
VO 


k 


kzork = Ik + > 


In diese Form würde also jene imaginäre Reihe übergehen, liefse sie sich in 
ihrem ganzen Umfange entwickelt darstellen. 

Es bestätigt sich auf solche Weise in einzelnen Fällen, was durch die 
Herleitung der Taylor’schen Reihe aus dem blofsen Begriff der Function 
einer sich ändernden Gröfse ganz allgemein sich ergeben hat: 

dafs die Taylor’sche Reihe ihre Gültigkeit behält, was auch für Werthe 
den Veränderlichen, oder ihren Incrementen, ertheilt werden mögen; 
und der Schein, als würde sie in einigen Fällen ungültig (fautif)), ent- 
springt allein aus der Unmöglichkeit, von einer aus unendlich vielen 
Gliedern bestehenden Reihe mehr als nur ein Bruchstück zur Anschauung 
zu bringen: dagegen kann sie allerdings für die Zahlenrechnung un- 
brauchbar werden. 

13. Wird x = 0 in einer Function kdx =u für einen gewissen 
Werth von x, z.B. x = a, so wird auch k$x2"= 0, für «= 0, wenn n irgend 
eine positive Zahl ist. Sie wird =», wenn n negativ ist. Ist 2 ein ächter 
Bruch, so wird 092" =ndx""' d®x ebenfalls =x, wenn alle folgende Dif- 
ferenziale d«®x” es werden. 


als Grundlage der Functionen- Rechnung. 331 


Setzen wir 
u=Y: +dr 
v=War dr, 


so ist E 
u Vx . BZRLE RE AEE 
merle5 x Px Dual 
Wäre nun d2=0 für = a, so käme hieraus 
AR Ya 
TR a 


ein bestimmter Werth unter einer unbestimmten Gestalt. Dann aber ist auch 
du N Vz. d-dx + dr: alealz 

und folglich für = « 

je ya 

Jon RVz 
der Werth von —, wenn wir daraus die Factoren #2 durch Division ent- 
fernen. 

Setzen wir dx” statt dx, so ist klar, dafs wir durch dieselbe Methode 

den Werth vn erhalten, wenn wir das Verfahren so lange fortsetzen, bis die 
Function #x aus Zähler und Nenner verschwindet. Dies kann nur stattfinden, 


wenn n eine positive ganze Zahl ist. Ist n ein ächter Bruch, z. B. = Fr und 


u _ Na:.@o)r 
VE (dr) ® 
so erhalten wir 


Ne een da 


4 
Jana >P BD 
a Er I+d2 a m 
"en Er 9 Wr 


_ NE derer TE 
F(lpr) 9. Wr 


und in dieser Form giebt, x—= a gesetzt, wiederum 


Wr od-dr +p- Pr 


den bestimmten Werth 


CR en 
dv Vz FE 


332 Posercer: das Taylor'sche Theorem, 


Der berühmte Lagrange in seinen Zecons 8. behandelt den Bruch: 


Vx — Va + Va=z 
V(x’— a?) > 


welcher für x= a die Form erhält: — Hier wird 


gu al 4x ?+4(x—a) 
dv x(x°—a?) * 
NT . ae 
Ye, Gmail Voß { ala 
Fr Br _4+ 7 2x ya 
2x yx(x-+a) 
und für =a 
a V?aya zur 1 
ur 2aya ea ’ 


Auf diese Weise wird also auch dann der bestimmte Werth des Bruches = 
gefunden durch die Methode des Differenziirens, wenn die Differenziale für 
den Werth <= «a unendlich werden. 

Setzen wir aber allgemein: 


u x 


u dx 
mithin, nach der Taylor’schen Reihe: 
d* Vz Se k“ A da Px 


und für den Werth »=a werde Sr = 0, dx = 0, so ist 


@ kei da da 

Vak 9: Wa a  dae-1 
Ser « kei da dz 
+k . > ae, 
da d Da + >22 BR Ixe-1 


und weil diese Gleichung für jeden Werth von X gültig ist, so auch für k = 0, 


Ya un 3Wa 


da ode 


als Grundlage der Functionen- Rechnung. 333 


Ist aber auch JE = , so wird diese nämliche Methode der Entwickelung 
des Zählers und Nemmers auf dieselbe Weise in Anwendung gebracht. 

Die Unanwendbarkeit der Taylor’schen Reihe auf dergleichen Brüche, 
um ihren Werth zu bestimmen, hat darin ihren Grund, dafs in Zähler und 
Nenner irrationale Gröfsen enthalten sind, deren Differenzial-Quotienten für 
einen gewissen Werth von & unendlich werden. Dies Hindernifs also wird 
durch Wegschaffung des Irrationalen gehoben. 

Setzen wir, um das obige Beispiel von Lagrange nach dieser Methode 
zu behandeln: 


ger Ye —Ya+Vz—a 
EYE m — 


Vasen 2 


so kommt 
ee z-+a+(x—a)— 2Yxa-++2Vx—a(VYx—Ya) 


2 F 
x—a 


a 
Sei also y’ = —, also für —=a, — =, soist 


g* a eaYx—a-I(Vx-Va) 


du ur 2 + 2yaya) 9x 


d De“ 2x 
also für = 0 


du rin ae 
une nam 
mithin 
ut Fa Vz—ya-+t Vx—a 
zz V2a \:n V(&?— a?) ; 


Anwendung der Reihe von Taylor auf räumliche Grölsen. 


14. Jede ebene Kurve läfst sich durch das Verhältnifs zweier auf ein- 
ander rechtwinklicher Coordinaten: x, y, darstellen. 
Seiy=$x, so ist, nach Taylor’s Theorem: 
x k? 2 dx = k“ dx 


1:2 dx? 1.2 se. dx“ 


Für eine zweite ebene Kurve, die mit jener in einem Punkte xy zusammen 
trifft, siy=Ye: 
—— N ZI Be 23 ke gebe 
n ae an De EEE sr nen 


334 Poszıcer: das Taylor'sche Theorem, 


Hieraus kommt: 


Verk — datk = — = = 


3 =) a 2, 


1 dx dx YiapN dx? dx? 
a he ala derbe 
ar 0) 


und, A negativ gesetzt, 
x x e 192er 26, 
ana (ar - 5%) 


1*2 dx” 0x2 


+2, 


kesie geWVe eo ) 
1vs 2... dx“ dx“ x 
Sollen beide Kurven sich in dem Treffpunkte xy berühren, so müssen beide 
Differenzen zugleich positiv oder negativ sein. Dies kann nur sein, wenn 
oz _ IPx 
dx dl; 
welches mithin die Bedingung des Berührens ist. 

Bezeichnen wir eine gerade Linie mit s, beziehen sie auf die recht- 
winklichen Coordinaten &, y. Ihr Anfangspunkt habe die constanten 
Coordinaten a, 5; ihr Endpunkt die veränderlichen: x, y. Dann ist ihre 
Gleichung 


Ri 


xz—a 


=1g(s,x). 


Daraus kommt 
Ay=Axig(s, x) 


Az? 
und Ay’+Ar = el ar 
Ar H 
Ası m 1 
Al 38605.(5) 2) 


und weil cos s, x unabhängig ist von x, y, so auch 
os 1 


DEN Wecos((s,2) x 
Ziehen wir nun durch denselben Punkt mit dem Halbmesser r aus 
einem Mittelpunkt, dessen Coordinaten «, @ sind, einen Kreis, so ist dessen 


Gleichung: 
y—B =Vr’— (x—e)*, 


KO U eat 
0x ı . y-ß" 


Für die gerade Linie ist 2 =15(s, a). 


und hieraus folgt: 


als Grundlage der Functionen- Rechnung. 335 


Soll also diese den Kreis berühren, so mufs sein: 


ml 


ig (s,x) = — 


folglich der Differenzial- Quotient Z für beide Curven derselbe; daher 
auch dy’-+0x° = ds” für beide Curven dasselbe. 
Nennen wir nun einen mit » vom Berührungspunkte gezogenen belie- 


big grofsen Bogen As und den ihm angehörigen Winkel A®, so ist 


vB 


A 
ENG ENDEN = 5 
mithin auch, weil » unveränderlich bleibt, 
EEE N 
a os=rüb. 


Hieraus folgt, dafs das Element ds der berührenden Geraden zusammenfällt 
mit dem Differenzial-Bogen ds des Kreises, beschrieben mit dem Halbmesser 
”, innerhalb des Differenzial-Winkels d#. 

Für alle Curven ist daher: 

os=Vdx’+0y°. 

15. Werden durch den Punkt 4 einer Oberfläche von irgend welcher 
beliebigen Krümmung berührende Gerade gezogen, so bilden diese eine 
berührende Ebene, und fällen wir durch A eine auf dieser Ebene, die wir 
S nennen wollen, senkrechte Gerade, so wird diese die Lage eines Halbmes- 
sers g geben, mit welchem eine die Ebene ‚S berührende Kugel bestimmt 
werden kann. Nennen wir r die zwischen S und der Kugel liegende krumme 
Oberfläche, so wird auch diese von der Kugel berührt. 

Vergröfsern sich die Coordinaten des Punktes A, welche »— a, y—b, 
2—c sein mögen, so bekommt ‚S' den Zuwachs AS, begränzt von dem Paral- 
lelogramm Ax » Ay, und den aus Punkten der AS auf Ax und Ay und deren 
Parallelen gefällten Perpendikeln Az. Da auf dem Parallelogramm z—c und 
auf A,S der Halbmesser der Kugel, nämlich g senkrecht steht, so ist 

era. = cos (p, 2—c), 
und weil Aw, Ay, As, unabhängig von cos(g, 2—c), so ist auch, nach den 
Grundsätzen der Differenzial-Rechnung: 


a 
ram = cos (d, 3—e). 


336 Posercer: das Taylor'sche Theorem, u. s. w. 


Nun ist im Allgemeinen die Gleichung des berührenden Kreises: 
= (x—a)’+ („— PB)’ + (2). 
Daraus kommt, durch Differenzüren nach &, y als constant betrachtet, und 
nach y, x als constant betrachtet: 


de 2 nn ——, 0,2 ae na 
FT 2—y ON. jlon 2—y’ 
folglich 
ee) 7 —z 


und es ist Zn = cos (d, 2—Y); het 


I,2N\° 
ern — oY ) . 
woraus sich ergiebt: 


A a ur BR 
. dx er 
16. Sei eine Ebene «, begrenzt von einer Kurve, und den Coordina- 
ten y, &, eines Punktes in dieser. Erhält nun x den Zusatz Ax und y den 
Zusatz Ay, so wird Aa—=y-Ax+Ax+Ay da,y, weil Ax«Ay offenbar von 
dx, , abhängig ist; daher ist 


cos (f, 2—-) = 


Ac 
Ar =y+Aydny 


und folglich, nach den Grundsätzen der Differenzial -Rechnung: 
Dann. 


17. Sei ein Körper F, begrenzt von einer krummen Oberfläche und 
den Coordinaten-Ebenen ay, xz, yz, so ist, wenn die x, y, zum Ax, Ay, 
Az sich vergröfsern: 

AV =yAxAy--AZAR Ay bay, 2 
Daraus kommt, wie vorhin: 


Aa 
ee 3»»2) folglich x ar 74, 


Hiedurch ist nun erwiesen, was der eigentliche Hauptzweck dieser Abhandlung 
ist, dafs die Taylor’sche Reihe die ganze Analysis, sowohl die arithmetische 
als die geometrische umfafst und dem ganzen höheren Kalkül nichts anders 
zum Grunde liegt, als das blofse Verfahren des Combinirens in Vergröfserung 
oder Verkleinerung veränderlicher Gröfsen. 


—— a — 


Über 
die Trennung der Wurzeln einer numerischen 
Gleichung mit Einer Unbekannten. 


Von 
H'®- DIRKSEN. 


mummnmnmenwwV 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 7. Mai 1835.] 


Vorbemerkungen. 


Bersonieh läfst sich die Lösung der allgemeinen, die Bestimmung der 
Wurzeln einer gegebenen numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten 
betreffenden, Aufgabe auf die zweier andern, und zwar der beiden folgenden, 
zurückführen. 

I. Die reellen Wurzeln einer gegebenen numerischen Gleichung mit 
Einer Unbekannten zu trennen, d. h. für eine jede derselben zwei Gröfsen, 
Grenzen genannt, zu ermitteln, zwischen denen sie allein enthalten sei. 

II. Vermittelst der gewonnenen Grenzen den Werth der entsprechen- 
den Wurzel mit jedem beliebigen Grade von Genauigkeit zu bestimmen. 

Die erste dieser beiden Aufgaben als gelöst vorausgesetzt, besitzt die 
Analysis hinreichende Mittel, auch die zweite zur Erledigung zu bringen. 
Was aber die Lösung von jener selbst anbelangt, so ist dieselbe mit soichen 
Schwierigkeiten verbunden, dafs sie bis jetzt, aller angewendeten Bestrebun- 
gen ungeachtet, blofs mit Bezug auf die algebraischen Gleichungen zu einer 
vollständigen Erledigung hat gebracht werden können. 

Die erste Lösung dieses Problems verdankt die Wissenschaft La- 
grange. Dieselbe fordert, unter andern, die Bildung einer Hülfsgleichung, 
deren Wurzeln die Quadrate der Differenzen von je zwei der Wurzeln der 
gegebenen Gleichung seien: — eine Anforderung, deren Erfüllung zwar stets 
möglich ist, jedoch zu sehr weitläuftigen Rechnungen führt, sobald der Grad 
der gegebenen Gleichung nur einigermafsen beträchtlich ist. 

Mathemat. Abhandl. 1835. Uu 


333 Dirksen: über die Trennung der Wurzeln 


Die zweite Lösung des angeregten Problems ist Fourier zu verdanken. 
Die betreffende Methode fordert die Bildung einer Reihe von Hülfsfunctionen 
mittelst des einfachen Prozesses der Differenziation einer ganzen Function, 
und umgeht dagegen die Bildung der Lagrangeschen, wie auch, wenn man 
den besondern Fall, wo zwei oder mehrere, auf einander folgende Glieder 
jener Reihe, für einerlei Werth der Veränderlichen, verschwinden, ausnimmt, 
einer jeden Hülfsgleichung gänzlich. Dieselbe ist eben deshalb, für die An- 
wendung, um vieles bequemer, als die Lagrangesche Methode. 

Die dritte Lösung der in Rede stehenden Aufgabe endlich ist die Wis- 
senschaft Hrn. Sturm schuldig. Dieselbe verlangt ebenfalls die Bildung einer 
Reihe von Hülfs-Functionen, und zwar mittelst des Prozesses der Division 
zweier ganzen Formen, und umgeht dagegen gleichfalls die Bestimmung der 
Lagrangeschen Hülfsgleichung. Wenn gleich mit Bezug auf die Bildung der 
erforderlichen Hülfs-Functionen weniger einfach, als die Fouriersche Me- 
thode, hat doch die, nach der Sturmschen Weise gewonnene Reihe, für den 
fernern Lösungs-Verlauf, ihre überwiegende Vortheile vor jener. 

Keine von diesen drei verschiedenen Lösungs - Methoden ist, ihren 
wesentlichen Stücken nach, von der Art, dafs ihre Anwendbarkeit nothwen- 
digerweise auf die algebraischen Gleichungen beschränkt wäre. Vielmehr 
läfst sich eine jede derselben als Folge eines Haupt -Lehrsatzes betrachten, 
der auf Bedingungen beruht, welchen in dem Falle, wo das mit Null ver- 
glichene Glied der Gleichung eine ganze Function bildet, streng allgemein, 
aufserdem aber noch in einer unbegrenzten Anzahl anderer Fälle, entsprochen 
werden kann. Rücksichtlich der Lagrangeschen Lösungsart liegt dieser Haupt- 
Lehrsatz sehr nahe. Was aber die Fouriersche und die Sturmsche Methode 
anbelangt, so ist die Ermittelung der entsprechenden Sätze mit mehr Schwie- 
rigkeiten verbunden, und hier deswegen zum Gegenstande einer Abhandlung 
gemacht worden. Dieselbe wird vielleicht zugleich dazu dienen können, die 
Grenzen der Anwendbarkeit beider Lösungsweisen mit der gehörigen Schärfe 
festzustellen, was um so weniger ohne Interesse sein dürfte, als in dieser 
Beziehung über die Fouriersche Methode bereits Erörterungen stattgefunden 
haben (vid. Journ. de Tecole polyt. Cah. XIX, p. 382.; Memoires de T Acad. 
d. sciences, Tom. X, 1831.) 

Die Abhandlung zerfällt in zwei Artikel. Der erste Artikel hat die 


5 
Ermittelung und. Begründung der zwei in Rede stehenden Haupt-Lehrsätze 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 339 


zum Gegenstande. Beide sind hypothetischer Form, und setzen die mit Null 
verglichene Function, wenigstens innerhalb desjenigen Intervalls von beson- 
dern Werthen der ursprünglichen Veränderlichen, zwischen dessen Grenzen 
die Wurzeln bestimmt werden sollen, als continuirlich, und überdiefs noch 
eine endliche Reihe von Functionen voraus, die jene gegebene Function selbst 
zum Anfangsglied habe, und deren übrigen Glieder sowohl mit diesem Gliede, 
als unter einander, in einem gewissen, näher bestimmten Zusammenhange 
stehen. Wäre es möglich, zu jeder gegebenen Function dieser Art eine, die 
betreffenden Bedingungen erfüllende, endliche Reihe von Functionen zu 
bestimmen, so würde, sowohl vermittelst des einen, als des andern jener 
Sätze, jede dadurch gebildete Gleichung, allgemein gesprochen, zur Lösung 
gebracht werden können. Da dies aber nicht der Fall ist, so hat der zweite 
Artikel eine nähere Betrachtung der Fälle und Methoden zum Gegenstande, 
für welche und mittelst welcher sich zu einer gegebenen Function eine, den 
geforderten Eigenschaften entsprechende, Reihe von Functionen gewinnen 
lasse. 


Artikel. 


Über eine Reihe von Functionen. 


$. 1. Erklärungen. 


1. Bezeichnet x eine ursprüngliche Veränderliche und 


A) LM LEI LEN RI Fr) Fer) * 
eine, nach irgend einem Gesetze fortschreitende, endliche, oder unendliche 
Reihe Functionen von x, so ist es klar, dafs sich aus dieser Reihe, durch 
Weglassung von einem oder mehrern unmittelbar auf einander folgenden, 
sowohl der Anfangs-, der End-, als der Anfangs- und der Endglieder zugleich, 
mehrere andere Reihen gewinnen lassen. Um die, auf eine solche Weise, 
aus (I) abgeleiteten, Reihen von einander zu unterscheiden, und demgemäfs 
zu bezeichnen, soll, streng allgemein, diejenige Reihe, welche aus (I) ent- 
steht, indem man die Anfangsglieder derselben bis f, (x) exel., und die End- 
glieder von f(x) excl. an, wegläfst, d. h. die Reihe 


F:@); Fer @); Pers (a), fl) 
Uu2 


340 Dirksen: über die Trennung der Wurzeln 


durch A (x) angedeutet werden, in welchem Zeichen also der Index 9 mit 
dem Index des Anfangsgliedes f, (x), und der Accent # mit dem Index des 
Endgliedes f, (x) einerlei ist, und die Indices der einzelnen Glieder der durch 
dieses Zeichen dargestellten Reihe, von dem des anfänglichen an, bis zu dem 
des Endgliedes, um eine Einheit zunehmend fortgehen. 

Diesem nach wird sich die Reihe (I) selbst bezeichnen lassen durch 
Rh) (x), in so fern sie eine endliche bildet, von deren letztem Gliede der 
Index z ist, — und durch A% (x), in so fern sie eine unendliche Reihe dar- 
stellt. Beide Fälle wollen wir durch A%’(x) andeuten, wo also unter w ent- 
weder & oder eine angebbare ganze Zahl 7 zu verstehen ist, je nachdem die 
Reihe selbst als eine unendliche, oder als eine solche endliche gedacht wird, 
deren letztes Glied mit dem Index behaftet ist. Jede, durch Weglassung 
blofs der Anfangsglieder bis f, (x) excl. aus (I) gewonnene Reihe, 


Je (©), Mesa (x); 8 (2), I (2), ...., 


läfst sich alsdann durch AR% (x), und jede aus ihr durch Weglassung blofs der 
Endglieder, von f, (x) ausschliefslich an, erzeugte Reihe, 


I@): Ta (x), YA (&), Yes (2), ae f. (&) , 


durch A‘ (x) darstellen. 

Da eine Reihe wenigstens zwei Glieder voraussetzt, so folgt, dafs in 
dem Zeichen RY (x), in der strengen Bedeutung genommen, u stets, wenig- 
stens um eine Einheit, gröfser, als g gedacht werden mufs, — und dafs daher 
nur, vermöge einer Erweiterung dieser Bedeutung, das Zeichen AR‘ (x) für 
J:(&), was hier auch geschehen soll, gebraucht werden kann: endlich, 
dafs ein Zeichen dieser Form, in welchem » < g ist, vollkommen bedeutungs- 
los ist. 

2. Vorausgesetzt nun, dafs die verschiedenen Glieder der Reihe Zt’ 
insgesammt reell und vollständig bestimmt bleiben innerhalb der Grenzen 
irgend zweier reeller besonderer Werthe A und B der Veränderlichen x (an 
deren Stelle die Formen — © und + x treten, im Falle kein reeller Werth 
für & denkbar ist, für welchen die Reihe dieser Bedingung nicht entspräche) : 
so ist es klar, dafs, streng allgemein, die Glieder der Reihe A (x), als 
sämmtlich in 7%? (x) enthalten, dieselbe Bedingung erfüllen werden. Denkt 
man sich demnach in eine von den aus (I) abgeleiteten Reihen A (x) irgend 


» 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 341 


einen, zwischen A und B enthaltenen, reellen besondern Werth «a für x 
gesetzt, so wird dieselbe in eine Reihe von (u—9-+1) Werthen, 


fie (a); Me (a), Me (a), SR (a), See f. (a), 


übergehen, von welcher, der Annahme zufolge, jedes Glied eine vollständig 
bestimmte Zahl, o oder angebbar, und überdies, in so fern der entsprechende 
Zahlwerth nicht Null ist, ein vollständig bestimmtes algebraisches Zeichen 
darbieten wird. — Um die, auf eine solche Weise erzeugten Reihen von 
Werthen auf eine bequeme, und der obigen analoge, Weise zu bezeichnen, 
soll, streng allgemein, diejenige, welche aus AR (x) für den besondern Werth 
a von x entspringt, durch AR‘ (a), und eine jede der übrigen wiederum die- 
ser analog angedeutet werden. 

Angenommen nun, dafs kein Glied der Reihe R%’ (x), für = a, Null 
werde, wird solches auch mit keinem der Glieder von der Reihe AR‘ (x), von 
e=0bisgo—=w, und von a=o bis a=u, der Fall sein; und es wird sich 
alsdann offenbar aus der Werth-Reihe R‘ (a), durch Weglassung der Zahl- 
werthe ihrer verschiedenen Glieder, eine Reihe von (u—g+1) algebraischen 
Zeichen gewinnen lassen. Es ist die so entstehende Zeichen -Reihe, welche 
hier, streng allgemein, durch Z\(a) bezeichnet, und von welcher jedes 
einzelne Zeichen selbst ein Glied der Zeichen-Reihe ZY’ (@), genannt wer- 
den soll. 

Je zwei unmittelbar auf einander folgende Glieder dieser Zeichen- 
Reihe sollen ein Zeichenpaar genannt, und jedes folgende Glied des einen 
Paars als das vorhergehende des unmittelbar folgenden betrachtet werden: 
dergestalt, dafs eine Zeichen-Reihe von (u—g-+1) Gliedern (u—g) Zeichen- 
paare enthalten wird. 

Von jedem Zeichenpaare soll gesagt werden, dafs es einen Zeichen- 
stand bilde; und es soll dieser Zeichenstand eine Zeichenfolge, oder ein 
Zeichenwechsel heifsen, je nachdem die beiden Zeichen des betreffenden 
Paares einerlei, oder verschieden sind. Hiernach bildet offenbar der Zeichen- 
stand, sowohl von (+, +), als von (— , —) eine Zeichenfolge; dagegen der 
von (+ , —), wie auch von (— ,-+) einen Zeichenwechsel. 

Die Anzahl der, in einer Zeichen-Reihe enthaltenen, Zeichenpaare, 
welche beziehungsweise eine Zeichenfolge bilden, heifse die Anzahl der 
Zeichenfolgen der Reihe; indefs die Anzahl der in einer Zeichen - Reihe 


342 Dirxsen: über die Trennung der Wurzeln 


enthaltenen Zeichenpaare, die beziehungsweise einen Zeichenwechsel bilden, 
die Anzahl der Zeichenwechsel der Reihe genannt werden mag. 

Zusatz. Da hiernach jedem Zeichenpaare ein Zeichenstand, und 
jedem Zeichenstand entweder eine Zeichenfolge, oder ein Zeichenwechsel 
entspricht: so folgt mit Nothwendigkeit, dafs die Summe der Zahlen, welche 
beziehungsweise die Anzahl der Zeichenfolgen und der Zeichenwechsel einer 
Zeichen-Reihe ZY’(a) darstellen, der Anzahl der, in derselben enthaltenen 
Zeichenpaare, also #—p, gleich ist; — wie auch, dafs die Zeichen -Reihe 
Z‘P (a) von einer jeden dieser beiden Gattungen von Zeichenständen (g und 
» als vollständig bestimmt gedacht) eine vollständig bestimmte Anzahl ent- 
halten wird. 

3. Was nun die Verschiedenheit zweier, auf die vorhin erörterte Weise 
gebildeter, Zeichen-Reihen betrifft, so kann diese offenbar in mehrern Be- 
ziehungen aufgefafst werden. Für den hier vorliegenden besondern Zweck 
ist es indefs vollkommen hinreichend, dieselbe blofs in so fern ins Auge zu 
fassen, als sie die Anzahl der Zeichenfolgen und der Zeichenwechsel der- 
selben betrifft. Da nun, dem Obigen nach, sobald, von einer vorgegebenen 
Reihe, die Anzahl der Zeichenstände von der einen Gattung gegeben ist, die 
der andern Gattung ebenfalls gegeben sein wird; so wird es wiederum ge- 
stattet sein, sich hierbei auf die Angabe von Einer dieser Zahlen zu beschrän- 
ken. Wir wollen hier, zu diesem Behufe, die Anzahl der Zeichenwechsel 
nehmen, und dieselbe, streng allgemein, für die Zeichenreihe Z/’ (a) mit 
IV‘*(a) bezeichnen. 

Was ferner den Unterschied, zwischen der Anzahl der Zeichenwechsel 
zweier, einerlei Functions-Reihe AY’(x) entsprechender, Zeichen-Reihen 
Z’’ (a) und Z(d) vorhanden, betrifft, so soll dieser durch A'”(}) dargestellt 
werden, und zwar so, dafs 

| a9 (2) = Mia) — Ni) 
sel. 

Endlich: bezeichnet a einen vollständig bestimmten, und «’ einen 
solchen reellen besondern Werth von x, dafs, von z=a bis = a’ excl., 
keine von den Gliedern der Reihe RA‘ (x) Null werde: so soll jeder beliebige, 
zwischen @ und « enthaltene, nicht näher bestimmte, besondere Werth von 
& durch > «a, wenn «>d, und durch <«, wenn a<« gedacht wird, — 
wie auch die, einem solchen besondern Werth von x entsprechende, Werth- 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 343 


Reihe durch R'(> a), RY (<a), — die Zeichen-Reihe durch Z(>«), 

ZY (<a), — die Anzahl der Zeichenwechsel durch N‘*(>a'), N.”(<a), — 

schliefslich die Differenz der Zeichenwechsel zweier solcher Gestalt bezeich- 

neten Zeichen-Reihen, der obigen Bestimmung gemäfs, dargestellt werden. 
Zusatz. Aus den vorigen Bestimmungen folgt: 

1. dafs das Zeichen N‘”(a) stets eine positive ganze Gröfse, Null, oder 
angebbar, bezeichnen, und für x — 9 beständig als Null zu betrachten 
sein wird. 

2. Dafs das Zeichen A'(}) stets eine ganze Gröfse darstellt, welche po- 
sitiv, Null, oder negativ sein wird, je nachdem N‘”(a) Z N!” (b) ist. 


6.2. Lehrsätze. 


4. Dem Vorigen nach ist es einleuchtend, dafs, in so fern i eine zwi- 
schen 9 und u einschliefslich enthaltene, ganze Zahl bezeichnet, die Anzahl 
der Zeichenpaare von Z‘”(a) der Summe von denen von Z‘)(a) und 2” (a) 
gleich ist; wie auch, dafs jedem einzelnen Zeichenwechsel von Z/’ (a) ein 
einzelner Zeichenwechsel von Z\)(a) und Z\” (a), und umgekehrt, entspricht. 
Mithin wird die Anzahl der Zeichenwechsel von Z\’(a) der Summe der An- 
zahl der Zeichenwechsel von Z‘(a) und Z{” (a) gleich sein. — Aus densel- 
ben Gründen wird, wenn %k eine, zwischen 9 und i einschliefslich enthaltene, 
ganze Zahl bezeichnet, die Anzahl der Zeichenwechsel von Z’ (a) der Summe 
von denen von Z{’(a) und Z/’(a) gleich sein. 

Verbindet man mit diesem Ergebnifs die in No. 3. gemachte Bestim- 
mung, und setzt k=i—i': so erlangt man 

Lehrsatz 1. Bezeichnen i und i—’ zwei zwischen 9 und % einschliefs- 
lich enthaltene ganze Zahlen, so hat man 

N (a) = NY””(a) + N},,(a) + N!” (a). 
Da, nach eben diesem Satze, 
N) = N” (0) + N) + N” (6) 
ist; so hat man, indem man diese Gleichung mit der vorigen verbindet, 
IN” (a) — N?” (6) = {N (a) — NT”) + VD, (a) — NO} 
+1” (a) — N” (0)}- 
Da endlich, nach No. 3., streng allgemein, 
Nr) =An) 
ist: so erlangt man 


4 Dirzsen: über die Trennung der Wurzeln 
4 fo) 


Lehrsatz 2. Bezeichnen z und i—i’ zwei, zwischen p und u einschliefs- 

lich enthaltene positive ganze Gröfsen, so ist 
AH) G)FALG)HA’G). 
Nach Lehrsatz 1. ist, indem man i—’’ = g-+1, und ?’= 0 setzt, und, nach 
No. 3., die Gleichung IV” (a) = 0 berücksichtigt, 
Na) = Ni" +NN,(a). 

Da nun die, der Zahl IV‘*" (a) entsprechende Zeichen-Reihe Z/*" (a) blofs 
zwei Glieder enthält, und eben deshalb entweder einen Zeichenwechsel, oder 
eine Zeichenfolge darbieten mufs (No. 2.), so hat man 


IV. (a) well, vela; 
also IVko) meläNe: (a), vel N), (a)-+1. 
Aus denselben Gründen hat man 

WEN) — yvelN 0), velN, 6) 1: 


folglich 
N” (a) — N” (b) = vel $N!), (a) — NY, (By — 1, 
vel N. — N, 
vel $N (a) — N, (d)} +1. 


Vermöge No. 3. hat man also 
Lehrsatz 3. Es ist 
2°G) = velAi, 6) — 
ver ,.69; 
vel Au, G)+t. 
5. Jetzt werde angenommen, dafs das allgemeine Glied der Reihe 
Ri’ (x), f;(&), vong=0 bis g=r, wo r irgend eine bestimmte ganze Zahl, 
gröfser, als Null und nicht gröfser, als w bezeichnet, also ein jedes Glied der 
Reihe RAY) (x), continuirlich bleibe innerhalb der Grenzen zweier gegebener 
reeller Werthe A und B von x, von denen, der Deutlichkeit wegen, A<B 
sei, und für welche beziehungsweise die Formen — oo und + © genommen 
werden mögen, um anzudeuten, dafs jene Functionen dieser Bedingung für 
alle reellen Werthe von & entsprechen, ferner werde angenommen, dafs die 
verschiedenen Glieder der Reihe RY(x) in einem solchen Zusammenhange 
wit einander stehen, dafs, wenn c, einen, zwischen A und B enthaltenen, 
besondern Werth von x bezeichnet, für welchen man hat 


Ka) 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 345 


und 7 eine positiv-bleibende Veränderliche andeutet, alsdann stets 
0 =0 
Gr f,(c,— h) und Gr f,,, (ce, — 4) ungleichnahmig, 
dagegen 
4=0 h = o } ! 
Grf,(e,+ h) und Gr f,,,(c,-+ A) gleichnahmig 


seien. — Es ist ein solcher Theil RAY (x) der Reihe R%’ (x), der hier zunächst 
einer nähern Betrachtung unterworfen werden soll. 

Es seien u und irgend zwei ganze Zahlen, 4>i, und 4 Sr, in welchem 
Falle also x angebbar sein wird. Alsdann ist es klar, dafs auch die Reihe 


n 
e 


zwei von einander verschiedene, jedoch zwischen A und B enthaltene, beson- 
dere Werthe von x bezeichnen, für welche irgend ein Glied f, (x) der Reihe 
R‘” (x) Null werde, und dafs diese keinen Werth zwischen sich enthalten, 


R;” (x) jene Bedingungen erfüllen wird. Angenommen nun, dafs ec} und e 


für welchen dasselbe stattfinde; so werden offenbar, vermöge der voraus- 
gesetzten Continuität von f, (x), in so fern man c; <c, annimmt, 


Grf, (ce + A) und Grf, (e/— h) gleichnahmig 
sein. Nun hat man, den fernern Voraussetzungen nach, 

Gef. (ce; + h) und Grf.,. (ce; + h) gleichnahmig, 

Gr F:(e/— h) und Gr F:.. (e?— h) ungleichnahmig: 
daher, wie leicht zu übersehen, 

Gr Fr. (e; + h) und GL (e!— h) ungleichnahmig. 


Kraft des Begriffs eines Grenzwerthes einer Function wird also, unter diesen 
Annahmen, eine solche angebbare positive Gröfse e denkbar sein, dafs, von 
h=:bis R=0, die besondern Werthe der Functionen von A, 


J:., (ce; + Ah) und f,,,(ce’— Rh), 


für einerlei Werth von A, beständig ungleichnahuwig seien. Mithin wird, ver- 


möge der Continuität, ein besonderer Werth X, ,, 
einschliefslich enthalten, denkbar sein, für welchen man habe 

if; 4 (x) U, 
Bezeichnen demnach ce‘ und ec’ zwei, der Gröfse nach, unmittelbar aufeinan - 
der folgende besondere Werthe von a, für welche man hat 


kr (x) =0: 
Mathemat. Abhandl. 1835. Xx 


für @, zwischen c/ und ec} 


346 Dirgsen: über die Trennung der Wurzeln 


N . 1 . . 7 ” 
so giebt es stets wenigstens Einen zwischen ce’ und ec‘ enthaltenen besondern 
Werth ZA, ,, von x, für welchen 


Sa) = 
sein wird. 


Durch eine wiederholte Anwendung dieses Ergebnisses erlangt man 

Lehrsatz 4. Bezeichnen e/, ce‘, €’, « «++ c/’ eine Anzahl von n ver- 
schiedenen, insgesammt zwischen A und B enthaltenen, ihrer Gröfse nach 
geordneten, besondern Werthe von x, für welche beziehungsweise das Glied 
f; (x) der Reihe AR!” (x) Null wird; so gibt es stets eine Anzahl von wenig- 
stens (n—1) von einander verschiedenen, ebenfalls zwischen A und B ent- 


haltenen besondern Werthen von x, 
LE IK kn 


+19 Forı9 Tori) 


(a—1) 
+19 


.o..o k 
für welche beziehungsweise das nächstfolgende Glied f,,,(x) der Reihe 
RV(&) ebenfalls Null wird, und von denen, streng allgemein, der Werih 
# . p) o fo) 2 
k}, zwischen den Werthen c‘’’ und c‘*" enthalten ist. 
6. Angenommen, dafs für irgend einen, zwischen A und B enthalte- 
{e) 2 fo) 9 


nen, besondern Werth ce von x die z unmittelbar auf einander folgenden 


Glieder 
Sr ©), Fir &) Firs(&)> ° °F ©) 
der Reihe A{” (x) gleichzeitig Null werden, so hat man, den Voraussetzungen 
zufolge, 
Gr fi. (c+h) und Gr Fi... (c+h) gleichnahmig; 


dagegen 


Rh (c—h) und [9 (c—h) 

gleich-, oder ungleichnahmig, je nachdem die Zahl n gerade, oder ungerade 
ist. Nimmt man nun ausdrücklich an, dafs der Werth von f,;,,,,, (x) nicht 
Null werde für «= c: so hat man, vermöge der Continuität von f,,,... (&) 
(Vorauss.), 


"Gr Sirn, (eh) und Gr Fran, (e+h) gleichnahmig: 
folglich, vermöge des Obigen, 
Gh (c—h) und Gef (c+h) 


gleich-, oder ungleichnahmig, je nachdem z2 gerade, oder ungerade ist. 
Daher 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 347 


Lehrsatz 5. Werden, für irgend einen, zwischen A und B enthaltenen, 
besondern Werth ce von x eine Anzahl von 2 unmittelbar auf einander fol- 


genden Gliedern 


ve (x); Yen (2); Ss (x), ie (2), Bee SE (x), 
der Reihe A‘ (a) zugleich Null, und das Glied f;,,.,, (x) nicht: so werden 


Grf,,, (e—h) und Gef (c+h) 


gleich-, oder ungleichnahmig sein, je nachdem n gerade, oder ungerade ist. 


7. Dem Vorigen nach wird jedem, zwischen 4 und B enthaltenen, 
besondern Werth e von x, in so fern für denselben keins der Glieder der 
Reihe A/” (x) in Null übergeht, eine gewisse, aus (u—i-+1) Gliedern beste- 
hende, nn Z}’ (ec) entsprechen. Betrachten wir jetzt die Ver- 
schiedenheit der Zeichen-Reihen, die aus R\” (x) entstehen, indem man sich 
x von A bis B veränderlich denkt. 

Es ist sogleich einleuchtend, dafs alle so entstehenden Zeichen-Reihen 
durchgängig, d. h. Glied für Glied, einerlei sein werden, in so fern, inner- 
halb eben jenes Intervalls von besonderen Werthen für x, die entsprechen- 
den besondern Werthe der verschiedenen Glieder der Reihe AR!” (x) gleich- 
nahmig sind. Nur in so fern also, als Eins, oder mehrere von den Gliedern 
der Reihe A!” (x) beziehungsweise für e—=a« ein anderes Zeichen, als für 
x = b annehmen, werden zwei jener Zeichen-Reihen ZU’ (a) und Z{”(d) von 
einander verschieden sein können. Da nun, der Voraussetzung zufolge, die 
verschiedenen Glieder der Reihe AR‘ (x) continuirlich sind von x—= A bis 
x=DB; so werden die besondern Werthe von keinem derselben für zwei 
besondere Werthe @ und 5 von x, zwischen A und B enthaltend, ungleich- 
nahmig sein können, wofern es nicht wenigstens Einen, zwischen a und 5 
enthaltenen, besondern Werth ce von x gibt, für welchen ein solches Glied 
den Werth Null erlangt. Mithin werden die Zeichen-Reihen Z!” (a), Z\” (b) 
nur in so fern von einander verschieden sein können, als wenigstens für 
Einen, zwischen @ und 5 enthaltenen, besondern Werth ce von & Eins oder 
mehrere jener Glieder Null werden. 

Es ist aber leicht zu übersehen, dafs hieraus nicht gefolgert werden 
darf, dafs, wenn die Zeichen-Reihen Z/”(a), Zi” (5) durchgängig einerlei 
sind, alsdann keins der Glieder von R‘”(x), für irgend einen, ansehen a 

Xx2 


348 Dinssen: über die Trennung der Wurzeln 


und 5 enthaltenen, besondern Werth von x Null werde. Vorausgesetzt, dafs 
F. (a) und f, (6), wie auch f,,, (a) und f;,,(5) beziehungsweise gleichnahmig 
seien; so sind zwei Fälle denkbar. Entweder wird, indem sich x von a bis 
& ändert, ‚f,(x) ein- oder mehrmals Null, oder solches ist nicht der Fall. 
Wird f, (x) ein- oder mehrmals Null, und bezeichnen e,, c,, &,, C,,***.c, 
die, nach ihrer Gröfse geordneten, entsprechenden besondern Werthe von 
a; so mus, nach Lehrs. 4., f,,, (x) wenigstens (n— ı) mal den Werth Null 
erlangen, und zwar insgesammt für Werthe von x, die gröfser, als c, und 
<c, sind. Den Voraussetzungen nach hat man alsdann 


f:(<e,) und f,,,(<e,) ungleichnahmig, 
f:&e,) und f,,,(> e,) gleichnahmig, 
J;.(a) und /,(<e,) gleichnahmig. 


Sind demnach f, (a) und f,,, (a) gleichnahmig; so sind f,,, (a) und f,,.(<e,) 
ungleichnahmig: mithin gibt es wenigstens Einen Werth %, für &, zwischen 
a und c,, — und daher wenigstens n Werthe k,, k,, k,, k,,....k, für x, 
zwischen a und 5 enthalten, für welche f,,, (x) den besondern Werth Null 
erlangt. Sind aber f,(a) und f,,, (a) ungleichnahmig, so sind es auch, der 
in Rede stehenden Annahme zufolge, f, (5) und f,,,(6). Da nun, wie schon 
bemerkt, f,(>c,) und f,,,(>e,) gleichnahmig sind, und es, der Annahme 
nach, keinen Werth zwischen c, und d gibt, für welchen f, (x) Null wird: 
so folgt, dafs es wenigstens auch Einen Werth zwischen ce, und d, — und 
daher n Werth zwischen a und 5 für x geben mufs, für welchen f,,, (x) in 
den besondern Werth Null übergeht. Da endlich, wenn auch f, (x) nicht 
den Werth Null erlangt, von @—=a bis =, dennoch f,,, (x) ein- oder 
mehrmals Null werden kann: so folgt, dafs, wenn f, (a) und f, (2), wie auch 
F:;. (a) und f,,, (8) beziehungsweise gleichnahmig sind, alsdann f, (x), von 
&= a bis «= b, nicht öfter den Werth Null annehmen kann, als f,,, (x). 

Vermöge des vorhin gewonnenen, und einer wiederholten Anwendung 
des so eben erlangten Ergebnisses erhält man 

Lehrsatz 6. «. Wird, indem sich x von a bis 5, beziehungsweise 
zwischen A und B enthalten, ändert, keins von den Gliedern der Reihe 
R‘(&) Null: so sind die Zeichen-Reihen Z”(a) und Z!”(b), Glied für 
Glied, einerlei; und es können dieselben nur in so fern von einander ver- 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 349 


schieden sein, als wenigstens für Einen, zwischen « und 5 enthaltenen, be- 
sondern Werth ce von x wenigstens Eins jener Glieder Null wird. 

£) Sind die Zeichen-Reihen Zi” (a) und Z\”(d), Glied für Glied, 
einerlei; so kann, von =a bis =, jedes vorhergehende Glied f, (x) 
der Reihe A‘ (x) nicht öfter den Werth Null erlangen, als das unmittelbar 
folgende f,,, (x). 


Zusatz. Wird also, unter den vorigen Annahmen, das Endglied f, (x) 
der Reihe AR!” (x), von e=a bis =, niemals Null: so kann auch keins 
der Glieder von R\” (x), von e=abis =, Null werden. 


8. Angenommen, dafs von der Reihe R!” (x) die n ersten Glieder, 


Je (&), Fırı (@); 1% (2), firs (&), *** fe (x), 


für irgend einen, zwischen A und B enthaltenen, besondern Werth c von x 
gleichzeitig Null werden; so hat man, den Grundvoraussetzungen zufolge, 
von p=i, bsp =i+-n—1, 


Gr f;(e—h) und Gr F:., (e—h) ungleichnahmig, 
Grf, (c+h) und Gr, (c+h) gleichnahmig. 


Vermöge Lehrs. 6. «) und No. 3. folgt hieraus: 


f;(<e) und f,,,(<e) ungleichnahmig, 
f:>e) und f,,,(>ec) gleichnahmig, 


und zwar vongo=i bis o=i+n—ı: daher, wie leicht zu übersehen, 
i+-n—1<{u vorausgesetzt, 


Nr (< c) in, N:+” > c) ==103 


i+n <c 
Aus (29) a 


mithin 


Da nun, nach Lehrs. 2., 
<c ; Sc SC 
(u) NINE ER) AU) 
A, > .) — A, > ) + An > .) 


ist: so erlangt man, indem man diese Gleichung mit der vorigen verbindet, 
Lehrsatz 7. Werden, für den besondern Werth ce von x, zwischen 
A und B enthalten, die n ersten Glieder der Reihe A” (x) beziehungsweise 


350 Dirksen: über die Trennung der Wurzeln 


Null: so hat man, in so fern i-n—ı< ist, was auch mit den übrigen 
Gliedern vorgehe, 
<c s U 
(rn) Aue, (#) 
N E.) =n+aN, =): 


Zusatz 1. Sind die Zeichen-Reihen ZU), (<c) und Z/), (> c) einer- 
lei; so hat man 
N.K)=NNC 0: 
daher 


A) <c 
ip \>c 


==10% 


Verbindet man diese Gleichung mit der vorigen, so kommt 
<c 
(r) —— 
a ER .) — 0% 


Zusatz 2. Ist i#n—ı=u, so hat man, unter der Voraussetzung 
von Zus. 1., 


<ce 
(#) — — 
Al. )=n-ı=»-1. 


9. Nimmt man an, dafs für irgend einen, zwischen A und B enthal- 
tenen, besondern Werth e von x, die (@-+1) ersten Glieder, 


u (x), 0 (x); eh: (X); Trs (x); wre @)> 


oder die sämmtlichen Glieder der Reihe R“*” (x), nicht Null werden, indefs 
dagegen die n unmittelbar folgenden, 


VE (x), ee (x); Ve (x); er “Tirinn (x), 


beziehungsweise in den besondern Werth Null übergehen: so hat man, dem 
6" Lehrs. «) und No. 3. zufolge, 


(rw REEL A 
A, e .) — 308 


und, nach Lehrs. 7., in so fern i+?+n <u ist, 
441 


G+1’+n+1) Sec m 
A & 72% 


Ferner hat man, da f;,,,(&) nicht Null wird für x = c (Vorauss.) 


F..,(<e) und f;,.,(> ec) gleichnahmig; 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 351 


wie auch, nach Lehrs. 5., 


en (< c) und a, (> c) 


gleichnahmig oder ungleichnahmig, je nachdem n gerade, oder ungerade ist. 
Ist demnach z gerade, so ist 


IV 3 a er = IV > OR 


AU#ö+N a) np, 
Ay 


mithin 


Ist aber n ungerade, und sind 


a) fi,.,(<e) und f;,...(<ec) gleichnahmig: 


so ist 
TG+i/41) LE G+/+1) k 
a Nur @y=Ned-1; 
mıthın 
<ic 
GH+i/+1) Lu, 
Ar 8) 7 


Sind dagegen, für n ungerade, 
ß) f..,(<e) und f.,...(<c) ungleichnahmig; 
so ist 
N EN a za N, =) (> c) +1: 


i+i 


daher ai 


IC 
G+l+1) zen 
I hl 


ii 


Da nun, nach Lehrsatz 2., 
IC AR IC ikir yfnc (m <SIC 
(R) — AUF @+1/+1) G-+/4+n+1) ) 
A‘ Sa — AU*+ 3) EINER &® ) Al .) A 


ist: so erlangt man 

Lehrsatz 8. Werden, für irgend einen, zwischen A und B enthal- 
tenen, besondern Werth c von x, von den, in AR” (x) enthaltenen Gliedern, 
die Glieder der Reihe RY*”(x) alle angebbar; dagegen die Glieder der Reihe 
Ri (&) insgesammt Null: so hat man, in so fern i+i-+n<u ist, was 


auch für die übrigen Glieder stattfinde, 


SHE <c 
(») Bee (#) 
&; (@ .) z=n+ ANA (@ .) D 


IC (# <SC 
(a) a ) 
a ® ) — ni Arm > .) ’ 


wenn n gerade ist; 


352 Dirnssen: über die Trennung der Wurzeln 
wenn n ungerade ist, und f;,,,(<e) und f;,,..(<c) gleichnahmig sind; 
We (x) <c 
A,“ & ) zn + 1 + NER >S ) ’ 


wenn n ungerade ist, und f,,,(<e) und f;,,,,(<e) ungleichnahmig sind. 
Zusatz 1. Sind die Zeichen-Reihen Z,, „„.(<e) und ZU) .n..(>e) 


u 
einerlei; so hat man 


IC 
1“) ep! 
en N, 5) =0: 
daher 
N 
(r) pe 
a ER ) —u72, 

wenn n gerade ist; 


IC 
w) en 
Al. ) =n—1, 
wenn zı ungerade ist, und f;,,(<e) und f;,,,, (<c) gleichnahmig sind; 
HR 
) — 
an Si)=ntı, 


wenn z ungerade ist, und f;,,(<e) und f;,.,,.(<c) ungleichnahmig sind. 
Zusatz 2. Isti+?+-n=yu; so tritt, nach Zus. 2., Lehrs. 7., sowohl 
in dem vorigen Lehrs., als in dessen Zus. 1., n—ı an die Stelle von n. 


10. Es sind in den zwei unmittelbar vorhergehenden Sätzen blofs die 
beiden einfachsten Fälle der, für irgend einen, zwischen A und B enthalte- 
nen, besondern Werth ce von x, verschwindenden Glieder der Reihe A!” (x) 
betrachtet worden. Beide Fälle haben das gemeinschaftlich, dafs sie die 
Glieder, welche zugleich in den besondern Werth Null übergehen, als un- 
mittelbar auf einander folgend voraussetzen; dagegen wiederum das Ver- 
schiedene, dafs der erste Fall ausdrücklich das Anfangsglied der Reihe A{” (x) 
selbst enthält, welches aber bei dem zweiten eben so ausdrücklich ausge- 
schlossen bleibt. Der allgemeine Fall ist nun offenbar derjenige, wo, für 
irgend einen Werth c von x, die Glieder der Reihe A‘ (x) gruppenweise in 
Null übergehen. Da dieser aber, wie leicht zu übersehen, als eine Zusam- 
mensetzung der beiden vorigen Fälle angesehen werden kann; so wird hier 
eine gesonderte Betrachtung desselben übergangen werden können. 

Eine wiederholte Anwendung der Zus. 1. von den Lehrs. 7. und 8. 
führt nun, wie leicht zu übersehen, zu 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 3993 


Lehrsatz 9. Es bezeichnen 4 und B irgend zwei reelle besondere 
Werthe der ursprünglichen Veränderlichen x, von denen A< B; r bezeichne 
eine angebbare ganze Zahl, gröfser, als ı, und nicht gröfser, als w; ferner 
bezeichnen z und u zwei ganze Zahlen, von denen i<7r, und u>i, und Zr 
sei; endlich bezeichne 


I(&)» I) F:(&), Ba) f.@) et (&), S2r2(&), °** + fe(&)» 


oder AR%’(x), eine endliche, oder unendliche, den folgenden Bedingungen 
entsprechende, Reihe von Functionen: 

«) dafs ihre verschiedenen Glieder, entweder insgesammt, oder wenig- 
stens von e=0 bis o=r, continuirlich bleiben für alle besondern Werthe 
von x, von @ = FAnhissas;— B; 

£) dafs, wenn e, einen, zwischen A und B enthaltenen, besondern 
Werth von x bezeichnet, für welchen man hat 


K@)=% 


alsdann stets, A als eine positiv-bleibende Veränderliche betrachtet, 


ı=0 »=0 i h 
Gr f,(e,— h) und Gr f,,,(e,— h) ungleichnahmig, 
dagegen 


41=0 h=0 
Gr f,(e,-+ Ah) und Gr f;,, (e,+ 7) gleichnahmig 


seien, und zwar von g—=0 bis e=r—1 einschliefslich; 

y) dafs die besondern Werthe der f, (x), von = A bis x = B, keine 
Zeichen- Änderung erleiden. 

Dies vorausgesetzt, hat man, indem man sich für x, nach und nach, 
alle, zwischen A und B enthaltenen, besondern Werthe gesetzt denkt, 

1) in so fern @ und 5 zwei solche, zwischen A und B enthaltene, 
besondere Werthe von x bezeichnen, von denen 5>a, und für welche 
beziehungsweise kein Glied der Reihe R!” (x) in Null übergeht, 

A (2) = vel Null, vel einer positiven ganzen Gröfse; 

2) so oft für einen, zwischen A und B enthaltenen, besondern Werth 
ce von x, eine Anzahl n der unmittelbar auf einander folgenden Glieder der 
Reihe R\” (x), einschliefslich des anfänglichen f; (x), den Werth Null 
erlangt, n <—i+-1 vorausgesetzt, 

AND S .) m: 


Mathemat. Abhandl. 1835. Yy 


354 Dirgsen: über die Trennung der Wurzeln 


3) so oft für einen, zwischen A und B enthaltenen, besondern Werth 
c von x, eine Anzahl z der unmittelbar auf einander folgenden Glieder der 
Reihe R!” (&), ausschliefslich des anfänglichen f; (x), Null wird, in so fern 
F.....,(&) als das erste der verschwindenden Glieder betrachtet wird, 


IC 
Au N .) zn, 
wenn n gerade ist; 
IC 
Am = z=n—1, 


wenn n ungerade ist, und f,,,(< ec) und f;,.,.. (<e) gleichnahmig sind; 


Am & S) =n-+1, 
wenn z ungerade ist, und f;,,(<e) und f;,,,, (<e) ungleichnahmig sind. 
Zusatz 1. Bezeichnen c,, c,, C,**«««c, eine Anzahl v verschiedener, 
zwischen A und B enthaltener, und zunehmend geordneter, besonderer 
Werthe von x, für welche Eins, oder mehrere der Glieder von AR (x) in 
Null übergehen; so hat man, in so fern noch ausdrücklich angenommen wird, 


dafs für alle übrigen, zwischen 4 und B denkbaren, reellen besondern Wer- 
then von x, kein Glied der Reihe A‘ (x) Null werde, 


AN en e)rAr SE) tee Hal N, 


Zusatz 2. Da also, so oft, von «= A bis x =B, die Function f; (x), 
für &= c, in Null übergeht, A!” (& 2) > ı sein wird; so folgt, dafs die Anzahl 
der verschiedenen, zwischen A und B enthaltenen, besondern Werthe von x, 
für welchen die Gleichung ‚f; (2) = 0 stattfindet, niemals gröfser, aber wohl 
kleiner, als A/ (5) sein kann; und ferner, da A!” (;) niemals gröfser, als u—i 
sein kann, so wird auch die Anzahl jener Werthe niemals gröfser, als v—i 
sein können. 

Zusatz 3. Da, wenn für &—=c, f. (x) nicht Null wird, A” (Z 2%) nur 
eine gerade Zahl, einschliefslich der Null, sein kann; so folgt, bi wenn 
A!” („) eine ungerade Zahl bildet, wenigstens für Einen, zwischen A und B 
enthaltenen, besondern Werth von x die Gleichung f.(x) = 0 stattfinden wird 

Zusatz 4. So viele Änderungen in den Zeichenständen der verschie- 
denen Zeichen-Reihen, den verschiedenen, zwischen A und B enthaltenen, 
besondern Werthen von x entsprechend, aus solchen besondern Werthen 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 399 


von x entspringen, für welche f; (x) nicht Null wird, — eben so viel beträgt 
die Zahl A‘ (5) mehr, als die Anzahl der, von einander verschiedenen, zwi- 
schen A und B enthaltenen, besondern Werthe von x, welche der Gleichung 
f(x) = 0 Genüge leisten, ohne zugleich Eins, oder mehrere von den übrigen 
Gliedern der Reihe A!” (x) gleich Null zu machen. Da nun jene Anzahl stets 
gerade ist; so folgt, dafs die Anzahl aller verschiedenen, zwischen A und B 
enthaltenen, besondern Werthe von x, welche der Gleichung f; (x) = 0 
Genüge leisten, ohne zugleich irgend Eins, oder mehrere von den übrigen 
Gliedern der Reihe zum Verschwinden zu bringen, stets von der Form 
AU) (5) —ın 
ist, wo m irgend eine, mit Einschlufs der Null, ganze Zahl bezeichnet. 
Zusatz 5. Findet die Erfüllung der Bedingungen des vorigen Lehr- 
satzes für alle reellen besondern Werthe von x statt; so gelten auch die 
betreffenden Ergebnisse von = — x bs = + x. 
Anmerk. Es ist der 9“ Lehrsatz, welcher als die Haupt - Grundlage 
der Fourierschen Trennungs-Methode angesehen werden kann. 


11. Es bezeichnen A und B, von denen, der Bestimmtheit wegen, 
A<B gedacht werde, irgend zwei reelle besondere Werthe der ursprüng- 
lichen Veränderlichen x, an deren Stelle die Formen — x und + ® treten, 
in so fern die entsprechenden Zahlwerthe beziehungsweise beliebig grofs 
gedacht werden dürfen; A%' (x), oder 


v2 (x), J (X), J.(&); E (x), ne If; (2), Tas (x), JRR? (x), LODO 


bezeichne eine endliche, oder unendliche Reihe Functionen, entweder ins- 
gesammt, oder wenigstens von g=0 bis 9=jr, wo r>1, continuirlich von 
x—=Abis —=B, — und in einem solchen Zusammenhange mit einander 
stehend, dafs, wenn c,,, 
dern Werth von x bezeichnet, für welchen man hat 


Me (x) —0, 


alsdann, A als eine positiv-bleibende Veränderliche vorausgesetzt, 


irgend einen, zwischen A und B enthaltenen, beson- 


Gef, (C,,,— Rh) und Cha, (e,,,— h) ungleichnahmig, 
Grf, (e,,, ++) und Grfu (e,,,+ h) ungleichnahmig, 
Yy2 


356 Dirksen: über die Trennung der Wurzeln 


wie auch, wenn c irgend einen, zwischen A und B enthaltenen, besondern 
Werth von & darstellt, für welchen man hat 


IE (x) =0, 


Gr Js (e—h) und Gr f,(e—h) ungleichnahmig, 


alsdann 


und 


Gr Js (c+h) und Gr f.(c+h) gleichnahmig 


seien. — Es ist eine, so näher bestimmte Reihe von Functionen, welche nun- 
mehr den Gegenstand der Betrachtung bilden soll. 

In Folge der vorausgesetzten Continuität der verschiedenen Glieder 
von R(x) ist es einleuchtend, dafs die Zahlen N/’(a) und NV/’(b), bezie- 
hungsweise die Anzahl der Zeichenwechsel von den Zeichen-Reihen Z7 (a) 
und ZY(b) darstellend, nur in so fern von einander verschieden sein können, 
als, wenigstens für Einen, zwischen @ und 5 enthaltenen, besondern Werth 
c von x Eins, oder mehrere von den Gliedern der Reihe RY (x) den beson- 
dern Werth Null annehmen. Vorausgesetzt also, dafs, für e=c, eine An- 
zahl 2 der unmittelbar auf einander folgenden Glieder von A) (x), ein- 
schliefslich des anfänglichen f, (=), also die sämmtlichen Glieder der Reihe 
RU” (x), wo n—ı<r, Null werden, hat man, den obigen Annahmen gemäfs, 


Gr S(ce—h) und Grf, (ce—h) ungleichnahmisg, 
& fs(e—h) und Grfi (c—h) ungleichnahmig, 
Gr f,(ce—h) und Grf, (c— h) ungleichnahmig, 
Gr f.(e—h) und Gr f.,(c—h) ungleichnahmig, 
Gr Ye (c—h) und Gr f.(c—h) ungleichnahmig: 


daher 
ID h=0 
Gr f,(c—h) und Gr f, (c—h) ungleichnahmig, 


& J.(ce—h) und Gr f;(c—h) gleichnahmig, 
& S;(e—h) und er Stc—h) ungleichnahmig, 
&r f;(c—h) und Gr f.(c— h) gleichnahmig, 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 397 


streng allgemein, 
i=0 A=0 
Gr f,(c—h) und Gr f,,,(c—h) 
ungleich-, oder gleichnahmig, je nachdem 9 gerade, oder ungerade ist, und 
zwar von o=0 bis o=n—ı einschliefslich. 
Diesem nach hat man, wie leicht zu übersehen, 


n n-+1 
N” (<e) = —,—, wenn n ungerade, 


5 n 
N.” (<c) = —, wenn n gerade 
ist. Da nun, nach Lehrs. 1., 


NNEeo)=NN<eo)-EN! Ce): 
so hat man 
Ve) — u + N (<ec), wenn n ungerade, 
(1) .ooooe 


ar z u) n 
= —— +N,’(&<e), wenn n gerade 


ist. 
Ferner ist, ebenfalls den obigen Voraussetzungen zufolge, 


Gr Ss(e+h) und Gr fı(e+h) gleichnahmig, 
Gr fste+h) und Gr ‚f.(e+h) ungleichnahmig, 
Gr S,(ce+h) und Gr J;(e+h) ungleichnahmig, 
Gr f,(c+h) und Gr f,(c+7) ungleichnahmig, 
Gr f,(c+h) und Gr f,(c+h) ungleichnahmig, 
Gr f. _,(ce+Ah) und Gr f. (ce+h) ungleichnahmig: 


daher 
Gr f,(c+h) und Gr f, (c+h) gleichnahmig, 


Grf, (c+A) und Gef, (c+h) ungleichnahmig, 
Gr S.(c+h) und Gr S;(c+h) gleichnahmig, 


streng allgemein, 


Grf, (c+h) und Gr, (c+h) 


358 Dırksen: über die Trennung der Wurzeln 


ungleich-, oder gleichnahmig, je nachdem 9 ungerade, oder gerade ist, und 
zwar von g=0 bis oe=n—1 einschliefslich. 
Diesem nach hat man, wie leicht zu übersehen, 


Ic) ——, wenn n gerade, 
n—1 
, wenn n ungerade 
ist: folglich 
" Ne) = + N!’ (>c), wenn n gerade, 
= — + N? (>e), wenn n ungerade 
ist. 


Aus der Verbindung der Gleichungen (1) und (2) mit einander erhält 
man, weil, nach No. 3., 


LS r r 
alcÖ)=N<)—- Neo), 


Au z 2 — & .) ‚ wenn n gerade, 
(Sy. N 
= 1-4 ® .) ‚ wenn n ungerade 
ist. 
Nimmt man noch ausdrücklich an, dafs die Zeichen-Reihen ZU (<c) 
und ZU (> c) durchgängig einerlei seien; so hat man 


U H 
er) er 
N 
folglich 
DV ak 
(h) AU(Q.) >= 9, wenn n gerade, 
d EL NEL PET IE ID ET LT N) 
= 1, wenn n ungerade 

ist. 


12. Angenommen ferner, dafs, für «= c, die n Glieder 


J: (X), IRA (x); Jir2 (a)... N (&) 
der Reihe RY (x), oder die sämmtlichen Glieder der Reihe RU*’-"(x), wo 
i>o und i+n—1<<r, zugleich Null werden, indefs die Glieder f;_, (x) und 
J:+. (%), beziehungsweise von @<c bis &>c, keine Zeichen- Änderung 
erleiden: so hat man, den Voraussetzungen zufolge, 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 399 


(D) Gr Fi, (c—h) und & Fir. (eh) ungleichnahmig, 
Gr f.,. (c+h) und Gr JFir:x. (c+h) ungleichnahmig, 


und zwar vong=—ıbise=n—2; wie auch, weil f;_,(x) und f;,,(&), 
der in Rede stehenden Annahme nach, von @<c bis x>c, keine Zeichen- 
Anderung erleiden, 


(©) | Gr f_,(c— Rh) und Ge f;_, (c-+h) gleichnahmig, 


Gr f;,.(ce—h) und Gr Ff:.. (e+h) gleichnahmig. 


Zwei Hauptfälle sind hier von einander zu unterscheiden: der, wo n gerade, 
und der, wo n ungerade ist. 


I. Ist n gerade und sind alsdann 
a) Grf,_,(e—h) und Gr f.(c—h) gleichnahmig; 
so hat man, vermöge der Bedingungen (P), wie leicht zu übersehen, 
Nr), 
und, vermöge der Bedingungen (P) und (0), 
er —. 
Sind aber, für n gerade, 
£ß) Gr f-‚(c—h) und Grf, (c— h) ungleichnahmig; 
so ist, vermöge der Bedingungen (P), 
NO®<)=— +1 
und, vermöge der Bedingungen (P) und (Q), 
A ee, — +1. 
I. Ist z ungerade, und sind alsdann 
«) Gr F:-‚(c—h) und [en f.(c—h) gleichnahmig;; 
so ist, vermöge der Bedingungen (P), 


in 1 
Nr) = HH, 


360 Dirzsen: über die Trennung der Wurzeln 
und, vermöge der Bedingungen (P) und (Q), 


IE c) ar n-+1 ) 


i—1 2 


Sind aber, für n ungerade, 
£R) &s J;-‚(ce—h) und Gr Ye (c—h) ungleichnahmig; 


so ist, vermöge (P), 


N <=, 
und, vermöge (P) und (Q), 


IV > c) En in ß 


Da nun, nach No. 3., 


au (I) = Midi Nie) 


i—1 


ist: so hat man, für alle Fälle, 
5 = c 
(i+n) ec 
A) 
Endlich, da, nach Lehrs. 2., 
<ZIC <c ; IC. <c 
() zu G-1) G-+n) ev) 
A, =.) 3 A, S)+a: S)+ AN. S}) 
ist; so hat man, streng allgemein, 
n —Ia <c <c 
} 0) NEN) (0) 
(Dreier che, A, S.)=& —.) +AR. =): 


Nimmt man also noch an, dafs die Zeichen-Reihen Z5""(<c) und ZU" (>e), 
Z?_,(<e) und ZU, (>) beziehungsweise einerlei seien; so hat man 


in 
e-n( Se) _ a 
AU eo ar (2 6 


mithin, vermöge der Gleichung (5), 


Oo Bo 


13. Vorausgesetzt endlich, dafs, für e=c, von den Gliedern der 
Reihe R% (x) zugleich den besondern Werth Null annehmen die Glieder der 


Reihen 
REN (a). Bi ne Ur SEiwee 


ni atiyn’Hit 


einer numerischen G leichung mit Einer Unbekannten. 361 


indefs alle übrigen, wie auch f(x) insbesondere, von e<c bis z>ec, 
keine Zeichen-Anderung erleiden: so hat man, vermöge der Gleichung (4), 


Y 
a, °) 


0, wenn n gerade, 
= 1, wenn n ungerade: 


und, vermöge der Gleichung (6), 


ne —_ 
A; > 3 er 0, 


(nis SEN __ 
= &) 9% 


ni 


a+itn/ 


au (= 
IC 2 

Aa 

usw. 

Verbindet man hiermit Lehrs. 2., so kommt 
(Meeres e.n. Al = 0, wenn n gerade, 
= ı, wenn n ungerade 

ist. 

Durch eine wiederholte Anwendung der Ergebnisse (4), (6) und (7), 
in Verbindung mit der Erwägung, dafs die Werthe einer continuirlichen 
Function nur in so fern eine Zeichen- Änderung erleiden können, als diese 
zugleich den besondern Werth Null erlangt, gewinnt man, mit Leichtigkeit, 

Lehrsatz 10. Es bezeichnen A und B, von denen B> A, irgend 
zwei reelle besondere Werthe der ursprünglichen Veränderlichen x, und r 
irgend eine angebbare ganze Zahl; ferner bezeichne 


Ka) fo) La) Ba) Lad) Fra °F): 
oder R%) (x), eine Reihe von (r+1), den folgenden Bedingungen entsprechen- 
den Functionen von x: 

a) dafs ihre verschiedenen Glieder insgesammt eontinuirlich bleiben für 
alle reellen besondern Werthe von x, vnxa=Abis a=B; 
£) dafs, wenn c,,, irgend einen, zwischen 4 und B enthaltenen, beson- 
dern Werth von x bezeichnet, für welchen man hat 
Bar @)=0, 
Mathemat. Abhandl. 1835. Zz 


362 Dinksen: über die Trennung der Wurzeln 


En 


alsdann, von g=0 bis g=r-—1, h als eine positiv-bleibende Veränderliche 
betrachtet, 


Grf, (C,,,— Ah) und eo (e,,,— A) ungleichnahmig, 
Gef, (e,,,+h) und Grfa (e,,,+ h) ungleichnahmig; 


wie auch, wenn c, irgend einen, zwischen A und B enthaltenen, besondern 
Werth von x darstellt, für welchen man hat 


JR (2) = 0, 


alsdann 

4=0 3=0 

Grf,(e,— h) und Gr/f, (c,— h) ungleichnahmig, 
dagegen 

1=0 »=0 

Grf,(e,+h) und Gr/f, (c,-+ h) gleichnahmig 
seien; 


y) dafs die besondern Werthe des Endgliedes /, (x), von —=4 bis 
x=B, keine Zeichen- Änderung erleiden. 

Dies vorausgesetzt, hat man, indem man sich der Veränderlichen x, 
nach und nach, alle reellen, zwischen 4 und B enthaltenen, besondern 
Werthe beigelegt denkt, 

1) in so fern a und 5, von denen 5>a, zwei zwischen 4 und B ent- 
haltene, besondere Werthe von x bezeichnen, für welche kein Glied 
der Reihe A (x) den Werth Null annimmt, 

AUG) velio, 
vel einer positiven ganzen Gröfse; 

2) so oft für einen, zwischen A und B enthaltenen, besondern Werth 
e von x, Eins, oder mehrere von den Gliedern der Reihe AP, aus- 
schliefslich des anfänglichen f, (x), in Null übergehen, 


B HE. 
A Z. ;) —.08 
3) so oft für einen, zwischen A und B enthaltenen, besondern Werth 


e von @, das Anfangsglied f, (x) nebst den r unmittelbar folgenden 
Gliedern der Reihe R% (x) den Werth Null erlangt, 


AU (2 ‘) — 1, wenn n, mit Einschlufs der Null, gerade, 


= 0, wenn n ungerade 
ist. 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 363 


Zusatz 1. Da, so oft, von «= A bis —=B, die Function f, (x), für 
einen besondern Werth ce von x, den Werth Null annimmt, A (S &) = velo, 
vel ı ist, und diese Zahl nur in so fern von Null verschieden sein kann, als 
JS; (x), für e=c, in Null übergeht: so folgt, dafs die Anzahl der verschie- 
denen, zwischen A und B enthaltenen, besondern Werthe von x, für welche 
die Gleichung /, (x) = 0 stattfindet, wohl gröfser, aber nicht kleiner, als 
A) (z) sein kann. 

Zusatz 2. Da die Gleichung A) ©) = ı nur in allen denjenigen 
Fällen stattfindet, wo, für = c, nur eine gerade Anzahl der Anfangsglieder 
von A (a) neben f, (x) Null wird: so hat man, in so fern c,, C,, Cz, &,***«c, 
eine Anzahl x, zunehmend geordneter, zwischen A und B enthaltener, beson- 
derer Werthe von & bezeichnen, welche der Gleichung 


J9)=V 
Genüge leisten, und angenommen wird, dafs es aufser diesen keine andere, 
zwischen A und B enthaltene, besondere Werthe von x gebe, für welche 
eben jene Gleichung stattfinde, — wie auch, dafs, für eben diese besondern 
Werthe von x, niemals eine ungerade Anzahl der unmittelbar auf einander 
folgenden Anfangsglieder der Reihe A‘) (x) Null werde 


A 
(6) u 
A, & x) a7 0% 0, 


Ic 
(4) 
Ar oo. 


TH 
(5) 1 —H 
A, > u) =0, 


Sc 
[@) 2 er 
A, Sn) vrz 


An <cz 
SE)=% 


m 


p) 


Zz2 


364 Dirxsen: über die Trennung der Wurzeln 


folglich, indem man hiermit Lehrs. 2. verbindet, 
A, (5) —=M 
Und umgekehrt, wird für keinen, zwischen A und B enthaltenen, besondern 
Werth von x, eine ungerade Anzahl der unmittelbar auf einander folgenden 
Anfangsglieder der Reihe A‘) (x), zugleich mit /, (x), Null, und hat man 
AG)=r: 
so giebt es stets gerade x von einander verschiedene, insgesammt zwischen 
A und B enthaltene, besondere Werthe von x, für welche beziehuugsweise 
die Gleichung 
In (x) =.0 
stattfindet. 

Zusatz 3. Da die Zahl A‘) (#) niemals >, die Anzahl aller Zeichen- 
stände, den Reihen RY(A) und R%(B) entsprechend, sein kann: so wird, 
unter den Voraussetzungen des vorigen Lehrsatzes, in Verbindung mit der 
ausdrücklichen Annahme, dafs für keinen, zwischen A und B enthaltenen, 
besondern Werth von x, eine ungerade Anzahl der unmittelbar auf einander 
folgenden Anfangsglieder der Reihe A” (x) mit f, (x) den Werth Null anneh- 


men, die Anzahl der verschiedenen, zwischen A und B enthaltenen, beson- 
dern Werthe von x, für welche die Gleichung 


MEIKE 
stattfindet, niemals gröfser, als 7 sein kann. 

Zusatz 4. Da keine ungerade Anzahl von den unmittelbar auf ein- 
ander folgenden Anfangsgliedern der Reihe AR‘ (x), zugleich mit f, (x), Null 
werden kann, wofern nicht /,(&) und f, (x) zugleich Null werden; so wer- 
den die Ergebnisse der beiden vorigen Zusätze, unter andern, ihre Richtig- 
keit haben, wofern nur, für keinen, zwischen A und B enthaltenen, beson- 
dern Werth von x, f, (x) und f; (x) zugleich den Werth Null annehmen. 

Zusatz 5. Findet die Erfüllung der oben ausgesprochenen Bedin- 
gungen für alle denkbaren, reellen besondern Werthe von x statt; so gelten 
auch die vorigen Ergebnisse von = — x bis +. 

Anmerk. Es ist der 10“ Lehrsatz, welcher als der, der Sturmschen 
Trennungs Methode zu Grunde Ban Haupt-Lehrsatz betrach- 
tet wer ie kann. 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 365 


Artikelll. 


Nähere Betrachtung der Voraussetzungen der vorigen 


Lehrsätze. 


14. Wenden wir uns jetzt zu einer nähern Betrachtung der, den bei- 
den vorigen Lehrsätzen und deren Zusätzen zu Grunde liegenden Voraus- 
setzungen, und zwar zunächst zu denen des 9” Satzes. 

Dafs nicht zu jeder continuirlichen Function f,(x) eine Reihe von 
Functionen AR (x), den Voraussetzungen des 9‘ Lehrsatzes, von = — © 
bis 2=+%x, entsprechend, möglich ist, leuchtet ein, sobald man erwägt, 
dafs, nach Zus. 2. eben dieses Satzes, die Erfüllung dieser Bedingung nur in 
so fern stattfinden kann, als f, (x), vn =e=— x bis =+%, für nicht 
mehr, als 7 von einander verschiedene besondere Werthe von x den beson- 
dern Werth Null annimmt: — eine Einschränkung, die dem Begriffe einer 
continuirlichen Function vollkommen fremd ist. 

Die in Rede stehenden Voraussetzungen selbst sind die folgenden: 

a) dafs, von e=Abis «=D, die verschiedenen Glieder der Reihe 
R? (x) insgesammt continuirliche Functionen seien (unter welchem 
Begriff bekanntlich auch jede Constante als enthalten angesehen wer- 
den kann); 

ß) dafs, für jeden, zwischen A und B enthaltenen, besondern Werth 
c, von x, für welchen man hat 


9 
Grf.(c,— h) und Gr f,,,(e,— A) ungleichnahmig, 
Grf;(c,+h) und Grf, (ce, + 7) gleichnahmig 
seien, und zwar vongo=0 bis o=r—1; 


y) dafs die besondern Werthe des Endgliedes f(x) der Reihe RAY (x), 


von 2—=Abis = DB, keine Zeichen- Änderung erleiden. 
Bezeichnen F, (x) und V, (x) zwei, vn =Abis xe—=B, continuir- 
liche Functionen von a; so ist bekanntlich auch W, (x) » F, (x) eine, inner- 


366 Dirxzsen: über die Trennung der Wurzeln 


halb eben dieses Intervalls, continuirliche Function von x, und daher, in so 
fern %k nur zwischen A und B enthalten, 


==Kk El: 2=k. 
GY,@)- Fo) = rl, @)-ÜrF,@); 
also N 
GrY,(&)-F,(&) und GrF,(&) 
gleich- oder ungleichnahmig, je nachdem 
Gy, (x) positiv, oder negativ ist. 


Aus denselben Gründen sind, F,,,(x) und W,,,(x) durch analoge Bedin- 
gungen als näher bestimmt vorausgesetzt, 


Grub, (x) « F,,,(x) und GrF,,, (x) 
gleich- oder ungleichnahmig, je nachdem 
Gr Y,,, (x) positiv, oder negativ ist. 
Sind demnach V, (x) und W,,,(&), von xa=4A bis x=B, einander durch- 
gängig gleichnahmig; so werden 
Gr, (x) » F,(x) und Grv,.,(@) .P.,.(&) 


gleich- oder ungleichnahmig sein, je nachdem solches mit 


e+1 


GEF, (x) und Gr F +1(&) 
der Fall ist. Daher werden, wenn F', (x) und F,,, (x) beziehungsweise den 
für /,(&) und f,,, (x) unter («) und (£) enthaltenen Bedingungen genügen, 
und Y, (a), Y,,,(&), vnx=4bis =B, continuirlich und einander 
gleichnahmig sind, auch 
V, (x) z Fr (&) und Wr (&) 7 For (x) 
eben jenen Bedingungen entsprechen. 

Da nun endlich die besondern Werthe von W,(x) » F.(x) keine 
Zeichen-Anderung erleiden, wenn solches nicht mit denen von W, (x) oder 
F_(&) der Fall ist: so erlangt man, durch eine wiederholte Anwendung die- 
ses Ergebnisses, 

Lehrsatz 11. Sind, von x=_A bis e=B, die Functionen 


1, a, (x), Y, (x); Y, (&); L, (&),...* Y, (&) 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 367 
beziehungsweise continuirlich, und ihre besondern Werthe einander gleich- 
nahmig: so wird, wenn die Reihe 

F,(@&), F,@) F.@) 3(@)°---F,(&) 
die Bedingungen («), (®) und (Y) des 9'= Lehrsatzes erfüllt, auch die Reihe 
EIN FBIU-FU@-E@rl.@)-E.l@) 
denselben Bedingungen entsprechen. 
15. Bekanntlich hat man, in so fern F(x) eine, vnx==Abis2=b, 
continuirliche Function von x bezeichnet, und 


adF(x) 
dx 


— F'(&) 


gesetzt wird, für jeden, zwischen A und B enthaltenen, besondern Werth 
k+£vonx, 
IIACEFERTI 


wo q zwischen o und ı enthalten ist. Nimmt man nun an, dafs, für =k, 
F(x) = 0 sei: so erlangt man 

F(k+5) = EF’(k+gD. 
Nimmt man noch ferner an, dafs auch F’(x) continuirlich sei von = A bis 
x=B; so hat man 


E=0 E=0 E=0 

GrFk+H)= Gr&-.GrF(k+gD: 
daher 

h=0 4ı=0 h=0 

Gr F(k—h) = — Gr h»-Gr F (k—gh), 

GrF(k+h)= + Grh.GrF(k+gh); 
folglich, da Gh= + (Vorauss.) ist, 

Gr F (k—h) und GrF (k—gh) ungleichnahmig, 


GEF (k+h) und GrF’ (k+gh) gleichnahmig. 
Dafemer 
Gr F(k—gqh) und Gr F’(k—h) gleichnahmig, 


GrF (k+gh) und Gr (k-+ h) gleichnahmig 


368 Dinksen: über die Trennung der Wurzeln 


sind: so hat man 
GrF (k—h) und Gr (k— h) ungleichnahmig, 
GrF (k+h) und Gr (k-+h) gleichnahmig. 


Da nun, wenn F’(x), vn <=4Abis =D, continuirlich ist, solches be- 
kanntlich auch mit F'(x) der Fall ist: so folgt, dafs, wenn 


F,(x , 
s r BT F,(&) 


continuirlich ist von==A bis «=D, alsdann F,(&) und F};(&) den, für 
f.(&) und f,,,(&), unter («) und (2) enthaltenen Bedingungen entsprechen 
werden. 


Da endlich, wenn Zu 
x 


—— 2(&), vnz=Abis = B, conti- 
_7"F@) continuirlich sein wird: so 


x’. 


nuirlich ist, auch, streng allgemein, 
erlangt man, durch eine wiederholte Anwendung des vorigen Ergebnisses 
Lehrsatz 12. Bleibt die Function 


22 = Fi) 
continuirlich von e=A bis «= B: so wird die Reihe 
F,(&), F(&), F,&), Fo, +... Fi) 
den Bedingungen («) und (®) des 9°= Lehrsatzes genügen. 


16. Bezeichnen f(x) und $(x) zwei, von = A,bis = B, conti- 
nuirliche Functionen von x, und setzt man 


SV = Fa); 
F&) = pa) fo) + fe) Pl): 


so hat man 
daher W Ü 
Gr F'(&) = Gr $o(a) f(&) + f(x) - 9}: 
Bezeichnet nun k einen solchen Werth von x, für welchen man hat 
F (X) = 0, 


z—=k 
und nimmt man an, dafs Gr #(x) nicht unendlich sei; so ist offenbar 


Ga). = 0; 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 369 

und daher 
Gr Ha) FI) fa) da)! = Gr dla). f (x) + Gr So) + (@). 
Zwei Hauptfälle sind nun denkbar: entweder wird v.n. Gro(a) :f)>0, 
oder =o. Im ersten Falle ist offenbar 
Gr F'(&) — Gr 6(&) «f(&). 

Der zweite Hauptfall enthält wiederum zwei Nebenfälle: entweder ist v.n. 
Gr P(x)>o0, oder =0. In dem ersten dieser beiden Nebenfälle ist wieder- 
um, weil, wegen Gr I@)—0, 


Fee /(®) 
ee 


=0 
ist, £ 
Gr F'(x) = Gr b(x) » f(x). 
Was den zweiten Nebenfall betrifft, so hat man alsdann 
Gr p(k—h) und Gr $ (k—) ungleichnahmig, 
Gr F%k—h) und Gr f &—h) ungleichnahmig: 
daher ü 
Gr p(k—h) f (k—h) und Gr f(k—h) 9 (k— h) gleichnahmig. 
Eben so erhält man 
Gr 6(k+h) f (k+h) und Gr f(k+h) 9'(k+h) gleichnahmig; 


und daher, wie leicht zu übersehen, 


Er [Pay fo) + fx) P'(&)] und Gr (©) f’(x) gleichnahmig. 
Demnach hat man, in allen Fällen, 


GrF' (x) und G d(x) f (x) gleichnahmig, 
und daher A B 
Gr F’(&) und Grf’(&) 
gleich- oder ungleichnahmig, je nachdem G &(x) positiv, oder negativ ist. 
Bezeichnet nun Y(x) eine andere, von xe=Abis e=B, continuir- 


liche Function von x; so sind, nach einem frühern Ergebnifs, 
Mathemat. Abhandl. 1835. Aaa 


370 Dinesen: über die Trennung der Wurzeln 
& (x) » F’(x) und & F'(&) 


gleich- oder ungleichnahmig, je nachdem Gr bla) positiv oder negativ ist. 

Dem vorigen Resultate nach werden also 

Gr Y(&) « F'(x) und Er 12(&) 

gleichnahmig sein, sobald nur Grıb(e) und Gr 6(&) gleichnahmig sind. 

Da nun, wenn f’(&), #(x) und Y(x&), vne=Abis&=B, conti- 
nuirlich sind, solches auch mit f(x), $ (x) und 

Ya)» Fl) = Ya) {P@) FR) HF) 9} 

der Fall sein wird: so folgt, dafs, wenn f’(x), ®',(®) und W,,, (x) drei, von 
x—= A bis e—=B, continuirliche Functionen von x bezeichnen, von denen, 


innerhalb eben dieses Intervalls, ®, (x) und W,,, (x) gleichnahmig sind, und 


2,0) -fo)=F,(&); 
I) =f@), 
er (x) >= Ver, (x) hr Ir (x) 
gesetzt wird, — alsdann die so näher bestimmten Functionen f,(x) und 
f...(x) den, unter («) und (®) enthaltenen Bedingungen entsprechen werden. 
Durch eine wiederholte Anwendung dieses Ergebnisses erlangt man 
Lehrsatz 13. Bleiben, von==4Abis x—=B, continuirlich 


der Differenzial- Quotient der 7" Ordnung von f, (x); 


« « « der ("—g)* Ordnung von $, (x), vone=0, 
bse=(r—1); 
« « « der (r—g—1)"" Ordnung von W,,, (x), von 


e=0 bis pe=(r—1); 
sind ferner $,(x) und W,,, (2), vn =A bis e=B, für einerlei Werth 
von g, gleichnahmig: so wird diejenige Reihe von Functionen, deren An- 
fangsglied f,(x) ist, und deren folgende Glieder, von e=0 bis pe =r—1, 
durch die Gleichung 


ee 


bestimmt werden, den, unter («) und (£) enthaltenen, Bedingungen des 9” 
Lehrsatzes genügen. 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 371 


Zusatz 1. Lassen sich demnach, f,(x) als gegeben vorausgesetzt, 
die Hülfs-Functionen $,(x) und W,,, (x) so wählen, dafs f,,, (x), nach der 
vorigen Gleichung aus f, (x) bestimmt, für irgend einen angebbaren Werth 
r von g+1, von der Beschaffenheit ausfalle, dafs ihre besonderen Werthe, 
von e=Abis @=B, keine Zeichen- Änderung erleiden; so wird die so 
entstehende Reihe von Functionen auch die Bedikstng (y) des 9" Lehr- 
satzes erfüllen. 

Zusatz 2. Nimmt man den allereinfachsten Fall an, nahmentlich 


9,@)=1, UZRRL 9) es 
wodurch offenbar den betreffenden Bedingungen des vorigen Lehrsatzes ent- 


sprochen wird: so entsteht die folgende Reihe von Functionen: 
4(e), afo() fl) Afola I an d? fo(x) a fo (x) 


dx dx? 2 dx’ dx? 2 dx 2 


welche also die Bedingungen («) und (®) des 9'= Lehrsatzes erfüllt, in so fern 
J; (x) den Bedingungen des 13“ Lehrsatzes entspricht: ein Resultat, welches 
mit dem 12° Lehrsatze vollkommen übereinstimmend ist. 

Ist nun f, (x) eine ganze Function vom Grade n; so ist bekanntlich 


a” fo(&) 


. =1.2:3.he.e.ne-C, 
dx 


(wo © irgend eine angebbare Constante bezeichnet) und daher eine, von 
x—=—ox "bis x = + % durchgängig, entweder positive oder negative Gröfse. 
In diesem besondern Fall von f, (x) wird also den Bedingungen («), (2) und 


(y) des 9" Lehrsatzes entsprochen werden durch die Reihe 
0 2 fol ad’ fo da’ fo (x 
Lo), dfo@)  _d’fo@) Bei } Fo (&) 


VEN FREENET STIEN DE, 


und zwar vn z=—wbi <= +-%. 


17. Durch Umkehrung des vorigen Lehrsatzes gelangt man, mit Leich- 
tigkeit, zu einer Methode, eine Reihe von ("+1) Functionen zu erzeugen, 
die den Bedingungen des 9:* Lehrsatzes vollständig entspreche. 

Sind nahmentlich F(x&), Y (x) und $(&) drei, vn=e=Abis=B, 


continuirliche Functionen von x, so wird solches auch mit 


P@ayfI@) Fa) dx 


NEIN 


372 Dirksen: über die Trennung der Wurzeln 


der Fall sein. Setzt man nun 
IE, (x) = fi @) . F(&) dx; 


F.@) =Y@)- F@): 
also F} (x) und F(x) gleich- oder ungleichnahmig, je nachdem Y(x) positiv, 
oder negativ ist. 
Ferner ist 


d-b(x)- F, (x) = d(&) F,(x) + $(x) » F} (x); 


dx 


so ist 


folglich, in so fern k einen Werth von x bezeichnet, für welchen 
H.(&) 0, 
und (x) continuirlich ist, 
==k d.b(a)-F,(x FT n 
Seen —/Grd(&).e 3, @): 
daher 


z=k 


Gr m und GrF N) 


gleich- oder ungleichnahmig, je nachdem Gr $(x) positiv, oder negativ ist. 
Aus der Verbindung dieses Ergebnisses mit dem vorigen folgt, dafs 


Gr An und ©: F(x) gleichnahmig 


sein werden, in so fern /(x) und $(x) gleichnahmig sind. 

Nimmt man nun noch endlich an, dafs #(&) nicht Null werde von 
z=Abise=B; so wird $(x)- F,(x) nur in so fern Null werden können, 
als #,(x) Null wird. Daher werden, wenn F(x), Y(x), $(&) drei, von 
x=4d bis e=B, continuirliche Functionen von x bezeichnen, von denen 
(x) und $(x) einander gleichnahmig sind, $(x) nicht Null wird, und 9 (x) 
ebenfalls continuirlich bleibt; ferner 


Fe) =F(e) und fe) = pa) IR) - Fo) dx 
gesetzt wird, — f,(x) und f,,.(x) die unter («) und (P) enthaltenen Bedin- 


gungen erfüllen, und zwar unabhängig von der reellen Constanten a. 
Durch eine wiederholte Anwendung dieses Ergebnisses erlangt man 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 373 


Lehrsatz 14. Bleibt F(x), von = A, bis e=B, continuirlich, 
und durchgängig, entweder positiv, oder negativ, — und setzt man 


Fa) = Fa) 
S-o =.) (So dx, 


I) = SENT) de, 
F-(@) =; N - (@) F-2(&) dx, 
I) =.) SI) dr 


. 


a:_4 


Sıle) = ROY (2), f;(&) dw; 


LO = UI) de 
LI) =) SUOFE) dx: 


so wird, — in so fern nur, von x<—=A,bis&=B, die Hülfs -Functionen 
9,(x) und W,,,(&), von e=0, bis e=r—1, continuirlich und, für einerlei 
Werth von 9, unter einander gleichnahmig sind, $,(x) nicht Null wird und 
a = 6d,(x) ebenfalls continuirlich bleibt, — die Reihe von Functionen 


J:(&)» Y: (x), f2(&); S(&); ee. f,(x) 


die Bedingungen («), (2), (y) des 9‘ Lehrsatzes erfüllen, und zwar unab- 
hängig von den, als vollständig bestimmt gedachten, Constanten 


Go; 4, Ay, Az, rer. li 
Zusatz 1. Setzt man, um einen einfachen Fall zu gewinnen, 
F&a)=C, Y, =, 9, =, 


wo C eine beliebige angebbare reelle Constante, «,,, und ,, von g= 0, bis 
e=r—1, beziehungsweise ganze, für einerlei Werth von p, zugleich gerade oder 


374 Dirxsen: über die Trennung der Wurzeln 


ungerade Zahlen bezeichnen; so werden die Bedingungen des vorigen Lehr- 
satzes erfüllt von &=—x, bis x=o excl., und von x=0 excl., bis 
x—=+%, und die Function f, (x) wird alsdann eine ganze Function. 


Zusatz 2. Setzt man 
F&)=C, Y,.,(@)=xH, 9, ()=.af, 


‚.ı und £, Brüche von ungeraden 
Nennern, welche, für einerlei Werth von g, zugleich gerade, oder ungerade 


wo C eine beliebige reelle Constante, « 


Zähler haben, bezeichnen; so werden die Bedingungen des vorigen Lehr- 
satzes, ebenfalls von x =— x, bis z=0o excl., und von x=0o excl., bis 
2 —=+%, erfüllt, und die Function f,(x) wird alsdann eine rationale 
Function. 


Zusatz 3. Setzt man 
en — ger+1® — uf? 
Fa)=C 4. @)=«a'r?, 9,.)= af, 
wo C, a,,,, ß, beziehungsweise irgend welche reelle, und a irgend eine 
positive, Constante bezeichnet; so werden die Bedingungen des vorigen 


Lehrsatzes erfüllt von = — x bis &—=+», und die Function f, (x) wird 
alsdann von der Form 


Ad’ +A"+AP+Ad "Herr + Aa”. 


18. Schreiten wir jetzt zu einer nähern Betrachtung der Voraussetzun- 
gen des 10‘ Lehrsatzes, welche in den folgenden bestehen: 
«) dafs die verschiedenen Glieder der Reihe AR) (x), von x= 4A, bis 
& = B, insgesammt continuirlich seien; 
£) dafs für jeden reellen, zwischen A und B enthaltenen, besondern 
Werth e,,, von x, für welchen man hat 


LS) 
Grf,(e,,—h) und Grf,,.(c,,,— A) ungleichnahmig, 
Grf. (C,,,+ h) und GL: (c,,,+ 7) ungleichnahmig; 


wie auch, in so fern c irgend einen, zwischen A und B enthaltenen, beson- 
dern Werth von x darstellt, für welchen man hat 


fe. (&) =o0, 


Qı 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 37 
Gr Fs(e—h) und Gr ‚fı(e—h) ungleichnahmig, 
Gr Ss(c+h) und Gr fı(ce+k) gleichnahmig 
seien; 
y) dafs die besondern Werthe der Endglieder f. (x) der Reihe RY (x), 


vonx=Abis e=B, keine Zeichen - Anderung erleiden. 


Da, wie bereits vorhin dargethan worden, wenn V, (x) und W,,, (x), 
vonx=Abis=B, continuirlich und einander gleichnahmig sind, 


Gr ,(&) %,(x) und GrY..(®) Kr (X) 


gleich- oder ungleichnahmig sind, je nachdem solches mit 
EN: z=k 
Grx,(x) und Grx,,,(x) 


der Fall ist; da ferner, wenn x, (x) keine Zeichen-Änderung erleidet, solches 
auch mit W, (x) x, (x) nicht der Fall sein wird, in so fern nicht W, (x) eine 
Zeichen- Änderung erfährt: so hat man 


Lehrsatz 15. Bleiben, von = A bis =D, die Functionen 
Ye), v(&), V,(&), Y, (X), an V (x) 


continuirlich, unter einander gleichnahmig und durchgängig entweder positiv 
oder negativ; so wird, wenn die Reihe 


F.(&), Fı(&) F;(&), F3(&), »* ++ F,(&) 
die Bedingungen des 10'* Lehrsatzes erfüllt, auch die Reihe 
YV(X)- Fol) Y(R)- Fu l@) Ver) Pelz) Wr) Fra), Va) Fl®) 


denselben Bedingungen entsprechen. 


19. Lehrsatz 16. Bleiben, von x= A bis x = B, die Functionen 


adF,(x) nr 
TEE ee &(&); 


dx 


7: (x), lan (x), es (x) 


insgesammt continuirlich, und $(x) und £(x) einander gleichnahmig; be- 
zeichnen 


NE +2) (x), Mn (x) s en (x) 


376 Dirksen: über die Trennung der Wurzeln 


drei andere Functionen von x, der Gleichung 

VER) F, (a) HYDE &) Furl) = 0 
genügend, und überdies so beschaffen, dafs, wenn c,,, irgend einen, zwischen 
A und B enthaltenen, besondern Werth von x bezeichnet, für welchen man 


hat 


EINEN 0, 
alsdann | 
u 


Veh (&)-» F,..(&)=®% 
= 
Tyer2 (a) « F,(x) einförmig und angebbar, 
T e+1 = Co44 
r WE*?(a) und Gr Wi) gleichnahmig 
seien (die sämmtlichen Grenzen mittelst einer zu- oder abnehmenden Reihe 
als bestimmt gedacht) ; und setzt man 
F,(&) = E(&) de» .. :F@) 
und, vonp=o bis go =r—2, 
Wa) Fr) =- VA F, A) Var. @): 
so wird die so näher bestimmte Reihe 
F,(&), F,(@), F;(&), F3(&), +++ F,(&) 
den Bedingungen («) und (8) des 10'* Lehrsatzes entsprechen. 
Beweis. Zunächst ist es, nach No. 16., einleuchtend, dafs, da, ver- 


möge der Voraussetzungen, 


ZI nn ; E(&), 


dx 


von@—=4Abis —=B continuirlich, und (x) und £(x) einander gleichnah- 
mig sind, — wie auch 


F, (x) = E(&) » d» = Fol). 


ist, F,(x) und F, (&) den in Rede stehenden Bedingungen genügen werden. 
Da ferner, den Voraussetzungen gemäfs, 


Er (x), a (x), Rs. (x) 
continuirlich sind von®—= A bis «=B; so entsprechen sie der Bedingung («). 


I 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 37 


Weiter: da, ebenfalls den Voraussetzungen zufolge, 
el) 2) R (&) Um Ver ı (&) F +1 (*) — (&) F e+2 (&) =o0 


ist: so hat man bekanntlich 


Gen er 2 6) 
Gr ..Gr [rE@) F,(&)+ Ver (&) F..(&)+ Vi (&) F..(@] = 0 
Da nun 
DZ 
Gr Wi*”(x) » F,(x) einförmig und angebbar 
ist (Vorauss.): so ist bekanntlich 


2=iChHi 
[ 


G WE @)F AH RF a) VE (&) Fer @)] 
x=Co41 T=Co4 
=Gr YPA)F,@)+Gr WEN) Fu) HV Fer @)]- 
Verbindet man diese Gleichung mit (T), so kommt 


+ 


MD Gr rar, + WJFudHUOF. = 


?+2 
daher 
en (+2) fee 
Gr WE (a) F,,., (a) VER (&)» F,,. (x) einförmig und angebbar. 
Da ferner, der Voraussetzung gemäfs, 


VE (2+2) 
Gr er (2) » Pr (@)=0 
ist: so ist offenbar 


DziChr 
Gr WE (&) » F,,, (x) einförmig und angebbar: 
folglich 
Fran (2-+2) a NR 
Gr RO (69) s Bu, (x) +-VY je (x) s VRR (x)] —1Gr +2 (x) a8 (x). 


Verbindet man diese Gleichung mit (IT), so kommt 


= Cor 2 =Co+1 

Gr WE” (a). F,(&)=—Gr la) a lchrele): 
Da nun 

Z=icHH4 2=CoH $ 3 

Gr Y*”(&) und Gr YiH?(x) gleichnahmig 


Mathemat. Abhandl. 1835. Bbb 


378 Dirxsen: über die Trennung der Wurzeln 


sind (Vorauss.); so werden 


2 chi 2=cC; 


N 
Z a h 
Gr.) und, Ge "F 3,2 (©) ungleichnahmig 


sein, es sei, dafs die gegen c,,, convergirende unendliche Reihe zu- oder 


+1 
naraengag fortschreite. Demnach werden die Functionen F', (x), F,,, (&), 
F,,.(x) neben der Bedingung («) auch die Bedingung (£) erfüllen. 


In Verbindung mit ee Anfangs Erwiesenen folgt hieraus, dafs die, 
durch den Lehrsatz näher bestimmte Reihe 


F, @9); F, (2); IE: (&), F, (&); .vo.eo F. (x) 
den Bedingungen («) und (@) des 10'* Lehrsatzes genügen wird. 


Zusatz 1. Da = Bedingungen für p(x) und £(x) darin bestehen, 
dafs, vn==Abis&=B,o(x) Yin & (x) einander gleichnahmig, wie auch 
ao und &(&) Cortinnirhich seien; so werden dieselben, unter andern, 
erfüllt, wenn man setzt 

(x) — 0 £(&) — D, 
wo C und D irgend welche reelle, einander gleichnahmige Constanten be- 
zeichnen, und man hat alsdann 


Fo)=E, (A) RL 


dx 2 


wo E eine beliebige positive Constante repräsentirt. 


Zusatz 2. Da die Bedingung für Y” (x) darin besteht, dafs, wenn 


R...(e,,,)—0,st, alsdann 


= Car 
Gr, VER) 0 


+1 


sei; so wird dieselbe, unter andern, erfüllt, wenn YY} (x), von e=A bis 


x—=DB, continuirlich ist. 


Zusatz 3. Da die Bedingungen für 
N (2), 1 en (2); 7a e (x) 


darin bestehen, dafs, von x = u bis e=B, F,(x) continuirlich, und, in so 
{c == 
fern, Zu (eH) 10,31; "yerna). F,(x) einförmig und angebbar, 
T=C; =Co 


wie auch Gr Aber (2) und Gr "Va (a) einander gleichnahmig seien: 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 379 


so werden diese, unter andern, erfüllt, wenn, von a=4Abis =D, jene 
+” (x) und Vi’ (&) einander 


} 


Funetionen beziehungsweise continuirlich, \// 
2 I, Kie ) 

gleichnahmig, wie auch v.n. W/*”(c,,,) und v.n. F,(c,,,) beziehungsweise 

gröfser, als Null sind (7',,, ae = 0 vorausgesetzt). 

(2) und F,,,(x) darin be- 

stehen, dafs diese Functionen, vonx=Abis @e=B, continuirlich seien, 


und dafs 
vr) Fe) E- ED FIIR) Fin @)] 
sei; so wird, unter den vorhin, in Bezug auf 
12% (@), DEN), N ) 2), (a), 


bezeichneten Voraussetzungen, diesen Bedingungen entsprochen, wenn, von 
xz=4A bis =B, aufser der Function F,,, (x), auch die Function 


Zusatz 4. Da die Bedingungen für F 


(?-+2) (?+2) 
vn ’Y (x) » F;(a v) + Ver (x) 2 Bert (x) 
(+2 IE 
Yer2 (®) 
continuirlich ist: unter dem besondern Werthe dieses Quotienten in dem 


Falle, wo der Divisor Null wird, den entsprechenden Grenzwerth verstanden. 


Zusatz 5. Daher werden die Bedingungen für 


F,(&), F,..@&), Fr) 
ve (x), a en ( x), ! Ve ( x), 
unter andern, erfüllt, wenn, vn =Abisx=B, 


1a, (2), ee: (®), en (X), 
HEN (ac), Va ‘ en &) 
continuirlich, Y*”(&), W’(x) einander gleichnahmig, und, in so fern 


Dee) —0 st, von. Fo,» urdv.n.d (es )nbeziehundsweise 
angebbar sind, — Km wenn 


EN ORE OF. ZH EE FENG) 
Were (@) 
möglich und bestimmt, und 
Fe er re 
+: + 
ist Yarı ) 
Bbb 2 


380 Dirxsen: über die Trennung der Wurzeln 


30. Lehrsatz 17. Bleiben, von e=4A bis e=B, und von g=o 
bise=r—2, die Functionen 


Ra, 2 2 


dx J 
EN (x), en 2), a x) 
continuirlich ; ist 
Hay 


dx 


wo E eine beliebige positive Constante bezeichnet, 


dere] (e+2) 

F.@%)=-—Gr SL ENOLLHOE N Dee 
IPOS +2) 

e+2 (®) 


vong=0bisge=r—2, und 


zer 2 
& Ver? a) . Be (x) Er VE (x) . Be (x) 


lÜ — 
(?+2) 
+2 (%) 
möglich und bestimmt; ist ferner, wenn F',,,(e,,,) = ist, v.n. V*”(e,,,)>0, 
und, wenn F,(c,)=0 ist, v.n. F,(c,)>o; sind endlich die Functionen 
Vi” (a) und Y’(&) einander gleichnahmig: so wird die so näher be- 
stimmte Reihe 


F,(@), Vu (2), 2,(&)» N (X), Pa) 
die Bedingungen («) und (2) des 10'= Lehrsatzes erfüllen. 


Beweis. Da, den Voraussetzungen zufolge, vne=Abis =b, 
und von go=o bis g=r—2, 


Dr), UP, Wa) 


continuirlich und Y*”(x) und VW?’ (x) einander gleichnahmig sind, wie 
a) ist, vn. Ver” lR)> 0 ist: so folgt, nach dem 
5° Zusatze des 16“ Lehrs., dafs alle, für eben diese Functionen stattfinden- 


den, Bedingungen erfüllt werden. 


auch, wenn F,,,(c 


Da ferner, ebenfalls den Voraussetzungen nach, F,(x) und 
continuirlich bleiben, 7, (x) = E on. ist, wo E eine beliebige positive 
Constante bezeichnet, und wenn F,(e,)=0 ist, v.n. F,(c,)>0 ist: so 
folgt, dafs auch F, (x) und F, (x) die sie betreffenden Bedingungen erfüllen 
(Lehrs. 16., Zus. 1. und 5.). 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 381 


Da endlich die verschiedenen Glieder der Reihe 
I, (®), En (X), {dr (x), te 2 (&), 
streng allgemein, näher bestimmt werden durch die Gleichung 


ee emereyn x an 
au A Bra (&)- Fl) + Yrrı (&) Fer @) 

F..@)=—-Gıi — a 

+2 (&) 


und da 
Ban (2+2) - (2+2) 
Gr 2 (x) St H (x) Ar yo (x) - er (x) 
+2) R 
Wer2 (8) 


möglich und bestimmt ist (Vorauss.): so werden auch diese, dem 5” Zusatz 
des 16'” Lehrsatzes zufolge, die sie betreffenden Bedingungen erfüllen, wo- 
fern nur, vnog=obisgo=r—2, F,,,(x) continuirlich bleibt, und 
v.n.F,(c,,,)> 0 ist, wenn man hat F,,,(c,,,)=0. Dafs nun dies der Fall 
ist, läfst sich folgendermafsen zeigen. 


Da, den Voraussetzungen nach, von o=o bis g=r—2, 


+1 


zz ee) RR +2), 2 
cz ae (x) «F,(&) Ver (2) * F:+1(&) 
PP .4.(&) = — Gı De Kar san Sera 7 


Yorz (&) 
und 
RER RE On ER EE FFRRO) 
Vi @) 

möglich und bestimmt ist; da ferner die Functionen 

Men): Ve); ar x) 
continuirlich sind: so wird bekanntlich auch 7,,,(x) continuirlich sein, in 
so fern F',(x) und F,,, (x) continuirlich sind. Nun sind 7°, (x) und F, (x) 
continuirlich (Vorauss. und Erwies.): mithin ist auch 7°, (x) continuirlich. 
Da also F,(x) und F,(x) continuirlich sind (Erwies.); so ist auch 7°, (x) 
continuirlich, u. s. w. 

Herner, da,.wenn P,%, (ec...) 0 1st, vun. WE (e,,,)> 0 ist (Vor- 
auss.); so wird v.n. P',,,(c,,,)> 0 sein, wenn F',,, (c;,,) = ist, wofern 
nur zugleich ‚v.n.. 7’, (c,,,) > ist. Nun ist, wenn F,(c,) = 0 ist, 
v.n. F,(c,)>0 (Vorauss.): daher v.n. F',(c,)> 0, wenn F,(c,)=0: mithin ist 
v.n. F,(c,)>0, wenn F,(c,)=oist. Aus ähnlichen Gründen erlangt man 

Y.m, 2,,(c5)>50, wenn! A, (e,) =, 
Y.D.2#,(c,) > 0, wenn’ A}:(e,)—io, AuLisuw. 


382 Dirksen: über die Trennung der Wurzeln 


Zusatz 1. Da die Bedingung für die Constante E darin besteht, dafs 
diese eine positive Gröfse sei; so wird dieselbe, unter andern, erfüllt, wenn 
man E = ı setzt, wodurch entsteht 

dF,(&) 
F\, (x) = TEA 

Zusatz 2. Da die Bedingung für W+?’(x) darin besteht, dafs diese 
Funetion continuirlich sei; so wird derselben, vn e=— x bs 2=+%, 
durch jede ganze Function entsprochen. 

Zusatz 3. Da die Bedingungen für W*” (x) und YY#?’(x) darin 
bestehen, dafs diese continuirlich und einander gleichnahmig seien, dafs 


es (2-+2) (2+2) 
Gr 2 (x) O F; (x) Ir Noch (x) S Foyrı (x) 
(2+2) 
Were (&) 
möglich und bestimmt, und dafs v.n. W}*”(e,, ,)> 0 sei, wenn F,,,(c,,,)=0 
ist: so wird denselben, von =— x bis 2=-++-%, entsprochen, indem 
man setzt 
(2+2) — (2+2) VEEEEI IND (+2) „2Mor2 
vr)”, VE) Ce, 
wo C*” und C#7’ irgend welche zwei einander gleichnahmige, und m,,, 
irgend eine positive ganze Constante, der Null einschliefslich, und dahin 
näher bestimmt gedacht, dafs 
x (2+2) (8+2) 
Gr & F,@&)+ Yon (+ Fer @) 


(+2) am 
C;42 x "+2 


möglich und bestimmt sei, bezeichnen. 
Verbindet man diese Zusätze mit dem unmittelbar vorhergehenden 
Lehrsatze selbst, so erlangt man 


Lehrsatz 18. Bleiben, von = — x bis = -+ x, die Functionen 


aF,(x) 


E 


eontinuirlich, und ist v.n. F,(c,)>o, wenn F/(e,) = ist; bezeichnen, 
von g=0 bis g=r—2, Vi} (x) eine beliebige ganze Function von x, 
C*” und C%}? zwei beliebige, einander gleichnahmige, von x unabhängige, 
Functionen von g, E eine beliebige positive Constante, m,,, eine, von & 
unabhängige, nur positive und ganze Werthe, der Null einschliefslich, ge- 


stattende, Function von g; setzt man 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 383 


aAF,(&) 
dx 2 


al) — 


und, vong=o bis p=r—2, 


ser HD le KEN ER. 
F,.(&) = - Gr — IF Yes @) er) 


ER Be m2+2 


und denkt man sich m,,, dahin näher bestimmt, dafs, von x = —x bis 


+2 
x=-+0%, 

ae  e+2) (e+2) 

Gr c F,(&) + Nor @) Fer @) 


(2+2) emer2 


möglich und bestimmt sei: so wird die so näher bestimmte Reihe 
F,@), F,@), F,(&), #;,(&), +++ F,(&) 
den Bedingungen («) und (©) des 10'* Lehrsatzes entsprechen, und zwar von 
x = — 00,bis & =... 
Bekanntlich werden 7, (x) und ee), vn=a=—obise=-+o, 
eontinuirlich sein, wenn 7, (x) eine ganze Function von x bildet. Verbindet 


man diese Bemerkung mit dem vorigen Lehrsatze, so entsteht 


Lehrsatz 19. Bezeichnet 7, (x), wie auch W/+’(x), von g= 0 bis 


e+1 
e=r—2, eine ganze Function von x, und ist, wenn F', (e,)=0 ist, v.n. 
F,(c,)>0; bezeichnen C*” und C'’ zwei beliebige, einander gleich- 


nahmige und von x unabhängige, Functionen von 9, E eine beliebige positive 


Constante, und m eine, von » unabhängige, nur positiver und ganzer 


+2 
Werthe, der Null einschliefslich, fähige, Function von 9; setzt man 
R dF,(&) 
Fa)=E, 
und, von g=0 bis g=r—2, 
PER ET RO EE FE) 
20 110) = —Gr - { ct? Tate z 9 
2+2 
und denkt man sich m,,, dahin näher bestimmt, dafs, von e=—x bis 


x—=4-X, 
z—: (2+2) (2-+2) 
ET ROHUH OrFenı@) 
r ct? amo+2 
HIER 


möglich und bestimmt sei: so wird die so bestimmte Reihe von Funetionen 
F,(&), F,(@), F,(&), F; (&), +++" F,(a) 


384 Dirksen: über die Trennung der Wurzeln 


den Bedingungen («) und (2) des 10'= Lehrsatzes, und zwar von 2=— x 
bis = + ©, entsprechen. 

Zusatz. Es ist leicht zu übersehen, dafs die Bedingungen für E, 
c’*” und CY}’, unter andern, erfüllt werden, wenn man setzt 


?+2 
Ez 4, een us CH? zı. 


+2 


21. Aus der Verbindung des 10° Lehrsatzes mit einem jeden der vier 
unmittelbar vorhergehenden folgt, dafs, — die Function 7, (x) als gegeben 
und die sie betreffende Bedingung als erfüllend vorausgesetzt — in allen den- 
jenigen Fällen, wo sich die Hülfs- Functionen 


w(), a) re (&)> 
von g—=0 bis 9=r—2, nebst $(x) und £(x), oder die für dieselben gemach- 
ten nähern Bestimmungen, so wählen lassen, dafs sie nicht blofs den sie be- 
treffenden Bedingungen genügen, sondern auch zugleich zu einem Gliede 
F_.(&) führen, deren besondere Werthe, vn a =Abis =D, keine 
Zeichen - Änderung erleiden, stets eine Reihe 


LER (&); I, (&); 2 (&), 2; (&); selela 27 (x) 


gewonnen werden kann, die den Bedingungen («), (R), (y) des 10'= Lehr- 
satzes entspreche. 

Für den besondern Fall des 19'* Lehrsatzes nun, wo F,(x) und 
Yr> (a) ganze Functionen von x darstellen, ist dies mit keiner Schwierig- 
keit verbunden; indem alsdann nahmentlich Y+” (x) und m,,, sich stets 
so wählen lassen, dafs, streng allgemein, 7°,,, (x) ebenfalls eine ganze Func- 
;..1 (X), werde, wodurch endlich 
offenbar ein Glied F_ (a) vom Grade Null entstehen mufs, dessen algebrai- 
sches Zeichen daher, von <= — x bis = -+-%, unveränderlich, und 
dessen Index z die, den Grad von F, (x) bestimmende, Zahl nicht überstei- 
gen wird. 

Die beiden folgenden Aufgaben dienen zur Vermittelung dieser Be- 
stimmung. 


Aufgabe 1. Es bezeichnen F',(&), F,,. (x) und W#?’(&) bezie- 


tion, und von einem niedrigern Grade, als # 


+1 
hungsweise ganze Functionen von x, von denen die beiden ersten gegeben, 


die dritte dagegen beliebig, wie auch die zweite von einem niedrigern Grade, 
als die erste ist; ferner ist 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 385 


en (?+2) (2+2) 
ke, F,(x) + \ F, 
(x) = — Gr a ER Kr 
Fr 


0.27% 


(1) ee ec.hr 


e+2 mg +2 


wo Ci*”, CH und m,,, beziehungsweise in der, in dem 19'* Lehrsatze 
bezeichneten, Bedeutung zu nehmen sind: man wünscht die Formen W+? (x) 
und n,,, dahin näher zu bestimmen, dafs die, durch die Gleichung (1) ge- 
gebene Function 7,,,(x) ebenfalls ganz und von einem niedrigern Grade, 


als 7°,,, (x), werde. 
(ae In (a 3) 
Auflösung. Man entwickele den Quotienten ae nach fal- 
lenden Potenzen von x, und zwar bis zum Grade Null einschliefslich, und 
bezeichne diese entwickelte Form mit A,,,. Darauf setze man 


&+2 


(2) oo. 020000. EN (k) = —A 


?-+29 


(3) rer Mm, 


Dies vorausgesetzt, wird die, durch die Gleichungen (1), (2) und (3) be- 
stimmte Function 7’,,,(x) den Forderungen der Aufgabe entsprechen. 
Beweis. Zunächst ist es klar, dafs, in Folge der Gleichungen (1), 
(2), (3), sein wird 
DI R.E,, 
(4) .eo.o0.. F,(&) = — Gr pl. 


g+2 


Ferner ist es einleuchtend, dafs, da 7°,(x) und 7',,, (x) ganze Functionen 
sind, und diese von einem niedrigern Grade, als jene, ist (Vorauss.), die 
Function A,,, stets ganz, und 


(5) ...e0oe.. Ol 2) ER Ta (x) —= ne 


folglich 
R 
AAN 2+2 
F..@)=— ”e+2) » 
C e+2 2 
wo en eine ganze Function von x, von einem niedrigern Grade, als 7,, ,(x) 
2-+2 


sein wird. 


Aufgabe 2. Es bezeichnen F,(x), F,,, (2), WE} (&) beziehungs- 
weise ganze Functionen von x, von denen die beiden ersten gegeben, die 
dritte dagegen beliebig, wie auch die zweite von einem niedrigern Grade, als 

3) 5 ö > 


F, (x) 
For (x) 
Mathemat. Abhandl. 1835. Cce 


==/0 
die erste, und Gr nicht © ist; ferner ist 


386 Dırksen: über die Trennung der Wurzeln 


en cr? 1.(2+2) 
FE Piel ee 
(1). +++ F..s(@)= — Gr m er ee Een 2 Te 
Core x 


es ‚x. beziehungsweise in der, in dem 19'* Lehrsatze 


festgestellten, Bedeutung zu nehmen sind: man wünscht Vf’ (x) und m,, 


wo CU*”, CH und m 


dergestalt näher zu bestimmen, dafs die, durch die Gleichung (1) eeachene 
Function F,,,(x) ebenfalls ganz, und von einem niedhisenn Grade, als 
#,.,(&), werde. 

Erste Auflösung. Da die Voraussetzungen, welche der vorigen 
Aufgabe zu Grunde liegen, auch in dieser vorhanden sind; so wird offenbar 
die vorhin bezeichnete Methode auch hier anwendbar sein. 

Da aber die in Rede stehende Aufgabe eine Bedingung mehr, als die 
vorhergehende, enthält; so gestattet sie noch eine 

Zweite Auflösung. Es bezeichne n den Grad von F\, (x), n—p 
den Grad von F,,, (x) und u eine solche ganze positive Gröfse, dafs 


n—p+2u>n 
„2+2) 
GC, F,(x&) 
No x 
steigenden Potenzen von x, bis zum Grade 2 u—1 einschliefslich, und bezeichne 


sei. Dies vorausgesetzt, entwickele man den Quotienten nach 


diese Form mit A,,,. Darauf setze man 


(2) .. ee ee... Wr (&) 


(3) ernennnn. m 


I 
| 
b 


+3 = Pb» 


Die durch die Gleichungen (1), (2) und (3) bestimmte Function F',,, (x) 


wird alsdann den Forderungen der Aufgabe genügen. 


Beweis. Zunächst ist es klar, dafs, den Gleichungen (1), (2), (3) 
zufolge, 


ee a ) 
ern Pu) ZA eu 
Cora x "2 
F R A 2 I] F x 
ist. Ferner ist es einleuchtend, dafs, da, der Voraussetzung nach RE 
b) b) 6) 5 ’ Boss (x) 
nicht & ist, die Form A,,, stets ganz, und 
(5) BET Dee Co R. (2) — A,,2 F,..(&) 7 Russ 
folglich 
EURE 
(6) .v 020000» Fr, =—iGr Ton 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 387 


wo R,,., weil F,(&), F,,,(&), A,,., der Reihe nach, vom Grade z, n—p 
und 2u—1 sind, wie auch n—p-+2u>n ist (Aufl.), eine solche ganze Func- 
tion von & sein wird, deren niedrigstes Glied nicht niedriger, als vom Grade 
2#, und deren höchstes Glied nicht höher, als vom Grade n—p + 2u— 1 ist. 
Daher wird die durch (6) bestimmte Function F,,, (x) eine ganze Function 
von x, von einem Grade, nicht höher, als a—p—ı, und deshalb von einem 
niedrigern Grade, als F,,, (x), sein. 


Zusatz 1. Die für Gr eg 


andern, erfüllt, wenn v. n. F,,,(0) > ist. 
Zusatz 2. Da die ganze positive Gröfse u lediglich an die Bedingung 


geknüpft ist, dafs 


stattfindende Bedingung wird, unter 


n—p+2u>n 


sei: so sind stets eine unendliche Anzahl verschiedener Werthe, mit Bezug 
auf #, und daher eben so viel verschiedene Formen für F',,, (x), möglich. 


22. Aus dem Vorhergehenden folgt demnach, dafs zu zwei gegebenen 


ganzen Functionen F',(x) und F,,,(x), von denen die zweite von einem 


niedrigern Grade, als die erste ist, stets eine dritte ganze Function F,,, (x), 
und zwar, im allgemeinsten Falle, auf unendlich mannigfache Weise, gefun- 
den werden kann, welche die doppelte Eigenschaft habe, dafs sie 1) der 


Gleichung 


zur nie+2) (2+2) 
F ) = — Gr 6; £ F&)+ Ver Fer &) 
e+2 (x) E ED ame+2 
92 X 


genüge, und 2) von einem niedrigern Grade, als F',,, (x) sei, wo die Zeichen 
ci+”, CH? und Wi? (a2) beziehungsweise in der vorhin festgestellten Be- 
deutung zu nehmen sind. Dies vorausgesetzt, hat die Lösung der folgenden 
Aufgabe keine Schwierigkeit. 

Aufgabe 3. Es bezeichnet F, (x) eine gegebene ganze Function von 
x, so beschaffen, dafs, wenn c, einen reellen Werth von x bildet, für welchen 
F,(c,) = ist, alsdann v.n. F/(c,) > ist. Man verlangt zu dieser Function 


eine Reihe anderer Functionen, AR (x), zu finden, so, dafs die Reihe 
Fl) Ki). B,(@), 8,(&) se Hl), 


von = — x bis —=-+%, den Bedingungen («), (£), (y) des 10: Lehr- 


satzes entspreche. 
Cce?2 


388 Dinksen: über die Trennung der Wurzeln 


Auflösung. Man setze F, (x) —=E el, und bestimme die ver- 
schiedenen Glieder einer Reihe R‘) (x), beziehungsweise nach der einen, oder 
der andern der beiden vorigen Aufgaben, dergestalt, dafs, streng allgemein, 
von g=0 bis e=r—2, F,,,(x) ganz und von einem niedrigern Grade, als 
F,,,(&) sei, und überdies der Es 


z=x AN (+2) 
(x) = — Gr Fri FR) 
?+2 Me RE 2mor2 
genüge, wo die Zeichen E, CY*”, Ci, YVEH’(&) und m,,. in der, im 


19 Lehrsatze festgestellten, Bedeutung zu nehmen sind. Diese Bestim- 
mungen so weit fortgeführt gedacht, dafs F (x) unabhängig von & sei, wird 
die Reihe 

F,(@), F,(@), F,;(@), F,(@), * +++ F,(@) 
den Bedingungen («), (2), (y) des 10:* Lehrsatzes entsprechen. 


Beweis. Da, der Voraussetzung und der Auflösung zufolge, jedes 
Glied der Reihe R%) (x) eine ganze Function von x, und von einem niedrigern 
Grade, als das unmittelbar vorhergehende, bildet; so wird man offenbar zu 
einem Gliede F (x) gelangen, welches vom Grade Null, oder von x unab- 
hängig sei, und dessen Index r, sofern n den Grad von F, (x) bezeichnet, 
nicht gröfser, als n-+1 sein kann. Da nun die Reihe R%Y (a) bis zu diesem 
Gliede einschliefslich fortgesetzt gedacht wird (Auflös.); so wird sie der 
Bedingung (%) des 10'* Denen von = — x bis = -+%, entsprechen. 


Da ferner F,(x) eine ganze Function von x, und, wenn F,(c,)= 
ist, ven. 7, (c,)> 0 (Vorauss.), — und, der Auflösung nach, 


F,(@)=E 7 =EF.@), 
 EORERNOE 
Fire @) Zt ec Jean. BR er A 


Czy2 


cr, CH, WE (@), m,,, in der Bedeutung des 19'* Lehrsatzes genom- 
men werden, wie auch F,,,(x) eine ganze Function, und daher continuirlich 
ist: so wird, dem 19'* Lehrsatze gemäfs, die Reihe R'(&) auch die Bedin- 
gungen («) und (£) des 10‘ Lehrsatzes, und zwar vone=— obs a =+x, 
erfüllen. 


einer numerischen Gleichung mit Einer Unbekannten. 389 


Zusatz. Da, der Voraussetzung nach, v.n. F, (c,)> 0 ist, wenn 
man hat F,(c,)=0; so ist, dem 2'= und 4'= Zusatze des 10'* Lehrsatzes 
zufolge, die auf die vorhin bezeichnete Weise gewonnene Reihe A) (x) von 
der Eigenschaft, dafs AY(z) der Anzahl der zwischen A und B enthaltenen 


reellen Werthe von x gleich ist, für welche man hat 
Hl) 10, 


wo A und B zwei völlig beliebige reelle Werthe repräsentiren, für welche 
auch die Zeichen — oo und + © genommen werden können. 


Schlufs-Bemerkung. 


Was die Anwendung der vorigen Sätze und Methoden auf die Tren- 
nung der Wurzeln einer gegebenen Gleichung näher anbelangt, so ist dieser 
Gegenstand bereits, in mehrern Schriften, mit einer solchen Ausführlichkeit 
und Vollständigkeit behandelt worden, dafs jede weitere Erörterung desselben, 
an diesem Orte, nicht blofs überflüssig, sondern auch unpassend erscheinen 
dürfte. 


zu 


FY 


m m ih Ya We a dt 


ans ß Ar PN Knie 


\i r Wr 


ie i Anz 


Über 
eine neue Anwendung bestimmter Integrale auf die 
Summation endlicher oder unendlicher Reihen. 


Von 
H"- LEJEUNE - DIRICHLET. 


ww 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 25. Juni 1835.] 


U den zahlreichen und überraschenden Folgerungen, welche Gaufs 
aus seiner Methode zur Auflösung der zweigliedrigen Gleichungen, oder wie 
man sie mit Rücksicht auf ihre geometrische Anwendung zu nennen pflegt, 
seiner Theorie der Kreistheilung gezogen hat, ist besonders die Bestimmung 
gewisser endlicher Reihen, wegen der eigenthümlichen dabei zum Vorschein 
kommenden Schwierigkeiten merkwürdig. Bezeichnet man mit p irgend eine 
Primzahl und mit = wie gewöhnlich den halben Umfang für den Radius ı, 
so läfst sich, je nachdem p die Form Au-+ı oder die Form Au +3 hat, die 
Summe der Reihe 


2 


SR 2 27 27 2 2% 
c08 0° — + 008 1° — + 0082? — + re... + c0s (p—1)" — 
p p [2 p 


oder die der Reihe 
R ol) 27, . 27 n 27 2 2 2% 
sin 0° — + sin 1° — + sin 2° — + ee. +. + sin (p—1)” — 
p p p p 


auf eine höchst einfache Weise durch p ausdrücken. Die erwähnte Methode 
zeigt nämlich, dafs diese Summe die Wurzel der reinen quadratischen Glei- 
chung x&®=p, und also + Yp oder —Yp ist. Da die Summe für jede Prim- 
zahl p nur einen Werth hat, so bleibt also blofs noch zu entscheiden, mit 
welchem Zeichen man die Wurzelgröfse zu nehmen habe. Eine Unbe- 
stimmtheit, wie die hier sich zeigende, findet sehr häufig statt, läfst sich aber 
gewöhnlich leicht beseitigen, indem aus der Natur der zu bestimmenden 
Gröfse leicht erhellt, ob ihr das positive oder negative Zeichen zukommt. 


392  Dirıenter: über eine neue Anwendung bestimmter Integrale 


Im vorliegenden Falle aber treten dieser Entscheidung grofse Schwierigkeiten 
in den Weg, da die Glieder der Reihe zum Theil positiv, zum Theil negativ 
sind, und sich im Allgemeinen nicht übersehen läfst, ob die einen oder die 
andern überwiegen. Für besondere Werthe von p ist die Frage natürlich, 
vermittelst der aus den Tafeln zu entnehmenden Werthe der trigonometri- 
schen Functionen, leicht zu entscheiden und man findet so, dafs jedesmal 
das positive Zeichen genommen werden mufs. Für die allgemeine Frage ist 
jedoch dadurch wenig gewonnen und die Theorie der Kreistheilung scheint 
kein Mittel darzubieten, das auf dem Wege der Induction gefundene Resultat 
für alle Fälle festzustellen. Gaufs ist in seinen Disquisitiones arithmeticae 
auf die Bestimmung des Zeichens nicht eingegangen, sondern hat dieselbe 
später zum Gegenstande einer besondern Abhandlung gemacht (*). Das darin 
befolgte Verfahren, welches der Idee nach eben so einfach als es in der Aus- 
führung scharfsinnig ist, besteht darin, die obigen Reihen oder vielmehr die 
allgemeinen Ausdrücke von derselben Form, in denen irgend eine ganze 
Zahl n an die Stelle der Primzahl p getreten ist, in ein Product von Sinus zu 
verwandeln, deren Bogen in arithmetischer Progression fortschreiten, nach 
welcher Umformung sich das Zeichen sogleich bestimmen läfst, indem man 
findet, das die negativen Factoren in gerader Anzahl vorhanden sind. Die 
Schwierigkeit, a priori, d. h. vor Durchführung aller Rechnungen, klar zu 
übersehen, warum der von dem grofsen Geometer eingeschlagene Weg zu 
einer so merkwürdigen Umformung führt, hat den Wunsch in mir erregt, 
die Frage auf eine andere vielleicht übersichtlichere Weise zu behandeln, 
und ich glaube, das Resultat meiner Bemühungen der Akademie vorlegen 
zu dürfen, da die Erfahrung vielfältig bewiesen hat, dafs bei so schwierigen 
Untersuchungen Gewinn für die Wissenschaft daraus entspringen kann, wenn 
man dasselbe Problem unter sehr verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet. 
Eine neue Auflösung der oben erwähnten Aufgabe wird um so eher 
einiges Interesse darbieten können, als die schöne, von Gaufs gegebene 
Analyse bis jetzt die einzige ist, durch welche die eigenthümliche, durch das 
doppelte Zeichen hervorgebrachte Unbestimmtheit gehoben wird. Zwar hat 
sich auch Libri mit der Summation dieser Reihen beschäftigt, allein seine 


Methode, wie scharfsinnig sie auch sei, scheint nicht geeignet, die eben 


(*) Summatio quarumdam serierum singularium. Comment. recent. Societ. Gottg. Tom. I. 


auf die Summation endlicher oder unendlicher Reihen. 393 


bezeichnete Schwierigkeit zu heben, indem sie, wie die Kreistheilung, auf 
eine quadratische Gleichung führt. Zur Bestimmung des Zeichens ist der 
Verfasser genöthigt, die in ein Sinusproduct verwandelte Reihe zu Hülfe zu 
nehmen, ohne jedoch auf irgend eine Weise anzugeben, wie man sich von 
der Gleichheit dieser beiden Ausdrücke überzeugen könne (*). Aber wie 
schon bemerkt worden, liegt gerade in diesem Übergange die eigentliche 
Schwierigkeit der Frage und ist derselbe erst bewerkstelligt, so wird jede 
andere Betrachtung überflüssig, indem das Product, zu welchem man durch 
die Transformation gelangt, zu den längst bekannten gehört, welche schon 
Euler in seiner Introductio in analys. infinit. auf eine höchst einfache Weise 
bestimmt hat. 


NER E 

Die in dieser Abhandlung enthaltenen Untersuchungen beruhen auf 
folgenden zwei Sätzen, auf welche man durch die Betrachtung der Reihen 
geführt wird, die nach den Sinus und Cosinus der Vielfachen einer Verän- 
derlichen fortschreiten und für ein gewisses Intervall eine beliebig gegebene 
Function dieser Veränderlichen darstellen. 

„Bezeichnet c eine Constante, welche die doppelte Bedingung o<c <= 
erfüllt, und ist f(£) eine von = o bis ß=c continuirlich bleibende Func- 
tion von $, so nähert sich das Integral 


Sr® nz dß 


der Grenze  f(o), wenn die darin enthaltene positive ganze Zahl k& unend- 
y pP 5 


lich wird.” 
„Sind 5 und ce Constanten von solcher Beschaffenheit, dafs o<d<c= B 


und bleibt die Function (£) continuirlich von @=2 bis ß=c, so nähert 


sich das Integral 
sin nn ß 
SO FE 40 
bei unaufhörlichem Wachsen von % der Grenze Null.” 


(*) Journal der Mathematik von Crelle. IX. Band, pag. 187. 
Mathemat. Abhandl. 1835. Ddd 


394  Dirıcnter: über eine neue Anwendung bestimmter Integrale 


In frühern Abhandlungen über die Theorie der vorher erwähnten 
Reihen (*) habe ich gezeigt, wie sich diese beiden Sätze auf eine eben so ein- 
fache als strenge Weise begründen lassen, wenn man zunächst annimmt, dafs 
die Function f(£) innerhalb der Grenzen der Integration, welcher sie unter- 
worfen ist, nicht vom Abnehmen ins Zunehmen oder umgekehrt übergeht. 
Um von diesem besondern Falle zu dem allgemeinern überzugehen, wo die 
Function zwischen den Integrationsgrenzen eine beliebige Anzahl Maxima 
und Minima hat, braucht man nur die Integrale in andere zu zerlegen, deren 
Grenzen durch die Werthe von @ gegeben werden, für welche ein Maximum 
oder Minimum stattfindet. 

Um dies für den ersten Satz zu zeigen, so seien &,, &,,»««»e, der 
Gröfse nach geordnet die zwischen o und c liegenden Werthe von ß, welchen 
ein Maximum oder Minimum von f(®) entspricht. Zerlegt man nun das 


Se E Baer D2 dß 


Integral 


sin 


in A+ ı andere, deren Grenzen o und e,, e, und e,**«»,e, und c sind, so 
sind auf diese neuen Integrale die obigen für den erwähnten speciellen Fall 
als erwiesen vorausgesetzten Sätze anwendbar und man sieht, dafs alle diese 
Integrale mit Ausnahme des ersten für k= x verschwinden, während das 
erste in demselben Falle den Werth  f(o) annimmt, welcher Werth also 
auch die Grenze des Integrals 


Sr® REED dß 


für das unaufhörliche Wachsen von %k ist. Auf ganz ähnliche Weise wird 
der Beweis des zweiten Satzes geführt. 
Vermittelst der obigen Sätze ist es leicht, die Grenze des Integrals 


SI® BZ dß 


für k=&x zu bestimmen, wenn jetzt c irgend eine positive Constante be- 
zeichnet. Bezeichnet Zr das gröfste in c enthaltene Vielfache von r, so zer- 
lege man das vorige Integral in die beiden folgenden 


(*) Journal der Math. von Crelle. Band IV, pag: 157. oder Repertorium der Physik von 
Dove und Moser. 


I 


auf die Summation endlicher oder unendlicher Reihen. 395 


sin (2 HL sin (2 HN) 
SS ar 1a SIO Zr 18 
das erste kann in 2/ zwischen den Grenzen 
o und Z, und 2, 20 und 3 u... (21-1) — und 21. — 


genommene Integrale zerlegt werden, welche, wenn man der Reihe nach 
statt @ in denselben 


ß, #—ß, a+ß, 2#—ß, +... (Ü-)r—B, (1) #+ß, Ir—B 


schreibt, und nachher auf das 2‘, 4“, 6%, «««. die Gleichung 


SN® 48 =— f0) a8 


anwendet, sich alle von = o bis = erstrecken werden. Sie können 


daher in ein Integral vereinigt werden, welches, da k eine ganze Zahl ist, 
offenbar die Form hat 


Jo +S[@—P)HfaHB) + +f(a-1)#—R£) +f(Q—Nr+P) +f(I#—ß)] 
sin (2k-+1)ß 


- aß 
sın ß Di 


und nach dem ersten Satz für k= x, den Werth 
(ES HAM) ++ Hr fld-Dr)+zflm) 
annimmt. 
Was das andere Integral 


So Zu a0 


betrifft, so ist dasselbe Null, wenn c=/!r. Für alle andern Fälle bringe 
man dasselbe in die Form 


Be in (2k-+1)ß 
SI@+® u 


indem man /r+ß für ß setzt. Istnun c—Ir nicht gröfser als =, so folgt 
aus dem ersten Satz, dafs sich das Integral für k = oo in = f(!r) verwandelt. 
Liegt hingegen c—/!r zwischen 7 und 7, so zerlege man es in zwei andere, 
deren Grenzen o und =, = und c—Ir sind. Das erste nimmt für k= & 
den Werth * f(Zr) an, während das andere, welches dadurch, dafs man 
=—ß für ß schreibt, in 

Ddd2 


396  Diricnter: über eine neue Anwendung bestimmier Integrale 


far sea & sin (2%-+1)ß dß 


@+1)m—e sin & 


übergeht, nach dem zweiten Satz für k = © verschwindet. 
Fafst man das Vorhergehende zusammen, so ergiebt sich, dafs das 


Integral 
sin (2k ß 
SIO FE aß, 


wenn die darin enthaltene ganze positive Zahl k unaufhörlich wächst, sich 
immer der Grenze 


FESOHSA + fIn) = for FE fer) 


nähert, wo Z das gröfste in — enthaltene Ganze bezeichnet, mit Ausnahme 


des einzigen Falles, wo c ein Vielfaches von 7 ist, in welchem Falle das letzte 
Glied #,f(!r) der vorigen Summe nur halb zu nehmen ist. 


S. 2. 


Man betrachte die beiden Integrale 


Se) data; Ss) de —=ib,ß): 


Obgleich schon seit Euler bekannt ist, dafs die Constanten @ und 5 beide 
den Werth v2 haben, so brauchen wir dies nicht vorauszusetzen, da sich 
diese Werthe aus unserer Analyse von selbst ergeben. 


(*) Man behauptet zuweilen, dals Integrale, welche zwischen den Grenzen — oo und & 
genommen sind, nothwendig immer unbestimmt werden, wenn die Function unter dem Zeichen 
an diesen Grenzen nicht verschwindet. Die hier betrachteten Integrale erfüllen diese Bedin- 
gung nicht und haben dennoch ganz bestimmte Werthe, wie sogleich erhellt, wenn man sie 


in die Form 
ms cosß aß, JE sinß | 


B, ae 2 
Ss) da, Se de 
_r pr 


nähert sich also einer bestimmten Grenze, wenn man die positive Gröfse p ins Unendliche 
wachsen läfst, mag nun dieses Wachsen continuirlich oder, wie im Folgenden, nach irgend 
einem beliebigen Gesetze sprungweise geschehen. 


bringt. Jedes der Integrale 


auf die Summation endlicher oder unendlicher Reihen. 397 


Setzt man 


ß 
A — 
2 2” ’ 


wo ß eine neue Veränderliche und n eine positive ganze Zahl bezeichnet, so 
erhält man 


x az 
3 Ir . „m 2% 
Ss ri de N fü . dß— db Fee} 
n m n 


Wir denken uns diese beiden Integrale zunächst von — (2k+1) x bis (2k-+1)7 
genommen, wo k eine positive ganze Zahl bezeichnet und setzen nachher 
k=». Zerlegt man jedes der beiden Integrale in 2%-+1 neue, deren Grenzen 


— (2k+1)# und — (2k—1)7, — (ek—1)r und — (2k—53)7, +... 
(ek—3)r und (ek—1)r, (ek—ı)r und (2k+1)7, 
sind und schreibt in diesen neuen Integralen der Reihe nach, statt ß, 
— 2kr+y, —2(k—1)7+Y, + ++,2(k—1)7+Y, 2kr+Y, 
so erhalten alle die Grenzen — x und + 7, und man findet 


ee: u: a 
fe >> cos z (y+2hr)’, SE (y+2hr)’. 


hz=z— 


_r _r 


Die Zahl n kann eine der folgenden vier Formen iu, Au+1, Au-+2, Au-+3 
haben. Findet zunächst die erste Statt, d. h. ist 2 durch 4 theilbar, so kann 
man n h’r als ein Vielfaches von 2” unter dem trigonometrischen Zeichen 
weglassen und man hat 


—e BE ny® hn 
>> ‚eos 5 (4+2hr)’ = >> cos ( ra | 
h=— er 87 2 
wofür man auch schreiben kann, indem man die Glieder, die entgegengesetz- 
ten Werthen von A entsprechen, vereinigt und sich einer bekannten Summa- 


tionsformel Tg 


= 2 hns 
3 [cos (27- ıy? hn _ mn cos (” TIERE —>)] 
ns 87 2 


n 2 h=k hn r 2 
= cos = (1-+2 3 cos 7) = cos SE anne een 


EM 


cos 


398  Dirıcuter: über eine neue Anwendung bestimmter Integrale 


Man findet auf dieselbe Weise für die im zweiten Integral enthaltene Summe 


2 sin (2K +1) 


sin = Ser 

z sin Er 
4 

Setzt man diese Werthe ein und führt eine neue durch die Gleichung = —ß 


bestimmte Veränderliche 8 ein, so erhalten die sesguls die Form 


nm 
4 


a Ss) BO 1 Can a0 LEE dß, fe) ‚sin (@k+1) dß: 


sin 3 nr sin Prater 


Da die Functionen unter dem Integralzeichen für @ und — ß denselben Werth 
haben, so kann man auch von B=o bis B= = integriren und die Resultate 
doppelt nehmen. 


Man erhält so 


ee es .. 


Nach Obigem werden diese Ausdrücke für k = oo respective 2a 5 2b V= 
Andrerseits ergeben sich aber auch die der Annahme k = x entsprechenden 
Werthe unmittelbar aus dem am Ende des vorigen $. aufgestellten Satze, bei 
dessen Anwendung man nicht übersehen darf, dafs der dort erwähnte Aus- 
nahmefall hier Statt findet, indem * eine ganze Zahl ist. Man gelangt so 
durch Vergleichung zu den Resultaten 


fi 227 „227 n 22% 1 227 gr 
757 40081 „ t+c0s2 ee I A en — +2 c0s(- re TFT —— 
lag 2 N SIDE a fın ?2r ?2r si/n 
SH —— sın2 za —_—— —I —— —y 
yite ter sin(l 1 ts, N = N 


Giebt man, um die Constanten a, 5 zu bestimmen, n einen’besondern Werth, 
z. B. 4, so kommt 


und folglich 


auf die Summation endlicher oder unendlicher Reihen. 399 


Setzt man diesen Werth für @ in die erste Gleichung und transformirt die 
Glieder derselben, mit Ausnahme des ersten und letzten, nach der aus der 
Voraussetzung n —=4u evidenten Formel 


2 27 1 2 27 1 n “27 
c0osSs” ——. = —- COSS + — c0S —S n 
n = n :7 2 n 
so wird dieselbe 
2 27 2 27 n 2 27 4 y 
1-+ cOSs1i —+- c0oS2 ve... -+- COS ae =--Vn, 
n n 2 n 7 


oder wenn man ++ 4 cos ee für das erste Glied ı schreibt und die 
übrigen mit Hülfe der Gleichung 


27 oa 27 2 27 
coss’ —- = z 0088? —- + c08(n—s)’ 
72 n 
umformt, 
2 27 2 27 . 0 .2m: ’ 
14+ 0081? — + 0082? — + ee. + cos (n—1) — =Yn. 
n n n 


Ganz auf dieselbe Weise folgt aus der zweiten der oben erhaltenen Gleichungen 


27 


Tr 
n 


. 2 27 . 2 27 B 2 / 
sin 1° — + sin 2° — + »*..+ sin (n—1) — ph 
n n 


Sr 


Die Fälle, wo n nicht durch 4 theilbar, sondern in einer der Formen 
4a-+1, Au +2, 4u +3 enthalten ist, lassen sich in ähnlicher Weise behandeln. 
Da jedoch die Resultate nicht unmittelbar in ihrer einfachsten Gestalt erschei- 
nen, so wenden wir uns zu einem etwas modificirten Verfahren, welches all- 
gemeinere Resultate liefert. 

Setzt man in der vorher erhaltenen Gleichung 


Jo (er) de — l=, 


a=ß-+-g, wo ß eine neue Veränderliche, und g eine reelle Constante be- 


zeichnet, so erhält man er 
„Js (8+g)’ dB = > 


oder wenn man entwickelt 


Jo (@+8°) cos2gß dB — "sin (8’+g’)sinzggß dB = V&- 


400  Diricuzer: über eine neue Anwendung bestimmter Integrale 


Das zweite Integral ist offenbar Null und die Gleichung läfst sich in folgende 


Form bringen 


cos (g’),f eos (8°) cos2egß dB — sin (g°),f sin (8?) cosegß dB = ve 
Aus der Gleichung Ye 
Sn) de — v= 
folgt auf dieselbe Weise 


sin (9°), f os (@°) cos2gß dß -+ cos () [sin (&) cos2gß dP = Vz: 


und durch Combination mit dem vorigen Resultat erhält man sogleich die 
bekannten Gleichungen 


„Js (8?) cosegß dB = I: (cos(g*) + sin (g?)) 

Sn (9°) cos2egP dB = Vz (cos (g?) — sin (g°)). 
Setzt man Er e 
B= Ve und g= :V >, 


wo « eine neue Veränderliche und n, i positive Constanten bezeichnen, die 
im Folgenden als ganze Zahlen gelten sollen, so kommt 


‘ na? ; 27 2ier zer, 
cos (— cosia da = ——- (cos + sin ) 
Bm Vr n n 
— x 
oo 
k na? s 27 2i? 7 gs 
sın (—) cosz«a da = —-— [COS —— — sın )- 
87 Yn n n 
— 09 


Es sei jetzt 


(1) F(«) = b,+b, cosa+b, cos2a+ +... —=3b,cosia 


eine beliebige endliche oder unendliche Reihe, deren Coefficienten von « 
unabhängig sind. Es soll im letztern Falle nur vorausgesetzt werden, dafs 
die Reihe convergirt und die Function von a, welche sie darstellt, continuir- 
lich ist. 

Multiplieirt man die vorigen Gleichungen mit 6, und summirt von 
i=0 bis zu derselben Grenze wie in (1), so erhält man 


auf die Summation endlicher oder unendlicher Reihen. 401 


Se 2 ro die — =. zb, (cos = m —) = — (G+H) 


fe: sin et N) da: = = >) (cos & 7 — sin ?) == — (G—H), 


wenn man zur Be 


7—-G und 3b, sin- —=H 


3b,cos 


setzt. Um diese beiden Integrale zu finden, denken wir uns dieselben zu- 
nächst von — (Ak+1) bis (4k+-1), wo k eine positive ganze Zahl bezeich- 
net, genommen, und lassen nachher k unendlich werden. Zerlegt man jedes 
dieser Integrale in 4k+ı andere, deren Grenzen durch die beiden Ausdrücke 
(2A—ı)r und (2A-+1)r gegeben werden, wenn man A alle ganzen Werthe 
von —2k bis 2% incl. beilegt, und führt in diese Integrale eine für jedes 
durch die Gleichung « = y+2hr bestimmte neue Veränderliche y ein, so 
werden die Grenzen für alle —r und +7, und man erhält mit Berücksich- 
tigung, dafs nach (1) offenbar F(y+2Ahr) = F(y), 


+r +r 
fe F(y) 3 Fe 5 fe F(y) 3 sin — (y+2Ähr)’, 


wo sich die Summationen von A=—2k bis h=2k erstrecken. Vereinigt 
man die Glieder, welche entgegengesetzten Werthen von A entsprechen, so 
erhält man für die im ersten Integral enthaltene Summe 


ny® KZ)2E n A n 2 
c08 2 ee + cos — (Y—2hr) 2 
[4 i=1 


= 2k 


hns 
r’) cos ——- I . 


2 
Der Faktor cos Z— (y’+4h?r?) = cos (nh? = +-7—-) unter dem Summen- 
zeichen hat nur BT verschiedene Werthe ud ist offenbar cos oder 
cos("" + 22 --), je nachdem A gerade oder ungerade ist. Trennt man da- 


her die Glieder, die einem geraden A entsprechen, von denen, welche zu 


einem ungeraden A gehören, so findet man 


an, n 
cos — er „ (re CosAy-+2Cos2ny+ + **+2cosÄny)+cos( — z 7) (2005 "2 — +2C08 =. +++» +2c05 (2k—1) 7), 


Mathemat. Abhandl. 1835. Eee 


402  Disıenter: über eine neue Anwendung bestimmter Integrale 


oder wenn man für die beiden Reihen ihre bekannten Werthe 


sin (2k4+1) 27 sin (dk +1) 7 sin (2k+1) 
a EEE 3 ER | SE EEE TRN 
sin u. sin aid sin 2 


substituirt: 


sin (Ak-+1) — “7 sin (2k+1) 7 


BOB (= un ny® 
. 2 87 . 
SIn —— sın —— 


2 
nYy nr — 
(cos ar )): 
Ganz auf dieselbe Weise ergiebt sich für die im zweiten Integrale enthaltene 
Summe der Werth 


sin (Ak-+1) — 22 2 


ui - N — 


sin — sin —- 


sin (2k +1) — 


2 a 
(si BYE en, 2% )). 
87 


Die an aa al Ausdrücke bleiben ungeändert, wenn y in — y verwan- 
delt wird; dasselbe gilt nach (1) von F(y). Man kann daher die Integrale 
von y=o bis y=r nehmen und den Faktor 2 vorsetzen. Man erhält so 


sin(k+) 27 a ny? sin(ek+1) = ny”* nn ny 
u Tr coE (+ )F) dy-+2 — (cos = — 05 ri "rar. 
em sin 7 
5 2 
” ny er 
sin(k+1) "2 = sin(2k+1) — 2 2 
i AR % (cin 1 I (2 Yymoya 
2 er sin +) ay +2 SH, sn  — sm: #, F(y)dy 
ao et 


a man im ersten und dritten Integral = -"?, im zweiten und vierten 
B= —, so gehen diese beiden Ausdrücke über in 


nm nm 


4 
8 sin(4k+1)ß nr  2Pß? 4ß 4 sin@k+1)B nr ß? 2A\ ,n 
—) I nk F()a2+— cos — — cos "+,,)) F( )a2. 


n sinß sinß 
en () 
eur "E 
8 # sin(@A-+ı)ß en sin(2A+1)ß ß* . far ß 2 
n sinß +7) r(, Paar — \ sinßr Sn en 2 +5) 7, =) : 
0 () 


Die Grenzen, welchen sich diese Ausdrücke nähern, wenn die darin enthal- 
tene ganze Zahl % wachsend gedacht wird, ergeben sich auf der Stelle aus 


auf die Summation endlicher oder unendlicher Reihen. 403 


dem im ersten $. bewiesenen Satze. Man hat daher, wenn man, wie früher, 
die in (2) enthaltenen Reihen zur Abkürzung mit G und H bezeichnet, und 


122 
27 
2 sr ns ser 257 
le +) re) 
zu yr 3 ( 2n co 2 Fr 2n F 22 


G-H=—,. sin = Fo) + 2 sin (+2) F (ER) 


2 es etzr: . nr” sr 
+ — > sin —- — sin (+ ))F( 
yr Zn 2 2n 


auf beiden Seiten mit multiplizirt: 


r NE nr er nz 25? 4sm 
G+H= 725 (1+00s 7) F0) +7, 3 c0s +2) F( = 


=) 
n 

Von den beiden in jeder dieser Gleichungen enthaltenen Summationen 
erstreckt sich die erste von s=1 bis zu der gröfsten in =, die zweite von 
s=1 bis zu der gröfsten in — enthaltenen ganzen Zahl und es ist zugleich zu 
bemerken, dafs das letzte Glied der zweiten Summe nur halb zu nehmen ist, 
wenn — ein Ganzes ist, und dasselbe gilt vom letzten Gliede der ersten, 
wenn auch - ein Ganzes ist. 

Die eben gefundenen Gleichungen, welche die Bestimmung der end- 
lichen oder unendlichen Reihen G und H auf die von andern endlichen 
Reihen zurückführen, enthalten als specielle Fälle die in der Einleitung 
erwähnten Summationen. Redueirt man nämlich die Reihe (1) auf n Glieder 
und setzt alle ihre Coeffieienten der Einheit gleich, so ist 


Fa) = 14+005s@+c0082@ + +++. +cos(n—1)e= 3t+F —.——H 


und man hat offenbar F —) — 0, für jede nicht durch ntheilbare ganze 


n 


Zahl t. Alle Glieder der obigen Summen verschwinden daher durch die 
Faktoren F ( =) iz (), und da F(0)=n, so kommt ganz einfach 


G+H = (i + cos —) Yn, G-H= sin — Vn, 
und folglich 


na” . nz . nr N 
G= + (1+ cos 2° + sin 27) yn, H= + (14 c0s 2= — sin “Z) Vn. 


Eee? 


404  Dirıcnter: über eine neue Anwendung bestimmter Integrale 


Legt man der ganzen Zahl n nach einander die 4 Formen Au, 4u-+1, 4u +2, 
444-3 bei und führt die durch G und H bezeichneten Reihen wieder ein, 
so erhält man 


2i?r arızm 
3, cos iin, Sasin „= In, n=ıun 


n 


2ie tz 
3 cos =Vn, 3)'sin ==i05 n=Ap-+1, 


n n 
2ier SEorzT 
> cos == 3 sin —) n=4u-+2, 
2i? 7 ZU TE, 
> cos „— x sin > = Vn, n=4u-+#3, 


wo sich die Summationen von i=0 bis i=n—-1 erstrecken. 


S. 4. 


Zum Schlufs wollen wir nach Gaufs noch zeigen, wie man aus den 
eben erhaltenen Summenausdrücken den Fundamentalsatz der Theorie der 
quadratischen Reste auf eine höchst einfache Weise ableiten kann. 

Bezeichnet p eine ungerade Primzahl, so ist der Rest irgend eines 
nicht durch p theilbaren Quadrats bei der Division durch p offenbar unter 
denen enthalten, welche die Reihe 1°, 2°, 3°,» .»+, (— “ liefert und man 
beweist leicht, dafs diese Reste, welche in irgend einer Ordnung mit 


I. Qa,, As, Az, er. Q,_, 


2 


bezeichnet werden sollen, alle von einander verschieden sind. Es seien ferner 
1. DIRb loser ih.n, 


diejenigen Zahlen der Reihe 1, 2, 3,**«+, p—1, welche in (I) nicht vor- 
kommen. Dies vorausgesetzt, sagt man bekanntlich von einer durch p nicht 
theilbaren Zahl q, sie sei quadratischer Rest ‚oder Nichtrest von p, je nach- 
dem der Rest, den g bei der Division durch p läfst, zu (I) oder zu (II) gehört, 
und man beweist ohne Schwierigkeit, dafs je nachdem der erste oder der 
zweite Fall Statt findet, die Reste von 1°, 2°q, 3°q, »**« (= ) 9; wenn 


2 


man von der Ordnung absieht, mit (I) oder (II) zusammenfallen (*)- 


(*) Disquisitiones arithmeticae. Sect. IV. 


auf die Summation endlicher oder unendlicher Reihen. 405 


Man betrachte die Summe 


1 2 
s? —— u —— Y-ı 


M= Ze h 


o 
wo e wie gewöhnlich die Basis der natürlichen Logarithmen bezeichnet. 
Trennt man das Glied, welches s= o entspricht, von den übrigen, und ver- 
einigt diese paarweise mit Berücksichtigung der evidenten Gleichung 

29 r 297 
Pay _ m 


’ 


so kommt 


oder wenn man statt der Zahlen 1°q, 2°q, +» » (F ) 4 ‚ die Reste setzt, 
welche sie bei der Division durch p lassen, welche Veränderung keine andere 
Folge hat als die, dafs man im Exponenten Vielfache von 2#Y—ı wegläfst, 
so erhält man 


pi Der 
= DE 


= 8) 22y 
M=zı2 3 en 77, oder M=ı+223 ELRTIETEN, 


s=41 | 


je nachdem nämlich g quadratischer Rest oder Nichtrest von p ist. Da 
offenbar 


De et 
re 2 , "FE z 2rN, s=p—1 27 
— b — V— Ss — V— 
> V er Vi Diva 1, 


DIE 


1 rk) s 1 


so läfst sich die im letztern Falle Statt findende Gleichung auch so schreiben 


Beide Fälle sind daher in der Gleichung 


1 
Ne 


s=p=- a 29 #7 


GB ayır, = See 
= 'e a) "ou +22! e*7 v ) 
= | 


vereinigt, wenn man unter d die positiv oder negativ genommene Einheit 
versteht, je nachdem g quadratischer Rest oder Nichtrest von p ist. Die 
Gleichung gilt für jede nicht durch p theilbare Zahl g; um den von q unab- 
hängigen, zwischen den Klammern enthaltenen Ausdruck zu erhalten, setze 
man g=1; es ist alsdann d= 1, und folglich 


406 DirıcuLer: über eine neue Anwendung bestimmter Integrale 


Spur 2m Tri REITEN EN 
Se ss eu het 


=0 s=1 


. 


Der Werth der ersten Seite ergiebt sich sogleich aus den Ausdrücken des 
vorigen $. und ist, da p ungerade, Yp oder Yp V—ı, je nachdem p die Form 
4#-+1 oder die Form 4u+3 hat. Beide Werthe sind in dem Ausdrucke 
Yp V—1) 79" enthalten, und es ist also 


1422 7 Ten). 


al 


Die obige Gleichung wird so 


a2 


en 


sepr— 
x € 
s=0 e 
Nimmt man jetzt an, g sei ebenfalls eine ungerade Primzahl, so erhält man 
durch eine blofse Vertauschung 


wo e=+1 oder —ı, je nachdem p quadratischer Rest oder Nichtrest von 
q ist. Werden beide Gleichungen in einander multiplicirt, so kommt 


Pt)? + 2151)? 
b) 


= deypg v1)" 


9-1: (gig?rpi2) 2 yı 
5 > ga Babe 


t 0 s=0 


oder was ganz dasselbe ist, indem man AstryY—ı zum Exponenten von e 


addirt, 
tg sp au 2 g—-i1\2 
zZ E En) an de Vpg vn)‘ ) + ( 2 ) A 


pi 
2 


Der Ausdruck gs-+pt läfst offenbar bei der Division durch pgq innerhalb 
der Summationsgrenzen nicht zweimal denselben Rest; wären nämlich die 
Reste, welche gs+pt und gs-+pt’ entsprechen, einander gleich, so wäre 
9(s—s)+p(t—t') durch pg und folglich, da p und q von einander verschie- 
dene Primzahlen bezeichnen, s—s’ durch p, und z—t' durch g theilbar, was 
wegen der Grenzen, in welche s, s’, so wie 7, t' eingeschlossen sind, nur 
Statt finden kann, wenn zugleich s=s’ undt=1t’ ist. Die Reste von gs+pf 
in Bezug auf den Divisor pg sind also 0, 1, 2, 3, +» ++, pg—1, und man kann 
diese Reste an die Stelle der Werthe setzen, welche qs-+pt bei der doppelten 


auf die Summation endlicher oder unendlicher Reihen. 


407 
Summation successive annimmt, indem durch diese Veränderung blofs Viel- 
fache von 2#Y—ı im Exponent weggeworfen werden. Man erhält so 
.pg-1 a2 

De 


pt p—i1\2 KIN 2 
pe In ne N 2 ) EL 2 IR 


läfst, 


oder wenn man für die erste Seite ihren aus dem vorigen $. sich ergebenden 
Werth Ypg W—1) (7) setzt und den gemeinschaftlichen Faktor Ypg weg- 


ae v,e® ’-eI’- a 


Der Exponent läfst sich in die Form 


+0) +09) (FR -ı) 
Es ist also 


bringen, wo der zweite Theil als durch 4 theilbar weggelassen werden kann. 


= (1) =: 


Diese Gleichung enthält das oben erwähnte Reciprocitätsgesetz; denn es 
folgt aus derselben, dafs wenn p und g beide die Form 4u-+3 haben, d&= —:, 
in allen andern Fällen aber ö= : ist. 


zu—— 


> 


x I EL SEN ih u wa va ah N. ir 


eV da suaheisst T seaib Hash srohu Tnmitiket er oviaaag 08 zo 


ai 2 a ma Re 


A y Ak: i 
| Ba 
SER sold], nad Koaiiening An Ba isioe in ts 1) u dr 

ir he ar 


re 114 


la dalaı? asaigjsore: REN Als Kerzeli ITBisR "are 1; 


a EN 
ch ER er, NM 


hand INERLUNSE PEN alla ai a il TRaRhNE 00 
Male! sr be: KÜ TEE 


" LEER 
Mr = 


‚inad nabuaye arasle ana We Iladz x ıyzub als, kat h Alma vB ans 


j A 
‚se. nah. sieasgeliiitananH Slndnıred ‚do Enb alädiiin anınbinE ai i 
ab uadal sta ig aih abiadh y.hsiag, ioow.chhb PEN eu ale 


Jets =a Goch Kali uns PELCH «u, 


BR 


i s Mn EEE jEE TPJIEE 22 ee 


Druckfehler. 


. Zeile 12 von unten statt: s lies: s. 


- ZU => - statt: s’lies: s. 

SE Or -  stalt: sin(b+6”) lies: sin (d’ +6”). 

- 148. - 13 und 14 von oben statt: i’, A’, i”, k”lies: i, k,i,, k, 

- 149. ist überall, ausgenommen in der letzten Zeile statt: 2’, A’, i”, k” zu lesen: i, k,, i,, k 


. Zeile 17 von unten statt: k’ lies: %, 


=, 410 = - statt: ”’ lies: ü. 


n" 


a 
eh 2 
w 
hr j 

als 

x 


ARE 


He 
» Hi 
Mn 

I 

H 

{ m 


Historisch - philosophische 


Abhandlungen 


der 


Königlichen 


Akademie der Wissenschaften 


zu Berlin. 


aaa. uooserneororeıeere 


Aus dem Jahre 


1833. 


„aaa aa aaa nareaeaneeaenan 


Berlin. 


Gedruckt in der Druckerei der Königl. Akademie 
der Wissenschaften. 


1837. 


In Commission bei F. Dümmler. 


nonort Biah 
söllstioengean VW seb. Sirio al a 


„teeltatl u I 


\ 
ee ee ee Se ee ee en 


7 T, ICHS h DER Mı Na nn j | Fa IR 


“ 
3 En h 
wa 
0 es 
ee 
* n ae 
wie Ay ; 
er R 
«ti Eid ji a 
. 


ala ch ton a A) 
instant ul 

uBer 

Fa 63 $: 


{ 
METELIRN, 


Fatal et sr heran we 
x i 


Ianshrariae 


WILKEN: Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh nach Mirchond ...... 
HOFFMANN über die Besorgnisse, welche die Zunahme der Bevölkerung erregt .... 
PANOFKA: Zeus und Aegina .....cceresenersseneneneennrennennnnennne onen nen 
Lepsıus über die Anordnung und Verwandtschaft des Semitischen, Indischen, Alt- 
Persischen, Alt- Ägyptischen und Äthiopischen Alphabets ........ 
LACHMANN über den Eingang des Parzivals ..........er.oseseonseenenereneene- 
GRrAFF: Althochdeutsche, dem Anfange des 11!" Jahrhunderts angehörige, Über- 
setzung und Erläuterung der aristotelischen Abhandlungen: z«ru- 
yogiarı und megi Eolmveiaes EEE Eh Sur Anrerstel etcketsfenteVeteyetaikerersiefejetelere 
RANKE: Zur Geschichte der italienischen Poesie ........re222esee seen eenennn en 
UHDEN über die unter dem Namen der Farnesischen bekannte antike Onyxschale im 
K. Bourbonischen Museum zu Neapel...........--r-cscereree- 
RANKE: Nachträgliche Bemerkung zur Geschichte der italienischen Poesie .......- 


A 


Seite 1 


- 121 
- 153 


77 
- 227 


- 401 


- 487 
- 499 


Ra 11) ca air a0 


1} . ' 


BEL 2, 3... Igweis zum löst Tat Alddavs ur: orlalorr nun Dir 
1 De PIERRE ERTL E 2 21903250) RT TE IT. nütgaA bau 

“sh „naduäbnk ‚undoahtimad- 23h Nsıherhsewast han zumabrond 3 
Url uns sche neh age nn Ban Eurlseg ir A Bl EEE 


SEI TERN la al N EL LS IE EANAA IE | ah gunghill nah nad vrh 
“) ne ‚sahen, Eee sol sgmi ‚eh ‚estate fu 
| or sniulhriefldt Kehl rilatösere US, Ba ss Ka Auuslae {R 
SEEN IRRE EHEN EEE REN ERTL EDER I one Er dat Bot Saale N 
SON ı- 024 ee hate ab ar A) * Na 
rail 
KBR IS \.y. 


re rn 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte 
Bujeh nach Mirehond. 


Von 


Ha WILKEN. 


Annan 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 12. März 1835.] 


D. Geschichte der Dynastie Bujeh oder der Dilemitischen Sultane findet 
sich in den bisher gedruckten morgenländischen Chroniken sehr unvollstän- 
dig berichtet, und ist daher auch in neuern Bearbeitungen der morgenlän- 
dischen Geschichte theils mangelhaft theils unrichtig dargestellt worden. 
Die Geschichte dieser Dynastie ist jedoch sehr merkwürdig deswegen, weil 
es den Bujiden gelang, der in ihrer Grundlage freilich schon längst unter- 
grabenen weltlichen Gewalt des arabischen Chalifen ein Ende zu machen 
und das zuvor geistliche und weltliche Oberhaupt des von dem Propheten 
Mohammed und dessen nächsten Nachfolgern gegründeten arabischen Reiches 
auf das Oberpriesterthum zu beschränken. 

Ebu Schedschä Bujeh, der erste dieses Geschlechts, welcher von den 
Geschichtschreibern nahmhaft gemacht wird, und der Stammvater der nach 
ihm genannten Dynastie, war der Anführer einer kriegerischen Horde, welche 
sich wenigstens zum Theil aus Bewohnern des unter dem Namen Dilem be- 
kannten Gebirgslandes an der südlichen Küste des caspischen Meeres gebil- 
det hatte. Diese Dilemiten traten in gleicher Weise wie schon seit längrer 
Zeit türkische Horden, in die Dienste der in den östlichen Provinzen des 
Chalifats unabhängig gewordenen ehemaligen Statthalter, um in deren Krie- 
gen wider einander Sold zu verdienen und durch Beute sich zu bereichern; 
und der Byzantinische Geschichtschreiber Cedrenus erwähnt ihrer unter dem 
Namen Auuviraı (was Golius nach Agathias in Arıuviraı zu verbessern räth) als 
Waffengefährten des Seldschuken Togrulbek, des Zerstörers der Herrschaft 

Philos.- histor. Abhandl. 1835. A 


2 WırLKken: 


der Dilemitischen Sultane, den er Tayygerimne nennt. (') Die Bewohner 
jenes Landes, welches an der südlichen Gränze der Provinz Gilän liegt, und 
diese Provinz, zu welcher es sehr oft als ein Theil derselben gerechnet wird, 
von Mäsenderän trennt, werden schon von Prokopius(?) unter dem Namen 
Acrcniraı und von Agathias (?) unter dem Namen Arıuiraı als ein sehr 
kriegerisches Volk geschildert, welches obgleich innerhalb der Gränzen des 
Persischen Reichs wohnend, dennoch begünstigt durch die steilen und un- 
zugänglichen Gebirge seines Landes seine Unabhängigkeit behauptete, dem 
persischen Könige jedoch in Kriegen für Sold und gern Hülfe leistete, und 
wenn auch nur zu Fufse streitend und mit Schwertern, Dolchen, Schilden 
und Wurfspiefsen bewaffnet, gleichwohl von den Persern als ein sehr wich- 
tiger Theil ihrer Kriegsmacht angesehen wurde, auch wegen seines leichten 
und behenden Körperbaues und der Übung im Erklettern steiler Höhen als 
leichte Miliz ausgezeichnete Dienste leistete. Den Arabern, welche eben- 
falls über dieses Gebirgsvolk nicht mit aller Willkühr gebieten konnten, wa- 
ren die Bewohner von Dilem wegen der Räubereien, durch welche sie den 
benachbarten Provinzen höchst lästig wurden, um so furchtbarer, als es un- 
möglich war, die Dilemitischen Räuber in die Schlupfwinkel, welche ihr 
steiles Gebirgsland ihnen darbot, zu verfolgen, und der Name Dilem wurde 
daher in der Arabischen Sprache mit der Vocalisirung Dailem (5) ein ge- 
wöhnlicher Ausdruck für Räuber oder Feinde, ja selbst für Mifsgeschick und 
Unglück. 

_Ebu Schedschä, obwohl er Anführer von Dilemiten war, gehörte 
keinesweges diesem streitbaren Volke an; und die morgenländischen Ge- 
schichtschreiber sind, wie Mirchond im ersten Capitel seiner Geschichte der 
Dilemitischen Sultane anführt, nicht darüber im Klaren, in welcher Bezie- 
hung Ebu Schedschä und dessen Nachfolger Dilemiten genannt werden; sie 
schwanken zwischen der Abieitung jenes Namens von Dilem, einem angeb- 
lichen Vorfahren des Ebu Schedschä, und der Erklärung des Beinamens 
Dilemi von dem Aufenthalte des Ebu Schedschä und seiner Vorfahren unter 
den Dilemiten. Wenn auch die behauptete Abstammung des Geschlechtes 


(') Cedrenus ed. Paris. p.771. Golius ad Alferganum p. 203. 
(?) De bello Gothico IV. 14. 
(°) Historiar. IV.17.18. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 3 


Bujeh von den alten vorislamischen persischen Königen namentlich von Beh- 
räm gur, dem vierzehnten Könige der Dynastie der Sassaniden, eine Erfin- 
dung schmeichlerischer Zeitgenossen der mächtigen Sultane aus jenem Ge- 
schlechte zu sein scheint, so berechtigt sie uns doch wohl, mit Berücksich- 
tigung der von dem Geschichtschreiber Ebu Ali Meskujeh mitgetheilten und 
von Mirchond (Cap. I.) erwähnten Nachricht, die Abstammung des Ebu 
Schedschä aus einem angesehenen persischen Geschlechte, welches nach der 
Zerstörung des persischen Reiches durch die Araber nach der Provinz Gilän 
ausgewandert und später zum Islam übergetreten war, für wahrscheinlich zu 
halten. (1) Dafs die Bujiden nicht blofs zu Schiräs und Bagdäd als ein ur- 
sprünglich persisches Geschlecht betrachtet wurden, geht aus einer Nach- 
richt des Cedrenus hervor, welcher den Enkel des Ebu Schedschä Bujeh, 
den Emir Bechthiär, indem er ihn "Ivagyes nennt, als einen Mann von vor- 
nehmer persischer Abkunft bezeichnet und berichtet, dafs derselbe das ganze 
Geschlecht der Achämeniden (78 yeyos ray "Ayauusvidav arav) bewaffnet habe, 
um die Perser von der Botmäfsigkeit der Araber zu befreien. (?) 

Wie es auch mit der persischen Abstammung des Ebu Schedschä Bu- 
jeh beschaffen sein mag, so ist soviel sicher, dafs dieser Hordenführer zu- 
gleich mit drei andern, welche eben so wie er ihre Abstammung von alten 
königlichen Geschlechtern herleiteten, den Verfall der Herrschaft der Sama- 
niden, die bis dahin nicht blofs in Bochärä und Samarkand geherrscht, son- 
dern ihre Gewalt auch über Choräsän, Tabaristhän und andere am kaspi- 
schen Meere gelegene Provinzen ausgedehnt hatten, benutzte, um in den 
von Bochärä, dem Sitze der Samaniden, entfernten Provinzen eine unab- 


(') Die Abstammung des Ebu Schedschä von den Sassaniden wird von Ibn Challikän in 
der Lebensbeschreibung des Moiss eddewleh also angegeben: 
wm u ymlä en slü ur FI ir S>OR en) St > IR cp man 

193 len N) Ser ® SE Dp 3) wm us Lu)! fe) ya 

Die Richtigkeit eines Theils der obigen Namen wage ich um so weniger zu vertreten, als 
die beiden von mir benutzten Handschriften des Ibn Challikän sie ohne diakritische Punkte 
geben. Dals diese Genealogie erst dann erfunden worden sei, als die Bujiden mächtige Für- 
sten geworden waren, deutet Ebulfedä an (fnn. Mosl. T.1I. p.374.). 

(?) Cedrenus ed. Paris. p.696. Vgl. histor. Anmerk. 44. 

A2 


4 WıLKen: 


hängige Herrschaft zu begründen. Ebu Schedschä, welcher früher mit sei- 
nen Söhnen im Dienste der Samaniden, namentlich des dritten Fürsten dieser 
Dynastie, Nesr Ibn Ahmed, gestanden war, (1) leistete anfangs mit seinen 
beiden Waffengefährten Asfär und Merdäwidsch dem Mäkän, als dieser in 
Tabaristhän sich unabhängig machte, nützliche Dienste; fiel aber zugleich 
mit ihnen ab, als sie sich wider Mäkän empörten, und war dem Merdäwidsch 
nicht nur behülflich die von Mäkän gegründete Herrschaft an sich zu brin- 
gen, sondern unterstützte ihn auch in seinen weitern Eroberungen, welche 
bis an die Gränzen von Färsisthän sich erstreckten; und eroberte insbeson- 
dere für Merdäwidsch das an der nördlichen Gränze von Chusisthän gelegene 
Bergland Luristhän. 

Dem Ebu Schedschä gelang es zwar nicht, selbst eine unabhängige 
Herrschaft zu gründen; und er scheint, da seit der Einnahme von Karch in 
Chusisthän seiner nicht weiter gedacht wird, sehr bald nach dieser Eroberung 
sein Leben beschlossen zu haben. Glücklicher waren seine vier Söhne, 
welche den Sieg, den sie über Jäkuth, den Statthalter des Chalifen in Fär- 
sisthän, gewannen, als dieser Statthalter es versuchte, die Herrschaft des 
Chalifen aufrecht zu erhalten, zur Gründung einer unabhängigen Herrschaft 
in Schiräs benutzten, und diese Herrschaft, da Merdäwidsch, der schon im 
Begriffe war, die Söhne des Bujeh in Schiräs zu bekriegen, ermordet wurde, 
nicht nur behaupteten, sondern durch die Eroberung des persischen Iräk, 
wozu Isfahän gehört, und der Länder Chusisthän und Kermän noch erwei- 
terten, dergestalt, dafs die Nachfolger des Merdäwidsch oder die Fürsten 
der Dynastie, welche nach Siäd, dem Vater des Merdäwidsch, Beni Siäd 
genannt werden, mit der Herrschaft über die Landschaften Gilän und Dilem 
sich zu begnügen genöthigt wurden. Nach diesen Eroberungen kostete es 
dem Ahmed Moiss eddewleh, dem zweiten Sohne des Ebu Schedschä Bujeh, 
keine bedeutende Anstrengung die schon auf Bagdäd und das arabische Iräk 
beschräukte weltliche Macht des Chalifen, (?) sich und seinem Geschlechte 
zuzueignen. Eben diese Länder, nehmlich Färsisthän nebst Chusisthän, die 


(‘) S. die Äufserung des Imäd eddewleh bei Mirchond Cap. Il. 


(?) Vgl. die Schilderung der arabischen Chroniken von dem Zustande des Chalifats in 
den Jahren d. H. 324. und 325. in Abulfedae Ann. mosl. T.1l. p.398. und bei Elmacin 
p- 203. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. ae) 


beiden Iräks nebst Tabaristhän, endlich Kermän bildeten das Reich des Ge- 
schlechtes Bujeh; der Besitz von Mesopotamien oder dem Fürstenthum Mo- 
sul, welchen Moiss eddewleh und nach ihm Adhed eddewleh, der älteste 
der Enkel des Ebu Schedschä und der ausgezeichnetste Fürst des Geschlech- 
tes Bujeh, an sich brachten, so wie die Hoheit über Haleb und die arabische 
Landschaft Omän, welche dem Adhed eddewleh zugestanden wurde, schei- 
nen nicht von langer Dauer gewesen zu sein. 

Anlangend die Quellen, aus welchen Mirchond seine Geschichte der 
Dilemiten schöpfte, so bezieht er sich hin und wieder auf die Erzählung des 
Geschichtschreibers Säbi, eines Zeitgenossen des Bujiden Adhed eddewleh, 
in dessen Chronik des Geschlechtes Bujeh (Cap.I.VI.), des Ebu Ali Mes- 
kujeh in dessen Tedschäreb el umemi (Cap. I.),(') des Ibn elathir in dessen 
Kämil etthewärich (Cap.I.) und des Verfassers des Thärich Kawämi, wahr- 
scheinlich einer Chronik des Bujiden Kawäm eddin Ebulfewäris (Cap.V.); 
und wenn die (Cap.V.) von Mirchond ohne nähere Bezeichnung erwähnten 
Chroniken nicht unter den eben genannten vier Werken begriffen sind, so 
hat unser Schriftsteller noch mehrere andere Chroniken zu Rathe gezogen. 
Dafs die Chronik des Ibn elathir sehr häufig von Mirchond in der Geschichte 
der Dilemiten benutzt worden ist, beweist die oft wörtliche Übereinstim- 
mung mancher seiner Meldungen mit denen des Ebulfedä, welcher bekannt- 
lich ebenfalls einen beträchtlichen Theil seiner Annales moslemieci aus dem 
Kämil etthewärich entlehnt hat. 

Obwohl die Darstellung des Mirchond in seiner Geschichte der Sul- 
tane aus dem Geschlechte Bujeh eben so wenig als in den übrigen Theilen 
seiner grofsen Compilation eine pragmatische ist, so ergeben sich dennoch 
aus derselben sehr deutlich die Ursachen der kurzen Dauer der Herrschaft 
der Bujiden, welche im J. 934 n. Chr. mit der Eroberung von Schiräs durch 
Imäd eddewleh, den Sohn des Ebu Schedschä Bujeh, begann und schon 
am Ende des Jahrs 1054 nach einer Dauer von 120 Jahren durch den Sel- 
dschuken Togrulbek mit geringer Mühe vernichtet wurde. Ein Reich, wel- 
ches durch Soldaten begründet war, konnte nur so lange bestehen, als das 
Oberhaupt desselben im Stande war durch sein Ansehen die Soldaten im 
Gehorsam und durch reichliche Belohnungen sich geneigt zu erhalten. Das 


(‘) Vgl. die historischen Anmerkungen 1 und 2. 


6 WırLKes: 


Verhältnifs der Bujiden zu ihrem Heere war aber um so schwieriger, als das- 
selbe eben so wie die Truppen der Dilemitischen Dynastie der Beni Siäd (!) 
aus zwei ganz verschiedenen Völkern gesammelt war, Dilemiten und Türken, 
welche selten in gutem Vernehmen mit einander standen, vielmehr oft wider 
einander selbst die Waffen kehrten, wovon Mirchond mehrere Beispiele 
meldet. (?) Auf einen treuen Beistand der Unterthanen in den eroberten 
Provinzen, besonders im arabischen Iräk, konnten die Bujiden keinesweges 
mit Sicherheit rechnen, weil sie in Gilän und Dilem, wo die Zahl der An- 
hänger Ali’s oder der Lehre der Schiiten seit längrer Zeit sehr bedeutend 
geworden war, (?) eine Vorliebe für die Sache jener Parthei gewonnen hat- 
ten, und es nicht verhehlten, dafs sie die Chalifen aus dem Hause Ummaijeh, 
welche den Ali und dessen Nachkommenschaft vom Chalifate verdrängt hat- 
ten, für unrechtmäfsige Usurpatoren hielten und als solche verabscheuten; 
wodurch sie einen beträchtlichen Theil ihrer Unterthanen sich entfremde- 
ten. (*) Mirchond berichtet zwar, dafs Imäd eddewleh, als er Schiräs ero- 
berte, die Plünderung der Stadt seinen Soldaten nicht gestattete, was ihm 
die Zuneigung der friedlichen Bewohner von Schiräs erwirken konnte; allein 
schon dieser Fürst gerieth in grofse Verlegenheit, als das Heer, da es seine 
Hoffnung auf eine ansehnliche Beute getäuscht sah, dafür Entschädigung for- 
derte; und die Nachfolger jenes Fürsten erlaubten sich nicht selten, vielleicht 
dazu gezwungen durch die Ansprüche ihrer Soldaten, gewaltsame Erpres- 
sungen, welche die höchste Unzufriedenheit unter den Bewohnern der Pro- 
vinzen hervorbrachten. Diese schwierigen Verhältnisse wurden dadurch 


(') Abulfedae Ann. mosl. T.I. p. 390. 
(?) Vgl. Cap. VI.XVI.XVII Abulfed. Ann. mosl. ad a. 379, l.c. p.566. 


(°) Vgl. H.F. v.Diez Geschichte der Dilemiten in dessen Buche des Kabus (Berlin 
1811. 8.) S.48. folg. 


(*) Wie sehr Moiss eddewleh, der erste Emir el umerä aus dem Geschlechte Bujeh, die 
Schiiten begünstigte, berichtet Mirchond Cap.IV. am Ende. Noch deutlicher sind die Nach- 
richten darüber in Abulfedae Ann. mosl. T.Il. p.478.480 zu den Jahren 351 und 352, 
und zum Jahre 395 ibid. p.612.; und die Chronik des Heider meldet: „Im Schabän des Jahrs 
368 schrieb der Alidische Chalife Elasis Billah aus Ägypten an Adhed eddewleh einen Brief, 
welcher Versicherungen der Freundschaft und Zuneigung enthielt, und Adhed eddewleh be- 
antwortete diesen Brief durch ein sehr freundliches Schreiben. Überhaupt bestand zwischen 
beiden feste Freundschaft und Eintracht.” 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 7 


noch sehr verschlimmert, dafs die verschiedenen Fürstenthümer, in welche 
die Herrschaft der Bujiden zerfiel, nur in einer sehr lockern Verbindung mit 
einander standen und keine geregelte Oberherrschaft in dem Reiche der 
Nachkommen des Ebu Schedschä bestand. Imäd eddewleh wurde zwar als 
Oberherr von seinem Bruder Rukn eddewleh anerkannt, und Moiss eddew- 
leh, der dritte Bruder, eroberte im Auftrage des ältesten Bruders Chusisthän 
und Kermän; ob aber Moiss eddewleh, nachdem er Emir elumerä in Bag- 
däd geworden war, die Hoheit des Imäd eddewleh, und nach dem Tode 
desselben die Hoheit des Rukn eddewleh unbedingt anerkannte, ist sehr zwei- 
fehlhaft. (') Adhed eddewleh erstritt sich die Oberherrschaft über seine 
Verwandte mit den Waffen, und auch nach seinem Tode hing es lediglich 
vom Waffenglücke ab, ob und wie lange ein Fürst der Bujiden als Oberherr 
von seinen Verwandten anerkannt wurde. Dafs in der Familie der Bujiden 
weder Erstgeburt noch Seniorat eine Oberherrschaft begründeten, sieht man 
aus dem Rathe, welchen nach Mirchond (Cap.VI.) der oberste Emir Moiss 
eddewleh seinem Sohne Bechthür ertheilte, des Friedens wegen und zu sei- 
nem eignen Besten sich seinem Oheime Rukn eddewleh und dessen Sohne 
Adhed eddewleh unterzuordnen. Ein solches schwankendes Verhältnifs war 
bei den stets wiederkehrenden und oftmals geänderten Theilungen des Reichs 
der Bujiden die unversiegbare Quelle innerer Familienstreitigkeiten und blu- 
tiger Bruderkriege, deren Folge keine andere sein konnte, als die Vernich- 
tung des Reichs der Bujiden, welche um so schneller eintrat, als nach Adhed 
eddewleh aus diesem Geschlechte kein ausgezeichneter Fürst mehr hervor- 
ging. Unter solchen Umständen durfte der Seldschuke Togrulbek, welcher 
in Dschordschän, Tabaristhän und Chärism ein Reich gegründet hatte, den 
Unterthanen der Bujiden nur sich zeigen, um von ihnen als Herr anerkannt 
zu werden, wiewohl das Reich, welches Togruibek stiftete, nicht besser ein- 
gerichtet wurde, als es die Herrschaft der Bujiden gewesen war. 


(‘) Ebulfedä sagt zwar (Ann. mosl. T.1I. p.454.): „Imäd eddewleh war, so lange er 
lebte, Emir el umerä, nach seinem Tode wurde Rukn eddewleh Emir el umerä, und Moiss 
eddewleh, welcher in Iräk regierte, war wie der Stellvertreter (kannäjib) von ihnen beiden”; 
allein selbst diese Weise des Ausdrucks stellt das Verhältnils des Moiss eddewleh zu den äl- 
teren Brüdern als ein sehr unbestimmtes dar. Äulsere Beweise der Ehrerbietung (vgl. bi- 
storische Anmerkung 31.) waren in der Hauptsache nicht entscheidend. 


S WıLeKes: 


Die Erzählung des Mirchond stellt uns zwar die inneren Verhältnisse 
des Reichs der Bujiden viel deutlicher dar, als die abgerissenen und unvoll- 
ständigen Meldungen des Elmacin, des Ebulfedä und des Ebulferedsch; 
gleichwohl wird durch die unbequeme und unzweckmäfsige Anordnung der 
Erzählung die Übersicht der verwickelten Geschichte der Bujiden auch in 
der Darstellung des Mirchond überaus erschwert; und ich halte es daher für 
zweckmäfsig, eine Übersicht der Fürsten jenes Geschlechts und der unter 
ihnen Statt gefundenen Theilungen nach der Erzählung des Mirchond zusam- 
menzustellen und durch die beigelegte Geschlechtstafel zu erläutern. 

1) Nachdem Imäd eddewleh (im J. d. H. 322, Chr. 934) in Färs ein 
Bujidisches Fürstenthum gegründet hatte, so eroberten in dessen Auftrage 
seine jüngern Brüder Rukn eddewleh das persische Iräk (Cap.II.) und Moiss 
eddewleh Chusisthän und Kermän (Cap. H.IV.). Der letztere wurde im 
J.d. H. 334 (Chr. 945 oder 946) oberster Emir zu Bagdäd (Cap. 11. IV.). 

2) Als nach dem Tode des Imäd eddewleh im Jahre d. H. 338 (Chr. 
949) Rukn eddewleh das Land Färsisthän und die übrigen Länder seines ver- 
storbenen Bruders in Besitz nahm (Cap.III.), so entstanden zwei von einan- 
der getrennte regierende Linien der Bujiden, die Linie des Rukn eddewleh 
in Färs, und die des Moiss eddewleh in Bagdäd. Die letztere, welche we- 
nigstens unter Moiss eddewleh einige Zeit auch im Besitze von Ahväs oder 
Chusisthän war, erlosch schon im Jahre d. H. 367 Chr. 978 (Cap.VI.) mit 
Bechthiär, dem Sohne des Moiss eddewleh, welcher im J. d. H. 356 (Chr. 
967) seinem Vater nachgefolgt war (Cap.IV.), und mit den sechs Söhnen des 
Bechthiär, welche nicht zur wirklichen Regierung gelangten (Cap. X.XT.). 

3) Rukn eddewleh theilte in seiner letzten Krankheit im Jahre d.H. 
366 Chr. 976 oder 977 die Länder der Bujiden (Cap. TII.), indem er seinem 
ältesten Sohne Adhed eddewleh die ihm von dem Oheime Imäd eddewleh 
schon überlassene Provinz Färs (Cap. II.) bestätigte und aufser ihr noch 
Kermän, Chusisthän oder Ahväs und das Land bis nach Bagdäd überwies, 
dem zweiten Sohn Fachr eddewleh Hamdän, das Bergland oder Iräk adschemi, 
Rei und Tabaristhän zutheilte, und den dritten Sohn Mujid eddewleh zum 
Statthalter von Isfahän und der dazu gehörigen Provinz ernannte. Früher- 
hin hatte er für seine Lebenszeit den Besitz der Städte Rei und Isfahan 
(wahrscheinlich mit den dazu gehörigen Provinzen) sich vorbehalten (Cap.V.). 
Jene Anordnung blieb jedoch ohne Wirkung, weil nach dem Tode des Rukn 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 9 


eddewleh (im Sept. 976) unter den Söhnen desselben Streitigkeiten ausbra- 
chen, und Fachr eddewleh, welcher sich der Hoheit des ältesten Bruders 
Adhed eddewleh widersetzte, mit Zustimmung des letztern seines Antheils 
von seinem Bruder Mujid eddewleh beraubt wurde (Cap. VO.), und erst 
nach dem kinderlosen Absterben des Mujid eddewleh im Jahre d. H. 373 
Chr. 983 oder 984 zum Besitze von Rei, Tabaristhän und Dschordschän ge- 
langte (Cap. VII.VIH.). 

4) In solcher Weise theilten sich die Söhne des Rukn eddewleh in 
zwei Linien, während noch als dritte Linie die Dynastie von Bagdäd unter 
Moiss eddin und nach ihm unter dessen Sohne Bechthiär bestand. So wie 
die Linie von Bagdäd schon mit Bechthiär im Jahre d. H. 367 Chr. 977. 978 
(Cap. VI.) und dessen Söhnen (Cap. X. XI.) erlosch, so endigte sich die 
Nachkommenschaft des Fachr eddewleh (+ im J. d. H. 337 Chr. 997), mit 
dessen Sohne Medschd eddewleh, welcher im Jahre d. H. 420 (Chr. 1029) 
in die Gefangenschaft des Sultans Mahmud von Gasneh gerieth (Cap. XI.). 
Diese Erlöschung der Nachkommenschaft des Fachr eddewleh ereignete sich 
jedoch erst nach dem Tode des Adhed eddewleh und seiner Söhne, und selbst 
erst nach dem Tode von mehreren seiner Enkel, welche also nur über ei- 
nen Theil des Reichs der Bujiden herrschten, so dafs nach dem Tode des 
Bechthiär, dessen Länder dem Adhed eddewleh zugefallen waren, die Linie 
des Fachr eddewleh noch 53 Jahre gleichzeitig mit Adhed eddewleh und 
dessen Söhnen und Enkeln sich behauptete. 

5) Nach dem Tode des Adhed eddewleh im Jahre d.H.372 (Chr. 983) 
wurden dessen Besitzungen wiederum getheilt. Samsäm eddewleh, der äl- 
teste Sohn des Adhed eddewleh setzte sich in den Besitz der Herrschaft über 
Bagdäd; Behä eddewleh, der zweite Sohn, wurde in dem Erbfolgestreite 
Gefangener des Samsäm eddewleh; und Scherf eadewleh, der dritte Sohn, 
bemächtigte sich der Provinz Färs und weigerte sich, die Hoheit des ältesten 
Bruders Samsäm eddewleh anzuerkennen. Der letztere gerieth selbst in die 
Gefangenschaft seines widerspenstigen Bruders, und erhielt seine Freiheit 
erst wieder nach dem Tode des Scherf eddewleh im Jahre d. H. 379 Chr. 
989 oder 990; worauf er; mit seinem (nicht lange vor der Gefangenneh- 
mung ‚des Samsäm eddewleh befreiten) Bruder Behä eddewleh eine Thei- 
lung verabredete, demselben Chusisthän und das arabische Iräk'‚überliefs, 
und die Provinzen Färs und Ardschän (d.i. den an Färs gränzenden südlichen 

Philos. -histor. Abhandl. 1835. B 


10 WıILKEN: 


Theil von Chusisthän) für sich behielt. Schon im folgenden Jahre d.H. 380 
wurde Samsäm eddewleh ermordet und Behä eddewleh vereinigte wieder die 
ganze Erbschaft des Adhed eddewleh (Cap. IX.). 

6) Nach dem Tode des Behä eddewleh im Jahre d.H. 403 Chr. 1012 
oder 1013 trat eine neue Theilung ein, indem die Söhne desselben nach 
längern Streitigkeiten die väterliche Herrschaft in folgender Weise theilten: 
Sultän eddewleh erhielt die Provinz Färs, Muschrif eddewleh wurde oberster 
Emir zu Bagdäd, Ebulfewäris behauptete sich in Kermän, und dem Dscheläl 
eddewleh wurde das Fürstenthum Basrah überlassen (Cap. XIII.). Späterhin 
wurde diese Theilung nach einem Kriege also abgeändert, dafs Muschrif ed- 
dewlch im Besitze von Iräk blieb, und dem Sultän eddewleh die Regierung 
in Färs und Kermän überlassen wurde (Cap. XIV.). 

7) Nach dem Tode des Sultän eddewleh im Jahre d.H.415 Chr. 1024. 
1025 behauptete dessen Sohn Ebu Kälendschär zwar anfangs den Besitz von 
Färs gegen die Angriffe seines Oheims Ebulfewäris, trat aber dennoch diese 
Provinz an seinen Oheim ab und begnügte sich mit der Provinz Ahväs’oder 
Chusisthän,; bald hernach aber, als eine günstige Gelegenheit sich ‘darbot, 
vertrieb Ebu Kälendschär den Ebulfewäris wieder aus Färsisthän (Cap. XV.), 
und vereinigte nach dem Tode des letztern (im Jahre 419 Chr: 1028) mit 
dem Besitze jener Provinz auch noch die Herrschaft über Kermän (Cap.XVM). 
Der Antheil des Muschrif eddewleh fiel'nach dessen Tode im Jahre d. H. 
416 Chr. 1025 an Dscheläl eddewleh, Fürsten von Basrah (Cap. XV1.); und 
nach.dem Tode’ des letztern im Jahre d: H! 435 Ehr.! 1044 wurde! in Iräk, 
also: auch zu Bagdäd, Ebu Kälendschär als oberster Emir anerkannt, derge- 
stalt, dafs er das ganze Reich der'Bujiden mit Ausnahme der Provinzen, 
welche der Sultan Mahmud von Gasneh und der Seldschuke Togrulbek an 
sich gerissen hatten, unter seiner Herrschaft vereinigte (Cap. XVI.). 

8) Nach dem Tode des Ebu Kälendschär im Jahre. d..H. 440 Chr. 
4048. 1049. stritten dessen Söhne .Melik rahim und Ebu Mansur Fuläd Su- 
thun noch um das väterliche Erbe, als Togrulbek im Monate Ramadan des 
Jahrs 447 (December 1056) der Herrschaft des Melik rahim zu Bagdäd und 
überhaupt der Herrschaft des’ Geschlechtes Bujeh ein Ende: machte (Cap. 
XVIHI.);: worduf, wie Mirchond in den beiden letzten: Capiteln seiner Ge- 
schichte 'ider Dilemiten: (Cap. XIX: XX.) berichtet, mit den‘ Brüdern .des 
Melik rähim die‘ Reihe: der Fürsten. ’aus dem Hause Bujeh sich schlofs und 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 14 


. 
mit Ebu Ali Kaichusrew erst im Jahre d.H. 487 Chr. 1094 dieses Geschlecht 
gänzlich erlosch. 

Der persische Text der nachfolgenden Geschichte der Dilemiten ist 
nach drei Handschriften, welche die hiesige Königliche Bibliothek besitzt, 
festgestellt worden. Die mit D und E in den Angaben der Varianten be- 
zeichneten Handschriften sind bereits in der Vorrede zu Mirchond’s Ge- 
schichte der Gasneviden von mir beschrieben worden; das mit G bezeichnete 
Manuscript ist eben so als die Handschrift E im Jahre 1829 in London aus 
einer von Herrn John Murray hinterlassenen Sammlung orientalischer 
Handschriften erworben worden, und enthält in drei Grofsfoliobänden den 
ersten, vierten und fünften Theil der Wei x, des Mirchond. 

Was die deutsche Übersetzung des persischen Textes betrifft, so habe 
ich mich bemüht, den Sinn und so il es möglich war auch die Worte des 
persischen Schriftstellers treulich darzustellen; sollten einzelne Redensarten 
nicht ganz richtig von mir aufgefafst worden sein, so wird die Schwierigkeit 
der Übertragung öngenläudischen Texte in abendländische Sprachen bei 
billigen Beurtheilern mir zur Entschuldigung dienen, jede gegründete Beleh- 
rung aber mir willkommen sein. Ganz tadelfreie Übersetzungen morgen- 
lindischer Schriftsteller sind bis jetzt noch nicht geliefert worden. 

Die beigefügten historischen Anmerkungen werden, wie ich hoffe, 

. nicht als eine überflüssige Zugabe betrachtet werden. 


WILKEN: 


12 


"8ssor 19 05% 


*sIq93[q953) sauras 21227] 19p ıpeqasusdarj30) 19p ur qiegs pan mommouad ‘f me ıjegosussuejag 1ap ur } pun 7z1081u9 yaqınıSoy, 
9607 “209 ish 4 uadurjd yalnpsag saıodwg wap uoA 9507 119 aoyngaspfag uap Yoınp pepeg nz sıeumyg sap (g6oy 
AaaganolesptıyongT presungg gr 2agef we apana ungınS perng ansuep ngqY age ng 3) Zpf Fıgeg me opınm wegex yıpapf suarg Maısoy) 
zz ee 
0507 '6rOF 9 Prt + 
(ansuugy sısegngg 42P0) 8roF "249 Ort + miowp ssı 


ansaepy na stsy Ya arqszapg aygaspuapgy ngg syarq 
| | 
S70F 19 977 + qegosurgegog rF0F 299 Ser + ymrowg2 Yıpaı S20r 49 Sir 4 


8207 "19 677 + stayMaypnggqr uıppa meMmey q>pAapp? Jtugssupy aesseg ı[y ngg qarAapp> Isragasq aıyeL ngg Yat4Aappa uysins yaqaspanss ngy 
TIP wiege pasıny ıy na | 
| 
pouqy 066 "686 "119 KLE4+ says 
qegdssnurg ıyyL ngg  (uessegingyg) urssogpngg supMajLngg NapAapp2 JxagoS zroF 19 E07 + [prwosıeqd] qoımopp> vqag san nqy 866 "119 SsE + NaIMappa wesueg 
A m 7. en 0 ERERES) 
"qausen) uoA pnwgep 
sung sap 1ausSury39 670F "199 
qapaapp> smorag 07t 3108 “qapmapps pgospap wayisuyg €s6 9 ZlE + 
786 po E86 79 E2E + ee De Ve ED 9£6 'SE6 ayI h7E "PF Massng) yauay 
suarg Massaq) (2) seaqerngg gapwappa peu (6207 49 074 + yapıes ureu>9) 66 “40 2gE + Narmapp» aqpea gopMapp>a PSpYqL qaMopp2 paypy ygospayag nqa 
Tee ee 
"3ugog ayuueusd ayaru supue juny pun FF | 


33p0 00F "24 JEE 'L wi 321P0733 (urqsaapy) say ngy 

| 

816.116 19 19E 

"f we gaypraaduıg Farıqgygaag ausuegt ngy gapMappa ss] | 

| | 
196 "1119 99€ + "976 'Sh6 "199 PEE Nas prpärg uz yaamınja | 

tur 33512 29P° qapMapp> ssioyr pawyy umssoqngy 916 "299 99€ # wessen ty ngqg qapsoppa uyny 66 79 a) Pen see "m 'p + IV TorMopp> pemi 
m EEEEEEEHERSEHSRREHEHFRAECHFTRTIERRUGERENERNBNEHENNGnmmmmnn III 
golag yaqospayas nqy 


"PUOYIAM y9eu uapılng 19p 19FeI81q99JU9S95) 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 13 


I. Persischer Text des Mirchond. 


aut ld bl alt u ht „8 
) 

5 er a (5 wu?) 5 (1) ale 

an 8 ul u al ;h (4) a we u el Et ehe IT el, Se 
eu ls 5 (yon de ale wu (F) no en ls Jos 
u ES DI SS Ole 0 ET RT 8 m al de 
welsub 1, (7) md Rt SS 0 ZT nn ul eb win ,09 
It IE tt u le u „lu Lsuld, Ai, u RT Alu 
3 Oar IS un Ge wuh, Ye ai at si 1 aid u () 
(19) Mdy2 0,2 ul LT Ur 50 Ude alle a5 UT ai u) w> lo 
Art, mm de weils u an I Dmn on sd si a (1) 
u SO Vs sy un ae weh ee le (1) JR 
5 dw si al bin 6 u ee a EEE u 
N (N) 0 er > 1, wu (ob ai 3) 
Ener Bee be, Blur ulen las Sui>t 2 
Blue St ss ei 3 le 2 sie > Lei 1,00 6] au, mu 
5 (9) ri > is El zT u he Bull zT u all 
> öl (hot solo (I) Ms (Mh sy re ul 


eyD.. ale. (2)E 6. 6) Für Aus%as steht’ in D. Cosy. (*) D. und G. 
as). C)D. u>.' (6) D. u Km. Cu Kie. (TC. WW) Ed 
() D. ohne 1,. (1) fehlt in E. NSy 85 D. (!!) D.undG. au 5. (12) fehlt 
in D. ('°) D. (ohne y. (!Y)D. Aw ohne,. () D.und@. gi gj>. (JE. 
und G. (17) G. Ya ol „ur 52. "(lP)’E. alas. (19) E. und G. 010 


Dr 


14 WiuKken: 


sl le (ned 8 a I a AR (1) U > U pr 
a ir > 2 eb nn, Se ol k L (?) 59 aD ri 
St a (A My ee 
El) le et A), Sr ir gb 
em ar ein) U 8 200 holy A, weis mei am urie 
N a a (EN we (yo al al u Lest ni 
si a el ut ()) a Ar u de AG 
EB ze (nn Aulb JUn2 0 a (!) al 0a Pr 1 ns gel 
(3) 8 NE re en > 
() is u ty ale (N) u > > 
St) er sr en ae 
(ee SE om oh u ae Ur Sl Lil sin AG m 
N si Mair wen OS 5 I) B>S eFrFSIPLÄHRR oh 5b > 
u ws hs (1) OS ob) ya, Ab wl>2 blut ;} Os (19) Sue 
rilaler U ih, 0 Au ru (20) ent le de a le 
N ae md si] On hol uishols Ko u) 5) Os dm, 45 
CH) ar Per 5 8 on br (2) 8 (21) Dal 93 
oe eu Wr () And Li b I a) 5 ih ae 0 u 
rs Am, ale le m MT Os nl Air „Let Da m (26) 3; 
om Dem ob sp 8 ne u (ah a) a wi Lei ur 


(JG. 2>ly. (2) Dund GC. 1323.) G. 2 soul. (+) fehlt inD. (°)-G. sy. 
(°) Das zweite „| fehlt in E. (7) D. es, gsü>. (?)D. ww. (9) D. 1 Gohne 
»» (9 Diund G. 48 2: ..() D.und G. Ab. ('9):D. ve oulb_G. 0 „ıulb. 
(3) D. aa eyünyn Ab 9 und zuvor Pstatt 2. (4) D und G. 258.,, (1?) D und G. 
au ..(!6) E. fügt N hinzu, was überflüssig ist. , (17) G. 2b. .(!?) :D und G. Su 
ohne ». (1?) _E und G. o1,Biy. D. ohne », | (2). G. md 51. (ED) D. za. Sal 05, 
Ss}. (22) fehlt in D. so wie auch! das vorhergehende sI|, (23). D. sur: EDIE. 
>>. (3) D. Sail. 9) 6b; c! fehlt in D und G. (27) D und G. 2} ohne 3. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 15 


is ein di > le 0 ne Ai mad a (ER er 
Et) Kir se) age er se il ba Ulm 
er RL Kr rer Dh N OLE u er 
Spin ls a RR ee (Rt 
Ra er Lian sl deli (H) GE) u Sn 5) Ar un 
Voll zo lag ale uuylon Gsl5s eb rer OL „Ik 
ED) ME Ri ES mn ar zn he A 
er va has m de gusldys au>lu > „Netir is) nun! 
a er Er A ri ie) oe > solid 
nl ws, a on er > > and On yuiol > 
de va] nl hs) Selb ale zog Oh ad a un 
ET ee na ep b wi zo ben nd le be cn 
ey N Er Se I rs 
Br er Mn Sa ed 
55V. Kubas tag ol ee es us; 
Bi sy Fr Ola 0b us bike u a > 
al. 5 Gh (9) ON ge ya) wel Bi un A; 
SL ww sl; Tshlen „Linbunenhie 5, sl zu soll „Loln 
ee (Myers, ar hrs, il ars le 
Bee iz) hol gb All she sa; gb sie Mas wu (sl 

wand I en wel A a Sl de 


(!) Bei Elmacin (p. 191.) und Ebulfedä (Ann. mos!. T.II. p.37/. und an andern Stellen) X. 
ES; n s3ld Der Name zusl2wird in-D. hin:und wieder auch‘ 24104 ge- 
schrieben. , (3)' 5 fehlt'in Diund G. :4#) E.-fügt hinzu goyl0fay. ) (9) E: SwWlad: 
(*%) S. hittor. Anm. 7. .(6) 5 fehltin‘D und G. (7) Die Worte yon SG} & bis os 
fehlen in E.\ (°) Erund’G, se,. (9):D und G..sol. 1 (9) D. Slrohne/s. (1) G. 


16 WıLKes: 
ea 
2 dh Ole (eriahiı Kö 

Im 9 daß Sl ln 2 a8, zii All oben le sl 5 De 
Olsen Du (sam Sl 0 NIS > le Ab siehe es gi hl) wel 

> gg solät il ie a a (1) Uli > Ka äh ls ar 
ea ol lin2ye Ra an) ol (?) One wis Solide weh is 
bass. yoga) LK L> S ( Es ya U. ya 
Pe ol. sole ou lb Lil saw geulii b aW (F)AS. ale lt 
5 Mir ne u, gl 5) 5 weile Ab hun (N) 8 wu (9) EC 
3 bus wid I a he (BL bus 
> > se st el) oda 5 ra 
Ole rm lg Del 5 >, ne ve wel 
Ah a Sal A Ol, UA se yo 
ES) (1) oe 5) Il > wwmla> DS, us} Bee EONKT Sri Zu 
(By lee sle (12) oh JR ar le Not tel: lea 
rast a Alan Eh a, ei a Re ig 
CH) On, by haha zur ums span ol re 
ale le; 9 weil U sudl> ud 8, En A er > 
les a0 Ole üben dk (RAT zer 1A ho aaa 
Me or Kali ol aläl, sl m Kin eh Dh N oh 
lin ot ET) a oe ua () ob 
SO 5 Ale Jlriil ren u de ya Mägl inrmss abuall Ouae 


(DB 05 Dun. Gl Ras (2) Ele) [nz chne die 
folgenden Worte. , (°).D: „u. Gi a3 'sul ,au (#) fehltin Dund E. | (°) fehlt!in 
E, .G. setzt für JS seit. CO) wur) (7) D. sr) D. Du> 
als.) G. AL, Q)D. Alan) Cs ar. NIE. IE. ı () Gau: 
C)E LS. (3) D. 9 „ule. G. bo) „Le. (1%) DundG. Ay 2,5. (d)-Die 
Wörter (#s1ot4 und Sy} zes fehlen in E. (16) G. „308. (7) D. Iw,. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 47 


Sl Aue > su 8 35 Qlüob wubt am 2 a wild u dw 
ass (yes, vr Fr so; BAUR wolle Be) SE bw > af A 
rl li, be) (?)umlös Us nu m s0,,) Sy SA Be) soul 
3 (H)N0b wis abe in il; a OS Mn nn bl Lou 
al a 2 (asti alsUl 5 win Soll sole > a li 85 Alb „Li! 
Von u sl si vol OL 8 le lets wol zT an ER su 
> L en Ar) nA w> bass 0) 5, „ rs sl) u Me u 
(7) ) BB) un — sul, vols> 5! uw P E20) ()5! sol;» FALER) B\ AG 
2a 3 55 ()598 a a Isis un AD Te 5 u te 
er alone lese os yet ea 
SC le a > rg lan Ab ar on a 
wo a) in _ > > 1b Bi > 302 u nie m ee 
Sa „abo (2) > Se) Nur 5) Pe ss As weusut Pol gr „> Jl> 
Ui st a u a oe) zT a AR 5 ha ON 
Bei re ee) eur a a 
2 ui (B)SUES 5 20 sh uul> ih Rs ol 
(1°) Sol, Aus, (2) PD Il [6-7 DE 3, w>, a Le Rp en 


(1) Die Worte von X, &Auae bis Auw, fehlen in E. (?) für ws, (ya setzt G. 
hal FLE)E. le.) (AIG. Ws IE)ESHLN.  ()EundG. 3. (DD. 
s) wmä> 0. ()D. „e. (°) G. setzt hinzu _ol#. (!P) fehlt in E. (!!) D und 
GAS>. NCHDIES- By) A. (*?) Die Worte AUS 0 20 fehlen 
inEundG. (!*) fehlt inE. (15) D. _ul>, 2.6. ae mn. (16) G. Joc 


Philos. -histor. Abhandl. 1835. (& 


18 WıLKeEn: 


(2 ws EN, 


pP 
Tann > N u, > SS 


is mb ae ai >, a A oe ul > > 
ar 057 0 ze ST (ST Tr 5 ws, bel (?) m, 
SI C)SE mn uES 5 205 9 ch ll a oe a 
A 30,5 wull (9) wage) 2 59 am Asse rät (ab Li Een WS, 
Setzt sold Räte LSV] 5 sl 5 won ls sn an, Fl ol gl 
tr > ws, au si, Old Ss A zer ins (7) ES al um 
lat len as ale we zT An Al air ya ui 
5» ob So 095) Am om ua (I) 28 wm (9) > Eu EIER 
er es er ee le es wlle> u) Se Op 
Sur Dust hy> „lmt => Syn (I) hl St 5, Re 8 le 
ws, in a lem nl 0 er ee © u ii Se 
sol m 5l Pe N a N RE 5 
nos ar Su 1 325 (12) il sl ed ob Ai SYo 
ER umbau en AT zes UNE gs 
5 wmn> a u pa 2 et 
ı DO en ie 8 2 a N (1) HE 5 I 80,5 
? hola >= Bu oe un U L So u) er 6) ob, Bl Asıy 


(!) G. Sp, sont. (2) D. stellt die Worte ödy — Le, nach 3 u — wnöb. ()D. 
mi ii, (4) E39). (©) DundG. „S. (6) DundG. 52, » gan u) y 
(7) In der Chronik des Heider Aixs er (°) Vielleicht ist zu setzen: (s'', „) om. 
(°) D. &2>y. fehlt in G. (!P) fehlt in E. (!!) Die ganze Stelle von »b,L& — „=, 
S.&1 fehlt in E, und statt ©L,L= steht ws; Li, wie in G. Nach -„wo schaltet G. — .% und 

) a) Gr ei 
nach »x%$ das Hülfsverbum c:w} ein. (2) E.unisl. (3) Ding. (CYE ws. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 19 


al a le „ul, zn u; Nee us wi 0 u Kb Pa Jh. 
(!) wis wre 8 Blu on a6) er wis A le ie > 
bs ud 85 8 pe pl Sl ir (> har 
NSS ar pe „I> In als Ella wm 
023 25 ww zo a 2 re Oh, (3) AS 50, ee 
2 (SITE EN a AT u, ee el 
LT er 8 5 Ib hal ap Oli ul Rn al 
BT u Jg N zT a wis oh 5 he SEI rw al 
Col ir sub 25 Ph wmsl > win Das (?) bir Abe a ar wums 
ES in wm IS le bI> Ss ta sl All, (5b Ob sun 
Au wusluih, we sau AST el 0, Ali en; eh el zu 
a Mm ya vol „Ei 2 (LE Suse SU 5 lm, 
wi gay ül Ui aa „> alu wolel ll, urn ww An 
5 A AU) ae ui A > ol ll Dil 285 On 6) m 
ES ya zer a „Li (SAN ze yus> _ee un wu 05 Old um 
ws, ylevob (5, 5i va ol 3% iS a A m (en ak Sl 
lol > a Sinus) vum, A) an A) ST, Dan was (?) aD um 
> me op ll ab u zl on (I) oh, 5 an) le > 2 (N 
ab 3 a5 30 Ab Ir u a > ES 0 a AN >, 
5 a u a 2) 0 (HF wma 
Dt Ab alt >, MT alewoh u ui Al Olam weils db hot lol 
() aD ln lt wis ol> „ll es 3,5 lb u h> 
te en he he N ln 0 u 
p elill so Sl „>, ai E86 > rd 51 ao Mil dh > 


(1) fehlt in E. (?) E und G. lassen die Wörter L, 5 und das » vor p;e aus. (°) E und G. 
MG. (4) Eh. (5) D. bye. (6) D. (52) und fehlt in G. (7) D.uS 2. () ze 
&s0f fehlt in E. (9) D._um. (10) fehlt inD. (!!) E. Al 509. G. al vi |. 
(9) G. ums „za, Ab 2 85 mit Weglassung des 5). (13) E. sl. (!) E. (sb. 

C2 


20 WıuLKens: 


8 alt Man li ts EN la um rd et  Yi>t 
Aus (!) Or va Sal u „umbs (5,5 Ju>i Sue, „UP uue> 
Aue ls 8 au (2) 08 0 u lo Ab 5) Ja let a Ill 
a ET On > wu IS Si (?) 5 lin AUS lu Sal 
SA Syn wii (4) au sul usb Liiek> 1,00 all uet blos 
„) unf> won > wm „arm Bl a wi ol > 0 
a) u A, A) Sue (Fell 52 in Im soHli on Ju „mn or 
Is, Ile, lol (syn JA Ip Dam So wm „ms gliolb ll 5, 

22 (O) As Ali Leis 


£ 
Do um u 0%) az ze SS 


gets by zer > ls Al sole ll, ran öl Ri zo 

ws 0 hemd la, las ms sl Os Sal ls u Kr als 
wi ya a 0 ut nt af Ad ee el a 
url any () Hl zb er ol zl wmd Ars All zen (Tas sh or 
lm Gl Eye ee A ee iz a u (9) OL 
u a (MN) de halt jun ws, 
er il le Unis a KT ze ee 0 wo (12) WEL (11) 0 was 
zt Ay 4 59 wre ze ART wel Su (13) „loan „> ti hu rel 
A505 yakzium 8) A Eh ul> ELS, HI lm a wi (M)n,> 
Ltg 51 (10) 5 (1) kin ui ST pre alili, ll, Säle 5 
MN a 2 me ln ba ee (T)y 


()E.os2. (?) Eund @. Isla 0. GREEN a. (>: () D. del. 
(°) fehltinD. (7)G. ws. (8) D. wukld. (9) fehltinEE. (1°) InE fehlt die ganze 
Stelle von a5 bis u 8 «2. (1) 6.0. (HD. wuLs. (JE. „> 5 sl 
u „la. G. „iaslas dLily, „LE 5i Vals ok a. (19) GC. wlyy>. (13) Die 
Worte (Kiw & fehlen in E. ('°) fehlt in E. (!7) D. hier (,25.»3. G. überall 4,9, - 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 21 


Sa zung id pri za re Lu KA b lets 55, (15051202 
ll, li, wu aim 509 Os warm ze sb , „I ode ;I (?) Sms > 
NAT si nl oe OK ne Km US la KR (3),L 
Ui) ws, Sy ISUT zb, us baby aapie „un KU La) zur (5) Au 
zus (T)on pi BR ak en Om BO () 58 ll JO si don 51 
a 0 ne Ds „> sin I ol ae sol> 50 So 
35 wen 3b sul 0 (3) Km yalate All zen RS zn 5 lee Ola 
Lt. (10) ls ng Ar u a, he a > Se ne 
> osl> urn Win „> BEeS) a) BERG Fe) BE.5 e> en (44) ae 
8 lol um (12) ey AS dei dla I le 5 ul, sy] 
Am je, zZ Mm sam „Lä>f w>lo Su! jr Nobsl ol uni „2 old) 
(3) 8 9 (1) EN > u (N) ii Am „> wu 2 er 
Pe sw > 95 (16) li si sn al = des J> wel> 5 1, 
(7) Sa el sg: wrulie ol, al Te or st a 
SA 2 SU) zer ab, Jose Sl ol, I ale PL all, ale > 
arm „us ei MAT san Re ST zur ul, ww am On Or nt 
St pi EBWEIRKS be oo ölsu wur je „He ls u Sm 05 ('%) a% 
so 5 oumlasn a> >) (7) „um „Ib Jess ‚2 St je es uns ob 


() E59. (2). Sins. @)EundG.wS. (4)E.&uNS. ($) Die Worte 
&> J5& fehlen in D. (°) D. an dieser Stelle „15 5. (T)D. 91. (9) G. Kr. (?) fehlt 
inE. G. „wow. (1) EundG. „sid Ur a. (1!) Die Worte „List JE fehlen 
inD. (DE. „zb. (3)G.&N05. (HE. Id. (1?) Die Worte Jiw .zıa® fehlen in 
D. ('6) E und G. SAL und G. zuvor statt 5 - NIS. (7) Die Worte von dos ;) 
bis Ss pi fehlen in E. (1°) Der ganze Satz von sw ‚2 bis A& fehlt in E. ('”) D. 


22 WırLekex: 


Se st 8,5 gi ‚Las Sa} ol uileüt, Uiles 
2 &ub A wi lm 5) ap ls SS Ouilm, > ou, (soroß 
Myr6%] pe b Sl za (?) enr&s SS ; „> Sal, SP wi 0 BSR: SE 
se AR DE wi A du 2 a (t) a ai 
&) Sm a Al ln dgE Solar Al jan Bl Sl Uus> sul el 
is (9) ME At 0 ze li an a ur 0 (d) um Suhl, (7) Ouls 
Bin le ee ee (9) te m 5 Sal jan 
zn NIS „az „Ubi Sa zer ws Uholen (A ln ar u 
zu > Se äh > web re ae) r (11) „Lu vL,L= z) Am Su 
u) Sul 9 ab wln,s sEs il pe oa bin ln, Er 
ps wi op wilst weh wel Zn) 5) A zer 9 > (1?) so 
Sr ac ie I A) un ws, mal Al pi (3) a5 Ay os 
Su sad var Sn jan 6W] „2 (1?) Als 8,00) ao ns „ll (CH) ws, 
I ep alu A ef LS . Id) 0 Asus os a Sry ri zu 
gro \ gu cn (es Kas (1) ie AN 0, ob mac in Al ee Klin 

oe wu et om 5 UI 5 vn un ST ale Al Jo > 5 vie 
MS wo el Er m sn A zer > u en 
A an AS So (oh, ar a (an ai De 0m 0 (IT) Hi 


C)D.osl>. (2) fehltinD. (°) EundG. uw cnb. (*) 2 fehltinD. G. setzt 
sl. (°) Das zweite 3159 fehlt in E, und D. wiederholt nach dem zweiten ‚1;9 das Wort ‚b. 
(6) DundG. Vox. (7) fehltinE. (8) fehlt in EundG. (°)E. bu. G. our. 
(9) EundG. Sy. (1!) fehltinEundG. (JE. ,Ww. () G. sl an. (YE 
giebt diese Stelle in veränderter Ordnung: LU wöl wuels al AT er 
a} Job Lie 51 LIT mL5 Ayime vage 2 all zum, is, umalı AA) vol, ‚vor 
ws. (DE LEE. (ID. ui. (DE Ah. (HD. in. 
(19) E. 02. (IE. ell. G: goxglt. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 23 


0 a Re Ns ci Im ler > u 2 AD rn 
Asolgann _ebun le ale all Jo all dem SI glall All. ze a As 
A wg li, om, (1) ww in 0 AU em weil ns Liye el 29 
2 I Sy wu we AA) an miss AT Ze un 
> WU sol as % As 3 (?) OS a ey 2 dl nt SR 


RO oh! 


ö 
2 A >, [Ay On wu Sö 
im DR ep > N NT > (3) LE ga St Was 
OR wm wu> Au o A} Slue yine wm u all, rälin us 
pn NT Aue wible (85 5 ar lo mi 
AIG b Ju oly ww li In si > 
Al, 5 Au Sy ellary IP w0yE KR wre sy 5 ML a 
aa N 0 yo a ya (ol be 
As Alma 5 ie > A sul> ) yn wih Su 
A} (3) in wol SE hal, gm u 85 wai gulle wis y 3 il 3 
Ole sl» yo (’ 7) rilÄRıe Mr su SS Oi, Ai 0 o 5) () An 
zb Jl> wie a5 will u) wu AD 1 a ei Wllibel, 
IS wie ad RE a at ST I we Li 5 ls On (3) 86 
3 EEE > (N) Em ee (ya a IS 
a A dl 2 gi (A ee 2 ir 
Do (OA, ER se u A > N 
Aus vum me Isar al Zub Ss, Sl um 2 Bean N zül a 
OBEN ER us ss Bw NS wi von ws, Vi Rd EpeNj} 


(1) fehlt in E, in G. steht yu>. (2) D.wiäo. G)D.. H)D.ub- O)D. 
er >. (6)D. au, Ad. (T)D.wlÄR. ()E. US _oyler. (9) E. al. 
CD) E. „uw gs. (JE. fügt „Sb> hinzu. ('}) Em. () 28. 


24 WILKEN: 


GB) ze hol 98 „ls; Ira alas SI (2) Oi RS (je (Je 
so (or 5 () EAN Sa) Aue > & alu Wr EN > dd 
I er ae ze de u 
b min (F)AE 2 Srisy si Aal ia 05 oh A 
30) rs sid Les On or Opakı, wlan as re 
() weh st sl ft I SV ul 5 2 Ui sid  „Dl> 
SB On el ee ee (ER a ww! 
a N ER u RAS b (I) 9 „zn uajn, siähb Jede st (9) ui 
sb 55, AEh (MM) lins wg Aal Oas (10) ziels elle Sl> ob ya} Ole 
Aw SW Xi 3 ale (12) ET ah 0 a RR 0 a Is 
KEN sonn5 Dmye Ah a ae (ya 5) ber zy 5 a 
go ws ul SI 5 Me den bo al} Dany wm SuLis} Gt 5 
5 dir ui wule 9 Ya) ae wor u 1 m 
(NEE ee el NUN Dme 
Ei ulm 35 u Sl a AT Aa ai > ya u) 0b P> 
3 (5) ale Alb 3 ep de näll cl, it a wu eg sl y2 
wsible ei 0 Habt am a nF ls a a we (6) u) 
a zu, ELF Se ud la 2 alle af A u ed yus> 
ln 0 re (TI Inf zus ab, Asslinine lab 
a (M)osr un ws) Alma nn IE a ba zT Ai a Salz 
ww Asia crer = a os Hr 2 DU L Ad) Das asul, 3, 
um, ot > zb, ls wa 30 zum Je) >b All was alzl 


SE: ar ohne zum. (7) E. schaltet L} ein. (3) E. Wo us a2. G. läßst 1,»} aus. 
(HE. ut. 5) DundE =. (S)E. „all. (ID. ) gan. E28 go 
ohne },. (°) E. Lt. G. schaltet vor (ls ein Ne. (9) Gy S O5 ze. 
(19) 6. A108, (I) E. aim. (12) G. „io. (1?) Die Worte ya () L 
fehlen inD. (YES in. (13) G. ade allen all wolyo. (16) Die Worte 


>>> 6) ;! fehlen inE, (17) G. Als. (13) Das zweite (i> fehlt in G. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 25 


FE Our st sun u], A why 10,5 we u (1) 
ID > Ds min end WÜ ey NT Ai 5 ad Wim, Au, 
313 last (glas le 2 5 28 (Fler ui zes (*)wubk Bi (9), die 
sum zb ash (6) LP aliol, Las de a a 5 u 
Wh 09 30,57 (ilehung Mt wu „Ubi (7) wur 5 og A oben le 
UF ya pay ÄR (dus Kul „List mol sä,än Ioam 
gar sl 1,9 > Pe um 95 le wubl af wu l,> om die on 
85 > el lim (nl 50, > 55 (9) als US 5 bi s5lu (stm 
hastmen el) Km wit E95 al gay ol au (19) E56 vol wwan, zus 
; aueh N (2) 55, u AS > 2 uhoze (1) 00 ‚Last 
Mir UP Yasszoio u) I dm, Ada Bj vi IT 59 > Ki uf An 
ONE ER, a Lsut (14), 5 a UT 5 5 En rs sun, us „Bu 
8 ws lich Sa wäh sh, wii a Ss ieh ji 
() sm Mio Ar (sin AS Bi] 2 or wm ml N > Ay 
(5 wie ws a 05 All Dias ul Ge > u > NH] 
VER ie of A eh u wir wa ea 5 in (oh 
a) Gral we 2 Ab au ni gi ws (Pd) hm So, san a Al 
er) UN wo; Om on A) ze Ss ur 2 9) wuelbl u af sLüoh 
0 fe as sy Ms ÄS, lm ul „lan, SE air 0 a 9y 28 
le 8 um le lb 158, je WA te (I) yo ut a 
srl, io „ wlio af Sad a) u u u ln som, (29) za 

()E Sl b as 0, gu „Dun Ouls uufie u DL ba, Aue ash, 
ws. (2) De we. (3) D. „Bin 85. (+) fehltinG. () GC. u u. 
(6) D. LO®, ohne @liel. (7)D. 3. OD. > web. (9) fehltinE. (')D. 
8) Bl sb. (1!) D. ps. (12) D. an dieser Stelle und weiter unten |3».Wwo. (13) fehlt 
in’ E..., (H)/D.38.858.4 2. 5)IG; „aa. E, schaltet nach (, „mas noch ,„aw ein. 
(9%) E. fügt WB „2 hinzu. (17) Es „US. G. asuluis9. (19) G. fügt }, hinzu. 
('?) E und G. schalten „Le ein. (2?) E und G. mb. 

Philos.-histor. Abhandl. 1835. D 


62 WıuKes: 


ra = Er 157 On el seul> RIESE Km » wi, ln RI SI> Di 
Diss C)Or$ zes (?) web le Se wu „Ib ‚2 se (HL rl EIER 
vr I N) IS VEIMOET vie SI wog > L ui md ESP il A 
3} 25 (*) oe ll = u oe dm ba An u za ulis 
„2 um Jam) => vrmsli> Suelde 2,10 Solms WO, > (). be rin 
Jam s u 3m de ()ut oh > ie 888 yo nı —ı nl, 
BL (?) mr im Solms (7) in es) 20 MER I Rn vms> 
ze en Oh Eh Se Am 50 Kia xl BE DIA OS 
Sys (N) 5 wu He den (sl u zb hl nun Gb 
3 (N) (1) sl zo LA 5 ut AO ae 
ai a (3) er ee U Ubi a 
ads (19) ib Gnl> us (1) Az > 05 8 (HH) um slüolı > 
(US LU Ey A 2 IT > (I) he at (IT) wol 
Val läsn wäh wu ib 0, wis ao Dias ah wi, Ol 52 
vrmwslin! be 8 alaol er) SD un > by ORT sün a 2) as 
wrwälude a le a la leur „ls „I > a ; 2 ol a 
(7?) vu, EIERG 5b s F-2)) an Jam; rm wu, (on 2, = 
Nüs AA Var Je; yo 5 as IS > ya Mile, ars ums 
Slam ul ulE sw Si wu 0055) 8 2223 wu el (a 8%)) 


)E.b. ()@.u8. O)C.öwg. HE. O)Eiab. (JB. 
DEZE O)E lb. O)E wle 5. 6. X 5D zb. E. fügt nach „sl> 
hinzu Aue. (19) G. dp, Sum. (DE. 55. (12) Das Wort IN (megel) be- 
deutet auch nach dem +; 89 (T.V. p.111.) einen Frosch (Js2), und ist von I (mekil), 
das einen Blutigel („-—;) bezeichnet, wohl zu unterscheiden. ('?) E. on CHE. 
wm. (S)E. 8. (16) G. 5 „U Ku wu il ED u 
(7) EundG. swolye. (19) fehlt inD. (19) EAU zul oje CY)E u5» 
NA uiel>. CD) E. 25 zu 2. ©. llst zuvor „aus. (2?) E umis ER 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 27 


ziel wish, wrild u is u eh ee I (?)O 


u 


Br I wu nun I AA zer gie ad wat 5 lan ln > 
KA} Aue udn uw an de Ss) (FT lu Slam Lu ws 
AU sr 85 9 ol a ua en OL la re Lumlll ut > ua 
ud Su > zn re 
dr O t () N si hessen, ad 9 Ay) Onazy Olins Al) Auas 
m Ey! Ah dp Ol 0 All Ans ei wurst 5 an We ll 2 

RS Un ls „il Sl} Aue la, 


A 
Au 35 ei ar ln Su Aldi I len Sl) me ü, SO 
@ 05 vum St je vw. 5’ 


ee Le hole gs zug bob, wr> 50 SO ze 

Pe N ee ua else, Eb& 
N u 2 Jahll An anf Km I Sy a (FO A 
re ei (ti) de re en a 
er A A u le all a on se X ZU (7) us 
Pa 2a (I) ws 5m Er (IE er 
wlan 5 , IE vopa= (1) los Gyfzen Läbly hin eh Ki) 
ey eh a (AT en (N) a u > 
en un u (Ei ie (HH) en Ss Je ('}) bu 
I we Sri gay „u zig ol zT wu>lany wendet 


() Eund ©. Il ums. RR. 0). u und zuvor statt vd, — 
a HR. HESS. HE ar (N) N) 
vr fehlt inG. (°)E wu. di) E und G. selioh. (DD. —b- 
(1?) E. Sy} War. (13) E. Lies. (il) Eund G. xy Oh. (1?) EundG. As 
bs. 

D2 


25 Wırkex: 


> RN ya Re SS u a (I) Ar ui 
sous (*) we 5 28 2 um NS (3) ‚List ‚Las bb alle, X 
or Yin (6) wi, le ame Jomaii (F) dom or gl Ola Amalsüt 
us Du, > 5 WAS sl > 5 ni al St 
Fein > > KAG by, sry (7) won sie Ku „Li al,Käh 
An Sa Nas rau st (I) dm 5 9 AU 6) 5 u bes ab we 
0 II Al wol 8 Ge at wu > 5 Ailuan pn 
SA zu ul 05 Ai le, DB RL Lois IS ii > At Duae 
„2 2 5 (sah seh WI NIS mo > sh „Lin 
BD um E eu 
5 Ri zn, ur Ws de (eb NL UF 0y5 


dt 1 Ah Wil> 4 809 Sul 1uliut a0) Dan, (10) EX 


Ab, was les ale glb 8, ‚5 wi ‚bay me a Eh a: ui 
ed Os sk fm Sl; ln is sal> as SR ls Ay) Ouaz, 
Mei, SU na 8, lo, le u > nn ti do) Oase OU) 
FIN ul, „Li; Alt One uf 5 ouy 30) Wall 
I Ru 5 85 01 (3) ee 0 be ulbol, el wi si h> ui 
RÄT 8 8 le m sh REINE 1, LG za asboziul wrg> (IH) 5) Al Dam 
Sp > Ps ()8,00 Duae All 3 2 5) An Or wunia Ss ;ie 
St (1) ze Sl (9) Ay SE u A ws oe ale 
Kar Ar (19) ‚Us KU si srlb Bun zu, 05 OLE le (1) EL yLas 
Man (Di m wel Le Sr 5} an) Aal] ze um oabn Alm Soul 
um N an > u wu (MP) ae > IP wm bo A 


(!) fehlt inDundG. (?)D.»25 „es ‚ubl. (°) fehlt in D. (*) G. mol 
was;lin.  (?)D. ai. G. us ohne Juasi, (6) E win wu. (TE. 
win wen. (9) GC. dem. (2) fehlt in G. (1) GC. AI . (DE. us. 
(1?) Die Worte von $1,5} bis hieher fehlen in D. (1?) E und G. Ba O- (1%) fehlt in E 
und G. (15) Sy} &uae fehlt in G. (1°) E. ‚2s mit Auslassung von \uw,. ('7) D und 
E. Was. (19) G. fügt gel hinzu. (9) E. Aw. (29) E und ©. »L. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 29 


Jeiit > (?) 3.6 8,5 wih KK wu > 8, Or aa (1) oh 
So ae (4) u hal ya WII Ro Yin (3) u le ah weh 
UNS Z> WA 3 Js Yin (wm sl ae 5 0 IR SE a Sur Aisysl 
or Kl al (5) RE RR wur >, days 8 Al Amy un, Jlw ws; 
Wis ol & N ah, „=; „8 se wurst 12, wa ()eR 5 she 5 
ir Sl Au LG a Tl A (9) mr u zen (? )st8 cn Fi 
urn SS 5 ()O wel „Ubi ou d> lo a dar A) Dim 
Sue Jo; (1) a2 est sy welal „3 wlwll &n A} ae ll, 
(SS db 5b (MY lin, Ib, alt, Ir we lb, Salzen ulele 3,57 
b (15) 95 lt at [U (1) LE as LT Bi > (P)r solim 
zb won u] 2 5 dleteh, wrelu (gl U al a > us le hit 
Ju 00 ai suis am Al 9 u Gi dla zn wu>iut 2 uU S 
(15) lt late uiaslt zb (17) Aging Sue, Ka halte ash le (16) 02 zb del 
„lei Li west, olwS5 volle Aut Ale yum> (19) ut ehe 8 en de 
ars Dome (71) smile mm, bl, ein () wol min „kei 
us m, (A) 0 oe äh u ne en AR 
Bm 5 () Op wu, zu Iaulb oT oh > (Hi) swole Sid; MS Wle 
an a „su a9 3, U Slam 2 le „ml all, uneum (>| 
SA Aue 0 E02 vor wm la 05 AI Ups nähe sohn uud ji 
SU 0 hol weil Sl 5 Sa aim Sei iin 0 li in a, web U) 
Im um (um ou > wu AS 0 I I 8 rn ae (26) 


CD. Ion. (9) Essay NOS. G)E. Ab sie. (HD. 25. () GC. wol) 
ws, (6) fehltinE. (7) E04 susl8. (8)D. ar. (9) DundG. we. (IE. 
Alu an>lasl, (DE N, iron. (DE. 9 aulb. (13) D. er. (DD. 
„>bo. (15) D und 6.3923 At. (9) GC... TE. „zagim. G. fügt &,o> hinzu. 
(13) E und G. einst Aal, ll et. (19) E. gilt ls. G. wom>y ohne Titel. 
(@°) fehltinE. (2!) Eon. (I GC. 33. (2) &: (Plur. von &=) fehlt in E. 
(2°) fehlt inD. (2?) E. vußs. (2°) fehlt in E und G. 


30 Wirken: 


u (A) ol zo 5 (In wi > ul us An 
2 Sale glb milble se ur ale se el ba SR C)EN > 
wäh ö DB SO) BR ud suol>, Sn wis ol (#) wu urn 
Peg Ay; „u „> gr us @) (mo Sul st N >, wladsu „I Er 
3 () NO W yble ent oler 0 LE, All Dune lo; 509 wm atüs si lu 
Fo en ab ww |. JS wol ul bel sel 0 85 us> wuuf> 
Er 0 8X wu Jule 5 085 2 OT u 19 BDE 92 ()5 
28 weäle gb () my sei el Mn zias (ya 
Au ae U I rt le ua Lie ir 8 
AR ce) a eh, BL ai > > (1) KR, u; er) 8 
(4) va) ea AZ ER) [67,) Buy 2s [6-57,) RES) Epe\|| das 5 m, ae 
KW (Hy) mol cs S (3) ei, us 5) © Ss (1?) uno un 10 ie ya 
re SP) war KB wol 2 a Ku 2, Bl>| Dur eds u zei » 
we lad vos (13) ek Mey dus lol Sub ls En 52 ass 
(era geeäy sy) Ss N) LS rule wo 

x old 


v 
RAN u rk 5 
SA Nas > to huias> SL Al) „>, a as „SR ul 
12,8 Ole On vLu> „> Aa! 3: bi, Se md A! en Al N 
„2 KA Aus wuu>, 3 All Re: MILE KAG len 


(!) G. wurd ae Slow uni9, \e>s. Die Handschrift E, welche die Zeitbestimmung der 
Regierung des Adhededdewleh wegläßst, setzt bh für ab. (?)D. wel. C)E 
we. (d)E.wye0. (5)D.u>lo. (6) G. 8, dB. (7) fehltinE. 
(°)6. >. (9) EundG. ww. (1?) E. ARD). (11) Der Satz von uw, ein 
bis m) si>lu fehlt in EundG. (12) E.wu>lWw. (13) Liwosss fehlt inE. (!) E. 
uf zo. (5) E. he (Em. Geb (MD 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 31 


„url af 815 „na ln si us (rel, 8,5 0 05 0b „ı „u 3 U 
dr Ele ge Ya me wu u u (1) sl wir In 
2 A) es (2) ui als5t y0 welt 
Ab ya (9), a er ni (ti) a 
SR Ay Ti Do 58 wu, As a an (6) Du 
Gt Sal „= 5,, srl ale (7) A SL dl} Wlan laut 
u (by 224 sl „ale oe 2 (ST wi girl ak LT zb ws) 
dt „ill „5 2 al ul si sul wel vn 5 > A 
Es weh wl, läd, era A ai 5 U 5 08 EL > All ua 
wlan (!) wei le (1) 0m, ih sl Al Lebamaz fl 59 [sn 6 
dd EN AT ya >, zT Ay Ai zol> Ye use ande gulbe 307 
US ya en Tl wu as Yillu 25 0, win Ks L 
> wi ul db ae ee (lo 
ge A te Re A Se (BB) rn Ar 
3 6 (yo ee we (NR er 1 ua wild zb lei wm 
BE NIS a st wa 8 A > (16) > 
„ad du „bay 2 A) I As Br Du solins (17), „li 
Sy ai (gi we a ne nal, il 5, aa Hm) „U> 

ra (18) UL ‚Lust >bo u0yE LE st ya Ole u>loy 


(1) G. fügt wos, hinzu. (?) D.s&,. (°) fehlt inD. (*) fehlt inD. (°) fehlt 
inEundG. (°) fehlt in G. für („3% geben E und G. (2b. (7) Die Worte von suSV, 
an bis hieher fehlen inE. (°)EundG. ;\%. (°) EundG. Lb ws. (!) E und G. 
2 Oo m. (DEE. (!?) fehltinG. () D. An 
(HD. 2 (ou Ial ash). Für das vorhergehende wrüld giebt G. lau. (9) D. 
Or Ed ae. (OD. >. (DD, us > 
(3) D. fügt SA} ‚= hinzu. 


32 WırLKen: 


3a Sa A wu Du Suun gli) lm am sl: aul> wuel> ol Be 
Al Ku a 5191 55 Ay) Dam us m al uleäli, urem a) Mm neh 
N ne 5 BE Nas um B) EN] [GE Pe Um um> am On 5 E68) > 
„wol wen er > ssöl;, Sa Hin wma a en, SS ERT BSR 5 
8 Eu zi nr A I nl en ER MRz > 5 > Slums 
( 22 Be 5’ nice u Amer in 8 RR Or) WW als > > (>) Dar 
sus [6 Mam) Sl lo Sa! I ll, O2. ( Km BI unesl v8, 
3» ()25 Ze ms Yen 6) ar o ) Si mol sLus „umab Sl bus 
I nd Pa wu ne al (7) u 9) Bet „ein lu ul Eid 
N U > „lm 52 a Ins OUe Lo m lud aim 0n Se Wonlas 
U 3 (9) sol (ml mn LET 5 AI Ib Sa I zn O)aü 2 
wm) Lot ja date Ady 8, HB ws 9 ol wslam, —. (6) [010,0 

5, Im ee) "= FA 

Lilo cm (11) kai KOSCHE) 
Sim 0, da (1?) une „> il, Al SF il, vollst nu RS Lul> 5m 
027 5) () Diem OD mai ne le wire So Soll, nem ui 


G)E.LW>. &)E. ww. O)E ws web. (*) GE 5 ohne sosl gl. 
(5) fehlt in DundG. (%) G. 2%. (7) EundG. Ay 35). (9) 3&5 2 fehlt in E. 
In G. wird vor diesen Wörtern 5 beigefügt. (9) E. 23} .. G. vLöl. (!?) E und G. 
Adun. (1!) E. Lilio silio „„e söiiee. Bei Ebulfedä (Ann. mosi. T.II. p.564.) welcher 
fünf dieser Distichen mittheilt, lautet dieses Hemistich also: Sl&o (m Kin Lesbonlö, was 
wegen der nachfolgenden Reime für die richtigere Leseart zu halten ist. an E. vs. 


('?) E und G. uw ohne ». 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 33 


way halt = (1) sul Ust ole lo uno 4 Sal u u 
sl > sul um All „ui al ai Lu a 3 (2) ui 
> A, (Po) an wm a gm LO ze, ws, yon 
sb, 58 At De, Ban (F) le sl, zn im u zn OLE er art 
N Era > hl Aue u A ee ae re (F) „ms, 
Pal 22 sum AK (Isny 9 welii st Jul 305 > BLU is 
um a FE „aus 305 urb mil 5 zit u) a u, AU 
()es> er As ra > (T) U ni EL 
ol> >lo wur al, al N 8 Ilm le Ole vl si io 

of wo X ai jan Va PS gulo cm 2, vu Ju Jh af 08 
m Sf 3 en dus (N) mo Ill Ei (?) AT Wels 
u rc Tl ey (1) EL a lim 
ln wi ol, Sue Lo nläli, ul, u ni 5 wa, „on Lauf 
a) (En ze a (yo, ar 2 
u sn re las hl ala ln (3) 
6 > lich ash 5 20 (N) > Sf ul; y 
Au (1) EAU 5) (IT) RS 5 ao Je nl sl se DS nl 
rer a lo wi, „I wol Aboll , „3 Ab Jun SLe v>lo > 
2 Kr sis ein ui > al ws u 2 oh (?) am „ab we 
(29) am u sliol ST lit Bi sh A wel „List _ Je „last 
als (2) 2 ya, 5 (A); lt any) ON Als dan (lu 
AI Wi ul „Leit „us „li aliob, vl (3), le a wu sol, in 


DIE EL. @)IE GEF rEsieß) EI sl. LENGESEI NO) E 
obs». - (°) E. fügt is} ‚2 hinzu. ()G.zyi wur. (°) fehlt inE, 
(2). 6.1888. (10) EA u. (1) D.85%. 1(12) Een. (3) G. E98: 
CHE sr (DE. REN (15) E.18,>. G.:8,3 8.l; (1) EIS. 
G. Sau. ()D. iz. E ui. (De. (9) GC. „u. 
(*) G. Vols.  (*?) G. 205 (was als Schreibfehler zu betrachten ist). (2) E. 23 Jo. 

Philos.- histor. Abhandl. 1835. E 


34 Wınxken: 


Sie ai Al rn gule; soll | (!)usF 2 2 © „) Gl> 
Bye Mai Lu> 0)  5's 9,10 O8 (& ) she ws Oo Sep) eye) [05 su>i04, 
WS ei en Li ie u a ER er ln 
2 Srl ir A gel wis > wu (51 a9 sBzlen hole lo 
don 5 ou, Aüssln (?)Rl> iin 5 (bat vis M605 A wm U 
ra Il 3078 wm 05 (9) „le Sa 2 ba) Am> U Be 4 wel 
50Lar BE) „mie, „lie (a, url er uS108; 30er () pa o) > 
„2 ee! Aus Wo L oLe ul, (12) ws 5) al (II 0, 
wild Din u On Am gun Un) Jnol zn Shan me li sc (13) &? 
vr Erg (Fo sl vl, Lo Br Orr») wu, BR em Br SÄUD, 
Gl ws ee u 0 > I mal I 
5 3,0lar I, ob SA Si, Aid pm er Ss wh, „ut (14) vue uy> 
Sur ob ad al kim us us z ul yy Ma nl 0 N JE JR m 
ei a Se > ME an ae 
ya nA (PP) dor Lad 5) od yobar ;i An O0 VOR IR 5) Wi, um 
dm RENky [EN TTR jr 7) sad BP Sub £xels „> (3) solls, use [ m 
WII le usa ER 5 A (22 Yspl8 u (16) 0,25 As 
URL ser 0 le (I Las z Rt sag Wr olf we zb 9,5 
C) gem mi ya oa (N) er  () er we Lil 


()D. 53>»- (9) D. ;==ls ohne sy. (3) G. 5. (*) D. ur. (°) fehlt in 
D. (°) feblt in DundG. (7) G. an us. (°) fehlt in E. (2) D und G. 
30.1196. u. di) E. St, 5... (12) E. ab ol. (13). D. 
Er. (YE&AS. ()D. Je. ()E 9 „EB wi DL Sul 
8. G. giebt dieselbe Leseart, und fügt nur zu X, = das Zeichen des obliquen Ca- 
sus hinzu. (17) EundG. „„o>. (9) G. man web. (!?) E. stellt hieher die 
Worte: men „san. ()D. gron. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 35 


Ve 5 2 ») > (2), v> > wl cl, Jl> » (!) mn 
ls rin „a we ji, il u ud „a (F)asil> u SA As 
As te (ar a a 
I y zl ga ui AB AS an SL Sl 5 „lie Al 
(°)&b 0 yo b su sul> ms u u sau> 55 [8 SSC/EBEEN) ssl> 

10) = Al uw Var 


4 
RS, me em wi N wu SS 


m dr u N ob, u, 0 AAN Aue u 

Ga ws 2 18 oa a u (F) ob (7) ae 
2 N Sy 
ls, Ss 58 85 ()sbE u A Aus a Ian weils ‚Dis 
Gr a Sal, Ah us lu ua > „bl Al) „Lane > ‚oln 
Alm bhyozla uul t 8On ;I AU „Lane O5) > le ei u 
lad gi saulb LI hal et A ee Sal gr um 
pen AH lass li) A ae A hraln 35 ol > 
Vi > u (11) u ai 
zt alat,s a (12) sl, A) a u ze dm, es Old Als 
> Lil za „U Eu wir on No io > bes! 
(3) xl apa wi A u a I je Izn m Ju 0 5 Jeol> 


(!) G. ww, wie E. mit folgendem 3. (2) E. &uß „ti vl, wl> m. () E. 
ssulüu>. (4) fehlt in D. (°) Statt _3, welches nur das Collectivum von 43 sein 
könnte, ist ohne Zweifel, obgleich meine drei Handschriften so lesen, Bi zu verbessern. 
Die Chronik des Heider setzt dafür (s;% und Herbelot (s. v. Fakhr al-doulat) Recteur de la 
Mosquees (9) E.h&b. (JE Sum > nl (Pd) Go. ) EIS. 
('') EundG. Ei, WI. (!) EundG. „I wi. (1?) G. Som. (IE. 
>. 


E2 


36 WiLKeEns: 


Wi (> a dl ie a de Aa DIE AN 
ano mals al len Ui ziel SU AT ll, era um ai 
N ala, 0,5 ut, 5 N el a ia Ks als all 
u a sl 51 A rin a abe (F)ALD arih (2) Pe 
Slam Olins Aa Ei u sl halt aler alt elimnn 
SAN Gh eb le AI er ee 
N or bt at ME 5 ul mas (H)us 0 ahall „Lane mut a 
Ai lern abo 51 AS sl dr oe ale Gläl, yet zT (am a mild 
v2 ()8r} Sy su Pl LS, lan, ui sun (?) Si 
m 0 wol ie ie (Tu, wolel est si oh u 
plane (9) sr yo) lau a ar la A er, a 
rm SO 2 ul 
> UNE wu Due st dl Sl 8 wuleig Al elano wink, wu 
> A Ju all, een ans aim rl 0 A) br Ali all LE „I wel 
GN Se el 5 de ni sloli „u U ARE us gisl> zit Jet 
Ayla > SU m wi Aus) lu oh re 0 
li ab All sl ai at A olpo (2) del ws, FI ET „Lin use Li 
Sb, A > ee PR y ol> au bi Qräl 
8 5 wi ol> wu unse 50 ale lb, weils be holt el Wil 

& olins Ad le ala ji älale wel uns wie a 


l 
SA 50 cl, ;I Am Sal Yuar 6) 0 ya at A Lola 
lizgas Alb gab, art sn at (11) us (10) halay wm Hi 


(ESS EJE 5: Q)E Prasu.  () GC. Alb if, (4) sb 
fehlt inD undG. (°) Eund G. RSSP Ad. (6) D. 85. (7) E85: O)E. VI 
() 6. &&. (1%) Dund G. ola. (!!) Eund G. >. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 37 


Ale wen > a it (en 5,5 m bb Wilsu we Wels 
037 ul Au u ln A en 5} Vs SI A Du 
wm al ut ls m 5 wäbe a Gi a Aus Alm, lb 
NA sy on zit all, uam ya ai 0, AS; hl > 
AT Aue ya Anal ele uidia b si ie At alas st sn ls at 
5 Gb I si ze Alt lan, Wer st wrulie uKäs st suulb, 8,5 run 
wrul il, 4 law wild zul wol „en On A SAH 51 
5 halt el ai al wel pet al, 9, Kür ut b 0 wulet I) 
u lt lan, 05 ls At el um All easy 3,57 Uhl Ui 
wi LES A > ln m (2) wäh 8,5 say wühl dlu „uss 
wis (?) le bob Al ol bio a A hl 5 un 
Sad he) “ah war lay Sp be Se 0 al un A 
Sa Gi yore (4) 5 abe Js AB ST u 0 ans lin 
a HF te eu es ll N ae ish u ae 
ST mb 2 AA Gh u > m MS er Ill „elano U oluns 
I 53 be (sk AH ya um zT ISA olano aeld „Lass wel 
u Bi L suis > St el, rs au (9), wu, wu 
(ST Lym as eb abe RT lm ob ;i Om, Ad all „Laws 
SA sun (zei ne ale sn Al (I) AA „Lama (ll ud 
ost ws lin Sf Ri ns 5 nr wet dla Al el, (19) Ab 
ld ur zi holas Sl, Ss „list, u (11) wi ‚ale „8 u) 32 gibs 
5 (1), AT ze li, ul ai 0n 
wm > el 0, Al voll> el „List Sl Ada u um 
> eat Alt lan, Arälis „List wre Als si u ni dpi ald 
sole Yunalasul Le yals m „ul SU In LE u de at sh sl 


C)E.LWS. (2) fehltinD. (3) GC. AL. (')D. Ge baum. (5) fehlt in D. 
(°) Dund G. „I wel, N 52. (7) fehltinE. (°) fehlt inG. (?)D. fügt ld ein. 
(1°) fehlt in E. (!!) fehltinE. (!?) fehlt in D. 


38 Wırken: 


x taliul de al Müulb „ul si me de Be 
Setzt 2 A lan, (1)552 Kl ano ya sl 
gie ll m ol a wel un AD (), > sis I, (Re 
Sl de A no Ri ie (+) elaneg At el 
Ss Sl A les sr ER ()5 8 bs vol (dw a IP 
(dee Slar um 2 sr sy, Ob Aa el Kl, de a1 lm 
Lens ng ni de ya us is Al le ls (FORT 
tee ea (5 
ano NE > 855 Job (Sum All ale a5 ns ob wu yo An 
> (2) ES ST I 5AE fun wel „Lil de u) (3) ai 5 hol 
ee ne Eee NR 
is Du) „Kisten RE Aus ade 5 > url 5) (warn Sin S> 
Bus li we ill Jh ZT AS u AT ya Az} Taliul als 
yyyzall 9 A zö, SO el srle all an il > (3) Hr 
sh, aa ano Si, ui as (My) mE ME 5 su 2 5 was 
um, zii (1) Sms 22 2 wma 3 „lu Spin 0 Am bonf, Sl 
33 hal „Lama ei le 02 „Le en pa ee lb 
Sn sl wi Su 5 ml 2 9) um > wu vl, Ki de Sun a8 
huiyale ST law JE 5) On wild wel a (u (16)_A> All „Laos 
AS 8 On Sl Ted 5 (Jason zb (17) MS 5 
Be N ie 2 eg N ee 

2 (9) 


(DEE. ©) DA, yze. (9) E (4) Ay) sLawoy fehlt in E, -(°) G. 
N br 85 >. (6) GC. ul ohne —r. (7) E. 2 ohney. (3) E. sa. 
(°) febltinE. (I) EX. (1)G. ».. (13) G. wurd. (13) E und G. Ay 
>>>. (*) fehltinD. (5) DundG. Aus. (9) D. (H>. (17) D. Unis m 
d.i. sie blendeten. (!°) D. s=4% d.i. einer kleinen Gruft. G. asus „0. (1?) G. NS. 
Der Satz von X} sla ©>7> bis zum Ende dieses Abschnitts fehlt in E. 


Geschichte der Swltane aus dem Geschlechte Bujeh. 39 


N 
8 halt Aue u past all el uk So 

a 0, ws 1 (1) Sm ll A 

ST Gin 3, le wills si}, uber lb ahall ele nlili, uulie (et 
SAT Ela ui (?) Se SD 2 Ah, Nulb lem Aal el st ut 
By ale (3) aloe > is bol> (sur „il nl 8, yon Y> 035 
sul> lb ui sb 0 „List umleo Alt ala ws 8 85 er 
m wa ar (') 5 us eh) die AI bet 90 ls Ju 
&lgsy SyE lalo em Al ale Bis yo cal lee ale „lie unse Alte 
joa 35 wen A WR at (5) al 05 > wills si dl galt aut 
pi ou win wis (9) wlan um  L X saufen ler 52} Si 
L od} el ur 9 ai Ab (Th is „DL wy;]) es ai 5) al 
() ob Ya el 00T el ln IS de AR er 
gr Iuril> wie 3,55, sb 9; hei (was 2 ee Sr as 
Es ol nr N el wu el (N) Ko > (1) AR 
N gr (2) Sr u ee a a AS yaalt „Lam 
0} sler Eid 505 ds ulm zT lo wu al au, wand 4 La Olaial, Olniel 
a a a I SL NE Le are 2 
vohet U wm 5 eV Bsluu si wyläl zl dp ati All Lane > 
Sa sl, wma ll all, > ala ze ums A el (Lam, 5 
ui sa lu an gl DT (Te de 
er eye hai a Lei was (15) a cn „ale Ayall elano a wu BUS 
et et cn te (I) ee ls 
gu a, Soll el ya RT lat si ssulby ASS Hi us > 2 ae u 


CE Sa. )fehltinD. JE. a5. MD.5. G)D. a 3. 
(°) Ela. GC. ul. (7) GC. bo. HD 5m. O)EyjL. (ID. No. 
E. Ns. (DEP. (HD. oLw3: (!) EundG. km» 85. (i*) Eund G. 


hi. (1?) E und G. setzen für &» 85: das. (1°) E. fügt y«S hinzu. 


40 WıuKen: 


Nö wu ah 2 8 Sl I u a 3 (your ul Ya 
Be) SS BER rs > Ws = am Sl sie m L lb a wol 
ww > sat OP B) EAOERS mm, man ra > sum b sol le EN 
(),> u, aus G)Lu>Uu „uuhs rs Ks sol} el, 5, zT 
FrN a bu ww Ki abo 5 u a wu ur „led we 
8 sus vr Je nl la Fu had! sles Br » u» AUS; (°) Be 
5 O2 md B\ hu D © Ss, wöLsuid Je als (*) O3 Sb umb m 
ja ash um, AT sl a ar ee Or A 
Ne] Er SU SS u 2 I) ob RG 02) umb > Ar 
3358 4) 92 vh ()ARAG sy we zu lan () EEE Hol elame 
HF MER Bi) ssolb L DE SL en >) SE r ul se zI 92 
ur —— .o) 685) Be) (#3) O8 pc vr „2 eds ec vrnlf rl Slums 
> L Sn Sb, (1!) „u our SER T nr SL! or Je.) 5) Ss ‚Lie ESS] 5 
6) sLs RRE BD > Ko A L >> »b oles Be 159) FORNE) ot B\ 
(> Dam Ey Js ni, wir il ala I 
Ne u (wel I 6) (19) el Slim 
Sal (17) zu a) er slum 5 Wr L Rec) or Fr vrsl a) (°) sl 
rl el ee (OS 
(Er (I) ums wis (N) si ei bi sul 5 05 (19) 0m sl > 


Le 


56) 6) His EI) gem o® zn Mi 09 uw, „ii 2) SR Am 84> sum 5 


(') 6. ai 5. (2)... )D. Uw. (4) fehltin Dund G. (°) fehlt 
inDundG. (°)D.s=. (T)E. „> ss. (°) fehlt in G. (°) Eund G. wn. 
(!%) Der Satz von Fr no!» an bis hieher fehlt inDundG. (!!) D. ii. () G. 
Lu ER zer. E. läfst sUu aus und setzt Dre ST je ohne 5». (13) fehlt 
inE. (Y)E. gs. () D.welbb. (1%) D. Soil. (17) D und G, sl>. 
ESS. (Y)E wu. (CD. mi. () E wu. (9) E. 
m 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 4 


wo, Lt si = gb I un AS u a} 5 55h u (10H 
Ai er >e) eeehe  Serda A)De > 
Pe a ee ls 
BU LT ZI NE Ey LE u eg 
ulm > in 9 I ey N a) on 
er a wit ae ze a Ale hol uf UL we sis (9) ip 
ad ES el (TE ey 
us (9) be wi (ii ob 5y Eu vor aM > is zu 
JA re N u az ln m LO u a 
uU gt Dil un eu 2 Sub 0, hr Se RG Te a 
lm Ib (11) dar SU Sal ea ie 0 a ln 
u > ab (13) Er Aslss List sau (lo 2b ei 
Er up Hl Able dsl Aal sun ws, Aa sl wm ti 
iR) Lam lO 2 Hy lau I an aa ai 
la Aus In gi A sl ur 9 we lei) udn > 
A>| au 08 u ()ın Mi 5 Ar 5) On 2, Au ecR 2 BEIBEDEN)) 
I Jr 8, Mr vie „lo wel ol, slim 0 de al ud (1) al a 
sul uilae (la (> ln weile (Ob (a ale TO ul Lu 
sl ale aryl, was ai 05 Os si „uieb mns A) ale wid 5 I, 
a ml ale Je ae! ei ee I) un EIER 5) Er? vor St 
urüale wor (13) a 5 di ur vWL> ul; ie „ol LsUf z2 
w Js BL rd 


(?) Die Worte 35° bis 04 fehlen inD. (?)G.Awy. ()G. Sum. (*)D. 
ws. () E. w, 90 12}. (°) Diese Form fehlt in den Wörterbüchern. (7) ES 
a En sun (9) E und G. nAiın. G. lälst (2 weg. 
(°) Diese beiden Worte fehlen in D. ({?) Die Worte von > bis ws fehlen in G. 
(11) EundG. (Syn iS siäs. (1?) Eund G. 118. (1?) fehltinD. (1) D. „i. 
(3) Eund@. due. (9) Giksr. (I) Die. | (12) fehlt in D. 

Philos. -histor. Abhandl. 1835. F 


42 WırKen: 


ir 
rn RN N En Ra As uk SS 
ge as u (ol ud TA I ws ;T Om 
Sr} as 9 alle se um Uhl (2) UL u a 00 wulsab 
DE Er N u IS ld Ur lem Or Jr 
sum ll, em nie 0 (I) IH ls > 
ah baum, Es m Al As sl um wi al Asus 
8 her (ER ll sl, 3 Vs Sl ar ey gliol il 2 
bunte al ws, Bub suells us, ug 5) mm 
„so yo wis vie ln sh A ar > 2 N 
Juin > (F) aus 5 web BET au a zT nm u u JB 0) 
9 Aa EXa, RS are (Soli; wu wu un weis 
SI le A At ln ur a [5 ln um a, 0 
I rl „DB släidl> b Sam un (9) Ab lie we 55 (7) am 
5» CO) 3 une (ul Ast sl, eis wie Dilin Ass zb 
3 Gb dm oh u > u le > 5 oe 
RUF le En EEE 
gar un pe Sn ua Sl a ya lan aus 
fr wL> 5 0 pi Ef 08 Ol ou ul soll (10) 1 I, 05 
(sat (N) > a ul u lahe 5185 po 
in 2 Pl vu 3 O> An wu ul Be släsl Su „las GT wu Sb 
a Lt (OF Eee ls a ir ul Ab 
(Se 2 5, we I wel nd JE ge) 


(!) fehlt in E und G. (?) E. Süuläu. (?) Der Satz von „mu bis O45 fehlt 
inD. (*) E. _ub=u. (°) Im Tharich Heidari steht dafür Alu b. (9) G. su. 
(7) Die Worte von lu bis saw fehlen in E. Für sAuw setzt G. sAumg. C) G. 
ya sad. (9) E Ab One [tiül> Acts 8. (ID. &> ohne. () ©. 
ms> ob>. (DES. (JE. (YES. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 43 


ol ums (se [0.5 PS SE) FRN 

> en 

ws nenn) 

U 5 ST 

SS, 

rn ner 
3 vu> „2 um i, wid 0 s) wmsa> u 5 San „tal olaol ul ers 
AA su 8,5 > > nl [5 ar; Azı sclume (?)28 9) wu Duo 
uw we a 8 zT al ESP Il, UT 5 > (ya 
wass=u yausl se al Slums ln EDEN) ve A AU Die sum Sa 
Hm wu ei 9 AN Ash ih 85 wu> „2 sum by O5 Sp wol 
Ei (6)Am AT yo use (ld) Se) er le ale 
wu de Re a N ee ee er 
Us> wolle wu, 3 (IE Sa yjy Ar ide ld Slelish la 
(7) lab Is > „Kr wis „als sum „Um Le um 19 ao Ju Li WS, 
5 bins (9) „lbs ae All Aste LEI 05 wid 0 (A) sl 
Do fe 750 (!)a&S sselllar, OÖ wu>lar mus DE 258 wol > (3) Gb 
ee (2) Op re KR weh AI SI ST lu 2 allem 
NAT 2 vr elale da u 85 ey Sys Alt Ale af sl er u 


(!) Statt dieser Verse, welche in der Handschrift D. mitgetheilt werden, geben E und G. 
mit der Einleitung Au #2» das nachfolgende Distichum: 
PIE EC CE SER 1ER— 
muab m ar 
(*) Die Worte von li, bis 2,8 fehlen in EundG. (°) E und G. Sr ‚m. (*) fehlt in 
EundG. (°) G. fügt «, hinzu. (°) D. Au, Al. (JE. „law. (9) Vielleicht 
ww. (9) E. ou „als 28. (DD. ua, Tal. (11) E. vu>lan AS sell; 
o,- G. SI ssellba, vu>Lar. (1?) D. (5. In G. fehlt sowohl (5, als (5»- 
F2 


44 WiLKExs 


(!)dt au 2 N „ale Vol, As (je zul A) su 
5 wre O)ERES glale ae > a wi (?)Or Ui a 1a nl 
Sala een eo 
yo las in si, Ab I, aut sul (°) 5 Jen Sh> „us „1 
u Eh zyli a lei SS Dunn A5F zol> Ill Asa Syn „lahm 
22 lahm u u id m ht a ae SS sub By 
SI AG a 0 las (T)h ul sul ss 
ud ish; „0 SIEG 2 ia bl 5 A 05 wu via z0 kl wu 
DI > it wi ee is (9) la (5 un 
UK ons u 5 A ol u ba) Ale HT m 
had Ast (1) 8 a 505 ee 0 > zoll 
HE Jh un, ur U zT Luh O5T az ln Hi he en (LAST 
Sb gl (IS Re US dl al A (12) oh 
gr (1?) Al 8 0,5 we Il 5 0 wir a uf we af (14) 080 
a? AED Wulf (5, 2 a An ed a in Hi a bl ;t 
ah Las RT lt ste (16) la 5 Au lin ul le, 
Yäln uns ige ls me Set ah L> „u 0 ein asıl 
Sys won U [5 52 he > us ale A ll 

ei (NT), 5 late ars 


() @ Sal ass. (2) In G. fehlt in diesem Satze >. E. 18 „1 uhman. 
CO). E lab weiß. (4) Eund G. Ol is „Ir 2 2. (°) fehlt in 
D, wo auch statt (5, gesetzt ist —. (°) fehltinEE (JE. (9). (9). 
(°) In E. fehlt die ganze Stelle von AS 5) „2 3 bis O3. (!?) E. ISO 
G. _+} soul, beide ohne „. (I) G._taöF. (1?) fehlt in E. (3) fehlt in D. 
(4) E. u obs> 8. (13) Die Worte 1.5; > bis aixilous fehlen in E und G. 


()D.seuS. (1) GC. ‚ya. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 45 


1° 
2x Aa} Was er At sl er At „tale ws Sö 

unit al RD zn Old yon YA > > ln ws, zii ulayl 

a Is} stud 5) Ga us 2 we (er 9) ee) 
„ll VI Olgs ;t Blue - 5» 9 Pi BER (2 )as ee BSR L I) US 
ri Aa „lahm wäh Mt 58 ef a übel (5) 055 LE > a 
Ur BEI) SALE) ah (7) ($ BIER Gy 8 > lm As dl is sul> 
Sat „al (uf ; An (19) u } @ ) ee Ss S,Ll= pe) (ll - sn] 
ll sage ld (ES ll al Ss wa Lulsub si oe 5) 
LOye, sur „' (4°) NPSAF BI » (13) 2 wm dern St U >> RES 
er werd All ic hl A Ri WON lich a ul 0 
See PT EN 2 er ah ()OSLES lie Reis 
Ay ol= SS 843 5) ey el ul AS Le 
N eu Dad _+e (19) Sb; ir dr we ) > us, SER 
I 55 le a pi sl 5 N a „ale 
De gl sh sn 5 > ar er) lahm vo 
ST oa LE ut a > or will a se A ne ll all 
„N 3, ul sum L wu „Lest pl Il sw 9 =) tb em u) (@) Ks 
SUN si, Ad us ed) 88, le ms lu, Olins ie 
SA 2 A, „Url (18) > ende MEI 5 Il ii ae ml Wolss 
B> ws zb PJ= 3,51 „) u, Jet, SO wuew u} wu, „> nt nl 38 

(!) E und G. an dieser und der nachfolgenden Stelle -,>s!. (?) E. 43 23. G. 
075 md. O)E. sau. (*) D. za. (9) E. schaltet „} ein. (9) E. „In m. 
(DE 3.6C3=>. (JE „las la A. G. ale b sul. (9) EundG. nr 
DE (9) G. 2%. (I) E05 Wöpler, G. d5# Söpler. (1?) E und G. (WS ohne |). 
(3) fehlt in E. (1%) D. Pat. (9) D. Sl. (9) E 5 Er (7) E. 
groB. (1) Eund G. wirt. 


46 WırLkens: 


St „als Oueu 1 wonlas I Ay 05 wu (Monte at 5 ylabe sus 
EL RE Yun aut ale AT > 52 sie we a U) yore Old 5) 
„eb us wi (A) 8 dm sl Te 5) 5 A lahm ws, 
le m AT AT ee NP ae RER ah, u 
le wule ih ST 2 als lo Lt () den we, zulan Isul 
ee N ee I ee I ee 
ob SI 5 2b an wind a yet el 5 
obele ol du Ju lie AT ne US SA Lubera ) s omo 
(HE ul ab I5ls ns „mot AT „Lola 500 bi ah 00, 
I OÖ) u al ale aus sie 5 lu ls ale will al ae 
wa le Te ln en (DT a 0 Ai > a 
„lahm ol, AS ur AS A el de 
SA „lahm As Apl,> wol> sis I, wis ou Jude al af 5 sl all 
Ay cn we bil m ya Ai u Li 0, Hi a 
ECM A 5 le ul ws, te RE eine U lale in , 
n wu Al in Aula Sn Im et es 85 Sol ob N 
() ern Ai ee ish, ml 52 Ast „al au oh oe le 2 
Ober re Syljp main Om ni un ws ul, I OT ll 1 
(re ae le he (rs VS 
an ln ie RT ale AS bite wie nl 0 hol 5 Om 
ET en MS nn ale) u Ge be et 
Cs as en Op oe) Su 5 Au A la, Juin 30 3,5} (5, en 
u DE in „um 2 ne (Si ne ol In) han 05 ul Saul 
Zu DI a en mn SL ls 5 Eu zT a vum se (11) Dpme 


(!) Die Worte von wule, „2 bis yet ut fehleninE. (2) D. „u 3. (°) E. 
Ay. (*) E. wild, (F) Die Worte 5 „L fehlen in D. Die Handschrift E. läfst an 
dieser Stelle die Jahrzahl aus und setzt dafür: © „b b. (C)E.&%. (7) EundG. (np: 
DS. O)E. ur ze. (ID. süoy il. (I) E, Opener. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 47 


3 ol> Sylt iin yuind (2) las Ara len al ih (1) 510 
Al ri sliioli le A me le a ae (>) a RE 50 
sa Sl> SS A > uhola en il ae 0 Min ua si A „ale 
ro I ud ale WA dr 15 abub SA wnäitge lin 50 si b 00 
L 00 zit 8 55 In as (4) Sb 0 „abe Ji>t (3) ol 2 „ul, 

RM Et sw N lu ums 25 Sü> Al) „ale alas 


iu 


> A bie obs ul> sl 0 uleyia hen öl ae Tr 0 
tet 5 (9) als > A 5 5 ale (9) ul 
9 > Jlus Kol, &, wur ze gl 8 Sf AU0ulb wa, All Cache zT usa 
GET a le u) > 5 0 nd AA in Au weni 
He fi, As il Dali ode ul ou sten std se Ast 
>> 0 8 Ö)usy or Art sl SF a A re (7) Ch 
nie ray) re > wel A AT ll jr yaE 
alalm lan ale an han Li nie 0, Oli zhal Lu 1 > un were 
üb Ay) rien oe le SC 2 1 a la A en A 
(1) KAG ud Aa 9 a > a A lab ylasy Umls 
Jul at un weh vl zus 50 Aa als ann > aim 05 (I) AUS 
wu m 2 8 (1?) 55 ns a a a zT 
SAT pr la (ol, Als Ab Ymtll al lin u ifo Ale 
Ka et zu he ()5E eKa eole u ziadie „LU ut dan zT Ui 


(!) E. 1580. (2) D. yo ohne. ()D.wli>. (H)E el» ad. C)E 
u 0a 5). G. Vi2lan Nwsle>. (9) Die Worte (‚Li &! fehlen in D. In G. steht: 
ae) gl el 2 8. (7) E. schaltet ) ein. (9) D. wu 2. En) Sl 
u. - (9) fehlt in EG. 25 _ube. (DE AD (DE WS (DE 
sr. G. O2 uns. (13) E und G. wi! als. AG wir. 


AS WırKes: 


a Or va ra li) Se „ul „I wu a 
As (4) mE mh (@ nn [nis Kim Ve © Bu &@ „ul 


lo 


103 ERS] sid er EOS] „tan or „ek n wi> £> 


a UN a yes ur 
yo) MUS „an A Sy ie ln (F)wib IE ann ale 
Nee (un 
(19) sa s;> „u ()AUHS Mb > ulm (II RE N LET 08 
I a ze (yon ah) Dur 52 u we le N a u a 
(a vH A IE Sl> ws saeley ws, (1?) an Hr MT ya zia 
„2 8 lo (15) 5} sul, ws, gie rin IST ;I (4) I, As „us Lilo 
RAD, wm ia (1) 05 rn lud m a En se zii 
zi d auläll at, 0,5 (13) ls (IT) eh als us lub Ku A Jb 
har u > U (MS ala Tri ae sl (19) 2 riet 
EN ab vl ll gl la za SS wundl 5 ZUo ud ul ulm 0 
() at ZEN 1 wor we zii uni al ul wies zit un 
N (yo 35 „> 35 25 solar sul mi a will al 3 
EN A En RT ae se > gi tn wlins 
ul an) „EU 0 rl Ay mol, elis s0l ln _ee ur zn Mine 
gi Ay ws, ya er gi) In un ie (AP) ee 
(') G. cyör. (?) Die Worte von uw, lei bis „SUN st, fehlen in E. G)E 
und G.»3,. (*)D. u#. ()D. ws. (6) E. läßt die Sylbe }, weg und schaltet 
58 ein. (7) fehlt inD. (3) D. >. (9) G. Ab. (YES. (GC. 
sum Se. (DD. you. () Ey „a. GC.» für (59. ('*) fehlt in G. 
(') fehlt in D. (16) E. ey Mobs. (IT)E. -e& ohne 1). (f®) E. fügt 5} hinzu. 
('?) febltinE. (2%) Eund@.&A%. CE. yl>sb. (22) fehlt in G. (2) D. AM. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 49 


er mb vn 5) Ba ale wslih Dr 


TR 


sul, @ )G sul Alsl , Lms > 


& (3) alt TR, as, > lo ws 58, a, ae > I Wil dä (?) as 


I 
ES Ela Aal > wus> SS 


u wo sl Sal Gh ul EB B. wm Km SI u es „° 
Kerne sw Fo © ) as m> Se RT Am I Kun md Vie [2378 07 () 2 
Ay Oo som 8 AA > Alb nl las ei > 5 (P) OR 5 Es 


ln 3b (7) Als out, I sine Le a, halt > eb sin 58 Lan) 
ld) 5 Sr Mei; wur Ab Wuls > 0 vl, vol 
(11) 0 au (1) a5 > Sl ul Lt Mo, (9) Ks abs ;t hy 
(12) 8, ie le Lo sul ulm zt sub Wu, > le ya wi 
SE, Il Sa Me nid zT an, 2 we a (N is güz sh) 
u rl an m N (DB) wnilii san su weni Sam (1) ARA> 
way (list lan AS deriie (16)LE, sshetgen molar st lee sl 2 diät 
Beh a NIS Se It 5 lemes Sau le „5 sad a, SLL= 
DB weis wlale alt (ai) Pas „los ale Sm by (17) Ars 10luls 
I, obs ll > As wuf 
rar) P) 
wumA> u a, Eu, weis ses un zahl > (9) „cd aim 


—b Aus ol Also ma ya x Nas et 


% Nasly> si els (1) ub> slo ,0 Am zb an u am I > 


2 


SL es DS! > co ;i Au, San,s pFii sun „} ae, > sul, Amen 


(!) DundG. Gy wel. E. ln: 2 Eund 6. wäS.  G)D. B hinzu: 


Vs>. (0) fehlt in E. (7) Eund G. a MAUS. (9) fehlt in E. (® " 
suis. (1?) Eund G. xüb „>. ('') fehlt inD. (!?) Eund G. auf. (3) E 


no ee (lH) Eund G. u ws. (9) D. 2 wemia san. (9) D.&. (MD. 
aim. (1?) G. schaltet P ein mit Weglassung des „ vor dem folgenden „L&=). ()IG. 
schaltet X» ein. (2°) Die ganze Stelle von X, JM> bis SE STEN ist in E. ausgelassen. 

Philos.- histor. Abhandl. 1835. G 


50 WıLKEn: 


rue u N Ed 
Ey) when u sul, 0 en ul SE me ut A SM Or 
CEST EB EI nen a Er) 
en del ze AS um ri a > bwl ale le en mi an 05 
N US la In) sul, (FH) Ab wol We I 51 255 5 Isl 
u, ui A > (F) 5 Du, sul UNS ya as Ja, 
„2 Sl SI ur Im nd Mil nmi bob „Lil ns > ou 
Ss 5 le A > u zumal yo zaze ln a Ey el (CO) 
2 ul a ih li u u il wi, all ul 
5 LU 5 (TER Ya Ei OLE (a ri we wo zig 
A 1 38 (9)55 all Un zlst zl un um, Lulu us (3) Lau, 
388 ul app „Lil 39 wu 3 wu A, Un IS le Al 
yolar wrälds Us 195 Mualb ou anztn (10) AI erätre st bl 


EEE r> 50,515 5) PION 2) Br um BER) Sles SE 


Iv 
St Non „LSUlK gt Siy>t srey A el u ul a a es 55 
Eu )E wu 

ie 0 ol ya hl Bl 0 ul u > 
mt Sn sl) dp ME lb ae my) m u il nl a a ei 
nl DE Er u 
I A er Hase un 2 m um Sein) 3 si, Miräld 
Br er le ee! 
br 2 u en 2 ae (a I u 


) GC. we. (9). u wi. (P)E. air zb. (Ü) D. 805. (9) G. schaltet 
ws> ein. (6) sau ‚2 fehlt in D.. (7) D. SS. () Eund GC. NS. (°) fehlt 
inD. (!9) E. Sr. G. No,=s. (!!) fehlt in E. „in G. (1?) G. um 2. 
(3)E we. (HG. DUNST E: a5». ’ 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh, 51 


Au ax usb af. 0 Alm CORE a hl As UDO Us; sl;b wumugo 
Ze vn US? 2 Alm wis Nm wuuX> PD, ot) al 
ul al > LEN ar a ya Al Lo olas zI z5 l S ol 
m sin ml, ld, pin wei A 50 Pro Yıs) Sa „Lalu 35° um, 
SE 5 Au L ala lu I 1 5 0 Aa ling At su 
sl GO) eis 85 5 Aula „ür ul AT 0 ale nl, a 
nr (X 5 ee N RT ya By Ah zi hmazı 
& 255, (Jo wu „is Je SD 5 95 wa hand u uhr 
Si Aa bi zpälei au um, Bo Ka 0 Pl le ren Wr a de} 
„el a as si so 51 0 Ip zo äh lt „Leu a As, 
OT Zu ws, Zul ib (9) 51 Om A My ai zit san SI an 
lt zul Vol, All su Sale gro ein Fl ae 5 weils lu 0, Ww 
> ee (Een 
az 305 ws, (10) 1aKaı ST un dt 8 5 oh (9) SS le haha > 
al weh do Age (1) Ab ziel) ht uh> „Leulls „1 ol ub> 
> 5 AG ule st don zT gl en MT gl Sl ü, zi 1, 
Say Ipln Adye S> ‚Se a, „1 05 815} „ann Als All SU „Lu 
sr uno m, willen > ()uh le ren ww Ku Ns, Rr 5, 
Sn le sa ud 8 5 oe He ruhe 
SI Am, sale llue (1?) Zi, (14) 11506 Sy O3 e) ou £ an ws \ul> 


ob nt gr u a U (N) 5 Bl zu > 


(9) G. Don NEE 6) lb BEE @) fehlt in E. IE D: 5, (*) E. erb last 
() EundG. au sl. (°)D. wis ;l. (9) EundG. EN (1%) D und F. 
PSCHE was in pen zu verbessern ist (vgl. Abulfedae Ann. mosl!. T.1Il. p.50. Ejusd. Tabula 
Iraki in Büsching’s Magazin für die neue Historie und Geographie Th.IV. S.25s.). E. mm. 
(11) E. oil. (12) E. schaltet FA ein. (13) G. schaltet sülz ein. (1%) G. slüob, 
el Bus. (1) GC. li. (19) Eau Bi 

G2 


52 . WıLken: 


ie dt a > > Al gr Sal Mu sn Siöt ul 
RER te A) rt el) le a A Ale 
Ju 2 pp al Ay Al > „UI Ih>T same 2 ro wu> et sa 
vl> so (Ö = ol BOTEN a &b sl „eu a > un 
nen ei a 0, Old we Lu nl el le u, AU EeRE) 
Wi gr ld ee il > 
wu 52) 2 all al sin 2 5 ol NO a) 
al>0 ol, mi u a we WU RS Ay Ge dla 2 EN a8 ap 
SI md el AT Mn 15T lan zb ul, il an ,, wm my U 
bi wind ()Ghbl 85 >> a (Hl dr u 5 hl I 
ul, ol wi 9 ln de I Tr > lb 
Saba Any an (PP ul 2 le Ale Su us nl) 
SA le cp Ab ai All > ul, u um „ur 5, Od das ua) 92 
A in 8 9 de, weil ob, A Al > Na le Al Duae 
ST al 55 Im wäli 8m 0 ul (7)0p bil gl all, us 
il 305 oder Al N wm nd Dr NIS 0 ln 0 P hole wel 
& DL Ar a Eocan Sr plan Lanz lin il ri mn RD fl 
>» 2,0 u Ai (ze nl) „el > 2 sb nl, oo > 
(63) en 0% wlb wo, Bm (?) es 0 58% Es ss cn N 
N land Sl Ei slim zul sul, ars, ll u gl 
SA url 5 (an Ss nl 2 ml ol 629g: pi > nm Mind 
u UN Gt il ll en MS Lit ZubI wlins yo la km, 
a a dan 51 (1) Din „eh ze) a) le As Br hf sr 
RE san Am edludt 15 a sd mn On si il So: s>en Dufs 
(1) G.»0,. (?) Der Satz von olA& 15} bis hieher fehlt in E. (3) E. zw 
Sy. (HESS. (0). Gb zul 5. (6) EundG. „AP ohne },. 
(7) fehlt in E. (°) D. u. (°) G. fügt hinzu: SA sliS cp dA, sis im ze 
ae (EN 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 53 


lub. say; lslöns Li als days LEN: (area) erkenne 
an we NE er Te he a all ul, wu nie „as, 2 sh lee 
li ie el An ullin uw Min 
I sl lad Ab al ale ab NT >, ale UT 
gt ba ls wo Kan 310 8 wu 5 als N au wis 
rl les ul at es lan 25 (!) ale 
al salayfe wet air (3) wu yeaab (2) 01; „a Ayale Sb Ass 
ol Sm a able a el a la br el 
2 88) slim [nl soll 5} Am sl wen um welt nie ln U SL 
Se N sl > A ss, En sy > > 
CS  Iylals sum zy Ar ji any ai m ti De (I) > 
SA > ws I Au sy 0 hl wol O5 aus, In > hm u; 
ww os 2 (Eee, (u I ()5y 5 de m wu 
Fe NIE ah nl un Ad) a an u ae 
Ab rise Als Aula (1) (sms 5 CR >> 0) da ou Ha ws, 
lad je „> „ll Air we Dale St (is ls 


Er A ir a u 2 za ah, A 


la 


NT sl ir Al „ale er vr ya a! en BEE ws> > 


ws; BI 61 b ol: BER) EOVEIRKS Am ul > la sum N 


U). E. (2) GC. Sb zes. Ö) E. hat statt der ganzen Stelle, welche auf 
die Worte A& öl, bo folgt bis mis nur die Worte: AS J&; oz ul al 
wu eb. (4) Eund G. güsh>. (JE. 093.6.05. (9) zu, vo, fehlt 
in EundG. (7) EundG..5s, 5. (°) E. fügt a hinzu. (9) fehlt in E. (1) D. 
sw. (11) GC. w,ö8. (1%) E und G. 333). 


_ 


54 WıLKkeEm: 


ir re ua le Ale a le PS en N BES S) 
IT zb en, SS Le, A dr wi (hy 
See Deu ee) or ae 
ATS On Alois Da yam Di uhpla wma Jr all 5 (*) rn 
wel, 2 A un I wlan ziel Gr lol L si Br >, win 
ls > Al mr aa zo} ls, ai sad ad geist u Ns 
(RAS I 30 2 SE sol, 2 wäh la nie 5 m Di „an le ns) 
rn) u I EL u u (ar > zn, ydy Alam 
ae us Gras ee Om al, SLOT ln Ka su b >, m Aus, 
ob ya u) idiom, Ar ler ale al A I plür (7) > 
all) ua gm air „(Penis wnler gl, UeE u, sh 2, a el, 
Süd wien a „ah al Uli A >, 
ur ()wbE Sb lu ms we 5 On Ile Ass 
m, Sr (19) welii las Lt U hl wel > m che a 
Sue er hi ai ME m > wunia Dale wer Duo Im u 
ei E ons sul, weh Auer wsober blu ss 855 (11) ulun dm Sulxb, 
sul Yin 19 Sub, a SS _u>, Sr (1?) 5 oe ua zo 1b 
Ey N en la sh, ZT (ya Aue 5 wild Yan lin 
lu Sulsb 0b oT sul, is „ai si ur Ye, ze a a 
N den zT ui ui Jb > r> 5 a 5 Mio, Sl 
SIE 0 1y> we I zT suulb um ol (le lab, ws, nd! 
(7) al mt wsll> (19) zo ui om Spain > wild von Sl 
3 wi El ea le (N) US Re > er 


() E Sylas ui, (2) EundG. (922 Or. ()D. zaö. (*) Eund G. 
sis. (?)D. zei oder al. (NE 22 ohne »,=. (7) E und G. „IE“. 
(2) D. wis, (9) D.&l>.G. 00 uh>. (19) Eund GC. web 2 ge. (DD. 
be, dm. (ID. SS 2. () fehlt inD. ('*) fehlt in E. () D.&ub. (!Y)D. 
Se 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 55 


„it w>lo 5! ES Las) vs) sul 0 SUR Wulsb OS) rei mus 
BE) 170) 3,5) ll & ) as uni usb, ws, ») [Be das wo © „ Wr 
As sun bo sous ssllelis alelaı Dam us Je} 3 3m I > ver 
EyeEe Au sl oh ey la IE la a A) AR A 
erilb I, SL ya u Sf a a 3b Ay IK 8 a ob; in & 
> £ ss weh usb ie Me U Aimn > >, 1696 sus 
oe > 10> RS EEFE >, Su Ph BNSORT au AUS 
Su wild pe sl lab wu mir 5 aul> x! pi BRREÄRLE A 
bo 5 „ll Uiy> wu gr, U (Ha 
£ 5 sA% (@ )os> Abe si, > Jo I vuou &,l= „lüs 2 ab A 
li wumwd us5 sd are „bel unse um, Ms Ki . sl> „ 
5 au en IE 2 > Ba ar ( es) nn 
a 5t som, (19) Lt B,vene Cpey PSCHR (?)bde on (? )&> + 
We wu 5 ui Au Re 
üb, A wo LEUb sl Al oh ui a0 a as Ge I] wub, 
Ai ob en wlus ale 05 us (1) lab u ee 
ab il A>o au > >» AS (4) 88 b BIER as Ay _e5, sr 
„Bol usa en) 6-u5) wi =) a SALE u” sur Auls 
sr 15 haulb sul> ul Sr Sum sl „Let, _n>, eshr eye ja BAN| 
lin vol um, Su Sf Sr Ah> Be 25 u, usb Di sel >, 
Im, wma „UU>S rum, SUSE sl web 3 A sam „ 


(!) G. fügt hinzu „ eli>bs. (2) D. Ks ;y- OÖ). Stäbe. (4) E. fügt 
hinzu oh> L. (YE a. (6) D. 55,5} ohne 2. ENda. (JE. BI. (JE. 
ee) (9) Erle (ID. Lug Iesl@lun. Er (ala, CHE Sta>. (2) E und 
G. ab, vl. (1) EDEL oder ET ya un le Ss. 


56 WırKes: 


NEE: un“ Ss Hass I Bj El b Bar su w5 wle Yu 
Ba a nd 

ee en 5 Il Di m 
> (sölüts! or ba u ol By u sb, an saHLin el l> Sl, 
we y> vuzub nr SA ed SIE rel 18 (+) ld ul 
Sıl, u Ser üb e B\ Au, Auls Ze aus Aus Gi oe N] 
Say ylalin _u>, we zb, wens zb „Lin! N wi As Old „I a 
Ve SA Slam Br nn wild 5b eo 5) sad el Fe Si las vb 
ef Mas jr IR IR N Jus! ern 15 au ns A Als 
pr able an 8,55 „IL>% (?)s> Wi we (7) & en 


1,5} 


PR EE? 3 


j 

MAL > on SD will a le Ms „an al wunk> SS 
a SH ze em um ah „ale (P)l am, wir „ai „LES; Om 
wile Ka, b Aal aan en Al ale A la le 
wus> sd Si Au due ul A DI a ih hl Li un IS 
ESS lo Gb wii 1 ya nl öl wis 5 ya 2 wm 
bl e en 
a h sul 8 no ha ey 9 ul ua ls 
re ob we er le le LS ie 0 wel wb, Li 5 un 
I wm says na Oi yet Asse zb Se sn A 
a 1 2 >55 worlar 55 aeblir mb UL Hi len zh wilks lt 


()) E und. G.2 4 lyw, lalu as) E00) DON. (DR 
al. O)D. (slaölh. (6) E. ie. (T)E. schaltet X ein. ($) fehlt in G. (9) D. 
ns. (u) D und G. z>lo. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 57 
an, > (!) sl pUs ss>l> Su „as ubt nis me 
ul » lu (?) — bo saelü 0, m 1 a Ile I had 

SR wel wi, b 05 u 


De 


?. 
EN N eu dent So 

5 9, 18 „u glaib bus „lab we, ll N we de gl 

(solar (2) waren 2 8 Age dot wlale Tl glas ya 
Su ss us h2la zI a al (I) ri ze mau Alu Sogn 
Any wm is We wur, ‚se lage ale, gm ae 0 br web „SW; 
CN in Le, LEN au (T)UI0S I LE, SL eb zu sub Ts (O) cast 
gu wel Die wus> 5 st Isle; yes ww Ali, Slam (Fl le 
mb LE di> ws zer Alb man wär gE aut Sl ni öl ws 
dl 525 obluı (an>te id lan (9) Ale 5 5 hole lb zb leg my 
(nl us we 8 he Il um > olss > e 


x (1?) vd, (1!) Sie wm 


(!) G. fügt hinzu w>. (?) fehlt inE. (?)D. yus>. (*) Dund G. (süli. 
©) E. Auxils. (9) E. schaltet s&lb ein. (7) Wenn nicht in allen meinen drei Hand- 
schriften diese Leseart sich fände, so möchte man LJ»I1A; (d.i. Gott möge andre Tage an 
ihre Stelle treten lassen) verbessern; worauf auch die Leseart der Handschrift D.  _! ix 
(in der vierten Form des Verbums auszusprechen) zu führen scheint. (°)D.&. ()E 
und G. äls. (1) fehlt in E. (1) D. Sie. (12) E. fügt noch hinzu: 4} sL>', set, 


N on. 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. H 


58 WıuKeEn: 


I. Übersetzung des persischen Textes. 


5 Geschichte des Geschlechtes Bujeh, welches auch das Geschlecht 


der Dilemitischen Sultane genannt wird. 


Ik 


Sivi im Buche Thadschi [1] meldet, dafs das Geschlecht des Bujeh sich zurück- 
führen lasse bis zu Behräm Gur, auch nennt er die Namen der Väter und Gröfs- 
väter desselben; einige Dilemiten aber haben behauptet, dafs Bujeh von Dilem ben 
Debbeh abstamme. Ebu Ali Meskujeh [2] in dem Buche Thedschärib ulumemi (d. i. 
Erfahrungen der Völker) bemerkt, dafs die Dilemiten sich für Nachkommen des 
Jesdedscherd Ibn Schehrjär, des letzten Königs von Adschm (Persien), halten und 
behaupten, dafs in den ersten Zeiten des Isläm einige Söhne des Jesdedscherd, 
von welchen sie ihre Abstammung herleiten, nachdem dieselben flüchtig gewor- 
den waren, nach Gilän sich begaben und daselbst sich niederliefsen. Der Ver- 
fasser des Kämil ettewärich [Ibn el athir], indem er die erste der obigen Anga- 
ben für glaubwürdig hält, berichtet dieselbe aus dem Ebu Nesr Mäkulä [3], be- 
merkt, dafs man das Geschlecht Bujeh zu den Dilemiten deshalb zähle, weil es 
geraume Zeit unter denselben sich aufgehalten hatte, und giebt dann ferner an, 
dafs Ebu Schedschä ein Mann von mäfsigem Vermögen war, und dafs derselbe 
drei Söhne hatte, welche Ali, Hassan und Ahmed genannt wurden [4]. Als die 
Mutter dieser Söhne starb, so betrübte sich Bujeh über den Tod seiner Gatlin so 
sehr, dafs er dem Tode nahe war. Schehrjär Ibn Rusthem der Dilemite drückt 
sich darüber also aus: ,‚Da ich der Freund des Ebu Schedschä war, so begab ich 
mich zu ihm und machte dem Leidtragenden Vorwürfe wegen seiner allzu gro- 
fsen Betrübnifs, indem ich sprach: du bewiesest dich ehemals in Leiden und 
Widerwärtigkeiten so ergeben und geduldig, was soll nun solcher Jammer und 
solche Wehklage? Es ist deine Pflicht, nachdem du die Ergebung zu deiner Lo- 
sung gemacht hast, Gott dankbar zu sein für das Wohlergehen deiner Söhne; und 
wenn, was Gott verhüten wolle, einem von ihnen ein Unfall begegnen sollte, so 
würdest du die Mutter der Söhne vergessen.” Hierauf fährt Schehrjär weiter fort: 
„Nachdem ich in dieser Weise zu Bujeh geredet und ihn getröstet hatte, so führte 
14 ich ihn in meine Wohnung, damit sein Schmerz und Kummer sich mindern möchte; 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 59 


in derselben Zeit aber kam zu uns ein Mann, welcher mit Sterndeutung und Traum- 
auslegung sich ‚beschäftigte, und zu diesem sprach Bujeh also: ‚,,;ich erblickte 
folgendes Traumgesicht: es ging aus meinem Zeugungsgliede ein grofses Feuer 
hervor, welches mehrere Länder erleuchtend, mit jedem Augenblick heller wurde, 
dergestalt dafs sein Schein den Himmel erreichte; dann verzweigte sich dieses 
Feuer in drei Zweige, und ich erblickte Länder und Völker, welche jenen Zwei- 
gen ihre Ehrerbietung und Unterwerfung bezeigten. Hierauf erwiederte der Stern- 
deuter: dieses ist ein sehr wunderbarer Traum, den ich dir nicht anders ausle- 
gen werde, als wenn du mir Pferd und Kleid giebst; worauf Bujeh fortfuhr: 
ich schwöre bei Gott, dafs ich über kein anderes Kleid verfügen kann, als über 
dasjenige, mit welchem ich bekleidet bin, und ich würde nackt bleiben, wenn 
ich es dir gäbe. Als nach diesen Worten der Sterndeuter zehn Dinare begehrte, 
so bezeugte Bujeh gleichfalls sein Unvermögen. Endlich sprach der Sterndeuter: 
du hast drei Söhne, welche in den Ländern, die von dem Feuer erleuchtet wur- 
den, herrschen werden, und ihr Ruhm wird in den Weltkreisen eben so erhaben 
werden als jenes Feuer. Bujeh erwiederte: ist es wohl recht, dafs du meiner 
spottest? ich bin ein armer Mann und meine Söhne sind diese, welche du siehst; 
durch welche Mittel könnten sie wohl Fürsten werden? Der Sterndeuter fuhr 
fort: wenn dir bekannt ist, zu welchen Zeiten deine Söhne geboren wurden, so 
sage es; worauf Bujeh ihm angab, in welcher Stunde jeder von ihnen geboren 
war. Nachdem der Sterndeuter die Grade des Horoscop beobachtet und die Stel- 
lungen, in welchen die Aspecten der Gestirne sich zeigten, untersucht hatte, so 
küfste er die Hand des ältesten Sohns, welcher unter dem Namen Imäd eddewleh 
Ali bekannt ist, und sprach: die Macht eines Sultans wird zuerst diesem deinem 
Sohne zufallen, und nach ihm werden seine andern Brüder Padschahe sein; dann 
küfste er auch die Hände des Rukn eddewleh und des Moiss eddewleh. Die Söhne 
sprachen hierauf zum Vater: gieb dem Sterndeuter etwas; Bujeh aber ward un- 
willig und erwiederte: dieser Mann treibt mit euch Possen; und der Sterndeuter 
sprach: wenn ihr jetzt meiner Rede keine Aufmerksamkeit gewährt, so gebt mir 
wenigstens das Versprechen, dafs ihr meiner in Gnaden gedenken werdet, wenn 
ihr zu hoher Ehre gelangt. Endlich gab Ebu Schedschä jenem Sterndeuter zehn 
Drachmen [5].” 

Als Mäkän Ibn Käki in Tabaristhän gewaltig wurde, so trat Bujeh in des- 
sen Dienst, und auch seine Söhne dienten mit Esfär Ibn Schirujeh und Mer- 
däwidsch Ibn Sijäd und dessen Bruder Weschmgir, Angehörigen des Geschlechts 
Argusch, welches zur Zeit des Kaichusrew als Padschahe über Gilän herrschte, 
dem Mäkän bis zu der Zeit, in welcher Esfär Ibn Schirujeh gegen Mäkan Ibn 
Käki sich empörte, denselben verjagte und der Herrschaft über die Dilems sich 


2 


PS 


5 


16 


60 WıLKken: 


bemächtigte [6]. Als aber Mäkän (Asfär) [7] ein Jahr später war getödtet wor- 
den, so setzte sich an dessen Stelle Merdäwidsch, welcher, nachdem er Rusthem- 
där, Masenderän, Rai, Kaswin, Ebhar, Sindschän und Tärmin sich unterworfen, 
auch die übrigen Landschaften von Iräk zu erobern unternahm, und in Hama- 
dän ein so allgemeines Blutbad anrichtete, dafs, wie berichtet wird, man von 
den Beinkleidern der Erschlagenen zwei Tausend seidene Bänder ablöste [8]. In- 
dem Merdäwidsch den Alı Ibn Bujeh mit dessen Brüdern nach Karch [9] sandte, 
zog er selbst gegen Isfahän; und Modhafflir Ibn Jakuth, damaliger Statthalter des 
Chalifen Mukthedir zu Isfahän, wurde in einer Schlacht von Merdäwidsch über- 
wunden und floh nach Färs zu seinem Vater. Auch Jakuth, welcher hierauf 
mit ‚den persischen Schaaren gegen Merdäwidsch auszog, wurde zwar in einer 
Schlacht zur Flucht genöthigt, führte aber gleichwohl nach dieser Niederlage zwei 
Tausend Mann gegen den Ali Ibn Bujeh, welcher damals mit seinen Brüdern in 
Luristhän sich befand [10]. Damals aber bewährte sich das glückliche Gestirn 
des Geschlechtes Bujeh in zwei Erscheinungen; einmal darin, dafs mehrere Sol- 
daten desselben, welche, als Jakuth gegen die Söhne des Bujeh anzog, abtrünnig 
geworden und zu Jakuth übergegangen waren, auf Befehl desselben sämmilich 
enthauptet wurden; was zur Folge hatte, dafs das übrige Heer der Dilemiten 
eifrig und redlich (') des Kampfes sich unterwand; dann darin, dafs, als Jakuth, 
indem er seine Schlachtordnung stellte, seinem Fufsvolke befahl vorzugehen und 
in Naphtatöpfen Feuer zu werfen, zufälliger Weise ein heftiger Wind ihnen ent- 
gegen blies, ihre Kleider entzündete und sie dadurch zur Rückkehr nöthigte; 
und ihre Rückkehr nahm der Reuterei so sehr den Muth und die Thatkraft, 
dafs sie die Wahlstatt räumte. Hierauf entwich Jakuth, und das Geschlecht Bu- 
jeh erbeutete die Schätze sowohl des Jakuth als der Heeresgenossen desselben. 
Dann zogen die Bujiden nach Färs, und Imäd eddewleh unterwarf sich in Ge- 
meinschaft mit seinen Brüdern dieses Land. Das Panier ihres Glücks war nun- 
mehr errichtet, und sie schickten sich an, noch andere Länder zu erobern. 


1l. 


Die Regierung des Imäd eddewleh Ali Ibn Bujeh. 


Nach der Entweichung des Jakuth begab sich Imäd eddewleh nach Schi- 
räs und nahm seinen Sitz in dem Pallast des Jakuth (im J. 322 d. H. vom 21. 
Dec. 933 bis zum 9. Dec. 954) [11]. Als er dem Heere das Rauben und Plün- 


(‘) Wörtlich: und.das übrige Heer der Dilemiten, das Herz auf den Tod gerichtet habend 
(d.i. des Todes eingedenk), bewies in der Angelegenheit des Kriegs vollständigen Fleifs. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 61 


dern untersagte, so forderten die Truppen ihren Sold, es fand sich aber nichts 
im. Schatze. Nachdem nun: Imäd eddewleh sorgenvoll in den Pallast des Jakuth 
sich zurückgezogen hatte, so richtete er plötzlich sein Auge auf das Dach eines 
Hauses, und erblickte eine Schlange, welche ihren Kopf aus einem Loche her- 
vorstreckte und wieder in dasselbe zurückzog. Dieses machte ihn aufmerksam, 
er trat sogleich aus jenem Aufenthalt hervor und befahl das Dach jenes Hauses 
abzubrechen und die Schlange zu tödten. Da man das Haus abbrach, so fand 
man daselbst eine ganze Summe baaren Geldes nebst werthvollen Stoffen [11]; 
worauf Imäd eddewleh das Geld unter die Soldaten vertheilte und einen Schnei- 
der rufen liefs, um aus jenen Stoffen Kleider zu nähen. Als nun, nachdem der 
Schneider sich niedergesetzt hatte, Imäd eddewleh die Worte sprach: Tschüb gus 
(ges) ('), so meinte der Schneider, welcher harthörig war, dafs der Sultan Stöcke 
(tschüb) begehrte, damit man ihn durch die Bastonade zum Geständnifs bringen 
möchte, und erwiederte: „Gnädiger Herr, wozu bedarf es der Stöcke? es sind 
nicht mehr als siebenzehn Kofler mit Kostbarkeiten des Jakuth bei mir.” Dar- 
über lachte Imäd eddewleh, und seine Hofdiener geriethen in Erstaunen [12]. 
„Imäd eddewleh, nachdem er sich in den Besitz der Schätze des Jakuth gesetzt 
hatte, übernahm hierauf die Geschäfte der Regierung. 
Zu dieser Zeit im Jahre d.H. 325 (vom 10. Dec. 954 bis zum 28. Nov. 
935) hatte Merdäwidsch die Absicht den Imäd eddewleh aus Schiräs zu vertrei- 
ben, der Tod aber gewährte ihm keine Frist; denn Merdäwidsch wurde zu eben 
dieser Zeit von seinen Dienern im Bade getödtet [15]. Als dieses Ereignils ge- 
schehen war, so sandte Imäd eddewleh seinen Bruder Rukn eddewleh aus, um 
die Statthalterschaft Iräk zu erobern [14], und seinen andern Bruder Moiss ed- 
dewleh liefs er nach Kermän ziehen. Dieser, nachdem er Kermän bezwungen 
hatte, begab sich nach Bagdäd und bemächtigte sich der Herrschaft des Chalifen 
(d.i. der bisher daselbst von dem Chalifen behaupteten weltlichen Herrschaft). 
Überhaupt eroberten während der Regierung des Imäd eddewleh dessen Brüder 
Rukn eddewleh und Moiss eddewleh nach Bekämpfung der Widerspenstigen meh- 
rere Provinzen. | 
In den letzten Monaten des Jahrs 357 (vom 10. Jul. 948 bis zum 29. 
Jun. 949) erkrankte (°) Imäd eddewleh; und als diese Krankheit langwierig 
wurde, so sandte er einen Boten an Rukn eddewleh (mit der Botschaft): ‚sende 


(*) d.i. wenn man Tschub gus ausspricht: wähle Wolle aus. Tschub ges würde heifsen: 
schneide Wolle ab. Überhaupt sind diese einzelnen Worte mir nicht ganz verständlich. Es 
liefse sich eher erwarten, dafs der Bujide gesagt hätte: nimm das Mafs, oder etwas ähnliches. 
Vgl. die historische Anmerkung 12. 


(?) Wörtlich: machte eine Krankheit kund d.i. erklärte sich krank. 


62 WILKEns: 


deinen ältesten Sohn Adhed eddewleh, damit er in meinem Namen die Verwal- 
17 tung der Provinz Färs übernehme.” Rukn eddewleh aber hatte drei Söhne, de- 
ren jeder fähig war Padschah zu sein. 
Als Adhed eddewleh in der Gegend von Schiräs angelangt war, so sandte ihm 
Imäd eddewleh alle Vornehmen und das Volk von Färs entgegen, und als derselbe 
näher kam, so zog Imäd eddewleh selbst mit seinem Gefolge aus der Stadt um seinen 
Brudersohn zu empfangen, führte ihn dann in den königlichen Palast, setzte ihn 
auf den Thron und gebot allen Magnaten und Edeln des Reichs, ihn als Herrscher 
zu begrüfsen. Auch feierten an diesem Tage die Dilemiten ein grofses Gastgebot. 
Als Adhed eddewleh mit voller Gewalt bekleidet war, so verhaftete er auf 
die Anweisung seines Oheims Imäd eddewleh einige Emire der Dilemiten, welche 
der Meuterei verdächtig waren ('), und unter diesen befand sich ein Mann mit 
Namen Schirendschin, für dessen Freilassung einige der Hofleute und Magnaten 
des Reichs sich verwandten. Imäd eddewleh aber sprach: ‚‚ich werde euch ein 
Wort über diesen Mann mittheilen, und dann alles thun, was ihr wünschen 
werdet.” Hierauf äufserte er sich also: ‚‚zu der Zeit als wir mit einer kleinen 
Schar Dilemiten im Dienste des Nesr Ibn Ahmed standen, und bei ihm von den 
Haustruppen und Mamluken sowohl des Nesr als des Vaters desselben mehr als 
zehn Tausend Mann aufser den Truppen der Gränzprovinzen sich befanden, sah 
ich den Schirendschin, wie er einen scharfen Dolch ohne Scheide und eingewik- 
kelt in ein Stück Leinwand in seinen Stiefel steckte; ich fragte ihn, was dieses 
bedeutete, und er gab zur Antwort: ich gedenke diesen Knaben, nehmlich den 
Nesr, zu tödten. Dieses Wort erschreckte mich, und ich wünschte daher nicht, 
dafs er in die Nähe des Nesr Ibn Ahmed gelangte, sondern ich entfernte ihn 
unter dem Vorwande, dafs ich ihm etwas mitzutheilen hätte, aus der Menge; 
und als ich ihn seitwärts geführt hatte, so berief ich eine Zahl der Dilemiten und 
eröffnete ihnen, was geschehen war; worauf sie sprachen: „‚wenn von ihm eine 
solche That ausgeführt würde, so würde man in diesen Ländern von uns keinen am 


Leben lassen.” 


Dann fuhr Imäd eddewleh fort: ‚‚nun sagt selbst, ob ich, nachdem 
ich in solcher Tollkühnheit ihn betroffen habe, in der Nähe meines Neffen ihn 
lassen kann.” Durch diese Worte wurden die Fürsprecher zum Schweigen gebracht 
und überführt; und Schirendschin blieb bis zu seinem Tode im Gefängnifßs. 

Im Jahre 358 (vom 30. Jun. 949 bis zum 18. Jun. 950) verliefs Imäd ed- 
dewleh diesen Palast der gastlichen Wohnung (?) und diese Herberge der Müh- 


(') Wörtlich: aus deren Vorderhaaren die Spuren (nach der Leseart der Handschr. E die 
Anzeichen) der Meuterei sichtbar wurden. 


(°) Wörtlich: dieses Haus der Einkehr oder diesen Palast der Herberge. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 63 


seeligkeit und Qual (d. i. die Welt) [15]. Er war ein Mann von sanfter und 
freigebiger Gesinnung, einsichtsvoll und gerecht; und die Unterthanen waren 
unter seiner Regierung zufrieden und ruhig. Die Dauer seiner Regierung war 
sechszehn und cin halbes Jahr. 


Ill. 


Regierung des Rukn eddewleh Hassan Ibn Bujeh. 
Als Rukn eddewleh die Nachricht von dem Tode des Imäd eddewleh ver- 


nahm, so begab er sich nach Färs, und kam zuerst nach Isthachar (Persepolis), um 
das Grab seines Bruders zu besuchen, und dann seine Reise nach Schiräs fort- 
zusetzen. Sobald Rukn eddewleh das Grab seines Bruders erblickte, so entblöfste 
er seine Füfse, und ging wehklagend zu dem Grabmale, und seine sämmulichen 
Heeresgenossen thaten dasselbe. Nachdem er drei Tage daselbst verweilt hatte, 
so zog er mit Zustimmung der Emire weiter nach Schiräs, und indem er daselbst 
neun Monate sich aufbielt, sandte er eine beträchtliche (') Summe aus den Schät- 
zen von Färs an den Moiss eddewleh nach Bagdäd, und fügte derselben eine grofse 
Menge von Waflen und Kriegsgeräthschaften bei [16]. 

Nach diesem zog Rukn eddewleh nach der Provinz Iräk. Damals ereigne- 
ten sich unter den Emiren aus dem Geschlechte der Samaniden (*) Kämpfe und 
Krieg [17], und ebenso entzündete sich ein Krieg zwischen Veschmgir und Rukn 
eddewleh, wovon in der Geschichte der Samaniden berichtet worden ist [18]. 
Zu dieser Zeit (im Jahre 356 vom 16. Dec. 966 bis zum 5. Dec. 967 oder 357 
vom 6. Dec. 967 bis zum 23. Nov. 968), als Veschmgir wider Rukn eddewleh 
kriegte, beschaute er eines Tages seine Pferde; und als sein Blick auf einen 
Schimmel fiel, so befahl er denselben zu satteln, bestieg dieses Pferd und begab 
sich auf die Jagd; an dem Orte aber, wo er jagte, rannte eine angeschossene 
Sau heran und verwundete das Pferd des Veschmgir, worauf dieser vom Pferde 
herabfiel und umkam [19]. 

In diesem Jahre, welches das Jahr der neunten Conjunction des feurigen 
Dreigestirns (des Widders, Löwer und Schützen) war, ereigneten sich die Todes- 
fälle mehrerer Herrscher, des Moiss eddewleh Ibn Bujeh zu Bagdäd, des Hassan 


(‘) In den drei Berliner Handschriften findet sich an dieser Stelle das in den Wörterbüchern 
nicht vorkommende Wort kirämend oder girämend. Es scheint synonym zu sein mit girän und 
sengin, Die Chronik des Heider setzt dafür an dieser Stelle: „‚eine gezählte Summe.’’ $. die 
‘Varianten. 

(*) Nach der in der Anmerkung vorgeschlagenen Verbesserung: „Damals ereigneten sich 
zwischen ihm und den Emiren aus dem Geschlechte der Samaniden Kämpfe und Krieg.’ 


je 


8 


oo 


64 WıLKEn: 


Ibn Firusän in Tabaristhän, des Käfur Achschidi in Misr, des Kaisers (Nicephorus 
Phocas) zu Rom (Constantinopel), des Ebu Alı Ibn Mohammed Ibn Eliäs, welcher 
einige Zeit in Kermän herrschte, zu Bochära, des Saif eddewleh Ibn Hamdän in 
Dijär Bekr, und des Ebu Tsaleb Ibn Hamdän in Syrien (Damascus) [20]. 

Nach dem Tode des Veschmgir erwies Rukn eddewleh dessen Sohne Bis- 
thun unzählige Wohlthaten und unterstützte ihn mit Geld und Truppen [21]. 

Es wird erzählt, dafs einst Veschmgir im vollen Übermuthe und in dem 
Vertrauen, welches er auf sein Heer setzte, einen Brief an Rukn eddewleh schrieb 
folgenden Inhalts: ‚‚ich bin mit einem nicht nur sehr zahlreichen, sondern auch 
durchgängig kriegslustigen und gleichwie Tiger muthigen Heere, welches ich ge- 
ordnet und gerüstet habe, im Begriffe dich des Landes und Reichs, so wie dei- 
ner Ehre zu berauben. Bei Gott, so ich deiner habhaft werde, so werde ich 
wider dich in einer Weise verfahren, welche noch kein Feind wider den andern 
in Anwendung gebracht haben wird.” Auch fügte er in diesem Briefe noch un- 
anständige Worte hinzu. Als dieses Schreiben in die Rathsversammlung des 
Rukn eddewleh gelangte, so befahl der Sultan seinem Munschi (Geheimschreiber) 
dasselbe vorzulesen; der Munschi aber, da er den Brief durchgesehen hatte, 
schwieg, weil er es nicht wagte jene Ungebührlichkeiten über seine Zunge zu 
bringen. Hierauf nahm Rukn eddewleh den Brief aus der Hand des Munschi, 
las ihn, und schrieb folgendes zur Antwort: ‚‚Ein zahlreiches Heer macht nicht 
bange; denn Eroberung und Sieg hängen nur ab von dem Beistande des Aller- 
höchsten Gottes; und wenn du so böse Absichten in Beziehung auf mich hast, 
bei Gott, so ist es mein Vorsatz dich, falls du in meine Hand als Gefangener 
gerathen wirst, von mir nichts anders als Ehre und Hochachtung erfahren zu lassen, 


’ und nach 


und alles dir zu erweisen was Artigkeit und Menschlichkeit gebietet ;’ 
kurzer Zeit wurde es oflenbar, was jeder gegen den andern im Sinne hatte. 

Im Moharrem des Jahrs 366 (vom 29. August 976 bis zum 18. August 977) er- 
krankte Rukn eddewleh in Folge eines heftigen Verdrusses ('), welcher dadurch veran- 
lafst wurde, dafs Rukn eddewleh in den letzten Tagen seines Lebens hörte, wie sein 
Sohn Adhed eddewleh mit seinem Heere aus Persien nach Bagdäd gezogen war und 
den Sohn seines Oheims Moiss eddewleh, den Iss eddewleh Bechthiär, gefangen ge- 
nommen hatte (?). Diese Nachricht verursachte ihm einen so heftigen Ärger, dafs er 
in ein Fieber fiel; und in dieser Krankheit begab er sich von Rai nach Isfahän. 


I 0010001111111 m 


(‘) Ich bin nicht sicher, ob ich in dieser Weise den Sinn der Worte aräzi nefsäni birukn 
eddewleh isthilä jäftheh richtig dargestellt habe. Die Worte aräzi nefsäni scheinen mir in die- 
sem Zusammenhange Gemüthsbewegungen zu bedeuten. 


(*) S. unten Kap. VI. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 65 


Als Adhed eddewleh von dem Verdrusse und der Krankheit des Rukn 
eddewleh Kenntnifs erhielt, so fürchtete er, dafs sein Vater mit ungnädiger Ge- 
sinnung wider ihn aus dieser Welt scheiden möchte; und als er solches bei sich 
überdacht hatte, so ersuchte er den Ebulfathah Ibn Elamid, den Vesir des Rukn 
eddewleh, es dahin zu bringen, dafs sein Vater ihn zu sich beriefe, indem es 
ohne eine solche Einladung unschicklich sein würde, dafs er zu seinem Vater 
sich begäbe; und Ebulfathah bewog wirklich den Rukn eddewleh seinen Sohn 
Adhed eddewleh zu sich zu berufen. Adhed eddewleh begab sich also zu seinem 
Vater nach Isfahän, worauf Rukn eddewleh auclı seine übrigen Söhne zu sich 
berief. Als alle zu Isfahän versammelt waren, so stellte Ebulfathah Ibn Elamid 
ein grofses Gastgebot an, und Rukn eddewleh so wie dessen Söhne und sämmt- 
liche Magnaten und Edle der beiden Iräks und von Färs beehrten das Haus des 
Vesirs mit ihrer Gegenwart. Nachdem die Speisung beendigt war, so beschäftigte 
sich Rukn eddewleh mit den Angelegenheiten seiner Söhne, gab die ganze Pro- 
vinz Färs, Kermän und Ahyäs bis zu dem Distrikte von Bagdäd dem Adhed ed- 
dewleh, übertrug die Regierung von Hamdän, den Distrieten des Gebirgslandes 
(edschbäl), Rai und Tabaristhän dem Fachr eddewleh, und ernannte den Mujid 
eddewleh zum Statthalter von Isfahän und der zu dieser Stadt gehörigen Provinz, 
indem er diesen beiden letztern Brüdern es zum Gesetze machte, die Befehle des 
Adhed eddewleh nicht zu übertreten, und sie zur Eintracht und Vermeidung der 
Mifshelligkeiten ermahnte. Als dieses vollbracht war, so bekleideten sich die 
vornehmen Dilemiten einander mit Ehrenkleidern nach ihrer Sitte, und in eben 
diesen Tagen starb Rukn eddewleh. 

In einigen Chroniken wird die Dauer der Regierung des Rukn eddewleh 
zu vier und dreifsig Jahren angegeben, wovon sechszehn und ein halbes Jahr 
gleichzeitig sind mit der Regierung des Imäd eddewleh, die übrigen siebenzehn 
Jahre und ein halbes später fallen. Er war ein König von trefllicher Gesinnung 
und edier Freigebigkeit, übte Recht und Gerechtigkeit und hielt die Seids (Nach- 
kommen der Propheten) so wie die gelehrten und gebildeten Männer in hohen 
Ehren [22]. 


IV. 
Regierung des Moiss eddewleh Ahmed Ibn Bujeh. 


Im Jahre 322 (vom 21. Dec. 953 bis zum 9. Dec. 934) beauftragte Imäd 
eddewleh seinen Bruder Moiss eddewleh [25] und ein Heer tapferer Dilemiten 
mit der Eroberung der Provinz Kermän. Moiss eddewleh kam zuerst nach Sir- 
dschän, und unterwarf sich diese Provinz. Als damals Ibrahim Simdschur Dewathi, 


Philos. - histor. Abhandl. 1835. I 


[567 


— 


66 WıuKen: 


welcher den Mohammed (Ibn) Eliäs in Kermän belagerte, die Kunde von der 
Ankunft des Moiss eddewleh erhielt, so gab er jene Unternehmung auf, und zog 
nach Chorasän; auch Mohammed Ibn Eliäs verliefs aus Furcht vor Moiss eddew- 
leh die Provinz Kermän und entwich nach Sisthän, worauf Moiss eddewleh so- 
wohl gegen Ali Ibn Kelujeh als gegen Mohammed Ibn Eliäs, welcher nach sei- 
ner Flucht wieder nach Kermän gekommen war, Krieg führte, zuletzt aber seine 
Feinde überwältigte und den Garten der Provinz Kermän von den Disteln der 
Widersacher reinigte [24]. Dann zog er gegen Ahväs, und unterwarf sich [im 
J. 326 vom 7. Nov. 957 bis zum 27. Okt. 938] nach vielen Kämpfen gegen die 
Statthalter des Chalifen auch diese Provinz [25]. 

Im Jahre 332 (vom 3. Sept. 943 bis zum 22. Aug. 944) führte Moiss ed- 
dewleh ein zahlreiches Heer von Ahväs nach Wäsit, wo Thusun [26], der oberste 
Emir des Chalifen, mit einem grofsen Heere ihm entgegen kam. Die Heere 
stritten wider einander zwölf auf einander folgende Tage; endlich ergriff Thusun 
die Flucht, und Moiss eddewleh, nachdem er seinen Gegner einige Parasangen 
verfolgt hatte, zog sich nach Ahväs zurück. 

Im Jahre 333 (vom 23. Aug. 944 bis zum 11. Aug. 945) führte Moiss ed- 
dewleh zum zweiten Male ein Heer nach Wäsit; und als [der Chalife] Musthekfi 
[27] und Thusun mit den arabischen Truppen sich ihm entgegenstellten, so hielt 
er den Kampf nicht für rathsam und zog sich wiederum nach Ahväs zurück. 

Im Jahre 334 (vom 12. Aug. 945 bis zum 31. Jul. 946) zog Moiss eddew- 
leh mit einem starken Heere zum dritten Male nach Wäsit und gelangte von dort 
nach Bagdäd. Vor seiner Ankunft bei dem Palaste des Friedens (') war Thusun 
gestorben [28] und [Sirek] Ibn Schirsäd (als Emir el umerä) ihm gefolgt. Als nun 
Moiss eddewleh am 11. Dschumäda’ ] ewwel des gedachten Jahrs (18. Dec. 945) vor 
dem Thore von Bagdäd Eschschemasijeh sich lagerte, so entwich (verbarg sich) Ibn 
Schirsäd; und am andern Tage begab sich Moiss eddewleh in den Palast des [Cha- 
lifen] Musthekfi um die Huldigung zu leisten. Der Chalife aber errichtete mit 
Moiss eddewleh einen Vertrag, verlieh an diesem Tage dem Ahmed den Titel Moiss 
eddewleh (d. i. Verherrlicher des Reichs), so wie dessen Brüdern Ali und Hassan 
die Titel Imäd eddewleh (d.i. Säule des Reichs) und Rukn eddewleh (d.i. Pfeiler 
des Reichs), und liefs ihnen diese Titel sowohl in dem Kanzelgebete als auf den 
Geprägen der Dinare beilegen. Dem Moiss eddewleh wies man den Palast des 
Eunuchen Munis zur Wohnung an, und seine Soldaten erhielten ihre Herbergen 
in den Häusern der Einwohner von Bagdäd, was den letztern höchst lästig war. 
Nachdem Moiss eddewleh sich in den Besitz der unumschränkten Gewalt zu Bag- 


(*) Beiname von Bagdäd. 
5 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 67 


däd gesetzt hatte, so wies er dem Chalifen Musthekfi täglich die Summe von 
fünf Tausend Dirhems zu seinen Ausgaben an, aber schon im Dschumäda’ lachir 
beraubte er ihn des Chalifats und setzte den Moti an seine Stelle [29]. In eben 
diesem Jahre zog Näsir eddewleh begleitet von Ibn Schirsäd von Mosul heran, 
um den Moiss eddewleh zu bekriegen, und bemächtigte sich der Hälfte von Bag- 
däd; hierauf stritten Moiss eddewleh und Näsir eddewleh ohne Unterbrechung 
wider einander so lange, bis sie im Moharrem (dem ersten Monate) des Jahrs 
335 (vom 1. Aug. 946 bis zum 21. Jul. 947) mit einander Frieden machten; 
worauf Näsir eddewleh nach Mosul sich begab und Moiss eddewleh in Bagdäd 
blieb [30]. 

Im Jahre 336 (vom 22. Jul. 947 bis zum 9. Jul. 948) unternahm Moiss 
eddewleh einen Feldzug nach Basrah, und eroberte jenes Land [31]. 

Im Jahre 337 (vom 10. Jul. 948 bis zum 29. Jun. 949), als Moiss ed- 
dewleh Mosul angrifl, so floh Näsir eddewleh nach Nesibin; und Moiss eddewleh 
verübte in Mosul grofse Gewaltthätigkeiten, weil es seine Absicht war, den Näsir 
eddewleh mit Einem Male zu vernichten und das Wiederemporkommen desselben 22 
unmöglich zu machen. In derselben Zeit kam ein Bote von Rukn eddewleh mit 
der Meldung: ‚‚die Truppen vou Chorasän sind gegen Rai und Dschordschän 
gezogen, und es ist nothwendig, dafs der Bruder unverweilt und ohne Zaudern 
zurückkehre.” Diese Meldung bewog den Moiss eddewleh mit Näsir eddewleh 
Frieden zu schliefsen unter der Bedingung, dafs der letztere aus den Einkünften 
seiner Provinz jährlich die Summe von acht Millionen Dirhems in den Schatz 
zu liefern habe; worauf Moiss eddewleh nach Bagdäd zurückkehrte [32]. 

Im Jahre 334 (vom 26. April 955 bis zum 13. April 956) wurde Moiss 
eddewleh von einer schweren Krankheit befallen, dergestalt dafs er mehrere Tage 
seinen Palast nicht verliefs. Dadurch wurden viele eitle Gerüchte unter den Leu- 
ten veranlafst und in Bagdäd entstand grofse Verwirrung; als aber Moiss eddew- 
leh ungeachtet der fortdauernden Schmerzen sich zu Pferde zeigte, so nahmen 
jene Unruhen ein Ende [33]. 

Im Jahre 345 (vom 14. April 956 bis zum 3. April 957) empörten sich 
Rusbihän der Dilemite und dessen Brüder wider Moiss eddewleh, welcher nach 
vielen Kämpfen sie überwältigte; und in derselben Zeit, in welcher er durch 
den Krieg wider den Rusbihän beschäftigt wurde, sandte Näsir eddewleh ein Heer 
gegen Bagdäd, und suchte diese Stadt sich zu unterwerfen. Moiss eddewleh aber, 
als er jenen Krieg beendigt hatte, eilte nach Mosul und bemächtigte sich dieser 
Stadt, worauf Näsir eddewleh nach Nesibin sich begab; hierauf verfolgte Moiss ed- 
dewleh den Näsir eddewleh so lange bis dieser Syrien erreichte, und Moiss eddew- 
leh [34] selbst erkrankte und deshalb nach Bagdäd zurückkehrte, wo er [im J.351 

I2 


68 WıLKen: 


vom 8. Febr. 962 bis zum 28. Jan. 965] an den Thüren der Moscheen folgendes 
(in arabischer Sprache) eingraben liefs: ,‚Gott verfluche den Moawijeh Ibn Ebu 
Sefiän, und Gott verfluche denjenigen, welcher Fatimeh, der Gott gnädig sei, des 
Landes Fedek beraubte, und er verfluche denjenigen, welcher das Begräbnifs des 
Hassan bei dem Grabe seines Grofsvaters (Mohammed), dem Gott gnädig sei und 
dessen Nachkommen er beglücke, hinderte, und denjenigen, welcher den Ebu Dsorr 
den Gifariten (') verbannte und den Abbas aus denı Rathe ausschlofs.” Da der 
Chalife damals unter der Gewalt des Moiss eddewleh war, so konnte er solches 
nicht hindern; in dem Aufruhr, welcher dadurch in Bagdäd veranlafst wurde, 
vertilgte man zwar diese eingegrabene Inschrift, Moiss eddewleh aber liefs sie 
wiederherstellen, und dieses Zerwürfnifs dauerte so lange bis der Vesir Ibn el- 

23 mohdi auf die Auskunft fiel, in der Verfluchung keinen andern Namen als den 
des Moawijeh vorbringen zu lassen. Man schrieb hierauf an der Stelle jener In- 
schrift die zwei oder drei Worte: ,,‚Gott verfluche diejenigen, welche ungerecht 
handeln gegen die Nachkommen des göttlichen Botschafters, den so wie dessen 
Nachkommen Gott segnen und begliicken wolle.” Durch diese zweckmäfsige Mals- 
regel wurde dieser Aufrukr gestillt [35]. 

Im Jahre 356 (vom 16. Dec. 966 bis zum 5. Dec. 967) starb Moiss ed- 
dewleh und hatte seinen Sohn Iss eddewleh Bechthiär zum Nachfolger. Moiss 
eddewleh war ein und zwanzig Jahre oberster Emir (Emir elumerä) zu Bagdäd; 
und als er krank war (°), spendete er unzählbare Almosen und gab seinen Mam- 
luken die Freiheit. 


V. 


Regierung des Adhed eddewleh Ibn Rukn eddewleh. 


Adhed eddewleh Ebu Schedschä Fennä [36] Chusrew Ibn Rukn eddewleh 
Hassan Ibn Bujeh setzte sich im Jahre 338 nach der Anordnung seines Oheims Imäd 
eddewleh auf den Thron der Herrschaft von Färs und Kermän. Der Verfasser des 
Thärich Kavämi überliefert folgendes: ‚Im Anfange der Regierung des Adhed 
eddewleh hatte eine von den Sclayinnen seines Harems ein Einverständnifs mit 
einem Soldaten, und sie kamen zusammen so oft dazu Gelegenheit und Möglich- 
keit sich darbot. Eines Tages begab sich jener Soldat auf die Jagd, und als er 
eine Öde und Wüste durchzog, ging ein Fuchs in sein Loch; der Soldat, welcher 


(') Über Ebu Dsorr und dessen Verbannung durch den Chalifen Otsmän s. Abulfedae ann. 
mosl. T.I, p. 260. Im Kämus (I, 619.) wird seiner gedacht bei Gelegenheit der Bestimmung 
der Aussprache des Namens seines Stamms, der Benu Gifär. 


(*) Wahrscheinlich in seiner letzten Krankheit. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 69 


anfing zu graben, um den Fuchs herauszutreiben, gelangte dadurch zu einer 
Treppe; und da er diese herabstieg, fand er ein Gemach, und in diesem Gemache 
viele Gefäfse, welche angefüllt waren mit Gold und Edelsteinen. Davon nahm 
er etwas, stellte ein Wahrzeichen hin und bedeckte das Loch wieder. Als er 
nach der Stadt zurückgekehrt war, so besuchte er die Sclavin wiederum fleifsig, 
und diese, da der Soldat ihr gröfsere Geschenke und Gaben verehrte, als sein 
Vermögen zu gestatten schien, wandte alle Mühe an, um zu erfahren, wie es 
sich damit verhielte. Eines Tages, als der Soldat betrunken war, fragte sie ihn: 
„woher hast du solche Mittel?” der Soldat aber gab zur Antwort: ‚‚was küm- 
mert dich solches? wenn ich auch tausendmal so viel für dich verwendete, so 


’ Dadurch wurde die Neugierde der 


würde mir dennoch an Geld es nicht fehlen.’ 
Sclavin noch höher gespannt, und als sie dem Soldaten in der äufsersten Trun- 
kenheit noch einmal jene Frage machte, so oflenbarte er seiner Geliebten den 
ganzen Hergang, wie er den Schatz gefunden hatte. Die Sclavin, da sie durch 
die Offenbarung dieser Sache gröfsere Gunst bei Adhed eddewleh zu gewinnen 
hoffte, begab sich zu demselben, und redete mit ihm also: ‚‚ich habe zwar in 
deinem Harem ein Verbrechen begangen, welches des Todes mich schuldig macht; 
wenn aber der Sultan mir Gnade gewähren will, so kann ich ihm einen Schatz 
nachweisen, welcher für die Ausgaben vieler Jahre genügen wird.” Hierauf gab 
ihr Adhed eddewleh den Ring der Gnade, und die Sclavin eröffnete ihm die 
Sache von Anfang bis zu Ende. Dann befahl er ihr von dem Manne zu ver- 
langen, ‚dafs er ihr den Schatz zeigte, und wenn dieser darein willigte, ihn da- 
von in Kenntnifs zu setzen. Die Sclavin aber sprach zu gelegener Zeit zu dem 
Soldaten in dieser Weise: ,‚bis jetzt hast du mir alles verschafft, was ich erbat 
oder ersehnte, und keinen Wunsch in meinem Gemüthe [unerfüllt] gelassen, und 
es ist in meinem Herzen kein andres Begehren geblieben als den Schatz zu se- 
hen, welchen du gefunden hast; jetzt bitte ich dich, den Ort des Schatzes mir 
zu zeigen, damit ich für mein ganzes Leben Schuldnerin deiner Güte sei.” Diese 
Bitte wurde von dem Soldaten genehmigt und von ihm der Tag bestimmt, an 
welchem sie mit einander zu dem Schatze sich begeben wollten; was die Sclavin 
dem Adhed eddewleh anzeigte. Dieser gab ıhr ein Tuch mit Papierschnitzeln 
(indem er sagte): ‚‚wenn du dahin gehst, so streue solches auf den Weg ohne 
dafs der Soldat es gewahr werde, damit ich eure Spur verfolgen könne.” Die Sela- 
vin begab sich also an dem bestimmten Tage mit jenem Manne nach dem Schatze 
und streute die Papierschnitzel aus wie ihr befohlen worden; Adhed eddewleh 
aber folgte mit einiger Begleitung der Spur dieser beiden Personen bis er zu dem 
Orte des Schatzes gelangte. Der Soldat, als er den Adhed eddewleh erblickte, 
gerieth in die äufserste Furcht und Bestürzung; Adhed eddewleh aber beruhigte 


I 


[5] 
or 


70 WILKEnN: 


ihn und sprach: „‚eines von diesen Gefäfsen gehört dir, und die Sclavin gebe 
ich dir zur Gattin.” Darüber war der Soldat sehr froh, und Adhed eddewleh 
brachte jenen ganzen Schatz in die Schatzkammer, und erbaute von solchem 
Golde ein hohes Gebäude auf dem Nedschf (') an dem Grabmale des Ali Ibn 
Ebu Talib, des Fürsten der Gläubigen und Priesters der Gottesfürchtigen, über 
welchem Friede sei. 

Derselbe Verfasser des Tharich Kawämi berichtet: ‚‚Adhed eddewleh in 
der Zeit seiner Regierung hatte den Wunsch, dafs, wie zu den Zeiten der Herr- 
schaft der Könige von Adschm man zu diesen aus Rum (dem römischen Reiche) 
Geschenke und Gaben gesandt hatte, eben so man auch ihn beschieken möchte. 
Als dieser Gedanke in seinem Gemüthe Festigkeit gewonnen hatte, so rief er 
einen Kaufmann, welcher sein Vertrauter war, zu sich, und sprach: ‚‚du mufst 
nach Rum reisen und dieses und dieses thun;”” was aber Adhed eddewleh mit 
dem Kaufmann verabredete, wird durch die Folge der Erzählung deutlich wer- 
den. Adhed eddewleh gab also dem Kaufmann vieles Geld und sandte ihn in 
jenes Land. Als der Kaufmann nach Rum gekommen war, die Magnaten des 
kaiserlichen Reichs besucht und ihnen Geschenke überreicht hatte, so gelangte 
er durch ihre Fürsprache zu der Person des Kaisers; und da er wundervolle 
Geschenke sowohl an Diamanten von schönem Wasser als andern ähnlichen 
Gegenständen als Huldigungen mit sich führte, so ward ihm eine sehr gnädige 
Aufnahme von dem Kaiser zu Theil und er benahm sich dergestalt, dafs man 
ihn nicht nur für einen Christen hielt, sondern dafs er auch, weil er so oft 
er zum Kaiser kam allerlei Geschenke und Gaben überreichte, zu den Ver- 
trauten und Freunden des Kaisers gezählt wurde. Erst späterhin, als er seine 
Liebe zu dem Islam und den Muslims kund werden liefs, vernahm man, dafs er 
zu der Gemeinschaft der Seeligen und dem auserwählten Volke gehörte. Denn 
nach einiger Zeit trug er dem Kaiser folgendes vor: ‚‚in der Nähe meiner Woh- 
nung befindet sich ein wüster Platz, welcher sich zur Auflührung eines Gebäu- 
des eignet, und ich wünsche auf demselben eine Moschee zu erbauen, um da- 
durch in dieser Welt mir ein ehrenvolles Denkmal zu stiften und in jener Welt 
eine grofse Belohnung zu verdienen.” Nachdem der Kaiser dieses Ansuchen be- 
willigt hatte, so liefs der Kaufmann jenen Ort aufgraben, um mit gebrannten 
und natürlichen Steinen einen festen Grund für die Moschee zu legen; und die 
Tagelöhner fanden bei dem Aufgraben der Erde ein verschlossenes Kistchen von 
altem und durch Rost verzehrtem Eisen, welches sie dem Kaufmann zeigten und 
dann so verschlossen wie es war zu dem Kaiser brachten. Nachdem auf den 


(') Der Name des Orts, wo Ali begraben war. 


Geschichte der Sullane aus dem Geschlechte Bujeh. 74 


Befehl des Kaisers das Schlofs hinweg genommen war, so erblickte man in dem 
Kasten eine Rolle von altem zum Theil zerstörtem und zerbröckeltem Papier, welche 
von dem Kaiser und dessen Hofleuten für ein Schatzregister gehalten wurde. Da 
sie aber dieselbe näher betrachteten, so fanden sie darin eine Schrift folgenden In- 
halts: „In einem gewissen Jahre (welches mit dem Regierungsantritte des Adhed 
eddewleh zusammentraf) wird den Thron des Reichs von Schiräs ein König von 
solchen und solchen Eigenschaften und solchem und solchem Namen und Ehren- 
titel besteigen; und wie Alexander die ganze bewohnte Erde eroberte, so wird 
auch dieser König die Welt, so weit sie bewohnt ist, unter seine Botmäfsigkeit 
bringen; jeder König, welcher mit dem Gürtel des Gehorsams sich gürtend (') 
ihm Zins und Abgaben zahlt, wird sicher sein vor den Schlägen seines Heers; 
wer aber auf den Platz der Widerspenstigkeit und Empörung sich stellt, wird 
sich Verderben und Hülflosigkeit bereiten.” Solches setzte den Kaiser und des- 
sen Hofleute in Erstaunen; der Kaiser berief den Kaufmann zu sich und stellte 
ihm die Frage: ‚bist du in die Provinz Schiräs gekommen, und hast du den 
Fürsten dieses Reichs gesehen?” Als der Kaufmann diese Frage mit ,‚,ja” beant- 
wortet hatte, so fragte der Kaiser weiter: ‚‚welche sind die Eigenschaften dieses 
Königs, von welcher Art ist seine Gestalt, wie heifst sein Name und Ehren- 
name?” Der Kaufmann meldete ihm alles, wie es sich verhielt, und der Kaiser 
fand die Angabe desselben übereinstimmend mit dem Inhalte der Rolle. Dann 
stellte er ferner die Frage: ‚‚stehst du mit ihm in Bekanntschaft und gutem Ver- 
nehmen?” und der Kaufmann erwiederte: ‚‚ich habe oftmals ihm Geschenke 
dargebracht, und er kennt mich.” Hierauf redete der Kaiser also: ‚ich habe die 
Absicht durch einen beredien Botschafter jenem Könige werthvolle Geschenke und 
Gaben zu übersenden und in die Bahn der Zuneigung und Freundschaft mit 
ihm zu treten; auch ist es mein Wunsch, dafs mein Botschafter in deiner Ge- 
sellschaft nach jenem Lande sich begebe.”’ Dieses war es eben was der Kauf- 
mann wünschte. 

Als der Kaufmann und der Botschafter an den Gränzen von Schiräs an- 
langten, so benachrichtigte der Kaufmann durch einen Boten den Adhed eddew- 
leh von seiner Ankunft, und erhielt dagegen folgende Anweisung: ‚‚ich werde, 
als zur Jagd, aus der Stadt kommen, so dafs sicherlich zur Abendzeit das Zu- 
sammentreflen im Wildgarten geschehen wird.” Zur Zeit des Abendgebetes ka- 
men also von der einen Seite Adhed eddewleh, und von der andern der Bot- 
schafter des Kaisers mit dem Kaufmann heran, und nahmen ihre Herberge; und 
Adhed eddewleh, als er mit dem Botschafter sich unterredete, äufserte sein Mifs- 


(‘) D.i. des Gehorsams sich befleilsigend. 


26 


72 WırKen: 
vergnügen über das Schreien der Frösche und gab einem seiner Begleiter folgen- 
den Befehl: ‚‚gehe hin und sage den Fröschen: es gebietet euch der König in 
dieser Nacht die Zungen in den Gaum zurückzuziehn und zu schweigen.” Die- 
ser Mann warf in Folge der getroffenen Verabredung etwas von einem Mittel, 
welches in das Wasser geworfen die Frösche zum Schweigen zu bringen pflegt, 
in jenen Teich ('), und rief dann mit lauter Stimme die ihm von Adhed ed- 
dewleh angegebenen Worte aus; worauf die Frösche schwiegen (?). 

Darüber sich wundernd sprach der Botschafter bei sich: ‚‚das ist ein Wun- 
derwerk ihres grofsen Königs, dessen Befehle selbst die Thiere im Grunde des 
Wassers nicht unerfüllt lassen können, und dessen Gebot so mächtig ist als das 
Wort Salomo’s, welches über Land und Meer sich erstreckt;” und als er nach 
Vollbringung seines Auftrags nach Rum zurückkehrte und den Kaiser über die 
gefundene Aufnahme Bericht erstattete, so fand dieser, dafs dasjenige was gesche- 
hen war, vollkommen mit dem Inhalt der Rolle übereinstiminte, und, bemüht die 
Freundschaft zu verstärken, übersandte er fortwährend kostbare Geschenke [37]. 

Im Jahre 338 (vom 30. Jun. 949 bis zum 18. Jun. 950) hatte Adhed ed- 
dewleh, als er den Thron des Sultanäts bereits besafs, keinen Feind; denn die 
Provinz von Rai so wie Isfahän und dessen District war in dem Besitze seines 
Vaters Rukn eddewleh; die Provinzen Ahväs, Chusistän und Bagdäd standen un- 
ter der Botmäfsigkeit seines Oheims Moiss eddewleh, und Mohammed Ibn Eliäs, 
Statthalter von Kermän, leistete den Dilemiten löbliche Dienste. 

Im Jahre 357 (vom 6. Dec. 967 bis zum 23. Nov. 968) aber sandte Ad- 
hed eddewleh seinen Sohn Ebu’ lfewäris nach Kermän, um die Regierung dieses 
Landes zu übernehmen, was dadurch veranlafst wurde, dafs Eli Ibn Mohammed 
Ibn Eliäs, welchem [nach dem Tode seines Vaters] die Verwaltung von Kermän 
anvertraut worden war, unbesonnener Weise ein Heer in das Land des Adhed 
eddewleh einbrechen liefs. Dadurch erzürnt entzog Adhed eddewleh dem Eli 
jene Provinz [58]. 

Zu derselben Zeit kam die Hersschaft von Omän unter die Botmäfsigkeit 
des Adhed eddewleh. 

Im Jahre 364 (vom 20. Sept. 974 bis zum 8. Sept. 975) zog Adhed ed- 
dewleh mit seinem Heere nach Bagdäd (°). 


(‘) Das Wort rüd bezeichnet zwar sonst ein fliefsendes Wasser; es scheint aber an dieser 
Stelle auf einen Teich sich zu beziehen. 

(*) Was der Kaufmann in das Wasser warf, war ohne Zweifel ein Mittel (Salz oder etwas 
ähnliches), welches die Frösche bewog, die Oberfläche des Wassers zu verlassen und den Grund 


zu suchen, wovon die natürliche Folge war, dafs sie aufhörten zu schreien. 


(°) Von diesem Zuge handelt der Anfang des folgenden Kapitels. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 13 


vi. 
Erzählung von dem Zuge des Adhed eddewleh nach dem Hause 
des Friedens Bagdäd, und Bericht von einigen Ereignissen, 
welche nach dem Tode des Moiss eddewleh Statt fanden. 


Moiss eddewleh redete zu der Zeit, als er starb, zu seinem Sohne Iss ed- 
dewleh Bechthiär also: „Wenn du willst, dafs deine Herrschaft dauernd sei, so 
richte dich erstlich gewissenhaft nach den Anordnungen deines Oheims Rukn 
eddewleh, und in jeder Angelegenheit, welche vorkommen mag, hole seinen Rath 
ein; zweitens achte den Adhed eddewleh höher als dich selbst und bemühe 
dich auf das fleifsigste ihm Ehre und Achtung zu erweisen; denn er ist mäch- 
tiger als du und der Regierungsangelegenheiten kundiger; drittens ernenne zu 
Vesiren den Ebu ’lfedhl Abbäs Ibn elhossain, und den Ebu ’lferedsch Mohammed 
Ibn Elabbäs; denn diese beiden Männer sind eben so ausgezeichnet durch Ge- 
schicklichkeit als durch Treue; endlich gewinne durch Gunstbezeigungen und 
königliche Geschenke die Dilemitischen sowohl als die Türkischen Soldaten, und 
bemühe dich unablässig die Zuneigung des Hadschib Sobokthegin dir zu erhal- 
ten.” Iss eddewleh aber befolgte nach dem Tode seines Vaters keine dieser Er- 
mahnungen; sondern mit Lustbarkeiten und Tändeleien beschäftigt fand er nur 
Vergnügen in der Unterhaltung und dem Umgange mit Weibern, Sängern und 
Possenreifsern. Dadurch wurde Sobokthegin dem Bechthiär entfremdet und end- 
lich dahin gebracht, dafs er den Dienst desselben verliefs; es kam zuletzt so weit, 
dafs Sobokthegin zu oflener Feindseligkeit schritt, indem die Türken auf seine 
Seite traten und die Dilemiten es mit Bechthiär hielten, wodurch zwischen den 
beiden Truppen ein langwieriger Kampf veranlafst wurde, dessen ausführliche 
Erzählung ermüdend und lästig sein würde [29]. Als [im J. 363 vom 1. Okt. 
973 bis zum 19. Sept. 974] nach dem Tode des Sobokthegin die Türken den 
Albıhegin zu ihrem Oberhaupte erwählt hatten, so lagerten sie sich in dem Ge- 
biete von Wäsit in der Nähe des Lagerplatzes, den Bechthiär eingenommen hatte; 
und dort fanden während der Dauer von funfzig Tagen zwischen beiden Heeren 
Gefechte Statt, in welchen meistens die Türken den Sieg gewannen. In diesen 
Tagen sandte Bechthiär täglich einen Botschafter an Adhed eddewleh mit der 
Meldung: ,‚,‚es ist nothwendig, dafs du auf das schleunigste nach dem arabischen 
Iräk kommest;’”” und da Adhed eddewleh die Nachricht von der Übermacht der 
Türken erhielt, so trat er mit den persischen Truppen den Zug an und begab 
sich nach Wäsit zum Iss eddewleh Bechthiär [40]. Die Türken, indem sie sich 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. K 


NS 


Ss 


& 


74 WıILKEN: 


ihm entgegenstellten, erhoben zwar [im J. 364 vom 20. Sept. 974 bis zum 8. 
Sept. 975] einen heftigen Kampf, wurden aber in die Flucht geschlagen [41] 
und flohen ohne wieder festen Fufs zu gewinnen nach Bagdäd; worauf Adhed 
eddewleh sie verfolgend an der östlichen Seite der Stadt sich lagerte und dem 
Bechthiär die Stellung an der westlichen Seite anwies. Auch dort kämpften die 
Türken tapfer einige Tage lang, ermüdeten aber endlich und verzweifelten, und be- 
gaben sich mit dem Chalifen Tajı nach Thekrith. Adhed eddewleh, nachdem er sich 
der Stadt Bagdäd bemächtigt hatte, liefs den Chalifen einladen zu ihm zu kommen ; 
Tajı machte sogleich sich von den Türken los und begab sich nach Bagdäd, und 
Adhed eddewleh sandte dem Chalifen Teppiche und anderes Geräth entgegen und 
empfing ihn mit Achtung und Höflichkeit. Hierauf nahm Adhed eddewleh den 
Bechthiär und dessen Brüder gefangen. Als Rukn eddewleh solches vernahm, so 
warf er sich von seinem Sitze herab und beschlofs in heftligem Verdrusse nach 
Bagdäd zu ziehen ('); Adhed eddewleh aber um seinen Vater zu besänftigen, setzte 
den Bechthiär in Freiheit, gab ihm sein Land zurück und verliefs Bagdäd [42]. 
Nach dem Tode des Rukn eddewleh sammelte Adhed eddewleh seine Trup- 
pen und unternahm einen Kriegszug nach dem arabischen Iräk [im J. 366 vom 
29. Aug. 976 bis zum 17. Aug. 977]; und als er nach Chusisthän kam, so traf 
dort mit ihm Iss eddewleh Bechthiär zusammen; weil aber an dem Tage der 
Schlacht eine Schaar von dem Heere des Bechthiär zu den Truppen des Adhed 
eddewleh überging: so verliefs Iss eddewleh das Schlachtfeld [43]; und als er 
lim J. 367 vom 18. Aug. 977 bis zum 7. Aug. 978] in die Gegend von Mosul 
kam, so stiiefs Ebu Tsaleb mit zwanzig Tausend Mann zu ihm. Adhed eddewleh, 
da er solches vernahm, zog sogleich in jene Gegend; und da die beiden Heere 
unfern von Thekrith zusammentrafen, so entzündete sich ein heftiger Kampf, 
in welchem Ebu Tsaleb die Flucht ergriff! und Bechthiär gefangen wurde; den 
letztern liefs Adhed eddewleh, als er vor ihn gebracht wurde, auf der Stelle 
enthaupten. Bechthiär war damals sechs und dreifsig Jahre alt und hatte etwas 
über eilf Jahre regiert [44]. Als Adhed eddewleh hierauf in Mosul einige Zeit 
verweilte, so sprach er: ‚„‚dieses Land gefällt mir mehr als Iräk Adschm;” dann 
vertheilte er seine Schaaren und liefs durch dieselben [im J. 368] Diär bekr und 
die meisten Burgen jenes Landes unterjochen und erobern, so wie er auch Dijär 
beni Modher und die dortigen Burgen überwältigte. Auch Saad eddewleh Ibn Seif 
eddewleh, damaliger Fürst von Haleb, unterwarf sich seiner Botmäßsigkeit [45]. 
Im Jahre 368 (vom 8. Aug. 978 bis zum 27. Jul. 979) richtete Adhed 
eddewleh seine Aufmerksamkeit auf die verwüsteten Gebäude von Bagdäd, indem 


(*) Vgl. oben Kap.III, S.63. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 75 


er die Moscheen wieder aufbauen liefs. Auch setzte er für die Imams und Aus- 
rufer zum Gebete Gehalte aus, rief die Waisen, Armen und Kranken zurück und 
wies ihnen monatliche Gaben an, und erbaute Basärs, so wie er auch die Besit- 
zer verwüsteter Gebäude zu deren Wiederherstellung anhielt. Wo ein Flufs ge- 
hemmt war, bewirkte er für denselben freien Lauf; die Gefälle, welche damals 
von den nach Mekka Pilgernden erhoben wurden, schaffte er ab; von Bagdäd 
bis nach Mekka setzte er jeden verschütteten Brunnen wieder in den frühern 
Zustand, und sandte Almosen an die Bewohner von Mekka, Medina und der 
Grabstätte des Fürsten der Gläubigen und Imams der Gottesfürchtigen Alı Ibn 
Ebutalib und des Imam Hossein, über welchen Friede sei. Den Fakirs, denen, 
welche der Überlieferung (hedis) kundig waren, denen, welche mit der Meta- 
physik sich beschäftigen, den Grammatikern, Dichtern, Ärzten, Rechenmeis- 
tern und Feldmessern gewährte er bestimmte und fortwährende Belohnungen. 
Seinem Vesir Nesr Ibn Härun, einem Christen, erlaubte er Bethäuser und Kirchen 
für seine Glaubensgenossen zu erbauen, und unterstützte die christlichen Armen 
aus seinen eignen fürstlichen Einkünften. Im Jahre 371 (vom 6. Jul. 981 bis zum 
24. Jun. 982) vollendete er das Krankenhaus an der westlichen Seite von Bagdäd, 
und versah dasselbe mit allem Erforderlichen in Beziehung auf einen Arzt, die 
Heilmittel und erquickenden Getränke. 

Im Jahre 372 (vom 25. Jun. 982 bis zum 15. Jun. 983) wurde Adhed 
eddewleh von der Krankheit der fallenden Sucht dergestalt ergriffen, dafs er 
schwach und entkräftet am 8. Schewwäl dieses Jahrs (25. März 983) verschied. 
In Folge seines letzten Willens wurde er in dem heiligen Boden von Nedschf 
(wo Ali’s Grabmal war) bestattet. Er hatte vier und dreifsig Jahre regiert und 


sieben und vierzig Jahre gelebt. An seinem Sterbetage kam kein andres Wort 3 


über seine Zunge als der Spruch: ‚‚was nützt mir mein Reichthum, meine Herr- 
schaft ist für mich verloren” [46]. Der Chalife Taji war in der Trauerversamm- 
lung anwesend. 

Adhed eddewleh war der ausgezeichretste und treifllchste der Dilemitischen 
Sultane, und über seine edeln und herrlichen Handlungen hat man ganze Bände 
gefüllt; unter andern hat Säbi sein Kithäb thädschi dir echbäri äli bujeh dem 
Adhed eddewleh zugeschrieben [47]. Die Unterthanen waren zur Zeit dieses 
Fürsten ruhig im Schofse des Friedens und der Sicherheit. 

Während seiner Regierung erbaute er in der Burg von Istachar in Per- 
sien einen Wasserbehälter mit sieben Treppen; und wenn auch von jeder dieser 
Treppen täglich tausend Personen Wasser tranken, so reichte jener Wasserbehäl- 
ter für ein ganzes Jahr aus. Dann errichtete er den Damm im Flusse Kur bei 
Schiräs, welcher unter dem Namen Bendi Emir (Damm des Fürsten) bekannt 


2 


ww 


76 WırLKen: 


ist, ein Werk, dem kein andres in der Welt gleich gestellt werden kann. Um 
dasselbe zu beschreiben darf man nur sagen, dafs Adhed eddewleh über einen 
Flufs von so beträchtlicher Gröfse einen Damm und eine für den Übergang von 
Truppen und Karavanen genügende Strafse zu Stande brachte. Man pflegte da- 
her zu sagen, Adhed eddewleh habe auf einem Berge ein Meer, und auf einem 
Meere einen Berg bewirkt. Zu Schiräs erbaute er ein Krankenhaus von unbe- 
schreiblicher Vortrefllichkeit [48]. 

In den letzten Zeiten seines Lebens übte er jedoch manche Bedrückung, 
z.B. dafs er (um den Ertrag der Grundsteuer zu vermehren) die Vermessung der 
Äcker verstärkte, die Abgabe, welche bei dem Verkaufe von Lastthieren entrich- 
tet wurde, erhöhte, und den Verkauf des Schnees zu einem Regale der hohen 
Kammer (Divän) machte dergestalt, dafs die von ihm dazu angeordneten Leute 
den Schnee vom Gebirge holten und bei den Schenkwirthen niederlegten. 


vn. 
Regierung des Mujid eddewleh Ibn Rukn eddewleh. 


Oben ist berichtet worden, dafs Rukn eddewleh seine Provinzen unter 
seine Söhne Adhed eddewleh, Mujid eddewleh und Fachr eddewleh vertheilte. 
So lange Rukn eddewleh lebte, stritten seine Söhne nicht um die Herrschaft ; 
als er aber gestorben war, so setzte Mujid eddewleh sich nicht ohne die Erlaub- 
nifs des Adhed eddewleh in den Besitz der Herrschaft, welche der Vater ihm 
zugetheilt hatte, indem er einen Boten an den Adhed eddewleh mit der Meldung 
sandte: ‚Die Verfügung über Reich und Schatz ist demjenigen, dem ich unbe- 
dingt vertraue ('), überlassen;” und Adhed eddewleh, welcher solches sehr gut 
aufnahm, war bemüht, den Vortheil des Mujid eddewleh zu befördern. Fachr 
eddewleh dagegen kümmerte sich nicht um seinen ältern Bruder, sondern nahm 
ohne denselben zu befragen seinen Antheil in Besitz; wodurch Adhed eddewleh 
zum Unwillen gegen diesen Bruder gereizt wurde, dergestalt dafs er beschlofs 
ihn zu züchtigen; und da Mujid eddewleh mit Zustimmung des Adhed eddew- 
leh gegen den Fachr eddewleh Feindseligkeit und Streit begann, so begab sich 
dieser nach Dschordschän und von dort nach Chorasän, suchte daselbst die Hülfe 
des Nuh Ibn Mansur, unternahm hierauf den Krieg gegen Mujid eddewleh und 
wurde überwunden, wie in der Geschichte der Samaniden berichtet worden ist 
[49]. Mujid eddewleh dagegen führte eine glückliche Regierung bis zu seinem 


amn 


Tode im Jahre 373 (vom 14. Jun. 985 bis zum 2. Jun. 984); und als Samsäm 


(*) Wörtlich: ‚dem Rathe jener Kaabah der Hoffnungen.’ 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 11 


eddewleh, seines Bruders Sohn, zu Bagdäd seinen Tod vernahm, so betrauerte er 
ihn, und der Chalife Tajı nahm an der Trauer Theil ('). 

Als nach dem Hingange des Mujid eddewleh die Grofsen des Reichs dar- 
über mit einander zu Rath giengen, welcher unter den Bujiden zum Sultan zu 
erheben sei: so sprach Sähib [50] Käfi Ismail Ibn Ibäd: ‚man mufs den Fachr 
eddewleh aus Chorasän rufen; denn er ist einerseits der trefllichste und vorzüg- 
lichste der Dilemitischen Könige, und andrerseits waren diese Länder vor Mujid 
eddewleh sein Erbtheil.” Da die Meinungen für diese Ansicht sich vereinigten, 
so ernannte man den Chusrew Firus Ibn Rukn eddewleh, den jüngern Bruder 
des Fachr eddewleh, zu dessen Stellvertreter und lud den Fachr eddewleh durch 
Eilboten, welche nach Nischäbur gesandt wurden, ein zu kommen; worauf Fachr 
eddewleh eiligst im Ramadhän (dem neunten Monate) des gedachten Jahrs (375) 
nach Rai kam, und ohne Begünstigung eines andern sein ererbtes Reich in Besitz 
nahm; Sähib Ibäd aber als Vesir desselben übernahm die Regierung [51]. 


VM. 
Regierung des Fachr eddewleh Ibn Rukn eddewleh. 


Nachdem Fachr eddewleh des Reichs sich bemächtigt hatte, so übersandte 
ihm Samsäm eddewleh Ibn Adhed eddewleh aus Bagdäd das Ehrenkleid des Chali- 
fen; denn unter ihnen fand fortwährend ein freundschaftliches Verhältnifs Statt. 

Im Jahre 374 (vom 3. Jun. 984 bis zum 22. Mai 985) ordnete Ebul- 
hossein Ibn Adhed eddewleh in Ahväs das Kanzelgebet für Fachr eddewleh an 
und liefs mit dessen Namen Münzen prägen. 

Im Jahre 375 (vom 23. Mai 985 bis zum 12. Mai 986) zog Scherf eddew- 
leh aus Färs gegen Ahväs, und Ebulhossein, welcher vor seinem Bruder floh, 
kam zum Fachr eddewleh; dieser sandte seinen Neflen mit gehöriger Anweisung 
nach Isfahän. Nach einiger Zeit aber fiel Ebulhossein von Fachr eddewleh ab 
und schlofs sich dem Scherf eddewleh an; worauf seine Soldaten ihn ergriffen 
und zum Fachr eddewleh sandten, welcher ihn in ein Gefängnifs einsperren liefs. 
In solcher Gefangenschaft blieb er bis zu der tödlichen Krankheit des Fachr ed- 
dewleh, und erst dann wurde er auf Befehl des Oheims von solchem Ungemach 
und solcher Qual befreit. 

Im Jahre 377 (vom 2. Mai 987 bis zum 19. April 988) sandte Fachr ed- 
dewleh den Sähib Räfı Ismail Ibn Ibäd nach Tabaristhän, um das Finanzwesen 
dieser Provinz in Ordnung zu bringen; und Sähib traf nicht nur in dieser Be- 


(*) Wörtlich: ‚‚war gegenwärtig in der Trauerversammlung.” S. oben S. 735. 


78 WırgKges: 


ziehung treflliche Anordnungen, sondern erwarb sich auch durch die Unterdrük- 
kung derer, welche unrechtmäfsige Gewalt sich angemafst, grofses Verdienst, er- 
oberte mehrere Burgen und kehrte noch in demselben Jahre zurück. 

Im Jahre 378 (vom 20. April 988 bis zum 9. April 989) liefs Sähib Ibäd 
in Dschordschän einige Goldmünzen (Thenkehs) prägen, deren jede tausend Mits- 
käl Gold enthielt, so dafs ein Armer, in dessen Hand eine solche Münze fiele, 
nichts weiter bedürfen würde. Auf der einen Seite dieser Münze waren sieben 
Doppelverse geprägt, deren erster also lautete: 

„‚der rothe (d.i. das Goldstück) gleicht der Sonne in Gestalt und Bildung ('); 
denn seine Eigenschaften stammen ab von ihren (der Sonne) Eigenschaften (?).” 
Auf der andern Seite befanden sich die Sure Ichläs (die 112. Sure des Koran), 

der Ehrentitel des Fachr eddewleh und der Name: Dschordschän [52]. 

Im Jahre 379 (vom 10. April 989 bis zum 29. März 990) beschlofs Fachr 

eddewleh einen Zug nach dem arabischen Iräk, welcher dadurch veranlafst wurde, 


dafs nach dem Tode des Scherf eddewleh Ibn Adhed eddewleh, als Behä eddew- 


3leh [53] der zweite Sohn des Adhed eddewleh seinem Bruder nachfolgte, Sähib 


Ibäd dem Wunsche Raum gab Bagdäd zu erobern, und deshalb den Fachr ed- 
dewleh auflorderte und antrieb, mit einem Heer in jenes Land zu ziehen. Fachr 
eddewleh sammelte also ein zahlreiches Heer und begab sich nach Hamadän, wo 
Bedr Ibn Hasanujeh aus Kurdisthän bei ihm eintraf. Es wurde verabredet, dafs 
Ismail Ibn Ibäd und Bedr Ibn Hasanujeh auf der graden Strafse nach Bagdad 
ziehen sollten, während Fachr eddewleh den Weg durch Kurdisthän [54] ein- 
schlüge. Behä eddewleh Ibn Adhed eddewleh, da er von der Unternehmung 
des Fachr eddewleh Kunde erhielt, sammelte ebenfalls Truppen und ging dem- 
selben entgegen; und als die beiden Heere zusammen trafen, so lagerten sie sich 
einander gegenüber. Es ereignete sich gerade in diesem Jahre, dafs der Flufs 
von Ahväs [55] übertrat und bis in das Lager des Fachr eddewleh drang, was 
bei dessen Soldaten die Meinung veranlafste, dafs eine Kriegslist (oder: listige 
Veranstaltung der Feinde) im Spiele wäre, und dieselben bewog, ohne Kampf zu 
entfliehen. Fachr eddewleh, da ein solches Ereignifs ihn betrübte, fragte in einem 
Briefe den Sähib Ibäd, was unter diesen Umständen zu thun wäre; und der Sähib 
erwiederte ihm: ‚,es mufs Geld daran gewandt werden, und ich verspreche dir 
dasjenige, was heute ausgegeben wird, im folgenden Jahre doppelt zu erwerben.” 
Dem Fachr eddewleh aber fiel es schwer, einer Truppe, welche ohne Schwert 


(‘) d. i. das Goldstück ist rund und glänzend wie die Sonne. 


(*) Bei Abulfeda umgekehrt: „.denn ihre (der Sonne) Eigenschaften stammen ab von seinen 
Eigenschaften.” 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 79 


und Lanze gebraucht zu haben blofs aus Feigheit geflohen war, Geld zu geben; 
er begab sich also nach Rai und von dort nach Hamadän. 

Im Jahre 555 (vom 4. Febr. 995 bis zum 23. Jan. 996) starb Sähib Ibäd 
[Ebu ’Ikäsım Ismail Ibn Ibäd]. Sähıb Käfi war in Beziehung auf Gelehrsamkeit, 
Tugend und Geschicklichkeit einzig in seiner Zeit und unübertrefllich unter seinen 
Zeitgenossen, und der Meister der Vesire im Rath und der Verwaltung; sein Werk 
über die Abfassung von Schreiben und Briefen (Kefajethi atsär rikä we resäil) 
ist unter den Gelehrten berühmt und wird in hohen Ehren gehalten; und er 
hatte eine gröfsere Menge kostbarer Bücher gesammelt als irgend ein Vesir, ja 
selbst als irgend ein König. Man erzählt, dafs auf einer Reise vierhundert Ka- 
meele zur Fortbringung seiner Bücher verwandt wurden [56]. 

Es ist überliefert worden, dafs Sahib Ibäd in seiner Krankheit, als Fachr 
eddewleh kam ihn zu besuchen, also zu demselben sprach: ‚‚ich habe mich be- 
müht, so weit als es mir möglich war, die Herrschaft dieses Geschlechts in gu- 
tem Rufe zu erhalten, und der Name des Königs ist in allen Ländern ehrenvoll 
berühmt; jetzt aber steht der Diener (d.i. Sähib) an der Schwelle des Hingangs 
(Todes). Wenn der König auf der bisherigen Bahn sich hält, so wird alles Ver- 
dienst dann seiner erhabenen Thätigkeit (') zugeschrieben werden, und dem Die- 
ner davon keine Ehre zu Theil werden; der Diener ist aber sehr wohl damit 
zufrieden, dafs er selbst unbekannt bleibe und der König dagegen mit einem 
ehrenvollen Namen berühmt werde. Wenn aber das Gegentheil geschehen wird, 
so wird es den Leuten so klar als die Sonne sein, dafs diese löblichen Anord- 
nungen (Gesetze) mein Thun und mein Werk sind, und solches wird der Herr- 
schaft und dem Reiche Nachtheil bringen und Verwirrung veranlassen ; ich hoffe 
jedoch, dafs der König nicht nach dem Rathe böswilliger und thörichter Men- 
schen handeln und die Bahn der Vernunft nicht verlassen werde.’ Hierauf er- 
wiederte Fachr eddewleh zwar: ‚‚in solcher Weise werde ich verfahren ;” er er- 
füllte jedoch nicht dieses Versprechen [57]. Als man den Sarg des Sähib Ibäd 
nach der Stelle des Gebets (in die Moschee) brachte: so küfsten die Häupter der 
Dilemiten vor dem Sarge den Fufsboden wegen der hohen Würde, welche Sähib 
bekleidet hatte; man hing dann den Sarg an dem Dache des Gebäudes auf und 
brachte ihn später nach Isfahän, wo man den Leichnam des Sähib zur Erde be- 
stattete. Sähib Ibäd hatte achtzehn Jahre das wichtige Amt des Vesirs gewissen- 
haft verwaltet; gleichwohl bemächtigte sich Fachr eddewleh nach dem Tode des 
Sähib Ibäd der Schätze desselben, plünderte dessen Söhne aus, beraubte dessen 


Anhänger und Angehörige und nahm ihnen vieles Geld. 


(*) Wörtlich: ‚‚seinem erhabenen (königlichen) Glücke.” 


[99] 


Qi 


so WırKes: 


SAhib Ibäd unterhielt mit dem Kadı Abdu ’Idschebbär, welcher in Bezie- 
hung auf die untergeordneten Gebote (furu) des Islam nach der Lehre der Scha- 
feiten sich richtete, in Beziehung auf die Hauptgebote (usul) aber Oberhaupt 
und Führer der Mothaseliten war [58], eine sehr vertraute Freundschaft und 
erzeigte demselben stets so viele Wohlthaten als er vermochte. Als Sähib aber 
starb, sagte der Kadi: ‚‚ich erkenne ihn nicht für einen der seligen an;” und 
da man ihn fragte: ‚‚warum?’” so gab er zur Antwort: ‚‚weil man von seiner 
Bekehrung nichts weifs.” Deshalb warfen die Leute dem Abdu ’ldschebbär Un- 
dankbarkeit vor, und Fachr eddewleh erprefste von ihm drei Tausendmal Tau- 
send Dirhems. Im Thärich Gusideh heifst es, dafs der Kadı Abdu ’ldschebbär, 
obgleich er lehrte, dafs jeder, welcher ungerechter Weise anderthalb Danek nehme, 
ewig in der Hölle bleiben werde, dennoch alles jenes Geld als Bestechung von 
den Leuten empfangen hatte. Nach solcher [wider ihn verübten] Erpressung 
wurde der Kadi auch seines Amtes entsetzt. 

Im Jahre 587 (vom 13. Jan. 997 bis zum 1. Jan. 998) bekam Fachr ed- 
dewleh eines Tages in der Burg Tebrek Lust zu gebratenem Rindfleisch; er be- 
fahl also ein Rind in seiner Gegenwart zu schlachten und vielen Braten zu be- 
reiten, damit er davon essen könnte; und nach diesem Braten verzehrte er noch 
mehrere Weintrauben. Hierauf befiel ihn ein so heftiges Bauchgrimmen, dafs sich 
das Sprüchwort bewährte: ‚hundert Leben giebt man für den Bauch dahin ;” 
und (unter solchen Schmerzen) verschied er plötzlich [59]. Gerade zu dieser Zeit 
waren die Schlüssel seines Schatzes zu Rai in den Händen seines Sohnes Medschd 
eddewleh, man war daher nicht im Stande ein Todtenkleid zu erhalten und war 
endlich genöthigt, weil ein Aufstand der Dilemiten den Eingang in die Stadt (Rai) 
unmöglich machte, von dem Vorsteher der Moschee (zu Tebrek) ein Leichentuch zu 
kaufen. Wegen des Ungestüms eben jenes Aufstandes der Dilemiten blieb [der Leich- 
nam des] Fachr eddewleh so lange in dem Palaste, dafs er in Verwesung überging. 
Es wird erzählt, dafs in dem Schatze des Fachr eddewleh eine unzählbare Menge 
von Gold und Geschirren sich fand und unter solchem Geräthe allein drei Tausend 
Eselslasten zugeschnittener noch nicht genäheter Kleider vorhanden waren, wornach 
das übrige ermessen werden mufs. 


1B% 
Regierung des Scherf eddewleh Ebulfewäris Schirsil Ibn 
Adhed eddewleh. 


Als Schirsil, welcher zu der Zeit, da sein Vater starb, in Kermän war, 
die Nachricht von diesem Ereignisse erhielt, so kam er eilig nach Färs; und 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 81 


nachdem er von diesem Lande Besitz genommen hatte, so tödtete er den Nesr 
Ibn Harun, einen Christen, welcher Vesir seines Vaters war, weil er wider 
denselben einen Groll in seinem Gemüthe hegte, und setzte dagegen diejenigen, 
welche sein Vater eingekerkert hatte, in Freiheit. Indem er mit seinem Bruder 
Samsäm eddewleh in ein feindliches Verhältnifs trat, liefs er in seinem eigenen 
Namen das Kanzelgebet ablesen und sammelte, das Geld des Schatzes dazu ver- 
wendend, ein beträchtliches Heer [60]. Samsäm eddewleh sandte zwar den Ha- 
dschib (Kammerherrn) Ebulhossein mit zahlreichen Truppen von Bagdäd, um ihn 
zu bekämpfen ; Scherf eddewleh aber liefs einen von den Häuptern seiner Emire 
mit einer Schaar tapferer Krieger wider die Truppen von Bagdäd ziehen, und 
als es zum Kampf zwischen den beiden Heeren kam, so wurden die Truppen 
des Samsäim eddewleh in die Flucht getrieben und Ebulhossein fiel in Gefangen- 
schaft. Mittlerweile fertigte Scherf eddewleh einen Gesandten an die Karmaten 
ab; und dieser Gesandte, als er zurückkehrte, berichtete dem Scherf eddewleh 
folgendes: ‚‚die Karmaten befragten mich wegen der Eigenschaften und Sitten 
des Königs, worauf ich so und so antwortete; dann fuhren sie fort: was wird 
durch solches gewonnen, da er in Einem Jahre drei Vesire absetzt und drei 
andere Vesire ernennt.” Seit dieser Zeit bis zu seinem Lebensende entfernte 
Scherf eddewleh keinen Vesir von seinem Amte. 

Im Anfange des Jahrs 375 (vom 25. Mai 985 bis zum 12. Mai 986) zog 
Scherf eddewleh mit einem Heere nach Ahväs, indem er als Vorwand gebrauchte, 
dafs Samsäm eddewleh den Ebu Nesr Behä eddewleh, den jüngern Bruder des 
Scherf eddewleh, gefangen und eingekerkert hatte. Dadurch gerieth Samsäm ed- 
dewleh in Furcht und bat um Frieden; Scherf eddewleh aber kam von Ahyäs 
nach Basrah und eroberte diese Provinz, worauf Samsäm eddewleh den Behä ed- 
dewleh in Freiheit setzte und zum Scherf eddewleh sandte. Dann kam unter 
ihnen der Friede unter der Bedingung zu Stande, dafs Scherf eddewleh Emir 
elumerä sein und in der Provinz Iräk der Name des Scherf eddewleh vor dem 
Namen des Samsäm eddewleh im Kanzelgebete genannt werden sollte. Mitten 
unter diesen Verhandlungen aber brachte Scherf eddewleh in Erfahrung, dafs 
einige der Häupter und Magnaten von Iräk Arab ihm geneigt wären; er bereute 
es also Frieden gemacht zu haben, und zog mit dem Heere nach Bagdäd. Sam- 
sim eddewleh hielt hierauf Rath mit erfahrnen Männern, und obwohl jeder 
seine Ansicht vortrug, so mifsfiel dem Samsäim eddewleh dennoch alles was vor- 
gebracht wurde, und er setzte sich mit einigen Vertrauten in ein Schiff und be- 
gab sich zum Scherf eddewleh. Dieser nahm ihn zwar mit Achtung und Höf- 
lichkeit auf; als er aber aus dem Gemache trat, liefs Scherf eddewleh ihn ver- 
haften und einkerkern und setzte sich in den Besitz von Bagdäd [61]. Über die 

Philos.- histor. Abhandl. 1835. E 


5] 


En 


82 Win Es 


Regierung des Samsäm eddewleh und dessen unglückliches Ende werden wir so- 
fort, so Gott will, berichten. 

Im Jahre 379 (vom 10. April 989 bis zum 29. März 990) erkrankte Scherf 
eddewleh; und als seine Hofleute an seinem Leben verzweifelten, so sprachen 
sie: ,‚da der königliche Prinz Ebu Ali des Königs Liebling gegenwärtig in Färs 
sich befindet, wer soll bis zur Genesung des Königs das Reich verwalten?” Scherf 
eddewleh erwiederte darauf: ‚ich habe mit meinen eignen Angelegenheiten zu 
schaffen, ihr selbst möget entscheiden.” Sie sprachen dann weiter: ,,so es dem 
hohen Willen gemäfs ist, so möge Behä eddewleh Stellvertreter sein, damit Un- 
ruhen verhütet werden;” Scherf eddewleh aber gab auch darauf dieselbe Ant- 
wort. Nach dem Tode des Scherf eddewleh hielt Behä eddewleh die Trauer- 
feierlichkeit, an welcher auch der Chalife Tajı Theil nahm, und dieser übersandte, 
als er in den Palast des Chalifats zurückgekehrt war, dem Behä eddewleh das 
königliche (sultanische) Ehrenkleid [62]. 


re 
Regierung des Samsäm eddewleh Ibn Adhed eddewleh. 


Samsäm eddewleh Ebu Kälindschär Mersbän Ibn Adhed eddewleh nahm 
nach dem Tode seines Vaters dessen Stelle zu Bagdäd ein und sandte seine Brü- 
der Ebulhossein [63] und Ebu Tähir Firusschäh, nachdem er ihnen Ehrenkleider 
verliehen hatte, nach Färs, indem er ihnen anbefahl ihre Reise zu beschleunigen 
und sich zu bemühen in jene Provinz zu gelangen bevor Scherf eddewleh nach 
Schiräs käme. Als sie aber nach Ardschän kamen, so hörten sie, dafs Scherf 
eddewleh ihnen zuvorgekommen war und jener Provinz sich bemächtigt hatte; 
worauf sie nach Ahyäs zurückkehrten. 

Im Jahre 375 (vom 23. Mai 985 bis zum 12. Mai 986) leistete Asfär Ibn 
Schirujeh, welcher einer der Emire von Dilem war, da er Milstrauen fafste gegen 
Samsäm eddewleh, dem Bruder desselben Behä eddewleh Ibn Adhed eddewleh die 
Huldigung, indem ein Theil der Truppen seinem Beispiele folgte. Dieses bewog 
den Samsäm eddewleh, da es ihm an Macht gebrach, den Mändär, einen der Sol- 
daten von Dilem, welcher durch grofses Ansehen sich auszeichnete, um Beistand 
anzusprechen; und dieser solchem Ansuchen entsprechend, übernahm den Krieg 
gegen Asfär, trieb ihn in die Flucht, nahm den Ebu Nesr Behä eddewleh gefan- 
gen und führte denselben zu seinem Bruder; und Samsäm eddewleh befahl ihn 
einzukerkern. 

Samsäm eddewleh, nachdem er nahe an vier Jahre oberster Emir zu Bagdäd 
gewesen war, gerieth in Gefangenschaft bei seinem Bruder Scherf eddewleh; und 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 83 


einige der Emire riethen dem letztern, entweder dem Samsäm eddewleh die Stelle 
als oberster Emir zu gewähren oder ihn zu tödten. Scherf eddewleh aber that 
keines von beiden, sondern in Berücksichtigung der Wohlfahrt des Reichs sandte 
er den Samsäm eddewieh nach Schiräs und befahl ihn in einer der dortigen 
Burgen in Gewahrsam zu halten und sorgfältig zu bewachen. Als Scherf eddew- 
leh erkrankte, so sandte er auf den Antrieb einiger Magnaten des Reichs den 
Kammerherrn (Ferräsch) Medschd eddin aus Schiräs nach Färs, und liefs durch 
denselben den Samsäm eddewleh blenden [64]. Als aber die Nachricht von dem 
Ableben des Scherf eddewleh in Färs sich verbreitete, so zog die Besatzung der 
Burg den Samsäm eddewleh aus dem Gefängnisse hervor, und es sammelte sich 
ein zahlreiches Heer um ihm beizustehen und ihn zu vertheidigen. Die Nachricht 
von diesen Ereignissen bewog den Behä eddewleh gegen den Samsäm eddewleh 
mit den Truppen auszuziehen ; und nach mehrern Gefechten kam unter ihnen ein 
Friede zu Stande, mit der Bedingung, dafs die Provinzen Färs und Ardschän dem 
Samsäm eddewleh, Chusisthän und Iräk Arab dem Behä eddewleh gehören soll- 
ten [65]. Hierauf kehrte Behä eddewleh nach Bagdäd zurück, wo er den Auf- 
stand, welchen während seiner Abwesenheit Meuterer in der dortigen Gegend 
erregt hatten, unterdrückte und die Empörer vertilgte. 

Im Jahre 350 (vom 30. März 990 bis zum 18. März 991), als die Söhne 
des Iss eddewleh Bechthiär Ibn Moiss eddewleh des Dilemiten, welche in einer 
Burg von Färs eingekerkert gewesen waren und durch die Begünstigung der Be- 
satzung ihre Freiheit erlangt hatten, eben jener Burg, in welcher sie waren ge- 
fangen gehalten worden, sich bemächtigten und hierauf ein Theil der Dilemiten 
in deren Dienst übertrat: so sandte Samsäm eddewleh, als er solches Ereignifs 
erfahren hatte, den Ebu Ali Ibn Usthäd Hurmus, um den Krieg wider die Söhne 


des Bechthiär zu führen. Ebu Ali belagerte sie, und die Söhne des Iss eddew- : 


leh, sechs an der Zahl, da sie nicht im Stande waren, länger Widerstand zu 
leisten, baten um Frieden, worauf Ebu Ali, nachdem er ihnen Sicherheit ge- 
währt hatte, sie aus der Burg herausführte und zu Samsäm eddewleh brachte, 
welcher ihrer zwei tödtete und die übrigen vier einkerkern liefs. [66]. 

Nach dieser Begebenheit, als zwischen Behä eddewleh und Samsäm eddew- 
leh das gute Vernehmen Störung erlitten hatte, so beauftragte Samsäm eddewleh 
den Ebu Ali Ibn Usthäd Hurmus, einen ausgezeichneten Feldherin, mit der Un- 
terdrückung des von Behä eddewleh erregten Aufstandes; und da Ebu Ali in 
allen Gefechten, welche zwischen ihm und den Truppen des Behä eddewleh Statt 
fanden, Sieger war, so zog endlich Behä eddewleh in eigener Person wider ihn; 
aber auch in allen den Gefechten, welche hierauf zwischen diesen beiden sich 
ereigneten, neigle sich der Sieg zu den Panieren des Ebu Ali. Als aber Behä 


L2 


ww 
) 


84 Wıuken: 


eddewleh beinahe zum Äussersten gebracht war, so verbreitete sich in dem Heere 
des Ebu Ali die Nachricht von der Ermordung des Samsäm eddewleh, welcher 
auf folgende Weise sein Leben endigte. Als er nehmlich seine Truppen mus- 
terte und den Namen eines jeden, dessen Herkunft von Dilem zweifelhaft war, in 
der Musterrolle löschte: so gerieth ein Theil der Soldaten in Verzweifelung wegen 
des Soldes (der ihnen entzogen wurde), und diese verführten die Wächter der Söhne 
des Bechthiär und setzten die letztern in Freiheit; worauf eine beträchtliche Zahl 
herumschweifenden und loosen Gesindels in deren Dienst sich begab. Da zu die- 
ser Zeit der Kern der Truppen des Samsäm eddewleh in den Krieg wider Behä 
eddewleh gezogen war, so sah Samsam eddewleh sich genöthigt, in einer Burg 
von Färs Zuflucht zu suchen; der Befehlshaber aber gestattete ihm nicht den 
Eingang. Hierauf kam Samsäm eddewleh mit drei Hundert Menschen, welche 
von Allem entblöfst waren, nach Dudmän, einem zwei Parasangen von Schiräs 
entlegenen Orte, wo der dortige Statthalter, Tahir mit Namen, ihn ergriff und 
hierauf dem Ebu Nesr Bechthiär überlieferte; und dieser lief ihn im Monate 
Dsulhidschdscheh des gedachten Jahrs [388] (December 998) tödten [67]. Samsam 
eddewleh, ein Fürst von unendlicher Milde und Freigebigkeit hatte neun Jahre 
und acht Monate über Färs regiert. 

Nach der Ermordung des Samsäm eddewleh wurde dessen Mutter gleich- 
falls getödtet und mit ihrem Sohne in einem kleinen Behältnisse, welches an der 
Pforte des fürstlichen Palastes (zu Schiräs) sich befand, begraben; als aber Behä 
eddewleh nach Färs kam, so liefs er beide aus jenem Grabe wieder hinwegneh- 
men und in dem Begräbnisse des Geschlechtes Bujeh bestatten. 


xl. 


39 Regierung des Behä eddewleh Ebu Nesr Ibn Adhed eddewleh. 


Nach dem Tode des Scherf eddewleh gelangte Behä eddewleh zum sichern 
Besitze der Gewalt als Emir elumerä von Bagdäd. 

Im Jahre 381 (vom 19. März 991 bis zum 7. März 992) entsetzte Behä 
eddewleh den Chalifen Täji aus dem Geschlechte Abbas des Chalifats auf fol- 
gende Veranlassung. Als die Soldaten von dem Behä eddewleh Sold begehrten 
und in dem Schatze kein Geld sich vorfand, auch Behä eddewleh durch die Er- 
pressung, welche er gegen seinen Vesir übte, nicht soviel erwirkte, als zur Be- 
friedigung der Truppen erfordert wurde: so sprach Ibn Moallim, welcher unter 
der Regierung des Behä eddewleh eines grofsen Ansehens genofs, also: ‚‚der Cha- 
life Täjı besitzt vieles Geld, ihn verhafte, vertheile sein Geld unter die Soldaten 
und setze einen andern auf den Thron des Chalifats.” Da Ibn Moallim solches 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh.» 85 


Beginnen dem Behä eddewleh als leicht und ausführbar darzustellen wufste, so 
entsetzte Behä eddewleh den Täji billäh des Chalifats, und huldigte dem Kädir 
billäh als Fürsten der Gläubigen [68]. 

Nach diesem aber [im J. 352 vom 8. März 992 bis zum 24. Febr. 995] 
verhaftete Behä eddewleh den Ibn Moallim, weil er nicht mit gut gesinnten 
Leuten Umgang hielt (d. i. weil er mit verdächtigen Leuten umging); worauf 
die Soldaten, weil sie von Ibn Moallim gekränkt waren, dessen Auslieferung for- 
derten; und Behä eddewleh, nachdem er vergeblich versucht hatte, ihnen solches 
auszureden, salı wider seinen Willen sich gezwungen ihnen den Ibn Moallim zu 
überantworten. Die Soldaten gaben dem Ibn Moallim zweimal Gift, und als 
dieses ohne Wirkung blieb, so schnürten sie endlich ihm den Hals dergestalt 
zusammen, dafs ihm der Athem ausging (d. ı. so erwürgten sie ihn). [69]. 

Zur Zeit der Regierung des Behä eddewleh sandten die Söhne des Bech- 
thiär, als sie den Samsäm eddewleh getödtet hatten, ein Schreiben an Ebu Ali 
Ibn Usthäd Hurmus folgenden Inhalts: ‚‚Unsere Hoffnung und unser Vertrauen 
ruhet auf dir, und wir beauftragen dich von den Truppen für uns die Huldi- 
gung anzunehmen und den Behä eddewleh mit Eifer zu bekämpfen.” Ebu Ali 
aber, da er von den Söhnen des Bechthiär nichts gutes für sich erwartete, weil 
sie wufsten, dafs auf seinen Rath von Samsäm eddewleh zwei ihrer Brüder ge- 
tödtet worden waren, hatte keine Neigung in ihren Dienst zu treten, sondern 
sandte einen Boten an Behä eddewleh und bat für sich und die Dilemiten um 
Verzeihung; und Behä eddewleh, diese Bitte gnädig aufnehmend, gewährte dem 
Ebu Ali und dessen übrigen Emiren Verzeihung, indem er ihnen sagen liefs: 
„ihr seid ohne Schuld, weil mein Bruder Samsim eddewleh, euer Herr, euch 
sandte mich zu bekriegen;; jetzt liegt es jedem ob sein Blut zu rächen.” Nach- 
dem die Dilemiten in solcher Weise von dem Behä eddewleh Verzeihung erhal- 
ten hatten, so unterwarfen sie sich seinem Befehle, und einige ihrer Häupter 
kamen zu Behä eddewleh und leisteten ihm den Eid der Treue; worauf sie an 
die Schaar der Dilemiten, welche in der Stadt Süs [in Chusisthän] sich befand, 
die Botschaft sandten: ‚‚wir haben mit dem Emir Behä eddewleh Frieden ge- 
macht, kommt nun auch ihr aus der Stadt heraus.” Diese aber gaben zur Ant- 
wort: ,„‚wenn der König sich bemühen wird zu kommen, so werden wir uns 
die Ehre geben ihm die Füfse zu küssen.” Als aber späterhin (') Behä eddew- 
leh mit seinem Heere vor Süs anlangte, so kamen die Dilemiten aus der Stadt 
hervor und begannen einen heftigen Kampf; und da Behä eddewleh darüber 
seinen Verdrufs äufserte, so warfen die Dilemiten ihre Waflen weg und sprachen : 


(‘) Wörtlich: am andern Tage. 


36 WıreKen: 


„es ist der Gebrauch der Dilemiten auch nach geschlossenem Frieden tüchtig 


’ Da nunmehr 


sich zu schlagen, damit niemand ihnen Feigheit vorwerfen könne.’ 
dem Behä eddewleh in Ahväs kein Widersacher mehr übrig war, so beauftragte 
er den Ebu Ali Ibn Usthäd Hurmus mit der Unterwerfung von Färs; und die- 
ser, nachdem er in jene Provinz sich begeben hatte, entrifs dieselbe den Söhnen 
des Iss eddewleh. Als Behä eddewleh die Nachricht von dieser Eroberung er- 
halten hatte, so kam er nach Schiräs, und nachdem er des Thrones von Färs 
sich bemächtigt, so ertheilte er den Befehl, die Einwohner von Dudmän zur 
Strafe dafür, dafs sie den Samsäm eddewleh verhaftet und den Söhnen des Bech- 
thiär überliefert hatten, zu tödten, worauf er diese Ortschaft durch Feuer zer- 
stören liefs ('). Dann entsendete er den Ebu Dschafer Ibn Usthäd Hurmus mit 
einer Heeresabtheilung nach Kermän, und dieser unterwarf diese ganze Provinz. 

Bald darauf aber kam Ebu Nesr Ibn Iss eddewleh Bechthiär, welcher vor 
dem Ebu Ali Ibn Usthäd Hurmus geflohen war und unter die Dilemiten sich 
begeben hatte, mit einer Schaar dieser Truppen nach Kermän; Ebu Dschafer, 
nachdem er wider ihn gestritten und die Flucht ergriffen hatte, suchte Zuflucht 
in Sirdschän und Ebu Nesr zog nach Dschireft und sandte Statthalter und Be- 
fehlshaber nach den Germsiräth (d. i. warmen Gegenden) von Kermän; worauf 
diese ganze Gegend unter seine Botmäfsigkeit kam. Behä eddewleh, als er von 
dieser Lage der Sache Nachricht erhalten hatte, beauftragte den Mufik Ibn Is- 
mail nebst einem Theile des Heers mit der Unterdrückuug dieses Aufstandes, 
und Mufik zog mit den Truppen nach Dschireft. Da er aber den Ebu Nesr Ibn 
Bechthiär dort nicht antraf, so erkundigte er sich nach demselben und vernahm, 
dafs der Lagerplatz des Ebu Nesr acht Parasangen entfernt wäre; worauf Mufik 
mit dreihundert auserlesenen Männern seines Heers dahin zog. Auch dort sah 
er keine Spur des Ebu Nesr; er brach also vor dem Eintritte der Morgendäm- 
merung wieder auf und erreichte ihn endlich nach mehren Tagemärschen. Als 
die beiden Heere mit Schwert und Säbel wider einander kämpften, so räumte 
zuletzt Ibn Bechthiär das Schlachtfeld, und auf der Flucht steckte ihn einer 
sogar von seinen Gefährten mit einem Schlage zu Boden; worauf derselbe zu 
Mufik sich begab um ihm solches zu melden. Bald hernach kam ein anderer 
und überbrachte dem Mufik den von Körper getrennten Kopf des Ibn Bechthür; 
und nachdem Mufik eine grofse Anzahl der Flüchtlinge getödtet hatte, so unter- 
warf sich ihm die ganze Provinz Kermän [70]. 


(‘) Wörtlich: nachdem er Feuer in dieser Ortschaft angezündet brachte er Rauch von ihrem 
Dudmän in die Höhe. Das Wortspiel: düd es düdmäni ischän ber äwerd ist nicht übersetz- 
bar. Der Name Dudmän bedeutet übrigens einen grofsen Stamm oder eine ansehnliche Woh- 
nung, und die Redensart düd ber äwerden gewöhnlich nichts anders als zerstören. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 87 


Sehr merkwürdig ist es, dafs ein Sterndeuter, bevor Ebu Nesr Ibn Bech- 
thiär getödtet wurde, zu Mufik gesagt hatte: „‚an einem gewissen Montage wird 
Ebu Nesr getödtet werden.” Als nun noch fünf Tage vor jenem Montage übrig 
waren, so sprach Mufik zu dem Sterndeuter: ,‚Die von dir bestimmte Zeit ist 
nahe, und noch haben wir keine Nachricht über Ebu Nesr.” Hierauf erwiederte 
der Sterndeuter: ‚‚weun er an jenem Tage nicht getödtet sein wird, so tödte du 
mich; wenn er aber umkommen wird, so geziemt es dir, mich zu belohnen und 
Da Ebu Nesr wirklich an dem von dem Sterndeuter vorher 


’ 


zu beschenken.’ 
gesagten Montage getödtet wurde, so schenkte Mufik dem Sterndeuter eine be- 
trächtliche Geldsumme und machte ihn dadurch zum reichen Mann. 

Nach solcher Eroberung liefs Mufik einen Statthalter in Kermän zurück 
und begab sich zum Behä eddewleh, welcher ihn mit Gunstbezeigungen und Ge- 
schenken ehrte und erfreute, gleichwohl aber nach einigen Tagen, weil er sich 
dem Dienste und der Aufwartung unter gesuchtem Vorwande entzog und die 
Warnungen des Behä eddewleh nicht beachtete, verhaften, einkerkern und später 
tödten liefs. 

Im Jahre 401 (vom 14. Aug. 1010 bis zum 2. Aug. 1011) starb der Ober- 
feldherr Ebu Ali zu Bagdäd, nachdem er sein Alter auf neun und vierzig Jahre 
gebracht und geraume Zeit die Oberfeldherrnstelle (das Emirät) in Bagdäd und 
Iräk verwaltet hatte. Er unterhielt mit gottesfürchtigen Leuten ein löbliches Zu- 
sammenleben, und unter der Regierung des Behä eddewleh genofs niemand einer 
solchen Achtung als Ebu Ali [71]. 

Im Jahre 403 (vom 22. Jul. 1012 bis zum 11. Jul. 1013) [72] starb Behä 
eddewleh an der fallenden Sucht, und sein Sarg wurde nach dem Begräbnifsplatze 
des Fürsten der Gläubigen Ali, über welchem Friede sei, gebracht und dort beige- 
setzt. Er hatte ein Lebensalter von vierzig Jahren und neun Monaten erreicht, und 


vier und zwanzig Jahre regiert. 


X. 


Regierung des Medschd eddewleh Ibn Fachr eddewleh Ibn Rukn. 


eddewleh Ibn Bujeh. 


Nach dem Tode des Fachr eddewleh setzten die Grofsen des Reichs dessen 
Sohn Medschd eddewleh, welcher noch im Kindesalter war, auf den Thron, die 
Geschäfte der Regierung aber besorgte die Mutter desselben Saideh, eine verstän- 
dige Frau [73], welche in einer solchen Weise die Regierung verwaltete, dafs im 
ganzen Reiche niemand weder im Einzelnen noch im Ganzen irgend etwas ohne 


ihr Wissen unternahm. 


[39 


43 


38 WıuKkeEes: 


Im Jahre 390 (vom 12. Dec. 999 bis zum 29. Nov. 1000) wurde Medschd 
eddewleh Gefangener seiner Mutter auf folgende Veranlassung. Als Medschd ed- 
dewleh zu den Jahren der Reife gelangt war, so widersetzte er sich seiner Mutter 
in den Angelegenheiten der Regierung und übertrug sogar ohne ihre Zustimmung 
das Amt eines Vesirs dem berühmten (') Ebu Ali (Ibn Sina oder Avicenna) [74]. 
Saideh, welche deshalb auf ihren Sohn zürnte, begab sich nach dem Schlosse 
Tebrek, worauf Ebu Ali zwar einige Wächter beauftragte darauf zu achten, dafs 
Saideh nicht entfliehe; Saideh aber entkam gegen das Ende der Nacht aus der Burg 
und nahm den Weg nach Chusisthän. Als Bedr Ibn Hasanujeh, Statthalter die- 
ser Provinz, von der Ankunft der Saideh unterrichtet wurde, so ging er ihr bis 
zum Gränzpasse von Chusisthän entgegen, bewies ihr seine Ehrerbietung und 
Unterwürfigkeit in jeder Weise, sammelte Truppen und begleitete die Saideh nach 
Rai, wo er gegen Medschd eddewleh kämpfte und denselben nebst seinem Vesir 
gefangen nahm. Hierauf bemächtigte sich Saideh der Regierung, sandte den 
Bedr Ibn Hasanujeh mit kostbaren Ehrenkleidern und reichen Geschenken zurück, 
und befestigte ihre Herrschaft durch gewissenhafte Übung aller Pflichten der Ge- 
vechtigkeit. An den Audienztagen unterredete sie sich, hinter einem dünnen 
Vorhange sitzend, mit dem Vesir und dem Zahlmeister; und den Gesandten aus 
fremden Ländern ertheilte sie, ohne dazu von irgend jemanden einer Anweisung 
zu bedürfen, die gehörigen Antworten in angemessenen Worten. 

Man erzählt, dafs der Sultan Mahmüd der Gasnevide folgendes der Saideh 
melden liefs: „‚lafs für mich das Kanzelgebet halten und mit meinem Namen 
die Münzen prägen; wo nicht, so sei zum Kriege gerüstet.” Hierauf erwiederte 
Saideh : ‚‚so lange mein Gemal lebte, war ich darauf bedacht, was zu thun sein 
möchte, wenn der Sultan solches verlangen würde; jetzt aber bin ich in dieser 
Beziehung ohne Sorgen, weil der Sultan Mahmüd ein einsichtsvoller und ver- 
ständiger Herrscher und der Ausgang eines Krieges ungewifs ist; wenn der Sul- 
tan siegte, so würde er dadurch seinen Ruhm nicht sehr vermehren, indem er 
nur eine Wittwe überwältigen würde; und wenn er von mir eine Niederlage 
erlitte, so würde eine solche Schande bis zum jüngsten Tage nicht auf der Ta- 
fel der Geschichte gelöscht werden können.” 

Möglich dafs, so du über mich den Sieg gewinnst, 

Du einer Wittwe Rede gestanden seiest; 

Ich, so ich wider dich suchte zu (rechter) Zeit den Streit, 
Wäre eine geschickte Spielerin auf der Erde Oberfläche. 


(') Nach andrer Leseart (auch in der Chronik des Heider): dem Chatib d. i. Redner der 
Moschee. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 89 


Aus eben solchem Kampfe, wie (dem Kampfe) des Fuchses und des Wolfes, 
Würdest du erniedrigt, und ich würde erhöht hervorgehen ('). 

Durch diese geschickte Antwort wurde der Sultan Mahmüd bewogen von 
Feindseligkeiten abzustehen; und so lange Saideh lebie, unternahm er keinen 
Krieg gegen ihr Reich. Als Saideh nach einiger Zeit mit ihrem Sohne sich ver- 
söhnte, so gelangte Medschd eddewleh auf den Thron, Saideh blieb jedoch im 
Besitze der Herrschaft. Sie sandte den Schems eddewleh, den Bruder des Medschd 
eddewleh, nach Hamadän und übertrug [im J. 395 vom 16. Sept. 1007 bis zum 
3. Sept. 1008] dem Ebu Dschafer Ibn Kakujeh die Statthalterschaft von Isfahän 
[75]. So lange Saideh am Leben blieb, bewahrte die Herrschaft des Medschd ed- 
dewleh ihren vollen Glanz, nach dem Tode der Saideh [im J. 420] aber trat 
Unordnung und Verwirrung ein [76]. 

Im Anfange des Jahrs 420 (vom 19. Jan. 1029 bis zum 8. Jan. 1050) 
unternahm der Sultan Mahmüd Gäsi einen Kriegszug aus Gasnah nach Träk [77], 
um diese Provinz zu erobern; und als er nach Masenderän kam, so erschien bei 
ihm Menutscheher Ibn Schems el maali Kabus Ibn Veschmgir und überreichte 
ihm königliche Geschenke; nach einigen Tagen aber kehrte derselbe aus blofser 
Furcht, ohne Erlaubnifs in seine Provinz zurück, sandte jedoch für die Bedürf- 
nisse der Truppen des Sultans vier hundert Tausend Dinare und entschuldigte 
sich, worauf der Sultan seinen Fehler ihm verzieh. Zu dieser Zeit sandte Medschd 
eddewleh an den Sultan einen Brief, in welchem er sich über seine Truppen 
beschwerte; Medschd eddewleh aber liebte keine andere Beschäftigung als den Um- 
gang mit Weibern und die Lesung von Büchern. Als der Sultan von den Ver- 
hältnissen jenes Fürsten Kunde erhielt, so sandte er ein beträchlliches Heer nach 
Rai und befahl dem Heerführer dafür zu sorgen, dafs er den Medschd eddewleh 
gefangen nähme und fesselte. Da nun die Truppen des Sultans nach Rai ge- 
kommen waren, so begab sich Medschd eddewleh zu ihnen, und der Hadschib 4, 
(Kammerherr) des Sultans, welcher der Emir der Truppen war, nahm den Medschd 
eddewleh und dessen Sohn Ebu Dilf gefangen; worauf der Sultan, nachdem er 
davon benachrichtigt worden war, ohne Aufenthalt nach Rai kam. Aus dem 
dortigen Schatze iiberbrachte man dem Sultan die Summe von einer Million Di- 


(*) Diese Verse habe ich um so mehr ganz wörtlich übersetzt, als der Sinn der einzelnen 
Ausdrücke mir nicht vollkommen klar ist, obgleich über den Sinn des Ganzen, welches nur 
das vorhin in Prosa schon gesagte wiederholt kein Zweifel obwalten kann. Das zweite Disti- 
chor scheint eine Anspielung auf das Schachspiel zu enthalten, indem die Worte kaim endäs 
besonders einen geschickten Schachspieler bezeichnen. Der Sinn des von den Handschriften E. 
und G. mitgetheilten Distichons ist: 

Wenn du von der Gradheit abweichst, so ist es krumm; 
Was ist das für Tapferkeit, welche von einem Weibe überwunden wird! 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. M 


90 WıLKeEs: 


nare an baarem Gelde, und Edelsteine im Werthe von fünf hundert Tausend 
Dinaren, so wie sechs Tausend seidene Kleider, auch Geräthe von Gold und Sil- 
ber. Dann liefs er den Medschd eddewleh zu sich kommen und fragte ihn: 
„Hast du das Schahnämeh, welches die Geschichte der Könige von Persien ent- 
hält, und das Thärich Tabari, in welchem die Schicksale des Fürsten des Islam 
dargestellt werden, gesehen?” Als Medschd eddewleh diese Frage bejahete, so 
fragte der Sultan weiter: ‚‚hast du Schach gespielt?” Auch diese Frage wurde 
von Medschd eddewleh bejahet ; worauf der Sultan fortfuhr: ‚ist in jenen Büchern 
wohl berichtet, dafs in einem Reiche zwei Könige herrschten, oder hast du auf 
einem Felde des Schachbretits zwei Könige gesehen?’ Da Medschd eddewleh diese 
Trage verneinte, so sprach der Sultan: ,‚,‚was hat dich denn bewogen, dich in 
die Gewalt eines Mannes zu geben, welcher mächtiger ist als du?” Hierauf liefs 
er den Medschd eddewleh nebst dessen Sohn und Befehlshabern fesseln und 
sandte sie nach Gasnah; worauf er dem Chalifen Kädir in folgender Weise 
schrieb: „Wir kamen nach Rai, nahmen den Medschd eddewleh gefangen und 
fanden in dessen Palaste funfzig freie Weiber, und darunter mehr als dreifsig 
Mütter von Söhnen; ich fragte ihn dann, nach welchen Grundsätzen er diese 
Weiber unterhielte, worauf er antwortete, es sei schon der Gebrauch seiner Vor- 
fahren gewesen mit den Weibern nur eine Zeitehe einzugehen und in solcher 
Weise sie zu unterhalten. Wir liefsen ferner eine Zahl von Bateniten, welche in 
seinem Dienste standen, am Galgen aufhängen, und versetzten sämmuliche zu Rai 
sich aufhaltende Mothaseliten von dort (') und sandten sie nach Chorasän” [78]. 

Es wird überliefert, dafs in der Bibliothek des Medschd eddewleh eine 
grofse Zahl von Büchern sich befand, und der Sultan diejenigen dieser Bücher, 
welche die Lehren der Sofis und Mothaseliten enthielten, verbrennen, die iibri- 
gen aber nach Chorasän bringen liefs. Indem der Sultan seinen Sohn Mesüd 
in Rai zurückliefs, kehrte er selbst zurück, wie vorhin (in der Geschichte der 
Gasneviden) berichtet worden ist [79]. 


XI. 


45 Regierung des Sultän eddewleh Ibn Behä eddewleh Ibn 
Adhed eddewleh. 


Als Behä eddewleh in Ardschän gestorben war, so begab sich Sultän ed- 
dewleh, nachdem er des Thrones sich bemächtigt, von Ardschän nach Schiväs, 


(*) Das Verbum kutschäniden findet sich nicht in den Wörterbüchern; es ist ohne Zweifel 
von dem vornehmlich in der Chorasmischen Mundart üblichen Worte kutsch d.i. Wanderung 
(s. Meninsky) abgeleitet und bedeutet also auf die Wanderung bringen. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh., 9 


und sandte den einen seiner Brüder Dscheläl eddewleh nach Basrah und den an- 
dern mit Namen Ebulfewäris nach Kermän. Den Ebulfewäris aber, nachdem er 
in Kermän sich festgesetzt hatte, bewog eine Schaar der Dilemiten, sich wider 
seinen Bruder zu empören, Truppen zu sammeln und gegen Schiräs zu ziehen; 
und da Sultän eddewleh nicht in Färs anwesend war, so bemächtigte sich Ebul- 
fewäris dieser Provinz ohne Schwierigkeit. Sobald Sultän eddewleh von diesem 
Ereignisse Kunde erhalten hatte, so sammelte er ein Heer und zog wider seinen 
Bruder; und Ebulfewäris, weleher aus Schiräs hervorkam und wider den Sultän 
eddewleh stritt, wurde in die Flucht geschlagen, floh nach Kermän, und ent- 
wich, als ihn sein Bruder dahin verfolgte, aus Kermän nach Chorasän, wo ihn 
Jemin eddewleh Mahmüd, zu welchem er sich begab, mit Achtung und Höf- 
lichkeit empfing, und in der Versammlung, in welcher die Königlichen Prinzen 
(Söhne von Königen) sich beisammen fanden, ihm seinen Platz vor dem Dära 
Ibn Schems elmaäli Käbus Ibn Veschmgir anwies. Solches verdrofs den Dära 
sehr, und er bemerkte daher in jener Versammlung, dafs die Väter des Ebulfe- 
wäris einst Diener seiner Vorfahren gewesen wären; was sich darauf bezog, dafs 
Imäd eddewleh und dessen Brüder ehemals im Solde des Merdävidsch Ibn Sijäd 
des Oheims von Käbus gedient hatten. Hierauf sprach der Sultän Mahmüd: 
„dem Ebulfewäris gebührt der Rang vor dir, weil seine Väter das Reich mit dem 
Schwerte erobert haben;” womit der Sultan eigentlich in Erinnerung bringen 
wollte, dafs er selbst mit den Waffen das Reich den Samaniden abgewonnen 
hatte. Indem der Sultan also der Angelegenheiten des Ebulfewäris sich annahm, 
gab er bald hernach dem Ebu Said aus dem (arabischen) Stamme Taj, einem 
seiner angesehensten Emire, den Auftrag, mit einem zahlreichen Heere den Ebul- 
fewäris nach Iräk zu begleiten; und diese beiden kamen zuerst nach Kermän 
und unterwarfen sich diese Provinz, worauf sie nach Färs ihren Zug fortsetzten 
und Schiräs ebenfalls einnahmen, während Sultän eddewleh in Bagdäd sich auf- 
hielt. Da aber Ebulfewäris dem Ebu Said nicht gehörige Ehre erwies, so fühlte 
dieser sich gekränkt, kehrte zurück und beklagte sich in dem Rathe des Sultans 
über den Ebulfewäris. 

Sultän eddewleh, als er die Rückkehr des Ebu Said vernommen hatte, 
verliefs Bagdad und begab sich auf den Weg nach Schiräs; worauf Ebulfewäris 
die Provinz Färs räumte und nach Kermän entwich; und da Sultän eddewleh 
auch dahin durch ein Heer ihn verfolgen liefs, so begab er sich, weil er mit 
dem Sultän Mahmüd noch nicht sich versöhnt hatte, nach Hamadän zu dem 
Schems eddewleh Ibn Fachr eddewleh, und von dort nach Betäih [80], wo ihn 
Mohadsdsib eddewleh, Fürst dieses Landes, mit der äufsersten Höflichkeit und 
Achtung aufnahm und reichlich beschenkte. Gleichzeitig übersandte dem Ebul- 


M2 


2 


6 


-ı 


92 Wırken: 


fewäris sein Bruder Dscheläl eddewleh aus Basrah werthvolle Kleider, arabische 
Pferde und vieles Geld, indem er ihm melden liefs, er würde ihm getreulich die- 
nen, falls er diese Gegend mit seinem Besuche beehren würde. Mittlerweile wurde 
durch Gesandtschaften, welche die Brüder mit einander wechselten, eine Verein- 
barung unter der Bedingung bewirkt, dafs Sultän eddewleh die Provinz Kermän in 
der früheren Weise dem Ebulfewäris überlassen, und dieser dagegen aller Widerspen- 
stigkeit wider seinen Bruder sich enthalten sollte. So war also im Jahre 409 (vom 
19. Mai 1018 bis zum 7. Mai 1019) Ebulfewäris wiederum Fürst in Kermän. 

Im Jahre 411 (vom 26. April 1020 bis zum 15. April 1021), als der gröfste 
Theil der Truppen von Iräk sich geneigt zeigte in den Dienst des Ebu Ali Has- 
sarı Ibn Behä eddewleh, welchen man Muschrif eddewleh zu nennen pflegt, über- 
zutreten (d.i. den Ebu Ali als ihren Herrn anzuerkennen): so riethen dem Sul- 
tän eddewleh seine Räthe, den Ebu Alı zu verhaften, weil ohne solche Mafs- 
regel ein Aufstand ausbrechen würde. Sultän eddewleh versuchte es zwar den 
Ebu Ali in seine Gewalt zu bekommen, es gelang ihm aber nicht. Da der beste 
Theil der Truppen wirklich in den Dienst des Muschrif eddewleh übertrat, so 
verlohr Sultän eddewleh den Muth und begab sich nach Wäsit. Nach längerem 
Streite schlossen die Brüder mit einander Frieden unter der Bedingung, dafs kei- 
ner von ihnen den Ibn Sehlän zum Vesir ernennen, Muschrif eddewleh als Statt- 
halter seines Bruders die Provinz des arabischen Iräk regieren und Sultän ed- 
dewleh in Färs und Ahväs seinen Sitz nehmen sollte. In Folge dieser Ver- 
einbarung begab sich Sultän eddewleh von Wäsit nach Ahväs. Als er aber nach 
Thusther kam, so ernannte er den Ibn Sehlän zum Vesir, worüber Muschrif 
eddewleh unwillig wurde, weil ausgemacht worden war, dafs sie dem Ibn Sehlän 
keinen Antheil an den Regierungsgeschäften zugestehen wollten. Hierauf rüstete 
Sultän eddewleh ein Heer aus, welches unter der Anführung des Ibn Sehlän den 
Muschrif eddewleh aus Iräk zu vertreiben bestimmt war. Muschrif eddewleh 
aber brachte glücklich ein Heer zusammen, ging dem Ibn Sehlän entgegen und 
überwand ihn in einer Schlacht; worauf Ibn Sehlän in die Burg von Wäsit sich 
flüchtete. Als dort Muschrif ihn belagerte, so entstand in der Burg eine heftige 
Hungersnoth, und diese Bedrängnifs stieg zu einer solchen Höhe, dafs alle Hunde 
und Katzen verzehrt wurden, und da solche Notih für die Bewohner der Burg 
von langer Dauer war, so sah Ibn Sehlän sich genöthigt, dem Muschrif eddew- 
leh nach bedungener Sicherheit sich zu unterwerfen. 

Im Monate Dsulhidschdscheh (dem zwölften arabischen Monate) des Jahrs 
411 (vom 26. April 1020 bis zum 15. April 1021) erhielt Muschrif eddewleh den 
Ehrentitel Schähinschäh (d.i. König der Könige), und entfernte den Namen des 
Sultän eddewleh aus dem Kanzelgebete in den Moscheen [81]. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 93 


Im Jahre 412 (vom 16. April 1021 bis zum 4. April 1022) kam Dscheläl 
eddewleh, Fürst von Basrah, mit seinem Bruder Muschrif eddewleh in Folge 
einer Verabredung dahin überein, den Ibn Sehlän blenden zu lassen. Seitdem 
solches geschehen war, zeigten sich die Spuren der Schwäche und des Verfalls 
in den Angelegenheiten (') des Sultän eddewleh; und die Türken, welche zu 
Ahväs sich befanden, fingen mit den Begleitern desselben Streit an, und be- 
raubten dieselben ihres Geldes und Gepäcks. 


XIV 
Regierung des Ebu Ali Muschrif eddewleh Ibn Behä eddewleh. 


Im Anfange des Jahrs 412 (vom 16. April 1021 bis zum 4. April 1022) 
hielt man zu Bagdäd das Kanzelgebet im Namen des Muschrif eddewleh, indem 
man den Namen seines Bruders, des Sultän eddewleh, wegliefs [82]. Eine Schar 
der Dilemiten, deren Gefolge zu Ahväs sich befand, erbat sich von dem Muschrif 
eddewieh die Erlaubnifs in jene Gegend sich zu begeben, ihre Familie und Kin- 
der zu besuchen und dann zurückzukehren ; und Muschrif eddewleh, als er ihnen 
solchen Urlaub bewilligte, gab ihnen seinen Vesir Ebu Gälib zum Begleiter. Als 
die Dilemiten nach Ahväs gekommen waren, so überwältigten sie den Ebu Gä- 
lib (?) und tödteten ihn, worauf die Türken, welche dem Muschrif eddewleh zu- 
gethan waren, nach Dschesir (Dschesireh?) Ibn Rejis sich flüchteten. Sultän eddew- 
leh, als er die Ermordung des Vesirs vernahm, freute sich darüber, weil er den 
Ebu Gälib sehr fürchtete, und sandte seinen Sohn Ebu Kälendschär nach Ahväs. 

Im Jahre 413 (vom 5. April 1022 bis zum 24. März 1025) kam zwischen 
Sultän eddewleh und Muschrif eddewleh eine Übereinkunft zu Stande, nach 
welcher das arabische Irik dem Muschrif eddewleh, Färs und Kermän dem Sultän 
eddewleh verbleiben sollten; und beide schwuren, sich einander in ihren Pro- 
vinzen nicht zu beunruhigen [83]. 

Im Jahre 415 (vom 14. März 1024 bis zum 2. März 1025) starb Sultän 
eddewleh zu Schiräs [84]; und da dessen Sohn Ebu Kälendschär zu Ahväs sich 
befand, so liefs Ibn Mokarrem denselben durch Eilboten, welche er von Schiräs 
absandte, einladen zu kommen. Die Türken aber, welche in Färs ihr Standlager 
hatten, sandten ein Schreiben nach Kermän und luden in demselben den Ebul- 
fewäris ein; und dieser kam vor der Ankunft des Ebu Kälendschär aus Kermän 

(') Wörtlich: in den Wangen der Angelegenheiten. 


(?) Wörtlich in einem Wortspiel: sie machten den Vater des Überwältigers zum Uherwältigten. 


94 WıuLeKken: 


nach Schiräs und nahm den Ibn Mokarrem gefangen; worauf Ebu Käsim, der 


43 Sohn des Ibn Mokarrem, welcher im Dienste des Ebu Kälendschär stand, seinen 


[7 


Herrn aufforderte und anreizte Schiräs zu erobern. In Folge dieser Aufforderung 
rüstete Ebu Kälendschär ein zahlreiches Heer aus Ahyäs und Chusisthän, mit 
welchem er nach Färs zog; und Ebulfewäris, dem es an hinlänglicher Macht 
fehlte, sich zu behaupten, kehrte nach Kermän zurück. 


XV. 
Regierung des Ebu Kälendschär Ibn Sultän eddewleh Ibn 
Behä eddewleh. 


Ebu Kälendschär kam, als sein Oheim Ebulfewäris nach Kermän zurück- 
kehrte, nach Schiräs und behauptete die Herrschaft; die Dilemiten aber theilten 
sich in zwei Partheien, indem die Einen der Meinung waren, dafs man den 
Ebulfewäris aus Kermän vertreiben müfste, die Anderen aber zum Frieden rie- 
then. Zu dieser Zeit erregten die Soldaten einen Aufstand, indem sie ihren 
Sold begehrten; in dem Schatze aber war kein Geld vorhanden. Ba Ebu Kälen- 
dschär wegen seines jugendlichen Alters nicht im Stande war, die Truppen in 
Ordnung zu bringen, so verliefs er Schiräs und begab sich nach Newbendedschän, 
wo wegen der heftigen Hitze der Luft viele seiner Soldaten erkrankten. Von 
dort kam er nach Schaab Buwän. Die Dilemiten aber, welche in Schiräs geblie- 
ben waren, sandten einen Eilboten an den Ebulfewäris, um ihm zu melden, dafs 
die Stadt verlassen wäre; und als dieser Fürst wiederum nach Schiräs kam, so 
übergaben sie ihm die Stadt. Ebulfewäris, nachdem er der Herrschaft in Schiräs 
sich bemächtigt hatte, zog gegen Schaab Buwän; und als er in dieser Gegend 
anlangte, so vermittelten Friedensstifter eine Vereinbarung, nach welcher Schiräs 
und Kermän dem Ebulfewäris verbleiben sollten, und Ebu Kälendschär mit der 
Herrschaft über Ahväs sich zu begnügen hatte. Hierauf kehrte Ebulfewäris nach 
Schiräs zurück und Ebu Kälendschär begab sich nach Ardschän. 

Als aber der Vesir des Ebulfewäris gegen die Bewohner von Färs in einem 
solchen Mafse Erpressungen übte, dafs diejenigen, welche den Ebulfewäris geru- 
fen hatten, diesen Schritt bereuten: so flohen einige derselben zum Ebu Kälen- 
dschär, worauf die Mifshelligkeit und Feindseligkeit zwischen dem Oheim und dem 
Brudersohne von Neuem ausbrach; dergestalt dafs Ebu Kälendschär in Färs ein- 
drang, und Ebulfewäris, nachdem er ein Heer gerüstet, aus der Stadt (Schiräs) ihm 

is entgegen zog. Nach vielen Kämpfen eilte Ebulfewäris, da er zur Flucht genö- 
thigt wurde, nach Däräbdscherd, und Ebu Kälendschär bemächtigte sich [im 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 95 


Jahre 415] des Throns von Färs [85]. Was ferner sich ereignete, soll, so Gott 
will, sogleich berichtet werden. 


XV1. 
Regierung des Dscheläl eddewleh Ibn Behä eddewleh. 


Im Monate Rebi el-ewwel (dem dritten Monate) des Jahrs 416 (vom 3. 
März 1025 bis zum 20. Febr. 1026) starb Muschrif eddewleh, nachdem er drei 
und zwanzig Jahre und drei Monate gelebt und fünf Jahre und fünf und zwan- 
zig Tage regiert hatte [S6]. Da zu der Zeit seines Ablebens sein Bruder Ebu 
Tähir Dscheläl eddewleh sich zu Basrah befand, so liefs man zu Bagdäd zwar (im 
Kanzelgebete) den Namen desselben nach dem Namen des Chalifen nennen, und 
sandte Eilboten aus um ihn einzuladen ; Dscheläl eddewleh aber zögerte so lange 
mit der Reise nach Bagdäd (Där esseläm), dafs man zuletzt seinen Namen wieder 
aus dem Kanzelgebete ausliefs. Als Dscheläl eddewleh dieses vernahm, so begab 
er sich auf die Reise nach Bagdäd; ein Theil der Truppen des Chalifen stellte 
sich zwar, als er in jenes Land kam, ihm entgegen um ihn zurückzuweisen, als 
er aber sich nicht abwehren liefs, so kam es zum Kampfe, und er wurde durch 
die Plünderung seiner Schätze zum Rückzuge gezwungen, worauf er nach Bas- 
rah eilte. 

Im Jahre 417 (vom 21. Febr. 1026 bis zum 9. Febr. 1027) bemächtigten 
sich die Türken der Gewalt zu Bagdäd, übten gegen das geringe Volk Erpressung 
und Gewalithätigkeiten und behielten in den Kämpfen, welche zwischen ihnen 
und der Bevölkerung (von Bagdäd) Statt fanden, die Oberhand, worauf sie viele 
wohlhabende Einwohner ausplünderten und die Strafsen und Plätze von Bagdäd 
durch Feuer verwüsteten [87]; allein ungeachtet ihres Sieges besorgten die (Türki- 
schen) Soldaten, dafs sie nicht im Stande sein möchten dem Angriffe der Kurden 
und Araber aus der Umgegend von Bagdäd auf die Stadt Widerstand zu leisten; 
und sie liefsen den Dscheläl eddewleh einladen zu kommen. Auf solche Weise 
geschah es, dafs im Dschumada ’lewwel (dem fünften Monate) des Jahrs 418 
(vom 10. Febr. 1027 bis zum 27. Jan. 1028) das Kanzelgebet wiederum im Na- 
men des Dscheläl eddewleh verrichtet wurde [85]. Im Ramadän (dem neunten 
Monate) des erwähnten Jahrs eilte Dscheläl eddewleh aus Basrah nach Bagdäd, 
begab sich in den Palast des Chalifats, bewies durch den Kufs des Fufsbodens 
dem Chalifen seine Ehrerbietung und wurde von demselben hoch geehrt, worauf 
er in dem Palaste des Emirats seine Wohnung nahm und verordnete, dafs vor 
der Pforte dieses Talastes täglich fünfmal die Heerpauken geschlagen werden soll- 


ten. Der Chalife aber untersagte ihm die Vollziehung dieser Verfügung, und 


50 


96 WıLKken: 


Dscheläl eddewleh stand mit Unwillen davon ab; der Chalife nahm jedoch in 
Berücksichtigung der Wohlfahrt des Reichs seinen Einspruch zurück und gestat- 
tete es, dafs an der Pforte des Palastes des Emirats täglich fünfmal die Heer- 
pauken geschlagen wurden [89]. 

Im Jahre 419 (vom 30. Jan. 1028 bis zum 18. Jan. 1029) erregten die 
Türken einen gewaltigen Aufstand gegen Dscheläl eddewleh, verlangten von dem 
Ebu Ali Ibn Mäkulä, dem Vesir desselben, Sold und Löhnung, plünderten den 
Palast des Vesirs und hielten den Dscheläl eddewleh in der Burg (dem Palaste) 
eingeschlossen, bis endlich der Chalife als Vermittler auftrat und Dscheläl eddew- 
leh die Türken dadurch zur Ruhe brachte, dafs er seine Teppiche, Kleider und 
Zelte verkaufte und (das dadurch gewonnene Geld) ihnen gab. 

In demselben Jahre erhob sich ein Streit zwischen den Türken und den 
Dilemiten zu Basrah, und da Melik Asis Ebu Mansur, Sohn des Dscheläl eddew- 
leh, die Parthei der Türken nahm, so begaben sich die Dilemiten nach Obollah 
(bei Basrah), und die Feindschaft der beiden Partheien wider einander gewann 
eine längere Dauer. Ebu Kälendschär, der damals zu Ahväs war, indem er eine 
solche Gelegenheit als Gewinn betrachtete, sandte ein Heer nach Basrah um 
diese Stadt einzunehmen, und dieses Heer, als es von dort nach Wäsit zog und 
in dieser Stadt ankam, plünderte eine Schaar von Truppen des Dscheläl eddew- 
leh aus, welche es daselbst antraf. Da nun Dscheläl eddewleh nach Wäsit zie- 
hen wollte, um jene Truppen des Ebu Kälendschär zu züchtigen, so gehorch- 
ten seine Soldaten ihm nicht, sondern forderten Sold; und weil es ihm an Geld 
fehlte, so begann er Erpressungen zu üben, wodurch die Einwohner von Bagdäd 
zum Hasse und Unwillen gereitzt wurden. 


XVn. 


Geschichte des Kaväm eddin Ebulfewäris Ibn Behä eddewleh und 
Vollendung der Geschichte des Ebu Kälendschär und des 
Dscheläl eddewleh und deren Ende. 


Der gröfsere Theil der Geschichte des Ebulfewäris ist bereits in den Be- 
richten über dessen Brüder vorgetragen worden. 

Im Jahre 419 (vom 30. Jan. 1028 bis zum 18. Jan. 1029) brachte Ebul- 
fewäris ein beträchtliches Heer zusammen um nach Färs zu ziehen; auf dem 
Wege aber erreichte ihn der Bote des Todes und er ging in die andere Welt 
über; worauf die Emire und Häupter von Kermän den Ebu Kälendschär aus 
Ahväs beriefen, und dieser ohne Schwertstreich selbstständiger Gebieter von Färs 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 97 


und Kermän wurde [90]. In solcher Weise wurden die Unterthanen von der 
Grausamkeit des Ebulfewäris befreiet. Dieser Fürst pflegte, wenn er dem Trunke 
sich überliefs, seine Gesellschafter und Trinkgenossen mit Schlägen zu mifshan- 
deln; einmal befahl er in der Trunkenheit seinem Vesir zweihundert Hiebe zu- 5t 
zutheilen und als er wieder zu Sinnen kam, so nahm er, indem er den Vesir 
freiliefs, demselben einen Eid ab, wodurch der Vesir sich verpflichtete, mit nie- 
mander (von der erlittenen Mifshandlung) zu reden. 

Nachdem Ebu Kälendschär zu dem Besitze der Herrschaft gelangt war, so 

- sammelte er ein Heer und zog gegen Wäsit; und Dscheläl eddewleh kam eben- 
falls mit einem beträchtlichen Heere aus Bagdäd heran. Zu dieser Zeit aber er- 
hielt Ebu Kälendschär die Nachricht, dafs der Sultän Mahmud die Stadt Rai 
erobert habe [91] und die übrigen Provinzen von Iräk gleichfalls sich zu unter- 
werfen gedenke; worauf er einen Boten an Dscheläl eddewleh sandte, mit fol- 
gender Meldung: wenn auch früher unter uns ein Streit obwaltete, so ist es 
doch jetzt vonnöthen, dafs wir, da ein Fremder in das Reich eindringt, gemein- 
schafllich den Feind aus dem ererbten Reiche verjagen.” Dscheläl eddewleh ge- 
währte jedoch diesem Vorschlage nicht seine Zustimmung, sondern zog mit seinem 
Heere nach Ahväs, plünderte diese Provinz, und erbeutete sehr vieles Geld aus 
dem (dortigen) Palaste des Emirats. Gegen das Ende des Rebi el ewwel (des 
dritten Monats) des Jahrs 421 (vom 8. Jan. bis 27. Dec. 1030) trafen die beiden 
Heere auf einander und stritten drei Tage und Nächte wider einander, bis end- 
lich Ebu Kälendschär flüchtig wurde, und da zwei Tausend Mann (') seines 
Heers getödtet waren, im schlimmsten Zustande nach Ahväs zurückkam. Dscheläl 
eddewleh dagegen begab sich nach diesem Siege nach Wäsit, bemächtigte sich 
dieser Gegend, und eilte dann nach Bagdäd. 

Im Jahre 422 (vom 28. Dec. 1050 bis zum 17. Dec. 1031) starb (der 
Chalife) Kädir billäh und hatte zum Nachfolger den Käjim biemr illäh [92]. 
Die Türken erregten [im Jahre 423 vom 18. Dec. 1031 bis zum 5. Sept. 1032] 
aufs Neue einen Aufstand und plünderten den Palast des Vesirs des Dscheläl ed- 
dewleh [95]; und als Dscheläl eddewleh die Stadt Bagdäd verliefs und nach Ok- 
berä sich begab, so verkündigte man zu Bagdäd das Kanzelgebet im Namen des 
Ebu Kälendschär und rief diesen Fürsten aus Ahyäs herbei. Da aber Adil Ibn 
Jäfeth dem Ebu Kälendschär es widerrieth nach Bagdäd sich zu begeben [94], und 
die Einwohner von Bagdäd daran verzweifelten, dafs Ebu Kälendschär zu ihnen 
kommen werde: so stellten sie das Kanzelgebet im Namen des Dscheläl eddewleh 


(‘) Nach der Handschrift E, welche das Zahlwort du ausläfst, (was S.51 nach Anm. 5 un- 
ter den Varianten nachzutragen ist), nur Tausend Mann. 


Philos. - histor. Abhandl. 1835. N 


98 WıuKken: 


wieder her. Hierauf begaben sich einige der Türken zu dem letztern, baten ihn 
um Verzeihung und führten ihn wieder nach Bagdäd [95]. 

Im Jahre 426 (vom 15. Nov. 1034 bis zum 3. Nov. 1035) war sowohl das 
Chalifat als das Sultanat zu Bagdäd ohne alle Gewalt, die Aufrührer erhoben ihr 
Haupt, die Kurden und Araber drangen bis nach Bagdäd vor, raubend und plün- 
dernd, und weder der Chalife noch der oberste Emir (Pädschäh) waren im Stande sie 
abzuwehren. Der Übermuth der Aufrührer ging selbst so weit, dafs sie am hel- 
len Tage der Häuser sich bemächtigten und dieselben ausplünderten (') [96]. 

Im Jahre 427 (vom 4. Nov. 1035 bis zum 23. Okt. 1036) empörten sich 
die Türken von Bagdäd wider den Dscheläl eddewleh, und versuchten ihn aus 
Bagdäd zu vertreiben, was einen Krieg veranlafste [97]. 

Im Jahre 423 (vom 24. Okt. 1056 bis zum 12. Okt. 1037), als der Feld- 
hauptmann der Türken getödtet worden war, verringerte sich die Macht der Wi- 
dersacher des Dscheläl eddewleh bedeutend. In demselben Jahre versöhnten sich 
Dscheläl eddewleh und Ebu Kälendschär und schwuren einander einen Eid, durch 
welchen sie sich verpflichteten, keine Feindseligkeit wider einander zu üben; 
worauf der Chalife Käjim ein Ehrenkleid an Ebu Kälendschär sandte. 

Im Jahre 429 (vom 15. Okt. 1057 bis zum 1. Okt. 1038) ertheilte man 
dem Dscheläl eddewleh den Ehrentitel Melik el molük (d. i. König der Könige) ; 
er aber weigerte sich anfangs denselben anzunehmen, und verstand sich erst 
dann dazu, als die Fakih’s durch einen Ausspruch (Fethwa) jenen Titel gebilligt 
hatten [93]. 

Im Jahre 450 (vom 2. Okt. 1038 bis zum 21. Sept. 1039) am 23°“ Tage 
des letztern Känun (25. Jan. 1039) fiel in Bagdad soviel Schnee, dafs die Erde 
damit zwei Spannen hoch bedeckt war; und der Tigris war während sechs Ta- 
gen gefroren (?). 

Im Jahre 452 (vom 10. Sept. 1040 bis zum 29. Aug. 1041) als wiederum 
Dscheläl eddewleh mit den Türken in Streit gerieth, so begab er sich von der 
östlichen Seite (der Stadt Bagdäd) nach der westlichen, sandte in die Provinzen 
und rief Truppen herbei; die Türken aber beraubten mit Gewalt und Ungestüm 
die Einwohner der Stadt ihres Geldes. 

Im Jahre 454 (vom 20. Aug. 1042 bis zum 8. Aug. 1045) drang Ibrahım 
Inäl (Bruder des Togrulbek) Seldschuki in Iräk ein und eroberte Hamadän, und 
späterhin setzte Togrulbek in Rai sich fest [99]. 


(*) Wörtlich: das Feuer des Raubes und der Plünderung anzündelen. 

(?) Vgl. Abulfaregüi (Bar Hebraei) Chronicon syriacum ed. Bruns. et Kirsch p.234, wo 
es blofs heifst: ‚‚im (Monate) Känun,” es fehlt also daselbst die nähere Beziehung dieses Mo- 
nates, welche Mirchond hinzugefügt. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 99 


Im Monate Schabän (dem achten Monate) des Jahrs 455 (vom 9. Aug. 1043 
bis zum 28. Jul. 1044) starb Dscheläl eddewleh Ebu Tähir Ibn Behä eddewleh 
Ibn Adhed eddewleh an einer Leberkrankheit; er war im Jahre 383 (vom 25. 
Febr. 995 bis zum 13. Febr. 994) geboren worden, und regierte zu Bagdäd sechs- 
zehn Jahre und eilf Monate [100]. Er wurde eben daselbst in seinem Palaste be- 
graben. Wer sich mit dem Leben des Dscheläl eddewleh bekannt machen will, 
der wird aus der Schwäche und Feigheit dieses Fürsten und der Gewalt der Soldaten 
und Befehlshaber über ihn (auf der Einen) und der langen Dauer seiner Regierung 
(auf der andern Seite) mit Gewifsheit erkennen, dafs Glück und Unglück, ja viel- 
mehr alle Dinge von dem Willen Gottes abhängen; denn ‚‚du (o Gott) verleihest 
das Reich wem du willst und nimmst das Reich wem du willst.” Nach dem Tode 
des Dscheläl eddewleh begaben sich dessen Verwandte und Vertraute aus Furcht 
vor den Türken in den Palast des Chalifats, und der Chalife sandte einige Mann- 
schaft aus, um deren Wohnungen gegen Raub und Plünderung zu schützen. 

Zu dieser Zeit hielt Ebu Mansur, der älteste Sohn des Dscheläl eddewleh, 
zu Wäsit sich auf, wohin einige der Häupter von Bagdäd einen Boten sandten, 
um dem Ebu Mansur ihre Unterwürfigkeit zu bezeigen; andere aber von jenen 
Häuptern waren dem Ebu Kälendschär geneigt, und riefen diesen Fürsten. Mitt- 
lerweile hatte Melik Ebulasis Mansur bereits vor der Ankunft des Boten aus 
Bagdäd die Stadt Wäsit verlassen und auf die Reise nach Bagdäd sich begeben ; 
als er aber nur noch zwei Rastplätze von der Jetztern Stadt entfernt war, so 
traten durch die Treulosigkeit der Soldaten seiner Herrschaft (seinem Emurat) 53 
Hindernisse entgegen; und nachdem zwischen denen von Bagdäd und Ebu Kä- 
lendschär Gesandte und Briefe gewechselt worden waren, so wurde der letztere 
im Monat Ramadän (dem neunten Monate) des Jahrs 4356 (vom 29. Jul. 1044 
bis zum 17. Jul. 1045) [101] als Emir des arabischen Iräk anerkannt. 

Im Jahre 437 (vom 18. Jul. 1045 bis zum 6. Jul. 1046) verpflichtete sich 
der Statthalter von Isfahän zur Zahlung des Tributs an Togrulbek. 

Im Jahre 439 (vom 27. Jun. 1047 bis zum 14. Jun. 1048) wurde zwischen 
Ebu Kälendschär und dem Sultan Rukn eddin Togrulbek Friede geschlossen, 
worauf der letztere dem Ibrahim Inäl schrieb, er möge soviel er von den Ländern 
der Dilemiten bereits genommen habe, behalten, fernerhin aber, da ein Friede 
mit den Dilemiten geschlossen worden sei, keine Feindseligkeit üben. Hierauf- 
nahm Togrulbek die Tochter des Ebu Kälendschär zur Gemahlin, und der Sohn 
des Ebu Kälendschär warb um die Tochter des Däud Seldschuki, des Bruders- 
sohns von Togrulbek [103]. 

Im Jahre 440 (vom 15. Jun. 1048 bis zum 3. Jun. 1049) ging Ebu Kä- 
lendschär Mersbän Ibn Sultän eddewlch Ibn Behä eddewleh in der Provinz Kermän 

N2 


100 WILeKen: 


aus der irdischen Welt in die Wohnung der Ewigkeit über [104]; und die Ur- 
sache seines Todes war nach dem Rathschlusse Gottes folgende: Als er eines Ta- 
ges auf die Jagd gegangen war, und gebratene Rehleber speifste, so fühlte er in 
seinem Schlunde einen Reiz, fiel hierauf in ein Fieber, und verliefs nach eini- 
gen Tagen diese unstäte Welt in einem Alter von etwas mehr als vierzig Jahren, 
nachdem er zu Bagdäd seit dem Tode des Dscheläl eddewleh vier Jahre drei 
Monate und zehn Tage regiert hatte. Nach dem Ableben des Ebu Kälendschär 
raubten die Türken, welche zur Zeit seines Todes im Lager sich befanden, die 
Schätze, Waflen und Lastthiere; und Ebu Mansür Fuläd Suthün (d. i. Stahl- 
säule) [105], der Sohn des Ebu Kälendschär, begab sich in das Zelt des Vesirs. 
Hierauf griffen die Türken auch die Wohnung des Vesirs an um gegen densel- 
ben Gewaltthäugkeiten zu üben; als aber die Dilemiten sich sammelten und 
festen Fufses den Türken widerstanden, so wurden diese verzagt und wichen zu- 
rück. Die Dilemiten verliefsen hierauf ebenfalls diesen Ort und begaben sich nach 
Schiräs, und Ebu Mansür folgte seinem Vater in der Regierung von Färs [106]. 


XVII. 


Regierung des Chusrew Firüs Ibn Ebu Kälendschär Mersbän 
Ibn Sultäin eddewleh Ibn Behä eddewleh. 


Als die Nachricht von dem Tode des Ebu Kälendschär nach Bagdäd ge- 
langte, so sammelte sein Sohn Chusrew Firüs die Emire, damit sie ihm huldigen 
und schwören möchten. Auch nahm er den Ehrentitel Melik rahım (d.i. der 
gnädige König) an. Hierauf sandte er seinen Bruder Ebu Said mit einem Heere 
nach Schiräs, um diese Provinz dem Ebu Manstr Füläd Suthün, welcher eben- 

54 falls sein Bruder war, zu entreifsen. Ebu Said zog in Folge dieses Befehls nach 
Färs und eroberte Schiräs [107]. 

In demselben Jahre kam Melik rahiım nach Chusisthän, und trat von dort 
die Reise nach Schiräs an. Als er aber in die Nähe dieser Stadt kam, so wand- 
ten sich die Türken zu Schiräs und einige Dilemiten zu der Parthei seines Bru- 
ders Füläd Suthün, welcher damals in der Burg von Istachar sich befand; was 
den Meliık rahim mit Besorgnifs erfüllte und bewog mit den Truppen von Bag- 
däd nach Ahväs zurückzukehren. Hierauf sammelte sich unter dem Paniere des 
Füläd Suthün ein zahlreiches Heer und eroberte Schiräs [108], und als dasselbe 
gegen Ahväs anzog, so begab sich Melik rahiım nach Rämhurmus. Hierauf eilte 
Füläd Suthün seinem Bruder nach, und im Salzthale (Wädi Nemek) trafen die 
beiden Heere auf einander. Da am Tage der Schlacht einige Soldaten des Melik 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 101 


rahım zu Verräthern wurden, und zum Ebu Mansür übergingen: so floh Melik 
rahım mit dem Reste seines Heers und seinen Brüdern Ebu Tähir und Ebu Said, 
und begab sich, ohne an irgend einem Orte zu verweilen, nach Wäsit. Nach die- 
sem Kampfe fanden noch mehrere Gefechte zwischen Melik rahim und dessen Bru- 
der Ebu Mansür Statt, in welchen Melik rahim bald siegte, bald besiegt wurde. 

Im Jahre 447 (vom 1. April 1055 bis zum 19. März 1056) zog Melik ra- 
him mit einem Heere nach Schiräs; und als zu dieser Zeit sein Bruder Mansür, 
welcher mit Hülfe des Togrulbek Seldschuki Schiräs eingenommen und daselbst 
das Kanzelgebet im Namen des Togrulbek angeordnet hatte [109], von dem An- 
zuge des Melik rahim benachrichtigt wurde, so verliefs er die Stadt Schiräs und 
eilte nach Firusabäd, worauf Melik rahim der Herrschaft von Färs sich bemäch- 
tigte, und dann nach Wäsit zurückkehrte. 

Mitten unter diesen Ereignissen kam zwischen dem Chalifen Käjım und 
Togrulbek durch gewechselte Gesandte und Briefe ein Freundschaftibündnifs zu 
Stande, und der Chalife gebot im Kanzelgebete den Namen des Togrulbek vor 
dem Namen des Melik rahim zu nennen. 

Bald hernach liefs Togrulbek dem Chalifen, indem er ihm Geschenke 
übersandte, durch einen Botschafter folgendes vortragen: ‚‚ich wünsche nach dem 
Hause Gottes (zu Mekkah) zu pilgern und meinen Weg über Bagdäd zu neh- 
men; jedoch in solcher Weise, dafs dadurch keinem der Unterthanen irgend Ab- 
bruch geschehe’” ('). Als der Chalife seine Zustimmung gegeben hatte, so begab 
sich Togrulbek auf die Reise nach Bagdäd; und Melik rahim, als er die bevor- 
stehende Ankunft des Togrulbek erfahren hatte, kam, bevor sie erfolgte, nach 
Bagdäd. Togrulbek, als er in der Gegend von Bagdäd anlangte, sandte einige 
seiner Grofsen nach dem Palaste des Chalifen mit der Meldung: ‚‚da meine Ab- 
sicht ist, dem Hofe des Chalifats meine Ehrerbietung zu beweisen, so darf sich 
niemand beunruhigen (°); denn ich hege wider niemanden Feindschaft und Hafs.” 


Am 25° Mamadän (17. Dec. 1056) kam Togrulbek nach Bagdäd, indem der 5 


oberste Rais, welcher damals des höchsten Ansehens im Reiche von Bagdäd ge- 
nofs, ihm entgegen ging; und Togrulbek empfing ihn mit Achtung und Höflich- 
keit ('). Am eısten Tage unterhielten zwar die Turkmanen mit den Marktleuten 
einen anständigen Handel und Verkehr; am andern Tage aber fragte ein Turk- 


mane mit Ungestüm und Hastigkeit einen Einwohner von Bagdäd nach irgend 


(‘) Wörtlich: „um ein Man (Name eines Gewichts) Stroh Abbruch geschehe.” 

(°) Wörtlich: ,,so ist niemanden vonnöthen, sich von seinem Platze zu bewegen.” 

(°) Wörtlich: ‚‚er machte ihm ehrenvolle Fragen,” ohne Zweifel ein Ausdruck der Höf- 
lichkeit. 


102 WıreKen: 


einem Orte ('), und da der letztere die türkische Sprache nicht verstand, so ge- 
dieh die Sache dahin, dafs er um Hülfe rief und eine Menge des Pöbels der 
Stadt zusammen lief und jenen Türken heftig durchprügelte; worauf die übrigen 
Einwohner, da sie mit der Anwesenheit des Togrulbek unzufrieden waren, in der 
Meinung, dafs die Turkmanen und die Truppen des Melik rahim im Kampfe 
wider einander begriffen wären, wo sie einen Turkmanen antrafen, ihn gefangen 
nahmen. Hätte Melik rahim an diesem Tage seinen Soldaten die Erlaubnifs zum 
Kampfe gegeben, so würden sie keine Spur von den Turkmanen übrig gelassen 
haben. Weil aber der Chalife in jeder Weise dem Togrulbek Ehre und Freund- 
schaft erwies, so begab sich Melik rahim in den Palast des Chalifen und bezeugte 
seine und seiner Diener Schuldlosigkeit in Beziehung auf diesen Aufstand. Das 
ganze Volk von Bagdäd nahm Antheil an dem Kampfe wider die Truppen des 
Togrulbek mit Ausnahme der Bewohner von Kerch (einem Stadttheile von Bag- 
däd), und da der Aufstand sehr heftig war, so wurden von beiden Seiten sehr 
viele Leute getödtet. Endlich ergriffen die Einwohner von Bagdäd die Flucht, 
und die Turkmanen fingen an zu rauben und zu plündern. Sowohl Togrulbek 
als die Häupter seines Hofes waren der Meinung, dafs Melik rahim diesen Auf- 
stand angestiftet hätte. Die Turkmanen, nachdem sie viele Einwohner von Bag- 
däd gefangen genommen hatten, plünderten auch die Ortschaften aufserhalb der 
Stadt, nahmen Derb (d. i. die Strafse) Hebak und Derb Selim ein, und kamen 
zu den Häusern des obersten Rajis, welche sie gänzlich zerstörten, indem sie je- 
den tödteten, welcher es versuchte, ihnen sich zu widersetzen. Sie drangen selbst 
in die Gräber der Chalıfen ein und raubten unzählbare Schätze; es hatten aber 
viele Menschen in der Meinung, dafs die Turkmanen aus Ehrfurcht vor den 
(abgeschiedenen) Geistern der Chalifen an diesem Orte keine Gewaltthätigkeit 
sich erlauben würden, dahin sich geflüchtet. Als die übrigen Bewohner von 
Bagdäd von Furcht und Zittern ergriffen waren, so sandte Togrulbek Abgeord- 
nete an den Chalifen mit der Meldung: ‚‚wenn Melik rahim bei uns sich ein- 
findet, so wollen wir daran erkennen, dafs er an diesem Aufstande keinen Theil 
habe; so er aber nicht kömmt, so kann niemand daran zweifeln, dafs von ihm 
dieser Gräuel angestiftet worden.” Zugleich übersandte er mit diesen Abgeord- 
neten einen Sicherheitsbrief an Melik rahim und dessen Freunde, und der Chalıfe 


(‘) d.i. Der Türke fragte den Einwohner von Bagdäd nach dem Wege, der nach dem Orte, 
welchen er suchte, führte; ich bin aber nicht sicher, ob ich die Worte gähi (bei Heider gäh) 
mitelbid richtig übersetzt habe, da das Wort gäh im persischen mehrere Bedeutungen vereinigt. 
Da in den Handschriften das Wort gäh ohne diakritische Punkte des Buchstabens Käf geschrie- 
ben ist, so könnte man es auch Kähi aussprechen, und dann würden die obigen Worte be- 
deuten: ‚‚er forderte Stroh (oder Heu).” 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 103 


Käjim gab einige Personen dem Melik rahim, als derselbe zu Togrulbek sich be- 
gab, zur Begleitung, und bezeugte, dafs Melik rahım und dessen Befehlshaber 
schuldlos wären. Als aber Melik rahim und dessen Begleiter im Lager des To- 
grulbek ankamen, so plünderten die Turkmanen zuerst die Abgeordneten des 56 
Chalifen aus und nahmen dann den Melik rahim und dessen Gefolge gefangen 
und kerkerten sie auf den Befehl des Togrulbek ein. Hierauf sandte der Chalife 
einen Abgeordneten an den Sultan, um demselben sein Mifsfallen über ein solches 
Verfahren auszudrücken, indem er ihm melden liefs: ‚‚Diese Leute begaben sich 
auf mein Wort zu dir, weil ich deinen Verheifsungen traute; jetzt, so du sie 
entlassen wirst, nun gut! wo nicht, so werde ich Bagdäd dir preisgeben und 
mich entfernen, da du im Anfange den Palast des Chalifats in Ehren hieltest, 
jetzt aber das Gegentheil davon zu Tage kömmt.” Darauf antwortete Togrulbek : 
„wir hegen zwar noch immer gegen den Chalifen selbst dasselbe Vertrauen wie 
zuvor, die Türkische Truppe aber hat in dieser Zeit nur gethan, was sich von 
ihrer Sinnesart erwarten liefs; und diese Leute werden, so lange sie nicht ge- 
züchtigt worden sind, nimmer sich bessern.” Dann bemächtigte sich Togrulbek 
alles dessen was den zu Bagdäd befindlichen Truppen, so wie den dortigen Tür- 
ken gehörte, zog deren Lehen ein, raubte dem Melik rahim und dessen Dienern 
vieles Geld und liefs den Melik rahim in eine Burg einsperren. Die Turkmanen 
dagegen zerstreuten sich in der Umgegend von Bagdäd und brachten eine so be- 
trächtliche Beute zusammen, dafs sie zu Bagdäd eine Kuh für fünf Kirät und 
einen Esel für drei Kirät verkauften. Der ganze Bezirk von Bagdäd und was 
dazu gehörte wurde verwüstet mit Ausnahme des Stadttheils Kerch, dessen Be- 
wohner, weil sie an der Mifshandlung der Turkmanen keinen Theil genommen 
hatten, durch Begünstigungen ausgezeichnet wurden [110]. 


XIX. 


Regierung des Ebu Mansur Füläd Suthun, mit welchem die 
Herrschaft der Dilemiten ein Ende nahm. 


Nach der Gefangennehmung des Melik rahim geriethen Ebu Mansur und 
Ebu Said, Söhne des Iss elmoluk Ebu Kälendschär Mersbän Ibn Sultän eddewleh 
Ibn Behä eddewleh Ibn Adhed eddewleh, mit einander in Streit, und führten 
so lange wider einander Krieg, bis zuletzt Ebu Said hinterlisuiger Weise getödtet 
wurde, und Ebu Mansur Sich in dem Besitze der Herrschaft über Färs befestigte. 
Ebu Mansur wurde hierauf von seiner Mutter vermocht, den Sähib Adil, welcher 


Vesir seines Vaters gewesen war, hinrichten zu lassen. Dann empörte sich Fesl 


104 Wıuekens: 


Ibn Hassan, der Oberfeldherr des Mansur, bei den Geschichtschreibern unter 
dem Namen Feslujeh bekännt, gegen den Ebu Mansur, bemächtigte sich desselben 
[111] und hielt ihn bis zu seinem Tode in einer Burg gefangen. 

Im Jahre 448 (vom 20. März 1056 bis zum 8. März 1057) hatte sich 
Feslujeh zwar der Herrschaft über Färs bemächtigt; als aber Melik Kädir Sel- 
dschuki aus Kermän gegen die Provinz Färs im Anzuge war, so floh Feslujeh 
und begab sich in den Dienst des Alb Arslän, von dessen Diyän er die Provinz 


’ Färs als Lehen empfing, worauf er in dieselbe zurückkehrte. Nachdem er aber 


die Regierung dieser Provinz übernommen hatte, so empörte er sich, und Chä- 
dschah Nissäm elmulk erhielt den Befehl, mit einem Heere den Feslujeh zu züch- 
tigen. Nissäm elmulk brachte, nachdem er einen Kampf wider ihn unternom- 
men hatte, den Feslujeh in seine Gewalt und sandte ihn nach der Burg Istachar, 
wo derselbe bis zu seinem Tode in der Gefangenschaft blieb. 


XX. 
Meldung über Ebu Ali Keichusrew Ibn Iss elmoluk Ebu 


Kälendschär. 


Ebu Ali begab sich in den Dienst des Alb Arslän, welcher ihm (die Stadt) 
Newbendedschän (in Färs) zu Lehen gab. So oft er zu dem Sultan kam, wurde 
er von demselben mit Ehren empfangen und erhielt seinen Platz zunächst dem 
Sultan; auch das ganze Geschlecht der Seldschuken bewies ihm Achtung. Er 
lebte nach dem Untergange seiner Brüder noch beinahe vierzig Jahre und starb 
erst im Jahre 487 (vom 20. Jan. 1094 bis zum 9. Jan. 1095). Nach seinem 
Tode blieb von dem Geschlechte der Dilemiten nichts übrig als der Name. 

Und solche Tage — mögen wir andre als solche erleben unter den Men- 
schen, und mögen von ihnen nur die (späten) Zeitalter vernehmen. Der preiswürdige 
und erhabene Schöpfer möge von der erhabenen Würde der Zuflucht des Reichs, 
des Beschützers des Glaubens, des Herrschers, des Horts der Hoffnung, des er- 
lauchten, Seiner Hoheit des Sultans Moassis dewleth Chäkäni [112], bis zur Gränze 
der äufsersten Zeit die Hand des Wechsels der Zeiten fern halten, ıhn zum Ziele 
der Bestrebungen und Wünsche für diese und die zukünftige Welt gelangen las- 
sen, und in der erstern durch glorreichen Namen und in der andern durch einen 
grofsen herrlichen Lohn erhöhen und beglücken, so wie auch seinem Geschlechte 
und seinen Nachkommen hohe Ehre und Schutz verleihen! 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 105 


III. Historische Anmerkungen. 


[1] Säbi d.h. der Sabäer. Über diesen Beinamen giebt Ibn Challikän in der Lebens- 
beschreibung des erwähnten Geschichtschreibers (der vierzehnten Biographie im Buchstaben 
Elif des bekannten Werks) folgende Nachricht: 
vs en lie 0 „lo en) ME um} sap 3 Ialı>) as >! Bea ‚belt, 
sale ME an 3.6 (5) 15 u ale I ir Al de 5 All le 
dm, md La > un Te) Ar ala) ui, 

le} Les il All, and 2 [Rn Laboe alu le all Jo all 
d.h. Über die Ableitung des Wortes Säbi mit Hamsah am Ende giebt es verschiedene Meinungen, 
indem einige dasselbe ableiten von Säbi Ibn Methuschalech Ibn Edris, der dem rechten Glauben 
anhing, andere von Säbi Ibn Hari (Mari), einem Zeitgenossen Abrahams. Die Araber nennen Säbi 
einen solchen, welcher der Religion seines Volkes untreu wird, und die Koreischiten nannten den 
göttlichen Propheten deswegen einen Säbi, weil er die Religion seines Volkes verlassen hatte. 
Der gepriesene und erhabene Gott weils es besser.” Herbelot (v. Sadi) erwähnt zwar dieser 
Bemerkung des Ibn Challikän, theilt aber ihren Inhalt sehr abweichend von dem obigen Texte 
mit. Ibn Challikän, indem er den Säbi (dessen Namen folgende waren: Ebu Ishak Ibrahim Ibn 
Hiläl Ibn Ibrahim Ibn Sehrun Ibn Hebbun aus Harrän es- Säbi) als einen durch Gelehrsamkeit 
und Beredsamkeit höchst ausgezeichneten Mann und als die Zierde des arabischen Iräk schildert 
und berichtet, dafs er nach einander Geheimschreiber (Käthib el-enschai) des Chalifen und der 
beiden Bujiden Moiss eddewleh und Iss eddewleh Bechthiär gewesen sei, erzählt in Überein- 
stimmung mit Ebulfedä (Ann. mosl. T.IL, p. 584), dafs Säbi, nachdem er im Jahre 349 (Chr. 960) 
bei dem Diyän der Sendschreiben (erresajil, vgl. Hammer Länderverwaltung des Chalifats S. 144 
folg.) angestellt worden war, den Bujiden Adhed eddewleh durch Sendschreiben, welche 
Schmähungen wider denselben enthielten, beleidigte, und Adhed eddewleh deshalb, als er nach 
der Hinrichtung des Iss eddewleh Bechthiär (im J. 367) sich in den Besitz von Bagdäd setzte, 
beschlossen hatte, wider den Verfasser jener beleidigenden Sendschreiben eine grausame Rache 
zu üben und ihn von Elephanten zertreten zu lassen. Die Vollstreckung dieser Strafe wurde 
zwar durch eingelegte Fürbitte abgewandt, Säbi wurde aber dagegen bis zum Jahre 371 zu 
Bagdäd in strenger Haft gehalten. In diesem zuletzt genannten Jahre setzte ihn Adhed eddew- 
leh in Freiheit und übertrug ihm die Abfassung einer Chronik des Dilemitischen Geschlechts, 


welche auch unter dem Titel Ki!näd eththädschi zu Stande kam. Diesen Namen gab Säbi seiner 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. (0) 


106 WıuLeKes: 


Chronik deshalb, weil sie dem Adhed eddewleh gewidmet war, dem, wie Heider in seiner 
Chronik berichtet, der Chalife Tajı im J.368 den Titel Thädsch eddewleh d.i. Krone des Reichs 
verliehen hatte. Wenn die Antwort, welche nach der Erzählung des Ebulfedä und Ibn Chal- 
likän ein Freund, der den Säbi schreibend fand, auf die Frage, was er schriebe, erhielt: „Pos- 
sen und Lügen,” ernsthaft gemeint war, so dürfen wir den Säbi nicht für einen wahrheitlieben- 
den Geschichtschreiber halten. Ibn Challikän bemerkt noch in Beziehung auf die Religion des 
Säbi, dals Iss eddewleh Bechthiär zwar vergeblich es versucht hatte, seinen Staatsschreiber zum 
Isläm zu bekehren, dals Säbi aber gleichwohl die Fasten des Monats Ramadän mit den Moslims 
beobachtete, den Korän auswendig wulste und Stellen desselben in den von ihm abgefalsten 
Sendschreiben häufig anführte. Säbi starb im Schewwäl des J. 354 (Dec. 995), nach Ibn 
Challikän im 71" Jahre, nach Ebulfedä im 91°“ Jahre seines Alters. Vgl. Adulfaragü Hist. 
Dynast. p. 330. 

[2] Ebu Ali Meskujeh war Schatzmeister (Chäsin) des Adhed eddewleh. Vgl. Her- 
belot Biblioth. or. v. Mascowjeh. Ur. von Frähn ia seiner lehrreichen Notice chronologique d’une 
centaine d’owrages pour la plupart historiques et geographiques, St. Petersbourg 1334. 4. p. 21. 
spricht den Namen aus: Ibn Miskeweih, was (wie Sibeweih und ähnliche Namen) die arabische 
Aussprache dieses Namens ist. 

[3] Ebu Nesr Ali Ibn el Vesir Ebulkasm Hebbeth Allah Ibn Mäkulä, Verfasser des 
Werks Aithäb elikmäl (Buch der Vollkommenbeit) war im J. 420 (Chr. 1029) geboren und 
wurde im Jahre 473 (Chr. 1080. 1081) in Kermän von seinen türkischen Sclaven ermordet. 
Abulfed. Ann. mosl. T.III. p. 248. 

[4] Vgl. Aduifedae Ann. Mosl. T.Ul, p.372. Elmacinus p.207. Abulfaragü Historia 
Dynastiarum p.297. Nach Ibn Challikän (in der Lebensbeschreibung des Imäd eddewleh Ali) 
war Ebu Schedschä ein Fischer, welcher nur allein vom Fischfange sich ernährte, womit auch 
Elmacin übereinstimmt. Der Name &: » soll nach Ibn Challikän (in der Lebensbeschreibung 
des Ebulhassan Ahmed Moiss eddewleh) ausgesprochen werden PEN was ohne Zweifel nur 
die arabisirende Aussprache des fremden Namens ist. 

[5] Diese Erzählung des Schehrjär wird noch etwas vollständiger von Ibn Challikän 
(in der Lebensbeschreibung des Moiss eddewleh) mitgetheilt. Auch Abulfaradsch (His. Dy- 
nast. p.297, 298) erwähnt des von Mirchond erzählten Traums und der Auslegung desselben, 
jedoch mit einiger Abweichung in Nebenumständen, und Herbelot (dibliotkeque or. v. Boujeh) 
hat sie ebenfalls mitgetheilt. 

[6] Des Übertritts der Bujiden aus dem Dienste des Makän in den Dienst des Merdä- 
widsch erwähnt ohne chronologische Bestimmung Ebulfedä beim J. 321 d.H. Ann. Most. T.II, 
p-374. Sie waren nehmlich dem Makän, als dieser seiner Herrschaft in Tabaristhän durch Mer- 


däwidsch beraubt wurde, nach Damegän (an der östlichen Gränze von Tabaristhän), und als er 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 107 


auch dort sich nicht zu behaupten vermochte, nach Nisäbur gefolgt. Dort aber verlielsen sie 


ihn mit seiner Zustimmung, 


beschwerlich sein möchte, versprachen jedoch wieder zu ihm zurückzukehren, sobald seine 


weil sie fürchteten, dafs ihre und ihrer Horde Unterhaltung ihm 


Umstände sich verbessert haben würden. Sie begaben sich hierauf zu Merdäwidsch; Makän 
setzte sich, wie Ebulfedä (a. a. 0. p.415) berichtet, später in den Besitz von Dschordschän, 
wurde aber im J. 329 (Chr. 940. 941) durch Ebu Ali, einen Feldherrn der Samaniden, aus die- 
sem Lande vertrieben, begab sich dann wieder nach Tabaristhän, und wurde, als er dem zu Rai 
herrschenden Veschmgir, dem Bruder des Merdäwidsch, wider denselben Ebu Ali Beistand 
leistete, in einem Gefechte getödtet. 

[7] Obgleich die von mir benutzten drei Handschriften des Mirchond an dieser Stelle 
den Namen des Makän geben, so ist doch ohne Zweifel dafür der Name des Asfär zu setzen, 
wie aus der Erzählung des Elmacin (S. 191) und aus der Meldung des Herbelot (didliotheque or. 
v. Boujeh), dafs Asfär im J.315 (Chr. 927) von einem Karmaten getödtet worden sei, sich er- 
giebt. (Über den Tod des Makän s. die vorhergehende Anmerkung). Nach dieser Meldung 
würde der Übertritt der Bujiden in den Dienst des Merdäwidsch in das Jahr d. H. 314 zu 
setzen sein. 

[s] Herbelot sagt a.a. O.: oi Yon dist qu’il fist un si grand carnage des habitans, 
qu’on chargea deux mulets des calecons de soie de ceux qui furent tues. Vgl. über diese Bege- 
benheiten Elmacin a. a. O. 

[9] Der Ort, welchen Mirchond (nach unsern Handschriften) so wie auch Heider in 
seiner Chronik und Herbelot (a. a. ©.) Kerch nennen, heilst bei Abulfaradsch (Hisz. Dynast. 
p-298) und Ebulfedä (T.II, p. 366) Kerdsch (ze bei Elmacin (p. 192) Merdsch, wofür ohne 
Zweifel Kerdsch zu verbessern ist. Reiske (Annozat. hist. ad Abulfed. T.II, p. 754) hält Kerdsch 
für eine Stadt im Berglande (Iräk Adschm); uns scheint jedoch die Leseart Xerch die richtigere 
zu sein; jedoch wird nicht dadurch die bekannte Vorstadt von Bagdäd, wie Herbelot meint, 
sondern, da wir im folgenden die Bujiden in Luristhän finden, das an der nördlichen Gränze 
von Chusisthän gelegene Land Kercheh (Abu/fedae Tabula Chusisthani in Abulfedae Tabulae 
quaedam geographicae ed. VFüstenfeld, Gotting. 1835. 8. p.21 und in Büschings Magazin für die 
neue Historie und Geographie Th.IV, S.265) am Flusse gleiches Namens, der Luristhän durch- 
fliefst, bezeichnet. Auch setzt in der folgenden Erzählung die Chronik des Heider für das Lu- 
risthän des Mirchond wieder den Namen Kerch. 

[10] Übereinstimmend mit Mirchond werden diese Begebenheiten erzählt in der 
Chronik des Heider und Herbelot’s Bidliotkeque orientale; auch die Erzählung des Elmacin 
(p- 191), welcher die Eroberung von Isfahän durch Merdäwidsch in das Jahr 319 (Chr. 937) 
setzt, ist nur in Nebenumständen abweichend. Dagegen nach Ebulfedä (beim J.321 Ann. mosl. 
T.II, p. 376) besiegt Imäd eddewleh den Ebu Bekr, den Sohn des Jakuth, und erobert nach die- 


sem Siege Isfahän, wo dann der Bujide von Merdäwidsch abgefallen sein soll. Ohne Zweifel 


02 


108 WııLKexs: 


vermischt Ebulfedä die Eroberung von Isfahän durch Merdäwidsch mit der spätern Besetzung 

dieser Stadt durch die Bujiden. Er erwähnt übrigens zweier Eroberungen von Isfahän durch 

Merdäwidsch bei den Jahren 316 (Ann. mos2. T.II, p.352) und 319 (idid. p.364), so dals die 

Stadt das erste Mal nur kurze Zeit behauptet wurde; und die von Ebulfedä erzählte Wieder- 

eroberung im J. 319 scheint keine andere zu sein, als diejenige, welche er bei dem Jahre 321 

dem Imäd eddewleh zuschreibt. Da die persischen Geschichtschreiber nichts genaueres über 

den Abfall des Imäd eddewleh und seiner Brüder berichten, so können wir uns nur an die Er- 

zählung des Elmacin (p. 192) halten, und durch dieselbe den Bericht des Mirchond vervollstän- 

digen. Nach Elmacin leisteten die Bujiden in Kerch anfangs dem Merdäwidsch treue Dienste; 

als sie sich aber stark genug fühlten, um etwas unternehmen zu können (nehmlich nach dem 

von Mirchond in Übereinstimmung mit Heider und Herbelot erzählten Siege über den Statthal- 

ter Jäkuth), so fielen sie von ihrem bisherigen Herrn ab; Imäd eddewleh eroberte mit einem 
zahlreichen Heere Isfahän, und als er dort gegen Veschmgir, welcher von Merdäwidsch mit 
Truppen ausgesandt worden war, um ihn aus Iräk zu vertreiben, sich nicht behaupten konnte, 
so verliels er Isfahän, zog nach Ardschän, und bemächtigte sich sowohl dieser Stadt als der gan- 
zen Provinz Färs. Alle diese Ereignisse sind in die Jahre 320 bis 322 zu setzen, wie aus Ebul- 
fedä (a. a.O.) hervorgeht, nach welchem Ardschän am Ende des Jahrs 320, Newbendedschän 
im Rebi el achir 321 und Schiräs (Ann. mos2. T.II, p. 350) im Jahre 322 von Imäd eddewleh 
erobert wurden. Isfahän dagegen blieb im Besitze des Merdäwidsch, welcher daselbst im J. 323 

getödtet wurde. Die dauernde Eroberung von Isfahän brachte Imäd eddewleh erst nach dem 

Tode des Merdäwidsch, jedoch noch im J. 323 zu Stande (Adulfed. Ann. mosl. T.II, p.394); 
und was Ebulfedä an dieser Stelle von einem fernern Kampfe des Imäd eddewleh gegen 
Veschmgir wegen des Besitzes von Isfahän und andern Städten andeutet, bezieht sich auf die 
von Mirchond in der Geschichte der Samaniden (p. 66-72) erzählten Begebenheiten. 

[11] Dasselbe wird von Ibn Challikän in der Lebensbeschreibung des Imäd eddewleh 
nach der Chronik des Ebu Mohammed Harun Ibn Elabbäs Elmämuni berichtet. Das Ganze 
der Schätze, welche in der erzählten Weise entdeckt wurden, betrug nach Ibn Challikän 
500,000 Dinare. 

[12] Nach Ibn Challikän erschien, als Imäd eddewieh einen geschickten Schneider 
begehrte, der ehemalige gewöhnliche Schneider (Hofschneider) des Jäkuth, welcher taub war, 
und dieser in der Meinung nur deshalb gerufen zu sein, weil es zur Anzeige gekommen, dals er 
anvertraute Güter des Jäkuth verwahrte, versicherte sogleich, als ihn imäd eddewleh anredete, 
mit einem Schwure, dafs nicht mehr als zwölf Koffer, von deren Inhalte ihm nichts bekannt 
wäre, bei ihm sich fänden. In ähnlicher Weise erzählt auch Heider nach der Chronik des Ibn 
elathir diesen Vorfall, indem er bemerkt, dafs der taube Schneider, als Imäd eddewleh ihn mit 
den Worten: 5, Ilaıl>y u Yueälö al LUu> (slim, (5} (Schneider Rusthä, nimm 


diese Gewänder und nähe Kleider) angeredet hatte, mit dem Geständnisse unerwartet hervor- 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 109 


kam. Das Wort (sls, (ling, ein Bauer oder Dorfbewohner) scheint hier ein nomen 
proprium zu sein. 

[13] Nehmlich zu Isfahän. S. Abu/fed. Ann. mosl. T.II, p. 388. 390. Elmacin p. 202. 203. 

[14] Nach Ebulfedä (a. a. O. p.394) entrifs Imäd eddewlel« selbst im Jahre 323 dem 
Veschmgir, dem Bruder und Nachfolger des Merdäwidsch, die Städte Isfahän, Hamadän, Kom, 
Kerch, Rai und andere (vgl. Anm. 10). Ebulfedä eignet diese Eroberung dem Imäd eddewleh 
selbst zu, weil Rukn eddewleh (welcher als Sähib d.i. Herr von Isfahän, Hamadän und dem 
ganzen Iräk Adschm von Ibn Challikän bezeichnet wird) dieselbe im Auftrage seines ältern 
Bruders vollbrachte. Nach der Chronik des Heider befand sich Rukn eddewleh noch im J. 323, 
in welchem er die erwähnten Eroberungen vollbrachte, zu Isfahän in einem Gefängnisse, und 
verschaffte sich erst nach dem Tode des Merdäwidsch die Freiheit durch die Bestechung seiner 
Wärter, verliefs dann sogleich Isfahän um sich zu seinem ältern Bruder zu begeben, und traf 
auf dem Wege in der Wüste einige von seinen Leuten, welche mit Oliven beladene Kameele 
nach Isfahän führten. Er befahl ihnen, die Kameele zu entladen und selbst zu besteigen, und 
sie begleiteten ihn in dieser Weise nach Schiräs. Dafs die Stadt Rai im J. 332 (Chr. 943. 944) 
im Besitze des Rukn eddewleh war, und von ihm wider einen Angriff der Samaniden behauptet 
wurde, berichtet Mirchond Hisz. Samania. p. 52. 54. 

[15] Imäd eddewleh starb an einem Geschwüre der Nieren im Dschumädi elachireh 
338 (Dec. 949). Adulfed. Ann. mosl. T.Il, p.454. Abulfaragü Histor. Dynast. p.311. Mirchondi 
Historia Samanidarum p.6{. 

[16] Da Adhed eddewleh ım Jahre 324 zu Isfahän geboren war (Abdulfed. Ann. mosl. 
T.II, p. 400), so war er zu der Zeit, in welcher sein Oheim starb, nicht älter als vierzehn Jahre, 
und Rukn eddewleh sah sich durch die Unordnungen in den persischen Truppen, welche durch 
die Jugend des Adhed eddewleh veranlafst wurden, genöthigt, von Rai, seinem damaligen Sitze, 
nach Schiräs zu kommen und seinem Sohne beizustehen. Vgl. Sitwestre de Sacy Memoires sur 
diverses antiquites de la Perse (Paris 1793. 4.) p. 145. 146. 

[17] Über die damaligen Versuche der Samaniden dem Rukn eddewleh die Stadt Rai 
zu entreilsen s. Mirchondi Histor. Samanidarum p.64 u. folg. 

[15] Mirchondi Historia Samanid. p.66-72. Durch die daselbst erzählten Ereignisse, 
insbesondere durch den Verlust von Isfahän und die Wiedereroberung dieser Stadt im Jahre 
344 erhalten die von Silvestre de Sacy (a. a. O. S.139 folg.) behandelten arabischen Inschriften 
von Tschehilminär ihre vollständige Erklärung; und es geht aus diesen Inschriften hervor, dals 
Adhed eddewleh seinem Vater Rukn eddewleh zur Wiedereroberung von Isfahän behülflich 
war. Aufder damaligen Rückkehr von Isfahän liefs sich Adhed eddewleh, wie jene Inschriften 
behaupten, die alten Inschriften von Persepolis vorlesen. Überhaupt mufs die Geschichte des 
Rukn eddewleh durch die in Mirchond’s Geschichte der Samaniden enthaltenen Nachrichten 


über die Schicksale jenes Emirs vervollständigt werden. 


1410 WıLKkex: 


[19] Den Tod des Veschmgir erzählen in derselben Weise Ebulfedä (Ann. most. T.II, 
p-488), welcher über das Jahr, in welchem Veschmgir starb, im Zweifel ist, und das Buch des 
Kabus (übersetzt von H.F. von Diez) S.496. Vgl. Geschichte der Dilemiten ebendaselbst S. 90. 

[20] Alle diese Todesfälle mit Ausnahme des Todes des Hassan Ibn Firusän und des 
byzantinischen Kaisers werden von Ebulfedä zum Jahre 356 (T.II, p.4s6 u. folg.) erzählt. Der 
Kaiser Nicephorus wurde bekanntlich erst im December 969 ermordet. (LZeonis Diaconi historia 
ed. Bonn. p.85 u. folg.). 

[21] Über Bisthun s. Diez Geschichte der Dilemiten vor dem Bche des Kabus 8.91. 92. 

[22] Dasselbe Lob ertheilt ihm auch Ibn Challikän, welcher bemerkt, dafs Rukn ed- 
dewleh nach der Angabe des Ebu Ishak Säbi um das Jahr 284 (Chr. 397) war geboren worden. 
In Übereinstimmung mit Ebulfedä (Ann. mos2. T.Il, p.526) giebt Ibn Challikän die Dauer der 
Regierung jenes Fürsten zu 44 Jahren, einem Monate und neun Tagen an. Nach dieser Angabe 
erreichte Rukn eddewleh keinesweges ein Alter von 90 Jahren, wie Herbelot (v. Rocneddoulat) 
sagt, oder von mehr als achtzig Jahren nach dem Lubb eththewärich (Büschings Magazin 
Th.XVIL, 5.72), sondern er wurde nur 62 Jahre alt. Die Verschiedenheit in der Angabe der 
Regierungsjahre scheint auf einer abweichenden Berechnung zu beruhen, indem der Anfang 
der Regierung des Rukn eddewleh von Mirchond und Heider in das Jahr 323, in welchem Rukn 
eddewleh seine ersten Eroberungen machte, von Ebulfedä und Ibn Challikän aber, in das Jahr 
332, in welchem von ihm Rai erobert wurde (vgl. Mirchondi Hist. Samanid. p.52), geseizt wird. 
Über die Ländertheilung des Rukn eddewleh sind die von Silv. de Sacy a. a. O. S.145 in der 
Anmerkung mitgetheilten Nachrichten zu vergleichen. Nach dem daselbst angeführten Nisäm 
etihewärich hatte Rukn eddewleh noch einen jüngern Sohn Ebulabbäs, welchen er in der Thei- 
lung nicht berücksichtigte und dem Adhed eddewleh übergab. Wahrscheinlich ist dieser Ebu- 
labbäs derselbe Sohn des Rukn eddewleh, welchen Mirchond (Kap.VII, S.31) Chusrew Firüs 
nennt. Über die Mutter der drei ältern Söhne des Rukn eddewleh s. Lubb eththewärich a. a. O. 
Unrichtig scheint es zu sein, wenn in dem Nisäm etthewärich gesagt wird, Rukn eddewleh sei 
nach der Anordnung jener Theilung von Isfahän nach Rai zurückgekehrt und in der letztern 
Stadt gestorben. 

[23] Ebulhossein Ahmed Moiss eddewleh trug nach Ibn Challikän den Beinamen 
elakta aa] (d.i. der Verstümmelte), weil er die linke Hand und einige Finger der rechten 
Hand bei folgender Veranlassung verloren hatte. Als er im Auftrage seiner ältern Brüder nach 
Kermän gezogen war, und nach der Entweichung des Mohammed Ibn Eliäs sich jener Provinz 
bemächtigt hatte, so sandte ein Stamm von Kurden, welcher einen Landstrich von Kermän be- 
sals und von dem Statthalter dieser Provinz bisher gegen einen jährlichen Tribut in seinem 
Besitze geduldet und geschützt worden war und nach seiner Weise gelebt hatte, seinen Rejis 
an den Moiss eddewleh um den bestehenden Vertrag zu erneuern, was auch geschah. Moiss 


eddewleh aber beschlofs hernach auf den Rath seines Geheimschreibers den Vertrag zu brechen 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 444 


und die Kurden unvermuthet zu überfallen und auszuplündern. Diese aber erhielten davon 
Kunde, und legten dem Moiss eddewleh an einem Engpasse einen Hinterhalt, und als derselbe 
in der Nacht auf einem beschwerlichen Wege herankam, so überfielen sie ihn von allen Seiten, 
und nur wenige seiner Begleiter entgingen dem Tode oder der Gefangenschaft. Moiss eddew- 
leh selbst verlor seine linke Hand und mehrere Finger seiner rechten, und erhielt auch am Kopfe 
und dem übrigen Körper schwere Wurden, dergestalt, dals er unter den Erschlagenen lag; er 
wurde jedoch gerettet. 

[24] Über diesen Krieg in Kermän s. Herbelot Bidlioth. or. v. Moözzaldaulat. Was 
daselbst Herbelot aus Chondemir berichtet, theilt die Chronik des Heider aus dem Thärich Ni- 
garisthän mit. Dafs Ebu Ali Mohammed, obgleich er in diesem Kampfe zuletzt unterlag, den- 
noch bis zu seinem im J. 356 erfolgten Tode sich behauptete, so wie auch sein Sohn im Besitze 
von Kermän als zinsbarer Fürst bis zum Jahre 357 blieb, erhellt sowohl aus Mirchond (Kap.V, 
oben S.27), als aus Ebulfedä (zum J.324 T.II, p.398, zum Jahre 356 i2id. p.494 und zum Jahre 
357 ibid. p.496). Vgl. Elmacin (ad a 325 p.204). 

[25] +4öulfedae Ann. mosl. T.II, p.402. Eirnacin p.204 (wo für Moin eddewleh zu 
setzen ist Moiss eddewleh). Adulfaragii Hist. Dynast. p.302. 303. Unter Ahväs ist die ganze 
Provinz Chusisthän zu verstehen. Vgl. Aöulfedae Tabula Chusisthani ed. Wüstenfeld p.21 und 
26. (Büsching’s Magazin Th.IV, S.247. 250). 

[26] Bei Ebulfedä (-,»,_ 5, bei Elmacin es.) u». Bei Ebulferedsch heilst er 
wie bei Mirchond und Heider (,»;_ =. 

[27] Welcher erst in demselben Jahre an die Stelle des geblendeten Muththaki als 
Chalife von Thusun eingesetzt worden war. Abulfed. Ann. mosl. T., p. 426. 428. 

[25] Im Moharrem (dem ersten Monate) des Jahrs 334. Adulfedae Ann. mosl. a.a.O. 
p-434. 436. Abulfaragü Hist. Dynast. p.308. 309. 

[29] Aöulfeda a. a.O. p.436. 433. Elmacin. p.216. 217. Abulfaragü Hist. Dynast. 
p- 309. 310. 

[30] Abulfeda a.a.0. p-438. 440. Elmacin (etwas abweichend) p- 219. Vgl. Bar 
Hebraei (Abulfaragüi) Chronicon Syr. ed. Bruns. et Kirsch. p. 190. 

[31] „Im Jahre 336,” sagt Heider in seiner Chronik, „zog Moiss eddewleh mit dem 
Chalifen Muti billah nach Basrah, und entrils diese ganze Provinz dem Ebulkäsim Beridi; und 
in demselben Jahre gewährte er dem Chalifen an Geschenken aulser dessen gewöhnlichen Ein- 
künften den Betrag von 200,000 Dinaren. Dann begab er sich nach Ahväs um seinen Bruder 
Imäd eddewleh zu sehen; und als er zu demselben kam, so külste er ehrerbietigst den Boden 
und blieb dann stehend, und obgleich Imäd eddewleh ihn aufforderte sich zu setzen, so ver- 
harrte er gleichwohl in seiner Stellung.” 

[32] Durch diese Meldung des Mirchond erhalten die Nachrichten des Ebulfedä 
(T.II, p. 452) und Elmacin (p. 221) über diese Ereignisse ihre Erläuterung. Den Zug des Moiss 


412 WıLKkes: 


eddewleh nach Rai, so wie den wirklichen Angriff der Truppen von Chorasan auf Rai, setzt 
Mirchond (Histor. Samanid. p.64) in das Jahr 339 in die Zeit, in welcher Rukn eddewleh nach 
dem Tode des Imäd eddewleh zu Schiräs sich befand und die Angelegenheiten der Provinz 
Schiräs in Ordnung brachte. Vgl. oben Kap. Ill, S. 13. 

[33] Schon damals erklärte nach der Chronik des Heider der Emir Moiss eddewleh in 
einer Versammlung sämmtlicher Magnaten seinen Sohn Bechthiär feierlich als seinen Nachfolger. 

[34] Nach dem Thärich Heider erkrankte Moiss im Jahre 350 an Urinverhaltung 
(dr um). 

[35] Vgl. Aöulfed. Ann. mosi. T.II, p.478. Herbelot Bibl. or. v. Moezzaldaulat. Mu- 
radgea d’Ohsson Tableau de ’Empire Ottoman T.I, p.97. Es ist auffallend, dafs das Thärich 
Heider, obgleich es die Geschichte des Moiss eddewleh viel ausführlicher als Mirchond erzählt, 
und insbesondere über den von Ebulfedä (ad a 341 2. c. p. 455) erwähnten Angriff des Fürsten 
Jussuf Ibn Vedschih auf Basrah und die versuchte Eroberung von Schehrsur im J. 313 (Abulfeq. 
Ann. mosl. 1. c. p.60) und andere Ereignisse manche Einzelnheiten enthält, jene Äufserung der 
schüitischen Gesinnungen des Moiss eddewleh verschweigt. Aus den von Heider mitgetheilten 
Einzelnheiten aus dem Leben des Moiss eddewleh heben wir folgende in das Jahr d. H. 353 ge- 


hörende Erzählung aus: 

er hel 0 5 wub> sl A a sl a All zur lu ul in sale ;ie 
UN 10 ale ss slide ya yinl> L le all gl ale 2 
er N wohl (le wo 5 u „ll lab AU) zu Aula m Iial 
I I, ah Sue ol oe 2 2 wel em 3 N 
be I ia 2,5 wol SUR 5 0 x le sale ze Syn ST > 


hl gyale Ad ol Ju Sy (lin gi dh> 2 um w>lo di; ©, ya 
> NM Tg A en se 5,5 Ol iin: I sl he ul 2 


sÄRS „res det ao u ce FRS\}) FR Hm Os sOles PESEN „> By „2 
lb zu sl wild Ri > ST LI Oulas all ae If wu ss gl 
ES: „> 


d.h. „Aufser andern Ereignissen dieses Jahrs, als Moiss eddewleh Bujeh von dem Chalifen Muti 
billah die Erlaubnils den Palast des Chalifats zu besuchen und in Augenschein zu nehmen sich 
erbeten hatte, so sandte Muti billah einen Eunuchen nebst seinem Hadschib (Kammerherrn) zu 
dem Moiss eddewleh, um ihm den ganzen Palast zu zeigen; und Moiss eddewleh begab sich mit 
ihnen in den Palast und beschauete sämmtliche Gebäude desselben, verweilte aber aus gegrün- 
deter Vorsicht nirgends lange, sondern begnügte sich mit der Beschauung. Unter den Merk- 


würdigkeiten, welche er in dem Palaste des Chalifen betrachtete, war ein grolses Götzenbild, 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 113 


welches eine schöne Frau darstellte, und in der Mitte von vielen kleinen Götzenbildern stand. 
Diese Götzenbilder hatte man zu der Zeit des Chalifen Mukthadir billah (932-934 n. Chr.) aus 
Constantinopel nach Bagdäd gebracht; und Mukthadir billah hatte sie zur Ergötzung der Be- 
wohner des Harem im Innern des Harem aufstellen lassen. Als Moiss eddewleh jenes Götzen- 
bild betrachtete, so wurde er davon dergestalt bezaubert, dafs er beschlofs dasselbe von dem 
Chalifen zu begehren. Nach einiger Überlegung stand er jedoch von solchem Begehren ab.” 
Der Sinn der Worte nid um 35° Lo WW} ist mir nicht deutlich, und ich kann daher die 
Richtigkeit meiner Übersetzung dieser Worte nicht verbürgen; es ist sicherlich entweder ein 
Schreibfehler oder eine Lücke in denselben vorhanden; vielleicht sind nach %} die Worte 5 
«512 oder > 51 ausgefallen, und nach dieser Vermuthung, obwohl sie mich nicht befriedigt, 
habe ich übersetzt. Aus dieser für die Kunstgeschichte nicht unwichtigen Stelle geht übrigens 
hervor, dals die damaligen Araber nicht so unempfindlich für bildende Kunst waren, als man 
gewöhnlich annimmt. Es ist aber zu beklagen, dafs die Statuen der griechischen Göttin und 
der sie umgebenden Gestalten, welche nach obiger Stelle der Kaiser Romanus Lecapenus dem 
Chalifen Mukthadir billah verehrt hatte, nicht genauer beschrieben werden. 

[36] Dafs der Name U: mit doppeltem Fathah und Verdoppelung des Buchstaben Nun 
auszusprechen sei, lehrt Ihn Challikän am Ende der Lebensbeschreibung des Moiss eddewleh. 

[37] Beide von Mirchond mitgetheilte Erzählungen finden sich auch im Tharich Heider 
und bei Herbelöt Bidtiorheque orient. v. Adhad Eddoulat. Nach Herbelot hat der Dichter Dschämi 
die Erzählung von den zum Schweigen gebrachten Fröschen in einem seiner Gedichte dargestellt. 

[35] Ebulfedä erwähnt dieses von Heider übereinstimmend mit Mirchond erzählten 
jedoch in das Jahr 356 gesetzten Ereignisses nur mit wenigen Worten beim Jahre 357, Ann. 
mosl. T.II, p. 496. 

[39] Die Empörung des Sobokthegin gegen Bechthiär und die von ersterm bewirkte 
Abdankung des Chalifen Muti zu Gunsten des Täji billah berichtet Ebulfedä beim Jahre 363, 
Ann. mosl. T.IL, p. 514. 516. Ungenauer ist die Erzählung des Elmacin p. 232. 

[40] +2u2fedae Ann. mosl. 1. c. p- 516. 518. Elmaein I. c. 

[41] Am 14. Dschumäda ’] ewwel 364 (27. Jan. 975) nach Ebulfedä a.a. O. p. 518. 

[12] Mehreres Einzelne über diese Begebenheit wird von Ebulfedä (Ann. most. T.II, 
p-520) mitgetheilt, und dabei des Mersbän, eines Sohns des Bechthiär, welcher damals Statthal- 
ter seines Vaters zu Basrah war, erwähnt. Vielleicht ist dieser Mersbän derselbe, welcher bei 
Mirchond unter dem Namen Ebu Nesr (Kap. XI.) vorkömmt. Vgl. Eimacin p.232. 

[43] Vgl. Aöulfedae Ann. mosl, a. a. O. p. 528. 

[44] Nach Ebulfedä (Ann. most. a. a. O. p. 536-538), welcher über diese Begebenhei- 
ten genauere Nachrichten mittheilt als Mirchond, ereignete sich die Schlacht, in welcher Bech- 
thiär gefangen wurde, bei dem Kasr eldschess (d. i. Gypsschlosse) im Districte von Thekrith. 
Nach Elmacin p. 236 wurde Bechthiär in der Schlacht selbst getödtet, und die Schlacht fand 

Philos.- histor. Abhandl. 1835. P 


14 WıIıLKeEn: 


Statt im Monate Schewwäl (Jun. 977). Dieses Kriegs des Adhed eddewleh und Bechthiär ge- 
denkt auch Cedrenus (ed. Paris p.696-698), berichtet aber davon mit grofser Ungenauigkeit 
und ohne alle Kenntnils der damaligen Zustände des Chalifats, indem er den Adhed eddewleh, 
welchen er mit dem Namen Xocpöns richtig bezeichnet, als einen saracenischen oder arabischen 
Fürsten, den Bechthiär dagegen, den er "Ivapyos nennt, als einen Perser darstellt, welcher 
durch die Trägheit und das ausschweifende Leben des Chusrew (Adhed eddewleh) die seit lan- 
ger Zeit ersehnte günstige Gelegenheit gefunden zu haben glaubte, sein Volk von der Herrschaft 
der Saracenen oder Araber zu befreien, und für diese Unternehmung das ganze Geschlecht der 
Achämeniden bewaffnete. Man sieht sehr leicht, dafs Cedrenus seinem Chosroes zur Last legt, 
was von Bechthiär zu melden war, und dafs er nicht wulste, dafs beide demselben Geschlechte 
angehörten. Übrigens mag es richtig sein, was Cedrenus berichtet, dafs Adhed eddewleh den 
Sieg über Bechthiär mit Hülfe des gefangenen Römers Sclerus gewann. Auch nach Cedrenus 
fand Bechthiär (Ivapyss) schon in der Schlacht den Tod. Über die Verhältnisse des Sclerus 
zu Adhed eddewleh und dessen Sohn Samsäm eddewleh sind die Nachrichten des Elmacin zu 
vergleichen p. 245. 246. 250-252. 

[45] Über die Eroberungen des Adhed eddewlch in Mesopotamien s. Abulfeda a.a.O. 
p.5/40-542. Kemäl eddin, der bekannte Geschichtschreiber von Haleb, erwähnt keines andern 
Verhältnisses zwischen Adhed eddewleh und Saad eddewleh, als dafs der letztere im Jahre d. H. 
367 den Scherif Ebulhassan Ismail Ibn ennasir elhassani nach Bagdäd sandte, um dem Adhed 
eddewleh wegen des Sieges über Bechthiär und der Besitznahme von Bagdäd Glück zu wün- 
schen; worauf Saad eddewleh sowohl von dem Chalifen Täji (durch Vermittelung der Bath- 
kineh, wahrscheinlich einer Gemalin desselben) ein Ehrenkleid und den Ehrentitel Saad eddew- 
leh, als auch von Adhed eddewleh mehrere Ehrenkleider und einen Brief erhielt, in welchem 
er mit den Wörtern: „mein Herr, mein Gebieter, meine Hülfe,” angeredet wurde. Vgl. Re- 
gierung des Saahd-aldaula zu Aleppo, herausgegeben von Dr. G. W. Freytag. Bonn 1520. 4. 
p- 13. 14. (Arab. Text p.1S). 

[46] Aöulfedae Ann. most. l.c.p.552. Elmacin p.239. 

[#7] Vgl. historische Anmerk. 1. 

[48] Über die von Mirchond erwähnten Bauwerke des Adhed eddewleh s. Herbelot 
bibliotheque or. v. Adhad eddoulat. Abulfaragü Historia Dynast. p.319. 

[49] Mirchondi Histor. Samanid. p.S0 sg. 

[50] Über den Titel Sähib d.i. der Gesellschafter vgl. Hammer’s Länderverwaltung 
unter dem Chalifate S.3/. 35. „Der erste Vesir,” sagt Heider in seiner Chronik, „welcher den 
Ehrennamen Sähib führte, war Ibn Ibäd, und dieser Beiname wurde dadurch veranlafst, dafs Ibn 
Ibäd schon vor seiner Ernennung zum Vesir der beständige Gesellschafter des Mujid eddewleh 
war und daher den Beinamen Sähibi Schuhreth (d.i. Gefährte des Ruhms) erhielt; andere aber 


berichten, dafs Mujid eddewleh dem Ibn Ibäd zu der Zeit, als er ihn zum Vesir ernannte, jenen 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 145 


Ehrentitel deswegen ertheilte, weil Ibn Ibäd von seiner Jugendzeit an bis zu seiner Erhebung 
zum Vesir Gesellschafter des Mujid eddewleh gewesen war.” Eine andere Erklärung des Na- 
mens findet sich bei Ebulfedä, Ann. mosl. !.c. p.556. 

[51] Mirchondi Historia Samanid. p.90. Abulfedae Ann. mosl. l.c. p.554. 556. EI- 
macin p. 240. 

[52] Diese Münze war ohne Zweifel nur zu Geschenken bestimmt, wie auch Ebulfedä 
andeutet, nach welchem Ibn Ibäd dem Fachr eddewleh Einen Dinär dieser Art als Geschenk 
überreichte. Ann. mosl. l.c. p.564. Nach der Angabe des Heider standen neben den Ehren- 
titeln des Fachr eddewleh, auf dieser Münze auch die Ehrentitel des Chalifen Täjı. 

[53] Nach Ebulfedä führte Behä eddewleh auch den Namen Chärschäds (Sl). 
Ann. mosl. l.c. p.566. T.III, p. 18. 

[54] Die Chronik des Heider setzt dafür Chusisthän. 

[35] In der Chronik des Heider: s\>®  d.i. das Wasser des Tigris. Vgl. Herbelot 
bibl. or. v. Fakhr aldaoulat. Unter dem Flusse von Ahväs oder Chusisthän (vgl. hist. Anm. 25) 
kann wohl nur der Kercheh, welcher, nachdem er die Provinz Chusisthän durchströmt, unfern 
von der Vereinigung des Euphrat und Tigris in den Schatt elarab fällt, verstanden werden. 

[56] +4öulfedae Ann. mosl. 1.c. p.536. Elmacin p.254. 

[57] Vgl. Herdeior a.a.0. 

[55] Den Unterschied der Usul und Furu weils ich zwar nicht genauer anzugeben, 
allein ohne Zweifel werden diese Worte als Bezeichnungen der Hauptlehren und untergeord- 
neten Lehren oder der Lehren der ersten und zweiten Classe in der theologischen Kunstsprache 
einander in gleicher Weise entgegengesetzt, wie in der Terminologie der arabischen Gramma- 
tiker. Vgl. ‚Silo. de Sacy Anthologie grammaticale arabe p.59. Über die Lehren der Mothase- 
liten vgl. Muradgea d’Ohsson Tableau de ’Empire Ottoman T.], p.50. 

[59] Aöulfedae Ann. most. I.c. p. 598. Vgl. Herbelot biblioth. or. 2.2.0. Abulfaragiüi 
Hist. Dynast. p.333. Elmacin p.255. 

[60] Jöulfedae Ann. mosl. ad a. 372 1.c. p. 554. 

[61] Ebulfedä setzt diese Ereignisse in das Jahr 376, Ann. mosl. !.c. p.560; Elmacin 
(p. 240) wie Mirchond in das Jahr 375. 

[62] Scherf eddewleh starb nach Ebulfedä (Ann. mosl. 7. c. P.566) im Anfange des 
Dschumada ’lachireh 379 (Sept. 959). Vgl. Elmacin p. 241. 

[63] Bei Elmacin (p. 240) Ebulhassan. 

[64] Nach Ebulfedä gelangte der Ferräsch Medscheddin, den er Mohammed Schiräsi 
nennt, erst nach dem Tode des Scherf eddewleh zu der Burg, in welcher Samsäm eddewleh 
gefangen gehalten wurde, und vollzog dann gleichwohl die ihm befohlne Blendung des Samsäm 
eddewleh. Ann. mos!. ad a. 379 T.UI, p.566. Vgl. ad a. 388 i2id. p.600. Damit stimmt auch 
Heider, welcher für diese Begebenheiten eben so wie Ebulfedä die Chronik des Ibn elathir 


P2 


116 WırKen: 


benutzte, überein, indem er hinzufügt, dals der Ferräsch Mohammed zwar von dem mittlerweile 
erfolgten Ableben des Scherf eddewleh unterrichtet war, mit dem Befehlshaber der Burg, in 
welcher Samsäm eddewleh sich befand, Ebulkäsim elalä, aber übereinkam, den Samsäm eddew- 
leh zu blenden, bevor der Tod des Scherf eddewleh allgemein bekannt würde, um den Söhnen 
des letztern die Herrschaft zu erhalten. 

[65] Vgl. Herbelot bibliotheque or. v. Samsam aldoulat. 

[66] Vgl. Zerdetot a.a. O., wo diese Ereignisse in das Jahr 353 d.H. (Chr. 993) ge- 
setzt werden. 

[67] Vgl. Herbelot a.a.0. Ebulfedä (Ann. mos2. T.U, p.600) sagt blofs, dafs Samsim 
eddewleh auf Veranlassung eines Aufstandes seiner Dilemitischen Miliz getödtet worden sei. 
Es ist auffallend, dafs Mirchond in der Nachricht von dem Tode des Samsäm auf eine kurz vor- 
hergegangene chronologische Angabe sich bezieht, welche in seinem Texte fehlt. 

[65] Vgl. Adulfedae Ann. most. T.II, p.572. 574. Abulfaragii Hist. Dynast. p.332. 

[69] Vgl. Abulfedae Ann. most. T.II, p.578. Die in diesem Absatze des Mirchond 
vorkommenden Worte: vl wüles > er L X sslawlss sind mir nicht deutlich; 
vielleicht ist „=> wüler zu lesen, wodurch der Sinn entstehen würde, „weil er mit den 
Leuten nicht in einer anständigen Weise umging,” d.i. sie nicht in der rechten Weise behan- 
delte, sich also verhafst gemacht hatte. 

[70] Da wir über diese Ereignisse bei keinem andern Schriftsteller genauere Nach- 
richten finden, so können wir nur für die Ermordung des Ebu Nesr die chronologische Angabe 
des Elmacin (p.256) hinzufügen, nehmlich das Jahr 391 (vom 30. Noy. 1000 bis zum 18. Nov. 
1001). Die Eroberung von Färs durch Behä eddewleh, so wie die von Mirchond berichtete 
erste Unterwerfung von Kermän scheint etwa'in das Jahr 359 oder 390 gesetzt werden zu müs- 
sen. Dafs Behä eddewleh nach der Eroberung von Färs seinen gewöhnlichen Wohnsitz von 
Bagdäd nach Schiras verlegte, scheint aus der von Herrn Silvestre de Sacy (Memoires sur diverses 
antiquites de la Perse p.137. 138. 149 folg.) erläuterten Kufischen Inschrift zu Persepolis sich zu 
ergeben, indem in dieser Inschrift gemeldet wird, dafs Behä eddewleh im J. 392 mit seinem 
Sohne, dem Emir elumerä Ebu Mensur, auf der Jagd nach Persepolis kam und daselbst eben so 
wie früher sein Vater Adhed eddewleh (s. histor. Anm. 18), die alten verwitterten Inschriften 
las. Nach den Angaben der Geschichtschreiber starb auch Behä eddewleh in Färs oder doch 
an der Gränze dieser Provinz, nach Ebulfedä (Ann. mos2. T.IH, p.15) und Elmacin (p.257) zu 
Ardschän in Chusisthän hart an der Gränze von Färsisthän, nach Heider zu Schiräs. Des in der 
Inschrift erwähnten Sohns des Behä eddewleh, des Emir elumerä Ebu Mensur, gedenken auch 
die persischen Geschichtschreiber nicht; er starb ohne Zweifel vor dem Vater, war mithin nur 
kurze Zeit Emir elumerä zu Bagdäd, und die Geschichtschreiber fanden daher keine Veranlas- 
sung seiner zu erwähnen. Vgl. Siwestre de Sacy a. a.0. S. 151 folg. 

[71] Abulfedae Ann. mos!. T.Ill, p. 6. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. Ad, 


[72] Am 10. Dschumada ’lachireh (16. Dec. 1012). Abulfeda 1.c. p.13. Vgl. Elmacin p.257. 

[73] Abulfedae Ann. most. T.Il, p.598. Abulfaragii Histor. Dynast. p.333. 

[74] Vgl. Adulfed. Ann. mosl. T.III, p.94. Zeiskii annotat. hist, ibid. p.665. Dals Ibn 
Sina Vesir desMedschd eddewleh gewesen, erwähnt auch Herbelot Bidlioth. or. v. Magdeddoulat. 
Choand emir, der das Leben des Ibn Sina in seiner Geschichte der Vesire (1); #1 , m a) 
unter den bujidischen Vesiren weitläuftig beschreibt (Mss. orient. Bibl. reg. Berol. Fol. 288, 
fol. 72°-50°), läfst ihn dagegen Vesir des Ala eddewleh Ebu Dschafer Ibn Käkujeh sein. 

[75] Abulfedae Ann. mosl. T.1I, p.616. Ebu Dschafer Schehrjär hiefs Ibn Käkujeh 
(d.i. Sohn des Oheims), weil sein Vater der Oheim oder Mutterbruder der Seideh war. Das 
Wort Käkujeh im Persischen ist, wie Ebulfedä angiebt, dem arabischen Chäl (avuncuzus) gleich- 
bedeutend. Heider bemerkt, dafs das Wort Käkujeh die angegebene Bedeutung in der Sprache 
von Dilem habe. Ibn Käkujeh starb im Jahre d.H. 433 nach Adulfed. Ann. mos2. T.III, p.114. 

[76] Herbelot Bibliotheque orient. v. Magdeddoulat. 

77] Vgl. Mirchondi Histor. Gasnevid. Kap. XVII, p.57 (der Übers. p- 226. 227). 

[7s] Vgl. Herbelot v. Magdeddoulat. 

[79] Mirchondi Historia Gasnevid. 1.c. (der Übers. p- 227). 

[so] Elbetäik d.i. die Niederungen war nach Ebulfedä (Tabula Iraki ed. VPüstenfeld 
p-7 und in Büsching’s Magazin für die neue Historie und Geographie Th.IV, S.256) der Name 
eines sumpfigen und wasserreichen Landstrichs zwischen Basrah und Wäsit. Über Mohadsdsib 
eddewleh s. Abulfedae Ann. mosl. ad a. 369 T: U, p-562. 

[sı] Nach Elmacin (p.237) war schon dem Adhed eddewleh der Titel Schähinschäh 
von dem Chalifen Täji bewilligt worden. Über die von Mirchond berichteten Händel des Sul- 
tän eddewleh und Muschrif eddewleh vgl. Adulfedae Ann. mosl. T.IH, p.50. 

[s2] Vgl. Adusfeda 1. c. 

[53] Vgl. Adulfedue Ann. mosl. T.II, p.62. 

[s4] Im Monate Schewwäl (Jan. 1025) nach Ebulfedä T. III, p.611 und Elmacin p. 262. 
Ebu Kälendschär heilst in dem Reiskischen Texte der Chronik des Ebulfedä überall und bei 
Ebulferedsch (Histor. Dynast. p.344) Ebu Kälıidschär VEN). Heider legt ihm noch den Na- 
men Husäm eddewleh (X, N} Puu>) bei. 

[55] Abulfedae Ann. mosl. 1. c. p. 66. 

[56] Abulfedae l.c. p.68. Elmacin p.262. 

[57] 4uifeda 2. c. p.68. 70. 

[ss] Abulfeda l.c. p- 70. Elmacin l.c. 

[ss] Vgl. Abulfeda I.c. Heider berichtet über diese Verhältnisse also: 


> wrbe Al ol wu OU sl sp zT At SU> Pain, vo u Js 52 
I yo Ip Oyamı asuli> sul> ui Alt Um, ws, 5 JE mis Rs 


418 WıLKken: 


wra>i,a ug „w ls Sul el B\ Ar unminis Sul ums 9 sm 
ob; Pe SB, Re 7) gu Acıır 55) sw) BIS x st MS Aal S>s yY, 
wi 13 0a 2 ST N se AUT 8 5 O5 I zi Ola 9,57 ai 
It lm ms sul Ad wu ze SICH) 2 uns si sül> zb un 
er nas (50, Bi Sa) JU> I Kl wOna> 0) > Or A ge 35) 
wma, Ijs) ls m all Be sul> P> „ei 5 ob ERSSHLT) SS Sans 
Ada wu ze win a 0 5 O5 

d.i. „Als im Jahre 418 Dscheläl eddewleh aus Basrah nach Bagdäd kam, so setzte sich der Cha- 
life Kädir billäh der Abbaside in ein Schiff und fuhr ihm entgegen, und Dscheläl eddewleh, 
nachdem er in der gewöhnlichen Weise dem Chalifen durch den Kuls des Bodens seine Ehrer- 
bietung bezeigt hatte, nahm in der Ehrenversammlung desselben seinen Platz. Nach einer 
Stunde kehrte der Chalife in den Palast des Chalifats zurück, und Dscheläl eddewleh, bevor er 
sich in den Palast des Emirats begab, wallfahrtete zu dem Grabmale des Imäm Musa Kadhim 
(eines Nachkommen des Ali, gestorben zu Bagdäd im Jahre 183 d.H. nach Adulfedae Ann. mosl. 
T.II, p.76), und verrichtete daselbst seine Andacht. Dann begab er sich in den Palast des 
Emirats; und als er festen Fuls zu Bagdäd gefalst hatte, so lie[s er vor der Pforte seines Hauses 
(täglich) fünfmal zu den Zeiten des Gebets die Heerpauken schlagen. Der Chalife sandte 
hierauf einen Abgeordneten an den Dscheläl eddewleh und liels ihm solches verbieten, weil 
es ein Vorrecht der Chalifen war, und Dscheläl eddewleh liefs mit Unwillen und Verdrufs 
das Schlagen der Heerpauken einstellen. Zuletzt aber sandte der Chalife Kädir billäh einen 
Abgeordneten an Dscheläl eddewleh und ertheilte die Erlaubnis, zu den fünf Zeiten des Gebets 
die Heerpauken schlagen zu lassen.” Nach Elmacin (p. 237) gewährte schon im J.368 der Cha- 
life Täjı dem Adhed eddewleh das Recht zu den fünf Zeiten des Gebets am Thore seines Palas- 
tes die Heerpauken schlagen zu lassen; Elmacin bemerkt zugleich, dafs dieses Recht weder 
früherhin einem Emir zugestanden worden war, noch den Nachfolgern des Adhed eddewleh in 
der Herrschaft gewährt wurde. Dagegen berichtet Ebulfedä (Ann. mosl. ad.a. 408 T. II, p.46), 
dafs Adhed eddewleh das Schlagen der Heerpauken auf drei Male täglich beschränkte und Sultän 
eddewleh zu allen fünf Zeiten des Gebets die Heerpauken erschallen liefs. Vgl. Jos. v. Hammer 
Geschichte des Osmanischen Reichs Th.I. (Pesth 1827. 8.) S.23. Dessen Länderverwaltung un- 
ter dem Chalifate S. 181. 

[90] Abulfedae Ann. mosl. T.III, p.74. Elmacin p.263. 

[91] Vgl. Kap.XII, S.43, 44. 

[92] Abulfedae Ann. mosi. T.IIl, p.78. 

[93] Den Namen des Vesirs nennt Heider: Ebu Isbak Suheili, und der von Mirchond 


erzählte Aufstand ereignete sich nach eben jenem Schriftsteller im Monate Rebi elewwel 423. 


Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 119 


[94] Der Emir Adil Behrim sprach nach Heider damals also zu Ebu Kälendschär: 
„wenn eine Schaar von Türken käme, so würde es rathsam sein, dals du nach Bagdäd dich be- 
gäbest; aber auf einen blofsen Brief dieser aufrührischen Leute dahin zu gehen, ist durchaus 
unzweckmälsig, denn sie sind unzuyerlässig in ihrem Reden und ihrem Handeln.” 

[95] „Die Leute von Bagdäd,” sagt Heider, „holten nach 43 Tagen den Dscheläl ed- 
dewleh nach Bagdäd zurück und gaben sein Vesirat dem Ebulkäsim Ibn Mäkulä (Iy9) Dyl;»s 
Is pt ll ob). 

[96] Fast dieselben wahrscheinlich aus der Chronik des Ibn el Athir genommenen 
Worte stehen in Adulfedae Ann. mosl. T.II, p. 2. 

[97] Eine ausführlichere Nachricht theilt über diesen Aufstand Heider aus Ibn ela- 
thirs Kämil eththewärich mit, indem er meldet, dafs Dscheläl eddewleh genöthigt war, heimlich 
aus seinem Palast zu Bagdäd zu entweichen, ein Schiff zu besteigen und nach der Vorstadt Kerch 
sich zu begeben. Von dort setzte er seine Flucht nach Thekrit fort. Endlich vermittelte der 
Chalife einen Frieden, welcher, wie Heider bemerkt, in der damaligen Lage des Reichs der 
Bujiden weder von erheblichem Nutzen noch von langer Dauer war. 

[9s] Nach Elmacin p. 266 erhielt Dscheläl eddewleh den Titel Schähinschäh Melik el 
moluk schon im J. d.H. 422. 

[99] Über den Streit, in welchen im J. 43/4 Dscheläl eddewleh mit dem Chalifen ge- 
rieth, s. Abulfedae Ann. mosl. T.III, p.118. Auch Heider erzählt diese Händel. 

[100] Dieselbe Nachricht findet sich in Adu/fedae Ann. mosl. !.c. p. 120. 

[101] Nach Ebulfedä a.a. O. und p. 122 im Safar 436. 

[102] Ebulasis Mensur, ein trefflicher Dichter, starb nach Ebulfedä (a. a. ©. p. 120. 
132) zu Majäfärekin. 

[103] Vgl. Abulfaragii Historia Dynastiarum p.344. 

[104] Ebu Kälindschär starb am 4. Dschumäda ’lewwel 440 in der Stadt Dschenäb in 
Kermän. Abulfedae Ann. mosl. l.c. p.128. 

[105] Bei Ebulfedä (z.B. p.130) und Heider findet der Name Fulädsuthun sich abge- 
kürzt Fuläsuthun (+, #Nb). 

[106] Nach Abuzfedae Ann. mosl. a.a.O. p.130 setzte sich Ebu Mensur, welcher da- 
mals aus der Gefangenschaft befreiet war, im Jahre d.H. 441 (Chr. 1049. 1050) in den Besitz 
der Provinz Färs. - 

[107] Nach Heider gerieth Ebu Mensur damals (im Monate Schewwäl 4/0) mit seiner 
Mutter in die Gefangenschaft des Ebu Said, welcher ihn dem Melik rahim überlieferte. Ebu 
Mensur wurde hierauf in der Burg von Istachar bewahrt, später aber durch die Truppen von 
Schiräs befreiet, wie auch Mirchond im folgenden berichtet. 

[105] Nach Aöulfedae Ann. most. a.a.0. p.132 im Jahre d.H. 445 (vom 22. April 1053 
bis zum 10. April 1054). 


120 Wırxen: Geschichte der Sultane aus dem Geschlechte Bujeh. 


[109] Abulfedae Ann. moslem. a... 0. 

f! 10] Sehr übereinstimmend mit Mirchond wird das Ende der Herrschaft der Bujiden 
zu Bagdäd erzählt von Ebulfedä a.a.O. p.146. 148. Eben so von Heider, welcher nur weniges 
hinzufügt. Vgl. Abulfaragüi (Bar Hebraei) Chronicon syr. p.244-247. Melik rahim starb (nach 
Abulfedae Ann. mosl. a.a.O. p. 180) im Jahre 450 (Chr. 1058), nach Heider im Jahre 451 (Chr. 
1059), als Gefangener in der Citadelle von Rai. 

[tt] Nach Herbelot Bibliotheque orient. v. Malek rahim im J. d.H. 448 (Chr. 1056). 
Der Name Feslujeh würde nach arabischer Weise Fedhleweih auszusprechen sein. 

[112] Dieser Sultan Moassis dewleth Chäkani, für welchen Mirchond den göttlichen 
Schutz anruft, kann wohl kein anderer sein, als der Timuride Ebulgäsi Hossein Behädurchän, 
unter dessen Regierung Mirchond sein Werk verfalste (s. Silo. de Saey Memoires sur diverses 
antiquites de la Perse p.XIV folg.). Nirgends finde ich jedoch jenen Sultän, den Mirchond ge- 
wöhnlich nur Chäkän Mansur nennt (vgl. Am. Jourdain Notice de ’histoire universelle de Mirkhond 
im neunten Bande der Notices et extraits des Manuscrits de la Bibliotheque du Roi p.25) mit dem 
Beinamen Moassis eddewleth bezeichnet. Am ausführlichsten wird bei Mirchond (im 7'° Bande 
Ms. orient. Biblioth. reg. Berolin. Fol. 36. fol.17*) jener Sultan also genannt: Chäkän Mensur 


dschihängir sultäni meschrekin we schähinschähi magrebin Ebulgäsi Mirsä Sultän Hossein. 


9 BBDBID11 m— 


Verbesserungen. 


S.9 Z.6 von unten sind nach den Worten: „seines widerspensligen Bruders” die Worte aus- 
gefallen: „wurde auf Befehl desselben geblendet.” 

S.12 in der Geschlechtstafel ist bei Rusthem Medschd eddewleh dessen (Kap. 12, S. 59 erwähnter) 
Sohn Ebu Dilf nachzutragen, und eben daselbst sind bei Ebu Ali dem Sohne des Scherf 
eddewleh die Worte: Äurreth elain Melik zu löschen, indem dieselben nur (Pers. Text 
S. 36, Übers. S. 52) als höfliche Bezeichnung des Ebu Ali vorkommen. 

S.15 Z.10 und S.21 Z.1 und 4 statt > 1. >. 

5.19 2.3 statt (SKI. (X. 

S.23 Z.15 statt wsLb SL 1. wuöb ssöl>. Diese und einige wenige andere leicht erkennbare 
Auslassungen des s wird der geneigte Leser gütigst entschuldigen. 

S.49 7.16 statt (u 1. „LM>. 


Über 
die Besorgnisse, welche die Zunahme der 
Bevölkerung erregt. 


Von 
H”" HOFFMANN. 


anna 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 22. October 1835.] 


B: zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts stand die Sorge für Zunahme 
der Bevölkerung oben an unter den Pflichten der Staatswirthe. Bedenken 
ward nur zuweilen geäufsert über die Wahl der Mittel, die Volkszahl zu 
vermehren; über die Anwerbung unzuverläfsiger Ausländer zur Verstärkung 
der Heere; über das Anlocken fremder Ansiedler durch kostbare Unter- 
stützungen; über die mittelbare Begünstigung des unehelichen Beischlafs 
durch Milderung der Folgen desselben für die Mütter. Aber als Grundsatz 
stand fest: das Entstehen neuer Haushaltungen müsse nach Möglichkeit be- 
günstigt, Abbauen neuer Ackerhöfe durch Theilbarkeit des Bodens beför- 
dert, Anstellen neuer Gewerbe durch Gewerbefreiheit erleichtert werden. 
Die Schranken, welche Grund-, Gemeine-, Zunft- und Familien-Rechte 
der Ausführung dieser Ansicht entgegenstellten, galten für Übel, welche 
zwar mit Schonung, aber auch mit Beharrlichkeit vertilgt werden müfsten. 
Die Regierungen wollten allerdings nicht blos eine zahlreiche, sondern auch 
eine kräftige und thätige Bevölkerung: aber Thätigkeit, meinten sie, finde 
sich schon, wo jeder rüstig arbeiten müsse seinen Unterhalt zu verdienen; 
Fleifs und Sparsamkeit gründe Wohlstand in der grofsen Masse des Volks; 
die vielen Steuergroschen brächten mehr, als die wenigen Steuerthaler; und 
zuletzt entscheide Mannschaft und Geld über die Macht der Staaten — eine 
Macht, deren Aufgabe wiederum nur Eröffnung neuer Erwerbsquellen, 
Sprengen der Hemmketten, welche fremde Eifersucht der Thätigkeit des 
Volks anlegte, und Erweiterung des freien Schaffens und Wirkens sein sollte, 
so weit menschliche Kräfte reichen. 
Philos. - histor. Abhandl. 1835. Q 


122 Horrmann über die Besorgnisse, 


27 


Wärend der Donner des britischen Geschützes siegreich auf allen 
Meeren vom Aufgange bis zum Niedergange ein Übergewicht verkündigte, 
welches als Lohn für Beachtung dieser Lehren erschien, ward den Briten in 
ihrer reichen Heimat selbst die Armentaxe so lästig, dafs leise Zweifel an 
der Glückseligkeit einer unbegränzten Volksvermehrung entstanden. Aber 
die öffentliche Meinung wollte sich des uralten Glaubens so leicht nicht ent- 
äufsern; und Malthus, der solche Zweifel im Jahre 1798 in einer Flug- 
schrift aussprach, mufste bald darauf ein Buch von zwei Bänden schreiben, 
um Ansichten zu vertheidigen, deren kühne Neuheit hier empörte, dort 
blendete, überall aufregte. Als Hegewisch im Jahre 1806 dieses Werk 
aus der dritten Auflage, die seitdem schon nothwendig geworden war, ins 
Deutsche übertrug, war er noch veranlafst, seiner Übersetzung (!) einen be- 
helmten Prolog vorzusetzen: und sie schliefst mit einem Auszuge aus der 
Vertheidigungsschrift, die Malthus selbst noch dieser dritten Auflage sei- 
nes Buchs anhängte, weil es bis dahin fortwärend ein Stein des Anstofses 
geblieben war. Seitdem reichte schon ein Viertel-Jahrhundert hin, den 
Stand der Meinungen gänzlich zu verändern. Malthus Warnungen sind 
nicht nur fast allgemein gebilligt, sondern von einigen sehr laut gewordenen 
Stimmen so weit überboten worden, dafs die neue Weisheit begann, sich 
ihrer eignen Fortschritte zu schämen. Unter solchen Verhältnissen ist es so 
sehr an der Zeit, die Sühne zu versuchen, dafs diesem Versuche nur noch 
das Verdienst bleibt, einer im Gewerbs- und Geschäfts- Leben bereits aus- 
gebildeten Ansicht Worte geliehen zu haben. 

Malthus hat nie verkannt, dafs die Macht der Staaten bedingt werde 
durch die Kraft ihrer Bevölkerung, und durch die Weisheit, womit ihre Re- 
gierungen diese Kraft gebrauchen. Auch damit ist er einverstanden, dafs 
diese Kraft ebensowohl in der Anzahl, als in der Beschaffenheit des Volks 
beruhe. Er ist ferner von der Überzeugung durchdrungen, dafs durch ein 
bestimmtes Maafs von äufsern Gütern auch nur ein bestimmtes Maafs von 
Menschenkraft unterhalten werden kann. Dieses Maafs ist erreicht, sobald 
die Anzahl der Menschen nicht vermehrt werden kann, ohne mehr Kraft 
durch ihre verringerte Beschaffenheit zu verlieren, als durch ihre vermehrte 


(') Sie trägt auf dem Titel beider Bände die Jahrzahl 1807, aber die Vorrede ist — 
„Hamburg, im September 1806” — unterzeichnet. 


welche die Zunahme der Bevölkerung erregt. 123 


Anzahl gewonnen wird. Aber der Unterhalt des Menschen hängt nicht al- 
lein von dem Besitze äufsrer Güter, sondern auch von den geistigen und 
körperlichen Kräften ab, womit er dieselben zu benutzen vermag. Diese 
Bemerkung hat indefs Malthus auch nicht übersehen. Er nimmt sogar 
selbst an eine Fähigkeit des Menschengeschlechts, die Mittel zu seinem Un- 
terhalte zu vermehren, die jede zur Zeit angebbare Gränze übersteigt. Ne- 
ben dieser steht nun die Fähigkeit des Menschengeschlechts sich durch einen 
Überschufs der Geburten über die Todesfälle der Zahl nach zu vermehren; 
und für diese Vermehrung sind in einem gegebnen Kulturstande zweierlei 
Gränzen denkbar: die eine, wobei das höchste Maafs von menschlichen 
Kräften entwickelt, die andre, wobei die höchste Zahl von Menschen un- 
terhalten wird. 

Dafs nur die erstgenannte dieser beiden Gränzen zu erreichen gesucht 
werden müsse, ist aufser Zweifel. Das Unterscheidende in Malthus Vor- 
trage besteht aber darin, dafs er annimmt: ein Naturgesetz selbst treibe das 
Menschengeschlecht über diese Gränze hinaus zur Vermehrung bis dahin, 
wo die Möglichkeit, der vorhandnen Anzahl Unterhalt zu schaffen, aufhört, 
und die peinlichsten Entbehrungen die Fähigkeit der menschlichen Natur, 
sie zu erdulden, übersteigen. 

Zu dieser Annahme gelangt er durch eine eigenthümliche Vorstellung 
von dem Naturgesetze, welches die Fortschritte befolgen, die das Menschen- 
geschlecht in der Vermehrung einerseits seiner Zahl, andrerseits seiner Un- 
terhaltsmittel macht. 

Es ist an sich ganz natürlich, dafs die Zahl der Frauen, die gebären 
können, mit der Bevölkerung überhaupt zunimmt; dafs also in dem Wachs- 
thume der Volkszahl selbst ein Grund zur Beschleunigung dieses Wachs- 
thums liegt. Soweit störende Verhältnisse die Wirkungen des allgemeinen 
Naturgesetzes nicht ändern, wird die Vermehrung hiernach in einer geome- 
trischen Reihe fortschreiten; wie bei einem Kapitale, wozu terminlich die 
Zinsen geschlagen werden. Es ist selbst gewöhnlich, das Maafs dieses Fort- 
schreitens, eben wie bei zinsbar belegten Geldern, in Prozenten anzugeben. 
Der Erfahrung nach beträgt die Vermehrung der Menschenzahl im mittlern 
Europa jetzt jährlich im Durchschnitte zwischen ein und anderthalb Pro- 
zent. Im ersten Falle wird auf hundert gleichzeitig Lebende Einer mehr 
geboren, als dagegen stirbt. Es werden beispielsweise auf Hundert Vier 


Q2 


124 HorrmAann über die Besorgnisse, 


geboren, wärend nur Drei sterben, wornach auf 25 Lebende eine Geburt, 
auf 334 Lebende ein Todesfall kommt. Dieselbe Vermehrung der Zahl 
nach könnte aber auch statt finden, wenn auf hundert Lebende nur Drei 
geboren würden, aber dagegen auch nur Zwei stürben: oder wenn auf hun- 
dert Lebende Fünf geboren würden, aber schon Vier stürben. 

Bei einer Vermehrung von anderthalb Prozent werden auf zweihun- 
dert Lebende jährlich Drei mehr geboren, als dagegen sterben. Das würde 
geschehen, wenn auf 25 Lebende Einer geboren würde, aber von 40 Le- 
benden nur Einer stürbe. Es könnte aber auch bei einer gröfsern oder ge- 
ringern Anzahl der Geburten stattfinden, wenn nur die Anzahl der Todes- 
fälle sich gleichzeitig so vermehrte oder verminderte, dals der Überschufs 
der Gebornen auf Zweihundert eben Drei betrüge. 

In der Erfahrung kommen jedoch allerdings auch Fälle vor, worin 
die Vermehrung im Durchschnitte einer Reihe von Jahren mehr als andert- 
halb oder weniger als ein Prozent beträgt. 

Das Mehr hat seine Gränze in der menschlichen Natur; und es ist 
darnach kaum denkbar, dafs die Vermehrung anhaltend höher als drei Pro- 
zent steigen könne. In diesem Falle werden jährlich auf Hundert Drei mehr 
geboren als dagegen sterben. Das würde geschehen, wenn auf zwanzig Le- 
bende eine Geburt, auf funfzig Lebende aber nur ein Todesfall käme. Das 
erstere ist sehr möglich; und es kommen selbst wohl Fälle vor, wo schon 
auf achtzehn Lebende eine Geburt fällt: das letztre aber ist damit nicht leicht 
zu vereinigen. Der Mensch leidet in der Geburt so sehr, und die Schwäche 
der frühern Kindheit ist so viel Gefahren ausgesetzt, dafs bei einer so grofsen 
Anzahl von Geburten, als hier angenommen wird, die Sterblichkeit, auch 
bei der sorgsamsten Pflege der Kinder, nicht leicht so gering werden kann, 
als hier vorausgesetzt werden will. 

Die Verminderung der Zunahme hat keine solche Gränzen: indefs 
lehrt die Erfahrung doch, dafs überall, wo der Mensch bereits feste Wohn- 
sitze gewonnen hat, und kein besondres Mifsgeschick seinen Lebensunterhalt 
verkümmert, oder sein Leben durch Seuchen und gewaltsamen Tod ver- 
kürzt, die Zahl der Geburten merklich gröfser ist, als die Zahl der Todes- 
fälle. Es ist schon sehr wenig, wenn dieser Überschufs nur ein halbes Pro- 
zent beträgt; welches beispielsweise der Fall sein würde, wenn von zwei- 
hundert Lebenden jährlich Fünf geboren würden, und Vier stürben. Eine 


welche die Zunahme der Bevölkerung erregt. 125 


Sterblichkeit, die von funfzig Lebenden jährlich nur einen hinweg nimmt, 
ist bei so geringer Anzahl der Geburten sehr wahrscheinlich: aber es müssen 
sehr viel Menschen den Genufs des häuslichen Lebens in der Ehe entbehren, 
oder die Ehen müssen ganz ungewöhnlich unfruchtbar sein, wenn von vierzig 
Lebenden jährlich nur Einer geboren werden soll, wie hier vorausgesetzt 
werden mufs. Nimmt man aber eine gröfsre Anzahl der Geburten an: so 
müfste bei so geringem Fortschreiten der Volkszahl die gewöhnliche Sterb- 
lichkeit so grofs sein, wie sie bei den gebildetsten Völkern nur in den Jah- 
ren ist, wo Seuchen sie heimsuchen. Würde beispielsweise von 25 Leben- 
den Einer geboren, was ohngefähr die Mittelzahl für den preufsischen Staat 
ist: so müfsten, wenn die Vermehrung nur ein halbes Prozent betragen sollte, 
jährlich schon Sieben von Zweihundert, Einer also von 284 sterben. Das 
ist nahe so viel, als die gefürchteten Seuchen des Jahres 1831 wegrafften. 

Es fallen demnach für den jetzigen Zustand der gebildetsten Völker 
die wahrscheinlichen jährlichen Vermehrungen zwischen ein halbes Prozent 
und drei Prozent jährlich im Durchschnitte. Ferner ergiebt die Rechnung 
von Zinsen auf Zinsen, dafs eine Verdoppelung der vorhandnen Volkszahl 
erfolgen würde bei einer Vermehrung von 

einem halben Prozent in 138,9757 oder nahe 139 Jahren; 


einem Prozent in 69,660 oder nahe 692 Jahren; 
anderthalb Prozent in 46,555; oder nahe 465 Jahren; 
zwei Prozent in 35,002s das ist sehr nahe 35 Jahren; 
drittehalb Prozent in 28,010 oder nahe 28, Jahren; 
drei Prozent in 23,449s oder nahe 232, Jahren. 


Nach demselben Gesetze fortschreitend würde sodann erfolgen: 

Die Vervierfachung, nämlich die Verdoppelung der Verdoppelung, 
in den zweifach so langen Zeiträumen; die Verachtfachung, oder die Ver- 
doppelung der Vervierfachung, in den dreifach so langen Zeiträumen; die 
Versechzehnfachung, oder die Verdoppelung der Verachtfachung, in den vier- 
fach so langen Zeiträumen. 

Man geräth auf dieser Bahn sehr bald zu Ergebnissen, die weit Alles 
überbieten, was die ausschweifendste Einbildungskraft irgend noch zu erfas- 
sen vermag. Der Zeitraum von 1835 Jahren, welchen die Zeitrechnung 
der abendländischen Kirche seit Christi Geburt umfafst, enthält noch etwas 


mehr als das Dreizehnfache des Zeitraums von 139 Jahren, welcher selbst 


126 Horrmann über die Besorgnisse, 


unter der Voraussetzung, dafs der jährliche Zuwachs nur ein halbes Prozent 
betrage, die Verdoppelung der vorhandnen Volkszahl erzeugt. Da nun die 
dreizehnte Potenz der Zwei 8192 ist: so würde ein Land, das zur Zeit von 
Christi Geburt eine Million Menschen enthielt, jetzt selbst bei so sehr lang- 
samem Fortschritte der Vermehrung 8,192 Millionen, das ist sehr viel mehr 
Einwohner enthalten müssen, als man jetzt, freilich sehr ins Ungewisse hin, 
für den ganzen Erdboden anzunehmen wagt. Ein solches Ergebnifs bedarf 
keiner Erörterung seiner Unstatthaftigkeit. Aber Beispiele einer Verdoppe- 
lung der Einwohnerzahl innerhalb des Zeitraums von weniger als einem 
Jahrhunderte kommen vor in dem angebautesten Theile von Europa: die 
Möglichkeit einer Verdoppelung in der gleichen Zeit läfst sich keinesweges 
abläugnen; und dieses ist völlig hinreichend, die Gemüther mit Harren und 
Furcht der Dinge zu erfüllen, die da kommen sollen auf Erden, wenn es 
neben das Gesetz gestellt wird, das Malthus für die möglichen Fortschritte 
in der Vermehrung der Unterhaltsmittel annimmt. 

Diese Vermehrung soll in einer arithmetischen Reihe ersten Ranges 
fortschreiten; das ist in gleichen Zeiträumen um gleichviel, nicht wie bei 
der geometrischen Reihe, um gleichvielmal. 

Wächst also beispielsweise die Zahl der Einwohner jährlich um ein 
Prozent: so könnte zwar die Erzeugung von Nahrung und allen andern Un- 
terhaltsmitteln jährlich ebenfalls um ein Prozent wachsen: aber nicht um ein 
Prozent der jedesmal vorjährigen Anzahl, sondern nur um ein Prozent der 
erstanfänglichen. Die Vermehrung der Unterhaltungsmittel würde nach die- 
ser Ansicht eben so fortschreiten, wie die Vermehrung eines Kapitals, wenn 
die Zinsen davon zwar gesammelt, aber nicht wieder zinsbar belegt werden. 
Nach diesem Beispiele würde also die Vermehrung der Unterhaltsmittel in 
692 Jahren nur 692 Prozent betragen, wärend die Vermehrung der Men- 
schenzahl in demselben Zeitraume schon 100 Prozent erreichte. Bei solchen 
Verhältnissen der Fortschritte würden die Unterhaltsmittel immer knapper 
und knapper, bis die Noth endlich eine Entsittlichung erzeugte, worin das 
elende Menschengeschlecht sich selbst aufreiben müfste; auf dafs die spär- 
lichen Überreste desselben, welche der sittlichen Sündflut zu entrinnen ver- 
möchten, wiederum Raum gewönnen, einen Kreislauf von anfänglichem 
Überflusse, nachmals zureichendem Bedarf, und späterm Verarmen bis zum 
wiederholten Umsturze zu beginnen. 


welche die Zunahme der Bevölkerung erregt. 127 


Aber weder die Natur der Sachen selbst, noch die vorhandnen Er- 
fahrungen rechtfertigen eine solche Annahme. Mit den Fortschritten des 
Menschen in der Herrschaft über die Aussenwelt wächst auch sein Vermögen, 
diese Herrschaft zu erweitern: jede Entdeckung, jede Erfindung wird die 
Grundlage neuer Eroberungen in einem Gebiete, das unermefßslicher er- 
scheint, je weiter der Mensch darin vordringt. Auch die Macht des Men- 
schen-Geschlechts über die Natur ist ein Kapital, das durch Zuschlag der 
Zinsen wächst. Hungersnoth und die Seuchen in ihrem Gefolge wurden 
nicht häufiger, sondern seltner, mit der Zunahme der Bevölkerung. In 
kleinen Landstrichen, Gebirgsthälern und Inseln, kann eine schnelle Zu- 
nahme der Volkszahl Zufuhr aus der Ferne, und bis diese gesichert wird, 
harte Entbehrungen, oder wo sie nicht möglich ist, Auswanderungen auf- 
nöthigen: aber die grofsen selbstständigen Staaten erbaun überall ihre Nah- 
rung selbst; und die Landwirthe haben niemals dringender Abwendung der 
Zufuhr von Aufsen verlangt, als eben seitdem die Volkszahl so reissend 
wächst. Der eigentliche Niederrhein, das ebne Land zu beiden Seiten des 
Rheins, nordwärts der Eiffel und des Westerwaldes, mit siebentausend 
Menschen auf der geographischen Quadratmeile, erbaut nicht nur das Ge- 
treide, dessen seine Bevölkerung bedarf; sondern versorgt noch jährlich das 
benachbarte unfruchtbare Gebirge, und führt in guten Jahren selbst noch 
Getreide nach Holland aus. Dennoch liegen auch in diesem dicht bewohn- 
ten Lande noch beträchtliche Strecken eines Bodens wüste, der wohl des 
Anbaues fähig ist; weil Kapitale bisher immer noch vortheilhafter in den 
fabrizirenden Gewerben angelegt werden können, (!) welche den Verbrauch 
von Bodenerzeugnissen fortwärend vermehren. Die Provinzen Ost- und 
Westflandern, die beim Ausbruche der belgischen Unruhen im Jahre 1830 
im Durchschnitte gegen eilftausend fünfhundert Einwohner (?) auf der geo- 
graphischen Quadratmeile hatten, bedürfen so wenig einer Getreidezufuhr 


(') Der Kreis Solingen, einer der beyölkertsten und gewerbthätigsten dieses Landestheils, 
hatte nach der von seinem Landrathe, dem Freiherrn v. Hauer, im Jahre 1832 heransge- 
gebnen „statistischen Darstellung” desselben noch über 7,300 Morgen Haiden und Öden 
(S.31 des gedachten Werks). 


(2) Die Provinzen Ost- und Westflandern hatten auf zusammen 112,9439 geogr. Quadrat- 
meilen 1,297,654 Einwohner, also durchschnittlich 11,490 auf der g. Q.M. (S. preuls. allg. 
Staatszeitung v. J. 1831. Nr.20. wo diese Verhältnisse ausführlich verhandelt worden). 


128 Horrmann über die Besorgnisse, 


in gewöhnlichen Jahren, dafs sie vielmehr weiland den nördlichen Theil der 
Niederlande mit Getreide versehen halfen. Dieses Holland endlich selbst, 
das nur, weil es grofsentheils Wiesenboden ist, bisher regelmäfsig Getreide 
einführte, hat nicht nur längst aufgehört, der jährliche Abnehmer des Über- 
schusses an Roggen zu sein, den Polen sonst in die Östseehäfen sandte; son- 
dern es bereitet in diesem Augenblicke — Herbst 1835 — eine Belastung 
der Getreidezufuhr vor, weil sein Ackerbau sich niedergedrückt fühlt durch 
die niedrigen Getreidepreise. Als Grofsbritannien in der Mitte des vorigen 
Jahrhunderts ohngefähr halb so viel Einwohner hatte, als jetzt, hob seine 
Regierung die Prämien auf, womit die Ausfuhr des Getreides war begünstigt 
worden, und gab dagegen die Einfuhr desselben frei. Seit dem letzten Kriege 
macht dagegen das britische Zollsystem die Getreideeinfuhr bei gewöhnlichen 
Erndten unmöglich; und was auch für die Veränderung dieses Systems spre- 
chen möchte, es hat jedenfalls den Beweis durch die That geführt, dafs 
Grofsbritanien die verdoppelte Bevölkerung durch eignen Anbau zu nähren 
vermag. 

Damit, und mit allen den ähnlichen Thatsachen, welche noch leicht 
aus dem jetzigen Zustande fast aller europäischen Staaten zu entnehmen wä- 
ren, soll nur erwiesen werden, dafs die Annahme, worauf Malthus seine 
Besorgnisse gründete, rein willkührlich ist. Keinesweges aber soll behaup- 
tet werden: der Boden könne hinreichenden Unterhalt für jede Menschen- 
zahl erzeugen, womit die Einbildungskraft ihn für die Zukunft bevölkert. 
Die einfache Wahrheit ist nur, dafs bisher in keinem grofsen selbstständigen 
Staate die Bevölkerung deshalb zu wachsen aufhörte, weil es an der Mög- 
lichkeit fehlte, den Unterhalt für dieselbe auf eignem Boden zu erzeugen. 
Wenn die grofse Masse des Volks in einigen dicht bevölkerten Ländern darbt, 
und in Elend versinkt: so entsteht das keinesweges aus der Unmöglichkeit, 
hinlängliche Nahrung für dieselbe zu erbauen; sondern nur aus ihrem Un- 
vermögen, die Nahrungsmittel, welche erzeugt werden könnten, oder wohl 
gar wirklich schon erzeugt und vorräthig sind, zu bezahlen. Noch im Jahre 
1834 sandte Irland zahlreiche Ladungen von Weizen und Gerste nach Alt- 
England zu derselben Zeit, wo bittrer Mangel unter seiner zahlreichen dürf- 
tigen Bevölkerung herrschte, weil die Kartoffeln fast gänzlich misrathen wa- 
ren: und wärend London irisches Getreide verzehrte, sammleten seine Be- 
wohner milde Beiträge, um den Gräueln einer Hungersnoth in Irland vorzu- 


welche die Zunahme der Bevölkerung erregt. 129 


beugen. Zu der Zeit, als Malthus seine Lehre veröffentlichte, das ist im 
Anfange des jetzigen Jahrhunderts, galt eine Bevölkerung von dreitausend 
Menschen auf der geographischen Quadratmeile für die ansehnlichste, welche 
ein grofses Land im mittlern Europa etwan aus eignem Erbau ernähren könnte. 
Seitdem wurden theils vollständigere Zählungen angestellt, theils hat auch 
wirklich die Volkszahl sich sehr beträchtlich vermehrt; und es wird jetzt 
willig zugegeben, dafs im Durchschnitte wohl auch Nahrung für sechstausend 
Menschen auf der Quadratmeile gebaut werden könnte, wenn nur Kapital 
genug vorhanden wäre, um den Landbau so weit zu verbessern. Nicht über 
die Unmöglichkeit mehr Getreide zu erbaun wird geklagt, sondern über die 
Unmöglichkeit, das erbaute zu lohnenden Preisen abzusetzen; und kräftige 
Landwirthe erweitern den Anbau von Handelsgewächsen, Ölpflanzen, Tabak 
und Futterkräutern, um den Boden höher zu nutzen, als durch Getreidebau, 
dem es, der täglichen wachsenden Volkszahl ohngeachtet, an Abnehmern 
mangelt. 

So wenig ein solcher Erfolg vor dreifsig Jahren auch nur geahnet 
wurde, so wenig vermögen wir jetzt zu ahnen, wie sich das Leben in dreifsig 
Jahren gestalten wird. Wir müssen als möglich ansehen, dafs binnen dieses 
Zeitraums oder eines wenig längern, die Bevölkerung sich wieder um funfzig 
Prozent vermehren kann, wie sich dieselbe seit dem Anfange dieses Jahr- 
hunderts, schwerer Kriege ungeachtet, wirklich vermehrt hat. Wir sehen 
auch jetzt eben so wenig ein, wie der Unterhalt für diese Vermehrung der 
Volkszahl gewonnen werden solle, als wir vor dreifsig Jahren einsahen, wie 
der Unterhalt für die jetzt vorhandne Menschenzahl beschafft werden könne. 
Aber alle Erfahrungen, welche ein unbefangner Blick auf das Leben dar- 
beut, ergeben, dafs bis jetzt die Vermehrung der Volkszahl nur eine Ver- 
besserung des Zustandes der Völker zur Folge hatte; und berechtigen daher 
zu dem Vertrauen, dafs auch die künftigen Generationen gleichen Vortheil 
aus den Fortschritten der Bevölkerung zu ziehen wissen werden. 

Ein unbefangner Blick auf das Leben! — Denn allerdings ertönen 
bittre Klagen über sinkenden Wohlstand und reissende Zunahme der Verar- 
mung, welche den schneidendsten Gegensatz mit der unverkennbaren Er- 
scheinung bilden, dafs in Städten und Dörfern an die Stelle baufälliger enger 
und ungesunder Hütten jährlich mehr neue, geräumige und bequeme Wohn- 
häuser treten; dafs die Viehheerden sich vermehren und besonders veredeln; 

Philos. - histor. Abhandl, 1835. R 


130 Horrmann über die Besorgnisse, 


dafs der Ackerbau kräftiger und verständiger betrieben wird; dafs die Zahl 
der Kunststrafsen jährlich zunimmt; dafs alle Anstalten für die Sicherheit, 
Bequemlichkeit und Annehmlichkeit des Lebens sich in schnellem Fort- 
schritte verbessern; dafs endlich zu jeder neuen grofsartigen Unternehmung, 
welche Gewinn verspricht, Aktienkäufer sich drängen; und dafs in zinstra- 
genden auf Inhabern gestellten Papieren Summen belegt sind, die jede 
Vorstellung von vorhandnem verfügbarem Kapitale übersteigen, welche die 
kenntnifsreichsten Männer nur erst vor funfzig Jahren von dem Betrage der- 
selben hatten. Diesen Erscheinungen werden indefs drei allerdings auch 
ganz unläugbare Thatsachen entgegengesetzt, nämlich: 
die Zunahme der Ansprüche auf Unterstützung der Armen; 
das Sinken des Einkommens aus einem bestimmten Boden oder Kapi- 
tal - Besitze; 
und die wachsende Schwürigkeit, ohne grofse und daurende Anstren- 
gung bequemes Auskommen zu finden. 
Diese drei Thatsachen beweisen jedoch in der That etwas ganz Andres, als 
fortschreitende Verarmung. 
Es ist eine Grundbedingung aller Fortschritte des Wohlstandes und 
der Bildung, dafs Jeder, der Erwerbsmittel besitzt, diese so hoch, als im- 
mer möglich, benutze; und der Mensch verfolgt diesen allgemeinen Zweck 
um so emsiger und wirksamer, je mehr Bildung er bereits erworben hat, 
und je richtiger er demnach seine Stellung im Leben beurtheilt. In dieser 
Beziehung besteht ein Übergewicht auf Seiten der gebildeten Stände, welches 
eine natürliche Vormundschaft über die ungebildeten begründet, auf deren 
redlicher Führung das Glück der Welt beruht. Es sei ferne die gewöhnli- 
chen Klagen zu wiederholen, dafs diese Vormundschaft nicht immer redlich 
geführt worden. Wo diese Klagen gegründet sind, haben unverständige 
Vormünder sich selbst noch mehr geschadet, als ihren Mündeln. Wie viel 
auch mehr hätte geschehen können: es ist unläugbar, die zahlreiche Klasse 
der Handarbeiter hat die Ansprüche, welche sie machen darf, richtiger wür- 
digen gelernt. Ganz abgesehen von unstatthaften Forderungen, der natür- 
lichen Folge noch immer unzureichender Fortschritte der Erziehung, ver- 
langt die verständigere Mehrheit mit Recht soviel Lebensbedarf und Lebens- 
genufs, als auf der zeitigen Kulturstufe zur Führung eines wahrhaft mensch- 
lichen Lebens gehört: beides mufs gewährt werden, wenn so viel und so 


welche die Zunahme der Bevölkerung erregt. 431 


gute Arbeit verrichtet werden soll, als der Arbeiterstamm zu schaffen ver- 
mag. Jedoch ist in der Regel die Bildung noch nicht soweit vorgeschritten, 
dafs die Mittel, diesen Lebensbedarf und Lebensgenufs zu kaufen, unbe- 
schränkt zur freien Verfügung der Arbeiter gestellt werden dürften. Der 
Erwerb, welcher als Arbeitslohn in ihren Händen bleibt, ist gemeinhin nur 
hinreichend für den unentbehrlichen Bedarf des Tages: aber was sie aufspa- 
ren sollten für aufserordentliche Ausgaben, zum Übertragen von Unfällen, 
zufälligem oder periodischem Ausbleiben gewohnten Erwerbs, Krankheiten, 
Altersschwäche; was sie verwenden sollten zur Erziehung, zum Unterricht 
und zur Ausstattung ihrer Kinder; grofsentheils ihre Beiträge zur Unterhal- 
tung der Gemeine und Staats- Anstalten, deren Früchte sie nicht minder als 
die Gebildeten geniefsen; das Alles wird von den gebildeten Ständen aufser- 
dem aufgebracht, und trägt einem grolsen Theile nach die Benennung eines 
Beitrags zur Armenpflege. Es ändert das Verhältnifs nicht wesentlich, dafs 
keinesweges blos diejenigen zu solcher Armenpflege beitragen, welche die 
Arbeiter unmittelbar anstellen; sondern auch diejenigen, welche das Erzeug- 
nifs ihrer Arbeit verbrauchen, und ebendeshalb mit Recht zur Armenkasse 
steuern, weil sie eben des geringen Arbeitslohns wegen ihren Bedarf auch 
wohlfeiler kaufen. Allerdings wird nicht jede milde Gabe zu solcher Ar- 
menpflege verwandt; aber streng gerechnet gewils der bei weitem gröfste 
Theil dessen, was aus öffentlichen und Privat-Kassen als Armenunterstützung 
gezahlt wird. Es kann der menschlichen Eitelkeit wohl nachgesehen wer- 
den, dafs die gebildeten Stände als aus ihrem Eigenthum freiwillig hergege- 
ben betrachten, was in der That nichts anders ist, als schuldige und noth- 
wendige Ergänzung wohlverdienten Arbeitslohnes. Nur darf daraus keine 
Zunahme des Verarmens gefolgert werden, dafs diese sogenannten Unterstü- 
tzungen in dem Maafse wachsen, worin der Verbrauch von unzureichend 
bezahlter Arbeit wächst; theils weil bei zunehmender Wohlhabenheit mehr 
Arbeiten und Dienste gebraucht, theils weil bei zunehmender Bildung die 
Ansprüche des Arbeiterstamms auf Lebensbedarf und Lebensgenufs richtiger 
gewürdigt werden. 

Wäre die Arbeiterklasse schon gebildet genug, ihr gebürendes Ein- 
kommen selbstständig zu verwalten, so wäre Malthus Vorschlag, alle ge- 
setzliche Verpflichtung zur Unterhaltung der Armen aufzuheben, sehr ver- 
ständig: denn jede redliche Vormundschaft muls allerdings dahin trachten, 


R2 
E7 


132 Horrmann über die Besorgnisse, 


den Mündel zur Selbstständigkeit heranzuziehn. Es würde dann die Noth- 
wendigkeit, viele und gute Arbeit zu erhalten, die Zahlung eines zureichen- 
den Arbeitslohnes erzwingen. Aber von dieser Bildungsstufe sind wir noch 
weit entfernt; und es kann nur mittelst einer richtigen Einsicht in die Natur 
des Armenwesens dahin gewirkt werden, den Arbeiter fortschreitend zur hö- 
hern Selbstständigkeit zu erziehn. Wollten wir alle Unterstützungen durch 
eine geregelte öffentliche Armenpflege sofort einziehn, und alle diejenigen, 
welche deren bedürfen, für unnütze lästige Kostgänger erklären: so würde 
bald ein gänzlich unhaltbarer Zustand entstehen, welcher die gebildeten und 
wohlhabenden Stände mit grofsen Kosten und bitterm Ungemach darüber 
belehren würde, wie viele nur deswegen als Arme erscheinen, weil die Frucht 
ihrer Arbeit noch nicht vollständig zu ihrer freien Verfügung gestellt.werden 
will und darf. ; 

Es ist nothwendig, dafs derjenige, welcher seinen Naturfond oder 
seinen Vorrath zur Verrichtung von Arbeiten daran hergiebt, einen Theil 
der Früchte dieser Arbeiten erhalte: denn in dem Einkommen, welches dar- 
aus entsteht, und hier mit dem Namen Rente bezeichnet werden mag, liegt 
der mächtigste Reiz, vorbandnen Naturfond zu erhalten, Vorrath aufzuspa- 
ren, und beides möglichst nutzbar zu machen. Da das Menschengeschlecht 
immer mehr Naturfond unter seine Herrschaft zu bringen, und zu benutzen, 
immer mehr Vorräthe zu sammeln, und aufzubewahren lernt: so müfste bei- 
des, so wie es häufiger wird, auch wohlfeiler werden, wenn nicht der Be- 
darf von Arbeiten ebenfalls fortschreitend mit der Bevölkerung und Wohl- 
habenheit wüchse. Insofern erhöhter Reiz, Naturfond und Yorrath zur Be- 
nutzung zu bringen, die Macht des Menschen über äufsre Güter zu erweitern 
strebt; und insofern wirksame Nachfrage nach Arbeit die Möglichkeit sie zu 
bezahlen, also Wohlstaud, voraussetzt: insofern mag ein Steigen des Rente- 
satzes, bei Kapitalen beispielsweise des Zinsfulses, im ersten Aufschwunge 
der Gewerbsamkeit für ein günstiges Ereignifs gelten. Aber hohe Rentesätze 
verleiten auch Viele, die Kraft genug zur Arbeit hätten, sich derselben zu 
entziehn, und bei geringem Kapital oder Crund-Besitze ein mülsiges Rente- 
nirer-Leben zu führen. Solche kleine Rentenirer versinken leicht in Armut 
und Elend, wenn der hohe Rentesatz fällt, worauf allein die Möglichkeit ih- 
res Bestehens sich gründet. Auch Viele, welchen alsdann noch ein noth- 
dürftiges Auskommen bleibt, werden doch schmerzlich berührt durch die 


welche die Zunahme der Bevölkerung erregt. 133 


Nothwendigkeit, gewohnten, nun zu kostbar gewordnen Genüssen zu entsa- 
gen. Bittre Klagen über Verarmung entstehn daher unvermeidlich, wenn 
der Rentesatz sinkt. Aber hohe Rentesätze können nur anhaltend beste- 
hen, wenn die begonnene Gewerbsamkeit nicht fortschreitet. Nur Unsi- 
cherheit oder beschränkende Privilegien können die grofsen Kapitalisten ab- 
halten, ihre Gelder anznlegen, wo sich ein hoher Zinsfufs eingestellt hat, 
und einige Ausdauer verspricht; dieses Zuströmen bringt ihn jedoch noth- 
wendig herab. Ein Fabrik- oder Handels-Geschäft, welches den Aktien- 
Inhabern hohe Dividenden abwirft, regt bald eine Mitbewerbung auf, welche 
den Rentesatz herabbringt. Selbst wo Mitbewerbuug unmöglich bleibt, ge- 
niefsen nur diejenigen die hohe Rente, welche die Aktien aus erster Hand 
empfingen; bei jedem Ankaufe werden sie im Verhältnisse des höhern Ertra- 
ges auch höher bezahlt: und es sind alsdann selbst grofse Verluste möglich, 
wenn später die Gewerbsamkeit sich neue Bahnen bricht. Hohe Grundren- 
ten entstehn zuweilen durch auswärtigen Ankauf der Bodenfrucht, und sin- 
ken nur um so unretitbarer, je weniger ein sichrer inländischer Absatz vor- 
bereitet ist, wenn diese wandelbare Begünstigung aufhört. In der Regel 
beruht die Möglichkeit, dem Ausländer annehmliche Preise zu stellen, und 
dabei dennoch eine hohe Rente zu beziehn, auf dem Niederhalten des Ar- 
beitslohnes. Dabei gewöhnt der Arbeiterstamm sich leicht an eine schlaffe 
Genügsamkeit, und verlernt eine Verbesserung seines Zustandes durch er- 
höhte Thätigkeit zu erringen. In solchem Falle bleibt das Land wesentlich 
arm, ohngeachtet beträchtlicher Zuflüsse von aufsen, weil die grofse Masse 
des Volks nur soviel arbeitet, als eben hinreicht, ein armseliges Leben zu 
fristen: und die Grundherrn verarmen zulezt nicht minder, weil der vor- 
übergehende Reiz einer hohen Rente sie verleitete, die Gründung eines in- 
ländischen Absatzes durch Erwecken der Gewerbsamkeit des zahlreichen Ar- 
beiterstammes zu versäumen. 

Der steigende Werth von Grundgerechtigkeiten, und von Bauplätzen 
bei rasch aufblühenden Ortschaften hat Einige oftmals schnell bereichert, 
doch nur auf Kosten derjenigen, welche die Zinsen des Kaufpreises durch 
ihre Arbeit erwerben mufsten: die Erschwerung der Gewerbsamkeit und des 
Lebensgenusses, welche aus der Stiftung solcher Renten hervorgeht, ist je- 
denfalls ein Nachtheil, den der scheinbare Gewinn des Rentenirers nicht ver- 
gütet. 


134 Horrmann über die Besorgnisse, 


Es ist vielmehr ein Zeichen des Fortschreitens zum allgemeinern und 
dauerhaften Wohlstande, als des Verarmens, wenn der Rentesatz in allen 
solchen Fällen sinkt, obwohl die Verluste des gewohnten leichten Einkom- 
mens die Rentenirer empfindlich treffen, und selbst auf den Wohlstand zahl- 
reicher Arbeiterklassen störend einwirken, welche der Aufwand und Ver- 
kehr dieser Rentenirer bisher ernährte. Die wahre Besserung erwächst im 
Besitze der äufsern Güter nicht minder, als im Reiche der Sittlichkeit, sehr 
oft aus Trübsalen. Je blinder die Sicherheit war, womit die leicht bethörte 
Selbstsucht lockenden Gewinn auf Abwegen verfolgte; desto tiefer ist die 
Entmuthigung, welche darauf folgt: aber sie darf uns nicht verleiten, die 
Morgenröthe bessrer Tage für einen Widerschein zerstörender Brände zu 
halten. 

Dafs es der Mittelmäfsigkeit schwerer wird, bequemes Auskommen 
ohne daurende Anstrengung zu erlangen, berührt allerdings die zahlreiche 
Klasse der Mittelmäfsigen sehr schmerzlich, und erzeugt sehr verbreitete 
Klagen über Mangel an Gelegenheit zu rechtlichem Erwerbe und Schmäle- 
rung des Lebensgenusses durch übermäfsige Mitwerbung. 

Es ist zu natürlich, dafs der Mensch sein eignes Verdienst und seinen 
Anspruch an das Leben höher anschlägt, wie seine Genossen ihm zugestehn 
wollen: als dafs nicht zu allen Zeiten ähnliche Klagen geführt worden wä- 
ren. Diese Klagen wurden vormals mehr beachtet als jetzt: und es gehört 
nur wenig Kenntnifs der ältern Verfassungen der verschiednen Stände vom 
Ritter bis zum Lastträger dazu, um die Überzeugung zu gewinnen, wie viel 
mehr vormals geschahe, um die Mitwerbung zu beschränken, und den Be- 
vorrechteten jeder Klasse ihren Besitzstand zu sichern. 

Anordnungen in diesem Geiste begünstigen die Einen auf Kosten der 
Andern, und das Urtheil über ihren Werth ist deshalb nothwendig getheilt. 
Entscheiden kann hier nur die Rücksicht auf Beförderung der öffentlichen 
Wohlfahrt. Die Freiheit der Bewerbung fordert jede Kraft auf, sich im 
Kampfe zu versuchen; und sofern die höhere sittliche Kraft siegt, ist der 
Gewinn für das Gemeinwohl unzweifelhaft. Aber nicht alle Kräfte, wo- 
durch — sei es auch nur zeitlich und vorübergehend — der Sieg errungen 
werden kann, sind sittliche. Wo die Wahrscheinlichkeit überwiegt, dafs 
unsittliche Kräfte vorwaltend wirksam sein werden, wird es Pflicht: keinen 
freien Kampf zu gestatten, sondern dem Bedürfnisse möglichst abzuhelfen 


welche die Zunahme der Bevölkerung erregt. 135 


unter Beschränkungen, welche die Gefährdung der Sittlichkeit bei dessen 
Befriedigung hindern. Diese Wahrheiten sind allgemein anerkannt. Unter 
gebildeten Völkern besteht nirgend weder eine unbedingte Freiheit der Mit- 
werbung für jedes Geschäft, noch ein unbedingtes Ausschliefsen derselben: 
was wir unter den Benennungen Gewerbefreiheit und Gewerbezwang 
als Gegensätze behandeln, sind nur dem Grade nach verschiedne Formen 
der zuläfsigen Mitbewerbung. 

Es bezeichnet demnach Vertrauen auf die Zunahme der Sittlichkeit, 
wenn die Mitwerbung in Gewerben und Geschäften erweitert wird; und aus 
dieser Ansicht ist es jedenfalls ein günstiges Zeichen der Zeit, dafs die Re- 
gierungen sich im Allgemeinen zu solchen Erweiterungen hinneigen. Wäre 
das Vertrauen hierin irgend wo voreilig erweitert worden; so wird es aller- 
dings wieder beschränkt werden müssen: aber die Gränze dieser Beschrän- 
kungen darf eben so wenig von den Anträgen derer, welche die Mitwerbung 
scheuen, als von den Wünschen derer, welche sie suchen, sondern allein 
von der unbefangenen Erwägung des allgemeinen Wohls abhängen. 

Nicht allein Verarmung, sondern auch Verminderung der Dauer des 
menschlichen Lebens soll aus den Fortschritten der Bevölkerung hervor- 
gehn. Malthus hat diesen Satz auf die Bahn gebracht, und mit mehr Mä- 
fsigung, als einige seiner Nachfolger, vertheidigt. Sein Vortrag ist auch 
hier, wie überall, nicht sowohl wider die Zunahme der Volkszahl, als viel- 
mehr wider die gewöhnlichen Mittel sie zu befördern gerichtet. 

Schon einmal ist in diesem Aufsatze bemerkt worden, dafs ein glei- 
cher Fortschritt der Bevölkerung bei sehr verschiednen Verhältnissen der 
Geburten und Todesfälle stattinden könne. So wird beispielsweise die jähr- 
liche Zunahme jedenfalls ein Prozent betragen, wenn auf hundert Lebende 
durchschnittlich 

Fünf geboren werden und Vier sterben, 

Vier geboren werden und Drei sterben, 

Drei geboren werden und Zwei sterben. 
Im ersten Falle stirbt von 25, im andern von 331, im dritten von 50 gleich- 
zeitig Lebenden jedes Alters im Durchschnitte jährlich Einer. 

Der Fall, worin bei der geringsten Anzahl von Gebornen und Gestorb- 
nen der gleiche Fortschritt erlangt wird, gilt Malthus unbedingt für den 
bessern. Offenbar besteht in solchem Falle ein kleinerer Theil des Volks 


136 Horrmann über die Besorgnisse, 


aus Kindern, welche Unterhalt, Pflege und Erziehung bedürfen, ohne 
gleichzeitig durch ihre Arbeit eine hinlängliche Vergütuug dafür zu leisten. 
Der Aufwand, welchen die Nation auf den Ersatz der Gestorbnen und auf 
Erzeugung des jährlichen Zuwachses machen mufs, ist daher ein geringerer; 
und dieses ist unstreitig ein sehr erheblicher Gewinn. Nachtheilig könnte 
ein solches Verhältnifs nur insofern werden, als es eine widernatürliche Sel- 
tenheit der Ehen, oder eine widernatürliche Unfruchtbarkeit derselben vor- 
aussetzte. Malthus denkt an diesen Nachtheil nicht; gleichwohl hat Jeder- 
mann Anspruch auf das Glück des häuslichen Lebens. Auch hat die Ver- 
spätung der Ehen über ein gewisses Maafs hinaus eben sowohl Nachtheile, als 
eheliche Verbindungen vor den Jahren, worin Körper und Geist die volle 
Reife gewonnen haben. Die Jahre, worin der Mensch Lehre, Rath, War- 
nung und Trost bedarf, um zur selbstständigen sittlichen Ausbildung zu ge- 
langen, reichen weit über die Kindheit hinaus: selbst nach gänzlich vollen- 
deter Erziehung behält der Beistand der Eltern grofsen Werth; namentlich 
bei der Anstellung einer eignen Wirthschaft, und bis das häusliche Glück des 
neuen Paares befestigt ist. Verspätete Ehen hinterlassen aber meist unver- 
sorgte, oft sogar noch unerzogne Kinder. Dafs jährlich nur drei auf hun- 
dert Lebende geboren werden, dürfte schon das Aufserste sein, was in den 
Verhältnissen eines grofsen, kräftigen und gewerbthätigen Volks mit billigen 
Anforderungen auf Familienglück zu vereinigen sein möchte. Dabei kommt 
auf sechs bis sieben stehende Ehen jährlich ein Kind, je nachdem achtzehn 
bis einundzwanzig stehende Ehen auf hundert Lebende angenommen werden. 
Die gewöhnliche Vergleichung der Anzahl der neugebornen Kinder mit der 
Anzahl der neugeschlofsnen Ehen giebt keinen sichern Anhalt, die Frucht- 
barkeit der Ehen zu beurtheilen. Es kommt hier nicht an auf die Anzahl 
der Heirathen in einem gegebnen Zeitraume, sondern auf die Anzahl der 
stehenden Ehen, welche nicht allein von der Zahl der Heirathen, sondern 
auch von dem Lebensalter, worin diese geschlossen werden, und von der 
Dauer des Lebens der Verehlichten abhängt. 

Eine Sterblichkeit, welche erheblich weniger, als ein Funfzigtheil der 
Lebenden jedes Alters und Standes zusammengenommen jährlich beträgt, 
liegt aufser den Gränzen der Wahrscheinlichkeit, und dürfte höchstens vor- 
kommen unter ganz besondern Verhältnissen einzelner Ortschaften und Ge- 
genden, welche niemals in grofsen Staaten allgemein werden können. An 


welche die Zunahme der Bevölkerung erregt. 137 


Nachrichten, welche dieser Bemerkung entgegenstehn, wird die Kritik ihr 
Amt nicht leicht fruchtlos verwalten. Dieses vorausgesetzt, und drei Ge- 
burten jährlich auf hundert Lebende als das Kleinste angenommen, werden 
alle Fälle, worin die Jährliche Zunahme der Volkszahl über ein Prozent be- 
trägt, ein Verhältnifs der Geburten zu den Todesfällen gestatten, worin die 
geringste Sterblichkeit stattfinden könnte, ohne das kleinste Maafs der Neu- 
gebornen zu bedingen. So mülsten beispielsweise bei einer jährlichen 


Volksvermehrung 
von 11 Prozent auf 234 Lebende 


von 2 Prozent auf 25 Lebende 
von 24 Prozent auf 223 Lebende 
von 3 Prozent auf 20 Lebende 


Einer jährlich geboren werden, wenn die Sterblichkeit gleichzeitig Einer von 
Funfzigen bleiben sollte. 

In der Erfahrung zeigen sich nun solche Verhältnisse nicht, und die- 
ses ist auch in den natürlichen Gesetzen der Sterblichkeit selbst gegründet. 
Könnte wirklich als Äufserstes angenommen werden, dafs von den Neuge- 
bornen mit Einschlufs der bereits vor und in der Geburt Gestorbnen nur 
ein Sechstheil im ersten Lebensjahre stürbe, und also noch fünf Sechstheile 
das erste Lebensjahr überschritten; und dafs aufser dem Verluste, welcher 
hierdurch entsteht, nur ein Siebzigtheil der Lebenden durchschnittlich jähr- 
lich stürbe: so würde unter dem vorstehend angenommnen vortheilhaftesten 
Verhältnisse der Geburten zu den Todesfällen jährlich Einer sterben 


bei einer jährl. Vermehrung der Volkszahl von 1 Prozent von 51,55 Lebenden 
« 44 « « 49,70 « 


« 2 « « 4 7,13 « 
« 24 « « 45,90 « 
« 3 « « 4 4,21 « 


Diese Zunahme der Sterblichkeit würde erfolgen, ohne dafs derjenige Theil 
derselben, welcher sich nicht auf die Anzahl der Neugebornen bezieht, auch 
nur im mindesten zunähme. 

Indessen ist dieses nur ein sehr oberflächlicher Überschlag. Auch im 
zweiten und dritten Lebensjahre ist die Sterblichkeit in Folge der Schwäche 
der Kindheit noch sehr beträchtlich; und ein Volk, welches in der Bevöl- 

Philos.-histor. Abhandl, 1835. S 


138 Horrmann über die Besorgnisse, 


kerung schnell fortschreitet, wird auch unter den günstigsten Verhältnissen 
eine beträchtlich gröfsre Sterblichkeit haben als hier berechnet worden ist, 
weil die Kinder ein Theil der Volkszahl sind, der mit der Schnelligkeit der 
Volksvermehrung unter übrigens gleichen Umständen wächst. 

Von derjenigen Zunahme oder Abnahme der Sterblichkeit, welche 
daraus entsteht, dafs sich das Verhältnifs der Kinder zu der Gesammtzahl der 
ganzen Bevölkerung ändert, ist die Dauer des menschlichen Lebens an sich 
nur in so weit abhängig, als eine gröfsere Anzahl der Frauen im gebärungs- 
fähigen Alter den Gefahren der Schwangerschaft und ihrer Folgen ausgesetzt 
wird. Dagegen ist keinesweges als nothwendig anzusehen, dafs häufigere 
und fruchtbarere Ehen die Mühseligkeiten und Kümmernisse des Volks bis 
zur Verkürzung der Lebensdauer vermehren. Das häusliche Leben hat ne- 
ben seinen Sorgen auch seine Freuden: die Ehe ist überhaupt ein naturge- 
mäfser Zustand, und soweit die Beobachtungen hierin reichen, leben Ver- 
ehlichte im Durchschnitte länger als Unverehlichte. Es kann nicht bezwei- 
felt werden, dafs vieles Elend aus unvorsichtig geschlofsnen und geführten 
Ehen, namentlich auch aus dem rücksichtslosen Erzeugen von Kindern ent- 
steht, welche zu kräftigen und sittlichen Menschen aufzuziehn, den Eltern 
hinreichende Mittel mangeln. Daraus aber folgt keinesweges, dafs die Völ- 
ker glücklicher sind, und namentlich eines längern kräftigen Lebens genie- 
fsen, wenn überhaupt unter ihnen weniger Kinder erzeugt werden: sondern 
nur, dafs dem Unverstande, der Unsittlichkeit und der Trägheit abgeholfen 
werden müsse, welche das häusliche Leben vergiften. Am wenigsten läfst 
es sich rechtfertigen, wenn den gebildeten und wohlhabenden Ständen wohl- 
feilere Arbeit dadurch verschafft werden will, dafs dem Arbeiterstamme die 
Erlaubnifs zu heirathen erschwert werden soll, weil der Theil des Arbeits- 
lohnes, der ihm zu freier Verfügung ausgezahlt wird, nicht hinreicht, seine 
Kinder zu erziehn, und deshalb eine Ergänzung dieses Lohnes durch Unter- 
haltung von Freischulen und durch Zuschüsse unter dem Titel von Almosen 
nothwendig wird. Der Arbeiterstamm hat eben sowohl ein Anrecht auf die 
Freuden des häuslichen ehelichen Lebens, als die gebildeten Stände: die 
Vertheilung der Früchte redlicher und verständig geleiteter Arbeiten ist nur 
dann gerecht, wenn sie dieses Anrecht heachtet: die Gesetzgebung wei- 
ser und kräftiger Regierungen kann nicht dahin gerichtet sein, dasselbe 


welche die Zunahme der Bevölkerung erregt. 139 


zu Gunsten derer zu schmälern, die — wie hoch sie auch ihre Bildung 
selbst anschlagen möchten — doch noch ungebildet genug sind, es zu ver- 
kennen. 


Die Sterblichkeits- Tabellen, woraus erwiesen werden will, dafs die 
Dauer des menschlichen Lebens abnehme, wenn die Bevölkerung schneller 
fortschreitet, sind ganz untauglich, einen solchen Beweis zu führen. Sie 
beruhn nämlich sämmtlich auf der Voraussetzung, dafs sich die Bevölkerung 
seit der längsten Dauer eines Menschenlebens, das ist ohngefähr seit einem 
Jahrhunderte, in einem Beharrungszustande befunden habe. Diese Voraus- 
setzung ist aber für unser Zeitalter und unsern Bildungsstand so ganz unbe- 
gründet, dafs vielmehr wenigstens eine Verdoppelung der Volkszahl in Eu- 
ropa wärend der letztverflofsnen hundert Jahre wahrscheinlich wird. Zu 
wahren Sterblichkeits- Tabellen würde man nur gelangen, wenn die Zahl 
der vorhandnen Menschen nach eben den Altersklassen und mit derselben 
Zuverläfsigkeit jährlich aufgenommen werden könnte, womit die Zahl der 
Gestorbnen aus den Kirchenbüchern entnommen wird. Nur alsdann könnte 
man mit Sicherheit angeben, wie sich die Zahl der Lebenden zu der Zahl 
der Gestorbnen in jeder einzelnen Altersklasse jährlich verhalten hat. Die 
Zusammenstellung dieser Angaben aus einer Reihe von Jahren würde dann 
sichre Schlüsse auf die Veränderungen der Dauer des menschlichen Lebens 
begründen. 

Aber der Zustand der Polizei- Anstalten und der Verwaltung der Orts- 
gemeinen ist noch nicht so weit vorgeschritten, um die zuverläfsige jährliche 
Aufnahme von solchen Zählungen zu gestatten: so leicht die Sache auch im 
Einzelnen erscheint, so bleibt sie doch in grofsen Staaten noch unausführ- 
bar. Im preufsischen Staate werden die Einwohner jetzt am Ende jedes 
dritten Jahres, und nur nach drei Altersklassen — Untervierzehnjährig, 
Übersechzigjährig, und was zwischen diesen beiden liegt — gezählt. Die so 
sehr ermäfsigten Anforderungen, welche hierdurch an die Vorstände der 
Ortsgemeinen ergehen, werden doch nur mit Schwürigkeit befriedigt; und 
jede neue Zählung giebt Anlafs zu Bemerkungen über die Unvollständigkeit 
der nächstvorhergegangnen. Allerdings nimmt diese Unsicherheit ab, und 
besteht nur noch in einem Maafse, worin die Ergebnisse der Zählungen im 
Grofsen und Ganzen schon als brauchbare Näherungen erscheinen. Es kann 


S2 


140 Horrmann über die Besorgnisse, 


daher auch durch Zusammenstellungen, wie die anliegende (!) aus den funf- 
zehn Jahren, vom Ende des Jahres 1819 oder Anfange des Jahres 1820 bis 
zum Ende des Jahres 1834, wohl eine Übersicht gegeben werden, auf welche 
Fehlschlüsse die Voraussetzungen führen, worauf gewöhnliche Berechnun- 
gen der Lebensdauer beruhn. 

Nach der anliegenden Zusammenstellung haben in den eben erwähn- 
ten funfzehn Jahren im preufsischen Staate 

3,834,480 Menschen das vierzehnte Lebensjahr vollendet, und sind in 
das funfzehnte übergegangen: 
Gleichzeitig haben 
1,284,182 Menschen das sechzigste Lebensjahr vollendet, und sind in 
das einundsechzigste übergegangen. 

Hätte seit den letzten fünfundsiebenzig Jahren ein Beharrungszustand 
in der Bevölkerung der Länder statt gefunden, woraus der preufsische Staat 
jetzt besteht: so würde die Folgerung gerechtfertigt sein, dafs nur schr we- 
nig über ein Drittheil der Menschen, welche aus den Kinderjahren treten, 
indem sie das vierzehnte Lebensjahr überschreiten, die Vollendung des sech- 
zigsten Jahres erlebt. Allein diejenigen, welche in dem vorhin bezeichneten 
Zeitraume das vierzehnte Jahr überschritten, wurden im Laufe der Jahre 
1506 bis mit 1820 geboren: diejenigen dagegen, welche gleichzeitig das 
sechzigste Lebensjahr überschritten, sind im Laufe der Jahre 1760 bis mit 
1774 geboren worden, wo jedenfalls die Einwohnerzahl der Länder, welche 
jetzt dem preufsischen Staate angehören, sehr viel geringer war, als in den 
Jahren 1806 bis mit 1820. Es ist daher einleuchtend, dafs unter den Be- 
dingungen, wovon seit 1760 die Dauer des menschlichen Lebens abhing, in 
den Jahren 1820 bis mit 1834 sehr viel mehr Menschen in dem vom sech- 
“ zigsten zum einundsechzigsten Jahre übergehenden Lebensalter vorgefunden 
worden wären, wenn die Bevölkerung in den Jahren 1760 bis 1774 schon 
eben so dicht gewesen wäre, als jetzt. Dann aber würde das Urtheil über 
die Dauer des menschlichen Lebens, welches aus dem Verhältnisse der Men- 
schenzahl in jenen beiden Altersstufen gefolgert werden möchte, sehr viel 
günstiger ausfallen, als es aus dem jetzt vorgefundnen Verhältnisse derselben 
erscheint. 


(') Am Schlusse dieser Abhandlung beigefügt. 


welche die Zunahme der Bevölkerung erregt. 441 


Die Jahre 1760, 61 und 62 fallen in das Ende des siebenjährigen Krie- 
ges, der einen grofsen Theil von Deutschland in tiefem Elende zurückliefs. 
Die Jahre 1763, 64 und 65 konnten diesen Zustand nur langsam verbessern: 
denn grofse Noth veranlafsten noch die nachblutenden Wunden, welche 
der Krieg geschlagen hatte; die Verluste, welche das Verrufen des schlech- 
ten Geldes erzeugte, das wärend des Krieges in Umlauf gebracht worden 
war; die Verwilderung der Menschen, die aus den Freikorps und Trains 
wieder in die bürgerlichen Verhältnisse zurücktraten; die grofse Verminde- 
rung des Viehstandes, der nur allmälich durch Zuzucht ergänzt werden 
konnte. Als diese Noth überwunden war, gedieh Gewerbsamkeit, und mit 
ihr Bevölkerung, besser in den sechs Jahren 1766 bis mit 1771. Nun aber 
trat die berüchtigte Theurung im Jahre 1772 ein, wo der Dresdner Scheffel 
Roggen im sächsischen Erzgebirge auf dreizehn Thaler Konventionsgeld stieg, 
und Friedrich der Zweite nur eben die Schrecken der äufsersten Hungers- 
noth durch Öffnung der in den Festungen aufbewahrten Kriegsmagazine ab- 
zuwehren vermochte. Die Länder bedurften der Jahre 1773 und 1774, sich 
davon zu erholen. 

Der Einflufs dieser wechselnden Verhältnisse auf die Zahl der Gebur- 
ten in den Jahren 1760 bis mit 1774 zeigte sich noch nach sechzig Jahren 
in der Anzahl derer, welche das sechzigste Lebensjahr überschritten. Nach 
der Beilage waren ihrer 


in den Jahren 1820, 1821, 1822 
sechzig Jahre nach 1760, 1761, 1762... . . 216,847 
in den Jahren 1823, 1824, 1825 
sechzig Jahre nach 1763, 1764, 1765 . . . . 230,324 
in den Jahren 1826, 1827, 1828 
sechzig Jahre nach 1766, 1767, 1768 . . . . 267,185 
in den Jahren 1829, 1830, 1831 
sechzig Jahre nach 1769, 1770, 1771... . 291,100 
in den Jahren 1832, 1833, 1834 
sechzig Jahre nach 1772, 1773, 1774... . 272,726 


Diese Betrachtungen lassen sich auch auf diejenigen anwenden, welche 
gleichzeitig das vierzehnte Lebensjahr überschritten. Der Anlage nach wa- 
ren ihrer 


442 Horrmann über die Besorgnisse, 


in den Jahren 1820, 1821, 1822 
vierzehn Jahre nach 1806, 1807, 1808 ... .. . 661,192 
in den Jahren 1823, 1824, 1825 
vierzehn Jahre nach 1809, 1810, 1811... . 728,312 
in den Jahren 1826, 1827, 1828 
vierzehn Jahre nach 1812, 1813, 1814 2... 724,251 
in den Jahren 1829, 1830, 1831 
vierzehn Jahre nach 1815, 1816, 1817... . 841,695 
in den Jahren 1832, 1833, 1834 
vierzehn Jahre nach 1818, 1819, 1820... . . 879,030 


Die Geschichte der Jahre 1806 bis 1820 ist zu neu, als dafs es einer 
Hinweisung auf den Einflufs bedürfte, den sie auf die Zahl der gleichzeitigen 
Geburten äufsern mufste; und dessen Spuren erst mit dem Aussterben aller in 
diesem Zeitraume Gebornen aus den Sterberegistern verschwinden werden. 

Solche Thatsachen aber mögen die Zuversicht mindern, womit aus 
allerdings mühsam zusammen getragnen Nachrichten von sehr ungleicher 
Zuverläfsigkeit Folgerungen gezogen werden wollen, die zu Beschränkungen 
des Anrechts auf häusliches Glück verleiten können, welches auch der gro- 
fsen Masse derer gebürt, deren Einkommenquelle nur in ihren persönlichen 
Kräften liegt: obwohl Malthus, und seine zuweilen weniger vorsichtigen 
Nachfolger, nicht Störung, sondern Befestigung des häuslichen Glücks be- 
absichtigten, und nur vor denjenigen Irrwegen warnen wollten, worauf es das 
vorige Jahrhundert zu fördern versuchte. 


Breir | a,sıe. 


NOKIA RIE 
Al N 


alu vr 
Ku ich 
LIE LI HER LEICHEN, Ar PM ih, De Ah 
(EB: \ j BR: AUPHRIN® ED ur B- 
j 1 h RL AeVOON un 20 ini, 
ah em Abu KALÄRERRN LA Ba Ha 
Su, EL nn Eu Ai ale ANNIE Rh 
” ag 08 6 Aa FÜRS NM a: 
ge SRH DO Dr SEE a ana Eh 
| ’ all Im ul k RM Ale 


NE 
RR. ZOLL RBB 
Pe E 


j Hd hl ya R# A Ku 


a I an Hl Ni A yiat ee 


BIZEN MI in Die il kn auae BEITEN 

KINN" ala) Kyhhet in 2 Ah har Fi Ha 

ih en Henn, N TEE EN ar Keaäe en) 

un In! ul DAR Bit, Hill 14 LAN LH ur hyunk I FBn 

2 Ka ben DE um Rind ID DIR ILBRT 

u, Er Fran Fl sun MecnE Ahle 

N Tu KR ri Lin NT h ı hl IB 
A IA un N MEER 


a N i ui Du 


H/Aları 
Bl apahunin. cin: 0" MARIAN AN U 
Au nn tr ih: \ aronı) ui Ai y IR HA RN j 
ir 04 ” I Fin a N AT ‚IM, f 
- f ’u Kur 
a 
M HAIE, 
Mine 
ur: t ” f 
I 
1 N I i 
um 
i X 
h & k 
R j je | ur 


I. preufsischen Staate, jedoch mit Ausschlufs der Fürstenthümer Neu- 
chatel und Lichtenberg wurden gezählt bei Jahresschlusse: 


4. Kinder, welche das vierzehnte Lebensjahr noch nicht überschritten hat- 


ten — 
in den Jahren männlich weiblich | überhaupt 
Te N m | mn | N m | nn 

1519 1,953,580 1,910,276 3,863,856 

1822 2,119,817 2,088,926 4,208,743 

1825 2,256,976 2,230,485 4,187,461 

1828 2,367,200 2,343,893 4,711,093 

1531 2,390,/198 2,377,234 4,767,732 

1534 2,419,013 2,402,202 4,821,215 
Summe 13,507,084 | 13,353,016 26,860,100 
Durchschnitt 2,251,181 2, 5503 41,476,684 


DB: Übervierzehnjährige, die das sechzigste Lebensjahr noch nicht über- 
schritten hatten — 


4519 3,189,638 3,333,803 6,523, 441 
1822 3,309,223 3,419,640 6,728,863 
1825 3,155,056 3,555,596 7,010,652 
1323 3,572,360 3,656,421 7,228,781 
1831 3,717,378 3,765,875 7,483,253 
1834 3,891,483 3,957,500 7,848,983 
Summe 21,135,138 21,688,835 42,823,973 


Durchschnitt 3,522,523 3,614,806 7,137,329 


C. Übersechzigjährige 


1519 350,902 346,794 697,696 
1822 359,232 367,245 726,527 
1825 374,231 354,381 758,612 
1828 387,203 399,033 - 786,236 
1831 334,994 402,981 787,975 
1834 390,245 414,331 804,576 
Summe 2,246,857 2,314,705 | 4,561,622 
Durchschnitt Fern 335,794 | 760,270 


Philos. - histor. Abhandl. 1535. Av 


146 Horrmann über die Besorgnisse, 


iD): Überhaupt Personen von allen Altern zusammengenommen — 


in den Jahren männlich weiblich überhaupt 
m N | N | nn | m en 

1519 5,4194,120 5,590,873 11,084,993 

1822 5,183,322 5,875,811 11,664,133 

1825 6,086,263 6,170,162 12,256,725 

1828 6,326,763 6,399,347 12,726,110 

1831 6,492,870 6,5.16,090 13,038,960 

1834 6,700,741 6,774,033 | 13,17 Th 
Summe 36,889,079 37,356,616 |  74,245,695 


Durchschnitt 6148180 | 6,226,103 


Unter den Gestorbnen sind im preufsischen Staate verzeichnet: 
A. Todtgeborne — 


in den Jahren männlich weiblich | überhaupt 
en u 
ae 27,133 20,206 473339 
1823, 1824, 1825 28,830 21,564 50,394 
1826, 1827, 1828 29,801 21,703 51,504 
1829, 1830, 1831 29,343 21,830 51,173 
1832, 1833, 1834 32,598 24,060 56,658 
Summe 147,705 109,363 | 257,068 


B. Von der Geburt bis zum vollendeten vierzehnien Jahre Gestorbne — 


1820, 4821, 1822 233,696 204,406 438,102 
4323, 1824, 1825 251,363 218,890 470,253 
1826, 4827, 1828 274,966 241,452 516,418 
1829, 1830, 1831 281,894 251,835 533,77: 
1832, 1833, 1834 30,710 | 275,818 | arssıs | 585,558 
Summe 1,35 1,659 | 1351,659 | 11928451 1,192,45 "192,451. | 2 5 
Forza | Dee | 


c. Übervierzehnjährig bis zum vollendeten sechzigsten Jahre Gestorbne — 


1820,. 1824, 1822 109,486 116,063 225,549 
1823, 1824, 1825 116,700 123,187 239,887 
1826, - 1827, 1828 142,754 143,360 256,114 
1829, 1830, 1831 183,542 178,767 367,309 
1832, 1333, 1834 182,219 177,651 359,870 


Summe ZE 739,028 | 1,478,729 


— 
ı 


welche die Zunahme der Bevölkerung erregt. 


D. Übersechzigjährig Gestorbene — 


in den Jahren männlich | weiblich | überhaupt 

m A | (m en | (u sen, | (mn en 
1820, 1821, 1822 91,009 97,007 188,016 
1823, 1824, 1825 99,758 104,481 204,239 
1326, 1827, 2328 117,673 121,858 239,561 
1829, 1830, 1831 142,246 147,115 239,361 
1832, 1833, -- 1834 124,991 131,134 256,125 
Summe 575,677 601,625 1,177,302 


Überhaupt Gestorbne mit Einschlufs der Todtgebornen — 


1820, 1821, 1822 461,324 
18231 118245721825 496,651 
1826182751828 565,194 
1829, 1830, 1831 642,025 
1832, 1833, 1834 649,548 

Summe 2,814,742 


ı 


2,642,467 | 


437,682 899,006 
468,122 964,773 
528,403 | 1,093,597 
599,597 | 1,241,622 
608,663 | 1,258,211 


5,457,209 


Es sind überhaupt geboren worden Kinder, mit Einschlufs der Todt- 


gebornen — 


1820, 1821, 1822 767,438 

32357 Ag2ln 1825 785,528 

1826, 1827, 1828 779,650 ! 

1829, 1830, 1831 Br 

1832, 1833, 1834 810,694 
Summe 3,906 3,906,514 | 3,686,473 
STTERTaRTTD BREI 


DD we 


-SI-7-T7 -r7 


I 
Oo 

E 
oO 


3,686,473 


1,491,520 
49 | 1,527,677 
55 | 1,515,805 
2 | 41,483,286 
5 1,574,729 


7,593,017 


Die zu Ende des Jahres 1834 vorgefundne Volkszahl hat sich aus der 
zu Anfange des Jahres 1820 gezählten nach den drei Haupt- Altersklassen 


folgendermaafsen entwickelt. 


Zu Anfange des Jahres 1820 waren nach der vorstehen- 
den Angabe vorhanden Kinder bis zur Vollendung 
desätensJahrese@e sn. ORDER lee. 

Dazu kamen in den Jahren 182% Geborne . 

Summe 

Gleichzeitig starben... - .. 2. ...... 


Blieben also (zu übertragen) .......... 


männlich 
m u —— 


1,953,580 
767,138 


2,721,018 
260,829 


2,460,189 | 


weiblich 


überhaupt 
 [— 


3,863,856 
1,491,520 


5,355,376 
485,441 


—_ 


4,869,935 | 


148 


Übertrag 
Bei der Zählung zu Ende des Jahres 1822 wurden nur 
Befunden Be uE AIR BE IE SR Re Bere: 
Es haben also in diesen drei Jahren das 14te Jahr ihres 
Lebens überschritten, und sind in die folgende Al- 
tersklasse übergegangen ......... 


Das ist jährlich im Durchschnitte .. . 


Ferner waren zu Anfange des Jahres 1823 vorhandne 
Kinder, die das 1/te Jahr noch nicht vollendet hatten 

Dazu kamen in den Jahren 182 = Neugeborne. . . 

Summe 

Dagegen starben gleichzeitig. . . . - 

BliebenValsor .o.r... .. ee Seisache: 

Bei der Zählung zu Ende a ee 1825 
RR ER BLAL DATEN RR NN 


en aber 


Es haben also in diesen drei Jahren das 14te Jahr über- 
SCHrIttenti0. Eikaht SPAR TSERL VE erle ers enretehre 


Das ist jährlich im Durchschnitte. ....... 


Sodann waren zu Ende des Jahres 1825 vorhanden Kin- 
der vor vollendetem 14ten Jahre ....... 
Dazu kamen in den Jahren 182% Geborne . . 
Summe 
Dagegen starben gleichzeitig ....- ...... 
Wornach blieben. . . . EG ae 
Die Zählung zu Ende des Jahres” 1828 gab nur .®*. 
Es haben also in diesen drei Jahren das t4te Jahr über- 
SCHrILEENNT FI o DRS Her ES RN re ee tete 


Das ist jährlich im Durchschnitte .......... 


Noch waren am Ende des Jahres 1528 vorhanden Kin- 
der vor vollendetem 1/ten nn A ER 
Dazu kamen in den Jahren 185 


1 Neugebo TneNesE 


Summe 
Dagegen starben gleichzeitig . ...-....... 


Wornach blieben . .. . SBEAAER DABE Re 
Die Zählung zu Ende des a 1831 ergab aber nur 


nach deren Abzug bleiben (zu übertragen) . 


Horrmann über die Besorgnisse, 


männlich 
— 
2,400,189 


2,119,817 


340,372 
113,457 


weiblich 


überhaupt 


2,409,746 


2,088,926 


320,820 


100,940 


2,119,817 
735,828 
2,905,645 
280,193 


368,/76 


122,825 


2,256,976 
779,650 
3,030,0626 
301,767 


2,731,859 


1 2,3675200 


361,659 


121,553 


2,818,897 
2,390,498 


423,399 


2,088,926 
741,849 


240,454 


2,590, 321 


359,836 


119,945 


2,230,/185 
736,155 
2,906,640 
263,155 


2,703,485 


2,830,775 


2,230,/185 


2,343,893 


4,869,935 


4,208,743 


661,192 


220,397 


— 


DE 
527,677 
5,736,420 
520,647 


5,215,773 


A,487,A61 


242,770 


— 


4,487,7161 
1,515,805 


6,003,206 
567,922 


5,435,3/44 
4,711,093 


359,592 721,251 
119,504 2415/17 
2,343,893 | 4,711,093 
720,352 | 1,483,286 
3,004,245 | 6,194,379 
273,715 584,952 

| 2,790,530 |. 5,609,427 
2,377,234 | 4,767,132 
413,296 841,095 


welche die Zunahme der Bevölkerung erregt. 


Es haben also in diesen drei Jahren das 14te Jahr über- 
schritten (die hiermit übertragenen) ...... - 


Das ist jährlich im Durchschnitte ..... 2.2... 


Endlich waren vorhanden zu Ende des Jahres 1831 
Kinder vor vollendetem 4Äten Jahre . . 
Dazu kamen in den Jahren 183% Neugeborne . . . 


Summe 
Dagegen stanbenrgleichzeitig . u... ce... 
WViornach blieben . . ... .. A I 


Die Zählung zu Ende des Fine) 1834 Ka tedbeh nur 


Es haben also in diesen drei Jahren das 14te Jahr über- 
SCHTIELETEHR AN I ed rehrelenie 


Das ist jährlich im Durchschnitte ......... 


Es waren also nach Überschreitung des 14ten Jahres 
in die höhere Altersklasse getreten 


in den Jahren 1820, 1821, 1822 
EDS ENSDUN AB2SIE Nr 
1326, 1927, 1828 £ 
192971830813 310 2 #7> 
1S32n 183351 .18310 0. 


in diesen 15 Jahren zusammen . . ....... 


Es wurden nämlich in diesen 15 Jahren geboren . . . 


Dagegen starben vor vollendetem i4ten Jahre . 


Nach deren Abzuge bleiben ..... . . 

Zur höhern Altersklasse gingen über. . 

Blieb also Vermehrung der Kinder, die das 14te Jahr 
noch nicht vollendet hatten . 

Hierdurch kamen die zu Ende des ne 1819 9.gezähl. 
ten Kinder .. . 

am Ende des Jahres 1834 auf . 

die bei der Zählung zu Ende des Jahres 1834 auch vor- 
gefunden wurden. 


männlich 
en 


423,399 


142,800 


2,390,498 
810,694 


3,201,192 
e 342,338 


2,858,854 
2,419,013 


439,841 


146,614 


340,372 
368,476 
364,659 
428,399 
439,841 


1,9/1,747 


3,906,544 
1,/199,364 


1,953,580 


| 2419,03 


2,402,202 


1,892,733 


weiblich 
m 


413,296 
137,765 


3,141,269 
299,878 


2,841,391 


439,189 


146,396 


149 


überhaupt 
nl 


841,695 
280,565 


5,700,245 
4,821,215 


879,030 


293,010 


320,820 
359,836 
359,592 
413,296 
439,189 
1,892,733 


3,686,473 


1,301,814 


2,384,659 


491,926 


1,910,276 


2.102.909 
2,102,202 


3,834,480 


[m 


7,593,017 
2,801,178 


en 839 
3,83/1,480 


957,359 


3,863,856 


4,321,215 


150 


Zu Ende des Jahres 1819 wurden gezählt Übervierzehn- 
jährige, die das 60ste Jahr noch nicht vollendet hatten 
Davon starben in den Jahren 132% a ee 
Nach deren Abzugelbleiben 2... 
Übervierzehnjährig gewordne traten zu . . - 
Wodurch die Zahl sich erhöhte auf ...... 
Durch Auswanderung gingen nochab ....... 
NachrderenfAhzugelbliebeng as ne ir re 


Die 


Zählung zu Ende des Jahres 1822 gab aber 


weil das 60ste Jshr inzwischen überschritten . . . . 


Am Ende des Jahres 1822 wurden gezählt ...... 


Davon starben in den Jahren 1825 Et era hei 


MNachtderen#Abzuneibliebengen. mern een. 
Dazu kamen übervierzehnjährig gewordne . . . 
und aulserdem noch durch Einwanderung und 
Wodurch die Zahl sich erhöhte auf . ...... 
Die Zählung zu Ende des Jahres 1825 ergab nur 


weil das 60ste Jahr inzwischen überschritten . 


Am Ende des 
Davon starben in den Jahren 1822 RR Des 


Jahres 1825 wurden gezählt... . . 


Nachrderen Abzugenbliebentrrene a 2 2 ren. 
Dazu kamen übervierzehnjährig gewordne . . . . 
und auflserdem durch Einwanderung und sonst . . . 
Wodurch die Zahl sich erhöhte auf ....... 
Die Zählung zu Ende des J 


weil inzwischen das 60ste Jahr überschritten . . . 


ahres 1823 ergab nur . . 


Am Ende des Jahres 1823 waren gezählt worden . . . 


Davon starben in den Jahren 1857 PO) Pen sr Rein 


NachrdezenAbzugeibliebengs rm en 


. 


Dazu kamen übervierzehnjährig Be ordte So 

und aufserdem noch durch Einwanderung und sonst 
Wodurch die Zahl sich erhöht auf ......... 
Die Z 


weil inzwischen das 60ste Jahr überschritten . 


ählung zu Ende des Jahres 1831 ergab nur . 


HUT. 


sonst . 


Horrmann über die Besorgnisse, 


überhaupt 
m 


6,523,/41 
225,549 
6,297,892 
661,192 
6,959,084 
13,374 
6,728,863 
216,847 


männlich weiblich 
—— | 
3,189,638 | 3,333,803 
109,486 116,063 
3,080,152 | 3,217,740 
340,372 320,820 
3,420,524 | 3,533,560 
11,912 1,162 
3,/108,612 1 3,537,098 
3,309,223 | 3,419,640 
3,309,223 | 3,419,640 
116,700 123.187 
3,192,523 | 3,296,453 
368,476 359,836 
8,764 20,924 
3,569,763 | 3,677,213 
3,455,056 | 3,555,596 
114,707 121,617 
3,155,056 | 3,555,596 
142,754 143,360 
3,312,302 | 3,412,236 
364,659 359,592 
26,044 21,133 
3,703,005 | 3,792,961 
.| 3,572,360 | 3,656,421 
130,645 136,540 
3,572,360 | 3,656,421 
188,542 178,767 
3,383,818 | 3, I 
428,399 443, 
45,198 N 
3,3857,4115 | 3,916,938 
.| 3,717,378 | 3,765,875 | 
140,037 151,063 | 


| | 


6,188,976 
728,312 
29,688 
7,246,976 
7,010,652 


7,010,652 
236,114 


7,223,781 
367,309 
6,561,472 
841,695 
71,186 
7,774,353 
7,483,253 
291,100 


welche die Zunahme der Bevölkerung erregt. 


Am Ende des Jahres 1831 wurden gezählt ..... . 
Davon starben in den Jahren 1837 STEVE 


Nach deren Abzuge bleiben . .......... 


Dazu kamen übervierzehnjährig gewordne ..... 
und aufserdem durch Einwanderung und sonst . . . 


Wodurch die Zahl sich erhöht auf . ... . 
Die Zählung zu Ende des Jahres 1834 ergab nur . 


. 


weil inzwischen das 60ste Jahr überschritten . . 


Überhaupt hatten das 60ste Jahr überschritten, und wa- 
ren in die höhere Altersstufe eingetreten in den Jahren 
f 41820, 1821, 1822 
1823 1821, 182-0 een: 
TED EP A EEE 
182957.1830,. 18317 „ee 2 2er 
EEPBS EBEN BEBL OO Oo 


Überhaupt insdiesene15Jahrema- rer era: 


Zu den am Ende des Jahres 1819 gezählten Übervier- 
zehnjährigen, die das 60ste Lebensjahr noch nicht 
vollendet hatten . . . - TER ESEL 

traten hinzu im Laufe der 15 ie 1320 
Klasse durch Vollendung des 1/ten Tıhres ; 

und aufserdem durch Überschuls der Einwanderungen 
und gröfsre Vollständigkeit der Zählungen . . 


Wodurch sich die Zahl erhöhte auf . ........ 


Dagegen starben gleichzeitig aus dieser Altersklasse . 


Nach deren Abzuge noch blieben el ze 
Davon waren nach der Zählung zu Ende des Jahres 


aus der ersten 


4834 noch in dieser Altersklasse ....... 
und durch Überschreitung des 60sten Jahres zur hö- 
hern Altersklasse übergegangen, wie vorhin gefun- 
den worden ist . .. . - Er 
Bei der Zählung zu Ende des The 1519 waren schon 
Übersechzigjährige vorhanden 
Summe 
Davon starben in den 15 Jahren 139 ee 
und waren bei der Zählung zu Ende des Jahres 1834 


noch?vorhandennarseı Serena ta surenhe 


männlich 


3,335,159 
ne 4 


99,339 
114,707 
130,645 
140,037 
130,242 


615,020 


3,189,638 


114,819 


5,246,204 


739,701 


4,5006,503 


.| 3,891,483 


615,020 
350,902 
965,922 


575,677 


390,245 


142,484 


117,458 
121,617 
136,540 


669,162 


3,333,803 


1,892,733 


139,154 


5,363,690 


739,028 


4,626,662 


3,957,500 


669,162 


346,794 


1,015,956 


601,625 


444,331 


151 

weiblich | überhaupt 
u nn | (u nn 
3,765,875 | 7,483,253 
177,651 359,870 
3,588,224 | 7,123,383 
439,189 879,030 
72,571 119,296 
4,099,984 | 8,121,709 
3,957,500 | 7,3/8,983 


216,847 
236,324 
267,185 
291,100 
070 726 


zic,iz 


1,284,182 


253,973 
10,611,894 


1,284,182 


697,696 
1,981,878 
1,177,302 


501,576 


152 Horrmann über die Besorgnisse, u.s.w. 


Diese Darstellung beruht auf den Nachrichten, welche das statistische 
Bureau zu Berlin ämtlich von den Königlichen Regierungen empfängt. 

Der Zuwachs, welcher theils durch den Überschufs der Einwanderun- 
gen über die Auswanderungen, theils aber auch dadurch entstand, dafs Per- 
sonen aufgefunden, und in die Zählungslisten aufgenommen worden, welche 
sich bei frühern Zählungen der obrigkeitlichen Kenntnifs entzogen haben, ist 
sämmtlich dem mitlern Lebensalter zwischen dem Anfange des funfzehnten 
und Ende des sechzigsten Jahres zugezählt worden. Aus den ämtlichen 
Nachrichten geht das Lebensalter der Personen, woraus dieser Zuwachs be- 
steht, zwar nicht hervor: aber die Annahme, dafs er dem mitlern Lebens- 
alter angehöre, wird dadurch gerechtfertigt, dafs Kinder und Greise doch 
nur in sehr seltnen Fällen ihr Vaterland verlassen; und dafs alle Gründe sich 
der Aufnahme in die Zählungslisten zu entziehn, nur das mitlere Lebensal- 
ter trelfen. 


N Se— 


Zeus und Aegına. 


Von 


Hm PANOFKA. 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 2. Juli 1835.] 


B; einer sorgfältigen Musterung der Kunstdenkmäler, welche die öffent- 
lichen und Privatsammlungen der Hauptstädte Europas besitzen, macht die 
unverhältnifsmäfsige Breite, welche der Cultus des Dionysos und die My- 
thologie des Heracles für sich in Anspruch nehmen, einen überraschenden 
aber gewifs nicht günstigen Eindruck. Denn selbst diejenigen, welche um 
die wichtigeren Fragen der Archäologie unbekümmert, dieser Disciplin keine 


höhere Bestimmung einzuräumen belieben, als die, für eine mehr oder we- 


ie) 
niger grofse Anzahl Stellen klassischer Schriftsteller eine mehr oder minder 
vollständige und wohl auch gefällige Bilderfibel abzugeben, werden doch 
etwas früher oder später, je nachdem sie Beschauer oder Erklärer sind, bei 
den Centuplicaten nemäischer Löwenkämpfe und Bacchantinnen-Verfolgun- 
gen ein Gefühl der Verlegenheit und Müdigkeit an sich verspüren, das 
in der Erschöpfung des künstlerischen und archäologischen Stoffes dieser 
Gegenstände seinen Grund hat. Der Übelstand, den ich hier andeute, fin- 
det sich vorzugsweise in der grofsen Vasensammlung des Neapolitanischen 
Museums: die Berliner, minder bedeutend an der Zahl der Stücke, leidet 
weit weniger an der eben gerügten Monotonie von Herakleen, Dionysien, 
und den auch stets wiederkehrenden Bezähmungen bald eines Menschen mit 
Stierkopf (!), bald einer Göttin mit Frauenkopf (?), beides Gegenstände 


(‘) Kampf des Theseus mit dem Minotaur, Tischbein Vas. d’Hamilton I, 42; Neapels An- 
tiken, Vas. Z.I, Schr. II, F.2, no. 1685; Annal. de l’Institut. arch£ologique IH, p. 152. 

(?) Peleus und Thetis, Raoul Rochette Monum. ined. Liyr. 1, 2; de Witte, Annal. de 
Institut arch£olog. Vol. IV, p. 90-125. 


Philos.- histor. Abhandl. 1535. U 


154 Pınorka: 


die der Phantasie eines noch so genialen Künstlers, und dem Talent eines 
noch so fähigen Erklärers, ihre nicht ungestraft zu überschreitenden Schran- 
ken setzen. 

In dem reichen Schatze der Vasensammlung des Königlichen Museums 
hat mich ein Gefafs (1) besonders angesprochen, das zu den interessantesten 
gehört, welche bis jetzt entdeckt sind. Es zeigt in der untersten Reihe den 
von Hunden zerrissenen Actaeon, in einer höhern den von Laios auf schäu- 
mendem Viergespann entführten Chrysipp, und ganz oben am Halse, über 
dem Kelche einer Blume sich erhebend, Aegina von einem Adler geraubt. 
Meine Absicht ist diesmal nicht eine Erklärung dieses merkwürdigen Denk- 
mals zu liefern, und die sinnige, kosmische Ideen aussprechende, Wahl der 
drei in einer nicht zufälligen Ordnung folgenden Mythen zu rechtferti- 
gen, sondern ich begnüge mich, diejenige Vorstellung herauszuheben, 
welche den Hals des Gefäfses schmückt, und die ich, Taf. I, 1 habe ste- 
chen lassen. 

Der Mythos, auf den die Urgeschichte Aeginas sich stützt, erregt 
wegen der in politischer und künstlerischer Hinsicht grofsen Bedeutsamkeit 
dieser Insel ein grofses Interesse. Dies Interesse wird noch dadurch gestei- 
gert, dafs bis jetzt nur ein einziges Denkmal alter Kunst (*) uns diesen My- 
thos vergegenwärtigte, und dafs von Seiten der Mythologen bisher dieser 
Fabel eine minder grofse Aufmerksamkeit geschenkt wurde, als vielen an- 
dern, die sie vielleicht weniger verdienen. 

Von Phlius raubte Zeus in der Gestalt eines Adlers die Tochter des 
Flusses Asopos, Aegina (°) und brachte sie an einen einsamen Ort der In- 
sel, welche bis dahin Oenone (*) genannt, nach der neuen Bewohnerin den 
Namen Aegina erhielt. Aus diesem Verhältnifs des Zeus mit Aegina soll 
Aeacus, der erste Fürst dieser Insel, entstanden sein (°), und auf sein Fle- 


(') Höhe 3’ 1%”, Durchmesser 1’ 3%”, Figuren gelb auf schwarzem Grunde, seine Form 
nähert sich der der grolsen Amphoren, in Ceglio gefunden. S.Levezows Verzeichnils der 
Vasen des Berliner Museums Postament XVII, No.1010. S. 255-260. 


(?) Tischbein Vas. gr. d’Hamilton Vol.I, pl. 24. 
(°) Pindar.Istkm. VII, 21; Nem. VII, 6; Pausan.II, xxıx, 2 und II, v, 1; Apollod. III, xır; 7. 


(*) Schol. Pind. Nem. IV, 71; Nem. VII, 12; Apollod. III, xır, 7. Steph. Byz. v. Oivavy; 
Paus. II, v, 1. 


(°) Schol. Pind. Nem. VI, 123; Pind. Nem. VIII, 8, Isthm. VII, 21. Apollodor. l.c. 


u 


Zeus und Aegina. 155 
hen, die menschenleere Insel zu bevölkern, verwandelte sein göttlicher Va- 
ter die Ameisen in Menschen (!). Als aber Asopos (?) um seine ent- 
führte Tochter aufzusuchen nach Corinth kam, versprach ihm Sisyphos, 
der dem Raube zugeschaut hatte, den Thäter und den Aufenthaltsort der 
Aegina anzuzeigen, sobald er ihm auf dem Acrocorinthos Wasser gäbe; auf 
diese Weise entstand die Quelle Peirene (3). 

Wiewohl dieser Mythos wegen der geringen Zahl der in denselben 
verflochtenen Personen nicht grade zu den verwickelsten gerechnet werden 
darf, so fordert er doch, sobald man überhaupt den Mythen der Alten ir- 
gend eine Bedeutung zugestehen will, zu mancherlei Fragen und Untersu- 
chungen auf, die um so erspriefslicher erscheinen, je weniger deren Lösung 
bisher versucht worden: 1, Wasist Aegina? 2, Was ist Zeus unter 
der Gestalt des Adlers? 3, Was bedeutet der Raub der Aegina 
durch Zeus als Adler? 

1. Wasist Aegina? 

Dafs Aegina von Phlius herstammt, ist ein Faktum, welches über den 
Charakter dieser mythischen Heroine ein grofses Licht verbreitet. Auf der 
Acropolis von Phlius erwähnt Pausanias (*) bei einem Cypressenhaine einen 
Tempel, der seit den ältesten Zeiten ein Gegenstand der höchsten Vereh- 
rung war. Die Göttin, die man daselbst anbetete, hiefs Ganymeda; in 
der Folge nahm sie den Namen Hebe an (°); zu den besonderen Ehrenbe- 


(') Apollod. III, xır, 7. Hygin. LII; Sery. ad Virgil. Aen. II, 7; Paus. II, xxıx, 2. 
r m , - 
(?) Steph. Byz. v. KogwSos. Enarsiro Ö8 Y "Azgoxogır os ’Eruwry, de 79 Sırubeov evrsü Dev 
Emideiv Tyv TuS Alyıyys Umd Ards gmayyv. CA. v. ’Erwry. Apollod. II, xıı, 6; I,ıx, 3. Schol. 
2 x A ‚ 5 e 
Nem. VI, 53 javnovevsı de darı, rov Bovörwvos HvSaiverov &v meuru Alyıyrızav yacbuv ouru* 
x L = ’ ’ , ’ ” N ’ \ > ’ x € m 
Ed DE TRUTR TOUTWV AENJOLEVWV ZENYETO ovomwv FU 1472337 LEUYVENJIAEVOV TTI0OS IUUWYIU FTYV ERUTOU 
Ils; Asyol 22% Boud & FUyyavsın dısı EyN mgos O rn uro 
Suyersge. Budion scheint mir Asopus unter der Form des Dionysischen Stiers zu sein, mit 
oder ohne Menschenkopf, wenig vom Achelous und Bacchus Hebon der Idee nach verschie- 
den, der künstlerischen Auffassung nach völlig gleich. Nicht unwichtig ist der Vergleich 
. . - N © ’ 
unsrer Oenone-Aegina, Tochter des Budion, mit Oeneus der neben Aegeus als Havörovos vios vo- 


cs, von Pausanias, I, v, 1. genannt wird, einer Phyle in Attica den Namen gebend. 
(©) Baus, Al, sv;r1- 
(*) L.I,xıu, 3 cf. Strab. VIII, p. 382. 


(°) Pausan. 1. ec. et L. II, xıs, 4; L. I, xıx, 3. Dionys. Halic. Ant. Rom. III, p.150; T.Liv. 
V, 54, XXXVI, 36; Panofka Mus. Blacas, pl.XXVI. B. p. 79. 
U2 


156 Pınorka: 


zeigungen, womit die Phliasier diese Göttin auszeichneten, gehörte das Pri- 
vilegium des Asyls, welches an ihren Tempel geknüpft war; Flüchtig ge- 
wordene Gefangene weihten ihre Ketten an den Zweigen der Bäume, welche 
das Heiligthum der Ganymeda umgaben. Ihr zu Ehren feierte man jährlich 
ein Fest zırrorona, Epheuschnitter genannt. In ihrem Tempel gab es je- 
doch keine Statue, weder eine geheim gehaltene, noch eine der Beschauung 
des Volks preisgegebene, und wie Pausanias hinzufügt: »indem die Phlia- 
sier so verfahren, stützen sie sich auf eine heilige Sage.« Die Phliasier er- 
zählen auch, dafs Heracles bei seiner Rückkehr aus Libyen, woher er die 
Hesperiden- Apfel geholt, nach Phlius gekommen wäre, einer Privat-Ange- 
legenheit willen, und bei einem Gastmahle welches er mit seinem Schwie- 
gervater Oeneus hielt, soll er dessen jugendlichen Mundschenk Cyathus, 
weil er ihm nicht zu Dank eingeschenkt hatte, mit dem Finger auf den 
Kopf geschlagen und dadurch getödtet haben. Auf Anlafs dieser Begeben- 
heit errichteten die Phliasier neben dem Tempel des Apollon ein Denkmal 
mit zwei Marmorstatuen, Cyathus darstellend, wie er dem Herakles einen 
Becher (zvRız«) reicht (!). 

In dieser letzten Tradition deutet die Privatangelegenheit, mit dem 
Festmal des Weinmannes, Oeneus, verbunden, offenbar auf die Hochzeit 
mit Deianira (?), der Tochter dieses Oeneus (°), und die beigefügte Erzäh 
lung von dem Todschlag, den Heracles an dem jugendlichen Mundschenk 
verübte, beweist noch bestimmter, dafs bei dem Sohn der Alcmene von 
dieser Zeit an Deianira als Hebe in die Stelle seines Ganymedes eintrat (*). 

Allein wichtiger und durch Alterthum ehrwürdiger erscheint die frü- 
here Sage, welche sich in Phlius an die Göttin Ganymeda knüpft. Nach 
dieser ist sie keineswegs jene leicht geschürzte Göttin zweiten oder 


(‘) Paus. II, xıı, 8; Athenaeus IX, p. 410 f. Apollod. II, vır, 6; vergl. Annal. de l’Inst. 
arch£ol. II, 149. 


(2) Apollod. II, vır, 6 cum Heynii obss. Dejaniram et Herculem pinxit Artemon (Plin. 
H.N. XXXV, 11). Neapels Antiken, Vas. Z. I, S.IV; Millingen Peint. d. Vas. gr. Pl. XXXIH. 

(°) Oeneus bekömmt zuerst den Weinstock vom Dionysos (Apollod. I, vıı, 1), giebt 
der Stadt Oenoe den Namen (Apollod. I, vırı, 6), nimmt den Heracles auf (Apollod.II, vıı, 
6) der den jungen Mundschenk Eunomos tödtet. 


(°) Athen. IX, p. 410 £.; Mus. Blacas p.79, not. 11. 


Zeus und Aegina. 157 


dritten Ranges, wie die Archäologen des vorigen Jahrhunderts sich aus- 
zudrücken pflegten, sondern sie gilt in Phlius wenigstens als eine der erha- 
bensten Naturgottheiten griechischer Religion. Wenn das Fest der 
Epheuschnitter zırserous: (1) uns in die Sphäre des Dionysischen Cultus 
hineinweist, und die in dem Beruf der Ganymeda sowohl als in dem der 
Hebe (?) sich verrathende Beziehung auf Weinschenkung an eine Gattin 
des Dionysos zu denken auffordert, so bekommt diese Vermuthung durch 
zwei Besonderheiten, die in dem Cultus dieser Göttin hervortraten, eine 
neue und entschiedene Bestätigung. 

Die eine finde ich in dem Privilegium des Asyls, welches das Heilig- 
ihum der Ganymeda in solchem Umfange besafs, dafs der Hereintretende 
seine Ketten an den Bäumen des Hains dieser Gottheit aufhängte, woraus 
hervorgeht, dafs in Phlius Ganymeda eine Göttin war, die Banden löste 
und die Freiheit gab. Welches ist aber der Name für diese Begriffe, 
und läfst sich ein persönlicher Cultus derselben in Mythen und Kunstwer- 
ken nachweisen? Die Münzen von Cyzicus, wo statt des ährenbekränzten 
Kopfes der Core Soteira, auf einigen Typen eine Frau, Eleutheria genannt, 
sitzend mit einem Kranz in der Hand erscheint (°), geben die bestimmteste 
Antwort auf diese Fragen. Bei der Erklärung dieser Münzen habe ich dar- 
zuthun gesucht, dafs die eben geschilderte weibliche Figur, nicht wie Mil- 
lingen (*) meint, die Freiheit im Allgemeinen bezeichne, sondern als 


(') Vergl. mit dem Feste z1ssord4o: in Phlius den Phlias Sohn des Keiros (vielleicht 
so viel als Kırös, Kırrcs,) von dem Pausanias II, x11,6 hinzufügt Arvvsou d2 cd zarovnsvor; 
und Phlyos, den die Athener und Musäus r«id« T’7s nennen (Paus. IV, ı, 4). Hesych. v. 
& Aeu Arovusov iegov. Plutarch. T. II, 683. F. given ÖE zur rov “ErrAyvuv Tas ci bAoiw Arvusu 


’ nm ’ > er - 
Suovsiw. Hesych. v. $Aet, yeusı, suzagmei, mOAUZURT 


UF [4 5 

et: v.PArsTos, zugmochopos, v. PArous 

m mw „7 , r m .! m u 6 , 
Ya zagmwv ErYyrıs: v. PAoıcav, (Floram, Krug) FrV Kosnv srv Teov ourw zarourıw Adzuves. 
Für die Berühmtheit des Weıns von Phlius zeugt Antiphanes beim Athenaeus 1, p. 27 d. 
Vgl. auch Athene Kissaea auf der Acropolis von Epidaurus, Paus. II, xxıx, 1. 

B 5 ea D 2 ’ ’ 

(2) Hesych. v.’H£y veorys, aaun za Seas’ Errı de Arög zu "Hoc Suyarıp, yury “Hoa- 

R - ö nr BER AEER 
#Azous' zur dzoAasıc, aumeros. Pausanias II, xıu, 3. cf. Athen. XI, p. 462 a. Tois de Seois 
> „4 e v Rere , c r ’ e we) 23, E N \ ds J 
eivoy,ooüsav Fıvss Inrogoüsı ryV Apmoviev, ws Kamırwv ısroget 0 emomors, AAeGavogsus Ode yEvog, 
&v Ösurzow "Egwrızuv. Das Denkmal von Cadmos und Harmonia in Illyrien, Cylices genannt 


(Athen I. c.). 
(°) Monum. ined. dell. Institut. archeol. Vol. I, pl. LVII. B, no.5, 4. 
(*) Ancient Coins of greek cities, p.71; cf. Mionnet, Descr. d. med. Suppl. T. V, p.304, n0.127. 


158 Pınorka: 


Gattin des Zeus’EreuSegios, des Liber pater der Römer, eine ’ErevSegia, d.i. 
eine Libera uns vorstelle (!). 

Das zweite Argument, welches wir zur Assimilation der Ganymeda- 
Hebe mit der Gemahlin des Dionysos, Ariadne oder Libera gebrauchen, 
findet sich in der Nachricht die Strabo (?) von dem Cultus der heiligen 
phliuntischen Göttin giebt. Er versichert, dafs sie auch den Namen Dia 
führte, ein Name, der uns einerseits an Dia, die Tochter des Oeneus, mit 
welcher Zeus den Pirithous zeugte, erinnert (°), sowie an Dis, den Herscher 
der Unterwelt, dessen Gemahlin sie sein möchte (*), und andererseits an 
Dia, das spätere Naxos (°), wo Dionysos der verlassenen Ariadne zuerst 
erschien. 

Indem wir so durch die Prüfung der verschiedenen auf die phliunti- 
sche Göttin bezüglichen Traditionen ihrem Wesen und Charakter näher treten, 
haben wir auf einen Punkt unsere Aufmerksamkeit zu richten bisher ver- 
absäumt, weshalb nämlich in Phlius keine Statue, kein Bild von dieser 
Göttin existirte. Irre ich nicht, so bezog sich die heilige Sage, welche 
diese Eigenthümlichkeit rechtfertigte, auf das Factum, dafs die phliuntische 
Göttin von Zeus entführt und nach Aegina versetzt worden sei. Denn auf 
die Identität der Phliuntierin Aegina und der Göttin Ganymeda führt schon 
die gleiche mythische Form des Raubes durch Zeus als Adler, selbst bei 


(') Annal. de l!’Institut. arch@olog. Vol. V, p. 279-281. 
(?) L.VII,p.382.Marini Fr. Arv. Tab. I,xxx1t, p.10 sqq. Creuz.ad Cie. D.N.D.II, xx11,n0.67. 
(?) Hygin. fab. CLV. Jovis filü: Piritous ex Dia Oenei filia offenbar dieselbe wie Dejanira. 


(*) Das Fest Diasia dem Zeus Meilichios zu Ehren am Ende des Monaths Anthesterion, 
an welchem keine Opferthiere geschlachtet werden. Vergl. den Zeus mit Adler und Blitz 
und einem Kranze von Frühlingsblumen, eine Statue im aeginetischen Style, Weih- 
geschenk der Metapontiner (Pausan. V, xvur, 4). Sein Bild vergegenwärtigt uns wahrschein- 
lich ein merkwürdiger Kopf im Besitz des Fürsten Talleyrand, von Petit-Radel auf Diony- 
sos Kyamites bezogen. Dieser Zeus der Metapontiner wirft ein Licht auf den mythischen 
Gründer von Metapont, Dius oder Metabos (Due de Luynes Metaponte p.4) der wohl mit Ache- 
lous auf den Münzen von Metapont, so wie mit Bacchus Hebon zusammenfällt (Mus. Blacas 
p-92-96); dessen Frau wird mythisch Theano oder Autolyte genannt; als Göttin vermuthe 
ich, wird sie jene Here (Kogr), deren Tempel in Metapont mit Säulen aus Holz von 
Weinstöcken geschmückt war. (Plin. H. N. XIV, 2) Seneca Oedip. act. II. v. 412, Chor): 


Te (scil. Bacchum) decet vernis comam floribus cingi. 


(°) Athen. VII, 296.a. Etym.M.v. Arc Steph. Byz. Ara morıs Osssadias, Alarol ariae. 


Zeus und Aegina. 159 


oberflächlicher Mythenprüfung unabweislich hin, und mit tieferem Blick in 
die Natur dieses Cultus hat Ottfried Müller (1) in jener übergoldeten ehernen 
Ziege auf der Agora von Phlius (?) eine mystische Beziehung auf Aegina 
vermuthet. Sind die bisherigen Betrachtungen richtig, so folgt dafs die 
Tochter des Asopos, Aegina, den Charakter einer Wein spendenden, 
Ähren tragenden, jugendlichen Naturgöttin mit der phliuntischen 
Ganymeda-Dia-Hebe gemein haben mufs. Dafs diese Vermuthung nicht 
ganz unbegründet sei, konnte schon der frühere Name Aeginas, Oenone(°), 
oder nach Andern Oenopia (*) uns lehren, insofern in beiden der Begriff 
des Weines oives, so gut wie bei jenem Festmal des Oeneus, dessen Anden- 
ken in Phlius gefeiert wird, am Tage liegt. Allein die Kunstdenkmäler 
werden uns schneller und auf eine befriedigendere Weise zum Ziele führen 
und Zeugnifs ablegen, dafs in der von uns bis jetzt befolgten Methode der 
Mythendeutung kein Irrthum begangen ist. 

Pausanias (°) erwähnt unter den Weihgeschenken von Olympia eine 
Statuenreihe der Phliasier in welcher nächst Nemea Zeus sich befand nach 
der Aegina fassend (°);, dieser zunächst stand Harpinna, Corcyra, dar- 
auf Thebe, und am Ende der Vater dieser Nymphen Asopos. Einen Zeus 
von Erz und zugleich eine Statue der Aegina wahrscheinlich von Mar- 
mor hatten dieselben Phliasier nach Delphi geweiht (7). Plinius (?) er- 


(') Aeginet. p. 11. 
(?) Paus. II, xıı, 4. Vergl.Raspe Catal.d. pierr.gr.de Tassie No.1089 Agath. au Cab. Britan. 
un aigle assis sur une chevre couchee par terre. ö 
(°) Schol. Pindar Nem.IV, 71; VI, 53. 
(*) Pindar Isthm. VII, v.21: 
ve’ (Aeginam) &s v&rov Oivoriav Eveyauv 
Komero (Zeus) tov £vSa rexes 
Alazcv, Rasuspagayw margı Heövorerov Eriy,Soviav. 
(O)ESVAxXXInD: 
(°) L.c. Zeis errı Aeuavonsvos Alyırys: vergl. Paus. V, xvım,1, auf dem Kasten des Cy- 
’ \ x ’ at nr \ >= \ NEFRELAR m x m ’ 
pselus: smoimrar d2 zur Ozrıs magTevos, AuuDaverc de aurys IlyAels zur amo TuS XEıgos rns.O8- 
rıdos obıs Eemı rov IlyAiae Errıw öguär. 
(°) Pausan. X, xıu, 3; vielleicht war hier Aegina dem sitzenden Zeus gegenüber oivoxo- 
cös« dargestellt. 


(*) Plin. H. N. XXXV, 40. 


160 Pınorka: 


wähnt ein enkaustisches Gemälde den Mythos der Aegina darstellend von 
der Hand des Lysipp. Leider lassen die eben angeführten Nachrichten über 
die drei verschiedenen Kunstwerke uns völlig im Dunkeln über Art und 
Weise wie Aegina vorgestellt und individualisirt gewesen, und die vorlie- 
gende Untersuchung wird zugleich auch den Nutzen gewähren, über diese 
drei Stellen der Alten ein genügendes Licht zu verbreiten. 

Die Zeichnung eines geschnittenen Steines, welche ich dem reichen 
Portefeuille meines Freundes Gerhard verdanke, und die ich Taf. I, 2 vor- 
zulegen mir erlaube, scheint ein sicheres Bild der Göttin Aegina uns zu ver- 
gegenwärtigen. Das Sitzen am Boden (!) und das Berühren desselben mit 
der einen Hand (?) ist in der Kunstsprache ein deutliches Zeichen chtho- 
nischen Charakters aller derer, bei denen wir eine solche Stellung 
wahrnehmen. Auch das hinter sich Blicken ist mit Recht als ein Symbol 
von Göttinnen und Heroinen der Schattenwelt aufgefafst worden (°). Das 
grofse Gefäfs, welches auf einem Postament in der Nähe der liegenden Frau 
aufgestellt ist, eignet sich vortrefflich zum Weinbehälter, und vergegenwär- 
tigt den frühern Namen Aeginas, Oenone (*). Der liebesbrünstig nach 
der Nymphe herabblickende Adler kann wohl kein andrer sein, als Zeus 
unter der Gestalt dieses Vogels in dem Moment, wo er die Tochter des Aso- 
pos entrückt. Wie es scheint, will er sie bei den Haaren in den Olymp 
hinaufziehen, wie wir es wirklich auf dem Vasenbilde des hiesigen Museums 
Taf.I, 1 und auf einem andern ähnlichen der Fontanaschen Sammlung (°) in 
Triest, welches ich Taf. I, 3 habe zeichnen lassen, wahrnehmen. 

Dieser Vorstellung gegenüber befindet sich Taf. I, 4 eine andre, der 
Stoschischen Sammlung des hiesigen Museums entlehnt, über welche Win- 


5 
ckelmann (°) folgende Ansicht ausspricht: 


(') Millingen Coins of gr. cit. Pl. IM, n. 12, 13, 14 Münzen von Cierium; Lenormant, Ann. 
de I’Instit. Vol. IV, p. 67. 

€ ) Apollod. IT v4. Yayovra (Antaeum) yag yiS In ygwrerov auveßy ywesrTar do zur 
Tys Five Ebarav Toürov eivaı raid. 

(°) Duc de Luynes, Annal. de !’Instit. Vol. V, p.249. 

G) Etym. M.v. Yizwos viros Errı me0 8 N Bun Oivorn 70 me6 Tepov zarovnzvN, dia To siwan 
alımerochuror, nerwwondrSn d2 amd viod Odavros, Nızivov zur vurmdbns Oivovaidos. Vgl. Fest. v. 
Vinalia den neuen Wein dem Jupiter, mense sextili, der Venus (Libera?) mense Aprili. 

(°) Mit gelben Figuren auf schwarzem Grunde. 

(°) Catal.d.pierr. gr. du Bar. Stosch Cl.I, Sect.XII,858. Vgl. Raspe Cat. d.p.gr. 7141-7163. 


Zeus und Aegina. 161 


»Psyche traurig auf einem Felsen sitzend, vor sich ein Gefäfs, welches 
»sie mit dem Wasser aus dem Cocytus füllen und der Venus bringen 
»sollte. Über ihr ein Adler, der ihr diese Aufgabe lösen half, hinter ihr 
»zwei Ähren und seitwärts eine Ameise, welche die zweite Arbeit andeuten, 
»die Psyche zu vollbringen hat.« 

Völlig übereinstimmend mit dieser Winckelmannschen Erklärung, 
äufsert sich Professor Tölken über denselben Carneol in dem erst kürz- 
lich erschienenen Gemmenkatalog (!), »Psyche scheint in ihren Prüfun- 
»gen traurig auf einem niedrigen Steine zu sitzen; hinter ihr sieht man zwei 
»Ähren, anzudeuten, dafs sie die vermengten Körner verschiedener Getreide- 
»arten sondern mufs, vor ihr eine Schöpfkanne, mit der sie Wasser aus 
»dem Cocytus holen soll; zugleich ist aber auch die Ameise beigesellt, die 
»Amor ihr bei ihrer ersten Arbeit sandte, und über ihr schwebt der Adler, 
»welcher ihr bei der zweiten half, und der hier als Omen des Sieges 
»einen Lorbeerkranz in den Klauen trägt.« 

Eine Psyche ohne Schmetterlingsflügel an den Schultern, oder doch 
wenigstens deren Andeutung an der Stirn, gehört, so weit ich den uns jetzt 
zu Gebote stehenden Vorrath antiker Denkmäler übersehen kann, wenn nicht 
zu den unerwiesensten, doch zu den zweifelhaften und seltneren Erscheinun- 
gen. Andere Mängel der eben mitgetheilten Erklärungsweisen übergehend, 
glaube ich ohne weiteres in der auf einem Felsstück sitzenden Figur die 
Nymphe Aegina nachweisen zu können. Das vor ihr stehende Gefäfs giebt 
sich deutlich als eine Oenocho& (?) zu erkennen, und bezeichnet deshalb 
die Sitzende als eine Weinschenkin (*), d.i. als eine Hebe oder Ganymeda. 
Hiermit stimmt der über ihrem Haupte schwebende Adler, welcher einen 
Kranz als Zeichen der Liebe ihr darbringt. Die Ameise als Erinnerung an 
die erste Bevölkerung Aeginas, nämlich die aus solchen Thieren uvgunxes 
anthropomorphisirten Myrmidonen (*), zeugt ihrerseits für die Richtigkeit 


(‘) II,KI.II. Abth. VII. *713. 
(*) Panofka Rech. sur les noms des Vas. gr. Pl. V, 101, p.36. 


(°) Musee Blacas, p. 78-80. Vergleiche APIAANE dem AIONYSOS einschenkend, auf 
einem Oxybaphon des Durandschen Kabinets, wo KQMOS und TPATOIAIA an der Scene 
mit Theil nehmen, jede Figur mit deutlicher Inschrift. 

(*) Ovid. Metam. VII, 622 sqq. Hygin. f. LU. Serv. ad Virg. Aeneid. II, 7; IV, 402. 

Philos.- histor. Abhandl. 1835. X 


162 Pınorka: 


unserer Erklärung, so wie die Ähren (!) hinter der Göttin in dem ährenbe- 
kränzten Haupte der Keen Zurepa oder ’EAeuSsgia der Münzen von Cyzicus (?) 
ihre Analogie und Rechtfertigung finden. Sollten indefs noch Zweifel über 
den dieser Vorstellung zu gebenden Namen obwalten, so wird eine genauere 
Prüfung der folgenden Vasen und geschnittenen Steine (*) dieselben leicht 
zu heben im Stande sein. 

Taf. II, 1 sitzt die Nymphe am Boden, traurig und nachdenkend, wie 
auf den früheren Denkmälern; vor ihren Füfsen steht ein Gefäfs, weder 
zum Schöpfen dienend, noch in die Klasse der Amphoren oder Kratere zu 
zählen, sondern eine Art tiefe Schale oder Becken, vermuthlich um die 
herabfallenden Früchte (*) aufzunehmen, welche einem hinter der Nymphe 
sich erhebenden Baume angehören. Man bemerkt auch zwei Ähren, ohne 
Zweifel um dieselbe als Göttin des Erdensegens zu charackterisiren; des- 
gleichen schwebt über Aeginas Scheitel Zeus als Adler, in seinen Klauen 
einen Scepter, den er der Geliebten als Sinnbild der Macht statt des Kran- 
zes auf dem Monument Taf.I, 4, darbringt. 

Dieselbe Composition finden wir, nur in etwas vergröfsertem Mafs- 
stabe und von der entgegengesetzten Seite aufgefafst, auf der Glaspaste 
Taf. U, 2. Mit über einander geschlagenen Händen auf dem Schoofs er- 
scheint Aegina auf blofser Erde sitzend und an einen Baum gelehnt; der 
Adler mit dem Scepter schwebt über dem Haupte der Schlummernden, vor 
derselben erblickt man zwei Ähren, die entweder hinter oder vielleicht 
in einem zu ihren Füfsen stehenden Fruchtkorbe sich befinden; daneben 
eine Ameise. 

Am vollständigsten aber erscheint der Mythos der Aegina auf den zwei 
Denkmälern, die ich auf Taf. II, 3 und 4 vorlege. Das Fragment no. 3 ist 


(') Hesych. aiyırul oa rıs Zubzgns srayvı. 


(2) Monum. ined. de l!’Instit. archeol. Vol.I, pl.LVII. B u.5u.4; Vgl. den Cereskopf auf 
der Metapontinischen Münze bei Müller und Oesterley, Denkmäler der alten Kunst, Heft III, 
Taf XL, 193: 

C) Taf. II, 1u.2 den Antiken Bildwerken Gerhards entlehnt, wo sie unter andern Pro- 
serpinen- Vorstellungen mit aufgenommen sind; no.& ist eine blaue Paste des Berliner Mu- 
seums bei Winckelmann Catal.IV Kl.II Abth. 171. 


(*) Vgl. mein Mus. Bartoldiano Vas. Dip. A 2. 


Zeus und Aegina. 163 


ein Amethyst und im Katalog der zweiten Centurie der Gemmen des archäologi- 
schen Instituts unter no.34 als schlafende Proserpina angegeben. Über 
die fehlende Hälfte dieses kostbaren Steines giebt die mit Ausnahme einiger 
unwesentlichen Abweichungen vollkommen gleiche Vorstellung (!) der Sto- 
schischen Paste no.4 jeden nur zu wünschenden Aufschlufs. In beiden Denk- 
mälern finden wir die Göttin ausruhend, in gleicher Kleidung und Lage, nur 
dient der linke Arm auf dem Fragment zur Stütze des Hauptes, während auf 
dem kleinern Steine derselbe erdwärts herabsinkt (?). Desgleichen naht 
auf beiden ein Adler mit einem Scepter der Göttin, in deren Nähe ein Baum 
als Mittelpunkt der Scene gepflanzt ist; auch Ameisen fehlen nicht. Was 
aber dieser Vorstellung vor den bisherigen einen unbestreitbaren Vorzug 
giebt, ist die als neues Element hier in den Aeginamythos eintretende 


Schlange, welche wahrscheinlich im Andenken an jenen als Schlange 


(') Fisconti (Oeuvr. div. publ.par Labus, T.1I.p.232) bezieht diese Vorstellung auf die 
Entdeckung eines Schatzes, eine der unglücklichsten Deutungen des grolsen Archäologen: 
Esposiz. di gemme antiche no. 249. Questa immagine simbolica della Fortuna sembra allu- 
siva ad una qualche avventura umana, e forse all’ invenzione di qualche tesoro. La For- 
tuna, caratterizzata dalla sua ruola, dorme sotto d’un albero in sito campestre. Attorno all’ 
albero s’avvolge un serpente, immagine viva del Genius loci. Sopra svolazza laquila per 
esprimere il buon augurio mandato da Giove "Orßoderrs (dator di ricechezze). A’ pie 
della Fortuna & un di que’ vasi dove si nascondeva il danaro sotterrato (argenti seria), 
come nel’ Aulularia di Plauto e in tanti moderni ritrovamenti. La farfalla che vola 
attorno dell’ olla puö simboleggiar Panima di quel®’ araro ch’e stato P’autore del ripostime. 
Le due figure virili in abito romano, che sembrano in atto di silenzio accostarvisi, saran gl’ 
inventori fortuiti di quel tesoro nel punto d’imbattersi in questa addormentata Fortuna. La 
spiga puö indicare la lor professione d’agricoltori, o determinare il luogo della invenzione 
presso di qualche campo di grano. Tale esposizione meramente ipotetica € sempre meno 
irragionevole che il credervi espressa una immagine dei misteri eleusini, come si & fatto si- 


nora. L’originale era inciso in diaspro nero (Dolce, E 12). 


(*) Propert.L.I, Elegia IH, v.1-8. 
Qualis Thesea jacuit cedente carina 
Languida desertis Gnosia litoribus: 
Qualis et accubuit primo Cepheia somno, 
Libera jam duris cautibus Andromede: 
Nec minus assiduis Edonis fessa choreis 
Qualis in herboso concidit Apidano: 
Talis visa mihi mollem spirare quietern 


Cynthia, non certlis nixa caput manibus. 


X2 


164 Pınorka: 


Proserpinen heimsuchenden mystischen Zeus (!) zu der oben angeführten 
Benennung Proserpina verleitet hat, obwohl die Motive der beiden Arten 
des Ruhens mehr in der berühmten Statue des Vatican (?) und in verschie- 
denen pompejanischen und herkulanischen Frescobildern der auf Dia ver- 
lassenen Ariadne (°) sich wiederfinden. 

Allein wir haben keinen Grund aus Rücksicht für diese Schlange der 
Aegina untreu zu werden: denn nach Hygin (*) soll Juno aus Eifersucht auf 
die von Zeus nach Delos entführte Aegina und deren Sohn Aeacus, eine 
Schlange gesandt haben, welche das Wasser dermafsen vergiftete, dafs je- 
der, der daraus trank, auf der Stelle starb, und da Aeacus auf diese Weise 
alle seine Gefährten verloren hatte, blickte er auf die Ameisen hin und er- 
bat sich von Zeus Menschen zu seinem Schutze. Sein Flehen wurde er- 
hört: denn Myrmidonen werden unter den ältesten Bewohnern Aeginas auf- 
aufgezählt. Das Gefäfs zu den Füfsen Aeginas hat, so weit es sich bei so 
kleinen Verhältnifsen und ohne Selbstanschauung des Originals beurtheilen 
läfst, das Ansehn einer Oenochoö; die Ähren, welche an beiden Seiten am 
Ausgang der Scene sich erheben, kommen mit den gleichen Attributen der 
früheren Vorstellungen zu sehr überein, als dafs wir uns dabei verweilen 
dürften. Dagegen überraschen uns die beiden Männer, welche als neue 
Erscheinungen in dieser vollständigsten Vorstellung des Aeginamythos einen 
nicht unbedeutenden Platz einnehmen. Sollte es der zu Zeus flehende 
Aeacus sein, mit einem seiner Genossen (?°)? der nothwendige Begriff 
der Menschenleerheit (°) der Insel, welche das Gebet des Aeacus moti- 
virt, während die Ameisen ihrerseits darauf anspielen, würde durch die An- 
wesenheit eines Genossen eher aufgehoben als versinnlicht. Deshalb scheint 


(')  Clem. Alex. Protrept. p. 14. Iaryg zu PSogeus Kopns 5 Zeis, zur niyvurau dgazwv 
yevowevos S.mein Cabin. Pourtales, pl.XX, p.24, 25. 


(?) Visconti Pio-Clem. T. U, tav. XLIV. R.Rochette Monum. Ined. Pl. V,IX, XA. 
(°) Pitture d’Ercolano. 


(°) Hygin. fab. LII; Ovid. Metam. VII, 523 sqq. beschreibt die auf Junos Veranlassung 
entstandene Pest auf Aegina. 


(°) Serv.ad Virg. Aeneid. II, 7. 


5 RS , ey 
6) Paus. II, xxıx, 2. Apollod. III, xı1, 7. Zeus ovrı uovw Ev N vrrw ToOUS Muounzas dvow- 
’ ’ e) ’ D x D 5 5 


> ’ 
TOVS ETANTE. 


Zeus und Aegina. 165 


es vielleicht zweckmäfsiger an Asopos zu denken, welcher seine Tochter 

aufsuchend von Sisyphos erfuhr, wer sie geraubt und wo sie sich aufhalte. 

Das verschiedene Alter der beiden Personen, ihr Verhältnifs zu einander, 

in so fern es sich in Stellung und Haltung eines jeden ausspricht; die erho- 
bene Hand des Älteren, welche Überr aschung und Staunen verräth: alles 
dieses scheint dafür zu zeugen, dafs in der den Schlafenden zunächst treten- 
den Figur ihr Vater Asopus, in der entfernteren der Denunciant Sisyphus 
dargestellt sei. Ob in dem zum Ruhekissen dienenden auf beiden Monu- 

menten verschiedenartig gebildeten Schilde vielleicht eine Beziehung auf die 
Schildkröte Aegina’s (') liege, wage ich nicht zu entscheiden, wenn gleich 
die Stoschische Sammlung einige geschnittene Steine besitzt, wo der Rücken 

dieser und ähnlicher Schaalthiere (?) auf eine ganz gleiche Weise vom 

Künstler behandelt ist. 

Zwei andre Vorstellungen, ebenfalls auf den Mythos von Aegina be- 
züglich, lege ich Taf.I, 5 und Taf. II, 5 vor, beide Gerhards Antiken 
Bildwerken entlehnt wo sie in die Klasse der Proserpinen - Vorstellungen 
aufgenommen sind. In beiden fehlt das Element der Weinschenkung 
durchaus : statt dessen tritt in dem Korbe mit Früchten von denen die am 
Boden Sitzende eine in der Hand hält, so wie in den beiden Ähren die Se- 
gen spendende Tochter der Demeter auf das bestimmteste hervor. Die 
über dem Fruchtkorbe auf beiden Seiten sehr unbestimmt angegebenen Ge- 
genstände können nach der Analogie ähnlicher Vorstellungen die Anwesen- 
heit von Ameisen oder von Früchten gleicher Form auf dem uns bekannten 
Original vermuthen lassen. Jedenfalls sind aber die auf dem Fruchtkorbe 
liegenden Früchte so gut wie die hineinfallenden Taf. II, 1 Feigen (°). 


(*) Siehe meine Abhandlung über Sciron. 

(?) Winckelmann Catal. d.pierr. gr. Cl.II, S.IX,517; Cl.U, S. XIV, 1149; Cl.DI, Sect. 
XIV, 1152. 

E} - ’ r . 

(°) Pausan. I, xXXVIL, &v rovrw 0 Yweiw (Tempel der Demeter und Kore, mit Altar 
des Zephyr und Verehrung von Athene und Poseidon an der heiligen Strafse) Pir«rov pasıv 
oizu Arunree Seas Scan, zo Trv Seov dvrı rovrwv Öolver ci ro dburov Tys aunns. Megrugei E wor 
FW Aoyu Fo Erriyoaetapace 70 &mı ru PuraAov rapu" 

’EvIaT avee Y. yows Burados more SEE EGaro eaunv 
Anunrgev, ÖrE mowWroV Omugas Haomös Echyvev, 
“Hi isgav Furyv Tuyrav yz Evos Eevondger- 


’EE oo ön FUARS Purar ou Ye Evos ET EV ayng wo. 


166 Pınorka: 


Dies bestätigt Servius zum Virgil (1), wo er über den Ursprung der Myrmi- 
donen berichtet, dafs Aeacus nachdem die Pest ihm seine Genossen geraubt, 
Ameisen in einem Feigenbaum erblickend, den Wunsch hegte, so viel Ge- 
fährten zu erlangen als die Zahl jener Thierchen betrage, worauf Zeus dies 
Gesuch ihm erfüllte. 

Ich gehe aufein schon bekanntes, aber nicht eigentlich erklärtes Denk- 
mal Taf. II, 6 über, welches in der ganzen Reihe von Aegina- Vorstellungen 
nicht blofs seines archäologischen Interesses wegen, sondern auch von dem 
künstlerischen Standpunkte aus nicht genug gepriesen werden kann, und 
gar wohl eine Nachbildung des Lysippischen Gemäldes (?) uns darzubieten 
im Stande ist. In der zweiten Sammlung der Hamiltonschen Vasen hat 
Tischbein (*) dasselbe stechen lassen, mit Recht den Raub der Aegina durch 
Zeus darauf erkennend. Eben so treffend hat derselbe Gelehrte in dem 
zuschauenden jungen Satyr den schlauen Sisyphus vermuthet, welcher un- 
bemerkt und mit aufgehobener Rechten, vielleicht den blendenden Sonnen- 
strahl abwehrend, dem Fluge des Räubers nachzuspähen scheint. Alles 
übrige indefs auf diesem Gemälde ist unbeachtet geblieben, sowohl die In- 
schrift @AAEIA, als die Blumen, welche die Nymphe umgeben, der Ball 
(rBaig«) welcher im Moment, als Zeus sie entrückt, ihr wahrscheinlich zum 
Spielwerk (*) gedient hatte, wie so oft Aphroditen (°), den Grazien, dem 


= \r r q ’ E wm ’ x X ’ \ EN - ’ 
Außası de rov Kydırsov Bunss Errı AEYLOS Meıirıyrov Aros, Em rouru Oyseus Umo Tuv amo- 
’ BG 7 ’ 07 \ wrı > ’ RAN \ rl a! 
yovuwv rwv Purarov za Tagrinv ETUYE, Ansras za aAAous amoxrewas zu Div va mgos IhrTews 
= .. ’ ’ - dA - 5 6 ’ ’ Y 
suyysvy. Photii Lex. v. ‘Hynrrgie marraIy auriv yv ev rn moumd rw IMuvrngiwv egovsw or 


Husgou FgodNs maWrNS TaUrNs Eysuravro. 

(') Formicae, quas casu animadverterat plures in arbore fici. Serv. ad Virg. Aeneid. 
VI, 7; Ovid. Metam. VII, 622-660 spricht von einer Eiche. 

(2) Plin. H.N.XXXV,xr. 

() Vol.I, p.24 gelbe Figuren auf schwarzem Grund. 

(*) Mus. Blacas XXVI, B,p. 79. 


(°) Philostr. Jun. Imagg. VI. MirSev de ci (scil. "Egurı) 7iS Uroupyias Y uneng (seil."Adgo- 
dien) apaigav mgoösızvust, Ars auryv I ug yeyovevaı Acyouze. “Ogds #cı vrv Teyuyv Zv FÜ 
yoabn; Aeuroü av urn, gap ö2 aurf ci vosirTcu MERAov 9 opdrTan, PAuzas re auavol Ed Eau- 
TNS Burroure* Ho avasaıbeinc Tay,c moU, 70 aroyngolv Teras apaguychs arrEguv sinagew 
urn Öwreı. 


Zeus und _Aegina. 167 


Eros und dem Ganymedes (!), die Sterne auf ihrem Kleide, und endlich 
die Sonne die das Haupt des Adlers umgiebt. 

Warum finden wir über dem Haupte der vom Adler geraubten Frau 
nicht die Inschrift HEBE oder TANYMEAA, oder AIA oder AITINA, sondern 
eine neue, für diesen Mythos unbekannte, und was bedeutet diese? @AAEIA 
kann wohl nur die Göttin des Wachsthums und der Blüthe (?) be- 
zeichnen und halten wir diesen Begriff fest, so entfaltet sich zu Gunsten des 
Symbols der Germination das fast auf keinem der vorgezeigten Aeginabilder 
fehlt, ein tieferer Sinn, als der ihm gewöhnlich zuerkannte. So erscheint 
jener Blätterkranz an der Basis der Weinamphora, Taf.I, 2 nicht blofs als 
ein müfsiges, von dem Schönheitssinn des Künstlers hervorgerufenes Or- 
nament, sondern es trägt zugleich den höhern Ansprüchen der symboli- 
schen Kunst der Hellenen gemäfs, als Hieroglyphe zum Verständifs der 
Vorstellung seinen Theil bei. Desgleichen gewinnt Taf. I, 3 jener zu den 
Füfsen Aeginas sichtbare Blätterzweig eine höhere Bestimmung, als die von 
manchen Archäologen so oft gemifsbrauchte einer nothwendigen Ausfüllung 
des leeren Raums. Ganz in demselben Sinne fafse ich jene prächtige Blume 
Taf.I, 1 über welche auf dem Gefäfse des Berliner Museums Aegina auf- 


(') Der Ball nemlich hat denselben Sinn, welchen der Reifen (rg0%s) verräth den 
man nebst einem Stäbchen in den Händen des Ganymedes findet, sowohl auf einer Vase 
des Neapler Museums (Neapels Antiken S.343), als auch auf einer andern bei Passeri (Pict. 
Etr. T. I, cLv1.) und in den Händen des Eros auf der Ingenheimschen Vase des hiesigen 
Museums. S. Hirts Brautschau. 


a 3 > Dr \ m Q Fan > ! ’ x \ 4 x 
(&) Etym. M. v. TaAspos 6 Ev azun wu TOD TarAsıv, 5 armafuw veos — mag To Samui, 70 
RER A 


7 \ ’ be) x 6 er »n [2 ’ € x O3, 
w, 70 rechw* amo Meradopas sns avgwruv (bureus, 0 yap InAyS MAETFOV 


avEw, roüro maod 70. 
= > > 
MErEY nV avsırıv £iS aueysıw. cf. v. SarAu et Fest. v. Thaleae nomen dietum alü ab aetatis 
flore ajunt, alii quod carmina semper floreant. Pindar. Nem. I, 71. errors Ev Öwmer deEane- 
vov Sarsgav "H3av &zorw* Virg. Aen. VI, 136 sqg- 
Latet arbore opacd 

Ädureus et foliis et lento vimine ramus, 

Junoni infernae dictus sacer: hunc tegit omnis 

Lucus, et obscuris claudunt convallibus umbrae. 

Sed non ante datur telluris operta subire, 

duricomos quam quis decerpserit arbore fetus. 

Hoc sibi pulchra suum ferri Proserpina munus 

Instituit. Primo avulso non deficit alter 


Ädureus; et simili frondescit virga metallo. 


168 Pınorka: 


steigt. Die beiden Blumenzweige auf der Hamiltonschen Vase Taf. II, 6, 
der Baum auf den 4 Monumenten (1-4) von Taf.II, die Feigen auf den 
Steinen Taf. II, 1 Taf.I, 5 und II, 5, die zwei Ahren auf Taf. I, 4 und 5, 
Taf.U, 1, 2, 4, 5 legen sämmtlich ein vollgültiges Zeugnifs ab für die Göt- 
tin der aufspriefsenden, Blüthen bringenden Natur, für eine Hebe, nicht in 
dem untergeordneten Sinne moderner Auffafsung, sondern mit dem Cha- 
rakter der Jugend, wie dieselbe in dem weitesten kosmischen Sinne, in dem 
Menschengeschlecht, in der Erde und am Himmel sich offenbart. Thalia- 
Aegina wird daher auch der rechte Name sein, für jene einsam und trau- 
rend an einem Baume in der Nähe eines Adlers sitzende Frau der Silber- 
münzen von Gortyna auf Creta, Taf.I, 6, welche Öttfried Müller (!) be- 
schreibt als »Europa, auf dem Stamm eines Platanosbaums bei Gortyna 
sitzend, Zeus als Adler vor ihr,« ohne zu erwähnen, ob irgend wo, was ich 
bezweifle, der Mythos des als Adler entführenden Zeus auf Europa über- 
getragen worden ist. Eine Bestätigung dieser Ansicht geben andere Silber- 
münzen derselben Stadt (?) wo der Augenblick der Entführung der Nymphe 
durch den Adler unzweifelhaft erscheint (Taf.I, 7 und 8). Bei dem porliti- 
schen und kommerziellen Verkehr zwischen Creta und Aegina (°), bei der 
Gemeinschaft ihrer Religionen, welche sich ganz besonders in dem Cultus 
der Dictynna und Aphaea kund giebt, darf es nicht befremden, wenn der 
Mythos von Aegina auf Creta dann und wann ans Licht tritt. 

Diese Thalia aber ist keine andre als die Gemahlin des Zeus-Aetna, 
welche wir aus einem sicilischen Mythos der Paliken kennen (*) und aus 
zwei Vasenbildern, wo Zweige mit Blüthen ihren Schultern und Armen ent- 
spriefsen, während ihre beiden Söhne, die Paliken oder Chirogastoren mit 
grofsen Hämmern auf ihren Kopf losschlagen (°). Diese sonderbare und 
gewifs nicht blos aus dem Charakter hephästischer Handwerker zu rechtferti- 
gende Behandlung oder vielmehr Mifshandlung findet ihre Lösung in dem 


(') Denkm. der alten Kunst, 3. Heft. T. XLI, n. 186. 
(?) Combe Mus. Hunt. Taf. XXIX, 1 und XXVII, 22. 
(°) Müller Aeginet. p. 81. 

(*) WVelcker Ann. de l’Instit. archeol. Vol. I, p. 245-257. 
(°) Annal. de I’Instit. Vol. II, tav. d’agg. Ju.K. 


Zeus und Aegina. 169 


Namen "Axuuvn (1) welcher dieser Palikenmutter zukömmt und einerseits 
die Idee des Ambosses @zuwv in sich schliefst, andrerseits den Begriff des in 
der Blüthe stehen @zu«a@w in gleichem Masse in sich aufnimmt (?). Die- 
ser Göttin zu Ehren fanden auch nach Einsammlung der Früchte gewifse 
Opfer statt, durch welche der Dank für segensreiche Erndte sich vorzugs- 
weise an Demeter- Thalia (°) aussprach, von der dieser Festtag den Namen 
@arvrıe (*) entlehnte. 

Nachdem wir auf diese Weise Begriff und künstlerische Auffafsung 
der Nymphe Aegina zu erläutern versucht haben, gehen wir zur zweiten 
Hauptfrage über: 

Was stellt Zeus unter der Gestalt des Adlers vor? 

Das strahlenreiche Bild der Sonnenscheibe, welches auf der Hamil- 
tonschen Vase (Taf. II, 6) mit dem Adler selbst in eins verschmilzt, läfst uns 
schliefsen, dafs der Aegina raubende Zeus einen Licht- und Sonnengott 
darstellt. Offenbar haben wir hier jenen Adler vor uns, welchen die Al- 
ten Haliaetos(°), nannten berühmt durch seinen leuchtenden Blick und seinen 
grandiosen Schwung in der Höhe: es ist derselbe, der seine Jungen zwingt in 
die Strahlen der Sonne hinein zu schauen, und wenn sie geblendet, den Kopf 
wegwenden, sie als eine ungerathene Brut aus seinem Neste wirft. In den 
ersten Stunden des Tages sitzt er träge, und fängt erst um Mittag zu arbei- 
ten und zu fliegen an, und weil man nie sich erinnert, dafs dieser Vogel vom 
Blitz getroffen worden, wird er als der Waffenträger des Zeus angese- 


(‘) Panofka Ann. Vol.II, p. 395, 396. 
(2) Hesychius v. ezuare" Sarrovre und Panofkal. c. 
(°) Etym.M. v. Saure. 
(*) Hom.11.I,v.529. 
Kai yao Foirı zaR0v Yov 70°p ovos "Aorsnıs Bgre 
Xuranzvn, 6 08 ourı SaAvcıa youvo auns 
Oive Use, arn.cı de Seor daivuvS Eraeronas. 
Cf. Sagyraos, bisweilen Sarysıos &gros genannt (Athen. III, 114.a) Brot aus neuem Weizen 
gebacken. 
() Plin.H.N.L.X, ım. Cf. Hygin. Astron. L. II, Aquila: Hanc etiam Jupiter primus ex 
avium genere delegisse sibi existimatur quae sola tradita est memoriae, contra solis orientis 


radios contendere valere. Itaque super aquarium wvolare videtur. Hunc enim complures 


Ganymedemn esse finxerunt. 


Philos.- histor. Abhandl. 1833. Y 


170 Pınorka: 


hen und bezeichnet. Eine gründlichere Belehrung über den Sonnencha- 
rakter dieses Adlers sowohl, als auch über die mit Adlerkörper versehene 
Frau, die in der rechten Hand ein Tympanum haltend und in der Linken 
eine Taenia, auf dem Halse des Hamiltonschen Gefäfses über der Thalia- 
Vorstellung (siehe unsere Taf. II, 7) erscheint, verdanken wir folgender Er- 
zählung des Antoninus Liberalis(!): Periphas, ein Autochtone in Attica vor 
Cecrops Zeit, herrschte über die uralte Bevölkerung, zeichnete sich durch 
Gerechtigkeit, grofsen Reichthum und Frömmigkeit aus, stiftete mehrere 
Heiligthümer dem Apollo und entschied die meisten Streitigkeiten zur Zu- 
friedenheit beider Partheien; daher trugen die Menschen aus Dankbarkeit 
die Verehrung des Zeus auf ihn über, gründeten ihm Heiligthümer und 
Tempel, und gaben ihm die Beinamen Zeus Soter (?), Epopsios (°), Mili- 
chios (*). Als deshalb Zeus aus Zorn das ganze Haus des Periphas mit sei- 
nem Blitz vernichten wollte, legte Apollo Fürbitte ein und wehrte so von 
seinem Diener das bevorstehende Unglück ab. Als indefs später Zeus in 
das Haus des Periphas kam und denselben in vertrautem Verkehr mit seiner 
Frau überraschte, drückte er ihn mit beiden Händen, und verwandelte ihn 
dadurch in einen Adler, des Periphas Gemahlin aber, die die Gunst der 
Ornitomorphose erflehte um nicht von ihrem Gatten getrennt zu werden, 
in eine Art weiblichen Adler $yvn genannt. Dem Periphas ertheilte hierauf 
Zeus weil er der frömmste unter den Menschen gewesen, die gröfsten Aus- 
zeichnungen, das Königthum unter den Vögeln, die Obhut des heiligen 
Scepters und die Freiheit, seinem Throne zu nahen: der Frau des Periphas 
aber, die er in eine Phene verwandelte, verlieh er die Gnade, den Men- 
schen bei ihren Unternehmungen als Vogel glücklicher Vorbedeutung zu er- 


(‘) Metamorphos. VI. Periphas; Ovid. Metam. VII, 399, 400. 


(2) Annal. de l’Institut. Vol. V, p. 274-280. Hesych. v. ’EAsuStgios Zeus" roürov de Evioı 
»cı Zwrage der. Paus. VIII, xı, 1; VIII, xxx, 5; IV, xxxı,5; I, xx, 5; IH, xıı, 6; Athen. 
U, 38.d. XI,466 e; 471 d.e, 487 a, XV, 675 c. 

(°) Orph. Argon. 1038. derselbe wie sisvor« Zeis und wie Helios &s zavr EbogE zu 
Mavr Erazovsn 


(‘) Sein Altar mit dem Feigenpflanzer Phytalos in Verbindung gesetzt bei Pausan. 
I,xxxvır, 3; als Pyramide auf dem Forum zu Sicyon neben Artemis Patroa als Säule 
(Pausan. II, ıx, 6); sitzende Statue von Polyclet in Argos (Paus.Il, xx, 1). 


Zeus und Aegina. 171 


scheinen. Das Bild dieses Periphas glaube ich auf dem Taf. TI, 8 gestoche- 
nen Steine nachweisen zu können; in wie weit man berechtigt sein könnte, 
am Halse des Hamiltonschen Gefäfses das Bild seiner Gattin, Phene zu ver- 
muthen, lasse ich unentschieden. Wichtiger aber für die gegenwärtige Un- 
tersuchung dünkt mich der Name Periphas der rings um leuchtende, 
offenbar ein Synonym von Phaethon, Phaon, so wie der seiner Gemahlin 
Phene, der ebenfalls an daivw und die von Helios stammende Pasiphae, so 
wie an Euryphassa, die Gemahlin des Hyperion (') erinnert. Erwägen wir 
aufserdem die beiden andern in dieser Fabel angedeuteten Umstände, dafs 
nämlich dieser Titan Periphas dem Apollon vorzugsweise vor allen andern 
Göttern Tempel errichtet, und dafs er in einen Adler verwandelt wird, und 
gewürdigt den Scepter des Zeus zu tragen, so scheint die Identität dieses 
Periphas mit dem Sonnenadler der Aegina hinlänglich erwiesen (?). 

Mit dieser Idee eines Feuer und Sonne ausdrückenden Adlers in 
Bezug auf die Nymphe Aegina, stimmt der Vers des Ovid (?), wo unter 
den verschiedenen Liebesabentheuern des Vaters der Götter, welche Arachne 
in ihr Gewebe aufnimmt, auch Zeus als Feuer erscheint wie er die Toch- 
ter des Asopos berückt: Asopida luserit ignis. 


(‘) Hom. Hymn. in Sol. v.1-8. 
er. € m „ ’ ” m 
Hrıov Uuvelv aüre, Atos Texos, agy,eo Moüre, 
r ’ ’ m 
Karrısrr, basSovre, FoV Edoup aerra Boa 
’ 2 \ x > u} ’ 
sivaro Ting mardı za Ovgavol asregosvros. 
- - ’ > € 
Tyus yag Evpupaessev Ayardsırmv Yreoiw v 
E) ’ WA e 4 id 4 
Avrozasıyunsyv % cr FERE ARME TERUE 
ER re ‚ 
°Huy de Sodornyuv, eÜrrozanucv ve Nedyuyv, 
N] > ’ en vAgz a ‚ 
Her.ı0v Fazaenavr , EmisizeAov aTavarosın 
N Q m .09Q ’ m 
“Os da ivsı DTVYFATL, A EIAVRTOTL Seoisiw. 

(2) Nicht unnütz ist die Vergleichung des Mythos des Periphas mit dem welchen Hygin. 
Poet. Astron. L. II. Ayquila anführt: Nonnulli etiam dixerunt Meropem quendam fuisse qui 
Coam insulam tenuerit regno et a filiae nomine Coon et homines ipsos a se Meropas appel- 
laret. Hunc autem habuisse uxorem nomine Ethemeam, genere Nympharum procreatam: 
quae cum desierit colere Dianam, ab ea sagittis figi coepit. Tandem a Proserpina vivam 
ad inferos arreptam esse. Meropern autem desiderio uxoris permotum, mortem sibi consci- 
scere voluisse, Junonem autem misertam ejus, in aquilam corpus ejus convertisse et inter Si- 
dera constituisse: ne, si hominis effigie eum collocaret, nihilominus memoriam tenens, con- 
jugis desiderio moereret. Vgl. die vom Zeus als Adler geraubte Tochter des Titanen Coeus, 
Asteria (Ovid. Met. VI,108). 

(°) Metam. VI, 113; VII, 615, 616. 

Y2 


172 Pınworka: 


Zugleich gewinnt der orphische Hymnus auf Helios gröfsere Be- 
achtung, wenn er die Sonne als unsterblichen Zeus &S$«varov Alk anruft 5 
eine Ansicht die uns auch eine Silbermünze des August bei Morelli (?) ver- 
gegenwärtigt, auf welcher eine ithyphallische Herme des strahlenden 
Sonnengottes unter dem Gliede mit einem Blitz versehen ist. 

Vernachlässigen wir aber nicht hinsichtlich unseres Adlers zu bemer- 
ken, dafs er nicht im Centrum der ganzen Sonnenscheibe schwebt, was der 
Künstler wenn es seine Absicht gewesen wäre, leicht hätte darstellen kön- 
nen, sondern dafs er höchstens ein Drittheil derselben und zwar der oberen 
Hälfte zu eigner und anderer Beleuchtung besitzt. 

Nachdem wir uns über den Charakter dieses Zeus-Aietos mit Hülfe 
des Hamiltonschen Vasengemäldes und einiger Zeugnifse alter Schrift und 
Kunst unterrichtet haben, bleibt uns eine dritte wichtige Frage zur Beant- 
wortung übrig, nemlich: 

Was der Moment des Raubes, den der Sonnenadler an der 
Libera-ähnlichen Göttin Aegina verübt, bedeuten könne? 

Hierbei kommen uns wiederum die Denkmäler der Kunst sehr zu 
Hülfe: denn jenes Sternenkleid, welches Aegina-Thalia auf dem Hamilton- 
schen Vasenbilde (Taf. II, 6) trägt, finden wir auf eirfem geschnittenen Steine 
in der Form eines Kranzes von Sternen wieder, der das Haupt der Göttin 
umgiebt, welche auf einem zum Fluge sich anschickenden Adler sitzend und 
einen Scepter haltend von Winckelmann (*) für Juno erklärt wird. Allein 
ist die bisher geführte Untersuchung der ziemlich zahlreichen Denkmäler 
des Nymphen entführenden Adlers richtig, so folgt nothwendig auch für 
diese Steine die Benennung Aegina, nur gebührt der Sternbekränzten noch 


(‘) Vgl. Plut. Qu. Rom. LXXVII 8 Ö: ur vonilew EmANs Einovag erzivwv FOUFoUs, AAA Aü- 


x e x x 4, x SEY e x GB 
Tov Ev vn Ara Tov nAıcv, zur aurrv yV Hoav ev var, Tyv aeryvav. 
(?) Thes. numism. tab. XV, 12. 


(°) Die hiesige Sammlung besitzt blos eine Glaspaste desselben (Winckelmann Catal. d. 
geschn. St. d. B. v. Stosch, Kl. II, S. III, $.10, no.131): Juno von einem Adler getragen, 
ihr um den Kopf fliegender Schleier billet einen Kreis in welchem man die sieben Pla- 
neten sieht. Vgl. Winckelmann Catal. 2 Kl. 3 Abth. $.10 no.132. Tölcken Verzeichnils der 
geschn. Steine III Kl. II Abth. 11,156: Karneol; Juno Regina mit dem Scepter im Arme, 
getragen von dem Adler Jupiters. 


Zeus und Aegina. 173 


das Epithet Asteria, mit Bezug auf Ovid (!) der vom Jupiter als Adler 
eine Tochter des Titanen Coeus mit Namen Asteria, rauben läfst, welche 
in eine Wachtel ögru& verwandelt, der Insel Ortygia (?) den Namen gege- 
ben haben soll. Wahrscheinlich ist diese Asterie keine andere als unsere 
Aegina; dafür spricht wenigstens das sternenbesäete Kleid der Göttin auf der 
Hamiltonschen Vase eben so sehr, als die bei Hygin (°) erwähnte Sage, dafs 
Jupiter Aegina nach der Insel Delos gebracht, welche bekanntlich den Na- 
men Asteria (*) führte. Fassen wir aber jenen mit einem Drittheil der 
obern Sonnenscheibe versehenen Licht-Zeus richtig auf, insofern er nicht 
die volle Mittagssonne verräth, sondern die schon dem Untergang sich nä- 
hernde, so stimmt diese Deutung mit dem Herabfliegen des Gottes, um sich 
eine Concubine für die Stunden der Ruhe zu holen, vom kosmischem Ge- 
sichtspunkte, eben so sehr überein, als diese letztere, freilich etwas sinnliche 
Form des Mythos dem natürlichen Geiste hellenischer Phantasie gemäfs er- 
erscheint. Denn Zeus, indem er als Helios ausruht, und sich dem Schmause, 
dem Trank und der Liebe ergiebt, wird dadurch ein Dionysos, d.h. ein 
Gott der Nacht, im Schoofse und unter der Herrschaft jener Göttin (°), deren 
Weinspende und Umarmung ihn eben so sehr beglückt, als ihr mildes Mond- 
licht ihn und zugleich vom Himmel herab die Welt erleuchtet, auf diese 
Weise den von dem Laufe des Tages ermüdeten Sonnengott würdig vertre- 
tend. Darum stellten die griechischen Künstler, Aegina, ehe sie der Adler 
raubt, d.h. im Laufe des Tages, schlummernd oder doch trübe nachsin- 
nend, höchstens Feigen sammlend vor. Erst wenn der Adler sie aus ihrer 
Ruhe weckt, zu dem Berufe einer nächtlichen Lichtgottheit sie heraufho- 
lend, erblicken wir dieselbe nicht blos auf dem Hamiltonschen Gefäfse der 


(‘) Metam. VI, 108. Den Namen Asteria führte Kreta, Delos und Rhodos (Plin. H. N. 
V,xxxI; Hesych. v.’Asr.) 


(2) Ortygia Name von Delos. Vgl. Pindar. Nem. I, 24: 
Kiswav Svgazosrsav Faros, "Ogruyiav 
deuvıcv "Agremıdos 
Aadov HEFTIyUyTa. 

(°) fab. LIL 

(*) Plin.H.N. V, xxxı. 


(°) Millin. Peint. d. Vases II, xLıx. 


174 Pıanorka: 


Thalia, sondern auch auf dem angeführten Steine, als wahre und unverkenn- 
bare Königin der Gestirne. 

Zur Bekräftigung dieser Auslegung des Aegina-Raubes erlaube ich 
mir noch eine Paste (Taf.IIl, 9) der Stoschischen Sammlung (!) anzuführen 
wo wir den Adler erblicken, über seinem Kopfe das Brustbild des strahlen- 
den Sonnengottes; den linken Flügel des Vogels ersetzt ein Jünglingskopf 
über welchem ein Stern sichtbar ist, den rechten ein jugendlicher Frauen- 
kopf, über demselben ein halber Mond. Wenn es keinem Zweifel unter- 
liegen kann, dafs der Jünglingskopf sich auf Ganymedes bezieht, und der 
weibliche auf Ganymeda, wenn andrerseits der Stern über Ganymedes auf 
einem Taf. II, 10 den Ganymedes vorstellenden Chalcedon (?) sich wieder- 
holend, am schicklichsten auf Hesperus bezogen wird, so gewinnen wir das 
Symbol des halben Mondes auf dem Wege der Kunst für die Göttin Gany- 
meda-Aegina, wie wir es auf dem Wege religiös-mythologischer Combina- 
tionen bereits gefunden hatten. Zugleich legt der Sonnengott über dem 
Haupte des Adlers ein neues, aber nicht minder glänzendes Zeugnifs für 
den Sinn ab, welchen wir in der Aeginafabel diesem Vogel beizulegen ge- 
wagt haben. 

Fassen wir nun auf diese Weise den Mythos auf, dafs er nämlich in 
seiner kosmischen Bedeutung die von dem bald sinkenden Gott des 
Tages ihrem Schlummer entrissene Göttin des nächtlichen Lich- 
tes versinnbildet, so werden wir uns nicht wundern, dafs auf dem Capitol 
im Tempel der Minerva über der Capelle unserer Göttin der Raub der 
Proserpina, ein Gemälde des Nicomachus () angebracht war, ein Gegen- 
stand, der wie kein andrer, das passendste Seitenstück zu dem Adlerraub 
der Aegina bildet. 

Der Mythos des Zeus als Frauenentführenden Adler, den wir 
in Phlius, Aegina, Delos und Gortyna nachgewiesen haben, findet 


(') Winckelmann Cat. U Kl. XIV Abth. 1244. 


(?) Winckelmann Cat. II Kl. II Abthl. 166. Ganymed mit einem Stab in der Hand. 
wirft erschrocken sich auf die Erde, über ihm ein schwebender Adler; neben ihm ein 
Stern. Tölcken Verz. HIKI. IT Abthl. 119. 

(’) Plin. H. N. XXXV, xxxvı, 22: Nicomachus Aristodemi filus ac discipulus. Pinzit hic 
raptum Proserpinae quae. tabula fuit in Capitolio in Minervae delubro supra aedicu- 


lam Juventutis. 


Zeus und Aegina. 175 


sich ebenfalls in Sestos, wo Plinius (1) berichtet, dafs eine Jungfrau einen 
Adler auferzogen, der ihr zum Dank erst Vögel, späterhin Wild heimbrachte, 
bis er bei ihrem Tode sich auf ihren Scheiterhaufen warf und mit ver- 
brannte. Deshalb errichteten die Bewohner von Sestos an diesem Orte ein 
Heroum, welches sie das Heroum des Zeus und der Jungfrau (?) 
nannten, weil ja dieser Vogel auf jenen Gott bezogen wird. Wenn Plinius 
sich des Ausdrucks rirginis bedient, so‘ist das wahrscheinlich eine Über- 
setzung von nopn, und deutet auf jene Göttin hin, welche ich zum Gegen- 
stand dieser Abhandlung gewählt habe. Eine Vorstellung welche für die 
interessante Stelle des Plinius einen erfreulichen Commentar giebt, habe 
ich Taf.II, 11 zeichnen lassen, eine schöne von Schlichtegroll (?) und Mil- 
lin (*) bereits publieirte Paste der Stoschischen Sammlung (°), und als Hebe 
die den Adler liebkost, nicht mit Unrecht aufgefalst. Bemerkenswerth er- 
scheint in dieser Vorstellung die Weltkugel, auf welche der Adler mit einer 
seiner Klauen tritt, auf eine ernstere Weise denselben Gedanken verrathend 
welcher jenem Balle in der Nähe der Thalia auf dem Hamiltonschen Vasen- 
bilde zum Grunde liegt. 

Auf denselben Mythos bezieht sich wahrscheinlich auch ein schöner 
Taf.II, 12 gestochener Stein der auf eine neue und höchst geistreiche Weise 
das Bild der vom Adler geraubten Heroine uns vergegenwärtigt und mit dem 
wir unsre Untersuchungen über den Aeginaraub schicklich beschliessen. 


('!) L.X,c.v.: Est percelebris apud Seston urbem aquilae gloria: educatam a virgine 
retulisse graliam aves primo, mox deinde venatus aggerentem. Defuncta postremo, in ro- 
gum accensum ejus injecisse sese et simul conflagrasse. Quam ob causam incolae quod vo- 
cant Heroum in eo loco fecere adpellatum Jovis et Firginis quoniam üli Deo ales 
adscribitur. 

(2) Firginis hier als synonym von Juventutis oder auch von Hera Parthenia (Ann. de 
VInstitut Vol. IV, p. 217-230). 

(°) Pierres gravees XXXIII. 

(*) Gal. myth. pl. XLVII, 218. 

(°) Winckelmann Catal. IIKl. II Abthl. 174: Antike Paste mit angegriffener Oberfläche: 
Hebe halb entblöfst liebkofst den Adler Jupiters. — Tölcken Verz. II Kl. II Abth. 159 
Violette antike Paste: Hebe die Tochter Jupiters und der Juno liebkost den Adler Jupiters. 


176 Pınorka: Zeus und Aegina. 


Nachschrift zu Taf.1l, 4. 


Da Herr Professor Tölken es verabsäumt hat seinem Verzeichnils der geschnittenen 
Steine bei jedem einzelnen Denkmal wie es sich gebührte, die Winckelmannsche Bezifferung 
in Parenthese zum Behuf des Vergleichs und der Benutzung der Pastenabdrücke beizufügen, 
so darfich wohl auf die Nachsicht des Lesers rechnen wenn es mir erst nach dem Druck mei- 
ner Abhandlung gelungen ist, des Herrn Tölken Ansichten über die Taf. II, 4 publicirte Paste 
aufzufinden und hier wörtlich abzudrucken. In der III Kl. IV Abth. no. 1199, S. 215: »Tiefblaue 
»antike Paste. Die Heilschlange des Aesculap um einen Baum gewunden, an dessen Fuls eine 
»Strom-Nymphe auf ihre Urne gelehnt schläft; vor der Schlange stehen zwei Römer in der 
»Toga, wovon der erste die Hand betend erhebt, so dals diese Darstellung sich wahrscheinlich 
»auf den Dienst des Aesculap zu Rom bezieht, für welchen eine der heiligen Schlangen von 
»Epidaurus auf die Tiber-Insel versetzt worden war, wo sich der Tempel des Aesculap be- 
»fand. Die Ähren, welche die Gruppe zu beiden Seiten einschlielsen, dürften sonach nur 
»die Lokalität bezeichnen, da die InsulaTiberina aus konfiscirtemund iin den Strom geschüt- 
»teten Getreide entstanden sein sollte; und vielleicht haben die Bienen über der schlafenden 
»Nymphe dieselbe Bedeutung, indem die Insel Heiligthümer ländlicher Gottheiten enthielt, 
»also gewils auch Gärten, und der Vogel mit langem Schnabel, der auf dem Baume sitzt, wäre 
»die avis Martia, der den Römern heilige weissagende Baumspecht. Zu den Fülsen der 
»Nymphe bemerkt man ein Schöpfgefäls.« 

S.327 des Tölkenschen Verzeichnifses VKI. ITAbth. 136: »Tiefblaue antike Paste. 
»Die Entdeckung der Aqua Virgo, welche durch Agrippa im J.19 v. Chr. nach Rom gelei- 
»tet wurde. Die Nymphe der Quelle schläft auf ihre Urne gelehnt neben einem Baume, zu 
»ihren Fülsen steht ein Schöpfgefäfs, neben ihr schwärmen Bienen und wachsen Ähren 
»und um den Baum über ihr windet sich eine Heilschlange, um die Segnungen dieses Wassers 
»anzudeuten; die sich nähernden beiden Römer sind Agrippa und der Entdecker der Quelle, 


»welche die prophetische avis Martia ihnen zu zeigen scheint (*).« 


(*) »Diese Paste ist bereits Kl. III, No.1199 aufgeführt; die jetzt gegebene Deutung scheint aber die etwas gebäuften 
»Zeichen dieses Denkmals noch befriedigender zusammen zu knüpfen.« 


——nNIIDIIT — 


Be Prnofaa Ha K1-1835 Yapl 


u 


FEIN In EREADD +0 TESTER NER 


. 1 
- \ { } 
. Ä 
T 
\ 
4 
’ 
Ü 
. 
In 
DR Er 
Dass 
u AG 
Ir Gr 
ö 
x 
Eur" 
.Y 
{ 
| 
> 
. 
I 
f 
t 
1 
” 4 
1 
vr 


Zuder Al: das Hen Zamejna Hirt Bl 1855 Vf H 


Br 
Ir e>< | |\ 
Veh 
& R DE GT 
SEE 
7) 
vi ———_ 
SEEN 
| 17 \ 
| V \ 
DR 1} 


Über 
die Anordnung und Verwandtschaft des Semitischen, 
Indischen, Alt-Persischen, Alt-Ägyptischen und 
Äthiopischen Alphabets. 


Von 
FR PSLUrS. 


an 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 12. November 1835.] 


1. D. Anordnung der Buchstaben in unsern Europäischen Alpha- 
beten ist bekanntlich, so wie die Zeichen selbst und ihre Namen, Semitischen 
Ursprungs. Sie reicht ohne Zweifel in ein sehr hohes Alterthum und ist 
eins der wichtigsten Fakta in der Geschichte der Schrift sowohl als der 
Sprache. Dennoch sind nur wenig Versuche bis jetzt gemacht worden, den 
Ursprung dieser Anordnung aufzufinden. Einige mystische Erklärungen ab- 
gerechnet, hielt man sie meist für rein zufällig. Wir finden bei Plutarch in 
den Symposiacis (1) ein gelehrtes Gespräch über den Grund, warum das 
Alphabet gerade mit alpha anfange. Der Grammatiker Protogenes gab auf 
die an ihn gerichtete Frage darüber folgende Antwort, die damals in den 
Schulen gegeben zu werden pflegte. ‚Die Vocale, sagte er, gehen mit Recht 
den Consonanten und Halbvocalen vor; unter den Vocalen haben wieder die 
zweizeiligen «, ı, v einen höheren Werth; unter diesen endlich entscheidet 
sich die Sprache selbst gleichsam für das «, indem dieses, wenn es sich mit 
ı oder v zu einer Sylbe verbindet, ihnen immer vorausgeht, und man nie ıa, 
va, wohl aber «ı und av findet.” Das letzte ist in der That eine ganz feine 
Bemerkung, die, so äufserlich sie gegeben ist, doch einen innern sprachli- 
chen Grund hat. — Da wendet sich Ammonios an Plutarch und fragt ihn, 
ob er als Böotier nicht den Cadmus vertheidigen wolle, welcher gesagt habe, 


) IK,2.3. 
Philos.- histor. Abhandl. 1835. Z 


178 Lersıus über die Anordnung und V‘ erwandtschaft 


‚dafs « deshalb den ersten Rang behaupte, weil sein Name bei den Phöni- 
ziern, von denen die Griechen das Alphabet erhalten, Stier bedeute, und 
dieses Thier nicht das zweite oder dritte nützliche Thier sei, wie Hesiod 
sage, sondern das erste von allen”. Auch hier werden die Mythologen so- 
gleich erkennen, dafs diese Rede nicht aus der Luft gegriffen ist; alef be- 
deutet in der That den Stier, das Symbol der höchsten orientalischen Gott- 
heit. Mit ihm begann daher der Thierkreis, ehe die Sonne durch die rück- 
weichenden Nachtgleichen in den Widder trat, mit ihm auch das altorienta- 
lische Alphabet. Diese Übereinstimmung ist bekannt, erklärt aber vielmehr 
den ersten der Buchstaben-Namen, als den ersten Buchstaben selbst. — 
Plutarch zieht daher auch dem Cadmus seinen eigenen Grofsvater Lamprias 
in dieser Angelegenheit vor, welcher sagte, ‚‚dafs « das Alphabet beginne, 
weil es der Buchstabe sei, welcher am wenigsten irgend einer besondern 
Artikulation bedarf, und bei dessen Aussprache der Mund in seiner natür- 
lichen Stellung bleibt.” Hiermit stellt also Plutarch wenigstens für den An- 
fangsbuchstaben des Alphabets ein organisches, in der Natur des Lautes 
selbst gegründetes Prinzip auf. Und dies Gefühl hat ihn in diesem Falle 
auch nicht getäuscht, obgleich er dasselbe Prinzip nicht auf die übrigen 
Buchstaben anzuwenden wufste. Er hält daher auch an seiner Erklärung 
nicht fest. Das Gespräch geht noch weiter. Hermeias nimmt das Wort und 
treibt einige mathemathische Spielereien mit der Anzahl der Buchstaben, 
worauf dann endlich der Grammatist Zopyrion, der schon lange für sich ge- 
lacht hatte, das Gespräch beschliefst, indem er dies Alles Possen nennt 
(FoRrHV PAvagiav) und meint, dafs sowohl die Anzahl, als die Ordnung der 
Buchstaben durchaus zufällig seien. 

2. Einen anderen Weg schlugen einige Kirchenväter ein, die im Zu- 
sammenhange der hebräischen Buchstabennamen einen Sinn suchten, der zu 
ihrer Anordnung Veranlassung gegeben haben könnte. Eusebius in der 
Praeparatio Ev. (X,5. und X1,6.) findet folgenden, den einzelnen Worten 
keineswegs entsprechenden Sinn: MaSyrıs oizev, mAngwaıs deATwv aurm Ev all 
&n 6 Cav, zarn ex önds naSe — EE aürar aiwvia BonIeia — vnyA n öbIaAuas 
al soua Öinaorivms — urArıs nehargs aa ödovrwv onueie. Hieronymus giebt 
fast nur die Übersetzung dieser Auslegung. 

3. Von neuern Gelehrten ist mir keine Erklärung der Semitischen 
Ordnung bekannt. Hoffmann in seiner Grammatica Syriaca. Halae 1827, 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Ali- Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 179 


die eine sehr schätzbare Übersicht der Syrischen Paläographie in ihrer ge- 
schichtlichen Entwickelung enthält, kommt p.81. auf die Buchstabenord- 
nung zu sprechen, und sagt darüber: Zitterarum ordo supra propositus ne- 
que organorum, quibus singulae eduntur (ordo naturalis) neque similitudinis, 
quae inter quasdam intercedit litteras, ullam habet rationem. Quod enim 
Arabes seriores sibi licere putarunt, litlleras similes in alphabeto conjungere, 
id Syri, pariter atque Hebraei non commiserunt, antiguum ordinem, ab in- 
pentore, uti videtur, jam constilutum, pelustateque sancitum religiose relinen- 
tes. Qua in re sunt laudandi, etiamsi divinus litterarum auctor hunec Jor- 
tuito ac temere fecisse pideatur ordinem. 

Ewald in seiner Kritischen Gramm. der Hebräischen Sprache. Leipzig 
1827. sagt 9.23: ‚Die Ordnung der 22 ist uralt. Aber in der Ordnung aller 
entdeckt man keine absichtliche Zusammenreihung weder nach dem Laute 
(nur die Liquidae >%2> treffen zusammen) noch nach der Figur. Zuerst, 
scheint es, waren alle 22 einzeln: nachher ordnete man sie fester und nahm 
zugleich auf gewisse Ähnlichkeiten in der Bedeutung der Namen Rücksicht, 
also schon in einer Zeit, wo man noch diese Bedeutung kannte. So stehen 
tund (Schild, Reisetasche), > und > (Hand, hohle Hand), ’» und > (Was- 
ser, Fisch), >, », ?, und w (Auge, Mund, Ohr, Kopf, Zahn) gewifs nicht 
ganz zufällig zusammen.” Die wunderbarste Lösung des Räthsels hat aber 
vor kurzem Hr. Prof. Seyffarth in einer besondern Schrift (?) aufgestellt, in 
welcher er zu beweisen sucht, dafs das semitische Alphabet eine Constel- 
lation enthalte, welche von Noah selbst dem Erfinder dieses Alphabets und 
zugleich des Thierkreises, am 7. Sept. des Jahres 3446 v.Chr. unmittelbar 
nach der Sündfluth beobachtet worden sei. Er glaubt, dafs jeder Buchstabe 
einem halben Zeichen des Thierkreises, und jeder Vocal einem der 7 Plane- 
ten entspreche nach einer von den Alten uns überlieferten Ordnung, deren 
Kenntnifs es uns möglich macht, die Constellation mit Hülfe der astronomi- 


schen Tafeln zu berechnen. 


(‘) Beiträge zur Kenntnifs der Litteratur, Kunst, Mythologie und Ge- 
schichte des alten Ägyptens. 6. Heft 1834. unter dem besondern Titel: Unser Al- 
phabet ein Abbild des Thierkreises mit der Constellation der 7 Planeten, 
am 7. Sept. des Jahres 3446 v. Chr., angeblich zu Ende der Sündfluth, wahr- 
scheinlich nach eigenen Beobachtungen Noahs. Erste Grundlage zu einer 
wahren Chronologie und Kulturgeschichte aller Völker. 


Z2 


180 Lersıus über die Anordnung und Verwandtschaft 


4. Ich gehe zu meiner eigenen Erklärung über, der ich folgende 
sprachgeschichtliche Bemerkung vorausschicken mufs. 

Die Neigung der Sprachen, die stummen Consonanten immer mehr 
zu erweichen, zu aspiriren und zu assibiliren, ist ein leicht zu constati- 
rendes Faktum. Diese Lautveränderung beginnt in der Regel erst dann, 
wenn der Schriftgebrauch allgemeiner wird. Diese wichtige Periode in 
der Kulturgeschichte eines jeden Volkes ist überall, wo wir sie beobach- 
ten können, vom durchgreifendsten Einflusse auf die Sprache in allen 
ihren Theilen und namentlich auch auf ihre Elemente, die einzelnen 
Laute. Die Vocale spalten sich immer mehr und drängen im Ganzen 
nach den hellen Vocalen e und i zu, die Liquidae gewinnen mehr Umfang, 
und die stummen Consonanten werden, wie schon gesagt, erweicht, aspi- 
rirt und namentlich assibilirt. 

Die Griechische Sprache hatte vor Einführung der Palamedischen 
und Simonideischen Buchstaben, nur einen Zischlaut Z. Später erst ka- 
men die Aspiraten ®, X, © und die Sibilanten Z, Z, Y hinzu. In der 
Römischen Sprache war gleichfalls ursprünglich nur $ vorhanden; aufser- 
dem kein Zischlaut und von den Aspiraten nur F. Später nahmen sie 
von den Griechen X und Z an. Die Aussprache assibilirte aber bald c 
und 2 vor i und e. In den Romanischen Sprachen ist bekanntlich die 
Assibilation der Gutturale c, g, j und des Dentals £ noch viel weiter ge- 
drungen: cera (spr. kera, gr. #195) wurde fr. cire (spr. sire); quinque 
cing; camera, caballus wurde chambre, cheval;, g(h)enius genie, jacet git; 
jungere joindre; nat(h)io nation, radere raser; audere oser u.s.w. Die 
Gothische Sprache hatte noch keine Aspirata der Gutturale ch, noch kein 
sch, und kannte z noch nicht als Aspirate der Dentale, ira wurde zwei, 
taihun zehen, suti süfse, vald Wasser, tagr Zähre u.s.w. — Dieselbe 
Erscheinung zeigt sich in verschiedenen Alphabetsordnungen. Im Arabi- 
schen wurden hinter dem Abuged (der alten semitischen Alphabetsord- 
nung) noch 6 Buchstaben zugefügt, 3 Aspiraten und 3 Zischlaute. Das 
Georgische Alphabet hat hinter den 22 alten Buchstaben noch 18 andere 
aufgenommen, worunter 7 Aspiraten und $ Zischlaute sind. Im Sanskrit 
werden die 3 Zischlaute im Alphabete hintenangesetzt. 

Aus dieser den verschiedensten Sprachen gemeinschaftlichen Erschei- 
nung schliefse ich, dafs auch im semitischen Alphabete die Zischlaute r, 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 181 


x, ö und selbst der älteste Zischlaut > jünger als die Mutae sind. In der 
That ergiebt die Sprachforschung für diese Laute dasselbe Resultat, in- 
dem die meisten Wörter mit jenen Zischlauten auf Wurzeln im Semiti- 
schen oder Indogermanischen Sprachstamme zurückführen, welche k oder 
tLaute zeigen (!). — 

5. Auch der Consonant 7 ist kein ursprünglicher, und läfst sich 


in den meisten Sprachen als aus andern Consonanten hervorgegangen nach- 


weisen. Am frühsten spalteten sich 2 und r aus einem beiden ee. 
ten Laute, der je früher, desto vocalischer erscheint. Manchen Sprachen 
fehlt daher einer von beiden Buchstaben ganz, oder einer vertritt viel- 
mehr den andern. Die Chinesen haben kein r; ihr eul wird von Abel- 
Remusat (?) folgendermafsen beschrieben: son guttural, tout-a-la-fois ini- 
tial et final, qui a de llanalogie avec le ! polonais. On a cherche a lex- 
primer par Ih, ulh, urh, etc. Das Polnische z ist aber ein Lingual und 
erhält nur den dumpfen Ton, weil die Zungenspitze zurückgezogen wird; 
so ist es auch wohl ungenau, das Chinesische eu! Guttural zu nennen. 
Die alten Perser hatten dagegen kein Z(°). Im Zend entspricht r durch- 
gängig zugleich dem sanskrit. Z. Ja ich zweifle nicht, dafs dem Sanskrit 
selbst früher das r als von / getrennter Buchstabe fehlte. Ich habe an- 
dern Ortes (*) durch die paläographische Figur zu zeigen gesucht, dafs 
der Consonant r im Devanägari zu den später zugefügten gehört, welche 
keinen Seitenstrich annahmen und nach der Rechten gekehrt wurden. Es 


(‘) Vor ganz kurzem ist mir das „Lehrgebäude der Aramäischen Idiome mit 
Bezug auf die Indo-Germanischen Sprachen von Julius Fürst. (Formenlehre 
der Chaldäischen Grammatik) Leipzig 1835.” zugegangen, ein Werk, welches, so 
weit ich es bis jetzt kennen gelernt habe, von gründlicher Forschung und richtigen Ansich- 
ten die deutlichsten Beweise abgiebt. In den Paragraphen über die Zischlaute geht der Ver- 
fasser von demselben Gesichtspunkte aus, den ich so eben bezeichnet habe, und giebt $.39. 
hinlängliche Belege für die Entstehung der Zischlaute aus den k und Lauten. Ich begnüge 
mich daher, auf dieses Werk zu verweisen. 


(?) Elemens de la Grammaire Chinoise p- 24. 


(°) Burnouf, Commentaire sur le Yagna, tom.I. p.LXXVIH: Nous ferons remarquer 
en outre, que ce signe remplace non-seulement le r devanägari, mais meme le I, liquide que 
ne possede pas le Zend. — Bopp, Vergleichende Grammatik p: 43. 


(*) Paläographie p.10.49. 


182 Lersıvus über die Anordnung und Verwandtschaft 


ist hier noch anzuführen, dafs sich in der That in den ältesten Stücken 
der Sanskritliteratur, den Vedas, noch ein Zeichen & findet (1); welches 
von den Grammatikern /ra wieder gegeben wird. An eine so harte Ver- 
bindung wie Ir aus zwei Liquiden zu einem Buchstaben, ist gar nicht zu 
denken. Es ist also ohne Zweifel jener chinesische und altpersische Ur- 
laut, der zwischen beiden Buchstaben stand, und der später natürlich 
aufser Gebrauch kommen mufste, als sich Z und r bestimmt geschieden 
hatten. Endlich kannte auch der altägyptische Mund nur diesen schwan- 
kenden Laut, mit dem sie bald das , bald das Z der fremden Sprachen 
ausdrückten (?). Der Mund (koptisch ro) wird jetzt meist durch r, der 
Löwe (laboi) durch Z wiedergegeben; aber schon im Namen des Hakr (°) 
(Axwgıs bei Manethon, "Axegıs bei Diodor. Sieul.) und des Xerxes (*) fin- 
det sich der Löwe als r und in den spätern griechischen und römischen 
Namensschilden wird eben so oft Pioremaeus, Arexandel, Creopatla, Auto- 
klatol ete. geschrieben, als Ptolemaeus u.s.w. — Endlich beweisen noch un- 
zählige Fälle, wo 7 und Z in den verschiedenen Sprachen und Dialekten wech- 
seln, wie nahe sich diese beiden Buchstaben stehen. Im Ganzen ist dann 
immer r der jüngere Buchstabe, und dies gilt auch von vielen Sanskritwur- 
zeln, wie pür im Vergleich mit MA-E05, pl-enus, goth. full-s, voll; sür-ja gegen 
sol, 47-105, golh. sauil u.v.a. Der Über gang von lin r geht noch immer in 
einigen Sprachen fort, vgl. die französischen Endungen in apötre (aposto- 
lus), epitre (epistola), timbre (Stämpel), sabre (Säbel), titre (Titel) u. s.w. 
6. Wo r nicht aus 2 hervorgegangen ist, ist es meist aus s entsian- 
den. Bekannt ist dieser sehr allgemeine Über gang im Griechischen, be- 
sonders im Dorischen, wo man Tıcp statt $eos, und so fast in allen En- 
dungen po statt = sprach. Ebenso ist bekannt, dafs die Römischen Fami- 
lien der Furä, Valerü, Veturü u.v.a. früher Fusü, Falesü, V etusü hiefsen; 
honos, arbos, quaeso u. andere, wurden noch später neben honor u.s.w. 


(') Bopp, Krit. Gramm. der Sanskrit-Sprache in kürzerer Fassung p.1. — Grammat. 
critica 8.22. — In der Vergleich. Gramm. $.1. wird dieser Buchstabe vielmehr den Gram- 
matikern zugeschrieben. 


(*) Champollion, Precis du Systeme Hieroglyphique. 2. Ausg. 1828. p.60. u. an a. 0. 
(°) Ebend. Tableau general n.124. p. 243. 
(*) Ebend. 7. 2..n.125. p.232. 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 183 


gebraucht, lases, fesiae, pignosa, plisima u.a. kennen wir nur noch durch 
die Grammatiker als früher im Gebrauche. Wie der Dorische Dialekt 
unter den Griechischen, so zeichnete sich der Umbrische Dialekt unter 
den Italischen durch seinen Rhotacismus aus (1). Dieselbe Erscheinung 
kehrt endlich auch im altnordischen (isländischen) Dialekte unter den ger- 
manischen Sprachen wieder (?), der sich auch wie der Lakonische und 
Umbrische Dialekt unter den andern durch den weit vorgedrungenen 
Rhotacismus auszeichnet. Während die Gothen noch basi statt Beere, 
laisjpan für lehren, hausjan f. hören, u.s.w. sagten, findet sich im Alt- 
nordischen auch Aeri für Hase, fiskr (der Fisch) st. goth. fisks, pl. fiskar 
st. goth. fiskös u.s.w. 

7. Endlich geht r auch oft aus d hervor, namentlich im Lateini- 
schen (°); zuweilen auch aus n (*), also wie wir sehen fast aus allen Den- 
talen oder Lingualen, weil es selbst ein Lingual ist, denn die gutturale 
harte Aussprache in manchen semitischen Sprachen und jetzt besonders 
im nördlichen Europa, ist im ganzen die seltnere und jedenfalls spätere. 

8. Aus dem, was bisher über ” gesagt worden ist, scheint mir zu 
folgen, dafs die spätere Hervorbildung des m aus andern Buchstaben, na- 
mentlich aber aus /, eine allgemeine Spracherscheinung ist, und dafs 
wir daher auch im semitischen Alphabete, wo r auch äufserlich von den 
drei übrigen Liquidis Z, m, n getrennt ist, diesen Buchstaben für jünger 
anzusehen haben. 

9. Nehmen wir nun vorläufig die Zischlaute und r aus dem Alpha- 
bete heraus, so behalten wir folgende Buchstaben: 


Nana 
mi Nm 
0 >) Dad 
SDR 


Hiermit ist aber auch schon das Prinzip der semitischen Alphabetsordnung 


(') De Tabulis Eugubinis. Berolini 1833. p.86. ff. 
(°) Grimm, Deutsche Gramm. I. p.305. 
(°) S. meine Tu. Eug. p.18. ff. 


(*) Z.B. die lateinische Infinitivendung -re aus der griechischen -ve:, wenn nicht viel- 
mehr beiden ein ursprüngliches s zum Grunde liegt. Vgl. diacre ans diaconus u.a. 


154 Lersıvs über die Anordnung und Verwandtschaft 


vor Augen gelegt; es ist ein organisches; denn wem sollte die gleiche 
Anordnung der 3 Reihen mutae entgehen? 


au 


=} 


babe 
|» | ? | 5 

Jede Reihe beginnt mit einem der 3 schwachen Gutturale oder Hauche, 
die in den Europäischen Alphabeten als die 3 Grundvocale erscheinen ® 
A, n E und I, » O und 7 (!); die erste mit dem schwächsten s, die 
zweite mit dem stärkeren 7, he, die dritte mit dem stärksten », ghain. 
Dann folgt in jeder Reihe ein Labial, in der ersten die Media =, 5, in 
der zweiten die Aspirata 7, e lat. f, in der dritten die Tenuis », p. Hier- 
auf die drei Gutturale, die Media 3, g, die Aspirata 7, ch, die Tenuis p, 
qd.i. ku. Es schliefsen endlich die drei Dentale in derselben Ordnung, 
Media =, d, Aspirata v, /h, Tenuis n, £. Wir sehen also in jeder der 3 
Reihen einen schwachen Guttural oder Hauch beginnen, dann einen La- 
bial folgen, hierauf einen Guttural, und endlich einen Dental. Betrach- 
ten wir dieselben Buchstaben in verticalen Reihen, so beginnt die Media, 
folgt die Aspirata und schliefst die Tenuis. Diese Anordnung kann nicht 
durch Zufall entstanden sein. 

10. Zwischen der 2 und 3' Reihe sehen wir die Liquidae Z, m, 
n und das älteste s, samech, eingeschoben. Zu einer wirklichen Einschie- 
bung, als schon die drei Reihen vorhanden waren, würde gar kein Grund 
denkbar sein. Vielmehr ist anzunehmen, dafs das frühste Alphabet mit s 
schlofs, und nur zwei Reihen Mutae hatte. Es ist eine sehr bemerkens- 
werthe Erscheinung, die sich aber von allen Seiten bei paläographisch - 
linguistischen Untersuchungen bestätigt, dafs sich die scharf artieulirten 
Tenues am spätesten unter den Mutis hervorgebildet haben. Es ist mit 
dieser Behauptung vorsichtig zu verfahren, denn ich will damit nicht sa- 


(‘) Dals O und 7, griech. Y, wirklich beide aus dem » ain hervorgegangen sind, indem 
O die ältere geschlossene Phönizische, 7 die offene Aramäische Form zeigt, geht schon aus 
der blofsen Zusammenstellung bei Kopp, Bilder und Schriften, I. p.392. hervor. Mehr habe 
ich darüber De Tabb. Eugubinis p.75.ff. gesprochen. Über E und 7 s. unten. 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 185 


gen, dafs die Aussprache der Mediae, wie wir sie heutzutage den Tenues 
entgegensetzen, früher vorhanden gewesen wäre, sondern es existirte der 
ganze Gegensatz nicht, wie er noch immer bei vielen Völkern nicht existirt. 
Namentlich ist es vom ganzen mittlern und südlichen Deutschland bekannt, 
dafs hier die Volksaussprache keinen Unterschied zwischen Mediae und Te- 
nues macht, dafs sie für beide ein und dieselbe mittlere Articulation hat, 
welche härter ist, als die der Mediae in Norddeutschland, und weicher als 
die der Tenues; daher nichts gewöhnlicher ist, als dafs das norddeutsche an 
den strengen Unterschied gewöhnte Ohr im sächsischen oder süddeutschen 
Munde immer den entgegengesetzten Buchstaben zu hören glaubt, weil ihm 
in der That niemals der erwartete Ton entgegenkommt. Wenn die Gram- 
matiker sagen, dafs die Araber kein p kennen, so ist dies ebenso zu verste- 
hen, es wird durch ihr 5 mit vertreten, welches ohne Zweifel auch nicht so 
weich wie das norddeutsche ausgesprochen wird. Eben so wird das 8, caf, 
von dem gröfsten Theile der arabisch redenden Völker vielmehr wie ga als 
wie das scharfe ka ausgesprochen, welches sie in der Aussprache ebensowe- 
nig wie pa kennen, denn ‚s, kaf ist ein uns fremder Guttural, der unserm 
ch näher kommt. Ebenso haben die Äthiopen erst spät p in ihr Alphabet 
aufgenommen und ihm die letzte Stelle darin angewiesen; früher schrieben 
sie in fremden Namen statt T, pa, immer fl, da (!). Bei den Äthiopen ist 
der Übergang noch vollständiger nachzuweisen. Die fremden Wörter, die 
am frühsten äthiopisch geschrieben wurden, zeigen, wie schon gesagt, (1, ba 
statt pa. Später wurde für diese Fälle ein eigener Buchstabe Ar, pa, einge- 
führt, von welchem Ludolf sagt: ex nimio nisu prodüt novus et mirabilis 
sonus &, welches ein weit härterer und rauherer Ton als p war. Noch spä- 
ter lernten sie erst p wie andere Völker aussprechen, und fügten dann T, pa, 
hinzu; so verrathen die fremden zu den Äthiopen gekommenen Worte die 
Zeit ihrer Aufnahme, je nachdem p durch N}, Ar oder T wiedergegeben ist. 
Auch im Hebräischen erhält », phe, erst den Ton pe durch das hineingesetzte 
dagesch lene, woraus deutlich hervorgeht, dafs diese letztere Aussprache 
eine jüngere ist. — Endlich fehlt p auch den alten 16 Runen; es ist unter 
den zugefügten 4 punktirten Runen, und B, p, ist hier aus B, Ö, hervorgegan- 
gen, wie die Figur zeigt. 


(‘) Ludolf, Gramm. Aeth., Francof. a. M. 1702. 
Philos.- histor. Abhandl. 1835. Aa 


186 Lersıus über die Anordnung und Verwandtschaft 


Nicht anders ist gewils die Erscheinung aufzufassen, wenn in andern 
Alphabeten, wie in den altitalischen die Mediae fehlen. Hier wurde ohne 
Zweifel derselbe Mittelton, der dort durch die Mediae ausgedrückt wurde, 
durch die allein vorhandenen Tenues bezeichnet. Das etruskische K ver- 
trat, wie im Altlateinischen zugleich g. Für diesen Buchstaben sehen wir 
denselben Fall im nordischen Runenalphabet, welches früher, wie für d und 
p, nur einen Buchstaben für g und k hatte, hier aber nicht k aus g, wie p 
aus 5, sondern Y, g, aus F, k, hervorgehen liefs, und zur Unterscheidung mit 
einem Punkte bezeichnete. 

11. Die angeführten Beispiele werden die Überzeugung erleichtern, 
die sich bei ferneren alphabetischen Untersuchungen immer mehr aufdrängt, 
dafs im semitischen Alphabete die erste Reihe der Mutae früher zugleich 
auch die Tenues vertrat, und das Alphabet einst mit samech schlofs; dafs 
die dritte Reihe der Mutae sich erst später bildete und deshalb in derselben 
Ordnung wie die beiden ersten Reihen, aber erst hinter samech und den Li- 
quiden zugefügt wurde. Wir finden daher aufser dem organischen Prinzipe 
in diesem Faktum zugleich ein historisches; und ich stehe nicht an, in mei- 
ner Behauptung noch weiter zu gehen, und nicht allein in diesem Punkte, 
sondern in der ganzen Organisation dieses merkwürdigen ältesten Alphabets 
beide Prinzipe vereinigt anzuerkennen. Es gewinnt dadurch das höchste In- 
teresse für die allgemeine Sprachforschung und wenn ich hier nicht darauf 
eingehe, die angedeutete Entwickelung des semitischen Alphabets noch hö- 
her hinauf zu verfolgen, so geschieht es, weil eine Behandlung der umfas- 
senden Fragen, die dadurch herbeigeführt würden, aufser den Grenzen die- 
ses Aufsatzes liegt und weil ich der Geschichte des Alphabetes in linguisti- 
scher und paläographischer Beziehung eine ausführliche Behandlung zu wid- 
men denke. 

12. Ich will hier nur noch einige Punkte herausheben, die schon aus 
dem bisher Gewonnenen hervorgehen und auf einige vielbesprochene Fra- 
gen neues Licht werfen. Zunächst geht aus der ursprünglichen Anordnung 
der 3 Reihen Mutae klar hervor, dafs », var, nicht von Anfang an Vocal war, 
sondern wie chet und ihet Aspirate, wie bet und pe Labial war, so wie wir 
F in den europäischen Alphabeten finden. Mit der Frage über die ursprüng- 
liche Vocalität von var hängt genau die über jod zusammen. Für jod finden 
wir in dem ursprünglichen Alphabete gar keine Stelle. Es ist auch nicht 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 187 


schwer für die semitischen Sprachen nachzuweisen, was für die indogerma- 
nischen längst anerkannt ist, dafs früher nur drei Grundvocale a, i, u unter- 
schieden wurden, und sich erst später ö in e und i, w in o und x spaltete. 
Von ghain, aus dem o und u hervorging, ist schon oben ($.17. Note) ge- 
sprochen worden. Die Vocale e und z gingen ebenso aus dem einen he her- 
vor. Daher noch im Phönieischen, Althebräischen, Samaritanischen u.a. 
Alphabeten dieselbe Figur & beide Vocale bezeichnet. Ganz verschieden 
davon ist der iHaken, der in den Aramäischen Alphabeten und so auch in 
der hebräischen Quadratschrift erscheint. Kopp (Bilder und Schriften IH. 
p- 386.) stellt unter jod beide Zeichnn neben einander, ohne auf den ganz 
verschiedenen Ursprung beider aufmerksam zu machen. Dieses aramäische 
>, jod, ist eine höchst merkwürdige Spur wirklicher sehr alter Vocalstriche, 
wie wir sie in der Sanskritschrift finden, und die ich im semitischen Alpha- 
bete aufser jod nur noch im vStriche des kof p und im Striche des > er- 
kenne, den drei einzigen Buchstaben der Quadratschrift, die aus der Reihe 
der übrigen Buchstaben heraustreten. Was wir unten über den gemein- 
schaftlichen Ursprung des semitischen und indischen Alphabets sehen wer- 
den, wird begreiflich machen, warum ich in >, > und p eine wirkliche Ver- 
wandtschaft mit dem übergesetzten 7 und Haken und dem untergesetzten 
uHaken des Sanskrit anerkenne; es ist dabei zu bemerken, dafs in dem spä- 
tern Punktationssysteme der semitischen Schrift gerade umgekehrt der Punkt 
unter, der Punkt über die Linie gesetzt wurde, wodurch jeder Zusammen- 
hang mit dem ältern chaldäisch -indischen Vocalisationssysteme unwahrschein- 
lich wird. Ich mache hier übrigens noch darauf aufmerksam, dafs die pa- 
läographische Bemerkung, die ich so eben über die drei Buchstaben jod, 
lamed und kof gemacht habe, nicht die einzige und wesentlichste ist, die 
mich überzeugt hat, dafs die hebräische Quadratschrift gröfsere Aufmerk- 
samkeit verdient und in vieler Beziehung mehr Alterthümlichkeit bewahrt 
hat, als die althebräische und alle übrigen semitischen Schriften, die wir 
kennen. Die Quadratschrift ist allerdings für die Juden eine jüngere Schrift; 
nach den Untersuchungen von Kopp kann kein Zweifel mehr obwalten, 
dafs es ein aramäischer Schriftdialekt ist, den die Juden wahrscheinlich in 
Babylonien aufnahmen. Es wäre aber gar nicht zu verwundern, wenn die 
chaldäisch-babylonische Priesterschaft das alte semitische Alphabet treuer 
bewahrt oder wenigstens regelmäfsiger fortgebildet hätte, als die südsemi- 


Aa? 


188 Lrrsıvs über die Anordnung und Verwandtschaft 


tischen Völker, bei denen die Priesterkaste und alle religiösen Observanzen 
mehr zurücktraten. Die Quadratschrift trägt offenbar den Charakter einer 
heiliggehaltenen Schrift, wie das Devanägari bei den Indern; beide Schrif- 
ten haben auch ungefähr dasselbe Verhältnifs zu den übrigen Schriftdialekten, 
die sich bei andern semitischen Völkern und in Indien finden. Die verschie- 
denen, dem Devanägari näher oder ferner stehenden Schriftarten, die wir 
durch Inschriften kennen, oder noch in gewissen Ländern in Gebrauch fin- 
gari 
erscheinen; aber dieses ist dagegen weit regelmäfsiger fortgebildet, daher 


den, enthalten viele einzelne Züge, die alterthümlicher als im Devanä 


durchsichtiger und die ursprüngliche Bedeutung fester haltend, als alle übri- 
gen Schriften, wie ich in meiner Abhandlung über die Sanskritschrift aufser 
Zweifel gesetzt zu haben glaube. In einem ähnlichen Verhältnisse steht die 
hebräische heilige Bücherschrift zu den übrigen semitischen Schriften. Im 
Devanägari ist das Verhältnifs der Vocalstriche zu den Buchstaben der Zeile, 
noch rein erhalten und leicht auseinander zu legen; in allen übrigen Schrif- 
ten sind die Vocalstriche mit den Buchstaben verschmolzen und nur durch 
Vergleichung mit dem Devanägari, und selbst dann oft nur unsicher auszu- 
scheiden. Bleiben wir bei den entsprechenden Spuren der Vocalstriche in 
den semitischen Schriften stehen, so treten diese in keiner so deutlich her- 
vor, wie in der Quadratschrift. Namentlich ist der vStrich in p, kof, der 
diesen Buchstaben allein von dem später noch besonders hinter jod ohne 
diesen Strich aufgenommenen, ursprünglich aber .consonantisch ganz glei- 
chen >, kaf, unterscheidet, in keiner andern semitischen Schrift getrennt 
erhalten, sondern überall mit dem Buchstaben verwachsen. 

13. Fragt man, warum >», jod, als es von he getrennt wurde, gerade 
diese Stelle erhielt, so liegt auch hiervon der Grund wohl in der ursprüng- 
lichen Anordnung der Reihen. Als das semitische Alphabet nach Griechen- 
land kam, wurde es in folgende Buchstaben übertragen: 


aßyS Mahasz 
U NDRBTS, MemD 
Kr AU vin= Then 3-1 2le) 
oem yapn 
Er 


Wie die beiden ersten Reihen, so beginnt auch jede folgende mit einem 
Vocale. Als sich ghain in o und u spaltete wurde u hinter £ zugefügt und 


des Semit., Ind., Alt- Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 189 


begann die neue Reihe, die sich in Griechenland nach dem Ausfalle der 
Aspiraten vap und chet bildete. Als sich he in e und i schon in Asien spal- 
tete, lag es nahe, mit z die Reihe der Halbvocale beginnen zu lassen. 

Aus dieser Zusammenstellung geht übrigens noch klarer hervor, wie 
unrichtig die Ansicht ist, dafs jod und var von Ursprung an die Vocale i und 
u bezeichnet hätten, sei es allein, sei es zugleich mit Beibehaltung ihres 
consonantischen Werthes. (Diese letztere Meinung theilt auch Fürst: Chald. 
Gramm. $.83.). Es ist hier genau die spätere Ausbildung der semitischen 
Sprachen, wie sie uns freilich gröfstentheils allein vorliegen, von dem frü- 


hern Zustande zu unterscheiden, aus dem sie hervorging, und der nament- 


5 
lich für den Sprachforscher von der gröfsten Wichtigkeit ist, weil gerade 
hier die Vergleichungspunkte mit den übrigen Sprachstämmen liegen. Es 
kann keinem Zweifel unterliegen, dafs in spätern Zeiten, und je später um 
so mehr, die drei Buchstaben s, ", > als die nackten Vocale a, i, u gebraucht 
wurden. Auch hat die Sprachenvergleichung gar wohl auf die Halbvocale 
j und « in den Wurzeln Rücksicht zu nehmen und wird häufig in den indo- 
germanischen Sprachen die Vocale i und u an ihrer Stelle finden, weil j und 
w, wie im Sanskrit q und 4, fast immer aus ö und w hervorgegangen sind, 
eine Erscheinung, die einen wesentlichen Theil der Wurzelbildung ausmacht, 
und von mir in der schon genannten paläographischen Abhandlung $.51.ff. 
in ihrem Zusammenhange mit andern Weiterbildungen der Wurzeln aufge- 
fafst ist. Aber es ist eben so unleugbar, dafs zu der Zeit, als sich das se- 
mitische Alphabet ausbildete, und selbst noch zu der Zeit, als es nach Eu- 
ropa gebracht wurde (und damals fanden sich schon die Zischlaute und r, ö 
und %k, an ihren Stellen), ", var, nicht als vVocal gebraucht wurde, sondern 
ghain. Das eigenthümliche Verhältnifs von > habe ich schon berührt. Ich 
trenne es daher von den drei Buchstaben s, 7, », welche offenbar in der 
Anordnung der Reihen auf gleiche Stufe gestellt sind, und auch in den eu- 
ropäischen Alphabeten auf gleiche Weise durch die drei Grundvocale a, i(e), 
u (0) wiedergegeben worden sind. 

Sollen wir nun also das semitische Alphabet jener Zeit in Consonan- 
ten und Vocale theilen, wie wir es bei den europäischen zu thun gewohnt 
sind? Ich habe mich schon andern Orts gegen diese Ansicht ausgesprochen, 
und ich kann hier nur von neuem die Überzeugung aussprechen, dafs die se- 


190 Lersıvs über die Anordnung und Verwandtschaft 


mitische Schrift, wie auch die indische wesentlich Sylbenschrift ist, und 
diesen Charakter erst allmählig abgelegt hat. 

14. Alle semitischen und indogermanischen Alphabete führen auf ein 
und dasselbe Grundalphabet zurück; dieses war ein Sylbenalphabet, d.h. 
jeder Buchstabe verband ein consonantisches und ein vocalisches Element 
zu einer untheilbaren Einheit. Der Gebrauch eines solchen Sylbenalpha- 
bets war schon ein sehr bedeutender Fortschritt in der abstrakten Auffassung 
und schriftlichen Bezeichnung der Sprache. Wir finden aber in allen diesen 
Sylbenalphabeten, so früh wir sie kennen lernen, das deutliche Streben 
diese Syllabität immer mehr aufzuheben, den CGonsonant vom Vocale zu 
trennen und beide Elemente besonders auszudrücken. 

Wir finden dieses Streben in vier Hauptrichtungen sich entwickeln, 
die aber wieder auf zwei zurückgeführt werden können. 

A.1. Das Devanägari, die heilige Schrift der Inder, war reine 
Sylbenschrift, ehe die Vocalstriche über und unter der Linie zugesetzt wur- 
den; sie ist noch immer ohne dieselben lesbar, indem ohne alle nähere Be- 
zeichnung jeder Buchstabe aufser dem consonantischen Elemente zugleich 
den Vocal a in sich schliefst, und mit ihm ausgesprochen wird. Schon die 
spätere Zufügung der Vocalstriche war ein Schritt zur Aufhebung der Sylla- 
bität. Noch später gab man den an sich ursprünglich bedeutungslosen Vo- 
calstrichen durch gewisse äufserliche Unterscheidungen eine vom consonan- 
tischen Elemente unabhängige Bedeutung, setzte sie in die Reihe der übri- 
gen Sylbenbuchstaben, und erhielt so, wie ich andern Orts gezeigt habe, 
die nackten Vocale. Diese wurden aber noch selten gebraucht, da sie nur 
im Anfange der Worte stehen können, und bei der ungetrennten Schrift der 
Inder sogar nur im Anfange der Abschnitte. 

4.2. Das vollständigste Syllabarium bietet uns die Äthio pische 
Schrift dar. Der wesentliche Schritt des Sanskrit, den z und wHaken selbst- 
ständig und den übrigen Buchstaben assimilirt, in die Zeile aufzunehmen, 
ist hier nicht gethan worden. Dagegen ist in anderer Beziehung das äthio- 
pische Alphabet ein unmittelbarer Fortschritt von der indischen Schrift, der 
sich sogar in Indien selbst in den verschiedenen Volksschriften, nur nicht so 
consequent durchgeführt, vorfindet. Die verschiedenen Vocalstriche sind 
nämlich mit den Buchstabenformen verwachsen, und sind nicht mehr wie im 
Devanägari beweglich; dadurch vervielfacht sich natürlich das Alphabet so- 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 191 


viel mal, als verschiedene Vocale in der Sprache existiren. Die Sylben pe, 
pi, po u.s.w. haben jede eine besondere Bezeichnung, denen zwar eine ge- 
meinschaftliche Form, die, rein erhalten, wie im Sanskrit pa ausgesprochen 
wird, zum Grunde liegt, die aber nicht mehr in ihre Bestandtheile aufgelöst 
werden können, und daher besonders aufgeführt werden müssen. 

B.1. Als die semitische Schrift nach Europa zu indogermani- 
schen Völkern überging, welche durchgängig eine weit gröfsere Tendenz 
zur strengen Sonderung der Vocale und Consonanton in ihren Schriften zei- 
gen, wozu sie nothwendig durch die weit höhere Bedeutung des Vocalismus 
in ihren Sprachen geführt werden mufsten, nahm man folgende höchst 
wichtige und einflufsreiche Veränderung mit diesem Sylbenalphabete vor. In 
den drei Hauptsylben s, @, 7 he oder Ai, und » gho oder ghu, in denen der 
Vocal vorwaltete, liefs man den schwachen Guttural, das consonantische 
Element, ganz fallen, und betrachtete sie als reine Vocale a, i, u, in den 
übrigen Sylbenbuchstaben, in denen das consonantische Element vorzuwal- 
ten schien, liefs man das vocalische ganz fallen, betrachtete sie als reine 
Consonanten, und fügte nun immer eines der drei Vocalzeichen zu, um eine 
vollständige Sylbe zu bilden. So hatte man unmittelbar die vollkommenste 
Buchstabenschrift, die wir bis auf den heutigen Tag kennen. 

B.2. Als die Hebräer, Syrer, und andere semitische Völker das 
Bedürfnifs nach selbstständigen Vocalen fühlten, griffen sie nach einem ähn- 
lichen Mittel; sie liefsen das vocalische Element der meisten Buchstaben 
fallen, wodurch sie reine Consonanten erhielten; von den Hauchsylben konn- 
ten die Semiten, bei denen die Gutturale sehr ausgebildet und stark waren, 
nicht so leicht wie die indogermanischen Völker Gebrauch machen, um dar- 
aus ihre reinen Vocale zu gewinnen. Nur der schwächste Hauch x ward all- 
mählig als solcher betrachtet; für z und v zog man vor die dicken Consonan- 
ten jod und var zu gebrauchen. So finden wir die semitische Schrift auf 
den ältesten Denkmälern, die wir kennen, auf der Inschrift von Carpentras, 
auf den Palmyrenischen u.a. Doch behielten jod und var fortwährend auch 
ihre consonantische Geltung neben der vocalischen. Später genügte bei fei- 
nerer Ausbildung des Vocalsystems diese schwankende Bezeichnung nicht 
mehr. Einige Jahrhunderte nach Christus bildete sich für die meisten semi- 
tischen Schriften das bekannte Punktationssystem aus, ganz unabhängig von 


8 
dem viel ältern indischen Vocalisationssysteme, dem es gleichwohl völlig 


192 Lersıus über die Anordnung und Verwandtschaft 


analog ist. Die frühere theilweise Bezeichnung der Vocale durch s, > und » 
wurde indessen äufserlich in den heiligen Schriften nicht dadurch verdrängt; 
man liefs sie gröfstentheils im Texte, fügte aber die neue Vocalisation zu und 
so nennt man jetzt diese überflüssig gemachten Buchstaben quiescirende. 
Aber auch die Punktation ist ihrer Seits keineswegs vollkommen durchge- 
drungen; von den neuern Juden, Arabern, Persern wird sie selten ange- 
wandt, und die quiescirenden Buchstaben treten dann wieder in Geltung. — 
Dieses fortwährende Schwanken in der Bezeichnung der Vocale hatte die Un- 
tersuchungen über diesen wichtigen Punkt in der semitischen Paläographie 
sehr erschwert und zu den verschiedensten Hypothesen über die ursprüng- 
liche Bedeutung der hebräischen Buchstaben veranlafst. Es scheint mir, 
dafs diese kurze Skizze, zu deren weiterer Ausführung hier nicht der Ort 
ist, durch die Zusammenstellung der verschiedenen Richtungen, die wir in 
der Weiterbildung der syllabischen Schrift finden, den richtigen Gesichts- 
punkt für die Lösung dieser Frage aufgestellt hat. 

15. Ich habe in der vorangehenden Übersicht mehr auf die Bildung 
der reinen Vocale, als auf die der reinen Consonanten mein Augenmerk ge- 
richtet. Eins ist im Grunde so wichtig wie das andere, und es finden sich 
bei den verschiedenen Völkern auch Verschiedenheiten in der Bildung der 
reinen Consonanten. Doch mufs natürlich beides immer Hand in Hand ge- 
hen und die Entwickelung einer gesonderten Vocalisation ist das wichtigere 
Moment. 

Wir haben gesehen, dafs das Sanskrit und Äthiopische Vocalsuffixe 
erfand, die ursprünglich beweglich waren, später mit den Buchstabenzeichen 
zu festen Formen verschmolzen, oder sogar als gesonderte Buchstaben in die 
Reihe aufgenommen wurden. Die Europäischen Völker, und, abgesehn von 
dem spät erfundenen Punktationssysteme, ein grofser Theil der semitischen 
Völker, nahmen dagegen frühere Sylben als reine Vocale an, indem sie von 
dem consonantischen Elemente ganz absahen. Ein einzelner Vorgang hierin 
findet beim indischen H, « statt. 

Es fragt sich aber, wie wir uns das primitive Sylbenalphabet zu den- 
ken haben, ehe es Vocalsuffixe hatte oder gewisse Sylben als reine Vocale 
betrachtete. Bestand es, wie jetzt das Sanskritalphabet erscheint, aus lau- 
ter Consonanten, denen als vocalisches Element das einfache a inhärirte, 
und existirten noch keine andern Vocale? Traten die Vocalsuffixe so früh in 


des Semit., Ind., Alt- Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 193 


der Schrift, wie die Vocalnüancen in der Sprache ein? Oder wurden die 
verschiedenen Vocale hinzugedacht, und ausgesprochen ohne irgend bezeich- 
net zu sein? Diese letztere Annahme würde uns wieder auf eine ursprüng- 
liche Consonantenschrift zurückführen, an die schon von manchen Seiten 
gedacht worden ist. Den vollständigsten Aufschlufs hierüber giebt uns der 
merkwürdige Übergang der semitischen Schrift nach Europa, wo sie unmit- 
telbar aufhörte Sylbenschrift zu sein, während sie bei den semitischen Völ- 
kern in Asien Sylbenschrift blieb, und zwar noch vollständige Sylbenschrift 
ohne Suffixe und sogar ohne die quiescirenden Vocale jod und var; denn 
wäre cap schon als Vocal in jener Zeit gebraucht worden, so würde man die- 
ses und nicht ghain zur Bezeichnung des u Vocals gewählt haben. Offenbar 
mufsten zur Zeit des Übergangs die drei Buchstaben s, 7, » die Vocale a, i 
und z enthalten, sonst hätten sie für indogermanische Ohren diese Vocale 
nicht bezeichnen können. Wir haben also jedenfalls in diesen drei Buchsta- 
ben wenigstens ein inhärirendes verschiedenes vocalisches Element anzu- 
erkennen; sie konnten für sich allein nicht @, ha, gha lauten, wie wir die 
Sanskritbuchstaben jetzt lesen. Die drei verschiedenen Hauche, die der 
griechische Mund nicht unterschied, folglich auch das griechische Ohr nicht 
auffafste, verschwanden ganz natürlich, und liefsen nur die drei reinen Vo- 
cale zurück. Haben wir uns aber von der wirklichen streng gefafsten Sylla- 
bität von drei Buchstaben überzeugt, in welchen ein für das semitische Ohr 
wenigstens genau geschiedenes consonantisches Element mit einem verschie- 
denen und unveränderlichen vocalischen Elemente vereinigt war: so sind 
wir genöthigt, dieselbe strenge Syllabität bei allen Buchstaben anzunehmen, 
und es fragt sich nur, wie das dreifache vocalische Element, welches wir 
durch die Vergleichung mit dem europäischen Alphabete voraussetzen müs- 
sen, unter die übrigen Buchstaben vertheilt war. Dafs diese Vertheilung 
nicht willkührlich war, läfst sich im voraus vermuthen. 

16. Da wir die erste der 3 Reihen Mutae mit a, die zweite mit 
i, die dritte mit z haben beginnen sehen, so liegt die Vermuthung am 
nächsten, dafs dieselben Vocale den ganzen Reihen, die sie beginnen, an- 
gehörten. Das einfache Syllabarium, welches wir dadurch erhalten: 


a ba ga da 
hi vi f)wdtchen ‚the 
ghu pu gu du 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Bb 


194 Lersıus über die Anordnung und Verwandtschaft 


bestätigt sich in der That von allen Seiten. Der Buchstabe, der am con- 
stantesten in den verschiedenen Sprachen x hinter sich fordert q, findet 
sich in der wReihe. Bekanntlich wird dieser Buchstabe im lateinischen, 
gothischen, runischen u.a. Alphabeten nur vor z oder » gebraucht, wie 
das griechische P koppa (POPINOOZ, ZVPAPOZION) nur vor o. Im 
hebräischen Alphabete haben wir schon im p den uStrich erkannt, durch 
den dieser Buchstabe von >, kaf, unterschieden wurde. 

Auch die Buchstabennamen, die alle mit dem zu bezeichnenden 
Buchstaben anfangen, weisen im Ganzen auf diese Vocale zurück. Sehen 
wir, wie billig, von der späten Punktation ab, so sind uns in der zwei- 
ten und dritten Reihe die Namen mit der Orthographie der quiescirenden 
Vocale > und ; erhalten. Am vollständigsten die späteste dritte Reihe mit 
„: EB, pum (die chaldäische Form statt des hebräischen x», pe, oder nz, 
der Mund), 577, kuf, und ’r, zu. In der zweiten Reihe finden wir rn, 
chit, und ©», thith mit dem quiescirenden jod. Für 77 schreiben Andere, 
nach Gesenius, auch 77, und da diese Schreibung das erwartete jod 
darbietet, so halte ich sie nach der gegenwärtigen Zusammenstellung für 
alt und aus der ursprünglichen Aussprache riv hervorgegangen. In der 
ersten Reihe, welcher ursprünglich das reine a zukam, dürften wir kei- 
nen quiescirenden Buchstaben finden; so ist es auch bei =, gaml (ca- 
melus) und r>7, dalet, dagegen finden wir in der gewöhnlichen Schrei- 
bung von r>3, dit ein quiescirendes jod. Dafs dieses aber ursprünglich 
nicht dahin gehört, darauf deutet schon der Plural &’r2, datim, welcher 
auf einen verloren gegangenen Singular 73, dat, zurückweist. Wir erhal- 
ten also folgende Namen für die drei Reihen Mutae 


ganılena) "Dar mar älef bat gaml da-let 
NT 0pı mm wm hi-a pi-v chit _thi-th 
72... BB. mp ghu-in pum quf tu. 


Sehen wir aber auch von diesen äufsern Spuren dieser dreifachen Vocal- 
reihe ab, und fragen wir, ob sich innere Gründe dafür finden, dafs ge- 
rade die Mediae sich mit a, die Aspiratae mit i, die Tenues mit z ver- 
bunden haben, so mangeln diese keineswegs, vielmehr giebt uns der 
Sprachorganismus, wie er noch heutzutage von jedermann an seinem eige- 
nen Munde wahrgenommen werden kann, der einigermafsen seine Auf- 
merksamkeit auf die physischen Funktionen unserer Sprachorgane gelenkt 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt- Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 195 


hat, hinlänglichen Aufschlufs über den innern Zusammenhang der Con- 
sonantenreihen mit ihren zugegebenen Vocalen, wie wir sie in dem pri- 
mitiven Sylbenalphabete verbunden finden. 

17. Man kann sowohl auf historischem als auf analytischem Wege 
zu der Überzeugung gelangen, dafs, so wie aus den drei Grundvocalen 
a, i, u mit der Zeit e und o und alle übrigen vocalischen Nüancen sich 
zu gesonderter Selbstständigkeit herausgebildet haben, so die beiden ge- 
färbten Vocale © und w selbst vorher aus @ hervorgegangen sind. Ich 
habe sowohl über diesen Punkt in der öfters angeführten Abhandlung 
schon gesprochen, als auch über das durchgängige Gesetz in der allge- 
meinen Sprachentwickelung, dafs sich unter den Sprachelementen immer 
zuerst die entferntesten Punkte fest setzen, dann die dazwischenliegenden. 
Hierauf beruht, beiläufig gesagt, auch der bemerkenswerthe Umstand, dafs 
in jeder der drei Lautreihen der Dental nicht zwischen den Labial und 
Guttural sondern hinter beide gesetzt ist, wobei schon in der allerersten 
Anlage dieses merkwürdigen Alphabets das organische und historische Prin- 
zip, auf dem seine Anordnung beruht, zugleich sichtbar ist. Für den Vo- 
calismus hatten wir an dem angeführten Orte auf einem ganz andern Wege 
gefunden, dafs zuerst der von « entfernteste Vocal z, dann w aus dem Ur- 
vocale hervorgegangen war. Dieselbe Ordnung finden wir auch hier in 
den primitiven Syllabarium befolgt; auf die aReihe folgt die iReihe, auf 
diese die wReihe. 

18. Wie aber ö und u aus a, so sind auch die Aspiratae und Te- 
nues aus den Mediae hervorgegangen, und zwar ist hierbei eine Rückwir- 
kung des Vocals auf den Consonant gar nicht zu verkennen, und wir wer- 
den auch hierdurch, wie sich schon von selbst versteht, genöthigt, eine 
gleichzeitige Entwickelung des consonantischen und vocalischen Elements 
in der zweiten und dritten Reihe anzunehmen. Bleiben wir nämlich zu- 
nächst bei den Hauchen stehen, mit denen jeder Vocal nothwendig aus- 
gesprochen werden mufs, so lehrt uns die einfachste eigene Beobachtung, 
die, wie wir gesehen haben, schon Plutarchs Grofsvater Lamprias gemacht 
hatte, dafs « unter den drei Grundvocalen von den Sprachorganen in ih- 
rer natürlichsten Stellung hervorgebracht wird. Auch ist der Hauch, der 
dem a vorausgeht der allerschwächste, weil der Laut unmittelbar da ge- 
bildet wird, wo der leise Kehlhauch in den Mund tritt. Bei der völligen 


Bb2 


196 Lersıus über die Anordnung und Verwandtschaft 


Öffnung des Mundes wird der Hauch nur an diesem einen Punkte compri- 
mirt, und verschwimmt sogleich wieder ohne weitere Funktion in der äufse- 
ren Atmosphäre. Um den Vocal i zu bilden, behält der Mund seine natür- 
liche Breite, wird aber mehr zusammengedrückt, namentlich wird die mitt- 
lere Zunge dem Gaumen genähert und der begleitende Hauch wird folglich 
vom Eintritt in den Mund bis zu den Zähnen in einer engen Spalte gehalten, 
ehe er verfliegen darf; dies macht nothwendig den Hauch beim z fühlbarer, 
verlängert ihn gleichsam, und er wird nach unserm Gefühle stärker; das für 
die Hauche und Gutturale fein ausgebildete semitische Ohr hat dies in dem 
stärker hauchenden Ai aufgefafst. Um den wVocal auszusprechen, ziehen 
wir die Zunge nach dem Gaumen zurück und nähern den hintern Theil der- 
selben dem Gaumen; die stärkste Compression des Hauches liegt zwischen 
a und i('); zugleich wird in dem vordern durch das Zurückziehen der Zunge 
leer gewordenen Theile des Mundes durch ein Zusammenziehen desselben 
in der Breite der Hauch gleichsam gestaut, und nicht sowohl, wie bei  ge- 
schärft und in die Länge gezogen, sondern zusammengeprefst und verdickt. 
Dadurch entsteht der den wirklichen Gutturalen näher liegende, nicht ge- 
rade stärkste aber härteste, compakteste Hauch ghain, den wir durch g% 
annähernd, aber, wie auch Ae durch A, zu stark wiedergeben. 

19. Was eine genaue physiologische Beobachtung uns über die Hau- 
che gelehrt hat, die sich am naturgemäfsesten mit den drei Grundvocalen 
verbinden, gilt auch unmittelbar von den übrigen Consonantenreihen. Hier 
treten sogar noch sprachgeschichtliche Bestätigungen hinzu. Wenn die drei 
Ursylben da, ga, da ihr vocalisches Element aus @ in @ verwandeln, so kann 
die dem iVocal inhärirende schärfere Aspiration nicht ausbleiben, sie mufs 
nothwendig auf das consonantische Element einwirken, denn sie ist ja selbst 
consonantischer Natur. Wir erhalten so unmittelbar die Aspiraten bhi, ghi, 
dhi. Wir haben schon oben bemerkt, wie nahe die Aspiration der Assibi- 
lation liegt; die letztere ist nur eine nachlässige, dem eiligen Munde beque- 


mere Verstärkung der erstern, und geht in der Sprachgeschichte durchgängig 


(‘) Um deutlicher zu bemerken, wo die Vocale a, i, u im Munde gebildet werden, brau- 
chen wir nur einen starken Hauch darauf folgen zu lassen. Unser ch wird an ganz ver- 
schiedenen Stellen des Mundes gebildet, wenn wir: ach, ich, und Buch aussprechen; am 
weitesten entfernt liegen die beiden ersten, das dritte zwischen ihnen. 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 197 


daraus hervor. Das aspirirte ph wird zur Lippensibilans f, das aspirirte 
zur Gaumsibilans ch (x?), und /A zur Zungensibilans s. Dafs namentlich z, 
oder auch e, diese Wirkung auf den vorausgehenden Consonant ausübt, da- 
von giebt uns die Sprachgeschichte aller Völker und Zeiten unzählige Bei- 
spiele. Bekannt ist, wie die romanischen Sprachen die Gutturale e und g 
vor a, 0, u ohne Assibilation, vor zund e assibilirt aussprechen; ebenso wird 
der Dental £ nie vor den dunkeln Vocalen, oft aber vor z assibilirt (Cieeron, 
Cicerone; genou, ginocchio, nation, nazione). Ebenso bekannt sind diese 
Übergänge schon in den alten Sprachen (#Acüros, FAsurus; Savaros, Savarı- 
nos; Ars, Zeus; ÖlagAeyns, SagAeyns; induciae neben indutiae; hierher gehört 
auch die blofse Erweichung dido neben poto; TOLGKOVTE, tri-ginti neben tre- 
centi, wera£ü, medius, wEres; wres, audio u.a.). Hiermit mag auch zusam- 
menhängen, dafs die griechischen Aspiraten oder Zischlaute $t, x}, W, & ge- 
rade ı in ihrem Namen angenommen haben (rt stammt noch aus dem hebräi- 
schen Namen p& und ist daher nicht mit jenen Namen zusammenzustellen). 

20. Wie der längere Hauch des Vocals die Reihe der Aspiraten her- 
vorrief, so liegt es jetzt nahe, zu begreifen, wie der zusammengeprefste harte 
Hauch des wVocals die Reihe der Tenues hervorrufen konnte. Doch liegen 
hier die geschichtlichen Belege nicht so auf der Hand, und ich gehe daher 
über die complicirteren linguistischen Demonstrationen, die hier nöthig wür- 
den, weg. Auch die Reihe der Halbvocale /, m, n, s ist in ihrem organi- 
schen und primitiven Verhältnisse zu den drei Reihen der Mutae nicht so ein- 
fach zu begreifen und würde weitläuftigere Entwickelungen nöthig machen, 
als der gegenwärtige Aufsatz erlaubt. 

21. Wir haben das semitische Alphabet auf folgendes primitive Syl- 
labarium zurückgeführt, wobei wir die Halbvocale übergehen. 


a i7 u 
ba | bi ! bu 
ga gi | gu 


da | di | du 
Durch Rückwirkung der Vocale ging daraus folgendes Alphabet hervor: 
a hi |ghu 


ba | vi | pu 


ga chi | ku 
da | thi | tu 


198 Lersıus über die Anordnung und Verwandtschaft 


Als sich diese consonantischen Unterschiede in der Sprache festgesetzt 
hatten und von dem Ohre mit Leichtigkeit aufgefafst wurden, mufsten sie 
dadurch ganz natürlich auch unabhängiger von den vocalischen Elemen- 
ten werden, mit denen sie früher eine organische Einheit gebildet hatten. 
Man hob die charakteristischen Eigenschaften der drei Consonanten-Rei- 
hen mehr hervor, und fing nun an, die geschärften Consonanten der 
zweiten Reihe und die geprefsten der dritten auch mit « zu verbinden, 
die einfachen Consonanten der ersten Reihe auch mit i und w. Dies war 
der erste wesentliche Schritt zur Aufhebung der ursprünglichen Syllabi- 
tät; aus einer einzigen Individualität entwickelten sich zwei gesonderte In- 
dividualitäten, aus dem Laute die Consonanz und der Vocal. 

Von dieser Zeit an mufste auch die ursprüngliche Bezeichnung un- 
genau werden; die Sylbe du konnte weder durch 3, da, noch durch z, pu, 
vollständig bezeichnet werden. Als das Bedürfnifs allgemein fühlbar ge- 
worden war, mufste für ein neues Mittel der Bezeichnung gesorgt wer- 
den, und wir haben schon gesehen, wie dies von den verschiedenen Völ- 
kern nach ihrer sprachlichen Individualität auf verschiedenem Wege ge- 
wonnen wurde. Um zu bezeichnen, dafs 9, nicht da, sondern bi ausge- 
sprochen werden sollte, setzten die Inder ein Häkchen darüber, sollte es 
bu ausgesprochen werden, so setzten sie ein Häkchen darunter. Als sich 
die Sprache einmal an diese ursprünglich heterogenen Verbindungen ge- 
wöhnt hatte, mufste dem Ohre bald auch die feine Harmonie der primi- 
tiven Reihen verschwinden. Es lag daher nahe, die i und wSuffixe nicht 
allein in den fremden Reihen, sondern auch in den diesen Vocalen speciell 
zugewiesenen Reihen zu gebrauchen. So finden wir es im Sanskrit. 
Keine Spur mehr der früheren Eintheilung; jeder Buchstabe ohne Suffix 
wird mit dem Urvocale @ ausgesprochen; soll er mit u oder i gesprochen 
werden, so treten die Suffixe zu. Verschmelzen diese Suffixe mit den 
Buchstaben zu besondern Figuren, wie im Äthiopischen, so entsteht un- 
mittelbar das vollständigere Syllabarium: 


> 3». &) 
a i u 
ba bi bu 
ga gi gu 


des Semit., Ind., Alt- Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 199 
ha sah) hu 


va vi 97 
cha chi chu 
tha thi thu 


gha ghi ghu 


pa pi pu 
ga gi qu 
ta ti zu 


wie wir es bei den Äthiopen wirklich finden; nur sind hier sieben sol- 
cher Reihen, weil sie sieben verschiedene Vocale haben. 

22. Die Geschichte des semitischen Alphabets, die ich hier in ih- 
ren wesentlichsten Zügen dargelegt habe, hat uns bis in die Uranfänge 
der Sprache selbst zurückgeführt. Wir finden, dafs seine Anordnung ge- 
nau, und vom ersten Buchstaben an (!), mit der historischen Entwicke- 
lung des Sprachorganismus übereinstimmt. Ist es nun wohl vernunftge- 
mäfs, anzunehmen, dafs diese Ordnung erfunden und aufgenommen wurde, 
als sich die Laute in der Sprache schon alle vollständig ausgebildet hat- 
ten? Wer dies behaupten wollte, müfste eine für jene Zeit wahrhaft 
übermenschliche Speculation voraussetzen, und bedächte noch immer nicht, 
dafs selbst diie höchste Speculation, wie sie das Ziel aller Wissenschaft 
ist, immer nur das schon Vorhandene begreifen lernt, aber kein Produkt 
aufzustellen vermag, wie es aus der Hand der Natur selbst hervorgegan- 
gen wäre. Ein solches Produkt wäre aber dieses Alphabet gewesen, wenn 
es von einem menschlichen Geiste auf einmal einer für ihn schon abge- 
schlossenen Sprachentwickelung nachgeschaffen worden wäre. Es kann 
sich nur allmählig und zugleich mit der Sprache selbst so ge- 


(‘) Ich habe schon oben im Vorbeigehen von dem in der Sprachentwickelung durch- 
gängig wahr zu nehmenden Gesetze gesprochen, dafs sich immer zuerst die entferntesten, 
dann die zwischenliegenden Laute individualisiren. Das Alphabet beginnt mit a’, dem Ur- 
vocale, dessen consonantischer Hauch am tiefsten in der Kehle von allen Buchstaben gebil- 
det wird. Unmittelbar darauf folgt 2, das von dem vordersten Sprachorgane, den Lippen 
gebildet wird; dann folgt g, welches durch einen Gaumschlufs hervorgebracht wird, also 
zwischen a und 5, aber näher nach a’; endlich folgt 4, welches wieder zwischen g und 2, 


aber näher an 6, von der Zungenspitze gebildet wird. 


300 Lrpsıus über die Anordnung und Verwandtschaft 


bildet haben, wie wir es vorfinden. Steht diese Überzeugung aber 
fest, so werden wir genöthigt, den Ursprung des Alphabetes und überhaupt 
der Buchstabenschrift in die Anfänge der Menschengeschichte selbst zu 
setzen, jedenfalls vor die Trennung der verschiedenen Völkerfamilien, die 
durch die Sprachenvergleichung als Zweige eines Stammes für die Wissen- 
schaft erwiesen worden sind. Auf dasselbe Resultat haben mich schon in 
der mehrfach genannten Abhandlung rein paläographische Untersuchungen 
über das Devanägari geführt. Es wird daher um so mehr Interesse haben, 
nachzuweisen, dafs in der That das Indische Alphabet einen gemeinschaft- 
lichen Ursprung mit dem semitischen hat, wozu ich jetzt übergehe. 

23. Das Sanskrit- Alphabet ist von den spätern Indischen Grammati- 
kern so angeordnet worden, wie wir es jetzt finden. Es ist auch nach den 
Sprachorganen geordnet, so wie wir auch unser Alphabet, wenn wir nicht 
eine andere Reihenfolge ererbt hätten, anordnen würden und in der Gram- 
matik wirklich thun, ohne Rücksicht auf seine historische Entwickelung. 
Die Vocale sind zusammengeordnet und werden vor oder hinter die Conso- 
nanten gestellt; dann folgen die Mutae in fünf Reihen, zuerst die Gutturale, 
dann zwei Reihen, die dem Indischen Munde eigenthümlich sind, die Pala- 
tale und Linguale; dann folgen die Dentale, endlich die Labiale. Sie sind 
also von dem hintersten Organe des Mundes, der Kehle, nach dem vorder- 
sten, den Lippen, zu geordnet, und diese horizontalen Reihen entsprechen 
ungefähr den vertikalen des semitischen Alphabets, nur sind diese Reihen 
selbst wieder umgekehrt von der Tenuis nach der Media, nicht wie im se- 
mitischen Alphabete von der Media nach der Tenuis geordnet, nämlich: 

(8) ka | (5) kha | (2) ga | gha 

(9) ta | (6) tha | (3) da | dha 

(7) pa | (4) pha | (1) ba | bha. 
Die beigesetzten Zahlen geben die semitische Ordnung an. Nach den Mutis 
folgen die Halbvocale, es schliefsen die Zischlaute und Aa. 

24. Wir finden aber bei dem alten, von den Indern unter die He- 
roen gezählten Grammatiker Pänini, noch eine andere Anordnung der Buch- 
staben, die von ihm dem göttlichen Mahäs’vara (eine Bezeichnung des S’iva) 
zugeschrieben wird. In 14 Abtheilungen, die durch zwischengesetzte Mer- 
kebuchstaben zu leichterer Bezeichnung der einzelnen Theile getrennt sind, 
ist das Alphabet folgendermafsen angeordnet: yz 3 | aa | Tar| Ta 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 204 


zaaı alsımzsuan|aulaeulsaıza ansaUZGH 


sualaselel 
@ Euer WesioriNarıau:c| 


ha. ja. va. ra. | la | na. ma. na. na. na. | 
g'ha. bha. | gha. dha. dha. | 
ga. ba. ga. da. da. | 
kha. pha. cha. tha. tha. 
ca. ta. ta. | ka. pa. | 
sa. Sa. sa. | ha. || 
Ich hebe von dieser in allen Theilen höchst merkwürdigen Anord- 
nung nur heraus, was unmittelbar zu unserm Zwecke gehört. Vergleichen 
wir sie mit der gewöhnlichen Anordnung des indischen Alphabets, so sehen 
wir, dafs hier wie dort die Vocale und Diphthonge vorausgestellt sind. Die 
Halbvocale sind hier vor, dort hinter die Mutae gesetzt; die Nasale ihnen 
hier zugesellt, dort in die Reihen der Mutae vertheilt. Die Zischlaute und 
ha sind hier wie dort hinter die Mutae gesetzt und beschliefsen das Alpha- 
bet. Bis hierher ist noch kein wesentlicher Unterschied von der spätern 
Anordnung; dieser liegt vielmehr in der Anordnung der Mutae selbst. Es 
ist leicht zu bemerken, dafs hier genau dasselbe Prinzip zum Grunde liegt, 
wie im semitischen Alphabete. Um dies noch augenfälliger zu machen, ha- 
ben wir nur die Lingualen, dha, da, tha, ta, welche bekanntlich dem San- 
skrit nicht ursprünglich zugehörten, sondern, wie ich auch paläographisch 
nachgewiesen habe (Paläographie p.10.11.), später zugefügt wurden, aus- 
zuscheiden. 
Wir behalten dann folgende Anordnung der Mutae: 
gha bha | gha dha | 
ga ba ga da 
kha pha cha tha 
caıta Mika pa. | 
Jedermann wird sogleich bemerken, dafs durch einen Fehler, vielleicht erst 
der Abschreiber, in der letzten Reihe fa und pa umgesetzt worden sind, und 
dafs ebenso in der dritten Reihe die Analogie der übrigen Reihen die Um- 
setzung von kha und c’ha verlangt. Die ursprünglichen Reihen waren: 
gha bha gha dha 
gianl !ba ga da 
Philos.- histor. Abhandl. 1835. Ce 


202 Lersıus über die Anordnung und V. erwandtschaft 


cha pha kha tha 

Caııpa "karta. 
Hier finden wir wie im semitischen Alphabete jede Reihe mit einem schwa- 
chen, aber in jeder folgenden Reihe stärkern Guttural beginnen, die im se- 
mitischen Alphabete als Hauche, hier als Palatale erscheinen. Dann folgt 
wie dort in jeder Reihe ein Labial, in der ersten der schwächste, in der 
letzten der stärkste. Auf den Labial folgt wie dort der Guttural in dersel- 
ben Steigerung für die verschiedenen Reihen. Endlich schliefst eine jede, 
wie dort, mit dem entsprechenden Dental. Dafs diese völlig gleiche Auf- 
einanderfolge sowohl der horizontalen als der verticalen Reihen nicht Werk 
des Zufalls ist, leuchtet ein. 

25. Wir sehen aber im Sanskritalphabet eine der ersten Anlage ana- 
loge Weiterbildung. Den Übergang der vocalischen Hauche in Palatale habe 
ich schon bemerkt. Aufserdem hat das Sanskrit 4 Reihen, das semitische 
Alphabet nur 3 Reihen ausgebildet. Es ist wahrscheinlich, dafs wirkliches 
Gemeingut der beiden Völker nur das alte Alphabet von 12 Buchstaben war, 
welches mit samech schlofs; denn von hier an gehen beide Alphabete aus- 
einander. Als die Semiten die Reihe der Tenues aufnahmen, fügten sie sie 
hinter samech zu. Die Indier trennten bei Aufnahme der Tenues die Halb- 
vocale und fügten die neuen Reihen der Mutae unmittelbar hinter den bei- 
den alten zu. Man könnte geneigt sein, die drei semitischen Reihen nicht 
den drei ersten, sondern den drei letzten der vier indischen Reihen gegen- 
überzustellen, der Aspiraten wegen. Doch täuscht hierbei der verschiedene 
Gang, den die Aspiration in den beiden Alphabeten genommen hat; im in- 
dischen Alphabete ist diese nicht, wie im semitischen in Assibilation über- 
gegangen. Aus einer paläographischen Analyse und Vergleichung der indi- 
schen und semitischen Alphabete habe ich dieselbe Überzeugung gewonnen, 
dafs die dritte semitische Reihe den beiden letzten indischen zugleich ent- 
spricht. Übrigens scheint die hebräische Aussprache in der That auch zwei 
Reihen Tenues ausgebildet zu haben, da bekanntlich die Buchstaben p, k, 2 
nach der gewöhnlichen Meinung eine Aspiration gehabt haben sollen, welche 
in andern Fällen nach dem Punktationssysteme durch einen hineingesetzten 
Punkt, das dagesch lene, aufgehoben wurde. Dasselbe dagesch findet sich 
auch bei den drei Mediis 5, g, d, aufserdem bei keinem andern Buchstaben. 
Wir würden hierdurch die vollständigen 4 indischen Reihen erhalten, die 


des Semit., Ind., Alt- Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 203 


sich allerdings auch im hebräischen Munde ausbilden konnten neben der al- 
ten Aspiratenreihe p, ch, th, die sich wie schon gesagt der Assibilation ge- 
nähert hatte. Die Lehre vom dagesch lene ist manchen Schwierigkeiten 
unterworfen, doch scheinen mir die von Ewald (Krit. Gramm. 8.59.) ent- 


wickelten Gründe gegen die bisher angenommene Bedeutung desselben nicht 


überzeugend. 

26. Wie im hebräischen Alphabete, so wurde im indischen später 
das ursprüngliche Prinzip der Anordnung vergessen. Dies verrathen schon 
bei Pänini die ungenauen Abtheilungen der Mutae. Sollte vielleicht auf die- 
ser Verkennung schon der Fehler beruhen, den wir in der spätesten Reihe 
der reinen Tenues bemerkt haben, die Umsetzung von pa und ta? Wir fin- 
den dabei eine wohl nicht zufällige Analogie mit der andern Umsetzung in 
der dritten Reihe, indem auch hier der Palatal vor den Dental, der Guttu- 
ral vor den Labial gesetzt worden war. Diese geflissentliche Veränderung, 
die wir somit der Nachlässigkeit der Abschreiber wieder abnehmen würden, 
verräth ihren wahren Ursprung noch mehr, wenn man vergleicht, wo die 
Linguale später eingesetzt wurden. Dies geschah gerade zwischen dem Pa- 
latal und Dental, so dafs man für diese zweimal drei Buchstaben c’ha, tha, 
tha. ca, ta, ta dieselbe Anordnung erhielt, welche die spätern Grammati- 
ker für die Reihen der Organe durchgängig befolgten. (?) 


(') Die oben genannten zwischengesetzten Merkebuchstaben dienen zur kurzen Bezeich- 
nung der einzelnen Buchstabengruppen, auf welche die Grammatiker specielle euphonische 
Regeln anwendeten. Dieser Regeln wegen wurden die Abtheilungen gemacht, und ihretwe- 
gen scheinen auch zu gleicher Zeit die beiden angegebenen Transpositionen gemacht wor- 
den zu sein, so dals nur die Einschaltung der Lingualen auf dem von mir angegebenen Prin- 
zipe beruhen möchten, welches sich zugleich auch in der Anordnung der zugefügten Zisch- 
laute zu erkennen giebt. Hierüber hat mich Hr. Burnouf belehrt, und in Bezug auf diese 
Stelle mir folgende Bemerkung gütigst mitgetheilt. Da er dabei die Indische Weise, die 
Gruppen nach Merkebuchstaben zu bezeichnen befolgt, so nenne ich hier noch diese 14 
Buchstaben, was ich oben nicht gethan habe; der erste steht hinter dem ersten Abschnitte, 
und der vierzehnte hinter dem vierzehnten. Es sind , #, 3, =, , ,, 1,0, 2, 
= Das Axiom AhaF enthält also die Buchstaben von g, kha, bis zum Merkebuchstaben 
a, va. 

L’arrangement des lettres de Valphabet Sanscrit, tel qu’il nous est presente par la 
classification attribuce a Mahes'vara, est essentielement systematique et il a pour but de con- 
tenir d’une maniere complette toutes les regles d’euphonie qui en sortent au moyen des di- 


verses applications et sousdivisions que l’on peut faire des quatorze axiomes fondamentaux. 


Ge? 


204 Lersıus über die Anordnung und Verwandtschaft 


Jedenfalls scheint es mir jetzt eine augenfällig nachgewiesene That- 
sache, dafs die älteste einem der höchsten Götter selbst zuge- 
schriebene Anordnung des heiligen Alphabets der Inder mit der 
uralten semitischen Anordnung übereinstimmt. Dafs wir aber ge- 
rade nur die älteste Anlage des Alphabetes wiederfinden, in welcher nur zwei 
Reihen Mutae ausgebildet waren und die Zischlaute 7, ö und k noch nicht 
zugefügt waren, nöthigt uns, dem indischen Alphabete ein sehr hohes Al- 
terthum zuzugestehen und es in jedem Falle höher hinauf zu setzen, als der 
Übergang des semitischen Alphabets nach Europa statt fand, da wir hier 
schon die genannten Buchstaben an ihrer Stelle finden. Die Fruchtbarkeit 
dieses Satzes für die vergleichende Sprachforschung scheint mir nicht zu 
verkennen. 

27. Ich gehe jetzt zu einigen Bemerkungen über andere Alphabete 
fort, um sie in ihrem nähern oder fernern Verhältnisse zu dem semitischen 
und indischen Alphabete und in Beziehung auf ihre Anordnung zu be- 
trachten. 


On peut voir, en comparant ces axiomes les uns aux autres, que les lettres que chacun d’eux 
renferme, ont des caracteres communs qui les sourmettent aux m&mes lois euphoniques, et 
Vexamen le plus rapide fait disparaitre l’apparence d’arbitraire que Pon serait tentd de sup- 
poser dans la disposition des lettres qui composent chaque axiome. Par exemple pourquoi la 
sourde non aspirde de Pordre des gutturales et celle des labiales sont elles separees des sour- 
des aspirdes et non aspirdes des autres ordres, contenues dans l’axiome KhaF? Et pour- 
quoi, d’une autre part, les aspirdes de ces deux sourdes, kha et pha, ne sont elles pas reu- 
nies dans le me&me axiome que les sourdes non aspirdes ka et pa? Cela vient de la neces- 
site ou Von a et de prevoir le cas ou l’on employerait l’ardhavisarga X qui peut ätre 
substituE au visarga devant les sourdes gutturales et labiales. Il a fallu, d’une part, isoler 
les sourdes non aspirees ka et pa des autres sourdes avec lesquelles elles ont des caracteres 
communs qui sont bien connus, et d’autre part, detacher les aspirdes de ces sourdes kha et 
pha de Paxiome KhaF qui contient les sourdes aspirees et non aspirdes moins ka et pa. 
Le premier but est atteint par la formation de Paxiome KapaY et le second par celle de 
Paxiome tchhaP. Au reste la regle que nous indiquons ici (regle qui est d’ailleurs soumise 
& de nombreuses exceptions, comme ou peut le voir dans la grammaire sanscrite de Cole- 
brooke p.27.) n’est qu’une des applications des axiomes KhaF et KaY. On ne pourrait 
faire complettement connaitre l’emploi de ces deux seuls axiomes sans exposer celui des autres, 
non seulement des quatorze qui sont attribues ü Mahes vara mais encore de tous ceux qui 
en derivent, et qui reunis aux regles de Mahes vara, forment un total de quarante deux axio- 
mes. Le developpement de ces axiomes contient la totalitE des regles euphoniques, des plus 


frequentes, comme des plus rares, et des moins usitees dans la pratique. — 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 205 


Das Alter der Zendschrift ist ebensosehr, und gewifs mit mehr 
Grund angegriffen worden, als das der Zendsprache. Es ist bemerkens- 
werth, dafs wir auch eine dem Zend eigenthümliche Alphabetsordnung fin- 
den. Schon Anquetil (!) machte die vier Zendalphabete bekannt, die 
E. Burnouf (?) zusammenstellt und genauer beurtheilt. Eins ist aus dem 
Zendcodex der Yeschts-sade, die drei andern aus dem grofsen Persischen 
Ravaöt (MS. Anquetil n°.12. Supplem.) genommen. Anquetil macht in 
den Mem. des Bell. L. noch ein fünftes von Darab Mobed von Surate be- 
kannt, das weiter keinen Werth hat. Ich lasse hier zu leichterer Übersicht 
die vier Alphabete folgen und behalte dafür die Umschreibung von E. Bur- 
nouf bei: 

Ravacet I: ad.t1.dj.q,kh. d,dh, t, t.r,r.2.c.s,ch, sk. gh. f. k.g, 
g. Lm,.hm.n.v,@h.y,yy,&tch. p. j.ieu00.e6&2,&d.n.ng,ng, 
ng. ü. ä. th. v. 

Ravaet I: g, g, gh. h,k. kh, ng, ng. y, ch. c,n. dh,d. th, t. j, s 
wb2.j,p: mu ms psa,ınz jaxdj. sk, tch. nes nm, es y.\a: @. 1010,60. &relwü 
Unnabirne ao tDer 6 mal. 

Ravaöt III: g,g, gh. ng, ng. a,ng,ng. q, kh. k,h,r,l.z, j,d). s, 


chiski zua, einJaın,ain,sy,land, an ih, irwads PP: m, hm. v, 9. y, a, 


7 C 
Ya. 2, tch. 40. 0,0. 3,)E\@, m. ü,m! & m. e, u, 0,1, &n,&,m.i,m. 

Yeschts-sade: g, g, gh. ng, ng. a,ng,ng. q,u,kh,a,y,a.k, a, 
Bunt 220], 1djels.: eich. zu asesnskaunnaın)iary. asdsa.dhtsth,itıorb 
J: p. m, hm. w, kh, w. y, a,y,a. 2, a, c,tch,.a. do. v,ö. e,&d,m.ü,m.;, 
TEENS AN AUNT EN: 

Das erste von diesen vier Alphabeten ist von Anquetil zum Grunde 
gelegt worden, weil es mit der Anordnung des Pehlvi-Alphabets überein- 
stimmt. Herr Burnouf(°) bemerkt hierüber, dafs diese Übereinstimmung 
noch kein Beweis für das höhere Alter dieser Anordnung sei. Er hätte ohne 


(') Mem. de PAcad. des Bell. Lettres t. XXXI. p.357. ff. und Zend Avesta t. Il. p- 426. ff. 
(?) Yagna t.I. p.XL. 
(°) Yagna t.I. p.XXXIX: Zes raisons qwil expose & Pappui de son choix ne me pa- 


raissent pas convaincantes. En effet de ce que les lettres pehlvies, derivdes des lettres zendes, 
procedent suivant lordre qu’il a reproduit dans sa planche on ne peut conclure que les let- 


tres zendes aient suivi le m&me ordre dans Vorigine. 


206 Lersıus über die Anordnung und Verwandtschaft 


Zweifel noch weiter gehen und dreist behaupten können, dafs darin gerade 
der sicherste Beweis einer jüngern Abfassung liegt. Denn wenn wir uns 
weiter umsehen, woher die Anordnung des Pehlvi-Alphabets stammt, so 
finden wir, dafs sie aus dem Neupersischen übertragen ist. Die neupersische 
ist die neuarabische und findet hier erst ihren wahren Erklärungsgrund. 
Die neue arabische Ordnung unterscheidet sich nämlich von ihrer alten im 
Abudschd (ABC), d.i. der altsemitischen dadurch, dafs sie nicht nach den 
Organen sondern nach der Ähnlichkeit der Zeichen bestimmt ist. Diese 
Ordnung wurde mit der arabischen Schrift auch von den Persern aufgenom- 
men hatte aber durchaus keinen innern Grund für die Pehlvi- oder Zend- 
Schrift, wo diese Ähnlichkeit der Buchstaben nicht vorhanden ist. Dadurch 
ist klar, dafs die erste Anordnung im grofsen Ravaöt eine blofs äufserliche 
Übertragung aus dem Neupersischen ist und uns daher hier nicht mehr be- 
schäftigen kann. 

28. Um so wichtiger sind die drei andern Alphabete, die sich so- 
gleich als Variationen ein und derselben Anordnung erweisen, die weder mit 
der neuarabischen, noch mit der altsemitischen, noch endlich mit der indi- 
schen übereinstimmt und daher viel eher die Voraussetzung der Originalität 
rechtfertigen dürfte. Es ist zu bedauern, dafs Hr. Burnouf mit seinem 
bekannten Scharfsinne nicht auf eine kritische Untersuchung dieser Alpha- 
bete, deren Werth er vollkommen zu schätzen weifs (p. XLH.), eingegan- 
gen ist. Eine genaue Vergleichung derselben und eine darauf gegründete 
Wiederherstellung der allen dreien zum Grunde liegenden Ordnung hat mir 
gezeigt, dafs sich daraus manche nicht unwichtige Bemerkungen ergeben 
über den Werth der einzelnen Zend-Buchstaben, der noch immer nicht 
überall aufser Zweifel gesetzt ist, selbst nach den scharfsinnigen und ein- 
dringenden Behandlungen von Bopp und Burnouf. 

Die Anordnung im Ravaöt n.Il. ist besonders im Anfange und am 
Ende bei den Vocalen am meisten alterirt. Auch liegen hier folgende Feh- 
ler der Abschreiber auf der Hand. Im 4 Absatz ist statt »6, y, zu lesen 
0,8. 

n.12. statt |w, an, ein &, q. 
n.22. statt &, dj, ein,v ‚a. 
Dagegen ist die Partie 6-15 für die beiden andern Alphabete im Ganzen 
zum Grunde zu legen. Am correctesten ist die Anordnung im Ravaöt n.IH. 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 207 


Es sind nur an einigen Stellen unrichtig wiederholte Buchstaben zu streichen 
und im letzten Abschnitte >, u, zu schreiben, statt 2 ü. Die Anordnung 
in den Yeschts ist ebenso vollständig, aber weniger correct. 

n.7. ist w, a, zu schreiben statt », €. 

n.17. _pd, sk, statt der 3 Buchstaben: w wg, zac. 

n.26. >, u, statt „, ü. 

2.27.38, Sustalt >,:Z 

Für den zweiten Buchstaben in allen drei Alphabeten » wäre ich sehr ge- 
neigt w, a, zu lesen. Anquctil giebt diesen Buchstaben als eine besondere 


Nüance von g; Rask verwirft den Buchstaben, Bopp desgleichen,; Bur- 


nouf versichert ihn zwar sehr selten aber doch gefunden zu haben in den 
Handschriften von Anquetil, und ich habe mich wenigstens mit eigenen 
Augen überzeugt, dafs er in den Alphabeten deutlich unterschieden ist; das 
erste Alphabet im grofsen Ravaöt hat ihn nicht (!). 


(‘) Herrn E. Burnouf’s besonderer Gefälligkeit verdanke ich noch folgende Mittheilung: 
Jai retrouve recemment dans un volume de melanges faisant partie du Fond d’Anquetil (No.7. 
fol.S6.ro.) une autre classification des letitres zendes qui presente de grands rapports avec les 
No.II. et IIT. de ma planche, mais qui au meme temps offre quelques particularites qu’ıl est kon 
de noter. Foici cet ordre: 

1) 8.8. 8h. — 2) h.k. — 3) kh.ng.ng. — 4) y.ch. — 5)r.2. — 6)g.n. — 7)d. 
dh. — S) th. — 9) j.s. — 10) w.d. — 11) f.p. — 12) m. hm. — 13) v.g. — 14) y- 
dj. — 15) sk. tch. — 36) y.g. — AT) ng.ng.n. — 18) &.E&. — 19) a.d. — 20). — 
21) w.ü. — 22) 0.6. — 23) ee. — 24) a.n. — 25) (l). r. — 26) v.y. do. — 27) t. — 

Je me propose de m’expliquer au commencement de mon second volume sur cette classi- 
fication qui me parait la plus originale de celles que nous connaissons. Je remarquerai seulement 
en passant que la forme > donnee a la nasale 3 m’est inconnue dans les mss. ou je ne l’ai jamais 
rencontree; que la forme CR n’est autre chose que /9 a la fin des mots; et que # est le ı 
pehlvoi. — 

Dieses Alphabet ist durchaus eine Wiederholung von Rav. n.II. aber mit dem grofsen 
Vorzuge, dafs es weit correcter ist. Die Fehler, die ich in n.II. schon verbessert hatte, finden 
sich, aulser dem ersten hier wirklich vermieden, und giebt überdies noch an vier Stellen die 
richtigere Lesart. Ebenso genau gehören Ray.IlI. und das Alphabet der Yeschts-sade zusam- 
men, so dals wir, abgesehen von der neupersischen Ordnung Ray.I., im Grunde nur zwei Va- 
riationen der altpersischen haben, da von diesen vier Alphabeten je zwei genau zusammenge- 
hören. Wenn wir die einzelnen Nummern des neuhinzugekommenen Alphabets durchgehen, 
namentlich in Vergleich mit Ray.Il., so ergeben sich folgende Bemerkungen. n.1.2. siimmen 
mit Rav. II. — n.3. desgleichen bis auf das letzte Zeichen. Wir finden Rav. II: 307%, kh, ng, 


208 Lersıus über die Anordnung und V' erwandtschaft 


Nach dieser Aufzählung der zunächst liegenden Fehler, bleibt un- 
gefähr folgendes Alphabet übrig, welches ich jedoch noch keineswegs für 
das ursprüngliche ausgeben möchte. Ich habe, wie schon gesagt, nur die 
auf der Hand liegenden Fehler daraus entfernt. Die Benutzung für die 
Sprache kann erst aus einer weitern kritischen Untersuchung hervorge- 
hen. Mein Zweck war hierbei hauptsächlich, auch im alten Zendalpha- 
bete das Prinzip organischer Anordnung nachzuweisen. Dieses ist aber 
im folgenden Alphabete nicht zu verkennen: 


wg; hier: 330%, kk, rrg, und noch einmal dasselbe Zeichen mit einem Striche nach unten, den 
Hr. Burnouf in den Handschriften nicht gefunden zu haben versichert. Wenn wir no. 18. 
und 23. damit vergleichen, so kann es wohl nicht zweifelhaft sein, dafs es dasselbe Zeichen wie 
3 aber als Finalbuchstabe sein soll. Durch diese Finalzeichen ist dieses Alphabet überhaupt 
wichtig. Offenbar wurden sie nur selten von den Abschreibern gebraucht; daher kommt es, 
dals in den übrigen Alphabeten statt ihrer das gewöhnliche Zeichen noch einmal wiederholt 
wurde, wovon ich den Grund bisher nicht einsah. So ist Rav. III. n.2. gewils auch zu schrei- 
ben 33 statt des doppelten 3; ebenso an derselben Stelle in den Yeschts. Endlich fehlt in un- 
serer Nummer noch 7; doch ist es wohl vielmehr in Rav.1I. zu streichen, da es in beiden Al- 
phabeten sich weiter unten n.17-15. noch findet und daselbst an seiner Stelle sein dürfte. — 
n. 4. ist hier, wie Rav.II. #4 in 5 zu verbessern. — n.5. fehlt im Rav.II. ganz, ist aber ge- 
wils aus diesem zu ergänzen, da $, z, sonst ganz fehlen würde. Auch >, r, scheint hierher zu 
gehören, und unten nur noch einmal als Erklärung des Pehlvi 2 wiederholt zu sein. — n.6. ist 
wie Rav.II. — n.7. und $. sind umgestellt im Rav.Il. und hier scheint das letztere zu befol- 
gen, womit auch für n.7. die beiden andern Alphabete stimmen. — n.9-12. wie Rav.Il. — 
n.13. steht hier richtig & statt }w, was wir schon im Rav.Il. verbessert haben. — n. 14. 15. 
stimmen mit Rav.Il. nur sind die verschiedenen y verwechselt. — n. 16.17. entsprechen Rav.Ul. 
n.15. — n.1$. ist im Rav. I. in die vorletzte Stelle verwiesen worden; es gehört ursprünglich 
wahrscheinlich weder hierher noch dorthin; jedenfalls ist aber das Schlulszeichen an die 
Stelle des im Rav.I. wiederholten x zu setzen. — n.19.20. stimmen überein. — n.21. hat 
hier seine richtige Stelle, und ist Rav.II. fälschlich hinter die getrübten Vocale gesetzt wor- 
den. — n.22. stimmt. — n.23. desgl., nur sind Ray.Il. die beiden Figuren fälschlich umge- 
setzt. Über den Buchstaben < geben die gemachten Vergleichungen Aufschluls. — n. 24. ist 
im Rav.II. schon verbessert worden und findet sich hier richtig. — n. 25-27. stimmen; nur ist 
hier # unter einer besondern Nummer. — Im Rav.II. folgen jetzt noch die beiden £, die schon 
erwähnt sind, und werden r und Z noch einmal wiederholt, um, wie es scheint, die 27 Ab- 
schnitte voll zu machen, die das Originalalphabet wahrscheinlich hatte. Denn wenn wir im 
Rav.IIl., wie es die Vocalendung durchaus verlangt, im vorletzten Abschnitte „w von den fol- 
genden Buchstaben durch einen Punkt trennen (vgl. d. Yeschts), so haben alle 4 Alphabete 27 
Abschnitte, obgleich die einzelnen Nummern in allen vieren sehr verschieden vertheilt sind. 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 209 


IR II. II. 
1. ga. gh. ld =d. 100: 
2..ng.. ng. De th-t: IR.60. 
3. ang. ng. Ba0=b: 3. Ye. 
4. qu. kha. ya. 4. f-Pp: 1. am. 
5. ka.hr.l. 3. m- hm. d. lm. 
6.2.7. dj. 6. w-q. 6. im. 
TOUSaNch. 7.1-d). ENUNON CHE. 
8. cn. 8. sk-tch. Mason: 
ananya. 8. um. 
9. im. 


n.]. enthält die Gutturale und die meist aus ihnen hervorgegangenen Zisch- 
laute; n.II. die Dentale und Labiale, so angeordnet, dafs immer die Aspi- 
rate oder Liquida der entsprechenden Muta vorausgeht. Diese Anordnung 
ist namentlich für die spätern Nummern wohl zu beachten; n.III. enthält 
die Vocale in drei analogen Abtheilungen. Verschiedene gewifs nicht ur- 
sprüngliche Unregelmäfsigkeiten, so wie die durch moderne Alphabete nur 
sehr unvollkommen zu erreichende Lautübersetzung stören noch immer den 
leichten Überblick des Ganzen, dessen innere gesetzmäfsige Anordnung auch 
im Einzelnen bei genauerer Untersuchung immer deutlicher hervortritt. Der 
Übergang von den Gutturalen zu den Dentalen und von hier zu den Labia- 
len ist eine Übereinstimmung mit der indischen Anordnung, die nicht zufäl- 
lig scheint. Auch ist die häufige Zufügung eines @ hinter den Consonanten 
sehr bemerkenswerth und schon von Burnouf als auf indischen Einflufs 
hindeutend angesehen worden, so dafs diese beiden Bemerkungen in der 
That die Vermuthung wahrscheinlich machen, dafs dieses Prinzip der An- 


8 
ordnung von einem Volke zum andern übergegangen ist. Burnouf nimmt, 


te) 
wie schon bemerkt, indischen Einflufs auf das persische Alphabet an und 
macht noch darauf aufmerksam, dafs in der That alle Manuscripte, die diese 
Alphabete enthalten, durch Perser in Guzarate geschrieben worden sind, 
wo das Devanägari- Alphabet bekannt sein mufste, während es noch nicht 
ausgemacht ist, dafs dieselbe Anordnung im eigentlichen Persien gebraucht 
wurde. Indessen ist hierbei wohl zu bedenken, dafs, wenn der persischen 
Anordnung die klare und einfache indische zum Muster gedient hätte, man 
gewifs nicht vernachlässigt haben würde, diesen Vorzug der Einfachheit und 


Philos.- histor. Abhandl. 1535. Dd 


210 Lersıus über die Anordnung und Verwandtschaft 


überlegten Consequenz auch mit herüberzunehmen. Dagegen erscheint die 
persische Ordnung viel complieirter und mehr auf eine historische Entwicke- 
lung hinweisend als die indische, in welcher eine Alles auf einmal ordnende 
Hand nicht zu verkennen ist. Hierzu kommt, dafs wir in Indien in der That 
eine ältere Ordnung, die bei Pänini kennen und folglich eine willkührliche 
Umänderung derselben zu irgend einer Zeit annehmen müssen. Die Zeit 
dieser Veränderung kennen wir nicht; es scheint mir daher, dafs sich die 
Vermuthung von mehreren Seiten rechtfertigen läfst, dafs sich die persische 
Anordnung in Persien selbst ausgebildet hat, schwerer in den Einzelnheiten 
ihrer Organisation zu begreifen aber um so wichtiger für fernere Untersu- 
chung, dafs diese in ihren allgemeinen Zügen gerade vermittelst der Parsen 
in Indien den Indiern bekannt wurde, und von diesen dann aufgenommen 
und zu der jetzigen Ordnung des Devanägari verarbeitet wurde. 

29. Hiermit ist das absolute Alter der persischen Anordnung keines- 
wegs schon bestimmt. Diese Frage hängt mit der über das Alter der Zend- 
schrift überhaupt, und über deren Verhältnifs zur Keilschrift zusammen, 
welches letztere bisher noch von niemand untersucht worden ist. Daran ist 
nicht zu zweifeln, dafs die Zendschrift eine semitische Schrift sei, wie schon 
Kopp nachgewiesen hat. Erskine und Rask sind der Meinung, dafs die 
Zendschrift nur eine Übertragung der Pehlvischrift sei und folglich nicht äl- 
ter als diese d.h. aus der Zeit der Sassaniden. Dies scheint auch in der That 
die richtige Meinung gegen Anquetil und Kopp zu sein. 

Die Zendschrift kann in keiner unmittelbaren Verbindung mit der 
Keilschrift stehen, da diese letztere nach den bisherigen Forschungen wie 
das Devanägari von der Linken zur Rechten zu lesen ist. Mir scheint die 
Vermuthung nicht fern zu liegen, dafs die alten Perser eine der Keilschrift, 
die wesentlich Monumentenschrift ist, entsprechende Bücherschrift hatten, 
die uns verloren gegangen ist. Man hat bisher allgemein so viel Gewicht auf 
die Einfachheit des der Keilschrift zum Grunde liegenden Elementes gelegt. 
Ein geistreicher und gelehrter Mann sagt: ‚‚die Keilschrift sei in ihren Be- 
standtheilen so einfach, dafs sie alle Kennzeichen einer Urschrift an sich 
trage. Sie sei aus nicht mehr als zwei Zeichen gebildet, dem Keile und dem 
Winkelhaken. Mit weniger sei es unmöglich eine Buchstabenschrift zu bil- 
den.” Die meisten übrigen Schriften sind aber aus blofsen Strichen gebil- 
det, und der glatte Strich ist doch gewifs noch einfacher als der Keil, den 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 211 


ich übrigens in seinem Ursprunge nur für das natürliche Produkt des Meifsels 
halte, der in Stein arbeitet. Es kommt nicht auf die Einfachheit dieses Ele- 
mentes, sondern auf die der ganzen Buchstabenfiguren an. Die Figuren 
der Keilbuchstaben werden uns aber erst kenntlich, wenn wir die Keile in 
Striche verwandeln und in ihre natürliche Verbindung bringen; dann ergiebt 
z.B. die Figur des e, N: im Namen des Xerxes einen dem phönizischen A 
sehr ähnlichen Buchstaben TI; das r, ZY, wird 4; das sch, x, wird T, 
gerade die umgekehrte Form vom sassanidischen schin, D, u.s.w. Über 
die Keilschrift wird hoffentlich die baldige Bekanntmachung der von dem 
unglücklichen Reisenden Schultz in Armenien gesammelten 43, zum Theil 
vortrefflich erhaltenen und mit der gröfsten Sorgfalt kopirten, Inschriften 
neues Licht verbreiten. Sie sind nebst den übrigen hinterlassenen Papieren 
desselben zur Publication, welche die Pariser Asiatische Gesellschaft über- 
nommen hat, fertig. 

Für unsern Zweck genügt es zunächst, nachgewiesen zu haben, dafs 
die unbezweifelt ältere Anordnung des Zendalphabets unter den beiden, die 
uns bekannt sind, wenn nicht nach demselben Prinzipe wie das semitische 
und altindische, doch auch nach den Organen, und zwar mit unverkenn- 
barer Analogie des neuindischen Alphabets, bestimmt wurde. 

30. Betrachten wir die Keilschrift in der angedeuteten Reduction, so 
sehen wir, ohne uns irgend für eine nähere Verwandtschaft derselben mit 
einer andern Schrift zu entscheiden, dennoch in diesen Figuren eine auffal- 
lende Annäherung an die asiatisch-europäischen Schriften im Allgemeinen, 
gegenüber der ägyptischen Hieroglyphenschrift. Nehmen wir nun 
an, wohin eine reifliche Überlegung von allen Seiten zu führen scheint, 
dafs auch die semitisch-indische, wie alle Buchstabenschrift, auf eine 
solche Bilderschrift zurückführt, so sehen wir in den ägyptischen Hiero- 
glyphen diesen primitiven Zustand noch festgehalten, und könnten daher 
erwarten, dafs die ägyptische Schrift uns auch in andern Punkten die früh- 
sten Zustände alphabetischer Schriftentwickelung nachweisen oder bestäti- 
gen dürfte. 

Es wäre daher sehr wichtig, die Anordnung des altägyptischen Al- 
phabetes zu kennen. Dafs eine solche existirte, so wie überhaupt ein fest 
umschriebenes Alphabet, ist schon im voraus sehr wahrscheinlich, da die 
Ägypter schon in den ältesten Zeiten eine wirklich phonetische Schrift hat- 

Dd2 


312 Lersıvs über die Anordnung und Verwandtschaft 


ten (!). Wir haben aber auch zwei wichtige positive Nachrichten von Plu- 
tarch darüber. De Iside p.374. sagt er: Ile de TErE«Ywvor N rerTas ap Eav- 
716 0Tov rwv Yoannarwv mag Alyurrios ro mAnSos Esıv. Das griechisch - 
koptische Alphabet existirte noch nicht, es kann daher nur von den alt- 
ägyptischen Buchstaben die Rede sein. Diese waren also, zur Zeit des Plu- 
tarch wenigstens 25 an der Zahl. Er giebt uns ferner in den S'ympos. Quaest. 
IX,3.p.738. folgende Nachricht über den ersten Buchstaben des ägyptischen 
Alphabets: “Eguns Aeyeraı Iewv Ev Alyumrw Yoduuara moWTos Eügeiv- dio zul To 
Tav Ypanuarwv Alyumrıoı mowrov "1Rıv Yoapoveı, our öoDws zura ye rnv 
Eumv öcEav, dvavdw zal apIoyyw mooedgiav ev Yoauması arodovres. Die 
Agypter hätten den ersten Buchstaben ihres Alphabets durch den dem Her- 
mes (Thoth) geweihten Vogel Ibis dargestellt, und hätten unrecht gehabt, 
einem stummen Consonanten dadurch die erste Stelle im Alphabete ein- 
zuräumen. Jablonski im Panth. Aeg. II. p.162. bespricht diese Stelle 
und schliefst daraus, dafs die Ägypter ihr Alphabet mit © angefangen hätten, 
denn dies sei der Anfangsbuchstabe des Thoth (Hermes), dem der erste 
Buchstabe des Alphabets, wie auch der erste Monat im Jahre (Thoth) ge- 
weiht sei. Ich will im Folgenden meine Gründe für die Meinung zu ent- 
wickeln suchen, dafs der bezeichnete erste Buchstabe ein Hauch war, wie 
im semitischen Alphabete. 

31. Es ist jetzt hinlänglich bekannt, dafs die Ägypter die einzelnen 
Buchstaben durch Gegenstände bezeichneten, deren ägyptischer Name mit 
eben diesem Buchstaben anfing. Sobald dieses Gesetz von Champollion 


(‘) Wer noch immer an den Hauptentdeckungen Champollion’s, namentlich an sei- 
nem Hieroglyphenalphabete zweifelt, hat es sich selbst zuzuschreiben, dafs er noch unwissend 
über eine der wichtigsten Entdeckungen der neuern Wissenschaft geblieben ist; die Sache 
selbst liegt schon längst klar vor. Ich freue mich, das Deutsche Publikum bei dieser Gele- 
genheit zuerst auf ein bald erscheinendes Werk aufmerksam zu machen, welches von einem 
ausgezeichneten Schüler Champollion’s, Fr. Salvolini, jetzt in Paris gedruckt wird, 
unter dem Titel: Analyse grammaticale raisonnee de differens textes anciens dgyptiens. Trois 
volumes gr. in 4°; ouorage dedie a $.M. le roi de Sardaigne. Der erste "Theil, der unter 
der Presse ist, wird 1. ein vervollständigtes Hieroglyphenalphabet enthalten mit Nachweisung 
aller Fakta, worauf die Lesung jedes Zeichens beruht, 2. eine kritisch-grammatikalische Ana- 
lyse der beiden ägyptischen Texte der Inschrift von Rosette, 3. eine demotisch -ägyptische 
Grammatik als Fortsetzung der so eben erscheinenden hieroglyphischen Grammatik von 
Champollion. Der Verfasser hat sich dem Publikum schon durch mehrere kleine Schrif- 
ten auf diesem Felde vortheilhaft bekannt gemacht. — 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 213 


gefunden war, fing man an, sich zu verwundern, warum man dies nicht 
schon längst aus der vielbesprochenen Stelle bei Clemens Alexandrinus ab- 
genommen habe, der ausdrücklich die phonetischen Hieroglyphen als An- 
fangsbuchstaben in den Worten bezeichne: 7 uiv (Ygannarwv uESodes) Eri dı@ 
TOV FOWTWV ForyEiWv, xugioroyıry. Diese Erklärung wurde indessen mit 
Recht von Letronne gänzlich abgewiesen, welcher die ganze Stelle in der 
ersten Ausgabe des Precis hieroglyphique von Champollion besprach. Er 
machte bemerklich, dafs in diesem Falle eine nähere Erklärung durch irgend 
einen Zusatz unumgänglich nothwendig gewesen wäre. Seine eigne Mei- 
nung über diese Worte ging dahin, dafs Clemens unter den rg@ra sera 
das alte Kadmeische Alphabet von 16 Buchstaben gemeint habe, welche er 
wie Plut. Symp. IX,3. rgör« genannt habe, und als Grieche zu Griechen 
sprechend wohl hätte verstanden werden können. 

Diese von mehreren Gelehrten gebilligte Meinung wurde von andern 
verworfen, die noch immer die erste Erklärung vertheidigten. In der That 
bleibt aufser den Schwierigkeiten, die H. Letronne selber später zu einer 


Anderung seiner Meinung bewogen, derselbe Einwurf unbeseitigt, den er 
gegen die andere Erklärung geltend gemacht hatte. Clemens hätte auch in 


diesem Falle das mowra durch einen Zusatz näher umschreiben müssen. 

In der 2'* Ausgabe des Preeis (1528. p.376-399) wendete H. Le- 
tronne noch mehr Sorgfalt auf die Erklärung dieser wichtigen Stelle und 
namentlich der beiden Worte rgwruv sorysiwv. Er gab seine erste Meinung 
gegen eine zweite auf, nach welcher die rg@r« seryei« die ursprünglichen 
einfachsten Laute der Sprache überhaupt bezeichnen sollten. (Le mot rgara 
se rapporte non a lalphabet primitif, tel quetait lalphabet phenicien, mais 
aux sons primitifs, en general, cest-a-dire, aux plus elementaires et aux 
plus simples de tous.) Er fand eine Bestätigung dieser Erklärung in dem von 
Champollion aufgestellten Hieroglyphenalphabete, in welchem allerdings 
gewisse Lautunterschiede noch unausgebildet erscheinen, und daher ein- 
facher und ursprünglicher als das griechische Alphabet sei. Es ist aber zu 
bemerken, dafs kein alter Schriftsteller eine Idee von ursprünglicheren und 
unursprünglicheren Buchstaben hatte; die Griechen wufsten wohl, dafs in 
ihrem Alphabete gewisse Buchstaben später aufgenommen worden waren, 
aber sie hatten keine Ahnung davon, dafs der Grund davon in der Natur 
dieser Laute selbst liege, und dafs ein Alphabet, wo diese Buchstaben sich 


314 Lersıus über die Anordnung und Verwandtschaft 


noch nicht in der Sprache gesondert haben, ein primitives genannt werden 
könne. Übrigens bleibt auch hier noch der frühere Einwurf, dafs Cle- 
mens das rg@r« hätte näher umschreiben müssen, wenn er verständlich sein 
wollte. 

Endlich ist über die besprochene Stelle noch eine besondere Brochüre 
erschienen, unter dem Titel: Examen d’un passage des Stromates de St. Cl. 
d’Alex. relatif aux Ecritures egyptiennes par M. E. Dulaurier. Paris 1833. 
Der Verfasser geht wieder ganz auf die Erklärung der Stelle durch Zoega(') 
zurück und glaubt, dafs Clemens die phonetischen Hieroglyphen gar nicht 
gekannt und in den streitigen Worten bezeichnet habe. (Il rdsulte du me- 
moire actuel, que St. Clement, non plus que les autres auteurs de lantiquit£, 
n'ont jamais fait mention des hieroglyphes phonetiques, soit comme Element 
accessoire, soit comme element vital du systeme hieroglyphique: en conclure 
que des caracteres de son n’laient point admis dans l'ecriture sacree, ce se- 
rait fermer les yeux & la lumiere, pour en nier lexistence; etc.) 

Die Stelle im Zusammenhange heifst: Aöriza oi mag Alyurricıs masdeuo- 
nevor, moWroV Av Favrwv TÜV aiyurTiuv Yorunarwv uESodev ErnavSavouri, TA Eri- 
soAoypabınyv narounevmv: Ösuregav dt, rrv iegarınv, 1 Xgavraı ol iepoypannareis- 
Üsaryv dt Kal TEeAcuraiav, TAV iegoyAupınyv As Aa MEV Esı dia rwv moWrwv For- 
elwv, RugioAoyinn. “H de auußorıny" is dE aumßorınds y MeV, nupioAoyeirau zara 
piunsw. °H Ö° uTmep ToomıRWs yaaberau "Hd, dyrinpus AAANYogeiraı nara Twas 
aivıyusis- etc. Es würde gewifs jederman zufrieden sein, wenn das rgura 
ganz fehlte und Clemens nur sagte, dafs eine Gattung der Hieroglyphen 
Buchstabenschrift, die andere symbolische Schrift sei. Das erwartet 
man und stimmt mit unserer Kenntnifs der Hieroglyphen überein. Die fol- 
genden Stellen aus Eusebius werden nun überzeugen, dafs wenigstens zu sei- 
ner Zeit, etwas über 100 Jahre nach Clemens, und wenn die von ihm eitirte 
Stelle aus Philo Byblius, wie zu erwarten ist, wörtlich treu ist, auch etwas 
über 100 Jahre vor Clemens, der Ausdruck rgüara soıyeia, die ersten 
Elemente, nämlich der Sprache, völlig gleichbedeutend mit soı- 
%ela oder ygauuara gebraucht wurde, und ganz einfach Buchsta- 
benschrift hier bezeichnen soll. (?) 


(') De Usu et Or. Obelisc. p.439. 


(*) Ich bemerke hier, dafs H. Letronne, bei einer mündlichen Mittheilung dessen, was 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt- Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 215 


Euseb. Praepar. Evang. 1,10. führt aus Philo Byblius die Worte an: 
Taaures, 05 eüge FyV roV moWrwv Sory,eiwv yoadıv, Thoth, welcher die 
Buchstabenschrift erfand. Wollte man hierin denselben zweifelhaften 
Ausdruck, wie bei Clemens finden, was ganz unstatthaft ist, wenn man die 
Stelle im Zusammenhange liest, so vergleiche man noch folgende Stellen 
aus der Praeparatio Evangelica. X,5: Hg@ros ö ra nowa yoauuara, aüra 4 Ta 
FouTa TNS ypanmarınns Foyeie, "Erryrw elsnynrausvos Kaducs, und etwas 
weiter: radra Ev cüv wor mepi TuV FoWrWv Fomyelwv eionrSw, nachdem er 
vom semitisch-griechischen Alphabete gesprochen hatte. XI,6. sagt er vom 
hebräischen Alphabete: aurıza ö4, zal Tüv Towrwv Ts ypaumarınas sol- 
Yelwv, "EAAyves av oUr dv Exauev Tas Erumoroyias eireiv und endlich X,1: die 
Griechen hätten von den Barbaren die Geometrie, Arithmetik, Musik, Astro- 
nomie, Medicin, aür« re ra FoWra TAs ypanmarızys soy,eia und viele an- 
dere nützliche Künste geholt. Wie dieser Ausdruck der gewöhnliche wer- 
den konnte, ist leicht begreiflich; die von Letronne angeführte Stelle von 
Dionys. Hal. De compos. verbor. c.14. giebt selbst die beste Erklärung: orı 
Tara bwvn Thu yevarıy Er rourwv Aauldaveı mournv, nal rrv diadusw eis raura Für- 
eiraı rereuraiav. Die Buchstaben sind die ersten und letzten d.h. die einfach- 
sten Elemente der Sprache. 

32. Wenn somit aller Zweifel über den Sinn der Worte bei Clemens 
gehoben zu sein scheint, so bleibt doch die Entdeckung von Champollion, 
dafs jeder Buchstabe durch einen Gegenstand bezeichnet wurde, dessen 
Name damit anfıng, nicht weniger richtig. Man sehe darüber Champoll. 
Pree. p. 360. ff. 2° Ausg. Die Sache bestätigt sich übrigens bei jedem 
Schritte, den man auf diesem Felde thut. Dieses Prinzip stimmt aber auf- 
fallend mit der Wahl der semitischen Buchstabennamen überein, die gerade 
auch lauter Gegenstände benennen, die mit dem zu bezeichnenden Buchsta- 
ben anfangen. Dasselbe Gesetz finden wir in der Wahl der Runennamen, 
wo ur, der Stier, vw, thurs, der Riese, th, ös, die Thüre, o u.s.w. be- 
zeichnen. Im Ägyptischen sehen wir statt dieser Namen die abgebildeten 


ich über die Stelle bei Clemens beigebracht habe und damals schon niedergeschrieben hatte, 
nichts Neues dadurch erfahren hat. Er versicherte mir, dals er namentlich die Stelle aus 
Philo Byblius in seinen Adversarien schon notirt und seine früheren Erklärungen der Stelle 
aufgegeben habe. Die übrigen Stellen aus Eusebius tragen nur dazu bei, die Überzeugung 
noch zu bestärken, die sich allerdings schon bei dieser ersten Parallelstelle aufdrängen mufste. 


916 Lersrus über die Anordnung und Verwandtschaft 


Gegenstände selbst. Der Mund, ro, bezeichnet ; die Hand, tot, t; die 
Nachteule, mulag', m, U.S.W. 

Diese bemerkenswerthe Übereinstimmung zwischen der Bezeichnung 
der semitischen und altägyptischen Buchstaben hat um so mehr Gewicht, 
wenn man darauf geachtet hat, wie grofs auch in vielen andern Punkten die 
Ähnlichkeit zwischen dem semitischen und ägyptischen Alphabete ist. Meh- 
reres hat darüber schon Champollion beigebracht; sie ist aber noch weit 
durchgreifender, als er geahnt hat; doch ist hier nicht der Ort dies zu ent- 
wickeln. Ich habe nur darauf aufmerksam machen wollen, um für meine 
Ansicht mehr Eingang zu finden, dafs auch das ägyptische A kein reiner 
Vocal in unserm Sinne, sondern ganz wie x ein mit a verbundener Hauch 
war. Dieser Hauch galt wie bei den Hebräern als das eigentlich alphabeti- 
sche Element, daher es von den Griechen für eine Muta angesehen werden 
konnte. Plutarch sagt, dafs der erste ägyptische Buchstabe durch den Vo- 
gel des Thoth, den Ibis, bezeichnet werde. Der Ibis heifst ägyptisch oım, 
hip, und könnte daher nach dem bekannten Gesetze A bezeichnen; dieser 
Vogel kommt aber nie als phonetische Hieroglyphe vor, sondern nur als 
Symbol des Thoth. 

33. Es scheint hier aber eine Verwechselung des Vogels des Thoth 
mit dem Vogel des Hor, dem Sperber, zum Grunde zu liegen, die wir 
unten näher besprechen werden. Die gewöhnlichste Bezeichnung des x ist 
der Sperber, oder der Adler. Früher nannte Champollion diesen Vogel 
immer Sperber; später sah er, dafs beide Vögel in der That auf den Monu- 
menten deutlich unterschieden werden können, und der Adler, kenntlich 
durch seinen an der Spitze gekrümmten Oberschnabel, schien noch regel- 
mäfsiger dem &, a, zu entsprechen, da sein ägyptischer Name aguıae, ahöm 
mit a beginnt. Es ist indessen kein Zweifel, dafs auch der eigentliche Sper- 
ber, der Vogel des Horus, statt des Adlers gefunden wird. Für den Sper- 
ber war der Name Anz, dög’, bei Horapollon £aiyS, bekannt; er bezeich- 
net aber nie 5. Peyron in seinem so eben vollendeten Lexicon Copticum 
führt dafür aber auch den Namen ganz, hasel, an aus dem Cod. Paris. 
44.f.22. und Zoöga Cat. p.655. Im erstern wird es erklärt: I yoli), 
falco, falconis species generosa, und f.25. durch die griechischen Worte ys- 
gazıou eızrıs, welche Peyron verbessert iegu£, accipiter, und iariv, milpus. 
Ein dritter Name für den Sperber gıkoys, hibuwi, ist zweifelhaft. Haset, der 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 217 


Edelfalke, dürfte aber der ägyptische Name sein, welcher zu dieser Bezeich- 
nung des x Veranlassung gegeben hat. Champollion sondert streng die 
Hieroglyphen für die einzelnen Vocale von denen für }, und allerdings be- 
zeichnet die Kette (richtiger vielleicht der Strick Aag‘) und die mäandrische 
Figur, die beiden gewöhnlichsten Bezeichnungen für A, eine stärkere Aspi- 
ration. Ich bin aber zu der bestimmten Uberzeugung gelangt, dafs das ägyp- 
tische Alphabet seinem Wesen nach, ganz wie das semitische, syllabisch war, 
und diesen Charakter, wie alle übrigen Alphabete erst allmählig, aber bis in 
die letzten Zeiten nur theilweise und in bestimmten Grenzen, abgelegt hat. 
Ich kenne sehr wohl die Einwürfe, die schon längst gegen die Syllabität des 
Ägyptischen erhoben worden sind, aber es ist hier nicht der Ort, auf diese 
umfassende Frage weiter einzugehen. Es ist auch in vieler Hinsicht für fer- 
nere Untersuchungen nicht störend, wenn man, wie bisher, fortfährt den 
Namen des Hadrian, wenn er mit dem Sperber geschrieben ist (Aosell. Mon. 
t. II. Kaiser n.M.M°.) 4-drianus zu lesen, und die Aspiration für ausgelas- 
sen zu erklären, und wenn er mit dem Mäander geschrieben ist (Atosell. Mon. 
M f. Champ. Pree. n.150.) Hzdrianus zu lesen, und den Vocal, wie so oft, 
für ausgelassen zu erklären. Es ist nur zu bemerken, dafs dergleichen Ver- 
wechselungen zwischen den Vocalzeichen aller Art und den Hauchzeichen 
gar häufig sind. Die Ägypter hatten gewifs viel mehr verschiedene Hauche, 
als bisher erkannt worden sind; ich halte sie alle für syllabisch. Der Sper- 
ber war ein sehr schwacher Hauch und ist seiner Natur nach in aller Bezie- 
hung mit dem hebräischen x zusammenzustellen; daher wurde auch das ein- 
fache, unaspirirte @ der griechischen und römischen Namen hieroglyphisch 
in der Regel durch den Sperber ausgedrückt, gerade wie es ziemlich früh 
von den Hebräern durch x wiedergegeben wurde. 

Es wäre nun zu erwarten, dafs wenn die Ägypter wie die Semiten 
ihren Buchstaben bestimmte Namen gaben, ihr erster Buchstabe hast ge- 
heifsen habe. Ich vermuthe aber, dafs dieser erste Buchstabe nicht mit dem 
Namen des Vogels selbst, sondern mit dem des Gottes benannt wurde, dem 
er heilig war, Hor oder Har. Ja ich zweifle kaum, dafs uns dieser Buch- 
stabenname wirklich noch erhalten, und kein anderer als das hori im 
koptischen Alphabete ist. Das koptische Alphabet ist bekanntlich das 
griechische, dessen Ordnung und Namen beibehalten, und nur durch einige 
Buchstaben vermehrt wurde, für welche das griechische Alphabet keine 


Philos.- histor. Abhandl. 1833. Ee 


218 Lrrsıus über die Anordnung und Verwandtschaft 


Zeichen hatte. Diese zugefügten Buchstaben sind wer, sei; ges, fei; Sei, 
chei, gops, hori, zaız1a, g’angia, Ga, sima; und die Sylbe %, zz mit 
dem Namen es, Zei. Diese 7 Buchstaben haben ihre demotisch -ägyptische 
Figur beibehalten, und der Hauchbuchstabe Aori, h, allein (vielleicht auch 
gang'ia) auch seinen altägyptischen Namen, Buchstabe des Hor. In der 
That ist auch das hori keine starke Aspiration, denn es fällt sehr häufig im 
Koptischen ab, und viele Worte wie gwp, hor, selbst griech. "Qges neben 
“ges, gan, hapi, gr. "Arıs, gapump, haroer, ’Agungıs, gım, hip, iOıs u.v.a. 
werden ägyptisch mit dem A geschrieben, im Griechischen mit spir. len. End- 
lich vergleiche man nur die demotische Form des Sperbers bei Champ. Pre£e. 
tb.A.n.1. %,, um sogleich die koptische Form des hori, besonders wie es 
in ältern Handschriften, z.B. den sahidischen Fragmenten der Pariser Königl. 
Bibliothek, %, geschrieben wird, darin wieder zu erkennen, während die 
hieratische oder demotische Form des Strickes oder Mäanders (tb. ©. n.31- 
33.) durchaus keine Ähnlichkeit darbietet. 

34. Ich komme noch einmal auf die Stelle des Plutarch zurück, wel- 
cher den Vogel des Thoth nennt, statt dessen wir den Vogel des Horus als 
ersten ägyptischen, dem x entsprechenden Buchstaben gefunden haben. Es 
ist bekannt, dafs die Alten zwei Thoth nennen, welche durchgängig, auch 
auf den Monumenten unterschieden werden. Manethon, dessen Zeugnifs 
für die ägyptischen Sagen hier von dem gröfsten Gewicht ist, unterscheidet 
sie bestimmt bei Syncell. Chronogr. p.40: er habe seine Nachrichten ent- 
nommen &# av Ev 7 Zyguadıry YA zeiuevwv SHAwv, ieod dianearw za iegoyAubincis 
Yoruuacıv HEX,AIAHTNOLTILEVUV imo OuS, rou mowrou "Egnod, nal Egumveuderüv 
HET@ TOV Karanduruev Er TS iegas diarerrov, Eis TYV EAAnvida bwvnv, Yorunarıv ie- 
goygapıncis za dmoIevruv &v Bißrcıs Urs roV ayaScv daruovos vied Foü deuregou 
"Epuoü, marges de Tar, &v rols dadyras Tav iegav Aiyurrov. Der erste Thoth, 
oder 'Eguns rgisusyıses ist est nun, dem die erste Erfindung der Schrift bei- 
gelegt wird, so wie fast aller übrigen Künste und Wissenschaften. Dieser 
erste Thoth wird aber nach Champollion mit einem Sperberkopfe wie 
die Sonnengötter Phre und Horus dargestellt. (Ze premier Thoth, ou Hermes 
Trismegiste, Uancien Hermes, la science divine personnifice. Ce dieu, repre- 
sentd avec une Lete d’Epervier, epanche leau d'un vase quiil tient dans ses 
mains. — Le premier Thoth est le soleil du monde intellectuel.) Dem zwei- 
ten Hermes dagegen, der sich viel häufiger auf den Monumenten findet, 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 219 


kommt der Ibis zu. (Le second Thoth, deux fois grand, ou le deuxiöme 
Hermes, incarnation de Thoth trismegiste sur la terre. Ce dieu est caracte- 
rise par une tete de loiseau ibis, son symbole vivant.) Die mythologischen 
Erklärungen von Champollion sind noch sehr mangelhaft; wenn es sich 
aber bestätigt, dafs dem ersten Thoth nicht der Ibis, sondern der Sperber 
heilig war, so würde sich hierdurch unmittelbar die Stelle bei Plutarch er- 
klären. 

Der Sperber war im allgemeinen das Symbol der Sonne, daher er 
nicht allein dem Horus (Apollo) heilig war, sondern auch dessen Vater, dem 
Osiris (Plut. de Is. p. 371. Horapoll. I, c.6.8.) wie allen Sonnengöttern. 
Der Gott Hor wurde wie eine Verjüngung des Osiris von den Ägyptern auf- 
gefafst. Der Name Hor selbst ist schon längst mit dem hebräischen 's, hor, 
Licht, besonders Tageslicht zusammengestellt worden; und bei der durch- 
greifenden Verwandtschaft der ägyptischen mit den semitischen Sprachen 
nehme ich keinen Anstofs an dieser Zusammenstellung. Jablonski (Panth. 
I. p.222.) hat dabei nur das Bedenken, dafs er diese Wurzel im Koptischen 
nicht wieder finden konnte. Sie findet sich aber allerdings. Das sahidische 
gooy, hou, der Tag, in Zusammensetzungen auch goy, hu, wird hierogly- 
phisch meist ebenso geschrieben, mit dem Determinativ der Sonnenscheibe, 
oft aber auch mit einem „, 9, hur (s. Rosell. Mon. II. p.348.). Es ist 
schon von mehreren Seiten auf die nicht seltene Erscheinung aufmerksam 
gemacht worden, dafs koptische Wörter ein früheres r hinten abgeworfen 
haben, das sich hieroglyphisch noch findet (Rosell. t.I. p. 138.348. Salvo- 
lini, Notice p.97.). Dieselbe Erscheinung zeigt sich noch in den uns be- 
kannten koptischen Dialekten. Derselbe Stamm findet sich in der hierogly- 
phischen Bezeichnung des Beinamens des fünften Ptolemäus, Epiphanes, auf 
der Inschrift von Rosette, welchen Rosellini zuerst erklärt hat. Dieser 
Beiname £rıpavys, der erscheinende, glänzende, wird hieroglyphisch ge- 
schrieben S, op, Art; dieses Wort ist schon bekannt aus dem Titel, den 
der Gott Horus sehr häufig erhält, ‚‚Horus Ari von Osiris, Sohn der Isis.” 
Champollion übersetzt es (Prec. pl.XII. p.191. 2 Ausg.) manifeste ou 
engendr£, und es ist ohne Zweifel eine Participialform, die auf den Stamm 
hr zurückgeht, und deren Bedeutung sich durch das Zusammengestellte 
rechtfertigt. Das Wort wird, wie schon gesagt, vorzugsweise vom Horus in 
auf seinen Vater Osiris gebraucht, Horus ans Licht gebracht von 

Ee2 


Bezug 


320 Lersıus über die Anordnung und Verwandtschaft 


Osiris; es scheint daher gerade Eine Anspielung auf diese beiden Lichtgötter 
und auf den Namen des Hor selbst darin zu liegen. In den Titeln der Pha- 
raonen, Könige und Kaiser kommt es sonst meines Wissens nicht vor, aufser 
dem Ptolemäus Epiphanes, der in der That auch in der Inschrift von Rosette 
selbst mit Horus verglichen wird: ‚‚Sohn eines Gottes und einer Göttin, wie 
Horus, Sohn des Osiris und der Isis.” Wir müssen daraus schliefsen, dafs 
im heiligen Dialekte der Ägypter sich noch der Stamm Aur oder hor, in der 
Bedeutung 


ie) 
sprache verloren gegangen war, und nur noch in dem abgestumpften how 


von Licht, leuchten, erhalten hatte, obgleich er in der Vulgär- 


oder hu, der Tag, seine Spur zurückgelassen hatte. 

35. Ich komme darauf zurück, wovon ich ausgegangen war, dafs ich 
den Namen des Hor etymologisch für gleichbedeutend mit dem hebräischen 
=n, hor oder ör, das Licht, halte, wie der Horus auch allgemein von den 
Alten selbst erklärt wird, und deshalb mit dem HAıss oder Apollo verglichen 
wird (1). Wir sehen also das hori, einen dem x im semitischen Alphabete 
entsprechenden Hauchlaut, von der Sonne, welche durch die höchsten ägyp- 
tischen Gottheiten repräsentirt wird, benannt, und durch ihr Symbol, den 
Sperber, bezeichnet, wie im semitischen Alphabete das alef das Symbol der 
höchsten orientalischen Gottheit bezeichnet. Ich lasse was in dem dafür 
Beigebrachten manchen Lesern unbegründet scheinen dürfte sehr gern dahin 
gestellt sein, und bin zufrieden, wenn ich für Andere auch nur die Vermu- 
thung wahrscheinlich gemacht habe, dafs die Ägypter wirklich ein fest um- 
schriebenes Alphabet, zur Zeit Plutarchs von 25 Buchstaben, hatten, dafs 
diese den semitischen analoge Namen führten, und wohl auch eine analoge 
Ordnung befolgten. Es könnte sich sehr leicht fügen, dafs wir das vollstän- 
dige ägyptische Alphabet in irgend einem Manuscripte fänden, und man lasse 
sich von dieser Hoffnung nicht abschrecken durch den Gedanken, dafs ja 
Champollion in seiner neuen Hieroglyphengrammatik ein Alphabet von 
260 phonetischen Hieroglyphen aufgestellt habe, die sich noch immer bis 
auf 300 vermehren lassen nach den weitergeschrittenen Untersuchungen von 
Salvolini. Abgesehen von den vielen Variationen ein und derselben Hie- 


q \ pelN 67 me , 67 ’ 7 ey 4: 
(') Put. De Is. p.375: ryv new emı TuS FoU nArov meguhopds reraymevnv övvanıv Qpov, EA- 
- Sr > 4 nd - Y \ 9 DEN en - em 63 
Ayvss de Armordwve zaroüsıw. Horapoll.1.17: "HA:os de Ng0os «mo FoU FWv wouv zotreiv. 


Macrob. Sat. I, c.21. Apud Aepyptios Apollo, qui est Sol, Horus vocatur. u. v.a. 


des Semit., Ind., Alt- Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 224 


roglyphe wird der bei weitem gröfste Theil nur in ganz speciellen fest be- 
stimmten Worten gebraucht, in denen diese Zeichen zugleich einen mehr 
oder weniger prononeirten symbolischen Werth haben. Das eigentliche Laut- 
alphabet ist sehr beschränkt und noch von niemand in seinen genauern lin- 
guistischen Verhältnissen aufgefafst worden; namentlich wird noch mit der 
willkührlichen Substitution der Vocale ein grofser Mifsbrauch getrieben. 

36. Ich schliefse mit einigen Betrachtungen über das äthiopische 
Alphabet. Wir haben schon oben ($.22) das Verhältnifs angegeben, in dem 
es in Bezug auf seine Syllabität zu den übrigen Alphabeten steht. Es hat 25 
Buchstaben, deren jeder siebenfach vocalisch modifieirt ist. Ihre Anord- 
nung ist nicht die semitische, doch beginnt auch hier ein Hauchlaut, oJ. 
Von diesem wird das ganze Alphabet benannt (Ludolf, Lexicon Aethiopi- 
cum); sein Name ist aber im Äthiopischen dunkel. Hupfeld in seinen sehr 
verdienstlichen Ewercitat. Aethiopie. Lipsiae 1825. stellt unrichtig hoj mit 
dem hebräischen he zusammen und läfst dem chet das äthiopische haut und 
harm zugleich entsprechen. Kopp stellt in seiner Vergleichung der semi- 
tischen Alphabete richtig haut mit he zusammen, wie die Figur lehrt, und 
harm mit chet, hoj schliefst er von den 22 semitischen Buchstaben, welche 
die Stellen 2-23 aber in einer bisher mir noch unerklärten Ordnung einneh- 
men, mit Recht ganz aus. Wenn Hupfeld (p.6.) behauptet, dafs die Vocal- 
veränderungen grammatici cuiusdam artificio zuzuschreiben seien, so kann 
ich ihm in keiner Weise beistimmen. Die einzelnen Figuren der Buchstaben 
sind steif und völlig von einander getrennt wie die hebräische Quadratschrift 
oder das Devanägari. Dadurch unterscheidet sich diese Schrift wesentlich 
von den vielen semitischen Cursivschriften, wozu ich sämmtliche syrische 
und arabische zähle, und erhält ganz den Charakter einer heiligen, vor jeder 
Alteration sorgfältig bewahrten Bücherschrift. Auch bemerkt Ludolf in 
seiner äthiopischen Grammatik ausdrücklich: nulla in litteris Aethiopieis re- 
peritur diversitas. Was ihr aber eine ganz besondere Stelle unter den semi- 
tischen Schriften giebt (denn die Verwandtschaft, namentlich mit dem Phö- 
nizischen ist nicht zu verkennen, und von Kopp nachgewiesen), ist ihre 
Richtung. Sie wird, wie das Devanägari und die europäischen Schriften 
von der Linken zur Rechten gelesen. 

37. Es fragt sich, wie diese Erscheinung zu erklären ist. Die An- 
sicht, dafs die äthiopische Schrift von der griechischen abgeleitet sei, ist von 


2322 Lersıus über die Anordnung und Verwandtschaft 


Gesenius, Kopp und zuletzt von Hupfeld als völlig grundlos nachgewie- 
sen worden. Letzterer macht dafür noch den Umstand geltend, dafs auch 
die alphabetischen Namen meist noch ältere Wortformen als selbst die he- 
bräischen zeigen. Auch ist zu bedenken, dafs die griechische Schrift keine 
Veranlassung geben konnte, ein Sylbenalphabet zu erfinden. Wenn es aber 
sicher ist, dafs weder die Schriftzüge, noch die Ordnung der Buchstaben, 
noch die Buchstabennamen von den Griechen kommen, so scheint es mir 
auch höchst unwahrscheinlich, dafs die Richtung der Schrift von den Grie- 
chen herübergenommen sei, wie noch immer Hupfeld annimmt. Kenntnifs 
der griechischen Schrift mufs allerdings angenommen werden, seitdem das 
Christenthum im 4 Jh. ihnen durch griechische Vermittelung zugegangen 
war und es kann keine Frage sein, dafs sie die Zahlzeichen von den Griechen 
erhalten haben, denn es sind die griechischen Buchstaben selbst. Aber ge- 
rade dieser Umstand spricht durchaus dafür, dafs die Äthiopen schon vor 
ihrer Bekanntschaft mit den Griechen ihr Alphabet vollständig ausgebildet 
hatten, denn sonst hätten sie eben so gut, wie für die Zahlzeichen die griechi- 
schen Formen und ihre alphabetische Ordnung herübernehmen können. 

38. Wenn wir aber somit nur das Resultat von Hupfeld bestätigen 
können, dafs die Bildung des äthiopischen Alphabets viel älter sein mufs, als 
die Bekanntschaft mit der griechischen Literatur, so bleibt uns nur übrig in- 
dischen Einflufs darin anzuerkennen. Und dafür sprechen in der That meh- 
rere sehr bemerkenswerthe Umstände. 

Durch diese Annahme würde sich nämlich 1) die vorzugsweise indo- 
germanische Richtung der Schrift von der Linken zur Rechten, wie sie von 
den Indiern, den alten Persern in der Keilschrift und den europäischen Völ- 
kern angenommen wurde, erklären. 

2) Die syllabische Schrift, die als einfach und consequent fortgesetzte 
Weiterbildung der indisch-syllabischen Schrift aufgefafst werden kann. 

3) stimmt die Vocalisation noch ganz besonders mit der indischen 
überein, indem die einfachen, unveränderten Figuren der ersten Reihe, wie 
die einfachen Sanskritbuchstaben, mit dem kurzen Vocale a gesprochen wer- 
den, & jedoch, so wie die Vocale z, u, e, o und auch wie wohl zu bemerken 
das schva, oder der Wegfall des vocalischen Elementes durch besondere, 
dem Buchstaben angehängte Striche bezeichnet werden. 


des Semit., Ind., Alt-Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 223 


4) Ich habe ferner die von Hrn. Burnouf gesammelten, aber noch 
nicht publieirten verschiedenen indischen Alphabete vor Augen, die von in- 
dischen Inschriften genommen sind. Hier sind meistens die Vocalzeichen, 
die im Devanägari nur lose angesetzt sind, ganz mit den Buchstaben ver- 
wachsen, so dafs sich Burnouf häufig genöthigt gesehen hat, ein wahres 
Syllabarium aufzustellen, dem äthiopischen durchaus ähnlich. Noch über- 
raschender ist aber, dafs einzelne Buchstaben dieser indischen Alphabete ge- 
nau wie die äthiopischen geformt sind. Dahin gehören namentlich auf Tafel 
II. die Buchstaben ma, ka, ta, na, ga und pa, unter denen z.B. #, Ka, 
identisch mit dem äthiopischen ist. Auch ist zuweilen der Strich zur rech- 
ten Seite des Buchstabens, der sowohl im Sanskrit als im Äthiopischen ä be- 
zeichnet, genau wie im äthiopischen Alphabete angefügt. 

Wenn all diese Umstände in mir die Überzeugung hervorriefen, dafs 
das äthiopische Alphabet sich unter indischem Einflusse gebildet habe, so 
wurde mir noch eine letzte unerwartete Bestätigung durch einen Freund, 
H. Dr. Schulz aus Königsberg, dargeboten, welcher unabhängig von mei- 


815 
nen Untersuchungen die Bemerkung gemacht hatte, dafs die Musnad- 


885 

Schrift (1), mit welchem Namen die Araber die äthiopische Schrift bezeich- 
nen, nichts anderes als ‚„‚„die indische” Schrift bedeute, da musnad die 
natürliche Adjectivform von sind, Indien, ist. Dafs wir daher auf der einen 
Seite indische, auf der andern semitische Verwandtschaft des äthiopischen 
Alphabets finden, ist jetzt erklärlich, da wir oben gesehen haben, dafs auch 
die älteste dem S’iva zugeschriebene Anordnung des Devanägari mit der se- 
mitischen Anordnung übereinstimmt. Dafs auch sämmtliche Sanskritfiguren 
auf die semitischen zurückzuführen sind, leidet für mich keinen Zweifel. 

39. Es ist eine noch unentschiedene Frage, in welchem Verhältnisse 
die axumitischen Äthiopen, deren Sprache und Schrift wir kennen, und die 
sich selbst 2UH, geez, und ihre Sprache die geöz-Sprache nennen, mit 
den alten berühmten Äthiopen stehen, die in der Bibel und auf den hiero- 
glyphischen Monumenten kusch genannt werden. Man nimmt jetzt gewöhn- 
lich an, dafs es eine aus dem südlichen Arabien eingewanderte Kolonie war, 


(‘) Über die Musnadschrift s. einige interessante Nachweisungen bei E. Quatremere: 
Recherches sur la langue et la litterature de l’Fgypte. Paris. 1808. p- 272. 


394 Lerstus über die Anordnung und Verwandtschaft 


und betrachtet ihre Sprache als den einzigen Rest des südarabischen oder 
hemiaritischen Dialektes. Man hat übrigens aufser der Tradition bei dem 
Volke selbst keine geschichtlichen Nachrichten über diese besondere Ein- 
wanderung. Das Land Kusch im Alten Testamente umfafste auch aufser 
dem afrikanischen Äthiopien das südliche Arabien, welches Gesenius in 
den Stellen 1. Mos. 10, 7.8; 4. Mos. 12,1; 2. Chron. 14, 8. 21, 16; Hab. 
3, 7. versteht. Auch scheint die ganze Bevölkerung und Civilisirung von 
Ägypten und Äthiopien auf diesem Wege gekommen zu sein, und über 
die fortwährende enge Verbindung dieser afrikanischen Völker mit den 
angrenzenden Hemiariten, besonders durch den Handelsverkehr mit In- 
dien, spricht Heeren in den Ideen Bd. III. ausführlich. Was die Spra- 
chen betrifft, so ist nach den neuern Untersuchungen die enge Verwandt- 
schaft der Ägypter und Äthiopen in Schrift (die Ägypter sollen die Hie- 
roglyphenschrift von den Äthiopen erhalten haben), Kunst und Wissen- 
schaft, Sitten und Gesetzen, und auch in der Sprache aufser Zweifel 
gesetzt worden. Die koptische Sprache verräth ihre Grundverwandtschaft 
mit den semitischen Sprachen deutlich; die alte Sprache, die sich in der 
iega ÖiaNerres am reinsten erhalten haben mochte, stand ihnen wahrschein- 
lich noch näher. Von den Äthiopen läfst sich nach ihrer geographischen 
und historischen Stellung schliefsen, dafs ihre Sprache den semitischen 
noch näher stand. Was hindert uns im Grunde noch, anzunehmen, dafs 
die alte äthiopische Sprache der südarabischen so nahe stand, wie wir 
jetzt die Geez-Sprache finden, und dafs diese nicht eine erst spät einge- 
wanderte Sprache, sondern ein Rest der alten äthiopischen Sprache ist? 
Vielleicht wird uns einmal die Lesung äthiopischer Hieroglyphen über 
diesen Punkt genauer unterrichten. Vielleicht, dafs dann auch die dop- 
pelte Verwandtschaft der Geez-Schrift eine neue Bedeutung für die sprach- 
und cultur-geschichtliche Vergleichung der Semiten, Hamiten und Japeti- 
ten, um mich hier dieser runden Bezeichnungen zu bedienen, gewinnt. 
40. Ich habe in einer besondern Abhandlung die Übereinstim- 
mung der indogermanischen, semitischen und ägyptischen Zahlwörter nach- 
gewiesen; eine andere ist bestimmt, durch Nachweisung der Übereinstim- 
mung der indisch-arabischen Ziffern mit den ägyptischen jene zu ergän- 
zen; schon länger beschäftigt mich eine Vergleichung der semitischen, 


des Semit., Ind., Alt- Pers., Alt-Aegypt. und Aethiop. Alphabets. 225 


indogermanischen und ägyptischen Pronominalwurzeln, die als Grundlage 
zu einer weiteren Vergleichung dieser drei Sprachstämme dienen sollen: 
und so hoffe ich, dafs auch die gegenwärtige Aufstellung des wahren 
Prinzips der ältesten Alphabetsordnungen einen Schritt weiter geführt ha- 
ben wird in der wissenschaftlichen Auffassung des Verhältnisses, in wel- 
chem diese drei, bisher so streng auseinander gehaltenen Völkerklassen 


ursprünglich zu einander stehen. 


ED — 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Ff 


aanar 


EB 
less 


Dice 


vH RN 


| nk RN 


Über 
den Eingang des Parzivals. 


Von 
H® LACHMANN. 


anna 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 15. October 1835.] 


\ Vi. finden bereits im dreizehnten Jahrhundert, ja noch bei Lebzeiten 
Wolframs von Eschenbach, wiederholte Klagen über die Dunkelheit der 
Rede in seinem Parzival: und auch jetzt wird ein noch so wohl vorbereiteter 
Leser dieselbe Klage zu führen genöthigt sein: er würde es sein, wenn auch 
bisher schon möglich geworden wäre die Mittel des Verständnisses zum leich- 
ten Gebrauch angeordnet hinzustellen. Zwar ist es mir immer vorgekommen 
als ob die feinen und scheinbar fern liegenden Beziehungen, welche der Dich- 
ter zu nehmen liebt, fast durchaus bequem aus den gangbaren Ansichten Bil- 
dern und Redeweisen der Zeit hervorgiengen, so dafs sich ihre Veranlassung 
meistens schr in der Nähe findet. Ich mufs daher glauben dafs ein Zuhörer, 
der in denselben Lebensverhältnissen und in ähnlichen Gedanken stand, auch 
dem rascheren Gange des gewandten und vielseitigen Dichtergeistes hat fol- 
gen können; dafs in einer Zeit, deren Charakter in der Poesie eben das Her- 
vortreten bestimmter einzelner Persönlichkeiten ist, der Dichter wohl hat 
ein folgsames Anschmiegen der Aufmerkenden verlangen können. Allein 
wenn auch in Wolfram von Eschenbach, durch die schärfste Eigenthümlich- 
keit und die höchste poetische Gabe unter den Gleichzeitigen, die Idee der 
kunstmäfsigen erzählenden Poesie dieser Zeit am herrlichsten erschienen ist, 
so kann es uns doch nicht erstaunen dafs Hartmann von Aue neben ihm zwar 
nicht mehr bewundert aber offenbar mehr geliebt worden ist, weil er die 
allgemeine Anschauungsweise der Zeit nur mit der leisen Färbung einer 
höchst anmutigen poetischen Individualität darstellte. Wolfram hat denn 
auch selbst über seine Dunkelheit gescherzt, (Wilh. 237,11) ‚‚mein Deutsch 

Ff2 


228 LACHMANN 


ist zuweilen so schwierig, dafs mir leicht einer zu wenig versteht, wenn ichs 
ihm nicht sogleich erkläre: und so halten wir beide einander auf.” 

min tiutsch ist etswä doch sö krump, 

er mac mir lihte sin ze tump, 

den ichs niht gähs bescheide: 

da süme wir uns beide. 
Und seinen Tadlern antwortet er milde, mit Scherz und Anerkennung, (Wilh. 
4,19) ‚‚Was ich von Parzival sprach, lobte mancher: auch waren viel die 
es tadelten — und ihre eigne Rede schöner zierten. Hab ich noch künftig 
Zeit, so will ich dann alles klagen was mir zu Leide geschehen ist, und was 
allen andern seit Jesu Taufe.’ 

ich Wolfram von Eschenbach, 

swaz ich von Parziväl gesprach, 

des sin äventiur mich wiste, 

etslich man daz priste: 

ir was ouch vil diez smaehten 

und baz ir rede waehten. 

gan mir got sö vil der tage, 

sö sag ich mine und ander klage, 

der mit triwen pflac wip unde man 

sit Jesus in den Jordan 

durch toufe wart gestözen. 
Gewifs nicht in seinem Ton läfst ihn der Dichter des Titurels (Vorr. 19) sa- 
gen, die den Anfang seines Parzivals als zu unverständlich getadelt, seien 

die iregen dä man merket 

und der witz die tunkel sehende. 
Aber auf Wolfram und auf den Eingang des Parzivals wird allerdings Docen 
den Tadel Gottfrieds von Strafsburg mit Recht bezogen haben, der von den 
Märejägern spricht, die wie Hasen umherspringen, die ihre Märe müsten von 
Ausdeutern herumtragen lassen: er habe nicht Zeit die Glosse aus den schwar- 
zen nekromantischen Büchern herauszusuchen. Ja von dem Eingange des 
Parzivals hatten einige gesagt, der Dichter könne ihn selbst nicht erklären: 

wan sümeliche jehende 

sint, ich künn es selbe niht verrihten, 
heifst es im Titurel (Vorr. 20), wo eben deshalb von den ersten 37 Versen 


über den Eingang des Parzivals. 229 


eine Paraphrase gegeben wird, die uns im Einzelnen oft zur Führerin dienen 
kann, den Zusammenhang der Gedanken aber verfehlt oder doch allegorisch 
umdeutet. Den Lesern des achtzehnten Jahrhunderts suchte Bodmer, noch 
ehe die Ausgabe von Müller erschien, 1781 im zweiten Bande der Balladen 
S.229-232 durch eine Übersetzung des ganzen Einganges die erste Hilfe und 
Anreizung zu geben: sie ist aber ungefähr eben so verfehlt wie sein Urtheil 
über das ganze Gedicht, (S.202) ‚Von der Einheit der Handlung hatte der 
Dichter keine Idee, doch einige Winke von der Einheit des Interesse, Man 
mufs den Werth dieses Gedichtes in dem Gefühl des Herzens, in der Einfal- 
tigkeit der Ausbildung und in einer zärtlichen Lebhaftigkeit des Poeten su- 
chen, in Sachen, die in unsern verfeinerten Tagen Plattheit heifsen.” 
Die Schwierigkeit des Einganges zum Parzival liegt zum Theil in der 

Form die der Dichter gewählt hat. Wie ziemlich alle Gattungen die im drei- 
zehnten Jahrhundert ausgebildet erscheinen, schon im zwölften ihren An- 
fang haben, so sind auch von der älteren didaktischen Poesie nicht unbe- 
deutende Proben übrig geblieben. Meistens ist darin die Betrachtung zu- 
sammenhangend, aber unterbrochen durch einzelne Sprüche; der Inhalt 
gewöhnlich mehr oder weniger geistlich, doch nicht durchaus. Besonders 
merkwürdig scheint mir ein von Herrn Hoffmann in seiner Litteratur der 
Gedichte des zwölften Jahrhunderts (Fundgruben 1, S.260) übergangenes, 
das in Form eines Briefes, der selbst seinen Inhalt ausspricht (Ich bin ein 
heinlicher bote), Lehren über die Minne giebt (!). Aber man hat auch in 
Handschriften einzelne gereimte Sprüche oder mehrere unzusammenhangende 
gefunden, und der Pfaff Konrad in seinem Roland S. 13° bezeichnet ein altes 
Sprichwort als schon aufgezeichnet. 

er rörte thaz altsprochene wort. 

J@ ist geschriven thort 

„under scöneme scathe lüzet: 

iz ne ist niht allez golt thaz tha glizzet.” 
In mehreren ganz verschiedenen Theilen der so genannten Kaiserchronik 
sind ganze Reihen von gereimten Sprüchen, die einen gemeinschaftlichen 
Inhalt und oft einen Fortschritt des Gedankens haben. Diese Weise, in der 


() Nach dem Abdruck in Docens Miscellaneen 2, S.306 wäre ein sorgfältigerer wün- 
schenswerth. 


930 Lacumann 


- 


die Sprüche durch keine weitere Betrachtung ausgeführt werden, ist in er- 
zählenden Gedichten eine beliebte Form der Belehrung. So ist in der Eneide 
Heinrichs von Veldeke die Lehre der alten Königin von der Minne (9711 £f.), 
so im Parzival (127,15. 170,15) Herzeloiden und Gurnemanzes Rath. Das 
aber wird eine neue Anwendung dieser Form gewesen sein, dafs Wolfram 
und Gottfried ihre Erzählungen mit solchen zusammengereihten Sprüchen 
anfıengen, und dafs zwanzig Jahr später Freidank aus sinnreich geordneten 
Sprüchen, ohne ausführende Betrachtung, ein ganzes Lehrgedicht bildete. 
Seine Sprüche hebt Wolfram an mit einer Vergleichung des Zweifels, 
der Untreue und der Treue, denen er bunte schwarze und weifse Farbe bei- 
legt. ‚‚Ist Zweifel des Herzens Nachbar.” Die verwandten Ausdrücke sind 
in Menge vorhanden; näch gendiu sweere, ez lit dem herzen nähe, klage ist 
übel nächgebür; bei Ulrich von Türheim min ouge daz an dir wol siht, daz 
‚freude ist din nächgebür. Genau und vollkommen gleich aber ist bei Äschy- 
lus yeiroves zapdias negiuvaı. Und damit man nicht etwa glaube dafs Wolfram 
in diesem Bilde der deutschen Denkweise eine ihr fremde Richtung gegeben 
habe, so hat es auch ganz wörtlich derselbe Ulrich von Türheim, der zwar 
Wolframs heiligen Wilhelm fortgesetzt aber nirgend seine Redeweise nach- 
geahmt hat: seine vielen sprichwörtlichen Ausdrücke sind aus dem Volksge- 


brauch entlehnt. 
si begunde vaste trüren, 


zir herze nächgebüren 

nam si clegelichez leit. 
Die Folge des nah am Herzen wohnenden Zweifels hat Wolfram auffallend 
stark bezeichnet, daz muoz der sdle werden sür. Denn obgleich muoz weit 
schwächer ist als unser mufs und nur den wahrscheinlichen natürlichen Er- 
folg bezeichnet, so hat doch der Dichter offenbar an die sauern Qualen der 
Hölle gedacht, wie ihn auch der Verfasser des Titurels versteht. Man mufs 
sich erinnern, was Benecke zum Wigalois S.468 bemerkt hat, dafs der zwi- 
sel, im Gegensatze des Zröstes, nicht selten das vollkommene Überschlagen 
in die Verzweiflung bedeutet, und daher in Beziehung auf Gott den Unglau- 
ben. In dem Ave Maria welches den Namen Konrads von Würzburg trägt, 
betrifft eine ganze Strophe den Zweifel in diesem Sinne. (Heidelb. Hds. 
350, Bl. 52) 


über den Eingang des Parzivals. 231 


Ave Mari maget, wis ein urkünde 
uns ‚für eine sünde, 
diu uns sere jagt 
in daz lant des tödes, 
dä Cham und Herödes 
sint mit grözem jämer gar vervallen. 
Disiu leide sünde zwifel heizet, 
diu üf jämer reizet 
naht und ouch den tac. 
we im den si twinget! 
ze trüren si in bringet, 
für daz honic birt sim niht wan gallen. 
Swer sünde tuot dem vater, des entraht ich niht, 
noch Jesü, dem üz erwelten kinde. 
des genäde ist linde: 
wol dem heil geschiht. 
swer dem frönen geiste 
mit dem zwivel meiste 
sündet, der mac niht mit gote schallen. 
Der Stricker hat in einem seiner Beispiele (Ein künic het zwei riche) eine 
Beschreibung des jüngsten Gerichts, und darin das folgende gewifs nicht aus 
eigener Erfindung. 
Ein vierteil ist verfluochet, 
daz ir got niht ruochet: 
di hät der tiefel äne strü. 
di habent gesündet alle zit 
an den vil heiligen geist: 
daz hazet got aller meist. 
daz vierteil ist drier slahte. 
di einen sint in der ahte 
daz si des ungelouben 
nieman kunde berouben. 
si ahten niht üf unsern tröst, 
der uns alle hät erlöst: 


DRD) LAcHMmaAnNn 


si dühte gotes sun enwiht. 

dä von hilfet er in niht. 

di andern sint zwifelcere. 

di dühte ir schulde sö swoere, 

daz ir nimmer möhte werden rät. 

si wolden umb ir missetät 

weder niemans helfe suochen 

noch keiner gnäden ruochen. 

di dritten di got niht wil, 

di heten des glouben ze vil, 

si getrüweteu gote ze verre: 

daz wirt ir groster werre. 

si jähen al „wir glouben wol 

daz got gnäden ist sö vol, 

daz er uns alle wil bewarn: 

wir sin behalten swie wir varn. 

sit Krist durch unsern willen starp 

und uns daz himelriche erwarp, 

wes sule wir danne angest hän? 

Krist hät die buoz für uns getän. 

di dri sint daz vierteil 

daz der tiefel hät än urteil. 
Wolfram fafst aber den Zweifel mehr als ein Schwanken, nicht zwischen Gut 
und Böse, sondern zwischen manheit und verzagen, zwischen Vertrauen und 
mutlosem Zurücktreten. Gesmaehet unde gezieret, das heifst smahe und 
zierde (denn so dienen die Participia Passiva statt der Abstracta) ist swä sich 
parrieret unverzaget mannes muot, ist da wo die nicht weichende Tapfer- 
keit sich mit der zageheit, dem feigen Zurückziehen, parrieret, färbt. So 
sind wir gezwungen parrieren zu übersetzen: Wolfram hätte, wenn er nicht 
der Mode des Sprachmengens allzusehr nachgab, für parrieren recht gut un- 
dersniden sagen können, distinguere. Das altfranzösische barre, barratus, 
bunt gemacht, lebt noch in bariole, das ist bigarre. In einer Stelle des Ti- 
turels werden jämer und leit dem irüren entgegengesetzt: jene sind unver- 
meidlich, das zrüren (er meint das mutlose Verzweifeln) ist Sünde. (Tit. 
34, 120.121) 


über den Eingang des Parzivals. 233 


jämer und leit sol witze und manheit üeben. 
sö werdent, die dä trürent, 
aller guoten dinge gar die trüeben, 
Und siedent in unmuote, 
dem zwifel näch gesellet. 
ze keiner slahte guote 
ist ir gemüete selten wol gestellet. 
Jämer, leit, wis herzenhafle tragende: 
dem hoehsten wol getrüwe, 
daz trüren dich in zwifel iht si jagende. 
Ähnlich führt nach einer Stelle in Lafsbergs Liedersaal (3, S. 30) unmä- 
fsiges Leid zum Zweifel. 
ich hän dicke unmarzie leit 
umb daz daz mich ze got bereit (?). 
swenn ez niht gät näch miner gw, 
sö wen ich got si wider mir. 
leit lip und leben krenket, 
mit Jüdas ez versenket 
mich, daz ich wirde zwifelhaft 
an der milten gotes kraft. 
Wolfram nimmt aber verzagen in seiner gewöhnlichen Beziehung, dafs das 
mutlose Zurücktreten Untreue ist, dafs der Verzagende seinen Freund ver- 
läfst. Wenn dies auch noch von dem Verhältnifs des Menschen zu Gott 
kann gesagt werden, so zeigt doch der Ausdruck in dem zweiten Gliede des 
Gleichnisses, (V.10) der unsteete geselle, und nachher (2,17) die Wieder- 
aufnahme desselben, valsch geselleclicher muot, dafs der Dichter schon hier 
eben so sehr an die Treue gegen Menschen denkt. Des Schwankenden 
Seele, sagt er, färbt sich alse agelstern varwe tuot, wie sich die Farbe der 
Elster färbt. Dabei mufs jedem Leser des Parzivals einfallen, wie oft der 
Dichter im Gegensatze zu seinem Helden, dem reinen lichten Parzival, des- 
sen Bruder Feirafız, den Sohn der Mohrin, der schwarz war mit weifsen 
Flecken, mit der Elsterfarbe verglichen hat, auch schon im ersten Buche 
57,27 da er geboren wird. Ich glaube mit Sicherheit annehmen zu dürfen 
dafs diese Vergleichung, welche der Dichter in Beziehung auf den Zweifel 
nicht wiederholt, ihm die erste Veranlassung zu dem Gleichnisse gegeben hat. 
Philos.- histor. Abhandl. 1835. Gg 


934 LAcHMANN 


Aber auch nur eine äufserliche Veranlassung: denn mit dem Zweifel hat Fei- 
refiz nichts gemein, der, ursprünglich ein Heide, sich um der schönen Re- 
pense-de-joye willen gern taufen läfst. Der Schwankende aber kann der- 
weile noch froh sein, der mac dennoch wesen geil: wand an im sint beidiu 
teil, des himels und der helle, denn ihm stehen noch beide zu erlangen be- 
vor, Himmel und Hölle. Hingegen der untreue Gesell ist schwarz, und 
wirt och näch der vinster var, und bekommt auch dort die der Finsternifs 
gleiche Farbe als Teufel. So habt sich, dagegen hält sich, an die blanken, 
an die weifse Farbe (varwe ist aus Z.10 hinzu zu denken), der mit steten 
gedanken. 

Ich habe schon bemerkt dafs dieses Gleichnifs sich eben so sehr auf 
die Treue gegen Gott als auf die Treue gegen Menschen beziehen mufs. 
Jene Beziehung, welche der Verfasser des Titurels allein aufgefafst hat, dür- 
fen wir uns ja nicht entgehn lassen: denn in diesem Sinne hat Wolfram selbst 
einen Theil des Gleichnisses wiederholt, im dritten Buche (119), wo die 
Mutter den Knaben Parzival lehrt was Gott sei. ,‚,Er ist noch heller als der 
Tag,” sagt sie ihm: ‚‚ihn must du in Noth anflehen, er hilft. Der Teufel 
aber ist schwarz und untreu: 

von dem ker dine gedanke; 
und och von zwivels wanke.” 
So wird hier das dritte Glied ohne Bild angeknüpft: im folgenden bleibt es 


ganz weg 
5 » we 
sin muoter underschiei im gar 


daz vinster unt daz lieht gevar; 
wie auch im Eingange der Dichter nicht wieder auf den Zweifel zurück- 
kommt. Parzivals Zweifel aber, sein Verzweifeln an Gottes Hilfe, ist nach 
Wolframs Ansicht, die er nicht aus dem französischen Original scheint ent- 
lehnt zu haben, eben der Wendepunkt seiner ganzen Fabel, wie ihn der 
Dichter auch selbst deutlich anzeigt. Denn jene Belehrung der Mutter ist 
durch Parzivals kindische Frage eingeleitet (119,17) öwd muoter, waz ist got? 
und am Ende des sechsten Buches, wo er Gott den Krieg ankündigt und sei- 
nem Hasse Trotz bietet, fängt die Rede wieder mit den verzweifelnden Wor- 
ten an (332,1) we waz ist got? Der Gedanke dafs auch dem Wankenden und 
Verzweifelnden der Himmel noch nicht verschlossen sei, scheint den Dich- 
ter lebhaft bewegt zu haben: in einer Stelle des neunten Buchs äufsert er 


über den Eingang des Parzivals. 233 


sich auf eine Art welche noch über die Milde hinausgeht, mit der er an- 
derswo (Wilh. 307,14.29) die Verdammung der Heiden leugnet. Zu dem 
Edelstein, sagt er, aus dem der Graal besteht, sind die Engel auf die Erde 
gesandt, welche bei dem Kriege zwischen Lucifer und der Trinität auf kei- 
ner von beiden Seiten standen: ich weils nicht ob Gott ihnen vergab oder 
sie ferner verlor (was daz sin reht, er nam se wider), aber der Stein ist im- 
mer heilig, und wer zum Graal kommen soll dem sendet Gott einen Engel 
(471,15). Im sechzehnten Buche (798) nimmt er dies zwar zurück, und 
erklärt die vertriebenen Engel für ewig verloren; aber gewifs nur weil ihm 
ein geistlicher Freund seine Ansicht als Irrlehre getadelt hatte: hier im Ein- 
gange herscht noch die milde Betrachtung des Zweifels, und im folgenden 
wird daher, wie gesagt, nur vor der Untreue gewarnt. 

Den Übergang zur weiteren Ausführung macht der Satz (2.15), dies 
fliegende Gleichnifs sei für unerfahrene zu schnell, so dafs sie es nicht aus- 
denken können: es fahre vor ihnen dahin wie ein wankender Hase. Der 
Dichter wird weniger meinen (obgleich es im Titurel 50.59 so genommen 
wird), das Gleichnifs sei schwer zu fassen, als vielmehr, der leichtfertige 
lasse die darin liegende Lehre sich entwischen. Darauf führt der Gegensatz 
im folgenden, ein weiser Mann wisse was disiu mare lehren (2,5). Den 
Ausdruck disiu mare übersetzt Bodmer dort unrichtig ‚‚diese Geschichte”, 
wie freilich auch schon im Titurel (Vorr. 60) steht disiu äventiur: es würde 
dann eher der Singularis stehen, und das pliegende bispel hier mufs dasselbe 
bezeichnen: dies aber hat Bodmer richtig für Gleichnifs genommen, weil der 
ganze Parzival unmöglich ein bispel genannt werden kann, obgleich dispel 
oder spel allerdings eine poetische Gattung schon im zwölften Jahrhundert 
ist, von der freilich unsere litterarischen Bücher nichts melden. Der wane 
des Hasen ist sprichwörtlich (Renner 12207): aber das Epitheton des Hasen 
schellice weifs ich nicht genau zu erklären. Es findet sich eben so in einem 
Liede, MS.2,94°, Schellic hase in walde und üf gevilde wart nie gar sö 
wilde, und in Rudolfs Bibel und Chronik, 146°, vliehende als ein schellic 
röch. Sebastian Frank (Sprichwörter 1541, Bl.28“) hat das Sprichwort 
Ein schellig rofs sol man nit jagen sonder auff fahen so gestellt, dafs er 
schellig in der zu seiner Zeit gewöhnlichen Bedeutung, zornig, mufs genom- 
men haben. Hingegen im Titurel (Vorr. 50.59) wird unser schellee durch 


Gg2 


936 LACHMANN 


erschellet umschrieben: und in der Wiener Meerfahrt (8,31 = Kolocz. Co- 
dex 5.62), 

si trunken vaste ze pflege 

den starken win über maht. 

dö kom iz über die mitter naht. 

dö wurden sie durchschellec 

und sö gar gesellec, 

von des wines süezikeit 

wurden si sö gar gemeit u.s.w., 
mufs durchschellee wohl gänzlich erschellet heifsen. Aber die durchschelli- 
gen Trinker sind die vom Wein durch und durch getroffenen und zerschell- 
ten: denn in diesem Sinne wird (Freidank 7,1) ein Topf erschellet, ist (Ale- 
xander 1447) das Haupt von Schlägen verschellet, wird ein Damm geschalt 
den das Wasser sprengt (der den Rin und den Roten vierzehen naht verswalte 
und den tam dervon schalte, Wolfr. Wilh. 404, 24): so verspricht Klinsors 
Kunst Eschenbachs Sinne zu erschellen (MS. 2,9°), ganz dem durchschellee 
gleich: so wird ein Helm geschalt (Roland 3116 ihen helm her ime scalte), 
ein Heer (Alexander 1458) und ein Feind (Tristan 7017) erschellet: so im 
Lanzelet 3343 daz ez allez din man solte sin, der in den tagen allen drin sö 
manegen het erschellet. So liefse sich wohl ein schelliger Hase denken, ein 
von Angst zerschellter, und ein ergarner has bei Ottokar von Horneck 291® 
wird ja wohl ein ergorener abgeängstigter sein. Doch aber möchte man 
auch gern bei dem erschellen an den Schall denken, und würklich bedeutet 
es mit einem Schalle treffen; wie es in Wolframs Wilhelm 276, 18 heifst ‚,Sie 
spielten so lange mit Rennewarts schwerer Stange, unz si se nider valten und 
den palas erschalten”, wie im Wigalois 104 daz riefe ich gerner in den walt: 
dä fünde ich doch die tagalt, daz mir min öre wurde erschalt. Allein man 
kommt wohl bei unserem schellec, ob es von Angst zerschellt oder aufgejagt 
bedeute, eben so schwer zu einer Entscheidung als bei dem erschellen im 


Alexander 2190 wande eines hundis bellen mag vil scäfe irschellen — also 
durch sein Bellen aufregen? — 06 si rechtis huoteris niht ne haben, er tuot 


in michelen schaden — also er zerschellt, zersprengt sei? und eben so zwei- 
deutig ist das einzige alte Beispiel das Herr Graff als Erklärung zum Pru- 
dentius gefunden hat, attoniti (nämlich cerebri) irscaltes. 


über den Eingang des Parzivals. 237 


Nun folgt (Z.20) ein neues Gleichnifs, das der zumbe merken soll, 
damit er den unsichern Halt der Untreue vermeide, der Spiegel und des 
Blinden Traum. Zin anderhalp ame glase, Zinn und Quecksilber auf der 
Rückseite des Glases, im Titurel ein glas mit zine vergozzen — der Titurel 
fährt fort und troum des blinden triegent, wonach ich hier gesetzt habe ge- 
leichet. Von diesem nur im Hochdeutschen seltenen Worte, geleichen, inlu- 
dere, weist Grimm (Gramm. 1,934) das Präteritum geliech nach: schwache 
Formen hat Schmeller im Baier. Wörterb. 2,420. Die Lesart der Hand- 
schriften ist zwar nicht ohne Sinn, der Spiegel und des Blinden Traum ge- 
lichet oder gelichent, sind sich gleich: denn gelichen wird zuweilen intran- 
sitiv gebraucht (des menschen und des vihes sin mit namen gelichent under 
in, Rudolfs Bibel 12°): aber dies, dafs die beiden Bilder einander gleich 
sind, als den Hauptpunkt des Gedankens hinzustellen, wäre zwecklos und 
matt. Freilich aber hat der Dichter neben den Spiegel absichtlich nicht des 
Armen Traum gestellt, sondern den Blinden dem mit Träumen wohl ist 
(Renner 7900), weil er den falschen Schein des Gesichts im Spiegel und im 
Traum des Blinden zusammenfassen wollte, die gebent antlützes roum. Roum 
scheint im Titurel (51) durch kranken schin ausgedrückt zu werden: es mufs 
ungefähr das triegerische Bild oder den Wahn bedeuten. Wieder im Parzival 
337,12 sit gap froun Herzeloyden troum siufzeberen herzeroum. In einem 
Gedicht in den altdeutschen Wäldern 2, 138 reimt auf in einem tram, d.i. in 
minem troum, sunder wän — ohne Zweifel sunder roum. Auch in Rudolfs 
Bibel hat die Königsberger Handschrift 237° zroume, wo roume zu lesen ist: 
ich bedaure dafs ich die Worte selbst nicht anführen kann. Bestand, sagt 
der Dichter, kann dieser trübe leichte Schein nicht haben. So der tugend- 
hafte Schreiber, MS. 2,102’, waz frumt lihter schin den blinden? waz touc 
tören golt ze vinden? Die nächste Zeile, er machet kurze fröude alwär, 
lehrt uns der Dichter des Titurels, indem er im Gegensatze (55) sagt diw 
fröude lanc beweeret, so verstehen, Er macht nur kurze wahre Freude; wo 
denn das zweite Adjeetivum, wie gewöhnlich, unflectiert nachgesetzt worden 
ist. Alwär als Adverbium zu nehmen, für wahrlich, erlaubt meines Wissens 
der Sprachgebrauch nicht. 

Wie aber sollen wir den nun folgenden Spruch (Z.26 ff.) fassen? 
denn auf den ersten Blick läfst sich ihm nichts Bestimmtes abgewinnen. Die 


Form der Rede darf uns nicht teuschen: es ist besonders bei Wolfram ge- 


fe) 


238 Lacumann 


wöhnliche Weise (selbst hier im Eingange noch einmahl, 3,8), den relativen 
Vordersatz in einen Fragesatz aufzulösen. Also, Wer mich rauft wo mir nie 
ein Haar wuchs, inwendig in meiner Hand, der versteht oder erfährt (beides 
kann hat erkant heifsen) gar nahe Griffe. Das Raufen an der haarlosen in- 
nern Seite der Hand, welches auch sonst zur Bezeichnung verwegener und 
unmöglicher Unternehmungen dient, ist gewifs jeder zuerst geneigt mit dem 
vorhergehenden leichten teuschenden Schein und mit dem folgenden wil ich 
triwe vinden alda si kan verswinden? zusammenzubringen: wer rauft wo kein 
Haar ist, wer die Treue da sucht wo sie nicht zu finden ist, der versteht sich 
auf allzu nahe Griffe, der hat die Kunst des Suchens schlecht gelernt. So 
hat es der Verfasser des Titurels genommen, obgleich er die nähen griffe 
in der Umschreibung ausläfst. 

er ist an prise ervceret, 

swer mich in miner hant enmitten roufet, 

sit daz er niendert här dar inne vindet. 
Seine geistliche Auslegung ist dem Sinne des Dichters fremd, 

der stete fröude suochet 

in dirre welt, ich wen si sam verswindet. 
Woran man wohl auch denken könnte, dafs ndhe griffe erkennen bedeutete 
Von dem Gerauften gefafst und gestraft werden, das wird man doch lieber 
aufgeben, weil näher grif für das Festhalten der Finger des Raufenden ein 
wenig bestimmter Ausdruck sein würde. Nun aber ist es doch höchst son- 
derbar, dafs Wolfram sich hier der ersten Person bedient, also sich selbst 
als den bezeichnet der ohne Verlafs sei, bei dem man vergebens die Treue 
suche. Und doch sagt er nachher nicht nur wil ich triwe vinden aldä si 
kan verswinden? sondern auch gleich nach unseren Versen, Ich bin verstän- 
dig wenn ich gegen das was ich zu fürchten habe aufschreie. Dazu kommt 
dafs zu nahen greifen wenigstens im späteren Sprachgebrauch bedeutet Ei- 
nem zu nahe treten, indem man zu weit um sich greift. So wird man denn 
wohl wahrscheinlicher finden dafs die nähen griffe die des Angreifenden 
sind, eben die nachfolgenden vor'hte, Gefahren. Dann aber verändert sich 
der Gedanke durchaus. Der greift mir allzu nah, der geht mir stark auf 
den Leib, der mich innerhalb der Hand, wo ich kein Haar habe, rauft. 
Der ungetreue Freund, der so wenig Beständigkeit hat als ein Spiegelbild 
oder des Blinden Traum, der sich aber in mein Vertrauen einschleicht und 


über den Eingang des Parzivals. 239 


mir schaden kann wo ein offenbarer Feind nichts Angreifbares findet, er der 
mich selbst in der haarlosen Hölung der Hand rauft, geht mir zu nah. Wenn 
ich vor solcher Gefahr aufschreie, das ist doch gewils meinem Verstande ge- 
mäls. So müssen wir nun gleich die zwei folgenden Verse, 

sprich ich gein den vorhten och, 

daz glichet miner witze doch, 
zu dem vorhergehenden ziehen. Och ist hier die Interjection, we unt och 
im h. Georg 1078. Er nesprach nie och noch we, steht in der Kaiserchro- 
nik Bl.29°, und der Marner sagt, MS. 2, 176°, 

swer wilden mardr in schözen zamt 

und leit dem lewen ein joch, 

ob im sin hant dä niht erlamt, 

sö mag er doch wol sprechen och. 
Der Dichter des Titurels erklärt 

sprich ich gein disen vorhten och, 

als den daz fiwer brennet. 

Nun haben wir erst recht den Dichter in seiner Weise. Wie er es 
liebt, ‚zwei Gedanken sich durchschlingen zu lassen und abwechselnd von 
einem zu dem andern zurückzukehren, so verbindet er hier durchaus die 
Schilderung der Untreue mit der Warnung sich von ihr nicht teuschen zu 
lassen. Diese Verbindung fanden wir schon oben V.15 dadurch angezeigt, 
dafs das fliegende Beispiel unerfahrenen Leuten leicht entwische. Dann 
folgten die neuen Gleichnisse von Spiegel und Traum; darauf die Gefahr 
des Raufens und dabei das angstvolle Aufschreien. Nun (2,1) wieder Bil- 
der: Wie werd ich Treue finden wo sie zu vergehen pflegt, wie Feuer im 
Brunnen und der Thau von der Sonne? Dann (2,5) wieder angeknüpft an 
das Weherufen in der Gefahr, Hab ich doch nie einen noch so weisen Mann 
gekannt, der nicht gern erfahren hätte wie gute Lehre diese Betrachtungen 
geben und welher stiure si gernt. Dies ist im Titurel, wo überhaupt der 
Gedanke dieses Satzes durchaus verändert worden ist, so umschrieben als 
ob es hiefse welher stiure disiu mere wernt oder waltent: es steht aber gernt, 
welcher Leitung sie begehren, also, wie sie begehren dafs man sich steuern, 
sich führen solle. Im Welschen Gast 10,6 

swer ist od wirt tugenlhaft, 


dem gib ich ze vriuntschaft 


240 LACHMANnN 


min buoch, daz er dä mite 
stiure sine schoene site. 
Dar an (2,9), in der Kenntnifs dieser Sätze lassen die Weisen nie ab sowohl 
zu fliehen als zu jagen, zu entweichen und umzukehren, zu tadeln und zu 
loben. Wer mit diesen schanzen, mit diesen Gegensätzen, die auf Gewinn 
und Verlust stehen, wohl Bescheid weifs, dem hat der Verstand (er wird 
personificiert gedacht, vrou Witze) sich günstig gezeigt; ein solcher Weiser, 
der sich nicht versitzet, nicht durch zu langes Stillsitzen fehlt, noch sich 
vergeht, und auch übrigens verständig ist, oder, wie Wolfram, nach dem 
gewöhnlichen Sprachgebrauch seiner Zeit, mit vollständigerem Wortspiel 
sagen konnte, sich wol verstet. Statt sich versitzet hätte er auch sich verliget 
setzen können: aber Haug von Trimberg sagt auch von den tugendhaften 
Leuten, und zwar ohne Wortspiel, si gent stent und sitzent eben (Renner 
7056). Endlich folgt (2,17) wieder noch einmahl die andere Seite des Ge- 
dankens, als das worauf sich die Klugheit des Weisen bezieht, ein neues 
Gleichnifs von der Untreue. Falsch geselleclicher muot, die Gesinnung des 
treulosen Freundes, ist zem hellefiure guot, hilft ihm in das Feuer der Hölle, 
und ist höher werdekeit ein hagel, und zerstört wie ein Hagelschlag seine 
hohe Geburt und Ehre. Das Gleichnifs selbst aber weifs ich nicht zu erklä- 
ren, obgleich die Worte deutlich sind: die Präterita deuten auf ein bekann- 
tes Beispiel, eine Art von Fabel, (1) ‚‚des Unstäten Treue hat so kurzen 
Schwanz, dafs sie noch nicht den dritten Bifs vergalt, wenn sie mit Bremsen 
in den Wald fuhr.” Benecke hat hier an das Bild eines Rindes oder Pferdes 
gedacht, das im Walde sich mit zu kurzem Schwanze die Bremen nicht ab- 
wehren kann. Aber beifsen die Bremen? und was heifst das, ‚‚ein Rind 
fährt mit Bremen in den Wald”? — denn aus dem di bremen der sangalli- 
schen Handschrift wüste ich gar nichts zu machen. Wie kann der Zagel als 
der treue Gesell des Thieres betrachtet werden? Ein Freund weist mir eine 
Stelle in Fischarts Gargantua, Cap.19, S.253 (1590), wo allerdings von 
einem Beistand die Rede ist welchen die frommen Bremen thun. Bifs sie 
uber Orleans kamen. Allda was ein weiter breiter Wald, in die Läng auff 


(‘) Wie man z.B. sagt der gewägte, der genas, die wil er unverzaget was (Liedersaal 2, 
701), und wie eine Fabel vom Teufel, der von Jagdhunden verfolgt ward, bezeichnet ist in 
demselben Gedichte S.702 nu genas der tiufel doch vor den vorloufen noch. 


über den Eingang des Parzivals. 241 


treifsig fünff Meilen und inn der breite sibenzehen, drunder und drüber 
ungeferlich. Derselbige war grausam fruchtbar unnd voll von Brämen 
oder Kühfliegen, also dafs es für die arme Thier, Esel unnd Pferd, die da 
durchzogen, eine rechte Rauberei unnd Mörderei war: Sollen, wie Tillet 
schreibt, von den Völckern Rhyzophagen oder Wurtzelfressern dahin ge- 
bant und verflucht sein worden, als sie gar aufs der art der andern from- 
men Brämen schlugen, und nicht mehr wie vor inen einen beistand thun 
wolten, und die Löwen tapffer anpfetzen, wann sie im Wurtzel delben inen 
hinderlich sein wolten. Bei Rabelais steht nichts davon: aber unser Freund, 
der Fischarts verborgensten Quellen nachzuspüren weifs, wird uns wohl bald 
auch dies Gleichnifs erklären können, das leicht noch im sechzehnten Jahr- 
hundert manchem nicht so schwierig und wunderlich vorgekommen ist als uns. 

Wenn nun dies Gleichnifs wieder die Treulosigkeit beschreibt, so 
kehrt der nächste Satz (2,23) abermahls zu der mancherlei Lehre zurück die 
sich der Weise daraus nimmt, wie es vorher hiefs. Was dort schanze ge- 
nannt wurden, das Fliehen und Jagen, das Entweichen und Wiederkehren, 
das Tadeln und Loben, das sind hier underbint, das heifst Unterschiede. 
Das Wort ist, wie auch sonst, hier Neutrum, obgleich keine Handschrift 
disiu giebt. Einige haben dise manige slahte: dann wäre underbint Geniti- 
vus Singularis im Femininum, wie das Wort allerdings auch gebraucht wird. 
Diese mancherlei Unterschiede sind nicht ganz von mannen, wie die meisten 
Handschriften haben, oder von manne nach den beiden besten, wie es vor- 
her hiefs (Z.5) sö wisen man. Für die Weiber, das heifst auch für sie, 
stecke ich diese Ziele. Die meinem Rathe folgt, die wird wissen wohin sie 
ihr Lob und ihre Ehre wenden und welchem Manne sie ihre Liebe und 
Würdigkeit bieten soll, so dafs Keuschheit und Treue sie nicht in Leid 
bringt. (3,3 ff.) Um die rechte mäze, das Abwägen und genaue Schätzen 
(hier zunächst der Männer) damit sie jedes Zuviel und Zuwenig meiden, 
darum bitte ich vor Gott für gute Weiber. Dazu führt sie die Schamhaftig- 
keit: denn scham ist ein slöz ob allen siten, die Schamhaftigkeit hat alle 
Handlungen des guten Weibes unter dem Schlosse. Um mehr Glück, aufser 
dieser Tugend, darf ich Gott nicht für sie bitten. 

Aber nun (3,7 ff.) wird auch auf die Weiber das Hauptthema ange- 
wandt. Auch die Weiber müssen treu und beständig sein: dies ist ihr Ruhm, 
nicht die äufsere Schönheit. Die Falsche, sagt der Dichter, erwirbt nur 

Philos.- histor. Abhandl. 1835. Hh 


243 LAcHuMıAnn 


falsches unechtes Lob: es vergeht wie dünnes Eis das Augusthitze trifft. 
Und dann folgen Gleichnisse über die Schönheit und den inneren Werth der 
Frauen. Manches Weibes Schönheit wird weit umher gelobt: ist bei der 
das Herz conterfeit, übele getän, nicht wohl gemacht (denn dieses im deut- 
schen nicht seltene Wort hat ganz seine französische Bedeutung), so lob ich 
sie wie ich das in Gold gefafste safer loben würde. Das safer, welches im 
folgenden dem Rubin entgegengesetzt wird, ist Saffern Zaffern oder Saflor, 
ein aus Kobaltkalk gewonnenes Glas. Man findet es eben so in dem Ge- 
dichte Heinrichs von dem Türlin, der äventiure kröne, sprichwörtlich und 
gleichnifsweise erwähnt. 

wan hoeret daz ofle sagen, 

daz etswenne gevalle 

ein swachiu kristalle 

nähen zeinem smäreise. 

ouch enpfähet niht der weise 

gar des riches kröne: 

daz ist wär, im ligent schöne 

ander sin ungenöz bi. 

beidiu kupfer unde bl 

wirt mit silber versmit. 

ouch wont dem röten golde mit 

ofte bleicher messinc. 

disiu mislichiu dine 

behabent ofte geselleschaft 

dä in gebristet werder kraft. 

als muoz man mir entliben 

daz ich schül beliben, 

dä man lieht stein geselzet hät, 

doch an des schaffers stat: 

so erliuhtet mich ein rubin, 

der siner tugent liehten schin 

an min tunkel wendet 

und mir ein lieht sendet. 
An einer andern Stelle desselben Gedichtes steht unrichtig saphir, welches 
auch hier die Mehrzahl der Handschriften hat. 


[X2] 
en 
[9®) 


über den Eingang des Parzivals. 


niht vol er (Key) die rede liez 

unz in die rede läzen hiez 

künc Artüs und stöut in. 

er sprach „vür golt verworfen zin, 

saphir vür den rubin! 
Zweites Gleichnifs. Auch halt ich es nicht für Zöhtiu oder ringiu dinc, für 
etwas leichtes, wenn man in den schlechten Messing den edeln Rubin ver- 
arbeitet, den Rubin und all seine @ventiure, alles was einem zugekommen 
ist, all sein Vermögen und Glück: denn dem gliche ich rehten wibes muot, 
für des Mannes ganzen Reichthum halte ich die rechte weibliche Gesinnung 
des Weibes. Die ihrer Weiblichkeit, ir wipheit, ihrem wibes namen, recht 
thut, bei der werd ich die varwe, das äufsere Aussehen, nicht prüfen, noch 
das sichtbare Dach ihres Herzens. Ist sie innerhalb der Brust wohl behü- 
tet, so ist da draufsen ihr werthes Lob ohne Scharte, unverschertet. 

So hat der Dichter, von der Hauptwendung seiner Fabel ausgehend, 
sein Lob der Treue durchgeführt. Zuerst ward die Treue gegen Gott und 
Menschen der Untreue und dem Zweifel entgegengesetzt, dann gewarnt vor 
dem Vertrauen zu den Unstäten. Auch die Weiber sollten ihre Gunst nur 
den Treuen zuwenden, aber die Weiber selbst nur durch ihre Treue, nicht 
durch äufsere Schönheit, des Lobes der Männer theilhaftig werden. So 
bricht er seine Betrachtungen ab (3,25), verspricht seinen Zuhörern dann 
ein mannigfaltiges Gedicht von grofsem Umfang, und geht nach dem Lobe 
seines noch ungebornen Helden zu der Geschichte seines Vaters über. 


Beilagen. 


I. 


Da für die Erklärung des Einganges zum Parzival die Vorrede zum 
5 gang 
Titurel wichtig ist, scheint es mir am zweckmäfsigsten, da man sie doch nir- 
{o) ’ 5 $) 
gend in einer erträglichen Gestalt gedruckt lesen kann, sie hier ganz beizufü- 


Hh2 


244 LAcHhMmaAnN 


gen, in einem Texte der wenigstens besser ist als ihn der Druck von 1477 
oder irgend eine einzelne Handschrift giebt: nachdem das Verhältnifs der 
Handschriften gegen einander wird genauer erforscht sein, kann es sich 
freilich ereignen dafs der Herausgeber oft ganze Zeilen anders liefert als ich 
jetzo. 
1. An angenge und än letze 
bistu, got, @wic lebende. 
din kraft än undersetze 
himel und erde helt enbor üf' swebende. 
din ie, din immer, ist gar ungephahtet: 
sam wirt din hache breite 
lenge tiefe nimmer mer betrahtet; 
2. Swie doch gedanke gähent 
snel vor allen dingen, 
die nimmer dar genähent 
dä si dinen gwali mügen erswingen, 
noch din herschafl alsö übergröze. 
keiser aller künege 
bistu, got herre, und niemen din genöze. 
3. Ze prisen und ze rüemen 
ist immer din getihte, 
sit du reine blüemen 
himel und erde kundest gar von nihte, 
den himel mit der engelschar gehöret, 
die erden mit gezierde 
dä von din lop in himel wirt gemäret. 
4. Der berge tal und steine 
holz wazr und al ertriche 
zermüele und machte kleine, 
dem daz in der sunnen vert geliche, 
swer daz alz ze reht erzelen künde, 
noch manger tüsent mile 
ist von der gotes hoeh an sin abgründe. 
3. Wä möht sin kraft geherret 
halt iendert gwalts erwinden? 


über den Eingang des Parzivals. 


sin gwalt an breit sich verret, 

ie lengr ie witr, alumbe än endes vinden. 

als er ie än angenge was got lebende, 

er ist und richset immer 

hie und dort äwege fröude uns immer gebende. 
6. Volkomen ist ebentrehtec 

sin herschaft, diu niht slifet. 

mit siner maht almehtec 

er himel und erde und wäc al umbegrifet. 

daz ist in siner hant ein kleine balle, 

und sinen klären ougen 

durchsihtie lüter baz dan kein cristalle. 
7. Daz darftu, menschen künne, 

doch haben niht für wunder. 

baz dann durch glas vil dünne 

siht er durch aller menschen herze besunder. 

sit alliu dince von siner kraft geschehende 

sint mit geschefte üz nihte, 

noch sanfler ist er elliu dince durchsehende. 
8. Diu mangen tüsent mile 

sint niht umb sust benennet: 

noch manger jäar mit wile 

der mensche lebt in eweger fröud erkennet, 

oder in noeten ewiclich zer helle. 

die wil der mensche ist lebende, 

got git im wal ze nemen swelhz er welle. 
9. Undr allen creatiuren 

die got schaffen ruochte, 

die reinn und die gehiuren, 

dä bi was einiu gar diu üz ersuochte: 

swie höch got mensch und engel hät geedelet, 

noch edeler ist diu tugende, 

der edel ob aller edel höhe wedelet. 
10. Wie bin ich des nu mugende? 

wä kan ich daz bewaeren? 


946 LaAcHMaAnN 


got selbe ist alliu tugende: 
durch daz sö mac mich niemen des ervoeren. 
got der geschuof durch tugent mensch und engel; 
des Lucifer verstözen 
wart, dö er het an tugende mengel. 
11. Der muoz in abgründe 
liden marter quele. 
die aber tugende künde 
heten, den ist wol bi Michahele, 
der bi got mit tugende was gesigende: 
ze heile manger sele 
ist er noch tugende für untugende wigende. 
12. Die engel wären alle 
ri, willkür unbeschermet, 
€ daz untugende galle 
mit ter höchfart undr in wart getermet. 
die got sach tugent für untugent kiesen, 
die firmet er mit tugende, 
daz si niemer ir tugent möhten fliesen. 
13. Ir tugende sigenünfte 
wart in hie von ze miete, 
eweger fröuden künfte, 
daz in untugent die nimmer mer verschriete. 
näch töde der mensche ouch alsö wirt gefirmet, 
daz wir vor alln untugenden 
sin immer mer gevestet und beschirmet. 
14. Wer wil nu mit der tugende 
untugende widerstriten 
inz alter von der jugende, 
daz wir näch töd vor allen hellegiten 
eweger nöt beliben sunder kriege? 
sö firmet iuch mit tugenden, 
daz iuch unedel untugent iht betriege. 
15. Ob nu der mensche vellet, 
der tugende sich besundert 


über den Eingang des Parzivals. 


und sich Lucifer gesellet, 
der kumt wol wider. wer ist der den des wundert? 
den kan ich diser fräge wol gestillen. 
der mensche wart verräten: 
dö viel der engel selb mit argem willen. 
16. Sus viel er von gedanken, 
der werke sunder rüere. 
der mensch in sünden wanken 
ist wort gedank und werke nu volfüere, 
und mac sich dannoch engelschar gefriunden. 
des hab wir got ze lobenne: 
wan engel valsch sint gar die ungeniunden. 
17. Ob menschen sünden riuwe 
ist an dem herzen klebende 
ze reht mit ganzer triuwe, 
unz an die wil daz er ist fride gebende 
got und der sel näch töd vor allen sünden, 
durch keiner sünden schulde 
darf in genöz der helle niemen künden. 
18. Wirt iemen sünde üf ladende, 
der sol den zwivel hazzen. 
vor allen dingen schadende 
ist der zwivel al den toufes nazzen. 
den zwivel hän ich vor ein teil enboeret: 
wie er näch helle verwet, 
an Parciväl man daz von Erste hoeret. 
19. Die tregen dä man merket 
und der witz die tunkel sehende 
mich zihnt, ich hab verterket 
ein phat vil wit, daz lige der diet unspehende, 
dar zuo hab ich in schef und bruck enphüeret, 
sträz und phat also verirt, 
immer al ir verte ungerüeret. 
20. Hie wil ich niht mer sümen 
der selben sache künde, 


ST 


248 


LACHMANN 


gar al die sträze rümen. 


ir irreganc der weer mir lihte sünde. 


ich 


wil die krümb an allen orten slihten; 


wan sümeliche jehende 


sint, ich künn es selbe niht verrihten. 


21. Wie Parzifäls an hebenne 


si, des habt hie merke, 


mit 
dar 
daz 
daz 


mit 


tugende-lere gebenne. 

zuo geb uns der hoehst mit siner sterke 
wir gevolgen aller guoten löre, 

wir gebenediet 

gote haben zeswenhalp die kere. 

22. Ist zwivel nächgebüre 


dem herzen iht die lenge, 


daz 


wer 


muoz der sel eil süre 


den ewiclich in jämers strenge. 


herze, hab die steete an dem gedingen, 


wär minne, rehten glouben: 


sö mac der sdle an scelekeit gelingen. 


23. Gesmeehet und gezieret 


ist übel bi der güete. 


ob sich alsus parrieret 


ein 


lip mit sünden, klein odr überflüete, 


und got dar umb in vorhten doch erkennet, 
in hofe sinr erbermde 
sö wirt diu smeeh mit zierde gar zertrennet. 


sol 


24. Unverzagt an muote 
manlich herze werben. 


durch übel sol daz guote 


manlich herze niemmer län verderben, 


daz sin agelstervarwe sich vereine 


und werd übr al der blanken: 


und ob diu blenk sich aber danne entreine, 


vor 


25. Dannoch si der geile, 


allem zwivel sunder, 


über den Eingang des Parzivals. 249 


swie er üf beider teile 
ste, des himels und der hell hm under. 
unsteter muot dem tiuwel wirt gesellet: 
die selben sint geverwet 
vinstervar und eweclich gehellet. 
26. 50 habent sich an die blanken 
varwe näch der sunnen 
die steeten mit gedanken. 
die varwe gü ein ursprinc aller brunnen, 
der menschlich künne alsus clärifizieret, 
daz er von trüeber aschen 
der engelschar gelich sus kundewieret. 
27. Ein brunn der sö die lenge 
gewalteclichen springet, 
mit si@t än anegenge 
des fluz mit wisheit voller seelden klinget: 
der süezen miltekeit gar überflüetet 
stet wit ein se geflozzen, 
des güet gar alle güet hät übergüetet. 
28. Der brunn der flüzz gesäwet 
der magenkraft sich phlihtet, 
än angenge immer gäwet. 
got vater, din gewalt mach uns verrihtel 
der wisheit so daz wir dich sun erkennen: 
heilger geist, din güete 
müez uns bewarn vor boeser geiste brennen. 
29. Ein se, ein fluz, ein brunne, 
der stet alsus gedriet: 
swer wisheit merken kunne, 
der merk wies alle dri doch sint gefriet 
aller elementen, wan des einen. 
vater, sun, heiliger geist, 
ein got, du maht noch groezer kraft erscheinen. 
30. Ein brunne höch der lebende 
ist der den ich dä meine: 
Philos.- histor. Abhandl. 1835. li 


250 LAcHMANN 


mit wazzer ist er gebende 
dise clärheit edel und alsö reine, 
daz engelschar ein irdisch lip genözet, 
wirt goles nam gedriet 
ze reht genant, sö mann inz wazzer slözet. 
31. Der touf' die sele erblenket 
höh über snewes varwe: 
wirt minnen viur gevenket 
dar inn mit rehtem glouben al begarwe, 
dar zuo gedinge sunder zwivels wanken, 
hie mit sich dann luzernet 
diu sele höch übr al der sunnen vanken. 
32. Ein got, din nam gedriet, 
und doch ein got al eine, 
din touf' tuot sus gefriet 
den menschen gar vor allen sünden reine; 
durch daz diu schrift uns leret nu mit flize, 
daz wir gar ungemeilet 
behalten wol die selben wät sö wize. 
33. Diu diet diu niht geloubet 
die kraft des heren toufes, 
wie sich diu salden roubet 
an höhen fröuden iemer werndes koufes! 
sit er mit siner worte kraft hiez werden 
himel stern loub unde gras 
vische vogel würme tier und erden, 
34. Noch alsö krefteriche 
sint siniu wort gesterket, 
daz er gewaltecliche 
den touf mit sinen worten sus beserket: 
ob ein mensch het al der werlte sünde, 
lüter sam diu sunne 
wirt ez ir aller in des toufes ünde. 
35. Got mangiu wunder spache 


5 
mit wazzer dicke erzeiget: 


über den Eingang des Parzivals. 251 


swer im niht krefte jaehe 
ob aller kraft, der wer von im geveiget. 
er rert ez üz den lüften gröz und kleine, 
eil sanfl in wazzers wise, 
und vallet under wilen sam die steine: 
36. Etwenne in sölher wize, 
der clärheit wol gerichet, 
sö daz gein sinem glize 
nie niht üf erden wart daz im gelichet: 
eiwenn sö riselt erz in süezem touwe. 
danne et wazr al eine, 
ez wer üf erde niht in lebender schouwe. 
37. Got machet brucke herte 
üz wazzer dem vil weichen, 
und sträz der wagenverte. 
sin kraft diu kan für alle krefte reichen. 
er macht ouch üz dem wazzer lieht cristallen, 
dar inne ein viur sich Junket, 
und muoz durch ander tugende wol gevallen. 
38. Wie wazzer sich cristallet! 
daz tuot got sölher wise. 
vil tiefe sich vervallet 
in höher velse klamme last von ise, 
hitze winde wazzers gar vereinet, 
und lit aldä die lenge: 
sus wirt ez lieht cristalle klär gesteinet. 
39. Der nam Krist sceldenriche 
mir seleclich gevallet. 
ir kristen al geliche, 
schaffet daz ir iuch zuo Krist kristallet, 
daz iuch kein hitze wint noch wazzers ünde 
von Kriste niht vertribe: 
sö hät iur kristen Krist in selden künde. 
40. Hohvart gelich dem winde 
von Krist vil mangen tribet: 
1619 


DD 


LAcuMANN 


der hitz gelich ich vinde 
unkiusch, diu niht bi Kriste übr ein belibet: 
des wazzers gütekeit diu kan sö wüeten, 
mit güzzen vil der kristen 
kan si von Kriste zuo der helle flüeten. 
41. Enidorjum (!) diezen 
siht man ze allen stunden, 
und wazzer dar üz fliezen, 
und wirt an siner groez niht minner funden. 
der stein hät sölhe kraft von gote besunder. 
von wann daz wazzer fliuzet 
in den stein! daz ist von got ein wunder. 
42. Und doch ein wunder kleine, 
der ez ze rehte merket; 
sit got daz wazzer eine 
‚für ander elementen hät gesterket. 
daz wazzer fiur gewalteclichen swendet, 
den luft ez dürkel houwet, 
die erden an ir kraft ez dicke phendet. 
43. Der sacrament daz merre teil 
mit wazzer wirt geblüemet, 
dä mit aller kristen heil 
wirt &weclich von engelschar gerüemet. 
doch hat daz wazzer heilekeit niht mere 
dann ander elementen, 
swie im die heiden geben gotlich ere. 
44. Durch daz si niemen jehende 
dem wazzer heilekeite, 
€ daz si im geschehende 
von priester si, daz er si dar bereite 
mit worten diu dar zuo von reht gehcerent. 
von worten sacramentä 


gewinnent kraft, diu uns ze got enboerent. 


(') Enhydros Plin. 37,11,73. Isidor. orig. 16,13,9. Parzival 791,18. 


über den Eingang des Parzivals. 


49. Fiur und wazzer beide 
in einem vazze kleine 
got hät än underscheide. 
ich mein, des winters zit, in einem steine, 
dar üz das wazzer in der stuben switzet. 
nu slach dar in mit iser: 
an dem frost daz fiwer dar üz glitzet. 
46. Mit wazzer wirt becläret 
der mensch noch ander wise. 
swie vil er hab geväret 
sünden meiles, in daz paradise 


daz wazzer in dar zuo den werden bringet. 


ich mein daz üz den ougen 

mit der wären riwe von herzen. dringet. 
47. Der wazzer in die lüfte 

widerberges keret 

und ez mit kalter tüfte 

üf erde nider in blanker varwe reret, 

der müez uns widerberges wazzer ziehen 

von herzen üz den ougen, 

dä mit wir aller vinsternüss enpfüehen, 
48. Und uns an die blanken 

mit steetekeit wol halden, 

mit werken, mit gedanken, 

alsö daz wir der wizen weete walden, 

äne meil, als uns der touf erglenzet, 

und ander sacramentä: 

diu machent uns vil seleclich bekrenzet. 
49. Ich sol wider anz mere 

des anevanges grifen. 

an witzen wirdebere 

ist er wol, swer im niht lät entslifen. 

vor agelastervarwe iuch under machet, 

habet iuch gein der blanken: 

diu swarz an werdekeit ie was verswachet. 


253 


254 


Laıcnmann 


50. Diu flüge dirre spelle 
fuor den tumben liuten 
für ören gar ze snelle: 
durch daz muoz ich hie worticlich bediuten. 
ez lät sich sanfler danne hasen vähen 
(ich mein die sint erschellet): 
än suochbracken mac man ez ergähen. 
51. Ein glas mit zin vergozzen 
und troum des blinden triegent. 
hät iemen des erdrozzen, 
sö wundert mich niht ob die gein mir kriegent. 
spiegelsehen und blinden-troum antlütze 
gebent in krankem schine 
und sint an aller steetekeit unnütze. 
52. Und ist der blinde iht sehende 
in troume, daz verswindet: 
swenn er erwacht und spehende 
ist daz er sin niender teil enfindet, 
sö wirt sin fröuden wän in leit verwandelt. 
swer in den spiegl ist sehende, 
dem wirt sin antlütze missehandelt. 
53. Fil krump wirt im daz slehte, 
daz lieht vil dicke vinster: 
sin ouge daz gerehte 
wirt im offenliche gar daz winster. 
noch triugt der welte süeze michel märe: 
ir wünneberndiu fröude 
giüt anders niht wan siuftebere sere. 
54. Ouch mae gesin niht stete 
der welte lieht wirt trücbe. 
angel, dar zuo grate, 
wahsent in ir honec mit scharpher schüebe, 
in ir zuckersüeze ein distel dornec. 
näch minneclichem trüte 


gü si dicke vint unmäzen zornec. 


über den Eingang des Parzivals. 255 


55. Diu fröude lanc bewerret 
uns allen ist verkoufet. 
er ist an prise ervaret, 
swer mich in miner hant enmitten roufet, 
sit daz er niendert här dar inne vindet. 
der steete fröude suochet 
in dirre welt, ich wen si sam verswindet. 
56. Sprich ich gein disen vorhten Och, 
als den daz fiwer brennet, 
daz glichet minen witzen doch 
und allen den (!) der ez als ich erkennet. 
swer vorhte gein der welte unst@te minnet 
mer dann fiures brennen, 
des witze ob aller wisheit stöt besinnet. 
57. Und wil ich triuwe vinden 
in hovesache untriuwen, 
und mich aldar gesinden, 
daz muoz iedoch ze leste mich geriuwen. 
swer üppekeit der welt mit triuwen minnet 
sunder wider keren, 
für wär der ganzen wisheit im zerrinnet, 
58. Sam tou in heizer sunnen 
vert üz der gesihte, 
und ‚fur in einem brunnen. 
den beiden lit ze flüste gar diu phlihte: 
noch michels mer der welte minner fliesent, 
die äne vorht si minnent 
und für die blanken varwe swarz erkiesent. 
59. Ob sinnericher stiure 
disiu mer iht walten, 
diu tuont sich niemen tiure: 
si nement nu die jungen mit den alten, 
und mugent ouch den tumben niht entwichen 


(') und al dem? 


256 


LACcCHMANN 


alsam ein hase erschellet: 

si mugents nu mit merke baz erslichen. 
60. Und hän doch niht erkennet 

man sö rehte wisen, 

wirt im ze künde genennet 

disiu äventiur, ez muoz in prisen 

an witze kraft, ez si vil oder kleine. 

des bin ich ungerüemet: 

wan ez heert an die äventiur gemeine. 
61. Diu hät den sprunc sö witen 

genomen und ir gesinde, 

daz sich ein michel striten 

noch hebt vil liht € daz ich underwinde 

mich der rede sö gar ein übermäze. 

mit bet wil ichz versuochen, 

daz man mich sölher arebeit erläze, 
62. Niht wan durch flust des lebennes: 

daz ist ouch hort der heste. 

wer phliget sölhes gebennes, 


da 


dar umb sö müest ich guoter bürgen walten: 


[2 


er mich libes flüste wider troeste? 


der mir die niht ensetzet, 

sö wil ich lip und leben sus behalten. 
63. Wan inner kraft des herzen, 

dar an daz leben hanget, 

wirt geruort in smerzen, 

dar inn ez wirt verklammet und vertwanget: 

occiput und sinciput ersuochet 

wirt aldurch die zirken, 

unz daz ich bin an witzen unberuochet. 
64. Diu bete mich vervähet 

gein fürsten drin ze nihte. 

sö bin ich der dä gähet 

an ir gebot vil gar in steter phlihte. 

durch si den lip muost ich ze velde wägen 


über den Eingang des Parzivals. 957 


in stürmen und in striten. 

wer si sin, des darf mich niemen frägen. 
65. Dirr äventiure kere 

si krümbe oder slihte, 

sist niht wan tugentlere: 

dar umb sol ich si wisen üf die rihte. 

hie vor ist si mit tugenden anegevenget: 

ir houpt, ir brust, ir siten, 

in füez, die sint mit tugenden gar gemenget. 
66. Nu wünschet, reine frouwen, 

(ich mein die tugent hebende 

mit triuwen ungerhouwen) 

daz mir Altissimus die selde gebende 

si daz ich die äventiur geleite 

alsö daz edel tugende 

dä von die virre wahs und ouch die breite. 
67. Genendekeit mich fliuhet 

an dirre tät begünste. 

wan ez die lenge ziuhet, 

sö bedarf ich werder helfe günste. 

als Dävid was an Goliam gesigende, 

diu selbe hant sö riche 

si mir an disen noeten helfe wigende. 
68. _Almehtie got der krefte 

diu nie wart übersterket, 

kunstlös an meisterschefte 

bin ich der schrift, iedoch min sin wol merket 

din kraft für alle krefte wunder zeichet, 

diu nie wart überhoehet 

noch mit tiefe niemen underreichet. 
69. Din breit und ouch din lenge 

stent iemmer ungemezzen, 

du ie än anegenge 

bist gewesen noch niemmer wirt vergezzen 

diner götlich ewekeit än ende. 


Philos.- histor. Abhandl. 1833. Kk 


255 


LAcHMANnN 


des lä mich, herre, geniezen, 
daz ich gest@ zuo diner zeswen hende. 
70. Gewalt und kraft die grözen 
mac niemen gole volprisen, 
mit zal, mit pfaht, mit lözen: 
iedoch sol mans ze reht ein teil bewisen, 
bescheidenlich durch wirde gote jehende, 
der disiu äventiure 
vil tuot bekant, geschehen und geschehende. 
74. Hie vor in mangen jären 
ist lützel iemen erstorben 
E si betaget wären 
niunhundert jär. sus het mit in geworben 
der elliu dine wol mac und kan volenden. 
er tuot und sol noch werben: 
swaz er wil, des mag in niemen wenden. 
72. Sin wille genäden riche 
an uns erfüllet werde. 
wir sprechen tegeliche 
„got herre vater in himel und in erde‘, 
aldä wir dich ze vater unser nennen: 
almehtie aller sterke, 
sö maht du wol ze kinden uns erkennen. 
73. Swaz dinen kinden wirret, 
daz maht du wol erwenden. 
ob uns niht anders irret, 
sö kan uns niemen diner helf gephenden, 
dann ob wir dich mit broedekeit vertriben. 
din helf diu helferiche 
läz uns bi veterlicher suon beliben. 
74. Du hast durch menschen künne 
wunder vil erzeiget, 
ze fröuden und ze wünne 
die sich ze kinden heten dir geneiget. 
die häst du veterliche höh gesetzet: 


über den Eingang des Parzivals. 


und die dich vater smähten, 

die sint von dir gesmaehet und geletzet. 
75. Swer nu an dir bekennet, 

got vater, disiu wunder 

diu hie werdent benennet, 

und tuot sich doch ze kinde von dir sunder, 

sö daz er dich mit argen sünden smechet, 

ez wirt an im gerochen, 

ob er sich mit der suon gein dir niht neehet. 
76. Du häst den elementen 

gebrochen ir natüre, 

ze seeldenrich presenten 

den guoten, anderthalp ze grözem süre 

den argen, als du teet dem künc Pharöne, 

den du inz mer versanctest 

und diniu kint dar über fuortest schöne. 

77. Din kraft dem wazzer werte 

al sin natiurlich linden: 

gelich dem steine herte 

wart ez ze richen scelden dinen kinden. 

wer ist dich veterliche des nu lobende 

von allen sinen kreften? 

der witz diu meiste menge ist leider tobende. 
78. Driu kint in starkem fiure 

mit höher kraft du nertest: 

und den hie üz untiure 

wart daz fiur. ze räche du behertest 

ir dä vil die üzerhalben wären. 

swie gar durchsehende glüete 

der oven, iedoch diu kint dar inne genären, 
79. Ananie und Azarie, 

Misahel der dritte. 

got herre, ob ich niht sie 

din kint, sö tuo du herr des ich dich bitte: 

hilf mir daz ich die sünde alsö gefliehe, 

Kk2 


260 LAcumaAnN 


mit riuwe bihte buoze, 
daz ich mich wol erbes underziehe, 
80. Und daz mich gar vermiden 
müeze fiur daz gröze, 
daz eweclich kan sniden 
Luciferen und sin hüsgenoze 
und all. die veterlichez erbe fliesent 
und die varwe der sunnen 
werfent hin und vinsternüsse kiesent. 
81. Diu erd ist ouch entrennet 
an ir natüre funden. 
dä si vil ganz erkennet 
was, da hat si starke man verslunden, 
als si Dathan und Abirön verslinden 
ze räch dir, herre, kunde. 
sus kan din kraft wol stricken und enbinden. 
82. Ouch was dir wider gebende 
diu erde gar den töten, 
gesunt und schöne lebende, 
Lazarum. din kraft ist unverschröten 
ie gewert. des was ouch Jönas jehende, 
und manic tüsent ander, 
an den din krafl was und ist hüut geschehende. 
83. ‚Sit gotes kraft besunder 
ist ie gewesen sleele, 
dä bi so merk ich wunder, 
ez wer ouch daz sin wille und sin gercte, 
daz Enoch und Elyas der wise 
vor aller diet durch wunder 
liphaft behalten sint in paradise. 
84. Alsölher wunder sterke 
hät sin golheit re. 
dä bi ich daz wol merke, 
daz sin gewalt wol tüsentvaltic mere 
der welte sunder sterben hete behalten: 


über den Eingang des Parzivals. 261 


wan ez stet in siner hende 
leben und töt: des läzen wir in walten. 
55. Swie wir hie nu sterben, 
doch leben wir dort iemmer 
dar näch und wir hie werben. 
disiu mer künd ich volenden niemmer. 
ein ander were hän ich hie under handen: 
ob ich selb vierde were, 
ich fürht ez würde uns allen ser enblanden. 
Sb. Der üz Provenzäle, 
und Flegetänis parliure, 
heidensch von dem gräle 
und franzoys tuont uns kunt vil äventiure: 
daz wil ich tiuschen, gan mirs got, nu künden. 
swaz Parzifäl dä birget, 


daz wirt ze liehte braht än vackelzünden. 


Il. 


Über die Quellen und Bearbeitungen der Sagen vom Graal, von Par- 
zival und von Tristan, sind wir bis jetzt, wenn wir die Wahrheit sagen wol- 
len, noch völlig im Dunkeln. Die Behandlung dieser Sagen bei den neue- 
sten französischen Forschern kommt ihren vortrefflichen Untersuchungen 
über die kärlingische Fabel bei weitem nicht gleich: und doch sind sie, an 
sich und der ausgezeichneten deutschen Gedichte wegen, einer näheren Be- 
trachtung so sehr würdig. Ich gebe hier nur einen kleinen litterarischen 
Beitrag. 

In meiner Vorrede zu Wolfram von Eschenbach S.XXILf. habe ich 
eine Darstellung der Sage von Parzival und dem Graal nachgewiesen, die 
der Fabel Christians von Troyes näher gestanden habe als der von Wolfram 
gebrauchten, ohne doch mit Christians Gedichte ganz überein zu stimmen. 
Dies ergab sich aus den Anspielungen in der Krone Heinrichs vom Türlein, 
der zwar Wolframs Parzival nicht nur kannte, sondern ihn auch geradezu 
anführt, doch aber daneben jene Anspielungen hat, natürlich aus seiner 
französischen (Quelle. Ich hatte damahls Türleins Gedicht nur in einer Ab- 


262 LAcHMAnNN 


schrift der unvollständigen Wiener Handschrift gelesen: jetzt kann ich aus 
der heidelbergischen, N.374, noch einiges nicht unwichtige hinzufügen. 

Das Merkwürdigste ist nun dafs Heinrich vom Türlein in seiner Krone 
(denn so nennt er es, nicht der Abenteure Krone) den Christian von Troyes 
selbst als den Verfasser des vor ihm liegenden französischen Werkes angiebt. 
Herr Gervinus sagt zwar in seiner Geschichte der deutschen Dichtung I, 
S.61, Christian werde als Quelle ‚‚ohne Zweifel mit Unrecht” angeführt: 
aber ich weifs nicht worauf dieses Urtheil beruht. Vielmehr, da ich hier 
dieselbe Abenteuerhetze finde, welche die Franzosen seinem Perceval mit 
techt vorwerfen, glaube ich gewifs dafs bei näherem Nachsuchen auch die- 
ses Werk Christians von Troyes noch wird gefunden werden. Dann aber 
hätte dieser Dichter, ehe er selbst an den Perceval gieng, über dem er starb, 
auf Percevals Sage als bekannt hingedeutet, und zwar in einer Gestalt die 
von Guiots Darstellung bedeutend abwich. Ob Guiots oder Christians Per- 
ceval älter war, läfst sich aus Wolframs Worten nicht erkennen: das aber 
lernen wir aus der Krone, die Hauptpunkte der Sage hat Christian nicht aus 
eigener Erfindung in so stark abweichender Gestalt gedichtet, sondern er 
fand sie so überliefert. 

Einige der von mir angeführten Verse erhalten durch die Heidelber- 
ger Handschrift entweder Verbesserungen oder doch Varianten. S.XXIL ir 
veter (ir biten) het si wol gewant. Unten mufs es von Blancheflour heifsen 

ouch was diu vrowe von Gäl, 

als ichz vernomen hän, geborn. 
S.XXTI werden die Vorschläge halsslac und umb einen bestätigt, auch @ lit 
merveillös. Andre Lesarten sind den er im mit nide (mit dem schafte) sluoc 
und daz sper und daz (der) riche gräl. Noch sind S.XXH unten, nach 
dem Verse des nahtes an dem bette, die Worte ausgelassen, ‚‚und erwähnt 
ihrer Belagerung, 

daz iuch her Percefäl ervaht. 

Wichtiger ist aber dafs noch einige Anspielungen hinzukommen, de- 
ren Vergleichung mit der Aistoire de Perceval le Gallois nicht uninteressant 
ist, Kaii sagt von Parzifal 

daz er von siner muoter fuor 
als ein töre, und in der fuor 
näch rilterschafl ze hove kam, 


über den Eingang des Parzivals. 263 


dä er ein vingerlin nam 

einer frouwen und si kuste 

alsö dicke in geluste, 

swie si dar umbe weinel: 

wan si was vereinet 

an dem bette in dem paulolin: 

des muost diu rede alsö sin 

als ez wart an ir schin. 
Dies stimmt ganz überein mit der histoire Bl.5°” Ferner Kaii zu Parzifal 

ob halt dann bi iu were 

Goorz von Goromant, 

iu müese werden bekant 

wie ez stüende umb den gräl, 

swie er iu frage alle mal 

verbüte durch werde zuht, 

dö er sö riche male (richgemäle?) fruht 

von ritterschaft an iuch leit. 
Im Roman Bl. 10“ sagt Gornemant de Gohor De rechief vous prie que ne 
soiez langart, ne trop parlant, ou rapporteur de chauldes nowvelles. car nul 
ne peult estre remply de grant langaige, qui sougent chose ne die qui luy re- 
tourne a villennie. Les aucteurs dient aussy que grandes parolles ou trop 
grant plait le vice et le peche atraiet. pour ce, beau filz, chasties vous de 
trop parler, si de tel vice estes tempte. Die Verse und Reime in diesen Wor- 
ten sind wohl entlehnt: ob aus Christian selbst, kann ich nicht sagen. Von 
Parcifals erstem Aufenthalt beim Graal, und der Vorgeschichte, die bei 
Wolfram gänzlich fehlt. 

si heten alle guoten tröst 

und geding ze Parcifäl, 

daz er solte von dem gräl 

ervarn die heimlichen sage: 

dö schiet er dannen als ein zage, 

daz er sin niht enfräget, 

und sich sider niht enwäget, 

do er dar an missefuor 


daz er sin da niht erfuor, 


Lkcumann 


to 
a 
55 


daz erz sider het ervarn. 

sö het er manic muoler barn 

dä mit erlöst von. grözer nöt, 

die beide lebent und ouch sint töt. 

wan disiu jämers nöt geschach 

von sinem velern. den erstach 

sin bruoder durch sin eigen lan. 

durch dise untriwe het gewant 

got sinen herten zorn, 

daz ez mit alle was verlorn, 

über in und daz künne al. 

daz was ein jemerlicher val. 

swaz sin lebt, daz wart vertriben: 

die aber tot beliben, 

die fuoren doch in lebens schin: 

daz muos ir aller wize sin, 

und liten gröze nöt dä mite. 

doch heten si tröst unde bite 

von gote und gnäden sö evil, 

daz si funden kumbers zil, 

als ich dir nu sagen wil. 

Ob des geslehtes ieman were, 

der in dise swere 

dä mit enden wolte, 

daz er ervaren solte 

dise gröze äventiure, 

daz were liebes stiure 

diu si leides ergetzet, 

und würden gesetzet 

in gewone freude wider 

beide die tot ligent nider 

und ouch die die noch lebent. 
In der histoire, Bl.192'“, erzählt der roy peschor dem Perceval Dedens le 
chasteau de Quinqueran estoit le roy Gondesert mon frere, qui moult fust 
de grande renommee, par son scavoir, par sa hardiesse et prouesse, et par 


über den Eingang des Parzivals. 2365 


ses belles vertus. lequel fust en ce chasteau assiegd par ung Espinegres 
nomme (£.183" roy Pinegres, der Sohn der royne Brangemore de Cornuaille), 
qui amena avec lui grande puissance tant de chevalliers que le souldoiers pie- 
tions. mon ‚Jrere contre luy en bataille sortit, et si bien se maintint que toute 
sa gent desconfist. et par ainsy furent ceulx de dehors vaincus. et cil qui 
depuis maincts Jours a vescu, ung moult hardi nepveu avoil; (@) lequel luy 
fist veu et promesse que le mien ‚frere occiroit ce jour, comme il a ‚feiet. cest 
chose seure par bien grande maladventure. car quant la desconfiture peist, 
et que les siens avoient tourne le doz, le sien nepveu se desarma, et puis apres 
les gens de mon frere dedens le chasteau entra, parce quiil estoit incogneu, 
et cuiderent quil Just des leurs. puis au chasteau ung mort trouva; lequel 
si tost eust desarme, et de ses armes sen arma, et se remist droict a la voye, 
tenant TVespee dont vous avez les pieces joinctes. et quant il Jfust en la bataille, 
devers mon ‚frere se tira, tenant Tespde en sa main nue. mais mon Jrere de 
lui ne se gardoit, parce que pour certain cuda quil Just des siens, et avoit 
son heaulme oste, pensant la noise estre apaisde eiuse repairer avecques Sa 
mesgnide qui moult bien faict avoit ce jour. et cil qui ne pense que affaire sa 
voulente, de Vespee quil avoit traicte sur le chief de mon frere, len ‚Ferist 
qui le pourfendist jusques d l’arcon de la celle. et de ce coup que je vous dys 
brisa la bonne espce en deux. et cil qui la croisce lint sen relourna hastive- 
ment, si en jecla sus la moitie, et sen vint @ ses gens qui moult grande joye 
en demenerent. et ceulx dw chasteau ont le roy Gondesert emporte tout mors 
dedens le sien escu, et quant et quant emporterent lespde qui par mi brisa, 
dont les pieces @ terre recueillirent. Et quant le corps eurent au chasteau 
emport£, au mieulx qwils peulrent Vabillerent, et apres quil fust bien laye et 
embasme, dedens une biere le meirent, et puis ce faict me lenvoierent, et 
lespee rompue pareillement, de laguelle il avoit este occis. puis me dist une 
de mes niepces, qui fort prudente estoit et saige, que son pere que tant ay- 
moye en avoit morl receue. la quelle jay tousjours gardee jusques d ce 
quung chevallier vint qui entre ses mains les pieces print pour les resjoindre. 
et me feist pour certain entendre que par celluy mon frere venge seroit qui 
les pieces resoulderoit. Et moy qui de dueil fus navrd, les pieces prins que je 


(') Er heifst BI.182'*- Perzinans, seigneur de la rouge tour et de la terre ä& l’environ; 


Bl.216 Perzinel, wo ihn Perceval bei dem Schlols & /a rouge tour erlegt. 


Philos.-histor. Abhandl. 1835. L1 


266 Lacumann über den Eingang des Parzivals. 


vous dys; desquelles par my les cuisses me Feris, si que tous les nerfz me de- 
trenchay et decouppay, tellement que depuis ne m’en peux ayder, et jamais 
ne m’en aideray que premier venge je ne soye de cil qui ‚Faulcement et en tra- 
hison occist le meilleur chevallier du monde et le plus preulx. Dem Gawein 
begegnet die Jungfrau welche bei Wolfram Sigune heifst. 

sö lange reit er üf der spor, 

unz im ein magt engegen reit, 

diu. weinte sere unde kleit, 

.üf einem höhen kastelän; 

daz was wis als ein swan; 

und het an sich geleint 

einen ritter, den si beweint, 

in aller siner sarwät, 

die von rehte ein ritter hät. 

nu was der selbe rilter töt. 

ir gruoz si Gäwein weinde böt, 

und daz si jemerlichen sprach 

Wan het ich diz ungemach 

‚für dich an minem libe! 

ez geschach nie weltwibe 

leider denn mir ist geschehen. 

süezer got, läz mich sehen 

einen lieben tac an Parcifäl. 

dö er daz sper und den gräl 

ersach zuo Gornomant, 

daz er min leit niht enwant, 

und maneger frouwen swaere! 

do der arme vischare 

ez in bi der naht sehen liez, 

daz er in ungefräget liez! 
Der Name Gornomant gehört nicht hieher und mufs dem deutschen Dichter 
aus Versehen entwischt sein. Den eschenbachischen Gramoflanz nennt er 
Gyremelanz. In der histoire heifst er Siromelans: seine Stadt (roche Sabins 
bei Wolfram) wird Bl. 44"" Georquans genannt. 


III nn 


Althochdeutsche, dem Anfange des 11 Jahrhunderts 
angehörige, Übersetzung und Erläuterung der aristote- 
lischen Abhandlungen: KATHTOPIAI und 
IIEPI EPMHNEIA2. 


Mitgetheilt von 


HG RU LASER. ;E: 


zum Yvrwmrrnirn 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 19. November 1835 
und 10. November 1836.] 


D. althochdeutsche Sprachdenkmal, das ich hier mittheile, befindet sich 
in cod. 818 der Stiftsbibliothek zu St. Gallen (zerayogiau S.1-140. regt Eoun- 
veias S.141-244.)(!) und nimmt nicht nur, theils als älteste und so früher Zeit 
angehörige, deutsche (verständige und treffende) Übersetzung und Erklärung 
einer aristotelischen Schrift, theils als Maafsstab für den damaligen Stand- 
punkt der Gelehrsamkeit, sondern auch als ein reicher Schatz für alt- 


(') Eine zweite Abschrift der Übersetzung und Erklärung der Kategorieen ist in cod. 
825 der Stiftsbibl. zu St. Gallen enthalten, doch nur bis zu der Stelle: quare omni quidem 
susceptibili non est necessarium alterum inesse (im Aten Buche, nach der Baseler Ausgabe 
des Boethius vom Jahr 1546). Von den unbedeutenden Varianten dieser Handschrift gebe 
der Anfang derselben eine Probe. 

Aequivoca dicuntur quorum nomen solum commune est. 'Tie sint kenämmen. dero 
nämo £chert kem£ine. ünde gelih ist. Ratio vero substantiae diversa. secundum nomen. Unde 
aber üngelih zala ist. uuäz sie sin. demo nämen uölgendo än d@mo sie genämmen sint. 
Überstepfist tü den nämen. sö mäg sin gelih ratio. ıro substantiae. Ut animal homo. et quod 
pingitur. Hoc est. Ut aequivoci sunt. homo verus. et homo pictus. In latina lingua. sınt 
genämmen. homo animal. i. ter lEbendo m£nnisko. et quod pingitur. ı. sin gelihnisse. Zatio 
vero substantiae diversa secundum nomen. 

Män säget äber üngelicho uuäz sie sin. demo namen uolgendo. der sie genämmen 
mächöt. Si enim quis assignet. quod est utrumque eorum. propriam rationem assignabit 
utrisque. Säget ioman. däz io uuederez ist. ter gibit (sic) io uu@dermo sünderiga zäla. 

Hoc modo. Homo animal. est substantia sensibilis. 

Ter lebendo homo ist &in sinnig ting. Qui pingitur. imago insensibilis est. et inanis. 
Ter gemäleto. ıst €in sinnelös pilde. ünde libelos. 


L12 


268 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


deutsche Wortkunde (1), Formlehre und Syntax das Interesse der Wissen- 
schaft in hohem Grade in Anspruch. Der Verfasser dieser Schrift ist der- 
selbe Notker (Labeo, gestorben zu St. Gallen 1022), der die Psalmen über- 
setzt hat (abgedruckt in Schilters Thesaurus) und von welchem auch die in 
St.Gallen handschriftlich aufbewahrten Übersetzungen des Boethius de con- 
solatione philosophiae und der 2 ersten Bücher des Martianus Capella: de 
nuptiis mereurii et philologiae, deren Herausgabe ich mir für eine andere 
Zeit vorbehalte, gearbeitet sind. (*) 

Bei den die Übersetzung begleitenden Erläuterungen hat Notker zwar 
den Commentar des Boethius vor Augen gehabt (?), wie bei der Erklärung 
der Psalmen die Auslegungen Augustins, aber dennoch ist, wie die Verglei- 
chung beider Commentare deutlich zeigt, Notkers Erklärung als eine selbst- 
ständige Arbeit anzusehen. 

Da die lateinische Übersetzung, nach welcher die deutsche angefertigt 
ist, von des Boethius Übersetzung des Aristoteles sowohl in der Wahl als in 
der Stellung der Wörter, oft abweicht, so habe ich sie mit abdrucken lassen 
(in Cursivschrift und ganz, wie auch das in den Erklärungen vorkommende 
Latein, nach der Schreibweise des Codex; nur e habe ich durch ae wieder- 
gegeben). 


(') Als Beispiel sowohl von der Gefügigkeit unsrer Sprache als auch von des Über- 
setzers Handhabung derselben hebe ich hier die Verdeutschung einiger philosophischen und 
mathematischen Kunstausdrücke heraus: definitio, bechenneda, notnez, differentia, skidunga, 
situs, gelegeni, habitus, anahabid, haba, affectus, anagehefteda, dispositio, beskerida, diberum 
arbitrium, selbwaltigi, casus, geskiht (in der Deklination: wehsal), alteratio, anderlichi, motus, 
waga, wehsal, secundum locum mutatio, furderruccheda, statewehsal, causa, machunga, re- 
latio, gegensiht, universale, allelih, gemeinlih, singulare, einluzlih, sundrig, individuum, un- 
spaltig, contrarium, widerwartig, oppositum, widarchetig, gagenstalt, determinatum, gewissot, 
reciprocative, after umbegange, affirmatio, festenunga, negatio, lougen, qualitas, wiolichi, sud- 
stantia, wist, accidens, mitewist, genus, daz kemeina, species, daz sunderiga, tempus et locus, 
zit unde stat, aequale, ebinmichel, gemaze, inaeguale, unebinmichil, ungemaze, simile, gelih, 
dissimile, ungelih, discretum, underskeiden, continuum, ze samine habig, par et impar, gerad 
unde ungerad, punctum, stupf, linea, reiz, zila, riga, strih, durhgang, superficies, obeslihti, 
uzenahtigi, corpus, hevi, circulus, ring, friangulum, triscoziz, quadrangulum, vierscoziz. 

(*) Nach einer in einem Briefe des Notker Labeo enthaltenen Notiz. Die verschiedenen 
Ausdrücke und Formen, in denen die genannten Werke von einander abweichen, können 
zum Theil von Mitarbeitern, oder auch von den Abschreibern herrühren. 

(°) Dies ergiebt sich aus den Bemerkungen: „taz ist lang ze sagenne, chit boetius” 
„aber boetius saget iz fure in in secunda editione” und ähnlichen. 


der aristotelischen Abhandlungen: narmyepiaı und megi Egunveias. 269 


Die Bemerkungen für den Vortrag, wie: ‚‚hic suspende vocem’” 
„hie depone” ‚,‚hic suspende vocem, quia pendet sensus” ‚„‚hie remissior 
vox, quia interposita ratio est’, so wie einzelne eingeschobene Glossen, 
habe ich durch kleinere Schrift bezeichnet. Die Abkürzungen der latei- 
nischen Wörter habe ich aufgelöst, die Absätze und Überschriften aber, 
so wie die alterthümliche Interpunktion, beibehalten. Die am Rande ste- 
henden Zahlen bezeichnen die Seiten des Codex. 

Die Hand, und mit ihr die Accentuation, wechselt im Codex. — 
Bisweilen fehlt ein Satz des lateinischen Textes und die deutsche Über- 
setzung steht allein. Bisweilen folgt auf den lateinischen Text keine 
deutsche Übersetzung, sondern nur Erläuterung. 


Karnyogiaı. 


Quid sint aequivoca. 
Aequivoca dieuntur. quorum nomen solum commune est. Tie sint kenäm- 
men. dero namo Echert kemeine. üunde gelih ist. Ratio vero substantiae 
diversa secundum nomen. Unde äber ungelih zala ist. uuaz siu sin. demo 
namen uölgendo an demo sie genämmen sint. Überstepfist tü den nämen. 
sö mäg sin gelih ratio. iro substantiae. UL animal homo. et quod pingi- 
Zur. Hoc est. Ut aequivoci sunt. homo verus. et homo pictus. In latina 
lingua. sint kenämmen. homo animal. i. ter lebendo m£nnisco. et quod 
pingitur i. sin gelihnisse. Ratio vero substantiae diversa secundum no- 
men. 
Män säget aber üngelicho uuaz sie sin. demo nämen uölgendo. der sie ge- 
nammen mächöt. Si enim quis assignet. quod est utrumque eorum. pro- 
priam rationem assignabit utrisque. Saget ioman. daz io uuederiz ist. ter 
gibet io uuedermo sünderiga zala. 
Hoc modo. Homo animal. est substantia sensibilis. 
Ter lebendo homo. ist &in sinnig ting. Qui pingitur. imago insensibilis est. 
et inanis. Ter gemäleto. ist in sinnelös pilde. ünde libelös. 
Sic in evangelio sunt aequivoci uterque iohannes. | sed diversam suae sub- 
stantiae rationem habent secundum nomen. Iohannes ünde äber iohannes 
sint kenammin. i. häbint kelichen namin. ünde äber üngelicha. üunde unge- 
meina diffinitionem. Diffinitio ist. tiu dir säget. uuäz sie sin. Eadem est et 


[57 


FS 


270 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


e 


ratio substantiae, in hunce modum. Alter est iohannes babtista. filius za- 
chariae. et alter est iohannes evangelista filius zebedei. Quod si dixeris. 
habent et communem diffinitionem. quia uterque iohannes est animal ra- 
tionale mortale. Vel substantia animata sensibilis. non est haee diffinitio 
iohannis. sed hominis vel animalis. et hoc nomen homo. aut animal. non 
facit eos aequivocos sed univocos. 
Uuile dü in geben gelicha diffinitionem. daz ne mäht tu nieht ketüon uol- 
gendo demo namen iohannes. ter sie genämmen mächöt. Sie mäg man 
bede heizin homo ünde animal. ünde dannän häbint sie geme£ina diffhinitio- 
nem. sie ne sint aber dännän nieht aequivoci. sed univoci. täz chit sie ne 
sint tännän kelihnamig. sunder einnamig. ünde gemeinnamig. Mit t&emo 
uuechsele dero diffinitionis. uuerdint üzer aequivocis univoca. De quibus 
mox subditur. 

Quid sint univoca. 
Univoca vero dieuntur. quorum et nomen commune est et secundum no- 
men eadem substantiae ratio. 'Tiu heizint aber einnamig. ünde gemeinna- 
mig. tero nämo gemeine ist. unde näh temo nämin. gelih zala ist uuaz siu 
sin. i. tiu also sint. sö man siu heizit. Ut animal homo. atque animal bos. 
Hoc est ut univoca sunt homo et bos. Communi enim nomine ulrique ic 
homo et bos animalia nuncupantur. et est eadem ratio substantiae. (Juae 
est illa ratio? utrumque esse animal. sieut et nuncupantur. Sie heizint ke- 
meinlicho animalia. ünde samo gemeine zäla ist. taz sie daz sin. subaudis. 
taz sie heizint. Si quis assignet rationem uiriusque quid utrique sint. as- 
signabit eandem rationem. Übe ioman zäla gibit pedero. uuaz iouuederiz 
si. ter gibit iro gelicha zala. Uuäz ist tiu zala? quo sint animalia. Er chi- 
dit. täz sie sin animalia. älsö sie heizent. Homo üunde bos heizent anima- 
lia. ünde sint animalia. Uuäz ist aber selbiz animal? Substantia animata 
sensibilis. Täz ist 6uh homo. däz ist duh bos. Al däz animal ist. täz sint 
siniu species. homo | et bos. Uuile dü cheden animal homo et animal bos. 
häbint üngelicha diffinitionem in hune modum. Homo est animal ratio- 
nale. bos est animal irrationale. tiu diffinitio ne ist animalis nieht. taz iro 
gemeine namo ist. unde iro gemeine genus ist. si ist selbero specierum 
hominis et bovis. 
Mit t&mo uuehsele uuerdent üzer univocis aequivoca. 


der aristotelischen Abhandlungen: Rarmyogiaı und megi Egjunveias. 271 


Item quid inter sit. 
In propriis uuerdint aequivoca. uuilon ungeuuando. i. fortuitu et casu. ut 
duo aiaces. duo alexandri. duo pirri. uuilon uöne gelübedo i. placito. 
propter cognationem. ut duo marii pater et filius. vel propter similitudi- 
nem ut homo pietus et verus. Tiu mügin sin bediu propria ich apella- 
tiva. Hic homo verus et hie homo pictus sint propria. Homo verus et 
homo pietus specialiter et communiter sint appellativa. 'Toh aristotelis 
chäde u6ne aequivocis quorum nomen commune est. siu sint töh tiechor 
propria danne appellativa et communia. Äber univoca uuerdint io in ap- 
pellativis. Uuilön natura ut homo homini univocus est bestia bestiae. 
Uuilön gente vel patria ut grecus greco. roma/nus romano. Uuilon pro- 
fessione. ut xglanus xgtano. laicus laico. elericus elerico. Uuilon digni- 
tate. ut rex regi. consul consuli. Uuilon fortuna. ut servus servo. inge- 
nuus ingenuo. Also mänigiu appellativa uuesin muügin. samo mänigiu uni- 
voca mugin uuesin. So ist io dingelih t&mo univocum. säment t@mo iz 
habit. einen nämin gemeinen ünde €ina distinetionem gemeina. Ünde äber 
demo aequivocum. t@mo iz häbit gelichen nämin ünde usne diu ungemei- 
nen. uuanda iz ein namo ne ist. noh ein diffinitio. Doh aristoteles chäde. 
quoniam nomen commune est quasi de appellativis. 
De denominativis. 
Denominativa vero dieuntur. quaecunque habent appellationem ab aliquo 
secundum nomen. solo differente casu. Diu heizint denominativa. tiu näh 
ändermo nämin genamot sint, @chert keuuchselotemo üzlaze. Nomen a 
nomine derivatum heizet mit rehte denominativum. i. namo uöne nämin. 
Ut a grammatica grammaticus. A fortitudine fortis. 
Ratio de his tribus. i. quare praemissa sunt. 

Föne disen drin diffinitionibus ist ze uuizen/ne. däz decem praedicamenta 
uöne dien aristoteles sagen uuile. gelichen nämin habint. ünde aber un- 
gelicha diffinitionem. Praedicamenta unde genera. heizent siu gelicho. siu 
genämot. näls 


5 
univoce. Tie selben namen gebent sie Iiro speciebus i. sub alternis generi- 


sint äber &in änderen ungelih. Pediu sint siu aequivoce sö 


bus. mit tien sin kemeina diffinitionem häbint pediu sint siu äber dien 
univoca näls aequivoca. 


Denominativa uuerdent äber. dänne substantia. än sıh nimit accidens. 


a 


272 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


älde ein ändera substantiam. Nimet homo än sih qualitatem. sö ist er qua- 
lis. nimit er än sih quantitatem. sö ist er quantus. Legit er an sih indu- 
mentum. sö ist er habens. Föne dien ällen uuirdit er denominatus. unde 
die namin er dännän guuinnet. tie heizent denominativa. Älso iustus föne 
iustitia. latus fone latitudine. vestitus föne veste. 
Questio. 
Nöh tänne sint mänignamigiu. i. plurivoca. ut ensis mucro gladius. mar- 
eus. tullius eicero. ünde missenamigiu i. diversivoca. ut ignis lapis color. 
7 ziu uerlsuigeta er d&ro? Tero ne bedörfta er. ze diseme büoche. 
De sine complexione dietis et cum complexione. 

Eorum quae dieuntur. alia quidem dicuntur secundum complexionem. alia 
vero sine complexione. Tero uuorto diu man sprichet. tero uuerdint sü- 
melichiu gespröchen zesämine gelegitiu. süumelichiu sünderigo. Et ea 
quae dicuntur secundum complexionem sunt. 'Tiu man sprichet zesämine 
gelegitiu. diu sint sus ketän. Ut homo currit homo vincit. Ea quae sine 
complexione sunt. Tiu man sunderigo sprichet. tiu sint sus ketän. Ut 
homo bos currit eineit. Uuäz tiu sunderigen bezeichenen. däz uuile er an 
disemo büoche sägen. Uuäz tiu zesämine gelegetin bezeichenen. daz saget 
er hära näh in periermeniis. 

De universali substantia. 
Eorum quae sunt. alia de subiecto guodam dieuntur. in subiecto vero nullo 
sunt. Sümelichiu dero uuesentön dingo. uuerdent kespröchen föone demo 
ünderin. tiu doh ne sint än demo ünderin. nöh in demo ünderin. Ur 
homo de subiecto quidem aliquo homine diecitur. in subiecto vero nullo est. 

s Also mennisko gespröjchen uuirdit föne demo ünderin. etelichemo men- 

niskin. än demo Er döh ne ist. Universales substantiae. die in grammatica 
sint appellativae speciei. die uuerdint kespröchen fone singularibus sub- 
stantiis. tie äber propriae speciei sint. Uuer uuissi uuäz homo uuäre. äne 
uöne eicerone catone varrone. tie under demo nämen sint? Föne dien 
uuirdit homo gespröchen. 
Äber än in. ne mäg er sin. Uuio mäg homo sin in ceicerone? Er ist selber 
homo. Föne diu ist proprium universalis substantiae de subiecto dici. in 
subiecto nullo esse. 

De partieulari accidente. 
Alia autem in subiecto quidem sunt. de subiecto vero nullo dieuntur. Täva 


der aristotelischen Abhandlungen: Rarmyopiaı und weg Eoumveias. 273 


gägene sint änderiu. diu äna älde in demo ünderin sint. s. uuända siu ac- 
cidentia sint. ünde uöne ünderoren gespröchen ne sint. s. uuanda siu sint 
selben diu ünderosten. In subiecto autem esse dico. quod cum in aliquo 
sit. non sicut guaedam pars. inpossibile est esse sine eo in quo est. Facilior 
constructio est. Dico autem esse in subiecto quod in aliquo sit. cum ta- 
men non sit sicut quaedam pars. nec possit esse sine eo in quo est. Ih 
chido sö uue/sin an demo ünderin. täz iz tar Ana ist. ünde doh sin pars ne 9 
ist. unde iz io niener uuesen ne mäg. noh sin nieht ne ist. äne daz ün- 


5 
dera. Urt quaedam grammatica in subiecto quidem est in anima. de sub- 


8 
iecto vero nullo dicitur. Also eines männis grammatica ist in sinero selo. 
ünde doh uöne iro gespröchin ne uuirdit. Släh ten äst äba demo böume. 
des pars er ist. nöh tänne mäg er sin. nim animae aristarchi iro gramma- 
ticam. sö ne ist si niener. uuända si äna sta uuesen ne mäg. Änderiu mag 
sin. tisiu ist zeirgäangen. Et guoddam album in subiecto quidem est in cor- 
pore. Omnis enim color in corpore est. Unde &in uuiz färauua ist än eteli- 
chemo dinge. sö alle uärauua sint. Föne diu ist keläzen einluzzen acciden- 
tibus. An einluzzen substantiis uuesen. näls aber doh föne dien gespröchen 
uuerden. 

De universali accidente. 
Alia vero et de subiecto dieuntur. et in subiecto sunt. Änderiu sint kespro- 
chen föne demo ünderin. s. uuända siu universalia sint. unde sint ouh 
ana. älde in demo ünderen. s. uuända sie accidentia sint. Ut | seientia in ı0 
subiecto quidem est in anima. de subiecto vero dicitur. ut de grammatica. 
Älso scientia in anima ist iro stüole. ünde äber gespröchen uuirdit. fone 
grammatica. tiu ünder iro namen stät. Taz &ina subiectum tregit sia. Daz 
änder ouget sia. Täz ut scientiam anima tregit ut grammatica scientiam ist 
proprium universalis accidentis. Uuär mähti iz sin äne in substantia? Uuer 
maähti iz uuizen. äne uöne sinen speciebus. tiu ündertän sint sinemo nä- 
min? also ouh selben dien speciebus äber ündertän sint iro individua. 

De particulari substantia. 
Alia vero nec in subiecto sunt. nec de subiecto praedicantur. Äber dära 
gägene sint sumelichiu. tin dir ne sint an demo ünderen. s. uuanda siu 
sint substantiae. nöh ouh kespröchen fone deheinemo iro ünderen. s. 
uuanda siu particularia sint. ünde selben diu underösten sint. Ut aliqwi 
(sic) Romo. vel equus. 

Philos.- histor. Abhandl. 1835. Mm 


974 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


Älso ein män. älde ein rös. Nihil horum neque in subiecto est. neque de 

subiecto dieitur. i. tero einluzzön substantiarum ne ist nehein ligende an 

demo üunderen. nöh kespröchen fone demo ünderen. 

Item de precedentibus IIH. 
1 Nü sint in fieriv geteilit tu er | nöh uuile teilen in zeeniu. Tero uiero 
sint zuei (sic) uulderuuartig. i. universalis substantia. et particulare accidens. 
ünde aber änderiu zuei. i. universale accidens. et particularis substantia. 
Partieularia quid commune habeant et non commune. 


Simplieiter autem quae sunt individua. et numero singularia. de nullo 


subiecto dicuntur. 'Tiu einluzziu sint. sö aristarchus ist. unde sin gramma- 
tica. tiu ne uuerdent kespröchen uöne demo ünderen. täz ist in gemeine. 
siu sint selben diu ünderösten. In subiecto autem nihil prohibet ca esse. 
Iro sümelih mäg aber an demo ünderen sin. nals aber döh alliu. Tär äna 
sint siu geskeiden. 

Uueliu sint taz? Tie einlüzzen substantiae ne mügen iz sin sö aristarchus 
ist. iz sint tiu einlüzzen accidentia. also sin grammatica ist. 

Uuelez ist taz lindera. än demo siu sint? Täz sint tie substantiae. Tiu @in- 
lüzzen aceidentia. ligent an dien unde in dien @inluzzen substantiis. Acci- 
dens ne mäg in aceidente nieht ligen. iz liget io in substantia. Ideo sequi- 


i2tur. Quaedam enim grammalica. s. ut aristar|chi. est in subiecto. i. in 


anima eius. Häbet oüh universale accidens. sö scientia ist. under iro par- 
ticularia accidentia sö grammatica ist. unde rhetorica. an dien ne liget si 
nieht. si uuirdet aber geme£inlicho gespröchen uöne in. 
Quod superiora tribuant nomen suum inferioribus. 

Quando alterum de altero praedicatur. ut de subiecto quaecunque de eo 
quod praedicatur dieuntur. omnia etiam de subiecto dicuntur. 56 daz eina 
gespröchen uuirdet föne demo änderen. älso io daz öbera tüot föne si- 
nemo tinderen. so uuaz tänne föne demo öberen gespröchen uuirdet. taz 
uuirdet sär gespröchen föne demo ünderen. Ut homo. s. daz öbera prae- 
dicatur de quodam homine. i. aristarcho. demo ünderen. Föne demo 
öberin i. de homine uuirdet kespröchen animal. Ergo et de quodam ho- 
mine animal praedicatur. Sär föne demo ünderen i. aristarcho. uuirdet 
ouh animal gespröchen. Quidam enim homo. et homo est et animal. 
Aristarchus ist peidiu homo ioh animal. Sö gibet io daz obera sinen na- 
men demo ünderen. fone demo iz kespröchen uuirdet. 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnysgia und weg £gumveias. 275 


Quod diversa genera diversas habeant differentias. 
Diversorum generum et non subalternatim positorum. diversae secundum 
speciem differentiae sunt. Misselichero generum unde diu öbe &inen ände- 
ren ne stänt. sint samo misseliche skidunga. näh iro specie. s. däz sie 
uuurchint. Ut animalis et scientiae. s. misseliche skidunga sint. Animalis 
quidem differentiae sunt ut gressibile volatile. Animalia sint keskeiden. än 
diu. daz iro sümelichiu mügen gän. sumelichiu uligen. Scientiae vero s. 
differentiae nulla harum est. Mit tien man skeidet scientiam. täz sint än- 
dere skidunga. nals tise. Neque enim scienlia ab scientia differt in eo 
quod bipes est. Noh Ein scientia ne ist änderro an diu nieht üngelih däz si 
zuibeine si. Sub alternorum vero generum. nihil prohibet casdem esse 
differentias. Öbe einen änderen stäntero generum. mügen uuola sin eine 
differentiae. sie mag man gelicho skidon. ‚Superiora enim. de subterioribus 
generibus praedicantur. Taz ist föne diu. uuända die oberen genera ge- 
spröchen uuerdint föne dien | nideren. Substantia ist taz öbera genus. ani- 
mal ist taz nidera. Fone animali chidit man substantia. Quare quaecun- 
que praedicati differentiae fuerint. eaedem etiam erunt subiecti. Pediu 
sint älle die skidunga des öberin generis. skidunga des nideren. übe sie 
specificae sint, i. übe sie speciem uuurchen mügin. sö die sint rationale 
mortale. Tie sint tes praedicati. i. substantiae. tie sint ouh tes de quo 
praedicatur. i. animalis. Äls6 siumelih substantia ist rationalis mortalis. s6 
ist uh sümelih animal rationale mortale. Ändere differentiae sint. tie di- 
visivae heizent. tie ne durhkänt nieht föne demo oberin genere. ze demo 
niderin. Uuända animal unde avis. sint ouh subalterna genera. Animalis 
differentiae sint rationale et inrationale. taz ist taz Obera. tie ne sint tes 
niderin. i. avis. uuanda nehein avis ne ist ändermo ungelih an diu. daz er 
rationale si. 

Quod generalissimas significationes habeant singulae voces. 


Singulum eorum quae secundum nullam complexionem dieuntur. aut sub- 


13 


I 
ES 


stantiam significat aut quantitatem. aut | qualitatem aut ad aliquid. aut ıs 


ubi. aut quando. aut situm. aut habitum. aut facere. aut pati. 

Alliu &inluzziu uuort. pezeichenent etelih tirro genamdön zeeno i. uuäz iz 
si. uuio michel. uuiolih. ze eteuuiu. uuäre. uuenne. kelegeni. anahäbid. 
tüon. dölen. Est autem substantia quidem ut figuraliter dicatur homo 
eguus. Substantia ist specialiter ze sägenne. mennisco ünde rös. Quantitas 


Mm2 


276 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


ut bicubitum. tricubitum. zu£ielnig trielnig. Qualitas ut album. Ad aliquid 
ut duplum. Ubi ut in loco. Quando ut heri. Situs ut sedet iacet. Habere 
ut calciatus armatus. Facere vero ut secare urere. Pati ut secari uri. Tiz 
sint generalissima genera. i. tu Eerchenöstin genera. tisiu sint tiu oberö- 
stin. tisiu sint Echert genera. tu under in sint. tin muügin beidiu sin ge- 
nera iöh species. Tisiu zeeniu stiez er beuöre ze uieren. Uueliu sint tiu 
uieriu? Substantia. accidens. universale. particulare. 
Quid haec singula coniuncta significent. 
Singula igitur eorum quae dieta sunt. ipsa quidem secundum se in nulla 
16 affirmatione dicuntur. 'Tisiu diu mü genemmet | sint. tiu ne tüont türh 
sih Einluzziu neheina udstenunga. Horum autem ad se inpicem complexione 
affirmatio sit. Äber uone in zesämene gelegeten. uuirdet festenunga. 
Fidetur enim omnis affirmatio vel falsa esse vel vera. Älliu uestenunga 
söl benöte sin. lukkiu älde uuäriu. Eorum autem quae secundum nullam 
complexionem dieuntur. neque verum quiequam. neque falsum est. Tiu 
aber sunderigo gespröchen uuerdent. tiu ne sint uuär noh lugi. Ut homo 
album currit. Unz hära sageta er gemeinlicho uöne allen praedicamentis. 
nü säget er uone demo £ristin. daz ist substantia. ünde uöne iro skidungo. 
Divisio substantiarum in primas et secundas. 
Substantia autem est. quae proprie et principaliter et maxime dieitur. quae 
neque de subiecto praedicatur neque in subiecto est. Tiu herösta substan- 
tia. ünde diu mit meisten rehte sö heizit. taz ist tiu. diu gespröchen ne 
uuirdet föne demo ünderen. noh an imo ne liget. uuända si ist tiu nide- 
rösta. föne dero die oberen substantiae gespröchen uuerdint. tie secundae 
17 heizint. unde si tregit alliu aceidentia. | Tannän heizet si substantia. a sub- 
tus stando. Ut aliqui (sic) homo vel aliqui equus. S6 &in mennisco ist. älde 
ein rös. Secundae substantiae sunt species. in quibus speciebus insunt il- 
lae substantiae. quae principalitur dicunter. ut aliquis homo in specie qui- 
dem est in homine. 
Species sint tie änderin substantiae. in dien äber @ne sint petän. tie Eri- 
stin. die änasihtigen. sö &in mennisco ist. Hae s. species et harum spe- 


cierum genera. 'Tisiu species in dien primae substantiae petän sint. unde 


8 
iro genera daz sint secundae substantiae. Animal vero genus est speciei 1a 
hominis. Taz ist genus in demo diu species pegriffen sint. also animal be- 


grifet hominem. Secundae ergo substantiae dicuntur. ut homo atque ani- 


der aristotelischen Abhandlungen: narmyopiaı und megı Eouunveias. 277 


mal. Homo unde animal tiu in uernumfte sint. äne gesiht. tiu heizint mit 
rehte secundae substantiae. Ube primae ne uuärin secundarum ne geuuöge 
nioman. 

Quod univoce praedicantur secundae substantiae de primis. Accidentia 

vero aequivoce. 
Manifestum est autem ex his quae praedicta sunt. guoniam eorum quae 
de subiecto dicuntur. necesse est et nomen et rationem de subiecto praedi- 
cari. Nü skinet uuola uöne dien uore gesägeten. ten nämin. unde dia dif- 
finitionem secundarum substantiarum. die de subiecto heizint. pe nöte ge- 
spröchen uuerdin uöne primis substantiis. tie iro subiecta sint. Ut homo 
dieitur et praedicatur de aliguo subiiecto homine. s. ut cicero est vel cato. 13 
Hominem namque s. communem. de aliquo praedicabis. s. individuo ut est 
cato. Tü sprichist io daz appellativum. uöne demo proprio. Ratio quo- 
que hominis. de aliguo homine praedicatur. Diffinitio appellativi hominis. 
uuirdit ouh kespröchen föne demo proprio homine. älso er heizit. Quare 
nomen et ratio praedicabitur. de subiecto. Uone diu uuirdit peidiu. ich 
nomen ich diffinitio primae substantiae kespröchen uöne secunda. ünder 
dero nämin si stät. S6 man chit uöne eicerone. hie homo rehtor (rhetor) 
est. sö Ist er Ecchert keheizen homo. Sö man äber chit eicero ist homo. 
sö ist Er gesäget ouh uuesin homo. Föne diu sint primae substantiae, se- 
cundis univocae. Eorum vero quae sunt in subiecto. in plurimis quidem 
neque nomen de subiecto. neque ratio praedicatur. Aber dero accidentium 
nämo. näh ällero. unde iro diffinitio. ne uuirdit nieht kespröchen föne 
prima substantia. tiu iro subiectum ist. In quibusdam vero nomen quidem 
nihil prohibet praedicari. ralionem vero impossibile est. Teer namo sümeli- 
chero accidentium mäg iz sin. diffinitio niomer. Ut album. i. albedo cum 
in subiecto sit corpore praedicatur de subiecto. Dicitur enim corpus album. 
Album heizit man beidiu. ioh selba dia uäreuua. ioh tia sächa än dero si 
ist. Ratio vero albi nunguam | de corpore praedicabitur. An demo si äber ı9 
ist. täz ne chit nioman uuesin taz si ist. Föne diu heizit täz equivocatio. 
Primas substantias omnibus caeteris dare ut sint. 

Cetera vero omnia. s. quae praeter primas substantias sunt. aut de subie- 
clis eis dicuntur. i. primis substantüs. aut in subiectis eis sunt. Al däz 
tir ist äne primas substantias. taz uuirdet kespröchen uöne in. älso secun- 
dae substantiae tüont. älde siu ligint an in. sö accidentia tüont. Hoc autem 


278 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


manifestum est ex his. s. exemplis quae per singula proponentur. Taz 
skinet uuoöla än dien exemplis. tu des sär sunderigo gegeben uuerdent. i. 
sünderigo uöne secundis substantiis. ünde sünderigo uöne accidentibus. 
Ut animal de homine praedicatur. 'Taz. ist tiz &ina exemplum. Nam si de 
nullo aliquorum hominum. nec omnino de homine. 
Ne uuurte animal uöne catone gespröchen. sö ne uuürte iz uöne homine 
gesprochen. Aursus color in corpore est. Ergo et in aliquo corpore. Taz 
ist taz andera exemplum. Nam si non in aliquo singulorum nec omnino in 
corpore. Ne uuäre diu uareuua än Einluzzemo dinge. sö diu sünna ist. sÖ 
ne uuäre si an neheinemo dinge. Quare alia omnia aut de subiectis prinei- 
palibus substantüs dicuntur. aut in subiectis eis sumt. ÄI däz tir ist äne dia 
primas substantias. taz uuirdit kespröchen uöne in. älde ligit an in. ünde 
®in in. Non ergo existentibus | substantüs. s. primis. impossibile est esse 
aliquid aliorum. 
Äne sie ne mäg änderis nieht sin. Omnia enim alia aut de subiectis eis di- 
cuntur. aut in subiectis eis sunt. Al daz änder. häbit namin uöne in. älde 
sizzet An In. Übe primae substantiae ne uuärin. secundae ne uuärin. acci- 
dentia ne uuärin. Sie sint ündertän secundis substantiis. iro nämin trä- 
gendo. ünde undertän accidentibus siu selben trägendo. 
De differentia secundarum substantiarum. 
Secundarum vero substantiarum. magis substantia est species quam genus. 
Species ist hartor substantia tänne genus. Propinquior est enim primae 
substantiae. Täz ist uöne diu. uuanda iz nähor stät tero erchenöstün sub- 
stantiae. Si enim primam substantiam quid sit quis assignet. evidentius et 
convenientius assignabit. speciem proferens quam genus. Übe diz einluzza 
ding ioman zeigöt. ter zeigöt iz paz mit specie tänne mit genere. Ut quen- 
dam hominem assignando manifestius assignabis hominem assignando 
quam animal. Älso du catonem baz zeigöst. hominem nemmindo. tänne 
animal. Jllud quidem proprium magis alicuius est hominis. hoc autem 
communius. Eniu zeiga. i. homo. tiu ist catonis. Tisiu i. animal. tiu ist 
hominis. Et cum aligquam arborem reddideris. manifestius assignabis cum 
arborem assignabis guam arbustum. Zeigöst tü uuaz ein reba si. täz tüost 
tü bäz poum chedendo. tänne däz in erdo stät. An erdo stät 6uh chrüit | 
aunde spreid. Amplius Fernim noh mer. Primae substantiae propterea 
quod alis omnibus subiacent. et alia omnia de his omnibus praedicentur. 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnyegiaı und eoi Eounveias. 279 
8 8 gEEOH 


aut in eis sunt. ideirco maximae substantiae dicuntur. Primae substantiae 
heizint mit meisten rehte substantiae. föne diu daz sie ällero dingo stöllin 
sint. üunde älliu ding kespröchen uuerdint föne in. sö secundae substantiae 
tuönt. älde än in sint. sö accidentia sint. Sicut autem principales substan- 
tiae ad alia omnia se habent. sic et species ad genus se habet. 

Subiacet enim species generi. Species ligit under genere. also prima sub- 
stantia ünder in beiden ligit. unde noh tänne sub aceidentibus. Genera 
namque de speciebus praedicantur. species autem de generibus non conver- 
Zuntur. Animal sprichit man uöne homine. Homo ne uuirdit kespröchen 
uöne animali. Quare et ex his species est magis genere proxima subslan- 
tiae. Tännan skinet ouh. taz homo nahor stät primae substantiae i. catoni 
dänne animal. Ipsarum vero specierum. quaecunque non sunt genera. ni- 
hil magis alia ab alia substantia est. Tero specierum diu genera ne sint. 
i. tin eben näh stänt primae substantiae. tEro nehein ne ist mer substantia. 
dänne däz änder. Nihil enim familiarius assignabis de aliquo homine ho- 
minem assignando. quam de aliquo equo eguum. Tü ne sprichist nieht 
quissor hominem uöne catone. danne rös | uöne rhebo. Similiter autem z 
et principalium substanliarum. nihil magis alterum altero substantia est. 
Tero &inluzzon substantiarum ne ist ouh nehein härtor substantia. dänne 
diu änderiu. Nihil enim magis aliquis homo substantia est. guam aliquis 
bos. Cato ne ist nieht härtör substantia. danne sin ohso. Merito ergo 
post principales substantias. solae aliorum omnium dicuntur species et ge- 
nera secundae substantiae. Mit r&hte heizent species et genera ändere sub- 
stantiae. näh tien Eristen. älles t£s man genemmen mäg äne sie. i. äne die 
eristen. s. uuända accidentia ne mügin heizen substantiae. Solae enim hae 
indicant principalem substantiam eorum quae praedicantur. Sie einen zei- 
gont primam substantiam. s. äne diu accidentia. 

Aliquem enim hominem si quis assignaverit quidem. speciem quidem quam 
genus assignando familiarius monstrabit. et manifestius faciet hominem 
assignando quam animal. Catonem zeigot man bäz mit homine dänne mit 
animali. i. päz mit specie. danne mit genere. Aliorum vero quicquid as- 
signaverit quilibet. assignabit extranee. So uuaz ioman anderis sprichit 
fone catone. däz tüot ir missenemendo. Felut album aut currit. aut quod- 
cunque talium reddens. Älso der missenimet. ter in heizet album älde cur- 
rit. älde ieht temo gelichis. Ergo merito hae solae substantiae dicuntur. 


280 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


2»3Pediu heizent | @cchert tie substantiae. die primae sint alde secundae. 
Amplius. Primae substantiae propterea quod aliüs omnibus subiacent. id 
circo propriae substantiae dieuntur. Quibus omnibus? Secundis substantiis 
et accidentibus. Secundae substantiae ligint ouh under dien accidentibus. 
uuanda primae ünder in ligint. Übe cato ünde cicero. Under in ne lägin. 
nöh homo ne läge. Ne trüegin sie siu. sö ne trüege sie homo. Ne trüege 
sin homo. unde änderiu species. sö equus ist unde bos. noh animal ne 
trüege siu. Secundis chumit iz uöne primis. 
Näh primis tie siu ze uörderöst trägent. tragent siu 6uh secundae in se- 
cundo loco. Pediu sint io primae. ündertän ze £rist. Ünde selben dien 
ünder tänen secundis. sint primae ündertan. Föne diu chidit er nü uöne 
in. propriae dieuntur substantiae. peuöre chad er maximae dieuntur sub- 
stantiae i. uuända sie trägent. ünde sint ünder trägenten. pediu ist in der 
namo eigen. taz sie substantiae heizent. Sicut autem primae substantiae 
ad alia omnia se habent i. ad accidentia. ita species et genera principalium 
substantiarum ad religua omnia se habent. s. iterum ad accidentia. Älso 
primae substantiae stänt ünder aceidentibus. so stänt Guh secundae. De 
his enim i. primis et secundis religua omnia praedicantur. s. iterum acci- 
dentia. Uuannän mähtin qualia ünde quanta gespröchen uuerden äne uöne 
in. Ideo sequitur. 4Jliguem enim hominem dicis grammaticum_esse. 

ergo et hominem et animal grammaticum dieis. Aristarchum childis tü 
uudsin grammaticum. sö tüost tü Ouh hominem ünde animal. Taz ist 
quale. Ist uh aristarchus bipedalis taz ist quantum. sö ist ouh homo bi- 
pedalis. unde animal bipedale. Similiter autem et in alüs. s. qualibus et 
quantis. 

Quod commune sit substantiis. in subiecto non esse. 

Commune est autem omni substantia in subiecto non esse. 
Ällen substantiis ist kemeine. ne uudsin än demo ünderin. s. uuända sie ac- 
cidentia ne sint. Prima enim substantia nec de subiecto dicitur. nec in sub- 
iecto est. Tiu niderösta substantia ne habit under iro ändera. föne dero si 
uuerde gespröchen. noh si ne ligit an anderro. Constat vero etiam sie qui- 
dem. quia nulla secundarum substantiarum est in subiecto. Tannän skinet taz 
nehein secunda in subiecto ne ligit. s. uuända prima ne ligit. Et enim homo 
de subiecto quidem aliquo homine dicitur. in subiecto nullo est. Taz &ina ha- 
bit homo äne daz änder. kespröchen uuirdit &r föne demo ünderin. äber 


der aristotelischen Abhandlungen: »arnyogizı und wegi Egunveias. 281 


an imo ne ist er. Neque enim homo est in aliguo homine. Nöh homo 
neist än cicerone. Er ist selber homo. Similiter autem et animal de sub- 
iecto quidem dicitur aliquo homine. non est autem animal in aliquo ho- 
mine. Animal häbit 6uh taz eina. Iz uuirdit kespröchen uöne cicerone. iz 
neist aber an imo. Cicero tregit iro namin er ne tregit sie selben. Siu 
uuerdent fone imo praedicati nals por/tati. Amplius. Fernim io nch. s. 
uuio substantiae geskeiden sin. uöne dien diu in subiecto sint. 
Eorum quae sunt in subiecto. nomen quidem de subiecto aliquotiens nihil 
prohibet praedicari. rationem vero impossibile est. Secundarum vero sub- 
stantiarum de subiectis ralio praedicatur et nomen. Tero nämo. diu in sub- 
iecto sint. i. accidentium. mag uu6la uuilon gegeben uuerden demo subiecto. 
sö album tuöt älbo. diffinitio niomer. Aber der nämo. ünde diu diffinitio se- 
cundarum substantiarum tie doh kelih sint temo in subiecto. tiu uuerdint 
pediu gegeben iro subiecto. i. primae substantiae. Atationem vero hominis et 
animalis de aliguo homine praedicabis. Diffinitionem hominis ünde animalis 
sprichist tü uöne cicerone. Sensatum corpus. ist iro ällero diffinitio. 
Quare non erit substantia eorum quae sunt in subiecto. Sensus est. Prima 
substantia diu neist in subiecto. nöh kelih temo in subiecto. Toh äber se- 
cunda häbe gemeine subiectum mit accidentibus tiu der heizint in subiecto. 
ünde imo där ana gelih si. si neist töh nieht in subiecto. Pediu neist ne- 
hein substantia in subiecto. Tisa reda tüot er nü süochendo proprium sub- 
stantiae. Ällero dingolih pechnäet man io uöne sinemo proprio. Er ha- 
biti iz nü uundin. übe iz füurder ne rühti. Ideo sequitur. 
Quod non soli sit substantiae. in subiecto non esse. 

Non est autem hoc substantiae proprium. sed et differentiae. illud est quod 
in subieclo non est. 'Taz ne mäg nieht eigin sin substantiae. daz si an demo 
ünderin neist. uuanda iz ouh ist differentiae. Bipes enim et gressibile de 
subiecto quidem dicitur homine. in subiecto autem nullo est. Föne homine 
uuirdit. kespröchen io uuederiu differentia. bipes ich gressibile. 
Iro nämin tregit er. sin selbün ne tregit er. Föne demo si uuirdit kesprö- 
chen. an demo neist si. Non enim in homine est bipes neque gressibile. 
Än homine neist bipes nöh gressibile. er ist iz selbo. Aatio quoque dif- 
‚ferentiae de eo dicitur. de quo ipsa differentia praedicatur. Fone demo si 
gespröchen uuirdit. föne demo uuirdit ouh iro diffinitio gespröchen. Fe- 

Philos.-histor. Abhandl. 1833. Nn 


25 


IS7 
a 


252 Gxarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


lut si gressibile de homine dicatur. et ratio gressibilis de homine praedi- 
catur. 
Uuirdit t&r namo differentiae gespröchen uöne homine. i. gressibile. sö 
uuirdit ouh iro diffinitio gesprochen uöne imo. Gressibilis diffinitio ist. 
quod per terram pedibus ambulat. Taz ist homo. Ideo sequitur. Est enim 
homo gressibilis. 
Non nos vero conturbent substantiarum partes. quae ia sunt in loto quasi 
in aliquo subiecto. ne forte cogamur aliquando confiteri. eas non esse sub- 
stantias. Unsih ne sulin triegin. teil an allemo ständiu. samo so siu acci- 
2 dentia sin. nals substantiae. Uuärin sie accidentia. sö ne uuärin | sie par- 
tes tero substantiae. Hoöubit ünde hende sint tes lichämin teil. sö sint 6uh 
este des poumis. uuende des hüses. pediu sint kelicho substantiae partes 
unde totum. Von enim sic dicebantur esse ea quae sunt in subiecto. ut 
quasi partes essent. Accidentia ne chäd nioman uuesin partes subiecti. 
Item quid non sit soli substantiae sed et differentiae. 
Inest autem substantüs et differentüs. ab his omnia univoce praedicari. 
Substantiis. s. secundis ünde differentiis ist kemeine. uöne iro subiectis 
kespröchen uuerdin univoce. Omnia enim quae ab his praedicata sunt 
aut de individuis praedicantur aut de speciebus. ÄI däz tü uone in chist. 
taz chist tü föne iro ünderen. 4 prima namque substantia nulla praedicatio 
est. De nullo enim subiecto dicitur. Cato ne habit under imo neh£in sub- 
iectum. föne demo er müge gespröchen uuerdin. Secundarum vero sub- 
stanliarum species quidem de individuo praedicatur. Föne imo uuirdit homo 
gespröchen. Genus autem de specie et de individuo. Animal uone beiden ich 
homine iöh catone. sSimiliter autem et differentiae de speciebus et de in- 
dividuis praedicantur. Gressibile chit man ouh föne beiden. iöh homine 
ioh catone. Täz ist tiu eina praedicatio. i. nominis. Aationem quoque sus- 
cipiunt primae substantiae specierum et generum. et species generis. Cato der 
2s ze ünderöst ligit. habit diffinitionem | dero öberön. i. hominis et animalis. 
Uuända Er ist substantia animata sensibilis. Sö häbit ouh homo animalis. 
taz ist tiu selba. Tia dü chist föne demo öberin. dia chist tü uone demo 
ünderin. Similiter autem et differentiarum ralionem suscipiunt species et 
individua. Homo unde cato diu sint taz. quod pedibus per terram potest 
ambulare. Taz ist diffinitio gressibilis. Taz ist iu gemächa praedicatio. i. 
diffinitionis. Univoca autem erunt quorum et nomen commune est et 


der aristotelischen dbhandlungen: narmyopiaı und megt Egunvelas. 2833 


ratio. Tiu sint io univoca. diu beidiu gemeine habint. nomen iöh ratio- 
nem. i. diffinitionem. Quare omnia quae a differentüs sunt et substan- 
tüs. univoce praedicantur. Föne diu uuizist. so uuaz man chid uöne sub- 
stantiis secundis. unde differentiis. taz uudsin gemeine. in ünde iro sub- 
iectis. Uuizist ouh differentiam sämint uuesin. substantiam ich accidens. 
unde ne uueder dürh sih. x 

Item quod inest substantiae. sed non omni. 
Omnis autem substanlia videtur hoc aliquid significare. Männe dünchit io 
substantia ein ding bezeichenen. Et in primis quidem substantüs indubitale 
et verum est. quoniam aliquid hoc significat. Individuum enim et unum est 
numero quod significat. 
An catone ünde än cicerone. ist iz quisso uuär. daz si ein bezeichenet. 
Iro iouuederis namo bezeichenet ein einluzze ding ünde unspaltig. In se- 
cundis substantüs videtur quidem similiter | appellationis figura hoc aliquid 8 
significare. quando quis dixerit hominem vel animal. non tam verum est. 
sed quale aliquid significat. An homine unde animali mag männe dunchin. 
uöne dero gelichi des einlüzzen namin. taz siu bezeichenen Einlüuzze ding. 
taz ne ist uuär nieht. siu bezeichenint mer uuiolih ding. 
N: eque enim unum est quod subiectum est. s. secundae substantiae. quem ad 
modum prima substantia. s. unum est. sed de pluribus homo dicitur et 
animal. täz neist einlüzze nieht. sö cato ist. Tiu communio. daz ist quali- 
tas. Non autem simpliciter qualitatem significat. s. secunda substantia. 
quem ad modum album. 
Nihil enim aliud significat album. quam qualitatem. Homo ünde animal 
ne bezeichenent nieht. so bärlicho uuiolichi. sö uuizi tüot. Uuizi ne be- 
zeichenet nieht. äne uuiolichi. Genus autem et species circa substanliam 
qualitatem determinant. Homo ünde animal sezzent iro qualitatem umbe dia 
substantiam. i. umbes6zzent. ünde umberingint mite dia substantiam. Quale 
enim. s. hominis et animalis. gquandam substantiam significat. Iro uuiolichi 
bez£ichenit substantiam. s. tiu än iro subiectis ist. Si neist nieht sö getän sö 
diu bära. diu ligit än dero substantiae. disiu ümbe gät sia. So getän qualitas. 
heizit substantialis qualitas. Plus autem in genere quam | in specie determi- » 
natio fit. Dicens enim animal plus complectitur quam hominem. Mit animali 
uuirdit uuitör gemärchöt. tanne mit homine. Tiu märcha gät üumbe alliu 
lebendiu. inz tära ne märchöt homo nieht. Eniu communio ist mera dänne 


Nn2 


284 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


disiu. Noh neist io nieht fünden proprium substantiae. Pediu süochet er 
iz io noh. 
Item quod inest omni substantiae. non autem soli. 
Inest autem substantüs. et nihil ıllis esse contrarium. Primae enim substantiae 
quid erit contrarium? Ui aliewi homini nihil est contrarium. dt vero nec 
homini nec animali nihil est contrarium. Ällen substantiis ist kemeine uuesin 
äne uuideruuärlin. Uuaz mäg catoni sin uuideruuärtig. ünde homini unde 
animali? Tiu heizint contraria. tiu uöne einemo ürspringe chömeniu. i. 
uöne einemo genere. ällero dingo üngelichesten sint. unde uerristin. unde 
ein anderiu tilegönt. Älso lib ünde töd. tero genus ad aliquid ist unde 
uuiz ünde suarz. tero genus qualitas ist. Tiu ne mügin samint sin. uuanda 
iro natüra uuideruuartig ist. Solih ne ist substantia nieht. Non est autem 
hoc substanliae proprium. sed eliam multorum aliorum ut quanlitatis. Tiz 
ne ist io noh nieht üreiche substantiae. iz ist ouh quantitatis unde änderro 
dingo. Bieubito enim nihil est contrarium. At vero nec decem. nec alicui 
3 talium. Taz zueio elnön lang älde breit | ist. alde driero. älde uiero. uuaz 
mag temo uuidere sin? Älde selbero zälo. so zeeniu ist. ünde zueinzig? 
Nisi quis forte multa paucis dicat esse contraria. FVel magnum parvo. 
Eteuuer ne strite. manigiu den ünmänigen. micheliu den luzzelen uuider- 
uualön. Täz si so uuio iz si. Determinatorum vero nullum nulli est con- 
trarium. Tero guissotön neist io nehein andermo uuideruuartig. Umbe 


5 
die ungeuuissöten mäg man striten. tiu nieht ureichis ne sint quantitatis. 
tiu Echert quantitatis sint. tiu ne mäg nioman gezihen dero uuideruuartigi. 


Item quod inest non soli. 
Fidetur autem substanlia non suscipere magis et minus. Substantia ne mag mer 
noh minnera sin däz si ist s. zeinemo mäle dänne ze andermo. Dico au- 
tem hoc. non quia substanlia non est a substantia magis et minus. Hoc au- 
lem dietum est quia est. Ih ne uersago nieht. ein substantia ne si hartör sub- 
stantia däanne änderiu. Uuanda ih tes keiegen häbo. s. sö prima ist härtör 
dänne secunda. Sed quoniam unaquaeque substantia hoc ipsum quod est. non 
dieitur maius et minus. Sünder däz ein substantia däz si ist zeinemo mäle. 
däz mer ne ist. dänne ze ändermo. Dtest hace substanlia homo. Also cato 
ist. Von est magis et minus homo. neque ipse. neque alter ab altero. Er ne 
uuirdit niomer mer mennisko älde minnera. Noh er imo selbemo. nöh 
zzänderer | imo. Cicero ne uuirdit niomer mer noh minnera homo älde 


der aristotelischen Abhandlungen: narmyopiaı und weg! Egunveias. 285 


substantia. dänne cato. Non enim est alter altero magis homo. sicut al- 
bum altero magis album et bonum alterum altero magis bonum. S6 uuiz än- 
dermo. uuizera uuirdit. ünde güot ändermo bezzera uuirdit. sö ne uuir- 
dit niomer mennisko. ändermo härtör mennisko. Sed et ıpsum a se ma- 
gis et minus dieitur. ÜUt corpus cum album sit. magis album esse dieitur 
quam prius. Et cum calidum sit. magis et minus calidum dieitur. 16h uuiz 
selbiz uuirdit mer ünde min. Also uuiz tüoh uuizera uuirdit. tänne iz er 
uuäre. Unde unärm uuazer uuärmera uuirdit. ish chälter uuirdit. tänne 
iz er uuäre. Substantia vero non dicitur. s. se ipsa magıs et minus. Substantia 
ne lidit tes nieht. taz si uuerde mer älde min. dänne si er uuäs. Neque 
enim homo. magis nunc homo quam prius dieitur. Neque aliorum quwiequam 
quae substantiae sunt. Mennisko ne heizit io nü nieht mer mennisko. dänne 
er. Noh tero dingo nehein. die substantiae sint. Quapropter non recipiet 
substantia magis ct minus. Pediu ne mäg substantia mer uuerden alde min 
daz si ist. Nöh circulus ne mäg nöh duplum. noh triangulum. unde ändere 
quantitates. Tes habit aristoteles fersuiget uuanda iz älechünd ist. Föne 
diu uuirdit io noh ze süochenne proprium substantiae. 
Item quod omni et soli. 

Maxime autem substanliae proprium videtur esse quod cum | zdem et unum 3 
numero sit contrariorum susceplimum est. 'Taz. quissista sunderzeichen sub- 
stantiae Ist taz. taz si ein uuesintiu. zudi än sih nemen mäg uuideruuarti- 
giu. Et in alis quidem quaecunque non sunt substantiae. non habebit quis 
quwid proferat. quod cum unum sit numero susceptibile contrarıorum est. Än 
dien accidentibus ne mäg nioman däz eruären. däz ein uuesende zuei än 
sih neme uuideruuärtigiu. Felut colorum quod est idem et unum numero. 
non erit album el nigrum. Neque eadem actlio et una numero. erit prava 
et studiosa. Also ein uäreuua ne mag uuesin uuiz unde suarz. Noh in 
tät. küot unde übel. Similiter autem et in alüs quae non sunt substantiae. Älso 
ist iz än dien änderen accidentibus. Substantia vero cum unum et ıidem sit nu- 
mero. capax contrariorum est. Substantia einiu. mag tragen zuei uuideruuar- 
tigiu. Ui quidam homo. cum unus alque idem numero sit. aliguando qui- 
dem fit niger. aliquando albus. et calidus et frigidus. pravus et studiosus. 
Älso cato uuesin mäg ze @rist uuiz. unde dära näh suarz. ünde uuilöon 
uuärm. ünde uuilön chäld. uuilön reht uuilön ünreht. Zn alis autem nul- 


lis aliquid tale videtur. An dien accidentibus ne uindest tu nieht soles. 


286 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 

Non sie orationem et opinionem contrariis mutari sicut substantiam. 
Män ne 
chede reda. ünde uuän. sö getän uucsin. Zadem enim oralio et eadem 


3 Nisi forte quıs obponat orationem et opinionem esse huwiusmodi. 


opinio. verum et falsum esse videtur. Uuanda &ina reda. unde &inen uuän. 
uindet man beidiu uuesin. uuär ich lügi. Feluti si vera sit oralio sedere 
quendam. surgente eo falsum erit. Älso dänne geskihet. ube uuär ist ze 
sprechenne. däz ein man sizze. unde iz sär lugi ist. sö er üf stät. Simu- 
liter autem et de opinione. Umbe den uuän sö sämo. Si guus enim vere 
opinari. vel placere sıbi putet sedere aliquem. surgente eo Jalsa videtur ei 
idem habenti de eo placitum. So uuer uuänin uuile dänne iz uuär ist. täz 
ein män sizze. stät er üf. uuänit er is tänne nöh. so triugit in der uuan. 
Sed etsi quis hoc suscipiat. sed tamen modo differt. Uuile ouh täz ioman 
sö uernemen. unde uüre gelih haben. sö ne gät iz töh nieht kelicho. 
Nam ea quae in substantüs sunt ipsa molata suscepübilia sunt contrariorum. 
Frigidum enim de calido factum. motatum est. Alterum enim factum est. 
Et nigrum ex albo. et studiosum ex pravo. s. motatum est. et alterum fa- 
ctum est. Simuliter et in alüs. s. substantiis unum quid motalionem suscipiens 
est susceplibile contrariorum. Sö die substantiae sih uuehselönt. sö nement 
sie än sih. älde in sih contraria. Chältiu sacha uuärm uuörteniu. häbit 

3; sih keuuchselöt. tinde ist uusrten änderiu. Unde suärz | sacha uuiz uuör- 
teniu. habit sih al geuuehselöt. So uerit iz umbe eina io uuelea substan- 
tiam. daz si sih uuchselondo. inpfähet contraria. Oratio autem et placi- 
tum. ipsa quidem inmobilia omnino perseverant. Äber reda unde uuillo ne 
tüont nieht sö. Siu stänt unueruuehselöt selbin. Uuär ünde lugi. ne uueh- 
selönt sih nieht. sö uuiz ünde suärz tönt (sic) tia substantiam. Cum res 
movelur contrarium circa eam fit. Oratio namque permanet eadem eo quod 
sedeat aliquis. S6 der sizzendo üf stät. sö skinet än imo. der uuehsil. doh 
tiu reda üngeuuchselöt si. tiu dir chit. däz er sizze. Cum vero res mota 
sit. aligquando falsa fit. s. oratio. Übe man sizzet. älde stät. unde sih sö 
uuehselöt. sö uuirdit si ungeuuehselötiu. uuär älde lügi. Similiter autem 
et in placito. S6 uerit iz Guh an demo uuäne. Quapropter modo solius 
proprium substanliae est. eo hoc est id quod secundum suam motationem ca- 
pabilis sit contrariorum. Pediu ist iz €chert &inero dero substantiae. daz 
si sih uuehselöndo. infahen mäg zuei contraria. 


der aristotelischen Abhandlungen: xarnyogiar und weg! Egunveias. 287 


ÖOrationem et opinionem contrarietatis non esse susceptibilem. 
Si quis autem etiam haec recipiat. placitum et orationem dicens susceplibilia 
esse contrariorum. non est verum hoc. Ube iz ouh ioman sö häben uuile. 
daz oratio unde placitum. i. opinio. an sih | nemen contraria. dh siu sih & 
ne uuchselöen. taz ne ist io uuär nieht. Oratio namque et placitum non 
in eo quod ıpsa aliqgwd recipiant. contrariorum susceplibilia esse dieuntur. 
sed eo quod circa alterum aliqua passio facta sit. Uwän üunde reda. döh 
man siu heize contraria. däz neist io bediu nieht taz siu in sih ieht kene- 
men mügin. nube uone diu. daz diu substantia eteuuaz lidit s. uuideruuar- 
tigis. Nam in eo quod res est aut non est in eo etiam oralio vera vel falsa 
dieitur. non in eo quod ipsa capabilis sit contrariorum. Also io diu subst. 
ist. älso uuirdit tiu reda uuäriu älde lükkiu. sö ne lidet io selbiu nieht. 
Simpliiter autem a nullo. s. contrariorum. neque oratio neque placitum. 
Quapropter non erunt susceptibilia contrariorum cum nulla in eis passio facta 
sit. Turh sih ne infindit niemer uuän ünde reda. dero uuideruuartigön. 
Föne diu skinet. däz siu iro nieht infahen ne muügin. noh liden ne mügin. 
Verum substantia in eo quod ıpsa contraria recipiat. in hoc susceptibilis contra- 
riorum esse dieitur. Aber substantia diu siu i. contraria nimit än sih. tiu häbit 
ten namen mit rehte. Zanguorem enim et sanilatem suscipit. et candorem 
et nigredinem. Et unum quid talium ipsa suscipiendo. contrariorum suscep- 
tibilis esse dieitur. Si uuirdit siehe (sie) üunde gesunt. uuiz ünde suärz. Ünde 
dero io etelih an sih laden/de. heizit si mit rehte. diu änanemiga dero 37 
contrariorum. Quare erit proprium substanliae quod cum idem et unum 
numero sit. secundum suam molalionem. contrariorum est suscepüibilis. Föne 
diu ist taz üreiche substantiae. däz si sih uuehselönde. contraria inpfahen 
mag. De substantia quidem haec dieta sunt. 
Explicit de substantia. 

Uuio mäg man diutin substantiam unde accidens? Sumeliche chedint sub- 
stantiam. däz ter ist. accidens däz ter mite ist. Sumeliche chedint sub- 
stantiam uöne wuesinne uuist. accidens miteuuist. Sumeliche chedint 
substantiam eht. quod intelligitur ieht. i. aliquid. aceidens mit ehte. Vi- 
detur autem esse compositum. ieht et eius negatio nieht. quod integre 
dieitur ein @ht. ünde nehein &ht. Sicut et corrupte dieitur iouuiht. et 
eius negatio niouuiht. De omni namque re uuiht dieitur. Interrogamus 


288 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


enim dicentes ist tär jouuiht? quasi dieeremus ist tär @inuuiht i. aliquid. 
Respondemus quoque niouuiht. i. nehein uuiht. Unum ergo significant 
iouuiht ünde ieht. et item niouuiht ünde nieht. De homine quoque dici- 
tur üubil uuiht. pöse uuiht. Ergo. uuiht. Eht. ieht. uuist. taz ist. sub- 
stantiam significant. Convenientius tamen videtur substantiam et accidens 
dicere. uuist. ünde mite uuist. Quid autem genus et species? Dicam si 

33 placet genus taz kemeina. species taz sünderiga. In historicis | lectionibus 
solemus interpretari genus chünne unde slähta. speciem bilde unde sköni. 
ünde änasiht. Facile autem intellegitur generalissimum genus tantum ge- 
nus esse. et specialissimam speciem tantum speciem esse. genus autem sub- 
alternum utrumque esse genus et speciem. Ideirco dicamus genus gene- 
ralissimum. ällero generum erchenösta. et speciem specialissimam ällero 
specierum Erchenösta. subalternum vero genus ein genus under ändermo. 
Transire quoque possumus. in legendo. eorum interpretationem quorum 
patet intellectus et significatio. Maxime si eorum est laboriosa interpre- 
tatio. Sicut et latini angelos. et archangelos. cherubim. et seraphim. pa- 
triarchas. et prophetas. quae greca nomina sunt. in usu habent. Nec 
eorum alibi quam in expositionibus interpretationes leguntur. Transire über- 
h&uen. In usu habent prüchent. 

Incipit de quantitate. 
Prima divisio. 
Quantitatis aliud quidem est continuum. aliud discretum. Sümeliche quan- 
titates habent sih zesamine. sumeliche sint ünderskeidin. 
Secunda divisio. 
Et aliud quidem constat ex suis partibus. habentibus positionem ad se invi- 
cem. aliud autem ex non habentibus posilionem. ÜUnde sumeliche bestänt 
fone iro stüucchin. ein änderen &teuuio ligenden. sümeliche föne unli- 
genden. 
Quae in prima divisione sint discreta et continua. 

3 Est autem discreta quanlitas ul numerus et oratio. Continuum vero linea 
snperficies corpus. Amplius autem praeter haec. tempus et locus. Tiu un- 
derskeidena quantitas. taz ist zala ünde reda. Tiu sih zesäamine habet. täz 
ist ter reiz. ünde diu öbeslihti. ünde diu heui. Unde nöh tänne äne diu 
zit. unde stät. 


der aristotelischen Abhandlungen: Karnyopiaı und megi Egumveias. 289 


Ratio de discretis. 
Partium etenim numeri. nullus est communis terminus ad quem copules 
particulas eius. "Tiu teil dero zalo. ne habint neheina gemeina märcha. tiu 
siu zesamine hefte. Ui quingue et quinque. siest ad decem particula. Also 
finuiu. ünde äber finuiu. zesamene ne häftent. übe diu teil zeniu mächönt 
i. übe denarius tarüz uuirdit. Ad nullum communem terminum copulat. i. 
copulantur. quinque et quinque sed semper discreta et separata sunt. Ne- 
hein gemeine märcha ne heftit zesamine finuiu ünde äber finuiu. siu sint 
iomer geskeiden. Quare numerus discretorum est. Föne diu ist io nume- 
rus ünderskeidin. Similiter autem et oratio discretorum est. Oratio ist 6uh 
ünderskeiden. Quia et quantitas est oratio. manifestum est. Mensuratur 
syllaba brevis (sic) et longa. Taz oratio quantitas ist. däz skinet än dero mäzo 
dero syllabarum. dia man länge heizet ünde chürze. s. uuända lang ünde 
chürz quantitates sint. täz föne dien bestät. täz ist ouh quantitas. Dico 
autem cum voce oralionem prolatum. Ih meino | dia gesprochenun oratio- 40 
nem. s. Ne misse uah nieht an demo uuorte. Uuanda logos pezeichenit 
apud grecos pediu. rationem iöh orationem. Älso ouh tüot reda in diu- 
tiscun. Ad nullum enim communem terminum particulae eius copulantur. 
Partes orationis ne bindit nehein gemeine märchunga zesamine. Von enim 
communis terminus est. ad quem syllabae copulantur. sed unaquaeque di- 
visa est. ipsa secundum se ipsam. Tü ne uindest neheina märcha gemeina 
tu zesamine hefte die syllabas tie partes orationis sint. Sie sint älle ge- 
skeidin io uueliu stät turh sih. 

Ratio de continuis. 
Linea vero continuum est. Potest enim sumere communem terminum. ad 
quem particulae eius copulentur. i. punctum. Ter reiz habit sih aber ze- 
samine. uuända er mäg undirstüpfit uuerdin. under stupf ist tänne ge- 
meine märcha des zeseuuin teilis ünde des uuinsterin in hune modum 
sinistra pars dextera pars., 
Uuirdit ter reiz ferzorn in mittemin. sö sint tänne uuortin zu@ne reiza üzer 
einemo. s6 sint Ouh föne diu uuörtin zuene Ortstupfa dero reizo. üzer 


demo einen stüpfe. der beusre uuäs kemeine. ERBE EN 
in hune modum. Stupf ne ist nehein teil des reizis. er ist Echirt Ort ünde 
märcha. Mit temo stüpfe solst tü io zeigön die teila des reizis. uuile du 
den halbin. uuile dü den dritten. uuile | dü den uierden. Äne stüpf ne 41 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Oo 


290 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


mäht tü. Ter reiz häbit lengi äne breiti. stupf ne häbit ne uueder. Ten 
reiz mäht tu geteilen mit temo stüpfe. aber selbin den stüpf. ne maht tü 
geteilen. Fone diu neist nehein ding in quantitate. chleinera stüpfe. et 
nec quantitas. sed initium et terminus quantitatis. Et superficies lineam. 
Ss potest sumere communem terminum. Plani namque particulae ad quen- 
dam communem terminum copulantur. Tiu ucldslihti mäg ünder märchöt 
uuerdin mit temo reize. uuanda iro teil habint sih io benöte zesämine. än 
etelichero gemeinero märcho. tiu gemeina märcha ist ter reiz. Sö daz 
ueld ünderrizen uuirdit. so ist jogelih reiz kemeine märcha. dero stüccho. 
diu där in eben ligent. in hune 


modum. Fäld ouh taz tüoh in &, eh8 


zuei. so dürhkät ter uäld in rei- 

zis uuis alla dia breiti des tüo- Sie 

chis. ünde ist gemeine marcha 

peidero dero teilo. diu där in eben sint. Uuile du iz an dero stete in 
zuei scrölin. sö sint sär uuortin zuei tüoh üzer einemo. ünde uzer einero 
slihti zuo (sie). unde sint uuortin zuene durhkänge. üzer demo einemo. der 


42 där beuore uuas. Die sihet (sic) | man dänne an dien serötin. in hunc modum. 
plicatus extensus 


FE] 
BE 
REIZE 


Slihti habit io lengi samint tero breiti. iro märcha habit lengi äne breiti. 


däz ist ter reiz. ter märchöt sia in mittemin. der örtöt sia 6uh an dien en- 
den. tüurh täz ne ist er neh£in teil dero slihti. Similiter autem et in cor- 
pore poteris sumere communem terminum lineam aut superficiem. quae 
corporis parliculas copulet. Älsö mäht tü ouh än dero heui nemin ze ge- 
meinero märcho den reiz. alde dia slihti. tiu zesamine hefte där in ebin 
ligendiu teil dero heui. Heui däz ist tiu diechi sämint tero breiti. alsö dü 
sihest an &inemo steine. älde an e&inemo blöche. Findest tü deheina idun (sie) 
in reizis uuis käenda. än demo hölze. älde än demo steine. tiu ist kemein- 
merche. dero in ebin ligendön teilo. Spaltet sih an dero idun (sie) dero (sie) 
stein in zudi. älde daz hölz. so sehen uuir zuene durhkanga in reizis uuis 
ze uornahtigemo spälte. die beuöre uuären ein durhkäng. unde ein reiz. 


Unde ane däz. sehen uuir zudi niuuiu superficies. tıu älso breitit sint. sö 


der aristotelischen Abhandlungen: Karnyogiaı und megi Eolunveias. 291 


dich daz corpus uuäs. Uuända man diu niuuin superficies före ne sah. 
pediu skinet täz tiz corpus peuöre continuum uuäs. Uuio uuirldit aber 4 
superficies kemein merche? Taz tüot iz. übe dü uindest aber an steine. 
älde än hölze. strimen gäende in sträzo uuis. tie heizent superficies. uuanda 
där breiti samint tero lengi ist. Tie strimen. unde die sträzä. sint ouh 
sär ünder merche dero in eben ligendön teilo.. Uuir schen ofto aba 
öbenahtigemo berge nidergän sträzä. där sleipfa alde uueg ist. Uuir se- 
hen uuiza sträza uuola breita an demo himile. quae lacteus eirculus dici- 
tur. däz sint äl ündermerche gemeiniu. dero in eben ligendön teilo. des 
himelis ih tero erdo. Ube än mitten dien strimön. ünde dien sträzön. 
der berg serindet. älde holz. alde stein. sö sint zuei corpora uuortin üzer 
einemo. ünde üzer einero sträzo zuo (sic). die danne skinent an dien brü- 


chin. in hunce modum. 


duo exnno. 


Ünde äber äne däz peginnent skinen zuei niuuiu superficies. tiu man beuore 4 
ne säh. tö iz ein corpus uuas. Uuile dü chedin däz keskihet an substantia. 
näls in quantitate. sö uernim daz uuola. tär sih tiu cor pora teilint. taz sih 
tär teilint iro quantitates. reiz. ünde slihti. ünde heui. Unde uernim oüh 
nöh mer. Ube diu corpora sö stärh sint. taz siu uuichen ne mügen. er- 
uueget man iro Enin (sie) teil. sö uuagönt alliu iro teil. also ein stein tüot. 
a ein chörn. Tännän skinet io daz iro quantitates continuae sint. Übe iz 
aber ist ein hüfo steino. älde ein mütte chörnis. iro uuägöt iro ein. turh 


002 


2393 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


taz ne uuägönt siu alliu. Tär skinet taz siu ünde iro quantitates ünder- 
skeiden sint. Est autem talium. et tempus et locus. Solih ist ouh zit. unde 
stat. i. continua sunt. Praesens enim tempus copulatur. et ad praeteritum 
et ad futurum. 'Taz kagenuuerta zit. haftet zu demo feruärenen (sic) ünde 
demo chümftigin. Ünde ist kemein merche iro zudio. ist üzläz praeteriti. 
anauang futuri. Aursus locus continuorum est. Stat ist Ouh tero zesamine 
haftentön. Locum enim quendam corporis particulae obtinent. s. quia 
ipsum corpus quendam locum optinet. Uuända selbiz corpus pehäbit eina 

‚sstat. fone diu pehabent ouh siniu teil eina stät. Quae par|ticulae ad quen- 
dam communem terminum copulantur. 'Tiu teil häftent zu etelichero ge- 
meinero märcho. Ergo loci particulae quae obtinent singulas corporis 
particulas. ad eundem terminum copulantur. ad quem ei corporis particu- 
lae. (Qua propter continuus erit et locus. Ad unum enim communem ter- 
minum suas particulas copulat. Tiu teil dero stete. diu des corporis teil 
ümbe häbint. tiu haftent tär zesämine. tär diu teil des corporis zesamine 
häftent. Pediu ist ouh tiu stat zesamine habig. uuanda siu füoget iro teil 
zu gemeinero märchö. taz chit iro teil uuerdint zesamine gefüoget. mit 
kemeinero märchö. Also daz hüs ein corpus ist. also habit iz ouh Eina 
hüs stät. Unde also die uuende teil sint des hüses. so sint 6uh tie uuänt 
stete. teil dero hüsstete. Unde där die uuende zesämine haftent. tär häf- 
tent Ouh tie uuant stete zesamine. Uuaz ist selbiu diu stat? Tiu sehsiu. 
diu ällero dingolih umbe habint. unde ümbe grifint. Uueliu sint tiu? Taz 
ünder. ünde daz obe. daz före. ünde daz äfter. daz in eben ze zeseuün. 
ünde daz ineben ze uuinsterun. Uuäz ist äber zit? Älter dirro uuerelte. 
föne £rist ünz in ende. 

i Item ratio de secunda differentia quantitatum. quae est haben/tium 

positionem et non habentium. 

Amplius autem. fernim aber nöh mer. fernim daz ih nü teilta siben quan- 
titates in ulnuiu. ünde in zuei. nü sol ih sie änderest teilen in uieriu. unde 
in driu. Alia quidem constant ex particulis quae in eis sunt. positionem 
ad se invicem habentibus. alia autem ex non habentibus posilionem. Süme- 
liche quantitates pestänt. fone iro teilin ein änderen &teuuio ligenden. sü- 
meliche föne unligenden. Ut est. Lineae quidem particulae positionem 
habent ad se invicem. Tiu teil des reizis. ligent ein anderen eteuuio. Ss. 
geörto. näls kesito. in hunc modum. 


der aristotelischen Abhandlungen: »arnyegias und wegi egunveias. 393 


keorto. keorto. keorto. 
r— “- —1— — 4 1 


Singulum namque eorum situm est alicubi. logelih iro teil. liget ete- 
uuär. Et habes unde sumas unum quid. et assignes ubi situm est in plano. 
Unde habist tü geuuis. uuär dü süchest teile gelichin. ünde zeigöst uuär 
er lige än demo uelde. Et ad guam particulam ceterarum copuletur. Unde 
an uuele iz stöze dero änderro teilo. s. äalsö daz zeseuua teil stözit än daz 
uuinstera. ünde io geörto nals gesito. ‚Similiter autem et particulae plani 
guandam habent positionem. Tiu teil dero slihti ligent öuh eteuuär. unde 
ligent peidiu georto ioh gesito. Similiter namque ostenditur unum quid 
ubi iacet. Taz skinet. uuanda man zeigön mäg. uuär iogelichez liget. Et 
quae copulantur ad invicem. Unde man zeigon mäg uueliu an anderiu stö- 
zen. S6 diu tüont tiu gel&go | ünde gesito ein ändern bechömint. älde 47 
geörto. in hunc modum. 


Sed et soliditatis quoque similiter et loci. s. particulae ostenduntur. Sö 
mag man öuh zeigön tiu teil dero heui. ünde dero stete. Tiu heui daz ist 
tiu höi ünde diu diechi ut dietum est. Diu gät io nidenän üf. föne diu ist 
quissiu stät ünde geuuisser teil dero höi. ich tero dicchi. ein elna föne 
erdo. älde züo (sic). Unde uuio ligent siu ein anderen? io ein öbe an- 
dermo in hunc modum. 


Ein obe andermo. 


Einobe anderno. 


294 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


Äber diu stät. ümbe gät diu corpora. fone diu ist quisser teil dero stete. 
ze zeigönne. quissen teil des corporis. So6 daz ist. Än demo äste des pou- 
mis. an dero uuende des hüsis. an dero ekko des pergis. an demo höubete 
des männis. än dero porto dero burg. Ünde uuio ligent siu ein anderen? 
Sumiu geörto. sö diu geleiche tuönt (sie) des fingeris. Süumiu gelego. sö sel- 
bin die fingera tüont. Sum (sic) ein obe andermo. sö daz höubet tuöt. 
s6be | demo hälse. Uuio höo iz si. daz zeigöt quissin teil dero heui. Uuär 
iz tar äna si. an uuelemo teile. an uuelemo lide. ünde noh tänne in uue- 
lemo ende. uueles sindes. uueder öbenän. alde nidenän. fore älde after. 
älde ineben. oösterhalb. älde uuesterhälb. nördenän älde sundenän. taz 
zeigöt quissen teil dero stete. 
Hucusque de habentibus positionem. restat de non habentibus. 
In numero non potest quis respicere tamquam particulae eius positionem 
aliguam ad se invicem habeant. aut sit situm alicubi. aut aliquae particu- 
lae ad se invicem conectentur. Än dien teilin dero zälo. ne uindest tü ne 
uueder. nöh uuio siu ligen ein Anderen s. georto. älde gesito. älde öbe 
ein anderen. noh uuär sıu ligen. s. ze zeseuün älde uuinsterün. noh taz 
siu jener zesamine häfteen. 
Sed neque ea i. eae partes quae temporis sunt. s. positionem habent. Nöh 
teil des zitis ne habent neheina kelegeni. Mihil enim permanet ex partibus 
temporis. Taz ist fone diu uuanda siniu teil nio stillö ne gestänt. siu rin- 
nent hina samo so uuazer. Taz nü praesens ist. taz uuirdit sär praeteritum. 
Quod autem non est permanens. guomodo hoc positionem aligquam habebit? 
4 Taz neheina uuila ungeuu£hselöt | ne ist. uuio mag taz haben stäta. alde 
kelegeni. älde skepfeda? Uuer mag cheden. sus liget tiz teil enemo täile. 
sid siu io ana in uerte sint? unde niomer ne gestätönt? ‚Sed magis ordinem 
quendam particularum dicis habere. Tu mäht mer cheden etelicha ördin- 
haftigi uuesen dero teilo. Ideirco quod temporis hoc quidem prius est. 
illud vero posterius. Föne diu däz Ein teil des zitis er ist. änderiz tara näh. 
Sed et de numero similiter. So mäht tu 6uh cheden föne dero zalo. taz si 
ordinem häbe. Eo quod prius numeretur unus quam duo. et duo quam 
tres. Uuända ein in zalo Er ist tänne zuei. üunde er zuei danne driu. Et 
ita ordinem quendam habebunt. positionem vero non multum. i. non om- 
nino accipies. Ünde io sö häbint sie ordinem. leger stät neheina. Sed et 
oratio similiter. Solih ist ouh oratio. Particulae enim eius nihil partiuntur. 


der aristotelischen Abhandlungen: »arnyogiaı und wegi Egunveias. 295 


i. nequaguam permanent. [ro teil ne stänt in stete nieht. s. dänne siu 
gespröchen uuerdent. Sed dietum est et non potest hoc amplius sumi. 
Nube hina ist. sö iz kespröchen uuirdet nöh tänne nieht mer ne mäg ke- 
zeigöt uuerden. uuär iz si daz tär kesprochen uuärd. Quapropter non 
erit positio particularum eius. si quidem nihil partiuntur. Pediu neist ne- 
hein gelegeni iro teijlo. sid siu ne uuerent. 50 
Conclusio sententiae. 
Alia ttaque constant ex particulis quae in eis sunt positionem ad se invicem 
habentibus. Alia autem ex non habentibus. Föne diu ist aleuuär. däz su- 
meliche quantitates pestänt föne iro teilin. ein änderen eteuuio ligenden. 
sumeliche föne ünligenden. 
Quae quantitates non propriae dicantur. 

Propriae autem quantitates. hae solae sunt. Echert tise sibene sint füre- 
noömis quantitates. Alia vero omnia secundum accidens. Alliu diu ände- 
riu. s. dıu in änderen cathegoriis micheliu älde lüzeliu heizint. tiu heizint 
näh tisen. Tisen sibenen sint kemeine nämen. magnum,. paryum. mul- 
tum. exiguum. longum. breve. Sprichet man die namen. föne änderen 
dingin. dien ne sint siu nieht eigin. siu sint näh tisen dänne sö geheizen (sic). 
Ad haec enim aspicientes. et alias dieimus esse quantitates. Tisiu sibeniu 
meinende. sprechen uuir die namen. 6uh föne änderen dingin. diu quan- 
titates nieht ne sint. Ut multum dieimus album. eo quod superficies multa 
sit. Äls6 uuir cheden michela uuizi. där daz feld micheliz ist. Er actio 
longa. eo quod tempus longum et multum sit. Unde uuir cheden. langiz 
uuerh. uuan (sic) dineur ist langiu ist. unde des zitis filo ist. Ei motus multus. 
Unde cheden michel rüra. | daz ist länger löuft. uuända daz zit langiz ist. 51 
Neque enim horum singulum per se quantitas dicitur. Nehein dero dingo 


ne heizit türh sih michel älde lang. Ut si quis assignel quanta sit aclio. 
tempore diffiniet annuam vel sic aligquo modo assignans. Älsö där äna ski- 
net. täz ter dia langsami des uuerchis zeigöt. sia zeigöt mit temo zite. ünde 
chit iz ein iäruuerh si. älde eteuwio. Et album quantum sit assignans. 
superficiem definiet. Unde uuio filo dero uuizi si sagende. knöt mezöt er 
daz ueld. Quanta enim superficies fuerit. tantum esse album dicet. S6 
michel daz ueld ist. sö michela säget er uuesen dia uuizi. 
Conclusio. 
Quare solae proprie. et secundum se. ipse quantitates dicuntur. quae dictae 


296 Grarr: Althochdeutsche Ü: bersetzung und Erläuterung 


sunt. Föne diu heizet man sie sibene dürh sih quantitates. Aliorum vero 
nihil per se. sed dieuntur forte per accidens. Anderiu ding ne häbint iro 
nämin. ünde iro adiectiva nieht turh sih. siu häbint sie fone in. Sie sint 
iro accidentia. sie sint iro geuerten. Änderiu ding ne mügen äna sie sin. 
Älsö an substantiis sint quantitates. sö sint an quantitatibus qualitates. 
ünde actiones. ünde passiones. Uuile dü cheden. übe daz sö ist. tänne 

s2neist in quantitas aceidens. sie sint mer iro accidentia. täz | ist aluuär. 
Äber daz föne ändermo üngeskeidin ist. taz mäg io heizin sin accidens. 
Män chit ouh in grammatica. daz persona si accidens verbi. uuanda si 
föne imo üngeskeiden ist. äfter uuärheite. sö ist actio. ünde passio dero 
personae accidens. pediu ist ouh verbum accidens personae. Nü eigin 
gelirnet taz longa actio. multa aegritudo. motus multus. calor magnus. al- 
bum multum. multa patientia. magna sapientia. timor magnus. fletus mul- 
tus. ünde dära gägene. i. e contrario. parya scientia. exiguum munus. 
modicus gustus. brevis delectatio. pauca retributio. ünde al daz sö getäna. 
sihet ze dien gezälten sıben quantitatibus. Uuanda sie sint magnae parvae. 
multae paucae. breves et longae. pediu gebent sie iz änderen. 

Hine iam proprium quantitatis requiritur. primum ex eo quod nihil 
ei est contrarium. 

Amplius. Lirne noh päz pechennen quantitatem. Quantitati nihil est con- 
trarium. Nieht ne ist uuideruuartigis quantitati, In diffinitis enim manife- 
stum est. quod nihil est contrarium. Än dien geuuissöten sibenin. ist iz 
offen. ÜUt bieubito et trieubito vel superficiei. vel alicui talium nihil est 
contrarium. Also zudio elne meze älde drio elne meze. älde dero öbe- 
slihti. ünde dien sö getänen. uuideruuartigis nieht ne ist. | 

53 Adiectiva non esse quantitatis. 
Nisi multa paucis dicat quis esse contraria. vel magnum parvo. Män ne 
chede mänig unde luzzel. uuesen uuideruuärtig. Horum autem nihil est 
quantitas. sed magis ad aliquid sunt. Tiu ne sint aber nieht quantitas. siu 
sint ad aliquid. Vihil enim per se ipsum magnum dicitur. sed ad aliquid 
refertur. Nehein ding ne heizit türh sih michel. iz sihet io zu einemo än- 
dermo. Nam mons quidem parvus dicitur. milium vero magnum. Taz 
skinet. uuända man den berg chit luzzelin. ein hirse chörn micheliz. Eo 
quod hoc quidem. s. milium sui generis maius sit. illud vero. s. mons sui 
generis minus. Täz ist föne diu. uuanda der berg uuider änderen luzzeler 


der aristotelischen dbhandlungen: narnyopiaı und megi Egunveias. 297 


ist. taz hirse chörn uuider änderen dero slähto chornin micheliz ist. Zrgo 
ad aliud est eorum relatio. Tär skinet taz man sie mizet ze ändermo. Nam 
si per se ipsum. parvum. vel magnum diceretur. numquam mons parvus 
milium vero magnum diceretur. Uuanda übe michel ünde luzzel durh sih 
kespröchen uuürtin. sö ne uuürte niomer berg keheizin luzzeler. hirse 
chörn micheliz. Aursus in vico quidem plures esse homines dicimus. in 
civilate vero paucos. cum sint eorum multiplices. Äber cheden uuir mänige 
uuesen in demo dörf. ünmanige in dero burg. dänne iro döh dära uuidere 
mänigfält ist. Et in domo | quidem multos. in theatro autem paucos. cum 54 
sint plures. Älso cheden uuir mänige sin in demo hüs. ünmanige in uuart- 
hüs. sö iro doh mänigeren sint. 4Jmplius. Lose nöh. Bieubitum vel 
tricubitum et unum quodque talium quantitatem significat. Magnum vero 
vel parvum non significat quanlitatem. sed magis ad aliquid. quoniam ad 
aliud spectat magnum el parvum. Quare manifestum est. quoniam haee sunt 
ad aliquid. Zueio elnig älde drio Elnig. ünde al daz sö getän. ünde sö 
geuuis ist. taz pezeichenit quantitatem. taz ne tuöt aber nieht michel unde 
lüzzel.e. Uuio danne? Sıu bezeichenint mer ad aliquid. Taz ist föne diu 
öffen. uuanda siu sehint än ändir. Tiu än änder sehent. tiu ne uuerdint 
nieht turh sih fernömin. 
Adiectiva videri et non esse contraria. 

Amplius. Sive aliquis ponat haec esse quantilates. sive non ponat. nihil 
eis erit contrarium. Man chede. alde ne chede siu uuesen quantitates. in ne 
ist io döh nieht contrarium. Quod enim non polest sumere per se ipsum. 
sed ad solam rationem alterius refert. guomodo huie erit aligwid contrarium? 
Täz er durh sih fernemin ne mäg. Er ne cher iz unde rerte iz ze einemo 
andermo. uuaz mäg temo sin contrarium. 

Propositio. 
Amplius autem. Sl erunt magnum et parvum contraria. conlinget idem 
ipsum simul contraria recipere. et ca ipsa sibimet esse contraria. Sulen siu 
benöte sin | contraria. sö uuirdit io uuederiz imo selbemo uuideruuärtig. 55 

Assumptio. ’ 
Contingit enim simul idem parvum esse et magnum. Ein ding uuirdet öfto 
eruären. taz pediu ist ich michel ich lüzzel. Est enim aliqwd. ad hoc qui- 
dem parvum. ad aliud vero hoc idem magnum. s. ut mons. Uuaända ete- 
lih ting ist michel gägen einemo. luzzel gagen ändermo. 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Pp 


298 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


Conclusio. 
Quare idem parvum et magnum et in eodem esse tempore contingit. Fone 
diu geskihet tänne &in samint sin michel ünde lüzzel. Quare simul con- 
traria suscipit. S6 nimet iz Ouh an sıh zuei contraria. 
Refragatio conclusionis. 
Sed nihil est quod videatur simul contraria posse suscipere. Uuio mag aber 
daz sin? nio uuiht ne uuirdit fünden. daz zuei contraria samint träge. Ut 
substantia suscepubilis quidem contrariorum esse videtur. sed nullus et sanus 
et aeger est. nec albus et niger simul,. Also iz skinet än substantia. Si 
mäg trägin zudi contraria. aber doh samint ne ist nioman sieh ünde ge- 
sunde. uuiz üunde suarz. Nehilque aliud simul contrarıa suscipiet. et ca- 
dem. i. nec eadem sıbi ipsi conlingit esse contraria. |Nöh äne substantiam 
ne uuirdit fünden. daz samint träge zudi contraria. nöh niomer ne geski- 
het ein uuesen peidiu. 
Item propositio. 

5 Nam si est magnum parvo contrarium. ipsum autem idem | simul est parvum 
et magnum. ipsum sibi erit contrarium. Ist michel ünde küzzel uuideruuär- 
tig. unde mäg ein uuesen beidiu. sö ist ein imo selbemo uuideruuärtig. 

Assumptio. 
Sed impossibile est ipsum sibi esse contrarium. Nü ne mäg taz sin. daz ein 
ding uuider imo selbemo si. 

Conclusio. 
Non est igitur magnum parvo contrarium neque multum exiguo. Pediu ne 
ist contrarium michel unde luzzel. filo demo göregin. Quare si non rela- 
livorum haec quilibet dicat. tamen quantitatis nihil contrarium habebit. Föne 
diu. uuile ouh io man stritin. täz tisiu adiectiva ne sin relativa. noh tänne 
ne habit io quantitas. neheinin uuideruuärten. (!) 

Locum falso contrarium sibi videri. 

Maxime autem circa locum videtur esse contrarietas quantitatis. Ist tehein 
uuideruuärtigi quantitatis. tiu sol an loco sin. si ist iro gelichista. Sursum 
enim ad id quod deorsum est. contrarium ponunt. s. philosophi. quod in 
medio est deorsum dicentes. eo quod multa medü distantia ad terminos mundi 
sit. 'Tie uuisegernin chedint. uuideruuärtig uuesen daz öbenän ist. temo 


(') Es steht uuiuuärten. 


der aristotelischen Abhandlungen: narnyepiaı und meg Eounveias. 2399 


daz nidenän ist. nidenän heizende däz in mittemo himele ist. tär diu erda 
liget. Taz chedint sie föne diu. uuanda michel uerri ist ist tes mitten. 
där diu erda stillo liget. üf ze ende dirro uuerlte. tär der himel sueiböt. 
Videntur autem et aliorum contrariorum diffinitionem ab his proferre. Sie 57 
uuellen suh änderro contrariorum pechenneda nemin föne disen contra- 
riis. Quomodo? Quae enim multum a se invicem distant eorum quae de 
eo genere sunt. contraria determinant. Tiu sih filo harto skeidint. ünde io 
döh chömen sint föne einero müotir. älso uuiz ünde suärz sint. fareuua 
ist iro müotir. diu heizint sie contraria.. Uwuanda aber locus genus neist. 
nöh sursum ünde deorsum siniu species ne sint. pediu ne uuirdit niomer 
locus loco contrarius. Sursum üunde deorsum pezeichenint in stete. nals 
selbün dia stät. i. in loco. et non locum. Fone diu ist iro genus ubi. 
däz tir chit uuär. älde in uuelero stete. täz ist ein ändir cathegoria. 

Quaeritur adhuc proprium in eo quod in est omni secundum soli. 
Sed non videtur quanüitas suscipere magis et minus. Ut bieubitum. Quan- 
titas ne mäg ouh nieht uuerdin daz si ist. mer älde min. Älso daz zuei 
elne mez ne mäg. Neque enim est aliud alio magis bieubitum. Uwuända 
ein ne uuirdit mer daz iz ist. tanne daz ander. Uuio mäg ein bieubitum 
mer bicubitum sin. danne änderiz? Neque in numero. Noh in zalo ne 
uindist tü is mer danne in meze. Id est. non recipit numerus comparatio- 
nem. sicut nec mensura. Üt ternarius quinario. Also driu. min noh mer 
ne heizint zala. dänne uinuiu. Nihil enim magis tria | dicentur. Mer driu 53 
ne chidit nioman. Nee potius tria quam tria. Noh Einiu driu. mer dänne 
anderiu driu. Nec tempus aliud alio magis et minus dieitur. Noh &in zit 
ne chidit man uuesen mer zit älde min. danne daz ändir. Nec in his quae 
dieta sunt. i. septem quantitatibus omnino magis et minus dieitur. Nöh in 
allen sibenin ne chidit man mer älde min. Quare non suscipit quantitas 
magis et minus. Pediu ne uuirdit quantitas mer noh min. Siu uuirdit äber 
minnera ünde m£ra. i. maior et minor. ut ternarius numerus maior est 
binario. et bicubitum minus est trieubito. et annus longior est mense. 
Idem quoque evenit in substantia quia et homo maior est homine non au- 
tem magis. 

Ecce proprium. quod in est soli et omni et semper. 

Proprium autem maxime quantitalis est. quod aequale et inaequale dicitur. 


Taz ist aller &iginhaäftista quantitatis. täz man chit ebinmichel üunde un- 


Pp2 


300 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


ebinmichel. älde gemäze unde ungemäze. Singulum enim earum quae di- 
clae sunt quanlitatum. et aequale dicitur et inaequale. Tero sibin quanti- 
tatum io gelicho chit man ebenmichel ünde üunebenmichel. Ue corpus 
aequale et inaequale. et numerus aequalıs et inaequalis dieitur. et tempus 
aequale et inaequale. Älso man chit. ebinmichel ünde unebin michel heui. 
ssun/de zala unde zit. Sed pro his nos dieimus iz ist ebinheuig. iro ist ebin 
mänig. is ist nü ebin lang. älde ne ist. Similiter autem et in alüs quae 
dieta sunt singulis. et aequale et inaequale dicitur. Ze dero selbün uuis chi- 
dit man aequale et inaequale. ouh an dien änderen quantitatibus die ge- 
nemmit sint. J/n caeteris vero quae quanlitates non sunt. non multum. i. 
non omnino videtur aequale et inaequale dici. Än änderen dingin. diu 
quantitates ne sint. ne chidit man bore uueigiro. id est ne sol man chedin 
aequale et inaequale. Namque affectio aequalis et inaequalis non multum 
dicitur. sed magis similis. Et album aequale et inaequale non multum sed 
simile. Qualitates. sö affectio unde album ist. die heizint rehtör similes 
tänne aequales. Quare quantitalis proprium est aequale et inaequale dicı. 
Pediu ist eigin quantitatis. kemäze ünde üngemäze. 
Explieit. 
Linea uuirdit kediutit reiz ünde zila. ünde riga. unde strih. unde durh- 
gäng. Superficies heizit obeslihti. ünde üzenähtigi. Corpus sive solidum. 
mäg heizin heul. üunde diechi. Si autem fit adieetivum. dieimus solidum. 
erhäueniz. diechiz. ölangiz. daz chit älegangiz, ünholiz festiz. Linea sub- 
alternum genus est eius species sunt recta. curva. torta. in hunc mo- 
dum. | 


60 recta linea. 2 EN NEN 


Superficies quoque subalternum genus est. cuius species sunt. ceirculus. 


trigonum. tetragonum. pentagonum. exagonum. et deinceps in hunc 
modum. 


tetrago exagonus. 
nus. 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnysgieı und wegi Egunveias. 301 


Harum quoque figurarum sunt plurimae species. ut trianguli species sunt. 
rectum. acutum. obtunsum. in hunc modum. 


se 


Quae in geometrica discendae sunt. Solidum corpus subalternum simili- 
ter est. Species eius sunt. spera. i. species rotunda. piramida. cubus. 
in hunce modum. 


Locus non videtur genus esse. Dubitatur quoque an species dici debeat. 
Nam si totus mundus unum corpus est. locum quoque tantum unum ha- 


bent omnia deinde quae inveniuntur in eo. i. in mundo. partes eius sunt. 
in quibus et partes loci sunt. Ad hunc modum. Locus quoddam indi- 
viduum est. et non potest species dici. Si autem tot loca sunt quot cor- 
pora. magis videtur locus esse species. et habere individua singulorum 
corporum loca. Quid autem tempus? Tempus est protractum spacium 
ab initio mundi. usque ad finem. quod quia continuum est. non potest 
species dici. sed quoddam individuum. cuius partes sunt | praeteritum. et6t 
futurum. Praesens autem. ut aristotiles docuit. in modum puncti. termi- 
nus quidam est praeteriti et futuri. et non pars. Partes autem praeteriti 
et futuri sunt. secula. et aetates. etanni. et menses. dies et noctes. Quae 
sicut in praeterito fuerunt. ita et in futuro erunt. Et si praesens in eis 
requiris. praesentem annum et praesentem diem reperies. ipsum praesens 
in eis minime comprehendis. Numerus vero maxime subalternum genus 
esse dinoscitur. quia et sub ipso sunt genera. Sunt enim eius primae spe- 
cies. par et impar. i. keräd ünde üngerad. Deinde paris sunt. species 
tres. et item inparis tres. quae in arithmetica discendae sunt. Oratio non 
minus subalternum generis dicenda est. Eius sunt principales species. V. 


1) Ist nicht als rechtwinkliges, sondern, wie hier, als gleichseitiges Dreieck im Co- 
ges) ’ 8 5 
dex gezeichnet. 


302 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


Enuntiativa oratio. Depraecativa. Imperativa. Optativa. Vocativa. Item 
earum sunt plurimae species ut in peri ermeniis legitur. ut enuntiativae 
sunt. affırmatio et negatio. 
Ineipit ad aliquid et de relativis quantitatibus. 
4d aliquid vero talia dieuntur. quaecunque aliorum dieuntur id quod sunt. 
Soliu uuört heizent ze eteuuiu. tiu änderro sint. taz siu sint. unde än- 
derro heizint. el quomodo libet ad aliqud aliud. Älde eteuuio gesprö- 
chin uuerdent ze einemo ändermo. Ut minus alterius dieitur id quod est. | 
%2 dliquo enim maius dieitur. Älso daz meröra. eines änderis meröra heizet. 
iz chit man io eteuues meröra. Täz iz ist. unde däz iz heizet. taz ist 
eines änderis. Zt duplum alterius dieitur. id quod est. Alicuius enim du- 
plum dieitur. 'Taz ouh zuiuält heizet. taz heizet @inis änderis zuiualt. Täz 
iz ist. täz chit man si eines änderis. Iz ist eteuues zuiuält. iz heizet ouh 
eteuues ziuualt (sic). Similiter autem et alia quaecunque sunt eiusmodi. id est 
quaecunque per se non possunt intelligi. relativa sunt. Tiu durh sih ne 
mügin uernomin uuerdin. diu schint ze änderen. ze dien siu gespröchin 
uuerdint. 
Quare dietum sit quomodo libet. 
Ziu chad er. aliorum dieuntur. vel quomodo libet ad aliud? Uuända rela- 
tiva sümelichiu sehint ze genitivo. ut duplum simpli. Sum ze dativo. ut 
par pari. Sum ze ablativo sine praepositione. qui septimus dieitur. ut 
maior minore. Aber ze accusativo ne sehint siu. äne praepositionem ad. 
Uuelih gägensiht. i. uuelih relatio ist an zuein accusativis. sö man chit 
magnum parvum? Sezze praepositionem ad. ündir zuisken. ünde chid 
mag 


8 
diu conversio si gelichero casuum. uuenne üngelichero. Pater filü. filius 


num ad parvum. taz ist rehtiu relatio. Tär mitte hüte gnöto. uuenne 


patris. dominus servi. servus domini. duplum simpli. simplum dupli. 
#3 chümit kelicho | an demo ümbechere. uuända beidin halb genitivus inchit 
nominativo. Sensus vero sensibilis rei sensus est. et sensibilis res sensu 
sensibilis est. item. scientia scibilis rei scientia est. et scibilis res scientia 
scibilis est. habint üngelichin umbecher. uuanda die zuene nominativi sen- 
sus ünde scientia. &iscönt genitivum. äbir die anderen zu@ne nominativi. 
sensibilis unde seibilis. &iscönt septimum casum. Nü chit man ouh latine. 
duplum ad simplum. simplum ad duplum. ünde duplum simplo. ünde 
simplum duplo. Tära näh mügin uuir teutones chedin des scälchis herro. 


der aristotelischen Abhandlungen: xzarnyogia und wepi Eounvsias. 303 
8 vr QEEO 


44 
des herrin scälhe. des fätir sun. des sunis fätir. ze gelichero uuis. Abir 


zuiualt ne muügin uuir nieht sprechin. ze demo genitivo sinis oppositi. 


5 
uuända nioman ne chit. lege zuiualt hälblichis. er chit aber. lege zuiualt 
gagin hälblih. unde halblih gagin zuiuält. Ferstäntnissedo. ünde uuizent- 
heite. i. sensui et scientiae. ne sint opposita nomina nieht in diutiscün 
fündin. zu dien man siu spreche. uuir mügin döh. fernemin an in relatio- 
nem. Sid uuir cheden. ih ferstän des tingis. sö mügin uuir uuizin. daz 
ferstäntnisseda ist. tes man ferstän mäg älso uuir latine cheden sensus est 
sensibilis rei. i. quae potest senltiri. Unde dära gägene des man uerstän 64 
mäg. uuannan ist täz? mit uuju mäg man is ferstän? mit ferstäntnissedo. 
Älso iz 6uh latine chit sensibilis res sensu sensibilis est. Uuizinthäit ist 
ouh. tes man uuizin mäg. ünde däz man uuizin mäg. taz ist solih föne 
uuizentheite. Sequitur. 
De relativis verbalibus. 

Ai vero sunt eliam et haec ad aliquid. ut habitus. affectus. disciplina. po- 
sitio. Haba ünde änagehefteda. üunde zuht. ünde sezzi. tiu sehent öuh ze 
anderen dingin. Festiu haba. däz ist habitus. ünfestiu. däz ist affectus. 
Haec enim omnia quae dicta sunt. hoc ipsum quod sunt aliorum dieuntur. 
et non aliter. Tisiu alliu sint sö genämöt. taz siu änderro sin. taz siu sint. 
näls türh sıh. Habitus enim aliewus est habitus. et disciplina alieuius dis- 
ciplina. et positio alicuius positio. Haba ne mag sin. si ne si eteuues haba. 
noh zuht noh sezzi. Haba ist habamahtigis tingis. ünde daz habe mähtiga. 
ist fone habo habemähtig. Sic latine dieitur. habitus habilis rei habitus 
est. et habilis res habitu habilis est. Zuht ist zuhtigis. Taz zuhtiga. ist 
fone zuhte zuhtig. Sicut latine disciplina disciplinati diseiplina est. et dis- 
Sezzi ist gesäztis. Täz kesazta 65 


eiplinatum. disciplinatum est disciplina. 
ist fone sezzi kesäzt. ÜUt positio positae rei est. et positum positione po- 
situm est. ‚Sed et alia similiter. s. alicuius sunt. ut affectio et dispositio. 
Föne dien tuöt man sümelicha conversionem. Änahefteda ist anagehaftis 
tingis. Taz anagehäfta. ist fone anageheftedo änagehäft. Sicut et latine 
affectus vel. affectio affectae rei est. Affectum autem. affectu vel affectione 
affectum est. Affectio ünde dispositio. ist al ein. sö unsih boetius lerit. 
Äbir dh zuei participia affectus et dispositus. ne habint nieht kelicha 
constructionem. apud latinos. Sie chedint dispositus ad illam rem. af- 
fectus illa re. dispositus ad grammaticam. affectus grammatica. Uuir 


304 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


mügin chedin. dara zü beskeriter. dara zu gehäfter. ze gramatiche beske- 
riter. ze gramatiche gehäfter. (!) Äber dero diutiskün uuirdit sär uueh- 
sel. sö uuir cheden dispositus ad calorem. affectus calore.. Tär muügin 
uuir fone beiden gelicho chedin. uuärmenter. älde eteuuaz uuärm uuör- 
tener. älde sämo uuarmder. Similiter dispositus ad nigredinem. affeetus 
nigredine. suärzenter. eteuuäz suärzer. sämo suärzter. dd aliqgwd ergo 
sunt. quecunque id quod sunt. aliorum dicuntur. vel guomodo libet. Aliter 

%ad aliud sunt. Nü sint io | diu ad aliquid. diu änderro sint. taz siu sint. 
älde ze änderen &teuuio sehent. Ut mons magnus dieitur. ad montem 
alium. Also michel berg kenamöt uuirdit. ein gägen ändermo. uuända mi- 
chel berg. neist nieht lüzzelis. nübe gägin lüzzelmo. Magnum enim alı- 
quid dieitur. et simie alicuius simile. et omnia talia simliter ad aliquid di- 
cuntur. Michel ünde gelih. ünde alliu sö getäniu uuört. sint io ad ali- 
quid. 

De speciebus positionis. 

Sunt autem accubitus et statio. et sessio positiones quaedam. Taz ligin. ünde 
daz stän ünde daz sizzen. tiu sint species positionis. Also dispositio ist 
applicatio. sö ist aber positio collocatio. Eniz ist zuobietunga. ünde zuo- 
füogi. tiz ist kestelleda ünde sezzi. Ter diu species ne bechenne föne in 
selben. der bechenne siu föne iro genere. i. positione. Positio vero ad 
aliquid est. Älso däz genus ist. sö sint ouh tiu species. Latini chedint. 
statio stantis est. et qui stat. statione stat. T’&mo gelicho mügin uuir che- 
din teutonice. Toaz stän ist des stäntin. ünde der stänto. ist föne stänne 
der stänto. Sö ist ouh legir ligentis unde sizzen sizentis. Ünde dära gägane 
(sie). ligender ünde sizzenter. ist föne ligenne. üunde föne sizzenne. Ja- 

$Tcere autem vel stare vel sedere. ipse quudem non sunt posiltiones. denomi- 
nalive vero ab his quae dictae sunt positiones nominantur. Ligen. stän. siz- 
zen. sö siu verba sint. infinitivi modi. Tänne ne sint siu nieht positiones. 
siu sint genamöt föne dien positionibus. ünde bezeichenint situm nals ad 
aliquid. 

Incipit quaerere proprium ex contrarietate. 

Inest autem et contrarielas in relatione. Än dien relativis ist 6uh contra- 
rietas. ÜUt virtus vitio conlrarium est. cum sit utrumque ad aliquwd, Älso 


(') Es steht hehäfter. 


der aristotelischen Abhandlungen: narnyogia und megi Egumveias. 305 


tügid ächustin uuideruuärtig ist. tänne siu beidiu sin relativa. Zi disci- 
plina ignorantiae. ünde gelirnunga ünchunnün. Non autem omnibus rela- 
tivis inest contrarietas. 'Toh neist iz in ällen nieht gemeine. Duplici enim 
nihil est contrarium. neque vero Wipliei. neque ulli talium. Zuiuältemo unde 
triualtemo. ünde anderen solen ne mäg nieht uuideruuärtigis sin. 
De magis et de minus. 
Fidetur autem et magis et minus relativa suscipere. Nü ist 6uh quis rela- 
tiva muügin uuähsen ünde suinen. Simile enim magis et minus dieitur, et 
inequale magis et minus dieitur. kelichera ünde üngelichera. unde ünge- 
mäzera diz tänne Eniz chit man. danne siu beidiu sin ad aliquid. ‚Simile 
enim alicui simile dieitur. et inaequale alicui inaequale. Uuända siu rela- 
tiva sint. pediu chit man. kelih ist | kelichemo gelih. ünde üngemäze ist cs 
eteuucemo üngemäze. Non aultem omnıa relativa suscipiunt magis et minus. 
Taz neist in ouh nieht allen gemeine. Duplex enim non dieitur magis et 
minus duplex nec aliquid lalium. Uuanda ziuuältera ünde ünziuualtera ne 
chit nioman. noh sölches nieht. 
(Quod non semper idem casus respondeat in conversione. 
Omnia autem relativa ad convertentia dteuntur. ut servus domini servus di- 
eitur. el dominus servi dominus. et duplum dimidü duplum. et dimidium du- 
pli dimidium. et maius minore maius. et minus maiore minus. Similiter au- 
tem et in aliis. Alliu relativa uuerdint kespröchen gägen dien. mit tien siu 
umbe gänt. also an dien genamden exemplis skinet. ünde ällen sö getänen. 
Sed casu (sic) aliquotiens differt (sic). secundum locutionem. Aber än demo 
gechöse. missehillet öfto der casus. tero conversionis. Ut disciplina disci- 
plinati dieitur disciplina. et disciplinatum disciplina disciplinatum. et sensus 
sensali sensus. et sensatum sensu sensalum. Tiu uöre gespröchenen. se- 
hent ze genitivo. Än demo umbechere. stät äber septimus casus. füre 
genitivum. Tes ist tär uöre gnüege gesäget. 
Quomodo relativae substantiae assignandae sint. 
At vero aliquoliens non videbitur converli. i. non potest convert. zısi con- 
venienter ad quod | dieitur assignetur. hoc est. si non convenienter ad quod «9 
de opposito suo praedicetur. Relativum ne mag neheinest umbegän. iz 
ne uuerde uöne sinemo reht seuldigin opposito gesprochen. Si peccet is 
qui assignat. Übe der missegrifet. ter iz hinasaget. ze demo ünsculdigen. 
so ne gät iz umbe nieht. Dt si ala assıgnetur ayis, non converlitur ut sit 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Q q 


306 Grarr: Alihochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


avis alae. Also der umbegäng niomer uuär ne uuirdit. übe man chit. fe- 
täh fogeles. täz ouh fogal. fetachis si. Neque enim prius. convenienter as- 
signatum est ala avis. Fone diu ne gät iz umbe. uuanda ubelo geuället 
före ze chedenne fetah ist fögalis. samo so er änderis ne si äne uögalis. 
Neque enim in eo quod avis est. in eo ala eius dieitur. Uuända in dien 
uuörten uetäh kespröchen ne uuirdit. tara zuo schendo. daz fogal ist. 
Sed in eo quod alata est. Nube in dien uuörten. i. tara zuo sehendo. daz 
er geuetahöter ist. Cheden sö. doh iz kenge ne si. Multorum enim et 
aliorum alae sunt. quae non sunt aves. Föne diu neist nieht ze chedenne. 
fettäh fogeles. uuanda fetächa ouh sint änderro animalium. tiu uögela 
nieht ne sint. Quare si assignelur convenienter. et convertitur. Föne diu. 
übe iz rehto gespröchen uuirdet. sö gät iz ouh umbe. Uuio sol man che- 
den? Ala alatı ala est. et alatum ala alatum est. Fettäh ist io geuetta- 
ro chötis. ünde | daz geuettachöta ist fone uettäche geucttachöt. 
Licentia fingendi nomina. 
Aliquotiens autem forte et nomina fingere necesse erit. si non fuerit posi- 
tum nomen. ad quod convenienter assignetur. Uuöla mäg kebürren. daz 
ioh uuilön dürft uuirdet. niuuen namen ze uindenne. übe der er uunden 
ne uuärd. ze demo iz kelimflicho gespröchen uuerde. Ut non erit conve- 
niens assignalio. si remus navis assignetur. Älso däz üungelimflih ist. taz 
man chede. daz rüoder ist io skcfis. Neque enim in eo quod est navis. in 
eo eius remus dieitur. Uuända dara zuo sehendo. daz iz skef ist. ne chidit 
nioman daz iz sin ruoder si. samo so siu zudi lo samint sin. Sunt enim 
naves. quorum remi non sunt. Skef sint cmüegiu. äne rüoder. tiu man dri- 
bet mit scältön. i. conto subiguntur. Quare non convertitur. Navis enim 
non dieitur remi navis. Föne diu ne mag iz umbe gän. uuanda sö getän 
skef. ne heizet nieht rüoder skef. iz heizet. scaltskef. Sed forte conve- 
nienlior assignatio erit. si sie quodanı modo assignelur remus remitae. aut 
quoquomodo aliter dietum sit. i. dietum fuerit. Iz keuället äber bäz. übe 
man chit. rüoder des kerüoderötin. alde so uuio iz äanderis mäg kesprö- 
chen uuerden. Nomen'enim non est positum. imo neist namo uündener na. 
Convertitur enim si convenienter assıgnelur. Iz kät io dänne ümbe. übe iz 


—ı 


bildlicho gesprochen | uuirdet. ARemitum enim remo remitum est. Uuanda 
gerüoderöt. ist jo uone rüodere gerüoderöt. Similiter autem et in alüs. 
Sö uerit iz 6uh än dien änderen relativis substantiis. Ut caput convenien- 


der aristotelischen Abhandlungen: »arnyegia und megi £gunveias. 307 


tius assignabitur capitali. quam si animalis assignetur. Also bäz keuället ze 
chedenne. höubet tes höubetähten dänne animalis.. Uwuända doh iz uuär 
si. iz ne gät so ümbe nieht. Jeque enim in eo quod animal est. caput 
habet. Noöh iz ne habit nieht höubet. föne dero nöte däz iz animal ist. 
Multa enim sunt animalia capita non habentia. Animalia sint cmüegiu höu- 
betlösiu. 
Nova nomina unde sint trahenda. 

Sic autem facilius fortasse sumitur nomen. quibus non est positum. Nü 
uuano ih skepfet man bechämost namen. tien er uöre geskäfen ne uuäs. 
Si ponantur nomina. ab his quae prima sunt. i. primitiva. et ab his ad quae 
convertuntur. UÜbe sie in geskäfen uuerdent. fone dien primitivis. ih meino 
dien. zu dien sie becheret uuerdent. ‚Ut in his quae praedicta sunt. ab 
ala alatum. a remo remitum. Also alatum uuirdet föne ala derivatum. ünde 
remitum uuirdet fone remo derivatum. Omnia ergo quae ad aliquid di- 
cuntur. si convenienter assıgnentur. ad convertentia dieuntur. Älliu relativa 
sint tänne gespröchen ze iro gägencherten. übe siu rehto gespröchen uuer- 
dent. Nam si ad quodlibet aliud assıglnetur. et non ad aliud dicatur. non n 
convertuntur. Übe iz kespröchen uuirdet ze andermo danne ze demo scul- 
digen. sö ne gänt siu nieht umbe. 

De inconvenientia relativae praedicationis. 
Dico autem quoniam neque eorum. quae indubitanter convertbilia dieuntur 
et nomina eis posita sunt. nihil convertitur. si ad aliqgwd eorum quae sunt 
accıdentia assignetur. et non ad ea ad quae dieuntur. Fernim uuola. daz 
noh tero nehein. ne uuirdet peuuendet. tiu guisse uucndelinga sint. ünde 
in namen uündene sint. übe man siu sprichet. ze dien mite gäenden. näls 
ze selben dien. ze dien siu sehent. Üt servus non convertitur. si non as- 
signetur servus domini. sed hominis aut bipedis. aut alicuius talium. Älso 
servus ist ein guisser uuendeling. ünde doh nieht ne uuirdet umbe be- 
uuendet. übe er gesäget ne uuirdet uuesen domini. unde er äber gesaget 
uuirdet uuesen hominis. aut bipedis. Homo ünde bipes. tiu gänt io mite. 
So uuär servus ist. tär ist ouh homo. unde bipes. ünde rationabile. ünde 
risibile. ünde mänigiu sö getäniu. mit tero neheinemo ne uuirdet er umbe 
beuuendet. töh guis relativum si. Uuio mag tänne remus ünde ala. diu 
ziuualigerin (sie!) sint habin conversionem. übe siu ne uuerdent kespro- 


, Qq2 


308 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


chen. ze iro gegäten. Sequitur. Von enim conveniens assignatio. Sölih 
assignatio ne geuället nieht. s. pediu ne gät si ümbe. 

73 Item de requirenda con!venientia assignationis. 
Amplius. Sl convenienter assignetur quod dieitur. ad id. s. cum quo con- 
vertitur. Übe äber däz kespröchena dära gespröchen. uuirdet ünde ge- 
zeichenit (sic). tära iz sol. omnibus alüs cireumseriptis. i. pereuntibus quae- 
cunque accidentia sunt. tien mite gäenden allen uertiligöten. relicto solo illo 
ad quod assignatum est. temo Einen unuertiligötemo zü demo iz gezeichenit 
ist. ad ipsum dicetur. gägen demo uuirdet iz kespröchen. ünde mit temo 
einen bestät tiu relatio. Ut si servus ad dominum dicatur. Alsö io dänne 
noh tiu relatio stät. übe servus gagen domino gespröchen uuirdet. eircum- 
scriptis omnibus quae sunt accidentia. mit allo zegängenen dien. tiu imo 
uölgent. Ut esse bipedem vel scientiae susceptibilem. vel hominem. Älso 
imo uölget uuesen mennisken ünde zuibeinen. ünde gelirnigen. Relicto 
vero solo domino. semper servus ad illum dieitur. Ne bestände servo nieht 
mer. äne dominus ze demo ist er io relatus. ‚$vero servus s. e contrario 
non convenienter dicatur ad id. ad quod dieitur. Übe äber dara gägene 
servus kespröchen uuirdet. ze einemo imo üngegätemo. sö homo ist. cir- 
cumscriplis aliis omnibus. anderen dingen allen uertiligöten. relieto hoc solo 
ad quod assignatus est. äne daz eina. ze demo er gesprochen ist. ih meino 

rıhomine. non dicetur ad ipsum. ze imo | ne häbit er io döh neheina rela- 
tionem. Als6 dü chiesen mäht. tie man echert sö. Assignetur servus ho- 
minis. et ala avis. Servus si hominis. unde ala avis. Circumseribatur ad 
dominum esse servum. Fersägee man servum uudsen gespröchenen gägen 
domino. Non enim servus ad hominem dicitur. 'Tüurh taz ne uuirdet io 
servus nieht relatus gäagen homine. Cum enim dominis non sit. servus non 
est. Sö lang io der dominus ne ist. servus tar mite ne ist. Similiter et de avi. 
Sö uert (sic) iz Guh umbe avem. Circumseribatur alatam esse. et amplius 
non erit ala ad aliud. Fersäge avem uu6sen alatam i. chit (sie!) taz alatum 
ne si. noh niomer ala ne uuirdet relativa. Uuio mag? Cum enim non 
sit alatum. nec ala erit alicuius. fetäh ne mäg sin. sö der ne ist. tes er si. 
Quare oportet assignari ad id quod convenienter dieitur. Föone diu sol io 
daz relativum gespröchen uuerden. dara iz zuo keuället. Zt si sit nomen 
positum. facilis erit assignalio. Si aulem non sit. fortasse erit necessarium 


nomen fingere. Unde ist ter nämo uundener. dära iz siet (sie). sö ist is 


der aristotelischen Abhandlungen: »arnysgiwı und wegi Egunveias. 309 


lieht (sie). Übe daz ne ist. s6 sol man in uinden. Si autem sic reddantur. 
manifestum est. quoniam omnia relativa conversim dieuntur. Tuot man daz. 
sö gänt siu grecho vmbe. 

Quod relativa fere simul sint. 
Fidetur autem ad aliquid simul esse natura. Uuola gelih ist ouh relativa 
io säment sin. Zt in alüs quidem | pluribus verum est. Iz ist ouh uuär än 75 
allen meistigen. Simul enim est duplum et dimidium et cum sit duplum 
dimidium est. Zuiualt unde hälblih sint io säment. üunde sö daz &ina ist. sö 
ist ouh taz änder. Zt cum sit servus. dominus est. Similiter autem his et 
alia. Unde sö servus ist. sö ist ouh dominus. S6 uerit iz Guh timbe än- 
deriu. Stmul autem haec auferunt se invicem. Siu tilegönt ouh ein ände- 
riu. Tiu samint uuerdent. tiu zegänt ouh sämint. Si enim non sit du- 
plum. non est dimidium. et si non sit dimidium. non est duplum. Übe diz, 
ne ist. noh £niz neist. ünde übe £niz neist. noh tiz neist. Similiter au- 
lem et in alüs. quae cumque lalia sunt. S6 uerit iz. än sö getänen. 

Exeipitur scientia et scibile. 
Non autem in omnibus relativis verum videtur. simul esse natura. Nü ne 
ist th nieht uuäre gelih allıu relativa io sament sin natürlicho. Sezbile 
enim scienlia. prius esse videtur. Er. ist täz man uuizen mäg. tanne uui- 
zentheit. Namque in pluribus subsistentibus rebus. scientias accepimus. Än 
dien uöre uuörtenen dingin meistigen. uuurtin sid unsere bechenneda. i. 
er uuärin alliu ding meistigiu. er uuir iro uuurtin antchünde. Ärtes tie 
man chunnin mähti. uuären er. er man sie chöndi. Zr paucis enim vel 
nullis hoc quis reperiet. simul cum scibili scientiam factam. 'Taz kescah noh 
selten. alde neheinest. taz samint temo. daz man uuizen mäg. uuizentheit 
chame. Übe der man chimeram | er dähtä. där mite uuissa er sia ouh. 
Uuio mähtä er sia aber (!) uuizen. sid si ne uuas. Föne diu chit er vel 
nullis. uuanda Er is ziuuelöt (sie). Übe er sia uuissi. so uuäre si. Am- 
plius. Chiesen iz noh enötör. Scibile sublatum. simul aufert scientiam. 
scientia vero non aufert scibile. 'Tär ana skinet. taz siu io nieht sament ne 
sint. uuanda übe scibile zegät. tär mite zegät sär scientia. zegät aber scien- 
tia turh taz ne zegät scibile. Mam si scibile non sit. non est scientia, Scien- 
tia vero si non sit. nihil prohibet esse scibile. Übe scibile neist. noh scientia 


(') Es steht sia ber. 


310 Grarr: Althochdeutsche Ü bersetzung und Erläuterung 


neist. ÜUbe scientia neist. uuöla mäg toh scibile sin. Ut si cireuli qua- 
dratura seibilis est. scienlia quidem eius nondum est. illud vero scibile est. 
Also diu sö geheizena geometricalis figura. chünnemaähtig ist. tia nioman 
noh ne chan. unde si döh chunnemähtig ist. Tö aristoteles tisa scrift teta. 
noh tö ne chöndön nieht geometrici geuär&n. uuio män circulum quadrato. 
eben michel getäte. Sid uuärd iz funden. Uuer mähti iz äber uinden. 
übe iz tiu natura ne häbeti gehältin. hinder iro? Natura häbeta iz er. ratio 
uänt iz sid. Täz ist lang ze sagenne chit boetius. uuio man sia mächon 
süle. Si uuirdet io döh sö geuuorht. taz circulus ünde quadratum. pei- 
diu in ein änderen stänt. ünde io uuederiz eben uilo gät. uzer demo än- 
dermo. in hunce modum 


Tiu figura heizet tänne eirculus quadratus. Jmplius. Animali quidem 
sublato. non est scienlia scibilium vero plurima esse contingit. Tär scientia 
ist. tär ist animal. Übe scientia zegät. sö ist animal zegangen türh täz ne 
zegät nieht scibile. alsö numeri sint ünde figure. 
Item excipitur sensus et sensibile. 

Sinuliter autem his sese habent et ea. quae de sensu sunt. S6 iz ketän ist. 
umbe scientiam. sö ist iz öuh ketän umbe sensum. sSensatum enim vel 
sensibile priusguam sensus videtur esse. 'T'’&s man uerstän mag sehendo. hö- 
rendo. stinchendo. smechendo. crifendo. täz ist er. er selbiu uerstänt- 
nisseda. Nam sensatum interemptum. simul interimet et sensum. Sensus 
autem sensatum non simul interimet. Zegänt alliu corpora. dero man uer- 
stän mäg. schendo. crifendo. smechendo. se (sic) zegengent siu die quinque 
sensus animalium. Aber quinque sensus zegangene. ne zegengent alliu 
corpora nieht. Übe älliu corpora zegiengin. uuär uuärin sensus tänne? 
Sensus vero circa corpus. et in corpore sunt. Sensus sint io mit corpore. 


der aristotelischen Abhandlungen: zarmyegiaı und megi egunveias. 311 


ünde in corpore S. animalium. Sensato autem perempto, peremplum est 
et corpus. s. anilmalium. sSensatorum enim est corpus s. illorum. Zegänt 75 
sensata i. corporalia. sö zegänt animalia. uuanda siu in iro zalo stant. Än- 
deris ne mähti siu nioman sehen. ünde grifen. Cum vero corpus non sit. 
s. sensatum. perimitur et sensus. Quare simul perimit sensatus sensum. 
Sensus vero sensatum non simul perimit. S6 gesiunlichiu ne sint. sö neist 
selbiu gesiht. pediu tilegönt siu dia gesiht. kesiht ne tilegöt äber kesiun- 
lichiu. Föne uuiu ist taz? A4nimali enim perempto. sensus quidem perem- 
ptus est. ‚Sensalum vero erit. ut corpus calıdum. dulce amarum. et alia 
omnia. quaecumque lalia sunt. S6 animal neist. sö ne ist 6uh kesiht. aber 
gesihtigiu unde infündenlichiu sint noh tanne. S6 uuärmiu (sic) sint. üunde 
süeziu. ünde bitteriu. üunde alliu dien gelichiu. Ampliuus. Sensus quidem 
cum sensato fit. simul enim animal fit et sensus. Etelichemo sensato ist 
sensus ebenält. täz sensatum ist animal. sament t&mo uuirdet er.  Sensi- 
bile vero ante est. guam esset sensus. 56 ist äber ander sensatum ünde sen- 
sibile. altera danne sensus. Uueliz ist taz? Jgnis et aqua. et alia huius- 
modi ex quibus ipsum animal constat. ante sunt quam animal sit omnino vel 
sensus. Elementa uöne dien animal uuörten ist. sint älteren dänne animal 
älde sensus. Quare priusqguam sensus sensibile esse videtur. Föne diu ist 
ältera sensibile. danne sensus. Porphirius platonicus ter. isagogas sid 
sereib ter ne iihet imo nieht. Uuemo uuäs iz sensibile chit er. dö sensus 
ne uuas? Fone | sensu ist sensibile. uuio mäg iz aber daz sin. er sensus 13 
uuirdet? Elementa uuärin. mel ünde änderiu duleia i6h amora uuärin. 
ünde ne uuären äber nieht sensibilia. noöh scibilia. er sensus üunde scientia 
chämin. Foöne diu sint älliu relativa ebenält iro oppositis. sö imo dun- 
chit. 
Verene sit ulla substantia ad aliquid. 

Habet autem questionem an ulla substantia ad aliquid dicatur. quem ad 
modum videtur. an hoc contingat. secundum quasdam secundarum substan- 
tiarum. Nü ist aber gnöto ze urägenne übe dehein substantia ad aliquid si. 
sö man uuänit ünde übe iz töh keskehe deh£inero dero secundarum sub- 
stantiarum. Nam in primis substantüs verum_ est. Än primis substantiis 
fligo ih mih tes ih sago. Uuaz ist taz? Nam neque tolae neque partes ad 
aliquid dieuntur. Noh sie selben mitällo. noh iro teil. ne schent än änder. 
Nam aliquis homo s. ut cato non dicitur alicwus aliquis homo. Cato ne 


312 Grarr: Althochdeutsche Ü bersetzung und Erläuterung 


F 


heizet niomannis cato. noh relative noh possessive. Neque aliquis bos S. 
ut est catonis. alieuius aliqui bos. Noh catonis rint ne heizet sin rint rela- 
tive. süunder possessive. Uuile dü cheden relative catonis rint. sö solst 
ti sär cheden. rindes cato. Similiter autem et partes. Taz an allemo. daz 
an teile. Quaedam enim manus s. ut catonis. non dieitur alicuius quedam 
manus. sed alicuius manus. Catonis hänt ne heizet nieht relative. ein ete- 
souues hant. si heizet possessive sin hant. Zt quodidam caput. non dieitur 
aliculus quoddam caput. sed alicuius caput. Ünde catonis höubet. ne hei- 
zet relative nieht. ein eteuues höubet. nube catonis hoöubit possessive. 
Similiter autem et in secundis substantüs. Älsö uerit iz in generibus et spe- 
ciebus. #ftque hoc quidem in pluribus. Iz ist sö än mäneg£n i. an in sel- 
ben. naäls an iro partibus. Ut homo non dieitur. alicuius homo. nee bos 
alicuius bos. nec lignum. sed alicuius dicitur possessio. Äls6 mennisko. 
unde rint. ünde hölz. niehtis ne ist. äne in dien uuörten. daz iz eteuues 
eht si. Atque in hwusmodi quidem manifestum est. quoniam non est ad ali- 
qud. Än sö getänen. ist offen. daz iro nehein ne ist ad aliquid. /n ali- 
qwbus vero secundis substantüs habet aligquam dubitationem. An dien par- 
tibus mäg iz zuiuel sin. Ut caput alicuius caput dieitur. et manus alicwus 
manus dicitur. et singula eiusmodi. Alsö höubet ünde hänt. ünde ändere 
lide. eteuues heizent. Quare. haec esse fortasse ad aliquid videntur. 
Uuända siu eteuues heizent. pediu (sie) sint siu gelih tien relativis. 
Non caute diffinita esse relativa. 
Si igitur suffieienter eorum quae sunt ad aliqud diffinitio assignala est. s. 
quam ego accepi a platone. Ube relativorum diffinitio. där uöre rehto 
getän ist. Aut minus difficle. aut inpossibile est solvere. S6 ist ünsemfte. 
st alde | iöh unmähtlih ze uersagenne. Quoniam nulla substantia eorum quae 
sunt ad aliqwd dieitur. Taz nehein substantia ad aliquid kespröchen ne si. 
Si autem non sufficienter s. dietum est a platone. ad aliquid esse quae 
hoc ipsum quod sunt aliorum dieuntur. Übe äber nieht ne gnüegta ze 
chedenne. tiu uuesen ad aliquid. diu änderro heizent. taz siu sint. Hie 
suspende vocem. Sed sunt ad aligqud. Nube geuuärör diu sint ad aliquid. 
Quwbus hoc ipsum esse est. Tien daz essentia ist. 4d aliquid qguodam modo 
se habere. Sih haben ze eteuuiu. Et hie suspende. Fortasse aliqgwud contra 
ista dicetur. Sö uuirdet mag kesk&hen bespröchen tiu diffinitio. Hic depone. 
Prior vero diffinitio seqwitur quidem omnia relativa. Tiu alta platonis diffhi- 


der aristotelischen Abhandlungen: »arnyogiaı und wegi Eguunveias. 313 


nitio. dia ih före dirro sprah tiu gereichöt ze allen relativis. s. kereichöt 
ioh ferrör. Zamen hoc quod ea iysa quae sunt. s. velativa. alorum di- 
cuntur. non est eis esse. quod sunt ad aliquid. Täz io döh selben diu re- 
lativa änderro geheizen uuerdent. tär in diffinitione. täz ne ist in nieht 
uuesen taz siu sint. Uuäz sint siu? Ad aliquid. Iro essentia ist. ad ali- 
quid esse. tia ne gibit in nieht mit tien uuortin. diu platonis diffinitio. 
Uuända diu dir ad aliquid nieht ne sint. tu uuerdent ouh keheizen än- 
derro. alsö catonis bos tüot. Föne diu ne ist taz nieht rehto genötmezöt. 
id est. bene diflfinitum. des mer äalde minnera uuirdet. Nü ne ist näh z 
trro niuuün diffinitione nieht änderis relatio. äne des einen haba. zü demo 
ändermo. Idem quaedam habitudo dupli ad simplum. servi ad dominum. 
patris ad filium. 
De proprio per quod exeluduntur substantiae. 
Ex his ergo manifestum est. Hinnän ist öffen. Uuannan? Taz sih rela- 
tiva häbint zu ein änderen. ünde io uuederiz infähet sina essentiam. uöne 
demo ändermo. Uuaz ist öffen? Quod si qws aliqwd eorum quae sunt 
ad aliquid diffinite scult. et ülud ad qued dieitur. diffinite sciturus est. 
Taz ter daz eina uueiz quisso. taz ander uudiz samo guisso. Quod est. 
eorum proprium. quae sunt ad aliquid. Taz ist iro süundera. tes ne uer- 
missist tü än in. . Esse enim relativis est. ad aliquid quodam modo se ha- 
bere. Palam vero et ex hoc est. Täz kibet tien relativis iro uuesen. 
üunde där äna. ist iro uuesen. Uwuär ana? Sih haben zü eteuuiu. Tän- 
nän ist öffen. io beidiu uuesen eben guissiu. Sl enim aliquis novit quid- 
dam. quia ad aliquid est. Uueiz io man daz Eina uuesen ad aliquid. hie 
suspende vocem. quia pendet sensus. Zst autem esse quae ad aliquid sunt. quo- 
modo se habet idem ad aliquid. Sid nü daz iro uuesen ist. uuio daz eina 
sih häbe zu ändermo. taz ist interposita ratio. Zt illud novit ad quod hoc 
quoquo modo se | habet. S6 uueiz er Ouh taz änder. zü demo iz ist. ete- s 
uulo habit. per genitivum aut per alios casus. Sl enim non novit. omnino 
ad quod hoc quoquomodo se habet, Übe er äber ne uueiz uuära zu sih taz 
eina häbit. Deque si ad aliquid quoquomodo se habet. Sö ne uudiz er 
sär. übe iz sıh habe ze iouuihte. 
Exemplum de particularibus i. finitis. 
Sed in singulis hoc palam est. Nu ist täz öffen an dien individuis. Ue sr 
quis hoc novit. diffinite quia duplum est. et cuius duplum est mox diffinite 
Philos.-histor. Abhandl. 1839. Rr 


314 Grarr: Althochdeutsche Ü: bersetzung und Erläuterung 


novit. Taz ter quaternarium duplum guisso bechennet. sämo guisso be- 
chennet täz er binarii duplus ist. Sl vero nihil diffinitivorum novit. Übe 
er aber an imo nieht quissis ne uueiz. Ipsum cum duplum sit. neque si 
est duplum omnino noyit. S6 ne uueiz er sär. döh er zuiuält si. übe er 
zuiualt si. ‚Similiter autem et si novit diffinite quia hoc aliquid melius est. 
et quo melius est novit. S6 ist ouh taz. Uueiz er guisso daz tiser man 
bezero ist. samo guisso uueiz er. uues bezero er ist. Älsö män seneam 
saget uuesen pezeren. dänne mezentium. Diffinite autem nosse necessa- 
rium est. propter haec s. individua. Än dien individuis. ist iz penöte 
sus quis. 
Non similiter in infinitis. 
Indiffinite autem sciet. i. si indiffinite sciet. quia est peiore melius. Uueiz 
er äber aeneam pezeren sö unguisso. taz er den ne bechennet. tes pezero 
Ser si. Opinione id tale | fit non disciplina. 'Taz ist mer uuän. danne ge- 
lirn ünde uuizenthdit. Jon enim scivit subuliter. quia est peiore melior. 
Taz ist föne diu. uuända er r&ehto ne uueiz. taz er bezero si. demo uuir- 
seren. sid er in kezeigön ne chän. Sl enim sie contigit. nihil est peius 
eo. Tär bezero sö üunguis ist. tär ne uuirdet fünden uuirsero. Qua pro- 
pter palam est quia necessarium est. quod quis noverit. relativorum diffinite 
et lud ad quod dicitur diffinite nosse. Föne div ist öffen. daz penöte der 
män ter daz eina uueiz quisso. samo guisso uudiz taz ander. 
Revertitur ad substantias. 
Caput autem et manum et horum singula quae substantiae sunt. hoc ipsum 
quod sunt. potest sciri diffinite. Ein höubet. älde ein hänt. älde ein än- 
der lid. pechennet män uudla. uuäz siu sint. s. där män siu sihet äne den 
anderen lichamen. 4d quod autem dicanlur. non necesse est scıri. Man 
ne bechennet äber benöte nieht uuära iro namen sehen. Cwius enim hoc 
caput. vel culus haec manus. non est dicere diffinite. Uuända man guisso 
nieht ne uudiz uues taz höubet si. älde diu hänt. s. übe man des lichamen 
mer ne sihet. Quare non erunt haec ad alıquid. Pediu ne sint siu ad 
aliquid. Uueliu siu? Tiu membra. unde diu partes primarum substan- 
tarum. Uuärin siu ad aliquid. sö uuissi man samint in uues siu uuärin. 
3; man uueiz. täz siu &teuues sint. uuer äber | däz si. däz ist unguis. SZ 
vero non sunt relalivorum. verum erit dicere. quia nulla substantia relati- 
vorum est. Sid partes primarum ne sint ad aliquid. nieht mer ne sint 


der aristotelischen Abhandlungen: Karmyopiaı und weg Egumveias. 315 


partes secundarum. Sid tiu anasihtigen höubet primarum substantiarum 
unsih zuiuelint uues siu sin. uuio uilo mer diu unänasihtigen secundarum 
substantiarum? Föne diu ne ist nehein substantia ad aliquid. Uuäre si 
ad aliquid. sö uuäre si beidiu. ioh accidens. i6h substantia. däz ist in- 
possibile. ZFortasse autem diffieile sit. de huiusmodi rebus confidenter de- 
clarare. nisi sepe pertraclata sint. Iz ne uuäno ouh ieht semfte si. föne 
sus ketänen dingen baldo ze uestenönne. män ne bedenche siu diecho. 
Dubitare. autem de singulis. non erit inutile. Übe män dar äna zuiuelöt. 
taz ist nuzze. uuanda sö chümet iz ze guisheite. 
Explicit. 

Species huius cathegoriae certas. aristotelis auctoritate non habemus. Plura 
tamen exempla dedit. ut sunt duplum ad simplum. magnum ad parvum 
etc. quae sequendo ad inveniendas species facilis via est. Duplum nam- 
que sub inaequalitate est. Hanc primam ponamus. Est enim inaequali- 
tas. quae subalternum genus dicenda est. quia sub ea quinque species in 
arithmetica numerantur. _ Multiplex. superparticularis. superpartiens. 
multiplex superparticularis. multiplex superpartiens. | Harum quoque 86 
sub se singulae comprehendunt infinitas species. Nec minus ipsae dicendae 
sunt, subalterna genera. Prima multiplieis species est. duplum. deinde 
triplum. quadruplum. quincuplum. sescuplum. septuplum. et deinceps. 
quae ad simplum omnes referuntur. Superparticularis species a sesqual- 
tero incipiunt. qui refertur ad subsesqualterum. deinde sesquitertius ad 
subsesquitertium. sesquiquartus ad subsesquiquartum. et deinceps. Sie 
sunt et ceteris tribus generibus ad hune modum. certae species singulis vo- 
cabulis. Est quoque relativorum species comparatio. quae tribus fit modis. 
Per comparativum ut maior minore. Per superlativum. ut maiorum maxi- 
mus. Et si dicas magnorum maximus. minus tamen magni intelleguntur. 
Per ad prepositionem. ut magnus ad parvum. magnus rex ad regulum. 
Non solum est comparamus. magnum ad paryum. longum ad brevem. sed 
et magnitudinem ad parvitatem et longitudinem ad brevitatem. et talia cae- 
tera. Ordo quoque relativorum species est. Ut primus. secundus. ter- 
tius. quartus. quintus. Ad primum enim referuntur. omnes post illum 
sequentes. quia secundus a primo. et tertius a primo. et quarlus et quin- 
tus a primo dicuntur. et deinceps. Cognati quoque vel coniugati vel af- 
fines speciem faciunt relativorum. Ut pater est filüi. uxor mariti. frater 


Rr2 


316 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


sr fratris vel sororis. auus nepotis. proavus pronepoltis. abavus abnepotis. 


85 


92 


gener soceri. avunculus sororis filiae. patruus fratris filii. consobrinus 
consobrini. fratruelis alterius fratruelis sponsus sponsae. procus procae. 
rivalis alterius rivalis. competitor competitoris. concors concordi. socius 
socio. amicus amico. similis simili. aequalis aequali. par pari. affınis af- 
fini. vieinus vicino. proximus proximo. aequivocus aequivoco. univocus 
univoco. cooperator cooperatori. conlactaneus conlactanei. coetaneus co- 
etaneo. coheres coheredis. particeps partieipis. Eorum autem sunt. quae 
ex eis fiunt. Ut concordia concordes sunt. Sic et societas est sociorum. 
ct amieitia est amicorum et similitudo similium. et equalitas equalium. pa- 
ritas parium. affınitas affınium. et propinquitas propinquorum vel proxi- 
morum. et equivocatio equivocorum et univocatio univocorum. et coope- 
ratio cooperatorum. Similiter fraternitas fratrum. coniugatio coniugum. 
etc. Respondent autem sibi dissimilibus casibus. quia equaliter dieitur 
esse equalium. equales autem equalitate equales dieuntur. Idem modus 
est et in aliis. Discrepantia quoque vel quae eorum sunt. speciem faciunt. 
Ut obvius obvio. oppositus opposito. adversus adverso. congressor con- 
gressori. discors discordi. rebellis rebelli. renitens renitenti. dissonus 
dissono. inimieus inimico. impar impari. dispar dispari. dissimilis dissimili. 
li. disiunctus a disiuneo. distans a distante. distinctus a 
distincto. etc. p. 89.90.91. 


inaequalis inequa 


Incipit de quali et de qualitate. 
Qualitatem vero dico. secundum quam quales dicimur. Uwuiolichi heizo ih 
näh tero uuir geheizin uuerden uujoliche. in latina lingua sö boetius lerit. 
kibet quale sinen nämin qualitati. aber qualitas. ne gibit iro namin quali. 
Justus heizit quale. sö tüot ouh iustitia. Äber iustitia heizit qualitas. iu- 
stus ne mäg sö nieht heizin. Zst autem qualitas eorum quae multiplieiter 
dieuntur. Qualitas ist mänigfalte. Zt una quidem species qualitatis. ha- 
bitus dispositioque dicuntur. Ein slähta qualitatis heizit haba. iöh pe- 
skerida. 
De habitu. 

Distat autem habitus dispositione. guod permanentior et diuturnior est. Haba 
ist festera iöh uuirigöra. danna (sic) beskerida si. Tales vero sunt scien- 
tiae vel virtutes. Sölchero uesti sint chunna unde tügede. Seientia enım 
videtur, esse permanenlium. et eorum quae difficde moventur. Chunna 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnyogiaı und megl Eounveius. By 


sint ioh (sie) uuirig. ünde infärent männe unsämfto. De sö quis vel me- 
diocriter scientiam sumat. Älsöo däz \nsämfto inferit männe. übe er ieht 
ioh ze meze gelirnet. Nisi forte grandis permutatio facta sit. i. nisi gran- 
dis eversio mentis fiat. Sinis sinnis ne uucrde michel uuehsel getän. Fel 
ab egritudine. vel ab aliquo hwusmodi. Fone siechelheite (sic) äalde uöne 
etelichero geskihte. Als6 demo män geskäh. fone demo solinus säget. 
ter näh suhte änderis sindis kendsener. noch sinis namen uuola ne gehu- 
gita. Simul | autem et virtus ut lustitia et castitas et singula talium non vi- 93 
dentur posse moveri neque facile permutari, Säamint chünnön sint iz tü- 
gede. sö reht ist. unde uürebürt. ünde dien gelichiu tiu samfto ne mü- 
gen. eruudget. ünde geuuehselöt uuerden. 
De affectione. 

Affectiones vero dicuntur. quae sunt faciles et cito permutatiles. Anauin- 
deda. \nde änachominina heizent. tiu ünueste sint. ünde sih snello uuch- 
selont. tie hiez er uöre dispositiones. Ut calor et frigiditas. et egritudo. 
et sanitas. et alia huiusmodi. Also uuärmi. unde chälti. siechi ünde ge- 
süundi. unde dien gelichiu. Affieitur enim quodammodo circa eas homo. 
Ter mennisko uuirdet &chert föne in geanauundöt. Cito auiem permuta- 
tur. Er uuirdet iro äber snello indänöt. Zt ex calıdo frigidus fit. et ex 
sanitate in egritudinem transit. Ünde uuirdet er näh uuärmi chält näh ke- 
sundedo sieh. Similiter autem et in alüs. S6 u£rit iz ouh in änderen dien 
gelichen. Nisi forte in his quoque conlingat. per temporis longitudinem in 
naturam cuiusque transferri. Siu ne beginnen öuh före alti. an eteuuemo 
geuestenöt uuerden. Et insanabilis vel difficile mobilis existat affectus. 
Unde imo diu sö getäna änachömeni ubel si ze gebüezenne. ünde aba ze 
nemenne. Quae iam quilibet habitudinem vocet. Unde man sia bediu 
heizen müge haba. 

Quid intersit inter habitum et affectionem. 
Manifestum est autem quoniam | haec volunt habitudines nominari. quae sunt 
diuturniora vel difficile mobilia. Nü skinet täz tiu mit reEhto heizent haba. 
tiu uuirig sint. ünde ünsämfto abagänt. Namque in disciplinis non multum 
relinentes i. non memoriter tenentes. sed facile mobiles i. obliviosos. dicunt 
habitum non habere. Tie ägezelen. än dien büochen. chedent sie äne 
haba sin. Quamvis sint ad disciplinas. peius meliusve dispositi. Toh tara 
züo eine sin bäz keänaleitot danne ändere. Quare differt habitus disposi- 


318 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


tione. quod hoc quidem facile mobile est. ülud vero diuturnius et diffieile 
mobile. Fone diu skeidet sih haba. uöne beskerido. där äna. daz si stä- 
tera Ist. 
Non converti habitum et dispositionem. 
Sunt autem habitus etiam dispositiones. disposiliones vero non necesse est 
habitus esse. Haba sint io beskerida. aber beskerida. ne sint nieht io haba. 
Qui enim retinent habitum et quodammodo dispositi sunt ad ea. que habent. 
vel peius vel melius. 'Tie dir habint tie sint tara zuo beskerit taz sie habint. 
älde uusla. älde ubelo. Qui autem dispositi sunt non omnino retinent ha- 
Litum. Tie aber beskerit. ünde beskibet sint zu eteuuiu tien ne ist iz sär 
des mezis nieht haba. Uns uuirdet cmüoiz (!) kespirre. ioh peskerit. taz 
uuir doh nieht ne uölle habeen. II. 
Aliud vero genus qualitatis est. Tiu anderiu slähta qualitatis ist. Se- 
cundum quod pugillatores vel cursores vel salubres vel insalubres dicimus. 
>; Näh tero uuir nemen (sie) | füstehemfen ünde stritloupfen. älde ganze alde 
unganze. Et quaecunque simplieiter secundum potenliam naturalem vel inpo- 
tentiam dieuntur. Unde älliu diu dir be unsculdin genamot uuerdent. af- 
ter mähte alde äfter inmähte. äne tät. Non enim quod sunt dispositi ali- 
quo modo unum quodque huiusmodi dieitur. In ne gibet män nieht tie na- 
men. dürh täz sie dara zu beskipte sin. ünde än dero täte skinen. Sed 
quod habeant potentiam naturalem. vel facere quod facile. vel nihil pati. 
Sunder daz sie maht eigin. ünde in geläzen si. daz. unde daz samfto ze 
tüonenne (sic). älde sieh. ünde sieh ze sinne. Ut pugillatores vel cursores 
dieuntur. non quod sint disposili. sed quod habeant potentiam hoc facile 
‚faciendi. Älsö die genemmit uuerdent chnüttelchemfen. unde stritloupfin 
tie iz nio ne täten. unde äber uuola tuön mähtin. Sanatıvi autem dieun- 
tur. eo quod habeant potentiam naturalem. ut nihil a quibus libet accıden- 
üibus patiantur. ÜUnde äber ändere ganze keheizen uuerdent turh taz sie 
dia uesti habint. taz in anauallungä (sie) nieht ne uuegen sö uroöst. ünde hizza 
ist. unde slege. Egrotativi vero quod habeant inpotentiam nihil patiendi, 
Ünde ungänze heizent. tie uore ser hälzi. nieht ferträgen ne mügen. SL- 
muliter autem his et molle et durum se habet. Tien ist kelih. uuelh. ünde 
herte. Durum enim dieitur. quod habeat potenliam non citius secari. 'Taz 


(') statt enuogiz. 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnyogia und megi Egunveias. 319 


heizet (sic) herte. däz unspüetigo mäg ingunnen uuerden. Molle vero quod 
eiusdem ipsius | habeat inpotentiam. Taz ist uuelh,. daz unmahtig ist. tero % 
selbün ünspüete. Zertia vero species qualitatis est possibiles. qualitates vel 
et passiones. Tiu dritta slahta qualitatis. heizet passibilis qualitas. unde 
passio. Tie nämen lerit er ünsih hina uürder ze zuein uuisön uernemin. 
Sunt autem huiusmodi. ut dulcedo. et amaritudo. et austeritas et omnia his 
cognata. Tie sint iz. süozi. pitteri. eiueri. ünde alliu dien gelegeniu. 
Amplius autem. Iz sint ouh andere. Calor et /rigus. et albedo. et ni- 
gredo. Uuarmi ünde uröst uuizi ünde suarzi. Zt quoniam hae qualitates 
sunt. manifestum est. Nü ist taz öffen. daz tisiu qualitates sint. Que- 
cunque enim ista susceperint. qualia dicuntur secundum se. Föne diu ist iz 
offen. uuanda an dien siu sint. tiu heizent türh sih qualia. Ut mel dulce 
dieitur. quoniam suscipit dulcedinem. Also hönang süeze h£izit. uuanda diu 
süezi in imo ist. Zt corpus album eo quod albedinem suscipiat. Ünde älsö 
sne uuizer heizet. uuända Er dia uuizi an imo habit. Simüliter sese habet 
eliam in ceteris. Sö ist iz ouh än dien änder£n. 

Quod non uno modo passibiles qualitates et passiones dicantur. 
Passibiles vero qualitates. et passiones dieuntur. s. dulcedo et calor. et 
omnia ad gustum vel ad tactum pertinentia. non quod ea s. corpora. quae 
susceperint illas passiones. aliquid patiantur. Tise qualitates ne heizent 
nieht pediu passibiles. noh pediu passiones. täz tin corpora än dien sie 
sint. föne in ieht töleen. Neque enim mel ideirco dul\ce dieitur quoniam 97 
aliquid passum sit. Hönang ne heizet nieht turh taz süeze. taz iz sinero 
süezi ieht infinde. Nec aliquid aliud huiusmodi. Noh tero sämelichön 
corporum nehein. i. quae ad gustum pertinent. Similiter autem his et 
calor. et frigus. s. quae ad tactum pertinent. passiblles. qualitates dieun- 
tur. non quod ıpsa. S. corpora quae susceperint ea. alıquid passa sint. sed 
passibiles qualitates dieuntur. quoniam singulum eorum. i. ipsorum corpo- 
rum. quae dicta sunt perfectiva sunt passionis. secundum sensus. Noh ouh 
uuäarmi ünde chälti. ne heizent nieht pediu passibiles qualitates. täz iro 
ieht infinden. diu iro corpora. än dien siu sint. uuanda diu sünna ne in- 
findet nieht iro heizi. noh taz is sinero chälti. sunder uuir infinden iro. 
Unseren sensibus sint siu mächärra dolungo. Mel vero per se passionem 
effieit secundum gustum. et calor secundum tactum. Chörondo infinden 


uuir des honang 


gis suezi (sic). erifendo infinden uuir des zanderin heizi. Sumz- 


320 Grarr: Althochdeutsche Überselzung und Erläuterung 


liter autem et aliae, 56 tiont Ouh uns tölunga ändere qualitates. tisen ge- 
liche. Unde föne diu sulin uuir heizin a passibiles qualitates. üunde 
dise passiones. tölemächige qualitates. Albedo autem et nigredo. s. quae. 
ad visum pertinent. et alü colores. non similiter his quae dieta sunt passi- 
biles qualitates dieuntur. Uuizi ünde suarzi ünde ändere uareuua. ne hei- 
zent nieht tisen gelichö passibiles qualitates. Sed hoc quod ipse innascun- 
tur ab aliquibus passionibus. Sie heizent turh taz sö. uuanda sie uuerdent 
fone dolungön. 


95 Signum unde colores fiant. 
Quoniam ergo sunt per aligquam passionem multae colorum mutationes. $. 
manifestum est. Uuir schen ofto. daz sıh fareuuä uuchselönt. fone eteli- 
chero dölungo. Erubescens enim aliquis. rubeus factus est. et mens 
pallidus. et unum quodque talium s. contingit passione. Män irrötet oftö 
uöne scämo. ünde irbleichet uone usrhtön. Unde äl demo gelih s. chu- 
met io fone dölungo. Quare vel si quis naturaliter aliquod talium passio- 
num passus est. similem colorem oportet eum habere. Föne diu müoz ouh 
ter samelicha uareuua häben demo natürlicho ieht söle&s kescah. Quae 
enim afjectio nunc ad verecundiam circa corpus facta est et secundum na- 
turalem affeclionem. eadem fiet affectio. üta ut naturaliter et color similis 
sit. Tiu änachömeni. männe geskihet föne scamön. tu geskihet imo 6uh 
natürlicho Er er geboren uuerde. Quaeeungue ıgitur talium casuum ab 
aliquibus passionibus difficle mobilibus. et permanentibus principium sumpse- 
rint. passibiles qualitates dieuntur. S6 uuelche sö getäne geskihte. s. sö 
uäreuuä sint ünde änderiu mäl. föne deheinen dölungön stetigen üunde 
uuirigen die heizent io passibiles qualitates. 

Inveteratos colores qualitates esse. 

Sive enim secundum naturalem substantiam pallor aut nigredo Jacta est. 
qualitates dieuntur. quales enim secundum eas dicimur. Übe uone äna- 

sobürte. pleichi älde suarzi geskihet. taz sint qualitates. ünde | heizen wur 
näh in quales. i. pleiche älde suärze. Sive propter egritudinem longam aut 
propter aestum. aut aliquid tale. vel nigredo vel pallor contingit. et non 
facile preterit. et in vita permanet. qualitates et istae dicuntur similiter. 
Quales et secundum eas dieimur. Älde übe iz keskihet. föne ältero sühte. 
älde uöne hizzo. ünde iz tanne uueret. unde än demo skinet. taz sint ouh 
qualitates. \nde heizen io uuir näh in quales. 


der aristotelischen Abhandlungen: »arnyogiaı und megi Egumveias. 321 


Momentaneos autem colores non esse qualitates. 
Quecungue vero. s. mutationes. ex his quae facile solventur. et cito trans- 
euntes fiunt. passiones dicuntur. S6 uuelche uuehsela äber uns keskehent 
(sic). tero die sih samfto geloubent (sic). ünde spüetigo zegänt. tie heizent 
passiones. i. tolunga. s. älso ouh tolunga heizent. scama ade uörhta. föne 
dien sie uuerdent. Non enim dieimur RE eas quales. Taz ist föne 
diu. uuanda uuir näh in quales ne heizen. Vegue enim qui propter verecun- 
diam rubeus factus est. rubeus dieitur. Uuanda der durh scäma irrötet. ter 
ne heizet nieht turh taz rotender. Nee ci pallor propter timorem venit. 
pallidus est. Nöh ter uöne uörhtön bleichet. ne ist üumbe däz nieht io 
bleih. Sed magis s. dicendus est. quod ad aliquid passus sit. Uuir suln 
mer cheden. er uuard pleih. er uuärd röt. Quare passiones huiusmodi 
dieuntur. qualitates vero minime. Föne diu heizent sie dölunga. näls uuioli- 
china. 
Animae quoque inveteratas passiones esse qualitates. 

Similiter autem his et secundum animam passibiles qualitates 
nes dicuntur. Näh tisen qualitatibus des lichamen. heizent ouh tie qualita- 


et passio- 100 


tes tero selo. Quaecunque enim mox innascendo ab aliquibus passionibus 
fiunt. gnalitates dieuntur. So uueliu ding männe geskehent sär än dero 
geburte. taz heizent qualitates. Ui dementia vel ira et alia huiusmodi. 
Alsö sinnelösi ist. älde zörnmüotigi. ünde dien gelichu. Quales enim se- 
cundum eas dieimur. (Qualitates heizent sie uuanda uuir näh in quales hei- 
zen. Jdem iracundi et dementes. Zörnmüotige. ünde sinnelöse. Stmiliter 
autem et quaecunque alienationes non naluraliter. sed ab aliquibus casıbus 
factae sunt difficlle pertereuntes. et omnino inmobles eliam huiusmodi qua- 
litates sunt. Übe 6uh näh tero gebürte. uone deheinen geskihten männe 
ünsinnigina chöment. stetige ünde uuirige. tiz sint io sö samo qualitates. 
Quales enim et secundum eas dieimur. Taz skinet tär äna. uuända uuir 
ouh näh tien heizen quales. 

Momentaneas autem animae passiones non esse qualitates. 
Quaecunque enim ex his quae citius pretereunt fuunt. passiones dieuntur. 
Aber die müotegina. die snello zegänt. tie heizent Erchert (sic) tölüunga. unde 
stüngeda. Ut si quis contristatus iracundior sit. Älso däz heizet. ube man 
geleidegöter. eteuuaz sih pilget. Non enim dieitur iracundus. qui in hu- 
iusmodi passione. iracundior est. sed magis aliquid passus. Ter sih sö bil- 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Ss 


322 Grarr: Alihochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


get. ter ne heizet umbe daz nieht äbolgiger. män söl cheden. er uuas er- 
ı1 bolgen. ünde zorneg. (Quare passiones huiusmo|di dicuntur. qualitates 
vero minime. Föne diu heizent taz uuortene stüungedä. nals uuönente uuö- 
lichina. Tie sö uerlöufenten passiones sint tero cathegoriae. tiu pati hei- 
zet. älso ouh alliu partieipia passiva sint. III. 
Quartum vero genus qualitatis est forma. et circa aliquod. constans figura. 
Tiu uierda slahta qualitatis ist. tiu getät. unde daz pilde. daz an io uue- 
lemo dinge ist. _Amplius autem ad haec. Fernim noh hara zu. s. uuaz 
pilde si. ARectitudo vel curvitas. et quicquid his simile est. Taz ist erchi. 
älde chrüumbi. ünde daz tien gelih ist. sö slimbi ist ünde seregehöri. Se- 
cundum enim unum quodque eorum quale quid diecitur. Näh tien allen chit 
man quale. Triangulum enim vel quadratum esse quale quod dicitur. et 
rectum aut cursum. Triscöziz alde uierscoziz. heizet uuiolih iz si. ünde 
gerehtiz. älde chrümbez. Et secundum figuram vero unum quodque quale 
quod dicitur. Ünde näh sinemo bilde. heizet uuihtelih quale. 
Que falso videantur esse qualia. 
Rarum vero et spissum et asperum et lene. putabuntur quidem qualitatem 
significare.- Sketerez ünde gedrüngenez. rüoz (sic) üunde slehtiz uuänent 
sie qualitatem bezeichenen (!). Sed aliena huiusmodi putantur esse a divi- 
sione quae circa qualitatem est. Man sol sin döh uuänen üngehaftiü dien 
speciebus qualitatis. tu an iro geskidöt sint. Quandam enim positionem 
quodammodo videntur. partium utrimque monsirare. Siu zeichenint uuio 
teilelih lige. an demo corpore. näls uuiolih iz selbez si. ‚Spissum quidem 
102 est. eo quod partes. sibi ipsae propinque sint. 


daz siniu teil in selben nähö ligent. ARarum vero quod distent a se invi- 
cem. Sketeriz. täz siu in selben uerro ligent. Et lene quidem. quod in 
rectum sibi partes iaceant. Ünde sleht. föne diu. däz siniu teil Eben hö 
ligent. Asperum vero quod haec quidem pars superet. illa vero sit inferior. 
Ruüoz föne diu. daz ein teil gät höor. änder teil niderör. Sid taz sö ist. 
sö sint siu ad aliquid. alsö ouh iro genus ist positio. 
Explieit de quarta specie. 
Et fortasse alii quoque appareant qualitalis modi. Nieht ne ist ze uer- 


(') Es steht bezeinenche und am Rande ist eingekratzt bezeichen. 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnyegia und wegi egunveias. 323 


dhuinnenne. nübe ouh anderiu qualitatis species sih Ougen. Sed maxime 
dieuntur hae qualitates. Tise sint töh tia gengesten. 

Qualia denominativa dici. 
Itaque sunt que praedieta sunt. Nü sint iz tie uöre gesägeten. Qualia vero 
que secundum haec denominative dicuntur. Ünde sint täz iro qualia. diu 
uöne in gespröchen ünde genämöt uuerdent. Ut a candore candidus et 


a gramatica cramaticus (sic). et iustilia iustus. Alsö uuizer uöne uuizi. gra- 


8 
mätichare uöne gramätiche. rehter uone rehte. genamote sint. Similiter et 
alüs. S6 uerit iz Guh an änderen. i. sö uuerdent io quales. kenämöt fone 
qualitatibus. 
Exeipitur. 

In aliquibus vero. s. qualibus eo quod non sint posita qualitatibus nomina. 
non contingit ea quae dieuntur ab eis. denominative dici. Äber danne win- 
dene ne sint tien qualitatibus. tänne ne uuerdent ouh nieht föne in geska- 
föt tie namen dero qualium. ÜUt cursor aut pugillator qui secundum va- 
litudinem naturalem diceuntur. a nulla qualitate denominative dicitur. 103 
Älsö dero nämo nieht kescäföt ne ist föne qualitate. tie äfter mahtin ge- 
nemmet uuerdent loupfen ünde chemphin. Non enim posita nomina sunt 
valitudinibus secundum quas isti quales dicuntur. 'Taz ist foöne diu. uuända 
neheine nämen ne sint tien mähtin uündene näh tien sie genamöt sint. Sü- 
cut in disciplinis secundum quas vel pugillatores vel palestriei seeundum 
affectionem dieuntur. S6 aber demo liste ist fone des pegunste (sie). unde 
uöne des äneuuirtedo (sie). die seuldigen uehtärra. unde ringärra heizent. 
Pugillatoria enim disciplina dieitur. Ter geuöbto list heizet latine pugil- 
latoria. Quales vero ab his denominative hi qui afficiuntur dicuntur. Tan- 
nän scäfönt sih tero namen. die in üobent. 

Item excipitur. 
Aliquando autem et posito nomine. s. qualitatis. denominative non dicitur. 
quod secundum eam quale dieitur. 1oh taz keskihet. taz tiu qualitates na- 
men häbit. ünde doh iro quale uone iro genamot ne ist. Uta virtute 
studiosus. Alsö iliger uöne tugede ist. ünde doh nah iro ne heizet. Fir- 
tutem enim habendo studiosus dicitur. sed non denominative a virtute. Sel- 
bün dia tüged habendo. heizet er ilig. t6h ne ist sin namo nieht näh iro 
namen geskäföt. Non autem in plurimis hoc tale est. In unmänigen uin- 


det män doh tiu üngelichi. Quae ergo dicuntur. aut denominative. a prae- 
SS 


324 Grarr: AZlthochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


dietis quales dicuntur. aut aliguo modo aliter ab eis. Tiu io qualia hei- 
1% zent tero nämen sint föne | qualitate geskaföt. älde etteuuio gespröchen 
uöne in. äne scäafünga. 
Ineipit querere proprium ex contrarietate. 
Inest autem et contrarietas secundum quod quale est. i. secundum qualita- 
tem. Än qualitate uuirdet ouh fünden contrarietas. Üt iustitia iniustitiae 
contraria est. et albedo nigredini. et alia. Älsö reht uuideruuärtig ist ün- 
rehte. ünde uuizi dero suärzi. ünde änderiu. Similiter autem. et ca quae 
secundum cas. s. qualitates. qualia dicuntur ut iniustum iusto. et album 
nigro. Tiu fone in gespröchen uuerdent. tiu sint samo uuirderuuärtig (sic). 
Ks ünrehtiz rehtemo. uuiziz suarzemo. Non autem in omnibus hoc est. 
Iz ne geskihet töh nieht in allen qualibus. Aubeo et pallido. aut huius- 
modi coloribus qualitatibus existentibus. nihil est contrarium. Bötemo ünde 
bleichemo. ünde sölen uareuuön io sämo guissen qualitatibus. ne ist nieht 
uuideruuartigis. 
Sub uno semper genere contraria stare. 
Amplius. Fernim Suh änder. ‚Si ex contrarüs unum fuerit quale. et reli- 
quum erit quale. Übe zueio contrariorum däz &ina quale ist. taz ander s6 
sämo ist. ‚Sicut est iuslilia iniuslitiae contrarium. Äls6 än dien skinet. 
Quale autem est iustitia. quale igitur et iniuslitia. Täz Eina ist quale. i. 
qualitas. sö samo ist taz ander. Hoc palam est proponenti. alia pracdi- 
camenta ex singulis s. cathegoriis. Täz uuirdet sär demo skin. der fone | 
105 allen cathegoriis. füre zihet anderiu exempla. Nullum igitur aliorum prae- 
dicamentorum aptabitur. i. opponitur iniustitiae. Nehein uuidersacho. ne 
uuirdet tär uunden iniustitiae. Neque quantitas neque ad aliquid. neque 
ubi. nec omnino aliud quiequam nisi quale. Noh quantitas. noh nehein än- 
der praedicamentum ne uuerit sih iniustitiae. äne io qualitas. i. iustitia. 
Sic et in alüs quae secundum quale. S6 uerit iz 6uh ändern qualitatibus. 
Quod et magis et minus recipiat qualitas. 
Suseipit autem qualitas et magis et minus. Album enim magis et minus. 
alterum altero dicitur. et iustum alterum altero magis et minus. Qualia la- 
dent sih äna ungelicho iro qualitatem. sumiu mer sumiu min. Also din 
rehtera ist. tänne änder. uuända iz än imo mer rehtis häbit. Unde ein 
uuizera. danne änder. uuanda än imo mer uuizi ist. Sed et ipsa cremen- 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnyogiau und regi Eounveias. 325 


tum suscipiunt. Joh siu selben. uuäz sint türh sih. Cum candidum nam- 
que sit. amplius contingit candidum fieri. Uuiz uuirdet uuizera. 
Exeipitur. 

Non tamen omnia. sed plura. Iz ne tüont nieht älliu diu qualitatis sint. 
manigiu tüont iz. Justitia namque a iustitia. si dicatur magis et minus. 
potest quilibet ambigere. Uuända übe selbiu iustitia. uuähse alde suine. 
des mäg män zuiuelön. Similiter et in alüs affectibus. S6 mag man ouh 
zuiuelön än änderen häbön. Quidam enim dubitant de talibus. Cmüege 
zuiuelönt is. Justitia namque a iuslilia. non multum | aiunt magis et mi- 1% 
nus dici. nec sanitatem a sanitate. Sie uersägent selben dia iustitiam mer- 
heite unde minnerheite. ünde sanitatem. Uuända bristet rehte. sö ne ist 
iz reht. Ist iz übere. sö ne ist iz äber reht. Minus autem habere alte- 
rum altero. sanilatem aiunt. et iustitiam minus alterum altero habere. Tero 
qualium süumelichiz. ichent sie min gänzi. ünde min rehtis haben. danne 
daz ander. i. üngänzera uuesen ünde ünrchtera. Sic autem et gramma- 
tica. et alü affectus. non recipiunt magis ct minus. Sed tamen ea quae 
secundum eos affectus dicuntur. indubitanter recipiunt magis et minus. 
Älsö iustitia \inde sanitas sih uuerrint conparationis. sö tüot Ouh gramma- 
tica. ünde sö6 tüont älle habä. Aber diu qualia. diu uöne in gesprochen 
uuerdent. tiu habint comparationem. Grammatitior enim alter ab altero 
dieitur. et iustior et sanior. 'läz skinet tär äna daz einer rehterö. ünde 
gänzero. ünde gramatichis chünnigöro. geheizen uuirdet. tänne änderer. 
Sic et in alüs. 56 ist iz ouh än änderen disen gelichen. 

Item exeipitur. 
Triangulus vero et quadrangulus non videtur. magis et minus suscipere. 
nec aliquid aliarum figurarum. Äber driörter. ünde uierörter. ne mag 
einer nieht mer sin. dänne anderer. nöh nehein pildis kescaft habender. 
Quecunque diffinitionem trianguli recipiunt et circuli. omnia similiter trian- 
gulla vel eirculi sunt. So uueliu io driscozis. ünde ringis nöt me£z infängen 107 
habint. tiu sint ouh penöte driscöze ünde ringa. Eorum vero quae non 
recipiunt. nihil magis alterum altero dieitur. Tiu iro nötmez ne habint tero 
nehein ne ist mer. däz siu sint danne änderiz. MVihil enim quadratum ma- 
gis quam parte altera longior figura circulus est. Eben lang sitiu en 
uiera. ne ist nieht mer circulus. danne diu dir uneben länge sita |— 


habit. [ Nullam enim recipit eirculi rationem. Ivo ne uuerder (sic) 


326 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


ne gät in dia zäla dis eireuli. Simplieiter autem. Aber offene ze sagenne. Si 
ulraque non recipiunt huius propositi vel eireuli rationem. non dicetur al- 
terum altero magis. Übe iro ne uueder. ringis nöt mez ne habit. sö ne 
heizet ouh ne uueder mer ring. danne daz ander. Von ergo omnia qualia 
recipiunt magis et minus. Föne diu ne sint nieht älliu qualia mer ünde min 
i. non omnia recipiunt comparationem. 
Quid sit ei proprium. 
Horum itaque quae predicta sunt. nihil est proprium qualitatis. Tero uöre 
namdön nehein. ne ist ureiche qualitatis. Simile autem et dissimile secun- 
dum solas dieitur qualitates. Kelih üunde üungelih. uuerdent fone qualitate 
108 &igenafto (sie) gesprölchen. Simile autem alterum alteri. non est secundum 
aliud. nisi secundum id quod quale est. Ein gelih andermo. ne uuirdet 
nieht föne änderen dingen gesprochen. äne uöne quali. Quare proprium 
erit qualitalis. secundum cam simile et dissimile diei. Fone diu ist qualita- 
tis tiu sundera. föne iro gelih. ünde ungelih ze chedenne. 
. Ratio de communione cathegoriarum. 
dt vero non decet conturbari. ne quis nos dicat. i. reprehendat. de qualı- 
tate propositionem facientes. multa de relativis interposuisse. Nü zimet tien 
lectoribus in glotemo ze sinne. nio iro nehein üunsih ne inchünne. ze £rist 
föne qualitate erheuen. ünde aber darnäh gnüogez fone relativis sagen. 
Habitus enim et dispositio horum quae ad aliquid sunt esse dicebantur. Tes 
füurhto ih föne diu. uuanda habitus ünde dispositio. hina ze relativis keze- 
let uuurtin. ünde man iro anderest hier geuuog. Pene enim item omnibus 
talibus genera ad aliguod dieuntur. Sie sülen uuizen. daz genera qualitatis. 
älmeistig sint ad aliquid. Nihil autem horum quae singularia sunt. Taz 
ne sint äber nieht iro species. Nam cum disciplina genus sit. ipsum quod 
est alterius dieitur. Alicuius enim disciplina dieuur. Disciplina uuanda si 
genus ist. pediu ist si ad aliquid. Eteuues ist. io disciplina. Zorum quae 
09 singularia sunt. nihil ipsum quod est allterius dieüur. Iro specierum neheinez 
ne chit man eteuues sin. ÜUt grammatica non dieitur alterius grammatıca. 
nec musica alicuius musica. Älsö nioman ne chit relative eteuues gramma- 
lica. eteuuds musica. Sed forte secundum genus. et haec ad aliquid di- 
cuntur. ÜUt grammatica dieitur alicuius disciplina. non alicuius gramma- 
tica. Täz genus änaschendo. mäg man uuola cheden. grammatica ist ete- 


5 
uues kelirn. Er ne chidet nieht eteuu6s grammatica, Zt musica alicuius 


der aristotelischen Abhandlungen: zurmyogiaı und megt egumveias. 327 


disciplina. non alicuius musica. S6 mäg er ouh cheden. musica ist eteuues 
kelirn. nals eteuues musica. Quapropter quae per se quidem singula sunt. 
non sunt ad alıquid, Pediu ne sint tiu species keskidotiu ad aliquid. toh 
sin an demo genere üungeskidotiu sin. ad aliquid. Dieimur enim quales. 
secundum singula. Taz skinet tär ana. täz uuir quales heizen näh tien 
speciebus. Hlaec enim et habemus. Sie sint unsere haba. Seientes enim 
dieimur. quod habemus singulas scientias. Uwuir heizen chünnige. föne dero 
habo dero specierum. Quare haec erunt etiam qualitates. quae singillatim 
sunt. secundum quas et quales dicımur. Föne diu sint tiu species qualitatis. 
näh tien uuir ouh heizen quales. Haec autem non erunt eorum quae sunt ad 
aliquwd. Äber ad aliquid ne sint siu nieht. Amplius. Fernim noh taz. | Srtio 
contingat hoc ipsum quale et relativum esse. nihil est inconveniens idem utris- 


que. generibus annumerare. Keskihet ouh ein uuört peidiu bezeichenen. 
qualitatem ioh ad aliquid. sö ne uuirret tir nieht taz selba ze zellenne. ze 
beiden cathegorüs. 
De facere et pati. 
Recipit autem facere et pati contrarielates. et magis et minus. Tiu dir beze- 
chenent (sie) tüon älde dölen. diu sint ofto ein änderen uuideruuärtig. Ünde 
mäg uuerden io uuederes. mer ich min. Calefacere enim ad frigidum fa- 
_ cere contrarium est. et calidum fieri ad frıgidum fieri. et delectari ad con- 
tristari. Uuärmin vinde chuelin. sint uuideruuärtig. sö sint 6uh uuarmen 
unde chalten. frö sin. unde leideg sin. ‚Sed et magis et minus. S6 uuir- 
det ouh an in. mer ünde min. Calefacere enim magis et minus est. et 
calefieri magts et minus. et contristari magis et minus. Man mäg uuöla 
uuarmin mer ioh min. unde uuarmen. mer ich min. üunde trüren mer ich 
min. Recipit ergo magis et minus facere et pati. Fone diu ist uuär. taz 
tüonnes ünde dölennis. mer ünde minnera sin mag. Pro his itaque tanta 
dicantur. Föne in si is sus cnüege. 
De situ. 
Dietum est autem et de situ in his quae ad alıqud sunt. quia denominative 
a positionibus dieitur. Föjne ad aliquid sagendo. uuart Ouh kesag£t. taz tiu ıtı 
verba sedere. unde stare. diu situm bezeichenent kesprochen sint föne no- 
minibus. sessio. statio. diu positionem bezeichent. 
De quanto (sie). et ubi. et habere. 
Pro reliquis autem. quando. et ubi. et habere. eo quod manifesta sunt. 


328 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


nihil de eis aliud dieitur. quam quae in principio dicta sunt. Fone uuenne 
unde uöne uuär. ünde uöne habenne. ne ist nieht nü ze sagenne. uuända 
siu semfte sint. äne daz före gesäget ist. Uuäz ist taz? Quia habere qui- 
dem sıignificat calciatum esse. armatum esse. Täz ana haben. bezeichenet 
keskühen uuesen. älde gesäreuuit uuesen. Ubi vero. ut in loco. Uuär 
bezeichenet. in uuelero stete. Quando. ut quo tempore. Uuenne. in 
uuelemo zite. De propositis itaque generibus quae dieta sunt sufficiunt. 
Föne dien generibus ih pedeh ze säagenne. häabo ih cnüoge gesaget. 
Quod modis opposita dicantur. 
Dicitur autem alterum alteri opponi quadrupliiter. Ze uier uuisön chit 
man ein gägen ändermo gestellit uuerden. Aut ut ad aliquid. Älde sö 
diu gägensihtigen. Aut ut contraria, Älde sö diu uuideruuartigin. Hut 
ut habitus et privatio. Älde sö häba unde därba. Aut ut affirmatio et ne- 
112 galio. Älde sö nein ünde |iah. Opponitur autem unum quodque istorum. 
Tirro io gelih uuirdet ingägen stellet. Ue sit figuratim dicere. Mit exem- 
plo ze sagenne. Dt relativa. Sö relativa tüont. Ut duplum dimidio. So 
zuiualt ist t@mo halblih. Ut contraria. S6 uuideruuärtigiu tüont. Dt 
malum bono. Älsö übel ist küotemo. Ut secundum privationem et habi- 
tum. Sö man chit häba ünde därba. Di est caecitas visui. Also blindi ist 
iemo kesiune. Ut affirmatio et negatio. 56 uestenunga üunde löugen tüont. 
Ut sedet. non sedet. Älso diu sint. sizzet. ne sizzet. 
De relativis. 
Quaecungue ıgitur ut relativa opponuntur. Tiu relative gägenstellet uuer- 
dent. Ea ipsa quae sunt,. oppositorum dicuntur. 'Tiu heizent änderro. 
dut quomodolibet aliter ad ea. Älde eteuuio schent siu zu in. Dt duplum 
dimidü ipsum quod est alterius dieitur. Älsö ziuualt (sic) eteuues zuiualt hei- 
zet. taz iz ist. Alicwus enim duplum dieitur. Iz söl io benöte heizen zuiualt. 
tänne des hälbin teiles si. Sed et disciplina disciplinato tanquam relativa 
opposüta est. Lera ist Guh gägenstellit temo gelertin. samo zu imo sehen- 
tin. Et dieitur disciplina ipsum quod est disciplinati. ünde daz tiu lera ist. 
täz uuirt keheizen des kelertin. Sed et disciplinatum ipsum quod est ad 
oppositum dicitur. i. ad disciplinam. Älso uuirdit 6uh täz kelerta hina ge- 
spröchen. ze sinero gägenstältün lero. Disciplinatum enim aliquem diei- 
us mus disci|plina disciplinatum. Uwuanda uuir heizen io den gelertin fone 
dero l&ero gelertin. Quaecunque ergo opposila sunt tanguam ad aliqud. 


der aristotelischen Abhandlungen: narnyopias und megi egianveias. 329 


Tiu io mit t&mo nämin dero gägensihte gägenstältiu heizent. Zpsa quae 
sunt aliorum dieuntur. 'Tiu sint io änderro. taz siu sint. dJut qguomodo- 
cunque ad invicem. Älde eteuuio sehent siu zeinen änderen. 
De contrariis. 

Illa ergo quae ut contraria. Tiu aber durh uuideruuärtigi heizent oppo- 
sita. J/psa quidem quae sunt nullomodo ad se invicem dieuntur. Tiu ne 
sehent nieht zu einen änderen. än diu daz siu sint. siu sehent mer föne 
einen anderen. Neque enim bonum mali dieitur bonum. sed contrarium. 
Uuanda nieman ne chit. taz güota ist tes übelin güota. er chit iz imo si 
uuideruuartig. Neque album nigri album. sed contrarium. Noh er ne 
chit. taz uuiza ist tes suarzen uuiza. Er chit iz imo si uuideruuartig. Quare 
differunt hae contrarietates a se invicem. Fone diu sint contraria geskei- 
den. 

De differentia contrariorum. i. medium habentium et non habentium. 
Quecunque vero contrariorum talia sunt. 'Tiu contraria solih sint. ut alte- 
rum ipsorum necessarium est inesse. in quibus nata sunt fieri. et de quibus 
praedieantur. Täz ein uuederiz benöte ana ist. tien siu gesläht sint unde 
uöne dien man siu sprichet. Nihil eorum medium est. 'Tiu ne häbint ne- 
hein medium. Quorum vero non est necessarium alterum inesse. Tero 
aber ein uuederiz ana benöte ne ist. Horum omnium est | aliguod medium 1 
omnino. Tero ällero ist io etelih medium. 

Exempla de non habentibus medium. 
Ut languor et sanitas in corpore animalis naturam habet fieri. Älso sie- 
chelheit üunde gänzi lebenden corporibus keslaht ist. Zt necessarium est 
alterum esse in anımalıs corpore. vel languorem vel sanitatem. Ünde io be- 
nöte söl einuueder sin än des lebentin lichamin. siechi alde gesundeda. 
Sed et par et impar de numero praedicatur. Sö uuirdit ouh fone dero nu- 
mero gespröchen keräd unde ungeräd. Zt necessarium est alterum in nu- 
mero esse. aut habundus i. imparem. aut perfectum. i. parem. Ünde ist 
io diu numerus über slähentiu älde geebenötiu. Zt nihil est in medio ho- 
rum neque Inter languorem et sanitatem. neque inter habundantem et per- 
fectum. Ünde nieht ne uindist tü ünder gänzemo ünde ünganzemo. üne- 
benemo unde ebenemo. 
Exempla de habentibus medium. 
Quorum vero non est necesse alterum inesse. eorum est aliquod medium. 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Aber 


330 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


Tero aber &in uuederiz penöte äna ne ist. tiu häbint medium. Ut nigrum 
et album in corpore naturam habet Jieri. Also corpori gesläht ist. uuiz 
üunde suärz uuerden. Zt non est necessarium alterum horum esse in cor- 
pore. Unde döh neh£in nöt ne ist. einuueder imo äna uuesen. Non enim 
omne aut album aut nigrum est. Uuanda uuiz älde suarz io gelih corpus 
ne ist. ‚Sed et pravum et studiosum praedicatur quidem et de homine et de 
115 alüs multis. | Cüot ünde übel chit man 6uh föne menniscön ünde fon än- 
deren dingin. Sed non est necessarium alterum horum inesse alüs. de qw- 
bus praedicatur. Unde ne ist töh nehein nöt iro @in uueder sümelichen 
anauucsen. Non enim omnia vel prava vel studiosa sunt. Uuända dinge- 
lih nieht penöte ne ist übel älde güot. Zt est horum medium. Pediu hä- 
bint sin medium. Albi quidem et nigri. fuscum et pallidum et quwieunque 
sunt alil colores. Suärzis ünde uuizis media sint. pleih unde säterä ünde 
älle ändere uäreuuä. s. ut rubrum viride. flavum. furvum. venetum. ful- 
vum. eroceum. i. röt cruene. fälo. salo. cra. cöltfäaro. chrüogfaro. Pravi 
vero et studiosi. Aber übelis unde cüotis medium ist. Quod neque pra- 
vum neque studiosum est. Täz ne uueder ne ist cüot noh übel. Taz hei- 
zent stoici indifferens. also rihtüm ist ünde sköni. Tiu sö getänin uuöl- 
ton sie habin füre ne uueder. /r aliguwbus itaque nomina sunt his quae 
media sunt. In sumelich@n contrariis sint namin fündene iro mediis. Ut 
albi et nigri. fuscum et pallidum. Alsö dien mediis suärzis unde uuizis sint. 
pleih ünde erisil. In aliquibus autem nomina quidem in medio assignare 


idoneum non est. In sumelichen ist umbechäme iro mediis namin ze g£- 
benne. sed per utrorumque summorum negationem quod medium est de- 
terminatur. Nube diu üzeren fersägendo uuirdet iro medium geouget. Ni Ut 
quod neque bonum neque malum est. neque iustum neque injustum. Alsö 
diu nämelös sint. tiu ne uueder sint cüot noh übel reht noch ünreht. | 
116 De habitu et privatione. 

Privatio vero et habitus quidem circa idem aliquid. ut visio et cecitas circa 
oculum. Haba unde darba uuirt eteuuär ana gespröchen älso gesiune ünde 
blindi än demo ougen gespröchen uuirt. Universaliter autem dicere est. 
in quo nascitur habitus fieri. circa hoe dieitur privatio. utrorumque eorum 
ordine. Ällelicho ze sägenne. sö uuär äna diu haba uuirt, tar Ana uuirt 
ouh tiu därba äfter iro beidero ördeno. däz chit. äfter dero ördeno iro 
beidero zites. uuända sö is ünzit ist. s6 ne sol man ne uueder sprechen. 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnyopiaı und megt Eguuyveias. 331 


Privari autem tunc dicimus unum quodque habitus suscepubilium. Därben 
cheden uuir iogelichiz tero häbemähtigön. tanne. Quando in quo natum 
est habere nullemodo habet. Tänne däz ne häbit. täz haben sölta. Zden- 
dulum enim dieimus. non qui non habet dentes. nec cecum qui non habet 
pisum. Uuir ne heizen ten nieht After rehtemo gechöse zänelösen. der 
zene ne häbit. nöh ten blinden ter Gugen ne häbit. Sed qui quando con- 
lingit habere non habet. Nube den. der sie ne häbit. s6 Er sie häbin solta. 
Quedam enim ex generatione sunt. quae neque dentes neque visum habent. 
Sumelichiu sint tiu uone anabuürte. zene ne häbint. noh Gugen. Sed non 
dieuntur edentati. neque ceci, Ünde doh ne heizent zänelos. noch plint. 
Uuer mäg heizen hölz ünde stein äfter redo zänelös ünde härlos. ünde 
plint. Niouuiht ne ist töd. äne däz iu lebeta. noh plint. äne tı 
daz iu ougen häbeta. älde häben solta. nöh härlös. noh zänelös. äne daz 
siu haben sölta. unde äber ne häbit. 

Opposita sub oppositis esse et non cum eis idem significare. 
Privari vero et habere habitum non est habitus et privatio. Tärben üunde 
eteuuaz habin. däz ne ist nieht häba ünde därba. Habitus enim est visus. 
privatio vero cecitas. kesiune ist haba. privatio vero cecitas. Plindi ist 
tarba. s. des kesiunis. Habere autem visum non est visus. nec cecum esse 
cecitas. Häben gesiune. täz ne ist kesiune. nöh plint uuesen plindi. däz 
ist darba. Caecum vero esse privari. non privatio est. Plint uuesen. daz 
ist darben. näls darba. Nam si idem esset caecitas el cecum esse, utraque 
de eodem praedicarentur. Übe ein uuäre. blindi ünde blint uuesen. sö 
uuurtin siu uone einemo dinge gespröchen. Nunc vero minime. Nü ne 
ist tes nieht. Sed cecus dieitur homo. cecitas vero homo nullo modo dieitur. 
Uuända der män heizet plinder nals aber blindi. Opposita autem etiam 
haec videntur. i. privari et habitum habere. tamquam privatio et habitus. 
' Ouh sint haben unde därben. samo härto opposita. sö selbiu häba ünde 
darba. Modus enim oppositionis idem est. Ist ter selbo moldus. taz chit. 113 
tisiu oppositio ist alsö getän. sö diu uördera. Nam sicut cecitas visul op- 
posila est. sic caecum esse et visum habere oppositum. Uuända älso diu 
blindi demo gesiune gägenstellet ist. sö ist ouh plint uuesen. ünde gese- 


hen. 


De subhabitu et subprivatione. similis ratio. 
Non est autem neque quod sub affirmalione et negatione iacet. affirmatio 


2 


332 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


et negatio. Täz 6uh liget ünder uestenungo. ünde ünder löugene. täz ne 
ist nieht selbiu diu uestenüunga noh selber der löugen. Affirmatio namque 
oratio est affirmativa. s. ut sedet. Festenüunga daz ist ein u6stenig reda. 
Et negatio oratio negativa. s. ut non sedet. Ünde lougen. ist &in lougenig 
reda. Horum vero que .sub affirmatione et negatione sunt nulla est oratio. 
Tiu ünder dien zuein redön sint. s. ut sedere. non sedere. Tiu ne sint 
nieht reda. Concedantur autem etiam haec esse opposita allerutris tam- 
quam affirmatio negationi. Nü iehen 6uh tiu uuesen opposita ein änderen. 
alsö lougen ünde uestenunga sint. Nam in his oppositionis modus idem 
est. Ist io der eino modus oppositionis. ‚Seut enim affirmatio adversus 
negationem opposita est ut quod sedet ei quod non sedet. Älso uestenunga 
gägenstellet ist löugene. so daz ist. sizzet ne sizzet. Sic et res quae sub 
utroque posita est i. sedere ad non sedere. Sö ist ouh taz ünder in beiden 
stät. ih meino sizzen. unde dära gagene ne sizzen. 

119 Ad aliquid discernitur | ab habitu et privatione. 
Quoniam autem privatio et habitus non sic opponuntur ut ad aliquid mani- 
festum est. Uuir uuizzen daz haba ünde därba. nieht sölih gägenstelle ne 
häbint sö ad aliquid. Non enim dieitur hoc ipsum quod est oppositi. 'Taz 
eina ne heizet nieht tes änderis. Yisus enim non est cecitatis visus. Uuanda 
diu gesiht ne ist tero blindi. Nee alio wllo modo ad ipsum dicitur. Nöh 
ze änderro uuis ne uuirdet si kespröchen ze iro. sSimiliter autem neque 
cecitas dicitur cecitas visionis. sed privatio visionis. 'Tana mer ne uuirdet 
plindi geheizen gesiunis plindi. nübe darba gesiunis. Cecitas vero visionis 
non dieitur. Kesiunis plindi ne chit nioman. Amplius. Fernim io noh. 
Ad aliquid omnia reciprocative dieuntur. Älliu ad aliquid uuerdent kesprö- 
chen äfter umbegänge. Quare cecitas si esset eorum quae ad aligwid sunt 
utiqgue et converteretur. Übe ouh tänne blindi uuäre ad aliquid sö häbeti 
si ümbegäng. Neque enim dieitur ad illud ad quod dieitur si non conver- 
titur. Übe si ümbe ne gät. sö ne uuirdet si ouh nieht gägensihtigo gesprö- 
chen zu demo si gespröchen uuirdet. Negue enim dieitur visus cecitatis 
pisus. Uuända nioman ne chit kesiune ist tero blindi gesiune. 

Habitus et privatio discernuntur a contrariis. 

ı» Quoniam autem neque ut contraria opponuntur ea | que secundum privatio- 
nem et habitum dieuntur. ex his manifestum est. Uuio üngelicho ouh con- 
trarüis haba unde därba sin gespröchen. täz keöffenont tisiu uuort. Quo- 


der aristotelischen Abhandlungen: »arnyogiaı und wegi egunveias. 333 


rum enim contrariorum nihil est medium. Tero contrariorum diu medium 
ne häabint. Necesse est in quibus nata sunt fieri. aut item quibus praedi- 
cari. alterum ipsorum inesse semper. Sol io daz eina benöte ana uuesen 
dien. an dien siu mügen uuerden. ünde uöne dien uuir sin muügin spre- 
chen. Horum enim nihil est medium. quorum alterum necessarium erat 
inesse suscepüibili. Uuanda diu ne habint medium. tero io daz &ina benöte 
söl ana uuesen demo habenähtigen. Ut item languore et sanitati' et ha- 
bundanü et perfecto. Älso iz ist in siechi ünde in ganzi ünde in unebenemo 
ioh ebenemo. Quorum vero aliquid est medium. nunguam necessitas est 
omni esse alterum. Tiu aber medium häbint. tien ne ist neh@in nöt hertön 
anauuesen. Neque enim necesse est omni susceptbili. candidum vel nigrum 
esse. neque frigidum vel calidum. Uuända neh£in nöt. ne ist corpori. daz 
iz uuiz alde suarz si. chält äalde uuärm. Horum autem medium aliqıwd ni- 
hil prohibet esse. Iz mag aber etelih sin dero. diu under zuisken stant (sie). 
Horum autem erat aliquid medium. quorum non erat necessarium alterum 
inesse susceptibili. Iz sölta suh penöte sin daz mitta. 16 iz tero üzerön ne- 
uueder uuäs. Preter | gwbus naturaliter unum inest. Äne diu lazo ih före 
dien natürlicho io daz &ina äna ist. äna (sic) daz änder. Dt igni calidum 
esse et nivi candidum esse. Alsö uiure heizi üunde sneuue io uuizi äna ist. 
In his autem et determinative necessarium alterum esse. et non alterutrum 
contingit. An disen geskihet io guislicho äna uuesen daz eina äne herta. 
Non enim possibile est ignem frigidum esse. neque nivem nigram. Uuända 
uiur ne mäg chält sin. noh sn& suarz. Quare omni quwidem susceptibili non 
est necessarium alterum inesse. Pediu ne ist nehein nöt ällen corporibus 
daz eina ana uuesen äna uuchsal. Sed solis qwbus naturaliter unum in est. 
Nube echert tien daz &ina gesläht ist. Zt his determinative unum non al- 
terutrum contingit. Unde dien daz &ina guisso ünueruuehselöt ist. /z 
privatione vero et habitu nihil horum quae dicta sunt verum est. Tes älles 
ne geskihet nieht in habo unde in därbo. Non enim semper suscepuibili 
necessarium est alterum eorum inesse. Uuända däz ist sär ein üngelichi. 
täz iro corpori daz &ina io benöte äna ne ist. Uuio mag? Quod enım 
nondum habet naturam ad videndum. Ein uuelf taz noh unzitig ist ze se- 
henne. Neqgue cecum neque visum habens dieitur. 'Täz ne heizet ouh nöh 
ne uueder. plint noh kesehende. J/deoque non erunt haec contrariorum 


je 


21 


quorum nihil | est medium. Pediu ne sint nieht tisiu gelih tien contrariis. 122 


334 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


tiu äna medium sint. ‚Sed neque quorum est medium. Nieht kelicheren 
ne sint siu dien medium häbenten. JNVecessarium enim est omni susceptibili 
alterum eorum inesse. Uwuända ein uueder sö haba sö darba söl io än 
demo corpore sin. Quando enim natum fuerit ad habendam visionem aut 
cecum aut habens visionem dicetur. So iz Erist zitig uuirdet ze sehenne. sö 
heizet iz sär. plint älde gesehende. Zt horum non interminate alterum. 
sed alterum contingit. s. determinate. Ünde nieht unguisso daz @ina. nübe 
guisso geskihet ein uuederiz. /n contrarüs autem quibus est medium. nun- 
quam necessarium fwit omni alterum esse. sed quibusdam et his determina- 
tive unum. Aber in dien contrariis tin medium häbint. ne uuirdet nieht 
penöte daz eina uunden in ällen. nübe echert in sumen. üunde ouh taz &ina 
mit quissemo namin s. sö diu heizi ist an demo uuire (sie). Unde palam est 
qua secundum neutrum modum tanguam contraria opposita sunt ea que se- 
cundum privationem et habitum opponuntur. Tännän skinet täz haba ünde 
därba an iro gägenstelledo. neuuedermo modo contrariorum gelih ne sint. 
Amplius. Siu skeident sih ouh ze änderro uuis. Zn contrarüs quidem exi- 
stente susceptibli. possibile est in alterutrum fieri mutationem. Än &einemo 
'3lichamen mäg hert uuehsel uuerden dero contrariorum. | Nisi alteri na- 
turaliter unum insit. ut ıgni calidum esse. Imo ne si echert täz eina ge- 
släht. sö wuire ist hizza. Namque quod sanum est. possibile est languere. 
et candidum nigrum fieri, et ex studioso pravum et ex pravo studiosum pos- 
siblle est fıeri. Äber gesunde uuirt sieh. ünde uuiz suarz. cüot übel. übel 
guot. Pravus enim ad meliores exercitationes deductus et ad doctrinas vel 
ad modieum aliquod proficiet. ut melior sit. Idem quamyis proclivior est 
semita abono ad malum. et difficilis transitus a vitiis ad virtutem. non ta- 
men est impossibile. quemlibet peccatis obnoxium per confabulationem 
sapientum et quandam boni consuetudinem paulatim ad meliora proce- 
dere donec ad perfectionem conscendat. Scädel mennisko ze frömön ünde 
ze löro gezöhter. kerucchet io be (sic) dero uuilo sö uilo. daz er bezero 
uuirdet. ‚Si vero semper vel modieum crementum sumpserit. palam est quia 
aut perfecte mutabitur aut satis multum crementum sumat. Übe er io ete- 
uuaz zü leget tännän uuirdet er &in uueder uilo güot. älde uudla güot. & 
enim bene mobilior ad virtutem fiet. vel guodcunque crementum sumpserit a 
prineipio. Übe er uudla uähet ze tugede. älde er sih zu £rist ieht pezeröt. 
Ex hoc etiam verisimile est. amplius eum sumere erementum. 'Täannän mäg 


der aristotelischen Abhandlungen: Karnyopiaı und weg! egumveias. 330 


man in uuänen ouh ferrör gerueichen. Ex hoc dum semper sit. perfecte 
in contrarium habitum rvestituetur. Unde däz io äna tüendo. chümet er in 
andere chust. Nisi forte tempore suspensum sit. Iz ne uuerde inderno- 
men. ünde uöne diu ze lEibo uuerde. Yerum in privatione et habitu. pos- 
sibile est mutationem in alterutrum fieri. In habo ünde in darbo mäg uuola 
uuerden uuehsel. des einen in daz ander. a habitum in privationem fit mu- 
tatio. a privatione vero in habitum inpossibile est. Ter uuehsel mäg uuer- 
den föne habo in darba nals aber une därbo in haba. Neque enim cae- 
cus factus. rursus videt. Uuända erblindeter. nio dara näh ne uuard ke- 
sehenter. JNeque cum esset calvus. rursus.comatus est factus. Noh chalo 
uuörtener. ne uuärd änderest keuähser. Neque cum esset sine dentibus. 
dentes ei iterum orti sunt. Nöh zänelös uuörtener änderest ne zänta. 
Affırmatio et negatio discernuntur a ceteris. 
Quaecungue vero tamquam affirmatio et negatio opposita sunt. palam est. 
quia nullo perdictorum modo opposita sint. Nü ist guis. taz aber löugen 
ünde uestenunga. in selben gägenstellet ne sint. näh tero uuisün dero än- 
derro. In solis enim istis necessarium est semper. aliud quidem eorum ve- 
rum esse. aliud autem falsum. An disen &inen. ist io daz eina uuär. daz 
ander lugi. 
Contradictio discernitur | a contrariis. 
Neque enim in contrarüs necessarium est semper. alterum verum esse al- 
terum falsum esse. 
Contradictio discernitur ab ad aliquid. 
Negue in his que ad aliqwd sunt. 
Contradictio discernitur ab habitu et privatione. 
Neque in habitu et privatione. An dien ereren drin modis. ne uindet nio- 
man uuär noh lugi. Ut sanilas et languor contraria sunt et neutrum neque 
verum est. neque falsum est. Simie autem et duplum et dimidium. tan- 
quam relativa opposita sunt. et non est eorum neque verum neque falsum. 
Sed neque ea quae secundum privationem et habitum sunt. sicut visio et ce- 
eitas. Tisiu driu exempla sint äne lougen. ünde äne uestenünga. Omnino 
autem eorum quae secundum nullam complexionem dieuntur. nihil neque 
verum neque falsum est. Porro omnia quae dicta sunt. sine complexione 
dieuntur. Älliu einlizziu uuört. ne sint ne uueder uuär nöh lügi. Tisiu 


124 


125 


336 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


nü gespröchenen exempla. sint alliu einlüzziu. sö däz ist sanitas. languor. 
Ünde duplum dimidium ünde cecitas visus. 
De complexim dietis oppositis. 
Sed et maxime videbitur hoc tale contingere in his quae secundum. comple- 
xionem contraria dieuntur. Ällero guissöst mugen döh keskehen. uuär 
ünde lugi in contrariis. Uuenne ist taz? Sö man siu sprichet zesamine 
geleitero uuorto. Sanum namque esse socratem. ac languere socratem. 
contrarium est. Also däz nü in zesämine gelegeten uuörten contrarium ist. 
126 sieh uuesen socratem. ünde gesunde uuelsen socratem. ed neque in his 
contrarium est. semper alterum verum aut falsum esse. Iöh noh tänne. ne 
ist nieht io daz eina uuär. daz änder lugi. Eteuuenne mäg iz sin. Cum 
enim sit socrates. erit aliud quidem verum. aliud autem falsum. Tia uuila 
er lebet. sö ist taz eina uuär. daz änder lügi. Cum vero non sit. ambo 
Jalsa sunt. So uuenne Er neist. sö sint siu beidiu lügi. Neque enim lan- 
guere neque sanum esse. verum est. cum ipse socrates omnino non sit. Uuio 
mag er gesunde älde sieh sin. tanne er selbo ne ist? Zn privatione vero et 
halitu cum non sit. neutrum verum est. Cum sit non erit alterum verum. 
In habo ünde in däarbo. übe er neist. uuio mäg tänne uuär sin teuueder? 
Täz ist tien contrarüs kelih. Ünde aber ist. taz &ina döh uuilon uuär ne 
ist. Taz ist aber ungelih ten contrariis. Habere namque visum socratem. 
ad id quod est cecum esse socratem. oppositum dero habo. ünde darbo. 
Et cum sit. non necessarium est. alterum verum vel falsum esse. Ünde 
imo lebendemo neist nehein nöt ein uuesen uuär. daz änder lügi. Cum 
enim nondum natus est habere. utraque falsa sunt. et visum eum habere. 
et cecum eum esse. Er sinemo zite. sint peidiu lügi. socratem gesehen. 
iöh plint uuesen. Jr affirmatione autem et negalione semper sive non sit. 
sive sit. aliud quidem erit falsum. aliud autem verum. Aber uestenöndo. 
ızrüunde | löugenendo. sacrates si. älde ne si. uuirdet io daz eina uuär. daz 
ander lugi. Zanguere namque socratem et non languere socratem. cum 
ipse sit. palam est. quia alterum eorum verum. alterum autem falsum est. 
Tero zueio. socratem siechelön ünde ne siechelön. ünz er ist. uuirdet ein 
uuär. daz änder lugi. Zt cum non sit similiter. Ünde so er neist. sö sämo. 
Languere et enim cum non sit. falsum est. non languere autem verum. 
Siechen döh er ne si. däz ist kelögen. Ne siechen ist uuär. Quare ın 
his solis proprium erit. semper alterum eorum verum. semper alterum fal- 


der aristotelischen Abhandlungen: Karmyepiaı und megi Egumveias. 337 


sum esse, quaecunque lamquam affirmatıo et negatio opposita sunt. Föne 
diu ist io daz eina uuär. daz änder lugi. danne nein inde iäh. ein ände- 
ren begägenent. 

Hucusque de differentiis oppositorum. Sequitur adhuc de contrariis. 
quod aliguando quae mala sunt. simul malis et bonis contraria sint. 
Contrarium autem est bono quidem ex necessitate malum. Übel ist io be- 
nöte uuideruuartig cüuote. Hoc autem palam est, per singulorum inductio- 
nem. Taz skinet sär föne einzen gegebenen exemplis. Üt sanitati languor. 
et iustiliae iniustitia. et fortitudini debilies. Alsö siechelheit ist kesündedo. 
ünde ünreht rehte. ünde uueichi dero stärchi. Malo autem aligquando 
quidem bonum est contrarium, et aligquando malum. Äber übel ist uuilön 
güot uuideruuärtig. uuilön ein ander übel. Zgestati enim cum sit malum. 

superabundantia contrarium | est. cum etiam ipsa sit malum. Keisen üunde 13 
ürgüse sint uuideruuärtig. ünde beidiu döh übel. Sed in paucis hoc tale 
quiibet inspiciet. s. ut malum malo sit contrarium. Seltenör uindet man 
daz ein skado si ändermo uuideruuärtig. In pluribus vero semper malum 
bono contrarium est. Öftör ist übel güote uuideruuartig. 

Non sieut relativa semper simul esse contraria. 
Amplius. Contrariorum non necessarium est. si alterum sit. et religuum 
esse. Fernim 6uh. taz ein contrarium uuola uuesen mäg s. in corporibus 
äne daz änder. Sanis namque omnibus. sanitas quidem erit. languor qui- 
dem non erit. Uuända in allen ganzen. ist kesundeda. äne siechelheit. 
Simuile autem cum omnes sunt albi. albedo quidem erit. nigredo non erit. 
Ünde där sie älle uuiz sint. älso älbize. tär ne ist nehein suärz. Amplius. 
Fernim nöh. Si socratem sanum esse ad id quod est socratem languere 
contrarium est. Übe uuideruuärtig ist. ten män gesunde uuesen. ünde sieh 
uuesen. Cum verum sit possible utraque simul esse eidem. Sid siu imo 
beidiu ne mügen säment ana sin. Non erit possible. cum alterum contra- 
rium sit et religuum esse. S6 ist ünmähtlih. tar daz &ina ist taz änder daz 
imo uuidere ist. sament imo där uuesen. Cum enim sit socratem sanum 
esse. SÖ söcrates gesunde ist. Non erit languere sanum | socratem. Sö ne 139 
mag er gesünder. sieh uuesen. 

Quibus inesse possint contraria. 

Palam vero est quia et circa idem aut specie aut genere. naluram habent 
‚fieri contrarietates. An dien muügen uuerden contrarietates. tiu in sint 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Uu 


338 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


specie. älde genere. i. tiu Ein speciem. älde Ein genus habint. Zanguor 
namque et sanitas in corpore animalis. naturam habet fieri. kesundeda 
unde siechi. sint kesläht tien corporibus animalium. föne diu ist animal 
dero corporum genus. Albedo autem et nigredo simplieiter in corpore. 
Äber uuizi ünde suärzi. uuirdet kelicho. än lebentemo. unde üunlebentemo 
corpore. Pediu ist corpus iro allero genus. Justitia vero et iniustitia in 
anima. Reht ünde ünreht än dien selön dero menniskön. Pediu ist homo 
iro species. 
Ubi possint investigari contraria. 
Necessarium autem est omnia contraria vel in eodem genere esse vel in con- 
trarüs generibus. vel ipsa genera esse. Nöt ist taz alliu contraria in &i- 
nemo genere ständen. älde in zuein uuideruuärtigen. älde siu selben sin 
genera. Jlbum enim et nıgrum in eodem est genere. Color enim genus 
eorum est. Uuiz unde suärz sint in &inemo genere. Färeuua ist iro genus. 
Justitia vero et iniustitia in contrarüs generibus. JIllius enim virtus. hwus 
130 autem nequitia genus est. Reht | unde ünreht. sint in uuideruuartigen ge- 
neribus. also tuged unde arg sint. Bonum vero et malum non sunt in ge- 
nere. sed ipsa sunt genera. aliquorum existent. Aber güot üunde übel ne 
sint nieht in demo genere. siu sint selben änderro genera. 
De priore. 
Prius autem alterum altero dieitur. quadruplieiter. Latine uuirdet prius ze 
uier uuisön gespröchen. i. Primo quidem et proprie secundum tempus. Ze 
erist unde ällero rehtöst. zit meinendo. Secundum quod scilicet antiquius 
alterum altero et senius dieitur. Näh tiu ein ding heizet erera. ünde altera 
danne daz ander. /n eo enim quod tempus amplius est. in eo antiqwus et 
prius dieitur. Uuända des zitis mer ist. föne diu chit man iz si erera. unde 
altera. II. 
Secundo autem quod non convertitur secundum subsistendi consequentiam. 
Änderest uuirdet taz prius kespröchen. täz nieht umbe ne gät. an dero 
nötfolgungo des uuesennes. Ut unus duobus prior est. Also ein €rera ist. 
ünde erera heizet. tänne zudi. uuanda uöne einemo chöment zudi. Uuaz 
sint zudi. äne zuirort einez? Duobus enim existentibus mox est consequens 
unum esse. Uno autem existente. non necessarium est. duo esse. Übe 
zuei sint. sö ist ein benöte. ist aber ein. sö neist zueio nehein nöt. Jd 
ist CIrco non convertitur ab uno consequenltia. ut sit religuum. Pediu ne gät 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnycgiaı und egi egunveias. 339 
8 8 8 


iz umbe. so &in ist sament zuein. täz zuei sin mit einemo. Prius autem 
videtur lud esse. a quo non convertitur. in eo quod est esse consequenliam. 
Hoc est. prius est quod non habet consequentiae suae necessitudinem. 
Unum consequitur duos. et prius est. duo vero unum non necessario con- 
sequuntur. Taz ist &rera. des consequentia nieht umbe ne gät. IH. Ter- 
tio vero secundum quendam ordinem prius dieitur. Ze dero dritün uuis 
chit man prius. sö iz ordinem bez£ichenit. Quem ad modum in discipli- 
nis et in orationibus. Also iz feret in lirnungon üunde in redon. Nam et in 
demonstralivis disciplinis est prius et posterius per ordinem. Täz man zei- 
gondo leren söl. an demo ist einez Er in Grdeno. dänne änderez. Ele- 
menta enim priora sunt his quae describuntur per ordinem. Analeita des 
uuerchis. sint io er in ördeno. er selbez täz uuerch. In geometrica sol 
man er leren. uuaz punctum si. ünde linea ünde figura. &r man beginne 
selbun die figuras scäfön üzer dien lineis. Sed in gramatica elementa priora 
sunt sillabis. Püohstäba habint 6uh in gramatiche ererün ordinem dänne 
sillabe die üzer in uuerdent. Zt in oratione simie. Sö ueret iz suh in 
redo. Proemium enim prius est narratione per ordinem. 'Tiu uöresaga i. 
prefatio. dia rehtores (sic) heizent exordium. diu ist Er in ördeno. dänne 
selbiu diu saga. III. | 

Amplius. supra ea quae dicta sunt. quod melius est et honorabilius. prius 11 
naturaliter esse videtur. Über diu. häizet io noh prius. taz pezera. ünde 
erhaftera ist. Consueverunt autem et plurimi. priores dicere apud se. ho- 
norabiliores et magis a se dilectos. Cnüoge uuellen under in. die heizen 
priores. tie in uuerderen üunde lieberen sint. tänne ändere. Est quwidem 
et pene alienissimus horum hie mos. Ter sito ist t6h näh ter ünrehtesto. 
Modi qui dieü sunt de priore. sunt ist. Süs mäniga uuisa sprichet man 
uöne priore. V. 

Fidetur autem preter eos qui diet sunt. alter esse prioris modus. Äne dise 
uiere ist io nöoh ein modus prioris. Korum enim quae convertuntur secun- 
dum essentiae consequentiam. Tero dıu üumbegang häbint iro miteuuiste. 
ih meino daz io uuederez nöte mit ändermo ist. Quod alterius alteri quo- 
modolibet causa est. digne prius natura dieitur. S6 uuederez tero däz än- 
der recchet. taz heizet mit rehte natürlicho daz £rera. Quia vero sunt 
huwiusmodi. palam est. Man bechennet uuola sö getäniu. Zsse namque 
omnem (sic). convertitur. ad veram de se rationem. Tees mennisken. s. unde 


Uu2 


340 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


touucles tinges uuesen. habit üumbegäng mit sines uuesennes keiihte. Se- 
cundum essentiae consequentiam. Äfter sämintuuiste. s. io uuederis mit 
13 ändermo. Nam si est homo. | vera oratio est qua dieitur quia homo est. 
Übe mennisko ist. s6 ist tiu geilht uuär. daz er si. Et homo convertitur. 
quia est. Nam si vera oratio est qua dicitur. quia homo est. Ünde übe 
diu geiiht uuäriu ist. taz er si. sö gät umbe däz ouh er benöte ist. 
Hue usque de conversione. nunc quid eorum prius sit. 
Est autem quidem vera oratio. nequaguam causa. quod sit res. Nü ne ist 
tu uuärra reda nehein machünga des tingis. Ferum tamen videtur quo- 
dammodo res causa. ut sit oratio vera. Äber daz ding. mächöt tia reda 
uuärra. Cum enim res est aut non est. vera oralio aut falsa dicatur ne- 
cesse est. Übe selbez taz ting ist. älde ne ist. tär after uuirdet tiu reda 
uuärriu. alde lükkiu. Jdeoque secundum quingue modos prius alterum 
altero dicitur. Föne diu chit man ze uinf uuison. ein demo ändermo uue- 
sen erera. 
De his quae simul sunt. 
Simul autem dieuntur simplieiter quidem et proprie. quorum generalio est 
in codem tempore. Man chit uuesen sament in älarihte. ünde guissöst. in 
einero uriste mit ein änderen uuörteniu. MNeutrum vero neque prius neque 
posterius est eorum. 'T’ero ne uueder ne uerrücchet taz ander. s. also diu 
sunna ünde iro skimo. Simul itaque haec dicuntur. secundum idem tem- 
134 pus. Tisiu chit man sament uuesen. iro &ina zit ana selhendo. II. Natu- 
raliter autem simul sunt. quaecunque convertuntur quidem. secundum id 
quod est esse consequentiam. Tiu sint aber natürlicho üngeskeiden. tiu 
uöne ein anderen iro uuesen habint. ‚sed nequaquam causa est alterum 
alteri. ut sit. Unde doh ne uuederiz mächunga ne ist. tes änderis. Ut in 
duplo et medio. Convertuntur et enim haec. Älso zuiuält unde hälblih. 
Tiu gänt umbe. Nam cum sit duplum. est medium. et cum sit medium. 
est duplum. sed neutrum causa est ut sit. Siu sint io sament. siu ne mügen 
äne ein änderiu nieht. iro ne uueder ne mächöt toh täz änder. IH. 
genere e diverso dividuntur. 
ab invicem. Tiu sint ouh säment natürlicho. diu üzer einemo genere die- 


Dieuntur simul naturaliter et quae ex eodem 


zent. E diverso autem disidi alterutrum dieuntur. Tiu chit man ällenhäl- 
bön üz tizen (sic). Quae secundum eandem disisionem sunt. Tiu gelicho 
skeitünga tuont. Ut gressibile. volatile. et aquatile. Also gäendez. flie- 


der aristotelischen Abhandlungen: »arnyegiwu und megi Eounveias. 34 


gendez. suummendez. Haec enim alterutrum e diverso dividuntur. quae 
sunt ex eodem genere. Tiu skidönt sih kelicho föne ein anderen. tiu üzer 
einemo genere sih strängont. Animal namque dividitur in haec. in vola- 
tile. et gressibile. et aquatile. Animal uuirdet keskidöt. in uligendez. gäen- 
dez. suümmendez. Et nihil horum prius vel posterius est. Ünde | dero 135 
nehein ne uerrücchet taz änder. Sed simul per naturam haec esse viden- 
zur. Säament kibet siu diu natura. Divwditur autem et singulum horum in 
species rursus. ut gressibile animal. et volatile. et aquatile. Tero io uu£- 
lez (sie). ih meino gressibile. uolatile. aquatile. kät aber in species. Erunt 
ergo et illa simul naturaliter quaecunque ex eodem genere secundum ean- 
dem divisionem sunt. 'Tiu uöne io uuelemo genere dero drio in eben cho- 
ment. tiu sint Ouh säment. Genera vero semper priora sunt. Genera uer- 
skizent io diu species. Neque enim convertuntur secundum quod est esse 
consequentiam. Noh ümbe ne gänt siu after miteuuiste. Ut cum sit aqua- 
tile. animal est. Älso animal mit aquatili ist. Cum vero sit animal. non 
est necesse ut sit aquatile. Nöh äber aquatile nieht penöte ne ist mit ani- 
mali. 

Repetitio. 
Simul ergo per natura dicuntur. quecunque convertuntur quidam secun- 
dum quod est esse consequentiam. sed nequaquam causa est alterum alteri 
ut sit. Nü sint rehto diu sament. ein anderen nötfolgig sint. ünde ne uue- 
der änder ne recchet. Et ea quae ex eodem genere e diversa dividuntur 
ab invicem. Unde ouh tiu üzer einemo genere sih strangont. Et simplici- 
ler simul sunt. quorum generalio in eodem est tempore. Ünde sament sint 
slehto ze sagenne. diu sament uuörteniu sint. 

De motu. 136 
Motus autem sunt species sex. Sehs species sint tero uuago älde des uuch- 
sales. Generatio. kebürt. corruptio. uuarteda. Augmentum. Merunga. 
Diminutio. Minnerunga. Alteratio. Änderlichi. Secundum locum mutatio. 
Fürder rüuccheda. Alü itaque motus palam est. quia alü ab invicem sunt. 
Älle motus skeident sih öffeno föne ein änderen. Non est generalio cor- 
ruptio. Peren. ne ist nieht eruuorteni. Neque augmentum diminutio. 
Noh uuahsen suinen. DVeque alteratio secundum locum mutatio. Nöh an- 
derlichi. ne ist stete uuchsel. Similiter autem et alüi. Also üngelih sint 
sie alle einanderen. 


342 Grarr: Alihochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


Quod alteratio a ceteris falso videatur non discepere. 
In alteratione vero habet quandam questionem. Än dero änderlichi. mäg 
man zuiuelön. Ne forte necessarium sit id quod alteratur per aligquam 
religquorum motionem alterari. Übe suh penöte ein änder uuehsal. änder- 
lichi si. Hoc autem non est verum. Tes ne mäg äber nieht sin. Nam 
pene secundum omnes passiones aut plures alterari accidit. nulla aliarum 
molionum communicante. Uuwanda uöne ällen passionibus älde näh ällen. 
sö hizza. ünde uröst sint. keskihet änderlichi. äne ändere uuehsela. Nam 
neque augeri necessarium est. quod per passionem movetur neque imminui. 
ı37 Taz skinet föne diu. uuanda nehein nöt | ne ist kemeröt uuerden älde 
geminneröt. taz sih uuchselöt föne passionibus. sSimiliter autem et in 
aliis. Samo üngemeäine ist iz ouh tien ändern motibus. Jdeoque alia erit 
preter alios motus alteratio. Pediu ist alteratio keskeiden föne in allen. 
Nam si eadem esset oportebat id quod alteratur mox et augeri et minui. 
Übe iz din uuäre. sö solti däz tir keänderlichöt uuirdet. sär uuähsen. 
ünde suinen. el quandam aliarum motionum consequentiam fieri. Älde 
eielicha samintuuist habin dero änderro uuehsalo. ‚Sed non est necesse. 
Nü ne ist tes nehein nöt. Similiter autem et quod augetur aut aliqua alia 
motione movetur. alterari oportebat. Sö sölti ouh keanderlichöt uuerden 
taz tir uuahset. älde ze deheinero uuis sih uueget. Sed sunt quedam cre- 
scenlia que non alterantur. Tes ne mäg nieht sin. uuanda gnügiu (sie) 
uuahsent. tiu sih nieht ne änderlichönt. Ut quadrangulum uöne gnomone 
zugelegetemo uuähsit. üunde nieht keanderlichöt ne uuirdet. Tiz ist qua- 
drangulum g. Sö ist tiz gnomo. O4 Lege zesämine diu zuei. so ist iz 
ıss aber quadrangulum HJ Meröra ist iz. | nals änderlichöra. Sie et in alüs 
huiusmodi. Sö ist iz 6uh keskeiden föne dien anderen motibus. Quare 
ali sunt motus ab invicem. Pediu sint keskeiden älle motus. 
De contrarietate motuum. 
Est autem simplieiter quidem motui quies contrarium. Kemeinlicho ze sa- 
genne. ist stilli uuago uuideruuärtig. His autem quae per singula sunt. 
generationi quidem corruptio. augmento autem diminutio. Aber einzen ze 
sägenne. ist iruuerden uuideruuärtig perenne. Also an demo böume ein 
äst iruuirdet. änderer piret. Uuideruuartig ist ouh suinen uuahsenne. 
Secundum vero locum muiationi. secundum locum quies maxime videtur 
oppositum esse. Sö ist Guh uuideruuärtig in stete stän. demo rucchenne. 


der aristotelischen Abhandlungen: Rarmyopicu und megt Egumveias. 343 


Et forte in contrarium locum motatio (sie). Ünde selbez rücchen in uuider- 
uuärtige stete. Üt ei quae inferius est. ea quae superius est. et ei quae su- 
perius est. ea quae inferius est. Also üfrücchen. uuideruuartig ist temo ni- 
derrücchen. HAeliquorum vero assignatorum motuum. s. qui sunt in sexta 
specie. non. facile est assignare quid est contrarium. Uuaz aber uuider- 
uuartig si demo sehsten uuchsale. däz ist ünsenfte ze sagenne. Fidetur 
aulem neque esse aliquid contrarium. Imo ne ist sär nieht uuideruuärtig. | 
Nisi quis et in hoc secundum qualitatem quietem opponat. aut in contra- 
riam qualitatis motalionem. Maän ne chede ouh hier dero qualitatis un- 
uuehsal. iro uuchsale uuideruuärtig sin älde uuchsal dero einün in ändera 
uuideruuartiga. Sicut et in motatione secundum locum. aut in contrarium 
locum motionem. Also iz ouh ferit in stillo stänne. üunde ünstillo. älde in 
uuideruuärtiga stät ze uärenne. sö er uöre chäd. Est autem alteratio mo- 
tatio secundum qualitatem. Nü ist rehto änderlichi wuehsal uuiolichi. 
Quapropter opposita erit secundum. qualitatem motationi secundum quali- 
tatem quies. Pediu ist iro uuehsal. ünuuchsale uuideruuartig. Aut in con- 
irarium motatio qualitatis. Älde dero &inun uuchsal. in ändera uuider- 
uuartiga. Üt album fieri. ad id quod est nigrum fieri. Alsö uuideruuär- 
tig uuehsal ist uuiz uuerden. demo suarz uuerden. Alteratur enim. in 
contraria qualitatis. motatione facta. Uwanda iz änderlichöt sih. einero 
qualitate feruuehselötero in andera uuideruuärtiga. 
De habere. 

Habere autem multis dieitur modis. Haben uuirdet kespröchen. ze mäne- 
gen uuisön. Aut enim. s. dicimur habere. tamquam habitum et affectum. 
aut aliam quamlibet qualitatem. Unsih chit man häben qualitatem. festa 
üunde unuesta. älde etelicha qualitatem. Dicimur enim disciplinam ha- 
bere. atque virtutem. Uuända ünsih chit | man häben liste. ünde tügede. 
daz sint qualitates. Aut ut quantitatem. Älde etelicha geuuäst (sie). Ut quod 
contingit ei qui habet magnitudinem. Älso man demo chit. ter micheli hä- 
bit. Dicitur enim bicubitum. Ouh chit man &teuuaz haben an imo zueio 
elnön lengi. Aut ea quae circa corpus sunt. Älde chit man ünsih äna hä- 
ben. Ui vestimentum. vel tunicam. Also uuir eigen den rögh. ünde än- 
dera uuät. Aut in membro. ut in manu anulum (sic). Alde an dien liden. sö 
uuir daz fingeri eigen. Aut ut membrum ut manum vel pedem. Alde die 
lide an demo lichamen. sö uuir hende ünde füze (sic) eigen. Aut in vase. ut 


1: 


40 


344 Gxarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


modius grana tritici. aut languena (sie) vinum. Finum enim habere lan- 
guena dicitur et modius grana tristiei. In diutiskün cheden uuir. täz uaz 
kehebit ten uuin. ter sag (sic) kehebit taz chörn. Haec igitur omnia ha- 
bere dicuntur. ut in vase. dut ut possessionem. Habere enim domum et 
agrum dicimur. dut etiam. uxores habere sed et uxor virum. Uuir che- 
den ünsih häben. daz in uäzze ist. ich äl däz in ünserro geuuälte ist. Hüs 
ünde eigen. ünde chenün i6h sia cheden uuir häben chärel. Sed videtur 
alienissimus. qui nunc dictus est modus esse. in eo quod est habere. Nihil 
enim aliud uxorem habendo significamus nisi quia cohabitat. Täz ist t6h 
uerröst fone rehtemo gechöse. taz man chit chenün häben. uuända iz 
echart miteuuist meinet. Forte tamen et alü quidam apparebunt modi. de 
eo quod est habere. Sed qui consuerunt dici. pene omnes enumerati sunt. 
Mag keskehen. täz man ouh ze änderro uuis chit haben. diz ist töh ken- 
gesta. 


Prefatiuncula in peri ermenias. 
Aristotiles sereib cathegorias. chünt ze tüenne. uuäz einluzziu uuort pe- 
zeichenen. nü uuile er samo chünt ketüon in perierminiis. uuaz zesamine 
gelegitiu bezeichenen. an dien verum unde falsum fernömen uuirdet. tu 
latine heizent proloquia. Än dien äber ne uueder uernömen ne uuirdet. 
tiu eloquia heizent. tEro uersuiget er an disemo büoche. Uuända ouh pro- 
loquia geskeiden sint. ünde &iniu heizent simplicia. där ein verbum ist. ut 
homo vivit. änderiu duplieia. där zuei verba sint. ut homo si vivit spirat. 
sö leret er hier simplieia. in topieis leret er duplicia. Föne simplieibus 
uuerdent predicativi syllogismi. föne duplieibus. uuerdent conditionales 
syllogismi. Näh peri ermeniis. söl man lesen prima analitica. tär er bei- 
dero syllogismorum kemeina regula syllogisticam heizet. tara näh sol man 
1uzlesen secunda anallitica. tär er sünderigo leret predicativos syllogismos. 
tie er heizet apodieticam. ze iüngist s6l man lesen topica. an dien er ouh 
sünderigo leret conditionales. tie er heizet dialecticam. 'Tiu partes hei- 
zent sament logica. Nü uernim uuio er dih leite züo dien proloquiis. 
Ineipit liber peri ermeniäs (sie). 
Intentio libri prima est. 
Primum oportet constituere. quid sit nomen. et quid verbum. postea quid 
negalio et affirmatio. Ze Erist sol man sagen. uuaz nomen. ünde verbum 


der aristotelischen Abhandlungen: narnyogiaı und weg! Egumveias. 345 


si. üzer dien negatio uuirdet. ünde affırmatio. tära näh. uuaz siu selben 
sin. Zt enuntiatio. Et oratio. Unde unäz suh tes genus si. i. oratio. 
Sunt ergo ea quae sunt in voce i. ipsae voces. earum quae sunt in anima 
passionum ji. conceptionum notae. et ea quae scribuntur i. literae. eorum 
quae sunt in voce. i. vocum. Fernim ze £rist. täz tiu genämden sehsiu vo- 
ces sint. Samo so er chäde. Nomen. Verbum. Negatio. Affirmatio. 
Enuntiatio. Oratio. sint öffenunga. ünde zeichen dero gedäncho. unde 
aber iro zeichen sint litere. Tie selben gedäncha. tuont tero selo etelicha 
dolunga. sö sie conceptae uuerdent in anima. Pediu heizet er sie | pas- 
siones animae. Jit quem ad modum nec literae omnibus eaedem sic nec 
eaedem voces. Unde älso ällero liuto scrifte nieht kelih ne sint. täna mer 
ne sint Iro sprächa. Quorum autem hae primorum notae. eaedem omnibus 
Passiones animae sunt. Quorum ünde primorum. daz sint neutra. füre fe- 
minina. Iz chit. Eaedem passiones animae sunt omnibus gentibus. qua- 
rum primarum. s. passionum. hae voces notae sunt. Allen liuten sint tie 
uöre gedäncha gelih. tero zeichen die voces sint. Et quorum hae simili- 
tudines. res eliam eaedem. i. res eliam eaedem sunt. quarum hae s. pas- 
siones. similitudines sunt. Iöh tiu ding tero gelihnisse die gedäncha sint. 
sint in ällen steten io diu einen. Sö eiueriu ding sint. ünde süeziu. ünde 
hölz ist. ünde steina. göld ünde silber. ünde andere creaturae. Tiu bil- 
döt taz müot. so iz tar äna denchit. De his quidem dictum est. in his quae 
sunt dicta de anima. Iz chit. in his quae dieta sunt de anima. i. de intel- 
lectibus animae de his quidem satis dietum est. Fone dero selo uernumi- 
ste. ist nü ze mäle gnüge gesäget. Alterius est negolü. Eines änderes 
uuerchis ist. fone iro passionibus ze sagenne. Quem ad modum autem 
est in anima. aliquotiens quidem intellectus sine vero vel falso. aliquotiens 
autem s. est cui iam necesse est. | horum alterum inesse. sic eliam in voce. 
Tiu uuört häbint kelihnisse. dero gedancho. Älso uuilön gedäncha sint. 
noh uuär. noh lugi. ünde äber sär. ein uueder sint. sö sint ouh tiu uuort. 
tu in uölgent. Circa compositionem autem et divisionem. est falsitas. ve- 
ritasque. Substantiam. ünde accidens zesamene legendo. älde skeidendo. 
uuirdet uuär älde lugi. Lege homo. ünde currit zesamine. sö chit iz 
homo currit. täz ist uuär älde lügi. Skeid siu mit temo adverbio non. sö 
chit iz homo non currit. täz ist äber ein uueder. uuär. älde lügi. NNo- 
mina igitur ipsa et verba. consimilia sunt intellectw. sine compositione. vel 


Philos.- histor. Abhandl. 1839. Xx 


143 


346 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


divisione. i. sine est vel non est. Slehtiu uuört. sint kelih. slehtero uer- 
nümiste. tänne siu beidiu sint äne uestenunga. ünde äne löugen. uuanda 
iro ne uueder ist tänne lüugi. noh uuär. Ut homo vel album. quando non 
additur aliquid. Neque enim adhuc verum aut falsum est. Also dero ne 
uueder nöh tanne uuär. noh Jugi. ne ist. übe man denchit. älde chit. 
homo vel album. män ne lege ieht tära zu. Huius autem signum hoc est. 
Ih kibo dir des exemplum. taz uuär. noh lügi ne ist. toh iz si composi- 
tum.  Hircocervus enim signifieat aliguwid. Hircocervus pezeichenet. taz 
45 peidru sament ist. pog iöh | hirz. ünde ist compositum nomen. Sed quod 
nondum est verum vel falsum. Iz ist äber solih nomen. däz uuär. noh 
lügi. ne bezeichenet, Sl non vel esse vel non esse addatur. vel simplici- 
ter, vel secundum tempus. Man ne spreche verbum dära zu. slehto äne 
tempus. älde mit tempore. Daz chit er. uuanda presens Echert keskeite 
dero temporum ist. ünde aber praeteritum. iöh futurum. selbin die tem- 
pora sint. 'Tü ne chedest. hircocervus est vel fuit. vel erit. anderes ne 
mäg iz sin. uuär. noh lugi. doh iz compositum si. 
Quid sit nomen. 
Nomen est vox significativa. Nomen ist ein bezeichenlih stimma. üunde ein 
bez£ichenlih uuört. tes tinges. tes namo iz ist. Secundum placitum. Äfter 
dero gelübedo. die iz rest fünden. Sine tempore. Ane dia (sie) bezeichen- 
nissida temporis. tu an verbo ist. Diffinitum. Kuissa uernumist habin- 
tiz, ünde guissa bezeichennissida. Cuius nulla pars est significativa sepa- 
rata. 'Tes syllaba. alde des litera dürh sih nieht ne bezeichenit. /n no- 
mine enim quod est equiferus. nilul per se significat. Uuanda ein uuort ist 
equiferus. föone dıu ne häbet turh sih nieht pezeichennissedo sin pars fe- 
rus. Quemadmodum in oratione. quae est equus ferus. Sö iz habet an 
dero redo. i. peitig ros. uuanda ferus tänne nieht ne ist pars nominis. 
ts nüube selbez nomen. | Ai vero non quem ad modum in simplieibus nomini- 
bus. sic se habet et in compositis. Iz ne uerit nieht kelicho in einlien (lege: 
einlichen) uuörten. ünde zesamene gesäzten. In ülis enim nullo modo 
pars significaliva est. in his autem vult quidem ij. imaginationem habet signi- 
ficationis. An dien simplieibus ne ist nöh. tes kelih. an dien compositis 
päitet iz sih taz pars. ünde tüot tes kelih. samo so iz ieht pezeichenne. 
Sed nullius separati. i. nulla separatae partis significatio est. io döh ne 
pezeichenet iz nieht türh sıh. Ut in equiferus. Also iz skinet än demo 


der aristotelischen Abhandlungen: Rarmyopial und megi £gurveias. 347 


nomine equiferus. Sin pars tüot also iz habe dürh sıh significationem. 
tero iz nieht ne häbit. ‚Secundum placitum vero. quoniam naturaliter no- 
minum nihil est. sed quando fit nota. s. illa naturalis est. Ih (!) chad 
nomen uu6sen bezeichenlih. äfter gelubedo. uuända iz natürlicho ne uuir- 
det. so sumelih ändir zeichenünga tüot. Nam designant et inliterati soni. 
ut ferarum. quorum nihil est nomen. Taäz chad ih föne diu. uuanda dero 
tiero stimma. häbent natürlicha bezeichennissida. ünde ne sint nieht no- 
mina. Pediu sint nomina geskäiden. fone dien stimmön dero tiero. 
De his que possunt videri nomina. 
Non homo vero non est nomen. Latine non homo älde in diutiskün nimen]| 


je 


i 


nisko. ne ist nieht nomen. At vero nec positum est nomen. quo illud opor- 
teat appellari. Nöh öuh sär uunden ne ist. uuio man iz heizen sule. Ne- 
que enim oratio aut negalio est sed sit nomen infinitum. Iz ne mäg heizen 
oratio. sine verbo. Iz ne mäg heizen negatio. sine vero et falso. Nü hei- 
zen iz nomen infinitum. täz chit ünguis namo. uuanda iz alliu ding mei- 
nen mäg. äne mennisken. ünde döh tero nehein guisso ne meinet. Ca- 
lonis autem vel catoni. et quaecunque talıa sunt. non sunt nomina. sed ca- 
sus nominis. Obliqui casus ne sint ouh nieht nomina. uuanda nioman ne 
heizet catonis. nöh catoni. iz sint uuchsela des nominis. Casus ist flexio. 
täz. chit cher. flexio ist alteratio. täz chit änderlichi. alteratio ist mutatio. 
täz chit uuchsel. föne diu sint casus uuchsela. Ratio autem eius idem no- 
minis. est in alüs quidem s. vocibus casuum. eadem. Aber diffinitionem 
nominis. findest tu än sinen casibus. Also cato ist vox significativa secun- 
dum plaeitum. sö ist 6uh catonis ünde catoni. sed differt. Ist aber döh 
keskeiden. Quoniam cum est vel fuit vel erit adiunetum \. adiunctus ca- 
sus. neque verum neque falsum est. nomen vero semper. Uuända casus 
mit verbo. ne tüot löugen. noh keiiht. nomen tüot aber. Ut catonis est 
vel non est. Non dum enim aliqwd, neque verum dicit. neque falsum. Tü 
ne lögest mer zü. | sö ne ist iz. uuär. noh kügi. 1 
Quid sit verbum. 

Verbum autem est. quod consignificat tempus. Verbum ist. täz sament 

äctione. älde säment passione. presens älde preteritum alde futurum tem- 

pus pezeichenet. Cuius pars nihil extra significat. Ts pars nieht türh 


(') Es steht T’. 
Xx2 


348 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


sih ne bezeichenet. Zt est semper nota eorum quae de altero predicantur. 
Ünde ist iz io bezeichenende ein dero. diu uöne änderen gesprochen uuer- 
dent. sö actio tüot. ünde passio. üunde alliu aceidentia. Uuända siu uuer- 
dent io gespröchen. föne iro subiecto. Dico autem quoniam consignificat 
tempus. Ih chido iz tempus pezeichenne. mit änderro bezeichennissedo. 
Ut cursus qwdem nomen est. eurrit vero verbum. i. ut sicut cursus nomen 
est sine tempore. sie currit verbum est cum tempore. Täaz tu uuola uui- 
zist. taz io nomen. sö cursus ist. tempus ne meinet. ünde io verbum. sö 
eurrit ist. tempus nöte meinet. Consignificat enim nunc esse. i. consigni- 
ficat presens tempus. Säment actus meinet iz tia gägenuuertün stunda. Zt 
est semper eorum nota. que de altero dieuntur. Unde ist io nota. täz chit 
häbit iz io bezeichennissida dero. quae de altero dicuntur. taz sint acci- 
dentia. Föne diu chit er sär näh. Ut eorum quae de subiecto aut in sub- 
iecto. Also dero nota. föne ändermo gespröchen uuerdent. tiu de sub] 
14iecto heizent. ünde in subiecto. Täz sint äber accidentia. Säamo so er 
chäde. iz pezeichenet io actionem. ünde passionem. tie in subiecto ligent. 
sö alliu aceidentia tüont. ünde 6uh tänne uuerdent kespröchen de subie- 
cto. sö siu sint generalia. ünde specialia. 
De his quae verba videri possunt. 
‚Non currit vero. non laborat. non verbum dico. Ne löufit. ne ringet. ne 
sint nieht mer verba. danne non homo nomen ist. Consignificat quidem 
iempus. et semper de aliquo est. Siu habint diffinitionem des verbi. ünde 
ne sint toh nieht verba. Differentiae autem huic. nomen non est positum. 
sed sit infinitum verbum. Gurrit. taz ist simplex verbum. föne demo skei- 
det sih non currit. Pediu sö chit er. dirro differentiae i. tisemo. daz sih 
föone einemo skeidet. ne ist nöh nehdin nämo uundener. nü uinden in. 
ünde heizen iz infinitum verbum. i. unguis bezeichenentez verbum. Ziu 
söl iz sö heizen? Quoniam similiter in quolibei est vel quod est vel quod 
non est. Uuända iz föne dingolichemo gespröchen uuirdet. ioh fone demo. 
däz tir ist. ut homo non currit. iöh täz tir ne ist. ut chimera non currit. 
ÜUnde ouh föne diu. uuända &ina actum uersäget iz. uudlicha iz äber 
uuelle. daz ne öffenöt iz nieht. Similiter autem de futuro curret. vel cur- 
ıso rebat. non verbum est. sed | casus est verbi. Nieht mer ne ist verbum. täz 
man sprichet in futuro tempore. älde preterito. Sed casus “verbi. Iz 
heizet casus verbi. Differt autem a verbo. quod verbum significat presens 


der aristotelischen Abhandlungen: narnyopiat und megt Eolunveias. 349 


tempus. illa vero quod complectitur. Siu sint tär äna geskeiden. uuanda 
daz nämahäftesta verbum. pezeichenet presens. aber die casus verbi. die 
bezeichenent tiu zudi tempora. diu ümbe daz presens stänt. Praeteritum 
ünde futurum. stänt in eben. presens. stät in mittemen. futurum. loufet 
zü. taz iz presens uuerde. preteritum. daz presens uuäs. löufet täna. sel- 
bez presens. ist ünder händen. /psa qwdem secundum se dicta verba. 
nomina sunt. Selben diu verba. sint nomina. sö siu einluzziu gesprochen 
uuerdent. Föne diu sprechent greci. infinitivum mit artieulo. ro rgexeww. 
i. hoc currere. Uuir cheden ouh nominativo. min löufen. ist spüoti- 
gera. tänne daz tin. ünde in genitivo. mines loufennis spüot paz tänne di- 
nes. Latini chedent öfto. in nominativo. meum velle. meum esse. meum 
scire. Tännän skinet (sie) täz verba. muügen heizen nomina. Zt signifi- 
cant aliquid. Unde häbint siu durh sih. iro bezeichennisseda. samo so 
nomina. Constituit enim qui dieit intellectum. s. audienti. Taz skinet tär 


ana. uuanda der iz Einlüzzez sprichet. ter gibet | äna uuolga uernumist 151 


temo lösenten. sämo so er nomen spräche. Zt qui audit. quiescit. Unde 
hirmet er sines lösennis. s6 er iz kehöret. ed si est vel non est. nondum 
significat. Äber noh tänne. ne öuget iz nieht. übe iz uuär si. älde ne si. 
tü ne legest mer zu. Neque enim esse signum est rei. vel non esse. (Quasi 
diceret. Neque enim est verbum solum signum eius rei. de qua predica- 
tur. ad intellegendum esse vel non esse. Iz ne mäg uns einez. nehein 
ding kesägen uuesen. älde ne uuesen. Täz chit. iz ne ist nehein zeichen. 
affırmationis. älde negationis. Nee si hoc ipsum est. purum dixeris. ipsum 
quidem nihil est. Noh selbez est. mit temo alle uestenunga uuerdent. ne 


. 


mäg einez proloquium sin. Consignificat autem quandamı composilionem. 
quam sine compositis non est intelligere. 1z pezeichenet aber eteuuaz. mit 
zesämene gelegeten uuorten. tiu nioman durh sih ne uernimet. siu ne 
uuerden zesamene geleget. 
Quid sit oratio. 

Oratio autem est vox significativa. cuius partium aliquid significativum est 
separatum. ut dicto. ratio ist 6uh significativa vox. älso nomen. ünde 
verbum. Si ist äber doh tes. föne in geskeiden. täz io gelih iro teilo. 
durh sih ieht | pezeichenet. Also &in uuört tüot än dero redo pezeiche- 
net eteuuäz. Non ut affirmatio vel negatio. Ni dh nieth uuär. alde lugi. 
sö proloquia tüont. Dico autem. ut homo significat aliqwd. Ih meino. 


350 Gaarr: Althochdeutsche Überselzung und Erläuterung 


also homo ist- &inlüztiz (sic) uuört. unde doh eteuuäz pezeichenet. Sed 
non quoniam est aut non est. Näls aber nieht. nein ünde iah. Sed erit 
affırmatio. vel negatio. si quid addatur. Legest ty ieht tara zu. s. doh 
ein verbum. sö uuirdet iz. proloquium. Ut homo currit. Sed non una 
hominis syllaba. Aber ein syllaba. ho. alde mo. ne mügen nieht pezei- 
chenlih sin. durch sih. Dec in eo quod est. sorex rex significat. Vox 
est sola. Nöh an demo uuörte sorex ne-häbit rex neheina sunderiga be- 
zeichennisseda. ich iz männe sö dünche. Sed vox est sola. Iz ist echert 
ein stimma. Zn duplieibus quidem significat. Samint t&ero änderün syl- 
laba. pezeichenet iz. Sed non secundum se. ni düurh sih. Sed quem ad 
modum dictum est. Nuübe sö iz tär uöre gesäget ist. 16 man sägeta. Um- 
bezeichenlih uuesen. partes nominis. samo so ouh verbi. 

153 Item quallis sit omnis oratio. 
Est autem oratio quidem omnis significativa. non sicut instrumentum s. ut 
plato docuit. sed quem ad modum dietum est secundum placitum. Älle 
orationes pezeichenent io eteuuaz. nals nieht naturlicho. sö instrumen- 
tum. nube äfter gelübedo. unde äfter mannis uuillen. so iz fore gesäget 
ist. Taz ouga ist instrumentum des kesehennis. Natürlih ist taz kesiune. 
naturlih ist taz. mit tiu man gesihet. S6 uuända plato. mit kechöse. samo 
so mit instrumento. keöffenöt uuerden. männes uuillen. üunde diu beidiu 
natürlih sin. Aber aristotiles uestenöt nomen unde verbum secundum 
placitum gespröchen uuerden. uuanda einen gentibus. lichet in eina uuis 
ze chedenne. änderen in andera uuis. Täz uuir heizen gold. taz heizent 
latini aurum. greci crison. Uuäre iz natura. dero ne uuäre nehein uueh- 
sal. Taz skinet tär- Ana. uuanda däz hier natürlicho ist süoze. älde bitter. 
taz ist uberäl s6. Uuio mäg oratio sin. secundum naturam. sid iro partes 
nomen ünde verbum. äfter liuto uuillen keskäföt sint? Föne diu ist ora- 

154tio nota. näls instrumentum. unde | ist aber diu zunga. iro instrumentum. 
uuanda man sprichet. mit tero zunglin. älso man gesihet mit temo oügen. 
Instrumentum cheden uuir. kerüste. keskirre. geziug. äzäse. Instrumen- 
tum ist. mit tu man dingolih tüon sol. 

Enuntiatio discernitur a ceteris orationibus. 

Enuntiativa vero non omnis. i. non Omnis oralio enuntiativa est. sed in qua 
verum vel falsum est. Nehein oratio ne ist mer enuntiativa. äne diu uuär. 
älde lugi säget. Uuir mügin ouh tiuten enuntiatio. säga. Säga ist peidiu. 


der aristotelischen Abhandlungen: zarmyegia und mept egumveius. 301 


uuär ioh lügi. Non autem in omnibus s. est verum vel falsum. Dt de- 
precatio. oratio est. quidem. sed neque vera. neque falsa. Aber in allen 
orationibus. ne uindest tu döh nieht tero ein uueder s. uuär. älde lugi. 
uuända deprecatio ne uueder ne ist. Zt caetere quidem relinguuntur. 
Unde bediu uuerdent hier die ändere uersuiget. i. optativa oratio. voca- 
tiva. imperativa. deprecativa. Rhetoricae enim vel poeticae. convenientior 
consideratio est. Iro ist uuära ze tuönne poetis. ünde rehtoribus (sic) mer. 
dänne philosophis. Znuntiativa vero presents speculationis est. ‚enuntia- 
tiva einiu ist tissis keträhtedis. 

De speciebus enuntiationis et ordine unarum. | 
Est autem una prima oratio enuntiativa affirmatio. Deinde negatio. s. quae 15 
natura sunt unae orationes. fliae coniunclione unae. Taz er chit una. 
daz meinet er significatione. nals numero. Sämo so er chäde. sumeliche 
enuntiativae orationes sint eine. sö ze rist ist affırmatio. Sıu ist uuilön 
einiu naturlicho. ünde samo so uöne selbuuähste. Ut homo animal est. 
Tara näh ist negatio söo samo. Ut homo animal non est. Föne dien ist 
tiz püoh kescriben. üzer dien uuerdent predicativi syllogismi. Sumeliche 
sint äber uuilön eine uöne bände. Tie sint üzer zuein. älde üzer mäni- 
gen. eine uuörtene. Sö daz ist. Si homo est. animal est. Homo est. 
animal est. taz uuärin zuo (sie). übe si (sic) coniunctio üzer in eina ne 
mächöti. Föne dien säget er in topieis. unde leret üzer in uuürchen. con- 
ditionales syllogismos. 
Quod enuntiationes i. propositiones. sive proloquia verbis constituantur. 
Necesse est autem enuntialivam omnem orationem. ex verbo esse. vel casu. 
Alliu proloquia mächöt io daz verbum. ein uueder. sö presentis tempo- 
ris. älde preteriti. älde futuri. Zt enim hominis rationi. si non addatur. 
aut est. aut erit. aut fuit. aut aligud huiusmodi. nondum est oratio enun- 
tiativa. Sämo so er chäde. ih uuille dir ze exemplo geben diffinitionem 156 
hominis. Uuile dü tüon mit diffinitione proloquium. i. propositionem. 
tü ne legest tänne verbum zu dero diffinitione. verbi gratia hominis. äan- 
deres ne uuirdet si nieht ze proloquio. Chid homo animal est. taz ist 
proloquium. üunde däz proloquium heizet diffinitio. Uuile dü cheden. 
homo. animal rationale mortale gressibile. äne daz est. toh iz mänigiu 
uuört sin. siu ne sint io nieht proloquium. Mit pären nominibus ne mäg 
nehein proloquium uuerden. Iz mäg äber uuerden mit pären verbis. sö 


352 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


däz ist. Ambulare. moveri est. Unde äne nomen. sö däz ist. Non 
homo currit. 
Item de unis. 
Quare unum quiddam est. et non multa. animal gressibile bipes. Föne 
diu uernim ein ding uuesen. tie dri terminos. ih meino &ina enuntiatio- 
nem. animal. gressibile. bipes. samo so ouh tie zuene. homo currit. 
Neque enim in eo. quod dicuntur propinguae. unum erit. Ni doh föne 
diu nieht ein. taz sie atahafto. ünde geslago näh Ein änderen gespröchen 
uuerden. Zst hoc alterius negotü. 'Täz ist anders uuär ze lörenne. Samo 
so er chäde. lis mine metaphisica. där lero ih tich iz. Aber boetius. sa- 
157 get iz füre in. in secunda editione. Er chit tiu bezeichenen | ein. tiu 
uöne @inemo dinge gespröchen uuerdent. sö diu tüont. animal gressibile 
bipes. Föne homine uuerdent siu gespröchen. noh föne äandermo dinge 
neheinemo. Pediu gät iz sus umbe. Uuäz ist homo? Animal gressibile 
bipes. Uuäz ist animal. gressibile. bipes? Homo. Aber socrates. athe- 
niensis philosophus est. ne uuirdet nieht föne einemo gespröchen. uuanda 
iz umbe gän ne mäg. taz man cheden atheniensis philosophus. taz ist so- 
crates. Est aulem una oratıo enuntiativa. quae unum significat. pel con- 
iunctione una. Tiu ein bezeichenet natürlicho. älde uöne bände. tiu ist 
einiu. Nü ist tiu einiu tüurh sih. animal. rationale. mortale. homo est. 
Tiu ist aber @iniu. föne bände. Si dies est. lux est. 
De pluribus. 
Plures autem quae plura et non unum s. significant. Tie sint mänege. 
tie nieht ein ne bezeichenent. ut canis movetur. 'Taz mäg föne drin uer- 
nömen uuerden. caelesti marino latrabili. el inconiunctae. Ich ünge- 
bündene sint plures. also man cheden mäg. sol est. pax erit. vox est. 
caelum volvitur. Tie sint plures numero. ioh significatione. 
Quod sit tantum dietio. nomen et verbum. 
Nomen ergo et verbum dictio sit sola. quoniam non est dicere. sic aliquid 
15; significantem vocem enunltiare. Nü si nomen. ünde verbum echert dictio. 
näls enuntiatio. uuända sö bezeichenenta vocem. ih meino sö nomen älde 
verbum bezeichenent. ne mäg nioman cheden. ieht festenön. älde löu- 
genen. Fel aliquo interrogante vel non. sed ipso proferente. Man durh 
sih spreche vivit. älde er urägentemo. vivitne socrates. sus äntuuürte. 
Vivit. Fuogest tü iz. zu demo öberen. täz iz chede. vivit socrates. sö ist 


der aristotelischen Abhandlungen: aarnyogiau und wegi Eguunveias. 353 


iz enuntiatio. sö ist iz proloquium. Sihest tu än bärez uuort. sö ne ist 
is nieht. also er uöresägeta. 
Quid sit simplex et composita enuntiatio. 

Harum autem quidem simplex enuntiatio. ut aliquid de aliquo. s. predi- 
care. vel aliquid ab aliquo. s. segregare. Tero enuntiationum. s. uöne 
dien uuir chösoen. ist sumelichiu sleht. ünde selbuuähsen. älso dir ist. 
föne etelichemo eteuuäz sagen. ut socrates vivit, älde uersägen. ut socrates 
non vivit. Haec autem coniuncta velud (sie) oratio iam composita. Sü- 
melichiu ist kebunden. samo siu si zesamene geleget. üzer dien slehten. 
Ut si dies est. lux est. Tiu ist sleht. tär zu@ne termini sint. sö socrates 
ist. üunde vivit. ünde terminorum einer gesäget uuirt temo ändermo. ut 
socrates vivit. älde uersäget. ut socrates non vivit. Tie predicationes. 
tie gebent. üunde nement. socrati daz vivere. Taz heizet de aliquo pre 
dieare. aut predicando ab eo separare. Ein ding habet einen terminum. 
zuei habint zuene. dingolih habit sinen. föne diu uuirt terminus füre rem 


gesezzet. 
Diffinitio simplieis enuntiationis. 
Est autem simplex enunliatio. vox significativa de eo quod est aliquid. vel 
non est. guemadmodum tempora divisa sunt. Slehtiu enuntiatio. ist vox. 
tiu dir bezeichenet eteuuäz uuesen. nü. älde iu. älde nöh uuanne. 
Diffinitio specierum eius. 
Affirmatio vero est. enuntiatio alicuius de aliquo. Negatio vero. enun- 
tiatio alicuius ab aliqguo. Festenunga. däz ist eteliches tinges änasäga. 
Loöugen. däz ist eteliches tinges uersäga. ünde äbesäga. 
Duobus modis vera vel falsa esse proloquia. 
Quoniam autem est enuntiare. et quod est non esse. et quod non est esse. 
et quod est esse. et quod non est non esse. el circa ea quae sunt extra pre- 
sens tempora. similiter (') contlingit omne. quod quis affirmayerit negare. 
et quod quis negaverit affirmare. Uuända man liegendo. mäg cheden. iz 
ist. älde ne ist. ünde ouh uuär sägendo. cheden iz ist älde ne ist. so 
uucder man uuile sö uöne gägenuuerten dingen. älde ueruärnen. älde 


(') Zu diesem Satze und nicht, wie es der griechische Text erfordert, zum vorigen, 
hat der lateinische Übersetzer Wravrws, sirmiliter, gezogen und hiernach hat sich auch die 


deutsche Übersetzung gerichtet. 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Yy 


159 


160 


161 


394 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


chümftigen. pediu geskihet kelicho. daz einer uestenöt an|deren des lou- 
genen. älde des einer lougenet. änderen daz festenön. 
Unde fiant opposita. 
Quare manifestum est. quoniam omni affirmationi. est negalio opposita. et 
omni negationi affirmatio. Pediu skinet. taz io lougen stät uuider ueste- 
nüungo unde uestenunga uulder löugene. Ei fit hoc contradictio. affır- 
matio et negatio oppositae. ÜUnde däz heizet uuider chetunga. däanne nein. 
ünde iah. gägen ein anderen ringent. Dico autem opponi i. oppositionem 
fieri. eiusdem s. predicati. de eodem. s. subiecto. Äber oppositio. sol 
io uuerden. mit repetitione eines predicati. fone einemo subiecto. Non 
sicut aequivoce. Taz iz nieht aequivoce ne si. Älso daz aequivoce ist. 
übe män uöne zuein alexandris chit. alexander regnat. alexander non 
regnat. Toh tär daz predicatum regnat. peiden halb stände. uuända äber 
daz subiectum geuuehsalöt ist. pediu ne ist iz nieht contradietio. nöh op- 
positum. Et quaecunque cetera determinamus. s. in libro sophisticon. 
elecheon. contra sophisticas importunitates. Unde sö irrent tie contra- 
dietionem allıu diu anderiu. diu uuir zeigoen. an anderen büochen uuider 
dien anagängen dero falsorum argumentatorum. 
Secundum res universalia esse proloquia vel particularia | annuendo vel 
abnuendo. 
Quoniam autem sunt haec quidem rerum universalia. illa vero singillatim. 
dico autem universale. quod in pluribus natum est predicari. singulare pero. 
quod non. ut homo quidem universale. plato vero eorum quae sunt singu- 
laria. necesse est enunliare. quoniam inest aliquid. aut non. aliquotiens 
quidem eorum alicui. quae sunt universalia. aliquotiens sero eorum quae 
sunt singularia. Sid tero uuörto. süumelichiu sint kemeinlih. sümelichiu 
einluzlih. ih chido daz gemeinlih. taz föne mänigen gespröchen ist. ut 
homo. Unde äber däz einluzlih. täz sö ne ist. Ut plato. fone diu ist 
nöt io dära näh tiu proloquia eteuuds zihen. älde &teuues fersägen. uuilön 
diu gemeinen. uuilön dio sündrigen. 
Universales propositiones esse contrarias. 
Si ergo universaliter enuntiet in universali. quoniam est. aut non. conira- 
riae erunt enuntialiones. Übe man föne ällelichen. ällelicho säget nein 
ünde iah. tie sagä uuerdent uuideruuartig. Dico autem in universali 
enuntiationem universalem. ut omnis homo albus est. nullus homo albus 


der aristotelischen Abhandlungen: zarmyogicı und wegı Egunveias. 355 


est. Uuanda homo universalis ist. sprih öuh tära zü. universaliter omnis 
äalde nullus. taz heizo ıh ällelicha sagün. föne ällelichemo dinge. 
Indiffinitas non | esse contrarias. 162 
Quae autem in universalibus non universaliter. non sunt contrariae. s. sed 
indeffinitae (sic). Fermid föne ällelichen allelicho ze sägenne s. ut homo 
albus est. homo albus non est. sö ne sint iz nieht uuideruuärtige sägä. 
Quae autem significantur est esse contraria. Fone dien sie gespröchen 
uuerdent. tiu mügen uuideruuärtig sin. Uuända sö er albus nist. $ö mäg 
er niger sin. diu sint uuideruuärtig. Dico autem non universaliter enun- 
tiare in his quae sunt universalia. ut est albus homo. non est albus homo. 
Uuile ioman cheden äne omnis. ünde äne nullus. est albus homo. non est 
albus homo. taz heizo ıh. unällelicho sägen föne ällelichemo. Cum enim 
universale sit homo. non uniyersaliter utitur enuntiatione. Sö chedendo. 
ne sprichet er nieht ällelicho daz ällelicha. sö homo ist. Omnis namque 
non universale. sed quoniam universaliter cansignificat. Uuanda omnis ne 
ist nieht taz ällelicha. iz pezeichenet äber ällelicho. säment temo älle- 
lichen. 
Universaliter subiecto debere apponi. non praedicato. 
In eo vero quod universale praedicatur. id quod est universaliter praedi- 
care non est verum. Uwuile ioman sprechen daz universaliter. | zü demo 16 
universali praedicato. ut omnis homo. omne animal est. sö ne ist iz uuär. 
Spreche iz echert zu demo subiecto. ut omnis homo animal est sö ist iz 
uuär. Äulla enim erit affirmatio. in qua de universaliter praedicato uni- 
versale praedicetur. i. in qua universaliter ponatur. cum universali prae- 
dicato. Nehein affırmatio ne mag sö getän sin. daz universaliter stände 
samint temo praedicato. ut omnis homo omne animal. Taz ist fone diu. 
uuanda daz praedicatum io meröra ist. tänne daz subiectum. älde eben 
michel. Übe iz meröra ist. sö liuget iz. ut omnis homo. omne animal est. 
Ist iz ebenmichel. s6 ist iz ünnüzze. ut omnis homo. omne visibile est. 
Universalibus non universaliter oppositas contradictorias dici. 
Dico autem opponi contradietoriae affirmationem quae universale signifi- 
cat. eidem. i. illi quae non universaliter. Ih chido. äber dia unällelichin 
säga. stän gägen dero ällelichün in uuiderchetungo, Äl wuiderchit si. 
teil ne uersäget si. Ui omnis homo albus est. [Non omnis homo albus 


est. est quidam homo albus. 


A Yy2 


356 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


Contrarias non simul esse veras. earum vero contradictorias aliquando. | 
161 Contrarie vero universalem affirmationem. et universalem negationem. Ih 
chido äber die universales ein änderen uuideruuärtigo begägenen. Ut 
omnis homo iustus est. nullus homo iustus est. Quo circa has quidem im- 
possibile est simul veras esse. Föne diu ne mügen sie sament keuuäre sin. 
His vero oppositas contingit in eodem. Iro oppositae. i. iro uuidercheti- 
gün mügen säment keuuäre sin in einemo dinge. ih meino. Non omnis 
homo albus est. Est quidam homo albus. 
Contradictoriae oppositarum unam esse veram et alteram falsam. similiter 
et particularium. 
Quaecumque igütur contradictiones universalium sunt universaliter. necesse 
est alteram esse veram vel falsam. Tie uuiderchetunga dero ällelichön 
ällelicho gespröchenero. sint io eine halb geuuäre. änder halb lükke. 
Älso däz lugi ist. omnis homo albus est. ünde aber daz uuär ist. non 
omnis albus est. älde däz temo gelih ist. quidam homo albus non est. 
Sö samo. Nullus homo albus est. taz ist Jugi. Nonnullus homo albus 
iss est. täz ist uuär. Unde däz temo gelih ist. quidam homo albus est. | Ex 
quaecumque in singularibus sunt. 'Tiu sint ouh eine halb uuär. änderhälb 
lugi. diu man uöne einlüzzen sprichet. ÜUt socrates est albus. non est 
socrates albus. Lirne an disemo gemäle. uuiolih universalia. ünde parti- 
cularia. ünde opposita ein änderen sin. 


der aristotelischen Abhandlungen: Karnyopiaı und megi Eolunveias. 357 


Universales contrariae. 


Nullus 
homo 
albus 
est. 


Omnis 
bomo 
albus Universales possunt simul esse 


est. falsae non autem simul 
verae. 


Lateralium si verae Sirrerumlestiun sunt universales verae 
sunt et particulares. Et Ferelefalsumlest si verae sunt particula- 
res. non ideo verae sunt particulare. Si universales. Item. Si 
falsae sunt universales. Een falsum rest non necessario falsae 
sunt particulares. et si rekale@ verum falsae sunt particulares. 
falsae sunt necessario est particulare. universales. 


|} 
& 
S 
= 
5 
5 
[2 


"sojexopert 


Particulares possunt simul esse 
Quidam verae. non autem simul en 


homo JFalsae. omo 
albus albus 


est. non est. 


Partieulares subeontrariae. 


Item indefinitas prosequitur. 
Quaecumque autem universalibus non universaliter. non semper haec vera 
sunt illa falsa. Indefinita ne skeident nieht uuär. üunde lügi. siu sint 
sament ein | uueder. Simul enim verum est dicere. quoniam est homo 16 
albus. et non est homo albus. et est homo probus. et non est homo probus. 
Uuär sint tiu beidiu. ich taz sumelicher albus ist. sumelih anderer aber 
sö ne ist. unde probus ünde änderer non probus. .SÜ enim turpis. non 
probus. Ist er skämelih. sö ne ist er liebsam. Sämo so er chäde. Uuir- 
det ouh einer beidiu. turpis. ich probus. nals aber in einemo zite. Et 
est homo pulcher. et non est homo pulcher. Unde ist einer sköne. än- 


398 Gxrarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


derer neist. Si enim foedus. non est pulcher. Uuända ist er uuidersih- 
tih (sie). sö neist er sköne. Et s. verum est si fit aliquid et non est. Ünde 
däz nöh uuirdet. täz neist nü. Ter nü uuizet. ter neist noh nieht uuiz. 
Taz chit er aber föne diu. uuanda einer uuirdet peidiu. uuiz. ioh suärz. 
näls aber in einemo zite. Pediu ist albus. et non albus in misselichen 
sament uuär. nals in einemo. 
Indefinitas non universaliter accipiendas. 
Fidebitur autem subito inconveniens esse. ideirco. qnoniam videtur non esi 
homo albus significare simul etiam. quoniam nemo homo est albus. Hoc 
ısz autem neque | idem significat. neque simul necessario. Sumelichen dun- 
chet ünmahtlih. taz indefinita sament uuär sin. uuanda sie uuänent ein 
bezeichenen. non est homo albus. ünde nemo homo albus est. Tes neist 
aber nieht. Non est homo albus. temo ne uölget nieht. nemo homo al- 
bus est. Aber nemo homo albus est. übe iz uuär ist. temo uölget penöte. 
non est homo albus. 
Unius affırmationis unam esse negationem. 
Manifestum est autem quoniam una negatio unius affirmationis est. Nü 
ist offen. daz einero geiihte. ein löugen ist. Hoc enim idem oportet ne- 
gationem negare. quod affirmavit affirmatio. et de codem. Uuända des 
man iihet. tes sol man löugenen. ünde uöne Einemo dinge cheden. nein. 
ünde iah. Hel de aliquo singularium. Sö individua sint. Felde aliquo 
universalium. 56 appellativa sint. Fel universaliter. 'Taz chit. mit omnis. 
ünde mit nullus. Yelnon uniwersaliter. Älde äne siu. Dico autem. ut 
est socrates albus. non est socrates albus. Also diu beidiu uöne einemo 
gespröchen sint. Si autem aliud aliquid. s. praedicaverit negatio. vel de 
15 alio. s. subiecto. idem. s. praedicaverit. non erit | opposita. sed erit ab ea 
diversa. Übe &in änderez säget tiu negatio. danne diu affırmatio sägeli. 
älde ouh taz selba uöne ändermo. sö ne sihet si nieht gägen iro. nube 
uöne iro. Huic vero quae est. omnis homo albus est. opposita est illa. 
quae est. non omnis homo albus est. Dlli vero quae est. aliquis homo albus 
est. illa opposita est. quae est. nullus homo albus est. Sih tär uöre an dia 
descriptionem. tär uindest tu. daz er chit i. uuio angulares angularibus 
enchedent. ünde partieulares universalibus. Äne die ist noh tänne. inde- 
finita enuntiatio. föne dero chit er ouh. JIlli autem quae est homo albus 
est. illa opposita est. quae est. non est homo albus. Manifestum ergo. 


der aristotelischen Abhandlungen: narnyoplar und megi Epuumveius. 359 


quoniam in oppositis una negatio unius affirmationis est. Föne diu skinet 
taz in oppositis. io ein lougen uuirdet. einero uestenungo. 
Recapitulatio superiorum. 

Quoniam aliae sunt contrariae. aliae contradictoriae. et quae sint hae. edic- 
tum est. Vel quoniam non omnis vera vel falsa contradictio. et quare. et 
quando vera vel falsa. Nü habo ih kesaget. täz sümeliche propositiones. 
sint uuideruuärtig. sumeliche uuiderchetig. ünde uuelehe däz sin. Ünde 
daz älle uuiderchetä. nieht ne skeident. uuär. ünde lugi. üunde ziu däz si. 169 


ünde uuänne sie geuuäre. älde ouh lükke sin. Una autem est affirmatio 
et negatio. quae unum de uno significat. vel cum universale sit universali- 
ter. vel non similiter. az ıst io ein affırmatio. ünde &in negatio. tiu ein 
säget fone einemo' sö er 6uh uöre chät. üunde iro subiectum. ioh iro 
praedicatum. mer dänne .&in ne bezeichenet. sö iz ällelih ällelicho si. 
älde ne si. Ut omnis homo albus est. non est omnis homo albus. Nullus 
homo albus est. est quidem homo albus. An disen. ist ein uöne dinemo 
gesäget. Si album unum significat. Übe album. ein ding pezeichenet. 
ih meino. übe iz aequivocum ne ist. 
Oppositorum regulam propter aequivoca turbari. 

Si vero duobus unum nomen est positum. ex quibus non est unum. non est 
una affirmatio. Übe äber zuein dingen. ein namo gegeben ist. tüurh tiu 
zuei ding. ter namo nieht &in namo uuesen ne mäg. föne demo ne uuirdet 
nieht ouh. &in affırmatio. Ut si quis ponat nomen. quod est tunica. ho- 
mini et equo. Älsö däz mü ist. übe gelih namo ist tunica. mennisken | 


70 


unde rössis. Est tunica alba. haec non est affirmatio una. nec negatio ı 
una. Tanne neist nieht ein affırmatio. uuiz rögh izzet (sic) noh Ein lou- 
gen. uuiz rögh ne izzet (sic). WVihil enim hoc differt guam dicere. est 
equus albus et homo. az kät also man chede. nü izzet (sic) uuizros. 
unde män. Hoc autem nihil differt quam dicere. est equus albus. et est 
homo albus. Unde gät ouh täz. also man chede. mü izzet (sie) uuiz ros. 
unde izzet (sic) uuiz man. ‚Si ergo hae multa significant. et sumt plures. 
manifestum est quoniam et prima multa. vel nihil significant. Ube dise 
propositiones. mer dänne &in ding pezeichenent. ih meino. est equus. et 
homo albus. übe sie sint mer dänne ein ding. sö skinet. taz Ouh tiu Ere- 
ren. ih meino. est tunica alba. mänigiu ding pezeichenent. älde nehein 


dings. Täz man chit est equus albus. et homo. täz ne mag ein ding nieht 
qu 5 


360 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


pezeichenen. Neque est enim aliquis homo equus. Uuända des ne mäg 
uuesen nieht taz mennsko (sie) rös si. Quare nec in his necesse est. hanc 
quidem contradictionem veram. illam falsam esse. Föne diu ne ist nehein 
nöt. in disen aequivocationibus sö getäna contradictionem. &ine halb uuc- 
irısen | uuarra. änderhälb lukka. 
De presenti et praeterito. definitas fieri contradictiones. 
In his ergo quae sunt. et quae facta sunt. necesse est afı irmationem. vel 
negalionem. veram esse. vel falsam. In universalibus quidem universaliter. 
semper hanc veram. illam vero falsam. Et in his quae sunt singularia. 
quemadmodum dictum_est. Än gägenuuerten dingen. ünde ergangen£en. 
ist penöte uuär. älde lugi. so uueder man chit. nein. älde iah. Ünde ist 
ouh quis. uuederez iro si. uuär. alde lugi. Än dien communibus. com- 
muniter sprechendo. ut omnis homo in diluvio periit. non omnis homo 
in diluvio periüt. findest tu io uuär daz &eina. daz änder lügi. So samo 
tiost tu in individuis. Ut in undis noe perüt. non in undis noe periit. 
Ünde ist quis. uuederez uuär. älde lügi si. In his quae in universalibus 
non universaliter dicuntur. non est necesse. Dictum autem et de his. Än 
dien indefinitis. mügen siu beidiu uuär sin. älso er där usre chäd. Ut 
homo in undis periit. homo in undis non perüt. Samo so er chäde. Ma- 
tusalam (sie) periit. noe vero non periit. Nu sint täz praeterita. Samo- 
trzlih findest | tu in presentibus. Ut omnis homo sapiens est. non omnis 
homo sapiens est. Socrates est sapiens. socrates non est sapiens. Homo 
est sapiens. non est homo sapiens. 
De futuris indefinitas fieri contradictiones. 
In singularibus vero et futuris non similiter. Hoc est. in singularibus de 
futuro praedicatis. definite verum aut falsum non reperitur. Än chümf- 
tigen geheizen. die man föne einemo tuöt. ut alexander pransurus est. 
alexander non est. neist neuuederez quis. Ein uueder uuirdet uuär. durh 
nöt. daz änder lügi. uuederez io döh uuär. älde lugi si. daz ne mäg man 
uuizen. Föne singularibus. uuile er uns zeichenen. däz universalia samolih 
sint. Ut omnes captivi in patriam reversuri sint. 'Tero io uueder. ist samo 
ünguis. Tia unguissi. beginnet er nü sterchen. ze männigfaltero uuis. 
Propositio. 
Nam si omnis affirmatio vel negatio vera vel falsa est. s. definite. et 
omnem necesse est vel esse. vel non esse. si hic quidem dicat. Futurum ali- 


der aristotelischen Abhandlungen: »arnyogias und megi Egumveias. 361 


quid. ille. vero non dicat. hoc idem manifestum est. quoniam necesse est 
perum dicere. alterum ipsorum. si omnis affirmatio. ı vel negatio vera vel 
falsa est. Utraque enim non | erunt simul in talibus. Übe A däz man sä- 173 
get uuär. älde lugi ist. üunde iz penöte sö uären söl älde ne söl. ünde übe 
einer daz säget chümftig. daz anderer uuidersäget. sö säget Echert ter eino 
uuär. peide ne mügen sie. 
Assumptio. 

Nam si verum est dicere. s. in praesenti. quoniam album vel non album 
est. necesse est esse album velnon album. Übe uuär ist. taz man chit in 
praesenti. iz ist. älde neist. sö ist is Guh nöt. Säamo uuär iz ist. sämo 
nöt ist is. Ei si est album. wel non album. verum est affı irmare vel negare. 
Ünde übe iz ist. älde neist. s6 ist is uuär ze ichenne. älde ze Ins anne. 
Et si non est mentitur. et si mentitur non est. Ünde ube iz neist. sö liuget 

°. liuget er. sö ne istiz. (Quare necesse est. aut affirmationem aut ne- 
ie veram esse s. definite. Übe däz futurum sämolih ist. s6 ist io 
guislicho uuär däz man säget. älde uuidersäget. 

Conclusio falsa. 
Nihil igitur neque est. neque fit. a casu. nec utrumlibet. nec erit. nec non 
erit. sed ex necessilate omnia. et non utrumlibet. Sol iz tes sin. sö neist 
tänne nieht uuörten. noh io äna ne uuirdet. nöh hina füre ne uuirdet. 
nöh ze leibo ne uuirdet. äfter | ünguissero geskihte. nöh after ein uueder. 174 
nübe io uöne nöte. näls föne beidero uuäne. Sö ist liberum arbitrium 
aba. ünde älliu selbuuältigi. Aut enim qui dicit verus est. aut qui negat. 
Iz ist tänne föne nöte. sid ein uuederer quisso säget uuär. der iehento. 
älde der löugenento. Uuäre iz utrumlibet. taz chit peidero uuän. sö 
gienge iz kelicho. Similiter enim vel fieret. vel non fieret. Ih meino ke- 
licho mähti geskehen. däz iz uuürte. alde ne uuürte. Utrumlibet enim. 
nihil magis sic vel non sic se habet aut habebit. Tiz ein uueder. ne beitet 
niot mer. ze uuerdenne danne ze ne uuerdinne. 
Vere praedicta futura. quasi tollere utrumlibet. 

Amplius. Pesüochen nöh quärör die futura. S% est album nune. verum 
erat dicere primo. "quoniam erit album. Taz nü ist. täz mäahta man uöre 
ze uuäre sagen. Quare semper verum ‚Fwit dicere. quodlibet eorum quae 
facta sunt. quoniam erit. Sö mähta man io ze uuäre före sagen. daz nü 
ergangen ist. Quod si semper verum est dicere. quoniam est. vel erit. non 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Zz 


362 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


potest hoc non esse. vel JFuturum non esse. Ist iz io uuär. daz man fore- 
säget. sö ne mag iz ze lEibo uuerden. nöh ünchümtig (sic) sin. Quod autem 
non potest non fieri. impossibile est non fieri. Tiz ze leibo uuerden ne 
175mäg. taz ist unmähtlih ze eruuendenne. | Et quod impossibile est non 
‚fieri. necesse est fieri. Ünde däz uuendig ne uuirdet. taz feret penöte so. 
Omnia ergo quae futura sunt. necesse est fieri. Föne diu geskehent älliu 
futura benöte. Nihil igitur utrumlibet neque a casu erit. Nieht ne ist 
aber dänne ein uueder in ünguis. nöh uuio iz keualle. Nam si ex casu. 
non ex necessitate. Uuända mag iz misselicho geuällen. sö ne duuinget iz 
nehein nöt. zu demo Einen. 
Non ut contraria. sic contradictoria. utraque falsa reperiri. 
At vero nec quoniam neutrum verum est. contingiüt dicere. ut quoniam ne- 
que erit. neque non erit. Nü ist 6uh üngelimfe ze chedenne. daz peidiu 
gelögen sin. uuirdet. iöh ne uuirdet. Primum enim cum sit affirmatio 
‚falsa. erit negatio non vera. Et cum haec sit falsa. contingit affirmalio- 
nem non esse veram. Uuända sö sint siu herton gelögen. nein. ünde iah. 
Si opposita simul falsa sunt. perire utrumlibet. 
Ad haec si verum est dicere. quoniam album est et magnum. oportet utra- 
que esse. Sin vero erit. s. verum est. dicere. esse cras. s. oportet. 
autem neque erü. neque non erit cras. non erit utrumlibet. Chit man daz. 
sieht | si in praesenti geuuäro. taz ist so. Chit man in futuro samo ge- 
uuäro. däz iz uuerde mörgene sö uuirdet iz. Fersäget er in guis uuer- 
den. unde ne uuerden gelicho. sö ist utrumlibet aba. Ut navale bellum 
s. ad exemplum erit. Älso man cheden mag nayale bellum. quisso uuer- 
den. ünde ne uuerden. Oportebit enim neque fieri navale bellum. neque 
non fieri navale bellum. 'Tara näh ne mäg skefuuig uuerden. noh ze leibo 
uuerden. 
Perdito utrumlibet. quid sequatur incommodi. 
Quae ergo contingunt inconvenientia haec sunt. et alia huiusmodi. Tes 
nieht uudsen ne mäg. taz ist täz ünde des gelih. Si omnis affirmatio vel 
negatio. vel in his quae in universalibus dicuntur universaliter. vel in his 
quae sunt singularia. necesse est opposilionem a hanc esse veram. 
ülam vero esse falsam. nihil autem utrumlibet esse in his quae fiunt. sed 
omnia esse vel fieri esc necessitate. quare. i. eo pacto. non oportet neque 
consiliari. neque negotiari. quoniam si hoc facimus. erüt hoc. si vero hoc. 


der aristotelischen Abhandlungen: narmyopiaı und megı Eguunveias. 363 


non erit. Übe älle geiihte. ünde älle löugena. kemäinliche. ioh sünderige 
solih sint. täz | einer guisso liuge. anderer uuär sage. ünde daz under zuein 177 
heizet äba si. ünde is älles nöt si. so si ouh räten. üunde chöufen aba. 
uuända uuellen uuir einez tüon. sö geskihet föne nöte änderez. uuellen 
uuir 6uh täz. so uuirdet tes tana mer. Nihil enim prohibet in millesimum 
annum hunec quidem_ dicere hoc futurum esse. hunc vero non dicere. 
Quare quod ex necessilate erit. quodlibet eorum verum erat predicere lunc. 
Einer mäg liehto io füre ze mänigen iären cheden. uuaz chümftig ne si. 
Übe daz io tänne durh nöt so uerit. so uuäs iro foresaga uuär. Uuäz fer- 
uähet tänne den rätenten. taz er chit tüen sus. unde sus. Nöt. tiu an 
dero uöresagün ist. ne henget iz imo ze skeffenne. Iz feret io näh tero 
foresägun. 
Praesagia rebus necessitatem eventus non dare. 
At vero nec hoc differt. si aliqui dixerunt negationem vel non dixerunt. 
Noch tär äna ne stät is nieht. ube man uöresägeti. älde uersägeti. AMani- 
festum est enim quod sie se habeat res. vel si hic quidem affirmaverit. ille 
vero negaverit. Iz kät | äl ze eine. man iz keheize älde ne geheize. Non ir 
enim propter negare. aut affirmare erit vel non erit. Uuända durh feste- 
non. unde dürh löugenen. ne tüot iz ne nucder. NVec in millesimum an- 
num magis quam in quantolibet tempore. Noh uber lang. nöh uber churz. 
Quare. Föne diu uernim. ‚Si in omni tempore sic se habeat. ut unum 
vere diceretur. Solti daz eina. io in zitegelih uuär uuesen. Necesse est 
hoc fieri. S6 sölti iz penöte so uären. Et unumquodque eorum quae fiunt. 
sic se habere. ut ex necessitate fieret. Unde alle geskihte. söltin so getäne 
sin. täz sie nöte uuurtin. Quando enim vere dicit quis quoniam erit non 
potest non fieri. Uuända sö iz io geuuäro uöre gesäget uuirdet. so ne mäg 
iz ze leibo uuerden. Et quod factum est. verum erat dicere semper. quo- 
niam erit. Unde däz nü geskehen ist. tannan uuäs io ereron uuär. ze 
chedenne. iz uuirdet. Noh tänne uernim io däz tiu gebüureda geuuärit 
tia uöresägun. näls tiu uöre saga dia gebureda. 
Quid voluntas valeat. \ 
Quod si haec non sunt possibilia. s. ut omnia ex necessitate fiant. Ube des 
nieht uuesen ne mäg. täz älliu ding | föne nöte geskehen. Fidemur enim 11 
esse principium Juturorum i. sumus enim ipsi aliquibus prineipium. Sö 
skinet taz uuir birn änagenne. ünde r&ccheda dero chümftigön. näls tiu 
222 


364 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


uöresäga. Et ab eo quod consiliamur. alque agimus aliquid. et quoniam 
est omnino possibile esse. et non. Ioh tännän skinet iz. taz uuir räten. 
unde ünseren muüotuuillen tüen. ioh tannän. daz peidiu ist. ich possibile 
quaedam esse vel non esse. An uuelehen ist täz? In his quae non sem- 
per actu sunt et in quibus ulrumque conlingit. et esse. et non esse. An 
dien. diu nieht nöh in täte ne sint. nübe in uuäne. ünde diu man mag 
tüon. ünde ne tion. Quare et fieri et non fieri. Unde siu 6uh föne diu 
muügen in futuro uuerden. ünde ne uuerden. 
Exemplum eorum que possunt fieri. et non fieri. 

Et multa nobis manifesta sunt. sic se habentia. Unde uuir bechennen 
gnüogiu sö getäniu. ÜUt quoniam hanc vestem possibile est incidi. et non 
inciditur. sed prius exteritur. Älso däz ist. täz ein lächen mäg ferscröten. 
ioh uerskäfen uuerden. ünde döh tes nieht ne uuirdet. nübe sus ünuer- 
serötenez ferslizen uuirdet. sSimiliter autem et non incidi possibile est. 

ıo Samo uudla mäg iz ouh ünuerslizelnez ferscröten uuerden. Non enim 
esset eam prius exteri. nisi esset possibile non incidi. {z ne mähti nieht 
langiz. hoc est. älganzez. ferslizen uuerden. iz ne mähti üunuerscrötenez 
ze leibo uuerden. Quare et in alüs facturis. quae secundum potentiam di- 
cuntur huiusmodi. manifestum est. quoniam non omnia ex necessitate vel 
sunt. vel fiunt. Föne diu ist iz ouh an änderen dingen. ih meino die. in 
männis keuuälte stänt. samo öffen. taz sie nieht älle uöne nöte ne sint. 
nöh ne uuerdent. ‚Sed alia quidem utrumlibet. Nube sumelichiu ze bei- 
den gelicho. Ei non magis vel affirmatio vel negatio. Ünde nieht quis- 
sera neist affırmatio. tänne negatio. Alia vero negalio magis quidem in 
pluribus alterum. Sumelichiu sint. tero einez in gnüogen dichör geskihet. 
tänne iz ze leibo uuerde. älso gräuui tüot in alten. Sed contingit fieri 
alterum. alterum verum minime. 'Toh keskihet eteuuenne. daz seltsänera. 
also ungräuui ist in ältemo. Unde uuirt ze l&ibo daz keuudna. sö diu 
gräuui ist in ältemo. 

Differre inter necesse esse temporaliter et simpliciter. 

ısı Igitur esse quod est quando est. et non esse quod non est. quan\do non est. 
necesse est. Nü ist nöt uuesen. daz tir ist. s6 iz ist. ünde ne uuesen daz 
tir neist. s6 iz neist. Uuända nöt ist. täz man sizze. sö er sizzet. üunde 
also nöt ist. täz er ne sizze. sö er ne sizzet. Sed non quod est omne. ne- 
cesse est. esse. nec quod non est. necesse est non esse. Aber nehdin nöt 


der aristotelischen Abhandlungen: arnyopiaı und megl egumveias. 365 


ne ist teno einen. däz iz si. nöoh temo änderen. däz iz ne si. s. äne echert 
tia uuila. ünz iz ist. älde neist. Sö er uuile. sö uuehselöt er iz. Non 
enim idem est. omne guod est esse necessario quando est. et simpliciter esse 
ex necessitate. Täz ist föne diu. uuanda nieht ze eine ne gät. penöte 
uuesen. tia uuila iz ist. älso sedere ist. ünde in zitelih penöte uuesen. sö 
däz ist. mortalem esse. sSimiliter autem et in eo quod non est. Än demo 
non esse. uerit iz so sämo. Not ist männe. nz er ne sizzet non sedere. 
imo ist äber in zitelih nöt. non immortalem esse. 

Similitudo contingentis contradictionis. et temporalis necessitatis. 
Et in contradictione. eadem ratio est. Än dero uulderchetungo dero op- 
positorum. feret iz ouh älso. däz chit. ein uuederez ist uuär. non sim- 
plieiter. älso 6uh temporalis necessitas. uuär ist. non simplieiter. | Esse 132 
quidem. vel non esse omne. necesse est. s. in oppositis presagüs. Nöte sol 
iz allez uuär sin. älde lügi. taz man uöre saget. Et futurum esse vel non. 
Unde ällez chümftig sin. älde ne sin. Non tamen dividentem dicere alte- 
rum necessario. Tü ne uindest äber neheinen. diu zuei skidönten. üunde 
daz &ina sterchenten. Dico autem futurum qwidem esse bellum navale 
cras necesse est vel non esse futurum. 'Taz chido ih. taz mörgene skef- 
uuig türh nöt chümftig si. älde ne si. Sed non necesse est. ‚JFuturum esse 
cras bellum navale. Turh täz före cheden. ne ist nehein nöt. taz er si. 
Vel non futurum esse. Noöh nehein nöt. taz er ne si. futurum autem 
esse. vel non esse. necesse est. Nöt ist aber. daz er si. älde ne si. Uue- 
der. dero zueio uuerde simplieiter. daz chit quisso. uuer uueiz täz? €in 
uueder uuirdet io doh. 

Postrema conclusio longe prius propositae quaestionis de oppositis. 
Quare quoniam similiter orationes verae sunt. quemadmodum et res. Föne 
diu uuända die uöresäga. älso geuuäre sint. sö die näh chömenten gebu- 
reda. Manifestum est. Sö skinet. Quoniam necesse est. s. in his rebus. 
quaecumque sic se habent ut utrumlibet sint. et contraria eorum contingant. 
Täz | nöt ist in zuiueligen dingen tie uuider dien geheizen gebürren mü- 183 
gen. Similiter se Pabere et contradictionem. Kelicha uuesen dia uoresä- 
gün. s. dien näh käenden gebüuredon. Quod contingit in his quae non 
semper sunt. et non semper non sunt. 'Täz. kebüret an dien dingen. die 
uuilon sint. uuilon ne sint. Horum enim necesse est quidem. alteram 
partem contradictionis. veram esse. vel falsam. Än sö getänero dingo 


366 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


strite. findest tu io daz eina uuär. älde lügi. Mon tamen hoc. aut illud. 
sed utrumlibet. Ni io döh quisso. diz alde Eniz. nübe ein uuederez. Et 
magis quidem veram alteram. non tamen. iam veram vel falsam. Ünde 
uindest tu dichör än sümelichen däz eina uuär. dänne daz änder. ni io 
döh nieht in zitelih. Also diechöst ist cräuui. än ältemo houbete. &te- 
uuenne neist. Quare manifestum est. quoniam non est necesse. omnes af- 
‚Jfirmationes. vel negationes oppositionum. hanc quidem esse veram. illam 
vero falsam. s. definite. Fone diu skinet. taz in ällen striten. där man 
festenöt. ünde löugenet. taz eina nieht quisso uuär ne ist. unde däz änder 
lügi. Neque enim quemadmodum in his quae sunt. sic se habent in his 
quae non sunt. possibilibus tamen esse. vel non esse. sed quemadmodum 
ısı dietum est. | Noh sö iz ferit in praesentibus. tiu äna sint. sö ne ueret in 
futuris. tiu nöh ne sint. ünde doh füre mügen uuesen. älde ne uuesen. 
nübe sö ih (!) iz foresageta. Uuäz ist taz? Täz presentia sint quis. futura 
samo unguis. 
Explicit de veritate trium temporum. Incipit iterum ostendere vim 
simplieis et praedicativae propositionis. 
Quoniam autem est affirmatio significans aliquid de aliguo. Hic suspensio 
vocis. Uuända affırmatio eteuuaz säget fone eteuu&mo. Hoc autem no- 
men est vel innominabile. Et hie. Unde daz. föne demo si säget. nomen 
ist älde innominabile. taz mügen uuir diutin unnamig. Unum autem opor- 
tet esse et de uno. hoc quod est in affirmatione. Et hie. Ünde si ein sägen 
sol. föne einemo. Nomen autem dictum est et innominabile prius. Ünde 
där före gesäget ist uuaz nomen si. ünde innominabile. Ion homo enim 
nomen quidem non dico. sed infinitum nomen unum enim significat in- 
‚finitum. Hic remisior vox. quia interposita ratio est. Non homo s. quod est 
innominabile ne mag ih heizen nomen. nuübe infinitum nomen. uuanda 
iz ein ünguis ding pezeichenet. Quemadmodum vel non currit. non | 
15 verbum est. sed infinitum verbum erit. Kt hic remissa. Älso ouh non cur- 
rit verbum neist nube infinitum verbum. Omnis affirmatio vel ex no- 
mine et verbo. vel ex infinito nomine et verbo erit. Mic clausula. Pediu uuir- 
dit io affırmatio. üzer nomine ünde verbo. älde üzer infinito nomine 
unde verbo. 


(') sö ih fehlt in der Handschrift. 


der aristotelischen Abhandlungen: Karmyopiaı und Meg! Eounveias. 367 


Verbum in propositione tenere principatum. 
Praeter verbum autem. nulla erit affirmatio vel negatio. Äne verbum ne 
uuirdet nehein propositio. Est enim vel erit vel fuit. Hoc est. preter est. 
vel erit. vel fuit. Fel preter alia huiusmodi verba quaecumque ex his sunt 
quae sunt posita. Ih meino. äne substantiva verba ne uuirdet propositio. 
älde äne änderiu där uöre gezeigotiu. sö diu sint eurrit. vivit. disputat. 
regnat. Consignificant enim tempus. Sıu bezeichenent io tempus samint 
actione älde passione. 
Exempla simplicium propositionum. quae habent unum subiectum et 
unum praedicatum. 
Quare prima affirmatio et negatio est. est homo. non est homo. Föne diu 
ist tiu erista. üzer finito nomine. Deinde. est non homo. non est non 
homo. Tiu änderiu üzer infinito nomine. Est omnis homo. non est omnis 
homo. Tiu dritta üzer universali universaliter. Est omnis non homo. non 
est omnis non homo. Tiu | uierda ist. uzer universaliter infinito. Et in ex- 
trinsecus temporibus eadem ratio est. Mit tien anderen temporibus. prae- 
terito unde futuro. diu äne presens sint. mäht tu so samo tüon simplicem 
propositionem. Ut homo erit homo fuit. Fernim echert uuola. däz 
omnis ünde quidam. determinationes sint. nals termini. Täz chit siu sint 
zegunga (sic) dero terminorum. näls selben die termini. Unde uöne diu. 
ne uuirdet föone in nieht kem£rot. simplex propositio. 
De habentibus unum subiectum et duo praedicata. 

Quando est tertium adiacens praedicatur. dico autem ut est iustus homo. 
duplieiter dicuntur propositiones. Sö est. ter drito terminus uuirdet. älso 
er där ist. est iustus homo. sö uuerdent üzer zuein propositionibus fiere. 
Est tertium dico adiacere in affirmatione. nomen vel verbum. Taz tritta. 
ih me&ino est. so iz nomen si. so iz verbum si. daz chido ih häften in pro- 
positione. zu ändermo uuorte. so iustus ist. Toh iz stände ze erist. iz 
ne häftet toh nieht zu subiectiva parte. nube zu declarativa. Hier vernim 
sär. uueleha (!) ziuualti (sic) er meine. Ein oppositio ist. üzer finito 


nomine. ih meino. est homo iustus. non est homo iustus. änderiu | ist 1s7 


üzer infinito nomine. ih meino. est non iustus homo. non est non iustus 


(') Es stebt uu£hleha. 


368 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


homo. Föne dien chit er. daz hara nah fölget. Quare idcirco quatuor 
istae erunt. Pediu uuerdent tero propositionum uiere. Quarum duae ad 
affirmationem et negalionem sese habebunt secundum consequentiam. ut 
privationes. i. eandem vim retinent affırmationis et negationis. et similes 
sunt ad affırmandum aliquid et negandum. his quae sunt privatoriae. Tero 
zuo (sic) tüont also getäna affırmationem ünde negationem. sö privatoriae 
propositiones. Uuelehe sint privatoriae? Est iniustus homo. non est iniu- 
stus homo. Uuelehe dirro uiero sint tien gelih? Est non iustus homo. 
non est non iustus homo. Duo vero minime. Ändero züo (sic) ne sint in 
nieht kelih. Uuelehe? Est iustus homo. non est iustus homo. Infinitae 
üunde privatoriae. habent keliche uernümist. Dico autem quoniam est 
aut iusto adiacebit aut non iusto. Quare etiam negatio. Est haftet zu 
iusto ünde ze non iusto. sö tuönt Ouh non. Quatuor enim sunt. Föne 
diu sint tero propositionum uiere. Intelligimus vero quod dieitur. ex his 
quae subscripta sunt. Föne dero uolgendun figura. dar sie geördenot sint. 
spuet is paz ze uernemenne. Kst iustus homo. huius negatio. mon est 

ıssiustus | homo. Est non iustus homo. huius negatio. non est non iustus 
homo. Est enim hoc loco et non est. iusto et non iusto adiacet. Fiere sint 
iro. An disen uier propositionibus häftet est ünde non. ze iusto ünde non 
iusto. Haec igitur quemadmodum in resolutorüs dietum est. sic sunt dis- 
posita. Tise uier propositiones. ünde dara zü privatoriae uuerden sus 
keördenöt älso ih ouh lerta in analitieis. Quare et sequi se se invicem vi- 
debuntur i. possibile est esse et non esse. Tero affırmationis possibile est 
non esse. uuirt kelöugenet mit tEro negatione non possibile est non esse. 
Föne diu ist öffen däz tiu selba affırmatio possibile est non esse. ünde 
6uh tiu possibile est esse. samint ein änderen sint. nals gägen ein anderen. 
Non enim contradictiones sibi invicem huiusmodi sunt possibile est esse et 
possibile est non esse. Sö getäne praedicationes. ih meino züo affırma- 
tiones sö die selben sint. tie ne uuerdent nieht ein änderen oppositae. 
Sed possibile esse et non possibile esse. nunquam simul sunt. opponun- 
tur enim. Aber dise ih meino affırmatio ünde negatio. ne mügen sämint 
sin. pediu sint sie oppositae. At vero possibile non esse et non possibile 
non esse. nunquam simul sunt. Uuända öuh tise ringent. pediu ne mu- 
gen ouh sie samint sin. Similiter autem et eius. | 


der aristotelischen Abhandlungen: »arnyopiaı und reol Epunveias. 369 
5 gi un 


Affırmatio simplex. Negatio simplex. 

Est iustus homo. Non est iustus homo. 
Affırmatio privatoria. NE Negatio privatoria. 

Est iniustus homo. U Non est iniustus homo. 
Similes. Er “ Similes. 

Est non iustus homo. Non est non iustus homo. 
Affirmatio infinita. Negatio infinita. 


Similiter autem se habet. et si universalis nominis affirmatio sit. So ucrit 
iz ouh. ube ällelih festenunga ällelicho getän uuirdet. ih meino. där ne 
mag ouh keskehen. daz angulares samint uuar sagen. Ut omnis est homo 
iustus. Non omnis est homo iustus. Omnis esi homo non iustus. Non omnis 
est homo non iustus. Sed non similiter angulares conlingit veras esse. con- 
tingit autem aliquando. Äber doh ne sägent iro angulares nieht io in zite- 
gelih sämint uuär. eteuuenne geskihet iz. Samo so er chäde. Sint tie 
angulares indifinite. daz chit üngemarchöte. sö sint sie gehelle. älso iz 
tar uore skinet an dero descriptione. Sint sie aber definite. i. kemärchote 
mit t&emo nomine omnis. so sint sie uuilon sämint uuar. also iz skinet ube 
du an dero deseriptione missech£rist tia particulares oppositiones. unde 
negationem particularem sezzest under affirmatiolne universali. Unde aber 
affirmationem universalem ünder negatione partieulari in hune modum, 


Affirmatio universalis. . Negatio particularis. 
a Sau p 
Est omnis homo iustus. ze Non est omnis homo iustus. 
Nesatio particularis. I Affirmatio universalis. 
oO } SL 
Non est omnis homo non iustus. Est omnis homo non iustus. 


Nim aber aba daz omnis. taz sie sin indefinitae. so sint ebengeuuäre die 
angulares affırmationes. ich tie angulares negationes in hunc modum. 


Affirmatio finiti nominis. S: Negatio finiti nominis. 
Est iustus homo. Wr ve Non est iustus homo. 
Negatio nominis infiniti. ,& ,  Affirmatio nominis infiniti. 
Non est non iustushomo. ° % Est non iustus homo. 


An sus ketänen praedicationibus. ih meino quae possunt esse et non esse. 
sint io säment uuär die angulares. Äber an dien quae naturaliter insunt. 
so die sint. est homo animal. est homo non animal. alde ouh naturaliter 
inesse non possunt. ut est homo lapis. est homo non lapis. ne mügen sie 


sament uuär sin. 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Araa 


159 


190 


370 Grarr: Allhochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


Quot oppositiones fiant ubi est tertium additur. 
Hae igitur duae oppositae sumt. Nu sint taz zuo oppositiones. s. die ih 
nu gesaget habo. Einen ist tiu dir bestät ex finito subiecto. so diu tüot. 
191 est homo | iustus. non est homo iustus. Änderiu ex infinito praedicato. 
so diu tuot. est non iustus homo. non est non iustus homo. Aliae autem 
ad id quod est non homo. ut subieclum aliquod additum. Hoc est aliae 
duae sunt quasi aliquod additum ad id subiectum. quod est non homo. 
Noch sint ändere zuö dero praedicata geleget sint zu demo subiecto. non 
homo. Tero zueio gibet er nu exemplum. Einiu bestät ex infinito sub- 
iecto. so diu tüot. Est iustus non homo. non est iustus non homo. Än- 
deriu ist tiu dir bestät ex infinitis praedicato et subiecto. so diu tuot. Est 
non iustus non homo. non est non iustus non homo. Magis plures autem 
his non erunt oppositiones. Mänigörin opposita ne mugen uuerden. so est 
ter dritto terminus ist. Hae autem extra illas. ipse secundum se erunt. ut 
nomine utentes non homo. Tie äfterin zuo propositiones. sint turh sih. 
äne de (sic) @rerin. infinitum nomen fure nomen habende. toh iz simpli- 
citer nieht nomen ne si. 
Non differre inter currit et currens est. 
In his vero in quibus est non convenit. ut in eo quod est currere vel ambu- 
lare. idem faciunt sic posita haec ac si est in currere unde (!) in ambulare. 
taz chit an demo currit unde an demo ambulat, tar gät iz. also ouh est 
192tar mite stüende. ÜUt est currit omnis homo. non currit | omnis homo. 
Currit omnis non homo. non currit omnis non homo. An dien proposi- 
tionibus ällen mag man cheden currens est. fure currit. 
Quem locum oporteat habere non in praedicatione. 
Non enim dieendum est non omnis homo. sed non negatio ad id quod est 
homo addendum est. Übe du mächon uuile infinitum nomen. so ne solst 
tu nieht legen non zu demo omnis. nube zu demo homo. Omnis enim 
non universale significat sed quoniam universaliter. Uuända omnis uuir- 
det kespröchen universaliter. iz ne ist nieht selbez universale. Manife- 
stum est aultem ex eo. quod est currit homo. non currit homo. currit non 
homo. non currit non homo. An disen skinet iz. Tise praedicationes sint 
universales. näls universaliter. Hae vero ab illis differunt. eo quod uni- 


(') So steht statt ez. 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnyegia und wegi Eguunveias. 371 


persaliter sunt. 'Tise skeident sih föne dien Erren. tie mit omnis univer- 
saliter gespröchen sint. Quare omnis et nullus nihil aliud consignificat. 
nisi quod universaliter de nomine vel affirmat gel negat. Fone diu uuirdet 
io mit omnis. ünde mit nullus allelicho uuaz geuestenot. alde gelöugenet 
fone demo aällelichen nomine. Ergo et caetera eadem oportet opponi. 
i. inmutata servari. Also gnöto süulen alliu diu anderiu uuört iro stat 
halten. 
Item de consentientibus. | 

Quoniam vero illa negatio quae est quod nullum animal iustum est. con- 
traria est ei. s. aflırmationi. quae est. omne est animal iustum. Hae qui- 
dem manifestum est quod numquam erunt. meque verae simul. neque in 
eodem ipso. Universalis affırmatio. unde universalis negatio. tie sint uui- 
deruuärtig. tie ne mügen sament uuär sin. noh in einemo dinge samint 
sin. daz sägeta er ouh före, His vero oppositae erunt aliquando. Aber 
iro obliqua mugen so sin. so diu sint. Non omne animal iustum est. est 
quoddam animal iustum. Sequitur vero eam quidem quae est nullus homo 
iustus est. illa quae est. omnis est homo non iustus. Nu habe fure £in dia. 
Nehein man ne ist rehter. unde dia. männolih ist ünrehter. Jlla vero 
quae est. aliqui (sic) iustus homo. opposita. ih meino dia. etelih man est 
rehter. JVecesse est enim esse aliguem. Übe uuär ist non omnis homo 
non iustus est. so ist not aliquem iustum esse. 'Taäz lerit tisiu deseriptio. 


Universalis negatio finiti nominis. Affırmatio particularis finiti nominis. 
Nullus homo iustus est. Quidam homo iustus est. 

Similes. Similes. 
Omnis homo non iustus est. Non omnis homo non iustus est. 


Universalis affırmatio finiti nominis. Particularis negatio infiniti nominis. 
Hier uernim daz infinitum nomen kemeine ist. iöh infinito subiecto. ioh 
infinito praedicato. | Uuellest tu ouh kesehen. uuio dise uiere sin oppo- 
sitae. so sih aber an disa descriptionem. 


Universalis negatio. Similes. Universalis affırmatio cum infinito praedicato. 
Nullus homo iustus est. o Au Omnis homo non iustus est. 
ER 
4 5 : a Ä 2° e ä L 
Particularis negatio cum infinito praedicato. En Particularis affırmatio. 
Sn. 
Non omnis homo non iustus est. [®) e Quidam homo iustus est. 


ANaad 


193 


194 


372 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


Quem negantem sequitur vera conclusio. 
Manifestum est autem. quoniam eliam in singularibus si verum est inter- 
rogalum negare. quoniam et affirmare perum est. Ut pulasne socrates 
sapiens est? Non. Socrates igitur non sapiens est. Socrates ist einluzzer 
so alliu individua sint. Sapiens taz ist finitum. also onh iustus. Non sa- 
piens taz ist infinitum. also ouh non iustus. Fone diu skinet. ube man 
uragentemo uersägen mag. socratem esse sapientem. taz sar uuar ist ze 
chedenne. socratem non sapientem esse. Übe er sapiens ne ist. so ist er 
non sapiens. In universalibus vero quae similiter dieuntur. non est vera s. 
affirmatio. vera autem negatio. Ut putasne omnis homo sapiens est? Non. 
Igitur omnis homo non sapiens est. Hoc falsum est. Sed vera est. s. ne- 
gatio. Von igitur omnis homo sapiens est. Ube man uraget so samo föne 
allen. ist männolih uuise. unde änderer chit nein. unde Ener sar fone diu 
näh sprichet. so ist männolih non sapiens. so häbet er gelögen. Omnis 
155 homo non sapiens est. taz ist infinita affırlmatio. unde ist lüugi. samo so 
er chade negando. nullus homo sapiens est. Sprichet er aber. finitum 
nomen negando. non omnis ergo homo sapiens est. samo so er chade af- 
firmando partieulariter quidam homo sapiens est. taz ist uuär. Jlaec op- 
posita est i. non omnis homo sapiens est. zlla vero contraria est. hoc est. 
omnis homo non sapiens est. Tisiu ist opposita. @niu ist contraria. Op- 
posita leibet in universalibus. contraria ne leibet nieht. 
Quasdam falso videri negationes. 
Illae vero contraiacentes. secundum infinita nomina vel verba. ut in co 
quod est non homo vel non iustus. quasi negaliones esse videbuntur. sine 
nomine vel verbo. sed non sunt. So getäniu opposita so infinita nomina sint. 
also non homo. unde non iustus sint. alde ouh infinita verba. so non 
currit unde non laborat sint. tin mügen manne dünchen uuesen negatio- 
nes. Taz ne sint siu aber nieht noh uuerden mugen. äne nomen. unde 
äne verbum. Ziu chit (sic) er äne nomen unde äne verbum? Uuända siu 
simplieiter nomina ne sint noh verba. Uuärin sin ouh so. noh tänne ne 
mahti non homo nieht negatio sin. alde ouh non currit. Semper enim 
veram vel falsam esse necesse est negationem. Uuanda negatio sol io uuar 
sin. alde lügi. Non homo unde non currit. ne sint ne uueder. Qui vero 
196 dixit non homo. nihil magis de homine. s. quam qui | finitum dixit. sed 
etiam minus verus fuit. vel falsus. sinon aliquid addatur. Ter infinitum 


der aristotelischen Abhandlungen: nurnyopiar und megi £gunveias. 373 


sprichet non homo. der ne sprichet nieht quisseren. danne der finitum 
sprichit homo. nube er mag ioh min heizen uuärer. alde lükker. er ne 
lege zu mer uuorto. Uuända guissera ist homo currit tanne non homo 
eurrit. pediu ist homo nahera dero uuärheite. danne non homo. ze erist 
chit er. non homo ne ist nieht negatio. Tara nah chit er. uuare iz nega- 
tio. so bezeichendi iz uuar alde lugi. Tara nah chit er. sid taz quissera 
ne bezeichenet uuar noh lugi. uuio danne daz unguissera. 
Quae ex infinitis sint similes. 
Significat autem. est omnis non homo iustus. nulli illarum idem. Aber 
diu propositio. alle ünmennisken rehte sint. tiu neist tero öberon nehei- 
nero gelih. Omnis non homo. daz ist universale. unde infinitum sub- 
iectum. iustus est. taz finitum praedicatum. So getän propositio ne stät 
tar niener uore. Nec huic opposila. ea quae est. Non est omnis non 
homo iustus. Noh tiu disa löugenet. ih meino. nieht uuär. daz alle un- 
mennisken rehte sin. Tie zuö sint üngelih. allen oberen. Illa vero quae 
est. omnis non iustus non homo. illi quae est. nullus iustus non homo. 
idem significat. Aber dise zuö sint in. alle unmönnisken. unlrehte. ne- 
heine unmennisken rehte. Uuir mügen heizen ünmennisken. die äne 
mennisken sint. sö angeli sint. An dero errerun dirro zueio. sint zuei 
infinita. ein an demo subieeto. mit universali. ander an demo praedicato. 
Tära nah ist an dero äfterun infinitum subiectum mit universali. unde 
praedicatum finitum. 
Non transposito nomine vel verbo. significationem mutari. sicut trans- 
posita negatur. 

Transposita nomina vel verba. idem significant. Misse säztiu nomina alde 
verba ne uuchselont nieht ten sin propositionum. ÜUt est homo albus. est 
albus homo. Also disiu missesäzten nomina unde verba. des sinnis nehei- 
nen uuchsel ne tuont. Nam si hoc non est. eiusdem erunt multae nega- 
tiones. Uwända übe iz sö ne ist. so sulen einero affırmationis uuesin ma- 
nige negationes. Sed ostensum est. quia una unius est. Taäz ist aber uöre 
gesaget taz echert &in negatio Einero aflırmationis ist. Eius enim quae est. 
est albus homo. negatio est non est albus homo. Föone diu ist Echert ein 
negatio dero affırmationis est albus homo. tiu dir chit non est albus homo. 
Eius vero quae est. est homo albus. si non eadem est. quae etiam ei quae 
est. est albus homo. Ube si aber missech£rtiu fone albus homo. ze homo 


197 


374 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


albus. tia selbun negationem ne häbit. s. tia si d6h guisso habit. Erit| 

195 negatio. So uuirt iz ein anderiu. ünde so sint iro zuo. Felea quae est. 
Alde diu dir chit. Mon est non homo albus. Velca quae est. Alde diu 
dir chit. Non est homo albus. Sed altera quidem est negatio eius quae 
est. est non homo albus. alia vero eius quae est. est homo albus. Aber 
dero iouuederiu. habit iro affırmationem. ih meino. est non homo albus. 
unde est homo albus. Nu häbit tiu affırmatio est homo albus. uuända si 
ouh @na durh not häbit. non est albus homo. pediu (sie) habit sizuo. Ube 
tiu. est homo albus. häbit zuö. so habit ouh est albus homo. die selbun 
zuö. Quare erunt duae unius. pediu sint zuö negationes einero affırma- 
tionis in hunce modum. 


Affirmatio. Utriusque contradictoria. 
Est albus homo. Non est albus homo. 
Est homo albus. Non est homo albus. 
Affırmatio. Utriusque contradictoria. 


Quoniam igitur Iranspositio nomine vel verbo eadem sit affirmatio vel ne- 
gatio manifestum est. Nü ist aber offen. taz föne missesaztemo nomine 
alde verbo. nehein uuehsel ne uuirdet tero affırmationis unde dero nega- 
tionis. Uwuurte iro dännan uuehsel. sö man danne chade fone socrate. 
est albus homo. so ne uuurte daz nieht kelöugenet kelicho mit temo non 
est albus homo. unde mit temo non est homo albus. 

199 De discerinendis propositionibus quae unae sunt. quae multae. 


At vero affirmare vel negare unum de pluribus vel plura de uno si non est 


unum ex pluribus non est affirmatio una. neque negatio. Uuile du ein 
sagen. föne mänigen. alde mänigiu fone enimo (sic). ein species ne uuerde 
uzer in änderis neist iz ein saga nieht. iehendo noh löugenendo. Dico 
aulem non si unum nomen sit posilum. non sit aulem unum ex illis. 1d est. 
dico etiam non fieri unam affırmationem negationem. si unum nomen 
commune positum sit multis rebus. et si ex illis non sit unum. Ih sago 
dir daz ouh tännan üz ein affırmatio alde ein negatio ne uuirdet. ube ein 
nomen gemeine fünde (sic) ist mänigen dingen diu ein speciem nieht keuuur- 
chen ne muügen. Taz ist tanne. so ein fone &inemo gespröchen uuirdet. 
ut canis animal est. 'Tar ist animal gespröchen fone cane. in fone enimo 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnyegiau und megi Egumvelas. 375 


(sic). unde ne ist toh taz nieht ein affırmatio. uuända canis pezeichenet 
pediu ioh ten bellenten hunt. ioh ten merehunt. i latrabilem et mariti- 
mum. ÜUt homo est fortasse. et animal. et bipes et mansuetum. Älso ödo 
uuäno daz nieht ein affırmatio neist. so disiu uieriu sus üunderskeiden uuer- 
dent mit coniunctione. daz man chit. homo est. et animal. et bipes et 
mansuetum. loh äne coniunctiones mag 


5 
den. taz siu eina affırmationem | ne tüont. Also daz ist homo est unde 200 


man siu under suigendo geskei- 


dänne uberläng animal. so äber bipes so aber mansuetum. Samoso er 
chäde. homo est. animal est. bipes est. mansuetum (!) est. Sed ex his 
unum fit. Aber doh uuirdet &in species üzer in geuuürchet, so man ge- 
slägo chit animal bipes mansuetum homo est. Taz sint mänigiu föne 
einemo. unde doh ein affırmatio. Ex albo autem et homine et ambulare 
non unum. Aber fone homine. unde fone albo. unde fone ambulare. ne 
uuirdet nehein species. Ter uone uuizemo man gäntemo chit. album et 
ambulans homo est. ter häbet kesprochen zuei uone &inemo. tiu ein spe- 
ciem nieht ne uuürchent. Uuiz unde gän uuelih speciem alde uueleha 
naturam uuurchent tin? Quare non unum. Fone diu ne mag iz ouh ein 
affırmatio sin. Quare nec si unum aliquid de his affırmet aliquis erit af- 
Jirmatio. Fone diu sprichet man ein dirro. fone dien anderen. i. unum 
de pluribus. so man nu chäd. album et ambulans homo est. alde homo 
et ambulans album est. alde homo et album ambulans est. taz ne uuirdet 
nieht ein affırmatio. ‚Sed vox quidem una affirmationes sero multae. 
Nube &in est sprechendo uuerdent tar mänige affırmationes. | Nee si denı 
uno ista. sed similiter plures. Noh täana mer ne uuirdet ein affırmatio ube 
ioman disiu so missecheret. taz plura usne dinemo gespröchen uuerdent. 
ih meino daz tiu uuerdent praedicata. diu nl uuären subiecta. ut album. 
homo et ambulans est. vel ambulans. homo et album est. 
Ad interrogationem plura significantem. unam responsionem non 
sufficere. 

Quo circa ergo. Fone diu s. uuäanda ein propositio mänigiu beceichenit 
(sie). ‚Sö dialectica interrogatio responsionis est petitio. Hic suspensio. 
Ube der äntuuurtis keröt. ter dialectice uraget alsus. est canis animal an 
non? vel propositionis. wel alterius parlis contradictionis. Ethic. Unde er 


(') Es steht manifestum. 


376 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


geröt allero propositionis. sö daz ist animal est. animal non est. Alde 
teilis. so daz ist. est non. Propositio enim unius contradictionis est. i. una 
affırmatio unius est negationis. et hie. Uuanda ein festenunga stochet einen 
lougen. Huiusmodi interrogationi. non erit una responsio. Depositio. So 
getänero frägo ih meino sus mänigiu ding pezeichenentero ne begägenet 
nieht ein äntuuurte. Ad haec nec una affirmatio. |Noh ouh tara zü ein 
festenunga. Nee si sit vera est. Noh sär uuär ne ist iz. ube iz ein änt- 
uuurte ist. unde ein festenunga. Uuända chit er canis animal est. taz ist| 

»2in coelesti signo lügi. Chit er non est animal. taz ist in latrabili cane lugi 
unde in marino. Dictum autem de his in thopieis (sie). Similiter autem 
manifestum est. quoniam nec hoc ipsum quidem est dialectica interrogalio. 
Ih habo ouh ändersuuar dännan gesaget. ‚Sü quis interroget quid est. opor- 
tet datum esse. i. dari. ex interrogatione. haee eligere. i. ut possit eligere. 
ulrum velit contradictionis partem enunciare. quia oportet interrogantem 
determinare. utrum hoc animal homo. an non homo. 'Ter urägento sol 
demo geurägeten an sinero urägo uuäla geben uuederen teil er uuelle dero 
contradictionis. unde fone diu sol er in beidero iihten alsus. ist tiz tier. 
alde diz monstrum mennisko. alde ne ist? Contradictio bestät io fone 
affirmatione et negatione. so däz ist. homo animal est. homo animal non 
est. Föne diu ist taz dialectica interrogatio. sö man den äntuuurtenten 
besuöchet uuederez er uuelle. in hune modum. Putasne homo animal 
est? Aber der süs uräget. quid est animal? der uräget scolastice nals 
dialectice. 

Quod quaedam singulatim vera. iuncta. alias vera. alias falsa sint. 
Quoniam haec quidem predicantur composita. ut unum sit omne praedica- 
menlum eorum. quae extra praedicantur. alia vero non. quae differentia est. 

2035. diceenda. Ordo est. Quoniam eorum quae extra. i. singillatim | praedican- 
tur. haec quidem composita sic praedicantur. ut unum sit omne praedica- 
mentum eorum. alia vero non. ea differentia dicenda est. Uuända sume- 
lichiu durh sıh kespröcheniu uuär sint unde zesämene gelegetiu ein bezei- 
chenent unde sämo uuär sint. tänne aber änderiu sö ne sint. ter ünder- 
skeit ist ze sägenne. unde mit exemplis ze lerenne. De homine enim ve- 
rum est dicere. et extra animal. et extra bipes. et ut unum. Fone homine 
mag man sünderigo cheden. daz er si animal. unde er si bipes. unde mäg 
man cheden daz tiu zesamene gelegetiu (sie) ein sin. unde samo uuär sin. also 


der aristotelischen Abhandlungen: »arnyogiaı und megi £gunveias. 377 


daz uuär ist. homo animal bipes est. Et hominem et album. et haec ut 
unum. ÜUnde mäg ouh uuär sin. ube man etelih animal sunderigo säget 
hominem uuesen. unde album uuesen. unde diu beidiu ein uuesen. Sed 
non cytharedus et bonus. etiam cytharedus bonus. Chit män aber daz er 
sünderigo eytharedus si. unde er güot si durh taz ne ist nehein nöt taz er 
güot eytharedus si. unde daz samint uuär si. dez einzen uuar uuas. 
Quaedam simul incongrue diei. quae per se vere dicta sunt. 
Si enim quoniam alterutrum dieitur. et utrumque dicitur. multa inconve- 
nientia erunt. Sol man daz samint sprechen. daz sündero uuär ist. so 


uuer|dent tär uz manigiu gechöse üngelimphiu. De homine enim. et ho-: 


minem verum est dicere. et album. Föne etelichemo mennisken ist äleuuar 
ze sprechenne. daz er menisko (sie) si. unde er uuiz si. Quare et homi- 
nem. rursus et album. Fone diıu mag man aber cheden. denselben uuizen 
mennisken. mennisken uuesen ioh uuizen. ‚Si et album et hominem. So 
chido ih ube man in uore uuärhafto hiez uuizen mennisken. Vbe man 
uone socrate einest uuärhafto cheden mag. taz er uuiz mennisko si. so 
mäg man anderest samo uuärhafto fone imo cheden. tiser uuizo mennisko. 
ist mennisko unde uuiz. Quare erit homo homo. albus albus. Föne diu 
lege däz zesämene. so uuirdet tar üz tiu ünnuzza zäla. daz mennisko men- 
nisko si. uuiz uuiz si. Hoc est in infinitum. Tes ist ünmez taz tu spre- 
chen maht fone imo. ze £rist sunderigo. unde danne sämint. Et rursus 
musicus albus ambulans. haec eadem frequenter simplicitas est. Also 
diecho mäg ouh keaberet uuerden diu sunderigi ube man uone socrate ze 
@rist chit taz er si uuiz musicus känder. uuanda du aber cheden maht ter 
uuizo musicus känder. ist uuiz unde ist musicus. unde ist känder. So sol 
man danne samint cheden driestunt. uuiz uuiz uuiz ist. unde iro io geli- 
chez triestunt. | Amplius. Si enim socrates socrates est et homo. erit so- 
crates socraies homo. ÜUbe sunderigo sprechendo uuär ist. socrates ist 
socrates. unde aber sunderigo uuär ist. er ist ouh mennisko. so uuirt 
tanne samint ze chedenne. daz socrates socrates homo si. Et si socrates 
socratcs est. et homo. et bipes. erit socrates homo et bipes. Tisiu uuort 
firnim samo so er chäde. ube diu zü dien zuein ih meino daz er süunderigo. 
socrates ist. unde homo ist. taz iritta ouh sunderigo chist taz er bipes si. 
sö sölt tu oul: samint cheden. dero selbon zuei unde sunderigo daz tritta. 
Et rursus si hie idem bipes est et homo. erit socrates socrates. homo 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Bbb 


205 


378 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


homo. bipes bipes. Ube socrates sunderigo driu ist. sö sint samint ze 
chedenne. diu selben driu. socrates socrates. et homo et bipes et homo 
et bipes. Taz socrates ist sunderigo socrates. unde homo. unde bipes. 
taz kemachot in sament uuesen hominem bipedem. So getän compositio 
ne geuället nieht. Quoniam ergo si qui simpliciter ponat. complexiones 
fieri. inconvenientia contingere manifestum est. guemadmodum autem po- 
nendum. nune dicemus. Uuända nü uuöla skinet. mänigiu üngelimphe 
dannan üz uuerden. ube ioman üngeskeideno in alla uuis ze samene legen 
uuile diu proloquia. sö ist taz ze lerenne. uuio er tüon sol. 
Singillatim secundum aceidens praedicata. simul praedicari non posse. | 
206 Quaecumque igüur eorum quae praedicantur. et eorum de quibus praedi- 
cantur secundum accidens dieuntur. Suspensio. Sint taz aceidentia dıu 
man sprichet. unde ouh tiu fone dien man siu sprichet. Felde eodem 
vel alterum de altero. Ethic. Sö man uone einemo subiecto zuei acciden- 
tia spreche in hune modum. Homo albus est. albus musicus est. Haec 
non erunt unum. Depositio. 'Tiu ne uuurchent nieht ein speciem. Ut 
homo albus est et musicus. Also diu aceidentia beidiu fone homine ge- 
spröchen uuerdent. älde daz eina accidens fone demo andermo. unde 
aber daz fone homine. Sed non est idem musicus et albus. Siu ne uuur- 
chent toh nieht ein speciem. Accidentia enim sunt utraque eidem. Uwuio 
mugen? Sint päidiu einis tinges accidentia. fone accidentibus ne uuirt 
nehein substantia. Nee si album. musicum verum est dicere. tamen non 
erit album musicum aliquid. Unde doh uuär si. albus est musicus. siu ne 
uuerdent io nieht ein. Secundum acceidens enim. musicum album. Quare 
non erit album musicum. Taz ist fone diu. uuäanda siu beidiu sint acci- 
dentia. Fone diu ne uuirt niomer albus durh sih musicus. nube der 
homo albus. ter ist musicus. Ouh irret taz tia praedicationem daz acci- 
zor dentia sih liehto uuchselont. Ube socraltes nü ist albus musicus. er mäg 
aber an dero sunnun uuerden niger musicus. Fone diu ist si lükke. Quo 
circa nec cytharedus bonus simpliciter. Fone diu ne uuirdet ouh nieht 
ein species. cytharedus bonus. uuanda siu beidiu sint acceidentia. Sed 
animal bipes. Non enim secundum acceidens. Aber animal unde bipes 
uuürchent ein speciem hominis. uuanda siu aceidentia ne sint. Chit man 
homo animal est. homo bipes est. taz mäg man sament wuöla cheden. 
homo est animal bipes. 


der aristotelischen Abhandlungen: narmyopiaı und megi egumveias. 379 


Similiter quae insunt in prolatione vel narratione simul iuncta non 
praedicari. 
Amplius. Fernemen nöh. Nec quaecumque insunt in alio. Noh tiu an- 
dermo äna sint. s. diu ne müugen ouh nieht kespröchen uuerden ze samine 
gelegetiu. Quare nec album frequenter. Fone diu ne mag ouh album sö 
diccho kespröchen uuerden in complexione sö iz extra mag. Chit ioman. 
uuiz män ist callias. callias ist uuiz. taz mag uuär sin. chit er dänne sä- 
ment. uuiz man callias uuiz ist. taz ist unredelih. uuanda iz äna (sic) ist 
tero prolationi subiectivae partis. taz änderest prolatum uuirdet an praedi- 
cativa parte. Uuiz man chedendo. uuirt pegriffen. taz er uuiz ist. Pediu 
ne gelimfet nieht sament. taz sunderigo gelamf. Neque homo. homo ani- 


mal. vel bipes. Noh sus ketän | compositio ne toug. ube sia ioman uuur- 208 


chet. üzer dien extra praedicatis. So uuer mit tero baldi. daz er fone 
socrate cheden mag. socrates homo est et animal. sär cheden uuile. homo 
homo est et animal. taz ist also er chäde homo animal. animal est. Uuio 
mäg homo. beidiu sin. ioh homo ioh animal? An dıu daz er homo ist. 
sö ist er animal. Chit ouh föne socrate iste homo homo est. et bipes. 
taz ist aber also er chäde. iste homo bipes bipes est. JInsunt enim in ho- 
mine. animal et bipes. An demo namen homo. uuirdet animal uernömen 
ioh bipes. Ter ouh chit socrates. socrates est et homo. der mahti bediu 
cheden socrates homo. homo est. uuända an socrate uuirt homo natür- 
licho uernömen. 

Hucusque an singulatim vere praedicata. iuncta quoque vera sint. nunc 
e contra quaeritur. quae vere predicantur iuncta. an eadem verum sit 
et simplieiter diei. 

Verum est autem dicere de aliquo et simplieiter. aut quendam hominem. 
hominem. aut quendam album hominem. album. Non semper autem. 
Tisa sententiam suln uuir urägendo lesen. alsus. Ist ouh sunderigo uuär. 
daz sament uuär ist? iz mag eteuuanne uuär sin. näls nieht io. Mäg sämo 
uuär sin hominem currere. samo quendam hominem currere? Alde ist 
samo uuär ze sprechenne. album eurreire. sö daz ist quendam album ho- 
minem currere? ‚Sed quando in adiecto quidem aliquid oppositorum inest. 
quae. S. opposita sequitur contradictio. non verum sed ‚JFalsum est. 1z ist 
tänne lügi. so demo adiecto etelih oppositum ana ist. unde demo oppo- 
sito uölget contradictio. Ut s. falsum est moriuum hominem. hominem 


Bbb2 


209 


380 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


dicere. Also daz lugi ist. ube man töten mennisken. mennisken heizet. 
Homo ist praedicatum. mortuus ist adiectum. Homo unde mortuus i. in- 
seler (sic) unde äna sela. diu sint opposita. Tien uolget suslih contra- 
dictio. homo vivit. mortuus non vivit. Quando autem non inest verum. 
sö demo adiecto solih oppositum ana ne ist. so ist sünderigo uuär daz sa- 
mint uuar (sic) uuas. Samint ist uuär. socrates animal bipes est. Vel etiam 
quando inest quidem semper falsum. quando vero non inest. non semper 
verum. Alde iöh rehtor ze sagenne. sö diu oppositio äna ist tero praedi- 
cationi. sö ist io daz sunderigo lugi. taz sament uuär uuas. "Tänne aber 
oppositio tär ana ne ist. sö ist iz Echert uuilon uuär. Ut homerus est ali- 
quid. ut poeta. Älso diu ist sine oppositione. homerus ist poeta. unde 
keskeidiniu lugi ist. Ergo etiam est. aut non. Nü uolget temo daz er 
poeta ist. taz er selbo ist. alde ne ist. Sih an ena praedicationem. sö ist 
tisiu lügi. ziu ist taz? ‚Secundum accidens enim praedicatur esse de homero 
quia poeta est. sed non secundum se praedicatur de homero quoniam est. 
21 Uuän’da sin accidens uuärd kezeigot t6 man chad poeta est. unde bediu 
ne uuärd nieht taz est substantialiter gespröchen fone imo. Tanne diu 
praedicatio uuär ist. tu dir chit. homerus est. sö ne ist si nieht teil tero 
accidentalis. tiu dir chit. homerus poeta est. Quare in quantiscunque 
praedicamentis. neque contrarietas aliqua. aut ulla oppositio inest. si dif- 
‚finitiones pro nominibus praedicantur. Suspensio vocis. Fone diu uuizzist. 
taz än dien praedicationibus an dien nehein contrarietas. unde neh£in op- 
positio ne ist. ih meino diu sih pirget an dien nominibus. unde aber 
danne sich öuget. ube man fure diu nomina so homo ist unde mortuus. 
iro diffinitiones sprichet. i. animatus et sine anima. Et secundum se pre- 
dicantur. et non secundum accidens. Ethie. Unde sie durh sih kespröchen 
uuerdent. näls änahaftigo. ih meino. also est häftet zu poeta. unde äne 
poeta ne uuirdet iz praedicatum. In his et simplieiter verum erit dicere. 
Depositio. An dien uuirt iz 6uh sünderigo uuär. S6 dü chist fone socrate. 
hic homo albus est. unde daz uuär ist. so ist samo uuär. ube dü fone 
imo chist. hie albus est. uuända albus ne chlebet nieht zu homo. so est 
tuot zu poeta. Quod autem non est quoniam opinabile est. non est verum 
dicere esse aliquid. 'Taz aber ne ist. taz ne mag nieht tüurh taz uuesen. 


8 
daz man iz uuänet uuesen. Opinatio autem eius non est. qnoniam est. sed 


der aristotelischen Abhandlungen: »urnyegia und megi Egumveias. 381 


quoniam non est. Sin uuän ist uuörtener fone | ne uuesenne. näls fone 211 
uuesenne. Fone diu also opinabile est. taz an imo selbemo ne ist. also 
ist taz uuär. daz homerus aliquid ist uuanda er poeta ist. unde ist lugi 
daz er mit paremo ist aliquid si. Homerum esse. daz ist pärez esse. ho- 
merum poetam esse. alde eloquentem esse. das heizet aliquid esse. Sub- 
stantia getüot in esse. accidentia getüont in aliquid esse. 
Ineipit de oppositione earum propositionum. quae cum modo aliquo 
proferuntur. 
His vero determinatis. perspiciendum est. quemadmodum se habeant nega- 
tiones et affirmationes. ad se invicem. hae scilicet quae sunt esse possibile 
et esse non possibile. el conlingere et non conlingere. et de impossibili et de 
necessario. Habent enim aliquas dubitationes. Hära näh ist ze chiesenne. 
uuio ouh tiu proloquia. ein anderen incheden. diu fone posse uuerdent. 
unde contingere. unde necesse. uuända siu zuivelig sint. 
Tudicium. quae negatio affırmationi opponenda sit. 

Nam si eorum quae complectuntur. illae sibi oppositae sunt contradictiones. 
quaecumque secundum esse vel non esse disponuntur. Suspensio. Übe diu 
ze samene gelegeten uuört. uuiderchedä machont. an dien geiiht uuirt 
unde löugen. ÜUt eius quae est esse hominem. negatio est non esse homi- 
nem. | non autem ea quae est esse non hominem. Et hie. Also lougen 


ww 
= 
LS) 


uuirt tes esse hominem. mit non esse hominem. nals mit esse non homi- 
nem. Kt eius quae est esse album hominem. negatio est. ea quae est non 
esse album hominem eed non ea quae est esse non album hominem. Etbhic. 
Vnde also gelöugenet uuirt tes esse album hominem. mit non esse album 
hominem. näls mit esse non album hominem. .$i enim in omnibus aut 
dictio aut negatio vera. Ethic. 'Taz chiesen där bi. Vbe in ällen contra- 
dietionibus taz eina uuär ist. taz ander lügi. unde ouh tero zudio. est 
albus homo. est non albus homo. daz eina uuär ist. taz änder lugi. Lig- 
num erit verum dicere. esse non album hominem. Depositio. Sö ist tanne 
uuär ze sprechenne. daz holz uuesen non album hominem. Cum lignum 
falsum sit dicere album hominem esse. erit de eo verum dicere. esse non 
album hominem. ÜUbe iz uuesen ne mag albus homo. sö sol iz aber uue- 
sen non albus homo. Ube iz ne uueder dero zueio ne ist. sO ne sint siu 
nieht opposita. 


382 Grarr: Alihochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


Idem esse. ambulat et ambulans est. 

Quodsi hoc modo et in quantiscumque esse non additur. idem faciet quod 
pro esse dicitur. Ube aber daz esse sus kespröchen ne uuirdet. an sume- 
lichen propositionibus. so häbent ten selben sin. taz tar uüre stät. Ui 
eius quae est ambulat homo. negatio est. non ea quae est ambulai non 

213 homo. sed non ambulat homo. Also duü chiesen mäht. an de/ro sägun. 
ambulat homo. diu mit non ambulat homo gelöugenet uuirdet. näls mit 
ambulat non homo. Nihil enim differt dicere. vel hominem ambulare. 
vel hominem ambulantem esse. An iro gät tir einis ze chedenne. homo 
ambulat. alde homo ambulans est. 

An regula secundum esse et non esse praedicandi. ad possibile transeat. 
Quare si hoc modo in omnibus. et eius quae est possibile esse. negatio est 
possibile non esse. non ea quae est. non possibile esse. videtur idem possibile 
et esse. et non esse. Föne diu ube iz so uären sol an anderen sägon. ih 
meino ube possibile esse geloügenet uuirt. mit possibile non esse. näls 
mit non possibile esse. sö uuerdent siu heidiu uuär an einemo dinge. 
Omne enim. quod est possibile dividi vel ambulare. et non ambulare et non 
dividi possibile est. Uuända an ällen dien dividi unde ambulare uuerden 
mag. an dien mag iz ouh ze leibe uuerden. Ein lachen mag keteilet uuer- 
den. unde ne uuerden. Ter mennisko mag kän. unde ne gän. 

Secundum modum potius possibile praedicari. 

Ratio autem est. quoniam omne quod possibile est. non semper aclum est. 
Aber der ünderskeit ist tär äna. taz tiu so getänen possibilia. nieht in actu 
ne sint. Uwuärin siu in actu. so der himel ist uuanda er sudiböt. so ne 
uuäre is uuchsel. Quare inerit eliam negatio. Fone diu ist in ana nega- 

2144io | samo so affırmatio. Potest igitur et non ambulare quod est ambula- 
bile. et non videri quod est visibile. Also än demo skinet. taz tir gän mag 
unde gesihtig ist. enez mäg. kän unde ne gän. diz mag man sehen. unde 
ne schen. At vero impossibile est de eodem oppositas veras esse dietio- 
nes. Non igitur est ista negatio. Nü ne mag tes nieht sin an dien oppo- 
sitis. taz tie predicationes beide uuär sageen. föne einemo dinge. Pediu 
ne ist nieht posse non esse. löugen des posse esse. Contingit autem ex 
his aut idem ipsum dicere et negare simul de eodem. aut non secundum 
esse vel non esse. quae opponuntur fieri affirmationes pel negaliones. Hin- 
nan geskihet ein uueder so daz peide predicationes föne einemo dinge 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnyegia und weg! £gunveias. 383 


uuär sägent. daz nio ne geskäh. alde sie ne inchedent nieht ein änderen 
nah esse et non esse. ‚Si ergo illud impossibilius est. Ube aber daz ne 


mag sin. daz sie beide uuär sageen. Hoc erit magis eligendum. S6ö ist 


ö 
pezzera sie ze sprechenne secundum modum. tanne nah esse et non esse. 
Est igitur negatio eius quae est possibile est esse. ea quae est non possibile 
est esse. Tero affırmationis tiu dir chit. non possibile est esse. Eadem 
quoque ratio est. et in eo quod est conlingens esse. Etenim eius negatio 
non contingens esse Also begägenet tero affırmationi ouh contingens esse. 
diu negatio non contingens esse. An disen ist io daz &ina uuär. daz ander 
lügi. Et in alüs quidem simili modo. ut in nelcessario et impossibili. Älso 215 
ist ouh an dien anderen negatio ze sezzenne. ih meino an demo necessa- 
rio. unde an demo impossibili. Temo necessario begagenet. non neces- 
sarium. temo impossibili non possibile. Fiunt enim quemadmodum in 
illis esse et non esse oppositiones. subiectae vero res. hoc quidem album. 
illud vero homo. eodem quoque modo hoc loco. esse quidem subiectum sit. 
possibile vero et contingere oppositiones. determinantes quem ad modum in 
illis esse et non esse veritatem. Also an anderen proloquiis. uuilon homo 
uuilon albus. subiecta uuären. unde esse et non esse predicationes uuä- 
ren. so müoz aber an disen esse uuesen subiectum. unde possibile et con- 
tingere predicationes. hier dia uuärheit skeidende. also derit (sic) täten 
esse et non esse. ‚Similiter autem hae etiam. in eo quod est esse possibile. 
et esse non possibile. Tise oppositiones. ih meino näh modo geuuörhte. 
skeident samo uuola dia uuärheit unde Jugi mit possibile et non possibile. 
also derit (sic) tüont an dien simplieibus taz esse unde daz non esse. Ube 
uuir cheden pluviam esse possibile est. so ist pluviam esse subiectum. 
possibile est taz ist predicatum. Cheden uuir äna daz possibile simpliei- 
ter. pluviam esse. ih m&ino sö daz ist. video pluviam esse super terram. 
tanne ist pluvia subiectum. unde ist esse predicatum. 
Ordinatio oppositionum secundum modum. 

Eius vero quae est possibile est non esse. | negatio est non possibile est non 26 
esse. Quare et sequi sese invicem videbuntur. i. possibile est esse et non 
esse. Tero affırmationis possibile est non esse. uuirt kelougenet mit tero 
negatione non possibile est non esse. Föne diu ist öffen daz tiu selba af- 
firmatio possibile est non esse. unde ouh tiu possibile est esse. säment 
ein änderen sint. näls gägen ein anderen. Von enim contradictiones sibi 


384 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


invicem huiusmodi sunt. possibile est esse et possibile est non esse. So ge- 
täne predicationes. ih meino zuö affırmationes sö dieselben sint. tie ne 
uuerdent nieht ein änderen oppositae. ‚Sed possibile esse et non possibile 
esse. numquam simul sunt. opponuntur enim. Aber dise ih meino affır- 
matio unde negatio. ne mügen säment sin. pediu sint sie oppositae. At 
vero possibile non esse et non possibile non esse. numquam simul sunt. 
Uuanda ouh tise ringent. pediu ne mügen ouh sie sament sin. ‚Similiter 
autem el eius quae est necessarium esse. So samo ne uuirt nehein löugen 
dero affırmationis necessarium esse. mit tero affirmatione necessarium 
non esse nube mit tero negatione non necessarium esse. Kius vero quae 
est necessarium non esse. ea quae est. non necessarium non esse. Unde 
dero affırmationis necessarium non esse. uuirt kelöugenet mit tero nega- 
tione non necessarium non esse. Ki eius quae est impossibile esse. non ea 
217 quae est impossibile non esse. sed non impossibile esse. Noh ouh | tero af- 
firmationis impossibile esse. mit tero affirmatione impossibile non esse. 
nübe mit tero negatione non impossibile esse. Kius vero quae est impos- 
sibile non esse. ea quae est non impossibile non esse. Aber dero affırmatio- 
nis impossibile non esse. uuirt kelöugenet mit tero negatione non impos- 
sibile non esse. 
In declarativa parte modum esse. 
Et universaliter vero quemadmodum dictum est esse quidem et non esse 
oportet ponere. quemadmodum subiecta. negalionem vero et affirmatio- 
nem apponere ad unum haec facientem. i. ad modum tantummodo. Ke- 
meinlicho uernim uöne ällen daz suh före gesäget ist. daz tu esse unde 
non esse häben sölt füre subiecta. unde affırmationem ih meino est. ioh 
negationem ih meino non est. sölt tu legen zu demo modo. ter an possi- 
bile ist alde an contingens affırmationem unde negationem mächontemo. 
Et oportet putare has esse opposilas dictiones Unde uone diu suln sie sus 
stän. sus inchedent sie ein änderen. Uuio? Possibile non possibile. con- 
lingens non conlingens. necessarium non necessarium. verum non verum. 
Uuile du verum est löugenen. mit verum non est. taz ne mäht tu bediu 
nieht. uuanda sin negatio ist. non verum non est. 
Hucusque de oppositionibus modorum. nunc de consequentiis eorum. 
215 Et consequentiae vero secundum ordiinem fiunt ita ponentibus. Tie ouh 
gehelle sint unde in ne ein ichent. tie zeigot tiser ordo. Ill enim quae 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnyogiwı und wei Eguunveias. 385 


est possibile esse illa quae contingit esse. Texro sagun possibile est. verbi 
gratia. aliquando esse pluviam. ühet tiu contingit aliquando esse pluviam. 
Et hoc illi convertit. Unde daz kiltit si iro. uuända si iihet ichentero. 
Also possibili uolget contingere. sö uolget possibile demo contingere. Et 
non impossibile esse. non necessarium esse. Unde enen zuein folgent tisiu 
zudi. Uuända daz tir sin mäg taz keburit. unde ne ist nieht unmähtlih. 
nöt ne ist is aber nieht. Tisiu uieriu tüont eina consequentiam. Illi vero 
quae est possibile non esse. et conlingere non esse ca quae est. non impos- 
sibile non esse. et non necessarium non esse. Hier iehent aber zuein än- 
dere zuö. Temo mähtlih ist taz iz ze leibe uuerde. unde demo däz gebu- 
rit daz iz ze leibe uuerde. temo ne ist nieht ünmahtlih taz iz ze l&eibe 
uuerde. unde demo ist ünnöt taz iz ze leibe uuerde. Taz ist änderiu con- 
sequentia. Tlli vero quae est non possibile esse. el mon conlingens esse. 
lla quae est necessarium non esse et impossibile esse. Hier iehent aber 
zuen ändere zuö. Taz tir sin ne mag. unde ne geburit. temo ist nöt. taz 
iz ne si. unde unmahtlih taz iz si. Taz ist tiu dritta consequentia. Ilüi 
vero quae est non possibile non esse. el non conlingens non esse. illa quae 
est necesse esse et impossibile non esse. Hier iehent aber zuein sagon an- 
dere zuö. | Taz ze leibe uuerden ne mäg. noh taz ne geburit taz iz ze 219 
leibe uuerde. taz ist nöte. unde ist unmahtlih taz iz ne si. Teaz ist tiu 
uierda consequentia. Consideretur autem ex subscriptione guemadmodum 
dicimus. An dirro nähscrifte sehe man iz. 


Consequentes. 

Possibile est esse. Contingit esse. 

Non inpossibile est esse. Non necesse est esse. 
Consequentes. 

Possibile est non esse. Contingit non esse. 

Non inpossibile est non esse. Non necesse est non esse. 
Consequentes. 

Non possibile est esse. Non contingit esse. 

Necessarium est non esse. Inpossibile est esse. 
Consequentes. 

Non possibile est non esse. Non contingit non esse. 

Necesse est esse. Inpossibile est non esse. 


Philos.- histor. Abhandl. 1839. Cce 


386 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


Primam et tertiam consequentiam contradietorie predicari perverso modo. 
preter necessaria. 
Ergo inpossibile et non inpossibile sequuntur quidem contradietorie. illud 
0 quod est conlingens et possibile. et non con'lingens et non possibile sed con- 
versim. An dero drittun consequentia stänt mit impossibili. non possibile 
unde non conlingit. an dero £restun stänt mit non inpossibili possibile 
unde contingit. Nü ördenoen die alsus. 
Affırmatio. Inpossibile esse. Contradietio. Non inpossibile esse. Negatio. 
Negatio. Nonpossibile esse. Contradietio. Possibile esse. Affirmatio. 
Negatio. Non contingit esse. Gontradictio. Contingit esse. Affirmatio. 
221 Hier schen uuir die zuö. dien inpossibile | unde non inpossibile conse- 
quentes sint contradietorie stän. unde conversim. Conversim daz chit 
misseuucndigo. uuanda affırmationi uölgent negationes. üunde negationi 
affırmationes. Taz zeigöt er mit tisen uuörten. Jllud enim quod est pos- 
sibile esse. negatio inpossibilis s. sequitur. Possibile daz affırmatio ist ha- 
bit be imo sin consequens. ih meino non impossibile. daz tir ist negatio 
des inpossibilis. Negationem vero affırmatio s. sequitur. Illud enim quod 
est non possibile esse. sequitur illud quod est inpossibile esse. 'Täz ander 
halb stät gägen possibili. ih meino sin negatio non possibile täz habit af- 
firmationem öbe imo. ih meino inpossibile esse. Afjfirmatio enim est in- 
possibile. non inpossibile vero negatio. Uues affırmatio ist si? Taz ist si 
non inpossibilis. 'Tia selbun missecheri habent ouh tiu contingentia. Pe- 
diu uuerdent föne sex predicationibus tres contradietiones. 'Tära nah folle 
sezzen die Eristun consequentiam mit non necesse esse. un (sie) dia drit- 
tun mit necesse non esse. uude sehen übe diu tüen quartam contradictio- 
nem. Taz fersaget er hara nah. 
De necessario alium modum fieri. 
Necessarium vero quemadmodum sit considerandum est. Chisen ouh taz 
22necessarium. Manifestum est quoniam non | eodem modo. sed contrarie 
seguuntur. Necessaria ne hellent nieht tien änderen eontradietorie. nübe 
contrarie. Sie ne sint nieht selbin contraria er meinet taz iro zueio taz 
eina ist contrarium. tes änderis contradicetorio. Täaz contradictorium sez- 
zen in mittemen alsus. Non necesse esse. Necesse esse. Necesse non 
esse. An dero eristun consequentia stät non necesse esse tes contradictio 
ist necesse esse. än dero uierdün demo ist contrarium. necesse non esse. 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnyegia und megi Egunveias. 387 


an dero drittun consequentia. Föne diu ist tiu mitta. contradietoria dero 
einun. contraria dero änderün. Die üzeröstun ne sint ne uueder nöh 
contradictorie noh contrarie. Contradictorie vero extra sunt. Iro bedero 
contradictiones sint üzeren halb tirro zueio consequentiarum. ih meino 
dero €ristun consequentiae unde dero drittun. Von enim est negatio eius 
quod est necesse non esse. non necesse esse. Tise zuö ne löugenent @in 
andere nieht. Contingit enim veras esse in eodem utrasque. Täz skinet 
tär ana. uuanda sie beide uuerdent fünden in einemo dinge. Quod enim 
est necessarium non esse. non est necessarium esse. Tes nöt ist non esse. 
tes ne ist nehein nöt esse. Nöt ist non esse ignem frigidum unde nehein 
nöt esse frigidum. An demo igne sint tie predicationes peide uuär. Nü 
sezzen Ouh tia änderün. unde | dia uierdun consequentiam. tie aristotiles 23 
uber huob hoc modo. 

Affirmatio. Impossibile est non esse. Contradictio. Non impossibile est non esse. Negatio. 
Negatio. Non possibile est non esse. Contradictio. Possibile est non esse. Affırmatio. 
Negatio. Non contingit non esse. Contradictio. Contingit non esse. Affirmatio. 
Hier sint äber dri coniradictiones. Sezzen uuir noh zu diu necessaria. 
üzer dien ne uuirdet tänne nieht contradictio. nüube mer contrarietas in 
hune modum. 

Negatio. Non necesse est non esse. Necesse est esse. Affirmatio. 
Tero ererun predicationis contradietoria tiu hier uersuiget ist. ih meino 
necesse est non esse. diu ist contraria dero änderün. älso iz före füor. 

Huius dissimilitudinis ratio. 
Causa autem est cur non sequantur similiter ceteris. quoniam contrarium 
idem conversum impossibile necessario redditur idem valens. Uwuäz meinet 
taz necessaria nieht contradietorie ne gehellent tien possibilibus? Taz 
meinet uuanda inpossibile geuuchsellötiz unde in uuideruuartiga uuis ke- 24 
spröcheniz eben uilo gemäg temo necessario. Nam si inpossibile est esse. 
necesse est hoc non esse. Si vero inpossibile non esse. hoc necessarium est 
esse. Taz ist ter uuchsel. übe mit inpossibili stät esse. sö stät mit neces- 
sario non esse. älso iz ferit an dero drittün (sic) consequentia. Ube aber 
mit impossibili stät non esse sö stät mit necessario esse. also iz ferit an dero 
uierdün consequentia. Äna den uuchsel ne habint sru neheina consequen- 
tiam. Ter selbo uuehsel uerziret tia uierdun contradietionem. An dien 
aber contradietio uuirdet. tiu ne habent nieht tisen uuehsel. Quare si 
Cce2 


388 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


illa similiter. inpossibile et non haec e contrario. Fone diu geskihet io däz 
uuideruuärtigo übe gelicho uernomen uuerdent. @niz ih meino impossibile 
ichendo. ünde disiu idem necessaria löugenendo. Nam idem significat 
necessarium et impossibile quemadmodum dictum est contrarie. Siu bezei- 
chenent ein uuideruuärtigo gespröcheniu. Nu sezzen in eben alle die 
consequentias mit fier predicationibus alsus. 


Inpossibile esse. contradietorie. Non inpossibile esse. 
Non possibile esse. contradictorie. Possibile esse. 
Non contingit esse. contradictorie. Contingit esse. 

225 Necesse est non esse. contrarie. Non necesse esse. | 


Inpossibile est non esse. contradietorie. Non inpossibile est non esse. 
Non possibile est non esse. contradictorie. Possibile est non esse. 

Non contingit non esse. contradictorie. Contingit non esse. 

Necesse est esse. contrarie. Non necesse est non esse. 
Hier sehen uuir dia causam. diu dia consequentiam machöt. unde äber 
irret tia contradictionem. 

Proponit ipsi sibi quasi forte erraverit. ita collocando consequentias. 
Aut certe impossibile est sie poni necessarii contradictiones. Alde uuäno 
ih süs ne muügen stän contradictiones necessarii. näh t&emo possibili. sö sie 
nü gesezzet sint. uuanda nah possibili stät non necessarium an dero £ri- 
stun consequentia. Uuehselöen. ünde sezzen fure necessarium. daz an 
dero uierdün stät. unde dara näh possibile. daz an dero £ristun stät. 
Nam quod necessarium est esse. possibile est esse. Täz mäg uuöla föne 
diu gelimflih sin. uuanda daz necessarium ist. taz ist ouh tär mite possi- 
bile. Nam si non negatio sequitur. Älde übe imo possibile ne uolget. 
sö uölget imo sin negatio. ih meino non possibile. Necesse est enim aut 
dicere aut negare. Imo söl benöte ein uucder uölgen. possibile alde non 
possibile. Quare si non possibile est esse. quod est inconveniens. Föne 

25 diu. ube necessario possibile | ne fölget. ünde imo äber non possibile 
folget. sö folget imo samint non possibili daz inpossibile. daz uuesen ne 
mag. At vero illud quod est possibile esse. non inpossibile esse sequitur. 
Hoc vero illud quod est non necessarium esse. Nü fölgee necessario daz 
uuir saztön in quarta consequentia. possibile daz uuir säzton in prima. 
temo uolget non inpossibile esse. unde demo non necessarium esse. Also 
uuir där sehen mügen an dien consequentüs. Quare contingit. id quod 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnyegiaı und megi £gunveias. 389 


est necessarium esse. non necessarium esse. Sö ist tänne geskehen contra 
naturam. taz necessarium ist non necessarium. Tär skinet taz possibile 
ne uölget necessario. 
Qualiter translatum non necesse non esse pro contrarietate supra dicta. 
contradictionem faciat. 

At vero neque necessarium esse sequitur possibile esse. neque necessarium 
non esse. Nü ne mäg ouh taz sin. daz possibili uolgee necessarium esse. 
alde necessarium non esse. Jlli enim contingit utraque accidere. Horum 
autem utrumlibet verum fuerit. non erunt illa vera. Taz ist fone diu. 
uuanda possibili geskihet peidiu. i6h posse esse. ioh posse non esse. 
unde sö enero deuuederez uuär uuirdet. ih meino necesse esse. älde ne- 
cesse non esse. sö uuerdent siu beidiu uertiligöt. Fone necesse | esse ze- 27 
gät posse non esse unde föne necesse non esse zegät posse esse. Pediu ne 
hellent (sie) siu in ein. Simul enim. s. contingunt possibile esse et non esse. 
Sin vero necesse esse vel non esse. non erit possibile utrumque. Samint sint 
uuär posse esse unde posse non esse. unde uuända siu sämint sint. pediu 
zegant sin ouh sämint. sö necesse esse chumit älde necesse non esse. Jie- 
linqguitur ergo non necessarium non esse. ei quod possibile est esse. Nü 
mäg äber uolgen possibili taz tir chit non necesse non esse. Taz ist fone 
diu uuanda daz tir sin mäg täz ne häbit tia nöt taz iz ne si. Hoc enim ve- 
rum est et de necesse non esse. Nü ist ouh täz fone necesse non esse 
uuär. Uuäz ist täz? Haec enim fit contradictio eius. Taz eniu predica- 
tio non necesse non esse. iro contradictio ist. Quae sequitur non possi- 
bile esse. Diu selba ih meino necesse non esse. stät mit non possibile an 
dero fölgendun descriptione. Jllud enim i. non possibile esse sequitur 
hoc quod est inpossibile esse et necesse non esse. cuius negalio non necesse 
esse non esse. So lihet (sic) aber diu non possibile esse. demo inpossibili 
obenän. unde demo. selbin necesse non esse nidenän. daz enero lougin 
ist. ih m&ino non necesse non esse. Sequuntur igitur et hae contradictio- 
nes secundum predietum modum. An süs ketänero ordinatione. mächont| 
tiu necessaria sämo uuoöla contradiclionem samo diu possibilia. Et nihil 2 
inpossibile contingit sie positis. Unde neist nieht üngelichis tien anderen 
eontradictionibus. sö man die consequentias sus sezzet. Täz leret unsih 
(sic) tisiu descriptio. 


390 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


Affırmatio. Inpossibile esse. Contradictio. Non inpossibile esse. Negatio. 
Negatio. Non possibile esse. Contradictio. Possibile est esse. Affırmatio. 
Affırmatio. Necesse est non esse. Contradictio. Non necesse est non esse. Negatio. 


Hinnän skinet taz possibili peidiu gehellent iöh non necesse esse. iöh non 
necesse non esse. 
Item questio an possibile necessario consentiat. 
Dubitabit autem aliquis. si illud quod necessarium est possibile esse sequi- 
tur. Zwiuel mäg ouh sin ube possibile gehelle necessario. Nam si non 
sequitur. contradictio sequitur non possibile esse. Übe possibile imo ne 
gehillet. sö gehillet imo aber sin lougen. non possibile esse. Et si quis 
non hanc dicat esse contradictionem. necesse est dicere possibile non esse. 
Ünde ne gibet er imo den löugen sö gibet er aber disen. i. possibile non 
esse. ‚Sed utraeque falsae sunt. 'Tiu sint kelögen beidiu. | Ter possi- 
bili uersäget ten löugen non possibile. ter liuget ter imo 6uh ten säget 
possibile non esse. ter liuget äber. Uuile ouh ioman striten daz non pos- 
sibile necessario uolgee. Uuaz keskihet (sie) tanne? Däz non posse. samint 
necessario si. Tes ne mäg nieht sin. Übe er imo ouh füoget possibile 
non esse. däz ist samo üngelimfe. Tes kibet er ni exemplum. At vero 
rursus idem videtur esse possibile incidi et non incidi. et esse et non esse. 
Nü mäg 
sen iöh ne uuesen. Quare eril necesse esse conlingere non esse. Ze dero 
uuis keskihet (sie) taz tes nieht ne si. daz töh nöte ist. Hoc autem falsum 


ein ding peidiu uuerden. uerseröten iöh ünuerscröten. unde uue- 


est. Taz ist kelogen. daz iz penote süle uerseröten uuerden unde döh 
muüge unde ne müge uerseröten uuerden. 

(Juae creaturae habeant posse et non posse et quae non habeant. 
Manifestum est autem quoniam non omne possibile vel esse vel ambulare. 
et opposita valet. Uuir uuizen (sie) daz alliu possibilia. sö daz ist possibile 
esse alde possibile ambulare. nieht ne uuerdent non possibilia. Sed est in 
quibus non est verum. Etelichiu sint an dien non possibile lügi ist. Ei 
primum quidem in his quae non secundum rationem possunt. Ällero meist 

>» än dien. diu posse habent äna uuizze. Ut ignis calefactibilis. | Älso fiur 
prennen mag. Et habet vim inrationabilem. Unde dia mäht habit iz 
uuizzelösiz. Iz häbit posse calefaciendi äna non posse. Ergo secundum 
rationem potestates ipsae eaedem plurimorum contrariorum i. opposito- 
rum sunt. Tär uuizentheit ist. tär sint peide mähte. faciendi iöh non 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnysgiau und regi Eoumveias. 391 


faciendi. Homo medicus mäg curare. er mäg ouh non curare. Inrationa- 
biles vero non omnes sed quemadmodum dictum est. ignem non esse possibile 
calefacere et non. Diu rationis tärbent. tiu ne habent nieht alliu mähte tüen- 
nis unde ne tuennis. älso fiur nieht peide mähte ne häbit prennennis unde ne 
brennennis. ec quaecumque alia semper agunt. Noh tero neheinemo ne ist 
samint ana posse unde non posse. dia io daz &ina tüont. also fiur io premnit. 
Aliqua vero possunt et secundum inrationales potestates simul quaedam Op- 
posita. Nü sint (sic) töh etelichiu inrationalia tiu beidiu gemügen. iöh uuer- 
den iöh ne uuerden. tölen unde ne doölen. älso uuin mag uuerden ünde ne 
uuerden. unde ein hüt uersniten uuerden unde ne uuerden. Sed hoc quidem 
ideirco dietum est. quoniam non omnis potestas oppositorum est. Föne diu 
sprah ih täz föne dien. diu in actu sint. fone diu liez ih | tiu uore. uuanda 
älle mähte. oppositorum nieht mähtige ne sint. Taz fiur mäg taz eina dero 
oppositorum. äna daz änder. ee quaecumque s. possibilia secundum ean- 
dem speciem dieuntur. Unde dü uuizist. taz alliu possibilia nieht &inis speciei 
ne sint. Siu ne sint nieht ein dero rationalium sö der medieus ist. nübe 
öuh inrationabilium. sö daz fiur ist unde daz man uerskepfen mäg. 
Non uno modo diei possibile. 

Quaedam vero possibilitates equivocae sunt. Suüumeliche mähte. sint unge- 
licho geheizene. Possibile enim non simpliciter dieitur. Taz ist fone diu. 
uuända maht ze &inero uuis kesprochen ne uuerdet (sie). ‚Sed hoc quidem 
quoniam verum est. ut in actu. Nube dannän uuirt sümelichiu gespro- 
chen. daz si uuär ist föne täte. Ut possibile est ambulare quoniam actu 
est quoniam dieitur possibile. Älso an demo skinet. täz fone diu gät 


uuända iz kän mäg. unde an dero täte tiu mäht skinet. Illud vero quod 


g- 
Jorsitan agit ut possibile est ambulare. quoniam ambulabit. Anderiu maht 
ist tes taz noh tüon sol älso des ist. täz kän mäg. sö iz uuile. 

Solutio prioris quaestionis id est cui possibili necessarium conveniat. | 
Et haec quidem inmobilibus solis est potestas. illa vero et in immobilibus. 
Tiu mäht faciendi et non faciendi. diu ist an dien lebenden. äber diu 
echert faciendi diu ist an dien ünlebenden. In utrisque vero verum eril 
dicere. non impossibile esse ambulare vel esse. An io uuedermo chit man 
uuärhäfto. däz iz müge gän unde uuesen. Et quod ambulat iam et agit. 
et ambulabile. Ih meino ich täz nü io äna (sic) gät. ioh taz kän mäg. Sic 
igitur possibile non est verum de necessario simpliciter dicere. alterum autem 


231 


pn 


392 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


verum est. SÖö getän possibile. i. faciendi et non faciendi. taz ne gehillet 
nieht necessario. Taäz Echert faciendi possibile ist. taz kehillet necessa- 
rio. Quare quoniam partem universale sequitur. Fone diu. uuanda parti 
totum uolget. verbi gratia där homo ist. tär ist animal. Jd quod ex ne- 
cessitate est sequitur posse esse sed non omnino. 'Tannän uolget necessario 
daz posse. Där necesse ist tär ist posse. Iz ne gät aber nieht ümbe. so 
uuär posse ist. taz tär mitte si necesse. 
Item de ordine consequentiarum. 
Et est quidem Jortasse principium quod necessarium est. et quod non ne- 
cessarium est. omnium vel esse vel non esse. Unde uuola mäg keskehen 
däz necesse ünde non necesse höubet sulen uuesen ällero dero änderro 
23 consequentiarum ih meino | possibilium esse vel non esse. Et alia qui- 
dem quae ad modum horum consequentia considerare oportet. Ünde ne- 
cessariis före ständen. diu änderiu sulen uuesen ungeuolgig. 

Potestatem ordine temporis necessitatem naturae dignitate precedere. 
Manifestum autem. ex his quae dicta sunt. quoniam quod ex necessitate 
est secundum actum est. Hinnän skinet. 14z io nöt in täte ist. Taz io 
benöte ist. Also fiur benöte heiz ist. täz tiot 6uh io. iz prennet io. 
Quare si priora sunt sempilerna s. non sempiternis. et quae aclu sunt. 
potestate priora sunt. Fone dıu. übe sempiterna. ih meino diu himiliskin 
eliu Euuiga tät habent äna uuchsel. forderören sint non sempiternis. sö 
söl ouh tiu tät tero non sempiternorum. förderöra sin iro potestate. Ei 
haec quidem sine potestate actu sunt. ut primae substantiae. 'Taz chido ih 
fone diu. uuanda sumelichiu ding sint än dero täte. äna dia maht tes non 
faciendi. sö divinae substantiae sint. Sie häbent in actu bonum. Haäbetin 
sie potenliam non agendi bonum. däz uuäre impotentia. Alia vero sunt 
acltu cum possibilitate. quae nalura priora sunt tempore vero posteriora. 
Sö sint änderiu ding. tiu dia tät häbent sämint tero mähte. tero tät ist 

»ınatürlicho förderöra. iro mäht ist äber älteröra. Tiu mäht | fabricandi 
domum gät före tära nah folget tiu tät. Toh £niz Erera si. diz ist tiu Crera. 
uuanda diu mäht efficiendi. ne ferfähet nieht äna dia effectum. Alia vero 
numqguam sunt actu. sed potestate solum. Sümelichiu ne häbent tia tät. 
nübe echert tia maht. Numerus ne ist nieht in täte infinitus. er mäg aber 
uuerden infinitus. Decem alde centum ne sint infiniti. sie mügin aber 
uuahsen in infinitum. 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnyogieı und megi Eguunveias. 393 


Explicit de propositionibus secundum modum dictis. Aliud thema 
inchoat. id est questio. utrum propositae rei negatio vel magis 
affırmatio contraria sit. 

Utrum autem contraria est affirmatio negationi. et oratio orationi. quae 
dieit quoniam omnis homo iustus est. ei quae dicit nullus homo iustus est. 
an ea quae est omnis homo iustus est. ei quae est omnis homo iniustus est. 
Callias iustus est. callias iustus non est. callias iniustus est. quae horum 
contraria est’? Uwuaz ist tero affırmationi uuideruuärtig. tiu dir chit män- 
nolih ist reht. uuedir diu affırmatio mannolih ist ünreht. alde diu negatio. 
nioman ne ist reht? Ist tero affırmationi callias ist reht män. diu affır- 
matio uuideruuärtig callias ist ünreht man. älde diu negatio. callias ne ist 

nieht reht man? Nam si ea quae sunt in voce. sequuntur | ea quae sunt 35 
in anima. Sint tiu uuideruuärtig in redo. diu uuideruuärtig sint in müote. 
Illie autem contraria est opinio contrarü. ut omnis homo iustus. ei quae 
est omnis homo iniustus. Unde ube där uuideruuärtig ist. ter uuän daz 
männolih reht si. d&mo uuäne. daz männolih ünreht si. Etiam in his af- 
‚Jirmationibus quae sunt in voce. necesse est similiter se habere. So uerit iz 
ouh durh nöt. an dero redo. Quod si neque illie contrarü opinatio. con- 
traria est. Ube äber in demo müote. der uuän dero einun affırmationis 
uuideruuärto ne ist sines uuideruuärten. ih meino des uuänes tero ände- 
rün affırmationis. ec affirmatio affirmationi erit contraria. sed ea quae 
dicta est negatio. S6 ne uuirdet tana mer an dero redo. daz ein affırmatio 
uuideruuartig si tero anderün. nmube diu negatio. Id est nullus homo iu- 
stus est. uuideruuallöt tero affırmationi omnis homo iustus est. 

Non universalem prius opinionem aggreditur. ut perveniat ad 
universalem. 

Quare considerandum est. Fone diu ist ze sehenne. Cui falsae opinioni. 
pera opinalio contraria est. Uuedermo lükkemo uuäne, uuärer uuän uui- 
deruuärtig si. Uuärer uuän ist. taz ter güoto güot si. Tära | gägene 2% 
sint tie zuene lukke. täz ter güoto güot ne si. alde er übel si. Uuedermo 
ist er uuideruuärtig? Utrum negationi. Uueder demo slehten löugene 
daz er güot ne si. An certe ei quae contrarium opinatur. Älde demo 
uuideruuärtigin daz er übel si. Dico autem hoc modo. Est quaedam 
opinatio vera boni quoniam bonum est. alia vero quoniam non bonum 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Ddd 


394 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


‚falsa. alia vero quoniam malum. Quae horum contraria est verae? Uue- 
der diu uersägenta propositio. daz tir ist. alde diu sägenta. däz tir ne ist. 
uuideruuällöt tero sägentün daz tir ist? Et si est una. secundum quam 
contraria? Unde übe zueio uersägentero propositionum @in significatio 
ist. uuederiu dero ist contraria? Uuederiu ist tero propositioni dies. est. 
uuideruuartig. tiu dir chit nox est. alde non est dies? Sie bezeichenent 
ein. 
De falsa opinione quae oritur a contrariis. 
Nam arbitrari contrarias opiniones diffiniri in eo quod contrariorum sunt 
‚felsum est. 'Ter dir uuänit uuesen contrarias opiniones. tie föne contra- 
riis sint. ter ist petrögen. Boni enim quoniam bonum est. et mali quo- 
niam malum est. Also die uuäna fone contrariis sint. taz man güuot uuä- 
nit uuesen daz küota unde übel uuesen daz ubela. Eadem fortasse opi- 
nio. et vera sive plura sint. sive una. Mag keskehen daz ist Echert @in 
2 uuän | ünde uuärer uuän. sö er ein uuän si. alde ne si. Iz mag ein uuän 
sin. uuanda ein uuärheit in beiden ist. So uueder iz si. uuär ne ist io 
nieht uuideruuartig uuäre. 
Falsae opinionis destructio. 
Sunt autem ista contraria s. quae in opinione sunt. Nü sint ofto uui- 
deruuartig tiu in männis uuän chomint. Sed non in eo quod contrariorum 
sunt. Ni doh nieht umbe daz. taz sie uone uuideruuartigen chömen sint. 
Sed magis quod contrarie. Nube dännan. daz sie uone einemo dinge in 
uuideruuartiga uuis denchent. sö daz ist. übe man güot pediu ahtont 
uuesen guot ioh übel. 
Opinioni de bono quoniam bonum sit. oppositam et contrariam esse 
quae est de bono. quoniam non bonum sit. 
Si ergo est boni quod bonum est. \Vbe ein uuän ist föne güotemo daz iz 
küot si. Opinatio est autem quoniam non bonum est. Unde änder uuän 
ist. taz iz ne si. daz iz toh ist. ih meino daz iz küot ne si. nöh honestum. 
noh utile noh expetendum. Est autem quoniam aliud aliquid quod non 
est. neque potest esse. Unde der dritto uuän ist. daz iz si. daz iz.ne ist. 
noh uuesen ne mag. ih meino daz iz übel si. alde iz quantitas si. alde iz 
aliquid si. alde änderiu diu infinita sin. Alorum nulla ponenda est s. 


contraria rec quaecumque esse quod non est opinantur. neque quaecum- 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnysgias und wegi Egunveias. 395 


que non esse quod est s. praeter oppositam. Sö ne ist temo unäne daz 
taz küota güot si. tero mänigon nehein uuideruuartig. tie iz ähtont uu6- 
sen daz iz ne si. alde ne uuesen daz iz ist. äne sin oppositum. Infinitae 
enim | uiraeque sunt. et quecumque esse opinantur quod non est. et nom 233 
esse quod est. Tero uuäno ist ünende die iz ahtont uuesen daz iz ne ist. 
alde ne uuesen daz iz ist. Sed s. opposita in quibus est fallatia. s. prima. 
Opposita sint io contraria. Föne dien chöment tie lügi. älso daz ist. taz 
man güot uuänit ne uuesen küot. 'Temo uuäne uolgent tise uuäna. daz 
bonum ne si honestum. unde iz ne si utile. noh appetendum. tie ne sint 
nieht uuideruuartig tEmo. daz man uuänit taz küota uuesen gliot. uuanda 
sie imo opposita ne sint. Uuän uone güotemo. daz iz küot ne si. ist uul- 
deruuartig temo uuäne daz iz küot si. Hace autem s. fallatia. ex his ex 
quibus sunt generationes. Si ist tannan. dännan älle geburte sint. Ex 
opposilis generationes quare etiam fallacia. Fone oppositis sint alle ge- 
burte. sö ist ouh tiu lükki. Foöne unsuozemo uuirt süoze. föne ünher- 
temo uuirt herte. föne unsuärzemo uuirdet suarz. Uuännan mähtin siu 
uuerden äne uöne iro oppositis? Uuio mahti süoze uuerden uöne uui- 
zemo. alde uöne hertemo? Uuio mag ouh fallacia uuerden uone täge? 
alde uöne naht. alde fone änderen diu iro opposita ne sint? Fone con- 
tradictione veritatis uuirt fallacia. Prima fallacia ist. taz man uuänit alde 
chit ein ding ne uuesen daz iz ist. tiu ist uuideruuärtig t&emo uuäne. ter iz 
ahtot uuesen daz iz ist. Uuända die zuene uuäna oppositum mächont. 
pediu ist fallacia in oppositis. | 
Item validius argumentum de eadem re. 239 

Si ergo quod bonum est. bonum et non malum est. et hoc quidem secun- 
dum se. illud vero secundum accidens. Übe daz küota güot ist. unde 
übel ne ist. sö ist imo einez aAnaburte. tiz ist imo zu geslüngen. Aecci- 
dit ei malum non esse. lImo ist taz chömen daz iz übel ne si. Magis 
autem in unoquoque est vera Ss. oppinio quae secundum se est. Nü ist ter 
uuän io uuärera. ter änaburtiges tingis ist. tänne der zügeslungenis tin- 
gis si. Eiliam falsa. si quidem vera. ÜUbe der uuäro sö ist. tanne ist 
6uh ter lüukko sö. Id est falsa oppinio quae secundum se est. fallacior 
est illa falsa quae secundum accidens est. Ergo ea quae est quoniam 
non est bonum quod bonum est. secundum se consistens falsa est. Ter 


Ddd2 


396 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


uuän ter daz küuota uuänit ne uuesen güot. ter ist änaburtigis tingis lukke. 
Illa vero quae est. quoniam malum est. eius quod est secundum accidens. 
Ter aber daz küota zihet ubelis. ter ist fölgentis tingis unde zügeslünge- 
nis. Quare magis erit falsa de bono. ea quae est negationis opinio. 
quam ea quae contraria est. Fone diu ist ter uuän Jukkero tär negatio 
boni äna liutet. ih meino quoniam bonum non est bonum. danne der si. 
där malum ana liutit. ih meino quoniam bonum malum. Malum ist io 
contrarium bono. 
Revertitur. ut ex his praemissis. faciat questionis 
solutionem. 
Falsus autem magis circa singula. qui habet. i. hie habet contrariam 
opinationem. 'Ter an dingolichemo der lukkero ist. ter habet geuängen 
z0an den uuideruuarltigen uuän. Contraria enim sunt eorum quae pluri- 
mum circa idem differunt. 'Tiu sint io uuideruuartig. tiu an einemo 
dinge sih härtöst skeident. also uuiz unde suärz tüont an dero uäreuuo. 
Quod si horum contraria est altera. Übe &in uuederiu uuideruuarlig ist. 
ih meino diu dir chit. bonum non bonum. alde diu dir chit. bonum ma- 
lum est. Magis vero contraria contradietionis. Unde ube diu uersä- 
genta härtor uuideruuartig ist. ih m&ino quoniam bonum non est bonum. 
Manifestum est quoniam haec erit contraria. Sö skinet taz si heizen sol 
contraria. Jlla vero quae est quoniam malum est quod bonum. implicita 
est. i. non simplex est. Ter uuän daz küot ubel si. ter ist zuisker. Et- 
enim quoniam non bonum est. necesse est id ipsum opinari. Uuända där 
mite uuänit er iz ouh ne uuesen güot. Pediu ist ter slehto uuän sleh- 
temo uuideruuartig. Sid taz sö ist. taz t&emo uuäne der daz küota chit 
uuesen güot uuideruuartig ter ist. ter iz chit ne uuesen güot. mer danne 
der iz chit uuesen ubel. sö ist ouh penöte demo uuäne ioh tero redo 
omnis homo iustus est uuideruuartig ter uuän unde diu r&eda nullus homo 
iustus est. mer danne omnis homo iniustus est. 
Roboratur sententia exemplo. 
Amplius. Fernim nöh. Si etiam in alüs similiter oportet se habere. et 
hic videtur esse bene dietum. Ist 6uh an änderen uuänen härtor uuider- 
uuartig contradictio danne contrarii affırmatio. sö habo ih hier rehto ge- 
zit saget. Aut enim utique s. magis coniraria est ea quae est conltradictio- 


der aristotelischen Abhandlungen: narnyogiaı und megi £gunveias. 397 


nis. aut nusquam. Iz söl uberal sö uären. daz ter uuän contradictionis 
si uulderuuartig. alde niener. Quibus vero non est contraria. de his est 
quidem falsa. ea quae est vere opposita. Tiu contrarium ne habent. also 
homo ne häbet. fone dien uuirdet lükke. der uuidersagento uuän. Ut 
qui hominem non putat esse hominem falsus est. Also der uuän lükke 
ist. ter den mennisken ne uuänit uuesen mennisken. Si ergo hae con- 
irariae sunt et aliae contradictiones. Sint tise zu@ne uuäna uuideruuar- 
tig. uuanda an in contradictio ist. sö uerit iz Ouh tär sö. tär ändere con- 
tradictiones sint. 

Opiniones quae simul verae sunt non posse contrarias 

fieri. 

Amplius. Fernim ouh. sSimiliter se habet boni quoniam bonum est. et 
non boni quoniam non bonum est. Tie zuene uuäna sint eben geuuäre. 
daz küot küot si. unde üngüot küot ne si. Et super has boni quoniam 
non bonum est. et non boni quoniam bonum est. Unde där mite sint 
eben lukke die zuene. daz küot küot ne si. unde ungüot küot si. 
Ilü ergo verae opinioni quae est non boni quoniam non bonum est. quae 
est contraria? Uueler ist temo uuäne uuideruuartig daz ungüot küot ne 
si? Non enim ea quae dicit quoniam malum est. 'Taz ne mag ter nieht 
sin. ter ungüot chit übel sin. ‚Simul enim aliquando erit vera. Föne diıu 
ne mäg er. uuanda sie samint mügen uuär sin. Uuer zuuiuelöt uuanda 
ungüot küot ne ist. iz ne müge ubel sin? ANumquam vera verae contra- 
ria est. Niomer ne | uuirt uuär uuäre uuideruuartig. Est enim quiddam 2 
non bonum malum. Unguüot ist uuilon übel. Quare contingit simul esse 
veras. Fone diu uuerdent sie sament uuär. At vero nec illa quae est 
non malum. Noh ter. der ungüot chit ne uuesen übel. Simul enim et 
haec erunt. Uuända öuh tie säment uuär uuerdent. Also daz küot noh 
übel ne ist. ube män äna durfte prichet aba boume &in loub. Helinqui- 
tur ergo ei quae est non boni quoniam non bonum. contraria ea quae est 
non boni quoniam bonum. Fone diu ist temo uuäne daz ungüot küot 
ne si. uuideruuartig ter uuän. daz unguot küot si. Quare et ea quae est 
boni quoniam non bonum. ei quae est boni quoniam bonum. Sö ist ouh 
ter. daz küot küot ne si. demo daz kuot küot si. 


398 Grarr: Althochdeutsche Übersetzung und Erläuterung 


Universaliter propositionum contraria fieri simili modo sicut 
non universalium. in quo soluta sit 
questio. 
Manifestum est autem quoniam nihil interest nec si universaliter pona- 
mus affirmationem. Tisemo gelicho u£rit iz 6uh tänne. ube uuir sezzen 
den alelichen uuän. MHuic enim oppinioni ut est quae opinatur. quoniam 
omne quod est bonum bonum est. contraria ea erit universalis negatio 
quae est nihil horum quae bona sunt bonum est. Uuända demo uuäne 
daz ällero güotelih güot si. ist ter uuideruuartig. daz nehein güot küot 
ne si. Nam ei quae est boni gquoniam bonum si universaliter sit bonum. 
ea est quae opinatur quiequid est bonum. quoniam bonum est. Uuile 
23dü den uuän daz küot küot si ällelicho | sprechen sö chist tü äller güo- 
telih got uuesen. Similiter autem et non bono. Älso mäht tü den uuän 
daz küot küot ne si. mächon ällelichen chedendo. daz nehein güot 
küot ne si. Quare si in opinione se sic habet. s. ut sit ipsa opinio uni- 
versalis et contraria. Föne diu ube iz so ist an demo uuäne. daz er 
allelih si unde uuideruuartig ändermo. Sunt autem hae quae sunt 
affirmationes et negaliones noltae eorum. i. eorum passionum quae 
sunt in anima. Saga sint io offenunga des wuänis. unde dero ge- 
däncho. Manifestum est quoniam etiam affirmationi universali con- 
traria quidem negalio uniyersalis circa idem. Sö uuirdet tännan ih 
meino föne dero uuideruuartigi des ällelichen uuänis. samo uuider- 
uuarlig ein ällelih saga änderro. Üt ei quae est omne bonum bonum 
est. vel omnis homo bonus est. ea quae est vel quoniam nullum vel 
nullus. Also der ällelichun redo daz äller güotelih küot si. diu reda 
uuideruuartig ist. daz nehein güot küot ne si. alde ouh tero daz män- 
nolih kuot si. tiu uuideruuartig ist daz nehein man küot ne si. Con- 
tradictoriae autem. aut non omnis homo. aut non omne. ÜUbe aber 
non omnis. tär stät fure nullus. sö sint sie contradietoriae. nals con- 
trariae. Manifestum est autem quoniam et veram verae non conlin- 
güt esse contrariam nec opinione nec contradictione. Niomer ne geski- 
het @inen uuän uuärin alde &ina sägun uuära. änderen uuären uui- 
244 deruuartig uuerden. Contraria enim sunt quae circa | opposita sunt. 
Taz skinet tär äna uuända älliu contraria sint opposita. ÖOppositio ist 


der aristotelischen Abhandlungen: zarnyegiu und megi Egunvsias. 399 


iro genus. Circa eadem autem contingit verum i. duo vera dicere 
eundem. s. quod in oppositis impossibile est. Sö geskihet eteuuen 
uuär sägen. über säget einemo dinge zudi äna sin. So turpitudini ana 
ist ut bona non sit. et mala sit. taz in oppositis nio geskehen ne mäg. 
Simul autem non contingü eidem inesse contraria. Fone diu ne muü- 
gin ouh contraria uuesin an enemo (sic) dinge. uuanda iz iro genus 
ne mag. 


Explicit. 


— I — 


Zur Geschichte der italienischen Poesie. 


Von 
Hr RANKE. 


nm 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 5. November 1535.] 


| Ker wird nicht leicht jemand eine Nazion oder eine Zeit zu ken- 
nen glauben, wenn er nicht neben den Handlungen die sich in Staat und 
Kirche, in Krieg und Frieden ereigneten, auch die man darf wohl sagen 
unmittelbareren, von Bedingungen freieren Äufserungen ihres Geistes in 
Litteratur und Kunst erwogen hat. 

Dies ist nicht so schwer, wenn man Nazionen betrachtet deren Dasein 
sich dem Naturzustande nähert. Mit der Poesie, die ihnen, als ein Ausdruck 
ihrer Sinnesweise, Erinnerungen und Wünsche, fast von selbst kommt, mit 
der feststehenden nur ein Überkommenes überliefernden, nicht immerfort 
suchenden Litteratur, die ihre Priester inne haben, können solche lange 
haushalten. Die Poöten mögen blühen und sterben, neue Hervorbringungen 
aufkommen und die alten vergessen werden: der Unterschied wird niemals 
sehr bedeutend sein: immer wird derselbe Baum gleichartige Früchte tragen. 
Aus dem eingebornen Sinn der Nazion und dem grofsen Umrifs ihrer Schick- 
sale ist am Ende alles zu erklären. 

Da aber wo das Leben ist, wechseln die Weltalter.— Ich weifs nicht, 
ob irgend noch ein ander Mal eine solche Umwandelung eintrat, in einer so 
kurzen Periode so durchgreifend und vollständig, wie diejenige ist welche 
das Mittelalter von der modernen Zeit trennt. Ein Gefühl derselben dringt 
sich bei der ersten Bekanntschaft auf. Je mehr man eingeht, desto deut- 
licher nimmt man eine andere Welt der Gedanken wahr, eine abweichende 
Form des Ausdrucks, einen verschiedenen Kreis und Zusammenhang jener 
geistigen Tendenzen welche alle Hervorbringung beherrschen, einen andern 
Himmel, wenn wir so sagen dürfen, und eine andere Erde. 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Eee 


402 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


Es wäre unstreitig ein sehr würdiges und Ruhm versprechendes Unter- 
nehmen diese Umwandelung allseitig und in ihrem innern Gange zu beob- 
achten; allein in demselben Grade ist es auch schwierig und weitaussehend. 
Wer will es wagen das Werden zu beschreiben? wer will den Quellen des 
geistigen Lebens und den geheimen Zuflüssen seines Stromes, den Lauf des- 
selben entlang, nachforschen? 

Zunächst mag es wohl erlaubt sein mit Beobachtungen die man in 


8 
einem beschränktern Kreise, an einem einzelnen Zweige gemacht hat, her- 
vorzutreten; wie das hier meine Absicht ist. 

Man weifs, dafs in den literarischen Bewegungen des funfzehnten und 
sechzehnten Jahrhunderts am frühesten die italienische Poesie sich ausbildete, 
und dafs es vornehmlich die erzählende Gattung war, in welcher sie zu einer 
anerkannten Vollkommenheit gelangte. Da gerade diese Gattung den Stoff 
des Mittelalters ergriff und ihn bis zu der Form brachte die man in neuern 
Zeiten elassisch genannt hat, so scheint es mir der Mühe werth eben sie ins 
Auge zu fassen und die Veränderungen zu beobachten, die an ihrer Art und 
Kunst allmählig hervortraten. 

Ich will in dieser Absicht von einem alten Buche ausgehn, welches 
Sirn und Manier des Mittelalters besonders deutlich vergegenwärtigt, und 
wie es durch eine eigenthümliche Lebenskraft sich noch bis jetzt unter dem 
Volke erhalten hat, so die Grundlage zu vielen andern romantischen Wer- 
ken geworden ist: von den Mteali di Francia. Ich versäume biebei um so 
weniger zugleich von den bisher unbekannt gebliebenen und für verloren 
gehaltenen spätern Theilen dieses Werkes Nachricht zu geben, da der Inhalt 
desselben auch an sich alle Aufmerksamkeit verdient. 


REALI DI FRANCIA. 


Nicht eigentlich nemlich jene genealogische Heroenfabel von dem Ge- 
schlechte französischer Könige, welche der Titel andeutet, noch auch, wie 
in ähnlichen Büchern, eine Reihe ritterlicher Abenteuer allein, sondern — 
um meine Überzeugung ohne Weiteres auszusprechen — eine eingebildete, 
fantastische Historie der Ausbreitung des Christenthums, die indefs mit jener 
Fabel auf das genaueste verknüpft ist, macht den Gegenstand der Reali aus. 

Es wird eine Zeit angenommen in welcher es in Rom einige Christen 


gab, unter Papst Silvester, die jedoch eben vertrieben wurden, andere in 


Reali di Francia. 403 


England und Irland, noch andere, wie es hier heifst, gegen Indien hin, in 
welcher aber sonst die ganze Welt, Europa wie Asien und Africa, im Besitz 
von Heiden und Saracenen war. Diese beten ihre Götter, Apollino, Maho- 
met, Jupiter, Trivigante, Belfagor, an: auf das seltsamste, wie man sieht, 
ist ihr Bekenntnifs zusammengesetzt: ihnen opfern sie ('). 

Wenn nun erzählt werden soll wie das Christenthum ausgebreitet 
worden, sollte man erwarten dafs man von Missionen und Lehre zu hören 
bekommen würde. Jedoch daran wird kaum gedacht. Die Ausbreitung ge- 
schieht durch das Schwert und die Waffen. Die Prinzen von Frankreich, 
schon bei ihrer Geburt auf der Schulter mit dem Kreuze gezeichnet, sind 
durch höhere Fügung sie ins Werk zu setzen bestimmt. 

Nachdem Kaiser Constantin durch Silvester von dem Aussatz geheilt 
worden ist, das Christenthum angenommen, die Leiber Peters und Pauls 
aufgefunden und den Grundstein zu den Kirchen dieser Apostel gelegt hat 
— dies ist nur die Vorbereitung — geschieht es ‚‚um grofser Geheimnisse 
Gottes willen’ dafs sein Sohn Fiovo von dem Hofe fliehen mufs. Schon im 
Walde bei Corneto wird derselbe mit der Fahne Oriflamme ausgerüstet, 
welche die Verheifsung des Sieges hat alle Mal sobald sie nicht gegen Chri- 
sten fliegt. Er überwindet und bekehrt sofort Mailand: doch darf er diesseit 
der Alpen nicht weilen. In einer Provinz von Frankreich, genannt Sansogna, 
erwirbt er durch grofse Waffenthaten ein Reich, das er unverzüglich christ- 
lich macht, und eine Gemahlin: gar bald hat er Anlafs weiter zu gehn: er 
erobert Paris und läfst ganz Frankreich taufen: hierauf erhebt er sich wider 
das Reich Darbena an den deutschen Grenzen: er schlägt die Deutschen, 
die sich dort versammeln ‚‚wo Rhein und Donau entspringen”, trotz ihrer 
Tapferkeit, und nöthigt ihnen Christenthum und den Eid des Gehorsams auf 
hundert Jahr auf. Dergestalt erobert er einen Mittelpunet christlicher Län- 
der, hauptsächlich in Deutschland und Frankreich, und fast sollte es schei- 
nen als wäre in diesem Flavier eine Erinnerung an die Thaten Chlodwigs 


und seiner nächsten Nachfolger übrig. 


(') Man erinnert sich, dals Herzog Conrad von Masovien, als er den deutschen Rittern 
den Kampf gegen die heidnischen Preufsen übertrug, ihnen alles überliels was sie diesen 
„Saracenen” abgewinnen würden: quidquid de personis vel bonis omnium Saracenorum adi- 


pisci potuerint. Sogar in Urkunden drang denn jene Vermischung ein. 
Eee 2 


404 Raske: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


Ein solcher Fortgang aber setzt die gesammte Heidenschaft in Schrek- 
ken, und in unzählbaren Schaaren kommen sie, Rom ‚‚das einst die Frau 
und das Haupt der ganzen Welt war” zu erobern. 

Hierauf ist nun ausführlich zu lesen wie Fiovo mit seinen Vasallen 
und seinen Kindern vornehmlich durch die Tapferkeit des ersten Paladins 
von Frankreich, Riccieri, der aus dem Blute der Scipionen stammt, in langen 
Schlachten Rom errettet, wie alsdann sein Enkel Fioravante unter den man- 
nigfaltigsten Abenteuern zwei Reiche, die mit Darbena enge verbündet ge- 
wesen, Scandia und Balda, sich unterwirft und bekehrt, wie endlich dessen 
Sohn Gisberto das Christenthum in Oberitalien behauptet. Es scheint das 
den ersten Theil dieser ganzen Fabel auszumachen, der bis in das dritte 
Buch der Reali reicht. 

Sogleich hierauf nemlich werden wir in andere Länder geführt und 
andere Helden treten hervor. 

Völker, welche, wie es hier heifst, Sonne und Mond anbeten, haben 
England erobert und die Herren daselbst vertilgt. Gegen sie erhebt sich 
Bovetto, der zwar auch jenem Geschlecht zugehört, aber aus einer Seiten- 
linie desselben stammt. So wie er gelandet ist, läfst er die Schiffe zurück- 
gehn: ‚‚unsere Schwerter, unsere Lanzen’”, sagt er, ‚,müssen uns jetzt statt 
der Schiffe und alle unsere Hoffnung sein”’: er erobert erst London, hier- 
auf das übrige England, und stellt das Christenthum her. Dann erscheint 
Bovettos Enkel, Buovo d’Antona. Durch mannigfaltige Jugendabenteuer 
wird er in die Länder zwischen dem adriatischen und dem schwarzen Meer 
verschlagen: nachdem er sein verlorenes Erbe wieder erworben hat, grün- 
det er ein christliches Fürstenhaus in Sinella am adriatischen Meer; dann 
sucht er den unrechtmäfsigen Beherrscher von Dalmatien und Slavonien in 
seiner Hauptstadt Astillaga auf, besiegt ihn, so wie die Croaten, die ihm zu 
Hülfe kommen, und nimmt alle drei Länder ein. Wie darauf Arbaul, König 
von Ungarn, — (der Arpade) — sich mit Türken, Russen und Albanesen 
vereinigt um Sinella zu erobern, wird dies zwar Anfangs hart bedrängt, auf 
die Letzt aber sterben die feindlichen Könige durch die Kinder Buovos; Un- 
garn wird erobert und zum grofsen Theil getauft: alle diese Länder gehor- 
chen von dem an einem Geschlecht blutverwandter Könige. Es ist das, wie 
uns dünkt, ein zweiter Theil der Fabel: am Schlusse des fünften Buches 
wird er durch ein ausführliches Geschlechtsregister beschlossen. 


Reali di Francia. 105 


Das sechste und letzte Buch der Reali scheint einen dritten Theil 
nicht sowohl zu enthalten als zu beginnen. Es erzählt die Geburt Carls des 
Grofsen, seine Flucht nach Spanien, die Thaten die er unter dem Namen 
Mainetto in Armuth, Dienstbarkeit und Tapferkeit am Hofe eines saraceni- 
schen Königs vollführte, seine Wiederkehr in sein Reich, die ersten Ge- 
schichten Orlandos bis zu dessen Zurückführung nach Frankreich. Dies sind 
jedoch alles Anfänge, die eine weitere Ausführung erwarten lassen. Wenn 
Carl seine Gemahlin in Spanien erwirbt, so sollte wie bei Fioravante, Buovo 
und anderen Helden dieses Gedichtes auch der nemliche Erfolg, 
Erwerbung des Landes der Gemahlin, zu erwarten sein. Das ganze christ- 


liche Abendland dient Carln: nur Gherardo da Fratta nicht, und das Buch 


die endliche 


sagt ausdrücklich, dafs Carl ihn unterwerfen wolle; man mufs vermuthen 
dafs dies in dem Fortgange des Werkes erzählt wurde. Carln gegenüber bil- 
det sich ein grofses saracenisches Reich: Agolante, König bereits von Africa, 
dringt mit drei Heeren in Asien vor: das eine, nicht ohne Hülfe eines christ- 
lichen Helden, Milons von Anglante, erobert ihm Persien: mit dem zweiten 
besetzt sein Sohn Trojano türkische und armenische Länder, während sein 
anderer Sohn Almonte mit dem dritten über das Gebirg Taurus nach In- 
dien dringt, fünf Könige Leib an Leib besiegt und Indien unterwirft. Nicht 
ohne Absicht kann dies geschildert sein: — es mufs zu einem Zusammen- 
treffen beider Reiche führen, und der Autor sagt ausdrücklich, seine Erzäh- 
lung werde ferner berichten, wie Agolante mit Almonte nach Italien gegan- 
gen. Endlich fordert auch der Anfang der Geschichte Orlandos einen Fort- 
gang zu dessen Heldenthaten. 

Eben hier aber bricht das Buch ab. Gerade der Theil fehlt, in wel- 
chem die berühmtesten dieser Sagen, von den Paladinen und der Eroberung 
Spaniens, behandelt sein, das Werk selbst durch seine Vollendung erst in 
sein volles Licht treten, auch gar manche Erläuterung der aus diesen Fabeln 
entsprungenen Gedichte zum Vorschein kommen müfste; ein Verlust selbst 
für die italienische Sprache von Bedeutung, wenn anders Quadrio die Reali 
nicht mit Unrecht zu den Testi di lingua rechnet und so viele Kenner sich 
nicht täuschen, die in ihnen die Reinheit und den treffenden Ausdruck der 
Schriftsteller des vierzehnten Jahrhunderts wahrzunehmen behaupten. 


406 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


MANUSCRIPT DER REALI. 

Glücklicher Weise können wir anzeigen dafs ein solcher Verlust nicht 
erlitten worden und dafs die folgenden Theile der Reali noch vorhan- 
den sind. 

In der Bibliothek Albani zu Rom findet sich ein Codex in Grofs- 
folio, von Francesco di Bartolommeo Cimatore in den Jahren 1508 und 1509 
geschrieben, gegen 400 Blätter stark, welcher folgendergestalt anfängt: In- 
chominciasi la honorata storia che chiamata Aspramonte, che fue dopo el 
libro chiamato el Mainetto che fue el sezo libro de reali di Francia si che 
seguendo l_Aspramonte, nel quale si traltera el passaggio che fece lo re 
Agholante prima nelle parti di Chalavria, onde ne segui la sua destruzione 
sechondo Turpino nel suo francioso libro. So wie das sechste Buch der Reali 
den besondern Titel Mainetto hatte, so werden die hier folgenden unter den 
eigenen Namen Aspramonte und Spagna begriffen. Diese nehmen alle jene 
Fäden auf, die in dem letzten Buche der Reali abgerissen wurden, und füh- 
ren die Erzählung bis zu entscheidenden Entwickelungen fort. 

Es ist dies aber nicht etwa eine Fortsetzung aus späterer Zeit. Bis 
aufs kleinste in der Weise, in welcher im Mainetto die Erzählungen ange- 
fangen waren, werden sie im Aspramonte weiter ausgesponnen. Wie genau 
diese Bücher mit den früheren zusammenhangen, sehen wir aus einer Stelle 
des Morgante von Pulei (!). Wo nemlich Pulci die Thaten des fabelhaften 
Carl von Lattanzio vortragen läfst, folgt er zuerst dem, was das letzte Buch 
der Reali von Carls Jugend, Flucht und Rückkehr meldet. Wenn Lattanzio 
dann ohne Unterbrechung von dem Angriff Agolantes auf Italien, dem Tode 
Almontes, den Geschichten Gherardos da Fratta, dem Zuge nach Spanien, 
den Kämpfen bei Lazzera, Stella und Pampelona, den Heldenthaten Orlan- 
dos im Orient bis zu seiner Rückkehr und der Eroberung von Pampelona 
erzählt, so sind das die Umrisse von dem, was unsere Bücher im Zusammen- 
hang mit dem Mainetto ausführlich berichten. Für Luigi Pulei bildeten sie 
nur Ein Werk. Eben dies scheint auch aus der Betrachtung ihres Inhaltes 
hervorzugehn, den ich nach Anleitung der alten Handschrift hier nun zu- 
nächst kürzlich angeben mufs, — zumal da er an sich für die Geschichte der 
Vorstellungen des Mittelalters von vieler Wichtigkeit ist, und von so man- 


(') Morg. Magg. 27, 33. 


Manuscript der Reali. "407 


chen berühmten Sagen und Gedichten, die sonst zerstreut erscheinen, den 
inneren Zusammenhang darlegt. 

Das Buch Aspramonte schildert einen grofsen und zwar einen drei- 
fachen Angriff der Saracenen auf die christlichen Länder, welcher folgenden 
Ursprung hat. Agolante, an dem Hofe zu Arganoro in Africa, wo ihm vier- 
undvierzig gekrönte Könige den Eid geleistet haben und mehr als vierhun- 
dert Herzöge ernannt worden sind, wird in dem Genusse seines Glückes 
durch die Behauptung gestört, es gebe einen christlichen König, der zwar 
nicht so viele Baronen habe, aber ehrenwerthere, der im Ganzen noch herr- 
licher und trefllicher sei als er, Carl den Grofsen. Agolante beschliefst hier- 
auf Carln mit Krieg zu überziehen. Indefs er sich rüstet, sendet er seinen 
Schreiber, Subrino, die christlichen Länder auszuspähen. Sechs Jahr und 
sechs Monat bringt dieser auf der Reise zu: er findet in der Christenheit 
freies, wohlbewaffnetes, kriegslustiges Volk; allein es ist in Entzweiung. 
Besonders der Zwist Carls mit Gherardo da Fratta erweckt ihm Hofnung 
zum Siege. 

Nach prächtigen Turnieren brechen die Saracenen auf. Mit 700000 
Mann und 32 gekrönten Königen gehn Agolante und Almonte wider Italien ; 
Trojano dringt mit 12 Königen und 300000 Mann durch Spanien nach Frank- 
reich vor; indefs steigt der König des noch saracenischen Portugal zu Schiff 


um England anzugreifen (!). 


(') Der Gang der Erzählung erhellt aus folgenden Summarien der Capitel des ersten 
Buches: 

Cap.1. Dicie derre Agholante che aveva presa grande signoria ed era molto amato da suo 
signiori e sottoposti di nuovo acquistati. 

Cap. 2. Chome certi baroni lodando lo re Agholante molto per No piw nobile signiore del 
mondo e uno buffone lodando Charlo magnio fue da altri buffoni battuto e fue 
liberato da Tramondess figlivolo derre Bramante cherre Charlo amazzo. 

Cap. 3. Chome un altro buffone per invidia 1’ ando a dire questo caso a Trojano figlivolo 
maggiore derre Agholante el quale egli batte e chome si fuggi arre Agholante e 
conto Lutto. 

Cap. 4. Chome per le parole del buffone lo re Agholante giuro di disfare Charlo e chome 
Millone d’Angrante si parti sentendo questo per tornare in Francia. 

Cap. 5. Chome lo re Agholante fece giurare tutti e suoi baroni d’essergli fedeli e disse per 
di qui a cinque anni mandero per voi, e baroni si partirono e chome mando uno 
suo segretario a spiare Roma e tutta Europa. 

Cap. 6. „Disse Subrino: io sono stato a Roma e viddi papa Leone, fig di Bern. di Chiar. 


408 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


Zuerst wird der Angriff Agolantes und Almontes auf Risa, an der 
Meerenge von Sicilien, in dessen Hafen sie ihre Schiffe sichern wollen, ge- 
schildert. Die Stadt wird vornehmlich von Riceieri, dem tapfersten von den 
drei Söhnen des dortigen Königs, vertheidigt. Es geschieht dafs die ritter- 
liche Tochter Agolantes, Ghaliziella, die oft in africanischen Turnieren Sie- 
gerin geblieben, wie sie Almonten vom Pferde geworfen sieht, sich auch in 
den Kampf begiebt: auch sie fällt; aber eben ihr Mifsgeschick mufs zur Erobe- 
rung der Stadt Anlafs geben. Indem ihr bei dem Fall der Helm aufgeht, ver- 
rathen ihre langen Haare ihr Geschlecht; Riceieri liebt sie und vermählt sich 
mit ihr: hierüber wird sein Bruder Beltram in so hohem Grade neidisch, 
dafs er Risa an die Saracenen verräth. Bemerken wir gleich hier, dafs sich 


e passai per Toschana per Lombardia e andai in Ungheria e in Duemia e nella 
Magnia alta e nella bassa e vidi Baviera e Bramante e Pirgiboris e Brandis- 
borgis e Fiandria e Cholognia e llisola d’Inghilterra e Frigia bassa e Brettagna 
e Cisbischalia e Maghanza e Ua Borgognia e Savoia e Proenza e poi m’andai a 
Francia ed a Parigi ed uno anno servi Charllo in chorte.” 

Cap.7. Chome Subrino fece parlamento a tutti i Baroni confortando gli delle imprese 
contro XAianı. 

Cap. 8. Chome a queste feste vennono molti Signori facendo giostre nelle quali giostre 
giostro una figlivola d’Agholante sua ed era bastarda e avea nome Galiziella e 
assal scavalcho. 

Cap.9. Chome poi lo re Agholante per sua prodezza la doto di dua reami e chome ella 
promise ad Almonte di non tor marito se non e che l’abatteva. 

Cap. 10. Chome lo re Ghalafrone venne ad Arghanoro addagholante per avere pace e per- 
che nolla poteva avere, dono Durllindana a Ghaliziella e per quello ebbe la pace 
e torno in Ispagna. 

Cap. 11. Chome lo re Agholante fece chomandamento che ogni uno dovesse entrare in mare 
e chosi Armonte venne a porre champo alla spiaggia di Chalauria e un indovino 
gli disse che piglirebbe tutta Europa. 

Cap.12. Chome lo re Almonte navichando si prese parte nell ultime parti d’Italia e acham- 
possi a la cıitta di Risa nel Faro di Messina. 

Cap. 13. Chome Almonte s’armo e ando vagando a tutto il paese. 

Cap. 14. Chome lo re Agholante volle vedere tutta la provincia e le citta e veduta la citta 
di Risa ordino che quella per ogni modo si pigliasse. 

Cap. 15. Chome lo re Almonte mando uno interprete a Risa a domandare che gli dessino 
la citta ella risposta che gli fu fatta dal signore di Risa. 

Cap.17. Chome Ricieri ordino le schiere per uscire fuori e quello che Beltramo avesse a 
fare. 


Cap.18. Chome Ricieri e frategli assalirono el campo. 


Manuscript der Reali. 409 


die Fabel desjenigen Ruggiero hieran knüpft welchen Bojardo und Ariosto 
besungen haben. Von Ghaliziella liefs man ihn und Marfisen geboren wer- 
den. Unser Autor versichert jedoch ausdrücklich, das Buch dem er folge, 
enthalte hievon nichts. 

Mit dem Falle von Risa ist nun der Knoten geschürzt. Carl der 
Grofse, hierauf noch durch die ausdrückliche Aufforderung Agolantes ihm 
die Herrschaft von Europa abzutreten beschimpft, zieht ihm mit der Macht 
seines Reiches und seiner Verbündeten von England, Niederfriesland und 
Ungarn entgegen. Es ist eine allgemeine freiwillige Bewegung. Carl hätte 
die Söhne seiner Fürsten, Orlandino, Astolfo von England, Otto und Ber- 
linghieri von Baiern, gern zu Hause gelassen; jedoch sie erschlagen ihre 
Wächter und kommen ihm nach. Auch Gherardo da Fratta sogar behaup- 
tet sich nicht in seiner Feindseligkeit. Einen Erzbischof der ihn mitzuziehen 
einladet, weist er zwar sehr schnöde ab; aber von seiner Gemahlin überre- 
det, macht er sich zuletzt doch mit einem abgesonderten Heere auf den Weg 
um Carln beizustehn. So kommen sie nach Calabrien in das Gebirg Aspra- 
monte. Sie treffen zuerst auf Almonte, welcher mit 100000 Mann das Land 
zu verwüsien ausgezogen war. Der Kampf ist zweifelhaft: schon hier fällt 
einer der vornehmsten christlichen Helden, Milon von Anglante; aber Ghe- 
rardon gelingt es, die beisammenstehenden Fahnen der Saracenen zu er- 
obern; die Christen schöpfen wieder Athem: während sie in hellen Waffen, 
von deren Glanze die Berge umher widerleuchten, gegen die Hügel auf wel- 
chen sich die Saracenen noch halten anrücken, flieht Almonte. Unmuthig 
über sein Mifsgeschick, nachdem er auch seine Gefährten verloren, kommt 
er bei der Quelle an, an welcher einst S. Silvester, als er nach Aspramonte 
floh, eine Fichte und einen Ölbaum gepflanzt hatte ('). Hier erreicht ihn 
Carl, der ihm allein nachgesetzt, und sie beginnen den Zweikampf. Sie 
fallen und Almonte ist im Vortheil, als Orlando ankommt und den Saracenen 
erschlägt, der sonst ohne Zweifel den König getödtet haben würde. So ist 
Almonte vernichtet. Noch aber ist Agolante mit einer viel stärkern Macht 
übrig: seine Schiffe bedecken die Meerenge. Drei Heilige in weifsen Klei- 


(') Zu der Flucht Silvesters nach Aspramonte finden sich in andern Sagen und Legenden 
Gegenstücke; z.B. flieht Papst Cornelius (dem Leben des h. Dalmatius zufolge) verfolgt von 
dem Kaiser in die Alpen, wo er auf einem hohen Berge Wohnung nimmt. 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Fff 


410 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


dern erscheinen, den Christen zu helfen: sie weihen Orlandon zum Ritter 
Christi und jeder begabt ihn mit einer Gnade. Man schlägt mehrere Tage: 
endlich ist es wieder Gherardo, der die Hauptfahne Agolantes niederwirft, 
sein Sohn Don Chiaro tödtet den grofsen Saracenenkönig. Hierauf stellt 
man die von den Feinden zerstörten Kirchen wieder her und verheirathet 
die Witwe Agolantes an den jungen König von Ungarn. 

So ist wohl Italien und Rom errettet, aber indessen ist Trojano, zwar 
der Bruder Almontes, aber minder edel, ‚‚der sich aus seinen Göttern nichts 
macht, auf Vernunft nicht hört, wenig Wahrheit in seinem Munde, wenig 
Glück in seinen Sachen hat,” durch die Provence bis nach Sayoien vorge- 
drungen, und plündert die Herrschaften Gherardos. Eilend kehrt dieser 
zurück. Doch so wenig er anfangs Carln von dem Angriff benachrichtigt, so 
wenig will er ihn darnach zu Hülfe rufen. Er fürchtet, man werde ihn als- 
dann zwingen dem König zu huldigen. Dennoch ist er zu schwach den Feind 
zu verjagen; und Carl mufs doch endlich mit seinen Helden erscheinen, um 
ihn zu beschützen. In einem sehr sonderbaren Zweikampf, erst mit Don 
Chiaro, dann mit Orlando, endlich mit ihnen beiden wird Trojano erlegt: 
sein Heer zerstreut sich. 

Indefs sind die Schiffe der Portugiesen, die nach England gingen, von 
ungünstigen Winden zurückgetrieben worden. 

Das Gedicht zu vollenden, mufs nur noch eins beseitigt werden, das 
immer fortdauernde schlechte Verhältnifs Gherardos zu Carl. Obwohl 
Carl auf die Huldigung die er gefordert hat, wieder verzichtet, so kommt es 
doch zuletzt zwischen beiden zum Kriege. Gherardo geräth über die Unfälle 
die er erleidet, dergestalt in Wuth, dafs er das Crucifix zerbricht, ein Rene- 
gat wird, nach Spanien geht und mit der Hülfe Marsilios Königs von Sara- 
gossa zum Kriege wider Carl zurückkommt. Nun erst hat man volles Recht 
wider ihn: die Spanier werden geschlagen: schon hat Orlando den Don 
Chiaro, von ihm selber gezwungen, im Zweikampf erlegt; er besiegt auch 
den Enkel Gherardos, Uliviero; dieser wird endlich von seinen eigenen Kin- 
dern in einen Thurm gesperrt, wo er stirbt. Auch dies Haus erkennt Carln 
an; ın der Christenheit ist Friede, und die Angriffe der Feinde sind abge- 
schlagen. Schon hat Orlando geschworen die Gemahlin die er in diesem Streit 
erworben, Alda la bella, Enkelin Gherardos, nicht zu berühren, bis er sie 
zur Königin von Spanien gekrönt habe: um ihn sammeln sich die zwölf Pa- 


Manuscript der Reali. 411 


ladine: der Papst bestätigt sie ausdrücklich zur Nachahmung der zwölf Apo- 
stel. Wie es deren Amt gewesen zu predigen, so sollen die Paladine mit 
dem Schwert in der Hand den Glauben vertheidigen und mehren. 

So kehrt das Gedicht endlich auch in diesem Theile zu seinem ur- 
sprünglichen Plane einer Darstellung der Ausbreitung des Christenthums 
durch Ritterthum und Waffenthaten zurück. Ein neues Buch, von den 
Thaten Carls, Spanien betitelt (1), beginnt, und diesmal in der That nach 
dem Vorgang der unter des Turpin Namen bekannten alten Schrift, mit einer 
Vision Carls, welchem der Apostel S. Jacob seine Verwunderung bezeigt, 
dafs er nachdem er so viele Gnaden erfahren, dennoch sich nicht rüste das 
Land Spanien, das ihm ohnehin zukomme, und sein des Apostels Haus zu 
erobern, damit der Weg für jeden Pilgrim frei werde. Dreimal hat Carl 
diese Vision: hierauf fängt er an mit einem Eifer Schätze zu sammeln, dafs 
er, der bisher für den freigebigsten, nunmehr für den geizigsten Menschen 
der Welt gehalten wird, bis er endlich seine Absicht eröffnet, und die Baro- 
nen auffordert sich zu rüsten. 

Hierüber erschriekt vor allen König Marsilio von Spanien. Den an- 
fragenden Gesandten desselben antwortet Carl, er sammle das Heer allen 
seinen und des christlichen Glaubens Feinden zu Tod und Verderben. Mar- 
silio rüstet sich: seinen besten Helden, Ferrau, der, in erster Jugend gi- 
gantengrofs, mit vortrefllichen Waffen, jedem Gegner überlegen ist, schickt 
er nach Lazzera, wo die stärksten Pässe zu überwinden sind; den Serpentin 
nach Stella; den Mazarigi mit dem verständigen Iseres nach Pampelona. Das 
Buch schildert, wie das Heer Carls, bei 200000 Mann stark, einen dieser 
Orte nach dem andern nimmt. Vor Lazzera streitet Orlando mit Ferrau bald 
in den Waffen, bald über den christlichen Glauben, bald wetteifern sie in 
guten Sitten; die Christen selbst erkennen dafs Ferrau der stärkere ist, und 
hier ist der Zug dafs Ferrau den Orlando bereits fortträgt, als dieser sich 
wieder ermannt, aus dem alten Turpin beibehalten; endlich gelingt es Or- 
lando’n den Gegner zu durchbohren: man nimmt Lazzera, dringt dann zur 
weitern Eroberung von Spanien vor, und belagert Pampelona. 


(') Inchommincia la nobilissima storia della Spagnia e prima secondo un libro francioso 
rechato in lingua latina e poi di latina in fiorentina, nella quale si trattera dello acquisto 
che fece Charllo ella morte di dodici paladini di Francia. 


Fff2 


442 Raske: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


Sollte aber dies Gedicht vollendet werden ohne dafs auch der Unter- 
nehmungen im Orient und Jerusalems gedacht würde? Zu unvollständig 
wäre die Aufgabe gelöst. 

Deshalb mufs geschehen dafs Orlando, indem er während jener Be- 
lagerung einstmals auszieht um eine benachbarte Stadt zu nehmen, in die 
man die Reichthümer des Landes geflüchtet hat, obwohl ihm dies gelingt 
und er die Stadt nicht allein bezwingt sondern auch bekehrt, dennoch Carls 
Unwillen erweckt, und bei seiner Rückkehr von dem Könige mit wilder 
Heftigkeit behandelt wird. Schon greift er nach dem Schwert um sich zu 
rächen; doch bedenkt er noch, Carl sei doch sein Fürst, und zieht es vor, 
das Lager allein zu verlassen. Unter mannigfaltigen Abenteuern gelangt er 
nach Persien, wo eben der Sultan, dessen Tochter den bejahrten König von 
Syrien und Arabien Machidante verschmäht hat, von diesem deshalb mit 
Krieg überzogen wird. Orlando, unter dem Namen Lionagi, steht dem Sul- 
tan bei; er besiegt den tapfersten Vasallen Machidantes im Zweikampf: er 
vertheidigt das Land, wie dieser König wiederkommt es zu erobern, und 
schlägt ihn völlig; alsdann sucht er ihn in seinem eigenen Reich auf. Ganz 
Syrien findet er bereits in Empörung. Er geht den Feind in Jerusalem zu 
belagern. Ich finde die weiteren Verwickelungen, durch welche diese Be- 
lagerung mit Pampelona in Verbindung gesetzt wird — denn Carl vermifst 
Orlando und sendet nach ihm — sehr wohl erfunden. Endlich nimmt man 
Jerusalem ein: Machidante wird erschlagen, und der Sultan, nunmehr Herr 
aller dieser Länder, macht den Vertrag mit Orlando, dafs Jerusalem und 
Bethlehem den Christen gehören und unter der Botmäfsigkeit König Carls 
stehn sollen. 

Nach so wohl vollbrachten Thaten kehrt Orlando vor Pampelona zu- 
rück. Durch seine Tapferkeit und die Geschicklichkeit der Lombarden, die 
König Desiderius von Pavia herbeigeführt hat, wird es erobert. Iseres läfst 
sich taufen, ganz Pampelona wird getauft: nachdem Stella erobert ist, zie- 
hen diejenigen ab welche nicht Christen werden wollen; aber die meisten 
werden es; Marsilio weifs keinen Rath mehr als sich zu beugen: sein Bot- 
schafter bittet Carln um Frieden und um Verzeihung. 

Unerwartet aber bekommt er doch noch einmal Hülfe. 

Neben alle den Heldenthaten zieht sich durch dies ganze Werk, ohne 


5 
Zweifel in dem Gefühle der steten Entzweiungen der Christenheit erfunden, 


Manuscript der Reali. 413 


die Sage von dem verrätherischen Haus von Maganza. Als Fiovo Paris er- 
oberte, blieb aus dem alten Stamme französischer Könige, die von Troja 
herkamen, eine Tochter übrig und er vermählte sie einem Waffengefährten. 
Sofort wider ihn dachten sie auf Verrath: Fiovo mufste den alten Genossen 
tödten: sie aber entfernte er nur: an dem Jura gründete sie Schlofs und 
Haus Maganza. An den Verräthereien, die in den Reali vorkommen, hat nun 
dies Geschlecht fast immer Antheil. Die Unglücksfälle, die Buovos Jugend 
bezeichneten, kamen von ihnen her; bei der Flucht Carls hatten sie die 
Hand im Spiel; dafs Gherardo Krieg wider Carl anfing, war wenn nicht ihr 
Werk, doch ihre Schuld. Jetzt aber wird die Reihe dieser Verbrechen durch 
das gröfste vollendet. Gan von Maganza, obwohl Carls Eidam, unternimmt 
doch, einer Beleidigung halber die er von Olivier erfahren, seinen Fürsten 
an Marsilio zu verrathen. Um den Schlufs her sammelt dies Gedicht alle 
seine Fäden. 

Sowohl Berathen als Vollbringen des Verrathes, das Unglück von 
Roneisvall, wo Orlando den Tribut Marsilios erwartet und mit drei Heeren 
von ihm angegriffen wird, und den Tod der Paladine schildert es mit an- 
schaulicher Ausführlichkeit. 

Auch ein so grofses Unglück jedoch kann die Eroberung von Spanien 
nicht hindern. Carl rächt die in Roncisvall Gefallenen. Er nimmt Saragossa 
ein, und alles Land das dem Marsilio gehört macht er christlich: einen sei- 
ner Helden läfst er daselbst als König. Schon ist Gan bestraft. Das Buch 
berichtet noch die traurige Rückkehr und den rührenden Tod der Alda bei 
den Leichen ihres Gemahles Orlando und ihres Bruders Olivier. Carl geht 
nach Rom um für Orlando Seelenmessen anzuordnen. Auf der Hinreise 
gründet er Florenz, das ‚‚Totila flagellum Dei” zerstört hatte: auf der 
Rückreise läfst er bei dem Hafen Malamocco, wo derselbe eine andere Stadt 
zerstört hatte, Venedig aufrichten. 

So schliefst dieses Werk: gewifs eine der eigenthümlichsten und denk- 
würdigsten Hervorbringungen die aus dem Mittelalter übrig sind. Man hat 
bemerkt dafs die Sage sich am liebsten mit der Genealogie eines berühmten 
Geschlechtes in Verbindung entwickele. Die unsere hält sich an einen Stamm 
der allerdings einmal als der erste von Europa angesehen werden konnte. 
Die Reali können nicht gedichtet sein als das deutsche Kaiserthum in Italien 
und über Europa mächtig war: die Poesie würde dann die oberste Macht 


414 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


nicht so unbedingt in die Hände eines undeutschen Geschlechtes gelegt ha- 
ben. Damals aber als französische Prinzen in Neapel regierten und eine vor- 
herrschende Gewalt in Florenz und Rom, selbst in der Lombardei ausübten, 
damals als Könige aus diesem Hause Ungarn und seine Nebenländer be- 
herrschten, als der Einflufs desselben durch die Macht des Hauses Luxem- 
burg in Deutschland, durch die Verhältnisse der Blutsfreundschaft in Eng- 
land und Spanien mächtig, der Papst selbst ihm zu Diensten war, im vier- 
zehnten Jahrhundert (1), auf welche Zeit Sprache, Ansichten, Geographie 
dieses Buches weisen, damals konnte auch ein Poet diesem Geschlechte, das 
in der That so mächtig war, eine erbliche höchste Gewalt zuschreiben, und von 
dem was er sah ausgehend, sich die Entwickelung von Europa auf die sonder- 
bare Art zusammensetzen wie hier geschehen ist. Sobald die Historie vergessen 
ist, ja so lange wir sie noch nicht mit dem erkennenden Geist durchdrungen 
haben, wird man sie sich immer poetisch oder philosophisch zu ergänzen ver- 
suchen. Unser Poet behält einige grofse historische Namen, jedoch knüpft er 
Constantin wie Carl den Grofsen an das Geschlecht das er nun einmal im Besitze 
der Macht sieht. Wie Ritterthum und Frömmigkeit, so fallen ihm Ausbreitung 
einer höchsten Gewalt und des Christenthums zusammen. Sonderbare Meta- 
morphose die mit dem Evangelium vorgegangen! Der Annahme des Glaubens 
wird das Geschenk einer unbesiegbaren Fahne hinzugefügt: unter den wunder- 
samsten Abenteuern werden Italiener, Franzosen und Deutsche, ungarische und 
slavische Völker, die Engländer zum zweiten Mal, endlich auch die Spanier 
zum Christenthum gebracht: es wird gleichsam der Umkreis durchgegangen 
welchen damals die Nazionen des lateinischen Bekenntnisses, wenn nicht alle, 
doch diejenigen wenigstens, auf die Frankreich Einflufs hatte, ausmachten. 
Jerusalem, wovon wenigstens der Titel in der Christenheit geblieben, wird 
nicht vergessen. Dadurch dafs dem Christenthum gegenüber ein mit dem 
Heidenthum ohne weiteren Unterschied vermischter Mahumetanismus ge- 


(') In der Sammlung der Königin Christina, einem Theil der vaticanischen ‚Bibliothek, 
findet sich der Roman von Buoyo in sehr eintönigen altfranzösischen Reimen. Es ist Nr. 1632. 
Er schlielst: Ci finist le roman de Buevo de Hanton; und diesen Worten ist von anderer 
Hand hinzugefügt: „qui fut fait le 10e jour de mars mil trois cens et quatre.” Auch dies 
Datum, von dem ich indefs dahin gestellt sein lasse in wiefern es einiges authentische An- 
sehen hat, würde auf den ersten Anfang des vierzehnten Jahrhunderts hinweisen. Der Co- 
dex ist unvollständig, die Fabel weicht von der italienischen bedeutend ab. 


Manuscript der Reali. 415 


dacht wird, dem alle diese Länder eins nach dem andern abgenommen wer- 
den, erhält der Plan Einheit. Der Kampf wächst mit der Gröfse des Gegen- 
standes an Interesse. Wenn man bemerkt hat, dafs das Epos einen glück- 
lichen Ausgang fordere und doch ein grofser Eindruck nur durch die Dar- 
stellung grofser Unfälle zu erreichen ist, so ist auch hier beides vereinigt. 
Man siegt, aber unersetzlich ist der Verlust den man dabei erlitten hat (!). 
Nach allen Seiten hin könnte dies Werk zu historischer Betrachtung 
Anlafs geben. Es wäre zu erörtern, aus welchen Quellen es erwuchs, in 
welchem Verhältnifs es zu den Helden- und Rittersagen andern Stoffes steht, 
welchen Antheil die verschiedenen Nazionen an seiner Ausbildung hatten. 


(') Ich kann indefs nicht verbergen, dafs es doch möglich wäre, dals dies Werk we- 
nigstens in seiner spätern Ausbildung noch einen andern Theil gehabt hätte. Ein floren- 
tinischer Poet, unter dem Namen Altissimo bekannt, unternahm, die ganzen Reali di Francia 
in Ottaven zu bringen. Er hat davon das erste Buch in 98 Gesängen vollendet, und in dem 
Eingange zu demselben den Umkreis der Fabel, die er behandeln wolle, beschrieben. Er 
nennt die Sagen von Constantin, Fiovo und seinen Söhnen, von Buovo und Mainetto; alles 
was die gedruckten Reali enthalten: ohne Unterbrechung läfst er die Kriege Agolantes 
in Aspramonte, die Vertheidigung der Kirche die Carl wider ihn übernahm, den Tod Al- 
montes an jenem Brunnen und die Überwindung Gherardos da Fratta folgen. Hier aber 
weicht er ab. Er will alsdann die Sage von den Haimonskindern, darnach erst Spanien be- 
singen; endlich will er die Erzählungen von dem Sohne Carls und den Nerbonesen, dem 
tapfern Tibald, den Schlachten und dem Ruin der Reiche hinzufügen. 

Wie es möglich war die Sage von den Haimonskindern in diesen Kreis zu verflechten, 
da sie doch auf eine sehr abweichende Vorstellung von dem Hofe Carls gegründet ist, während 
die Spagna sich genau an Aspramonte anschlielst, ohne Rinaldos auch nur zu gedenken, kann ich 
bei der Manier dieses nichts als die vorliegende Prosa in Ottaven wiedergebenden Poeten nicht 
recht begreifen. Das dagegen ist gewils, dals der Spagna schon früh noch andere Fortsetzungen 
folgten. In obgedachtem Codex der Bibliothek Albani selbst findet sich eine solche. Sie ist 
zwar ohne Titel; doch ergiebt sich bald, dafs sie „/a seconda Spagna” hiels: sie stellt den 
Kampf des von Carln in Spanien znrückgelassenen Königs wider Marsilio, der nur gellohen, 
nicht getödtet war, vor: sie enthält Abenteuer, von denen ausdrücklich gesagt wird, der Ruin 
grolser Reiche sei von ihnen hergekommen, und am Ende wird noch eine Fortsetzung unter dem 
Titel Nervonesi angekündigt. Diese findet sich nicht, und ich kann nicht beurtheilen was sie 
enthalten haben mag. Nur sind schon in der seconda Spagna grolse Abweichungen von den 
früheren Theilen dieses Werkes zu bemerken. Agolante, dessen Unternehmung und Tod einen 
so wesentlichen Punct der früheren Erzählung bilden, erscheint darin wiederum im Leben. 
Es kommen schlüpfrige Stellen vor, von denen die vorhergegangenen Bücher frei sind. Die 
zweite Spagna wird ausdrücklich als eine von einem gewissen Terroso verfalste Übersetzung 
aus dem Französischen bezeichnet; die erste war nur durch gar manche Vermittelung aus dem 
Französischen abgeleitet. 


416 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


Wohl mag es ursprünglich ein nordfranzösisches Erzeugnifs sein (1). Der 
italienische Bearbeiter, der mit allem Ernst der Historie verfährt, der z.B. 
wenn der Fall von Risa auf den 15 März 733 gesetzt wird, aus seiner Kunde 
der Zeitrechnung anführt was sich dagegen erinnern lasse, erwähnt oft den 
französischen Turpin, und vergleicht ihn, etwa in der Spagna, mit dem in 
Reimen unter des nemlichen Turpins Namen vorhandenen Werke: er führt 
schon im Aspramonte die abweichenden Angaben burgundischer und fran- 
zösischer Bücher über den Tod Trojanos an: als ein Erfinder will er nicht 
gelten (?). Wie jedoch schon die Originalität des Ausdrucks eine durch- 
greifende italienische Bearbeitung verräth, so sollte man eine solche aus gar 
manchem einzelnen Zug schliefsen dürfen. Wenn z.B. die Lombarden die 
Desiderius nach Pampelona führt mit ihren Hacken und Spaten anfangs ver- 
lacht, aber darauf von dem ganzen Heer als die geschicktesten Menschen die 
es gebe, die in einem Monat mehr zu schaffen wissen als die Übrigen insge- 
sammt in Jahren, anerkannt, wenn sie nachdem Pampelona hauptsächlich 
durch ihre Maschinen gefallen, mit dem Privilegium begnadigt werden dafs 
unter ihnen nie ein König sein, jeder Italiener aber das Recht haben 
solle, vor den Königen in Waffen zu erscheinen, so kann so viel Auszeich- 
nung wohl nur italienischer Erfindung beigemessen werden. Auf jeden Fall 
war dies Werk in Italien aufserordentlich verbreitet. Der gedruckte Theil 
wird noch bis auf den heutigen Tag als ein Volksbuch gekauft. Die Ge- 
dichte Aspramonte und Spagna, welche allerdings von der ursprünglichen 
Erfindung der in Prosa mitgetheilten Sage nicht wenig abweichen, indefs 
doch im Ganzen auf dem nemlichen Grunde der Fabel beruhen, haben sich 


(') Ich gehe absichtlich auf diese Untersuchung, zu der sich jetzt so viel neuer Stoff 
gesammelt hat, nicht tiefer ein, da sie nach einer andern Seite hin, rückwärts in das Mittel- 
alter und nach Frankreich führen würde, während mein Ziel diesseit in der neuern Zeit und 
in Italien liegt. 


(*) In der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts wurden Dinge wie sie die Reali enthalten, 
für Wahrheit genommen. Die Ritter und Herren von Frankreich hielten im Jahr 1248 dem 
Papst in einem berühmten Manifest vor, dafs Carl der Grolse und andere Helden Frankreich 
vom heidnischen Irrthum zum katholischen Glauben gebracht: — clericorum superstitio, non 
attendens quod bellis et quorundam sanguine sub Carolo magno et alüs regnum Franciae 
de errore gentilium ad fiden catholicam sit conversum etc. (Matth. Paris Historia Anglie. 
ed. Wats. p.719) — es ist diese Sinnesweise, gibellinisch, für den Adel, in der unser Werk 
geschrieben ward. 


Luigi Pulei. 425 


Mit Einem Wort, das Gedicht Puleis drückt den Zustand jener Tage 
aus. Noch waren die Ideen des ritterlichen Christenthums nicht aus den 
Gemüthern verschwunden; aber sie beherrschten dieselben doch auch nicht 
mehr so ausschliefslich wie früher. Schon waren entgegengesetzte Richtun- 
gen emporgekommen, die den alten Kreis der Gedanken wie im Leben so in 
der Poesie auf allen Seiten durchbrachen. 

Einer der wichtigsten Momente liegt in dem erneuten Studium des 
classischen Alterthums, und es ist sehr bemerkenswerth wie Pulei sich 
dazu verhält. 

Die Erinnerungen aus dem Alterthum erscheinen zuweilen ein wenig 
zaghaft: ‚‚ich weifs nicht” sagt er ‚‚,ob du von Nessus gehört hast”’; — ‚‚wer 
war doch Der welcher der Eurydice nachfolgte?” oft aber sehr speciel. Auf 
dem Zelte der Luciana sieht man die Ceres nach der Proserpina suchen; der Py- 
ramiden, der Zwölffürsten und des Mycerinus, des Sees des Moeris, des Trium- 
phes den Camillus hielt, gedenkt Pulei: er bemerkt wie Pericles die Athe- 
nienser in Trauer gekleidet habe, er führt sogar an was Thraso irgendwo dem 
Gnatho sage. In der That aber thut er dies nur wie es ihm die Laune und 
der Zufall der Erinnerung eingibt. Er ist voll auch von allerlei anderer Ge- 
lehrsamkeit: er begnügt sich nicht, Ausdrücke des Dante zu wiederholen 
oder den Petrarca namentlich anzuführen; er commentirt Stellen der Bibel 
und eitirt den Origenes. Auf seine Form hatten die Alten, so viel ich ur- 
theilen kann, keinen wesentlichen Einflufs. Turpin gilt ihm in dieser Hin- 
sicht so viel wie Horaz. Die Anmuthung dafs er den Alten beizukommen 
strebe, wie so viele seiner Freunde sich befleifsigten, wehrt er ausdrücklich 
ab. ‚‚ich fordere keinen Lorbeerzweig wie Griechen und Römer: es wer- 
den Andere kommen, mit anderem Styl, besserer Zitter, vorzüglichere Mei- 
ster: ich halte mich in dem Gehölz bei den Buchen auf, bei dem Landvolk: 
die Hülfe des Parnafs habe ich nie begehrt.”’ (1) Alle seine antiken Studien 
helfen ihm nur dazu, in das einfache Gewebe das ihm die Sage darbot, neue 


bunte Fäden einzuschlagen. 


(') Infino a qui l’ajuto del Parnaso 
Non ho chiesto ne chieggo: — — 
Jo mi starö tra faggi e tra bifulci, 


Che non disprezzin le muse di Pulci, 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Hhh 


426 Rınke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


Oft verräth er eine natürliche Neigung zu Gewirr und Getümmel. 
Wo er die Pracht des Thierreiches schildern will, stellt er mehr das Geflat- 
ter und Gezappel einer Menagerie vor: mit ermüdender Weitläuftigkeit be- 
schreibt er Fische und Vögel vor Lucianens Zelt. So bedient er sich selbst 
der Fabeln des Alterthums. Die Beispiele glücklicher und unglücklicher 
Liebe häuft er in sieben Strophen zusammen, nur um zu sagen, sie würden 
nicht Statt gefunden haben wenn Antea in jenem Jahrhundert gelebt hätte. 
Nur allzusehr gefällt er sich in dem Gemeinen und Widerwärtigen. Er kann 
nicht fertig werden den Margutte seine Ruchlosigkeiten aufzählen zu lassen ; 
mit einer Art von Wohlgefallen mahlt er aus, wie Astolfo zum Galgen ge- 
schleppt wird. 

Die gewohnten oder natürlichen Regeln der Composition vernachläs- 
sigt er dergestalt, dafs er den 16ten Gesang mitten in einer Rede Rinaldos 
mit den Worten ‚‚Walter, ich nehme dich zu meinem guten Bruder an” 
abbricht, sein Schlufswort und das Anfangsgebet des 17ten Gesanges ein- 
schiebt, und alsdann fortfährt: ‚‚Wisse, ich bin derjenige —”. Selbst wo er 
ernsthaft ist, beliebt es ihm zuweilen die Verse ganzer Strophen immer mit 
denselben Worten anzufangen. Einmal fängt er in drei Strophen hinter- 
einander in der ersten jeden Vers mit Odi Rinaldo, in der zweiten mit Parti 
chel tempo, in der dritten mit A questo modo an. Er scherzt selber mit sei- 
ner Arbeit. Der Reim ist oft gezwungen: die Sprache voll Härten. Von 
dem, was man Vollendung oder Correctheit der Form nennt, hat Pulei keine 
Ahndung, weder eine bewufste noch eine unbewufste. 

Und dennoch ist er ein Dichter von entschiedenem Talent. Nehmen 
wir uns nur einmal die Mühe, an irgend einer Stelle den Stoff der ihm vor- 
lag, mit seiner Arbeit zu vergleichen. 

Wir bemerkten z.B. dafs er den Roman Spagna, in dem wir den letz- 
Theil der Reali erkennen, in dem ganzen Endabschnitt seines Werkes vor 
Augen hatte: auch dort wo die grofse Verrätherei Gans ins Werk gesetzt 
wird, folgt er diesem Roman Schritt vor Schritt nach. Gan läfst bei Pulei 
wie in der Handschrift seine Gesinnung den Saracenen merken der ihn 
nach Saragossa begleitet, und dieser thut davon hier wie dort dem Mar- 
silio Meldung. Beide beschreiben wie dem Gan hierauf aufserordentliche 
Ehre wiederfahren sei: sie theilen die Rede die er öffentlich gehalten habe 
um Frieden zwischen Marsilio und Carl zu schliefsen, und seine geheimen 


Luigi Pulei. 427 


Bedenken mit: sie verlegen beide den Abschlufs in den Garten Marsilios an 
eine schöne Quelle, und gedenken des Ungewitters das den Zorn des Him- 
mels hierüber angezeigt habe. Indem sie aber durchaus übereinzustimmen 
scheinen, treten doch die bedeutendsten Abweichungen hervor. 

In dem Roman entdeckt Gan seinem Begleiter den Verrath den er 
vorhat, zwar nach und nach und in langsam reifendem Gespräch, aber er 
entdeckt ihn und sie werden eines Anschlages einig. Pulci wollte das In- 
teresse nicht so von vorn herein wegnehmen. Bei ihm sagt Gan wenige 
Worte, aber voll Bedeutung: der Begleiter ahnet, aber er weifs nicht: Mar- 
silio hofft, aber er bleibt ungewils: man widmet der Rede Gan’s, die aus 
der wilden und etwas linkischen Drohung welche die Prosa enthält zu einem 
sehr vernünftigen und geschickten Vortrag gemildert wird, denn was könnte 
es helfen den Verräther auch nur in einer erheuchelten Leidenschaft zu zei- 
gen? erwartende Aufmerksamkeit; erst in dem Garten an den Brunnen — 
eine Scene, die, so wohl erfunden sie ist, doch in dem Roman keine Wir- 
kung macht, weil man da nur dasjenige bestätigen sieht was voraus beschlos- 
sen war — kommt Marsilio bei Pulei mit wohlabgemessener Rede dem Ver- 
räther bei: der Zug dafs der pfiffige Gan hiebei in das Wasser sieht um an 
den Mienen Marsilios, die sich da spiegeln, zu beobachten ob er es ernst- 
lich meint, gehört dem Florentiner an; auf diese Stelle sammelt er sein In- 
teresse: hier läfst er den entscheidenden Anschlag fassen. Der Roman ist 
allenthalben langweiliger und weitläufiger: das Gedicht geht rasch auf das 
Ziel los, sammelt die Entscheidung auf Einen Punct, und ist dramatisch. 
Den Streit zwischen Pflicht, Furcht und Rachsucht in Gan, den der Roman 
mit Liebe ausmahlt, vermindert Pulci zu einer leicht überwundenen Anwan- 
delung von Zweifeln: sein Verräther ist geheimnifsvoller und entschlossener 
und mithin ein besserer Verräther. 

Wie sehr bleibt hier Sostegno de Zenobi, der die Spagna ebenfalls zu 
Grunde legte, hinter Pulei zurück. Ohne alle weitere Umstände läfst er Gan 
mit seinem Begleiter des verrätherischen Anschlages übereinkommen: er kürzt 
alles ab: und nur die Schmähungen jener ungehörigen, in dem Roman al- 
lein durch das Herkommen zu entschuldigenden Rede führt er mit Behagen 
aus. Er will seinem schlechten Publicum gefallen; dem Stoff seine innere 
Bedeutung abzugewinnen ist er weit entfernt. Pulei aber beherrscht diesen 
Stoff meisterlich und verknüpft die Fäden der Erzählung zur Einheit. 

Hhh 2 


428 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


Er thut dies aber nur in den einzelnen Abschnitten seines Gedichtes, nicht 
im Ganzen. Er hat das den Italienern so besonders eigenthümliche Talent der 
Novelle, der leichten Erzählung, worin sie, wie mich dünkt, eben so unver- 
gleichlich sind wie die Franzosen in den Memoiren. In der Zusammensetzung 
des Ganzen dagegen kann ich keinen durchbildenden Geist entdecken: diese 
ist vielmehr höchst sonderbar. So viele ritterliche und verliebte Abenteuer, 
Grofsthaten und Verräthereien, langdauernde Zweikämpfe und rasche Be- 
kehrungen, tiefsinnige Betrachtungen und abgeschmackte Schnurren, Lob- 
gesänge und anstöfsige Reden, sinnige, schöne Sprüche (1) und schlechte 
Florentiner Späfse, alles durch einander. Ja der Autor gefällt sich darin das 
Entgegengesetzte unmittelbar zusammenzustellen, die schönsten Scenen mit 
dem Wildgrotesken abwechseln zu lassen. 

Auf die innige und glücklich ausgeführte Erkennung zwischen Roland 
und Rinald folgt die burleske Beschreibung wie Morgante zwei Helden mit 
dem Zelt worin sie sich befinden zusammenpackt, sie auf die eine Schulter 
nimmt, und den Glockenklöpfel in der andern Hand sich Weg durch das 
Heer bahnt; und hieran wieder schliefst sich der Kampf Medianas mit Man- 
fredon, wo sie, bisher wild und kriegerisch, von der Liebe, die sie nicht er- 
wiedert, dennoch gerührt wird, den Manfredon, der den Tod sucht, nicht 
tödten mag, sondern ihn zu freiwilligem Rückzug bewegt und ihm einen 
Edelstein zum Geschenk gibt: eine wohlerfundene und gelungene Scene. 

Pulei schildert, wie Morgante in der Schlacht Köpfe, Arme, Schul- 
tern und Hände um sich her fliegen macht: immer steht und hämmert und 
die Saracenen wie Hunde erschlägt: wie er die Fliege verscheucht, aber die 
Wange mitnimmt: den Schmutz wegschafft, aber zugleich das woran er sich 
befindet: diese wilden und widerlichen Beschreibungen, die ich nicht weiter 
wiederholen mag, wechseln unmittelbar mit dem zärtlichen Abschied ab den 
die Übriggebliebenen von den Getödteten nehmen, wie da Mancher seinem 


GO)EZuB: Benche a molti huom serve senza frutto, 


Per mille ingrati un sol ristora il tutto. 
Gentile alma volentier perdona. 
Commetti al savio e lascia far a lui. 


E disse: Iddio non si pote guardare 


Di traditori, pero chi puö guardarsi? 


Matteo Maria Bojardo. 429 


Sohn, seinem Schwager den Helm auflöst, ihn mit herzlicher Rührung küfst 
und ohne ihn nach Haus zurückkehren zu müssen beklagt. Beides ist mit 
gleicher Liebe ausgemahlt. Es stöfst um so greller an einander, da die Dar- 
stellung Pulecis, ganz naiv, sinnlich, handgreiflich wie sie ist, sich eng an die 
Gegenstände anschliefst und sie ohne alle Vermittlung der Reflexion in schar- 
fen Umrissen heraushebt. 

In den letzten Büchern seines Gedichtes, wo sich ihm, wie er treffend 
sagt, die Comödie die er schreiben wollte, unter der Hand in eine Tragödie 
verwandelt, läfst er zwar von seinen bizarren Phantasien nicht ganz ab: 
nachdem z.B. der Erzbischof Turpin dem Volke seine Sünden vergeben, 
worauf Einer den Andern umarmt und sie der Fahne zum Tode folgen, läfst 
er ihn selbst die Waffen ergreifen und ‚‚springen wie ein Bock”; allein im 
Ganzen erhebt sich seine Muse: die Ankunft Rinalds in der Schlacht, der 
Tod Balduins, der, um jeden Verdacht zu vernichten als habe er an dem Ver- 
rathe Gan’s seines Vaters Antheil, die Waffen die ihn schützen selber weg- 
wirft, und sich in das offene Verderben stürzt, das Ende Oliviers und die letz- 
ten Momente Orlandos gehören zu den schönsten Stellen die jemals gedich- 
tet worden sind. 

Dies Werk hat demnach eben so wenig Einheit der Stimmung, der 
Gesinnung oder des Eindrucks, als der Handlung. Es ist etwas Wildes und 
Chaotisches darin. Die Elemente die in dem Zeitalter kämpfend liegen, sind 
in all ihren Gegensätzen auch in dem Gedichte vorhanden. Pulei ist einer 
der genialsten, geistreichsten Menschen die jemals Verse gemacht haben, ob- 
wohl sein Werk von aller Vollendung weit entfernt ist. 


MATTEO MARIA BOJARDO. 


Vielleicht war auch Florenz mehr der Ort eine bürgerliche Geschichte 
als ein Rittergedicht zu Stande zu bringen. Man hat sich zwar dort viel 
damit beschäftigt. Luca, wie Luigi Pulei, jener Cristofano der sich Altis- 
simo nannte, der schon erwähnte Sostegno di Zenobi, Ettore di Lionello di 
Francesco Baldovinetti, dessen Rinaldo appassionato 1528 gedruckt ward, 
waren Florentiner, und gar mancher Ändere, dessen Werke uns anonym über- 
liefert worden, mag diesem Vaterlande der Litteratur angehört haben. Mit 
den Erfolgen der Ferraresen in dieser Gattung kann sich jedoch Florenz 
nicht messen. 


430 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


In Ferrara, an dem ritterlichen Hofe Ercoles I, der mit Neapel und 
Mailand und durch diese mit allem was es in Europa Glänzendes gab, in Ver- 
bindung stand, war Graf Matteo Maria Bojardo einer der ausgezeichnetsten 
Männer. Sein Geschlecht war dem Haus Este immer sehr ergeben gewesen: 
einer seiner Ahnherrn z. B. hatte sein Schlofs Rubiera, weil es zur Erobe- 
rung von Reggio nöthig war, diesen Fürsten überlassen. Matteo selbst war 
Governator von Reggio: er führte seinem Herrn die Gemahlin, Eleonore 
von Aragon, in allem Luxus jener Zeit, mit einem Gefolge von 1500 Per- 
sonen zu. Der Herzog nennt ihn seinen sehr getreuen und sehr geliebten 
Cameraden (!). Nun war aber auch in dem ritterlichsten Adel des damaligen 
Italiens ein der Richtung des Jahrhunderts auf Studien, Poesie und Kunst 
zugewandtes litterarisches Bestreben. Für eben diesen seinen Herrn über- 
setzte Graf Matteo den Herodot und die Kaiserchronik des Ricobaldo von 
Ferrara (?) ins Italienische. Zu dem Ergötzen des Hofes dichtete er — er 
sagt es selbst — das Werk von dem wir hier zu reden haben, den Orlando 
innamorato. 

In diesem Werke wich Bojardo von der ursprünglichen Rolandssage 
auf der einen Seite mehr, auf der andern weniger ab als Pulei. Weniger: 
indem er die Vertheidigung der Christenheit gegen einen grofsen Angriff, 
der überdies, da er zur Rache Trojanos welchen Orlando tödtete unternom- 
men wird, mit der alten Sage zusammenhängt, zu schildern unternahm: hie- 
durch bekam sein Gedicht eine dieser Sage entsprechende Haltung. Mehr 
aber, indem er den Sinn der Fabel durch Hinzufügung neuer Bestandtheile 
wesentlich veränderte. 

Als die Buchdruckerkunst erfunden war, gingen den alten Autoren 
zur Seite auch die romantischen Bücher aus den Pressen hervor: auch sie 
gaben dem Zeitalter eine frische Anregung: die Erzählungen von Artus und 
der Tafelrunde, welche zu Paris gedruckt wurden, fanden ein ausgebreitetes 
Publicum (°), und auch Bojardo ward von ihnen ergriffen. Man hat zuwei- 


(!) Consocium nostrum fidelissimum_ et dilectissimum. 


(*) Ein Buch, wie Bojardo sagt, ripieno di magnanimi gesti. Bei Barotti: degli illustri 
Ferraresi I, p.59 findet man unter andern einen Beweis, dals Bojardo die Chronik nicht 
verfälscht habe, wie Muratori ihm vorgeworfen. 


(°) Z.B. findet sich in einem Memorienbuch unsers Maximilian: „Item der Kunig sol 


Matteo Maria Bojardo. 431 


len vermuthet, er habe die Feerie seines Gedichtes aus orientalischen Quel- 
len, vielleicht aus Tausend und Einer Nacht entlehnt, vielleicht arabisch ge- 
konnt, und was dem mehr ist. Diejenigen Phantasien wenigstens bei deren 
Erwähnung man dies vermuthet hat, von dem Garten der Morgana, dem 
Kampfe mit dem Drachen vor dem Eintritt in denselben, der Befreiung der 
festgehaltenen Ritter — wie sie sich ähnlich in Aleine und Armide wieder- 
holen — sind aus Lancelot du Lac genommen, und Orlando spielt nur die 
Rolle des Lancelot. Wenn demnach Bojardo schon hier die Romane von 
der Tafelrunde benutzte, so war doch seine Intention noch gröfser und all- 
gemeiner. Hören wir ihn selbst, um den Gang seiner poetischen Betrach- 
tung zu bemerken. ‚,Sehr berühmt”, sagt er, ‚‚war der Hof des Artus: in 
vielen Schlachten zeigten die Ritter ihre Tapferkeit, und mit ihren Damen 
gingen sie auf Abenteuer: ihr Ruhm dauert noch. Dann hielt König Carl in 
Frankreich grofsen Hof; doch kam dieser dem ersten nicht gleich, ob er wohl 
stark und tapfer war, Roland und Rinald besafs: denn er hielt der Liebe 
das Thor verschlossen und widmete sich allein den heiligen Schlachten.” 
Er zeigt sich begeistert so oft er der Sagen der Tafelrunde gedenkt. ‚‚Wer 
ist”, ruft er einmal aus, ‚‚der wenn er von Tristan und seiner Dame hört, 
nicht sie zu lieben bewogen wird? Ihr Ende glücklich: Gesicht an Gesicht, 
Hand in Hand, das Herz eng an dem Herzen, in so schöner Vereinigung blie- 
ben sie in Einem Augenblicke todt.”” Er ist entzückt über die Seelenstärke 
die Lancelot und seine Königin für einander zeigten. Bojardo fand nun, 
dafs jedem dieser Fabelkreise etwas mangele: dem einen der grofse und un- 
mittelbar wirksame Gegenstand, dem andern die Bewegung wo nicht der 
Liebe, doch der Courtoisie. So entsprang in ihm die Idee, die Eigenthüm- 
lichkeiten beider mit einander zu vereinigen. Er behielt die Paladine und 
die Natur ihrer Kämpfe im Grofsen bei, aber ihren Waffen fügte er das an- 
dere Element hinzu. Dies ist der Grund weshalb er die von Turpin, wie er 
scherzhaft sagt, verborgen gehaltene Geschichte von dem verliebten Roland 
zum Vorschein brachte. Er sagt es ganz ausdrücklich. In jener Stelle, wo 


suchen den Risen in Kunig Arthos Chroniken, der mit Kunig Arthos gefochten hat und aus 
Britani gewesen ist”. In dem romanischen Europa breiteten sich besonders die Pariser 
Drucke von 1480-1520 aus. Es war die damalige französische Literatur der vornehmen 
ritterlichen Welt. 


432 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


er Artus und Carls Hof vergleicht, schliefst er: ‚‚Liebe ist es die den Sieg 
verschafft und dem bewaffneten Ritter Kühnheit giebt; deshalb gefällt es 
mir die Geschichte die ich angefangen habe, von dem verliebten Roland, 
weiter zu erzählen.” (1) 

Dergestalt entspringen ihm die Hauptbestandtheile seines Werkes: 
Waffen, Liebe und Zauberei. Zugleich sehen wir die beiden grofsen Fabeln 
desselben, von denen die eine die Gefahr Frankreichs, die andere die Per- 
son Orlandos angeht, in ihrem Entstehn. . 

Löst man sich das Gewebe dieses Gedichtes weiter auf, so ist unter 
andern auch antike Fabel, und zwar nicht, wie bei Pulci, in flüchtiger An- 
spielung sondern in eigentlicher Ausführung, zu unterscheiden. Bojardo, 
der den Herodot und Apulejus übersetzte, verräth schon in der Wahl dieser 
Autoren ein Wohlgefallen vornehmlich an der Mannigfaltigkeit vergnüglicher 
Erzählungen des Alterthums. Gar manches Wunder der Mythologie und 
fabelhaften Geschichte hat er nun auch in sein Gedicht verwebt. Es ist wohl 
sehr wahrscheinlich dafs der unsichtbar machende Ring der Angelica dem 
Ringe des Gyges seinen Ursprung verdankt. Wir finden eine Sphinx mit 
ihrem Räthsel: einen Polyphem, der denn auch eins von seinen Opfern 
schont: selbst in dem Namen der Circella erkennen wir die Circe, und die 
Geschichte des Narciss wird ausführlich wiederholt. — Vielleicht hat die 
Nachahmung des Alterthums auch an der grofsen Zusammensetzung dieses 
Werkes Antheil. Denn obgleich die Fabel von Ruggiero, dem Sohne Rug- 
gieros von Risa und Ghaliziellas, die bereits der Bearbeiter des Aspramonte 
kannte, unfehlbar älter ist als Bojardo, so ist doch der Bezug dieses Helden 
auf das Haus Este, es sind die Weissagungen, die sich daran knüpfen, von 
eben diesem Geschlecht, welches alle Tapferkeit, Güte und gute Sitte be- 
wahren, bei dem Liebe, Ruhm, Tugend und glücklicher Zustand blühen 
werde, ohne Zweifel ähnlichen Beziehungen der alten Sagen auf die neueste 
Zeit in den lateinischen Dichtern nachgebildet. Übrigens bildet die Erzäh- 
lung von Ruggiero die dritte Hauptfabel des Werkes. 


(') Liöro IT, canto XVII. Bezeichnend hiefür ist auch folgende Stelle (III, 5): 
Perö diversamente il mio verziero, 
Di amore, di bataglia ho gia piantato: 
Piace la guerra a lo animo piu fiero, 


Lo amore al cuor gentile e delicato. 


Manuscripi der Reali. 417 


in schlechten Drucken wenigstens bis in das vorige Jahrhundert unter dem 
Volke erhalten. Das Gedicht Buovo wird noch immer gedruckt. Kaum 
glaublich ist es, welch eine Zahl romantischer aus diesem Stoff hervorge- 
gangener Gedichte in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts in Ita- 
lien verfafst worden sind: sie sind jetzt verschollen, jedoch die Bibliogra- 
phien sind ihrer Titel voll. 

Der Sinn, in dem dies Werk verfafst worden, ist durchaus ernst, ja 
streng. Die höchste Idee bleibt immer das Christenthum: zwar nichts als 
ein historisches Annehmen biblischer Geschichten, aber in sich selbst ein 
Verdienst: von einem parteiischen, jedoch zugleich dem wahren Gott be- 
schützt. Wer es verwirft, ist eben darum der Vertilgung würdig. Wie man 
Balda erobert hat, werden alle die welche das Christenthum nicht annehmen 
wollen, von der Schärfe des Schwertes getroffen: es waren ihrer siebzig 
Tausend, meldet der Autor ohne Bedauern. Es ist bemerkenswerth, dafs 
hiebei der Papst nicht gerade ein Gegenstand grofser Verehrung ist. Bald 
ist er von der einen, bald seiner Verwandtschaft gemäfs auch von der andern 
Partei; und ausdrücklich wird bemerkt, dafs der Calif bei den Saracenen 
mehr Ehre geniefse als der Papst bei den Christen. Es ist schlechterdings 
eine Religion der Waffen und der Herren, die man bekennt. Das von Gott 
zur Ausbreitung derselben hestimmte Geschlecht wird verherrlicht, der Papst 
spielt nur eine untergeordnete Rolle. 

Die Charactere sind einander sehr ähnlich. Fiovo, Fioravante, Buovo, 
Carl, Orlando sind in der That immer dieselbe Erscheinung, nur in verschie- 
denen Zeiten. Auch die untergeordneten Personen gleichen den vorneh- 
mern: nur etwa in dem verständigen Namo und in Astolfo treten abwei- 
chende Gestalten auf. Der Hauptunterschied liegt in dem Alter: die Väter 
sind streng und jähzornig, die Söhne widersetzlich und kühn. 

Auch in den Ereignissen wiederholt sich gar vieles. Alle diese jungen 
Helden, Fiovo, Fioravante, Buovo, Carl, Orlando, werden von ihrem Vater- 
haus verjagt; in der Fremde wachsen sie auf oder gelangen zu Ruhm (!): 
mehr als einmal zeichnen sie sich bei der Vertheidigung belagerter Plätze aus: 
ihre Rückkehr, ihre Eroberungen sind einander sehr ähnlich. So wiederho- 


(') Wesentlich die nemliche Fabel ward von Constantin selbst erzählt. 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Ggg 


418 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


len sich in dem Heldenbuche von Iran, bei Ferdusi, die Situationen in de- 
nen Rustan erscheint, wesentlich bei jedem neuen Ereignifs. 

In den Reali ist nicht recht was wir sonst Ritterthum nennen. Selbst 
bei dem edelsten Helden, dem ersten Paladin, wird die Untreue als Vergel- 
tung einer erlittenen gebilligt. Jene verwickelten Liebesabenteuer, welche 
in andern Fabelkreisen das eigentlich belebende Element sind, finden wir 
hier nicht. Die Liebe tritt ein, doch höchst einfach. Sie geht immer von 
der Frau aus: sie ist allemal eine Nachwirkung grofser Thaten: sie wird in 
der Regel mit aufserordentlicher Treue und Keuschheit gehalten. Anstöfsige, 
schlüpfrige Stellen finden sich nicht: sie würden dem Sinne dieses Werkes 
widersprechen. 

Hie und da tritt das den übrigen romantischen Gedichten so eigen an- 
gehörige Element des Zaubers ein; jedoch ist es sehr selten, und wenn etwa 
die Mutter Fioravantes ihrem Sohn einen Talisman gegen schädliche Ge- 
tränke gibt, so erörtert der Autor erst noch worin er bestanden haben möge. 
Er bestreitet ausdrücklich dafs Orlando und Ferrau durch Zauber vor Wun- 
den geschützt worden: in seinem Buche findet er nur dafs sie höchst vor- 
treffliche Waffen gehabt. Malagigi gehört der Haimonssage an und findet 
sich in diesem Werke nicht. 

Aufser der religiösen Idee und jener einfachen Frauenliebe werden 
die Menschen in diesem Buche durch eine freiwillige Unterordnung unter 
den Herrn und König, dem sie unverbrüchlich ergeben sind, durch die 
Freundschaft des Mannes zum Mann, die in dem Verhältniıfs des Danese zu 
Carl, des Sansonetto zu Orlando auf eine sehr schöne Weise hervortritt, 
und jene unsichtbaren Bande welche die Familie auch getrennt verknüpfen, 
in eine geistige Bewegung gesetzt. 

Die Darstellung ist vornehmlich in Zweikämpfen und Schlachten aus- 
führlich und anschaulich. Das Anrücken der immer wohl gesonderten Schaaren, 
die Begebenheiten der verschiedenen Schlachttage, entscheidende Ereignisse, 
Waffen und Kriegswerkzeuge werden mit Liebe und Einsicht beschrieben. 
Der Verfasser, der eine schlechterdings historische Miene angenommen, wie 
er denn auch mit dem Ereignifs schliefst, mit welchem die Chronisten von 
Florenz und Venedig beginnen, verfehlt nicht ausführliche Reden in Schlacht 
und Rath einzuschalten. 


Bearbeitungen in Versen. 419 


Bei all seiner Einfachheit und obwohl selbst in einzelnen Theilen, 
in nahen Capiteln Widersprüche nicht vermieden werden, hat er doch das 
Gewebe mit Kunst und beherrschendem Verstand angelegt. Die Entwicke- 
lungen der Geschichten des Ottaviano, des Buovo, Gherardos da Fratta, vor 
allem der Spagna sind sehr wohl erfunden. Die in der letzten Katastrophe 
wirksamen Momente sind in dem Anfange des Werkes vorbereitet. 


BEARBEITUNGEN IN VERSEN. 


Hätte ein wahrer Dichter zur rechten Zeit diesen Stoff ergriffen und 
ihm die Form gegeben, welche doch am Ende allein einem geistigen Werke 
unvergängliche Dauer sichert, so hätte er ihn so berühmt machen können 
wie Ferdusi den seinigen. 

Unser Werk und der ganze Fabelkreis der sich um dasselbe gebildet 
hatte, ward zunächst von Poeten bearbeitet die das Volk auf dem Markte zu 
vergnügen suchten. Den Zustand in dem solche sich befanden, läfst uns 
unter andern ein Florentiner, Altissimo, der gerade die Reali bearbeitet 
hat, sehr deutlich wahrnehmen (!). Einmal indem er bekennt, dafs die Ar- 
muth ihn nöthige dies Gewerbe zu treiben, dafs er von der Börse seiner Zu- 
hörer lebe; sodann wenn er diese bei dem Schlufs seiner Gesänge auf einen 
Tag den er nennt, etwa Dienstag oder Donnerstag, nach dem gewohnten 
Platz wiederbescheidet. Dies war, wie sich ergibt, ein freier Raum wo seine 
Freunde für ihn und die Zuhörer Bänke einrichteten. Hier war es wo er 
dem gemäfs was er in den Büchern geschrieben fand, wie er ausdrücklich 
sagt, improvisirte. Einen ähnlichen Zustand läfst Zenobi di Sostegno, wel- 
cher seinen ersten Versuch in Reimen an der Spagna machte, voraussetzen: 
vertraulich redet er die Herren und guten Leute an, welche gekommen ihm 
zuzuhören, empfängt sie mit Gebeten und entläfst sie mit guten Wünschen. 
In der That liegt ein solcher selbst der Ökonomie der romantischen Ge- 
dichte, den Einleitungen religiöser oder, wie sie schon Altissimo öffentlich 
versuchte, betrachtender Art, der Eintheilung in kurze Gesänge und andern 
Eigenthümlichkeiten zu Grunde. Etwas Analoges kann man noch gegen- 
wärtig miterleben. 


(') Ich bediente mich der Ausgabe Venedig 1534. Incominciasi il primo canto de Reali 
del poeta Altissimo Fiorentino. 


Ggg 2 


420 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


Auf der Riva Schiavone zu Venedig sieht man alle Tage, ungefähr 
wenn Feierabend gemacht wird, gegen Ave Maria, und Sonntags etwas frü- 
her, den Raccontatore seine Zuhörer um sich sammeln. In einem etwas ent- 
fernten Kreise stehn sie um ihn her, drei, vier Personen hinter einander, 
Männer, Weiber und Kinder, ihn zu vernehmen. Wir hörten ihn die Fabel 
von den Haimonskindern und darauf die Geschichten Carls XI, nach den 
Tagen in Abschnitte vertheilt, vortragen, und wenn er es beklagte keine 
Gabe für die Poesie zu haben, so zeigte er doch für die Erzählung wahrhaft 
eine Ader. In der Mitte, wenn das Interesse gespannt ist, pflegt er inne zu 
halten, um seine Centesimi zu sammeln und sich etwa durch einen Trunk 
zu erquicken. Dann fährt er mit Behagen in seiner ganz lebhaften Darstel- 
lung fort, langsam, in wohltönenden Worten, auf- und abgehend, bis die 
Nacht anbricht. 

Wohl mochte sich unter denen die den Stoff der romantischen Bücher 
auf ähnliche Weise ihrer Nazion überlieferten, manches grofse Talent fin- 
den; es mochte einige geben welche ihn poetisch zu durchdringen und wie- 
derhervorzubringen fähig waren. Immer hatten sie es schwerer als die Volks- 
dichter anderer Nazionen. Die Sage die sie behandelten, stammte nicht aus 
nazionalen Erinnerungen : sie war nicht einheimisch auf diesem Boden: aus 
fremden, anderswo erfundenen Büchern mufste sie herüber genommen wer- 
den: die Übung der Poesie selbst war an kein Fest, an keine Feierlichkeit 
geknüpft; persönliches Bedürfnifs war in der Regel ihr Ursprung. Gewifs 
ist, dafs die meisten Gedichte welche uns in dieser Gattung aufbehalten wor- 
den, von wenig Talent zeugen. Ich weifs nicht ob es dem Bearbeiter der 
Spagna selbst oder einer schlechteren Quelle der er folgte zuzuschreiben 
ist, dafs er anfangs die Vision die der Grund der Unternehmung ist wegläfst, 
und von weiter nichts wissen will als dafs Carl Spanien zu besitzen ge- 
wünscht habe; aber es ist deutlich, wie sehr sein Gegenstand hiedurch an 
höherem Interesse verliert. Die Reime des Buovo folgen, so weit ich sie 
verglichen, ihrer Urkunde sclavisch nach. Der beste ist noch der Altissimo, 
dessen Betrachtungen doch hie und da einen nachdenkenden Mann ver- 
rathen, viel aber will er freilich nicht sagen. Genug, der improvisatorischen 
Bearbeitung gelang es nicht diese Sagen zu irgend einem bedeutenden Ge- 
dicht durchzubilden. 

In dem funfzehnten Jahrhundert geschah, dafs wahrere, mit der Bil- 


Luigi Pulei. 421 


dung ihrer Zeit vertraute Dichter den nemlichen Stoff, der allmählig tief 
und tiefer in die Nazion eingedrungen, zu bearbeiten unternahmen. Sofort 
zeigte sich der merkwürdige Confliet, dessen Entwickelungen zu beschreiben 
unsere vornehmste Absicht ist. 

Es ist wahr, noch war das Ritterthum nicht untergegangen, noch wa- 
ren in den obern Ständen durch ganz Europa jene Gesinnungen welche das 
Lehenwesen gegründet und die Kreuzzüge hervorgebracht hatten, nicht ver- 
loschen; auch blühte die Kirche in allgemeiner Anerkennung; aber daneben 
waren doch auch ganz andere Lebensregungen erwacht. In Italien, wo man 
in den beiden gebildetsten Staaten Kaufleute zu Herren geworden sah, wo 
man alle Wissenschaften aus den Alten erlernte, wo mitten im Schoofs der 
Kirche eine Secte weit um sich gegriffen hatte, die sogar die Unsterblichkeit 
der Seele leugnete, konnten jene Sagen wenigstens von Denen die an Rich- 
tung und Bildung ihrer Zeit lebendigen Antheil nahmen, nicht mehr in dem 
Sinn vorgetragen werden in welchem sie erfunden waren: es war unmöglich, 
dafs jenes ritterliche, bewaffnete Christenthum ferner in dem idealen Licht 
erschien das ihm die Sagen gaben: die mit Gewalt eindringenden antiken 
Autoren mufsten einen Einflufs auf die Behandlung ausüben; genug man 
mulfste die Sache schlechterdings anders angreifen. 

Zu fassen wie dies geschah, wie die einander widersprechenden Ele- 
mente sich bekämpften, bis aus der Manier des Mittelalters die moderne her- 
vorging, eben das ist unsere Aufgabe. 


LUIGI PULCI. 


Es würde nicht gerathen sein, bei allen denen zu verweilen die man 
eben liest ohne etwas von ihnen sagen zu können, die nur eine nicht üble 
Erzählung in leidlichen Versen vor dem Leser vorüberführen; unser Augen- 
merk mufs sein diejenigen zu begreifen die an den Bestrebungen ihrer Epoche 
lebendigen Antheil nehmend etwas Neues vorzutragen, einen eigenen Weg 
zu betreten versuchten. 

Luigi Pulei hängt auf der einen Seite noch sehr mit jenen bänkel- 
sängerischen Volksdichtern zusammen deren wir gedacht. Einzelne Theile 
seines Werkes, wie die Abenteuer Morgantes und Marguttes, die Eroberung 
von Babylon, sind entweder zu seiner Zeit oder bald nach ihm als Volks- 
gedichte verbreitet worden; die Beschreibung der Schlacht von Roneisvall 


4299 Rınke: zur Geschichte der italienischen Poesie: 


in zwei Gesängen, aus seinem Werk entnommen, ist noch heute unter den 
neugedruckten Volksbüchern zu finden — eine Auszeichnung die so viel ich 
weifs keinem seiner gebildeten Nachfolger zu Theil geworden. Auf der an- 
dern Seite aber hat doch dieser Tischgenofs Lorenzos de Medici, Freund 
Agnolo Polizians, Tebaldeos und so vieler anderer von der Antike ergriffe- 
ner Zeitgenossen eine ganz verschiedene Richtung in sich aufgenommen. 

Dem allgemeinsten äufseren Umrifs nach ist sein Gedicht einem 
Theile der Spagna entnommen. Es hebt mit dem Moment an dafs Orlando 
von Carl beleidigt ihn verläfst; es führt denselben, wie die Spagna, in das 
Lager jener beiden Könige von denen der Mächtigere mit Gewalt um die 
Tochter des andern freit: Babylon, von dem so viel die Rede ist, wird für 
eben jenes Lamecca erklärt von dem die Spagna handelt: den Amostante 
finden wir wieder: beide Werke endigen mit der Schlacht von Roneisyall. 
Wie Puleci aber hier schon an allen Stellen von seiner Urkunde abweicht, 
so verflicht er in diesen Umrifs tausend andere Sagen welche der Spagna 
fremd sind: die er bald aus den Haimonskindern — wie sich denn z.B. in 
Gefangenschaft, Gefahr und Rettung Astolfos eine Nachbildung der Aben- 
teuer Ritsards mit Roland, Carl und Ryper nicht verkennen läfst — bald 
aus der Regina Ancroia, bald aus eigener Phantasie entnommen haben mag. 
Weder höhere Absicht aber, noch auch Einheit der Handlung kann ich in 
dem Gedichte Puleis entdecken. Es war nicht seine Meinung jene grofse 
Sage gelten zu lassen auf welcher die Spagna beruht: den ganzen Hinter- 
grund derselben läfst er fallen: nicht von der Belagerung von Pampelona, 
sondern von dem Hof zu Paris entfernt sich Orlando: Pulei ist zufrieden 
Abenteuer an Abenteuer zu reihen: der eigentliche Hebel aller seiner Ge- 
schichten ist der treulose Gan, der seine verrätherischen Anschläge uner- 
müdlich, bis zur Ungeduld des Lesers — man verwundert sich dafs nicht 
auch des Dichters — wiederholt. So wird ihm die Schlacht von Roncisvall, 
wie trefllich er sie auch beschreibt, doch nur ein Abenteuer wie die andern, 
und die Ansicht der Welt aus welcher die Sage hervorgegangen, bleibt sei- 
nem Werke fremd. 

Schon in dem ursprünglichen Gedicht spielen die Priester weder die 
wichtigste noch auch immer eine untadelhafte Rolle: und es ist wenigstens 
sonderbar, wenn z.B. im Aspramonte der Erzbischof Turpin den Augen- 
blick wahrnimmt wo Gherardo Carln einige sonst unbedeutende Ehren- 


Luigi Pulei. A423 


bezeigungen erweist, und sie sofort verzeichnet, um daraus für denselben 
eine Art von Anerkennung 
die ausdrückliche Absicht sich für einige von Gherardo erlittene Beleidigun- 
gen zu rächen. Viel weiter aber geht Pulei. Man mufs sich erinnern dafs er 


sein Werk, welches bereits 1481 erschien, eben damals schrieb als sein Gön- 


seiner Unterthänigkeit herzuleiten: nicht ohne 


ner Lorenzo Medici von einem unerbittlich - feindseligen Papst mit offener 
Gewalt und geheimen Anschlägen unaufhörlich angegriffen ward. Diesem 
Eindruck ist es wohl zuzuschreiben dafs er die Priester, in denen er nichts 
als Heuchler sieht, bald mit schneidendem Ernst, bald mit beifsendem Spott 
verfolgt. ‚‚Er erschlug”, spricht er, ‚‚mit dem Schwert, nicht mit dem 
Hirtenstab.”’ 

Dabei schreitet er zu den kühnsten und ernsthaftesten Fragen über 
die Religion fort. Er läfst den Zauberer Malagigi sich mit dem Geist den er 
zu seinem Dienste beruft, Astaroth, über die Geheimnisse der Dreieinigkeit, 
die Vorausbestimmung des Bösen und den freien Willen berathen: so un- 
heimlich es einem dabei wird, so ist der Autor doch tiefsinnig, hie und da 
erhaben. Er liebt diese Dinge in die sonderbarsten Situationen zu verflech- 
ten. Eben dort wo er den Bajardo solche Sätze machen läfst, dafs Phaeton 
tiefer einhergeflogen sein mufs, dafs Juno für ihren Scepter fürchtet, läfst 
er eine Discussion beginnen nicht allein, was schon an sich merkwürdig ist, 
über die Stellung der Erde, frei unter den Gestirnen, und die andere Hemi- 
sphäre (!), sondern auch über den Ursprung der Menschen und ihre Selig- 
keit durch Christum. Wenn er hier die ausschliefsende Wahrheit des Chri- 
stenthums und die Heiligkeit christlicher Gesetze anerkennt, so trägt er doch 
kein Bedenken hinzuzufügen, der dürfe nicht verzagen wer sein eigenes Ge- 
setz redlich halte, in allem Volke: die Gesinnung sei es welche verdamme 
und rette (°). 


(') E puwossi andar giü all’altro emisperio — 
Si che la terra per divin misterio 
Sospesa sta fra le stelle sublime. — (e.XXV.) 
Auch XXIV £.139 heifst es beim Eintritt der Nacht: Ma il sol l’altro emisperio facea bello. 
Pulei nimmt an, dals die andere Hemisphäre bewohnt sei: es gebe auch da Belagerungen 
und Feldschlachten u. s. w. 


(?) La mente & quella che vi sawa e danna, 


Se la troppa ignorantia non m’inganna. 


424 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


Leicht nimmt man wahr dafs Pulei sich in Scherzen gefällt. Ich 
möchte jedoch darum nicht sagen dafs er sein Gedicht auf Satyre angelegt 
habe. Ernst und Burleske hatten sich noch nicht in besondere Gattungen 
getrennt. In allen romantischen Gedichten, von wem sie auch sind, finden 
wir Scherz und Zweideutigkeiten: dies gehört zu ihrem Wesen; und es mag 
von ihrer ursprünglichen Bestimmung ein nicht eben gewähltes Publicum zu 
unterhalten herrühren. Eben so gehört es zu ihrer herkömmlichen Manier 
dafs die Gesänge mit einem Anfangsgebete eingeleitet werden. Pulei scherzt 
viel und oft; wenn er darum dennoch die Anfangsgebete, die er nicht er- 
funden haben würde, beibehält, Gebete, in denen oft reine Frömmigkeit 
alhmet und keine Spur von Schelmerei zu finden ist, so kann ich mich nicht 
überreden dafs dies für Satyre oder Blasphemie zu halten sei. Ich glaube 
ihm wenn er sagt: ,‚ich bin nicht so sehr ein Satyr wie ich danach aus- 
sehe.” (1) 

Allerdings stellt Pulei das Ritterthum mit einer gewissen Ironie dar. 
Die Liebschaften Oliviers und Rinalds, die Schwachheiten Carls des Gro- 
{sen, die Gesellschaft des Helden mit dem wunderlichen Riesen von dem das 
Werk den Namen hat, streifen an das Lächerliche. Aber selbst dieser Riese, 
obwohl er so grofs ist wie ein Mastbaum und so stark dafs er einen Thurm 
der Mauer umwirft ‚‚besser als es ein Erdbeben vermocht hätte”, wird 
durch seine freiwillige Unterordnung unter Orlando, vor dem er nieder- 
kniet, den er nicht verlassen will, aus einem Ungeheuer zu einem Menschen. 
Und wie so durchaus edel, mild und grofs ist Orlando! Er läfst sich nicht 
einmal durch die Liebe verführen: nach den unzähligen Beleidigungen Carls 
des Grofsen ist er dennoch mit dessen Rettung durch Alda wohl zufrieden: 
dem zu Gutem oder Bösem leicht entflammten Rinald steht er mit dem Ge- 
gensatz einer starken und festen Gesinnung trefflich gegenüber. 

Endlich ist es wohl an dem, dafs religiöse und kirchliche Dinge tau- 
sendfältigen Spott erfahren; aber dagegen werden doch die tiefern, nament- 
lich speculativen Fragen mit unleugbarem Ernst vorgenommen. 


(') Ich wülste mit Pulci nichts zu vergleichen als etwa den Orfeo seines Freundes Poli- 
zian, eine wilde Skizze, in der Orpheus lateinische Verse machend, gutmüthige Hirten, ra- 
sende Bacchantinnen, Tod, Wiederbelebung und neuer Tod flüchtig vorübergeführt werden, 
in der es zuweilen auch ist als sei alles Scherz und Ironie. Der Orfeo verhält sich zum 
Aminta Tassos wie der Morgante zur Gerusalemme. 


Matteo Maria Bojardo. 433 


Allerdings besteht dieses hienach aus Elementen verschiedenen Ur- 
sprungs; dennoch ist es ganz wie aus Einem Gusse. Wir haben einen Poe- 
ten vor uns der selber lebhaft von alle dem ergriffen ist was in dem Ritter- 
thum schön und ehrenwerth und rühmlich war. Unweit von Scandiano lag 
ihm ein altes Bergschlofs Torricella, fern von der Strafse, ewig einsam, mit- 
ten im Gehölz: wohin er sich während der heifsen Monate zurückzog: hier 
oder in Gesso, einer andern seiner Besitzungen, auf einer Anhöhe gelegen, 
mit weiter freier Aussicht, dichtete er sein Werk (!). Zur Ergötzung derjenigen 
Gefährten, die, wie er sagt, wenn sie gleich den Krieg lieben, ihn doch nicht 
aus Rachsucht und Wuth führen, schrieb er es, um die Ehre der alten Rit- 
ter zu erneuen, die jedes furchtbare Ding in der Welt unterwarfen. Er war 
um so mehr mit ganzer Seele dabei, da er sich überredete dafs die Übung 
ritterlicher Tugenden, eine Weile unterlassen, sich zu seiner Zeit wieder er- 
neue. Jenes üble Wetter, sagt er, jener Winter sei vorüber: die Welt be- 
ginne aufs neue sich mit der Blüthe der Tugend zu schmücken (?). 

Sehr wohl gelang es ihm, die einförmigen Charactere welche ihm die 
alte Fabel, zufrieden Richtung des Gemüthes und Stimmung auszudrücken, 
in wenig grofsen Zügen überlieferte, zu der Wahrheit durchzuarbeiten die 
sein bewegteres Gedicht forderte. 

Welch ein anderer Rinald ist der seine als jener wilde und entsetz- 
liche Haimonssohn! Der Rinald Bojardos, nicht allemal der stärkste, aber 
der Fechtkunst Meister, fest auf seinem Rofs, immer mit offenen Augen, ein 
edler Jüngling voll von Thatenlust. Wie ihm Carl das Heer anvertraut, 
bringt ihm freudige Hoffnung die Thränen in die Augen, und er dankt mit 
angemessener, fast ablehnender Bescheidenheit. 

Ihm gegenüber Rodomont, der nicht weifs ob es einen Gott giebt, 
denn niemand hat ihn gesehen: sein gutes Schwert, sein Kriegsrofs, der 
Muth den er hat, die sind sein Gott. Von den Gebräuchen der Ritterschaft 
will er nichts wissen. Er fügt dem Feind so viel Böses als möglich zu. Je- 
doch seinem König ist er unterthan. 


(') Hallisneri Lettera intorno del conte M._M. Bojardo. Caloger@ Raccolta III 351 - 376. 


2 x ” ” 
©) Hora & il mal vento e quel verno complito 


E torna il mondo di virtu fiorito. 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. lii 


34 Rınke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


En 


Aus der Spagna ist Astolf, der sich seine Unfälle nicht übel nimmt, 
die Achseln zuckt und sich zu entschuldigen weifs, weiter ausgebildet. 

Es folgen der treue Brandimarte, der nicht hört dafs Orlando weg- 
gegangen ohne auch zu gehn, an dem der Dichter das Glück der Freundschaft 
schildert, das unbeschreibliche Vergnügen mit einem Andern sprechen zu 
können wie mit sich selber (!): Fiordelisa, die, so jung und schön und feu- 
rig sie auch ist, doch einen Verstand zeigt in welchem etwas Göttliches liegt: 
Bradamante, ganz Jugend, Kraft und Unschuld: und neben ihnen die bittere 
Marfise, die auf ihre Unbesieglichkeit trotzend noch gen Himmel zu kommen, 
den Mahomet zu erschlagen und das Paradies zu verbrennen droht: der win- 
zige Brunell, der sich vermifst dem Himmel den Mond, der Glocke den Ton 
und der Christenheit den Papst zu stehlen. 

Unter ihnen Orlando, wohl der Held des Werkes, jedoch darum lange 
nicht Ideal. Ich möchte nicht sagen dafs er ohne Ironie gedichtet sei. Er 
ist gar leicht zu betrügen und unschwer verliebt. Dem boshaften Griechen 
glaubt er auf sein Wort und dankt ihm dazu. Er geht getrost nach einem 
Stein von dem ihm gesagt worden man könne da die Hölle sehen. Die An- 
gelica begleitet er von dem äufsersten Asien bis nach Frankreich so sittsam 
dafs er in seiner Liebe nicht vorwärts kommt, und doch macht die verräthe- 
rische Origille auf ihn Eindruck. So streift er hart an das Komische, Lächer- 
liche; er hat einen Zug von Don Quixote: aber er streift nur daran: dieser 
Zug ist leise und gutmüthig, mehr angedeutet als ausgeführt: bei weitem 
stärker ist doch das ernste Element: Orlando ist voll edler Einfalt, freudiger 
Courtoisie, Hingebung und Frömmigkeit (?), im Ganzen grofsartig. 

Man verzeihe wenn wir diese Gestalten zu ergreifen suchen, die aller- 
dings nur in der Phantasie eines Poeten lebten. Es kommt uns hier auf seine 
Eigenthümlichkeit an, die Charactere nicht allein im allgemeinen Umrifs, 


sondern mit den leiseren Zügen darzustellen, die erst eigentlich wahr 
sind. 


6) Potendo palesar l’un a l’altro il core 
E ogni dubio che accade raro o spesso 


Poterlo ad altrui dir come a se stesso. (III v1.) 


(*) Z.B. in dem schönen Gespräch mit Agrican vor ihrem Kampfe, I xıx. Agrican fällt: 


O quanto al conte ne rincresce e dole. 


Matteo Maria Bojardo. 435 


Allein zu weit würden wir gehn wenn wir, nach Bezeichnung der Haupt- 
momente der Fabel und der Charactere, die Entwickelung der Ereignisse vor 
Augen stellen wollten. Wenige Gedichte werden von eigenen sinnreichen 
Erfindungen, reizenden Situationen, wohlersonnenen Verwickelungen so voll 
sein. Man wandelt in diesem Gedicht einen wundervoll verschlungenen Pfad 
zwischen den seltsamsten lebendigsten Abenteuern, immer neu, immer rei- 
zend. Man erwarte aber nicht lauter Tugend und Schönheit, Seelengröfse 
und Gemüth. Derbe Sinnlichkeit tritt in dem naiven Ausdruck ganz unver- 
hüllt hervor und es finden sich anstöfsige Scherze. Jedoch sollten wohl 
fromme Betrachtungen erheuchelt sein weil sie Schalkhaftigkeit, die Cour- 
toisie falsch weil sie Sinnlichkeit, und Tapferkeit unecht weil sie Wildheit 
zur Begleiterin hat? Dieses sonderbare Nebeneinander bildet eben das Ge- 
webe wie des Lebens so denn auch des Gedichtes. Und keinesweges werden 
wir hier durch grelle Gegensätze gestört. Über diesem Werke breitet sich 
eine poetische Stimmung aus, die wie sie den Dichter belebte so sich auch 
dem Leser mittheilt und über alle Schwierigkeiten hinweghilft. 

Vorzüglich merkwürdig ist es in dieser Hinsicht, wie Bojardo die My- 
then des Alterthums behandelt. Nicht so ganz und gar wie er sie findet 
nimmt er sie an. Seine Sphinx z.B. ist nicht mehr die thebanische: sie ant- 
wortet erst auf die fremde Frage ehe sie die eigene vorlegt; und ich finde es 
artig und neu dafs sie wie Orlando auf sie zukommt, Schlangenschweif und 
Greifenklauen verbirgt und dagegen die Pfauenflügel ausbreitet. Jener Poly- 
phem schont seinen Mann nur darum weil er sich an dem Magern hungrig 
zu essen fürchtet, der Dichter verflicht ihn darauf in seine abenteuerlichsten 
Begebenheiten. Circella wird von der Liebe zu einem Ritter betrogen und 
trinkt selbst von ihrem Zaubertrank. Das Grab des Narcifs umgiebt der Poet 
mit Liebe und Zauberei. Amor ist bei ihm ein nackter Jüngling der unter 
den Grazien tanzt, und reizend wird die Rache geschildert die er nimmt. 

Zuweilen scheint es wohl als wolle Bojardo einem antiken Original 
genauer folgen: dort wo Orlando wie Cadmus die Zähne des Drachen säet 
den er erlegt hat, entstehn die Kriegsleute aus dieser Saat ziemlich wie bei 
Ovid, indem erst ihre bunten Helmbüsche, darauf Helm und Brust aus der 
Erde hervorgehn: aber gar bald verläfst er die Fabel und ihren Erzähler: 
die Kriegsleute, die sich, wie man sich erinnert, unter einander selbst tödten 

Iii 2 


436 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


sollten, erheben sich hier sämtlich mit Kriegsgeschrei wider Orlando, der 
sich nicht wundert dafs Übel erntet wer Böses säet, den Bajardo, den er 
damals reitet, besteigt, die Durindana schwingt, und diese Sparten sämtlich 
erlegt. — Auf ähnliche Weise nahm das frühere Mittelalter selbst die Mythe 
des Alterthums auf. Genährt von den romantischen Phantasien dichtet Bo- 
jardo die antiken Fabeln in ihren Geist ein. 

Er ist ein Dichter der so zu sagen daran glaubt was er besingt und 
ganz darin lebt: dichtend vergnügte er sıch, so lange Welt und Stimmung 
es gestatteten. 

Schon am Ende des zweiten Buches aber klagt er, es helfe ihm nicht 
mehr alle seine Gedanken dem Gedichte zu widmen. Italien sei von Weh- 
klagen erfüllt; er athme kaum, wie solle er singen? (1) Die allgemeinen An- 
gelegenheiten stören die Harmlosigkeit seines Lebens. 

Noch einmal hofft er mit freierem Geist fortfahren zu können: noch 
einmal fühlt er sich in der Gesellschaft die sein Werk erheitert glücklich: 
und so führt er seine Erzählung bis in die Mitte fort, bis dahin wo die Sara- 
cenen Paris angreifen, Rodomont die Leiter an die Mauer legt und nur durch 
die Ankunft Orlandos sie zu ersteigen abgehalten wird: er verspricht gerade 
die wohlklingendsten Saiten seiner Cither anzuschlagen; da sieht er eben 
diese Franzosen über die Berge kommen und ganz Italien in Feuer und 
Flammen. Er läfst seinen Faden mit Schmerzen fallen, und hat ihn nicht 
wieder aufgenommen. In dem Jahre in welchem die Franzosen erschienen, 
1494, starb er noch. Der Welt bereiteten sich andere Zeitalter vor, in der 
eine Gesinnung keinen Platz hatte wie er sie hegte. 


ARIOSTO. 


Schon Lodovico Ariosto, obwohl ein Landsmann, beinahe ein Zeit- 
genofs und der Fortsetzer Bojardos, entwickelte doch eine sehr abweichende 
Geistesrichtung. 

Wo Ariosto hie und da der Jahre seiner Bildung gedenkt, stellt er 
sich als einen jungen Menschen dar den die Welt nach verschiedenen Seiten 


6) S’intende Italia de lamenti piena, 
Non c’hora canli, ma spiro appena. 


Ariosto. 437 


hin reizt und anzieht. Er widmet sich den Studien bald des Rechts (!), bald 
der Antike. Zuweilen gefallen ihm Hof und Fürstendienst, und in ausbre- 
chenden Kriegen versieht er sich mit Rofs und Waffen: lieber aber ists ihm 
doch, in der Vigna am Rodano bei Reggio, in dem vom Bach umschlosse- 
nen Garten Landleben und Einsamkeit zu genielsen. Die Poesie ergriff er 
wohl frühe, doch liefs er sie lange Zeit fahren; bis etwa ein wetteifernder 
Bruder ihn wieder ermunterte, und auch hier waren es bald Schauspiele, wie 
er denn schon als Knabe Theaterstücke verfafst hat, bald die romantischen 
Gedichte der Spanier und Franzosen, bald Horaz und Gatull, die er unter 
jenem Lehrer studirte, der ihn, wie er sagt, aus einer trägen Masse zu einem 
Menschen gemacht, was ihn beschäftigte. Genug die Wissenschaften des 
Nutzens und Vergnügens, Krieg und Frieden, öffentliches und privates Le- 
ben, antike und moderne Welt, alles zieht ihn an, und er spottet selber über 
seine Unbeständigkeit. 

Wie es aber zu geschehen pflegt, das Leben machte seine Forderun- 
gen an ihn geltend und wies ihm seinen Weg an. 

Dafs der Vater frühzeitig starb und die zahlreiche Familie von ihrem 
Erbe nicht leben konnte, dafs Lodovico nunmehr für die Erziehung der 
Brüder zu sorgen, die Schwestern zu verheirathen, schwierige Processe aus- 
zufechten hatte, nöthigte ihn Dienste zu suchen (?). Lange Zeit im Gefolge 
des Cardinals von Este, alsdann am Hofe des Herzogs von Ferrara, gelangte 
er zu einer sehr mannigfaltigen, vielseitigen Thätigkeit. Er übernahm Ge- 
sandtschaften deren sich kein Anderer unterzogen hätte, wie an Julius II, 
einen beleidigten und jähzornigen Lehensherrn, er focht in der Schlacht ge- 
gen die Venezianer auf dem Po, und erstieg selber eins ihrer Schiffe mit (*); 
die Garfignana, durch die Verordnungen eines langen Krieges verwildert, ver- 
waltete er zur Zufriedenheit des Herrn und der Landschaft. Er zeigte sich 
brauchbar und ergeben. Auch sein scenisches Talent zu üben gab ihm der 
Hof vielfache Gelegenheit; bald mit Übersetzungen aus dem Plautus, denen 


(') Es war nicht allein der Vater der ihn antrieb: „Mens mi verbosas suasit perdiscere 
leges.’” (Elegia de diversis amoribus.) 
(?) Er schildert das in der siebenten Satyre. Er habe, sagt er, seinen Sinn von Maria 


auf Marta wenden müssen. 


3) Gabrielis Ariosti Epicedium vers. 299 lälst daran nicht zweifeln. 
V 


438 Rınke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


man auch in Hinsicht des Verständnisses ein ausnehmendes Verdienst zu- 
schreibt, bald mit eigenen Versuchen in Prosa oder in Versen, die gewifs im- 
mer zu dem Besten gehören was die Italiener in dieser Gattung besitzen, 
diente er der aufkommenden Bühne von Ferrara. Trotz so vielfacher Dienste 
war sein Glück nur beschränkt, und nur spät gelangte er zu einer Existenz 
in der es ihm behagte. Er baute sich, wiewohl nur in einer entfernten 
Strafse, ein kleines Haus: noch besucht man das Zimmer wo er studirte, mit 
der Aussicht auf den Garten (!), den er selber bebaute, und trinkt aus sei- 
nem Brunnen. Er war zufrieden: er wufste, wie er sagt, den Hafen wo er 
Winden und Meer den Sturm verzieh: er meint damit, wie er eröffnet, den 
Umgang mit seiner Freundin, oder Gemahlin (°), deren ‚‚frank und freie 
Seele, deren edle Sitte und aus dem Quell der Gedanken strömende Bered- 
samkeit ihn festhielt””: er war glücklich wenn er auf dem Markte zu Ferrara 
zwischen den Bildsäulen der alten Marchesen auf und ab gehn konnte; es 
war ihm genug wenn sechs Menschen den Hut vor ihm abnahmen. 

In diesen Zuständen dichtete er die Fortsetzung des verliebten, den 
rasenden Roland: das Werk seines Lebens. Zwischen 1505 und 1516 hat 
er ihn verfafst, darauf immer erweitert und verbessert, bis er ein Jahr vor 
seinem Tode, 1532, eine neue Ausgabe vollendete, die ziemlich als eine an- 
dere Arbeit angesehen werden kann. 

Schon als eine Fortsetzung nun mufs dieses Werk die nemlichen Be- 
standtheile enthalten aus welchen Bojardo sein Gedicht zusammensetzte. 
Die karlingische Rolandssage stellt sich in den grofsen Scenen der Vertheidi- 
gung von Paris dar. Ariosto verknüpfte wie sein Vorgänger den Sinn und 
gar oft die Fabeln des Kreises der Tafelrunde mit derselben. Wenigstens 
neu ist es nicht dafs Orlando rast, da Tristan wie Lancelot aus Liebe in 
Wahnsinn fallen. Bereits Apostolo Zeno bemerkte dafs Origille und Martan 
aus. dem Tristan sind. Ich finde dafs auch andere französische Romane von 


(‘) Das Hintergebäude das jetzt Garten und Haus trennt ist neu. — Er hatte eine kleine 
Besoldung. In der „Bulleta stipendiatorum et familiarium” ist er 1518 aufgeschrieben 
„cum salario 7 ducatorum pro mense.” — Sieben Ducaten! Er bemerkt, dafs er den Musen 
nicht so viel verdanke um sich einen Mantel machen zu lassen. Jedoch: 

TI studio se a lo corpo non da pastura, 
Lo da a la men.«e. (Sat.1.) 


(?) Alessandra Strozzi: vgl. Fernows Leben Ariostos. 


Ariosto. 439 


Ariosto benutzt wurden. Zu jenem Fall der Bradamante unter andern, durch 
welchen sie an das Grab des Merlin geräth um sich das künftige Geschick ih- 
res Geschlechtes weissagen zu lassen, ist das Vorbild in Giron le courtoys, 
wo Breux eben auch in eine wunderbare Grotte gestofsen wird, in der er die 
Geschichte von Girons Voreltern kennen lernt. Wie Pinabel die Bradamante, 
will dort die Begleiterin des Breux diesen umbringen: beide ersehen dazu 
Höhlen an den Bergen wo sie sich gerade befinden, und beide geben vor, 
junge Mädchen in denselben gesehen zu haben (!). Ariostos Zeitgenossen 
wufsten dies wohl. Pigna vergleicht sein Studium der spanischen und fran- 
zösischen Romane mit dem Bemühen der Biene die vollsten, saftigsten Blu- 
men auf der Wiese zu finden. Ein ähnliches wandte er der alten Mythologie 
zu. Zwar wollen wir nicht mit einigen italienischen Gelehrten den Ruggiero 
von dem Achill, Carl vom Latinus, Rodomont vom Turnus, Melissa von 
der Juturna herleiten; allein unmöglich ist es, in der Befreiung der Ange- 
lica von dem Meerungeheuer durch. den mit Flügelpferd und Zauberschild 
ausgerüsteten Helden Perseus und Andromeda, in der Olimpia welche Bi- 
ren auf der Insel verläfst, Ariadne, in Medor den Nisus, in Orco ein furcht- 
bareres Nachbild des Polyphem zu verkennen. 

Ariosto wandelt demnach hier auf den Spuren des Bojardo. Es ist 
merkwürdig wie er zuweilen ich sage nicht in der grofsen Anlage, die natür- 
lich ähnlich und doch verschieden sein mufste, sondern in der Manier der 
Darstellung mit demselben wetteifert. So hat er die Fischerei der Alcina 
und das Abenteuer des Astolf aus seinem Vorgänger entlehnt. Wenn bei 
diesem die Fee alle Fische, so viel ihrer sind, aus dem Meer kommen läfst, 
Thunfische, Delfinen, Schwertfische, Nordcaper, viele andere, grofse und 
kleine, und die Ufer erfüllt werden; fafst dies Ariost in einer gesonderten 
Anschaulichkeit auf. Aleina ruft die Fische welche sie will: geschwind kom- 
men die Delfinen, die dicken Thunen mit offenem Maul, die Robben er- 


(') Giron le courtoys: alter Pariser Druck fol. 233. Or saichez tout de veritd que a la 
premiere foi que je y commencai a regarder, vy je la aval la plus belle damoiselle que je 
veisse oncques de tout mon age. Orlando canto I: 

E disse che avea visto in fondo 

Una donzella di viso giocondo. 
Ferner: Breux sagt: J’ay eiE ung peu etourdy du cheoir. Ariost: 

Giacque stordita la donzella alquanto. 


440 Range: zur Geschichte der italienischen Poesıe. 


wachen aus ihrem Schlaf: schaarenweis, emsig schwimmen die kleinen Gat- 
tungen herbei: man sieht die gewaltigen Rücken der grofsen Ungethüme. 
Die Schilderung des gröfsten derselben, den man für eine Insel hält, die An- 
rede der schmeichlerischen Verführerin ist in einem ähnlichen Sinne fleifsi- 
gerer Ausarbeitung herübergenommen (!). Vor allem erkennt man den Un- 
terschied ihres Talentes in der Art wie sie die Antike benutzen. Wenn Bo- 
jardo die antike Fabel bis ins Unkenntliche umbildet, so kann man bei Ariost 
in ganzen Erzählungen Schritt für Schritt den Dichter erkennen den er ge- 
rade vor sich hatte. Wie z. B. bei Ovid Perseus die Andromeda, würde bei 
Ariost Ruggiero die Angelica für eine Bildsäule halten, sähe er nicht 'Thrä- 
nen aus ihren Augen rinnen und ihr Haar im Winde flattern: er redet sie 
nicht anders an als jener: sie sei der Ketten der Liebe werth, nicht aber 
solcher. Wie dort Andromeda würde hier Angelica ihr Gesicht mit den 
Händen verhüllen, wäre sie nicht gebunden. Wie bei Ovid, wird auch hier 
das kommende Ungeheuer mit einem Schiff und der Bekämpfende mit dem 
Adler der sich auf die Schlange stürzt verglichen. Dabei ist jedoch Ariost 
noch weit entfernt unselbständig zu werden. In jedes Bild vertieft er sich 
und mahlt es mit eigenthümlicher Anmuth aus. Allerdings ist die Beschrei- 
bung, wie das Thier, obwohl nach mancherlei Umschweif, von Orlando end- 
lich getödtet wird, der Ovidischen, wo dasselbe bald untertaucht bald sich 
noch einmal erhebt bald sich herumwälzt wie ein wilder Eber, nachgebildet; 
allein Ariost schildert anschaulicher, wie es sich erst über das Meer empor- 
hebt, so dafs man seine Seiten und seinen schuppigen Rücken sieht, dann 
niedertaucht, den Sand mit dem Bauche aufwühlt und herauswirft, und dem 
wilden Stiere ähnlich ist der sich unerwartet den Strick um die Hörner wer- 


(') Bojardo lib. II canto 13. Ove la fata sopra la marina 
Facea venir con arte e con incanlti 
Sin fuor dell’acqua i pesci tutti quanlti. 
Ariosto canto VI: E stava sola in ripa a la marina 
E senza hamo e senza rete traea 
Tutti li pesci al lito che volea. 
In diesen Worten zeigt sich gleich das ganze Verhältnils. Wie viel anschaulicher ist Ariost: 
ohne Netz, ohne Angel, statt: durch Zauber; die Fische welche sie wollte, statt alle mit ein- 
ander. Der Erfinder aber bleibt Bojardo. Ich bitte die Leser denen diese Dinge nicht zu 
gering vorkommen, die ganze lange Stelle Wort für Wort zu vergleichen. 


Ariosto. 441 


fen fühlt, nach allen Seiten springt, in den Kreis läuft, sich beugt und er- 
hebt und sich doch nicht losmachen kann. Da ist nun merkwürdig wie Ariost 
dem Virgil folgt. Virgil, der Erhabenheit seines Gegenstandes immer einge- 
denk, behandelt selbst das Geringfügige mit Würde. Den Spieler der in der 
berühmten Nacht des Nisus und Euryalus getödtet wird, schildert er mit 
Haltung und Anstand: ‚,‚Serranus hatte in jener Nacht viel gespielt, der 
wohlgebildete, und lag darnieder, seine Glieder von göttlichem Weingenufs 
überwältigt.” Auch von Rhamnes, der zugleich König und ein dem Herr- 
scher willkommener Augur ist, wird mit gewählten Worten gedacht, er 
hauche auf hohen Teppichen den Schlaf aus voller Brust. Den Serran löst 
Ariost in zwei Bilder auf: in den Trinker, der, an das Weinfafs gelehnt das 
er ausgeleert hat, eines ruhigen Schlafes zu geniefsen hoffte, jetzt aber 
wird ihm der Kopf abgehauen und mit dem Blute springt der Wein hervor; 
und in ein paar Spieler, einen Griechen und einen Deutschen, welche die 
Nacht bei Schaale und Würfel zugebracht haben. Den König - Augur bildet 
er in den gelehrten Alfeo um, zugleich Arzt, Magus und voll von Astrologie: 
er hatte sich geweissagt dafs er im Schoofse seiner Frau sterben würde: jetzo 
traf ihn die Spitze des Schwertes. Man könnte sagen, wenn es nicht zu ge- 
sucht klänge, Ariost übersetze den Virgil unbewufst in den Homer zurück. 
Auf jeden Fall stellt er die Sachen anschaulicher, natürlicher und, wenn man 
will, gemeiner dar (!). 

Überhaupt aber zeigen sich, wenn wir nicht irren, in Bojardo und 
Ariost zwei verschiedene Fähigkeiten der Phantasie. Bojardo dichtet im 
Grofsen: die Ereignisse wie die Erscheinungen stellen sich ihm auf einmal, 
im Ganzen dar. Ariosts eigenthümliches Talent dagegen liegt in der durch- 
gebildeten Anschauung einzelner Momente, die er in deutlichem Umrifs dar- 


(!) So ist nun auch das Verhältnis zu dem Giron im einzelnen Ausdruck merkwürdig, 
z.B. bei jenem Fall den Ariosto aus Giron entnahm: Lors s’en vient a ung grand arbre 
et irenche la branche et puis l’acroche a une part de la roche et oste son haulbert et ses 
chausses de fer pour etre plus leger. Et maintenant se prend a la branche et entre dedans. 
Wie viel anschaulicher und deutlicher wird dies bei Ariost: 

Ecco d’un olmo alla cima frondosa 
Folgendo gli occhi un lungo ramo vede 
E colla spada lo subito tronca 


E lo declina gia nella spelonca etc. 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Kkk 


442 Rınee: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


legt: mit Vergnügen, Wohlgefallen und Absicht geht er auch auf das Kleine 
ein: Moment nach Moment bringt er so recht mit Behagen und Genufs 
hervor und stellt sie auf das lebendigste vor unsere Augen. — Diese durch 
die beiden Werke gehende und in ihrer Grundanlage thätig gewesene Ver- 
schiedenheit erklärt schon einigermaafsen den so ganz verschiedenen Ein- 
druck, die ganz verschiedene Wirkung welche sie hervorbringen. Es kom- 
men noch einige andere Momente hinzu. 

In Bojardo herrschen Vorstellungen und Dichtungen des Mittelalters 
schlechterdings vor; wird ein Alexander erwähnt, so ist es der mythische: 
Tristan und Isolde dienen zu Gleichnissen. Bei Ariost dagegen ist der Hin- 
tergrund allgemeiner Vorstellungen aus den Alten entnommen, und das Alter- 
thum erficht in ihm einen entschiedenen Sieg. Die Frauen sind so schön 
wie von Phidias gebildet: oder sie sind in künstlicher Arbeit erfahren wie 
Pallas: oder ihr Alter ist das der Hecuba und der Cumanerin. Will er einen 
Mann loben, so war Nireus nicht so schön, Achill nicht so stark, Ulyss nicht 
so kühn, Nestor, der so lang lebte und so viel wufste, nicht so klug. ‚‚Grau- 
sames Jahrhundert,” ruft er einmal aus, ‚‚voll von Thyesten, Tantalen und 
Atreen: in welchem Seythien ist dies Kriegssitte! — Er war der kühnste 
Jüngling von den äufsersten Küsten der Inder bis da wo die Sonne sinkt. — 
Bei einem Polyphem hätte er Gnade gefunden: aber du bist ärger als ein 
Cyclop und Lästrygone.” Der Duft ist bei ihm wie von Indiern und Sabäern: 
ein Gastmahl, wie es kein Nachfolger des Ninus geniefsen könnte; der Buhle 
der Alcina wird ihr Atys genannt. Wie Orlando mit dem Meerungethüm so 
gewaltsam gebahrt, vergifst der alte Proteus seine Heerde und flieht über 
den Ocean: Neptun läfst den Wagen mit Delfinen bespannen und geht zu 
den Athiopen. 

Aber überdies führt Ariost die moderne Welt in das Gedicht ein. 
Nicht allein indem er jenen Bezug der Fabel auf das Haus Este noch weit 
mehr als Bojardo und in weitläufiger Ausführung hervorhebt, sondern auch 
indem er statt des Costumes einer eingebildeten Epoche allenthalben die An- 
schauungen der eigenen einführt. Das Kriegswesen seiner Zeit, das in der 
That noch viel Ritterliches hatte, erlaubte ihm die Beschreibungen der Zwei- 
kämpfe, Turniere, Waffen und Sitten demjenigen gemäfs was er täglich sah, 


8 
darzustellen; allein auch minder poetische Dinge nimmt er auf: Schatz- 


Ariosto. 443 


meister, die Pferde und Volk, wie er sich ausdrückt, machen (!), Commis- 
sionen die durch Contrasegni bekräftigt werden, u. s. w. Die Vertheidigung 
von Paris ist der Vertheidigung von Ferrara nachgebildet die Alfonso dem 
Ersten so wohl gelang. Er enthält sich nicht Minen und Hakenbüchsen zu 
schildern. Auch auf dem Schiff sieht man die Helden bei widrigem Wind 
ihre Seekarten durchforschen. Die Beute besteht bei ihm wohl unter andern 
aus Zimmerbehängen in Flandern gearbeitet: er gedenkt der Seide und des 
Goldstoffes, so trefflich wie es florentinische Weber machen. Ruggiero ist 
so verweichlicht als hätte er in Valencia den Damen gedient. 

Wie ihm dann das Kaiserthum Carls des Grofsen und das französische 
Reich eins sind, die goldenen Lilien von Carl wie von Louis XII verthei- 
digt werden, so treten ihm die Menschen seiner Zeit unter die Heroen und 
die Wunder der Fabel ein. Seiner Fürsten und Freunde gedenkt er ausführ- 
lich. Ereignisse die er erlebte werden in aller ihrer Breite eingeflochten, 
und noch als er die zweite Ausgabe des Gedichtes machte, mufste sich ein 
Platz für Andrea Doria und genuesische Sachen finden. Man versichert 
übrigens dafs der Poet eine Gabrina, einen Caligorante gekannt, dafs was er 
von Ariodante und Ginevra, dem Eremiten und Angelica erzählt, sich da- 
mals in seiner Nähe zugetragen hatte (?). 

Durch diese unverhüllten Nachahmungen des Alterthums, diese aus- 
geführten und durchgehenden Darstellungen moderner Dinge erlitt der über- 
kommene Stoff eine völlige Verwandelung. Die Veränderung die die Sprache 
durch Ariosto erfuhr, ging derselben zur Seite. 

Jede Sprache erlebt eine Periode in der sie aus dem schwankenden 
Gebrauche zur festen Regel gelangt und correct wird. Glücklich der Autor 


(!) VIE159. Mandö per tutta la sua terra 

Suoi tesorieri a far cavalli e gente, 

Navi apparechia e munition di guerra, 

Vettovaglie e danar maturamente. — 
Das könnte in Prosa eben so gut im Guicciardini stehn. So theilt Ariosto, um noch eins 
anzuführen, die spanischen Mauren nach den Provinzen des damaligen Spaniens ein: I Cata- 
lani: la gente di Navarra: il popul di Leone: la minor Castiglia: was auf die Zeitgenossen 
um so mehr den Eindruck des Modernen machen mufste, da so eben an die Schlacht von 
Ravenna von 1512 erinnert worden war, wo jene Spanier gestritten hatten. 


(?) Das letzte bemerkt Fornari: Allusioni del Furioso sopra le cose accadute in der Aus- 
gabe von Orlandini Venezia 1730. 


Kkk2 


444 Range: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


der noch Zeit hat sich die Regel zu eigen zu machen: da sie allmählig in 
das Gefühl übergeht, würde jede Beleidigung derselben späterhin mit Mis- 
behagen wahrgenommen werden. In der Freundschaft mit Bembo, durch 
welchen die italienische Sprache eine solche Veränderung erfuhr, berührte 
dies Bemühen Arioston gleichsam persönlich: mit Freuden erkennt er die 
Verdienste dieses Meisters der Sprache an: er erklärt, von ihm lernen zu 
wollen was er allein zu Stande zu bringen nicht fähig sei. Sorgfältig sucht 
er denn Provinzialismen, falsche Ausdrücke die nur den Reim erleichtern 
wegzuschaffen (!): er unterwirft sich bereitwillig dem Gebrauche des vier- 
zehnten Jahrhunderts: weil z.B. Boccaz und Petrarca statt gli dei gesagt 
i dei, nimmt er dies durch sein ganzes Buch auf; er hat wohl hundert Verse 
geändert um caral wieder wegzuschaffen, das er statt carallo zu brauchen 
sich erlaubt hatte. So in unzähligen Fällen. 

Nicht minder aber war er auf den freien Flufs seiner Stanze bedacht. 
Er entfernt Parenthesen welche die Construction unterbrechen, das Zu- 
sammenstofsen harter Consonanten, schwere Reime: er vereinigt den Ge- 
danken der die Stanze schliefst und der sich in die drei Verse am Ende aus- 
dehnte, in den rhythmischen Fall der beiden letzten: er versäumt nicht auf 
das Volk zu hören, das seine Verse gar bald auf den Strafsen sang, und die 
Veränderungen sich anzueignen die sie im Munde desselben erlebt hatten (?). 
Wie viel Mühe er sich gab, kann man auf der Bibliothek zu Ferrara wahr- 
nehmen. Wer da einmal die Autographen Ariostos und Tassos sah, wird 
sich ohne Zweifel verwundert haben, zu wie wenig Veränderungen der letzte, 
obwohl seine Verse mühevoll vollendet scheinen, Veranlassung fand, wäh- 
rend die Handschrift Ariostos, für dessen Verdienst die Leichtigkeit gehalten 
wird, durch unzählige Correcturen und wiederholte Umarbeitungen einzelner 
Stanzen fast unleserlich geworden ist. Diese Leichtigkeit konnte nur durch 
grofsen Fleifs erreicht werden. Nur durch den ist es ihm gelungen seiner 
Sprache eine Reinheit, Angemessenheit, eine schlanke, freie Bewegung zu 


(‘) Eine sehr merkwürdige Stelle finde ich in Hortensius Landus: Sferza de scrittori 
1550: „Quanii errori appartenenti alla volgar grammatica erano giü ne primi volumi (des 
Orlando) che si stamparono. Furono poi corrette per opera d’un giovane Sanese che gli 


era molto amico.” 


(?) Gianb. Pigna: Scontri de luoghi i quali M. Ludovico Ariosto mutö dopo la prima im- 
pressione. Am Ende des ersten Bandes derselben Ausgabe von Orlandini. 


Äriosto. 449 
geben, die einen unvergleichlichen Reiz hat. Sie ist ungezwungen, wie im 
Gespräch, voll Ausdruck und frei von Angewöhnungen oder Willkürlich- 
keiten. Hierin ist er seinen Vorgängern, selbst dem Bojardo, der noch un- 
gelenk ist und zuweilen etwas von romantischer Manier hat, weit überlegen. 
Durch diesen sorgsamen Fleifs gelang es Arioston auch die Periode der Stanze 
erst recht auszubilden. Gerade ihm, dessen Verdienst in dem leichten Unter- 
ordnen bezeichnender Nebenumstände unter das Ganze einer Vorstellung be- 
steht, kam dies zu. In der That ist der Flufs ariostischer Verse ein zusammen- 
hangender, von Anfang bis zu Ende ununterbrochener flüchtiger Wohllaut. 

Und man mufs nicht glauben, dafs er sich zu dieser angestrengten Be- 
mühung zu zwingen gehabt habe: nein, sie war ihm Natur. Er war ein Mensch 
der sich innerlich mit seinen Gebilden beschäftigte. Wie er an seinem Blu- 
menbeet, am Garten immer etwas zu bessern und umzuändern fand, so ar- 
beitete er immerfort an seinen Versen. Zuweilen vergafs er die Besserung 
wieder: zuweilen kehrte er zu der alten Lesart zurück; aber in der Regel 
behielt er jene bei: auf jeden Fall war er immer damit beschäftigt. Natür- 
lich, wie mit den Versen, so mit den Sachen. Er lebte in seine Gedanken 
vertieft, so dafs er oft seine Umgebung vergafs. Man hat bemerkt, dafs er 
zuweilen wenn er gegessen, nicht mehr wufste dafs er es gethan hatte. Es 
mag wohl gegründet sein, dafs als ihm sein Vater einmal Vorwürfe machte, 
er sich zu entschuldigen vergafs, indem er nur die Comödie im Sinne hatte 
an der er arbeitete und in der eine ähnliche Scene vorkommen mufste. 
Man sah ihn einst zu Ferrara in seinem Hauskleid ankommen: er war von 
Carpi aus spazieren gegangen, in seine Phantasien verloren die Hälfte des 
Weges gekommen, und hatte dann, da er sich einmal so weit sah, den fer- 
nern Weg wie er war gemacht (!). 

Von der Natur dieses innerlich bildenden, in sich selber arbeitenden 
Geistes giebt die Verknüpfung der mancherlei Bestandtheile dieses Werkes zu 
einem Ganzen Zeugnifs. Es kann hier nicht von der strengern Einheit eines 
von Einer Idee ausgegangenen zu Einem Zweck harmonisch angelegten, etwa 
eine einzige grofse Handlung ausführenden Poemes die Rede sein. Wir wis- 


(') Erinnerungen Virginio Aristos bei Barotti Memorie I p.177. Hätte der gute Virginio 
doch noch ein paar Stunden angewendet um die Capitel auszuführen, deren Inhalt er nur 
andeutet. 


446 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


sen, dafs Ariost so zu sagen die Episoden eher machte als das Gedicht. Die 
Handlung, welche sie jetzt nicht mehr beherrschte sondern nur verknüpfte, 
setzte er erst darnach dazwischen (!). In dieser war ihm genug jene drei Fä- 
den fortzuführen die er von Bojardo herübergenommen; und es ist immer 
merkwürdig, wie er sich zur Vollendung seiner Fabel gerade des mindest tapfe- 
ren von allen Paladinen, des Astolfo, bedient. Er weifs ihn noch wunder- 
barer als sein Vorgänger, und auch mit dem Hippogryphen auszurüsten. Mit 
dem besteht Astolfo jene seltsam erdachten Abenteuer, die ihn fähig machen 
Bradamante und Ruggiero von ihrem Zauber zu lösen und ihre Verbindung 
vorzubereiten, den Orlando seiner Raserei zu entheben, die Saracenen end- 
lich durch die Verwüstung ihres africanischen Gebietes, ein wunderlich aus- 
gestatteter Scipio, zur Heimkehr aus Europa zu nöthigen. Diese überraschend 
erfundene Auflösung ist ein Beispiel seines Verfahrens. Alle die hundert Er- 
findungen die nicht von ihm kommen, weifs er mit dem Gewebe das ein An- 
derer angefangen, geschickt zu verbinden. Er pflegt seine Erzählungen bis 
auf einen entscheidenden Punct zu bringen, gerade hier, oft zum Verdrufs 
des Lesers, sie fallen zu lassen, und wenn er diesen durch neue mit den vo- 
rigen in Anmuth wetteifernde Fabeln für etwas anderes interessirt hat, all- 
mählig zu den schon in den Hintergrund getretenen zurückzukehren um die 
verschlungenen Knoten leicht und natürlich zu lösen. Hiebei gefällt ihm, 
wo möglich immer zu etwas ganz Verschiedenem fortzuschreiten. Zwischen 
den Schwertern des Mandricard und Rodomont läfst er die zarte Doralice 
erscheinen: aus dem Unglück der Pariser Belagerung führt er uns zu dem 
Feste zu Damascus fort: er ist voll reicher, reizender Abwechselung. In 
diesen Verknüpfungen zeigt er eine unvergleichliche, seinem Talent ganz 
eigenthümliche Fähigkeit. Man erlaube uns zu glauben, dafs sein der Aufsen- 
welt vergessendes Dichten und Denken nicht selten diesem Bemühen ge- 
widmet war. 

Und so brachte er dieses verwunderungswürdige Werk hervor, um 
dessen willen ein Jahrhundert seinen Namen dem andern unter denen über- 
liefert die der Vergessenheit entgangen sind. Allenthalben tritt er uns selbst 


(') Pigna, Fita di Ariosto: Dal che comprender si puö qual fosse la via del comporre 
da lu usata. Primieramente molti episodi atti ad esser allargati raccoglieva in uno, e le 
F 5 5 


azioni poi inframetteva che gli paressero a dare spirito al rimanente bastevole. 


Ariosto. 447 


entgegen, ein heiterer Mensch, im Grunde gut, obwohl er nicht einem Be- 
griff oder Ideal, sondern seiner Natur nachlebt, der seine Erfahrungen und 
Neigungen mit Behagen vor uns enthüllt. Trotz seines romantischen Gegen- 
standes läfst er uns gar oft den Dichter der Comödien und Satyren wahr- 
nehmen. Die Lebensansicht die vornehmlich den Satyren, welche als Briefe 
über die Ereignisse des täglichen Lebens anzusehen sind, zu Grunde liegt, 
eine Verachtung nichtiger menschlicher Bemühungen, eine unschuldige Ge- 
sinnung welche Ruhe, Beschränktheit und Einsamkeit liebt, die er nicht 
ohne leichten Spott über seine Schwächen mit einer Einfalt, Ehrlichkeit und 
Zutraulichkeit schildert welche der Alten würdig sind, tritt uns auch in dem 
Orlando entgegen. Nur Einen Mangel, wie auch das gröfste Talent seine 
Grenze hat, darf man sich hiebei wohl nicht verhehlen. Man könnte von 
ihm nicht sagen, dafs er irgend eine Tiefe des menschlichen Wesens und der 
Natur eröffnet habe. Vor gewissen Dingen hat er eine angeborne Scheu. 
Wohl trägt auch er kein Bedenken z.B. die Zwietracht in Person statt in der 
Hölle in einem Kloster, unter andern nichtigen Dingen auf dem Mond die 
Schenkung Constantins finden zu lassen, dem Eremiten schimpfliche Unzucht 
zuzuschreiben: und dergestalt auch seines Orts kirchlichen Misbräuchen den 
Krieg zu machen; jedoch von dem gemeinen Weg des Glaubens abzuweichen 
hält er für eine unthunliche Sache, da der Verstand, wenn er Gott schauen 
wolle, verwirrt und blind niederfalle. Sein Gebiet ist die sinnliche Anschau- 
ung. Wie schr man bildende Kraft der Phantasie, unerschöpfliche Darstel- 
lungsgabe an ihm bewundern mag, so wird man doch, wenn man ihn lange 
fort liest, höheren Schwung der Seele und wirksames Gefühl für die höch- 
sten Interessen bei ihm vermissen. 

Immer werden diese beiden Gedichte, der verliebte und der rasende 
Roland, als die gelungensten Hervorbringungen italienischer Romantik zu 
betrachten sein. Dem ersten wird man vielleicht in Erfindung und tieferer 
Poesie, dem andern in der Ausbildung einzelner Momente, anschaulicher 
Darstellung, glücklicher Verknüpfung und der Sprache den Preis zuer- 
kennen müssen. Zusammengenommen lassen sie sich mit einem Januskopf 
vergleichen. Bojardo enthält die Blüthe der Denkweise und der Lebens- 
formen des spätern Mittelalters: Ariosto die erste Entwickelung der mo- 
dernen Poesie in vollem Glanze. 


448 Ranse: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


BERNI. 

Wohin aber war nunmehr jene in dem strengen Sinn des kriegerischen 
Christenthums erfundene, in einfacher Entwickelung ausgeführte Carls Sage 
gekommen. Nicht allein Fabeln des Mittelalters, von ganz anderm Geiste 
ausgegangen, nicht allein Mythen des Alterthums ihrem Inhalte nach, son- 
dern auch ausführliche Nachahmungen antiker Dichter und mannigfaltige 
Bestandtheile des modernen Lebens waren in dieselbe aufgenommen. Gerade 
damals als es nicht möglich war ihr noch etwas Neues hinzuzufügen ohne 
sie vollends zu zerstören, warf sich die Menge der Nachahmer auf ähn- 
liche Arbeiten, und sie mufsten belehrt werden, dafs es nicht Jedem ge- 
geben sei auf der Bank des Ariost zu sitzen (1). Und doch hatte sich in dem 
litterarischen Italien eine Gesinnung entwickelt, die schlechterdings einen 
weitern Fortgang und andere Versuche forderte. 

Die drei Bücher des Orlando inamorato von Graf M. Matteo Bojardo 
waren zuerst 1495 erschienen. Was ist merkwürdiger als dafs ehe 40 Jahre 
um waren, noch bei Lebzeiten Clemens VI (?), Francesco Berni, damals 
eines der Oberhäupter der italienischen Litteratur dies Gedicht durchaus um- 
zuarbeiten unternahm. Heutzutag kennt man in Italien fast nur den Orlando 
des Berni, und das echte Werk, so glücklich erfunden, so mannigfaltig im 
Ausdruck, so wahrhaft poetisch es auch ist, gehört zu den versäumten und 
vergessenen. Noch im neunzehnten Jahrhundert ist jener fünf bis sechs Mal 
gedruckt worden, während dieses nur noch in Deutschland Ruf hat. Ohne 
Zweifel war in jenen 40 Jahren in Bildung und Geschmack eine Veränderung 
eingetreten, die eine solche Umarbeitung wünschenswerth machte, und aus 
der noch fortdauernden Billigung derselben darf man schliefsen, dafs sich der 
neue Geschmack seitdem gleichartig weiter entwickelt habe. Um so mehr ist 
es der Mühe werth die Unterschiede aufzusuchen die zwischen beiden Ge- 
dichten bestehn. 

Es würde aber überflüssig sein sie dort zu beobachten wo etwa die 
Härten, die im Bojardo stehn geblieben, zurückgeschoben und eine correc- 


(') Niccolö Franco, Dialoghi piacevolissimi III 65. 
(?) Berni sagt XIV 28. S? che il Settimo mio Signor Clemente 


Fivesse anni piu lieti e piu beati 


Che vissuti non ha fin al presente. 


Berni. 449 


tere Sprache hergestellt worden: einmal weil Berni seinem Vorgänger da 
doch nur den Dienst leistete den Ariosto sich in den spätern Ausgaben sel- 
ber erwies; sodann aber, weil er in der Regel auch den Sinn ändert, nicht 
allein den Ausdruck. Ohne die Öconomie des Gedichtes umzugestalten, 
ohne mehr als zwei bis drei Einschaltungen hinzuzufügen oder etwas Bedeu- 
tendes wegzulassen, macht er das Werk doch wesentlich zu einem andern. 

Und zuerst bemerken wir dafs es ihm gefällt den Ausdruck seines Au- 
tors zu amplificiren. Wenn bei Bojardo Angelica der Morgenstern scheint, 
die Lilie des Gartens, die Rose vom Beet, so scheint sie bei Berni der leuch- 
tende Stern im Osten, ja um die Wahrheit zu sagen die Sonne (!). Bojardo läfst 
sie unter jene Frauen am Hofe Carls treten ‚‚welche gütig sind, schöner als 
er sage, Brunnen der Tugend, von denen aber jede nur so lange schön bleibt 
bis diese Blume sich zeigt, welche den Preis davonträgt”; bei Berni sind dies 
Frauen, von denen die eine Pallas, die andere Diana scheint, über jede 
menschliche Vorstellung hinaus schön, bis diese lebende Sonne sich zeigt, 
welche den Andern thut was unsere Sonne den Sternen. Ziliante, der Lieb- 
ling der Morgana, ist bei Bojardo sehr gewandt und schön, in seinem Ant- 
litz voll Anmuth, zierlich und sauber in seiner Kleidung, verbindlich und 
höflich in seiner Rede: er gereicht der Morgana zu hohem Trost: sie schaut 
in sein schönes Gesicht als in einen Spiegel. Bei Berni ist dieser Ziliante 
auf eine Weise schön dafs es nicht die Schönheit eines Sterblichen scheint, 
ein Kleinod, dessen Raub man einer Frau verzeihen kann: sie verzehrt sich 
wie Schnee oder Eis wenn sie in sein Gesicht sieht. 

Schon hier bemerkt man wie sehr Berni das Allgemeingültige dem 
Besondern vorzieht. Vornehmlich in Characterschilderungen ist dies auffal- 
land: er verwischt die kleinen Züge geflissentlich. Dort z. B. wo Rinald, 
freudig zu Thaten und jugendlich bescheiden, von Carln die Anführung be- 


@) Bojardo: Essa sembrava matutina stella 
E giglio d’orto e rosa de verzieri, 
In somma a dir di lei la veritade 
Non fu veduta mai tanta beltade. 
Berni: Parea l’oriental lucida stella, 
Anzi parea il sole, a dir il vero, 
O s’altro € bel, fra le cose create 
Non fu veduta mai tanta beltate. 


Philos.- histor. Abhandl. 1833. Lil 


450 Ranee: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


kommt, niederkniet und spricht: ich will mich bemühen, hoher Herr, mich 
so grofser Ehre würdig zu machen, läfst ihn Berni schlechtweg ‚,‚eine schöne 
Rede halten.’”’” Bei Bojardo weifs er Jedermann sich sittig zu erbieten; bei 
Berni ‚‚die Ceremonien sehr wohl zu machen.” Bei der Schilderung des 
Astolf läfst Berni gerade weg, dafs dieser sich immer zu entschuldigen weils, 
und das nächste Mal, ohne Arg, das nemliche thut. Orlando und Ferrau 
kämpfen: ‚‚Ihr könnt denken, sagt Bojardo, ob Orlando zornig war; von 
Ferrau sag ich nichts, denn so lang er lebte war er nie ohne Zorn.” Berni 
sagt: ‚‚es war ein Kampf zwischen einem Stolzen und einem nicht Sanften.” 

Dies greift dann in die Schilderung aller Begebenheiten und Zustände 
über. Das eigentlich Unterscheidende derselben vermeidet Berni darzustellen. 
Wie Ferrau hört dafs sein Vaterland verwüstet werde, sein Vater gefangen 
sei und verlangende Hände nach ihm ausstrecke, bedenkt sich der Stürmische 
bei Bojardo natürlich nicht: er eilt dahin wie der Sturmwind: eine Stunde 
scheint ihm so lang wie hundert bis er sich mit dem Feinde messe. Berni 
dagegen gefällt sich ausführlich zu schildern wie er Liebe und Pietät auf die 
Wage gelegt habe: Ferrau beträgt sich bei ihm eben auch wie jeder Andere. 
Die Angelica Bojardos bescheidet sich des trefflichen Rinald nicht würdig 
zu sein, doch sollte er nicht zürnen geliebt zu werden; bei Berni ruft sie 
nur im Allgemeinen aus: ‚‚wo sei ein Herz so hart um diesen Bitten zu 
widerstehn, eine Bestie so wild und hartnäckig um nicht geliebt werden zu 
wollen.” Die zarte Neigung Ruggieros wird dahin erweitert dafs der Jüng- 
ling alle Sinne verloren habe. Selbst die Nebenumstände die sich gleichsam 
selber darstellen verwirft er. Bojardo: Sie steigen die Berge immer auf- 
wärts, bis sie Aragonien unter sich rauchen sehen (!); Berni: ‚,‚Sie haben 
schon so viel Land zurückgelegt.” Dies ist die Weise in der das ganze Buch 
umgearbeitet ist. 

Hiebei versteht es sich gleichsam von selbst dafs der Hintergrund den 
das Gedicht in der Mythe des Mittelalters hatte hinweggenommen wird. Die 
Vergleichungen mit Tristan und Isolde läfst Berni ausdrücklich weg wo er 
sie findet; von Artus und der Tafelrunde will er nicht viel wissen. Seine 


(') Bojardo: Montano l’alpe sempre andando in suso: 
Berni: Passato han gia tanto spatio di terra. — 
Es ist die Reisekarte ohne Berge. 


Berni. 451 


Heroen sind Theseus, Bellerophon, Hercules. Er hütet sich wohl von jenem 
Ritter Dolisi der die Circella überwindet zu erzählen: er nennt ihn gerade- 
zu Ulysses, einen Mann von Tapferkeit. Gar viele Züge welche einem Ge- 
dicht das den Kampf des Christenthums wider die Saracenen zum Gegen- 
stand hat, an sich nicht unangemessen sind — z. B. wenn es bei dem frühen 
Tod des Argalia heifst: es fehlte ihm nichts als unser Glaube, oder wenn 
Orlando für den Gegner, den er noch getauft hat, mit gefaltenen Händen 
betet — kann er nicht leiden, und verbannt sie ohne Weiteres. 

Genug, durch und durch, in den Beschreibungen der Charactere, Er- 
eignisse, Zustände, in dem allgemeinen Sinne und dem Auffassen des Einzel- 
nen verändert Berni das ihm vorliegende Werk; statt des bezeichnenden 
Ausdruckes flicht er Concetti oder florentinische Sprüchwörter ein (1); an 
dem alten Stoff macht er eine ganz neue Behandlungsart geltend. 

Wollen wir sie im Allgemeinen bezeichnen, so dürfen wir vielleicht 
sagen, dafs die alte Darstellungsweise auf Anschauung, die neue auf Re- 
flexion gegründet war. Jene ergriff das Besondere, Individuelle als ein ur- 
sprünglich Unterschiedenes, diese das Allgemeine, der Gattung Angehörige, 
was allerdings alle Mal ein Abstractum ist, und fafste die Unterschiede 
gleichsam als Grade. Daher mag es kommen, dafs während jene, das Par- 
tielle verfolgend, hie und da einem der Abstraction gewohnten Geiste un- 
leidlich wird, diese, in jedem Fall immer ein Höchstes zu bezeichnen su- 
chend, auf die Letzt nur allzu einförmig ausfällt. In den Tagen Bernis fing 
die Manier der Reflexion den Gebildeten des Jahrhunderts, welche vornehm- 
lich das lateinische Alterthum studirten und z. B. Virgil in der Regel höher 
hielten als Homer, fast ausschliefsend zuzusagen an. Besonders das rheto- 
rische Verdienst ward geschätzt. Zugleich machte sich in der Gesellschaft 
eine Sinnesweise geltend welche das Decorum in der jedes Mal beliebten 
Form als eine Pflicht forderte und die Darstellung des Eigenthümlichen nur 
in so fern erlaubte als sie jenem nicht widersprach. Diese veränderte Sin- 


(') Bojardo: Non non, rispose crollando la testa 
Lo ardito Ferrau, non vi pensare. 
Berni: Tu non hai ben la retorica studiato, 
Respose quel pagan ch’e di mal seme. 
So finden wir bei Berni: „Ne? cader era alquanto latino”: oder „Piene il soccorso di Pisa” 
d.h. die Hülfe bleibt aus: oder „Fa per dargli V’ultime vivande” er will ihn tödten u. s. w. 


L112 


452 Raske: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


nesweise wollte auch ihre poetische Darstellung. Wir sagen nicht geradezu 
dafs sie derselben unfähig sei. Allein eine andere Frage ist ob man recht 
that, Gedichte in ganz anderm Sinn erfunden, in ganz anderer Weise ausge- 
führt den Forderungen die man jetzo machte gemäfs zu bearbeiten: so merk- 
würdig das Product auch ist das hiedurch zu Stande kam, so konnte es 


doch höheren Forderungen niemals genügen. 


BERNARDO TASSO UND LUIGI ALAMANNI. 


Wenn dennoch zwei namhafte Dichter kurz nach einander, zwischen 
1546 und 1557, etwas ganz Ähnliches versuchten, Bernardo Tasso, indem er 
den Amadis aus der spanischen, Luigi Alamanni, indem er Giron le courtois 
aus der französischen Prosa in toscanische Reime brachte, so müssen wir 
noch einen Augenblick stehn bleiben um das Verfahren das diese beobach- 
teten wahrzunehmen. 5 

Zuerst fragen wir, ob sie nicht ihre Originale im Wesentlichen um- 
dichteten. In wie fern Alamanni dies that, wird sich aus der Betrachtung 
eines einzigen Falles ergeben. 

Das Gewebe des alten Romans von Giron beruht vornehmlich auf 
dem Verhältnifs des Helden zum Freund und zur Geliebten und auf dem in- 
nern Conflict in welchen er dadurch in seiner Seele geräth. Giron liebt 
das Weib seines Waffenbruders Danayn, und der Moment wo er in sei- 
nem verrätherischen Beginnen durch die Inschrift seines Schwertes (!) be- 
troffen und Hand an sich selber zu legen bewogen wird, ist der Mittel- 
punct in der ersten Handlung des Buches. Darauf geräth Danayn in eine 
ähnliche Versuchung, besteht aber nur allzu schlecht: er raubt dem Freunde 
die Schöne, zu deren Herbeiführung er gesendet war., Der Roman erzählt, 
unter welchen Gefahren und Abenteuern Giron den Danayn sucht, wie er 
ihn endlich trifft, mit ihm kämpft, ihn besiegt und ihm das Leben schenkt. 
Allein höchst auffallend ist, dafs der Hauptmoment der die Fabel verknüpft, 


(‘) Wenn man auf dem Schwerte das Innocenz VIII 1490 dem Landgrafen Wilhelm von 
Hessen schenkte, in dem Museum zu Cassel, von der etwas unleserlich gewordenen Inschrift 
die Züge unterscheidet: Ze aute passe tout; so ist dies wohl nicht zu ergänzen: La beaute 
passe tout, wie man versucht hat; sondern es möchte vielmehr die altberühmte Inschrift 
von Girons Schwert sein: Zoyauid passe tout, an welche zu erinnern einem Papst wohl 
geziemt. 


Bernardo Tasso und Luigi Alamanni. 453 


vom Verrathe des Danayn, auf welchen man doch unzählige Mal zurück- 
kommt, nur ganz im Vorbeigehn angedeutet wird. Da nun der alte Pariser 
Druck von pag. ex auf ccı überspringt, da die Erzählung die wir vermis- 
sen gerade in diese Lücke fallen mufste, da auch andere Beziehungen auf 
etwas deuten das an derselben Stelle ausgefallen ('), so sollte man vermu- 
then, dafs jener Mangel mehr ein Fehler des Druckes als des Autors sei. 
Ich kann nicht entscheiden, ob er vielleicht dem Zusammenhang zuzuschrei- 
ben ist in welchem Giron ursprünglich mit Meliadus steht, da ich keinen 
alten Meliadus gesehen habe: auf jeden Fall aber ist die Lücke für die An- 
schauung der Fabel im Ganzen unerträglich. Sollte man nicht erwarten, 
dafs Alamanni sie auf irgend eine Weise auszufüllen, den Hauptmoment, auf 
welchem die Folge seiner Erzählung beruht, zu entwickeln versuchen würde? 
Wir finden davon nichts. Wie er Capitel für Capitel in seine toscanischen 
Verse bringt, übersetzt er auch ohne allen Anstofs, ohne sich umzusehen die 
summarische Erwähnung von Danayns Frevelthat, ohne daran zu denken, 
dafs alles was folgt sich hieran knüpft. Auch übrigens war er zwar am An- 
fang und Ende, wo der Zusammenhang dieses Romans mit einem andern 
allzu deutlich hervortritt, zu einigen Anderungen genöthigt; im eigentlichen 
Werke folgt er seinem Autor allenthalben ohne abzuweichen nach. 

Es könnte scheinen, als sei Bernardo Tasso ganz anders verfahren. 
Wenigstens verflicht er allenthalben in die Abenteuer des Amadis eine an- 
dere Fabel von Mirinda und Floridante. In Wahrheit aber, diese blieb ein 
jenen so fremdes Element, dafs Torquato Bernardos Sohn die sie betreffen- 
den Episoden aus dem Amadis herausnahm, mit einigen Ergänzungen zu- 
sammenstellte die er noch in des Vaters Nachlafs fand, und im Jahr 1587 
das Ganze als ein völlig unabhängiges Gedicht erscheinen liefs. Dem Stoffe 
des Amadis ward durch die neue Fabel nichts hinzugefügt was ihn wesent- 
lich berührt hätte. Bernardo Tasso folgt seinem Autor, etwa auch hier den 
Anfang ausgenommen, Schritt für Schritt nach. 

Ein selbständiges Ergreifen der Fabeln läfst sich an diesen Dichtern 
demnach nicht wahrnehmen: schöpferische Poesie hat an ihren Werken 


(') Z.B. pag.ccıı erzählt Giron was ihm den Tag zuvor geschehen sei: 12 commence 
maintenant a dir tout ce que le (vilain) chevalier luy avait fait devant son pavillon etc., 


von welchem Factum in unserm Drucke keine Meldung. 


454 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


wenig Antheil: betrachten wir in welchem Geiste ihre Behandlung übrigens 
unternommen ward. 

Dann ist das Verhältnifs merkwürdig in welchem sie ihre persönliche 
Stellung in dem Gedichte hervortreten lassen. Wie Tasso, auf Antrieb nea- 
politanischer Fürsten und Machthaber, damals von Spanien abhängig, den 
am eigenthümlichsten spanischen Roman ergriff: so liefs sich Alamanni durch 
Franz I, in dessen Schutz er sich mit andern ausgewanderten Florentinern 
begeben hatte, zur Bearbeitung des in Sinn und Wesen vielleicht am echte- 
sten französischen Romanes veranlassen. Wie nun dieser sein Werk unter 
andern zur Verherrlichung Franz I und seines Hofes anlegte — er gesteht es 
ausdrücklich, — so sah es jener auf eine poetische Erhebung Carls V ab. 
Es ist auffallend wie sich die Poeten in dem Lobe dieser beiden berühmten 
Gegner begegnen: wie einer und der andere versichert, der Name seines 
Helden werde die Geschichtsbücher füllen (1): man werde ihm die schön- 
sten Zeiten, blühend in edlen Werken, verdanken: wie, nachdem Alamanni 
alsdann mehr die innern Einrichtungen, Tasso mehr die glücklichen Kriegs- 
thaten seines Helden hervorgehoben, Beide darin übereinkommen dafs Je- 
der dem Sohne des seinigen die Eroberung des heiligen Grabes prophezeit. 
Übrigens führt Tasso in einer dem Ariosto augenscheinlich nachgebildeten 
Stelle die ganze Schaar seiner Freunde in das Gedicht ein. 

Diesen modernen Beziehungen fügen sie antike Reminiscenzen in gro- 
{ser Fülle bei. Bei Tasso finden wir nicht allein den ganzen Olymp sondern 
auch Camilla und Penthesilea, deren Ruhmesflamme noch leuchte, die Fu- 
rien mit Schlangen behaart, den thracischen Orpheus, der sich nach der Eu- 
rydice sehnt. Über die Schönheit seines Amadis seufzt Ebne und Berg: ihn 
möchten zum Eidam haben Tethys und der Ocean mit dem ganzen Meer. 
Derselbe Amadis aber zweifelt ob für seine Geliebte die Verdienste eines 
Caesar und Achilles grofs genug sein würden. Bei Giron scheint von zwei 
Kämpfern ein Jedweder nicht allein ein Tydid, ein Ajax, ein Hector, ein 
Achilles, sondern ein Mars: Seythien und Numidien sind wegen der Tugend 


(') Alamanni libro XIII. Quante carte honorate s’empieranno 
Di dottissimo inchiostro a suo gran nome. 


Tasso libro XLVI. — Di colui ben colti carmi 
Lucide historie, che fian sempre nuove, 


I! nome loderan. 


Bernardo Tasso und Luigi Alamanni. 455 


Girons mit Neid erfüllt: keinen Iybischen Tiger, keinen hyrcanischen Lö- 
wen kann man sich denken der dem Helden gleich sei. Diese Werke sind 
mit Anspielungen auf das Alterthum von Anfang bis Ende durchwebt. Zu 
ausführlichen Nachahmungen haben sie bei der Treue, mit der sie ihren Ori- 
ginalen folgen, wenig Raum. Doch bemerkt man z. B. in der Unterweisung 
Galaoros durch Perione bei Tasso die Nachahmung einer Stelle des Clau- 
dian, und in den Vergleichungen begegnet man wohlbekannten Stellen latei- 
nischer Qlassiker bei dem einen wie bei dem andern nur zu oft. 

Noch weit mehr aber ist Sinn und Geschmack des Jahrhunderts in 
unsere Poeten eingedrungen: und diesen den Werken mitzutheilen die ihnen 
vorliegen ist ihre eigentliche Arbeit. 

Kleiner Umstände zu gedenken enthalten sie sich selbst da wo diese 
für Personen oder Sachen bezeichnend wären. Es ist dem Amadis eigen 
dafs seine Kraft im Kampfe zunimmt, und hieran läfst das Original die 
Kampfrichter erinnern wie sie ihn in grofser Gefahr sehen (!); bei Tasso 
dagegen sagt man ihnen nur: sein Muth ist unendlich, seine Stärke die äu- 
fserste. Giron hat das Besondere dafs er seinen Feinden Anfangs oft lächelnd 
und mit wenig Ansehen von Muth antwortet: Alamanni verwischt dies und 
läfst ihn immer mit dem nöthigen Selbstbewufstein auftreten. 

Damit hängt zusammen dafs sie die Entwickelungen der Ereignisse oft 
nur summarisch behandeln. Die beiden alten Romane sind durch die Fülle 
eines naiven, aus sich selbst aufwachsenden, das Gemüth darstellenden Ge- 
spräches ausgezeichnet. Wie sehr hier das Italienische verwischt, kann man 
an einer Vergleichung des Ritterschlags, der Erkennung des Amadis bei 
Tasso und im Spanischen wahrnehmen. Wie Giron im Begriff ist Danayn 
zu tödten, vernachlässigt Alamanni das ganze Gespräch das zwischen ihnen 
vorfällt, obwohl gerade hiedurch gezeigt werden soll, wie Giron seine Lei- 
denschaft bei der Erinnerung an das Gesetz überwindet. Aber selbst wenn 
Galaor und Florestan sich aus Eifersucht auf den Ruhm des Amadis tapfer 
zeigen, wenn Amadis das Schwert des Königs anzunehmen ablehnt, weil die- 
ser es nie zu einem Zweikampf zu leihen gelobt hatte, gefällt es dem Erneue- 
rer besser die Erfolge ohne dergleichen bestimmende Gründe zu erzählen. 


(') Sempre parece (im Kampf) que la fuerga se le dobla, sagt der Roman; Bernardo: 


Infinito € suo ardir, la forza estrema. 


456 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


Dagegen substituiren sie dem einfachen Ausdruck — dessen sich der 
Autor des Amadis wenigstens bewufst ist: er sagt, er wähle ihn darum, weil 
Jugend und Leidenschaft sich einfach ausdrücke (!) — wo möglich das 
Glänzende. In die heitere Unschuld einer ersten Neigung zwischen Amadis 
und Oriana bringt Bernardo Tasso den ganzen Prunk antiker Erinnerung. 
So sieht er nach ihr ‚‚wie der Steuermann, wenn das aegeische Meer 
von entzweiten Winden gepeitscht wüthet und brauset, wenn das Schiff 
seufzt als wollte es sich über seine Mühsale beklagen, wie er dann die Au- 
gen auf den festen Stern, seine sichere Hoffnung, richtet und sein kühnes 
Fahrzeug dahin lenkt wo derselbe die nahe Küste hoffen läfst.” Den Zwei- 
kampf zwischen Amadis und Canileo schildert der Spanier leichthin: schon 
von dem ersten Zusammentreffen sagt B. Tasso, er wisse nicht womit ihn 
vergleichen, zu wenig sei es mit Blitz und Donner, mit dem Wetterschlag 
der die Mauer niederwirft; wie sie aber dann zu den Schwertern greifen, 
und dem Spanier zufolge die Funken von Helm und Schwert sprühen, so 
dafs sie zu brennen scheinen, fährt er fort: ‚‚die ganze Stadt scheine zu 
Grund zu gehn: Meer und Küste dröhne: Abila und Calpe höre den Lärm 
und was hinter diesen Alpen: die Luft, ungewohnt eine solche Unbill zu er- 
leiden, zische und murre: das Schwert scheine ein von höchsten Sphären 
niederfahrender Feuerstrahl.’’” So ermüdet auch Alamanni nicht, die Schlacht 
mit dem Zusammentreffen der Winde und dem Sturm, den Zweikampf mit 
dem Streit von Stieren um ihre brüllenden Bräute zu vergleichen. 

Das Allgemeine ist ihr Element. Ich bemerke, dafs sie sich, wie viele 
andere italienische Poeten, in einer nur sehr allgemein gehaltenen, aber oft 
ausschweifenden Beschreibung der Liebe, in einer Erinnerung an die alte 
Fabel des Amor gefallen. Es ist doch sehr besonders, dafs dort wo im Ori- 
ginal Giron, wie Danayn sich ihm nähert, durch das Wiehern seines Pferdes 
aus seinen Gedanken aufgeschreckt wird und Danayn erkennt (?), statt 
dieses natürlichen Zuges bei Alamanni Amor es sein mufs, der zwar selber 


(') A cada cosa se deve dar lo que le convien. 


(?) Giron le courtois: Avoit laisse son penser par le hannissement du cheval. Alamanni: 
Tosto il geloso amor, ch’e per se cieco 
Ma fa piu che cervier veder altrui, 
A buon Giron moströ chi fu costui. 


Bernardo Tasso und Luigi Alamanni. 457 


blind, aber Andern das Auge schärft, durch welchen Giron seinen Neben- 
buhler erkennt. An der Stelle des in seiner Einfachheit wohlgehaltenen 
Gespräches zwischen Giron und der Dame von Malvanc setzt Alamanni nur 
allgemeine Ausführungen von Amor, der aus dem steinigen Gebirg eine gra- 
sige Wiese mache, der auch Giron den Arm erhoben und das Schwert ge- 
schwungen, der ihn bald entzünde bald erkälte. So beschreibt Bernardo 
Tasso, wie Amor, in Oriana’s Augen verborgen, diese so lieblich bewegt, 
dafs er dem Amadis Seufzer ablockt, aber auch das Fräulein nicht lange stolz 
dahingehn läfst, sondern ihr Herz mit dem Pfeile durchbohrt mit dem er 
selbst über den grofsen Jupiter und andere Götter gesiegt hat, und was der- 
gleichen Thorheiten mehr sind, denen doch in wahrer Leidenschaft nichts 
entspricht, die man wohl gesagt sein lassen kann, aber darum nicht zu wieder- 
holen braucht. 

Ist nun in diesem Bemühen eine von der Anschauung des Besonderen 
abgewandte, von den Eindrücken des Allgemeinen durchdrungene Sinnes- 
weise thätig, so ist dieselbe doch weit entfernt den fremden Stoff zu über- 
wältigen; in der Betrachtung dieser Werke fällt uns nur der Contrast auf, 
in welchem sich die Behandlung mit ihrem Gegenstande befindet. 

In der Entwickelung der Gesinnung des Jahrhunderts aber, in wie 
fern sie sich in dieser Gattung poetischer Werke ausspricht, tritt uns hier ein 
neuer Moment entgegen; neue Forderungen werden gemacht. In Hinsicht auf 
den Gegenstand die des Ernstes und der Tugend: in Hinsicht auf die Be- 
handlung die der Einheit. Die erste stellt sich seit der Mitte des Jahrhunderts 
in allen Zweigen der italienischen Litteratur dar; wie denn überhaupt Sitte 
und Lehre durch die erwachte Beaufsichtigung der Kirche um vieles strenger 
wurden. Darum wählten unsre Poeten die Erzählungen von den musterhaf- 
testen Rittern zum Gegenstand ihres Fleifses. Bernardo Tasso den Amadis, 
von dem sein Sohn Torquato urtheilt, Dante würde sein verwerfendes Urtheil 
gegen diese Romane verändert haben, hätte er den Amadis von Gallien oder 
Grecia gelesen: so viel Adel und Standhaftigkeit erscheine darin. Alamanni 
aber bearbeitete Giron in der Absicht, an diesem Beispiele, wie er sagt, der 
Jugend zu zeigen wie man Hunger und Nachtwachen, Kälte und Sonnen- 
schein zu ertragen, die Waffen zu führen, gegen Jedermann Gerechtigkeit 
und Frömmigkeit auszuüben und Beleidigungen zu vergeben habe: das böse 
Beispiel erwähne er nur damit man es fliehen lerne. 

Philos.- histor. Abhandl. 1839. Mmm 


458 Rınke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


Die andere Forderung war ohne Zweifel von der Beschäftigung mit 
den lateinischen Dichtern hauptsächlich mit Virgil veranlafst. Indem man 
diese Muster vor Augen hatte, glaubte man weder die moralischen Einlei- 
tungen noch die steten Übergänge von einer Fabel zu der andern noch jenes 
mannigfach zertheilte Interesse, das noch Berni beibehalten, länger dulden 
zu dürfen. Alamanni hatte Muth genug die Einleitungen wegzulassen und 
eine einzige Fabel ohne besondere Einmischung fremdartiger Ereignisse von 
Anfang bis zu Ende fortzuführen. Freilich war sein Erfolg nicht geeignet 
Andere zu einem ähnlichen Verfahren aufzumuntern. Jedoch auch Bernardo 
Tasso hatte Unrecht sich durch denselben abschrecken zu lassen das zu thun 
was nun doch einmal gethan sein mufste. Er hatte sein Gedicht anfangs 
ganz eben so angelegt: und wenn es keine Wirkung hervorbrachte, so lag 
das ohne Zweifel an ganz andern Dingen als an dem Versuch einer einheit- 
vollen Darstellung. Er ist wohl im Ganzen lebhafter und geistreicher als 
Alamanni, seine Verse sind wohllautender und periodischer gerundet; jedoch 
seiner Erzählung mangelt das innere eigene Leben. Da konnte es ihm wenig 
helfen dafs er seine Einheit wieder zerstörte, indem er eine fremde Fabel der 
alten einflocht; und seine bizarren Einleitungen, in denen er sich die nemliche 
Sache jedes Mal anders zu sagen befleifsigt, konnten ihn nicht halten. 

Wie wenig aber auch diese Gedichte gelungen sind, so sind und blei- 
ben sie doch, wie gesagt, für die historische Betrachtung höchst merkwürdig. 
Die Eigenthümlichkeiten des Romanzo, Mythe des Mittelalters, naive Dar- 
stellung, sinnlicher Reiz, Abwechselung, sind vernichtet. Dagegen sind die 
Fietionen des Alterthums, so zu sagen, zur Alleinherrschaft gelangt; der Be- 
zug auf die Gegenwart erhält sich: die Darstellung ist auf Reflexion gegrün- 
det, und strebt nach rhetorischem Glanze: die Fabel soll zur Einheit erho- 
ben werden, und das ganze Gedicht einen ernsten und würdigen Eindruck 
hervorbringen. 


TORQUATO TASSO. 


Es liegt am Tage, dafs die Tendenz jener Zeit schon nach einem ganz 
anderen Ziele hinging als welches auf diesem Wege zu erreichen war. 

Wenn man sich der Antike in Ton und Geist der Bearbeitung so 
nahe anschlofs, warum ahmte man sie nicht auch im Grofsen und Ganzen 
nach? Warum ergriff man nicht gleich von Anfang diesem Geist angemes- 


Torquato Tasso. 459 


sene antike Stoffe? Warum versuchte man nicht geradezu epische Gedichte 
im Sinne der Alten? 

In der That konnte dies nicht ausbleiben. Es traten Dichter auf 
welche sich streng an das Muster der Alten ja an die Regeln des Aristoteles 
banden. Der Costante des Bolognetti, der Ercole des Giraldi machen den 
Anspruch eigentliche Heldengedichte zu sein. Ohne Zweifel das merkwür- 
digste Werk in dieser Gattung ist die Italia liberata von Johann Georg Tris- 
sin. Trissin war ein grofser Nachahmer der Alten; er hat Tragödien mit 
dem antiken Chor, theokriteische Idyllen, horazische Oden versucht; er hat 
es sich endlich zwanzig Jahre Arbeit kosten lassen um seine Nation mit einer 
echten Epopee zu bereichern. Er hielt sich hiebei so nah wie möglich an 
Homer: er wählte sogar den reimlosen Vers. 

Alle diese Arbeiten aber hatten nicht den mindesten Erfolg. — Das 
Publicum war nun einmal an die Ottave gewöhnt: es hatte keinen Sinn mehr 
für die naive Darstellungsweise, wie sie Trissin wieder aufbrachte ; die Regel- 
rechtigkeit schien ihm ermüdend und langweilig; diese Dichter scheiterten 
vollständig. 

Es giebt Epochen in dem Leben eines Volkes, in denen die Lösung 
einer literarischen, einer poetischen Aufgabe eine allgemeine Nationalange- 
legenheit wird. Das damalige Italien, wo sich der Geschmack von der ro- 
mantischen Dichtungsweise so entschieden abgewandt hatte, wurde lebhaft 
von der Frage beschäftigt, ob es in einer neuen Sprache ein Epos nach dem 
Muster der Alten überhaupt geben könne. Nachdem jene Versuche mifslun- 
gen, hielt man fast dafür, es sei unmöglich. Unter andern glaubte man zu 
finden, dafs der hexametrische Rhythmus und ein gröfserer Gonsonanten- 
reichthum das Latein zu einem kriegerischen, einem Heldengedicht, welches 
allerdings Einheit fordere; die gröfsere Fülle der Vocale dagegen und der 
Reim das Italienische zum Ausdruck der Liebe, der nur in einem weniger 
streng 


5 
entgegengesetzte Meinung behielt ihre Verfechter. Wenn Vida einen Dichter 


gehaltenen Poöme möglich sei, geeigneter mache. Jedoch auch die 


erziehen will, gleichviel in welcher Sprache, so läfst er ihn vor allem Virgil 

studiren, den er den unbezweifelten Sohn des Apollo nennt: vor allem, 

ruft er aus, verehre den Maro, ihm folge allein und wandle auf seinen Fufs- 

tapfen. Vidas Poetik schliefst mit einer Art Apotheose dieses Dichters. Die 

Poetik des Aristoteles ward auf den Universitäten erklärt, und man konnte 
Mmm 2 


460 Raske: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


sich noch so wenig in dieser Disciplin wie in andern von seiner Autorität 
losmachen. Seine Aussprüche wurden den Gesetzen der Natur gleich ge- 
achtet. 

In diesem Augenblicke fafste ein junger Mensch, von achtzehn Jah- 
ren, der aber bereits von diesen literarischen Streitigkeiten mannigfaltig be- 
rührt worden, die Absicht ein Heldengedicht zu versuchen, doch auf einem 
neuen, von allen bisherigen abweichenden Wege. 

Es war der Sohn Bernardo Tassos, Torquato Tasso, der damals auf 
der Universität Padua studirte. Bernardo hatte gewünscht, sein Sohn möchte 
sich juridischen Studien und nachher einer denselben angemessenen Lauf- 
bahn widmen. Wollen wir aber die Wahrheit sagen, so hatte die Erziehung 
die der Jüngling empfangen, ihn nicht dazu vorbereiten können. Bernardo 
führte ein herumirrendes Leben: Torquato begleitete ihn, wie Ascanius, 
sagt er einmal, den Aeneas. Aus einer Jesuitenschule in Neapel war er in 
seinem zehnten Jahre nach Rom gebracht worden; von da hatte er seinen 
Vater erst nach Bergamo, dann nach Pesaro, endlich nach Venedig begleitet: 
halb Italien hatten sie durchstreift. Diese Unstätigkeit des Aufenthalts, die 
damit verbundene Mannigfaltigkeit der Eindrücke, die Stimmungen wie sie 
in Verbannten abwechseln, zumal so lange sie noch hoffen und von irgend 
einer günstigen Wendung der Dinge, einem zufälligen Ereignifs ihr Glück 
erwarten, konnte keine Neigung zu ernsten abgezogenen Studien in ihm 
pflegen. Überdies hatte er von früh auf an den poetischen Arbeiten seines 
Vaters Theil genommen: er hatte ihm einige Abschnitte des Amadigi ins 
Reine geschrieben, die Correspondenz — damals ein so bedeutender Theil der 
litterarischen Thätigkeit — besorgen helfen: hiedurch war frühzeitig sein 
eigenes Talent erweckt worden: dem dann ein empfängliches, reizbares, zu 
Liebe und Melancholie geneigtes Gemüth reichlich Stoff und Nahrung gab: 
von dem Reize der für den jugendlichen Ehrgeiz in der Beschäftigung mit 
der Litteratur liegt, war er ergriffen und hingerissen. Wie natürlich dafs 
nun eine etwas trockene Beschäftigung ihn nicht anzog, dafs die Vorlesungen 
Pancirolos keinen Eindruck auf ihn machten: er wollte das Jus gar nicht ein- 
mal als eine Wissenschaft anerkennen: seine Seele war schon von einem 
Gegenstande erfüllt und gefesselt. Nach einem kleineren Versuche, in dem 
er sein Talent erprobte, fafste er den Plan der sein ganzes Leben erfüllt, 
dessen Ausführung ihn den berühmten Namen aller Zeiten beigesellt hat. 


Torquato Tasso. 461 


Er beschlofs die Eroberung Jerusalems in dem ersten Kreuzzuge zum Ge- 
genstand eines Heldengedichts zu machen. 

Auch ein poetisches Werk wird in den Zuständen der neuern Zeit 
ohne ernstliche innere Anstrengung schwerlich zu besonderer Bedeutung ge- 
langen: Tasso wenigstens versäumte nicht sich mit Eifer und Nachdenken 
zur Ausführung seines Entwurfes vorzubereiten. Er widmete sich philoso- 
phischen, poetischen, litterarischen Studien: er versäumte nicht sich mit 
g zu selzen welche sich mit ähnlichen Ver- 
suchen beschäftigten, und seine Meinung gegen die ihre zu erproben. Schon 


den Zeitgenossen in Berührun 


war er einst während eines Aufenthaltes in Urbino zur Composition ge- 
schritten, als er es für gerathen hielt noch einmal zu theoretischen Vorbe- 
reitungen zurückzukehren. Er ist einer von den wenigen productiven Gei- 
stern die von der Theorie ausgegangen sind und zuvörderst diese in sich aus- 
zubilden, zu voller Überzeugung zu bringen gesucht haben. In seinem ein- 
undzwanzigsten Jahre, 1564, verfafste er eine ausführliche Abhandlung über 
das heroische Gedicht — Discorsi del poema heroico — die wohl nicht ge- 
rade wegen einer besonders tiefen und in sich bedeutenden Ergründung 
des Gegenstandes merkwürdig ist, sondern dadurch, dafs sie uns die Ge- 
danken eröffnet die seiner poetischen Arbeit vorausgingen und derselben zu 
Grunde liegen. 

In jenem Streite zwischen Epos und Romanzo hatte sich in Tasso die 
Meinung entwickelt, und dies ist die vornehmste Idee die er vorträgt, dafs 
es möglich sei die Vorzüge beider Gattungen zu vereinigen. ,‚Das grofse 
Publicum,” sagt er, ‚‚verwerfe die Einheit der Fabel, aber nur darum weil 
es in den Gedichten, wo man sie beobachtet habe, zugleich auf unpassende 
Sitten und unglückliche Erfindungen stofse. Dagegen werde von den Ge- 
lehrten die Mannigfaltigkeit ritterlicher Abenteuer verschmäht hauptsächlich 
deshalb weil in den Werken wo sie vorkomme die Muster des Alterthums 
und seine Regeln verletzt seien. Frage man ihn, wen man nachahmen solle, 
die alten Epiker oder die modernen Romanzatoren, so sei er der Meinung, 
dafs man sich beiden anzunähern habe.” Und so unterwirft er sich den Re- 
geln des Aristoteles: er erkennt die Mustergültigkeit Virgils an; aber er hält 
zugleich dafür, die Einheit, Würde und Wahrscheinlichkeit der Antike lasse 
sich recht gut mit modernen Gebräuchen und romantischen Dichtungen ver- 
einigen. Er findet diese Ansicht auch von einem höheren Standpunet aus zu 


462 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


rechtfertigen. ‚‚Die Welt,” sagt er, ‚‚ist so höchst mannigfaltig, und doch 
ist es ein einziger Knoten der alle ihre Theile in einmüthiger Zwietracht 
verbindet. Der Poet heifst darum göttlich weil er sich dem höchsten Werk- 
meister nähert. Ohne Zweifel kann er ein Gedicht bilden in welchem man 
wie in einer kleinen Welt hier Rüstungen, Schlachten zu Land und See, 
Eroberungen, Duelle, Turniere, Beschreibungen von Stürmen und Feuers- 
brünsten, Hunger und Durst, dort aber Versammlungen im Himmel und 
, grausame 
und kühne Thaten, Courtoisie und Edelmuth, glückliche und unglückliche 


in der Hölle, Entzweiungen, Irrfahrten, Abenteuer, Zaubereien 


Ereignisse der Liebe findet, und worin doch alles auf eine Weise verknüpft 
wird dafs eins von dem andern mit Nothwendigkeit oder Wahrscheinlich- 
keit abhängt und alles eine Einheit bildet.” 

Es waren diese und ähnliche Gedanken die der junge Poet seinem Vater, 
der für seine letzten Jahre eine Freistatt in Mantua gefunden, bei einem Be- 
suche daselbst vortrug. Bernardo hatte im Amadigi andere Grundsätze be- 
folgt, und, wie berührt, die Einheit die in seinem Stoffe lag, absichtlich wieder 
zerstört, in der Meinung dafs sie bei dem Publicum keinen Beifall finden 
würde. Torquato legte ihm jetzt seine Theorie mit alle dem Eifer eines von 
einer neuen Ansicht ergriffenen jugendlichen Geistes vor, und es scheint 
wohl als habe ihm der Vater zuletzt Recht gegeben. Bernardo sagte, die 
Liebe zu seinem Sohne vertilge in ihm die Vorliebe die er für sein Gedicht 
hege: die Unvergänglichkeit seines eigenen Namens liege ihm nicht so sehr 
am Herzen wie das Ansehen und der Ruhm seines Sohnes. 

Dergestalt in seinen Meinungen befestigt, ging Torquato Tasso, als er 
im Jahr 1565 einen Platz an dem Hofe von Ferrara gefunden, an die Aus- 
führung seines Werkes: eben so bedachtsam wie er es entworfen: zehn 
Jahre lang, wiewohl natürlich mit Unterbrechungen, hat er daran gearbeitet. 
Es ist wieder ein lebendig denkender Mensch: er schlägt einen neuen Weg ein; 
und es ist sehr der Mühe werth die Bestandtheile und die Zusammensetzung 
seines Gedichtes näher zu betrachten. 

Da ist nun zuerst der Stoff merkwürdig den er sich gewählt hat. Aller- 
dings ist derselbe historisch, und Tasso giebt viel darauf dafs er sich bei dieser 
Wahl dem Muster des Alterthums anschliefse: wie ja auch der trojanische, 
der thebanische Krieg, die Ankunft des Aeneas in Italien historisch seien. 
Allein obwohl historisch, hat doch sein Stoff das Eigene dafs er zugleich dem 


Torquato Tasso. 463 


romantischen, den die Romanzatoren, wie er sie nennt, bearbeitet haben, 
unendlich nahe verwandt ist. Die Eroberung von Jerusalem ist das Ereignifs 
aus dessen Idee und Nachwirkung jene alten romantischen Gedichte grofsen- 
theils entsprungen waren; — an das sich selbst die Sage von Orlando an- 
schliefst. Indem Tasso die Fabeln der Romantik verläfst, wendet er sich, 
von einem glücklichen Genius geführt, zu demjenigen Ereignifs das die 
weltgeschichtliche Grundlage derselben ausmacht, und ihre wesentlichsten 
Elemente, die Ausbreitung des Christenthums durch das Schwert, den Kampf 
mit dem Mahometanismus, in sich enthält. 

Bei der Bearbeitung dieses Stoffes nun folgt Tasso zunächst dem Guil- 
elmus Tyrius, den er bei weitem mehr vor Augen hat als etwa, wie man 
geglaubt, Benedetto Accolti. Nicht allein in dem ersten Entwurf, von dem 
noch eine Anzahl Stanzen übrig sind, sondern auch in der spätern Bearbei- 
tung der Gerusalemme liberata selbst nehmen wir zahlreiche Spuren einer 
unmittelbaren Benutzung dieses Autors wahr (!), wie das Capitel eben dem 
Dichter vorlag. Zu vielen Erzählungen Tassos finden sich bei dem Geschicht- 
schreiber die nächsten Anlässe, z.B. gleich zu der Schilderung und Rede der 
ägyptischen Gesandten, zu dem Scharmützel in welchem Dudo fällt u. s. w. 
Hie und da wo Tasso abweicht hat er die Sache nur aus früheren Momen- 
ten, etwa der Belagerung von Antiochia herübergenommen. — Aber schon 
diese erste positive Grundlage ist durchdrungen von romantischem Geist: 


(‘) Z.B. vergleiche man nur Beili sacri lib. VII c.21 mit Canto I 76-79. Gleich das 
Betragen des Satrapen von Tripoli: Tasso scheint der Versification zu Liebe hie und da ab- 
zuweichen. Ferner: 4 certis quibusdam fidelibus, Seyr montis habitatoribus, qui urbibus ıllis 


a parte supereminet orientali excelsus admodum — qui ad eos gratulabundi descenderant etc. 


Qui del monte Seir, ch’alto e sovrano 

Dall’oriente alla cittade & presso, 

Gran turba scese de fedeli al piano. 
Diese Christen werden die Wegweiser des Heeres: Fiam commendaverunt maritimam, ut et 
directiorem sequerentur, et navium suarum, quae proficiscentem sequebantur ewercitum, eis 


solatium non deesset: 
Conduce ei sempre a le marittime onde 


Vicino il campo per diritte strade, 
Sapendo ben che le propinque sponde 


L’amica armata costeggiando rade. 


So geht es nun weiter bei der Beschreibung der Schiffe, des Transportes. 


464 Raske: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


wäre die Bearbeitung auch vollkommen in classischem Sinne, so würde sie 
doch diesen Gehalt nicht vernichten können. 

Tasso war nun aber auch weit entfernt das zu wollen. In die über- 
lieferte Erzählung verwebte er nach dem Muster der früheren Romanzatoren 
Zauber und Feerie. Er nahm nicht selten ihre Erfindungen geradezu her- 
über. So ist Armida, die in seiner Fabel eine so grofse Rolle spielt, aus 
Florisel de Niquea, von Felieiano de Silva, dem neunten und zehnten Theile 
des Amadis entnommen (!). Bei Silva befreit Amadis die von Armida ge- 
fangenen und mifshandelten Ritter: Armida mufs ihn dessenungeachtet lie- 
ben und zwar ohne Erwiederung: so dafs sie die Schmerzen der Verschmä- 
hung, die sie Andern muthwillig gemacht, selbst in hohem Grade zu empfin- 
den bekommt. Es ist augenscheinlich dafs dies die Grundlage zu dem Aben- 
teuer des Rinald bildet, der eben auch die Ritter befreit welche Armida an 
sich gezogen und gefesselt hat, der alsdann zwar von ihr verlockt, aber 
nicht, wie sie beabsichtigte, bestraft, sondern vielmehr von ihr geliebt wird, 
sich aber zuletzt von ihr losreifst und sie verläfst. Tasso hat nun auch 
noch manche andere fremde Erfindungen in diese Dichtung verflochten. 
Wie die Armida Tassos von ihrem Oheim, so war die Angelica Bojardos 
von ihrem Vater abgesendet nnd mit Zauber ausgerüstet um die feindlichen 
Ritter zu verführen: ihre Reize und Wollüste erinnern unwillkürlich an Al- 
cina. Und auch ernstere Momente entnahm Tasso aus seinen romantischen 
Vorgängern. Wenn Ginguene bemerkt, dafs die Taufe Clorindens vor ih- 
rem Tode ein Vorbild in der Spagna habe, so kann man hinzufügen, dafs 
das in allen romantischen Gedichten eine herkömmliche Form der Aussöh- 
nung des Siegers mit seinem sterbenden Feinde ist. 

Erweiterte dergestalt Tasso seine ritterliche Historie durch anderweite 
Zusätze in diesem Geist, so gab ihm dazu das Leben, das sich dieser Rich- 
tung noch nicht ganz entfremdet hatte, Antrieb und Veranlassung. Noch 
immer kamen in Italien öffentliche Ritterspiele vor. Im Jahre 1562 z.B. 


(') Auf diese Quelle hat zuerst Schmidt in einer Recension des Dunlop (Wiener Jahr- 
bücher XXXII p.55) aufmerksam gemacht. Unsere Stelle findet sich Amadis de Gaul IX 
p-288. Die bestimmte Nachahmung zeigt sich gleich von Anfang. Bei Silva ist Armida die 
Tochter „d’une duchesse — grande magicienne”: sie ist „tant fiere et glorieuse de sa beaute 
quelle dedaigna tous.’ Bei Tasso ist sie Tochter eines Königs „famoso e nobil mago’': sie 
ist „di sua forma altera e de’doni del sesso e dell’etate (libro IV). So geht das weiter. 


Torquato Tasso. 465 
wird auf dem Zargo di $. Domenico zu Neapel eine Brücke aufgeschlagen 
zur Nachahmung der Brücke des Rodomont bei Ariost: Vincenz und Carl 
Spinello bestanden hier einen Kampf gegen 50 neapolitanische und spani- 
sche Cavaliere. Als Tasso 1565 in Ferrara anlangte, fand er Hof und 
Stadt mit Vorbereitungen zum Empfange der neuen Herzogin, Barbara von 
Östreich, beschäftigt; es wurden die glänzendsten Ritterspiele gehalten: 
ein Turnier in dem Hofe des Pallastes, an welchem 100 Ritter Theil nah- 
men. Es ist wohl wahr: dies waren nicht unmittelbare Äufserungen und 
Hervorbringungen des Lebens: sie waren schon durch das Medium der 
Poesie durchgegangen, Rückdarstellungen aus derselben; aber der öf- 
fentliche Geist hatte doch noch sein Vergnügen daran: sie mufsten einen 
jungen Poeten entzücken, der hier noch auf die Dinge selber zu stofsen 
glaubte, mit deren Beschreibung er sein Werk ausschmücken wollte. Ana- 
loge Zustände, Begegnisse fehlten dann auch nicht und erregten seine eigene 
Erfindungsgabe. 

Wollte Tasso nun sein Vorhaben ausführen, Romanze und Epos zu 
vereinigen, so kam es zunächst darauf an ob es ihm gelingen würde die Man- 
nigfaltigkeit der Ereignisse und Erfindungen nach den antiken Mustern zur 
Einheit einer Handlung zu verbinden. 

Recht methodisch unterschied Tasso, wie seine Discorsi lehren, vier 
Theile einer wohlzusammengesetzten Handlung. Den ersten, bestimmt die 
Lage der Dinge vorzustellen: den zweiten, in welchem die Handlung in 
Verwirrung gerathe: den dritten, worin sie sich zu einem glücklichen Gange 
wende: den vierten endlich, worin sie zu ihrem Ziel und ihrer Vollendung 
gelange. Er nennt sie Einleitung, Verwirrung, Wendung, Schlufs. Diese 
vier Theile lassen sich nun in seinem Gedicht ohne viel Mühe nachweisen. 
Die drei ersten Gesänge, in welchen die Fäden des Gewebes angeknüpft 
werden, und das Heer, vor Jerusalem angelangt, schon die Belagerungs- 
werkzeuge bereitet, bilden die Einleitung. Wie sich die unterirdischen Ge- 
walten gegen das Unternehmen rüsten, derjenige hinweggeführt wird ohne 
den es nicht gelingen kann, Unglücksfälle und hindernde Bezauberungen 
folgen, — so dafs ein griechischer Führer sich bereits hinwegbegiebt, und 
die Franken insgesammt abzuziehen wünschen: diese Verwirrung der Hand- 
lung stellt ein zweiter Theil, vom vierten bis gegen das Ende des dreizehn- 
ten Gesanges dar. Auf die gröfste Gefahr folgt unmittelbar die Wendung 

Philos.- histor. Abhandl. 1835. Nnn 


466 Range: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


der Dinge: ausdrücklich heifst es: ‚‚bis hieher die Unglücksfälle; jetzt be- 
ginne eine neue Ordnung, Glück und Fortgang.’ In dem dritten Theile, 
bis in die Mitte des achtzehnten Gesanges, wird der Held zurückgeführt, und 
die Zauber werden gelöst. Hierauf fügt der vierte die glückliche Beendigung 
des grofsen Unternehmens hinzu. Vielleicht ist Tasso der erste der ein er- 
zählendes Gedicht nach einer so regelmäfsigen Disposition ausführte. Er gab 
sich die gröfste Mühe alle Episoden diesen Hauptmomenten der Handlung 
unterzuordnen, mit ihnen in Einklang zu erhalten. 

Und diese Regelmäfsigkeit des Entwurfs ist nicht etwa das Einzige wor- 
in er sich der Antike anschlofs. Auf die gesammte Bildung seiner Fabel und 
ihre Zusammensetzung auch im Einzelnen hatten die Dichter des Alterthums 
unverkennbaren und ohne Zweifel einen noch wahrhafteren Einflufs als die 
Romantiker. 

Rinald, schön, stark und leidenschaftlich wie Achilles, hauptsächlich 
die Fabel wie durch seine Entfernung Unheil über die Belagerer kömmt und 
seine Rückkehr das Glück bringt, sind ohne Zweifel dem Homer nachge- 
ahmt. Der Zweikampf Argantes und Tancreds und die Endigung desselben 
durch das Dazwischentreten der Herolde ist dem Zweikampf zwischen Ajax 
und Hector unverholen nachgebildet. Herminia zeigt dem belagerten König 
die Schaaren der Franken, wie Helena dem alten Priamus die griechischen. 
Von vielen Gleichnissen, wie etwa von dem Pferd das sich seiner Bande ent- 
ledigt und muthig in dem Gefilde erscheint u. s. w. ist der eigentliche Autor 
am Ende doch Homer, obwohl Tasso zunächst dem Virgil folgt. 

Die Discorsi zeigen, welch ein entschiedener Verehrer Virgils Tasso 
war. Es ist fast keine Lehre die er giebt zu der er nicht das Muster in die- 
sem Dichter fände. Wenn er es aber auch nicht ausdrücklich sagte, so würde 
sein Gedicht es zeigen, das mit Virgilischen Erinnerungen erfüllt ist. Schon 
sein Held hat in Aeneas, in welchem, wie Tasso selbst sagt, ‚,Pietät, Re- 
ligion, Enthaltsamkeit, Stärke, Grofsmuth, Gerechtigkeit und jede andere 
ritterliche Tugend” dargestellt werden, sein Vorbild; nur darin übertrifft 
Gottfried den Trojaner noch dafs er auch der Verführung der Liebe unzu- 
gänglich ist. Diese Nachahmung geht bis ins Kleinste. Mit den Worten des 
Aeneas tröstet Gottfried die entmuthigten Gefährten: so streckt er seine 
Arme dreimal nach dem ihm im Traume erscheinenden Freunde aus: so un- 
erschrocken gebehrdet er sich, wie er verwundet wird: so wird er geheilt, 


Torquato Tasso. 467 


ihm thut der Schutzengel den Dienst den Venus bei Virgil dem Aeneas er- 
weist, und pflückt ihm Dietamnum vom Ida: Erotimus, sein Arzt, ist nur 
eine Wiederholung des Japyx. Und von wie viel andern Fictionen findet 
sich die Grundlage in Virgil! Ganz anders als bei Ariost, und zwar oft nur 
in umschreibender Übersetzung mit veränderten Namen erscheint die Fabel 
des Nisus und Euryalus in dem nächtlichen Auszug der Clorinde bei Tasso. 
Auch die frühere Geschichte dieser Heldin ist in mehreren wesentlichen 
Theilen der Erzählung von Camilla entnommen. Mit Gildippe wird Clo- 
rinde verglichen wie Pallas mit Lausus: ‚‚der Himmel gestattet ihnen nicht 
sich mit einander zu messen, und bewahrt sie gröfseren Feinden auf.” Das 
Gespräch zwischen Argante und Orcan ist aus dem Streite zwischen Tur- 
nus und Drances: der jugendlich schöne Page des Sultan aus Chloreus, Prie- 
ster der Cybele, ausgebildet. Argillan wird, wie Mezentius, seines zukünfti- 
gen Geschickes erinnert, und antwortet darauf ganz wie dieser. Aus Virgil 
sind die Brüder welche oft von den Eltern verwechselt werden: ‚,jetzt macht 
die Art der Verwundung zwischen ihnen einen entsetzlichen Unterschied.” 
Der Greis welcher die Rinaldo suchenden Botschafter in die Tiefen der Erde 
führt, wo sie die geheimen Quellen der Flüsse sehen, ist die Cyrene aus Vir- 
gils Landbau. Klagen und Drohungen der Armida nach der Entfernung des 
Rinald sind gröfstentheils wörtlich die der Dido. Wie die geöffneten Augen 
Neptun und Juno bei Troja, so sehen sie hier schon verstorbene Helden an 
der Erstürmung Jerusalems Theil nehmen. Genug, auf die Erfindung un- 
sers Dichters, die Ausbildung seiner Fabeln hatte Virgil ungemeinen Ein- 
flufs. Aber auch viele Beschreibungen, Gleichnisse, Sentenzen, einzelne 
Redeformen, uns von den Studien unsrer Jugend her wohlbekannt, begeg- 
nen uns in der Gerusalemme wieder. Jene glänzende Schilderung des Ha- 
fens von Carthago, die Tasso in den Discorsi höchst göttlich findet — divi- 
nissima — versäumte er nicht aufzunehmen: er brachte sie bei seinen glück- 
lichen Inseln an. Die Abbildung der Schlacht von Actium, der Schiffe, die 
losgerissenen Cycladen gleichen, nahm er herüber: auf die Meerenge von 
Gibraltar wandte er an was Virgil von der sicilischen gesagt hat. Die Ver- 
gleichungen des Helden in seinem überwältigenden Siegeslauf mit dem Fel- 
senstück das losgerissen Waldungen zertrümmert, des selbständigen Mannes 
mit der Klippe am Meer der die Drohungen von Wind und Wellen nichts 
anhaben, des Verwundeten mit dem Träumenden der seine Glieder regt und 
Non 2 


468 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


sie nicht zu bewegen vermag, und wie viele andere, sind wörtlich aus dem 
Latein entnommen. Die Fama, die eben so gut die Lüge meldet als die 
Wahrheit, — die Jugend, welche in schönem Körper liebenswürdiger er- 
scheint, — der Liebende, welcher klagt wenn der Tag geht und wenn er 
wiederkehrt, — jene Botschafter, die in unbekannten Kleidern kommen, — 
die abgehauene Hand, die noch nach dem Schwerte fafst, — genug, eine 
Menge Einzelnheiten die an sich von einem Jeden wiedererfunden sein könn- 
ten, sind doch bei ihm durch Wahl und Stellung der Wörter als Nachahmun- 
gen und Wiederholungen des Virgil zu erkennen. Tasso rühmte sich eines 
glücklichen Gedächtnisses; er hat Stellen von drei - bis vierhundert Versen 
ohne Anstofs zu reeitiren gewufst: es ist offenbar dafs bei der Ausarbeitung 
seines Poems sein Gedächtnifs vielleicht nur allzu beschäftigt war. 

Denn Virgil und Homer sind nicht die einzigen Alten aus denen er 
schöpfte. Die Beschreibung des ägeischen Meeres, das noch in Bewegung 
ist nachdem die Stürme aufgehört haben, die etwas spielende des Mäander 
der zu seinen Quellen zurückkehrt, sind aus Ovid. Die Vergleichung welche 
Gernando zwischen seinen und Rinaldos Ansprüchen anstellt, ist der in den 
Schulen berufenen Rede des Ajax gegen Ulysses in den Metamorphosen nach- 
gebildet (!). 

Nicht selten ward auch Lucan benutzt. Ihm gehört nicht allein der 
Comet ‚‚der die Reiche ändert”, die Beschreibung des Heerführers der den 
Aufruhr beschwichtigt, sondern auch der schreckenvolle Hain, den Niemand 
berühren mag 


Io) 
Alle die sich nähern entsetzen, und zum Theil die Anrufung des Ismen: die 


die mannigfaltige Mischung der Stimmen, vor denen sich 


Rede Gottfrieds vor dem letzten entscheidenden Kampfe ist wörtlich die 
Rede Cäsars vor der pharsalischen Schlacht. Von mehr als einem Concetto 
in dem sich Tasso zu gefallen scheint, sind Lucan oder Claudian die eigent- 
lichen Urheber. 

Übrigens sind historische Ereignisse, wie der Busen in welchem Krieg 
und Frieden gebracht wird, unverhüllt eingeführt, berühmte Worte, wie 
V eni vidi viei: Sentenzen, selbst des Aristoteles, z. B. aus der Metaphysik :: 
die Seele sei Gott gegenüber dem Nachtvogel gleich, der in die Sonne schaue. 


(‘) Ich halte nicht für nöthig, die Stellen der Classiker nach Buch und Vers zu ciliren; 
die meisten sind sehr bekannt: die übrigen weist jeder Index nach. 


Torquato Tasso. 469 


Das Wunder der Geburt der Clorinde, der weifsen Tochter schwarzer El- 
tern, ist aus dem Heliodor. 

Torquato Tasso war davon durchdrungen dafs immer das Vortreff- 
lichste dargestellt werden müsse. ‚‚Unter den schönen Dingen”, sagt er, 
‚„‚wähle der Poet die schönsten, unter den grofsen die gröfsten, unter den 
wunderbaren die wunderbarsten, und diesen wunderbarsten suche er noch 
Neuheit und Gröfse zu vermehren.” Es ist, wenn wir nicht irren, zwischen 
dem Idealen und dem Höchstvollkommenen, so nahe sie auch einander be- 
rühren, noch der Unterschied: dafs jenes aufserhalb, dieses innerhalb der 
Erscheinung liegt: jenes erfunden, dieses aufgesucht werden mufs. Tasso 


g es zusammen- 


bezeichnet dort nicht sowohl jenes als dieses. Damit mag 


hangen, dafs er es, wo er es auch finde, sich aneignet. 

Tasso beabsichtigte, wie wir sahen, ursprünglich nur einen historisch- 
romantischen Stoff nach den Regeln der Epopee zusammenzusetzen: auf die 
Weise aber wie er das anfing, hatte er die Elemente zwei verschiedener poe- 
tischer Welten mit einander vereinigt. Er ist bei weitem nicht ein Dichter 
der uns durch eine freie Hervorbringung der Phantasie zu ergötzen suchte: 
er ist zugleich ein Gelehrter der einen sehr mannigfachen poetischen Stoff 
herbeigeschafft, sich angeeignet hat, und nun bemüht ist ihn kunstgerecht 
und angenehm vorzulegen. 

Jedoch würden diese in so verschiedenen Zeiten, so verschiedenen 
Weltzuständen entsprungenen Phantasien sich wechselseitig abstofsen, grell 
aus einander treten, wofern es nicht ein drittes Element gäbe, in welchem 
sie sich berührten, durchdrängen. In diesem wird alsdann auch die Eigen- 
thümlichkeit des Poeten am meisten zu erkennen sein. 

Das ist nun aber zuerst christliche, modern katholische Auffassungs- 
weise und Mythologie. Die alten Romanzatoren, wie wir an Pulci, Ariosto 
sahen, setzten sich bei der Behandlung des Stoffes in Widerspruch mit der 
bestehenden Kirche, und machten ihr auf ihre Weise den Krieg. Die Zeiten 
aber wo diese Tendenzen nicht allein geduldet wurden, sondern auch in dem 
grolsen Publicum Anklang und Billigung fanden, waren vorüber. Zuerst 
hatte die neulateinische Poesie, die Anfangs auch auf ganz entgegengesetzten 
Bahnen gewandelt war (1), christliche Stoffe ergriffen und sie der Forde- 


(') Fracastoro z.B. läfst die syphilitische Pest entstehen nachdem Jupiter, der Allen gü- 


470 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


rung ihres Inhaltes gemäfs zu behandeln versucht. Sannazar von der Geburt 
der Jungfrau, die Christias des Vida hatten den Beifall der Gelehrten und 
der Kirche erworben. Auch von dieser Seite empfahl sich nun der Gegen- 
stand den Tasso gewählt: er war historisch nach der Forderung der Antike, 
romantisch, aber zugleich auch christlich. Eben deshalb ergriffen ihn, als 
der öffentliche Geist sich auf das Ernste und Religiöse zu wenden anfıng, 
mehrere Dichter zugleich. Girolamo Muzio z. B., der nur davon abstand, 
weil er hörte, Tasso sei ihm zuvorgekommen: auch Angelo da Barga schon 
im Jahre 1560; aber dieser liefs sich um so weniger stören da er den gan- 
zen Zug von Anfang bis zu Ende schilderte, nicht einen Abschnitt, wie 
Tasso. Wir haben das Werk des Angelus Bargaeus: in der Vorrede eröffnet 
er uns das Motiv seiner Wahl. Er wolle, sagt er, ein Gedicht machen in wel- 
chem alles christlich sein solle (!): er wolle, als ein Christ, lieber ein wah- 
res Ereignifs christlich behandeln als in einem erlogenen Argument einen 
wenig christlichen Ruhm suchen. Auch Tasso fafste seine Aufgabe von allem 
Anfang zugleich von dieser Seite. Deshalb gab er seinem Helden aufser den 
Tugenden des Aeneas auch noch geistlich-würdige Eigenschaften: Gottfried 
ist, wie ein Heiliger, satt der Welt und ihres vergänglichen Vergnügens; 
wenn er redet, predigt er gleichsam. Betrachtet man die Hauptmomente 
der Fabel in der Gerusalemme, so sind sie insgesammt aufserweltlich. Die 
Handlung beginnt durch einen unmittelbaren Beschlufs Gottes mit der Sen- 
dung eines Engels: durch die Eingriffe einer fürchterlichen und erzürnten 
Hölle wird ihr Fortgang gehindert. Gott selbst mufs durch sein Wort den 
glücklichen Lauf der Begebenheit herstellen: von dem Traume den er sen- 
det, geht die Wendung der Dinge aus. Bei der endlichen Eroberung ist der 
Erzengel Michael, es sind die verstorbenen Mitkämpfer, ja ganze Schaaren 


tig wäre wenn das Schicksal es verstattete, und Mavors, den nach Blut und Rache gelüstet, 
mit dem alten Saturn, der noch immer seinen Sohn nicht als Herrn anerkennen will, das 
Schicksal um Rath gefragt haben. 


(') Angeli Bargaei Syrias: Praef. „ut si fieri posset poema extaret in quo nihil non chri- 
stianum esset.’ Merkwürdig ist, dals das Gedicht ursprünglich auf 13 Gesänge berechnet war, 
wie man in der ersten Ausgabe der zwei ersten Gesänge wahrnimmt; dafs der Autor aber nur 
zwölf zu Stande brachte; im zwölften ist der Schlufs des Ganzen, die Eroberung, nur sehr 
summarisch behandelt: — wahrscheinlich wollte der Verfasser doch mit Tasso, der ihm zu- 
vorgekommen, nicht in die Schranken treten. 


Torquato Tasso. 471 


von Geistern zugegen. Dem Dichter kommt zu Statten dafs hiebei das Wun- 
derbare eine grofse Rolle spielt: erst dadurch wird es ihm möglich die Zau- 
berei einzuflechten: er würde es nicht wagen, wenn sie nicht den bösen Ge- 
walten untergeordnet wäre. Die Phantasie des Dichters hat, wie man sieht, 
eine devote Richtung. 

Hiemit stimmt es nun überein dafs Tasso von Anfang bis zum Ende 


gen dafs 
das epische Gedicht einen Ausdruck fordere den er mit ‚, Magnifico” be- 
zeichnet. Daher kommt es dafs er jenes Tacque oder Disse so feierlich wie- 


derholt, dafs er seine Personen durch den Zusatz von Gran zu heben sucht. 


eine gewisse Würde und Hoheit behauptet. Er ist davon durchdrun 


Es tritt selbst in dem Bau seiner Stanze hervor, in welchem er nach dem 
Rathe eines oder des andern Zeitgenossen die abgekürzten Worte vermeidet, 
lange in das Ohr fallende Ausdrücke gern anbringt. Am meisten zeigt es sich 
in der Vermeidung des Details, wie ihm hierin sein Vater, Berni und Ala- 
manni vorangegangen waren. Er ist weit entfernt sich in die Anschauung zu 
e in ihrer Farbe und wechselnden 


5 
Form reprodueiren zu wollen: selbst da wo er aus seinem Historiker schöpft 


vertiefen wie Ariost, und die Erscheinun 


und dessen Worte beibehält, fafst er das Einzelne abstrahirend zusammen um 
einen allgemeinen Eindruck hervorzubringen. Die naive Darstellung welche 
Trissin beliebt hatte, war ihm widerwärtig: ‚‚Wie könne man eine Königs- 
tochter heut zu Tage darstellen wollen wie die homerische Nausikaa.” In 
alle dem hielt er sich an den Vorgang und das Muster Virgils. 

Und hier kommen wir noch auf eine andere, die Natur seines Gei- 
stes so wie die allgemeine Verwandlung die in dem literarischen Geschmack 
vor sich ging, näher bezeichnende Eigenthümlichkeit. 

Allerdings hat Tasso fremde Werke vor Augen: er ahmt sie nach: 
aber wie sehr würden wir ihm Unrecht thun, wenn wir glauben wollten, 
er folge seinen Vorbildern blindlings, unbedingt. Wie sehr unterscheidet 
er sich hier von seinem Vater! Auch er ahmt, wie dieser, einen Theil des 
Amadis nach: Feliciano de Silva, wie wir sahen: aber er nimmt daraus doch 
nur die äufseren Umrisse der Fabel, Namen und Idee der Heldin. Wenn 
dann jener Autor dort unter andern in dem verzauberten Schlofs der Armida 
Hunderte von Rittern Klaggeschrei ausstofsen und die Hand gegen das Herz 
bewegen läfst, so ist er in der Schule der Alten zu gut gebildet als dafs er an 
einem so seltsamen Pathos Gefallen finden sollte. Der Zauber seiner Armide 


472 Rınke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


ist durchaus menschlich. Es ist die Natur Tassos, das Ungeheure, Wild- 
phantastische, Ungestalte zu vermeiden. Selbst gegen näher verwandte Gei- 
ster stellt er sich in ein ähnliches Verhältnifs. Die Christias des Vida hat er 
viel benutzt: die Beschreibung des höllischen Conciliums, der Ruf der tar- 
tarischen Drommete, vor welcher die tiefen Höllen erzittern, die Zusammen- 
kunft der aus Schlange und Mensch zusammengesetzten Ungeheuer, der Gor- 
gonen und Centauren, und wie sie sonst heifsen, auch die Rede ihres Be- 
herrschers, der sie an ihr einstmaliges Glück und ihre Verdammung in dieses 
unerfreuliche Reich mahnet, sind ganz aus Vida entnommen. Es wäre der 
Mühe werth den Ursprung und die Entwickelung dieser christlichen Mytho- 
logie moderner Poeten, welche sich darnach in Milton und Klopstock so 
merkwürdig fortgesetzt hat, genauer zu verfolgen. Was Tasso anbelangt, so 
folgt er dem Vida Schritt für Schritt (1). Wie er aber an dessen Beschrei- 
bung des Satanas kommt, ‚,‚mit hundert Köpfen, von Schlangen umwunden, 
und feurigen Rachen, mit hundert Händen, allen bewaffnet mit Fackel und 
Dreizack’, so hält er inne. Diese Phantasien überschreiten das Maafs dessen 
was ihm darstellbar scheint: er weicht ihnen aus. Er schildert seinen Satan, 
nach der Beschreibung die Claudian von Pluto entworfen, als einen König 
der Unterwelt. — Und selbst dem Alterthum folgt er nicht überall. So voll- 
kommen er Virgil bewundert, so nimmt er doch auch von ihm nicht alles 
an. Die Schicksale der Camilla überträgt er, wie wir sahen, grofsentheils 
auf seine Heldin Clorinde: auch er läfst den Wärter mit dem Kinde zwischen 
Räuber und Strom gedrängt, und genöthigt werden sich zu einem verzwei- 
felten Ausweg zu entschliefsen. Wenn aber nun bei Virgil das Kind an die 
Lanze gebunden über den Flufs geworfen wird, so scheint ihm das zu vio- 
lent, allzu unwahrscheinlich. Er sucht eine andere Art von Rettung. Bei 
ihm wirft sich der Wärter selbst in die Fluth, und indem er mit dem einen 
Arme schwimmt, hält er es mit dem andern über derselben empor; jedoch 


(‘) Gleich der Anfang. Vida Christias lib. I: 
Acciri diros ad regia fratres 
Limina — concilium horrendum — et genus omne suorum 
Imperat. 
Tasso: Che sia commanda il popol suo raccolto 
Concilio orrendo entrö le regia soglia. 


Man mufs die ganze Stelle vergleichen. 


Torquato Tasso. : 473 
diese ist ihm allzu stark, und entreifst ihm seine Bürde. Durch St. Georg, 
den Beschützer des Kindes, geschieht dafs die Fluth es dennoch unbeschä- 
digt ans Ufer trägt. Indem Tasso das Gewaltsame vermeidet, verflicht er 
zugleich Religion und Wunder in sein Gedicht. 

In diesem Sinne der Gestaltung, Milderung und Mäfsigung sind auch 
die Abänderungen die er bei der späteren Redaction an jenem ersten jugend- 
lichen Entwurfe den er in Urbino gemacht hatte, vornahm. Er hatte da aus 
dem Guilelmus Tyrius doch zuviel beibehalten: später fühlte er wohl dafs der 
rein historische Stoff den Gang des Gedichtes hemme, und er that ganz Recht, 
wenn er davon vieles wegliefs. Ferner kommt in dem Entwurf, bald vom An- 
fang, wie im jetzigen ersten Gesange, eine Musterung des Heeres vor: alle 
Anführer, ihre Schaaren, ihre Wappen selbst werden geschildert, in langer 
Reihe, nicht ohne Wiederholung und Verwirrung; in der spätern Arbeit ist 
davon vieles bei Seite gelegt: es ist alles gesondert, gegliedert, auf das Ganze 
berechnet; man empfängt den Eindruck der Ordnung und Gestalt. Die 
Schilderung der Persönlichkeiten ist ich will nicht sagen besser, aber, wie 
es der damalige Geschmack forderte, kleiner Züge entkleidet, verallgemeinert. 
Die lange Rede des Gesandten kommt schon in dem Entwurf ebenso vor 
wie in dem Werke, aber die Antwort Gottfrieds ist in dem letztern da wo 
sie abweicht, abgemessener, ruhiger, einleitender. Eine ausführlichere Be- 
ziehung auf eine heidnische Fabel wird, der Uniformität und vielleicht um 
religiösen Einwendungen vorzubeugen, in eine alttestamentliche verwandelt: 
Enceladus mufs dem Nimrod Platz machen. 

Tasso gehört nicht zu jenen ursprünglichen Geistern die den Canon 
aller Darstellung in sich selbst tragen und durch ihre innere Wahrhaftigkeit 
verhindert werden davon abzuweichen. Mit diesen Tendenzen, die an sich 
sehr lobenswürdig wären, hangen doch auch wieder manche Mängel zusammen. 
Seine Würde ist zuweilen nicht ohne einen Beigeschmack von Pedanterie, wie 
ihm schon Galilei vorgeworfen (!). Es finden sich gesuchte Gegensätze, sonder- 
bare Concetti: z.B. werden die Herzen im Wasser angezündet, d.i. von Thränen 
gerührt; von der weilsen Farbe schliefst man bei ihm auf die weifse noch un- 


(') Considerazioni al Tasso 1793, ein sehr lebhafter Angriff besonders auf Form und 
Ausdruck des Tasso. In der römischen Ausgabe ist ein widerlegender Discorso von Giu- 
seppe Iseo hinzugefügt, der aber doch nicht viel sagen will. 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Ooo 


474 Rınxe: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


befleckte Treue; er sagt einmal: ‚,kaum lebendig in sich, todt in der welche 
todt.”” Von jener genauen, innerlich vollführten Durcharbeitung ariostischer 
Diction ist die seinige weit entfernt, und hie und da fühlt man das Willkühr- 
liche, Äufserliche des Zusammenhanges. Seine Religion hat etwas Schwärme- 
risches. Ein den Christen entrissenes Bild wird den Saracenen wieder abge- 
nommen: der Dichter weifs nicht, ist dies das geheime Werk eines Gläubi- 
gen oder gar unmittelbar des Himmels. Die steten Vorhersagungen Peters 
des Einsiedlers welche auch immer eintreffen, streifen an die Legende. Es 
ist ein Martyrthum wenn Sophronia, unschuldig, erklärt, sie sei die Thäterin, 
und Olind, gleich unschuldig, mit ihr sterben will: das schöne Schlacht- 
opfer hat die Gestalt einer gen Himmel aufsteigenden Heiligen. Mit fast zu 
grofser Zerknirschung drücken sich die Kreuzfahrer aus, wie sie Jerusalem 
erblicken: obwohl sie weinen, so verdammen sie sich doch dafs sie es nicht 
mehr thun: sie klagen über ihr frostiges Herz das sich nicht in Thränen 
auflöse, über ihr hartes Herz das nicht breche. So zerknirscht und doch 
nicht ohne Antithese. 

Dieser Religion ist der Affeet den unser Dichter schildert nahe ver- 
wandt. Erminia, die in dem Hause Tancreds war und ihm nie ein Wort 
sagte, wird plötzlich von der Begierde ergriffen ihn in dem feindlichen La- 
ger aufzusuchen. Tancred sah Clorinden kaum einmal: der Anblick der Ent- 
fernten fesselt ihn jedoch in dem Augenblick dafs er zum Zweikampf geht 
dergestalt dafs er diesen vergifst. Dürfen wir das Sentimentale, ohne wei- 
teres Eingehn, in die Verbindung der Liebe und des Mitleidens setzen, so 
ist dieses in Tasso ein sehr bedeutendes Element. Fast alle seine Liebe geht 
in Mitleiden aus: in Gildippe und Odoardo nicht minder als in Sophronia 
und Olind, in Tancred und Clorinde, in Erminia und Tancred, ja sogar in 
Rinald und Armide. Und in welch ein Mitleiden! Die Klagen des Tancred 
waren dem Orpheus, welchem die Alten ähnliche in den Mund legen, ohne 
Zweifel angemessener als einem Kriegsmann wie Tancred. 

Hiedurch kommen Elemente in das Gedicht die demselben eine fast 
individuelle Färbung geben: in die Epopee tritt die persönliche Stimmung 
des Dichters ein, etwas zugleich Phantastisches und Düsteres, Melancholie 
der Liebe und derReligion; die Sentimentalität der modernen Zeit. Selbst der 
Reiz der Sinnlichkeit wird von Phantasie und Begierde ergriffen: sie schwelgt 
in ihrer Beschauung und läfst davon nicht los: wie so ganz anders als jene 


Torquato Tasso. 475 


kecke Ironie, Derbheit, Unmittelbarkeit ich will nicht sagen Puleis aber 
noch Ariostos. Und betrachten wir nun wo überall dies vorkömmt, so dür- 
fen wir wohl nicht sagen dafs der Poet hierin frei von Manier sei. Eben das 
ist Manier dafs der Autor eine ihm eigenthümliche und werthe Gesinnung in 
Widerspruch mit den Forderungen des Gegenstandes geltend macht. 

Alle diese Bemerkungen werden uns jedoch nicht hindern das Ver- 
dienst Tassos anzuerkennen. Im Allgemeinen löste er die Aufgabe die er 
sich gesetzt hatte. Er hatte die Mannigfaltigkeit, welche das grofse Publicum 
liebe, und die Einheit, die der Gelehrte suche, mit einander zu vereinigen 
gedacht. Es war ihm dieses über alles Erwarten gelungen. Zum ersten Mal 
hatte er den romantischen Stoff den classischen Gesetzen unterworfen, ohne 
ihn darum doch in seinen wesentlichen Forderungen zu verletzen. Obwohl 
es bei einem Producte das so ganz aus litterarischen Gesichtspunkten die 
immer streitig bleiben, hervorgegangen war, an Widerspruch nicht fehlen 
konnte, so ward ihm doch übrigens von allem Anfang ein unermefslicher 
Beifall zu Theil. Tasso hatte den gesunden Sinn, nicht allein für die Ge- 
lehrten, gleichsam den Adel und die Priester der Litteratur, sondern auch 
für die litterarische Gemeine, für die Mittelmäfsigen, wie er sich ausdrückt, 
d.i. für Jedermann zu schreiben: er hatte es glücklich getroffen: ebenhie- 
durch erwarb er eine allgemeine Zustimmung. Vielleicht hatten daran auch 
seine Mängel viel Antheil. Eine Gesinnung und Ausdrucksweise wie er sie 
hegte und wie sie uns als etwas Mangelhaftes auffällt, ward eben allgemein 
beliebt. Jedoch noch bei weitem mehr that die zugleich leichte und würdige 
Haltung; die milde, nirgends überwältigende, immer verschönernde Phanta- 
sie des Poeten; dafs ein so grofsartiger für Glauben und Phantasie erhebender 
Gegenstand hier auf eine Weise behandelt wurde die dies darstellte und da- 
bei zugleich dem Sinne des Jahrhunderts entsprach; vor allem der unnach- 
ahmliche Wohllaut so vieler glücklich geworfener Strophen. Wir andern 
werden ohne Zweifel an Ariost ein gröfseres Gefallen finden: die Italiener 
lassen sich den Vorzug Tassos nicht abstreiten. Man mufs sie diese Stanzen 
lesen, recitiren hören: mit einer Art von musikalischer Wollust verweilen 
sie bei den einzelnen Versen: mit entzückter Befriedigung schreiten sie zu 
den Schlufsreimen fort. Der Genius der Nation hatte hier gleichsam unbe- 
wufst in Tasso gearbeitet: er that seinen Landsleuten völlig Genüge: sein 
Muster beherrscht sie noch heute. 


0002 


476 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


Wie aber der begabte thätige Mensch in der Regel aufser dem was er 
beabsichtigt, auch noch etwas anderes vollführt, mehr in der Pflicht der 
Nothwendigkeit und des allgemeinen Geistes, so leistete Tasso in diesem 
Werke etwas was nicht allein für die poetische Gattung in der er arbeitete, 
nicht allein für seine Landsleute, sondern für die neuere Litteratur überhaupt 
von hoher Bedeutung ist. Er ist eigentlich der Erste der ein grofses und 
glänzendes Beispiel des Modern-Classischen aufgestellt hat. Es unterscheidet 
sich diefs, wie Jedermann eingestehn wird, noch weit von dem Antiken, 
obwohl es dem Muster desselben folgt, oder vielmehr die aus den Mustern 
abgezogenen Regeln beobachtet. Aber eben diese Forderung machte man, 
und im Allgemeinen entsprang sie auch aus der Lage der Sache. Der mo- 
derne und der antike Stoff waren nun einmal zugleich vorhanden und wirk- 
ten auf Vorstellungen, Poesie und Ideal. Jedoch widersprachen sie einander 
und schienen sich wechselseitig auszuschliefsen. Tasso fand eine Form die, 
der antiken analog und nachgebildet, dennoch den Ausdruck moderner Vor- 
stellungen möglich machte. Hiedurch hatte er eine unendliche Wirkung auf 
die romanischen Nationen, für welche eine Vereinigung jener Tendenzen 
noch nothwendiger war als für uns, weil das poetische Alterthum ihrer Na- 
tionalität um vieles näher steht. 

Zum ersten Mal kommt dergestalt nach langem Kampf und mancherlei 
Versuchen das Modern -Classische zum Vorschein: Regelmäfsigkeit in der 
Anlage: Befolgung der aristotelischen Vorschriften: Würde und Gehaltenheit 
des Tones: Vermeidung des Grellen, etwas gedämpfte Lichter: Wahrschein- 
lichkeit der Zusammensetzung 


5 
der Darstellung: ferner der Ausdruck moderner Gesinnung, ja persönlicher 


im Einzelnen: Ruhe, Gediegenheit, Mäfsigung 


Stimmungen, etwas was uns nun einmal alle anspricht und unser geistiges We- 
sen ausmacht: endlich ein ungezwungener Flufs poetischer Rede: Leichtig- 
keit und Anmuth in den einmal gezogenen Schranken. 


Und hier könnten wir stehn bleiben, da wir auf den Punct gelangt 
sind den wir erreichen wollten, wenn uns nicht die fernere Entwickelung 
Tassos, der als er sein Gedicht vollendete erst 31 Jahre zählte, noch einen 
Augenblick festhielte. 


Torquato Tasso. 4771 


Jedermann kennt das unglückliche Schicksal Tassos im Allgemeinen. 
Bei weitem weniger bekannt sind die innern Motive desselben, die zugleich 
mit der universalen Verwandlung des Zeitgeistes zusammenhangen. 

Denn an jene Erzählung von einem Verhältnifs des Dichters zu der 
Prinzessin Leonore von Ferrara, die zuerst ein gewisser Brusoni, ein aner- 
kannt fabelhafter Autor in der Mitte des 17ten Jahrhunderts, in Umlauf 
brachte, ist nun zuvörderst gar nicht zu glauben. Vor mehreren Jahren hat 
das Giornale di Milano einen Fund angekündigt, den man in der Casa Fal- 
conieri zu Rom gemacht habe; da seien die Originale der Briefe und So- 
nette versteckt gewesen die zwischen beiden gewechselt worden, um deren 
willen Alfonso II den Dichter gefangen gesetzt habe. Gleich als würde der 
Fürst, nachdem er sich der Person versichert, nicht auch die Papiere an 
sich genommen haben: er der sogar das unschuldige Gedicht der Gerusa- 
lemme lange Zeit nicht herausgeben wollte. Gewifs ist hier irgend eine 
Mystification im Spiele. 

Man braucht in der That nur die Briefe Tassos im Zusammenhange 
zu lesen um sich von dem Ungrund dieser Fabel zu überzeugen. 

Tausend Mal erörtert Tasso in denselben sein Unglück: in der Heftig- 
keit seiner Leidenschaft verschweigt er nichts was er weifs, was zu seiner Ent- 
schuldigung dienen kann; jedoch von einem Verhältnifs dieser Art, das ja 
doch nicht unehrenvoll für ihn war, findet sich nicht die leiseste Spur, nicht 
die entfernteste Andeutung. Er hat dieser Prinzessin einige Sonette gewid- 
met, in denen er sagt, er würde noch zu andern Gefühlen gegen sie erweckt 
worden sein, wenn ihn nicht ihr Rang zurückbielte: allein das ist eben nur 
eine poetische Formel: ihrer Schwester Lucrezia trägt er ganz andere 
Schmeicheleien mit dem Ausdruck persönlicher Leidenschaft vor. Leonora 
war sehr zurückgezogen, männlich, gefiel sich in einer stoischen Gleichgül- 
tigkeit: sie galt für eine Heilige: man schrieb es z. B. ihren Gebeten zu, 
dafs Ferrara von einem Erdbeben, welches eintrat, nicht härter mitgenommen 
wurde. Von einer schwachsinnigen Hinneigung zu einem jungen phantasti- 
schen Poeten war die ernste, stille, vernünftige Fürstin weit entfernt. Auch 


könnte man eher sagen, dafs Tasso ihrem Andenken Gleichgültigkeit bewie- 


) 
sen habe. Als sie gestorben war, wurde sie von Allem was in Ferrara Verse 


machte, besungen: Tasso allein, der doch auch da war, und sonst jedes Ge- 


478 Raınke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


fühl in ein Madrigal, ein Soneit giefst, schwieg stille; er hat sie niemals wie- 
der erwähnt. 

Weit andere Dinge waren es, die den armen Tasso bedrängten und in 
innerer Gährung herumwarfen. 

Einmal seine Lage am Hof in Ferrara überhaupt. Die italienischen 
Litteraten pflegten, wenn das Glück sie nicht besonders bedacht hatte, sich 
irgend einem Grofsen, einem Fürsten, einem Cardinal, einem reichen Edel- 
mann anzuschliefsen, und in dessen Hause, ohne bestimmte Bedienung, zu 
verweilen, bis Glück oder Verdienst ihnen bei diesem ihrem Herrn eine eini- 
germafsen sichere Stellung verschafften. So stand auch Tasso anfangs bei 
dem Cardinal Este, dann bei dem Herzog von Ferrara: und auf diefs per- 
sönliche Verhältnifs gründete er die Hoffnungen für seine Zukunft. In sei- 
nem Gedicht hatte er nach dem Muster seiner ferraresischen Vorgänger das 
Haus Este aufs neue verherrlicht: er zweifelte nicht, dafs diese Beflissenheit 
und das Verdienst seines Werkes ihn auf eine höhere Stufe, in eine beque- 
mere, angemessenere Lage befördern würden. Hoffnungen aber, auf Hof- 
gunst gegründet, sind zu allen Zeiten trügerisch gewesen: auch Tasso wurde 
hingehalten, nicht befriedigt. In dieser Zeit geschah nun dafs er einen An- 
trag erhielt in die Dienste des Hauses Mediei zu treten. In der Stimmung 
in der er war, liefs er sich bewegen darauf einzugehn. Hätte er es nun 
wenigstens auch sogleich ausgeführt! Da er sich aber doch nicht völlig ent- 
schliefsen konnte, gerieth er in eine unbestimmte, schwankende und höchst 
unbequeme Stellung. Schon mit sich selber ward er uneins. Indem er in 
Ferrara darauf antrug dafs man ihn zum Geschichtschreiber des Hauses 
ernennen möge, gelobte er seinen florentinischen Freunden dies Amt nicht 
anzunehmen, um nicht von dem Haus Medici ungünstig reden zu müssen ('). 
Allmählig aber wurde jene Unterhandlung auch Andern bekannt, an dem Hofe 
vuchtbar. Zwischen Medici und Este bestand eine uralte, eingewurzelte Eifer- 
sucht: Alfonso, der von einem Angehörigen unbedingte Verehrung forderte, 
war davon betroffen dafs ein so nahmhafter Mann zu seinen Feinden über- 
gehn wolle. So wie das Vertrauen schwand das der Hof bisher dem Dich- 
ter bewiesen, regten sich seine Feinde, seine Neider. Ja Tasso selbst hatte 
Augenblicke wo er sich wegen seines Vorhabens verdammte: er fürchtete, 


(') Lettere di Tasso Opere Tom.IX p- 412. 


Torquato Tasso. 479 


man werde es ihm als einen Treubruch auslegen, der ihn beschimpfe. Alle 
diese Dinge setzten ihn in eine innere Aufregung, die ihn, wenn ich nicht irre, 
auch deshalb um so mehr beherrschte, da sein Gedicht, das bisher seine Phan- 
tasie beschäftigt, sie in einem bestimmten Kreise der Thätigkeit festgehalten, 
damals im Ganzen vollendet war, und er sich ungestört seinen düstern Imagina- 
tionen, seinem menschenscheuen, egoistischen Mifstrauen überlassen konnte. 

Und dazu kamen peinliche Gedanken von einer noch schlimmern Art. 
Tasso fühlte sich, der entschieden religiösen Richtung die er hatte zum 
Trotz, in dem christlichen Glauben nicht fest. Er hatte den ersten Unter- 
richt in einer Jesuitenschule zu Neapel bekommen: er erzählt selbst, dafs er 
von den Jesuiten bereits in seinem neunten Jahre zum Abendmahl gelassen 
worden sei, ehe er noch von der Bedeutung desselben etwas verstanden. 
„Aber die Umgebung, sagt er, die Würde des Ortes, der Apparat, das Mur- 
meln und Sich an die Brust schlagen der Umstehenden brachten in mir eine 
geheime Devotion hervor” (!). Die Frömmigkeit welche die Jesuiten be- 
zweckten, beruhte überhaupt mehr auf der Erregung eines dunkeln Gefühles 
als auf Einsicht, auf Unterricht. Ehe Tasso diesen empfangen konnte, ward 
er in die Irrfahrten seines Vaters verflochten. Da war er nun wohl übrigens 
ein guter Katholik geworden, d. h. er hafste, wie er sagt, den Namen eines 
Lutheraners, eines Ketzers, als etwas Verpestendes, — er wünschte von Her- 
zen, „wiewohl”, nach seinem eigenen Ausdruck, „mehr mit weltlichem als mit 
geistlichem Eifer”, dafs der Sitz des Glaubens, dafs das Papstthum sich bis 
ans Ende der Tage erhalten möchte, — es war in ihm der allgemeine Um- 
schwung der italienischen öffentlichen Meinung von einer Abneigung gegen 
das Papstthum zu einer Hinneigung zu demselben vorgegangen: aber diels 
hinderte nicht, dafs ihm nicht gegen die Grundlehren des Glaubens Zweifel 
aufgestiegen wären. Er konnte die Meinungen der Philosophie denen er 
Beifall gab, mit diesen Lehren nicht vereinigen. Er hielt Gott für ein ewiges 
Prinzip, für die erhaltende Weltseele; aber ob er die Welt geschaffen, ob 
er dem Menschen eine unsterbliche Seele verliehen, ob er sich selbst mit 
der Menschheit bekleidet habe, alles diefs war ihm zweifelhaft, und daraus 
folgte denn, dafs er an die Wirksamkeit der Sacramente, an Himmel und 
Hölle, endlich auch an die Autorität des römischen Stuhles nicht vollkommen 


(!) Lettera di Torquato Tasso 1580 17 Maggio bei Serassi Fita di Tasso p. 48. 


480 Rıske: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


glauben konnte. Was ihn noch in Schranken hielt, war, wie er sagt, nur eine 
knechtische Furcht vor den ewigen Höllenstrafen, die ihm eben auch in erster 
Jugend eingeprägt worden sein wird. 

Nicht immer hatte er nun mit diesen Meinungen zurückgehalten; da 
er sich jetzt von Feinden umgeben und verfolgt glaubte, da er Jedermann 
in Verdacht hatte, so fing er an zu fürchten, man habe ihn bei dem geistlichen 
Gericht angegeben. Es kam hinzu, dafs viele Einwendungen die gegen sein 
Gedicht gemacht wurden diesen Punkt betrafen. Nicht alle seine poetischen 
Phantasien hatten das Gepräge der Rechtgläubigkeit (1): und ohnehin gab es 
manchen ehrenwerthen Mann dem alle und jede Dichtung in einem so kirch- 
lichen Stoff unzulässig vorkam. Anfangs hatte sich Tasso darüber hinweg- 
gesetzt: allmählig machte es doch einen gewissen Eindruck auf ihn, da es 
mit seinen übrigen Befürchtungen zusammenfiel. Jedoch das Schlimmste 
war, dafs in ihm selbst Scrupel erwachten. War ihm heute ein religiöser 
Zweifel aufgestiegen, so verdammte er sich morgen darüber: es bedrängte 
ihn selbst dafs er ein schlechter Christ sei. Von äufserer Furcht und von 
innerer Bekümmernifs zugleich getrieben, fafste er endlich den Gedanken 
sich selbst der Inquisition anzugeben. Zuerst stellte er sich vor dem Inqui- 
sitor von Bologna, der ihn mit einigen guten Lehren entliefs. Bald darauf er- 
schien er vor dem Inquisitor in Ferrara: auch dieser absolvirte ihn (?). Jedoch 
Tasso war damit nicht zufrieden. Es schien ihm, die Untersuchung sei nicht 
gründlich genug gewesen, die Absolution habe keine volle Gültigkeit: er 
fafste Briefe an das Tribunal der Inquisition zu Rom, an den Grofsinquisi- 
tor selbst ab, um eine vollständige Absolution zu erlangen. Er gerieth in 
eine furchtbare Agitation. Eine ungünstige, ja drückende äufsere Lage, — 
ergriffene, wieder verworfene Aussichten, — Mifstrauen gegen Jedermann: 
unerschütterliche Gesinnung zu keinem Menschen auf der Welt, — ein durch 
sein Verdienst, das ihm jetzt sogar verderblich ward, gesteigerter Ehrgeiz, 
den man um so unbarmherziger zurückwies: — und dazu nun religiöse Zwei- 
fel, die er verdammt indem er sie hegt: so dafs er misbilligt was er thut und 
es doch thut, seine Gedanken verwirft und sie doch nicht ändern kann; Alles 
das quält ihn um so mehr, arbeitet und wühlt um so tiefer in ihm, da er 


(') Man sehe unter andern den Brief Tassos an Silvio Antoniani: Opere Tom.X p.147. 


(*) Serassi p.232, p.248, p. 252. 


Torquato Tasso. 481 


in sich selbst nicht mit Heuchelei umgeht, da er es mit Treue und Religion 
ehrlich meint: — so wird die Harmonie seines Daseins zerstört: er hat weder 
die Kraft noch den Willen seine aufgeregten, entflammten Lebensgeister von 
dem verderblichen Wege zurückzurufen, in Schranken zu halten. Er giebt 
Anlafs dafs man ihn für wahnwitzig hält. 

Zweimal entweicht er von Ferrara: aber die Überredung seiner Freunde 
und die poetische Meinung, der Herzog werde grofsmüthig allen Groll fahren 
lassen wenn er sich wieder in seine Arme werfe, bringen ihn beide Mal dahin, 
zurückzukehren. Als er das zweite Mal wiederkommt, mit neuen grofsen Hoff- 
nungen, trifft er gerade zu einer Zeit ein wo man mit Festen beschäftigt ist und 
Niemand auf ihn achtet. Er empfindet das als eine absichtliche Kränkung: in 
einem Anfall seiner melancholischen Aufregung stöfst er beleidigende Reden 
gegen den Herzog aus. Der Herzog, der auch nicht mit sich scherzen zu lassen 
pflegte, hält für das Beste, zugleich um ihn zu strafen und ihn curiren zu lassen, 
ihn in das Spital von S. Anna einzuschliefsen. Und hier wurde nun der arme 
Tasso sieben lange Jahre, von 1579 bis 1586, festgehalten. ‚Er ist in der 
That wahnsinnig”, schreibt der florentinische Resident 4 April 1583 an seinen 
Hof, ‚‚doch spricht er zuweilen recht vernünftig und macht poetische Com- 
positionen” (1). Seine Seele war in ihrer Tiefe zerrüttet und die endlich 
zurückgegebene Freiheit konnte sie doch nicht völlig herstellen. Er suchte 
1589 eine Zuflucht in Rom, wie er denn auch dort eine Zeit lang im Pallast 
Gonzaga gastfreie Aufnahme fand. Aber sei es nun dafs seine Melancholie 
den Umgang mit ihm unangenehm machte oder aus welcher Art persönlicher 
Abneigung auch immer, in kurzem finden wir ihn aus diesem Hause verwiesen. 
Er mufste in Gasthöfen herumwohnen, und zwar ohne Geld, ohne anständige 
Kleider, und von seiner Krankheit gepeinigt. Er mufste in ein Hospital ge- 
bracht werden, das einer seiner Vorfahren für arme Landsleute gegründet 
hatte. Es fehlte nicht viel, so hätte der Mann der damals in gewissem Bezug 
als der ausgezeichnetste in Italien angesehen werden konnte, dessen Geist die 
italienische Litteratur beherrschte, vor den Kirchthüren betteln müssen. Es 


(!) Dispaccio Horatio Urbani MS Arch. Med. II 23. I Tasso come sa F.A.S. € qua in 
carcere, et in effelto & pazzo, se bene molte volte parla a proposito, discorre e fa di componi- 
menti, i quali tutti sono a pocho a pocho andatisi divulgando e stampaltisi in diversi luoghi 


fuori della sua voluntü e per lo piü imperfetti et ripieni d’infinite scorrettioni et alterationi. 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Ppp 


482 Rıanke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


ging ihm wahrlich noch schlimmer als unserm Kepler oder als seinem Zeit- 
genossen Camoens. 

In diesen verzweiflungsvollen Zuständen nahm aber Tasso eine im- 
mer entschiedener geistliche Richtung. In seinem Gefängnifs glaubte er 
durch eine förmliche Erscheinung der heiligen Jungfrau genesen zu sein: 
als er dann befreit worden, that er das Gelübde seine Poesie nie wieder 
einem profanen Gegenstande zu widmen. Am liebsten hielt er sich seitdem 
in Klöstern auf: er studirte nur noch die Kirchenyäter, die alten Lehrer: 
es findet sich ein Exemplar des Augustin durchweg mit Randglossen von 
seiner Hand: er war glücklich als er endlich einen Thomas von Aquino zu 
Handen bekam. Allein diese ernsten Studien verhinderten nicht, dafs er sich 
nicht doch noch den ausschweifendsten Phantasien überlassen hätte. Er 
glaubte alles Ernstes zuweilen von einem guten Engel besucht zu werden, 
und wollte sich nicht überzeugen lassen dafs diefs Imagination sei. Selbst 
in Gegenwart eines Dritten hatte er einst diese Erscheinung: man hörte ihn 
zu dem Fenster hinaus über die dunkelsten Fragen der Gottesgelahrtheit mit 
jenem Genius, den er zu sehen glaubte, Zwiesprache halten. 

Schmerzliche Entwickelung eines so reich begabten Geistes. Aber er 
ist ein Beispiel, welche gewaltsame Lebenserschütterungen die Restauration 
des Katholieismus, die sich damals vollzog, in einzelnen Gemüthern zur 
Folge hatte. 

In dieser ganzen Epoche fuhr Tasso fort zu dichten; jedoch wie die 
Zustände, so waren auch die Werke verschieden. Endlich legte er Hand an, 
auch das befreite Jerusalem umzuarbeiten: natürlich in dem Sinne der ihm 
jetzt der einzig zulässige schien. In der Gerusalemme conquistata — denn 
so nannte er das Gedicht — sind die Regeln noch viel strenger gehalten, die 
anstöfsigen Stellen ausgemerzt, die ungeistlichen Phantasien gestrichen, die 
Beziehungen auf Ferrara, das er jetzt hafste, mit ängstlicher Peinlichkeit ver- 
nichtet, — an die Stelle des Rinald z.B. mufs allenthalben ein Riccardo tre- 
ten, was dann sehr unbequeme, kleinliche Änderungen nothwendig macht — 
es finden sich neue Zusätze der Devotion oder der Gelehrsamkeit; aber zu- 
gleich ist dem Gedichte auch sein Reiz genommen: es ist alles schroffer, 
gewaltsamer, übergangsloser geworden. Es ist wohl nur Eine Stimme, dafs 
die spätere Arbeit eigentlich durchgehends eine Verderbung der frü- 
hern ist. 


Torquato Tasso. 483 


Allerdings bezeichnet sie auch eine Stufe in der italienischen Litteratur: 
die noch ausgebildetere Herrschaft der geistlichen Tendenzen, die sich in 
Kunst und Gelehrsamkeit ebenfalls durchsetzte. Aber es war nur kein Ge- 
dicht mehr: Niemand hatte daran Wohlgefallen. 


Wenn wir von Tasso dem Dichter sprechen, so ist es immer der jugend- 
liche den wir meinen, — von jener Zeit in welcher innere Stimmung und 
äufsere Lage ihn allein fähig machten ein Dichter zu sein, jenes Poem zu ver- 
fassen, das eine so bedeutende Stufe in der Entwickelung der italienischen, 
ja der gesammten Poesie überhaupt bezeichnet. 

Denn wie unvollkommen auch in einer und der andern Beziehung die 
Gerusalemme liberata sein mag, so liegt doch unleugbar in ihr auch eine 
Zusammenfassung, eine Vollendung aller frühern Bestrebungen. 

Jenes altromantische Werk aus dem 14ten Jahrhundert, von dem wir 
ausgingen, drückt die Idee der kriegerischen Christenheit, wie sie in dem 
Mittelalter erschien, in einer universalen Dichtung aus. Die Helden deren 
Thaten es schildert, die Feinde die es bekämpfen läfst, haben keine andere 
Bedeutung als von dieser Idee aus: sie sind nicht in freier Wahrnehmung 
empfangen und wiedergegeben: sie liegen aufserhalb der Natur der Dinge: 
sie sind sich darum so gleichartig, weil sie von dem Gedanken gefesselt sind 
den sie ausdrücken. 

Als nun das Leben sich individueller entwickelte, als die Studien des 
Alterthums erwachten — ohne dafs man doch jene Dichtungen, die man lieb 
gewonnen, da sie einen Grundzug des Daseins in sich darstellten, darum ver- 
lassen hätte, — machte man einen Versuch sie mit dem Sinne späterer Zeiten 
zu durchdringen, darin umzudichten. 

Dazu war nun vor allem eine entschlossene Lossagung von der Idee 
der Kirche nothwendig. Wir sahen, wie diese Trennung, dieser Gegensatz 
zuerst in dem Werke Pulcis hervortritt, einer wilden Composition, die aber 
in Fülle der Ideen, Kühnheit der Conceptionen, Mannigfaltigkeit der Erfin- 
dungen und unbewufster Poesie ihres Gleichen nicht hat. Er bahnte den 
Weg. Die alte Dichtung durchdrang er zuerst mit den Gedanken und der 
Sinnesweise eines andern Jahrhunderts. 

Hierauf zeigte sich der Einflufs der classischen Studien. Pulei kannte 
das Alterthum: doch tritt es bei ihm mehr als Gelehrsamkeit und ohne sicht- 

Ppp2 


484 Ranke: zur Geschichte der italienischen Poesie. 


baren Einflufs auf die Form hervor. Wann aber wirkten die antiken For- 
men überhaupt tiefer und vielseitiger als gegen das Ende des funfzehnten, 
am Anfang des sechszehnten Jahrhunderts, wo vermöge des Antriebs den 
sie gaben, Baukunst, Sculptur und Mahlerei einen neuen Schwung empfingen 
und die ganze Litteratur umgebildet ward. Bei der ersten Begegnung der 
antiken Formen mit den modernen Stoffen war die Wirkung am lebendigsten, 
geistigsten; auch in unserm Gebiete. 

Bojardos vornehmstes Verdienst ist es jene einförmigen Charaktere 
der Romantik mit menschlicher und individueller Wahrheit belebt zu haben. 
Ariosto folgte ihm nach: er überwand die Manier des Mittelalters im Aus- 
druck: er arbeitete seinen Stoff bis in die kleinsten Züge naturgetreu aus. 
Sie wetteiferten mehr mit dem Alterthum als dafs sie es nachgeahmt hätten : 
sie liefsen den romantischen Ideen ihre poetische Gerechtigkeit widerfahren ; 
so brachten sie es zu Gestalt, Anmuth und romantischer Schönheit. 

Aber immer fleifsiger und ausgebreiteter wurden die Studien des Alter- 
thums getrieben: in der nationalen Gesinnung ging eine Veränderung vor, 
bis in die Formen des Privatlebens, der geselligen Mittheilung sichtbar: — 
nach einiger Zeit schritt man zu neuen Forderungen und Versuchen fort. 
Noch viel näher wollte man sich den Formen des Alterthums anschliefsen. 
Man unternahm, epische Gedichte nach den Regeln des Aristoteles hervorzu- 
bringen: man suchte den Ausdruck besonders der lateinischen Dichter, ihre 
Würde und Reflexion auf den romantischen Stoff überzutragen. 

Wir könnten nicht sagen dafs es mit diesem Bestreben sehr gelungen 
wäre. Es ist eine Epoche wie sie auch in der Kunstgeschichte eintritt, der 
Nachahmer Michel Angelos und Raphaels, wo die innern Motive erkalten 
und man sein Heil in der Weiterbildung eines der frühern Kunstübung abge- 
lernten Formellen sucht. 

Was nun damals allen Bestrebungen in der Kunst und allgemeinen 
Litteratur ein neues Leben gab, war die Restauration der kirchlichen Ideen. 

In der Poesie nehmen wir ihre Wirkungen zunächst in Tasso wahr. 
In der Gerusalemme liberata finden wir eine Vermittelung aller Momente: 
Verständnifs, und Gefühl für den romantischen Stoff: Ernst und Gehalten- 
heit der Darstellung: eine sehr umfassende Kunde des Alterthums und Nach- 
ahmung desselben nach den aristotelischen Regeln: Erneuung der christlichen 
Ideen auch in dem Gedicht. Allerdings ist dies Werk weder in Tiefe und 


Torquato Tasso. 455 


Gröfse mit Dante noch in Lebendigkeit und Fülle der Anschauung mit 
Ariost zu vergleichen: aber es ist eine glückliche Vereinigung der mannig- 
faltigen Bestrebungen des Zeitalters, im rechten Moment concipirt und hin- 
geworfen: nicht die Hervorbringung eines grofsen Genius voll ursprünglicher 
Schöpferkraft, aber die gelungene Arbeit eines empfänglichen, fleifsigen, 
phantasiereichen, gelehrten Bildners und Poeten. 

Auch war es nur ein Product des Momentes. Weder in Tasso selbst 
noch in irgend einem Zeitgenossen wäre ein gleiches ein Jahrzehend später 
möglich gewesen. Denn mit nichten hielt man an dieser Stelle fest: man 
ging weiter und weiter: aber freilich dann auch aus dem Kreise poetischer 
Möglichkeiten heraus: erst später suchte man den verlassenen Standpunkt 
wieder zu gewinnen: einen Standpunct der wie an sich, so durch die Ver- 
einigung mehrerer Grundbestrebungen welche in den romanischen Nationen 
mit einer gewissen Nothwendigkeit herrschen, für sie auf alle Zeit bedeu- 
tend blieb. Tasso hatte ihn zuerst eingenommen und die Form angegeben, 
die man dort alsdann weiter ausgebildet und zur Bedingung aller Darstellung 
gemacht hat, — gegen deren Allgemeingültigkeit erst unsere Tage einen nach- 
haltigen Widerspruch erheben sahen. 


mm nic«- 


ie | EN Bann... 
beit ® Did Beta Ih) Mr a ken | ER EN 
7 18 He am a Y SEE N is KH 


a et Bu ak: 


StuaNt In 


f weile an Ku 
aasie hi 2 PERF 


Ri DITH en De ” N an ing? ae 


f 


BA a (08, ee anne 
De 


u a ar ke Au sen bare RN NETT a £ 

AN: Deal van Bat as Ei BulbEuRegarn beökhin han 

elan RG A bi i } 
fi‘ 


Ra TRITT 


Über die 
unter dem Namen der Farnesischen bekannte antike 
Onyxschale im K. Bourbonischen Museum 
zu Neapel. 


Von 
H®- UHDEN. 


mamma 


[Gelesen in der Akademie der Wissenschaften am 8. Januar 1835.] 


D. schöne Onyxschale im Königlichen Bourbonischen Museum zu Nea- 
pel: ist eines der gröfsten (1) und merkwürdigsten unter den auf unsere Zei- 
ten geretteten Werken der alten Steinschneidekunst, und von mehreren der 
berühmtesten Archäologen bald kürzer, bald ausführlicher erwähnt und be- 
sprochen worden. Winckelmann (?) gedenkt ihrer nur nebenher; Sci- 
pione Maffei (°) versucht eine Erklärung der auf derselben gebildeten 
Gegenstände, so auch Barthelemy (*); ausführlicher Ennio Visconti (°) 
und zuletzt hat, vor wenigen Jahren, der um die Alterthumskunde so ver- 
diente Millingen (°) eine neue Zeichnung der Schale anfertigen lassen 
und solche mit einer Deutung des innern Reliefs herausgegeben. Dieser be- 
scheidene Gelehrte hält seine Erklärung indefs selbst für unentscheidend, 
und übergiebt sie den Alterthumsforschern, in der Hoffnung, dafs diese zu 
einer neuen und genügenderen Erläuterung eines Kunstwerks veranlafst wer- 


(') 94”, 2” im Durchmesser des Randes und 14” Tiefe. 
(*) Von der Allegorie der Götter, Bd. II, S.515 der sämtl. Werke. 
(?) Ossero. lett. T. IT. Art. IX. p. 339. 


(*) Ewplicat. de la Mosaique de Palestrine in den Memoir. de !’ Acad. des Inser. T.XXX, 
p-510. 


(°) Mus. Pio- Clement. T.IIl, tav.c, n°.1, p. 75. 
(°) Anec. unedit. Monum. pl.xvIL, p. 33, 34. 


488 Uupen über die Farnesische Onyxschale 


den, in welchem Natur und Kunst zu wetteifern scheinen. Nur damit keine 
der vorhandenen Abbildungen des Werks unangezeigt bleibe, nenne ich die 
allerneuste, aber auch die unbedeutendste, von einem Beamten des König- 
lichen Bourbonischen Museums (1) bekannt gemacht, die ein Nachstich der 
Millingenschen in einem sehr verkleinerten Maafsstabe zu sein scheint. 

Alle diese Abbildungen des innern Reliefs der Schale, keine ausge- 
nommen, leiden an Mängeln und an Unrichtigkeiten, besonders in den De- 
tails der Attribute der Figuren, welche auf die, jene begleitenden Erläute- 
rungen sehr unangenehm eingewirkt haben. Diese Behauptung darf ich offen 
auszusprechen wagen, da mir während eines längeren Aufenthalts zu Neapel 
die Betrachtung dieses vortrefflichen Kunstwerks öfter und unter besonders 
günstigen Umständen gestattet wurde. 

Das viereckte Glasgehäuse, in welchem die Schale aufgestellt ist, hin- 
dert das Auge, durch die spiegelnden Scheiben auf dem ebenfalls spiegeln- 
den Stein die feinen Gränzen der kleinen Details genau zu unterscheiden 
und zu bestimmen; und so wird auch der geschickteste Künstler in seiner 
Nachbildung getäuscht. Mir ward vergönnt, die Schale aus ihrem Gehäuse 
herauszunehmen und sie so, nahe dem Auge, und nicht durch ein täuschen- 
des Medium, wiederholentlich zu betrachten. Mit bewaffnetem Auge sind 
die Einzelnheiten genau beobachtet, sogleich aufgezeichnet und danach in 
die anliegende Abbildung des Reliefs der Schale eingetragen worden. Diese 
wird demnach wenigstens, wenn auch die folgende Deutung des Bildwerks 
nicht genügend erscheinen sollte, einer vollkommneren zur Basis dienen 
können. — 

Auf dem inneren Boden der aus dem klarsten, gelbbräunlich und weifs- 
bläulich geschichteten orientalischen Onyx geschnittenen Schale sind sieben 
menschliche Figuren aus der weifsbläulichen Schicht gearbeitet. Vier derselben 
umgeben die unverkennbare Figur der Isis, welche, ein wenig links hinschauend, 
auf einem egyptischen Sphinx liegend ruht, und den linken Arm auf das mensch- 
liche Hinterhaupt der symbolischen Thiergestalt stützend, in der aufgehobe- 
nen Rechten zwei volle Kornähren emporhält. Der Göttin zur Rechten sitzt 
auf einem Felsen ein alter, langbärtiger Mann, das Haupt ein wenig vornhin 


(') Raccolta di Monum. pi interessanti del R. Mus. Borbon. e di var. collez. private pub- 
blicati da Raff. Gargiulo. Napoli 1825. gr. 2% 


im K. Bourbonischen Museum zu Neapel. 489 


gebeugt; sein rechter Arm lehnt an dem Knorren eines neben ihm stehen- 
den starkstämmigen Baumes, dessen blätterreiche Zweige hinter des Alten 
Haupte sichtbar sind; mit der Linken fafst er den obern Rand eines grofsen 
hornähnlichen Gefäfses, dessen Spitze auf seinem rechten Schenkel schwe- 
bend steht. Beine, Schenkel und Hüften bedeckt ein weites, vielfaltiges Ge- 
wand, von dem ein schmaler Streif sich unter der Brust über den obern 
nackten Körper hinabzieht. Dem Alten gegenüber, der Isis zur Linken, 
sitzen auf einer Felserhöhung zwei jugendliche weibliche Gestalten, deren 
eine auf der linken Hand eine kleine Schale, die andere ein kleines Trink- 
horn, am obern Rande mit der Rechten gefafst, hält. Beide sind bis zu den 
Hüften unbekleidet, Schenkel und Beine mit schöngefalteten Gewändern 
umhüllt; ihr Haupthaar ist in einem Lockenbüschel aufgebunden. Zwischen 
dem Haupte der letzten und dem aufsteigenden Rande der Schale ist, in 
gleicher Höhe mit ihrem Sitze, ein Kornfeld durch sechs volle, in einer 
Reihe nebeneinander stehenden Ähren angedeutet. Hinter der Isis steht, 
hervorragend, mit gespreitzten Füfsen, nach links hinschauend, ein kräftiger 
Jüngling. Die scharf ausgearbeiteten, starken Muskeln seiner Arme, Schen- 
kel und Beine bezeichnen eine zu angestrengter Arbeit gewöhnte, eher ge- 
meine als edle Natur, welche auch in den Gesichtszügen und in dem strup- 
pigen über der Stirn starr aufsträubenden Haar nicht zu verkennen ist. Ein 
leichtes Gewand schlägt sich um seine Hüften, und ist, mit den Zipfeln über 
der linken Schulter, in einen Knoten geschürzt, hinaufgehoben. Die rechte 
Hand stützt er auf eine, mit ihm gleich hohe, viereckte Stange, an welcher 
oben ein bogenähnliches Geräth befestigt ist; am linken Arme trägt er einen 
kleinen, rundlichen, leeren Sack und in der Hand ein Gartenmesser mit ge- 
krümmter Spitze. 

Über diesen fünf Figuren schweben oben, von rechts nach links hin, 
zwei kleinere jugendliche männliche Gestalten ohne Flügel. Die voran- 
schwebende hält ein über ihr wogendes Gewand an den beiden Zipfeln ; die 
andere mit der Rechten eine Muscheltrompete, in die sie bläst; um den lin- 
ken Arm flattert ein leichtes Gewand. 

Auf der hintern Seite des Bodens der Schale ist aus der gelbbräun- 
lichen Schicht des Steines eine schuppige Aegis mit mehrern, am umge- 
klappten Rande umher in gleichen Entfernungen vertheilten, sich windenden 
kleinen Schlangen herausgearbeitet, und in der Mitte der Aegis ein grandio- 


Philos.- histor. Abhandl. 1835. Qqgq 


490 Unven über die Farnesische Onyxschale 


ses Medusenantlitz mit üppigreichem Haupthaar und zwei Flügeln über der 
Stirn, unter welchen zwei Schlangen hervorschiefsen, deren Schwänze unter 
dem schönen Kinn in einen Knoten sich schürzen. Diese beiden Schlangen 
sind unbärtig, 
untern Kiefer die auf antiken Bildwerken gewöhnlich den Schlangen zuge- 


alle übrigen am Rande der Aegis sich windenden tragen am 


gebenen Bärte. — 

Nach dieser allgemeinen Übersicht der bildlichen Darstellungen an 
diesem vortrefflichen Kunstwerke sind die schön geordneten Figuren auf 
dem innern Boden der Schale genauer zu betrachten, um sie zu benennen 
und ihre Verhältnisse gegen einander zu bestimmen, um auf diesem Wege 
den Sinn des anziehenden und angenehmen Bildes zu errathen. 

Zuvörderst erscheint, auf dem egyptischen Sphinx ruhend, unbezwei- 
felt die egyptische Isis, in dem, nach dem alexandrinischen Kunstsystem an- 


‚ gräcisirenden Kostüm. Das Haupthaar, mit der königlichen 
Binde umwunden, ist der Sitte des ptolemäischen Zeitalters entsprechend, 


in langen herabhangenden Locken geordnet. Die unter den Brüsten gegür- 


genommenen 


tete Tunica bedeckt aber nicht den zum Erquicken der Natur immer berei- 
ten Busen der allernährenden Mutter; die obern Zipfel derselben sind ge- 
löst und zwischen den Brüsten in einen Knoten geschürzt. Ein reiches Pe- 
plum umhüllt vielgefaltet die Schenkel und Füfse der Göttin. Jener Knoten 
bezeichnet, wie Winckelmann zuerst bemerkt, die Kleidung der Isis aus- 
schliefslich; er stellt ihn mit Recht als ein charakteristisches Zeichen auf, 
an welchem auch, übrigens verstümmelte Statuen, als Bild der Isis erkannt 
werden können. Jedoch hatte an den Bildwerken, die Winckelmann aus der 
spätern Zeit, aus der Zeit der Regierung Hadrians, kennt, der Knoten von 
seiner einfachen Bedeutung viel verloren; die Tunica bedeckte, auch mehr 
der griechischen Sitte angemessen, völlig den Busen der Göttin, und aus 
dem ihr zugegebenen, hinten herabhangenden Mantel ist mit den beiden 
oberen Zipfeln der charakteristische Knoten in der Mitte der Brust ge- 
schürzt. In der Rechten hält Isis zwei Ähren, als Zeichen ihres Segens, em- 
por. Die Arme sind, nahe den Händen zu, mit zarten gerippten Armspangen 
umgeben. 

Der Sphinx, auf dem die Göttin ruht, ist ganz genau dem ursprüng- 
lichen egyptischen Symbol, ein Löwenleib mit starkkralligen Tatzen und mit 
aufgesetztem kräftigen, jugendlichen Manneshaupte, nachgebildet, in welchem 


im K. Bourbonischen Museum zu Neapel. 491 


der starke und weise Genius des Landes sich uns darstellt. Das menschliche 
Haupt bedeckt die gefältelte Haube, welche gewöhnlicher Calantica genannt 
wird, an deren breitem Saum über der Stirn sich eine kleine Schlange er- 
hebt. Der Künstler hat diese heilige Figur mit besonderm Fleifse ausgear- 
beitet und die gelbbräunliche Schicht des Onyx sehr geschickt benutzt, um 
daraus den gleichfarbigen Löwenleib zu schneiden; zu dem Menschenhaupte 
aber, zum Halse und zu den daran liegenden Streifen der Haube, die weifs- 
bläuliche Schicht, wie zu allen übrigen Figuren, verwandt. 

Diese Gruppe des Sphinx mit der Isis, vorn in der Mitte des Bildes 
aufgestellt, bezeichnet auf das Bestimmteste den Ort der Versammlung der 
übrigen Gestalten, und läfst keinen Zweifel, dafs dieser Egypten sei. Von 
diesem gewonnenen Standpunkte wird die Betrachtung der übrigen Gegen- 
stände ausgehen und die Deutung des Ganzen versucht werden müssen. 

Ennio Visconti erkennt in dem auf einer Felsenhöhe sitzenden Al- 
ten den Nil; und wer sollte ihm nicht beistimmen? Doch vielleicht nicht 
aus dem Grunde, den er für seine Meinung anführt. Der gelehrte Archäo- 
log bemerkt, dafs die Bildnisse dieses Flufsgottes durch einen ihnen eigenen 
Wurf des Haupthaares sich auszeichnen, der auch an dieser Figur wahrge- 
nommen werde, und verweist zur Vergleichung auf eine liegende Statue des 
Flusses von schwärzlichgrauem Marmor im vaticanischen Museum (!). Al- 
lein diese Vergleichung möchte wohl nicht ganz befriedigen und vielmehr 
der Bart entscheidender sein, welcher nicht in gekräuselten Partien, wie z.B. 
beim Zeus, oder Aesculap, sondern wie an den Köpfen aller bärtigen Flufs- 
götter, in langen, sanft wellenlinigen Strähnen vom Kinne herabhängt. Ge- 
wöhnlich erscheint der Nil in Bildwerken und auf den alexandrinischen 
Kaisermünzen liegend, seltener sitzend; eine derselben mit Hadrians 
Bildnifs auf dem Avers, zeigt ihn fast in gleicher Stellung, wie hier auf der 
Schale. Der Litoglyph hat das Alter des ehrwürdigen Flusses scharf ange- 
deutet, in dem etwas vorgebeugten Haupte, in der gerunzelten Stirn, doch 
ohne den erhabenen Ausdruck der Würde, in welcher die eben erwähnte 
und besonders die colossale Statue im Vatican ihn darstellt. Der Gott fafst 
mit der Linken oben am Rande ein auf seinem Schoofse stehendes grofses 
Horn des Überflusses in der eigentlichen Bedeutung; denn aus diesem schüt- 


(') Mus. Pio - Clement. 1, 37. 
Qgq 2 


492 Uupen über die Farnesische Onyaschale 


tet er seine überschwellenden Gewässer aus zur Befruchtung des Landes. 
Das mit vollen Ähren prangende Kornfeld, dem Gotte gegenüber, deutet 
an, dafs der segenvolle Überflufs von dem durch ihn gedüngten Boden ab- 
gelaufen ist, dieser gekräftigt, die erwartete Frucht schon trägt und der 
alte Strom wiederum ruhig in dem gewohnten Bette dahin fliefst. Daher die 
gemächliche Stellung des Alten, der das entleerte Horn des Segens leicht 
mit der Hand schwebend am Rande gefafst hält. Mit einem solchen grofsen 
Horne im Arme, oder dasselbe vor sich mit der Hand umfassend, ist der Nil 
auf den alexandrinischen Münzen häufig dargestellt. Bald steigt aus dem 
Horn die wachsende Fluth in Gestalt eines kecken Knäbchens hervor (1), 
bald quellen aus demselben Früchte mancherlei Art, wie aus den gewöhn- 
lichen Fruchthörnern auf griechischen und römischen Bildwerken. Zur 
Lehne seines rechten Arms dient dem Flufsgott der knorrige Stamm eines 
starken Baumes, der, wie gewöhnlich die Gegenstände auf alten Bildwerken, 
genau der Natur gemäfs charakterisirt, dasteht. Es ist der in Egypten ein- 
heimische, zu heiligen und andern Geräthen, besonders zu Mumienkisten, 
verwandte holzreiche Sycomoros, deutlich zu erkennen an der knorrigen 
Bildung des starken Stammes und an der Form der Blätter, welche, ver- 
glichen mit mehreren natürlichen, wohlerhaltenen Blättern dieses Baumes 
in dem hiesigen Königlichen egyptischen Museum, die vollkommenste Ähn- 
lichkeit mit diesen in ihrer verkleinerten Gestalt zeigen. 

Dem Nil gegenüber sitzen zwei jugendliche Gestalten, Flufsnymphen, 
bis an die Hüften nackt, Schenkel und Beine mit Gewändern umhüllt, beide 
in ruhiger Stellung, den einen Arm, wie der Alte, auf eine Felserhöhung leh- 
nend. Die vordere reicht, auf der linken Hand eine kleine Schale haltend, 
diese gegen die Isis, die andere fafst ein kleines Trinkhorn mit der Rech- 
ten. Visconti verbreitet sich in mancherlei, von ihm selbst als nicht wohl 
begründet anerkannte, Vermuthungen über die Benennung dieser Nymphen, 
welche er Memphis und Anchirrhoe, des Nils Töchter, nennen möchte. 
Als Töchter des Nil möchten auch wir sie anerkennen, nur nicht mit Be- 
ziehung auf jene von Visconti hier berührten griechischen historischen Fa- 
beln, sondern in ihnen erkennend die Nymphen der, von dem grofsen Flusse 
ausgehenden und aus ihm erzeugten zwei Ströme, welche bei den Städten 


(‘) Münze des Trajan bei Zo@öga Num. Aegypt. tab.v, 1. 


im K. Bourbonishen Museum zu Neapel. 493 


Cecrops und Pelusium in das Meer münden und die Grenzen des grofsen 
Delta bilden. Hier wurde wahrscheinlich das geklärte köstliche Trinkwasser 
des Nil geschöpft, welches die Trinkgefäfse in den Händen der Nymphen 
anzudeuten scheinen und wovon weiter unten die Rede sein wird. 

Die über der Isis hervorragende, in eilender Bewegung stehende, 
männliche Gestalt ist von den gelehrten Erklärern verschiedentlich benannt 
worden. Bianchini, der in den oben schwebenden Figuren die Apotheose 
des grofsen Alexanders, der von einem Triton begleitet, zu den Sternen sich 
erhebt, erblickt, sieht in dem Jünglinge des Vergötterten Bruder, Aridaeus; 
Hirt ({) nennt ihn einen Heros, ‚,der für Perseus, als egyptischer Abkömm- 
ling, oder für Alexander, oder, was ihm noch wahrscheinlicher ist, für Au- 
gustus, den letzten Eroberer von Egypten, gelten kann”’—; Maffei will in 
ihm einen der Brüder oder Söhne des Ptolemaeus Auletes, für den er den 
Alten hält, erkennen, welcher als Zeichen seines kriegerischen Muths auf 
eine Ballista sich stützt; Barthel&emy nennt ihn Triptolemus, der, in einer 
ihm nicht fremden Gesellschaft der Ceres, des bärtigen Baechus und zweier 
Bacchantinnen sich zeige. Visconti widmet diesem Jüngling eine beson- 
dere Aufmerksamkeit, der, nach seiner Meinung, wegen seines edlen Äufsern 
und wegen seines Standorts, als eine der Hauptfiguren erscheine; auch sei 
in dem Instrumente, worauf er sich mit der Rechten stützt, der eigentliche 
Knoten zum Verständnisse der ganzen Darstellung zu suchen. Die Achtung 
für die Aussprüche des berühmten Archäologen verlangt, dafs wir länger bei 
ihnen verweilen und sie näher beleuchten. Zuerst müssen wir die edle Ge- 
stalt des Jünglings bestreiten. Visconti schrieb seine Bemerkungen nach 
einer schlechten Abbildung, von welcher er einen Stich in Conturen (sehr 
wahrscheinlich ein Nachstich des Maffeischen ausgeführten Kupferstichs, mit 
allen Fehlern und Mängeln) dem dritten Theil des Museo Pio-Clementino 
beigegeben hat. Hier erscheint die Figur in den unbestimmten akademischen 
Ideal-Formen, wodurch nur zu häufig in dergleichen Zeichnungen antike 
Gestalten entstellt werden. Im Original ist der Charakter dieser Figur völlig 
faunenartig; Schultern, Arme, Knie sind stark, die Muskeln am Körper, 
an den Schenkeln und Waden mächtig ausgearbeitet und kräftig; über der 
Stirn des ganz gewöhnlichen Antlitzes sträubt sich das Haar, wie bei den 


C') Gesch. d. bild. Künste bei d. Alten S.45. 


494 Uupven über die Farnesische Onyxschale 


Faunen, in die Höhe. Die ganze Gestalt zeigt eine gemeine menschliche, 
eine bäuerische Natur. 

Aber das Instrument, das der Jüngling mit der Rechten gefafst hält, 
könnte wohl über das Wesen dieser räthselhaften Figur entscheiden? Das- 
selbe veranlafste auch wirklich Visconti, ihn Horus zu nennen, welcher den 
Nil, dessen Gewässer und Anschwellen beaufsichtige, und hier in jugend- 
licher Gestalt, als Sohn der Isis, dastehe, bewaffnet mit dem unter dem 
Mantel verhüllten Schwerte, welches er in dem Kriege gegen Typhon zückte. 
Horus, als Symbol der Sonne, meint Visconti, fasse mit der Rechten den 
künstlich verzierten Handgriff einer zum Heben des Wassers gebrauchten 
Maschine, etwa der Antlia, oder der ktesibischen Maschine, durch welche 
die Kraft der Sonne, womit sie auf das Anschwellen und Ablaufen der Ge- 
wässer des Nil wirkt, symbolisch angedeutet werde. — 

Hier ist mancherlei zu berichtigen und erläutern; zuerst das furcht- 
bare Schwert des Horus in ein mäfsiges Gartenmesser mit gekrümmter Spitze 
zu verwandeln, wie Winzer und Gärtner es zum Beschneiden und Entlauben 
der Hecken und Weinstöcke gebrauchen; denn ein solches fafst die linke 
Hand des Jünglings, sehr deutlich in der ganzen Form zu erkennen, nicht 
etwa versteckt unter einem Mantel, mit welchem ohnehin die Figur nicht 
bekleidet ist. Ferner können die Antlia und die ktesibische Wassermaschine, 
in ihrer Einrichtung völlig von einander verschieden, nicht, wie hier, zu- 
sammengestellt werden. Jene ist ein Tretrad mit Schöpfeimern; die Maschine 
des Ktesibios ein doppeltes Druckwerk. An der Antlia ist jeder Handgriff 
in dieser Form undenkbar, und, wenn man auch bei einem Druckwerke 
eine ähnliche Handhabe wohl annehmen könnte, wozu die an den beiden 
Enden des gekrümmten Werkzeugs geknüpften und um die viereckten Stan- 
gen geschlungenen Stricke — Allein eben diese Seile sah und erkannte 
Visconti nicht; ihm erscheinen sie als eine Schlange. Die Schlange, sagt 
er, die sich um die Röhre der Antlie windet, ein wenig über der Hand der 
Isis, ist im Allgemeinen ein Symbol der Flüsse und besonders des Nil; auch 
bei den Egyptern Symbol des Agathodämon oder Kneph, unter dessen Ob- 
hut der Nil in Unter-Egypten steht. Nach beigebrachtem gelehrten Beweise 
für diese seine Aussprüche scheint dem berühmten Gelehrten jedes Detail 
(auch diese eingebildete Schlange) seine Conjecturen zu unterstützen und 
zur Wahrheit zu führen, so, dafs die Voraussetzung der höchsten Wahr- 


im K. Bourbonischen Musum zu Neapel. 495 


scheinlichkeit seiner neuen Erklärung vielleicht keine Täuschung sein dürfte. — 
So schlüpfrig und gefährlich ist das Feld archäologischer Untersuchungen 
für Jeden der es betritt, Scheinbilder verfolgend, und nicht an den Mo- 
numenten selbst sich festhaltend. — 

Von Andern ist, im unüberlegten Anblick, dieses Instrument für eine 
Ballista gehalten worden; doch verbietet die Kleinheit des allenfalls bogen- 
ähnlichen Werkzeugs jede weitere Beachtung dieser Angabe. — 

Wie ist nun aber das räthselhafte Werkzeug zu benennen, welches im 
Verein mit den übrigen Attributen des Jünglings und mit seiner Figur be- 
trachtet, über ihn selbst eine wahrscheinliche Vermuthung begründen 
könnte ? 

Hiezu wird eine genaue Beschreibung des Werkzeugs am leichtesten 
verhelfen. 

Dasselbe besteht aus zwei aneinander gefügten Stücken und einer 
langen, viereckten Stange, an deren oberem Ende ein bogenähnliches, rund- 
liches Geräth angebracht ist, von welchem zwei Stricke herabhangen. Die 
Stange ist von der Länge eines Mannes; sie steht unbezweifelt mit dem Jüng- 
linge auf gleichem Boden und seine Rechte ruht auf derselben in gleicher 
Höhe mit seinem Haupte. Mehr als ein Drittheil der Stange wird von der 
Figur der Isis bedeckt und dem Auge entzogen. Das rundliche, bogenähn- 
liche Geräth, welches oben mit der Stange durch eine Krampe (vermuthlich 
von einem Metall), in welcher es aber beweglich zu sein scheint, verbunden 
ist, umfafst die rechte Hand des Jünglings. An den beiden abgerundeten 
und mit Knöpfen verzierten Enden dieses Geräths sind zwei lange Stricke 
festgeknüpft, welche um die Stange lose geschlungen erscheinen. Dafs die- 
ses Geräth kräftigen Widerstand zu leisten habe, zeigen die wahrscheinlich 
metallenen Schienen, welche die Hauptbiegung an demselben bewahren und 
befestigen. So viele Abbildungen von Wassermaschinen und Landbauwerk- 
zeugen in den egyptischen Ruinen aufgefunden und bekannt gemacht wor- 
den sind, so findet sich doch unter allen keine, welche ein diesem ähnliches 
Werkzeug darstellte. Nur eine genauere Betrachtung des egyptischen Pflu- 
ges kann vielleicht einiges nicht falsches Licht geben. Bekanntlich (!) wird 


(') Heeren histor. Werke Th.14, S.354. Reynier Economie politique et rurale a’E- 
sypte p.192. 


496 Uupen über die Farnesische Onyaschale 


in Egypten sogleich, nach dem Abflusse der düngenden Gewässer des Nil, 
die Saat in den erweichten, empfänglichen Boden gestreut. Der höchst ein- 
fache Pflug, ohne Räder, von Ochsen oder Menschen gezogen, scheint mehr 
zum Unterpflügen als zum Vorpflügen gebraucht zu sein. Die merkwürdi- 
gen Reliefs in den Tempeln und Grotten zu Eiluthia (1) stellen mehrere 
Pflüge in voller Arbeit dar. Sie bestehn aus einer langen Stange, an welcher 
eine leichte eiserne Pflugschaar mit einem oder zwei Sterzen befestigt ist, 
und werden von zwei Ochsen gezogen, um deren Hörner Seile mehrfach ge- 
wickelt zu sehen sind, welche mit der Zugstange in Verbindung stehen müs- 
sen. Wie diese bewirkt worden, ist aus diesen Bildwerken nicht zu ersehen, 
da alle Figuren im Profil dargestellt sind. Jedoch konnte die Anspannung 
der Thiere durch Umwickelung der Stricke um die glatte Stange nicht füg- 
lich statt finden; es ist ohne Zweifel eine an der Zugstange angebrachte 
Vorrichtung anzunehmen, an welche die Enden der um die Hörner der 
Ochsen gewickelten Stricke festgeknüpft wurden. Sollten wir diese nicht 
in unserm rätlıselhaften Werkzeuge erkennen dürfen? Man stelle sich das 
bogenförmige Hok. in seiner Krampe umgedreht, die Enden desselben nach 
oben gewandt und die langen mit einem Ende an denselben geknüpften Stricke 
um die Hörner der an der Stange zu beiden Seiten stehenden Rinder ge- 
wickelt vor, so scheint die Anspannung der Thiere und das Ziehen des Pflu- 
ges auf die zweckmäfsigste Weise eingerichtet. Die starke Krampe und die 
Schienen leisten genügenden Widerstand und die Thiere werden zugleich 
durch diese Vorrichtung von einander in gleicher Richtung erhalten. Das 
ganze Werkzeug wäre also, nach dieser Ansicht, ein egyptischer Pflug, der 
in dem Moment, worin er hier erscheint, nicht gebraucht wird; die Schaar 
ist entweder hinter der Isis versteckt oder abgenommen; der Anspannungs- 
bügel liegt in der Krampe umgebogen, um zu bequemerer Beiseitestellung 
des Pfluges die Anspannungsstricke um die Deichsel schlingen zu können. 
So scheint die Figur des ausgedienten Pfluges entstanden, wie wir ihn 
hier in der Hand des Jünglings sehen. Am linken Arme desselben hängt ein 
kleiner, runder, mit einem Bügel versehener, leerer Sack; die Hand fafst 
ein kleines Gartenmesser. Ähnliche kleine Säcke mit Bändern oder Bügeln 


(') Descript. de P’Egypte Vol.J, pl.61-70. 


im K. Bourbonischen Museum zu Neapel. 497 


halten auf egyptischen Bildwerken die Säemänner in der Linken und streuen 
mit der Rechten die Körner aus. 

Nach der hier entworfenen genauen Charakteristik können wir in die- 
sem Jünglinge weder einen Gott noch einen Heros erkennen, sondern hal- 
ten ihn für die aus dem Leben gegriffene Figur eines egyptischen Land- 
mannes, der, neben den Göttern, unter deren Obhut die segenvolle Jah- 
reszeit steht, dieselbe auch durch die Beschäftigungen bezeichnet, welche 
alsdann dem feiernden Ackersmann obliegen. Denn in Egypten giebt es 
nach der Saat bis zur Ernte keine Arbeit. 

Es bleiben nun noch die zwei oben schwebenden Figuren zu be- 
sprechen, deren eine in eine Muscheltrompete bläst, die andere ein wogen- 
des Gewand über sich hält. Mit gleichen Attributen werden auf antiken 
Bildwerken die Winde dargestellt, und es ist nicht zu bezweifeln, dafs diese 
flüchtigen und brausenden Wesen auch hier bezeichnet sind, namentlich die 
"Ernsia, jene regelmäfsigen Nordwinde, welche, nach alter Meinung, die 
Gewässer des Nils an seinen Mündungen staueten, die Überströmungen be- 
wirkten, und die nun hier, nachdem diese abgelaufen sind, von Norden nach 
Süden, von den Mündungen des Stromes her, davon fliehen. — 

Aus der bis hieher erläuternden Beschreibung der einzelnen Figuren 
und ihrer Verhältnisse zu einander, wird der Sinn des Reliefs auf diesem 
vortrefflichen Kunstwerke von selbst nach und nach erhellt und enträthselt 
worden sein. Egypten ist dargestellt in dem Schmuck der Fruchtbarkeit, 
in der segenvollen Jahreszeit, nach der Überschwemmung und dem 
Ablauf der befruchtenden Gewässer des alten einheimischen Flusses. Isis, 
ruhend auf dem starken und weisen Genius des Landes, hält die gereiften 
Ähren empor, der Nil sitzt ruhig bequem auf dem gewohnten Ufer; seine 
beiden Erzeugten haben das geklärte, süfse, köstliche Trinkwasser geschöpft; 
die Luft ist still; die Felder prangen mit reifender Saat und der Landmann 
stellt den ausgedienten Pflug weg; der Sack der Saat ist geleert und das 
Messer zum Garten- und Weinbau wird ergriffen. — 


— IKB DH um 


Philos.-histor. Abhandl. 1835. Rrr 


= ray (orobtes, sie we Sache i 
Be Ban, oh. re a 


Pre nt Er 
ae a et ; 
ve ar es ayiöt, 
ARE Vacten, 65 Akea Ihe nablagk, SuhrehR 271 In 
oma malorr ti ah; slledinaslbrnt our a ‘“ 
ae anlas esblanig, FIR TE A han: w 


{in ih 60h ad iR lan "bunt si IE 


Be 9‘ ai AR ER Austin au ah 
ale haldılomeg 27 IR JR Hu 
x :llamlgoy wadeh, une EN) RurAr 

uusiäb u as hi a u Bo 


Alk. 1,0 Uhdden Fast I. A182E 


2); Fa i 


OS 


Nachträgliche Bemerkung zur Geschichte der 
italienischen Poesie. 


‚ Von 


Hm: RANKE. 


LU UN N UV N 77 77T 


D. ich p. 477. der Papiere aus der Casa Falconieri gedacht habe, so will 
ich doch nicht versäumen, hinzuzufügen, dafs der erste Theil derselben so 
eben wirklich erschienen ist (Lucca 1837.). Noch ist das Buch nicht in 
unsere Gegenden gelangt, aber ausführliche Inhaltsanzeigen benachrichtigen 
uns, dafs es von jenem geheimen Verhältnifs Tasso’s zu der Prinzessin Leo- 
nore, das man hier in allen Details hervortreten zu sehen erwartete, auch 
nicht das Mindeste enthält. Natürlich! Schon Serassi benutzte dieselben 
Papiere, und dieser ehrenwerthe, gelehrte, und alles Zutrauens würdige 
Mann ist es gerade, der von allen den romanhaften Erzählungen am entschie- 
densten nichts wissen will. Mit Freuden würde ich aus neuen Documenten 
neue Kenntnifs schöpfen: jetzt ist der Stand der Sache folgender. Für jene 
Erzählungen werden einige Briefe und Gedichte angeführt, die aber sämmt- 
lich nichts enthalten, was sich richt auch anders erklären liefse. Welch ein 
mifsliches Unternehmen ist es überhaupt, aus den leichten Schöpfungen der 
Phantasie eines Poeten die realen Verhältnisse und Lebensbeziehungen des- 
selben ernstlich ermitteln zu wollen. Man mag doch darüber Lessing einmal 
wiederlesen! In unserm Falle stehen aber auch die überdiefs in sich unzu- 
sammenhängenden Resultate eines solchen Bemühens mit allen glaubwürdi- 
gen Zeugnissen im Widerspruch. Da ist gleich der Brief M. Venier’s an den 
Grofsherzog von Toskana, einen Herrn, dem wahrhaftig die etwanigen An- 
züglichkeiten der ferraresischen Hofgeschichte nicht verschwiegen zu werden 
brauchten: den Tag nach der Gefangennehmung Tasso’s, über welche die- 
ser Brief überhaupt die einzige glaubwürdige Meldung enthält (Serassi p.247.). 
Rrr2 


500 Ranxe: Nachträgliche Bemerkung zur Geschichte d. ital. Poesie. 


Venier schreibt das Unglück Tasso’s, den er von Herzen bedauert, den 
melancholischen Grillen desselben, der Einbildung, dafs er ein Ketzer sei, 
zu. Dann folgen alle die eigenen Erklärungen Tasso’s, zuweilen abrupt und 
in der Aufwallung hervorgestofsen, zuweilen sehr ausführlich und eingehend 
(z. B. Opere S. VIII. p. 255.), die aber einen ganz andern Gang seiner Ent- 
wickelung nachweisen. Diese Entwickelung, welche leider der gesammte 
spätere Verlauf seines Lebens und Dichtens fortführt, diese Rückwirkung 
der allgemeinen eine Zeit beherrschenden Tendenzen auf den individuellen 
Geist, der sich ihnen unterwirft, aber von ihnen zerstört wird, ist es auch 
allein, weshalb der ganzen Sache gedacht worden ist. 


12 
6) 
co 


üb 


Mose 
IN 


Ye } 
a 
INT f ea “ 


Mi 


AUG 
DA 


N Ai 


= . er : 
a m nn 
Na ein Ele. KA honchon anupr Dir Ber 


Se ae See