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ABHANDLUNGEN
DER
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
1911.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
ABHANDLUNGEN
Cder
KÖNIGLICH PREUSSISCHEN N
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN, %.
JAHRGANG 1911.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
MIT 54 TAFELN.
BERLIN 1911.
VERLAG DER KÖNIGLICHEN AKAt)EMIE DER WISSENSCHAFTEN.
IN COMMISSION BEI GEORG REIMER.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
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Inhalt.
öffentliche Sitzungen S. vii— viii.
Verzeichnifs der im Jahre 1911 gelesenen Abhandlungen S. viii -xvi.
Bericht über den Erfolg der Preisausschreibungen für 1911 und neue
Preisausschreibung S. xvii — xviii.
Verzeichnifs der im Jahre 1911 erfolgten besonderen Geldbewilligungen
aus akademischen Mitteln zur Ausführung wissenschaftlicher Un-
ternehmungen S. xviii — XXI.
Verzeichnifs der im Jahre 1911 erschienenen im Auftrage oder mit
Unterstützung der Akademie bearbeiteten oder herausgegebenen
Werke S. xxi — xxiv.
Veränderungen im Personalstande der Akademie im Laufe des Jahres
1911 S. XXIV— XXVI.
Verzeichnifs der Mitglieder der Akademie am Schlüsse des Jahres 1911
nebst den Verzeichnissen der Inhaber der Helmholtz- und der
Leibniz-Medaille und der Beamten der Akademie S. xxvii — xxxiv.
Schulze, W.: Gedächtnifsrede auf Heinrich Zimmer Ged. Red. I. S. 1—19.
Abhandlungen.
Erman: Hymnen an das Diadem der Pharaonen. . . . . . . . Abh. I. S. 1— 58.
Morf: Zur sprachlichen Gliederung Frankreichs. (Mit 4 Tafeln) . . Abh. II. S. 1—37.
Anhang.
Abhandlungen nicht zur Akademie gehöriger Gelehrter.
Th. Wiegand: Siebenter vorläufiger Bericht über die von den König-
lichen Museen in Milet und Didyma unternommenen Ausgrabungen.
(Mit 13 Tafeln und 16 Textbildern) .^ Abh. I. S. 1-71.
C. Thulin: Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum.
(Mit 7 Tafeln) Abh. II. S. 1-102.1/
H.Junker: Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien Abh. III. S. 1— 89.
VI
F. Frhr. Hiller VON Gaertringen und H. La r te rm ann: Arka-
dische Forschungen. (Mit 13 Tafeln und 16 Abbildungen im Text) Abh. IV". S. 1-43.
Th. Wiegand: Erster vorläufiger Bericht über die von den König-
lichen Museen unternommenen Ausgrabungen in Samos. (Mit
] Plan und 7 Textbildern) Abh. V. S. 1-24.
A. VON Le Coq: Türkische Manichaica aus Chotscho. I. (Mit 4 Tafeln) Abh. VI. S. 1-61.
M. VAN Berchem: Die muslimischen Inschriften von Pergamon, (Mit
12 Tafeln) Abh. VII. 8. 1-23.
Jahr 1911.
Öffentliche Sitzungen.
Sitzung am 26. Januar zur Feier des Geburtsfestes Seiner
Majestät des Kaisers und Königs und des Jahrestages
König Friedrich's 11.
Der an diesem Tage Vorsitzende Secretar Hr. Vahlen eröffnete
die Sitzung mit einer kurzen auf die Doppelfeier des Tages bezüg-
lichen Ansprache. Darauf hielt Hr. Nernst den wissenschafthchen
Festvortrag: über neuere Probleme der Wärmetheorie. Weiter
wurde verkündet, dafs die Akademie ihrem ordentlichen Mitglied
Hrn. Jakob Heinrich van't Hoff die Helmholtz-Medaille verliehen
habe. Nach der Mittheilung, dafs im laufenden Jahre die Dr. Carl
Güttler-Stiftung in Wirksamkeit trete, wurden im Auszuge die
Jahresberichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der
Akademie und über die ihr angegliederten Stiftungen und Institute
erstattet, welche im Sitzungsbericht im Wortlaut abgedruckt sind.
Zum Schlufs folgte der Bericht über die seit dem letzten Friedrichs-
Tage (27. Januar 1910) in dem Personalstande der Akademie ein-
getretenen Veränderungen.
Sitzung am 29. Juni zur Feier des Leibnizischen Jahrestages.
Hr. Waldeyer, als Vorsitzender Secretar, eröffnete die Sitzung
mit einer kurzen Ansprache. \
Daraufhielten die seit dem letzten Leibniz-Tage (30. Juni 1910)
neu eingetretenen Mitglieder der philosophisch-historischen Classe
VllI
HH. Morf und Wolf f'lin ihre Antrittsreden, die von dem beständi-
gen Secretar Hrn. Diels beantwortet wurden. Es folgten Gedächt-
nifsreden auf Richard Lepsius von Hrn. p]rman, auf Adolf
Tobler von Hrn. Morf, auf Heinrich Zimmer von Hrn. Wil-
helm Schulze und auf Jakob Heinrich van't Hoff von Hrn.
Fischer.
Alsdann wurde verkündigt, dafs die Akademie eine Anzahl
von Leibniz-Medaillen verliehen habe, und zwar in Gold dem
Geheimen Hofrath Professor Dr. Hans Meyer in Leipzig, in Silber
dem Gustos am Geologisch-Palaeontologischen Institut und Museum
der Universität Berlin Dr. Werner Janensch, dem Kaufmann
Hans Osten, z. Zt. in Montevideo, und dem Oberbibliothekar an
der Universitäts-Bibliothek in Marburg Prof Dr. Georg Wenker.
Schhefshch erfolgten Mittheilungen betreffend das Preisaus-
schreiben aus dem Cothenius'schen Legat für 1911, welches unver-
ändert für 1914 erneuert wurde, den Preis der Graf Loubat-Stif-
tung und das Stipendium der Eduard Gerhard-Stiftung.
Verzeichnifs der im Jahre 1911 gelesenen Abhandlungen.
Physik und Chemie.
Nernst, Untersuchungen über die specifische Wärme bei tiefen
Temperaturen. ÜI. (G. S. 23. Febr.; S. B. 9. März.)
Lindemann, F. A., Untersuchungen über die specifische Wärme
bei tiefen Temperaturen. IV. Vorgelegt von Nernst. (G. S.
23. Febr.; S. B. 9. März.)
Rubens und Prof. 0. von Baeyer, über eine äufserst langwellige
Strahlung des Quecksilberdampfs. (Gl. 16. März; S. B.)
IX
N ernst und P\ A. Linde mann, Untersuchungen über die speci-
fische Wärme bei tiefen Temperaturen. V. (G. S. 6. April;
S. B. 27. April.)
Kurlbaum, Prof. F., Messung der Sonnentemperatur. Vorgelegt
von Rubens. (G. S. 11. Mai; S. B.)
Fischer und Dr. H. Scheibler, zur Kenntnifs der Walden'schen
Umkehrung. VI. (Gl. 18. Mai; S. B.)
Rubens und Prof. 0. von Baeyer, über die Energievertheilung
der von der Quarzquecksilberlampe ausgesandten langwelli-
gen Strahlung. (Gl. 15. Juni; S, B.)
Planck, zur Hypothese der Quantenemission. (G. S. 13. Juli; S. B.)
Warburg, über den Energieumsatz bei photochemischen Vorgängen
in Gasen. (Gl. 20. JuU; S. B.)
Wien, Bestimmung der mittleren freien Weglänge der Kanal-
strahlen. (G. S. 27. JuU; S. B.)
Mineralogie, Geologie und Palaeontologie.
Meyer, Prof. R. J., über einen scandiumreichen Orthit aus Finn-
land und den Vorgang seiner Verwitterung. Vorgelegt von
Liebisch. (G. S. 23. März; S. B.)
Liebisch, über den Schichtenbau und die elektrischen Eigen-
schaften des Zinnerzes. (Cl. 30. März; S. B.)
Schwietring, Dr. F., über den Polarisationswinkel der durchsichti-
gen inactiven Krystalle. Vorgelegt von Liebisch. (Cl. 30. März;
S, B,)
Tornquist, Prof. A., die Tektonik des tieferen Untergrundes Nord-
deutschlands. Vorgelegt von Branca. (Cl. 6. JuU; S.B, 27. JuU.)
Frech, Prof. F., und Dr. C. Renz, Ki^eide und Trias im Kiona- und
Oetagebiet (Mittelgriechenland). Vorgelegt von Branca. (Cl.
2. Nov.; S.B, 7. Dec.)
b
Branca, über die bisherigen Ergebnisse der Tendaguru-Expedition
in Deutsch-Ostafrica. (G. S. 23. Nov.)
Botanik und Zoologie.
Engler und Dr. K. Krause, über den anatomischen Bau der baum-
artigen Cyperacee Schoenodendron Bücheri Engl, aus Kamerun.
(Cl. 4. Mai; Ahk)
Anatomie und Physiologie, Pathologie.
Morgenroth, Prof. J., und Dr. L. Halberstaedter, über die Be-
einflussung der experimentellen Trypanosomeninfection durch
Chinin und Chinin derivate. Vorgelegt von Orth. (Cl. 12. Jan.;
S. B.)
Neiding, Dr. M., über die Kerne des Diencephalon bei einigen
Säugethieren. Vorgelegt von Waldey er. (G.S. 23.Febr.; ^46^.)
Rubner, Verluste und Wiedererneuerung im Lebensprocefs. (Cl.
2. März; *S. B. 20. April.)
Orth, über Atrophie der Harnkanälchen. (Cl. 16. März; S. B.)
Isenschmid, Dr. R., zur Kenntnifs der Grol'shirnrinde der Maus.
Vorgelegt von Waldey er. (Cl. 16. März; Äbh.)
Roth ig, Dr. P., Zellanordnungen und Faserzüge im Vorderhirn von
Siren lacertina. Vorgelegt von Waldey er. (G.S. 23.März; ^6ä.)
Munk, Weiteres zur Anatomie und Physiologie der Grofshirnrinde.
(Cl. 20. April.)
Waldey er, Gehirn und Skelet einer 16 jährigen Mikrocephalin.
(G. S. 27. April.)
Agadschanianz, Dr. K., über die Kerne des menschlichen Klein-
hirns. Vorgelegt von Waldeyer. (Cl. 18. Mai; Äbh.)
0. Hertw^ig, Mesothoriumversuche an thierischen Keimzellen, ein
experimenteller Bew^eis für die Idioplasmanatur der Kern-
substanzen. Dritte Mittheilung. (Cl. 6. Juh; S. B. 19. Oct.)
XI
Astronomie, Geographie und Geophysik.
Helmert, über die Genauigkeit der Dimensionen des Hayford'schen
ErdeUipsoids. (Gl. 12. Jan.; S. B.)
Struve, über die Vortheile der Anwendung eines Reversionsprismas
bei Doppelsternmessungen. (G. S. 19. Jan.; S. B.)
Penck, über einige verwickelte Hebungserscheinungen. (G. S.
1. Juni.)
Helmert, die Erfahrungsgrundlagen der Lehre vom allgemeinen
Gleichgewichtszustande der Massen in der Erdkruste. (Gl.
2. Nov.)
Struve, über die Lage der Marsachse und die Constanten im
Marssystem. (Cl. 30. Nov.; S. B.)
Mathematik.
Frobenius, über den Rang einer Matrix. (Cl. 12. Jan.; S. B.)
Peters, Prof. J., Tafel einundzwanzigstelliger Werthe der Functionen
Sinus und Cosinus. Vorgelegt von Auwers. (G. S. 19. Jan.;
Äbh.)
Frobenius, über den Rang einer Matrix. IL (Cl. 2. Febr.; S. B.)
Bieberbach, Dr. L., über einen Satz des Hrn. C. Jordan in der
Theorie der endlichen Gruppen linearer Substitutionen. Vor-
gelegt von Frobenius. (Cl. 16. Febr.; S. B. 23. Febr.)
Frobenius, über den von L. Bieberbach gefundenen Beweis eines
Satzes von C. Jordan. (G. S. 23. Febr.; S. B.)
Frobenius, über unitäre Matrizen. (G. S. 23. März; S. B.)
Caratheodory, Prof C, und Prof E. Landau, Beiträge zur Con-
vergenz von Functionenfolgen. Vorgelegt von Schottky.
(Cl. 20. April; S. B. 18. Mai.)
Scliur, Prof L, über Gruppen periodischer linearer Substitutionen.
Vorgelegt von Frobenius. (G. S. I.Juni; .S. 7^.)
XII
Schwarz, Bestimmung aller reellen und nicht reellen Minimal-
flächen, welche eine (oder mehr als eine) Schaar von Curven
zweiten Grades enthalten. (Cl. 15. Juni.)
Frobenius, über die unzerlegbaren discreten Bewegungsgruppen.
(Cl. 15. Juni; S. B.)
Lichtenstein, Dr. L., Beweis des Satzes, dafs jedes hinreichend
kleine, im wesenthchen stetig gekrümmte, singularitätenfreie
Flächenstück auf einen Theil einer Ebene zusammenhängend
und in den kleinsten Theilen ähnlich abgebildet werden kann.
Vorgelegt von Schwarz. (Cl. 15. Juni; Abh.)
Frobenius, gruppentheoretische Ableitung der 32 Krystallclassen.
(G. S. 22. Juni; *S. B)
Schottky, über das Euler'sche Drehungsproblem. (G. S. 26. Oct.;
S. B.)
Schottky, über die vier Jacobi'schen Theta. (G. S. 26. Oct; S.B,)
Mechanik und Technik.
Zimmermann, über die Bedeutung von Untersuchungen über die
Knickfestigkeit elastischer Stäbe für die Praxis. (Cl. 2. Febr.)
Martens, über die technische Prüfung des Kautschuks und der
Ballonstoffe im Königlichen Materialprüfungsamt zu Grofs-
Lichterfelde. (Cl. 16. Febr.; S. B. 16. März.)
Müller -Breslau, über excentrisch gedrückte Rahmenstäbe. (Cl.
16. Nov.)
K Ott er, Prof E., über den Grenzfall, in welchem ein ebenes Fach-
werk von n Knotenpunkten und 2/2 — 3 Stäben oder ein
räumliches Fachwerk von /? Knotenpunkten und 3/? — 6 Stäben
nicht mehr statisch bestimmt ist. Vorgelegt von Müller-Bres-
lau. (G.S. 23. Nov.; Ahh. 1912.)
Zimmermann, über den Luftwiderstand sich drehender Körper.
(Cl. U.Dec.)
Xlil
Martens, über die Messung grofser Kräfte im Materialprüfungs-
wesen. (G.S. 21.Dec.; S. B.)
Philosophie.
Stumpf, über die Bedeutung des Ahnlichkeitsverhältnisses bei der
mechanischen Reproduction der Vorstellungen. (Cl. 2. März.)
Geschichte des Alterthums.
Meister, Prof R., kyprische Sylla barin Schriften in nichtgriechischer
Sprache. Vorgelegt von E.Meyer. (G.S. 19. Jan.; S. B.
9. Febr.)
Dressel, über die Medaillonprägung in der römischen Kaiserzeit
und über die Entwicklung und Bedeutung der Medaillon-
sammlung des Berliner Münzcabinets. (G. S. 1 1 . Mai.)
Meister, Prof R., Inschriften aus Rantidi in Kypros. Vorgelegt
von V. Wilamo witz-Moellendorff. (G. S. 1 1 . Mai; 8. ß. 1 . Juni.)
Frhr. Hiller von Gaertringen, Prof F., und Dr. H. Lattermann,
arkadische Forschungen. Vorgelegt von v. Wilamo witz-
MoellendorfF. (G. S. 22. Juni; Äbh.)
E. Meyer, über einige Probleme der ältesten Geschichte des
Aegaeischen Meeres. (Cl. 6. Juli.)
von Wilamowitz-Moellendorff und Dr. F. Zucker, zwei Edicte
des Germanicus auf einem Papyrus des Berliner Museums.
(G.S. 13.JuK; S.B. 27. Juli.)
Mittlere und neuere Geschichte.
Mordtmann, Dr. J., über das türkische Fürstengeschlecht der Ka-
rasi in Mysien. Vorgelegt von Sachau. (Cl. 12. Jan.; S. B)
Dilthey, über die Entstehung der historischen Weltanschauung
Niebuhr's in seiner Jugendzeit. (Cl. 1 6. Febr.)
XIV
Kos er, über die politische Haltung des Grafen Adam Schwarzen-
berg im ersten Regierungsjahrzelmt des Kurfürsten Georg
Wilhelm von Brandenburg. (Gl. 30. März.)
Lenz, über die Anfänge des Ministeriums Eichhorn und die Ber-
liner Universität. (G. S. 6. April.)
Schäfer, über die materiellen Kräfte des schwedischen Staats-
wesens zur Zeit von Gustav Adolfs Regierungsantritt. (G.S.
22. Juni.)
Kos er, Friedrich der Grofse im Urtheil der Reformzeit (1807 —
1813). (Gl. 14.Dec.)
Kirch engeschichte.
Harnack, das hohe Lied des Apostels Paulus von der Liebe
(I. Kor. 1 3) und seine religionsgeschichtliche Bedeutung. (G. S.
9. Febr.; S. B.)
von Wilamowitz-Moellendorff, ein Stück aus dem Ancoratus
des Epiphanios. (G. S. 27. Juli; *S. B.)
Staats Wissenschaft.
von Schmoller, die Bevölkerungsbewegung der deutschen Städte
von ihrem Ursprung bis ins 19. Jahrhundert. (Gl. 2. Febr.)
Allgemeine, deutsche und andere neuere Philologie.
Schmidt, dramatische Entwürfe Ludwig Uhland's. (G.S. 9. März.)
Burdach, die älteste Gestalt des West-östlichen Divans. Zweite
Untersuchung. (Gl. 18. Mai.)
Roethe, über die mhd. »Farbendeutung«. (Gl. 15. Juni.)
W. Schulze, über den Zusammenhang der indogermanischen Prae-
sensbildung mit der nominalen Stammbildung. (Gl. 20. Juh.)
XV
Brandl, über die älteste Shakespearebiogiaphie, von Rowe 1709.
(G. S. 27. Juli.)
Heus 1er, zum isländischen Fehdewesen in den Geschichten des
12. und 13. Jahrhunderts. (Cl. 2. Nov.)
Morf, zur sprachlichen Gliederung Frankreichs. (Cl. 30. Nov.; Ähh.)
Classische Philologie.
Thulin, Dr. C, die Handschriften des Corpus agrimensorum Roma-
norum. Vorgelegt von Diels. (Cl. 16. März; Äbh.)
von Wilamowitz-Moellendorff, über die Wespen des Aristo-
phanes. I. (Cl. 20. April; .S. B.)
von Wilamowitz-Moellendorff, über die Wespen des Aristo-
phanes. IL (Cl. 4. Mai; .S. B.)
Wellmann, Prof M., über eine spätorphische Schrift medicinischen
Inhalts. Vorgelegt von Diels. (Cl. 19. Oct.; S, B.)
Heeg, Dr. J., über ein angebliches Dioklescitat. Vorgelegt von
Diels. (G. S. 23. Nov.; S. B.)
Archaeologie, Kunstwissenschaft.
Wiegand, Dr. Th., siebenter vorläufiger Bericht über die von den
Königlichen Museen in Milet und Didyma unternommenen
Ausgrabungen. Vorgelegt von Conze. (Cl. 2. Febr.; Äbh.)
Wiegand, Dr. Th., erster vorläufiger Bericht über die von den
KönigUchen Museen unternommenen Ausgrabungen in Samos.
Vorgelegt von Conze. (G. S. 13. JuU; Äbh.)
Wölfflin, über das Problem des Stils in der bildenden Kunst.
(G. S. 7. Dec.)
Orientalische Philologie.
S ach au, über den Papyrus 6 der Elephantine-Sammlung. (Cl.
12. Jan.)
XVI
Erman, Denksteine aus der thebanischen Gräberstadt. (Gl. 16. März;
S. B. 30. Nov.)
Lüders, das Säriputraprakarana, ein Drama des Asvaghosa. (Cl.
16. März; S. B. 30. März.)
Kluge, Dr. Th., Bericht über photographische Aufnahmen alt-
georgischer Handschriften. Vorgelegt von W. Schulze. (Cl.
16. März; S. B.)
Jacobi, zur Frühgeschichte der indischen Philosophie. (G. S.
22. Juni; S, B. 13. Juli.)
Müller, soghdische Studien. (Cl. 19. Oct.)
von Le Coq, Dr. A., türkische Manichaica aus Chotscho. I. Vor-
gelegt von Müller. (Cl. 19. Oct; Äbh.)
E. Meyer, zu den aramäischen Papyri von Elephantine. (G. S.
26. Oct; S,B. 23. Nov.)
Jacobi, Cultur-, Sprach- und Litter arhistorisches aus dem Kautillya.
(Cl. 2. Nov.; S. B. 9. Nov.)
Lüders, Dichtung und Cult im alten Indien. (Cl. 16. Nov.)
Littmann, Prof E., die Inschriften des Königs Kalumu. Vor-
gelegt von E. Meyer. (Cl. 16. Nov.; S. B.)
van Berchem, Dr. M., die muslimischen Inschriften von Pergamon.
Vorgelegt von Sachau. (G. S. 23. Nov.; Ahh.)
Brockelmann, Prof C, zu den Inschriften des Königs Kalumu.
Vorgelegt von Sachau. (G. S. 21. Dec; S, B.)
Americanistik.
Sei er, die Stuckfagade von Acanceh in Yucatan. (G. S. 9. Nov.;
S. B. 23. Nov.)
XVII
Bericht über den Erfolg der Preisausschreibungen für 1911
und neue Preisausschreibung.
Preisausschreiben aus dem Cothenius' sehen Legat
Die Akademie hat in der Lei bniz- Sitzung des Jahres 1908
folgende Preisaufgabe aus dem Cothenius'schen Legat ausge-
schrieben :
»Der Entvvickelungsgang einer oder einiger Ustilagineen
soll möglichst lückenlos verfolgt und dargestellt werden, wo-
bei besonders auf die Überwinterung der Sporen und Mycelien
Rücksicht zu nehmen ist. Wenn irgend möglich, sind der Ab-
handlung Praeparate, welche die Frage entscheiden, beizu-
legen. «
Bewerbungsschriften, welche bis zum SLDecember 1910 er-
wartet wurden, sind nicht eingelaufen; die Akademie hat darauf-
hin beschlossen, die Aufgabe unverändert zu erneuern.
Der ausgesetzte Preis beträgt zweitausend Mark.
Die Bewerbungsschriften können in deutscher, lateinischer,
französischer, engüscher oder italienischer Sprache abgefafst sein.
Schriften, die in störender Weise unleserlich geschrieben sind,
können durch Beschlufs der zuständigen Classe von der Bewer-
bung ausgeschlossen werden.
Jede Bewerbungsschrift ist mit einem Spruchwort zu bezeich-
nen, und dieses auf einem beizufügenden versiegelten, innerlich
den Namen und die Adresse des Verfassers angebenden Zettel
äufserlich zu wiederholen. Schriften, welche den Namen des Ver-
fassers nennen oder deuthch ergeben, werden von der Bewerbung
ausgeschlossen. Zurückziehung einer eingelieferten Preisschrift ist
nicht gestattet.
XVIIl
Die Bewerbuiigsschriften sind bis zum 31. December 1913
im Bureau der Akademie, Berlin W 35, Potsdamer Strafse 120,
einzuliefern. Die Verkündigung des Urtheils erfolgt in der Leibniz-
Sitzung des Jahres 1914.
Sämmtliche bei der Akademie zum Behuf der Preis bew erbung
eingegangene Arbeiten nebst den dazu gehörigen Zetteln werden
ein Jahr lang von dem Tage der Urtheilsverkündigung ab von
der Akademie für die Verfasser aufbewahrt. Nach Ablauf der be-
zeichneten P'rist steht es der Akademie frei, die nicht abgeforderten
Schriften und Zettel zu vernichten.
Preis der Graf Loubat-Stiftung.
Die Akademie hat auf Vorschlag ihrer Commission für die Graf
Loubat-Stiftung beschlossen, den für dieses Jahr ausgeschriebenen
Preis derselben von 3000 Mark Hrn. Albert Bernhard Faust,
Assistant Professor an der Cornell University zu Ithaca, N. Y. für
sein zweibändiges Werk »The German Element in the United
States«, Boston und New York 1909, zuzuerkennen.
Verzeichnifs der im Jahre 1911 erfolgten besonderen Geldbe-
willigungen aus akademischen Mitteln zur Ausführung wissen-
schaftlicher Unternehmungen.
Es wurden im Laufe des Jahres 1911 bewilhgt:
2300 Mark dem Mitghed der Akademie Hrn. Engler zur Fort-
führung der Herausgabe des »Pflanzenreich«.
7650 » dem Mitglied der Akademie Hrn. F. E. Schulze zur
Fortführung des Unternehmens »Das Tierreich«.
XIX
7000 Mark Demselben als Zuschufs zu den Kosten des Drucks
eines »Nomenciator animalium generum et subgene-
rum « .
6000 » dem Mitglied der Akademie Hm. Kos er zur Fort-
führung der Herausgabe der Politischen CoiTespondenz
Fiiedrich's des Grofsen.
5000 » dem Mitglied der Akademie Hrn. von Wilamowitz-
Moellendorff zur Fortführung der Sammlung der
gi'iechischen Inschriften.
4000 » der Deutschen Commission der Akademie zur Fort-
führung ihrer Unternehmungen.
1000 » zur F()rderung des Unternehmens des Thesaurus
linguae Latinae über den etatsmäfsigen Beitrag von
5000 Mark hinaus.
1500 » zur Bearbeitung der hieroglyphischen Inschriften der
griechisch-römischen Epoche für das Wörterbuch der
aegyptischen Sprache.
500 » zu der von den cartellirten deutschen Akademien unter-
nommenen Herausgabe der mittelalterlichen Bibliotheks-
kataloge.
1760 » dem Mitglied der Akademie Hrn. Rubens zur Fort-
führung seiner Untersuchungen auf dem Gebiete der
langwelligen Strahlung.
500 » dem Mitglied der Akademie Hrn. von Wilamowitz-
Moellendorff zur Anfertigung von Photographien Plu-
tarchischer Handschriften.
7500 » zur Herausgabe des von dem verstorbenen Mitghed der
Akademie Adolf Tobler hinterlassenen altfranzösischen
Wörterbuchs.
5000 » dem correspondirenden Mitglied der Akademie Hrn.
Voigt in Göttingen zur Beschaffung von Apparaten
XX
behufs Untersuchung der Gesetze der compUcirten Typen
des Zeeman-EfFectes.
1500 Frcs. der Biologischen Station in Roseoff gegen Einräumung
eines von der Akademie zu vergebenden Arbeitsplatzes
für die Dauer eines Jahres.
1000 Mark dem von dem zweiten Deutschen Kalitage eingesetzten
Comite zur wissenschaftlichen Erforschung der nord-
deutschen Kalisalzlager.
1000 » als Beihülfe zu den Kosten der Herausgabe einer Samm-
lung aller in der Literatur vorkommenden physikalisch-
chemischen Constanten.
500 » Hrn. Prof Dr. Richard Börnstein in Berlin zur Be-
arbeitung der 4. Auflage des Werkes Landolt-Börnstein,
Physikalisch-chemische Tabellen.
800 » Hrn. Prof. Dr. Erich von Drygalski in München zu
Arbeiten für die Vollendung des Chinawerkes von Fer-
dinand von Richthofen.
600 » Hrn. Prof Dr. Julius Franz in Breslau zur Fortsetzung
seiner Arbeit an der Bestimmung der Coordinaten lu-
narer Objecte.
300 » Hrn. Dr. Victor Franz in Frankfurt a. M. zu Unter-
suchungen über Fischwanderungen.
750 » Hrn. Prof. Dr. Friedrich Frhrn. von Huene in Tübin-
gen zu einer Reise nach Nordamerica behufs Studien
über fossile Reptilien.
800 » Hrn. Prof Dr. J o h a n n K o e n i g s b e r g e r in Freiburg i. Br.
zur Fortsetzung seiner Untersuchungen über Emission
und Absorption des Lichts.
400 » Hrn. Dr. Paul Victor Neugebauer in Berlin zur Be-
rechnung von Sterntafeln zur astronomischen Chrono-
logie.
XXI
700 Mark Hrn. Prof. Dr. Heinricli Poll in Berlin zur Fortsetzung
seiner Studien über Kreuzung und Vererbung.
500 » Hrn. Prof. Dr. Otto Ruff in Danzig zu Untersuchungen
über das Osmium.
900 » Hrn. Prof Dr. Gustav Tornier in Berlin zu Unter-
suchungen über den Bau der palaeontologischen Dino-
saurier.
700 » Hrn. Dr. Hermann Beckh in Berlin zur Drucklegung
seiner kritischen Ausgabe der buddhistischen Spruch-
sammlung Udänavarga.
1800 » Hrn. Pfarrer a.D. Dr. Heinrich Hagenmeyer in Bödig-
heim (Baden) als Beitrag zu den Kosten der Druck-
legung einer Ausgabe der Ilistoria Hierosolymitana Ful-
cher's von Chartres.
1500 » Hrn. Dr. Richard Hamann in Steglitz zu Forschungen
über den Backsteinbau der Mark Brandenburg.
1200 » Hrn. Privatdocenten Dr. Hugo Prinz in Breslau zur
Drucklegung seiner Arbeit »Astralsymbole im alten
Orient«.
300 » Hrn. Prof Dr. Heinrich Schäfer in Berlin zur Fort-
setzung seiner nubischen Studien.
750 » Hrn. Prof Dr. Georg Thiele in Marburg zur Bearbei-
tung von Ausgaben des Martialis und des Phaedrus.
Verzeichnifs der im Jahre 1911 erschienenen im Auftrage
oder mit Unterstützung der Akademie bearbeiteten oder
herausgegebenen Werke.
Das Pflanzenreich. Regni vegetabiUs conspectus. Im Auftrage
der Königl. preufs. Akademie der Wissenschaften hrsg. von
A. Engler. Heft 47-51. Leipzig 1911.
XXll
Das Tierreich. Eine Zusammenstellung und Kennzeichnung der
rezenten Tierformen. Begründet von der Deutschen Zoolo-
gischen Gesellschaft. Im Auftrage der Königl. Preuß. Aka-
demie der Wissenschaften zu Berlin hrsg. von Franz Eilhard
Schulze. Lief 26— 29. Berlin 1911.
Acta Borussica. Denkmäler der Preußischen Staatsverwaltung im
18. Jahrhundert. Hrsg. von der Königlichen Akademie der
Wissenschaften. Die einzelnen Gebiete der Verwaltung:
Handels-, Zoll- und Akzisepolitik. Bd. 1. — Münzwesen.
Beschreibender Teil. Heft 3. Berlin 1911.
Kant 's gesammehe Schriften. Hrsg. von der Königlich Preußischen
Akademie der Wissenschaften. Bd. 3 (Neudruck). Bd. 4
(Neudruck). Bd. 14. Berlin 1911.
Deutsche Texte des Mittelalters hrsg. von der Könighch Preußi-
schen Akademie der Wissenschaften. Bd. 1 9. Die poetische
Bearbeitung des Buches Daniel. Berhn 1911.
Wielands Gesammelte Schriften. Hrsg. von der Deutschen Kom-
mission der Königlich Preußischen Akademie der Wissen-
schaften. Abt. 1, Bd. 7. Abt. 2, Bd. 3. Berhn 1911.
Thesaurus linguae Latinae editus auctoritate et consilio Academia-
rum quinque Germanicarum Berolinensis Gottingensis Lip-
siensis Monacensis Vindobonensis. Vol. 3, Fase. 8. Vol. 5,
Fase. 3. Lipsiae 1911.
Ergebnisse der Plankton-Expedition der Humboldt-Stiftung. Bd. 2.
Fe: Schiemenz, Paulus. Die Heteropoden. He: von Ritter-
Zahony, Rudolf. Die Chätognathen. Bd. 3. Lc: Rhumbler,
Ludwig. Die Foraminiferen (Thalamophoren). Tl. 1. Lh:
Die Tripyleen Radiolarien. 11. Borgert, A. Cliallengeridae.
Bd. 5. 0: Hensen, V. Das Leben im Ozean nach Zählungen
seiner Bewohner. Kiel und Leipzig 1911.
XXIII
M. Tulli Ciceronis Paradoxa Stoicorum, Academicomm reliquiae cum
Lucullo, Tiinaeus, de natura deorum, de divinatione, de fato
ed. Otto Piasberg. Fase. 2. Lipsiae 1911.
Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahr-
hunderte. Hrsg. von der Kirchenväter-Commission der Königl.
Preufsischen Akademie der Wissenschaften. Bd. 19: Theo-
doret, Kirchengeschichte. Bd. 20: Eusebius. Bd. 5. Leip-
zig 1911.
Philipp son, Alfred. Reisen und Forschungen im westlichen
Kleinasien. Heft 2. Gotha 1911. (Ergänzungsheft N. 172
zu »Petermanns Mitteilungen«.)
Selenka, M. Lenore, und Blanckenhorn, Max. Die Pithecan-
thropus-Schichten auf Java. Geologische und paläonto-
logische Ergebnisse der Trinil-Expedition (1907 und 1908).
Adickes, Erich. Untersuchungen zu Kants physischer Geographie.
Tübingen 1911.
An ding, E. Sechsstellige Tafeln der Bessel'schen Funktionen
imaginären Argumentes. Leipzig 1911.
Ascherson, Paul, und Graebner, Paul. Synopsis der mittel-
europäischen Flora. Lief. 71 — 74. Leipzig 1911.
Bauschin ger, J., und Peters, J. Logarithmisch-trigonometrische
Tafeln mit acht Dezimalstellen. Bd. 2. Leipzig 1911.
Beckh, Hermann, üdänavarga. Eine Sammlung buddhistischer
Sprüche in tibetischer Sprache. Berlin 1911.
Leonhardi Euleri opera omnia. Sub auspiciis Societatis Scientiarum
naturalium Helveticae edenda cur. Ferdinand Rudio, Adolf
Krazer, Paul Stäckel. Ser. I: Vol. 1. Ser. III: Vol. 3. Lip-
siae et Berolini 1911.
Fischer, Albert. Das deutsche evangelische Kirchenlied des
17. Jahrhunderts. Vollendet und hrsg. von W. Tümpel.
Bd. 5. Gütersloh 1911.
XXIV
Glück, Hugo. Biologische und morphologische Untersuchungen
über Wasser- und Sumpfgewächse. Tl. 3. Jena 1911.
Libanii opeia rec. Richardus Foerster. Vol. 6. Lipsiael911. (Biblio-
theca Script. Graec. et Roman. Teubneriana.)
Schulthefs, Friedrich. Kaiila und Dimna, syrisch und deutsch.
I. IL Berlin 1911.
Unger, Rudolf. Hamann und die Aufklärung. Bd. 1. 2. Jena
1911.
Die Vegetation der Erde. Sammlung pflanzengeographischer Mono-
graphien hrsg. von A. Engler und 0. Drude. XL Adamovic,
Lujo. Die Vegetationsverhältnisse der Balkanländer. XII.
Weberbauer, A. Die Pflanzenwelt der peruanischen Anden.
XIII. Harshberger, John W. Phytogeographic Survey of
North America. Leipzig 1909 — 11.
Veränderungen im Personalstande der Akademie im Laufe des
Jahres 1911.
Es wurden gewählt:
zu ordentlichen Mitgliedern der physikalisch-mathematischen
Classe:
Hr. Gottlieb Haberlandt, bisher correspondirendes Mitglied, be-
stätigt durch K. Cabinetsordre vom 3. Juli 1911,
)) Gustav Hellmann, bestätigt durch K . Cabinetsordre vom 2 . De-
cember 1911;
XXV
Hr. Heinrich Morf
» Heinrich Wölftlin
zu ordentUchen Mitgliedern der philosophisch-historischen Classe:
bestätigt durch K. Cabinetsordre vom 1 4.De-
cember 1910 [in der Liste für 1910 ver-
sehentUch fehlend],
)) Kuno Meyer, bestätigt dui'ch K. Cabinetsordre vom 3.Juh 191 1,
» Benno Erdmann, bisher correspondirendes Mitglied, bestätigt
durch K. Cabinetsordre vom 25. JuH 1911;
zum correspondirenden Mitglied der physikalisch-mathematischen
Classe :
Hr. Camillo Golgi in Pavia am 21. December 1911;
zu correspondirenden Mitgliedern der philosophisch-historischen
Classe:
Hr. Jacob Wackernagel in Göttingen am 19. Januar 1911,
» Hermann Jacobi in Bonn am 9. Februar 1911,
') Franz Cumont in Brüssel
» James George Frazer in Cambridge, England
» Adolf Wilhelm in Wien
» Axel Olrik in Kopenhagen
» Paul Vinogradoff in Oxford am 22. Juni 1911.
Der beständige Secretar Hr. Vahlen legte dieses Amt mit dem
30. September 1911 nieder; zu seinem Nachfolger v^ählte die phi-
losophisch-historische Classe Hrn. Roethe, dessen Wahl durch K.
Cabinetsordre vom 29. August 1911 bestätigt wurde.
Gestorben sind:
das ordentliche Mitghed der phy'^ikahsch-mathematischen Classe:
Hr. Jakob Heinrich van't Hoff am I.März 1911;
am
27. April
1911,
XXVI
die ordentlichen Mitglieder der philosophisch-historischen Classe:
Hr. Reinhard Kekule von Stradonitz am 22. März 1911,
)) Wilhelm Dilthey am l.October 1911,
» Johannes Vahlen am 30. November 1911;
das ausvs^ärtige Mitglied der physikaUsch-mathematischen Classe :
Sir Joseph Dalton Hooker in Sunningdale am lO.December 1911;
die correspondirenden Mitglieder der physikahsch-mathemati-
schen Classe:
Hr. Albert Ladenburg in Breslau am 15. August 1911,
)) Michel Levy in Paris am 25. September 1911;
die correspondirenden MitgUeder der philosophisch-historischen
Classe:
Hr. Wilhelm Wilmanns in Bonn am 29. Januar 1911,
» Emile Levasseur in Paris am 10. JuH 1911,
» Anton E. Schönbach in Graz am 25. August 1911,
» Gustav Gröber in Strafsburg am 5. November 1911.
XXVII
Verzeichnifs der Mitglieder der Akademie am Schlüsse des
Jahres 19U
nebst den Verzeichnissen der Inhaber der Helmholtz- und der Leibniz-Medaille
und der Beamten der Akademie.
I. Beständige Secretare.
Gewählt von der Datum der Königlichen
Bestätigung
Hr. Äuwers phys.-math. Classe 1878 April 10.
- Diels phil.-hist. - 1895 Nov. 27.
- Wcddeyer phys.-math. - 1896 Jan. 20.
- Roethe phil.-hist. - 1911 Aug. 29,
II. Ordentliche Mitglieder.
Physikalisch-inathematische CUsse Phaosophisch-historische Claase ^**"°BMWti°°i^"*'*'^°
Hr. Arthur Auwers 1866 Aug. 18.
Hr. Alexander Conze .... 1877 April 23.
- Simon Schwendener 1879 Juli 13.
- Hermann Munk 1880 März 10.
- Hermann Diels 1881 Aug. 15.
- Wilhelm Waldeyei^ 1884 Febr. 18.
Heinrich Brunner .... 1884 April 9.
- Franz Eilhard Schulze 1884 Juni 21.
- Otto Hirschfeld 1885 März 9.
- Eduard Sachau 1887 Jan. 24.
- Gustav von Schmoller . . . 1887 Jan. 24.
- Adolf Engler 1890 Jan. 29.
- Adolf Harnack 1890 Febr. 10.
Hermann Amandtis Schwarz 1892 Dec. 19.
- Georg Frobenius 1893 Jan. 14.
- Emü Fischer 1893 Febr. 6.
- Oskar Hertwig 1893 April 17.
V Max Planck 1894 Juni 11.
- Karl'Stympf 1895 Febr. 18.
- Erich Schmidt 1895 Febr. 18.
- Adolf Erman 1895 Febr. 18.
d*
XKVIII
Physikaliach-tnathematische Clasec Philosophisch-historische Classe ^**'"BesTäri''"n^'*''*'*"
Hr. Emil Warburg 1895 Aug. 13.
Hr. Reinhold Kose,- 1896 Juli 12.
- Max Lenz 1896 Dec. 14.
Ulrich von WUamowiiz-
MoeUendorff 1899 Aug. 2.
- WUhelm Branca 1899 Dec. 18.
- Robert Hehnert 1900 Jan. 31.
- Heinrich Müller -Breslau 1901 Jan. 14.
- Heinrich Dressel .... 1902 Mai 9.
- Konrad Burdach .... 1902 Mai 9.
Friedrich Schottky 1903 Jan. 5.
- Gustav Roethe 1903 Jan. 5.
- Dietrich Schäfer 1903 Aug. 4.
- Eduard Meyer 1903 Aug. 4.
- WUhelm Schulze .... 1903 Nov. 16.
- Alois Brandt 1904 April 3.
- Hermann Struve 1904 Aug. 29.
- Hermann Zimmermann 1904 Aug. 29.
- Adolf Martern 1904 Aug. 29.
- Walther Nernst 1905 Nov. 24.
- Max Rubner 1906 Dec. 2.
- Johannes Orth 1906 Dec. 2.
- AUyrecht Penck 1906 Dec. 2.
- Friedrich Müller .... 1906 Dec. 24.
- Andreas Heusler .... 1907 Aug. 8.
- Heinrich Rubens 1907 Aug. 8.
- Theodor lAebisch 1908 Aug. 3.
- Eduard Seier 1908 Aug. 24.
- Heinrich Lüders .... 1909 Aug. 5.
- Heinrich Morf 1910 Dec. 14.
- Heinrich Wölfflin . . . . 1910 Dec. 14.
- Gottlieb Haberlandt 1911 Juli 3.
- Kuno Meyer 1911 Juli 3.
Benno Erdm^nn . . . . 1911 Juli 25.
Gustav Helhnann 1911 Dec. 2.
XXIX
in. Auswältige Mitglieder.
Phy«ikali8ch-inathein»ü»ehe ClMse Philosophbch-hiatorische Classe Datum der Königlichen
Bestätigung
Hr. J7ieodorNöldeke in StT&khuTg 1900 März 5.
- Friedrich Imhoof- Blumer in
Winterthur 1900 März 5.
- Pasquale Villari in Florenz . 1900 März 5.
Hr. MZ/jg/m M«or/ in Münster i. W 1900 März 5.
- Eduard Suess in Wien 1900 März 5.
- Adolf von Baeyer in München 1905 Aug. 12.
- Vatroslav von Jagic in Wien 1908 Sept. 25.
- PanagiotisKabbadias in Athen 1908 Sept. 25.
Lord Rayleigh in Witliam, Essex 1910 April 6.
IV. Ehrenmitglieder.
'-' Datum der Königlieben
Bestätigung
Earl of Crawford and Balcarres in Haigh Hall, Wigan .... 1883 Juli 30.
Hr. Max Lehnann in Göttingen 1887 Jan. 24.
Htigo Graf von und zu Lerchenfeld in Berlin 1900 März 5.
Hr. Micliard Schöne in Grunewald bei Berlin 1900 März 5.
Frau Eli^e Wentzel geb. Heckmann in Berlin 1900 März 5.
Hr. Konrad von Siudt in Hannover 1900 März 17.
- Andrew Dickson White in Ithaca, N. Y 1900 Dec. 12.
Rochus Frhr. von LUiencron in Coblenz 1901 Jan. 14.
Bernhard Fürst von Bülow in Rom 1910 Jan. 31.
XXX
V. Correspondirende Mitglieder.
Physikalisch-mathematische Classe. Datum der Wahl
Hr. Ernst Wilhelm Benecke in Strafsburg 1900 Febr. 8.
- Letois Boss in Albany, N. Y 1910 Oct. 27.
- Oskar Brefeld in Charlottenburg 1899 Jan. 19.
- Heinrich Bruns in Leipzig 1906 Jan. 11.
- Otto Bütschli in Heidelberg 1897 März 11.
- Karl Chun in Leipzig 1900 Jan, 18.
- Giacomo Ciamician in Bologna 1909 Oct. 28.
- Gaston Darbottx in Paris 1897 Febr. 11.
Sir George Howard Darwin in Cambridge 1908 Juni 25.
Hr. William Morris Davis in Cambridge, Mass 1910 Juli 28.
- Richard Dedekind in Braunschweig 1880 März 11.
- Nils Christof er Duner in Upsala 1900 Febr. 22.
- Ernst Ehlers in Göttingen 1897 Jan. 21.
Roland Baron Eötvös in Ofen-Pest 1910 Jan. 6.
Hr. Max Fürbringer in Heidelberg 1900 Febr. 22.
Sir Archibald Geikie in Haslemere, Surrey 1889 Febr. 21.
- David Gill in London 1890 Juni 5.
Hr. Camillo Golgi in Pavia 1911 Dec. 21.
- Paul Gordan in Erlangen 1900 Febr. 22.
- Karl Graebe in Frankfurt a. M 1907 Juni 13.
- Ludwig von Graff in Graz 1900 Febr. 8.
- Julius von Hann in Wien 1889 Febr. 21.
- Victcyr Hensen in Kiel 1898 Febr. 24.
- Richard von Hertwig in München 1898 April 28.
Sir Victor Horsley in London 1910 Juli 28.
Hr. Adolf von Koenen in Göttingen 1904 Mai 5.
- Leo Koenigsbei^ger in Heidelberg 1893 Mai 4.
- Williehn Kömer in Mailand 1909 Jan. 7.
- Friedrich Küstner in Bonn 1910 Oct. 27.
- Henri Le Chatelier in Paris 1905 Dec. 14.
- Philipp Lenard in Heidelberg 1909 Jan. 21.
Gabriel Lippmann in Paris 1900 Febr. 22.
- Hendrik Antoon Lorentz in Leiden 1905 Mai 4,
- Hubert Ludwig in Bonn 1898 Juli 14.
- Felix Marchand in Leipzig 1910 Juli 28.
- Friedrich Merkel in Göttingen 1910 Juli 28.
XXXI
Datum der Wahl
Hr. Franz Mertens in Wien 1900 Febr. 22.
- Henrik Mohn in Christiania 1900 Febr. 22.
- Alfred Gabriel Nathorst in Stockholm 1900 Febr. 8.
- Karl Netimann in Leipzig 1893 Mai 4.
- Maa Noether in Erlangen 1896 Jan. 30.
- Wilhelm Ostwald in Grofs-Bothen, Kgr. Sachsen 1905 Jan. 12.
- Wilhelm Pfeffer in Leipzig 1889 Dec. 19.
- Emile Picard in Paris 1898 Febr. 24.
- Edward Charles Pickering in Cambridge, Mass- 1906 Jan. 11.
- Henri Poincare in Paris 1896 Jan. 30.
- Georg Quincke in Heidelberg 1879 März 13.
- Jjudwig Radlkofer in München 1900 Febr. 8.
Sir William Ramsay in London 1896 Oct. 29.
Hr. Gustaf Retzius in Stockholm 1893 Juni 1.
Tlieodore William Richards in Cambridge, Mass 1909 Oct. 28.
- Wilhelm Konrad Röntgen in München 1896 März 12.
Heinrich Rosenbusch in Heidelberg 1887 Oct. 20.
- Georg Ossian Sars in Christiania 1898 Febr. 24.
- Oswald Schmiedeberg in Strafsburg 1910 Juli 28.
- Gustav Schwalbe in Strafsburg 1910 Juli 28.
- Hugo von Seeliger in München 1906 Jan. 11.
Hermann Graf zu Sohns -Laubach in Strafsburg 1899 Juni 8.
Bb*. Johann Wilhelm Spengel in Giefsen 1900 Jan. 18.
- Eduard Strasburger in Bonn 1889 Dec. 19.
- Johannes Striwer in Rom 1900 Febr. 8.
Sir Joseph John Thomson in Cambridge 1910 Juli 28.
Hr. August Toepler in Dresden 1879 März 13.
- Gustav von Tschermak in Wien 1881 März 3.
Sir William Turner in Edinburg 1898 März 10.
Hr. Woldemar Voigt in Göttingen 1900 März 8.
- Johannes Diderik van der Waah in Amsterdam 1900 Febr. 22.
- Otto Wallach in Göttingen 1907 Juni 13.
- Eugeniu^ Warming in Kopenhagen 1899 Jan. 19.
- Heinrich Weber in Strafsburg 1896 Jan. 30.
- August Weismann in Freiburg i. Br 1897 März 11.
- Wilhelm Wien in Würzburg 1910 Juli 14.
- Jidvus von Wiesner in Wien ^ 1899 Juni 8.
- Ferdinand Zirkel in Bonn 1887 Oct. 20.
XXXIl
Philosophisch-historische Classe. Datum der Wahl
Hr. Karl von Amira in München 1900 Jan. 18.
- Ernst Immanuel Bekker in Heidelberg 1897 Juli 29.
- Friedrich von Bezold in Bonn 1907 Febr. 14.
- Ewigen Bormann in Wien 1902 Juli 24.
- Emile Boviroux in Paris 1908 Febr. 27.
- James Henry Breasted in Chicago 1907 Juni 13.
Ingram Bywater in London 1887 Nov. 17.
- Reni Cagnat in Paris 1904 Nov. 3.
- Arthur Chuquet in Villemomble (Seine) 1907 Febr. 14.
Franz Cumoni in Brüssel 1911 April 27,
- Samuel Rolles Driver in Oxford 1910 Dec. 8.
- Louis Duchesne in Rom 1 893 Juli 20.
- JuUus Euting in Strafsburg 1907 Juni 13.
- Panl Foucart in Paria 1884 Juli 17.
- James George Frazer in Cambridge 1911 April 27.
- Wilhelm Fröhner in Paris 1910 Juni 23.
- Perey Gardner in Oxford 1908 Oct. 29.
- Ignaz Goldziher in Ofen-Pest 1910 Dec. 8.
Theodor Gomperz in Wien 1893 Oct. 19.
- Francis LleweUyn Griffith in Oxford 1900 Jan. 18.
Tgnazio Guidi in Rom 1904 Dec. 15.
Georgias N. Hatzidakis in Athen 1900 Jan. 18.
- Albert Hanck in Leipzig 1900 Jan. 18.
- Bemard Haussotdlier in Paris 1907 Mai 2.
- Barclay Vincent Head in London 1908 Oct. 29.
- Johan Litdvig Heiberg in Kopenhagen 1896 März 12.
- Karl Theodor von Heigel in München 1904 Nov. 3.
Antoine HSron de Villefosse in Paris 1893 Febr. 2.
- Lion Heuzey in Paris 1900 Jan. 18.
- Harald Hjärne in Upsala 1909 Febr. 25.
- Maurice Holleaua in Athen 1909 Febr. 25.
- Edvard Holm in Kopenhagen 1904 Nov. 3.
- Thiophile Homolle in Paris 1887 Nov. 17.
Christian Hülsen in Florenz 1907 Mai 2.
- Hermann Jacobi in Bonn 1911 Febr. 9.
- Adolf Jülicher in Marburg 1906 Nov. 1.
- Karl Justi in Bonn 1893 Nov. 30.
- Frederic George Kenyon in London 1900 Jan. 18.
- Georg Friedrich Knapp in Strafsburg 1893 Dec. 14.
- Ba^il T^atyschew in St. Petersburg 1891 Juni 4.
XXXIM
Datum der Wahl
Hr. Friedrich Leo in Göttingen 1906 Nov. 1.
- August Leskien in Leipzig 1900 Jan. 18.
- Friedrich Loofs in Halle a. S 1 904 Nov. 3.
- Giacomo Lumhroso in Rom 1874 Nov. 12.
- Arnold Luschin voji Ebengreuth in Graz 1904 Juli 21.
- John Pentkmd Mahaffy in Dublin 1900 Jan. 18.
- Gaston Maspero in Paris 1897 Juli 15.
- Wilhelm Meyer-Lübke in Wien 1905 Juli 6,
- Ludwig Mitteis in Leipzig 1905 Febr. 16.
- Gabriel Monod in Versailles 1907 Febr. 14.
- Heinrich Nissen in Bonn 1900 Jan. 18.
- Axel Olrik in Kopenhagen 1911 April 27.
- Georges Perrot in Paris 1884 Juli 17.
- Edmond Pottier in Paris 1908 Oct. 29.
- Franz IVaetorius in Breslau 1910 Dec. 8.
- Wilhelm Radioff in St. Petersburg 1895 Jan. 10.
- Pix) Bajna in Florenz 1909 März 11.
- Moriz Ritter in Bonn 1907 Febr. 14.
- Karl Robert in Halle a. S 1907 Mai 2.
- Richard Schroeder in Heidelberg 1900 Jan. 18.
- Eduard Schwartz in Freiburg i. Br 1907 Mai 2.
- Emile Setiart in Paris 1900 Jan. 18.
- Eduard Sievers in Leipzig 1900 Jan. 18.
- Henry Sweet in Oxford 1901 Juni 6.
Sir Edward Maunde Thompson in London 1895 Mai 2.
Hr. Villielm Thomsen in Kopenhagen 1900 Jan. 18.
- Paul Vinogradoff m Oxford 1911 Juni 22,
- Girolamo Vitelli in Florenz 1897 Juli 15.
- Jakob Wackernagel in Göttingen 1911 Jan. 19.
- Julius Wellhausen in Göttingen 1900 Jan. 18.
- Adolf Wilhelm in Wien 1911 April 27.
- Ludvig Wimmer in Kopenhagen 1891 Juni 4.
- Wilhelm Windelband in Heidelberg 1903 Febr. 5.
- Wilhelm Wandt in Leipzig 1900 Jan, 18,
XXXIV
Inhaber der Helmholtz-Medaille.
Hr. Santiago Ramön y Cajal in Madrid (1904).
- Emil Fischer in Berlin (1908).
X'erstorhene Inhaber:
Einil du Bois-Reymond (Berlin, 1892).
Karl Weierstrafs (Berlin, 1892).
Robert Bimsen (Heidelberg, 1892).
Lord Kelvin (Netherhall, Largs, 1892).
Rudolf Virchow (Berlin, 1898).
Sir George Gabriel Stokes (Cambridge, 1900).
Henri Becquerel (Paris, 1906).
Jakob Heinrich vant Hoff (Berlin, 1910).
Inhaber der Leibniz-Medailie.
a. Der Medaille in Gold.
Hr. James Simon in Berlin (1907).
- Emest Solvay in Brüssel (1909).
- Henry T. von Böttinger in Elberfeld (1909),
Joseph Florimond Duc de Louhat in Paris (1910).
Hr. Hans Meyer in Leipzig (1911).
b. Der Medaille in Silber.
Hr. Karl Alexander von Martius in Berlin (1907).
- A. F. Lindemann in Sidinouth, England (1907).
- Johannes BoUe in Berlin (1910).
Karl Zeumer in Berlin (1910).
- Albert von Le Coq in Berlin (1910).
- Johannes Jlberg in Würzen (1910).
- Max Wellmann in Potsdam (1910).
- Robert Koldewey in Babylon (1910).
Gerhard Hessenberg in Breslau (1910).
Werner Janensch in Berlin (1911).
Hans Osten in Leipzig (1911).
V'^erstorbeiier Inhaber der Medaille in Silber:
Georg Wenker (Marburg, 1911).
Beamte der Akademie.
Bibliothekar und Archivar der Akademie: Dr. Köhnke.
Archivar und Bibliothekar der Deutschen Commission: Dr. Behrend.
Wissenschaftliche Beamte: Dr. Dessau, Prof. — Dr. Harms, Prof. — Dr. von Fritze. —
Dr. Karl Schmidt, Prof. — Dr. Frhr. Hiller von Gaertringen, Prof. — Dr. Ritter.
— Dr. Apstein, Prof.
Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer.
Von
H"^ WILHELM SCHULZE.
PhiL-hist Klasse. 1911. Gedächtnisr. I.
Gehalten in der öffentlichen Sitzung am 29. Juni 1911.
Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 31. August 1911.
xleinrich Zimmer ist am ii. Dezember 1851 in Castellaun auf dem
Hunsrück geboren, in ländlichen Verhältnissen, denen er die Gabe leben-
diger Anschauimg und den offenen, allen Realitäten der Welt aufgeschlosse-
nen Blick verdanken mag. Als 'Schulhalter' im nahegelegenen Hasselbach
hat er seine Laufbahn begonnen, die ihn zum Range eines Neubegründers
der keltischen Philologie emporführen sollte. Erst als Neunzehnjähriger
ist er, getrieben von einem lebhaften Verlangen nach höherer wissenschaft-
licher Ausbildung, aus dem Lehrerseminar in Neuwied übergetreten in das
Gymnasium zu Kreuznach, wo er, dem Schulziel bald vorauseilend und
auf selbstgewählten Wegen seine geistige Entwicklung fördernd, an Homer,
Aeschylus und Sophocles, aber auch schon an altgermanischen Sprachstudien
seinen rastlosen Eifer übte und sich zu selbständiger Arbeit erzog. Mit
dem Herbste 1873 erfolgte der Übergang an die Universität Straßburg.
Dort hat ihn, nach kurzem Schwanken, die unvergleichliche Wirkung, die
von Wilhelm Scherers Persönlichkeit und Lehre ausging, in ihren Bann
gezogen und für das Studium der Germanistik und der indogermanischen
Sprachwissenschaft gewonnen. Wie ein in seine Zukunft vorausdeutendes
Omen erscheint es dem rückwärts gewandten Blick, daß eine Vorlesung
über die Germania des Tacitus den Lernbegierigen in das Universitäts-
studium einführte, und gern malt man sich aus, wie die lebendigen Worte
des Interpreten in die Seele des empfänglichen Hörers ein Bild nicht bloß
des deutschen Altertums, sondern auch seines Wiedererweckers, Karl
Müllenhoffs, unverlierbar einprägten. Denn wie kaum ein zweites fordert
dieses Buch, das die Vorfielt unseres Volkes aus geschichtslosem Dunkel
emporhebt, zu vollem Verständnis die souverän den Doppelstoff der Wörter
und der Sachen meisternde Personalunion von Historie und Grammatik,
4 W. Schulze:
wie sie sich in der Lebensarbeit MüUenhoffs vorbildlich verkörpert. In
dieser seltenen Durchdringung sprachlicher und geschichtlicher Forschung,
in der kein Teil dem anderen dient, sondern beide in einer höheren Ein-
heit verschmelzen, liegt auch Zimmers eigenste Stärke und seine unzer-
störbare Bedeutung fiir die werdende keltische Philologie: kein Wunder,
daß er noch in späteren Jahren beim Schreiben am liebsten an Müllenhoff
als den stillen Teilnehmer und unbestechlichen Richter seiner Forschung
dachte. Auch zu Jacob Grimms Deutscher Grammatik, der unerschöpf-
lichen Schatzkammer genialer Sprachbeobachtung, gewann Zimmer durch
Scherer sofort eine Art persönlichen Verhältnisses, als er Anfang 1874
seinem Lehrer bei der Vorbereitung und Korrektur des 'neuen vermehrten
Abdrucks' hilfreich an die Hand ging.
Merkwürdig rasch wandelte sich, unter dem anspornenden Zureden
Scherers, der offenbar mit Bedacht die Entwicklung eines ungewöhn-
lichen Talentes beschleunigte, der lernende Student in einen Forscher und
Schriftsteller von schnellwachsender Reife, dessen sicheres Auftreten blut-
wenig vom Anfanger verriet, dessen überall aus der Quelle schöpfende,
von klugem Urteil geleitete Untersuchung alsbald das Ohr der Fachge-
nossen gewann, hier und da wohl auch durch die Bestimmtheit des Tones
und die Offenheit der Kritik es reizte. Die erste Rezension, über Ficks
Vergleichendes Wörterbuch HP (Anzeiger fiir Deutsches Altertum 1,1),
trägt das Datum des 10. März 1875 (eben hatte der Verfasser sein drittes
Semester vollendet), und noch vor Ablauf des Jahres erschien, durch eine
Vorrede Scherers eingeleitet, das erste, umfangreiche Buch über die
'Nominalsuffixe A und A in den germanischen Sprachen', eine von der
philosophischen Fakultät am i . Mai 1875 gekrönte Preisschrift, deren Aus-
arbeitung das zweite und dritte Universitätssemester in Anspruch genommen
hatte. Und als Zimmer im Winter 1875 auf 1876 eine neue, vortrefflich
gelungene Untersuchung über die ethnische Gliederung der Germanen,
'Ostgermanisch und Westgermanisch' (Zeitschrift fiir Deutsches Altertum
19, 1876, 393 — 462), seinem Lehrer Scherer im Manuskript abgeschlossen
vorlegte, drängte ihn dieser zu sofortiger Promotion und erwirkte von
der Fakultät einen Beschluß, dem Bewerber in Anerkennung seiner bereits
erwiesenen literarischen Bewährung die übliche Forderung dreijährigen Stu-
diums nachzulassen. Am Schlüsse des föinften Semesters, 15. März 1876,
erfolgte die Promotion.
Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. 5
Aber schon vor dem Erscheinen des größeren Buches, das gleich als
Vorläufer einer die Arbeit Jacob Grimms im 2. Bande der Deutschen
Grammatik nach langer Pause wiederaufnehmenden und fortfuhrenden Stamm-
bildungslehre aller germanischen Sprachen gedacht war, hatte Zimmer eine
Studie zur indogermanischen Mythologie, über Tarjanya Fiörgyn, Väta
Wödan' (Zeitschrift für Deutsches Altertum 19, 1876, 164 — 181), geschrie-
ben, die den ruhelos Vorwärtsstrebenden auf dem Wege zu neuen, ent-
legeneren Zielen zeigte. Am Ende dieses Weges steht, die erste Periode
seiner Forschung weithin sichtbar abschließend, das 'Altindische Leben',
dessen ursprünglicher (im Spätsommer und Herbst 1876 vollendeter, wesent-
lich auf den Materialien des Rigveda aufgebauter) Fassung am 1. Mai 1877
der Preis der Straßburger Max-Müller-Stiftung zufiel. Nach fast vollstän-
diger Umarbeitung in den Herbstferien des Jahres 1877, deren Ziel die
systematische Ausbeutung aller vedischen Saihhitä war, erschien die mittler-
weile auch von dem vierten Internationalen Orientalistenkongreß in Florenz
durch einen italienischen Staatspreis ausgezeichnete Schrift 1879 als Buch,
das zum ersten Male den ältesten indischen Quellen ein anschauliches Ge-
samtbild der Kultur im Zeitalter der vedischen Arier nachzuzeichnen unter-
nahm. An des Tacitus Germania knüpfen, gewiß nicht zufallig, die ersten
Sätze der Vorrede an, und durch das ganze Buch zieht sich fortlaufend der
Vergleich altindischen und altgermanischen Lebens (vgl. dazu Anzeiger fiir
Deutsches Altertum 2, 296).
In das Studium indischer Sprachen und Literaturen hatte Zimmer
einer seiner Straßburger Lehrer, Siegfried Goldschmidt, eingeführt, dem
er zeitlebens eine dankbare Erinnerung bewahrt hat. Aber neben ihn trat
als Erzieher zum philologischen Verständnisse der ältesten Denkmäler, zu-
nächst durch die in spröde Wörterbuchartikel gebannte Kraft seiner Inter-
pretenkunst, dann — in Tübingen, wohin Zimmer 1876 für ein Sommer-
semester übersiedelte — auch durch persönliche Unterweisung Rudolf
Roth, der der Wissenschaft als Erster die verschütteten Zugänge zu den
Rätseln der Vedendichtung wiedereröffnet hatte. Auch Roths Avestä-
interpretation, an der Zimmer in Tübingen teilnahm, wird seiner Dar-
stellung des 'Altindischen Lebens' zugute gekommen sein.
Zwei Straßburger Preisaufgaben mit weit auseinander liegenden Zielen
haben so der wissenschaftlichen Arbeit Zimmers schon während der ersten
Studiensemester Richtung und Inhalt gegeben. Daß er fast gleichzeitig
6 W. Schulze:
mit entschlossener Hand nach beiden Kränzen langte und auf Grund sorg-
samster und umsichtigster Vorbereitung mit Ehren beide errang, wird
immer ein Ruhmestitel seines stählernen Willens und seiner unbezwing-
lichen Schafienslust, aber auch seiner sicheren Orientierungsgabe und seiner
alle Schwierigkeiten spielend überwindenden, auch das Fremdai'tige mit
raschem Verständnisse ergreifenden Geisteskraft bleiben, zugleich ein Denk-
mal seiner eigentümlichen Doppelbegabung, die den Abstraktionen der
Grammatik wie den wechselnden Gestaltungen des Volkslebens mit gleicher
Liebe und Energie nachzusinnen vermochte.
Es ist natürlich, daß, trotz aller Unabhängigkeit der Entscheidung
im einzelnen, in diesen frühesten, einander kreuzenden oder ohne Pause
ablösenden Arbeiten der Einfluß seiner Lehrer stark hervortritt. In den
sprachwissenschaftlichen Untersuchungen hat Seh er er unbestritten die
Führung, der Autor des die jüngste Phase in der Entwicklung der indo-
germanischen Sprachforschung einleitenden Buches 'Zur Geschichte der
deutschen Sprache', das wie seine Vorlesungen in verschwenderischer Fülle
Anregungen und Gedankenkeime nach allen Seiten ausstreute. Dem Bilde
des altindischen Lebens gibt Roths Auffassung des Veda die besondere
Farbe, beherrscht Ton und Stimmung in der Schilderung »jenes frischen
jugendlichen Volkes, das stark war im Vertrauen auf seine Götter«, hinter
dessen Schicksalen und Kämpfen im Lande der 'fünf Ströme' sich unmittel-
bar fast der Blick in die den Schriftdenkmälern vorausliegende Frühzeit
der indogermanischen Stämme aufzutun schien (Anzeiger fiir deutsches
Altertum 2, 289). Aber trotz allen Tributes, den die Anpassungsfähigkeit
der Jugend den Lehrern und Vorbildern der eigenen Arbeit — und welchen
Vorbildern! — zollt, spürt man die rasch reifende Selbständigkeit, spürt
man in jedem Zuge die strenge Selbstzucht des von der Natur für die
wissenschaftliche Forschung vorausbestimmten Mannes, der mit eilig zu-
sammengerafftem oder auf begangenen Pfaden bequem aufgelesenem Material
zu arbeiten verschmäht, der, selbst wo er irrt oder versagt, niemals seine
Arbeit unnütz vertut, sondern überall dem über ihn hinausschreitenden
Nachfolger den Weg bereitet.
Seit dem Wintersemester 1876/77 finden wir Zimmer in Berlin, wo er
in Beziehungen tritt zu Müllenhoff und Albrecht Weber, zu Johannes
Schmidt, Sachau und Jagic, in dessen Umgange sich sein Interesse för
die bisher kaum ernstlich betriebenen slavischen Sprachen zu beleben beginnt
Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. 7
(vgl. Archiv för slavische Philologie 2, 1877, 338. 669). Aber folgenreicher
wird die hier mit leidenschaftlichem Eifer ins Werk gesetzte, mit syste-
matischem Vorbedacht auf volle und dauernde Aneignung des gewaltigen
Stoffes angelegte Durcharbeitung der in ihrer herben Strenge und wort-
kargen Sicherheit nur den Starken und Selbständigen anziehenden Gramma-
tica Celtica, der monumentalen Wegweisung aller Keltologie, durch die
einst Caspar Zeuss die keltischen Sprachen, mit einem Schlage die trüben
Nebel der Ignoranz und der Phantastik zerteilend, ins helle Tageslicht der
Wissenschaft gestellt hatte. Nun erst gewinnen die Anregungen des letzten
Straßburger Semesters, in dem Zimmer bei dem eben aus Heidelberg be-
rufenen Windisch eine Vorlesung über irische Grammatik gehört hatte,
feste Gestalt und dauernde Wirkung: Zeuss und Ebel, der Schöpfer und
der Erneuerer der Clrammatica Celtica, zeigen ihm seine wahre Lebensaufgabe,
für die alles Bisherige nur ein Praeludium gewesen sein sollte. Er hat sie
mit der ftir sein Wesen bezeichnenden raschen Entschlossenheit und ziel-
sicheren Konsequenz alsbald ergriffen und seine Arbeit ganz auf sie ein-
gestellt, als die Veröffentlichung des 'Altindischen Lebens' ihn definitiv
freigab. Zugleich mit der ersten Probe seiner keltischen Studien (Zeit-
schrift för vergleichende Sprachforschung 24, 201) hat er noch eine kleine,
aber fördernde Untersuchung 'Zur Paligrammatik' (ebenda 220, April 1877)
dem Druck übergeben; seitdem konzentriert sich, von ein paar Rezensionen
abgesehen, seine fruchtbare und vielseitige, immer von großen Gesichts-
punkten beherrschte Schriftstellerei ausschließlich auf das Kelten tum, freilich
auf das Keltentum in allen seinen Verzweigungen, auf die Gesamtheit seiner
nationalen Lebensäußerungen und seiner geschichtlichen Bedingtheiten.
Fast mit allen Zweigen des indogermanischen Sprachstammes war er, als
Schüler und Student, vertraut geworden, auf mehreren Gebieten hatte er sich
in selbständiger Foi-schung bewährt; aber er besaß die Gabe, entschlossen
hinter sich zu werfen, was er als Hemmung des Vorwärtsschreitens empfand,
und sich dem neuergriffenen Stoffe mit ganzer Seele zu ergeben. Nur die
akademische Lehrtätigkeit, die er im Sommersemester 1878 als Berliner Pri-
vatdozent begann — natürlich mit einem Kolleg über irische Grammatik — ,
erhielt die Verbindung mit dem Veda und dem Avesta, mit indischer und
iranischer Grammatik lebendig; die germanische Sprachwissenschaft, in der
er sich doch die literarischen Sporen verdient, hat in den Kreis seiner Vor-
lesungen keine Aufnahme mehr gefunden.
8 W. Schulze:
Die Herbstferien der Jahre 1878 und iSBo führten ihn nach England
und Irland, um die Handschriftenschätze der dortigen Bibliotheken und zu-
gleich Art und Sprache des irischen Volkes aus eigener Anschauung kennen
zu lernen. Im Britischen Museum und auf der Bodleiana, in den Biblio-
theken des Trinity College, der Royal Irish Academy und des Franzis-
kanerkonventes zu Dublin hat er das literarische Vermächtnis des irischen
Mittelalters in all seiner Fülle und formlosen Buntheit, kollationierend und
exzerpierend, auf sich wirken lassen, die Schauplätze der alten irischen
Heldensage offenen Auges durchwandert, wochenlang unter der irischen
Landbevölkerung des Westens gelebt, überall mit dem Volke in seiner Sprache
redend und mit aufmerksamer Beobachtung alle Äußerungen seines mate-
riellen, religiösen und nationalen Lebens begleitend.
Seit dem Frühjahr 1880 trägt sich Zimmer mit der Absicht einer
Neugestaltung der Grammatica Celtica. Die Arbeit der nächsten Jahre steht
unter dem Zeichen gewissenhafter Vorbereitung für diese große Aufgabe,
die bald durch den Plan eines vergleichenden Wörterbuches des altirischen
Sprachschatzes erweitert wird (Göttingische Gelehrte Anzeigen 1882,687).
Beides Ist nicht bis zur Ausführung gediehen. Äußere Zufälligkeiten und
der Gang seiner Studien führten Zimmer auch diesmal ganz andere Wege
(Zeitschrift fiir Celtische Philologie 6, 460).
Die Sammlung der über viele Handschriften des Kontinents verstreuten
altirischen Glossen, auf denen allein eine sichere Darstellung der ältesten
Grammatik aufgebaut werden kann, war die erste auch fiir Zimmers weitere
Arbeit folgenreiche Frucht dieser Vorbereitung (Glossae Hibernicae 1881).
Denn die Beschäftigung mit den Kodizes, ihren Schreibern und wechselnden
Besitzern, ihrem literarischen Inhalte gab den entscheidenden Anstoß, der
fiir die Kultur des Abendlandes in den Jahrhunderten 7, 8, 9 bedeutungs-
vollen Wirksamkeit der irischen Missionare, Klostergründer und Schulhäupter
in Frankreich, Deutschland und Oberitalien im Zusammenhange nachzugehen
(Preußische Jahrbücher 59, 1887, 27), und fährte zwei Jahrzehnte später zu
den ftir die Patristik noch mehr als ftir die irische Kirchengeschichte wich-
tigen Entdeckungen Zimmers über die handschriftlichen Schicksale des
halbverschollenen Pelagiuskommentars zu den Paulinischen Briefen.
Wenige Monate nach den Glossae Hibernicae erschien das erste Heft
der 'Keltischen Studien' (1881), zugleich eine Streitschrift und ein Pro-
gramm, im Tone von selten gehörter Schärfe und durch keine Rücksicht
Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. 9
gemilderter Schonungslosigkeit. Es geht um die auf noch wüstem Gebiete
dringlichste Frage, wie man Texte aus mittelirischen, oft verwahrlosten Hand-
schriften edieren, kritisch, exegetisch, lexikographisch behandeln soll. Der
Schüler Scherers und Müllenhoffs läßt mit Recht von den strengen
Forderungen der Methode nichts abdingen, aber über all den Unzulänglich-
keiten und Halbheiten, die er mit fruchtbarer, in die Tiefe dringender und
in die Weite schauender Kritik aufdeckt, verliert sein Auge das rechte
Maß für das Nützliche und Fördernde, das in einer Periode tastender An-
fänge auch minder gelungenen Leistungen innewohnen mag. Den wuch-
tigen Hieben des unerwarteten Angriffs antwortete, begreiflich genug, ein
mißtöniges Echo. Von dem Gekränkten erwartet niemand die Gelassenheit
gerecht abwägenden Urteils. Wer aber heute nach einem Menschenalter
als Unbeteiligter die Akten des Streites ohne Voreingenommenheit aufschlägt,
braucht mit dem Bekenntnisse nicht zurückzuhalten, daß die 'Keltischen
Studien' eine Aufrüttelung und Gewissensschärfung bedeuten, die der Kelto-
logie jener Tage in Deutschland und Frankreich dringend not tat. Die
konzentrischen Gegenangriffe der Getroffenen richteten sich wohlweislich fast
nur gegen die Außenwerke der von Zimmer gehaltenen Stellung; seine
Hauptposition erwies sich eben doch als zu fest gegründet und zu gut be-
wehrt und spottete der Angreifer (Göttingische Gelehrte Anzeigen 1 882, 673).
Aber die Resonanz williger Anerkennung blieb fortan Zimmers Arbeiten
aus den Kreisen der nächsten Fachgenossen versagt. Es war eine Einsam-
keit um ihn, die den von seiner Forschung, selbst ihren Irrtümern, nach
allen Richtungen ausstrahlenden Anregungen einen Teil ihrer natürlichen
Wirkungskraft, wenigstens für die Gegenwart, rauben mußte.
In den programmatischen Forderungen, die das erste Heft der Kelti-
schen Studien aufstellt und an Probestücken der Forschung gleich praktisch
exemplifiziert, kündigen sich fast alle Aufgaben einer ihres Namens würdigen
irischen Philologie vernehmlich an. Wie strebt doch in diesem Kopfe alles
nach Zusammenhang! Keine Tatsache, kein Zeugnis, das in seiner zufälligen
Isoliertheit verharrte und nicht nach seinem Platze in der Folge der Ge-
schehnisse, in der Kette der Überlieferung suchte! Die Geschichte dieser
Überlieferung wird zum Hebel der Kritik und zu einem Mittel historischer
Erhellung versunkener Zeiten. Die in Ihichtigen Strichen gezeichnete Ent-
wicklung der einheimischen irischen Lexikographie gibt dem modernen Be-
nutzer erst den rechten Maßstab för, die Verwendbarkeit des von ihr ge-
Phil.-hist. Klasse. 1911. Gedächtnisr. I. 2
10 W. Schulze:
häuften Stoffes. Die Kontrastierung der paar in Irland selbst erhaltenen
alten Kodizes mit der Fülle des kontinentalen Bestandes an Handschriften
irischer Provenienz illustriert anschaulich das Elend der Vikingerzeit, deren
Stürme seit 795 über Irlands Klöster und Schulen dahingegangen, die Blüte
der alten Kultur niedergebrochen und ihre Träger, die Mönche und Ge-
lehrten, übers Meer gescheucht haben. Die aufmerksame Betrachtung der
großen Sammelhandschriften, die seit dem Ausgange des 1 1 . Jahrhunderts
die Trümmer der Überlieferung in sich aufzunehmen beginnen, wird lehr-
reich filr die geschichtliche Erkenntnis der Fundamente, auf denen sich,
unter gewandelten Verhältnissen, die Renaissance der irischen Literatur voll-
zieht, in deren entstellendem Spiegel wir allein das vielfach getrübte Bild
der echten Heldensage aus heidnischer Vorzeit anzuschauen vermögen. Die
lebendigen Laute der modernen Volkssprache müssen helfen, das nur schein-
tote Schriftbild der alten Handschriften für unser Ohr wieder klingend zu
machen. Sprach- und Literaturgeschichte, Kirchen- und Profangeschichte
müssen einander in die Hand arbeiten, um die irische Philologie zu schaffen,
deren Bild hinter all der vernichtenden, in Wahrheit aufbauenden Kritik
der 'Keltischen Studien' in deutlichen Umrissen emporsteigt.
Zwanzig Jahre rüstiger Kraft und schaffensfroher Arbeit hat ihm das
Schicksal noch vergönnt, diese Umrisse auszufiillen und vom Zentrum der
irischen Philologie aus das weite Gesamtreich des Keltentums in Ver-
gangenheit und Gegenwart seiner Forschung zu erobern. Während dieser
zwanzig Jahre, deren gleichmäßiger Ablauf fast nur durch Reisen nach
der Bretagne, Irland (1883. 1885) und Wales (1899) unterbrochen wurde,
hat er der Universität Greifswald angehört (seit Ostern 1881), an allen
Aufgaben und Fragen des akademischen Lebens in Senat und Konzil mit
schnell erworbenem und dauerndem Einflüsse beteiligt und den Ausbau
seiner Institutionen als Dekan und Rektor (1891/92) tatkräftig fördernd.
Mit der Geschichte dieser Hochschule, deren Ruhm er als Forscher und
Lehrer gemehrt, wird das Gedächtnis seines Wirkens dauernd verknüpft
bleiben. Auch in dem Bilde, das ich von ihm in der Seele bewahre, ge-
hört beides untrennbar zusammen. Dort in der stillen Ostseestadt, wohin
der Ruf seines Namens mich gezogen, hab ich ihn kennen gelernt, zuerst
als Student im Sommer 1883, in der Vollkraft des Lebens, in stetigem
Anstiege zu den Höhen seiner Leistung, in der schmucklos sachlichen,
durch den Eindruck der Persönlichkeit gehobenen Wirkung seines Unter-
Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer, \\
richts, in der ungestümen Leidenschaftlichkeit des ihn verzehrenden Ar-
beitsdranges, aber auch in der geselligen Fröhlichkeit und frischen ür-
sprünglichkeit seines lebhaften Wesens, die schon die Kommilitonen der
Studentenzeit an ihm zu rühmen wußten. Das Wilhelm Scherer ge-
widmete Buch 'Über altirische Betonung und Verskunst' hab ich Anfang
1884, als Teilnehmer einer in der Wohnung gehaltenen Vorlesung über
irische Grammatik, entstehen sehen, in sechswöchiger, buchstäblich un-
unterbrochener Arbeit, die die Nacht zum Tage machte. Es bedeutete
für ihn die Befreiung von einem Problem, das ihn schon lange verfolgt
hatte (Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung 24, 542. Beiträge zur
Kunde der indogermanischen Sprachen 3, 327. Glossae Hibemicae lv.
Keltische Studien i, 122. Deutsche Literaturzeitung 1881, 924. Güterbock,
Bemerkungen über die lateinischen Lehnwörter im Irischen 1882, 3. 10), fttr
die Wissenschaft aber nicht mehr und nicht weniger als die Grundlegung
eines wirklichen Verständnisses aller irischen Sprachgeschichte. Daß un-
abhängig von Zimmer auch Thurneysen die Erkenntnis der Akzent-
gesetze aufgegangen ist, die die Gestaltung des proteusartig verwandlungs-
fähigen irischen Verbums beherrschen, mindert den Ruhm der Entdeckung
für keinen von beiden: immer wird sie unter die glänzendsten Erfolge
gezählt werden, die der sprachgeschichtlichen Forschung des 19, Jahr-
hunderts gelungen sind. Wie durch die Kraft eines Zauberwortes löst sie
tausend Rätsel (gibt freilich, wie jeder wichtige P>kenntnisfortschritt, auch
neue Rätsel auf), wandelt das Chaos in Ordnung und zwingt die beunruhi-
gende Willkür der Erscheinungen unter die Herrschaft eines hinter den
Dingen sichtbar werdenden Gesetzes.
Während der ersten Jahre dominiert noch in Zimmers keltologischen
Arbeiten das grammatisch-lexikographische Interesse, da er, wie sich 's ge-
bührt, von exaktem, grammatisch gesichertem Wortverständnis zu den höheren
Aufgaben der literarischen und historischen Forschung vorwärtsschreitet. In
langer Reihe zieren seine Aufsätze, die nicht immer abschließend, aber immer
voll entscheidender Anregungen, fast alle Seiten des Sprachlebens berühren
— Etymologie und Wortgeschichte, Namenkunde und Wortbildung, Formen-
lehre und Syntax, Geschichte der Laute und ihrer graphischen Bezeichnung,
mundartliche Variation und schriftsprachliche Fixierung — , die Bände der
Kuhn sehen Zeitschrift (24 — 36, Keltische Studien i— 17» aus den Jahren
1877 — JS99), später auch der Zeitschrift fiir Gel tische Philologie (i — 3,
12 W. Schulze:
1897 — 1901). Mag man im einzelnen noch so oft zweifeln und anstoßen,
der Eindruck des Ganzen bleibt imponierend, weil m?m je länger, je stärker
hinter dem geringfügigsten Detail die lebendige Kraft einer geschlossenen,
Kleines wie Großes, Nahes und Fernes in ihren Dienst zwingenden Konzep-
tion zu spüren bekommt. Die Idee der pankeltischen Philologie, getragen
von stets bereiter, scheinbar müheloser Beherrschung alles Stofflichen, gibt
jeder einzelnen Frage Zusammenhang und Hintergrund. Überall zeigen die
grammatischen Deduktionen über Wortgebrauch und Etymologie die durch
keinen Bücherstaub gebleichte Farbe unmittelbarer Anschauung, der An-
schauung gegenwärtigen und vergangenen Lebens, der die Erinnerung an
irische Baueriisitte ebenso selbstverständlich wie die Kenntnis mittelalter-
licher Beichtpraxis zu einem Mittel des philologischen Verständnisses wird.
Und wie wirksam weiß Zimmer umgekehrt den Wandel der Zeiten und An-
schauungen, den Gegensatz der unabhängigen irischen Kirche und der unter
die Herrschaft Roms gebeugten an der Bedeutungsgeschichte etwa des
Wortes crahud zu demonstrieren, das zuerst fides, religio, dann Kasteiung
und Abtötung bedeutet (Zeitschrift für Deutsches Altertum 33, 303)!
Da Zimmers Plan eines durch das wichtigste mittelirische Material
erweitert>Cn Altirischen Wörterbuches mit Ascolis Arbeiten und Zukunfts-
dispositionen kollidierte, erfolgt um die Mitte der achtziger Jahre eine eht'
schiedenere Hinwendung zu literargeschichtlichen Forschungen, die durch
die umfängliche Studie 'Über den kompilatorischen Charakter der irischen
Sageritexte itn sogenannten Lebor na hUidre' (Zeitschrift für vergleichende
Sprachforschung 28,467 — 689: 18. Okt. 1886) eingeleitet wurden. Immer
wieder hat er die bedeutendsten Dokumente der irischen Heldensage mit vor-
geschritteneren Studenten oder jüngeren, meist ausländischen Gelehrten, die
zur Förderung ihrer keltischen Studien seinen Unterricht suchten, manches
Mal unter Drangabe seiner Ferienmuße, durchgearbeitet und war dabei zu
«inei' Gesamtauffassung ihrer Überlieferungsgesbhichte gelangt, die den Hin-
tergrund abgibt für die großen Untersuchungen' über nordgermanische Ein-
flüsse auf irisdie Sagenbildung und Sagenträditioh (Zeitschrift für Deutsches
Altertum 32, 1888, und 35, 1891 ; vgl. aucli Göttingische Gelehrte Anzeigen
•1887, 185). Hiier wird die Sage, deren Entwickelung » von den ältesten Auf-
Eeichnungefi bi« In die romanz;enhaften Erzählungen, die heutigen Tages im
Westen und Süderi Irlands umgehen«' schon früh s6in Interesse in Anspruch
genommen (Deutsche Literaturzeitung 1881, 201), zu einem »Spiegel irischer
Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. IB
Geschichte«, in dem sich alle Erlebnisse und Eindmcke wechselnder Zeiten
reflektieren. Die Wurzeln des älteren Sagenkreises, dessen Held Cuchulinn,
dessen Heimat Nordirland ist, reichen noch in die heidnische Vorzeit der Insel
zurück, wenn auch die abschließende Gestaltung erst nach der vollzogenen
Christianisierung erfolgt sein kann, freilich noch unter der Herrschaft des
alten, von Rom unabhängigen Christentums, dem die unduldsame und zelotische
Unterdrückung heidnischen Wesens auch in der Literatur unbekannt war. Die
Eindrücke der Vikingerzeit bilden hier nur einen fremden Einschlag in das
ursprüngliche Gewebe der Sage, den die kritische Forschung wohl zu er-
kennen, wenn auch nicht mehr glatt herauszutrennen vermag. Ganz anders
die Süd irische Sage, die sich um die Gestalten Finns und Ossians gruppiert.
Aus ihr glaubt Zimmers Ohr den unmittelbaren Nachhall jener verhäng-
nisvollen Zeit herauszuhören, da nordgermanische Krieger das Reich des
Schreckens und der Gewalttat in Irland aufgerichtet hatten. Und seine
kombinationsfrohe Gelehrsamkeit ruht nicht, bis sie auch das historische
Urbild des Sagenhelden in der Person eines Vikingerhäuptlings Caittil Find
aus der Mitte des 9. Jahrhunderts entdeckt hat — oder entdeckt zu haben
glaubt. Denn wie weit die J]rgebnisse dieser in alle Winkel der Über-
lieferung hineinleuchtenden, allen Problemen energisch zu Leibe gehenden
Untersuchung sich vor der Kritik der Zukunft bewähren mögen, wage ich
nicht vorauszusagen. Aber auch vor diesem Forum wird, denk' ich, ihrem
Verfasser das Verdienst ungeschmälert bleiben, große Fragen in einem
großen Sinne aufgeworfen und mit unerschrockener Konsequenz zu Ende
gedacht zu haben. Wer hat wie Zimmer die Sehranken insularer Ab-
geschlossenheit, hinter denen das Leben Irlands im Mittelalter wie in der
Römerzeit sich zu verstecken schien, niedergerissen und die Bewohner der
grünen Insel mitten hinein in die Zusammenhänge der europäischen Kultur-
geschichte gestellt? Er hat sie uns aber nicht bloß als Empfangende ge-
schildert, sondern auch als Gebende. Auf allen Wegen hat er die Söhne
dieser wanderlustigsten Nation mit seiner die wohlabgesteckten Grenzen
der Einzeldisziplinen wagemutig überspringenden Forschung begleitet, die
Sendboten des irischen Christentums und der in ihm gepflegten, den Zu-
sammenhang init dem Altertum wahrenden Kultur, die unter den Angel-
sachsen und auf dem Kontinent zu Kloster- und Schulgründern wurden
(Neues Archiv für ältere Deutsche Geschichtskunde 17, 1892, 209), die
weltflüclitigen Anachoreteri, die auf ' den Inseln ^ des höhen Nordens, von
14 W. Schulze:
den germanischen Piraten immer weiter hinaufgetrieben, die Einsamkeit
suchten und von denen die erste Kunde über die Färöer-Inseln und Island
ins Frankenreich gelangte (Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1891, 279).
In der Studie über Brendans Meerfahrt (Zeitschrift för Deutsches Alter-
tum 33, 1888, 129. 257) versucht er die Wurzeln eines beliebten mittel-
alterlichen Erzählungsstoffes in der irischen Profanliteratur und im irischen
Volksglauben bloßzulegen und seine Eigenart aus der seit den ältesten Zeiten
für das irische Denken charakteristischen »Freude an dem seltsam über-
triebenen Wunderbaren« zu erklären. Auch in den Streit der Romanisten
über die Quellen und Vorgeschichte der Arthussagen hat er mit Unter-
suchungen von unvergleichlicher Gelehrsamkeit und Spürkraft eingegriffen,
deren Ziel auch hier die Aufrollung der ganzen Sagen ent Wicklung war,
von den Anfängen an, die, echte Heldensage, aus den Kämpfen des 5. und
6. Jahrhunderts zwischen den britannischen Inselkelten und den angel-
sächsischen Eroberern geboren werden, bis zu ihrer Einmündung in die alt-
französische Epik, an die der alte, inzwischen romantisch umgeformte Sagen-
stoff durch französisch redende Bretonen vermittelt wird, deren Ahnen einst,
aus der alten Inselheimat vor der Übermacht der Germanen weichend, mit
ihrer noch heute lebendigen Sprache auch die sagenhafte Erinnerung jener
Kämpfe auf den Kontinent herübergerettet hatten (Zeitschrift für franzö-
sische Sprache und Literatur 12, 1890, 231 ; 13, 1891, i. Göttingische Ge-
lehrte Anzeigen 1890,488. 785). Nur gelegentlich hat Zimmer auch der
Geschichte der literarischen Formen und den in ihr sich manifestierenden
ethnischen und kulturellen Zusammenhängen Beachtung geschenkt, hat etwa
den Einfluß Vergils auf die Komposition des irischen Imram Maelduin, Meer-
fahrt des Maelduin, untersucht (Zeitschrift fär Deutsches Altertum 'J^t,,
326 — 331 ; vgl. Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1906, 367), auf die Be-
deutung des germanischen Heldenliedes fär die Balladenform der Finn-
(Ossian-) Sage hingewiesen oder (nach Todd) den Sagaerzähler Islands mit
dem irischen scelide, dem Träger der epischen Überlieferung in ihrer alt-
keltischen Form (Prosa untermischt mit Versen), in Verbindung gebracht
(ebenda 35, 32. 35). Auch seiner wiederholten Beschäftigung mit dem
wunderlichen Gewächse der Hisperica famina, von denen Verbindungsfäden
in die altirische Literatur hinüberlaufen, darf hier gedacht werden (Nen-
nius vindicatus 291. Nachrichten der Gesellschaft der Wissenschaften zu
Göttingen 1895, 117. Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1910, 1031).
Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. |§
Im ganzen indess hat ihn, von der Sprache abgesehen, an den Erzeugnissen
keltischer Literaturen das Stoflfliche immer lebhafter interessiert als die Form.
Von dem tapferen Führer der Briten gegen Angeln und Sachsen, dem
dux bellorum Arthur, meldet die Historia Brittonum des Nennius, deren
verworrenen Inhalt Zimmer in verschiedenen Anläufen, äußeren Anregungen
Mfillenhoffs (i 880/81) und Theodor Mommsens (1892) folgend, für die
geschichtliche Forschung benutzbar zu machen mit seltener, keine Schwierig-
keit umgehender Energie bemüht gewesen ist. Für die Ausgabe in den
Chronica minora hat er den irischen Zweig der Überlieferung bearbeitet, in
seinem Nennius vindicatus (1893) allen Problemen der Analyse und Quellen-
forschung eine tiefschürfende Untersuchung zuteil werden lassen, voll reichen
Ertrages fär die Geschichte der keltischen Literaturen, der Völkerbeziehungen
und Kulturzusammenhänge auf den britischen Inseln. Eine starke Kraft
konstruktiver Phantasie sehen wir am Werk, aus den vielfach zerschlagenen
und durcheinandergeworfenen Trümmern der Überlieferung einen in sich
lückenlos geschlossenen Bau wieder aufzurichten. Bis in alle Einzelheiten
wird die Geschichte des Buches, durch alle Phasen seines wechselvollen
Schicksals, rekonstruiert und nacherzählt, wobei es denn freilich nicht hat
ausbleiben können, daß die Tragfähigkeit der die Rekonstruktion stützenden
Kombinationen zuweilen überschätzt und die Zusammenfügung der aneinander-
passenden Werkstücke verfehlt worden ist. Doch als Theodor Mommsen
an einem entscheidenden Punkte den Nachweis erbrachte, daß das Zeugnis
einer von Zimmer nicht ausreichend gewerteten wichtigen Handschrift die
Grundlagen der Rekonstruktion verschiebe, bekannte er zugleich: 'Zu den
Verdiensten, die der geschichtlichen Forschung durch mich erwachsen sind,
werde ich immer dasjenige zählen, daß Heinrich Zimmers Nennius vindi-
catus vielleicht nicht erschienen wäre, wenn nicht meine durch die Arbeiten
för die Monumenta Germaniae historica veranlaßten Anfragen und Wünsche
diesem Werke zmn Hebel geworden wären. Denn darüber wird kaum eine
Meinungsverschiedenheit bestehen, daß dies Buch uns den geschichtlichen
Horizont erweitert und in dem Kreis derjenigen Forschung, die von dem
untergehenden Römerstaat zu den Anfängen der Neuzeit die Brücke finden
möchte, die Zweige des Keltentums zu rechter Geltung gebracht hat' (Neues
Archiv 19, 285).
Das niemals aussetzende Studium der irischen Heldensage führte einen
Forscher wie Zimmer, der jedes Problem in seinem Kerne zu erfassen
16 W. Schulze:
gewöhnt war, mit Notwendigkeit auf die Fragen, wieweit sich in ihr
die Zustände des Entstehungszeitalters ungetrübt reflektieren und welches
Bild urkeltischen Heidentums wir dahinter ahnend zu erkennen vermögen.
So. lehrte das Beispiel seiner Untersuchung über Iren und Nordgermanen
die späten Niederschläge der Vikingerzeit auszusondern und die geschiclit-
liche Anschauung der Anfänge irischen Volkstums von ihrem die Wahr-
heit entstellenden Einflüsse freizumachen. Bedeutungsvoller noch war die
Antwort, die Zimmer der zweiten Frage gefunden hat. Aus wiederholten
Andeutungen läßt sich erkennen, daß ihn, der vom germanischen und indi-
schen Altertum her an die irische Heldensage herangetreten war, die hier der
Frau zugewiesene Stellung und Rolle als etwas abstoßend Fremdartiges be-
rührt und zugleich wissenschaftlich beunruhigt hat. Der Nachweis mutter-
rechtlicher Erbfolge und mutterrechtlicher Zustände bei den Pikten, den stamme
fremden Vorgängern der Kelten im Besitze der britischen Inseln, löste die
Aporie durch die glaubhafte Voraussetzung einer Bluts- und Kulturmischung
und verpflichtete die Sprach- und Geschichtsforschung zu neuen Aufgaben,
deren fernes Ziel die methodische Sonderung der in Sprache und Sitte über-
einander gelagerten Schichten urzeitlichen und indogermanischen Charakters
sein muß (Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 15, 1894,
Roman. Abt. 209. Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1 909, 84. 1911,1 74).
Allzeit ist in Zimmer ein starkes Interesse an den politischen Fragen
der Gegenwart lebendig gewesen, das ihn gelegentlich selbst zu persön-
lichem Eintreten in die Wahlkämpfe seiner neuen Heimat gedrängt hat.
So verbindet sich denn auch politisches und historisches Interesse, zugleicli
mitfiihlendes Verständnis fär alle Regungen nationalen Lebens und unbe-
fangen nüchterne Abschätzung der realen Bedingungen des Erfolges in der
planmäßigen, auch die Zeugnisse der einheimischen Tagespresse ausbeu-
tenden Aufmerksamkeit, mit der er die fortschreitende Selbstbesinnung
der modernen Kelten in Irland und Schottland, im englischen Wales und
in der französischen Bretagne, das Wiedererstarken ihrer nationalen Sprache,
das Erwachen pankeltischer Verbrüderungsideen und die unausbleibliche
Rückwirkung dieser Bewegung auf die innere Politik, vor allem Englands,
verfolgt hat; In einer Reihe umfassender Vorträge hat er die einzelnen
Phasen dieser Entwicklung auf der Grundlage ihrer geschichtlichen Vor-
aussetzungen anschaulich geschildert) auch ihr seJir verschieden geartetes
inneres Verhältnis zu protestantischer Gemeindefrömmigkeit und römisch-
Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. 17
katholischer Weltpolitik wirksam beleuchtet (Preußische Jahrbücher Bd.
92/93, 1898. 99, 1900. Randglossen eines Keltisten zum Schulstreik in
Posen- Westpreußen und zur Ostmarkenfrage 1907).
Früh hatte er begriffen, daß auch das philologische Verständnis alt-
und mittelirischer Literaturdenkmäler ohne persönliche Vertrautheit mit
der Geschiclite des irischen Christentums, seiner Theologie und kirch-
lichen Institutionen nicht wohl zu erreichen sei, und daraus in seiner reso-
luten, die eigene Arbeit allen Forderungen des neuen Stoffes schnell an-
passenden Art sofort die praktischen Konsequenzen gezogen durch die Aus-
dehnung seiner Studien auf kirchenhistorisches Gebiet (Keltische Studien
1,7. 24. Zeitschrift fär vergleichende Sprachforschung 32, 187. Sitzungs-
berichte der Berliner Akademie 1909, 399). Wie vortrefflich er die unver-
drossen betriebene Lektüre der Acta Sanctorum für alle Seiten seiner viel-
seitigen Forschung zu nützen verstand, lernt man vielleicht am besten
aus der eingehenden Besprechung, die er in den Göttingischen Gelehrten
Anzeigen 1891, 153 einer unzulänglichen Ausgabe lateinischer Heiligenleben
irischen Ursprungs gewidmet hat. Die Gestalt des heiligen Patrick, dessen
von wuchernder Legendenbildung umsponnenes Bild die geschichtlichen
Anfange des irischen Christentums mehr zu verdunkeln als aufzuhellen
scheint, hat Zimmers Arbeit zu wiederholten Malen intensiv beschäftigt
(Zeitschrift fiir Deutsches Altertum 35, 55. Nennius vindicatus 146. 208).
Eine kritische Prüfung der Überlieferung f[ihrte ihn zu dem die traditio-
nelle Auffassung umstürzenden Ergebnis, daß die den Heiligen mit der
Gloriole des Irenaposteis schmückende Legende aus unbeabsichtigter Kon-
fusion und bewußter Fälschung — im Interesse des erzbischöflichen Stuhles
von Armagh und zur Beglaubigung seiner Ansprüche auf den Primat Ir-
lands — entstanden sei. An lebhaftem Widerspruch gegen diese kühne These
hat es freilich nicht gefehlt. Doch als die Redaktion der 'Realenzyklopädie
für protestantische Theologie' eine knappe historische Darstellung der 'Kel-
tischen Kirche in Britannien und Irland' brauchte, fiel die Aufgabe ganz
von selbst an Zimmer, der schon für den 2. Band die keltischen Bibel-
übersetzungen behandelt hatte, nicht an einen zünftigen Kirchenhistoriker
(Bd. 10, 204 dritter Auflage). Die Ausfährv^ng der im Frühjahr 1899 über-
nommenen Arbeit veranlaßte ihn zur Wiederaufnahme älterer Studien über
den Pelagiuskommentar zu den Paulinischen Briefen und seine Schicksale
in Irland, deren Anfänge bis in die Zeit der Vorbereitung der Glossae
Phil.-hisL Klasse. 1911. Gedächtnisr. 1. 3
18 W. Schulze:
Hibernicae (1881) zurückreichen. Durch systematische Verfolgung und
scharfsinnige Verknüpfung aller Spuren, die die Benutzung dieses Kommen-
tars in irischen Handschriften der Insel und des Kontinents, auch in alten
Handschriftenkatalogen der von irischen Mönchen besuchten Klöster hinter-
lassen hat, ist es Zimmer nicht nur gelungen, ganz neue Materialien fär
die Rekonstruktion des ursprünglichen Werkes zu erschließen, er hat auch
in seinem Buche Telagius in Irland. Texte und Untersuchungen zur pa-
tristischen Literatur' (1901) die Rekonstruktion selbst in Angriff genommen
und die Geschichte der Überlieferung aufgehellt. Voller klang nun der Dank
der Theologen als je die Zustimmung oder Anerkennung der nächsten Mit-
arbeiter. 'Die Kirchengeschichte, schrieb damals Jülich er, die neutestament-
liche Wissenschaft, die Geschichte der Kultur im Ausgange des Altertums
haben wahrlich Grund zu freudiger Dankbarkeit, und bewunderungswürdig
erscheint der Sprachforscher, den die Menge und Schwierigkeit der Arbeiten
in seinen Spezialfächern nicht abhält, die Patristiker beinahe zu beschämen
durch eine Monographie, die ebenso durch die Masse neuen Stoffs wie
durch die Exaktheit der Methode und durch die Vertrautheit mit aUem
Handwerkszeug imponiert' (Göttingische Gelehrte Anzeigen 1902, 281).
Es war der letzte große und unumstrittene Erfolg, der Zimmers wissen-
schaftlicher Arbeit beschieden sein sollte. Mit rücksichtsloser Anspannung
aller Kräfte hatte er den Abschluß der Untersuchung beschleunigt, da schon
die Übersiedlung nach Berlin (Herbst 1 901) unmittelbar bevorstand, in die
eigens für ihn geschaffene erste deutsche Professur für keltische Philologie,
in eine Stellung von neuen, wie alle Beteiligten hofften, reicheren Wirkungs-
möglichkeiten. Doch die Summe körperlicher Leistungsfähigkeit, die die
Natur dem Einzelnen zuzumessen scheint, war durch die Leidenschaft der
Arbeit, die von früher Jugend her sein ganzes Leben beherrscht hatte, vor-
zeitig erschöpft worden. Die alte Kraft und Frische eines schier unver-
wüstlichen Wesens schien von ihm gewichen zu sein. Der Tod Johannes
Schmidts und Albrecht Webers, die, einst seine Lehrer, jetzt seine
nächsten Fakultätsgenossen hätten werden sollen, warf seine Schatten gleich
auf den Beginn der Berliner Wirksamkeit. Nach kurzem Anlauf mußte
Zimmer jeder Tätigkeit auf Jahre entsagen. Die Feuersbrunst, der im
Sommer 1 903 seine Bibliothek zum Raube wurde, zerstörte zugleich die
Frucht fiinfundzwanzigjähriger Mühen, die Fülle der daheim oder in der
Fremde zusammengebrachten Kollationen, die reichen grammatischen und
Gedächtnisrede auf Heinrich Zimmer. 19
lexikalischen Sammlungen, aber sie offenbarte ihm auch die werktätige Liebe
seiner Schüler, Freunde, Kollegen, in deren vorderster Reihe der [greise
Theodor Mommsen stand, und ließ uns alle staunend erkennen, indem
sie ihn der selbstgeschaffenen Hilfsmittel der Forschung grausam beraubte,
wie unabhängig von allen äußeren Arbeitsbehelfen, fast körperhaft lebendig
sich das Bild einer allumfassenden keltischen Philologie seinem Denken und
Anschauen eingegraben hatte. Denn dies vor allem sichert seinem Namen
den Nachruhm und seiner Arbeit die in ferne Zukunft reichende Wirkung,
viel mehr noch als die wahrlich große Summe aller Einzelleistungen, daß
eine ganze Disziplin in seinem Kopfe zum ersten Male sich der Weite ihres
Gebietes, der Vielgestaltigkeit und Bedeutung ihrer Aufgaben und zugleich
ihrer notwendigen inneren Einheit in Klarheit bewußt geworden ist. Seit
seiner um Jahre verspäteten akademischen Antrittsrede vom 30. Juni 1904
schien in langsamer Rückkehr der Arbeitskraft auch die Arbeitsfreudigkeit
früherer Tage zu neuem Fluge wieder die Schwingen regen zu wollen.
Noch einmal führte er uns — in einer Reihe großer Abhandlungen aus
den Jahren 1906 -1909 — durch alle Stätten seiner Lebensarbeit, rührte
an alle Seiten einer fast unabsehbaren Überlieferung und zeigte in lebendig
angeschauten Bildern die immer großen Ziele seiner vom Einzelnen zum
Ganzen strebenden Forschung, noch einmal faßte er den Ertrag »jahrelanger,
immer erneuter, unverwandter Beschauung der Geschichte« zusammen, um in
kräftigen, sicheren Umrissen ein Gesamtbild des Keltentums, seiner Sprachen
und Literaturen, vor uns hinzustellen (Die Kultur der Gegenwart, Teil I,
Abteilung XI i, 1909). Aber was den Freunden als hoffnungsvoller Anfang
einer neuen Schaffensperiode erscheinen mochte, ist in Wahrheit sein Ver-
mächtnis geworden. Die Kraft zur Arbeit und zum Leben, das ihm zu allen
Zeiten mit Arbeit gleichbedeutend gewesen, war aufgezehrt. Am 29. Juli
19 10 ist er von uns gegangen, das Dunkel der Todesnacht mit den Worten
des Aiax grüßend:
CKÖTOC EMÖN <t>ÄOC,
ePSBOC S «AeNNÖTATON ü)C GMOI.
Hymnen an das Diadem der Pharaonen.
Aus einem Papyrus der Sammlung Golenischeif
herausgegeben
von
H™ ADOLF ERMAN.
Phil.-hist. Klasse. 1911. Abh. L
Vorgelegt in der Sitzung der phil.-hist. Klasse am 6. Februar 1908.
Zum Druck eingereicht am 1. September 1911, ausgegeben am 16. November 1911.
Einleitung.
Der Papyrus, den ich hier mitteile \ gehört zu den Schätzen, die Wäldern ar
Golenischeff für die Wissenschaft gesammelt hat^ Seiner nie versagenden
Güte verdanke ich es, daß ich ihn hier veröft'entlichen kann ; obgleich er
selbst sich schon mit dem Texte beschäftigt hatte, überließ er ihn mir
doch auf das bereitwilligste zur Bearbeitung und gestattete mir seinerzeit,
ihn bis zum Abschlüsse dieser Arbeit in Berlin zu bewahren. Ks ist mir
ein Bedürfnis, ihm auch an dieser Stelle dafür zu danken.
Herkunft und Entstehung des Papyrus.
Während Hr. Golenischeff die anderen Hauptstücke seiner Samm-
lung, wie den Reisebericht des Wenamon oder das Glossar, in Ägypten
selbst erworben hat, ist ihm dieser Papyrus vor Jahren aus russischem
Privatbesitze zugekommen, und es fehlt somit an jeder Nachricht über
seine Auffindung. Aus seiner tadellosen Erhaltung wird man aber schließen
dürfen, daß er die Jahrtausende in einem Grabe überdauert hat und da
die Texte, die er enthält, für den Tempel des Sobk von Krokodilopolis
bestimmt sind, so wird er aus der Heimat dieses Krokodilgottes, dem Fai-
jume, stammen. Irgendein Priester des Sobk, der in einer der Nekropolen
des alten Krokodilopolis bestattet wurde, wird das Buch, aus dem er einst
im Tempel gesungen hatte, mit sich ins Grab genommen haben.
Auch das Alter des Papyrus läßt sich mit Sicherheit feststellen. Wer
seine Schriftformen vergleicht, wie sie jetzt im ersten Bande von Möllers
^ Als Bezeichnung für ihn schlage ich vor VRitual Golenischeff« ; so haben wir ihn
))ei den Wörterbucharbeiten zitiert.
'■^ Seit ich dies schrieb, ist der Papyrus mit der Sanunlung Golenischeff in den Besitz
dos russischen Staates übergegangen.
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Hieratischer Paläographie zusammengestellt sind, sieht ohne weiteres, daß
der Papyrus Golenischeff ein Genosse des Mathematischen Handbuchs des
Westcar und des Ebers ist; nach Möller steht er zwischen den beiden
letzteren. Der Papyrus stammt also aus dem Ende der Hyksoszeit, d. h.
etwa aus dem 1 7 . Jahrhundert v. Chr. Der Papyrus ist ein schmaler Streifen
feiner Qualität von 7.1 cm Höhe, der heute noch etwa 5.72 m in der Länge
mißt. Er ist aus 15 Blättern zusammengeklebt, die meist 39 — 42^ cm
messen'. Nur die Vorderseite (Horizontalfasern) ist beschrieben.
Wie aus der vorstehenden Schriftprobe ersichtlich ist, haben drei ver-
schiedene Hände an diesem Buch gearbeitet:
Erste Hand S. 1,1
Zweite Hand 7, i-
Dritte Hand 15, 2-
-7, I (die Lieder a und h).
15, I (die Lieder c. d. e. f).
-20, 3 (die Lieder g. h. i. k).
Die Handschrift ist also allmählich entstanden dadurcli, daß man das
ursprüngliche kleine Buch zweimal erweitert hat. Und zwar dürften diese
beiden Erweiterungen nicht derselben Quelle entnommen sein, denn sonst
würde schwerlich der Schluß von Lied c auch als Schluß von Lied g wieder-
kehren. Auch an eine weitere dritte Ergänzung muß noch gedacht worden
sein, denn sonst würde man den Papyrus hinter S. 20 abgeschnitten haben,
während man daran noch ein leeres Stück Papier von mindestens i.iom
belassen hat.
Übrigens sind an zwei Stellen (5, 3 und 13, 2) Schreibfehler mit roter
Tinte verbessert worden, was angesichts der sonstigen Gleichgültigkeit der
ägyptischen Schreiber immerhin fär eine gewisse Hoclischätzung dieser
Handschrift spricht. Diese Hochschätzung liat sie dann freilich auch nicht
vor dem Schicksal bewahrt, das so viele Papyrus betroffen hat; man hat
das leere Papier an ihrem Ende zu einer geschäftlichen Niederschrift be-
nutzt. Eine vierte Hand hat nämlich die merkwürdige Liste von Barbaren-
namen daraufgesetzt, die ich mit gütiger Erlaubnis des Hrn. Golenischeff
im Anhange mitteile.
* Die einzelnen Blätter messen von links nach rechts: 39. 39^. 39. 35. 41. 41^. 41.
40. 41^. 42. 42. 42^. 37-^. 42, sind also zuerst kürzer als nachher. Vielleicht hat der Schreiher
der ersten Hand nur einen Papyrus gehabt, der aus den vier ersten Blättern bestand, von
denen er drei und ein halbes (S. i — 7, i) beschrieb. Der Schreiber der zweiten Hand Aer-
längerte dann für seine Arbeit die liollc und nahm dazu etwas längere Blätter.
Hymnen an das Diadem der Pharaonen. 7
Bestimmung und Alter der Lieder.
Die zehn Hymnen, die in diesem Papyrus zusammengestellt sind, be-
handeln alle den gleichen Gegenstand. Sie verherrlichen das vielgestaltige
Diadem, das schrecklich an der Stirn des Sonnengottes und an der Stirn
der irdischen Könige prangt und ihren Feinden Verderben bringt. Wie
diese Vorstellung sich entwickelt hat und wie sie im einzelnen ausgebildet
ist, ist unten (S. 1 1 ff.) ausgeführt; hier sei nur daran noch erinnert, daß auch
andere heilige Wesen, wenn sie als Könige gedacht werden, mit dieser
Schlange gekrönt erscheinen.
Ein solcher Fall liegt in unserm Papyrus vor; die Kronen, die in
seinen Liedern gefeiert werden, befinden sich auf dem Haupte eines be-
stimmten Gottes, des ^^^^^"^^^^^ J '^ O'*^^?! »des Sobk von
Sdt, des zu aS^^ verehrten Horus«, d. h. des Gottes, den man in dem Heilig-
tume von Krokodilopolis verehrte. In diesem alten Riesentempel hat man
also unsere Lieder gesungen, wenn man das Diadem, das den Gott krönte
und schützte, preisen wollte.
Aber so fest dies auch steht, nicht minder fest stellt, daß diese Ver-
wendung nicht die ursprüngliche sein kann ; die Lieder sind nicht für den
Sobk verfaßt, denn abgesehen von seinem Namen, enthält keines irgend
etwas, was sich auf diesen Gott bezöge. Wo immer sein Name im Texte
steht, kann man ebensogut auch jeden andern dafür einsetzen, ohne den
Sinn zu stören. Und wer dies tut und den Sobk durch ein N. N. ersetzt,
der sieht dann auch leicht, wer dieser N. N. eigentlich ist: es ist über-
haupt kein Gott, sondern der König von Ägypten. Unsere Lieder feiern
ursprünglich das Diadem des Pharao, seine Helferin im Kriege, und erst
Priester, die ihren Gott nach dem Muster der irdischen Könige zurecht-
stutzten ^ haben sie auch für den Kultus des Gottes benutzt. Im ganzen
haben sie den überkommenen Text dabei beibehalten, nur wo die Menschen
als Untertanen oder Unterworfene genannt waren, haben sie diese zuweilen
— nicht immer — durch die »Götter« ersetzt. Ich stelle im folgenden
zusammen, was bei den einzelnen Lied^n noch deren ursprüngliche Be-
stimmung zeigt und was in ihnen an mutmaßlichen Änderungen vorkommt.
' Das kommt in Ägypten ja schon sehr früh vor, vgl. meine Reh'gion', S. 45.
g J] R M A N :
a) Verehrung der Weißen, d.h. der Krone des Königs von Ober-
ägypten :
Gibj daß N. N. durch dich die beiden Länder eroherej daß er Macht über
sie habe (i, 4). Das paßt fiir den alten König eines Kinzelreiches, aber nicht
für einen Gott.
Ebenda augenscheinlich eine Änderung:
Gib, daß die Götter sich verneigend zu ihm kommen (1,5); es hieß ur-
sprünglich gewiß di£ Menschen,
b) Verehrung der Zauberreichen von Unterägypten, d.h. der
unterägyptischen Krone,
Sie hat etwas mit den neun Bogen zu tun (3, 5), d. Ii. mit den tra-
ditionellen Feinden Ägyptens.
Sie ist die Schlange des Menschenleiiers (4, 4), d. h. sie leitet den irdi-
schen König im iCampfe.
Sie leitet die neun BogeUj sie befehligt die neun Bogen (6, 3).
r) Verehrung der Schlange:
Du befriedigst ihm alle Länder
in Oberägypten und im Nordlandj,
im Westen und im Osten.
Du sperrst ihm die Herzen aller Fremdländer ein^,
der südUcheUj nördlichenj
westlichenj östliclien zusammen (9, 2),
die üblichen Ausdrücke, mit denen mfin die Macht des Königs über Unter-
tanen und Feinde beschreibt.
Ebenda eine sichere Änderung:
die Götter fürchten sich vor dir^
die Toten fallen vor dir auf ihr Antlitz (9, i),
wo die Parallelstelle (16, 3)
die Götter fürchten sich vor dii^^
die Fremdvölker fallen vor dir auf ihr Antlitz^
die neun Bogen neigen dir ihr Hauptj
noch einen Teil der ursprünglichen Fassung erhalten liat.
Hymnen an das Biadeni der Pharaonen, 9
d) Verehrung der Doppelkrone:
Die die beiden Länder eroberte^
die am Haupte des N. N. wuchsj
damit er die beiden Länder erobere^,
gibj daß er mächtig sei unter den Göttern (11,5),
der Anfang sicher auf den König bezüglich ; die Götter werden wieder statt
der Menschen eingesetzt sein.
e) Spruch beim Aufsetzen der Doppelkrone, bezieht sich über-
haupt klar auf einen irdischen König; seinen Feinden werden Wunden ge-
schlagen.
/) Verehrung der roten Krone:
Alle G Otter j die südlichen^ nördlichen, icestlichenj, östlichen_,
ihr die ganze Neimheitj
ihr Begleiter des N. N.j
freuet euch über diesen König N. N.
Der König ist mit j^^rj)? dem alten Titel der unterägyptischen Herr-
scher, bezeichnet; es ist einfacli ein Lied zur Krönung.
g) Verehrung der Schlange.
Vgl. außer der bei c schon angeführten Stelle noch:
du sperrst die Herzen aller Fremdländer ein für N. N.j
die südlichen^ nördlichen^ westlichen^ östlichen (16, 5),
was ebenfalls einer bei c zitierten Stelle entspricht.
h) Nur eine Herzählung von Namen des Diademes, ohne Titel.
i) Verehrung der dndnjt:
Gibj daß N. N. Macht habe über seine Feinde^
indem sein Verwunden (d. h. seine Heldenkraft) in ihren Herzen ist;
lasse die Götter hinter ihm hergehen (19, 3).
Die ersten Zeilen gehen auf den irdischen König, in der letzten sind
die Götter gewiß eine Änderung.
k) Verehrung der wnwniot:
Setze die Freude über N. N. unter die Götter (20, 2),
dürfte ebenfalls auf einer Änderung beruhen.
PMl.-hist. Klasse. 1911. Abh. I. 2
10 E R M A N :
Unsere Lieder stammen also ursprünglich nicht aus dem Tempel, son-
dern aus dem Paläste des Königs, wo ja die Kronen und Diademe auch
eines Kultus genossen'; sie sollen die Krone gnädig stimmen, <hiß sie dem
Herrscher, der sie trägt, Macht und Sieg verleihe. Und in der Tat können
wir wenigstens das eine dieser Lieder anderswo noch in seiner ur-
sprünglichen Verwendung nachweisen. Unter der Königin Hatschepsut Imt
der Hohepriester Hapu-seneb einen Teil unseres I^iedes /; zu einem Gebete
verwendet, das er an die Kriegsgöttin Mut-Sechmet richtet", damit sie die
Königin gegen die schütze, «die sie hassen«; diese Kriegsgöttin ist aber,
wie die ihr dabei gegebenen Namen zeigen, nach damaliger Auffassung keine
andere als unser Diadem.
Wenn man dann diese Lieder auch da benutzt, wo man gar nicht die
Krone des Königs feiert, sondern, wie in unserm Falle, die eines beliebigen
Gottes, der weder Feinde zu besiegen hat noch Länder erobern soll, so
wird man dies schwei-lich als einen Widersinn empfunden haben. Denn
alle ägyptischen Kulte beeinflussen einander ja bekanntlich in dieser äußer-
lichen Weise, und niemand nimmt Anstoß daran, daß man im Rituale vom
Osiris sagt, was eigentlich für Re bestimmt ist, oder daß man Hathor so
feiert, als sei sie die Isis.
Fragen wir uns nun nach dem Alter unserer Lieder, so darf man
von vornherein schon für ihren Kern ein höheres Alter annehmen, denn
die Schaffung aller Kultformen liegt ja in Ägypten sehr weit zurück. Und
diese Annahme bestätigt sich denn auch bei genauerem Zusehen. Man be-
achte, daß das Horusauge in a noch wirklich das Auge des Sonnengottes
ist und geradezu für die Sonne eintritt. Man bedenke, wie wenig auf die
Osirissage angespielt ist, die die gewöhnlichen Ritualtexte so ganz beherrscht;
mir ist an solchen Anspielungen überhaupt nur aufgefallen :
c: gerechtfertigt (rnJ'^-hrw) ist Horus vor der Neunheit (lo, 5),
/: Isis freut sich über Horus in Chemmis (15,1),
(/: die Genossen des Seth (15, 3),
k: das Wort mf^-hrw vom Triumph des Königs (20, 3).
Wenn dann weiter der König in / schlechtweg \^'^3 (14, 5)
heißt, so deutet dieser Titel des unterägyptischen Herrschers geradezu auf
' Priester der Kronen: Brit. Mus. 574 (jius deni niittlercii ileicJi).
''' IJrk. IV, 479.
Hymnen an das Diadem der Pharaonen. 11
die Verhältnisse der Urzeit; ebenso wird wohl auch in ^ (i i, 5) angenommen,
daß der König sich die beiden Ägypten gewinnen muß. Audi spraclilicli
zeigen die Texte, wie an den betreffenden Stellen hervorgehoben ist, trotz
äußerer Überarbeitung ja noch Spuren hohen Alters.
Auf der andern Seite beachte man. daß, wie unten (S. 18. 20) ange-
führt ist, unsere Texte doch bei den Morgenliedern den Pyramidentexten
gegenüber jüngere Fassungen zu haben scheinen.
Aus dem, was unten über die Anschauungen der einzelnen Texte
dargelegt ist (S. 14. 15), ergibt sich ferner, daß sie zwar insgesamt älter als
das thebanische Königtum und älter als die Popuhu-ität der Sage von dem
Hathor-Sonnenauge sein werden, daß sie aber untereinander docli merklicli
abweichen. Sie werden also nicht alle der gleichen Zeit angehören. Natür-
lich muß man aber bei alledem sich gegenwärtig halten, daß Lieder dieser
Art durch ihren Gebrauch ständigen Änderungen ausgesetzt sind, so daß
sogar das Alte in ihnen jünger erscheinen kann als das Neuere.
Die (jöttin der Hymnen.
Das heilige Wesen, das alle unsere Hymnen feiern, ist im Grunde die
Krone der Könige. Aber bekanntlich ist die Krone der Pharaonen so viel-
gestaltig, und es ist so vieles in sie hineingeheimnißt worden, daß der Leser,
der diese Lieder liest, wohl glauben könnte, es sei von allem andern liier
die Rede als von ihr. Es ist daher nötig, hier zunächst einmal kurz die Lage
der Sache zu skizzieren.
Der ägyptische Herrscher trägt bekanntlich eine Schlange an der Stirn,
von der man glaubt, daß sie ihm im Kampfe seine Feinde vernichtet. Diese
Schlange hat ihr himmlisches Vorbild bei dem Sonnengotte, der überhaupt
als Vorbild des Königtumes gilt; auch um seinen Scheitel oder um seine
Sonnenscheibe ringelt sie sich, um Feuer gegen seine Feinde zu speien'.
Diese einfache Vorstellung hat sich nun aber durch Sage und Poesie
in merkwürdiger Weise umgestaltet.
Zunächst mischt sich die uralte Anschauung hinein, daß der Gott,
der im Himmel herrscht, und der alt Horus heißt, zwei leuchtende Augen
^ Wie dies Verhältnis zwischen Sonnengott und König in Wirklichkeit entstanden ist,
ob man den König nacli dem Gotte gestaltet hat oder ob der Gott seine Züge von dem
irdischen Herrscher erhalten hat, darüber ^vird man zur Zeit besser noch nicht urteilen.
.1*
12 Erman:
hat, deren eines, die feurige Sonne, natürlich auch die Feinde des Gottes,
die Wolken, verbrennt und verjagt. Ihm wird die Schlange gleichgesetzt,
und das »Auge des Horus« und seine Schlange gelten, so weit hinauf
unsere Kenntnis reicht, geradezu als ein Wesen. Und die Phantasie des
Volkes bildet dann eine Sage aus, die zeigen soll, wie dieses widersinnige
Verhältnis entstanden ist; es wird oft auf sie angespielt — auch in unseren
Hymnen — , aber in extenso ist sie uns meines Wissens nur einmal und in
einer trüben Quelle überliefert. Das Apophisbuch, das Budge aus dem
Papyrus eines Zminis veröffentlicht hat\ enthält in doppelter Fassung eine
ältere Erzählung der ägyptischen Kosmogonie. Daraus sieht man — so-
weit sich der verderbte und konfuse Text verstehen läßt — , daß Schu
und Tefnet, die Re durch Ausspeien erschaffen hatte, dem Gotte dabei im
Himmelsozean verloren gegangen waren. Da sandte er sein Auge nach
ihnen aus und es brachte sie wieder zurück. Aber inzwischen war dem
Gotte ein anderes Auge gewachsen und, erzählt er, das Auge »war wütend
gegen mich, als es wiederkam und fand, daß ich ein anderes an seiner
Stelle gemacht hatte«". Da setzte Re es als ^^ Pn» als »die leuchtende«
Schlange vorn auf sich »und es beherrscht das ganze Land«.
Eine andere Sage, die sich herausbildete, als man das Sonnenauge
und die Schlange gleich der Hathor setzte, kann hier beiseite bleiben, da
sie sich mit den Vorstellungen unserer Hymnen nicht berührt^.
Auf das andere Auge des Horus, den verschwindenden und wieder-
kommenden Mond, geht natürlich die Sage von einem Horusauge, das von
Setli geraubt und von Thoth wiedergebracht und geheilt wurde; sie ist
schon den Pyramidentexten und dem ältesten Totenbuche bekannt und hat
ihrerseits dann dasjenige »Horusauge« erzeugt, das der Horus der OsLris-
sage seinem Vater schenkt. Da nun das Sonnenauge einer Schlange gleich-
gesetzt war, so war es nur billig, daß auch dem Mondauge die gleiche
Ehre widerfuhr; wie diese Sache gestaltet war, ahnen wir nicht, aber
auch sie liegt schon unverkennbar in den Pyramidentexten vor: neben der
(1 o|X<c=r>^v O »der Schlange, die (als Auge) aus Re hervorging«
(1091), steht die (j^^ ji^S^P^f]^(] f^^ »die Schlange, die aus
' Budge, Papyrus of Nesiainsu, aus Vol. LIl der Arcliaeologia.
* Variante: »daß ein anderes in seiner Stelle gewachsen war«.
^ Vgl. nteine Religion', S. 34, Anm. 10.
Hymnen an das Diadem der Pharaonen. 13
Setli hervorging, die geraubte und wiedergebrachte« (1459) und neben
^ler ^^^^^"[j~^^0 "^^^' Schlange auf dem Scheitel des Re« (1568)
steht die (]^^^(]-[-Q\/p^ ^ ^ »die Scldange auf dem Scheitel des Seth«
(979)'. So haben wir also zwei Augen und zwei Sclüangen, und da
das Mondauge ja seinem Herrn Horus »wiedergebracht« war, so können
auch beide bei einem Gotte sein; Atuni hat nacli Totb. 17, 17 und der
Glosse zwei Schlangen und zwei Augen und Pyr. 1287 erliält ein Gott
^tS '^S^ B\ß\^~^ "<leine beiden Augen als deine beiden Schlangen « .
.<3>- Ci
Neben der Zweiheit von Sonne imd Mond gibt es nun aber noch
eine zweite für den Ägypter, die von Oberägypten und Unterägypten, deren
Unterscliiede in Religion und Königtum früh mit Behagen schematisiert
Avorden sind. Da lag es zunächst nahe, jene beiden Schlangen des Gottes
nun ihrerseits der Schlange des oberägyptischen Königs und der Schlange
des unterägyptischen Herrschers gleichzusetzen, den beiden Diademen, die
man die » Zauberreichen « - nennt. So haben wir schon in den Pyramiden-
texten (Pyr. 1832) <c:^^2>-^ ^ ^^^o?4V^3l^ » das Auge kam aus
deinem Haupte hervor als die oberägyptische Zauberreiche«, d. h. als das
Diadem von Oberägypten.
Sind so die Schlangendiademe gleich den Horusaugen, so müssen dies
auch die anderen Kronen sein, die »weiße« von Oberägypten und die »rote«
oder »grüne« von Unterägypten. Ich bin niclit ganz sicher, ob auch diese
Identifikation schon in den Pyramidentexten vorkommt'; unseren Hymnen
ist sie jedenfalls schon ganz geläufig.
Aber auch damit ist die Vermischung noch nicht zu Ende. P]s gibt
ja doch in jeder der beiden alten Hauptstädte eine Göttin, die als Schützerin
des Königtumes gilt, den Geier Nechbet .1- J| ^ K^ ^^^*' Oberägypten und
die Schlange Buto \c^\)r. für Unterägypten. Auch diese beiden hat man
' Nach unserm Hymnus i konnte man denken, daß die Schlange des Seth einmal
füf Ohci'ägypten in Anspruch genonnnen wurde.
'^ Diese übliche Übersetzung ist wohl eigentlich nicht genau; X j j scheint mir die
äbernatürliche göttliche Kraft zu sein, die auch außerhalb des Zaul)Crs wii-kt.
^ Pyr. 1459 — 1460 ist jedenfalls nah daran.
14 K R M A N :
den beiden Schlangen, Augen, Kronen gleichgesetzt', und so haben wir denn
schon in sehr früher Zeit die schönen Gleichungen:
Sonne
Mond
= Ilorusaugen = Schlangen des Sonnengottes = Schlangen
des Königs = Kronen von Ober- und Unterägypten =: Nech-
bet und Buto.
Die letzte Gleichsetzung mit den beiden Schutzgöttinnen hat dann
wieder zu einer neuen Entwicklung geführt. Denn zwischen diesen beiden
Göttinnen und anderen Göttinnen v,ne Bast, Sechmet, Mut besteht ein alter
Zusammenhang, von dem wir hier nicht untersuchen woUcii, was daran
ursprünglich und was sekundär ist. Jedenfalls müssen nun auch diese
Göttinnen es sich gefallen lassen, mit in den großen Rattenkönig hinein-
bezogen zu werden. In der späten ägyptischen Religion umfaßt er sogar
Isis, Mut und Hathor, so daß schließlich ziemlich jede Göttin gleich den
Augen, Schlangen und Kronen ist.
Es schien mir nötig, diesen Gang der Entwicklung hier kurz darzu-
legen, damit wir daraufhin nun den Standpunkt unserer Hymnen beurteilen
können. Er ist folgender:
/ begnügt sich damit, die Krone von Unterägypten zu feiern, ohne
des Horusauges usw. zu gedenken. Ob die Schreibung /fj für hi
etwa gewählt ist, damit man bei der Krone auch an die Göttin Neith denken
soll, stehe dahin.
Verhältnismäßig einfache Anschauungen herrschen in a, d, g, L h, die
nur Krone, Schlange und Auge durcheinander mischen. Und zwar handelt
a von der Krone von Oberägypten, die es dem Horusauge gleich-
setzt: dieses Auge schildert er als Sonne;
d von den beiden Kronen, die es als »w^eiße« Krone und Horus-
auge anredet, dann aber auch passender als die «beiden Augen«;
fj von der Schlange itfl, gleich dem Horusauge;
i von der dndnjt als dem «geraubten« und »wiedergebrachten«
Auge, also dem Monde;
k von der wnwnt als Schlange, die ebenfalls »geraubt« und »wieder-
gebracht« heißt, also als das Mondauije gilt.
?5'
^ In den Pyramiden kenne ich nocli keinen Bole
Hymnen an das Diadem ({rr riKirnoiirn. 1 5
Die Hymnen c, e, h niisolien Göttinnen hinein, lassen aber das Au^c
aus dem Spiel:
c, das die Schlange feiert, setzt sie zunächst der Schutzgöttin Buto
gleich, die ja als Schlange gebildet wird: sodann der schlangen-
gestaltigen Renen-utet und der Skorpionsgötthi Selchis:
e, an die beiden Kronen gerichtet, vergleicht sie den Schutzgöttinnen
Buto vmd Nechbet, sowie den beiden ?/?r/-(löttinnen und den
beiden «Töchtern« des Gottes — was wohl nur andere Namen
für die Schutzgöttinnen sind;
//, an die Krone von Oberägvpten, feiert sie als Schutzgöttin Nech-
bet und als Göttin Mut und beiden entsprechend auch als Geier;
sodann als Schlange in allerlei Benennungen.
Die volle Verwirrung bietet endlich h, ein Lied an die Krone von
Unterägypten. Sie ist das Horusauge und sie ist die Schlange, die den
König im Kampfe leitet, sie ist die Schutzgöttin Buto, und weiter ist sie
die Bast aus dem Delta, die Sechmet, die Menhit u. a. m.
Eines fällt bei alledem auf: unter allen Göttinnen, die in diesen Hymnen
genannt werden, fehlt gerade diejenige, an die Avir heut zunächst denken,
wenn vom Auge der Sonne die Rede ist, das seine Feinde vernichtet, die
Hathor; nur b nennt wenigstens ihre Verwandten, die Sechmet und Bast.
Daraus folgt doch wohl, daß unsere Hymnen älter sind als die vSage von
Hathor, wie sie uns in der »Destruction des hommes« vorliegt.
Wenn weiter die Mut in h nur nebenbei an 14. Stelle genannt ist,
so ist das ein Zeichen, daß das Lied aus einer Zeit stammt, der die Ge-
mahlin des Amon noch wenig galt.
Im ganzen werden danach die Hymnen a, d, g, /, Je als ursprünglichere
gelten dürfen, während b den jüngsten Charakter trägt. Auf Unterägypten
gehen b und /, auf Oberägypten a, cj, h, i, k, die keinerlei Hinweis auf
Dinge des Delta enthalten.
Die Morgenlieder und der Vortrag der Hymnen.
Von den zehn Texten, die unsere Handschrift aufweist, sind neun
-yc"^^ ' ^^'' ^^•^^' I^obpreisungen, HymnenNj^, und nur eine, e, ist ein , ?•/,
d. h. ein Spruch. Die Versuchung liegt daher nahe, dieses Material zu
^ h würde, wenn es einen Titel hätte, auch dwi heißen, da es ja ein j^enaiu.s Sc-itcu-
.stück zu den mit dwi bezeichneten Stücken b und c bildet.
1 6 E R M A N :
einer Untersucliung der Form dieser Plymiien zu benutzen. Indessen ist
es ein böses Geschäft, Gedichte so zu untersuchen, von denen man nichts
als die Konsonanten kennt und deren Verszeilen überdies nicht abgeteilt
sind, und so wollen wir uns hier nur mit einer besonderen Art dieser Lieder
befassen, die ein festes Schema hat, das uns zur Richtschnur dienen kann.
Es sind dies die Lieder der Form
^ ^^^^1\ f^^f' fn htp du erwachst in Frieden,
'TI ^s>- ^"^"^ 1\ rs d^ri m htp die Rote erwacht in Frieden,
"i o \\\ rswtt htptj dein Erwachen ist friedlich,
die unsere Handschrift in vier vollständigen Beispielen (/;, c, g, h) bietet luid
die überdies in ihr zu den Anfängen von d und k benutzt sind. Auch
sonst sind Lieder dieser Art oft belegt und den verschiedensten Göttern
gewidmet. Ich kenne im ganzen folgende Beispiele, die Texten aller Zeiten
angehören :
1. an den Sonnengott: Pyr. 1478 (4 Strophen als Anfang eines
Textes), vgl. auch Pyr. 1 5 1 8 ;
2. an Harsaphes von Herakleopolis : Mar. Mon. div. 21 (4 Strophen
als Anfang einer ic\ betitelten Inschrift des u.R.);
3. an Ptah: Pap. Berlin 3048, 3, 3 ff. (9 Strophen mitten im Hymnus
an Ptah);
4. an Amon Re und Re:
a) Amonsritual Berlin 13, 1 1 ff. (7 Strophen inmitten eines Hymnus),
b) Pap. Berlin 3049, 4, i ff . (9 Strophen),
c) LD. III 236a (Dyn. 20) (4 Strophen),
d) Brugsch, Oase 15 (i Strophe als Anßmg eines Hymnus),
e) nur eine Strophe als Hymnenanfang, Amonsritual Berlin 16, i ;
ib. 17, I,
f) nur eine Strophe als Schluß eines Hymnus, Mission V, 359
(Dyn. 18),
g) Inschrift im Grabe des Cha-em-het, eine Strophe mitten im
Hymnus ;
Hymnen an das Diadejn der Pharaonen. 17
5. an Osiris:
a) Mar. Dend. IV, 55)) (5 Strophen),
b) Pyi'- 1502 (eine Strophe inmitten eines Textes; »du erwachst
in Frieden« usw., sagt Re zu dem vom Tode erwachenden
Osiris) ;
6. an Horus von Edfu: Rochem. Edfou I 141!'. (84 Strophen);
7. an Hathorvon Dendera: Dum. Temp. Inschr. 30 (13 Strophen);
8. an die Krone und ihr verwandte Göttinnen:
a) unser Papyrus: c (Schlange) = Urk. IV, 479 (Mut),
1) — d) unser Papyrus b, g, h,
e — f) nur eine Strophe als Hymnenanfang: unser Papyrus d und k\
9. an die Kleidergöttin Tait: Pyr. 56;
10. an den himmlischen Fährmann: Pyr. 383;
11. an den Weihrauch, der beim Räuchern wie eine erwachende
(lottheit angeredet wird. So ungern man einen solchen Widersinn zugeben
wird, so ist doch kein Zweifel daran möglich, da wir drei Belege in Ritual-
texten dafür haben: Abydos Ritual, tabl. 26 (Kap. 11); Mar. Dend. IV,
46a; Mar. Dend. IV, 56a.
Wie man sieht, wird in diesen letzten Fällen die Formel »du erwachst«
gebraucht, wo sie gar nicht hingehört, denn die Tait und der Fährmann
werden ja nur gerufen, um dem Toten Kleider und Schiff zu geben, und
der Weihrauch soll ja nur brennen. Das beweist, daß diese Formel der
uralten Zeit, die die Ritualformeln gescliaffen hat, sehr geläufig gewesen
ist, so sehr, daß man sie nun auch per nefas benutzte. Auch im neuen
Reiche noch war sie, wie die obige Liste zeigt, eine sehr beliebte Form
der religiösen Poesie und auch die Priester der griechischen Zeit haben
sie nicht vergessen. So gibt es denn im neuen Reiche auch einen eigenen
Ausdruck für ihr Hersagen, der in dem Hymnus Pap. Berlin 3049, 3, 4ff.
vorkommt: » sie (die Götter) ß 9 SA Preisen deinen Namen, ]
sie verehren deinen Ka« usw. Und es hat sich sogar eine besondere Art
der Schreibung für sie herausgebildet, bei der man die eigentliche Formel
nur einmal ausschreibt und die variierenden Bestandteile der verschiedenen
Strophen tabellenartig dahintersetzt. Unser Papyrus zeigt diese Schreib-
PhiL-hist. Klasse. 1911. Abh. I. 3
18 K R M A N :
art in y, sie kehrt ähnlich wieder Vü\). Berlin 3049, 4, iff.; Pap. Berlin
3048, 3, 3 ff.; Amonsritual Berlin 13, 1 1 ff . ; Rochem. Pxlfou I, 1411'.; Dum.
Temp.-Inschr. 30 und wohl auch Brugsch, Große Oase 15.
Trotz dieser vielfachen A^crwendung dieses Liedes im Kultus sind sich
die Ägypter doch immer noch dessen bewußt geblieben, daß es eigentlich nichts
anderes war, als ein Morgenlied. So schließen sich in Dendera unmittelbar
daran die Verse ^^^ 1 (1 (^ ^^ P »früh sind die Götter auf, um sie zu preisen,
die Herrliche, die aus dem Ozean aufgeht«, und fast genau der gleiche
Zusatz findet sich in Edfu. Im Pap. Berlin 3049, 3, 8 aber heißt es: «bei
deinem Aufgang, o Re, musizieren die Göttinnen und preisen die Größe
deiner Liebe . . . P'^^^'l -^P ^^^'^^'^4 1 '^^^ wecken dich auf mit
(? lies m?) Lobpreis . . . denn du bist ihr Schöpfer« : daran schließt sich
dann unmittelbar das oben unter 4 b aufgeführte Lied. Es gehört nicht viel
Phantasie dazu, aus dieser Stelle den ursprünglichen Gebraucli eines solchen
Morgenliedes zu schließen: die Göttinnen, die hier damit ihren erwachenden
Herrn, den Sonnengott, begrüßen, sind gewiß nur die himmlischen Abbilder
der irdischen Frauen, die so den erwachenden König begrüßen. Unser Lied
Du erwachst in Frieden,
N. N. erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich
wird einst das Morgenlied gewesen sein, das in der Urzeit Ägyptens in
der Wohnung des Herrschers angestimmt wurde. Von da aus Avird es dann
auf Götter übertragen sein, die man am Morgen verehrte, vor aUem also
auf den Sonnengott bei seinem Aufgange ^
Ein liied, das so viel in Gebrauch gewesen ist, wie das unsere, muß
natürlich auch starke Veränderungen erfahren haben. In der Tat findet
es sich in mehreren Fassungen:
A) ohne die Zeile riwtk htptj. So stets in den Pyramidentexten, so
daß man geneigt sein könnte, diese Fassung für die ältere zu halten. Es
kommen folgende Varianten vor, wobei ich die verschiedenen Namen und
Epitheta eines Gottes, mit denen variiert wird, mit N. i , N. 2 usw. bezeichne.
' Da auch das morgendliche Gebet zur Sonne eine große Rolle in Ägj^iten spielt,
.so liegt der \'ordac'ht nahe, daß das Verbuni >^^^ ^ fJw^ »verehren« \(m dwS »Moi-gen«
abgeleitet ist und ursprünghch das Morgengebet bezeichnete.
Hymnen an das Diadem der Pharaonen. 19
a) r^k m htp Du erwachst in Frieden,
ri N. 1 m htp N. i erwacht in Frieden,
r^ N. 2 m htp N. 2 erwacht in Frieden,
N. 3 m htp N. 3 in Frieden,
iV. 4 m htp N. 4 in Frieden.
(Pyr. 56.)
1)) rsk m htp Du erwachst in Frieden,
N. 7 m htp N. I in Frieden.
rkk m htp Du erwachst in Fried <'n,
N. 2 m. htp N. 2 in Frieden
usw. usw.
(Pyr. 1478; 15 18.)
c) rsk m htp du erwachst in Frieden,
N, 1 m htp N. I in Frieden,
N. 2 m htp N. 2 in Frieden,
N, 3 m htp N. 3 in Frieden
usw. usw.
(Pyr. 383.)
B) Mit rswtk htptj am Schluß jeder Stroplie
r^k m htp Du erwachst in Frieden,
nv N. 1 m htp N. i erwacht in Frieden,
rswtk htptj dein Erwachen ist friedlich.
rsk m htp Du erwachst in Frieden,
rs N. 2 m htp N. 2 erwacht in Frieden,
rswtk htptj dein Erwachen ist friedlich
usw. usw.
Die gewöhnliche Form, wie sie in unsern Liedern, in dem Ritual des
Räucherns, in den Inschriften des n. R. und Mar. Dend. IV, 55 (an Osiris)
vorliegt. Dabei wird zuweilen eine Zeile fortgelassen, so in unserm Liede h,
das von 2, 4 bis 3, 5 die dritte Zeile übergelit, die es doch vorher und nach-
her hat. Statt rswtk htptj kommt in h und c auch rswt hik htptj »das Er-
waclien deiner Seele ist friedlich« vor, und zwar steht dies, wie an seiner
Stelle gezeigt werden wird, ursprünglich im Schlußverse.
20 Erman:
C) Mit rs hü htpiw, wns wohl rs tw htptj sein soll, als erste Zeile
a) rs tw htpiw Erwache friedlich!
rsk m htp du erwachst in Frieden,
rs N. 1 m htp N. i erwacht in Frieden.
rs tw htptw Erwache friedlich!
rsk m Idp du erwachst in Frieden,
rs N. 2 m hip N. 2 erwacht in Frieden
usw. usw.
(Amonsritual Berlin 13, iift"., Berliner Hymnen aus Dyn. 22.)
b) r^ tw htptw Erwache friedlich!
rsk nfr m htp du erwachst schön in Frieden,
rS N. 7 7n <^nh N. i erwacht in Leben,
dann nach einem Zwischenvers (die Götter sind früh auf, dich zu ver-
ehren usw.) die eigentlichen Strophen im alten Schema
rs N. 1 m htp N. i erwacht in Frieden,
rswtk htptj dein Erwachen ist friedlich.
rS N. 2 m htp N. 2 erwacht in Frieden,
rswtk htptj dein Erwachen ist friedlich
usw. usw.
(Rochem. Edfou I i4ff., ähnlich Dum. Temp.-Inschr. 30 in Dendera.)
Zu diesen Änderungen im Schema tritt dann noch in den späteren
Beispielen eine Änderung, die eigentlich viel tiefer in das Wesen des Liedes
einschneidet: der einfache Name, der an den mit N. bezeichneten Stellen
steht, wird durch Zusätze immer mehr verlängert. Man vergleiche z. B.
Pyramide7itexte : einfache Namen wie © Re, J]-<2>- Osiris oder kurze Zu-
sammensetzungen wie "^^tko »östlicher liorus«, (1-jk |l „ »der von Ndjt« ;
unsere Hymnen: meist wie die Pyramidentexte, daneben aber auch
schon längere Epitheta, wie z. B. "^^Sr)^ | ^P^'CZ? ^f Dn »die Kopferhe-
bende, mit weiter Kehle« (8,1) oder "^^Qfl^ J-[[-|^^'===^^ J ''^li^
Leiterin, die an der Stirn des Horus ist« (4, i);
Amonsritual Berlin (Dyn. 22): neben kurzen wie fö '^^ »Fürst (?) der
Länder« oder \ ^^i^-^ "der sich selbst baute« so lang ausgesponnene
Hymnm an das Diadem der Pharaonen. 21
- - :™ikr^-p^?^:^ivvr7^,k?
r^NV'Ar^
^in\ I I "^^^"' ^^ ^^^ ^^^ Götter sich verneigend kommen, der Herr
der Furcht, groß an Ruhm im Herzen aller Menschen«;
Ptahhymnus (Dyn. 22, Pap. Berlin 3048, 3, 3 ff.): neben ö ^ ^Äö ^
Ifls^mi^liT^ "'^^^^'' cler Väter aller Götter« Zeilen wie PJt^VI^I
^ I Wl, , , J l ^ ^ ^^ ! '^^^^^ 5]^''^—- "der die Ewigkeit und
die Unendlichkeit durchschreitet, der Herr der Lebenskraft, der Speisen gibt
dem, dem er will«.
Diese Erweiterungen sind für unsere Vorstellungen von ägyptischer
Metrik von großem Interesse. Wir können uns ja mit annähernder Sicher-
heit ein Bild von dem metrischen Bau unseres Liedes machen; in normaler
Fassung wird es etwa so gelautet haben:
r^ji-s^f ^m h-Lt^'p
r^j^k m^nh-j^i ^m h^t-p
r ^j^ sw -'- ;^/ h^ t^pt^j,
also hatte es in der ersten und dritten Zeile je 2 Hebungen, in der
zweiten eigentlich 3, von denen die mittlere auf den Namen fällt. Und
an die Stelle dieser einen mittleren Hebung des zweiten Verses treten nun,
Avie man aus den obigen Beispielen sieht,
in den Pyramidentexten auch 2 Hebungen,
in unseren Hymnen wahrscheinlich bis zu 4 Hebungen^
im Amonsritual von 2 Hebungen bis zu 8 oder 9,
im Ptahhymnus von 3 oder 4 Hebungen bis zu 6 oder 7.
An ähnlichen auffälligen Tatsachen fehlt es ja auch sonst nicht in
der ägyptischen Poesie. Ich erinnere z. B. daran, daß man in Hymnen
an den König ungeniert dessen Titulatur einfügt, obgleich diese doch ge-
wiß nicht auf metrischen Bau berechnet war oder an die Art, wie in vni-
Sern Hymnen das lange -^^^W ^ \\ ^.rjj ^ if^,^^ ^^^ ^^^ kurzen Verse
eingeschoben wird (z. B. in a oder in /). Das alles ist nur möglich,
' Natiii-lich sind diese Zahlen nur annähernde Schätziinij-en.
22 E R M A N :
wenn überhaupt kein straffer Versbau vorlag: man muß diese Hymnen
so liergesagt und gesungen liaben, daß man zwisclien die Hauptworte, auf
denen Betonung und Melodie lagen, ad libitum variierend minder betonte
Worte einfügen konnte; es war also kein strenger Gesang, sondern ein
Kantilenieren, wie etwa heute beim Koranlesen. Und damit beantwortet
sich nun auch sclion halb die Frage nach dem Vortrag dieser Hymnen
und der ähnlichen religiösen Texte. Sie werden weder in unserer Weise
gesprochen noch in unserer Weise gesungen worden sein; man wird sie
ebenso halb singend vorgetragen haben, wie man es heute in der Moschee
tut, und je nach dem Charakter der Handlung wird mehr das Sprechen
oder das Singen überwogen haben. Wenn z. B. unter dem »Lobpreis der
Neith« (/unseres Papyrus) steht llfl, .©INI »viermal zu sprechen«, so
heißt das gCAviß, daß dieser kurze Text herzusagen ist. Dagegen wird
eines der obenbesprochenen Morgenlieder beim Kultus im Amonstempel
nach dem Bilde LD. III 236 a vorgetragen von zwei Sängern, die sich mit
Harfe und Leier begleiten, und einem Flötisten^ und im allgemeinen wird man
Lieder, Avie sie uns hier beschäftigen, meist in den Tempeln gesungen haben.
Text und Übersetzung,
a. An die Krone von Oberägypten.
rOi .6.0 , tk lic '^
'i-'fm,f,kj,i,p M7Pkfäf
n I c^
/\iWv\A
iMpr^'^i^i ra^^^,-^,k.^t:- P--
io
4^■|x 1*^ ^ ^""^^^J-^^ ;.^ J ^ xv^~^
AA/^A^^
s a
t^,^*:kn o 1 li'-^^xx -^^^^^^
\
^/]^
SIC 1
'■ Der cliivorsteliende Hohepriester räuchert und übergibt das Opfer. \\'er dennocl» M
annehmen wollte, daß auch dieses Lied zu dem gehört, was er vorträgt, müßte in den ^
INIusikanten die Begleitung seh(>n, was auch so ein Singen des Textes \oraussetzen würde.
Hymnen an das Diadem der P/taraonen. 23
1. Dcas fehlende /wsaaa in unklaren Spuren erhalten.
2. Die Ligatur ^^, die eigentlicli ^^~^ ist, aber auch für
vorkommt; vgl. Möller, Paläographie I 510B.
Lobpreis der Weißen.
Verehrung dir, du Auge des Horus,
weißes, großes, über dessen Schönheit die Neiudieit jauchzt,
wenn es aufgeht im östlichen Horizonte.
Es preisen dich die in den Erhobenen (?) des Schu sind,
die herniedersteigen im westlichen Horizonte,
wenn du glänzen gelassen wirst für die Bewohner der Unterwelt.
Gib, daß Sobk die beiden Länder durch dich erobere,
daß er Macht über sie habe.
Gib, daß die Götter sich neigend zu ihm kommen, zu Sobk,
du bist (ja) die Herrin der Kronen.
Die ersten beiden Strophen identifizieren die weiße Krone von Ober-
ägypten mit der Sonne, die am Tage die Götter verehren und nachts die
Toten. Die »Erhobenen (?) des Schule sind dabei als die Stelle genannt,
wo die Sonne im Westen versinkt. Die beiden letzten Strophen enthalten
ein Gebet um Beistand im Kampfe; ganz Ägypten soll die «Weiße« dem
König unterwerfen und ihm die h^^io verleihen, über die sie zu verfügen hat.
Man beachte den Strophenbau 3. 3. 2. 2, wobei ungeniert der
lange Königsname eingeschol)en wird, entsprechend dem oben
S. 2 I ausgeführten. — twt ist das alte fwt, das hier für die alte
weibliche Form hnt steht"; vgl. dasselbe 20,3 in Ic und 19,3
in /. Dabei ist der Schluß von k auch im Satzbau unserer
Stelle ähnlich.
^ Die übliche Übersetzung -Stützen des Schu« ist, wie mii* Hr. Grapow bemerkt,
nicht haltbar. \
^ Ich verdanke Set he den Hinweis, daß twt für fmt auch in den Inschriften dci-
Hatschepsut vorkommt (üi-k. IV 222,10; 229,12: 228,15: 343,10) imd ebenda auv\i sivt
lur das weibhchc stt steht (ebenda 221, 14: 257,9. 11; 258, 12).
24
K R M A N
b. An die Krone von ünterägypten.
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Ol I I I o
[lo] Das AAA/vvA in s/^ri a^^vam mrt ist nur ein kleiner Strich.
[ 1 3] Hinter ^/m/ das Zeichen Möller, Paläogr. 1 106, das unsere
Handschrift 6,5 für A — q braucht. P]s ist rot durchgestrichen,
also getilgt. [15] Das A ist etwas anders gestaltet als in 3, i
(= Möller, 1 266), es gleicht eher dem ]\. Trotzdem wird die
Hymnen an das Diadem, der Pharaonen. 27
Lesung so richtig sein. [ 1 6] Hinter nfrw scheint ein kleines
vom Schreiber verwischtes Zeichen gestanden zu haben. [19] Das
^ in wd^ mdw könnte auch o sein.
b. Verehrung der Zauberreichen von ünterägypten.
[1] Du erwachst in Frieden,
die Zavherreiche erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
[2] Du erwachst in Frieden,
die Königin erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
[3] Du erwaclist in Frieden,
die Rote erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
[4] Du erwachst in Frieden,
die Krone nt erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlieli.
[5] Du erwachst in Frieden,
Buto erwacht in Frieden,
die in Dpw ist, die Herrin des pr-wr, die im pr-nsr ist,
die den Kopf des Horus des Ostens ausschmückt,
die dem Sobk zugeteilt ist,
die unversehrte reine (?),
das Horusauge, das vielfarbige zu Ht-wr-klw.
[6] Du erwachst in Frieden,
Nesret erwacht in Frieden.
fy] Du erwachst in Frieden,
Sechmet erwacht in Frieden.
[8] Du erAvachst in Frieden,
Bastet erwacht in Frieden.
[9] Du erwachst in Frieden,
Menhit erwacht in Frieden.
.... ist auf deinem Munde,
und .... auf deinen Lippen.
28 Erman:
Wenn du gehst, so gehen die neun Bogen fort;
du durchziehst deine Felder,
du <^^m-wtt, die du deinen Weg bahnst in ....
[loj Du erwachst in Frieden,
die Leitende^ die an der Stirn des Horus ist, erwacht in Frieden,
das Erwachen deiner Seele ist friedlich.
Hoch ist deine Gestalt, Heiße, ....
Mächtige, Starke, Flammengerüstete,
Herrin des Himmels, Herrscherin der beiden Länder,
Auge des Horus und seine Leiterin,
Hkn-wtt, Herrin der Ewigkeit.
Feurige, Rote, deren Flamme schmerzt,
du Schlange des Menschenleiters,
Herrin der Flamme, Brennende,
Fressende, Feurige (?), die du tausende ....
[ii] Du erwachst in Frieden,
Soi/iis (?) erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
[12] Du erAvachst in Frieden,
die Herrin von ^^bs erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
[13] Du erwachst in Frieden,
die Tijtt, die da .... erwacht in Frieden,
das Erwachen deiner Seele ist friedlich.
[14] Du erwachst in Frieden,
die von Buto erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
[15] Du erwachst in Frieden,
die ISmjt erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
[16] Du erwachst in Frieden,
die Rmn-wtt erwacht in Frieden,
das Erwachen deiner Seele ist friedlich.
Hymnen an das Diadem der PMracmen. 29
[17] Wie schön ist dieses Horusauge,
mit den vielen Krümmungen,
das am Kopf des Sohk leuchtet.
[18] Wie schön ist Sobk,
der mit der Grünen glänzt,
der schön ist durch sein großes Auge,
das unter seiner Braue liegt.
[19] Es leitet die neun Bogen,
es befehligt die neun Bogen,
es jagt die Gestalten (?) des Seth, die im Dunkeln sind, heraus.
[20] Es schlägt Wunden.
Seine Röte ist unter seinen Feinden — in seinem Namen »Rote«,
und (sein) Grünen ist (für?) seinen Horus, — in seinem Namen »Grüne«.
[21] Schütze den Sobk,
vor allem (Bösen).
Zum Vergleich mit der Aufzählung unseres Textes gebe ich zunächst
eine sehr äJmliche Liste, die in einem Ritualtext beim Räuchern vor der
Schlange dient (Libro dei funerali Taf. 66; Text II 88 ff. ; vgl. Champ.
Not. I 523 und Luksor, Kammer der Mut am ersten Pylon -- Rec. 16, 53):
^^ciß^p,. die Zauberreiche, vgl. Strophe [i];
||1 (j op^ ^^"^ "^ '^ '^ '"H"' die Buto vom Großhaus und Feuerhaus, vgl. [5] ;
§®^ die Sechmet, vgl. [7];
^ -^1],^ die Mrt (Schlange), vgl. [6];
|(l[lo^ D^© die Buto von Pe und Dep, vgl. [5];
■Ä3Ö^ die Wnwt (fehlt);
,a die Menhit, vgl. [9];
iPPn ^Of— 1^^ die in Ht-wrt-hw, die Stadt ist in
[5] genannt;
30 E tt M A N :
A/W\AA
o die vom Südtempel (fehlt);
'wvwv Jie vom Nordtempel (fehlt);
/WV\AA
^ üüOri die Herrin von SMt (fehlt)'
c> "a
I JPPa ^^^ Herrin von Wb^, vgl. [lo];
n. die Herrin von ///p^ (fehlt) ^
g(]()oy^ die T^ß, vgl. [13];
8 AAAAAA f^ j] ^ ^^::^__ die Lei ihrem Vater ....... vgl. [13].
A o <:rr> — H —
Ich gehe nun den Text Strophen weise durch.
[i] wrt-hkhc mit ß determiniert als Name der roten Krone, Pyr. 194;
die wrt-hhw »von Oberägypten« als Name der weißen Krone, Pyr. 1832,
Edfu I 56; von beiden Kronen, Urk. IV 288. Oft auch von den Schlangen
und Göttinnen gebraucht.
[2] Man beachte, daß die »Königin« hier genau so geschrieben ist wie
sonst der König; das gleiche findet sich auch Pyr. 824. 781, und vielleicht
wurde eben das eine Wort für König und Königin gebraucht,
[4] Die Krone nt ist hier und in / so geschrieben und determiniert,
daß man auch an die Göttin Neith denken könnte; gemeint ist aber die
Krone, A^gl. z.B. Pyr. 194, wo Y , ^^~^\)n, ^5? > ( ^L so wie
in unserm Texte parallel gebraucht sind.
[5] Die obige Liste unterscheidet die Buto der beiden Heiligtümer^
von der Buto der Stadt, was unser Lied nicht tut. — Worauf es geht, daß
Buto den Horus des Ostens ausschmückt, weiß ich nicht. — Das fpt n S.wdU
b^Ict berulit aufstellen aus dem Ritual, wie »ich briiiQ-e dir das Horusauge,
' Vgl. aber in c (Ö. 38).
^ Daß diese Hatlior in unserm Text fehlt, ist wohl ein Zeichen seines Alters.
rn 1 I
^ Daß das ^J"^ dasselbe ist, was sonst .^v. heißt, hat schon Schiaparelli, Libro dei
ü ^^=f
iunerali 11 88, bemerkt. Daß beide Heiligtümer ursprünglich der Büto eignen, sieht man z.B.
aus Palermostein, Rs. 2. ^.
Hymnen an das Diadem de?' Pharaonen. Hl
1(J ^^ .v^t^J '^^'Ä'^ (P ^^^^ überweise es dir reiii(?)« (Berliner Amoiis-
ritual 32, 2); /;/^ wird außer vom Horusauge auch von der Sonne und von
reinen Kleidern gebraucht.
[6] Nsrt, die später als nsrt »Flamme« gefaßt und als feuerspeiende
Sclilange gebildet wird, ist, wie es Totenb. ed, Nav. 71, 5 heißt, nSntj
«gräßlich«, wird also als Kriegsgöttin gedacht. Auch Pyr. 194 gilt sie als
unterägyptisch.
[9] Menhit wird im Ritual von Abydos Kap. 8 mit einem Löwen ge-
schrieben, als sei sie ein Seitenstück zur Sechmet, aber nach der gewöhn-
lichen Auffassung ist es ein Name der Schlange des Königs^; sie ist »groß
an Schrecken« (Mar. Dend. IV 78), wirft Feuer gegen die Feinde (ib. III
77c, d) und schützt den König im Kampfe (LD. III 126a). Es ist also eine
Kriegsgöttin"', und ohne Zweifel drücken dies auch die .Beiworte aus, die
ihr hier gegeben werden. Das idw (das nicht mit dem weiblichen Worte
für Tau verwechselt werden darf) findet sich sonst fast nur in dem Aus-
drucke: »ein Jahr des idw<^ (Sinuhe 45; LD. II 1503), d. h. ein Jahr, wo
Sechmet besonders fürchterlich ist; überall ist es mit dem Himmel oder
dem regnenden Himmel geschrieben, was freilich auch von i^dt »Tau« ent-
lehnt sein kann. Auch mnh ist unbekannt, denn an 7nnh »Wachs« wird
man nicht denken wollen^. Soll das Ganze etwa heißen, daß die Göttin
vor Wut »Schaum« vor dem Munde und »Geifer« auf den Lippen hat^? Der
Paralleltext Urk. IV 480 hat ebenso (1 c^^^ ^=^®'7^o'^^§\.f^n°£=5.
^ 1 JlMlMll /vwwv X I I I I I I o
— Das nächste schildert, daß die Feinde l)ei ihrem Nahen lliehen ; statt
des ersten §m'' »gehen« erwartet man ein Wort für kommen, aber das
hätte ja die stilistische Feinheit des Verses verdorben. — Die »Felder«
gehören ihr wohl, weil sie sie kämpfend durchzieht. — Bei <^^in-wtt denkt
man an einen der mit wtt gebildeten Schlangennamen, und in dem <^}m könnte,
worauf das Determinativ führt, der Pflanzenname '^^ ^^^ stecken.
Auch <:=^>§ ^^ ist eine Pflanze (Pap. med. Berlin 7, 7) und dh^^t könnten
A-^ fli I I
* So auf den Kairiner Särgen des m. R. parallel zu j) und (1<=>; sodann Maj-.
Dend. I 13 »auf dem Haupte des Königs«.
^ Ob der Name mit ww/t »Schlächter« zusannnenhängtl'
' Hängt es mit der Göttin mnhjt und dem Schlächter mnh zusannnen?
* Dann wäre ein »Jahr des tdw^^ ein Jahr, wo Sechmet schäumt, d. h. grinunig rast.
5 Man beachte, daß der Text sm noch als Verbum HI inf. behandelt.
32 E R M A N :
deren Früchte sein, aber was soll das alles? Der Paralleltcxt Urk. IV 480
sie sie sie sie sie
,y^A^ J\ ^ä^\ I I 0_S^1l IM D Xolll A 0 Jrill
nur zeigt, daß er aucli nichts mehr davon verstand.
[10] Hier wird die Krone als die Schlange an der Stirn des Herrschers
gedacht, die ihn im Kampfe »leitet«''; der gleiche Ausdruck und Gedanke
auch Pyr. 396. — Das ^^^^psD« möchte man in rk/jt »brennende« verbessern;
auch sU wird verderbt sein. — Zu spd (n?) nsrt vgl. H Al ^ c^y '*
»llammengerüstet« als Name einer Tür (Amduat IV 48). — Man beachte,
daß die Handschrift hier nebeneinander s§mji und ssmwtf schreibt, wohl
entsprechend der verschiedenen Betonung: s^sSjiij-^t aber s^S^mio~t^f; in
der betonten Silbe Avar das alte w erhalten, in der unbetonten war es zu /
geworden. Vgl. die ähnliche Erscheinung Gramm. ^ § 188 Anm. und die
irgendwie auch dazugehörige Sprache des Westcar, § 35 Anm. — In hkn-wtt
wird man einen der Schlangennamen auf wtt zu erkennen haben; vgl. die
Bemerkung zu [13]. — htt wird als weibl. Adj. htjt zu ht »Feuer« zu fassen
sein; der Ausdruck mr-nsrt »mit schmerzender Flamme« findet sich auch
sonst". — Mit dem s^tnw-7vnU »Menschenleiter« ist natürlich der König ge-
meint. — (1(]^|1 ist die alte Schreibung für nr^\. (jll^fl *<ii^ fressende
(Flamme) « ; das Wort kommt oft als Feuer vor, das Feinde verzehrt, als
eine Göttin Totenb. ed. Leps. 164, 4. — w/w^i ist nur aus Amduat IV 30
und aus Bonomi, Sarcophagus 2 bekannt. Der folgende Name läßt sich
allenfalls auch (j jl lesen.
[11] Ob wirklich der Stern Sothis gemeint ist? oder ist es nur eine
»ausgerüstete« Schlange?
[12] HM ist nach Brugsch, Dict. geogr. 555 eine Stadt, wo Sechmet-
Buto verehrt wird.
[13] In der oben (S. 30) abgedruckten Liste ist an dieser Stelle die f^ß
hknt Jir itß genannt. Unser Text hat in Ujtt jedenfalls das Alte bewahrt, denn
Pyr. 56 wird in der Tat von tijt eine t^jit unterschieden. Anders steht es
* Pyr. 2038 nimmt zwei simtot an, die natürlich den beiden Kronen entsprechen;
Edfu I 418, I wird s. vom »Auge« gebraucht, Mar. Dend. I 73a ist es ein Name der Hathor
geworden.
^ Z.B. Amduat IV 25; LD. II Text 183; Edfu I 113; aucii als Name der 8. Stunde
der Nacht Mar. Dend. 111 24; Two papyri 9,
Hymnen an das Diadem der Pharaonen. 33
vielleicht mit dein hknt rht unseres Textes, das keinen Sinn gibt. Von den
bei Scliiaparelli, Tibro dei funerali II 90 gegebenen Varianten jener Liste
stellt das hknt (j<=>^ aus Biban el Moluk unserer Lesart noch am nächsten,
die andern haben hknt ^ (j ^ oder hknt ^.^"^ ^ \\ '^ . Nun weiß
ich freilich nicht, was dies heißt, aber eine Bestätigung des Jj^knt in cnh
kr itß liegt doch darin, daß es in der Tat eine | '""^^^PnT"?" '
T^Bl ^^^ ^^'^^" ^^^^^' ^^^ 77c~d; ib. I 52 a). Im übrigen vergleiche
man zu unserm hkn die Schlangen |^^ (Amduat I 24) und hkn-wtt (oben [io|)
und vor allem Urk. IV 566: »du bist gekrönt mit der Zauberreichen
? "^^^^^z:^ fl ¥^ P damit du dui'ch sie « — Ursprünglich war das
Morgenlied wohl hier zu Ende und [14 — 16] sind ein späterer Anhang;
vgl. die Ausfiihrung zu c [iij (S. 38). Es enthielt also nur die Namen,
die auch in der Liste S. 29. 30 vorkommen.
[15] Bei i^mjt, wie wohl zu lesen ist, darf man hier gewiß nicht an
«angenehme« denken. Ob es ein Derivat eines Stadtnamens ist?
[16] Rmn-wlt ist wieder einer der Schlangennamen auf wtt; wie aber
das Zeichen des Thoth dahinter kommt, ahne ich nicht.
[17J Das Morgenlied ist hier zu Ende. — Die h^ht ist der gekrümmte
Draht an der roten Krone, der auch an ihrer Göttlichkeit teil hat; das
» viel « davor und den Plural verstehe ich nicht ; auch in / [ i ] steht das
Wort im Plural.
[18] Die »Grüne« ist in den ältesten Texten bekanntlich ein zweiter
Name der »roten« Krone (z. B. Pyr. 1459 Yq ¥ ); hier ist sie als Auge
gefaßt, und zwar als das leibliche Auge des Königs selbst.
[19] Was ist das (1 gA vor s§ms2 und was soll es, daß die Feinde
hier »geleitet« und »befehligt« werden? Sind sie etwa schon als ^^p
als ägyptische Söldner gedacht? — Die sfirnw des Seth sind seine Ge-
nossen, die Feinde des Königs; daß diese Bösen »im Dunkel« hausen, ist
bemerkenswert. \
[20] Der Vers spielt mit den beiden Farben der Krone; »ihr Rot«
ist das Blut, das sie vergießt, das »Grün« das Gedeihen des Königs. Aber
die Konstruktion des Satzes ist mir nicht klar.
[21] Bei iht nht hat der Schreiber dwt ausgelassen.
Phil.-hüL Klasse. 1911. Abh. 1. 5
34
K R M A N :
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c. An die Schlange.
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Hymnen an das Diadem der Pharaonen.
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36 Erman:
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^« ii,i|\ ''=0)1111 öiii
[13] Bei 1^ könnte das erste o auch ein <=> sein, das
zweite wohl nicht; mrrf ist wahrscheinlicher als mrtj\
[14] Das Determinativ von '^ntjw ist so gestaltet: UL
[15] In I O könnte das t auch r sein; das runde Zeichen
ist ^J . Hr. Grapow schlug mir vor, in dem Worte eine alte
Korruptel aus M »(mit Flachs) festbinden« zu sehen.
c. Verehrung der Schlange,
[i] Du erwachst in Frieden,
die große Königin (von Oberägypten) erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
[2] Du erwachst in Frieden,
die ScMange, welche auf Sobk ist, erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
[3] Du erwachst in Frieden,
die oherägyptische Schlange erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
[4] Du erwachst in Frieden,
die unteräyyptische Schlange erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
[5] Du erwachst in Frieden,
die Rnn-wtt erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
Hymnen an das Diadem der Pharaonen. 37
[6] Du erwachst in Frieden,
die Buto mit den prächtigen beiden Fingern (?) erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
[7] Du erwachst in Frieden,
die kopferhehende^ weithalsiye erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
[8] Du erwachst in Frieden,
Selket erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
[9] Du erwachst in Frieden,
die s§nt, die den Papyrusstengel fesselt, erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
[10] Du erwachst in Frieden,
die an der Spitze ihres Feldes steht, erwacht in Frieden,
dein Erwachen ist friedlich.
[11] Die Schlange erwaclit friedlich,
das Erwachen deiner Seele ist friedlich.
[12] Du sollst bleiben am Haupte des Sobk,
damit du glänzest an seiner Stirn,
— in deinem Namen »Zauberreiche«.
Die Götter fiirchten sich vor dir
und die Toten fallen vor dir auf ihr Antlitz.
Du befriedigst ihm alle Länder
in Oberägypten und im Nordland,
im Westen und im Osten.
Du sperrst ihm die Herzen aller Fremdländer ein,
der südlichen, nördlichen, westlichen, östlichen zusammen.
Du Glänzende, die ihren Vater schützte,
schütze den Sobk immerwährend (?) vor den Feinden.
\
[13] Du I^<^-wrf, Herrin von Nechen,
hochflammend in ihrer Kapelle,
.... des Horus, die(?) er liebt,
Herrin der Kronen in der geheimen Kapelle.
38 Erman:
[14] Du Schöne am Haupte des Sobk,
— in deinem Namen » Myrrhen « ;
du nahmst deinen Platz ein an seinem Scheitel,
— in deinem Namen Wpt-tnnt;
du stiegst zu ihm auf an die Spitze seiner Glieder,
— in diesem deinem Namen »Schlange«.
Die Kühle vorn an ihrem Erzeuger,
— in diesem ihrem Namen «Kühle«.
Die, mit der er sein Herz erquickte,
— in ihrem Namen »Selkis«.
1 1 5 1 Wie richtig (steht) die Große, die Herrin des Glanzes
an der Stirn ihres Erzeugers.
Du die mit deinen (?) Windungen
auf den Schläfen (?) dessen, aus dem du hervorgekommen bist.
[16] Die Große wurde am Haupte des Horus leuchten gelassen,
als er(?) vor der Neunheit gerechtfertigt wurde,
— in seinem Namen »Gerechtfertigter«.
I3. 4] Dies Morgenlied, mit dem der zweite Schreiber sein Werk be-
ginnt, ist paritätisch auf Ober- und Unterägypten berechnet, ebenso wie
die ihm folgenden Lieder d und e.
[5] Die rnn-wtt ist die Schlange, die später als Erntegöttin gilt.
[6] Von einer solchen Buto ist meines Wissens sonst nichts bekannt.
[7] »Kopfhebend, weithalsig« sind eine vortreffliche Schilderung der
Uräusschlange, die sich ja im Zorn aufrichtet und den Hals aufbläst.
[9] Das männliche Wort j bezeichnet den Papyrusstengel, und da
snh »fesseln« bedeutet, so ist ohne Zweifel an das Bild zu denken, bei
dem sich die Schlange um einen solchen Stengel ringelt. Bei s^nt wird man
an das 1 1 o (1 3 P^ oder 1 1 o i! ^ . 1 1 o D 0 0 © denken müssen,
das in der oben S. 30 mitgeteilten Liste vorkommt.
[11] Der erste Vers ist ausgelassen. — Während rnhn ursprünglich
die große Schlange bezeichnet, ist m^nß ein Wort für die kleine Uräus-
schlange. — Mit diesem Verse ist das eigentliche Morgenlied zu Ende und
was noch darauf folgt, sind anderswoher genommene Zusätze. Es wird daher
nicht zufallig sein, daß gerade hier in die Formel die »Seele« eingefiigt
Hymnen an das Diadem der Pharaonen. 39
ist. Es findet sich das nur nocli in b, und zwar dort zweimal, in |i6]
also ebenfalls am Ende des eigentlichen Morgenliedes und weiter noch in
[13]. Sieht man nun aber näher zu, so sieht man, daß auch h [13] ein-
mal ein Schlußvers gewesen sein dürfte, denn mit der tijtt hknt rht, die
in ihm genannt ist, schließt ja auch die alte Aufzählung von Namen der
Schlange, die wir oben (S. 29. 30) mitgeteilt haben mid die dem Liede h
ebenso zugrunde liegt wie dem Ritual des Libro dei funerali.
[12] Diese Strophe ist einem anderen Liede entnommen, vielleicht
unserm g, dessen Schluß sie bildet und in dem sie zum Teil sicher einen
ursprünglicheren Wortlaut bewahrt hat. — mnnt (g nur mnt) wird die em-
phatische Form sein ' ; daß in mnt und h<^t nicht etwa weibliche Partizipien
vorliegen, zeigt die Art, wie g das c^ hinter das Determinativ setzt. —
Was sich vor dem Herrscher fürchtet, sind nach unserm Text: Götter,
Tote, Ägypter, Fremdländer, nach g sind es: Götter, Fremdvölker, »Neun-
Bogen« -Völker, Fremdländer; es liegt auf der Hand, daß hier ursprünglich
weder von Toten noch von Göttern die Rede war, sondern nur von den
inneren und äußeren Feinden des Königs. — Das iwt scheint g als Pron. 2
fem. zu fassen. — Unklar bleibt W\; ob etwa »schütze ihn, indem du
bleibst, vor seinen Feinden« für »schütze ihn dauernd«?
[13I Die »Kapelle« und was sonst Unbekanntes in diesem Vers vor-
kommt, werden Dinge aus dem Kultus von Hierakonpolis sein. Falls ich
/yio richtig fasse, wird die dort verliehene Krone von Oberägypten gemeint
sein. — Für das rätselhafte dtt erinnert mich Hr. Grapow an ^'l'^fc^^ oilN
Pyr. 500.
[ 1 4] Fünf Wortspiele mit Namen der Schlange; wenn der Text richtig
ist. reden drei sie an und zwei werden von ihr ausgesagt. Das Ganze
sind wohl Anspielungen auf den Mythus von der Schlange des Sonnen-
gottes, daher hier das <2>--yj I »der sie erzeugte« als Bezeichnung des
Trägers der Krone. — Daß die Schlange »Myrrhe« heißt, kommt meines
Wissens sonst nicht vor; wenn es richtig ist, so dürfte man der Schlange
auch Wohlgeruch zugeschrieben haben. — ^Wpt-tnnt ist sonst nicht belegt;
das s==5 1 1 ^, das sie »öffnet«, hat sonst mit Osiris und Ptah zu tun. —
* Auch hier wieder, wie in b [9], eine geminierende Form bei einen» sonst zwei-
radikaligen Verbum.
40 E R M A N :
Die KbJiwt ist nach Pyr. 1180; Mar. Deiid. IV, 75, eine Göttin, die kühles
Wasser bringt; die Pyr. determinieren sie mit ^^. Wenn unsere Schlange
kühl ist an der Stirn ihres Trägers, so hat man dabei gewiß an die na-
türliche Kälte eines Schlangenleibes zu denken: als sie sich um die Stirn
des Gottes geringelt hatte, erfrischte ihn das und damit «erquickte^ er«
sein Herz.
[15] Die Stelle ist grammatisch höchst merkwürdig, weil sie drei-
mal das Pronominalsuffix der 2. fem. sing. schreibt, eine Schreibung,
die sich auch am Schlüsse von d einmal findet. Das wird die ältere Form
sein, die noch dem Pronom. absei. % — >^, gleicht, aus dem das ge-
wohnliche ^ — > ja nur verkürzt ist. Gewiß hat sie einst noch in manchem
Text gestanden, aus dem sie die späteren Schreiber getilgt haben. — Das m/«^
ist mit m ]^H zu verbinden: die Schlange sitzt richtig an der Stirn, d. h.
gerade in deren Mitte. — snhw, das nach dem Determinativ »Flügel« be-
deuten muß, ist natürlich gleich dnfy, änJi. Nun ist gmht »Flügel« in /
anscheinend für die Schläfen gebraucht und das würde auch hier passen:
die Schlange umzieht das ganze Haupt.
[16] In diesem Anhängsel des Liedes ist nun wirklich auch Horus,
der Sohn des Osiris, noch hineingebracht; als er im Streite obgesiegt
hatte und die Götter ihm das Königtum des Osiris zubüligten, da erhielt
er die Schlange als dessen Abzeichen.
d. An die Doppelkrone.
,c^ U
D
* srk soll mit »erquicken« nicht genau wiedergegeben sein; es ist aber etwas Gutes,
das man verschiedenen Körperteilen antut (Kehle, Nase, Gesicht, Glieder; llerz wie in unserer
Stelle Amduat IV 39/40).
Hymnen an das Diadem der Pharaonen. 41
AAAA/VN
■"o\\
AV\ftAA A AAA/^A^
J\ AAAAA^
SIC
-<2>- 9v <? ? O
T,^
H E
d. Lobpreis der beiden Mächtigen,
[i] Du erwachst in Frieden,
das Horusaiige erwacht in Frieden,
die Weiße, die Mächtige, die unter den Göttern ist, in Frieden.
[2] Die glücklich heimkam,
die Herrin der Macht, durch die Sobk mächtig ist,
die mit mächtigem Herzen unter den Göttern —
in diesem ihrem Namen der »beiden Mächtigen«.
[3] Sobk, du holtest dir deine beiden Augen,
das schwarze, weiße, grüne zusammen,
die sich an deinem Diadem niederlassen.
[4I 0 Geierschlange, die unter den Göttern ist,
die das Geteilte vollmachte,
die die beiden Länder eroberte,
die am Kopfe des Sobk wuchs, damit er die beiden Länder erobere,
gib, daß er mächtig sei unter den Göttern.
[i] Der Spruch, der die beiden Kronen behandeln soll, nennt hier
nur die »Weiße« von Oberägypten, und spricht auch in [4] und eigentlich
auch in [2] nur von dieser. Er ist offenbar far einen oberägyptischen
Herrscher verfaßt, fär den die rote Krone nur ein Zuwachs seiner Macht
war. — An Stelle der »Götter«, unter denen die Krone hier, in [2] und
Pkil-hist. Klasse. 1911. Abh. I. 6
42
E R M A N
[4] mächtig ist und unter denen auch der König inäclitig werden soll
([4]), mag ursprüngHch ein Wort wie rhjt »Menschen« gestanden haben,
[2] Die Krone ist »glücklich heimgekommen« — das ist der gewöhn-
liche Ausdruck für die Heimkehr aus dem Kriege — und ihr Herr hat
Macht durch sie errungen.
[3] Der Sinn ist: so erwarb der König die Doppelkrone, das weiße
und das grüne Auge, d. h. die weiße und die grüne (vgl. oben S. 33) Krone.
Aber was soll dabei noch das »schwarze«? Es tritt ebenso in ^ auf, und
zwar heißt es da, daß es »in ihnen beiden« ist. Es wird also der Aug-
apfel sein, dem die Ägypter in dieser Kronen-Augen-Schlangenspielerei
auch irgendeine Rolle zugeteilt haben. — Über nfr-hU vgl. Brugsch, Wb,
Suppl. 670. — Man beachte die weiblichen Duale des Pseudopart. auf ji(l{l.
[4] Der Schlangenname nr-wtt ist, wie das Determinativ zeigt, von nrt
»Geier« hergeleitet, bezeichnet also die Schutzgöttin Nechbet, die ja der
Buto zuliebe oft auch als Schlange gedacht wird, — Sie »versieht das Ge-
teilte«, seil, mit dem Fehlenden, d, h. sie macht es voll (man könnte auch
übersetzen: sie vernichtet das Geteilte), denn sie hebt die einst von den
Göttern vollzogene Teilung Ägyptens auf und gibt dem Sieger die Hälfte
des Unterlegenen. — Das »in (oder: aus) dem Kopfe wachsen« der Schlange
findet sich auch in k und spielt wohl auf einen besonderen Zug der Sage an.
e. Spruch beim Aufsetzen der Doppelkrone.
[']
W
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Zl^k
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Hymnen an das Diadem der Pharaonen.
4H
[3] k P®B
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C^ 'i^X I 1 AAAAA^ II £1^
AAA/\AA
5D
D c:.
[4]
^^
ni3,i
/WW^ AAAV^
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11 Ulli
^x^^irr^p
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[5]
fli
3
l-J
AAA/VV\ /VWvV\ ca
AAAAAA
w
[7] k
AAAAAA i I I I
p-iti^i^ys
i-^f:ii
Icci
o I I I w
-<s>-
?5^
w
^-fw
J \^ ^^ ^\bv_._ AAAAAA i
AAAAAA Jt I «
■<2>-
[2] Der Schreiber hatte das h^=^ vergessen und dann nach-
getragen ; daher seine Stellung.
[3] Hinter widt stand noch ein Zeichen, das er selbst ge-
\
tilgt hat
[4] 2^ kann man in der Tat r dj lesen, was ja aber sinn-
^s>-
los wäre. (Jb der Schreiber ein seiner Vorlage verlesen liat?
44 E R M A N :
— Er hatte erst «~ 'v^ geschrieben und hat dies mit roter
Tinte in h^^ verbessert.
[6] Das <-°^ ist seltsam gemacht, ist aber von Möller,
Paläogr. I 46 1 gewiß richtig gedeutet. — .s-W könnte wohl aucli
rs sein. — Hinter hkri konnte der Schreiber ein Zeichen (wohl ö)
nicht lesen und hat eine Lücke gelassen.
e. Spruch vom Aufsetzen der Doppelkrone,
[i] o Sobk!
Nimm dir sie beide, die auf deinen Kopf gesetzt sind,
die Schwarze, die in ihnen beiden zusammen (?) ist,
die Weiße, die in deinem Auge ist, daß sie das Gräßliche röte.
[2] Nimm dir sie und ihre Röte auf dich,
(aber) das Verwunden ihrer Röte gegen deine Feinde.
[3] Nimm dir sie auf dich, die Grüne,
— in ihrem Namen Buto von Pe und Dep,
und die Weiße, die in ihnen beiden zusammen (?) ist,
die Weiße, die in deinem Auge ist, daß sie das Grcäßliche röte,
[4] Nimm sie dir die Beiden .... deines Gesichtes,
die Seele (?) ihrer Seelen auf dich,
(aber) das Verwunden ihrer Seelen gegen deine Feinde.
[5] .... welche er mit seinen Händen gemischt hat,
Preis dir (?), wenn sie zu dir kommt,
— in ihrem Namen »Weiße«, die zu elKab ist.
[6] Siegele eine an die andere,
daß sie beide gebunden seien an deinen Leib,
— in ihrem Namen der südlichen und nördlichen 7«r/-Göttin,
des Schu und Tefnet, seiner beiden Zierden (?).
[7] Nimm dir deine beiden Augen, deine beiden Töchter,
und nicht ermangeln sie auf dir,
und nicht ermangelt dein Gesicht deiner Augen.
I
Hymnen an das Diadem der Pharaonen. 45
[i] Das J^ , das in diesem Text vorkommt, kann nicht gut etwas
anderes sein als das 4>=^ geschriebene Wort der Opferrituale (Gramm. ^
§ 384). — Über die »Schwarze« vgl. bei (/ [3]. — Der Text scheidet hier
und in [3] von jo die »weiße« Krone ein '^T^^m das »Weiße« im Auge;
in der Übersetzung läßt sich das nicht wiedergeben. — Das n^nt »Gräßliches«
wird sonst von dem Greuel des Gemetzels gebraucht; so wird die Stelle auch
hier zu fassen sein: die Krone, so weiß sie ist, läßt das Schlachtfeld in
Blut schwimmen. — ||s4(|s4 ^^' ^^^ ^^^^^ ^^^^^^ "^ f^J ^^^^^^» ^^^ ^"^ Rätsel.
In Ermangelung einer besseren Deutung möchte ich es dem in r;? [3J vor-
kommenden t ) |(l[j iwttj gleichsetzen und annehmen, daß das w durch
die folgende Dualendung zu j geworden ist.
[2] Die Röte ist hier zuerst die Krone und dann das Blutbad. Der
König erhält das Gute der Röte, die Feinde das Böse.
[3] Parallelvers zu [1], die »Grüne« ist wieder die Krone von l'nter-
ägypten. Aber die weitere Variierung verstelle ich nicht.
[4] Parallelvers zu [2], scheinbar auf die beiden Kronen bezüglich,
die dann aber doch wieder als eine (sing, fem.) auftreten. — Die h?w
stellen die Macht der Krone dar, aus der dem Könige die h? (was ist das
hier?) zukommt und den Feinden die Wunde. — In tpwk sind die Plural-
striche zu streichen.
[5] Daß das m hrt hd nicht zum vorigen gehört, sieht man daraus,
daß unserm Verse sonst das zum Wortspiel nötige M fehlen würde. Aber
der Text ist wohl (wie überhaupt in dem ganzen Liede) in Unordnung
und mir unverständlich. — Was »gemischt« ist, sind vielleicht die beiden
Kronen, die der König zu einer verbunden hat. — hkn Irk ist ein auch in
andern Ritualen üblicher Anruf nicht ganz klarer Bedeutung. Der Angeredete
kann nur der König sein.
[6] Das ^ ü vor htm könnte das Imperativpräfix i sein, das durch
das folgende h zu ^ geworden wäre (vgl. Oramm.^ § 127); htm hr . . . »etw.
an etwas ansiegeln« kommt auch Urk. IV, 808 vor. — Was Schu und
Tefnet hier sollen und wie sie grammatisch unterzubringen sind, sehe
ich nicht.
46
E R M A N
f. An die rote Krone.
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[i] w^hi vielleicht ^ statt o
f. Verehrung der roten Krone.
[i] Die rote Krone eiglänzt auf dir, o Sobk, damit du geschützt werdest,
die rote Krone rngt hoch auf dir, damit du geschützt werdest.
Ihre Krümmungen sind vorn an dir, damit du geschützt werdest,
ihre Ecken (?) sind an deinen Scliläfen (?), damit du gescliützt werdest.
Hymnen an das Diadem der Pharaonen. 47
|2] Alle ihr Götter, ihr südlichen, nör<llicheii, westlichen, östlichen,
ihr die ganze Neunheit,
die ihr folgt dem Sobk,
eure Seelen sollen sich freuen über diesen König Sobk,
wie Isis sich freute über ihren Sohn Horus,
als er ein Kind war in Chenimis.
Viermal zu sprechen.
1 1] über das hier für die rote Krone gebrauchte Wort nt vgl. zu b [4].
— Die erste Strophe besteht aus vier gleichgebauten Versen, in deren erstem
der lange Name des Gottes trotzdem ungeniert eingefügt wird. — ^ ist
ein Fehler für ^^. — Über h^ht vgl. zu 6 [17]. — Über die w^ht wüßte
ich nur folgendes zu sagen. Urk. IV 200 wird die Doppelkrone so be-
sprechen: \\%[%,^-^M%.^^%i[%^^r^ •■'-
Hörner sind an deinem Kopf, ihre Krümmung ist vorn an dir, ihr sm^ ist
an deiner Schläfe «(?)' ; daraus könnte man folgern, daß was dort sm^ heißt,
bei uns w?ht heiße, aber diese Folgerung wäre kaum riclitig. Bis auf
weiteres möchte ich vermuten, daß die wH)t jene beiden Zipfel an der Krone
sind, die über die Ohren herübergreifen.
[2] Der König führt noch den unterägyptischen Titel, wie denn über-
haupt nichts in diesem Lied auf Oberägypten deutet. — b^g^g ist eine Weiter-
bildung" von hkj, dem Stammworte von gTV.oc?'^ — Den Göttern wird der
junge, neugekrönte König vorgestellt, und darauf geht wohl auch das
»viermal zu sprechen«: nach jeder Himmelsgegend wird die große Kunde
den dortigen Göttern gemeldet.
g. Verehrung der Schlange von Oberägypten.
-^A-H'^'^^^^K ^ 8n^\x
i'iiiT^T-r^:^^ ii':xr, it ^,ri.^
' über gmht kanu man aus der bekannten Stelle Ebers 99,7 nur folgern, daß es
ein doppelter, behaarter Teil des Kopfes ist. Es könnte also auch allgemeiner die Seiten
desselben bezeichnen.
^ Vgl. Gi-amni.3 § 272.
3 Ib. § 108.
48
E R M A N
[2]
[3]
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[5] =.^!:^^\\
[6]
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1 1] Man wird lesen müssen, da diese Scilla ngenn amen alle weiblicli
sind, aber das Zeichen sieht weniger wie als wie ^ aus.
In
ist das erste 'wnaaa etwas gekrümmt, doch ist wohl n gemeint
Verehrung der Sehlange ttßt.
|i] Preis dir, du Horusauge,
das die Köpfe der Begleiter des Seth abschnitt.
[2] sie bespie die Götter mit dem, was aus ihr kam
— in ihrem Namen »Herrin der xitefkrone«.
Hymnen an das Diadem der Pharaonen. 49
[3] Ihre Kraft ist größer als die ihrer Feinde
— in ihrem Namen »Herrin der Kraft«.
[4] Die ihre Furcht schuf in denen, die sie lästerten
— in ihrem Namen »Herrin der Furcht«.
[5] 0 Sobk, du hast sie auf dein Haupt gesetzt,
damit du durch sie groß seiest,
damit du durch sie hoch seiest,
damit deine Kraft groß sei durch sie
unter den Göttern.
[6] Du bleibst am Haupte des Sobk
und du glänzest an seiner Stirn
— in diesem deinem Namen »Zauberreiche«.
Die Götter furchten sich vor dir,
die fremden Völker fallen vor dir aufs Antlitz
und die neun Bogen neigen dir das Haupt
wegen deines Verwundens, o Zauberreichc.
Du sperrst dem Sobk die Herzen aller Fremdländer ein,
der südlichen, nördlichen, westlichen, östlichen.
Du bist (?) die Glänzende, die ihren Vater schützte.
Schütze den Sobk immerwährend (?) vor seinen Feinden,
du Zauberreiche von Oberägypten.
Ch
[i] Der Name itßt entspricht gewiß dem alten Osirisnamen \\
\\ '^=t und wird wie dieser die »Sägende« bedeuten, weil sie eben den
Feinden die Köpfe abschnitt. Man beachte, daß diese Schlange, die nach
dem Schluß als die von Oberägypten gilt, hier schon gegen Seth kämpft.
[2] Ob das hnds snn hierher gehört, weiß ich nicht; es ist gewiß
verderbt, und die Stellung der Zeichen zeigt schon, daß der Schreiber
nicht wußte, wie er teilen sollte. Klar ist erst wieder /wnaaa »speien«,
das zum Wortspiel mit der /(/"-Krone dient; was die Schlange spie, war
natürlich Feuer. Alle diese Verse [i — 4] spielen auf bestimmte mytholo-
gische Ereignisse an, die wir nicht kennen.
[6] ist identisch mit c 1 1 2] und dort im einzelnen besprochen.
PhiL-hist. Klasse. 1911. Abh. I. 7
50
Erman:
h. An die Schlange.
18,1
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28
AA/VAAA AA^A/Vv
Ol Ol OiOi
AAAAAA
29
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ok::^
Ik ^ Jk
Ein Morgenlied in abgekürzter Schreibung (vgl. S. 17. 18); der Text
beschränkt sich auf
»du erwachst in Frieden,
dein Erwachen ist friedlicli « ;
Hymnen an das Diadem der Pharaonen. 51
die zweite Zeile (NN. ervvaclit in Frieden) soll der Sänger mit den 29 darauf-
folgenden Namen selbst bilden.
Diese Namen sind zum guten Teil ungewöhnlich; was ich davon ver-
stehe, ist:
I. Zauberreiche; — 2. Weiße; — 3. Nechbet; — 4. die die Bogen
(vgl. zu i)\ — 5. vgl. die Krone 0^/4 Pap. Berlin 3055, 9, 7,
Mar. Dend. III 8, Edfull72 u.a.; — 6. die Packende; — 7. /m^(?); — 8. die
Schlagende; — 9. die Anstürmende (vgl. zu i); — 10. imiwnt (vgl. zu k);
— II. ümüt{?); — 12. türäi?y, ob für lor-iütt (?) ; — 13. = 6; — 14. Mut(?)
oder = 22 (?); — 15. die Vereinigende (seil, die beiden Reiche?); — 16. <^b-iütt
«die Hornschlange« ; — 17. die mit großem ihw, nach dem Determinativ
eigentlich ein Geiername; — 18. die Langarmige; — 19. die im S^ß ist;
— 20. mn-<^h-hd-ft{?); — 21. die Krone mj'swf, die nach Pyr. 724 Ober-
ägypten eignet; — 22. der Geier; — 23. = i"; — 24. die zu Hierakon-
polis; — 25. die vorn am Hause; — 26. die an der Spitze des Tors; —
27. die an der Spitze ihres Wüstentales; — 28. die an der Spitze von
Oberägypten; — 29. die Östliche.
Man sieht, der Verfasser hat zuletzt alles mögliche zusammengesucht,
was es an Schlangen gab, sogar die von den Türbekrönungen. Ob sie alle
wirklich mit der Schlange des Diadems identisch waren, können wir nicht
beurteilen.
1. An die Schlange.
19,1
^
AAAAAA AAAAAA
tl
Ci
I I
AA/VWA I —iL AAA^WA A/^/V^A^ I I \ i l
' wrrt zu lesen ist nicht möglich.
•^ Sollen diesem zweiten icrt-hhiw etwa die Namen 24 — 29 zugefügt werden, die ja
alle adjektivische Form liaben?
7*
52
E R M A N
[2] n ^ .7^ ,^^
/^
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[31^
=»=>^,
<^ \\ p£3-<2>-
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<^ w
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A^_fli
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=a;^ I I 1 1
I I I
Verehrung der Dndnjt.
[i] Komme zu Sobk, du sein Auge,
komme zu ihm, du, die ihre Feinde zerschnitt
— in diesem ihrem Namen Dndnjt.
[2] Die hervorkam und erglänzte am Kopfe ihres Herren,
die sich mit ihm vereinigte, damit sie in ihm ....
— in diesem ihrem Namen DmH-pdt.
[3] Sobk hat sich sein Auge geholt,
dich, hinter der die Götter herjauchzten,
— in diesem ihrem Namen, »Herrscherin (?) von Obercägypten « .
[4] Gib, daß Sobk Macht habe über seine Feinde,
indem seine Heldenkraft in ihren Herzen ist;
gib, daß die Götter hinter ihm hergehen (?).
[i] Dndnjt, das auch in h vorkam, wird etwa »die Anstürmende« be-
deuten und zu «^^ ^ (im m. R. schon J\) geliören; mit dn »schneiden«
hat es gewiß nichts zu tun.
AA/^AAA A/vV\.V.
Hymnen an das Diadem der Pharaonen.
53
[2] Da prt und h^^t perfektische Partizipien sind, werden diese Verse,
wie ja ohnehin anzunehmen ist, Anspielungen auf Ereignisse der Götter-
sage enthalten. — Was m/A(?) oder m/(?) ist, ahne ich nicht. — DmH-pdt
(auch in h) »die die Bogen . . . .« ist ein Name der geiergestaltigen Nechbet,
der in Edfu und Dendera oft vorkommt, aber auch schon in dem Sarge
Kairo 28083 i^- ^O-
[3] Bei dem ö ^X* denkt man unwillkürlich an das uralte Epitheton
der Nechbet, »die Unterägypten schlägt« (Quibell, Hierakonpolis Taf. 38);
es wird aber wohl nur ein Schreibfehler für W \ sein. — Statt der Götter
werden ursprünglich die Menschen gestanden haben.
Das Lied hat wie a vier dreizeilige Strophen, deren letzte das Gebet
ftlr den König enthält.
k. An die Schlange.
[.]<-fi^.
c^ ü
nT,%i
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=»=^,
w
\\
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,20,1.^. .^^ö\
/NA/>A'NA // AAAAAA AA/VAAA C^
[3] k„(j
5
AAA/V\A ^ " ^ VV
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2S^
Ol
o I
54 Erm A N :
Verehrung der Wnwnwt.
[ij Du erwachst m Frieden,
das Horusauge erwacht in Frieden,
die Wnwnwt, die an seiner Stirne ist, in Frieden.
[2] Die auf seinem Leibe lief unter den Göttern !
die die Sobk herbeibrachte von dem, der sie geraubt hatte,
— in diesem deinem Namen Wnwnwt.
[3] Komme du zu vSobk!
Verbinde dich mit seinem Fleische,
wachse an seinem Kopfe,
nimm Besitz von (?) seinem Scheitel.
[4] Gib dem Sobk Freude unter den Göttern.
Du bist es, die ihm Triumph erobert.
[i] Die wnwnwt kommt auch in A vor und außerdem Urk. IV 286. 288
als .^so .^Sij '|T[>^ ^ jip »zwischen den Augenbrauen« des Königs sitzt. —
Man beachte, daß das Morgenlied hier die kürzeste Form wie in den
Pyramidentexten (S. 19) hat.
[2] Die Schlange ringelte sich, wie auch in ^ [14] erwähnt ist, an
dem Leibe des Gottes in die Ilöhe^ und wuchs, wie [3] zeigt, dann an
ihm fest. Über das »rauben« und »wiederbringen« vgl. oben S. 12. 13.
[4] Der letzte Vers enthält wieder das Gebet für den König; es ist
ganz so gebaut wie das in a.
' Hr. Grapow macht mich auf die Stelle Rec. de Trav. 29, 162 aufmerksam, wo in
einer Inschrift des Tutanchamon ~^^ _ ^ ^| a;^ \orkommt; ob als Name der Uräus-
schlänge ?
Hymnen an das Diadem der Pharaonen. 55
Anhang.
Liste fremder Personennamen.
Diese Liste, die, wie oben S, 6 unten bemerkt, auf den leeren Raum am
Ende unseres Papyrus geschrieben ist, bietet in mehrfaclier Hinsicht Inter-
esse, Einmal sind mehr als 57 Barbarennamen schon an und fiir sich
beachtenswert, wenn sie ein und demselben Volke angehören \ und das ist
oftenbar hier der Fall. Nicht weniger als 33 enden auf \\ (dabei 10 auf
<rr>(^ und 5 auf ^:z:::=6|l), und 6 beginnen mit und 4 davon mit ^^'^^ .
Diese Namen sind weiter stellenweise nach den Anfangsbuchstaben
geordnet, was bekanntlich nur sehr selten in ägyptischen Texten vorkommt.
Sic sind weiter wichtig als alte Proben der syllabischen Schrift, die diese
auf einer Stufe zeigt, die uns sonst kaum bekannt ist. Und endlich sind
sie auch paläographisch ein Unikum, da ihr Schreiber <=>, o, g — >, ci^^"
und ^ durchgängig klar scheidet", so daß wir diese Namen mit unge-
wöhnlicher Sicherheit lesen können.
Ich gebe hier mit P>laubnis des Hrn. Golenischeff die merkwürdige
Liste, unter genauer Beibehaltung der Anordnung und Zeichenstellung:
a
%Mt ■•^iPuq^ ■•
d
2. A
2,
3^'
v^
3- %M 3. \^^^
3. "^ '=>ü^ 4- ^
i\f\N\/\r\
I w I
4. z3o[j'
' Einen Anhält zur Bestiminnng dieser Leiit^ sehe ich nicht. Gewiß waren es aber
Sklaven, die für den Tempel des Sobk Land bebauten oder sonst für ihn arbeiteten.
'^ Sein <— > ist
sein
^^ oder ^^ , sein o ist ^ oder ^ , sein g=3 ist C^m^
<=^> ist ^^^^ ■< sein V> ist ^ oder ^ , ^ .
56
E R M A N
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5. ^U^t ^^
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6- \öi\'
Hytnnen an das Diadem der Pharaonen.
57
1
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6.
rpv
Umschreibung^ .
a
b
c
d
e
t-r-t,' I .
jj-h-r-j
I.
j^-k'ki-j I. y/-A:-r-y
I. ^/-Ä-Av
2.
k-s-k-j
2.
k-ri-m 2. ji-d-n-rj
2. m-s-r-k-s
3-
t-n-r-j
3-
jj-h'
3. ji-r-w?
3. /y-jfy-/f
4.
m-U-jj-h
4-
k-r-§
4. ^-/-/
4. m^-njj-nj
5. y/--$:-r-y
5-
rw-h-j
f
5-
j-wS-t-
6. p^-n-jj
g
h
6. mi-d-j
I. la-jj-ri-
^/
I.
m-^-m-g-^ i .
s-n-r-t-j
2. mj-r-j
2 .
r-ri-mj 2 .
ki-d^-w
3- ^^"W
3-
rw-ki't-j 3 .
$-r-t-j
4- 8^'^-^-jj
4-
s-n-r-t 4.
k^-r^-r^
5- ^-«'-y
5-
s-n-k-t 5.
p-n-Hi?)
6.
s-n-jj-k? 6.
h-w-tj w^hw m-nm (?)
' Ich umschreibe so, daß icli bei den syllabischen Gruppen, von denen eventuell nur
der Anfangskonsonant Geltung hat, die beiden Konsonanten nicht durch einen Strich trenne.
Ein Tci-ri-ri ist also vielleicht hier nur als Ttrr^ eiii rw-k-t-j nur als rktj zu fassen. Ich be-
merke noch fiir Fernerstehende, daß ji (1 ^7\ wahrscheinlich das anlautende s darstellt,
während das im Auslaut so oft vorkommende j (1 hier fiir jj (1 [1 stehen dürfte, mit dem
es auch in pi-n-j k2, p^-n-jj d 6 zu wechseln scheint. Vgl. über die syllabische Schrift des
neuen Reichs Max Burchardt, Die altkananäischen Fremdwörter und Eigennamen im
Ägyptischen I (Leipzig 1909).
Phil.-hist. Klasse. 1911. Abh. I. 8
58
Erman: Hymnen an das Diadem der PTiaraonen.
i
k
1
I.
m-t-j
I.
h-r-j
I.
m-g-j
2.
ri-h-j
2.
p^-n-j
2.
m.-g-j
3. j?-s^-k^-t
3-
U-h^-j
3-
s-n-r-k
4-
ki-m-8^-r-j
4-
ß-h^-s-s
4-
hsw . .
5-
ki-r-t
5-
U-n-j
5-
r-s-r-j
6.
IchsS-n^-t
6.
s-n-r-h
6.
h'-s-w
c 5. Der erste Teil des Namens (Jw^-t) sieht aus wie das
ägyptische Wort für »Kuh«, was aber gewiß nur Zufall ist.
d 5. Man beachte, daß der Schreiber bei [pn hier und in
i 4 den Strich fortläßt, während er in i 3 und f 4 ihn setzt. Ebenso
behandelt er _2^ und | ), und ebenso läßt er bei IT), _Jp ^ \
gelegentlich das ^^ weg.
f 5. Man könnte zur Not (j w^ lesen, was dann einen alten
ägyptischen Namen gäbe.
h 5. Ein ® scheint zuerst gestanden zu haben; der Schreiber
hat daran geändert, doch ist die Korrektur unlesbar.
h 6. An dem hwtj vo^hw ist alles völlig klar; auch das
<#>
läßt sich kaum anders lesen, als hier geschehen ; vor
allem hat das ^ ganz die in der Handschrift sonst übliche Form.
1 4. Auf das völlig deutliche hsw folgte noch eine halb-
zerstörte Gruppe ^^p^ , die ich nicht zu deuten wage.
1 6. Das v^ könnte wohl auch c^ sein.
Zur sprachlichen GUederung Frankreichs.
Von
ir HEINRICH MORF
mi.-Mst. Klasse. 1911. Abh. IL
Gelesen in der Sitzung der phil.-hist. Klasse am 30. November 1911.
Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 30. Dezember 191 1.
U ms Jahr 1 1 80 kam ein junger Trouvere des Nordens an den Hof zu
Paris. Er stammte aus Bethune im Artois und hieß Conon. Conon
de Bethune gehörte somit dem Sprachgebiet an, das wir heute etwas
uneigentlich das pikardische zu nennen pflegen\
Conon war von einem artesischen Meister, Huon d'Oisy, im Minne-
sang unterwiesen. Er schrieb seine Lieder wie dieser im franzischen Idiom,
d. h. in der Schriftsprache. Aber seine Rede war provinziell gefärbt. Er
sprach mit »pikardischem«^ Akzent, und als er seine Lieder am Hofe vortrug,
da begab es sich, daß die Franzosen unter dem Vorgang der Königinmutter
Alix und ihres Sohnes, des jugendlichen Philipp August, die Aussprache
{le langage, la parole) des » Pikarden « als unfranzisch tadelten und ihn damit
kränkten. Seinen Ärger goß er in ein bekanntes Lied, in dem er unter
anderem meint:
Encore ne soit ma parole frangoisej
Si la puet on bien entendre en frangois.
Es ist nicht zu bezweifeln, daß der Dichter damit für seine Person
Recht hatte, doch bestehen zwischen der Sprache des französischen Nord-
ostens (dem »Pikardischen«) und der der He-de-France im Lautstand, in
der Foraienbildung und im Wortschatz so starke Verschiedenheiten, daß
dadurch das gegenseitige Verstehen gefalirdet ist. Diese nordöstliche Ecke
französischen Sprachgebietes hat einen so eigenartigen Sprachtypus, daß man
' Dieses Sprachgebiet dehnt sich viel weiter nach Norden als die alte Provinz der
Pikardie und umfaßt auch Artois und Flandern. Anderseits scheiden südliche Teile der
alten Provinz, wie Soissonnais, Laonnais, für die sprachliche Benennung aus.
X*
4 M o R F :
fiir dieses alte Belgium' ein besonderes Romanisierungszentriun anzu-
nehmen hat".
Von der morphologischen und lexikalischen Eigenart des Belgo-
romanischen soll hier nicht weiter die Rede sein. In der lautlichen
Sonderentwicklung sind drei Züge besonders charakteristisch. Es sind Züge
lautlicher Altertümlichkeit. Das Belgoromanische ist lautlich konservativer
als das Französische (Reltoromanische) :
I. bewahrt es den ^^-Laut vor Nasal in geschlossener Silbe (lat. ventu >
pik. re, infante > pik. i/a gegenüber franz. m, ajä)\
II. führt es das k vor r, i'^ nur bis/ (lat. cervu > pik. /sr, cinere >
pik./£C?r, pulice > pik. J93// gegenüber franz. ser, sadr,pys)\
und erhält 111. das velare k vor lat. n (cattu > pik. ka, carricare >
pik. karke, ecce hoc est carum> pik. /e ktr gegenüber franz. yä, far^e,
SE ßr).
Um in einem Musterbeispiel — das ja nicht geistreich zu sein braucht —
die Phoneme zu vereinigen: Le veni couvre le chat de cendre lautet fran-
zösisch b vä kumd b fa db sädr, pikardisch aber: b vs kiwrj b ka dj fMr\
Durch solche Lautunterschiede ist tatsächlich das Verständnis gefährdet und
war es auch schon im 12. Jahrhundert, da damals die Differenz zwischen
Franzisch und Pikardisch ungefähr so groß war wie heute. Es ist klar,
daß ein Franzose, der von Paris nach Norden reiste und nach wenigen
' Zu diesem alten Belgium gehören natürlich auch die romanischen Teile des
heutigen Belgien: llennegau und Wallonie. Sie bilden mit dem nordüstUchen Frankreich,
dem »pikardischen«, zusammen das belgoromanische Sprachgebiet. Das »Pikardische -
ist also nur ein Teil — der nördliche und westliche riau])tteil — des Belgoromanisehen.
Wieweit auch die Normandie belgoromanische (Grundlage aufweist, wird sich im folgenden
zeigen.
^ Ich habe früher auf Augtista Treverornm als dieses Zentrum hingedeutet
{Bulletin de dialectoloyie romane \^ \^\ freilich nur vermutungsweise. Es ist eben zu er-
wägen, daß Trier mit dem. Nordosten Galliens schlechte Verbindung hatte: die unwirt-
lichen Ardennen liegen dazwischen — silva Ardennua qvae ingenti magniiudhie per medios fines
Treveroru7n a ßtimine Rheno ad initium Remonim pertinet (Ca es. b. gall.V, 3, 4). Davon soll
unten in anderem Zusammenhang noch gesprochen werden.
^ Darunter subsumiere ich auch die übrigen Quellen des pik. /-Lautes (k% ''»""ti)
inid scheide auch nicht zwischen An- und Inlaut, da dies für die Feststellung der heutigen
/-Isophone belanglos ist.
* Es kommt mir hier nur auf die drei Paradigmata vent, chat, cendre an \md ich sehe
davon ab, den übrigen Worten des Sätzchens ausgesprochenere pikai-dische Lautung zu
geben (z.B. die Artikelform (e)/<ecce iste: /A:a, 5 w).
Zur sprachliehm Gliederung Frankreichs. 5
Stunden, etwa in Allonne (Departement Oise, südlich von. Beaüvais),
auf diese Lautung stieß, den Eindruck haben mußte, vor einer andern
Sprache zustehen. Er konnte weit nach Westen, Osten öder Süden wan-
dern, ohne solch umfassenden und tiefgehenden Verschiedenheiten zu be-
gegnen.
Um das Verbreitungsgebiet dieser drei lautlichen Züge zu bestimmen,
lege ich die Karten des Atlas linguistique de la France von J. Gillieron
und E. Edmont zugrunde\
I.
Lat. en'^""^>pik. 1.
Aus der Reihe der einschlägigen Wörter, die der A^/ö^ ■ bietet, wähle
ich das Wort fente der Karte 5 5 1 (franz. /«/, pik. /e/). Die west-
östlich verlaufende Isophone des pikardischen e folgt (vgl, hier Karte I)
zunächst der Grenze der Departemente Somme und Seine -Inferieure,
durchschneidet dann südlich der Punkte 247, 246, 235, 253 das Departement
Oise, durchquert das Departement Aisne zwischen 261 und 179, biegt
hierauf nach Osten ab, läßt Punkt 188 des Departements Ardennes im
Norden und begrenzt im weitem Laufe die ganze Wallonie mit Ausnahme
von Punkt i 76-.
' Auf den zwölf lelirreichen Sprachkärtchen, mit denen II. Suchier sr'ine Darstellung
des Französischen und Vrcncnzalischen im ersten Bande des Grundriß der romanischen Phi-
lologie^ 1888 begleitet hat, \\ erden zwei der hier in Frage stehenden Erscheinungen dar-
gestellt: ka — fa (Karte IV); z — ä (Karte IX). Diese Karten haben, soviel ich sehe, in der
zweiten Auflage (1904) keine Veränderungen erfaln-en. — Eine Ergänzung dieser Karten
fih" das nördlich von Paris gelegene Spracligelände gibt jiach Urkunden des Dej)artements
Oise G. Krause in Behrens" Zeitschrift XVllI, S. 58 (1896), olme freilich den Versuch
zu machen, seine Kartenskizze linguistisch auszuführen. - — Leider hat L. Sütt erlin seinem
Beitrag Zur Kenntnis der heutigen pikardisch-französischen Mundarten in Z.f. r. Ph. XXVI, 274
(1902) gar keine Karte beigege])en. Das von ihm behandelte Gebiet, im wesentlichen zwischen
Amiens und Beaüvais gelegen, ist nicht eigentliches Grenzgebiet und liegt völlig innerhalb
des »Pikardischen« (vgl. Z.f. r. Ph. XXIV, 8. 709).
'■' Bei der Weitmaschigkeit des linguistischen Netzes des Atlas linguistique de la France
ist der Isophonenführung breiter .S})ielraum gelassen.\ Der Atlas läßt nur erkennen, daß die
Isophone zwischen den Punkten 279, 267, 257 usw. einerseits und den Punkten 268,
258 usw. anderseits verläuft, und diese Punkte stehen 20^ — 30 km voneinander ab. Wo
innerhalb dieser breiten Zwischenzone die Grenze wirklich verläuft, könnte erst durch eine
örtliche Detailuntersuchung bestinunt werden. Um nun hier durch meine Linienfühnmg
nichts vorzutäuschen, was wir nicht wissen können, ziehe ich die isoj>honen schematiseh
6 Morf:
Wenn man diese Isophone, die zu drei Vierteln auf dem Boden Frank-
reichs und zu einem Viertel auf belgischem Boden verläuft, an anderen
«-Wörtern des Atlas nachprüft, so erkennt man ein verschiedenes Verhalten
dieser beiden Teile, des französischen und des belgischen. Der belgische
Verlauf hat eine geringe Konstanz. Wohl verhält sich die Mehrzahl dieser
Wörter wie fst (so z. B. vendre^ tendre, dedans, seulement, eile enfle), aber z. B.
das Wort vent (Karte 1369) lautet va und nicht ve in Punkt 185, gens
(K. 639) und palience (K. 978): ja, pasjas auch in P. 183, cendre hat a auch
in P. 187. Die hochfranzösische Lautung dringt, wie man sieht, in den bel-
gischen Provinzen Luxemburg und Namur vor.
Die französische Strecke ist dagegen recht konstant. Ganz vereinzeltes
ö, wie z. B. in patience (P. 261), ist bedeutungslos. Auf der ganzen langen
Strecke zeigt sich eine einzige Einbruchstelle, wo das französische a in
pikardisclies e-Gebiet mit mehreren Wörtern wie cendre, dedans, tendre, ein-
zudringen beginnt: es ist der der Hauptstadt zunächst gelegene Punkt 235.
So zeigt diese a-e-Grenze auf französischem Boden eine auffallende Wider-
standsßlliigkeit.
Besonderes Interesse erweckt zunächst das pikardisch-normandische
Stück dieser scharfen Lautgrenze, vom Meer bis vor Pontoise (südlich von
P. 246). Sie verläuft völlig in der Richtung der Grenze, die das Bistum
Ronen von den Bistümern Amiens und Beauvais scheidet'. Hier scheint
möglichst in geraden Linien, die dem Auge des Beschauers immerfort in Erinnerung rufen.
daß es sich hier um eine Veranschaulichung handelt, die nicht mehr sagen will, als sie sagen
kann. Wo ich gelegentlich von dieser schematischen Führung abzuweichen scheine, glaube
ich besondere Gründe zu haben, die ich auch angebe.
Ein Ubelstand beim Einzeichnen der Isophonen liegt darin, daß aus dem Atlas selbst
nicht ersichtlich ist, an welcher Stelle die einzelne Ortschaft liegt, der die Punktziffer
gilt. Liegt z.B. Talmontiers (P. 248) nördlich, westHch, östlich, siidlich der Ziffer oder in
deren Raum selbst? Die Isophone wird je nachdem sich erheblich anders gestalten, da es
sich bei dieser Frage leicht um Distanzen von 6 — 8 km im Quadrat handeln kann. Icli
habe deshalb für die örtlichkeiten, die bei dieser Arbeit in Frage kommen, die Lage genauer
bestimmt und sie durch rote Punkte möglichst exakt anzugeben versucht. Zukünftige
Sprachatlanten werden ihre Brauchbarkeit erhöhen, wenn sie — es kann ja auch in Schwarz
geschehen — die Lage ihrer Punkte genau bezeichnen. Einen Punkt, P o n t o i s e , habe ich
zur leichteren Orientierung hinzugefügt. (P).
^ Zu dieser Bistumsgrenze vgl. Karte V. Von Punkt 248 (dem Dorf Talmontiers) kann
ich die kirchliche Zugehörigkeit nicht sicher bestimmen. Er gehört zum Departement Oise,
liegt aber an dessen äußerster Grenze, so daß es ohne Lokalkenntnis zweifelhaft bleibt, ol)
Zur sprachlichen Gliederung Frankreich
7/i,9.
also die Bistumsgrenze zugleich Lautgrenze zu sein. Dieser Um-
stand sowie die unerschütterte Schärfe dieser Grenze läßt auf ihr hohes
Alter schließen. Und wirklich scheint in derNormandie schon im 12. Jahr-
hundert die Umbildung des e zu a begonnen zu haben, denn bei
normandischen Dichtern jener Zeit begegnen wir bekanntlich nicht selten
Reimverbindungen, die sich durch den annähernden Gleichklang der beiden
Nasal vokale erklären.
Wie der weitere Verlauf der a-e-Isophone, von Pontoise bis an die
belgische Grenze bei Trelon, P. 270, historisch zu deuten ist, wird sich
nachher zeigen.
II.
Lat. c + e (i) > franz. s, pik. /.
Der Isophone / — s der Karte 11 liegt das Wort calciare > chausser
= pik. kofe zugrunde, das zugleich auch den Nexus ca > pik. ka, franz.
fa enthält \
Das Wort gehört zu denen, die sich in der konservativen Lautung-
verhältnismäßig gut gehalten haben. Immerhin fällt auf, daß P. 248 nicht
/, sondern franz. s hat, ebenso wie P. 378 und 367. Andere Wörter be-
zeugen indessen, daß auch diese drei Punkte ursprünglich / gehabt haben.
So lautet pi/f {= fr&nz. puce), fä (franz. cent) in P. 378, 367; pßf (franz.
er zur Diözese Rouen oder zur Diözese Beauvais zu rechnen ist. Daß er nicht s, sondern
ä hat, weist nach Rouen. Der Punkt wird uns später noch beschäftigen.
Es ist einem nicht ganz leicht gemacht, die Isophonen und die Bistumsgi*enzen zu
vergleichen. Man muß für die letzteren zur Gallia christiana greifen, deren Karten leider
nicht immer die wünschenswerte Genauigkeit haben. Daß Gillierons Atlas, dessen Karten-
bild in den Beilagen reproduziert ist, die departementale Einteilung Frankreichs wiedergibt,
erleichtert gewiß beim Fehlen aller Flußläufe und Städtebezeichnung die topographische
Orientierung; die geschichtliche Interpretation der Karten aber wäre mehr gefordert
worden, wenn statt der Departementsgrenzen die alten Bistumsgrenzen eingezeichnet worden
wären. Verfasser zukünftiger Sprachatlanten sollen es sich auf alle Fälle angelegen sein
lassen, für die von ihnen untersuchten Ortschaften nicht nur deren politische, sondern auch
deren kirchliche Zugehörigkeit ausdrücklich anzugeben.
^ Neben franz. /os?, pik. kofe findet sich vereiozelt Tcose, so P. 378, 367, was wohl aus
einer Kontamination der l^eiden anderen Formen zu erklären ist. — In P. 297 ist kose, das
dort neben kofe vorkommt, das Resultat einer örtlichen Lautentwicklung, die altes inter-
vokales /■ zu s führt, wie sich auch in andern Wörtern zeigt: kose (franz. chasser) usw. und
die auch beim stimmhaften Laut eintritt: 3> z (vgl. köze auf Karte 316). Das Zeugnis dieses
Punktes spricht also, trotz des heutigen .«, für alte pikardische Lautung.
8 Morf:
pieee) in P. 367; avafe {avancer), kaje (chasser), Ja [cent) in P. 248. Wir
dürfen also diese drei Punkte zum alten /-Gebiet ziehen \ Aber P. 330
und 356 besitzen nach Angabe des Atlas heute nur franz. s.
Spureii von /' finden sich im Wallonischen. Kafe (chasser) lautet in
P. 290 und 291. Pßf ihidet sich in P. 291 und 197. Daß in altfranzö-
sischer Zeit / sich über die ganze Wallonie ausgedehnt hat, wird dadurch
wahrscheinlich gemacht, daß, wie Wilmotte zeigte, dieses /im 13. Jahr-
hundert sich an der Ostgrenze dieses Gebietes, in Lie^e (nördlich von P. 194)
findet {Romania XVII, 561).
Die Wallonie gehörte also zu einer Zeit, da das Französische bereits
zum Ä-Laut vorgeschritten war, noch zum Gebiet des älteren /"", d. h. zum
pikardisch-normandisclien Gelände, mit dem zusammen es das alte belgo-
romanische Sprachgebiet bildet.
Das ganze heutige pikardisch-normandische'' /-Gebiet ist durch
das Eindringen des französischen s sehr bedroht. Insbesondere sind es,
außer den di-ei eben genannten Punkten, die Punkte 292, 270, 258, die
aujch bei verhältnismäßig widerstandsfähigen Wörtern häufig s zeigen :
cendre
puce
piece
faucille chasser
p. 292
sedr
ptjs
PPf
fofij kafe
p. 270
fsdr
pyj
pjss
fosij kafe
p. 258
sedr
pys
pjes
fofij käse
[neben fosijY
' Für den Verlauf der normandischen Isophone von P. 378 bis P. 248 weiß ich keine
kulturgeschichtliche Deutung. Das westlichste Stück, südlich von Punkt 378, 367, läßt Ein-
fluß einer Bistumsgrenze (Avranches und Coutances) erkennen; im weitern Verlauf
schneidet die Isophone die Diözesen Bayeux (nördlich von P. 356) und Seez (südlich von
P- 345)» scheint darauf der Nordgrenze der Diözese Evreux zu folgen und durchquert dann
die Diözese Ronen (südlich von Punkt 249 imd 248).
^ Ich ])rauche hier vorläufig die Bezeichnungen 5-Laut, /-Gebiet auch in Hinsicht auf
die ältere Zeit^ in der nicht diese Reibelaute, sondern die entsprechenden Affrikaten erklangen.
^ Auf die Zugehörigkeit der Normandie — wenigstens ihres größten und bedeutend-
sten Teils — zum /-Gebiet soll hier noch ausdrücklich hingewiesen werden, da gemeiniglich
dieser /-Laut nur »dem äußersten Norden« (Grundriß 1^ j 36) oder »dem I'ikardischen und
einem Teil -des wallonischen ^Sprachgebietes« (Behrens, Gramm, des Altfranz. § 134) zuge-
sprochen wird. Demgegenüber richtig Meyer-Lübke, Hist. Gramm, der franz. Spr. § 153,
auch gegen Rom. Gramm. I § 406.
• * Solches Nebeneinander der importierten s-Form und der älteren bodenständigen
/-Form ist im Atlas wiederholt bezeugt.
Zur sprachlichen Gtieäerung FrankreicJis. 9
Die Verteilung dieser sechs Punkte 292, 270, 248, 258, 367, 378 zeigt,
daß die Gefährdung des alten Lautstandes an den beiden Extremen des
Sprachgeländes, in Belgien und in der Normandie, stärker ist als im eigent-
lichen pikardischen Kernland.
Wie aber nvich dieses Kernland bereits von den französischen 5- Formen
durchsetzt ist, beweist die Lautung anderer Wörter, wie z. B. franz. cimeiwre,
l)\k. flmtjsr, das außer an den eben bezeichneten sechs Grenzpunkten den
französischen s-Laut auch an folgenden weiter gegen das Pikardische vor-
geschobenen Punkten zeigt: P. 247, 235, 253, 262, 271, 280. Außerdem
hat auch P. 376 simtjsr.
Noch weiter eingeengt ist das /-Gebiet, wie Karte II zeigt, bei dem Worte
cerf, pik. ßr. Bei dem Worte cMre ist die /-Form in der ganzen Normandie,
mit Einschluß der Inseln, der s-Form gewichen. Die pikardische ¥ ovm. ßdre^
herrscht nur im Pas de Calais; in den Departementen Nord, Somme
und Oise besteht sie nur in je ein oder zwei vereinzelten Punkten.
So wird sprunghaft das alte / durch s ersetzt, und die Normandie
wird wohl bald dem 5-Gebiet anfallen, wie das mit der Wallonie längst
geschehen ist. Aber zweifellos ist der sprachliche Verlauf hier und dort
nicht der nämliche. Die Wallonie zeigt nicht die Sprunghaftigkeit des nor-
mandischen Prozesses, und es erscheint insbesondere nicht glaubhaft, daß
ein so mächtiger hochfranzösischer Einfluß sich schon vor Jahrhunderten
in diesem entlegenen Osten geltend gemacht liabe. Die Wallonie scheint
also nicht durch Sprachmischung, sondern durch einheimischen Lautwandel
/ zu 6' geführt, d: h. eine Lauttendenz entwickelt zu haben, wie sie sich an
einer andern peripheren Stelle des belgoromanischen Gebietes zeigt (P. 297,
vgl. oben S. 7 Anm. i). An der Grenze gegen das Pikardische hin haben sich
vereinzelt /-Formen gehalten oder sind sie wieder eingesprengt worden'".
So stellt sich uns das ursprüngliche belgoromanische /-Gebiet dar:
es umfaßt den ganzen Norden. Sein Zentrum, die »Pikardie«, ist flankiert
von Wallonie und Normandie. Diese beiden Flanken sind im Weichen oder
^ .Statt cidre hätte icli irgendein anderes Wort wie ce, cercueil, cinq, cire, ciseau wählen
können, deren Anlaut c feststeht]- *(Jkei-a- statt sicera ist allerdings als Grundform fiir die
Normandie problematisch. Doch ist.daSjKartenhild y?c?r— 7«/</r mit Hinsicht avd Zeitschr.f.
rom. PMl. XIX, 72 lehrreich. •
2 Daß dieses belgoromanische /-Gebiet sich vn-sprünglich noch weiter nach Süden er-
streckte, dafür spricht vielleicht das Vorkommen vereinzelter /-Formen wie jj/f/* in P. 169;
ßila (cetui-lä) P. 261.
Phil.-hist. Klasse. 1911. Abh. IL 2
10 Morf:
schon gewichen. Die Wallonie hat längst in selbständiger Lautentwicklung
f zu s geführt; die Normandie ist im Begriff, die /-Wörter durch 5 -Wörter
zu ersetzen, d. h. sich zu französisieren.
Der Atlas bietet selbstverständlich noch sehr viele andere Wörter, die
als Lautraaterial fiir die Behandlung des hier unter 11. besprochenen Phonems
dienen könnten. Die elf Paradigmata, die ich hier herangezogen habe
{avancer, cendre, cent, cerf, chasser, chausser, cidre, cimetiere^ faucÄlle, piece,
puce), reichen indessen zur Bestimmung des alten Verbreitungsgebietes von
/ und s aus. Die pikardische Entwicklung strenger Observanz verlangt
fiir alle diese elf Wörter den Laut / an allen 66 Punkten, welche durch
die schwarzen Linien und Striche der Karte II eingeschlossen werden. Diese
» lautgesetzliche « Forderung erfiillt sich bei keinem der Wörter, und nur an
wenigen der 66 Orte ist sie bei allen elf Wörtern durchgeführt. Das Ver-
breitungsgebiet von / ist fiir jedes der elf Wörter verschieden, d. h. jedes
Wort hat seine eigene Lautgeschichte'.
Gegen diese Erkenntnis, daß die Lautgeschichte sich in Wortgeschichte
auflöst, wende man nicht ein, daß dies höchstens für moderne Mundarten
gelte, die in einem Zersetzungsprozeß begrifl'en seien. Die Kräfte, die im
Sprachleben wirksam sind, die Vorgänge des Sprachlebens, sind immer die-
selben gewesen, seit Menschen sprechen. Ein qualitativer Unterschied dieser
Vorgänge in alter und in moderner Zeit besteht nicht, nur ein quantita-
tiver. Gewiß ist heute, da wir im Zeichen des Verkehrs leben, da Schul-
und Wehrpflicht sprachliche Unterschiede ausgleicht, die Zersetzung der
Dialekte stärker als in alter, verkehrsarmer und schulfreier Zeit. Aber
auch damals fand bereits ein sprachlicher Ausgleich statt, wanderten Indi-
viduen, Gruppen, Völker in friedlichem oder kriegerischem Sinne, und mit
ihnen wanderten Sachen und Wörter. Auch damals mischten sich die Mund-
arten, hier so, dort anders. Sprachmischung hat also immer bestanden.
Alle Sprachen, auch alte, kräftige Dialekte, sind Mischsprachen und sind
es jederzeit gewesen. Es gibt keine reinen Mundarten, wie wir sie uns
etwa auf Grund der papierenen » Lautgesetze «< zurechtmachen. Die Bunt-
heit dieser Sprachmischung erscheint uns als individuelle Willkür, da wii*
die kulturellen Vorgänge, welche diese Mischung im einzelnen bestimmten,
nicht rekonstruieren können.
* Z\i denen, die diese Meinung mit alier Entschiedenheit vertreten, gehört nun aucli
Weigand (Vorwort zuin Linguist. Atlas des dakorumänischen Sprachgebiets, ^909)-
2kLr sprachlichen Gliederung Frankreich:. \\
m.
Lat. c + a > franz. fa^ pik. ka.
Auf Karte III ist das Verbreitungsgebiet der pikardischen Lautung k
an Stelle des französischen / mit Hilfe des Wortes pik. ka = franz. fa
(chat) dargestellt {Atlas, Karte 250). Das von dieser Isophone begrenzte
Gebiet umfaßt im Westen die normo ndischen Inseln und einen gi-oßen Teil
der Normandie (die südlichsten Punkte sind 378, 367, 356, 345, 330, 249,
248). Dann umschließt die Linie die Punkte 246, 235 und 253 des De-
partements Oise, zieht nordwestlich an P. 261 vorüber und wendet sich,
südöstlich von P. 270, nach Norden, zwischen P. 292 und 293 einerseits
und P. 290 und 291 anderseits, d. h. zwischen belgischem Hennegau und
der Wallonie verlaufend, die das alte k aufgegeben hat.
Die große Ähnlichkeit dieser Msophone mit der eben behandelten
/-Isophone springt ohne weiteres in die Augen. Sieht man von den peri-
pherischen Punkten 330 und 356 ab', so ist der Verlauf beider Isophonen
identisch von einem Ende des französischen Sprachgebietes bis zum
andern.
Diese Übereinstimmung der Verbreitungsgebiete von pikardischem k
und / läßt ohne weiteres auf einen Innern Zusammenhang zwischen den
beiden Palatalisierungsvorgängen schließen, die sich an lat. ca und ce(i)
knüpfen. Diesen Palatalisierungsvorgängen mag zunächst eine grundsätz-
liche Bemerkung gewidmet sein'.
Der Lautwandel, der velares^ lat. k zu romanischem/(cattu >hochfranz.
chat; cervu > pik. ßr) und s (cervu > hochfranz. cerf) gefuhrt hat, bedeutet
' Es ist nicht zu vergessen, daß hier nur mit dem Wortmaterial des Alias gearbeitet
wird, das, soviel ich sehe, für P. 330 und 356 keine /-Formen, wohl aber Är-Formen
ergibt. Ein i*eicheres nuindartliches Material könnte leicht auch fnv diese Punkte Trümmer
eines alten /' ergeben.
" Ich versuche in den folgenden Ausführungen in der viel umstrittenen Frage dei'
«altpration du c latin dans les langues romanes« Stellung zu nehmen, ohne mich hier auf ein-
gehende Auseinandersetzungen mit meinen Vorgängern einzulassen, deren Auffassungen ich
selbstverständlich reiflich erwogen habe. Ebenso selbstverständlich ist, daß ich in die hier
vorgetragene Interpretation der Palatalisierung von anlautendem c auch die Schicksale des
inlautenden c sowie die von ti einbeziehe, was hier nun nicht ausgeführt werden kann. Ich
begnüge mich im folgenden mit gelegentlichen Andeutungen.
* Ich brauche hier der Einfachheit halber diese eine Benennung liir den unalterierten
Verschlußlaut, auch w^enn sein Artikulationsgebiet au der Grenze von Velum und Palatum
2*
12 Mokf:
ein Verschieben der Artikulationsstelle nach vorn. Die Artilvulationsstell(^
von / liegt an der Grenze zwischen Palatum und Alveolen, die von s an
den Alveolen selbst. / ist ein palatal- alveolarer, s ein alveolar-dentaler Laut.
Dieses Vorrücken der Artikulationsstelle, das sich im Laufe der Jahrhun-
derte allmählich vollzogen, hat vom Velum über das Palatum zu den
Alveolen geführt.
Es hat aber nicht nur eine Verschiebung der Artikulations stelle,
sondern auch eine Änderung der Artikulationsart stattgefunden: die alte
Explosiva (k) ist zur Frikativa geworden (/, s). An Stelle des alten Ver-
schlusses ist die Enge getreten. Diese Entwicklung von Verschlußlaut
zu Engelaut (Reibelaut) fuhrt über die sogenannten Affrikaten (Ver-
schlußreibelaute; mi-occltisives, nach Rousselots Terminologie): der ur-
sprüngliche Verschluß erfährt eine Lockerung (Affrikata) und unterbleibt
schließlich völlig (Reibelaut).
So setzt sich der Lautwandel, um den es sich bei der sogennnnteii
Palatalisierung des k handelt, zusammen aus einem Vorrücken der Bildungs-
stelle und einer Lockerung — und schließlich Aufhebung — - des Verschlusses \
Die Laute, die diese Lockerung des Verschlusses zeigen (die Affrikaten
oder mi-occlusives) sind von den Phonetikern noch nicht ausreichend unter-
sucht worden". Daß sie »einheitliche« Laute sind, d.h. daß z.B. der An-
laut von hochitalien. c-ena oder altfranz. chat nicht aus ^ + /zusamme]igesetzt,
sondern ein einheitlicher palatal-alveolarer Verschlußreibelaut ist, steht für
(ka) oder geradezu am Postj)alatiini liegen sollte (ki^, ki). Die Ciauiiieubilder erweisen
für das moderne Hochfranzösisch postpalntale Bildungsstellen bei ä% ol) es vor ?/, o,
o, e oder i steht, vgl. Ronsselot, Principe^ de phom'tique experimentale S.910, was Rousselot
nicht verhindert, diesen postpalatalen Laut als guttural zu bezeichnen !
^ ITjnbildung zur })alatalen Affrikata und spätere Lösung des Verschlusses vollzieht sich
ancli nn't dem lateinischen Nexus ti. Das alveol«r-dentale t wird vom palatalen Vokal ans
Präpalatuin zurückgezogen, wie das velare Je vom palatalen Vokal ans Mediopalatum
vorgerückt wird. Der l'alatalisierungsvorgang ist beim hintern ^^'rschlußIaut (Ar) ein Vor-
rücken ans Postpalatum, beim vordem Verschlußlaut {() ein Zurückschieben ans Pi-äpalatuni.
Diese Bewegungsvorgänge entgegengesetzter Richtung sind prinzipiell die nämliche Sandln'-
<n'scheinung. Ln weitern ^'erlaul der Lautentwickluug kann das präpalatale ky^ dauernd
im Vorsprung bleil)en odei- es kann auch das postpalatale k% mit ihm zusammenlalleii, in
w^elchem Falle dann lat. c + e (i) imd ti dasselbe romanische Resultat ergeben, wie oft geiuig.
^ Ich habe das Desideratum neulich im Arch.f. d. Stud. d. neuem Spr, formuliert (CXX\'l.
484 f.).
Zur sprachlichen Gliederung Frankreichs. IH
mich längst fest'. Es sollten deshalb auch in der phonetischen Schrift
diese irreführenden kombinierten Notierungen, wie /r/^, (/", ts (und ihre stimm-
haften Parallelen gj, d^, dz), durch einheitliche Zeichen ersetzt werden. Wenn
ich hier trotzdem bei diesen Notierungen bleibe, so geschieht es deshalb,
weil das Alphabet der Association phonetigue solche Zeichen leider nicht
kennt". Ich bezeichne also mit /r/, die (medio- oder prä)palatale, mit //
die palatal-alveolare, mit ts die alveolar-dentale Affrikata\
Die Palatalisierung von lat. k vor e, i ist in fast allen romanischen
Sprachen eingetreten. Das velare oder postpalatale k ist durch den folgenden,
der Palatalreihe angehörenden Vokal ans Mediopalatum vorgeschoben, d. h.
eben assimiliert worden (Sandhi). Es entstand ein mediopalataler Verschluß,
und die Lautforschung zeigt, daß die Eigenart mediopalataler Verschluß-
^ Vgl. Götting. gel. Anzeigen 1889, ''^- '3 ^^■
2 Für die paL'itiileii Affi-ikateii {/cy^ und gj) liat die Assoc. jihon. allerdings je ein Zeichen
{c iMid y), nicht ahei" für tf und cZj, ts und dz., so daß der Parallelisnuis der Laiite in der
8cln-if't völlig zerstrirt ist. Und diesen Parallelisnuis auch graphisch vorzuführen und für tlas
lesende Auge festzuhalten, darauf inüchte ich in diesen Darlegungen nicht verzichten. —
Im Schöße der Assoc. phon. finden gegenwärtig Erörterungen über zweckmäßige Neubezeicli-
nung der AfiTrikaten statt (vgl. Le maitre phonetlque 191 1, 8.125), die hoffentlich zu einem
befriedigenden Ergebnis luhren nnd es der romanistischen Forschung möglich machen, dau-
ernd bei dem Alphabet zu l)leil)en.
■' ich verwende absichtlich ky^ und nicht das traditionelle ^%, denn nicht um einen
^\'ei'schUiß handelt es sich, sondern um einen Ä'- Verschluß. Das ^Gebiet erstreckt sich von
den Alveolen bis post dentes. Wer ty^ schreibt, setzt das Zeichen eines alveolar-dentalen
Verschlußlautes mit dem Zeichen eines palatalen Reibelautes zusanunen und alteriert das
Bild der wirklichen Artikulation noch viel erheblicher als wer mit Tc und % innerhalb der
palatalen Zone bleibt. — Übrigens wäre es erwünscht, diese palatale Zone, die eine beträcht-
liche Ausdehnung hat, einzuteilen und wenigstens für Aledio- und für Präpalatnm eigene
Zeichen zu haben für den Fall, daß der Beobachter wirklich die beiden Bildungsgebiete zu
unterscheiden in der ]>age ist. Hier mag es vorläufig geniigen, die mediopalatale Affrifcata
mit kyf., die präpalatale mit kyj zu bezeichnen. Oft genug ist das Ohr ja wirklich im-
stande, die präpalatale AlFrikata deutlich von der mediopalatalen, den vordem vom hintern
"mouillierten« Laut zu unterscheiden, und so das A'orrücken der Palatalisierung zu beobachten.
Die Notiei-uugen des Atlas linguistiqne suchen sehr verschiedene Stadien des Palatalisiernngs-
prozesses durch komjjlizierte Zeichenkombinierung festzuhalten und auszudrücken: doch ist der
objektive Wert dieser Bezeichnung flüchtiger Gehörseindrücke oft z\\ eifelhaft, und meist können
diese Nuancen hier überdies oluu^ Schaden vernacKiässigt werden. — Daß es auch zwischen
präpalatalem Är% und dem tf., ZAvischen tf und ts Übergangsformen gibt, ist selbstverständ-
lich: auch diese Zwischenformen der Artikulation werden im Atlas durch Zeichenkombination
wiedergegeben. — Von Nuancen der palatalen Affrikata sprechen auch Salvioni, Studi di
Mologia romanzaYlll {i()o\), S. 31; Weigand, Linguistischer Atlas des dalcormnän. Sprachgebiets
1909 usw.
14 Mohf:
bildung immer zu homorganem Reibegeräusch ftibrt,': der Verschlußlaut
wird an dieser Stelle zur Affrikata: k%.
Diese älteste Stufe der Entwicklung ist romanisch noch vorhanden,
ich wähle als Beispiel das Rätoromanische, das so reich an Palatalisierungs-
erscheinungen ist". So heißt im Sulzberg, Cembro, Predazzo lat. cena>
h/fna. Daneben herrscht aber auf dem rätischen Gebiet die weiter vor-
geschobene (/"-Form: ifena'\ Dabei ist indessen der Prozeß nicht zum Still-
stand gekommen: verschiedene Orte sind darüber hinaus bis zu tseiw ge-
langt (Nonsberg), und auch diese alveolar-dentale te-Stufe ist nicht die
letzte: das weitere Vorrücken der Artikulation hat schließlich in Auronzo,
Rallo, Comelico zur interdentalen Aflrikata 3- geführt: ^ena.
Für diese Entwicklungsreihe lat. k>Ä?x,>{/'>/6'>S- ist die Be-
zeichnung »Palatalisierungsprozeß« nicht mehr ausreichend. Nur die ersten
Formen des W^andels erscheinen als Palatalisierung (^^, tf)\ das Spätere
vollzieht sich nicht mehr am Palatum, sondern an den Alveolen, an und
zwischen den Zähnen. Doch mag, da die Palatalisierung den Anstoß zum
ganzen Lautwandel gegeben hat, der Name — pars pro toto — hier weiter
gebraucht werden*.
Mit den angeführten Formen ^, //", ts, S^ ist aber der Reichtum räti-
schen Wandels nicht erschöpft. Die Affrikaten ^, tf^ ts haben sich hier
oder dort durch Aufhebung des gelockerten Verschlusses zu Reibelauten
entwickelt, und wir finden Formen wie yjsna (Zoldo), fena (Münsterthal,
Forni), sena (Rovereto usw.)^.
* Man vergleiche das hochfranzösische mediopalatale sogenannte n mouille (ji), dessen
Reibegeräusch j unter Umständen so stark ist, daß der Laut dem ungeübten Ohr geradezu
als n -{- j erscheint. — Die zur Erreichung eines mediopalatalen Verschlusses erforderliche
Hebung des Zimgenrückens bedeutet eine verhältnismäßig so beträchtliche artiktdatorische
Arbeit, daß Ubergangslaute und eine Lockerung des Verschlusses sich von selbst einstellen.
' Die Beispiele entnehme ich dem noch unausgeschöpften Reichtum des § 200 der
Rätorom. Grammatik von Th. Gärtner, Heilbronn 1883.
^ Ich vernachlässige die Verschiedenheit der vokalischen Entwicklung: tfeino,
tfaina usw.
* Warum an dem einen Orte die Entwicklung nicht über die erste Stufe (A'x) hin-
auskam, während anderswo der in Bewegung geratene Laut gleichsam weiterrollte, lüer bis
zu S-, dort nur bis zu ts oder tf — dafür fehlt uns jede Erklärung.
'•' Vielleicht sind auch die Formen mit S- hierher zu stellen und ist S- als reiner Reibe-
laut aufzufassen. Bei der Eigenart interdentaler Artikulation besteht zwischen Aflfrikata
und Reibelaut nur ein labiler Unterschied, so daß in der nachfolgenden Tabelle die Form
3 in der Reihe der Affrikaten und in der der Reibelaute (eingeldammert) erscheint.
{
Zur sprachlichen Gliederung Frankreichs. 15
So stellt sich denn die ganze rätische Reihe dar als
lat. ce (cena): k^ {k%ena) > tf {tfena) > ts [tsena) > S- (^ena)
' I I
Y Y Y
X {yßna) {->■) p {Jena) (-^) s (sena) {-^) [^ {^ena)\
Diese Tabelle der heutigen rätoromanischen Ergebnisse des Nexus
c + e (i) vereinigt in sich die wesentlichen Ergebnisse dieses Nexus in der
romanischen Sprachentwicklung überhaupt. Die archaischen Stufen k% aus
c + e (i) vermag ich im Romanischen sonst nicht nachzuweisen ^ Die übrigen
Formen aber finden sich alle in der Romania, entweder noch lebend oder
als einst vorhanden erwiesen; z. B.:
% ~- frankoprovenzaliseh (in einigen Patois der Schweiz; vgl. Karte
cendre, Punkte 60, 959, 969 und unten S. 17),
tf =- hochitalienisch, rumänisch, altpikardisch,
f z= toskanisch, neupikardisch,
ts = altfranzösisch, altspanisch und altportugiesisch,
s = hochfranzösisch, portugiesisch,
S- = neuspanisch.
Ja, es ist anzunehmen, daß jede romanische Sprache die Mehrzahl
dieser Varietäten noch in ihren Mundarten birgt^.
Während die Palatalisierung und Vorschiebung des k vor e {i) gemein-
romanisch und sehr alt ist, ist die Palatalisierung des k vor a nur einzel-
sprachlich eingetreten und späteren Datums. Aber sie verläuft in der näm-
lichen Richtung und in den nämlichen Etappen wie die erstere.
Sie läuft gleichsam hinter ihr her.
Lat. ca ist im Rätischen über k% bis zu ^gekommen, und jenes hat
auch bereits seinen Reibelaut % entwickelt. So ergibt lat. capra neben
erhaltenem kafra:
k%avra > tfavra
\
%evra
1 Natürlich ist auch ein direkter Übergang vx^n % zu / zu s zu ^ möglich, weshalb
ich zwischen diese Reibelaute auch das Übergangszeichen (in Klammern) setze.
^ Es findet sich in lateinischen Lehnwörtern im Albanesischen, vgl. Grundr. d. rom.
PJälohgie I ' S. 1 05 1 .
•' Für das Italienische siehe die Zusammenstellung in Meyer-Lübkes Itatim. Qram-
mati/c, 1890, § 175-
16 Morf:
Die Stufe ts oder der Reibelaut/' (statt tf) sind noch nicht erreicht.
Diese vier rätischen Anlautformen Ic, ky^, %, (/"kombinieren sich in dem
Worte capra mit einem sehr verschieden gestalteten Tonvokal: das ä dieses
Wortes ergibt a, ao, au, e, su, e, o, ou, u, y, wobei sich neben kavra {kaura)
a\^ch ksvrci und. neben 7c%svra auch kyjivra findet. Das Rätische zeigt also
deutlich, daß die Palatalisierung des ka nicht \ om Wandel des a'> e ab-
hängig ist: die Palatalisierung kann bei unversehrtem a eintreten und kami
bei € ausbleiben; d. h. a kann wie ein palataler Vokal wirken", und e muß
eine, solcht? Wirkung nicht notwendig zur Folge haben.
Das Rätische lehrt überdies, daß der Ausgangspunkt der Palatalisierung
des 4' vor a die starke Silbe ist: cäpra entwickelt z. B. Ay^ früher als caprä-
rius, das sein /»:. vielfach bis heute bewahrt hat'. Natürlich ist auch das
Schicksal des inlautenden k vor a nicht notwendig an das des anlau-
tenden gebunden: bücca, vacca haben ihr k bewahrt auf weitem grau-
bündnerischen Gebiet, auf dem cä zu kyjn geworden ist.
So geben die rätischen Mundarten uns manchen Aufschluß über die
y>alterotion du c laiin i^. Sie zeigen insbesondere, in Übereinstimmung
mit lautphysiologischen Tatsachen, daß die »Palatalisierung« von
k% zu if und von hier zu fc > S- fortschreitet — daß tf eine ältere
Stufe des Wandels ist als /s*.
Diese Erkenntnis darf gewiß nicht ohne weiteres verallgemeinert und
auf ändere Idiome übertragen werden. Aber innerhalb der Romania darf
^ Ich stütze mich, wie gesagt, J"if die Wörterlisteu (iar tu crs {Rätor. Gramm. §200):
im Text der Grammatik erwähnt Gärtner aucli / als Ergebnis von lat. k + a (§ 87).
^ Wir werden aus einer solchen Wirkimg des a schließen, daß es nicht völlig offen
ist, sondern mit leichter palatal gerichteter Zungenhebung artikiilieit wird, d. li. sich dem
geschlossenen a nähert öder ger<rd(>zu a ist.
^ Vgl. Ascoli, Sprachtcissensch. Briefe, übersetzt von B. (« üterbo ck, 1887. 8. 181,
wozu jetzt vSalvionis lonibai'dische Feststelhnigen 'ni Stndi dißl. romanzaWW (1901) 8. 1 11'.
und Archivio glottologico XIV 445.
* In den Diskussionen über die Frage, ob tf oder ts die ältere Etappe der romani-
schen Entwicklung sei, vermisse ich zumeist eine bestimmte Äußerung über die Artikulations-
stelle der beiden Affrikaten. Daß die Artikidationsstelle von tf au der Grenze zwischen
Palatum und Alveolen liegt (paJatal-alveolar), während die von ts alveolar-dental ist, darin
stinunen die Zeugnisse der Romanen von Ascoli (c, Archivio glott. I, 8. XLVI ff.) bis
Rousselot überein {Principes de p7i07i. exp. S. 619). //' ist also die zwischen ky^ und ts
liegende Artikulation; riu allmäblicher Wandel des ky^ zu ts geht natürliclierweise über die
Stufe tf.
Zur sprachlichen Gliederung Frankreichs. 17
sie den Ansi^ruch erlieben, der Erklärung der mächtigen Entwicklung, die
das velare k des Lateinischen palatalisiert hat, zugrunde gelegt zu werden \
Natürlich sind auch in diesem Lautwandel Regressionen nicht ausgeschlossen,
aber ihre Annahme bedarf ausdrücklicher Begründung (vgl. Archiv f. d. Shcd.
d. neuern Spr. CXXIV, 440), wie sie z.B. Salvioni {Studidißl. romanza VIII,
1901, S. iff.) für die Rückkehr des /(% zu Ic, d. h. den Ersatz des ein-
heimischen h^ durch ein importiertes k, in den Dialekten der lombardi-
schen Alpen gegeben hat.
Wenden wir uns zu Frankreich zurück.
Im heutigen Frankreich herrscht als Resultat des lat, k + e (i) durch-
aus der alveolare Reibelaut .s\ Doch finden sich daneben sowohl ältere
wie jüngere Entwicklungsstufen. Nach Ausweis von Karte 210 (cendre) des
Atlas Unyuistique ist vereinzelt sogar altes 7, erhalten"'. // findet sich in
Punkt 61 : es ist auf dem Übergang zu ts. Dieses selbst bietet der Punkt 987.
/ ist, wie früher dargelegt, noch heute der Laut des belgoromanischen
Gebietes. Jünger als s ist 3-, das in den Patois Savoyens vorkommt {^edra).
Und endlich hat die Entwicklung in Schweiz und Savoyen noch vorgerück-
tere Stufen erreicht: den labiodentalen Reibelaut /: fsdra > cinere, den
bloßen Reibelaut h {hendiv P. 966) und schließlich die Schwundstufe sdra
(P. 963, 973), die also der Tabelle von S. 15 noch hinzugefügt werden
dürfen.
So liegen die heutigen Verhältnisse für Jat. k + e (i) in Frankreich ver-
hältnismäßig einfach. Das Land erscheint dreigeteilt: das ganze Zentrum,
der Westen und der Süden, fünf Sechstel des Landes, haben s, ein nörd-
licher belgoromanischer Streifen (vgl. Karte II) hat älteres / bewahrt^ und
^ Das gilt wohl unbestritten liir das Italienische und sicher für das Rumänische.
Das ts der Mazedurumänen, lat. ciuque > tsinis — die davon ja den Namen Zinzaren
haben — , ist jünger als das t/ des Hochrumänischen (einet), vgl. Grundriß d. rom. Phil. I,
S. 446 und 2. Autl. 8.586 imd Weigand, Linguist. Atlas des daJcorumän. Sprachgebiets 1909,
Vorrede S. 20. Auch das Meglenitische hat jüngeres ts. Zum Zeugnis schweizerischer
Patois vgl. Archiv f. d. Stud. d. neuern Sprachen CXIV, 225; CXX, 453.
- Wenn es nicht ein Regressionsprodukt ist, worüber nur urteilen kann, wer die
betreffenden Patois eingehend kennt. V
* E^s wird gegen die Auffassung, daß altpik. tf älter sei als altfranz. i?, unter anderem
ein Einwand erhoben (vgl. »Suchier im Grundriß l', S. 736 und älmlich Meyer-Lübke,
Hist. Gramm, der franz. Sprache S. 122), den ich hier nicht übergehen will, da er pi-inzipielle
Bedeutung hat. Es wird gesagt, daß, wenn das Pikardische in seinem stimmlosen tf, /
(caelum > //■/e/>/?W; glacia > $r/o^9, ylaf) eine ältere Entwicklungsstufe festgehalten
Phil.-hist. Klasse. 1911. Abh. IL 3
18 Mokf:
das frankoprovenzalisclie Gelände zeigt neben ganz A^ereinzelten Archaismen
(%, (/", ts) die jüngsten vorgerücktesten Ergebnisse (iS-, /, h, Schwund).
Ein viel komplizierteres Bild zeigen die Ergebnisse von lat. ka. Zu-
nächst ist hier der alte Verschlußlaut auf einem breiten nördlichen (vgl.
Karte III) und noch breiteren südlichen' Streifen Landes erhalten geblieben.
Die beiden ^a-Gelände machen reichlich den vierten Teil der ganzen Gallia
aus. Das dazwischen liegende Gebiet zeigt zu mehr als der Hälfte — es
ist die nördliche Hälfte — die Lautung /. Das übrige Frankreich hat auf
weiten Strecken die dem / zunächstliegenden Entwicklungsstufen if oder
ts, jenes älter und viel diffuser (Wallonie, Schweiz, Provence usw.) als dieses,
das über Limousin, Lyonnais und Schweiz nördlicli nicht hinausreicht und
also dem eigentlich französischen Gebiete abgeht. Aber es fehlen auch
die jüngeren Stufen nicht ganz : 5 findet sich im Perigord und S^ in einem
großen Teil des Frank oprovenzalischen", / ist an einem Punkte (973) er-
hätte, es dann auch die stimmhafte Affrikata (und Frikativa) dg, g hätte festhalten müssen:
V i c i n u > *«?c?jm > *wjm ; placere ':>*pladger >*plager, daß aber solche Formen mit <%, 5
nicht existiei'en.
Gegen dieses Räsonnement will ich mich nicht nur darauf berufen, daß die j-Formen
noch heute im Norden Frankreichs vorkommen (vicinu >- v«ja; placere >^9/?j/), wie der
Adas ünyuistique zeigt, und ihre Wirlvlichkeit also zu Unrecht bestritten wird, sondern be-
sonders auch darauf, daß es mir nicht statthaft ei'scheint, der Sprache für ihren Lautwandel
einen solchen Parallelisnuis vorzuschreiben. Ich darf daran erinnern, daß ich schon seit
langer Zeit (vgl. Archiv XCIV 1895, 34^) meine schweren Bedenken gegen solche linguistische
Beweisführung ausgesprochen habe. Dazu kommt, daß man hier durch das Postulat eines
solchen Parallelismus nichts gewinnt, da man dann zu erklären hat, warum das Altpikar-
dische nachträglich die stimmlose Affrikata ts zurückgeschoben und zu ^gewandelt hat.
während es die stimmhafte dg unverschoben ließ und so den verlangten Pai'allelismus
doch durchbrach.
tf und dg sind hinreichend verschiedene Laute, um in der Entwicklung auseinander-
gehen zu können. Die Spx-achgeschichte gibt Beispiele genug dafür, daß die Annalimc
eines solchen Parallelismus nichts Zwingendes hat und daß stinunhafte und stinnnlose Laut-
[)aare verschieden gewandelt werden. So auch hier: Die Entwickhuig der stimmlosen
^Vffrikata ky > tf blieb auf dieser Stufe tf stehen, auf der nun tf seinen Verschluß einl^üßtc
und zu / wurde. Die stimmhafte hat ein anderes Schicksal gehabt. Sie hat als palatalc
Affrikata {gf) den vorangehenden und den folgenden Vokal »gesteigert« (z. B. in jjlacerc
das a zu ai diphthongiert und das e zu i vungelautet: plaigjir). Dann ist sie weiter geführt
und über dg hinaus bis dz vorgeschoben woi-den und erst auf dieser Stufe ihres \^erschlusses
verlustig gegangen.
* Vgl. Suchiers Karte V im Grundriß 1 mid P. Meyers Bestinunung dieses ka-
Gebietes auf Grund der Ortsnamen, Boiyiania XXIV, 529 imd XXX, 393.
^ Wo es zum Teil mit 3- < c -|- e zusammenfällt.
Zur spracMkhen Gliederung Frankreichs. \\)
reicht. Die älteste Stufe der Palatalisierung ky^ findet sich an versprengten
Punkten des belgoromanischen Gebiets'.
Aus dieser Übersicht ist deutlich zu erkennen, daß die Palatalisierung
des k vor a hinter der des k vor e(i) herläuft. Wenn wir in der Palatali-
sierungsreihe k > ^^ > (/ > fe > S- die Stufe tf als die Mitte des Weges
bezeichnen dürfen, so hat der Prozeß bei k + e(i) diese Mitte überschritten:
.s ist das in ganz Frankreich herrscJiende Produkt und der Ausgangspunkt k
ist gänzlich geschwunden; bei k + a aber ist eben dieses k und daneben
/ die herrschende Form. Der Prozeß k + a hat seinen Schwei-punkt noch
im ersten Teile des W^eges.
Der Prozeß selbst ist, soweit wir sehen, in beiden Fällen, bei k + e (i)
und bei k + a, der nämliche. Es werden dieselben Stufen durchlaufen, die
mediopalatale (/«%'), die präpalatale {h^^), die palatal-alveolare {tf), die alveo-
lare {ts) usw., und es kann nicht befremden, daß das Pikardisch-Norman-
dische, wenn es einmal in der Palatalisierung rückständig ist, nicht bloß
in dem einen, sondern in beiden Prozessen hinter dem Französischen zurück-
bleibt und den ersten Prozeß nur bis zur palatal-alveolaren Stufe gefordert,
den zweiten aber noch nicht begonnen hat, so daß die Isophonen von /und k,
wie Karte II und III zeigen, zusammenfallen.
Noch nicht begonnen — das ist freilich nicht im vollen Umfang
zutreffend. Es gilt hier zunächst, zwei Fälle zu unterscheiden: entweder
ist a — in lateinischer gedeckter Stellung — geblieben cattu > ka, oder
es ist — in lateinischer offener Silbe — zu e geworden, wie im Französi-
schen überhaupt caru > ksr.
Im ersteren Falle {ka) ist das k im Pikardisch-Normandischen heute
noch unversehrt. Nicht eine Spur von Palatalisierungsanfängen {kr^a)
notiert der Atlas. Und eine solche Palatalisierung aus eigener Kraft wird
auch kaum noch eintreten, denn in nicht allzu ferner Zeit werden die fran-
zösischen /-Formen das Gebiet erobert haben, und das Pikardisch-Norman-
dische wird vom k direkt zum / gelangen, alle geschichtlichen Etappen
überspringend. Wie sehr es heute schon von /-Formen durchsetzt ist,
brauche ich hier nicht durch besondere Beispiele zu illustrieren. Jaberg
' Der Iteibelavit % ist mir uiclit begegnet. — Zum frankoprov. st^ das nicht aus ^s-
umgestellt ist — das ist eine papierene Vorstellung — vgl. Rousselot, Princ. de phon. exp.
S. 631. — Einmal finde ich die interdentale Af fr ikata S ausdrücklich notiert (Gillieron
schreibt ts), Pmikt 710 (Ivarte 250).
3*
20 Morf:
hat das auf Karte III und IV seiner «Sprachgeographie'« an acht Wörtern
{chausser, chauffer, chaud, chaudiere, chandelle, chanter, champ, chambre) dar-
getan'. Seine Karten zeigen, daß die Normandie heute schon selir stark zu
den französischen /-Formen neigt. Vom pikardi sehen Kernhuid sind die
Departements Nord, Sommc und Oise ebenfalls vielfach zu französischer
Lautung abgefallen, während Pas de Calais den alten Lautstand bewahrt
hat. Es zeigen sich also in der Verdrängung des alten k durch modernes /
die nämlichen Verhältnisse, wie sie aus Anlaß des Kampfes zwischen pik. /
und franz. s konstatiert worden sind (oben S. 9).
Die Wallonie, die östliche Flanke des belgoromanischen Gebietes, hat nicht
mehr k wie die Pikardie, aber auch noch nicht / wie das ITochfranzösische.
Sie zeigt neben der palatalen Aflrikata k'^ vorzüglich (/': cattu > Ic^cc, Itr/j,
tfa usw.' Die Wallonie ist also in der Palatalisierung des lat. ka im Rück-
stand gegenüber Franzien. Sie geht nicht mit Franzien, und wenn die Lütticher
Urkunden des 13. Jahrhunderts cJiat und nicht cat schreiben (Romania XVII,
561), so spricht diese Graphic zwar für eine anlautende Affrikata, beweist
aber durchaus nicht den franzisclien Lautstand tf. Im Lichte der heutigen
Patois, die selbst noch nicht alle bis zu tf gelangt sind, wird man alt-
wallonisches eh wohl noch als rein medio- oder praepalatale Affrikata {k%)
zu interpretieren haben.
' K. .Taljerg, Sprachgeographie, Beitrag zum Verständnis des Atlas ling. de la France^
Aarau 1908.
^ NachJabergs beiden Karten müßte man annehmen, daß Punkt 248 zum /^Gebiet
gehört, da keine der acht Isophonen diesen Punkt einschließt. Andere Wöi-ler aber, \\\v
chat^ chasser (P. 248: Ita^ hafe), erweisen für diesen Punkt altes k.
^ Die 19 cattu -Formen, welche der Atlas für das waHonische Gebiet gibt, zeigen
ein Dutzend Varietäten, wenn auch die Ideinsten Nuancen der plionetischen Umschrift in
Rechnung gesetzt werden. Ein großer Teil dieser Spielai'ten beruht auf der Verschiedenheit
des Vokals. Es sind vier Arten v^on langem a vertreten: ottenes (o), mittleres und ge-
e
schlossenes (a) und ein sehr geschlossenes, gegen a hin liegendes 0: der ?-Laut selbst kommt
auch vierfach, offen (s) und geschlossen (e), lang und kiuv., vor. Der Anlaut tritt eben-
falls vierfach auf: als yt^' (P. 197), als Jcy^^ (P. 193, 196, 199, 291), als // mit J-Gleitlaut
(d.h. mit stark palatalem Rest) in P. 182, 189 usav. und als einfaches ^ in P. 185, 198 usw.
Im Texte meiner Darstellung vereinfaclie ich, hier wie anderswo, diesen Reichtum und gebe
die beiden Endpimkte der Reihe k% und tf^ welche Verlauf und Stand des Prozesses aus-
reichend bestimmen. — Der Umstand, daß der e-Laut in diesen palatalisierten wallonischeii
Formen vor a bevorzugt wird, ist leicht erklärUch; daß aber das e nicht der Ausgangs-
punkt und die Bedingimg der Palatalisierung ist, erhellt aus den Formen Jcyß (P. 291),
tfja (P.t89, 290), t/a (P.198).
Zur sprachlichen Gliederung Frankrekks. 21
Entwicklungsgeschichtlich stellt sich also die Sache sf) dar, daß in der
Behandlung von lat. k + a das Wallonische ursprünglich mit dem Pikardisch-
Normandischen zurückblieb und nicht mit dem Franzischen zur Palataii-
sierung des k schritt. Später hat es sich dann aus dem belgoromanisdien
Verbände gelöst und ist nachträglich, und zwar schon vor dem 13. Jahr-
liundert, in den Palatalisierungsprozeß von k + a eingetreten.
p]s ist das nämliche Verhalten, das die Wallonie in der Behandlung
des lat. k + e (i) uns gezeigt hat.
So tritt auch hier deutlich die ursprüngliche Einheit des alten
belgoromanisdien Sprachgebietes hervor, das Wallonie, Pikardie'
und Nonnandie umfaßt".
Die Nonnandie gehört also wirklich sprachlich nicht zu Franzien, wie einst
Qc. Paris meinte''. Sie gehört durchaus zur Pikardie. Aber sie ist sprach-
lich und literarisch viel unselbständiger als diese und früh unter den starken
Einfluß von Franzien geraten, während die Pikardie kräftige Eigenart be-
wahrt hat.
Hat sich aber — und damit komme ich zum zweiten Fall — lat.
freies a zu e gewandelt (caru > lar), dann ist dieses vor e stehende k auch
im Pikardischen gefährdet und erliegt leicht einer Palatalisierung, die ich die
sekundäre nennen will, denn auch sie ist jünger als die Palata-
lisierung im Franzischen. Das zeigt ein Blick auf den Atlas linguistique.
Einmal besteht noch heute in weiten Gebieten des Pikardisch-Norman-
dischen das unversehrte k*. Die Karte 268 belegt karu > ksr für das ganze
Departement Pas de Calais^, weist ^-Formen auch für Nord, Somme,
' Vgl. S. 3 Anm.
^ Somit geben die Materialien des Atlas linyvistiqve iiii wesentlichen der Auffassung
Jorets recht und die unsichere, schwankende Graphie der alten Handschriften nuiß ins
Licht dieser Tatsachen gerückt werden (vgl. Z. f. r. Ph. 11, 29 4 ff. inid Beetz, C und Ch vor
latcin. A in alt/r. Textm, Dannstadt 1887). Der Laut behält recht vor dem Buchstaben.
^ Der übrigens Suchiers Widerspruch gegenüber {Bihliotheca NormannkalW {\^%$)
Vorwort) seine Behauptung {llomania XIV, 598 ff.) eingeschränkt hat.
* Ich sage »unversehrt«, wenn der Atlas keine Palatalisierungsspur verzeichnet, und
also makroskopisch ein Wandel nicht vorliegt; Vgl. Archiv f. d. Stud. d. neuern Sprachen
CXV, 444.
^ G. Paris, Romania XXXIII, 327, schien diese sehr vitale Form nicht zu kennen. —
Ich weise hier auf die merkwürdige Diphthongierung des s: hin, die durch Vorschlag eines
geschlossenen e {kezr) entsteht und wie die Vorstufe zu einem hjsr aussieht. Da würde ein ganz
anderer Lautwandel vorliegen als in ksr > k%er. — Vgl. indessen das seltsame kctr (S. 287).
22 Morf:
Oise und die normandische Insel Aurigny auf. Umgeben ist dieses
Ä-Gebiet von sekundär palatalisierten h/j^r, hyjjr^ (Nord, Oise und besonders
Somme, vgl. auch Punkt 395) und durchsetzt ist es natürlich mit im-
portierten hochfranzösischen /-Formen. So ist das typische Bild der Sprach-
karte dies: Im pikardischen Kernland herrscht noch heute k\ dieses h ist
bedrängt einerseits durch eine einheimische sekundäre Palatal isierung und
anderseits durch die französischen /-Formen.
In diesem Kampf hat jedes /ce-Wort seine eigene Geschichte. CMne
z. B. (Karte 265) hat sich in seinem pikardischen Lautstand lün^ und se-
kundär l^/Jn, viel besser behauptet als clier: es erfällt noch die ganze Nor-
mandie und seine Isophonc fallt vom Ozean bis Belgien mit der von Im
zusammen, nur die Punkte 330, 262 und 271 bleiben außerhalb.
Von diesen Lautverhältnissen föUt Licht auf die Schreibung kier, kief
usw., die sich neben ker usw. in alten pikardischen und (anglo-)norman-
dischen'' Handschriften findet: sie gibt diese sekundäre pikardisch-norman-
dische Palatalisierung wieder, die damals in ihren Anfängen begriffen, d. h.
noch mediopalatal [kr/^] war und für das Ohr stark nach k hin klang. So
ist diese sekundäre pikardisch-normandische Palatalisierung vielleicht nicht
viel älter als das 1 2 . Jahrhundert.
Auch in dieser Palatalisierung von k ■\- e ist das Wallonische sicher-
lich früher als das Pikardische eingetreten. Es kann dies auch aus dem
Umstände geschlossen werden, daß sie bei ihm völlig durchgeführt und
die Stufe tf in fast der Hälfte der Fälle erreicht ist^. Seine Unabhängig-
^ Neben dieser alten Palatalisationsstufe h-/^ finde ich nur einmal eine vorgerücktere:
tß in S. 279, wo das Wort also heute so lautet wie etwa im Franzischen des 12. Jahr-
htmderts: tj'jsr. — An der Periphci'ie des Gebietes, im normandischen Westen, finden
sich auch reine Reibelautformen: /)>, ß.
^ hier usw. im Lambspringer Alexius^ Oxford er Psalter usw. sind nicht »pikardische,
Elemente«, sondern sind echtes normandisches Eigengewächs. In» Nebeneinanderstehen von
Jeier^ der, ker, eher, chier spiegelt sich die Ratlosigkeit der Schreiber, denen das lateinische
Alphabet für diesen »modernen« Laut nicht genügte.
' Da ich hier die Frage der pikardischen Palatalisierung nur insoweit zu behandeln
habe, als zur geschichtlichen Interpretation der Mundartengi-enzc erforderlich ist, so brauche
ich auf die Alteration des k vor vortonigem lat. a (caballu, caminu, carruca) sowie
die des nachkonsonantischen (furca, branca) und des langen k (vacca, bucca) nicht
einzugehen. Nur so viel sei gesagt, daß sich Anzeichen dafür finden, daß auch in Gallien
die Palatalisieriuig vor betontem d ihren Anfang genonnnen hat. Auch in vortoniger Stellung
palatalisiert das Wallonische, ob das a geblieben oder zu e, 9 geworden: es hat k%ary
Ziir sprachlichen Gliederung Frankreichs. 23
keit von Franzien zeigt das wallonische Gebiet darin, daß es neben seinen
k%- und //-Formen keinen Import von /-Formen aufweist, der im Pikar-
disch-Normandischen so reich ist.
Die zeitliche Abstufung, die sich für die Palatalisierung von lat. k + a
(caru, cattu im Belgo- und Keltoromanischen ergibt, nachdem freies a
auf dem ganzen Gebiete zu e geworden {ker, kat) ist:
1. das Keltoromanische palatalisiert: h/^er und kr^at, während das
Belgoromanische bei k bleibt;
2. das Wallonische palatalisiert: k%er und k%at;
3. das Pikardisch-Normandische tritt in die Palatalisierung von ksr
> kr/^er ein, während kat bleibt.
Diesen Zustand des Pikardischen hat schon A. Tobler fär das 13. Jahr-
hundert erkannt und anerkannt. Seiner Auffassung ist auch G. Paris bei-
getreten^ und S. de Grave [Romania XXX, 103) vermutet ihre Richtigkeit
auf Grund der Lehnwörter, die das Mittelniederländische den Patois Frank-
reichs entnommen hat.
(carructi) neben Är%ery, während das Pikardische zwar neben Jcery auch 1c%ery zeigt, aber
nur kanj und nicht Tcyjiry entwickelt. Formen wie gva (caballu), Icms. (caininu) an
Punkten, wo sonst Tc vor e palatalisiert wird, beweisen, daß hier die sekundäre pikardische
Palatalisierung später ist als der Schwund des vortonigen 9. Da das Wallonische in diesen
Wörtern 7f)(^, //"hat, so wird auch dadurch das höhere Alter seiner »sekundären« Palatali-
sierung offenbart. Das Verbreitungsgebiet von furk^ hrälc^ vah, buk ist wesentlich das näm-
liche wie das von cattu >/tr?. Immerhin finden sich einige Überschreitungen der Isophone
der Karte III: bräk, buk hat sicli in der östlichen Wallonie (P. 190 usw.) gehalten; vak in
der südlichen Normandie (P. 368, 358). Eine sekundäre Palatalisierung findet sich bei diesem
einst vor a >- a stehenden und nun auslautenden k nirgends im Pikardisch-Normandischen. —
Ein Wort mit ganz eigenartiger Entwicklung des Anlauts ist cane (Karte 277). Hier schritt
das ganze belgoromanische Gebiet augenscheinlich in gleicher Weise früh ziu* Palatalisierung.
' In der Einleitung zum Lai de Voiselct, die jetzt in seineu Legendes du moyen äffe,
Paris 1904, S. 272 wiederabgedruckt ist. Wenn Paris dort sagt, daß das Nebeneinander
von ky^sr und kat von keinem der heutigen Patois geboten werde, so stand ihm eben seiner-
zeit das Material des Atlas noch nicht zur Verfügung. — Die altfranzösischen Reime, um
die es sich handelt (vgl. Tobler, Li Bis dou vrai ahtel^, 1884 S. XXI, depecies: pecies usw.)
lassen sich sehr wohl auf der Basis von d^etßes : pek%ies verstehen. Daß der pikardische
Schreiber für die beiden Affrikaten k% und tf die nämhche Schreibung ci braucht, ist nach
allem leicht erklärlich. — Die jüngste Äußerung zur ganzen Frage findet sich in Rom. For-
schungen XXIX, 118.
24 Morf:
IV.
Auf Karte IV habe ich die drei Isophonen (pik. e, /, k) vereinigt.
Seitlich verlaufen sie getrennt. Die e-Linie umfaßt die Wallonie und
scheidet die Normandie aus. Wir wissen, daß die Normandie noch im
12. Jahrhundert zum e-Gebiet gehört hat, und daß das Altwallonische auch
zum /-Ä;-Gebiete zählte, so daß einst die blaue Isophone auch die Normandie
und die rot-schwarze auch die Wallonie umfaßte. Von dieser alten Einheit
des belgoromanischen Sprachgebiets war oben die Rede.
Hier fesselt unser Auge das Mittelstück:
Auf einer Strecke von 200 km, von der belgischen Grenze bei Trelon
(Punkt 270), durch die Departemente Aisne, Oise und Seine et Oise
bis Gisors (bei Punkt 238), haben die drei Isophonen den nämlichen Ver-
lauft und grenzen das pikardische Kernland gegen Champagne und Ile-
de-France ab. Es wird gewiß nicht häufig beobachtet, daß Isophonen
von solcher Bedeutung" auf eine so lange Strecke zusammenfallen. Dieses
Isophonenbündel bedeutet eine formliche Abschnürung des Pik ardischen
vom Französischen. Das Bündel löst sich auf, westlich, wo die Nor-
mandie beginnt, die sprachlich wenig widerstandsfähig war und ist, und
östlich, wo die Wallonie anfangt, deren kräftige sprachliche Eigenart eigene
Wege ging.
Zwischen dem P'ranzösisch-Champagnischen einerseits und dem Pikardi-
schen anderseits findet nicht ein allmählicher Übergang statt, sondern die
Dialekte stehen sich schrofi* entgegen. W^ir erkennen eine wirkliche und
in ihrer Ausdehnung ungewöhnlich kräftige Mundartengrenze.
Eine solche Mundartengrenze bedeutet geschichtlich eine Verkehrs-
grenze und zwingt den Linguisten, nach einem alten wirtschaftlichen Limes
zu graben.
Wie ich früher gezeigt habe {Arch. f. d. Stud. d. n. Spr. CXV, 462,
Bulletin de dialedoloyie rom. I, 10 ff.), ist dieser Limes in der alten kirch-
lichen Einteilung des Landes zu suchen. Ich habe deshalb auf Grund der
Karten der Gallia Christiana die Umrisse der nordostfranzösischen Diözesen
* Punkt 261 iiuielit eine Ausnahme. Er gehört ziuu s-, aber nicht zum /-^-Gebiet.
Hier liegt ein Problem örtlicher Dialektologie vor, das sich hier einer Besprechmig entzieht.
^ I). h. solche, hinter denen Lauterscheinungen von so charakteristischer und so tief-
greifender Art stehen, daß sie etwa 10 Prozent des AVortschatzes in Mitleidenschaft ziehen.
Zur sprachlkhen Gliederung Frankreichs. 25'
von Amiens, Beauvais, Noyon und Cambrai' auf Tafel II skizziert und
dazu die Punkte des Atlas lingulstique eingetragen.
Die West-, Süd- und Ostgrenze der »pikardischen« Grrenzbistümer
Amiens, Beauvais, Noyon, Cambrai, welche diese Bistümer von den
Landschaften Norm an die, Ile-de-France und Champagne scheidet, ver-
läuft so: vom Meere, östlich von Eu, folgt sie dem Flusse La Bresle, der
heute die Departemente Somme und Seine-Inferieure trennt, geht mit
der Grenze des Departements Oise südlich, hart an Gournay, vorbei, biegt
dann bei Punkt 248 nach Südosten ab und trifft, Chaumont westlich
lassend, etwas oberhalb von Pontoise auf die Oise. Sie folgt nun der
Richtung dieses Flusses aufwärts nach Nordosten, doch in einer sehr cha-
rakteristischen Weise, indem sie den Fluß wiederholt schneidet. Zunächst
überschreitet sie die Oise vor L'Isle-Adam und bleibt bis vor Verberie
auf dem linken Ufer, womit ein breiter Landstreifen, der auch die Städte
Beaumont, Creil, Pont-Sainte-Maxence trägt, zur Diözese Beauvais
gefügt wird. Dann fällt bis unterhalb der P^inmündung der Aisne die
Grenze mit der Oise zusammen, und Verberie, Compiegne, Choisy
gehören also nicht zur Diözese Beauvais, soi.dern zu Soissons. Wieder
schneidet, unterhalb Choisy, die Grenze den Fluß und fügt das Gelände
der Benedektinerabtei Ourscamp zum Bistum Noyon, während Brettigny
zu Soissons gehört. Westlich von La Fere verläßt die Diözesangrenze
endgültig das Ufer der Oise, bleibt westlich vom Fluß, zwischen Hom-
blieres und Ribemont ungefähr in der Mitte, wendet sich nördlich von
Guise nach Osten und trifft östlich von La Capelle auf die Landesgrenze.
Sie folgt dieser Grenze, welche zugleich die des Departements Nord ist,
und verläuft dann in nördlicher Richtung durch belgisches Land, bis sie,
etwas nordwestlich von Nivelles und südwestlich von Brüssel, die flämisch-
französische Sprachscheide erreicht.
Die Punkte des Atlas auf » pikardischem « Gebiete, die dieser Grenze
zunächst liegen, sind somit:
279, 267, 257, 247, 248, 246, 235, 253, 262,. 270, 280, 292, 293.
1 Der ümstaud, daß Cambrai mit Arras zusammen bis 1093 imr ein Bistum bildete,
berührt weder die Karte noch die daran geknüpften TTlieHeiiungen, da nur die äußere, öst-
liche Grenze des Bistums ITir ims in Frage kommt.
Phil.-hist. Klasse. 1911. Ahh. II. 4
26 Morf:
Die normandisclien, französischen, cliampagnischen und wallonischen
Grenzpunkte aber sind:
268, 258, 238, 227, 232, 242, 251, 261, 179, 290, 291.
Zwischen diesen beiden Punktreihen verläuft die Grenze der »pikardi-
schen« Bistümer Amiens, Oise, Noyon, Cambrai, wobei im Druck die
Punkte hervorgehoben sind, zwischen denen das Mittelstück von Gisors
bis Trelon liegt.
Dieses Mittelstück verläuft also in der nämlichen Richtung und
auf dem nämlichen, etwa 20 km breiten Landstreifen^ wie die Grenzen
der Bistümer Beauvais, Noyon und Cambrai. Die Koinzidenz ist frap-
pant. Die charakteristischen belgoromanischen Sprachzüge s, f, k machen
an der Grenze der civitates Bellovacensis, Noviomensis und Camera-
censis halt.
Ob die Mundartengrenze gänzlich und in allem Detail mit der
Diözesangrenze zusammenfällt, das festzustellen reicht das Material des
Atlas linguistique nicht aus. Das muß der örtlichen Spezialforschung über-
lassen bleiben, die hier eine lohnende Aufgabe findet. Wenn der Atlas
hier unsere Fragen nicht beantwortet, so bleibt ihm doch das große Ver-
dienst, die Fragestellung angeregt, das Problem gestellt, die prinzipielle
Erkenntnis ermöglicht und den Weg zur endgültigen Lösung gewiesen zu
haben.
Indessen gibt es ein Mittel, um auch aus der Ferne die Lösung zu
fördern: die Befragung alter schriftlicher Sprachdenkmäler der Grenz-
zone und der Ortsnamen formen. Aber beide Erkenntnisquellen ergeben
leider nicht so viel, als man erwarten möchte.
Charakteristische pikardische Ortsnamen, wie Ourscamp, Caines,
Carlepont, Trachy (Draciacum, Traciacum), Chiry (Ciriacum)
finden sich südlich von Noyon, jenseits der Oise, in einem Winkel, dessen
Benedektinerabtei, wie die Karte zeigt, zum Bistum Noyon gehört: diese
Formen leisten sicherlich den Beweis, daß hier die Mundartgrenze mit der
Bistumsgrenze den Fluß überschreitet, und daß in einem kontrollierbaren
Detail die beiden Grenzen zusammenfallen.
Wenn man nun aber auf den französischen Karten nicht die alte
Schreibung Trachy sondern Tracy findet, so stellt sich die Vermutung
1 Iiiiiiier mit Ausnalime des einen Punktes 261, dessen pikardisches s unerklärt bleibt.
Zur sprachUche7i Gliederung Frankreiclis. 27
ein, daß, wie dieser Ortsname, auch andere französisiert worden sind. Und
das ist leider häufig genug der Fall. Calniacum liegt unstreitig auf pi-
kardischem Gebiet': die Nainensform *Gauny, die einst existiert haben muß,
ist völlig verschwunden'^ Und Chaulnes (Somme) nördlich von Noyon
und so viele andere! Die Namen bedeutenderer Orte haben oft seit alter
Zeit eine offizielle Französisierung erfahren. Ein kleines Caumont bleibt,
aber *Cauny verschwindet, und die ganze Misere dieser Namenformen zeigt
ein Caumont-les-Chauny {J)lct. top. de VAisne, s. v.).
Wer auf diesem nordfranzösischen Gelände den Versuch machen wollte,
die pikardisch-französische Mundartgrenze mit Hilfe der Ortsnamenformen
darzustellen, würde den größten Täuschungen ausgesetzt sein. Eine solche
Arbeit könnte nicht mit dem Namenmaterial der üblichen Karten, sondern
nur mit Hilfe der örtlichen Patoisformen der Ortsnamen — soweit sie noch
vorhanden sind! — und mit einem gesicherten Flurnamenmaterial unter-
nommen werden. Daß auch die Namen ganz kleiner Orte täuschen können,
zeigt Punkt 253 nördlich von Noyon: ein Dorf von kaum 200 Einwohnern.
Die offizielle Fonn der Karte ist Bussy; der Atlas lehrt uns (Karte 2),
daß die ortsübliche Form gut pikardisch ist: hyfl < Bultiacum.
Unter diesen Umständen läßt sich behaupten, daß das Vorkommen
französischer Namenformen nichts zugunsten eines wirklich französischen
Sprach grundes beweisen; daß hingegen der pikardisch e Sprachgrund min-
destens so weit reicht, als das Vorkommen pikardischer Namenformen fest-
gestellt werden kann — und da stimmen denn die Castres,Cateau,
Catillon, Capelle usw., die sich westlich und nördlich der Oise von
St-Quentin bis Trelon auf den französischen Karten finden.
Daß die schriftlichen Sprachdenkmäler der Grenzzone kaum entschei-
dende Bedeutung haben, da auch sie mit franzischen Graphien durchsetzt
sein werden, läßt sich von vornherein annehmen. G. Krause hat das Ur-
kundenmaterial des Departements Oise auf ihr pikardisches Zeugnis hin
^ Chaunys en Picardie sagt Rjibelais, der von den berühmten Possenspielern des Ortes
spricht.
^ In dem Städtchen selbst, in welchem natüi^ich das Patois erloschen ist, ist keine
Erinnerung an eine Form *Cauny geblieben, wie mir ein Lehrer der Gegend bezeugt. Das
Bktionnaire topogr. du dep. de VAisne, Paris 1871, zeigt, daß seit dem 13. Jahrhundert auch
in den lateinischen Urkunden die .Schreibung mit ch herrscht (Channiacnm) und die fran-
zösischen ausnahmslos ch haben. Älteres castrum Cauniaci (1067) zeugt vielleicht von
pikardischer Lautung.
4*
28
Morf:
untersucht\ Er deutete die scli wankenden Schreibungen seiner Quellen
und irrte z. B., wenn er Compiegne für pikardisch erklärte; aber es ist
bemerkenswert, daß er auf Grund seines rein papierenen Materials zu der
Auffassung kommt (S. 77), daß sich die Sprachgrenze des Pikardischen gegen
das Franzische nicht etwa mit dem Laufe der Oise decke, sondern daß «noch
ziemlich auf der ganzen Strecke der O i s e in unserem Departement auch das
linke Ufer in größerer oder geringerer Breite als pikardisch sprechend an-
zusehen« sei. Das stimmt in überraschenderweise zu der Bistumsgrenze,
die von Verberie bis zur Isle-Adam"' auch das linke Ufer der Oise ein-
schließt. Mit anderen Worten: Das Stück Ile-de-France, das schon Krause
als pikardischer Mundart erklärte, gehört zur Diözese B e a u v a i s . Die Ile-de-
France ist in ihrem Norden (Isle-Adam, Beaumont, Creil, Pont-Ste-
Maxence) pikardisch, soweit die kirchliche civitas Bellovacensis reicht.
So liefern die spärlichen Zeugnisse der Ortsnamenformen (Ourscamp)
und der Urkundengraphien wenigstens zwei charakteristische Stichproben
fär das wirkliche Zusammenfallen von Sprach- und Bistumsgrenze auf pi-
kardisch-franzischem Gebiet.
Und was hier festgestellt werden konnte, wird sich zweifellos für an-
dere Gegenden nicht nur Galliens, sondern der Romania überhaupt^ er-
weisen lassen: die uralte kirchliche Einteilung des Landes ist stark be-
teiligt an der sprachlichen Gliederung des Landes. —
Daß das Frankoprovenzalische die Sprache der alten Bistümer
Lyon und Vienne sei, habe ich früher schon ausgesprochen \ Hier gebe
' Zur Mundart des Dep. Oise vgl. oben IS. 5. Heute wissen wir, daß es eine »Mund-
art des Dep. Oise« nicht gibt. Ein Blick auf Karte III und V zeigt, daß der größte Teil
des Departements pikardisch ist und daß die westliche Ecke mit Chaumont und die
größere östliche Ecke mit Senlis und Compiegne franzisch sind.
* Durch diese Übereinstimmung von Krauses Beobachtung und dem Zeugnis der
Karte V hielt ich mich für berechtigt, die zwischen Punkt 235 imd 227 verlaufenden Iso-
phonen auf Karte I, II, III bis in die Nähe' (nördlich) von Pont oise zu ziehen, das der
erste bedeutendere franzische Ort am Unterlauf der Oise ist.
•^ Fiu- das italienische Sprachgebiet (Kanton Tessin) hat C. Salvioni schon vor
Jahren (1901) ein Beispiel angeführt (vgl. Arch.f. d. Stud. d. neuern Spr. CXXR", 194), und
J. .lud bestätigt mir brieflich die konstitutionelle Bedeutung der Diözesangrenzen in der
nnmdartlichen Gliederung Norditaliens und Rätiens. Für Spanien vgl. die im Bull, de dial.
roff». I, 22 erwähnte Studie von R. Menendez Pidal. Auch im Deutschen sind Bistums-
grenzen als Sprachgrenzen erkannt worden, vgl. Archiv CXI, 45 und Bulletin J, 12 f. imd 103.
* Vgl. Bulletin de dialectologie romane 1, 10 ff. Da ist auch die Uiuichtigkeit der Karte
des (je vöhevsch&A Grundrisses hervorgehoben, auf deren Unstimmigkeiten, wie ich jetzt sehe,
Zur ><prachlichen Gliederung Frankreichs. 21)
icli eine Karte dieser beiden Bistümer (Karte VI). Icli lege dabei das Über-
sichtsblatt des Atlas linguistique zugrunde, das wir Schädel verdanken und
das, Aveil die Flußläufe und einige Städte eingezeichnet sind, die Orientie-
rung erleichtert. Dabei habe ich für einzelne Punkte des Atlas, besonders
für diejenigen, die der roten Bistumsgrenze zunächst liegen, die Lage ge-
nauer angegeben (gel])e Punkte). Es ergibt sich daraus, daß eine ganze
Anzahl der von Gillieron gewählten Ortschaften eine recht charakteristi-
sche Grenzlage haben, so 917 und 916, 908, 808, 814, 817, 827, 838, von
denen die hier fett gedruckten noch innerhalb der Bistumsgrenze liegen.
Der lautlichen Skizze habe ich die beiden Wörter mercatum und
pratum zugrunde gelegt'. Die provenzalische Behandlung des d (Er-
haltung des a bzw. Überführung zu o) ist durch blaue Farbe, die fran-
zösische Behandlung (Palatalisierung, d. h. Überführung des a zu e, i)
durch rote Farbe bezeichnet. Zwischen dem südlichen Blau und dem nörd-
lichen Rot liegt ein Gebiet, das Rot (mercatum > ^, i) mit Blau (pratum
> a, ö) kombiniert: eben das frankoprovenzalische Gebiet. Seine östliche
Begrenzung, von Morbier (938), über Replonges (917), Cours (908),
Sail (808) bis St-Nazaire (838), fällt, soweit es die kartographischen
Hilfsmittel erkennen lassen, völlig mit der Peripherie der beiden Bistümer
zusammen.
Gaiichat 80110111903 hingewiesen hat (Behrens' Ze?fecÄrj/Z XXV^, 121). An jener Stelle
envähnt Gauchat ehie Reihe von Schwierigkeiten, die sich bei der Erörterung der terri-
torialen Ausdehnung des Frankojjrovenzallschen ergeben. Diese Schwierigkeiten betreffen
namentlich das östliche Gebiet der Departemente Jura und Doubs. Hier, wo ich die
Frage des Frankoprovenzalischen nur l)eiläufig behandle, verzichte ich darauf, diese SchAvierig-
keiten zu besprechen. Das mag ein andermal geschehen. So beschränke ich mich denn
auch darauf, den Zusammenhang des Schicksals von lat. ä mit dem Territoi^ium der Bis-
tümer Lyon und Vienne zii illustrieren, ohne andere lautliche ^Merkmale des TVankopro-
\ei)zalischen mit heranzuziehen (Schicksal der x\uslautvokale, Akzentverschiebungen usm'.)
imd auf folgendes lünzuweisen: die scharfe Westgrenze, die das frankoprovenzalische Gebiet
vom provenzalischen scheidet, läßt darauf schließen, daß hier im massif central zvfel »ms eni-
gegengesetzten Richtungen konunende Sprachwellen zusammengestoßen sind. Im Norden
geht das Fi^ankoprovenzalische allmählich ins Französische über: die Nordgrenze (Franche-
Comie) ist viel vagei-: das Frankoprovenzalische ist\eben auf den römischen Straßen nach
Norden gewandert und hat auf dieser AVanderung allmählich neue Züge angenommen und
alte verloi'en.
' Man nuiß, um die mercatum- Formen des frankoprovenzalischen Gebietes richtig
zu interpretieren, sich der Erörterungen erinnern, die einst über die komplexen Palatali-
sierungserscheinungen dieser Mundart stattgehabt haben (Romania XVI 263 — 87, XXVII 27off.).
30 Morf:
Die Übereinstimmung von Lautgrenze und Bistumsgrenze ist an meh-
reren Stellen insbesondere frappant. So bei Mäcon, wo die benachbarten
Punkte 917 und 916 getrennt werden; bei Punkt 838, wo beide Grenzen
die Isere, und bei Punkt 827, wo beide Grenzen die Rhone (nördlich von
Tournon) schneiden; bei Punkt 817 (Riotord), westlich von Annonay,
das selbst noch zur Diözese Vi enne gehört, an dessen Westgrenze es liegt.
Auch Punkt 816 fesselt den Blick des Forschenden. Er erinnert sich, daß
Philipon einst {Ro?nania XXII 2) darauf hingewiesen hat, daß rmfliience de
la pahtah sur l'a accentue ne parait pas avoir franchi la Loire, weil er in
Texten aus Saint-Bonnet-le-Chäteau und andern Ortschaften des Be-
zirkes Montbrison Formen mit unversehrtem a, d. h. mit provenzalischem
Lautstand, fand. Nun ist Punkt 816 des ^//os eben jenes Saint-Bonnet-
le-Chäteau, das mit dem ganzen Südwestwinkel des Departements Loire
aus dem Bistum Lyon herausfällt! — Punkt 905, in der Nordwestecke,
liegt im Kanton Saint-Hoan-le-Chatel, wo, wie schon Suchier sagte
{Grundriß I 599), die ersten Spuren des Frankopro venzalischen begegnen.
Im Osten bleibt nun das Frankoprovenzalische nicht auf die beiden
Bistümer beschränkt: nordöstlich schließt sich das frankoprovenzalische
Hinterland der Schweiz (936, 937, 939, 40, 51, 52 usw.), südöstlich das
der Savoyischen Alpen an, vom Genfer See bis G renoble und darüber
hinaus \ Inwiefern die frankoprovenzalische Grenze, die von Punkt 938
ab sich nördlich über P. 939, 40, 51 bis 52 dahinzieht, mit der Grenze
zusammenfallt, welche das Bistum Lausanne vom Bistum Besangon
scheidet, soll hier nicht untersucht werden, und ebensowenig soll die Frage
behandelt werden, ob die südliche frankoprovenzalische Peripherie, von
Punkt 838 ab nach Italien zu, mit Diözesangrenzen zusammenfällt. Mir
liegt hier nur daran, die alten civitates Lugdunensis und Viennensis
als das frankoprovenzalische Kernland aufzuweisen. Diese beiden alten ci-
vitates — und nicht das um fast ein Jahrtausend jüngere burgundische
Reich — sind es, innerhalb deren Grenzen das frankoprovenzalische Idiom
sich gebildet und bewahrt hat^.
^ Ich notiere juil" der Karte diesen rotblanen Lautstand der Schweiz und Savoyens
nur für ihr westliches Grenzland, das also von Le Locle in der Schweiz (52) lüsBourü-
d'Oisans (950), südlich der Isfere, sich erstreckt.
^ Freilich ist auch das frankoijrovenzalische Sprachgebiet niannigfach von Wörterji
französischen Lautstandes durchsetzt. Man sehe z.B. die Karte des Wortes conge {316),
Zur sprachlk'hen Gliederung Frankreichs. %\
Seither ist wiederholt beobachtet worden, daß sprachliche und kirch-
liche Grenzen zusammenfallen \ so zwischen Conthey und Saviese im
Wallis {Archiv CXXVI, 2 1 4) zwischen dem vosgien und dem saunoLs in
Lothringen (ebenda CXXIII, 495). Ein Bündel von etwa 20 Isophonen
scheidet hier scharf den »Bergdialekt« (vosgien) vom Patois der Ebene
{saunois), und dieses Bündel zieht sich in der Richtung der Grenze dahin,
die die Bistümer Nancy und St-Dic trennt. Ein nicht weniger starkes
Isophonenbündel liegt im Val d'IUiez (Schweiz) zwischen dem Haupt-
dorfe gleichen Namens und dem Nachbardorfe Troistorsents, wie Fank-
h aus er in seiner schönen Arbeit gezeigt hat {Revue de dialectologie romane
III, 20): Val d'IUiez und Troistorrents waren jahrhundertelang kirch-
lich getrennt zwischen dem Bistum von Sitten und dem von Genf (ebenda
II, 209).
P. Passy hat vor zwanzig Jahren in einer Studie über Vogesendia-
lekte {Revue de philologie frangaise et provengale^ 1892, S. 149) darauf hin-
gewiesen, daß Plombieres vom Val-d'Ajol durch eine scharfe Dialekt-
grenze geschieden sei, für die eine Erklärung sich weder in der Topo-
graphie noch in der Geschichte finden lasse. Die kirchliche Einteilung
gibt diese Erklärung: Plombieres gehört zum alten Bistum Toul, Val-
d'Ajol zur Diözese Besangon.
Die sprachliche Bedeutung der Bistümer, die wir jetzt zu erkennen
beginnen, ist schon dem Mittelalter nicht verborgen geblieben. So berufen
sich die Leys d'amors auf die Diözese als maßgebende sprachliche
Einheit und schreiben vor, daß in Fällen zweifelhaften Sprachgebrauchs
der Dichter sich an die Form des Ausdrucks halten soll, die in einer
ganzen Diözese {acostumat cominalmen per tota una diocezi) üblich sei^
das man so gern marche zur Seite stellen mochte. Wie sprunghaft es bei diesen Wort-
wanderuugen zugeht, zeigt an einem andern Worte {nez, Karte 908) der Punkt 809, der
durchaus provenzalisch ist und lur p rat um auch joro aufweist: für nasus hat er die fran-
zösische Foi'm ne.
' Eine, wie es scheint, mißglückte Beobachtimg dieser Art wird in Komania XXXVIII, 150
von A.Thomas abgelohnt.
^ Monuments de la litt, romane ed. Gatien- Arnx)ult, Toulouse 1842, II, S. 210 und
passim. Vgl. S. 388, wo von den schwachen Neubiklungen wie dissigui gesagt wird, daß
sie allerdings in Toulouse gebräuchlich seien, aber jaciai/sso que dins Tholoza ... hom diga
aytals motz, encaras no abasta, quar cove que per tota una diocezi sian acostumat de, dire.
E quar per totz los locz generalmen que san en la diocezi de Tholoza hom no ditz aytah motz,
per so nos nols devem dire.
32 Mokf:
V.
Das französische Bistum hat nicht nur seinen offiziellen Namen (civitas)
vom römischen Verwaltungsbezirk, sondern auch seine Grenzen (vgl. Bull,
de dialect. rornane I, 13). Es hat diese Grenzen ohne wesentliche Verschie-
bungen durch die Jahrhunderte bewahrt bis i79o\
Der römische Verwaltungsbezirk selbst, an dessen geistliche Spitze
seit dem IV. Jahrhundert der christliche Bischof trat, beruhte auf der Kon-
stitution, die Augustus den eroberten tres Galliae einst verliehen hatte.
Diese administrative Gliederung des weiten Landes w^ar in den vier Jahr-
hunderten der Römerherrschaft ebenfalls wesentlicli festgeblieben'.
Die französischen Bistümer sind also — erst weltliche, dann kircli-
liche — Verwaltungseinheiten, die durch achtzehnhundert Jahre ohne er-
hebliche Änderungen bestanden haben. Die Bistumsgrenzen sind dem-
nach Verkehrsgrenzen, die während fast zweitausend Jahren
Frankreich durchfurcht haben, während die politischen Grenzen un-
aufhörlich wankten und wechselten.
Jawohl: Verkehrsgrenzen. Man vergegenwärtige sich die Verkirch-
lichung des Lebens im Mittelalter, um die Bedeutung der kirchhchen Zu-
sammengehörigkeit eines Gebietes zu ermessen, dessen Bewohner in den
kleineren kirchlichen Zentren und in der Bischofsstadt ihrer civitas regel-
mäßig zusammenströmten und zusammen verkehrten. Der ganze Verkehr
vollzog sich in diesen Zentren und in der Metropole, denn der direkte Aus-
tausch von Ort zu Ort wurde durch die ünzulängliclikeit der Vizinalwege
auf die großen Straßen gedrängt, die zu diesen Hauptorten führten. Geradeso
wie heute die Hauptstadt eines Landes den Eisenbahnverkehr in die Linien
zwingt, deren Kopf sie bildet, während die Querverbindungen leiden. Die
Kirche monopolisierte mit ihren Festen die kleinen und großen Märkte.
Die kirchlichen Steuern, die geistliche Gerichtsbarkeit zog den Dorfbewohner
' Die Bistüiiif'.r haben sich gelegentlieh durch Spaltung vermehrt, ohne daß die
äußeren ürenzen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Zur ganzen Frage vu;!. Logn 011 .
Atlas hist. de la France, texte, S. l^^if.
^ Ich glaube das sagen zu dürien, nachdem mich Herr Dr. W.Bart hei (Frank-
furt a. M.) in freundlicher Weise auf kleinere Veränderungen im Bestand der civitates
aufmerksam gemacht hat, Vjv seihst liält die Wirkungen der neuen Provinziah'inteilung
unter Diokletian für ijanz unbedeutend.
Zu7' s'prochlwhen Gliederung Frankreichs. 33
regelmäßig zur Stadt des bischöflichen Hofes. Hier fand der sprachliche
Austausch statt.
Es scheint festzustehen, daß die Konstitution, die Augustus den tres
Galliae gab, auf der ethnischen Gliederung des Landes beruhte, daß die
römischen civitates den gallischen gentes entsprachen und die Grenzen
der civitates alte gallische Stammesgrenzen waren'.
Danach haben die Bistumsgrenzen Frankreichs diese alten gallischen
Stammesgrenzen bis 1790 erhalten, und es würden somit in den Patois-
grenzen des modernen Frankreichs, soweit sie nachweislich mit Bistums-
grenzen zusammenfallen, die alten Stammesgrenzen der Völkerschaften
weiterleben, die Cäsar vor zweitausend Jahren unterworfen hat.
Ist es mir im vorangehenden gelungen, wahrscheinlich zu machen,
daß die scharfe Sprachgrenze (das Isophonenbündel e, f, k), die von Gisors
bis Trelon das Pikardische vom Franzisch-Champagnischen trennt, mit der
Südgrenze der Bistümer Beauvais, Noyon und Cambrai zusammen-
fallt, so darf nun in dieser Grenze die Südgrenze der Bellovaci^, Viro-
man du i und Nervii gesehen werden.
Die weniger scharf hervortretende pikardisch-normandische West- und
pikardiscli-wallonische Ostgrenze, die dort mit dem Bistum Amiens und
hier mit dem von Cambrai zusammenzufallen scheint, würde demnach die
Westgrenze der Ambiani und die Ostgrenze der Nervii bedeuten.
* Hr. Dr. W. Rartliel })estätigt mir diese Auffassung.
^ Haben die Bellovaci auch das südliche Ufer der üise besessen, das zum Biskim
Beau\ ais gehört? Die Beantwortimg dieser und ähnlicher Spezialfragen wird von der An-
sicht abhängen, die der Historiker von der Einteilung des Landes durch Augustus hat: Hat
die kaiserliche Konstitution sich genau an die Stammesgrenzen gehalten, so wird die Frage
bejaht werden müssen. Sie ist erörtert von J. Desnoyers in seiner Topographie ecclesiastique
de la France {Armuairp historiqiie pour l'annee 1862 puhlie par la Societe de VMstoire de France^
Paris 1861, S. 494 ir.). Im allgemeinen werden Flußläufe solche Grenzen nicht bilden, denn
nur der Besitz beider Ufer sichert die wirtschaftliche Ausbeutung eines schiffbaren Wasser-
laufes. — Ebenda (S. 492) behandelt .T. Desnoyers auch die Frage der Bedeutung des
Namens Belgium bei Cäsar und bleibt bei der Auffassung, daß Belgium nur einen Teil
des Lani'es der Belgae lunfasse. Heute wird indessen Belgium allgemein, soviel ich
sehe {Thesaurus linguae Latinae; Jullian, Hist.de la Gaule usw.), als »Land der Belgae«
gefaßt. Der Name Belgium hat hier gegenüber Belgica den Vorzug, daß er unuiißver-
ständJich das Land der Belgae vor der römischen Okkupation bezeichnet, während mit
Belgica vorzüglich die römische Verwaltungsprovinz gemeint ist. Ebenso mag für die vor-
römische Celtica das von Livius verwendete Celticum gelten.
PhÜ.'hist. Klasse. 1911. Ahh. IL 5
34 Morf:
Das ganze »pikardische« Sprachgebiet, das auf Karte VII als grüner
Kern hervortritt, ist also von den Stammesgrenzen der Ambiani, Bello-
vaci, Viromandui und Nervi i eingefaßt und schließt auch die Atre-
bates und Morini in sich.
Nun muß in diesem Zusammenhang auffallen, daß durch die Sprach-
grenze der dreifachen Isophonen e, f, k heute die Bellovaci, die Viro-
mandui und die Nervii von den Suessiones und den Remi getrennt
erscheinen, die ja auch Belgae waren. Die heutige Sprachgrenze geht
also mitten durch das alte Belgium:
Der südöstliche Teil des alten Belgium gehört heute nicht zum belgo-
romanischen, sondern zum franzisch-cliampagnischen, d. h. zum kelto-
romanischen, dem französischen Idiom. Und so war es auch im
Mittelalter, soweit wir die Sprache dieses Landesteils zurückverfolgen können.
In sehr alter Zeit muß also das Land der Suessiones^ und der Remi
sich sprachlich aus dem belgoromanischen Verbände gelöst haben. Hierin
liegt ein kulturhistorisches Problem. In der Geschichte der Cliampagnc
muß seine Lösung gesucht werden. Vorläufig mag hier auf die Charakte-
ristik hingewiesen werden, die sich für die Remi einerseits und die Bello-
vaci anderseits aus Cäsars Schilderung seiner Kämpfe mit den Belgae er-
gibt. Die Bellovaci, die noch heute ihre sprachliche Eigenart bis in die
Ile-de-France hinein, bis vor die Tore der Stadt Paris, behaupten, sind
jenes trotzige fährende Volk der belgischen Föderation, von dem es {fjpll.
gall. 11, 4, 5) heißt, daß es virtute et auctoritate et hominum numero
hervorrage, und das an der Spitze des Widerstands gegen das Römertum
schritt. Die Remi aber sind die verrömerten Überläufer, deren Land
nicht zu den nördlichen Stammesgenossen, sondern zu den südlichen Er-
oberern neigte.
Jedenfalls ist die Tatsache zu konstatieren, daß die Romanisierung
des Gebietes der Remi und der Suessiones nicht aus der nämlichen
Richtung gekommen sein kann wie die der Nervii, Viromandui und
Bellovaci. Denn die heutigen Patois dieser Gebiete gehen nicht inein-
ander über, sondern prallen aufeinander. Es sind zwei Sprachwellen, die,
aus verschiedenen Himmelsgegenden kommend, zusammenstoßen und in
einem hohen Wellenkamm aneinander aufsteigen.
' Suessiones qui Remis erant attributiv Hirtius, b. (/all. VIII, 6, 2.
Zur spracMirhen Gliederung Frankreichs. 35
Die Mundarten der Champagne verlieren sich allmählich in die Patois
der südlichen Nachbarn, der Burgunder. So scheint die Romanisierung
der Remi einst von Süden gekommen zu sein. Man hätte, der Karte nach,
daran denken können, daß sie von Osten, von Trier, ausgegangen wäre, das
durch eine Heerstraße mit Reims-Soissons verbunden war. Aber in diesem
Falle hätte das Gebiet seinen belgoromanischen Sprach Charakter bewahrt.
Dieser Sondercharakter ist im nördlichen Landesteil der Nervii, Viro-
mandui, Bellovaci, Ambiani' usw. herrschend geblieben, d. h. ihre
sprachliche Romanisierung hat sich von einem eigenen Zentrum aus voll-
zogen. Sie kann nicht von Süden gekommen sein. Es könnte an das
östliche Trier gedacht werden, wenn das Tal der Mosel bessere Verbin-
dung mit der belgisclien Tiefebene besessen hätte. Doch zeigt ein Blick
auf die Karte, daß der Straßenzug, der vom Rhein an die Seinemündung,
von Köln über Tongern, Bavai, Cambrai, Arras, Amiens, Beauvais,
Ronen nach Lillebonne führte, als das eigentliche Rückgrat des belgo-
romanischen Gebietes erscheint. Diese Straße brachte wohl den Belgae
das sprachliche Romanentum, das sie dann so eigenartig geprägt, so zäh
festgehalten haben. Und nicht nur festgehalten ! Sie haben es auch weiter-
gegeben und es über die Seine hinaus nach Westen bis zu den Venelli
getragen. Wenn im Osten die Remi dem sprachlichen Belgium verloren
gingen, so wurden im Westen der ganze breite Küstenstreifen hinzugewonnen.
Ich habe früher {Bull, de dlalect. rom. I, 14 ff.) zu zeigen versucht, wie
die Romanisierung des mittleren Gallien von Lugdun um ausgegangen,
Avie »Lugdunum zum sprachlichen Schicksal für Gallien geworden«
sei. Dieses caput Galliarum hat das Celticum romanisiert. Das Kelto-
romanische, d. h. das Französische, hat sich von Lugdunum aus nach
Norden und nach Westen verbreitet. Nach Westen: jener Heerstraße
entlang, die über Augustodunum, Avaricum, Limonum nach Burdi-
gala führte und die einen Querriegel keltoromanischer Sprache von Ost
nach West durchs Land zog und das Vordringen des narbonensischen (d. i.
provenzalischen) und aquitanischen (d. i. gaskognischen) Latein hemmte".
\
' Es sind die Condrusi für den wallonischen Osten, die Veliocasses und Ca-
letes, die nach Cäsar auch Belgae waren, für den norniandischen Westen hinzuzufügen.
* Da auf Karte VII noch Platz bleibt, so skizziere ich dort den Verlauf der charak-
teristischen südfranzosischen Isophonen und den der via romana von Lyon nach Bor-
deaux und von Vienne nach Aosta, um das in Bull. cle. dial. rom. Gesagte zu illustrieren.
36 Mokf:
Nach Norden: durch das Tal der Saöne ins Tal der Seine und Marne,
ins Belgium hinein, wo nördlich von Reims und Soissons das Kel to-
romanische auf das Belgoromanische stieß, das ihm anderthalb Jahrtau-
sende lang Widerstand geleistet hat und erst heute zu weichen beginnt,
da Lugdunum seine führende Rolle längst an Lutetia Parisiorum ab-
gegeben hat.
So ist der sogenannte pikardische Dialekt Nordfrankreichs auf der eth-
nischen Grundlage der Belgae erwachsen. Er ist nach seinem Ursprung
belgisch ausgesprochenes Latein, gerade so wie das Französische keltisch
ausgesprochenes Latein ist. Aber wenn das »Pikardische« in seinem Ur-
sprung belgoromanisch, d. h. die romanische Sprache des Belgium ist,
so deckt es sich in seiner Weiterentwickelung nicht mit dem Gebiet dieses
Belgium. Die Entwicklung eines Idioms, seine Ausbreitung, seine Be-
schränkung, sein Zurückweichen ist nicht durch die Grenzen des alten
Volkstums gegeben, das einst die Grundlage gebildet hat, sondern ist durch
die Kulturverhältnisse, besonders durch den Verkehr bedingt. Die Grenzen
jenes Volkstums brauchen Sprachgrenzen weder zu werden nocli zu bleiben.
Sie werden und bleiben Sprachgrenzen nur insoweit als sie
Verkehrsgrenzen sind.
Nur insoweit die Stammesgrenzen der Belgae durch die römische
Einteilung des Landes in civitates und durch die christliche Einteilung
in Bistümer zu dauernden Verkehrsgrenzen geworden sind, haben sich ihre
Spuren bis auf den heutigen Tag erhalten. Früh aber ist im Südosten
die Grenze des belgischen Volkstums sprachlich dadurch paralysiert worden,
daß der Verkehr des Stammes der Remi nach dem römischen Süden, nach
Lugdunum hin, gravitierte.
Auf Grund der drei Völker der tres Galliae: der Belgae, Celtae
und Aquitani, haben sich drei romanische Idiome, drei Mundarten: das
«Pikardische«', das »Französische« und das »Gaskognische« gebildet und
auf den viae romanae sich im Lande ausgebreitet. Diese Straßenzüge
haben das Land sprachlich im Großen gegliedert". Die Einteilung in ci-
vitates, die von der Kirche aufgenommen wurde, hat dann im Laufe
der Jahrhunderte diese Gliederung detailliert und im einzelnen festgemacht.
^ D. h. das Pikardisch - Normandisch -Wallonische.
^ Dabei fallen die Sprachgebiete durchaus nicht mit den drei römischen Provinzen
Belgica, Lugduneusis, Aquitania zusammen.
Zur 8j)rüchl'idien Gliederung Frankreichs. 37
Obwohl der Einfluß des Zentralfranzösischen, des Frjiiizisclien, seit dem
1 2 . Jahrhundert die anderen Mundarten bedrängt, so gilt spraclilich trotz
alledem noch lieute das Wort Cäsars: Gallia est omnis divisa in
partes tres\
Ich kehre zu meinem Ausgangspunkt zurück, zu Conon de Bethune,
der die Bedrängnis, die das Französische den andern Landessprachen schuf, an
sich selbst schon vor mehr als 700 Jahren so bitter erfahren hat. Er war aus
dem Artois wohl über Amiens, Beauvais und Pontoise nach Paris ge-
kommen". Pontoise war die nördliclie Eingangspforte der lle-de-France,
gleichsam ein Außenwerk der Stadt Paris. Schon das Itinerarium Antonini
(bei Desjardins, Geographie de la Gaule romaine IV, 36) verzeichnet diese
Furt der Oise {Briva Isarae), und zwar als den einzigen Ort, an welchem
zur Römerzeit vom Norden her das Gebiet von Lutetia Straßenzufuhr
hatte. So verknüpfte sich der Name dieser Zugangsstelle mit dem der
Hauptstadt Paris in Vorstellung und Rede und mit einem Scherzwort, das
unter ähnlichen Verhältnissen sich auch anderswo findet, sagt im 15. Jahr-
hundert Villon von sich: 7ie ä Paris empres Pontoise. »Von Pontoise
sein« heißt gleiclisam aus der Ile-de-France stammen, ein Frani'ais de
France sein, fast: ein Hauptstädter sein. Das kann sich auf den eleganten
Zuschnitt der Kleidung beziehen: Pour sa rohe qu' il vit franchoisej Li sambla
nes devers Pontoise {Jeh. et Blonde 2633); bezieht sich aber besonders auf die
Sprache, den Akzent. Von der lieblichen Tochter des Grafen von Oxford
heißt es : U7i peu paroit a son langage Que ne fu pas nee a Pontoise (ebenda
358) und Conon sagt zur Entschuldigung seines Akzentes und der mots
d' Artois, mit denen er in seinen Gedichten gegen den höfischen Sprach-
gebrauch verstoße'^:
Car je ne Jiii pos norriz a Pontoise.
^ Als viertes kommt das Romanische der Narbonensis hinzu mid auch die Ur-
geschichte dieses »pi-ovenzahschen« Idioms verdiente genauere Untersuchung. — Nachdem
hier die Entwickhmgsgeschichte des ßelgoromanischen und im Bulletin de dial. rom. I die
des Keltoromanischen skizziert worden ist, geziemt es sich, daran zu erinnern, daß Tappo-
1 e t durch seine Beobachtungen und Mitteilungen (vgl. Arch. f. d. Siud. d. neuern Spr. CXV,
461) die Aufhellung der Geschichte des Aquitanoroinknischen vorbereitet hat.
2 Wenn er nicht mit seiner Gönnerin, der Gräfin Marie, aus Troyes herüberkam.
3 Damit gebe ich den Sinn des Verses : Et se je sui outrageus del trover wieder (vgl.
Arch. f. d. Stud. d. neuern Spr. CXXVI, 291).
Phil.-hist. Klasse. 1911. Ahh. II.
I
ANHANG.
ABHANDLUNGEN NICHT ZUR AKADEMIE GEHÖRIGER
GELEHRTER.
Siebenter vorläufiger Bericht über die von den König-
lichen Museen in Milet und Didyma unternommenen
Ausgrabungen.
Von
Direktor Dr. THEODOR WIEGAN D
in Konstantinopel.
Phil.-hist. Klasse. 1911. Anliang. Abh. I.
Vorgelegt von Hrn. Conze in der Sitzung der phil.-hist. Klasse am 2. Februar 1911.
Zum Druck verordnet am 23. Februar 1911, ausgegeben am 31. März. 1911.
JJurch die Arbeiten der drei Jahre 1908 bis Ende 19 10 ist die große Aus-
grabung zu Milet nach elfjähriger Dauer ihrem praktischen Abschluß nahe-
geführt worden. Doch wird das wissenschaftliche Studium an Ort und
Stelle noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen und zuweilen kleinere, er-
gänzende Untersuchungen erfordern, z. B. zur Aufklärung der Straßenzüge.
Die Freilegung des Apollotempels zu Didyma wird mit allen verfügbaren
Mitteln fortgesetzt.
Während der letzten drei Jahre hat wiederum Hubert Knackfuß
als Architekt seine Kraft und Erfahrung hingebend zur Verfügung gestellt
und namentlich in Didyma, wo ihm viele Monate lang die ungemein schwie-
rigen Freilegungsarbeiten anvertraut waren, das Werk gefördert. Mit ihm
wirkten Hr. Regierungsbauführer Fritz Krischen aus Berlin und Hr.
Diplomingenieur Armin von Gerkan aus Riga; dazu kam im Herbst 19 10
als architektonischer Volontär Hr. Manfred Bühlmann aus München. Hr.
Krischen schied in diesem Jahre zu anderweitigen Studienzwecken vor-
läufig aus, nachdem er für eine seiner Arbeiten den Berliner Schinkelpreis
erhalten hatte. Archäologischen Beistand leistete im Herbst 1 908 und 1 909
Hr. Prof. Dr. Erich Pernice aus Greifs wald, der namentlich die Beobach-
tungen in der Nekropole übernahm; im Jahre 19 10 trat Hr. Dr. Martin
Schede aus Magdeburg als archäologischer Hilfsarbeiter ein.
Mit tiefem Schmerz beklagen wir das Hinscheiden des der Station derKgl.
Museen zu Konstantinopel beigegebenen Direktorialassistenten Dr. Georg
Kawerau, welcher am 13. April 1909 einem längeren Leiden erlag; wir
werden ihm das dankbarste Andenken bewahren. Die von ihm fertig
hinterlassene Arbeit über die Architektur des Delphinion von Milet befin-
det sich im Druck.
1*
4 Tu. Wiegand:
An die Stelle des uns ebenfalls durch den Tod allzufrüli entrissenen
Hauptmanns Walter von Marees trat der Hauptmann im Großen Gene-
ralstab Hr. Karl Lyncker, welcher die mit besonderen Mitteln aus dem
Allerhöchsten Dispositionsfonds begonnene Aufnahme des Latmosgebirges und
der ionischen Landschaft weiterführte; auch verdanken wir Hrn. Lyncker
die Aufnahmen der Stadtlage von Myus und Herakleia am Latmos, welche
im Zusammenhang mit den dort angestellten Forschungen später im Milet-
werke publiziert werden sollen.
A. Milet.
I. Die prähistorische Siedelung.
Der Kiliktepe ist ein 50 — 100 m hoher Ausläufer der südlich von
Milet liegenden Kalksteinberggruppe, an welcher der heutige Weg nach
Akköi vorbeifährt (vgl. die Karte der milesischen Halbinsel, Milet Heft I).
Vor einigen Jahren hatte der Kaiserlich Ottomanische Regierungskommissar
Hr. E. Meimaroglou kleine, glatte Steinbeile von schwarzer Farbe dort auf-
gelesen und uns nahegelegt, hier eine Grabung zu veranstalten. Diese
fand im Herbst 1909 unter E. Pernices Aufsicht statt.
Das Plateau des Hügels fällt nach Süden steil ab; hier führt ein tiefes
Rinnsal vorbei; im Westen hängt der Hügel mit der Gebirgsmasse zu-
sammen. Im ganzen war die Lage für eine verteidigungsfähige Anlage,
die vermutlich mehrere Steinringe hatte, recht günstig. Gleich am ersten
Tag wurden in einem Graben i 2 Steinbeile verschiedener Größe und Form
gefunden, auch eine Pfeilspitze und zahlreiche Splitter aus Obsidian sowie
eine große Anzahl grober handgemachter Tonscherben, darunter eine mit
Zickzackmuster, das in roter Farbe auf den schwarz angeschmauchten Grund
gesetzt war. Zwei Meter unter der heutigen Oberfläche deutete eine Aschen-
schicht über dem Felsljoden eine Wohngrube an, die südlich von einer
80 — 90 cm dicken Mauer aus kleinen Steinen begrenzt war. Auch ein
zweiter Graben südlich davon ergab zahlreiche Reste von Steinbeilen, Obsi-
dian und Scherben, darunter solche mit Schnürösenhenkeln. Ein Graben
nördlich lieferte dasselbe Resultat, außerdem drei Wohnplätze mit Stein-
mauerresten. Das Vorhandensein einer ausgedehnten Siedelung neolithi-
scher Periode ist damit erwiesen. Sehr wichtig ist, daß sich unter dem
Scherbenmaterial zwei griechisch-geometrische Fragmente gefunden haben.
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Bidyrna. 5
Die Siedelung und ihre Kultur reichte also bis in die Zeit nach der frühe-
sten milesischen Stadtgründung durch kretische Einwanderer hinab. Denn
diese brachten » spätmykenische « Gefäße mit, denen die geometrische Ware
erst in einem längeren Abstand folgte.
IL Die archaische Stadt.
Im vorigen Bericht^ ist der Kalabaktepe (s. Plan, Taf. I links unten)
als der Träger einer bedeutenden, befestigten Anlage geschildert worden,
die ich als den südlichsten Teil der archaischen Stadt vor 494 bezeichnet
habe. Es blieb aber noch nachzuweisen, daß die Ebene, welche zwischen
dem Kalabaktepe und dem hellenistischen Mauergürtel liegt, ebenfalls einen
Teil der vorpersischen Stadt berge, und daß diese das Verbindungsglied
zwischen Kalabaktepe und der übrigen archaischen Stadt sei, deren Spuren
wir innerhalb des hellenistischen Gürtels vielfach feststellen konnten. Dieser
Nachweis ist jetzt erbracht. In den beiden Herbstkampagnen 1908 und
1909 ergab die von Erich Pernice geführte Grabung nicht nur das Vor-
handensein einer Fülle von archaischen Hausmauern in der genannten Ge-
gend, sondern auch eine archaische Straße, welche in der Richtung vom
Athenatempel zu dem östlichen Aufgang des Kalabaktepe (von Norden) ver-
lief. Die Breite des geschotterten Straßendammes betrug 2,60 m, die der
beiden seitlichen Gangsteige 80 cm. Diese sind aus Kalksteinplatten von
etwa 50:70 cm Größe gebildet. Im ganzen wurden sieben parallele Gräben
in mäßigen Abständen in einem Gebiet von etwa 350 m Länge gezogen.
Sämtliche Gräben waren 3 m breit und gingen bis auf das Grundwasser.
Das Gebiet erwies sich im Westen als tief und erdig, die archaischen
Mauern zeigten sich unberührt, oft bis nahe unter die Oberfläche (70 cm)
reichend. Im Osten war der Boden felsig und ansteigend, infolgedessen
nahmen nach dieser Richtung, etwa nach der Gegend der heutigen tür-
kischen Wasserleitung zu, die archaischen Mauern immer mehr ab; ihr
Material ist schon in alter Zeit weggeschleppt worden. Dieser Zustand
trat namentlich deutlich hervor, als wir einen 350 m langen Graben von
der türkischen Wasserleitung ab bis zum einstigen Strande zogen; letzterer
zeigte sich in Gestalt von Meersand schichten, auf welchen die westlichsten
^ Sechster voiläufiger Bericht usw., Anhang zu den Abhandlungen der Berl. Akad. d.
Wiss. 1908 S.S.
6 Th. Wiegand:
archaischen Mauern standen. Mit diesem großen Graben hofften wir die
einstige Breitenausdehnung der archaischen Stadt an jener Stelle zu er-
mitteln, auch vielleicht eine östliche wehrfähige Abschlußmauer zu finden.
Indessen haben fünf weitere große parallele Gräben in einer Gesamtlänge
von 220 m, die wir außerdem noch östlich der türkischen Wasserleitung
bis auf den Grundwasserstand herabführten — manche davon bis zu 6 m
Tiefe — , den Verlauf der archaischen Stadtmauer nicht ergeben ; sie scheint
also völlig abgeräumt worden zu sein. Aus dem völligen Fehlen auch der
archaischen Hausmauern in jenen fünf Gräben durfte aber auch der Schluß
gezogen werden, daß sich die vorpersische Stadt vom Kalabaktepe ab in
Gestalt eines etwa ^/^ km breiten Uferstreifens längs der Westküste der Mile-
sischen Halbinsel hinzog. Zugleich wurde aus der fast völligen Abwesen-
heit »mykenischer« Scherben klar, daß auch diese Stadtpartie, ganz wie
der Kalabaktepe selbst, nicht zu der von den ersten Ansiedlern bevorzugten
Lage gehört hat; diese befand sich vielmehr beim Theaterhafen und dem
Athenatempel (s. Sechster Bericht S. 8 u. 9). Erst im 7. Jahrhundert v. Chr.
ist die Stadt so weit herausgewachsen. Die Hauptmasse der dortigen
Scherben stammte wiederum wie am Kalabaktepe von »milesischer« und
Fikelluraware, daneben erschien Geometrisches sj)ärlich. Zahlreich dagegen
waren attische Scherben: jedoch fand sich keine, die später als der Anfang
des 5. Jahrhunderts gewesen wäre. Als Beispiel erwähne ich den Boden
einer attisch sf. Schale, einen Jüngling mit Halteren darstellend, mit der Lieb-
lingsinschrift AeAr[poc kaaöc; es ist die Zeit des ausgehenden 6. Jahrhunderts,
der Vasenmaler Euphronios und Kachrylion, die damit bezeichnet wird.
Aus dem Gesamtbefund ergab sich somit, daß der ganze Stadtteil dem
Perserbrand zum Opfer gefallen und später nie wieder besiedelt worden ist.
In der Gegend östlich vom Katsartepe, wo wir zuvor archaische und
hellenistisch-römische Grabfunde gemacht hatten, stießen wir bei der Suche
weiter östlich weder auf Gräber noch auf den heiligen Weg (den wir zu
schneiden gehofft hatten), trotzdem ein 300 m langer Graben von 3 m Breite
bis auf den gewachsenen Boden gezogen wurde.
III. Die hellenistische Stadtmauer.
Die Aufgrabung derselben wurde namentlich im Südosten der Stadt mit
so gutem Erfolg fortgesetzt, daß ein ununterbrochenes Stück von mehr als
220 m Länge hinzugewonnen wurde, in welchem zwei starke Tore liegen,
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma. 7
beiderseits mit Türmen geschützt ; davon ist namentlich das östliche mächtig
und wegen seiner großen Ähnlichkeit mit dem sogenannten heiligen Tor
bemerkenswert (Fig. i). Es gehört vermutlich der älteren hellenistischen
Zeit an. Hier wie dort finden wir das Tor zunächst seitlich eingefaßt von
zwei Pyrgidien, welche den Wachen zum Aufenthalt gedient haben. Der
Torverschluß läßt sich bis in die Einzelheiten feststellen. Daim folgen
die äußeren großen Türme, der östliche etwa 7 "/a m im Quadrat, der west-
liche sogar 12^/2 m breit und polygonal ausgestaltet. Die Stadtmauerdicke
I»°n-
östliches Tor der helleiiistisclien Stadtuiauer.
beträgt an jener Stelle etwa 4,80 m. Vor der südlichen Wachenkammer
fand sich ein großer hellenistischer Löwe auf einer archaischen Rundbasis
(Durchmesser 95 cm); diese trug in Buchstaben des ersten vorchristlichen
Jahrhunderts folgende, für die Topographie Milets wertvolle Weihung (Buch-
stabenhöhe 2 — 3 cm):
BiAPHC BiÄPOY enicTAxAcAC
T09 NA09 TOY "AnÖAACONOC
TOY AlAYM^COC KAI TCIXÖN k[aI
n^prwN KAI THC nepi t6n kagic-
5 TÖN AIAAGNA AC*AaAaC ■'AnÖA[A(»)NI
AiAYMeT KAI ■Apt^miai TTY[eeiH kai
Tü)l AHMCü lAPYCATO TÖN
BCÜMÖN.
Tu. Wieg AND
i^
P-i
Die Aufstellung des Löwen auf dem gar
nicht zu ihm passenden Altar ist offenbar
zur Zeit der trajanischen Niveauerhöhung
erfolgt. Die Verwendung der Marmorlöwen
als Wappen und Grenzzeichen Milets haben
wir öfters beobachtet — ich erinnere an die
Einfahrt in die Bucht zwisclien dem Theater-
hügel und dem Humeitepe, die wir deshalb
Löwenbucht nannten.
Weiterhin haben die mit umfassenden
Nachgrabungen verbundenen Aufnahmen
A. von Gerkans das wichtige Resultat er-
geben, daß der am tiefsten gelegene und
bei einem feindlichen Angriff am meisten
gefährdete Stadtmauerteil zwischen dem
heiligen Tor und der Südwestspitze der
Stadtmauer mit sieben quadratischen Tür-
men von lo m Seitenlänge verstärkt war.
Fig. 2 stellt die Mitte jenes Mauerzuges dar,
der im ganzen aus acht Kurtinen bestand.
Am östlichsten Turm dieser Abbildung
(unten) bemerkt man eine Treppenrampe,
die auf den Wehrgang führte, dessen Durch-
schnittshöhe etwa 8,80 m (= 20 attischen
Ellen) betrug. Am oberen (westlichsten)
Turme derselben Abbildung bemerkt man
ebenfalls eine Rampe, jedoch ohne Treppen-
stufen, als einfache Schräge behandelt, auf
der man schweres Material emporziehen
konnte. Die mittlere Kurtine ist regelmäßig
ohne Rampe erbaut, so daß also zwei Kur-
tinen jedesmal durch eine Rampe bedient
wurden. Die Verbindung zwischen diesen
erfolgte in verschiedener Weise, da die Pfor-
ten verschieden ausgebildet sind : bald waren
es, wie von Gerkan beim mittleren Turm
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgraimngen in Milet und Didyma. 9
der Figur 2 annimmt, Übervvölbun,i»en, l)ald Holzbrücken, die rasch entfernt
werden konnten. Jeder Turm hatte zwei Gescliosse, das untere massiv,
das obere wohl durchgängig als Geschützstand eingoriclitet, wie man es
jetzt noch z. B. an der Lysimachischen Stadtmauer von Ephesus beobachten
kann. SolcJie Geschützstände glaubt von Gerkan vereinzelt auch innerhalb
der Kurtinen (Fig. 2 ganz unten) annehmen zu dürfen.
Auch am äußersten Südwestende der Stadtmauer fand sich noch ein
bisher unbekanntes Tor; es ist jedoch bis auf Sockelschwellenhöhe abge-
broclien, läßt nur nocli den profilierten Sockel erkennen und scheint der
späteren hellenistischen Epoche anzugehören.
Ein späthellenistisches Grabepigramm fand sich nahe der hellenistischen
Stadtmauer (luv. Nr. 1273, rechteckiger Marmorblock, Hölie 29 cm, Breite
94 cm, Buchstabenhöhe 2 cm):
ZcünYPON 6l<t>IKPÄT0YC Yn' eWOTc CT^PNOICI KPY<t>^NTA
fPOYPü) AAKPYTÖM MHTPI AinÖNTA nÖSON.
IV. Die hellenistische Straßeneinteilung (Taf. I).
Wenn man die im vorigen Berichte veröffentlichte Planskizze der Stadt
(Abh. d. Berl. Akad. d. Wiss. Anh. 1908, Taf. III) mit der jetzt herausgege-
benen vergleicht, so zeigt sich in der Erkenntnis der Straßeneinteilung
ein entscheidender Fortschritt. Dieser Gewinn ist durch systematisches
Suchen der Straßenkreuzungen mittels Aufgrabung erzielt worden. Es muß
jedoch bemerkt werden, daß auf der neuen Planskizze die Straßen der
Deutlichkeit halber etwas breiter als in Wirklichkeit gezeichnet werden
mußten, wie dies auch bei allen modernen Stadtplänen geschieht; die Skizze
kann daher nicht zur Grundlage exakter Messungen benutzt werden.
Es ergab sicli, daß der normale Abstand der Längsstraßen vonein-,
ander rund 29 m beträgt, so daß man mit Bestimmtheit annehmen darf,
es seien als Normalmaß 100 Fuß zu 29,6 cm — also ein Plethron —
für die Insulabreite zugrunde gelegt. Die Länge einer Insula beträgt etwa
55,50 m oder 175 Fuß = 13/4 Plethron; di^se Länge pflegt jedoch noch
einmal in nicht gleichmäßiger Art von Querstraßen durchschnitten zu sein,
je nachdem es das Gelände erforderte. Die Straßenbreite beträgt normaler-
weise 10 Ellen (4,40 — 50 m). Vergleicht man die Maße der normalen mile-
sischen Insula mit denen anderer antiker Städte, so ergibt sich, daß das
Phil.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Ähh. J. 2
10
Tu. Wieg AND
6
CO
fs^l
^-i^
o
Fig3.
-•o6''c9^ —
■Sz'Gzi--
-9i.'fin
q1'<^-z,i
-^7;6'n^
■jirarLfa-
^l-h'^l^f — o ^'zz — ^
Südmarkt, älterer Zustand; rechts die Halle Autioclios' I.
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milel und Didr/ma. 1 1
^
Fig. 4.
^9
bs).-
*'-hP-
<
Siidiiiarkt, späterer Uml)au; oben rechts das Markttor.
12 Th. Wieg and:
langgestreckte milesische Verhältnis von loo zu 175 Fuß oder 4 zu 7
sich sehr erheblich von dem zu Priene (120 zu 160 Fuß oder 3 zu 4)
unterscheidet, ebenso von dem zu Alexandria (1000 zu 1 200 Fuß oder 5
zu 6).
Daß wir liiermit auch die Straßeneinteilung der Hippodamischen Zeit
gefunden haben, ist nicht anzunehmen. Nach verschiedenen Spuren zu ur-
teilen, scheint die Stadt des 5. Jahrhunderts eine entschiedener nach Nor-
den laufende (lesamtrichtung gehabt zu haben als diese hellenistische, die
vielleicht erst nach der makedonischen Eroberung angelegt wurde.
V. Markt und Hallenanlagen.
Zu den großen Fortschritten in der Erkenntnis des Stadtl)ildes gehört
auch die Feststellung der Südgrenze des hellenistischen Südmarktes, mit
welcher wir nun sämtliche Maße dieser Riesenanlage gewonnen haben. Es
zeigt sich, daß sie den größten bisher aufgedeckten hellenistischen Markt,
den von Magnesia am Mäander (Magnesia S. 107 Taf. II und III), um mehr
als 6000 Quadratmeter übertrifft. Es scheiden sich bei dieser Anlage
mehrere Bauepochen. Das älteste Gebäude scheint die 190 m lange, nach
Westen geöffnete dorische einschiffige Halle gewesen zu sein (Fig. 3), die
mit einer dreifachen Reihe von Kammern ausgestattet ist: davon öffnet
sich die östliche Reihe nach einer an der Ostseite vorbeiführenden Straße; es
darf vermutet werden, daß wir mit diesem Bauwerk, aus dessen 78 Läden
und Magazinen eine reiche Miete gezogen werden konnte, die großartige Stif-
tung des Königs Antiochus I. Soter gefunden haben, deren Einkünfte für
das Didymeion bestimmt waren und über welche das von B. llaussoullier
in Didyma entdeckte Ehrendekret ( Haussoullier, Etudes sur l'histoire
de Milet et du Didymeion S. 34 ff.) berichtet. Auch die übrigen zwei-
schiffigen Hallen waren im dorischen Stil erbaut, die Innensäulen ionisch
mit glattem Schaft. Ursi)rünglich Waren die drei Eingänge dieses Marktes
ganz schmucklos, im Norden hat man später einen Torbau mit zwei Säu-
len eingefügt.
Große Veränderungen sind in späthellenistischer Zeit, vermutlich im
I . Jahrhundert v. Chr. erfolgt. An der Gegenüberstellung der beiden Pläne
Fig. 3 und 4 ersieht man, daß damals die Antiochoshalle in eine zwei-
schiffige Anlage umgewandelt wurde, so daß dieses System nun den gan-
zen Markt einheitlich beherrschte. Der Südeingang wurde l)is auf eine
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma. 13
Fig. 5.
kleine Pforte geschlossen, der dem Rathaus und dem Löwenhafen zunäclist
gelegene Nordeingang aber mit jenem glänzenden Prachttor ausgestattet,
das ich schon früher kurz beschrieben habe (Fünfter Bericht, Sitzungsber.
d. Berl. Akad. d. Wiss. 1906 S. 256, vgl. Jahrb. d. Inst., Anz. 1906, Bei-
lage zu S. 21).
Daß der Markt viele Einzelmonumente getragen hat, ist an sich wahr-
scheinlich und läßt sich auch aus den Funden erschließen, die schon früher
in den benachbarten Teilen der justini-
anischen Stadtmauer gemacht wurden.
Vor allem erwähne ich die Teile
eines von Knackfuß wieder zusammen-
gestellten, überaus zierlichen und feinen
IIallenl)aues korinthischen Stils aus Mar-
mor, welchen der Demos der Milesier
dem König Antiochos IL und seiner Ge-
mahlin Laodike gewidmet hat — denn
den frühen guten Formen nach kann
der Bau nur der ältesten Fürstin dieses
Namens zugeteilt werden. Von der Weih-
inschrift des Architravs ist nur erhalten
. . . MlJAHCIÜN und ... KAI BACIAICCHJl AaOAI-
KHi, obwohl fünf Interkolumnien des Baues
gesichert sind. Die Auffindung eines
korinthischen Bauwerks aus der ersten
Plälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. ist
natürlich für die Architekturgeschichte
von großem Wert. Die Säulen hatten attische Basen, der Schaft war unten
49 cm dick, und die Kapitelle zeigen eine eigenartig zarte, von den späte-
ren Typen ganz abweichende Form ; fär die Entwicklung des korinthischen
Stils sind sie daher von größtem Interesse (Fig. 5). Über dem Architrav
(zwei Faszien und Eierstab) folgte sogleich der Zahnschnitt, darüber Hänge-
platte mit Rankensima und Löwenköpfen. \ Es ist wichtig, daß bei diesem
frühkorinthischen Bau das später kanonisch gewordene Konsolengesims
noch ganz fehlt; es ist also ein akzidentielles Element. Auch die Kassetten-
decke ist erhalten; sie ist in rautenförmige kleine Felder eingeteilt und
liegt auf Innenarchitraven, die mit lesbischem Kyma abschließen. In den
Kiipitell des Laodikebaues.
14 Th. Wieg AN]):
Rauten sind Rosetten auf blauem Grund gemalt; das die Grundfläche um-
fassende Kyma zeigt einen aufgemalten Eierstab auf rotem Grund. Offenbar
stand dieses feine Gebäude an einer der verkehrsrreichsten Stellen der Stadt,
und vermutlich haben wir in ihm Teile eines Denkmals wiedergefunden, wel-
ches die Milesier aus Dank für die Befreiung ihrer Stadt vom Tyrannen
Timarchos nacli 259 dem eeöc Antioxoc (261 — 246) und seiner Stief-
schwester-Gattin Laodike errichteten.
Westlich des Südmarktes läuft eine schmale Gasse, die in späterer
Zeit von einer öffentlichen Latrine versperrt worden ist, welche für 50 Per-
sonen zu gleiclier Zeit Platz hatte. Jenseits dieser Straße liaben wir die
Fundamente und Reste vom Oberbau einer gewaltigen zweischiff igen
Hallenanlage hellenistischer Zeit aus Marmor gefunden, deren Länge
163,36 m, die Breite 13,37 m beträgt. Die südliche Schmalseite liegt in
einer Flucht mit der Straße, welche von Westen her in die Mitte des
Marktes führte. Auch hier hat Knack fuß die Architektur des Oberbaues
zusammengefunden, wie sie in Fig. 6 dargestellt ist; an der Halbsäulen-
verteilung auf hohem Sockel und an der Bildung der Kapitelle mit pla-
stischem Eierstabechinus offenbart sich die große Verwandtschaft mit den
Schmuckformen des Rathauses, nur daß dessen Triglyphenfries hier fehlt;
den technischen Kennzeichen nach ist der Bau jünger als das Rathaus
und somit von ihm beeinflußt. Im alten Verbände erhalten ist eigentlich
nur das kellerartige Untergeschoß, dessen Innenstützen unten aus quadra-
tischen, unverputzten Marmor- oder Brecciablöcken bestand, oben aus Porös.
Die westliche Langseite ist bis unter die Schwellhöhe zerstört, der an-
stehende Felsboden liegt in jener Höhe frei; hier können die Hauptzu-
gänge gewesen sein. Sicher geschlossen waren im Obergeschoß die ganze
östliche Langseite und die südliche Schmalseite; infolge tiefer Zerstörung
ist der Zustand der nördlichen Schmalseite unbekannt. Das Ganze muß
ein großes Magazin, wahrscheinlich ein städtischer Getreidespeicher
gewesen sein, wie er zu den wesentlichsten Einrichtungen einer befestigten
Stadt gehörte. Welche Rolle die Getreideverteilung schon im Zeitalter des
Hellenismus in den griechischen Emporien gespielt hat, hat uns das Gesetz
zur Verteilung von Brotkorn auf Samos wieder gezeigt (Sitzungsber. d.
Berl. Akad. d. Wiss. 1904, S. 917), und eine milesische Urkunde, auf die
ich später zurückkommen werde, wird es von neuem zeigen. Für den
speicherartigen Charakter des Gebäudes ist besonders beweisend, daß die
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Bidyma. 15
inneren Stützpfeiler des Untergeschosses nach der Art ihrer Bearbeitung
nur Holzstützen getragen haben können. Entsprechend dem profanen Ge-
brauch des Bauwerks hatte es an den Schmalseiten keinen Giebelschmuck,
sondern ein abgewalmtes Satteldach. Als der Bau durch Brand zugrunde
ging und in trajanischer Zeit repariert wurde, störte seine Länge den Stadt-
plan derartig, daß man quer durch ihn die an der Südseite des Rathauses
Fig. 6.
zjcm
\^oI-\.
SüdiVoiit (Schnialsf'ite) dei- großen Getreidehallc neben dem Serapistempel.
vorbeiführende Straße legte, so daß nun zwei Hallen, eine kürzere und
eine längere, entstanden. In noch späterer Zeit wurde zwischen dem Keller-
geschoß und dem Südmarkt eine direkte Verbindung durch eine Tür her-
gestellt.
VI. Heiligtüiher.
Wahrscheinlich hat der Innenraum des Südmarktes einen Tempel des
römischen Volkes und der Roma getragen. Von der Architektur hat
sich bis jetzt freilich nur ein großes Stück der Ante nachweisen lassen,
16 Th. Wieg and:
dieses aber überliefert uns den Teil einer Kultinschrift (Inv. Nr. 1250a
und b, erste Abschrift von Pernice; gefunden in der Justiniansmauer am
Markt, Höhe 110 cm, Breite 53 cm, Durchmesser 66 cm. Buchstabenhöhe
1,5 — 2 cm; rote Farbe in den Buchstaben vielfach erhalten):
Linke Seitenfläche:
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Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma. 1 7
Vorderfläche:
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AÖTCO<(l)* GAN AG Ö GGOC nPIHTAI ThIN AICY-
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Phil.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. I. ^
18 Th. Wieg and:
35 TO? eeOY GN eKAT^PA HMGPA IGPHON T^-
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TA TeTATM^NA. ToY AG MHNOC TOY Boi-
AJPOMICONOC TH OKTWKAIAGKÄTH GY-
^t]ü)CAN Ol neNTHKONTA APXONTeC tePH-
40 ON [TGAeijON YIKÖN KAI AIAÖTCOCAN T^PH t[Ö
iGPeij - - -
Die Inschrift gewährt einen tiefen Einblick in das energische politische
Bestreben der Römer des letzten vorchristlichen Jahrhunderts, dem Genius
ihres Volkes in religiöser und pädagogischer Hinsicht Achtung zu ver-
schaffen. Daher der Bau eines ''PwmaTon, dem die Einrichtung des Kultes
schon vorausgegangen war. Auf das heranwachsende Geschlecht ist es
besonders abgesehen ; daher das Gymnasiarchenopfer bei Beginn ihres Amtes
im Beisein der neuen Epheben und beim Abtreten vom Amt im Beisein
der Abiturienten am 1 1 . Taureon (daß das Schuljahr im Juli endete, lernen
wir hier nebenbei); deshalb das enge Zusammenwirken des Priestertums
mit der Schule in der Vorbereitung der Kampfspiele zum Romafest, wo
Kriegswaffen mit der Aufschrift des Anlasses die Prämien waren und Fackel-
läufe für die jüngeren Knaben vorgesehen sind. In alledem tritt Rom auch
da an die Stelle der hellenistischen Fürsten wie Antiochos Theos, Attalos
und Eumenes IL von Pergamon, deren Heroenopfer, Ehrenschmaus und
Prachtparade in Vergessenheit zu bringen nur erwünscht war. Aber auch
von den städtischen Beamten wird strikte Betätigung durch Opfer ver-
langt; dabei erfahren wir zum erstenmal von den »50 Archonten«. Die
Inschrift fällt also in die Zeit nach 78 V. Chr., wo Milet seine volle Frei-
heit nicht besaß, und wo die aus dem SC. de Asclepiade bekannten Zu-
stände herrschten (IGI. 951, Z. 19, vgl. Brandis b. Pauly-Wissowa II,
S. 1541); hier sehen wir, daß ein fanfzigköpfiger Beamtenkörper dem Rat
und dem Demos in der Führung voranging; die ganze Freiheit hat Milet
wohl erst von Antonius, 39 v. Chr., zurückerhalten, wie Rehm aus den
Delphinioninschriften schließt, weil es sich von dem die karische Land-
schaft okkupierenden Labienus ferngehalten hatte.
Ich füge hier gleich bei, was seit 1907 an religiösen Urkunden sonst
noch hinzugekommen ist: Neu ist der Kult des Apollon Aykhoc (Inv.
Nr. 1104), wozu in Didyma Artemis Lykeia tritt (Did. Inv. Nr. 180). Zum
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Biäyma. 1 9
Flg. 7.
Grundriß dos Serapistenipel.s.
Kult Aiöc eAniACON gesellt sich jener der eAniAWN -XrAewN (Inv. Nr. 1298).
Der städtische Kuretenkult hatte auch in Didyma seinen Altar (Did. Inv.
Nr. 176), wo auch Aphrodite mit der Epiklesis Katallakteria heimisch war.
(Did. Inv. Nr. 177, Höhe 60,5 cm, Breite 39 cm, Durchmesser 41 cm, Buch-
stabenhöhe 1,5 — 1,8 cm) :
GeÖAOTOC AAeiÄNAPOY
nPO«HTeY(0N
7\<t>P0AITH KaTAAAAKTHPIAI.
Von besonderer Wichtigkeit aber ist die Auffindung des städtischen
Serapeion, auf das einzelne Inschriftenfunde sclion vorher hingedeutet
hatten, ohne daß man seine Lage hätte ermitteln können (vgl. Fünfter
Bericlit, Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1906, S. 257). Jetzt hat sich
der Bau zwischen der soeben beschriebenen Getreidehalle und den west-
lich davon gelegenen Faustinathermen gefunden, dicht beim Markt, wie
es Vitruv für Serapis und Isis (II 7, S. 30, 10, Rose) verlangt (Fig. 7).
Der Pronaos springt in den Platz, den man hier ziemlich geräumig vor-
aussetzen wird, 5 m vor. Der Grundriß zeigt drei Schiffe mit ionischen,
glatten Marmorsäulen — die attischen Basen stehen zum Teil noch in situ,
20
Tu. Wiegan I)
CO
■f.
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma. 21
Fig. 9.
mmmmmBKm
ionische Kapitelle sind in der Nälie gefunden. An der Stelle der Nord-
wand, wo man die Kultbasis erwarten sollte, steht ein Podium, das innen
hohl war und einen Zugang- von der Ostseite gehabt zu haben scJieint.
Dies ganze Podium ist ein späterer Einbau, dessen äußere seitliche Mauern
vielleicht so hoch geführt waren, daß das Ganze einen Naiskos bilden mochte.
Die Architektur des marmornen Pronaos hat sich dad\irch lange er-
halten, daß er in den Zug der justinianischen Stadtmauer einl)ezogen war,
der dann einem furchtbaren Erdbeben zum Opfer fiel. Über die zu Boden
geworfenen Trümmer führte später
eine seldschukkisclie Straße. Erhalten
ist der an drei Seiten herumgehende
Stufenbau des Pronaos mit fünf Stufen,
ferner liegt die Tempelschwelle noch
in ihrer ursprünglichen Lage. Von den
vier glatten Säulenschäften des Pro-
naos sind die meisten Stücke vorhan-
den, ein Schaft ist sogar vollständig.
Die Kapitelle waren kompositer Ord-
nung, wie die erhaltene Pfeilerbekrö-
nung bewies. Das Gebälk ist fast voll-
ständig gefunden und konnte wieder
zusammengefügt werden, wie es Fig. 8
darstellt. Die Formen zeigen die Tra-
dition des zweiten nachchristlichen
Jahrhunderts, doch sind die niedrigen
Faszien des Architravs sowie das zwar immer noch sehr wirksame, aber ver-
wilderte Rankenwerk des Frieses und die Profile der Gesimse Zeichen einer
viel späteren Entstehung. Erhöht wird dieser Eindruck durch plumpe Arbeit
im einzelnen, z. B. der die Mitte des Giebelfeldes einnehmenden Reliefbüste
des Serapis-Helios. Namentlich tritt er aber beim Kassettenschmuck des
Pronaos zutage, der die Büsten des Poseidon und Hermes, der Athena und
Artemis, des Herakles, der Musen und des Didymeischen Apollo zeigt. Nur
die letztere ist mit sichtlicher Sorgfalt und offenbar aus der Vorstellung des
gesehenen Kanachosvorbildes gearbeitet, so daß sie uns in der Er-
kenntnis jener Schöpfung wieder ein Stückchen weiterbringt (Fig. 9). Für
die Anordnung der Haare ist es zuverlässiger als das milesische Theaterrelief
Kassetteiifragmciit mit der Büste des
Kauachos-Apollo.
22 Th. WiE(iAND:
(R. Kekule von Stradonitz, Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1904,
S. 797) mit seinem späten Kopfputz und seiner gar zu groben Behandlung.
Wir sehen hier die Stirn mit drei Reihen kurzer Locken umgeben, darüber ein
doppeltes Schmuckband, das auf dem Scheitel geknotet ist. Auch die drei
langen Locken über den Schultern sind sorgfältiger und archaischen Gewohn-
heiten entsprechender wiedergegeben als auf dem Theaterrelief. Dieselben
hochgeschwungenen Brauenpartien, welche die von Kekule in erster Linie
zum Vergleich herangezogene Bronze des Louvre so deutlich überliefert
(a. a. 0. 796; Kalkmann, Arch. Jahrb. VII, Taf. 4), bemerken wir auch hier.
Auch wird es kein Zufall sein, daß bei beiden das Auge in seinem äußeren
Winkel sehr lang gezogen ist. Wenn auch im ganzen der Kopf der Kassette
weit entfernt ist, den archaischen Eindruck des Kanachosapoll unverfälscht
zu vermitteln, wenn namentlicli der Gesichtsumriß ein allzu modernes,
längliches Oval zeigt, so erinnert doch wieder der strenge Ausdruck des
Mundes mit der sehr markierten Teilung der Oberlippe an das Altertüm-
liche des Vorbildes.
Die Entstehung des Serapistempels im 3. Jahrhundert ist auch durch
den Charakter der Weihinschrift des Architravs gesichert (Buchstabenformen:
WHY): ■'lo^A. Ayphaioc MeNeKAHC eew enHKÖo) CAPÄniAi ev'XHN kai th rAYKYT[ÄTH
nATPJlAI TÖ (so) nPÖNAON C^M nANTl TW KOCMü) GK TÖN lAICüN.
Bei dieser späten Datierung gewinnt der singulare Grundriß großes
Interesse für die Frage nach der Entstehung der flachgedeckten dreischiffigen
Kirchen der frühchristlichen Epoche. Wir sehen, daß die ausgehende Heiden-
zeit sich bereits des von den altchristlichen Baumeistern bevorzugten Grund-
risses bedient hat und daß ihn letztere nur leicht zu verändern brauchten.
VII. Das römische Heroon an der heiligen Straße bei den Faustinathermen.
Dieser neuentdeckte, 46 m lange, 28m breite Komplex (Fig. i o) füllt
den Raum zwischen vier Straßenlinien, von denen die östliche in Ver-
längerung des heiligen Weges von Didyma nach der Löwenbucht verläuft.
Es handelt sich um einen großen Säulenhof mit Eingang vermutlich von
Norden, in welchem ursprünglich kein Innenbau stand, der vielmehr nur
an der Südseite fünf Kammern hatte; die mittlere war eine breite, sich
mit zwei Säulen nach dem Peristyl öffnende Exedra, die sich mit dem
Ephebeum der Gymnasien vergleichen läßt. An ein solches wirklich zu
denken, liegt ja nahe, doch ist es auffällig, daß drei der fünf Räume sich
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma. 23
Fig. 10.
]l^-~^-:^zzz"s:z::zrsrss::::::i-z::zzzz:L —
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Grundriß des lüjinischen Heroon an der heiligen Straße bei den Faustinathernicn.
24 Th. Wiegand:
nach der südlich vorbeiführenden Straße, also in entgegengesetzter Rich-
tung, öffnen. Es könnte angenommen werden, daß die zwei der Exedra
benachbarten Räume aus praktischen Gründen als Läden eingerichtet wurden.
Der dritte Raum an der Südwestecke war nur Durchgang, und hierfür
bilden die Palästrazugänge der römischen Caracalla- und Diocletiansthermen
Analogien. Es mag sich also ursprünglich auch hier um eine kleine
Palästra handeln, ähnlich der sogenannten Curia Isiaca zu Pompeji, Over-
beck-Mau, Pompei" S. 150. Das Peristyl mißt im Lichten 18,21 : 30,95 m,
es hatte 38 korinthische Säulen, deren glatte Schafte aus grauem Granit
bestehen, die zwei Exedrasäulen brachten die Zahl der Stützen auf 40.
Die Säulensockel waren altarförmig, das Gebälk zeigt einen sogenannten
Pfeifenfries und Zahnschnittgesimse von -so vorzüglicher Arbeit, daß man
nicht unterhalb der hadrianischen Ära datieren möchte. Das Gebälk der
Exedra (Architrav, Zahnschnittgesims, aber kein Fries) ist jedesmal aus
einem Block gearbeitet.
In späterer Zeit erhielt die Mitte des Hofes einen nach der Ostseite
zu verschobenen, quadratischen Grab bau, der die Wirkung des feinen
Peristyls vollständig vernichten mußte und eines der eklatantesten Beispiele
für den geschmacklosen Gräberprunk späterer Kaiserzeit ist. Wir fanden
diesen Bau mit Ziegelschutt gefüllt, er war also eingewölbt; einzelne trapez-
förmige Flachziegel führten Knackfuß sogar zu der Annahme, daß der
Bau mit einer Kuppel gedeckt war. Damit hätten wir hier die früheste
in Kleinasien nachweisbare Kuppelbildung. Das Innere des Raumes ist
durch Blendnischen mit Marmorverkleidung und Marmorsockel gegliedert,
auch die Wände der Hallen waren so ausgestattet. Vom Marmorfußboden
haben sich verschiedenfarbige Reste gefunden. Der große Haupteingang
dieses Grabgebäudes lag in der Mitte der Nordseite, ein westlicher Neben-
eingang ist auffälligerweise in eine Blendnische gelegt. Nahe der Mitte
der Südwand erhebt sich ein Altaraufbau auf zwei weißen Marmorstufen
(3,81:2,40 m). Über ihnen lag das untere Basisglied aus schwarzem
Marmor, l)estehend aus Plinthe und Rundstab, hierauf kamen weiße Marmor-
orthostaten von 89 cm Höhe und ein weißes Abschlußgesims (Höhe 32 cm).
In der diesen Altar umgebenden Sturzmasse fanden sich die Bruchstücke
eines reichen Marmorsarkophags von sehr guter Arbeit: ein Fußprofil mit
Mäander, hierüber Girlanden, in welche Viktorien greifen, sowie nackte
männliche Figuren. In den Zwickeln unter den Girlanden sind Seewesen
Siebenter vorläuß(jer Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma. 25
lind Vögel dargestellt, die an den
Früchten der Girlanden picken.
Fragmente des Giebeldaches zei-
gen reiche Eckakroterien. Nach
dem Ausgrabungsbefunde besteht
kein Zweifel, daß der Sarkophag
auf dem altarförmigen Unterbau
geruht hat. Es war also der Heros
selbst, dessen sterbliche Reste auf
dem Opfertisch seines Temenos
niedergelegt wurden, gemäß den
für den Osten der antiken Welt
so besonders typischen Inschriften
mit dem Beginn: ö bumöc kai h en'
AYTü) copöc KTA. uud dcm nach-
folgenden Namen des heroisierten
Besitzers (vgl. ähnlich Ditten-
b erger, Or.GlS. 526); hier haben
wir dafür ein besonders monu-
mentales Beispiel. Da keinerlei
Inschrift gefunden wurde, kennen
wir den Inhaber des Heroon nicht.
VIII. Das Stadion.
Bisher war vom Stadion nur
die etwa 73 m breite östliche
Schmalseite ausgegraben worden.
Die Parodoswand war jederseits
mit 21,93 m Breite ermittelt, und
im Zwischenraum hatte sich ein
1 6 säuliger, spätrömischer Ein-
gangportikus von 22,75 i^ Breite
gefunden. Die Achsweiten seiner
korintliischen Säulen betragen
2,88 m; nur die mittlere Achs-
Phü.-Mst. Klasse. WH, Anhang. Abh. I.
^-1
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k- <8.t -S(S..6v*
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'l -^ LIrz 4
26 Tu. Wieg and:
weite war breiter (3,82 m). Eine Skizze des Grrundrisses und des Arkaden-
gebälkes ist Jahrb. d. Arch. Inst., Anz. 1906, Sp. 22 u. 23 gegeben. Un-
bekannt blieb die Gresamtlänge der Bahn und der westliche Abschluß des
Ganzen. Dieser ist im Herbst 19 10 aufgefunden worden und wird auf
Fig. 1 1 veranschaulicht. Nicht gebogen, wie auf den früheren Plänen ver-
mutungsweise angenommen war, sondern geradlinig schließt das Stadion
mit besonderen Parodosmauern auch im Westen ab und läßt eine Bahn
zwischen den Wasseruhren von rund 185 m frei. Denn sowohl im Westen
als im Osten standen je drei Wasseruhren in einer Reihe auf Marmor-
postamenten. Der östliche Abschluß hat die Gestalt eines von zwei Säulen
zwischen zwei Anten getragenen Marmorpropylons mit verschließbarer
Flügeltür, von dessen Vorplatz aus sieben stark betretene Stufen in die
Bahn herabführen. Hinter der Tür liegt ein 5,15 m breiter Zugang, der
weiter westlich durch die Umfassungsmauer eines großen, in römischer
Zeit veränderten Bauwerks begrenzt wird. Dieses war vermutlich ein
Gymnasion, das dann, wie in Priene, mit der Bahn direkt verbunden war.
Das Propylon war ionischen Stils und stammt aus bester hellenistischer
Zeit, wie der weiter unten abgedruckte Ehrenbeschluß für König Eumenes IL
allein schon beweist. Von den Architekturteilen sind gefunden zwei klein-
asiatisch-ionische Säulenbasen, einige untere Säulen trommeln, drei Stücke
der Pilasterkapitelle. Der Bau hat eine römische Reparatur erfahren, nament-
lich sind alle Außenarchitrave ersetzt worden. Die Zalmschnittgesimse da-
gegen scheinen alle griechisch. Ein Fries wurde nicht gefunden. Die
Sima hat an der aufsteigenden Seite ein Palmettenmuster, an der Trauf-
seite ein Rankenmuster. Der gefundene Antenblock mit der Inschrift ge-
hörte zur Südante (an der oberen rechten Ecke Bruch, desgleichen an der
rechten unteren Ecke, Höhe 56 cm, Breite 67 cm, größte Tiefe des Blockes
131,5 cm, Buchstabenhöhe 2,5 cm. Die Schrift ist nicht gut; auffällig ist
die Verletzung des Silbengesetzes an den Zeilenenden):
■^Gaoig töi ai^mcoi ■ Ol nPYTÄNeic KAI Ol eiPHMeNOi eni th |^*yaakhi
e]TnAN • eneiAH baciagyc Gym^nhc CYrreNHC ka[i <t>\] -
AOC KAI GYNOYC KAI G'Y'ePreTHC YnAPXCON THC nOA-
ewc AiA nporÖNCON kai npöc ahantac mgn toyc ""'Gaah-
5 NAC 4>IA0AÖia)C XnÖ THC APXHC AlAKeiMCNOC KAI
TAC nepi TOYTWN ÄnoAei3Eeic «ancpac ai[a nÄN-
Siebenter vorläufujer Bericht ither Ausyralmngen in Milei und Didyma. '11
7 TCüN nenoHMGNOc TÖN eprcüN kag' oti aT xe ka-
e' eKÄCTOYC TÖN KAIPUN TeTGAeCM^NAI KAI
AI nAPÄ TWM eYePreTHMGNUN XnHNTHKYTAI TG!"
lo MAI TW BACIAeT THN nePl TCON nPOeiPHWCNCON BGB-
AI09CI niCTIN, BOYAÖMeNOC A^ KAI TA npoYnApx-
ONTA AIA nPOrÖNCDN AYTCOI nPOC THN HMeTSPAN nÖA-
IN OIKgTa KAI 0IAANePCOnA enAYiHCAl KAI THC e[AY]-
TOY nPÖC TÖ nAHeOC AIP^CGCOC KAAÖN YnOM[NH]-
>5 MA A3EI0N THC lAlAC APeTHC KAI TOTc eniriNo[Me-
NOIC YnOAin^CGAl rPAMATA {so) Xn^CTAAKGN nPOC T-
e THN BOYAhlN KAI TON AHMON, Al' Sn TÄ TG YnÖ 6l[pH-
NIOY eM<t)ANICe^NTA AYTÖI exe^MGNOC KAI THN n
nPÖC TÖN AHMON aTpECIN AIA TCüN KATÄ M^p[oC?
Dieser Volksbeschluß reiht sich den Ehrungen für Eumenes IL an,
welche wir zum Teil schon durch seinen Brief an das koinön der lonier
kennen gelernt haben. (Dittenberger, Or. GIS., II. Appendix, S. 505 ff'.,
Nr. 763: Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. 1904 III, S. 14 ff*.); auch dort
erscheint als Wortführer Eirenias von Milet, der in Z. 17 der neuen Ur-
kunde wohl in Bezug auf diese frühere Gesandtschaft angeführt ist. Von
den dem Eumenesbrief vorausgegangenen Ehrenbeschlüssen des Rates für
den König hat uns jetzt die Grabung zu Didyma drei aneinanderpassende
Fragmente überliefert (Did. Inv. Nr. 155 und 194a und b), die am besten
hier gleich besprochen werden. Sie sind im byzantinischen Festungswerk
der Ostfront des Tempels sowie im Dorf und im Pronaos zu verschiedenen
Zeiten ans Licht gekommen. Der bläuliche Marmor war mindestens 1 10 cm
hoch, 54 cm breit und 17,5 cm dick, die Buchstabenhöhe beträgt 12 mm.
/» . H N 1// A ^ I o
AhnaiJconoc thi gkth Xnö [tön np]ocö[Aü)N
TÖN GK TÖN AGAü)p]hM^Nü)N XPHMÄTÜN ' AGAOXeAl
THI bJoYAHI GA^CGAI GN THI 6KKAHCIAI ANAPAC
5 A^o], TOYC A^ AIPGe^NTAC nPONOHCAl OflCJC KATA-
CKGJYAcefii cTtoc ö ikanöc h Micecoefii h uapoxPi
TOy] IKANOY HAI^eOYC GIC THN AIAM^TPHCIN, YnA
aIÖCIN GKACTCOI TOM nOAlTÖN HMIGKTH Gl GN TöFl
28 Th. Wieg and:
9 MHNI TCül AhNAICONI THI EKTHI, GN Hl erGNeTO Ö BAc[l-
lo AGYC 6'Y'M^NHC, KAI H GYC^A KAI H GCTIACIC CYNTeAe[ceHI
AieVKPlNOYM^NWN TÖN TG KATÄ TAC nOAAnÄC kTaI
TAG eYClAC KAI TON KAGOnAICMON TÖN G<OHBa)N
KAI TÖN AAACON TÖN AlATGTArweNCON KATA
Te] TÖN CTG*ANH<}>OPIKÖN NOMON KAI THN OGPl
15 IGPeUC^NHC AIArPA4>HN. AlPcTceAl KAI
g]ic tön gihc xpönon to? mhnöc toy Taypgü)no[c
THI ACOAGKATHI TOYC TG ATOPACONTAC cTto[n
H MICedJCONTAC THH nAPOXHN TOY IKANOY HAH-
eOYC YnA AG TYXHI TA nPOGIPHM^NA THC nPOc[HK-
20 oiCHC ofKONOMIAC. TOYC GIPHM^NOYC ANAPAC
Gni THC KATACKGYHC TOY TYMNACIOY 61PHNIAN 61PH-
Nl]0Y, ZdbnYPON 'AcKAHniOAWPOY XnOCYCTH-
c]aI gm MHNI ApTGMICICüNI TÖI 6N TÖI 6NGCTü}t[|
gJnIAYTÖI XnÖ tun Ö<1>GIAOMGN(jON gmüdpikön
25 aJangicdn taaanta tpiäkonta toTc aipgghcom^-
noic gni thc ahmociac tpangzhc gic tön gniay-
TÖN TOM M6TA TON AGYTGPON GGOM MGTA MgNG-
KPÄTHN, TOYC A^ XOPHTgTn ToTc AIPOYM^NOIC ANAPÄ-
CIN XnÖ THC nPOCÖAOY GIC TÖN KATATOPACMÖN TOY
30 CITOY, 61IÖNTAC AG nAP[AAIA]ÖNAI TOTc MG-
e' GAYTOYC TPAnGz[lTAIC - - Cy]m -
BÖAAIA G'Y'AP At]-
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Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgralmngen in Milet und Bidyma. 29
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55 MeNOYC TOYC . .
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Der Geburtstag des Königs Eumenes IL (geb. vor 221) fiel also auf
den 6. Lenaion (Januar). Eine Spende, bezahlt durch Zinsen aus einem
von Eumenes geschenkten Kapital, soll diesen Festtag verherrlichen, an
dem jeder Bürger 6 Hemihekten = 25^2 Liter Getreide bekommt. Opfer,
Bewirtung und Festparade der Epheben war selbstverständlich, und die
Ausführungsbestimmungen dazu standen in der Dienstanweisung des Stepha-
nephoren (cTe<i)ANH<»>opiKÖc nömoc, Z. 14). Die Spende soll zur dauernden Ein-
richtung werden, denn für den Juli des folgenden Jahres, also die Zeit
gleich nach der Ernte, soll die Getreidekommission neu gewählt werden.
Eirenias und Zopyros, die zwei Kuratoren des »Gymnasion« (Z. 21, viel-
leicht war auch dies eine eumenische Stiftung?) sollen auf preis würdigen
Einkauf achten und zu diesem Zweck im Monat April bereits von den
ewnopiKA AÄNGiA (die also bis dahin eingehen werden) 30 Talente an die
Leitung der öffentlichen Bank für ein Jahr überweisen; von dem Zins-
ertrag soll der Getreidekauf bestritten werden. Das Kapital wird, wie
Z. 30 anzudeuten scheint, den jeweils nachfolgenden Bank Vorstehern von
den abtretenden übergeben, den Schluß der Urkunde bildeten Bestimmungen
über die ewige Dauer des Beschlusses und Verbote seiner Aufhebung bei
Strafe von 2 000 Drachmen für den Antragsteller (Z. 48); andere Bußgelder
sind aus dem Worte np]öcTiMON (Z. 50) zu^erschließen, aber nicht erhalten.
Endlich folgen die üblichen Bestimmungen über Ausfertigung und Auf-
stellung des Ganzen (Z. 53 ff).
Wenn man annimmt, daß das Gymnasion seine Gelder zum Zinsfuß
von 10 Prozent auslieh, wie er in der Stiftung des Milesiers Eudemos er-
30 Th. Wieg and:
scheint (Mitte 2. Jahrhunderts, vgl. Ziebarth, Eudemos von Milet, S. 14),
so kamen 1 8 000 Drachmen Zins ein. Den Preis eines Medimnos Getreide
kann man im 2. Jahrhundert v. Chr., da der Staat billig einkaufte, mit
4 Drachmen annehmen wie zu Priene; vgl. v. Hiller, Inschr. v. Priene,
Nr. 108, 46 (nach 129 v. Chr.). Dann konnten 9000 Portionen zu 6 Hemi-
hekten gekauft werden, und es ergäben sich ebensoviel milesische Bürger.
Waren auch nur 3/^ davon Getreideempfönger — denn nicht jeder, sondern
vorwiegend der ärmere wird von seinem Recht Gebrauch gemacht haben —
so erhalten wir 6750 bürgerliche Haushalte, die mit Einschluß des Ge-
sindes im Durchschnitt auf mindestens zehn Köpfe berechnet werden dürfen ;
das ergibt rund 70000 Menschen ohne die Familien der Nichtbürger und
ohne die fluktuierende Bevölkerung der Hafenquartiere und der cynoikiai,
die in der großen Handelsstadt zweifellos nach Tausenden zu schätzen ist.
Man kommt damit auf einen Bevölkerungsstand, wie ihn z. B. Bremen,
Köln, Frankfurt a. M. noch in der Mitte des 19. Jahrhunderts kaum hatten,
und darf unter Zurechnung der Landkreise, jedoch ohne die milesischen
Inseln, die Gesamtzahl wohl gegen 100 000 schätzen'.
IX. Das römische Bad am Fuße des Humetepe (Taf.II) und die Faustinathermen
(Taf. III).
Die nach Süden orientierte Badeanlage am Humetepe ist der beste
bisher aufgedeckte Vertreter einer Therme mit strengem Haustypus, wie
er durch die Peristyle griechischer Wohngebäude und vor allem durch die
griechischen Gymnasien vorgebildet war""^. Die Anlage ist symmetrisch.
Von den Säulenkapitellen hat sich nichts mehr gefunden, dem Stil der
Zeit nach sind in der Aufrißzeichnung von Gerkans korinthische Kom-
positkapitelle angenommen. Sämtliche fünf Räume im Norden waren mit
Hypokausten versehen und wurden geheizt von dem langen, schmalen,
sich nördlich anschließenden Raum aus, wo sich die Brandasche der drei
Präfurnien gefunden hat. Diese heizten die drei mittleren Räume. Man
' Anders Beloch, Bevölkerung usw., S. 228. der für Milet im 2. Jahrhundert v. Chr.
nur von mehreren Taiisend Bürgern spricht.
^ tlber die Typen der Thermen hat zusammenfassend gehandelt E. Pfretzschner,
Die Grundrißentwicklung der römischen Thermen, Straßbiirg 1909; Haustypus: S. 21 ff. Die
literarischen griechischen Nachrichten hat neuerdings W. H. Chr. van Esveld zusammen-
gestellt, De balneis lavationibusque Graecorun», bes. S. 142 ff.
siebenter vorläußyer Bericht über Ausgrabungen In Mllet und Dldymu. 31
kann sie also als Kaldarien, die zwei äußeren als Tepidarien bezeichnen,
während die südlich jederseits vorgelagerten Kammern als zwei kühle Räume
zu gelten haben, von denen man auf vier Stufen zum kleinen Kaltbassin
herabstieg. Die von zwei Säulen getragene Vorhalle vor dem Mittelraum
war oft'enhar das Apodyterium. Die Mitte des Hofes nahm eine Wasser-
kunstanlage ein, deren nördlicher Teil wohl ein langes Waschbassin war.
Das Peristyl ist auf drei Seiten von Kaufläden umgeben, die sich nach
den Straßen zu öflVieten. In dieser Hinsicht ist das Gebäude mit den
drei Thermen von Pompeji verwandt, die überdies ebenfalls einen freien
Innenhof aufweisen (Overbeck-Mau, Pompei'' S. 200 ff., Mau, Pompei
in Leben und Kunst S. 192; Pfretzschner, a. a. 0. Taf. III, 4 — 6). Drei
schmale Treppen führten zum Obergeschoß, wo sich vielleicht nur niedrige
Räume für das Personal befunden haben. Der Raum zwischen den beiden
schmalen Treppen östlich des Ilaupteingangs enthielt die Latrine.
In später Zeit hat dieses Gebäude nicht mehr als Therme gedient.
Die Rauchabzüge wurden zugemauert, die Hypokausten zum Teil verschüttet,
Opus sectile mit geometrischen Mustern diente als Fußboden. Die drei
vorderen Räume erhielten gewöhnliche Mosaike, die so spät sind, daß ihre
Rankenbordüre schon eine große Verwandtschaft mit den großen früh-
christlichen Mosaiken der Kirche über dem Asklepieion aufweist (Sechster
Bericht, a. a. 0. S. 28). Erst in jener späten Zeit scheint man die an
der Südfront ursprünglich vorbeilaufende Straße durch einen großen Säulen-
hof ersetzt zu haben, da dessen Anlage große Nachlässigkeit verrät.
Der im Sechsten Bericht 1908 veröffentlichte Plan der Faustina-
thermen ist durch weitere Grabungen ganz überholt. Der neue Plan,
Taf. III (W ~ Wasserbehälter, 0 = Heizofen, B = Becken [alveusj), zeigt
vor allem, daß der Westseite des Komplexes nicht eine einfache lange Halle,
sondern ein riesenhafter, fast quadratischer Säulenhof von 25 : 26 Säulen-
achsen zu 2,50 m Achsweite vorgelagert ist, dessen reiche Marmorarchitektur
reihenweise am Boden gefunden wurde, wohin sie durch Erdbebenkräfte
geschleudert worden war. Auf altarförmigen Basen stehen glatte Schafte,
Kompositkapitelle, darüber korinthisches Gebälk mit Ranken- und Blüten-
fries. Das Ganze hat zum bedeutendsten Sclimuck der Stadt gehört; die
ungemein tlotte und sichere Arbeit muß von größter dekorativer Wirkung
gewesen sein (Fig. 12). Reste von roten Farbspuren wurden in den Kapi-
tellen festgestellt.
32
Tu. WiEGANJ)
Fig. 12.
TIHIIllllT
J«o»
SäulciihoC der Fau.stinatlioi-incii.
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma. 33
Ausgezeichnet erhalten fanden wir einen an den langen Apodyterion-
saal östlich anschließenden Raum mit Kaltwasserbassin (B), zu dem man
auf fünf Stufen herabstieg; es hatte eine Tiefe von 1,25 m und war, wie
auch die Treppe und der Umgang, mit 1 2 mm dicken weißen Marmor-
platten ausgelegt. Der Raum empfing Wasser aus einer Zisterne, die durch
Fig. 13.
Fio-nr des Miiiaiidros in den J'iiusriiiiitlu'i'iiK
Umbau eines ehemaligen quadratischen Thermensaales im Norden gewonnen
worden war; das Wasser entströmte einem Marmorsockel (2,50 m breit,
0,50 m hoch), der mit dem überlebensgroßen, Marmorbild eines ruhenden
Flußgottes (Fig. 13) geschmückt war, natürlich des Maiandros, mit Füll-
horn und Fruchtkranz; vgl. z. B. Münzen von Antiochia am Mäander Cat.
Br. M. Carla, S. 16 ff., pl. III. Als zweiter Wasserspender kam später auf
der Ostseite ein etwa lebensgroßer Marmorlöwe hellenistischer Zeit hinzu,
Phil.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Ahh. I. 5
34 Th. Wieg and:
der früher fiir diesen Zweck nicht bestimmt war. Die Umfassungsmauern
des Raumes sind bis zum Ansatz des Tonnengewölbes erhalten ; fünf Türen
führen in diesen Saal, der sechs Nischen hat, nebst einer Anzahl Sitzbänke,
die sich den Wänden entlang ziehen, jedoch ursprünglich ebenfalls hier
nicht gestanden haben.
Die Aufnahme der Thermen hat nach Kaweraus Tode Hr. Regierungs-
bauführer Krischen übernommen; insbesondere hat er sein Augenmerk
auf die Frage der Beleuchtung der hohen Säle gerichtet, die ja für alle
großen Römerbauten von Bedeutung ist. Hier wurde die Lage und Kon-
struktion der Fenster ermittelt, und zwar ließen sich drei Typen feststellen:
die kleinsten Fenster haben etwa 25 qm Fläche ergeben. Der Gesamtaufbau
des Hauptsaales (Caldarium), dessen Höhe an den Schmalwänden heute
noch 13 m beträgt und dessen Scheitelhöhe im Gewölbe einst 23,5 m be-
trug, läßt sich mit Sicherheit feststellen. Dieser Hauptsaal hatte sechs
Fenster zu 25 qm bei einer Grundfläche von 500 qm. Da die reine Glas-
fläche — denn Glas ist sicher festgestellt — der sechs Fenster 75 qm be-
trägt, so ergibt sich das auch in moderner Zeit für gut beleuchtete Räume
angewandte Verhältnis von 1:7. Auch der Aufbau der ül^rigen Räume
wird in den wesentlichsten Zügen zu ermitteln sein. Die erlialtenen Werk-
stücke geben sogar Aufschluß über die Verteilung der Abzugsrolire der in
den Wandtubuli emporsteigenden Heizgase.
Der Haupteingang der Thermen hat wahrscheinlich an dem freien
Platze gelegen, welcher sich vor der Ostseite des Stadion ausbreitete.
Diese Gegend ist von türkischen Dorfhäusern überbaut, deren Beseitigung
unterbleiben mußte. Wir vermuten, daß hier Säulenhallen den äußeren
Abschluß nach Süden und Westen bildeten: auf dem Plan sind sie mit
einfachen Linien angedeutet. Die an die Spitze des Stadion anstoßende
Mauer in Nord-Süd-Richtung ist jedoch festgestellt.
X. Die frühbyzantinische Michaelskirche westlieh des Nordmarktes.
Die Freilegung dieser großen, im Herbst 19 10 entdeckten di-eischiffigen
Basilika mit ihren zahlreichen Nebenräumen ist noch nicht ganz abge-
scldossen, weshalb auch von der Mitteilung eines Planes abgesehen werden
muß. Jedoch kann jetzt schon das Vorhandensein eines Atriums vor der
nördlichen Langseite hervorgehoben werden. Das Ganze steht über einer
palastähnlichen hellenistischen Hausanlage. Die Kapitelle waren korintliisch
Siebenter vorläufiyer Bericht über Ausgrabungen in Milet und Bidyma. 35
in mehreren zum Teil wiederverwendeten Typen, der Architrav ist mit einem
fortlaufenden, steifen Pfeifenfries geschmückt. Die Untersuchung der Gegend
der Ikonostas ergab, daß hier eine Marmorbrüstung mit offener Säulen-
stellung darüber stand; in der Apsis fanden sich Sitzbänke. Von den
Mosaiken zeigten sich schlichte, die Kreuzform geometrisch verwendende
Muster. Zuletzt kam noch die Bauinschrift zutage (Marmor, Wandquader,
Länge 121 cm, Höhe 23 cm, Buclistabenhöhe 30 bis 35 mm; Zeile 5 und 6
sowie der Schluß von Zeile 4 fTOY0EO<t>H] scheinen auf Rasur zu stehen):
f ""Gr^NGTO nACA H «YAOKAAIA (.90) TOY e^KTHPIOY
APXArr^AOY MiXAHA, nPCONOYOYNTOC {so) AG KyPIAKOY
TOY XnOTATOY KAI TPIC MAKAPIOTATOY OIKOYMeN-
HKOY {so) OATPIAPXOY KAI '"PoMÄNOY TOY eeO*H-
5 AeCTÄTOY npeCBC nPOKOYPÄTOPOC KAI eKKAHCieKAIKOY THC
MerÄAHC eKA[HCl]AC KoYCTANTINOYn K. feOPriOY TOY AA-
Nach diesem Text läßt sich die Kirche mit Sicherheit in das Ende
des 6. Jahrhunderts datieren. Denn Kyriakos, der einzige Patriarch dieses
Namens, saß von Ende 595 bis zum 29. Oktober 606 auf dem Thron. Die
anderen Personen sind, wie Hr. Prof. Heisenberg mir mitteilt, nicht be-
kannt, »es müßte denn der letztere mit jenem fecbprioc identisch sein, den
Maurikios gegen Ende seiner Regierung (582 — 602) als Gesandten an
Chosroes schickte; bei Theophylaktos, ed. de Boor, S. 282, 19 ff. heißt es:
AiA TOYTO ö AYTOKPÄTcop Maypikioc gic thn TTepciAA GieneMYe npecBYN fedüPriON,
bc THC TÖN eCüCON nÖAeCON «OPOAOriAC THN eniCTACIAN GK^KTHTO ' TOYTON HPAITOÜPIUN
enAPxoN XnoKAAOYci PcümaToi. Danach besaß dieser Georgios als Praefectus
praetorio die Finan /Verwaltung in den kleinasiatischen Städten und wäre
also beim Bau der Michaelskirche in Milet als Geldgeber in Betracht ge-
kommen, seine Erwähnung in der Inschrift also ganz passend«.
B. Didyma.
I. Der heilige Weg.
Im Jahre 1907 hatten wir den heiligen Weg bei Didyma in der Ge-
gend der archaischen Sitzbilder des Chares auf 250 Schritte freigelegt.
Der nähere Befund ist im Sechsten Bericht (S. 46) geschildert. Nun galt
5*
86 Th. Wieg and:
es, die Straße in der Richtung nach dem Tempel zu verfolgen; hierbei
durfte man hoffen, die Grenze des Asyls und den Beginn des kleinen,
den Tempel einst rings umgebenden Städtchens zu finden. In der Tat
hat sich dies und noch mehr feststellen lassen. In einer Entfernung von
etwa 250 m vom Tempel fand sich der letzte Meilenstein der römischen
Straße, die Kaiser Trajan vom heiligen Tor zu Milet bis vor das heilige
Tor zu Didyma gebaut hat. Die Inschrift lautet (Inv. Nr. 203, Kalkstein-
säule, Höhe 188 cm, Durchmesser 62 cm, Buchstabenhöhe 7 cm):
Ijmp. Caesar divi Nervae
f. Nerva Traianus Aug.
Germanicus pontifex
max. trib. potest. cos IUI
5 viam fecit
M. P XL
A'Y'TOKPÄTCJP KaTcAP
leer N^poya yiöc Ndp-
OYA Tpaianöc Cgbactöc
10 rjePMANIKÖC AHMAPXI-
k]hC eiOYClAC, TÖ A YHATOC,
nATHP HATPIAOC ÖAÖN
igpAn KATecKe^AceN
M lA
Der lateinische und der griechische Text stimmen nicht ganz überein.
Z. 8 fehlt der griechische Ausdruck der Divinität Nervas, während Z. 12
nATiHP nATPiAoc steht, was im lateinischen Text fehlt. Z. 5 ist der Weg
einfach als via bezeichnet, Z. 12 — 13 als öaöc igpä. Die Länge des heiligen
Weges betrug somit fast genau zwei römische Meilen oder 16,208 km.
Das entspricht dem von mir angenommenen Zuge der Prozessionsstraße,
die südlich von Akköi das Gebirge bis zu 200 m Höhe erstieg und beim
Panormoshafen wieder die Strandebene erreichte (vgl. Sitzungsber. 1905,
S. 547, dazu die Karte P. Wilskis, Milet I, Nr. 6— 8). Die Trajansin-
schrift am Beginn des heiligen Weges (Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss.
1900, S. 106) konnte ins Jahr 100 n. Chr. datiert werden, dieser neue
Text dagegen gehört ins Jahr 10 1/2, die Herstellung des ganzen heiligen
Weges hat also etwa 1^/2 Jahre in Anspruch genommen.
Siebenter vorläufiger Ber'tcht über Ausgrabwigen in Milet und Didyma. 37
Gleich bei dem römischen Meilensteine fanden sich die Reste eines
aus Mörtelmauern erbauten, aber mit Marmororthostaten umkleideten Tores.
An dieser Stelle hörten die den heiligen Weg bis dahin begleitenden Gräber-
anlagen auf, statt dessen begannen die Hausmauern der kcomh in der Rich-
tung nach dem Apollotempel zu. Das Tor bildete also die Grenze des Asyls.
Zweifellos stand an ihm die zweite Ausfertigung der trajanischen Wegebau-
inschrift, deren erste wir am heiligen Tor von Milet auffanden (Sitzungsber.
d. Berl. Akad. d.Wiss. 1900, S. 106). Inzwisclien haben sich in Didyma und
Umgebung noch mehrere Bruchstücke der zweiten Ausfertigung auffinden
lassen (Inv. Nr. 137, 244, 258, 286. Eine Reparatur erwähnt Inv. Nr. 1 1 1).
Sehr interessant war es nun, namentlich auch im Hinblick auf Strabo,
S. 634, die Straße bis zum Tempel hin weiter zu verfolgen. In engem
Abstände (6 — 7 m) wurden lange Parallelgräben gezogen, welche nicht
nur die heilige Straße, sondern auch die sie begleitenden Hausanlagen
schnitten, wobei das Vorhandensein eines römischen Warmbades festge-
stellt wurde. Die Prozessionsstraße stellte sich, je nälier zum Tempel
hin, desto besser gebaut heraus. Der Fahrdamm ist 4,80 m breit, pro-
filierte Randsteine begrenzen ihn. Das Straßenpflaster besteht aus Kalk-
steinplatten, die vorwiegend 1 10 cm im Quadrat groß sind, seltener i 25 cm im
Quadrat. Die Hausmauern aus Mörtelwerk standen zumeist noch i '/2 m
hoch, die gewöhnliche Mauerstärke ist 60 cm. Die Breite der rechtwink-
lig auf die Prozessionsstraße mündenden Seitengassen, welche ebenfalls
gepflastert sind, beträgt 4 m. Ein Teil der Hauptstraße war von Hallen-
gängen und Kaufläden eingefaßt, weiterhin nach dem Tempel zu treten
aber die Mauern der Wohngebäude hart an den Weg. Soviel darf man
jedenfalls über das Städtchen sagen, daß es zwar einen geschlossenen Gürtel
um das eigentliche Heiligtum bildete, daß es jedoch in respektvoller Ent-
fernung von diesem blieb. Denn in einem Abstände von etwa 100 m vom
Tempel hören die llausbauten auf Dort biegt die heilige Straße stark
nach Osten um und verläuft südlich der heutigen Hauptkirche des Dorfes
Jeronda in etwa 60 m Abstand vom Tempel, annähernd parallel zu die-
sem auf die Weihgeschenkterrasse im Osten^des Apollotempels. Innerhalb
dieser letzten Zone muß der den Tempel umgebende heilige Hain ge-
legen haben. Alle Gräben, welche wir in diesem Umkreis gezogen haben,
und es waren deren sehr viele, haben reinen Humus oder unwesentliche
nachantike Mauerreste ergeben.
38 Tii- Wikganb:
II. Die Weihgeschenkterrasse (Taf. IV).
Die Terrasse beschreibt um die Ostfront des Apollotempels einen gro-
ßen Kreisbogen. Dieser ist an der Nordostecke flach gestreckt und tritt bis
auf 4 m an die Tempelecke heran, an der Südostecke ist die Biegung und
der Abstand (14 m) stärker. Die Stützmauer der Terrasse, aus Kalkstein
in sorgfältig glatt behauenen Quadern gefügt, war etwa 2^/2 m hoch. Der
von der heiligen Straße längs der Nordseite herankommende Pilger stand
also, wenn er vor die Ostfront kam, höher als der Stufenbau des Tem-
pels. Vier Treppen von i^jz m Breite führten in den tieferen Bezirk herab.
In der Mitte der Ostfront beträgt der Abstand der Stützmauer von der
untersten Tempelstufe etwa 24 m.
Es ist kein Zweifel, daß diese Stützmauer nebst den Treppen der
archaischen Periode des Heiligtums angehören, das beweist ein Blick
auf die wiederaufgebaute Stelle mit ihrem großen altionischen Blattstab als
Mauerabschluß (Fig. 14). Solche Glieder haben sich in verschiedenen Stücken
zu Füßen der eingestürzten Mauerteile gefunden (vgl. Taf. V, Vordergrund).
Auch die Terrasse selbst hat sich als Trägerin von Resten der archaischen
Zeit erwiesen, wenn diese auch in spärlicher Weise auf uns gelangt sind;
ich erwähne die lange, auf dem Plan (Taf, IV) mit schwarz ausgefüllten
Linien gezeichnete Halle, über deren Kalksteinfundaniente, Orthostaten und
schwalbenschwanzförmige Klammern schon im vorigen Bericht (S. 34) Mit-
teilung gemacht wurde; seitdem ist ihre Gesamtausdehnung auf 34,50 : 7 m
festgestellt worden. Diese Maße sind wegen der starken Zerstörung und
Verschiebung der Reste nur annähernd genau. Ferner stand ein archai-
sches Gebäude gegenüber der Südostecke des Tempels. Es ist noch schlech-
ter als das vorige erhalten.
Ich erwähne bei dieser Gelegenheit, w^as sich sonst an archaischen
Funden, namentlich vor der Ostfront neu ergeben hat. Es sind Reste von
Kolossalfiguren, z. B. ist eine Zehe von 1 6 cm Länge vorhanden, ferner große
Fragmente von Buckellocken. Der Fußrest einer anderen Kolossalgestalt
zeigt eine Zehenlänge von 9 cm; es fanden sich ferner der Torso eines halb-
lebensgroßen bekleideten Mannes und die Füße einer langbekleideten lebens-
großen Figur mit roten Schuhen, auch das Bruchstück eines spätarchaischen
kleinen Nymphenreliefs, mit den unteren Partien zweier tanzenden Nymphen
und eines bocksfüßigen Paus. Bei diesem Anlaß möchte ich die Vermutung
Siebenter vorläufiger Bericht üher Ausgraimnyen in Milet und Didyma. 39
Fig. 14.
Aii'liai.schc Stüt/.iiiiuiei- dci- Weiliti'e.sc'lienktena.sse zu Didyma.
40 Th. WiECiAND:
aussprechen, daß das bekannte Relief des Britischen Museums von Kara-
kuja (Brit. Mus. Nr. 21, Rayet et Thomas, Milet et le golfe latmique
pl. 27) nach der Form der Rückseite ein Stück der Sima des archaischen
Tempels von Didyma ist. Von diesem Tempel haben wir jetzt auch
Fragmente ionischer Kapitelle und überaus fein gearbeitete Marmordach-
ziegel gefunden. Reste eines Volutenakroterions werden wohl zu einem
kleineren Gebäude gehören, el)enso Terrakottastirnziegel mit Darstellungen
von Medusen und Lotusblüten.
Das epigraphisch beste archaische Stück ist der Rest einer Votiv-
stütze mit elf flachen Kanellüren, oben Ansatz des Ilalsprofils, unten ge-
brochen (Höhe 36 cm, Breite 16 cm, Buchstabenhöhe 2 — 3 cm):
^01/> v\AMIT
OS ßT HM O
III. Das Stadion auf der Südseite des Tempels (Taf. V).
Gegenüber der Südostecke des Tempels hört die hochgehende archa-
ische Stützmauer bei einer Treppe auf. Es setzten sich weiter westlicli
lange, gerade Sitzreihen aus Kalkstein einer späteren Epoche an, welche
dem Tempel in 15m Abstand parallel laufen und, nach Süden ansteigend,
durch kleine Treppen senkrecht durclisclmitten wurden. Das Profil der
Sitzstufen stellt eine einfache steile Hohlkehle dar. Die unterste Stufe
ließ sich noch etwa 60 m lang verfolgen, die zweite 10 m, die dritte 5 m;
im ganzen müssen aber der Terrainerhebung nach mindestens sieben Sitz-
reihen vorhanden gewesen sein. Der obere Teil ist völlig abgeräumt. An
der Südseite des Tempels war also eine Bahn geschaffen, die man bequem
auf Stadionlänge ausdehnen konnte. Den Blick von Ost nach West ver-
deutlicht die Tafel V. Im Vordergrund sieht man die archaische Stütz-
mauer, eines ihrer Krönungsglieder liegt am Boden. Im weiteren Verlauf
sieht man die Mauer geradlinig werden und die drei untersten Stadion-
stufen heraustreten. Daß die Stufen der Südseite des Tempels als Sitz-
plätze dienten, beweisen die massenhaft auf ihnen eingekratzten und ein-
gemeißelten Inschriften. Bevor dieser Befund klar wurde, hatte Haus-
so ullier noch annehmen müssen, daß die Aufschriften von Begräbnissen
herrührten, die von den Milesiern des zweiten und dritten nachchristlichen
Jahrhunderts auf den Stufen ihrer Tempel vollzogen worden seien; er wird
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyrna. 41
seine Annahme jetzt gewiß gern zugunsten des neuen Befundes aufgeben.
Hr. Dr. Schede, welcher die Namen sämtlich kopiert hat, stellte etwa
250 verschiedene Aufschriften auf den südlichen Tempelstufen fest, wäh-
rend die Stufen der übrigen Tempelseiten solche Aufschriften nicht tragen.
Bald sind es Namen einzelner, wie 7\<N)TirÖN0Y TPArcoAO?, GeoAcÖPOv to9
'eniNiKOY oder Oaiapoy axpi e<j>HBeYCH, bald mehrere, wie Gyaöioy kai 'Gaymogy
N6OKÖPUN TÖ TPiKAiNON Xnö "ApTeMcoNoc npo<j)iHTOY. Dcr Ausdruck tpikainon far
Sitzplatz (mehrerer y) kommt siebenmal vor (vgl. dazu Inschr. von Magnesia
237). Zahlreiche Inschriften werden mit nepi gebildet, z. B. twn nepi 'eni-
KPATHN KAI Ahmwna, abcr zugleich tun nepi <t>iAiAOY, auch tön nepi Ggoaötoy
usw. Häufig ist die Verwendung der Formen mit amtlicher Datierung:
eni AioreNOYc äpxontoc Ioyaioy ö TÖnoc kai npo*HTOY Apictgoy. Das seltene
Vorkommen römischer Namen weist diese Inschriften in die späthelle-
nistische Zeit.
In jener Epoche werden also hier die Spiele der werÄAA Aiaymgia ge-
feiert worden sein. Dazu kommt, daß der Umfang des ganzen Tempels
zwei Stadien (attisch) beträgt, der aiayaoc konnte also einfach um den
Tempel herum gemacht werden. Nun läßt sich wohl auch die im vorigen
Bericht (S. 45) noch unentschieden gelassene Frage des Weges der Fackel-
läufer Xnö Bü)MOY eic BcoMÖN entscheiden: der Lauf ging um den Apollotempel.
Ein und derselbe Altar war Ausgangs- und Endpunkt.
IV. Der archaische Altar.
Während ich über die Lage des späteren Altars noch nichts angeben
kann, da das Innere des Adyton noch nicht freiliegt und außerhalb des
Tempels sich nichts aus hellenistischer und römischer Zeit in dieser Art
erhalten hat, ist über die archaische Epoche folgendes zu berichten:
Vor der Ostfront ist das große kreisförmige Kalksteinfundament einer
Opferstätte gefunden worden, das nach dem Material (harter Kalkstein)
und seiner sehr feinen Bearbeitung der archaischen Epoche angehört.
Den Plan gibt Fig. 15 wieder. Von Ost^n und Westen führten zwei
verschließbare Pforten in den Kreis, an dessen innerer Wand sich ein
60 cm breiter Plattenumgang hinzieht. Die geringe Stärke der jetzt
noch eine Schicht hohen Umfassungsmauer läßt mit Sicherheit darauf
schließen, daß wir es hier nicht mit einer hochgehenden Gebäudewand,
Phil.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. I. 6
42
T H. Wieg and:
sondern mit einem durch eine niedrige Brüstung umfriedigten Raum zu
tun haben. Dieser hatte innen keinerlei Pflaster. Seinen Zweck verrieten
uns Reste verbrannter Tierknochen und eine Anzalil von bleiernen Votiv-
astragalen, die zusammen mit den Knochen und verschiedenen Vasen-
Fig. 15.
Grundriß des archaischen Aschcnaltars zu Didynia.
Scherben des 7. bis 6. Jahrhunderts in diesem Raum lagen. Es ist der
archaische Aschenaltar, der vermutlich über die Perserzerstörung hinaus
noch später im Gebrauch war. Zu ihm gehören aucli die vier runden
Kalksteinbasen an der Außenseite, die offenbar Votive getragen haben.
Pausanias fabelt von dem didymeischen Altar, nachdem er zuvor vom
Zeusaltar in der Altis gesprochen, V 13, 11: ecTi a^ kai gn Aiav'moic twn
MiAHCicoN BcoMÖc, enoiHeH Ae vnö ""Hpaka^oyc toy Ghbaioy, kaoa 01 Miahicioi
Siebenter vorläufiger Bericht iiher Ausgrabungen in Milet und Bidyrna. 43
AeroYCiN, Xnö tön lepeicoN toy aYmatoc. ec a^ tA yctcpa tö aTma tön eYMÄTcoN
o^K ec YneporKON HYiHKeN as^tön wereeoc.
Den didymeischen Altar erwälint Pausanias nicht nur aus mytho-
logischen Gründen, sondern wegen einer gewissen äußeren Almlichkeit mit
dem olympischen; nur sei der didymeische weniger stattlich. In der Tat
beträgt der Umfang der didymeischen Opferstätte etwa 80 olympische Fuß,
während der olympisclie Zeusaltar mit Einschluß der Prothysis 125 Fuß
hatte, also ein Drittel mehr. Freilich betrug der innere Umgang zu Olympia
nur 32 Fuß, der zu Milet dagegen über 50 Fuß. Gemeinsam ist ihnen je
ein Zugang von den beiden entgegengesetzten Seiten; das Innere haben
wir uns in Didyma so zu denken, daß die Aufschichtung der Reste nur
bis an den inneren Rand des Umgangs reichte (sonst hätten die Türen sich
nicht nach innen öffnen können), und daß dort die Basis des kegelförmigen,
mit dem Blut der Opfertiere befestigten Aschenaufbaues begann — , denn
nur so kann die Nachricht des Pausanias über das Blut der Opfertiere ver-
standen werden. Es ist jener Kegel, den wir in kleiner Nachbildung auf
dem milesischen Theaterrelief mit der Darstellung des Kanacliosapollo finden
(R. Kekule von Stradonitz, a. a. 0. S. 797). Eine Prothysis wie zu
Olympia besaß der didymeische Altar nicht. Man opferte auf dem Platz
zwischen Tempel und Rundbau. Trotzdem ist der Fund dieser Opferstätte
von entscheidender Bedeutung in der noch immer gelegentlich umstrittenen
Frage der F'orm des olympischen Zeusaltars (s. bes. Wern icke, Jahrb. d.
Inst. IX, S. 92 ff., auch Jahrbuch, Anz. 1901 S. 99 und loi). Er spricht zu-
gunsten der ovalen Fundamentlage zwischen Metroon und Zeustempel im
Zentrum der Altis.
Der runde, in vorzüglicher Quadertechnik erbaute Brunnen, welcher
nördlich des archaischen Altars gefunden ist (gegenüber der dritten F>ont-
säule von Norden gerechnet) ist ein Werk hellenistischer Zeit. Ob er auf
archaischen Grundlagen ruht, konnte noch nicht festgestellt werden.
V. Der Apollotempel (Taf. IV— XIII).
Das ganze im Laufe der Zeit mit Hilfe großherziger Altertumsfreunde
expropriierte Gelände in der Mitte des Dorfes Jeronda ist seit 1908 von
uns in den Bereich der Ausgrabungen gezogen worden. Folgende Zahlen
mögen den Umfang der Arbeiten vergleichsweise klarmachen: Der Flächen-
44 In. Wieg and:
Inhalt der Arbeitsgebiete unserer Vorgänger 0. Rayet und A. Thomas,
B. Haussoullier und E. Pontremoli betrug zusammen 2 300qm; der
Flächeninhalt der heutigen gesamten Grabung beträgt 10650 qm. Es sind
von uns also 8 350 qm neue Ausgrabungsfläche hinzugewonnen. Dieses
ganze Gebiet haben wir mit einer 2 m dicken und bis zu 5 m hohen,
sehr starken Trockenmauer umgeben (vgl. Tafel IV links, wo ein Teil
sichtbar ist, sowie den Hintergrund von Fig. 14), welche aus den zahl-
reichen formlosen Bautrümmern mit sorgfältiger Auswahl zusammengefügt
ist und drei große Vorteile gewährt: erstens die Ersparung eines weiten
und kostspieligen Steintransportes, zweitens die rasche Entlastung der
Grabung; drittens ist sie eine vorzügliche Schutzmauer gegen das Ein-
dringen unbefugter Dorfbewohner, deren Unverstand und Roheit dem
Tempel früher oft genug schweren Schaden zugefügt hat (s. u.).
Den Gang der Arbeit habe ich im Sechsten Bericht, S. 32, program-
matisch angegeben; die weiteren Fortschritte mögen aus folgenden Mit-
teilungen zu entnehmen sein:
Eine der Hauptsorgen war die Herrichtung von großen Lagerplätzen,
wo die vom Trümmerberg des Tempels herabgeholten, architektonisch be-
deutsamen Werkstücke systematisch geordnet aufgestellt werden konnten.
Ihr Transport erfolgte mittels Erdrampen, die dem Abbau entsprechend
immer mehr erniedrigt wurden. Gleichzeitig wurde durch H. Knackfuß
jede Art von Konservierungsarbeit in durchgreifender Weise vorgenommen,
und zwar überall da, wo die aus dem Trümmerhaufen emportauchenden
Wände neue Untermauerungen, Einziehung von Eisenträgern u. dgl. er-
forderten, oder wo die Säulen unterfangen und umbändert werden mußten.
Unzählige kleinere abgesplitterte Fragmente wurden mit feinem Marmor-
kitt sofort wieder an ihrer Bruchstelle befestigt. Mittels Hebewerkzeug
wurden die verworfenen Tempelstufen und sehr viel Cellawandblöcke wieder
aufgebaut. Den Zustand vor der deutschen Grabung veranschaulicht Taf. VI
nach einer Photographie, die Karl Humann am 10. Juni 1891 aufnahm;
diesen Anblick hatte auch die französische Untersuchung von 1895/96
nicht verändert, llumanns Aufnahme ist in der Richtung von Westen nach
Osten gemacht. Im Vordergrunde liegt also der Hauptsaal, links unterhalb
der Mühle kommt eine Halbsäule der Türwand dieses Saales zum Vorschein.
Nach Abräumung der Windmühle über dem Mittelsaal des Tempels
hatte sich im Februar 1 908 eine große Trümmerschicht eingestürzter Wand-
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgralmngen in Milet und Didyma. 45
teile des Mittelsaales und des Pronaos gezeigt, darunter folgte eine größere
Lage byzantinischen Schuttes, die sich gleichmäßig über den Pronaos und
den Mittelsaal erstreckte. Aus diesem traten zunächst die durch Feuer
beschädigten Stümpfe der Pronaossäulen heraus. Im März 1908 zeigte
sich, daß der Mittelsaal in mittelbyzantinischer Zeit als Kastellturm
ausgebaut worden war, den wir nun abtragen mußten, um in die Tiefe
der antiken Epoche zu gelangen und die ehemaligen Türen wieder zu er-
reichen. Taf. VII veranschaulicht die Ostmauer dieses Kastellturmes, welche
das große Hauptportal zwischen Pronaos und Mittelsaal mit Ausnahme
einer kleinen Tür ganz geschlossen hatte. Diese Festimg, einst tö kactpon
To9 lepo? genannt (CIG. 8836, vgl. Haussoullier, Didymes S. 16), um-
faßte auch den Pronaos, den es mit einer Querwand in der zweiten Säulen-
reihe abschloß; auch in dieser war eine Pforte. Sie führte zum Zwinger,
der durch eine bogenförmig vor der Ostfront herlaufende Mauer gebildet
wurde, welche wir im März 1908 abtrugen; dabei fanden sich wertvolle
hellenistische Urkunden.
Im weiteren Verlauf der Abräumung zeigte sich dann immer deut-
licher, daß dieses Kastell durch eine ganz gewaltige Feuersbrunst zugrunde
gegangen ist; starke Spuren liinterließ sie namentlich an der inneren Nord-
wand des Pronaos.
Es zeigte sich ferner, daß dieses mittelbyzantinische Bollwerk auf dem
Schutt einer frühbyzantinischen Festung stand, die ebenfalls durch
einen schweren Brand zugrunde gegangen war. Dabei entstand über dem
antiken Tempelboden eine drei bis vier Meter hohe Schuttschicht. Die
Ostmauer dieser Festung lag zwischen den östlichen Frontsäulen; es ist
dieselbe, welche die Expedition Haussoulliers schon 1896 bemerkt hat
(Didymes S. 14). Als sie angelegt wurde, war der Tempel noch intakt;
erst der frühbyzantinische Brand vernichtete die Kassettendecke, den oberen
Teil der Pronaossäulen, die obersten Wandteile, den gewaltigen Türsturz
und den darüb erliegenden kocmo*öpoc.
Es ist äußerst auffällig, wie sorgsam die Erbauer der ersten Festung
noch den Tempel als Kunstwerk respektiert^ haben : die Profile wurden
bei der Ummantelung liebevoll geschont, die den Anschluß bildenden
Festungssteine wurden der Profilform entsprechend ausgehauen. So macht
es fast den Eindruck, als sei dieses früheste Kastell aus einer eisernen
Notzeit heraus widerwillig geschaffen, als habe man gehofft, dem Bau
46 Th. Wieg and:
seine alte Pracht wiederzugeben. Das ist nicht geschehen. In justiniani-
scher Zeit war die Burg in Benutzung, in ihrem Hauptsaal war eine Kirche
entstanden, und zu ihr gehört wohl der Kopf eines justinianischen Ediktes,
dessen Fortsetzung hoffentlich noch gefunden wird (gieb eiförmiges Kopf-
stück einer Stele, Inv. Nr. 305, Breite 94 cm, Durchmesser 37,5 cm, Buch-
stabenhöhe 2,5 cm, oben Kreuz in der Mitte, zur Seite oben je ein Pfau,
unten je ein Feldhuhn) :
-|- "ArAeH T^XH J^
A-Y-TOKFÄTOOP
KaTcap A^roYCToc
Oa' ^Ioyctinianöc
NIKHTHC, TPOneOYXOC
MencToc, Xei ceBACTÖc A^rei ^
Am 15. April 1909 waren die großen Pronaostrümmer im wesent-
lichen abgeräumt, man befand sich auf der erwähnten Schuttschicht etwa
4 m über dem Stylobat. Dort zeigte sich schwarze Erde nebst so viel
Mauersteinen und Dachziegeln, daß auf byzantinische Wohngelasse ge-
schlossen werden konnte, deren Holzwerk natürlich dem Brande eine be-
deutende Nahrung verliehen hatte. Diese Schicht reichte bis zum Stjdobat
hinab. Am 19. April 1909 entdeckten wir den nördlichen gewölbten Gang,
der vom Pronaos unter dem Mittelsaal her in das Adyton fiihrte, am
22. Mai kam der südliche Gang zum Vorschein, in welchem sich eine
byzantinische Zisterne eingebaut fand. Während des Herbstes und Winters
1909/10 erfolgte die allmähliche Ausräumung des Pronaos, des Mittelsaales
und seiner Treppengehäuse. Im April 19 10 kamen, längst vermutet und
erwartet, die beiden Innensäulen des Mittelsaales zum Vorschein. Im Juni
waren die letzten Blöcke aus den beiden Räumen geschafft und die Sommer-
kampagne konnte mit der völligen Säuberung derselben abschließen. Seitdem
arbeiten wir an der Freilegung des Hauptsaales und der den Tempel um-
gebenden Säulenfluchten. Das ganze äußere Gebiet wurde durch einen ge-
mauerten und gedeckten Kanal, der nach Süden geht, entwässert.
Die Arbeit war und ist noch immer überaus schwer, sie stellt an
die Ausdauer der Beteiligten die größten Anforderungen. Zumeist wird
mit 100 möglichst ausgesuchten Leuten gearbeitet, von denen etwa die
Hälfte Griechen, die Hälfte Türken sind. Trotz der oft sehr gefahrlichen
Siebente/- vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Bidyma. 47
Situationen — galt es doch z. B. Blöcke bis zu 6 Tonnen Gewicht aus
verklemmten, schiefen Lagen zu befreien, auf schrägen P:benen abzutrans-
portieren, zu versetzen oder auch Mauern zu unterfangen, deren zerrüttete
Fundamente auf ihre Tragkraft nicht genügend geprüft werden konnten
(s. z.B. Taf.VIII) — hatten wir bis jetzt doch nur einen einzigen schwereren
Unfall zu beklagen.
Nach einer vorläufigen Messung beträgt die Länge des Tempels ohne
Stufenbau in der oberen Stylobatkante 109,41 m, die Breite 51,13 m.
Die genaue Feststellung der Gesamtmasse kann erst nach vollständiger
Freilegung des westlichen Stufenbaues erfolgen.
Den Anblick des Tempels während unserer Arbeit im Jahre 1909,
von der Ostseite aus gesehen, verdeutlicht Taf. VII. Unter der einstigen
Windmühle ist die antike Querwand zwischen Pronaos und Mittelsaal teil-
weise hervorgetreten, jedoch noch im Zustande der mittelbyzantinischen
Verbauung, welche das Hauptportal geschlossen hatte. Im Vordergrund
bemerkt man den bogenförmigen Mauerzug des Zwingers derselben byzan-
tinischen Epoche. Die auf der rechten Ecke der Tafel erscheinenden Stütz-
mauern sind modern und jetzt abgerissen.
Taf.VIII zeigt den Zustand der Ostseite im Jahre 1910: die Zwinger-
mauer ist beseitigt, der Pronaos völlig ausgeräumt, das Hauptportal frei-
gelegt, die Quermauer des Pronaos durch Untermauerungen der vom Brande
schadhaften Stellen auf i 1 m Höhe konserviert. Zugleich läßt die Tafel
den Eingang in den nördlichen der beiden unterirdischen Gewölbegänge
in der Querwand erkennen.
Betrachten wir nun die einzelnen Gebäudeteile. Im Pronaos standen
zwölf ionische Säulen mit kanonischen Basen ohne Skulpturenschmuck und
mit entsprechenden einfachen Kapitellen; in der später zu behandelnden
Bauinschrift heißt er ausdrücklich ö AWAeKÄcTYAoc. Diese Säulen trugen
eine reich dekorierte, marmorne Kassettendecke, deren System vollständig
ermittelt ist. Die innersten Flächen der Kassetten waren teilweise mit
Göttermasken dekoriert. Von ganz vorzüglicher Erhaltung ist das attisch-
ionische Wand- und Antenprofil mit oberer Blättertänie und unterem Flecht-
band (Taf. IX). Das Wandprofil zog sich sowohl innen wie außen herum,
ist aber nur innen vollständig ausgemeißelt. Sehr wichtig war der Nach-
weis des Antenkapitells in der Schuttmasse des Dodekastylos. Es ist auf
drei Seiten dekoriert mit einem weiblichen Flügelwesen, dessen Unterteil
48 Th. Wieg and:
sich in Ranken- und Blattwerk auflöst. Ray et und Thomas (Milet et
le golfe Latmique, Taf. 45) hatten dieses Glied nicht richtig verstanden,
als sie ein Exemplar von einer der beiden westlichen Ecken des Tempels
fanden. Sie sclirieben es in ihrer Publikation dem Naiskos des Kanachos-
kultbildes im Innern des Hauptsaales zu, der jedoch auf reiner Hypothese
beruht, und erklärten das Stück als ein Kapitell dieses Naiskos, was allein
schon wegen der enormen Größe ausgeschlossen sein mußte.
Ganz anders als es früher vermutet war, stellte sich das Hauptportal
dar: ein ungeheures Marmortor, niemals verschließbar, dessen monolithe
Schwelle 8 m lang, 2,12 m breit und 1,50 m hoch ist (Taf. X) und an
deren Fuß der Pronaoswandschmuck mit Ornamentweclisel, aber mit dem-
selben Profil durchläuft. Die Bühnenähnlichkeit fällt sofort auf — das Adyton
beginnt schon hier. Die Türgewände hatten nach einer Berechnung von Knack-
fuß jedes ein Gewicht von mindestens 54 Tonnen. Sie sind mit drei Faszien
dekoriert, an deren Rand Perlstäbe laufen ; ein Eierstabnmster mit Anthemien
bildet den äußeren Rand. Alles dies ist sehr gute hellenistische Arbeit.
Zur Rechten und Linken dieses Hauptportals liegen die zwei kleinen
Türen der gewölbten Gänge mit vorspringenden Pfeilern und feinen Pflanzen-
kapitellen; Türsturz und Krönung fehlen leider. Die Decke über dem
Eingang zeigt zunächst horizontale (quadratische Kassetten (Taf. XI), geht
aber dann in ein mit der wimdervollsten Schärfe und Genauigkeit gear-
beitetes, nach unten sich senkendes Marmortonnengewölbe von 1,16 m
Breite über. Die Senkung war erforderlich, weil der Hauptsaal, bei wel-
chem das Gewölbe mündet, 4,50 m tiefer liegt als der Dodekastylos. Die
Höhe des Ganges, dessen gerillter Fußboden sich der Decke entsprechend
senkt, beträgt etwa 2,50 m. Unter dem Treppengehäuse des Mittelsaales
durch reicht die gewölbte Partie bis zur Wand des Hauptsaales, wo ein
schmaler zimmerartiger Vorraum mit horizontaler Decke beginnt ; nur dessen
Außentür zeigt wieder Bogenform.
Die Gewölbetechnik tritt hier, an einem ihrer ältesten griechischen
Beispiele, gleich in der äußersten technischen Vollendung entgegen. Man
hat sogar die Schnittlinien der Schlußsteine zu langen perspektivischen
Wirkungen benutzt. Senkrechte und gewölbte Teile sind oft aus ein und
demselben Block herausgearbeitet.
Im Mittelsaal bilden die zwei bisher unbekannten ionischen Säulen-
stützen einen sehr wichtigen Fortschritt in der Erkenntnis. Mit ihnen
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Mllet und Didyma. 49
steigt die Zahl der am Didy-
meion verwendeten Säulen auf
1 20. Sie sind i ^/a m kürzer als
die vSäulen im Dodekastylos und
deshalb mit den kionickoi der
Bauinschriften zu identifizieren,
welche bisher keine befriedigend e
Erklärung gefunden hatten. P o n -
trenioli hat angenommen, daß
der Mittelsaal keine Stützen, son-
dern einen in der Mitte der Höhe
eingezogenen und in zwei Zim-
mer geteilten Plafond hatte, auf
den man von den Treppen-
häusern aus gelangte. Da die
beiden neugefundenen Säulen
aber dieselbe Stärke haben wie
die Pronaossäulen, so können
sie nicht niedriger reichen als
diese, und der Plafond kann nie-
mals bestanden haben.
In dem nördlichen Treppen-
gehäuse hatten Ray et und Tho-
mas vom Oberlauf des untersten
Stockwerkes noch sieben intakte
Stufen gefunden, während wir
nur noch eine Oberlaufstufe vor-
fanden. Nachforschungen erga-
ben, daß bald nach dem Auf-
bruch Rayets von Jeronda im
Jahre 1873 — ein Wächter
wurde nicht hinterlassen — ,
ein gewinnsüchtiger «Notabler«
von Jeronda, namens Basilios
Drossos, diese Zerstörung vor-
genommen hat, indem er die
Fhil-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. 1
Fig. 16.
Tieppeiigehäuse
des »Labyrintlios« zu Didyma.
7
50 Tu. Wiegand:
Stufen mit Pulverminen zersprengte, um aus den Trümmern kleinere Bau-
steine herzurichten oder Kalk zu brennen. Das von uns aufgedeckte süd-
liche Treppenhaus ist glücklicherweise besser erhalten. Taf. XII gewährt
einen Blick zunächst auf die beiden kionickoi, sodann im Hintergrund auf
die Vorderwand des südlichen Treppengeliäuses mit seiner i,8om breiten
Tür, deren Gewände in ganzer Höhe erhalten ist, so daß wir die Türhöhe
auf 4,30 m bestimmen können. Die schon im Sechsten Bericht (S. 35) er-
wähnte, sogar mit ihren Farbenspuren erhaltene Labyrinthosdecke über dem
ersten Treppenabsatz möge Fig. 1 6 verdeutlichen.
Eine neue Erkenntnis bedeuten ferner die drei Türen des Mittel-
saales, die zum Hauptsaal herabführen; unsere Vorgänger hatten hier nur
den mittleren Zugang gefunden und ihn als den einzigen angesehen. Die
drei Durchgänge sind gleich breit (2,10 m), gleich hoch (5,40 m) und haben
die gleichen feinen Profile. Hier war die Stelle des m^ta e^pcowA und der
kunstreichen, elfenbeingeschmückten Flügeltüren, von denen uns schon frü-
her eine jetzt im Britischen Museum befindliche Inschrift berichtet hat
(Anc. gr. Inscr. in the Brit. Mus. Nr. 921a; Ilaussoullier, 3Iilet S. 253 f.).
Wir lernen aus einer vor der Ostfront am 7 . April 1 9 1 o gefundenen Inschrift,
daß der König Ptolemaios XIV. (51 — 47 v. Chr.) nicht weniger als 34 Ele-
fantenzähne für das große evpwMA gestiftet hat (Inv. Nr. 276, Marmor, Höhe
42 cm. Breite 59 cm, Durchmesser 32 cm. Buchstabenhöhe 2 cm; oben
zum Teil gerade, rechts Bruch, links gerade Fläche antik, unten spät ab-
gearbeitet:
■'6]ni CTe<J>ANH<t>Öp[0Y
TOY AOKIAAOY, nPo[<l>HTeYONTOC
CwnÖAlOC TO? Mo[ XPHC-
THC KAI YAPO*6pOC [ Cw-
5 nÖAlOC KAI Ö YnOXPHc[THC 0IAO-
nOIMHN "AnAPONIK.OY KAI o[l TPAMMA-
TGTc KAI 0\ NGCOKÖPOI KAI ot k[aTOI-
KO?NTec eNTcoi iep(j)i kai o^ ngo-
KÖPOl eCTe<t>ANü)CAN KAI eTe[iMH-
10 CAN eiKÖN! rPAfTTHI eniXP^CCDI ['l-?
CaToN AlOrNHTOY TAMieYCANT[A
e-Y-ceBcoc kai apianta tccoc kai [ai-
KAlü)C e<t>' OY KAI XneCTÄAH
TCüi eeui AcopeA Ynö BACiAecoc
Siebenter vorläufiger Bericht ü!)er Ausgrabungen in Milet und Didyma. 51
15 TTtoagmaioy eeoY ngoy Aionycoy
ÖAÖNTec eAe<j)ÄNT(i)N AA Äro-
NTeC CTAGMÖN TÄAANTA KA
MNÄC K, npeCBeYCÄNTOON
Z. 3 XPHCTHC ergänzte v. Hiller, dem ich auch für andere \'erbesserungen zu Dank
verpflichtet bin; er bemerkt mir dazu: xpi^cthc ist uns geläufig für den Geldwechsler; aber
bei Hesych steht: xphcthc- ö<j>eiAeTHC- ö mantic- kai ö aaneictkic.
Legt man diesen Angaben das kleine ptolemaische Talent unter, wel-
ches zugleich dem jüngeren attischen entspricht' und welches das leichteste
Gewicht unter allen Talenten des Altertums darstellt, nämlich 20,473 ^g»
so hat der König im Minimum 482 kg Elfenbein geschenkt; auf jeden
Zahn kommt das Durchschnittsgewicht von 14,4 kg, während das heutige
Durchschnittsgewicht afrikanischer Elefantenzähne nur 9 kg beträgt (Brehm-
Pechuel-Loesche, Säugetiere S. 37). Auf jede der drei Flügeltüren ka-
men 1603/4 kg Elfenbein.
Eine imposante Freitreppe von 16 m Breite führte 6 m tief zum
Hauptsaal herab. Hier ist die Arbeit im Gange. Die Füße der beiden
korinthischen Halbsäulen sind wohlerhalten zum Vorschein gekommen (Taf.
XIII), südlich sind zwei, nördlich fünf Halbsäulentrommeln erhalten. Auch
die seitlichen Pilasterprofile der Wand sind in sehr gutem Zustande und
mit einer lichtgelben Patina überzogen, die dem Ganzen eine vortreffliche,
warme Wirkung verleiht.
Die oberste Stufe der großen Freitreppe ist 5 5 cm hoch ; aus Bequem-
lichkeit hat man vor dem Mitteleingang die Höhe durch einen Marmor-
schemel ausgeglichen, der eine späthellenistische Zutat zu sein scheint;
zwischen Löwenfiißen zeigt er einen Mittelstreif mit der Darstellung einer
Jagd von Eroten auf wilde Tiere.
Im Augenblick des Abschlusses dieses Berichtes werden die beiden
kammerartigen Vorräume vor den überwölbten Zugängen ausgegraben,
deren lichte Breite 1,75 m beträgt. Die Kassettendecke des südlichen Ge-
maches zeigt in der Mitte eingesetzte Marmor^-osetten. Der Raum reicht bis
über den zweiten Pfeiler der Langwand in die Cella hinein. Den oberen
inneren Wandabschluß bildet eine Faszie, darüber eine Kehle mit zwei Plätt-
chen und glattem lesbischen Kyma nebst dessen Deckplatte. Den äuße-
ren Abschluß bildet ein Deckprofil, das sich an der Treppe in Oberstufen-
52 Tn. Wieg and:
höhe als Krönung der Treppen wange totläuft. Neugefundene Kapitelle
im Hauptsaal bestätigen die frühere Annahme des Wechsels zwischen Grei-
fenkapitellen und Ornamentkapitellen, und zwar in der Folge, daß an den
beiden östlichen Ecken die Reihe mit Greifenkapitellen eröffnet wurden.
Über den Bauzustand des Hauptsaales beim Verlassen des Aufbaues ließ
sich soviel ermitteln, daß als letzte Werkstücke die äußeren und inneren
Architrave verlegt waren. Ein Werkstück bewies mit Sicherheit, daß die
Pilasterkapitelle und die Säulenkapitelle des Pteron in gleicher Höhe ge-
legen haben, da es ein durchbindender Block ist, der auf der Innenseite
den oberen Teil des zwischen den Pilasterkapitellen laufenden Greifen-
frieses zeigt und auf der Außenseite das Abschlußgesims der Wand trägt.
Über den Verband der einzelnen Werkstücke unter sich bemerkte
Knack fuß im Tagebuch vom 22. März 1909 folgendes: «Bei den Ab-
räumungsarbeiten im Pronaos haben sich zahlreiche Bronzedübelschuhe ge-
funden, teils lose, teils noch in den Säulentrommeln sitzend, so daß das
Verdübelungssystem der Säulen hier sehr schön erkennbar ist. Im Mittel-
punkt sowohl des Ober- als des Unterlagers ist je ein außen viereckiger,
innen runder Bronzeschuh eingebleit, in welchem ein runder, nach oben
und unten etwas konisch verjüngter Bronzedollen sitzt. Nahe dem Rande
der Trommeln, auf einem Radius, der rechtwinklig zu dem die beiden
Wolflöcher verbindenden Durchmesser steht, sitzt ein ähnliches Dübel-
system, das sich von dem in der Mitte nur dadurch unterscheidet, daß
der Dollen und damit auch die Schuhe einen rechteckigen — nicht qua-
dratischen — Querschnitt haben. Die Dollen, runde wie viereckige, sind
hohl gegossen (als Röhre) und im Innern mit Blei ausgefüllt. Der größte
Durchmesser eines runden DoUens beträgt etwa 50 mm. Der Zweck, der
bei der Verwendung runder Mitteldollen verfolgt wurde, ist offensichtlich
nur der, das Aufeinanderpassen der Trommeln zu erleichtern, da beim
viereckigen Mitteldollen durch eine geringfügige Verdrehung derselben,
die bei dem Verziehen und Einsetzen nur zu leicht erfolgen konnte, schon
eine erhebliche und schädliche Klemmung des Randdübels eintreten mußte.
Ähnlich viereckige, nur etwas schwächere Bronzedübel sind anscheinend bei
der Verdübelung des Gebälkes oder der Decke verwendet worden ; dieselben
haben jedoch keine Schuhe, sondern sind einfach mit Blei vergossen.«
Wichtige Veränderungen gegenüber den Annahmen Pontremolis haben
sich auch an den Figurenkapitellen der Ostfront und dem Gebälk ergeben.
Siebenter vorUußger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma. 53
Pontremoli hat die Stücke des nahe der Südostecke von ihm gefundenen,
jetzt in Konstantinopel befindlichen Kapitells mit Göttermasken (Didymes,
pl. VII ff.) in der Weise ergänzt, daß er es als Krönung der zweiten Front-
säule von Süden benutzte. Dabei hatte er für jede Volute eine Büste so
angeordnet, daß die beiden Köpfe sich gegenüberstanden und anblickten
(Didymes, pl. XVI, vgl. pl. XI). Jetzt haben wir aber die Säule und das
Gebälk der Nordostecke in unberührter Fallage gefunden, und es zeigt sich,
daß Figurenkapitelle überhaupt nur für die Ecksäulen vorhanden waren
und folglich eine andere Ausbildung gehabt haben müssen, als Pontremoli
annimmt. An der Ecke springt nämlich an Stelle der Eckvolute eine
gewaltige Greifenprotome hervor, deren Flügel auch an dem in Konstan-
tinopel befindlichen Kapitellfragment erkennbar sind. Hierauf folgt jedes-
mal in der Mitte der beiden äußeren Seiten der Stierkopf, sodann an
Stelle der anderen Volute eine Götterbüste, so daß deren Kopf in der
Richtung nach der Eckbildung zu drohend in die Ferne blickt. Das Ganze
ist also völlig konsequent apotropäisch komponiert. Von der Greifen-
protome ist der Körper und der Hals gefunden, der Kopf noch nicht.
Eine Bestätigung für diese Anordnung zeigen uns Pfeilerkapitelle am Auf-
gang des Theaters zu Milet. Auch hier findet sich eine Greifenprotome
als Eckvolute, die andere Volute nimmt die Büste eines bärtigen Gottes
ein (vgl. Didymes, S. 174). Daß in der trajanischen Zeit noch am Theater
in Milet gearbeitet wurde, steht fest (vgl. Dritter Miletbericht, Sitzungsber.
d. Berl. Akad. d. Wiss. 1904, S. 83ff.)\
Eine wesentliche Veränderung erleidet ferner Pontremolis Anordnung
des Gebälkes; bekanntlich besteht der Fries aus einzelnen Teilstücken,
welche abwechselnd mit Ranken und Medusenmasken geschmückt sind.
Diese Teilstücke sind mit Hilfe des sogenannten scheitrechten Bogens in-
einandergefügt, so daß das »hängende« Stück jedesmal über das Inter-
i kolumnium kommt, das »tragende« jedesmal über der Säule liegt. Irr-
tümlicherweise hat Pontremoli den Schmuck der beiden Kategorien ver-
tauscht, wie eine Nachprüfung durch H. Knackfuß ergab. Die Medusen
gehören nicht über die Kapitelle, sondern iv die Mitte über die Inter-
kolumnien, während sich die Ranken aus einer gemeinsamen Wurzelknospe
1 Ich habe mich nicht überzeugen können, daß die von Rayet im Theater von Milet
aus der byzantinischen Sperrmauer gezogene Weihung an Augustus (Hausso ullier, Milet
8. 260) die "dedicace du theätre« ist.
54 Th. Wieg and:
über dem Kapitell regelmäßig nach beiden Seiten entwickeln. Dies ent-
spricht der Gewohnheit des Altertums (vgl. z. B. die Halle des Vergilius
Capito in Milet, Sechster Bericht, S. 14, Fig. 5). Die Eckbildung des
Frieses zu ermitteln, hatte Pontremoli damals nicht die Möglichkeit und
hat deshalb die Ecke lieber kahl gelassen (Didymes, pl. XI). Jetzt wissen
wir, daß der Eckschmuck durch zwei einander von den beiden Seiten zu-
strebenden Ranken gebildet wurde, dazwischen saß an der Kante noch
ein blumenartiges Gebilde, das die äußerste Ecke füllte.
Nachdem sich die Formen namentlich beim Eckkapitell in dieser
höchst barocken Weise herausgestellt haben, halte ich es nicht mehr für
möglich, sie der hellenistischen oder auch nur der Bauzeit Caligulas zu-
zuschreiben. Vielmehr weist alles auf engste Beziehungen zu der Kunst
von Aphrodisias, trajanischer und hadrianischer Zeit. Daß Milet große
kaiserliche Wohltaten von Trajan^ empfing, wissen wir ja längst, wenn
dabei auch nicht gesagt ist, daß die Fürsorge des Kaisers sich über den
heiligen Weg hinaus erstreckte. Aber auch Hadrian, den Milet als seinen
KTicTHc verehrte, dessen Bild es auf seine Münzen setzte und der ja selbst
in Milet und Didyma gewesen ist, kommt in Betracht. Für seinen Besuch
haben wir ein neues epigraphisches Zeugnis gewonnen: in einer im Pro-
naos zu Didyma gefundenen Inschrift (Inv. Nr. 350) wird ein Bürger ge-
ehrt, weil er am geheiligten Tage des Besuches des Kaisers (igpa Hr^ePA
THC eniAHMiAC TOY A^^TOKRÄTOPOc TpAiANO? "Aapianoy Kaicapoc) das Öl gratis in
den Bädern spenden ließ.
Den Ornamentschmuck der Säulenbasen an der Ostfront, der mit seiner
älteren, strengeren Geschmacksrichtung noch alle Beziehungen zur helle-
nistischen Kunst zeigt, die für die Zeit des lulisch-Claudischen Herrscher-
hauses charakteristisch sind, die wir aber an den Figurenkapitellen gänz-
lich vermissen, wird man der Zeit des Gaius Cäsar zuschreiben müssen.
Es wird damit in der Tat der von Haussoullier (Milet, S. 277) stark be-
zweifelte Fall angenommen, daß von allen Säulen der Ostseite des Tempels
die Frontsäulen zuletzt fertig wurden. Technische Unterschiede in der Art
der Verlegung der Basen scheinen dies zu bestätigen.
' Ihm war in Didyma ein besonderer, reich mit Tabernakel gezierter Bau gewidmet.
M. Schede hat die Inschrift jetzt richtiger als frühere Herausgeber zusammenstellen können
(Inv. Nr. 334): "AnÖAACüNi AiaymcT 'ApTeMiAi TTysImi Ahto?, Ali kai aytokpatopi KA[i]cAPi Tpa-
IANÖI 'AaPIANCüI CeBACTCül KAI Ahmcüi TCüI AAiahcicon.
Bkhenter vorläufiger Bericht i'iber Ausgrabungen in Milet und Didyma. 55
VI. Bauinschriften und Sehatzverzeichnisse des Tempels.
A. Bauinschriften.
I. (lefunden im Pronaos; weißlichgrauer Marmor. Höhe 3 i ,5 cm, Breite
44 cm, Durchmesser 19 cm, Buchstabenhöhe 1,5 cm. Oben, rechts und
unten roh in später Zeit behauen, links Bruch. Buchstabenformen: N < A "P" .
neTPiJNOi A^ Aieoi kgTntai eni je tön toixun
KAI GN Ttül KPHJniACOMATI TeXPAKÖCIOI ÖrAOHKONTA, leer
Sm M^TPHMA nÖAejc ÖKTAKICXIAIOI neNTAKÖCIOI eNeNf^KON[TA
TieejweNOY ag to9 noAÖc twm m^n c*onayacü[n
5 KAI APAx]mCON ei, TÖN AG HMinAlNeiCDN leer
ü)]c TOY nOAÖC APAXMÜN TeTTAPa)[N
a)C t]o9 nOAÖc apaxmwn tpicon leer
TljeeW^NCüN CüC TO? nOAÖC leer
neTPiN?]a)N tum mgn eni tön toix[ü)n
10 apax]mhc, tön a^ gn töi XnoAO-
ncMÖi TÖN GPruN ] 6mo9 riN0[NTAI
GTMI^eHCAN
IL Gefunden im Dorf Jeronda im Haus der Kalymnia. Bläulicher
Marmor. Höhe 21 cm, Breite 48 cm, Durchmesser 22 cm. Buchstabenhöhe
I cm. Linke Seitenfläche erhalten, sonst Bruch. Inv. Nr. 345. Buchstaben-
formen : TT K o N Ä .
. . nPÖAOMON
HMIKYKAIOY
ÖrAOHKONT[A
KAI Gn6A6KH[cAN odcr GnGAGKHOHCAN
5 AYO, Sn nÖA[ec
CAN AG KAI Ol
TOYC ÜANT
T6CC6PAC
TP6ICHMYC- (so) [- " " H-
10 AAinAINeiA
t]aAG KAI n
. . KONTA-
. . . ONTA
leer.
56 Tu. Wieg and:
Illa. Gefunden im Schutt des Mittelsaales (sog. xPHCMorpA<j>eToN). Bläulicher
Marmor, gestreift. Höhe 63 cm, Breite oben 71,5 unten 72 cm. Durch-
messer 21 cm, Buclistabenhöhe 12 mm. Oben Bruch. Rechts und links
antike Seitenfläche. Unten beendet, Rest eines abgebrochenen Zapfens. Die
letzten 10 cm der Oberfläche sind roh abgearbeitet in einer Tiefe von 10 cm.
Buchstabenformen: ANrio, Auf beiden Seiten beschrieben (s. Illb) Inv.
Nr. 291.
AFo
>- 1 1 ÖKTü) r A
TOixoY nAPA[e]YPOY Kti^cconoc ka[i
- KAI GK M^N THC eKTjoc, TÖN tö nAxoc neNeHMinoAiwN n^Nxe, Sn TOM np(Jj[TON eni
5 Tü}]l nAPAe'Y'PCOI KAI TÖN exÖMGNON IGPOYC, TPiTON MoiPeOY, T^TAPTON IGPON, ri[eMnTON
MjOAnArÖPOY' er ag thc gntöc, tön tö nÄxoc TPiHMinoAiWN Aio, töm npcL)T[oN
GeOAÖTOY, TÖN AG MoAnATOPGY' ANTGeHKAN AG TOfTOIC nCTPINOYC OGNTG, (p[N
TÖN XnÖ T09 nAPAGYPOY IGPÖN, AGYTGPON CtPATUNOC, TPITON KAI T6TAPT0N IGp6[n,
n^wnTON Ctpätconoc kai cni toy gypaioy to? aabypingoy gk thc gktöc, tön
10 TÖ nÄxoc nGNeHMinoAiuN tgccapac, töaa hpöton Xnö to? gypaioy toixo[y
MoAHArÖPOY, AG^TGPON KaAAIKPÄTOY, TPITOM MgTAKAGOYC, TGTAPTON
MoAnArÖPOY" ANTGGHKAN AG TOYTOIC nGTPINOYC Gl, Sn TOYC nPÖTOYC AYO
IGPO^C, TOYC AG AOinOYC CtPATUNOC * 6GHKAN AG KAI Gnl TOY MGCOTOIXOY TOY
AABYPINGOY nGNGHMinOAlOYC RGNTG, Sn TÖM nPÖTON AOÖ TOY GYPAIOY
15 KaAAIKPÄTOY, AGYTGPOM TTpÖTOY, TPITON IGPÖN, TGTAPTON 6'Y'TYXOY,
n^MÜTON IGPÖN" KaI tön AIA0PÄCCONTA TI^N ANÄBACIN TPIHMinÖAlON NgCüNOC.
ANTGGHKAN AG TOYTOIC nGTPINOYC TGCCAPAC, TOM nPÖTON CtPÄTÜNOC,
TO'Y'C AG AOinOYC IGPO^C, KAI TÖN AIA*PÄCCONTA CtPÄTCüNOC GGHKAN A^ KAI GN TÖl
Aü)AGKÄTü)l AÖMCOI AM<t)ICK^nAPNOM HAPÄ TÖM nPOHNGMON ToTxON T09 BOPGIOY
20 M^POYC, MoAnArÖPOY. leer 2 B. Ol AG nCPI "ÄNTinATPON ÖNTGC AGKAT^CCGPGC GGHKAN
GN TÖl NOTIWI M^PGI TOY TPGICKAIAGKATOY AÖMOY AIATOIXON GN TÖl TGTTÄPTCOI
MGTACTYAlü)! XnÖ TOY nPOHNGAAOY TOIXOV, TTpÖTOY' KAI GK THC ^NTOC, TÖN
TÖ nÄxoc neNGHMinOAlWN, AIGOYC AYO, tön AG nPÖC TÖl AIATOIXIUI ■'AcKAHniOAÖPOY
KAI TÖN GN THI 61HC nAPACTÄAI "AcKAHniOAÖPOY ' XnTGGHKAN AG TO^TOjC AiGo[YC
25 nGTPINOYC A^O IGPOYC GGHKAN A^ KAI GN TÖl [n]oTIü)I M^PGI TOY TGCCAPGCKAIAeKÄ[TOY
AÖMOY TÖN TG TCONIaToN TÖ[n k]aTA nPOAOMON IGPÖN KAI GK THC GKTÖC, TÖN
TÖ nÄxo]c rTGNGHM!no[Aiü)N — 21 bis 22 B. — ]töm npöc töi
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma. 57
Illb.
TPeT]c lepoYC ANTeeH[KAN Ae to^toic neipmovc eniA,
Sm weN n^NTe lepoYC, tön ag skton -, tön ae gbaomon
. . _IFON' TUN AG AieCON Ol MGM n?PI ■AnOAA(«)Nl[oN
. . eneAGKHCAN tön TÖ nAxOC TPIHMinOAlCüN A[a)POY,
5 Ay]o MGN TPinOAAC, n^NTe A^ TPinOAAC HMinOAlOY
t]pIAü)PON, A-fo AÖ TeTPAnOAAC, TÖN Ae TPinOAA AÜ)P[0Y,
neNTÄnoAA HMinoAiOY" kai tun TÖ nAxoc neNeAMi[cY
TOM MGN TeTPAnOAA, TON AG TPinOAA TPIACOPON, AAAo[n
TeTPAnOAA HMinOAlOY, ÄAAOYC TPgTc TPinOAAC HMinoTAlOY,
lo TÖN AÖ neNTAnoAA, aaaon eiAnoAA' CYMnAe^pOYC TPe[Tc
HaAtOC TOM MÖN TPinOAA, TÖN A^ TeTPAHGAA, AAAON AinOA[A
TPIACDPON KAI BACAAIaToM MHKOC eOTAnCAA, HaAtOC TPinOAA
HMinOAlOY, nAPAr(i)NIOM MHKOC eNNEÄnCAA, nAATOC TPinOA[A
HMinoAiOY. leer 2 B. Ol AG nepi Antihatpon cTeMor kai eneACKHCAN
15 TWNIaTon TÖr KATA nPOAOMON GIC AM*ÖTePA 6[l]AnOAA, AAAON
tconiaTon TÖr kat' öniceÖAOwoN, mhkoc hoacon gnn^a
HMinOAlOY, HaAtOC eiAnOAA, GN AG TOTc APMOTc TPinOAA
HMinOAlOY KAI AlATOixOYC Gl, Sn TÖM M^N 6K THC GKTÖC
neNTAnOAA TPIACOPON, GT AG THC GNTÖC TpinOAA AtÖPOY,
20 TÖN AG Gr MGN THC GKTÖC GlAnOAA TPIACOPON, GT AG THC 6NTÖ[c
TPinOAA AWPOY, AAAON GK THC GKTÖC ÜGNtAhCAA TPIACOPON,
Gr AG THC GNTÖC TPinOAA TPIACOPOY, a'aAON 6K THC GKTÖC ÜGNTAhCAA TPiAa)[pON,
er AG THC GNTÖC ÜGNTAhCAA Aü)POY, AAAOM MHKOC nCNTAnOAA HMinOAlOY,
HaAtOC TPinOAA HMinOAlOY, ÄAAOM MHKOC GK THC 6KTÖC GlAnOAA HMinOAlOY
25 Gr AG THC GNTÖC TGTPAnOAA HMinOAlOY, AM*ICKenAPNOYC TPcTc, CYMnA[GYPOYC
Gl, HaAtOC TGCCAPAC MÖN TplnOAAC, TÖN AG TGTPAnOAA HMinOAlOY, a'[aA0N
TPinoAA HMinoAiOY* KAI hapAgypom mhkoc tgtpAhoaa üaAtoc T[pinOAA
HAAinOAlOY' KAI TÖN TÖ HAXOC neNGHMinOAlüN AieOYC gTkOCI TeCA[PAC,
Sn iei MGN GlAnOAAC HMinOAiOY, T6CAPAC AG nCNTAnOAAC Hm[iCY, AYO? AG
30 GiAnoAAC, tpgTc GnTAnoAAC, t^ccapac t6tpA>uoaac, tpgTc TÖ [mhkoc
nCNTAnOAA ACOPOY, ÄAAON TGTPAnOAA Aü)POY, TÖN AG TPinOAA A[a)POY,
aaaon TGTPAnOAA HMinOAlOY ' KAI TÖN TÖ nAxOC TPIHMinOAlCüN Aie[oYC
GIKOCiOKTü), Sn GOTA MGN TGTPAnOAAC HMinOAiOY, TÖN AG GlAnOAA
TPIACOPON, TPGTc AG GnTAnOAAC, AAAON TGTPAnOAA TPIACOPON, TÖN AG
Phil-hist. Klasse. 1911. Anhang. Ahh. I. 8
58 Th. Wiegand:
35 eiAnoAA acIjpoy, a^o a^ neNTÄnoAAC tpiacopoyc kai eiAnoAAC ayo,
tön] Ae eNAGKÄnOAA, ÄAAOM neNTAHGAA AdÖPOY, TON A^ eiÄnOAA
HAAinoJAlOY, n^NTG AG TeTPAÜGAAC, TÖN AG nGNTÄnOAA HMinOAlOY, AAAo[n
TPi oder AinoAAJ tpiacopon, tön aö TeTPÄnoAA [a{Iü]poy leer.
Die Rechnung wird nach Arbeitsgruppen abgelegt. Betrachten wir
zuerst den Text Illa. Es handelt sich um einen geschlossenen Rechnungs-
abschnitt von Z. I bis 20. Gebaut wird an der Nordhälfte des Tempels
(Z. 19), und zwar im Mittelsaal. Der Text beginnt mit der Verlegung von
Marmorquadern und Kalksteinen (letztere im Innern der Mauern) über und
neben einem hapägypoc (aigoc). Es kann dies ein Werkstück an einer Seiten-
tür des dreiteiligen m^ta gypooma gewesen sein, vielleicht auch kann er zur
Querwand zwischen Dodekastylos und Mittelsaal gehören. Aus Z. 18 scheint
hervorzugehen, daß wir uns in der elften Bauschicht der Mauer befinden,
da die zwölfte dort folgt. Z. 9 geht die Verlegung der Quadern auf den
gypaToc (toTxoc) toy AABYPiNeoY übcr, d. i. die Eingangswand zum nördlichen
Treppenhaus. Hierauf (Z. 1 3) werden Steine verlegt auf der inneren Scheide-
wand des nördlichen Treppengehäuses (eni io9 MecoToixoY to? aabypingoy), wo-
bei man einige Steine in der Höhe eines Treppenpodiums legt, das den
Aufgang unterbricht (Z. 16, AiA<t>pÄccoNTA ti^n anäbacin). Endlich wird ein
Winkelstein an der äußeren Nordseite (hapa töm npoHNewoN toTxon toy bo-
peioY MGPOYc) verlegt.
Hierauf beginnt die Rechenschaftsablage einer neuen Gruppe von 1 4 Ar-
beitern, tön nepi "ANTinATPON. Diese hat auf der südlichen Langwand, und
zwar in der dreizehnten Schicht des Hauptsaales im vierten Pfeilerzwischen-
raum (von der Ostseite ab gerechnet, also an der Eingangsseite in den
Hauptsaal), gearbeitet. Nach dem Prodomos zu scheint schon eine Schicht
mehr gelegen zu haben, hier wird in der vierzehnten Schicht ein Winkel-
stück und anderes Material verlegt (Z. 25 — 27); dann bricht dieser Text ab.
Der Abschnitt der Rückseite des Steines, III b, läßt uns in den ersten
vierzehn Zeilen leider im unklaren darüber, an welcher Stelle des Tempels
die Steinarbeit stattfindet. Mit Z. 14 beginnt aber wieder die Arbeits-
gruppe der nepi "ANTinATPON, welcher wir vorhin schon begegneten; sie
wird an derselben Stelle weiter tätig sein. Hierauf folgt eine große An-
zahl Quadern der verschiedensten Abmessungen, welche im Anschluß an
einen Winkelstein katä öniceÖAOMON (Z. 16) verlegt werden und deren Auf-
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Mikt und Bidyma. 59
Zählung bis zum Schluß der Urkunde geht. Wir würden hier in Ver-
legenheit kommen, da es am Didymeion einen Opisthodom im gewöhnlichen
Sinne des Wortes, also der Vorhalle des Tempels entsprechend, nicht gibt,
wenn uns Haussoulliers einleuchtende Erklärung nicht gezeigt hätte, daß
der Ausdruck hier lediglich die allgemeine Richtung andeutet, in welcher
die Verlegung stattfindet (partie posterieure, vgl. Revue de philologie 1905,
S. 261).
IV. (befunden im Pronaos nahe den östlichen Frontsäulen, 4 m über
dem Tempelboden, von Z, 28 ab anpassend an das im VI. Bericht S. 39
publizierte Fragment (s. d.), das mit einigen nachträglichen Korrekturen
hier wiederholt wird, die einer Revision des Steines durch H. Lattermann
verdankt werden.
Änö t]hc tpia[ka]a[oc to9 - mhnöc
GjAPrHAlÖNOC MHNÖC nAPeCT[ACAMeN
] TÖN rü)NiAia)N TCON eni toy I/// [
. . . KAtJaTAY^HN tun GN A-Y'ToTc rACTPCüN MI/ [
5 . KAI ANTie^MA[TA, S]n nOAGC CTePGOl eiAKÖCIOI A^O a[cl)pon, Tiee-
Aa]^NOY AG TOY nOAÖ[c] APAXMÜN TPICJN. leer 2 B. riNONTA[l APAXMAI
x]iAiAi ÖKTAKÖciAi €5 öbgaöc. Kai eneKOYAMeN Ynöcn[eiPON, OY nö-
AeC AA TieeM^NOY a)C toy nOAÖC A APAXMAI AA. KA[Te3E^CAMeN AE KAI
TOYC TOIXOYC TOYC [gJn Tü)I nPOAOMUI TOY Aü)AeKACT^[AOY nOAGC
lo ej'Y'eYMeTPIKOI TTYNOS CDC tön HÖAA AS UN riNON^TAI APAXMAI
MFTPFO-X. KaTGI^CAMCN AG KAI TON G-Y'GYNTHPIaToN [aIGON? HÖAGC
1]N0S Ü)C TÖN nÖAA A r[l]NONTAI APAXMAI IN OS. KaI Ka[tGI^CAMGN BAe-
MiJaAC A^O 6N THI ANABÄCGI THI 6N TU! AA^TCOI nÖAAC 6V'eYMe[TPIK0'y'C P
U)C] TÖN nÖAA A APAXMAI P. KATGrAYYAMGN A^ KAI THIN Cn[GTPAN THN
15 Gn] tu ACüAGKACT^ACOI KAI TI^N T09 OAO?, UN HOAGC PIO [uC TÖN nÖ-
Aa] APAXMUN A APAXMAI YOC. ""HprACÄMGeA AG KAI THN Cn[GTPAN GIC
t]^N KATArAY<t>HN THC CXOINIAOC GHI nOAAC PZ, UC TÖN nÖAA A, APA-
x]mAI PZ. 'HprACÄMGeA AG KAI C*ONA^AOYC IC, Ü)N nÖAGC FT <l> Z A [ A
UC TÖN nÖAA APAXMUN B APAXMAI WPKBS. "'HprACÄMGeA A^ KAI TAI-
20 n]|AN KAI KATGfAYYAMGN ACTPÄPAACN OY nOAGC OZ^TC, UC TÖN [nÖ-
AA APAXMUN r, APAXMAI 1 A A |= X , KAI GnGKÖYAMGN KAI 6MIAt[(I)-
CAMGN nAINeON HC HOAGC TT A , UC TÖN nÖAA A, APAXMAI TTA'. [KaI 6-
eJl^KAMGN YnÖCnGIPON OY nÖAGC n.. UC TÖN nÖAA A APAXMAI H..
8*
60 Th. Wiegand:
24 K]aI HPrÄCANTO KAI KA[T]drAYYA[N Ke<J>AAAc] ICONIKAC A^O, ÜN nÖAGC
r^ r In -^ ^ s j , r
25 Y]OZ4 ü)C TON noAA apaxm[ü}N rfX apaxmaJi WßTTC-X, KAI eCTHC[A-
WeJN TÖN KIONA XnÖ THC BOP^JOY nAPACTAAOc] CYN Ke<t>AAH, OY nÖAe[c
...AS, CüC TÖN nÖAA A, Ap[aXMAI KAI HPrACANTO Ka[|
tön] neTPiNcoN aigoyc N [. . . . eic thn oikoJaomPin nÖAec CT[epe-
01 TTAbUcüc] tön noAA -X ap[axmai FT XAA. Kai ÖMAAJiiecoc thc eic tAn [oiko-
30 AOMHN nÖAAC I. . . d)c] TON nÖA[A /X KAI nÄ[AI?]N [aNAKASAP-?
CeCJC TOY SN MAPÄeHl\ [AATOMiJpY APAXMAI
c<i>ONAYAOYC E , Sn nÖA[ec
TT <t> TT , KAI TOMHC KAI neA[eKHCeü)]c KPHniAia)[N
ü)c TÖN nÖAA AC, apax[mai ..M]?. Kai eneA^K[HCAN . . . Sn nö-
35 AeC AB, UC TÖN nÖAA APa[xMü)]n r, APAXMAI SC. K[aI
TüJl eÖAÜI TÜl EN TWI nPeCB[YTl]Kü)l, HC T^SGIKAN Ol erAo[riCTAI, APAXMAC.
Kai thc eiAiP^cecoc tön A[ie]ü)N tön ck tön AM<t>inp[YMNa)N ....
KAI THC npocArcorfic thc a[iaJ toy xömatoc npöc t[ no-
AÖN TTflAZ, Ü)C TON nOAA X '///, APAXMAI TE 'KAI Th|c ArCOTHC THC £-
40 K TTanöpmoy eic tö igpön apax[m]ac P" kai thc Xroorfic c[*ona^a(jON E,
Ke<t)AAÖN B, ü)N nÖAec »%[...] ZL, WC TOY noAÖc [apaxmaJi [. . . ■ Kai
XrwrJHC KAI CNAPTHicewc mh[x]anhc aiköaoy XnÖ thc no[tioy oapa-
CTÄAOC nPÖC tPiN APCIN tön [c]*0NA^Aü)N KAI CTACIN TOY K1o[nOC T09
TPITOY XnÖ THC BOPeiOY nAPACT[Ä]AOC APAXMAI f OMOY O GICIN HPHAC-
45 MGNOI Ol ACYKOYPrOl APAXMAC Ä TT TT 0 / ' XnhAWTAI AC CIC [aYTOYC,
etc TG TA ÖYÖNIA KAI TÖN cTto[n] KAI TÖN CIMATICMÖN KAI CIC TIh[n AIGH-
riAN KAI eiC TI^N CTÖMCaCIN TO? [c]iAHPOY KAI ÖlYNTPA APAXMAI
TTOEZX. TTepieiciN cn toic epro[ijc apaxmai MTTßMA /wr
■'HprÄCANTO AÖ KAI Ol AATÖMo[l] o\ YnÖ HrO^MCNON AnOAAAN, ONTCC
50 TÖN XpiewÖN CYN YnHPCTAIC r,IE- [cJtCMOCAN KAI enCACKHCAN C4>0NAY-
AOYC Z, Sn nÖAGC CTCPeOl TT O H, kai [Ke<t>]AAHN lOüNIKHN, HC nÖACC P O E ITl C, Sn ri-
r ^ , ^ ,
NONTAI APAXMAI, ü)C TOY nOAÖC EC,[-]N0X, KAI KPHniAIAlKZ, Ü)N nOACC' Y TT
%S, Sc A e , APAXMAI £2B, KAI KAAYMMa[ta] N, OY nÖACC E, KAI XnTHPIAIA SA, Sn
nÖAGC i A , d)C TOY nOAÖC APAXMÖN [f, T] O B ' KAI TÖN AAAUN CPTCüN Sn Ol CrAO-
B
55 ncTAi Xncnhnoxan eni tö NHcanjoieToNj apaxmac TTZKEe* Xnhacotai a^
eic AYTOYC etc Te TA ÖYÖNIA Ka[| TÖ]n cTtON KAI TÖN IMATICMÖN KAI TA
Ö5YNTPA KAI TA AOinÄ AAnANI^[MATjA APAXMAl TT ß I ' AOinAi nePIGICIN
Sifbenier vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma. 61
58 eN TOic eproic apaxmai FTn[-iex. Omoy eiciN HPrACM^NOi leer
oY Te AeYKOYProi kai aatömoi [apa]xmün mypiaaac r leer
^ ^ B Z
60 KAI APAXMAC TT Y [• •] X leer
leer.
Die Trennungsstelle zwischen dem neuen Fragment (Z. i — 31) und
dem früher gefundenen (Z. 29 — 60) ist durch eine quer durchlaufende Linie
gekennzeichnet. Bei der Herstellung des Textes hat Hr. Haussoullier,
dem ich Abschrift und Abklatsch mitgeteilt hatte, in liebenswürdiger Weise
wiederum seine höchst wertvolle Hilfe geliehen. Ihm verdanken wir ins-
besondere die teilweise Herstellung in Z. i und 2, 12 — 13, (BAewijAAc),
Z. 14 (cn[eTpAN), Z. 29, 30 — 31 sowie richtige Ergänzung der Zahlzeichen,
außerdem eine Reihe von sachlichen Bemerkungen, die im nachfolgenden
mit Anführung seines Namens verwertet sind.
Der Anfang der Rechnung ist jetzt fast vollständig, denn sie beginnt
mit dem Antrittsdatum der Behörde am dreißigsten Tage eines gewissen
Monats und erwähnt das Enddatum ihrer Funktion im Monat Thargelion
(Z. 2). Hiernach beginnen die einzelnen Posten, zunächst mit Winkel-
steinen (rcoNiAToi Z. 3). Hierauf wird die Steinmetzarbeit an einem Glied
des Tempels erwähnt, welches Ausbauchungen hatte (fäctpa Z. 4), ein Aus-
druck, der hier wohl zum erstenmal in der Architektursprache erscheint;
sodann folgen, wie es scheint, wieder einfachere Steine und der Abschnitt
schließt (Z. 6 — 7) mit 1806 Dr. i Obol. Das in Z. 7 erwähnte YnöcneiPON
ist natürlich der mittlere Teil der dreiteiligen ionischen Säulenbasis (nAiN-
eoc, YnöcneiPON, cneTpA).
Sodann kommt ein Posten für die Glättung der Wände im npÖAOwoc
AUAeKACTYAOc (Z. 9). Es bedarf keines Hinweises, daß hier die große zwölf-
säulige Vorhalle des Heiligtums genannt ist, die Z. 15 einfach den Namen
AWAGKACTYAoc trägt uud auch von uns in Zukunft ausschließlich so be-
zeichnet werden wird. Der ev'eYNTHPiAToc (Z. 11) ist offenbar die unterste,
glatte Sockelschicht der Wände des Dodekastylos, auf welchen die Speira,
das ionische Fußprofil der Wand sitzt. Dies wird Z. 14 erwähnt, wo von
der Ausarbeitung des cxoinic die Rede ist, des unteren, mit Flechtband
gezierten Wulstbandes der Wandspeira (27), während das obere wohl mit
der TAiNiA Z. 20 identisch ist. Gleichzeitig wird das Profil der großen Tür des
Dodekastylos hergestellt (Z. 15). Die Astragale in Zeile 20 müssen wohl an
62 Tu. Wieg and:
den Türpfosten gesessen haben, denn nur da finden sich solche Schmuck-
teile und auf sie könnte auch eine Länge von mehr als 7 7 Fuß passen.
Z. 2 1 ist von der Herrichtung einer Säulenplinthe die Rede, wozu auch
Rötel gebraucht wird (Z. 21). Spuren solchen Rötels kann man auf den
Plinthen der von Rayet nach dem Louvre übergeführten beiden Spiren der
Ostfront noch heute deutlich erkennen.
Auf diese Säulenplinthe wird das ynöcneiPON versetzt (Z. 23). Dann
folgen zwei ionische Kapitelle sowie die Arbeiten zur Aufstellung der (ersten)
Säule nebst Kapitell bei der Nordante (die dritte, von dort gerechnet,
folgt Z. 44). Für den Rest der Inschrift verweise ich auf Bericht VI S. 39.
B. Schatzverzeichnisse.
I. Inv. Nr. 151. Gefunden in der byzantinischen Zwingermauer vor
der Ostfront. Marmor. Höhe 47 cm, Breite 57 cm, Dicke 24 cm, Buch-
stabenhöhe oben 14 mm, von Z. i 2 ab 10 — 12 mm. Rechts gerader Schnitt
antik, alle übrigen Ränder gebrochen oder spät behauen.
- I XPYCOII
- I ÖAKH, APAXMAI eKATÖN
<t>lÄ]AH XnAPXI^, ÖAKH "ÄAGiAN-
APeiAi - -] I ctJiAAH, Ihn an^ohkan Amoptiun
5 ÖAKh] "AAGIANAPeiAl EKATON, ""HrHClAC
CaaIaminioc <J)Iaaac TPeTc, Öakih gkä-
CTH APAx]mAI eKATÖN, IgnApHC 'ÄNTt^NOPOC *IÄ-
AAC etKJoCI, ÖAKH GKÄCTH MiAHCIAI GKATÖN. TaYTA,
A ÜAPeAÄBOMeN nAPÄ TÖN TAMIWN, nAPe[A(iüKA-
10 MEN TOTC TAMIAIC TOTc eni CT6<t>ANH4)ÖPOY
"AnTI^nJOPOC, "ApX^AAI 0IA^OY, 9e(I)Pü}l Ayto<j>ü)ntoc.
""Gni CTe4>]ANH<t>ÖP0Y "ÄNTt^NOPOC TOY 6'Y'ANAPIAOY, nPO<t>HTe^ONTOC
TOY GeOKPINOY TAMieYÖNTWN A[e KAI nAPG-
AJPeYÖNTCON 6N Ttül ['TejPWI ApXGAA t[oY Oia^OY GeCOPOY TOY A'Y'TO*üi)-
15 NTOC TAAG A[NeT^eH gJn THI [ - - "AnOAACü-
Nl Tü)l AlAYM[eT
M EN H N EM
A I <t>IAAH [ --_ ÖA-
Kh]n eXOY[cA APAXMÖN
Antenor, Sohn des Enondrides, ist Stephanephor im Jahre 224/23 v. Chr.
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyina. 6H
IL Inv. Nr. 225. Marmor. Höhe und Breite 19 cm, Dicke 18 cm,
Buchstabenhöhe i — 1,5 cm. Rechts Rand, sonst Bruch na F.
"ArXCAA TOY 0IA]dOY GeCOPO? TOY
A^r'TO^WNTOC woJil eiApJMI^NCOI TCOI leer
*|]aAHN ei ÖNYXOC
- IC KAI lAAÄTJA eiC THN
s - Gj-Y'e^coNOc CiNwn^wc
AAAH <t>!ÄAH APTYPA leer
"AAeiANAPeiAC GKATÖN, AAAH
I . . \l . . CANTOC leer
Diese beiden zeitlich eng zusammengehörigen Verzeichnisse reihen sich
in den von Haussoullier publizierten Texten bei Nr. 2 (Milet S. 204)
ein, da dort Antenor als Prophet erscheint (Z. 2).
III. Inv. Nr. 250. Marmor. Höhe 24 cm. Breite 28 cm, Dicke 13 cm,
Buchstabenhöhe i cm. Rechts Fläche, sonst Bruch na F.
a) Vorderseite: b) rechte Nebenseite:
- O I . L /\ H Z F I //// TOC Yno-
KAi nAPeApJeYÖNTü)N TÖN GN TÖi TÄPXOY I /// ^ [- - - eni-
tePÄI [- - -]c OOYABIOC TOY rPA<t)i^N e[xOYCA-
Twi 7\nÖAAü)Ni ciAC Tecce[p - - - Ap-
5 - N <J>IAAH AeiA ÖM<t>AAü)TH 5 TGMIAI [TTYeeiHI Ö AeTnA - - CiONAKTOC
APAXMAC ■ÄAeiANAPeiAC NAKTOC Y[APiA? - - - £-
- OY *iAAH .IL///OT/// nirPA*HN [exoYCA - - e-
- NTA ÖAKHN ArOY[cA KATON BAP[rYAIHTa)N?
MOCCIUN . . Y YAP04>Ö[P0Y
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VII. Orakel und Kulte.
I. Inv. Nr. 273. Gefunden an der Südostecke des Tempels. Marmor.
Höhe 1 1 1 cm. Breite 47 cm, Dicke 38 cm. Buchstabenhöhe 2 cm. Altarför-
mige Basis, die linke obere Ecke ist abgestoi3en. Buchstabenformen: cujym
also II — III s. p. Chr.
"AjrAeH TYXH.
""0 npo*HTHC CO? Aamianöc GPü)-
TA- eni (=: enei) cn tu icpu coy
64 Th. Wieg and:
4 KAI nANe^ü) nepiBcoMicMu
5 OYAenü) ÖPÄ tAP^MGNON
BCOMÖN THC XriCOTATHC
C09 AAeA<DHC, THC HATPIOY AYTOY
eeÄc CuTiPAC KÖPHC, «lAÖeeoN a^
AYTÖN ÖNTA AYÜgT TÖ TOIOYTON,
lo aTtAI COY, A^CnOTA AlAYMGY "'HaIS
"^AnoAAON, eecnicAi aytü) hapa
TÖN THC KAPnO<t>ÖPOY
AAmhtpoc bwmön iapyca-
cgai bümön thc haiaoc aythc "
15 Geöc exPHCGN ■
CUTIPHC KOYPHC TIMHN nGPIBU-
MiAA peze.
'"0 npo<i>ATHc COY Aamianöc e-
Pü)TÄ enl xPHCMw cco eeiw
2o en^TPCYAC AYTÖ GN TU tcPü}
COY nePIBCüMICMCO lAPYCACeAl
BUMÖN THC XriCOTÄTHC nATPI-
OY AYTOY eeÄC CCDTIPAC KÖPHC
HAPÄ TÖN THC CeBACMlUTÄTHC
25 KAPnoTPÖ4>OY Ahmhtpoc bcomön ;
aTtAI COY KAI THC GY^AmOY KAI Y-
MNiKHC eic aythin npocAropcY-
CeWC AYTÖN Ce NOMOe^THN
rcN^ceAi. Geöc exPHCCN'
3° CWTIPAN KAHZUMCN Yn' C'Y'iePOI-
ci boaTci miaixon, antia gTnai [ä]-
ei CYN MHT^PI AhoT.
IL Inv. Nr. 338. Auf der Insel Guardalacapa im Golfe von Didyma
(Bucht von Akbukj), die jetzt nur von einem samischen Einsiedler bewohnt
wird, hat sich folgende von M. Schede am i. Juni 19 10 kopierte Inschrift
gefunden (Höhe 14,5 cm, Breite 45,3 cm, Dicke 45,3 cm, Buchstabenhölie
I cm). Quadratische Statuenbasis mit ovaler, 25,5 cm langer, 25 cm tiefer
Einarbeitung für eine Marmorstatue. Der Stein war in die kleine Kapelle
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma. 65
der Insel verbaut und stammt jedenfalls vom Festlande. Schöne Schrift
des 4. Jahrhunderts:
TTaPYü) ■Ae[HN|AIOY rYNH EYXHN
Ynep ""GcTiAiHC XpYCÄNeHi
Die zum Hauptnamen der Göttin gewordene Epiklesis Xpycangh deutet
offenbar auf einen Aphroditekult, der auch in Sardes existierte, wo Spiele
zu Ehren der Göttin XpYcÄNeiNA hießen (CIG III 5913,33). Ob der Stein
aus dem milesischen Gebiet oder aus dem einer südlicheren karischen Stadt
stammt, ist nicht ganz sicher; wahrscheinlicher ist das erstere, da der
kleine milesische Ort Teichiussa der Insel am nächsten ist.
III. Inv. Nr. 156. Gefunden auf der Südseite des Tempels, nahe der
Südwestecke. Marmor. Höhe 95 cm. Breite etwa 75 cm, Dicke etwa 75 cm,
Buchstabenhöhe 2 cm. Basis, deren oberes Profil abgearbeitet ist. Oben und
auf beiden Seiten späte, rechteckige Einarbeitungen. Fußprofil erhalten.
AyTOKpAtOPA TÄTON Ka]|CAPA rePMANIKÖ[N
fePMANiKOY YtjÖN eeÖN ceBACTÖN H Necono-
joi Ol nPü)Tü)c Necüno[iA]cANTec aytoy leer
eni APxiep^cüc Fnaioy OYepriAioY KAniTUNOC
5 TOY MGN 6N MeiAHTÜI NAOY FaIOY KaICAPOC TÖ nPU-
TON, THC A^ "AciAC TÖ TPITON, [eni] TlBEPIOY loYAlOY
Ahmhtpioy NoMoeeTOY yioy MHNoreNOYC, Xpxiep^coc
TÖ Ae^TGPON KAI NeCOKÖPOY TO? EN MeiAl^Tü)! NAO? H KAI
TTpWTOMÄXOY TO? rAYKü)NOC loYAieCOC TOY APXINGOKÖP-
10 OY KAI CeBACTON^a)[c] KAI CeBACTOAOrOY H EK TÖN tAI-
ü)N AN^eHKAN"
TTpü)TÖMAX0C fAYKCONOC "'lOYAlGYC H NgCjON 'ApT^MCÜ-
Noc MgiaAcioc <»>iAorÄToc h GeönoMnoc 9eonÖM-
noY "AcKAHnioreNHC FTeprAMHNÖc h Ccoxäphc Cwxäpoyc
15 'ÄNTioxeYC H TTeieiAC TTYeeoY Kyzikhnöc h Aiokahc
MoiTA AnAMGYC H rAYKCON G'Y'ÄPXOY AaGAIKG^C H ""lePOKAHC
ApTeMiACüPOY Kaicapgyc h Aaim^nhc Antitönoy Aapamyt-
THNÖC H TTyAÄAHC flANTAA^ONTOC OiAOMNaGYC H AcnÄ-
CIOC ApICTOKAGOYC "AAlKAPNACCeYC H 'ÜAYMniANOC
20 TTonAiOY '"lepcoNYMOc ZmypnaToc H'''6pMinnoc ""Gp-
MinnoY Capaianöc h 01 *iaoc^bactoi h
rPA4>6NT(»)N TÖN ÖNOMAtCON KATA KAHPON.
Phil.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. I. ^
66
Th. Wieg and
Cn.Vergilius Capito ist derselbe eniTPonoc AirynTOY kai thc Aciac, welcher
dem Kaiser Claudius s]3äter das Balaneion in der Löwenbucht zu Milet ge-
stiftet hat, das identisch ist mit dem tymnacion toy KAnixuNoc (s. Sechsten Be-
richt S. 12). Wir sehen ihn hier einige Jahre früher als Hohepriester des
milesischen Gaioskultes, der im zweiten Jahre besteht und zum Verbände
des großen, über die Provinz sich ausbreitenden Philosel)astenkultes für
Caligula gehört : ihm sind bereits die Städte Milet, Julia (Gordos, das heutige
Gördes in Lydien), Pergamon, Antiochia (Z. 15, jedenfalls der im Mäandertal
beim heutigen Nasly liegende Ort, wo auch die folgende Stadt liegt), Lao-
dicea, Apamea, Kyzikos, Kaisareia (wohl das heutige Kassaba in Lydien),
Adramyttion, Philomelion, (Akschehir auf der Hochebene von Konia), Hali-
karnaß, Smyrna und Sardes beigetreten. Wenn die von Dio Cassius dem
Caligula untergeschobene AT)sicht, sich den Apollotemi)el von Didyma weihen
zu lassen, wirklich bestand, so ist ihre Ausführung jedenfalls mißlungen,
denn wir sehen hier deutlich, daß man dem Kaiser in Milet selbst einen
besonderen Tempel geweiht hat, den die asiatischen Philosebasten gebaut
und wold auch bezahlt hatten. Dios Satz (LIX, 28): fÄToc a^ gn th Acia
Tu) eeNei t^mgnöc ti gaytu eN MiaAtco TGMeNicAi eK^AGYe ist das Wesentliche,
das Folgende ist übele Nachrede. Es scheint, als ob Caligula sich für die
Stiftung dadurch erkenntlich zeigte, daß er Gelder zum Fortbau des Di-
dymeion anwies.
Der sechssäulige Tempel, welcher auf milesischen Münzen mit dem
Kopf des Caligula erscheint (Head, Cat. Brit. Mus. lonia S. 198 Nr. 143),
ist natürlich der Gaiustempel in Milet. Mit dieser Deutung werden wir
des Bedenkens überhoben, das bestand, solange man in ihm das zehnsäulige
Didymeion vermutete.
VIII. Phylen und Patrien.
L Inv. Nr. 274. Gefunden vor der Ostfront des Tempels. Bläulicher
Marmor. Höhe 45 cm, Breite 43 cm, Dicke 22 cm, Buchstabenhöhe 3 cm.
Rings modern behauen.
rTpO*HTHC
AiÖAOToc "ArAeioY
*YAHC 0HCeTAOC
AHMOY TTaATGUN
5 KCOTAPXHC KAI rYMN[A-
Siebenter vorlaufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Bidyma. 67
6 CIAPXOC TUN rVMNA-
CIÜN nÄNTCON KAI
XrcoNoe^THC, Texe-
AeKü)C THN npo<»>H-
lo TeiAN eYceB[ü)]c
Zu den in Milet bisher bekannten drei attischen Phylen Akamantis,
Oineis und Pandionis tritt neu hinzu die 0HceTc. Der Demos TTaat^wn ist
schon aus früheren Urkunden bekannt, vgl, Haussoulli er, Demes et tribus
de Milet, Rev. phil. XXI 1897 S. 39, wo TT[AA]Tea)N zu ergänzen ist.
IL luv. Nr. 195. Gefunden in der byzantinischen Zwingermauer vor
der Ostfront des Tempels. Späthellenistischer Marmor. Höhe 42 — 44 cm.
Breite 48 cm, Dicke 14,5 cm, Buchstabenhöhe 11 — 17 mm. Oben und
unten abgearbeitet.
Äptgmiaoc TTveeiHc ■v'apo^öpoc MiNN![cb "AntA-
Nopoc, «DYCi A^ ''Hpakaitoy to9 Gv'ANAPIAOY ka-
AOYM^NH BepeNIKH, MHTPÖC A^ ''Ha^AC THC KAAOYM^-
M^NHC BepeNiKHc THC Gyahmoy to? KAI AYTO? npone4>[H
5 TGYKÖJTOC KAI TGTIMHM^NOY eni THI e'Y'CeBe[lAI 61-
KÖCIN XPYCaTc B, CT6<t)ANH<t>0P0YNT0C 0ü)NTI-
AOY T09 0ü)NTIAOY t(oy) AiONYCIOY, nPO*HTeYON-
TOC 0PACCONIAOY TO? 0PACü)NIAOY, AI^MOY AgPICüN,
nATPlÄC 0IA(OCTiAü)N, YnÄPXOYCA A^ HATPOC TG-
lo TlMHMeNOY IKÖCI XPYCaTc KAI A^TI^ TGTIMHM^-
NH KAI THC MHTPÖC YAPO<t>OPHKYlAC KAI TGTIMH-
MGNHC IKÖNI XPYCH KAI THC MHMHC MOY (SO) McNICKHC THC
■"GniNIKOY YAPO<J>OPHKYIAC KAI TeTIMHMeNHC CIKÖNI XPYCH
KAI THC KAI nPÖC HATPÖC MOY MHTPÖC MAMMHC MOY ""HaHIAC
15 THC G'Y'ANAPIAOY THC KAAOYMeNHC BcPCNIKHC 'Y'APO<}>o[pH-
KYIAC TeTIAAHM^NHC IKÖNI XPYCHI CAYTCON HPOTÄ-
Ce]l CYNrCNCüN nACWN YAPO<»>OPHKYIü)N, eO?CA A^ KAI
CK HATPÖC eNTeeAMMGNHC iso) KAI TÖN ÜPOrÖNOüN AYTHC
■Y'nÄJPXOYCA AG KAI HPÖC HATPÖC KAI HPOC MHTPÖC IIIEIIII
20 ... .]- TOY AnÖ ■'AnTI^NOPOC, ÖMOICOC Ae KAI nPÖC MHTPÖC
/Z TOY XnÖ G-Y'AHMOY, eO?CA A^ ÖMOICOC KAI HPÖC
nATPÖc k]ai npöc mhtpöc nporÖNWN e-r'epreTcoN
9*
68 Tu. Wieg and:
23 OY AGAinNlKYlAC EN TU THC YAPO^OPiAC [e-
Tei? jACTOYC KAI OIKOYNTAC MlAHTON eAeYedPo[YC
25 nÄNTAC KAI TOYC MOAniKOS'C' [np](«)TH KAI [m]ÖNH YAPofoO-
PHICACA - - - ZT
Der Stamm der Philostiden auf Lcros ist hier (Z. 9) zum erstenmal
erwähnt.
Eine neue Patria liegt auch vor in einer fragmentierten Inschrift (hiv.
Nr. 202), wo eine Artemispri esterin, Tochter des . . . aiaaoy, geehrt wird
— AAHTPÖc npöc nATPÖc — AHMOY TeixieccecoN, nATPiAC TTociAGüN. Es ist die
Gegend des Kaps Posideon westlich von Teichiussa, dem heutigen Karakuja.
IX. Ehrungen.
I. Die im vorigen Bericht veröffentlichte Ehrung für die Königin
Apame, welche für die Wiedererbauung des Didymeions von so grund-
legender Bedeutung ist, hat sicli durch Auffindung des unteren Endes ver-
vollständigen lassen. Es fand sich beim archaischen Rundaltar vor der
Ostfront (bläulicher Marmor, sehr zerfressen. Höhe 52 cm, Breite etwa
54,5 cm, Dicke i 7 cm. Buchstabenhöhe i cm; unten und ol)en Bruch, seitliche
Flächen teilweise erhalten; Inv. Nr. 370. Ich lasse den ganzen Text jetzt
folgen. Das neue Stück beginnt mit Z. 19, die vorhergehende Zeile scheint
teilweise leer gewesen zu sein, Z. 1 7 fehlt ganz).
■^Gaoig thi boyahi kaI tcüi ahmwi, A^koc AnoAAOAÖT[oY eTne"
TTepi Sn npoerpÄYATO eic tPim boyaihn Ahmöaamac ■ApiFcTeiAOY,
bncoc "AnÄMH h CeAe^KOY toy bacia^coc tyni^ T[iMHeHi,
AeAÖXeAl THI BOYAHI KAI Tü)l Al^MUI " eneiA^I ■'AnÄ[MH H BA-
5 ClAICCA nPÖTGPON TG nOAAl^N GYNOIAN KAI nPo[eYMlAN
nAPeixeTO nepi Miahciün to'^c cTPATeYOM^NOY[c gyn
Tü)l BACIAGT CgAG^Kü)!, KAI NYN nAPArGNOM^N[ü)N TWN HAP' HMWN
nPeCBGYTUN, OYC MGTGneMYATO C^A6YKo[c AIAAGIÖMGNOC
ÜGPI THC OIKOAOWiAC TOY NAOY TOY 6N A|A^[aAOIC "AnGAAUNOC, OY tPiN
10 TYX09CAN CnOYAl^N ^n[oi6l tüc] ■AnTIOXo[c Ö nPGCBYTATOC YlÖC,
CYM<t>IAOTIMü}N THI TO? nATPOC CgAGy[k0Y nGPI TÖ 6N AlA^MOIC 16-
PÖN [nP0]A!P^[c]6l, OIKOAOMHC riNo[M^NHC THC KATÄ nOAlN CTOAC? . .
AjA . . TÖi eecüi, Yna npoco[Aü)N Xn' a-y-thc agi riNOM^NUN
KOCAAHTAI TÖ I6PÖN, A^aFgKTAI AG "AnTIOXOC, OnCOC OYN GIACOCIN
Siehenter vorläußger Bericht über Ausyrahungen in Milet und Bidyma. 69
15 nÄNTec oTi ö ah[moc ö Miahcicün
AeiAN fe'x[ü)N aiatgagT nepi toyc
Gni cTe<t>A-
NH<t)ÖPOY TOY 'AnOAAof £1-
20 KÖNA es XnÄCHC thc npocÖAOY [thc ctoäc? etwa 14 B. - äna-
rPAYAl A^ TÖAe TÖ YH<}>ICMA dc CTHAHN Aiei[NHN, ANACTHCAI A^
eic TÖ lepÖN THC Aptgmiaoc thc cn Aia^moic, [thin a^ ctAahn
KAI THN ANArPA*HN AnOMlCeÖCAl TOYC TOIXOnOlO't'C MH[Ae-
MIAN YnePBOAlKHN nOICYM^NOIC, TOYC A^ TAMIAC YnHPe[THCAI
25 CK TÖN eiC TA KATÄ YH<I>;CMATA CIPHM^NCON, ANArPAY[AI
AG TÖAC TÖ YI^<»>ICMA KAI GIC ACYKOOMA. ''GniCTÄTAI THC [ePfAClAC
AhMÖAAMAC ■ApICTCIAOY, AyKOC AnOAAOAÖTOY, ÄPICT[eiAHC
MlNNlCüNOC leer.
Das früher gefundene Fragment Z. i — 16 enthielt die Begründung der
Ehrung, das neue Stück bringt den Beschluß; Z. 20 deutet an, daß fiir
die Errichtung des Apamebildes ein bestimmter Gesamtbetrag aus den »Ein-
künften« — doch wohl der Antiochoshalle (s. oben S. 12) — genommen
werden soll. Wichtig ist, daß Z. 22 der Artemiskult im Sinne eines be-
sonderen lepÖN auftritt, das also noch gesucht werden muß. Vielleicht liegt
es an der Stelle der heutigen Dorfkirche.
IL Inv. Nr. 353. Gefunden an der Nordostseite des Pronaos. Marmor.
Höhe 54,5 cm. Breite 10 1 cm, Dicke 98,5 cm, Buchstabenhöhe 1,7 cm.
Statuenbasis, oben Standspur. Vorderseite geglättet, soweit beschrieben,
sonst mit Zahneisen bearbeitet. Abschrift von M. Schede.
BaCIAICCAN Cj)iAAN
Bacia^cdc CcAeYKOY
Ö AHMOC Ö MiAHCicON "ApT^MIAI
Phila, Tochter Seleukos' I. und der Stratonike, von Suidas fälschlich
eine Tochter des Antipatros genannt, wurde Gemahlin des Antigonos Gonatas
erst nach 278 und ist Mutter Demetrius' II. ^gl. die delische Statuenbasis
des Parthenokles für dieselbe Fürstin, Löwy, Inschr. griechischer Bildhauer
S. 109, Nr. 145.
IL Inv. Nr. 138. Gefunden vor der Ostfront des Tempels. Marmor.
Höhe 33 cm, Breite 95 cm, Dicke 45 cm, Buchstabenhöhe 3 cm. In zwei
70 Th. Wiegand:
Teile gebrochen, rechts beschädigt. Oben Kiiifirbeituiig für eine Bronze-
statue.
""0 AHMOC Ö MiAHCICON
MeCCAAAN TTotTtON ANeinATON
TÖN nATPCONA THC nOAGCOC KAI G'Y'eP-
r^THN APeTHC eNGKeN KAI eV'NOlAC
eiC AYTÖN
M. Valerius Messala Potitus war Konsul im Jahre 29 v. Chr.; vgl,
J. Klein, Fasti consulares S. 7. Von seinen Verdiensten um Milet ist sonst
nichts bekannt.
III. Inv. Nr. 182. Gefunden an der Südostecke des Tempels. Marmor.
Höhe 87 cm, Durchmesser 102 cm, Buchstabenhöhe 3 cm. Hälfte einer
runden, glatten Marmorbasis, oben und unten gerade.
ArAGHI TYXHI
"^AnntON CABeTNON enAPXON AirrnroY kai
THC "AciAC, enANOPeüTI^N, TÖN AAMnPÖTA-
TON, H KPATICTH KAI <*)IAOC^BACTOC BOY-
5 AH TÖN GAYTHC KAI THC nÖAGÜC eV'CPre-
THN eniMCAHCAMeNOY TOY AIIO-
TÄTOY BOYAÄPXOY fA. AyP. "'0«>eAAIOY //////
MeNOY TOY ""O^eAAlOY, TAAAIOY TOY NG-
ü)C "AnÖAACONOC KAI ATUNOe^TOY TÖN MC-
10 rÄAWN AlAYMCIWN KoMMOAeiwN.
Eine in Olympia gefundene Inschrift dieses Appius Sabinus -v-nATiKÖc,
welche Purgold, Arch. Zeitung 1880, XXXVIII, S. 56, schon sehr spät da-
tiert hatte, ist offenbar auf denselben Beamten wie hier zu beziehen, der
nun auf das Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. fixiert wird. Über den Titel
enANOPeü)Tf)c (corrector) vgl. Dittenberger, Or. (tIS. II S. 449 f., Nr, 711;
Magie, De Romanorum iuris publ. vocabulis S. 88.
IV. Inv. Nr, 174. Gefunden vor der Ostfront des Tempels in der
byzantinischen Zwingermauer. Weißer Marmor. Höhe 56 cm, Breite 40 cm,
Durchmesser 8 cm, Buchstabenhöhe 2,5 cm. Giebelgekrönte Platte mit
hohen Akroterien und Rundschilddekoration im Giebelfeld. Die Inschrift
in vertieftem Felde. Unten Bruch. Das Wort npo<DATHc ist abgekürzt in l^.
Ligaturen N" nh, {< =: kai.
Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma. 71
"ArAeHl TYXH
'Yapo<döpoc Aptgmi-
Aoc TTveiHc e'Y'ceBHc Aia.
A|AIAn[h] GYrATHP AlA. Al-
5 AIANOY nPO<»>HTOY GN TW A^TW GTei,
♦iAOcö*OY ctwTkoy, Tei-
MHG^NTOC eN nOAAoTc
eeNGCi boyaaia(i)c kai no-
AlTeiAIC, KAI AyP. AaGIÄN-
lo APAC, eKrÖNH npöc mhtpöc
npo<i>ATOY Xaiphmonoc AA[e-
3EANAP0Y? c]Te<l>AN[H<t>ÖPOY
Es scheint sich hier um den berühmten Verfasser der taktikh eecopiA
AiAiANOY Apxiepewc zu handeln, der nachweislich die Werke eines stoischen
(belehrten, des Asklepiodotos, benutzt hat und dessen Priestertitel bisher
für ein mißverständliches Epitheton, das eigentlich nur dem Verfasser der
Varia historia, Claudius Alianus, gelte, gehalten wurde. Die Schrift des
Marmors stimmt mit der Zeit des Taktikers Älian durchaus überein (2. Jahr-
hundert n. Chr.), der somit Milesier ist.
•euß. Akad. d. Wissensch.
Anhang z. d. Phil..hist. Abh. 1911.
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W
Stadtplan.
Th. Wiegand: Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma.
Taf. I.
Prniß. Akad. d. Wissensch
Anhang z. d. Phil.-hist. Abh. 1911.
Thermen am Humeitepe
Tb. Wiegand: Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Blilet und Didyma.
Taf. II.
K. Preuß. Akad. d. Wissensch.
Anhang z. d. Phil.-hist. Ahh. 1911.
O lllllllllll 1 1 1 1 1 1 ' fSOH,
Faustinathei-men.
Th. Wiegand: Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma.
Taf. III.
K. Preuß. Akad. d. WissenscJi.
ÄnJiang z. d. Phü.-hist Abh. 1911.
Grundriß des Didymeion 1910.
Th. Wiegand: Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma.
Taf. IV.
K. Preuß. Akad. d. Wissensch.
Anhang z. d. Phil.-hist. Abh. 1911.
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Anhang z. d. Phil.-hist. Abh. 1911.
Th. Wienand: Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma.
Taf. XI.
K. Preuß. Äkad. d. Wissensch^
Anhang z. d. PhiL-Mst. Ahh. 1911.
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K. Preuß. AJead. d. Wissensch.
Anhang z. d. Phil-hist. Abh. 1911,
Th. Wiegand: Siebenter vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Milet und Didyma.
Taf. xin.
Die Haiidschriflen des Corpus agrimensorum
Romanorum.
Von
Dr. C. THÜLIN
in Malinö.
Phil.-hist. Klasse. WU. Anhang. Abk. IL
Vorgelegt von Hrn. Di eis in der Sitzung der phil.-hist. Klasse am 16. März 1911.
Zum Druck eingereicht am 23. März 1911, ausgegeben am 20. Mai 1911.
Einleitung.
»Erst durch Lachmanns unvergleichliche Arbeit wurde die groma-
tische Sammlung der Wissenschaft wiedergewonnen«, sagt mit Recht
Mommsen, Hermes 27, 1 14. Im Vergleich mit allen vorhergehenden Aus-
gaben, die wesentlich nur kritiklose Abdrucke von einzelnen Handschriften
mit einigen Korrekturen und eventuellen Notizen über abweichende Les-
arten waren, bedeutet die Textgestaltung Lachmanns vom Jahre 1848
einen so großen Fortschritt, daß es kaum zu verwundern ist, wenn man
Jahrzehnte hindurch seine Arbeit fiir abschließend hielt und seine Aus-
gabe über ein halbes Säkulum maßgebend und ohne Nachfolger geblieben
ist. Und doch war schon die handschriftliche Grundlage dieser Ausgabe
sehr ungenügend. Blume, der die Beschreibung und Klassifizierung der
Hss. übernommen hatte', stellte, nach äußeren Gründen vier Klassen von
Hss. auf:
I. Arcerianus A und B,
II, G(udianus) und P(alatinus) = Die Hss. mit justinianischem Recht,
III. Die Trümmerhss. (E und F),
IV, Die Hss. des Pseudo-Boethius,
jedoch ohne näher zu untersuchen, in welchem Verhältnisse diese Klassen
oder gar die einzelnen Hss. innerhalb dieser Klassen zueinander standen
(A zu B, P zu G, E zu F). Im kritischen Apparat Lachmanns haben auch
P vor G und F vor E sehr mit Unrecht zurückstehen müssen, und die soge-
nannte IV. Klasse ist nur durch schlechte Hss. vertreten. Die Kollationen
'■ Blume, Über die Hss. der Agrimensoren. Khein. Mus. f. Jurisprudenz VU 173 bis
248, 1835. — Über die Hss. und Ausgaben der Agrimensoren. Schriften d. röm. Feldmesser
U 3 — 78, 473—476, Berlin 1852. Wo ich nur «Blume« zitiere, verstehe ich immer diese
Schrift.
1*
4 C. T IT u L I N :
selbst, sogar die des Arcerianus', lassen vieles zu wünschen übrig. Der
Gebrauch des Laehmannschen Textes wird auch dadurch erschwert, daß
er darin auf keine Weise die Abweichungen \on den Hss. bezeichnet:
dem Leser, der nicht selbst die Hss. genau kennt, ist es oft unmöglich,
die eigenen Hypothesen Lachmanns von der Überlieferung zu unter-
scheiden (z. B. in seinen Ergänzungen zu Frontin und Hygin).
Die Kritik gegen die Ausgabe Lachmanns wurde erst in den neunziger
Jahren von Mommsen eröffnet^, der im Hermes 27, 114 und besonders in
den Bonner Jahrbüchern 1895, Heft 96 — 97, »Die Interpolationen des
gromatisclien Corpus«, S. 272 — 292^ das Bedürfnis einer neuen Ausgabe
wegen der zuweitgehenden Umstellung und Umgestaltung des Textes durch
Lachmann hervorhebt (S. 281), durch kritische Beiträge zu Frontin auf-
weist, wie viel in dieser Hinsicht noch an dem Text zu tun ist, und statt
der vier Klassen Blumes ein Stemma von nur zwei"* Linien annimmt:
L AB und EF,
II. GP und die Boethiushandschriften.
Eingehender ist die Kritik Nik. Bubnovs in der Appendix VII seiner
großen Arbeit »Gerberti, postea Silvestri II papae opera mathematica«
(972 — 1003), Berlin 1899, S. 394 — 553. Bubnov hat das gesamte Hand-
schriftenmaterial des Corpus agrimensorum in bezug auf den Inhalt einer
neuen Prüfung unterworfen, mehrere neue Handschriften, besonders der
IV. Klasse Blumes, herangezogen und selbst mit großer Ausführlichkeit,
S. 432 — 493, ein neues Stemma entworfen. Wie Mommsen nimmt er nur
zwei Hs. -Klassen an, weicht aber darin von ihm ab, daß er EF nicht der
ersten, sondern der zweiten Gruppe zuteilt:
I. (TA =) Arcerianus,
IL (TB =) EF(TBa) und GP(TBba) mit allen übrigen (TBbb).
Durch die genaue Zergliederung des Inhalts der unerhört zerrütteten
agrimensorischen Hss. und durch die Erweiterung unserer Kenntnisse von
dem handschriftlichen Material sowie auch durch kritische Ausgabe der
* Eine ganze Keihe von Fehlern hat iächuiten, der im Jahre 1902 den Are. kolla-
tionierte, verzeichnet. Die Richtigkeit seiner Lesungen habe ich 1909 nachgeprüft.
* Vgl. Mortet BibUotheque de l'Ecole des chartes 57 (1896) 319 A. i »II y aurait
Heu, croyons-nous, d'en donner une critique plus exacte et plus etendue«.
' Jetzt abgedruckt in seinen Gesammelten Schriften VII 464 — 484.
* So schon Niebuhr 1843, Kleine bist, und philos. Schriften II 88 f., jedoch ohne EV
zu berücksichtigen.
Die Handschriften des Corpus agrimensorum liomanoruiu. 5
bisher iinedierten Teile der Hss., S. 494 — 553, ]iat Bubnov eine selir
wichtige Vorarbeit, zu einer neuen Recensio des Corpus agrimensorum ge-
leistet. Einige von Blume, Lachmann und Mommsen gemachte Fehler
hat er S. 402 ff. richtig dargelegt. Aber da die Schwäche des Blume-
schen Stemmas wie der Ausgabe von 1848 hauptsächlich darin lagj'daß
die Hss. ungenügend untersucht waren, konnte ein fester neuer Grund
nicht gelegt werden ohne vollständige, nicht nur inhaltliche, Neurevidie-
rung der Hss. Bubnov, der meist auf die mehr oder weniger korrekten
Beschreibungen der Hss. -Kataloge und private Mitteilungen aus den Biblio-
theken, nur zum geringen Teil auf Autopsie baut, ist auch in vielen Fällen
zu falschen Resultaten gekommen. Wir werden sehen, daß er iu der
Gruppierung der Hss. P]F nicht glücklicher als Mommsen gewesen ist,
and daß er auch die IV. Klasse Blumes, um deren Erforscimng er sich
das größte Verdienst erworben hat, zum Teil unrichtig beurteilte, da er
nicht genügend beachtete, daß sie Exzerptenhandschriften sind. Der un-
geschickten sogenannten Geometrie des Boethius', die nie zu dem Corpus
gehört hat, hat er sogar einen Ehrenplatz in der zweiten Hss. -Klasse
gegeben, nur weil er einer unrichtigen Angabe über die Bamberger Hs.
folgte.
§ 1. Der Archetypus.
Daß alle erhaltenen Handschriften der Agrimensoren von einem Arche-
typus stammen, wird teils durch viele gemeinsame Lücken und Glossen,
teils und besonders durch die in allen gleich gestörte Ordnung des Textes
in der Schrift des sogenannten Hyginus Gromaticus bewiesen: ein Blatt
des Archetypus (La. 192, 17 — 193, 15 = 15 Zeilen + zwei Zeichnungen) war
nämlich versetzt worden.
Daß dieser Archetypus nicht älter als etwa 450 sein kann, hat
Mommsen, Agrim. II 174"', festgestellt, indem er dartat, daß der in den
^ Ein Teil der Schrift ist La. 393 — 412 unter dem Titel Ex demonstratione artis geo-
metricae excerpta, ein anderer La. 377 — 392 unter dem Titel [Boethü] Euclides abgedruckt,
große Stücke hat La. ausgelassen. Bubnov i8iff.\gibt eine ausführliche Übersicht über
den ganzen Inhalt. Ich verweise auf meine Behandlung der Exzerptenhss. »Zur überliefo-
rungsgesch. des Corpus agrim. rom.« Göteborgs K. Vetenskaps och Vitterhets Samhälles
handlingar (K.V. V. S.) 191 1 (abgek. »Exzerptenhss.«).
'' = Hist. Sehr. 2, S. 169 f. Vgl. auch Bonner Jahrbücher Heft XCVi— XCVII 1895,
273 rin Gesamni. Schriften VII 465. Hermes 18, 173 f. = Ges. Sehr. V, 167 f.
6 C. T IT u L I N :
beiden Hauptklassen der Hss. erhaltene Liber Regionum 1 (La. 209 — 239)
erst zu dieser Zeit geschrieben ist. Da auch dieser Text im Arcerianus,
der dem 6. Jahrhundert angehört, schon stark verderbt ist, so dürfen
wir annehmen, daß der Archetypus auch nicht viel jünger als 450 ist.
Bubnov, a. a. 0. 405 und 420, hat freilich diese Zeitgrenze bis auf das
7. Jahrhundert hinaufrücken wollen, aber er stützt diese Bestimmung nur
auf die Annahme, daß einige Zeilen bei Baibus, die in allen Hss. vor-
kommen (La. 94, 4 — 8 narn mensura non tantum ista de qua loquimur appel-
htur^ sed et quidquld pondere aut capacitate aut anirno [animi J V) fin'dur men-
sura(m) aeque quam longitudlnem appellant), eine aus Isidorus (7. Jahrh.) ge-
schöpfte Glosse seien (Isid. Orig. XV 15, i Mensura est quidquid pondere capa-
citate longitudiTW altitudine anirnoque fin'dur. Maiores üaque orhem in partes^ partes
in prouimias etc. diuiserunt). Diese Annahme ist zweifellos falsch, denn wer
die betreffenden Worte bei Baibus und Isidor in ihrem Zusammenhang
durchliest, muß den Eindruck bekommen, daß sie bei Isidor entlehnt sind:
als Einleitung zu seiner Darstellung der Mensurae agrorwn stehen sie eben-
so unmotiviert wie unvermittelt. In der breiten Darstellung des Baibus
behaupten sie ihren Platz, und der Übergang wird durch die folgenden Worte
quid ergo mensura sit de qua quaeritur tractemus veraiittelt^ Das sinnlose
Wort animo ist gewiß nicht von Isidorus erfunden, sondern, wie Hultsch
gesehen hat, durch eine Korruptel im Baibus entstanden: JV haben hier
animi, die übrigen Hss. animo\ Hultsch schreibt aliqui, aber zu animo kommt
man leichter von alio modo, besonders wenn modo abgekürzt geschrieben
war. Es ist leicht zu erklären, daß Isidor das Wort longitudine aus dem
Baibustext quam longitudlnem aufgenommen und altitudine hinzugefügt, da
der umfassende Ausdruck alio modo in animo verderbt war, aber schwierig
zu verstehen, weshalb ein Glossator altitudine ausgelassen hätte. Isidor hat
also die Worte aus Baibus exzerpiert.
1 Lachmann, der die oben angeführten Baibusworte einklammert, hätte entweder
auch diese Worte mitnehmen oder das Ganze stehen lassen sollen, wie Hultsch, Metrologi-
corum scriptorum reliquiae II 1 1 getan hat. Denn nicht nur sind die beiden Satzanfänge
Ergo nequid usw. und Quid ergo usw., wie Hultsch bemerkt, nebeneinandergestellt unleidHch,
sondern der Ausdruck mensura de qua quaeritur schwebt in der Luft, wenn wir den Zwischen-
satz streichen.
Die Handseltriftm des Corpus mjrimensorum Romanorum.
r— * v!:^
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Ei: ?^ c^
§ 2. Ein altertümliches Fragment.
Vielleicht haben wir in einer Hs. des
lo. Jahrhunderts die Kopie einiger Blätter
aus einer Hs., die dem Archetypus nahe
steht:
Berlin Ms. lat. f. 641 (acc. 1905 188),
10. Jahrh., Perg., 25 7 f. (aus der Bibliothek
des Carlo Morbio, Mailand, Nr. 379, am
24. Juli 1889 durch List & Francke in
Leipzig versteigert).
I. (f. r leer) f. T- 13^ (14' leer) Gro-
matisches Bruchstück in Majuskeln:
a) La.327, 21-331, 7 A185
bis 190. Der Anfang La.
327, 4-20 A-E fehlt;
Casae \ b) La. 325, 12-326, 23 P
144''- 147'. Der Schluß
La. 326, 24-327, 3 *-n
fehlt.
Herausg. von Th. Mommsen, Monatsber.
d. Berl. Akad. 1861, 1 01 4 ff. = Ges. Sehr.
VII 451 ff., nach Jaffes in Mailand ge-
nommener Abschrift (= Berlin Ms. lat.
f-4i5)-
2. f. 14^—16' Donatus, Anfang einer
P>klärung der Ars minor (Minuskel).
3. f. 17 "^-2 5 7"^ Isidori Origines, Ars
Donati (Keil 4, 355. 405), Glossare, Catos
Disticha u. a. (Minuskel).
Das gromatische Fragment verdient so-
wohl wegen der Schrift wie wegen des In-
halts besonderes Interesse. Alles ist mit
eckigen, langgezogenen ( 1 1 - 1 2 mm hohen)
Majuskeln ohne Wortteilung geschrieben,
ausgenommen die unzialen Buchstaben, die
8 C. Tiiulin:
f. 13 um die Rundung der p und c herumgestellt und in den vereinzelten
Korrekturen f. 2^ svbipso und f. 6^' gama benutzt sind. Ich gebe S. 7 die drei
ersten Zeilen f. 12'' (= Mo. Ges. Sehr. VII 454, 16-18). Aus den mit ähn-
licher Schrift geschriebenen Subskriptionen in Isidorus (z.B. f. 79^, 90"", 134)
geht jedoch hervor, daß jenes Fragment mit der übrigen Hs. gleichzeitig
ist (10. Jahrb.). Es muß also, wie Mommsen vermutet, Kopie eines alten
Fragments sein, dessen Schriftcharakter der Schreiber beibehalten hat: an
Alter übertraf gewiß das Original weit den Arcerianus. Die hier nach-
geahmte Schrift war die sogenannte capitalis rij^tica. Die Imitation ist zwar
ziemlich plump, aber viele Buchstaben wird man z, B. in dem Vergilius
Romanus' Vat. lat. 3867 (6. Jahrh.) ohne weiteres wiederkennen wie
in Vergil
hier
l\i IM KFD
Besonders beweisend sind die Buchstaben B und D.
Der Text, dessen Anfang und P]nde (s. oben) schon in der Vorlage fehlten,
weil hier eine leere Seite vorangeht und folgt, enthält teils die in A (I. Klasse)
erhaltene Version der Casae litterarum mit lateinischen Buchstaben ohne
Figuren, teils die durch P (II. Klasse) überlieferte mit griechischen Buch-
staben, um welche Figuren (Berge, Flüsse, Quellen) gezeichnet sind. Merk-
würdigerweise stimmt der Wortlaut des letzten Teils mit dem des P (9. Jahrh.)
ziemlich genau überein, während sich im ersten Teil viele Abweichungen
von der Überlieferung in A finden, und zwar Abweichungen, die meistens
gleich VerbesseiTingen sind'^ Das Bruchstück zeigt uns also, teils wie gut
die Überlieferung in P in diesem Stück ist, teils wie viele Korruptelen
auch in die jüngsten Partien des A schon eingedrungen sind. Ohne Zweifel
^ Codices e Vaticanis selecti photot. expressi 2. Roma 1902. F. Steffens, Lat. Pa-
läograj^liie Taf. 19. Zangemeister et Wattenbach, Exempla cod. lat, Nr. 11. Vgl. auch
Nr. 12 und 15.
- Lachmann verzichtete ganz darauf, den Text der Casae des A zu heilen. Unser
Bruchstück lehrt uns, daß wir dieses scheußliche Latein mehr verstehen lernen als korri-
gieren müssen.
Die HandscJiriften des Corpus agrimensorum ttomanorum. 9
war die griechische Serie weniger benutzt und deshalb auch weniger ver-
derbt. Ob sie auch jünger ist als die des A, wie Mommsen, Bonn. Jahrb.
282 f. = Ges. Sehr. VII 474, meint, lasse ich dahingestellt. Mo. hat hier
nicht genügend beachtet, daß der Arcerianus am Anfang und am Ende so-
wie in der Mitte unvollständig ist, und daß eben vor den Casae eine große
Lücke von einem oder mehreren Quaternionen ist. Wir wissen also nicht,
ob diese griechische Reihe ursprünglich in A fehlte. Die Sprache ist jeden-
falls, wie Mo. a. a. 0. selbst bemerkt, weniger barbarisch als die der Casae
in A, und Bubnov 404 bemerkt dazu mit Recht, daß Mo. an dieser
Stelle darin ein Zeichen jüngeren Alters sieht, an anderen Stellen dieses
Kriterium als Beweis höheren Alters anführt.
Bedenklich ist es, »daß in der griechischen Reihe von den in P feh-
lenden zHesoYxs- hier z s o durch ungeschickt aus der ersten Rezension herüber-
genommene, vielleicht erst dem letzten Abschreiber beizumessende Plagiate
ergänzt worden sind« (Mo., Monatsber. 1016 = Ges. Sehr. VII 453). Zu diesen
Buchstaben sind auch frei erfundene Zeichnungen hinzugefiigt. Da die
beiden Rezensionen also hier nicht nur nebeneinander stehen, sondern auch
zusammengearbeitet sind, so wäre es denkbar, daß das vorliegende Frag-
ment einer alten Hs. der EF-Klasse angehört, die, wie unten gezeigt wird
(§12), aus den beiden Hauptklassen zusammengebaut ist. In EF fehlt
zwar jede Spur der Casae, aber da sie beide fragmentiert sind, so beweist
das nicht, daß die Casae auch im Archetypus der P]F- Gruppe fehlten.
Wahrscheinlich stecken in einer neuentdeckten Hs. aus Ripoll bei Barcelona,
die unter den Exzerptenhss. (s. oben S. 5 A i ) besprochen wird, zwei in der
EF- Gruppe einstmals enthaltene Rezensionen der Casae in überarbeiteter
und schlecht überlieferter Gestalt, nämlich die des A 185-190 La. 327
bis 331,7 (also dieselbe wie in unserem Fragment) und die des P si^'-sö''
La. 310-318. Auch Cod. Paris 8812 enthält diese beiden Exzerpte. Die
erste stimmt zwar näher mit unserem Fragment als mit dem Text des A
überein ^, aber die Abweichungen sind doch so groß und der Varianten,
die sie mit A gemeinsam hat, so viele, daß ihre Quelle vielmehr zeitlich
zwischen dem alten Fragment und A zu liegen scheint (wie eben die eine
^ Sie haben z.B. nicht die Dittographie des A La. 328, 9-10; nach ßuuium in 328,25
haben sie vieles, was in A fehlt; dagegen fehlt in ihnen alles, was in A nach 238,31 tri/i-
nium facit bis 329, 2 steht außer den Worten quae per campo - -per mediam, die in A hier-
her verschlagen sind, in den beiden anderen richtig nach posita {est) in V. 28 ihren Platz haben.
Phil.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. II. 2
10 C. Thulin:
Quellenhs. der EF- Gruppe) '. Wahrscheinlich bleibt also die Annahme, daß
in der Hs. Berlin f. 641 wirklich die Abschrift eines sehr altertümlichen
Fragments vorliegt. Wir werden unten bei der Besprechung der Hs. Petrarcas
und Alciatis (S. 1 6 und § 6) darauf zurückkommen. Zu einer ganz sicheren
Klassifizierung fehlen jedoch immer noch Beweise.
§ 3. Der Arcerianus.
AundB Codex Arcoi'ianus, A und B, Wolfeubüttel Aug. f. 36,23. Heine-
mann Nr. 2403. 6. Jahrhundert, Perg. 154 f. (Gr. 31^X24!- cm) nebst
einem Vorsatzblatt (f. i ) und zwei Umschlägen" (ff. 123 und i 5 7 nach dem
Katalog) aus Pergamenthandschriften des 14. Jahrhunderts. Über die vor-
gebundenen Papierblätter siehe 0. v. Heinemann, Die Hss. der Herzog-
lichen Bibliothek zu Wolfenbüttel II 3, 127. Schöne Unzialschrift (Näheres
darüber unten S. 24), der erste Teil (A) mit vielen sauberen, kolorierten
Zeichnungen l S. Taf. I— IV.
Diese Haupthandschrift des Corpus Agrimensorum besteht aus zwei
verschiedenen, aber ungefähr gleichzeitigen Hss., A (f. 1-83'' des Katalogs)
und B (f. 84-156 des Katalogs) bei Lachmann-Blume, die zusammen-
gebunden und fortlaufend gezählt sind, aber zum Teil dieselben Schriften
^ Ich führe als Beispiel die Casa F an:
A: Casa quae per F nomen habet ßnis habentis casa in monte posita ßuuium transit limi-
tem sextaneum proximum habientem.
Berl. 641: Casa quae per F nomen habet fines grandes habet et casa ipsa in montem posita
est ßuuium transit limitem sextaneum proximum habientem.
Cod. Ripoll und Paris 8812: F VI. Fines ante se habet casa in monte posita est ßuuium
transit terminum ad meridianam partem proxime demonstrat. In diesen Hss. stehen immer nur
der Buchstabe und die entsprechende römische Ziffer statt der Formel Casa quae per (A)
nomen habet.
^ Diese legte Scriver um den Schluß der Hs., als er ihn absonderte und dem Pon-
tanus übersandte (s, unten § 5).
' Literatur über den Are: F. A. Ebert, Bibl. Guelferb. cod. Graeci et Latini classici,
Lips. 1827, p. 5-12, nr. 20 (saec. VII). Blume, Agrim. II 6-30 (saec. VI vel VII). Mommsen,
ebenda 215-220 = Ges. Sehr. VII 459-463. M. Cantor, Mathem. Beitr. zum Kulturleben
der Völker, Halle 1863, 174. Die röni. Agrim., Lips. 1875, 95ff. Bubnov 427-443 (saec. VII).
Reproduktionen bei Heinemann II 3, 124-125, Bf. 88. Max Ihm, Palaeographia latina I,
Taf. III (f. 31'*', La. 217, 17-219,2) Text 4 r.nd Cliatelnin, Uncialis scriptiirn, Paris 1901,
Tab. XXIV (f. 73'), XXV (f.i02>-), Text 45 f. (saec. VII).
Die Randschriften des Coiyus agrimemorum Romanorum. \\
enthalten. Der letztere Teil von A f. 41^-83^ hat nämlich folgendes mit B
gemeinsam :
Agenni Urbici fragm. La. 77. 20-90. 21.
Hygini (rromatici Über La. 166-208]
Lex Mamilia La. 263-266/
Über die verschiedenen Zählungen der Blätter siehe den Katalog
Heinemanns II 3, i25\ Der Anfang von A (Bl. 2-16 nach dem Katalog
= 60 Spalten) und der ganze B (Bl. 84-1 56 nach dem Katalog =288 Spalten)
ist zweispaltig, das übrige einspaltig (Sp. 61-194)1 Lachmann rechnet
nach Spalten, und ich werde an dieser Zählung festhalten, um Verwechs-
lung zu vermeiden. Wenn nichts anderes angegeben ist, beziehen sich
meine Zahlen (z.B. A 160 B 33) immer auf seine Spaltenzählung. Aber
da jetzt mehrere Blätter des A fehlen, so kann eine übersichtliche Be-
schreibung dieser Hs. nur dann erreicht werden, wenn wir die richtige
Zählung, d. h. die nach Quaternionen, die auch auf das Fehlende Rück-
sicht nimmt, danebenstellen. Diese bezeichne ich mit einem vorgestellten f ,
die des Katalogs durch Kat. Für B, der aus neun vollständigen Quater-
nionen besteht, aber am Ende abrupt abbricht, genügt die Spaltenzählung
Lachmanns.
Quaternionen Zählung
Zählung des Katalogs
Lachmann
A I
f.
I fehlt
Kat. I Vorsatzblatt
2-7
2-7
Spalte 1-24
8 fehlt
11
9-16
8-15
25-56
III
17
16
57-60
18-23
17-22
vSeite 61-72
24 fehlt
^ Nach der ältesten Paginierung mit römischen Ziffern des 16. Jahrhunderts standen
die Blätter Kat. 3-6 zwischen 124 und 125, die Blätter 66-72 zwischen 91 und 92. Die
zweite Paginierung mit arabischen Ziffern hat diese Blätter in richtiger Ordnung, andere
aber in Unordnung: Kat. 79-83 standen zwischen 15 und 16, Kat. 66-78 waren durcheinander-
geworfen. In der dritten, von Ebert und Blume berKitzten, die schon der Abschrift des
Arcerius zugrunde liegt (also nicht von Scriver herrührt), sind die Blätter Kat. 8-15 und
16-22, d.h. die Quaternionen II und III, umgestellt.
^ A 191 (Kat. 82) ist in eine breite und eine schmale Kolumne geteilt, nur weil neben
den in einer Kolumne übersichtlich aufgeführten Limites Platz noch übrig war. La. be-
zeichnet sie 191a u. 191b.
2*
12
C. Thulin:
Quaternionen Zählung
A IV
V
VI
VII
VIII
IX
XI
XII
XIII
25
26 fehlt
27-32
33-40
41-48
49-51
52-54 fehlen
55-56
57-64
65
Ein Blatt fehlte von
Anfang an
66-71
72-77
78 fehlt
79
80-83
84 fehlt
85
86 fehlt
87
88-95 fehlen, viel-
leicht noch mehr
96-99
1 00-101 fehlen
102
103 fehlt
Zählung des Katalogs
Kat. 23
24-29
30-37
38-45
46-48
49-50
51-58
59
60-65
66-71
72
73-76
77
78
79-82
83
B I-IX
84-122 (123 Umschlagblatt)
124-156 (157 . )
Lachmann
Seite 73-74
75-86
87-102
103-118
119-124
125-128
129-144
145-146
147-158
159-170
171-172
173-180
183-184
185-192
193-194
Spalte 1-156
157-288
Der erste Teil des Arcerianus besteht jetzt aus 82 Blättern, die auf
12 Quaternionen verteilt sind. Von 96 Blättern fehlen also jetzt 14, unter
diesen sowohl das erste als das letzte. Da die Hs. demnach am Anfang
und Ende defekt ist und unglücklicherweise die Zahl der Quaternionen
nicht, wie in B der Fall ist, bezeichnet ist, so fehlt uns jede Möglichkeit,
die ursprüngliche Größe desselben auszurechnen. Daß im Innern nach
dem 1 1 . Quaternio wenigstens ein ganzer, vielleicht mehrere Quaternionen
weggefallen sind, ergibt sich aus dem Zusammenhang \ Von sieben Blättern
sind Teile weggeschnitten (Kat. 20, 21, 59,60,62,64,73). Die Lücken
* Reste davon sind noch in J vorhanden (s. unten Nr. 14).
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum, 13
werde ich in der folgenden Übersicht durch kleine Schrift bezeichnen.
Einige von diesen sind jünger als die Abschriften der ersten Hälfte des
1 6, Jahrhunderts: V{atic. 3132) und J(ena I56)\
1. Gromatisches Bruchstück. (M. Junius Nipsiis?)
1-9 (f. 2-4) La. 291, 13-295, 15 erit pars citrata - - remansisse.
f. I fehlt, das den Anfang dieses Fragments enthielt: La. 290, 17-291, 13 (23 Zeilen
bei La.) Si in agro adsignato veneris - - in orientem crescent. Vgl. EF Nr. 8e, lo;
P Nr. 6b. Da eine Seite von A 20 Zeilen bei La. entspricht und jene fehlenden
23 Zeilen also nur etwas mehr als eine Seite in A füllten, so muß das erste Blatt
noch mehr enthalten haben. Aber wie viel hier noch ausgefallen ist, können wir
nicht entscheiden, da die Quaternionen ungezählt sind und wir deshalb nicht wissen,
ob der jetzige erste Quaternio auch ursprünglich der erste war. Nur so viel
kann man aus den Hss. EF schließen, daß auch in der jenen Hss. zugrunde lie-
genden Hs. der A-Klasse Nypsus der zuerst erwähnte Autorname war (s. § 12).
Wahrscheinlich stand auch der Abschnitt lAmitis repositionem (s. EF Nr. 8b, f, 9b =
La. 286, 11-290, 6, Schluß fehlt) einstmals am Anfang des A.
2. Geometrisches Bruchstück. (M. Jiiniiis JVipsiis?).
9-18 (f. 4-6) La. 295, 16-301, 14 poDisMvs. Mensurarum genera
sunt tria Ut queramus singulas precisuras Der Schluß
fehlte schon in der Vorlage. Die hier folgende Subskription m. ivni
Nipsi LiB. ExPLiciT bcwclst dcshalb nicht, daß Nipsus der Verfasser
dieses Traktats oder dieser beiden Nr. 1-2 sei, wie Lachmann in
seiner Ausgabe angegeben hat. Einen Titulus ohne folgenden Text
gibt A Nr. 13, eine Subscriptio ohne vorhergehenden Text B Nr. 6.
Es ist also möglich, daß, wie Bubnov 428 meint, die Schrift des
Nipsus zusammen mit dem Schluß des Podismus ausgefallen ist.
Aber beweisen können wir auch dies nicht, denn die von Bu. ver-
mißte entsprechende Überschrift M. Juni Nipsi lib. incipit kann sehr
gut vor dem Anfang des A verloren gegangen sein. Sachlich ist
die Frage von geringer Bedeutung, da wir von diesem Nipsus sonst
nichts kennen.
3. Epaphroditus et Vitrurius Rufus, geometrisches Kompendium, aus-
gezogen aus zwei verschiedenen Schriften. Vgl. E Nr. 1 2 und die Exzerpten-
hss. (N Nr. 6, B" Nr. 3, Y cap. XXIV-XXV).
18-60 (f. 6'-l']^, Kat. 6-16'). INCIPIT APROFIDITI FELICITER ET BETRUBI
RUFi ARCKiTECTONis | 19. TrigoM Uortogoui cJmtetus tot iv^era fadunt.
' Siehe Rhein. Museum 1911 »Humanistische Handschriften des Corpus agrim. rom...
14 C. Thulin:
EXP. LIB. APROFODITI ET BETRUBI RUFI ARCKITECTONIS. AbgedrUCkt VOIl CailtOr,
Die röm. Agrim. 1875, 208-215. Herausgegeben von Bubnov
516-551. La. hat diesen Text nicht aufgenommen.
f. 8 fehlt. Die Lücke, Bubn. § 8-1 1, wird durch E f. 28-29 ^^^ ^^^ Exzerp-
tenhss. gefüllt.
4. Exzerpte aus dem Handbuch^ des Julius Frontinus (De agrorum
qualitate, De controversiis, De limitibus, De arte mensoria). Vgl. P Nr. 3,
EF Nr. 8 acg, 9c.
60-82 (f. ly^'-T^o^, Kat. i6'-27') -- La. i, 1-34, 13. inc. iuli fron-
tin i DE AGRORVM QVALiTATE FiLiciTER | 6i. Agvorum qualitütes sunt tres - - -
exegerii perducere. iuli frontonis lib. exp. feliciter.
f. 24 und f. 26 fehlen jetzt, und von f. 21 und 22 (Kat. 20-21 ; Sj). 67-70) ist der
unterste Teil abgeschnitten. Die Lücken La. 22, 9-24, 10 = 20 Zeilen, 27,9-28,9 =
18 Zeilen und 19,1-20,2 werden durch resp. FP, Fund P gefüllt, die Figuren 15
und 17 sind in den Abschriften J Verhalten.
Lach mann hat S. 26 den Titel ex libro frontini secundo falsch aus G 213
(s. P Nr. 6f) hierhergezogen (Bu. 4o6f.). Den ganzen Text, den er 34,15-58,23
unter dem Titel Frontini lib. II De controversiis agrorum herausgibt, hat er selbst aus
Agennius Urbicus La. 59-90 viel zu kühn herauskonstruiert. S. Eianos suec. 1911
»Kritisches zu Frontinus«. Mo., Ges. Sehr. VII 470.
5. Liber regiomim I.
82-110 (f. 30''-44'', Kat. 27'-4i') = La. 208-228, 2 ; 229, lobis
239» 19- INC. lib. avgvsti caesaris et neronis I 83. In provindnm Lucaniam
--- distinxit ac dechrauii exp. feliciter. Der Schluß 239, 17-19 ist
mit sehr großen Kapitalen gemalt. Am oberen Rand von Aiio
steht mit schwarzen griechischen Buchstaben der Name AAEABHPen
nYxenp, wohl der Maler der Figuren. Vgl. § 5.
La. hat die Prouincia Yaleria 228,3-229,9 aus P f. 67-68 falsch
hierhergezogen.
6. Hygini Gromatici constitutio limitum und daran angehängt Lex
Mamilia.
1 10-159 (f. 44''-72'", Kat. 4i'-66) = La. 166, 1—208,4 inc. hygyni
constitvtio. Inter omnes mensurarum ritus - - formam descrihamus.
* Agennius Urbicus sagt mit den Worten des Frontinus La. 64,11 uno enim libro in-
stituimus artificem, alio de arte disputauimus. Die in A Nr. 4 erhaltenen Exzerpte gehören zu
der Institutio artißcis (d. h. agrimensoris). Von der anderen Schrift des Frontinus besitzen
wir nur Fragmente in der Überarbeitung des Agennius (s. A Nr. 7, B Nr. 1-2).
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 15
159-161 (f. 72''-73'. Kat. 66-67) = La. 263, 1-266,4 lex mamilia
ROSCIA PEDVCEA ALIAENA FABIA K. L. HI. QuaC COlonitt daUfinaS eStO EXP.
KYGYNI GROMATICI CONSTITVTIO FELICITER.
f. 52-54 und 66 fehlen ganz (La. 177,4-181,4 und 197, 19-198,20); von f. 62
ist die obere Hälfte (Sp. 151 die Figur 195; Sj). 152 der Text La. 202,18-203,6),
von f. 64 der unterste Teil weggeschnitten (Sp. 155 La. 205,14 ein Wort und eine
Figur, wie erhaltene Spuren zeigen; Sp. 156 der Text La. 206,14-15 lineariis - -
dimidiö). Diese Lücken, die durch BP gefüllt werden, waren schon vor dem 16. Jahr-
hundert da: denn in der Jenaer Abschrift wird der Text nach B, die Figuren
nach P ergänzt, in der Vatikanischen nur der Text 197, 19-198, 20 und 206,14-15,
die anderen Lücken durch leeren Raum bezeichnet.
Von den f. 65 und 67 (Kat. 59 u. 60) fehlt jetzt das mittlere Drittel, da die
Figuren 182, 184, 191 und 193 weggeschnitten sind. Diese Figuren sind aber durch
die Abschriften J V noch erhalten. Wahrscheinlich hat erst Mortaigne (s. § 5)
diese Lücken gemacht.
7. Bruchstück von Ageiini Lrbici De controversiis agrorum. Am
Anfang das Bild des Feldmessers. S. B. Nr. i .
161 (f. 73'« Kat. 67) INC. AGENI VRBICI DE CONTROVERSIIS AGRORVM.
162 (f. 73^. Kat. 67') Bild des Feldmessers'.
163-179 (f. 74'■-83^ Kat. 68-76) = La. 77, 20-90, 21 (cum per
omnium (falsch für (ad luteum Feroniae) Agustinorum mentiri
artifices coguntur. ageni vrbici lib. ex?.
f. 78 fehlt. Die Lücke (La. 83,13-84,16 vgl. 51,7-52,15) wird durch B ge-
füllt. In J V wird der Text nach B ergänzt. Von f. 80 (Kat. 73) ist der untere
Teil mit zwei Figuren (La. 86, 15 u. 87,8) und dem Text La. 86, 14-15 wegge-
schnitten. B ersetzt den Verlust des Textes, aber hat keine Figuren^
8. Gromatisches Exzerpt. Vgl. EF Nr. 9 a.
179-180 (f. 83. Kat. 76) = La. 285, 1-286, 10. inc. fwminis va-
RATio. si in agri quadratura - - erit laütudo flumlnis.
9. f. 84 fehlt. In der Jenaer Abschrift S. 142 (f. 71^) folgt hier die Subscriptio Exp.
fluminis variatio; dann das Fragment La. 244, 1-17 Incipit uh. Nomina agrimensorum
quis (s auf Kasur) in quo officio militahant (rot). Primo inuenitur - - conmlibus (fehlt
in V); dann das Gesetz De sepulchris, dessen Anfang La. 271, 1-12 jetzt in A fehlt:
Jena S. 142 Vat. 69'* de sepvlchris Imp. Tiberius Caesar - - publica propter
1 Fr. Marx, Digitis computans, Jahrb. f. klass. Phil. 27 Supplementband 1902, 195-201
meint, es sei ein Bild des Euclid. Vgl. § 7 Die Miniatur>jn.
2 In der Figur La. 41 A 177 stehen einige belanglose Federübungen späterer Schreiber:
über dem Strom ego aut dixi an mea (karol. Minuskel), unter dem Strom mi^erere mih dn (lange
Üitterschrift), unten an der linken Ecke gisebhertus (diploinat. Miuusk.) und darunter abis s
stux (karol. Minuskel; vgl. Dlume 10, Anm. 11). Die Buchstaben tu des Wortes gisebhertus
sind jedoch unsicher. Vielleicht ist zu teilen Gisebbe (d. i. Giuseppe) r - - s.
16 C. Thulin:
10. De sepulcliris (der Anfang stand auf f. 84). Vgl. P Nr. 2 c.
181-182 (f. 85. Kat. 77) La. 271, 12-272, 23. testimonium
in aedem Beneris genetricis.
11. f. 86 fehlt. Blume 24 hat die falsche Vermutung alisgesprochen: »Auf dem
siebenten scheint nur die Zeichnung gestanden zu haben, die sich jetzt fol. 72^ der Jenaer
Abschrift befindet« (vgl. Blume 38 »J fol. 72^ Zeichnung von dem nach A 182 fehlenden
Blatte«). Diese Zeichnung ist nämlich genau dieselbe wie die in A 182 erhaltene Fig. 210,
die zu De sepulchris geholt. Ein Exzerpt aus den Digesta gromatica stand gewiß auf dein
fehlenden Blatt.
12. Über Grenzsteine. Aus den Digesta gromatica.
183-184 (f. 87, Kat. 78) = La. 242, 7-243, 17 ratio militiae ad-
siGNATioNis PRIMA. TriumuiraUs lapides Graccani slgria sunt finalia
consütuta (La. Fig. 206) ratio limitiae adsignationis prima explicit. Vgl.
P lod. Lachmann hat das Stück mit Unrecht in den Liber reg. I
eingerückt (Mo., Bonn. Jahrb. 95-96, 281 ~ Ges. Sehr. VII 473).
13. Der Titel der verlorenen Geometrie VaiTOs.
184 fin. (f. 87^ fin. Kat. 78 ) incipit liber marci barronis de geometria
(eo auf Rasur) | ad rvfvm feliciter silbivm. Hier endet ein Quaternio.
f. 89-96 oder wenigstens ein Quaternio (vielleicht mehrere) fehlt jetzt, mit dem
die Schrift Varros oder Exzerpte daraus verloren gegangen ist. Auf eine gro-
matische Handschrift, die diese Schrift noch enthielt, bezieht sich vielleicht das
von Mommsen, Agrim. II 219 = Ges. Sehr. VII 462 zitierte Zeugnis von etwa 1390
über eine Hs. des Petrarca, die später nach Mailand kam: librum M. Varronis de
mensuris orbis terrae, librum quidem magnum in antiquissima littera, in quo sunt quae-
dam geometricae figurae. Auch der falsche «Boetius«, der diese Schrift Varros nach
Cassiodorus, De Geometria zitert hat (s. La. 393,8-17), sagt quae - a Varrone de
mensuris ostenta sunt (s. Migne, Patrol. lat. 63, 1359c). Mo. meint, die jetzt ver-
schollene Hs. des Mailänders Alciatius (s. S. 6), die u. a. M. Vari-o de arithmetica
enthielt, könnte recht wohl die Hs. Petrarcas sein. Da wir jetzt das Mailänder
Fragment (oben S. 7) einer uralten Gromatikerhandschrift von ungewöhnlich großem
Format und sehr altertümlichen Lettern kennen, so führen die Worte librum magnum
in antiquissima littera ungesucht den Gedanken auf diese. Bubnov glaubt in
£28,19-35,23 und B 156-169 Reste der Varronischen Geometrie zu finden. Diese
Texte sind herausgegeben von Bu. 494-508.
14. Die Subscriptio von A Nr. 12 und der Titel Varros, die V ausgelassen hat
(Ratio limitiae adsignationis prima exp. \ Incipit liber Marci Varronis de Geometria ad Ruf um),
sind in J 145 (f. 73'") nachträglich zwischen der 26. Zeile und der am unteren Rand ge-
zeichneten Fig. 206, die zu Nr. 12 gehört, eingetragen. Die nächste Seite des J, 146 (f 73^)>
enthält folgende sehr korrupte Bruchstücke, die in A jetzt fehlen und wahrscheinlich aus
Resten von Blättern, die ihren Platz hier gehabt haben, stammen :
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Roumnorum. 17
a) PROVINCIA CALABRiA siue Cardmis vel Decimanos - - ex litteris Graecis (La. 225, 5
bis 13). Die zwei ersten Worte" geliören nicht mit dem folgenden Text zusammen,
dessen Anfang defekt ist. La. hat diesen Text nach P Nr. 10 b mit Unrecht in den
Liber regionum I aufgenommen (s. Mo., Agrim. II 165-167, Bonn. Jahrb. 95-96, 281).
h) PYRRVS. Mensurarum sunt genera tria, rectum Planum solidum. Rectum . . . (drei
Zeilen leer gelassen); nach Bubnov Fragment der Geometrie des Pyrrhus geometra
(s. u.). Aber vielleicht ist Pyrrhics hier ebenso willkürlich vorangestellt wie
Provincia Calahria im Vorhergehenden. Lachmann 245-6 hat mit Unrecht ein Stück
ans Epaphroditus und Vitruvius (A 55-57) mit den Fragmenten b und c des J ver-
bunden, weil dieselben Worte Mensurarum genera sunt - - rectum dort vorkommen
(Bubnov 549 c. 37). Der »Podismus« (oben A Nr. 2) fängt mit ebendiesen
Worten an. Vgl. auch Baibus La. 96,21-97,2. Es liegt nahe, der Geometrie
Varros Worte zuzuschreiben, die so wie diese Gemeingut der röm. Geometrae ge-
worden waren.
c) Bruchstück unbekannter Herkunft: iugera XL possidet - - restitutus est militem
La. 246,10-23. Der letzte Teil 246,16-23 Ex commentario JJrhici -- militem ist
in J rot geschrieben, war also sicher in A mit großen Buchstaben gemalt, ebenso
wie der Schluß vom Liber regionum I La. 239,17-19 et formas ciuitatium -- de-
clarauit. Mit diesem Bruchstück endete wahrscheinlich ein neuer Liber regionum.
Vgl. P Nr. 10.
15. Casae litterarum ohne Über- und Unterschrift.
185-190 (f. 96'-98\ Kat. 79-81') = La. 327, 4-331, 7. Casa
quae per A nomen habet - - fines qua legis hoc habeUs. Vgl. S. 7,
Cod. Berlin fol. 641.
16. Nomina agrorum, limitum, lapidum finalium.
a) 190 (f. 98"", Kat. 81') == La. 246, 24-247, 20 incipivnt nomina
AGRORVM - - EXPLICIVNT NOMINA AGRORVM, FELICITER. Vgl. P Nr. 9.
h) 191 (f. 99', Kat. 82) = La. 247, 21- 249, 31 incipivnt nomina
LiMiTVM. Limites orientalis - - Limites qui per antica et postica diuidun-
tiir (vgl. P Nr. 1 1 ). Sunt limites n. XXVIIII, agrorum n. XVIIU.
Dann mit großen Kapitalen ein hier eingeschobenes Fragment:
Ideoq. y>Umes agro positus litem ut discerneret agris»^ (Vergil. Aen. XII
898). Nam ante lobem limte non parebant qui diuiderent agros (vgl. P
Nr. I b). EXP. NOMINA LIMITVM.
C) 192 (f. 99"", Kat. 82') EX LIBRO BALBI NOMINA LAPIDVM FINALIVM (mit
fetten hohen Kapitalen). Kein Text fblgt. Schon die Vorlage war
' Bub 11 UV 430 hat diese Worte falsch erklärt. Er meint, sie seien aus den Schluß-
worten des Varronischen Titels feliciter SUuium korrumpiert, da J nur Incipit - - ad Ku/um
hat. Aber der Titel ist in .1 unten S. 145 nachträglich (wenn auch von der ersten Hand) ein-
geführt, die Worte Provincia Calahria stehen auf S. 146.
Phü.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Ahh. Tl. '^
18 C. Thulin:
also defekt. Nur die Hälfte der Seite ist nachträglich durch die
Zeichnungen La. Fig. 207 gefüllt. Vgl. EF Nr. 5 und »Boetius«
La. 404-406.
f. roo-ioi fehlen. Daß sie, wie EF Nr. 5, die Reihe der Grenzsteine mit Zeichnungen
enthalten haben, soweit sie in der Vorlage vorhanden waren, dürfen wir dai-aus schließen,
daß auf f. 103 der letzte in der Reihet Cippus, gezeichnet und darunter wie oben nach
den agri und limites die Zählung ßunt n. XXXII geschrieben ist.
193 (f. I02'', Kat. 83). Drei cippi, die erste mit Inscription; dar-
unter: Fiunt n. XXXII. Mit dieser Summierung endet die Reihe
der lapides finales, wie vorher die der limites und agri". Vor der
Subscriptio ist aber genau wie bei jenen etwas eingeschoben, näm-
lich ein Bruchstück des Catalogus geometrarum mit einem Zitat aus
des Pyrrhus Kommentar zu Aratus:
d) geomelra Pyrrus Magnus (i. e. Magnes). Arestijllydes (i. e. Ari-
stylli duo). Apollonius^ . Pyrrus geometra in atro (i. e. Arato) dixü:
principium (i^stum ȧ iouem (leg. ex love) indpiamus<^ falsum dkitj,
quoniam ex iouem non ad {on a ausradiert) iouem ordinamus (i. e.
quoniam a loue, non ex love ordiamur). Euclydis siculus arismetica
scribsit . exp. nomina lapidvm finalivm feliciter.
e) 194 (f. 102'', Kat. 83') Zeichnungen von Grenzzeichen La. Fig.
208-209 ohne Text.
f. 103 fehlt. Ob noch mehr, muß eine offene Frage bleiben. Aber da die zweite Hand-
schriftenklasse (P) besonders Exzerpte aus den Digesta gromatica (s. § 9) vor der ersten
voraus hat, so verdient es beachtet zu werden, daß der letzte Quaternio des A, der eben
Exzerpte aus diesen Digesten enthält, nicht nur sehr defekt, sondern auch ohne Zusammenhang
mit dem vorhergehenden ist. Wir müssen also mit der Möglichkeit rechnen, daß viele von
jenen Texten, die jetzt nur in der zweiten Handschriftenfamilie erhalten sind, in A selbst
ausgefallen sein können.
^ Bei »Boetius« La. 406 ist cippus der vorletzte.
^ Die Erklärung von E. Maass, Aratea, Philol. Untersuchungen. Heft XII, Berlin 1892,
S. 122 und von Fr. Marx, Jahrb. f. klass. Phil. 27 Suppl. 1902, 198, der die Worte mit den
folgenden verbindet und Fuerunt numero XXXII geometra (e) liest, halte ich für unrichtig trotz
der griechischen Analogie, Kaibel GGF I i, S. 9, 15 thc ag n^ac KOMtpAiAC rerÖNACi m^n
noiHTAi ia'. AaEiOAOrcöTATOi A^ TQ-fTWN «t^iAtHMCoN MeNANAPOC USW. Hier wird geometra Pyrrus
durch das folgende Pyrrus geometra geschützt.
^ Die Lebenszeit des TT^ppoc MArNHC ist unbekannt, die drei anderen gehören in
das 3. Jahrh. v. Chr. (s. Maass, Aratea 22, 122, 162).
* Fr. Marx, a.a.O. »eine Notiz, durch die die Heimat des Euclid als gesichert über-
liefeit betrachtet werden muß«. Die Erklärung Bubnovs 432 ist verfehlt.
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 19
B
Der zweite Teil des Arcerianus besteht jetzt aus 72 Blättern in neun
vollständigen Quaternionen, die durch unten rechts an der letzten Seite
jedes Quaternio angebrachte römische Ziffern (ohne q.) bezeichnet sind. Ur-
sprünglich war diese Hs. doch größer, da der Text der letzten Seite gleich
am Anfang der Schrift des Baibus abbricht. Da die Fortsetzung dieses Textes
in den Abschriften J und V erhalten ist, hat man Grund anzunehmen, daß
erst Mortaigne (s. S. 33) für diesen Verlust verantwortlich ist.
Der Text ist zweispaltig, 288 Spalten. Im Katalog f. 84-157 sind
die beiden Umschlagblätter 123 und 157 mitgerechnet, die Scriver um
die letzte Hälfte des B legte, als er sie absonderte und dem Pontanus
sandte (s. S. 34).
I. Sp. 1-38 Bruchstücke des Ageniiius ürbiciis = A Nr. 7, aber
richtiger als in A ohne Überschrift, da der Anfang fehlt: Cum per omnium
coguntur. Acewi urbici lib 6xplicit.
2- 39-91 Bruchstücke des Agcniiiiis ürbicus und Hyginus.
Am oberen Rand von Sp. 39-40 = Kat. f. 84 ist eine rote Überschrift incipit lib //////////
mit kleinerer Schi-ift, aber von der eisten Hand gezeichnet (Taf. III). Da der Text mit der
ersten Zeile anfängt, so ist es offenbar, daß anfangs die Übersclirift fehlte und jene vom Schreiber
nachträglich gemäß der großgeschriebenen Subscriptio B91 exp lIb ////// hier am Rand hin-
zugefügt worden ist, genau wie die Überschrift B 157 (s. unten). Das Wort nach lib ist an
beiden Stellen ausradiert und in der Rasur der Überschrift (etwa 10 Buchstaben) mit schwarzen
Halbkursiven des 7.-8. Jahrhunderts der Name Sinplicixxs (us sogleich wieder getilgt) einge-
tragen, den der Koirektor aus den falsch verstandenen Worten der vorhergehenden Seite
nam et simplicius enarrare condiciones earum existimaui (La. 89, 26) herausgelesen hattet Dieser
Name lebte in den Ausgaben fort, bis Lach mann ihn tilgte. Die frühen Abschriften J V
waren aber kritischer, denn V bemerkt dazu *hoc additum aliis literis puto adulierum^ und J
S. 107 schreibt in der Überschrift liber ageni vrbici ii, in der Unterschrift S. 122 exp. liber
AGENi. Ich glaube, daß J den richtigen Namen wieder eingeführt hat und daß Niebuh r.
Lachmann, Blume und Mommsen in den zerstreuten Fragmenten dieser Kolumnen mit
Recht den defekten Anfang der in den Kolumnen 1-38 enthaltenen Schrift des Agennius er-
kannt haben. Bubnov 433-435 hält sie für Fragmente der von Agennius benutzten Schrift
des Frontinus, hat aber keine gültigen Beweise dafür bringen können. Denn Agennius hat
, r.. .. ,„.,., ^.\
Diesen Ursprung des Wortes erkannte schon Rigaltius, Notae apud Goes. 232 und
249. Die Erklärungen Blumes, Rhein. Mus. f. Jurispr. V 375 und Lachmanns, Agrim. H
120 sind insofern falsch, als sie nicht gesehen hatten, daß Sinplicitts auf Rasur steht und
in der Unterschrift der ursjjrüngliche Name gleichfalls ausradiert ist. Der Korrektor hat
den »richtigeren« Namen einführen wollen, die Schlußsilbe aber wieder verwischt, da er fand,
daß der Genitiv hier erforderlich war. Auch Bubnov kennt diese Rasuren nicht.
3*
20 C. Thulin:
den Frontin meistens wörtlich zitiert mit eigenen Zusätzen ; es ist also nicht zu verwundern,
wenn wir bei ihm Worte wiederfinden, die anderswo als Frontinisch angeführt werden, wie
die Worte La. 73, 28-74, 10 si termini desint - - in totum debet in P 50^^ (Nr. 6f) unter der
Rubrik y>Ex libro Frontini secundo<^ exzerpiert sind, und die Worte La. 68, 6 in illam quoque
uelut exstantium argumentorum oportunitas aptatur in wenig veränderter Fassung vom späten
Kommentator des Frontinus dem Fr. zugeschrieben werden: La. 10, 19 m istis, ut uit Fron-
tiniis, velud instantium argumentorum oportunitas controversialis aptatur.
Gegen jene Annahme Bubnovs gilt meines Erwägens als der kräftigste Beweis die
Beobachtung, daß in den Fragmenten der Kol. 39-91 und in dem Bruchstück Kol. 1-38
nirgends dieselbe Sache zweimal erwähnt wird, sondern im Gegenteil jene späteren Frag-
mente das erste lange Bruchstück inhaltlich ergänzen. Wie wäre es möglich, wenn die
Kol. 1-38 den Agennius, die Kol. 39-91 Fragmente der von ihm benutzten Schrift des Fron-
tinus enthielten?
Aber in diesen Kolumnen steht auch Kol. 75-83, ein Abschnitt, der sachlich wie
sprachlich gleich von der Umgebung sich unterscheidet und dem Frontin, wie Bubnov
meint, am wenigsten von allen bekannten agrimensorischen Schriftstellern zugeschrieben
werden könnte. Lachmann hat ihn mit Recht ausgesondert, aber isoliert herausgegeben
S. 281-284. In Eranos suec. 1910, 185-199 habe ich dargetan, daß dieser Abschnitt den
erwünschten Anfang des in den Kol. 101-129 enthaltenen größeren Bruchstücks des Hygin
bildet. Von den übrigen Hj'^ginusfragmenten ist er nur durch das hierher verschlagene
Agenniusstück der Kol. 83-91 geschieden, das ganz am Anfang vor den Kol. 39-43 hätte
stehen sollen.
iNcipiT LiB lim II III {Sinplicms in der Rasur). S. Taf. III i .
39-43 (Agennius Urb.) La. 62,17-64,1 44 Zeilen
43-46 » ' » fl 71,18-72,21 = 34 Zeilen
46-50 >. » » 73,11-74,10 = 33
50-56 » » » 74,16-76,17 = 64 »
56-59 y> » » 76, 19-77, 18 = 31
Summa ... 162 Zeilen
59-64 » » >) 65, 14-67, 10 = 49 Zeilen
64-71 » » .) 67,16-70,9^ == 75
71-75 » » » 64,1-65,12 =40 »
Summa ... 164 Zeilen
15~n (Hyginus) La. 283,21-284,17 = 20 Zeilen
77-83 » » 281,1-283,21 =64 »
Summa ... 84 Zeilen
83-91 {Agennius Urb.) La. 59, 4-62, 15 84 Zeilen.
€xp LIB /////// S. Taf. III 2.
Der Schluß ist defekt.
Die Handschriften des Corpus agrimensorum liomanorum. 21
3. 91-156 vier Bruchstücke des Hyginus (de limitibus, de agris, de
controversiis) und vier des Siciilus Flaccns (de condicionibus agrorum),
die durcheinandergeworfen sind, da die Blätter der Vorlage in Unordnung
geraten waren.
91 INC ^e LIMITIB- HYGINI
91-97 Hyginus La. 111,9-113,18 = 62 Zeilen
97-101 Siculus Flaccus » 138,3-139,19 =40 »
101-129 Hyginus » 115,15-128,4 =262 »
129-133 Siculus Flaccus « 139,20-141,22^=44 »
'i-ZZ-'^il " » '' 145,2-146,21 =41 >.
137-149 Hyginus » 128,4-133,1 = 104 (36 4- 8 -f 60) Zeilen
149-153 Siculus Flaccus « 146,21-148,19 = 43 Zeilen
153-156 Hyginus » 133,1-134,13 =36 »
<>6 LIMITIB HYGIN 6XP F6LICITeR
Obgleich der Text des Siculus Flaccus in P Nr. 5 fast vollständig und in richtiger
Ordnung überliefert war, entdeckte erst Lachmann, Agrim. 11 137, daß die in Hygin ein-
geschalteten Stücke mit diesem Text des Siculus in P identisch wären und hierher ver-
schlagenen Blättern der Vorlage entsprächen. Von den vier ungleich langen Abschnitten
(40-44 Z. La.) hängen je zwei zusammen, und zwischen ihnen fehlt ein Abschnitt von
84 Zeilen (142,1-145,2), der in P erhalten ist. Die zwei langen Hyginusbruchstücke sind
also in Siculusblätter hineingelegt worden. Scheinbar paßte auch der Hyginustext La. 115, 15
Quaestorii autem dicuntur usw. vorzüglich nach dem Text des Siculus 138,3-139,19, in dem
die Occupatorii agri behandelt waren, die auch bei Hygin den Quaestorii vorhergingen; und
auch der Anfang des nächsten Siculusabschnittes La. 139,20 E/rgo ut supra dixi consuetu-
dines regionum maxime intuendae sunt konnte dem Anschein nach seinen richtigen Platz nach
dem Hyginustext La. 126-128 haben, in dem dasselbe oft gesagt war (126,21 quique con-
suetudines fere per regiones suas hahent. 127,4 ohseruat suaim) quaeque regio ut dixi con-
suetudinem).
Den Text des Hyginus 108 ff. hat La. ohne überzeugende Beweise (Agrim. II 140 f.)
durch Auszüge aus dem Commentum in Frontinum [Aggeni ürbici] erweitert. Dagegen
fanden wir oben Kol. 75-83 ein Hyginusfragment, durch das die Abteilung De agris Kol. 101-129
La. 115,15-123,16 vervollständigt wird.
Die Über- und Unterschrift sind auch in diesen Kolumnen 91-156 ungenau. Die
Überschrift Inc. de limitib. Hygini bezieht sich nämlich nur auf das erste kurze Bruchstück
Hygins, und die Unterschrift ist danach falsch geschaffe^^ ohne Rücksicht auf den übrigen
Inhalt dieser Kolumnen.
Hier folgt ein Umschlagblatt, Kat. f. 123, mit der Aufschrift am unteren Rand Sum
Petri Scriverij.
^ Vom Text des Siculus Flaccus fehlen hier in B 84 Zeilen La.
22 C. Thulin:
4. 157-164. iNcipiT LIB6R HYGiNi GROM^Tici (obeii am Rand mit kleinen
roten Unzialen).
Multiplicatio in omnemlogon {leg.polygonon) adicio partem XXVI. , .
Geometrisches Fragment ed. Bubnov Gerberti op. mat. 503-508,
der es dem Varro zuschreibt. Die falsche Überschrift hat der
Schreiber nachträglich hinzugefügt, wie oben Kol. 39, dazu verleitet
durch die Subscriptio Nr. 6, die nach dem nächsten anonymen Frag-
ment Nr. 5 folgt, ohne dazu zu gehören.
5. 164-207 nunc papilionum tensionem - - - si vitari non
potuerunt. Fragment der dem Hygin ohne Grund zugeschriebenen Schrift
»De munitionibus castrorum« ed. Lange 1848, Gemoll 1879, Domazewski
1887. Dieser Traktat folgt in B ohne Unterbrechung auf Nr. 4 und setzt
nicht einmal mit neuer Zeile an. Aber der Anfang und Schluß fehlen,
weil in der Vorlage des B Blätter vorn und hinten weggefallen waren.
6. 207. LIB6R GROMhTICVS HYGINI Ze SIVISIONIB. ÄGRORVM 6XPLICIT.
Nur diese Unterschrift ist erhalten. Die Schrift selbst war zu-
gleich mit dem Schluß der vorhergehenden verloren gegangen. Die
Abschriften J und V haben mit Unrecht versucht, durch Änderungen
die Subscriptio auf Nr, 5 zu beziehen: J schreibt de divisionibus
castrorum, V de municionihus castrorum.
7. 207-288. Hyginus Grom. und Lex Mamilia = A Nr. 6.
d) 207. INC LiB HYGINI gro|maticus. 208-283. luter omnes mensura-
mm ritus - - formam descrihamus La. i66, 1-208,4.
h) 283-287. Quae colonia - - - damnas esto La. 263, 1-266, 4.
288. LIB6R HYGINI GROMATICUS 6XP
Der Schluß der Überschrift m^ticus steht auf Rasur. Ursprünglich war
der Titel länger (vgl. oben A Nr. 6) und die vier ersten Zeilen des Textes
in dieser Kolumne geschrieben. Der Schreiber selbst hat sie wieder aus-
radiert und mit der Kol. 208 den Text angefangen. Er hat ferner die
Überschrift der Lex Mamilia ausgelassen, da sie mit der Unterschrift nicht
zusammen paßte.
8. 288. Der Anfang des Baibus La. 91, 1-9.
INC LIB BALBI >\<> C6LSUM. eXPOSITIO CT RATIO OMNIUiW FORMARUM. JSotUm eSt
Omnibus Celse - - omnia.
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 23
Die Fortsetzung des Baibus La. 91, 9-107, 9 tibi nota cogitaueris ist erhalten
in den beiden Abschriften J f. 62-73 und V f. 103-110. In diesen folgt unmittelbar
darauf ohne Interpunktion
9. Jf.73 Vf. iio: ein Bruchstück oder Auszug aus der Geometrie des Frontin: La.
107,10-108,8 qualemcumque rectorum angulorum formam normam facturas. expLiciT libcr
FRONTONIS PRIMUS.
Lach mann hat dieses Fragment eingeklammert dem Baibustext angehängt. Aber
da die Überschrift des Baibus in B richtig erhalten ist, so kann die Unterschrift Explicit
liher Frontonis primus sich nicht auf Baibus beziehen, weshalb Bubnov mit Recht den Text
des Baibus La. 107, 9 unvollendet und ohne Subscriptio ausgehen läßt und das folgende
gemäß der Subscriptio als ein Frontinusfragment aussondert. In der zweiten Hs. -Klasse P G
hat diese Unterschrift zu der falschen Überschrift über Baibus lulius Frontinus Celso (s. P Nr. i)
Anlaß gegeben, da aus irgendwelchem Grund die ursprüngliche Überschrift, wie in F Nr. i
der Fall ist, ausgelassen war. Man darf aber nicht glauben, daß JV die Fortsetzung nach
dem Schluß des B aus Handschriften zweiter Klasse geschöpft haben; denn die Abweichungen
von den uns bekannten Hss. dieser Klasse sind viel zu groß, nicht nur in einzelnen Lesungen,
sondern auch in längeren Abschnitten (z. B. 94, 12-95, 5; 95» 1^-96,20 und 97,14-98,10
nur in JV). Außerdem reicht der Text der PG nur bis La. 106,8. Auch die Annahme,
daß J V die Fortsetzung des Baibus aus B geschöpft haben, ist freilich nicht ohne Bedenken.
In B waren nämlich keine Figuren, in JV sind schlechte durchgehends eingetragen, und
zwar öfters im freien Raum, den der Schreiber von Anfang an im Text dafür gelassen hatte,
in V nicht selten auch am Rand. Sie stimmen im ganzen so überein, daß man den ge-
meinsamen Ursprung nicht bezweifeln kann, wenn sie auch beide (V öfter als J) nach freier
Phantasie Eigenes hinzugefügt haben; und da J und V sonst voneinander ganz unabhängig
sind, so haben wir keinen Grund zu vermuten, daß es hier anders ist. Aber daß diese
Figuren nicht im Text der Vorlage standen, erhellt schon daraus, daß sie oft nicht nach
denselben Textworten in J und V eingefügt werden und oft in V am Rand stehen. Ent-
weder sind sie also einer anderen Hs. als der Text entnommen oder sie waren in der Vor-
lage am Rand nachträglich gezeichnet. Einen Beweis für die letztere Annahme sehe ich im
folgenden :
J hat nach La. 99,12 latitudinem tantum modo (om. V) habet, summitatis ßnes lineae (finis
linea est V) die Fig. 79 \J/__, die als Fig. 88 (La. 101,11) hätte stehen sollend Wie
sie hierhergekommen ist, erklärt V, dessen Text in Unordnung ist: nach 99,12 folgt näm-
lich eben der Text La. roi, 10-103, 21 Rectus angulus adiungitur aut aequatur (50 Z. La.),
dann 99,12-101,10 (27 Z. La.) mit Wiederholung der Worte tantummodo habet. Summitatis
ünes lineae am Anfang, schließlich 104,1 Forma est etc. V versucht den Übergang von 99,12
lineae zu 101,10 Eectus angulus dadurch zu vermitteln, daß er die Woite Triplex est angulus.
Hebes et acutus - - einschiebt. J hat die richtige Ordnung wiederhergestellt, aber die falsche
Figur beweist, daß in der Vorlage derselbe Text wie in V hier folgte und daß die Figur
dazu (Fig. 88) am Rande stand.
i Die von Uudorff-La. als 88 bezeichnete Figur des J ist vom Korrektor auf
Rasur gezeichnet (nach P). Ursprünglich stand hier A oder die Hälfte der Fig. 87 in P
(A A,). V hat an dieser Stelle als Fig. 79 die des P cnz^ , aber bei der Wiederholung der
Worte nach 103,21 die Figur \/^, wohl eine Versciilechterung der Figur des J.
24 C. Thulin:
Die Figuren der JV stimmen größtenteils mit den Figuren der PG-Klasse überein,
wenn auch sehr verschlechtert ', Aber da JV Figuren auch in den Stücken haben, die jetzt
in PG fehlen (La. 97,14-98,10. 106,13-108,8), so muß eine ältere und vollständigere Hs.
den Stoff zu den Bildern gegeben haben, wenn sie nicht an diesen Stellen vom Zeichner
frei erfunden sind.
§ 4. Das Verhältnis zwischen A und B.
A und B von ver- Trotz der auffallenden äußeren und inneren Übereinstimmungen zwischen
schiedeneii Händen ^^^ beiden Hälften des Arcerianus, die über ihre sehr nahe Verwandt-
schaft keinen Zweifel übriglassen, beweisen doch mehrere ausgeprägte
Unterschiede, daß sie von verschiedenen Händen geschrieben sind und
ursprünglich zwei verschiedene Hss. waren.
1. A hat 28 Zeilen auf jeder Seite, B 26.
2. In B sind die Quaternionen durch römische Ziffern numeriert, die
unten rechts an der letzten Seite jedes Quaternio angebracht sind. In A
sind sie unnumeriert.
3. Die Schrift ist in A bräunlich, in B schwarz.
4. Die unziale Schrift des A ist zierlicher und mit schöneren Rundungen
geformt als die des B, die etwas eckig ist. Auch mehrere einzelne Buch-
staben findet man bei näherer Prüfung verschieden:
A schreibt z.B. ^ ^ J' L N ^ S
5 . Ferner ist die Schrift des B durchgehend unzial, nicht nur im Text,
sondern auch in den größer geschriebenen Rubriken und den klein über-
geschriebenen Korrekturen. In A sind dagegen außer der unzialen Schrift
auch andere Typen zu verzeichnen:
a) mehrere Rubriken, Über- und Unterschriften sind mit Kapitalschrift,
capitalis quadrata oder rusiica, geschrieben z. B.
-"■PlloclsPvBllClS
■^ Rudorff hat auf den Taf. 9-12 der Ausgabe Lachmanns die Bilder des J wieder-
gegeben, aber dabei die vom Korrektor nacli P eingetragenen Zeichnungen von den ursj)rüng-
lichen nicht gesondert.
Ble Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 25
... [XrNOMINMIlylllCM
Auch im Text kommt diese Schrift vor, wo der gedrängte Raum es emp-
fiehlt, z. B.
A190 ^0P1S^/1AT^^ C>li^rQUAGgrNii5
Diese kleine Kapitalschrift ist genau dieselbe wie die Schrift der Bilder,
die also vom Schreiber des A selbst stammt, z. B.
FiR.x59. flA\lTIA Fig.M9. C;.UlIvJTA(llu5
b) am Schluß der Zeilen, und zwar besonders der letzten Zeile der
Seite, benutzt endlich der Schreiber des A oft, um Wortteilungen zu ver-
meiden oder Raum zu ersparen, eine kleine kursivähnliche Schrift,
die auf den Totaleindruck der schönen Unzialen sehr störend einwirkt, z. B.
A 61 fin. (La. 4, i) » '^P^i ^ -
A 81 (La. 33, 18) \.C<Zir>Q/lf^^^U/L^^
Da bisher als Proben aus A nur solche Seiten zum Publizieren gewählt
sind, die die unziale Schrift möglichst rein haben \ so füge ich als be-
zeichnendes Beispiel dieser Stilmischung die zweite (zweispaltige) Seite des
jetzigen A bei, in der die halbkursive Schlußschrift besonders häufig ver-
wandt wird (Taf. I). Eine Seite wie diese gibt den unwiderleglichen Be-
weis dafür, daß diese Halbkursive vom Schreiber selbst herrührt und mit
der unzialen Schrift gleiclizeitig ist. Für den kritischen Apparat ist es
wichtig, dieses klar zu erkennen. Wenn jemand die letzte Zeile der an-
geführten Seite allein sähe, so würde eü sicher sagen, daß singulis von
anderer Hand hinzugefügt sei. Lachmann hat nicht selten solche falschen
' Cliatelain, Uncialis scriptura, Paris 1901, tab. XXIV (f. 73'"). Max. Ihm, Palaeo-
grapliia latina I, Taf. III (f. 31"^).
PhiL-hist. Klasse. 1911. Anhang. Ahh. II. 4
26 C. Thulin:
Angaben, z. B. wenn er zu 169, 10 sagt »estimio oin. pr. A« oder zu 226, 2
» ces {add. sa cojt.) A « , während in der Tat pro estimio und cessn in Zeilen-
enden stehen und deshalb estimio und sa halbkursiv geschrieben sind'.
Für die Chronologisierung der Hs. ist diese Kursive von entscheidender
Bedeutung (S. 37).
6. Auch einige Ligaturen kommen in A vor, jedoch ziemlich selten
und nur an den Zeilenschlüssen:
ur i|i oder \R, us i| oder i^, ut lT, ul l^, unt \0 .
ns hf oder j^ , ntjl, nc jc.
as 9{y ae ^e.
In B ist dagegen ^e- die einzige Ligatur.
7. Der größte äußere Unterschied zwischen A und B ist jedoch der,
daß A Zeichnungen hat, B aber keine.
8. Dadurch wurde auch ein anderer Unterschied bedingt. Während
nämlich B, weil ohne Bilder, durchgehend zweispaltig geschrieben ist, ist
nur der Anfang des A 1-60 = f. 2'- 17'' in zwei Spalten geschrieben, die
fiir geometrische Figuren Raum genug gaben. Dagegen eignete sich in der
Fortsetzung für die großen gromatischen Zeichnungen nur die einspaltige
Schreibung, an der nachher bis zum Ende festgehalten wurde, ausgenommen
A 191 mit den nomina limitum (s. oben S. 1 1 A 2).
Als der Arcerianus nach Rom kam, waren die beiden Teile noch nicht
zusammengebunden^. Volaterranus erwähnt nämlich den Inhalt des B vor
dem des A (s. S. 34), und Zanchi bezeichnet in seiner Abschrift des Arcerianus
Vatic. 3132^ A als codex figuratu>^ aber B als eine andere Handschrift ohne
Figuren {alter codex ßguras non hahebat).
I
' Einmal hat der Schreiber am Schluß der Zeile die kleine Kapitalschrift statt der
halbkursiven benutzt, um zusammengehörende Worte nicht zu trennen:
A 170 (Kat. f. 71') *-^ O C U
Sluiv^lNPlCARf
Lachmann sagt hier falsch 51,7 »siui uindicare alia manu A«.
* Nach der ältesten Paginierung mit römischen Zahlen des 16. Jahrhunderts stand
noch ein Rest des Anfangs von A, f. 3-6, in B, wo jetzt das Umschlagblatt f. 123 gestellt
ist (s. S. II Ai).
^ Siehe Rhein. Mus. 1911 »Humanist, Hss. des Corpus agrim. rom,«,
Die tiandschriften des Corpus agrimensorum Romanotunt. 27
Wenn nun A und B von verschiedenen Händen geschrieben und nur A und ß nach ver
teilweise desselben Inhalts sind, so stellt sich die Frage ein, ob sie doch ^<=h'«<*e"«" Vorlagen.
Abschriften derselben Vorlage sind. Blume Agrim. II 7 hat diese Frage
in der Hauptsache richtig beantwortet mit den Worten: Ȇberdies ist die
zweite Hälfte nur zum Teil eine echte Schwester der ersten (z. B. in der
Pars 11 des Agenus), während sie in anderen Stücken offenbar auf ein eigenes
Original hinweist. « Im Agenniustext (A Nr. 7, B Nr. 1 ) sind die Abweichungen
ziemlich selten, im Hyginus Grom. und Lex Mamilia (A Nr. 6, B Nr. 7) sehr
häufig, wenn auch nur in Kleinigkeiten, Aber die von Blume angeführten
Beispiele geben keine bündigen Beweise. Er legt großes Gewicht darauf,
daß die Unterschrift des Hygin. Grom. in A Exp. Hygini Gromatici constitutio
feUciter' heißt, in B Liher Hygini gromaticns exp. Aber oben sahen wir, daß
die tJberschrift dieser Arbeit in B zum Teil auf Rasur steht und also zweifel-
los vom Schreiber selbst umgestaltet worden ist. Eben in dieser Hinsicht
waltet B ziemlich frei : die Überschriften Nr. 2 Incipit liher li/ll/il, Nr. 4 In-
cipit liher Hygini Gromatici hat er selbst nach den Subskriptionen, die
Unterschrift Nr. 3 De limitihus Hygin exp. feliciter nach der Überschrift ge-
schaffen.
Ferner wenn auch die beiden Schreiber von dem Inhalt keinen rich-
tigen Begriff hatten, sondern in Unordnung geratene Blätter ohne weiteres
abgeschrieben und auch sonst oft »den gröbsten Unsinn buchstäblich kopiert«
haben, so ist dadurch nicht ausgeschlossen, daß sie einzelne Wortverkürzun-
gen und Randbemerkungen verschiedenartig behandelt haben können, wie
in den von Blume zitierten Fällen
La. 265, I d. ?n. hoc est dummodo A, d. d. B (für dolo malo)
264, 5 deinde falsch A, d. d. richtig B.
Viele Varianten wird man auch der Nachlässigkeit der Schreiber oder dem
schlechten Zustand des Originals zuschreiben dürfen. Ich brauche nur auf
die Abweichungen hinzuweisen, die uns in den Über- und Unterschriften der-
selben Stücke in A allein begegnen : Aprofiditi und Aprofoditi (Nr. 3), Fron-
tini - - filiciter und Frontonis - - feliciter (N^. 4), Hygyni und Kygijni (Nr. 6).
Aber solche Verschreibungen wie La. 207, 16 posituram A, cohituram B (för
quadrarum P) oder 265, 10 hae cessantemA ac testante B (für potestatem P), wird
man kaum aus einem Original herleiten. Völlig beweisend ist meiner Mei-
nung nach die Divergenz der Hss.
4*
28 C. Thulin:
La. 265, lo sedsitertius decem millia B
ssx milia A (äs-x P, Turnebus richtig x)\
denn aus der Lesung B'' sedsitertius, die nicht aus ss direkt herzuleiten ist,
geht hervor, daß in seiner Vorlage nicht wie in der A^ ^s stand, sondern
das ausgeschriebene sestertiü, das B »verbessern« wollte: daß also B eine
andere Vorlage als A hatte.
Konjekturen Dicscs Beispiel ist fär B sehr bezeichnend. An vielen Konjekturen,
Auslassungen und Zusätzen erkennen wir die Hand des Quasigelehrten,
der ohne rechten Sinn fiir den Inhalt einzelnes zu verbessern versucht.
Den Anteil der Vorlage und des Abschreibers können wir dabei nicht
streng unterscheiden; daß aber der Abschreiber nicht ganz unselbständig
war, erhellt aus dem, was ich oben von den Überschriften angeführt habe.
Einige Konjekturen und falsche Lesungen in B sei es erlaul)t anzuführen:
La. 168, 10 quaestuarii (aduarii A),
169, 7 itineris ubi eo (itineri puhlico A, B hat s und p verwechselt und da-
nach korrigiert),
170, 2 constitnerunt {constituentur A),
5 aut specialiter {auspicaliter A),
176, 14 consensione {congressionem A),
177,4 et congestionum {congressionum P, A fehlt),
205? 7 possessor sie cluditur {possessio concludetur A, beides falsch),
190, 6 mortiferas (murtiperas A, für multipedas),
192, 6 inprobandi {in prouantis A, für in prouinciis).
In den beiden letzten Beispielen sieht man besonders deutlich den Versuch, die
korrupten Worte, die A abschreibt, lesbar zu machen, aber ohne Rücksicht auf den Zu-
sammenhang. Desgleichen öfters. Aus der Dittographie 265,7 eitis «W A macht B eins aeris;
in 265,2 ist s's.VM. n. in (so A) zu ss omnino, fines zu fine sunt geworden; in La. 193,11
F eadem et G aus fe ad eg entstanden (f. a. e. b. et g A). In 265, 4 und 8 schreibt B statt
datio addictio erst xx additio (A ratio adicitio), dann dati ac dictio (A Ydatio adictiö); in 263, 10
magis praefuit statt municipio praefectura (A), während er in 264, 10 vorsichtiger nach municipii
das Wort fori ausläßt, für welche A falsch munitur fore geschrieben hat. Im Archetypus
waren diese Worte abgekürzt. In 176, 7 konjiziert B res priuatae für r. p. p. r. {res p. p. r.
A, res publica pcpuli romani E). Bisweilen begegnen uns jedocii ganz sinnlose Worte wie
196, 2 adinpraemente, das sicher nicht aus demselben Original stammt wie das incrimento in A.
Falsche Zusätze sind in B nicht selten, meist in den Text aufgenommene Randglossen
oder Korrekturen: La. 166,6 rectures ac (recture A); pulchre rei (pulcher A); 182,3 ^go\
190,1 ah aequali'f 168,13 tineari suhrundui suhiunguntur (ui-spr. eine Randrubrik); 281,6
^ Das Zeichen .&&■ wird häufig vor die Randbemerkungen gestellt: wahrscheinlich war
die Zahl x im Text übergangen und mit jenem Zeichen am Rand nachgetragen ; daraus
entstanden in den Abschriften s&x, ss x, ss x milia und schließlich sestertium decem ?nUia.
Ble Handschriften des Corpus agrimensoruni Romanornm. 29
quo genere alii generum; 193,15 hac normaliter paucas dictauimus moetas exigno et prolato
iterum ferramentu h. s. (— 193,7-8); 264,4 viUg ~ss im (viiig A): B hat die Verbesserung
8SIU1
aufgenommen, aber die falsche Zahl stehen lassen. In seiner Vorlage stand viii ,.. So hat
er oft die Zahl mit Buchstaben neben den Ziffern wie 194,16 11^ duo semis {\\f^ A).
Aber Reste gemeinsamer Glossen begegnen uns in 167,17 appellati a limo alii B und a limo
a limo alii
appellati a lima A (im Archetypus stand appellati a lima); 174,3 ^^ agrum uenerunt de quo
agitur cum perueniunt B, ad agrum uenerunt de quo agitur A (die Glosse uenerunt hat in A
die Worte cum perueniunt verdrängt, ist aber in B nebst diesen in den Text geraten).
Eine lange Dittographie hat B La. 197, 16-17 ceterorum gtiib. - - fundos ceterorum guib. - -
funeros.
Ausgelassen sind in B oft abgekürzte oder schwerverständliche Wörter wie La. 173, i s. d.
u. k., 171,3 decimanus est in orientem, 174,18 quemadmodum, 176,11 nam und et, 170,15 et,
186,9 contrarium B, sicontrarium A für Ä^^contrarium, 196,14 et cardinis maximi, 264,10
fori, oft auch andere: 170,5 posita, 9 et quidam - - constaret, 14 et fecerunt, 172,9 sie,
173,6-7 sie -- cludunt (nach cludunt), 185,1 ad Martern tonum, a Marte deinde, 200,2-4
tollere - - sortem, 15 soj'tibus. In 176,5 schreibt B culturas statt culturae cohmias, in 184,15
emitonion, wo die übrigen Hs. interuallum esse, quod Graeci emitonion appcllant, a Satumo
haben. In La. 265,15 läßt B die Worte partem dimidiam in publicum redigito aus, aber fügt
in publico redigito falsch in v. 14 nach partem dimidiam ein. Die ausgelassene Zeile war also
am Rand nachgetragen, und B hat die Hälfte davon an falscher Stelle in den Text auf-
genommen. Auf diese Weise sind auch die Worte 184, lo-ir credamus ergo illum - - ante
oculos habuisse irrtümlich in den v. 12 geraten.
Es bleibt zu entscheiden, ob A und B im Agennius wirkliche Schwester-
handschriften sind, wie Blume, Agrim. II 7 behauptet.
In diesem kommen wirklich A und B einander sehr nahe, und sogar
auffallende Übereinstimmimgen sind zu verzeichnen, wie:
La. 47, 12 nihil deest Glosse an der Stelle einer Zeichnung,
54, I subsiciuorum subsiciuoj-ufn Dittographie,
53? T3 reb. p. (statt res p.),
78, 28 mundi nach de proprietate (s. luiten),
81, 5 manifeste von resp. A und B selbst, wie aus der Schrift hervorgeht (nicht
etwa von einem gemeinsamen Korrektor), über apparet geschrieben,
80, 14 statuit lis ähnlicherweise von A selbst übergeschrieben, von B selbst
an dem Zeilenende nachgetragen.
Aber es fehlt nicht an Divergenzen (Auslassungen und Versclireibun-
gen), wenn auch nicht mit denen im liyginus zu vergleichen, z.B.:
50, 8 tractatur B {tractaret A),
53, 16 agitantur B {agantur A),
23 inuascrunt B (inuenerunt A),
54, 2 non minimum B {nominum A),
88, 20 respicit om. A,
90, 20 mentiri B (menti A).
30 C. T H u L I N :
Der bedeutendste Unterschied tritt in den Rubriken der Controuersiae
liervor, in denen B überall die Buchstaben mn hineinfögt:
78, 28 D€ MN PROPRI€TATe MUNil,
80. 20 De MN POSS€SSIONe,
8 1,3 De MN SUBSICIVIS MN CONTROVeRSIA.
82, 7 MN De ALLVBIONE MN CONTROVERSIA USW.
Ich kann weder dem A zutrauen, diese Buclistaben von selbst aus-
gelassen, noch dem B, sie von selbst hinzugefögt zu haben, ürsprilnglich
bezeichneten sie wohl, daß die Worte, über denen sie standen, miniatis
litteris geschrieben werden sollten; sie sind sodann geblieben und schließ-
lich in den Text des B gekommen, obgleich die Worte rot geschrieben sind.
Ob das MUNöi der AB nach de proprietate 78, 28 aus einem solchen
mißverstandenen mn entstanden ist, wage ich nicht zu entscheiden, aber
halte es nicht för unwahrscheinlich. Dann müssen wir vermuten, daß in
der Vorlage A* jene Buchstaben sonst schon gestrichen waren, wie in B
zweimal der Fall ist. Im ganzen ist die Überlieferung im Agennius viel
besser als im Hyginus Grom., und daraus erklärt sich die relativ große
Übereinstimmung auch bei Annahme verschiedener Vorlagen.
A und B «»e- Die beiden Teile A und B sind also zwei verschiedene Handschriften
hörten iinmer n^ifc teilweise demselben Inhalt. Soweit wir ihre Geschichte kennen, ge-
liörten sie jedoch zusammen: schon der Bericht des Volaterranus (s. S. 34)
gibt den Inhalt der beiden Teile an, nur daß er den Teil B vorangehen
läßt. An der Hand der Korrekturen können wir sogar diese Zusammen-
gehörigkeit bis zimi ürsprimg der Handschriften verfolgen.
Korrekturen in A.
A'. Die meisten Korrekturen in A stammen von dem Schreiber selbst
(oder etwa einem gleichzeitigen Korrektor, dessen Schrift der des A ganz
ähnlich war); und zwar sind alle seine Schrifttypen hier vertreten:
a) die Unzialschrift : meist einzelne Buchstaben,
h) die kursivähnliche Schrift: einzelne Buchstaben sowie länger.
Zusätze, z.B. A 67 (La. 12, 1-6),
c) die Schrift der Bilder.
Diese Korrekturen sind fast alle Verbesserungen von Schreibfehlern
oder Nachholung von übersprungenen Worten.
zu^innien.
Die Handschriflm des Corpus agrimensorum Romanorum. 31
es I cjci i ^ ^^JpRAÖe j:i>i iscor«oicioKe?>i\i:^r'
seööcj f^ecjciiöqoiöpeRpLejKcJscjoiBosxn.
cif-i^es\CRicorsj're?s»ef^ i okcj rpcs^VT^e
iTL^KpsA IA.O r pRooicjNi roRixAarvicicooixoio
W Eine zweite wenig jüngere Hand ist an der halbunzialen (der
Schrift der Bilder etwas ähnlichen) Schrift nnd der grünlichen Tinte er-
kennbar. Sie bringt auch falsches.
k\ Dem 7.-8. Jahrhundert gehört die schwarze Kursivschrift, mit der
in B der Name Sinpticms geschrieben ist. Von derselben Hand seheinen
zwei Zeilen unter dem Text des Epaphroditus in A 58 zu stammen.
A*. Spät und belanglos sind die mit schlecht nachgeahmten ünzialen
gemachten schwarzen Korrekturen über dem Text oder auf Rasur im Text.
Korrekturen in B.
B". Auch in B stammen die meisten und guten Korrekturen von
dem Schreiber selbst, der sie nachtraglich mit brauner Tinte über dem
schwarzbraunen Text eingetragen hat, sämtlich mit der ihm eigenen Cnzial-
Schrift, nur verkleinert.
Daneben kommen auch Korrekturen von A' und A* bisweilen vor.
Über A' siehe oben.
A'. Wichtig aber ist es, zu konstatieren, daß wir auch die Hand
des A in Korrekturen des B erkennen. An der Rückseite des ersten Blattes
von B sind zwei vergessene Zeilen, La. 47, 18 aüis Imeamentis dtscrä^erej
eomtenient quidan mille iugera, zweifellos von A selbst mit der eigentüm-
lichen kursivähnlichen Schrift im unteren Rande nachgetragen (s. Taf. 11).
In einer anderen Korrektur auf derselben Seite discormeniente (La. 47, 20)
treten uns die zierlichen ünzialen des A' \entgegen ; gleichfalls in item
siquid, La. 55, i, das von derselben Hand in A und B übergeschrieben ist.
Dagegen sucht man vergebens in A Spuren von der Hand des B.
Es ist also nicht undenkbar, daß der Teil B der ältere (der Buchstabe p
hat in diesem Teil noch nicht immer geschlossene Rundung; die Zier-
32 C. Thulin:
striche sind in A mehr entwickelt als in B) und A wie eine Fortsetzung
desselben ist. Die zweikolumnige Schreibung im Anfang des A würde zu
dieser Annahme gut stimmen, und in der ältesten Nachricht von der Hs.
wird ja der Inhalt des B vor dem des A erwähnt (S. 34). Der Zeich-
nungen wegen hätte A dann auch solches, was in B vorhanden war,
wiederholen müssen. Daß im Archetypus ebenso wie in B die Schrift
des Agennius Urbicus die erste Stelle einnahm, scheint mir auch das Bild
des Feldmessers in A an die Hand zu geben, das in einer gromatischen
Sammlung seinen geeigneten Platz am Anfang hat und in A mit der
Schrift des Agennius verbunden ist: es steht nämlich zwischen der Über-
schrift und dem in A Nr. 7 erhaltenen Bruchstück des Agennius.
§ 5. Die Greschichte des Arcerianus.
Die Hs. selbst enthält folgende Namen der Besitzer:
1. Auf der ersten Textseite (Ai. Kat. f. 2) steht über der ersten Ko-
lumne mit roter Tinte Et hie ex Bibliotheca Erasmi (s. Nr. 4)'.
2. Unten am Vorsatzblatte (Kat. f. i), unterhalb der Schrift des 14. Jahr-
hunderts, hat der polnische Geistliche D. ä Lasco (gest. 1560), dem Erasmus
(gest. 1536) seine Bibliothek für vierhundert Gulden verkaufte"", mit rotem
Stift seinen Namen gezeichnet. Dann ist aber dieses Vorsatzblatt ganz umge-
dreht worden, und, ohne den Namen Lascos zu beachten, haben die folgen-
den Besitzer ihre Namen darüber hinweg geschrieben (Lachmann fand ihn
deshalb nicht, und Blume II 16 gibt den Platz falsch an). D. Joh. a Lasco
war in seinen späteren Lebensjahren für die Reformation in Ostfriesland
sehr tätig. Er starb in Polen 1560, aber die Hs. blieb, wie die folgenden
Namen der Besitzer zeigen, in Holland (Blume II 18).
3. Gerardus Mortaigne (unbekannt). Noch zweimal hat er seinen Namen
auf diesem Vorblatt verewigt: im . Mittelraum zwischen den beiden Ko-
^ Lange, Gott. gel. Anzeig. 1853, I Soyff. bemühte sich vergeblich zu beweisen, daß
diese Angabe des Praedinius falsch sei und daß Erasmus den Are. nie besessen habe. Er
wurde dazu verleitet durch seine Annahme, daß der von Metellus in Barber. 164 benutzte
codex Galesii Massae mit dem Are. identisch sei. Aber diese Annahme war unrichtig; es
ist mir gelungen, den codex Galesii zu identifizieren (Vat. 3893 s. Rhein. Museum 191 1
»Die Humanist. Hss. des Corpus«), und dieser enthält emendierte Auszüge aus der Abschrift
Zancliis (Vatic. 3132) und eine Abschrift des F.
^ Uhnne, Agrim. II 16 ff., bes. 18 A. 23.
Die Handsdtriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 1^3
lumnen steht nämlich zweimal zu lesen Gerardus Mortaigne Bonus vir. Daß
er die Hs. arg zugerichtet hat, beichtet er selbst am Schlüsse derselben
durch die Verse:
Te mea rusticitas lacerauii et improbus error;
Namque polonum te, sed mahj, credideram.
lam perge ad doctos^ melius tractandus ah Ulis.
Te eheu uellem nostras non tetigisse manus.
Die meisten Lücken des Are. bestanden jedoch schon vor Mortaigne.
Seinen Anteil an der Zerstörung weisen die vor ihm gemachten Ab-
schriften J und V aus, die über den jetzigen Inhalt hinaus folgendes ent-
halten :
in A Nr. 4 Frontinus die Figuren 15 und 17,
» A » 6 Hyginus Grom. die Figuren 182, 184, 191, 193,
» A » 9 und 14 (s. oben),
» B «8 imd 9: die Fortsetzung von Baibus und das Fron-
tinusbruchstück.
4. Regneri nüc sü Predinii 1559. Von seiner Hand stammt wahr-
scheinlich, wie Blume II 16 vermutet, die Aufschrift des ersten Text-
blattes Et hie ex hihliotheca Erasjni, da die Schrift sowie die Tinte ähnlich
sind. Praedinius ist in demselben Jahre zu Groningen gestorben.
5. At nunc Joänis Arcerii 1566. Arcerius, dessen Name nachher bei
der Handschrift geblieben ist, leistete eine Vorarbeit zur Ausgabe der
Agrimensoren, jetzt die Hs. Weimar G 98. Er starb in Utrecht 1604.
Sein Sohn Sixtus erbte zwar die Hs., aber aus seinen Briefen geht hervor,
daß sie nicht in seinem Besitz gewesen ist, da der Vater die ganze Hs. kurz
vor seinem Tode dem P. Scriver geliehen hatte und Sixtus trotz wieder-
holter Mahnungen (1605 u. 1616) sie bis zu seinem Tode 1623 nicht zu-
rückbekamt
6. Die Hs. blieb also bei P. Scriver, der jedoch seinen Namen denen
der rechtmäßigen Besitzer vorn nicht hinzugefügt hat. Dagegen hat er unten
am Vorsatzblatte f. 1 2 3 zu dem sog. Hyginus de castrorum metatione ge-
^ JNlolhuysen, Zur Geschichte des Cod. Arcerianus. Zentralblatt für Bibliotheks-
wesen XIX (1902) S. 269-271, nach Briefen der Leidner Universitätsbibliothek. In diesen
Briefen handelt es sich immer um die ganze IIs. der Scriptores rei agrariae. Bis damals
war sie also nicht geteilt. Anders Blume, Agrim. II 21.
Phil.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. IL •">
34 C. Thulin:
schrieben: Sum Petri Scriverij, gleichfalls unten f. 124 Petri Scriverij. Da
wir wissen, daß er im Jahre 162 1 den Schluß der Hs. dem Jo. Is. Pon-
tanus zugeschickt hat\ so scheint der Schluß Langes^, daß Scriver selbst
erst damals den Kodex zerteilt und den Schluß, den er Pontanus sandte,
mit seinem Namen versehen hat, richtig zu sein.
Im Jahre 1663 erv/arb der Herzog August die Handschrift, deren
Teile wieder vereinigt waren, fiir die Wolfenbütteler Bibliothek, in der
sie geblieben ist, ausgenommen die Jahre 1807 bis 18 14, in denen sie im
Exil in Paris war.
Den Namen des Lud. Miraeus (Lyon) hat Lange ohne triftige Gründe
in die Reihe der Besitzer hineingeführt^. Dagegen können wir die Ge-
schichte der Hs. ein gutes Stück über Erasmus hinauf verfolgen.
Raphaelus Mapheus Volaterranus"*, Kustos der Vaticana, erwähnt unter
den Büchern, die von dem Amanuensis des Kardinals Merula, Georgio
Galbiato, im Jahre 1493 zu Bobbio gefunden und durch Thomas Phädrus
Inghirami (gest. 15 16) nach Rom geführt wurden, eins, dessen Inhalt
allein zu dem des Arcerianus stimmt, nur daß die Schriften des B vor die
des A gestellt werden (s. oben S. 26)^ Mit Recht bemerkt Gern oll (Her-
mes X 244-250), daß der Name des Vitruvius und die Schrift des Hy-
ginus de castrorum metatione, die von Volaterranus erwähnt werden, in
keiner Hs. der Agrimensoren außer dem Arcerianus vor dem 16. Jahr-
hundert erscheinen.
^ Lange, Hyginus Groin. De munitionibus Castrorum, 1848, S. 4.
^ A. a. 0., Prol. S. 17. Ihm stimmen Urs in, De castris Hygini Diss. Ac. (Helsingf. 1881)
XXIII und Molhuysen, a. a. 0. 271, bei. Anders Blume II 21.
^ Siehe Blume II 19, Bubnov 440. Einen Beweis dagegen s. a. a. O. Rh. Mus. 191 1.
* Commentariorum urbanorum IV f. 56'. Rom 1506. Blume II 11 A. 13. S. auch
Gebhardt, Ein Bücherfund in Bobbio, Zentralblatt für Bibliothekswesen V (1888) 343-362,
383-431» Nachtrag 538, der hauptsächlich . dieselbe Bücherliste wie die des Volaterranus in
der Hs. Hannover XLII 1845 gefunden hat. Die Titel, die uns hier angehen, sind:
Agenius Urbicus de Controuersiis agrorum.
Higinus de Limitibus agrorum et metatione castrorum,
Baibus de nominibus mensurarum.
Vitruuius de Exagonis heptagonis et id genus.
Frontin US de qualitate agrorum.
Caesarum leges Agrariae et Coloniarum iura (de iure Coloniarum et alluuionibus
Cod. Hannov.).
■' Siehe Mommsen, Agrini. II 216,1.
Die Handschriften des Corpus agrirnensorum Romanorum. 35
Volaterranus aber hat diese neugefundene Hs. nicht nur erwähnt,
sondern auch zweimal in seiner Arbeit zitiert: im Buch i6 librum quoque
Gromaticon appellatum^ nuper inuentum (sc. scripsit Hyginus). est enim Groma
ut ipse testaiur ars loca stationesque in castus opportune capiendi ornandiue und
im Buch ^o De castris autem metandis Hyginus libellu7u edidit nuper inuentum
quem Gromaticum appellauit. Est enim Groma. si uitari non potuerunt.
Haec igitur ex Hygino (s. Ed. Turnebi Ajjpendix, S. 17-18); an der letzten
Stelle führt er den ganzen Schluß dieser Schrift fast wörtlich nach B an\
Es ist also vollkommen sicher, daß der Are. vor dem Jahre 1506 nach
Rom gekommen war, und die Herkunft des Are. aus Bobbio steht außer
jedem Zweifelt Da Volaterranus im Jahre 1506 in seinem Bericht über
den Bücherfund von 1493 sagt: quorum bona pars hü annis proxirnis a meo
Municipe Thoma Phaedro - - est aduecta in urbem, so dürfte die Hs. um 1 500
nach Rom gebracht worden sein^. Die Zanchische Abschrift (V) ist dort
in den ersten Dezennien des 16. Jahrhunderts gemacht.
Vor die obige Reihe der Besitzer sind demnach das Kloster Bobbio
und Thomas Phaedrus Inghirami zu stellen.
Ob der Are. nachher auch in den Besitz des Angelo Colocci überge-
gangen ist, war eine Streitfrage zwischen Blume, Agrim. II 12fr,, 474-
476, der darauf bestand, und Mommsen, ebenda 215-219, der meinte,
daß Erasmus schon während seines Aufenthalts in Italien 1506- 1509 von
seinem Freunde* Inghirami sie erworben hätte. Blume baut besonders
auf das Zeugnis des Metellus Sequanus, der in Randbemerkungen zu der
Vorrede Gallands in einem Leidner Exemplar der Turnebusschen Ausgabe
von 1554 zweimal schreibt: Exscripsi ex codice Basilii Zanchi^, sumpto ex
ColotianOj Romae. Die Hs. Paris 7229 und die Abschrift, die Metellus
in Rom im Jahre 1546 nahm. Cod. Barber. lat. 164 = IX 33 (Rhein. Mus.
191 1, Die humanistischen Hss.) bestätigen völlig die Annahme Blumes,
daß V(atic. 3132) mit dem Cod. Zanchi identisch ist. Und im Inhaltsver-
1 Blume, Agrim. 11 475, und Ursin, a. a. 0. S. VI, haben dies richtig gegen Momm-
sen, Agrim. II 215, hervorgehoben. \
^ Über den unbegründeten Zweifel Chatelains s. unten.
3 Ursin, a. a. 0. S.V.
* Die Bekanntschaft scheint ziemlich flüchtig gewesen zu sein (Ursin, a. a. O. XIII,
zitiert Th-obaschi, Storia della litteratura italiana VII 1,225 »il celebre Erasmo, che dice
di aver in Roma conosciuto Tommaso, da lui per error detto Pietro«).
36 C. Thulin:
zeichnis zu der barber. Abschrift schreibt Metellus : Frngmenta agrimensoriae ;
ex Florentino codice; et libro hasilii Zanchi recens descripto sed e veteri sumpto.
Metellus bezeichnet also ohne Zweifel in jener Notiz den Arcerianus selbst
als Colotianus. Mommsen, Agrim. II 215 ff., hält zwar das ersterwähnte
Zeugnis des Metellus fär falsch, da es so viele Jahre hinter seiner Ab-
schrift liegt und er auch sonst in seinen späten Notizen nicht immer zu-
verlässig ist. Aber das Zeugnis von 1546 ist gleichzeitig mit der Abschrift,
und seine Nachschrift in P (s. § 7) ist nicht so inkorrekt, wie Mo. meinte.
Mo. hat auch keinen Beweis fär seine eigene Vermutung, daß Erasmus
den Are. schon 1509 erworben habe, während Blume mit Recht dagegen
geltend macht, daß Erasmus eine so ehrwürdige Hs. wie Are. nicht un-
erwähnt und unbenutzt gelassen hätte, wenn sie so lange in seinem Besitz
gewesen wäre. Blume nimmt daher an, daß die Hs. dem Colocci bei der
Plünderung seines Gartens 1527 entrissen wurde und dann erst in die
Hände des Erasmus gekommen ist, der 1529-1535 sich in Freiburg auf-
hielt. Der Cod. Zanchi ist gewiß nicht viel früher geschrieben, da Z. 1501
geboren ist; wahrscheinlich im Auftrage des Colocci, dessen Hand ich in
Randglossen zu erkennen glaube. Darüber imd über die Bemerkung des
Colocci in Cod. Vat. 3894 {in codice meo antiquissimo) s. Rhein. Mus. 191 1.
Schriftheimat und Alter des Arcerianus.
Nach der obigen Darstellung steht es fest, daß der Are. um die Wende
des 15. und 16. Jahrhunderts von Bobbio nach Rom kam. Wie lange aber
die Hs. dort gewesen war, bleibt unentschieden. Die Annahme Langes,
a. a. 0. S. 9 und Blumes lof., daß Gerbert, der spätere Papst Silvester IL,
sie schon im Jahre 981 im Kloster Bobbio vorgefunden und benutzt habe\
hat Bubnov, a. a. 0. 439, 475 f. durch den Beweis, daß Gerbert dort eine
ganz andere Hs. benutzte (s. cod. Neapel VA 13 unter den Exzerptenhss.),
widerlegt. Damit soll nicht gesagt werden, daß die Hs. damals nicht in
Bobbio war. Chatelain^ hat dem Umstand großes Gewicht zugemessen,
* Mit Blume gehen auch Cantor, Die röm. Agriiuens. 154 und Heinemann, Katal.
128. Gegen ihn äußert sich H. Weißenborn: Gerbert, Beitr. zur Kenntnis der Mathem.
des Mittelalters, Berlin 1888, 47 ff.
^ Chatelain, Uncialis scriptura, Paris 1901, Text 46. Max Ihm, Palaeographia
Latina I Taf. III, teilt sein Bedenken bezüglich des Katal. Muratoris.
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 37
daß der Are. weder im Bobbienser Katalog Muratoris^ aus dem lo. Jahr-
hundert noch im Inveiitarium Peyrons 1461- erwähnt wird. Aber es ist
doch nicht zu verwundern, wenn Peyron im Jahre 1461 nicht ein Buch
verzeichnete, das erst 1493 »entdeckt« und also aus seinem Versteck hervor-
gezogen wurde. Nicht viel mehr bedeutet es, daß Muratori die Hs. nicht
verzeichnet, da wir wissen, wie unvollständig dieses Verzeichnis war^
Für die Bestimmung der Schriftheimat dieser Hs. muß in erster Hand die
Schrift selbst befragt werden. Aber bei der Unzialschrift ist die Ent-
scheidung unsicherer als bei anderen Schriftarten. Nur so viel wage ich
zu sagen, daß sehr nahe Parallelen aus Bobbio zu der Schrift des A sowie
des B aufzuweisen sind*. Genauere Bestimmung ermöglicht die oben be*
merkte Schriftmischung, und zwar besonders die kursive Schrift der Zeilen-
schlüsse und Korrekturen. Bis jetzt kenne ich keinen entsprechenden Beleg
für diese Schriftmischung; aber den kursiven Schrifttypen des A kommen
einige Glossen und Korrekturen in Unzialhss. des 6. Jahrhunderts aus Corbie
sehr nahe: ich hebe besonders hervor die von Delisle, Le cabinet des
Manuscrits de la Bibl. Imp. PI. IV 5 (lat. 13368 f. 256^) und VI 15 (lat.
122 14) publizierten, die er selbst gleichfalls dem 6. Jahrhundert zuschreibt.
^ Muratori, Antiqviit. Ital. III 817-824.
^ Peyron, M. Tulli Ciceronis orationum pro Scauro fraginenta. 8tuttgartiae et
Tubingiae 1824.
^ Gebhardt, Zbl. f. Bibl, V 406. J. Bick, Wiener Palimpseste, Sit/.ungsber. d.
kais. Akad. d. Wiss. Wien, Phil.-hist. Klasse 159, Abb. 7 (1908) S. 4 f. Die Wiener Palim-
pseste 16 u. 17 mit der Aufschrift i?6^r scü columbani di hobio ohne Nummer sind in jenem
Verzeichnis nicht erwähnt. Mit dem Anfang des Are. ist vielleicht auch ein Zeugnis von
seiner Herkunft verloren gegangen. Gebhardt meint, eine Spur des Are. im alten Katalog
zu Bobbio (Abschrift einer Hs. des lo. Jahrb.) gefunden zu haben in den Worten Nr. 620
Deca librum et alias libros, die er so ergänzt He ca(strorum meiaümie) lihrum usw. Diese
Vermutung ist aber höchst unwahrscheinlich, da jener Titel nicht im Are. vorhanden ist,
sondern von Volaterranus geschaffen ist. Im Are. lautet die Überschrift Kat. f. 124'" Incipit
Über Hygini gromatid, die Unterschrift f. 136'^ Liber gromaticus Hygyni de diuisimibus agrorum,
beide falsch auf das anonyme Fragment über die Lager bezogen.
* Mit A ist zu vergleichen Chatelain, Uncialis scriptura Taf. Vllb, Text 34 (Mi-
lano Ambros. Cod. C 39. Die vier Evangelien, 6. Jahr^.); mit B Taf. VII a (ebd. Cod. D 26
Prudentius). Aus der Collezime paleograßca Bobbiese Vol. I von Carlo Cippola erwähne
ich besonders als Parallele zu A das Fragment der Arithmetica Boetii Tav. XX und kann
seine Vermutung, daß hier eine karolingische Imitation vorliegt, nicht begründet finden.
Aber große Ähnlichkeit mit resp. A und B zeigen auch die Hss. aus Corbie (Delisle, Le
Cabinet des Ms. de la Bibl. Imp. PI. I 6 und 8).
38 C. Thulin:
Vor allem sind jedoch zu vergleichen die Textrevisionen des Bischofs
Viktor von Capua im Jahre 546 (Zangemeister u. Wattenbach Exempla
Nr. 34, eine dem B sehr ähnliche Unzialhs. des 6. Jahrhunderts) und des
Dulcitius von Aquino zwischen 570 und 590 (Monum. palaeogr. vindo-
bonensia I, Leipzig 19 10 ed. R. Beer, Wien cod. 2160 Hilarius; eine halb-
unziale Papyrushs. des 6. Jahrh.; s. besonders Taf. I und Text 12, 20 fi*.).
Denn ihre Kursiven gehören gewiß nicht nur derselben Zeitperiode, son-
dern auch demselben Kulturkreis wie die des Arcerianus an. Alle Paral-
lelen fiihren also auf das 6. Jahrhundert. Dafär spricht auch die Beobach-
tung E. Nordens, Einleitung in die Altertumswissenschaft I 556: »Nicht-
christliche Autoren in Hss. sicher des 7. Jahrhunderts sind ganz selten,
wenn überhaupt nachzuweisen « \
Einen Anhalt fär die Bestimmung der Heimat gibt auch der am oberen
Rand von A iio (Kat. 41') mit griechischen Buchstaben geschriebene, von
Schulten zuerst bemerkte Name AAEABHpea nvKenp, wohl der Maler der
Bilder. Der Name Adelbertus ist zwar zu verbreitet, um einen Schluß
auf die Volksangehörigkeit zu gestatten, aber die Form Adelberto weist auf
Italien.
Die Zeichnungen.
Ein Kapitel für sich verdienten die mit Unrecht von Mommsen ver-
achteten Zeichnungen des Are, aber ihre Besprechung muß aufgespart
werden, bis sie in der neuen Ausgabe in besserer Reproduktion als bei
Lachmann vorliegen. Ich kann jedoch nicht unterlassen, schon hier zwei
Bilder zu veröffentlichen, die fiir die Geschichte, wenn nicht des Arcerianus,
so der ganzen durch ihn repräsentierten Sammlung gromatischer Texte
von wesentlicher Bedeutung sind. Sie sind nämlich ausgeprägt byzantinisch
und sprechen also dafür, daß diese Sammlung im byzantinischen Gebiet
entstanden ist.
Das erste Bild (Taf. VI i) steht nach dem nur durch AB überlieferten
Agenniustext De locis sacris et religiosis a priuatis detineniur La. 87, 9
bis 88, 17, aber gehört zu den Worten La. 87, 27 = 57, i Nam et de aedihus
^ Die Einwendung Bubnovs, der die Hs. wegen des Inhalts dern 7. Jahrhundert zu-
schreibt, habe ich S. 6 zurückgewiesen. Chatelain, Uncialis scriptura Text 46 hat sie zuletzt
wegen der Schrift in das 7. Jahrhundert gesetzt. Aber bei der unzialen Schrift lassen sich nicht
genügend sichere Merkmale aufstellen, um zu entscheiden, ob eine Hs. dem 6. oder 7. Jahr-
hundert angehört; und die sicher datierten Parallelen sprechen für das 6.
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 39
sacris quae constitutae sunt in agris - - sicut in Africa inter Adrumetinos et Tysdri-
tanos de aede Minervae. Auf eine alte Vorlage gehen hier die Stadt mit ihrem
Gebiet mid der draußen liegende heilige Bezirk mit zwei Tempeln zurück.
Aber rechts ist in ganz anderer Größe im Anschluß zu dem im Text an-
geführten Beispiel de aede Minervae hinzugefLigt eine Minerva in voller
Rüstung mit erhobenem Schwert unter einem echt byzantinischen, von
vier schlanken Säulen getragenen Baldachin. Reichliches Material zum
Vergleich bietet die letzte Publikation der Serie Codices e vaticanis selectij
VIII, II menologio di Basilio II, Cod. vat. grec. 1613, Torino Frat. Bocca 1907
(aus dem lo.-i i. Jahrh.); ähnliche Rundgebäude findet man S. 14, 61,
198, 358, 365, aber ich weise besonders auf S. 187 hin, wo der Zeichner
ein antikes Heiligtum genau wie hier wiedergegeben hat: eine Gottheit
sitzend in einem viersäuligen runden Baldachin.
Das andere Bild (Taf IV 2) steht im Text des A an derselben Stelle,
wo P eine von den wertvollsten aller überlieferten Zeichnungen, eine alte
Flurkarte (L a. Fig. 197a) bewahrt hat. Zur Erläuterung des Textes trägt
es nicht bei, aber die Kuppeln der Mauertürme und des Torturmes zeugen
von starkem byzantinischen Einfluß. Besonders zu dem freistehenden runden
Turm am Tor innerhalb der Mauern findet man in der oben zitierten
Publikation viele Parallelen, z. B. S. 1 7 und 32; in S. 59 ist ein solcher
hoher Turm nebst einer niedrigeren Stadtmauer wie hier abgebildet. Dem
Innern dieses Stadtbildes entspricht genau die in Cod. Basil. S. 15 ge-
zeichnete Stadt.
Diese Erkenntnis, die wir durch Zeichnungen des P bestätigt finden
werden, ist für die Quellenuntersuchung des gromatischen Corpus von großer
Tragweite: es nötigt uns nämlich, die neue Frage aufzustellen, ob nicht
auch byzantinische Texte in unsere Sammlung hineingekommen sind. Aber
diese Untersuchung kann nicht aufgenommen werden, bevor der Grund da-
zu durch die neue von J. L. Heiberg in Angriff genommene Revision der
heronischen Schriften gelegt wird.
§ 6. Eine verlorene Hs.'^des AB-Typus.
Cod. Alciati. Andreas AI ciati (1492-1550), der bis 1518 in seiner
Geburtsstadt Mailand tätig war und dann in Avignon (15 18-15 2 2), Bour-
ges (1528), Pavia, Milano und anderen Orten als Professor iuris lehrte,
40 C. Thulin:
(ledizicrte im Jahre 1 5 i 7 dem Präses des Senats zu Mailand Joanne Selva
Dispunctionum l. IV. Darin zitiert er 1. III c. 15 ein Stück aus Agennius
Urbicus, La. 90, 1-2 1, mit folgenden Worten:
»Quapropter scienduni est mensorum officium apud antiquos non solum in eo uersari
solituin, ut agros nietirentur, sed ut etiain pronuntiarent: et non de niensiiris tantum, sed
etiam de servitutibus. Ostendit id Agennius Urbicus in üb. de constitutionib. agrorum: qui
cum de seruitutibus itineris, aquae pluuiae et similibus disseruisset, subiungit difßcillimum
esse memori in eis plerumque iudicare. Sed et in iudicando, inquit, mensor uirum bonum et
iustum agere debet, neque ulla ambitione aut sordibus moueri: seruare opinionem et arti et moribus:
omnisque illa artifici ueritas custodlenda est, exclusis Ulis similitudinibus, quae fcUsae pro ueris
subijduntur ; quidam enim per imperitiam, quidam per imprudentiam peccant: totum auiem hoc iu-
dicandi officium et hominem et artificem exigit egregium. Erat aequissimum et in aduocatione
eandem fidem exhiberi in controuersia a mensoribus: sed hoc possessores aequo animo ferre non
possunt. nam cum his veritas exposita est, adiiersus synceritatem artis eos facere cogunt. multa
enim sunt üi professione, quae generaliter pro ueris afferantur, multa quae specialiter: quaedam
quae argument'is etiam mentiri artifices cogunt. et haec quidem ille de mensoribus refert: quae
idcirco libentius in medium attuli, quoniam is auetor nequaquam uulgatus est: una tarnen
cum Junio Ni[)SO, M. Varrone de arithmetica, et Balbo de colonijs Latinis, brevi in publicum
prodibit: si modo per ocium milii licuerit eos emendare: liber enim ipse tarn abrosis cha-
racteribus est, ut uix legi possit.«
Blume, Agrim. II 54, und Bubnov, 455, haben gemeint, daß Alciati
hier eine Hs. der P]F- Gruppe zitierte, und Blume hat sogar den Titel
»Die Alciatische Handschriftenfamilie« über jene Hss. EF gesetzt. Aber
sie haben die zitierten Worte nicht einmal verglichen, wahrscheinlich, weil
ihnen Alciati kurz vorher sicher auf eine Hs. des F- Typus hinzuweisen
schien : 1. II 6 ut ex lunii Nipsi commentarlis alibi dedaraturus smn. Bei einer
solchen Prüfung stellt sich jedoch heraus, daß alles mit AB gut überein-
stimmt, aber keine einzige Lesung Verwandtschaft mit EF aufweist.
Auch in den Parerga iuris I 38 bezieht sich Alciati auf diese in AB
erhaltene Schrift des Agennius: »sunt et praefecturae loca alieni agri in
ueterum possessorum inuidiam proximis municipiis assignata: quae qui
diffusius percipere uelit, Agennii Urbici de limitibus agrorum commentarios
consulat« (vgl. La. 49, 9 = 80, 3).
An sich würde nichts der Annahme im Wege stehen, daß Alciati
den Arcerianus selbst benutzt hat. Denn der Name M. lunius Nipsus ist
der erst erwähnte Autorname in A. Ex libro Balhi prouinda Piceni lesen
wir in A 95 (La. 225, 14), den Titel Indpit Über Mard Barronis de geome-
tria ad Rufum Silbium in A 184 (Nr. 13), und in einigen Seiten des A
ist die Schrift wirklich so abgetragen, daß man die Worte des Alciati
Die Handschriften des Corpus agnmensorum Uomanorum. 41
ahrosis characteribus sehr gut auf sie beziehen könnte. Daß er de arithmetka
statt de geometria schreibt, bedeutet nicht viel, da er in den Titeln sehr
frei ist : wir sahen oben die Titel Agennij Urbici de constitutionibus agrorum
und de Umitibus agrorum commentarii statt de controversiis agr., und unter
den Worten lunii Nipsi commentarii kann er recht wohl die Anfangsschriften
des A gemeint haben.
Aber der Arcerianus war damals, soweit wir wissen, in Rom, Alciati
aber verfaßte seine oben zitierte Schrift in Mailand. Dagegen ist oben S. i6
die alte Hs. des Petrarca erwähnt, die später nach Mailand kam und in der
die Geometrie Varros noch erhalten war. Eine Lesart Alciatis scheint
auch von einer älteren Hs. als AB herzurühren. In La. 90, 20 liest er
nämlich argumentis etiam statt argumenialiter coniecturaliter etiam, AB, con-
iecturaliter etiam F. Wahrscheinlich ist coniecturaliter eine Glosse, die in AB
neben dem argum., in F statt dieses Wortes in den Text eingedrungen
ist. In dem Abschnitt 90, 10-21 zitiert Alciati nämlich sonst wörtlich
mit sehr geringen Abweichungen: 90, 10 illa (illi AB); 12 imprudentiam
(inpudentiam AB, auaritiam F); 15 aduocatione (a-em AB falsch); coniro-
uersia (c-am AB falsch); 18 eos facere cogunt (facere cogant AB falsch);
multa enim (multa AB); afferantur (off-r AB). Ich glaube deshalb, daß
Mommsen (s. S. 16), obgleich er die Hs. des Alciati nicht zu klassifizieren
wußte, sie richtig mit der Hs. Petrarcas identifiziert hat und halte es för
nicht unwahrscheinlich, daß die alte Vorlage des Mailänder Fragments, Berlin
f. 641, ein Fragment derselben alten Hs. gewesen ist.
§ 7. Die Palatinische Handschriftenfamilie.
Zu dieser Familie gehören P und G; außerdem Teile von EF und den
Exzerptenhss.
Palat. Vatic. lat. 1564. Perg., 140 Bl., Gr. 27,8x19,2 cm, 26 Zeilen
auf jeder Seite. Schöne karolingische Minuskelschrift aus der Mitte des
9. Jahrhunderts. Rubriken überwiegend unzial, seltener mit capitalis rustica
geschrieben. Die Wortteilung durcli Intervalle ist durchgefiihrt. Abkür-
zungen (außer bei einigen Fachtermini) und Ligaturen sind fast ganz ver-
mieden (s. unten: Die Schrift). Sehr viele saubere Zeichnungen, die groma-
tischen meist mit Farben belegt. Im Anfang fehlt jetzt vieles. Über den
Ursprung dieser Hs. wissen wir nicht mehr, als daß Sichard, der im
Phil.-hisL Klasse. 1911. Anhang. Abh. II. ti
42 C. Thulin:
Jahre 1528 in Basel den Anfang von P (Nr. i-4a) als Anhang zum Codex
Theodosianus S. 170-177 herausgab (die Lesarten beweisen völlige Identi-
tät), ihn Codex Fuldensis^ nannte. In Basel sind auch Korrekturen nach P
(nicht nach dem Druck Sichards) in die Jenaer Abschrift des Are. ein-
getragen. Im Jahre 1564 hatte Metellus Sequanus den P in Köln und
fügte dabei erklärenden Text zu den Bildern f. 1-4 und hinten f. 150
einen Brief an Jo. Echtius (s.S. 56) hinzu. Bei Rigaltius" 16 14 heißt die
Hs. schon PoJatinus sc. Heidelbergensis. »Im Jahre 1623 kam sie mit der
ganzen Heidelberger Bibliothek nach Rom« (Blume 47), wo sie nachher
geblieben ist. Unten am f. i "" steht die Notiz Est Bibliothecae Palatinae, oben
der späte Titel in Kapitälchen Yeterum aliquot de agrimensoria collectio (s.
Taf. V). Vgl. Blume 43-47, Bubnov 465-467.
G. Giidiamis 105. Wolfenbüttel. 1 1 2 BL, Perg., Gr. 2 7 X 2 1 ,5 cm, 26 Zeilen
auf jeder Seite. Die Schrift ist der des P sehr ähnlich, jedoch weniger
zierlich und mit viel häufigeren Abkürzungen, also gewiß auch jünger.
Dieselben Zeichnungen wie in P, aber ohne Farben. Der Inhalt ist gleichfalls,
wenn auch in anderer Ordnung und mit Auslassungen, derselbe wie in P;
am Schluß des G ist jedoch ein neuer Text hinzugefügt.
Diese Hs. wurde in der Bibliothek des Klosters St-Bertin zu St-Omer
in Belgien von Petrus Gallandius und Turnebus' gefunden, die unmittel-
bar nach ihr die Ausgabe von 1554 besorgten \ Später kam sie an P,
Scriver, der auf dem Vorsatzblatt folgendes geschrieben hat:
Ex hoc ipso codice Adrianus Turnebus Agrimensores edidit A" 54.
Eeperhcs hie Gromaticorum Excerptorum liber in ßnilms Gallkie Belgicae.
Impressusq' Parisiis anno 1554 a Petro Galandio et Had. Turnebo Lutetknis
doctoribuSj viris doctissimis.
Ex hoc ipso codice expressa est Parisiensis editio.
^ Cod. Theod. 1528, f. 174 marg. »in Fuldensi codice, quem sumus secuti«.
^ Rig. Auetores finium regundoruin Paris 1614 Observ. et notae p. 6, bei Goes. p. 210
»Innocentium V. P. quem sub Constantio Ammianus Marcellinus agrimensorem fuisse commemo-
rat, ex illustrissimi principis Electoris Palatini bibliotlieca eflPormauimus«.
^ Siehe die Vorrede des P. üallandius zu der Turnebusausgabe: »in divi Bertini apud
Audomari PJianum biblioiheca«, »huc transferendos esse, inonachis permittentibus, duxiinus".
Blume, Agrim. II 42 f.
* Blume 43 »was noch manche Spuren, z. B. die eingestreuten Kommata und viele
Korrekturen, erkennen lassen«.
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Rornanoruni. 43
Nachher erwarb sie Marquard Gudius, nach dessen Tod 1689 sie nach
Wolfenbüttel gelangte. Das Exil des Arcerianus in Paris machte auch der
G mit.
Vgl. Blume 42 f. 47 i f. Bubnov 459-465.
Brüssel Bibl. de Bourgogne 207 (=^10629-10660 de l'inventaire) Br.
f. 36-55. Perg., Gr. 27X 18 cm. Gedrängte kleine Schrift des 12. Jahr-
hunderts in zwei Kolumnen, 70 Zeilen in jeder Kolumne. Abschrift des
P ohne Zeichnungen, wichtig nur, weil sie auch den Text der jetzt ver-
lorenen Blätter des P enthält.
Vgl. P. Thomas, Catalogue des Manuscrits de classiques lat. de la Bibl.
royale de Bruxelles. Gandi896. Blume 47 f.
Abschrift von G des 16. Jahrb.: Paris Bibl. nai. lat. 8679 A (Cod. Colb. 2153. Regius
3784). Vollständige Abschrift des G von Aggeni Urbici Über diazographus an bis zu Ende
mit Zeichnungen. Rigaltius, der diese Hs. benutzt hat, bezeugt, daß der Praeses Parisiensis
Aemarus Ranconetus selbst den Text geschrieben und emendiert und die Figuren ge-
zeichnet hat und daß die Hs. damals (1614) dem Memmius zugehörte'. Nach Rigaltius
soll der Text des Ranconetus auch für die (wenigen) Emendationen der Turnebusedition
bestimmend gewesen sein (Rigalt. Not. bei Goes. 21 r, 212, 260, 261).
Die Schrift.
P. Wie ich schon oben S. 41 bemerkt, hat der Schreiber des P Li-
gaturen und Abkürzungen fast ganz vermieden.
Die einzigen Ligaturen sind SC, 1^, » (abwechselnd mit re, ae und f),
{^ und im Versschluß iT.
Der Vokal u wird bisweilen übergeschrieben, z. B. im Schlußwort der
S. 121' termins und in dem mit Majuskeln geschriebenen bobians (La. 259, 23).
Abkürzung durcJi übergeschriebene Buchstaben erscheint in der Beischrift
zur Fig. 308 La., P f 114 q tgoni.
Nur einige Faclitermini werden häufig abgekürzt: p. oder peä für pedes ;
iucji (iugera), d^ oder dec oder decum für decumanus, ^^ für cardo; ferner
RP, aug, imp, com, num (numero), sstus, Datumbezeichnungen wie Dat. V.
kl marL die sakralen Abkürz, di, söni, XPiana, XPS. Sonst erscheinen nur
' Blume, Agrim. II 31 verwechselte diese Abschrift mit der Metellischen Abschrift
des Cod. Zanchi, Paris 7229, die auch im Besitz des Memmius war; aber er korrigierte
seinen Irrtum S. 473. Er sagt nur dort falsch, daß sie Exzerpte aus G enthält.
6*
44 ^' T H U L I N :
q. (que), qnm (quoniam), i{-us) fünfmal (La. 175, 5 tractera^, 257, 12 adriaii^,
335» 7 significauim^, 349, 24 habmn\, 364, 32 perscribai%) ; '{-ur) einmal
(das Schlußwort f. 138^ interpr&ar') ; -b. (-bus) einmal (La. 350, 10 conuallib.);
-r^ (-runt) einmal (La. 115,19 clauseft); e (est) und n (non) bisweilen am
Zeilenschluß: £81^21 e, f. 8o'"26 am Ende der Seite aequüaterü. Sogar die
N e
Bezeichnung von -m durch den Strich wird ziemlich sparsam benutzt.
Nahe Parallelen zu P findet man nur im französischen Kulturgebiet.
Ich verweise besonders auf Recueil de Facsimiles a l'usage de l'ecole des
chartes, Paris 1880 Nr. 139, eine 817-834 in Saint-Pierre d'Hautvillers in
der Nähe von Reims geschriebene Hs., und Handschriften des 9. Jahrhunderts
von Beda und Augustinus, Bibl. de Lyon 391 und 525 im Album Paleo-
graphique publ. par la Societe des chartes, Paris 1887. Eine Probe der
Schrift des P, f. 89"" La. 180, 10-15, g^be ich hier in halber Größe:
po-nmur cuturfirief^AAciu^rrr no-npoffunr epcceciei^-
nccef\- Urar^ r^r-mx-nxrrrur- aum t^i^tpfxcalarnJLfrV tnlnx>
t-e'f^nef" Ad ecuma.no ynxpcimo. aZ }i ■ c?>nrjef^cju*ircuf>t~^
G. Die Schrift, die karolingische Minuskel- sowie die Unzialschrift
und die capitalis rustica, ist in Größe und Gestalt der des P sehr ähnlich,
die jedoch eleganter und sorgfältiger ist und dessen Seiten auch dadurch
einen gleichmäßigeren Eindruck machen, daß Teilungen der Worte (auch
kleiner Worte) auf zwei Zeilen viel öfter als in G vorkommen.
Zu den einzelnen Buchstaben ist zu bemerken der Gebrauch des offenen
cc neben dem häufigeren a., das in P immer benutzt wird, des n (besonders
als Anfangsbuchstabe) neben dem häufigeren 71, des 3 mit offener Rundung
(gegenüber dem geschlossenen ^ des P). Aber wer daraus den Schluß ziehen
wollte, daß G älter als P sei, würde den paläographischen Kennzeichen zu-
viel zuschreiben. Geschlossenes g kommt z. B. schon in dem Cod. aureus
Trier, Stadtbibl., Bibelhs. 22 (Ende 8. Jahrh.) vor, und cc und Majuskel n
lebten noch in das 1 1 . Jahrhundert hinein in der karolingischen Minuskel
sporadisch fort.
Die Handschriften des Corpus agrirnensorum Romanorum. 45
Außer SC, fV und per werden die Ligaturen it (rt) und ox (or) liäufig
verwendet. Statt ler schreibt aber G e, häufiger ae.
Die Abkürzungen sind noch verhältnismäßig selten, aber viel häufiger
als in P.
Außer q. (que) und quo oder qm (quoniam) begegnen uns, wenn auch
«
selten, qä (quod), qhiis (S. 55, 10 vereinzelt am Zeilenschluß; einmal quib.\
a a
La. 1 17, 14); g' (S. 89, 12 = La. 380, 29; aeqlis S. 90, 5 = La. 381, 17).
Geläufig sind p (per), p (pro) und p (prae), vereinzelt p' (= post, so P)
La. 276, 24 = G 9, 15.
Neben -f (= -us), das nur am Zeilenschluß benutzt wird (conlocauimf
G 149, 23; constituirnf G 151, 10; uolumf G 16, 12 = La. i, 8 vgl. P),
kommt auch ' vor (traian' G 142, posuim' G 150, 8), das auch -ur wie in P
bedeutet (continet').
Das -m wird auch im Innern der Worte durch den Strich bezeichnet,
z. B. cömunes cophendere; r (ter) und m (men) kommen oft vor (z. B. rra,
|>pr, nom, llum, tarn, monumta); die Endung -runt wird einmal -j^r (emerr
La. 14, 14 = P), öfter r geschrieben (z.B. La. 3, 25 duxer). Außerdem ver-
zeichne ich N (non), 5 (sunt), e (est), ee (esse), eet (esset), ss oder s^us (supra-
scriptus), oms (omnes), nrä (nostra), numer (numero G 140, 5. P hat num);
die sakralen Abkürzungen und Fachtermini wie in P.
Das Zeichen fiir vel, t, erscheint in G 147 fin. = La. 344, 25. Nur im
Schluß von G werden die folgenden Abkürzungen verwendet: h (haec)
G 213, 1 1 = La. 73, 32; h (autem) G 2 10, 10; 7 (est) oft; «^ (idest) G 212, 2
= La. 308, 5; scä (secundum) G 207, 12 u. 18 = La. 303, 23 und 304, 5;
fempr (tempore) G 210, 10.
Die duaternionenzählung.
P. Der Palatinus umfaßt nach der jetzigen Paginierung 149 Blätter.
Aber die Zahl 23 ist bei dieser Paginierung übersprungen, und 8 gezählte
(mehrere ungezählte) weiße Papierblätter sind eingesetzt, die den Blatt-
verlust am Anfang des A ungenau andeuten. In der Tat fehlen jetzt vor
dem vierten Quaternio, der f. 29 mit Siculus Flaccus anfängt, 14 Blätter,
deren Inhalt wir nach der Brüsseler Abschrift des 12. Jahrhunderts, dem
Druck Sichards und dem Gudianus genau bestimmen können; der An-
fang des P rekonstruiert sich also folgendermaßen;
46^ C. Thulin:
f. 1-4 Miniaturen;
drei Blätter fehlen = Gr 1-5, 14 (in P stehen hier vier gezählte
und zwei ungezählte Papierblätter);
f. 9-13 = &5» 14-14» 10;
zehn Blätter fehlen = G 14, 10 bis G 31 med. (in P vier Papier-
blätter) ;
f. 18-20 = G31 med. bis 36fin. ;
ein Blatt fehlt = der Anfang des liberDiazographusG 36 fin.;
f. 22-28 = G 37-48, liber Diazographus.
Also 32 Blätter. Von diesen sind aber 1-4 vorangestellte Blätter für
sich mit Miniaturen, die weder in Br. noch in G vorhanden sind; und
24-28 mit dem Schluß des liber Diazographus sind zwei Doppelblätter.
Das übrige entspricht drei Quaternionen und das Ganze wurde so gezählt,
denn die Lage, die mit f. 29 anfängt, wird als die vierte bezeichnet (f. 36''
unten an der Mitte • q • iv) und von dort an ist die Quaternionenzählung bis
zum Schluß durchgeführt (f. 148'' -q- xviii), wenn auch nicht vom Schreiber
selbst: die von dem q des Textes abweichende Form g deutet nämlich auf
andere Hand. In diesem Teil von P fehlen jetzt zwei Blätter 40-41 (Si-
culus Flaccus La. 156,24-160,10 = Br. 4i'-42''), an deren Stelle leere
Blätter eingesetzt sind.
P bestand also vor dem Blattverlust aus 153 Blättern.
G. Der Gudianus enthält 14 Quaternionen, die durch römische
Ziffern ohne q bezeichnet werden. Die Zahlen stehen etwas links von der
Mitte des unteren Randes am Schluß jeder Lage. Nur die dritte Lage
mit dem liber Diazographus ist unnumeriert. Das letzte unbeschriebene
Blatt ist jetzt weggeschnitten. Ferner ist S. 126 leer, auf S. 48 und 144
(den Schlußseiten der 3. und 4. Quaternio) sind nur Bäume gezeichnet.
Ich folge der Paginierung Lachmanns nach Seiten.
Die Miniaturen des vorangestellten Doppelblattes in P.
i'. Farbiges Medaillon eines jugendlichen Imperators in Panzer und
Mantel. Taf V i .
Darunter die Erklärung des Metellus Sequanns: Jmperatorv! tamquam Agrimensoriae
supremi iudicis ac principis efßgies.
Brustbild eines bärtigen Kaisers in Panzer und Mantel, ohne Farben.
Taf. Vi.
Bie Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 47
2'. Neun im Kreise sitzende, in bunten Togas drapierte x\länner,
einige bärtig, andere unbärtig, mit Buchrollen oder Büchern, in eifrigem
Gespräch, einer schreibend. Der Präses ist durch einen über die Achseln
geschlagenen Mantel bezeichnet. Taf. V2.
Dazu oben die Erklärung des Metellus: IX viralis de Agrorum ßnihus • s • con-
silij iudicijque; typus - : — und über dem Vorsitzenden Praeses cmsilij.
3 '. Dem vorhergehenden ähnliches Bild. Taf. VI i .
Dazu Metellus : Idem qui proximus superior • s • consilij iudicijque de ßnihus et
controversiis agrorum; typus.
4'. Alter bärtiger Mann in Toga, auf einem Sessel sitzend, mit einer
Schriftrolle in der Linken, im Gespräch mit einem thronenden, diadem-
geschmückten Kaiser, dessen Mantel mit einer kostbaren Spange auf der
rechten Schulter zusammengehalten wird. Taf. VI 2 .
Beischriften des Metellus Iudex re/erens und Imperator consultus. Oben die Er-
kläi'ung desselben: Iudex de ßnihus et controuersiis, refert ex supplicihus Lihellis, de
quihus Gansulerulus est Imperator; ut iis decidendis, eius iussd sequatur •: —
Das erste Bild, das sicher ein antikes Original wiedergibt, ist bedeutend
besser als die übrigen, die ziemlich ungeschickt ausgeführt und zweifellos
von einem byzantinischen Zeichner umgestaltet worden sind, wenn sie auch
auf antike Zeichnungen zurückgehen. Die nächste Parallele zu den beiden
Agrimensorenkreisen geben die zwei Ärztekreise der Dioskurideshs.
von Konstantinopel (geschr. um das Jahr 5 1 2), die gleichfalls neben an-
deren Miniaturen vor dem Text stehen: Karabacek, De codicis Dioscu-
ridei Aniciae lulianae, nunc Vindobonensis Med. Gr. I historia, forma, scrip-
tura, picturis, Leyden, Sijthoff 1906'; S. 358 ff. (Fol. 2^) sieben Bilder
von berühmten Ärzten und Botanikern auf Goldgrund in einem
breiten zierlichen Rahmen; S. 363 ff. (Fol. 3^) ganz ähnlicher Kreis, ein
Motiv, das wohl auf antike Darstellungen von Philosophenschulen zurück-
geht. Die Übereinstimmung zwischen den beiden Agrimensorenkreisen
des P und den Ärztekreisen der Dioskurideshs. ist auffallend: der Vor-
sitzende ist durch den Anzug, den Platz auf dem Bilde und die Haltung in
ähnlicher Weise bezeichnet, die übrigen sind zu je zwei in Beziehung zuein-
ander gesetzt und weisen in den Stellungen u'nd Gebärden viele Ähnlich-
keiten auf. Die Unterschiede sind die, daß die Zahl in P um zwei ver-
mehrt ist, daß in P der Rahmen und gleichfalls die in der Dioskurideshs.
' ,]. L. Heiberft- verdanke ich den Hinweis auf diese Bildei
48 C. T H u L I N :
außerhalb des Rahmens stehenden Namen der Gelehrten fehlen. Aber eben
diese Namen der neun Agrimensoren sind in der Tat überliefert. In der
sogenannten Geometrie des Boetius ist nämlich folgendes Verzeichnis er-
halten, La. 403 :
NOMINA AGRIMENSORVM
Igini Balbi mensoris
luli Frontini Igini
Siculi I Flacci Euclidis
Ageni | ürbici Cassi Longini
Marci | luni | Nipsi
Es war nicht leicht zu erraten, weder woher diese Reihe von neun Namen
beiühmter Agrimensoren gekommen war,' noch weshalb Euclides unter den
römischen Namen aufgeführt worden ist. Die griechische Parallele gibt
uns nun die Erklärung: wie auf dem ersten Ärztekreis der sagenhafte
Cheiron, so fungiert hier der Begründer der Geometrie, Eukleides, als Vor-
sitzender, und jene Liste stammt aus diesem Agrimensorenkreis einer Hs.,
in der auch die Namen wie in der Dioskurideshs. ausgeschrieben waren.
Noch einen Schritt weiter dürfen wir gehen. In P sind wie bei
Dioskurides zwei Kreise. Wenn nun der eine die römischen Agrimensoren
enthielt, so liegt es nahe, anzunehmen, daß der andere ihre griechischen
Lehrmeister umfaßte. Im Fragment A Nr. i6d sind folgende Namen ent-
halten, die vielleicht einem solchen Kreis zugehört haben:
Geometra Pyrrus Magnus
Arestylli dno
Apollonius
Euclydis Siculus arismetica scripsit
Der Name des Euclides konnte selbstredend in diesem Kreis nicht fehlen.
Hinzufügen möchte ich noch, daß auch die Miniatur f. 4** der Dios-
kurideshs., wo Dioskurides selbst auf einem schönen Lehnsessel, mit den
Füßen auf einem Schemel, sitzt, es verdient, sowohl mit dem Euclidesbild
des A 162 (vor dem Titelblatte bei La., besser reproduziert im Katalog
Heinemanns) wie mit der vierten Miniatur des P verglichen zu werden.
Bie Handschriften de^ Corpus ayrimensorum Romanorum. 49
Zusammenstellung des Inhalts von P und G.
(P fehlt) I. a) Der Anfang von Balbiis j:xpos. et ratio mensurarum
0 S. 1-3 (La. 91, 2-95, 4. B Nr. 8) unter dem falschen Namen
des Frontinus^ (Forts. Nr. 12). luuvs frontinvs c€lso
Notum est omnibus Celse semipedes VIII (die drei
letzten Punkte in umgeworfener Ordnung). Unmittel-
bar darauf
h) Fragment unbekannter Quelle^ Vgl. A Nr. i6b.
Haec omnis mensura diligenter et fideliter exquirenda
est. ideoque monemus ut unus quis suos fines teneat^
non alienos lacessat. nam ideo ^limes agro positus estj
ut litem discerneret aruis<^. nam ante lovem Umites nmi
parebantj qui diuiderent agros. Vicinorum autem exempla
sumitej de quibus pos(s)itis inculpabiles proferre sententias.
natu ideo ager pedibus mensuratur^, ut ueritas declaretur.
EXPLICIT 6PISTOLA AD C€LSUM.
P f. 9'"-ii'^ 2. Interpolierte Jurist. Auszüge aus den Digesta Gromatica
(Anfang fehlt) (vgl. Nr. I 8):
G3-9
a) Aus dem Codex Theodosianus (a, 438):
D6 FINIUM R6G. IMP. CONSTANTINUS - - - Äl'CUdiO biS et
Rufino sss, La. 267, 2-270, 3.
b) PAVLI S6NT6NTIARVM €X LIBRO QVINTO, La. 27O, 4~9-
C) D6 S6PULCHRIS, La. 2 7 I , 1-2 7 2 , 23.
d) Novellae posttheodosianae tit. 24, 4, 20 (a. 443, 438,
440), La. 273-275. S. Mo., Bonn. Jahrb. 96-97, 283
= Ges. Sehr. VII 474.
' In ß Nr. 8-9 (JV) folgt nach dem abgebrochenen Text des Baibus ein Fragment
mit der Stibscriptio Explicit liber Frontonis primus. Daß der Name Frontinus statt Baibus
daher gekommen ist, bemerkt Mo., Bonn. Jahrb. 96-97, 284 A. i = Ges. Sehr. VI! 475 A. i.
'' Der Inhalt erinnert stark an das Vegoiafragment La. 350 f. Auch ein Vers von
Virgil: Aen. Xll 898 limes agro positus, litem ut discerneret aruis ist hier eingerückt. Vgl.
FE Nr. 3 §9, wo die richtige Wortstellung litem ut behalten ist, wie in A Nr. \6b.
Phil.-hht. Klasse. 1911. Anhang. Abh. IL 7
1
50
Pii'-i3'
(Schluß fehlt)
G9-16
P 18^-20^
(Anfang fehlt)
G 16-36
p 22-28
(21 fehlt)
G 36-48
C. T H u L I N :
e) Aus den Justinianischen Digesten tit. 10, i. (Aus-
führlicher unten Nr. 180.)
PAULUS iJBRo XXIII AD 6DICTUM POST ALiA. sed ßt st mensor
- - 7nercedis. ixejvi post alia. si dicantur - - potest, La. 276,
24-26. 277, lO-I I.
3. lULI FRONTINI D6 AGRORUM QUALITATE.
Agrorum qualitates sunt tres - - noscatur, La. 1-27, 9.
VgL A Nr. 4, FE Nr. ^a, c, y; gc. Die Zeichnungen sind
ausgeschlossen, weil der Liber diazografus in Ni-. 4 sie zu
ersetzen schien. S. Eranos XI l3off*.
4. Der dem Agennius falsch zugeschriebene Kommentar zu
Frontinus (Mo., Ges. Sehr. VIT 468-472).
a) AGceNi uRBici. Suseepimus qualitates agrorum - - ariißces
coguntur, La. i, 6-26, 25.
h) LiBER DIAZOGRAFUS. Dlc Zcichnungeu La., Fig. 42-67.
P 29'— 44^ 5. SAeCULI FI.ACCI De CONDICIONIBVS AGRORVM.
(40-41 fehlen) Condiciones agrorurn - - leges respiciendne. explicit saecvii
^ 49~75 FLAcci LIBER. La. 134, 14-165, 24 (Lücke in P 156, 24 pro-
fessi bis 160, 10 tamquam). Vgl. B Nr. 3.
Bis hierher ist die Ordnung in P und G gleich. Aber von der Fort-
setzung des P f. 45-72 ist der Anfang in G nach dem Schluß versetzt
(G 204-215), das übrige fehlt in G außer dem Bruchstück Nr. 80^.
P45-5i^
G 204 med.
bis 215
P47'"
48^
48^
6. Auszüge über termini aus den Digesta Gromatica (Forts.
Nr. 16), unter die ein Fragment (/)) geraten ist:
ö) 6X LIBRIS DOLABELLAe, La. 302, I— 3O4, 7»
h) Si in agro assignato vener is - - in re praesenti . . ., La,
290, 17-292, 1 (Forts, fehlt). Vgl. A Nr. i (Nypsiis?),
FE Nr. 8^, 10.
C) ex LIBRIS LATINI DC TeRMINIBVS, La. 3O5, I -3O6, 18.
d) Genera lapidum finalium, La. 306, 19-29.
e) Auetores gaivs, vitalis, favstvs et valerivs, La. 307 -308.
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 51
50' /) ex LiBRo FRONTINI sEcvNDo. Si termini desint - - - non
r/^HLa. 73, 28-74, 10 = 42, 21-43, 13. Vgl.BNr.2.
50"^ 9) NAM ET LocoRUM - - trißnium ostendunt = La. 74, 1 1-14,
wie Mo., Ges. Sehr. VII 469 A i dargelegt hat, von La.
falsch mit dem vorhergehenden Exzerpt verbunden.
50"^ ^'') LATiNvs vp TOGATvs, Lr. 309, 1-2 8. G endct mit 309, 25
aliud Signum.
P5r-62'" 7. Casae (aus den Digesta gromatica).
a) ex LIBRÖ XII INNOCeNTIVS VP AVCTOR D6 LITT6RIS NOTIS IVRIS
6XPONeNt)IS.
Casa per a nomen huhens - - - computatio limitis, La.
310, 1-318, 19.
56" fin. />) Das griechische Alphabet.
57' ^"^^^ P^^ >^ <^^ö5 nomen habens - - territoria diuidet,
I^a. 318, 20-325, 10.
6 r r) A moniicellum habet - -flumen inferius, La. 325,12-327,2.
Griechische Buchstaben ohne Zeichnungen. Dasselbe
wird Nr. 2\b mit Zeichnungen und Überschrift wie-
derholt.
P62''"^ 8. a) MENsvRARVM GEN€RA svNT XII DigituSj, uncid - - - uefsus habet
G216 pedes v\\\ <>cxL, La. 339, 1-19.
P62'' b) Erklärung der Siegel für minutiae assis, La. 339, 20
bis 340, 8.
P63'" 9. NOMINA AGRORVM, La. 246-247. Vgl. A Nr. I 6(/.
P63''-72'' 10. Der über rcgioiiiiin I (A Nr. 5) interpoliert durch mehrere
Exzerpte.
a) EX coMMENTARio cLAVDii (Icg. C. lulü) cAESARis. Lex agris
Umitandis - - pars piceni. = Provincia Tuscia A 85-95,
La. 211, 23-225, 3, aber mit Auslassung von 220, i 2
bis 221, 13 und 223^^6-13, die in FE Nr. 7 vor-
handen sind.
66', 21 b) ACER ANCHONiTANus ett kge qua et florenänus - - ex litteris
graecis, La. 225, 4-13. Vgl. A Nr. 14c/ (fragmentarisch
erhalten in J).
7*
52 C. T H u L I N :
66^, 5 c) EX LiBRo BALBi PRoviNciA picENi Affev SpoUtinus - - hl Piceno
ßnes terminantur = A 95-97, La. 225, 14-228, 2. P
add. ita et per Tusciam.
67'", 10 d) ITEM DI VI ivLi^ augustei pro hac ratione - - - - reliquum
pro ut regio habet = A Nr. 12, aber der Anfang fehlt
hier. La. 242, 11-243, 17. Über Grenzsteine.
67'', 4 e) PROVINCIA vALERiA Ager Amiterninus - - - qua et Corßnius,
La. 228, 3-229, 9.
68', 9 /) IN MAPPA ALBENsivM iNVENiuNTVR HAEC (in A statt dicscs Titels
Provincia Apulia). Ager heclanensis - - iter populo non
debetur, La. 2 1 o, 4-2 1 1 , 9 =: A 83-85 Provincia Apulia
und Calabria.
68", 5 g) PROVINCIA D ALMATI ARVM lu dtuersos regiones - - - ud publicum
ius pertinent, La. 240, 16-242, 6,
69'", 8 h) CIVITATES CAMPANIAE EX LIBRO REGIONUM AquinUnij UlUrO dltCttt
- - distinxit ac declaravit, La. 229, 12-239, 19 = A 97
bis 110, aberLa. 231, 14-18, 233, lo-i i und 238, 10
bis 14 fehlen.
Die vier letzten Zeilen der Seite 72' sind leer.
Die Abschnitte/, a, c, h enthalten also den in A 82-110 (Nr. 5) überlieferten
JAher regionum I fast vollständig: nur der Anfang, Prouincia Lucania und I^ou.
Brittiorum (La. 209,4-210,2), ferner Prouincia Sicilia (La. 211,12-21), einiges von
JFVo«. Tuscia (La. 220,12-221,13 und 223,6-13) und die Zeilen 231,14-18,
233,10-11, 238,10-14 fehlen. Die dazvvischengestellten Auszüge hat Lachmann
in den Liber reg. I aufgenommen; Mo., Bonn. Jahrb. 96-97, 281 = Ges. Sehr.
VII 472 und Bubnov 467 fordern aber mit Recht, daß man diese Zusätze des P
von der Überlieferung des A streng ausscheidet. Ich glaube mit Bubnov, daß
die Abschnitte b, e, und g, aus einem anderen liber regionum stammen, der schon
in der Vorlage des A existierte (Reste davon s. A Nr. 14a und c. Auch der in/
untergeschobene Titel In Mappa Älbensium inueniuntur haec war einstmals in A vor-
handen: La. 244,13, A Nr. 9). Der Autor des P hat also diese beiden im Arche-
typus vorhandenen libri regionum ineinandergearbeitet. Ein neuer liber regionum,
der in A nicht existiert, eine spätere Bearbeitung des Hb. reg. I, folgt in P Nr. 19
und bildet dort den Schluß einer Redaktion des Corpus Agrimensorum,
Von hier an gehen P und G wieder zusammen.
P73'"'' II. Limites und agri in zwei Kolumnen nebeneinander mit
Gr 75-76 der Überschrift nomina limitvm, La. 246, 24-249, 29. Die
Kolumne der agri ist in P Nr. 9, die beiden in A Nr. 16
und EF Nr. 5 enthalten.
Bk Handschriften des Corpus agrimensorum Rmnanorum. 53
'^IZ^-19' 12. Forts, des Baibus Nim unter dem Titel incipivnt g€N€ra
G 76-85 LiNeAMeNTORVM Grodus habet- - et duabus rectis, La. 95,5-10,
96,21-97,13, 98,11-103,11, 103,17-104,6, 104,13
bis 105, 12, 105, 16-106,8. Vgl. B Nr. 8 (E Nr. 14).
P79'"-82'^ 13. EvcLiDis LiBER PRiMvs PunctuTii est - - aequalia sunt, cxplicit
G 85-90 PROL6GOM6NA, La. 377, 1-379, 22. iNcipiT SCH6MATA SupeT datom
rectam lineam - - quod oportehat facere, La. 380-381, 21 : die
Definitionen, Postulate und Axiome des ersten Buches
Euclids und die drei ersten Propositionen dieses Buches
mit Beweisen.
P82''-io8'' 14. Hyginus Gromaticus (s. A Nr. 6, B Nr. 7) unter dem fal-
G 90- 133 sehen Titel INC. KYG€NI AUGUSTI LIBCRTI D6 LIMITIBVS CONSTITV6NDIS
(ohne die Einleitung La. 166-167, 2). Ab hoc exemplo - -
forma describamus, La. 167,3-208,4. explicit lib€r hygcni gro-
MATicvs. Der Autor dieser Schrift hat den Frontin (etwa
40-103) und den Hygin, der unter Trajan schrieb (La.
121, 7), benutzt. Der Bibliothekar Hyginus Augusti libertus
aber starb bald nach Augustus. Die Subscriptio ist die-
selbe wie in B. Lex Mamilia s. Nr. i8ö.
Pio8''-ii2^ 15. Zwei Auszüge aus dem Hyginns (B Nr. 3) De limitibus
G 134-140 und De agris (nicht De contro versus, die in Nr. 4 schon
behandelt waren), inc. eivsoew Igttur omnem sortem - - in
aequo sint, La. 113, 13-18. Quaestorii autem - - hae sunt
GO'ndiciones agrorum quas cognoscere potui, La. 115,15-123,17.
Keine Subscriptio.
Pii2''-i2 2' 16. Auszüge über termini aus den Dig. Grom. (s. Nr. 6).
G 1 40- 157 a) Litterae singulares^ quae in terminis provinciae Tusciae
scriptae sunt, La. 340, 9-22.
b) Namen und Abbildungen der Grenzsteine, La. 340, 24
bis 342, 12. Fig. 270-^15.
c) 0RDIN6S FiNiTioNUM 6x DiuERsis AvcTORiBvs. Termini - - dehenty
La. 342, 13. P 1 16'" viTALis 6T ARCADivs, La. 343. P I I 7'
GAIVS ex THEODOSIVS, La. 345. P I I 8' LATINVS 6T MYSRONTIVS
TOGATI AVGVSTORVM, La. 347. P I I 8^ ^X UBRIS iWAGONlS 6T
54 C. Thulin :
V6GOIAG, La. 348. P 120'" IDEM V6GOIA6 ARRVNTI UeLTVMNO,
La. 350. P 120'' ARCADivs AUGvsTvs, La. 351. P 121"
IT6M VITALIS, La. 352. P I 2 I "^ IT€M FAVSTVS CT VALGRIVS,
La. 353.
d) Litterae singulares quae in diuersis loeis inueniurdur,
I-a. 353.
P 122'- 124' 17. De 1VG6RIBVS M6TIVNDIS. Küstrenshi iugerus - - - - esse dicimus,
G 157-161 La. 354-356.
P 124'- 127'' 18. Jurist. Auszüge (s. oben Nr. 2):
G 161- 167, 5 ö) FiNivM R6GVND0RVM. Paulus lihro XXlll nam illic
ita est, La. 276-280 = Digest. lustiii. tit. 10, i (oben
Nr. 2c).
h) L€x MAMiLiA ROSCIA - - - damnüs esto, La. 263-266 (s. A
Nr. 6, B Nr. 7.
Danacli sind in P 10 Zeilen leer gelassen.
P i28'-i32'' 19. Liber regiomim II, La. 252-262:
G 167,5-175 ADRIAN vs AGGR Limitibus manümis - - qua supra diximus,
mit einer Nachschrift, die aus Nr. 1 h (vgl. auch Hyginus,
La. 129, 8f., 131,3) genommen ist:
Maxime autem uicinorum exempla sumenda sunt ei con-
suetudlnes regionum intuendae^ ut secundum signorurn ordinem
atque ratione ueritas dectaretur. exPLicix.
In P 4 Zeilen leer; Quat. XVI endet hier.
Da die Nachschrift in offenbarer Beziehung zu der Einleitung Nr. i
steht, so ist nicht zu bezweifeln, daß mit dieser und dem abschließenden
6XPLICIT eine Redaktion des Corpus agrim. endet. Die folgenden Schriften
bis zum Schluß des P, unter denen Ratio limitum regundorum der auctores
Theodosius ei Neuierius (!), eine neue Bearbeitung der casae (2 1 a) und Aus-
züge aus Isidor (22), sind also ein späterer Zusatz, frühestens des 7. Jahr-
hunderts. Dagegen ist die Redaktion, die Nr. 1-19 umfaßt, wahrschein-
lich älter als Isidor.
P 133'"- 140'" 20. Auszüge über limiies und iernuni:
G 175-189 a) Litterae singulares mit übergeschriebenen Erklärungen,
La. 357.
Bie Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 55
b) iNciPiT RATIO LiMiTVM RecvNsoRVM fiaec est <(-} auctor Theo-
dosius et Neuterius fite, mit vielen Rubriken, wie Ex-
positio podismi, De mensuratione iugeri, Expositio limitum
uel terminorum etc., La, 358-366,9.
21. Casae (vgl. Nr. 7).
P 140' fin. n) INCIPIT ET D€ CASIS LITTERARVM MONTIVM IN P6c> V FAC P6D€ VNO.
bis 144'' A casa quae per A nomen habuerit ped. m. lviti,
G 189-196 La. 331.8-338,27.
P 144"^- 147' h) 6XPOSIT10 LiTTeRARVM FiNALivM. Monticellum hohet - ' ßumen
G 196-201 inferius = P Nr. 7^-, aber die griechischen Buchstaben
stehen hier verbunden mit Zeichnungen, jedesmal nach
dem dazugehörenden Text.
P 148-149'' 22. Isidorus Orig. XV cc. 14, 15, 13.
G 201-203 iT€M iNTeRPR€TATio uBi svpRA. De finihus agrorum - - De men^
suris agrorum - - De agris - - La. 366, 10-370, i.
P149' 23. Zwei korrumpierte Exzerpte aus Hyginus Grom. unter
bis 1 49"^, 2 dem Titel oe limitibvs constitvcndis : A voCe (statt ab hoc)
G 203-204 exemplo - - transuersos appellauerunt (La. 167,3-8). omne
mensure culus quadratura - - scarnna uocauerunt (La. 206, 15
bis 207,4).
Hier endet P. Eine spätere Hand hat die letzte Seite mit einem Ge-
dicht in Miniaturschrift gefüllt: Versus Radhodi sanctae Traiectensis aecclesiae
famuli De hirundine.
Est mihi corporeae specles aptissima formae
Quae fore terrigenum nulli onerosa queat.
Vijc etenim digitos numerat mensura quaternns
Fürmula. qua constat corporis arta mei etc.
In G S. 204-215 folgt nun der Abschnitt Nr. 6 und S.. 2j6, mit der
der 14. Quaternio anfängt, Nr. Sj^. Die Fortsetzung dieses letzten Qua-
temio wird mit dem folgenden Traktat ausgefüllt.
G217-222 indt NOMINE PAvcA D6 MENsv>^!s secunduTU geometrkae dkcipUnae
rationem ex voluminibus eruditorum uirorum excerpta incipiunt. Mensura est
iuxta Isidorum - - unam rastam efficiunt. oe poNoeRiBvs. Ponderum pars minima
' - centum lihris constet. oe mensyris in liqvidis. Mensurarum in liquidis - - sunt
modia lx, L a. 3 7 i - 3 7 6 .
56 C. Thulin:
Wie aus dieser Übersicht hervorgeht, ist P vollständiger als G, in
dem auch die Ordnungsfolge zum Teil eine andere ist. Der Inhalt der
f. 45'"— 51' (Nr. 6), d. h. von dem 6. Quaternio an, ist im G an den
Schluß gestellt (f. 204-215), und was in den folgenden ff. 5r-72'' des
P (Nr. 7-10) enthalten ist, fehlt in G, außer dem in G S. 216 nachge-
tragenen Stück Nr. 8 a. Wahrscheinlich waren in der Vorlage des G die
Quaternionen mit dem Inhalt von P 45 '^-72'' aus ihrem Platz verschlagen,
vielleicht auch zum großen Teil verloren gegangen. Denn nachdem G
S. 204 med. -2 15 den Inhalt von P 45*^-5 T angeführt hat, bricht er mitten
auf der Seite 215 ab, ohne die Schlußworte La. 309, 25-27, die in P
auf neuer Seite 51'' stehen, mitzunehmen, und zitiert S. 216 nur noch das
Fragment Nr. 8 a. Es ist jedoch denkbar, daß die Auslassung der Nr. 7-10
absichtlich ist. Denn von den Casae (Nr. 7) waren schon zwei Varianten
in G 189-196 (Nr. 21) vorhanden, und zwar die eine, Nr. 21b, eine voll-
ständigere Dublette von P Nr. 7c; gleichfalls waren die nomina agrorum
(Nr. 9) in G 7 5 - 7 6 (Nr. 1 1 ) schon zusammen mit den limites enthalten ;
und der liber coloniarum I (Nr. 10) konnte überflüssig erscheinen nach dem
in G 167-175 vorhandenen neueren lihe}' coloniarum II (Nr. 19), der, wie
Mommsen dargelegt hat, eine verschlechternde Überarbeitung des lü)er
coloniarum I ist. Nur Nr. 8 b war in keiner Form in G vorhanden, aber
enthält auch nichts Gromatisches.
Dagegen enthält G nichts, was in P fehlt, außer dem nachgehängten
Tractatus de mensuriSj de ponderümSj de mensuris in liquidis G 217-222.
Aber der Titel [in dei nomine!) sowie der Inhalt {mensurae in liquidis) be-
weisen, daß dieser sehr häufig abgeschriebene Traktat in dem Corpus
agrimensorum keinen rechten Platz hat. In der 818, also sicher vor G,
geschriebenen Hs. München 210, f. 127-128, kommt er ohne Zusammen-
hang mit gromatischen Texten^ vor, in der Hs. München 22053 (^^^ Wesso-
brunner Hs.) vom 9. Jahrhundert gleichfalls, aber schon stark interpoliert "^
Die Nachschrift des Metellus Sequanus in P f. 150:
CL- viRO jo- ECHTio J. Metellus Sequanus J. c. Hie über est editus Parisiis per Ha-
drianum Turnebum oodliv form, quarti folii una cum picturis, quae in hoc codice reperiuntur,
praeterquam quae Euclidis excerptis inseruntur. Desunt autem Parisiensi codici haec (s. oben
P Nr. 10):
* Im Katalog (Catal. cod. lat. Bibl. regiae Monac. 1 i ö. 190) steht falsch von dem
vorhergehenden Inhalt dieser Hs. »f. 124 ex - - Gromaticis p. 185 miitata esse videtur«.
-^ Siehe Hofmann, Germaniall 89-95 (Catal. VII 191).
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 57
1. Ex commentario Claudii Caesaris desumpta. Incipiunt: Lex agris limitandis me-
tiundis. Finiunt: hoc opus omne arbitratu. quaternione VIll continent semipaginam.
2. Item Claudii Caesaris et M. Antonij et M. Lepidi fragmentum de Coloniis. Incip.
Colonia Florentina. Fin. vel ex lilteris graecis. quat. VIII cont. fol. 3.
3. Item excerpta ex libro Balbi, Provincia Piceni. Inc. Ager Spoletinus. Fin. ad
publicum ius pertineut. quat. VIII cont. fol. 2 ^
4. Item civitates Campaniae, ex libro Regionum. Inc. Aquinum muro ducta. Fin.
per diversitates provinciarum distiuxit ac declaravit. quat. IX cont. fol. 3.
Haec Romae quoque ex Angeli Colotij antiquitatum eruditissimi uiri codice uetustissimo,
quem olim Raphaeli Volaterrano legendum, ut ipse Urbanorum Commentariorum libro
XXX refert, descripsi. Erat autem et is liber picturis coloratis, ut hie (sc. P), illustratus.
Sed hoc (sc. P) antiquior uidebattir. Hie enim ex litterarum forma et orthographiae ratione
proxime Caroli Magni saeculum scriptus est.
Ex medicea Florentina bibliotheca descripsi quoque M. Junii Nypsi fragmentum, ad
huius etiam agrimensoriae scientiam pertinens, sed admodum corruptum est.
Pai'isiensis codex nianavit a Jo. Tylio Angolemensi Epö Meldensi; cui et Romae co-
dicem meum legendum dedi. Sed adhibitus fuit alius vetustus (sc. G) ex Sancti Bertini,
quod Audomari fanum in Flandris, bibliotheca, cui ut et meo
6. inerant Epaphroditi Viiruvii Ruffi Simplicii Balbi et Hygini de castris metandis
fi-agmenta sed vitiosissima.
Calendis Quintilibus oodlxiv Coloniae Agrippinae.
Um mit dem Schluß anzufangen, hat Metellus hier nicht, wie Blume,
Mommsen und Bubnov gemeint haben, den unglaublichen Fehler be-
gangen, dem Cod. G und also auch der Ausgabe des Turnebus die Schriften
des Epaphroditus und Vitruuius Rufus, Simplicius, Baibus und Hyginus
de castris metandis zuzuschreiben, sondern die Worte cui ut et meo inerant usw.
beziehen sich auf Parisiensis codex, und der Satz Sed adhibitus fuit - - biblio-
theca steht parenthetisch. Seine Angabe über Tilius, die er auch anders-
wo wiederholt hat, scheint mit den Worten der Turnebus und Gallandius
zu streiten, die in der Turnebusedition S. 256 den Gentianus Hervetus als
Überbringer dieser Hs. (= Paris 7229, s. Rhein. Mus. 191 1 »Humanist. Hss.
des Corpus«) erwähnen. Sie sagen aber nicht, daß Hervetus diese Hs.
selbst geschrieben habe. Vgl. Blume 14 und ^^.
Was er über die Mediceische Hs. (= F) sagt, stimmt mit seinem
eigenen Zeugnis in der Abschrift (Cod. Barb. 164, s. Rhein. Mus., a.a.O.)
überein, nur daß er dort richtiger describi curavimus statt descripsimus sagt.
Dagegen ist seine Angabe über die Hs. des Colotius erweislich falsch.
Wir wissen nämlich durch Metellus' eigene Hs. (Cod. Barb. 164), daß er
die Mediceische Hs. F hat abschreiben lassen und in Rom diese Abschrift
mit Hilfe des Cod. Zanchi (V) selbst ergänzt und korrigiert hat, besonders
Phil.-hül. Klasse. 1911. Anhang. Abh. IL ^
58 C. T H u L I N :
den über Regionum, von dem hier die Rede ist {Hoec am Anfang be-
zeichnet ja eben die in P erhaltenen Abschnitte dieser Schrift). Wir wissen
auch, daß er in Rom den Cod. Zanchi (V) vollständig abgeschrieben hat
(s. Cod. Paris 7229), wahrscheinlich bei Colotius. Diese Abschriften aus
V und F wollte er hier erwähnen, aber da er den F nach eigener glaub-
licher Angabe bei Colotius, der ihn wohl aus Florenz geborgt hatte
(s. § 9), wirklich selbst gesehen hatte, so konfundiert er nun zwanzig
Jahre nachher seine beiden Quellen und setzt an die Stelle des V (Cod.
Zanchi) eine angebliche alte Hs. des Colotius, auf die er die Notiz des
Volaterranus (s. S. 35) falsch bezieht. Die Worte picturis coloratis passen
nur auf die Abschrift Zanchis (V) ein, während F nur Zeichnungen mit
Umrissen hat. Bei der Angabe Sed hoc antiquior uidebaiur schwebte ihm
aber die Erinnerung an F vor, von dem er in Barb. 164 sagt litteris alicuhi
Longohardicis scripto\
Diese Erklärung wird zur Gewißheit erhoben, wenn wir die Fortsetzung
lesen : Parisiensis codex manauit a lo. Tylio Angolemensi Epö Meldensij, cui et
Romae codkem meum legendum dedi. Denn cod. Paris 7229 ist eben die
Abschrift des Tilius nach der Metellischen Abschrift des V; die Worte
codkem meum müssen sich demnach auf die ersterwähnte Abschrift des
Metellus Haec Romae quoque usw., nicht auf die zweite Ex Medkea Floren-
tina usw. beziehen. Metellus wollte also sicher mit jenen Worten seine
Abschrift des V bezeichnen.
§8. a ist Abschrift von P.
In der Vergleichung dieser beiden Handschriften hat die Blume-
Lachmannsche Ausgabe ihre größte Schwäche. Der Gudianus gilt für
Lachmann als die Haupthandschrift dieser Klasse: den Palatinus kannte
er nur durch eine ungenaue Kollation. Blume sagt 11 47: »einzelne
Stücke desselben habe ich in Rom vergleichen können; doch bleibt vor
* Schon Blume, Agrini. II 15 und Mommsen, ebd. II 217 haben gesehen, daß diese
Worte des Metellus nicht ganz in Ordnung waren, obgleich sie den Cod. Barb. 164 nicht
genügend kannten. Bubnov 453 hat vergeblich versucht, sie zu verteidigen, indem er sie
auf die von Volaterranus erwähnte Hs. der EF-Klasse bezieht, obgleich er selbst für wahr-
scheinlich hält, daß diese Colotiushs. mit der llorentinischen identisch ist. Metellus sollte
also zweimal dieselbe Abschrift bezeichnen, erst ex Colotiano, dann ex medicea Florentina hibl. I
Die HandscJirlften des Corpus agrimensorum Romanorum. 59
allem noch eine treue Kopie aller Zeichnungen zu wünschen«. In der
Ausgabe sind hauptsächlich die Zeichnungen des Cr wiedergegeben.
Der im Jahre 1894 gestorbene Prof. Joh. Schmidt, der in den Jahren
1880- 1883 Vorarbeiten zu einer neuen Ausgabe der Gromatici latini ge-
macht hatte, schreibt in seinen hinterlassenen Papieren, die von seiner
Witwe Hrn. Prof. Schulten und von diesem mir zur Verfügung gestellt
worden sind, über seine Kollation des Palatinus: »Ich habe ihn wieder-
holt sehr genau verglichen ; dabei ergab sich, daß von den beiden
Schwesterhandschriften der Palatinus die bei weitem vorzüglichere ist, die
in der überwiegenden Zahl der Fälle zugrunde gelegt werden muß. Von
besonderer Wichtigkeit war die Entdeckung, daß die Hs. in den jungen
rustik geschriebenen Abschnitten von dem klassisch gebildeten Korrektor
der Karolingerzeit systematisch ins Klassische umkorrigiert worden ist.
So jedoch, daß die ursprünglich dastehenden rustiken Formen noch deut-
lich durchschimmern oder nach den analogen Fällen mit Sicherheit her-
zustellen sind. Hiernach wird die neue recensio in vielen 100, ja viel-
leicht über 1000 Formen von der Lachmann sehen abweichen. Von
Wichtigkeit sind auch die Zeichnungen des Palatinus, die vieles zur Klar-
heit bringen, was im Gudianus unverständlich war.« Soweit Schmidt.
Wir werden im folgenden sehen, daß er doch nicht weit genug gekommen
war, um das Verhältnis zwischen P und G klarzustellen. Mit sicheren
Beweisen läßt sich nämlich dartun, daß P geradezu die Quelle des G ge-
wesen ist, wie schon Mommsen, Bonn. Jahrb., Heft 96-97, S. 272 =
Ges. Sehr. VII 465, vermutet hat. Aus der folgenden Darstellung wird je-
doch zugleich hervorgehen, daß G keine direkte Abschrift des P, sondern
eine Abschrift von zweiter Hand ist.
I. In dem Abschnitt De casis UUerarum lesen wir La. 332, 26
in P f. 141'", 16 F. Casa quae per. f. nomen ha
fines grandes hahens,
in G S. 191,7 F. Casa quae p.f. afines grandes hahens.
In P stellt ha- am Zeilenende und nur daraus ist es zu erklären, daß die Fortsetzung des
Wortes -buerit weggefallen ist. Die Lesung des G aßnes setzt aber ebendiesen Fehler vor-
aus, nur daß außerdem eine sehr naheliegende Konjelstur gemacht worden ist. Man hat
nämlich nomm h ausgelassen, offenbar weil dies vermeintlich mit der casa F nichts zu tun
hatte, da erst in 333,7 die Worte »H. casa quae per h nomen habuerit« folgen.
Da es sehr unwahrscheinlich ist, daß auch in der Vorlage des P die Teilung des
Wortes habuerit auf zwei Zeilen sich genau so traf, dürfte es als sicher gelten, daß P selbst
der Ausgangspunkt dieser Korruptele ist.
60 C. Thulin:
2. In La. 354, 2 steht
in P f. 12 2'", 13 Kastrensis iugerüs quadratus,
in G S. 157, 7 Kastrenses iugerüs quadratus.
Es ist ohne weiteres klar, daß die unvernünftige Lesart in G auf die unvollständig durch-
geführte und mißverstandene Korrektur in P zurückgeht (P selbst schrieb Kastrensis iugerüs).
Dieser Fehler des G muß unbedingt von P, nicht von einer gemeinsamen Vorlage aus-
gegangen sein.
3. In demselben Abschnitt De iugerihus metiundis La. 354,18-19 lesen wir
in P i. \ 2 2^,1/^ fiunt per ticae ^ dccc
LX
in G S. i$fi,^ ßunt perücae dccc
LX
G hat also hier die Zahl M (1000) nicht, wie Lach mann a. a. O. behauptet, aus-
gelassen, sondern falsch zu der Figur gezogen. Die einzige Erklärung dieser Sinnlosigkeit
gibt P, in dem die Spitze des Triangels zufälligerweise gerade unter das M des Textes
gestellt ist, wodurch der Schein geweckt wurde, als gehörte jenes Zeichen zu der Figur.
Auch dieser Fehler des G muß von P hervorgegangen sein, da es nicht anzunehmen ist,
daß diese Figur gleichfalls in der Vorlage des P genau so stand.
Ein Fehler ähnlicher Art ist in den beiden Hss. PG ersichtlich in La. 368,8 porca est
quod in arando lxxx extat, wo zxxx schon in den Text des P eingeschlichen war, weil
LXXX
die Figur XV XV gerade über den Worten arando extat stand. Da dieser Fehler
LXXX
in der Exzerptenhs. München 13084 nicht vorhanden ist, so Hegt es nahe zu vermuten, daß
der Exzerptor einer älteren Hs. als P gefolgt ist.
4. In Hyginus Grom. La. 201,4 schreibt
pioiv,24 L.p.poL. tu^«» Lxv/K I c.M.c.}:-(/H^ iu5*LxvtT<
122,23 L. n .poL. iLxc^i LxvT^^i -CN • c^ -ifxeiuc^-Lxvfp^
Nach dem iug hat P statt des Punktes das Abkürzungszeichen S, das erstemal ziemlich
groß, das zweitemal ganz klein; G schreibt demnach an der ersten Stelle iug. ^, an der
zweiten luo. , , ,
max. k&vas max karj
Ähnlicherweise schreibt in La. 358,1 P: m k, G: m k.
GS
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 61
5. In der Tabelle La. 309,17-22 schreibt P f. Sf cc, ccc, cccc immer so, daß ein
Strich vom ersten c an oben die c verbindet (s. Taf. VII i). G S. 215 liest dies als CT
oder nur t, ctt oder tt und ttt. Ferner schreibt P hier ein undeutliches l, G gibt es
als c wieder. Zu erinnern ist auch daran, daß G fast immer das Zeichen oc (= m) des P
als cc deutet.
6. In La. 334,19 hat P oder der Korrektor fluuiu falsch in ßuum korrigiert; G
schreibt fluü.
n n
7. In La. 360, 27 hat P demonsirat, v. 28 demonstrat. An der ersten Stelle ist ein
sudeliges n übergeschrieben, an der zweiten ein deutliches; G schreibt demnach an der ersten
Stelle demonstrat, an der zweiten demonstrant, obgleich die Änderung in beiden Fällen gleich-
berechtigt ist. (Taf. VII 2.)
8. In La. 183,13 hat P die ungewöhnliche Abkürzung von decumanus: dscum (sonst
cfs oder dec). G schreibt hier schlechthin decum
9. Schließlich stimmt G fast immer, d. h, in Hunderten von Fällen, mit den korrigierten
Formen in P überein, wobei die Priorität des P häufig dadurch außer Zweifel gestellt wird,
daß die ursprünglichen Lesarten des P mit denen des A oder B identisch sind ; z. B. :
La. 97, 7 etiam//////// agros (etiam auf Rasur, metiamur agros V), etiam
agros G.
121, 10 ///ere (h eras., here B), G aere,
122,6 prouincia/// (p-am B), G p-a,
140, 2 termino/// (t-nis B), G t-o,
145, 18 lacess//ant (i eras.: lacesseant B), G 1-sant,
169, 7 italia/// (italiam B), G i-a,
170, i terra PAE, terra P corr., G,
182, 12 a PAB, ad P corr., G,
uan//e P (uariae A, uarie richtig E), uane G,
186, 5 soI//stitialis (sollst -s AB), solst-s G
188, 6 inhahitabilejs ////J/indos (inhabitare arabus (arab. B) indos AB), inhabita-
biles indos G.
Eine Ausnahme bildet:
quod
La. 148, 10 respiciendum P, respiciendun» G.
Aber dieses quod ist mit ganz anderen Buchstaben und anderer Tinte geschrieben als
die übrigen Korrekturen in P, also wohl erst, nachdem die Abschrift gemacht war, einge-
tragen. So erklären sich auch die übrigen wenigen Fälle, in denen G die ursprünglichen
Lesungen des P wiedergibt :
& ^
La. 2, I diuisus assignatus,
4, 3 ager est mensura conprehensus est,
122, 5 hab///& (er eras.) P, haberet G,
177, 7 aliquot (t aus d) P, aliquod G,
9 antonino P, antonino G.
62 C. Thulin:
Einige Korrekturen in P sind undeutlich und vielleicht schon aus diesem Grunde nicht
von G aufgenommen:
La. 113, 17 disceptatio (undeutliches p aus r) P, discertatio G,
121, 13 ut ///, 122, IG libra /// (i und s halb ausradiert) P, uti und libras G,
o.
169, 18 eo conuertere P, eo conuertere G. Das sinnlose übergeschriebene
o ist von Schmidt richtig als ein Rest eines merowingischen c er-
klärt worden und beweist also, daß die Vorlage des P aus mero-
wingischer Zeit war.
Aber anderseits gibt es sichere Beweise dafür, daß G nicht direkte Abschrift von
P ist, sondern Abschrift einer Abschrift, und zwar einer, die nicht so deutlich und sauber
wie P selbst geschrieben war und außerdem mit vielen Abkürzungen:
In G S.169 sind nach den Worten Castellense municipium La. 254,23 fast zwei Zeilen
frei gelassen. Dafür gibt P keinen Anhalt.
La. i6o, 17 hat P die Worte sua edictis so deutlich getrennt, daß die Lesung Gs sriae
dictis kaum daraus hätten entstehen können.
La. 123, I hat P pes earum, in v. 3 qiiae eorum voll ausgeschrieben. Daraus lassen
sich die Lesungen Gs pese ex und quae e ex nicht herleiten. Sie erklären sich aber von
selbst, wenn wir annehmen, daß in der Vorlage eorum abgekürzt war: also pes eoif. und quae
eoy,, denn ajf, war ja leicht mit ex zu verwechseln.
Statt des ausgeschriebenen quam maxime des P hat G einmal qui maxime (La. 306, 12),
zweimal quemaxime (La. 308,4 u. 14), einmal qu^maxime (La. 308,8) geschrieben. In der
Vorlage Gs war also quam mit Abkürzung geschrieben.
Bis jetzt haben die angeführten Beispiele uns zu dem Resultat geführt, daß G eine
sekundäre Abschrift von P ist. Wir wollen nun sehen, ob keine zwingenden Gründe da-
gegen sprechen.
Daß eine Vergleichung des Inhalts von P und G nicht gegen, sondern für eine solche
Annahme spricht, ist schon oben (S. 56) dargetan.
Gibt denn G keine richtigeren Lesungen als P? Gewiß gibt es viele solche, aber
keine, die sich nicht als Korrekturen leicht erklären lassen.
Da G nur eine mittelbare Abschrift des P ist, so dürfen wir voraussetzen, daß schon
in der Vorlage Gs einige Verbesserungen gemacht waren, wie es in G selbst der Fall ist.
Jene korrigierende Hand tritt uns sogar greifbar entgegen in den Fällen, in denen die Les-
arten Gs sich als vermeintliche Verbesserungen der Korruptelen in P entpuppen
La. 122,7 parallenam P — . B parellelam G
cedant ius P cedentius G
inlimitatus P in limitatibus G
uni foco P (richtig) unifico G
agromensuram
(falsch für modi agrum) P agrimensuram G
quatrifinium P qui trifinium G
spatiosas P speciosas G,
oder gar die übergeschriebene Korrektur neben dem zu koi-rigierenden Wort in den Text
gekommen ist, wie La. 143, 7 usque ad in.
122,
7
143,
13
160,
14
161,
16
205,
I
335^
15
21
Die Handschriften des Coj'pus agrimensorum Romanorum. 63
Die besseren Lesarten in G sind aber zum giößten Teil Verbesserangen einfachster
Art, wie
^ statt e: La. 9, 5 nominande (n-e P); 20, 25 interpretandeque (i-eque P); 151, i saluc
(s-e P); 121, 10 aere (///ere P aus here B); 142, 25 congestg (c-e P); 196, 17 h^reant (lie-t P
= AB); 336, 12 coheret (coherit, coi r. colicret, P); 353, 10. 20 littere (1-eP); 369, 10 prae-
uidium; 11 prede (preuidium, prede P); 379,3 quadrilatere (q-eP);
e statt f oder ae\ 279, 27 alieno (aliaeno P); 307, 2. 346, 7 cecidimus (cec-s P);
•e (em), -ö (am) statt -e, -a: 10, 5 possessione (p-e P); 98, 14 imitatione (i-e P); 190, 3
meridie (m-e P =■ ABE); 200, 16 urnä (u-a P); 206, 15 ottine (o-e P); 274, 26 fertilitatem
(f-e P); 290, 21 scripturä (s-a P); 303, 13 sepulturä (s-a P); 334, 12 positä (p-a P); 346, 2
sublimitate (s-e P); 348,8 terra (t-a P); 365,27 ripä (r-a P).
\'ielleicht stammt aber auch in einigen dieser Beisj)iele der kleine Strich über a und e
oder Haken unter e nicht von G, sondern erst von dem Korrektor des G, wie es z. B.
sicher der Fall ist in La. 192, 15 neglegentiä (n-a P == A).
Andere Verbesserungen sind nur Korrekturen von flüchtigen Schreibfehlern:
La. 25, 10 assumptiuus (a-tius P); 100, 5 genera (genara P); 138, 6 eiecerunt (eiceruntP);
141,6 unguento (ungento P); 153,5 recedant (rec/cedant P bei Teilung des Wortes auf zwei
Zeilen); ^^t,, xi et (et/et P gleichfalls bei Zeilenwechsel); 202, 8 concessae (concensae P);
380, 19 rectae (rectae rectae P).
Diese Verbesserungen haben nicht mehr Bedeutung als diejenigen orthographischen Diver-
genzen, in welchen die Hs. G von P abweicht. So schreibt G immer conditio^, prouintia usw.
(z.B. sescuntia 123, 10; iuditia 275, 14; hifurtium 363,3) statt condicio, prouincia usw. des P,
immer quatinus statt quatenus, lii^ statt hü (so öfters P), condempnatio statt condemnatio (z.B.
375, 6), septemtrio statt septentrio, maceriis öfters statt macheriis (P). A'erbesserungen ähn-
licher Art sind: La. 140,3 sterilibvs; 350,2 sterilitatem (sterel- P); 162, 7 mfe/%j (intellegi P);
176, 7 acceperant (accip- P); 191, i inprimemus (inprem- P); 350, 11 montpji (montis P); 350, 24
contigerit (contegerit P); 363,24 vindicat (uendicat P); 191,8 ipsum (ipsud P); ijo, ^ secuti
(sequuti P); 345, 17 iauacrum (lab- P); 359, 25 gypsum (gipsum P); 368, 12 passus (passos P);
262, IG Rubustinus (Rob-s P).
Bedeutender sind die folgenden Verbesserungen in G:
V
La. 146, 10 soliH soluti P (soliti G').
23 prae^tari praestare P; aber in der richtigen Form wird das
Wort gleich nachher wiederholt. Die Änderung
bot sich also von selbst dar.
168, 12 numeres numens P = BE; numeres A.
178, 14 qm (quoniam BE) quotiens P; in der Abschrift, der G folgte, war das
Wort wohl «abgekürzt geschrieben.
254, 28 consuerunt cenmerunt P, vgl. 259, 4.
1 In der Überschrift zu Sic. Flacc. hat er c in t geändert.
'^ La. 279, 12 hi/// G.
64
C. Thulin
La. 336, 17 casa quae ca^a «< P, vielleicht richtig. Wenn aber der Schreiber
16 mal vorher (A-R) casa quae geschrieben hatte,
so brauchte er nicht einmal nachzudenken, um
diese Änderung zu machen.
334, 28 super supra P.
138, 2 iniustitia itistitia P; der Sinn forderte die Änderung.
Besonders zu besprechen sind die folgenden Fälle, in denen Lach mann dem G mit
Unrecht gefolgt ist:
La. 160, 13 deficit G, defecit P.
Mit dem folgenden necesse fuit paßt die Perfektform besser zusammen.
La. 161,6 und 346, i sunt G, sint P.
167, 6 decimanum G, duocimanum P.
lo duodecimanum G, duocimanum P.
13 duodecimanus G, duocimanum P.
Daß duocimanum, -us (so schrieben schon Rigaltius und Goesius) die richtige Lesung
ist, hat Mommsen behauptet (Hermes 27,91 A. 2), sogar ohne zu wissen, daß P hier diese
Form hat. Die Angaben Lachmanns a.a.O. über P sind nämlich hier, wie oft, unrichtig.
de
Daß die Formen des Wortes in G aus duocimanum bzw. -tts hervorgegangen sind, erhellt
sowohl daraus, daß er v. 6 decimanus schreibt, wie daraus, daß in v. 10 u. 13 duo decimanum
getrennt geschrieben sind. Wir haben also hier einen sicheren Beweis dafür, daß die \'or-
lage Gs von einem Quasigelehrten korrigiert worden ist.
La. 175, 7 positi positi G, positi P =: ABE.
Dem G folgend schrieb Turnebus: Quoniam decumanus erat positus, positi sunt deinde
quinque limites. Lachmann hat diese Konjektur aufgenommen und außerdem Quoniam in
Quom geändert. Aber die Lesung der ABEP Quoniam decimanus erat (da der Dec. schon
da war), scheint mir die richtige zu sein, wo es sich darum handelt, von dem Dec. als Aus-
gangspunkt limites zu ziehen. Ob positi positi in G Dittographie, der er sich oft schuldig
macht, oder Änderungsversuch ist, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls hat er sich ein andermal
erlaubt, durch Wiederholung eine vermeintliche Lücke zu füllen:
Die untere Hälfte des La. 357 wiedergegebenen Schemas der litterae singulares sieht
nämlich in den Hss. PG folgendermaßen aus (die übergeschriebenen Erklärungen lasse ich
der Kurze halber aus):
P
G
R V
L M
RM
R V
LM
RM
Q_P
V S
TV
Q_P
VS
TV
G H I
G H
<H>I
<S>I
KM
Y P
RS I
R S
I N
G P
H 0
I N
KM
H 0
D 0
V I
T R
D 0
Y P
T R
Q_M
N X
ZA
Q_M
ZA
N S
X P
M K
N S
G P
M K
T R
XO
T R
V I
XO
AF
H I
A F
N X
H I
PM
V X
P M
X R
V X
Die Handschriften des Coj'pus ayrirnensorum Romanorum. 65
Der leere Raum in P war dadurch entstanden, daß er hier richtig die Buchstaben zu dreien
vereinigte (ghi und rsi). G stellte aber ein durchgehend dreikolumniges Schema dadurch
her, daß er h und s vor dem vereinzelten i wiederholte und ferner die zweite und dritte
Kolumne sukzessive hinaufzog. Die eine Zeile <s>i yp hätte er beinahe vergessen und liat sie
kleiner hineingetragen, nachdem er schon rs in geschrieben hatte.
Weder die Zahl noch die Art der besseren Lesarten in G reicht hinzu, lun das oben
gewonnene Resultat zu erschüttern, daß G eine sekundäre Abschrift von P ist. Dann ist es
aber auch unsere Pflicht, den ohnedies schweren kritischen Apparat von den vielen offen-
baren Fehlern und Fluchtigkeiten des G zu entlasten. Da sie jedoch für die Klassifizierung
der Hss. wichtig sind (in » Exzerptenhss. « S. 6f. zeige ich, daß eine ganze Grujjpe von Ex-
zerptenhss. von G oder seiner Vorlage stammen), so will ich sie hier zusammenstellen.
Fehler in 6, die niclit in P vorhanden sind.
e statt ae: 23,27-28 prestat, prestare; dasselbe Wort 26,3. 135,14. 144,26. 146,23.
147,16. 179,6. 202,4. 302,10. 308,19; prebere 165,7; preterea 144, 27. 155,15. 165,4.18;
preter377, 2; prescriptum 23,26. 160,13; prefecturas 163,21; presignibus 163,23; prerupta
164,19; sepe 118,9; ^llß 145,6; ipse 345,3; cedendi 152,15; questorios 152,21. 154,1;
querenda 347, 24. 357, 29; misse 347, 26; ledentur 351, 7; pertice 354, 13.
§ oder ae statt e: maximae 22,26. 139,8; proximae 348, 29; propriae 23, 21; cede-
batur 23, 11; ceperant 369, 10.
ä- statt -a nur ausnahmsweise: 183,12 qua.
-o » -ö » » 164, 10 una; 337, 25 ssta (P sstam).
-e » -e • » 366, 8 in Oriente.
Do{)pelkonsonant: La. 25, 25 possitione; 162, 2 remissiisse; 176, 10 tran.ssigere; 249, 24
ipotenus sales; 337,7 pertranssit; 348,10 Vespassiani; 180,13 littore; 192,13 apperiri; 201,3
ter/rentio; 256,28 Fallerionensis ; 348,6 sexquippede; 379,4 parrallilae; 103,2. 181,14
connexio.
Einfacher Konsonant statt Doppelkonsonant: 6,7 asignatorum; 7,2 asignationibus ;
135» 13' 275,11 ainisso (statt amniisso); 163,2 teritorium; 303,14 cacabos (caccabos P).
Über -ti- statt -ci-, -mpn- statt -mn-, -mt- statt -nt- s. oben S. 63. Häufig erscheint
auch -np- statt -mp-x 118,24 conplecti; 122,16 conperi; 122,11. 164,1. 165,16. 170,4.
182,13 conpr - -. Immer quatinus statt quatenus. Vgl. auch 141,3 neclecta (corr. G», negl.
P); 338,8 quadrifinalem (quatr. P); 256,16 camerinus (kam. P).
Auslassungen von Wortern: La. 156,19 datum; 204,11 k. k. ivg statt k. k. i. ivg;
254,13 usque; 279,22 si (add. G'); 325,15 est; 331,30 contra (sscr. G'); 336,22 partes
(sscr. G'); 338, 22 ped. (sscr. G'); 360,6 si (sscr. G'); 362, 27 processit (add. G')-
Zusätze: La. 261,6 et per (per P); 350, 13 et in (in P); 355^2 et in alio dreimal G
(in alio P); 143,7 usque ad in (usq. in P).
Dittographien : La. 122,2 sunt sunt; 120,18 dedecumani (decumani P); 187,12 inter
inter; 368, 12 habet habet; 362, 24 aad (ad P). ÜberVpositi positi La. 175, 7 s. oben.
Falsche Wortteilungen oder Wortverbindungen: La. 160,17 suae dictis (sua edictis P
statt suam edicit); 163, 2 quas ueteritoriorum (quasue territoriorum P); 17 7» 5 stipendiae merita
(stipendia e merita P); 177,8 inassignata (in ass. P); 307,4 interminatione (inter minatione
P auch faKscIi); 336,21 delatus (de latus P); 343,8 intraametra (intra ametni P).
G schreibt immer cc statt ex.
Phil.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. II. 9
66
C. T H u L I N :
Die übrigen Fehler verzeichne ich in Ofdnungsfolge.
G La.
I,
I
IVLII
5
arcifinii
5,
4
immodirm
h
5
modis I3j 2 dto
3
interchisum
13.
7
signato
i4>
6
itinere, corr. G'
18,
7
j)roximis, corr. G'
20,
10
possiderit
20
subciua
21,
10
RP
23»
29
DE AQVA PJ.VVIA ET TRANSITV
26,
18
inprudentiani
43,
2
quisi
99'
4
aqualiter, corr. G' .
13
plena
15
snmmitatum, corr. G'
102,
20
aquali
115,
19
a
citiserunt
n8,
I
sumpserunt
122,
7
parellelam
123,
I
pese ex (s. S. 62)
3
quae e ex (s. S. 62)
135»
6
cohgrendiq.
10
quidem
138,
8
ducendi
23
cogerunt
140,
7
notatis
9
gemmas, corr. G
141,
5
conlocabunt, corr. G^
17
dirimabantur
142,
22
quam
143,
13
c^dentius
145,
18
lacessant
148,
8
laborant
21
firiis
149'
15
saxuosis fit
150,
25
quasi, corr. G'
152,
II
agris
3
solidem
'54,
9
conditiones, corr. G'
160,
14
in limitalibiis
P IVLI
arcifini
in modum
modus
intra clusum
assignato
itineri
proximal?
possederit
subseciua
FR
DE AQ.VAE PLVVIAE TRANSITV
impudentiam
(juasi
aequaliter
plana
s - tium
aeqali
clausert
sumpserant
parallenam (= B)
pes eorum
quae eorum
cohercendique
({uidain
dicendi
congerunt
n-tas
gammas
c-bant
dii-imi-r (derime-r B)
quae
cedant ius
lacess//ant (i erasum), lacesseant K
laborent
fines
saxuosus sit
qui si
agn
soiidum
condicionis
inlimitatus (La. in limitationibus)
Di^ Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum, 67
G La
i6i,8
ut
V et
r6
unifico, corr. G'
uni foco
164,7
complurimum
Complurium
9
territorium
territoriorum
15
cumpluribus
complnribns
25
significantur, corr. G'
s-ter
169,9
pede
pedum
171, 16
tettantum, corr. G^
tetrantum
173,5
intuemur
intueanjur (= B,
intunmur A)
12
LXXX
Lxxv = AB
174. 18
si, corr. G'
sie
i75»3
c
sextum qiiinqne
sextum quemque
176,4
autem
aut
178,6
liram
Urem
14
coliae
coloniae
179, I
muri
muris
8
ciuitatem, cori*. G'
ciuitatü
182,6
interualle
interuallo
183,4
quicquid, corr, G'
(juid quod
186, 14
oris, coiT. G'
horis
188,9
et
ait
16
occidentique
occidentisque
189, 17
u. 190,6 descrihimus, coi-r. G'
describemns
8
duobus, corr. G
duabus
194, 19
cardinis
cardini
196, 18
formata, corr. G
forma ita
7
centuris (=: B)
centuriis
»99,5
deiiionstrat, corr. G
d-et
201,4
s. oben S. 60
204,7
aeri
aere
205, r
agrimensuram
agro mensuram
agrum)
(falsch l'ih- nutdi
206, 14
duodemis
duodenis
207,12
conprehendinuis, corr. G'
comprehendemus
247,9
tesalatus
tesselatiis
249, 29
postocain, corr. G'
posticam
259,1
Palestini, corr. G'
P-a
21
Alfidenatus
A-tis
265,4
ratio, corr. G'
datio
271,7
quadam, corr. G*
^uidam
6
a
ac
273, 10
IT6M
IDGM
7
i*e
dixerit
16
san/'//cinms
276, 19
re« scindi, pr. G ressciadi
rescindi
r\^
9*
68
C. Thülin
G La. 278, 20 egerit
278, 29-279, 5 G schreibt im griechischen
Text immer a für a, oft a für a,
I fiir T (ion) und y (opitth), t
für r (optyian).
P egerint
279' 15
. ortorum
hortorum
29i'5
inspicias, corr. G'
inspicies
6
crescent, corr. G'
crescet
302,8
a
siccauerent
si cauarent
303» 23
sed, corr. scd
secundum
305» ^8
sap, corr. G'
super
24
rotondus, corr. G'
rotundus
306,2
qui
quae
12
qui maxime
quam maxime
307,7
ipsi
ipsa
308,6
diximus, corr. G'
duximus
4"
. 14 quemaxime, 8 qugmaxime
quam maxime
309, 17-
-22 G liest die Ziffern fast durch-
gehend falsch (s.S. 61)
19
HD IIID
IDIID
24
compotuni
computum (s. 338, 16 P'o
aus u)
326, 24
colligat, corr. G'
colligit
33h 19
sst.
ssti
332, 22
campaneis, corr. G
c-iis
23
consequeris, corr. G'
c-aris
26
s. oben S. 59
333,4
ab, corr. G'
ad
19
certurium, corr. G
cecturium
334, 17
per, 28 super
super, 28 supra
335,2
super, 337, 19 d»
per
15 qui trifinium
quatrifinium
21
speciosas, corr. G*
spatiosas
336,2
requiras, r-es G'
requiris, r-es corr, P
17
speciosas
spatiosas
337» 22
militem, corr. G*
limitem
30
inuenit
uenit
33^y 23
barca, corr. G'
ab arca
27
iiiiLvni (so La. falsch)
IIILVIII
348,9
p • I • S • I •
p. IS/
27
exierit
exigerit
349, 10
conuentia, corr. G'
conuenientia
350,6
aliena
a linea
351,5
efficiimtur
afficientur
16
et ex in fossa ex
et in fossa ex
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 69
La. 354, 2
kastrenses iugerus s
S
60
P
2
P
perticas
7
qd
quot
lO
iugerus - - iii
iugerus - - im
19
om. ^ s. S. 60
355' 6
qui
quae
8
lanatus, corr. G^
lunatus
357
Über das Schema s.
S.
64.
360, 17
cissuram, 18 cissmn
scissuram, i8 scissum
1 1
massatiuin
massaticium
361, X2
sine fine, corr. G'
sine dubio
362, 29
aegraesse
egressae
363,7
decim anno
decimanum
366, 17
limes
limites
377, 2
puncti
puncta
20
fuguram
figurain
378,18
acut (acutü G') angulum
acutangulum (für acutia-m)
Der Korrektor G% der oft die Verschreibungen des G zur Übereinstimmung mit P
korrigiert hat, verbessert nicht selten Worte, die auch in P unrichtig sind :
20,24 curiose (c-ae GP), 28 obtmebuntur (obten- GP); 113,15 quaeri; 153,16 ob
b
(ab GP); 155,13, 156,25 suscriptum; 192,15 neglegentiä (— B, n-a APG); 204,1 acce-
perit (e aus i); 254, 6 d(?metiti (e aus i); 259, 13 qua/// (e ausrad.); 270, 9 relegabuntur (e aus i);
n ive
278, 17 ideoque; 280, 8 permutatus; 291, 2 uti Oriente; 303, 6 certi (certe P, c-§ G), 14 sunt;
306, 28 monumentalis (o aus u); 331, 26 viä (via GP); ^t^Ti^ 25 exsolutae; 336, 22 in cohorte;
b ig a
338,22 ad; 352,2 amecdulas; 353,8 ^titudinem (alt-m PG); 357,18 secundt/w (-um auf
p
Rasur, secundarium P); 358,29 apendicis; 366,3 subseciuis (e aus i); 365,12 aqufductos
(e aus i); 369, 25 propriae.
Aber er macht auch falsche Korrekturen, z. B. :
quae e
22,25-26 quam maximae; 24,21 deuia aus dmia (für cliuia), 186,5 solstitialis; 206,15
h
omnis (omne G, o-e P); 270,1 red///ibitione (redh- P); 366,16 ostiorum; 378,18 acut«
angulum (acutangulum P statt acutia-).
§ 9. Die zweite Handschriftenklasse (P) verglichen mit der ersten (AB.)
Etwa drei Jahrliuiiderte liegen zwischen i^n beiden Haupthandschriften
des Corpus Agrimensorum. Es ist deshalb nicht zu verwundern, wenn
viele neue Texte in P hinzugekommen, andere aber ausgeschlossen sind.
In P selbst haben wir sogar diese Entwickelung feststellen können, da mit
Nr. 19 eine frühere Redaktion zu Ende ist und der Schluß Nr. 20-23, der
70
C. Thulin
auch den Isidor (gest. 636) umfaßt (7. Jahrh.), ein späterer Zusatz ist\ Noch
in G wurde, wie oben gezeigt, ein neuer Text am Ende der Sammlung
hinzugefügt, andere wurden ihr entrissen.
Während in AB keine Zeichen über das Jahr 450 hinauf weisen, so
kann die Redaktion P, wenn wir von jenem Schluß absehen, jedenfalls
nicht vor 540 entstanden sein. Sicheren Anhalt geben die Auszüge aus
den im Jahre 533 publizierten justinianischen Digesten in Nr. 2 und 18,
die wie Mo., Ges. Sehr. VII 467, bemerkt hat, auch nicht später als um
550 aufgenommen sein können, und der Auszug aus der Euklidübersetzung
des Boetius (gest. 525) in Nr. 13. Der Schluß kann erst im 7.-8. Jahr-
hundert hinzugekommen sein. Daß die Vorlage des P mit merovingischer
Schrift geschrieben war, sahen wir oben S. 62.
Daß in P eine neue Redaktion der Texte vorliegt, tritt schon am
Anfang hervor, da der Redaktor die in B (JV) erhaltene Schrift des
Baibus zerteilt und den Anfang als Einleitung zu der ganzen Sammlung
benutzt hat. Da er die Teilung ungeschickt machte (La. 91, 2-95, 4), ohne
guten Abschluß zu finden, so fügte er hier noch ein Fragment (vgl. Ai6b)
hinzu, dem die Subscriptio Explkit epistoh ad Celsum folgt.
Obgleich der Arcerianus unvollständig ist und wir den ursprünglichen
Umfang dieser Familie nicht feststellen können, so ist es leicht, bei einem
Vergleich mit P zu sagen, in welcher Richtung P sich entwickelt hat.
1 . Von den geometrischen Texten des Arcerianus hat P nur den Baibus
aufgenommen (Varro, der Podismus, Epaphroditus und Vitruvius Rufus fehlen).
Als zeitgemäße Literatur ist aber der Auszug aus dem i . Buche Euklids dem
Baibus hinzugefügt (Nr. 12-13). Auch die mit geometrischen Texten in B
verbundene Schrift De castris hat er ausgelassen, da sie ihm »für seine prak-
tischen Zwecke entbehrlich erschien« (Mo., Ges. Sehr. VII 468).
2. Dagegen treten die juristischen Auszüge stark hervor (Nr. 2
und 1 8), da er mit ihnen die Reihe der Schriften eröffnet. Nur De sepulchris
und Lex Mamilia waren in A vorhanden. Das übrige hat wohl der Re-
daktor P hinzugefügt^ Über die Interpolationen s. Mo., Ges. Sehr. VII 474.
1 Vgl. Mommsen, Ges. Sehr. Vll 467, Bonn. Jahrb. 96-97, 275. Solange man dem
Gudianus, nicht dem Palatinus als Haupths. folgte, war es nicht möglich, die Isidorusauszüge
richtig zu beurteilen.
* Mo., Ges. Sehr. VII 467, hat mit der Annahme operiert, daß E und A dieselbe
Überlieferung darstellen, während es in den Jurist. Texten besonders deutlich ist, daß E
und P zusammengehen; s. unten.
Die Handschriften des Corpus agrvmensorum llornanorum. 71
Die Auszüge in Nr. 2, die zu Gunsten der Mensoren arg interpoliert sind
(s. Mo., a. a. 0.), stammen gewiß von den Digesta gromatica (s. unten), der
gut überlieferte Pandektentext in Nr. 18 dagegen direkt von den Justin.
Digesten. So erklärt es sich auch am besten, daß zum Teil derselbe Text
zweimal vorkommt : Nr. 2 e wird nämlich in 1 8 <^/ wiederholt.
3. Von den alten gromatischen Autoren des Arcerianus hat P das
meiste beibehalten, einiges hat er durch modernere Texte ersetzt. Wir
finden also wieder:
Frontinus 1-27,9 (nicht De limitibus und De arte mensoria und keine
Zeichnungen) ;
SiculiLS Flaccus vollständiger als in B;
Hyginus, aber nur de limitibus und de agris (nicht de coiitro versus,
da das Commentum Aggeni diese zum Teil enthielt);
Hyginus Gromaticus vollständig mit Figuren (nur ohne die Einleitung).
In A war schon Frontinus zu einem großen Teil von seinem Kommen-
tator Agennius Urbicus verdrängt worden. In P muß auch Agennius vor
dem späten christlichen Schulmeister weichen, vor dessen elendes Commen-
turn in Frontinum (Nr. 4) der Name Aggeni Urhici sich eingeschlichen hat. Da
Zitate aus dem Agennius und Hygini de controversiis darin aufgenommen
waren, wurden diese Schriften aus dem Corpus ausgelassen. Außerdem
schienen die Zeichnungen in Frontin jetzt überflüssig, neben dem Liber
diazographus in Nr. 4. Über den liber regionum I s. oben Nr. 10.
4. Der größte Zuschuß von neuen Texten in P gehört der prak-
tischen Gromatik an: Nr, 6, 7, 8, 16, 17, 20, 21, 23; und der Redaktor
hat aus einer reichen Sammlung geschöpft, da er zweimal das 1 2 . Buch
zitiert (La. 310,1, die Überschrift über die Casae, und 351,20 simt in
libro XII auctores constituerunt). Diese Digesta gromaticn waren Sammlungen
von Exzerpten aus alten und neuen Autoren, die speziell auctores genannt
werden, und scheinen neben dem Corpus agrimensorum fortgelebt und sich
entwickelt zu haben. Aus dieser Sammlung hat P z. B. das uralte Vegoia-
fragment (La. 350-351), d. h. eine Übersetzung aus den etruskischen Ri-
tualbüchern, und ein Zitat aus Frontinus (La. 73, 28-74, 10 = 42, 2 1-43, 13)
Ex libro Frontini secundo (P Nr. 6 f ) geschöpft. Auch die Brocken von Hy-
ginus Grom. P Nr. 23 sind gewiß durch die Vermittelung der Digesta in
P (entstellt) hineingekommen; vgl. das von Mo., Ges. Sehr. VII 473 ange-
72 C. Thulin:
führte Beispiel; so waren Exzerpte aus dem Corpus in die Digesten ein-
geflossen, und nun wurde wiederum das Corpus durch Texte aus den
Digesten vermehrt. Aber die meisten von diesen sonst ganz unbekannten
Auetores zeigen uns die Gromatik in tiefem Verfall. Einige charakteristische
Züge dieser Literatur hat Mo., a. a. 0. 476 ff. hervorgezogen.
Hier muß jedoch daran erinnert werden, daß A am Schluß, d. h. eben
in bezug auf die Exzerpte aus den Digesta gromatica, sehr defekt ist.
Wir können deshalb nicht bestimmt entscheiden, welche von diesen Texten
erst in die jüngere Recensio aufgenommen sind und welche schon im
Archetypus vorhanden waren. Sicher ist nur, daß nicht einmal das Wort
auctor in A überliefert ist.
Aus diesen Digesta ex libro xii hat P die weit ausfährlicJieren Casae
geschöpft, die an die Stelle der Casae des A getreten sind. Auf die
auctores wird in ihnen häufig verwiesen.
Als Abschluß Nr. 19 hat P einen neuen liber regwnum gestellt, der,
wie Mo. nachgewiesen hat, hauptsächlich auf dem lib. reg. I gebaut ist, aber
auch anderes Material unbekannter Quelle einfügt. Wahrscheinlich hat
der Redaktor auch diese Schrift den Digesta grom. entnommen, da auch
in dieser Hinweise auf die auctores vorkommen (253, 24 sed et alia signa
quae in libris auctonim legunturj 255, 16 et alia signa seAmndum auctorum
doctrinam).
Mommsen meint hauptsächlich wegen der hinzugefügten Provinmi
Dalmatiarum im liber regionum (Nr. 10^), daß die Recensio des P in Dal-
matien entstanden ist (Agrim. II 166 und Ges. Sehr. VII 467). Aber da
Fragmente von den übrigen Stücken, die P in den liber regionum I Nr. 10
eingeschoben hat, in A erhalten sind, so ist es nicht ausgeschlossen, daß
auch diese Prov. Dalmatiarum schon in A vorhanden war.
Über die Textrevision des P s. Eranos suec. 191 1 »Kritisches zu Fron-
tinus«. Die von Schmidt (S. 59) berührte Umkorrigierung des Vulgär-
lateins ins Klassische führt auf dieselbe Zeit wie die Schrift.
§ 10. Die Handschriften EF.
Die Hss. EF geben ein Musterbeispiel einer zerrütteten und korrum-
pierten Hs. Nicht genug, daß der Text oft bis zur Unkenntlichkeit ver-
derbt und die Zeichnungen nicht selten zu sinnlosen Dekorationen herab-
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 73
gesunken sind. Der Archetypus dieser Gruppe war durch Blattversetzungen
so in Unordnung geraten, daß die beiden erhaltenen Herkömmlinge eine
sonderbare Mosaik von Splittern darbieten. Und doch — dies ist für die
Erhaltung des Corpus agrim. überhaupt bezeichnend — hat die Ausgabe
Lachmanns durch die Heranziehung der früher unbekannten Hs. E einen
sehr großen Fortschritt in der Ausgestaltung des Textes gemacht, da durch
sie sowohl viele Lücken gefüllt als auch viele bessere Lesarten angeregt
wurden. Aber Lachmann und Blume haben weder den Inhalt dieser
arg zersplitterten Hs. übersichtlich dargestellt noch ihr Verhältnis zu den
beiden Haupthss. AB und P näher geprüft und sind ihr deshalb oft kritiklos
gefolgt. Dazu kommt, daß sie nach dem Wiederauffinden der vollstän-
digeren, aber jüngeren Hs. E nur diese untersucht und zitiert haben. Den
älteren und besseren F kannten sie nur nach dem Katalog Bandinis und
ließen ihn ungeprüft, wahrscheinlich, weil er von Bandini falsch in das
1 1 . Jahrhundert gesetzt werde ' . Ja nicht einmal fiir den in E fehlenden
Anfang und die verstümmelten Texte des Blattes E, S. 16-17, dessen rechte
Hälfte weggeschnitten war, hat Lachmann den F zu Rate gezogen. Für
den Anfang zitiert er nämlich die sehr schlechte Abschrift des F aus
Modena, die unvollständig und ungetreu von Muratori abgedruckt war
(s. Rhein. Mus. 191 1). Eine Stelle (La. 290,6-16) gibt er mit den Lücken
des E wieder, in den übrigen führt er den gedruckten Text Scrivers an,
der freilich sowohl E' wie eine Abschrift des F benutzt, aber nicht ohne
eigene Änderungen abgedruckt hat.
Florenz, BibL Medicco Laiirentiana, Pliit. XXIX, Cod. .32, Perg. 3 2 f.
= 4 Quaternionen, Gr. 36,5 X 24 cm, 28 Zeilen auf jeder Seite. Eingeb.
Blume und Lachmann setzen diese Hs. nach Bandini^ falsch in das
^ Blume, Agrim. II 57, »Ihr speziellerer Inhalt, wie er früher von mir nach B an di ni
und Muratoris Abdruck der Modaneser Handschrift angegeben worden ist (Rhein. Mus. VII
(1835) 218-221), hat jetzt durch die Erfurter Handschrift an Interesse verloren«. Lange,
Gott. gel. Anz. 1853 I 501, »Der Erfurtensis aus dem 11. Jahrhundert, durch den die Be-
nutzung des gleich alten Fiorentinus überflüssig geworden ist«.
2 Siehe Blume II 9 A.io, Libri appendiciarii bibllothecaeScriverianae. Amstelod. 1663,4,
Nr. 118, ...Tul. Frontinus Siculus de diversis mensuris e Mss. erutus a Pt. Scriverio«. Diese
Exzerpte stammen sicher aus E, in dem der Anfang fehlt, wesiialb die Unterschrift Juli
Fro7itini Siculi Über I expl. auch für den Titel bestimmend wurde.
8 A. M. Bandini US, Catalogus codicum latinorum Bibliothecae Mediceae Laurentianae,
Fluren/, 1775, Tom. 11 47 ff. Blume, Rhein. Mus. f. Jurisp. VII 219.
PML-hist. Klasse. 1911. Anhomj. Abh. U. 10
74 C. T HU L I N :
1 1. Jahrhundert. In der Tat geliört sie dem Ende des 9. Jahrhunderts (oder
spätestens dem Anfang des 10. Jahrhunderts) an, wie die Schrift beweist:
saubere, ziemlich große karolingische Minuskel, fast ganz ohne Abkürzungen
wie P, aber in einigen Buchstaben altertümlicher als die in P. Die Ober-
längen sind merkbarer als in P oben verdickt [b d l h), ^ hat offene
Rundungen, Majuskel l^ kommt ab und zu vor ; r ist in Ligatur mit i und a
geschrieben, 74 und VOc; in dieser Verbindung wird immer oc benutzt, sonst
unziales a. Außerdem erscheinen nur die Ligaturen A und &, Die Haupt-
titel und Initialen werden mit roter Kapital-, die übrigen Titel und die
Anfangslinien nach jeder Figur mit roter Unzialschrift geschrieben. Als
Punkt steht in der Mitte der Buchstabenhöhe das Zeichen >, dem immer
ein großer Buchstabe folgt; als Komma das Zeichen/. Sorgfaltige, aber
öfters mißverstandene und sinnlose Linearzeichnungen mit Beischrift in
Unzialen (s.Taf VII4).
Die Hs. scheint aus Italien zu stammen, wo die kaj^olingische Schrift
nicht so schnell durchgeführt wurde, sondern Reste der älteren lange fort-
lebten. Große Ähnlichkeit zeigt die Hs. Flor. Laur. Ashb. 54 vom Jahre
895, s. Delisle, Mss. libri Laur. Parigi 1886, S. 28-32. Vitelli e Paoli,
Collezione Fiorentina di Facsimili paleogr., Firenze 1897, tav. 31. Vgl. auch
tav. 1 3 Laur. 49, 9. Metellus Sequanus hat in seiner Abschrift des F, Barber.
lat. 164 (s. Rhein. Mus. 191 1), diese Bemerkung vorausgeschickt: Hoc
exemphr alicuhi immixtas fiabet Utieras longohardicas. Sat^lptura est in membranis
antiquissimis characterib. anüquitatem referentibus nullis compendilSj orthographki
uetercj dist'mctionib. eiusmodl quas prior e hoc capite expressimus.
Vorgebunden ist ein Blatt mit der Aufschrift des 1 5 . Jahrhunderts :
Scripsi Christophorus Bartholinus\
f. I ist leer.
f 2^-\f — E, S. 1-13, 18. Nr. 1-7 s. unten.
f. iS*" ist leer. Ein pater noster ist von zweiter Hand des 10. Jahrhunderts hier ein-
getragen.
f. 18^-25^ = E, S. 13, 18-20,8. Nr. 8 s. unten.
f. 26'' leer. Von zweiter Hand durch ein Gedicht auf Maria Magdalena ausgefüllt:
Fuit domini dilectus languens a Bethania
Lazarus beatus sacris olim cum sororibus,
Quas Jesus aetemtts amor diligehat plurimum,
^ Dieselbe Aufschrift trägt das erste Blatt des Plut. LXVHl Cod. 27 (Zierschrift des
15. Jahrh.), in dessen Schluß über petri de medicis steht.
Die Handschriften des Corpus acjrimensorum Romanorum. 75
Martha simul et Maria, felices per saecula.
Haec Maria fuit illa domini gratissima,
Quae unguenti preMosi rore mixto baisam i
Ante diem festum paschae lihram nardi pistici
Fracto fudit alahastro, corpus unxit domini.
Hunc quadriduanum fertur iacuisse mortuum,
Cuius numeri figura sie datur intellegi.
f. 26^-28" = E, S. 20,8-24, 7 Nr. 9 unten.
Hier endet die ursprüngliche Hs. mitten im Text des Frontinus vor
dem Schluß der Seite ohne Subscriptio. Sie ist also, wie Metellus Sequanus
sie in seiner Abschrift nennt, ein -'Wpus fragmentatumv^. Die übrigen Seiten
enthalten von anderen Händen geschriebene Texte, die mit dem Corpus
agrimensorum nichts zu tun haben, nämlich:
f. 29'". Epistula Hieronimi ad Dardanum de generiöus musicorum (Oper. ed. Venet. 1734,
Tom. XI 202).
£30'. Die Rangstufen. Decanus suh centurione. sub tribuno centurio. tribunus sub uicario.
sub comite uicarius. comes sub duce. dux sub patricio. patricius sub rege uel imperatore. consul
et proconsul pene unum sunt, consul qui dona consulat regis et super quem unum annum donat.
ne elatio subripiat.
f. 30'". Genethliacon Lucani ad Oppiam. Lucani proprium diem nunc adoret.
f. 31'". Berechnung der Ostern nach dem Mond. Si requiras - - - deduc triginta. quod
remanet ad Pascha pertinet.
t". 31^ eine Messe und 32'' ein Sündenbekenntnis.
f. 32'". Siegel für Zahlen, in drei Kolumnen. Im fi-eien Raum noch zwei Bruch-
stücke:
Si scire cupis annos ob initio mundi sine errore inuenies.
A terra ad Lunam tonum esse pronuntio quod est CXXV stadiorum spatium - - - milia CVIIII
et CCCLXX. Vgl. Censorin. d. d. n. XIII 3-4. Das letzte Bruchstück findet man in der
Exzerptenhs. Mü. 13084 (y) f. 66^ Kap. XXVllI wieder (s. oben S, 5 Ai).
Die Geschichte des F.
Von der Geschichte des F vor dem 1 5 . Jahrhundert ist uns nichts
bekannt. Daß aber der große Humanist Angelo Poliziano (gest. 1 494 als Pro-
fessor in Florenz) die Hs. benutzt hat, gehjt aus Zeugnissen hervor, die
ich zu der Überschrift des F hervorziehen werde. Im Jahre 1495 machte
Crinitus in Florenz eine Abschrift der Hs. (Cod. München 756), wahrschein-
lich jedoch nicht nach dem Original, sondern nach einer Abschrift des
Poliziano, und in seinem 1 504 erschienenen Buch De honesta Disciplina XXI
10*
76 C. Thulin:
c. lO, XXV c. 4 hat er Auszüge daraus veröffentlicht. Daß F zu der Bibliot.
Medicea gehörte, bezeugt erst Sequanus ausdrücklich in der Abschrift Cod.
Barber. 164, die er im Jahre 1544 in Florenz besorgen ließ, f. 33: Florentiae
ex uetusimimo Mediceae hihliothecae codice lunium Nypswny litteris olicuhi Longo-
bardids scripto et hoc Ipsum (sed minus antiqua manu) fragmentum descrihl curaui-
7niis MDXLIY. Die Worte sed minus antiqua manu, die sich auf das später
geschriebene Fragment F f. 32^" beziehen, und die Bemerkung über die
Schrift sowie die unten anzuführende über die Titelworte De Umitihus be-
weisen, daß Sequanus selbst den F gesehen hat. Man muß deshalb fär
richtig halten, was er selbst am Rand der Turnebusschen Ausgabe der
Bibliothek zu Leiden darüber schreibt: y>Iulii Frontini de Limitihus agrorum^
figuris illustratus: ex Medicea exscripsi {= describi curavimus oben). Colotius
Romae habebatj apud quem. uidl<i. Das kann nur bedeuten, wie auch Blume
16 und 61 A. 104 und Bubnov 457 meinen, daß Colotius (Angelo Colocci,
gest. 1549) die Mediceische Handschrift eine Zeitlang in Rom zum Stu-
dium hatte.
Schwieriger ist zu entscheiden, ob es dieselbe Handschrift war, die
Colotius schon vor dem Jahre 1506 dem Raph. Volaterranus zur Verfügung
stellte. In seinen in jenem Jahre erschienenen Commentarii urbani lib. XXX
f. 357'' schreibt er: Mensuras limitesque agrorum nunc aitingam ex lul. Frontino
et M. lunio Nypso^ quem figuris pulcherrime adornatum mihi tradidit uir ornatus
omnisque vetustatis studiosissimus Angelus Colotius. Was er nach diesem Kodex
anführt (s. Blume 1 1), gehört alles zur Überlieferung der Klasse EF (Momm-
sen, Agrim. II 2 15 f. gegen Blume 12), und zwar stimmen die Lesungen,
wo F und E verschieden sind, durchgehend mit F überein'. Da Vol. keine
Abschrift, sondern nur ein Referat des Inhalts gibt und sicher die kor-
rupte Vorlage nach bestem Vermögen verbessert hat, so beweisen einzelne
abweichende, ev. bessere Lesarten^ nicht viel gegen die Annahme, daß
^ Besonders beweisend sind die Namen der agri, die in F und bei Volaterranus in dieser
Reihe und Gestalt aufeinander folgen:
Neronianus Podimatus, Caesarianus adsignatus, Nigritis {ingrius F) in quinquagenos, Me-
ridianus in XXV;
in E: ingritis in quinquagenos nerionanus podimatus, caesarianus adsignatus, meridianus in XXII.
^ 249,6 roTKÄe Vol. richtig, sumbus EF;
249,9 tetragoniYoh, parare rogamus EF siaXt parallelogrammus ;
250, 15 pyramides Vol. richtig, perramus EF;
250,7 triusrtini Y o\., tivortinus EF statt tiburtinus;
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 77
die von ihm benutzte Hs. des Colotius eben F gewesen ist. Volaterranus
sagt auch nicht ausdrücklich, daß diese Hs. Eigentum des Colotius war. Das
behauptet freilich Metellus Sequanus in seiner Nachschrift zu dem Palatinus
f. 150, Köln 1564; aber eben diese Notiz des Metellus ist, wie S. 57 ge-
zeigt wurde, so handgreiflich falsch, daß sie in dieser Frage keine Beweis-
kraft haben darf Eine eigene alte Hs. des F-Typus bei Colotius in Rom
wäre wohl nicht so unbenutzt und unbekannt geblieben, besonders wenn
sie so viel besser als F gewesen wäre, wie man aus den Lesungen des Vola-
terranus schließen könnte. Wann die Hs. F in die Mediceische Bibliothek
kam, weiß ich nicht'; aber von 1494 an wurden viele Bücher aus der-
selben zerstreut, und in den Jahren 1 508-1 522 war die ganze Bibliothek
in Rom^
Krfiirth Amplon. 862, 4. f. 73-96" = S. 1-48 bei Lachmann. 4°. 29
Zeilen auf der Seite auf eingedrucktem Schema. »In mittelgroßer Minuskel
des früheren 1 1. Jahrhunderts«^ mit allen geläufigen Abkürzungen dieser
Zeit. Außerdem häufig /rij und -r^ (ma, na) und die Ligatur - / (us). Ru-
briken in Kapitälchen. Rote Kapital- oder Unzialbuchstaben als Initialen.
Viele rote Figuren mit Beischrift in Kapitälchen.
Die erhaltenen Blätter sind drei volle Quaternionen, von denen jedoch
die rechte Hälfte eines Blattes (f. 81 = S. 16-17 bei La.) weggeschnitten
ist. Aber der Anfang sowie das Ende der Handschrift ist abrupt. Am
Anfang fehlt, wenn wir nach F urteilen, La. 91-93, 10 Notum est omnibus
Celse - - reversus und etwa eine Überschrift: also 42-44 Zeilen bei La., ent-
sprechend 2 2 Zeilen einer Seite in E. Da es nicht wahrscheinlich ist, daß
vor dem vollen Quaternio ein Blatt mit einer leeren und einer nicht voll-
250? 5 syginati Vol., symmatus F, simmatus E (wohl für sigmatus). Ich weiß nur
nicht, woher Volaterranus die zuletzt erwähnten semiiali mit der Erklärung Id est ille qui in
agris semitas custodit Pani Herculi et Cereri sacer genommen hat. Die Erklärung ist aber
sicher hier frei eingeschaltet, wahrscheinlich auch das W^ort selbst, das in den Zusammen-
hang gar nicht hineinpaßt.
1 Wahrscheinlich zur Zeit Petro de Medicis, wie das oben S. 74 A i erwähnte Buch.
Ursin, a.a.O. S. VIII, meint, daß sie im Besitz d^s Colotius bis zur Plünderung seines
Gartens 1527 war und dann erst nach Florenz kam.
2 Della Biblioteca Mediceo - Laurenziana di Firenze (Nicolo Anziani) Firenze 1872,
8 u. 10.
' W. Schum, Beschreibendes Verzeichnis der amplonianischen Handschriftensammlung
zu Erfurt. Berlin 1887, S. 607.
78 C. Thulin:
geschriebenen Seite vorangestellt gewesen ist, bleibt wohl nur anzunehmen,
entweder, daß der Anfang schon in der Vorlage fehlte oder daß von E
noch mehr vorn weggefallen ist. Da in F die Überschrift fehlt, so haben
wir keine Bürgschaft dafür, daß F den ursprünglichen Anfang enthält (s.
unten Nr. 16-17). Die jetzigen Anfangsworte des E würden es verdienen,
als Motto über diese Hs. -Gruppe gesetzt zu werden: et multa uelut scripta
folia et sparsa in ordinem artis laturus recollegi.
Femer fehlt uns jede Möglichkeit, zu berechnen, wieviel am Ende
weggefallen ist. Außerdem besteht kein Zusammenhang (wie Bubnov 450
falsch geglaubt hat) zwischen dem zweiten und dritten Quaternio, da der
zweite mit Baibus 106, 1 1 {pluraliter appellatur.) ausgeht, die dritte mit einem
akephalen Satz ansetzt: S. 33, i areae In cc. stadia viiii ccxv. usw. (s.
Bubnov 498, i). Ob etwas, und wieviel, hier fehlt, läßt sich um so weniger
entscheiden, als die Quaternionen nicht numeriert sind. Da wir also über
den ursprünglichen Umfang der Handschrift nichts mit Sicherheit behaupten
können und schon die Vorlage fragmentiert war, so haben wir auch kein
Recht, etwaige Schlüsse daraus zu ziehen, daß ein Stück in E fehle
(Mommsen ist darin nicht vorsichtig genug gewesen).
Diese Handschrift war, nach allem zu urteilen, dieselbe wie der von
P. Scriver bei seiner Ausgabe von 1607 benutzte und später erworbene
Codex Nansianus membronaceus (s. Bubnov 451 f.). Lachmann I 27, 16
nennt diese Hs. mit Unrecht Codex interpolatus S{criverii), denn die Inter-
polationen gehören dem Scriver selbst an. Aber der Text Scrivers
verrät, daß er nicht nur E, sondern auch (F oder) eine Abschrift des F
benutzt hat. Erst Lachmann hat die Hs. E wieder bekanntgemacht.
Der gromatische Inhalt von E und F.
Ff. 2' Die Überschrift: incipit marci • ivni' • nvpsi • liber primovs
(E fehlt) DE LIMITIBVS
Siehe Taf. VII 3. Der Text notvm est usw. (s. u.) fängt mit der ersten Zeile
der Seite 2' an. Also existierte ursprünglich in F kein Titel und gewiß auch in seiner
Vorlage keiner, da in F kein Platz dafür gelassen ist. Aber ganz oben am Rand
steht nachlässig mit Kapitalbuchstaben geschiüeben die obige Überschrift und dar-
unter mit ganz heller Tinte und kleinen Kapitalen de limitibvs. Die Schrift sowie
der Platz dieses Titels erlauben keinen Zweifel daran, daß er nachträglich von an-
deren Händen hinzugefügt worden ist, die erste Zeile jedoch mit alter Tinte. Diese
Zeile ist nach dem Titel des zweiten Buches incipit marci ivni nypsi liber secvndvs
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 79
(f. 25^) geschaffen, ohne Rücksicht darauf, daß der Exzeiptor selbst sein erstes Buch
so unterschrieb: ivli frontini sicvli explicit liber primvs (S. 82). Bubuov(456)
hat mit Unrecht jenen Anfangstitel, der auch in die meisten Abschriften des F
eingedrungen ist, für ursprünglich gehalten und für seine Rekonstruktion des E in
Anspruch genommen (446).
Die zweite Zeile de limitibvs scheint in humanistischer Zeit hinzugefügt zu
sein. Metellus Sequanus bemerkt dazu im Jahre 1544 in seiner Abschrift des V
(Cod. Barber. lat. 164, s. S. 76) »manu recenti addita est haec inscriptio ut arbitror
Politiani« (Angelus Politianus, Professor in Florenz, gest. 1494). Aus dem Ausleihe-
vei'zeichnis sieht man, daß er oft Bücher aus der Mediceischen Bibliothek geborgt
hat; und daß er sich auch mit dieser Hs. beschäftigt hat, dürfte aus der Notiz
hervorgehen, die der Besitzer des Cod. Vatic. lat. 3894 (wahrscheinlich Colotius,
s. Rh. Mus. 191 1) auf das Vorblatt dieser Hs. geschrieben: »M. Junius Nypsus sie
scribitur in codice meo antiquissimo. sie etiam scribit Politianos. Sed P. Crinitus
lulium scripsit.« Aber in der ältesten datierten Abschrift des F, die P. Crinitus im
Jahre 1495 ^" Florenz verfertigte (München cod. lat. 756), heißt die Überschrift
M. lunii Nypsi de mensuris ad Celsum, ein Titel, den man aus den Worten des f. 3'" ge-
nommen hat: Omnium mensurarum appellationes conferamiis tractemus (La. 94, 3-8),
bei denen die unzial geschriebene alte Bemerkung hing initium • incipit ratio
MENSURAE am Rand steht. Wenn schließlich Sequanus in seiner obenerwähnten Ab-
schrift sagt : Antonius Galesius hunc librum inscrihit M. lunii Nypsi fragmenta de pon-
deribus et mensuris et Agrimensoria, so erhellt daraus sowie auch aus vielen anderen
Abschriften, daß die Geschichte des G sich in späterer Zeit wiederholt hat: jenes dem
G angehängte Fragment über pondera und mensurae ist auch dem F einverleibt worden.
Ff. 2''-2\25 I. (Balbus) La. 91-94,3 (E nur 93,10-94,3) NOTVM
E (Anfang fehlt) EST OMNIBVS: | celsag pa€N6S te stuc)Iorum nostrorum manere
S. 1 , 1-6 summam Ergo ne quid nos praeter isse uideamur. S.
Taf.Vn3.
F 2^25-3'', 14 2. (Siciiliis Flaccus) La. 135, 23-136, 18 (= 22 Zeilen
E S. 1,6-17 bei La., entsprechend einem Blatt des Archetypus).
F 3', 15-3'', 3 3- (/) {Baibus) La. 94, 3-95, 4 (= 22 Zeilen bei La.) om-
E I, 17-27 nium enim. mensurarum uncias nouem digitos duo-
decim mit dem Zusatz:
b) Unciae quadraginta quattuor. Digiti ducenti quinqua-
ginta sex. In pede quadrato semiped^s OGto_, palmi qua-
draginta quattuor^ unciae milk sexcenta uiginti octo^
digiti quattuor milia sexaginta sex\
' Dies ist der Rest einer Glosse, die dem in E Nr. 15 erhaltenen, von Bubnov 495-503
(s. 499, iff.) herausgegebenen Text entnommen ist und in allen Hs.-Gruppen verschiedenartig
behandelt ist.
80 C. Thulin:
Danach folgt dasselbe Fragment wie oben in
PG Nr. la, am Anfang etwas »verbessert« nach
der Art dieser Hs.
c) Qui habet omnem istam mensurani agrormn diligenter
ut ueritas declaretur. explicit praefatio. (Die Sub-
scriptio fehlt in E und scheint in F von zweiter
Hand zu sein. Vgl. P : Explicit eplstola ad Celsum).
Zu den Worten Nam ideo limes agro positus estj, litem
ut dlscerneret (discederet E) aruis steht am Rand
die alte unzial geschriebene Bemerkung gxgmplum
u€RGiLi (s. Verg. Aen. XII 898 limes agro positus^ litem
ut discerneret aruis). Dieselbe Hand hat am Rand
zu den Worten La. 94, 7 quid ergo mensura sit -
trademus. Mensura est geschrieben : hing initium.
INCIPIT RATIO M€NSURAe.
Die Nrn. 1 und 3 entsprechen P Nr. i.
F 4'"^ 4. EX CORPORE THEODOSIANI LIBRO SECVNDO | TITULO «>€ FINIUM Re-
£2,5-3, M GUNsoRUM, La. 267-270 fin. (67 Zeilen) = P Nr. 2 ö und/;.
Der Anfang der EF ist also derselbe wie in P.
F 5'"-8'' 5. a) NOMINA LAPiDVM FiNALivM, La. 249, I - 2 50 fln. : Zeich-
E 3, 14-4 nungen mit unzialer Beischrift, explicivnt nomina
LAPIDVM FINALIVM. Vgl. A Nr. \6c. Dcu Text haben
nui" EF und »Boetius«.
F 9'"""'^ b) INCIPIVNT NOMINA LIMITVM, La. 247, 2 1-249, 3O. FIUNT
E4, 1-28 OMN6S NUMERO XXXIII. Vgl. A I 6 6. P Nr. II.
6') INCIPIVNT NOMINA AGRORVM, La. 246, 24—247, I9. FIUNT
OMN6S NUMGRo XVIII. Vgl. A i6<7. P Nr. 9 uud II.
A, der die agri vor die limites stellt, hat als Subscriptio bzw. Expliciunt nomina
agrorum feliciter und Exp. nomina limitum und vor dieser Zeile die gemeinsame Zäh-
lung sunt limites n. xxvnii, agrorum n. xviii (also in der Ordnung der EF). In
P, der weder die Subskriptionen noch die Zählungen hat, stehen limites und agri
(in dieser Ordnung) nebeneinander in zwei Kolumnen Nr. ii, die agri allein Nr. 9.
In EF ist die Ordnungsfolge der einzelnen agri gestört.
F lo"" E4fin. d) polvm collectv und das Bild des Himmelsgewölbes.
F hat nur vier konzentrische Kreise, E vier konzentrische Kreise mit 8onne,
Mond und zehn Sternen. Vgl. A Nr. 16 ri das Fragment des »Catalogus Arati inter-
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 81
pretum« (E. Maass, Aratea, Berlin 1892; Philol. Untersuch. XII 122; Bubnov 432).
Polum collectum entspricht dem griechischen Titel TTöaoy c^ntaiic =: <t>AiN6MeNA, nnd
der Titel des Catalogus ist 01 nepi toy nÖAOY CYNTAiEANTec (Maass, a. a. 0. 123 u. 139,
Bubnov 447). Der Zusammenhang dieser Worte mit dem Fragment A Nr. i6rf
ist also unverkennbar. A und E F haben (wie oben Nr, 3 h) von demselben Frag-
ment oder derselben Glosse verschiedene Teile bewahrt.
F lo'-io^ 3 6. (Agenniiis ürbiciis) La. 90, 3-21 (18 Zeilen):
E5, i-ii Aduocatio praestanda (rote Unzialen in F) - - metiri
artifices coguntur, der Schluß des in A Nr. 7 und B
Nr. I erhaltenen Bruchstücks, aber ohne Subscriptio.
F 10'', 4-1 7"" fin. 7. iNcipivNT LiBRi AGRi MENsvRAE (El Incipif lH)er agri mensurae).
K 5, 12-13, 18 a) Fast der ganze über regioniim I des A Nr. 5 (Tia.
209, 1-239, 19) von 21 1, 24 (d.h. dem Anfang des
Buches in P Nr. 10) an, aber durch Blattversetzung
der Vorlage und willkürliche Umstellung in arge
Unordnung gebracht (s. La. S. IX die Tabelle):
Aueius ciuiTAS (La. 220, 8) - - distinxit ac dedarauit.
Von derProvincia Piceni La. 225, 15-228,2 wird
nur der Anfang ohne Titel La. 225, 15-226, 5 hier
angeführt. Aber in Nr. 19 ist dieses Stück voll-
ständig abgeschrieben. Übrigens fehlen nur die
Zeilen La. 231, 16-18 und die Titel La. 229, lo-i 2.
h) Ager Carsolis et monumenta velalia testimonia La.
239, 20-240, 6, ein sehr verderbtes Stück, das La.
falsch zu dem Liber reg. I fiihrt, Mo., Agrim. II 1 57
und Bubnov mit Recht für eine Überarbeitung
der Worte La. 254, 10-19 Cassiolis ager - - et mo-
numenta finitur des Liber reg. II P Nr. 19 halten.
F 18' leer. In F sind die vier letzten Zeilen der Seite 17^ und
die ganze Seite 18' leer.
Fi8''-2 5'' 8. Frontinusfi-agmente abwechselnd mit anderen.
E 13, 18-20, 8 INCIPIT MENSVRA RATIC^ABILIVM AGRORVM.
F 1 8^ a) (Frontinus) La. 5, 6-6, 4. In F danach f Seite leer;
F19'- 20,3-23,4 (8 + 30 Z. + 7 Fig.).
F 2 o'', 1 4 h) (Limitis repositio) La. 288,4-289,10;
F2I'', 25 286,15-288,4.
Phil.-hist. Klasse. 1911. Anhany. Abh. II. 1 1
82 C. Thulin:
F 2 2^ 5 c) (Frontinus) La. 27, 8-29, 14 (38 Z. + 4 Fig.). Nach
La. 27, 12 hat F eine halbe Seite leer. Mit Limüum
origo La. 27, 13 fängt also ein neues Fragment an ;
La. folgt dem E, in dem kein Zwischenraum war.
F23'', 13 d) Geometrisches Fragment: Actus tarnen in hase sunt
XX similitei^ in reliquis pedibus fuerint cc (Figur),
La. 290, 6—16 fragmentiert nach E herausgegeben.
F 24' (?) Anfang des gromatischen Textes A Nr. i, P Nr. 6b:
Si in agro adsignato ueneris erit pars dextrata,
La. 290, 17-291, 15 (25 Z. La., Nipsus?).
F 24^23 /) (Limitis repositio) La. 289, 10-290,6, Fortsetzung
von h.
F2 5'", 12 g) (Frontinus) rectorum angulorum ratione exegerd
perducere La. 32, 13-34, 13 (42 Zeilen La.).
lULI FRONTINI SICULI EXPLICIT LIBER PRIMUS.
INCIPIT- MARCI • IVNI • NYPSI • LIBER • SECVNDVS :
FELICITER.
Diese Worte stehen in F unten am f. 25^. Aber die ganze Seite 26"^ ist leer
gelassen: in der Vorlage des F gehorte also dieser Titel des Nipsus gewiß nicht
mit den Texten, die in F 26'^ folgen, direkt zusammen, wie es in E aussieht und
wie Lachmann im Druck 285 nach E angegeben hat. Wir wissen also nicht, mit
welchem Text der Exzerptor sein zweites Buch angefangen hat. Gewiß mit einem
Text, der unter dem Namen des Nipsus überliefert war. Das war aber nicht
FLVMiNis VARATio (s. A Nr. 8). Was danach folgt (Nr. <)h, c), gehört noch zusammen
mit Nr. 8 Frontinus und Limitis repositio. Aber dann fängt der lange Abschnitt
Nr. lo-ii an, unter dem in A die Subscriptio M. luni Nipsi lib. explicit steht
(A Nr. 1-2), nur daß der Anfang unter die Frontinusfragmente Nr. 8e geraten ist.
F2 6'" leer.
F26'' E 20, 8 9. a) DE FLVMINIS vARATioNE, La. 2 85 , 1 -2 86, I o = A Nr. 8.
F27'", 7 E2i,4 h) LIMITIS REPosmoNEM, La. 286,11-15, der Anfang der
Fragmente 8 b und /.
F27^ii E2i,7 (^ (Frontinus) La.23,4-27,8 (35 Z. + 6 Fig.);
F28'',i2E22,i6 29,14-30,4 alii qui a monte monianos.
Hier endet F 2 8"", 1 9 mitten im Text des Frontinus
ohne Subscriptio vor dem Schluß der Seite. Die
E22, 16-24,7 Fortsetzung in E enthält: 30,5-31,10 (Lücke im
Text), 31,12-32, 13 (35Z. + 4Fig. + 25 Z.)
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 83
E24, 7-26,3 10. Fortsetzung von Nr. Se = A Nr. i (IVipsus?) La. 291,
16-295, 15 (80 Z.).
E 26, 3-28, 18 II. (Podismus) = A Nr. I und ein darin eingeschobenes
geometrisches Bruchstück, über das der Titel podismus
gesetzt ist:
a) La. 295, 1 7-296, 3 Mensurarum genera maior est
recto. PODISMUS. (Der Titel an falscher Stelle.)
h) La. 296,4-26 Pes quadratus ampfioram capit
pedes quadratos (22 Z.).
6') La. 297, 1-30 1, 14 In amh(D'igonio - - - - sinyuhs
praecisuras (86 Z,).
E 28, 19-30,16 12. (Epaphroditiis et Vitrimus Rufus) Trigoni ortogonii
catectus - - erit item uadum s. Bubnov 518-521 c. i,
2, 30, [ein fremdes Fragment: Bubnov 495, 22-496, 6,
Varro?], 3 ; [dann ein willkürlich hier eingefügter Titel:
EX LIBRO BALBI • EX LIBRO CAESARIS • EX LEGE TRIVMVIRALl] ; CCntUri-
arum omnium quadratarum deportio mensurarum
genera sunt in, Bubnov 548 f. c. 35-37. Trigoni orto-
goni linearum ^ - fit xxx per pedes f, Bubnov 522 f.
c. 4, 5, 6.
E 30, 17-31,9 13. Geometrisches Fragment: Ager c%ineatus fit xcviii
erit per partes. Bubnov 496,9-497,20. Varro?
E31, 10-32,29 14. (Balbiis) La. 104, 3-9 [S. 31, 18-19 Frontin, 25, 1-2]
103,11-104,2. 104,13-106,11.
Quatern. III
1^33-35,19 15. Geometrisches Fragment (nach Bubnov Varro?) areae
III CG. stadia viiii caxvi - - partior ad iugera, Bubnov
498, 1-503, 17.
E 35, 17-23 16. Hos ego libros sortitv^j ab asse coepi^ sed de unciis com-
putatis secutus digiti rationem cernerej cunctis soluere ac
reddere ueram rationem. Discussij fateor_, agros sollertius:
nonnullus praedam promisit_, sed nichil ductus fidem itacu-
are errorein ru^ticum patiens committere falsiSj incerta
11*
84 C. Thulin:
cupierts audire. Libros in cuiusdamj dum circuo agroSj,
inueni aedem.
Bubnov hält wohl mit Recht diese nur halb
verständlichen Worte fiir die Erklärung des Kompilators,
der aus seinen Quellenschriften zwei Bücher schuf.
Ursprünglich stand sie entweder am Anfang oder am
Schluß (s. Nr. 17).
E 35, 23 17. INCIPIT SICVLI FLACCI De CONc)ICIONIBVS AGRORVM ÜBER.
Mit den Titeln waltet E sehr frei. Vielleicht hat der Exzerptor diesen Titel
einem beschädigten Blatt entnommen und hier über die Schrift des Hj'^ginus Groma-
ticus (Nr. 18), deren Anfang in E fehlt, gesetzt. Aber da im Anfang des ersten
Buches Nr. 2 ein Fragment des Siculus Flaccus erhalten ist und die Subscriptio
dieses Buches luli Frontini SicuU explicit liber primus auch seine Schrift umfaßt, so
erklärt sich meiner Meinung nach dieser unmittelbar auf die Erklärung des Exzerp-
tors Nr. 16 folgende Titel am leichtesten, wenn wir annehmen, daß diese Erklärung
ursprünglich die Vorrede war und die Hs. selbst mit dem Siculus Flaccus anfing
(vgl. oben S. 77 f.).
E 35, 24-40, I 18. ^Hyginus Gromaticus) Limites autem a limo - - - -
placuit seruari, La. 167, 17-175, 14 (8 x 18 Zeilen La.
und viele Figuren = ein Quaternio des Archetypus).
Der Anfang und also auch die Überschrift (=2x^8
Zeilen La. und 3 Figuren = ein Blatt des Archetypus)
fehlt. Die Fortsetzung s. Nr. 20.
19. a) Ergänzungen zu dem Liber regionum I oben Nr. 7a.
E 40, 2-4 EX LIBRO BALBI PROVINTIA PICENI.
40,5-10 Picenensis id <'s^ fl</er (statt Pinnensis) limitibus ma-
ritimis in Piceno fines terminantur, La. 227, 12
bis 228, 2.
Licet generaliier requirendum est.
40, 1 1-41, 4 Ager Spolitanus - - in Piceno fines terminantur, La.
225,15-228, 2.
Oben in Nr. 70 hatte E von dem Abschnitt
225, 15-228, 2 (Provincia Piceni) nur den Anfang
ohne Titel 225, 15-226, 3 angefahrt. Hier kommt
nun erst der Titel, dann der Schluß, schließlich
mit den motivierenden Worten Uc£t generaliter requi-
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 85
rendum est^ der ganze Abschnitt, gewiß nach einer
anderen Hs., in der er vollständig erhalten war.
41,5-13 h) Camerino muro ducta terminos Augusteos, La.
240,7-15. Lachmann hält dieses für einen Teil des
Liber reg. I, obgleich es in A nicht überliefert ist,
Mommsen, Agrim. II 157 und Bubnov 45of.
erklären es aber richtiger als überarbeitete (also
kritisch wertlose) Auszüge aus dem Liber regio-
num II (PNr. 19, vgl. La. 256, 16. 257,1. 258,13.
252, 8-13) wie Nr. 7&.
£41,14-48,29 20. (Hygimis Gromaticus), Fortsetzung von Nr. 18: La.
175,15-182,14. 192,17-193,15. 182,14-190,15,
also mit derselben Blattversetzung wie ABP. Der
Schluß des Hyg. Grom., La. 190, 15-192, 17. 193, 15
bis 208, 4, der etwa vier Blätter des E füllen würde,
ist ausgefallen; wieviel außerdem, muß unentschieden
bleiben.
Daß die verworrene Ordnung der Bruchstücke wesentlich durch Blatt-
versetzung der Vorlage entstanden ist, wird sogleich klar, wenn wir die
erhaltenen Teile des Frontinustextes durchmustern:
I, F 18^ E 13, 18-25 Frontin. La. 5, 6-6, 4 < „ r, ., t t-
r. . 0' 't r::^ 8 + 30 Zeil. L R. + 4 Flg.
2.^19^-20^14 £13,26-15,2 » . 20,3-23,4)
3. F 22%5-23^ 12 £16,23-17,25 . . 27,8-29,4 = 38 Zeil. La. + 3 Fig.
4. F25', 12-25^ E19, 10-20, 8 . - 32, 13-34» 13 - 42 »
5. F27^ 11-28^ II £21,7-22,16 . » 23,4-27,8 = 35 " " +6 Fig.
6. (F 28^ 12-19 £nde)E 22, 16-24, 7 " »29, 14-31, 10 (Lücke), 31, 12-32, 13
= 35 Zeil. La. + 4 Fig. + 25 Zeil.
Aus dem Fragment des Siculus Flaccus FE Nr. 2 geht hervor, daß
ein Blatt des Archetypus ohne Zeichnungen etwa 22 Zeilen bei La. ent-
spricht. In Frontinus kommen die Bilder verschiedener Größen hinzu, die
nicht genau zu berechnen sind; aber wir erkennen doch die gleichmäßigen
Abschnitte: z. B. haben sicher 3 und 4 die vier Außenblätter, 6 die vier
Innenblätter eines Quaternio im Archetypus gebildet.
Bubnov 450 hat die richtige Erklärung dieser Worte gegeben.
86 0. Thulin:
Längere zusammenhängende Texte gibt es nur in dem dritten Quater-
nio des E:
E 35, 24-40, I Hygh). Grorn. 167, 17-175, 14 := 8x18 Zeil. La, + viele Fig. oder ein
Quat. des Archet.
41,14-44,25 . » 175, 15-182, 14 J
44,25-45,9 .. » 192, 17-193, 15 > r= drei Quat. des Archet. (24X18 Zeil. -f Fig.).
45, 10-48, 29 .. » 182, 14-190, 15 ]
Die allen Hss. gemeinsame Versetzung von 192, 17-193, 15 war schon
im Archetypus da. Der Schluß des Hyginus Gromaticus, etwa zwei Quater-
nionen des Archetypus von E entsprechend, fehlt, gleichfalls der Anfang
(=2X18 Zeilen La. und 3 Figuren), der ein Blatt des Archetypus gefüllt
haben mag.
§ 11. Verlorene Handschriften der EF-Gruppe.
Zwei aus agrimensorischen Exzerpten zusammengeflickte Kompendien,
die ich unter den Exzerptenhss. (s. oben S. 5,1) behandelt habe, helfen
uns den Inhalt dieser Hs. -Gruppe zum Teil zu ergänzen, nämlich die so-
genannte Geometrie des »Boetius«, von der La. unter dem Titel De-
monstratio artis geometricae 393—412 Auszüge abgedruckt hat, und eine
von R. Beer' in Barcelona gefundene Hs. des 10. Jahrhunderts aus dem
Kloster Ripoll, u. a. eine Geometrie des Gisemundus enthaltend. Die
Exzerpte, die wir mit der Überlieferung in EF vergleichen können, zeigen
nämlich zweifellos, daß die Exzerptoren Hss. dieser Gruppe benutzt haben.
Aber mehrere Exzerpte, die über den jetzigen Inhalt der EF hinausgehen,
beweisen, daß sie vollständigere Exemplare hatten, als wir nun besitzen.
I. Ergänzungen aus »Boetius«.
In E fehlt der Schluß von Hyginus Grorn.; hier kommen Zitate aus
diesem Schluß vor: La. 206,15-207,2 und 202,16-203,4.
In ICF stimmt der Anfang mit dem Anfang von P überein, aber er-
halten ist nur der Text P Nr. 1-26; hier kommen auch Zitate aus P Nr. 2C
De sepulchris vor (La. 401, 11-13. 409, 25-27).
' Rud. Beer, Die Hss. des Klosters Santa Maria de Ripoll I, Sitziingsber. d. K.
Akad. d. Wiss., Wien, phil.-hist. Klasse 155,3 1907 S. 6off.
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 87
In EF ist nur ein Fragment aus Sic. Flacc. (135, 23-136, 18) auf fal-
schem Platz (EF Nr. 2) erhalten. »Boetius« zitiert auch Sic. Fl. 140, 11- 19.
141, 14-17. 156, 15-17.
Im Frontinus der EF (Nr. 8ß) war ein Sprung von 6, 4 zu 20, 3; bei
»Boet. « findet man auch 8, i-io, 3 exzerpiert.
Von Agennius ist in EF (Nr. 6) nur der Schluß erhalten; »Boet.« zitiert
außerdem 85,24-25 und 86,1-3.9.
Schließlich hat die Hs. des Exzerptors folgendes enthalten, von dem
in EF nichts übrig ist:
Hyginus 124,3-7. 11-125,1 (BP), 127,4-10 (B);
Prouincia Dalmatiarwn (P).
2. Ergänzungen aus der Hs. RipoU.
Gisemundus, der auf die Geometrie des »Boetius« weiterbaute und
daneben eine agrimensorische Hs. und noch andere Schriften (Boetii Arith-
metik, Cassiodorus, Geographisches) benutzte, hat einer Hs. der EF-Gruppe
folgendes entnommen (kursiv gedruckt ist, was in E F nicht erhalten ist) :
Frontinus La. 5, 6-8. 75,/-^. 21,7-22,6. 22,9-23,8. 24,4-12. 26,
5-27,2. 27,13 17. 28,2-10. 15-17.
Hyginus Grom. La. 180,1-4. 182,8-188,16. 189,4-10. 192,16
bis 193, 3.
(Nipsus?) La. 293,6-9, 11-17. 295,9-15.
Siculus Flaccus La. 145, ig-21. 146, 2 -ij. i4'/,2~^, 8-10, §-6.
Agennius Urbicus La. 8j, 1 1—18.
Hyginus La. ij2, 24-25, auch in »Aggeni« Commentum La. 20, 14.
Casae Utterarum, zwei neue Versionen, die eine der Casae in A Nr. 1 5 ,
La. 327-331, die andere der Casae in P Nr. 70, La. 310-318. Diese beiden
Texte sind auch in der Hs. Paris 8812 vorhanden, aus jenem Handbuch
des Gisemundus ausgezogen. In EF ist zwar keine Spur daA'^on erhalten,
aber die freie Behandlung der libri Regionum in E beweist, daß eine Über-
arbeitung der Casae einen Platz in dieser ^s. -Gruppe verteidigen würde.
Vgl. oben S. 9f.
Codex Goesii (s. Bubnov 455) enthielt nach den Noten des Goesius
S. 142 und 176 unter dem Namen des Nypsus teils Baibus -- EF Nr. i,
teils De fluminis uaratione = EF Nr. 90, aber außerdem Lex de Sepulchris,
88 C. Thulin:
zu der Goesius, Notae 201 f., Varianten des »Nypsus« anführt. Dieses Stück
fehlt in EF, aber bei »Boetius« kommen, wie oben erwähnt, Exzerpte
daraus vor (La. 272, 5-8, 12-14, ^^ = 4^9? 25-27 und 401, 1 1-13). Die
von Goesius erwähnten Varianten sind:
La. 271,4 quem admodum decumanis La.] quae ad nonanitum decu-
manis P; quod ad noitum decumanis JV. »Marcus Junius
Nypsus: qui nonanis et undecimanis^ Goes.
2 7 1 , 6 compaginantibus] »Nypsus compaginationibus<^\
16 proximis aedibus] »Nypsus sedibus<i^',
1 8 tabellarumue] » Nypsus - - tabularimn « ;
2 72,6militum AP] »Nypsus limitum«. richtig;
15 perennes] »Nypsus •■ - praemissis«^.
Diese Lesarten erscheinen den üblichen Varianten der EF sehr ähnlich,
und die einzige, die zu dem Exzerpt bei »Boetius« gehört, 272, 6 limitum,
steht auch bei ihm so. Daß Goesius diese dem Nypsus zuschreibt, kann
nur dadurch erklärt werden, daß er eine vollständigere Hs. der EF-Klasse
gehabt hat als die beiden erhaltenen. Es ist sehr zu bedauern, daß diese
wieder spurlos verschwunden ist.
Blume, Agrim. II 51 ff., hatte die Hss. dieser Gruppe auf zwei ver-
lorene Hss. zurückgeführt: die des Galesius Massa und die des Alciati.
Bubnov 454 hat richtig aufgewiesen, daß dieses System falsch war, da
alles, was Blume von der Hs. des Massa herleiten wollte, in der Tat von
dem Arcerianus und der Z an chi sehen Abschrift des Are. stammt. Im
Rhein. Mus. 191 1 »Humanistische Hss.« II Nr. 4 werde ich dartun, daß die
Hs. Massas nichts anderes als eine kritische Abschrift war, wohl Vorarbeit
zu der römischen Ausgabe der Agrimensoren (1560): in Cod. Vat. 3893
sind seine Bearbeitungen von Stücken aus V (Cod. Zanchi) erhalten; durch
die (roten) Korrekturen des Sequanus in Barber. 1 64 kennen wir auch Massas
kritische Bearbeitung des F.
Noch unglücklicher war es, eine vermeintliche Hs. des Alciati an die
Spitze der Gruppe EF zu stellen und diese Gruppe «die alciatische Familie«
zu nennen. Wir sahen nämlich oben § 6, daß die von Alciati zitierte
Hs. mit dem Arcerianus vollständig übereinstimmte. Aus mehreren wört-
lichen Zitaten' geht mit voller Sicherheit hervor, daß Alciati außerdem eine
* In Parerg. iuris II 4 zitiert er z. B. das Coinmentuin, La. 22, 24-23, 24.
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 89
dem P ähnliche Hs. benutzt hat. Dagegen habe ich keine Zitate aus einer
Hs. der E F-Grruppe bei ihm gefunden. Einmal sagt er, wo von den 5 Füßen
der limites die Rede ist, Dispunct. II 6 : ut ex lunii Nipsi commentariis nlibi
declaraturus sum. Aber das könnte sich auf die Schriften des A, unter
denen der Name des Nipsus steht, beziehen, ebenso wie er einmal die
Schriften des Agennius Agennii TJrhici de Umitibus agrorum commentarios nennt
(Parerg. iuris I c. 38).
Über die Hs. des Colotius habe ich schon S. 76 gesprochen.
§ 12. Das Verhältnis zwischen F und E.
Daß F mehr als ein Jahrhundert älter als E ist, zeigt die Schrift.
An vielen Stellen sind in F die einzelnen Fragmente durch Zwischenräume,
ganze Seiten oder Teile von Seiten, geschieden, während sie in E überall
schon zusammengewachsen sind. Wenn wir schon daran erkennen, daß
die Überlieferung des F ursprünglicher ist als die in E, so werden wir
bei einer Untersuchung des Textes eine ganze Fülle von besseren Lesarten
in F finden. Die Varianten der Hss. EF nehmen im kritischen Apparat
wegen des korrupten Zustands der Vorlage einen so großen Raum ein,
daß wir wenigstens die offenbaren Fehler, die nur in der einen von den
beiden vorhanden sind, aussondern müssen. Das Verzeichnis dieser Fehler
wird den besten Beweis dafür geben, daß, soweit F erhalten ist, er die
Haupths. ist, neben der E nur selten in Betracht kommt. Es beweist
aber auch, daß E nicht von F stammt, da E bisweilen in F ausgelassene
Worte richtig erhalten hat. An vielen Stellen hat E versucht den Text
zu verbessern.
In orthographischer Hinsicht steht F dem A, E dem G nahe. F schreibt
z.B. adsignare, adßnes, adplicitum., optineri, inpigerat, consequutus-, K assignare,
applicitum, obiineri, impigerat, consecutus.
F?^ontinus.
La. 5, 8 diuergies (= A)
\
E (dimergies)
9 antea
(ante)
6, 3 in his
(his)
20, 9 uendita ([iias
(iiendit a(|iias)
1 1 (juein uis
(queuis)
1 1 iiiterposita ;::=: A P
(interiecta)
Phil.-hist Klasse. 1911. Anhang.
Abh.
IL
12
90
F La.
C. Thulin:
21,3 monte mutelli
E (montem utelli)
2 2, 2 (acciperunt == A)
acceperunt
4 ultra
(ow.)
23, I (modum)
modo
2 (strumentum)
instrumentuin
7 transitu
(ductu)
24, 7 diuia St. cliuia =
P, deuia F'
(deuia)
9 in usu agrorum
(in agrorum usu)
II (itineri debeatur)
debeatur
26, 2 molient = P statt mouent
(molientur)
5 condiciones
(conditione)
7 pertica
(perticam)
9 fine
(finem)
27, I consunnnamus
(consumamuvs)
4 planitiam
(planitiem)
6 colligi
(collegi)
II (hererentur)
mererentur st. metiremur
15 septentrioni subiacere
(septentrionis subiare)
17 (solet)
sol et
28, 5 fundainento
(f-ta)
6 primuin duos
(primo duo)
8-9 quem cardineui
appellauertint
(quem uocauerunt cardineui)
12 diuidatur
(diuiditur)
13-14
E om. quod dicebant - - uiginti
29, 8-9 F om. paribus interuallis-dicebant
15 cinctum
transuersam
16 ostiorum
18 (hü auincolis)
30, 3 qui a mare
qui a monte
32, 18 ut et
20 compara (om.-ta)
(filaxenuere st. fila seu neruia)
33, 12 ad
15 ualles loca
20 descendendum
34.
conpressiore
(cunctuni)
(transuersum)
(hostiorum)
hi ab incolis
(quia mare)
(quia monte)
(ut)
(comparia)
(fila tenuere)
(om.)
(loca uallis)
(discedendum)
(conprehensiore)
F La. 34.21 rrr 90,3 aduocatio
35' 7 ^ 9O' H (exigent)
Agennius JJrhicus.
E (aduocato)
exiget St. exigit
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Roman
orum.
91
F La. 94,5 ita et =: J V st. ista P
15 passus
minima
95, I digitos
4 in der Note discerneret
Bulbus.
E (ita ut)
{om.)
(maxima)
{om.)
(discederet)
Siculm Flacüas.
136,3 attingit (^ttjgjj^
5 n. 7 colonos (colonus)
15 captos uictori („j^tori captos)
7 (draccos) .s^. Gracchus (draccus)
Liber
regionum I.
211, 24 partis
212,4 duxerit
singulis
6 (cardine)
9 silici aut
14 circum
213, 1-2 (subsiciuum - - quod om. V)
3 pro dimidia centuria
6 a
8 (dedueumanos)
II cccc
9 (eppidonici)
214, I (limitorum)
(adstantia) st. distantia
3 foedaturae st. Fida Tuder
5 saxiales st. saxei alii
dutrantein (F' u in o corr.)
1 1 cardinibus
215,3 censita
6 manent quae
8 distant a se in p. cccc vii
216, I pro modum (modo F')
5 recensita
8 longe: id est distant a se st. longi
distant
9 a se
1 1 estimo st. aestimio
13 appositi id est in planitia
14 in, 16 sunt
\
(partibus)
(dixerit)
{om.)
cardine st. cardine m.
(silicia ut)
(circa)
(pro dimidietate centuriae)
(ad)
decumanos
(cccc n)
(epodonici)
limitum
(astantia)
(fordaturae)
(sexiales)
(durantem)
(iugeribus vel cardinibus) Glosse
in E
(censa)
(manentq.)
om. E
(propemodum)
(recensa)
(longe id est ante a se)
(se)
(extimo)
(oppositi id est in planicie)
{om.)
12*
92
C. T H U L I N
^" L a. 217
5
218,
2
2
2-
-3
3
6
6
13
219,
I
220,
2
225,
16
a tribus uiris
(agrum) cV^. agros
censiierunt
gammatos et gammatos st. g-os et
scamnatos
iuga
(in p dcccc om.)
in der Glosse per riuonim
(parare rogamma Lxxpcs)
TVRQviNos st. Tarquinios
in absoluto
E (a tribus iugeribns)
(agrorum)
(consueuerunt = 226, 2)
(gammatos)
(iugera)
(priuorum)
(paralelogramma Lxpc)
i
(q nos)
(in obsoluto)
235, 14; 236, 16; 237, 3; 238, 1 gleichfalls. Aber in 236, 2 Y falsch, E richtig;
und in 236, 2 1 F absoluto, E soluto = A P.
221, 7
II
12
223,6
16
16
224, 2
226, 2
5
229, 14
22
232,4
233,3
7
7
16
17
234.2
10
18
21
22
235.9
16
20
236,5
7
21
ex
(defectis = P)
(militum)
et ne = Boet.
ripaeue non = Boet.
definitioni fides
separando-
D CCCC LX
diriguntur st. dirigunt cursus
termini alii qui adstant in centurione
st. t-i aliqui ad distinctionem
iussu
censuerunt st. cesserunt
llumineae st. tlaminiae
(debentur, 230, 22 debentur)
iussit
capuensi
est
Ceteratim Arena st. Cereatae Mariana
familia
(Frixinonam) st. Frusinone
debetur
censiri = A
(in publico)
uiris
Labini st Lauinia
Hadriano =^ P
triumuirale =:^ A
in
Nuceria
militibus st. iniliti
Hadriano in praecisuris
(absoluto)
(OTW, E)
(defectus)
limitum
(et)
(ripae uenit)
(fides diffinitioni)
(superando-)
(dcccc. XLX)
(dirigunt)
(termalii qui astant in centurione)
(iussum)
(consueuerunt ^= 218, 2)
(llumine)
debetur
{om.)
(cupiensia)
{om.)
(cetera timarena)
(familia. Familia)
(Fraxinonam)
(debetur p xii)
(censeri = P)
in publicü
{om.)
(Libani)
(Adriano)
(tri-i)
{om.)
(Nouerca uel Nuceria)
{om.)
(Adriano iuip cisuris)
soluto = AP
Dir Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum.
93
La, 237, 2
Augiistaneis
6
(militus)
239.1
(a trium uiros)
5
(deductum)
12
ab
240, 6
monumenta
E (Augusteis)
militibus
a trium uiris
deducta
{om.)
(momenta)
247
5 senestratus
9 tesselatus
15 Neronianus
18 XXV
19 eonmutatus
20 fiunt
Nomina agrorum.
(senestatus)
(tesseltanus)
(Nerionanus)
(E nach triumiuralis)
(xx 11)
(caiotatus)
(fiuiunt)
Nomina limitum.
247, I Anm. deciinani
248, 19 ustrenales st. Austrinales
13 subrunciui
18 moutani
249, 25 decimani
30 fiunt
(deciani)
(ustrenuales)
(subcunciui)
(montini)
(decimini)
(finiunt)
Nomina lapidum finalium.
249, 2 isopleurus
250, 15 perramus st. j)yraniis
Item perramus mitae praecisae similis
28 Augusteus
1 gammatus
(isoplerus)
(per ramos)
(om.)
(Augustus)
(graramatus)
Ex corpore Theodosiani.
267
, I
LIBRü
(libri)
2
8
9
10
de finium regundorum
mensor ire praecipiatur
ut
dominium
\
(diffiniunt regendorum)
(mensori repciatur)
{om.)
(dominum)
12
definiri
(diffiniri)
268
14
3
6
at (F allein richtig)
conss (268, II desgl.)
uoluisse
(ac)
{om.)
(uoluisset)
94
C. Thulin
F La. 268,8 expetat (F allein richtig)
iuris alieni. Is uero qui inreptor
9 fuerit
18 aliquid
269, I Arcadius (12 u. 14 desgl.)
Neotherio
2 (perscriptione)
12 notionem (F allein richtig)
270, I obnoxius
2 nouemb
6 sua sponte — - P
4 finales uel om. F = P
8 amissa/// tertia/// portione/// F = P
9 relegantur pr. F
E (expectat == G)
(iuris allen' qui inreptor)
(fuerat)
{om.)
(Archadius)
(Neotherico)
praescriptione
(nationem E, iudiciuin P)
(obnoxios)
(nouenli)
(ex sua sponte)
amissa tercia portione
(religantur)
Fluminis uaratio.
285, 9 dictaueris
8-10 (transferis und inpigerat)
10 (F Dittographie von qui in flunien in-
pigerat. deinde transferis ferra-
mentum et conprehenso eo rigore)
16 (ab)
16 soli §missum
19 transis et st. transis ex
ferramenti
286, 4 sequutus eras st. secueras
media duo
6 u. 8 exigisti = A
9 (a tetrantem)
10 erit om. F {nach superfuerit)
(dictaueras)
transferes imd impegerat
nicht in E
ad
(solif missum)
(transisset)
(ferramenta)
(secutus fueras)
(medio dua)
exegisti
a tetrante
(est add. E nach latitudo)
Limitis repositio.
286, 14-15 lapide centuriale
16 decusate
19 eidem lapidi figis
22-287, ^ 6* altera citra lapidem. . Inde
287,6
9
feceris
interuenerit
11 reuerteris
12 cultellabis
26 (ficto)
6 (lapidis)
7 scripturam
9 ut puta
(la-m cen-m)
(decus a te)
(eisdem lapidibus)
(lapidis ferrainentum simililer Facies :
Dittographie aus der /olgenden Zeile)
(faceres)
(innen erit)
(reuerteres)
(cutellabis)
fixo
lapidum
(scripturartnn)
(ut pote)
Die Handsc/mflen des Corpus agrimensorum Romanorum. 95
V La. 288, II lapides E (lapidibus uel lapides)
12 (cardines) cardinis
13 lapides (lapidis)
18 uarationem in (uariationeni. In)
22 facies {wn.)
23 uarasti (uariasti)
(deinde in aliis om. F)
In der Fortsetzung 289-291 ist E defekt.
§ 13. Das Verhältnis von EF zu den beiden Hauptklassen AB und P.
über die Klassifizierung der Hss. EF gehen die Meinungen weit aus-
einander. Blume 50 bezeichnet ihren Inhalt als »zerstreute und vermengte
Überbleibsel einer größeren Handschrift - -, welche, mit der zweiten Hälfte
des Arcerianus und mit dem Gudianus am nächsten verwandt, vielleicht
selbst die Quelle von jener gewesen ist«, jedoch ohne diese Meinung zu
motivieren oder näher zu entwickeln. Lachmann hat in dem Text nicht
selten, besonders im Liber regionum I die Überlieferung des A durch die
des E ergänzen zu dürfen geglaubt. Mommsen, Bonn. Jahrb. Heft 96-97,
272 = Gesamm. Sehr. VII 464, stellt ohne Bedenken E mit der ersten Klasse
AB zusammen, »da diese (E) von der ersten sich wesentlich nur durch
die veränderte Ordnung unterscheidet«, obgleich er selbst wenigstens in
betreff des Liber regionum früher (Agrim. II 157) der richtigen Meinung
war, daß dem Autor des E auch eine dem Pal. ähnliche Hs. vorgelegen
hat (s. E Nr. 7 6 und 19 5). Bubnov endlich behauptet im Gegenteil, daß
EF durchgehend zu derselben Klasse wie P gehören, da er einige schla-
gende Übereinstimmungen gefunden hat. Wie so verschiedene Meinungen
haben entstehen können, werden wir gleich sehen.
Der Anfang von EF enthält nebst einem kurzen Fragment von Siculus
Flaccus (F Nr. 2) genau den Anfang von P, nämlich:
a) die Einleitung zu Baibus, dessen Schrift ja in P dem Frontinus
zugeschrieben wird, mit derselben Nachschrift wie in P: also F Nr. i und
3 = P Nr. I a und h. Diese beiden Auszüge stehen in P an der Spitze
offenbar als Einleitung zur ganzen Sammlung mit der Subscriptio Expl.
epistola ad Celsum. F (oder F') schreibt mit richtiger Auffassung davon Ex-
plicit praefatio, während E keine Subscriptio hat.
h) Ex corpore Theodosiani La. 267, 1-270,9: also F Nr. 4 = P Nr. 2
a und h.
96 C. Thulin:
Aus diesem Anfang geht ohne Zweifel hervor, daß in diesem Teil EF
und P aus einer Quelle geflossen sind. Bubnov hat nun diesen Schluß
für den ganzen Inhalt der Hs. EF gelten lassen, die er demnach der zweiten
Klasse zuschreibt. Inwiefern dieser Schluß berechtigt ist, wird sich aus
dem Folgenden ergeben.
Der ganze Inhalt der EF ist in zwei Bücher geteilt. Für das erste
Buch fehlt wenigstens die Überschrift in F (über die später hinzugeschrie-
bene s. oben), der ganze Anfang in E; aber die Unterschrift dieses Buches
luli Frontini Siculi liher I explic. gibt an die Hand sowohl den Titel als
auch einen großen Teil des Inhalts, Mit Frontinus (vielmehr Baibus unter
dem unrichtigen Namen des Frontinus gemäß der Überlieferung der 2 . Klasse)
fing dieses Buch in FE an. Nach Exzerpten über lapides finales, limites
und agri, einem kurzen, hierher verschlagenen Fragment aus Agennius Ur-
bicus und dem langen, in Unordnung gebrachten liber Regionum setzt der
wirkliche Frontinustext ein mit dem Titel Incipit mensura rationahilium
agrorum, jetzt zerrüttet und durch Teile der Limitis reposiiio (La. 286 ff.)
und andere anonyme Fragmente unterbrochen. Die Subscriptio erwähnt
aber auch den Siculus (Flaccus), von dem jetzt in EF Nr. 2 nur ein Blatt
des Archetypus erhalten ist: der jetzt in das zweite Buch dieser Hss. ver-
schlagene Titel E Nr. 1 7 Incipit Siculi Flacci de condicionihus agrorum liher
(der hier über das Werk des Hyginus Gromaticus, dessen Anfang fehlt,
gestellt ist), gehörte also gewiß zugleich mit der Schrift selbst ursprünglich
zum ersten Buch (s. S. 84). Die Subscriptio erwähnt die beiden in diesem
Buch vorkommenden Verfassernamen.
Das zweite Buch hat die Überschrift Incipit Marci luni Nypsi liber II
feliciter. Woher hat der Exzerptor den Namen des Nypsus, dem er so viel
zuschreibt? Die Antwort ist leicht zu geben. Der Anfang des Buches enthält
zwar noch versetzte Blätter des Frontinus, der Limitis repositio und Flu-
miliis uaratio (EF Nr. 9). Was aber dann folgt, ist, wenn auch unvoll-
ständig erhalten, gerade der Anfang von A : das Stück Si in agro adsignato
ueneris usw. (La. 2 90 ff.), Podismus mit der Subscriptio M. luni Nipsi lib.
explicit und die Schrift der Epaphroditus und Vitruvius Rufus. In A ist
M. Juniüs Nipsus der ersterwähnte Autor, und deshalb ist er wahrscheinlich
auch vom Exzerptor, der diese Hs. -Klasse EF schuf, an die Spitze dieses
Buches gestellt. Wir kommen also hier zu dem Schluß, daß in diesem Teil
K und A aus einer Quelle geflossen sind und daß im ganzen die Klasse E F
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 97
eine aus zwei Handschriften, einer der P-Klasse und einer der A-Klasse,
hergestellte Kxzerptensammlung ist. Zu dieser Annahme stimmt auch die
eigene Erklärung des Exzerptors gut: E Nr. i6 Hos ego lihros sortitus usw.
Deshalb hat er die Sammlung in zwei Bücher zerlegt.
Wenn nun die Prüfung des Inhalts zu einem solclien Resultat geführt
hat, so bleibt zu untersuchen, ob der Text selbst dieses bestätigt oder nicht.
Dabei ist zu bedenken, daß in Handschriften, die an Auslassungen, Ver-
schreibungen und falschen Änderungen so reich sind wie EF, kleinere
mit A oder P gemeinsame Fehler nicht viel beweisen. Nur eine stark über-
wiegende Übereinstimmung kann den Ausschlag geben. Ich fange mit dem
Text an, in dem wir eine solche leicht konstatieren können, dem in allen
Hss. überlieferten sogenannten Hyginus Gromaticus (ABEPG), und führe
beispielsweise die Varianten des Anfangs an:
La. 167, 17 limites auterri] add. a limo AE;
18 cinctum P, conclusum (conclusi EJ hoc est concinctum ABE.
168, I prorsos P, prorsus ABE; 2 itenera AE;
3 acceperunt P, nnmen acciperunt ABE;
6 rationalis P, rationaliter A, rationabiliter BE;
9 nam P, suam A, sua BE; ceteros P, ceteras ABE;
10 adque, B, atque E, a quem A, oin. P;
linearii P, linearis B, Uinealis A, linealis E;
12 quinque oin. ABE; centurias P, centuriae ABE;
14 subrunciui P, add. subiunguntur BE, suhiuntur A.
Gegen alle diese Fälle, in denen E mit AB mehr oder weniger übereinstimmt und von
P abweicht, können wir nur eine für E und P gemeinsame Variante aufstellen: 168,4 spec-
tant A, spectabant B, expectant EP; so schreiben E und P sehr oft, wie sie auch in andei'en
orthographischen Vai-ianten oft von AB abweiclien. Bubnov 443, der beweisen wollte, daß
E durchgehend zu der Gruppe PG gehört, hat eine Menge solcher und anderer Überein-
stimmungen in Kleinigkeiten zwischen ihnen angeführt, ohne zu sehen oder zu erwähnen, daß
sie verschwindend sind gegenüber den Fällen, in denen E mit A oder B oder den beiden
übereinstimmt. Auf jeder Seite wird man es konstatieren können (S. 179 z.B. stimmen BE
achtmal, EG zweimal; S. 181 EAB zehnmal, EPG keinmal überein). Nur einmal begegnet
uns eine größere Übereinstimmung zwischen E und GP, nämlich La. 190,8, wo nach in
planitia notemus Signum die Worte C: secundam similiter in planitia notemus Signum übersprungen
sind. Die vielen gemeinsamen Worte laden aber hier besonders zu diesem Fehler ein; und
mit AB schreibt E hier signum, nicht mit PG signo.
Ich erwähne besonders einige Beispiele:
La. 170,4 conprcliendi ferramento Wl, ferrarmntum c-i B, /-o c-i P;
14 in BG, ei A E.
PhU.-Ust. Klasse. 1911. Anhang. Ahh. IL 13
98 C. Thulin:
La. 174,3 ad agrum de quo agitur cum perueniunt P;
ad agrum uenerunt de quo agitur cum perueniunt B ;
ad agrum uenerunt de quo agitur A;
ad agrum ueniunt de quo agitur E.
In AE hat also die Glosse uenerunt {ueniunt) die Worte cum perueniunt
verdrängt.
176, 2 publicae om. AE; -
3 praecibus AE statt P. R. ciuibus (P, populi romani ciuib. B);
5 colonias appellauerunt: uictorihus autem adsignatae coloniae his qui BP;
colonias appellauerunt uictorihus autem adsignatus (colonias appellauerunt
victoribtis autem adsignatae) coloniae his qui A ;
colonias appellauerunt uictorihus colonias assignatas appellauerunt hi qui E.
Die Lesung des E ist aus der Dittographie in A hervorgegangen;
II gradu peruenire P, gradu peruenerint B, graditer veniret A, grauiter
uenire E.
186, XI per AE, a B, ac? P;
13 per hunc sol, Jioc est infra, ire fertur et orhem BP.
In AE ist eine Glosse in den Text eingedrungen:
[hoc est] per hunc sol [intrare fertur id est] hoc eis infra ire fertur orhem A ;
[hoc est] per hunc sol [intrare fertur id est] hoc eis fertur infra orhem E.
187, 3 tetartemorio P, cetarmonos B, tetrantemorio A, tetrantem monorio E;
forte parte nostri et artemono ABE (Glosse), om. P;
7 orhi de caelo uel, gemeinsame Glosse in AE (om. B, esset P richtig).
193, 14 conspiciemus ABE (Glosse), om. P.
Aus dem Angeführten dürfte hervorgehen, daß E im Text des Hyginus Grom. mit
AB und besonders mit A (nicht, wie Blume meinte, mit B) näher verwandt ist als mit P.
Von dem, was ich wegen des Inhalts einer Hs. der A-Klasse zuschrei-
ben wollte, d, h. von dem Anfang des zweiten Buches in E, sind nur knapp
sechs Zeilen, La. 291, 13 — 292, i, in AEP gemeinsam erhalten, aber in
diesen zeigen A und E nahe Verwandtschaft:
La. 291, 15 sie scies te in dextrato et dtrato esse AE, om. P;
16 crescet P, om. AE;
18 «# saepe solet A, sicut solet sepe E, om. P.
Dagegen enthält das erste Buch der EF mit AB(I)P gemeinsame Stücke
von Frontinus, Baibus und Nomina agrorum, limitum, die alle der P-Klasse
näher stehen als der A-Klasse.
Frontinus.
La. 20, II qi/em uis F, quamuis P, quam uim A.
22, 7 sicut FP, et A. 26, i partem om. FP.
27,6 quare] re A, om. FP; a terra A, de terra FP;
7 extisiit A, exit FP.
Die Handschriften des Corpus agrimensormn Romanorum. 99
Aber da die Voilage des Typus E F viel älter als P gewesen sein muß, so stimmen wohl
bisweilen EF mit A überein, weil P Änderungen jimgeren Datums hat, wie La. 27,8 numerum
(spatium falsch P). Vgl. auch 26, 11 curae A, cur ea quae E, cuius F (cum Goes. La); 27,9
si P, sisi A, nisi E. Besonders ist zu beachten, daß Figuren zu diesem Stück in EF vor-
handen sind, in P fehlen. Diese sind aber in der P-Klasse erst von dem Autor des Commentum
in Frontinum ausgelassen, der sie durch den liber diazogrqfus (s. P Nr. 4^) ersetzte, ebenso
wie er die Schriften des Agennius und des Hyginus De controuersiis durch Auszüge in dem
Commentum ersetzte. Die Vorlage der EF war also, nach allem zu urteilen, älter als das
Commentum.
Balbus.
Entscheidend sind die beiden großen Übereinstimmungen zwischen EF und P: der
lange Zusatz in 95,4 und das Fehlen der Glosse 105,12-16 rectarum - - pluriclatera. Zu
erwähnen sind auch: <)^,\i inlaturus iV, in - - - laiunts E¥V. 12 quod sint i\, quod siEYV.
15 modos et numeros JV, modum et numerum EFP. 104,13 linearum J, formarum EFP.
19 positae EP om. J V. 105, 5 formae EP, forma JV. 106, 7 quinque EP, duo J, dunrum V
(II, statt V). 94,10 longitudo finita J V, longitudn finita Mensura est P, mensura finitur EF:
Die Glosse Mensura hat in EF das Wort longitudo verdrängt, während sie in P nebst diesen«
Wort aufgenommen ist.
Wo EF von P abweichen und den JV ähnlich sind, haben wir nur ausnahmsweise
eine richtige Lesung in P: 93,12 si om. EFJV, 94,5 ista P, ita et JVF, ita ut E, sonst
Verschreibungen oder Änderungen, die wohl jüngeren Datums als der Achetypus der EF
sind: 94,16 in/ra (intra P), 104,14 uno (unius P), 18 06 (sub P), 16 ut plurimum E, in plu-
rimum JV, usque P. 106,6 comprehensa est JV, coniprehensa E, continetur P. 105,8 reliquae
accidentihus singulis (om. \'^), pluralitates (pluritates V) et infinitum JV, reliqua ea colentibus sin-
gulis in pluribus et infinitum E, reliqui ex multis in infinitum P.
Libri regionum.
Schwieriger ist die Entscheidung bezüglich der Libri regionum, weil der Aiitor der
EF hier die Vorlage frei umgestellt und wenigstens zum Teil umgearbeitet hat.
A enthält in Nr. 5 den Liber regionum I, La. 207-240 und in Nr. 14a, c einige nur
durch J erhaltene Bruchstücke eines anderen Liber regionum.
P Nr. 10 enthält diese beiden Libri regionum so zusammengearbeitet, daß Abschnitte
aus dem ersten mit Abschnitten aus dem anderen (vollständiger erhalten als in J) abwechseln;
ferner in Nr. 19 den Lib. reg. II La. 252-262, der eine spätere Überarbeitung des Liber I
ist (Mo., Agrim 11 167 ff.). Von dem Lib. reg. 1 hat P folgendes ausgelassen: Prov. Lucania
und Brittiorum 209,1-210,2, Prov. SiciUa 211,9-22, ferner 220,12-221,13. 223,6-13.
231,14-18. 233,10-11. 238,10-14.
EF enthalten schließlich in Nr. 70 und 19a, wenn auch in anderer Ordnung, den
Liber reg. I des A vollständig außer dem Anfang 209, i-2n^i, 23. 231,16-18 und 229,11-12,
ferner in Nr. 76 und 19 5 überarbeitete Exzerpte aus dem Liber reg. II des P, aber nichts
von den Stücken, die P in den Liber reg. I eingeschoben hat (Nr. 10 ö, d, e, g).
Es ist schon aus dieser Übersicht klar, daß die Vorlage der EF nicht eine dem Pal.
t^an/ ähnliche Handschrift war, denn EF enthalten auch Texte, die in P fehlen. Aber
anderseits fehlt in A der Liber reg. II, den der Autor der EF exzerpiert hat, und ich
100 C- Thulin:
glaube, daß dieser Text erst in der P-Klasse in das Korpus Mufgenommen worden ist (s. oben).
Vielleicht sind also, wie Mommsen, Agrim. II 157 meinte, die beiden Redaktionen A und;
P in EF zusammengearbeitet. In dem Text des Liber reg. I ist jedoch die Übereinstimmung
mit P im ganzen größer als mit A. Ich bin deshalb mehr geneigt, eine ältere Hs. der
P-Klasse, in der der Liber reg. I vollständiger erhalten war, den EF zugrunde zu legen.
Folgende Auslassungen sind gemeinsam für EF und P (gegen A).
La. 209, 1-2 10, 2 (der Anfang). 211,9-22. 231,16-18. 212,10 facito. 214,3. 217,13.
218,3. 221,17. 233,1 und 13 et. 214,7 sz. 215,2 diximus. 218,7 et pd. 00 gg. 221,14«
Veiis. 222,6 facit. 225,1 pd. szz. 226,1 alii. 232,5 olim. 236,9 irippp, 15 uhi und est
(richtig). 237, 2 est.
In folgenden von A abweichenden Lesungen stimmen sie überein:
La. 212, 14 iusserit A, inssero FP. 213,8 et A, et-iL-V, et Uli F. 220,9 deßcientiöns]
de/icientis A, defectis FP. 232, 2 pro merito diuidi imsit h, diuidiiussis {iussum F) est pro merito
FP, 8 fuerat k, est FP. 239, ro ab Augusto sunt k, sunt ab Augusto FP, 227, 14 et FP, vel
A. 227, 14 vel riparum FP, om. A. 212, i et FP, om. A. 213,4 Marci F, M. P, om. A. et
Marci item. 213,11-12 intercisiuos - - custodiunt FF, auf falschem Platz 214,2 A.
Wo A und EF gemeinsame Sache gegen P machen, sind wenigstens in den meisten
Fällen starke Neuerungen zu erkennen, die wohl der älteren Hs. des P-Typus, die den EF
zugrunde liegt, noch fremd waren.
Zusätze: 227,5-6 qui in modum arcellae facti sunt (om. AF), 9-10 sed sunt loca quae
in assignationem non ueniunt (om. AF), 230,6 pro parte in striga (et strigas A E). 19 eins.
Änderungen: 213, 15 alius ab alio A, alius alio F, in P. 223, i quibus etiam praeceptum
est AF, his autem colonis praeceptum ante fuerat P. 225,2 ped. AF, et P. 235,4 diuo lulio
AF, luliano P. 238,18 limitibus Augusteis in nominibus {omnibus F) AF, mensura Syllana P.
Umstellungen in 223,4-6 und 226, 3-5 P (nicht AF).
Auslassung 213,5 triurnuiris rp A, tres impppk F, om. P.
Das richtige enthält aber P, sei es ui\sprünglich, sei es korrigiert, in 215,5 -ST. ß# jD]
cardinis id est decimanaano et duodecimano A, cardines id est decimanis et dudecumanos (duod. E)
i. e.
F, beide entstanden aus cardines et duodecimanos. Der Fehler war also im Ai-chetyj>us
korrigiert.
217, I Coronas et ante nominata] coi'onium et ante coloroniniaas nominata A, coronium ante
colonias
colonias nominata F: auch hier war also der Fehler korrigiert: coronium, und A F haben die
Korrektur mißverstanden.
214, I latere P, laterum AF vielleicht richtig. 13 quas P, quos AF.
220,7 *^''<2 seruant P om. AF, aber F läßt auch Coloni vom folgenden Wort aus und
hat nur Aveius statt Colonia Veios.
236,2 Surrentinum A F, Surrentum P.
Als Resultat der vorhergehenden Untersuchung ergibt sich, daß der
Autor der EF-Gruppe eine Hs. des A-Typus (aber nicht A selbst) und
eine des P-Typus benutzte und daraus zwei Bücher auf die Weise schuf,
daß er in dem ersten hauptsächlich die P-Hs., in dem zweiten die A-Hs.
exzerpierte. Wie seine A-Hs. vollständiger als unser A war, so unter-
Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. 101
schied sich seine P-Hs. bedeutend von unserem viel jüngeren P, in dem
wir oben zwei Redaktionen erkannt haben: von der letzteren, dem Schluß
von P, f. I33'^-I49'^ ist in P] keine Spur vorhanden. Ob und wieweit
er in den einzelnen Schriften seine beiden Quellen zusammengearbeitet
hat, muß dahingestellt bleiben. Jedenfalls repräsentieren EF keine eigene
Hs. -Klasse: ihre Bedeutung liegt besonders darin, daß sie unsere Über-
lieferung der A- und P-Klasse ergänzen, aber auch darin, daß sie unter
der ungeheuren Menge von Verschreibungen und falschen Konjekturen
hie und da alte gute Lesungen geben. Besonders frei ist die Behandlung
der Über- und Unterschriften und der Zeichnungen, aus denen nichts zu
holen ist.
Pha.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Ahh. II. ^^
102 C. Thulin: Die Handschriften des Corpus agrimensarum Romanorum.
Inhalt.
Seite
Einleitung 3
§ I. Der Archetypus 5
§ 2. Ein altertümliches Fragment (Cod. Berlin Lat. f. 641) 7
§ 3. Der Arcerianus A und B 10
§ 4. Das Verhältnis zwischen A und B 24
§ 5. Die Geschichte des Arcerianus 32
§ 6. Eine verlorene Handschrift des AB -Typus 39
§ 7. Die Palatinische Handschriftenfamilie 41
§ 8, G ist Abschrift von P 58
§ 9. Die zweite Handschriftenklasse verglichen mit der ersten 69
§10. Die Handschrift E F 72
§11. Verlorene Handschrift des EF-Typus 86
§ 12. Das Verhältnis zwischen F und E 89
§ 13. Das Verhältnis von E F zu den beiden Hauptklassen AB und P 95
A'. Prcuß. Akad. d. Wissemch.
Anhang z. d. Phil.-hist. Abh. 1911.
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Cod. Arceriauus A Sp. 3-4. Text S. 25.
C. Thulin: Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. Taf. I.
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K. Preuß. Akad. d. Wissensch.
Anhang z. d. Phil.-hist. Ahh. 1911.
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Cod. Arcerianus B Sp. 3-4- Text S. 31.
C. Thulin: Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. Taf. IL
K. Preiiß. Aknd. d. Wissensch.
Änhariy z. d. Phil.-hist. Abh. 1911.
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Arcerianus B 39. Text S. 20.
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Arcerianus B 91. Text S. 20 f.
C. Thulin: Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. Taf. UI.
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K. Preuß. Akad. d. Wissensch.
Anhang z. d. Phil.-hist. Abh. 1911.
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Arcerianus A 176 (La. 88, 17 Fig. 40; s. S. 38).
Arcerianus A 154 (La. 204, 15 Fig. 197; s. S. 39).
C. Thulin: Die Handschriften des Corpus agrimensorum Romanorum. Taf. IV.
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K. Preuß. Akad. d. Wüsensch.
Anhang z. d. Phil.-hist. Ahh. 1911.
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K. Preuß. Akad. d. Wissensch.
Anhang z. d. Phil.-hist. Abh. 1911.
K. Preu/3. Akad. d. Wvisensch.
Anhang z. d. Phü.-hist. Ahh. 1911.
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Der Auszug der Hathor-Tefhut aus Nubien.
Von
Prof. Dr. HERMANN JUNKER
in Wien.
Phil.-hist.Klas.se. 1911. Anhang. Abk. III.
I
Vorgelegt von Hrn. Kr man in der Sitzung der phil.-hist. Klasse am 20. October 1910.
Zun» Druck veroi-dnet am gleichen Tage, ausgegeben am 15. Juli 1911.
LJrugscli litit in seinen »Sieben Jahren der Hungersnot« S. 49II'. und im
Dictionnaire Geograpliique S. 850 ff. einige kurze Inscliriften aus Philä
angeführt, nach denen Sehu und Tefnut aus Kns-i in Nubien nach Snm-t
eingewandert seien; neuerdings hat Aylward M. Blackman in dem
Januarheft 19 10 der Proeeedings auf diese Texte nochmals hingewiesen'.
Tatsächlich aber bilden die angefahrten und andere weit lehrreichere
Texte aus Philä" nur die örtliche Überlieferung einer alten Legende, die
wir in fast allen Tempeln der griechisch-römischen Zeit, jedesmal mit
(h'tlicher Färbung, wiederfinden. Einmal richtig erkannt, zeigt sie uns
ihre Spuren allenthalben, erschließt uns das Verständnis für manche Riten
und läßt viele Inschriften erst in ihrer eigentlichen Bedeutung erfassen.
I. Teil.
1. Der Inhalt der Legende.
Zunäclist sei eine allgemeine Übersicht über die Legende gegeben,
wie sie sich aus den verschiedenen Überlieferungen der einzelnen Tempel
rekonstruieren läßt, unter möglichster Anlehnung an die Texte und Riten ;
die wörtlich oder fast wörtlich zitierten Stellen sind dabei gesperrt gedruckt.
Die Legende versetzt uns in die Zeit, in der der Sonnengott nocli
auf Erden lebte und die Herrschaft in Ägypten führte. Damals hauste in
^ Vgl, auch Brugsch, Thes. 500; Diction. geogr. S. 211.
2 Die Texte von Philä und den unternubischen Tempeln sind durch die Expeditionen
1908 — 1910 zugänglich gemacht und wurden mit Erlaubnis der Kgl. Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin für die vorliegende Arbeit benutzt.
1*
4 H.Junker:
Biügm \Kns-t\, d. i. im Wüstengel )iet östlich vom obernubischen Nil, seine
Tochter Tefnut. Sie wird als wilde Löwin geschildert, die die Wadis
durchstreift, vom Blut ihrer Opfer gerötet, die in steter Wut ihren
Feinden nachsetzt, sie niederwirft, ihr Fleisch frißt und ihr Blut
schlürft. Aus ihren Augen sprühte Feuer, Feuer war der Hauch
ihres Mundes, und ihr Herz brannte vor Zorn. Sie hatte ihre Wüste
nie verlassen und kannte Ägypten nicht.
Nun hatte Re den Wunsch, sie in seiner Nähe anzusiedeln. Soviel
sich erkennen läßt, bewog ihn dazu ein doppelter Grund. Einmal wird
hervorgehoben, daß Tefnut seine Tochter sei, aus ihm hervorge-
gangen, die sein Herz liebte, bei deren Anblick er jubelt, die
nun zu ihrem Vater gebracht werden soll. Dann aber wird ein prak-
tischer Grund angeführt. Sie hatte so viele Proben ihrer Kraft gegeben,
daß er sie als seine Beschützerin wählte, die die Feinde ihres Vaters
niederwerfen und seine Glieder schirmen solle.
Re betraut Schu und Thot mit der Ausführung seines Planes. Ersterer
war der Bruder der Göttin, ein Löwe von gewaltiger Kraft, mit lautem
Gebrüll, mit starken Pranken; er hatte sich längst von seiner Schwester
getrennt und sich in Ägypten angesiedelt \ Als Re in Bedrängnis geriet
und sich vor seinen Feinden verbergen mußte, war Schu als sein
Beschützer aufgetreten und hatte die Widersacher zweimal zu Boden
geworfen. Wohl wegen dieser Beweise seiner Treue war er für die
Sendung ausersehen worden, und dann, weil er als Bruder am geeignetsten
schien, die Göttin zu überreden. Vielleicht hatte er auch aus freien Stücken
sich erboten, denn es war auch sein persönlicher Wunsch, Tefnut nach
Ägypten zu bringen. Wenn wir sehen, wie er später als der Gemahl
[shn) der Göttin auftritt, wie er ihr treuer Genosse genannt wird und
diesen Titel als Beinamen erhält, wie Tefnut bei ihm bleibt und nicht
von ihm weicht an allen Orten, so müssen wir annehmen, daß es
zugleich sein ursprünglicher Plan war, sie für sich zu gewinnen und heim-
zuführen.
Thot wird ihm mitgegeben, damit er durch seine magischen Sprüche
die Göttin überrede, denn man wußte wohl, daß es ohne Zauberkünste
nicht möglich sei, sie zum Verlassen ihrer Heimat zu bewegen. Die beiden
' So wenigstens nach einer Version.
Der Auszug der Hatkor-Tefnut aus Nuhiefi. 5
Götter verwandeln sich in Affen, vielleicht weil die Göttin in der Wüste mit
dieser Erscheinung vertraut war, und machen sich auf den Weg nach Nubien.
Schu durchstreift die Wadis von Knst und findet die Schwester in
Bwgm. Die Szene, die sich nun abspielte, ist uns in einer Darstellung er-
halten. Da steht die Löwin, grimmig mit erhobenem Schweif, und vor ihr
Thot als Pavian, die beiden Hände zum Preis hoch erhoben, imd redet
ihr zu, um sie zu besänftigen. Wenn wir auch den genauen Wortlaut
seiner schönen friedbringenden Reden nicht wissen, so ist uns doch
ihr Inhalt im einzelnen erkennbar. Er redet ihr von den Schönheiten, die
sie im Lande ihres Vaters schauen und genießen soll, vom Nil Ägyptens
und allen Wundern von timrj\ er rät ihr, mitzukommen und selbst zu
sehen und dann für immer f^t-t den Rücken zu kehren. Ihre Wüste
soll sie mit einem Wunderland vertauschen mit breitem Strom, grünen
Fluren, mit Städten und Dörfern. Dort werde man ihr Tempel bauen, in
denen die Menschen sie verehren. Dort brauche sie nicht mehr auf Raub-
zügen Nahrung zu suchen; Gazellen, Antilopen, Steinböcke und
alles Getier, das in der Wüste lebt, soll täglich auf ihren Altären
geopfert werden; täglich werde man ihr Wein reichen, damit sie sich daran
berausche, einen Trank, der alle Trauer aus ihrem Herzen ver-
scheuche; Musik, Gesang und Tanz sollen nie vor ihr aufhören.
Thot hat sich dabei gewiß nicht mit einer theoretischen Schilderung
begnügt; damals reichte er ihr wohl zum erstenmal den mwiü-Krug, ließ
ihr Gazellen bringen und vor ihr musizieren. Dann holte er das magische
wnsh hervor, das sie so gern sieht, reicht es ihr hin und rezitiert
seine Zauberformeln dabei.
Schu wird ihr ähnlich zugeredet und sie eingeladen haben, mit ihm
zu ziehen und an seiner Seite zu bleiben.
Den vereinten Bemühungen kann Tefnut nicht widerstehen; ihr Zorn
legt sich, und sie ist bereit, mit nach Ägypten zu ziehen. Da umarmt
Schu sie freudig, und man bricht von Bwgm auf. Ein froher Zug setzt
sich in Bewegung. Die einheimischen Sänger, Bese und Paviane, begleiten
die Götthi zu ihrer neuen Heimat. Schu^ selbst ergreift die Laute und
tanzt vor seiner Schwester her, um sie in Frieden heimzubringen.
Thot weicht nicht von ihrer Seite und wird nicht müde, seine besänfti-
genden Worte zu wiederholen, damit sie auf dem Wege nicht wankel-
mütig werde.
6 H. Junker:
So langt man bei Philä an der Grenze Ägyptens an. Nicht wie eine
wilde Löwin, sanft wie eine Gazelle steigt sie dort vom Wüsten-
gebirge herab und sieht hier zum erstenmal die Herrlichkeiten des Landes,
von denen Thot geredet hatte.
Schnell verbreitet sich die Kunde von Tefnuts Ankunft im Lande.
Singende Frauen, mit Sistren und Tamburin, die Haare mit Blumen be-
kränzt, kommen ihr entgegen; Priester stimmen zu Harfe und Flöte Will-
kommlieder an; Gazellen werden auf den Schultern herbeigetragen, Wein-
krüge und Blumensträuße dargereicht; man salbt sie mit Myrrhe und setzt
einen Kranz auf ihr Haupt. Auf dem Abaton kühlt Schu ihre Glut,
und sie reinigt ihre Glieder im Wasser der heiligen Insel. Da
wandelt sich die Löwin in eine holde Frau mit leuchtenden Augen
und frohem Angesicht, mit Locken und Brüsten, die Herrin der
Frauen, glänzend in ihrer Schönheit, mit fürstlicher Gestalt.
Re, ihr Vater erblickt sie, jubelnd schließt er sie in seine Arme
und ruft: Ich umarme dich, o Herrin der Frauen, meine Toch-
ter, die aus mir hervorgegangen ist.
In Philä, ihrem ersten Halteplatz, erhält sie ein Heiligtum nel)en
ihrer Schwester Isis, an deren Seite sie weilen soll, um mit ihrer Macht
die heilige Insel zu schirmen und die Feinde ihres Bruders Osiris
fernzuhalten, dessen Mysterien hier gefeiert werden.
Dann steigt sie zu Schiff, um nilabwärts zu fahren. Neun Tage scheint
ihre Reise gedauert zu haben, oder an neun Stellen hat sie gehalten, denn
bei den Erinnerungsfestlichkeiten werden immer neun Fahrten erwähnt.
Überall, wo das Schiff anlegt, wiederholt sich der festliche Empfang, wie
er ihr beim Eintritt in das Land bereitet worden war. Sie nahen zu-
nächst Ombos, der Stätte, an der ihr Bruder Schu seine Heldentaten
verrichtet hatte, indem er Re zweimal vor seinen Feinden rettete. Da
sprach Thot zu Tefnut: »Hier wird es dir gut sein bei deinem
Bruder Schu«; sie landet, und fortan nennt man sie hier: «die gute
Schwester«. Die Empfangsszene ist uns auf einem Tempelrelief wieder-
gegeben: die Göttin hat auf einem Thronsitz Platz genommen; vor ihr
steht Schu und preist sie, neben ihm Thot und reicht ihr das wnsh.
Re breitet hinter ihr seine Arme aus, und Tnn bringt ihr Amulette; sie
alle sind bemüht, sie zu erheitern und ihr den Aufenthalt angenehm zu
machen.
Der Auszug der Hatibor -Tefnut aus Nuhien. 7
In Kdfii begrüßt sie Honis, der einst in Piint ihr Nachbar gewesen
war; die Frauen der Stadt singen, tanzen und hüpfen aus Freude
über ihre Ankunft; dann fährt sie weiter nach P]lkab. Ferner macht
sie in Ksneh halt; die Götter der Stadt waren ihr entgegengefoliren; alle
Welt feierte einen frohen Tag, und jubelnd zieht sie in die Stadt
ihres Vaters ein. i]in besonders feierlicher Empfang wurde ihr bereitet,
als sie in Dendera anlegte; hier ist ihr Herzenssitz, die Stätte der
Tefnut, der Ort, den Tefnut liebt, von dem Thot sagte, daß Freude
darin herrsche, an dem man ihr immerdar den Weinkrug reicht,
vor allen anderen Göttinnen.
Auch in Athribis scheint sie angehalten und einen Ruheplatz gefunden
zu haben, wie die mangelhaften Inschriftreste noch erkennen lassen.
So war denn Tefnut-Hathor in den Tempeln Ägyptens heimisch ge-
worden; die blutdürstige Löwin war gezähmt und freundlich gestimmt.
Neben ihrem Bruder Schu hat sie in den Heiligtümern Platz genommen,
sclienkt ihm einen Sohn, und zu dreien erscheinen sie bei frohen Fest-
zügen und lassen vor sich spielen und singen.
Aber das friedliche Wesen haftet ihr nur äußerlich an, ihre Natur
war nicht gewandelt, ihre ungebändigte Kraft hat sie nicht verloren. Das
ist zur Auffassung der Doppelnatur in der Göttin von größter Wichtigkeit,
und nur so lassen sich die merkwürdigen Gegensätze bei der Schilderung
ihres Wesens verstehen.
Nie darf man aufhören, die alten betörenden Lieder vor ihr zu singen,
vor ihr zu tanzen und sie mit Musik zu erheitern. Thots Aufgabe nimmt
kein Ende. Alltäglich muß er sie besänftigen, seine Zaubersprüche
müssen stets ihren Ohren klingen, um den alten Grimm nicht aufkommen
zu lassen; der Wein darf nicht ausgehen, sieben tnf-t-KriXge sind ihr
tägliches Quantum.
Das ist die Göttin, die lacht und zürnt, Sechmet im Grimm [nSn],
Bast in der Freude [A^p], die Göttin, deren Herz süß und heiter ist
und in Zorn entbrennt [nsn ib, ^h ib], deren Augen hell und
froh dreinschauen [wbh mr-tj] und dani^blutunterlaufen [hrs-t] und
grimmig [näd br] ihre Opfer anblicken und Feuer auf sie schleu-
dern. Sie ist die Herrin der Frauen und die Führerin der furcht-
baren ^wy-Dämonen, sie kann keine Stunde den Wein entbehren
und freut sich, das Blut ihrer Feinde zu schlürfen: man brennt
8
H. Junker
ihr süßen Weihrauch und erfreut sie durch den Qualm ilirer
Feueropfer; sie schmückt ihr Haupt mit Blumenltränzen und rötet sich
mit dem Blut ihrer Feinde; man singt ihr frohe Lieder, führt ihr
heitere Tänze auf und zittert vor ihr, wenn sie mit feurigem Hauch
die Berge sengt.
Ja, selbst in ihrer Zufriedenheit kann sie das Ungebändigte ihrer
Natur nicht verleugnen, denn zufrieden ist sie nur im Rausch, l)ei wilden
Tänzen und blutigen Opfern, und wir sehen, wie ihr Kult in Orgien ausartet.
Re hatte die Göttin kommen lassen, um bei ihr Hilfe gegen seine
Feinde zu finden, und sie hat sich tatsächlich nach ilirer Ansiedelung in
Ägypten als Beschützerin ihres Vaters bewährt. Sie verbarg ihn vor
seinen Widersacliern, warf seine Gegner nieder und verbrannte
sie mit der Flamme ihrer Augen. Da sie diese Taten wohl nicht in
ihrer Zufriedenheit vollbracht haben wird, muß man annehmen, daß far
diese Zeit die Besänftigung eingestellt wurde und ihre alte Wildlieit wieder-
kehrte, bis nach Vernichtung der Feinde Thot und Sclm ihr Amt wieder
ausübten.
Von Re selbst war nun für alle Zeiten bestimmt worden, daß der
Tag, an dem seine Tochter aus Bwgm kam, feierlich begangen werde;
und so wiederholte sich Jahr für Jahr dramatiscli der festliche Einzug so,
wie er in der Urzeit stattgefunden hatte.
In Philä bildet sich der Zug zum Kiosk, um die Göttin in Empfang
zu nehmen. Dort landet sie in ihrer Barke und zieht dann die heilige
Straße entlang, ihrem Heim im Osten der Insel zu. Alles, was sich damals
begeben hatte, wiederholt sich jetzt. Man reicht ihr das wn^h, windet
ihr den Kranz, reicht ihr den Trank und schmückt sie mit Amuletten.
Die Prozession eröfliien lautenspielende Affen, ihnen folgen Bese, die das
Tamburin schlagen und Laute spielen; dann kommen Gabenträger mit
Blumen und Gazellen, endlich Priester mit Harfen und Flöten. Den Zug
begleiten Schu und Thot, um das Bild der Göttin bemüht. Frohe Weisen
(erklingen, Lieder, die Tefnut in ihrem neuen Heim bewillkommnen:
«Lauter Jubel herrscht an ihrem Heiligtum, Philä freut sich,
denn Hathor tritt ein, sie kommt von Bwgm gezogen, betet sie
an, wenn sie in ihrem Hause ruht.« Die Frauen schlagen das Tam-
burin und rufen Heil und Willkommen: Hathor kommt zu ihrem
Hause; o wie süß ist es, wenn sie sich naht.
Der Auszug der Halhor -Tefnut aus Nul)ien. 9-
In Dendera, Edfu und Esneli beginnen die Feierliclikeiten am 19. [17.]
Tybi. Frohe Feste feiern die Erinnerung an die Landung der Göttin.
Neun Tage werden große Wasserfahrten veranstaltet, und unter Opfern
und Libationen zieht die Göttin in ihrer Barke auf dem Strom den Weg,
auf dem sie einst gefahren war.
Aber nicht nur an diesem Tag und in diesem Zusammenhang ist die
Erinnerung an die Ankunft bewalirt; es ist erstaunlich, wie die Legende
den ganzen Kult durchdrungen hat. Titel und Namen der Göttin spielen
allenthalben darauf an ; man macht einzelne Momente der Sage zum Gegen-
stand eines Festes oder besonderer Zeremonien. Tanzt der König vor
Tefnut, so ist er das Abbild des Sc hu, der beim Auszug aus Nubien
vor ihr hüpfte; reicht er Blumen, rasselt er mit den Klappern, spendet
er Wein, so erinnert alles den Priester an die Szene der Entführung.
So wurde täglich im Kult das Andenken an die Ankunft der Lieb-
lingsgöttin erneuert, von der Ptr<^ des Dogson-Papyrus beim Gelage in
ihrem Tempel auf Philä bekannte: »Der Tefnut (Hathor) kommt doch
keine gleich.«
In der vorstehenden Übersicht sind die verschiedenen Züge aus allen
in Frage kommenden Tempeln zu einem einheitlichen Bild zusammen-
gefaßt worden. Nun lassen sich aber fast überall örtliche Verschieden-
heiten feststellen. Es galt bei jedem Heiligtum, das eine der Gestalten
der Hathor oder eine verwandte Göttin verehrte, ilie Legende anzupassen
und sie so zu gestalten, als habe sie eine besondere örtliche Beziehung.
Das Ergebnis dieses Unternehmens wird unten ausführlich bei den ein-
zelnen Tempeln besprochen; hier sei es kurz zusammengefaßt.
In Philä war die Tefnut-Hathor die Heldin der Sage. In ihrem
Tempel und in den Liedern wird sie meist einfachhin Hathor genannt,
in den anderen Darstellungen mehr Tefnut, und der gemeine Mann rief sie
ebenfalls bei diesem Namen an. Nach der offiziellen Auffassung war sie
Tefnut in der Gestalt der Hathor. ^iußerdem wird die Göttin der
Flammengöttin wps-t angeglichen, die aber wiederum nur eine örtliclie
Form der Tefnut ist.
In Ombos ist es die Schwester des Haroeris-Schu, die t>' sn-t nfr-t-
Tefnut, die aus Kns-t kam, in Esneh verehrt man sie als rnnhj-t, eine
Phil.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. III. 2
10
H. Junker:
örtliche Gestalt der Genossin des Schu. Kdfii und Dendera ])esaßen eine
echte Hathor.
Trotz dieser Verschiedenheiten lassen sich wiederum die Rezensionen
in Gruppen zusammenstellen; es ergeben sich dabei als verwandt: Dendera,
Edfu und Esneh einerseits und Ombos, Philä samt den nubischen Tempeln
anderseits.
Die drei erstgenannten Tempel haben zur Erinnerung an die Ankunft
der Göttin einen Periplus von neun Fahrten zwischen dem ig.Tybi und
4.Mechir. Der Text, der die Feierlichkeiten mythologisch begründet, ist
in Edfu und Dendera beinahe wörtlich derselbe und vielleicht von Edfu
übernommen.
Die andere Gruppe hängt ebenso eng zusammen. Die nubischen
Tempel sind vollkommen von Philä abhängig und geben bloß die dortige
Überlieferung wieder, Dakke allein ausgenommen, das seines Hauptgottes
wegen, der bei der Plntfiihrung eine Rolle spielte, sich eingehender mit
der Legende beschäftigt. Ombos zeigt in den Ausdrücken, die das Kommen
der Göttin schildern, in den Darstellungen der U m-t ??//■•/- Tefnut und
ihrer Begleiter auf der Reise enge Verwandtschaft mit der Tradition von
Philae und Nubien ; zudem findet sich die Rezension von Ombos auf einigen
Darstellungen in Philae einfach übernommen.
Daß die beiden großen Gruppen wieder auf ein und dieselbe Legende
zurückgehen, ist zweifellos. In beiden wird die Hathor aus ßiog?n entführt;
sie wird bewogen, *S/-^ zu verlassen, ein Jubelfest feiert ihre Ankunft, Schu
tanzt in Esneh und Dendera vor ihr, wie er es nach der Erzählung Philäs
beim Auszug aus Nubien tat. Thot, die heiligen Affen, das Land I{7is-t
als Aufenthaltsort der Göttin finden wir in Dendera, Ombos und Philä usw.
Für das Nähere sei auf die Texte der einzelnen Tempel verwiesen, die
unten erörtert werden.
2. Alter der Legende.
Alle hier fiir die Legende verwerteten Texte gehören der griechisch-
römischen Epoche an, so daß wir für positive Zeugnisse auf eine ziem-
lich späte Zeit angewiesen sind. Es fragt sich nun, ob die Entstehung
des Mythus ebenfalls in diese Periode fallt oder weiter zurück zu da-
tieren ist.
Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien. 11
Bei dem konservativen Charakter der damaligen Priester ist es von
vornherein unwahrscheinlich, daß sie eine ihnen selbst als neu bekannte
Sage in ihr System aufgenommen, geschweige denn in solchem Umfange
verwertet hätten.
In Dendera und Edfu wird die Einführung eines der Hauptfeste auf
die Legende zurückgeführt, in Ombos ist die Entstehung des Heiligtums
mit ihr in Verbindung gebracht, Philä könnte man sich ohne dieselbe gar
nicht denken ; die Namen der Heiligtümer, die Titel der Götter, Prozessionen
und Zeremonien sind überall mit ihr verknüpft.
Das kann nicht über Nacht so geworden sein; dahinter muß eine
lange Tradition liegen, die von den Ptolemäern als zum alten Bestand ge-
hörig betrachtet wurde. Wie alt sie aber tatsächlich ist, kann man gar
nicht sagen, vielleicht wirklich uralt, nur sonst nicht überliefert, vielleicht
auch im neuen Reich erst entstanden.
Es lassen sich freilich einige Stellen früherer Zeit anführen, die An-
deutungen zu enthalten scheinen. Im Mut-Ritual Pap. Berl. 3053, 17, 9 ff.
wird die Göttin mit Sechmet identifiziert, und es heißt von ihr':
\ °§ J (lfly^<=>'"^^? ^ "^ — ""^ Ptah kommt, dich zu erhei-
oX^)iS oD Xo\i I ip=^ tern,ounsereHerrin, Her-
rin des Himmels . . .
-^"rr^ ^ AWq^-^.^^ Ich fand dich sitzen auf dem
(9 _^ i^ U I -M^ _ _ ^Qj^ Punt.
ra^^^TÖ^'
Man tanzt dir.
11 Horus [der Ältere] singt dir.
"(1~^\\^'^^^^ ^ n^^'^ Die Wadibewohner [kommen]
l^ ^^!^i^
^ö^1k ßnjili mit jungen Gazellen zu dir.
^ Nach dem Wörterbuche i. Berlin.
12 H. Junker:
Ebenda steht 19,3!!*.:
JK.^(9 a^=>R m f\(\f\ J\ Wie schön ist es, wenn [du?'J
6<=:>\\oDloOÖ)iH^o gnädig List, Shrn-t, wenn
du kommst.
lj^^£)^'wwsA Zürne nicht gegen uns!
- (E '=^= Wie schön ist es(?), wenn du(?)
o
o D
gnädig bist.
Aber das kann alles ebensogut von der Natur der betreffenden Göttin
gesagt sein, von ihrer Heimat in Punt, von ihrer Vorliebe für Tanz und
Gesang, von ihrer Wut und ihrer Fröhlichkeit; wäre die Sage zu derselben
Zeit belegt, so könnte man mit Recht überall Anspielungen sehen, so aber
ergibt sich mit Sicherheit nur, daß die Voraussetzungen für die Entstehung
einer solchen Legende schon früher bestanden.
3. Vergleich mit verwandten Legenden.
a. Hathor kommt mit Horus aus Punt.
Von der Sage der Entführung der Hathor aus dem Ostlande ist zu
trennen eine andere Legende, die Hathor als Falkenweibchen aus Punt
fliegen läßt. Es liegt ihr gewiß die Auffassung zugrunde, daß, wie der
Sonnengott von Edfu im Osten aufgeht, d. i. aus dem Ostland kommt, so
auch Hathor als seine Partnerin in gleicher Gestalt von dort komme. Dem-
entsprechend ist die Sage hauptsächlich in Edfu vertreten und sonst nur
noch in Dendera, in gegenseitiger Abhängigkeit.
I. Zunächst ist Horus der heilige Sperber, der aus dem Südostland(^
fliegt. Eine häufigere Formel lautet:
Rochem., Edfou I, 95:
o'o Der heilige Falke, der aus
n
dem Gotteslande kam.
Ebenda I, 248:
^'^^ . . . "^^ ^ Fjl Horus von Edfu, der heilige
Sperber,
~ 0 J] Ipro. ^ » Wie schon ist es , o
Shm-t, wenn du gnädig bist, o nö't, wenn du kommst und gnädig bist».
Der Auszug dsr Hathor-Tefnut aus Nulnen.
13
Hl
Ebenda I, 132:
00
Ebenda 1,271
^ o
^
der von VT^/z kam, um sich
mit Edfu zu vereinen als
Herr des Thrones.
Heiliger Ojni, Herrscher des
Gotteslandes.
Heiliger Falke, Herrscher
von Punt.
Vgl. ebenda 1, 139 usw.
Diese Titel des Horus werden nun einfach auch auf Hathor übertragen ;
sie heißt LD. IV, 53b:
i< ^^ Heiliges Falkenweibchen,
Herrscherin des Gottes-
landes.
Mar., Dend. II, 20a:
,0 o
m
A
h
f^^^
P^benda I, 74a:
Heiliges Falkenweibchen,
Herrin des Gotteslandes.
Heilige bik-t Herrin von
Punt.
Vgl. ebenda I, 79, II, 40a; Rochem., Edfou I, iio.
Dann heißt sie in dieser Verbindung: drij-t und BJuUj-t, wie Plorus
der drtj und Bhdtj.
Mar., Dend. IV, 28a:
i< '^'^ Sperberweibchen, Herrin des
Gotteslandes.
Ol
.C^£y]
Dum., Res. XX, i
Bhdtj -t, Herrin von Punt.
\
Statt Punt und Gottesland tritt dann auch Bw(/m ein, und der aus
der Legende bekannte Titel b^-t n-t Bwgm findet sich auch hier; daß hier
wegen der Ähnlichkeit der Titel und der Identität des Herkunftsortes eine
Verschmelzung vorliegt, ist besonders in der Spätzeit nur zu erklärlich.
X4 H. Junker:
Mar., Dend. II, 20a:
^ ^S A^'^^ Falkenweibchen, h^-t von
AA/V^A^
QyvT)
Bwgm.
LD. IV, 53a:
^S'^^^'^1^ ^A^iO'-^ ''^^^ von llwym.
Mar., Dend. I, 49:
^5^ .... %^ PI ^=1 1^ /l^ S3 Bhdtj-t, lieilige hlk-t in Bieg fit.
Vgl. ebenda I, 50b. 5 1 a usw.
Dabei läßt sich noch der solare Hintergrund der Mythe erkennen,
Hathor kommt als Falkenweibchen vom Himmel.
Mar., Dend. III, 32!:
^P'^.liT^ Sieh, sie kommt vom Himmel
^:=iS?l/<^ü^^ als Bhdtj't von Punt.
2. Wie scharf die beiden Legenden zu trennen sind, erhellt am deut-
lichsten aus ihrer Widerspiegelung im Ritus. Zum Andenken an die
glückliche Fahrt und Ankunft der Hathor-Tefnut wurden in Dendera und
auch in Edfu die Wasserfeste im Tybi und Mechir begangen; die Sage
von dem Herüberfliegen der Hathor als Falkenweibchen von Punt scheint
man dagegen der alljährlichen Besuchsfahrt der Gröttin nach Edfu zugrunde
zu legen. Sie kommt zum Heiligtum des Horus am P'este intw-s, so wie sie
einst als Genossin des Horus aus Punt kam; das ist sicherlich eine spätere
Allegorie und Anpassung, eine Nachbildung der Wasserfahrtlegende, die
eine lokale Festlichkeit motivieren oder erklären soll; wie wenig Gewicht
man übrigens auf diese Legendenerklärung legte, geht aus ihrem verein-
zelten Vorkommen in zwei parallelen. Denderatexten hervor; der Kalender
weiß nichts von der Deutung, obwohl er sonst alles im einzelnen beschreibt.
Mar., Dend. III, 7b:
^^^^i?fw')lTlS^<==> ® HT-?- ^^^ Auge des Re kommt aus
ai^üIlD-^ Ol NT dem Gotteslande zu ihrer
Stadt in Leben,
^=OL/n^^^"^ am Tage der Fahrt nach Jf6'7^.
Der Auszug der Hathor -Tefnut aus Nutrien. 15
^^-^n^n ^^Vf? ^^^ ^^^""^ ^''"' Horusgemach
jedesmal zu ihrer Jahres-
zeit:
;^c^ O o WO Qin am i. im 2. Monat des Som-
I I I O AAAAA^ ^^^37 i Jj (j I „-
mers am läge ^yintiv-.su.
3-d— ^flnV^IP ^^'i;;;^' .um Gemach des
Jtsfyatj, des Buntgefieder-
ten.
Ebenda :
'9^'fe^llT^^*='^ Das Auge des Re kommt aus
PuntzumLibationsgemach
z=z^^^^^ TAAAA/vvC3=](]e^5 • . . an ihrem schönen Fest der
-^ ^ o© Fahrt nach Edfu .. .
®1iU^\^öf^0 ^^® ^^^^^ Neunheit fährt
Ihre Majestät;
■'"Hill -i^ n r» h /~\ ^^^^'^'^ 1 *?\ A
^^^<=^cz^UflO^ ,, 1^ sie landet an der Stadt Edfu.
Der Unterschied der Legenden liegt zutage, niclit um ein Hinbringen
der Hathor nach Ägypten, sondern um den Besuch der Göttin bei Horus
handelt es sich; die Nennung von Punt und dem Gottesland als Herkunfts-
ort weist auf die obengenannten Titel: Sperberin von Punt usw. hin; daß
sie hier Auge des Re genannt wird, verschlägt nichts, so wird sie auch
in Verbindung mit ihren Titeln als btk-t, drtj-t betitelt, vgl. Mar., Dend.
IV, 28b, 28a usw.
3. Der Sperbergott Horus ist der Herr von Punt, aber man weiß in
Dendera und Edfu wohl, daß der eigentliche Herrscher von Punt ein Löwe
sein muß. Die löwengestaltige Figur, die das Salbengeföß in der Hand trägt,
ist der »Große von Ä>i6-/, der Herrscher von Punt« usw., der seine Gabe bringt.
Dum., Temp. Inschr. I, PI. 54:
n n-23sX%^^^^^^ '^ Löwe, Anführer YonWtn,
Fürst von Kns-t.
AWW\
Rochem., Edfou, I, 235:
"^^"^ Löwe, Herrscher des Gottes-
"^ ' ' '^ landes.
16 H. Junker:
Dum., Temp. Inschr. I, 52:
-gas zi I I ^ JL Qd^ Löwe, Herrscher von Punt.
Ebenso stammt der Löwe als Wasserspeier, Dum., Hist. Inschr. II, 35b
(Dendera) aus Kns-t:
öl„S)5-^Ä f]f]r^^^ Ich bin der Löwe, mächtig
•^ o H v_. I _^[N^ ^^^ Stärke, in K7is-t.
So muiS denn auch Horus als Herr von Kiis-t ein Löwe sein, Rochem.,
J]dfou, I, 132, heißt er:
f]^<t^ "^ ^ fÄH^^^ Tapferer Löwe, Herrscher
^i^, des Gotteslandes,
-^™^=()'^^'^'^^^^~ der sich im Myrrhental er-
geht.
Bei der Übergabe des löwengestaltigen Gefäßes, ebenda I, 135, soll
Horus die Salbe entgegennehmen:
'ö"^ ^ Von den Armen deines Eben-
^'^'^ bildes.
Vgl. ebenso ebenda I, 132 usw.
Auf diese doppelte Eigenschaft als Horus und Löwe von Punt spielen
vielleicht die Salbgefäße an, die Löwenleib und Falkenkopf tragen. Man
sieht, daß die Voraussetzungen für die Legende von der Löwin in Krts-t
sich auch hier bemerkbar machen.
b. Vergleich mit der Legende von der Vernichtung des
Menschengeschlechts.
Es läßt sich nicht leugnen, daß in der Legende von dem Auszug der
Hathor sich Anklänge an die bekannte Geschichte aus dem Buch von der
Himmelskuh finden.
In beiden Sagen ist es Hathor, das Sonnenauge, die wilde Göttin, die
zu ihrem Vater geführt wird. Hier wie da wird Thot ausersehen, die Wut
der Göttin zu brechen, wird die Göttin betört, verliert sie ihre wilde Natur
und wird zur Göttin der Freude und Trunkenheit. Das sind zwar auf-
fallende Übereinstimmimgen, aber der Kern der Sage ist jedesmal ein grund-
verschiedener.
Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nuhien. 17
Nach der Legende von der Entfiilirung- lebte Hatlior in fernem Lnnde
und kannte Ägypten nicht; Re läßt sie kommen, aber nicht sein Konflikt
mit den Menschen ist der Grund, er will nur, daß die Göttin sich bei ihm
ansiedele. Um sie zur Fahrt nach Ägypten zu bewegen, muß sie gezähmt
und besänftigt werden; in der »Vernichtung« kommt sie gleich zu Re,
wird von ihm ausgesandt und muß besänftigt werden, damit sie nicht alle
Menschen zugrunde richte. Thot hat in Kris-t Hathor vor allem durch seine
schönen Reden milder gestimmt; wohl sehen wir. wie bei der Tefnut, die aus
KiiS't kommt, Wein gespendet, das 7nnw gereicht wird, wie das jnnw-hied
an dem Tor der Empfangshalle steht, aber der Rausch spielt nur eine zweite
Rolle bei der Besänftigung in Nubien und wird nie eigens dabei ange-
führt', dagegen wurde Sechmet bei dem Blutbad, das sie unter den Men-
schen anrichtete, gerade durch den ^/(//-Trank hintergangen, Thot sprach
kein Wort dabei. Bei der Entfährung hat Schu treu mitgewirkt, an der
Rettung des Menschengeschlechts durch Aufhalten des Blutbades hat er
keinen Anteil.
Man könnte freilich die beiden Legenden auch folgendermaßen in Ein-
klang bringen; ob ein Ägypter sich die Mühe je gegeben hat, darf als
zweifelhaft gelten: Re ließ Hathor zu sich kommen, weil sie seine Tochter
war, und dann aber, weil er die Macht ihres Schutzes kannte; sie sollte
seine Feinde zu Boden werfen. An Gelegenheit sollte es ihr nicht mangeln ;
einzelne Andeutungen beweisen das^ z, B. Dum., Geogr. III, 66 heißt die
Göttin :
ü^ M^ J^'^^^^^^TpT' Hathor, Herrin von Dendera,
Feinden barg.
Man beachte, daß Hathor als dd-t, als die sie von Bwgm kam, ihren
Vater beschirmte.
1 Vielleicht ist dieser Zug aus der »Vernichtung« übernommen worden, oder beide
Angaben gehen darauf hinaus, daß man die Göttin wohl kannte und wußte, daß ein Rausch
sie mild stimme.
2) Vgl. auch die Namen Denderas, Mar. I, i6: ""^ (Jü WO^^^'^ | @ »Haus,
da man Re schützte- (Var.: Osiris schützte); ^ ^=^g^ (] ^ | r^^ ^^ ^^^
(IL/^^ »Haus, in dem Re weinte, in dem Re lachte«. Vgl. auch die Sage vom
Schutz des Re in Ombos unten S. 56.
Phü.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. III. 3
18
H. Junker:
So moclite deiiii aucli Rc, als die Menschen sich wider ihn erhoben,
die Rache seiner Tochter übertragen; das ship brauchte nur aufzuliören,
und sie stürzte sich auf die Ungetreuen ; nachher liat sie denn Thot wieder
in gute Laune versetzt.
Auf ein Ineinandergehen der beiden Sagen scheint folgender merk-
würdiger Text hinzuweisen: Dum., Hist. Inschr. II, 5 yd, Dendera:
I lo
SZlö (^1 I I
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Ci
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a
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ni
w
'J^
o I I
w
A'
SIC.''
Heil dir, Hathor, Herrin von
Dendera,
mit geheimen Plänen im
Nubierlande.
Herrin des Schreckens an
der Spitze von hn.
Trogodytin, die wtnw rich-
tet.
Herrin der Flamme, die das
Negerland verbrannte,
als Atum nhs tat,
in diesem deinem Namen:
Negerin.
Herrin der k/d7iw-Ai'£en un-
ter den bntj,
in diesem deinem Namen ivtt.
0 Starke in Kns-t,
als sie zürnte ... ihr Vater
Re,
in diesem deinem Namen
Sechmet.
Es sandte dir Re sein Herz
nach dir,
in diesem seinem Namen hb.
Der Auszug der Hathor -Tefnut aus Nubien. 19
Die Inschrift stellt eine Titelreihe der Hathor dar, aber mit deutlicher
Anlehnung an den Entführungsmytlius; sie wütet in Nubien und verbrennt
das Negerland; die heiligen Affen sind um sie, und Thot wird ihr nach-
gesandt. Aber fremd ist, daß sie dort wütet im Auftrag ihres Vaters; das
ist ein Zug, der an die »Vernichtung« erinnert und gewiß von ilir hier
eingeflochten wurde, zumal eine solche Vernichtung Nubiens im Auftrage
des Gottes zu den geläufigen Ansichten der Ägypter paßt.
4. Deutungen der Legende.
a. Hathor als Auge der Sonne.
In der Legende wird die Göttin in allen ihren Erscheinungsformen,
Tefnut, Sechmet, Hathor usw., zugleich als ^ ,, Auge der Sonne, bezeich-
net; ebenso sendet bei der Vernichtung der Menschen Re »sein Auge« aus.
I . Was Wunder, wenn die Legende von der Göttin nun auch wirklich
auf das Auge des Sonnengottes gedeutet wird: Re hat sein Auge verloren,
Thot und Schu sind es, die es ihm wiederbringen. Dabei wird auf die
bekannte Horussage angespielt', nach der Seth das Auge ausgerissen hatte.
In Philä, Phot. 1063 z.B. bringt der König das wd^-t-Auge. Auf Thronen
sitzen Harachte und Tefnut, dahinter steht Schu; der Spruch sagt u. a. :
...^"^^'^'^ , *^^ OHarachte, . . . nimm dir dein
"^^^ Auge, das an deine Nase
getan ist . . .
_^'^. . . Nimm dir das heilige Auge,
o □
u X v_^ — H— ^-^ daß es an deinerStirn ruhe.
Aray^ DotO)^^ Jubel ist im Himmel, Froh-
' I iiHi' \ — 4A \>u--j locken auf Erden,
111 cQd , Y und die Götter des Hori-
' ' ''^n Ji zontes sind in Entzücken,
^ n ^^An^^^,^^ ^eil das heilige Auge an
seiner Stirn leuchtet.
' D. i. die in der bekannten Fassung längst bestehende Sage wird nach unserer Legende
umgestaltet.
20 H. Junker:
Das heißt die Hauptzüge der Legende in die Sprache des Sonnenkultes
übersetzen: Schu steht da, weil er das heilige Auge gebracht; das Auge,
das sich nun mit Harachte vereint, ist eben Tefnut, die neben ihm sitzt;
sie ruht nun bei ihm, und Himmel und Erde jubeln, daß der Gott sein
Auge wiedergewonnen hat.
Phot. 1059 — 1060 wird dieselbe Zeremonie vor Harendotes und Hathor
verrichtet und derselbe Spruch rezitiert, jedoch werden einige Sätze zuge-
fügt, die besonders wertvoll sind, weil sie eine in der Entführungslegende
geläufige Formel enthalten:
Der König Ptolemäus,
"^«^ i\n^^ ^ der das hl. Auge dem entriß,
Ö^!^:Mt=/i
der es geraubt hatte.
n ^J,,_^rjn_^^^ '^ ^5^ der die Große zu ihrem Sitze
-^^<=>^ ^ I /^.AAA^<:=>s=i brachte, die fern gewesen.
sie ^
iS^Äf"'^ I / 1 n I Dein Angesicht freute sich
DAmii ^^-^ I über seine Schönheit.
Ähnlich heißt es Rocliem., P^dfou II, 39, von Thot, der das ^g dar-
reicht :
^^^^ ^ 2^(^ Der das Große, das fern war.
^<=> — .<=> A o herbeibrachte.
Nach dem Kalender von Esneh, a. a. 0., fand es Schu am i. Thot:
fl ._ ^ I. Thot... Schu fand das
S?" "^^ß^s^^T^PT^ Horusauge bei Seth und
'^ X Itk ^.^ entriß es
In Ombos wird der Zusammenhang der Mythen dadurch zum Aus-
druck gebracht, daß über der Empfangsszene die Vereinigung der beiden
wd^-tj dargestellt ist.
Vielleicht haben Erinnerungen an alte Mythen bei der Verschmelzung
und Ausdeutung mitgewirkt, so steht z. B. Pyr. 2091:
(=iP%^^^^^'^ö^ OSchu, der du dieNut trägst,
^ _^,,^^^ ^Q^ ^^^^ j^^^^ ^^^ Horusauge zum
^-^'lir'^'^^^ '-^^ ^=^ Himmel erhoben.
Der Auszug der Hathor -Tefnut am Nuhien. %\
Eine derartige Tradition kann sehr wohl auf diese Gestaltung der
Legende Einfluß gehabt haben', und es ist schwer, überall das Ursprüng-
lichere herauszufinden.
2. Das Kanopusdekret spielt auf eine Legende an, die sowohl mit der
Sage vom Auszug der Hathor aus Nubien als auch mit der vorhin ge-
nannten Geschichte des Sonnenauges Verwandtschaft hat'. Die Tochter Pto-
lemäus III. war gestorben, und sie sollte in den Himmel versetzt werden,
^2?°^"^^^^1^ "" ^•^^'' '^^' '^* '^^'' Monat,
^ ^^ in dem einst die Tochter
o des Re in den Himmel ein-
gegangen war;
.^s^cx:^^ a c <^cz> er nennt sie Auge des Re,
r\ =
^^
mit ihrem Namen,
weil er sie liebte.«
Und wie zur Erinnerung an die Auffahrt des Sonnenauges alljährlich
eine Festfahrt veranstaltet wird, so soll es auch der neuen Göttin geschehen,
auch sie erhält eine Fahrt
^^^1 Q jLLLü, AAAAAA Qiiii im Tybi vom 17. Tage an.
Das ist das ungefähre Datum der Erinnerungsfahrt in Edfu und Den-
dera und derselbe Tag 17 wie in Esneh. Der Zusammenhang der Legenden
ist offenkundig; ihnen gemeinsam ist, daß die Vereinigung des Re mit
seiner Tochter gefeiert wird, daß eine Fahrt diesen Tag im Monat Tybi
feiert. Es kann aber wohl kein Zweifel sein, daß die Fassung des Kano-
pusdekrets keine ursprüngliche ist, wir haben in ihr eine spätere Auslegung
vor uns, die zudem Züge aus dem Sonnenmythus aufgenommen hat.
^ In späterer Zeit gelten Sehn und Tefnut auch als die beiden wdhij, z. B. Theben,
Al.a, Miss.V,8: ^^^^^:z=:^- • ' ß ^ 5^ ü^ | 3fl ^ il * ^^"«"^•°^'*^^« '49/50 =
fr Q / \\ ^\ y o / ^^ . Nach Pap. mag. Harris 7. i sitzt Schu im Auge des Re;
vgl. dazu die Darstellung in Ombos (S. 294 Nr. 941), bei der Schu als Löwe in der Sonnen-
scheibe steht.
^ Vgl. Brugsch, Thes. S. 505.
22
H. Junker
b. Tefnut und das Mondauge.
Schwieriger noch sind die Deutungen der Legende auf den Mondkult,
z. B. in den sonderlichen Anspielungen in dem ht-bbk.t^ in Edfu, dem Ge-
mach, das dem Mondkult geweiht ist. Dort finden wir Hathor-Tefnut
wieder als Schützerin der geheimnisvollen Mondsymbole, und zwar wie in
der Legende, als shn-t des Schu":
Rochem. I, 256:
^^Öö oflü^ ©
Rochem., Edfou I, 252:
M^i
A/VA/VAA Ci
^
ö^oÖC^o ©
P,^§()ß-1=Di
o
n
Mht, Tefnut in Edfu,
die den heiligen Obelisken
mit ihrem Bruder schützt.
Hathor, Herrin von Dendera,
Tefnut in Edfu,
die den Schu im Beingemach
umarmt.
Dann werden ebendort drei Affen dargestellt, die an ihrer Schulter
das heilige Auge '^g aufgezeichnet haben ; die zwei ersten Affen sind Schu
und Thot, die uns auch in unserem Mythus als Affen begegneten.
Schu, Sohn des Re im »Bein-
H^Z
□j^i
//w
^
j
n
<-°^
Ebenda I, 276
o
gemach« ,
an einem Ort mit 'Istn ver-
eint.
die heiligen hntj-Kii^w^ die
den Gott schützen,
die kfdnw, die das Beinge-
mach verherrlichen,
Schu in seiner Form, Thot
in seiner Gestalt.
' I j ^ wird mit dem Bein determiniert, das irgendein Mondsymbol sein muß;
docli wird aucli I 1 J^^ damit in Zusammenhang stehen. Vgl. Piehl, Inscr. II, 131,
Rochem., Edfou I, 62 usw.
* Ausdrücklich sei darauf liingewiesen, daß das keine allgemein gebräuchliche Wendung ist.
Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nuhien.
23
Nun steht mitten unter den Titeln, die die vernichtende Tätigkeit
der Hathor in Nubien rühmen, auch der folgende:
' Herrin der kfdnw unter den
bntj-Mien
in diesem deinem Namen: wtt
A-VNAAA
D W
- sie?
Jf.^
(2
OO
Und dieses wttodev wnsh wird auch sonst in Philä, Dendera usw. gern der
Sechmet-Tefnut-Hathor gereicht und gilt als eines der Besänftigungsmittel.
Nun zeigen u. a. die Philätexte, daß auch dieses Symbol auf das Mond-
auge gedeutet wird; so 1434—37 vgl. 143: vor Isis und Hathor, aber ur-
sprünglich nur für letztere:
'^W\
^-
(5
J^^
^1
^®'^^
(2^ o
O — »
Darreichen des wtt und re-
zitieren:
Das »Lebende Auge« lebt,
seine Pupille ist heil,
sein dfd ist an seinem Platz.
Das lod^-t ist heil, und es
fehlt nichts an ihm.
Das »Herrliche« ist herrlich,
und dein Herz freut sich
darüber.
»Der das wtt seiner Mutter,
der wsr-t, reicht,
der Ihre Majestät nach dem
Zorne froh stimmt,
der alle böse Laune, die in
ihrem Herzen war, ver-
scheucht.
Mag nun dieser Zug im Mondkult von der Legende ausgegangen oder
umgekehrt die Zeremonie in sie aufgenommen worden sein, ein Zusammen-
hang, eine gegenseitige Beeinflussung liegt sicher vor, aber eine genügende
Erklärung finde ich dafür nicht \
a c
Der König heißt u. a.
0
a — 0^
S!P
5 ^=^
o
r~Yrn
I I I ö I
' Aus dieser Verschmelzung ist auch die wunderliche Darstellung Mar., Dend. IV, 44
zu erkläreii, wo Thot, der das heilige Auge ausgestattet hat, dasselbe zusammen mit Sehn
zum Hiuunel erhebt; das Auge wird dabei ausdrücklich als Osii-is bezeichnet.
24 H. Junker:
5. Die Heimat der Löwengöttin.
Als Herkunftsort der Hathor werden angegeben: Kns-t (Philä, nubische
Tempel, Esneli, Komombo), tit-t (Philä, Dendera, Edfu), Bwgm (Philä, Ko-
mombo, Edfu, Dendera, Elkab), // st (Philä und nubische Tempel).
a) Über Kns-t hat Brugsch, Sieben Jahre usw. S. 46 ff. geschrieben,
jedoch bedürfen seine Aufstellungen verschiedener Modifikationen.
Es sei zunächst darauf hingewiesen, daß ein Kns-t schon in den Pyra-
midentexten eine Rolle spielt; z. B. 1541 (W. B.):
^ — ° A^ »'^^^— ^A ^ Du durchziehst den See von
^ r-i _ und fällst nieder auf der
Ostseite des Himmels.
. TK AA/V\AA [] f^
Pyr. I 2 1 ist die Rede von einem »großen Stier, der Kns-t schlägt«.
Das ist nach der Sonnenlitanei Re selbst, der »Stier von Kns-t<^ oder auch
bloß kns-tj heißt'. Vielleicht mag gerade dieses Vorkommen als heiliges
Land in den uralten Texten der Grund sein, daß man von den vielen Be-
zeichnungen der Gegend gern Kns-t als Heimatsland der Göttin bezeichnete.
Greifbar wird uns das Land erst in der Liste Thutmosis' III., wo Kns-t
unter den eroberten Landschaften des Südens neben Punt, wtn usw. auf-
gezählt wird (vgl. Brugsch, a. a. 0. S. 48).
Diese Verbindung mit Punt ist denn auch später zu erkennen : der Löwe
von Punt ist zugleich der Herr von Kns-t; der König als Beherrscher von
Punt bringt die Großen von Kns-t usw., und in unserer Legende wird Arens-
nuphis, der Tefnut aus Kns-t bringt, »Neger, Herr von Punt« genannt.
Bezeichnend fiir die Auffassung der Lage von Kns-t, Punt usw. ist
Mar., Dend. I, 23, das auch Brugsch, a. a. 0. erwähnt, wo der König beim
»Aufrichten des Holzes« vor Min zu diesem spricht, indem er ihm die
Negerfärsten zuführt :
^ ö /wvw. f I >< Q^_^^o jß|j bringe dir die großen
Jl^-^z^\h\\ I l(2-^c.£^^ Fürsten von Kns-t,
I AN^'^1 J,5.^x,^^ diese KmHf von Punt.
■^ fK ö rji^ "l ijz^io'^^ Ich führe dir zu o. ä. die Tro-
^ji i-v_^ui w I — II I 1 godyten von *!>/•/.
^ Grab 17, 131; 156,38; vgl. Lacau, Rec. 29, 153 nach dein Berliner Wörterbuch.
^ So, nicht Cim gelesen.
Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nuhien. 25
Seine Titel lauten dabei:
^Q^^ n \j, König der südlichen Freind-
lander,
^^ ^ £^5 jej. jie Fürsten, die fern
sind, herbeibringt,
/\AAA/\r\ '
i=i <:ri
derwirit.
Kns-t, Punt, Si-i, Nubien, werden also hier, genau wie in der Legende,
als verwandte Gebiete betrachtet und allgemein als in der Ferne liegend
bezeichnet, und es ist vielleicht kein Zufall, daß sich derselbe Ausdruck
^^ '^ ^-^ hier wie dort findet, d. i. fär diese Gegenden gern gebraucht
wird, wie z. B. auch Mar,, Dend. II, 40a.
Nach den Begriffen der Ptolemäer müssen diese Distrikte im Südosten
Ägyptens gelegen haben, dessen fernste Bezirke die Gottesländer bilden;
fär Süd vgl. Rochem., Edfou II, 56:
I ^^^IV^ Try^^ Ich gebe dir die Länder des
L^^z=^c^\\\t\ IHH, . , Südens Untertan
^ ^^^^^ ^ 111 ^is hin zu den Ländern der
"""^ '^^^ ' ' ' Götter.
Ebenso Rochem. I, 375 usw. (vgl. Naville, Deir el Bahri 258):
i!^i^^ @\ '=1'=]'=^ Bis hin zu den Ländern der
Rec. XXIII, 195/96 Karnak: »Die Südgrenze bis zu den idbw von Punt.«
Dagegen Ost Rochem., Edfou II, 13:
y 0^^ ^^^^"=111 Ich gebe ihm den Osten bis
^__Tq:£V£]<=^-"°- I I I ^^ ^^^ Götterländern,
^00 0 Dn,^^ den Westen bis da, wo die
Sonne untergeht.
Vgl. dazu Medinet Habu LD. III, 210: »Ich wende mein Angesicht
nach Osten: ... ich sammle dir die L^knder von Punt.«
Wo nun beginnt das Land im Süden? Einen Fingerzeig gibt uns
vielleicht die Landschaft "^^ /^ (^ . Nach der Nomenliste in Philä muß
sie kurz vor Wadi Haifa liegen, nur durch den Nomos Itftj-t davon ge-
Fhil-Mst. Klasse. 1911. Anhang. Abh. III. 4
26 H. Junker:
trennt. Dieselbe Landschaft wird vielleicht in Nr. 49 der Thutmosisannalen'
als das erste Gebiet hinter Punt angeführt", und Kns-t erscheint dort als
Nr. 86^. Ferner wird in den genannten Listen von Philä als südlichster
Nomos, hinter Napata und Meroe ein ^^ ^ c±£i angeführt, was mit »Hinter-
H
Kns4<^ oder »Ende von Kns-t »^ zu übersetzen ist; das k statt k ist zwar
nicht häufig, aber auch sonst zu belegen, z. B. Phot. 1335:
o^oJc^i^Qoo Die Ehrwürdige, Mächtige,
^ * ^^=-^^^^^ die aus Kns-t kam.
Danach ist Kns-t ein Gebiet das vielleicht hinter dem zweiten Katarakt
beginnt und sich bis tief in den Süden erstreckt; dabei ist aber nicht
etwa das Gebiet zu beiden Seiten des Nils zu verstehen, sondern das öst-
liche Wüstengebiet.
Dem widerspricht scheinbar Zeile 1 1 der Hungersnotstele; dort steht:
AAAAAA A/VVAAA
. K- r-rrn^^-^^^'lY/ — \^ ^iA Sein Wasscr ist wild auf der
^^^ H^:_X I 1<=z> Südseite, eineSchoinelang.
?
0 idflÖ-d-'^^M!^!© ^^""^ ^^''^'* zwischen den
1^11LEUo_^ hU^ Xns-i-jw des Südens
schirmt . . .
So wie der Text vorliegt, scheint er nicht einwandfrei zu sein. Brugsch
übersetzt: »Sein Wasser ist gefährlich* nach seiner südlichen Seite hin.
Zur Abwehr dient eine Mauer inmitten der Kensier des Südens (?).« Das
ist grammatisch unmöglich, wir haben vielmehr zwei parallele Sätze, von
denen der erste mit mw-f, der andere mit inh beginnt. Das Zeichen hinter
"l I scheint s^w zu sein, dahinter kommt eine kleine Zeichengruppe mit einem
Kreis (Stadt) am Schluß. Vielleicht muß man daher wie oben übersetzen:
^ Sethe, Urkunden IV, 798.
* Aber diese Identifikation ist nicht sicher, Brugsch will a. a. 0. S. 44 und 45 die
Schreibung |-— , r^v als Verschreibung von nhivc ansehen, aber es gehen viele der Namen
ra
auf ^^-^ aus, wie Nr. 227, 255, 256, 257 und ebenso Nr. 8: ^^'^^ \\ Ci£^ ; aber wenn
man H I^Jh^ '^'^* Nr. 74 \\ fv^-^ , Var. (]^^Q>:^, identifizieren darf, wird chm
= nhiw doch wahrscheinlich gemacht.
^ In der Liste c aber als Nr. 117, d. i. am Schlüsse.
* Brugsch meint gefährdet, d. i. Angriffen ausgesetzt, was ganz ausgeschlossen ist;
gemeint sind die Stromschnellen, deren Wasser zornig ist. Vgl. Philae, Phot. 403.
Der Auszug der HatJior -Tefnut aus Nuhien. 27
« Eine Mauer . . . schirmt das . . . Gebiet. « Aber wie kann diese Mauer
zwischen den Kns-t-jw sein? Doch nur so, daß nördlich nacli Aswan und
südlich nach Philä die Kns-t-jw wohnen. Wir finden sie aber zugleich
in Obernubien bei Pnubs und hinter Meroe. Man müßte also annehmen,
daß das ganze östliche Wüstengebiet vom i . Katarakt bis tief in den Sudan
den gemeinsamen Namen Kns-t geföhrt habe. Das ist sehr hart und sonst
nicht zu belegen'. Aber auch so sind Brugsch' Schlüsse betreffs des Vor-
dringens der Blemmyer und der Pazifizierung der Kris-t-Jw nicht zwingend.
Vielleicht bezieht sich aber die Präposition imjwtj, ähnlich wie im, auf
die vorhergehenden Worte: »Eine Mauer ist mitten dazwischen«, denn tat-
sächlich zieht sich die Ziegelmauer von Mahatta mitten im Kataraktengebiet
durch die östliche Wüste hin; vor Kns-t wäre dann die Präposition r zu
ergänzen, wobei der wahre Zweck der Mauer, gegen die südlichen Wüsten-
stämme eine Abwehr zu bilden, treffend zum Ausdruck käme.
b) St-t, das Kns-t und den anderen Bezeichnungen parallel gebraucht
wird, muß demnach ebenfalls eine Landschaft im Südosten Ägyptens be-
zeichnen und ist von *S/-^ Asien und von t>>t-t Sehel wohl zu unterscheiden.
In der oben angeführten Stelle werden die Trogodyten von tit-t den Be-
wohnern von Punt gleichgesetzt, Rochem., Edfou, I, 396 heißt es von Min:
iMJ:
p^^- Schöner Matoi^ aus Punt,
y\_\ g) ^^ *^^^j du ergehst dich od. ä. zu den
5(1"=^"=^ 0 Q-^
&t-tj-
w.
|\ (^ '^^^A>^l\ ^^ Man jubelt dir auf 5^^m zu.
Also St-t parallel mit Punt und Bwgm so wie in der Legende, nach der
Hathor aus Bwgm kommt und dabei Si-t den Rücken kehren soll.
1 Als Parallele konnte man freilich die Wandlungen in der Bedeutung von ti st an-
führen.
2 Vgl. den Amonshymnus, Kairo 1,3—4:
ri p q n jjijL^ AAAAA^ n "^^^^^ 1 (3© Weiten Schrittes an der Spitze
c:^7:\ olllllnlow'^lll s^\o d.es Südlandes.
^ Diese Matoi sitzen u. a., wie Schäfer, Nastesen, S. 41, nachweist, un Suda,. in der
Wüste /.wischen ^^ ^ am vierten und ^,,^11 ^ ® an. dritten Katarakt.
1 A/W^AA
4*
28
H. Junker
Dum., Temp. Inschr. I, 63 :
»Es bringt dir
A
o
^
Der Si-tJ, der aus /S/-/ gezo-
gen kommt,
alle Spezereien des Gottes-
landes.«
ICbenso bringen nach Rec. XXIII, 195/196 die 8t-tj-w u. a. auch die
Das beweist alles deutlich, daß wir auch St-t im Süd-
des
(%£>£]
Osten zu suchen haben.
c) Bwgm^ bezeiclmet ein Gebiet in der Nachbarschaft von oder besser
wohl innerhalb St-t-Kns-t und steht in Parallelen mit Punt und dem Gottes-
land; die Bese kommen aus Punt oder Bwgin, die Kleider- und Salben-
träger sind »weiten Schrittes in Bwgui«^ und »große dd-2v des Gotteslandes«.
Horus heißt:
Dum., Temp. Inschr. I, 55:
A
.[i£^<
m ©
Dend., I, 506 heißt Hathor:
^
:^'
-^ss
Herr des Gotteslandes, Herr-
scher von Punt,
der das Wadi durcheilt und
Bwgm durchzieht.
b^-t von Bwgm,
die sich hinter Punt her er-
geht.
Für eine genauere Bestimmung gibt uns vielleicht Phot. 265 einen
Hinweis; danach scheint der Gau *=^^^ y\^' südlich vom zweiten Katarakt
mit unserer Legende in Verbindung zu stehen; es heißt dort: der Nil
»bringt dir N. N. in dieser Gestalt, (in der) es im Anfang geworden, als ihre
Majestät von Bwgm kam, wobei Schu vor ihr hertanzte, gar schön (?)«. Hält
man daneben, daß der folgende Gau Pnubs ist, dessen Hauptgott Thot die
' Brugsch, Dict. geogr. sieht in Bwgm die Gegend östlich von Elkcab bis zum Roten
Meer, weil die Hathor von dort nach Elkab gekommen sei; die Ansicht erledigt sich durch
die obenstehenden Ausführungen und geht zudem von der falschen Voraussetzung aus, als
stehe die Legende zu Elkab in besonderer Beziehung.
Der Auszug der Hathor -Tefnut aus Nuhien. 29
Löwin entführte, so darf man vielleicht annehmen, daß etwa in der Hölie
dieser Nomen das Bergland Bwgm gelegen hat.
d) Nur auf Philä und die nubischen Tempel beschränkt ist die An-
gabe, daß Hathor und Schu aus Nubien gekommen seien. 2V st ist dabei
natürlich ein ganz allgemeiner Ausdruck für die südlich gelegenen Gegen-
den. Bezeichnend ist dabei, daß die Angabe ijm U st sich bei Hathor selbst
nur ganz vereinzelt findet, dagegen bei den Begleitgöttern um so häufiger
ist, vielleicht daß t^ st mehr das südliche Niltal bezeichnet, wo z. B. Thot
von Pnubs zu Hause war, während Hathor aus dem Bergland des Ostens
stammte \
e) Ähnlich l)ezeichnet auch das ganz selten auftretende t^-nir allge-
mein den Südosten als Heimat der eingewanderten Götter; noch seltener
ist Punt; Phot. 1562, wohl veranlaßt durch die Spende von Punt-Myrrhen,
wird Schu angeredet:
^ , '=^=' \\\ /ü ? <^lD "'"''^ Du kamst in Frieden,
König, Herrscher vonPunt.
o ^^ll/II-"" ^
m
» Lebender Herr « im Gottes-
land.
^-— Z^r^lSB.'f-^Sl Du kamst „ach Ägypten mit
deiner Schwester leinut
'ö'/wvws*'!^''^"^^ und hast das Herz deines
^^~^ Vaters Re erfreut.
Als Resultat ergibt sich, daß der Heimatort der Göttin im Südosten
zu suchen ist; das ganze Gebiet, ungefähr von der Höhe des zweiten Kata-
rakts nach dem Meere hin, galt als Gottesland oder Punt. Nicht mit einbe-
griffen ist dabei das Niltal, dessen Bewohner auch von den Puntleuten
usw. geschieden werden; es handelt sich dabei bloß um die östliche Wüste,
so wie die Rassenscheidung auch heute ist.
In diesem großen Gebiete lag die Landschaft Kns-t und darin als Teil
Bwgm, vielleicht nicht viel südlicher als Pnubs, aber in der östlichen Wüste.
Hier in der Heimat der Löwen war auch unsere Göttin zu Hause.
^ Auf jeden Fall kann ti-st in unserer Legende nicht Nordnubien bezeichnen wie zur
Zeit des Sirenpowet; vgl. Gardiner in ÄZ. 45, S.128 und Blackinan, a.a.O. In Dakke,
das doch selbst in Unternubien liegt, heißt es, Thot sei von ti-st gekommen (d. h. von Pnubs).
Also kann es kaum vor dem zweiten Katarakt beginnen.
30
II . Junker:
IL Teil.
1. Philä.
a. Die eingewanderte Göttin.
Die Hauptmomente der Legende in Philä faßt kurz Phot. 950 zu-
sammen:
Iäj^^
i
isM
nm
•^
ys
X O
^.AAA^
iC:^
n:
Pfj^iTS
ß.1
^4
Hatlior die Große, Herrin
von Snni't . . . Herrliche,
Heldin,
die aus Kns-t kam,
und in Snm-i als große Flam-
mengöttin anlangte.
Sie reinigte ihre Glieder auf
der reinen Insel
und nahm Platz darauf im-
merdar;
Sehu ist bei ihr und bereitet
ihr Freude, od. ä.
Thot beruhigt sie.
^^t
^<=>
^^3 A
Ol) Die Texte erzählen uns dann zunächst, daß Hat hör einst aus
fernem Land zu ihrem Vater nach Philä gekommen sei. Als ihr Heimat-
land wird dabei Bwgm, Kns-t oder St-t genannt. Sie fährt, was zu be-
merken ist, die typischen Titel der Hathorgottheit: Hathor die Große,
Auge des Re usw. Phot. 670:
Hathor die Große, Herrin
von Philä,
Auge desRe an derSpitze von
Sn7n-t, Herrliche, Heldin,
die aus Kns-t kam und das
Herz ihres Vaters Re er-
freute.
m
^
a
o ^ ^ 4 ^
T
II X^-^^^ c D /^AAAA^ — H — I
Der Auszug der Hathor -Tefnut aus Nuhien. 31
So auch die, Brugsch, Sieben Jahre usw., a.a.O., mißverstandene Stelle
(Phot. 265): «Hathor von Bigge, er bringt N. N. in di eser Gestalt,
in der es im Anfang entstanden ist,
^g_ V^ Q ^ n . ;^cJ fi^ r^ als Ihre Majestät aus Bwgrn
<==>[][] ^ .^ "^ ^1"— U I indem [e] Schu vor ihr ging
<^> _„_ _H_ ^^^ ihrem Ka tanzte (Phot.
265).
Als Löwengöttin, Tefnut, kam Hathor nach Philä, in Begleitung des
Schu, Thot oder Arensnuphis, Thot von Pnubs und ließ sich in dem kleinen
östlichen Tempel <'-7z-<'^ nieder:
[^ '^p=:g^--^,,ww^^'i) "^ . . . Hathor an der Spitze des
^ - 'n ^^n Rufhauses,
..•=^^D ^ On y^ ^__-'^==^n(x^x£, Tefnut ist's, die Tochter
l ©^e^r^o I J\-^ ö ^j^g jjg^ ^.g ^^g ^^^.^ j^^j^
[l(örl^^ zu diesem Ort (Phot. 404).
Außerdem nimmt sie in Philä die Gestalt der Flammengöttin wps-t
an. Phot. 347 aus der Beischrift zu einer Weinspende:
P^x ^,^— 7:;;:^;;;;;^^ . . . . Hathor die Große, Herrin
C^
von Bigge,
^s=-^__^[]^ \7cjöa^3^ Auge des Re, Herrin des
Ol p=;i^^Mklll Himmels, Fürstin aller
Götter,
^ L^ W^i^ t>c\(\i=^r\n Herrin von Spiel und Tanz,
c^
7 M^urLSöfi'^^^
deren tägliches Bedürfnis
der Rausch ist, immerdar,
sie \ ,
<=*==* ci <2>-o (iie aus *S/-^ nach »Auge des
0^2)© O
Re« kam
rj '='_^T^^^'^^Y\/n ^ und in Bigge als Flammen-
JJn I .= [^^ I _^'*^ göttin Platz nahm.
32'
H. Junker
Diese Flammengöttin ist wiederum eine Erscheinungsform der Löwen-
göttin, wie der stark verderbte Text Phot. 57 und 58 zeigt:
Königin von Ober- und Un-
terägypten, Hatlior die
Große, Herrin von Bigge,
Herrliclie, Heldin, die aus
Kns-t kam.
M^^'
1:^1.
r\^^
o
^
4'
TY^S
00 I I |_^ I I oO
SIC
D
Sie langte in Bigge an
als große Flammengöttin
und weilt dort [indem Feuer
um sie lodert . .].
Sie ist zornig als Sechmet
und fröhlich als Bast".
/3) Die aus dem nubischen Bergland stammende Göttin wird dann aus-
drücklich Tefnut genannt und hat als Begleiter meist Arensnuphis und
Thot von Pnubs.
^ ö ^ O"^
n
Tefnut, Tochter des Re, auf
dem Abaton;
Herrliche, Schöne, Herrin
von Philä,
' Phot. 873 hat die Variante:
X O
ö 0 H ö 000
Vgl. Phot. 148 1 — 1485 und Phot. 1335.
Hathor die Große .., Herrliche,
Gewaltige, die aus Kns-t kam
und in Snm-t anlangte als große
Flammengöttin.
Sie ließ sich nieder in Philä, ihrem
Liebl ingssitz.
Herrin des roten Zeugs, die das
ihn liebt.
J} I f\/x/i
Der Auszug der Hathor -Tefnut am Nublen. 3B
^ die aus Kns-t iiacli >Snm-t kam
-•*— ,0m
in
Pliot. 996:
Tefnut
V
illP
ö
Phot. 16:
^
Phot. 403 :
IP
und dort sich niederließ...
(Phot. 381).
die aus Nublen mit ihrem
Bruder kam.
Tefnut, die aus Nubien nach
ir-t-R<^ kam,
die in Snrn-t Platz nahm' mit
ihrem Bruder.
^yvs/s/s^
.r^'^iO C^
Tefnut, Tochter des Re auf
dem Abaton.
Sie kam aus Bwgm mit ihrem
Bruder (Schu).
Sie kommt, wie Hathor, lun iliren Vater Re zu sehen und bei ihm
zu bleiben und ihn zu scliützen (Phot. i 291 flf.). Tefnut wird dann wiederum
der Flammengöttin angeglichen, in die sie sich in ilirem neuen Aufenthalts-
ort verwandelte, wie u. a. zwei Paralleltexte, die beide Titel der Tefnut
darstellen, zeigen.
Phot. 1 8 1
Phot. 63 i
,0
W
in
Tochter des Re, die sein
Herz liebt, die aus Nubien
kam.
Ihr Sitz ist es [Philae], an
dem sie (als)'" Wps-t weilt
^ (Var. : an dem sie weilt und
verbrennt).
' Erg. trj-s is-t-s m Snm-t.
^ Vgl. oben Pliot. 950; 873.
Phil.-hist. Klasse. 1911. Änliany. Abh. IIL
34 H. J U N K E R
ll'v^'A ^ wenn sie zornig {n§n) ist.
-J I ^O
o
Sie kam aus Bwgm.
Ferner wird Seclimet als Löwen- und FlMmniengöttin genannt, an da^r
Tliot das Besänftigungswerk zu vollbringen habe. Pliot. 964 :
A 0 J\Ji^37^Q^=^;^ ^ Sechmet die Große, Herrin
lo^SiH) -3 4 ^=0© der Flamme in 6'«?«-^.
Lebendige, die frißt [verbrennt]
was da ist,
bei der Thot weilt, sie zu
beruhigen.
f^8\^
o D
Vgl. Phot. 1040, II 30, iioo, d.i. in den ältesten Texten. Dann ist
es Wps-t selbst, die aus Kns-t stammt. Phot. 50:
^^^_^^.y^^__ppp^ Wpi.^, Herrin der Flamme
^^^_^ ^^=^-^*— Herrliche, Heldin, die aus
'^^^ ^^^^ Kns-t kam.
ih^^
Schließlich wird auch dem Auge des Re als Mut Knst und Bwgm als
Heimat gegeben, aber wieder als einer Form der Wps-t.
^-. o X -:s>-^g \7 ^ ^^37 i^jut (ijg Große . . . Auge des
-^^^^ O I o oOllie 111 ^^ Herrin des Himmels,
Herrscherin aller Götter,
D no X ^rnTl^ \7p*'-/dieGroße im Flammen-
O X "^ , ^^Q-^ u^-t, die Große, Herrin von
%i>'^—^~^'^%^^)X'^^'^ ' rnSfd-t an der Spitze von
«o u -'^o ^u M ^© 5^^^ (Phot. 380).
b. Die Formen der Göttin.
An dieser Stelle soll zusammengefaßt werden, was sich aus den In-
schriften für die E]rscheinungsformen der fremden Göttin ergibt, weil ge-
rade das für die Auffassung der Legende und für den Kult von beson-
Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien. B5
derer Wichtigkeit ist. Die Göttin, die Thot einst aus Nubien nach Philä
brachte, ist Hatlior, die Herrin des Tempels auf der Ostseite, des »Ruf-
hauses«. Aber nicht als diese schöne, liebliche Göttin war sie gc^kommen,
sie hat sich erst hier darein verwandelt; als Löwin hatte sie in Km-t ge-
herrscht und darum tritt sie uns in dieser Legende gerade als Tefnut und
Sechmet entgegen; auch ihr Name Bast will sie als Löwengöttin bezeich-
nen, die in ihrer ^Erscheinung den beiden genannten Göttinnen vollkommen
gleicht und ihren Sitz ebenfalls im Südosten hat: »reich an Gestalten im
Gottesland« heißt sie Phot. 964.
Der Name Tefnut ist aber immer der vorherrschende, und Tefnut ist
die eigentliche Form, aus der sich Hathor wandelte. In der offiziellen Be-
schreibung der heiligen Inseln heißt es (Phot. 11 96):
o o
Herrin yon Snm-i, ist darin,
P.
Sic
^ A^ ^\^ '^^ ihrer (der Isis) Seite; sie
wehrt den Bösen ab
n ^ AAAA.A jj .<2^ ^^^ von dem Ort, an dem die
Majestät des Osiris ist.
Die Gleichsetzung der Hatlior- und Löwinnenformen zeigt sich, außer
in den gemeinsameu Titeln, wie: »Tochter desRe«, »Auge des Re«,
»Herrin des Himmels«, »Fürstin aller Götter«, Sps-t, n'sr-t usw.,
auch im Ritus ganz deutlich. Die typischen Zeremonien der Hathor: Wein,
Bier, Kranz, um§h, Sistrum usw. werden ebenso vor Tefnut und Sechmet ver-
richtet; vgl. Wein: Phot. 867, 873, i i 16 zu 898, 900, Sistrum 956 zu 923,
umB 1040, iioo, 1130 usw.
Das gibt uns u. a. auch für die Auffassung der Orgien einen Finger-
zeig, die im Papyrus Dogson erwähnt werden. Sie wurden eben bei dem
Heiligtum auf der Ostseite gehalten, und wenn Ptr<^ in der Weinlaune die
Tefnut preist, so ist es eben die Tefnut, die sich in diesem Tempel als
Hathor zeigt; die Darstellungen, die nur von Wein, Musik und Gesang er-
zählen, passen treff'lich dazu. So versteht, man auch, wie der Lärm des
Gelages die Seele des Osiris wecken und die Klageweiber irritieren konnte;
denn nur wenige Schritte westwärts lag der große Tempel, auf dessen
Dache hi den Osiriskammern die Leichenfeierlichkeiten und 'I'otenwachen
abgehalten wurden.
36 H. Junker :
Die Form Hatlior-Tefnut wird in Philä wiederum einer anderen gleich-
gesetzt, der Wps-L Die Wps-t ist eine Göttin mit Menschengesicht, auf deren
Haupt sich die Uräusschlange aufrichtet. Wps-t werden genannt Ilathor,
Phot. 999, 385 und öfter. — Tefnut, Phot. 353: Tefnut, Wps-t, die
shn-t ihres Bruders Scliu, die an keinem Orte fern von ihm ist.
— Sechmet, Phot. 329. — Wps-t führt die Titel der genannten Göttinnen,
wie Auge des R^, Herrin des Himmels, Herrin aller Götter; man
opfert ihr wie ihnen Wein und Bier, sie ist die Herrin des herrlichen
Trankes und der Herzensfreude, sie stammt aus der gleichen Heimat,
ist »reich an Festen im Gotteslande« (Phot. 955) \
Die genuine Identifikation ist die mit Tefnut, denn in den rdtesten
Inschriften des Tempels steht als Beischrift der Göttin in Wp^'-^Gestalt
[Phot. 10 19, 1076]:
sie
-^ '^'^O'^ll^^ Tefnut, Tochter des Re in
bnm-t.
Es wird also Wps-t in Philä eine ähnliche Rolle haben wie die TV sn-t nfr-t
in Komombo.
Die Einladung nach Ägypten war von Re ergangen, und um ihn zu
erfreuen und zu schirmen, hatte man die Göttin aus der Ferne geliolt; so
heißt es denn auch allenthal])en, daß das »Auge des Re« zu Re gebracht
werde, daß sie den Feind des Vaters niederstrecken solle; daneben imd
gewiß sekundär hat sie die Rolle einer Beschützerin des Osiris oder eines
anderen Gottes; vgl. oben Phot. 1 196; ferner 1564: Hatlior vom Ruf hause
»ist auf dem Haupte ihres Sohnes und glüht, um seine Feinde zu ver-
brennen, sie schinnt ihn alle Tage«; 1275: Tefnut:
"^ ^ T<=>^ SM ^^ ' ^^'^ ''^*^''' Angesicht gegen
' IJ^ -^ ^l^j^ Feind ihres Sohnes,
seinen Widersacher vernich-
^^ ^ tend
' Das hindert freilich nicht, daß Wps-t a.nc\\ neben Tefnut dargestellt wird wie Phot. 1340.
oder neben Sechmet Phot. 1343.
Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nuhien.
37
c. Die Begleiter der Göttin.
a. Schu und Arensnuphis.
Bei ihrem Auszug war Hathor-Tefnut von ihrem Bruder Schu be-
gleitet, der sie bewogen luitte, Nubien zu verlassen und sich in Ägypten
anzusiedeln. Phot. 56:
vi I I O^^^^o©
]^T
1%
Die beliebteste Formel ist Phot. 46
^§
CJ=0
OÖ
I ^
Varianten :
Phot. 888: -^
Schu, Sohn des Re in Sn?n-t,
der mit seiner Schwester
aus Nubien kam.
Schu, Sohn des Re ,
der aus Nubien kam
und das Auge des Re zu ihm
aus KnS't brachte.
ö
I I
d Ol
f^^^^
Phot. 966: fiT
cno
1
Ö
O (5
r\^^^0
%
Vgl. Phot. 957, 1340 und ausführlicher mit Zweckangabe Phot. 1291:
— I j ö ^^ Er brachte das Auge des Re
O
Cl c^
^^9 0?
aus KnS't,
damit es den Feind seines
Vaters Re niederwerfe.
Von seinem vorhergehenden Aufentlialt in Ägypten und seinen Taten
dortselbst wird nichts berichtet, doch sieht man noch, wie er im Auftrag
seines Vaters nach Bwgm auszog und die ferne Schwester aufsuchte und
heimbrachte. Phot. 205:
Schu, Sohn des Re, großer
\ Gott in Snm-t,
der Nubien durchzog zu sei-
ner Schwester Tefnut,
der die Ferne zu ihrem Va-
ter brachte.
KM
H C^
1
2^Alt
38 H. Junker:
Phot. 522:
f?e ^^11t^='"^T^^'^ Scliu, Solin des Re, großer
''^^^'iT^^^^^li ^J)Q ^^'1" nach Bwgm kam liinter
y\ y I I D^v..^^öÖ seiner Schwester her.
Er umarmt seine Schwester und fülirt sie zum Ahaton, um dort ihre
Glut zu kühlen (vgl. Phot. 950: »sie reinigte ihre Glieder im Aba-
ton «). Phot. 1340:
ö^£=n^n?^ 1'^^^,^/^ Kr kam in Umarmung mit
ilH__ I ö^ (k D±^n löo^ seiner Schwester Tefnut,
,^— ^n-^^f=)Q — ,4— Tg^c^/^^^-r uni ilii"e Glut im Abaton zu
I r=E {} I f J© kühlen.
Bei dem festlichen Zug nacli Ägypten hatte er selbst zur Laute ge-
griffen und vielleicht in Affengestalt, wi(^ das Determinativ von fnf an-
deutet, muntere Tänze vor Tefnut aufgeführt. Vgl. Phot. 265 und 87.
Wie die anderen Begleiter (siehe unten) setzt (ir s(üne Erheiterung
der Schwester in Philä fort. Phot. 12 80:
^^ /wsAA. n ^ ^^ ^^^^^ 1^ p Er erfreut seine Schwester
^ OK^l^^^^ö^^^'^f ji Tefnut im Abaton.
Sein Verdienst in dieser Angelegenheit galt als so groß, daß in den
Beiwörtern seine anderen Titel und Eigenschaften ganz zurückti-etcn.
Arensnuphis.
Die Rolle des Schu ist des öfteren von seinem nubischen Doppel-
gänger Arensnuphis übernommen worden. Eigentlich ist Arensnuphis nur
ein Beiwort des Schu, der »gute Genosse«, vgl. Griffith bei Blackman,
a. a. 0., ähnlich wie shn »Gemahl« od. ä. Phot. 20. Doch später hat sich
dieser Titel in Philä gerade mit dem nubischen Schu verbunden, so eng,
daß man diesen einfach den »guten Geehrten« nannte und so von dem
ägyptischen Schu trennte. Der Grund ist wohl eben in unserer Legende
zu suchen, in der Schu nur die Rolle des treuen Begleiters der Tefnut
spielt. Diesen Prozeß zeigt uns u. a. Phot. 1295:
f? t^ iQ ^333 4 -^^ — °<x=>C^'^ ^ »Schu, Sohn des Re, Held
_^ vj r^=u t>=ij machtig an Kraft,
"^^I f).wwv.^^^=r~^\\^ der gute Genosse der Tefnut
in ojim-i.
Der Auszug der Hathor -Tefnut aus Nuhü-n. 39
Ebenso Phot. 1 5 1 2 :
^ ^ l^"^^^ Arensnuphis an der Spitze
~*^ ^ von Nubien;
f\ ^ ^^^x3: ^ ^^^ ^^^ Grroße, die fern war,
^ ^ herbeibrachte
~^^OJ)_^^'^^=^^^_j und ihre Majestät nach
c=^m .:^^>^ ^g^ 2orn besänftigte.«
Und deutlicher noch Phot. 19:
(]%^:r=^/ww>A(]*'^^^v^/vwwv ^ /^nT'^^^^/ Du bist der gute /unsj-Ge-
" nosse in Snni't
ön
AAAAAA AAAAAA
D W
/WWvA ^ >0 AAAA/\A
AAAAAA ^^ — I ^X
$$$^^A3
in diesem deinem Namen
Arensnuphis.
Als Variante des Titels kommt auch v^T irf nfr »guter Genosse« vor
(Phot. 1601).
Wie sein ägyptischer Kollege ist der nubische Schu aus dem Süden
gekommen. Phot. 381:
Phot. 139 und 813:
Arensnuphis, der große Gott
. . . Schu, Sohn des Re,
der aus Nubien kam.
Va' durchzog Kns-t, die Heimat seiner Schwester. Phot. 880:
flTI^00§rj.\1S^rj^ Arens„uphi,s.,Schu,Soh„des
Re mit den reinen Glie-
2^:££ A/wws ' dern^ auf dem Abaton, der
KnS't durchzoff^.
\ __^
^ So gegen Brugsch, Thes. 765, vgl. Phot. 353 fjq^<^^-
2 So, nicht »lord of ^«5« Blackman, a.a.O.; die Doppellöwen sind Ms zu lesen:
vgl. die Doppelstiere f^nswj der Pyr.
40
H. Junker
In Bwym angekommen, sucht er Tefnut zu besänftigen. Phot. 153
.T.flflfBJ'c^
p?^
o
TJ
e
Arensnuphis, der groQe sltm,
Sohn des Re, mächtig an Kraft
an der Spitze von Nubien,
der seine Schwester in Bwym
besänftigte.
V ^ c^ ^
Genau so Phot. 1489.
Sie hört auf ihren Bruder, und er bringt sie aus der Ferne herbei.
Phot. 456:
I
X
Phot. 66
C^i
Kfpy
5T
Phot. 20
(2 ^^
^;
Arensnuphis, . . . Schu, Sohn
des Re,
der die Große, die fern war,
herbeibrachte.
. . . Der Sohn des Re, der die
Große nach Ägypten
brachte,
Arensnuphis.
Der vor ihr her aus Kns-t
zum Abaton zo^.
Dabei wird mehr als bei dem ägyptischen Schu hervorgehoben, daß
er als Bruder der grimmigen Löwin ein gewaltiger Löwe sei, und man
erkennt unschwer, daß die anderen Bezeichnungen als Luftgott usw. ihm
nur ganz äußerlich anhaften.
Phot. 1400:
^ "^ llJ---5^i^f"5"^T?, Arensnuphis, lebendiger
/^~~~ '^ "^^^^ Löwe, der die Feinde nie-
derstreckt.
' y ist liier und oft in den Texten Philäs und Nuhiens Silbenzeichen für hm wie x^.
Der Auszug der Hatkor-Tefnut aus Nullen. 41
Phot. 456:
>^I^<^<^;_71^ Löwe des Südens mit kräf-
tigen Schenkeln.
Phot. 1 9 :
5^ ^ ^f^^c^ Löwe, groß an Kraft, ander
Spitze von Nubien,
\\d5^ä x'^^^iM i^it Lautem Gebrüll und star-
Phot. 1 4 1 8 :
ken Pranken.
^^f^lZII^^'© Lebendiger Löwe der die
heinde von Ägypten fern-
Phot. 1554
hält.
f^]|r^ Arensnuphis mit bleiben-
^ dem Sitz,
i'^^S^ 1 ^4^'^crv'^'^ Löwe des Südens, mit star-
kem Schenkel und mäch-
tigem Arm.
ß. Thot und Thot von Pnubs.
Wichtiger noch als die Aufgabe des Schu- Arensnuphis ist die Rolle
gewesen, die Thot bei der Entführung der Hathor zufiel. Mit seinen
Zaubersprüchen hat er die Wut der Löwin gebrochen, und sie folgt ihm
besänftigt nach Philä. Aber auch dort darf er nicht aufhören, seine magi-
schen Formeln zu sprechen, den Zaubertrunk zu reichen und die anderen
Besänftigungsmittel anzuwenden, sonst möchte die alte böse Natur der
Göttin wieder zum Ausbruch kommen. Und so ist denn sein Haupttitel^
und das ist für das Vorherrschen der Legende von Wichtigkeit, nicht » Herr
der Wahrheit«, «Künstler« usw., sondern wie Phot. 448:
^^ »Thot, der die Feuergöttin
in Snm-t beruhigt.«
Vgl. Phot. 179, 829, 833, 964, 1098 usw.
Diese Fewergöttin ist die eingewanderte Löwen-Flammengöttin, von
der es ebenda hdßt:
^□^n^ . . . n ^^o^ 0 ^ n -^ ~"^ '^ ^ ^^ Die Wps't, deren Majestät in
^'^ ' ^^ ^ö^c^^ ,S/im.if beruhigt wird.«
Pldl.-hist. Klasse. 1911. AnJuing. AOL III. ^
■l
42 H. Junker:
Ausdrücklich werden bei der Besänftigung die guten Reden und schönen
Aussprüche erwähnt, z. B. Phot. 843 :
^'%sfl"^"*~'^flT^^ Thot, der die Flammengöttin
^ " ^ mit seinen Sprüchen be-
^ D<c:z>\\'* I I ^ I
Phot. 861:
Phot. 117:
^<=> III, ~^f)
sänftigt.
[Thot,] der die Flammen-
göttin mit seinen Zauber-
sprüchen besänftigt.
Thot der zweimal Großeusw.,
der die nsr-t beruhigt,
n rn ^"L. ^O^—^f..^^^ der die Tochter des Re mit
seinen schonen iriedbrin-
genden Worten erheitert.
Genau so Phot. 15, 13.
Die Titel, die sich auf sein Herbeibringen der Hathor beziehen, sind
dieselben wie die des Schu in der gleichen Rolle. Phot. 50:
. " ^ Thot, der die Flammengöttin
'^^^^^ in Snm-t besänftigt,
"=^^^ ö , '"-^r\y\/i (1er das Auge des Re zu ihm
''^''^ ""*"" aus KnS't brachte.
^o^^
l
Vgl. Phot. 504.
Hierbei tritt er zuweilen als Löwe auf, z. B. Phot. 1448:
/^ A .2, . . . o_ JT^-Sl Thot, mit Leben versehen
"* . . . lebendiger Löwe,
I S'^ *^ "^y der die Bösen niederwirft.
"Ö" I
und sonst öfter
Thot von Pnubs.
Wie Arensnuphis den Schu, so hat der Gott von Pnubs den ägypti-
schen Thot des öfteren abgelöst, so daß die Sage von Hathor Schu-Thot
ins Nubische übersetzt lautet: Tefnut-Arensnuphis-Thot von Pnubs. Der
nubische Thot trägt wiederum dieselben Titel wie sein Kollege von Smun.
Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubkn. 43
Phot. 66:
^ ^jlO'^^i© ^^'^^ "^''^ Pnubs, Herr von
Philä, herrlicher Gott,
D^(m^^'^r\lo ^^^' ^^^ Flammengöttin auf
dem Abaton beruhigt.
Phot. 404:
lolV^_-ji'?^ i^erdasAugedesRezuiiirem
Vater Re brachte.
Kns-t brachte.
Phot. 123:
Phot. 153:
D
^/£/==(^/j Der die Flammengöttin auf
dem Abaton beruhigt
H ^■^"<S=>£5ä^ inid die Große, die fern war,
-/J <^ > Vj AAAAAA -A C^ 1.11
heimbrachte.
Phot. 937:
QT^:^*=*PPr^1 ^^^' aus Nubien kam . . . des
Schu.
^J=>^T... Der die Starke in N. be-
ruhigt.
Auch er ist ein gewaltiger Löwe, Phot. 627:
I^'^'^'^qJI'A^ . . . Thot von Pnubs, . . .
5^4>^'^ ^;_il^^^ Löwe des Südens, gewaltig
an Kraft.
In seinen Sitten hat sicii Thot von l^iubs der Tefnut vollkommen
assimiliert ; nicht wie der andere Thot, der den Wein bloß für die Tochter
des Re mischte und die Kränze nur für sie wand, hat er selbst an diesen
Dingen Geschmack gefunden und ist ein Held im Trinken geworden, der
der durstigen Göttin in nichts nachgibt.
6*
44 H. Junker:
Phot. 1434:
D nn ^-=^0 X ^YO Thot von Pnubs, groß an
OöJI _.öWl^llll Stärke, der die Feinde nie-
der wirft,
'=S=</=:r ^ <^4^^i Herr des Weines, der viel
AAAAA^^=zuuo o o^' trinkt.
Phot. 1489 — 1496 spricht der König, indem er Thot von Pnubs
2 Krüge reicht: »Nimm dir den herrlichen Trank, ... deine Nali-
rung ist es, die nicht von dir weicht, trink davon alle Tage,
daß dein Herz sich freue immerdar«, und er selbst heißt dort:
;.T
^ ^3^ A Er ist der Herr der Trun-
kenheit und Freude,
(^^ 0 1 ^ • • • Thot von Pnubs . . .
Vgl. Darreichung des Palmenkranzes (Phot. 1448).
Seine Gleichstellung mit Schu ist noch unerklärt; ob seine häufigste
Darstellungsart: Menschenkopf mit Onuriskrone dazu beigetragen hat? Man
vergleiche nur z. B. Phot. 1289 mit 1356; in der Darstellung ist kein Unter-
schied zu gewahren; vielleicht ist auch auf diese Gleichsetzung zumckzu-
führen, daß Thot so oft als Löwe auftritt.
d. Die Empfangshalle.
Den interessantesten Einblick in die Sage und ihre Nachwirkungen
im Ritus läßt uns der Hathortempel tun, der im Osten der Insel liegt,
also auf der Seite, von der Hathor ankam, wie das Osirisheiligtum im
Westen nach dem Abaton zu liegt; von der ganzen Anlage ist zwar nur
mehr die Eingangshalle und der daran anschließende Raum erhalten, aber
gerade erstere ist fast ausschließlich dem Andenken an Ilathors Ankunft
aus dem fernen Berglande gewidmet.
Freilich liegen die Anspielungen nicht immer auf den ersten Blick
offen da, und andere Titel und Legenden der Göttin laufen mit unter, aber
der Grundton bleibt immer derselbe: der Jubel über die Ankunft der mäch-
tigen Herrin.
Var.1443: "^^1 I ,§])•
Der Auszug der Hathor -Tefnui av^ Nuhien. 45
An der Eingangstür steht zu beiden Seiten das Lied von der Berei-
tung des Weinkrugs und dem Tanz des Königs. Die Interkolumnen ])rin^en
die Freudenopfer: Wein, Bier, Siegeskranz, ivn^b, Blumen, Sistren (Pliot.
1582 — 1588), alles Dinge, die, wie uns andere Texte lehren, beim Ein-
gang der Hathor und bei der Erinnerungsfeier eine Rolle spielen. Auf
den Mauerdicken der Rückwand stehen frohe Hymnen, die deutlich auf
die feierliche Prozession Bezug nehmen (Phot. 97/98):
te '^flt^j--,^ Alk ^ri! ^ . . . 0 wie schön ist dein Ange-
iuioSJl^ (^wHJr^ P(^\\ 3i^ht, wenn du einher-
ziehst und fröhlich bist.
,^0^^^_-öfe^__j Dein Vater Re jauchzt bei
o I Tfw üni deinem Erscheinen.
0 [] ^ g^ f? tVI "f" R "^^^=1 ^ Dein Bruder Schu jubelt vor
^o^oo<^vgtQ^^ Thot ist vor dir(?), indem er
dir . . . ruft.
10
rt] P-) [Qi ^ Die große Neunheit ist in
^111 o ^^11 (Afl} j^bel und Preis.
__j.w..^i^^__ ^^ [Jl^e/n^^ Die Affen sind vor dir und
_-i] \s 'M\'^^\a.\\Ir H l^m tanzen deiner Majestät.
_[l[l^nlta^ hiS--- ^^^ ^^^^ schlagen deinem
ilW^il ^ •— 'O Ka das Tamburin, .. .
^x%^ ^ 'il^fa'lfx 1 0 du große Bd-t, du b^-t in
öl^^=^®)k^
Bwgm.
Q K ^f \J ^^ Du bist die Herrin des Si'
dii 10^ Strumspieles, Herrin des
mnj-t . . .
Auf den Säulen sind die Gabenträger und Musikanten dargestellt, und
über diesen stehen die Eieder, die sie singen, Einzugslieder bei dem Erinne-
rungsfest, Jubelhymnen von der Ankunft der Herrin des Heiligtums.
Die Darstellungen sind dabei paarweise geordnet.
Erstes Paar von Osten: Lautespielen d^ Affen. Der Affe' der süd-
lichen Säule singt u. a. (Phot. 92):
1 Vielleicht ist es Schu selbst, denn bei ihn, stehen noch folgende Schriftreste als
46 H. Junker:
W ^ nD g__j ^j__^^^^^^ Komm, steig herab, nach
^ ^ ^® Ägypten,
■>P 5=.It^^^AAAAA ''^''^''^''~^''~ du Gazelle der Wüste
]J
O 0-=» -^ (g
ö^^^l© du Große, Gewaltige in j5?(iym.
In der Beischrift auf der Nordseite (Pliot. 87) sind es drei Hatlioren
und die Isis dazu, die aus dem Süden kommen sollen, aber man sieht
sofort, daß nur die Tefnut-Hathor gemeint sein kann. ». . . in Frieden,
Isis . . . Herrin des Abaton, Hathor, Große, Herrin von Snm-t,
Hathor von Philä, Hathor, Herrin des Rufhauses«
/ '^^ I / "il^N /^A^Qo bei eurem Kommen aus 5w;^7/y.
(^/^Wt'^ ^ ^ A.— ISi Abaton und Philä sind voll
Jubel.
^ — H— / /0> Ganz Ägypten frohlockt.
LH ©<^"^^' — "O
p(3 |yAA^AA^^ Schu tanzt.
%3^^^W ^ ^"^ /^^ ^^'^^' ^^^"^ [ArmeJ sind in
-^Ik-^^^wIm^^ DÖlll^^^^^~~^rÜ© Preis, erheitern sie am
Abaton.
Zweites Paar von Osten: Bese mit der Laute.
Auf der südlichen Säule heißt es (Phot. 92):
^^[^"^^-^ ° n-^^-^Af] ^ Es kommt Hathor zu ihrem
^^flf] ^^ ,1 0 wie süß ist es, wenn sie
kommt.
Ein lautespielender Bes steht auch auf der Rampe gegenüber dem
P]ingang unter ein(^r IIathor(?)-Nische.
Drittes Paar von Osten: Bese mit Tamburin. Südlich (Phot. 91):
'^Itl n® '^ '~''~AAAAA^^ ^ K Bes, der das Tamburin seiner
W ^ • ••! \\l=3PO O^ TT • 1,1" f 1 -1
Herrin schlagt und ihr
[c=:^=i]t^ I ^ :=i Herz erfreut mit dem, was
sie liebt.
Der Auszug der HatJior -Tefnut aus Nuhien.
47
Viertes Paar von Osten: Priester, die (lazellen auf den Schultern
tragen, mit Lotusblumen geschmückt; sie bringen die Speise, die die Göttin
liebte, als sie in der Wüste umherschweifte: y>yM, nli, milid um iliren
Altar festlich zu versehen«.
Fünftes Paar von Osten: Harfespielende Priester. Der Harfner auf
der südlichen Säule singt der Göttin, wie das Jahr komme und die Scheunen
fülle, damit sie an ihrer neuen Heimat Überfluß habe, und lädt sie ein
(Phot. 89):
a o 1X3=3 o 00^ t Komm, du Herrin', und schau
^7^0UJÖ^o°A das Schöne.
Sechstes Paar von Osten: Priester spielen die Flöte, Der Hymnus
auf der südlichen Säule beginnt (Phot. 88):
Lauter Jubel war" am Fest-
gemach.
7=^ j\t ^>^ Das Rufhaus war vollFreude,
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(3 /WWVX (V <:2:> g 2
^U
°^
®D
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als Hathor, die Herrin von
Hathor, die Herrin vom Ruf-
hause,
ihren Einzug darin hielt,
Als sie von Btogw. kam.
Wein wurde ihr libiert, Salbe
gespendet,
ein Kranz von Gold um ilir
Haupt gewunden.
2. Die nubischen Tempel.
Die Heiligtümer von Philä nilaufwärts bi^ Maharraga liefern nur einen
spärlichen Ertrag für die Legende; nicht, daß ihnen dieselbe unbekannt
wäre, sie findet sich im Gegenteil überall wieder, aber in sklavischer Ab-
^ Fem. zu "soeic.
2 War damals und ist jetzt am Erinnerungsfest.
48 H. Junker:
hängigkeit von Philä. Arensnnphis, Tefnut und Thot erscheinen als von
Süden eingewanderte Götter, aber nicht etwa mit Kultstätte in den be-
treffenden Tempeln, sondern als Herren von Philä und Abaton. So wenig
von lokaler Färbung besitzen die Namen und Titel, daß sie meist genau
so in Philä stehen könnten und unser Verständnis der Sage so gut wie
gar nicht fordern. Immerhin ist es interessant zu sehen, wie die Theo-
logie der kleinen nubischen Tempel von dem Schatze Philäs zehrte, wie
bei ihnen keine Lokaltradition der Sage bestand, sondern diese in der
Fassung des Hauptheiligtiims tale quäle übernommen wurde. Dann aber
erkennen wir, welche Bedeutung diesem Mythus überall beigemessen wurde,
man mochte ihn, so wenig wie den Osirismythus, im eigenen Tempel
nicht missen und rechnete ihn zum eisernen Bestand der Tempeltheologie.
Eine Ausnahme bildet Dakke, das als Lokalgott den Thot von Pnubs
verehrte, der ja hei der Entfuhrung der Göttin hauptsächlich beteiligt war;
so war es natürlich, daß man in seinem zweiten Heiligtum dieser Helden-
tat geziemend gedachte und die Legende eingehender behandelte als die
Nachbartempel alle, deren Lokalgötter in keiner Beziehung zu ihr standen.
a. Bigge.
Wie die Sage hier ausgestaltet war, läßt sich nicht mit Sicherheit
bestimmen, da ja nur die Reste eines Tempelteiles, der Eingangsgebüude,
stehen und wir nicht wissen können, was die zerstörten Gemächer ent-
hielten ; aber von vornherein ist bei der engen Verbindung mit Philä keine
wesentliche Modifikation zu erwarten. Tatsächlich zeigen uns die Reste
dasselbe Bild, wie wir es dort kennen lernten. Man reicht Hathor den
Kranz, der Tefnut das wti^ Schu tritt mit Tefnut auf, Thot neben ihm-i:
die Titel stimmen genau überein, z.B. Bigge, Phot. 1643:
^^^^^:37^^V^ ^ Thot, der zweimal Große, Ge-
waltige, Herr von Seh num,
^-3'^ der die nsr-t in Snm-t froh-
H&
macht.
Uod wieder (vgL oben Philä,. Phot. 448 usw.):
L=,/T)XZZ^^^ — "^ „ Der die nsr-t in HiUH-t mii
Vgl. oben Philä, Phot. 86 f
seinen herrlichen Sprü-
chen frölilicTi stimmt.
Dpv Auszug der Hathor -Tefnut aus Nuhlen. 49
b. Debot.
Von den erlialtenen Darstellungen erinnern zwei an <lie liegende.
Phot. 1695 preist Atrachamon den Schu, der die Onuriskrone trägt, und
seine löwenköpfige Genossin:
^S^%*'^il Sahn, Sohn des Re,
ITII^^-^rllEl© Arensnuphis auf «lern Aha-
ton,
ö
J^AA.^^^ guter Gatte' der Hathor.
Bei der Göttin:
AftAAAA
^ ^37^ U^ oA7/i-^, die Große, Herrin der
±1 lamme,
Tefnut in 8?im-t,
die ihren Bruder swSd' um-
armt.
ö /3 f O
f>sir:ippi
Phot. 1691 spendet Augustus dem Tiiot von Pnubs, der die Onuris-
krone und das Zepter mit Schlange und Skorpionen trägt, Wein ; der (rott
wird dabei mit Schu identifiziert — alles wie in Philä.
. ..Jt^l ^ Tl^O Thot [von Pnubs] ... Schu,
bU: Re,
ii
i"— ßß • • • der aus Kns-t kam.
c. Kalabsche.
Hier finden wir nur unsere bekannten Götter wieder: Arensnuphis,
den Löwen des Südens (Phot. 1778) mit seiner Genossin Tefnut,
Tochter des Re, . . . Herrin des Abaton (Phot. 1779, vgl. Phot. 1870,
1869), Thot, der die nsr-t besänftigt, Herr von ISnm-t, großer
Gott auf dem Abaton (Phot. 18 14) und Thot von Pnubs, aber nur mit
allgemeinen Beiwörtern (Phot. 1776, 1870), also alles in allem nur eine
dürftige Anleihe bei Philä.
^ shn n/r ist dieselbe Bildung wie irj-hms-nfr, wobei also shn von shn »umarmen
dem irj hms entspricht.
^ — Schu; vgl. unten Dakke Phot. 1939.
Phil. hisL Klasse. 1911. Anhany. Abh. IIL 7
50 H. JuN ker:
d. Dendur.
Die Beischriften zu den Göttern sind so nichtssagend, daß man nur
nachträglich aus ihnen ein Bekanntsein mit der Legende konstatieren kann,
erwähnt wird dieselbe nirgends ausdrücklich. Als Götter der Legende
treten auf: Arensnuphis; ihm wird Phot. 1902 Weihrauch geopfert; er
trägt, wie immer hier, die Doppelkrone mit Sonne:
OriT^'Ü^ 7''^^'^ Arensnuphis, großer Gott,
^^iVm i^/^J© Herr des Abaton,
n q J,n^c-7^§S£^ herrlicher shm, Herr von
Also nur der Gott von Philä ohne weitere Zutat; ebenso Phot. 1887
und 1905, wo man ihm Wein opfert; dieselbe Spende erhält er mit seiner
Genossin Tefnut, Phot. 1877; letztere heißt einfach:
^^^O^^^^/^Z:'^ Tefnut, Tochter des Re auf
öool f'U © dem Abaton\
Thot von Pnubs, dem man Wein und Wahrheit spendet, ist ibis-
köpfig oder trägt die Onuriskrone; er wird wie in Philä (s. oben S. 43) auch
als Löwe geschildert, z. B. Phot. i
D
^^^■♦ ö
AA/VAW „ 1 ' Ü 11 1
11-
]
o
___^ D _g^^ Thot von Pnubs, Herr von
^-^^=^® Pselchis,
D^^^^^ Löwe des Südens mit star-
kem Schenkel,
^ srroßer Gott, Herr von 6'fim-^.
D. h. der Gott stammt aus Pnubs, hat in Dakke ein Heiligtum und
ist der große Gott von Philä, wohin er eingewandert ist; ihm zur Seite
steht Tefnut als Tochter des Re auf dem Abaton, Herrliche, Schöne,
Herrin von Philä, Herrscherin in Bigge. Ebenso Phot. 1898, vgl. 1894.
Blackman hat in den Proceedings a. a. 0. vermutet, daß sich zu einer
bestimmten Zeit eine orthodoxere Richtung gegen den Kult der einge-
wanderten Götter gerichtet habe und glaubt in Dendur einen Beweis ge-
funden zu haben:
' Phot. 1871 heißt Arensnuphis / . <^ . Vgl. Philae, Phot. 813 5J^
T>er Auszug der Hatkor-Tefnut aus Nubien. 51
»After a time, it would seem, an attempt was made to conciliate the
opposing factions by ideiitifying Arsenuphis with Osiris and the record of
tliis is preserved in the little temple at Dendür built in the reign of
Augiistiis, in which Tefimt becomes the consort of Thot of Pnubs
while with Arsenuphis Isis is associated as wife . . . For proof, that tlie
priests of Dendur Temple regarded Arsenuphis as a form of Osiris tlie
following scenes and texts should be conclusive: On the South wall, ex-
terior, Seene I, the emperor adores Arsenuphis accompanied by Isis. The
god swathed as mummy holds the crook and flail and on his head wears
the atef crown: he is called j pj JÜ^j^^" "«w. Dann führt er als
schlagendstes Beispiel eine Szene an, bei der der Name Arensnuphis aus-
radiert und Osiris eingesetzt wurde: »But even this Identification seems
not to have satisfied the extreme party, for at subsequent date the name
of Arsenuphis was erased and rj i put in its place.«
Diese Erklärung dürfte wohl ganz unzutreffend sein; es handelt sich
ohne Zweifel um eine Verschreibung von n n T Jj für rj =q , wobei das erste
gemeinsame Zeichen der Anlaß war; die spätere Austilgung von Arensnuphis
an einigen Stellen und das Einsetzen von Osiris ist eben eine Korrektur,
wie solche auch in anderen Tempeln, z. B. Philä, im Titel des Horus nach-
zuweisen sind. Warum sollte auch gerade Arensnuphis sich unbeliebt ge-
macht liaben? Warum ließ man Tefnut, die Hauptschuldige, unbehelligt?
Wie erklärt man, daß man einerseits Arensnuphis hinter Osiris versteckte,
ihm anderseits samt seiner durstigen Genossin Wein darreicht und ihm
offen seinen ehrlichen Namen und ("harakter gibt? Und vor allem, man
darf doch nur nicht denken, daß die Theologen von Dendur derartige Be-
denken getragen hätten; auf solche Ideen, Arensnuphis durch Gleichsetzung
mit Osiris zu retten, werden sie nie gekommen sein. Außerdem ist auch
die im Dogsonpapyrus erwähnte Tatsache, von der Blackman ausgeht,
anders zu erklären, was an anderer Stelle gezeigt werden soll.
e. Maharraga. ^
Im ganzen sind nur Reste von zwei Darstellungen am Platze, von
denen die eine aber auf unsere Legende Bezug nimmt. Da reicht der
König dem Thot von Pnubs das Feld, eine Schenkung symbolisierend. Die
Titel des Gottes lauten (Phot. 2008):
52 IT. J u N K E R :
^°J[1()^--- Thot von Pnubs,
, """ "" ^ der aus Nubien kam,
o--. <3r> V ö ^ ^ D ^^^^ Löwe des Südens mit star-
>^ t Hv-^oa Y^^ Schenkel.
Hinter ihm liat. Tefnut gestanden, wie die ersten Zeiclien noch er-
sehen hissen.
f. Dakke.
a. Die Göttin der Legende.
In den weitaus häufigsten Fcällen wird die aus Nubien eingewanderte
Göttin Tefnut genannt, und zwar Tefnut, deren Residenz nunmelir in
Philä liegt (Phot. 1920):
sie
^? ^ ^ .^3-37 AAAAAA Q::£i Tefnut, Herrin von ^nm-t.
^ ^T— 7 "^^^^ tei S£}3 Fürstin, Herrin von Philä.
Vgl. so 1947, 1934, 1950.
Sie wird dann der Hathor gleichgesetzt (Phot. 1957): Tefnut, Toch-
ter des Re auf dem Abaton,
sie sie
<=^'^^^--^^ZZ.^^^3=>-^^ Hathor, die Große, Herrin
^lÄOo ^=Q^O If=^ ^^^ iinm-i, Auge des Re,
X7 -k-k^zzy Herrin des Himmels, Fürstin
^^ ^ ^ '" aller Götter.
Und der W'ps-t von Philä (Phot. 1967): Tefnut, Tochter des Re ?uif
dem Abaton,
^x ^^, ^^o© große Flammengöttin auf
hnm-t.
Vgl. Phot. 192 1.
Sie kam aus dem Nubierland (Phot. 19 13):
^ ^c^«^-Uv^ '^^^^ Tefnut... Herrin von Philä,
/www ^^^O-'^^ e.=^©
sie
die aus dem Nubierland
kam.
Ber Auszug (hr Hathor-Tefnut aus Nuhim. 53
Dann wird Z/is-jf als ihr Heimatland angegeben (Pliot. 929): Tefnut,
Tochter des Re auf dem Abaton,
^^4"^l2© Ehrwürdige, Gewaltig«^ die
aus Kns-t kam.
Sie verließ ihr Land, um sich als Wp.U in Philä anzusiedeln (Phot. 192 i):
Tefnut, Tochter des Re auf Abaton . . .
Q I, @ die aus Kns-t kam.
^P^fe©T}^l Sie (od. ihre Majestät?) ging
" nach Snm-t als Flammen-
göttin.
Sodann ist Shjn-t die entführte Göttin (Phot. 1939):
ö^^^^^^^^<=>f)l^ ^^m-t die Große, Herrinder
JB lamme,
^^^r^/ AAA/^ ^ö y I leinut in iSnm-t, die ihren
Bruder ^mj/c* umarmt .
Vgl. Phot. 19 19.
Endlich wird Wps-t als Genossin der nubischen Götter genannt (Phot.
1948, 1951. 1958).
So erhalten wir in allem das Bild der Göttin, wie es aus Philä be-
kannt ist, nur daß dort die Hathorform mehr hervortritt, während hier
die Tefnut vorwiegt.
B. Die Begleiter.
Unter denen, die Hathor nach Ägypten geleiteten, nimmt liier, an seiner
Kultstätte, der Tliot von Pnubs natürlich die erste Stelle ein. Seine Identi-
fikation mit Schu ist hier gewöhnlich. Sein geläufigster Titel lautet (Phot. 1 9 2 i ) :
^^w^D jn/\^ Thot von Pnubs,
lll^c^^^^^^ großerGott, Herr vonDakke,
g^^OfjT^^ Schu, Sohn des Re, der aus
^ 1^ ^ I - ® Nubien kam.
Vgl. Phot. 1913, 1929, 1925.
^ Vgl. die wörtlich übereinstimmende Stelle in Debot Phot. 1695.
54
H. JuNKE
:er
Dakke.
Der Ämzug der Hathor -Tefnut aus Nubien. 55
Seltener tritt der gewöhnliche Thot auf (Phot. 1929):
,^ ^"^ /— /wwvA Thot, der die n.sr-t in Snin-t
besänftigt.
Phot. 1919: Thot . . . Herr von Schmun . . . auf dem Abaton,
-H— ^^/ c^ herrlicher shm, der aus Nu-
Dien kam.
Vgl. Phot. 1939, 1945.
Daneben werden Schu und Arensnuphis beide nebeneinander der süd-
liche Löwe genannt (Phot. 1951).
7. Die Südostkammer.
Die enge Kammer, die östlich von dem letzten südlichen Greniach des
ursprünglichen Baus liegt \ war in besonderer Weise dem Andenken an
die Mitwirkung Thots bei der Entführung Hathors gewidmet.
Auf der Wand links vom Eingang räuchert der König vor »Arens-
nuphis dem großen Gott, Herr des Abaton, Schu, Sohn des Re,
groß an Kraft, dessen Schenkel stark ist« und der »Tefnut, Toch-
ter des Re auf dem Abaton; große Wp§-t, Herrin von Snm-t^^.
Rechts wird Wein gespendet vor »Thot von Pnubs, großer gewaltiger
Gott, der aus Nubien kam, Löwe des Südens, mit starkem Schen-
kel« und »Tefnut, Tochter des Re auf dem Abaton; große Wps-l,
Herrin von lSnm-t<^.
Am wichtigsten aber sind die Darstellungen auf der Rückwand. Da
steht ein Affe mit erhobenen Armen, in der Stellung des Preisens vor
einer Löwin "^ mit erhobenem Schweife, die auf ihrem Kopfe die Sonne mit
Uräus trägt. Über dem Affen steht in zwei Vertikalzeilen:
sie
lT\^'— §J^0@ 'J^hot von Pnubs,
AA/WSA
X . 9^ ^ffroßer, örewaltiger Gott, der
P ^^^^ [vA^ aus Nubien kam.
^ D. h. ohne den späten südlichen Anbau.
^ Auch mit Löwinnenleib.
56 H. Junker:
Die Beisclirift der Löwin lautet:
JY^ '^ "Z^O"^, ^ ^^o '^'^'^'^ Tefiiut, Toclitcr des Rc auf*
[Vl'V^ I 'O^^f'Uc,® dem Abaton.
Das muß die Szene sein, wie sie damals in Ikcyni vor sich ging, die
Illustration zur Entführungslegende, Tefnut-Hathor ist noch ganz die wilde
Löwin, so wie sie die Wüste durchstreifte, und Thot naht sich ihr wieder
als Affe, mit dessen Erscheinung sie in ihrem Heimatland vertraut war; er
erhebt die Arme und begleitet mit diesem Gestus seine feierlichen Reden,
mit denen er die Göttin betörte.
3. Komombo.
a. Die Legende in der Geschichte des Heiligtums.
Es ist erstaunlich, wie groß die Nachwirkungen unserer Sage gerade
in den offiziellen Beschreibungen des Tempels sind. Die ganze Entstehung
und der Ruhm des Heiligtums ist mit ihr aufs engste verknüpft; das ist
um so bedeutungsvoller, als daraus hervorgeht, daß man die Legende fiir
uralt ansah und daß sie tatsächlicli auch ziemlich früh Eingang gefunden
haben muß, da sonst eine solche Verbindung mit der Geschichte des Tem-
pels nicht gut denkbar wäre.
Der Inhalt der hier entlialtenen Anspielungen ist kurz folgender: Schu
hatte an der heiligen Stätte von Komombo zweimal seinen Vater Re vor
dem Verderben geschützt, als »Horus der Ältere« oder »Horus der Held«
war er den Feinden entgegengetreten. Dann war er ausgezogen, seine
grimmige Schwester herbeizubringen, damit sie sich mit ihrem Vater ver-
eine; Thot unterstützte ihn bei seinem Werk; Tefnut kam und wandelte
sich hier in die »gute Schwester« und blieb an der Seite ihres Bruders.
S. 67, Nr. 613':
h ^ ^:^ü ^nnT®S ■ I>iese Stätte ist die Stätte
des Schu im Anbeginn.
A i~ I Sein Vater Re kam zu ihr
'?i[^^.=_ ^ '^^Jw^'" ^^^^ verbarg sich [dort] vor
^^ seinen remden,
' Meuioires de la Mission, Komombo. Die Texte sind zum großen Teil nach Photo-
graphien des Berliner Wörterbuchs verglichen.
Der Auszug der Hathor-Tpfnut am Nuhien.
57
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als die Bösen kamen, ihn
zu suchen;
da wandelte sich Schu
in den Tlorus, den Helden,
mit seinem Speer.
ErmacJite sie allsogleieh ',\n
dieser Stätte nieder.
Res Herz freute sich dar-
über,
über das nämlicli, was sein
Sohn Schu ihm getan liat te.
Er wurde groß dadurcli über
die Götter,
und gewaltig über die Neun-
heit.
N. nennt man den Namen
des Schu
darum in dieser Stadt.
-}-^4-:^^|^^^ Dann kam Nnion, hnij - nj
Phil.-hüL Klasse. WH. Anhany. Abh. III.
ZU diesem Gau als Löwe,
stark an Kraft,
um seinen Vater Re zum
zweitenmal zu schützen.
Man nennt ihn darum den
Helden o. ä.
Es kam Tefnut zu dieser
Stätte
mit ihrem Bruder Schu,
als sie von Bwynb kam.
S i e 1 i e ß s i c h n i e d e r an d i e s e i-
Stätte,
8
58
H. Junker:
\9l
A
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I Vj AA/VV\^
AAAAAA rV A I
J^S^
ö
I I I
0>
I I I
indem Re hei iJir und Tliot
hinter ihr war,
um sie im Verein mit ihrem
Bruder^ zu beruhigen.
Eis sprach Thot zu dieser
Göttin:
«Dir wird es gut sein an
dieser Stätte.«
[Darum] nennt man die Tef-
nut an diesem Sitze »die
gute Schwester«.
Geh und Nut sind an diesem
Gau
an der Seite ihres Vaters
und ihrer Mutter.
Ein ganz ähnlicher Text findet sich S. 138, Nr. 709/710;
C^ A^/^A/v^
ilnePlf^
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<2 -^^^^2
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fV\N\f^ <C^> 1)
1~ I l
1
^,
/WNAAA U <; > I ° C^ I
Diese Stadt ist der Sitz, auf
den sich Tefnut nieder-
gelassen,
als sie von Bwgm kam,
indem Re bei ihr
und Thot hinter ihr war.
Da sprach Thot zu dieser
Göttin:
»Dir wird es gut sein an
dieser Stadt.«
[Darum] nennt man ihren Na-
men »die gute Schwester«
bis auf den heutigen Tag.
' D. i. Schu und Thot beiuhigen sie.
A/ I -^^rv/^
Var.
Als sie aus Kns-t kam.
Der Auszug der Ilathor -Tefnut am Nuhien. 59
«=p* ^ , UiKi was diesen Gau betrifft,
^AAA/wvß^^ ■ SO sprach [in ilim] Re zu
Scliu :
A^'^^^ M\<=>3 "^^^ hast meine Foiiidc ;il)-
gewehrt. «
(^AAAAA^^^^ Darum nennt man ilin [den
ocliuj »liaroeris«.
Daß hier die Sage von dem Schutz des Re durcli Schu nachgestellt
ist, beruht auf einer Zufälligkeit ; die ausführlichere Rezension zeigt deutlich,
daß zuerst die Heldentaten des Haroeris stattfanden und später Tefnut ein-
zog, sonst hätte ja auch sie sicher in den Kampf eingegriffen, und Thot
hätte auch Schu einladen müssen, hier zu bleiben, da er ja der Hauptgott
der Kultstätte ist; darauf weisen ferner die offiziellen Ortsbezeichnungen
hin, nach denen Komombo der Ursitz des Schu^ ist, an dem sich seine
Schwester mit ihm vereinigte; als ihre Kinder werden dabei Geb und Nut
genannt. S. 39, Nr. 578:
. , . IÖI ^^jno 1^ B? ,c=Q, [Dieser Tempel]... Nnwn
tot m I (^<=:^ [Schu], es ist sein Haus
von Anbeginn.
[::]nr:]°./wwvll^^\/~^ Ks ist das Flammenhaus
* ^ )Jk^__D xoO seiner Schwester Wps'./.
^SES:^ Sie vereinten sich an diesem
Gau
in ihrem Namen N. und »die
o
ö
^
/vwvAA/wwvv _Qi^2svjw^^ g^j^^ Schwester«.
1»
Ebenso in der Liste S. 138, Nr. 709/710:
(^^__^-iiii^^=^ jyj^j^ gg^g^ yQj^ diesem Gau:
C^ iÜ I AAAAAA
_ AAAAAA p. I ^ r
\ des Re,
ön mit seinem Sohne Geb dar-
innen,
^ Vgl. oben Nr. 613.
60
H. Junker
SAAAAA /•\
I I
und ebenso Tefnut mit ihrer
Tochter Nut . . .
Die Flamme des Re ist dar-
innen und verjagt seine
Feinde\
Schu ist darinnen in seiner
Gestalt des Haroeris,
Tefnut ist darinnen als »die
gute Schwester«.
b. Die Legende im Kult.
Das Bild, das sich hier ergibt, ist leider ein ganz unvollständiges;
denn von den Darstellungen ist nur ein ganz geringer Teil erhalten; die
Kammer, die am meisten verspricht, blieb unvollendet, und außerdem muß
man ständig mit den Mängeln der Publikation rechnen. Trotzdem können
wir die Spuren der Legende deutlich erkennen und feststellen, daß sie auch
hier die Formeln und Titel durchdrungen hat.
Als Göttertrias werden zu Komombo in dem südlichen Heiligtum ver-
ehrt: Haroeris, JV S7i-t nfr-t und P/ nh thvj od. ä., vgl. z.B.:
S. II
Nr. 526
S. 40
Nr. 580
» 20
» 543
» 45
» 590
» 26
" 553
« 87
,> 637
»27
» 554
» 91
» 645
» 33
.. 567/68
» 300
» 946 usw
Haroeris ist dabei nach der Auslegung der Priester niemand anders
als Schu selbst, der hier ^V>, lR4--^^'v^ usw. genannt und außerdem
mit rffih^^ identifiziert wird, vgl. S. 281 Nr. 925 und öfter.
»Die gute Schwester« aber ist Tefnut, und um zum Ausdruck zu
l)ringen, daß es sich nur um zwei Erscheinungsformen einer Göttin han-
delt, sind die beiden Namen fast ausnahmslos in jeder Titulatur der Göttin
vertreten, z. B. S. 308, Nr. 954:
' Vgl. .Tefnut
iuunei'dar«.
schirmt <lie Glieder ihres Vaters Re und wirft seine Feinde nieder
Uer Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien. 61
nn^to^^ jo^^
^Ao(©0^"^ilnS ^^ *'?i-^w/r.^ Tefnut auf dem
großen Sitze.
S. 302:
'^ISJ^S^'^'^1^© 7^/ ^w./ nfr-t, Herrin von
Ombos,
(^^J^A-^^^— '?^ 'A'efnut, Diadem ihres Vaters
Re.
S. 300, Nr. 946:
SrSo-^?!^; ^' '"■' "^'■■'' T«fn"t. Tech
L.„ ...
ter des Re in Ombos. Vgl.
S. 281, Nr. 925 und öfter.
Diese TV sn-f-nfr-t-Tefmit ist die Herrin der Trunkenheit, die in Frieden
hier anlangte mit Thot und Schu zur Seite. S. 320, Nr. 964^:
^U^ftZ^^l °': ^"t*' Schwester. Tefnut,
die Herrin von Ombos,
^^W,^^n^®^^=^,^ © Herrin der Trunkenheit, die
alles schuf (?), du kommst,
du kommst in Frieden zu
deiner Stadt
Ferner ebenda:
■■■U^l^Ta^ö^ ••/'•', f"\^''] "^y^:^" '"
J^rieden kam zu diesem
ihot besänftigte Ihre Ma-
jestät . . .
Dann wieder tritt die Löwengöttin bei der Legende in den V^order-
grund, die typische lllrscheinung der Tefnut, Löwenkopf mit Sonnen-
scheibe; sie wird wie in Philä der Wps-i gleichgesetzt und, was noch wich-
tiger ist, die Formel, mit der ihr Komiken aus Kns-t beschrieben wird,
gleicht der dort verwendeten auffallend.
' Westliche Außenwand des Hathortenipels. Eine hathorgestaltige Göttin sitzt auf
dem Thron in einer Kapelle, ein Ivönig reicht ilu- zwei Krüge mit Wein.
62
H. Junker
ö.:.0
S. 31, Nr. 562 neben Ilaroeris steht die löwenköpfige
O^T.^ — y r::^'^ Tefnut, die ffute Schwester
Herrin von Ombos,
Große Flammengöttin bei
ihrem Bruder.
Ausführlich in den Doppeltexten S. 303, Nr. 949, wo die Göttin neben
Schu-lior tmJ-c auftritt und S. 309, Nr. 955:
Tefnut, die Tochter des Re,
Herrin von Ombos, Auge
des Re, Herrin des Him-
mels.
1 ©O^ I
'^
©O I
^
^
V>^/VVA AA/VW\
f\^^
piiir+ia-p-1
A/,^^AA AAAAA/v f^^^^^
m
m-H
i^ AAAAAA.
Ihre Majestät kam aus Kns-l
und ließ sich mit ihrem
Bruder Schu in dieser
Stadt nieder.
Daß die Legende eine lokale Auffassung der Hathorsage ist, geht
außerdem noch daraus hervor, daß die gute Scliwester die charakteristische
Hathorgestalt hat; dann lautet das Götterpaar S. 88 Nr. 639 ausdrüchlich
Haroeris-Hathor; vgl. ebenso S. 249, Nr. 882; freilich ist die ausdrückliche
Nennung des Namens Hathor auffallend selten, bedeutend seltener z. B. als in
Philä. Unerklärt ist das zeitweilige Auftreten von zwei »guten Schwestern«,
wie S. 302, oder einer 7V-i;i-^rt//'- /-Tefnut neben einer Tefnut bei derselben
Darstellung; sollte daraus noch zu schließen sein, daß ursprünglich in
Ombos eine hathorgestaltige Göttin verehrt wurde, der man dann später
die verwandelte Tefnut anglich, ohne jedoch die ursprüngliche Verschieden-
heit der beiden Gottheiten verleugnen zu können?
Der Begleiter der eingewanderten Göttin hat zwar in Ombos meist die
Sperbergestalt angenommen, aber man weiß doch noch, daß er eigentlich
ein Löwe ist; neben dem oben zitierten Text S. 67, Nr. 613, nach dem er
seinen Vater zum zweiten Male in der Gestalt eines starken Löwen ge-
schützt hat, ist vor allem die Darstellung auf dem merkwürdigen Bilde
Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien. 63
S. 294 zu vergleichen, wo er als Löwe in der Sonne erscheint; auch wird
er in seinen Titeln ausdrücklich so genannt, z.B. S. 284, Nr. 928:
fn^o^S "^ IQQ^'^ [Haroeris], der auf dem
Dache , der seine Feinde
schlägt,
^)ak ^ ~^^PJ11M großer Löwe, derdenWider-
sacher niederstreckt.
Seine Titel, die auf die Legende Bezug nehmen, sind zum Teil die-
selben, wie sie in Philä stehen. S. 31, Nr. 562:
c^
Haroeris, Herr von Ombos
^p^^.wv^^_^^ großer Gott, groß an Lob^
., unter den Gottern,
sie?
j^
Pß^^'^T^'^^ii '^'"' <^'*' Gebiete im Umkreis
,1 e e I I y^ c^^^ der Berge [des Ostens od.ä.']
durchzog
^-^3j ? , <^ ^ und die Große, die fern war,
heimbrachte
sie?
S. 103, Nr. 949:
fa'lOK '^Jp ^ ?)(^(^l\/i^^ Schu, Sohn des Re, Horus,
m J>^_^<^UAJ^<^::s^ ^gj. HqI^^ groß an Lob
unter den Göttern,
'q ^-r^^ der die Große, die fern war,
heimbrachte.
c. Die Empfangsszene.
Auf der inneren Umfassungsmauer, rückwärts in der Mitte über der
merkwürdigen Darstellung von Sobek und Schu* findet sich ein Moment der
Legende ausführlich dargestellt, der Empfang in Ombos, denn das allein
kann der Sinn des Bildes (S. 294, Nr. 941) sein.
^ Wasserspeier in Löwengestalt.
^ Ergänze und verbessere ^^ Vir
^ Vgl. den Titel in Philä hns Kns-t, «der Kns-t durcheilte«.
* Die unter der Empfangsszene stehende Zeile gehört noch zu dieser Darstellung.
64
H. J U N K E R
Komoiiibo.
Der Aw^zug der Hathor-Tefnut aus Nuhien.
65
In der Mitte sitzt die «gute Schwester« in Hatliorgestalt auf dem Thron,
an dem Ort, an dem sie sich mit ihrem Bruder vereinigen soll, an dem
es ilir nach Thots Ausspruch «gut geht«. Hinter dir steht Re, frohen Her-
zens über ihre Ankunft, und breitet seine Arme nach ihr aus; Schu und
Thot, ihre beiden Reisegefährten, stehen vor ihr, der eine »Leben« und
«Luft« an ihre Nase haltend, der andere das Zauber-w^/i^ft ihr darreicJiend
und dir den Willkommengruß entljietend. Rechts in der Ecke bringt Tnn
ihr magischen Schmuck und preist sie, daß sie nach Ägypten gekommen
ist und sich hier niedergelassen hat.
Die betreffenden Beischriften und Sprüche lauten:
Über der Göttin:
Ck ,^^ c^
IH<
3^
ö"
O
.f^^'
o
A(^
A/VVAAA
u
m ^
(X£\y]
»L=__
o
CZCZ]
über Re:
i
I
fi^l
Die gute Schwester Tefnut,
die Herrin von Ombos.
Herrscherin der Götter und
Göttinnen, Herrliche, hH\
deren Anblick so schön ist,
Auge des Re im Umkreis der
Sonne, Herrliche, gute
Gemahlin ihres Bruders
Schu'^;
sie kam aus Kns-t mit ihm,
sie vereinten sich in ihrer
Stadt in Freuden.
Re, großer Gott in Ombos.
der seine Tochter preist,
weil deren Macht so groß
ist,
Jessen Herz froh war, als
sie mit ihrem Bruder kam.
' Vgl den Namen der Bese z. B. Dendera, unten S. 86.
2 Vgl. Philä Phot. 20, wo Schu entsprechend der sJ^n n/r der »gute GeniahU heißt.
Pkil-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. III. ^
66
H. Junker:
W
f^^J,
, \y AAAAAA
M . I I
©
w
'^SP
m
Seine Worte:
über Schu
H
^
X
.m
über Thot:
o
w
— "— I crz] / — 1 q
1 t: ^ I AAA/W\ O
Ö
1
Seine Worte an Hatlior
o D I I I 2i/D ^
^
oX«^
Der sich mit ihnen vereinte
am Feste? ...
Ihr Herz freut sich zusam-
men.
»Meine Arme breite ich um
dich, o Herrin der Frauen,
meine Tochter, die aus mir
hervorgegangen ist.«
Schu, Sohn des Re, Horus
der Held, groß an Lob
unter den Göttern.
Thot der Große, Herr von
Schmun,
großer Gott von Ombos,
Richter der rhwj, der die
Götter erfreut,
guter Bote, der die Große
aus Bwgm brachte
und ihren Sitz an der Seite
ihres Bruders bereitete,
dessen . . . Name N. ist.
Er bleibt an ihrer [Tefnuts
und Schus] Seite als Qons-
lior, Herr des Amuletts,
um ihr Herz zu erfreuen im-
merdar.
Du kommst in Frieden. . .
0 große Herrin in Süd und
Nord.
Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nullen. 67
Über Vtiih-Tnn:
A^'vvv^
AA/\AAA
Ptah-J««, großer Nun
|||g^|r^l](j© Vater der Götter, großer «Ott
in Ombos.
^'^vwvA ^ '§<2>-fl ^1 AAAAAA J[)er die Tefnut preist und
^ "^-^ o V) IlL 1 ii <rz> T ri Oll
die Uroße lobt,
Pfl^ir^T^I^^'S '»er die Herrin pries, als sie
nach Ägypten kam,
|ljlTr_^ der sie umarmte an ihrem
Sitze.
"^ 'j^O^ ^ Sein Herz freute sich als er
Sie sah.
Seine Worte:
$. ^^^ 111 ^ ^^^^ ziere deinen Leib mit
meinen Fingern
^i'^^'^^zzzrii"^ und... deine Glieder mit
O (^ w
meinen Armen.
Somit kann an der Deutung des Bildes kein Zweifel sein, es stellt
den Empfang der Göttin dar, wie er sich einst begeben hat und wie ilni
vielleiclit die jährliche Erinnerungsfeier wiederholt.
d. Die Komomborezension in Philä.
Die Legende in der Auffassung von Komombo findet sich auch in
Philä an mehreren Stellen wieder. Da treten Haroeris, 7V Sn-t nfr-t und ihr
kleiner Py nb tiwj auf, genau wie in ihrem eigentlichen Heiligtum. Man kann
diese Tatsache nicht hoch genug werten. Sie zeigt, daß die Priester wohl
wußten, daß den verschiedenen Legenden von der Einwanderung einer
Göttin aus Nubien eine einzige Erzählung zugrunde lag, die in jedem
Tempel in der ihm eigenen Form wiedergegeben wurde, daß Ilathor-Schu,
Tefnut-Arensnuphis, Haroeris- 2V sn-t nfr-t dieselben Gottheiten seien m der-
selben Sage, daß nur ein Namen-, aber kein Sachunterschied dabei bestehe.
Die betreffenden Texte stehen
68
H. Junker
PllOt. I I 2
a) I.
Phot. 138/139;
2.
IM
,10
O
^) '• \VC^^
\l\J
01 ©^
II
§3Mm%%m^^
i^ X
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111 »i^^
^
c^
c)
D D
ö
,^
Haroeris hntj
Ombos.
Her
•r von
Scliu, Sohn des Re, Herr der
Götter.
Die gute Schwester Tefnut,
Herrin von Ombos.
Auge des Re, die aus Knst
kam.
Die große dd-t unter den
Trogodyten (?).
Der »Herr der beiden Länder«
das Kind . . ., der Erbe des
Schu,
geboren von der Tefnut.
Die 2V m-t nfr-t ist also als Tefnut aus Kns-t gekommen wie die Hathor
von Philä; sie heißt dd-t wie ebendort und in Dendera (s. unten) die Herrin
von Bwym, und Haroeris, ihr Genosse in Ombos, ist eben ihr Begleiter Schu.
4. Esneh.
a. Spuren der Legende.
Da von dem Heiligtum nur ein Teil zugänglich ist, können die vor-
handenen Inschriften keineswegs ein erschöpfendes Bild von der Tradition
luid der Nachwirkung der Sage geben. Um so wichtiger ist es, daß wir
Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nuhien.
69
in einem Genus von Texten, in dem sich am meisten die Auffassung der
alten Legenden spiegelt, und das uns am echtesten das lokal ererbte Gut
bewahrt, in den Kalenderangaben, auf Schritt und Tritt der Sage von der
eingewanderten Göttin begegnen. Den besten Beweis, wie lebendig und
mächtig die Erinnerung im Heiligtum von Esneh fortlebte, liefert die Tat-
sache, daß man sich nicht begnügte, im allgemeinen das Andenken an die
Ankunft der Göttin zu begehen, sondern einzelne Züge, charakteristische
Momente der Sage zum Gegenstand besonderer Feste und Riten machte.
Setzt man dieses an sich so unscheinbare Material zusammen, so ge-
winnt man ein ziemlich genaues Bild der örtlichen Auffassung der Legende.
Wir sehen, wie das Horusauge, wie die Göttin hier genannt wird,
gesucht und im Ostgebirge gefunden wird, wie Schu sie heimbringt und
Thot sie dabei unterstützt, wie man der Göttin Wein und Opfer spendet,
sie zu beruhigen, wie die Frauen ihr musizieren, wie sie neben Schu in
Esneh bleibt und ihm den kleinen Geb schenkt.
Im einzelnen dienen folgende Texte zur Rekonstruktion, die Brugsch,
Materiaux, Taf. X — XIII entnommen sind; die Übersetzung, freilich zum Teil
ganz unbrauchbar, findet sich in Brugsch, Drei Festkalender S. 2 2if.
4. Paophi;
^^5:7
Das Fest von (jmhiwi.
^2^T
T
r^^^
1^
.0 ü
I AAA^A^
(3 (!^^
A
oy^
AAAAAA
AA/VWV
C^ d
Ö^^ö
Es wurde das Auge des Ho-
rus . . . seinem hi' gefunden
im Ostgebirge.
Die Göttin an diesem Tage
ist die nh't ww,
deren Abscheu es ist, zu
hungern und zu dürsten.
Man führt diese Göttin in
Prozession hinaus . . .
Um diesen Text richtig zu würdigen, m^ß man sich vor Augen halten,
daß gmh^ws, hnw-t ymhlws ein häufiger Titel der Hathor ist; so in der offi-
ziellen Namenliste Mar., Dend. I, 16, III, 77 ^ und bei der Tefnut-Standarte
Mar., Dend. IV, 1 2 und III, 40, wo bezeichnend die in Esneh verehrte
■^^g^P und )T^^^ gleichgesetzt wird. Die Göttin, die damals ge-
70 H. Junker:
gefunden wurde und nun zum Andenken daran in der Prozession auszieht,
wird hier als nh-t ww bezeichnet, d. i. die lokale Form der Löwengöttin; ihr
folgender Titel: «deren Abscheu Hunger und Durst ist« bezieht sich auf
die Besänftigungsopfer, wie das unzweifelhaft aus dem Liede hervorgeht,
das bei der Darreichung des jnnw-KvugGS,, dessen Trunk die Göttin be-
rauschte, gesungen wurde; dort (Mar., Dend. I, 3 1) heißt es von dem vor
Hathor libierenden, tanzenden König, daß es sein Abscheu sei, daß die
Göttin hungre und durste o ^ Q \?7 , d. h. mit anderen Worten: er
stellt die gefräßige, durstige Göttin zufrieden mit Speise und Trank, wie
die Zeremonie des ihtp shm-t es uns zeigt. Die nh-t ww ist also identisch
mit der Sechmet-Hathor.
16. Paophi:
^^-j-^^^'^rj, n[?(s'=] Fest des Horusauges, das
^^ I üil r Schu herbeigebracht hat.
Vgl. I. Pachons:
Schu und Thot brachten das
Iß^l
~""~ Auge zu seinem Herrn.
Zur Erinnerung an die Besänftigung der Göttin wird als Zeremonie
angegeben shtp shin-i, z. B.
16. Payni:
^_^tiif^onn^^^^^n.=^n ^ ^ Fest der mM//././, Fest der Bast,
X^^^ -/^^loDlo^l^ Besänftigen der Sechmet.
Vgl. letzten Payni I r-^ Y e^ ^ '
Das Fest am 16. Payni wird für die wilde mnlij4 und die frohe Bast
zugleich gefeiert; die Vermittlung zeigt die Zeremonie: durch das «Besänf-
tigen« wird eben aus der grimmigen Löwin eine heitere Göttin.
Die Göttin hat in Esneh neben ihrem Bruder Schu Platz genommen,
und beide feiern gemeinsame Feste:
6. Mechir:
,-^g^^^_,^2>-^A ^ ü Fest des Schu, Fest des Ho-
r "^ 3^^ I IciV)(^ rusauges, d.i. der Sechmet.
,^5^>!:^^R(j[l^ X Y^ü X "^==5^ Fest der my^y-if. Die Göttin
..^XSH^^^I lö<c==>o^ j^j^ diesem Tage ist die
»groß an Liebe«.
Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien. 71
I. Pachoiis:
fi;:iis^o
Es brachten Schu und Tef-
nut den i^^y, das Kind, zur
Welt,
^ r^ ^ V P '"""^ ^^ d.i. den Geh, ihren geliebten
öonn.
I. Paophi:
?S??^^^^ß(!^1"^/"J^ Schutz des Horusauges;Schu
I -'-^ MW ö r I <:z> luv) 1 rri ^ X • -L T
und iernut ziehen an die-
sem Tage aus,
<— >r^41- ^ **^"^xA um die Eingeweide abzu-
schneiden (i).
Dabei sieht man aber noch, wie auch Sclm allein den Schutz seines
Vaters übernimmt, also ohne seine Schwester in Esneh weilt, die dann
später sich ihm zugesellte (19. Thot):
^^ °/^ß^T^ Schu, der Sohn des Re, tritt
ein,
(1 ^^^x^'^^^^/wvaaa'^^TO ^ um seinen Vater an diesem
1 age zu . . .
Einen ganz besonders zu beachtenden Beleg für den Zusammenhang
gewisser Riten mit der Legende bietet die bekannte Tanzszene Lü. IV, 83,
für die sich nunmehr eine völlig neue Auffassung ergibt.
Hadrian tanzt dort vor der mnhj-t, der lokalen Form der Tefnut in
Esneh; in seinem Tanz hat er die Rolle des Schu übernommen, als dessen
lebendes Abbild er darum bezeichnet wird. Daß diese Tänze mit der Sage
in Verbindung stehen, zeigt uns Philä, wo in mehreren Inschriften erwähnt
wird, wie Schu bei dem Auszug vor Hathor einhergetanzt sei (vgl. Phil.
Phot. 265, Phot. 97/98 usw.) und wird ausdrücklich bei der Titulatur der
Gröttin erwähnt^:
"^^^ ?1Q^f • • •'^^ ^nhj-t. . .Tefnut, die Große,
Pi'^^i^ö^I der Schu Tänze aufführte.
' Nach eigener Kopie verglichen; Esneh, Voriialle, hintere Säulenreihe, 2 von Süd.
72
Bei der //h-i-icw:
Titel des Königs:
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(D(S
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H. Junker:
Er tanzte vor ihr in Jubel
als sie zu ihrer Stadt kam.
I li r Hm d e r t n n z t vor i 1 1 r .
Lebendes Abbild des Sehn
in Esneh,
der der Löwen göttin tanzt,
der nb't low,
der seine Herrin froh macht
{i^hlp) mit dem, was sie
liebt.
Der Spruch ist sehr schlecht erhalten; am Schluß erkennt mnn nocli :
jf öl o
ö^jitr
Ich tanze vor dir ...
Ich bin Schu, der tanzt'.
b. Form der Göttin.
Chnrakteristisch für Esneh ist zunächst die Form der Göttin als Jlorus-
auge, während sie in Philä, Ombos, Dendera usw. als Auge des Re auf-
tritt. Dies Horusauge wird ausdrücklich als Sechmet erklärt; dann wird
die Göttin Tefnut genannt und alle diese Formen der Lokalgöttin mnhj-t
und nb-t-ww"- gleichgesetzt.
Vgl. I . Tybi :
^_^ o Q nQt^QOKn^c. pgg^ derTefnut, Prozession
K_^^l ö ^fl\^(2 (2^ ^^^ ,^^^^j^j^^ ^^^^^ nb.t-ww.
Das heißt doch nur: am Fest der Tefnut wird die Göttin, die ihre
Gestalt und Rolle übernommen hat, gefeiert. An keiner Stelle wird die
' Eine andere Tanzszene befindet sich auf der Rückwand, dritte Reihe von unten,
zweite Darstelhuig von Nord.
'^ mnhj-t und nb^t-icic sind dabei einmal identisch, ein aiidernirü zwei verschiedene I^r-
scheinun'i.en.
Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nuhien, 73
(Jöttin nusdrückiicli Hatlior genannt, und das ist sehr bemerkenswert und wird
damit zusammenhängen, daß die Lokalgöttin, , auf die die Sage übertragen
wurde, einen besonderen Namen trug, ähnlich der «guten Schwester« in Ombos.
Daß sie aber ganz und gar die Rolle und Natur der Hathor in dieser
Legende führt, ist unzweifelhaft (außer den oben angeführten Keispieh'u
vgl. LD. IV 77, wo ihr der mnw-Kvng gereicht und der Hymnus gesungen
wird). Sie ist die Göttin der Musik und Freude:
6. Paophi:
<^ ^ c\ (2 '"^"^"^ f] '^ /A§1 I
"^^ ?^^ " S^' ^'^^^ derw/wA/-/; es wird ihr
von den Frauen das Tam-
burin geschlagen.
LD. IV 89 heißt sie:
T) '^\\ni=r<==:>9 1 »Herrin der Trunkenheit,
die gern einen frohen Lag
feiert.«
Nicht hierher gehörig sind dagegen die Ha thorfeste und Hymnen, die
LD. IV77 am 24. Athyr und den folgenden Tagen gefeiert werden; es
handelt sich dort um den Besuch der benachbarten Hathor von Agent.
c. Die Erinnerungsfahrt.
Den wichtigsten Beweis für den Zusammenhang der Esnehtradition
mit den anderen Rezensionen der Legende bilden die Vorschriften für die
Wasserfahrten im Tybi und Mechir. Genau wie in Edfu und Dendera
werden hier bis zum Mechir Fahrten auf dem Strom unternommen; die
Deutung derselben, die hier nicht gegeben wird, wird in den beiden anderen
Heiligtümern ausdrücklich angeführt: es sollen Erinnerungsfahrten sein an
die große Fahrt, welche die Göttin einst unternahm, als sie aus dem fernen
Nubien nach Ägypten kam; die völlige Übereinstimmung in den Feierlich-
keiten läßt keinen Zweifel, daß hier die gleiche Legende zugrunde liegt,
zudem wird gegen Schluß der Einzug der mnhj-t in die Stadt ihres Vaters
genannt und ein großes Freudenfest gefeiert.^
Ollliv^D ti^^ 17. Tybi: Wasserfahrt der
mnht.
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SIC."
O __ n ^2>- ^^37 \u Q n cszi n 20. . . . alle Zeremonien der
nn Hl A^Aw ^ dH<^:>iz=i Flußfahrt vollziehen
Phü.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Äbh. III. ^^
74
IL Junker
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bis zum 21
21
Fahrt bis zum 4. Tag.
29. . . . Einzug in die Stadt
ihres Vaters.
I. Mechir: Fest der Götter
und Göttinnen, alle Zere-
monien der Fahrt voll-
ziehen.
An ihren Sitzen weilen.
Alle Leute sollen einen
frohen Tag begehen.
Esneh ist somit der südlichste Punkt, an dem die Erinnerungsfall rt
stattfand, die wir in Edfu und Dendera antreffen; in Philä ist sie nicht,
weil dort die Göttin erst ägyptischen Boden betrat; in Komombo nicht,
vielleicht, weil es zu nahe an der Grenze lag.
5. Edfu.
Die P^rinnerung an die Legende wurde in Edfu hauptsächlich durcli
die Festfnhrten auf dem Strom wachgehalten. Merkwürdigerweise stimmt
der Passus aus dem Kalender, in dem Ke die Feierlichkeiten zum ewigen
Gedächtnis an die Ankunft seiner Tochter stiftet, wörtlich mit der Dendera-
rezension überein, ist aber zum Teil mißverstanden und verderbt worden.
Da die Kalendervorschriften sonst ziemlich sorgfältig bearbeitet sind, läßt
sich der Gedanke nicht abweisen, daß es sich um eine etwas verunglückte
Entlehnung aus Dendera handelt \
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Erster Monat der Winter-
jahreszeit (Tybi), Tag 19
bis 21,
Fest der Wasserfahrt dieser
Göttin.
' Brugscl), Drei Festkalender. Nach Photographien der Berl. Akad. d. Wiss. revidiert.
Der Auszug der Ilathor -Tefnut aus Nuh
')Len.
75
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In Prozession ausziehen, auf
dem »See«; darin verwei-
len . . .
Alle Zeremonien der Wasser-
fahrt verrichten.
Ebenso tun am 28. Tybi
bis zum [4.] Mechir.
[Wasserfahrt?] dieser Göttin.
fN-/\/i Ilir Vater Re hat sie ihr ver-
anstaltet, als sie aus llwyrn
kam,
um den Nil Ägyptens zu
sehen*
samt allen Kostbarkeiten
von // 7nrj ,
damit sie Asien den Kücken
kehre.
25. Tybi: Fest der Hathor,
der Herrin von Dendera;
das Herabsteigen des drjt{?)
4. Mechir: ein gar großes
Fest.
Den Brandaltar mit Rinder-
und Geflügelopfern ver-
sehen,
mit ghs m^hd niL
\
Singen, tanzen, hüpfen,
springen
' Vgl. unten Dendeia.
10*
76
H. eTuNKER:
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sollen die Frauen dieser
Stadt.
Und dann um die 8. Stunde
[dieses] Tages soll man
sich im Palast nieder-
lassen.
Sonst sind in den Edfutexten die Anspielungen nur wenig und zer-
streut erhalten; so findet sich am ersten Tybi ein '^X^ _=ü=^ , Fest der
Trunkenheit des Sonnenauges, mit dem das Fest der Tefnut gleichen
Datums in Esneh zusammenzustellen ist; in dem Mammisi' wird die Zere-
monie des «Beruhigens der t^fim-t«^ gefeiert usw. Der Grund fiir diese Er-
scheinung liegt in dem Vorherrschen anderer Hathorlegenden, die zum 'I eil
Züge aus unserer Sage gemeinsam haben.
6. Dendera.
a. Die Erinnerungsfahrt.
Der bedeutsamste Text, der uns in klaren Worten die Legende in
der Auffassung von Dendera zeigt, steht Dum., Baugesch. 15 = Brugsch,
Thesaurus S. 501 fi'.:
»Die als Goldene erstrah-
lende erstrahlt im Sfth
am ^/a + Vio + V30 [= I9ten]
des Monats;
sie zieht in Freude einher.
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indem ihre Neunheit um sie
ist.
Sie betritt ihre Halle in
Jubel
und ruht dann auf dem hei-
ligen ^-Untersatz.
Sie steigt ein in Jubel in
ihre Barke.
' Chassinat, Mammisi in Memoires XVI, S. 71.
Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien.
77
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/wwv^ _M^ Will ^ I (2 '^^-"-^ /ww
Ihr Vater Nun, seine Arme
[umfangen sie'].
Es werden ihr die Zeremo-
nien der Fahrt gemacht,
nämlich vom IV2] + Vio + V30
an
9 Fahrten
bis zum 710+V30 des rkh tor.
Das große Fest dieser Stadt,
nach dem, was Re mit eige-
nem Munde gesagt
zu seiner Tochter dd-t, die
sein Herz liebt,
damals, als ihre Majestät von
Bwg7n her kam,
damit sie den Nil Ägyptens
sehe
samt allen Wundern von
tS mrj,
damit sie st-t ihren Rücken
kehre.
Es werden ihr Opfer darge-
bracht an allen guten Din-
gen,
Ochsen und Gänse als Speise
der nsr-t\
Dendera ist mit Rauschtrank
^ begossen,
mit guten Weinen aus ihren
Stätten.
* D. i. sie seht aufs Wasser.
78
H. Junker :
Umschrift des obenstellenden Textes:
whn lübn-t m nh-t in äfth \ m gs r lo r 30 w tbd | dj-s ^ m htp | psd-t-s m
iwS-^ I ssp-n-s hSj-t-s m 1/^ | htp-s m k^h-s hr did? s w<^h | (^k-s m wts-nfr-w m
Im-t-tb I it-s nwnw ^wj-f \l)l-s\ \ irj-tw n-s tp-rd n hnj | i/«^ Uk [ys\ r 10 r 30 |
hnj r5 rio | r mn r 10 r 30 w rkh-wr | /</> f/ ?? nw-t tn | m c^^Z-w R<^ m
r)-f ds-f I n s?'t-f dd-t mrj'i-Üy-f | dr ij hm-s 7n hltv hwym | r rdj-t m/y-.s' hf^p
n Km-t I /^7^'' bis nb n tS-nirj | n mrw-t rdj-s sS-i r stj-t | Iw irj-tw n-^ htpw m
ih't nb-t nfr-t \ ih Spd m hr-t nsr-t | tS n tSrr ttf-tj m äS \ m inmtj-w nfr-w
nw ii-wt-m |.
Von solcher Wichtigkeit war das Fest, daß es Mar., Dend. III, 78 bei
der Aufzählung der Hauptfeierlichkeiten nicht fehlen durfte und als das
besondere Fest des Tybi genannt wurde:
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\^ AAAAAA
Im Tybi das Fest der Was-
serfahrt dieser Göttin.
Genaueres Detail enthalten die Kalendervorschriften des Tempels, Mar.,
Dend. 1,62:
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Erster Monat der Winter-
jahreszeit (Tybi) 19. Tag:
Prozession der Hathor samt
ihrer Neunheit,
verweilen im Kiosk auf dem
»See«,
indem ihr schönes Angesicht
gegen Norden gerichtet
ist.
Die Zeremonie der Wasser-
fahrt verrichten.
Alle Riten vornehmen.
Diese Göttin ziehe mit ihrer
Neunheit einher
und verweile in der Halle,
dem Säulensaal dieses
Tempels.
Am 20. Tybi ebenso tun;
Der Auszug der Halhor -Tefnut aus Nuhwn.
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Horus spende den (Toteji|
der hl. Nekropole Wasser,
aber nicht so [d. i. Wasser-
spenden] am 21.
Am 21. ebenso'.
Am 28. ebenso, am 29. ebenso.
Am 30. ebenso die Zeremo-
nien vom 20.
Zweiter Monat der Winter-
zeit(Mechir) i. Tag ebenso,
2.Tagebenso, 3.Tageben-
so.
4. Tag, beim Eintritt der
dritten Stunde
ziehe diese Göttin in Pro-
zession aus und verweile
in der Halle auf dem See.
Wenn die fünfte Stunde
kommt,
ziehe die Hathor, Herrin von
Dendera aus und verweile
dann in ihrem Hause.
Im ersten Teile werden vom 19. Tybi bis 4. Mechir neun Fahrten
?mgegeben; in der Kalenderangabe ist dann von der lötägigen Festzeit
der 22. — 27. Tybi nicht erAvähnt; ebenso haben nach dem Kalender Kdfiis
die Fahrten vor dem 29. Tybi eine Unterbrechung erlitten.
Was sich an einzelnen Zügen aus den beiden Inschriften gewinnen
läßt, sei kurz hier zusammengefaßt: Die zugewanderte Göttin ist die
Tochter des Re, sie trägt die Titel b^-t m Bwgm, dd-t wie in der Philä-
rezension. Ihr Heimatland ist ^t-t und Bicgm, ebenfalls wie in Philä; sie
kannte den Nil und Ägypten noch nicht; man bewegt sie, dorthin zu ziehen,
indem man ihr von den Kostbarkeiten des Landes erzählt und sie beredet.
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' D. i. die Wasserfahrt und ihre Zeremonien verrichten.
80 H. Junker:
ihrem armen Lande den Rücken zu kehren. Sie zieht also nordwärts gen
Ägypten. i6 Tage dauert die Fahrt, vom 19. Tybi bis 4. Mechir. Sie
landet u. a. in Dendera. Ihr Vater Re ist voller Freude, seine Tochter
um sich zu haben und stiftet zum Andenken an ihren Einzug in Ägypten
eine Erinnerungsfahrt; bei derselben werden große Feste gefeiert, wobei
vor allem die Opfer des Wüstenwilds und Libationen dargebracht werden.
b. Die Legende im Kult.
Die Anspielungen auf die Sage finden sich in Dendera überall, freilich
nicht immer in den stereotypen Formen wie in Philä und Komombo, die
off'enbar auch hierin eine Gruppe für sich bilden, aber immerhin deutlich
genug, um erkennen zu können, wie lebendig die Erinnerung war.
Man könnte freilich auf den ersten Blick manche von den Ausdrücken
und Zeremonien, die hier angeführt werden sollen, bloß von der eigenen
Natur der Göttin deuten, ohne Bezug auf die Sage zu nehmen ; wenn man
aber einmal weiß, wie dieselbe fortlebte und welche Bedeutung man ihr
beimaß, so gewinnt man ein ganz anderes Verständnis der betreffenden
Titel und Riten und sieht, daß ihnen ein tieferer Sinn zukommt.
Die Hathor in Dendera ist keineswegs nur die gute, weinfrohe Göttin,
die Göttin der Liebe und der Musik, die Herrin der Frauen, ebensooft ist
sie die furchtbare Göttin, blutgerötet, mit feurigem Odem, die Feinde zer-
fleischend, das Doppelwesen, wie es die Legende uns zeigt. Und die Si-
stren, die vor ihr geschüttelt werden, die Tänze, die man vor ihr aufführt,
die Libationen, die man ihr spendet, sollen nicht etwa nur erheitern, wie
man einer fröhlichen Göttin tut, sie sollen die bösen Geister bannen, die
in ihrer eigenen Brust schlummern, damit das Angesicht der Göttin, auf
das Wein, Musik und magische Lieder Frohsinn gezaubert haben, nicht
plötzlich in Wut sich verzerre, daß sie, statt mit der Halskette zu spielen
und an Blumen zu riechen, nicht plötzlich wieder in ihre alte Wildheit
zurückfalle und ein Blutbad anrichte, wie sie ehedem in fernen Landen
getan hatte.
cL. Titel und Beiworte.
Hathor ist die furchtbare Flammengöttin, die 7ikr-t^ wie sie Thot in
Philä beschwichtigt. Mar., Dend. III, 18:
^ *^^ n [Hathor] nsr-t, Herrin der
o^.==_4 Glut.
Der Auszug der Hathor-Tefnut aus Nubien.
81
^
Ebenda IH, 19
/ 1 ra
I ^
Dum., Geogr. IV, 113:
o^^
^
■ö"
Die die Feinde mit dem
Hauch ihres Mundes nie-
derwirft.
Du bist die mit feurigem
Herzen.
Ebenda II, 36
f|-^jq.fip
Die die Berge mit ihrer
Flamme sengt {whd)\
Vgl. Mar., Dend. II, 70^1; III, 20; III, 77 e. Dum., Geogr. Insclir. III, 64;
III, 96 und sonst äußerst häufig.
In dieser furchtbaren Natur wird sie als Sh?n-t bezeichnet, die sich des
Bösen bemächtigt {shm) und seine Kumpane verbrennt. Mar., Dend. II, 28:
Du bist Shm-t, die sich des
c^
,^
II
Dum., Temp.-Inschr. XXX:
siu?
Feindes bemächtigt,
die fressende Flamme, die
seine Kumpane verbrennt.
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L
Herrin des ins, vom Blut
jenes Bösen benetzt.
Als Sh?n't ist sie die Herrin des Wadi, Fürstin des Gotteslandes, d. i.
der südöstlichen Wüste. Mar., Dend. I, 25:
o'C) O I S/wwvs f^^^
Ebenda III, 47 :
Die großeShm-t auf dem Tale.
1
As
Auge des Re, Herrin von
Punt, Herrin der Götter
an der Spitze des Gottes-
\ landes ... 67*^^-^ die Große.
Zugleich ist SJim't wiederum die Bast (s. Philä).
' Vgl. die ähnlichen Titel in Philä.
^ Vgl. zu in-t Dum., Tenip.-Inschr. I, 55.
Phil.-hist Klasse. 1911. Anhang. Ahh. III.
11
82
H. Junker
Ebenda I, 52a;
Ol
Auge des Re, Shm-t, Bast.
Und Bast ist die nsr-t und Hathor. Mar., Dendera III, 22b:
Bast, Auge des Re, Hatlior,
nsr-t, Heldin.
o
^
O
n
m
Mar., Dend. III, jid:
Hathor die Große, Herrin
von Dendera, Bast, große
7isr-t.
Ebenso wird Hatlior der Tefnut gleichgesetzt, »vor der sich die Götter
furchten«, ebenda II, 15a, und die wiederum die liebliche Göttin der Frauen
ist (vgl. Komombo). Ebenda I, 25:
Hathor, Herrin von Dendera,
Tefnut, Herrin der Frauen.
Als Heimat dieser Hathor -Tefnut wird Biüym bezeichnet, das auch in
dem Text der Erinnerungsfahrt genannt ist. Dum., Geogr. Inschr. III, 65:
<2 „/^oo Hathor, Herrin von Dendera,
Tefnut, Herrin von Bwgm.
Vgl. Dum., Geogr. Inschr. III, 78; IV, 118, 121, 123 usw.
Hathor wird in Philä als die eingewanderte Göttin Wps-t genannt,
ebenso heißt sie in Dendera.
Der Festtext nennt sie dd-t, als sie aus Nubien kam, sowie die Philä-
texte (Phot. 97/98 und 112, 138/139). Denselben Namen führt sie, und
was noch wichtiger ist, mit dem Zusatz: »an der Stätte der Tefnut«, wobei
der Zusammenhang mit der Legende unverkennbar ist. Mar., Dend. II, 35a:
i^if>J c^ ^ c^ Große (ifi?-i( an der Stätte der
c m_.o^© Tefnut.
Dum., Geogr. Inschr. III, 94:
Du bist die dd-t an der Spitze
der Stätte der Tefnut\
' Mar., Dend. I, 77 heißen die kleidertragenden Götter
herrlichen dd des Gotteslandes (Var.: weiten Schritts in Bwym).
Der Auszug der Hnthor-Tefnut aus NuUen. 8H
Nachklänge finden sich ferner in den Namen des Heiligtums; der
Tempel heißt (Mar., Demi. I, i6b):
'v^ß<2l^ "^ ö S Haus des Schu und Haus
der Pefnut.
Mar., Dend. I, i6b und öfter:
I ^^^^^ r^'^O Haus, das Tefnut liebt.
rl^'^^'^A^^^ Stätte, von der Thot sagte:
ü n .^=. \ ^ — «— o o — »— TT • • . ..1
Hier ist man vergnügt .
Man vergleiche damit die Worte des Thot an Hathor in Komombo:
»An diesem Orte wird es dir Avohl sein«; es folgen:
rl'^^^^f^^ ^ "^^^öv,^ Stätte, da Hathor mit dem
Wemkrug auszieht.
Den durchschlagendsten Beweis, daß alle diese Namen und Titel nach der
Legende zu deuten sind, bringen zwei parallele Inschriften (LD. IV, 79 u. 83):
die gute rpj-t, die ausnwr/m
^M'I^^P^?! ^^^ ^'^ ihrem Bruder
Schu, dem Sohn des Re.
Die Variante setzt statt der Hathor die Tefnut ein:
^ ^- • • ^^«ST'^^^^cs'l ^^ Tefnut die Große, die gute
rpj-t, die aus Bwgm kam.
Somit sehen wir, genau wie in Philä, die Hathor als Erscheinungs-
form der Tefnut, die aus Bwgm einwanderte, deren Begleiter Schu der
Sohn des Re war, und diese Auffassung müssen wir zugrunde legen, wenn
wir die oben zitierten kurzen Andeutungen recht verstehen wollen.
/3. Riten.
Aus der Sage ergibt sich neues Licht für die Auffassung verschiedener
Zeremonien, die man vor der Göttin verrichtete.
Wenn es z. B. beim Sistrumspielen h^ißt, daß durch das Gerassel der
Zorn {nsn) der Göttin gebrochen und dieselbe besänftigt {htp) werden soll.
^ Mar., Dend. IV, 59a steht ein Schutzgott mit Pfeil und Bogen -König der Gotter
an der Spitze von Bwgrri'^. Er spricht: »Ich komme aus den ttr. tj des Südens
und trete ein in das ,Haus, das Tefnut liebt'«.
84
H. Junker:
so zeigt das, daß Hathor eine wilde Göttin ist, die Löwin, wenn sie zürnt
(nSn), die frohe Göttin Bast, wenn sie zufrieden {htp) ist; zugleich muß
aber die Zeremonie mit jener ersten Beruhigung in Zusammenhang gebracht
werden, die beim Auszug Hathors aus Nubien geschah. Ein ähnliches gilt
von der häufigen Überreiclmng des Weins und des wnSh.
Für das Sistrenklappern vgl. Mar., Dend. IV, 14: Der Priester,
Der den Grimm der nh'-t
AA/WV\
^1— -Si
ö
FS^
'^^
Ebenda II, 53b:
r^
CJ-
Vgl. dazu Roch., Edfu I, 154:
m^rrs^'
^^
D£^
verjagt
und den Zorn der nh-t ver-
scheucht.
Der den Grimm der nb-t ver-
jagt,
die Wut der ?i).s'r-^ vertreibt,
der Fröhlichkeit an vStelle
von Zorn' setzt.
Es spielen die Götter ihr das
Sistrum, es tanzen ihr die
Göttinnen,
um ihren Grimm zu ver-
treiben.
Ausführlicher seien nur einige Riten erwähnt:
I. Das öfter genannte Shtp ^Jim-t.
Der König überreicht der Göttin Gazellen und Gänse zur Speise und
7 Krüge zum Tranke. Hathor tritt hier als wilde Löwengöttin auf, auf deren
Haupt die Schlange sich aufrichtet; sie heißt u.a. (Mar., Dend. III, 19m):
^ ^ ^O. i^J^ Tefnut, Tochter des Re in
Dendera.
I . . . Shm-t, Gewaltige, Herrin der
Dämonen.
ü^^
^ 4 '^ ^ r"^^^
* hrs ist roter Stein,
^
blutunterlaufene Augen, also hrs -— Zorn, Wut.
, wie dir mr-tj bedeutet rote = grimmige,
Der Auszug der Hothor-Tefnut am Nuhien.
85
K--
^=^^—
Flammengöttin, Gewaltige,
Hatlior die Große, Herrin
von Dendera.
Also genau die Göttin, wie sie uns in Nubien entgegentritt; als Titel
des Königs werden u. a. angegeben (Mar., Dend. III, 74c):
Kratt, der ... und m^td
opfert, die von der Wüste
kommen,
samt den 7 /r<t/^z' -Krügen,
^111 |S=5^..=_ Q
l-'^ I I I C^ A^^WV\ AVv/VW I I I
ö
ö
O
seinem täglichen Quantum
^.= rr/vwwv [({,\. was Hatlior trinkt).
Das heißt er spendet ihr die Nahrung, die sie in der Wüste hatte,
und den Wein, der sie einst berauschte. Mar., Dend. 111, 19m:
,^=^
tJ
PnKT4-i
^
n%
^.
o
S o hn d e r ßhm-t, d e r s e in e H e r-
rin zufriedenstellt mit
dem, was sie gern hat,
der die Gewaltige mit lau-
ter Stimme preist,
und ihr Ka freut sich, wenn
sie seine Sprüche hört.
Der treffliche Priester, der
die Gerechtigkeit liebt.
Bei der Überreichung des Opfers wurden also Zaubersprüche rezitiert,
so wie Thot es in Nubien und beim Auszug tat"\
2. Zieht die Göttin beim festlichen Aufzug einher, so bildet sich die
Prozession gerne wie damals, als sie zum erstenmal in Dendera ein-
zog: Thot ruft seine besänftigenden Worte, Schu preist sie, Re breitet
seine Arme um seine Tochter aus, Tnn schmückt sie mit Amuletten (vgl.
^ Wohl verderbt aus pif't.
^ Bei anderen Riten des shtp fehlte auch der Tanz nicht, wie u.a. der Hymnus Mar.
Dend. IV 2 zeigt: »Der König besänftigt {shtp) dich, o Hathor, Herrin von Dendera, o sieh
der König tanzt dii-« {wrh, wie oben bei Esneh). Vgl. auch das Tanzlied bei der Über-
reichung des wntr- Kruges, Mar. Dend. I 31.
86 H. Junker:
die Empfangsszene in Komombo) und lustige Bese tanzen und musizieren
vor ihr her (vgl. die Empfangshalle in Philä). Mar., Dend. III, 32 : Hathor . . .
P^IP^'l^^^lf^T'" ^^"^^ V^^^^^ sie, Thot loht
S 1 6 9
^O-^ fTl .dzz ® "^ 1 ^ ihr Vater Re begrüßt sie od. ä.
^^ I c=il 11 ö^ \ 1^1 ^^j^ ^^^ »Spruch des^'/V«.
Ähnlich Mar., Dend. 111,67 a:
^H) \ - ■ - Ptah schmückt deinen Leib,
d°^'r%"' — °^ "^^ <^Yf> ^ H 0 '^ Re hält seine Arme um dei
nen Ka,
KO
^"öT^S |#'^(j(]^| die Bese und Ä//;" tanzen dir.
Die Bese, die hier genannt werden, stammen aus der näheren Heimat
der Göttin. LD. Text. II, 247:
öflltl/f'^'i^^T^^^^^ ^^'' 8-ute Bes an der Spitze
jnM<^=5 ' <===^:^'^^ Bes, der aus i^-st kam.
Vgl. auch Mar., Dend. III, 67 a; III, 33a usw.
7. Spuren der Legende in anderen Tempeln.
a. Elkab.
So gering das inschriftliche Material hier ist, genügt es doch zum
Beweis, daß die Hauptzüge der Sage auch hier bekannt waren und zu
dem heimischen Tempel in Beziehung gesetzt wui'den. Brugsch, Dict.
geogr. S. 211:
Tefnut, Tochter des Re,
At^(2^ .^^', 1® 1] die ZU ihrem Hause in Elkab
^-^- — +öJ kam
c^DoT^^^^^^o und in 5w^m ruht{?).
sie?
LD. IV, 68 heißt sie ^ ^"^^Q^^^l^ »Tefnut, Herrin
in Bwgm.«^ Die Tefnut ist demnach in Bwym zu Hause, aber sie verläßt
Der Auszug der Hathor -Tefnut aus Nuhien. 87
ihr Land und zieht zu »ihrem« Hause in Elkab. Scliu, der vSolin des Re,
hatte sie geführt ; er heißt ebenda : /\^^/ »der die Große in Frie-
den brachte«, d. i. der sie besänftigte und so nach Elkab fahrte. Thot
war sein Geliilfe dabei, er trägt (ebenda) den uns geläufigen Titel ^
^^fSTI'^^'^ »Thot, der ihre Majestät [d.i. Tefnutj ii\ Bioym
besänftigte [i/i/p]«.
Wir haben somit die Legende etwa in der Fassung von Philä, nur daß
diesmal Elkab die neue Heimat der Göttin wird. Brugsch glaubte, die
Göttin sei speziell hierhergekommen und suchte danach die Lage von
Bwgm zu bestimmen. Aber wir haben es hier nur mit einer der vielen
örtlichen Auffassungen der einen Legende zu tun.
b. Athribis^
Der Zustand der Texte erschwert leider das Verständnis sehr, und
wohl manche Zusammenhänge werden uns dadurch entgehen. Trotzdem
lassen sich mehrere Anklänge an die Legende feststellen. Sechmet, »vor
der die Herzen der Götter zittern«, gilt hier als »Auge des Horus im
Westen«, aber zugleich wird als ihre eigentliche Heimat das Gottesland
und Punt angegeben, wo die Myrrhenbäume wachsen, so wie bei Hathor;
Taf. XVI. Auf einem Türsturz, PI. XXV, finden wir eine Göttin mit Löwen-
kopf und Sonne zweimal dargestellt, Horusauge und Tefnut (?) genannt.
Links steht Harsiese vor ihr, hinter diesem Thot, und ein lod^-t-Auge
wird ihr dargereicht; rechts stehen entsprechend Horus mit der Sonne
und Sehn, dessen Titel dieselben sind wie in der Legende: p(2 |
^^ <^i=> Y • Es ist zweifellos das bekannte A -^^^^^ ^
2^ , was hier gemeint ist: »Schu der Große, . . . der die Große, die
Ol
fern war, herbeibrachte. Das Herz des . . . freute sich . . .« Die
Worte, die er an die Göttin richtet, beginnen mit -^*— »ich erheitere« '.
^ Flinders Petrie, Athribis 1908. \
» Bnigsch hat sich Dict. geogr. S. 1154 aus Krinent als Titel der LokalgGttin notiert:
"^^ (5 I 1 f\>-\/1 »Herrin von Bicgni", was das Vorkonuneu der Legende auch in diesem
Tempel nahelegt.
88 H. Junker:
Inhaltsübersicht.
I. Teil. Seite
1. Der Inhalt der Legende 3
2. Das Alter der Legende 10
3. Vergleich mit verwandten Legenden.
a. Vergleich mit der Sage von der Ankunft des Horus und der Hathor von Punt 12
b. Vergleich mit der Legende von der Vernichtung des Menschengesclileclits . . IH
4. Deutungen der Legende.
a. Hathor als Auge der Sonne 19
b. Tefnut als Mondauge . 22
5. Die Heimat der Gottin.
a. Kns-t 24
h. St-t 27
c. Bwgm 28
ä. ti st 29
e. ti nir 29
II. Teil.
Die Legende in den verschiedenen Heiligtümern :
1. Philä.
a. Die eingewanderte Göttin 30
b. Ihre Erscheinungsform 34
c. Ihre Begleiter.
ct. Schu und Arensnuphis 37
ß. Thot und Thot von Pnubs 41
d. Die Empfangshalle 44
2. Die nubischen Tempel 47
a. Bigge 48
b. Debot 49
c. Kalabsche 49
d. Dendnr 50
e. Maharraga 51
f. Dakke.
«. Die Göttin der Legende 52
ß. Ihre Begleiter 53
7. Die Südostkammer 55
Der Auszug der Hathor-Tefnut aus ISuhien. 89
Seite
Komoinbo.
a. Die Legende in der Geschichte des Heiligtums 56
b. Die Legende ini Kult 60
c. Die Empfangsszene 63
d. Die Ombüs-Rezension in Philä 67
Esneh.
a. Spuren der Legende 68
b. Form der Göttin 72
c. Die Erinnerungsfahrt 73
Edfu 74
Dendera.
a. Die Erinnerungsfahrt 76
b. Die Legende im Kult 80
u. Titel und Beiworte 80
ß. Riten 83
Spuren der Legende in anderen Tempeln.
a. Elkab 86
b. Athribis 87
Phil.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. 111. 12
^
Arkadische Forschungen.
Von
F. Freiherrn HILLER VON GAERTRINGEN und H. LATTERMANN.
Phil-Mst. Klasse. 1911. Anhang. Abh. IV.
Vorgelegt von Hrn. von Wilamowitz-Moellendorff in der Gesamtsitzung am 22. Juni 1911.
Zum Druck verordnet am gleichen Tage, ausgegeben am 17. August 1911.
Abb. 1. Axif dem Westgipfel der Kylleiie; im Hintergründe die Berge
Oryxis und Penteleion (Saiita mid Dm>duvana). Aufnahme vom 1 8. Juni 191 1.
xVuf den Inseln des Ägäischen Meeres gab es keine Arbeit mehr zu ver-
teilen. Die ionischen Kykladen, die nördlichen und die südlichen Spo-
raden, diese in ihrer Ausdehnung von Rhodos bis Melos, jene von den
Dardanellen bis Skyros und hinauf bis zur thrakischen Küstenlinie, endlich
die von äolisch sprechenden Griechen bewohnten Inseln waren einmal durch-
gearbeitet und abgeschlossen, die reichen Früchte der delischen Ausgra-
bungen, die von der Ecole fran^aise von Jahr zu Jahr mit steigender
Kraft, Sorgfalt und Liebe weitergeführt werden, neigten sich zur Reife;
auf Kreta ging die Forschung, nicht beschränkt auf einzelne Nationen,
und nicht sich begnügend mit den Resten der hellenischen Kultur, in
vielversprechender Weise weiter, so daß es noch nicht Zeit war, hier
einen, wenn auch noch so vorläufigen, Abschluß zu suchen. Einige noch
ausstehende Gebiete aber, Kos und Kalymnos, Chios imd Samos, sind
schon lange in festen Händen, und die Gelehrten weit weiß, von wem sie
dort die Erfüllung ihrer wohlberechtigten ^ünsche zu verlangen hat.
Mittelgriechenland lag vor bis auf Delphi ; für Attika, wenigstens das
nacheuklidische, da für dieses einzige Land die Beibehaltung einer solchen
Zeitschranke gefiel, war eine Erneuerung des Köhler-Dittenbergerschen
Werkes längst im Gange.
4 F. Hiller von Gaertringen und H. Lattermann:
So fiel der Blick auf den Peloponnes. Hier hatte Fränkel die ganze
Arbeit geplant und, soweit es sich um fleißige Sammlung und Ordnung
der Literatur handelt, auch schon bis auf seine Zeit die Hauptsache ge-
leistet; aus eigener Bereisung, bei der freilich die Arbeit an den Steinen
zum guten Teile seinen jüngeren Mitarbeitern zufiel, ging der Band hervor,
der die Inschriften der Argolis enthält. Nachdem Fränkel und bald auch
H. von Prott gestorben, übernahm H. Kolbe den Süden, Lakonien und
Messenien, und hat mittlerweile auch schon den Druck weit gefördert;
Norden und Westen hatten, soweit nicht Olympia gesprochen, noch so
gut wie ganz versagt. So war die gegebene Aufgabe, die die Akademie
stellen konnte und auch gestellt hat, das mittlere Hochland der Pelops-
insel, Arkadien.
An Zahl war der bisherige Ertrag der dortigen Inschriften gering.
Und er war durch die Bemühungen vieler zusammengekommen. Was die
Expedition de Morce und ihre Fortsetzer, die Meister und die Schüler
der Ecole fran^aise von Athen, gerade hier geleistet, für das ganze Land
und namentlich für Tegea und Mantinea, ist auch in der Zukunft schwer
zu überbieten; aber auch die topographische Leistung eines Leake steht
einzig da, und England hat, neben der Ausgrabung von Megalopolis, auf
die Reisen von Loring hinzuweisen, die im Leake sehen Geiste durchge-
führt sind. Auch Deutsche haben sich ihren Anteil an der edlen Beute
gesichert, von Roß und Milchhöfe r an, und Österreich darf auf Lusoi
hinweisen. Daneben aber verkennt man nur allzu leicht, was die Herren
des Landes selbst in stiller, selbstloser Arbeit getan haben. Lykosura
und das Lykaion, Kotilion und das Panheiligtum von Melpeia haben grie-
chische Gelehrte, Leonardos, Kuruniotes u. a. erforscht; den Tempel
von Bassai, den Fremde seines Schmuckes beraubt, hat Kabbadias wieder-
aufgerichtet, Kuruniotes weiter untersucht; das Museum von Tegea zeugt
von dem Eifer der griechischen archäologischen Gesellschaft für die Er-
haltung des Ausgegrabenen, wie auch dort gerade die neuerwachte Sammel-
tätigkeit aus der Umgegend alles an Inschriften und sonstigen Resten ver-
einigt hat, was noch zu erlangen war. Die griechischen Ephoren, zuletzt
die HH. Arbanitopullos, Rhomaios und Oikonomos, haben hier die
Arbeit des fremden Reisenden sehr erleichtert. Freilich sind auch sie an
die Schranken von Zeit, Raum und Mitteln gebunden; es bleibt ihnen
noch sehr viel zu tun übrig, und sie können ihre übergroße Aufgabe nur
Arkadische Forschungen. 5
dann erfüllen, wenn sie in jedem Orte wenigstens einen verständnisvollen
Gehilfen heranziehen, der aus Liebe zur Sache, die ja die nationale ist,
aufspürt und rettet, was zu erhalten ist, und wenn auch die Masse des
niederen Volkes einsieht, daß Altertümer auch noch einen höheren Wert
haben, als ihn ein Händler zahlt. In dieser Richtung winken der grie-
chischen archäologischen Gesellschaft noch schöne Aufgaben, bei deren
Lösung zu helfen, Pflicht jedes verständigen Reisenden ist, der als Freund
und Verehrer des Altertums und der Hellenen selbst das Land besucht.
Aufgabe für die Bereisung war selbstverständlich, da das Ziel ein
Inschriftenkorpus war, die Revision der bekannten und die Aufsuchung
neuer Inschriften. Für die bekannten boten die vorhandenen Museen das
meiste. Neue zu finden erwies sich als schwer, da ohnehin die Zahl der
beschriebenen Steine gering ist, und da findige Führer, wie sie die Ago-
giaten von Koskinu und die nie um ein Auskunftsmittel verlegenen spa-
nischen Juden von Rhodos stellen, fehlen, und der Stand der eifrigen
Lokal antiquare, wie schon angedeutet, noch kaum existiert. Um also den
Erfolg der Reise nicht nur von der Inschriftenausbeute abhängig zu machen,
wurde schon von vornherein eine Berücksichtigung der Topographie ge-
plant und sind dafür von der Königlichen Akademie besondere Mittel gewährt.
Hr. Dr. H. Lattermann, damals Stipendiat des Kais. Archäologischen In-
stituts, fand sich bereit und erhielt die Erlaubnis, sich uns anzuschließen,
und er hat dann auch die Freuden und Mühen unserer Reise geteilt, meh-
rere Unternehmungen selbständig ausgeführt und sich dabei in erster Linie
zeichnend, messend, photographierend, archäologisch, topographisch und
künstlerisch betätigt, aber auch in jeder sonstigen Hinsicht, in der es etwas
zu tun gab. Ein großer Teil dieses Berichtes ist von ihm; bei den Zeich-
nungen erfreuten wir uns mehrfach der bewährten Hilfe von Max Lübke.
Nachdem in der zweiten Märzhälfte ein Teil der athenischen Arbeit
(vgl. den epigraphischen Anhang I auf S. 14) erledigt war, wurde Tripolis
unser Hauptquartier, von wo aus Tegea mit seinem Museum und das ver-
sumpfte Mantinea nahe erreichbar sind. In Tripolis sitzt unser altbewährter
parisch-naxischer Mitarbeiter, der uns seinerzeit auch die erste frohe Kunde
von der prachtvollen orchomenischen Synoikieurkunde gegeben hatte, der
Gymnasialprofessor Michael Krispi; in Piali-Tegea trafen wir am Mu-
seum den ehemaligen Regierungskommissar für die Ausgrabungen in Thera
(1896), Nikolaos Grimanis. Die Behörden, der Oberpräsident Hr. Birbilis
6 F. Hiller von Gaeetringen und H. Lattermann:
und der Provinzialingenieur (Nomomechanikos) Hr. Mpatsas zeigten uns
ihr Entgegenkommen, indem sie uns Karten und Instrumente liehen.
Lattermann suchte sich seine erste Sonderaufgabe in der Burg von
Nestane bei Mantinea, die den abflußlosen Talkessel des Argon Pedion
und die Übergänge über das Artemision nach der Argolis beherrscht. Sie
wird eine gesonderte Behandlung finden.
Für die Erträge der epigraphischen Kleinarbeit ist das Korpus be-
rufen, dessen möglichst baldiges Erscheinen durch überlange Vorberichte
zu verzögern durchaus nicht unseren Grundsätzen entspricht. Als Proben
geben wir auf Taf. XII Bilder einiger wohlbekannter und teilweise doch
noch nicht genug bekannter Steine, auf deren einen weiter unten zurück-
zukommen sein wird. Einige wichtige Steine sind schon von Rhomaios
und A. von Premerstein abgeschrieben und werden hoffentlich diesen
ihre erste Veröffentlichung danken ; so ein altes, leider sehr zerstörtes Sakral-
gesetz, wohl aus dem Anfange des 4. Jahrhunderts, schon Ath. Mitt, XXXIV,
1909, 253 zitiert. Ein Bruchstück gibt die Gleichung der attischen und der
hadrianischen Ära, wobei also die neuerdings mehrfach besprochene Ära
von 1 1 n. Chr. gänzlich übergangen wird. Den Kopf zu dem langen Cursus
bonorum (Prosopogr. imp. r. III 497, 15), der sich nachweisen ließ, wird auf
meine Bitte Hr. von Premerstein in den Österreichischen Jahresheften
veröffentlichen. Aus Mantinea sind die wichtigsten Inschriften der Fou-
ger esschen Ausgrabungen über Tripolis hierher gebracht und dadurch er-
halten.
Bescheidener ist die Galleria lapidaria von Megalopolis. Und viele Steine
aus Privatbesitz, die die Engländer noch 1891 gesehen, sind verloren. Aber
auch hinzugekommen ist manches, auch von Lykosura her. Bemerkenswert
einige Stücke doppelseitig beschriebener Beitragslisten, wo die Beiträge
zum Teil nicht in Geld, sondern als »Preis eines Rindes« angegeben werden,
und das nicht zur Zeit Homers, als man die Königstöchter mit Rinder-
herden freite, sondern im 2. Jahrhundert v. Chr., wohl für den Mauerbau,
wo übrigens auch eine Ära vorkommt, die noch nicht sicher bestimmt ist,
schon aus Foucart-Le Bas bekannt. Zwei Steine konnten wir kaufen und
dem Lokalmuseum schenken, mit geringem Aufwand; das erwähne ich in
der Hoffnung, Nachahmung zu finden.
Die Bahnlinie Athen-Tripolis-Kalamata, der Wunsch nach Anschauung
des gesegneten Nachbarlandes und das Verlangen unseres Messeniers Hrn.
Arkadische Forschungen. 7
Kolbe nach einem Abklatsche der Kultordnung von Andania veranlaß ten
einen viertägigen Abstecher. Freilich hat die Inschrift durch ihre monu-
mentale Verwendung in den beiden Türpfosten der Konstantinoskirche,
die auch der einsichtige Demarch bemängelte, nicht gewonnen; mancher
Schaden ist ihr aus dieser Ehre erwachsen. Ein Glück, daß hier die Epi-
graphik schon ihre volle Schuldigkeit getan hatte. Lattermann fand
seine zweite Sonderaufgabe in der Aufnahme von Andania.
Die triphylische Küstenbahn brachte uns nach Olympia, dem Westtor
Arkadiens. Hier begann die wahre griechische Landreise, mit Pferden und
Zelten, wobei der alte Angelis Kosmopulos seine Kunst als Anfährer der
Agogiaten von neuem bewährte und Lattermann wieder mehrere Sonder-
aufgaben zufielen. Er fand in Lasion, auf bestrittenem arkadisch-elischen
Grenzgebiete (s. S. i6 III), daß wir im Korpus, wo nur die am besten be-
kannte Zeit des Pausanias zugrunde gelegt werden kann, leider wohl zu
Elis rechnen müssen, die ersten drei Inschriften, sepulkral, aber aus bester
Zeit; wir andern in Heraia ebenfalls einige neue Nummern. Thelphusa
ergab nur Wiederfindung eines freilich recht guten Epigramms; alles andere
war verschwunden. Psophis hatte einen Marmor mit ausradierter Inschrift,
bleibt also noch inschriftlos! Und das bei so schönen Mauern und Bau-
resten, die eine Ausgrabung fordern, für die sich Einheimische schon
interessieren. Für die Topographie bleiben Polybios und sein Interpret
Leake unübertroffen; der tiefbeschneite Erymanthos gab der eindrucksvollen
Landschaft den rechten Hintergrund. In Kieitor, vielmehr Kletor, steht
das Relief des größten Arkaders, Polybios, in einer Mandra, des Hauptes
und der Inschrift beraubt ; der Gipsabguß im Berliner Museum bietet wissen-
schaftlich freilich Ersatz; aber die Erhaltung auch des Stumpfes ist Ehren-
sache der griechischen Altertumsverwaltung \ Bei Methydrion zwang uns
unser eigenes archäologisches Gewissen zu einer kleinen Ausgrabung, von
Angelis, der im nahen Maguliana zu Hause ist, und der ganzen Bevölke-
rung herbeigewünscht. Geformte und bemalte Ziegel lagen herum und
wiesen auf die Tempelruine, die Leake noch viel vollständiger gesehen
hatte; eine nahe Kapelle ergab den AnlaJ3 der neueren Zerstörung. Die
' Obiges ist geschrieben, bevor ich Studniczkas schöne Abhandlung: Polybios und
Damophonl (Ber. Sachs. Ges. LXIII, 1911, i.Heft) erhielt, deren Inhalt zu dem Bilde, das
ich mir von der Entwicklung Arkadiens im 2. und i. Jahrhundert gemacht habe, vorzüg-
lich paßt.
8
F. Hiller von Gaertringen und H. Lattermann
Abb. 2. Runder Turin von Kletor.
Ausführung ward auf Anfang Juni verschoben. Dann Demitsana mit seinem
Museum, das neben manchem Spartanischen auch einige gute Inedita aus
arkadischen Orten, Teuthis und vielleicht Heraia, enthält. Dann Gortys,
Lykaion, Bassai, Phigalia, Ira. Hier setzte wieder der Topograph Latter-
mann ein, obwohl der Ort schon mehrfach aufgenommen ist. Ich genoß
mittlerweile die musterhafte Ordnung, die Leonardos in Lykosura geschaffen
hatte, und ein Nachtquartier unter dem Schutze der Riesenbilder der großen
Göttinnen. Der brave Phylax, ebenso sorgsam wie sein früherer Herr,
hatte eben zu einer Inschrift ein anstoßendes Fragment gefunden.
In Megalopolis endigte der erste und begann nach kurzer Unterbrechung
der zweite Ritt. Über den Chelmos (Aigys?) durch das vielumstrittene
Grenzgebiet nach Sparta, zurück nach Tegea, wir im Wagen, und weiter
nach Maguliana, Lattermann über einige Ruinenstätten der Skiritis und
nochmals über Nestane, mit einigem archäologischen und epigraphischen
Ertrage.
Nun erfolgte die Ausgrabung des Tempels bei Methydrion (s. S. 24);
daraus ergab sich die Aufnahme der Umgegend dieses kleinen Baues und
der alten Städte Methydrion, Thisoa, Teuthis. All dies sollte nur Vorbe-
reitung sein zu der kommenden Aufgabe, Orchomenos. Denn die genannten
Orte gehörten vor der Gründung von Megalopolis zu ihrem Gebiet. Orcho-
menos' König aber, Aristokrates, war durch Sage und halbe Geschichte ver-
bunden mit der Tradition vom zweiten messenischen Kriege. Ira (vielmehr
Hira) und Andania konnten damit zusammen ein Bild ergeben, das die ört-
lichen Anknüpfungspunkte für Sage und Geschichte lieferte. In Orcho-
Arkadische Forschungen. 9
menos aber waren zwar einzelne Funde gemacht, die Synoikieinschrift, die
Prem er stein in so musterhafter Weise erläutert, und Sprachforscher wie
W. Schulze, Meister und der uns eben viel zu früh entrissene Solmsen
zum Ausgangspunkte gCAviclitiger sprachlicher Erwägungen gemacht hatten,
versprachen viel; nachher trat sogar noch eine archaische Skulptur dazu,
um zu zeigen, daß da ein jeder auf seine Rechnung kommen würde. Aber
wir waren schon in der zweiten Dekade des Juni: Gewitterschwüle und
Gewitterregen, lästige Insekten, die Ausdünstungen der Sümpfe im Norden
und Süden, alles sprach gegen sofortige Arbeit. Dazu mußte man sich
sagen, daß halbe Arbeit ein Verbrechen war; wer hier graben will, muß
Zeit und Ruhe haben. Man darf hier nicht bloß ein paar Gräben ziehen
und damit den Steinräubern die Arbeit erleichtern, anständigen Gelehrten
sie verleiden. Auf den Herbst oder das nächste Frühjahr zu warten, ging
nicht an; denn es drängten andere Pflichten. Um einen Grund zu legen,
nahm Lattermann den Stadtberg und die Umgegend, so genau es ging,
auf. So ist Orchomenos wenigstens fär diesen unseren Bericht das Rück-
grat geworden, wie es auch unsere Reisepläne von Anfang an beherrscht
hatte. Möchte es in ebenso gute Hände fallen wie ein anderes Ausgrabungs-
feld, das manchen gereizt hatte, bis es Kinch und Blinkenberg mit aller
erdenklichen Sorgfalt vornahmen, die Burg der Athana Lindia auf Rhodos!
Die Reise näherte sich ihrem Ende. Der Schluß, war landschaftlich
noch schöner als die wilde Lykaiongegend : Alea, sicher doch nicht »die
Blinde«, sondern die » Zufluchtsstätte «Mes langen Tales, geographisch und
für lange Perioden der Geschichte zur Argolis gehörend, ebenso wie Stym-
phalos. Dort retteten wir die in drei Stücke zerhackte und in die Pforten
einer Haustür eingemauerte Stele, die Martha vor Jahrzehnten bei schlechtem
Lichte gesehen hat, vor völliger Vernichtung, kauften sie nach harten Über-
redungskünsten, schickten sie acht Stunden über die Berge nach der nächsten
Bahnstation, von wo sie sicher ins athenische Nationalmuseum gelangte,
und hielten den Kauf gegen die angeblich mehr berechtigten Verwandten
der Besitzerin aufrecht.
In vieler Beziehung trifft jetzt, nac\ der neuen Zerstörung, die Schil-
derung (Bull. hell. VII, 1883, 487 f.), die jede Hoffnung auf Gewinn eines
1 Also noAEMiCüN AACH, wie Hesiod die Ziegenfelle als veroY ÄAeHN preist ("GprA 545)-
Davon auch Ort und Göttin bei Tegea und sonst.
Phü.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. IV. 2
10 F. Hiller von Gaertringen und H. Lattermann:
Zusammenhanges schwinden macht, noch mehr zu, als sie schon damals be-
rechtigt gewesen sein mag, und so lassen die Trümmer eben wieder einmal
erkennen, was wir verloren haben, nämlich überaus eingehende Vertrags-
bestimmungen von Stymphalos und verbündeten Städten, über Recht und
Gericht, Zeugen, Bürgen u. a. m.; aber in Arkadien sind wir nicht so reich
an Urkunden, um auch nur einen Fetzen verachten zu dürfen, und die
Nennung von Demetrias, die sofort an den Magnetenbund und die von
Holleaux und Wilhelm so glänzend hergestellten Beschlüsse dieses Bundes
aus Kletor erinnert, ergibt doch einen bedeutungsvollen geschichtlichen
Ausblick. Daneben studierte Lattermann die schon von K. 0. Müller^
als höchst merkwürdig und großartig gepriesenen Ruinen von Stymphalos,
deren Lage im See an Arne im Kopaissee erinnern mag; auch ein Objekt
fär eine gründliche Aufnahme, schon durch seine mächtigen Felseinarbei-
tungen. Wie klein fühlt sich demgegenüber der Epigraphiker. Hier
möchte man wie Graf Lanckoronski in Pamphylien einen ganzen Stab von
geschulten Technikern und Archäologen haben. Dieses Land kann man
gar nicht seiner Bedeutung voll entsprechend aufnehmen und mit all seinen
Bergen, Wässern und Mauern zur denkbar klarsten Anschauung bringen.
Das wäre die Hauptaufgabe. Wir konnten sie nur streifen; auch Latter-
mann konnte leider nicht mehr einige Monate zugeben, da seine knappe
Zeit im Süden schon mehr als reichlich besetzt war.
Aus dem Gezänk der garstigen Albanesen von Kionia entrückten uns
unsere guten Pferde auf die Höhen des Götterberges. Atlas in der Sprache
der Unsterblichen genannt, die hier ihren peloponnesischen Olymp hatten,
Kyllene »der hohle Berg« bei den Hellenen, Ziria bei den Slawen schon
in frühmittelalterlichen Schollen. Unterhalb der größeren, westlichen Höhe,
über dem nach Nordosten zu sich senkenden bewaldeten Tale, ist eine Höhle,
von Griechen aus dem nahen Trikkala 1871 entdeckt, von G. Hirschfeld
u. a. in ihrer Bedeutung gewürdigt, in der man die Hermesgrotte des home-
rischen Hymnos gesehen hat. Namen sind darin; manche davon haben
wir wiedergefunden. Bei dem unsicheren Grunde und dem triefenden
Gestein dieser Stalaktitengrotte ist es schwer, erträgliche Abklatsche zu
machen ; die Möglichkeit aber schien sich zu ergeben, die Namen der Be-
^ Brief bei 0. und E. Kern, K, O. Müller 356. Die einzige Aufnahme ist eine Skizze
von Ernst Curtius, im Poloponnesos I, Taf. IV.
Arkadische Forschungen. \\
Sucher ins 4. Jahrhundert v. Chr. hinaufzurücken. Waren es Pilger oder
Neugierige? Beides ist denkbar, wie die berühmte Grotte von Oliaros,
heute Antiparos, zeigt, wo Namen alter Gesellschaften, nach dem parischen
Archon datiert, und zuletzt der französische Gesandte Nointel eingehauen
waren, oder wie die Goldgrotte von Pholegandros, nur mit Kletterkunst-
stücken vom Nachen aus an steiler Felswand zu ersteigen, wo sich ein
Cornelier mit seinen Reisebegleitern verewigt hat. Von Terrakotten haben
wir keine mehr gefunden. Aber es gehört auch etwas dazu, hier lange
zu verweilen.
Über Pheneos, Nonakris, Kynaitha verließen wir Arkadien. Lusoi sahen
wir nicht; die Nachricht, daß auf dem von den Österreichern so schön aus-
gegrabenen Tempel eine neue Kirche erbaut worden sei, schreckte uns ab.
neque
per nostrum patimur scelus
iracunda lovem ponere fulmina
denkt man so oft und will sich doch die Freude an dem herrlichen Lande
durch diese auch von der weisesten Regierung schwerlich ganz zu ver-
hütenden Barbareien nicht stören lassen, die doch schlimmer sind als alle
Sünden, die an der unzerstörbaren Schönheit der griechischen Sprache be-
gangen werden können!
Von unserer nichtepigraphischen Ausbeute wird Lattermann hier
einige Proben vorlegen ; anderes hofft er an anderem Orte folgen zu lassen.
Mein Ziel war und ist das Korpus, so schwer es manchmal war, bei der
Stange zu bleiben und sich nicht auf allzuweite Abwege einzulassen. Was
aber schon aus diesen Bemerkungen hervorgeht, ist die Unmöglichkeit oder
Torheit, die Inschriften dieses Landes rein für sich betrachten zu wollen,
losgelöst vom Boden. Das Land und seine antiken Stätten, für deren Be-
nennung Pausanias ein so unvergleichlich gutes Material liefert, das auch
schon, soweit es ohne Ausgrabungen ging, recht gut benutzt, aber doch
noch nicht ganz verwertet ist, ist die Hauptsache. Dazu kommt die
literarische Überlieferung, auch abgesehen vcVn Pausanias, Herodot, Xeno-
phon, Polybios, und auch die Sagen, die die Dichter behandeln bis auf
Kallimachos und herunter zu den Römern. Antike und moderne Phantasie
und Sentimentalität hat manche Züge hineingetragen, die dem Lande einen
Nimbus bei denen verliehen haben, die es nicht kennen. Und kennt man
2*
12 F. Hiller von Gaertringen und H. Lattermann:
es, so schwindet der Nimbus, soweit er schwindelhaft war; aber es bleibt
ein schönes Land, das wert ist, von den Poeten aller Nationen besungen
zu werden. Für die Wissenschaft aber bleiben neben den topographischen
auch noch andere Probleme. An einem habe ich mich selbst vor mehr
als 20 Jahren mit ungenügenden Mitteln versucht, es ist die Frage nach
der Entstehung halb sagenhafter, halb willkürlich erdichteter Erzählungen,
die an den messenischen Krieg und den erwähnten König Aristokrates an-
knüpfen. Man glaubt die Enden zu finden in der Zeit der Restauration
unter Polybios nach der Zerstörung Korinths. Es ist wie ein letztes Abend-
rot, wo auch noch ein Künstler mit seiner Familie auftritt, Damophon von
Messene. Da machte man für Andania ein erbauliches Geschichtsbuch, in
das man etwas Tyrtaios, Olympionikenliste, Myron von Priene, Rhianos
von Kreta und noch einiges andere hineinarbeitete. Aristokrates und seine
Vorgänger waren da freilich Frevler und Verräter. Das Licht war auf
selten der braven Messenier; längst hatte man vergessen, daß sie den
Letzten der Hellenen feige vergiftet und die reichen Wohltaten der Ar-
kader mit Undank vergolten hatten.
Es darf hier vielleicht noch auf ein anderes Moment hingewiesen
werden, das für die arkadische Geschichte grundlegend ist, die Stammes-
verfassung. »Der Staat ist der Stamm« hat uns Wilamowitz eben wieder
eingeschärft; für Arkadien aber ist es besonders lehrreich zu sehen, wann
die Stammverfassung, die hier klar das Ursprüngliche war, aufgehört hat.
Es geschah dies gleichzeitig mit dem Aufgehen der letzten Stämme in die
große Stadt, vollzogen nicht durch Epaminondas, sondern durch Pammenes
von Theben im Jahre 361. Damals hörten die Stämme politisch auf zu
existieren; nur in einer späteren Abänderung der Phylenordnung von Mega-
lopolis, die uns das große Theater kennen gelehrt hat, leben sie schein-
bar wieder auf; sonst sind Mainalier und Parrhasier auf das Reich der
Poesie beschränkt. Als wirklicher Überrest mögen die Elisphasier bei
Polybios und in den Bundesmünzen der Achäer gelten, im Mainalon west-
lich von Mantinea, in oder nahe der Ebene Alkimedon, die Pausanias er-
wähnt; man würde sie gern mit dem homerischen Enispe zusammenbringen,
wie ja auch Enipeus und Elipeus zusammenhängen, wenn es einen Rück-
halt in der alten Literatur hätte, die vielmehr in eine andere Richtung
weist. Mit dieser einzigen erkennbaren Ausnahme müssen wir alle Stamm-
bezeichnungen der Zeit vor 361 zuschreiben. Schon dieser Gesichtspunkt
Arkadische Forschungen.
13
hätte für die Zeitbestimmung einer Anzahl olympischer Siegerstatuen ge-
nügt, die Hyde bereits aus anderen Gründen ins 5. Jahrhundert verwiesen
hat; er reicht aber auch aus, die Frage nach dem Alter der Phylarchos-
inschrift von Tegea, eines Beschlusses des arkadischen Bundes, den die
Damiorgen vieler Stämme und Städte Arkadiens unterzeichnet haben, end-
gültig mit Dittenberger, Swoboda, Fränkel und anderen dem 4. Jahr-
hundert zu geben; meiner Meinung nach fällt er wenige Monate nach der
Schlacht bei Mantinea und dem darauf folgenden athenisch-arkadischen
Bündnis, das die unmittelbare Voraussetzung dazu darbietet. Der Stein,
den Foucart entdeckt und Milchhöfe r noch als im Besitze des Christos
Sabopullos in Piali festgestellt hat, soll jetzt in eine Kirche bei Piali,
Metamorphosis, 350 m vom Orte entfernt, verbaut sein. Die Schrift ist
aber von außen nicht sichtbar. Es ist auch eine Pflicht der Altertums-
verwaltung, dieses wichtige Denkmal der arkadischen Geschichte wieder
hervorzuziehen und dem Museum von Tegea wiederzugeben, damit dort
nicht nur über die Schrift, deren photographische Wiedergabe sehr er-
wünscht wäre, sondern auch über die Reliefdarstellung im Giebel, »unge-
flügelte Frau ein Tropaion errichtend«, geurteilt werden kann. Byzanti-
nische Kirchenbauten haben unendlich viele alte Inschriften und Architek-
turglieder erhalten ; moderne nicht wenige zerstört. Gerade diesen Bauten
gegenüber, bei denen der religiöse Eifer der Landleute begreiflicherweise
das Schönste, das sie haben, anzuwenden bereit ist, gilt es doppelt und drei-
fach auf der Hut zu sein, daß nicht unschätzbare Reste des Altertums aus
Unkenntnis und in frommer Absicht zerstört werden.
Abb. 3. Ostniauer von Psophis.
14 F. Hiller von Gaertringen und H. Lattermann
Epigraphischer Anhang.
I. Athen.
Die Revision im Nationalniuseum von Athen setzte Lattermann nach seiner Rück-
kehr fort. Sie war besonders ertragreich für die Rückseite der großen tegeatischen Bau-
ordnung, deren Vorhandensein bisher nur durch gelegenthche Bemerkungen in der ^«jJHMepic
ÄPXAlOAoriKH 1898, 254 (Leonardos) bekanntgeworden war. Hr. Rhomaios, jetzt Ej)horos
von Lakonien, einigte sich mit uns mit gewohnter FreundUchkeit über die gemeinsame
Herausgabe. Daß die Bauurkunde mit dem skopasischen Tempel zusammengehört, der
selbstredend nicht an einem Tage gebaut ist, jedenfalls aber in das 4. Jahrhundert und
nicht bloß in die »vorrömische Zeit« (SGDI 1222) fällt — Solmsen, Inscr. gr.3 3, urteilt
wenigstens: »saec. HI potius quam H« — , schien mir auf den ersten Blick ausgemacht.
Auch die für vSchrift imd Dialekt sehr wichtigen, von Sboronos sorgfältig heraus-
gegebenen imd scharfsinnig gedeuteten »hhaina eiciTHPiA toy eeATPOY thc MANTiNeiAC« (AieeN.
^<t>. NOM. APX. III, 1900, 197 ff.) wurden von Lattermann nochmals verglichen, nachdem sich
schon C. Fredrich für Fränkel eines Teiles dieser Arbeit unterzogen hatte. Als Beispiel
sei hier nur S. 208, Nr. 20 = Tafel e' 6 hervorgehoben, wo wir
FRI>KIDA^ Fpiyiaac
ERATIAV ^ePAxiAY
nicht ""GPliiAAC lesen. Damit ist der Anlaut Fp, den Prell witz, Etyni. Wörterb.^ 399, durch
die Zusammenstellung mit nhd. werfen behauptete und G. Meyer, Gr. Gr.3 § 363 Anm., noch
als Abfall eines anlautenden v oder s voraussetzte, urkundlich gesichert; eine Parallele zu
Fphci des Synoikievertrages von Orchomenos. Die Bezeichnung des Y steht längst durch
die Münzlegende von Psophis (Kirchhoff, Studien4 158, Head, H. Num.2453; Abbildung
bei Poole, Cat. gr. coins, Peloponnesus, Tafel XXXVI 20) fest. Unmittelbar auf Fpiyiaac
folgt bei Sboronos ein anderes schönes Beispiel für F: FI^FOAA^OS == FicFöaamoc, das
uns freilich nach manchen kretischen Belegen für Ficfoc = Tcoc nicht mehr überrascht.
Alle diese Arbeiten im Museum wurden von den HH. Leonardos und vStais auf jede
denkbare Weise gefördert.
IL Das Gottesurteil von Mantinea, linke Kolumne.
Die Behandlung der für Sprache, Recht und Kult gleich wichtigen Urkunde durch
Homolle, Baunack, B. Keil, Dittenberger, Danielsson, Solmsen und noch
manche andere Gelehrte beruht auf der ersten Lesung durch den um Mantinea und ganz
Arkadien hochverdienten Forscher G. Fougeres, dem auch vmser Korpus vielfache höchst
wertvolle Förderung verdankt, im Bull. hell. XVI, 1892, 568 ff. und Tafel XIX. Eine zweite,
verbesserte Lesung des Entdeckers in seinem Werke Mantinee 1898, 523 ff. ist von Bück,
GreeTc Dialects 174 ff., 16 benutzt, wo aber die Eigennamenliste übergangen wird. Da ich
schon mehrfach nach meiner Lesung dieses Dokuments gefragt bin, suche ich den Benutzern
durch die Abbildung auf Tafel XIT 3, die auch auf H. Lattermann s Aufnahme beruht,
die Möglichkeit zu geben, selbst ein Urteil zu fällen, und teile hier die linke Kohnnne in
Umschrift mit. Den scharfen Zischlaut V\ gebe ich wie Bück mit c, den Hauclilaut mit
B wieder.
Arkadische Forschungen. 15
§ I. [Fo]<t>AeAci oTAe in "Aa^an-
[CijCYPNOC
. 9 . . ec
[4>]lA0MeAIAAC
s 0eö[K]occMoc
■äpicctömaxoc
Apomgac
Ctiahac
0ÄNIC
lo "^Akpantoc
■ÄntiaaTaac
Böeic BecKAAPoc
GeMANAPOC.
§ 2. öceoi AN XPecTepiON kakping,
15 e rNociAiKA KPieee tön xpeMATON,
ne TOIC FOIKIATAI TAC 660 eNAI,
KAFOIKIAC AACACCGAI TAC AN Oa' ^ACAC.
§ 3, ei ToTc Fo<t>AeKÖci eni to?a' ÖAiKACAMec
A Te ee6c kac oi aikacctai, AnYceAOMiN[oc]
20 TON XPeMATON TÖ AAXOC, AneXOMINOC
KA TÖPPeNTGPON reNOC eNAI
ÄMATA HANTA Au^ TO? lePoT, YaaON InAI •
ei a' aaaa ci[n]' ^atoi ka tönn[y], iNMeN<t)ec eNAi.
3 [CAKAJec Foug. II 7 — 9 verbessert. |j 10 so eher als "Appantoc; K und R unterscheiden
sich nur durch eine Verbindungslinie. || 12 beide Namen verbessert: nicht TTecKAAPOc!
Hr. W. Schulze hat die Güte, dazu zu bemerken: »Leider kann ich für BecKAAPOc keine
brauchbare Analyse finden. Wenn man einen Verbalstanun im Anfang sucht, bleibt die
Bildung des Anfangsgliedes sonderbar, wenn auch nicht ganz ohne Beispiel: öc^painomai zu
ÖA-, baac^hmoc zu BAAB-. Auch an <t>eP^CBioc, was freilich selbst dunkel ist, muß man denken ;
aber helfen tut es auch nicht recht.« So möchte man am ersten, im Hinblick auf ÖA-, an
sed- in ezoMAi, eAOC denken; der Name bezeichnet dann den, der auf seinem Landloose
sitzt oder sich darauf setzt, kaäpoc zu Bechtel-Fick S. 171. || 13 Man las <t»^MANAPoc,
und B. Keil, der diese Zeile mit der nächsten verband, die noch nicht richtig gelesen war,
erschloß daraus folgerichtig einen ionischen Fremden 4>hmanapoc. Der Unterschied von O
und ® beruht, da beide aus einem dünnen, ilachen Kreise und einem dicken, tiefen, runden
Punkte bestehen, nur in einem ganz dünn eingeritzten Striche, der Z. 13 nicht vorhanden^
Z. 30 möglicherweise, aber nicht sicher, beabsichtigt und wohl nur scheinbar vorhanden ist.
So ziehe ich Ge/AANAPOC vor und sehe darin mit Ernst Sittig, der mich von dem Gc;
danken an 0e-MANAPOC (megarisch!) = eeö-MANAPOc abgebracht hat, einen GeM-ANAPOc =
GeMiCT-ANAPoc, mit einer Verkürzung des Stammes, wie sie 'AnoAAO-OANHC statt "AnGAACüNO-
<t>ANHC in einwandfreier Weise bietet; an GeMCON, den Vater des Thespis, erinnert Wila-
mowitz. II 14 Nun erst hört die Liste derer, die [Fo]<t5AeACl, auf und beginnt der zweite
Paragraph, Bück hat noch: '3<t)[eMA]NAP0C i4[Fo]<t>Aeoi an xpecTePioN kakping. '5^[i ä]n
^ »Sicher nicht 0« bezeugt Latt ermann.
16 F. Hiller VON Gaertringen und H. Lattermann:
öciAi KAKPie^e TÖN XPeMATON, Nachsatz wie wir. Jetzt ergibt sich der Sinn: »filTiNl (wir
würden attisch sagen oytinoc) an xphcthpion katakpinhi, fl (rNoociAiKH ') kpighi tön xphmatcün«,
worauf folgt: »weTA tön oiKeTÖN thc eeoY eTNAi«. Wir kannten rNCüClAiKOC schon aus meh-
reren Inschriften von Kos, z. B. Paton-Hicks, 386, V. 51 rNWciAlKOC Nikoctpatoy, aaatpöc
A^ Apictoaikac tac rNcociAlKCY, WO der Anklang der beiden letzten Namen zu beachten,
und als Urgroßvater des berühmten koischen Arztes bei Suidas: 'InncKPÄTHC rNCociAiKCY yiöc,
nATHP ""HPAKAeiAA TOY HATPÖC InnCKPATOYC, lATPÖC KAI AYTÖC, TOY reNOYC TÖN 1^CKAH^IAAÖN '^ — ,
werden uns aber freuen, hier das dazugehörige Abstraktum zu gewinnen; tncüciaika = tnuma
TOY aikacthpioy; hier kommt tnwciaika tön xphmatcon dem Begriffe »gerichtliche Vermögens-
konfiskation« gleich. II 17 kaFoikiac = kaFFoikiac = kac FoikIac. || Schluß wie Baunak. ||
18 eAiKACAMec, nicht -men. Die untere Hälfte des C ist noch deutlich. Dies scheint der
erste arkadische Beleg für die i. P. Plur.; vgl. Bück? § 223a und 138, 3. || 19 Das VV in
ÄnYceAOMiN[oc], für ÄnYAeA-, ist sicher. || 22 Zu dem auch aus Tegea bezeugten »home-
rischen« Worte AMATA können wir noch eine Parallele anführen. In dem Beschlüsse von
Tegea, den Fougeres gefunden und seinem Mitarbeiter Berard zur Veröffentlichung über-
lassen (Bull. hell. XVI, 1892, 543,4 = Dittenberger, Syll.* 465 = Michel 190), kann
man auf dem von Fougeres seinerzeit an Frank el übersandten Abklatsche eben noch
erkennen: b'nwc '° 01 AOinol AefcoNTec tan täc nÖAioc e[Y] " xapictIan anapgc XrAeoi ri-
NWNTAi, nicht [lAJÖNTec. Das Wort Ae^cei war schon in den homerischen Glossen bei Bekker,
Anecd. III, 1094 (vgl. Hoff mann, Dial. I, 103) als Eigentümlichkeit der KAeiTOPicoN be-
zeichnet, weil es in einem unbekannten Lokalautor von Kletor vorkam, den Zenodot für seine
Paöccai "OMMPiKAi (Susemihll 330 ff.) benutzt haben wird. j| 23 ei a' aa[ao] V\ic [^]atoi ka-
TooNN^ schon Foug. Mant. Aber aaaa ist gesichert, und das n in cin' wahrscheinlich, »ei
a' AAAA TINA ^ÄTAi KATA TWNAl, ^MMeM<t>^c cTnai« j »wenn etwas anderes gegen diese Leute zu-
gelassen wird (andere sie schädigende Maßregeln), soU es bescholten sein«.
Diese Bemerkungen mögen hier genügen. Ihr Zweck ist erfüllt, wenn sie anderen
Anlaß zur Stellungnahme geben, damit die Kritik der Bearbeitung im Korpus zugute komme.
III. Lasion.
»Als ich« — schreibt mir Hr. Lattermann — »von Lasion nordöstlich nach Psophis
ritt, stieß ich nach etwa einer halben Stunde auf einige große Kalksteinquadern, wohl von einem
Wartturm. Die Reste sind vielleicht identisch mit den von Vi seh er, Erinnerungen S. 475,
erwähnten : ,Eine halbe Stunde von der Ostseite soU nach Aussage eines Bauern aus Kumani,
der mir als Führer diente, noch ein wohlerhaltener, einzelner hellenischer Turm liegen,
welchen ich aber nicht selbst gesehen habe (Polyb. V, 102)'; oder wir haben nun das zweite
Glied einer Kette von Grenztürmen. — Übrigens ist Vis eher s Beschreibung von Lasion
mustergültig und erschöpfend.«
In Kumani schrieb und klatschte Hr. Lattermann folgende drei aus dem alten Lasion
stammende Inschriften ab (Häuser des Konstantinos Drubas, der Aikaterine, Witwe des
Andreas Philippopulos imd des Theodoros Pappalis), die wir hier mitteilen, weil sie nach
^ Hierfür den entsprechenden attischen Ausdruck einzusetzen ist nicht leicht; die
• Xn6<i>ACic TOY AIKACTHPIOY ist tatsächHch eine aihmgycic xphmatwn.
^ Auch das delische Korpus wird, wie ich Hrn. Dürrbachs Mitteilungen entnehme,
Belege für den Namen Tn. bringen.
Arkadische Forschungen. 17
der Einteilung des Korpus, die nur den Landesgrenzen des Pausanias folgen kann, zu
p]lis gehört:
1. Stele, h. 0.335 i"i 1- °-5o ^^^- Prachtschrift des 4. Jahrhunderts, h. 0.025 ni. AE
MNOP S J2 (mit sehr langen Horizontalen).
"•InnÖNiKOC 2 KAecüN-fMü), 3'ApictoaaTaac, 4'-'|nneiA. Darunter die Erbauungszeit des Hauses:
28. MaToc 1888.
2. Stele, oben und unten gebrochen, 1. 0.56 ni, gr. II. 0.57 m, t. 0.14 ni. Schrift ein-
facher, kaum jünger. Die Zeilen sind durch gerauhte Streifen in eleganter Weise getrennt. A, M.
MeA - - ^Kaaai-- sc^iaina.
3. Stele, links Rand, gr. L. 0.20 m, h. 0.40 ui, t. 0.14 m. Gute Schrift derselben Zeit
auch auf glatten Streifen, darüber ein fein gerauhter Streifen, darunter ebenfalls rauh.
H. 0.016 m. AEMI.
leNOTIMA.
iVlle drei Denkmäler von sehr guter Ausführung und wohl sicher der arkadischen
Zeit angehörig (vgl. B. Niese im Genethliakon für Carl Robert 1910, I2ff.).
F. V. H.
Phil-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. IV.
OPXOMEN
ARKADIE
und die duvxeXoOöa
Abb. 4.
Abkürzungen. Moderne Ortsnamen: ■'At(cixaaoc). By(tina). Ah(mitcana). KA(AnAKi). Kap(ytaina)
Ae(BiAiON). MA(ro^AiANA). Ne(MiTCA). nY(prAKi). '"Po(yci). Tpin(oAic). Xü)(toyca).
Chausseen.
Orchomenos mit Methydrion, Thisoa und Theuthis. Kaphyai.
Von H. Lattermann.
Das arkadische Orchomenos war noch nicht so untersucht worden,
wie es seiner Bedeutung zukam, und eine zeichnerische Aufnahme, ohne
die über die Aussichten einer Grabung nicht gut entschieden werden kann,
fehlte noch völlig. Die Aufnahme, die ich im Juni 1 9 1 o innerhalb 8 Tagen
F. Hiller von Gaertringen u. H. Lattermann: Arkad. Forschungen. 19
mit Bandmaß und Bussole anfertigte, galt vor allem der älteren Ansied-
lung auf dem Kamm des 936 m hohen Berges, der sich in beherrschender
Lage an der großen SN-Straße von Sparta über Tegea und Mantinea nach
Stymphalos und dem Isthmus etwa 300 m über den Ebenen erhebt. Schon
Pausanias sah von dieser Stadt nur mehr Trümmer; damals wurden die
sanften Hänge im S und SW, unterhalb des alten Mauerringes, bewohnt,
wo noch mannigfache Reste von Gebäuden in Kalkstein und Marmor zu
bemerken sind, zwischen den Dörfern KaahAki im S und 'Poyci im W.
Darüber hinaus umfaßt die Aufnahme einen Teil der nördlichen Ebene
und die ganze südliche bis zu ihrem jetzigen Hauptort AesiAiON und dem
niedrigen Grenzgebirge gegen die Mantinike, der Anchisia, an deren nörd-
lichem Fuß, auch den Mantineern heilig, der Bezirk der Artemis Hymnia
lag; ein großes Scherbenfeld in der Nachbarschaft scheint zu erweisen,
daß hier (nicht bei Agbiaion, wie meist vermutet wird) der Ort P^lymia
gelegen habe, den Xenophon in der Erzählung des Zuges des Lykomedes
von Mantinea gegen Orchomenos erwähnt (Hell. VI 5, 13). Die nördliche
Ebene, etwa 10 m niedriger als die südliche, war schon zu Pausanias'
Zeit versumpft und trocknet auch heutzutage, von einem kräftigen Wasser-
lauf abgesehen, der sich in eine Katavothre ergießt, erst Ende Juni aus;
dann bietet sie allerdings dem Maisbau einen günstigen Boden. Von
dieser Ebene besaß Orchomenos nur die östliche Hälfte, in der sich die
Wege nach Pheneos und Stymphalos scheiden; die westliche Hälfte ge-
hörte der Stadt Kaphyai, die sich, geschützt durch den ihr Gebiet durch-
strömenden Fluß und einen starken Damm parallel zu diesem (nicht quer,
wie Gurt ins meint), der mächtigen Rivalin gegenüber selbständig zu halten
wußte. Die ganze Situation macht man sich am besten von dem Gipfel
des orchomenischen Burgberges klar, indem man die knappe und treffende
Periegese des Pausanias verfolgt; im übrigen eröffnet sich von dieser Stelle
aus, die ein mittelalterlicher Turm krönt, ein Panorama von stiller Er-
habenheit und Geschlossenheit ohnegleichen, bestimmt durch den Gegen-
satz der großen Ebenen und der sie rings umschließenden majestätischen
Gebirgszüge. \
Die Formation des Burgberges ist auf den bisherigen Karten nicht
richtig gezeichnet; er öffnet sich mit einem ganz leichten Bogen nach 0,
und dieser Sichelform paßt sich der Mauerring an, eine einheitliche An-
lage aus der Zeit des Epaminondas, die allerdings manche spätere Aus-
20 F. Hiller von Gaertringen und H. Latter mann:
flickung aufweist. An Türmen sind noch gegen 30 zu erkennen, zum
Teil in mehreren Lagen; die Kurtinen sind weit schlechter erhalten. Tore
scheinen nur zwei vorhanden gewesen zu sein, eines an der SO-Ecke, von
wo man auf dem kürzesten Wege zu der Quelle unterhalb Kalpaki hinab-
steigt, und das andere in der Mitte der W- Seite oberhalb der Brücke,
die den Burgberg mit dem etwas höheren "A. 'Haiac verbindet, auch dies
in der Nähe einer Quelle. Das Innere ist, namentlich in der südlichen
Hälfte, erfüllt von Terrassenmauern verschiedener Zeit, deren keine mit
Sicherheit als so altertümlich zu bezeichnen ist, daß sie als Rest einer
älteren Befestigung in Anspruch genommen werden könnte; anderseits
lehren Mauern in guter Quadertechnik und Vasenscherben, daß man hier
oben bis tief in die hellenistische Zeit hinein wohnte.
Von erheblicher Bedeutung dürfte es sein, namentlich für die Frage,
ob sich Ausgrabungen lohnen, daß sich die Stätte der alten Agora sicher
nachweisen läßt; es ist ein dreieckiges Plateau mit der Spitze nach S,
hier von gut erhaltenen Terrassenmauern getragen, mit Säulenhallen und
Zisternen. An dieser Stelle ist im Jahre 1 906 die wichtige Dialekturkunde
über einen Synoikismos der Städte Orchomenos und Euaimon gefunden
worden, die A. v. Premerstein in den Athenischen Mitteilungen von 1909
veröffentlicht hat; eine Grabung an dieser Stelle dürfte sich lohnen und
u. a. durch die Auffindung weiterer offizieller Urkunden unsere Kenntnis
des arkadischen Dialekts erheblich fördern.
In den wechselvollen Kämpfen der hellenistischen Zeit war Orcho-
menos immer ein wichtiger Stützpunkt für strategische Operationen; Kleo-
menes, dann Antigonos Doson und Philipp V. hielten es mit Zähigkeit fest,
da sie wußten, daß sie von hier aus einen großen Teil des Peloponnes be-
herrschten. Dem beschriebenen Mauerring muß ein älterer vorausgegangen
sein, von dem sich keine sichere Spur mehr nachweisen läßt; aber aus Thu-
kydides (V 61) erfahren wir, daß Orchomenos wenigstens im Jahre 418 eine
Befestigung besaß, die freilich so schwach war, daß die Orchomenier ihre
Stadt ohne weiteres übergaben, als die Athener und Argeier anrückten. Die
Rivalität mit Mantinea drängte Orchomenos seit alters zum Anschluß an
Sparta, und es ist bezeichnend für dies Verhältnis, daß im sogenannten
zweiten messenischen Krieg die Messenier durch den Verrat des Königs
Aristokrates von Orchomenos unterlegen sein sollen. Im übrigen geht aus
dieser Erzählung hervor, daß das orchomenische Reich damals weit nach
Arkadische Forschungen. 21
SW hinül) ergriff. Nachdem aber nun im 5. Jahrhundert Mantinea und
kurz vor der Schlacht bei Leuktra auch Kletor um sich gegriffen hatten,
waren von diesen Besitzungen nur noch die CYNTeAo9cAi nÖAeic im mittleren
und südwestlichen Arkadien übriggeblieben — Pausanias (VIII 27, 4) nennt
Methydrion, Thisoa und Teuthis — , die der mächtigeren Stadt tribut-
pflichtig waren, bis die Gründung von Megalopolis, die von Mantinea im
Anfange eifrig unterstützt wurde, die Macht von Orchomenos brach und
die Bewohner der cYNTeAo9cAi nÖAeic zur Teilnahme an dem großen Synoi-
kismos zwang.
Kaphyai wahrte auch damals seine Selbständigkeit, was der Stadt ge-
wiß durch die Eifersucht von Megalopolis-Mantinea gegen Orchomenos er-
leichtert wurde. Übrigens war die Lage von Kaphyai, das z. B. Curtius
nicht besucht hat, umstritten: die einen setzten es im NW, die andern etwa
'/4 Stunde entfernt im SW der Ebene an. Tatsache ist, daß sich an der
erstgenannten Stelle die Reste eines Mauerringes mit Rundtürmen finden;
die Zeit dieser Befestigung dürfte etwas später sein als die des Mauer-
ringes von Orchomenos. Über das Stadtgebiet ist eine Fülle von Kalk-
stein- und Marmortrümmern, von Ziegel- und Vasenscherben verstreut, und
im W, am Fuße des Gebirges, entspringt die starke Quelle, von der Pau-
sanias berichtet. Im S wird daher der i Stadion von Kaphyai entfernte
Ort Kondylea zu suchen sein, bei einem niedrigen, isolierten Felsen von
etwa 150 Schritt Umfang, der auf seiner flachen W-Hälfte von starken
Mauern umwehrt ist, während die andere Hälfte noch einmal so hoch ist
(etwa 30 m) und zahlreiche Votivnischen aufweist. Höchstwahrscheinlich
war dieser merkwürdige Fels (Abb. 6) in das Heiligtum der Artemis von
Kondylea einbezogen. Dann wird man geneigt sein, das Heiligtum der
Artemis mit dem Beinamen »vom Berge Knakalos« in der entgegengesetzten
Richtung, in den niedrigen nördlichen Vorbergen zu suchen. Als ich von
Pheneos her auf ungewöhnlichem Wege nach Kaphyai ritt, bemerkte ich
unweit des Dorfes Kato-Agali, etwas oberhalb der Ebene, ^j^ Stunde von
der alten Stadt entfernt, ein sehr altertümliches rechteckiges Mauerwerk
von großen, roh bearbeiteten Steinen, daswielleicht mit dem genannten
Heiligtum in Verbindung zu bringen ist (Taf. VIII 3). In der Schlucht, die
zu dieser Stelle hinabführt, ist das Gestein von auffallend gelber Farbe,
was zu der Bedeutung des Namens Knakalos (knaköc = gelb wie der Saflor)
gut passen würde, während die Farbe des isolierten Felsens im S grau ist,
22 F. Hiller von Gtaert ringen und H. Lattermann:
wie gegenüber Curtius zu betonen ist. Die Reste bei Kato-Agali waren
bisher anscheinend unbekannt.
Die geringe Neigung der ziemlich breiten Ebene von Kaphyai nach 0
zwingt den von 0 her kommenden Fluß zur rechtwinkligen Umbiegung nach S,
der Katavothre zu (s. die Übersichtskarte S. 1 8), so daß die Ebene, wie mir
versichert wurde, auch heutzutage noch fast völlig von Überschwemmungen
verschont bleibt. Diese natürlichen Verhältnisse sind für die Erklärung der
Selbständigkeit und Bedeutung von Kaphyai neben Orchomenos von erheb-
licher Wichtigkeit. Sie erweisen auch in Verbindung mit der Lage der Stadt
und der Angabe des Pausanias, die Straße Orchomenos-Kaphyai sei dem öst-
lichen Rande des Burgberges gefolgt, daß diese dann an der engsten Stelle
Ebene und Fluß überschritten und weiterhin am nördlichen Rande der
Ebene sich hingezogen habe. — Auf dem Stadtgebiet von Kaphyai wurde
die archaische Bronzestatuette eines adorierenden Jünglings (Taf. XIII 2) ge-
funden; sie steht in der Gebundenheit der Haltung, der starken Betonung
der Arm- und Beinmuskulatur, der breiten Brust gegenüber schmalem Unter-
körper, der mangelhaften Gresichtsbildung, den sogenannten Apollines nahe.
Wenn Orchomenos nach Expansion strebte, so schoben ihm im 0 und
NO die hohen rauhen Gebirge, im NW Kaphyai mit seinem Fluß, im S Man-
tinea mit seiner reichen Ebene einen Riegel vor. Aber im SW lag hinter
dem waldreichen Mainalon ein ärmeres Land, erfüllt von Gebirgen mit tief
eingeschnittenen Flußtälern, das eine größere Ansiedlung von selbständiger
Bedeutung nicht aufkommen ließ. Hier, im Herzen Arkadiens, lag in looom
Höhe Methydrion, einigermaßen wichtig nur wegen seiner Lage. Wenn
es den Mantineern in ihrer alten Feindschaft gegen Sparta einmal gefiel,
einem spartanischen Heere den Durchzug durch ihre Ebene zu verwehren,
so stand diesem noch der freilich etwas beschwerlichere Umweg über Me-
thydrion offen; es konnte also Sparta nur erwünscht sein, wenn das ihm
zugeneigte Orchomenos auf diesen Platz, der die südnördliche Parallelstraße
beherrschte, seine starke Hand hielt. Ebenso günstig lag die Stadt an
der großen Straße, die ostwestlich den Peloponnes durchquerend, vom
Isthmus nach Olympia führte. Auch heutzutage wieder zieht sich eine
große Chaussee, die den jetzigen Hauptort Arkadiens, Tripolis, mit dem
Westen verbindet, unterhalb Methydrions vorbei.
Der Ort hatte seinen Namen von seiner Lage zwischen zwei kleinen
Flüssen, die im W und 0 den Fuß des Stadtberges bespülen und sich an
Arkadische Forschungen. 23
seinem N-Fuß vereinigen, nachdem der wasserreichere westliche noch eben
einen kräftigen Zufluß (Bach von Kopooiyaiä oder A^ci) aufgenommen hat;
die vereinigten Gewässer streben dann als Fluß von BytIna in engem Tale
nordwärts dem Ladon zu. So hat die Lage von Methydrion große Ähn-
lichkeit mit der unseres Münden an der Vereinigung von Werra und Fulda.
Die nördlichen und westlichen Hänge des Stadtberges über der Chaussee
und den Flüssen sind hoch und sehr steil, und von hier aus gesehen
konnte der Stadtberg, abgesehen von der absoluten Höhe, sehr wohl als
relativ hoch bezeichnet werden (vgl. Roß ii6). Sanfter sind die Hänge
im 0 und S. Hier sind denn auch noch Reste von starken Türmen und
Mauern zu erkennen, die dem 5. Jahrhundert v. (3hr. anzugehören scheinen;
denn da Methydrion bei der Gründung von Megalopolis zu einer einfachen
Kome dieses Bundesstaates herabsank, so ist nicht gut anzunehmen, daß
es danach noch eine Befestigung erhalten habe, es sei denn zur Zeit der
Tyrannis des Nearchos, vor etwa 234 v. Chr., der aber vielleicht nur die
älteren Mauern auszubessern brauchte. Die Technik der Mauern scheint
dem älteren Ansätze zu entsprechen. Die schon von Natur geschützten
Steilhänge sind vielleicht überhaupt nicht befestigt gewesen. Das Haupt-
tor hat offenbar im SO gelegen, wo ein Sattel zu einem Plateau mit dem
Namen rTAAAioNeMNiTCA hinüberleitet, vielleicht der Stätte des alten Schoinus.
Das Stadtgebiet von Methydrion selbst ist, abgesehen von felsigen Kuppen
im N, leidlich eben und heut mit Wein und Getreide bebaut. Scherben
von Ziegeln und gewöhnlicher Topfware liegen in Massen zu Tage.
Pausanias überliefert uns für die beiden Flüsse von Methydrion die
Namen Mylaon und Maloitas und erklärt, daß am Mylaon ein Tempel des
Poseidon Hippios gelegen habe; über dem Maloitas aber habe sich das
Thaumasiongebirge mit einer Grotte der Rhea erhoben. Tatsächlich sind
schon vor vielen Jahren 3 Minuten südlich der Stadt in Nähe des west-
lichen Flusses die Reste eines dorischen Tempels bemerkt worden, den die
Griech. Archäolog. Gesellschaft im Jahre 1858 oder 1859 (Frazer Paus.lV363)
auszugraben plante. Wenn dies der Poseidontempel war, so werden wir
den benachbarten Fluß den Mylaon nentien dürfen. Anderseits liegt
dann das Thaumasion im 0, jenseits des anderen Flusses, d. h. des Maloitas.
In der Tat berichtet die MeevAPiÄc (S. 78) von Papazapheiropulos, einem
Geistlichen aus Bytina, daß in dem waldreichen Höhenzuge, der östlich von
Methydrion dem Mainalon vorgelagert ist, sich eine schwer zugängliche Grotte
24 F. Hiller von Gaert ringen und H. Lattermann:
finde, die er für die der Rhea hält. — Angesichts des Rheakultes ist es
nicht verwunderlich, daß auch ihr Sohn Zeus, dessen Kultbeiname Hoplo-
smios für den Ort inschriftlich bezeugt ist, in Methydrion besondere Ver-
ehrung genoß. Das bestätigt auch die Bronzestatuette (Taf. XIII i), die
unmittelbar unter den Mauern der Stadt gefunden wurde und Zeus so dar-
stellt, wie er z. B. aus Olympia und Dodona bekannt ist, nur daß die Statuette
von Methydrion ein Beispiel roher Provinzialkunst ist. Vielleicht sind die
Trümmer eines Tempels inmitten des Stadtbezirks, von dem man nicht gut
sagen kann, er habe an dem einen oder andern Fluß gelegen, für den
Zeuskult in Anspruch zu nehmen.
Auf der vorher genannten Chaussee gelangt man in westlicher Rich-
tung ansteigend in 30 Minuten zu einer kleinen Erweiterung des Tales,
das der Bach Aeci durchfließt. Am westlichen Ausgang tritt eine steile
steinige Kuppe von N her dicht an das Bachbett heran; ihr gegenüber
sendet das MAAAPA-Gebirge (seinem Namen »das Kahlköpfige« widerspre-
chend) hohe bewaldete Vorberge zum Bach hinunter. An dieser engen
Stelle zweigt sich heute die Chaussee nach dem nordwestlich 1350 m hoch
gelegenen Mapo^aiana von der nach Ahmitcäna ab, und im Altertum müssen
sich hier die Straßen nach Olympia und Thelphusa getrennt haben. Nahe
diesem Dreiweg nun hatten schon frühere Reisende (Leake, Roß) in der
kleinen Ebene — TTeTPOBOYNi heißt heute die Flur — einen nach 0 orien-
tierten Tempel aus Kalkstein gesehen. Herr v. Hiller ließ diese Reste in
wenigen Tagen freilegen, und es ergaben sich die Fundamente eines templum
in antis hellenistischer Zeit, das aber einen älteren Bau ersetzte. Die Maße
sind 25X50 griechische Fuß zu 0,328 m. Ringsum kamen Fragmente von
Stirnziegeln mit plastischen Palmetten und von plastisch verzierten halbrunden
First- Akroterien zutage; ferner u. a. das Bruchstück eines mit einem Stab-
muster bemalten lesbischen Kymas, wohl von dem älteren Bau herrührend.
Für die Zuweisung des Tempels an eine bestimmte Gottheit gibt es
mehrere Anhaltspunkte. Zwei Minuten westlich des Tempels wurde dicht
am Bach, wo der Abfluß einer starken Quelle sich ergießt, die merk-
würdige Bronzegruppe (Taf. XIII 3) gefunden: auf einer Basis vier widder-
artige aufrechte Gestalten, die eng verbunden im Kreise tanzen. Der Gott,
dem zu Ehren die Gestalten tanzen, kann nur Hermes sein, der uralte
arkadische Widdergott. Aber Hermes ist auch der Wegegott, und recht
eigentlich als dieser wird er hier am Dreiweg verehrt worden sein. Da-
Arkadische Forschungen. 25
fiär spricht außer der Örtlichkeit selbst die hübsche Geschichte Theopomps,
die uns bei Porphyrios erhalten ist (De abstin. 11 16): Ein reicher Bürger
von Magnesia in Kleinasien reist nach Delphi und hofft, das Orakel werde
seine opferwillige Götterverehrung des höchsten Lobes wert erachten; aber
das Orakel rät ihm, zu Klearch von Methydrion in die Schule zu gehen,
der trotz beschränkter Mittel auf das gewissenhafteste und uneigennützigste
den Göttern seinen Tribut darbringt; so auch dem Hermes und der Hekate,
— Offenbar war diesen Wegegottheiten unser Tempel geweiht.
Wir verfolgen weiter die Straße nach Demitsana über grüne Matten
und durch prächtig bewaldete Schluchten. Plötzlich öffnet sich von einer
hohen Straßenkehre aus der Ausblick in eine geräumige Ebene, KÄwnoc
Ahmitcänac genannt. Tief unten treibt ein Waldbach eine Mühle (von
Kapkaaoy), jenseits aber springt mit schmalem Kamm ein hoher steiler
Berg gebietend in die Ebene hinein: es wäre verwunderlich, wenn sich
auf und hinter diesem Berge, der den Paß und die fruchtbare Ebene be-
herrscht, keine alte Ansiedelung fände. Und doch sind so hervorragende
Beobachter wie Leake, Roß, Curtius ahnungslos daran vorübergeritten.
Oben aber haben sich in etwa 1050 m Höhe ansehnliche Reste einer ziem-
lich alten Befestigung erhalten mit starken Türmen und einem über eine
Rampe und eine Treppe zugänglichen Tor. Die NS- Achse der Befestigung
mißt allerdings nur 1 60 m ; diese kann also nur eine Akropolis umschlossen
haben, an die auf den rückwärtigen flachen Hängen sich eine offene An-
siedelung angelehnt haben wird; hier ist denn auch einmal von einem
Priester aus Demitsana ein viereckiges Gebäudefundament freigelegt worden.
Schon die französische Kommission hat auf ihrer Karte die Ruinen mit
dem alten Thisoa (nicht zu verwechseln mit Thisoa am Lykaion) identi-
fiziert. Rangabe (Excursion en Arcadie 348) hat sich ihr angeschlossen,
zweifellos mit Recht. Denn nach Pausanias (VIII 28) war dies Thisoa
dem Gebiet von Methydrion benachbart — bei Petrobuni mag die Grenze
gewesen sein — und anderseits lagen nach demselben die Quellen des
Gortynios-Lusios im Gebiete von Thisoa; dieser Fluß aber ist fraglos der-
jenige, dessen stärkste Quellen im nördlichen Teil der Ebene hegen und
der weiterhin an Demitsana und dem alten Gortys vorüber dem Alpheios
zuströmt, einer der schönsten Gebirgsflüsse Arkadiens.
So werden wir denn auch Teuthis nicht wie Leake und Roß jen-
seits der Wasserscheide von Lusios-Gortynios und Tuthoa, im Machtbereich
Phil -hüt. Klasse. 1911. Anhang. Abh. IV. ^
26 F. Hiller von Gaertringen und H. Lattermann:
von Tlielphusa, ansetzen, sondern weiter unterhalb im Tale des Gortynios,
an der Stelle von Demitsana. Hier ist auf jähem Felsjoch über dem Flusse,
mitten zwischen den heutigen Häusern, ein Stück kyklopischer Mauer er-
halten, ein Zeuge des hohen Alters, das Teuthis zugeschrieben wird. Da-
neben fehlt es auch nicht an hoch erhaltenen Resten einer jüngeren Be-
festigung, die vielleicht erst aus den späteren Jahren des achäischen Bundes
(194 — 146 V. Chr.) stammt, als Methydrion, Thisoa und Teuthis für kurze
Zeit ihre Selbständigkeit wiedererlangt hatten.
Bemerkungen zu den Plänen und Abbildungen.
Ich beanspruche nicht, eine Geschichte der fünf Orte zu geben, sondern nur Er-
läuterungen zu meinen Aufnahmen, die im übrigen selber sprechen müssen. Auch enthalte
ich mich im allgemeinen des Versuches, die Mauerreste zeitlich festzulegen, da ich mir bewußt
bin, daß dem eine sorgfältige Aufnahme aller wesentlichen Mauerreste Arkadiens und des
ganzen Peloponnes voraufgehen müßte; schließlich durfte auch die Beschreibung der zahl-
reichen Terrassenmauern von Orchomenos im Rahmen dieses Berichtes nicht zu sehr ins
einzelne gehen.
Abkürzungen auf den Plänen : Br := Bronzefundstelle, M = Mauer, Seh = Scherben,
T =: Tempel.
Bei der schon (S. 6) gedachten Förderung unseres Werkes handelt es sicli vor allem
um die Projektkarten der (inzwischen ausgeführten) Chaussee "AaconIctaina (i 130 m)-KAPKAAOY,
an der Methydrion, der von uns ausgegrabene Tempel in der Flur TTeTPOBOYNi und
Thisoa liegen. Die Karten sind im Jahre 1889 von einer »Mission frangalse des ponts et
chaussees« im Maßstabe i : 2000 aufgenommen worden und geben in Schiclitlinien von 2
zu 2 m das Gelände zu selten der projektierten Chausseetrasse, soweit es der praktische
Zweck gebot. Ich kopierte die in Betracht konunenden Abschnitte nach der Rückkehr
von der Reise in Tripolis. - — Ferner nahm ich Einsicht in eine von griechischen Be-
amten angefertigte Projektkarte der Chaussee nach AeBlAiON, die beim Chani TTaatca von
der Chaussee TpinoAlc-KAKOYPi abzweigt. Diese Karte hat vor der französischen den Vor-
zug, daß sie die modernen Namen aller Berge, Fluren, Bäche, Kirchen usw. verzeichnet,
die an der geplanten Trasse liegen oder von ilir geschnitten werden. Es dürfte sich lohnen,
Teile solcher Karten mit archäologisch-spracldichem Kommentar zu veröffentlichen.
Orchomenos und Kaphyai.
S ituationsjjlan (Taf. I).
Als Basis für meine Aufnahme mit der Diopterbussole entnahm ich der französischen
Karte die Entfernung zwischen dem Turm auf dem Burgberg und dem südöstlich davon
auf dem Trachy. Die Schichtlinien sind zum Teil der Karte von Phil ijjpson entnommen,
zum Teil beruhen sie auf eigenen Peilungen, Skizzen und Photographien; besonders gilt
dies für den Burgberg und die westlich anstoßenden Höhen. Die hellste braune Fläche
Arkadische Forschungen. 27
hat die Höhe von 650 — 700111; Flächen unter 650111 shid, weil im wesentlichen eben, <rrnn
getönt. — Die bisherigen Karten lassen die belicrrschende Lage des Burgberges zwischen
den Ebenen kaum erkennen; die nach O offene Sichelforin seiner Kuppe, die weit nach
N vorgeschobene Spitze, die Einbuchtung der nördlichen p:i)ene unterhalb Rhusi kouunen
nicht zum Ausdruck.
Die Legende des antiken Planes (in Steinschrift) soll zunächst eine Erläuterung zu
Pausanias sein; außerdem verzeichnet sie alle antiken Reste, die ich selbst gesehen habe.
Mittelalterliches ist durch linksgeneigte, Modernes durcii rechtsgeneigte Kursive ge-
kennzeichnet.
Die Reste außerhall) der Ringmauer — über deren Verlauf, namentlich im NW,
allerdings bisher keine Klarheit herrschte — werden großenteils schon von früheren Rei-
senden erwähnt, bedurften aber noch der Lokalisierung in einem Plane. Sehr merkwürdig
ist nun, daß zwei wichtige Tempelruinen am W-Abhange des Burgberges bisher nicht l)e-
kannt geworden sind. "A. Ta3EIapxhc heißen die Trümmer eines Teinpelchens von 4.85 X 7.28 m
(Verhältnis 3 : 4) mit dem Eingaug wohl von W. Die Ecken sind nocii leidlich gut
erhalten, besonders die SW-Ecke, wo fünf Schichten regelmäßiger Kalksteinquadern mit
leicht gebauchten Stirnflächen in situ liegen (Höhe 1.28 m, Schichthöhen von unten nach
oben 27.5, 25.5, 27, 26, 22 cm); Quaderlänge 97, -breite 47 cm; Mauerstärke 72 cm.
Vier Minuten nördlich liegt ein ähnlicher Tempelrest von 4.80 X 6.78 in, sicher von W
zugänglich. Am l)esten erhalten ist seine NW-Ecke, wo auf regelmäßig geschnittenen
Orthostaten von 64 cm Höhe eine Quaderschicht von 36 cm ruht (Mauerstärke 85 cm).
Beide Tempelruinen liegen an einein Wege, der auch im Altertum als kürzeste und
bequemste Verbindung der beiden Ebenen nächst dem Wege durch die Charadra seine
Bedeutung gehabt haben muß. Anderseits macht die Lage der Tempel, ihre Orien-
tierung und ihre Kleinheit wenig wahrscheinlich, daß sie den Hau])tgottheiten Poseidon
und Aphrodite geweiht waren. Vielleicht darf man an Pan (der auch auf Münzen vor-
kommt) und Hekate denken. Von den sonstigen Resten sei hervorgehoben die Kalk-
steinmauer westlich von Kalpaki, in deren Nähe einige große, anscheinend unfertige Marmor-
quadern (1.09X1.11X0.31111 [Höhe]) liegen. Bei der Kirche von Kalpaki liegen noch zwei
der \o\\ I) od well ausgegrabenen Kajiitelle, bis zur Unkenntlichkeit zerschlagen; in der
Kirche selbst liegen vor dem Ikonostasion drei Marinorbalken, darunter ein Türsturz von
1.50111 Länge. — Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Kapellenruine '"Ä. ''Iuannhc im
südöstlichen Winkel der oberen Ebene großenteils aus Werkstücken eines ansehnlichen Kalk-
steintempels besteht; u. a. fällt eine Hängeplatte auf, die mit der Auflagerfläche für das
Gebälk nach vorn gekehrt ist und 1.83x0.69X0.23 (Höhe) mißt. Die Scherben, die bis
zur TTANAriA den Boden bedecken, rühren meist von Ziegeln her; doch sah ich auch mehrere
Webegewichte. Die TTANAriA selbst zeigt, soweit sie nicht getüncht ist, eine ganze Reihe
großer Marmorcpiadern, die mit byzantinischen Ornamenten überzogen sind.
Die Ortschaft Elymia wird von Leake und Kiepert unterhalb Lebidion am westlichen
Wege nach Orchomenos angesetzt; dort hat ersterer Ruinen verschiedener Gebäude aus
Quadern gesehen. Ich konnte davon nichts mehr fi'Wden; doch mag an jener Stelle ein Ort
gelegen haben, vielleicht die aus dem Synoikievertrage bekannte Gemeinde der Euaimnier.
Aber Elymia ist nach Xenophons Erzählung an der Straße nach Mantinea zu suchen, und
das Scherbenfeld weist ja darauf hin, daß dort eine antike Ortschaft gelegen hat; den Be-
wohnern lag wohl zugleich die Bewachung des hochheiligen Artemistempels ob.
28
F. HiLLEK VON Gaertringen und H. Lattermann:
Burgplan (Taf. II).
Die Schichtlinien im Abstände von lo zu lo m sind nur schätzungsweise eingetragen
und beanspruchen keine Genauigkeit. — Das hochstehende Getreide (Gerste und Weizen),
besonders westlich und iin südlichen Flügel der Ringmauer, mit dessen Einernten während
meiner Anwesenheit (20. — 27. Juni) erst gerade begonnen wurde, erschwerte sehr das Auf-
finden und Vermessen niedriger Reste; es ist daher möglich, daß mir ein paar unscheinbare,
zusammenhangslose Reste entgangen sind.
Die Ringmauer paßt sich im allgemeinen der Sichelform des Berges an; im S, wo
der Abhang sanfter ist, geht sie tiefer hinunter und ladet breiter aus, im N, wo der Berg
rauher und steiler ist, steigt sie höher hinauf und schließt sich enger zusammen. Dadurch
entstehen zwei Flügel mit verschieden gerichteten Längsachsen, die zusannnen rimd 900 m
messen, während die Flügelbreite im N rund 200, im S rund 250 m beträgt. Im W sind
die beiden Mauerstrecken ziemlich gradlinig geführt; eine weniger regelmäßige Linienfülu'ung
war im 0 durch zwei Rhcvmata geboten, ein tieferes im S und ein flacheres im N, zwischen
denen sich die Mauer, gerade gegenüber dem W-Tor, etwas ausbaucht. Insgesamt beträgt
der (ebene) Flächeninlialt der Befestigung rund 20 ha.
Die Türme, die auf dem Plan nur gezählt sind, soweit sie sich noch nachweisen
lassen, waren ziemlich regelmäßig auf die Mauer verteilt; sie sind viereckig, springen im
allgemeinen etwa 4 m vor die Kurtinen vor und haben meist eine Frontlänge von etwa
6.50 m (Turm i mißt 9 m); ihre Mauern sind nur i m stark. Probeansichten siehe Taf. VII i. 2;
ich habe die meisten Türme, die in mehreren Lagen erhalten sind, photographiert.
Die Kurt inen sind im S, wo der leichtere Zugang eine größere Sicherung erforderte,
am kürzesten mit etwa 30 m ; sonst erreichen sie bis zu 50 m. Die Mauerstärke läßt sich
nur für Teile der inneren Zweigmauer im N auf 2,42 m angeben; sonst liegt Erdreich hinter
den niedrigen Resten, und zweifellos hatten die Mauern in ihren unteren Schichten teilweise
die Funktion von Terrassemnauern. Die Bedeutung der eben erwähnten Innenmauer ist
nicht ganz klar; höchstwahrscheinlich ist sie jünger als die Ringmauer, und vielleicht stand
sie mit den (jetzt nur wenig über den Boden ragenden) Stücken 33 und 34 in Verbindimg.
Im Innern ist die bemerkenswerteste Anlage die alte, von Pausanias genannte ÄroPA,
deren Platz bisher nicht erkannt worden war. Sie war im südlichen Flügel auf einem
kleinen Plateau angelegt, das ungefähr ein gleichschenkliges Dreieck mit der Spitze nach
S und einem Lot von 120 m bildet. Gegen N und O war sie von Säulenhallen begrenzt,
deren Fundamente aus schönen, beinahe regelmäßigen Kalksteinquadern zum Teil bis zu
5 Schichten = 1.70 m (Ostfront von c) erhalten sind; d mißt 43.68 X 10.60 m. Im S wird
das Plateau von den gut erhaltenen Stützmauern e — g mnschlossen (Probe siehe Taf. VII 4).
Mehrere Zisternen (C) innerhalb des Dreiecks öder in der Nähe weisen auch darauf hin,
daß hier der Mittelpunkt der älteren Stadt zu suchen ist. — Die übrigen Mauern sind in
der großen Mehrzahl als Terrassenmauern zu deuten, keine mit Sicherheit als der Rest
einer älteren Befestigung; sie zeigen meist die Technik von e — ff, niu" selten sind kleine
Stücke regehnäßigen Quadermauerwerks, In dem Stück bei C^ mündet die Zisterne mitten
in der Mauer. — Der nördliche Flügel ist ärmer an bemerkenswerten Resten. Über den
Rechtecken a und h erhoben sich offenbar Tempel, a mißt 5.75 X n m und weist neben
großen Orthostaten kleinere polygonale Blöcke auf; b ist mehr zerstört, mißt 5.70 x 7.62 m
und hat 1.05 m starke Mauern aus großen Polygonen.
Arkadische Forschungen.
29
Zum Schutze der jüngeren Stadt wurde offenbar die mindestens 250 m lange Flügel-
mauer angelegt, die von Turm i fast geradlinig nach S läuft; die Reste erheben sich nur
wenig über den Erdboden.
Ansichten der Türme 26 und 28 (Taf. VII 1.2).
Nr. 28: Frontlänge 7.07 m, größte erhaltene Höhe 2.40 m; zu beachten ist, daß die
unterste Lagerfuge fast horizontal durchgeht; Schichthöhe bis zu 0.74 m; größte Steinlänge
(2. Schicht) 1.84 m. — Nr. 26: Frontlänge 6.62 m; zu beachten ist, daß die Lagerfugen nicht
genau horizontal laufen und daß die 4. Schicht verhältnismäßig sehr flach ist. — Beide Türme,
typisch für alle übrigen, zeigen dasselbe Prinzip horizontaler Schichtung, das sie mehr oder
weniger häufig durchbrechen, aber immer wieder anstreben und durchführen; sie gehören
fraglos derselben Zeit an.
M a u e r p r o b e (Taf. VII 3) .
Zwischen den Türmen 27 und 28. — Das einzige gut erhaltene Stück einer Kurtine,
offenbar aber eine wenig sorgfältige Ausbesserung. Andere Kurtinenreste weisen in den
untersten Schichten zum Teil sehr große Steine auf.
Stützmauer der ÄroPA (Taf. VII 4).
Stück / des Planes. Größte Höhe 2.80 m. Sehr sorgfältiges Polygonalmauerwerk.
Archaischer Marmortorso (Taf. VIII 2 u. Abb. 5).
Gefunden am 17. Juni 191 1 in der Ebene am SW-Rande des Burgberges (siehe den
Situationsplan) ; der zugehörige Kopf soll heimlich beiseite geschafft worden sein. Der Torso
wurde auf meine Veranlassimg nach Lebidion in das Kaphenion des Bürgermeisters Zfic
gebracht imd soll später dem Nationalmuseiun zu Athen über-
wiesen werden. Das rätselhafte Gebilde kann hier nur vor-
gelegt werden; eine ausführliche Besprechung muß vorbehalten
bleiben. Das Profil mißt in der Senkreciiten etwa i.io m.
Am Hals und am Beinstumpf ist Bruch, sonst ist nur die Ober-
fläche etwas korrodiert. Geschlechtsmerkmale fehlen.
Ansicht des Burgberges (Taf. VI i).
Aufgenonunen von dem Piuikte, wo der Weg von der
Quelle bei Kalpaki nach Lebidion den Bach schneidet. Der
südliche Abhang des Berges mit Kalpaki zeichnet sich also im
Profil ab; unterhalb des Dorfes kommt hinter dem Profil die
stumpfe Kuppe des östlichen Vorhügels zum Vorschein. Rechts
der rauhe Abhang des Trachy. Über den Sattel der hohen
Berge im Hintergrunde gelangt man nach Pheneos. Im Westen
leitet der langgestreckte Rücken zum '"'A. ^Haiac hinüber.
Abb. 5. Profil des archaischen
Torsos von Orchomenos.
30
F. Hiller von Gaertringen und H. Lattermann:
Ansicht der südlichen Ebene (Taf. VI 2).
Aufgenommen vom westlichen Ende des Dorfes Kalpaki aus. Links der Abhang des
Tracliy, lun den sich die Straße nach Mantinca zieht; der weiße Fleck am Fuße des Berges
ist die Stelle des ccopöc. Weiter rechts steigt hinter dem Trachy die Anchisia, das Grenz-
gebirge gegen die Mantinike, auf; ihm schließen sich die Vorbei-ge des Mainalon an, die die
El)ene von Mantinea und eine schmale höhere Vorel)(Mie (mit der Chaussee nach Lebidion)
scheiden. Das große Dorf Lebidion liegt mehr als 200 m über der P]bene am Fuße des
Mainalon, dessen majestätische Gipfel das übrige Bild beherrschen.
Ansicht der engen Stelle in der nördlichen Ebene (Taf. VIII 1).
Aufgenommen am 11. Juni. Die Ebene ist hier nur etwa 800 m breit. Das über-
getretene Wasser, das die Ebene im 0 und im W bis ah die Schwelle der kaphyatischen
Ebene anfüllte, fing erst Ende Juni an auszutrocknen. An dieser Stelle muß die Straße
nach Kajjhyai auf einem Danune die Ebene überquert haben.
Blick auf den Südrand der Ebene von Kaphyai (von NO, Abb. 6).
Der dimkle Höhenrücken links gehört zu der Kette, die sich nordwestlich an den
Burgberg von Orchomenos anschließt und eine schnude, zieirdich rauhe Ebene unterhalb des
Abb. 6.
Mainalon von der großen Ebene scheidet. Der im Bilde sichtbare Zugang zu dieser (im
Hintergrunde auf halber Höhe MnezeN?KOC ' wird westlich durch das nordwärts streichende
KACTANlA-Gebirge begrenzt, unterhalb dessen sich im W die fruchtbare Ebene von Aapa
(»Nasoi«) mit dem Tragos ausdehnt. — Von dem dunklen Hintergrunde hebt sich scharf
der niedrige, im vermittelt aus der Ebene aufragende Fels ab (vgl. den Bericht S. 2 1 f.), der
nur ohne klare Anschauung und ohne Kenntnis der Ringmauer im nordwestlichen Winkel
der Ebene für die Akropolis von Kaphyai ausgegeben werden konnte. Seine starke Be-
1 Hier vereinigten sich nach Leake III 117 f. die Grenzen von Kaphyai, Orchomenos
und Methydrion (Megalopolis).
Arkadische Forschungen. 31
festigung widerstreitet nicht der Annahme eines Heiligtumes, kann aber aucli damit erklärt
werden, daß er gerade dem südlichen Zugang zu der kaphyatischen Ebene vorgelagert ist.
— Auf der Karte der Expedition de Moree steht hei dem Felsen das Höhenmaß 643 m.
Antike Reste hei Katw "Ataab (Taf. VIII3); Tempel der Artemis Kondyleatis ?
5X7 Schritt, Eingang im W (vorn auf dei' Photographie). Davor der moderne Dorf-
kirchhof. In unmittelbarer Nähe der Weg von "Anw "ArAAH (20 Min.) nach Katw "Apaam
(2 Min.), längs dessen noch eine Menge großer, zum Teil wohlbearbeiteter Blöcke in den
Mandren stecken. Hr. Frickenhaus deutet die Reste auf einen antiken Wartturm; für
die Entscheidung der Frage wäre es wichtig, das Alter der Steineichen zu ermitteln, die
ein Wartturm nicht geduldet hätte.
Bevölkerungszahlen der genannten Orte nach der Zählung vom 27. Oktoher 1907
(amtHche Schreibungen): ahmoc 'OpxoMeNOY: AesiAiON (Vorort) 2528, KanaPiaa 1445, Kaa-
nÄKi 77, AAnezeNiKOC 703, Toyci 55; ahmoc Nacwn: Aapa (Vorort) 1207, "Anw "ArAAH 137,
Katw "ArAAM 316, Xwtoyca 294.
Methydrion mit Petrobuni.
Plan von Methydrion (Taf HI).
Für die Darstellung der tief eingeschnittenen Bachtäler war die Karte des Chaussee-
projekts von großem Wert; hesonders ist gegenüber den bisherigen Karten des Peloponnes
darauf aufmerksam zu machen, daß der Fluß von Kop<t)OiYAlA (Aeci) sich in den Fluß von
HYPrAKl ergießt, nicht in den von Bytina, der aus der Vereinigung der Flüsse von TTYPrAKi
und von NeMNiTCA entsteht. Die Projektkarte lieferte auch die Höhenmaße für die Steil-
hänge des Stadtgebietes im N und W.
Trotz der starken Zerstörung der Mauern kann über den Umfang des Stadtgebietes
kein Zweifel sein ; es ist, von den felsigen Ku])pen im NW abgesehen, ein leicht geneigtes
Plateau von ungefähr 1 1 ha Inhalt, das sich auch im O und S mit scharfen Rändern von
den flachen Mulden der Rhevmata abhebt. Die von Natur schwächste Stelle, die SO-Ecke,
läßt auch heute noch erkennen, daß sie besonders stark befestigt war. Der dort teilweise
erhaltene Turm mißt 6.38 X 4.30 m und ist aus großen unregelmäßigen, an der Stirn sorg-
fältig behauen en Kalksteinblöcken aufgeschichtet; die Mauerstärke beträgt (wie auch die
der westlichen anstoßenden Mauer) 1.15 m; das Innere ist mit kleineren Steinen ausgefüllt.
Nördlich des Turmes ist ein Mauerstück noch 6 Schichten hoch erhalten. Der Mauerrest
an der NO-Ecke, dessen Front nach W zeigt (6 polygonale, sorgfältig bearbeitete Blöcke
in einer Schicht, 5.91 m) muß auch von einem Turm herrühren.
Jnnerhalb der Befestigung sind nur noch zu\ erkennen: i. ein mächtiger Trünnner-
haufen von Kalksteinquadern und Ziegeln .'TTANAriA«, die Stätte eines großen Tempels, und
2. eine nur wenig über den Boden ragende Mauerecke »TTaaati« (4.10 x 1.02 m) von schönen
kleinen Kalksteinquadern; südlich davon liegt noch eine vereinzelte Muschelkalksteinquader.
Die Nekropole der Stadt liegt nach Aussage von Bauern wenige Minuten südwestlich
der Stadt an einem kleinen Bache links des Weges nach Pyrgaki.
32 F. Hiller von Gaertringen und H. Lattermann:
Mauerprobe (Taf, XI i).
Südmauer, Außenseite, Ph des Planes. Dasselbe Stück gibt in Zeichnung: Gell,
Probestücke von Städtemauern, 1831, XII. Die Mauer ist hier 1.60 m dick und zeigt außen
und innen Wangen von sehr sorgfältig gefügten großen Polygonen mit kräftiger Rustika;
das Innere ist mit kleinen Steinen ausgefüllt.
Flur Petrobuni.
a) Plan (Taf. IV). Die Karte des Chausseeprojekts (nur für die Hauptchaussee Bytina-
Ahmitcana und AArKAAiA) habe ich benutzt, jedoch die Chaussee so eingezeichnet, wie sie, mit
geringen Abweichungen von dem Projekt, nach meiner Aufnahme tatsächlich geführt worden
ist; das Projekt zählt ungefähr 100 m östlich des jetzigen Kilometersteines 44 das 43. Kilometer.
Die Entfernung von dem Chani unterhalb Methydrions bis zum Kilometerstein beträgt auf
der Chaussee rund 3 km. Bevor die Chaussee angelegt worden war, führte die Straße zwischen
der modernen Kirche und der Tempelruine hindurch (vgl. Roß, 116).
Die Erstreckung der kleinen, mühsam bestellten Talerweiterung beträgt in der 0-W-
Achse ungefähr 0.750 km. Der Bergrücken im N ist kahl; der steile, steinige Berg nördlich
der großen Chausseebrücke, der wie ein riesiges Hermaion annmtet, hat der Flur den
Namen gegeben. Dagegen sind die Hügel und Hänge im S, die Ausläufer jles Madarä-
gebirges, wasserreich und mit Tannen bestanden. — Nach Maguliana braucht man von der
Straßengabelung aus etwa i Stunde. — Leake (II 59) traf auf dem Wege nach Demitsana,
eine knappe Viertelstunde hinter dem Tempel, auf antike Wagenspuren im Felsen.
b) Panoramen (Taf. IX). Nr. i ist wenig oberhalb des Kilometersteines 44 auf-
genommen. Die Kirche ist rechts durch die dunkle Baumgruppe beinahe vollständig ver-
deckt. Links davon ist die Ausgrabungsstätte mit dem vereinzelten Ölbaum innerhalb des
Tempelfundamentes. Unterhalb der steinigen Kuppe gewahrt man die Brücke der Chaussee
nach Maguliana; das Dorf selbst liegt hoch oben im Winkel zwischen der Kuppe und der
Bergkette im Hintergrund.
Nr. 2 ist von der Chausseebrücke über den Bach Aeci (Fluß von Kop*0£Yaia) aus
aufgenommen. Man sieht im Mittelpunkt die Kirche der TTANAriA imd rechts davon die Aus-
grabungsstätte. Links hinten treten eine höhere Kette von N und eine niedrigere von S
(hinter der Methydrion liegt) dicht zusammen; dazwischen winden sich Bach und Chaussee
hindurch. Den fernen Hintergrund bildet das hohe waldreiche Mainalon, dem rechts des
Passes das Thaumasion vorgelagert ist; über den Paß gelangt man nach Alonistäna.
Tempel von Petrobuni.
Plan (Abb. 7) und Ansichten (Taf. X) des Ausgrabungsbefundes; rekonstruierter
Grundriß (Abb. 8). — Die erste Kimde von dem Tempel gibt Leake (Morea II 57). Zu
seiner Zeit stand noch ein Teil der Cellawände aufrecht; am besten erhalten war die SW-
Ecke. Identisch mit dem Tempel ist das »große Fundament eines hellenischen Gebäudes
mit umher zerstreuten alten Quadern«, bei den Bauern »t6 TTaaäti« genannt, das Roß S. 116
erwähnt, ohne auf Leake Bezug zu nehmen.
Ausgegraben Anfang Juni 19 10. Es fand sich ein ungefähr doppelt so langes wie
breites Fundamentrechteck nebst dem Fundament für eine Quermauer im 0; ferner an der
SW-Ecke das Fundament einer kleinen Basis. Eine im W genau unter rechtem Winkel
anstoßende Mauer aus kleinen Steinen ist wohl Rest einer antiken Terrassenmauer. Das
äußere Tempelfundament ist an der N- und 0-Seite zum Teil ausgebrochen; die NO-Ecke
Arkadische Forschungen.
33
-i:-150
OT 23456789 TOm
I"' I i I i I I ! I I I I i I i I I I i I =1
0 5 TO 15 2om
-1:500
Abb. 7.
I ^
50 F.
^6i. c>. 1 : 300. Rekonstruierter Grundriß des Tempels von Petrobuni.
ragt 0.5011) über die SO-Ecke hinaus, ansclieineiid ist sie verworfen. Die Breite des Fundaments
beträgt 1.20 — 1.30 m. Das Material ist grauer und dunkelblauer Kalkstein in buntem Wechsel,
wie aus der Zeichnung ersichtlich ist. Die Steine sind seitlich grob behauen; in der Front
liegen größere, dahinter kleinere, an der S-Seite ziemlich regelmäßig ein Binder neben einem
Läufer, hinter den kleinere Steine gepackt sind. In der Schicht kommen kleine Abtreppungen
von Stein zu Stein und auf dem Stein (an der SO-Ecke) vor; das Niveau der Zwischen-
Fkil.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. IV. 5
34 F. Hill ER von Gaertringen und H. Lattermann:
mauer liegt etwas über dem der Umfassungsmaiiei-n. Einige größere Steine weisen Stenun-
löcher (bis zu dreien) auf.
An der SW-Ecke hat sich ein Stück der Euthynteria erhalten. Sie ist 36 ein hoch
und auf 7.5 cm sorgfältig senkrecht abgefast. Der Eckstein ist mit dem anstoßenden Stein
der W- Seite durch eine schmale I I-förmige Klammer (Länge 26 cm), die noch in ihrem
Bleiverguß ruht, verbunden; nach der andern Seite hin ist nur noch das Loch für eine
solche Klammer im Eckstein erhalten, im Nachbarstein aber ausgebrochen. Die beiden
erstgenannten Steine haben je ein mit Blei vergossenes Dübelloch nebst seinem Gußkanal.
Die Fugen dieser Schicht sind sorgfältiger aneinandergepaßt. Doch ist zweifellos, daß die
Euthyntei'ia, wenigstens an dieser Seite, nicht sichtbar gewesen sein kann. Das geht aus
der Verwendung beider Kalksteinsorten und besonders daraus hervor, daß der 3. vStein der
S-Seite vorn eine leichte Abtrejipung zeigt, über der der Stein der nächsten Schicht hohl lag.
Zugleich lehrt aber diese Abtreppimg, daß der Stein von einem älteren Bau herrühren
muß. Zu ihm gesellt sich dann der Fundamentstein der NO-Ecke, der neben Stemmloch
und Dübelloch das Loch für eine I — |-Klannner aufweist. Aus diesem Befund dürfen wir
schließen, daß der ältere Bau in guter griechischer Zeit errichtet woi'den war, während der
jüngere der hellenistischen Zeit entstammte. Letzterem ist das Abb. 12 S. 37 gezeichnete An-
themion zuzuschreiljen, das Firstakroter (Abb. 1 1 S. 36) dagegen wohl eher dem älteren Bau.
Von den Steinen des Aufbaus sind einige in die Kirche eingemauert, andere liegen
rings auf den Feldern oder in den Mandren. Bemerkenswert ist vor allem ein schöner
Orthostat mit abgefasten Rändern (Breite des Handschlages 2.6, Tiefe 0.7 cm); Breite 78.5,
Dicke 38 (vollst.), größte Höhe (oben gebrochen) 74 cm; unten und seitlich Anathyrosis.
Unter den einfachen Wandquadern ist besonders eine von 64.2 cm Dicke, die hinten ge-
brochen ist, hervorzuheben; sie band offenbar durch die ganze Dicke der Mauer durch.
Von den eingeschriebenen Haupt maßen des Tempels verringert sich für die Euthyn-
teria das der Längsseite um etwa 10 cm auf 16.40 m; in der Breitenrichtung darf man
entsprechend dem Vorsprung des Südfundaments mehr abziehen, imd zwar so viel, daß
sich die Hälfte des Längsmaßes ergibt: 8.20 m. Diese Maße führen dann genau auf den
Fuß von 0.328 m; seiner gehen 50 in die Längsseite, 25 in die Schmalseite auf. — Die
Rekonstruktion des Grundrisses als eines Tempels in antis kann nicht zweifelhaft sein;
die Mauerstärke wird auf 3 Fuß anzvmehmen sein.
Anmerkung. [Das ist der spätere »abgeminderte altattische Fuß«, der bei den atti-
schen Baumeistern herrschend geblieben ist, auch nachdem dm-ch Solon der kleinere Fuß von
0.297 m eingeführt worden war (Jude ich, Topogr. von Athen 8 nach Dörjjfeld; vgl. die
Übersicht bei Nissen, Handbuch der Altertumsw. I* 835). Dem »abgeminderten solonischen
Fuß« von 0.296 m würde ein Tempel bei Bachlia (Eleusis im Gebiet von Thelphusa?)
nahekommen, der nach Leonardos bei Homolle, Bull. hell. XV, 1891,657, 8.70:5.90 m,
also 30' : 20' zu 0.29 bzw. 0.295 m mißt; dem »makedonischen Fuß« von 0.275 m ent-
spricht genau der Tempel bei Dibritsa, vmweit Bachlia, von 16.50 : 5.50 ni = 60' : 20'
(Homolle, a. a. 0.). E. A. Gardner rechnet für das Thersilion und Theater, aber auch
die Halle des Philippos in Megalopolis, unter der Annahme, daß sie runden Maßen entsprechen,
einen Einheitsfuß von etwa 0.308 m heraus, der sich in der Nis senschen Tabelle nur als
»kleiner ptolemäischer Fuß« (0.30833 m) findet. Angesichts dieser Zahlen wird man Ju-
deichs Warnung, aus den Maßen Schlüsse auf die Entstehungszeit der athenischen
Bauten zu ziehen, in noch erhöhtem Grade auf Arkadien anwenden. Doch soll dies keine
Abmahnung, sondern nur ein Wunsch sein, daß die metrologischen Studien auch für Ar-
kadien noch vertieft werden möchten. F. v. H.l
Arkadische Forschungen.
35
Abb. 9. Terrakotten
vom Tempel zu Petrobuiü.
Unter den auf Abb. 9 photographierten Terrakotten ist außer den Stücken der Flrst-
akrotere besonders interessant das oben rechts aufgestellte Profilstück (Zeichnung Abb. loa).
Es ist vorn an der Leiste und hinten oben gebrochen, desgleichen an beiden Seiten, sonst aber
überall, auch hinten, glatt ; das Kyma ist mit einem schwarzbraunen Stabmuster bemalt, das zum
Teil mit Ritzlinien vorgezeichnet ist. Das Stück scheint dem Jüngern Bau anzugehören. — Roher
und v\^ohl auch älter ist das merkwürdige Profilstück rechts unten (Abb. lob). Es besteht (im
Gegensatz zu 100) aus grobem, ziemlich steinigem Ton ohne Firnis; oben und unten an der
-jo cn
-466. 10. Terrakotten vom Tempel zu Petrobuni.
1:4.
linken Seite ist es gebrochen, rechts und hinten ist es ebenso wie vorn leidlich geglättet,
aber stark bestoßen. — Mit dem großen Stück links weiß ich nichts anzufangen. Es weist
eine ganze Reihe schwarzbraun gefirnißter Flächenstückchen unter verschiedenen Winkeln
auf. Vielleicht ist die obere Hälfte (in dieser oder einer anderen Lage) Rest eines pla-
stischen Schnmckes auf der unteren Fläche als Hintergrund. — Links ist noch der Rest
eines Ilachen Rundstabes (3 cm hoch) angelehnt. — Von den Eisennägeln und -stiften, mit
denen die Terrakotten zmn Teil befestigt waren, haben sich mehrere gefunden.
Der Befund an Dachziegeln zeigt, daß die Eindeckung ursprünglich nach dem ein-
fachen System gleichgeformter Hohl- und Deckziegel erfolgt war, an deren Stelle später die
flachen ccoAfiNec mit kantigen KAAYnTHPec traten.
5*
36
F. Hiller von Gaertringen und H. Lattermann
An Einzelfunden sind noch zvi nennen: i. Nahe der SO-Ecke der TTANAriA liegt der
Eckstein einer Basis oder eines Altars mit Kymation; Länge 90, Breite 79, Höhe 37 cm
(an beiden Seiten Bruch; unten und oben glatt, oben Dübel- und Stemuilöcher). — 2. Der
Hals eines großen Kessels aus dünnem Bronzeblech; Durchmesser 50 cm; Profil. P.
Firstakroter des Tempels von Petrobuni (Abb. 11).
Rekonstruktion, gezeichnet von M. Lübke. — Vier größere Bruchstücke von beiden
Akroterien. Das größte und wichtigste Stück ist an der Ostseite gefunden worden. Es
hat eine Sehne (unterhalb der Zacken) von 20.5 cm bei einer Pfeilhöhe von 3.95 cm; danach
Abb. 11. Firstakroter des Tempels von Petrobuni.
betrug der Durchmesser 30.52 cm. In dem Blattkranz zeigt es deutliche Reste der Bema-
hmg; es wechseln rotbraune, mit einem feinen blauen Streifen umrandete Blätter mit blauen
ab. Dasselbe Stück hat innen, 6 — 7.2 cm von der Basis der Zacken aus, einen nicht ganz
konzentrischen scharfen Rand, der zu erweisen scheint, daß es hohl über dem Giebel ge-
sessen habe. Die Dicke, von den Zacken aus allmählich anschwellend, beträgt an dem
inneren Rande 4 cm. — Von diesem Stück unterscheiden sich die iibrigen in einigen Punkten.
Die Dicke geht bis zu 9 cm. Die Zacken sind etwas größer. Bei einem Stück ist unter
dem Blätterkranz am hinteren Rande eine flache Leiste von 3 cm im Radius erhalten; viel-
leicht war ihr eine unmittelbar auf der Giebelspitze sitzende flache Scheibe vorgelegt. Sj)uren
von Bemalung fehlen an diesen Stücken. — Natürlich können die Verschiedenheiten auch
mit einer Erneuerung des einen Akroters erklärt werden. — Ich machte an Ort und Stelle
Photographie und Zeichnung.
Arkadische Forschungen.
37
Antheinion des Tempels von Petrobuni (Abb. 12).
Rekonstruiert und gezeichnet von M. Lübke. — Ein dem Umfange nach vollständiges
Stück, dessen Vorderseite ganz verstoßen ist; außerdem 11 Bruchstücke. — Photographie;
Pi'ofilzeichnung.
A
< 20-7 > < 3-5 >
Abb. 12. Antheinion des Tempels von Petrobuni.
Bevölkerungszahlen: ahmoc Nym<1)ACIAc: Vorort Bytina 1436, Ngmitca 82, TTyprAKl
121; AHMOC Myaaontoc: Vorort MAro^AiANA 889, KoP(t>oiYAiA 15; AHMOC <t>AAANeoY: Vorort
TTiana 761, 'Aaconictaina 386.
Thisoa und Teuthis.
Plan von Thisoa am Lusios (Taf. V).
Für das Gelände nördlich des Mülübaches habe ich großenteils die Karte des Chaussee-
])rojekts benutzt; darüber hinaus, also auch für den Burgberg, waren eigene Messungen
und Photographien die Grundlage. Die Chaussee nach Demitsana läuft westsüdwestlich
durch die Ebene, die sich noch ein gut Stück südlich von ihr ausdehnt, und tritt dann,
den Liisios überbrückend, in eine enge Schlucht ein (vgl. S. 41); etwa 300 — 400 m jenseits
des linken Planrandes zweigt die Chaussee nach Langadia, nordnordwestlich die Ebene
durchquerend, ab. — Das Gebäudefundament R, 100 m von der Akropolis, hat vor Jahren
der Priester Hieronymos von Demitsana freilegen lassen und dabei die Bronzenägel gefunden,
die im Museum des Gymnasiums von Demitsana aufbewahrt werden. Die heute aus dem
Boden ragenden Steine können nicht mehr alle in\gitu sein; es sind teils graue, teils blaue
(diese sorgfältig bearbeitete) Kalksteinorthostaten von mäßigen Abmessungen. — Rangabe
(348) sah außer den Mauern auch Gräber (die ich nicht wiedergefunden habe); nicht weit
der Mühle von Kapkaaoy verzeichnet er eine Quelle, deren moderner Name Aoymgni an den
Lusios zu erinnern scheint. — Übrigens zeichnet die französische Karte den Burgberg nicht
richtig (von 0 nach W statt von S nach N) und unterdrückt fast ganz die Ebene,
38 F. Hiller von Gaektringen und H. Lattermann:
Blick auf den Burgberg von Thisoa (Taf. XI 2).
Aufgenommen dicht an der scharfen Straßenkehre oberhalb des Chani. Mit Hilfe
dieser Aufnahme läßt sich die Höhe des Burgberges auf 1040 — 1050 m bestimmen. Bei der
Baiungruppe auf dem Rücken liegt die TTANAriA, ein niedriges offenes Mauerrechteck. Links
im Vordergrunde die Mühle von Kapkaaoy. Rechts der KAMnoc Ahmitcanac mit der Chaussee
nach Demitsana und dem breiten Bett des Lusios. Der Berg im Hintergrunde, den Chaussee
und Fluß links lassen, heißt TTAnAAHMOC. Die meisten Berge, die die Ebene umschließen,
haben gut griechische Namen bewahrt, zu deren Lokalisierung es allerdings einer Spezial-
karte bedürfte; auf meinem Lageplan konnte ich außer einem weiteren TTAnAAflMOC nur
lePAKOBOYNi imd KonPiNÖc verzeichnen; sonst notierte ich noch: zwei 'AeTO<l)CüAlA, Kontöpaxa,
KoTCiAOBOYNi, AefKA, MvrAAAi^c, TTaaahkapi, CiPorrYAÖ.
Details der Befestigung von Thisoa.
a) Grundrisse (Abb. 13). Der starke Südturm ist außen noch 1.08 m hoch erhalten;
nach innen steigt der Boden beträchtlich, sodaß die ihn wenig überragende NW- Ecke
12 Schichten über der SW-Ecke liegt. Die Mauern des Turmes sind in den luiteren Schichten
1.45 m, in den oberen 1.20 m dick und setzen sich aus Innen- und Außen wangen mit Füllung
von kleinen Steinen zusammen; der Stein der NO -Ecke mißt 1.25 Länge X 0.80 Dicke X
0.45 m Höhe. Die westliche Flügelmauer geht unter 45° ab und ist an der Ansatzstelle
noch 2.40 m hoch. Die östliche, die unter weniger spitzem Winkel abgeht, ist stark zer-
stört, doch kann dank der Rampe vmd der Treppe über die Lage des Tores kein Zweifel
sein, zumal in der Lücke zwischen der Mauer und dem kleinen Turm ein großer Türsturz
liegt (1.65 m lang, aber gebrochen; Zapfenloch) und weiter imten das Bruchstück eines selir
sorgfältig bearbeiteten Pfostensteines von noch 1.67 Länge, 0.52 Breite und mindestens 0.41 m
Dicke. — Der NO -Turm ist noch mehrere Schichten hoch trefflich erhalten. Sonst sind
Mauern imd Türme stark- zerstört. Ebenso die spärlichen Mauerzüge im Innern. Auf der
kleinen Anhöhe nahe dem Südturm liegt ein Altarstein (1.06x0.44, Höhe 0.30 m), an den
sich ähnliche angeschlossen haben müssen.
b) Mauerprobe (Taf. XI 3). Ansicht der äußeren Westfront des Südturms bis zur
Flügelmauer (die großen Blöcke links). Das Gefüge der Mauer ist offenbar durch Abrutsch
der Südfront, wobei auch lange Steine zerbrachen, so gelockert worden. Das Streben nach
horizontaler Schichtung ist noch kein Beweis, daß diese Mauern etwa jünger als die von
Methydrion seien.
Mauern in Demitsana (Teuthis).
Grundrisse (Abi). 14) und Zeichnungen nach Photographien (Abb. 15. 16).
Die Mauern A und B i. 2 liegen ungefähr auf gleicher Höhe am südlichen Rande
des Rückens, B 3 am nördlichen. Daß A und B 2 trotz der verschiedenen Zeit die gleiche
Orientierung zeigen, erklärt sich ungezwungen daraus, daß der Bergrücken nur einen
schmalen Kamm mit steilen Hängen hat; deshalb ist es auch wahi'scheinlich, daß A in die
spätere Befestigung einbezogen war. Die Abstände der Mauerreste voneinander hätte ich
nur durch umständliche Messungen ermitteln können, für die es mir an Zeit fehlte.
A liegt zwischen den Häusern fewprioY K. Maao-t'xoy westlich und Nikoaaoy f. Antco-
Nonof aoy (katacthma toy tymnacioy) östhch. Auf einem 60 cm vorspringenden, zum Teil
ArTcadische Forschungen.
39
OI^OA
/ NC
NO -Turm
S ^Tii rm
und Tor /
-l;SOO
0 5 -10 15 20 m
l'i I ''M I I I I I ' I M I I I I Ü
Abb. 13.
Mauern in AHMITZANA(TEYOI^)
B3
B1
>
0 5 10 15 20m
lil I M 1 I I I I I I M I I I I I y
B2
Abb. U.
40
F. Hiller von Gtaertringen und H. Latter mann
Abb. 15.
aus dem Felsen gehauenen Sockel erhebt sich die Mauer aus namentlich unten recht an-
sehnlichen, unregelmäßigen und grob zugerichteten Kalksteinblöcken (der größte mißt 1.70
X 0.74 m) noch in Höhe von 2.ro m.
Die Stücke B i — 3 gehören, einer und derselben Zeit an, die sich durch das Streben
nach einem regelmäßigen Mauerwerk aus kleineren Quadern kennzeichnet; die Horizontale
^2, Ö-Su/^
Abb. 16.
in der Schichtung, die Vertikale in den Stoßfugen sind noch nicht strikt durchgeführt. B r,
zwischen den Häusern fecüPriOY Yapo^ah westlich und AAixaiha Böboy östlich, ist besonders
hervorzuheben wegen des in die Mauer eingebundenen Strebepfeilers; die erhaltene Höhe
beträgt 3 Schichten = 1.35 m. B 2 und 3 sind offenbar Reste von Türmen. Die Ecken
sind abgefast. Die Höhe von B 2 beträgt, an der Ecke gemessen, 4.30 ni (10 Schichten),
die von B 3 (7 Schichten) fehlt mir. Genauere Angaben über die Lage der beiden Reste
kann ich nicht machen. — Für die Altei-tümer von Demitsana vgl. v. Duhn, Ath. Mitt. HI 79 f.
Arkadische Forschungen. 41
Schlucht des Lusios imterlialb Demitsana (Taf. XI 4).
Dicht an der Chaussee, 5 Minuten nördlich von Demitsana aufgenommen. Links oben
die westlichsten Häuser der Stadt. Jenseits gelangt man nach Gortys. — Der Lusios tritt
aus dem KAMnoc Ahmitcanac zunächst in eine enge hochromantische Schlucht; nach 20 Mi-
nuten öffnet sich eine breitere, freundliche Talmulde, und erst wieder kurz vor Demitsana
treten die Felsen steil und rauh zu der großartigen Enge zusammen, oberhalb der die Stadt
auf schmalem ostwestlichen Rücken als ein Hort der Freiheit der türkischen Herrschaft zu
trotzen vermochte.
Bevölkerungszahlen: ahmoc Ahmhtcänac ^, Vorort Ahmhtcana 2 toi: ahmoc Aap-
KAAiwN, Vorort AArKAAiA 4649.
Anhang.
Drei Bronzen aus Petrobuni, Methydrion und Kaphyai.
Kleine Bronzegrupj^e von vier tanzenden widderartigen Gestalten (Taf. XHI 3).
Nach Ermittlung von Angelis Kosmopulos westlich des Tempels von Petrobuni ge-
funden (Br des Planes). Jetzt im Nationahnuseum zu Athen, J.-Nr. 13789. — Die Figuren
stehen auf einer ungefähr elliptischen Basis mit Zapfen. Höhe der letzteren 1.7; Höhe über
dem Zapfen 5.1; größte Breite 3.3 cm. — Voll.
Die Figuren, roh im »Terrakottastil« geformt, tanzen aufrecht auf plumpen gespreizten
Beinen im Kreise. Die Arme, zu formlosen Stümpfen verkümmert, sind vom Körper weg-
gestreckt, den Nachbarn zu. Die schlanken Leiber sind außen (hinten) glatt, innen zottig-
rauh. Darauf sitzen, ineinandergeschoben, mächtige Widderköpfe mit weit geöffneten
Mäulcrn und hervorquillenden runden Augen, die in Form kleiner flacher Warzen aufge-
tragen sind; die Hörner sind nur durch seitliche Verdickungen angedeutet. Das männliche
Geschlecht ist kräftig betont. — Durch die naive Auffassung und die mehr oder minder
starke Neigung der Gestalten in die Richtung der Drehung (Verbiegung scheint ausge-
schlossen) wirkt die Gi'uj^pe bei aller Roheit der Ausführung höchst lebendig^. — Phot.
Rohr er.
Bronzestatuette des Zeus (Taf. XHI i).
Gefunden unterhalb der Südmauer von Methydrion (Br des Planes). Jetzt im National-
museum zu Athen, J.-Nr. 13788. — Höhe 7.65; größte Breite 5 cm. Voll.
LTntersetzte Figur in der lebhaften Bewegung der bekannten Zeusstatuetten von Dodona
und Olympia. Ziemlich rohe Provinzialarbeit. — Füße dick und plump; Zehen r. durch
4, 1. durch 3 Ritzlinien markiert. Der Hacken des rechten Fußes ist etwas angehoben,
während der linke Fuß mit voller Sohle aufsteht. Beide Beine sind gebeugt. Waden
^ Ich schreibe Ahmitcana, was mir angemessener zu sein scheint; vgl. NeMJTCA, CreM-
nItca u. dgl.
^ Über die zugrunde liegenden Anschauungen vgl. zuletzt S. Eitrem, Beiträge
zur griechischen Religionsgeschichte 1, Der vordorische Widdergott, Christiania Videnskabs-
Selskabs-Forh. 1910 Nr. 4; ferner Perdrizet, Hermes criophore. Bull. hell. XXIII (1899)
635 (Lykosura), XXVII (1903) 300 ff. und Taf. VII— IX.
Phil.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Ahh. IV. 6
42 F. Hiller von Gaert ringen und H. Lattermann:
plump, wenig ausgeprägt; Kniescheibe ganz leicht angedeutet; Oberschenkel verhältnismäßig
zu dünn. Das männliche Glied sehr kräftig. Desgleichen die Bauchmuskeln. Oberkörper
und Kopf sind fast um einen rechten Winkel nach links gedreht. Brust breit, aber flach.
Starke Rückenlinie, vom Gesäß abgesetzt, oben nach rechts verlaufend. Rechter Oberarm
vom Körper abgestreckt, Unterarm etwa unter 45° erhoben; Finger roh, zusammengeballt
und durchbohrt (kreisrundes Loch mit schräger Achse, Durchm. 3.5 mm), dicht hinter das Ohr
geführt. Linker Arm wagerecht, im leichten Bogen in die Richtung des linken Beines ge-
führt ; ziemlich glatt imd ausdruckslos ; Durchbohrung wie bei der rechten Hand, doch steht
die Achse beinahe senkrecht. Hals stark und kurz. Gesicht oval, sehr breite, niedrige
Stirn. Der Nasenrücken liegt in einer Linie mit der Stirn, die Spitze ist etwas aufge-
worfen. Lippen breit und aufgeworfen. Schnurr- und Vollbart dm'ch Ritzlmien markiert,
ersterer durch dicht liegende schräge, letzterer durch senkrechte in größerem Abstände;
der Vollbart ist vorn rund beschnitten. Augen geschlitzt, links das untere Lid stark her-
vortretend. Starke Brauenknochen. Ohren roh und formlos. Kopfhaar in kräftig abge-
setzter Kappe geordnet, vorn radial durch strähnige Linien geteilt; hinten unter der Binde
ein glatter Schopf bis zum Nacken. — Phot. Rolirer.
Archaische Bronzestatuette eines adorierenden Jünglings (Taf. XIII 2).
Gefunden nach zuverlässiger Angabe im Stadtgebiet von Kaphyai, erworben in
Lebidion. Jetzt im Nationalmuseum zu Athen, J.-Nr. 13748. — Höhe 8.7; größte Breite
4 cm. Voll.
Linkes Bein leicht links vorgesetzt; auch das rechte Knie ganz wenig eingeknickt.
Vorn sind die Beine ziemlich kantig, namentlich das reclite. Waden verhältnismäßig sehr
kräftig. Zehen nicht ausgearbeitet. Linker Arm im leichten Bogen nach vorn genommen;
linke Hand, zur Faust geballt, ruht in Höhe der Scham auf dem Körper. Recliter Arm
genau seitlich wie grüßend zum Kopf erhoben. Rechte Hand dicht an die Schläfe geführt;
kleiner und Ringfinger sind umgelegt, Daumen und die beiden übrigen vorgestreckt. Schmales
Handgelenk. Muskulatur der Arme kräftig und leidlich gut beobachtet. Bauch schmal imd
flach, Brust breit, kräftig hervorgehoben; sonst die Muskulatur vorn mangelhaft; hinten
starke breite Rückenlinie. Hals stark, gedrungen, Gesicht voll und rund, bartlos. Augen
wie geschlossen. Haar stark, vorn in der Mitte gescheitelt, fällt über die Schläfen herab;
oben glatt; hinten desgleichen, in Höhe der Ohren eingezogen, darunter bis zum Nacken
reichender glatter Schopf. — Oberfläche ziemlich gut erhalten; etwas zersetzt: der Körper
vorn, das Gesicht unten (Mund und Nas.e) und hier und da die Arme. — Phot. Rohr er.
ArJcadische Forschungen.
43
Inhalt.
Seite
Reisebericht von F. Hiller von Gaertringen 3 — 13
Epigrapliischer Anhang von Demselben 14 — 17
Athen S. 14. Gottesurteil von Mantinea S. 14. Lasiün S. 16.
Orchomenos mit Methydrion, Thisoa und Teuthis. Kaphyai von H. Latt ermann 18 — 26
Bemerkungen zu den Plänen und Abbildungen von Demselben 26 — 41
Orchomenos und Kaphyai S. 26 — 31. Methydrion mit Petrobuni S. 31 — 37.
Thisoa und Teuthis S. 37—41.
Anhang. Drei Bronzen aus Petrobuni, Methydrion und Kaphyai von Demselben 41 — 42
Verzeichnis der Tafeln.
I. Situationsplan von Orchomenos.
IL Burgplan von Orchomenos.
III. Plan von Methydrion.
IV. Plan der Flur Petrobuni.
V. Plan von Thisoa am Lusios.
VI. Orchomenos.
VII. Orchomenos.
VIII. Orchomenos. Kaphyai.
IX. Petrobuni.
X. Tempel von Petrobuni.
XL Methydrion. Thisoa. Teuthis.
XII. Bekannte arkadische Inschriften.
XIII. Bronzen.
Pausanias' Buch VIH über Orchomenos.
XII 8, AeineTAi a^ exi tön öawn h ec 'OpxoweNÖN, kag' hntina ArxiciA
Te ÖPOC KAI "ArXICOY MNHMA ECTIN '^T\Ö TOY OPOYC TOTc nOCIN. - - 9- " " HPÖC AG TOY
"ArxicoY TW TÄ<t)ü) epeiniÄ ecTiN 'A*poaithc igpo?, kai Mantin^con öpoi npöc ""Opxo-
weNiOYC KAI GN taTc ArxiciAic eiciN.
XIII I. GN Ae TH XClOPA TH ''O P X 0 M £ N 1 CO N GN APICTEPA THC ÖAOY THC XnÖ
■ArXICICON eN YnTICO TOY ÖPOYC TÖ IGPÖN eCTI THC ""YmNIAC ApT^MIAOC MGTeCTI A^
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2. "'OpxoMeNioic Ae H npoT^PA nÖAic eni öpoyc hn akpa th kopy*h, kai
XropÄc Te KAI TeixÖN epeiniA AeineTAi ' th)n ac e*' hmön nÖAiN v-nö tön nepi-
BOAON OIKOYCI TO? APXAIOY TeixOYC. G^AC A^ AV'TÖei AilA nHTH !£, A<t>' HC YAPeY-
ONTAI, KAI rToceiACüNÖC eCTI KAI ■A^POAITHC ICPA, AIGOY AC TA ATÄAMATA. nPOC AC
TH nÖAei lÖANÖN eCTIN THC ApTCMIAOC " YaPYTAI Ae eN KeAPtü MerÄAH, KAI THN eeÖN
ÖNOMAZOYCIN AHO THC KCAPOY KcAPeATIN. 3. Cü)POI A^ YnÖ THN HOAIN AIGCON eiCl
AiecTHKÖTec XnÖ Xaahaoon, encNHencAN a^ cn noA^MO) necoVciN Xnapacin - -
4. ecTi Ae XnANTiKPY THC nÖAecüc öpoc Tpax^. tö aö yacop tö gk to9
eeOY AIÄ XAPÄAPAC pdON KOIAHC MeTAiY THC TC nÖACCOC KAI TOY TpAXeOC OPOYC
KÄTeici, ec AAAO ■'OpxoMeNioN ncAiON, TÖ Ae neAiON toyto wereeei mcn werA, tä
nAeico ac ecTiN ayto? aimnh. iönti aö ei ""0 PxoweNO? kai ctaaioyc npocAeÖNTi
bcoN TpeTc H MÖN CYeeTA eni nÖAiN Ka^yan Xrei üapa tc aythn thn xapaapan
KAI MeTA TA^THN EH XpiCTCPA HAPÄ TÖ YACOP TÖ AIMNÄZON ' H Ae CTGPA TWN OACON
AIABANTI TÖ YACOP TÖ THC XAPÄAPAC PeON YnÖ TÖ TPAXY eCTIN OPOC. 5. KATA AC THN
ÖAÖN TAYTHN nPUTON MÖN MNHMA eCTIN 'ApiCTOKPATOYC - - MCTÄ AÖ TOY APICTO-
KPATOYC TÖN TÄ<t>ON nHTAI T^ GICI KAAOYMCNAI TcNcTaI, KAI Xnexei TÖN ÜHrCON CTAAIA
d)c enTÄ ""Amiaoc xcopion - -
XXIII 2. (eAi^Aü)CA Ae eN tco aötu tö ec ■'Opxomcnioyc coc hpöta m^n hapa
tAn xapaapan ecTiN [h] eYeeTA, tö Xnö toytoy a^ eN Xpictcpa to9 yaatoc toy
aimnazontoc). eN ag tö ncAicp tö Ka^yön nenoiHTAi rnc xöma, ai' o? XneipreTAi
TÖ YACOP TÖ 6K THC 'OpXOMeNlAC Ml^ cTnAJ KA<J)YeYCIN BAABOC TH eNePTÖ. KATA Ae
TÖ eNTÖC TO? XÖMATOC HAPeieiCIN YACOP AAAO, ÜAI^eei MCN OCON Te gTnAI nOTAMON,
KATePXÖMCNON AG eC XÄCMA THC ANeiCIN AYGIC HAPÄ NXCOYC KAAOYMGNAC - - daraUS
wird der Fluß Tragos, der zum Ladon fließt.
K. Freuß. Akad. d. Wi^sensch.
Anhang z. d. Phü.-hist. Abh. 1911.
Siluationsplaii y^, : -^ -^r^'^lef-"
% / ä^b e r/e E b & n, e I \ V "~^
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olaan£ (JfOhle,)
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Eeogr. Iftti.lnst.u.Steindr.v.Wilheltn Greve, Berlin SW.
F. Hiller von Gaertringen und H. Lattermann: Arkadische Forschungen.
Taf. I.
Akad. d. Wissensch.
Anhang z. d. Phü.-hüt. Äbh. 1911.
Veu/8. AJead. d. Wissensch.
Anhang z. d. Phü.-hist. Äbh. 1911.
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F. Hiller von Gaertringen nnd H. Lattermann: Arkadische Forschungen.
Taf. V.
K. Preuß. AJcad. d. Wissensch.
Allhang z. d. PhiL-hist. Abh. 1.911.
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K. Preuß. Akad. d. Wissensch.
Anhang z. d. Phil.-hist. Abh. 1911.
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K. Preuß. Akad. d. Wissensch. Anhang z. d. Phil.-hist. Abh. 1911.
ORCHOMENOS. KAPHYAI
I. Blick von Orchomenos nach Norden.
2. Archaischer Torso von Orchomenos.
3. Tempel (der Artemis Knakalesia?) bei Kaphyai.
F. Hiller von Gaertringen und H. Lattermann: Arkadische Forschungen.
Taf. VIII.
K. Prmß. Akad. d. Wissensch.
Anhang c. d. Phil.-hist. Ähh. 1911.
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Anhang z. d. Phil.-Jdst. Abh. 1911.
TEMPEL VON PETROBUNI
I. Ansicht von SO.
2. Ansicht von SW. Im Hintergrunde das Mainalqn.
F. Hiller von Gaertringen und H. Lattermann: Arkadische Forschungen.
Taf. X.
K. Preuß. Akad. d. Wissensch.
. Anhang z. d. Phil-hist. Abh. 1911.
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BEKANNTE
ARKADISCHE INSCHRIFTEN
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2. Mantineia.
Roehl, Iniag.3 io6,
I. Synoikieurkunde von Oi'chomenos.
Ath. Mitt. XXXIV 1909, 240 C.
3. Gottesurteil von Mantineia. Fougeres, Mantinee 524.
F. Hill er von Gaertringen und H. Lattermann: Arkadische Forschungen.
Taf. XII.
K. Preuß. Akad. d. Wissensch.
BRONZEN
Ajihang z. d. Phil.-Jiist. Abh. 1011.
I a. Methydrion.
2 a. Kaphyai.
3 a. Fetrobuiii.
1 b. Methydrion.
2 b. Kaphyai.
3 b. Pctrobuiii.
F. Hiller von Gaertringen und H. Lattermann: Arkadische Forschungen.
Taf. XIII.
Erster vorläufiger Bericht über die von den Königlichen
Museen unternommenen Ausgrabungen in Samos.
Von
Direktor Dr. THEODOR WIEGAND
in Konstantinopel.
Phil.-hisi. Klasse. 1911. Anhang. Abh. V.
Vorgelegt von Hrn. Conze in der Gesamtsitzung am 13. Juli 1911.
Zum Druck verordnet am gleichen Tage, ausgegeben am 18. August 1911.
Am 2 2. Mai 1909 richtete ich durch Vermittlung des Kaiserlich Deutschen
Vizekonsuls in Samos, Hrn. Aristoteles Stamatiadis, an die Regierung
des Fürstentums Samos das Gesuch um die Erlaubnis zu Ausgrabungen auf
zehn Jahre für das Heraion, die alte Stadt Samos und die heilige Straße,
welche beide Stätten verbindet. Seine Hoheit der Fürst von Samos, An-
dreas Emm. Kopasis Effendi, überwies das Gesuch bereits am folgenden
Tage mit einem warmen Empfehlungsschreiben der Versammlung der Ab-
geordneten, welche die Annahme votierte; dieser Beschluß wurde durch die
Unterschrift des Fürsten bestätigt und als gesetzliche Verordnung im Regie-
rungsblatt der Insel veröffentlicht. Auf Grund derselben wurde zwischen
dem Senatorenkollegium (Ministerrat) des Fürstentums und mir am i . Okto-
ber 1909 ein Vertrag abgeschlossen, welcher u. a. den Beginn der Kon-
zession auf den i. März 19 10 festsetzte. Dieser von der Abgeordneten-
versammlung des Jahres 1 9 1 o bestätigte Vertrag wurde am 1 1. Oktober 19 10
vom Fürsten veröffentlicht (Nomos Nr. 2349, Bekanntmachung der fürst-
lichen Kanzlei Nr. 5901).
Durch Erlasse Seiner Hoheit des Fürsten Andreas vom 28. Dezem-
ber 1 909 und 3 . Juli 1 9 1 o wurde die Expropriation des zumeist aus Weinber-
gen bestehenden und in kleine Parzellen geteilten Gebietes am Heraion derar-
tig gefordert, daß bis zum Beginn der Grabung 43491 qm Land von 16 ver-
schiedenen Besitzern erworben werden konnten. Hierbei wurde ich von
Hrn. Vizekonsul Stamatiadis in der wirksamsten Weise unterstützt, wie ihm
überhaupt lebhafter Dank für seine Bemühungen um das Zustandekommen
der Konzession gebührt. Die erste große, für die Arbeiten nötige Summe
war inzwischen von einem Freunde klassischer Studien, Hrn. Dr. jur. Max
Oechelhäuser zu Berlin, in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt
worden. Schon im Herbst 1909 hatte ich das ganze Gebiet am Heraion
4 Th. Wiegand:
durch den Hauptmann im Kgl. Preußischen Großen Generalstab Hrn.
K. Lyncker vermessen lassen.
Bevor ich die Ergebnisse meiner am i. Oktober 1910 begonnenen Frei-
legung des Heratempels schildere, ist es nötig, der Männer zu gedenken,
die zuvor schon versucht hatten, dies Problem zu lösen. Ihre Bemühun-
gen sind sämtlich daran gescheitert, daß der Aufwand von Zeit oder Mitteln
nicht im Verhältniß zur Größe der Aufgabe gestanden hat.
Im Jahre 1702 ließ Tournefort die Unterlage der einzigen noch auf-
recht stehenden Säule, die dem Heraion seinen heutigen Namen h koaönna
gegeben hat und die mit 2 Fuß Erde bedeckt war, freilegen (Voyage dans
le Levant, Paris 1717 I Kap. X S. 420). Er versuchte den Abstand zwi-
schen den Säulenstellungen der beiden Flanken zu messen, die er auf 24 Toisen
= 48,78 m angibt. Auch ließ er einen eierstabgezierten Kapitellhals zeich-
nen. An derselben Stelle setzte am 27. Februar 1853 Victor Guerin ein,
da die Basis der koaönna wieder halb verschüttet war. Er legte sie mit
7 Sträflingen und 4 Soldaten frei, stellte aber schon am folgenden Tage
die Grabung ein wegen unverschämter Forderungen des Grundbesitzers.
Sehr wichtig ist der Versuch, den Karl Humann im Auftrage J. K.
Str^eks am Heraion, leider mit wenig Mitteln, 1862 vornahm.
Er stellte zuerst die Gesamtrichtung des Tempels fest und sah, daß
er acht Säulen in der Front hatte, die in ungleichen Abständen angeordnet
waren. Er fand ferner die ersten Spuren der Anten und der Innensäulen
des Pronaos, den er mit zwei Reihen zu vier Stützen (statt fänf) annahm;
er beobachtete auch zuerst einen Rest des älteren Kalksteintempels in den
Fundamenten. Diese erste archäologische Arbeit Karl Humanns ist nie
publiziert worden. Sie befindet sich unter den nachgelassenen Papieren
Stracks im Besitze der K. Technischen Hochschule zu Charlottenburg
(Mappe I "Nr. XIII Samos)\ Die einzige gedruckte Erwähnung dürfte die
von E. Fabricius sein (Sitzungberichte der Archäologischen Gesellschaft
zu Berlin 1886/87, Dezember, Nr. 2 S. 28).
Im Sommer 1879 machte Paul Girard einen Grabungsversuch an der
Ostseite. Sein Plan (BGH 1880 PL XII) ist unvollständiger als derHumanns,
denn Girard hat die Anten nicht bemerkt, auch fehlen bei ihm eine An-
* Für die freundliche Auskunft darüber sage ich dem Neffen J. K. Stracks, Hrn.
Prof. H. Strack, meinen verbindlichsten Dank.
Erster vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Samos. 5
zahl Säulen des nördlichen Innenpteron, die bei Humann vorhanden sind.
Einen großen Rückschritt bedeutet sein Plan aber besonders deshalb, weil
er die Ostfront mit sieben statt mit acht Säulen zeichnet. Den Rest der
archaischen Spira unter der Säule vor der Nordante hat G-irard auch ge-
sehen. Wenn er aber gesteht: J'ai fait couper, pour mesurer ce diametre,
l'angle de la masse quadrangulaire de tuf sous laquelle la base [archaique]
se trouve engagee — , so muß man gegen eine derartige Ausgrabungs- und
Meßmethode noch schärferen Protest einlegen als gegen die von unwissen-
den Bauern verursachten Zerstörungen. Das Fundament der römischen
Treppe hat Girard durchgraben, ohne seine Bedeutung zu erkennen (a. a. 0.
S. 392). Er fand darin Reste eines späten, kleineren dorischen Gebäudes aus
Kalkstein, von dem auch ich zahlreiche Bauglieder neu gefunden habe.
Durch Gesetz vom i. Mai 1902 (NowoeeciA thc Cämoy S. iooi und
1012 Nr. 1079 und 1080) erhielt die Archäologische Gesellschaft zu Athen
die Erlaubnis zu Grabungen, welche während einiger Monate des Jahres
1902 und 1903 durch die HH. P. Kavvadias und Th. Sophulis betrieben
wurden. Das einzige, was darüber publiziert wurde, steht in den TTpak-
tikA thc en Aei^NAic APXAiOAoriKHc GTAipiAC 1902 (Athcu 1903) S. 1 1 ff., 1906
S. loff. Danach begann die erste Arbeitsperiode im September 1902 und
wurde mit Schluß des Jahres beendet. Als sehr große Schwierigkeiten
hebt Kavvadias hervor den weiten Erdtranspost bis zum Meere, die Ver-
schüttung des Tempels und das höchst ungesunde Klima infolge der ihn
umgebenden Sümpfe. Kavvadias sagt dann, man habe die ganze Nord-
seite des Tempels aufgedeckt; er irrt sich dabei insofern, als in Wirklich-
keit die äußere Säulenreihe erst durch uns freigelegt wurde, wie auf
Lynckers Plan vor der Ausgrabung zu ersehen sein würde. Ferner wurde
an der Ostseite gearbeitet. Als den von Pausanias erwähnten Aschen-
altar glaubte Kavvadias einen Baurest an der Nordostecke ansprechen zu
können, was ich bezweifele. Vor der Ostfront erwähnt er dann noch aiä-
4)0PA KTICMATA MeTArSNeCT^PCON XPÖNWN KAI M^POC THC IGPÄC ÖA09. Im folgCUdcn
Jahre glaubt er die Gesamtmaße des Tempels mit 112:56,25 m angeben
zu können (statt 108,73: 54,68 m), richtig stellt er 24 Säulen auf jeder
Langseite fest, auch erkennt er 1903, daß die Ostfront acht Säulen hatte,
»nÖC OMCOC eTxGN Ö NAÖC KATÄ TI^N AYTIKI^N nACVPÄN A^N eiHKPIBdJeH AC<J>AAUC M^XPI
To9Ae, AiÖTi A^N «AiNeTAi oTi KAI gkeT gTxcn öktü) kionac«. Zuversichtlichsr
scheint sich Kavvadias später in einem Vortrag im Kais. Deutschen Ar-
6 Th. Wiegand:
chäologischen Institut ausgesprochen zu haben, daß die Hinterfront eine
Säule mehr als im Osten hatte. Die westliche Querwand der Cella hat
Kavvadias ebensowenig gefunden wie die östliche — über die erstere
war zu flach hinweggegraben worden. So blieben die Verhältnisse der
Cella und des Pronaos völlig ungeklärt. An der Südseite wurde über-
haupt nicht gegraben. Der Hauptfehler der Ausgrabung war, daß sie nicht
tief genug in den Boden geführt wurde, was das Grundwasser wohl er-
laubt hätte, da wir später fast drei Meter tiefer dringen konnten.
Alle bisherigen Grabungen mit Einschluß der letztgenannten hatten
etwa 2/5 der Oberfläche des Heraion vom Schutte befreit, dazu war ein
größerer Platz vor der Ostfront angegraben, auf dem eine byzantinische
Kirche das hauptsächlichste Gebäude ist. In diesem Zustand befand sich
die inzwischen wieder stark mit Gestrüpp verwachsene und leider auch
unbewachte Ausgrabungsstätte, als die Ausgrabung am i. Oktober 19 10
von mir mit dem bewährten Aufseher Athanasios Apergis eröffnet wurde.
Vom 24. Oktober ab wurde ich unterstützt durch Hrn. Dr. Martin Schede.
Als fürstlicher Regierungskommissar wurde uns Hr. Basilios Theophanidis
zugeteilt.
Die Arbeit wurde mit Hilfe einer Kruppschen Feldbahn betrieben, und
es wurden bis zu 185 Arbeiter und — nach Landessitte — Arbeiterinnen
verwendet. Am 17. Dezember 19 10 war die Freilegung des Heraion be-
endet mit einem Aufwand von rund 9000 Tagelöhnen. Im Januar wurde
Hr. Diplomingenieur Armin von Gerkan mit der Aufnahme des Grund-
risses beauftragt, die er, unterstützt von Dr. Schede, Anfang Februar be-
endete und die ich als erstes wichtiges Ergebnis nunmehr mitteile.
Der Boden, auf welchem das Heraion errichtet wurde, besteht aus san-
dig-erdigem Alluvium.
Das Hauptmaterial des Tempels ist Porös, der auf der Insel selbst
reichlich ansteht, und zwar ist in den tieferen Teilen des Cellafundamentes
ein weicher, gelblicher Porös verwendet, der sehr stark zu engen Schich-
tungen neigt und bei der Verwitterung leicht in diesen bricht. In den
höheren, zum Teil sichtbaren Teilen ist ein etwas härterer, poröser Kalk-
stein verwendet, der in trockenem Zustand eine dunklere Färbung annimmt.
Der namentlich an den äußeren Säulen und gewissen Schmuckteilen ver-
I
Erster vorläufiger Bericht über AusgraJmngen in Samos. 7
wendete Marmor ist großkristallinisch, von teils weißer, teils bläulicher
Färbung. Antike Marmorbrüche befinden sich an mehreren Stellen der Insel.
Der Tempel ist nach Osten orientiert, jedoch weicht, nach v. Gerkans
Messungen, die Längsachse des Tempels von der magnetischen 0-W-Richtung
um 9° 15' nach Norden ab; die Deklination beträgt (schätzungsweise, auf
Grund der Angaben des k. u. k. hydrographischen Amtes in Pola^) für Milet,
Smyrna und Rhodos) ungefähr 3° 2' westlich, so daß die Abweichung der
Tempelachse von der genauen 0-W-Richtung 9° 1 5' + 3** 2' = 1 2° 1 7' beträgt.
Das Fundament der Cella (Fig. i) besteht bis zu der obersten noch
vorhandenen Schicht, welche zugleich Euthynteria ist, aus 1 3 Lagen, deren
Gesamthöhe 2,76 m beträgt. Die Höhe der Schichten schwankt zwischen
12 und 23 cm, nur die mittelste, siebente Schicht (von oben wie unten)
ist höher und enthält zahlreiche Werkstücke des älteren Tempels ; die übrigen
Schichten enthalten keine älteren Werkstücke. Alle Schichten sind in der
Weise abgetreppt, daß Stufen von 4 bis 1 7 cm Auftritt entstehen, die durch
beiderseits auf der Oberfläche vorgerissene Linien scharf markiert sind;
diese entsprechen also der Breite der aufliegenden Schicht. An einzelnen
Stellen beobachtete v. Gerkan weitere, die Breite des Bossenvorsprungs
der oberen Schicht angebende Ritzlinien, »und wo die Kanten der Schichten
nicht abgestoßen sind, findet sich bisweilen ein drittes System von Linien,
das die ideale Breite der betreffenden Schicht angab. Die inneren Seiten
der Fundamente sind stets steiler geböscht als die äußeren«. Auf dem
Plan ist die siebente Fundamentschicht als Fundamentbreite eingetragen.
Das Innere der Fundamentmauern ist polygonal gefugt.
Die Euthynterie-Schicht ist 35 cm hoch, als Breite maß v. Gerkan
2,16 — 2,20 m. Sie besteht aus großen Quaderplatten, die durch die ganze
Breite der Wand gehen und mit 30 — 35 cm langer Anathyrose scharf
aneinandergefügt sind, während sie im Innern einen Fugenzwischenraum
von etwa 3 cm haben, der mit kleinen Porossplittern gefüllt war. Nirgends
sind Klammern verwendet. Auch auf dieser Schicht sind beiderseits scharfe
Ritzlinien aufgetragen, Avelche uns die Breite der aufgehenden Sockelschicht
auf 2,156 angeben. Da dieses Maß für uns das letzte der Höhe nach er-
reichbare ist, so ist es im Grundriß als Wandbreite verwendet worden.
* Für die freundliche Auskunft bin ich dem k. u. k. Fregattenkapitän Hrn. W. von
Keßlitz lebhaften Dank schuldig.
8
Th. Wieg and:
Im Süden und Norden, an den Stellen, wo die beiden Cellaquerw ände
auf die Langwände stoßen, sowie an den beiden äußeren Westecken der
Fig.l.
Fundament der Cella, Nordseite.
Cella (Opisthodom) in der Richtung der Lang wände sind besondere Fun-
damentverstärkungen vorgesehen, welche als treppenartige Vorsprünge bis
zur Euthynteria emporreichen und eine Gesamtbreite von etwa 3 m haben,
entsprechend der Breite des Cellafundamentes (Fig. 2). Es ist kein An-
Erster vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Samos.
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Phil.-hüt. Klasse. 1911. Anhang. Abh. V
10 Th. Wiegand:
zeichen vorhanden, wonach diese Verstärkungen im Oberbau etwa als Pfeiler
hochgegangen seien, vielmehr sprechen konstruktive Gründe im Aufbau
gegen eine solche Annahme.
An den südlichen und nördlichen Außenseiten der Verstärkungen be-
merkt man in bestimmten Abständen einzelne kurze Steinpfeilerchen, je
zwei an den Türwand Verstärkungen (vgl. Fig. 2) und je drei an der hin-
teren Cellaquerwand, die früher niemals im fertigen Bau sichtbar waren,
sondern nur bei der Anlage des Gebäudes als sogenannte »Böcke« Zweck
hatten; letzteren erkennt man am besten an den Pfeilerchen der Cella-
rückwand: sie sind nach außen und unten abgeschrägt, und diese Schräge
war maßgebend fär die Breite der betreffenden zu erbauenden Fundament-
schicht der Cellawand. Auf der Vorderseite der Pfeilerchen stellte von
Ger k an vertikale Ritzlinien fest, welche die Sockelbreite der Cellarückwand
angeben. Er bemerkt: »Auf dem Mittelpfeiler ist die Wandachse markiert, sie
muß aber fehlerhaft aufgetragen sein, denn sie liegt nicht in der Mitte.
Die Abweichung läßt sich nicht durch einen äußeren Wandvorsprung er-
klären, denn auf dem ,Bock' auf der Nordseite liegt die Mittellinie wieder
näher zur äußeren Ritzlinie. Diese , Böcke' gestatten ein genaues Messen
der Cellalänge, obwohl auf dem Fundament der Rückwand selbst kein
Stück der obersten Schicht vorhanden ist.«
Die östliche (vordere) Cellaquerwand ist nur in ihrer südlichen Hälfte
erhalten, die nördliche ist durch Steinräuber ganz entfernt worden. Nahe
der südlichen Langwand geht eine 10 — 16 cm breite Fuge durch die
ganze Mauer, die im Plan auch an der nördlichen Hälfte ergänzt wurde
und — vielleicht — wegen der verschiedenartigen Belastung der Fundamente
vorgesehen war. Auch ist diese Türwand nach von Gerkans Messungen
wenigstens 4,4 cm stärker gewesen, da die »Böcke« an den Enden der Tür-
wand dies anzeigen.
Die Frage, ob die Anten verkröpft waren oder, wie am Artemision
zu Ephesos, unverkröpft durchgingen, muß einstweilen offen bleiben; viel-
leicht entscheidet dies die Auffindung eines Antenfragments bei weiteren
Fortschritten der Grabung.
Vom Cellafußboden ist nichts mehr gefunden worden. Sein einstiges
Vorhandensein wurde aber durch eine weiße Schicht von Kalksplitterii
bewiesen, die in derselben Höhe verlief wie die Fußbodenplatten des Pro-
naos. Wir waren infolgedessen dort ungehindert in der Tiefgrabung und
Erster vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Somos. 11
fanden, daß der ganze Rauna mit einer 1^/2 m dicken Schicht Meersand,
der mit zahlreichen Kieseln durchsetzt war, aufgeschüttet worden ist. Unter
diesem fanden sich die Dachziegel des älteren Tempels in dessen Brand-
schutt. In größter erreichbarer Tiefe (etwa 3 m) fand sich ein mit Kalk-
steinplatten bedeckter, südöstlich quer durch die Cella laufender Entwässe-
rungskanal, der vielleicht noch älter ist als das ältere Heraion, von dem
später die Rede sein wird.
Eines der wesentlichsten Ergebnisse unserer Grabung ist die Fest-
stellung der beiden Cellaquerwände.
Durch die Auffindung der vorderen Querwand konnte zum ersten-
mal die Tiefe des Pronaos und damit die Zahl der Pronaossäulen auf
2x5 in dreischiffiger Anordnung bestimmt werden. Die Schifie sind unter-
einander gleich, der ganze Pronaos ist quadratisch. Zugleich ergab sich
durch die beiden noch in ihrer ursprünglichen Lage verbliebenen Marmor-
spiren die Höhe des Pronaosfußbodens mit Sicherheit. Er lag 1 7 cm
höher als der Boden der äußeren östlichen Säulenstellung. Eine größere
Anzahl von Fußbodenplatten aus hellem Kalkstein zeigen da, wo sie an
die Spirenunterlagen anstoßen, entsprechende runde Ausschnitte. Die
Platten sind 22 cm dick und teils rechtwinklig, teils schräg gefugt; sie
liegen auf der Füllmasse des Pronaos.
Das die Cella rechtwinklig umschließende Fundament der inneren
Säulenreihe (Fig. 3) ist in seiner Art ebenso einheitlich wie das der Cella,
in der Bauweise jedoch sehr verschieden, da es aus kleineren, außen be-
hauenen, meist länglich-rechteckigen Porosplatten geschichtet ist. Die
Fundamentverstärkungen der Cella stoßen an dies Fundament, sind aber
nicht damit verbunden. Es ist auf beiden Seiten abgeböscht, jedoch sind
keine Abtreppungen vorhanden, wie wir sie bei den Cellafundamenten
sahen (Fig. 4). Auf durchgehende horizontale Schichtung wurde nicht ge-
halten, Einklinkungen und schräge Fugen kommen öfters vor, häufig werden
flache Porossteine von besonderer Länge verwendet. Im inneren Funda-
ment sind solche Platten in polygonaler Fugung angewendet, wobei Ab-
spalte als Füllmittel kleinerer Zwischenräume dienten, über dem unteren
Fundament liegen regelmäßig übereinander zwei etwa quadratische Schichten
von nahezu 4 qm Größe, die aus Porös der härteren Sorte bestehen.
Einzelne Unregelmäßigkeiten in der Schichtung wurden gelegentlich
durch Unterschiebung von Bleiplatten ausgeglichen; eine solche, 2 — 3 mm
2*
12
Th. Wieg and
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45 a
Erster vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Samos.
13
14 Th. Wieg and:
dick und an einer Seite 36,5 cm lang, mit der andern noch im Funda-
ment steckend, beobachtete ich im inneren Südpteron an der Stelle der
sechsten Säule von Westen (zweite Schicht vom Säulenfuß abwärts). Dies
zeigt, mit welcher besonderen Aufmerksamkeit man die Stellen fundamen-
tierte, an denen Säulen vorgesehen waren.
Die untere der beiden Säulenunterlagenschichten besteht aus 4 — 6
Teilstücken, die obere ist monolith und etwa 50 cm hoch (vgl. Fig. 4);
ihre Oberfläche liegt nach von Gerkans Messung 32 cm über der Euthyn-
teria der Cella; dies ergibt die Höhe der Basisunterkante aller Säulen
mit Ausnahme der um eine Stufe (17 cm) höherliegenden 10 Pronaos-
säulen (s. o.).
Auf den beiden Unterschichten der Basis hat von Gerkan je ein
Kreuz von Ritzlinien für die Markierung der Säulenachsen festgestellt,
das an vielen Stellen jedoch leider zu verschwinden droht und zum Teil
bereits unkenntlich ist. Im Kreuzungspunkt zeigt die oberste Porosplatte
den Zirkel-Einsatzpunkt, von dem aus eine den Umfang der Basis andeu-
tende, leider fast ganz verschwundene kreisförmige Ritzlinie geschlagen war.
»Meist unabhängig vom Linienkreuz«, sagt von Gerkan in seiner
Erläuterung zum Plan, »jedoch stets auf einem Diameter, zeigen beide
Poroosschichten flache Einarbeitungen« von 14 — 17 cm Breite. Sie dienten
jedenfalls zum Bestimmen der Säulenachse beim Verlegen der nächsten
Schicht bzw. der Basis. In die Vertiefungen wurden vermutlich Bretter
geschoben, auf denen der Diameter bezeichnet wurde. Nach diesen Marken
wurde darauf die Achse auf der zweiten Schicht bezeichnet oder der Basis-
trochilus zurechtgeschoben.«
Spuren eines Plattenfußbodens, wie wir sie im Pronaos sahen, sind
im äußeren Säulengang der beiden Langseiten und der Rückseite nicht
beobachtet worden. Auch bemerkt man an den Spirenunterlagen keine
Anzeichen davon, während diese im Pronaos deutlich vorhanden sind, da
die Platten unter die Spiren etwas eingrifien. An der Nordseite der drei
Säulen, welche in der Verlängerung der Nordante stehen, bemerkt man
in Höhe der Basisunterkante eine geradlinige Orthostatenflucht, die einst
aus 10 oben mit schwalbenschwanzförmigen Klammern versehenen Platten
von hartem, löcherigem Porös bestand und von der Ante bis an die Vorder-
kante des Tempels reichte. Hier scheint sie nach Süden umgebogen zu
sein, um in gleicher Weise die ganze Prostase einzuschließen und an der
Erster vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Samos.
15
16 Th. Wiegand:
Südante in entsprechender Weise zu enden. Doch ist an der Ostseite
kein Stein davon erhalten, während auf der Südseite die Pläne von Hu-
mann und Girard noch Platten überliefern. Zweifellos ist auch diese An-
lage archaisch, nach Art der 2 i cm langen, 4,5 cm breiten, unten an beiden
Enden mit 2,5 cm langem Dorn versehenen, mit Blei in Schwalbenschwanz-
form vergossenen Eisenklammern, die ganz ebenso an archaischen Bauten
zu Didyma vorkommen. Diese Platten haben also einen besonderen, wahr-
scheinlich gestampften Fußboden in der Prostase umrahmt.
Von großer Wichtigkeit ist die Auffindung von drei Perossäulen-
trommeln nahe der nördlichen Ante, bei der vierten Säule von Osten des
inneren nördlichen Pteron. Sie liegen noch in alter Sturzlage über dem
Tempel. Wir können an ihnen mit Sicherheit feststellen, daß der Tempel
nicht nur Marmor-, sondern auch Porossäulen besaß. Die Säule kann in
der Prostase gestanden haben, wofiir auch eine später zu erwähnende Ana-
logie vorhanden ist. Die Höhe der obersten Säulentrommel beträgt etwa
78 cm, die mittlere ist 75 cm hoch, der Durchmesser beträgt etwa 145 cm;
von der dritten Trommel sind Reste vorhanden, die nur eine Messung der
Höhe (65 cm) zuließen. Auf den Lagerflächen sind die 3 Trommeln vor-
züglich geglättet, ein Beweis, daß sie tatsächlich versetzt waren. Alle haben
schräge Randkanten, eine Zirkellinie auf der oberen Lagerfläche zeigt am
Rande die Lehre för die künftige Abarbeitung des rohen Mantels, an dem
man rohe, senkrechte Meißellinien bemerkt. An dieser Säule ist also die
Kannelierung nicht erfolgt. Wir haben aber im Schutt der Peristasis eine
beträchtliche Anzahl Fragmente von fertigen Porossäulentrommeln mit io-
nischen Kanneluren gefunden, die zu den Porossäulen des Tempels gehört
haben müssen (Kannelurbreite 11 cm, Stegbreite 12 — 14 mm).
Wiederum ganz verschieden von dem Fundament der inneren Peristase
und dem der Cella ist das 2^/2 — 3 m dicke Fundament der äußeren Säulen-
reihe (Fig. 5), denn es besteht aus starken Porosschichten, deren Höhe an
der Ostseite z. B. zwischen 55 und 85 cm schwankt. Man bemerkt in
diesem ganzen Zug das Bestreben nach horizontaler Schichtung, Einklin-
kungen kommen nur ganz vereinzelt vor; jedoch finden sich größere Un-
regelmäßigkeiten an der südlichen Langseite und an den Stellen, wo eine
Anzahl von großen Porossäulentrommeln verbaut sind (s. u.). Sämtliche
Fundamentsteine sind mit einem groben Instrument rauh behauen; dies
war eine Hacke (cK^nAPNON, neugr. CKenÄPNn), deren Schneide mehr als 5 cm
Erster vorläufiger Bericht über Äusgralmngen in Samos. 17
breit war; die Bearbeitung des Steines in feuchtem Zustand ist sehr leicht.
Nach außen zeigt auch dieses Fundament eine leichte Böschung. Auf der
Südseite findet sich eine Eigentümlichkeit darin, daß bei der siebenten
Säule von 0, 32,30 m von der Südostecke, ein Einsprung von 45 — 50 cm
in der Längslinie vorhanden ist (vgl. Fig. 5); von Gerkan erklärt ihn
so, daß es die Stelle sei, wo das Fundament, das von beiden Ecken aus
begonnen wurde, zusammenstieß. Auf der Nordseite war ursprünglich
auch eine kleine Abweichung vorhanden, die aber schwerer festzustellen
ist, da die östliche Fundamenthälfte mehr als 40 m lang gänzlich aus-
gebrochen ist.
Zahlreiche Säulentrommeln aus Porös, welche in den Säulenfundamenten
der Peristase verbaut sind, gehören nicht einem älteren Bau an, sondern
zu dem hier beschriebenen Tempel selbst, denn sie sind für den älteren
Tempel zu groß, und vor allem: unfertig. So bleibt nur die Annahme,
daß es überschüssiges Material war — überschüssig vielleicht, weil man
erst während des Bauens auf den Plan kam, den Säulenkranz ganz aus
Marmor herzustellen, wie dies die noch stehende Säule beweist. Jedoch
ist oben schon auf eine sehr wichtige Ausnahme bei der Prostase in Ge-
stalt einer Porossäule aufmerksam gemacht worden, und eine zweite Poros-
säule in alter Fallage, wie sie aus der Prostase gestürzt ist, liegt noch
unausgegraben vor der Ostfront, gekrönt von einem Marmorkapitellhals.
Diese beiden Ausnahmen lassen eine für die Entwicklung des Bauwerks
wichtige Vermutung über die Prostase zu, von welcher beim Abschnitt über
die Baugeschichte die Rede sein wird.
Vor der Ostfront hat sich ein Stück marmornen Kapitellhalses ge-
funden, das mit einem Anthemienmuster dekoriert ist; es stammt nicht
aus unseren, sondern aus älteren Ausgrabungen, durch die auch eines der
sonst üblichen, mit einfachem Eierstab gezierten marmornen Halsstücke
(Fig. i) zutage kam; von diesen ergab unsere Ausgrabung bis jetzt weitere
vier gut erhaltene Stücke. Es würde verfrüht sein, über die Formen des
Oberbaues jetzt schon eingehend zu handeln. Nur so viel sei ausgesprochen,
daß die Nachricht des Vitruv VII i, § 12, der Tempel habe dorische Formen
gehabt, sicher unrichtig ist, da sich Resie großer Kapitellvoluten mit ar-
chaisch-konvexem Volutengang bereits gefunden haben. Sie müssen eine
bedeutende Ausladung gehabt haben, waren gesondert gearbeitet und auf-
gelegt.
Phil.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. V. 3
18 Th. Wiegand:
Die Säulen sind an den einzelnen Teilen des Tempels von verschie-
denem Durchmesser. Während die Prostase einen unteren Basisdurchmesser
von 2,229 (östlich) bis 2,340 m (westlich) hatte, mit einem Kapitellhals-
durchmesser von 1,614 m, zeigt die Hinterhalle einen unteren Basendurch-
messer von 1,918 — 1,962 mit einem Kapitellhals von 1,440 m. Für die
Seitenhalle maß von Gerkan die aufrechte Säule mit 2,176 unterem Basis-
durchmesser und berechnete (nach dem Verhältnis des Tempels von Ephe-
sos) den Kapitellhals mit 1,602 m. Die geringste Stärke hatten natürlich
die Pronaossäulen, nämlich 1,884 — 5 ^ Basisdurchmesser und (berechnet)
1,350 m Kapitellhalsdurchmesser.
Auch die Interkolumnien sind an den verschiedenen Tempelseiten ganz
verschieden. Entsprechend der größten Säulenstärke sind die Interkolumnien
an der Ostfront die breitesten, und zwar vom Mittelin terkolumnium aus in
paarweise rhythmischer Weise. Den auffalligen Umstand, daß das Mittel-
interkolumnium schmaler als die beiden ihm benachbarten ist, fülirt v. Ger-
kan in sehr einleuchtender Weise darauf zurück, daß man auf diese Weise
drei gleichbreite Pronaosschiffe erhielt.
Auf der Rückseite zeigt sich die einzig dastehende Tatsache, daß hier
der Tempel eine Säule mehr als an der Ostfront aufweist, neun statt acht.
Man darf dies wohl auf das Bestreben zurückführen, so riesenhafte Span-
nungen wie im Osten — die Architrave waren dort bis zu 8,467 m lang - -
zu vermeiden, und man konnte dies um so mehr als die Cella an der Rück-
seite weder einen Eingang noch einen eigentlichen Opisthodom hat. Audi
hier sind die Weiten der Interkolumnien rhythmisch abgestuft: die beiden
mittleren gleich (6,377), die zwei seitlich folgenden gleichmäßig nach außen
zunehmend, die äußersten wieder gleichmäßig abnehmend. Während die
größte rhythmische »Hebung« an der Ostfront vor den Seitenschiffen des
Pronaos liegt, findet sie sich an der Westfront auf den äußeren Flügeln,
vor dem inneren Säulenumgang der Peristase.
Äußerst auffällig ist das völlig negative Ergebnis unserer Suche nach
Innenstützen der Cella, welche man voraussetzen möchte bei einem Räume
von 23m lichter Breite. Daß die Fundamente der Innenstützen ganz ver-
schwunden seien, wenn sie einst vorhanden waren, ist nicht möglich, da
die einst zur Füllung aufgebrachte, an entscheidenden Stellen ungestörte,
I ^jz m dicke Meersandschicht nirgends solche Unterbrechungen gezeigt hat,
während es nicht auffällig ist, daß wir den Altar oder die Basis des
Erster vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Samos. 19
Kultbildes ebenfalls nicht fanden, da im W und SW der Tempel besonders
stark nach unten zerstört ist und so ein Einzelfundament leicht ganz ver-
schwinden konnte. Es muß also bis auf weiteres zugelassen werden, daß
der jüngere Heratempel eine unbedeckte Cella gehabt haben könnte, wie
der spätere Tempel von Didyma. Anderseits ist ein antikes Dach von 23 m
lichter Spannweite keineswegs ganz ausgeschlossen.
Für die Gesamtmaße des Tempels müssen wir uns noch genauere
Mitteilungen vorbehalten. Nur so viel sei festgestellt, daß der Tempel im
Verhältnis von i : 2 gebaut ist, daß die Breite der Cella gleich der Hälfte
der Gesamtbreite des Tempels ist; die Cellalänge mit Anten ist gleich drei
Cellabreiten, die Cellalänge ohne Anten ist gleich 2^/2 lichten Cellabreiten.
Die Breite der Front, in den Säulenachsen gemessen, ist 52,414 m; dies
würde 100 königlichen ägyptischen Ellen entsprechen.
Über die Baugeschichte des Tempels läßt sich mit allem Vorbehalt
und bis zur bevorstehenden genaueren Untersuchung der östlichen Säulen-
stellungen durch V. Gerkan vorläufig nur die Vermutung aufstellen, daß
zuerst die Cella, die Vorhalle und deren Prostase gebaut worden sein könnten
und dann längere Zeit für sich bestanden. Dafür spricht das schlechte,
f Ulis tückartige Verbindungsfundament zwischen der Säule vor der Nord-
ante und ihrer nördlichen Nachbarsäule, dafür ferner die merkwürdige,
oben geschilderte Orthostatenreihe in Fußbodenhöhe, die von dem Anten-
sockel ihren Ausgang nimmt und das seitliche Pteron südlich wie nörd-
lich ausschließt. Ferner der Umstand, daß wir vor der Ostfront die er-
wähnte gestürzte Porossäule mit ihrem Marmorkapitell in situ fanden, die
sicher zur Prostase gehört. Man müßte also schließen, daß die Prostase
ganz aus Porossäulen mit Marmorbasen und Marmorkapitellen bestand, die
auch nicht ersetzt wurden, als die übrigen äußeren Säulenschafte infolge
eines Entschlusses während der Erbauung der doppelten Ringhalle ganz
aus Marmor statt aus Porös hergestellt wurden.
Eine Zutat römischer Zeit ist die dem Tempel östlich vorgelagerte,
von früheren Beobachtern nicht erkannte Treppe aus weißem Marmor; ihre
Breite entspricht der Breite des Tempels, in den Achsen gemessen (52,414 m),
sie ist beiderseits von einfach profilierten Wangen (Fig. 6) eingefaßt. Die
nördliche Wange war schon zum Teil bei den Grabungen Kavvadias-So-
phulis zum Vorschein gekommen. Die Hinterfüllung bestand aus großen
Bachkieseln des nahen Imbrasosflusses, aus älteren Architekturstücken und
3*
20
Th. Wieg and
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a
«
Erster vorläufiger Bericht über Ausgrabungen in Samos,
21
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60
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S
22 Th. Wieg and:
einigen Skulpturfragmenten, die durch Mörtel verbunden waren. Vor der
Anlegung dieser römischen Treppe ist der Tempel völlig stufenlos gewesen,
Erdrampen müssen die Stelle der Stufen vertreten haben, die ursprünglich
sicherlich geplant waren. "^
Im Plane des Tempels sind nur Maße eingetragen, die wirklich ge-
messen oder mit ziemlicher Sicherheit berechnet werden konnten. Die nur
annähernden Maße sind nicht eingetragen, da sie sich mit genügender Ge-
nauigkeit abgreifen lassen.
Die meisten Glieder des älteren Heratempels liegen, wie schon er-
wähnt, in der deshalb besonders hohen siebenten Fundamentschicht der
Cella, des Pronaos und in einigen Fundamentteilen der Prostase (vgl. z. B.
Fig. 7). Sie bestehen aus einem überaus feinen, gelblich weißen Kalkstein,
der eine sehr feine Bildung der Schmuckformen zuließ. Im ganzen sind bis
jetzt etwa 70 Stücke der Basis (Spira und Torus) von ausgezeichneter Arbeit
beobachtet worden, deren Formen als Vorbild für die Basen des späteren
Tempels gedient haben, wobei letztere erheblich vergröbert wurden. Der
Durchmesser einer Spira betrug 1,40 — 1,43 m, der eines Torus (oben ge-
messen, ohne Auswölbung) 1,33 m. Danach könnte der ältere Tempel nur
etwa um ^/ß kleiner gewesen sein als sein Nachfolger. Von den Säulen-
schaften des älteren Tempels sind ebenfalls Bruchstücke gefunden, zum
Teil sind sie im Fundament des inneren Säulenkranzes verbaut. Die Kan-
neluren sind sehr flach, an einer Stelle maß ich 10,6 cm als Kannelur-
breite, an einer anderen 10,8, an einer dritten 11,2 cm. Sie stoßen nach
dorischer Art scharf zusammen. Auch vom einstigen Fußboden sind Reste
im Innern der Cella, 2,40 m tiefer als das Pflaster des jüngeren Tempels
im Pronaos, gefunden worden; es sind Kalksteinplatten, über welchen der
alte Brandschutt mit zahlreichen Ziegeltrümmern des Dachbelags, alle mit
braunrotem Firnißüberzug, lag. Der ältere Tempel hat sicher ein voll-
kommen ausgebildetes Dach besessen.
Bei der Frage nach den Baumeistern des älteren und des jüngeren
Tempels werden wir vor eine schwierige Aufgabe gestellt. Unsere wich-
tigste Quelle Herodot III, 60 sagt, das Heraion zu Samos sei der nhöc m^-
ncToc nÄNTWN NHÖN TÖN hmeTc tAweN. Damit meint er den jüngeren Riesen-
bau; von dem jetzt entdeckten älteren Tempel hat Herodot nichts mehr
Erster vorläufiger Bericht über Atisgrabungen in Samos. 23
gowul3t. Wenn er also weiter fortlährt: to? (nho?) apxit^ktoon npÖToc er^-
NGTo 'PoTkoc ct)|A^0Y enixdjpioc, so (lenkt er sich Rlioikos als Urheber des
jüngeren Tempels, weiß aber, daß später noch ein anderer Architekt an
demselben Bau gearbeitet hat. Als solcher käme nur jener Theodoros in
Betracht, der nach Vitruv VII, 1,12 ein Buch über das samische Heraion
geschrieben hat und der nach Pausanias (III, 12, 10) als Erbauer der spar-
tanischen Skias zu gelten hat.
Der Name des Erbauers des älteren Heraion bliebe dann ganz ver-
schollen. Aber gerade dieses ist künstlerisch hochbedeutsam, gerade bei
ihm sind die originellen Formen vorgebildet, die an dem jüngeren Tempel
wieder maßgebend wurden. Wenn wir die Größe der älteren Leistung,
ihre ganze Vornehmheit und Schönheit überdenken, so drängt sich die
Annahme auf, daß der ältere Bau den maßgebenden Meister gehabt
hat, dessen Name uns Herodot als npwToc apxit^ktcon überliefert. Das
jüngere Heraion ist ein in den Schmuckformen kopierter vergrößerter
Ersatzbau für den in einem Perserbrand zerstörten (Paus. VII, 5, 4) be-
rühmten Vorgänger. Auf den älteren Bau müssen wir auch die Vitruv-
stelle über den Künstler Theodoros beziehen, denn er gilt als Zeitgenosse
des Kroisos.
Dem Pausanias ist es ebenso gegangen wie Herodot. Auch er hatte
keine Ahnung mehr von dem älteren Bau und wundert sich daher, daß
das von ihm gesehene Gebäude »trotz dem Brande« so stattlich aussehe. In
Wirklichkeit hat dieses jüngere Gebäude nicht die geringsten Brand-
spuren, und die Nachricht, an sich wertvoll, ist auf den älteren Bau zu
beziehen.
Wann ist dieser zugrunde gegangen? Da in den Perserkriegen und
im ionischen Aufstand die Samier vorwiegend auf persischer Seite standen,
so kann sich die Nachricht über den Brand nur auf die vorhergehende
Zeit der Verwüstung der Insel nach dem Tode des Potykrates durch den
Satrapen Otanes ums Jahr 5 i 7 beziehen, der nach dem Zeugnis des Hero-
dot (III, 147) auch die Heiligkeit der Tempel nicht geschont hat.
Es mag Jahre gedauert haben, bis man an die Wiederherstellung gehen
konnte. Daher zeigen manche Zierteile des Neubaues eine relativ junge
Arbeit, die sich der Kunstübung des 5. Jahrhunderts nähert; während das
ältere Heraion z. B. noch scharf aneinanderstoßende Stege der Kanneluren
hatte, finden wir beim jüngeren Bau die breiten Stege der späteren ionischen
24 Th. Wiegand: Erster vorläufiger BericJit über Ausgrabungen in Sarnos.
Säule, und während beim älteren Tempel die Profile noch in der für die
altionische Schmuckweise charakteristischen Art weich und rundlich ge-
bildet sind, zeigen sich am jüngeren Bau zahlreiche Werkstücke mit kantig
behandelten Einzelheiten des Schmuckes. So wird, soweit man bis jetzt
urteilen darf, der Neubau ein Werk des ausgehenden 6. und beginnenden
5. vorchristlichen Jahrhunderts sein. Er ist nie fertig geworden, hatte
aber jedenfalls im 5. Jahrhundert noch eine längere Bauzeit.
Türkische Manichaica aus Ohotscho. I.
Von
A. VON LE COQ.
PML-kist. Klasse. Wll. Anhang. Abh. VI.
Vorgelegt von Hrn. Müller in der Sitzung der phil.-hist. Klasse am 19. Oktober 1911.
Zum Druck verordnet am gleichen Tage, ausgegeben am 25. April 1912.
Uie vorliegenden türkischen Texte manichäisch-religiösen Inhalts gehören
zum Teil zur Ausbeute der ersten, zum Teil zu der der zweiten Turfan-
expedition. Erstere hat Hr. Prof. Grünwedel mir zur Verfügung gestellt,
wofür ich ihm hier meinen Dank ausspreche; es sind die Manuskriptbruch-
stücke T. M. 1 59, 282 und T. Iä, die sämtlich aus der buddhistischen Tempel-
ruine ot*) in Chotscho (Idiqut-Schähri) bei Turfan stammen.
Die vier größeren Handschriftenreste T. II D. 171, 172, 173 und 176
wurden von meiner Expedition in einem Gewölbe des nordwestlichen Teiles
der manichäischen Ruinengruppe K*) gefunden; alle bisher in den Publi-
kationen der Berl. Akad. d. Wiss. behandelten türkisch-manichäischen Schrift-
und Miniaturfragmente**) gehören zu diesem größeren Fund. Inhaltlich ge-
hören alle diese Handschriften der religiösen Literatur der Manichäer an;
es sind Reste von Gebeten (T. II D. 1 7 1 ) und von durch Gleichnisse er-
läuterten Predigten und kosmogonischen Schilderungen (Buchrest T. II
D. 173a, b, d***). Das Buchblatt T. II D. 176 endlich enthält eine grauen-
erregende, legendenhafte Erzählung.
Alle diese Manuskripte sind Übersetzungen, und zwar anscheinend
Übersetzungen aus dem Mittelpersischen oder Soghdischen. Die Übersetzer
*) Vgl. den Plan der Ruinenstadt Chotscho (Idiqut-Schähri) in A. Grünwedel, »Be-
richt über archäologische Arbeiten in Idiqutschari«, Abhandlungen der Königl. Bayer. Akad.
d. Wiss.: I.Klasse, XXIV. Band, I.Abteilung, München 1905.
**) A. von Le Coq, Ein manichäisch-uigurisches Fragment. Derselbe, Ein christliches
und ein manichäisches Manuskriptfragment 1909 XL VIII. Derselbe, Chuastuanift, Anhang
zu den Abhandlungen der Berl. Akad. d. Wiss. voi^ Jahre 1910. Berlin 191 1 (T. II D. 178,
Blatt III— VI).
***) Diese zusammengehörigen Buchblätter sind in der Reihenfolge, in der sie sich im
Augenblick des Fundes darboten, numeriert worden; wahrscheinlich enthält aber Blatt a*
den Schlußhymnus und das Kolophon des ganzen Buches oder doch eines Abschnittes. Die
Blätter b ' und c sind noch nicht publikationsfähig.
4 A. VON Le Coq :
haben unseres Erachtens den Versuch einer wörtlichen Wiedergabe so weit
getrieben, daß die an sich durch unsere Unkenntnis der Realien schon un-
gemein schwierige Verdeutschung durch die ungewöhnlichen Konstruktionen
noch wesentlich erschwert wird. Wenn trotz mancher Zweifel diese Texte
heute schon der Öffentlichkeit übergeben werden, so geschieht es einerseits,
um anderen, besonders Hrn. V. Thomsen, die Teilnahme an ihrem Stu-
dium zu ermöglichen, anderseits, weil wir mit anderen Dingen sehr stark
beschäftigt sind. Die hier gegebenen Übersetzungen machen keinen An-
spruch darauf, mehr als ein Versuch zu sein.
Von nicht unbedeutendem historischen Interesse ist die Erwähnung
des ulwy mozaJc aus Tocharistan, den wir ßir den Mudja der Inschrift von
Kara-Balgassun halten möchten*), sowie die des Schülers und Zeitgenossen des
Mani, Mar Amu, des Mozak, der zu den frühesten manichäischen Sendboten
gehört. Wichtig ist ferner das Datum im Kolophon des Blattes T. II 173a',
das einen Schluß auf die Entstehungszeit des betreffenden Textes und zu-
gleich auf das genaue Datum des Todes des Mani zuläßt, und endlich die
Auffährung der Titel des türkischen Fürsten im polychromen Buchblatt
T. II D. 171, welches unseres Erachtens auch ein Kolophon, und zwar das
eines Gebetbuches, sein dürfte.
Dieses Blatt zeichnet sich durch die verschwenderische Verwendung
zahlreicher farbiger Tinten aus und veranschaulicht dadurch jene, den Mani-
chäern eigene Freude an farbiger Kalligraphie usw., die den heiligen
Augustin in so heftige Entrüstung versetzt hat (vgl. F. W. K. Müller nach
Flügel, Handschriftenreste in Estrangeloschrift, Sitzungsber. IX, 1904, S.5).
*) Vgl. A. von Le Coq, Ein manichäisches Buchfragment aus Chotscho (in Fest-
schrift für Vilhelm Thomsen, Harassowitz, Leipzig 191 2). Nach F. W. K. Müller
entspricht das Wort mozak dem mittelpers. \ rt%^|\WiA (Handschriftenreste II, S. 79,
Man. 543) oder \fyi|^JdL#<i (Manuskriptblatt M i, Blatt III [noch unpubliziert]) und hat
die Bedeutung Lehrer.
Türkische Manichaica aus Chotscfto. I.
T.n Ü.176.
(Tafel I.)
Fragment einer Legende.
Blatt 1, Vorderseite.
k«^T^3C3<
\riSllAri% tWCial««^ J^%H2^ ^«iic^
, ft»trtfjt»fvri r<LtJt%H^^ riJB^iAt^iasac
korijp Hn6ä saqint'i-h
sah er und so dachte er:
hu m{ä)ninng yutuzum huu tlp
»Dies ist jemand aus meinem Gefolge«*) (sagend)
'icgärü kirip ölüg birlä
hinein ging er, zu der Leiche
yat'iV) .. yrnä äsrükin hiUgs{i)zin
legte er sich •• Und als er infolge seines Rausches
üöün ölngüg qoöup
und seiner Torheit die Leiche umarmte und
ovutsuz bilig silrüp ol
schamloseDinge(Wissen)betrieb, wurde erniitjener
ölügkä qat'ilt'i'i kucädükintä
Leiche vereinigt; durch seine Anstrengungen
ötrü Ölüg yariltii •• ol
zerplatzte die Leiche •• Die in ihrem
yarsinöv^ äf öziniäkl-h
abschreckenden Körper befindliche
qan Hrinng ar'iystz yablaq
Blut- und EiterflOssigkeit trübe und übel
tasilt'iV) tokültii •• ymä-h
ward herausgedrückt und verschüttet •• Und
ol tüzün är q{a)may özi-h
jener gerechte Mann, an seinem ganzen Körper
tonii hastan adaqa (lies adaqqa?) t{ä)gii
und Kleide von Kopf zu Fuß
qanqa Hrinngä (1. "irinng-kä?) ürgänip^)
mit Blut und Eiter Oberschwemmt,
*) Es ist nicht festgestellt, ob das Wort yutuz nur männliches Gesinde bedeutet.
A. VON Le Coq
19
. f\^<\^M ^^JlkbJUyri \»\\^<^a^
ovutsuz hillgin üöün
durch seine schamlose Absicht (?) (Wissen)
äsrükün ogsüz bolup
und durch seinen Rausch sinnlos geworden,
kongülingä nniy ogrüncülüg
in seinem Herzen: -ein übel sich freuender*)
boltum tip saqint'i-h ••
bin ich geworden« (sagend) dachte er.
ancyima qan yafin y{a)r^udi'i
So wie'*) Blut (??) leuchtete der Morgen,
kün iwydn •• ol tüzün är
die Sonne ging auf •• Jenes gerechten Mannes
äsrükii admt'i'i usinta
Rausch (änderte sich) verflog, aus seinem Schlaf
[Ende der Vorderseite.]
Rückseite.
^«riisäcA* ^•.Aa^'Usi Osa^H^rd ••^«v\«sri
udunt'n hirök hastn yoqaru
erwachte er; sein Haupt hoch
kötüriip kirtä supuryan
erhebend ging er hinein, in des Stüpa
*idrä yatuqin qoy'in-ta
Innerem bei dem Sich-Legen (?) in seinem Busen
ölüg yatur 'irinng qan
die Leiche liegt, Eiter und Blut
tokülür tuzä y'idiyor k{ä)niü
fließt aus, alles riecht (übel): sich
özin kortii qop qanqa
selbst sah er; als er ganz von Blut
^j«JCM&l««ri « <V%»in^r<V^fs^ bulyanmis gnystz-kä (lies -qa)
* hpflflptt. sir>h vnn TTnlniit«rt«it
befleckt sich von Unlauterkeit
ürgänmisin korüp ötrü-ü
überschwemmt sah, da
b{ä)linglädn nrt'iy qorqut'i-h
schreckte er auf, gräßliche Angst ergriff ilui,
uluy ünün m{a)ngradvi t{ä)rkm
mit lauter Stimme schrie er, schnell
*) »Ein am Bösen Gefallen findender.'
TürkiscJie Manic/mca aus Chotscho. I. 7
••^-^^^^ .. f\%tr-<>>^a^^ #i^^^iki«s^ tultonta^) tasiqip täzdü
aus dem . . ? . . herausgehend*) floh er
^r^riMxKri •%^iri Vf\V«v^* ^Ö***^ ^^^^ yngürür ärtü anda-h
(so schnell, weit) wie er laufen konnte, so war er voll
> ^^ri ««^«ri V^%t.£^iri* irifi^«sisa4 qosar^) yarsiyor ärtü ol
Widerwillen und Entsetzen. Jener
^<V\%n\rii&ait \t^ V^^ ^{^«.M* tminöa gfiy ton Mdmisin
^•^— r|iliri^«yl:dV^^ O^sau-i^-Wtrl antaq t{ä)rUn huiarlayu
solchermaßen schnell zerriß er und
#vW<|!Lfii&^^ ,^..fi.%^H* rMA^ad rit;%«vri üzä Inöa y'irt'ip iasyaru
mit Riß und Schnitt (den tul ton?) zerstückend,
••^Vfv(A* 0^bkrivU.%>^>i. %»^<V\»rir<aeac Mmlstli ^'inöaq yugürtii
heraus warf er ihn, betrübt eilte,
r< W» fw%r<M t)e\t^ H^ «6 «tAi^i:^ bard'i'i •• bir tusbasmga'')
ging (er) davon. Einen seiner ...?...
«— ^^ri ^•^«^ri ^V^*«vH 9ib ««ALri^ tägdii •• öirü özin ol
traf er an (fand er) •• Sich selbst (?)
^r^%^ <V^i mr-< rtW» f^ H ^ <V^»\^ tusbasinga k{ä)misti-h
in jenen seinen ...?... stürzte er;
. ^»yri %%^*^*^jtri %%^«s* yunt'ii ar'it'intn ol
er wusch und reinigte sich, jener
[Ende der Rückseite.]
T.n D.173ai.
(Tafel U.)
Teile eines Buches. Erstes Doppelblatt. Größe 28,2 x 25 cm. Festes, glattes,
gelbweißes Papier.
Blatt I, Vorderseite.
— <dk^ >^ S9 JtniH9ft% >iu^d# quäuy öl-ürür •• t{a)qi ymä
er den Vogel tötet •• und wieder
^4ä\rämM jö>^ i^M4 ^»ö§ü 4räM incä q{a)lt'i 00t kirn 'iyaddan
\ so wie das Feuer, welches am Holze
ßmäötirn /'^^^t^ _4(«a ^ Md^ja» ö-nüp •• y-{a)na 'iyacay^) öriäyür
entstanden, wieder das Holz ansteckt
*) Das befleckte Kleid abwerfend?!'.
**) Obwohl die Wörter dieser Zeile nicht unbekannt sind, wage ich keine Übersetzung.
A. VON Le Coq
»9
/ca^ 69 Lai4,%ep ^fma^ ^diu^ ^gua^
<%^^^ 4^X^da^^ fd« 69JU4^
^^m^^i^g V^^ ^^^^^^^^^^^ ^^^^^^^^^^ ^^^^^^^^^^
<\\^ %nr4€A ^S^ 69 69 /lA,fM4i Cjm,
^^§g — 4£dM, ^ii^ 69 jLääiÄMX -<aAe»
ULU^ ^fL^ jCy^ 69 ^Ö^ WärUäiH^
(kdjL^^^^ u«A 69 kia^jon L&ät^^it^
pdÄ4, ^^^ 69 JUMA^ ^^e* ^^t^^tf
^^0jt, 6969ßt n\^^m€\j^X 69/Lä0iUe%
i^äOKP^^ 69 p^^iL^p^ 4£äM
• • t{n)q'i ymä anöol-ayu q{a)lt'i qug'i
" Und wieder, so wie wenn das Lamm (oder)
bozayu ät'özi tägSil-ip grslan
das Kalb, seinen Körper auswechselnd zum jangen
oyti bör'i oyti hol-up •• twy-
Löweu oder zum jungen Wolf geworden •• geboren
sar •• ol ö-dün y-{a)na k{ä)ntü
werden sollte •• (und) dann wieder selbst
sürik/ uduy quyanuy al'q{a)nur
Herdenvieh, Rinder (und) Hasen auffrißt (und)
yoq qtl-'ir (-ur?) •• •• t{a)qi anöol-ayu
zunichte macht •• •• und so
q{a)lt'i urd'un b{a)z^an %isyaö
wie die den Amboß drückende Zange,
kirn k{ä)ntü ul-'uq tämirän
die, selbst von erhabenem Eisen
üil-mis*) ol •• y-{a)na q{a)may tämiräg
hergestellt •• wieder alles Eisen
k{ä)ntü yanöar •• t{a)qi inöä q{a)lt'i
selbst durchbricht •• und so wie
tonnung hüi •• kirn kiäi näng
des Rockes Laus •• die, aus des Menschen
i{ä)ri-smtä ö-nüp^) •• y-{a)na kifinäng
Haut entstanden •• wieder des Menschen
qariin k{ä)ntü sorar •• kl§i ani
Blut selbst saugt •• Wenn der Mensch sie
körsär •• y-{a)na yarsi-yor •• g,mt'i
sehen sollte •• dann wird sie verscheucht (?). Jetzt
inöä h{ä)lgürtti •• kül uzä
also erläuterte (erklärte) er •• unter den Menschen,
bis t{ä)ngri-lärdä utru (ötrü?) bis
durch die fünf Götter hindui-ch (? ?) in den fünf
türlüg 'ida 'iyacda iuyd'i
Arten Gewächsen und Bäumen wurden sie geboren
[Ende der Vorderseite.]
*) Durch sorgfältige nachträgliche Abdeckung mit Deckweiß hat der Schreiber die
charakteristische Ausbuchtung des ^ auf der linken Seite hier besonders hervorgehoben;
ebenso auf Z. 14 der Rückseite im Worte tüsünyür.
Türkische Manichaica aus Chotscho. I.
Blatt I, Rückseite.
(Tafel
S9
/it^iuuc>> -iSd«^ ^|V4^ >fte^ Pd^^tM,
2^ 69 69 ß4gH{t0n&4n\
Phil'hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. VI.
IL)
ymä bis türlüg 'ida 'iyacda
Und durch die fünf Arten Gewächse und Bäume
utru (öirü?) hu ögsüg ät'özdä
hindurch (?) in diesem verstandlosen Körper
tuyd'i-lar •• anta gtrü (?) uzWi
wm'den sie geboren •• darauf, weil sie sich
uzaqi özkä ämgäntükin
lange (?) für den Körper gequält haben,
igl-ämäkin öl-mäkin •• qop yirdä
erkrankt und gestorben sind, weil sie allerorts
aciy ämgak körtükin •• •• ymä
bittere Qualen erduldet haben ••
irino küi oyM k{ä)ntü körmiä
benennt man sie »elende Menschensöhne«, infolge
ötägin ämgäkin atayurlar •• ymä
der von ihnen ausgestandenen Pein und Qual •• Und
bir äklnti-kä qaryanurlar^°) al-
einer mit dem andern streiten sie und ver-
qanurlar •• t{a)qiL icin yoniüsü
schlingen sich (?) •• Und . • ? . . *sich schlagend
oqi-surlar"yoqyudun bul-ungur") (bol?)
rufen sie sich zu : durch *Hungersnot . • ? . .
is-ig") k{ä)rgäksiz y{a)n6al-mLglar
übel(?) und ohne Ende sollt ihr bedrückt (?) werden!
ootqa örtänkä tob'ün « ,:
Auf Feuer und Flammen herab (?)
tüsüngür atang qal-anga {qalang{a)r?) ••
möget ihr fallen (??)..?.. . . ? . . . , ? . .
t{ä)gl-üg tag tip sögüsür-lär
*Dergleichen sagend beschimpfen und
yontüsürlär •• bu qaryantu-
sötilagen sie sich herum • • dieses ihr Verwünschen
qin al-qantuqin käkrä^tükin
und Verschlingen (?) und sich Hassen
yontüstükin bil-mäz kisi tag % ^^
und sich Schlagen (?) gleich unwissenden Menschen
2
10
A. VON Le Coq:
'9 ßUkUMä^
^A^>e^>«^
utÄji^
69 69
sögiUöä oy-unöa saqanur
wie Schimpf und Betrug (?) . . ? . .
• • •• k{ä)ntü inöä tui-mazlar
Sie selbst so verstehen nicht ••
[Ende der Rückseite.]
T. n D. 173a2.
Blatt 2, Vorderseite.
«2^ >^^^ AM^^^ ^tfiii^ c?a k^Sinrot) *2* huryjin k{ä)lmaki nom c|a
das Kommen des Burchan Buch
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69 A^ßM*M^^ 4» ß/H4gßßAilie%
69 69
1ß^
4\A€0^ JU^fJXM^
ßi*^i q{a)may yidäng^^) hul-tumuz •• ada
alle haben wir gefunden. Bedrückung
tüz bizni ara yoq •• nmt'i
und * Trug unter uns nicht ist •• Jetzt, oh unser
i/{a)rl-ayyanGud'i qangamaz^^) ädgüqil'in-
gnädiger Vater! Oh unser gut handeln-
6%'7 •• il-' ig{ä)mäz sans{a)z tümän
der Fürst! Zahllose Myriaden
y'il holt'i siz'intä ad{a, 'i)r{a, i)l-tuqda
Jahre sind verflossen, seit wir von dir getrennt
haru •• ol y{a)rl-a'^'qan6uci körtlä
worden! Durch jenes, dein gnädiges, schönes
münsüz y{d)r'uq körk'üngüzün
unschuldiges, lichtes Antlitz (Bild)
ol kül-üng iräi (?) • • s{ä)v 'iglig
dein . . ? (?). Dein liebes
yal-traylt is'ig yuz'üngüzän
leuchtendes, lebendes Antlitz
köröksäyür hiz^^) kösäyür big ••
zu sehen sehmachten und wünschen wir!
sizn{ä)ng{?) küc'üngüzkä äsänin
In deiner Kraft ungefährdet
hardamaz äsänin kältämäz •• ••
sind wir gegangen, ungefährdet sind wir gekommen!
,^A^ ai-duq isängäz{ä)n tökäti is-
(doch) die von dir befohlenen Dinge ganz
Türkische Manic/mca aus Chotscho. I.
n
it^>^^ ^ .jiä0ä\äg
f«^
^ddtMäLÜM^
[Ende der Vorderseite.]
lädämäg •• amt'i y{a)rl-ayqanöu6t-'i
haben wir nicht ausgeführt •• Jetzt, oh mein gnä-
il-'ig t{ä)ngrim y{ä)rl'[ä)qang ol
diger königlicher Gott! Sei gnädig! Jenes dein
m{ä)ngigü tökäl-ig münsüz
ewig vollkommenes, unschuldiges
öz'üngüzün körälim •• oküs
Wesen (Selbst) wollen wir sehen ! Unsere lange
ödtä haru ämgänmis ämgäk{ä)-
Zeit hindurch erduldeten Qua-
mä^'in umial-am m{ä)ngigü m{ä)ngigü
len wollen wir vergessen! Ewig
säv 'i-ncl-'ig ögründlüg
liebevoll, freudevoll
Rückseite.
-2-
^A^JkßH^ >^f»&^
0
(Titel
mennigrot)
ißO^ßd»^ ^M^ S9^ttlA%eP
69 ^^ß^äLQß^ ^AS£äA
ßUMäpu^ ßupg.
69 69 ßä^^äjt
^-4^-
^ 69 69
<^ hitil-ti saki-m{u)n c^o
ist geschrieben worden Sakya Muni
hol-afim (1. -atim) •• t{a)qi ok'üs türlüg
wollen wir sein! •• Ihr (sie?) oftmals
muntay öt'üglär öt'üngäi
solche Gebete werdet (werden) beten:
ol ödkä ul-'iuy il-ig
dann wird der Große Konig
m{ä)ngigü y{a)rl-{a)qanGU(n körtlä
sein ewig gnädiges schönes (Bild)
körkin acyai h{ä)lgürtgäi ••
Antlitz enthüllen und zeigen:
ol Ödkä q{a)may täklirär
dann alles wird *sich wenden,
m{ä)ngigü ögrüncülüg
ff^ig freudevoll,
s{ä)v'incl-ig hol-yai-lar •• ••
liebevoll werdet (ihr, sie?) sein!
• • •• ymä m{ä)n zmtu m{ä}n^^)
Ich, Zimtu (Zimtu ?), ich
2*
12
A. VON Le Coq
«7
69 69 ^4/^,4fb^ 4£dM
>^
69
uL
4&*\MaMi^ <%Meß^^ti\\ ^4ßd^
^^ßU ^na^äUA .dax ^p^
ol ädgü m{ä)ngiJeä ortuqluyu
werde in dieser guten Freude sein Genosse
bol-ayan m{ä)ngigü m(a)ngigü ••
werden (?). Ewig, ewig
inöä holzun •• ••
so möge es sein.
ytnä t{ä)ngri mani buryßn
Im ffinfhundertundzweiund-
t{ä)ngri yiri-ngärü harduqinta
zwanzigsten Jahre »Schwein"
kin hü yyz artuq'i äki-i
nach dem (Heim)gang des göttlichen
ofuzunö lü'yzin y'il-qa
Mani Burchan in den Götterhimmel,
ötükäntäki nom ul-uy^'i
(hat?) der in OtQicän wohnende Gesetzesfurst,
tökäl ärdämlig y{a)rl-ay-qanduG'i
der sehr tugendhafte, gnädige
hil-gä b{ä)g t{ä)ngri m{ä)r niw mani
Wissensfarst, der götth'che Mar Niw Mani,
m{a)%i-staka (lies M?) ai-y"in hu äki
dem (?) Ma;)^istak Ai^Tn *) diese beiden . . .
Rückseite.]
T.nD.173bi.
(Tafel II.)
Zweites Doppelblatt.
Blatt I, Vorderseite.
c|o ^4i9,4f^ .jagdaiß^m c?a
kalmfnrot) *2* ö-grünöü holzuTi cga
Freude möge sein!
P^ß^/t^i^-^-^MX^^Ä^ß^ 69 ^^0^
69 69^,ÖM^ ^ äipendäjf^ tAtfirt^
69 ^^M^ pa^fj»^
-ep^
,ränrrn
i{ä)sti •• äkinti ymä %{a)may t{ä)ngn
durchstieß er. Zum Zweiten. Den ganzen Götter-
yirH-n äsängüsin hirii ••
himmel (und) sein *Wohlbefindenhater gegeben- ••
üöünö ädgü nomuy hirti ••
Zum Dritten. Das gute Gesetz hat er gegeben ••
*) ? am<yßi/a, aniynia usw.
Türkische Manichaica aus Chotscho. L
^di0i0 69 ^^tint\nM 619 Mäia^
13
.juießu^ju^
>S§i — «e^^ S9
ÄjUä,
jusH H •■rt^
69 irtMtt^ 4räA
JKl^
^''f'$"*^M jß^^^^^^"^^^
»9
^^ifr^^^Vf ^^&$'^''M ^^H 69 69
m4^44tt\.f\ 4<f ^ dA rH ^^ 69
törtünd q{a)t{ä)y-Ianturdi s{a)y!an-
Zum Vierten. Zur Anstrengung, zur Hut
tterdi •• udyurt'i •• hisind
und zur Nachfolge veranlaßte er. Zum Fünften.
[Ende der Vorderseite.]
ongintn t{ä)ngri yiri-ngärü
Auf seiner Rechten, zum Götterhimmel
qapay'in add'i •• inöä q{a)lt'i
seine Tür öffnete er. So wie das
suv 'i 'iyac qapaym^'')
Wasser die Tür der Gewächse und Bäume
yirdä aca birüröä •• --^--,»..-
auf der Erde öffnet*),
andoktyuma yjoUag
so auch Chrostag
t{ä)ngri %urin{u)zla t{ä)ngri-kä bis
der Gott dem Gotte Chormuzta (und) den
t{ä)ngri-kä qapay'in ada birti^^) •
fünf Göttern seine Tür öffnete.
• • •• ymä %roMag p{a)dwa%tag
Als Chrostag (und?) Padwachtag
t{ä)ngri %urm{u)zta t{ä)ngri-dän
der Gott von dem Gotte Chormuzta (und)
t{a)mudan yo%aru ayduqta
von der Hölle in die Höhe gestiegen war,
• • ol ödün wadziwantag
da kamen Wadziwantag, der Gott
t{ä)ngri ög t{ä)ngri t{ä)rkläyü
und die Mutter-Gottheit (?) eilends
k{ä)lti-lär •• %urm{u)zta t{ä)ngrig
herbei. Den Gott Chormuzta
t{a)mudan yoqaru aqturt'i
aus der Hölle aufwärts machten sie aufsteigen
öni\üri\i •• t{ä)ngri yiringärü
und herauskommen und zum Götterhimmel
*) Möglich, aber unw^ahrscheinlicher ist die Übersetzung: »So wie er die Tür des
Wassers, der Gewächse und Bäume usw.«
n
Ä. VON Le Coq
C?3
Rückseite.
A&^ — (HääMä^äM c?o „eSIigrot) *2* qamayn{a)ng quti k{ä)ntü cgo
von allem die Majestät er selber
jL,
A£ß^^ itrt^
«9
>Aj^
.f^ JUa,1^U, ^tß^ Md^AdOXi^
^.
^•tf"'ö ttuattx _^n rr ff tf|iitirtf<
/UU4X /Ut, p^flß ^M^ 69 grtitäätix
drm/HiAAtitrH j^U±^^>^
.^
MXl,
ßt mgptut^ JLeM^ f&iin& 4(ii\ ^tß^
'idt'i •• ymä og t{ä)ngri wad-
sandten sie ihn. UnddieMutter-GottheitundWad-
ziwantag t{ä)ngri ul-a-ar bis
ziwantag, der Gott, diese schieden die fünf
t{ä)ngri-lärig %ur'm{u)zta t{ä)ngri-dä
Götter von dem Gotte Chorrauzta
art'i-lar •• ymä yir'ig t{ä)ngrig
ab. Und (nun) die Erde und den Himmel
y{a)raiyalt itgäli anunt'i-lar •• ••
zu schaffen und zu machen machten sie sich bereit.
nng il-ki on qat kok*)
TäVl allererst den zehnfältigen blaxien
i{ä)ngri-g gntaq hir türgün
Himmel solchermaßen mit einem Mal machten
yapdi-lar y{a)ratdi-lar •• •• q{a)lt'i
sie, erschufen sie •• gleich wie man einen
yang'i yimisl-ik äv barq
neuen Fruchtgarten und Haus und Hausrat her-
y{a)rat'irca •• t{a)qi q{ä)li'i 'iy yang'i
richtet • • auch gleich wie manGewächse aus neuem**)
yirdän ti-min örtürürdä
Erdboden sogleich aufsteigen macht ••
• • •• q{a)li'i oyul oylan ärgüsintö,
gleichwie ein männliches Kind aus (jmds.) *Männer-
ärüröä •• •• ancolayuma
kraft entsteht •• so auch bei der Herrichtung
Im yir suv on qat kok
dieser Erde und des zehnfältigen blauen
t{ä)ngri y{a)ratuqta angar oyßayur
Himmels jenen (Vorgängen) vergleichbar war
*) In Wörtern, die ein^ k enthalten, wird der Vokalö(«) häufig durch a statt durch
wiedergegeben. Das Vorkommnis wird nicht überall in der Umschrift hervorgehoben.
^ **) Noch unbebautem.
***) Der Buchstabe it (%, y) ist mit roter Tinte unter dem itf nachgetragen.
Türkische Manichaica aus Chotscho. I.
\i
i6
r^^ii^^ Tun ^"at ^ ^ >SM^
. ^ßäUp^dSk PA^ ßL^ 69 69
ärtl •• •• ymä bir ygrmind
es •• und elftens den Zodiacus
a%rw:?nay'^) iti y{d)raii*) •• yiti
machten sie, und richteten ihn her aus(?) sieben
türlüg ärdämtä ötrü
Arten Tugend.
• • •• bir q{a)may yäklärkä
•• Die eine soll für alle Dämonen
bay'i bolzun •• il^intii^)**)] q{a)may
deren Fessel sein •• die zweite (soll) allen
[Ende der Rückseite.]
T.nD.173d.
(Tafel II.)
Vorderseite.
>
(tUUM^
V'X ^^H 69 69 JU0ÖadM^
^ 4\^n^ t^-tt^i "'% ^^m 69
i^4&n^ pdA^ 69 ßU0ipß^ 40^4^
ßUJ^tjUi P^pi ^i^ 69 ^4m*ßn^
umayai •• yma ogi qang'i-'i
wird (werden) nicht können •• Seine Eitern
antay ökäk sav sözläyü
werden so erinnernde Worte nicht reden
umayai kirn ol ärn{ä)ng könglin
können, die jenes Mannes Gemüt er-
y{ä)r'utsar ••
leuchten könnten
• yma ayt
Hab und Gut wird
bar{a)7n közingä näng il-änmägäi
seinem Auge nicht anhaften (keinen Wert haben)
• • ymä nädä oiac'i ot'in
Wie viele Ärzte auch mit ihren Kräutern
birld k{ä)lsär •• ant otayu
kommen sollten •• ihn zu heilen
umayai •• t{a)qi q{a)may qamlar
werden sie nicht vermögen •• Und alle Priester
tirräp näng tirgürmägäi
sich versammelnd, werden nichts beleben:
oyul 'YJiz bir'ü umayai
Kinder zu geben werden sie nicht vermögen.
*) Lies itdi y{a)ratdi.
*) Sonst äkinti.
16
A. VON Le Coq:
^-'-'It-'i ^^"i '^^^''^g 69 69
x6
»9
• • •• q{a)Gnang^^) näng atn{a)ng
•■ •• Wie auch?? durchaus nicht des Pferdes
äskäkn{ä)ng (??) müy'ü:^i örmäz
(und) des Esels Hörn (?) entsprießt (hervorwächst)
• • ancol-ayu q{a)lti uzlar
■• so wie tüchtige Männer
ädsiz näng is isläyü
• unnütze Dinge keineswegs betreiben
uniaz •• •• incip ärli
können •• so können Männer
uzuntonlurylV°) näöäkä-
und Langröckige, wieviel auch
tägi'^) bis t{ä)ngri küöin
sie von der Kraft der fünf Götter
yimäsär •• näng ät-Öz
nicht essen sollten*) nicht durch Körper-
s{ä)vigHn ovutsuz isig")
liebe schamlose Handlungen
sürü umaz •• O'yul qiz
begehen •• Söhne, Töchter
[Ende der Vorderseite.]
Rückseite.
fd4 99 ,ääßr*ntiA^ ^"^1 ^mt
1ß^ >fi«v >tß^ >*#• ^^^oi^
69
ymä näng twyurmaz •• ol
keineswegs werden sie zeugen •• Dann
ö-dün q{ä)lt'i t{ä)ngri küci as
wenn die Götterkraft Essen
darauf Kinder werden
ickü hol-sar •• küdlüg b{ä)dük
lind Trinken wäre, stark und groß
hol-ur •• gnta otrü cr^ul qiz
wird sie (sc. azing) ? ?
tw^ar •• ol a^ing""^) kirn tastan
geboren •• Jene deine Sündenlust, die von außen
asqa ickükä yßtl-ap ärür
mit Speise und Getränk vermischt ist
•• ymä äfözkä kirür •• ol
" in den Körper tritt sie ein •• mit je-
*) = wenn sie nichts davon genießen?
Türkische Manlehawa am Chotscho. I.
17
ya4\,44^ LJL^en fO^ 69 69 junu,
^^^ 69 ßiai^ fti^rto ir€U
ä^in^ffirdän 69 69 /^^^^^^t
LtdM LäÜLH .Mt&^ Uä4\,44^
idräki az birlä %aial-ur •• kirn
ner innen befindlichen Söndenlust vereint sie sich,
irkäkli tisili äfözlntä
welche im männlichen und weiblichen Körper
äinlr •. .. ol ö-dün azing
ist ■• Dann wird deine Sön-
incä kilclüg hol-ur •• q{a)ltt
denlnst so stark •• wie
oot qurwy otunguy küy'i'i-
wenn Feuer trockenes Brennholz an-
güröä .... t{a)qi q{ä)ltt bcd-aq
steckt (brennen macht)? •• •• und wie der Fisch
suv iörä yiizäröä .. q{a)lt'i
im Wasser schwimmt ■• wie
urwy ämn yop^üg yirdä
Samen (oder) Kerne am gunstigen Ort
örärcä •. .. ancol-ayurna
aufsprießen, so auch
azmg ät'öz icrä incä
dehie Sündenlust im Körper so
kiwlüg bol-ur .. ol ö-dün
stark wird •• Dann deine
aztng k{ä)ntü Özin töpödän
Sündenlust (den) eigenen Körper vom Kopf bis
adaqn{a)ng t'iranyaq udi-nga
zu der Spitze des Fußnagels .....
[Ende der Rückseite.]
T. M. 282.
(xleichiiisse aus einer Predigt. Oberer Teil eines Buchblattes (14,2 x 8,6 cm).
Graubraunes weiches Papier.
Vorderseite.
/// f ^^^ ^ ^f^CCT ^ "V^^^. ^^^ ^$'^ ^""i ^ ^C'^ ^ ^1^^^'^ ^'^ ^^^^^ uzlanyu äd Imbnasar uz l . .
wie wenn eines tüchtigen Menschen Tüchtigkeit
[Besitz nicht findet (nichts erwirbt) . .
f"Vr ^ff^i j'mi IUI ^^ 69JLaLa4t l£M^ 4^^¥^ ülnbarca qodur»' k{ä)nt[ü]y7)iäiss{i)zboo^
' ' (und) er alle seine Geschäfte niederlegt und
[müßig und unnütz
mn. hist. Klasse. 1911. Anhang . Abh. VI. 3
18 A. vonLeCoq:
3 /'^"^ ^^^^ ,^ >fi^ //// <4^f^ ^ ^ ßLomtax yofiyur •• qal\ti\ . . . kUi hu munca sav{ay
einhei'geht •• so wie ein Mensch diese Worte nich
4 II III IUI ^ ^^^1 ß 40i4j[Mn*, M^0i$iifi <yk^€^ ad'iru hilmnsär u%masar näny bi . .
zu unterscheiden wissen u. verstehen sollte, etwas . .
5 dßi4i^yd4tßuic%m^Mdg IUI . • • • ^n 69^AMd^ IUI ^ s . . mayai •• ymä . . . lärig köküzl q{a)n
seine Bmst den
6 ,44AM<^^k • • • IIS^ ^ y *ö / ^^^' ^1C^ közsüz täylüg • • h . . uz az
Nichtdunkeläugigen älinelnd (? ?)
' //// #*• (fl
[Ende der Vorderseite.]
Rückseite.
/KQßäit^i^A, S9 h^au, /tMä^ im lar{a)y ot • otunywy mm
[wie wenn] Feuer das Brennholz etwa
^&§i jfdM II JU»iA4^JUen ß/uinie%. • • • • ■ kuyürür örtäyür •• Incä q{a)U
anzündet und entflammt ■• so wie
/ta III IUI lim g'U^ itiääfpin xi^t> <^^,€^ hoza-yu khn arslanqa kddll[ip\ "*) . . w;
das Kalb, welches vor dem Löwen *enteilt (?) ?
^^k^ A ^^< *0 \ " ßAtä£(liä&£ß ßji^Aäi^A^ titrätir hutarlayur • • yinä quz'i kirn
zittern macht und zerreißt ■• und das Lamm,
>«4^ .1 ß<UlM(i'WH /u^ IUI mm S ^X <^* Cf^^'Xft honkä kädilip q . . . jnay ölürür •• taq
welches vor dem Wolf *flieht tötet •• und dl«
L44\^&4^(H 'Kttt^ lllllllllllllllll m'^^^i^tP ä0^ III {y'fnYi buzyan [q'isqac kirn tä\mirdä önl
packende Zange, die, aus Eisen entstanden
\yanc
[wiedei
>^i* q{a)U\
[das Eisen zerkleinert] wif
[Ende der Rückseite.]
i
Türkische Manichalcn aus Chotscho. I.
19
T.Ia.
(Tafel I.)
Bruchstück der Kosmogonie. Buchblatt (22^x15^ cm)
Steifes bräunliches Papier.
////A
^ÄlJUft% //OäLk,
IUI
i% fMp
IUI
• //// ^
////^
//// ^
«-*
IIIIJ^II"- "%IIMII.-.III ^
g'o m^/ •• ol m yäklärig
zum . . ? . . stieg er herab •• jene drei Dämoiieii
anr/jwz-nta hadV^) •• tört
an seinen Zodiacus band er •• Mit seinen vier
y{a)riiq kücin h'irlä hu y\ir\
leuchtenden Gewalten zu dieser Erde
snv-qa Inti nhamu hu\iyjin\c(i
stieg er hinab, wie Abamu Bur^^an
h
mmya
ad
ha
h.
tanu
ol
. jener
[i\ört
z [0]/
. . . ist •.
der Gott Chormuzta
llll^
[Ende der Vorderseite.]
t[{ä)n'\yri y{a)rl{a)qancuM kongül-lüy
war gutigen Herzens : wie hat er
ärli^^) §mnuy näcüklätl ölürdi
es gemacht, (daß) er den Dämon getötet hat?
tlp sizik aitsar in(ä
wenn (jemand dies) zweifelnd fragen sollte,
kiylnö hiryll smnu öz tiliu
(dann) so Auskunft gebe: der Dämon, seine Spruche
täyMrüp qamay yaklärkä
verändernd, zu allen bösen Geistern
Inöd tip tanuqlayu sav
so sprechend tind bekimdend (diese) Worte
hirdi slzlärdä alm'is ayu
sprach: Das von euch entnonmiene Gift
%u^muzta t{ä)ngrikä aiyai
gegen den Gott Chormuzta werde ich spritzen
7/2[(ä);z] %urmuzta t{ä)ngriy hu
(werfen) : den Gott Chormuzta (mit) diesem . . .
20
A. vo N Le Coq
Rückseite.
tidi •• atuiü ayusi öz
sagte ei' •• das von ihm gespritzte Gift sein
hfiMnya täydi •• töhün
eigenes Haupt traf •• nieder
[/]ws// tümän tümän
fiel er, zehntausendfaltig deiuü-
y\(i\lcardt •• snmu 7n{ä)n yjirmiizta
tigte er sich •• Der Dämon: Ich (werde?) den
t{ö)nyr am . . t tip . . . .
Gott Chormuzta sagend
nany
etwas .
ya . . t
yäklär .
Dämonen
ärti \/är]
waren sie ••
moi . .
yldl-lär ölürdi-lär äVöz\i\n
aßen sie und töteten sie, er(aber), mit dem Körper
tamu önyüninyä tiUti
in der Hölle Vorderes (?) stürzte er.
ol ödün yjjtrmvzta t{ä)nyri
Da spaltete Chornmzta der Gott, indem
not t{ö)nyriy halto-6a cfitip
er den Feuergott zur Axt machte,
smnu hasin h'idt'i ol oq
des Dämonen Haupt; jenen P'euer-
oot i[d)nyriy y'dmü tümän
gott auch einer siebzig Myriaden
hircC') sönyü täy %iUp
Meilen (langen) Lanze ähnlich machend
smnu baMn sönyü hasin\ta^(^)
das Haupt des Dämonen mit(?) derLanzenspitze . . .
Rückseite.]
Türkische Maninhaica aus Chotscho. 1.
21
T. n K. 2a.
Aus Bündel Nr. 172. Teil einer mythologischen Schrift. Oberer Teil zweier
stark zerstörter Buchblätter. Breite i6f , größte Höhe i 2 cm. Grobes, weiches,
bräunliches Papier.
Blatt I.
3 >tß^ f^A^ f^^ttP P^t» ® >^0^^
• • //////// MX ißi^ ^ O JLä^ ßLOMA
■D (Titel) w^d
anyi Htgäöi tamjlap
? . . staunend
^tl4g4t^
ol t'inturo i{ä)ngri •• yll t{ä)ngrl
es ist der leise Luflhauch •■ der Wind,
y{a)ruq t{ä)ngri •• suv t{ä)ngri • ot
das Licht •• das Wasser • und das Feuer
i{ä)ngri • hular barca äzrna t{ä)ngri
(i. e. die fiinf Götter) • diese alle dem Gott Äzrua
üzä kädiUp birlä qat'itip
(als Kleider) angezogen und mit ihm vereinigt
ärür-lär"^) • hu hi§ y{a)r[uq ingri\
sind • dieser fünf Lichtgötter
s'inlafi barca
Körper alle
incä
[Ende der Vorderseite.]
Rückseite.
?o ^jfrfi» /// ^ ^ (^^,ägcp jitugänj c?a (Titel) qutluy bolzun hu bl[tig\ Idlsi
Glücklich möge sein dieser Schrift Besitzer .
<tp
^Ai0je>. ^diiu^^A4geß>Q^
4^\
AH^&4\M\\ ^4JU^ >>i#^# ^^^^
^ÄJC% >^' 69 ßLXAO^AX ßÜA^ Uli
iLiX ^^^ ^^ A^MJ^ä^^
>t^*«**d — «<^ ////
)HtU40llll
vidya'^^) högülänrnäkln küsin
durch sein Vidya- Weise-Sein (?), seinen Ruhm
kädin qama'^ t{ä)ngri yirintriki
und sein Lob unter allen Göttern im
t{ä)ngrilär üzä incä b{ä)lgiirür
Götterhimmel also lasset er erscheinen (und)
[y{a)\rut'ir ya§ut'ir •• q{a)lt'i kün
verbreitet Licht und Glanz •• wie der Sonnen-
\ai tngri^ ?] {yd)ruqin qamay yir
[undSMond-??Gott] durch seinen Glanz (unsre) ganze
\suv yrut'ir hi§ tn]rlüg tml{t)ylar
[Erde erleuchtet, die funfj Arten Lebewesen
snclar
[Ende der Rückseite.]
22
A. VON Le Coq
<& L
A*m^ ^^A^
Blatt 2.
jf».
Illl^j^sa c^o (Titel) w{a)%m[an ma%i\stak üzä
^rft|r<rt^
////.
^^»4ß^
buUr lar •• «/rm^/ gnw-in^°) (?)
finden sie •• Zweitens, durch seinen Geist,
öz stnly ögdir^') kirn k{ä)ntü ol
sein körperliches , . ? . . welches selbst (besteht aus)
tirly ädgü soqin\6r\ar •• ol kirn
jenen lebendigen guten Gedanken •• die aus
nomqut'i t{ä)ngri'dän tuyar-lar ••
dem Gotte der Gesetzesmajestät entstehen ••
k{ä)nlü k{ä)ntü süsin ....
selber mit seinem Heere
ilGÜn qam\ay\
wegen aller
basm
sein Haupt
[Ende der Vorderseite.]
Rückseite.
// . . . jg^%^4^4^ (t%%^^ cga (Tiu-i) biUyü täy intim avz (?)3')
««♦
/^-i> >ۧ^^
habe ich ehrerbietig geschrieben . . . ?
4^11,4^ äzrua t{ä)ngri kim k{a)ntü ol
der Gott Äzrua, der selbst ist aller
ßägitß^ö ^^^äättit\ Atß^ >*5^^' qamay t{ä)ngri yirintäki t{ä)ngrilär
Götter des Götterhimmels älterer
MM^^^^M4 ^Jf^r^ Mäu
ning äcäsi apasi süzük
Bruder und ältere Schwester, die lautere Ma-
69
/KOHJk 6S ha%- qut •• y{ä)ruq ög •• örüng
jestat •• der lichte Verstand(?) (Mutter?) • das reine
>u^ ßJLa^ S9 f^ //// [kön\gül - uduy saq
Gemüt
Illl'^llll ....
d
LAä^^y
. . . küclüg
.s yirdävi
[Ende der Rückseite.]
Türkische Munichaica aus Chotsrho. L
23
T. n D. 171.
(Tafel II J.)
Ende(?) eines Gebets. Überschrift abgerissen. Größe 35,5 x 20,5 cm.
Vorderseite, rechte Kolonne.
k[n)ntu y{a)ruq t{ä)ngri mani
Er selbst der lichte göttliche Mani
huT/ßiL ärür • d\in\tara'^^^)
Bur^an ist • den Electas
n{i)yo§akay hilgä hiUgi-n
den Auditor durch sein weises Wissen
igdür . .
erziehet er
nätäg ymä köz ad\aq-qci\
und wie das Auge dem Fuße
s{ä)vüg • nätäg ymä älig
teuer ist • wie auch die Hand
ayaz-qa s{ä)vüg ärür
dem Munde teuer ist
JL^ßJO^
ancorayu (1. anöol-) ymä mungar
so jenen
— 26. P]s folgen achtzehn ursprünglich leere Zeilen, zum Teil mit später schlechter Pinsel-
schrift nachträglicli beschrieben (Transkription usw. am Schluß).
>^^^4ß^t^
mängzäti ymä dlntar
ähnlich war er(?): einem Electns
ki$ikä s{ä)vüg kongül
geziemet sich ein liebevolles
y{a)rahLr • nä üdün
Gemüt • Wenn jemand »Warum» sagen
tisär baröa kUi-lär
sollte: alle Menschen
^ ju^ßäiA ^L^^H^ ^11 II IUI
indä tiUiyür-lär
bitten so: • Wenn
ymd
birki-ni-g^*) mnn h{ä)ca m{ä)ning
.... H ... . Sünde und 'Verdorbenheit in meinem
sinimda söngükümdä
Körper und meinem Gebein
. . . , j2 bulmadU ärsär tip
. . . nicht aufgefunden worden sein sollte (sagend)
24
A. VON Le Coq
Illac^J^.
patta^ /uäUA Aii0^i^ IUI 0da^
o JUUu, L4iPt> ^!SS*4UH6 //////// ^
Vorderseite, linke Kolonne
ancolayu ymä üzüt üdü\n\
so wird es der Seele halber
,äMigil\
Lgjj^
•^t^Allllll
Ö JtA^JLA0(^ //////// ^
4»*V>^^ >Ä> Q/LAgllll ftgp
Atß^ (^Jff^Jü^ ^^ii IUI 4M
muns\üz\ b{a)6asiz ar'ir^ toruy
angemessen sein sünden- und feiilerlos im lichten
[orduta?] turin'ii h{ä)rgäk ärür •
hellen [Lichtparadiese] zu weilen (?) •
[am/]i' ymä inöä y{a)rltqadi •
Jetzt so hat er (zu reden) geruhet •
q{a)lt'i manl huT/jin ainari
Wie wenn des Mani-Burchans, des Aman,
huryßnlar hr'dü-lör . hu
Bur;(^ane und Engel • diese
ä kälsär-lär •
kommen •
\ötr\ü bi$ türlügün b{ä)l(jülüy
dann auf fünf Arten in Erscheinung
ho]\ur\la7' • bir yum^aqi-n
treten sie • Die eine ist durch seine Lindheit
in\pä\ q{ä)lt'i yjurm{u)zta t{ä)nyri
so wie des Gottes Chormuzta
bälgüsincä • ikl-nü qad{n)r(m
Erscheinung • Die zweite ist durch seine *Sttenge
ancolayu q{a)lt'i wadziw{a)nta
sowie es des Gottes Wadziwanta
'S'
13—22. Hier folgen neun in einer groben späten Hand nachträglich eingefüllte Zeilen (s. nnten).
o Lc^^ßA^ , ^^g^ ßiatiA, p^dß
t{ä)ngri-Gä • ücünd ymä
Art ist • die dritte ist durch seine
hörtlä körkün inöä
schöne Form, so
q{a)lt'i y{a)ruq kü-n t{ä)ngri-cä •
wie es des lichten Sonnengottes Art ist •
törtünd bilgä biligin
die vierte ist durch sein weises Wissen,
anöolayu q{a)lt'i ölügüg
so wie es die Art des die Toten
twk)lügli bäg ai t{ä)ngri-6ä •
belebenden (?) Fürsten, des Mondgottes, ist;
Türkische Municlmka aus Chotscho. I.
25
ymä büinö kork
und die fünfte Art ist Form
rnängiz tägMrmäk^^)
und Aussehen xu verändern
anöolayu q{a)lt'i * uluy [des erhabenen
so wie es die Art ist der geliebten Tochter •
ilig i{ü)ngri yßni äzrua
fürstlichen Gotterkonigs, des Gottes
t{ä)nyri ning nmraq qiz'i i/{a)ltr{a)yl'i
Äzrua, der glanzstrahlenden
yaSi-n t{ä)ngri-Gä • to$lst w{a)hm{a)n
Blitzesgottin • tosis[t] wahnian
[Ende der Vorderseite.]
09 69
Rückseite, rec
Überschrift
im
J^ II ^ pal OK >^iep ^i}^iy&^
//// ^ ^At£^46 >^ // ^
Phil.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. VI.
hte Kolonne,
zerstört.
yinä uluy ilig äzrua
Im Namen des erhabenen fTirstlichen
t{ä)ngri at'i-nga •• ••
Gottes Äzrua •• ••
ymä ayazlanmi^ bolt'i \ulu\y
Ausgesprochen wurde es mit großer
ögrüncün • ymä bitil[miä\
Freude • niedergeschrieben
bolt'i ay'ir s{ä)üinGi-n • ymä
wurde es mit inniger Liebe •
(imi'i tökäl türlüg itigi-n
Jetzt in höchster Beflissenheit
biiilmü bolt'i u\l\uy (??) yi\r\dä
wurde es geschrieben an erlauchtem Orte (?)
uy{a)tmaqi-n {?) bu
durch sein Erwecken (?) dieses
t[n]gri? t{ä)ngridäm u ..... .
göttliche heilige
nom bitig • ki7H ymä bor . . . i . ok?
Gesetzbuch • welches
tolu ärüä ökM türlüg
viele viele Arten
4
SS
3
3
et
3/
00
'S-
26 A. VON L
nir<W\rt4 UtiHäg&A IUI IUI ö. II
.jf^i;^ .411*4;^ '^■'V^ OuM^ MJLT
III iiu^ybe* JLiuu, Ji^ßdeß»,
E (y O Q :
. . t . . \iiz\iitlärig ud^uru-
.... die Seelen xur Nachfolge ver-
7Ä' • kongülüg advyl'i yinä
anlaßt • welches das Gemüt öffnet und
koküzüij y{d)rutw^U köni kirtü
die Brust erleuchtet; welches ein rechtes aufrich-
amjlay iÖrÜlÜg ÜC ÖdkP^) [zur Trennung
tiges Verständnis, ehi orthodoxes, in den drei Zeiten
adrtlay ödürUüg yurüglüy
und zur Erwähluug führendes, (recht) wandelndes
tirig öz hirikli y(a)riiq t{ä)ngri
lebendiges Sein gibt, das zum lichten (4ötter-
yiri-ngä iägürdäcl • noMa
hinnnel hinführen wird, • (nändich) das
tataylayraq t{ä)ngri-däni h'dgä
süßer denn der Unsterblichkeitstraiik (seiende)
bUig • ymü • ädgü ödkä
göttliche Weise Wissen • Und in guter Zeit
qoluqa • ymä irülüg ädgü
und Periode, am *günstigen guten
künkä • ymä alqatmU
Tage • im gesegneten
aiqa • ymä yigädmii qutlwi
Monat • und im siegreichen glücklichen
y'ilqa • ymä ögütmis nlqatmU
Jahre • in der Brust des *gelobten gesegneten
c{ä)r{i)k turk ulus aiyu ilas^'')
kriegerischen Türkenstammes (? ?)
koküz iri-niä • ymä yoqaru qodi
Kvyn T(a)las. Und oben imd unten,
Ugärü kirü at'i iMUrnls ymä
vom und Innten ist sein Name gehört (?),
küsi SOrulmiS qutluy Ulu§ [Stannnc.
sein Ruhm erfragt worden in dem glücklichen
y{a)raslay altun aruyu ulus
dem angesehenen (?) Gold-Aruyu-Stamm,
qaäu ygänknt ordu knt 6igi[l^
in Qasu (und?) Y(ä)gänkänt, ui Ordu-Känt und
Türk'ischf, Manichtica aus ChotscJio. L
27
34
36
U7
ViUCBjdA^ AUäUi^ JV*^^\ ^M^^d^M
Q L^^
,p£M, ßU^dd^^ ^4A^
^tt^At% /H^Ö^ ^4rtV^ 4il4i
hül'iy nom qut'i t{ä)n(jri-iii'n<j
Tschigil dei'vStadt, im Wohnorte des Gottes der Gc-
ornangus'i mrdaspnt t{ä)nyrl-
setzesmajestät, an der Heilstätte der Mardaspnnt
lärn{i)?ig otadtl'iq'i ar'iy y{a)ruq
Götter, im Wohnort der reinen lichten
küclüg bri§ti-lärn{l)ng
starken Engel,
qonyus'i ar'iy toruq suzük
in den reinen, klaren, lichten
7nam-stunlar ici-ntä
Aufenthaltsorten • Und
yma
qara huduni {? ?) qutluy ötmis
sein Volk, die glucklichen . . ? . .
Rückseite, linke Kolonne.
>^#t«tfP
^tf^\eß*\
^t^ß^aoi
. ^^ II ^,4\tt4\m4^mtf .M^
^^^^t^^^^ ^^^^^^^^ ^^^^^^^w t^^^^^^^ß
^
ita^ ^dd4t -di^' pa IUI-
Q L^äH/mtn^ uinädtgßfin mnääägM
ötmis yigädinU bri§ti ....
. . ? . . siegreichen Engel
ayaylay tataylay atlay t{ä)ngrl
den (?) ehrwürdigen süßen berühmten göttlichen
ni{a)r w{a)yjn{a)n'Xjtary{a)zd [t]of,-it (??)
Mar Wahnian-Chiar-Yazd-Toyin
to%rV^) daqt uluy mozak^^)
den tocharischen großen Mozak
• ymä \a]liun aryu
(Vcrbiim fehlt!) . und des Königs des Altun-Ar}'U-
.... [?i/]w.i? qasu %ani ordu
Stanmies und (Königs) \on Qasu, des Fürsten
cigil k{ä)nt ärkligl uluy turkdün
^ onOrdu-Käntund Tschigil-Känt, des großen '"Hü-
paMan{a)ki'^'') cigil arslan il tirgüg
ters gegen die *Großtürken Tschigil Arslan Il-tirgüg
glp huryucan alp t{a)iyßn häg*')
A^p Burgucan Alp Tarchan Bäg
iläntük ärksintük oyur'inta •
Regierungsantrittes (?) wegen •
ymä amVi bolzun äsängü-ü
Jetzt möge sein Wohlsein
X
28
A. VON Le Coq
i
ja
o
*mri4ä\
Q Li
/^J^lf /*<*^|^-| Lt.^at^L^ {^,4*!(fik ^•m.m^i^^
Ldf^diM^ ( t><<A tj ^ 4<%4n&\cP
, 4ft^<t. 4 e^e^ , rf|t^<y e»<t<» ^^^^^
alqis tüzü norn arqas'i-nya
und Segen. Am Ende des vollkoiniiieii guten Gebets
ymä ögirmäk s{ä)vi-nmäk
soll man sich freuen und glücklich sein
holzun nom pa§(ian{a)klorl-n nzä
mit (?) den *Hütern der Religion.
ymä quiadmaq qwodinaq
Und beglückt und geehrt
holzun tüzü ödrübräs
mögen werden die ^ollkommen auseiwähltcn
afi'y dintarlarqa
reinen Electi • Und
yma
yigädrnäk utmaq holzun
den Sieg da\onzutragen möge i)eschiedcn
manya n'yduq %ar'i hitgäcl-i •
sein mir, durch Aj/duq, den alten (?) . . ? . .
7n{a)r isoy{a)zd ma%istak üzä •
Mar Isoyazd, den Ma^istak •
kbn ymä uluy grnranmaqi-n
der ich mit großer Liebe
n-yir kösü§ün hitidim •
und heißem Wunsch dies geschrieben habe.
yazuqda hosunmar^ holzun yj^d)mw^ harai
Von den Sünden befreit zu werden möge zu-
s[ä)vug üzütlüg n{i)yosaklarqa •
fallen allen lieben gewissenhaften Auditores •
ymä tüzün barca ät'özümüz
Und vollkommen alle un.sere Körper
hütünün qadaqi-n turzun
mögen bleiben unversehrt und stark (?)
igsizi-n adastz'i-n turalim [bleiben!
ohne Krankheit, ohne Bedrückung wollen wir ver-
ymä kongülümüz koküzümüz
Und unser Gemüt und unsere Brust
*) Das Wort nom ist später (unter der Zeile) hereinkorrigiert worden.
**) Dieses Wort ist später mit scharlachroter Tinte zwischen die Zeilen geschrieben
worden.
***) Geschrieben steht ät^^m^ ^ doch ist das a augenscheinlich nur ein zusammen-
gelaufenes u.
Türkische Mankhoica aus Chotscho. I.
2\)
f^'H»
Der hier
O eingefaßte
cVa .eM^ß^
^ Text ist ^
** ausgewischt. **
0
turqaru hosuSsuzun qndyuMiz-
beständig ohne Kumiiier und ohne Sorge
un turzun haröa, ädgü qtlincqn
möge sein! Zu allen guten Taten
tökälUg holatim • nziUümüz
fertig (bereit) wollen wir sein • unsre Seelen
qiirtulmaq boSunmay yigädittäk
mögen befreit werden, gereinigt werden, den
utmaq t{ä)ngrl yiri-ntä{\) täkimliy
Sieg erringen, und der Erlangung des Götterhinnnel.'s
holzun V
würdig werden I
7n{ä)ngign •:•
P^wig
incä •:•
so
holzun •:•
möge es sein !
[Ende der Rückseite.]
Nachträgliche Zusätze auf der VorderseiteT
Später lünzugefügte Texte in grober Pinselschrift. Z. 9 — 2 i und 24
Rechte Kolonne.
26.
AßM, ^'dati^M^ ^4A^
' — na^joeß^^
min yapyun'''') iki
Ich, Yapgun, ein
yaruq orduya
an beide lichten Paläste
k{i)rtg'ün{G)lüg
glaubender
n{i)yo§ak yjai-^^)
Auditor, habe bei der Rftckkehi- aus
t'in k{ä)lmiMcl hu
ChataT dieses
äm{i)g iki %<du
Heiünittel (?) zweimal
o%i{y)u t{ä)g{i)nti7n
ehrerbietig rezitiei-t.
Mm 7n{iynt{i)n (mintä?) kin
Wer nach mir (sie)
30
A. VON Lk Co q :
»4
>6
I
*
/taju^
(r/^\li)mv niiul alayu (? ?)
rezitieren sollte, die sollen niirli zu noiiiien
i/{a)rliji)y{a)simlar (^) hu bis
geruhen dieser tunf
ay'ir (?) b{l)tm{i)§ ucün
in ernstem Streben (??) Geschriebenen halber!
7/azuq-ta{-t{t)n) (?) k{l)6irmin (??)
Aus der Sünde (?) flüchte ich ! (?)
man-astar %irz{a)
Manastar hirza!
In anderer noch gröberer Schrift (2 Zeilen tiefer): -^
hasüii haru , ,«
Von Anfang an ^ .g
atay-ya tägi
bis zu Ende
Aß*ö <f< >fc<^^
^a^ X^t^ttm^ o%it'im sui
habe ich rezitiert!
[Ende der Pinselschrift.]
Sündt
«^
—
^
ü
2:
n
«o
J2
i-C>
<D
hn
r-
? >
^
<>i
3
Später hinzugefügter Text in grober Qalamschrift. Z. 13-
Linke Kolonne. Unregelmäßig auf die Zeilen verteilt.
22,
[Ende der Qalamschrift.]
m{ja)n iki y{a)ruq
Ich, der an die beiden lichten
ordu-ya p{ä)k
Paläste fest
%at'i^ kirtyümlüy
glaubende
n{i)yosak qrslan
Auditor, Arslan
iuängn hu iki yiltiz
Mängü, habe diese beiden Wurzel-
nom-uy o%iyu tägintini
Ritusformeln ehrerbietig rezitiert.
%ayu yjitlu^-lar (r/j,z[ar- (6y//--)?]
Welclie Glucklichen dies rezitieren sollten :
lar buyanta{\) uml?naz\im-?]
in der verdienstlichen Handhnig (meiner ?) sollen sie
lar 7n{a)nastar %irza!
nicht vergessen! Manastar hirza!
¥
Türhische Manicfialca am Choti^cho. 1. 31
T. M. 159.
Erwähnung' des Mozak. Fragment von 7 x 7 cm Größe, gelblichweißes Papier.
Vorderseite.
J//l////f^ftiCi^^^ ^yO£k«^Sl«s^ \^jÄä////// [adffa]s{2)z{i)n tudda8{;i)z(i)n l)()su[§suzun\
ohne Gefahr und BcdiQckinig ohne Kummer und
. . . //^»»,^:d ^»\fv^ltUsa< \^ «'^ ^^x^ W*r~l. qadyusu2{v)n qadfhiqin /mt[üni7i\
* ohne Sorge stark (!') und [unversehrt?]
. . . . A^\ qj6 ^A»^ ^ fs M %%'%y.HJaLH\(iilV» y{a)rl%quinaqn bolziin • • qop
sein Geruhen möge sein •• In aller
///Ii/t^\ »v»»A*v ■Hty<%»y \%^ti% jiÜH^levQ^ tuddadda yafin klcä küyü köz\ädü\
Widrigkeit, Tag und Naclit möge
lil%^M^%f^^ oa \^\^^M »%iji£i\.rui^^^ intmaqlafi'i bofzim .. ökiiä t[w'lüg]
er (uns) behüten und bewachen •• Viele Arten
• . • . I//Ixf\f\\ exf^f%fs,t\%H Vv^^^%fvri üzütlüy äl'özlnk(\) quur . . . .
seelische und körperliche . . ? . .
Illlll\ SrjtM. »»O^O^ VSiv<^»b^»\ qtlindl(i)y sninu nuny q . . . .
handelnden Dämons
[Ende der Vorderseite.]
Rückseite.
. . . Ili\^^ ^WUtH»v»^!Lt^ t£^«V^ Jmr%an i{ä)ngri %an(i)m(i)z bög{?) . .
der Majestät des Bur;i(^an unseres Götterkönigs
0;9ai^«V^ %%«!u|.^ Zb M^Su^%% .... [qu]t'inga • • t{ä)ngru mozak
der göttliche Mozak
^rt*<v»^*» . \.»i V •%^lii^*vM ulatn q{a)m{a.)y "iki-h
^ dazu alle beiden
•^vi^v^ i£^^^^ «a «jt51«M^«JSL ddintarlar •• t{ä)ngrikän qimdul
Electi •• die erhabenen Fürstinnen,
ill^l^\^^^»M»»\^ ^»*^ .4j<A^>X>.»^^ii\V// . . [ta\rqan tigitlär Hlcii Mgälär
die Tarqau, die Prinzen, die Staatsmänner
/l//xtX,K^ Zb ua%>itH»y%i^^ t{ä)ngrikämm •• bugün \kl\
' mein Göttlicher! Am heutigen
ii'»v»jirl oo>J^^H\JSLriri Kty \kün\kä alqatm'ß aiqa . .
\ [Tage,] im gepriesenen Monat . . .
[Ende der Rückseite.]
32 A. VON Le Coq :
Anhang.
T.n D.177.
(Tafel IV.)
Tlöhe des Doppelblattes 24 cm, Breite 13 cm. Grobes braunes Papier.
Von Würmern angegrifi^nes doppeltes Buchblatt.
Seite I.
Illl>¥ll^ ^Wi
sein Kopf
• • • • //// .Jt^ rflf^ifH öirü m{a)r [atnu mogak\ . . . Z^)
darauf AJar Aimi, der Mozak
^'H ^"^ *t indä tlp
so sagend
//// ^ß ■ ■ . La^ 69 ß ^pg*i qilsar •• man . . . . kö
wenn tut •• Ich
//// Oiu^ ^d^ IJIJIIIl rttiän^äA C^^ M ai-yaru{??) . . . sini körü[p\ . . .
. . . nacli dem Monde liin sein sehend
mää^ määdfäj 69 ^ null . . . Uiirt^tf^ tamuqa
. . i •' qacnang nang
nach der Hölle . . . •• . . . ? ? . .
7 69 .dL^ ^4^ >^.llllllllllll m *&^^A anta q . . . [q'il?]yai s{ä)n tidi ••
da wirst du tuen (?) sagte er ••
8 "^f^C^i ^•^r"^ ' ■ ' ' null ja» 69 69 • • • • ö[fy^ü ol] wa%sik k{ä)ntü
Darauf jener Geist sein (oder : durch sein)
j jä€ß[€% >d^(i# IUI ' ' Uli -auc^ ^t^xt^ aimiä sav\}n\ .... y]ilVi qamay
selbst gesprochenes Wort . . . machte (?) ; da.s ganze
K' -**^-'*^-'j" CU g£0diß% ^^.^aX II IUI [hu\dun'^ ko7iyü1\t\ä sörinöin
Volk (?) im Gemüte durch Annehmlichkeit
" P^gdß ^^-JfZ^ 0^^ -Jc^ 69 ^ UHU ' . • . . l " in{a)r amu mozak hal'iq-
...?... •• Mar Amu, der Mo/.ak, in der Stadt
12 '*» ^ fff^ ^$"0^ J^^'y (Jf^ü ^^ an [i^iVai^^) tägzinti Iniäi qolt'i ••
er herumwandelte, Almosen erbat er ••
,3 jlUmdAiß.^ // .^U^ //// all ^"^ !!!!'!!!! • • • • ow^/ . .u . . mad'i •• hlr yayaq^^)
? ? . . •• ein? . . ? . . wurde
M ■ in .(ta II IUI A JL IUI HU ^^ ^> II §» />'o/[/?]i .• ö[trü m{ä)\r u[mu 7n\ozak
er {h%dti fand er?) •• Darauf Mar Amu, der Mo/ak,
Türkische ManlrJtaicd aus Chotscho. I.
'^:^
.^aaeßd^ßugs^ IUI [t{ä)n\(jriligingärü'')
seiner Göttlichkeit (??) (Tempel) entgegen
/// ^^ IIIIIIII9 ^S^f-^ ^^*^t> ^ > im tP ha\rd\i - kirn qam{a}y h San . .
gi"g er •■
// ^L^AA,A» UdÄ^g^ mafUL^ ^4^ II
IUI -4^4blr— 5f» ^ ^ .Äj^JU^IIIIII
II lö ^'r^M *i X^^
Illlllll4^^^ß^llllllll
III lim Mi .^U^^ ■:'...
[Ende.
hirär .? udurur-lar är\t\i •• olt{ä)nyrl-
• ? ? . . . •• Der in jener Göttlichiceit
likdäkl qnm m{n)r amu mozakka
(Tempel?) befindliclie Zauberer den Mai- Amu, den
in<Sä tip ay'il'i nä är s{ä)n
Mo/alt, so sagend fiagte : Was für ein Manu bist du ?
.... s{ä)n milüy kältiny hizintä . . .
.... Als was fiir ein (Mensch) bist da gekommen ?
lur tidi •• •• ymä m{(i)r amu
bei uns . . ? . . sagte er •• Mar Auiu, der
//////// [mozn\k ol qamqa indä ti[p\
Mozak, jenem Zauberer so sagend
69 p, II II II [tid\l •• or[«7| [din]iarm{ä)ns\izmyärü? \
sprach •• Als reiner Glaubender zu euch (?)
• ••?••• ....?.... k{ä)ltim qa
? bin icli gekommen ...?.,,
Seite 2.
' ui^jKe^
3 ^^^ 69 Ll0
4 /iiä^/iiaiillllll aga
5 ^ 4iätl^tU> IUI
kiriü
t{ä)nyri bilyä
. . . tip •• amt'i
ulu\y] ?[i/ä]ruq ? barq
m{ä)n ant[a] olurayit)n
ich dort will ich mich niederlassen,
69 69 .dii^ IUI IUI ^^*i ^ ^^^% >tß^ t{fi)nyn nomin ynd\(iy'in\ tidi • • • •
das göttliche Gesetz will ich verbreiten, sagte er
Fhil.-hist. Klasse. WH. Anhang. Abh. VI.
34
A. VON Le Coq
II II II II III jLäLä, ^tö *r4U
I III IUI ^^H^ Ctß^.ä^
^'i.^^ ^^ ^ ^*^n< es Mj^
fijLA (m^ äräM ^(^ ctok ,^A^
Hill -Cß (-tß II i >«^l «^^«#4«.fl» jLi#
UlU^ ////// ^4U, jö- III Hill -^MtÄÄ (39 SB
SBSS^ La lllllllll Ä >§^ e^
69 II 1>^ Lu§efi Leß Uli n'^xtß^
jöuii jui4 69 JU0i^ ^Äoaan 4^
4-MH'«^ ^de*-^A» Lj^Jt^^ l/l
II ^ -e*^fdlr>"«e^-e* ^u^^i^ ^ III
^-%gfc» » ^ ><»»£» /f^^Ajß IUI
lllllll — Mä^^do^ -3M -fblr ^^Aj //////
//////////// €P >- //////// ^¥^ ^^ ////////
ötrü ol qarn a olayu
Darauf jener Zauberer (?)
Inda tip aidi \t{ä)n^riUy
so sagend sprach Tempel (?)
slzingä holzu{ri\ .... oluruny
soll euer sein Setze dich,
tidi •• ötrü m{ä)r amu mozak
sagte er •• Darauf Mar Anni, der Mo/ak,
ol qamqa inöä tip aid'i ••
jenem Zauberer so sprechend sagte er ••
s{ä)n üc yoti indä tip ai-
Du erkläre seine drei Wege, so redend,
7«7 hu t(ä)ngriUg siz\i'n]gä ho[/zun]
(dann) soll diese Gotterschaft (?) euer sein !
• Ötrü [ol qa]m ai
DaraTif jener Zauberer .
\an6\olayii
ü6 yoti a \i\ip . . . . i •• ••
seine drei Wege sagend •• ••
t{ä)ngriliy \siziri\gä holzun iid\i\ ••
der Tempel (?) euer soll sein, sagte er ••
nä üdün tisär •• ol qam
(Wemi jemand »Warum« sagen sollte:) jener Zan-
kgngüli-ngä incä saqtnt'i •• hu
berer in seinem Herzen so dachte •■ dieser ist
[^]r/i>i yir-lig är hu k{ä)ntü s{ä)vigi-n
ein Mann aus andrem Lande, er wird durch seine
[öz] ölmäk-kä kirür manga o\l]
Eigenliebe in seinen Tod gehen ; mir wird jener
\ki\H as{t)y holyai •
Mensch von Nutzen sein
yina
[ol ö]dün m{ä)r amu mozak
Da ging (?) Mar Anm, der Mozak .
. un hrM[i^
ni hu . . ?
§^ ^A* //////// \k]irip (?) ol .
und
[Ende.]
Türkische Manlcliaica aus Chotscho. I.
35
Seite
///> -ef^^^^
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<»^«-^?1Ö^gt> nAtu^ai uagutä II II IUI II
qany'i-n(j\a\
seinem Vater .
m{ä)n hu b{ä)lgü k . .
Ich diese Erscheinung ....
y{a)vlaq Irü är[ür] ••
ein schlimmes Omen ist es
az inäril bar7nYü^ • • hir ökii\s\
Ein wenig herabsteigend, euie Menge ....
muiyaq kÖr\miA\ •• ymä niuviaq
Hirschkühe (?) sah er •• und diese
s'iyunuy ovu\tsuz hi\lig üöün
haben den Hirsch wegen schamloser Handlun-
idärür ärmis . . . . bu h{ä)lgü körüp
gen fortgestoßen (?).... Diese Erscheinung sah
ymä gmy {ay{i)y) hu . . . bolup •• ötrü
er, böse ? geworden •• darauf
[qangl^i-nga (?) incä tipän ai-m'is • •
seinem Vater so sagte er •• [Was
\nä\ tang 5a[z??]/ar hu •• nä
für] erstaunhche (?) Worte sind dies ? • • Was
.... körür 7n{ä)n timü •• ••
sehe ich ? hat er gesagt ■ • • •
ymä taqi nz i\pÄj\rü harmü-lar ••
Da noch ein wenig herab stiegen sie
.... tuh bas an(a
? . . . ? dort
\i?]üsmis-lär •• miv snyali
fielen sie (?) •• Das Wasser ? . .
äl . . . mUlar • • ötiii ol . . . . i
? •• darauf jenes ...?...
bal{a)q ätin yimiSlär qovy\(i\s^i-n
Fischfleisch aßen sie, ihren Eimer
suv iörä k{ä)mÜ7iiislär ••
. \. ? . . . in das Wasser warfen sie ••
.... yidinkä(^) suv icräki
. . ? ? . . . die im Wasser lebenden
. . . . [t]irilü quvranu k{ä)lmülär ••
. ? . sich versammelnd und vereinigend kamen sie
36
A. VON L E C o Q :
jMoäOö ßi^i^ ^ ilHIIIIIIIi
-e0t!lll4f>^lllllllllllillll
.3 OQO ^ lllljfdo^ lllllll i^ lllllilllllllllHI
^- /I//I///^M ////////
bal{a)q taisl {tacsi?) qovqas'i
der Fische . ? seinen Eimer
n? {a?) hal{a)qny tutup
den Fisch ergrilTen habend
\q{a)\Ui'^ s{q?) . . l hu sac{n)y
id
itiuny
[Ende.]
Seite 4.
3 69
4 6S
llllllMJUfU
7 es/ifitau.juiiiiiiiiiiiiiM'^^MUA
8 JUI4 Sß /it^iUtA IUI IUI iUtCfi ^iU^
9 IUI ßLdÄO^ ^ rfoi^ *<f >r €^ nmtsä^ >^a^
- II IUI. — iUA^/%0telitiu jHr% S9 ^fJ^^ätA
" IlHIIIIIIIi II ^ %^ .jans^ S9 Ä> ^tiituu.
12 £ßätj0^tt .pai JU14 ^^icf "'"^
U4 69 /ll^itS. II II IUI J^ LtAM
\ta\qv^u quslar
die Hühner
ic\in\gä orm'is ärti ••
in des Innere hinein hatte er gesetzt •■
.... ol är i\^ikiT\n acrriü ••
. . ? . . jener Mann [die Tür?] öffnete •• und
taqv^u q'uMlara\^'\^ . . [m]ärw(?) öntürmik
machte die Hühner unten (?) herauskommen,
mangln aSin ]pirg\äll •• ol iaqvyu
um Komfutter zu geben •• Unter jenen
qu^ ara l\j'käk tisl{?) b]ar ärinls ••
Hühnern waren Hähne und Hennen (?) ■•
amarl harca .... ärrnls •• ol
der Amari (?) alle ? . . •• jene
tl§i taqiyu-lar qam{a)yan onar[hr]
Hennen sämtHch waren gesund (??) ge-
ärmis •• i/mä irkäki näiig \onar\
worden •• Die Hähne darunter aber waren nicht
ärmis •• •• ötrü ol a[mari\
gesund geworden •• •• Darauf jener Amari (?)
incä körüp ol qua idisingä
solches sehend, zum Besitzer der Vögel
indä ti[p ay'i]tmtS •• nä lang
so redend, fragte: •• Was für wunderliche
Türkische Manlchaica aus ChotscJio. l. :|7
— -Äs-^ //// JMA ////////// -.*># snv (w{i)mdä ymä
Worte [(o/?) sind diesPJ in meinem Hause (!')
S9 JLOM^ Jt^p JU^ff^ uamui llllllljjf^gn ök[ü§ ta]qiyu quäkir bar ärür ••
auch gibt es viele Hühner ••
Jd^i^a^ i%ää% ijf^i^ S9/Uda^ //jt^ßäCH irkäk[i] onar - misl näny onmaz
die Hähne darunter werden gesiuid, die Hennen
Aßtß^'M -^it^iU^ — M^ M^ <SB>>ÄÄ4 ärti - siz{ä)ng{\) iaqiyu irkäki
durchaus nicht •• Eure Hähne werden durch-
lillj ßUdo^ ^01^^^ S9 4£ßr*<tA jfrftfg näng onmaz ^ Misi onar ....
aus nicht gesund, (aber) die Hennen gesunden;
I Hill II s,»^ <gg >Aiat> r^^^g» ' *^* H incä klginc Urti •• 7n{ä)n [ing] ....
so gab er Auskunft •• Meine (?)
I HIHI II II -Ä^Ä^ >^^ jö^^ -^ >*<d taqi-yu-lar(^i)m nmt'i %ata{r oder /?) . .
Hühner jetzt ..?... ....?....
IUI II HIHI II I M Q9^&ii^ ,44^4n^ .,^44% näng onmaz ärti ../.....
nicht sind geheilt worden ?
///////////// ^ /^ HIHI ^^^ ^A^JU ärU(^) .. m{ä)n b{u?) . . . myC^) k. ..
Ich
HHHHIHHHHHHIHHHHH ^^ JU»u^jU^ tanglayur m{ä)n
wundere mich
HHHHHHHHHHHHHHH — ^^^-H ««• ////// yul incä
[Ende.]
Anmerkung. In der lleproduküon des Manuskriptes T. 11 1). 171 sind die fi;riin f>-e-
scliriebenen Z. i — 6 der linken Kolonne der Rückseite unleserlich üreblieben.
38 A. vonLeCoq:
Anmerkungen.
1. yat'i-'i lies ynt-t'i'i, ynt-di'i^ S. 2, Z. 3 ya-tuq lies yat-tuq^
2. tasil-. In diesem Fragment steht konsequent Aä, wc andere Texte
ao haben. So hos i'^ 2'; hulyanmis 2'; nr^gänmw 2^; tas'iq'ip 2"; kädmisin 2'*;
tasyoru 2'^; kämistl 2'^ 2'°.
3. an&finda. Ein Kompositum von ö^zd? und vielleicht -güncä, -yima(^),
das ich ebensowenig wie die (untürkische) Konstruktion zai erklären ver-
mag; für wie Blut würde man einfach qanca erwarten*).
4. ürgän-. Vielleicht vom selben Stamm wie jßj^^ ürkün, petit lac
forme par suite d'une inondation (Samy).
5. tulton. Bei Radioff, Wörterbuch 1126: Trauer- (Witwen-) Kleid.
6. qos-. Vielleicht — osm. kös- »Widerwillen haben«, Radioff, Wörter-
buch I 293.
7. tiLsha. YXn unbekanntes Wort. An y>stüpa<< kann kaum gedacht
werden, da wir dieses indische Wort mit ^supuryanv. übersetzt finden.
8. 'iyac-ay. In diesem Buchfragment finden sich zahlreiche Beispiele
des Auftretens von a, ä an Stelle von 'i, i. So hier -ay anstatt -'iy\ 2" -äy
fiir -ig {tämiräg)\ auf Z. 1 1 tämirän für tämirin u. a. m. (vgl. auch Anm. 14
und 33).
Die Orthographie ist altertümlich, entbehrt aber der Konsequenz; es
finden sich z. B. die Lettern ^ , ># und ^ in anscheinend regelloser Ver-
wendung.
9. Das Entstehen von Läusen aus dem Schweiß der menschliclien
Haut ist auch arabischer Aberglaube (vgl. Burton, Arabian Nights, 1894,
vol. I, 390 n).
10. qaryan-. Bei Radioff: fluchen, schwören; vielleicht mit qaryas
quereile (Pavet) zusammenhängend. Der ganze Passus ist mir dunkel ge-
blieben.
*) [Vielleicht zu erklären : anc{a)y-tn-ca als Nachbildung des soghdischen vdndann
vAnU + cAnö =^ so -f wie. F. W. K. Müller.]
Türkische Manichaica ans Chotscho. T. H9
11. holungur; timingür. Diese mir unbekannten, auch sonst nirgends
wiederkehrenden Formen scheinen Verwünschungsformen zu sein.
12. isiz. isiz yaiiiz, vgl. F. W. K. Müller, Uigurica II 8.23'^
13. yldäng. Vielleicht vidang zu lesen und dann ein mittelpersisches
Wort mit der Bedeutung Bedrängnis.
14. Auch hier finden wir eine Reihe von Fällen, in denen a, ä ver-
wendet werden, wo wir sonst «, / zu finden pflegen. So 2^ y{a)?'lay, qang-
mnaz', 2^ irig{ä)mäz\ 2'^ yüzüngnzän\ 2^^ kältämäz, hardarnoz', 2'^ Mngnz{ä)n;
2''* ülädämäz; 2'^ ämgäk{ä)mäzm; 2'^ unitalnm u. a. m.
15. köröksäyürbiz. Ein Kompositum aus zwei Verben, nämlich aus kör-
» sehen« und Öksä- «heftig wünschen«.
16. Dieses Bruclistück scheint der Anfang des zu diesem Buche ge-
liörigen Kolophons zu sein, denn Z. 9 — 20 dieser Seite enthalten den
(chines.?) '^santii Zirntu {Zhntit) und ein Datum; Zimtu aber ist augenschein-
lich der Name der Person, die die Kopie (vielleicht auch die Übersetzung
des vorliegenden Textes aus dem Iranischen?) besorgt oder ilire Besorgung
veranlaßt hat. Das Datum entsprechend dem Jahr 795 p. Chr., dürfte dann
die Zeit der Entstehung des Buches angeben. Von besonderer Wichtig-
keit aber ist dieser Text durch den Umstand, daß er ein festes Datum
für das Todesjahr des Mani zu überliefern scheint.
Schon Flügel hat die verschiedenen Traditionen zusammengestellt
(S. 329, Anm. 276) und ist zu dem Schlüsse gekommen, daß die Hin-
richtung des Haeresiarchen unter Bahräm II. (272 — 276), und zwar in den
Jahren 274 oder 275 stattgefunden haben muß. Rechnet man die im Text
erwähnten 522 Jahre zu den Flügeischen Daten hinzu, so erhält man
796 oder 797, da aber das Jahr 795 ein zyklisches Jahr »des Schweins«
ist, scheint nach unserem Fragment der Tod des Mani auf das Jahr 273
anzusetzen zu sein. Die Deutimg des Wortes la^yzin = Schwein geht auf
V. Thomsen zurück (Inscriptions de l'Orkhon, S. 1^3, Nr. 109); es ist ein
Lehnwort aus einer fremden Sprache. (Zu m{a)r niw mani \g\. W. Bang,
W.Z.K.M. Bd. 23, S. 416-417.)
17. i 'iyac qapay'i. Das Gleichnis ist mir unverständlich geblieben.
18. Dieses Fragment handelt vom Ende des Kampfes der Lichtgötter
mit den Dämonen der Finsternis und von der, diesem Ereignis folgenden,
Erschaffung des zehnfältigen blauen Himmels, unserer (?) Erde und des
40 A. VON Le Ooq :
Zodiakus. (Die Lesung ayjnczn, sonst überall anyjrwzn, wie auch die Deu-
tung dieses Wortes als Zodiakus verdanken wir Hrn. F. C. Andreas.)
In diesem Fragment erscheint Chormuzta als der eigentliche Kämpfer;
der Gott (Götter?) Chrostag (und?) Padwachtag öffnet ihm die Tür und
steigt von der Hölle auf, während Chormuzta selbst darin verbleibt und
augenscheinlich nicht imstande ist, aus eigener Kraft zum Himmel zurück-
zukehren. Dann eilen Ög-Tängri und Wadziwantag-Tängri herbei,
»machen ihn aus der Hölle aufsteigen und herauskommen« und bringen ihn
in den Götterhimmel, wo sie die fünf Götter, d. i. seine fünf Geschlechter, die
ihm als Rüstzeug dienen, von ihm scheiden und dann zur Erschaffung des » zehn-
faltigen blauen Himmels, der (unserer?) Erde und des Zodiakus« schreiten.
Im Chuastuanift dagegen sahen wir zwar den Gott Chormuzta mit den
Dämonen der Finsternis kämpfen, aber dort gerät anscheinend nicht Chor-
muzta selbst, sondern nur sein Sohn, besser seine Söhne bis tängri in
Gefahr, zu unterliegen.
Die Darstellung im Fihrist ist abweichend (F. S. 88): »Da folgte
ihm (dem Urmenschen) der König der Paradiese des Lichts mit anderen
Göttern, befreite ihn und besiegte die Fin.sternis. Es heißt aber derjenige,
mit welchem der Lichtkönig dem Urmenschen folgte, der Freund der
Lichter. Dieser stieg hernieder, und der Urmensch wurde von den hölli-
schen Stoffen zugleich mit dem, was er von den Geistern der Finsternis
ergriffen und versteckt an sich hatte, befreit. Alsdann .... machten sich
die Fröhlichkeit und der Lebensgeist auf den Weg zu der Grenze,
blickten hinab in den Abgrund dieser tiefen Hölle und sahen den Ur-
menschen und die Engel, wie sie der Iblis, die übermütigen Dränger und
das finstere Leben umgaben. Und es rief, sagt Mäni, der Lebensgeist
den Urmenschen mit lauter Stimme so schnell wie der Blitz, und der Ur-
mensch wurde ein anderer Gott. « Die Schwierigkeit löst sich, wenn man
Chormuzta = Urmensch setzt: die Iranisten mögen entscheiden, ob
diese einfache Lösung der Frage möglich ist.
Von den anderen Göttern ist Wadziwantag mit dem Lebensgeist
(spiritus vivens) zu identifizieren; wer aber Chrostag (und?) Padwachtag
ist, erfahren wir aus dem Bericht des Fihrist nicht; vielleicht ist er die
darin als Freund der Lichter erwähnte Gottheit.
Der Lichtgott, der mit dem Lebensgeist herabsteigt, heißt in un-
serem Fragment Öy tängri, wörtlich entweder Vers ta nd- Gott oder Mutter-
Türkische ManicMica aus Chotscho. 1. 41"
Gott*), wäJireml er im Fihrist die Fröhlichkeit heißt. Schon Flügel
wirft aber die Frage auf (S. 208, Anm. iio): «Sollte dieselbe Potenz (i. e.
die Fröhlichkeit) auch den Namen der Mutter des Lebens führen,
die in den Acta disputationis (S. 10) genannt wird?«
Auch die Schilderung der Erschaffung der Himmel und der Erde ist
hier verschieden von der im Fihrist erhaltenen Tradition, denn dort ist
die Rede von 10 Himmeln und 8 Erden, nach deren Herstellung Sonne
und Mond erschaffen werden: vom Zodiakus ist im Fihrist an dieser
Stelle nichts erwähnt.
19. qaenang. Das Wort kommt in der Inschrift des Tonyuqucj vor,
es ist aber unmöglich, sich auf Radio ffs Übersetzung zu stützen. Gemehit
ist vielleicht, daß die Priester ebensowenig vermögen, Nachkommenscliaft
zu verleihen als Pferde und P^sel Hörner bekommen können, doch ist mir
der Passus Z. 1 1 — 12 unverständlich geblieben.
20. nrli nzuntonlwyti. In diesem Zusammenhang vielleicht einfach dem
wörtlichen Sinn von uzuntonluy (Langrock) entsprechend: Männer und
Langröckige, d. i. Weiber.
21. näcökätägi. »Bis zu welchem Grade auch sie sich des Genusses
der Kraft der fünf Götter enthalten sollten.« Der Passus ist nur verständ-
lich, wenn man annehmen darf, daß mit den Worten »Kraft der fünf
Götter« irdische, mit Stoffen der Finsternis gemischte Nahrung, die auch
wieder Licht, also »Gliedei*« des Urmenschen enthält, gemeint ist. Vgl.
B. 156 (nach Augustin): i^nnimaiu. bonam^ partem sciUcet Deij, pro meritis in-
qutnationis suae per cibos et pntum {as ickn S. 1 4.% in quibus antea colligaia
estj venire in homiiumy atque ita per concubiturn etiam earn'is tnnculo coU
ligari. «
22. orutsnz iä. Mit diesen Worten scheint die geschlechtliche Ver-
mischung gemeint zu sein (B. 136, Anm.): »Ebendaher kann der Trieb
der Zeugung und Fortpflanzung als ein durchaus materieller und fleisch-
licher nur dämonischen Ursprungs sein, wie Manes in den Acta Kap. 14
auf folgende Weise zeigt: Cum quis vestrum carnnlibus aliisque cibis fuerit
satiatus, tunc ei concupiscentiae oboritur incitatio, ei ita generandi filii fructus
augetur, et non ex virtute aliqua, nee ex (Hio ullo intellectu, sed ex sola ciborum
satietate et Ubidine et fornicatione.<^
*) Man darf anneliinen, daß dei' Stainiii ög auch Fröhlichkeit bedeutet. Die Worte
öyr'ünc = Freude, ngirmäk =: sich ireuen, weisen auf einen Zusanuneuhang hin.
PhU.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh.Vl. 6
42 A. V ON Le CoQ :
23. (iz. V.hen jene ro?t(upisce7itia. B. 167: »AVas Jimii gewölinlich die
böse Seele des manichäisclien Systems nennt, ist die concuplscentia, der der
Materie innewohnende böse Geist.«
24 Mdilip. Man kann hier kaum die gewöhnliche Bedeutung von
käd- »Kleider anziehen oder tragen« einsetzen; vielleicht ist vielmehr
an den im Worte käz »schnell, flüchtig« erhaltenen Sinn zu denken.
Nach W. Bang könnte auch an eine palatale Nebenform von qad'il- gedacht
werden etwa mit der Bedeutung antreffen.
25. Dieses Bruchstück behandelt wiederum einen Kampf des Lichts
mit der Finsternis, aber diese, recht grobe Darstellung ist unseres Wissens
sonst nirgendwo überliefert. Der Zodiakus ist bereits erschaffen, denn drei
Dämonen werden nach dieser Schilderung an ihn gefesselt. Wer der mit
seinen »vier Kräften« herabsteigende Gott ist, erfahren wir nicht, auch
der Name des »Abamu Bur%an« ist uns unbekannt und tritt in den
bis jetzt gelesenen Manuskripten nicht wieder auf.
26. %urmuzta t{ä)nyri i/{a)r/{ii:)qaneHCi köngüllüg ärti. »Der (irott Chor-
muzta ist (immer) ein gnädig (gut)gesinnter gewesen« — vgl. B. S. 52: »Da
er (Gott) aber nichts hatte, womit er sie (die Hyle) strafen konnte, weil
im Hause Gottes nichts Böses ist «
27. hirä. Daher mongol. hürä »Meile«.
28. Nach diesem Bruchstück scheint die Person des Gottes Äzrua,
der als höchster Gott ausdrücklich erwähnt wird (vgl. S. 25, Z. 3 1 — t^-j,),
wieder mit dem Gott Chormuzta und mit den fünf Göttern identisch
zu sein (was allerdings auf den Zeilen i — 3 der Rückseite des Blattes II
dieses Bruchstückes durch die Worte äcäsi apast erklärt zu werden scheint:
sie mögen bedeuten, daß alle die anderen Lichtgötter eben nur Emanationen
des einen großen strahlenden Lichtkönigs und daher mit ihm identisch
sind). Er nämlich erscheint hier bekleidet [kädUip) mit der Rüstung des
Unnenschen (den bekannten fünf Geschlechtern, den Göttern t'in iura »Ze-
phyr«, y'd »Wind«, ynruq »Licht«, siw »Wasser« und ot »Feuer«).
29. vidya. Die Aufnahme des Sanskritwortes in den Text ist ein
neuer Hinweis auf die Enge der Beziehungen zwischen Buddhismus und
Manichäismus.
30. griw. Nach F. W. K. Müller: Geist (mittelpers.).
3 1 . ögdir. Ein in vielen Fragmenten stets an zerstörten Stellen auf-
tretendes, noch unerklärtes Wort. Im Manuskript T. M. 288 findet sich
Türkische Manichairn aus Chotscho. T. 43
altun ögdir, an anderer Stelle kök ögdlr. Auch das Wort hityäöi, hit'Kjüdi
hat sich bisher der Deutung entzogen.
32. Es sei hier noch einmal auf die Überschriften der Seiten auf-
merksam gemacht: es sind kurze Sätze, die einem längeren, oft über viele
Seiten verteilten Titel angehören.
33. In diesem Manuskript kehrt a für 'i, nicht aber ä für i häufig
wieder. So S. 23, Z. 2 — 3 dintar-ay n{t)yosak-ay ; Z. 7 ayaz; S. 24, Z. 1 1 qa-
d{a)ron (für qad{ii)rm?); S. 25, Z. 3 ayazlanm'is; S. 26, Z. 16 adrtlay, Z. 19 ta-
taylayraq; Z. 29 y{a)rn§lay; S. 27, Z. 2 ai/aylay, tataylay, atluy (für W. Bangs
Erklärung dieser Erscheinung vgl. Bull. Acad. Royale de Belg. 191 i
S. 94, Anm.),
34. blrki-ni-y. Ebenfalls ein fremdes Wort unbekannter Bedeutung.
35. kork rnänylz täcßürmäk. Die »wechselnde Erscheinung« ist, nach
den unten aufgeftihrten Stellen, die Eigenschaft des Urmenschen, während
sie hier der göttlichen Tochter des Äzrua zugeschrieben wird. Vgl.
B. S. 63 : »Sofern die Weltschöpfung nach jener Ansicht ein Übergang vom
an sich Seienden, unwandelbar in sich Bestehenden /um Wandelbaren der
Erscheinung ist, wird auch hier die aus Gott emanierende kosmogenische
Potenz, deren konkretes Bild der Urmensch ist, als eine täuschende, mit
dem Wechsel mannigfaltiger Formen und Grestalten spielende dargestellt.
Das sind die inutahiles et mendaces formae, in welchen der Urmensch die ihn
bekleidenden, wie mit einem Körper umgebenden Elemente dem Volke der
Finsternis erscheinen läßt usw.« Und ebenda: »In diesem Sinne täuscht
auch jener Urmensch die Mächte der Finsternis durch den Wechsel seiner
Scheingestalten, ehe er von ihnen ergriffen luid festgehalten wird.« Vgl,
ferner B. S. 55: -»^Prbnum hominem vestrum cum suis hostifms, in suae naturae
ceritate 7nanentibuSj mutabili fallacia dimicasse praedicatis. «
36. ÜG öd. Vgl. Chuastuanift S. 32, Anm. 18.
3 7 . aryu Üas ; altun aruyu ulus. Die Wörter aryu, aru^u und tlas, viel-
leicht t{a)las, sind mir unbekannt und dürften Stammes- oder Städtonamen
sein, vielleicht ist unter t{a)las die Stadt Talas oder Taräz zu verstehen
(vgl. Chavannes, Documents sur les Tou-Kiue occidentaux, Pe-
tersburg 1903, S. 361), sie lag unweit des heutigen Ortes Au lie- ata. Die
auf Z. 30 vorkommenden Städtenamen Qasu, Y(ä)gän-K(ä)nt, Ordu-K(ä)nt,
Tschigil-Baliq scheinen nach dem Westen hinzudeuten: Ordu-Känt war eine
Zeitlang ein Name der Stadt Kaschgar (vgl. Grigoriew bei Radioff,
44 A. vo N Le 'CoQ :
Wörterbuch I, S. 1075) und öiyil wird in Vullers Lexicon persico-
latinum erwähnt als y>nom. urbis in Turkistan, ouius incolae formo&iiate ei
arte sagitlandi excellent<i. Vgl. übrigens Marquart, Osteuropäische und ost-
asiatische Streifzüge, Leipzig 1903, S. 76 — 77. Der Name Y(ä)gän-K(ä)nt
endlich scheint den Titel y{ä)(j(iii, y{i)gän zu enthalten.
Das Wort ^^talas<<- kommt im Reisebericht des Marco Polo (Yule,
Marco Polo, ed. Cordier, London 1903) auf S. 2 1 2 ^. vor, und zwar
in Verbindung mit dem Worte ding in {cingintalas): Yule glaubt Marco
Polos Provinz Chingintalas mit Karachodscha identifizieren zu können.
Ob man cingin = cigil setzen darf, wagen wir nicht zu erörtern ; vielmehr
scheint uns alles, auch die weiter unten (S. 27, Z. 6 — 9) auftretende Titu-
latur des Fürsten nach Westturkistan hinzuweisen.
38. toyjr'i. Tocharistan. Vgl, S. 29, Z. i 2 %/«/ = Chatai : ein Land usw.
bezeichnender Ausdruck braucht demnach den Namen der Völker nicht
beigefügt zu werden, wenn von den von ihnen bewohnten Ländern die Rede
ist. Die Erwähnung des Landes Chatai setzt die Entstehungsperiode dieser
nachträglichen Aufschrift in eine späte Zeit.
39. mozok {muzak). Amtstitel in der manichäischen Hierarchie (vgl.
Festschrift für V. Thomsen, Harrassowitz 1912). Der hier erwähnte »große
Mozak (Lehrer)« ist wahrscheinlich identisch mit Schlegels Mudja (Ta-
mou-che) der Inschrift von Kara-Balgassun.
40. paMank, pasdan{a)k {basdank, baMank). Ein mir unbekanntes, viel-
leicht iranisches Wort.
41. qa^u %am ordu cigil k{ä)nt ärkligi uluy turkdilii basdanki öigil g.rslan
il tirgüg alp hir^man alp t{a)r%a7i bäg. Der Titel eines Fürsten, vielleicht
im Westen (Ferghäna). Der Titel il-tirgüg dürfte einer persischen Rang-
bezeichnung entsprechen, die auch ins Arabische übernommen worden ist
und dort etwa <5lJ.l J^j\ oder iJjall lautet. w/w7 turkdün vielleicht = (in
der Richtung) gegen die Großtürken (T'u-küe?).
Dieses Blatt scheint das Kolophon eines Gebetbuches zu enthalten
und mag uns durch den Fürstentitel eine Datierung überliefern: bei Cha-
vannes (Documents surles Tou-Kiue (Turcs) occidentaux, St. -Petersburg 1903,
S. 147, 149 u. 249) finden sich Angaben über Arslan Tarkan, roi deFer-
ghänah, nach denen dieser Fürst um die Mitte des achten Jahrhunderts
regiert hat.
Türkische Manichaica aus Chotscho. I. 45
Um diese Zeit hörten die T'u-küe auf, politischen Einfluß zu besitzen.
Die Lösung der hier entstehenden Fragen müssen wir den Historikern und
Sinologen überlassen.
42. Man kann auch Vap-xua lesen; dies wäre nach F.W. K. Müller
ein chinesischer buddhistischer Name.
43. ?n{a)r a?nu mozak. Hier finden wir den Namen des Mar Amu,
eines Schülers und Zeitgenossen des Mani (vgl. F. W. K. Müller, Hand-
schriftenreste II, S. 30), der einer der frühesten manichäischen Sendboten
war. Auch er führt hier den Titel Mozak (Lehrer), der den höchsten Rang
in der manichäischen Hierarchie bezeichnet (Flügel, S. 174; Keßler, S. 364;
Baur, S. 297).
44. yayaq. Ein unbekanntes, bisher nur in diesem Texte vorkom-
mendes Wort.
45. t{ä)ngriUg. Götterschaft, Göttlichkeit?? Das Wort bezeichnet
vielleicht nur den Ort der Verehrung oder den Verkehr zwischen Gott
und den Menschen, die Ausübung der Gottesverehrung, w'it t{ä)n-
yricl im Chuastuanift, in der Verbindung mit nomöt, etwa Prediger be-
deuten mag.
46
A . VON L E C O Q
Wörterliste.
^^^t ^"^ grs/anS'", i8^
{agil g.) 27^
ißftt, glp 27^
^^^i amari 24^ 36^
36"
Ji^täj^^ amraq 25^^
- ^AdM^^ nmran-', -maq
28''
^jtt^ if^4 .(/^^^ '^'/-^2
JLeß^^ gngar 14'^
^iA^ri ßfityig. ögjimdülng)
abamu [buiyßn]
£fi''\ apaiäöäa.) 2 2R.^
J^dA dt (Pferd) 16"
hd^ at (Name) 25', 26^
- ,^rfC4 fl»/- ; -70/ 1 9'^ ; w?«:^
20^
r//«7 (Fuß) 30^5
^
JLUÖ^
atang qal nnga(??) 9'"*
ptfi^äA otlay 27^
- cu^ ffc-; -^« 13^; -a
I3^ i3";-m?^36^;-7ff/
/U£ä^ aö'iy 9^
^lß*^''\ aciyti 26'^
„^^4 «c?a («. /?7^) 10';
adn-s'iz 28"^
yti^^t^ öc^GT^' 17'°, 23^
. ßLxU^ adir-\ -u 18^
f^f^f^^'y adrtlay 26'^'
- f^'^'A ad{a)r{a)l- {ad(i)-
r(i)l-)\ -tuq 10'
^^^^'\ adin 34'^
-^%Aj<iri ad'in-; -Vi'i 6"'
ör- ; • -U 1 4^*
4iu^ ara 36^, (hiznia.)
^'''•\ arqn 28'""
-^%^«^j>iri afit'in- ; -/n" 7"'
r?n7 (ö. toruy) 24"
^7^ i6% 17', 17'°,
17^ 17'^
10^
artuq 12'^
aryw 26^^ 27^
aruyu {altun a.]
26=
02: (wenig) 35', 35"
.^lu;^ öS {a. ickü) 16% 16*
>i^tt^ as(:i)y 34^"
y|u4 Ö.S- {mäng a.) 36^
>lu - -«7; diniar-ay 23%
23^; n{i)yoSak-(iy 23%
233
07-: -r/wg' 13'°^
«70,2 23^: ayaz-
lan-: -ni'is 25^
>irrt\iitf^ ayduq (von r/y-?)
28'^
072/ 19'^ 20'
«7« (r/. bar{a)?n) i 5^
(77«r 25^ 28"
aqtur-\ -t'i 13''
{aqtur- Öntür-)
fu^ al-\ -ims 19'^
„ äa&g4^ altun 26'^, 27 =
>^i^^>^ alqan-', -ur 8^
9^ -/?;^ 9'^
Türkische Manichnira aus Chotsrho. I.
47
k^ är 5", 6^ 15^
.fuifid4t alq'is 28'^
- äägjgä^ alqat-; -rnts M^ 34"^ 36^
26" {alqatmU 2 6^^ 31 .q^u^ argü 14
R.7)
4&4ti^ antn 35'^
/ft^än antay i 5"^
O^bii^XHri rmtaq y'^
livdiiri anca 7"
VrivCM^tri f/^c^Y {anc{a)'
y'inca) 6"^
(>i ^ tf\ (i!4 ärdämUg
12'«
19'
- ^„Mu^A, anun-\ -t'i 14^
>^ß^ ><* ü-/ t{n)ngri
24'«
. oyKlf^ är^% 27^
an%rwzn \ ^^^^^ ^^^ ^.^^„
\ t{ä)ngrl 21^ 22', 25^^
äsän 10"
>4W#^rt» w/-; -wag' (y/-
gädmäk u.) 28'^, 39"
ybdA^ 00/ 7% 9'3, 17'^
>tß^ h^^ ool t{ä)ngri
20'^ 20'^
iM4 0^ (Feuer) 2 i ^
Atß^ ybid4 0/ t{ä)ngrl
2 I
.2 /, « II
«/-; -r/^ 34^ 34'';
•^««•^35'; -7'^ 34"; -^%
io"3
(ut-\ -sar 19"
öy«Y-; -f/Ji-33'^
7nU 36'^
/tägmäjg^ ayaylay 27^
^^trf^i>rf4 ai-y"in{?) 12^°
>b>4 ä/ 35"
^_*^^Ä^jNvH^*>i ät'Özlük
{üzntlüg ä.) 31*^
^rn äc'ä 2 2 R. ^ (ä.
apa)
du «r/ 17^
. ^tjrv ^ öV/ä/2 16'^
asangu 12, 27
AM^ äki 12'^
>&4^^ äklnti 9^
(K^ ä% 23^
a^ am 29"^
-^w?^ 30^
^d-^HJ/^ ämgän- ; -M^ | /(^^^ ^^ g,
9^ ; -mls 11'^ '
ybtf* 0/ (Kraut) 15'
4&n^ ota-; -yu 15^
^fä^m^ otac/i 15*^; «^ffa-
tiq 27"
rä<%.€a€^<%^ ofuzunc,
12''
18'
->icd4 «^"X)-; -masar iS"*
(6«7, ^^^-)
- i^jirt^ (r/Ja- ; -ywr
14-
->iltf4 0X«■-;-yw2 9'^3o';
-5(7r 30'^; -/im 30"^^;
Mfjj%A ämgäkoi^: {ötäg
ä. 9«)
-^«* ä?; 37'*; (ä. /^«r^) 1 4^
fvrt u 6" ^
' a^ U-: -mayal 15', 15^,
I5^ 15^°; -/-//a^ i6^
i6^°
- (lf<iiiiVirt4 iidyur- : -dt 1 3^
^futntti}m\ n^ udyuruyti
26^^
- <rrt\rn udur-', -ur T^i^'^
yHrtVrtit Z^(iz^7 2 2 , K. ^
_^«v\«vM udun-\ -tu 6'
or-\ -mü 36^
/ingiüt^ttn^ ortuqluy i 2 '
48
A. VON Le Coq
263°, 2f
^ljbi4 urd-un 8'°
-y-*^-*^^! ornan-yu 27^^
urwy 17'^
vz i6'3; WvS' 17'
>ir<^<rt^ vzaq'i {vzit'i u.)
9'"
^g0n/fä(f^ ä/f.äm iizvn-
tonhvyl'i 16'^
uzit'i {'LI. uzaq'i)
JLjta^ ordu {ikl yntq o.) jLQMda-\ -unynr, -üni/ilr; - Maa^ ör-; -nr 1 7"'; -niäz
29'", 30' hol- {bul'^') 9"; m- 16'^
h^^ JLjia^ ordu k{ä)nt 9'^ - kn^itvn örtür-; -?7r 14"
-itiazim 30^ I 18'
UUg) 5\ 6- (0. k) 16" ^ .^^^^ ,5,^,,,.. ,,j,
-****** OTOfeM^ 35' i ^^„^ ^^^^ g.
■y .r^^ri üz-; -ä 7"
ÖV-; -Ulis 21 ^\ 27' ^_- - .. ,, ^.
^ ^ j ^?^^ oz 5'% 6^ 7"^
^-'it**' ötäcj {ö. äm-
(jäk) 9^
07/«^ (07W/ o.) j ^ ' / ' O » ^4 5 ^^ 5
14" I 32', 32^ 34^ 34'%
JLoma^ o'yur 27'°
f4itf4 07W/ 8', 9^ 15'°,
(>?. oylan) 14"
o(y (auch) 20'^
- ^äAä^VH öi'üfi-; -qäi
nqi§-\ -ur 9 '^
02 19'% 20', 2 2%
26''
ö^ 17'^
öz 9% I r^
35', 35'^
.^«^iU w/m (o/rw?) 8'%
9% 9', 16^
^"'^it'**' 67 liy I I '
1 1
ß 4^ fA4, ul-aar 14''
- Mofut^ olur-; -uny 34-
ötükän[öAakl
norn ul-uy'i) 12'^
üzä2i\ 21 R.%
22 Titel, 28'% 28"'
<^vi4 w^« (kiSlil) 8'^
h^.iin^ üzilt 24', 29^'
W^^^jMvri nziUlüy {iL
äfözlük) 3 I ^
<f<y<fcrt{ rf%t4 üziUlmj
28'^
?/6'WW 2 2
I rtr^r^^jtf» ö-gnlncn i 2
-ay(2i)« 33^ : /^^ öt^ j i3^ 1 16^ j 1.8. j Titel
>^t^|U4 w/ws 26^=, 26^', I WC ör/^/ 26'^; ö. 70/w I ' — Mngr4nijt%nA öyrünc-
27^ I 26'° j % 1 1'"
/ta^4^ ul-uy 1 1^; w/- I . ^isAAat ödrül-; -mü j Vj^^^fs«J^vri .'i^^n/zi-
'W7'« I 2'^
V<m jtrt^ ?^/-'m7 8"
- ^ditt, o/2-;-«^36'°, 37"^;
-yw(;2 37'', 37"
Mäa^ ony 1 3^
m/w 6''
ihytr4<H£^%ii4 äyrnn-
Xn-iU-.r, TT?
28''
. (i^^<r<A»w ödürtlüy
26'^ I 6'?:^/^^ 1 1
.|(t^iM4 oküs 11'^
^rfrtV t% ö-dün{ödün) 8%
17'°
frg<>%i4 öküs {tolu ärüä
ö.) 25"
«M^ ög {ö. qang) 15'
. — i(Jd4 ög {y{a)ruq ö.)
22 R/
Türkische Manichaica aus Chotscho. I.
idrä 17"*; -Ä:/
49
t{ä)ngri 13'^; 0^ ^. 14'
JUt^paa^ ögdir 22'
- ^go%t4 ö^z^/- ; -mi^ 2 6"*
- JL^ßUa^ ögir- ; -z/za^ 2 8'^
- }tnfy%^ öl'ür-; -ür 7',
18^; -di 19'°
J^•^ri ö% 53, 55, 57,
I tf^yM^ ölüg 24""^
^%«vri /m 6'°
- ^.M^ Ö-W-; -wp 73, 8'^
- tM&ävn öntür- ; -ü 1 3'°
{aqtur- öntür-) ; -)niä^6^
^dvt^ öngü 20"
J^i;8-, 9', 13«, 14-
- dLi4, «r/-; -t'i 14'
P^mMf 'i'yad {-dan) 7'; (-07)
7'; 13'
2V- ; -galt 14^; -(c?)«
17«
.e«Ai4 idkü i6% 16^
^ rftru icin 9'°
- OifiH /r/ö?r-; -ür 35^
-iti* M//21 R.Titel; 36'=
? 10'
irkäk ^6"^ , 7,6''
^pt-tß'i^ irkakli 17^
irü 353
>att^
/? r^7
rAMt\t^ irinö 9'
- Afu^ßU, isla-', yü 16"*
gäksiz) 9'^
/#£U- iS 17'; '/^5£e 17'
- fi^^M «^^//-; -/ni^ 26'^
-^^04 ig{i)d-\ -ür 23*
ifU ig{-siz) 28'^
- .^^jjjUi^ igl-ä-; -mäkg^
Aä^^^*, ikinti 22', 24"
27«
11'^; ilig 25^'
27äw- ; -tük 27'°
- fi^ui^ itil-; -mi§ 8*=
I in^H itig 25^
{iläntük ärksintük)
ilän- ; -mägäi
15'
(tt/£ßgH ilgärü {i. kirü)
26^^
Phil.-hist. Klasse. 1911. Anhang, Abh. VI.
^|bi4 il-ki {ang i.) 14^
-.i-^4«4 in-\ -ti 19', 19*
MittJ4 inöip 16'^
- ^ öa- ; -^« 1 9'
^CP ^(«)ca (mw« b.)
23^''; h{a)casiz 24'
>^ ^'ör 36^ 37'5
-««<i2:d 6ar-; d'i'i 7'^
- J^ ^ar-; -duq 12"*
-dui^ haruio^, 1 1 '^, 30'*
^^Ul^ har{a)7n (ay'ib.) 1 5^
<frfif^ Äarcö 17', 21^
21^
>iQl^ Wg- {äv b.) 14'';
^»örg' 334
^^*m49 b{a)zyanS'°; baz-
yan 18 R/
. tVM>U:d bas 5 '3, 6'
.^1^ /;a£ 22^
/^^ ba^ 20% 20'^ 20''
>^ bay 15'°
/HitP hol{a)q 35'^ 36^°;
bal{a)qay 36"
UMS§^ balto 20'^
ßi^^t^ batiq 32"
-jtSi^ti^fvZbi butarla-;
-yu 7 '5
- <yifrfdflp butarla- ;
-ywr 18'*
^ 44etwii^ buryudan 27'
<£ii^fV^ bur%an 3 1 R. '
7
50
A. VON Le Coq:
bur%an lO Ti-
tel; I2'3, i9\ 23%
'*0\.fCt boza'^u 8^ ; hoz-
ü'yu i8^
/pa0^ bosni-suz 2 g""^ {bo-
su§ qadyu)
/$ia^ boo§ {issiz b.) 17'
f^-^^C^ bohinmay
2 8'3, 293'
>^^ &W5^ iqolmaq) 32"
- jt^ öo/-; -'wp 8^; -ayan
{ay'in) 12"; -.-?w7^ 12"
^Ifip bul-; -madM 23^"*
/*g*^^Cr bul{bol)ungur
9"
-^wX ^A^"* buhjan- ; -mfo
^rfrfffl^ buyan 30^
-MOid SM-; -a 7'^
- c^ te'-; -/^ 20"*
i(^ % 24^% 275
ÄP^-l^ 12'^
.^ߧ^ bälgü 24"
-«^^ %y^w 35% 35'
MOfL^ß^ b{ä)lgülüg
24^
- ^tigß^ b{d)lgürt- ; -?r
21 R. ^ ; -c/m 1 1 5
-j<^lt.»^M b{ä)linglä-
{b{a)l'ingla-^) \ -du 6^
>^i^A49 24', 27% 273*
^rfrt^\y bütün {b. qadaq)
28^'
>^<f^y bör'i 8^
^JUiQfi böri 18^
- ^ 4ägCß\»^ bögülän- ;
-wä7<: 2 I R. '
yb^ fe«Y 8'*
^rtß^^ bitgäci 2 1 Titel ;
28"9
- ;l^^ ö///-; -c?/m 28"
^*&^ bitig 25'°
- j^»^^ bitil-; -mi§ 25%
25^
/L^ bir {b. öMS) 35*
- J^ 6iV-; -wr 13'; -^/
I 2% 12^, 13""; öda bi-
rüröä 13^; 0(^0 ft/r^«
i3";-6f2i4'5;.^27i9";
-'w 15'°
ppßAM^ birikli 26'^
^"^ birä 20'^
^^-t4.^i^^iy birki-ni-g
233.
j>tSitO:d 5/r/ä 5 3
6/rfö" 15% 19%
21
0:a«stO=i birök 6'
>tß^ 1ßi0 ^^ t{ä)ngri
13", 14% 16'^
- jt^ &//-; -mäsär 18'*;
-y^/ö^ 9'^ (&. u%maq)
gälär) 3 i R. ^
^Yi>T £ß§^ bilgä bi-
lig 23% 24^'; 6. b{ä)g
12'^
^^%M 5/%; 627<^ä 6.
23% 24''% 26'°; ovutsuz
h. 5^ 6'% 35^
t^<V\^^»M biligs{i)z 5''
fitf^i»rf^^\^ p{a)dwa%-
tag ; yjroätag p. t{ä)ngri
«r^A^^ paMan{ä)k{?)
27% 28'^
. ^p p(ä)Ä 30'
jitägmt^^^ tataylay 27%
-ra^ 26'^
^ääMüg^ iar%an 27^
lii\T^ t{a)rqan 31 R.^
/pd^ tas 16^
«S^4>t!L^:ai^ tasyaru 7'^
7"
^äö t{a)qi 8% 14'% 15^
taqi i8% 35"
rtwiiiW^ taq'iyu 36^, 36%
36^ 36% 37'S 37^°
ißäg^ t{a)las 26^^
„Af^ t{a)mu 13'% 13'^;
tamu 20"
^liV -^öw [bastan) 5'^;
[tastan) 16^
tow^ 35'% 36'^
Türkische Manichaica aus Chotscho.
51
- ^rftf^ tangla- ; -yur
ZT\ -p 2 1 Titel
- 4^Mnä€^ tanuqla- ;
-yu iq''*
P0Xi^ taisi (?) tav&i (?)
-t^t ^w^ ; -maq-lafi 3 i ^
liÜ^^^ tudda [stz) 3 1 ', 3 1 ^
- JUa^ tur-] -mU 243;
-«/«m 28^^; -2W71 28'^
^ir^^ifr^ turqaru 29'^
J<.M fy^fs^ 7'^ 7^°
- ifi!^ /W7- ; -Äör 8^ ; -cT/
9^; -ari6^\ -ur-maz 16'
^JS^f\% tul 7"
•^(t^ tolu {L ärüs öküi)
25"
\tff, ton 5 '3, 7", 7 '4
.^.^^ /o?z 8 '4
- Ao^ tut- ; -mff^ 1 0^°
^-**^ Moy(«>(?) 273
><re<ltrftflff^ t'irangaq 17^°
^^t^ - -/m ; -/m ; has-t'in
30^^; %tai-t'in 29"
ifz/ra t{ä)ngrl 2 1 '
yi^Citt^ /w/(«)7 2 1 R/
- ^^ i{ä)rklä-', -yü
13'^
^o&acV^ t(ä)rkin 6'°, 7'^
>i^ ^(öt)n 8 '5
-^JK^ tö"^-; -r/« 7"
>&M^ t{ä)s; -ti 12'
tag 9 '5; /ä^/i^^ 18^
-Sji?i %-; -c?// 7 '9
- j.-4;^.£^i4^ tägzin- ; -//
32'^
■ '•^Ht^^Ä täg^ür- ; -möÄ
253°; -f/p I9'3
- f^Mt>^ %i//-; -«p 8^
^^^ * *gl><rö tägürdäci
26''
29^3
- ^4^,1^ täg'm- ; -^/;/z
(o%«>w /.) 29'^ 30^
- MA^jU^ täkUr- ; -är 1 1 ^
JL^^i^^ tämir {-an) 8";
(-«^) 8"
^k^#4^ t{ä)ngrv, äzriia t.
2i\ 22', 253% 25'; «e
t. 24'^; 00^^. 20'3, 20'%
20'^; ot t. 21'; ög (og)
t. 13^ 14'; bist. 13",
14^; bis t. 21^; p{d)d-
wachtag {%rostag p.) t.
13'^; t'intura ^. 21';
%ro§tagt.iz"°',%.p{ä)d-
wachtag t. 13 '3; x^r-
m{u)zta t. 13", 13"^,
13'', 143, 24'°; suv t.
21"; /«m t. 24"'; ^/m
ßi ^. 21^; nom quti t.
2 2\ 273'; wadziwantag
13'^, 14'; wadziwaniu
t. 24''; y(a)rwg' /. 21';
ya^m /. 2534; y// ^. 2r
Atß^ t{ä)ngri{Y{\mme\)
14', 14', 14''
>^^ >€ß^ t{ä)ngri%a-
ni 253% 31 R.'
^Ai£^t4^ t{ä)ngridäm
259, 26'9
^■W<^%VL4.^ t{ä)ngrikän 3 1
R/; 31 R.'
- — Mi§ut4ßA^ t{ä)ngrilig
33'^33'^34^34'^34''
^rfr^r^ tob'Hn 9 '3, /ö-
/^w/z 20^
töpö I 7 '^
türgün ; ö«r /.
14^
- — if<yir%^ türlüg \ bi^
türlügün 24^
^ gOrf^V^ tüsüngür 9"*
/^ti^^ /?/.?-; -^« 2o3, 20"
(Mf^n^ turk 26'^; uluy
turkdün 27^
ir<yrt<rir^ törülüg 26'^
-tf.JLk^ tüzü 28", 28"^
^A^t ^w^MW 5", 6'°, 28=^5
7*
52
A. VON Le Coq
i6. 4>i1.^:ll:,. _^3i
II"; tomuig 2 9
■^^>C=*«st ^o^w/- ; -^/ 5 " ;
^4ftf^t<H^ tümän 10*, 20^,
20''
- &4ä^t^ t'tträi- ; -xr 1 8'*
mttit^ tirig 22^, 26'^
^yitlf^ üriglügli
(sammelnd?) 24''^
- irgjirifi^ Hj-gür- ; -mägäi
■ iteir4rt^ /2r^!7^ 27^
<y(iri^ tlrlä-', -p 1 5^
- fiAi^ //r«7-; -ü {t. quv-
rnnmaq) 35^^
^$\0\^ üsili I 7^
>^a^ ti§i 36^ 36^
W*?, %Y i-lär) 31 R. 5
f^ ^// 19"
- 4yiö ^^^«-; -^«^^ 23^'
m^^^>^ ti-min 14"
. — tuur c{ä)r{i)k 26^^
^IßLLC' cigil haliy 2 7 3';
d. y(:(ä)w^ 27^; 6". ars/öTi
■ -^^^^ %ata{iki%.)2g''^
- £^6*41 %atal-; -ur 17^;
-öp {%atlap) 16^
^Ji^^ %{a)tai 29"
>«^ %ön 28'^
%an{qahL%ant)2']^
^^%an {i{ä)ngri%anmz)
31 R.', 253^
.^i^ %ö^w 30^
mä^pn§tn %rostag
t{ä}ngriis'°; %• P{a)d-
wayjtag t{ä)ngri 13'^
46>,f^ ''^'K %urm{u)z-
ta t{ä)ngri 13", 13'*,
13'', I4^ 19', 19",
I9'^ 2os 20", 24'°
>f#<t<tV dintar 23%
23% 28'^
«ü^«^ ddlntar 31 R/
I3^i3'%i3^i7'^22^
>iujr - -ra^' ; tatayla'^raq
26^9
r^^ -?//W^W I l'
Urt^äägmp s{a)ylantur-;
-d'i 13'*
saqan- ; -wr i o'^
sans{a)z 10'*
5aü 15% i83, 19^4
rA\it€^ särinö 32'°
. — «Aa^ 5(a>w^ 2 3^ 2 3^
2 3'^ 28^^
■ m\tp s{ä)vig 1 6'^ 34'^
mtpt%4'%p s{ä)v'igltg
10"
s{ä)vi-n'
-mäh 2 8 '3
r4\iip s{ä}vmd 25'
sav t-
ndl-ig 11 ^°; s{ä)c'm6l'
'ig 11^
^lAit^ 01^ fV> supuryan 6*
- JM^ sor-; -ar 8'^
- tl^uta^ sorul'\ -niis 26""^
..-jua^ suv if, 17'^; {ylr
s.) 14'^
^r2 2 I '
>%k 5w/ (5. yazuq) 30'^
^to^ ^2^ 22^
-t*^£^ sür-', -üp 5^; -w
i6'°
sürü 8^
sÖzlä- ; -y w
<frti, rfin> s?/^wÄ (5. qiit)
22 R.3; SW2^MÄ 273^
/|rg»Kt> ÄÖ^rws 10'^
- 0L^ßua^ sögüs-; -ür 9'^
ifgorftrij^ söngük {s'in
s.) 2333
s?7W/i 35^
s«/z2i^; (s. söngük)
ßifULi^ sinl{i)'y 22'
. — iU ^4i^ siz{ä)ng (?)
^iLi^ siz-lär 19'^
if V ^«^ £2^2j^ 19"
^^A^^p ^aki-m{u)n 1 1
Titel
Türkische Manichaka aus Chotscho. I.
53
-^dß-^ ämnu 19", 20^
20'^ 20'^ 31^
^«KlsAyiAl»^ 'iöffärü 53
l^%V%li^ '/r/m^ 5'°, 5 '4
%%v<cSl«blki« '«'/JzV {bilgälär)
31 R.^
nogH-, .oäUM- -'yaru,
-yärü; tasyaru 7'^; /wr-
^ßrw 29""'; yoqaru 26'^;
ilgärü 26'^; yiringärü
I2'\ I3^ 13'°
.^ - , ..^4» - -7W, -^w ; or-
nanyu 27^% uzlanyu
17'; g'arf7i< 29''; gow-
7?^ 27^^; är^?/ 14";
äsängü 12^; &ä7^w 24"
>i^^' qapay 13^ 13^
13" (i'iyaö q. 13')
- Ma^Ä^/iö4 q{a)t{a)y-
lantar- ; -dt 1 3'*
-i/? 2 I '^
mätärj q{a)cnang
16"; qaönang 32^
>t!L«# gö(f(«)r 24"
><r/\ irg ^ä;^a^ {bütün q.)
28"'
''^«vlltOM qadduq {q.
bfäün?) 31''
(\J\tm qadyu{-suz) 29''
Mj q{a)ra\ q{a)raköz-
süz täglüg 18^
^ dgmtit^ qaryan- ; -wr 9^ ;
-/w^ 9'^
^^M qo^u (Mni) 27^,
28^°
>^|u« 9'a//^ 17'; q{a)lt'i
7"; ancolayu q. 8% 8^
i6'3; mJä ^. 8 '3, 137^
18'; g'. -Ja 14^, 14'°,
14", 17", 17^ ir\
24-, 24", 24^^ 24'^;
q. -sar 16^
>d-4( ?ö^ 15', 33''. 33'%
34% 34", 34^ 34'^
^ma^ qan 5'°, ^'\ 6'^
6% 6\ 8'"
— i(äu# yaw^ io3, 35'
, fk^lsr1C g'op 6\ 9^ 3 1^
- \^6rt» qutad- ; -mag'
{qutad- qivad-) 28'^
- \rt< gfoc?-; -wr 17'
Jtta# qodi{yoqaru q.) 2 6'^
- ^rt^lfrtt qurtul-; -maq
293'
/uUtOit quruy 17"
M^da^t quz'zS*; quz'iiS*
-fyMS^r-^ gos-; -ar 7'^
>|al# ^ws 7', 36% 36S
- 414» go/- ; -/if (&M.f«- q.)
32"
^rtg g'o/t^ 26"
»fvvi^^iy qunöui 31 R/
Om^^' qonyu 27'^
-^ rf^lfi^' quvran-; -u
{tirilmäk q.) 35'^
4iii<l< g'0P7a 35'*;
qovqa 36'°
^ 4tff ^' quyan 8^
A*4 qiz 2533
,(iit£rr4n j^t^' qil-'indl'iy
- \ ^ tt# qivad- ; -magf
{qutad- qivad-) 28'^
-A«^ ^niü 22'
1^* Mc? (^w ^.) 2 I R.'
'Ariane käd-\ -rnis 7"*
- Z €:^ kädil- ; -ip 2\^
- i^L^tr kädil-', -ip i8^
i85
ifgJH£» k{ä)rgäk 24^
^dJL^Ußf^ß^ k{ä)rgäksiz
{is-'iz k.) 9"
- jf^tß^* käkräi- ; -^w^
-^t> ^(ä)/-; -^/ 13'^; -5är
-^« 7'% 7"
- ^i^^ k{ä) m fc^- ; -/w/i 3 5 ' '
«\^.0&a^ k{ä)niü 6^
54
A. VON Le Coq
)i6
R.
, 22% 22% 23% 34'9
kü 26'^ {h käd) 21
-»»\<^ kü- ; -yü (k. kö>
31^
-^^^%«S3i^a4 kötür- ; -wp ö""
P^i6^ knc; bis t{ä)ngri k.
16'^; t{ä)ngrik. i6^\ tört
yruq k. 19^
-J<0*j\\ kucä-; -dük 5^
tfsscsc kor-; -üp 5% 6^;
-tu 6^
- Jc^ev kör- ; -/w^ 9^ ; -mü
9^; -ä7/m 11'^
- 4ji^pntiic% köröksä- ;
11% 24'^^
lilfie» ^Ör^ 10% 11%
24^"*; (k. mängiz) 25^^
.^Me^ ^ö^ 15^; köz 235
>^rt>i.äti<e» Äö^sw^ {q{a)ra
k.) 18'
■•^**$J*^ ^özäd-\ -ü; kü-
yü közädü 3 1 '•
kösä-
-yür
10'
^P»0aQ% kösm 28"
M 14% 14'*
köküz 18^; Äo-
^W2 26'% 26'^
*<>*< £0 küVüngio^
>tß^jm^^^e% kün t{ä)n-
gri 24"^
M;z [g«] t{ä)ngri 21'*
köni {k. kirW) 26''»
küyür-: -ür iS"*
H^yt»«k ^/Jä (yon'w ^.) 31^
- M^ kir- ; -wr 1 6' ; -;/«
6^; -ip 53
^d*^ kirü{ilgärük.) 26^"^
günclüg 29'% 30^
"CiAJte^ Ä'«Ww (ytÖ>i/^. ) 2 6 '"
>^(^ ki$i 8'^
f-^^ß^ klglnöi<^'% ^j'^
jö^t^ kirn 7% 8", 15%
16% 17% 18% 18% 22%
22% 33'7
kln 12'% 29'^
yjLz (fiär ^Ke) 15'°
tUM0Ut %isyac{qisyaG)^^°
s, d\,äm0g layzm 12'^
>*^ - -/a7; anglay 26'^;
adrtlay 26'^; y{ä)ra§lay
2 6^5 ; öfZ/ay 2 7 =" ; tataylay
27""; ayaylay 27^
>^ - -Ä', -//; uzuntonluyl'i
16'^; äW« 16'^', irkäkli
17^; ^is/// 179
^- -/«, -//; a^«7Ä'26'3;
udyuruyli 26"; /!>/nM
26'^; y{d)ltrayli io%
25^^; y{a)rutuyti 26"*;
tiriglügli 24^^
^ - -W2Ö ; ancolayurna
13% I4'^ 17"
— <f*^i<^M<jir m{d)%istak
12'% 28^°
w(ö)r omw mozak 32"";
32", 32^ 33^ 33",
34'°» 34"; ?woiaÄ 31
R. '; mozak 27"*
y(ö)0(^ 28'°
m{a)r w{ä)%m{a)n %iar
y{ä)zd 273
,;4Uj|r - -Wö'^ {-inäz) ; g'ffw-
gamaz {qang'im'iz) 10^;
iV ig{a)mäz{iUgimiz) 1 0%
ämgäk{ä)7näz [ämgäki-
miz) 1 1 '^
,^U^ - -?/z<7.2^; hardamaz
[bardimtz) 10'^; k{ä)Uä-
mäz {k{ä)ltimiz) 10"; /s-
lädämäz {islädhniz) 10'^
JLt^^^^^dA^ man-astar
%irz 30"; m{a)nastar
yjrza 30^
-ii«ljt*l m{a)ngra-\ -d'i'i
>^£jir warn'; t{ä)ngri ma-
ni bur%an 12'% 23';
Türkische ManMaica aus Chotscho.
t{ä)ngri 7n{a)r niw mani
12'^; mani hur%an 24^
M 4d&0jk4jjf manistan
27
36
^^saui^fV»! mozak 3 1 R,=
. <f4.<Mj|r mozak 27'*
p^^Ao^ muntw^l 1 1 "^
ii^<4.«v»d munöa 7'% 18^
JL^ßdo^ mungar 23^
/idm^a^ mui'^aq 35'
m{a)rdasp{n)nt t. 27^^
mm^ 5 ' ; m{ä)ning 233';
W2ßr^^a 28'^ (vgl. mm)
■ ^*^ mäng{m.a^)^6^
— '■i^'^Ülr mängzä-\ -ti
23^^
'^^^^ 'fnängiz {körkm.)
2530
AM^^ mängi 12^°
■tf<^^;£jir m{ä)ngigü 1 1 '^;
n{i)yoSak 28*"»
mwj 1 2 '^
^« 33'', 35'°
23^9
' — «***• wä% 23% 23'
ii^U«u näcä 7"
. 4<^*<fc^tf rtf4 näcäkätägi
16''
- ^rtr^4 näcüklä- ; -^2
19'° (^. ölürdi)
■ O^tf« ?zä% 33*°
■ ^^^4 wäV^^ (fiir wm^)
8'^ 8'^
55
y{a)rat-', -yati{y.
itgäli) 14^; -di (ij. yap-
di) 14«; ~ir 14'°; .(/)i^y
14"; -di 15'^
y{a)ra§'\ -ur 23'^
y{a)ra$la'y 26'^
^-'^
1 1
19
4 /?aV2^ I5^ 159,
16", i6'% I6'^ 16',
rfiff *» Z'/fif^ö 2 I R. '
- ^*
\0imti9 wa%§ik 32*
mrm {m. b{a)ca)
233%- munsüz 24"; mw/j-
6% I O^ II '^
./rttf%fj|r müt/'üz 16"
.iP^^A^ /«m 29^; mm/ 30'^
'^««* ((iy p.) 26''
^^Ltf4 wom 12^, 12'^,
273^28
>tßd^ ^&mß[<%^ nom
qut'i t{ä)ngt^i 22'*
25",
28^3o^33'
^£ßr0a w{ä)%m{a)n 252'»
' — m4H4*n\,f \ gtf
wadziwantag t{ä)ngri
I3'^ 14''; wadziwanta
t. 24"
%^ri.^2iArt% yablaq 5"
- .^*^ yap-; -d:ii/\^ iy.
yarat-)
^ än^g\ yapyun {vap-
%ud) 2<f \
\MK%yaU\'{t)ü^'\-{t)ur
6'; ■'{t)uq 63
-4«t^ yad-; -ay(;i)n 7,7,^
.%^^XH.% yarsi-\ -yor j^^,
\^^fA%^^xs\%yarsmd'iy^ '
/^rAfägttMt, fit» y(a)W-
ayyancuci lo^; y(a)r/-
ayqancuct i o^ 11 '^,
12'^; y{a)rl{ä)qan6udi
II^ 199
-Mit% y{a)r'u'; -dii 6'^
- -Ä««* y{a)rut- ; -sar 1 5*
^-%|riirt6<tir^ y{d)rutuyU
26'*
>«M<Ä^ y{ayuq 10^
>^M«^ y{a)ruq 22^ 23'
>€ß^ ßioitx y{a)ruq
t{ä)ngri 2 1 "
-J^%tli% yar'il-; -fi 5^
^•^«<l% yanw 6"^ (^. A;/döf)
31^
>ib,.4<K^ yo^wg 2 8 '3 {suiy.)
30^'
- >^Md^^M^ yoiw^ ; -tr 2 i R/
[yarut- yaSut-)
>4ß^ •A^t\ ya-
M'Ti t{ä)ngri 253*
jMäutx yayaq 32^^
^ffütfir^ £tf^ yal-trayli
10^; y{a)ltr{a)yU 25^3
5G
A. VON Le Coq
iiäii£ä\ yahar- ; -di 20^
4ää\ yana iS^
-u[•>y-(a)7^a7^8^8",
115 017
' t^dUx yanc-', -ar 8'^
- ^ärää\ yanöal- ; -ang 9"
Aft^^X yang'i i^\ 14'°
^u^LSix y{a)vlaq 35^
^ti4mn\ yo%aru 13*^
luu yud{?) {yoq y.) 9"
->ifai^ yofi-\ -yur 18^
>«ba^ ^09» (y. qilmaq) 8^
AVJilE=<«S« yoqaru 6'
/tifrfiirt^ yoqaru 13'^
f<U ?/o/(?^6'y.)34", 34'5
^(■M^^rtm yum§aq 24^
-A.%% ^«c?-; -iyor 6^
Ji^ßA^ßX y{ä)gänk{ä)nt
2 63°
rd\ß^ßk\ ygrmind 15'^
- — iLti^ 3/0Ä I5'^ 19%
I9'^ 20^
->^ yi-; -di 20^°; -mäsär
16'«
/llrg^i^im yitmü 20'^
if^<\t^ yidäng {?vi-
dang) 10'
17 '5; (y. 5Wü) I4^^ 193;
{t{ä)ngri y.) 12% 12'*,
I3^ 13% 2iR.% 22
R.% 26'^
y«V-% 34^9
- A £ß\\ yigäd- ; -mäÄ
293^; -mi§ 26'3, 27';
(y. utmaq) 28'^
P>tß^ §i^ y^V t{ä)ngri
2V
.dt^giS yiltiz {nom) 30^
if-^^ jH^n yimisl-ik
yop'üg ly^^
yurüglüg
26''
yw^ (hundert) 12'^
yw^ (yw^ 'üngüz) 1 o'
yWyj-; -är 17"*
■t^S;^% yugür-; -ür 7";
-;/«■ 7'^
■ jM^rfrt-^ yontüs-; -ürg'^;
-ü 9^°; -^wÄ 9'^
Türkische Manichaica aus ChotscJio. I. 57
Nachwort.
Hrn. Dr. W. Radioffs Nachträge zum Chuastuanit (Chuastuanvt).
In letzter Stunde geht mir die unter diesem Titel veröffentlichte Schrift
des Hrn. Dr. Radioff zu. Bei dem weitreichenden Interesse, welches jedes
Originaldokument aus der Literatur der Jünger Manis nicht nur für Turko-
logen, sondern auch für Religionsforscher hat, sehe ich mich gezwungen,
wenigstens auf einige fraglich erscheinende Interpretationen Radioffs ein-
zugehen. Die Entscheidung über andere überlasse ich gern der Zukunft.
Hr. Radioff sagt auf S. 870, Bl. 8, B. 8^ zum Worte oylan: ». . . Dieses
Wort ist hier am besten durch »Streiter, Kampfgenossen« wiederzugeben.
Zur Mongolenzeit hießen 07/art »die Prinzen, welche Teile des Heeres be-
fehligten«, im K. B. tritt es in der Bedeutung »Diener, Soldaten« . . . auf.
Die fünf Götter sind hier die o-ylan (die Streiter) des Gottes Chormuzda
(des Urmenschen), mit deren Hilfe er die Dämonen zu besiegen gedachte«.
Die Bedeutung des Wortes oylan in der Sprache unserer Texte ist genau
dieselbe, die Shaw (Dict. s. v. S^Ji^) ^ir die moderne Sprache Ostturkistans
gibt, nämlich » Sohn, Knabe « ; vgl. T. II D. 1 7 8 a, Z. 1 2 ^ dtgm^^ ^^kuu, oyul
oylan ein männliches Kind. Vgl. ferner F. W. K. Müller, Uigurica 1908,
Anbetung der Magier, S. 5, Z. 2ff.: »Zu der Zeit Herodes der König
so sprechend, befahl ihnen (den heiligen drei Königen): , Wohlan! jetzt,
meine geliebten Söhne (oylan-larim), wohl gehet hin...'« sowie ebenda
S. 9, Z. i8ff. : »Gehet hin in meines Reiches Innerem, soviel unter zwei
Jahren an Knaben (oylan) (und) Mädchen vorhanden sein mögen, sie ins-
gesamt tötet!« Auch endlich ebenda S. 15, Z. 3ff. : »Durch dieser verdienst-
vollen guten Tat Kraft mögen aller Lebewesen Kinder das Nirväna erlangen«.
Diese Stellen schließen eine Bedeutung »Streiter« far oylan vollkommen aus.
Radioff, S. 878, Stein 73. yüzäd(h)m{i)z ist eine fehlerhafte Lesung
des Hrn. vonLeCoq. Im Text steht deutlich Tiai^DTlb« wie in P.«
Geschrieben steht oaljU^t^vH, was mit uznad{z)m(i)z, freier, aber wohl
zutreffender mit uznäd{i)m{i)z transkribiert werden sollte. Im Petersburger
Phil.-hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh.VI. 8
§a
A. VON Le Coq:
Text (vorausgesetzt, daß er richtig wiedergegeben ist) steht deutlich, nicht
wie Hr. Radioff angibt, .ä^\ t^,4n^ , sondern vielmehr ;^^^ -tgr^ . Der
Sinn des Verbums üznä- ist widersprechen. Dann aber darf die fragliche
Stelle nicht so übersetzt werden, wie Hr. Radioff seinerzeit vorgeschlao-en
hat, sondern die Übersetzung muß wie unten angegeben geändert werden.
Radioff, Chuastuanit Steins Khuastuanift Nunmehr sich er-
(sic) S. i6. S. 286. gebender Sinn.
»IV. Zum Vierten. Da 64 törfünö süki-i t{ä)ngn-h Viertens. Wenn ohne
wir gegen die Burchane, yalamc'i-X bur%anlarqa es zu wissen, wir irgend-
buyanö'i-'i bögtäci-i nriy wie gegen die göttlichen,
dintarlarqa Ulmätinnädä zu den Heerscharen (des
yaz(i)nt(i)mtz ärsär . . Lichts) gehörigen ijala-
ymä kirtü «^örd«*) Burx,ane, gegen die
t{ä)ngri-i yahvad'i-i bur- verdienstreichen ..?..**)
yßn reinen Electi gesündigt
7° tipänädgüqUmGt{t)yaray haben sollten •• wenn
dintar tip hirtkünmäd{i)- wir sie (zwar) wahre und
mi^z göttliche yalava&i Bur-
ärsär • • t{ä)ngri-i nomin %ane und gut handelnde
söz- reine Electi genannt,
läsärbiligsiz{i)nuznäd{i)- ihnen aber nicht ge-
m{i)z
ärsär • • nomwy törüg
75 yadturmat'in tidt'im(i)z
ärsär
t{ä)ngrim amfi-'i usw.
die Heerscharen der Bo-
ten Gottes'^, und gegen
die reinen Priester", die
Wohltäter und Helfer '°,
auch ohne es zu wissen,
so viel gesündigt haben,
da wir die Burchane die
wahren Boten Gottes und
die Priester (wohl) Wohl-
täter und rein genannt,
haben", und da wir das
Wort Gottes'3 wohl
hergesagt haben, aber
aus Unwissenheit ihm zu-
widergehandelt haben"*.
Da wir, anstatt die Sat-
zungen und Gesetze zu
verbreiten, (die Verbrei-
tung derselben) verhin-
derthaben, so fühlen wir
usw.«
glaubt haben sollten,
und, wenn sie das Wort
Gottes hergesagt, wi-
dersprochen haben soll-
ten, wenn wir den Glau-
ben nicht verbreitet, son-
dern behindert haben
sollten, dann, o Gott!
bereuen wir jetzt usw.
Wenn Hrn. Radioffs Übersetzung nicht ganz verständlich ist, liegt
es daran, daß er
*) Wenn man die von Radi off vorgeschlagene Bedeutung von yalavadi = BoX^n
annehmen darf, wäre zu übersetzen: die göttlichen Boten.
**) Bedeutung von höktäci (bökiäkci) ist bisher unermittelt.
Türkische Mankhaica am Chotscho. I. SÖ
1. die auf -sär endenden Formen*) nicht als konditional erkannt hat;
2 . übersehen hat, das Wort kirtkünmädimiz (= wir haben nicht ge-
glaubt) zu übersetzen;
3. die Form sözläsär (= wenn sie [das Wort Gottes] hergesagt haben,
also predigten) nicht auf die Prediger, sondern irrtümlich auf die
Gemeinde bezogen hat.
Zj den Erörterungen zurückzukehren: Hr. Radi off sagt
«S. 880, St. 113. äwäk. Die Herbeiziehung von äwäk ist . . . hinfallig. «
Hier mißversteht mich Hr. R. Im Qutadyu Bilig steht ^^*-^ , was er
allerdings mit äwäk transkribiert. Dies ist aber wohl nur eine irrtümliche
Lesung, die richtiger, und dem hier vorkommenden Jut^Osirl entsprechend,
durch äü{i)ng oder äv[ä)ng zu ersetzen ist. Eine Reedition des Q. B., die
dringend nötig ist, wird sicher viele Leseirrtümer berichtigen.
»S. 882, St. 186. 07- ... Der Stamm 07 {v) hat doch nie die Be-
deutung ,sich abwenden' oder ,to drift awayS sondern bedeutet nur ,auf-
steigen, sich erheben'.«
Hierzu vgl. Radioffs Wörterbuch I S. 142 sub voce 07:
1. (Osm. Dsch. 0. T.) sich erheben, aufsteigen;
2. weiter fortgehen;
3. (Dsch. 0. T.) sich hinneigen, herabneigen, herabputschen.
>>S. 887, St. 25 1 . azo. Die Lesung azo ist . . . unmöglich, da in keinem
Türkdialekte 0 auf a folgen kann.«
Welche Vokalfolgen in dieser alten Sprache möglich sind, wird sich
erst aus unserer, einige hundert Nummern umfassenden Sammlung türki-
scher Texte in der auch die Vokale genau wiedergebenden Brähmischrift
feststellen lassen. Die Bearbeitung dieser Texte muß leider einstweilen
noch zurückstehen. Überdies erscheint es bedenklich, Gesetze von dieser
Allgemeinheit aufzustellen. So sagt z.B. Hr. Radioff in Tisastvustik I,
S. 67 mit Bezug auf F.W. K. Müllers Ableitung des Verbums boSyur- von
haS (Uigurica S. 56) mißbilligend: »Ein solcher Übergang a — 0 der Stamm-
silbe wäre alleinstehend auf türkischem Sprachgebiete«. Diese Behauptung
ist unhaltbar, denn ohne andere Quellen^ heranzuziehen, finde ich allein in
Hrn. Radioffs Versuch eines Wörterbuchs: yoäun far yaä'in S.443; yo-
puq für yap'iq S. 443 ; yoruq für yar'iq S. 423 ; qobuq fär qalfiq S. 660; qo'^un
*) Obwohl dies schon längst durch F.W. K. Mull er festgelegt (Uigurica 1 908, S. 48).
60 A. vonLeCoq:
för qayun S. 5 1 7 ; qomU fiir cpirm S. 67 i ; o^uq fiir aSiq S. 1 1 5 i ; tonumaq fiir
tanimaq S. 1 1 77 u. a. m.
»S. 889, St. 315. ämgätirhiz. In B. ist die betreffende Stelle dem Wort-
laut nach unbedingt falsch übersetzt. Nach dem vorliegenden Text müssen
die Dative zu äksüglüg und yazuqlwy gezogen werden.«
Die Verbindung dieses Verbums mit dem Dativ ist fremdartig, aber
sie ist vorhanden. Zu äksüglüg und yazuqlw^ dürfen die Dative nicht ge-
zogen werden, denn der Satz St. äksüglüg yazuqlw^-lnz (wir sind unvollkommen
und sündig !) ist durchaus selbständig, was schon daraus erhellt, daß ja der
Schlußpassus des Gebets eingeleitet wird (vgl. St. 308) durch eben dieses :
*Tängrim ägsüklüg yazuqlur^-lnz\i^
Zu den von Hrn. Radioff auf S. 896 in hebräischer Transkription
aufgeführten Verbesserungen ist zu bemerken, daß es sich zumeist um weg-
gelassene Zeilenfiiller -/, -w. -h u. dgl. handelt sowie um Worte wie z. B.
y{a)vlaq, was nach Hrn. Radioff vielmehr mit yvlaq zu umschreiben wäre.
Auch schon von mir in der Wörterliste berichtigte Druckfehler für balqduq
und oylan werden nochmals verbessert. Die Akribie, mit der diese Dinge
behandelt worden sind*), vermisse ich in den Zitaten aus meinen Abhand-
lungen, die Hr. Radioff öfters herangezogen hat und die hier der Be-
richtigung halber wiedergegeben werden:
ZitatS.871 der Nachträge. »Nach Originaltext, St. Kh., S. 281.
der Übersetzung des Hrn.v. L.C.Waren »o . . . All the princes of the demons
die princes of the demons, etc. united came, etc. united in (evil?) know-
(sic) with (sie) the evil knowledge and ledge (intent) and bereft of under-
bereft of uiiterstanding and sense . . . « standing etc.
*) In Hm. Radioffs eigenen Arbeiten fehlt sie ebenfalls, vergleiche z. B. in dem
in seinen iiigurischen Lettern gedruckten Text des Tiäastvustik den fortwährend auf-
tretenden Gebrauch des Buchstabens ^ = i an Stelle von ^ = q- An aufs Geratewohl
herausgegriffenen Stellen dieses Textes finden sich Anomalien wie S. 32, 49*, Z. i sadtr für
qadir; 2 Mlu für qtlu; 8 äal für qal; 49*», 3 iuruy ßxr quruy (transkr. Jcurvk); 5 sus'i für qust
(n. b. j/avi3qu'Sil); 5 su-asi für %uasi; 6/7 yasar-sai für yasar-qai)', S. ^^ 50*, Z. 2 sop für qop;
2 iamay fui* qamay, 4 santnasar für qanmasar', 5 sitinc für qiCinc; 7 sormusta für %ormtizta
(transkr. Jcormusta) usw. usw.: Fehler, die mit einer gewissen Gesetzmäßigkeit durch die
ganze Ai-beit gehen und beweisen, daß Hrn. Radioffs Typen sogar von ihrem Urheber
nicht immer mit Sicherheit gelesen werden. Folglich dürften noch zahlreiche Lese- tmd
Transkriptionsfehler in dieser wie in der späteren Arbeit Kuan-§i-im Pusar enthalten
sein. Der Druck in Hrn. Radioffs Typen bietet eben keinerlei Gewähr, daß der Original-
text richtig gelesen und wiedergegeben worden ist.
Türkische Mankhakn aus Chotscho. 1.
61
Zitat S. 874. »Hr. v. L. C. sieht
in tirnägüli ein neues Verbalsubstan-
tiv auf gül ..."
Originaltext, Berl. Chuast. S. 31.
tirnägüli. Durcli Anhängung der For-
mationselemente -gü und -// gebil-
detes, Absicht oder Befähigung aus-
drückendes Verbalsubstantiv . . .
Originaltext, Berl. Ch. S. 34. ...
an Stelle von kigür- muß, scheint es,
k{ä)ygür (fiir kädgür) gelesen werden,
unter Voraussetzung des schon voll-
zogenen Wechsels von d zu y.
Endlich möchte ich noch erwähnen, daß man nicht von einem ksänti
S. 894) noch von der vihära (S. 895) reden sollte (vgl. Petersburger Sans-
krit-Wörterbuch sub vocibus ksänti und vihära).
Zitat S. 8 8 5 . » 2 . Ferner behauptet
Hr. V. L. (;., ich hätte ^'^f^Cftf
kigürsüg falsch gelesen, es sei hier
unbedingt k{ä)igürsüg zu lesen . . .«
Phü. hist. Klasse. 1911. Anhang. Abh. VI.
K. Preu/3. Akad. d. Wissmsch.
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T, HD. 176.
Anhang z. d. Phil.-hist. Abh. 1911.
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T. II D. 173a.
Anhang z. d. Phil.-hist. Abh. 1911.
Blatt I, Vorderseite.
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A. von Le Coq: Türkische Maniohaica aus Chotseho. I. Taf. H.
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Anhang z. d. Phil.-hist. Abh, 1911.
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A. vonLeCoq: Türkisehe Manichaica aus Chotseho. I. Taf. IV.
Die muslimischen Inschriften von Pergamon.
Von
Dr. Max van BERCHEM
in Genf.
Phil-hiat. Klasse. 1911. Anhang. Ahh. VII.
Vorgelegt von Hrn. S ach au in der Gesanitsitzung am 23. November 1911.
Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 1. April 1912.
Die muslimische Epigraphik von Berghama stellt sich einerseits aus einigen
Bauinschriften, anderseits aus einer größeren Anzahl von Grab Inschriften
zusammen. Aus verschiedenen Gründen schien es geboten, diese zwei Arten
als gesonderte Klassen zu behandeln und die Inschriften erst in jeder Klasse
chronologisch zu ordnen. Damit wurde namentlich bezweckt, die historisch
wichtigeren Bauinschriften in den Vordergrund zu stellen und sie zugleich aus-
führlicher zu behandeln. Demzufolge sind dieselben in vollem Text, mit Über-
setzung und kurzem Kommentar, publiziert worden, während bei den ge-
schichtlich meistens unbedeutenden Grabinschriften eine kurze Angabe des
Inhaltes sich als genügend erwies. Anderseits schien es nicht ratsam, die fiir
die paläographischen Ergebnisse immerhin günstige chronologische Reihen-
folge in weitere Unterklassen zu verteilen.
Die erste Gruppe besteht teils aus Gründungs-, teils aus Renovierungs-
inschriften, zuletzt noch aus einem seltsamen, die Verwüstung bezeugen-
den Text (Nr. 1 4), an dieser Stelle gleichsam eine Mahnung an die Vergäng-
lichkeit alles Bauschaffens.
Daß die Bauinschriften in so geringer Anzahl erscheinen und sich
außerdem in bescheidenen Verhältnissen bewegen, erklärt am besten der
Umstand, daß Pergamon seit der türkischen Eroberung keine wesentliche
Rolle mehr gespielt hat. Aus den spärlichen Quellen über die Anfange
der muslimischen Herrschaft, soweit sie Geizer gesammelt hat', geht nicht
einmal genau hervor, wie und wann Pergamon den türkischen Fürsten von
Qarasy in die Hände fiel. Der von ihm angeführte arabische Weltreisende
Ibn Battüta, der das neue Berghama um ^i 3 3 3 besuchte, fand es im Besitz
des Sultan Yakhshi Khan". Nach den türkischen Quellen war das Haupt
^ Siehe Geizer, Pergamon unter Byzantinern und Osmanen, ans dem An-
hang- zu den Abhandlungen d. Berl. Akad. d. Wiss., 1903.
^ Siehe Voyages d'lbn Batoutah, ed. Defremery, II, S. 316.
1*
4 MaxvanBerchem:
der Qarasy ein gewisser !A.djlän Beg, der im Jahre 737 (1336 — 1337) starb
und zwei Söhne hinterließ. Der ältere folgte seinem Vater in der Regierung,
während der jüngere Tursun sich mit dem Osmanen Orkhän gegen ihn ver-
bündete. Der erste verließ seine Hauptstadt Balikesri und verschanzte sich
in Berghama gegen die heranziehenden Osmanen. Als ein Vertrag zwischen
beiden Parteien in Aussicht kam, wurde Tursun durch einen Pfeilschuß ge-
tötet, oder auf Anstiften seines Bruders ermordet, was dem Orkhän den ge-
wünschten Vorwand für die endgültige Besitznahme von Berghama gab\
Mit der osmanischen Eroberung wird Berghama eine Provinzialstadt
des Sandjaq Khudäwendikiär (mit Hauptstadt Brussa) und verliert jede
politische Bedeutung. Von nun an steigt die Stadt aus der alten Festung
auf der Akropolis herunter und breitet sich in der Flußniederung aus, in
welcher alle die hier besprochenen Denkmäler zu finden sind.
Trotz dieser für eine bedeutende Epigraphik wenig günstigen Ver-
hältnisse bewahrt Berghama eine der ältesten bekannten osmanischen In-
schriften (Nr. i), im Namen des Sultan Muräd L Weitere Sultane sind in
zwei anderen Inschriften genannt (Nr. 2 und 3). Dann beginnt (Nr. 4 ff.) die
Reibe der bescheidenen Bauherren, die sich nur als »Pilger«, höchstens
als »Agha« oder » Woiwoda« (Unterpräfekt) von Berghama (Nr. 9, 1 1 und 13)
kennzeichnen. Das Ganze schließt die bereits erwähnte Überllutungsinschriffc
(Nr. 14).
Dieselben nüchternen Verhältnisse spiegeln sich in den Grabinschriften
ab, in welchen neben einem Woiwoda (Nr. 27) und dem Sohn eines Agha
(Nr. 36) nur Pilger und unbekannte Männer und Frauen, darunter einige
Damen höheren Ranges, verewigt sind.
Wichtiger als die historischen Daten ist bei diesen Grabstelen das
für die Kunstgeschichte gebotene Material. Dem Stile nach zerfallen die-
selben in drei Hauptarten.
' Siehe Geizer, S. 94; von Hammer, Histoire de l'empire ottoman, trad.
Ilellert, I, S. 150 ff.; zuletzt Mordtmann, Über das türkische Fürstengeschlecht
der Karasi, in Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss., phil.-hist. Klasse 19 n, mit ein-
gehender Besprechung der nicht genau übereinstimmenden griechischen, türkischen und
arabischen Quellen; vgl. auch 'Umari, Masälik al-absär, cod. 3146 der Bibl. Aghia Sofia;
Munadjdjini Bashy, DjämT al-duwal, cod. 2412 der Bibl. TJunlmi. Ich kann mich
auf diese kurzen Anführungen beschränken, da Berghama keine Inschrift aus der Zeit der
JCarasiden bewahrt hat,
Die rnuslmiischen Inschriften von Pergamon. 5
Bei den älteren, die in das IX. (XV.) und X. (XVI.) Jahrhundert zurück-
reichen, sind die mit Inschriften versehenen Seiten in zwei Hauptfelder
verteilt. Das obere Feld ist oben im Spitzbogen abgeschnitten und mit
reichen Ranken und Palmetten in türkisch-persischem Stil ausgefällt. Dieses
Dekor ist in flachem Relief im Stein ausgespart und wirkt in echt orientali-
scher Art wie ein Fayence- oder ein Teppichmuster (Taf IV bis VII). An
beiden Kanten stehen lange und dünne Säulchen mit verschiedenartig ge-
bildeten Kapitellen, die das untere Inschriftfeld umrahmen. Zuweilen er-
scheint an Stelle dieser Säulchen ein senkrecht laufendes Rankenmuster
(Taf. V Mitte). An den inschriftlosen Seiten ist die ganze Fläche in ähn-
licher Weise oder mit dem bekannten muslimischen Motiv der an einer
Kette hängenden Ampel zwischen zwei brennenden Kerzen (Taf. VII Mitte)
dekoriert.
Aus der 2. Hälfte des XII. (XVIII.) Jahrhunderts stammen ferner jene
großen Steinkasten mit Kopf- und Fußstein, deren reiche Dekoration eine
merkwürdige Mischung fremdartiger Elemente aufweist. Hier sieht man
Reste des persisch-türkischen Stils, vermengt mit Motiven einerseits aus
antiken Sarkophagen, anderseits aus dem europäischen Barockstil (Taf. VIII
links und IX links).
Dem Anfang des XIII. (XIX.) Jahrhunderts gehört endlich eine Reihe
von Grabstelen, deren Dekoration ebenfalls, jedoch in anderer Weise, aus
bunten Stücken zusammengesetzt ist. Hier ist die Gliederung ungefähr die-
selbe wie an den älteren Stelen: ein oberes Feld wird von zwei langen
Säulchen getragen, die das untere Inschriftfeld umrahmen. Nur ist jenes
Feld oben nicht im Spitzbogen abgeschnitten, wie bei den älteren Stelen,
sondern meistens in zwei geraden Linien, die einen stumpfen Winkel bilden.
Neu sind ferner der Stil und die Behandlung des Dekors, welches die
früheren, durch Reinheit ihrer Linien und Harmonie ihrer Aufrollungen
wirkenden Ranken und Palmetten ersetzt. Üppige Rokokoranken in euro-
päischem Geschmack umgeben hier ein echt türkisches Zentralmotiv, meistens
Blumensträuße in einer Vase, Moscheen oder Paläste, von Zypressen be-
schattet. Auch in der veränderten künstlerischen Absicht läßt sich Europas
Einfluß wahrnehmen. Dieses Dekor wirkt nicht mehr musterartig, schwarz
auf weiß und rein in der Fläche, sondern gemäldeartig in der Komposition
und halb reliefartig im Raum, mit allerdings schwachem, doch bewußtem
Kontrast von Licht und Schatten (Taf. IX bis XII). Dieselbe Wirkung üben
6 Max van Berchem:
auch andere Bekrönungen der Stele, wie das beliebte Motiv eines Turbans
(Taf. Vm rechts und XII rechts).
Fasse ich nun beide Hauptklassen zusammen, so ergeben sich noch
einige paläographische und sprachliche Beobachtungen.
Paläographisch gehören alle Pergamoninschriften zu der sogenannten
Naskhischrift, mit welchem Namen ich alle Varietäten der epigraphischen
Rundschrift kurzweg bezeichne. Die meisten Inschriften sind mehr oder
weniger stilisiert, d. h. sie weisen jene Buchstabenformen auf, die fiir die
Zeit ihrer Entstehung charakteristisch sind, und zwar für Kleinasien im
allgemeinen. Irgendwelche scharf ausgeprägte Lokalzüge könnte ich hier
nicht nachweisen. Auffallend ist, daß die im Osten und Süden zur Zeit
der Osmanen sehr beliebte Ta'liqschrift hier nur einmal erscheint (Nr. 13).
Mit der Epigraphik des westlichen Kleinasiens bin ich noch zu wenig ver-
traut, um sagen zu können, ob dies ein reiner Zufall ist oder einer lokalen
Eigentümlichkeit entspricht. Übrigens weisen mehrere Inschriften, nament-
lich unter den älteren, überhaupt keinen Stil auf; sie sind zwar rund, aber
roh und kursiv geschrieben.
In sprachlicher Hinsicht ist zu bemerken, daß sämtliche Inschriften
bis in die Mitte des XII. (XVIII.) Jahrhunderts in arabischer Sprache ver-
faßt sind; freilich in einem recht formlosen, zuweilen auch fehlerhaften Ara-
bisch, jedoch ohne Beimischung von türkischen Lehnwörtern. Diese Er-
scheinung hat nichts Auffallendes, da in ganz Kleinasien, soweit ich bis jetzt
urteilen kann, die epigraphische Sprache bis in die Neuzeit hinein das Ara-
bische ist. In Berghama wird diese Sprache erst um die Mitte des genannten
Jahrhunderts durch das Türkische verdrängt (Nr. 9, 25 und 26), aber dann
auch gründlich, da von nun an rein arabisch verfaßte Inschriften selten
sind (Nr. 11).
Als epigraphische Sprache spielt dagegen das Persische keine Rolle,
und auch diese Tatsache wird nicht befremden, wenn man bedenkt, daß
in dem zentralen und östlichen Kleinasien, also nach Persien zu, und zur
Zeit der mit persischer Kultur durchdrungenen Seldjuken von Rum, das
Persische in der Epigraphik nur ausnahmsweise erscheint'. Die meisten
muslimischen Inschriften sind religiösen, architektonischen oder rechtlich-
administrativen, höchstens noch militärischen Inhalts; das Persische aber ist
' Siehe CIA, III, S. III f. der Einleitung.
Die muslimischen Inschriften von Pergamon. 7
die Sprache der Poesie, der Kunst und der feinen Bildung. Freilich genügt
diese Erklärung nicht, denn bekanntlicli war im Seldjukenreiche das Per-
sische auch als Verwaltungssprache gebraucht; hier kann ich aber auf diese
Frage nicht näher eingehen.
Das für die Bearbeitung der Inschriften dargebotene Material besteht
meistens aus Photographien und Abklatschen, die von den Leitern der Aus-
grabungen in Pergamon unter persönlicher Mitwirkung von Hrn. Mordt-
mann, welcher auch verschiedene Kopien und Notizen beigefugt hat, aus-
geftihrt worden sind. Aus den vorliegenden Faksimiles wurden nur jene in
Abbildungen reproduziert, die für die Geschichte oder die Paläographie ein
besonderes Interesse zu haben scheinen. Die nach den Abklatschen an-
gegebenen Maße sind annähernd richtig. Eine streng konsequente Tran-
skription ist nur für die arabischen Wörter und Eigennamen angewandt wor-
den. Den HH. Conze, Sachau, Mordtmann, Hartmann, Goldziher,
Khalil Edhem und Ali Bahgat bin ich für manchen willkommenen Auf-
schluß zu Dank verpflichtet.
A. BAUINSCHRIFTEN.
1. SULTAN MURÄD I. 785 H. — An der Qoyun-köprü (Schaf brücke),
einem ansehnlichen, großenteils aus antikem Material ausgeführten Bogen-
bau, der sich auf dem Weg nach Soma, etwa eine Stunde von Berghama
befindet; auf einem langen, auf der Nordseite der Brücke, zwischen deren
beiden Bogen eingelassenen weißen Marmor. Zwei Zeilen in schönem, altem
Osmanen-Naskhi ; große Buchstaben mit Punkten und Zeichen. Photogra-
phie (Taf. I oben) und Abklatsch 220x60. Unediert; nur in verkürzter
Übersetzung bei G-elzer, S. 99, Nr. I.
^ ^^^(2) ^MS\ jlLLJI ^o J lj^\ U]I^ yj ^ "' aU^ (i)
J U^ ^\ Up Jr Jl ^ (^)u <^[4 ^^is 5 Buchstaben]! a5sL a^\ j^ jU-jl J
Erbaut und instand gesetzt hat diese Bogenbrücke, zur Zeit des gerechten Sultan
Muräd Beg, Sohnes des Orkhän, Allah lasse ewig dauern seine Herrschaft, k, Sohn
des Falak al-din, Allah verzeihe ihnen beiden! Im Jahre 785 (1383 — 1384).
8 Max van Bkrchem:
Sultan Muräd regierte in den Jahren 761 — 792 (1360 — 1389). Aus
dem verhältnismäiäig hohen Alter der Inschrift erklärt sich die Nüchtern- {
heit der von diesem Herrscher hier geführten Titulatur im Vergleich zu
den Osmaneninschriften späterer Jahrhunderte \ In der kleinen Lücke der
zweiten Zeile stand wahrscheinlich der Name des Erbauers, dessen Anfang
und Ende die noch erhaltenen Buchstaben Auf und Käf zu zeigen scheinen.
Das folgende, undeutlich punktierte ij möchte ich dann als ihn »Sohn« lesen,
und zwar wegen des gleich darauffolgenden Beinamens Falak aWin. Ist
nämlich der Dinbeiname mit dem Eigennamen verbunden, so wird er stets
vor diesen gesetzt*^. Nach dieser ausnahmslosen Regel kann Falak al-din
als Beiname nur auf den Vatei* des Erbauers bezogen werden, wenn der
Eigenname des letzteren richtig in der Lücke stand.
2. SULTAN BÄYAZID I. 801 H. — Über der Eingangstür zu der
großen Moschee, die sich im nördlichen Viertel der Unterstadt erhebt;
auf einem dreieckigen, von einem reich profilierten Gesims umrahmten
weißen Marmor. Drei Zeilen in derselben Schriftart, doch stilistisch weiter
ausgebildet; große Buchstaben mit Punkten und Zeichen. Photographie
(Taf. I unten) und Abklatsch {Taf. II oben). Unediert; nur in verkürzter
Übersetzung bei Geizer, S. 99, Nr. 11.
J^'%}\ jiyU ^i^\iU2) (sie) -^.iLl^ (sie) ^^^11 .JLp^i ^Jj^ itjl(i)
* «. »
^^ jU- s>';)\i Jr-UiWlIj l\'JS\ j^K *äJ\j (3) .»_)^\ (sic)ft\^V\ j^\ JipVl
Errichtet hat diese edle Moschee und schöne Kathedrale der größte Sultan der Sultane,
der Fürst der Fürsten der Araber und Nichtaraber, der Helfer d«r Krieger uftd der in d-en
heiligen Kampf Ziehenden, Bäyazid Khan, Sohn des Muräd Khan, Allah lasse ewig dauern
seine Hierrschaft! Am Datum des Jahres 801 (1398 — 1399)-
Sultan Bäyazid regierte in den Jahren 792 — 805 (1389 — 1402). Hier
ist die Titulatur schon mehr ausgebildet als in der vorigen Inschrift. Außer
' Auf seinen Münzen steht meistens »al-sultän al-'ädil Muräd ihn Orkhän khallada
Allah mulkahu«, also wie hier, doch ohne den Begtitel; s. Lane-Poole, Catalogue of
Ori^otal coins in the British Museum, VIII, S. 44iff.^ G. Edhem, Taqwimi meskü-
käti 'Uthmäniyya, S. iif.
* Siehe CIA, I, ladex zu «titres en ad-dunya wad-din«.
Die muslimischen Inschriften von Pergamon. <)
einigen zusammengesetzten Titeln' trifft man den bei den späteren Osmanen
so beliebten Khäntitel'. Noch sei bemerkt, daß diese Inschrift die einzige
ist, in welcher der Befehl zu einem Bau von dem Herrscher unmittelbar
ausgeht.
3. HIBATALLÄH, UiNTER SULTAN MURÄD IL 835 H. — Auf
einem Stein über dem Eingang in den Tash-khän (Steinherberge), in der
Nähe des Stadtmarktes. Zwei Zeilen in derselben Schriftart; mittlere Buch-
staben mit Punkten und Zeichen. Abklatsch (Taf. II Mitte). Unediert;
nur in verkürzter Übersetzung bei Geizer, S. 100, Nr. III.
<» ■Jt >M ^
p:rl)jmt hat dieses Hospiz liibatalläh, Sohn des Mahmud, bekannt als Prediger, Allfdi
vergebe ihnen beiden, zur Zeit des Sultan der Sultane Muräd, Sohnes des Muhammad, Alläh
dehne seinen Schatten (Schutz) ül)er alle Muslime aus! Im Jahre 835 (1431 — 1432).
Das Wort ribät bezeiclmet ursprünglich einen befestigten Grenzposten
für Glaubensstreiter, später mit religiöser Färbung eine Art Kloster, auch
ein Hospiz, eine mansio oder eine ?nutatio. Der Grundriß des stattlichen
Baues, mit einem mittleren, rechteckigen, von Hallen und Oberstock um-
gebenen Hof, entspricht einer bekannten Anlage bei Khanen in Vorderasien.
Sultan Muräd IL regierte in den Jahren 824 — 855 (142 i — 1451).
4. PILGER HASAN. 839 H. — An der Moschee Qurshunlu Djämi^
beim Qonaq (Regierungsgebäude); auf einem in die Mauer unter der Vor-
^ Siehe Geizer a.a.O. Auf weitere Vergleiche aus dem reichen Gebiet der musli-
mischen Titulatur muß ich hier verzichten.
^ Auf den Münzen erscheint dieser Titel erst unmittelbar naeli Bäyazid I., nach den
bereits angeführten numismatischen Quellen. Die Titulatur auf Münzen ist nicht nur ein-
facher als jene in Inschriften, und zwar aus Mangel an Raum, sondern sie pflegt ihr in
der Zeit etwas nachzugehen, einerseits, weil die Münzstempel Jedesmal geändert werden
mußten (vgl. J. A siatique, lo* sei-ie, IX, p. 273, \Anm. unten; CTA, I, S. 763), anderseits,
weil die Kanzleien gewisse Titelformen, deren amtliche F'ixierung angestrebt wurde, zuerst
in den Inschriften gleichsam versuchsweise anzuwenden begannen, bevor für sie in den
offiziellen Münzeninschriften obligate Anerkennung beansprucht wurde. Meines Erachtens
steht diese Erscheinung in Zusammenhang mit dem magischen Ursprung der Epigraphik,
wie ich an .mderer Stelle nachzuweisen versuchen werde.
PhiL-hist. Klasse. 1911. Anhmuj. ML VII. 2
10 MaxvanBerciiem:
halle eingelassenen Stein. Zwei Zeilen in derselben Schriftart; mittlere
Buchstaben mit einigen Punkten. Photographie (Taf. II unten) und Ab-
klatsch 90x40. Unediert; nur in verkürzter Übersetzung bei Gelzer,
S. 100, Nr. IV.
J^{2) är^J^\ 4)j ^j f}[ r-^^ ^^ j^\ ^\ iJjÜ^ -!^^\ \^ y (0
• A.tlc'lc'j J^J ^ *^ Jj^ ^^J (sie) j^^ jfi jjU» a (>-^ t/T^^ ^
4UI
Gebaut hat diese gesegnete Moschee der arme, geringfügige, der Barmherzigkeit seines
gnadenreichen Herrn bedürftige Pilger llasan, Sohn des Saty ^ Allah verzeilie ihnen beiden!
Im Monate Rabi' 1 des Jahres 839 (September bis Oktober 1435).
Auf einem anderen Stein unter derselben Vorhalle (Abklatsch 50 x 30)
stehen in großen Buchstaben mit Punkten die Worte ^lUVl * *>■ L »o du
(Allah), dessen Wohltaten geheim sind!«.
5. PILGER AHMAD. 950 H. — An der Moschee Assarly Djämi',
auf einem Stein über der Tür. Zwei Zeilen in derselben Schriftart, doch
stilistisch weiter fortgeschritten; mittlere Buchstaben mit Punkten und
Zeichen. Abklatsch 62x36 (Taf. III unten). Unediert.
^ -
Gebaut hat diese edle Moschee der Pilger Ahmad, Sohn des Ali, aus Verlangen nach
dem Wohlgefallen Allahs und strebend nach seinem Antlitz. Im Jahre 950 (1543 — 1544)-
6. ANONYM. 957 H. — Am Haus des Khodja (Lehrer), gegenüber
der eben genannten Moschee; auf einem dort in neuerer Zeit vermauerten
Stein. Dieser ist in zwei Stücke gebrochen und die obere rechte Ecke
fehlt. Drei Zeilen in kursivem, aber regelmäßigem Naskhi; kleine Buch-
staben mit Punkten und Zeichen. Abklatsch 42x32. Unediert.
^ Je nach den zu dem dritten Buchstaben ergänzten Punkten kann dieser Name
(vgl. weiter Nr. 15) auch anders gelesen werden; nach der Photograpliie ist die Lesung Safy
bei Geiz er allenfalls ausgeschlossen.
Die muslimischen Inschriften von Pergamon. 1 1
\
J^\ jU [etwa 2 Wörter] j(2) ^l^ \j^ ^ [etwa 3 Wörter] (1)
.<vov ^U^ 1^ j.^ ^-> [^^ • •] ^'^. V U^3) ^l3>. l-L>.l^
. . . für AUäti einen dauernden Bau, und ... im Paradies ein reichliches Wohlwollen.
Und als er den Bau vollendet . . . am Datum: »Er hat gebaut ein gutes Werk.« 957 (1550).
Das durch das Wort ta'nkh »Datum« eingeführte Chronogramm ent-
spricht richtig der in Zahlzeichen wiederholten Jahreszahl. Auf welchen
Bau sich dieses Datum bezieht, bleibt aber unbekannt, denn die stark ver-
stümmelte Inschrift enthält weder einen Eigennamen, noch einen Hinweis
auf irgendein bestimmtes Denkmal ; ja sie mag überhaupt als nachträglich
hier vermauerte Spolie von einem anderen Orte herrühren.
7. PILGER HASAN. 957 H. — Auf einem Stein über der Tür der
Moschee Shädirwän Djämi\ Zwei Zeilen in Osmanen-Naskhi, stilistisch
weiter vorgerückt als in Nr. 5 ; mittlere, langgezogene Buchstaben mit Punk-
ten und Zeichen. Photographie (Taf. III Mitte). Unediert; nur in ver-
kürzter Übersetzung bei Geizer, S. loi.
•<>U*-Jj jrUJ?"J fL^ Al*J J^'Ji-^ ^\^ UL^J ^W A^\ »UsJ
Gebaut hat diese edle Moschee und erhabene Kathedrale der Pilger Hasan, Sohn des
Pilgers 'Uthmän, strebend nach dem Gefallen Allahs und aus Verlangen nach seiner reich-
lichen Belohnung. Im Jahre 957 (1550).
Seitwärts steht eine Inschrift aus dem Jahre 1305 (1887 — 1888), die
sich auf eine Renovierung der Moschee beziehen soll; der volle Text liegt
weder in Faksimile noch in Handkopie vor.
8. PILGER ABD AL-RAHMÄN. ^4 H. — Über der Tür einer
Moschee bei dem gegen den Günd-dagh^ hin gelegenen Dorf Sudjaqly, un-
* So heißt in der Volkssprache das große Gebirge südlich von Berghama ; Jund Daghy
auf der neuen Karte von R. Kiepert, Kleinasien, Blatt B I.
12
Max van Berchem
Insclir. Nr. b.
gefähr zwei Stunden südöstlich von Berghama. Drei Zeilen in kursiver Schrift ;
kleine Buchstaben mit Punkten und Zeichen. Abklatsch 40x35. Unediert.
Gebaut hat diese edle Kathedrale der Pilger 7\bd al-rahmän, Sohn des Ahmad, im
Jahre 994 (1586). Werk des ...
In der dritten Zeile sind die Buchstaben viel kleiner als in den zwei
ersten. Der Name des Baumeisters ist ziemlich deutlich geschrieben, doch
lassen die sehr kleinen und etwas verwitterten Buchstaben eine sichere
Lesung kaum zu; jedenfalls scheint der Name türkisch zu sein\
' Die erste Gruppe ist j\ oder i^\: die zweite ^^ oder ^ oder ^, ohne Punkt; die
dritte j oder j; die vierte sicher y xuid die fünfte wahrscheinlich ein großes Damma. Am
nächsten liegt die Lesung yjj^j\ oder yjy-^\ •
Die musliniischsn Inschriften von Peryamon. 13
9. WOIWODA MUHAMMAD AGHA. 1 1 54 H. — An der Shaitän-köpm
(Teufelsbrücke), die von Bergliama gegen den Günd-dagli hin über den
Kaikos fiihrt und sich in bösem Zustand befindet. Acht Zeilen in spätem,
kursivem Naskhi ; kleine Buchstaben mit Punkten und Zeichen. Abklatsch
38x72. Unediert.
Diese acht Verse in türkischer Sprache beziehen sich auf eine Reno-
vierung der zerstörten Landstraße (Z. i: ^\j^ jjj\ lic ^y j^ y) und der
eingestürzten Brücke (Z. 2: <Jü1 JjJ^ ^^>. öJ^ y^ iJaJi j\ j) im Jahre 1 154
(Z. 5 : ^b ^Jjl ^\z\ ^,^^ J., Af öJ.b^ Ji^ jy^ ^^ Alw) durch den Pilger Mu-
hammad Agha, Nachkomme des Pilgers 'üthmän und Woiwoda von Berghama
(Z. 6: ^ ^^yj ^J^ Ic^ ^ l/T^^ "^^'^ *^^ t/T^)- ^i^ Jahreszahl 1 154
(1741 — 1742) ist in der letzten Zeile als Chronogramm wiederholt, soviel
ich auf dem hier etwas defekten Abklatsch sehen kann, und wiederum, dies-
mal sicher, in Zahlzeichen.
10. 'ÄYISHA. I 2 I 7 H. — An der Moschee Qulaqsiz Djämi', an der
Hauptstraße der Unterstadt, die vom Qonaq zum Hauptmarkt führt. Da
von dieser unedierten Inschrift weder ein Faksimile noch eine Handkopie
vorhanden ist, kann ich nur auf die verkürzte Übersetzung bei Geiz er,
S. 102 verweisen: »Reparee par Ayche ('Äyisha), fille de Hadji-Mehmed
(Muhammad), i 2 i 7 (i 802 — 1 803).
11. MUSTAFA AGHA. 1224 H. — Über der Tür der Moschee Khar-
putlu Djämi', im südlichen Viertel der Unterstadt. Drei Zeilen in unbe-
stimmter Schriftart. Nach einer Kopie von Hrn. Mordtmann (vgl. S. 7);
kein Faksimile. Unediert.
^(3) ^y (j \c^ ^jla-»^ «.^Ü ^y J-i.^) ^„j^^ JäJiI ^aä jj^ Sa{i)
Gebaut hat diese edle Moschee Mustafa Agha Kharputhi, Sohn des Murtadä, (Allah)
verzeihe ihnen beiden! Im Jahre 1224, am i. Rabi' 1 (16. April 1809).
' Man merke die von der türkischen Sprache beeinflußte Umkehnuig der drei Teile
des Datums.
14 Max van Berchem:
12. IBRAHIM NÄSIF. 1229 H. — An der Moschee Yeshilli (oder
Yeni) Djämi' steht eine Bauinschrift im Namen des Ibrahim Näsif, Enkels
des Qara 'Uthmän-oghlu, aus dem Jahre 1229 (18 14), nach einer kurzen
Notiz von Hrn. Mordtmann. Von diesem Text ist weder ein Faksimile
noch eine Kopie vorhanden, auch nicht von einer Inschrift an einem in
dieser Moschee befindlichen Bronzeleuchter, welcher in demselben Jahre
durch den Pilger 'ümar, Sohn des 'Uthmän, gestiftet wurde.
13. WOIWODA MUSTAFA AGHA. i 246 H. — Auf einem großen Stein
an der Moschee Amir Sultan Djämi'. im südlichen Viertel der Unterstadt. Vier
Zeilen in schöner Ta'liqschrift ; mittlere Buchstaben mit Punkten und Zeichen.
Abklatsch 190x56. Unediert.
Nach dieser in türkischen Versen verfaßten Inschrift unternahm der
Woiwoda Mustafa Agha (Z. i : 6i_yj <^\ U^ ^la-^^;») diese stattliche, vor
ihm schon mehrmals öde gewordene Moschee selber instand zu setzen
(Z. I — 2 : v-jJ-^\ j^> 0\S j^ (JW >«^W j» ij^} iT^^ ^j^ ^y '^'-')' welche
von Amir Sultan gebaut worden war (Z. 2, Ende: jlkL. ^\ (jL).
Das durch die Worte bu tarikhi am Ende der 3. Zeile eingeleitete
Datum in der 4. Zeile wird zweimal ausgedrückt: zuerst durch ein Chrono-
gramm', dann durch die ihm entsprechende Jahreszahl 1246 (1830 —1831)
in Zahlzeichen.
14. ÜBERSCHWEMMUNG DES FLUSSES BERGHAMA - TSHAY.
1258 H. — Bei den Gerbern an diesem Fluß; auf einem am dritten Haus
unterhalb der großen Moschee vermauerten Stein aus weißem Marmor.
Fünf kurze Zeilen in spätem Naskhi; kleine Buchstaben mit Punkten und
einigen Zeichen. Abklatsch 26x40 (Taf. III oben). Unediert.
(?) J iS^(sic) äA-J\ uP S/^j(3) J^^ '^y^ ^.^JO '\il^(2) \YoA Al^(i)
' Dieses ist enthalten in dem letzten Halbvers j^etJU- ^J^\ iJ-*-«« y ^ (S'^\ i_— <»
»Snbhän (AUäh) hat ihm (dem Mustafa) die Instandsetzung dieses Gotteshauses zuteil wer-
den lassen«. Richtig- ist die Summe der Zahlen werte der darin eTithaltenen Buchstaben
gleich 1246.
Die muslimischen Inschriften von Pergamon. 15
Niemals in der Welt hat sich etwas dieser (Hochllut) Ähnliclies ereignet. Und sollte
es bereits vorgekommen sein, so könnte das nur Noahs Sündllut gewesen sein. Am lo. Tage
des heiligen Monats Ramadan des Jahres 1258 (15. Oktober 1842).
Nach der lokalen Überlieferung bezieht sich diese Inschrift auf die
Zerstöning der Brücke Khazandji-köprü durch eine Hochflut des Berghama-
tshay, des alten Selinus.
B. GRABINSCHRIFTEN.
15. MUHAMMAD. 837 H. — Zwei Grabstelen auf dem kleinen Fried-
hof zunächst am Qonaq; darauf in arabischer Sprache die Grabinschrift
des Muhammad, Sohnes des Pilgers Hasan, Sohnes des Saty', gestorben
im Jahre 837 (1433 — 1434)- I^ie Inschrift beginnt an der Vorderseite des
Kopfsteines A (Photographie, Taf. IV links, und Abklatsch 34 x 140, Inschrift
allein) und endigt an der Vorderseite des Fußsteines B (Photographie, Taf. IV
rechts, und Abklatsch 25x1 10, Inschrift allein). Dagegen scheint allerdings
der Umstand zu sprechen, daß der Text in B nicht ganz logisch auf A folgt,
auch daß der Stil der Buchstaben in A und B nicht genau derselbe ist.
Aber die Sprache der Inschrift ist so schlecht und die Ausfuhrung der Buch-
staben so nachlässig, daß dieser Einwand gegen obige Annahme kaum spricht,
zumal da auf A nur der Anfang einer Grabinschrift zu lesen ist, während
Eigennamen und Datum nur in B enthalten sind.
Die Rückseite des Kopfsteines A (Photographie, Taf V links) hat eine
rein ornamentale Füllung. Die Rückseite des Fußsteines B (Abklatsch 50 x 190)
ist ähnlich dekoriert.
16. YÜSUF. 840 H. — Grabstele auf dem großen Friedhof am Wege
nach Dikeli rechts. An der Vorderseite (Photographie, Taf. VII links, und
Abklatsch, Fragment) steht die nicht datierte Grabinschrift einer Frau, deren
Name nicht sicher zu lesen ist^, und darunter in sehr kleinen Buchstaben
^ Vgl. die Inschrift Nr. 4, im Namen desselben Hasan, datiert 839 H.
^ Dieser Name nimmt das Ende der zweiten und die ganze di-itte Zeile eiii; die
Buchstaben sind ziemlich deutlich, aber sonderbar gezeichnet. Nach Hrn. Khalil Edhem
kann der Name als Arun Zinat oder Zainab gelesen werden; die letzte Gruppe bleibt
rätselhaft.
16 MaxvanBerchem:
die Grabinschrift des Yüsuf (?), Sohnes (?) des i^j \ (?), gestorben im Monate
Djumädä I 840 (November bis Dezember 1436)'.
Die Rückseite (Photographie, Taf. VI Mitte) ist rein ornamental gefüllt.
17. ANONYM. 845 H. — Grabstele auf dem kleinen Friedhof am
Qonaq. An der Vorderseite (Photographie, Taf. V Mitte, und Abklatsch
55x163) steht in arabischer Sprache das Ende der Grabinschrift eines im
Jahre 845 (1441 — 1442) verstorbenen Unbekannten, dessen Namen in dem
nicht vorhandenen Anfang der Inschrift enthalten war; dieser stand ver-
mutlich auf einem verschwundenen Kopfstein, so daß die erhaltene Stele
den Fußstein des Grabmales vorstellt.
Die Rückseite (Photographie, Taf. V rechts) ist rein omamental dekoriert.
18. FRAU NUR. 887 H. - Grabstele auf dem großen Friedhof am
Wege nach Dikeli rechts. An der Vorderseite (Photographie, Taf. VI rechts,
und Abklatsch 40X 70) steht in arabischer Sprache die Grabinschrift der Frau
Nur, Tochter des Pilgers Hamza ^ b'jf ^U CJ^ j3^ ^J*)? gestorben im
Monat Rabi' II des Jahres 887 (Mai bis Juni 1482).
An der Rückseite (Photographie und Abklatsch) steht unter einem
Ranken- und Palmettenmotiv ein frommer Spruch.
19. SALIM-SHÄH. 922 H. — Grabstele auf dem Nikephorionfried-
hof, im Nordwesten der heutigen Stadt. An der Vorderseite (Abklatsch
30x120, Taf. VII rechts) steht in arabischer Sprache die Grabinschrift der
Salim-shäh, Tochter des Sälih {\\a CJ^ tXz -rJ^), gestorben im Jahre 922
(1516— 1517).
An der Rückseite (Skizze) eine zwischen zwei Kerzen hängende Ampel.
' Vielleicht mi diese Inschrift nachträglich hinzngefügt; beträchtlich älter scheint abei-
die erste nicht zu sein. Hinter iSj\o^ (Punkte so!) steckt vielleicht eine Nisba.
* Eigentlich • >-, in diesem Zusammenhange wird aber ein mim zuweilen ausgelassen
oder sehr klein geschrieben; vgl. das Wort j^-^ am Ende von Nr. 7, Taf. III Mitte.
Dw muslimischem Inschriften von Pergamon. 17
20. H ALIMA. 926 H. — Zwei Grabstelen auf demselben Friedhof.
An der Vorderseite des Kopfsteines (Abklatsch 36x110, Taf. VII links)
steht in arabischer Sprache unter einem Ranken- und Palmettenmotiv die
Grabinschrift derHalima, Tochter des Tshalab-wirmish('^j_5 <J^ ^- <-wi>.),
gestorben im Jahre 926 (1520).
An der Rückseite (Abklatsch 36x106) steht unter einem ähnlichen
Motiv ein kurzes Gebet (^lli l) in reich dekoriertem Wappenstil wiederholt.
An einer Seite des Fußsteines (Abklatsch 36x76) ist eine an einer
Kette hängende Ampel zwischen zwei Kerzen dargestellt.
21. AMINA. 940 H. — Zwei Grabstelen bei der Moschee Abädjilar
Djämi'. An der Vorder- und der Rückseite des Kopfsteines (Abklatsche
36x104 und Fragment) stehen in arabischer Sprache die muslimische
Glaubensformel und fromme Sprüche aus der Tradition.
An der Vorderseite des Fußsteines (Abklatsch 36x70, Inschrift allein)
steht in arabischer Sprache die Grabinschrift der Amina, Tochter des Mustafa
((j^äva/^ C^\ ^^), gestorben im Monat Shawwäl des Jahres 940 (April bis
Mai 1534).
An der Rückseite (Abklatsch 34x92, Taf. VII Mitte) eine zwischen zwei
Kerzen hängende Ampel.
22. MUSTAFA. 952 H. — Zwei Grabstelen bei der Moschee Amir
Sultan Djämi' (vgl. oben Nr. 13). An einer Seite des Kopfsteines (Abklatsch
40x86) steht in arabischer Sprache die Grabinschrift des Mustafa, Sohnes
des Muhammad, gestorben im Jahre 952 (1545 — 1546).
An einer Seite des Fußsteines (Abklatsch 36x88) eine zwischen zwei
Kerzen hängende Ampel.
23. UMM KULTHÜM. i o 1 2 H. — Grabstele auf dem Nikephorionfried-
hof. An einer Seite (Abklatsch 45x55) steht in arabischer Sprache die Grab-
* über dem letzten Buchstaben der unpunktierten Gruppe »«i>- steht die Gruppe <-
(}ils defektive Schreibung der Zahl 6 iui Datum), darüber die punktierte (iruppe ,J^J3'
PhiL-hist. Klasse. 1911. Anhang. Ahh. VIT. 3
18 MaxvanBerchem:
Inschrift derUmm RultliGm, Tochter des Saty(?) Beg {<tX ^j\^ CJ^ ^ J^ ^^)->
gestorben im Jahre 1012 (1603 — 1604).
24. MUHAMMAD. 1012 H. — Grabsäule auf demselben Friedhofe
(Photographie, Taf. VIII rechts, und Abklatsch 18x40, Inschrift allein). Oben
an der Säule, unter der turbanförmigen Bekrönung, steht in arabischer
Sprache die Grabinschrift des Muhammad, Sohnes des Pilgers Ramadan (?),
gestorben im Jahre 1012 (1603 — 1604). Stil und Schrift sind genau die-
selben wie in der vorigen Inschrift.
25. 'ÄYISHA. 1130H. — Großer Steinkasten mit zwei Grabstelen
auf demselben Friedhofe, gegen die Amphitheaterseite hin. An der Vorder-
seite des Kopfsteines steht die ganz kurze Grabinschrift der 'Äyisha^, ge-
storben im Jahre 1 1 30 (17 18). An der Vorderseite des Fußsteines steht
der von jetzt an in den türkischen Grabinschriften regelmäßig vorkommende
Spruch A^^ 0>:'t->.jj »zum Heil ihrer Seele sei die Fätiha (das erste Kapitel
des Korans) gelesen!«.
Die beiden Rückseiten sind flach.
26. HAFSA. iiyo H. — Großer Steinkasten bei der Moschee Amir
Sultan Djämi' (vgl. oben Nr. 13). Auf der einzigen vorliegenden Photo-
graphie (Gesamtansicht, Taf. VIII links) ist nur ein Teil der vielen Inschriften
zu lesen, die sich an diesem Grabe befinden. An der Innenseite des Kopf-
steines steht in türkischer Sprache die Grabinschrift der Hafsa (?), Tochter
des Abbäs (??), gestorben im Jahre 11 70 (1756 — 1757)^-
An der Außenseite* des Fußsteines stehen die Glaubensformel, ein Koran-
vers und ein Spruch aus der Tradition; an den zwei sichtbaren Seiten des
Kastens fromme Sprüche in türkischer Sprache.
* Dieser undeutliche Name dürfte derselbe sein wie in Nr. 4 und 15; nach dem Ab-
klatsch kann er auch als ,_j Lc gelesen werden.
* Nach der allein vorliegenden Kopie von Hrn. Mordtmann (vgl. S. 7) scheint ein
überflüssiges Alif mitten im Namen der Verstorbenen zu stehen.
^ Sowreit ich die Eigennamen ^y^^ C~>» (sie) <kiia>- und das Datum liinter einem auf
dem Kasten liegenden Dornenbündel lesen kann.
* Hier und bei Nr. 27 und 40, wo Photographien von vollständigen Steinkasten mit
ihren zwei Stelen vorhanden sind, bezeichne ich deren zwei Flächen als »Außen- und Innen-
seite« statt der etwas zweideutigen Ausdrücke »Voi-der- imd Rückseite«.
Die muslimiscfien Inschriften v(m Peryanion. 19
27. WOIWODA MUHAMJVIAD AGHA. 1 1 8 1 H. — Großer Steinkasten
bei der Moschee Qursliimlu Djämi' (vgl. Nr. 4). Auf der Photographie (Ge-
samtansicht, Taf. IX links) ist nur ein Teil der Inschriften sichtbar. An der
Innenseite des Kopfsteines (Photographie und Abklatsch 36x80) steht die
Grabinschrift des Muhammad Agha, Woiwoda von Berghama (vgl. obenNr. 9),
gestorben im Jahre 1181 (1767 — 1768). Dieser halb arabischen, halb türki-
schen Inschrift schließt sich an der Außenseite des Kopfsteines eine andere
(Abklatsch 30 x 82) in türkischer Sprache an, ebenfalls auf den Namen des
Muhammad Agha und datiert im Monat Safar 1181 (Juli 1767).
An der Außenseite des Fußsteines (Abklatsch 30x96) steht eine andere
türkische Inschrift. Die Rückseite ist glatt.
An den zwei sichtbaren Seiten des Kastens stehen fromme Sprüche
in arabischer Sprache.
28. UMM KULTHÖM. 1202H. — Grabstele im Museum von Perga-
mon. An einer Seite (Photographie, Taf. IX rechts) im oberen Felde eine
Moschee mit Minaret und Zypresse, im Himmel darüber Sterne und Halb-
mond, in Flachrelief gemeißelt. Darunter steht die Grabinschrift der Umm
Kulthüm, Tochter des Muhammad {^^ {s,\q) (j\ {s\q)^j^)^A (sie) /»^^),
gestorben im Jahre 1202 (1787 — 1788).
29. FÄTIMA. 1 206 H. — Grabstele auf dem großen Friedhof am
Weg nach Dikeli rechts (Photographie, Taf. X links). Im oberen Feld ein
reiches Dekor im Barockstil, bestehend aus ausgearteten Akanthusblättern
und einer Vase mit Rosen und Tulpen. Darunter steht, in türkischer
Sprache und auf sieben schiefe Linien verteilt, die Grabinschrift der Fätima,
Gemahlin des Pilgers Husain Agha (<Jä?^ 4^^^ ^^3^ Vc^ C!)r^ TT^vj
gestorben am 21. Shawwäl 1206 (12. Juni 1792).
30. UMM HÄNI. I 207 H. — Grabstele auf demselben Friedhof (Pho-
tographie, Taf. X rechts). Im oberen Feld ein reiches Dekor im Barockstil
wie bei Nr. 29. Darunter steht, in türkischer Sprache und auf sechs schiefe
Zeilen verteilt, die Grabinschrift der Umm Häni, Schwester des Schatz-
3*
20 MaxvanBerchem:
meisters und Pilgers Husain Agha' {^ojyti/' \^\ (j^-~3- c/T^ "j\JC-A>.
(sie) jl«j» ^ A/»^^), gestorben im Jahre 1207 (1792 — 1793).
31. GHILMÄN. I 207 H. — Grabstele auf demselben Friedhof (Pho-
tographie, Taf. XI links). Im oberen Feld ein reiches Dekor, ähnlich wie
bei Nr. 29 und 30. Darunter steht, in türkischer Sprache und auf sieben
schiefe Zeilen verteilt, die Grabinschrift der Ghilmän (?), Tochter des Pilgers
'Uthmän Agha aus (dem Dorf) Turmanlar (^'^ j^-^=> \c\ j\c^ c/T^ <]>J^j^
jUip A>»^^), gestorben am i7.Muharram 1207 (4. September 1792).
32. FRAU KHADIDJA. i 208 H. — Grabstele auf demselben Fried-
hof (Photographie). Im oberen Feld ein reiches Dekor im Barockstil wie
bei Nr. 30 und 3 1 . Darunter steht, in türkischer Sprache und auf sieben
schiefe Zeilen verteilt, die Grabinschrift der Frau Khadidja, Tochter des
Sulaimän Agha (<j'-\3 A^J^ ^y^,y^ 1^^ J ^^ jW-*')^ gestorben am 23.
Dhul-hidjdja 1208 (22. Juli 1794).
33. FRAU ZÄHIDA. i 2 1 5 H. — Grabstele bei der Moschee Qurshunlu
Djämi' (vgl. oben Nr. 4. Photographie, Taf. XI rechts). Im oberen Feld
ein prächtiges Dekor im Barockstil, dessen Mitte durch eine große, dreige-
schossige Moschee mit einer Kuppel und zwei Minareten eingenommen ist.
Darunter steht in reicher Umrahmung, in türkischer Sprache und auf elf
schiefe Zeilen verteilt, die Grabinschrift der Frau Zähida, Tochter des
verstorbenen Yüsuf Efendi ^y-^ i^ ^ 3 ^-^-^^ "-^-^^ Jj^J Cy^{/^)
ij-JÄ oJJfcij), gestorben im Jahre 1215 (1800 — 1801).
34. 'UTHMÄN AGHA. 1241 H. — Grabstele bei der Moschee Amir
Sultan Djämi' (vgl. oben Nr. 1 3). Darauf steht, nach einer Kopie von Hrn.
Mordtmann (kein Faksimile), in türkischer Sprache und auf zehn Zeilen
verteilt, die Grabinschrift des Kaffeewirts 'Uthmän Agha aus (der Stadt)
* Vielleicht derselbe wie in Nr. 29.
' Zu dieser Sehreibart vgl. CIA, I, Nr. 172.
Die muslimiscJwn Inschriften von Peryamon. 21
Uluburlu, gestorben im Jahre 1241 (1825 — 1826) auf einem Feldzug, wäh-
rend er in der Heeresabteihmg des gegenwärtigen Woiwoda von Berghama
Mustafa Agha (vgl. oben Nr. 13) diente:
•^^ i^ (^ ^^ ^ jj^3 c^(/^ J^-^yJ^^
Bei dieser Grabstele stehen noch andere aus derselben Zeit, nament-
lich eine mit der Grabinschrift eines im Jahre 1245 (1829 — 1830) ver-
storbenen Dieners {tshoqadär) desselben Woiwoda Mustafa Agha (nach An-
gabe von Hrn. Mordtmann),
35. KHADIDJA. 1242 H. — Grabstele auf dem großen Friedhof am
Wege nach Dikeli rechts (Photographie, Taf. XII links). Im oberen Feld ein
Haus mit Zypressen, im Himmel darüber Sterne (oder Blumen). Darunter steht,
in türkischer Sprache und auf neun Zeilen verteilt, die Grabinschrift der
Khadidja, Tochter des Pilgers Ahmad, Frau des Isma'il Agha, aus der Familie
«. - 5.
Zainal {J^\ ^U O*-; (sie) Asüai- Ul \c\ JupU.^1^ (sie) d:>\S J^-^)» gestorben
im Jahre 1242 (1826 — 1827).
36. KARAOSMANIDE MUHAMMAD. 1247H. — Grabstele bei der
Moschee Qurshunlu' Djämi' (vgl. oben Nr. 4; Photographie, Taf. XII rechts).
Die Bekrönung bildet ein steinerner Turban in schönem Barockstil. Darunter
steht, in türkischer Sprache und auf zwölf schiefe Zeilen verteilt, die Grab-
inschrift des Muhammad, Sohnes des Pilgers 'Umar Agha, aus der Fa-
milie des Qara 'üthmän {JJr- \^\ ^^ ^/T^^ (j*^ ••• o:>\j j\^ öjj <.^\y^ ^— »),
gestorben am i. Dj(umädä I)"" 1247 (8. Oktober 1831).
37. MUSTAFA. 1292H. — Grabstele bei der Moschee Kharputlu
Djämi' (vgl. oben Nr. 1 1). Darauf steht, nach Angabe von Hrn. Mordtmann
(kein Faksimile), die Grabinschrift des ^ilgers Mustafa Kharputlu, des Er-
bauers dieser Moschee.
' Nach einer audereu Angabe liegt diese Stele auf dem Nikephorionfriedhoi".
* Ich lese hier r- «^ ^J und nehme an, daß die Sigle?r den ersten Djumädä l)ezeichnet.
22 Max VAN Be rohem:
Die folgenden, nicht datierten Grabinschriften sind nach dem Stil
ihrer Buchstaben vermutungsweise und annähernd datiert und danach in
einer eigenen Gruppe chronologisch geordnet worden.
38. Grabstele auf dem großen Friedhof am Wege nach Dikeli rechts,
mit einer kurzen Grabinschrift in arabischer Sprache (Abklatsch 40x30,
Inschrift allein). Der in der zweiten Zeile enthaltene Name des Verstorbenen
ist nicht mit voller Sicherheit zu lesen, da die Schrift sehr roh bearbeitet
ist. Ein Datum ist nicht vorhanden. Nach dem stillosen, aber doch
archaischen Duktus der Buchstaben scheint diese Inschrift aus dem X. (XVI.)
Jahrhundert zu stammen.
39. Grabstele auf dem Nikephorionfriedhof. An einer Seite (Ab-
klatsch 26x20, Inschrift allein) steht eine unvollständige Grabinschrift in
arabischer Sprache, ohne Namen, datiert aus dem Monat Ramadan . . . (das
Jahr fehlt). Nach der Schrift stammt dieses Fragment ungefähr aus der-
selben Zeit wie Nr. 38.
40. Großer Steinkasten (Photographie) auf dem Friedhof bei der Moschee
Qurshunlu Djämi' (vgl. oben Nr. 4). An der Außenseite des Kopfsteines
(Abklatsch 42x30) steht in halb arabischer, halb türkischer Sprache eine
Grabinschrift, anscheinend auf den Namen eines gewissen Rustem, ohne
weitere Angaben'.
An der Außenseite des Fußsteines (dieselbe Photographie und Ab-
klatsch 34x84, Inschrift allein) sowie an dem Kasten selbst stehen weitere
türkische Inschriften, ohne Eigennamen und Datum. Nach dem Stil der
Buchstaben und des Dekors an dem Kasten, die mit demjenigen am Kasten
des Woiwoda Muhammad Agha (Nr. 27) eng verwandt sind, dürfte dieses
Grab aus der zweiten Hälfte des XII. (XVIII.) Jahrhunderts herrühren.
41. Grabstele auf dem großen Friedhof am Wege nach Dikeli links.
An einer Seite (Abklatsch 28X 76, Inschrift allein) steht in türkischer Sprache
die Grabinschrift des Mustafa, Sohnes des Yüsuf, ohne Datum. Nach dem
' Dieser Name steht in der letzten Zeile: x^—j i^jyfJ^ »kann Rustem (dem Tode)
entweichen ? « ,
Die muslimischen Inschriften von Pergamon. 23
Stil der Buchstaben gehört sie dem Ende des XII. (XVIII.) oder dem Anfang
des XIII. (XIX.) Jahrhunderts an.
42. Grabstele auf demselben Friedhof. An einer Seite (Abklatsch
26x54, Inschrift allein) steht in türkischer Sprache die Grabinschrift des
Pilgers Khalil, ohne Datum. Nach dem Stil der Buchstaben ist sie un-
geföhr gleichzeitig mit Nr. 4 1 .
M
K. Preuß. Äkad. d. Wissen seh
Anhang z. d. Phil.-hist. Abh. 1911.
Inschrift Nr. 2.
Max van Berchem: Die muslimischen Inschriften von Pergamon. Taf. I.
K. Preu/S. Akad. d. Wissensciu
Anhang z. d. Phil-hisL Abh. 1911.
MMmnm
Inschrift Nr. 2.
'sf^E^'-l^'^J
.j^k^-IT larüiu^
Inschrift Nr. 4.
MaxvanBerchem: Die muslimischen Inschriften von Perg-amon. Taf. II.
K. Preuß. Akad. d. Wissemch.
Anhang z. d. Phil.-hisi. Abh. 1911.
Inschrift Nr. 14.
Inschrift Nr. 7.
I
\m-^:<<±i'±t:m
. -""5*7^
Inschrift iSr. 5.
Max van Berchem: Die muslimisclien Inschriften von Pergamon. Taf. III.
-^'
f
K. Preuß. Mad. d. Wissensch.
Anhang z. d. Phil.-hist. Abh. 1911.
Inschrift Nr. 15 A.
Inschrift Nr. i q B.
Max van B er ehern: Die muslimischen Inschriften von Pergamon. Taf. IV.
K. Prmß. Akad. d. Wissensch.
Anhang z. d. Phil.-hist. Abh. WH.
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Anhang z. d. P/äL-hist. Ahh. 1911.
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Anhang z. d. Phil.-hist. Ahh 191t.
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Anhang z. d. Phil.-hist. Ahh. 1911.
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K. Preuß. Akad. d. Wissensch.
Anhang z. d. Phil^hüt, Abh, 1911.
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Inschrift Nr. 29.
Max van Berehem: Die muslimischen Inschriften von Pergamon. Taf. X.
K. Brmfi. Akad. d. Wissensch.
Anhang z. d. Phü.-hist. Ahh. 1911.
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Inschrift Nr. 31.
Inschrift Nr. 33.
MaxvanBerchem: Die muslimischen Inschriften von Pergamon. Taf. XI.
K. Preuß. Akad. d. Wissensch,
Anhang z, d. Phil.-hist. Abh. 1911.
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Inschrift Nr. 35.
Inschrift Nr. 36.
Max van Berchem: Die muslimischen Inschriften von Pergamon. Taf. XII.
BINDING SECT. JUN 30 1981
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Akademie der Wissenschaften,
Berlin. Philosophisch-
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