ABHANDLUNGEN
DKH PRKUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
PIIILOSOPHISCi I-HISTORISCHK KLASSE
ABHANDLUNGEN
DER PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENS( HAFTE?;! ^
JAHRGANG 1919
PH ILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE
BERLIN 1919
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Bprlin. gedniekl in der ReichsdiMickiTci
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LIBRARY
743640
UNIVERSITY OF TORONTO
Inhalt
öffentliche Sitzungen S. vii- viu
\'erzeiclinis der im .lahre 1919 gelesenen Ahliandhiugen S. ix— xi\
Bericht über den Krtolg der Preisaiissclireibung fiir 1920 und über eine
neue Preisausschreibiuig S. w-xvii
Statut der Paui-Kieß-Stif'tutig S. wii- xix
Verzeichnis der im Jahre 1919 erfolgten besonderen (ieldbewilhgungeii
aus akademischen Mitteln /.in- Ausführung wissensiliaftlieber Unfei--
nehmungen S. mx \\i
Ver/.eichnis der im .labi'e 1919 erschienenen im Auftrauf odei- mit l'nler-
stütznng der Akademie bearljeiteteii oder lieiausgegi'lienen Werke S. \\i \xii
Veränderungen im I'ersonalstandc der Akademie im Laufe des .lalires 1919 S. xxm xx)\
Verzeichnis der Mitglieder der Akademie am Sclilusse des Jahres I9l9
nebst den Verzeicinn'sseM der Inhaber der Bividlev-. der Helmholtz-
und der Leilmiz-Medaiile und der Beamten der Akademie, sowie
der Kommissionen. .Sliflungs-Kuratorien usw S. xx\ xxxvii
A I) li an d I u n goii
Ni'. 1. SAeiiAl': Zur Ausbreituni; de^ ( liriNteiilums in Asien . . , S. I -Sil
2. r.\Niii.: Bonifatinsfrageii S. 1 — 11
;>. A. VON I.K (' ixy. I'üi'kische Manieliaiea aus ( 'hi)ls('liii. II. (.Mit
■2 Tafeln) .^..1 — 1.')
4. Sri mpf: Spinozastiitlien .... S. 1—57
5. B.ANii: Vom Köktürkiselien zum < Ismanisehen. X'orarbeileii
zu einer vergleichenden (irammatik des 1 i'u-ki.schen. "J. und
3. Mitteilunu S. I 7!i
(!. Bhkssi..*!': .\us der ersten /eil t[es gioLien ahendliiridiseheii
Schismas. (.Mit 1 lafel) .S. 1 3:.'
7. K. Mevek: Biiichstüeke der älteren l.yrik Irlands, lüster Teil .^. I -7'J
•S. Krdmann: Berkelevs I'hilos()|)liie im Lieble seines wissen-
schaftlichen Tagebuchs S. 1 LJ-i
9. K. Mevkr: Die (iemeinde des neuen Itiindes im Lamlr Dnmas-
kus. Kine jüdi.sche .Sclnifl aus der .■^^eleukiden/eii . . . S. I - (JH
" 10. .'NAriiAr: Vom Klosterbiicli des Sabiisti S. 1 4:'>
- 11. i)E(iRiior: I)er'rhn|)a. das lieiliüste lleiliütum iles liiiildhismus
in «"hina. (Mit 0 Tafeln) S. i— Vtt;
• 1*2. DiKrs uikI K. Scmra.mm: Kx/.erpte aus l'hiloiis Mechanik
B.VII un<l \'III |v ulüo fÜMfles l'.urbl. f ! rieeliisch unil Deutseli S. 1 ,S4
JAHR 1919.
öffentliche Sitzungen.
Sitzung am 'Ili. Januar zur Feior des Jahrestages
König Friedriclis 11.
Der an diesem Tage Vorsitzende Sekretär Ilr. Koctlie eröflnete die
Sitzung mit einer Anspraclie. Daravif erstatlete Hr. Krnian einen eingehen-
deren Bericht über das akademische Unternehmen des Wörterhuclis der ägy]>-
tischen Sprache und Ilr. von Walde yer-IIartz üher die Anthropolden-
station auf Teneriffa. Es folgte der wissenschaftliche Festvorti-ag von Hrn.
Rubner: Der Aufbau der deutschen Volkskraft und die Wissenscliaften.
Weiter machte der Vorsitzende Mitteilung \on den seit dem Friedrichs-
Tage 19l!S in der Akademie eingetrelenen Personalveränderungen, gab einen
kurzen Jahresbericht nnd verkündigte znm Schlüsse, daß die Akademie die
Helmholtz-Medaille dem ordentlichen Professor an der 1 iiiversität München,
Wirkl. (Teil. Rat von Röntgen verliehen habe.
Sitzung am i{. Juli /.ni' l'cicr do I.rihnizisehen .la iii estages.
Hr. Planck, als Vorsitzender Srkrcrai'. (■rr)rtn('te die Sitzung mit cinci-
An.sprache.
Darauf hielten die .seit dem letzten I.eihniz- 1 agc (4. .luii lUlS) neu
eingetretenen Mitglieder ihre Anti-ittsredeii. die von <len beständigen Se-
kretaren beantwortet wurden, nämlich ilie HH. Fiek. Krwiderung von Hrn.
von Waldeyer-Hartz (i. Müller, Krwiderung \<in Hrn. Planck
Heider und Kükenthal. Krwidernng von Hrn. v(»n Waldeyer-Hartz
— Erh. Schmidt und fara t lirndory , Krwidcinng von Hrn. Planck.
Daran schloß sicli die (Jedäclitnisrcdc auf Simon Sc h wendcnei- von Hrn.
Ha berlandt.
Sodann wurden .Alitteilnngen geniai-lit über die Prciserteilung fiir die
Akademische Prei.saufgaiie für das von Mihiszew.skysche Legat, über den
Preis der (Jraf-Loub;it-.*^tit'tunii Inr 11I"JI a\is dcni (.rliicte der .Amerikanistik.
Vlll
über die Stiftung zur Förderunji' der Sinologie, über die Stiftung zur För-
derung der kirclien- und religionsgeschichtlichen Studien und über das
Stipendium der Eduard-Gerhard-Stiftung.
Schließlich wurd*" verkündigt, daß die Akademie die Leibniz-Medaille
in Silber den HH. K. Debes in Leipzig, ('. Dorn in Davos, Johannes
Kirchner in Berlin -Wilmersdorf, Edmund von Lippmann in Halle a.'S.,
Frhrn. von Schrötter in Berlin -Wilmersdorf und Otto Wolff in Berlin
und die Leibniz-Medaille in Gold dem (iouverneur von Deutsch-Ostafrika.
Hrn. Dr. Heinrich Schnee, verliehen habe.
IX
Verzeichnis der im Jahre 1919 gelesenen Abhandlungen.
Physik und Chemie.
Lande, Dr. A., Elektroiien})ahneii im Polyederverband. Vorgelegt von
Planck. (GS. 9. Jan.; SB. 30. Jan.)
N ernst. Einige Folgerungen aus der sogenannten Entartungstheorie der
Gase. (GS. 13. Febr.: Sli.)
Liebisch und Rubens, über die ojjtischen Eigenschaften einiger Kristalle
im langwelligen ultraroten Spektrum. 1. Mitteilung. (Kl. 20. März; SB.)
Einstein, über die Frage: Spielen Gravitationsfelder im Aufbau der ma-
teriellen Elementarteilchen eine wesentliche Rolle? (GS. 10. April; SB.)
Beckmann, über Signalvorrichtungen, welche gestatten, in unauffälliger
Weise Nachrichten oi)tisch zu übermitteln. (Kl. 8. Mai.)
Beckmann, Sicherungen der Atmungsorgane gegenüber schädlichen Bei-
mischungen in der Luft. (Kl. S. Mai.)
FÜnstein, über eine Veranscliaiüichung der Verhältnisse im sphärischen
Kaum. (GS. 1.'). Mai.)
Einstein, über die Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie
vom Standpunkte des kosmologischen Problems und des Problems der
Konstitution der Materie. (GS. 15. Mai.)
Haber, Beitrag zur Kenntnis der Metalle. (Kl. 22. Mai: SB. 10. Juni.)
Planck, über die Dissoziationswärme des Wasserstoffs nach dem Bohr-
Debyeschen Modell. (GS. 3(t. Okt.; .S7/. 27. Nov.)
Born, Prof. Dr. M., und Stein, Dr. 0., über die Obertlächenenergie der
Kristalle und ihren Einfluß auf die Kristallgestalt. Vorgelegt von
Einstein. (GS. 13. Nov.; SB. 27. Nov.).
Grommer, Dr. Jacob, Beitrag zum Energiesatz in der allgemeinen Rela-
tivitätstheorie. V^orgelegt von Einstein. (GS. 13. Nov.; SB.)
Warburg, über den Energieumsatz bei photochemischen Vorgängen. IX.
(Kl. 20. Nov.: SB. 4. Dez.)
Liebisch und Riibens, über die optischen Eigenschaften einiger Kristalle
im langwelligen ultraroten Spektrum. 2. Mitteilung. (GS. 27. Nov. : SB.)
Haber, zweiter Beitrag zur Kenntnis der Metalle. (GS. 27. Nov.; SB.
1 1 . Dez.)
Mineralogie und Geologie.
Liebisch, über die Dispersion doppeltbrechender Kristalle im ultraroten
Spektralgebiete. (Kl. 3. April.)
Botanik und Zoologie.
Haberlandt, zur Physiologie der Zellteilung. Dritte Mitteilung: Über
Zellteilungen nach Plasmolyse. (GS. 10. April; SB.)
Correns, über Vererbungsversuche mit buntblättrigen Sippen. I. Capsella
Bursa pastoris chlorina und albovariabilis. (Kl. IS). Juni; SB. 10. Juli.)
Heider, über die morphologische Ableitung des Echinodermenstammes.
(GS. 26. Juni.)
Haberlandt, Zur Physiologie der Zellteilung. Vierte Mitteilung: Über
Zellteilungen in Elodea-Blättern. (Kl. 24. Juli; SB. 31. Juli.)
Gorrens, Vererbungsversuche mit buntblättrigen Sippen. II. Vier neue
Typen ])unter Periklinalchimären. (Kl. 23. Okt.; SB. 6. Nov.)
Haberlandt, über Zellteilung nach Plasmolyse. (Kl. 6. Nov.)
Anatomie und Physiologie, Pathologie.
Orth, über die ursächliche Begutachtmig von Unfallfolgen. (Kl. 20. Febr.)
Orth, über Traumen und Nierenerkrankungen. (Kl. 6. März; SB. 20. März.)
Fick, über die Entwicklung der Gelenkforra. (GS. 31. Juli.)
Astronomie, Geographie und Geophysik.
Struve, über die Masse der Ringe von Saturn. (Kl. 6. Febr.)
Penck, über die Gipfeltlur der Alpen. (GS. 13. März; SB. 27. März.)
Schweydar, Prof. Dr., zur P>rklärung der Bewegung der Rotationspole
der Erde. Vorgelegt von Struve. (Kl. 3. April; SB. 10. April.)
Hellmann, über die Bewegung der Luft in den untersten Schichten der
Atmosphäre. (Dritte Abteilung.) (Kl. 24. April; SB.)
Hellmann, neue Untersuchungen über Regenverhältnisse von Deutschland.
(Erste Mitteilung.) (Kl. 24. April; SB.)
Einstein, Bemerkung über ])eriodische Schwankvnigen der Mondlänge,
welche bisher nach der Newtonschen Mechanik nicht erklärbar schienen.
(Kl. 24. April; SB.)
XI
G. Müller, über die Klassifizierung der Fixsternspektren, über ihre Ver-
teilung am Himmel und über den Zusammenhang zwischen Spektral-
typus, Farbe, Eigenbewegung und Helligkeit der Sterne. (Kl.
24. Juli.)
von Brunn, Prof. Dr. A., zu Hrn. Einsteins Bemerkung über die ujiregel-
mäßigen 'Schwankungen der Mondlänge von der genälierten Periode
des Umlaufs der Mondknoten. Vorgelegt von Struve. (Kl. 24. Juli; SB.)
Einstein, Bemerkung zu vorstehender Notiz. (Kl. 24. Juli; SB.)
Struve, über die Bestimmung der Massen von Jupiter und Saturn. (Kl.
18. Dez.)
Mathematik.
Schottky, über ürenzfalle von Klassenfunktionen, die zu ebenen Gebieten
mit kreisförmigen Rändern gehören. (Kl. Ki. Jan.)
Caratheodory, über den Wiederkehrsatz von Poincare. (Kl. 10. Juli: SB.)
Schottky, Thetafunktionen vom Gesclileclite 4. (GS. 11. Dez.)
Mechanik.
Müller-Breslau, über Versuelie zur P'rforschung der elastisclien Eigen-
schaften der Flugzeugholme. (Kl. 4. Dez.)
Philosophie.
Erdmann, über Berkeleys Philo.sophie im Lielite seines wissenschaftlichen
Tagebuchs. (Kl. 19. Juni: AM.)
Prähistorie.
Schuchhardt, über germaniselie und slawische Ausgrabungen. (Kl. (5. Nov.)
Geschichte des Altertums.
Schäfer, Prof. Dr. Heinrich, über die Anfänge der Reformation Anie-
nophis' IV. Vorgelegt von Krman. (Kl. 8. Mai; SB. 1'). Mai.)
Norden, der Rheinübergang der Kimbern und die (ieschichte eines kel-
tischen Kastells in der Schweiz. (GS. 5. .luni.)
Hiller von Gaertringen, voreuklidische Steine. Vorgelegt von von Wi-
lamowitz-Moellendorff. (Kl. Kl. Juli: SB. 24. .luli.)
Xll
K. Meyer, die (lemeinde des neuen Bundes im Lande Damaskus, eine
jüdische Schrift aus der Seleukidenzeit. (Kl. 24. Juli: Abh.)
von Wilamowitz-Moellendorff, das Bündnis zwischen Sparta und
Athen 421 (Thukydides V.). (Kl. 4. Dez.; SB.)
Mittlere und neuere Geschichte.
Schäfer, über neue Karten zur Verteilung des deutschen und [)olnischen
Volkstums an unserer Ostgrenze. (Kl. 16. Jan.)
Tan gl, Bonifatiusfragen. (Kl. 3. April; Ahh.)
Bresslau, aus der ersten Zeit des großen abendländischen Schismas.
(GS. 5. Juni: Abh.)
Meinecke, über die Lehre von den Interessen der Staaten, die neben und
unabhängig von der allgemeinen Staatslehre im 17. und 18. Jahrhundert
geblüht hat und als Vorstufe moderner Geschichtsauffassung von Be-
deutung ist. (^GS. IH. Nov.)
Kehr, das Erzbistum Magdeburg und die erste Organisation der christ-
lichen Kirche in Polen. (Kl. 20. Nov.; Abh.)
Tangl, über die Deliberatio Innocenz' III. (Kl. 18. Dez.; SB.)
Kirch engeschichte.
Ho 11. zur Auslegung des 2. Artikels des sog. apostolischen Symbols. (GS.
1). Jan.; SB.)
E. Meyer, über das Marcusevangelium und .seine Quellen. (GS. 30. Jan.)
S ach au, zur Ausbreitung des Christentums in Asien. (GS. 30. Jan.; Abh.)
von Harnack, zur Abhandlung des Hrn. Holl : «Zur Auslegung des 2. Ar-
tikels des sog. apostolischen (Glaubensbekenntnisses«. (Kl. 9. Febr.; SB.)
Lietzmann, Prof. D. Hans, die Urform des apostolischen Glaubensbekennt-
nisses. Vorgelegt von Holl. (GS. 13. März: SB. '11. März.)
S ach au, über syrische und arabische Literatur, welche sich auf die Klöster
des christlichen Orients bezieht. (Kl. 22. Mai; Abh.)
K. Müller, kritische Beiträge 1. und 11. (GS. ."). Juni; SB. 17. Juli.)
von Harnack, über 1. Korinth. 14, 32ft'. und Rom. 16, 2öff. nach der
ältesten Überlieferung und der Marcionitischen Bibel. (Kl. 19. Juni:
N/y. 2(). Juni.)
Moll, ülierdie Entwicklung von Luthers sittlichen Anschauiuigen. (Kl. 23. Okt.)
Xlll
Rechts- und Staatswissenschaft.
Seckel, die Haftung des Sachschuldners mit der geschuldeten Sache (prae-
cise teneri) im römischen Recht und nach der Lehre der mittelalter-
lichen Legisten. (Kl. 8. Mai.)
Stutz, die Cistercienser wider Gratians Dekret. (Kl. 10. Juli.)
Sering, über die Preisrevolution seit dem Ausbruch des Krieges. (GS.
17. Juli; Abh.)
Heymann, über die Geschichte des Mäklerrechts. (Kl. 4. Dez.)
Allgemeine, deutsche und andere neuere Philologie.
K. Meyer, ein mittelirisclies Lohgedicht auf die Ui Echach von Ulster.
(Kl. 16. Jan.; SB. 30. Jan.)
Urtel, Prof. Dr. H., zur baskischen Onomatopoesis. Vorgelegt von W. Schulze.
(Kl. 16. Jan.; SB. 6. März.)
W. Schulze, Tag und Nacht in den indogermanischen Sprachen. (Kl. 6. Febr.)
Brandl, über die Vorgeschichte der Schicksalsschwestern in Macbeth.
(Kl. 20. Febr.)
Heusler, über altntjrdische Dichtung und Prosa von Jtmg Sigurd. (Kl.
6. März; SB. 20. März.)
K. Meyer, ülier Cormacs Glossar nach der Handschrift des Buches der
Ui Maine. (Kl. 20. März: SB. 3. April.)
Lewy, Dr. Ernst, einige Wohllautsregeln des Tscheremissischen. Vor-
gelegt von W. .Schulze. (Kl. ii. April; SB. S. Mai.)
Rogge, Dr. Helmuth, die Urschrift von Adalbert von Chamissos Peter
Schlemihl. Vorgelegt von Roethe. ((iS. in. April: SB. 80. Ain-il.)
K. Meyer, zur keltischen Wortkunde IX, über einige kelti.sche Orts- luul
Völkernamen. (Kl. 24. April: SB.)
Jacol)Sohn, Prof Dr. H., das Namensystem bei den Osttscheremissen. Vor-
gelegt von W. .Schulze. (Kl. S. Mai: SIL 15. Mai.)
K. Meyer, über den irischen Totengott luid die Toteninsel. (Kl. li». Juni:
SB. 2(5. Juni.)
K. Meyer, Sammlung von Bruchstücken der älteren Lyrik Irlands mit
Übersetzung. I.Teil. (Kl. 1 0. Juli. : /UV/.)
Schuchardt, Hugo, Sprachursprung I. (GS. 17. Juli: N//. ."U . Juli.)
Schuchardt. Hugo. Spraehursprung II. (GS. HO. Okt.; .S7^. 1 H. Nov.)
XIV
Klassische Philologie.
Degering, Prof. Dr. H., über ein Bruchstück einer Plautushandschrift des
4. Jahrhunderts. Erster Teil: Beschreibung der Hs. Vorgelegt von
Norden. (Kl. 8. Mai; SB. 15. Mai.)
Degering, Prof. Dr. H., über ein Bruchstück einer Plautushandschrift des
4. Jahrhunderts. Zweiter Teil: Überlieferungsgeschichtliclies. Vor-
gelegt von Norden. (GS. 15. Mai; SB. 5. Juni.)
Diels und Dr, E. Schramm, Exzerpte aus Philons Mechanik Buch VII
und VIII, griechisch und deutsch. (Kl. 2H. Okt.; Abh.)
Kunstwissenschaft und Archäologie.
Schuchhardt, über skythische imd germanische Tierornamentik. (GS.
30. April.)
Goldschmidt, mittelbyzantinische Plastik. (Kl. 24. Juli.)
Orientalische Philologie.
F. W. K. Müller, über koreanische Lieder. (GS. 27. Febr.)
Jensen, Prof. Dr. P., indische Zaldwörter in keilschrifthittitischen Texten.
Vorgelegt von W. Schulze. (Kl. (>. März; SB. 10. April.)
Lüders, über Asvaghosas Kalpanämandinikä. (GS. 27. März.)
Bang-Kaup, vom Köktürkischen zum Osmanischen. 2. und 3. Mitteilung.
(GS. 27. März; Abh.)
Erman, über die Mahnworte eines ägyptischen Propheten. (Kl. 3. April:
SB. 30. Okt.).
von Le Coq, Prof. Dr. A., türkische Manichaica aus Chotscho IL Vorgelegt
von F. W. K. Müller. (GS. 30. April; Abh.)
De Groot, über die Pagoden in China, die vornehmsten Heiligtümer der
Mahajana-Kirclie. (Kl. 22. Mai; Abh.)
Jensen, Prof. Dr. P., Erschließung der aramäischen Inschriften von Assur
und Hatra. Vorgelegt von Eduard Meyer. (Kl. (5. Nov.; SB. 12. Dez.)
Forrer, Dr. Emil, die acht Spraclien der Boghazköi-Inschriften. Vorgelegt
von Eduard Meyer. (Kl. 4. Dez.; SB. 18. Dez.)
Amerikanistik.
Sei er, über szenische Darstellungen auf alten amerikanischen Mosaiken.
(Kl. 20. März.)
XV
Bericht über den Erfolg der Preisausschreibungen für 1920 und neue
Preisausschreibungen.
Preisaufgaben aus dem von Miloszewskyschen Legat.
Die 1915 aus dem von Miloszewskyschen Legat zum zweiten Male,
damals mit dreijähriger Frist gestellte Preisaufgabe »Geschichte des theo-
retischen Kausalproblems seit Descartes und Hobbes« hat 2 Bearbeitungen
gefunden .
Die eine, imgemein umfangreiche, auch »die vorhergehenden Kausal-
theorien« umfassende Arbeit mit dem Motto: »O-t-AeN rirNexAi £k toy mh
ÖNToc« verdient Anerkennung des für sie aufgewandten Fleißes. Leider
aber ist es ihrem Verfasser so wenig wie dem Bearbeiter des Problems
vom Jahre 1915 gelungen, dem philosophischen Gehalt der Aufgabe ge-
recht zu werden. Er begnügt sich mit einer zum Teil aus veralteten se-
kundären Quellen geschöpften, an Zitaten überreichen, kaum irgendwo um
das Problem konzentrierten, vielfach weit abschweifenden Darstellung. Nur
da, wo physikalisch-mathematische Kausalfragen in Betracht kommen, be-
kundet sich ein selbständigeres, hin und wieder auch über Landläufiges
hinausgehendes Wissen und Urteil. In die Idee des theoretische'« Kausal-
problems, die Arten ihrer Entfaltung und die Richtung ihrer Entwicklung
einzudringen, ist dem Verfasser nicht gelungen : am wenigsten da, wo sicli
seine Darstellung der Problementwicklnng seit Kant nähert und diese zu
verfolgen sucht. Es fehlt dem Verfasser an der philosophischen Vorbildung,
welche allein die geforderte Untersuchung erfolgreich machen konnte. Die
Akademie ist deshalb nicht in der Lage, dem Verfasser einen Preis zuzu-
erkennen.
Einen wesentlich anderen ('harakter zeigt die zweite Preisarbeit mit
dem Motto: »O't'a^n xphma mAthn riNexAi, äaaä hänta gk aötoy tg kai ■r-n' ANÄrKHC.«
Was immer der Verfasser aus dem Gebiet der neueren Philosophie in den
Bereich seiner spezielleren Untersuchung zieht, ist aus den ersten Quellen
geschöpft, um die theoretischen Kausalprobleme konzentriert, selbständig
durchdacht und in lichtvoller Darstellung wiedergegeben. Deutlich scheiden
sich, abgesehen von der Einleitung über die Vorgeschichte des Problems,
zwei Teile der Arbeit voneinander: die Entwicklung der Kausalprobleme ,
von Descartes bis Kant, und von Jvant bis Sigwart. Mehrfache Korrek-
turen erfordert die Einleitung. Vortrefflich al)er ist die historische Entwick-
X\l
hing in der ersten Phase zu einem historischen Cianzen abgerundet, so daß
kleinere Lücken, das Fehlen einer Skizze der Problemlage um den Anfang
des 17. Jahrhunderts, speziell der kausalen Naturauffassung von Galilei
und Kepler, ferner von Crusius' Kritik des Leibnizischen Satzes vom Grunde
sowie von Reids Begründung der Common sense-Lehre und ihrer Kritik
durch Priestley, ebensowenig ernstlich stören wie kleinere, leicht ausmerz-
bare Einzelverfehlungen. Weniger gelungen ist die Darstellung der zweiten
Entwicklungsphase. Auch wenn zugestanden wird, daß uns zur unbe-
fangenen historischen Würdigung der Problementwicklung im 19. Jahrhundert
noch die rechte historische Distanz fehlt, hätte der Verfasser zu einem
volleren historischen Verständnis gelangen können, wenn er die metaphy-
sisch fundierte Rückbildung der Probleme in der spekulativen Philosophie
von Fichte bis Hegel ähnlich eindringend behandelt hätte, wie die Fort-
bildung bei Schopenhauer und Herbart, Comte, St. Mill, Feclmer und Lotze;
und die Umbildungen durch Fries und Apelt sowie späterhin durch Her-
bert Spencer niclit beiseite gelassen hätte. Dennoch bleibt so viel des
Gelungenen, Eindringenden und Weiterfährenden, daß dem Verfasser der
volle Preis in der Voraussetzung zuerkannt werden kann, er werde die
erwähnten Mängel vor der Drucklegung in sorgsamer Darstellung beseitigen.
Die Eröffnung des Umschlags mit dem Motto: »O'Y'AfeN xphma mäthn
riNexAi, AAAA nÄNTA eK AÖroY xe kai vn' ANÄrKHc« ergab als Verfasser: Frau
Else W entscher, Bonn a. Rh.
I*reis der Graf-LoubatStiftuny.
Nach dem Statute der von dem Grafen (später Herzog) Joseph Flori-
mond de Loubat bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften be-
gründeten Preisstiftung soll alle fünf Jahre durch die Akademie ein Preis
^on HOOO Mark an diejenige gedruckte Schrift aus dem Gebiete der ameri-
kanistischen Studien erteilt werden, die unter den der Akademie einge-
sandten oder ihr anderweitig bekannt gewordenen als die beste sich erweist.
Die amerikanistischen Studien werden zum Zwecke dieser Preisbewer-
bung in zwei Gruppen geteilt: die erste umfaßt die präkolumbische Alter-
tumskunde von ganz Amerika; die zweite begreift die Geschichte von ganz
Amerika, insbesondere dessen Kolonisation und die neuere Geschiclite bis
zur Gegenwart. Die Bewerbung um den Preis und seine Zuerkennung be-
schränkt sich jedesmal, und zwar abwechselnd, auf die eine dieser beiden
XVII
Gruppen und Schriften, die innerhalb der letzten zehn Jahre erschienen
sind. Als Schriftsprache ist die deutsche und die holländische zugelassen.
Die letzte Preiserteilung fand im Jahre 1916 statt und betraf eine
Schrift über Volks- und Altertumskunde eines bestimmten Gebietes im nord-
westlichen Mexiko. Die nächste Preiserteilung muß demnach im Jahre 1921
erfolgen, und zugelassen sind gedruckte Schriften über koloniale und neuere
Geschichte von Amerika bis zur Gegenwart. Die Bewerbungsschriften
müssen bis zum 1. März 1921 der Akademie eingereicht sein.
Paul-Rieß-Stiftung.
Statut vom 2. Okiober 1919.
Der am 18. f^bruar 1903 zu Berlin verstorbene Amtsgerichtsrat a. D.
Dr. Paul Rieß hat der Akademie durch letztwillige Verfügung ein Kapital
von 250(t00 3Iark vermacht zur Verwendung im Interesse der Chemie,
Physik und Astronomie. Durch Allerhöchsten Erlaß vom 30. Januar 1905
ist der Akademie die landesherrliche Genehmigung zur Annahme dieser
Zuwendung, vorbehaltlich der Abfindung von hilfsbedürftigen Verwandten
des Erblassers, erteilt worden, und das Legat ist dann in dem durch diese
Abfindungen auf 240000 Mark ermäßigten Betrage in ihren Besitz über-
gegangen. In Wirksamkeit getreten ist die Stiftung jedoch erst seit dem
am 1. April 1918 erfolgten Tode des Hrn. Paul Jüdel, welcher durch eine
Bestimmung des Rießschen Testamentes als lebenslänglicher Nutznießer
der Hinterlassenschaft eingesetzt worden war. Für die Verwaltung der
Stiftung und die Verwendung ihrer Erträgnisse hat die Akademie mit Ge-
nehmigung des vorgeordneten Ministeriums nachstehendes Statut festgestellt.
§ 1-
Die Stiftung, welche den Namen Paul-Rieß-Stiftung führt, ist nach
dem Wortlaut des Testamentes dazu bestimmt, die cliemischen, physikalischen
und astronomischen Wissenschaften zu fördern. Diesen Zweck wird die
Akademie zu verwirklichen suchen sowohl durch Unterstützung geplanter
XV m
aussichtsreicher wissenschaftUcher Unternehmungen als auch durch Krönung
vorliegender ausgezeichneter Leistungen auf dem Gebiete der drei genannten
Wissenschaften. Die Zuerteilung erfolgt jedes Jahr am Leibniztage der
Akademie, für eine einzige oder auch für mehrere wissenschaftliche Arbeiten,
in der Regel jährlich abwechselnd aus den Gebieten der Chemie. Physik
und Astronomie.
§ 2.
Das Kapitalvermögen der Stiftung, welches unangreifbar ist, wird ge-
bildet aus dem Stammkapital und etwa künftig eingehenden Beiträgen.
Es wird wie die übrigen Gelder der Akademie aufbewahrt und verwaltet.
§ '^-
Die Akademie der Wissenschaften führt durch ihre physikalisch-mathe-
matische Klasse die Oberaufsicht über die Stiftung und die Verwaltung des
Stiftungsvermögens. Die Klasse hat daher auch die Entlastung zu erteilen,
soweit dies nicht durch die Oberrechnungskammer geschieht.
■ § 4.
Die Stiftung selbst wird verwaltet durch ein viergliedriges Kuratorium,
in welches die physikalisch-mathematische Klasse aus den Fächern der
Chemie, Physik und Astronomie je einen Vertreter wählt. Außerdem gehört
dem Kuratorium als Vorsitzender derjenige der beiden Klassensekretare an,
welcher den genannten Fächern am nächsten stellt. Die Wahlen gelten auf
die Dauer von 6 Jahren, sie erfolgen vor dem Schlüsse eines Kalender-
jahres, zum ersten Male im Dezember 1911). Wenn ein Mitglied des Kura-
toriums vor Ablauf der Wahlperiode ausscheidet, so ist für die noch übrige
Dauer derselben ein neues Mitglied zu wählen.
§ 5.
Anfang Mai jedes Jahres teilt die physikalisch-mathematische Klasse
dem Vorsitzenden des Kuratoriums mit, welche Summe am Leibniztage
desselben Jahres verfügbar sein wird. Dieser fordert sodann dasjenige
Mitglied des Kuratoriums, für dessen Fach in diesem Jahre die Stiftung
in erster Linie bestimmt ist, und zwar nach der in § 1 namhaft gemachten
Reihenfolge, zu einem schriftlichen Vorschlag auf. Auch jedes andere Mit-
XIX
glied des Kuratoriums ist zu einem Vorschlag berechtigt. Über alle vor-
liegenden Vorschläge wird dann in einer Sitzung des Kuratoriums oder
auch auf schriftlichem Wege abgestimmt. Bei Stimmengleichheit entscheidet
die Stimme des Vorsitzenden. Das Ergebnis der Abstimmung ist von der
Klasse zu bestätigen.
§ 6-
Falls in einem Jahre die verfügbaren Mittel der Stiftung nicht voll-
ständig oder überhaupt nicht für ihre satzungsgemäße Bestimmung in An-
spruch genommen werden, so fließt die verfügbare Summe in einen be-
sonderen Reservefonds, welcher dem Zwecke dienen soll, in irgendeinem
darauffolgenden Jahre eine Bewilligung zu ermöglichen, welche die für
das betreffende Jahr aus den Erträgnissen des Stiftungskapiials verfügbare
Summe überschreitet. Die Bestände des Reservefonds werden zinstragend
angelegt und durch die erzielten Zinsen fortlaufend verstärkt. Sobald der
Reservefonds die Höhe von 20000 Mark erreicht hat, werden alle weiteren
Erübrigungen sogleich und endgültig dem Stiftungskapital zugeführt.
^ 7.
Änderungen dieses Statuts sind nur durch absolute Majorität aller
ordentlichen Mitglieder der Akademie und mit Genehmigung des vorge-
ordneten Ministeriums zulässig.
Verzeichnis der im Jahre 1919 erfolgten hesonderen Greldhewilligungen
aus akademischen Mitteln zur Ausführung wissenschaftlicher Unter-
nehmungen.
Es wurden im Laufe des Jahres 1919 bewilligt:
2500 Mark den Mitgliedern der Akademie IIH. Rubens und Liebisch zur
Herstellung von Platten zur Untersuchung von Kristallen im
langwelligen Spektrum.
4000 " zur Fortführung des Unternehmens »Das Tierreich«.
3000 » zur Fortführung der Arbeiten am Nomenciator aniraalium ge-
nerum et subgencruni.
XX
2300 Mark dem Mitglied der Akademie Hrn. Engler zur Fortführung des
Werkes »Das Pflanzenreich«.
6000 » dem Mitglied der Akademie Hrn. Hintze zur Fortfuhrung der
Herausgabe der Politischen Korrespondenz Friedrichs des Großen.
20000 >' der Orientalisclien Kommission zur Fortfülirung ihrer Arbeiten.
4000 >> der Deutsclien Kommission zur Fortfühnmg ihrer Arbeiten.
1000 » für die Bearbeitung des Thesaurus linguae Latinae (über den
planmäßigen Beitrag von 5000 Mark hinaus).
5000 « für das Wörterbuch der ägyptischen Sprache.
1500 i> zur Bearbeitung der hieroglyphischen Inschriften der griechi.sch-
römisclien Epoche für das Wörterbuch der ägyptischen Sprache.
()00() >' dem Mitglied der Akademie Hrn. Struve als außerordentliche
Zuwendung für die «Geschichte des Fixsternhimmels«.
5000 » dem Mitglied der Akademie Hrn. Engler zur Fortführung des
Werkes » Das Pflanzenreich « .
2000 " dem Mitglied der Akademie Hrn. Hei der zur Fortführung des
Unternehmens «Das Tierreich«.
(iOOll n der akademischen Kommission zur Herausgabe der Enzyklo-
pädie der mathematischen Wissenschaften.
1000 « dem Mitglied der Akademie Hrn. Erdmann für die Kant-
Kommission.
200 ' 1 dem Mitglied der Akademie Hrn. Burdach für die Bearbeitung
des Briefwechsels Laclimann — Brüder Grimm durch Prof. Leiz-
mann (Jena).
'.U)0{) " der Kommission für die deutsehen Geschichtsquellen des
19. Jahrhunderts.
'Mil\ » der Sächsischen Akademie (Gesellschaft) der Wissenschaften in
Leipzig für die Teneriffa-Expedition.
3()7 « derselben für desgleichen.
1200 » derselben zur Fortsetzimg des Poggendorffschen Handwörter-
buchs.
1 2n() « Hrn. Dr. Ernst Knoclie in Halle a. S. zu Untersuchungen über
die Biologie der Nonnen.
1 •)!•(( .. als Nachbewilligung für die photographisclie Aufnalime franzö-
sischer Handschriften in Valenciennes.
\\l
5000 Mark dem Verlag des Jahrbuchs für die Fortschritte der Mathematik
als Zuschuß zu den Kosten der Herausgabe des Jahrgangs 19 19.
800 » Hrn. Prof. Dr. Hermann von Guttenberg in Berlin-Dahlem
für Untersuchungen über den Einfluß des Lichtes auf die IJlatt-
stellung der Pflanzen.
.">000 .. Hrn. Prof. Dr. Bodenstein in Hannover zu Arbeiten über
photochemische Vorgänge.
1200 .. Hrn. Dr. Walter in Gießen füf Arbeiten über Vererbung.
1(1000 >• der Deutschen physikalischen Gesellschaft als einmaligen Zu-
schuß für die physikalische Berichterstattung.
Hrn. Prof. Dr. August Fischer in Leipzig als zweite Rate des
Zuseliusses für sein arabisches Wörterbuch.
800
Verzeichnis der im Jahre 1919 erschienenen im Auftrage oder mit Unter-
stützung der Akademie bearbeiteten oder herausgegebenen Werke.
Unter nehiimngcn der Akddciiiii' und ihrer Stiftunyen.
Das Pflanzenreich. Regni vegetabilis conspectus. Im Auftrage der Preuss.
Akademie der Wissenschaften hrsg. von A. Engler. Heft G8. ()9. Leipzig
1919. 2 Ex.
Corpus inscriptionum Latinaruni consilio et auctoritate Academiae Litterarum
Borussicae editum. Vols. 1, Pars 2, Fase. 1. ed. 2. Berolini 1918.
Wilhelm von Humboldts Gesammelte Schriften. Hrsg. von der Preussischen
Akademie der Wissenschaften. Bd 15. Berlin 1918.
Ibn Saad. Biograpliien Muhammeds, seiner Gefährten und der späteren Träger
des Islams bis zum Jahre 2i}0 der Flucht. Im Auftrage der Preussischen
Akademie der Wissenschaften hrsg. von Eduard Sachau. Bd 7, Th. 2.
Leiden 1918.
Deutsche Texte des Mittelalters hrsg. von der Preußischen Akademie der
Wissenschaften. Bd ."JO. Paradisus anime intelligentis. Berlin 1919.
Bopp-Stlftuuy.
Navahära- und Nisiha-Sutta. Hrsg. von Walther Schubring. Leipzig 1918.
(Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes. Bd 15.) 2 Ex.
XXII
Dr. -Karl-Güttler- Stiftung.
Kolsen, Adolf. Dichtungen der Trobadors. 3. Heft. Halle (Saale) 1919.
Kolsen, Adolf. Zwei provenzalische Sirventese nebst einer Anzahl Einzel-
strophen. Halle 1919.
Savigny-Stiflung.
Kantorowicz, Hermann uifd Fritz Schulz. Thomas Diplovatatius. De
claris iuris consultis. Bd 1 . Berlin und Leipzig 1919. (Romanistische
Beiträge zur Rechtsgeschichte. Heft 3.)
Hermann-und-Elise-geh.-HecJcma'iin - WentzelStiflung.
Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur. Ar-
chiv für die von der Kirchenväter-Commission der Preussischen Aka-
demie der Wissenschaften unternommene Ausgabe der älteren christlichen
Schriftsteller. Reihe 3. ßd 12, Heft 3.4. Bd 13. Leipzig 1918. 19.
Beiträge zur Flora von Papuasien. Hrsg. von C. Lauterbach. Serie 6.
Leipzig 1918. 2 Ex.
Von der Akademie unterstützte Werke.
Bokorny, Th. Bindung des Formaldehyds durch Enzyme. Berlin 1919.
Sonderabdr.
Lange, Rudolf. Thesaurus Japonicus. Japanisch-Deutsches Wörterbuch.
Bd 2. Berlin und Leipzig 1919.
Schiemann, Theodor. ' Geschichte Russlands unter Kaiser Nikolaus I.
Bd 4. Berlin 1919.
Schmidt, Adolf. Archiv des Erdmagnetismus. Heft 3. Potsdam 1918.
Schwenke, Paul. Die Buchbinder mit dem Lautenspieler und dem Knoten.
1919. Sonderabdr.
Schwenke, Paul. Altberliner Bücher und Einbände. 1918. Sonderabdr.
XXUI
Veränderungen im Personalstande der Akademie im Laufe
des Jahres 1919.
Es wurden gewälilt:
zum ordentlichen Mitglied der physikalisch-mathematischen Klasse:
Hr. Konstantin Caratheodory, bestätigt durch Erlaß der preußischen
Regierung vom 10. Februar 1911),
Hr. Willy Kükenthal, bestätigt durch Erlaß der preußischen Regierung
vom 12. April 1919:
zu korrespondierenden Mitgliedern der physikalisch-mathematischen
Klasse:
Hr. Karl Engler in Karlsruhe
» Theodor Curtius in Heidelberg
Gustav T am mann in Göttingen
» Hugo Bücking in Heidelberg am 8. Januar 1920;
am 2«. Juni 1919.
zum korrespondierenden Mitglied der philosophisch-historischen
Klasse:
Hr. Willy Bang-Kaup in Frankfurt a. M. am 27. Februar 1919.
Der beständige Sekretär Hr. von Waldeyer-Hartz legte dieses Amt
mit dem 31. August 1919 nieder; zu seinem Nachfolger wählte die physi-
kalisch-mathematische Klasse Hrn. Rubner, dessen Wahl von der Preußischen
Regienmg am 1(1. Mai 1919 bestätigt wurde.
Das ordentliche Mitglied der philosopliisch-historischen Klasse Hr.
Heusler verlegte im Sommer 1919 seinen Wohnsitz nach Basel und trat
gemäß § 6 der Statuten der Akademie in die Reihe der P]lu-enmitglieder über.
Gestorben sind:
die ordentlicben Mitglieder der physikalisch-mathematischen Klasse:
Hr. Simon Schwendener am 27. Mai 1919.
. Emil Fischer am lä. Juli 1919:
das ordentliche Mitglied der philosophisch-historischen Klas.se:
Hr. Kuno Mever am 11. Oktober 1919;
• •
das auswärtige Mitglied der physikaliscli-mathematischen Klasse:
Lord Rayleigh in London am 3. Juli 1919;
XXIV
die korrespondierenden Mitglieder der physikalisch-mathematischen
Klasse:
Hr. Edward Charles Pickering in Cambridge (Mass.) im Januar 1919,
» Roland Eötvös in Budapest am 8. April 1919,
« Friedrich Merkel in Cöttingen am 29. Mai 1919,
» Gustav Retzius in Stockholm am 21.. Mi 1919,
II Heinrich Bruns in Leipzig am 2H. September 1919,
» Woldemar Voigt in Göttingen am 13. Dezember 1919.
Beamte der Akademie.
Ernannt :
Hr. Prof. Dr. Eduard Sthamer, bisher Assistent am Preußischen Historischen
Institut in Rom, zum Bibliothekar und Archivar der Akademie, am
27. Juni 1919.
Gestorben :
Hr. Prof. Dr. Han.s von Fritze, wissenschaftlicher Beamter, am 10. Juli 1919.
XXV
Verzeichnis der Mitglieder der Akademie am Schlüsse des Jahres 1919
nebst den Verzeichnissen der Inhaber der Bradley-, Helmholtz- und derLeibniz-Medaille
und der Beamten der Akademie, sowie der Kommissionen, Stiftungs-Kuratorien usw.
1. Beständige Sekretare
Gewihlt von der Datum der Bestätigung
Hr. Diels phil.-hist. Klasse 1895 Nov. 27
- RoeÜie phil.-hist. - 1911 Aug. 29
- PloTick phys.-matli. - 1912 Juni 19
- Riibner phys.-math. - 1919 Mai 10
2. Ordentliche Mitglieder
PhysilulUch-n»thcmalUche Klüse Philosophisch-Iiistorische Klasse Datum der Beslätii;ung
Hr. Hermann Diels 1881 Aug. 15
Hr. Wühelm von Waldey er -Hartz 1884 Febr. 18
- Franz Eiüiard Sclmlze 1884 Juni 21
- Otto Hirschfeld 1885 März 9
- Eduard Sachau 1887 Jan. 24
- Adolf Engler 1890 Jan. 29
- Adolf mn Harnack . . . 1890 Febr. 10
Hermann Amandus Scliwar: 1892 Dez. 19
- Oskar Hertwig 1893 Ai)ril 17
- Max Planck 1894 Juni 11
- Carl Stumpf 1895 Febr. 18
- Adolf Erman 1895 Febr. 18
- Emil Warburg 1895 Aug. 13
Ulrich von Wilamowitz-
Moellendorff 1899 .\ug. 2
- Heinrich Müller -Breslau 1901 Jan. 14
- Heinrich Dressel .... 1902 Mai 9
- Konrad Burdach . . . . 1902 Mai 9
- Friedrich Schottky '903 Jan. 5
- (histav Roethe 1903 Jan. 5
- Dietrich Schüfer 1903 Aug. 4
- Eduard Meyer 1903 Aug. 4
- Wilhelm Schulze .... 1903 Nov. 16
- Ak>i.s Brandt 1904 April 3
- Hermann Strure '9'^^ -^"g- ^^
d
XXYI
Physikalisch-matliematische Klasse Plnlcisophisch-hietorischc KImsc Datum der Bestttigung
Hr. Hermann Zimmermann 1904 Aug. 29
- Walter Nernst 1905 Nov. 24
- Max liubner . 1906 Dez. 2
- Johannes Orth 1906 Dez. 2
- Albrecht Penck 1906 Dez. 2
Ut. Friedrich Müller .... 1906 Dez. 24
- Heinrich Rubens 1907 Aug. 8
- Theodor Liebisch 1908 Aug. 3
- Eduard Seier 1908 Aug. 24
- Heinrich Lüders .... 1909 Aug. 5
- Heinrich Morf 1910 Dez. 14
- Goltlieb Haberlundt 1911 Juli 3
Benno Erdmann . 1911 Juli 25
- Gustav Hellmann 1911 Dez. 2
- Emü Seckel 1912 Jan. 4
- Johann Jakob Maria de Groot 1912 Jan. 4
- Edtiard Norden 1912 Juni 14
- Karl Schuchhardt .... 1912 Juli 9
- Ernst Beckmann 1912 Dez. 11
- Albert Einstein 1913 Nov. 12
- Otto Hintze 1914 Febr. 16
- Max Serinff 1914 März 2
- Adolf Goldschmidt . . .1914 März 2
- Vritz Haber ! 1914 Dez. 16
- Karl Holl 1915 Jan. 12
- Friedrich Meinecke . . . . 1915 Febr. 15
- Karl Correns 1915 März 22
- Hans Dragendorff . . 1916 April 3
- Paid Kehr 1918 März 4
- ririch Stutz 1918 März 4
- Ernst Heymann . . . . 1918 März 4
- Michael Tangl 1918 März 4
- Karl Heider 1918 Aug. 1
- Erhard Schmidt 1918 Aug. 1
- Gustav Müller 1918 Aug. 1
- Rudolf Fick 1918 Aug. 1
Konstantin Caratheodory 1919 Febr. 10
- Wrlly Kükenthal 1919 April 12
3. Auswärtige Mitglieder
physikalisch-mathematische Klasse
Philosophiscli-historische Klasse
Hr. Theodor Nöldeke in Straßburg
Friedrich hnhoof-Bhcmer in
Winterthur
Vatroslac von Jagii in Wien
Panagiotü Kabbadias in Athen
xxvii
Datum der Bestätigung
1900 März 5
1900 März 5
1908 Sept. 25
1908 Sept. 25
Hugo Schuchardt in Graz 1912 Sept. 15
4. Ehrenmitglieder
Datum der Hestätiguiii;
Hr. Max Lehmann in Göttingen 1887 Jan. 24
- Max Lenz in Hamburg 1896 Dez. 14
- WUhelm Brauen in München 1899 Dez. 18
Ilttgo Graf von und zu Lerchei\feld in Berlin 1900 März 5
Hr. Hichard Schöne in Berlin 1900 März 5
- Konrad von Studt in Berlin 1900 März 17
- Andreas Heusler in Basel 1907 Aug. 8
Bemluird Fürst von BiÜow in Klein- Flottbek bei Hamburg . . . 1910 Jan. 81
Hr. Heinrich Wölfin in München 1910 üez. 14
- August von Trott zu So/z in Kassel 1914 März 2
- Rudolf von Valentini in Hameln 1914 März 2
- Friedrich Schmidt in Berlin 1914 März 2
- Hichard WUhtätter in München 1914 üez. 10
XXVIIl
5. Korrespondierende Mitglieder
Physikalisch -mathematische Klasse Datom der Wahl
Karl Frhr. Auer von Wekbach auf Schloß Welsbach (Kärnten) . . 1913 Mai 22
Hr. Oskar Brefeld in Berlin 1899 Jan. 19
- Otto Bütschli in Heidelberg 1897 März 11
Giacomo Ciamician in Bologna 1909 Okt. 28
- TJieodor Curt'ms in Heidelberg 1919 Juni 2G
- William Morris Davis in Cambridge, Mass 1910 Juli 28
- Ernst Ehlers in Göttingeu 1897 Jan. 21
- Karl Engler in Karlsrulie 1919 Juni 2G
- Max Fürbringer in Heidelberg 1900 Febr. 22
Sir Archibald Geikie in Haslemere, Surrey 1889 Febr. 21
Hr. Karl von Goebel in München 191 H Jan. 16
- Camillo Golgi in Pavia 1911 Dez. 21
- Karl Graebe in Frankfurt a. M 1907 Juni 13
- Ludwig von Graff in Graz 1900 Febr. 8
Julius Edler von Ilann in Wien 1889 Febr. 21
Hr. Sven Hedin in Stockholm 1918 Xov. 28
- Viktor Mensen in Kiel 1898 Febr. 24
- Richard von Hertwig in München 1898 April 28
- David Hilbert in Göttingen 1913 Juli 10
- Hugo Hildebrand Hildebrandsson in Uppsala 1917 Mai 3
- Emanuel Kayser in München 1917 Juli 19
- Felix Klein in Göttingen 1913 Juli 10
Leo Koenigsberger in Heidelberg 1893 Mai 4
Wilhelm Körner in Mailand 1909 Jan. 7
- Friedrich Küstner in Bonn 1910 Okt. 27
- Philipp T^enard in Heidelberg 1909 Jan. 21
- Karl von lAnde in München 1916 Juli 6
Gabriel Lippmann in Paris 1900 Febr. 22
Hendrik Antoon Lorentz in Haariem 1905 Mai 4
- Felix Marchand in Leipzig 1910 Juli 28
- Franz Mertens in Wien 1900 Febr. 22
- Alfred Gabriel Nathorst in Stockholm 1900 Febr. 8
Karl Neutnann in Leipzig 1893 Mai 4
- Max Noetlier in Erlangen 1896 Jan. 30
- Wilhelm Ostwald in Groß-Bothen, Kgr. Sachsen 1905 Jan. 12
- Wilhelm Pfeffer in Leipzig' 1889 Dez. 19
- Georg Quincke in Heidelberg 1879 März 13
- Ludwig Radlkofer in München 1900 Febr. 8
- T/ieodore William Richards in Cambridge, Mass 1909 Okt. 28
XXIX
Datum der Wahl
Hr. Wilhelm Konrad Röntgen in München 1896 März 12
- Wilhelm Roux in Halle a. S igjg Y)qz 14
- Georg Ossian Sars in Christiania 1898 Febr. 24
- Oswald Schmiedeberg in Straßburg 1910 Juü 28
Otto Schott in Jena 1916 Juli 6
- Hrigo von Seeliger in München 1906 Jan 11
- Emest Sohaij in Brüssel 1913 jyj^^j '>2
- Johann Wilhelm Spengel in Gießen 1900 Jan. 18
- Gustav Tammann in Göttingen 1919 jy^j 26
Sir Joseph John Thomson in Cambridge 1910 Juli 28
Hr. Gusttw Edler von Tsclurmiik in Wien 1881 März 3
- Hugo de Wies in Lunteren 1913 jj,„ kj
- Johannes Diderik van der Waals in Amsterdam 1900 Febr. 22
- Otto Wallach in Göttingen 1907 Juni ll?
- Eugenins Warming in Kopenhagen 1899 Jan. 19
- Emil Wiecherl in Göttingen 1912 Febr. 8
- WUlielm Wien in Würzburg 1910 Juli 14
- Edmund B. Wilson in New York 1913 Febr. 20
PllilosO]llliscll-liistorIsche Klasse Datum der Wahl
Hr. Karl von Amira in München 1900 Jan. 18
- Klemens Baeumker in München 1915 Juli g
- WiUy Bang-Kaup in Dannstadt 1919 Febr. 1.'3
- Friedrich von Bezold in Bonn 1907 Febr. 14
- Joseph Bidez in Gent 1914 Juli 9
- James Henry Breasted in ("hicago 1907 Juni 13
- Harry Breßlau in Hamburg 1912 Mai 9
- Rene Cagnat in Paris 1904 Nov. 3
- Arthur Chuquet in Villemombie (.Seine) 1907 Febr. 14
- Fram Cumont in Rom 1911 April 27
- Louis Duchesne in Rom 1893 Juli 20
- Fran: Ehrte in Rom 1913 Juü 24
- Paul Foucart in Paris 1884 Juli 17
Sir James George Frazer in Cambridge 1911 April 27
Hr. Wilhelm Fröhner in Paris 1910 Juni 23
- Percy Gardner in Oxford 1908 Okt. 29
- Ignaz Goldzilter in Budapest 1910 Dez. 8
- Francis Llewellyn Grifßth in Oxford 1900 Jan. 18
- fgnazio Gnidi in Rom 1904 Dez. 15
- Georgias N. Uatzidakh in Athen 1900 Jan. 18
XXX
Datum der Wahl
Hr. Bernard Haiissoullier in Paris 1907 IVIai 2
- Johan Ludx;ig Heiberg in Kopenhagen 1896 März 12
- Antoine Heron de Villefosse in Paris 1893 Febr. 2
- Harald Hjärne in Uppsala 1909 Febr. 25
- Maurice Holleaux in Versailles 1909 Febr. 25
- Cliristian Hülsen in Heidelberg 1907 Mai 2
- Hermann Jacohi in Bonn 1911 Febr. 9
- Adolf Jülk/ier in Marburg 1906 Nov. 1
Sir Frederic George Kenyou in London 1900 Jan. 18
Hr. Georg Friedrich Knapp in Straßburg 1803 Dez. 14
- Axel Kock in Lund 1917 Juli 19
- Karl von Kraus in München 1917 Juli 19
Basil Latijschew in St. Petersburg 1891 Juni 4
- Friedrich Loofs in Halle a. S 1904 Nov. 3
Giacomo Lumbroso in Rom 1874 Nov. 12
- Arnold Luschin von Ebengretilh in Graz 1904 Juli 21
- John Penthnd Mahaffij in Dublin 1900 Jan. 18
- Wilhelm Meyer-Lübke in Bonn ' . . . . 1905| Juli 6
- Ltidwig Mitteis in Leipzig 1905 Febr. 16
- Georg Elias Müller in Göttingen 1914 Febr. 19
- Karl von Müller in Tübingen 1917 Febr. 1
- Samuel Muller Frederikzoon in Utrecht . 1914 Juli 23
- Franz Praetorius in Breslau 1910 Dez. 8
- Fio Rajna in Florenz 1909 März 11
- Moriz Ritter in Bonn 1907 Febr. 14
- Karl Robert in Halle a. S 1907 Mai 2
- Michael Rostowzew in St. Petersburg 1914 Juni 18
- Edward Schröder in Göttingen 1912 Juli 11
- Eduard Schwartz in Straßburg 1907 Mai 2
- Bei-nhard Seuffert in Graz 1914 Juni 18
Eduard Sievers in Leipzig 1900 Jan. 18
Sir Edward Maunde Thompson in London 1895 Mai 2
Hr. Vilhelm Thomsen in Kopenhagen 1900 Jan. 18
- Ernst Troeltsch in Berlin 1912 Nov. 21
- Paul Vinogradoff in Oxford 1911 Juni 22
Girolamo Vitelli in Florenz 1897 Juli 15
- Jakob Wackernagel in Basel 1911 Jan. 19
- Adolf Wilhelm in Wien 1911 April 27
I^udcig Wimnur in Kopeidiageu 1891 Juni 4
- Wilhelm Wundt in Leipzig 1900 Jan. 18
XXXI
Inhaber dei- Bradley-Medaille
Hr. Friedrich Kästner in Bonn (1918)
Inhaber der Helmholtz-Medaille
Hr. Santiago Ramon Cajal in Madrid (1905)
- Max Planck in Berlin (1915)
- Ricliard von Hertwiy in München (1917)
- Wilhelm Konrad Röntgen in München (1919)
Inhaber der Lcibniz-Medaille
a. Der Medaille in Gold
Hr. James Simon in Berlin (1907)
- Erneut Solray in Brüssel (1909)
- Henry T. von Bötliuger in Elberfeld (1909)
Joseph Florimond Duc de I^oubat in Paris (1910)
Hr. Hans Meyer in Leipzig (1911)
Frl. EUse Koenigs in Berlin (1912)
Hr. Georg Scliweinfurth in Berlin (1913)
- Otto von Schjerniny in Berlin (1916)
- Leopold Koppel in Berlin (1917|
- Rudolf Havenstein in Berlin (1918)
- Heinrich Schnee in Berlin (1919)
b. Der Medaille in Silber
Hr. Karl Alexander von Martins in Berlin (1907)
- Adolf Friedrich Lindemann in Sidmouth. England (1907)
- Johannes Bolle in Berlin (1910)
- Albert von Le Coq in Berlin (1910)
Johannes llherg in Leipzig (1910)
- Max Wellmann in Potsdam (1910)
- Robert Koldewey in Babylon (1910)
Gerhard Hessenberg in Breslau (1910)
Werner Janemch in Berlin (1911)
- Hans Osten in Leipzig (1911)
Robert Davidsohn in München (1912)
- N. de Garis Davies in Kairo (1912)
- Edwin Hennig in Tübingen (1912)
- Hugo Rabe in Hannover (1912)
- Josef Emanuel Hibsch in Tetschen (1913!
- Karl Richter in Berlin (191.5)
XXXl]
Hr. Hans Witte in Neustrelitz (1913) .
- Georg Wolff in Frankfurt a. M. (1913)
Walter Andrae in Assur (1914)
Envin Schramm in Dresden (1914)
- Richard Irvine Best in Dublin (1914)
Otto Baschin in Berlin (1915)
- Alhert Fleck in Berlin (1915)
- Jidius Hirschberg in Berlin (1915)
- Hugo Magnus in Berlin (1915)
- E. Dehes in Leipzig (1919)
- C. Domo in Davos (1919)
Johannes Kirchner in Berlin (1919)
Edmund von Lippmaiin in Halle a. >S. (1919)
Freiherr von Srhrötter in Berlin (1919)
Hr. Otto Wolf in Berlin (1919)
Beamte der Akademie
Bibliotliekar und Archivar der Akademie: Dr. Sthamer, Prof.
Archivar und Bibliothekar der Deutschen Kommission: Dr. Behrendt Prof.
Wissenschaftliche Beamte: Dr. Dessau, Prof. — Dr. Harms, Prof. — Dr. Karl Schmidt,
Prof. — Dr. Frhr. Hiller von Gaertringen, Prof. — Dr. Ritter, Prof. — Dr. Apstein,
Prof. — Dr. Paetsch, Prof. — Dr. Kuhlgatz, Prof. -
Registrator und Kalkulator : Grünheid.
Hausinspektor und Kanzlist:
Akademiediener: Hennig. — Janisch, nimmt die Geschäfte des Hausinspektors wahr.
— Siedmann.
Ililfsarbeiterin in der Bibliothek: Frcäulein Kilian.
Ililfsarbeiteriii im Bureau: Fräulein Meyer.
Hilfsdiener: Glaeser.
XXXIII
Verzeichnis der Kommissionen, Stiftungs-Kuratorien usw.
Kommissionen für wissenschaftliche Unternehmungen der Akademie.
Acta Borussiea.
Hintze (geschäftsfuhrendcs Mitglied). Meinecke. Kehr.
Ägyptologisehe Kommission.
Erman. E. Meyer. W. Scliulze.
Außerakad. Mitglieder: Junker (Wien). H. Schäfer (Berlin). Sethe (Göttin-
gen). Spiegelberg (Straßburg).
Corpus inscriptionum Etruscarum.
Diels. Hirschfeld. W. Schulze.
«
Corpus inscriptionum Latinarum und Griechische Münzwerke.
Hirschfeld (Vorsitzender, leitet die epigraphischen Arbeiten). Dragendorff
(leitet die numismati.schen Arbeiten). Diels. von Wilamovvitz-Moellen-
dorfif. Norden. Imlioof-Blumer (Winterthur).
Corpus medicorum Graecorum.
Diels. Sacliau. von Wilamowitz-Moellendorft".
Deutsehe Geschichtsquellen des 19. Jahrhunderts.
Meinecke. Roethe. Schäfer. Hintze. Sering. Holl. Kehr.
Deutsche Kommission.
Roethe (geschäftsführendes Mitglied). Diels. Burdach. W. Schulze. Morf.
Hintze. Kehr. Schröder (Göttingen). Seuflfert (Graz).
Dilthey-Kommission.
Erdmann (geschäftsfuhrendcs Mitglied). Diels. Stumpf. Burdach. Roethe.
Seckel.
Geschichte des Fixstemhimmels.
Struve (gpschäftsfiihrendes Mitglied). G. Müller.
Außerakad. Mitglied: Cohn (Berlin).
XXXIV
Politische Korrespondenz Friedrichs des Großen.
Hintze (geschäftsfülirendes Mitglied). Meinecke. Kehr.
Fronte -Ausgabe.
Diels. Hirschfeld. Norden.
Herausgabe der Werke Wilhelm von Humboldts.
Burdach (gescliäf'tsführendes Mitglied), von Wilamowitz-Moelleiulorff.
Meinecke.
Herausgabe des Ibn Saad.
Sachau (geschäftsführendes Mitglied). Erman. W. Schulze. F.W. K. Müller.
Inscriptiones Graecae.
von Wilamowitz-Moellendorft' (Vorsitzender). Diels. Hirschfeld. W. Schulze.
Kant -Ausgabe.
Erdmann (Vorsitzender). Diels. Stumpf. Roethe. Meinecke.
Außerakad. Mitglied: Menzer (Halle).
Ausgabe der griechischen Kirchenväter,
von Harnack (geschäftsführendes Mitglied). Diels. Hirschfeld. vonWilamo-
witz-Moellendorff. HoU. Loofs (Halle). Jülicher (Marburg).
Außerakad. Mitglied: Seeck (Münster), für die Prosopographia imperii Ro-
mani saec. IV — \1.
Leibniz -Ausgabe.
Erdmann (geschäftsführendes Mitglied). Planck, von Harnack. Stumpf.
Roethe. Morf. Kehr. Erli. Schmidt.
Nomenciator animalium generum et subgenerum.
Kükenthal (geschäftsfülirendes Mitglied), von Waldey er- Hartz. Heider.
Orientalische Kommission.
E. Meyer (geschäftsfülirendes Mitglied). Diels. Sachau. Erman. W. Schulze.
F.W. K. Müller. Lüders.
Außerakad. Mitglied: Delitzsch (Berlin).
„Pflanzenreich".
Engler (geschäftsführendes Mitglied), von Waldeyer-Hartz. Correns.
XXXV
Prosopographia imperii Romani saee. I — HI.
Hirschfeld. Dressel.
Strabo-Ausgabe.
Diels. von Wilamowitz-Moellendorff. E. Meyer.
„Tierreich".
Kükenthal (geschäftsftihrendes Mitglied), von Waldeyer-Hartz. Heider.
Herausgabe der Werke von Weierstraß.
Planck (ge.schäflsfülirendes Mitglied). Schwarz.
Wörterbuch der deutschen Rechtssprache.
Roetlie (geschäftsfuhrendes Mitglied). Stutz. Heymann.
Außerakad. Mitglieder: Frensdorff (Göttingen), von Gierke (Berlin). Huber
(Bern). Frhr. von Künßberg (Heidelberg). Frhr. von Schwerin (Frei-
burg). Frhr. von Schwind (Wien).
Wissenschaf täche Untei'nehnmngen, die mit der Akademie in Verbindung stehen.
Corpus scriptorum de musica.
Vertreter in der General-Kommission: Stumpf.
Luther-Ausgabe.
Vertreter in der Kommission: von Harnack. Burdach.
Monumenta Germaniae historica.
Von der Akademie gewählte Mitglieder derZentral-Direktion: Schäfer. Hintze.
Thesaurus der japanischen Sprache.
Sachau. W.Schulze. F. W. K. Müller.
Sammlung deutscher Volkslieder.
Vertreter in der Kommission : Roethe.
Wörterbuch der ägyptischen Sprache.
Vertreter in der Kommi-ssion: Erman.
XXXVI
Bei der Akademie errichtete Stiftungen. j
•VI
Bopp - Stiftung. l
Vorberatende Kommission (1918 Okt. — 1922 Okt.). '
W. Schulze (Vorsitzender). Lüders (Stellvertreter des Vorsitzenden). Roethe.
■i
Brandl. i
Außerakad. Mitglied: Brückner (Berlin). \
Charlotten -Stiftung für Philologie.
Kommission.
Diels. Hirsclifeld. von Wilamowitz-Moellendorff. W. Schulze. Norden.
Eduard - Gerhard - Stiftung.
Kommission.
Dragendorif (Vorsitzender). Hirschfeld. von Wilamowitz-Moellendorff.
Dressel. E. Meyer. Schuchhardt.
Humboldt - Stiftung.
Kuratorium (1917 Jan. 1 — 1920 Dez. 31).
von W^aldeyer-Hartz (Vorsitzender). Hellmann.
Außerakad. Mitglieder: Der vorgeordnete Minister. Der Oberbürgermeister
von Berlin. P. von Mendelssohn-Bartholdy.
Akademische Jubiläumsstiftung der Stadt Berlin.
Kuratorium (1917 Jan. 1—1920 Dez. 31).
Planck (Vorsitzender), von W^aldeyer-Hartz (Stellvertreter des Vorsitzenden).
Diels. Hintze.
Außerakad. Mitglied: Der Oberbürgermeister von Berlin.
Stiftung zur Förderung der kirchen- und religionsgeschiehtliehen Studien im
Rahmen der römischen Kaiserzeit (saee. I —VI).
Kuratorium (1913 Nov.— 1923 Nov.).
Diels (Vorsitzender), von Harnack.
Außerdem als Vertreter der theologischen Fakultäten der Universitäten Ber-
lin: HoU, (ließen: Krüger, Marburg: Jülicher.
xxxvu
Graf-Loubat-Stiftung.
Kommission (1918 Febr.— 1923 Febr.).
Sachau. Seier.
Albert-Samson-Stiftung.
Kuratorium (1917 April 1—1922 März 31).
von Waldeyer-Hartz (Vorsitzender). Planck (Stellvertreter des Vorsitzenden).
Rubner. Orth. Penck. Correns. Stumpf.
Stiftung zur Förderung der Sinologie.
Kuratorium (1917 Febr. -1927 Febr.).
de Groot (Vorsitzender). F. W. K. Müller. Lüders.
Hermann-und-EIise-geb.-Heokmann-Wentzel-Süftung'
Kuratorium (1915 April 1—1920 März 31).
Roethe (Vorsitzender). Planck (Stellvertreter des Vorsitzenden). J]rman
(Schriftführer). Nernst. Haberlandt. von Harnack.
Außerakad. Mitglied: Der vorgeordnete Minister.
Max-Henoeh-Stiftung.
Planck (Vorsitzender). Schwarz. Scliottky. Erh. Schmidt (Schriftführer).
Caratheodory.
Paul-Rieß-Stiftung.
Kuratorium (1920 Jan. 1—1925 Dezember 31).
Planck. Beckmann. Rubens. Struve.
ABHANDLUNGEN
DER PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
JAHRGANG 1919
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE
Nr.1
ZUR AUSBREITUNG DES CHRISTENTUMS IN ASIEN
VON
EDUARD SACHAU
BERLIN 1919
VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
IN KOMMISSION BEI GEORG UEIMEK
Vorgelegt in der üesanitsitzung ani 30. Januar 1919.
Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am ö. April 1919.
Einleitung.
J_Jie kirchengeschiclitliclie Forschung liat im semitisclien Westasien nur
selten und nur mehr ausnahmsweise die Grenzen P^dessas, des Theaters
der Ghristus-Abgar-Legende, gegen Osten hin überscliritten. Und doch hat
sich jenseits von Nisibis und vom Tigris frühzeitig eine große, in zahl-
und volkreiche liemeinden und Provinzen gegliederte Christenwelt aufge-
baut, die schon um dessen willen unser besonderes Interesse beanspruchen
darf, daß sie nur selten in voller Freiheit unter der Gunst aller Verhältnisse
wie die europäische Cliristenwelt seit Konstantin sich entwickeln durfte,
ja, spärlich gesäte Zwischenräume abgerechnet, stets staatlicher Mißgunst
und Verfolgung, dem Hasse religiöser und völkischer Majoritäten die Stirn
zu bieten genötigt war vmd trotz alledem sich behauptet und außerdem
noch ihre Mission, ihre Gemeinden bis in weite Fernen hinaus vorgetrieben
hat. Nicht lange nach dem Ende des ersten Jahrtausends des Bestehens
vernichteten die mongolischen und tatarischen Völkerstürme ganze Provinzen
des asiatischen Christentums, und was die Not und Verfolgung späterer
Jahrhunderte davon noch übriggelassen hat, ist verkommen und verwildert,
ist aber nach meiner Überzeugung zu einer neuen Lebensblüte bestimmt,
wenn einmal ein humaner Trieb der Weltgeschichte wenigstens die ein-
fachsten Gnmdlagen bürgerlicher .Sicherheit und ( rerech tigkeit dort gelegt
haben sollte.
Ein liervorragender V>rtreter christlichen Geistes, Patriarch Mär Abhä,
denkt sich die Bevölkerung des Orients als aus vier Gruppen bestehend:
Magiern, Juden, Heiden und Cliristen'. Und was er für seine Zeit, das
' Synoflicoii OnViitali- S. 550, j. 4 : S. 561, S. 9,
4 S A C H A u :
sechste christliche Jahrhundert, aussagt, gilt in gleicher Weise für jene
Zeiten, in denen die Anhänger des neuen Glaubens auf den Handelswegen
ihrer Zeit zuerst den Chäbür und den Tigris und damit die Grenzen des
Parther- oder Sasaniden-Reiches überschritten. Gab es nun zwischen dem
Gedankensystem der zoroastrischen Religion und dem, was die ersten christ-
lichen Missionare vortrugen, Berührungspunkte? — In dem Kampf gegen
die Sünde konnten die Magier den Kampf gegen die Schöpfung Ahrimans,
in dem Satan, der Christus versucht, Ahriman selbst wiederzuerkennen
glauben. Für die Lehre von der Auferstehung und dem ewigen Leben
bildete das Ristächez, d. i. die Auferstehung der Toten', ein zoroastrisches
Gegenstück, und wenn vom Heiland eeöc cuthp die Rede war, konnten
die Magier an Saosjans denken, den Sohn der jungfräulichen Eredatfedri,
der am Ende der Welt erscheint und mit seinen Genossen die durch Sünde
und Verwesung befleckte Welt neu und die Leiber der Verstorbenen wieder
lebendig macht"'. Solchen allenfalls möglichen Berührungspunkten stehen
andere Dinge gegenüber, in denen die beiden Religionen unüberbrückbare
Gegensätze bieten. Die Magier konnten für die Leidensgeschichte Christi
absolut kein Verständnis haben, und da.sjenige Element im Christenwesen,
das Männer wie Aphraates vielleicht am höchsten schätzten, die Neigung
zum Zölibat, erschien ihnen nicht allein als widersinnig, sondern auch als
staatsgefahrlich. Für die Christen andererseits war das Opferwesen in den
Pyräen ein Greuel bis zu dem Grade, daß ein christlicher Fanatiker sich
dazu hinreißen lassen konnte, mitten im Frieden und in aller öfi'entlich-
keit einen solchen Feueraltar zu zerstören, obwohl er wissen mußte, daß
er damit sein Leben auf das Spiel setzte'. Die Heiligiialtung von Feuer,
Erde und Wasser war den Christen ein Frevel, die Schöpfungslehre des
zurwanitischen Magismus, wie wir sie durch den Armenier Eznik kennen-
lernen, ein Abscheu, und nicht minder die volkstümliche, als eine Art
familiäres Fürsorgeinstitut geschätzte Inzestehe. Daß trotz solcher Gegen-
sätze viele Magier dem Christentum gewonnen wurden, dürfen wir aus
den für die persischen Christengemeinden verfaßten Rechtsbüchern von
Jesubocht und Simeon entnehmen, zugleich aber auch, wie sclnver ihnen
dieser übertritt geworden sein mag, denn noch als Christen suchten sie
Siehe Kapitel 31 des Bundehisch.
Windischmann, Zoroastrische Studien S. 238.
HoFf'MANK. Auszüiie S. 35.
Zur Ausbrrifuiiy iIcs Cliristnitinns in Asien. 5
ihre alten Eherechtssitten beizubehalten, und gerade gegen diese hatten
die fuhrenden Geister des Christentums den schwersten Kampf zu füliren'.
Was von den Kulten des asiatischen Heidentums, von dem Dienst
ftir Bei, Marduk, Istar, Nebo, Sin, 'Uzzä und andere in den Jahrhunderten
nach Christi Geburt noch übrig gewesen sein mag, darüber fehlt es in der
Literatur an zusammenhängenden Nachrichten. Diskussionen zwischen Be-
kenneni des Christentums und heidnischen Priestern sind mir nicht be-
kannt. Von einer männlichen und einer weildichen Mondgottheit Sin und
Sinai und anderen Göttern ist die Rede im Ilexaemeroii des Immanuel,
von 'Uzzä und Kaukabhtä in der Vita des Abraham von Kaskar''. Auch
werden Baumkulte gelegentlich erwähnt, so in der Chronik von Arbela
S.52-53- ■
So fern das Christentum dem Magisnuis und dem Heidentum, so nahe
stand es dem Judentum, aus dem es hervorgegangen, und daß in den
ältesten Zeiten die wandernden Christen den nächsten Anschluß in jüdischen
Kreisen gesucht und gefunden haben, ist anzunehmen, wenn auch nicht
überliefert. Die Anweseidieit von Juden in Edessa wird in der Abgar-Sage
vorausgesetzt ', und der Name des ersten Apostels des transeuphratensischen
Christentums Addai dürfte jüdischen Urspi-ungs sein, eine Abkürzung von
einem Namen wie Adoni,tjä, wie "cbc von n^cbc, die Lesart "''cbl» Ezra 2, 46
von 'n^'cbB. Bekannt ist der tibertritt des adiabenischen Fürstenhauses zum
Judentum unter Kaiser ('laudius, die Chronik von Arbela berichtet S. 30. 50
von Juden daselbst, und daß gerade Babylonien eine starke jüdische Be-
völkerung hatte, harmoniert mit der Tatsaclie, daß wohl in keinem Lande
östlich vom Euplirat das Cimstentum sich so mächtig entwickelt hat wie
gerade in Baliylonien'. Nahe Beziehungen zwischen Judentum und Christen-
tum, ein melirfaches (Jeben und Nehmen von geistigen Gütern ist auch
durch die Kritik der syrischen Bibelübersetzung des Alten Testaments er-
schlossen worden. Die syrische Übersetzung der Chronik ist ein jüdisches
' Sachal-, Svrisclie Kechtsbüclier. Hand III S. 366. 367. ("bei- den partliisch-ai-sacidi-
schen Magismus und sein Verhältnis zum pereisch-sasanidisclien vgl. Schneiderwirth, Die
Parther S. 186 ff.
' Sachai, Verzeichnis der syri-rhen Handschriften di>r Kgl. Bibliothek in Berlin Band I
S. 211: Band II S. 558: auch .Iakoh von Sehügh DMG. 19, 107(1'
' BuBKiTi , Urchristentum im Orient S. 9.
' Siehe weiter unten das Verzeichnis der Bistümer Babyloiiiens (S. 26 ff.).
6 S A c II A u :
Targum, das jüdische Targum der Sprüche eine Bearbeitung der syrischen
tTbersetzung, und die syrische tTbersetzung des Pentateuch ist ein Kind
jüdischer Gelehrsamkeit, wahrscheinlich das Werk eines Gelehrten, der vom
Judentum zum Christentum übergetreten war. Sobald aber die syrische
Nationallit(>ratur einsetzt, weiß sie von Juden und (Jhristen nur als zwei
feindlichen Völkern, von den Juden nur als Beihelfern und Urhebern der
gegen die (Jhristen gerichteten Verfolgungen zu berichten.
Die Missionspredigt dürfte durch die Einlieit der Sprache im ganzen
Kulturgebiet von Palästina -Syrien bis Babylonien-Mesene wesentlich ge-
fördert worden sein. Überall sprach man aramäisch, und wenn auch in
etwas verschiedenen 3Iundarten, so mögen sich die Bevölkerungen doch
ebensogut miteinander verständigt haben wie gegenwärtig die Araber von
Jerusalem bis Basra. deren Dialekte ebenfalls mancherlei Verschiedenheiten
aufweisen.
Die Wege, auf denen das Urchristentum von Antiochien und Edessa
ostwärts gewandert ist, dürften dieselben sein, auf denen Heere und Ka-
rawanen einherzogen, denn in den römischen Kastellen fanden letztere
vermutlich stets einigen Schutz gegen die Beduinen. Nach der Peutinger-
schen Tafel, deren Straßenzüge speziell in Mesopotamien dieselben zu sein
scheinen, welche Strabo beschreibt, führten zwei Straßen von Antiochien
an den Eluphrat, eine südliche, die den Süden der Felslandschaft des (iebel
Elakra' durchschnitt und über P]mma (n^5 2. Kön. 18, 34) und Calcida Kaaxic
nach Beroea Aleppo und Hierapolis-Membit^ und von dort an den Euplirat
bei Zeugma (Geräbis? Birecik?) führte, und eine zweite, welche die gras-
reiche Marsch um den See von Antiochien im Norden kreuzte und über
Gindarus dasselbe Ziel erreichte. In Mesopotamien scheinen nun die Ver-
kehrswege des Altertums von den heutigen durchaus verschieden gewesen
zu sein. Während jetzt und schon seit Jahrhunderten im Westen der Ver-
kehr sich an den Euphratlauf ansclimiegt, bewegt er sich im Osten jen-
seits des Tigris zwischen (Jebirge und Fluß, vermeidet also grundsätzlich
das Binnenland zwischen den beiden großen Strömen, weil dort der Beduine
herrscht. Anders lagen die Verhältnisse zur Zeit Strabos. Nadi ihm
{XVI 1,27) zog man in 25 Tagen durch das Land der Zeltaraber durch
die Steppe vom Euphrat bei Anthemusia bis nach CKHNAi-Maskene im
Norden Babyloniens, indem man absichtlich den Fluß (den Euphrat) ver-
mied, weil auf beiden Seiten dessell)en Stammesfürsten saßen, die über-
Zur Aiisbreitiuiy des Chrlstenium.^ in Ai^ie/i. 7
mäßigen Durchgangszoll erhoben. Die entsprechenden Straßenzüge der
Tabula Peutingeriana sind folgende : Vom Euphrat bei dem Zeugma geht
die Straße über Batnae im südlichen -Seriig und Harrän nach Ka^s-eFain,
von dort nach Xisibis imd weiter bis zu einem nicht lokalisierbaren Kreuzungs-
punkt, genannt Baba', von dort nach Singäi- und Hatra. Eine von Edessa
ausgehende Route führt ebenfalls nach BaV)a, von wo sie sich dem Tigris
zuzuwenden scheint. Eine zweite von Edessa ausgehende Route führt über
die Cliäbür-Quelle an den Lacus Beberaci (Chätünijje-See) nordwestlich vom
Ostende des Singär-Rückens und weiter ebenfalls nach Hatra. Hier treffen
die beiden Linien von Nisibis und Edessa zusammen und führen weiter
bis nach der Hauptstadt Ktesiphon. Wenngleich viele Einzelheiten in der
Deutung dieser Straßenzüge unbekannt und unsicher sind, immerhin ist
soviel siclier, daß sie Nordmesopotamien ganz im Sinne Strabos mitten
durch die Steppen und fern von den beiden Strömen durchschnitten. Wenn
das Singär-Gebirge schon um die Zeit des DynastiewecJisels 224 n. Chr. ein
christliches Bistum gehabt haben soll, wie die Chronik von Arbela S. 62
angibt, so liängt das vermutlich damit zusammen, daß diese sehr abgelegene,
ringsum von Bed\iinen eingefaßte Landschaft auf einem Straßenzuge des
Altertums lag und daher von dem normalen Verkelir in Friedenszeiten
gut erreicht werden konnte.
Die folgenden Blätter wollen versuchen, die Ausbreitung des östlichen
Christentums', das seit den Jahren 484, 486 als das nestorianische be-
zeichnet werden kann, vom Zweistromlande bis an den Merw-rüd, den
Fluß von Margiana in Fortsetzung der Arbeiten von Assemani, Chabot,
Hoffmann, Makquart und anderen zu skizzieren, wobei wir uns damit be-
gnügen müssen, nachzuweisen, daß in dieser oder jeuer Stadt oder Land-
schaft zu einer gewissen Zeit ein Bistum vorhanden gewesen ist, denn
statistische Angaben darüber, wie zahlreich etwa die betreffende (Gemeinde
gewesen sei, fehlen durchweg.
' Die arabische Geoi;raphii' kennt i^in RAb Sin^är, das vielleicht mit diesem Baba
zu kombinieren ist.
' Vgl. Harnack, Die Mission nnd Ausbreituni; des Christentums, besonders den Ab-
schnitt über Kdessa, Band II .'"I. 117 127.
k
S A C H A V :
Abkürzungen.
Syn. Or. = Synodicon Orientale ou Recueil de Synodes Nestoriens public, tiuduit et annote
par J. B. Chabot, Paris 1902.
Chr. Seert = Histoire Nestorienne inedite (Chronique de Seert) par Mgr. Addai Scher.
Paris 1907. 1909 (in der Patrologia Orientalis ed. üraffin et Nau, tom. I\' fasc. 3).
Premiere partie (1) S. 219 — 312.
Premiere partie (II) S. 221 — 334.
Seconde partie (I) S. 99 — 201.
Chr. Arbel. = Die Chronik von Arbela. Ein Beitrag zur Kenntnis des ältesten Christentums
im Orient. Von Eduard Sachai . Berlin 1915. (Abhandlungen der Kgl. Preuß. Akademie
der Wissenschaften, .lahrgang 19 15. Phil.-hist. Klasse Nr. 6.)
Hoffmann = Auszüge aus den syrischen Akten persischer Märtyrer. Leipzig 1880.
Assemani = J. S. AssEMAKi, BibUotheca orientalis.
MbS = I. Teil. Mari bar Sulaiman.
AbM = II. Teil. Amr bar Mari in Maris Amri et Slibae de patriarchis Nestorianorum
commentaria ed. H. Gismondi. Rom 1897. 1899.
Tractatus = Ebedjesus ,l»0l»|)O^Oja> iJOLi»d|> JJUOA in Scriptorum veterum nova
collectio ed. Mai. Rom 1838.
Tukkäsa = Ebedjesus ^AA^3kX JiLkS üQjkaOk^ , Manuskript Chabof.
Jesudenah = Le livre de la chastete, par Jesudenah, eveque de Basra, publie et traduit
par J. B. Chabot; in Ecole frangaise de Rome, Melanges d'archeologie et d'histoire,
XVI. annee, 1896 S. 225!}.
Zur Au^sbreituny des Christentums in Asien.
Von den üuellen.
Unter den Geschiclitsquellen für das transtigritanisclie Christentum ist
die um 550 verfaßte Chronik von Arbela zwar nicht die älteste — die
Märtyrerakten, deren Sammlung und ilrhaltung wir dem Patriarchen Ahai
und dem Bischof Märuthä von Maiperkat verdanken, sind bedeutend älter — ,
aber besonders merkwürdig dadurch, daß sie mancherlei von den älteren
und ältesten Zeiten, deren Erinnerung in der Überlieferung erloschen ist,
zu berichten weiß. Sie schöpft ihre Nachrichten in letzter Instanz wahr-
scheinlich aus dem Archiv der Erzbischöfe von Arbela und der dortigen
Lokaltradition. Sie verlegt die Anfänge des adiabenischen Christentums in
die Generation vor Trajans Partherzug (116), gibt aber daneben zu verstehen,
daß gleichzeitig, wenn nicht schon vorher, weiter nördlich eine Christen-
gemeinde vorhanden gewesen sei, nämlich in Beth-Zabhdai, also in der jetzt
nocJ) zum Teil christlichen Gegend um Gezire am Tigris, wohin die Mission
den Weg über Nisibis gefunden haben mag. Eine der wichtigsten Nach-
richten dieser Chronik' ist die, daß um das Jahr 224, als die parthische
Dynastie von der persisclien abgelöst wurde, bereits mehr als zwanzig Ge-
meinden mit Bischöfen an ihrer Spitze vorhanden waren, und daß auch in
den beiden größten Städten der Zeit, Nisibis und Ktesiphon, Christen lebten,
aber noch ohne Bischöfe. Danach bestanden christliche Gemeinden im Zen-
trum von Mittelmesopotamien Singär, im ganzen Transtigrislande v(jn
Arzanene über Zabdicene, Assyrien, Adiabene, Reth Gannai l)is in den
Norden Babyloniens, in der Chaulonitis, Mesene, Susiana und im Nordosten
Arabiens".
An zweiter Stelle sind die Märtyrerakten zu erwähnen, urs])rünglich
wahrscheinlich liervorgegangen aus den Reisen und Erkundigungen des;
Patriarchen Ahai (gest. 415) und zuerst nicht viel später schriftlich fixiert, aber
erzählend von Ereignissen des vorhergegangenen Jahrhunderts, den Zeiten
der großen Verfolgungen unter Saj)or II. in den Jahren 340 — 379. Wenn
' S. 61. 62.
'' Das von der Chronik S. Ö2 erwähuto Gebiet Beth Dailomäji' mit der Liind.schart
Dailani am Kaspisclien Meer gleichzusetzen, erscheint bedenklich, l.st es vielleicht der Name
eines (iaues im Zagros, an den sich eine Erinnerung in dem Dailamistän j11_«jj j Jäküts
erhalten hat;'
Phil.-Iii>.l. M,l,. lUIU. .\r. I -
10 Sa c 1. A u :
man nun die Lokalitäten der Wirksamkeit und der Martyrien dieser Personen
zusammenstellt, so ergibt sich ein geAvisses Bild von der Verbreitung des
Christentums im vierten Jahrhundert, das folgende Orte und Landschaften
umfaßt: Nisibis, die einzelnen Landschaften Transtigritaniens, Nordost- und
Südostbabylonien, die Chaulonitis, Mesene und Susiana. F.s ist gewiß nicht
zufällig, daß dies Verl)reitungsgebiet mit demjenigen übereinstimmt, das wir
aus der Chronik von Arbela gewonnen haben. Über letzteres hinausgehend
und den Fortschritt der Mission in der Zeit von 224 bis etwa 350 dar-
stellend, erscheinen in den Märtyrerakten noch die Bistümer Susa in B6th
Hüzäje (Elam) und das Urbistum der Persis, Rew-Arda.sir. Dagegen scheinen
die in der Arbela-Chronik genannten Gemeinden von Arzanene und Singär
in den Märtyrerakten nicht vorzukommen.
An dritter Stelle halben wir eine wichtige Quelle in den Acta con-
ciliorum, deren Nachrichten bis zu dem ersten allgemeinen Konzil von 410
und seiner Vorgeschichte zurückreichen, und in der zweiten Hälfte des
8. Jahrhunderts abbrechen. Durch den Inhalt der gefaßten Beschlüsse, be-
sonders aber durch ihre Datierungen, ihre Über- und Unterschriften mit den
Namen der Konzilsteilnehmer und ihrer Diözesen bilden sie eine unschätz-
bare Geschichtsquelle, die auch bereits von dem Herausgeber Chabot wie
von Marquart in seinem Eränsahr vielfach benutzt worden ist. Ihre Samm-
lung und Erhaltung verdanken wir dem um die Rechtsliteratur verdienten
Patriarchen Timotheos (780 — 823), dessen hierauf bezügliche Tätigkeit nach
den Untersuchungen des Herausgebers' zwischen die Jahre 775 — 790 fällt.
Er dürfte bei seinem Werke geleitet gewesen sein von dem Bestreben, den
Zusammenhalt der weithin zerstreuten Christenwelt zu kräftigen, sie zum
Festhalten an der Säule des Katholikats zu mahnen, besonders solche Pro-
vinzen, die in zentrifugaler Bewegung die Loslösung vom Katholikat und
eine autokephale Sonderexistenz angestrebt hatten, wie die Kirchen der Persis
und Ostarabiens, indem er ihnen die einheitliche P^ntwicklung der Katholikats-
verfassung und ihre Rückführung auf das apostolische Zeitalter an der Hand
der Akten nachwies. Seine Sammlung bildet die Grundlage aller kanonisti-
schen Arbeiten der späteren Jahrhunderte, die infolge des Vordringens der
arabischen Sprache in die christlichen Volkskreise meist in dieser Sprache
abgefaßt sind. Sie sind minderwertig gegenüber der Leistung des Thimotheos
.1. B. CiiAUOT, Sj'n. Or. 1902. S. 13.
Zur Ausbiritu/ii/ des Clirislcntum.'^ in Asien. 11
und geben sich als erleichternde, abkürzende Bearbeitungen mit manclierlei
Auslassungen und Mißverständnissen zu erkennen'.
Aus dem 9. Jahrhundert stammt die (Jollectio canonum des Erzbischofs
Elias Gauhari von Damaskus, die um 893 verfaßt und in der vatikanischen
Handschrift 157" vorhanden ist, sowie die, wie es scheint, nicht erhaltene
Sammlung des Bischofs Gabriel von Basra (884 — 893). In dem Werke von
Elias ist das Verzeichnis aller Bistümer, die zu den einzelnen Kirclien])ro-
vinzen gehören, besonders wertvoll'.
Dem I I. Jahrhundert geliört der 1043 gestorbene Abü-alfarag Abdallah
Ibn Altajjib an, Sekretär des Patriarclien Elias 1. in Bagdad. Außer mit
kanonischem Recht hat er sich auch mit bürgerlichem Recht beschäftigt,
und seine Werke sind in den Sammlungen christlich-arabischer Literatur
viel verbreitet. Seine Collectio canonum ist im Vatikanischen i{!odex 153'
erhalten. Auch von dem Patriarclien, dem er zur Seite stand, Elias I.
(1028 — 1049) und von dem Bischof Elias Bar Sinäjä von Nisibis (gest.
nach 1049) waren kanonistische Ar])eiten vorlianden, von denen sich einige
Reste in vatikanischen Handschriften nachweisen lassen dürften.
Als eines weiteren Vertreters derselben Disziplin haben wir des 13 18
gestorbenen Bischofs Ebedjesu Bar Berikhä (= Benedikt) von Nisibis zu ge-
denken, mit dem die nestorianisch-syrische Literatur in ähnlicher Weise wie
die jakobitische mit Barhebraeus (gest. 1286) ein nicht unrühmliches Ende
nimmt. Seine uns erhaltenen kanonistischen und zivilrechtlichen Arbeiten
können meines Erächtens ein etwas höheres Verdienst für sich in Anspruch
nehmen als diejenigen seiner Vorgänger Elias Gauhari und Ibn Altajjib.
Was wir von seinem Leben wissen, läßt sicli in wenige Worte zusammen-
fassen. Er war zuerst Möncli, dann Bischof von Singär und Beth Arbäje,
d. i. vom nordöstlichen Mesopotamien, und zuletzt Erzbischof von Nisibis
und Armenien, konsekriert von dem Patriarchen Jabhalähä 111. (1282 — 13 18).
Nach seinem berühmten Catalogus librorum (Assemani III. I), der Hauptquelle
aller Kenntnis von syrischer Literatur, müssen wir schließen, daß er eine
vorzügliche Bibliothek besaß, und neben der syrischen Sprache beherrschte
er auch die arabische. Das Jahr, in dem er Biscliof von Singär wurde, und
' Vgl. ,1. GiiDi, Zeitsclirifl der Deutscbeii niorgenländisclien üesellschart B;nid 43, S. 388.
' Scriptorum vetcrum nova collurtio od. Mai, tom. IV, Rom 1831, Codices Anibici S. 296.
• S. Assemani II 458. 459, über F^lias III. I 513, über (iabriel III. I 202.
' Scriptornm vi teriiin iiova rollectio S, 286
12 S A c H A u :
dasjenige, in dem er als Erzbischof nach Nisibis übersiedelte, sind mir
beide in der Literatur nicht begegnet. Von seinen juridischen Arbeiten ist
der durch Mais Ausgabe bekannt gewordene Tractatus' das jüngere, von
ihm verfaßt, als er noch Mönch war. Er ist später noch einmal zu diesen
Studien zurückgekehrt und hat i 3 1 6, zwei Jahre vor seinem Tode, ein inhalts-
verwandtes Werk verfaßt, das zur Zeit nur handscliriftlicli vorhanden ist,
betitelt: d^ä,^ li*? ..oaeL^ »Ordnung kirchlicJier Entscheidungen"'«. Aus
letzterem entlehne ich die folgende IS'otiz, aus der die Stellungnahme des
Autors gegenüber seiner Aufgabe erhellt:
\d^iN 3>A ^30^1 ^.op 2^^jM.3wäo Isoe? l.*a3b3eo7p joAoi^Vy.» Z.<jQ)3aap
.<^aaa2o ^^o^ 2^2 y,äax x^p^p lä^l \ap .iäe2p eörp o^iäpox \x U2
(Ms. Bl. 2a) iJioi lafiop :ia.*«a.-a :s«aj:
»Weil ich das Buch Kurzgefaßte Sammlung für die synodalen
Canon es (d.i. den Tractatus) gemacht habe, als ich Mönch war, war ich
nicht berechtigt, aus eigenem etwas hineinzutun und anzufügen \ wie es
die richtige Ordnung fordert. Jetzt aber, da ich durcli die Güte des Mes-
sias des Dienstes des Metropolitentlirones und der Hyparchie von Söbä
(d. i. Nisibis), der Hauptstadt von Mesopotamien, gewürdigt bin, habe ich
im Vertrauen auf den, der da sagt: ,Überall, wo du meinen Namen er-
wähnst, werde icli zu dir kommen und dich segnen' angefangen, dies Bucli
zu verfassen.« Das Datum der Abfassung ist in einer Schlußnotiz gegeben:
>VXd.3>,-3LX u.äde ijupja «.^2 oor ulp uoaft^p Ipir ^s. ■nt<^\ ^p 6poüe>
^^ou^Ap 2^.\.tl3(i62 7 =- 1316) Laoup lioLSo ^xcxXe lliotsso >^2 ioju
2^j^ä:e (Hds. Bl. i6ob).
' Tractatus Kbedjesu X*JOupa}AOkXO XxOJjap ilaoa in Scriptorum nova colleotio
t. X, Rom 1838.
'' Über die von mir benutzte Handschrift s. meine Syrischen Rechtsbücher, Band III,
1914, Einleitung S. XXVIII.
^ Dasselbe sagt der Verfasser in der Einleitung des Tractatus (ed. Mai S. 19) Kol. 2:
■Indem ich nicht die Worte der Väter durch simple Gedanken beflecke, die ich aus Eige-
nem hinzufüge."
Zur Ausbreitung des Chr'istentums in Asien. 13
Dies zweite Werk unseres nisibenischen Erzbischofs p]bedjesu, das
reiche Auszüge aus der älteren Rechtsliteratur enthält, soljte durch Text-
ausgabe und Übersetzung bekanntgemacht werden'.
Aus syrischem Geiste geboren, aber in arabischem Sprachgewande in
die Welt gesetzt sind die jüngsten der hier in Betracht kommenden Quellen-
schriften, die von Assemani ausgeschöpften Patriarchenchroniken von Mdri
bar Sulaimän und Amr bar Mattä, von denen jener um i 1 50, dieser bald
nach 1350 schrieb". Beide Werke wie auch die Chronik von Seert, ver-
faßt nach 1036, sind Auszüge aus der ältesten Geschichtsliteratur der öst-
lichen Syrer, die im 7. uiid 8. Jahrhundert entstanden ist und derzeit als
verloren gelten muß. Die Heimat fast aller nestorianischen Literatur sind
die transtigritanischcn Landschaften und Babylonien, wa.s aber die Gemein-
<len in Persepolis, Ispahan, Rhagä und die weiter östlichen in Margiana
und Afghanistan an literarischem Besitz z. B. an Kirchenbüchern besessen
haben mögen, ist bisher auch nocli nicht einmal in den geringsten Resten
wieder zutage getreten. Und doch braucht man die Hoffnung auf litera-
rische Funde aus diesen Ländern nicht ganz aufzugeben. Denn wenn alte
Kirchhöfe bei den Orten Pischpek und Tokmak im Tal des Tschu in der
bisher russischen Provinz Semirjetseliie uns Hunderte von christlich-syri-
schen Grabsteinen aus der Zeit von der Mitte des 13. bis zur Mitte des
14 Jahrhunderts geliefert haben, und wenn zu Kara Koga im westlichen
China Stücke altsyrischer Kirchenliteratur aus ihrem Sandbett befreit worden
sind^, dürfen wir hoffen, daß die fortschreitende Erforschung jener Länder
für die Studien künftiger Tage aus den Trümmerschichten mongolischer
und tatarischer Verwüstung auch solche Materialien zutage fordern wird,
welche eine Vertiefung unseres Wissens von den Schicksalen des inner-
asiatischen Christentums ermöglichen.
' Das darin enthaltene Verzeichnis der Metropolitien und Bistümer ist veröffentlicht
in Syn. Or. S. 619. 620.
' .S. die Ausgabe von Gismondi, Rom 1897, und die Untei'suchungen über die Quellen
und die Glaubwürdigkeit der Patriarchenchroniken von G. We-stphal igor.
' S. Chwolson, Syrisch-ncstorianischc Grabinschriften, Petersburg 1890. 1897; Ko-
KowzoFK, Christlich-syrische Grabinschriften aus .\hnalyk 1905: Kinige neue Grabsteine mit
christlich-syrischen Inschriften 1907; Zur syriscli-tüi'kisclien Kjjigraphik 1909, russisch. Ferner
meine Schrift Literaturbruchstiiekc aus Chinosisch-Turkestan, .SB. der Berliner Akademie
der Wissenschaften 1905. 2,3. November.
14 Sachau:
Von den Kirchenprovinzen, Metropolitien, Hyparchien.
Die Christenwelt im Sasanidenreich wurde durch das Konzil von 410
bei der Gründung der Kirchenverfassung eingeteilt in sechs Provinzen oder
Hyparchien, deren Vororte MHTPonÖAeic hießen, weshalb ihre Bischöfe, dem
Range nach Erzbischöfe, Metropoliten' genannt wurden. Diese Provinzen
sind
1. Babylonien, Beth Armäje, Vorort Seleucia,
2. Susiana, Beth Hüzäje, Vorort B6th Lapat,
3. Nordostmesopotamien und die an das linke Tigrisufer angrenzen-
den Gebirgsländer, Beth 'Arbäje, Vorort Nisibis,
4. Mesene, Maisän, Vorort Perät-Maisän (Basra),
5. Adiabene, Hedhnjjabh, Vorort Arbela (Irbil),
6. Garamaea, Beth Garmai, Vorort Karkhä dhe-Beth Selökh (Kerkük).
Diese Rangordnung, die in der Folgezeit stets unverändert geblieben
ist, hat, vom geographischen Standpunkt betrachtet, etwas durchaus Sprung-
haftes und fordert eine Erklä,rung in den hierarchischen Verhältnissen der
Zeit ihrer Gründung. Päpä, der erste Bischof von Seleucia, hatte sich in
schweren Kämpfen und nicht ohne Kompromiß die Stellung eines Ober-
bischofs mit dem Anspruch auf das Recht der Konsekration sämtlicher
Erzbischöfe und Bischöfe angemaßt und zum großen Teil auch errungen.
V.v erhielt den heftigsten Widerstand aus Susiana, vertreten durch den
Bischof Miles. Dort war das Christentum älter als in Seleucia, Susiana
hatte schon um 224 Bischöfe, und bald darauf erhielt es einen weiteren
Zuwachs christlicher Bevölkerung von den unter Sapor I. (nach 260) im
Lande angesiedelten (befangenen aus Syrien. Päpä war unter Beihilfe eines
susischen Bischofs, des Haibe'el von Susa". zum Bischof geweiht, und
nun sollten sich die Bischöfe von Susiana vor dem Neuling von Seleucia
beugen? Niemals. Päpä hat die Zustimmung dieses Landes nie erlangt^.
Als dann beinahe hundert Jahre später das erste allgemeine Konzil
in Seleucia abgehalten und mit Hilfe aus dem Römerreich und nach west-
lichem Muster die Episkopalverfassung aufgerichtet wurde, stand wiederum
■ Arabisch miträn oder maträn, volkstümlich gesprochen inufrdn.
■' Chr. Arbel. S. 69.
'■' Über die Rangstelhino; der Provinz Siisiniia vgl. aiich We.stphai.. rntersuchiingen
li-sw. .'^. 62- — 64.
Zur Ausbreitung des Christentums in Asien. 15
Susiana abseits, ließ sich nicht vertreten. Der Vorort Beth Lapat hatte
im Gegensatz zur Episkopalverfassung zwei (oder drei) Bischöfe gemäß dem
älteren Usus, konnte dalier nach dem neuen Recht einen Metropoliten nicht
haben. Wenn daher das Konzil in seinem § XXI trotzdem Susiana den
ersten Rang nach Babylonien zuerkannte, so muß darin eine besondere
Wertschätzung des Landes und ein besonderes Mittel, es für die neue Ord-
nung der Dinge zu gewinnen, zum Ausdruck gekommen sein. Ersteres
kann darauf zurückgeführt werden, daß in seiner Hauptstadt zahlreiche
Martyrien unter Sapor II. stattgefunden hatten, und letzteres empfahl sich
vielleicht mit Rücksicht auf den Umstand, daß Beth Lapat zeitweilig Re-
sidenz des Königs der Könige war und daher der Vertreter der dortigen
Christenbevölkerung unter Umständen am Hofe einen Einfluß auszuüben
in der Lage war.
Auf die beiden südlichsten Provinzen läßt die Rangordnung gleich die
allernördlichste, B^th Arbäj^, folgen. Wir dürfen wohl annehmen, daß der
Vorort Nisibis, der seit dem Joviansfrieden von 363 beständig dem Perser-
reich angehörte, durch seine Lage ganz nahe der Grenze als Vermittelungs-
punkt zwischen Ost und West, zwischen dem Perser- und Römerreich und
den Christen auf beiden Seiten der Grenze eine hervorragende Bedeutung
gehabt hat. Die nisibenische Gemeinde war nicht etwa durch ihr Alter
liervorragend, sie hatte 224 noch keinen Bischof, und erst um 300 er-
scheint Babu als ihr erster Bischof, bald darauf aber gewann sie hohen
Ruhm in der ganzen Christenwelt durch die Tätigkeit ihres berufensten
Bischofs Jacobus Nisibenus, der auch am Konzil von Nicäa teilnahm. Dies
mögen die Gründe gewesen sein, welche auf dem Konzil von 410 dahin
gewirkt haben, daß B6th-Arbäje in der Ordnung der Kirchenprovinzen der
dritte Rang angewiesen wurde.
Für die Anordnung der Reihe
4. Mesene,
5. Adiabene,
6. Garamaea
wüßte ich besondere Gründe oder Rücksichten nicht anzuführen, und wenig
harmoniert mit der Voranstellung von 3Iesene der Umstand, daß gerade
Mesene in der kirchengeschichtlichen tj'^berlieferung gegen Adiabene und
Garamaea erheblich zurücktritt. Ob diese Landschaft vielleiciil als Aus-
gangspunkt des Seeverkehrs und zugleich der christlichen Mission nach der
Ifi S A C H A u :
Persis, üstarabien, Oman und Indien eine die Binnenlandprovinzeu über-
ragende Bedeutung hatte?
Die Kirche von Adiabene war in gewissem Sinne eine Mutterkirche
von Seleucia, denn als diese Stadt noch ohne Bischof war, hatte ihr Arbela
mehrere Male seine Bischöfe zu geistiger Hilfeleistung geschickt, und mit
Hilfe des Bischofs von Arbela (sowie desjenigen von Susiana) war der erste
Bischof von Seleucia, Päpä, eingesetzt worden'. Diese Umstände mochten
dem Throne von Arbela einen Vorzug vor Garamaea verschafft haben.
Die Oberhäupter dieser Stammprovinzen der Kirchen bezeichnen sich
in den ältesten Konzilakten von 410, 420, 424 als Bischöfe ihrer Städte.
Bischof von Nisibis, von Arbela usw., obgleich sie mehr waren als ge-
wöhnliche Bischöfe, vielmehr Metropoliten oder Erzbischöfe. Erst vom
Konzil von 486 an ändern sich die Signaturen, und erscheint der Titel
Metropolit, s. z. B. Päpä, Bischof von Beth Lapat, Metropolit von Beth
Hüzäje', und breitspuriger im Konzil von 544. s. z. B. Henänä, Bischof
von Arbela, Metropolit dieser Stadt imd des ganzen Landes Hedhajjabh^.
Die Konzilakten von 410 setzen das Dasein der seclis Stammprovinzen
zu jener Zeit als bekannt voraus, lehren uns aber nicht, wann sie ent-
standen sind, wann die regionalen Kirclien zu einer Verwaltungseinheit
zusammengefaßt und der Auktorität eines zum Oberbischof erhöhten Bischofs
unterstellt worden sind. Nach Ibn Altajjib und Ebedjesu sind Susiana,
Beth 'Arbäjö, Maisän und Adiabene von dem obengenannten Bischof Päpä
von Seleucia (gest. 326), Garamaea von dem 341 martyrisif'rten Simeon Bar
Sabbä'e, dem Nachfolger Päpäs gegründet. Leider fehlt es in der übrigen
Literatur an Nachrichten, die uns in den Stand setzen würden, diese für die
Geschichte des Christentums bedeutsamen Entwicklungsknotenpunkte näher
zu beleuchten. .Daß Päpä die Macht gehabt haben sollte, so gewaltig in
die Geschichte der genannten vier Länder einzugreifen, erscheint wenig
wahrscheinlich, wenn man erwägt, einen wie schweren, ja verzweifelten
Kampf er um seine eigene Stellung zu kämpfen hatte, und wie er schließ-
lich sich nur durch einen Kompromiß mit der Partei seines heftigsten
Gegners und Nachfolgers Simeon Bar Sabbä'e zu behaupten vermochte*.
' Chr. Arbel. S. 33. 64. 67. 69.
'' Syn. Or. S. 306.
' Syn. Or. S. 350.
z* Labourt, La rhri.stianisnio dans reinpire Ferse S. i8f1'.
Zur Ausbreitung des Christentums in Asien. 17
Im besonderen steht die Beliauptung, daß Adiabene durch Päpä zum Erz-
bistum erhoben worden sei, in direktem Gegensatz zu der Nachricht der
Chronik von Arbela (S. 84), wonach dies erst durcli das Konzil von 410
geschehen ist. Die angebliche Gründung des Erzbistums Garamaea' durch
den genannten Simeon läßt sich nicht verifizieren, wird aber in der Bio-
graphie dieses sonst wohl bekannten Mannes mit keinem Worte erwähnt.'
Meines Erachtens hatten zur Zeit von Päpäs Anfängen die Christen voll-
auf zu tun, um sich von der langen Saporischen Verfolgung zu erholen.
Als dann Päpä die ersten Versuche machte, die Ei)iskopalverfassui)g des
Römerreiches auf den Orient zu übertragen, und diese Bestrebungen durch
das Konzil von 410 zu einem gewissen Abschluß gelangten, in diesem
Zusammenhang mögen auch die sechs Mctropolitien entstanden sein, wo-
bei aber zu beachten ist, daß es bis 410 noch nicht gelungen war, die
Episkopal Verfassung in Susiana durchzuführen, daß damals ein Metropolit
von Susiana noch nicht vorhanden war', sondern erst in Zukunft einge-
setzt werden sollte.
Die geographische Ausdehnung der sechs Stamm |)rovinzea deckt nun
keineswegs die gesamte Verbreitung des Christentums zur Zeit des Konzils
von 410. Im Kanon XXI seiner Akten ist die Rede von den Bischöfen
der entfernten Diözesen, d. i. der Persis, der Inseln (Bahrain), Betli
Mädhäj^, dem südlichen Medien mit Hulwän, ITamadän und DinaAvar, Beth
Räzikäj^, dem nördlichen Medien um Rhagae-Rai, und den Gebieten
von Abrasahr d. i. Parthieii. Ihre Biscliöfe waren nicht anwesend auf dem
Konzil, es wird aber die Erwartung ausges[)rochcn, daß sie noch kommen
und nachträglich die Beschlüsse des Konzils unterzeichnen werden. Hier-
nach erstreckten sich also die christlichen Gemeinden um das Jahr 410
bereits bis an die Ostgrenze des heutigen persischen Kelches.
Über diese Grenze hinaus gelangen wir nach Merw = Margiana. Die
Persis und Merw werden in der hierarchischen Ordnung als siebente und
achte Metropolitanprovinzen aufgeführt. Nach Ihn Altajjib sollen beide als
solche von dem Patriarchen Isaak (399 — 410), nach Ebedjesu von dem
Patriarchen Jabhalähä (d. i. Jabhalähä I. 415 — 420) eingerichtet worden sein.
Zur Steuer dieser Angaben wüßte ich nur das Folgende anzuführen : Wenn
' Vgl. den Streit zweier Bistümer des Landes um den Metropolitansitz bei Hofk-
MANN S. 271.
' Syn. Or. S. 272.
Fhil.-h.^t. Alßh. I9I<>. Ar. I. :i
\H •'^ A c II A r :
Isaak diese beiden jVletropolitien gegnindel hiitte. würden sie gewiß in den
Akten seines Konzils erwähnt sein, was nicht der Fall ist, und daß er
diese Gründung erst nach dem Konzil von 410 ausgeführt habe, ist des-
halb wenig wahrscheinlich, weil er kurz darauf, noch in demselben Jahr
gestorben ist. Von tatsächlichen Dingen ist zu erwähnen, daß die Ober-
hirten dieser beiden Länder sich in den Konzilakten zum erstenmal als
Metropoliten bezeichnen, jener von der Persis im Jahre 497, dieser von
3Iargiana 554^ Die Konzilakten erwähnen außer den bisher genannten
Metropoliten noch einen von Beth Katräje (Ostarabien) und einen von Herät^.
Als jüngere Kirchenprovinzon oder Metropolitien werden von Ibn Altaj-
jib und Ebedjesu aufgezählt
Hulwän,
Herät,
Samarkand,
Indien,
China,
von denen die letzten drei nur geringe Spuren in der Literatur zurück-
gelassen haben.
Ebedjesu zählt^ Hulwän als die sechste der Metropolitien nach den
fünf Stammprovinzen Susiana, Nisibis, Maisan, Adiabene und Garamaea und
berichtet, daß diese sechs Metropoliten allein das Recht hätten, den Katho-
likos zu wählen. Unter dieser Provinz Hulwän verstehe ich außer dem
südlichen Medien die Gemeinden an der Straße von Bagdad über Ker-
mänsäh nach Hamadän, beginnend mit der Stadt Hulwän, hier mit dem
biblischen Halali identifiziert, wo die Straße aus der babylonischen Ebene
in den Zagros eintritt^ Es ist nun nicht richtig, w^enn Ebedjesu mit
' Syn. Or. 8.314, ,351.
- Chr. Arbel. S. 22. 23 und Syn. Ür. S. 423 Nr. 27.
■' Tiikk:isä, Bi. 26b: 2:ss ^07 .^2aiooilo v^oXm «.oja w»\*.3 ;...;sw.ä^x
Xa'yxa aifJiAx^ e2 a.ae;LäaA e2 >,n'\'n\ ^.\,At i^ .äoi^? ^ai ^ U'a— 2
.,?.Q«^ON^3 2^.*3A^3 Die iiußei-en Metropoliten aOL^S k*jOJ siad diejenigen der
Persis, von Damasiiiis und die folgenden in der von ihm gegebenen Reihenfolge (s. weiter
unten S. 21).
' Über die einstmalige Liige der Stadt auf der Stelle der heutigen (.Irtschaft Serpul
s. Her/.feld, Reise dureh Luristan usw. in Petermanns Oeoi^raphischen Mitteilungen 1907.
lieft III und IV S. s.
Zur Aiishn'ituny des Cliristfiitiiiiis in .l.sv/v/. llj
seiner Anordnung, welche der Persis und Margiana erst den 7. und 9. Rang
anweist, sagen wollte, daß die Metropolitie Hulwän älter sei als die ge-
nannten beiden, denn in den Konzilakten werden wohl Bisehöfe von Hul-
wän erwähnt, aber von einer Metropolitie dieses Namens ist dort noch keine
Rede. Immerhin wird Ebedjesu fiir seine Zeit Recht haben. Hulwän
mag fnihzeitig durch seine Nähe und Nachl)arschaft im Verhältnis zur
Katholikatsprovinz eine besondere Bedeutung gewonnen haben, seine Ver-
treter konnten ohne Beschwerde zu jedem Konzil in Seleucia eilen, während
die Oberhirten der ferneren Provinzen oftmals daran verhindert waren.
Nach Ebedjesus Tractatus VIII, XV soll der Katliolikos Jesujabh Gedda-
läjä' II. (628 — 643) die Kirchenprovinz Hulwän eingerichtet haben. Ihr
Oberhau[)t war z. H. bei der Wahl des Katholikos Timotheos im Jahre 780
beteiligt'.
Über die Frage nach der Gründung der ül)rigeu vier Provinzen, Herät,
.Samarkand, Indien, China, sclieinen die syrischen Kauonisten keine sichere
Überlieferung vorgefunden zu liabon, denn während Ibn Altajjib sie alle
zusammen mit Hulwän von .Jesujabh II. (628—643) gegründet sein läßt.
dürfte die Angabe Ebedjesus. daß die erstgenannten vier Provinzen ent-
weder vom Katholikos Selibhäzekhä (714 — 728) oder von Aiiai (410 — 415)
oder Silä (505 — 523) eingerichtet seien, wenig mehr als ein Verlegenheits-
raten sein. In den Konzilakten sowie in den Patriarchenchroniken von
Märi und Amr findet sicii nichts, was zur AVertnng dieser Nachrichten
dienen könnte.
Trotz mannigfacher Hemmungen und Nöte hat das ('hristent\nn wie
unter Parthern und Persern, so auch unter den arabischen (Hialifen in
Zeiten ruhigen Verkehrs immer wieder Mittel und Wege gefunden sich
auszubreiten. Besonders günstig in dieser Beziehung scheint die Zeit dos
äußerst rührigen und vielseitigen Katholikos Timotheos (780 — 823) ge-
wesen zu sein, denn er berichtet in seinen von 0. Hraun herausgegebenen
Briefen^, daß er für die folgenden Länder Metrojjoliten geweiht habe: das
' Die Ortschaft 2^Pb\ Jm>- (Jäküt) lag zwei Tagerei.'-iTi von Mo.sul entfernt und
in B6th 'Arbäje, gehörig zum Gebiet von Mosul. Dies paßt einigermaßen zu dem Orte im
Singär-Gebirge, dessen Namen icii al.s Djeddale geiiört habe {s. meine Heise in Syrien und
Mesopotamien 1883 S. ,526).
' .Syn. Or. S. 603, Anni. 5.
' .*<. Oriens f'hi-istianus I, 1 3.S iV.
20 S A C H A u :
Land der Türken, das Land der Tuptäje', Südarabien, Medien, Dailain,
Ghilän, Hyrkanien und andere Länder. Leider fehlt es gänzlich an ander-
weitigen Nachrichten über diese Provinzgründungen. Wohl gab es in Medien,
in den Ländern am Südufer des Kaspischen Meeres, im Lande der Türken
und in Südarabien Christen und christliche Gemeinden, aber z. B. von
einer nestorianischen Metropolitie in Südarabien ist nichts bekannt. Auch
ist zu bedauern, daß Timotlieos uns die Namen der anderen Länder,
für die er Metropoliten geweiht haben will, verschweigt. Vielleicht darf
man auch mit der Möglichkeit reclnien, daß zu seiner Zeit der Titel Me-
tropolit praktisch kaum mehr bedeutete als der Titel Bischof.
An dieser Stolle ist noch einer weiteren bei Ibn Altajjit) vorhandenen
Nachricht zu gedenken, wonach derselbe Timotheos sechs Provinzen ein-
gerichtet habe, drei davon seien exstinkt, drei noch (d. h, im ii. Jahr-
hundert) vorhanden, darunter Armenien und Rai {—■ Beth Räzikäj^, das
nördliche Medien). Daß aber auch Armenien als selbständige Kirchen-
provinz zu existieren aufgehört hat, lernen wir aus dem Titel Ebedjesus (gest.
1318), denn dieser lautete Metropolit von Söbä (Nisibis) und Armenien.
L.etzteres, oder wenigstens ein Teil davon, war also zu irgendeiner Zeit mit
der Provinz Beth Arbäje = Nisibis vereinigt worden". Mit diesem Bericht
von des Timotheos Gründungen berührt sich die Angabe des Ebedjesu im
Tractatus VIIL XV, wonacli er außer Armenien und Syrien (Jeru.salem?
Damaskus?) noch vier weitere Hyparchien gegründet liabe, die aber nicht
mehr vorhanden seien (im 14. Jahrhundert). Diese beiden Nachrichten sind
nicht miteinander vereinbar. Vielleicht ist bei Ibn Altajjib neben Armenien
und Rai die Llyparchie Syrien durch Versehen ausgelassen, denn beide
sind nicht eingegangen, sondern werden in den Hyparchienverzeichnissen
von Ebedjesu im Tukkäsä als Damaskus, Jerusalem und die Meeresküsten
und als Räzikäje, d. i. Rai, Kumm und Kasan, sowie von Amr Ibn Mattä
als Jerusalem und Rai noch aufgeführt.
Die Verzeiclinisse der Kirchenprovinzen aus der Zeit nach Timotheos
mögen hier zur Übersicht zusammengestellt werden.
' i^-»ÄOÄ». Ist hiermit der von Mas'udi erwähnte Türkenslamm der Tiibbat ge-
1' S. MARQrART, Kn'insalir S. 235. Die bisher übh'che Deutung Tibeter ist wenig
icheinlich.
■-' Vgl. unten hier das Hyparchicn-Vciv.ciHinis in Ebedjesus liikkasa Nr. 13.
Zur Ausbrrituiiy (d's Chrlstintunt.^ in Aslfii. 21
I. Verzeichnis des Metropoliten Elias Gauhari von Damaskus,
verfaßt um 893.
I. Die Hyparchie des Katholikos, Babylonien. (rundisäbür (Gundaisä-
bür), d. i. Susiana, Nisibis, Albasra, d.i. Maisäu. 5. Mosul, d.i. die alte Pro-
vinz Adiabene nach Übertragung des erzbischöflichen Thrones von Arbela
nach Mosul. Bägarmai, d. i. Garamaea. Syrien. Rai, d. i. Medien. Herat.
10. Merw. Armenien. Samarkand. Persis. Rarda a. 15. Hulwän.
II. Verzeichnis des Patriarchatssekretärs Ibn Altajjib (gest. 1043).
I. Gundisäbür. Nisibis. Basra. Mosul. 5. Garamaea. Persis. Merw.
Hulwän. Herät. 10. Samarkand. Indien. China. Armenien. 14. Rai.
III. Erstes Verzeichnis des Ebedjesu (gest. 13 18) aus dem letzten
Viertel des 1 3. Jahrhunderts, überliefert im Tractatus.
I. Elam (Susiana). Nisibis Temän (Mesene) Athor. 5. Garamaea.
Persis. Merw. Hulwän. Herat. 10. Indien. Samarkand. China. Ar-
menien. 14. Syrien
IV. Zweites Verzeichnis des Ebedjesu (gest. 1318) in seinem 1316
verfaßten T'ikkäsä'.
i.Elam. SO)bä. Perät Maisän. Arbel, Hazzä, Athor und Mosul. 5. Kar-
khä dhe Beth Selökh und Däkük. Halah. d. i. Hulwän und Ahmedhän.
Dann die äußeren Metropoliten aOL^p iy,Aft*\''>y, iVi:
7. Persis und die Meeresinseln 2«S .»'lo « 2X3^J>o (Bahrain).
8. Damaskus, ,Ieru.salem und die Meereskü.sten l^Ou w.'käj(DO (die Küsten
von Syrien und Palästina?).
9. Merw und Nisäbür.
10. Türken.
II. Räzikäj^, d. i. Rai, Kumin und Kä.sän.
12. Heriwän^, d. i. Her^w OuSOT -crp Iiou'äc (iemeint ist Herät.
im Avesta Hara^va.
13. Arrän und Alanen. Der Tliroii von Barda'a und Seniklia, ein
Teil von Armenien.
Ms. CHABdT Bl. 26 «ll.
22 S A c II A u :
14. Die Inseln der Meere ^UÄsuS 2^3 A, (Sokotray Ceilon':') und die
inneren Metropoliten.
15. Die von Däbag und Sin und Mäsin. • ,
V. Das jüngste Verzeichnis von 'Amr Ihn Mattä, geschrieben
um 1350'.
I. Gundisäbür. Nisibis. Basra. Mosul und Athor. 5. Arbela und
Hazza. Garamaea. Hulwän. Jerusalem. Edcssa. 10. Persis. Merw. Herat.
-^,Ja»(?) Sin. 15. Indien. Barda\ Damaskus. Rai. 'J'abaristän. 20. Dailam.
Samarkand. Turkistan. rJi- . Segestan. 25. ^Jü'lj ^^^ '^^ ■ Tankut.
27. Kasghar und Nawäkath.
Zu Nr. 23. Die Lesarten Gismonois 7^ und nJb- sind wenig glaub-
würdig, ebensowenig inM- bei Ibn Khordädbih S. \oi, Anni. ni. überall
ist zu lesen ^izJu>- Chamlikh. die Hauptstadt der Ghazaren, über deren
Christentum ich auf Ibn Fadians Bericht bei Jäküt II. irv, 9 verweise.
Zu Nr. 25. Anstatt jilj jU-, d. i. Peking, ist vielleicht J-'i. j'«- Gän-
balik zu lesen, d. i. Gambalyk, das nach Boniii, Journal Asiatique 1900,
S. 587 ein dem Metro])oliten von Kasghar unterstehendes Bistum war
= Urumtsi.
Anstatt ^U!l ist wohl zu lesen ^3^^'= ^- i- Hibalik = Almalik bei Bonin
a. a. 0. S. 586 und Marquart, Osteuropäische und Ostasiatische Streifzüge,
S. 498.
Zu Nr. 26. Tankut, zu lesen Tangut. Über dies Gebiet s. Bonin, a. a. O.
S. 585. Hauptort dieses Landes war die Stadt Singanfu. der Fundort der
syrisch-chinesischen Insclirift vom Jahre 781. S. auch Marquart. Streif-
züge S. 88.
Zu Nr. 27. Die Metropolitie von lva.sghar war vom Patriarchen Elias III.
(11 76 — II 90) eingerichtet, s. Barthold, Zur Geschichte des Christentums
in Mittelasien S. 58.
Zu Nawäkäth am Issikkul s. MARyuARx, Eränsahr S. 82, 3 und Bartholr
a. a. 0. S. 38.
' Am Endo seiner Chronik ed. Gismondi S. 126. Varianten das. S. 132 und Asse-
MANi II. 458.
Zur Avsbreifuny dfs Christentum.^ in Asien. 23
Die Verzeichnisse II. und III. sind im wesentlichen identisch und geben
uns den offiziellen Umfang des nestorianischen Christentums zur Zeit des
Patriarchen Timotheos (780 — 823), des Sammlers der Konzilakten. Auch I.
stimmt damit überein, abgesehen davon, daß f>s durch die Erwähnung von
Barda'a das Vordringen des Nestorianismus in den Kaukasus andeutet.
Nr. IV, das zweite Verzeichnis des Ebedjesu, niaehr mehr den P^indruck
einer persönlichen Arbeit teils durch die Nomenklatur, teils auch dadurch,
daß es die Verbreitung durch den Seeverkelir berücksichtigt. Die jüngste
Liste, Nr. V, verfaßt etwa 100 Jahre nach der Vernichtung des Chalifats
von Bagdad, enthält wiederum den alten offiziellen Bestandteil, vermehrt
durch mehrere späterhin von der Mission erreichte Gebiete im mittleren
und östlichen Asien. Sie entstammt vermutlicli dem Archiv des Patriarchats.
In dem Wandel der Verzeiclinisse der Hyparchien s])iegelt sich der
Wandel von Wörtern und Dingen. Die ältesten kennen nur altaramäische
Naraensformen wie Beth Hüzäje, Beth Räzikäje, Beth Arbäje, Beth Katräje,
Hedhajjabh, Maisän, Betli Garmai. In der Folgezeit treten an ihre Stelle
biblische Namen, die der syrischen Bibelübersetzung und den exegetischen
Studien der Schule von Nisibis entstammen. Elam statt Beth Hüzäje, Sobä
statt B^th Arbäje. Tömän statt Maisän, Athör statt Hedhajjabh, und in der
jüngsten Periode nehmen arabische Namen die Stelle der aramäischen ein,
Beth Räzikäje wird Rai, 3Iaisän Ba-sra, Elam Gundisäbür, Athor Mosul,
Orhäi Alruhä. Neben dem Wandel der Namen zeigt sich in diesen Ver-
zeichnissen auch der Wandel der Dinge. }}ei Ebedjesu ist die alte Kirchen-
provinz Adiabene noch eine Einheit, im ersten Verzeiclinis als Athor, im
zweiten als Arbela-Hazzä-Athor-Mosul bezeichnet, dagegen sind bei Amr
zwei Provinzen daraus geworden, die eine Mosul- Athor, die zweite Arbela-
Hazzä genannt. Wir müßten danach annehmen, daß die Zweiteilung der
Provinz zwischen der Zeit des Ebedjesu und derjenigen des Amr statt-
gefunden hat, also zwischen 13 16 und der Zeit bald nach J350.
Anhang.
Im folgenden gebe ich in Text und Übersetzung eine Stelle aus Der
Rechtswissenschaft des Christentums von Ibn Altajjib (s. oben
S. 8), welche der vatikanischen Handschrift Borgiano 153. Blatt iq8b. ent-
nommen ist.
24 S A C H A u :
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Aioj J^_ jl ji.'U^ ■w^U'lj jJirU-l jjl j-j, 4^l^_ jl jl>41i --i^^^ l>_ |j -^1 J»j
Übersetzung.
» Wenn die Diözese eines Erzbischofs ausgedehnt ist und große Städte
hat, kann der Patriarch sie über mehrere Erzbischöfe verteilen zum Nutzen der
Behütung des Glaubens, wie Timotheos mit dem Thron von Damaskus getan
hat wegen der Verschiedenheit der Glaubensansichten im I^nde Syrien. Der
Kanon der Väter ermächtigt den Patriarchen, Erzbischöfe einzusetzen, wo
er will. Der Thron des Ostens (Seleucia) ist abgeleitet von dem Inhaber
(des Thrones) von Antiochia, als der Osten dem Papa übergeben wurde.
Anordnung der Throne der Erzbischöfe nach der zeitlichen Reihen-
folge ihrer Wahl bei der Gründung. Papa ernannte (Erzbischöfe) zuerst für
Gundisäbür,
Nisibis,
Basra,
Mosul.
Zur Zeit der 3 1 8 Väter (des Konzils von Nicäa) verlangten die Garamäer
von Simeon Bar Sabbä'e einen Erzbischof, den er ihnen auch gab.
Zur Ausbreitung den ChrL<itentums in Asien.
zo
Zur Zeit des Katholikos Isaak wurden die Erzbistümer eingerichtet
in der Persis und in Merw.
Zur Zeit der Jesujabh (Isö'jabh) wurden ?>zbistünier eingerichtet in
Hulvän.
Herät,
Samarkand.
Indien,
China.
*
Timotheos hat sechs Erzbistümer eingerichtet, von denen drei erlosclien,
drei noch vorhanden sind. Zu letzteren gehören
Armenien und
Rai.
Der Katholikos kann, wenn der Thron eines Erzbischofs erloschen ist,
ihm den Thron eines seiner (des Erzbischofs) Bischöfe verleihen. So hat
der Katholikos Sabhrisö', als (der Sitz des Erzbiscliofs von) Garamäa ver-
ödet war, ihn auf den Thron von Sahrazür gesetzt, weil dort kein Bischof
war. Als dann die Leute von Sahrazür baten, ihnen wieder einen Bischof
zu geben, wurde ihm (dem früheren Erzbischof von Garamäa) noch ein
Teil (der Diözese) von Khänigär, der nämlich einen Bischof hatte, unter-
stellt; als aber letzterer gestorben war, gehörte ihm das Ganze (d. h. sowohl
das Bistum Sahrazür wie ein Teil des Bistums von Khänigär). So ge-
schehen in den Tagen des (Katholikos) Sergius.
Wenn der Thron eines Bischofs, der ursprünglich Erzl)ischof war (•'),
vakant ist und der (zuständige) Erzbischof aus Habgier es versäumt, nüt
Hilfe der Gemeinde einen andern (Bischof) zu ernennen, dann soll der
Katholikos ihn dazu antreiben (1. <^ statt <^). Wenn er es dann tut,
ist es gut; tut er es nicht, so ernennt der Katholikos eine geeignete Person
und befreit sie (von der Oberherrlichkeit) jenes Erzbiscliofs so lange, bis
dieser sich bekehrt und Buße tut.
Wenn ein Bischofsthron, über den ein Erzbischof zu verfügen liat,
vakant wird, wenn seine Diözese in der Nähe des Erzbischofs liegt und
die Zahl seiner Bewohner für einen Bischof nicht ausreicht, dann kann
der Erzbischof die Diözese in seine Verwaltung nehmen, nachdem er di(>
Erlaubnis des Katholikos dazu eingeholt hat. Der Katholikos kann überall
binden und lösen (d. h. hat souveräne Gewalt).«
Fhil.-hisl. Al,l,. mm. Nr. I. .. A
2g S A (' II A i; ;
Von den Bistümern.
Bei dem Versuch einer Übersicht über die Bistümer der nestorianischen
Christenwelt ist zunächst das Augenmerk darauf zu richten, wann das Da-
sein eines Bistums bezeugt wird, wann es zuerst auftritt und wann es noch
als bestehend nachgewiesen werden kann, und zwar innerhalb des Zeitraums
von den Anfangen bis in die Zeit des Amr Ibn Mattä, d. i. bis in die Mitte
des 14. Jahrhunderts. Wir folgen in der Ordnung der Kirchenprovinzen der
offiziellen Reihenfolge, soweit es eine solche gab.
Kirehenprovinz Babylonien.
Die Katholikats-Provinz hieß offiziell B6th-Armäj6, Aramäer-Land, Ara-
mäer-Heim. Die Sprache der Aramäer ist die Kirchensprache des gesamten
orientalischen Christentums geblieben bis auf den heutigen Tag und bis in
die Grenzen Chinas, womit aber nicht ausgeschlossen war, daß man auch
Übersetzungen der Bibel in andere Sprachen Asiens versuchte'. Wie lange
sie sicli als Volkssprache in Babylonien erhalten hat, ist noch nicht unter-
sucht. Beachtenswert in diesem Zusammenhang ist, daß noch ein arabischer
Sprachgelehrter des 6. Jahrhunderts d. H., Algawäliki, gest. 1145, ein Bei-
spiel der babylonischen Bauernsprache- seiner Zeit anführt, um sich darüber
lustig zu machen.
Bistümer.
I . Selcucia am Tigris, das Bistum des obersten Bischofs oder Ka-
tholikos, genauer Selevicia und Ktesiphon. genannt Mähoze = die Städte-
arabisch Ahnadä'in, sasanidisch Bih-Arda.sir, arabisiert zu Bahurasir. Das
Christentum in Seleucia-Ktesiplion geht bis in die Partherzeit zurück. Bald
nach dem Dynastiewechsel 224 wurden den Christen daselbst von den Vor-
stehern der älteren Gemeinde Arbela Geistliche geweiht, zuletzt Päpji (s. Chr.
Arbel. S. 69). Im südlichen Teil des Stadtgebietes von Seleucia lag eine
' Wie sich aus einigen TurfVm-P'unden ergibt.
- Kr bezeichnet sie als Nabataeisoh (Mu'arrab S. 67, 3(1'.) O^jtäoA hS» 1jwm3 2-^ =
J^ ^ 0^-5 V »Keine P^iircht vor dem Kamel«.
Zur Auübrcltv iKj dfs Cliristcntiuns in Asieit. 27
Ortschaft, genannt Kökhe, deren Kirche die Zentralkirche der uestoriani-
schen Christenwelt, die Katholikatskirche war. In ihr mußte der neuge-
wähltc Katholikos proklamiert werden, und diese Sitte wurde auch dann
noch beibehalten, als der Katholikos längst nicht mehr in Kökhe, sondern
in Bagdad residierte. In der Kirclie von Kokhe wurden in alter Zeit die
großen Konzilien abgehalten, und dort, vermutlich in einem Nebenhau des-
selben, war die Wohnung des Patriarchen des Ostens und ist es bis in
die Zeit der älteren Abbasiden geblieben, abgesehen von einigen durch Ver-
folgungen verursachten Unterbrechungen. So residierte Patriarch Henäniso'
während der zweiten Amtshälfte seiner Amtsführung von 694-701 im
Jona-Kloster bei Mosul, dessen I-age durch das heutige Nebi Jünus ange-
geben sein dürfte, und Patriarch Abhäll (742 — 752) verließ Seleucia, wohnte
eine Zeitlang in Wäsit, Kilfa und I.Iira, um schließlich nach Seleucia zurück-
zukehren. Der Patriarch Iso jabh aus Hazza (850 — 860) Höh vor Mißhand-
lungen aus Kökhe nach einem Jakobs-Kloster In Bä-'Abhe im Gebiet von
Mosul und im folgenden Jahrhundert lebte Patriarch Mär Man (987 — 1000)
eine gewisse Zeit in Anbär (heute Feilüge). In den Zeiten, als die Chalifen
nicht in Bagdad, sondern in Samarrä residierten (von 838-883), sind die
Patriarchen dem Hofe vielfach dorthin gefolgt.
Derjenige Katholikos, der zuerst während de.s größten Teils seiner Re-
gierung außerhalb von Kökhe residiert zu haben scheint, dürfte Timotheos 1.
(780 — 823) gewe.sen sein. Er wohnte zuerst auf einem Landgut, genannt
Umm-(ia'far, dann in dem Kloster Krone Jesu (Kelil Isö ) in Bagdad. Welches
die letzte Katholikos-Proklamation war, die in Kökhe stattgefunden hat, ist
mir nicht bekannt. Noch im Jahre 1028 wurde Katholikos Elias I., nach-
dem er in Bagdad gewählt war, sofort nach Kökh^ geführt und dort in
der Kirche proklamiert.
Die Verdi-ängung des Katholikos aus den Reichszentren Seleucia und
Bagdad, hauptsächlich in der Richtung nach Norden, ist ein Zeichen des
Rückganges des Christentums, verdient aber auch Beachtung für die (be-
schichte der nestorianischen Literatur, denn das Patriarchatsarchiv in Kökhe
dürfte zahlreiche literarische Schätze besessen haben und diese sind, wenigstens
zu einem Teil, durch die einzelnen Etappen' mit nach dem Norden gewan-
dert. Die Geschichte der weiteren Entwickelung und Wanderung des Ka-
' I ?68 verlegte der Kntboliko.s seinen Sitz luich Arbela, 1 27 i nach Usni'i in Adharbaij^än.
28 S A i; H A V :
tliolikats, bis es 1780 in Kocanes bei Gulamerg- eine feste Heimat gewonnen
hat, verdiente eine eingeliende Untersuchung. Vgl. Assemani, B. Or. III. II
S. 428. 429.
2. Mähözä Hedhattä (=- Neapolis), arabisöh Riimijja, eine von Khusrau
Anösarwän im Jalire 540 für Kriegsgefangene aus Antiochien gegründete Stadt.^
In den Konzilakten erscheint ein einziges Mal als Mitglied des Josefkonzils
von 554 ehi Clodianus, Bischof-Metropolit von Mähoze Hedhattä, aber diese
Unterschrift ist nicht ohne Grund von ('habot (Syn. Or. S. 366) angezweifelt,
denn es ist auffallend, daß der Bischof einer neugegründeten Stadt sofort
als Metropolit-P>zbischof bezeichnet wird, und außerdem erwartet man an
der betreffenden Stelle die Signatur des Bischofs-3Ietropoliten von R6w-
Ardasir oder desjenigen \ on Mesene. Der syrische Text zeigt indessen keine
Spur einer Verderbnis, es ist daher mit der Möglichkeit zu rechnen, daß
in der Erhebung der vor 14 Jahren gegründeten Stadt zu einem Erzbistum
eine Laune ihres kaiserlichen Gründers zutage tritt. Dies Neu-Antiochien
lag nicht weit gegen Süden von Ktesij)lion entfernt. In Marjusid-alittilä' I, 492
heißt es: «Rümijja, eine Ortschaft in Almadä'in, verödet«, womit wohl ge-
sagt sein soll, daß sie noch innerhalb des großen Gebietes, das die Doppel-
stadt Seleucia-Ktesiphon einmal eingenommen hatte, gelegen war.
3. Elias Damascenus (um 893) erwähnt in seinem Verzeiclmis der
zur Katholikatsprovinz gehörigen Bistümer ein J*i/* j_-^ Hercules-Kloster,
was verschrieben ist für J»^ j_^ Ezechiel-Kloster. »Ein solclies Kloster
lag im Bezirk Nu'manijje, s. Masüdi, Murüg 8, 198, wo statt J»^ yJ zu
lesen ist J'j> j'-i und Ja'kübi (Bibl. Geogr. VII) 321, 21 j-i O-'LiC!! oa« jj
(>1»lH ^U)_ ■KJ (_$ jll Jiiy- « (Mitteilung von B. Moritz). Der Bezirk Nu'manijje
lag im Nordosten Babyloniens zwischen dem Tigris und dem Grenzgebirge.
4. Beth-Deräje, arabisch Bä-Daräjä, das heutige Bedre unfern der
persischen Grenze, nördlich von Küt El'amära, noch jetzt eine nicht un-
bedeutende Ortschaft, unter der türkischen Regierung der Sitz eines Mudirs.
Es gehörte in sasanidischer Zeit zur Landschaft Nahrawän (Nihrawän),
so genannt nach einem Kanal dieses Namens östlich vom Tigris und unter-
halb des Dijälä. Die Landschaft umfaßte das ganze Gelände vom Tigris
bis an die persischen Grenzberge etwa von der Breite Bagdads südlich
bis über Beth-Küsäje (s. Nr. 5) hinaus und war eingeteilt in fünf Gaue,
Ober-, Mittel- und Nieder-Nahrawän, Beth-Deräje und Beth-Kusäj^. Von
nnderweitigen Ortschaften Nahrawans erwähnt Jäküt IV. 846 die folgenden:
Zur Auftbreituny deü Christcn/iniis in Asii'ii. 29
Iskäf, Gargaräjä, Alsäfija und Dair-Kunnä (s. Nr. 6). Diese Gegend sclieint
frOli christlich geworden zu sein, es ist zusammen mit den südlicheren
Diözesen Mäsabadhän und Saimara das Missionsgebiet des 308 martyrisierten
Pethion'. In den Konzilakten erscheinen Biscliöfe von Beth-Deräj^ in den
Jahren 420 bis 790. Ein Bischof von Beth-Deräje war noch bei der Wahl
der Patriarchen Elias aus Karkh-Guddän im Jahre I02 8«beteiligt.
5. Beth-Küsäj6, arabisch Bä-Kusäjä, Ürtsciiaft und Gau im südlichsten
Teil der Landschaft Nahrawän, jetzt nicht mehr vorhanden und nur noch
in Ruinen südöstlich von Bedre am Tschengula-Fluß nahe der persischen
Grenze nachweisbar. In älteren Zeiten scheint liier kein Bistum vorhanden
gewesen zu sein, denn in den Konzilakten wird ein solches niclit erwähnt,
aber M b S berichtet S. 104, daß ein Bischwf von Bä-Kusäjä — ebenso
wie derjenige von Bä-Daräjä — im Jahre 1028 an der Wahl des Katholikos
Elias von Karkh-Guddän teilgenommen habe. Wegen Unterstellung des
vereinigten Bistums Bä-Daräjä und Ba-Küsüjä unter den Bischof von Kaskar
s. weiter unten S. 3 i .
6. Kunai uACJb (Aussprache ungewiß), arabisch Dair-Kunnä und Dür-
Kunnä, gehört ebenfalls zur Land.schaft Nahrawän, 16 Farsakh unterhalb
von Bagdad, nach Jäküt (gest. 626/1229) eine Meile ostwärts vom Tigris
gegenüber Algudaida entfernt, während es nach Ibi\ Serapion, der nach 945
sclirieb, am Tigris lag. Es galt als das Kloster des angeblichen Apostels
von Babylonien Mär Märi' und war seinerzeit eine berühmte Kloster.schiüo
(J^-V j_^i , oy^"^^ Jj^). Im Anfang des 14. Jahrhunderts war es verödet,
aber immer noch Wallfahrtsort der Christen (nach Maräsid-alittilä' 1, 437,
verfaßt von dem 1338 gestorbenen Safi-aldin).
Ein Bischof dieses Ortes wird in den Konzilakten nur ein einziges
Mal in den Verhandlungen des DädhisA'-Konzils des Jahres 424 erwähnt.
Später verschwindet dies Bistum und soll nach Assem.vni, B. Or. III. II S. 741
mit dem Katholikatsbistum vereinigt worden sein.
7. Gokliä, Gaukai, eine babylonische Landschaft nahe den östlichen
Grenzbergen, die ich nicht näher zu begrenzen weiß (Jäküt s. v. '^yr),
wird bei Thomas von Marga (Book of governors ed. Budge II, 564) als ein
Bistum seiner Zeit (um 840) erwähnt.
' HOFFMANN S. 61.
' Siehe AbM .S. i.
30 S A CH A u :
8. Zäl)lie, arabisch Alzawäbi, eine Landschaft im östlichen Babylonien
auf dem Westufer des Tigris zwischen Bagdad und Wäsit, angrenzend an
das Katholikatsbistum, mit dem Hauptort Alnu'msinijja, das am Tigris auf
halbem Wege zwischen den genannten beiden Städten lag.
Zur Erklärung der Pluralform Zäbhe bemerkt Jäküt II, 903, »es gebe
zwischen Hagdad* und Wäsit zwei Kanäle des Namens Zäb, den oberen
bei Küsän, der nach seiner Meinung aus dem F.uphrat abgeleitet sei und
sich bei Zurfämija in den Tigris ergieße; der Hauptort dieser Gegend sei
das am Tigris gelegene Alnu'mänijja ; und den unteren, dessen Gebiet
sein Zentrum habe in dem nahe bei Wäsit gelegenen Nahr-Säbus. An
jedem dieser beiden Zäb liege eine Anzahl von Ortschaften«. Zu den
topographischen Einzelheiten bemerkt Jäküt. daß Küsän ein Gau und Kanal'
zwischen Alnu'mänijja und Wäsit, daß Zurfämija oder ZurlVmija eine große
Ortschaft im Gau Küsän, aber zu seiner Zeit verödet, und daß Nahr-Säbus
ein Kanal sei, der eine Tagereise oberhalb von Wäsit fließe. Hierdurch
ist die Südgrenze des Bistums Zäbhe südwärts als über die Einmündung
der Satt-Elhai in den Tigris hinausgehend, wo es an das Bistum Kaikar
stößt, nachgewiesen.
Bischöfe von Zäbhe begegnen in den Unterschriften der Konzilakten
in den Jahren 420 bis 790. Zu späteren Zeiten wird das Bistum auch
nach seinem Hauptorte als Alnu'mänijja bezeichnet, erscheint zuweilen ver-
bunden mit einem Bistum Alnil und einmal außerdem noch verbunden
mit dem Bistum Bä-Daräjä (s. Nr. 3) unter dem Katholikos Elias 11. Ibn
Almukli I 1 1 1 — 1 132 (s. M b S S. 129). Es ist ein Zeichen eines bedeu-
tenden Rückganges des Christentums in jenen Gegenden, daß drei Bistümer,
zwei innerbabylonische und ein nahrawanisches, unter einem einzigen Bischof
vereinigt wurden. Das Bistum Zäbhe läßt sich durch die Angaben der
Patriarchenchroniken von Märi und Amr bis in das F^nde des 12. Jahr-
hunderts nacliweisen. Späteste Erwähnung unter dem Katholikos Elias III.
Abü-Halim 11 76— 11 90 bei A b M S. 65.
9. Kaskar, arabisch Kaskar, Landschaft und Stadt im südöstlichen
Babylonien, unter den Sasaniden Khusrau-säpür genannt. In jenen Zeiten
scheint die Landschaft die größten Teile von Süd- und Ostbabylonien so-
wie auch von Mesene umfaßt zu haben (s. Jäküt 4, 274; Maräsid 2,497).
Die Manisifl II. 459 nennen diesen WasserlaiiC JlI!| ia~ .
Zur Ausbi-eitung des Christentums in Asien. 81
Üie Stadt Kaskax pflegt mit dem von Alhaggäg gegründeten Wäsit gleich-
gesetzt zu werden; sie dürften nalie beieinander gelegen haben, denn sie
werden als zwei verscliiedene Ortscliaften genannt, Kaskar und W<äsit
(z. B. bei M b S S. 109). Die Ruinen der Stadt Wäsit liegen in dem Winkel
zwischen dem Satt-Elhai und dem Tigris unfern der heutigen Stadt Küt-Elhai.
Das Christentum in Kaskar ist durcli die Unterschriften seiner Bischöfe
in den Konzilakten der Jahre 410 bis 790 bezeugt. Ein noch älterer Bischof
von Kaskar namens P]bedjesu wird in der Chronik von Seert I, 236 als
Zeitgenosse von Papa (gest. 326) und Mäni erwähnt. Der Bischof von Kaskar
spielte in der Hierarchie eine bedeutende Rolle, da er der erste unter
den Bischöfen der Katholikatsprovinz war und den Katholikos in Vakanz-
zeiten zu vertreten hatte (nach den Bestimmungen des Isaak-Konzils vom
Jahre 410, § XXI).
In den Akten des Henänisö'-Konzils von 775 wird mehrfach ein Bi-
schof von «^äolÜrakli?, Örekh? und Kaskar augefülirt (Syn. Or. S. 5i6ft'.).
Wenn, wie Chabot annimmt, Urakh dasselbe ist wie das biblische !T"is
■ t
■■Op^x, 'Opxohi, die heutige Ruinenstätte Alwarkä, dann muß sie also noch
in altabbasidischer Zeit bewohnt gewesen sein. Daß dies in parthischer
Zeit der Fall war, haben die Ausgrabungen gelehrt. Die arabischen Geo-
graphen bezeichnen Alwarkä. als zum Gebiet von KaAkar gehörig'.
In späteren Zeiten begegnet das Bistum Wäsit einmal verbunden mit
einem Bistum Alkubbe durch den Katholikos Ebedjesu aus Karkh-dluddän
963 — 986 (MbS S. 92). Nach Elias Damascenus (Assemani B. Or. III. II,
733; 11,458) war zu seiner Zeit das vereinigte Bistum Bä-Daräjä — Bä-
Kusäjä unbesetzt und die Verwaltung dieser Gemeinden dem Bischof von
Ka.skar übertragen. Die späteste Erwähnung der Bistümer Kaskar in den
Patriarchenchroniken findet sich im i 3. Jahrhundert unter dem Katholikat
des Makklkhä II. 1257 — 1265 bei AbM S. 69.
10. Abdäsi, als ein Bistum der Katholikatsprovinz erwähnt von Elias
Damascenus (Assemani II, 458). Nach Jaküt war Alxlasi ^_g^■■^^ arabisiert
aus t.s*-'^-^', der Name eines Landgutes (oder einer Burg) im Gau von Kas-
kar, zerstört von den Arabern. Der Name sei aber dann als Bezeichnung
für die umliegende Kulturlandschaft geblieben. Abda.si wird bei Tabari
' Das hier besprochene ^So2 ist daher verschieden von dem Berge. Gchirgo &03o2
im Lande BÄth-Garmai, s. Jesudenal.i S. 231 Nr. 10, Text S. 5 Z. 14.
32 Sachat:
in den Ereignissen der Jahre der Flucht 145, 200 und 267 erwähnt; es
lag südlich von Wäsit (Tabari III, 985) und ist den arabischen Geographen
Ja'kübi, Istakhri, Ibn Haukai und Mukaddasi wohlbekannt. Es geliörte
zur sasanidischen Provinz Dasti-Maisän und lag nicht weit von Almadhär
(Ibn Roste S. 94. 95), vgl. auch Ibn Kliordädbeli S.TTn,5 ^-^^ ■
1 1 . Alkasr und Alnahrawänät. Dies Bistum lag vermutlich im süd-
lichsten und südwestlichen Babylonien, nicht weit von den Grenzen der
Sumpfregion Albatä'ili entfernt. Die Form Nahrawänät ist sonst nur be-
kannt als Bezeichnung der drei Teile des Gebietes Nahrawän (s. Jäküt 4,
846, 20) östlich vom Tigris und nördlich sowie südlich der Breite von
Seleucia (s. oben Nr. 4 S. 28). Das hier gemeinte Nalirawänät dürfte da-
gegen die Landschaft am Nahrawän-Kanal (Fluß?) bei der Stadt Nahrawän
bezeichnen; beides lag südlich von Wäsit (s. ZDMG. 39, S. 9. Z. 5. 6. 24,
auch S. 2, Z. loft'.j. Die Stadt Alkasr lag am Sürä-Kanal, zwei Meilen von
Sürä entfernt (das. S. 7. 21).
Das Bistum Alkasr allein wird bezeugt in den Patriarchenchroniken
im 1 1. Jahrlmndert unter Johannes IV. Ibn Ezechiel 102 1 — 1026, Elias
von Karkh Guddän 1028 — 1049, Johannes VIII. Ibn Tii'gbäl 1050— 1057
und Ebedjesu Ibn Al'ärid. 1074 — 1090.
Das Bistum Alnahrawänät allein erscheint unter Patriarch Johannes,
Ibn Al'a'rag 900 — 905.
Das kombinierte Bistum Alka.sr und Alnalirawänät wird im 11. und
12. Jahrhundert erwähnt. Die Patriarchen Isö jabh Dürkönensis (102 1 bis
1026) und Johannes Ibn Tirgbäl (1050 — 1057) waren Bischöfe dieses Bis-
tums, bevor sie zu Patriarchen gewählt wurden. Letzte Erwähnung unter
Elias II. Ibn Almukli 1 1 1 i — i i 3 2 .
12. Niffar (Nuffar). In späten Zeiten erscheint in den Patriarchen-
chroniken ein Bistum dieses Namens, unter Joliannes Ibn Al'a'rag 900 — 905,
Mari Ibn Tübä 987 — 1000, Sabhrlso* Zunbür 1063 — 1072 und Ebedjesu
Ibn Al'ärid 1074 — 1090. Die Ortschaft dieses Namens ist der durch die
Ausgrabungen bekannt gewordene Trümmerberg. Nach 3Iaräsid III, 207.
22 1 lag er an einem Kanal Nars, der von dem Sasaniden Narses, Sohn
des Bahräm (293 — 302), gegraben und aus dem Euphrat abgeleitet war.
Dies niittelbabylonische Bistum erscheint an einer Stelle verbunden
mit einem andern Gebiet als ^Ül^ > Niffar und Alnil bei MbS 114
unter Katholikos Ebedjesu Ibn Al'ärid (1074 1090). Über die Lage dieses
Zur Aiisbreitung des Christentums in Asien. 33
Ortes sagt Jäküt IV, 86 1; »Alnil, eine kleine Ortschaft in der Marsch von
Küfa, unfern Hillat-Bani Mazjad, durchflössen von einem großen Kanal,
der aus dem Euphrat abgeleitet ist, gegraben von Alhaggäg Ibn Jüsuf und
benannt Nil-Misr. Nach anderer Ansicht sei dieser Kanal von Sarät-Gä-
mäsp abgeleitet.« Dieser Angabe fügen die Maräsid III, 260 das P'olgende
hinzu: »Er (der Nil-Kanal) ist die Hauj^twasserader des Bezirks von Küsän,
der sein überflüssiges Wasser imterhalb Alnu'mänijja in den Tigris gießt.«
Die Ortschaft Alnil dürfte erhalten sein in dem heutigen Alnilijja, der
Kanal in dem ausgetrockneten Satt-Alnil, vgl. DMG. 39, 3. 8 und L. Mas-
siGNON, Mission en Mesopotamie (1907 — 1008) tom. I S. 55 und die Tafeln
I. 51. 52. Alnil als Bistum grenzte vermutlich im Süden an das Bistum Niff"ar.
13. Alnil, ein innerbabylonisches BLstum, über dessen Lage s. unter
Niffar (Nr. 1 2), mit dem es zuzeiten vereinigt war. Es wird im 11. Jahr-
hundert erwähnt unter Elias aus Karkh-Guddän 1028 — 1049, Sabhrisö'
Zunbür 1063 — 1072 und Makkikhä I. 1092 — i 108. Unter letzterem waren
einmal die drei Bistümer Alnil, Alnu'mänijja, d. i. Zäbhe und Bä-Daräjä
(s. Nr. 4 und 8) vereint (s. MbS 129).
Über die Ruinen von Nilijja und den Kanal Satt-Alnil, an dem die
Ortschaft lag, s. Sarre und Herzfeld. Archäologische Reise im Euphrat-
und Tigris-Gebiet S. 233 — 249 und die Tafeln XXXII bis XXKIV; eine Ab-
bildung aus älterer Zeit bei Loftus, Travels and researches 1857 S. 82.
14. Hertha dhe-'['ajjäje, arabisch Alhlra, in Westbabylonien südöstlicli
von Meshed-Ali. Über die jetzige Beschafl"en]ieit des Platzes, den einst-
mals Hira einnahm, s. B. Meissner, Von Babylon nach den Ruinen von Iura
und Huarnak (Sendschriften der Deutschon Orientgesellschaft Nr. 2, Leipzig
1901) S. 18 und Massignox, a. a. O. S. 28. Während von den Fürsten Iliras
erst einer der letzten, Nu'män III. Abi't Kabüs unter Khusrau Parw^z (590
bis 628) das Christentum annahm', war in der Bevölkerung das Christen-
tum schon lange vorher verbreitet, und christliche Bischöfe von Hira werden
durch die Konzilakten schon in den Jahren 410—585 und .später noch
790 bezeugt. Dies Bistum bestand noch gegen Ende des 10. Jahrhunderts
unter Katholikos Mari Ibn '{uhk (987 — 1000) s. AbM 55. Für die Ver-
breitung des Christentums im Gebiet von Hira zeugen die zahlreichen Klö-
' G. Rothstein, Die Dynastie der Laljmidon in Al-Hii-a. Berlin 1899, S. 142; (Iiiidi.
<'hronicon anonymum S. 16.
Phil.-hist. Abh. 101!). Ar. 1. :,
;^4 S ACH Ar:
ster, die dort, vorhanden gewesen sind. S. die Aufzählung bei Massignon,
a. a. 0. S. 37 — 40.
15. Anbär = Perozsäpür, auch Anbär und Hit genannt (M b S 129),
das erstere auf der Ostseite des Euphrat. ungefähr der Lage des heutigen
Fellüga entsprechend, zugleich eine Landschaft, die sich unter den Sasa-
niden von Hit und Ana am Euphrat quer über Land bis nach Katrabbul,
einem nördlichen Vorort \on Bagdad unfern des Südendes des Dugail-
Kanals, erstreckte, während Mu'äwija Hit und Ana vom Gau Anbär trennte
und mit der Gezire (Innerbabylonien) vereinigte (Jäküt III, 929). Außer dem
ersten abbasidischen Chalifen Abü-Alabbäs Alsaffah residierte hier zuzeiten
auch Härün Alrasid. Als christliclies Bistum ist Anbär durch die Konzil-
akten aus den Jahren 420—576, 605 und 790 belegt. In den Patriarchen-
chroniken wird das Bistum Anbär oft erwähnt, allein zuletzt unter d€tm
Katholikos Ebedjesu Ibn Al'ärid 1074 — 1090, vereinigt mit Hit unter
Elias IL Ibn Almukli iiii — 1132.
16. Alkubba. Marl Ibn Sulaimän bericlitet folgendes (S. > ♦ i Z. 12. 13:
Übersetzung S. 92): »Der Katholikos Ebedjesu aus Karkh (iuddän (963 — 986)
verband den Thron von Alkubba mit Wäsit und setzte Albawäzig an seine
Stelle. Das gehörte damals zur Hyparchie Beth-Garmai. « Ich verstehe
diese Stelle so, daß der Katholikos das Bistum Alkubba aufhob, und die
Sorge der dort noch etwa vorhandenen Christen dem Bischof von Alba-
wäzig übertrug, der zugleich damit aus dem Verbände der Eparchie Belh-
Garmai losgelöst und in die Katholikatsin'ovinz übertragen wurde.
Albawäzig lag im äußersten Norden der Katholikatsprovinz am Tigris,
ebenso Alkubba am Euphrat, falls wir es mit Kubbat-Alküfa identifizieren
dürfen, das nach Jäküt IV. 33 eine Bezeichnung für Ort und Gegend AI-
rahba am mittleren Euphrat unfern Majädin war. Freilicli bleibt dabei uner-
klärt, warum Alkubba mit dem fernen Wäsit (Kaskar) vereinigt wurde anstatt
mit dem nächstgelegenen Bistum Anbär. Vielleicht dürfen wir mit diesem
Bistum Alkubba das Bistum Rahba, das AbM 57 unter dem Katholikos
Elias I. (1028 — 1049) erwähnt, identifizieren, über Rahba, jetzt gesprochen
Rahaba, und Majädin, s. meine Reise in Syrien und Mesopotamien S. 282.
Die drei nordba])ylonischen Bistümer
Ukbarä.
Maskin und
Alhazira
Zur AusbreitutKj rifs Chri'<tp)ihniis in :\sii')i. 35
können als die Du^ail-Bistümer bezeichnet werden, da sie entweder am üiigail
selbst oder jedenfalls in seinem Bewässerungsgebiet lagen. Der Kanal dieses
Namens dürfte das Gebiet von Takrit mit dem Norden von Bagdad \ev-
bunden, also eine Landschaft genährt haben, welche nach den heutigen
Verhältnissen ihren Hauptort in dem bekannten Beled hat. Ich glaube
nicht zu irren in der Annahme, daß das Bistum 'Ukbarä Bagdad, das Bis-
tum Alhazira Takrit am nächsten lag. jenes das nördlichste, dies das süd-
lichste war, während das Bistum Maskin eine nicht näher l)estimmbare
Mittellage zwischen beiden eingenommen haben dürfte. Die einzelnen Ort-
schaften zu lokalisieren scheint mir unmöglich, denn der Tigris hat hier
vielfach seinen Lauf geändert und die Kanäle sind verschwunden, wenn
auch vom Duijail vielleicht noch hier und da ein Stück sorhanden sein mag.
17. Ukbarä, .sasanidisch Buzurksäpür. nach Chr. Scert II, 221' von
Sapor I. (241 — 272) gegründet und mit griechischen Kriegsgefangenen Iic-
völkert, loFarsab von Bagdad gegen Norden entfernt. Vgl. Maräsid 11, 270.
Die Haiiptorte in dem Bistum waren Awänä ]ao2 und .Sarifin, und diese
sowie die Stadt Ukbarä selbst lagen so nahe beieinander, daß, wenn in
dem einen Orte der Gebetsruf erschallte, er in den andern gehört wurde
(Jäküt III, 384).
In den Konzilakten ist noch von keinem Bistum Ukbarä die Rode,
es erscheint erst in den Patriarchenchroniken von goo an. zuerst unter dem
Katholikos Sergius (860 — 872). zuletzt unter Sabhrisö' IV. (1222 — 1225).
18. Maskin, am Duirail-Kanal gelegen, und ursprünglich zu demselben
Kreise gehörig, zu dem Awäiui geliörte, d. i. zu Ukbarä (Marä.sid III, 98).
Zur weiteren Bestimmung der Lage von Maskin mag folgendes dienen : Es
lag nicht weit von Awänä am Duiail bei dem Katholikos-Kloster J:^''»-' >'.-
(Jäküt 4, 529). Dies Kloster lag westlich vom Tigris in der Breite von
Harbä, hart an der Grenze zwischen Babylonien und dem Gebiet von Takrit
(das. II, 650). Damit ist ein fester Punkt gegeben, denn Ilarbä" ist heutigen
Tages noch als Ruinenstätte vorhanden (s. meine Reisenotizen Am Euphrat
und Tigris, Leipzig 1900, S. 83 und Tafel III).
' Text verdorben, statt -1 ^'^•o-iy' lios -^yy—^-^J
' Nach Maräsid i. 295 lag Haihä im obersteii l'cil des Du;iai 1 - Gebietes
iJ^J i^\ cJ- Danach dürfte dci' Duy;ail nicht weit nördlich von Harba oder der Breiti'
des heutigen Belcd an."» dem Tigris abgeleitet gewesen sein.
36 S A c H A II :
Ein Bischof von Maskin wird unter dem Katliolikos Jöhannän Ibn
Al'a'rag (900 — 905) erwälint.
19. All.iazira »eine große Stadt im Gebiet von Bagdad gegen Takrit
liin, zum Dugail-Gebiet gehörig« (Jäküt 2, 292), »in der Nälie von Ilarbä«
(Maräsid I, 309). Hiernach sclieint es mir wahrsclieinlich, daß Alhazira
identisch ist mit jener ausgedehnten Ruinenstätte, die jetzt als Istabulät
bezeichnet wird (s. meine Reisenotizen Am Euphrat und Tigris, 1900, S. 83
und Tafel III). Das Bistum Alhazira grenzte im Norden an dasjenige von
Takrit. Es wird unter dem Katholikos Makkikhä II. 1257 — 1265 erwähnt
(bei AbM 69).
Es folgen mehrere tigritanische Bistümer, Tii'liän, Karm^, Sennä und
Beth-Wäzik.
20. Xrihän oder Xirhän mit dem Haui)tort Tegrith am Tigris, arabisch
Takrit. Über die Grenzen dieses Bistums s. Hoffmann, S. 191. In den Konzil-
akten sind Bischöfe dieser Landschaft bezeugt aus den Jahren 544 — 790 und
in den Patriarchenchroniken in den folgenden Jahrhunderten bis unter dem
Katholikos Makkikhä I. (1092 — i 108). Hier war es, wo das monophysitische
Christentum bald nach seinem Erscheinen am Tigris die Oberhand über das
nestorianische gewann.
21. Karme, d. h. die Weinfelder, eine Ortschaft gegenüber Takrit,
als Bischofssitz bezeugt in den Jahren 486, 497, 554. Ob vielleicht iden-
tisch mit dem Bistum Tirhän? —
2 2 Sennä oder Sennä dhe-Beth Remmän, arabisch Sinn-Bärimmä, auf
der Ostseite des Tigris, nördlich von der Stelle, ^Y0 der Tigris die Ilamrin-
Kette durchbricht und etwas südlieh von der Mündung des kleinen Zäh.
Bischöfe dieser Diözese erscheinen in den Konzilakten in den Jahren 576 bis
790, und in der Patriarchenchronik des MbS 112 noch im 11. Jahrhundert
unter Katholikos Ebedjesu Ibn Al'ärid (1074— 1090). Durch seinen Amts-
vorgänger Sabhrisö' Zunbür (1063 — 1072) wurde das nördlich angrenzende
Bistum Albawäzig mit dem Bistum Sinn-Bärimmä vereinigt (s. MbS i 10. 114).
Ein Simeons-Kloster in Sennä wird erwähnt bei Jesudenah, S. 258 Nr. 67.
23. Beth-Wäzik, arabisch Albawäzig am Tigris, nördlich von der Ein-
mündung des unteren Zäb in den Tigris. In den Konzilakten niclit erwähnt,
Avohl aber in späteren Zeiten unter Katholikos Phetion (731 — 741), Märi
Ibn Tübä (987 — 1000), Elias aus Karkh Guddän (1028 — 1049) und noch
unter Makkikliä II. (1257 — 1265).
Ziir Ausbn'ituiiij di's Clirisfrutums in Asien. 37
Albawäzig gehörte ursprünglicli zur H\ parchie Reth-Garmai, wurde dann
zur Katholikats-Eparchie geschlagen, jedenfalls vor 893, denn Elias Ganhari
von Damaskus kennt diesen Zustand schon (Assemani B. 0. II, 458).
Die folgenden vier Bistümer, 24 bis 27, deren bedeutendstes Hulwän
ist, liegen an der bekannten Heerstraße \on Bagdad- Hamadän. Babylon-
Ekbatana oder in ihrer Nähe. Daß sie zur Katliolikats-Provinz gehörten,
ist nirgends direkt überliefert, aber wahrscheinlich, denn zu der angren-
zenden Provinz Beth-Garinai gehörten sie nicht. Später wurde Hulwän
durch den Katholikos Isöjabh Geddäläjä (628 — 643) aus dorn Verbände
der Katholikats-Provinz ausgeschieden, zu einer neuen Kirchenprovinz, der
achten neben Susiana, Nisibis, Mesene, Adiabene, (Jaraniäa, Persis und
Margiana erhoben (s. oben S. 14). F^lias tiauhari zählt Hulwän als die
letzte, vermutlich jüngste, in seiner Rangordnung der Metropolitien auf
(s. oben S. 2 i).
24. Daskartä dhe Malkä, arabisch Daskarat-Alnialik, das heutige Eski-
Bagdad auf der Straße von Bagdad an die persische (Frenze bei Khänekin,
wird als Bistum in den Konzilakteu zweimal erwähnt, unter den Jahren
420 und 424, dann aber verschwindet es in der christlichen C^berlieferung.
25. Hulwän, begraben unter den Schutthügeln des Dorfes Sarpnl am
Flusse Alwän an der Straße Bagdad-Hamadan. erscheint als Bistum in
den Konzilakten in den Jahren 554, 585, 605 und wird bald darauf von
dem Katholikos I.söjal)h aus Geddälä (628 — 643) zum Erzbistum erhoi)en
(s. oben S. 19). In den Patriarchenchronikc^n ist ein Erzl)ischof von Hulwän
nachzuweisen von 900 unter Johannes V. Il)n ATaraif (900 905) l)is in das
12. Jahrhundert unter Elias Ihn Almukli (i i i i - i 132). Nur einmal finden
wir Hulwän mit Rai, der Hauptstadt von ()l)ermedien, zu einem Erzbistum
vereinigt unter Eltedjesu Um Al'ärici (1074 — 1090) (s. M b S 114).
26. Baläsfarr', BoAoreci»oPA, eine Ortscliaft in der Nähe von IJulwän,
wird als Bistum in den Konzilakteu der Jalire 424. 576 bezeugt, ver-
schwindet al)er dann in der Überlieferung. Der Katholikos Sabhrisö' (596
liis 604) l)emühte sich um die Bekehrung der Nomadenstämme der Gegend
von Baläsfarr (s. Labourt, Le Christianisme S. 21 i).
27. äuäoUbSS 2«S>i,T = die Gefangenschaft ((Gefangenenlager) von
Belä-sfarr, wird ein einziges Mal in den Konzilakteu im Jahre 424 erwähnt.
Das Gebiet von Balnifarr gren/te an Bt'lli-tjaniiai, s. .lesudenah S. 256.
38 S A (• hau:
Woher die Kriegsgefangenen stammten, die diesem Ort den Namen ge-
o-eben haben, ist nicht ü1)erliefert: vermutlich waren es Christen aus dem
Römerreich, die etwa während der vieljährigen Kriege Sapors II. dort an-
gesiedelt waren.
28. Über das bei AbM S. 57 erwähnte Bistnm Rahba s. oben
Nr. 16 S. 34.
Die Bistümer Babyloniens bildeten gleichsam einen Ring um das ganze
Land; sie lagen an den beiden Strömen östlich vom Tigris, westlich vom
Euphrat, im Innern zwischen den beiden Strömen, nordwärts am tluphrat
hinauf bis in die Gegend von Mejädin und nordöstlich an der Straße
nach Hamadän bis über ilulwän hinaus.
II.
Kirchenprovinz Susiana.
In Susiana, der heutigen persischen Provinz Khnzistän, deren Haupt-
lebensadern die beiden Ströme Karkhä und der im Unterlauf schiffbare
Kärim sind, liat das Christentum frühzeitig seinen Einzug gehalten und
sich weithin über das ganze Land verbreitet. Unter den Perserkönigen
a\is dem Hause Säsän war das Land in sieben traue eingeteilt, und die
Vororte von fünf dieser Gaue waren Sitze christliclier Bischöfe: Sük-al
Aliwäz, Tustar, Süs, Gundisäbür und Rämhormuz. Die Bezeugungen
dieses Christentums von der ältesten Zeit bis zum Jahre 410, von wo an
wir durch die Konzilakten über die einzelnen Kirchenprovinzon während
mehrerer Jahrhunderte sichere und fortlaufende Nachrichten erhalten,
sind folgende:
Nach der Arbela-Chronik S. 22 gab es um das Jahr 224 n. Chr.,
als die Herrschaft von den Parthern auf die Perser überging, in Susiana
schon zwei Bistümer. Beth Lapat = Gundisäbür und Hormizd-Ardasir =;=
Sük-al Ahwäz, jetzt Ahwäz genannt.
Nach der Chronik von Seert I, 226 soll der Bischof von Alahwäz
den Mäni zum Priester geweiht haben. Da letzterer unter Baliräm I.
(273 — 276) getötet ist, so mag diese Weihung etwa um 250, 260 n. Chr.
stattgefunden haben.
An der Weihung des Päpä zum Bischol' von Seleucia (etwa um 280)
war Bischof l.Iai-Be'el von Susa beteiligt (Chr. .Vrbel. S 6q).
Zi(r Audn-eitung des Chrhtentuvnn in Asien. H9
Zur Zeit, als derselbe sicli den Rang eines Oberbischofs über die ganze
Christenwelt im Perserreich zu erkämpfen bemüht war, tritt ihm als mäch-
tigster Gegner seiner Ansprüche Bischof Miles ijQ>«\jao von Susa entgegen.
neben ihm ein anderer susischer Bischof Abraham von Sustar (Tustar).
In der großen Verfolgung unter Sapor II. fiel neben dem genannten
Miles auch ein anderer susischer Bischof, Gadja])li von Gundisäbür 34 1 n. Chr.
der Kirche zum Opfer'. Susiana war das Ilaupttheater der Verfolgungen
und Hinrichtungen. In dieser Provinz sowie in ihrem Stammlande, der
Persis, verweilten die älteren unter den Sasaniden, während die späteren,
nach Ja'kübi S. 321 zuerst der große Anösarwan, ihr Zentrum in Seleucia-
Ktesiphon hatten. Die Verfolgungsperiode (340 — 379 und darüber hinaus)
bezeichnet eine tiefe Ebbe in der Entwicklung des Christentuiiis, viele Bis-
tümer werden zeitweilig unbesetzt geblieben sein. Mit dem Anfang des
folgenden Jahrhunderts beginnt dann ein neuer Aufstieg (unter Jezdegird I.
399 — 420), und zur Zeit der Verfassungsgründung durch die Konzilien von
410 und 420 waren schon fünf susische Bischöfe daran beteiligt.
Ein Kloster des Malkisö' in Elam s. im Klosterverzeichnis des Jesudenah
S. 268 Nr. 98.
Die beglaubigten Bistümer Susianas sind folgende :
1. Böth Lapat = Gundisäbür, Sitz des Metropoliten, der, wie bereits
oben 8. 15 erwähnt, kirchenrechtlich den ersten Rang nach dem Katholikos
einnahm. Die Stadt ist den arabischen Geographen bekannt, jetzt aber
nicht mehr vorhanden. Ihre einstige Lage wird markiert durch die Ruinen-
stätte Sähäbäd zwischen dem Trümmerfelde von Susa und der heutigen
Stadt Tustar". Die Konzile, an denen die Erzbischöfc von (iundisäbiir
teilnahmen, erstrecken sicli über die Jalire 410-585 und bis 790. In
späteren Jalirhunderten wird dies Erzbistum noch erwähnt unter den Pa-
triarchenjohannes Ibn Ara'rai> (900 — 905) und Märi Ibn Tt'hA (987 1000)'.
2. Karkhä dhe Lä<len* oder Karkhä, jetzt nicht mehr vorhanden, al)er
identifiziert mit den Ruinen von Iwäni-Karkli am Karkhä-Fluß, etwas
weiter flußaufwärts als Susa. Vielleicht war diese Stadt noch erhalten
in einem kleinen Orte U-^oder «j-j>. der bei Istakhri und Ibn Ilaukal er-
' Chr. Seert I, S. 236.
'' Der muhammedaiiische Dynast .la'kiil) Ibn Laitli Al.saflVir staib in Gundisäbür 879 n.Chr.
' A b M 48. 55-
' Keilschritlliob Ladinnii.
40 •'*' A <■ 11 --^ '* :
wähnt wird, von dem Mukaddasi 51. 405. 408 berichtet, daß er im Bezirk
von Susa liege. Die griechischen Kriegsgefangenen, die unter Sapor I. hier
angesiedelt waren, begruben die Gebeine des im Jahre 34 1 martyrisierten
Katholikos Simeon Bar Sabbä'e von Seleucia. Nach dem Verfall der Stadt
(wann?) wurden diese Kolonisten nach dem nahen Susa versetzt'. Die Be-
glaubigung dieses Bistums durch die Konzilakten erstreckt sich über die
Jahre 420 — 605.
3. Hormuzd-Ardasir = Sük al Ahwäz = Alahwäz, jetziger Hauptort
der Landschaft am untern Kärün. Bis dahin geht vom Satt-el Arab ab
die Schiffahrt, wird dort durch Felsen im Flußbett unterbrochen, aber ober-
halb von Ahwäz wiederaufgenommen. Als Bistum durch die Konzilakten
bezeugt in den Jahren 410 — 605.
4. Sustera = dem heutigen Tustar, als Bistum bezeugt in den Jaliren
410—605.
5. Süs :^ Susa, bezeugt in den Jahren 410—605. In späten Zeiten
finde ich dies Bistum noch unter Katholikos Makkikha II. (1257 — 1265)
erwähnt'.
6. Rämhormizd, heute Rämhormuz genannt, unfern der Grenze der
Persis, erscheint in den Konzilakten nur dreimal, in den Jahren 544,
576 und 585.
Über die kirchenreclitliche Zugehörigkeit der beiden Erzbistümer des
Karkhä-Tals, Mäsabadhän und Mihragänkadliak, finde ich aus älterer Zeit
keine Andeutung. Da aber Elias Gauhari^ das letztere zur Kirchenprovinz
Ahwäz-Susiana rechnet, so dürfen wir wohl für das erstere das gleiche
annehmen, da beide topographisch eng miteinander zusammenhängen und
von der übrigen Welt, so auch von der Katholikatsprovinz durch hohe
Gebirgsmauern getrennt sind.
7. Mäsabadhän Macasatikh. Das unwegsame, heutigestags meist von
Lür-Stämmen bewohnte obere Stromgebiet des KarkliA und seiner Neben-
flüsse sowie die im Norden angrenzende Gebirgslandschaft bis zu der
Straßenlinic Kasri Sirin llamadän führt in verschiedenen Teilen verschiedene
Landseliaftsnamen. Von NW nach SO der Längenrichtung der Gebirgs-
falten des Zagros folgend sind die folgenden Landschaften, meist durch
1 Chr. S(iert I, 288. 303.
2 AbM 69.
'■ ASSEJIANI II. S. 458.
Zur Ausbreitung des Chmtentums in Asien. 41
querriegelartige Bergfoi-mationen voneinander getrennt, zn unterscheiden:
Gilän, Zarn;i, Karäzän, Mäsabadhän, dieses vertreten durcli die beiden Land-
schaften Zangäwän und Sirwän, scliließlicli Saimara, auch Miluagänkadhak
oder Belli Mihrakäje genannt, mit dem heutigen Hauptorte Ambäri-Saimara
in dem südliclisten Teil des Stromgebiets, bevor der Sainiara-Karkhä in
die susische Ebene eintritt'.
Diese Gegenden sind das Missionsgebiet des hl. Petliion. Als Zeugen
des ältesten Christentums in Mäsabadhän erscheinen zwei Bischöfe in den
Konzilakten, einer bei dem Josefs-Konzil von 554 und einer bei dem Ezechiel-
Konzil von 576.
Ein Kloster, gegründet von Subhhäleniäran in Mäsabadhän, siehe in
dem Klosterverzeichnis bei Jesudenah S. 262 Nr. 79. YXw anderes Kloster
in Mäsabadhän, gegründet von Abraham, das. S. 282 Nr. 131.
8. Saimara-Mihragänkadhak' Beth Mihrakäjr. über die Lage dieses
Bistums s. unter Nr. 7. Als christliches Gebiet wird es schon im Jahre 420
in der Überschrift der Konzilakten dieses Jahres erwähnt, wahrscheinlich
als Bistum, doch ist dies nicht ausdrücklich angegeben'. Zwei Bischöfe
von Saimara sind unter den Zeichnern der Konzilien von 497, 576 und
585 mit Namen aufgeführt. Es ist zu beachten, daß unter dem Jahre 497
der Bischof Abraham von B6th Mihrakäje an zwei anderen Stellen als Bi-
schof von Beth Mihrakäje^ und Ispahau bezeichnet wird, damals also
die .später getrennten Bistümer vereinigt gewesen sein müssen'. In der
späteren Tradition verschwinden die beiden Bistümer Nr. 7 und Nr. 8,
was jedenfalls daraus zu erklären ist, daß diese Bergwildnisse für den
großen babylonisch-susischen Verkehr zu weit abseits lagen und für ihn
nur schwer zugänglich waren. Vielleicht hat erst die islamische Eroberung,
über die Albaladhiirl 307, 308 und Jäküt u. d.W. O^-^l. berichten, dem
Christentum im Karkhä-Gebiet ein Ende bereitet.
Außer diesen durch die Konzilakten bezeugten Bistümern werden noch
zwei andere erwähnt, die vermutlich Susiana angehören.
' Vgl. E. Herzfemi, Reise durch I.uristaii, Arabistan und Fars, in den Mitteilungen
Fetennanns Band 53 (1907), S. 49 ff.
■' Jäküt schreibt Mihrigän Kadhak und Kudhak.
' Syn. Or. S. 276.
* Syn. Or. S. 310, 311. 316.
mi.-hiHt. Ahh. HH'.t. Nr. I. li
42 S A c H A i; :
9. In dem Clironicon anonymum (ed. Guidi S. 36, 20. 21) wird ein
(Jeorg Biscliof von J^ol erwälint, der zur Zeit des Kalifen Omar (634 bis
644) von dem arabischen Eroberer Abu Müsä Alas'ari als Gesandter zu
dem persischen Befehlshaber Hormizdän geschickt und von diesem getötet
wurde. Die Kämpfe fanden statt in Susiana. Kurz darauf eroberten die
Araber Susa und plünderten ein in Susa gelegenes Schatzhaus, welches
das Haus Daniels genannt wurde. Es ist kaum möglich, in diesem Zu-
sammenhang nicht an das bei Daniel vorkommende "'b'S und das griechische
evAAioc, den Fluß von Susa (Karkhä), zu denken. Ob also vielleicht das
Bistum Ülai nur ein anderer Name für das Bistum Susa ist, der, wie
z. B. der Name Söbä für Nisibis, in den mit Bibelexegese beschäftigten
Kreisen syrischer Kleriker aufgekommen war?
Ein letztes, vermutlich susisches Bistum, das erwähnt wird, heißt
Dair Mikhräk. Nach der Chronik von Seert I, 221 war diese Ortschaft
von König Sapor I. in Mai.sän-Mesene gegründet, während Jäküt sie zu
Susiana rechnet'. Bei Ihn Roste S. 187 erscheint Dair Mikhrak in einem
Itinerar zwischen Wäsit und Sük al Ahwäz, 1 3 Farsakh von ersterem ent-
fernt (also etwa im Norden, Nordwesten von Susiana?)\
Wo nun auch dies Mikjiräk-Kloster gelegen haben mag, ist es, wenn
wir der Chronik von Seert glauben dürfen, schon in alter sasanidischer
Zeit vorhanden gewesen, denn sie erwähnt einen Bischof Andreas von
Mikhräk unter den Gegnern Päpäs und berichtet, daß ein berühmter Hei-
liger und Klostergründer, Abhdiso', der Apostel von (Jstarabien, durch
den Katholikos Tomarsd (d. i. etwa um 390 n. (.hr.) zum Bischof von Dair
Mikhräk geweiht worden sei (I. 1 236; I. II 311).
Es ist oben S. 38 darauf hingewiesen, daß die Provinz Susiana in
sieben Gaue eingeteilt war und daß fünf derselben zugleich als christliche
Bistümer nachgewiesen werden konnten. Ob auch die übrigen beiden Gaue,
deren Lage nicht bekannt ist. Nähr Tirä^ und »Altmark« J^l J>- christ-
liche Bewohner hatten, ist zur Zeit nicht zu erweisen.
' Jäküt 2, 695 jt—j^jä- JL^I ^ 3\j^ J^-
''■ Vielleicht identisch mit dem bei Mukaddasi 134, 13. 15 erwähnten i»l^l. Vgl. auch
De Goe.ies Anmerkung ixx Kudäma 225 1.
^ Nach Kudiima 242,7 lag Xahr Tirä unfern von Almadhär, und Almadhär, der
Hauptort des Gaus Maisän, lag am Tigi'is. Ja'kubi 322. 20. 21.
Zur Anshri'itung dex <7iristnitiii)i.'< i/i Aslt'ii. 43
III.
Kirehenprovinz Nisibis, Beth-'Arbäje.
Das Bistum Nisibis soll um 300 von dem 309 verstorbenen Bäbü
eingerichtet worden sein, und schon durch seinen ersten Nachfolger. Jacobus
Kdessenus, tritt es in der Kirchengescliichte jener Zeit bedeutungsvoll her-
vor. Nach der Chronik von Seert II, 277 soll er dem Konzil von Xicäa
beigewohnt haben. Weini wir der (Jhronik von Arbela glauben dürfen,
hatte Nisibis um die Zeit des Dynastieweclisels (226) zwar Christen, aber
aus Furcht vor den Heiden noch keinen Bischof, während nach der-
selben Quelle in einem abgelegenen Teil der späteren nisibenischen Kirchen-
provinz, in Zabdicene, der Gegend um Gezire. schon um das Jahr 100 ein
Bischof bezeugt wird. Als Grenzstadt zwischen zwei mächtigen Reichen,
bald römisch, bald persisch, spielte Nisibis für das östliche Christentum eine
hervorragende Rolle, im 5. Jahrhundert durch seinen Bischof Barsaumä (gest.
zwischen 492 — 495) und zur selben Zeit und später noch durch seine Schule,
aus der die meisten der fuhrenden (ieister jener Christenwelt hervorgegangen
sind.. In der Folgezeit wurde sie durch die Klosterschule von Dair Kunnä am
Tigris verdrängt und ersetzt. Die .Vusdehimng dieser Provinz auf beiden
Seiten des Tigris war eine sehr große, die tO])Ographischen Einzelheiten
lassen sich aber in den nördlichen- auch heute noch wenig bekannten Ge-
birgsländern nicht alle und nicht mit der wünschenswerten Sicherheit fest-
stellen.
Der Erzbischof von Nisibis hatte kirchenrechtlich die zweite Stimme
bei der Wahl des Katholikos in ."^eleucia. Im Mittelalter liat er dies Recht
einmal verloren, ich weiß nicht, aus welchem Grunde; die Wiederverleihung
desselben erfolgte unter dem Katholikos Sabhrisö' III. Zunbür 1063 — 1072'.
Im 14. Jahrhundert führte Ebedjesu den Titel Erzbischof von Nisibis und
.Vrmenien (s. hier Bistum Nr. 9). Ein großer Teil seiner Diözese lag auf
armenischem Volks- und Sprachgebiet.
Bistümer.
I. Nisibis. in der Literatur mit dem biblischen Söbha identifiziert,
ist in den Konzilakten in den Jahren zwischen 410 und 790 bezeugt. Die
dortige Gemeinde muß zu Zeiten eine bedeutende gewesen sein, da sie einen
A b M 58. 59.
44 S A c H A u :
solchen Prachtbau auffüliren konnte, wie die jetzt unter dem Sand- und
Schuttfehle begrabene Jakobs-Kathedrale. Im 3Iittelalter wird das christ-
liche Xisibis Seite]) erwähnt. Der letzte mir bekannte ^letropolit von Xisibis
ist der um die Literatur verdiente, im Jahre 131 8 gestorbene Ebedje.su.
Wann dies Erzbistum sowie überhaupt das nestorianische Christentum in
Nordostmesopotamien ein Ende genommen hat, ob es die Mongolen- und
Tatarcjistürme überlebt hat, ist nicht bekannt.
2. Arzon, Name der transtigritanischen Landschaft Arzanene zwisclien
dem Batman Su und dem Bohtan Su, und Xame seines Vorortes, dessen
Lage in einer Trümmerstätte am Jezidkhäne Su gefunden wird. Dies Bisümi
erscheint in den Konzilakten zwischen den Jahren 410 und 585 (vor 585),
und die Chronik \ on Seert erwähnt' einen Bischof Ma'nä von Arzon als
Zeitgenossen des 552 gestorbenen Patriarchen 3Iär Abhä, sowie einen Iso jabli
Bischof von Arzon, der s[)äter als der erste dieses Namens Katholikos war
(582 — 595). In späteren Zeiten" begegnet dies Bistum im 12. und 13. Jahr-
hundert unter den Patriarchen Barsaumä i 134 — 11 36, 3Iakkikh;i II. 1257
bis 1265 und Jabh'alähä Turca 1281 — 1317- In einer nestorianischen Hand-
schrift der Kgl. Bibliothek zu Berlin, die vielleicht im 16. (15.) Jahrhundert
geschrieben ist, erscheint das Bistum Arzon verbunden mit demjenigen
von Hesnä, d. i. Ilesnä dhe Kepe oder Hasankef auf dem Westufer des
Tigris.
3. Ostän d'Arzon oder Arzon de Beth Ostfin, d. i. übersetzt die Pro-
vinz Arzon oder Arzon des Provinzhauses oder des Hauses der Provinz,
ein Bistum unbekannter Lage, bezeugt durch die Konzilakten der Jahre 410^.
424, 554. Die eigentümliche Bezeichninig, ein Ausdruck der sasanidischen
A>rwaltung, kommt unter den Angaben bei Ibn Khordädbih und Kudäma
über diese Materie nicht vor, und ist mir auch sonst in der syrischen Lite-
ratur nicht begegnet. Daß er aber richtig überliefert ist, beweist sein von
Marquart nachgewiesenes Vorkommen im Armenischen bei Faustus von
' II, 155- 187-
- M b S 130, 131 ; Ab M 69, 72.
^ In § 21 der Konzilakten von 410 (s. Syn. Cr. S. 34, 8. 9) werden die beiden arzo-
nischen Bischöfe in fblgendei- Weise bezeiclinet: A^IodOXe ^Ofälo ,T^**.ttfPr^? ■iVj^i-T'^
■S^-ß>e23 2^.k3\.^ V0932p 3.aa.ttC>d.a2 An allen anderen Stellen ist *^^JQ3o23 2i^.Op
anstatt ^ÄOQ»o23 2^_0 \x überliefert.
Zur Ausbreitung des Christenhuiis in Asien. 45
Byzaiiz'. Das Wort ostäii, arabiscli istän ist im Sprachgebrauch der ara-
bischen Geographen die sasanidische Bezeichnung für Provinz.
4. Kubbe dhe Arzon, als Bischofssitz in den Konzilakten nur einmal
im Jahre 790 erwähnt. Die Lage dieses Bistums sowie des unter 3. ge-
nannten, und ihr Verhältnis zu dem unter 2. genannten Arzon ist nicht
bekannt. Man vermißt in diesem Zusammenhang eine Beziehung auf die
großen Städte jener Gegend, Söört und Bidlis, sowie auf die an Arzanene
angrenzenden Provinzen wie Kordyene. Eine der letzteren ist vielleicht
unter O.stän d'Arzon (hier Nr. 3) gemeint. Das Wort Kul)be bezeichnet
die konische Form des Bauernhauses, das in Syrien, in der Gegend von
Höms beginnend, weithin über die nordsemitisclien Länder verbreitet ist.
5. Beth Zabhdai = Zabdicene, die Tigrislandscliaft mit Gezire als
Hauptort'. Dies Bistum l)estand scJion 410 und bestand noch zur Zeit
des 13 18 gestorbenen El)edjesu. An dem Konzil von 497 hat ein Bischof
dieser Diözese teilgenommen. Im Mittelalter ist es l)ezeugt^, unter den
Patriarchen El)edje.su Ibn Al'ärid 1074 -1090, Barsaumä 11 34 — 11 36 und
Jesujabh V. Baladensis 11 48 — 1175. Letzterer führte, bevor er Katholikos
wurde, den Titel Bischof von (Jezire und Bä Zabdä.
6. Kardü, Gordyene. Tigrislandschaft südöstlicii von Zabdicene\ Drei
Inhaber dieses Bistums erscheinen l)ei den Konzilien der Jahre 424, 554
und 605, und die Chronik von Seert erwähnt II, 187 einen Bischof Bai-saumä
von Kardü um das Jahr 533. Erwähnungen dieses Bistums aus dem Mittel-
alter sind mir nicht l)ekannt.
7. B^th ."Moksäj^, Moxoene. Wenn in dem heutigen Namen des Ortes
Möks südlich vom Vän-See * der Name der alten Landschaft erhalten ist,
muß sie in jener Gegend um den Möks Su, einem Nebenfluß des Bohtan
Cai, gelegen haben. Bischöfe dieser Landschaft nahmen an den Konzilien
der Jahre 410 und 424 teil. Erwähnungen des Bistums aus dem 3Iittel-
alter sind mir nicht bekannt.
' Eransabr S. 24. 169. Mar^iabi übersetzt Das Hans der Dynastie der Gegend
von Alznik (Arzanene).
* Hartmann, nubti'iii .'^. 98. 162.
' MbS 114. 130. 131; AbM 61.
' Hartmann, a. a. O. 91.
- Nicht zu venvechsebi mit dem -.^— =u bei ilaUut, das weiter nördlicli in Armenien
in der Provinz Waspurakan ,j'»-^Ä_ Jl in Armenia HI. lag flbn Khordädbih 93).
46 S ACH au:
8. Beth Rehimai, Rehimena. nach Ammiaiius Marcellinus XXV, 7, 9
eine transtigritanisclie Landschaft, als Bistum durch die Konzilakten für
das Jahr 410 bezeugt und als solches noch von dem 131 8 verstorbenen
Ebedjesu erwähnt. Der Name verschwindet in der Folgezeit. Die Lage
der Landschaft ist nicht überliefert, doch s. Haktmann, Bohtän S. 102.
9. Armenien w»ä2, 1 ^^^i Bischöfe dieses Sprengeis nahmen teil
an den Konzilien von 424 und 486. Daß dies Armenien dem Metropolit
von Nisibis' unterstellt war, ist nicht ülierliefert; daß es unter dem Erz-
bischof Ebedjesu (gest. i 3 i 8) mit Nisibis vereinigt war, ist bereits oben S. 43
erwähnt.
10. Balad, jetzt Eski Mosul genannt, (Jrtschaft am Westufer des Tigris,
nördlich von Mosul. Die Konzilakten erwähnen Bischöfe dieses Sprengeis
in den Jahren 497, 554 und 790, und die Chronik von Seert erwähnt II, 187
einen Bischof Märi von Balad um 533. In den Nestorianerchroniken 1)6-
gegnen wir Bischöfen von Balad vom 10. bis zum 14. Jahrhundert. Unter
dem Katholikos Jabhalähä 111. (1281 — 1317) ist der Bi.schof von Balad
zugleich Bischof von '^jLJ-^W
11. Sighär, Singär, das bekannte Gebirgsland im Zentrum von Meso-
potamien, wird im Bistümerverzeichnis des Ebedjesu als zur Metropolitie
Nisibis gehörig bezeichnet, und Ebedjesu sell)St war Bischof von Singär,
bevor er Metropolit von Nisibis wurde. Vgl. auch das Sclireiben des Katho-
likos Sabhrisö' an die Klöster und Lauren in der Gegend von Singä.r vom
Jahre 598 (s. Syn. Or. S. 465). Die Chronik von Seert' glaubt zu wissen,
daß ein Bischof Georg von Singär am Konzil von Nicäa teilgenommen
habe, und erwähnt einen Biscliof Bäbhai von Singär um das Jahr 533. Im
Mittelalter begegnen Bischöfe dieses Sprengeis unter den Patriarchen Märi
Bar Tübä 98 7 - 1000 und Makkikhä 1092 — i io8''. Im Singär-Gebirge sind
Nestorianer und Jakobiten aufeinander gestoßen. Wie es einen nestoriani-
schen Biscliof von Singär gab, so auch einen jakobitischen von Singär
und Kliäbür (s. mein A^erzeichnis der syrischen Handschriften II, 587.
I. Kol.), und neben jakobitischen Klostern (s. das. IL 558. 586. 760) auch
nestorianische (das. I, 235 Nr. 28. 48)'.
' AbM 72.
^ II, 277.187.
■' AbM 55, MbS. 118.
' .Icsiidcnnli S. 241 Nr. 29: S. 251 Nr. 49.
Zur Ausbi'eitung des Chiistentiims in Asien. 47
12. Temänün, arabisch Thamänin, eine Ortschaft am Gebel Giidi, als
Bistum von Ebedjesu angeführt. Erwähnungen desselben in den Nestorianer-
chroniken bezeugen sein Dasein im ii. bis 13. Jahrhundert.
13. Kelät, arabisch Khilät, die jetzige Stadt auf dem Westufer des
Van-Sees. Als Bistum bei Ebedjesu und in den Nestorianerchroniken im
12. und 13. Jahrhundert erwähnt.
14. Harrän. Bischöfe von Harnin werden erwähnt unter dem Patri-
archen Phetion 731 -741, Timotheos 7S0 — 823 und Sabhrisö' II. 832
bis 836'.
15. Amid =- Dijärbekr und
16. Res'aina = Ra'sel'ain. Diese beiden Bistümer sind mir nur aus
dem Bistümerverzeichnis des Ebedjesu im Tukkäsä bekannt.
17. 0^1*3030 32, arabisch Adhrama, eine jetzt verschollene, den ara-
bischen Geographen bekannte Ortschaft auf der Straße von Mosul nach Ni-
sibis durch die Ebene zwischen Tigris, Singär und Nisibis. S. das Itinerar
bei Ibn Khordadbih S. 68. Ein Bischof von Adlirama wird unter Patriarch
Elias II. 1 1 1 1 — 1 1 3 2 erwähnt ^
18. Mardin, syrisch Mard^, jetzt der Vorort im nisibenisclien Mesopo-
tamien, wird als Bistum nur selten erwähnt, unter den Patriarchen Klias III.,
Abu Halim 1176— 11 90 und Denl.ui 1265 — 1281^.
19. Majjäfärikin, syrisch Maiperkat, in der Ebene zwischen Dijärbekr
und dem Batman Sü, als Bistum erwähnt unter den Patriarchen Jabh'alähä II.
1199 — 1222, Makkikhä II. 1257 — 1265, Jabh'alähä III. 1281 — 1317*.
20. Hesnä, jetzt Hasankef, am Tigrisufer im Tür Abdin, als Bistum
erwähnt unter den Patriarchen Makkikhä II. 1257 — 1265 und Jabh'alähä III.
1281 — I3I7^
21. Kemül, Ortschaft unbekannter Lage, aber irgendwo in der Nähe des
Gebel Giidi, als Bistum bezeugt unter den Patriarclien Makkikhä II. 1257 — i 265
und Denhä i 265 — 1281''. Kemül gehörte zur Landschaft Gordyene, vgl. mein
Verzeichnis der syrischen Handschriften der Kgl. Bibliothek in Berlin I,
' AbM 36. 40; Mb S. 67.
» AbM 60.
' AbM 70.
• AbM 66. 69. 72.
» AbM 69. 72.
« AbM 70.
48 S A c H A r :
558, 2. Kol. opä^a? ^A^aas ^o- -.i»? lau.?. Bei Jäküt II. 644 hat
sich der alte Name in der Form l>I ^.-> oder ^\ jj> erhalten'.'
22. Zur Kirchenprovinz Nisibis ist vielleiclit auch das Bistum iSj_jJ J^*
zu rechnen, das unter den Patriarchen Denhä i 265 — i 28 i und Jablialähä III.
1281 — 1317 erwähnt wird". Hoffmann S. 222, Anm. 1762, identifiziert das
erstere mit Tall südlich von (Tulamerg und das zweite mit Berberri in der
Diözese Gäwar.
Es ist zu beachten, daß dies Bistümerverzeichnis clironologisch in zwei
Gruppen, zu zerlegen ist, nämhch Nr. i — 10, die bereits in den unter dem
Patriarchen Timotheos 780 — 823 abgeschlossenen Konzilakten erwähnt, und
Nr. II — 21, die dem Jukkäsä des Patriarchen Ebedjesu (gest. 13 18) ent-
nommen sind.
IV.
Kirchenprovinz Mesene.
Die Landschaft Mesene, syrisch Maisän, arabisch Maisän, wird von Jäküt
als das weite Gebiet zwischen Basra und Wäsit mit der Hauptstadt Maisän,
in dem das Ezra-Grab j_j^ j^ liegt, erklärt. Basra und Wäsit (Kaskar) sind
bekannte Punkte, ebenfalls das E/.ra-Grab am Tigris zwisclien Amära und
Kurna. Topographische Fragen über diese Landschaft sind von besonderer
Schwierigkeit und werden es bleiben, solange nicht eine streng wissenschaft-
liche Untersuchung gesicherte Resultate über die Veränderungen der Erd-
oberfläche jener Gegend in historisclier Zeit geliefert hat. Die großen Strom-
läufe sind beständigen Veränderungen unterworfen, in Zeiten von Hochfluten
entstehen neue Flußbetten, während ältere eingehen, entstehen Seen- und
Sumpfgebiete, und außerdem trägt der Bau neuer Kanäle sowie die Ver-
sandung älterer Kanäle sehr bedeutend zur bunten Gestaltung der Erdober-
fläche bei. Eine Untersuchung über die Sumpfgebiete — rJUaJl — allein
nach den arabischen Geographen würde vermutlicli schon eine dankenswerte
Aufklärung bringen.
Mesene war die Schiff"ahrtsprovinz des orientalischen Christentums, von
seinem Haupthafenort ging Scluffahrt und Handel und mit ihm die christliche
Vgl. Harimann, Bohtaii S. 37.
A b M 70. 72.
Zur Ausbreitung des Christentuins in Asien. 49
Mission nach Ostarabien, Persien, Indien und weiter. Ebenso wie Susiana
ist Mesene altes Christenland. Die Chronik von Arbela erwähnt, daß um
224 n. Chr. in Peräth-Maisän, d. i. Basra, schon ein Bistum bestand, und die
Chronik von Seert I, 236 weiß von einem Bischof David von Basra zu be-
richten, der als Missionar nach Indien gegangen sei, erwähnt außer diesem
noch einen Bischof Johannes von Maisän, beide als Zeitgenossen Päpäs
(um 300).
Unter den Sasaniden war Mesene in vier Gaue eingeteilt, und es hängt
vielleicht hiermit zusammen, daß es auch vier Bistümer hatte. Die vier
Gaue sind ' :
Bahman-Ardasir (= Basra),
Maisän, d. i. iS^ (?),
Dasti Maisän, d. i. Qbolla,
Abazkobädh^
Ein Versuch, die Lage und die Grenzen dieser Gaue zu bestimmen,
wäre ebenso aussichtslos, als wenn man versuchen wollte die Grenzen von
Mesene gegen Susiana und Südbabylonien, das Gebiet von Kaskar-Wäsit,
zu bestimmen. Sicher ist unter all diesen Angaben und ihrem Zubehör
immer nur allein die Lage von Ba.sra.
Die vier Bistümer sind folgende:
1. Perät, Perät de Maisän, Bahmanardasir, ol_;^l *^-*^ , d. i. Basra, der
Sitz des Metropoliten, nach meiner Ansicht identisch mit der heutigen Stadt
dieses Namens, an einem vom Tigris bei dem Zollhause ausgehenden Kanal,
verschieden von dem weiter landeinwärts gelegenen, in Backsteinruinen
noch vorhandenen, unter Omar gegründeten arabischen Basra. Der Metropolit
der Stadt begegnet in den Unterschriften der Konzilakten von den Jahren
410 — 790. In späteren Jahrhunderten erscheinen Metropoliten von Basra
unter den Patriarchen Märi Ibn Jübä 987 — 1000, Sabhrisö' Zunbür 1063
bis 1072, Ebedjesu Ibn Al'ärid 1074-- i09o\ Der Verfasser des Buches der
Biene war ein Bischof Salomo von Basra um 1222.
2. Karkhä, Karkhä dhe Maisän, o^ ^J, soll ebenso wie Basra eine
Schöpfung des Gründers der Sasanidendynastie, Ardasir, sein und lag am
' Ibn Khordädbih V. 5; Kudäma tT», I4-
' Nach Marquart, Eränäahr S. 4 i , Izedkobadh.
' A b M 55, Mb S HO. 114.
Pkil.-hi.sl. Abh. 791!). Ar. I. 7
50 S A CH A U :
Ufer des Dugail (nach Hamza S. iv, i). Unter diesem Namen ist der
Wasserlauf zu verstehen, der vom Kärün ausgehend parallel dem Satt-al Arab
nach Süden läuft und bei 'Abbädän in das Meer fällt. Es ist nach Jäküt
ein von Ardasir Ibn Bäbak gegrabener Kanal. Danach mag Karkhä östlich
von Basra nicht weit vom heutigen Muhammera entfernt gelegen und eine
ähnUche Bedeutung wie dieser Ort gehabt haben. Jäküt IV, 257 bezeichnet
Karkh Mfiisän auch als eine Gegend in Babylonien (wohl ungenau), die
auch den Namen Asteräbädh führte. Die Stadt wird mit dem in den pal-
myrenischen Inschriften begegnenden S2n=, siobcs t;" CnAciNov xäpai iden-
tifiziert. Die Bischöfe dieses Ortes sind durch die Konzilakten aus den Jahren
410 — 605 bezeugt. In späterer Zeit, unter dem Patriarchen Johannes Ibn
AlVrag 900 — 905, wird ein Bischof P^bedjesu von Maisän erwähnt, der
im Gegensatz zum Metropoliten von Basra als Bischof von Karkh Maisän
zu deuten sein dürfte.
3. ;iou3 Ä^*3 Beth Remä oder Rimä, d. i. Büffelhausen, auch allein
Remä genannt. Derselbe Name dürfte in dem j^.J, der Chronik von Seert 11,
311, enthalten sein, wo berichtet wird, daß der heilige Abhdisö', der Zeit-
genosse Päpäs (um 300), nach dem Lande Maisän ging und dort öy^j und
Umgegend zum Christentum bekehrt habe. Daß das Wort auch bei Tabari I,
830, 13. 14 (s. NöLDEKE, Geschichte der Perser und Araber usw. S. 40) vor-
kommt, wo ^j Rimä Remä statt ^J zu lesen ist, hat Marquart bereits
gesehen. Für die nähere Bestimmung der Lage der Stadt fehlt es an den
nötigen Anhaltspunkten'. Nach der angeführten TabaristeUe soll Remä von
Sapor I. gegründet und persisch Sädh Sapor genannt worden sein und lag
in Maisän, d. h. im Gau ■(^y-^ Maisän. Nun berichtet Kudäma rr«, 15. 16,
daß die vier Gaue des Landes östlich vom Tigris lagen, und zwar auf
der Route von Kaskar (Wäsit) nach Ahwäz (Susiana oder Sük-al Ahwäz?),
also vielleicht in der Gegend am unteren Karkhä oder zwischen diesem und
dem Kärün bei Sük-al Ahwäz. Das Bistum Beth Rema ist durch die Konzil-
akten in den Jahren 410 — 605 bezeugt. In späteren Schriftstücken ist es
mir nicht mehr begegnet.
' Vgl. De Goijes Anmerkung zu Ibn Khordadbih S. v • 6. Das rätselhafte tSr* durch
Itj zu ersetzen, scheint mir deshalb bedenklich, weil nach den arabischen Geographen der
Hauptort des Gaues Maisän nicht RrmA war, sondern Almadhar jlÄLl. s. Ibn Roste S. 187:
Lall ^j U- j\Ji\ Oa<_« jL_u OA* J>_; jl-JJ-i
Zur AlusbreituHg des Cfirlstentuvis i)i Anieti. 51
4. Nehargül ^o\jicrfA (d. i. der Kanal Gül), eine unbekannte ürr-
schaf't, deren Bischöfe in den Akten der Jahre 410 — 605 erwähnt werden.
Auch erzählt das Chronicon anonyinum S. 20. 27. 28 von drei Bischöfen
von Nehargül, Gabriel, Sergius und Aristos, die unter Cluisrau Parwez (590
bis 628) und Jezdegird III. (63 i ff.) lebten. Die arabischen Geographen kennen
nicht ein Nehargr'd, wohl aber ein Nehargur Jy^jr • Ob beide Namen viel-
leicht dieselbe Ortschaft bezeichnen? Nehargür wird als ein Tigris-Kanal
bei Mas'udi (ed. De Goeje VllI, 54) erwähnt, und .läküt bezeichnet die Lage
des Ortes als zwischen Alahwäz und Maisän.
Schließlich ist noch einer Stadt zu gedenken, welche nel)en Basra die
bedeutendste und bekannteste des ganzen Landes war, der Stadt
5. Obolla '*^y\ ^y». denn bei AbMS. tA, 8 wird ein Metroi)olit
Timon von Obolla zur Zeit des Patriarchen Narses 524 — 535 erwälmi.
Obolla war der größte Hafenort jener Gegend, der in sich die Bedeutung der
lieutigen beiden Hafenstädte Basra und Mohanimera vereinigte. Als Omars
Heerführer, 'Utba Ibn Ghazwän, Obolla eroltert hatte, scliriel) er an seinen
Herrn, »daß Obolla der Hafenort für die Schiffahrt nach Bahrain, Oman,
Indien und China sei«. Wo aber lag Obolla'? Hierfür gel)en die aral)i.schen
Geographen folgende Zeugnisse :
1. Obolla gehörte zum Gebiet von Basra. Mukaddasi S. \ N t. or. Basra
bezog sein Trinkwasser per Schiff aus Obolla. Mukaddasi \\\.
2. Die Entfernung zwischen Basra und Obolla betrug 4 Farsakh nach
Kudäma \^i, 5, 2 Poststationen -^^' nach demselben \ri.
3. Obolla lag am Tigris (Mukaddasi > > a '^.^ ^ «^Vl^: Lstakhri a \ , 15)
und zugleich am Oitolla-Kanal <l'Vl j^ . dessen Länge zwischen Basra )ind
Obolla 4 Farsakli betrug. Vgl. lstakhri a\, 8. 9: Jl iWl ^ W! a^ - ilVIj
4. Ob Obolla weiter -stromaufwärts oder stromabwärts lag als die
Mündung des Basra-Kanals, die heutige Zollstation. kann icii nicht ersehen,
doch scheint es mir, daß Obolla etwas weiter nördlich als der Basra-Kanal
gelegen hat, wenn ich die folgende Stelle bei Mukaddasi w k , 6.7 richtig
verstehe: JU-tJl Ji j* i^\ j^ ) -^ '^^^ J*- ^l-Vlj.
' Kl rTF:R. F>(lkiin(|p \I. 102; Ab]oh. Oboloh, Ahalla
52 S ACH au:
Nach diesen Angalien ist es mir zur Zeit das wahrscheinlichste, daß
Obolla ungefähr auf derselben Stelle lag wie gegenwärtig die türkische Zoll-
station (s. Am Euphrat jmd Tigris, 1900, S. 16 — 19), indem ich annehme,
daß die arabischen Geographen bei der Angabe der P^ntfernung- zwischen
Basra und Obolla an das arabische, von Omar gegründete Basra, nicht an
die heutige Stadt dieses Namens gedacht haben.
Sehr auffallig ist die obenerwähnte Notiz des Amr Ibn Mattä von
einem Metropoliten von Obolla, während in der Literatur weder vor-
her noch nachher von einem solchen die Rede ist. Es hat schwerlich zwei
Metropoliten in Mesene gegeben, aber auch nur von einem Bischof von
Obolla ist sonst nichts bekannt. Das wahrscheinlichste dürfte sein, daß
Amrs Ausdruck eine nicht ganz genaue Bezeichnung fiir Metropolit von
Basra war.
Schließlich sei noch erwähnt, daß Elias Ganhari unter Maisän ein Bistum
'>\^\ J1C nennt.
V.
Kirchenprovinz Adiabene'.
Ueber das älteste Auftreten des Christentums in Adiabene. seine Be-
ziehungen zu anderen Gemeinden und im besonderen zu der Gemeinde der
Hauptstadt Seleucia bietet die Chronik von Arbela wertvolle Nachrichten.
Von den Bistümern dieser Provinz werden in § XXI der Konzilakten vom
Jahre 410 die folgenden sechs verzeichnet:
1. Arbela, Sitz des Metropoliten, bezeugt aus den Jahren 410 — 790
(s. unten S. 53)'".
2. B6th Nuhädherä, Bä Nuhadrä, Landschaft im nördlichen Assyrien,
bezeugt in den Jahren 410 — 790, und in den Patriarchenchroniken nocli
im 12. und 13. Jahrhundert erwähnt.
3. Beth Bäghäs oder Bäbeghes, Hochgebirgslandschaft im Wilajet He-
khäri, bezeugt in den Jahren 410 — 605, auch noch im i 2. Jahrhundert unter
Patriarch Elias Ibn Mukli 11 11 — 1132 erwähnt^
' Für die Topographie dieser und der folgenden Kirchenprovinz Beth Garmai ver-
weise ich besonders auf G. Hoffmann, Auszug aus den syrischen Akten persischer MärtjTer,
Leipzig 1880.
- Im Jahre 13 10 ist das Christentum in Arbela ausgerottet.
' MbS 130.
Zur Aasbreitunij des Chrktenlums in Asie//. 53
4. Beth Däsen, Däsen, die Landscliaft um Amedijje, bezeugt fiir den-
selben Zeitraum 410 — 605, und noch im 13. und 14. Jahrhundert erwähnt
unt^r den Patriarchen Denhä 1265 — i 28 i und Jabhalähä III. i 28 i — 1317'-
5. Remmönin, unbekannte Landschaft, erscheint nur ein einziges Mal
als Bistum bei dem Konzil von 410.
6. Rabarinhesn, Dabarinos, wohl falscli überlieferte Namen eines der
Lage nacli imbekannten Bistums, das in den Jahren 410, 544, 576 und
605 bezeugt wird.
7. Vielleicht gehört zur Provinz Adial)ene auch das Bistum Beth
Tabhjäthä und Kartewäj^, von dem nur ein Inhaber l)ei Gelegenheit
des Konzils von 585 erwähnt wird".
8. Beth Billkart, Beth Mälikart wird al.s arbelitisclies Bistum in den
Akten des Konzils von 410 bezeugt. Armenisch als Mahker-tun. d. i. Haus
Malikert, nachgewiesen'.
9. Ninive, d. i. die Ortschaft Nebi Junus gegenüber Mosul. Drei Bischöfe
dieser Diözese werden in den Jahren 554, 576, 585 erwähnt.
10. Ma'althä, in der Nähe der heutigen Ortschaft Dehök, östlich von
Simöl, an der Straßenlinie Mosul-Zäkhö, als Bistum bezeugt in den Jahren
497 — 605 in den Akten und späterliin im 10. — 13. Jahrhundert in den
Patriarchenchroniken.
11. Kephar Zammäre, eine Landschaft westlich vom Tigris, oberhalb
der Khäbör-Mündung, an dem Karawanenwege von Mosul nach Nisibis*.
Kin Bischof dieser Diözese wird im Jalire 790 erwähnt.
12. "Ain-Sifne, westlicii von Bäviän. Die Akten nennen einen Bischof
dieses Ortes im Jahre 576.
Die Metropolitie Adiabeno (jder Arbela hat ungeteilt als solche bis
zum Jahre 11 90 bestanden. Dann spaltete sie sich in zwei Teile, Arbela-
llazzä und 3Iosul-Athör '. Diese Trennung hat von 11 90 bis gegen 13 16
gedauert. In welcher Weise während dieses Zeitraums die einzelnen Bis-
tümer unter die beiden Metropoliten verteilt gewesen sind, ist mir nicht
bekannt. Später hat darm eine Wiedervereinigung stattgefunden und Ebed-
' A b M 70. 72.
' Vgl. HoFKMANN 207.
' Marquart, P>ansahr S. 24, und Hartmann, Bolitan S. 40.
* Hartmann, Bohtan .S. 40.
•' As,SEMANi. Bil)l. Or. HI. H. 721.
54 8 A C H A u :
Jesu fuhrt in seinem 1316 geschriebenen Tukliäsä die Provinz unter dem
kombinierten Namen
Arbela, Hazzä. Mosul und Athor auf. Hazzä war eine Ortschaft
in nächster Nähe von Arbela, vielleicht ein Vorort, und Athör ist die aus
den Bibelstudien der Nestorianer hervorgegangene Bezeichnung für Assyrien.
In dem von Ebedjesu gegebenen Bistümerverzeichnis fehlen von den bisher
genannten die 6 Nummern 5 — 12, dagegen werden die Nummern 2 — 4 er-
wähnt und hinzugefügt werden die folgenden:
13. Margä, Almarg, Landschaft am Häzir, um die Ebene Naukur, nord-
östlich vom Gebel Maklüb. Die Akten erwähnen einen Bischof von Margä
im Jahre 790 und die Patriarchenchroniken unter dem Patriarchen Abra-
ham III. 905 — 937 '.
14. Henäithä, eine Landschaft im nordassyrischen Gebirge, angrenzend
an die Diözese von Ma'althä (hier Nr. 10), erwähnt im Jahi-e 790, zuzeiten
vereinigt mit dem Bistum Ma'althä (Nr. 10)'- und mit Hefton '.
15. Taimenä, unbekannte Landschaft. Ein Bischof derselben wird im
Jahre 790 erwähnt.
16. Hedhattä, Alhaditha, das heutige Hammäm Ali am Tigris, südlich
von Mosul. Biscliöfe von Hedhattä werden in den Chroniken im 8. bis
12. Jahrhundert erwähnt*.
17. Hefton, Hibtvm, eine Gebirgslandschaft am (Großen Zäb, als Bis-
tum vereinigt mit Henäithä (Nr. 14) bei dem Konzil von 790 erwälmt,
ferner späterhin im 10. bis 13. Jahrhundert.
18. Adharbaigän (s. weiter unten S. 6i).
Von den folgenden beiden Bistümern ist nicht überliefert, ob sie zur
Kirchenprovinz Arbela oder Mosul gehörten, vielleicht aber darf man sie
aus geographischer Rücksicht hier anreihen :
19. Betli Derün, Bä-Dherün, eine Landschaft am oberen Großen Zäb.
als Bistum erwähnt im 10., 13. und 14. Jalirhundert". Die neuesten Karten
zeigen eine Ortschaft Badärün im Gau Schirwän, nahe dem Orte Kurän,
AbM 48.
HOFFMAXN S. 2 l(i.
Syn. Or. S. 608.
AbM 36. 37. 55. 7«. 114. iiH.
AbM 4S. 60. 72.
Zur .\usbreUu/iy (kf Clinstentums in Asien. 55
östlich vom Bach Rü Kutschuk Su (Haruna Tschajy), einem Nebentluß des
trroßen Zäb, nicht weit südlich vom 37. Breitengrade entfernt.
20. Dast, Dait Harir, eine Ortschaft im Gebirge zwischen Arbela und
Tebriz, als Bistum erwähnt unter Patriarch Makkikha II. 1257 — 1265'.
Eine Landschaft Descht ist in den neuesten Karten SSW von Urmija ver-
zeichnet, im Norden begrenzt von dem Gau Tergäwai-.
21. Ö6s, in der Landschaft Margä. Ein Bischof dieses Gaus wird
im Jjihre 1282 erwähnt '\
22. Elias Gauhari erwähnt unter der Provinz Mosul noch ein Bistum
VV (Die Steppe).
VI.
Kirchenprovinz Beth- Garmai, Garamaea,
Über das frühe Eindringen des Christentums in diese Landschaft
zwischen dem Kleinen Zäb, dem Hamrin-IIöhenzug »md dem mittleren
Dijälä geben die Akten der Märtyrer von Karkhä dhe Beth Selökh ein
unverdächtiges Zeugnis. »Von der Zeit des Königs Bäläs bis zum zwan-
zigsten Jahr des Säbhör-Sohnes Ardser, welclies sind neunzig Jahre, war
Karkhä ein gesegneter Acker und kein Unkraut darin«'. Das zwanzigste
Jahr Sapors L ist 261. Neunzig Jahre früher führen uns in die Regierung
von Bäläs, d. i. Vologeses III. (148 — 191) in das Jahr 171. Daß Karkhä
dhe Böth Selökh schon zur Zeit des Dynastiewechsels einen Bischof hatte,
berichtet die Chronik von Arbela.
Die Akten des Konzils von 410 kennen sechs Bistümer dieser Provinz:
I. Karkhä dhe B^th Selökh, jetzt Kerkük an der Straße von Arbela
nach Bagdad unfern des Kleinen Zäb, Sitz des Metropoliten. In den Akten
ist dies Erzbistum bezeugt zwischen den Jahren 410 — 612 und in der
späteren Literatur bis in das 14. Jahrhundert, die Zeit des Patriarchen
Timotheos IL, der 13 18 ordiniert wurde. Zu diesem Karkhä nahm der
Katholikos Jesujabh IL seine Zuflucht, als im Jahre 637 die alte Papst-
residenz des Orients, Seleucia-Almadä'in, von den Muslimen erobert war*.
' A b M 69.
- AbM72; HoFFMANx. S. 224.
' Hoffmann, S. 46.
' Chronicon anonvnium cd. (iiini. S. 26.
5{i S A 0 II A i: :
2. Sahrkart, Sälikard. Die Lage dieser Ortschaft ist nicht mehr fest-
zustellen, sie muß an der Straße von Täük nach Arbela, nicht fern von
Kerkük, gelegen liaben. Bischöfe dieser Diözese werden in den Konziiakten
in den Jahren 497 - 605 bezeugt. Einen Bischof Narses von Sahrkart soll
es bereits vor dem Jahre 412 gegeben liaben'. In den Patriarchenchroniken
wird dies Bistum nicht mehr erwähnt.
3. Lä.som, arabisch Läsim, einige Kilometer südwestlich von dem
heutigen T^-ük', als Bistum durch die Konzilakten bezeugt zwischen 486
und 598, und später unter Patriarch Henaniso II. 774 — 778'.
4. Mähöze dh Arewjin (Vokalisation imgewiß), ein Bistum unbekannter
Lage, dessen Bischöfe in den Akten in der Zeit von 410 — 605 erwähnt
werden \
5. Rädhän, ein Gau nördlich von Bagdad zwischen dem Azem und
dem Dijälä. Dies Bistum wird von den Konzilakten des Jahres 410 § 21
zu B6th Garmai gerechnet, während Elias Damascenus es zur Katholikats-
provinz rechnet. Bischöfe dieser Diözese werden in den Akten für die
Jahre 410 und 424 bezeugt, in den Chroniken noch im 10. und 11. Jahr-
hundert ^
6. Harbath Geläl, ein Bistum unbekannter Lage, als solches durch
die Akten bezeugt in den Jahren 424 — 605 und durch die Patriarchen-
chroniken noch im 1 1. Jahrhundert''.
Ebedjesu gibt kein Verzeichnis der Bistümer der Provinz Beth-Garmai,
sondern fertigt sie ab mit der Bezeichnung: Metropolitie Karkha dhe
B6th Selokh und Däkük. Letzterer Ort, identisch mit dem heutigen
Täük an der Straße Kerkük Bagdad, wird in den Konzilakten als Bistum
nicht erwähnt, wohl aber bei Elias Gauhari. Bei M b S 50. 62. 74 werden
' Hoffmann, S. 270 Anm. 2133.
* Hoffmann, S. 274.
•' AbM 28. 27.
' Jesudenah erwähnt im Livre de la chastete, S. 14, einen l^OOLCX^I JOuiäoi^ M.äbM
wäOXV^ ^^33 ^093i? 2f a*«b83 als Verfasser eines Buches über das Mönchsleben. Hier
ist v^e9ä23 verschrieben fiii' >^j.323, vrI. das. S. 280. Dieser Bischof heißt auch Bar
Sähde und Sähdönä.
" ISI b S 88. 104. HO.
'■' MbS 110. 114.
Zur Au.sbreituny dei< Christentums in Asien. 57
Dakükä und Läsöm (s. hier Nr. 3) gleichgesetzt. Amr Ibn Mattä 67 erwähnt
einen Metropoliten von Dakük unter dem Patriarchen Sabhriso" IV. (1222
bis 1225), woraus wir wohl nur soviel entnehmen dürfen, daß es eine
Gemeinde Dakük, evtl. vereinigt mit Läsim, wenn letztere Ortschaft noch
existierte, damals noch gab.
7. Sirzör, arabisch Sahrazür, das Gebirgsland zwischen Arbela und
Hamadän, dessen Hauptort Nimräh hieß, als Bistum von Assemani, III. II. 775
zu Adiabene, von Hoffmann, S. 256 zu Beth Garmai gerechnet. Eni authen-
tisches Zeugnis hierüber in der Literatur ist mir nicht bekannt. Die Konzils-
akten kennen Bischöfe dieser Diözese in den Jahren 554 — 605, das Ghro-
nicon anonymuni erwähnt einen Bischof von Sirzör unter Khusrau Parwez
(590 — 628), und noch später unter dem Patriarchen Märi Ihn '[Vibä (987
bis 1000) wird ein Bischof von Sahrazür genannt'.
8. Khänieär, eine Ortschaft an der Straße von Bagdad nach Arbela
in der Nähe von Dakük, als Bistum in den Konzilakten nicht erwähnt,
wold aber von den Patriarchenchroniken im 9. Jahrhundert bezeugt".
Schließlich mögen liier noch einige Ortschaften erwähnt werden, die
zwar als Bistümer in den Akten bezeugt sind, deren Lage aber bisher
nicht sicher hat nachgewiesen werden können.
9. iJw»JK Tehal (Aussprache nicht überliefert), als Bistum in den Akten
bezeugt für die Zeit von 424 — 605.
10. Ar^wän d'Ebhrä (d. i. Arewän von jenseits). Ein Bischof dieses
Ortes nalim an dem Konzil von 424 teil. S. hier Nr. 4.
11. «\|»3a3 Burzän (Aussprache nicht überliefert). Ein Bischof dieses
Ortes lebte zur Zeit des Konzils von 576.
12. Daräbhädh, Ortschaft unbekannter Lage, von Elias Damascenus
als Bistum bezeichnet^.
13. Pustdar, ein Bistum, über dessen Lage Hoffmann, S. 261 zu ver-
gleichen ist, wird im Jahre i i 10 unter Patriarch Elias II. von A 1) M 60
und MbS 129 erwähnt.
Über B^th W4zik, arabisch Bawäzig, s. S. 36.
' AbM 55.
■' AbM 38. 46.
' Hoffmann, S. 276.
Plul.hUl. Ahh. Htm. .Ar. /.
58 S A c H A u :
VII.
Kirchenprovinz Persis.
Die bisher aufgezählten sechs Provinzen bilden den Stamm des öst-
lichen Christentums, eingerichtet von dem ersten Konzil im Jahre 410. In
der weiteren Ausbreitung treten dann noch die Persis und Margiana, später
auch Hulwän als kirchenrechtlich organisierte Provinzen oder Hyparchien
hervor, während es für die übrigen, vom Zentrum Seleucia-Kokhe weit
entfernten Verbreitungsgebiete nicht überliefert ist, ob dort die Metropolitan-
verfassung bestanden hat oder ob wir uns die einzelnen christlichen Gaue
oder Ortschaften als kirchenrechtlich autokephale Gebilde vorstellen müssen.
Über das älteste Auftreten des Christentums in der vom westasiatischen
Verkehr so weit abgelegenen Persis sowie über die älteste Erwähnung
dieses Erzbistums um das Jahr 497 verweise ich auf meine Schrift Vom
Christentum in der Persis in den SB der Akademie vom 27. Juli 19 16.
Die Persis hatte sieben Bistümer:
1 . Rew-Ardasir, arabisch Resahr, an der Grenze zwischen Susiana und
der Persis, bezeugt in den Konzilakten zwischen den Jahren 424 — 585. In
den Patriarchenchroniken werden Metropoliten der Persis im 9. bis 12. Jahr-
hundert' erwähnt.
2. Istakhr — Persepolis nordwestlich vom Niriz-See, als Bistum in den
Akten nur einmal im Jahre 424 genannt.
3. Däräbgird südöstlich vom Niriz-See, als ^istum bezeugt 424 und 554.
4. Ardasirkhurra = Gör = Firüzäbäd südöstlich von Käzenin, bezeugt
in den Jahren 424 und 540.
5. Bih-Säpür, arabisch Säbür, gegenwärtig bezeichnet durch ein Trüm-
merfeld im Nordwesten der Stadt Käzerün. Ein Bischof des Ortes wird in
den Akten nur einmal 544 erwähnt.
6. Maskenä dhe Kurdv'i, Kurdensiedelung in nicht näher bezeichneten
Teilen der Persis, die in den Akten durch einen Bischof im Jahre 424 ver-
treten sind.
7. Die Insel Kis, der Südküste Persiens vorgelagert. Die Akten er-
wähnen einen Bischof der Insel als Zeitgenossen des 552 gestorbenen Katho-
likos Mä,r Abhä.
AbiM43.55: M b S 87. 89. g.-,. gy. loi. 102. 133: A1):M6i.
Zur Ausbreitung des Christentums in Asien. 59
Elias Gauhari erwähnt als Bistümer der Persis außer den hier aufge-
führten Nrn. 2., 3. und 5. noch Schiräz, Karmän, jl^- >^.-^y-' und die
Insel Socotra (s. S. 69).
VIII.
Kirchenprovinz Beth Katräje oder Die Inseln = Ostarabien und Bahrain,
Nach der Chronik von Arbela soll in diesem Gebiet schon um 224
ein Bischof vorhanden gewesen sein. Die Chronik von Seert I II 3 1 1 weiß
von einem Abhdis6' zu erzählen, der in Ostarabien und Bahrain missioniert
und ein Kloster gebaut habe ; er sei ein Zeitgenosse des Patriarehen Tomarsä
(etwa der Generation vor dem Patriarchen Isaak 399 — 410 angehörig) ge-
wesen'. Über die topographischen Fragen verweise ich auf die Chronik
von Arbela S. 226". Es lassen sich folgende sechs Bistümer in Ostarabien
nachweisen:
1. eäopo^o «.?äi, zwei niclit sicher nachweisbare Lokalitäten, die
in den Konzilakten von 410 als Metropolitie bezeugt werden.
2. D^rin, Darin, Ortschaft auf der Insel Tänlt vor der arabischen Küste,
als Bistum im Jahre 585 bezeugt.
3. Masmähig, arabisch SamAlii«, Ortschaft auf der Insel Muharrak.
Drei Bischöfe derselben werden in den Jahren 410 und 576 erwähnt.
4. Hattä, die ostarabische Küste gegenüber den Bahrain-Inseln. Zwei
Bischöfe dieser Diözese erscheinen in den Jaliren 576 und 676.
5. Heghar, arabisch Hagar, Hauptort <les ostarabischen Binnenlandes,
in den Akten vertreten durch zwei Bischöfe in den Jahren 576 und 676.
6. Mazün, das heutige Oman. Vier Bischöfe dieses Gebietes werden
in den Jahren 424, 544, 576 und 676 erwähnt.
I\.
Kirchenprovinz Beth-Mädhäje = Medien.
Medien ersclieint als Christengebiet in dem Titel des Katholikos Jab-
hälähä I. vom Jahre 420. Sj)äter (wann?) hat eine Teilung der Provinz in
eine Nord- und Südhälfte stattgefunden, und die letztere wurde vom Katho-
likos Isöjabh aus Geddälä (628 — 643) zur Metropolitie erhoben unter dem
' Vgl. auch Chronicon anünymum S. 31. 32.
i^Q S A C II A U :
Titel »\Moer2o sO^ w.<n? ^Ad^p, d. i. von Halali, d. i. Hulwän und
Ilamadän. Diese Nachricht verdanken wir dem Tractatus und Tukkäsä
des Ebedjesu (s. oben S. 21). Die Nordhälfte der Provinz bestand zur Zeit
Ebedjesus als eine der Äußeren Metropolitien in^3 1 \ Aft*^ >V**
unter dem Titel ^Xbo poJOo -ä -.«n? VCUfS?, d. i. der Räzikener
(Razikene, Gegend von Rhagae, unfern Teheran), d. 1. Rai, Kum und Kasan.
Das südliche Medien,
Bistümer.
1. Beth Madhäje. Die Konzilakten erwähnen in den Jahren 486, 497,
554 und 605 Bischöfe von Medien, ohne aber ihre Residenz anzugeben.
Sie können nicht in Hamadän residiert haben, denn in den Akten des
Konzils von 554 wird neben dem Bischof von Medien ein Bischof von Ha-
madän erwähnt. Wahrscheinlich war Hulwän die Residenz dieses Bischofs,
später dann diejenige der Metropoliten.
2. Hamadän. Die Akten kennen nur einen Bischof dieser Diözese im
Jahre 576, in den Patriarchenchroniken wei-den Bischöfe derselben noch
unter Patriarch Ebedjesu I. (963— 9S6) und unter Elias III. (11 76 — 1190)
erwähnt'.
3. Ispahän, vertreten durch vier Bischöfe in den Jahren 424, 497,
554, 576. Einmal, im Jahre 497'', erscheint dies Bistum verbunden mit
demjenigen von Mihrakäje (s. oben S. 41). Nach den Patriarchenchroniken
bestand es noch im 10. und 1 2. Jahrhundert '.
4. Nihäwand (südlich von Hamadän, nordwestlich von Burüs'ird). Ein
Bischof dieses Sprengeis nahm teil an dem Konzil von 790.
Elias Gauhari nennt als Bistümer von Hidwän: Aldinawar, Hamadän,
Nihäwand und Alkara^-. einen Gau im Gebiet von Hamadän*.
Das nördliche Medien.
Bistümer.
1 . Rai, Rhagae (s. die Ruinen im Südosten von Teheran), als Bis-
tum bezeugt durch die Konzilakten von 424, 486, 497 und 544, als Metro-
' MbS89; AbM64.
^ Syn. Or. S. 316 Nr. 21.
^ Ab M 55. 60; MbSi29.
' Marquari'. Ei'ansahr S. 27. 71: Jäküt IV. 250.
Zur Avsbi-eihim/ des ClirlstentKins in Asim. 61
politie im Jahre 805'. Die Chroniken kennen noch einen Hiscliof Marcus
von Rai unter Patriarch Johannes IV. (892 — 898). In späterer Zeit erscheinen
dann die Bistümer Rai und Hulwän miteinander verbunden, im i i . und
12. Jahrhundert".
2. Kumm.
3. Kä-sän. Von diesen beiden am Rande der großen Salzwüste ge-
legenen Gemeinden sind mir Bischöfe nicht bekannt. Als Christengebiete
werden sie nur in Kbedjesus Tukkäsä angeführt.
Bei Jäküt II, 690 wird ein Kloster namens Dair Kardasir als zwischen
Rai und Kumm in der Wüste gelegen angeführt.
X.
Media Atropatene-Adharbai^än.
Kbedjesu rechnet im Tukkäsä (s. oben S. 1 2) .Vdliarbaiirän zur Kirchen-
provinz Arbela-Mosul. Einer geographischen Anordnung folgend, stellen wir
hier einige in diesem Lande und an seinen Grenzen gelegene Bistümer zu-
sammen, ohne damit behaupten zu wollen, daß sie eine kirchenrechtliche
Einheit, eine Hyparchie, gebildet hätten.
1. Adharbaigän. Von den fünf Bischöfen dieses Landes, die zwischen
den Jahren 486 — 605 bezeugt sind, bezeicimet sich der älteste als Bischof
von Ganzak und Adharbaigän, woraus wir wohl entnehmen dürfen,
daß die Stadt Ganzak, südlich vom heutigen 3Iarägha, seine Residenz ge-
wesen i.st. Im 13. Jahrhundert erscheint ein Erzbischof von Adharbaigän
unter dem Patriarchen Denhä(i265 — 1281)^.
2. Paidangarän, armenisch Paitakaran, arabisch Bailakän, eine Land-
schaft im Nordosten von Adliarbaigän zwischen den Flüssen Kur und Arras,
ist in den Konzilakten durch drei Bi.schöfe in den Jahren 540, 544 und
554 bezeugt.
3. Salamäs, westlicli vom Nordteil des Urmia-Sees, wird als Bistum
im 13. Jahrhundert unter Patriarch Jabhalähä III. (1281 — 1317) erwähnt*.
S. Syii. Or. S. 10 Anm. 2 und meine .'syrische Ueihtsl)iicher II S. 57. 55.
AbM47. 60; MbS. 114.
A b M 70.
AbM 72.
62 S ACH AU :
4. Urmia, Urmija, im Westen des gleichnamigen Sees, wird als Bistum
im II. und 1 2. Jahrhundert genannt'.
4. Usnüch, Usnü wird als Bistum unter dem Patriarchen Jabhalähä III.
I 2 8 I — -1317 erwähnt".
5. Al-Rustäk in der Provinz Senidinän, nördlich von Räwenduz, als
Bistum erwähnt unter demselben Patriarchenl
Für die Kenntnis der heutigen Bistümer in Ädharbaigän und im Zagros,
die vom Patriarchen Simeon im Jahre 1653 aufgezählt werden*, finden sich
nützliche Beiträge in der Schrift von B. Dickson, Journeys in Kurdistan,
im Journal of the Royal Geographica! Society 19 10 April, vol. XXXV, Nr. 4,
S-'357— 378.
XI.
Armenien.
Armenien ist nie eine besondere Kirchenprovinz der Nestorianer ge-
wesen, Avohl aber ein Bistum. Als Christenland erscheint es im Titel des
Katholikos Jabhalähä I. im Jahre 420, und Bischöfe Armeniens nahmen teil
an den Konzilien der Jalire 424 und 486, werden auch noch im 11. Jahr-
hundert unter Patriarch Ebedjesu Ibn Arärid 1074 — 1090 erwähnt^ Daß
im 14. Jahrlnnidert Armenien mit Nisibis vereinigt war, ist bereits oben
S. 46 berichtet. In welchem Ort die Bischöfe Armeniens residiert haben,
ist mir nicht bekannt.
XU.
Kaukasus.
Ebedjesu erwähnt als die siebente der Äußeren Metropolitien
»Arrän und die Alanen, der Thronsitz des Gebiets ist Barda'ah, und Siunik,
ein Teil von Armenien«. Arrän ist die Landschaft im Südosten des Kau-
kasus um Barda'ah am Terter, einem Nebenfluß des Kur, nicht weit von
seiner Mündung in den letzteren, entsprechend einem Teil des heutigen
Landes Karabägh. Siunik, syrisch Senikhä, ist die armenische Provinz Si-
!M b S 1 14. 129. 130; A b M 60.
AI) .AI 72.
AbM 72.
S. AssF.MANi III. II. 423 und Hoffmann 8. 204. 205.
M bS 112.
Zur Ausbreitung des Christentums in Asien. 63
sakan, nördlich von Adharbaigän'. Die Alanen bewohnten einen anderen,
weiter nördlich gelegenen Teil des Kaukasus.
Die Patriarchenchroniken erwähnen Bischöfe von Barda'ah im lo. Jahr-
hundert unter Patriarch Johannes Ibn Al'a'rag 900 — 905 und Marl Ibn Tübä
987 — lOOO".
In den Konzilakten von 420 wird im Titel des Katholikos Jabhalähä I.
als Christenland auch Gurzän-Iberien-Georgien erwähnt, die Landschaft
um Tiflis. Gurzän und Arrän bildeten die nördlichsten Provinzen des Sa-
sanidenreiches*. Bischöfe dieser Kaukasussprengel kommen in den Konzil-
akten nicht vor.
xnr.
Der Südrand des Kaspisehen Meeres.
In den Ländern auf den südlichen Gestaden des Kaspisehen Meeres
treten uns mehrere Bistümer entgegen, von denen nicht überliefert ist, ob
sie einem Metropoliten unterstanden und ev. welchem. In dem Verzeichnis
von Ebedjesu werden diese nordpersischen Bistümer nicht oder nicht mehr
aufgeführt.
1. Gilän, die I^ndschaft um den Sefid Rüd mit dem heutigen Haupt-
orte Reät. Dies Bistum ist in den Konzilakten vom Jahre 554 bezeugt.
2. Gurgän, Hyrcania, die Südostküste. Die Akten kennen zwei Bischöfe
dieses Sprengeis in den Jahren 497 und 576, geben aber nicht an, wo sie
residiert haben. Die Akten des Konzils von 424 sind unterzeichnet von
einem Domitian
Ich bin geneigt zu glauben, daß hier 2;s^0lX verschrieben ist für Us»n3r.,
und daß der Titel bedeutet
»Bischof des Gefangenenlagers von Gurgän«.
Vgl. oben S. 37 unter den Bistümern der Katholikats-Provinz das Gefan-
genenlager von Beläsfarr. Es ist wohl nicht zufallig, daß diese beiden
Bezeichnungen in dem gleichen Zusammenhange und in dem gleichen Jahre
' Marquart, KranSahr S. 120.
= A b M 48. 55-
S. Hoffmann S. 79 und Mar^uart EranSahr S. 115.
(54 S A c u A u :
vorkommen'. Ob nun Gurgän und Sebhithä dlie üurgän ein einziges Bistum
bilden oder zwei verschiedene, ist nicht zu ersehen. Elias CTauhari erwähnt
Gurgän als Bistum von Rai.
3. Amul. Die Akten kennen einen Bischof Suren dieses Sprengeis im
Jahre 554.
XIV.
Parthien.
Der fernste Osten des Sasaniden-Reiches ist in den ersten beiden Kon-
zilien der Jahre 410 und 420 durch die Länder von Abrasahr, d. i.
die Landschaft, in der Nisapur liegt, oder einen Teil von Parthien ver-
treten. In Ebedjesus Rangordnung der Kirchenprovinzen vom Jahre 13 16
werden Merw und Isisäpür (Margiana und Parthien) als die dritte der Äußeren
Metropolitien aufgezählt.
1 . Abrasahr, Ni.säpür. Dieser Sprengel war im Konzil von 424 durch einen
Bischof David vertreten. Im Konzil von 497 erscheint er verbunden mitTüs.
2. Tüs, das heutige Meshed. Ein Bischof Samuel von Tüs soll die
Wahl des Katholikos Dädhiso' (421 — 456) erwirkt haben'. Über die Ver-
einigung mit Abra-sahr s. hier Nr. i . Ein Bischof von Tüs wird noch im
Jahre 1279 erwähnt.
3. Abiward, eine Stadt zwischen Serakhs und Nasa, eine Tagereise von
letzterem entfernt, erscheint zusammen mit einer Ortschaft Sahrj^eröz^ als
Bistum bei Gelegenheit des Konzils im Jahre 554.
XV.
Margiana.
Bistümer.
I . Merw. Die Nachricht von der Einführung des Christentums in diesem
Lande durch Barsabbä, zuerst bekannt geworden durch Märi Ibn Sulaimän
S. 23, ist in ausführlicherer Fassung in der Chronik von Scert II, 253 — 258,
veröffentlicht. Über Barsabbä^ und sein Werk s. weiter unten.
' Labourt, Le christianisme eh. S. 122 Anm. 3.
■' Nach MbS 31; AbM 17.
' Marquart, Eransahr 73.
^ llesp. Barsaba.s bei As.semani III. IL i5(): aiicli S. 245, Ni\ 36.
Zuv Ausbreitung des Christentums in Asien. 65
In den Konzilakten erscheinen Bischöfe von Merw zwischen den Jahren
424 — 585. Ein Erzbischof David von Merw hatte großen Anteil an der Kir-
chenspaltung, indem er 524 die Wahl des Elisaeus zum Katholikos betrieb'.
Das Chronicon Anonymum S. 28. 29 berichtet von einem Erzbischof
Elias von Merw als dem Missionar von Türkenvölkem zur Zeit des Chalifen
Omar (634 — 644), und ein Erzbischof Elias von Merw war zugegen bei dem
Tode des Katholikos Jesujabh III. im Jahre 660. Späterhin erscheinen dann
die Erzbischöfe dieser Provinz in allen Jahrhunderten vom 7. bis zum i i ".
Ein Kloster des David Bar Natura in Merw s. in dem Klosterverzeichnis bei
Jesudenali S. 265 Nr. 87; ein Kloster des Georg aus Merw in der Nähe von
Merw, das. S. 245 Nr. 36.
2. Merw-i-rüdh, Merw-alnid, einige Tagereisen südlich von Merw, ist
in den Konzilakten im Jahre 554 durch einen Bischof vertreten.
V
Elias Gauhari erwähnt als Bistümer von Margiana noch
(S'^jf-^. ,_r~^j_- und OjjL.J!
unbekannte Ortschaften.
Nach der Christianisierungslegende von Merw^ hätte ein Christ griechi-
.scher Abstammung in der Hauptstadt Almadä in die Gunst einer Prinzessin
des sasanidischen Königshauses gewonnen. Nachdem sie als Gemahlin des
Markgrafen von Merw dorthin gekommen war, ließ sie ihn, den Bar Sabbä,
nachkommen (nach dem Joviansfrieden 363), und dieser verbreitete nun das
Christentum in Stadt und Land. Die erste Kirche wurde nach dem Plan des
Kaiserpalastes von Ktesiphon erbaut und Ktesiphon genannt, womit zu kom-
binieren ist, daß noch im Mittelalter ein Stadtteil von Merw Ktesiphon* hieß.
Von ferneren Bezeugungen des margianischcn Christentums ist folgendes
zu erwähnen:
Ein Bischof von Merw nahm an dem Konzil des Jahres 424 teil.
Ein Bischof Elias von Merw bereitete um 651. 652 der Leiche des
Sasanidenkönigs Jezdegird ein würdiges Begräbnis.
' Chronik von Seert II, 149; AbM 22.
'' AbM 36. 37. 42. 55. .MbS 62. 77. 97. 99.
' In deutscher Übersetzung mitgeteilt in den Abhandlungen zur semitischen Religions-
kunde und .Sprachwissenschaft W. W. Grafen von Baudissin zum 26. September 191 7 überreicht
(Gießen 19 18) S. 399 — 409.
< jy-J» jäküt in, 570.
Phil-hüt. Ahh 1!)i;). Nr. I. II
(5(;; Saciiau:
Alberüni' erwähnt um das Jahr looo in dem Kalender der Christen seines
Vaterhmdes Cliorasmien (Chiwa) den 2 1 . Juni als Gedenktag des Priesters
Barsabbä, »der etwa 200 Jahre nach dem Messias das Christentum nach
Merw brachte«.
Kirchenprovinz Herät.
In Ebedjesus beiden Rangordnungen der Kirclienprovinzen von etwa
1300 und 13 16 wird Herät als Metropolitie erwähnt, in der älteren mit
dem Titel ouäoT wOfa IsoJhef^p, in der jüngeren als ou.3073 = von Har^w
(im Avesta Haraeva).
1. Herät, als Bistum in den Akten bezeugt in den Jahren 424, 486
und 497. als Metropolitie 585, und in den Patriarchenchroniken im 9.,
10. und 11. Jahrhundert". Eine christliche Kirche in der Nähe von Herät
wird von Istakhri 265, 15. 16 und von Ibn Haukai 317, 20 erwähnt. Ersterer
schrieb um 951, letzterer um 977.
2. Püsang, arabisch Büsang -; Ghorijän am Herirüd westlich von Herät,
ist in den Akten im Jahre 585 durch einen Bischof vertreten.
3. Bädhisi, wahrscheinlich = Bädhaglns, eine Landschaft im Nordwesten
Afghanistans, die mehrfacli im Zusammenhang mit Herät und Püsang ge-
nannt wird. Die Akten nennen einen Bischof von Bädhisi und Kädistän
im Jahre 585.
4. Kädistän, eine Ortschaft in der Gegend von Herät, erscheint, ver-
bunden mit Bädhisi, das Bistum im Jahre 585.
Elias Gauhari erwähnt Segestan als einziges Bistum vom Herät.
Sakastene.
Sakastene, arabisch Sagistän oder Sigistän (Segestan), ist im Kernteil
das Stromgebiet des Hilmend und seiner zahlreichen Nebenflüsse im Westen
Afghanistans. Es ist in den Konzilakten durch fünf Bistümer vertreten.
I. Sagistän. Die Akten nennen zwei Bischöfe dieses Sprengeis in den
Jahren 424, 544 und 576 ohne nähere Bezeichnung ihres Wohnsitzes. In
.späterer Zeit erscheint ein Bischof von Chorasan und Sagistän unter
dem Patriarchen Sal^hrisö' Zunbür 1063^1072^.
' S. meine Chronology f)l' anciejit nafion.s S. 296.
- AbM 38. 55: MbS 114.
' M b S 1 10.
Zur Aii.-ibreUuiiy d/'S C/irint/'/ittniis in Asiiii. 67
2. Fara, Stadt im westlichen Afghanistan, am Fararüd gelegen, als
Bistum 544 bezeugt.
3. Käs - Chä-sch am Cliäschriid südöstlich von Fara, als Bistum be-
zeugt im Jahre 544.
4. Zerang (Drangiana) im südwestliclien Afghanistan, südlich von (lu-
wain, ebenfalls als Bistum im Jahre 544 bezeugt. Durch Verfügung des
Katholikos Abhä 1. (540 — 552) wurden diese Sprengel 2, 3 und 4 einem
und demselben Bischof unterstellt, gleichfalls die im folgenden zu erwäli-
nenden Sprengel 5 und 6'.
5. Best = Bust am Hilmend südlich von (Tirlsk. als Bistum im Jahre 544
erwälint.
6. Rukhwadh (Arachosien). vermutlioii die Landschaft in Südafghani-
stan um den Argand-.Vb und um Kandahar, als Bistum bezeugt in dem-
selben Jahr 544.
Ein Stephanuskloster in Sege.stan wird bei Jesudenah S. 282, Nr. 138
erwähnt.
Chusrau 11. Parw6z, der 609 Kdessa eroberte, soll viele seiner Be-
wohner, also Cliristen, nach Segestan und Chorasan ver[)tlanzt haben".
Wenn wir das Christenttun weiter ostwärts verfolgen wollen, treffen
wir zunächst auf Balkh oder Baktra am Oxus, aber die hierauf bezügliche
Überlieferung ist sehr arm und ergibt wenig mehr, als daß in der be-
kannten Inschrift von Singan-P'u in China 781 ein Presl)yter Miles als aus
Balkh stammend erwälint wird. Von einem Bi.stum Balkh findet sicli keine
Spur*. Es wäre nun sehr einladend weiterhin den Wegen zu folgen, auf
denen die nestorianischen Missionare einhergezogen sind, \\m in Pi.spok
und Tokmak im Flußgebiet des Tschu im heutigen Gouvernement Semir-
jetschie chri.stliche Gemeinden zu gründen, von deren Dasein heute noeli
ihre Kirchhöfe Kunde geben, um im fernen Ostturkestau ein Evangelium
und ihre Kircliengesänge in eine der Landessprachen zu übersetzen und
um scldießlicli bis in das Innere des Chinesischen Reiclies vorzudringen.
Vielleicht bildete das bei Jäküt III, 234, 8 erwähnte Christendorf Tankra
(Aussprache ungewiß) in der vermutlicli im Nordosten des Aral-Sees zu
' Syn. Or. 343.
'■' DüvAL, Ilistoirc d'Edesse .S. 369.
' Ein armenisches Zeugnis für da.s \'or<lringen des Clinstentiiiiis his HaktfiiMi s. Ini
MARQrART. Ostenropnisrho und Ostiisiatisrlio Strpifziige S, 28^ .\nm. 2.
:i
68 S A CH AU :
suchenden Landschaft Säs eine P^tappe auf einem dieser Wege. Die Auf-
zählung der östlichsten Metropolitien bei Ebedjesu (s. oben S. 19) ist wenig
lehrreich, und wenn er die Erzbistümer Herat, Samarkand und China ent-
weder von dem Katholikos Ahai 410 — 415 oder von Silas 505 bis 523
oder von Selibhäzekhä 714 — 728 gegründet sein läßt, so beweist das wohl
nur, daß die Kirche seiner Zeit von dem Ursprünge des östlichsten Christen-
tums keine genaue Kenntnis mehr hatte. Wir machen am Oxus halt und
verweisen für das Christentum jenseits von Oxus und Jaxartes auf W. Bart-
hold, Zur Geschichte des Christentums in Mittelasien bis zur mongolischen
Eroberung. Deutsch von Dr. R. Stube, Tübingen und Leipzig 1901'.
Arabien.
Über die christlichen Bistümer von Ostarabiens, Balirain und Oman
s. oben S. 59.
In betreff der Christianisierung von Nagrän geben die nestorianischen
Geschichtsschreiber" folgenden Bericht: »Ein Kaufmann in Nagrän machte
unter der Regierung Jazdagird L (399 — 420) eine Geschäftsreise nach Kon-
stantinopel, kehrte von dort durch das Perserreich zurück, wo er nach
Alhira kam, das Christentum kennen lernte und annahm. Von dort reiste
er in seine Heimat Nagrän und verbreitete daselbst sowie auch in Himjar
das Christentum«. Die Patriarchenchroniken verlegen diese Erzählung un-
gefähr in dieselbe Zeit, in das Patriarcliat von Ma'nä (um 420)'.
Chusrau Anosarwän hat Jemen um das Jahr 570 durcJi seinen Heer-
führer Vahriz erobert, wodurch die Möglichkeit gegeben war, daß sich Be-
' Über die Missionstätigkeit des Patriarchen Timotheos nach den Türken, vgl. Oriens
Christianus I, 309 Anm. i .
" Chr. Seertl, TI, 330. 331: MbS 29: A b ^I 16. Der Name des Kaulmanns jL»-
kann sowohl Hannän wie Hajjan gelesen werden. Die arabischen Nachrichten iiber Nagrän
und sein Christentum, die abessinischen Christen und die Kirche ^— ^ = ^kkahcia in San'ä
s. bei NÖLDEKE, Geschichte der Perser und Araber usw. S. lyyflt'. 201.
'' Chr. Seert meldet II, 144, daß unter dem Patriarchat des Silas (505 — 523) llüchtige
Jakobiten nach Hira geflohen, von dort aber durch die Nestorianer vertrieben, und daß
einige von ihnen nach Nagrän geflohen seien, wo sie den Monophysitismus des Julianus
verbreitet hätten. Aus den Titeln der Vertreter des nagn'inischen Christentums, welche zu
Muhammed kamen, ergeben sich keine Kückschlüsso auf die Sonderart ihres Bekenntnisses.
S. Ibn Saad I, II S. 84. über Muhammeds Verhandlungen mit den Christen Nagräns s. Ihn
Snad I II, 21. Ein Kloster von Nasiran wird bei Jiiküt II, 703 ei-wähnt.
Zur Aushn'ituny des Chrisknämm in Asien. 69
Ziehungen zwischen dem babylonischen Christentum und Nagrän anknüpften.
Der Patriarch Timotheos I. (780 — 823) scheint das südarabische Christen-
tum für nestorianisch gehalten zu haben, denn er setzte in Jemen einen
Bischof ein (Oriens Christianus I, 143).
Weiter nördlich in Arabien gab es zu Muhammeds Zeit christliche
Gemeinden in Diuna, Aila und Tema, und ein Bischof Johannes Ibn Rüba
von Aila verhandelte mit Muhammed'. Über das Bekenntnis dieser Christen,
ob monophysitisch oder nestorianisch, ist mir nichts bekannt.
Zu Rakka (Nicephorium) am mittleren Euphrat muß es einmal eine
nestorianische Gemeinde gegeben haben, denn der Patriarch Makkikhä (1092
bis 1108) weihte ihr einen Bischof'.
Der episcopus Arabum — als solcher ist der 724 gestorbene Georg in
der syrischen Literatur bekannt — hatte seinen Hauptsitz zu Knfa-'Äkolä
in Westbaby lonien. Die Gemeinde war monophytisch. Zu ihr gehörten
außer den Leuten von Küfa die Stämme Tajj, Tanükh, Tha'lab und Taghlib.
Die Christen des Stammes Taghlib unterhandelten mit Muhammed'. Die
Tanükh wurden unter dem Kalifen Mahdi (774 — 784) gezwungen den Islam
anzunehmen'. " ,
Soeotra.
Das Christentum der Insel Soeotra = Insel des Dioskorides ist in den
Konzilakten nicht erwähnt. Die älteste Erwähnung desselben findet sich
bei Kosmas Indikopleustes", der auch weiß, daß die dortigen Geistlichen
ihre Weihen in der Persis erhalten hatten und aus der Persis ihnen ge-
schickt waren — kai kahpiko! eicm eK FTepciAOc xeiPOxoNOYMeNOi kai neMnÖMeNoi
^N ToTc AYTÖei. Soeotra war also kirchenrechtlich von der Persis abhängig,
ebenso wie Indien''. Elias Gauhari zählt Soeotra zur llyparchie Persis (s. oben
' Ibn Saad I II, 37. Über -Muhammeds Verhandlungen mit Christen vom Stamme
Taghlib s. Ibn Saad I II, 55: übei- ihre rechtliche Stellung im Islam s. Abu JmsuIVI^*-! ^'^>
S. 28. 29. t- .
» MbSiiS.
' Ibn Saad I II 55.
' Oriens Christianus I, 142; Bachkhraei;s, Chron. Syr. S. 132. 133 und .lournal Asia-
tique 1900 S. 287.
'■' Ed. Winsion S. 119.
" S. die Briefe des Katholikos .lesiijabh III. ed. Duval S. 182 und meine Schrift Vom
Christentum in der Persis S. 17. 18.
70 8 A (; H A u :
8. 59). Hinweise auf den Zusammenhang des Christentums auf Soeotra mit
dem Katliolikos in Bagdad in späteren Zeiten finden sich in den Patriarchen-
clirouiken. Nach Mb 8 iio ernannte der nestorianische Patriarch Sabhrisö'
Zunbi'ir 1063 — 1072 einen Bischof für Soeotra, und bei A b M 72 wird unter
dem Patriarchen Jabhalähä III. i 2 8 1 — i 3 i 7 ein Bischof ^'on Soeotra erwähnt.
Die beiden arabischen Geographen Alhamdäni (gest. 3 34 = 944/5 n. Chr.)
und Jäküt (gest. 626 = i 227/8) bericliten unter li^r^^*-, daß es dort zu ihrer
Zeit nocli Christen ge1)e. Im übrigen vgl. W. (Hermann, Das Christentum auf
Socotora in der Zeitschrift für historische Tlieologie Bd. 44 (1874), 8. 227
bis 258.
Syrien.
Syrien wird als nestorianische Kirchenprovinz in den älteren Konzils-
akten nicht genannt. Wir begegnen erst im Jahre 780 einem Bischof von
Damascus, der an der Wahl des Patriarchen Timotheos 1. beteiligt war',
und zehn Jahre später, 790, erscheint ein Bischof Sallitä von Damascus
(Syn. or. S. 608). Um 828 wird ein Sabhrisö', später Patriarch, zum Metro-
politen von Damascus geweiht. Dem Ende dieses Jahrhunderts gehört Elias
Gauhari an.
Der Metropolit von Damascus führte auch den Titel IsaoLäea »Der
Zerstreuten, der Diaspora«-. Nach den Patriarchenchroniken sind Bischöfe
von Damascus bezeugt zwischen 780 und der Regierung des Patriarchen
Ebedjesu Ibn Arärid 1074 — 1090''.
Nach Elias Gauhari unterstanden dem Sitze von Damascus die fünf
Bischöfe von Aleppo, Jerusalem, Manbit;- (Hierapolis) Almassisa (Mopsueste).
Tarsus und Melitenc.
Bischof von Jerusalem war Elias (^auhari, l)evor er 893 Metropolit von
Damascus wurde. Von dieser Zeit an sind Bischöfe von Jerusalem bezeugt
bis in die Regierung des Jabhaläliä III. Turca i 28 i — 131 7. Der Patriarch
Sabhrisö' Zunbür 1063 - 1072 weihte einen Mönch Henänisö" zum Bischof
von Jerusalem und schickte ihn später zur Inspektion der insulae maris'
(Soeotra? Bahrain?).
' MbS 63.
^ Oriens Christiaruis I 307 Aniii.
' MbS 115.
* MbS HO.
Zur Au.'ibreituiig (/e.s Christf^ntwn,^ in Asir/i. 71
Für Aleppo wird ein Bischut' Ibn Tuba oc'weiht von demselben Pa-
triarchen Sabhrisö' Zunbür 1063 — 1072'.
Ägypten.
Die Patriarchenchronik erwähnt Biscliöfe Ägyptens um 987 und 1013".
An letzterer Stelle wird berichtet, daß damals die Christen in Ägypten und
Jerusalem von schwerem Unglück betrofi'en. daß die Kirche in Jerusalem zer-
stört und nur wenige Christen in Ägypten übriggeblieben seien. Der Bischof
von Ägypten wurde daraufhin von dem Patriarchen Johannes Maalthäjä
in die Persis versetzt^. In etwas jüngerer Zeit wird das Oberhaupt des
ägyptischen Christentums als Metropolit bezeichnet, um 1063 und 1092*.
Indien.
Über den Ursprung des indischen Christentums gibt die Chronik von
Seert II, 236. 292 eine beachtenswerte Nachricht. Danacli hat ein Metro-
j)olit von Basra, Düdi, an der zweiten Stelle David genannt, zur Zeit des
Patriarchen Päpä, d. i. um 300, seine Provinz verlassen, ist nach Indien
gefahren und hat dort viel Volk zum Christentum liekehrt. Diese an und
für sich unverdächtige Notiz ist zweifellos einem der ältesten syrischen Ge-
schichtswerke aus dem 7. oder 8. Jahrhundert entnommen''. Da aber die
Person dieses Erzbischofs Düdi oder David anderweit nicht bekannt ist,
so fehlt es an Mitteln sie näher zu kontrollieren.
Ein Bischof von Rew-Ardasir, der Hauj)tstadt des persischen Christen-
tums, Ma'nä", Zeitgenosse des Patriarchen Acacius485 — 495, der die syrische
Kirchenliteratur in das Persische übersetzte, schickte seine t^bersetzinigen
auch nach Indien. So die Chr. Seert II, 117.
Bekannt sind die Nachrichten des zwischen 520 — 525 reisenden Kosmas
Indikopleustes" über das indische Christentum mid seine kirclienrechtliche
Abhängigkeit von der Kirclie des Persis (s. oben S. 69 unter Socotra). Über
' MbS HO.
' M bS 95. 101. 102.
'MbS 102.
« MbS HO. 118.
■' S. Vom Christeiitimi in dfi- l-'er.sis .S. 6
« S. das. S. 14.
■ S. The Christian topogi-aphy cir. ed. Winsteui 8. 119 iiml Notes S. ,^45: auch Gkr-
jiANX. Die Kirrlie dov 'rhnmasrhristen. 1877. S. 135.
72 SaCHAT!"
die Nachrichten betreffend die Einriclitung der indischen Kirchenprovinz
s. oben S. 19; ferner Silbernagel, Verfassung und gegenwärtiger Bestand
sämtlicher Kirchen des Orients, 2. Auflage, Regensburg 1 904, S. 317.
Unbekannte Bistümer.
Abgesehen von mehreren in den Konzilakten erwähnten Bistümern,
die bei der Besprechung der einzelnen Kirchenprovinzen aufgeführt sind
und die geographiseli nicht fixiert werden konnten', findet sich teils in
den Konzilakten, teils in anderen Quellen noch eine Spreu von Bistümern,
deren Lokalisierung künftiger Forschung vorbehalten bleiben muß. In den
Akten begegnen noch folgende Namen, die als Bischofssitze in den daneben
angegebenen Jahren bezeugt sind:
^:Sd.9\, ^is^äL\2 410
äubou., ,Tia.S.M 486
i\ja is*3 790'
In dem Chronicon Anonymon ed. Guidi S. 30, 15. 16 wird unter der
Sasaniden-Königin Börän 630.631 ein 2">y itr>ni\a Idkoäk» »Maruthas von
(xusträ« erwähnt.
In der Chronik des Amr bar Märi sind noch folgende, meist sjjäteren
Jahrhunderten angehörige Bistümer genannt:
AbM 38, 7 erwähnt bei Gelegenheit der Wahl des Patriarchen Narses
um 524 einen Jakob, Metropolit von Allan j!A-c-. Ich vermute, daß
hier ein Fehler der Überlieferung vorliegt. Ein Erzbistum dieses Namens
ist nicht bekannt, und der altarabische Stammesname j%«- (s. Ibn Doreid
S. 162) kann nicht gemeint sein.
Ein Bistum Kaimur _^ erscheint unter den Patriarchen Barsaumä
1 1 34 — 1 1 36 und Elias 111. 1 1 76 — 1 190^. Nach den arabischen Geographen
war Kaimur eine Burg zwischen Mosul und Khilät, bewohnt von Kurden.
Ein Bistum Bädhijäl wird unter Patriarch Denliä i 265— i 281 genannt*.
Eine Ortschaft OJ^j^ erscheint im Titel des Metropoliten von Arbela
bei demselben Patriarchen Denhä, s. Assemani II, 455: Metropolit von Ar-
bela, Hazza und jj^y'.
' S. z. B. oben S. 57.
■^ Syn. Or. S. 672. 669. Index.
^ MbS 130. 131.
* AhM 70.
Zur Ausbreitung des Christentums in Asien. 78
Exkurs.
Vom ältesten östlichsten Christentum.
Das wichtigste Ereignis in der ältesten Cxeschichte des östlichsten
Christentums ist der Kampf um die Übertragung der Patriarchats- und
Episkopatsverfassung des römischen Reiches auf den Orient. Das Ergebnis,
die von dem ersten allgemeinen Konzil des Jahres 410 gegebene Kiichen-
verfassung ist für das orientalische Christentum ein festes Rückgrat ge-
worden und hat es in den Stand gesetzt, der Ungunst aller Verhältnisse
zum Trotz, die Jahrhunderte bis auf die Gegenwart zu überdauern. Diese
Kämpfe erstrecken sich über mehr als ein Jahrhundert, sie beginnen um
300, werden unterbrochen durch die jahrzehntelange Verfolgung unter
Sapor IL' und gehen mit dem Konzil von 424 ihrem Ende entgegen.
Die Quellenschriften über diese Dinge, Märtyrerakten, Konzilakten,
Chroniken sind recht trübe, wie von allen Forschern auf diesem Gebiet,
Westphal, O.Braun, Labourt, anerkainit worden ist; sie sind von der Denk-
und Schreibweise einer späteren Zeit gemodelt, zum Teil nach hierarclii-
schen Tendenzen geändert und gefälsclit, ganz abgesehen davon, daß zur
Zeit ihrer ersten Niederschrift eine genaue Kenntnis der intimen Vorgänge
wohl nicht mehr vorhanden war. Immerliin sind die in jenen Zeiten ent-
standenen Gesetze genügend bezeugt und bilden den Grundstock aller gesetz-
geberischen kanonistischen Tätigkeit der folgenden Jahrhunderte, so daß
wir in ihnen einen sicheren Boden und Ausgangspunkt für weitere Studien
haben. Diese älteste Gesetzgebung ist eine Reform", sie will einen neuen
Zustand begründen und einen älteren aufheben, und gerade durch letzteres
ist sie uns besonders wichtig. Denn dasjenige, was sie aufheben will, sind
die ältesten Verhältnisse, wie sie sich von den Urzeiten an liier und da
in verstreuten Gemeinden unter Parther- und Perserherrschaft entwickelt
hatten, die Zustände der östlichsten Urkirche, über die uns direkte Nach-
ricliten fehlen, auf die jetzt durch die Verbote jener Gesetzgebung einige
lehrreiche Schlaglichter fallen. Und die so gewonnene Erkenntnis gewinnt
eine Stütze und Bestätigung, wenn wir die mancherlei P>eignisse, welche
' Die Chronik von Arbela bezeichnet die Jahre 340 — 351 als die Zeit der schwersten
Verfolgung (S. 80).
^ 2^30d^ *<■ Syn. Or. Text S. 30, 16.
Pkil.-hist. Ahh. IUI!). Kr. I. l(t
74 S A C 11 A u :
uns die Chronik von Arbela aus der ältesten Geschichte der Kirche über-
liefert, zum Vergleich heranziehen. Da zeigt sich dann, daß die aus den
(iesetzen, vielmehr aus den Verboten des Konzils von 410 abzuleitenden
Zustände vollständig übereinstimmen mit den Einzelheiten der Chronik.
Die Reform des Kirchenlebens ist nicht ohne Kämpfe vonstatten ge-
gangen. Als charakteristisch für die Kämpfe dieser ganzen Periode möchte
ich zweierlei hervorheben: zunächst die große Heftigkeit der Anfeindungen,
die gegen die Bischöfe von Seleucia gerichtet waren. Die Angreifer ver-
klagten den christlichen Glaubensgenossen bei dem magisclien König der
Könige, dieser setzte seine Behörden in Bewegimg, der Verklagte wurde
in das Gefängnis geworfen, mißhandelt, abgesetzt, verjagt, in das Elend
hinausgetrieben, wobei wir uns gegenwärtig halten müssen, daß es sicli
meistens um Männer höheren und höchsten Lebensalters handelte. Dies
war das Schicksal der Bischöfe Isaak (399 — 410) und DädhiscV (421 bis
456'). Gedroht wird mit der Strafe des Königs und des Konzils', und in
dem allerdings nicht sehr zuverlässigen Berichte des Konzils 424 über Päpä
wird erzählt, daß Anklageschriften gegen ihn in den Provinzen verbreitet
worden seiend
Zweitens muß es jedem Kenner der syrisclien Literatur auffallen, daß
im Zusammenhang dieser Kämpfe niemals von dogmatischen Fragen und
Differenzen die Rede ist, während diese Dinge nicht lange darauf die Lite-
ratur überschwemmen. Es wird nicht um den Glauben gekämpft, sondern
fast ausschließlich um die Besetzung von Bistümern, also um Kirchen-
recht und wohl auch um die Macht. Die Angreifenden sind schließlich die
Unterliegenden ; es wird ihnen aber niemals nachgeworfen, daß sie schlechte
Christen gewesen seien, daß etwa ihr Glaube nicht der richtige gewesen
sei, sondern im Gegenteil wird ihnen ausdrücklich bezeugt, daß sie vor-
treffliche Männer gewesen seien, die ihr Christentum durch den Märtyrer-
tod bewiesen. So z. B. Bischof Miles von Susa, Päpäs Hauptgegner*.
Der in Rede stehende Kampf geht aus von dem Bischof Päpä von
Seleucia. Die Berichte über diesen Mann sind arm an zuverlässigen Details
und lange nach den Ereignissen geschrieben und zurechtgemacht, der beste
Syn. Or. S. 293. 2i
Das. S. 273.
Das. S. 296.
Svn. Or. S. 290.
Zur Ansbreituiuj dci ('/u-istr/ttmitK in Asien. 75
ist vielleicht der kürzeste und einfachste, derjenige in der ('hronik von
Arbela S. 71. 72. Tatsache ist, daß Päpä nach der gesamten Überlieferimg
der erste Bischof von Seleucia, der ursprünglich par inter pares, mit dem
Anspruch auftrat, mehr zu sein als seine Kollegen im Bischofsamt, eine
Art Oberbischof. Die Gemeinde in Seleucia hatte um das Jahr des Dynastie-
wechsels 224 noch keinen Bischof, erst gegen Ende des Jahrhunderts (das
Jahr ist nicht bekannt) weihte der zehnte Bischof von Arbela im Verein
mit dem Bischof von Susa der dortigen Gemeinde einen Bisehof in der
Person des Aramäers Päpä. Wie kam nun dieser dazu, sich über die an-
deren Bischöfe der älteren Gemeinden, z. B. in Susiana, erheben zu wollen?
Ks trifft nicht zu. wenn man seinen Anspruch damit l)egründen will, daß
er von allen Bischöfen der nächste zum Hof der persischen Könige ge-
wesen, also am geeignetsten gewesen sei, dort die Interessen der gesamten
Christenheit zu vertreten, denn die Könige residierten damals noch nich
regelmäßig in Ktesiphon-Seleucia. sondern in Susiana und ihrer Stamm-
provinz, der Persis. Ich möchte eher annehmen, daß Päpä Kenntnis be-
kommen hat von der Stellung der Patriarchen in der römisch-christlichen
Welt, vielleicht durch Bischof Sa'dä von Kdessa', und sicher dürfte sein,
daß er dort um die Unterstützung seines Bestrebens geworben hat. Ob
aber in diesem Zusammenhang auch Konstantin eine Rolle gespielt hat,
wie die Chronik von Arbela S. 7 i annimmt, ist zu verneinen, wenn Päpä
die entscheidende Synode, in der er mit seinem Ansprucli hervortrat, schon in
den Jahren 313. 314 gehalten hat, wie Westphal. Untersuchungen S. 83. 84
annimmt, immerhin aber möglich, wenn Päpä nach Basheliraeus 334 oder
nach dem (^hr. Arbel. S. 75 kurz vor 329 gestorben sein sollte. Immer-
hin ist es das wahrscheinlichste, daß die gewaltige Änderung in der Lage
des römischen Ciiristentums durch Konstantin anregend und bestimmend
auf Päpä eingewirkt hat und daß dieser Vorgang die kräftigste Stütze seiner
Bestrebungen war. Worin im einzelnen sein Programm bestanden, welche
besonderen Rechtssätze er in der angeblich von ilim berufenen Synode durch-
zusetzen versucht hat, ist aus den vorhandenen Nachrichten nicht zu er-
sehen, wahrscheinlich aber hat er die Stellung eines westlichen Patriarchen
und damit den maßgebenden Einfluß auf die Besetzung der provinzialen
Bistümer angestrebt. Und damit begegnete er heftigem Widerstand. Sein
' Chr. Arbel. .«!. 71.
7(i S ACH au;
Bistum war eines der jüngsten, er selbst war durch zwei provinziale Bischöfe
geweiht, seine Auffassung war eine fremde, aus dem Westen importierte,
und nun verlangte er, tief eingreifend in die Interessen der einzelnen (ie-
meinden, das Kecht mit autokratischer MachtvoUkommenlieit ülier die Be-
setzung der Bistümer in letzter Instanz zu entscheiden. Peinige Provinzen
haben sich niemals Päpäs und seiner Nachfolger Ansi)ruch gefügt.
Die folgenden Zeiten der Verfolgung und einer Sedis\akanz in Seleucia
von 2 2 Jahren war nicht geeignet, den kirchenrechtlichen Streit zum Aus-
trag zu bringen, erst im Anfang des folgenden Jahrhunderts wurde er wieder
aufgenommen und zuerst durch das Konzil von 410 unter Bischof Isaak
(399 — 410) zum Abschluß gebraclit. Zur Bekräftigung dienten dann noch
die Konzile von 420 und 424 unter Jabhalähä (415 — 420) und Dädhiso'
(421 — 456). In der Folgezeit verschwindet dann dieser Gegenstand aus
den öffentliclien Verhandlungen der Konzilien und macht anderen Fragen,
der Einführung der Christologie des Nestorius, der Regehing des Ehe-
rechts und anderen Dingen Platz. Indessen bis in das neunte Jalirlmndert
läßt sich nachweisen, daß die Bischöfe von Seleucia nicht aufgehört haben,
sich um die Unterwerfung der von Anfang an renitenten Kirchenprovinzen
wie der Persis und Ostarabiens unter ihr Szepter zu bemühen.
Das Konzil von 410 hat die Bescldüsse des Konzils von Nicäa und
die westliche Patriarchal- und F'piskopal Verfassung auf das östlichste Cliristen-
tum übertragen. Wir geben im folgenden eine Übersiclit speziell über das-
jenige, was das Konzil verbietet.
§ XIII verbietet, daß das Abendmahl nicht mehr wie nach altem An-
denken in Privathäusern dargereicht werden soll. Die ältesten zerstreuten
kleinen Ghristenkonventikel hielten sich verborgen, und nur durch Zufall
entdeckte der Bischof von Beth Zabhdai, als er mit einer Karawane nach
Arbela kam, daß dort eine kleine Christengemeinde vorhanden war. Sie
hatten keine Kirche, ihren Gottesdienst mußten sie in einem ihrer Häuser
halten, erst der vierte Bischof von Arbela, Abraham, baute seiner Gemeinde
eine Kirche (unter Vologeses III. 148— 191). So die Chronik von Arbela
S. 43. 48.
§ XVI verbietet, daß die Weihung von Priestern und Diakonen an
profanen Orten stattfinde. Darin dürfte ebenfalls ein Hinweis auf jene
älteren Zeiten, in denen die Gemeinden noch keine Kirchen besaßen, und
ihre Gebräuche zu sehen sein.
Zur Ausbreitung di'S Christen tiuiis in Asien. 77
Derselbe Paragraph verbietet, daß junge Männer, welche keine ge-
nügende Kenntnis der heiligen Schriften haben, ohne irgendeine Prüfung
zu Priestern und Diakonen geweiht werden. Es mag in den älteren Zeiten,
besonders in Zeiten der Verfolgung, oft schwer gewesen sein Männer zu
finden, welche die nötige Bildung besaßen, um den Gottesdienst der Ge-
meinde versehen zu können.
§ XIV verbietet, daß mehrere Chorbischöfe dem Bischof an die Seite
gestellt werden. Aus welchen ^'erhältnissen diese hierdurch verbotene ältere
Sitte hervorgegangen ist, wissen wir nicht. Da aber die Chorbischöfe (auch
ISOL^jta Visitatoren genannt) die Bischöfe gegenüber den Landgemeinden
vertraten', so mag der Besuch der zerstreuten, im schwer und nur in einem
kleinen Teil des Jahres zugänglichen Zagros gelegenen Gemeinden für einen
einzigen unmöglich, frühzeitig der Anlaß zur Bestellung von mehreren Per-
sonen gewesen sein. Dies gilt besonders für die Provinzen Adiabene, Ga-
ramäa und B^th Arbäje, ab(;r auch für Babylonien, Maisän und Susiana,
denn hier bieten die Wasserverhältnisse während eines großen Teils des
Jahres dem Verkehr schwer überwindbare Hindernisse.
§ VI. Das ältere östliclie Christentum hatte keine allgemeine, in regel-
mäßigen Zwischenräumen wiederkehrende Synoden. Daher die Einführung
von Synoden alle zwei Jahre, wofiir sjjäter im Konzil von 497 vier Jahre
angesetzt wurden", da der erstere, aus dem Nicänum übernommene Termin
für die Entfernungen und sonstigen Verhältnisse Asiens gänzlich unhalt-
bar war.
§ XIII und IX. Die ältere P'orm des Gottesdienstes wird reformiert
nach dem Muster des westlichen (iottesdienstes, den Bischof .Alaruthas den
Orientalen in der Kirche zu Koklu-Seleucia vorführt. Worin die Besonder-
heiten des älteren Kultus bestanden haben, wird nicht angegeben.
§ XIII und S. 258. 259. Die ältere Kirche hatte keinen allgemein gül-
tigen Kalender für die Fest- und Fastentage und keine Behörde, welche
allen Gemeinden eine normative Bestimmung hierüber hätte zugehen lassen
können. Die Reform befiehlt nun die Einführung des westlichen Kalenders
und räumt dem Oberbischof von Seleucia das Recht ein, für den Orient
den Kalender zu bestimmen und über seine Durchfuhrung zu wachen.
' Vgl. Pabisot, Los chorev(''(|ue.s in der Revue de POrient C'liivtien 6 (1901) S. 157.419.
■■' .Syn.Or. .<^. 31.5. Chr. .\rbel. S. 87.
78 S A r H A u :
Das Hauptobjekt der Reform war die Einfüliruiig der westliclien Epi-
skopalverfassiuig. Sollte eine Stadt mehrere Bischöfe haben oder nur einen?
und von wem sollte die Bischofswahl vorgenommen und bestätigt werden?
Syn. or. S. 258. Während in älteren Zeiten es vorgekommen sein muß,
daß eine Stadt zwei oder drei Bischöfe hatte, bestimmt die Reform, daß von
da an für eine Stadt nur ein einziger Bischof zulässig sein soll.
§ I. XI. XVII und S. 258. Ein einziger Bischof hat nicht das Recht,
weder im Leben noch sterbend einen Bischof zu ernennen, auch zwei Bischöfe
haben dies Reclit nicht. Drei oder mehr Bischöfe oder andernfalls ein F>rz-
bischof mit 3 — 5 Bischöfen (§ XVII S. 270) sollen sich versammeln und
einen Bischof wählen. Der Gewählte soll sich alsdann dem Oberlnschof und
Patriarchen von Seleucia präsentieren und von ihm die perfectio 1 .\y)OiT
empfangen, d. h. er ist gesetzmäßig installierter Bischof erst dann, wenn
der Patriarch seine Wahl bestätigt hat.
§ XI verbietet, daß ein Bischof, die Grenzen seines Bistums über-
schreitend, in einem anderen Bistum Handlungen vornehme, die ihm nicht
zustehen. Durch ein so verbotenes Benehmen der susischen Bischöfe von
B6th Läpat imd Karkhä waren nach § XXI S. 272 Ubelstände entstanden.
Es mag in älteren Zeiten zuweilen Ungewißheit und Streit über die Grenzen
der einzelnen Bistümer bestanden haben. Um dies zu verhüten, ist § XXI
S. 272. 273 erlassen, der uns die Verbreitimg der östlichsten Bistümer um
das Jahr 410 zeigt.
Zu diesen normativen Bestimmungen stehen die Gebräuche der älteren
Kirche in einem geraden Gegensatz. Ein Bischof weihte sterl)end seinen
Nachfolger. Abrali-am, der vierte Bischof von Arbela, weiht seinen Diakon
Noah zum Nachfolger, ebenso der sechste Bischof Al)el seinen Diakon
Ebedhmesihä (Chr. Arbel. S. 48. 58). In einem anderen Falle weihte ein
Bischof der einen Gemeinde den Diakon einer ,'inderen zum Bischof, so
Bischof Mäzrä von Beth Zabhdai den Diakon Simeon zum Bischof von Ar-
bela (a. a. O. S.43). Ferner finden sich die Fälle, daß zwei fremde Bischöfe
anderen Gemeinden Bischöfe weihen, so der neunte Bischof von Arbela
Sahlüfä und Bischof .Subhhä-Lis(V von Beth Zabhdai für die Diözesen von
Harbath Geläl und Ressönin (?), die Bischöfe Almdhabhühi von Arbela und
Ilaibe'el von Susa für Seleucia (a. a. 0. S. 65. 69). In noch anderen Fällen
wählt die Gemeinde selbst den Bischof, während ihr durch das Konzil
von 410 jede Beteiligung an der Biscliofswahl genommen wurde. Gemeinde
Zur Ausbreitung des Christentums in Asien. 79
und Geistlichkeit wählen den Abel, den sechsten Bischof von Ax'bela, und
geleiten ihn alsdann zum Bischof Zekhä-Iso" von Henäithä, damit dieser
ihn weihe (a. a. 0. S. 54). Die Gemeinde von Arhela wählte in Zeiten der
Verfolgung im geheimen ilire Bischöfe Abraliam und Märanzekhä, den
ersteren noch zu Lebzeiten seines im Kerker schmachtenden Vorgängers
Johannän (a. a. 0. S. 78. 79).
Der Kampf zwischen altem und neuem Recht führte zu heftigen Kon-
flikten. Die Konzilakten berichten mehrfacli, wie unter dem alten System
Zank und Streit und Schäden allerlei Art entstanden seien, die nun durcli
das neue Recht, »die Gesetze, welche von den illustren Vätern und den
glückseligen Bischöfen für die katholische Kirche im ganzen Römerreich
aufgestellt und dort bis auf die Gegenwart sorgfältig beobachtet worden
sind« ', behoben werden sollen. Also uralter einlieimischer Brauch gegen
neues römisches Reclit! Die Olierbiscliöfe von Seleucia setzen ihre Präro-
gative als selbstverständlicli voraus und verlangen strikte Durchführung
des neuen, von Päpä zuerst angestreiften Rechtes, sie setzen Biscliöfe, die
nacli lieimischem Brauch gewälilt waren, ab und belegen sie mit dem
Kirclienbaim, greifen damit tief in private Interessen ein, die Gegner aber
bestreiten die Zuständigkeit des oberbiscliöf liehen Gerichts und halten sich
für durchaus unschuldig'. Der Ansprucli dieser orientalischen Päpste hat
sich im allgemeinen durcligesetzt. Wie das bürgerliclie Recht Roms in den
Orient gedrungen ist'^, so ist avich das römische Kirchenrecht das Recht
der östlichsten Kirche des Orients geworden.
' Syn. Or. S. 280.
•■' S. Syn. Or. S. 287.
' S. meine Syrischen Rechtsbüclicr 1 Kinleitun;; .'^. Vlll. IX.
80 Sach au: Zur Ausbreitung dfs Christentums in Asien.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Einleitung 3
Von den Quellen 9
Von den Kirchenprovinzen 14
Von den Bistümern : 26
Babylonien 26
Susiana 38
Nisibis 43
Mesene 48
Adiabene 52
Garamäa 55
Persis 58
Ostarabien 59
Medien 59
Atropatene 61
Armenien 62
Kaukasus 62
Siidrand des Kaspischen Meeres 63
Parthien 64
Margiana 64
Herat 66
Sakastene 66
Arabien 68
Socotra 69
Syrien 70
Ägypten 71
Indien 71
Unbekannte Bistümer 72
Exkurs : Vom ältesten östliciisten Christentum 73
Berlin. si^llrucJit in der Ilcichsrlruokerei.
ABHANDLUNGEN
DER PREUSSISCHEN
t AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
JAHRGANG 1919
PHILOSÜPHISCH-HISTORISCIIK KLASSK
Nk.2
HON IFATl IS FRAGEN
VON
MICH AI J. 'rAN<iL
P)KHL1N 1919
VKKI,.\(i DKK AKADK.MIK DKK WISSKNSCll All KN
IN KllMMISSION liKI llKI!
\ kükim'.im; \\ issknsiii m- ri.iriii:!! \ ki,'i,i:(.i;i! wai.iii; in: (.i,'r\ii;i; r lo
\Oft>f \I,s I, .1 (.(K) ii)\-^i iü; M.IM.V'--:« Wl'l.i \'. .1 t.i 1 li \|- \';. \ 1 !;l.\i.'l;i > UM wiMi \'.
• .l.oit'. l;l IMI.l; k\!(l..l M!I|;N!.i; \ ^.l i i fuMl*
Vorgelegt in der Sitzung der philosüphisch-historischen Ivlasse am 3. Aj)ril 1919.
Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 7. Juni 1919.
Wenige Wochen nacli dem ersten Teil meiner »Stndien zur Neuausgabe
der Bonifatiusbriefe« ' erscliien eine Arbeit IIkinfkii Boehjiers »Zur Ge-
schichte des Bonifatius« ", die meine Neuausgabe der Briefe in den Epistolae
selectae der Monumenta Germaniae gerade sclion benutzen, von der sie l)e-
gleitenden Forschung aber noch keine Kenntnis nehmen konnte, ebenso
wie fiir diese Boehmers neue Ergebnisse zu spät kamen. Der daraus ent-
sprungene Schaden ist auf beiden Seiten nicht allzu groß gewesen, denn
die Sonderziele unserer Forsclaing gehen sich fast ganz aus dem Wege.
W^as BoEH.MEK, die bisherigen Gesamtdarstellungen sowie Einzelversuche
weit überholend, herausarbeitet, ist das Wirken des Bonifatius in Hessen.
Es geschieht in einer Weise, auf die ich hier mit Nachdruck aufmerksam
machen möchte. Boeh.mer führt zurück bis zu den geologischen Grund-
lagen der Bodengestaltung, erörtert dann Siedelungsverhtältnisse, Straßen-
züge, Kulturzustände, wertet die Hemmnisse und Förderungen, die dem
Missionar daraus erwuchsen, und gestaltet das Ganze zu einem lebensvollen
und anschaulichen Bild'.
Was wir einheitlich, aber, wie Boeiimer rügt, ungenau als »Hessen«
bezeichnen, war damals keineswegs ein Ganzes, nicht als Land und nicht
ethnographisch. Von dem viel stärker besiedelten, zum Teil schon wohl-
bebauten, dem Christentum wenigstens in Anfängen bereits erschlossenen
Lahngau und der südlich an ihn sich reihenden Wetterau hebt sich scharf
' Neues Arcliiv 40, ()39-- 790.
' Zeitschrift des Vereins für iiessische (iescliiclite iiiul Landeskunde 50 (N. F. 40).
171 — 215.
' Hs lügt sich reclit hübsch, daCi der rntcrsuciuinn: B()f.h>u:bs zwei j^aiiz ähnlich ge-
artete Arbeiten, Georg Wdi.kf. Die geofiraphischen \'(irausset/,ungen der Chattenfeldzüge des
Gemianicus S. 53 — 123, und Binoemer, Zur Lage des Königshofes in Bergen S. 124 — 170,
vorangehen und diesem Bande eine gewisse (ieschlossenheit verleihen.
1*
4 'I' A N c; L :
;ili (las ciqciit liehe Hessen, das noch nroßenieils iiiiuirtliehe. kulturell rück-
ständige, rein heidnisclie Wald- und Sumpfland im Tal der Eder, Schwahn
und unteren Fulda'. Aniöueburi;- und Fritzlar wurden in diesen beiden
(lebieten die Stützpunkte der Mission, bei deren Durclifiilirung den Boni-
latins gerade die stärkeren llcmmung(Mi im llesseidand mächtiger lockten.
Die scharfe Sclieiching dieser Arbeitsgebiete dient nun Boehmer als
Hebel, die Kritik an die viel erörterte Adresse der Urkunde Gregors III.
vom Jahre 738 (Bonifatiiisbriefe Nr. 43 S. 68) anzusetzen: (iregorius papa uni-
versis optimatibus et poi)ulo provinciaruni Germaniae, Thuringis et Ilessis,
Bortharis et Nistresis, Uedreciis et Lognais, Suduodis et Graflfeltis vel Om-
nibus in Orientali plaga constitutis. Ich stinnne ihm vollkommen zu, daß
die Aufzählung dieser Völkerschaften nicht dem Kopf eines päpstliclien
notarius regionai-ius entsprungen, sond<'rn durch kiuidigen Mund, durcli
Bonifatius selbst anläßlich seines damaligen letzten Aufenthalts in Rom,
gewiesen ist. Icli stellte di(> gleiche Behauptung für die >- Altsaxones« in
Nr. 2 1 auf- und nehme die gleiche Herkunft auch für die Aufzählung
thüringischer Großer in Nr. 19 und ostfränkischer Edler in Nr. 83 als
selbstverständlicli an. Aber die Wiedergabe der germanischen Namen stieß
beim päpstlichen Schreiber anfein erstes hartes Hindernis, tmd die krausen
Schriftzüge der Papstlirkunde taten ein Aveiteres, um dem Kopisten in Mainz
bei der F^intragung in die Briefsaninilung Schwierigkeiten zu liereiten und
die schließliche Überlieferung der Namen zu einer recht unerfreulicJien zu
machen. So kommt es, daß wir mühelos nur die Thüringer, Hessen und
Bewohner des Grabfelds erkennen, trotz Verderbungen in den »Uedrecii»
die Wetterauer und in den «Ldgnai« die Lahngauer feststellen, an den
»Borthari« und »Nistresi« aber nur mit unsicheren Deutungen tasten imd
mit den »Suduodi« bis heute überhaupt nichts anzufangen wissen.
BoEHMEK stellt weiter fest, daß die 8 Namen zu 4 Paaren gegliedert
sind, deren jedes 2 benachbarte Stämme umschließt, deren Siedelungen
nach I^rledigung der führend vorangestellten Thüringer und Hessen nicht
' Der Lahngau scheint übi'iiicns Ijald näheren Anschluß an das nördliche Hessen ge-
runden zu haben: schon liegen Ende der 20er Jahre des 9. .lahrfumderts faßte man in Fulda
hei der Anlage dei- (.'hartulare die llrknndengrujjpen aus dem Lahn- und Hessengau als
tiipographischo Einheit zusaunnen und schied sie von der ( 'berlieferung aus der Wetterau:
vgl. SrENGKL, Fuklensia, Arch. f. L'rk.-Foi'sch. 7, 16 A. i.
- N. Ai'ch. 40, 759.
Bonifatiusfrngi'n. 5
iiinerliall» Tliüriiigeiis iiiul Hessens, soiulcni in (l<'n nnmittelbar anstoßen-
den Naclibargebieten zu 'suchen sind. Dabei führt er in der Deutung der
»Borthari et Nistresi« über die bislierige Erkenntnis hinaus, indem er iur
die »Nistresi« die von Dümmler aufgestelhe und auch von mir bevorzugte
Deutung auf die Bewoliner des Gaus Niftharsi an der Diemel bestätigt,
für die Bortliari aber beide bisher versucliten Feststellungen ablehnt, die
Haucks auf die Anwohner der Wohra, die als Zugehörige des Lahngaus
unter die in der Aufzählung später folgenden »Lognai» fallen, imd die
Deutung von Richthofen, Dlmmi.er und mir auf die Brnkterer an der Lippe
und Rulir, da diese fernab von der Naehbarschaft der anderen Stämme
siedelten und da so weit in säehsisches (iebiet hineinreichende Bezieliungen
des Bonifatius sonst niclit bekannt sind. Kr setzt dafür die »Borthari«
unserer Liste gleich den »Poratliani (Parathani)« in Arbeos Vita Haimhrammi '
und den im Kap. i i des Capitulare Saxonicum vom Jahre 797 genannten
»Bortrini«". In der Tat stimmen die Angaben Arbeos. der sie nördliche
Nachbarn der Tln'iringer nennt ', die Scheidung des Capitulare Saxonicum,
das den »Bortrini« die »Septentrionales« gegenüberstellt, und unsere Auf-
zählung, die sie in die Nachbarschaft der »Nistresi« und der Thüringer
bringt, zusammen. Wir haben in den »Borthari« einen obersächsischen
Stamm zu sehen, der westlich an die »Nistresi«, südlich an die Hessen,
südöstlich an die Thüringer grenzte und an der oberen Weser siedelte.
Der Vorgang Boehmkrs ermöglicht es aber vielleicht auch, die Spur
der rätselhaften »Suduodi« etwas schärfer zu verfolgen. Der Lage der ande-
ren Stämme nacli müssen sie zwischen der Wetterau und dem Grabfeid zu
suchen sein: Haucks Deutung auf ilie Bewohner des Salagaus würde hier
der Lage nacli entsprechen. Vielleicht ist aber auch noch folgende Deu-
tung ins Auge zu fassen. Von bekannten Stützi)unkten der Missionstätig-
keit des Bonifatius ist in unserer Aufzählung Fritzlar durch die »Hessi«.
Amöneburg durch die »Lognai«, F.rfurt und (3rdrufl" durch die »Timringi«
gedeckt; man vermißt von den wichtigen .AIissions])lätzen und s[)äter zum
Teil Bischofssitzen noch Würzburg, und es scheint mir daher möglich, die
' K(l. Krusc H, M. (i. SS. rpr. Mcrciv. 4. 513.
' M. (i. (Japii. I, 72 und jetzt in cici- Aiisi;,il)c der- l.c-ies Siixdnuni cl 'i"liiirinj;unuii
durch Frlii'n. von Schwerin in den Font, im-, (icnn. nnl. S. 49.
^ A.a.O. .in partlbu.s aiiuiliinis I)nriny;i)ruin» : Krisiii liuttc dar.nil'liin die (iloich-
setzuiig mit den Brukterern bereits stark bezweifelt.
6 T A N li L :
»Sudiiodi« vielleiclit ;iucli südlicli des (iral)f(dd.s bis zum Maingebiet um
Würzburg zu suchen.
Das Wesentliche an dem Ergebnis ]5oehmers ist aber, wie er selbst
treffend hervorhebt, daß die »Nistresi« und '.Borthari« als säclisische, den
Hessen und Thüringern benachbarte Stämme festgestellt und nach dem
Zeugnis des Briefes spätestens für die Zeit um 738 Beziehungen des Boni-
fjitius zu ihnen und damit Anfänge des (Christentums nachgewiesen sind.
Bonifatius hatte zu Beginn meines AVirkens gerade hier eine böse Ecke vor-
gefunden: Hessen und die angrenzenden Sachsenstämnie, durch ungebroche-
nes Heidentum innerlich verbunden und dabei die Sachsen in kriegerischen
Unternehmungen wie Siedelungen gegen die schwächeren Hessen im Vor-
rücken begriffen'. Wer die cJiristliche Mission in Hessen sichern wollte,
der mußte daher trachten, ihr auch bei den benachbarten sächsischen
Stämmen Boden zu gewinnen. Ob solclie Pläne des Bonifatius sogleich
mit den Anfängen der Hessenmission im Jahre 722 zusammenfielen, steht
dahin; jedenfalls sind sie wesentlicli früher anzusetzen als der ins Jahr 738
gehörende Gedanke einer großzügigen und allgemeinen Sachsenmission,
für die Bonifatius damals den Papst gewann und seine angelsächsisclien
Landsleute zur Beihilfe warb". In diesem Zusammenliang erhebt sich die
Frage, ob die so gewonnene Erkenntnis einer Staffelung der Missionsan-
sätze bei den .Sachsen Einfluß übt a\if die Einreihung des merkwürdigen
])äpstlichen Bekehrungsaufrufes, der in allen früheren Au.sgaben Gregor II.
zuerkannt und von Jafie und Dümmler zum Jahre 722 (723) eingestellt
war, während ich ihn für Gregor IIb und die Jahre 738 — 739 in Anspruch
nehme"'. Boehmer, der meine abweichende Einreihung nicht beachtet imd
die in meinen »Studien zur Neuausgabe der Bonifatius-Briefe« nachgeholte Be-
weisführung noch nicht gekannt hat, bleibt bei der alten Zuweisung zu
(iregor II. und bringt den Aufruf tatsäclilich in Beziehung zu den ersten
Missionserfolgen in Hessen im Jahre 722'. Demgegenüber habe ich keinen
(irund, in meinem Ansatz waid<end zu werden. Der päpstliche Aufruf ge-
seilt sich deutlich zu den Zeugnissen für den s[)äteren, erweiterten Mis-
' tJoEHMKR 8. 188 190.
- Vgl. den Anfruf des H(ii\il:itin.s an die iVnijel.saclisen Nr. 46 S. 74 und X. Arch.
40. 7_^8.
'■' Nr. 21 S. 35 und N. Arcli. 40, 754 - 760.
'• S. 190.
Bonifatinsß'ayrn . 7
sionsplan des Bonifatius, indem er Teilerfo1e;e — eben bei den Nistresi und
Borthari, wie Boehmer so hübsch nachgewiesen hat — bereits voraussetzt'
und indem er sich ausdrückUch an das Gesamtvolk der Altsachsen wendet".
Das stellt den päpstlichen Aufruf in enge Wechselbeziehung zum Aufruf
des Bonifatius an die Angelsachsen, dessen Einreihung zu 738 nicht zweifel-
haft sein kann.
Aber Boehmer knüpft mit neuen Deutungen auch noch aji andere,
entsclieidende Wendepunkte im Leben.sgang des Bonifatius an: hier kreuzt
er zum Teil auch meine Wege stärker, und hier muß ich ihm in eingehen-
der Nachprüfung folgen.
Seinen ersten erfolglosen Missionsversuch in Friesland brach Winfrid
nach kurzer Zeit ab, weilte 717 — 718 wieder in der angelsächsischen Heimat,
begab sich im Laufe des Jahres 718 nach Rom, gewann das Vertrauen
Papst Gregors II. und wurde von diesem am 15. Mai 719, unter gleich-
zeitiger Beilegung des Namens Bonifatius, zum Missionar bestallt. Von
Rom begab er sich über den Hof des Langobardenkcinigs und durch Bayern
nach Thüringen, brach aber auf die Kunde von dem Tode des Fricscii-
lursten Radbod seine Tätigkeit wieder ab und ging abermals nacli Frics-
land, wo er diesmal mit dem Krzbischof Willibrord zusammoivvirkte. \i\\
entscheidenden Augenblick aber entzog er sich der Werbung WilliI)ror(ls,
der ihn durch die Bischofsweihe dauernd an sich und die Friesenmissiou
zu fesseln suchte, und begann nunmehr, des päpstlichen Auftrags wieder
eingedenk, sein Wirken in Hessen und Thüringen. Dies die Darstellung,
die im Ansciduß an den Bonifatiusbiographeii Willi])ald im wesentlichen
übereinstimmend bisher allgemein gegeben wurde. Sie aber versucht Boehmer
nunmehr umzustoßen ', lehnt Willibalds Bericht als unglaubwürdig ab und
sieht das Walten Winfrids 716 — 721 einheitlich im Zeichen der Frieseii-
mi.ssion. Der Aufenthalt in Thüringen sei nur eine Kpisode gewesen, ver-
anlaßt durch den päpstlichen Auftrag, hier Umschau zu halten und über
die Eindrücke nach Rom zu berichten \ Ein weitergehender Auftrag zur
' Nr. 21, S. 35: »et pro liis. (|ui Vfrlmiii rxlioi-talidiii.s fidei .Icsn ('liristi iloniini riosti-i
susceperunl et qui adhiit suscepturi sunt.«
'■' A. a. <).: 'Universo populo pidviiicii; AltsaxoMiiiii."
^ S. 192—199.
• S. 192: »So ist es alli'iii Ansdiciii nach zu rr'kiäi'en. dal.i I'apst, (ii-efror 11. den Kiit-
schliiß faßte, den angelsäehsisrlieri Mönch, der in l'rieslaiid Mission treiben wollte, vorigst
8 T A N (i L :
Missionstätigkeit auf deutscheni Hoden östlicli des Rheins sei vom Papst
719 nicht erteilt, von Winfrid auch gar nicht erbeten worden.
Ich bin der letzte, als Anwalt für die unbedingte Zuverlässigkeit Willibalds
aufzutreten, aus dem cinfaclien Grunde, weil ich bei der Anfechtung dieser
Zuverlässigkeit geführt habe. Ich habe den Bericht Willibalds über das Todes-
jahr des Bonifatius (755) als unhaltbar erwiesen, als erster seine Angabe über
ein dreijähriges Wirken des Bonifatius an der Seite Willibrords in Friesland
widerlegt' und als einziger mit der allseits gläubig wiederholten Schilderung
vondemausnahmsweisenZugeständnisderschriftliclien Ablegung de#Bischofs-
eides aufgeräumt".
In diesem Fall aber würde ich Boehmers neuen Deutungsversuch aucli
dann ablehnen, wenn wir Willibalds P)ericht gar nicht besäßen, da die Ur-
kunden zu bestimmt widersprechen: die Bestallungsurkunde des Bonifatius
durch den Papst (Nr. 12) und der Brief des Bonifatius an Bugga, der zwar
verloren, aber in seinem für unsere Frage in Betracht kommenden Inhalt durcli
Buggas Antwort (Nr. 15) ausreichend gedeckt ist. Man versteht die ganze
anspruchsvolle Vorbereitung nicht: die Reise Winfrids nach Rom, den nionate-
langen Aufenthalt, di(^ Namensänderung und feierliche Bestalhing durch den
Papst, wenn es sicli niclit um mehr und anderes handelte, als um die Rück-
kehr ins alte friesisclie Missionsgebiet und diesmal sogar noch in Zusammen-
arbeit und Unterordnung unter den Missionserzbiseliof Willibrord. Boehmer
hat ganz Recht, daß die Bestallung kein bestimmtes Gebiet nennt, .sondern
sich noch ganz unbestimmt und allgemein ausdrückt gegenüber der bischöf-
lichen Bestallung, die drei Jahre später den Missionshereich des Bonifatius
mit »den Gebieten Germaniens östlich des Rheinstroms« umgrenzt. Aber
als Beobachter oder apostolischen Kundschafter nach Thüringen zu senden.» S. 194: -Er
sohle sich nui' ül)er die rehgiösen Zustände des Landes informieren und alsdann darübei'
nach Rom berichten.«
' Ich freue micli, daß l>oi:ii\ii:n S. 203 — 206, jianz unabhängig von mir. zu demselben
Krgcbnis kommt: abei" aus meiner (Mierset/.ung der üonifatiusbriefe in den »Gescliichts-
sclii-eibern der deutschen N'orzeit« 92.11 — 12 hätte ei' sehen können, daß die .\rl)eit bereits
getan war. Die Erklärung, die ich N. /Vi-ch. 40, 745 für den Irrtum Willibalds gab. daß ei'
seine Zeitangabe als Hechonexempel aus dem Vergleich der Datiei-ungen der ihm wohllie-
kaniiten Urkunden Nr. 12 und 16 gewann, oluie zu bedenken, daß zwischen der ereten Be-
stallung und der liischofsweihe des Bonifatius noch andere Dinge lagen als die Ai-beit in
Friesland, halte ich auch Jetzt als die ungleich einfachere und überzeugende gegen die ge-
künstelte von Hoi;ii.mi;r aufrecht.
- N. Aldi. 40. 739 74 I .
Bon ifatiusfragen . 9
in (lieser Allgemeinheit, der Bevollmächtigung »ad gcntes quasciuuiue infi-
delitatis errore detentas« greift sie docli entscheidend über die Enge einer
besonderen Friesenraission hinaus. Und der Schluß der Urkunde mit der
Übergabe einer eigenen Dienstbelehrung und der Vollmacht eigener und un-
mittelbarer Berichterstattung an den Papst für den Missionar', spricht er
nicht überzeugend dafür, daß Winfrid, sieh selbst überlassen und dem Papst
allein imd unmittelbar verantwortlich, in einen eigenen und selbständigen
Wirkungsbereich gestellt werden sollte? Es war sonst nicht pä[)stlieher
Brauch, Priester über die Köpfe ilirer Bischöfe hinweg derartig zu bevoll-
mächtigen!
BoEHMER sieht einen schwer<'n Anstoß gegen die bisherige Deutung darin.
daß Winfrid »einem ihm vom Papste ausdrücklich erreilten Bef^lde bewiißt
zuwidergehandelt habe« und hält es »nach allem, was wir von Winfrid
wissen, für ausgeschlossen, daß er eine so offenbare Insubordination je
auch nur in Gedanken hätte begehen können'«. Aber erstens konnte von
einer offenen Übertretung nicht die Rede sein, da der päpstlidie Auftrag in
seiner Unbestimmtheit und Allgemeinheit Friesland nicht ausschloß; dann
aber hat Winfrid in dem Schreiben an Bugga die Ändenmg seines Ent-
schlusses durch den Eintritt außerordentlicher Ereignisse ausdrücklich zu
rechtfertigen gesucht: durch den Tod des Friesenfürsten Radbod, des schlimm-
sten Feindes der Mission, und durch ein Traumgesicht, das Winfrid aber-
mals den Weg nach Friesland wies. Deutlich liest man das Bestreben her-
aus, die Änderung des eigenen Entschlus.ses und die Umgehung des päpst-
lichen Auftrages durch das (ieheiß eines Höheren, durch die Berufung auf
göttliche Eingebung, zu rechtfertigen. .\uch liier wird das Aufgebot der
Gründe unverständlich, wenn Winfrid sich bis dahin kein anderes Ziel ge-
steckt und vom Papste hatte vorzeichnen lassen als die Friesenmissioii.
So bleibt denn die bisherige Auffassung als die unvergleicldicli wahr-
scheinlichere bestehen, daß Winfrid 718 bereits mit dem festen Entschluß
nach Kom ging, sich ein neues und selbständiges Arbeitsgebiet anweisen zu
lassen, und daß als solches schon damals die mittel- und niederdeutschen
' Nr. 12, S. 18: .I)i.spi|)liti;im dciiiqiio saoianioiili. quam ad iiiilianilos I)eo praevio predi-
tiiros teuere slndeas, ex (onmila ol'fitioruri] sanctae iinstrae aposfi)licati scdis iiisliiiclioiiis
tuae gratia praeliljata voliiinus ut inleiidas. (jiiod voro actioni siisccpti' tit)i deesse porspexcris.
iiobis, ut valueii.s, inliinan- curalji.s.-
■' 8.198.
Phil.-hisl. Ahh. 191U. Nr. 2. 2
] 0 T A N G I. :
(;('l)iete ösllidi des Rlieins in ATissicIit j>en(iinmeii und vom Papst zuge-
wiesen waren, daß aber die Enttäuschung, welche die erste Umseliau in
Tliüringen bereitete und die Kunde Aom Ableben Radbods bei Winfrid noch
einmal einen Rückfall in die Bahnen seines ersten Missionsversuchs vom
Jahre 716 herbeiführten'.
Willibalds P>zählung aber von Art und (irund des Abbruchs der Mit-
arbeiterschaft des Bonifatius bei Willibrord gebe ich mit I^oehmer gern preis
und stehe nicht an. die eigene Vermutung, die er an die Stelle setzt', für
sehr beachtenswert zu erklären: daß es (Gegensätze kirchlicher Anschauung
und kirchlichen Brauches waren, die l)ei dem stark unter irisch-northum-
brischem Einlhiß stehenden Willibrord und dem ausschließlich römisch be-
einflußten Bonifatius aufeinanderstießen und eine Entfremdung der beiden
Männer herbeiführten. Die Priester, die später dem Bonifatius in Thüringen
feindlieh entgegentraten', waren nicht Irokelten, sondern, wieBoEHMER gegen-
über der älteren Annahme überzeugend hervorhebt, sicher Angelsachsen und
nach seiner erwägenswerten Vermutung vielleicht Willibrord-Scliüler.
Mit neuer Forschung knüpft Boehmer an die letzte Romfahrt des Bonifatius
an, zunächst bezüglich der ('hronologie, bei der wir uns vcm vornherein sehr
nahe stehen. Die nach Willibalds Angabe ungefähr einjährige Dauer dieser
Reise verteilt er gleich mir auf 737 — 738, sucht aber einen bestimmteren
Abschlußpunkt durch die ansprechende Vermutung zu gewinnen, daß die
Synode, deren Zusammentritt Bonifatius vor seinem Scheiden aus Rom noch
' Vgl. außer Hauck K. G. i, 457 fl'., Sciim'-rku, Bonilatius, S. 35 t'. iiiul meine kurze Dar-
stellung, Gesell. Sehr. d. deutselien Vorzeit 92, S. VII - VIII. Ich glaulje, daß Bokumkr die geo-
graphisclien Kenntnisse WinlVids doch untcrscliätzf, wcini er S. 192 annimmt, ilaß Winfrid bei
seiner Komfahrt 718 allem Anschein nach wohl noch keine Ahnung davon gehabt habe, daß
es ii-gendwo in der Welt eiji Volk der Hessen gelie. Solche Kenntnis /u erwerben, konnte
ch on der erste Festlandsautenthalt im Jahre 716 Gelegenheit bieten, in dessen Zeit beispiels-
weise die Freundschaft Winfrids mit dem Fianken Xitiiard lallt. (Vgl. X. Arch. 40. 731 flf.)
Ob der Schluß des Briefes an Nithard Ni'. 9. S. 6: ..Propterea si Dominus onmipotens vohierit.
iit aliquando ad istas partes renieans, sicut propositum habeo perveniam» ausdrücklich auf
eine beabsichtigte Wiederkehr nach Friesland oder allgemeiner auf eine solche nach dem
Festland zu beziehen ist, nuig dahingestellt bleiben. Boehmfh wird ihn. das kann nicht
geleugnet werden, zugnnsten seiner Deutung in .Vnspruch nehmen dürfen.
2 S. 192 — 193, A. 4.
■■ Vitae Bonifatii ed. Lkvison, S. s.]- Die Namen, die Willibald nennt. Torchtwine
und Eanbercht und wohl auch Berehthei-e uiul Hunraed. sind, wie Bokhmkh hervorhebt und
übrigens schon der Herausgeber Levison bemerkte, unverfälscht ani;elsäclisisch.
Bonifatitisfragen. 1 1
abwarten wollte, wahrscheinlich Mitte Mai 738 abgehalten wurde'. In der
Tat fugt es sich hübsch zu der ausdrücklichen Bestimmung des 4. Kanon
der römischen Synode von Ende 743, daß Synoden an den Iden des Mai
abgehalten werden sollen'", daß die Abfertigung der ])ayrischen Legaten am
15. Mai 716, die erste Bestallung für Winfrid am 15. Mai 719 erfolgten,
was auf eine Beziehung dieser wichtigen Urkunden zu Synoden und auf eine
gewisse Stetigkeit im Zusammentritt dieser Synoden um die Mitte Mai für die
erste Hälfte des 8. Jahrhunderts schließen lasse. Für die Reise des Bonifatius
würde sich daraus etwa die Umgrenzung Juni 737 bis Juni 738 ergeben.
Viel wichtiger ist Boehmers neue Auffassung ül)er den Zweck der Keisc.
Das Erge))nis der ungewöhnlich wiclitigen Verhandlungen, die damals in Rom
geführt wurden, ist iji den Urkunden Ciregors III. Nr. 42 — 44 niedergelegt,
deren zweite, Nr. 43, mit Boehmers neuer Auslegung an der Spitze dieser Ab-
iiandlung besprochen ist, deren erste, Nr. 42, eine neue allgemeine Empfehlung
und Bevollmächtigung des Bonifatius an Bisehöl'e luid Kh-risei enthält und deren
dritte, Nr. 44, sich in gleicher Sache au die Bischöfe Bayerns und Alamanniens
wendet. Daß den Worten in Rom die Tat in Deutschland auf dem Fuße
folgte, zeigt die nächste Papsturkunde. Xo. 45, vom 29. Oktober 739, die
bereits Bescheid und Glückwunsch enthält auf den Bericht des Bonifatius über
große Bekehrungserfolge bei den Sachsen und über die Neuordnung und
EinrichtungderKirclie in Bayern. Neben großen undallgemeinenOrganisations-
fragen, die in Bayern begannen, in Hessen, üstfranken und Thüringen sich
fort.setzten und zur Erörtnuny: der synodalen Tätigkeit auf deutschem Boden
überleiteten, muß damals in Rom auch die Sachsenmission erörtert worden
sein, wofür außer der ebengenannten Stelle der Aufruf des Bonifatius an
.seine angelsädisischen Landsleute (Nr. 46) und, wenn ich recht urteile, die
gleichzeitige Saclisenbulle (iregors 111. (Nr. 21) zeugen.
Im Verlauf jener Verliandlungen in Rdui uuiß es dem Papst gelungen
sein, anders geartete Absichten, mit denen Bonifatius nach der ewigen
' .S. 1 7 1 u. 172, Anm. I5i)iiilatiiisbi-iel' Nr. 41, S. 66 : •Xiuic auteiii liic exspectaiites
saceixlotuin concilium vel synodus ccHisiiltuin ailliuc ii^iiaraiiiLis, <[iiaiido hoc (ieri fariat
apostolicus puiitifex."
- M. G. Coiic. 2,13: -iit... oiiiiies cpiscopi, qiii Ijuiiis apnstolicae setlis oi-dinatioui
.subiaceaiit, qui propinquo simt, annue Idtis Ma^ii iiieiisis saiictoi-uiii principuiii apustoloniiii
Petri et l'auli limiiiiljus prao.senteiiliir. • ("lier die Kiiii-eihiiiig dieser Synode (74,5 .Sej)t. liis
I)e/..| vgl. meine Ausnilirnngen N. Arcli. 40. 77(): Hokhmi n mjcIiI. mocIj olme Kenntnis da-
von, auch die.se Syriode dem .Mai 743 /u/nweisen.
•1*
12 T A N G L :
Stadt gekommen war, entscheidend zu beeinflussen. Zeuge hierfür ist
Bonifatius selbst in dem Brief Nr. 41, den er an seine Getreuen in Hessen
über seine Aufnahme bei Papst Gregor III. richtete: »apostolicus pontifex . . .
consilium et preceptum dedit, ut iterum ad vos revertamus et in certo
labore persistamus« '. Hauck, der als erster aus diesen Worten einen Unter-
schied zwischen ursprünglicher Absicht des Bonifatius und päpstlicher Ent-
sclieidung scharf herauslas, deutete diese Absicht dahin, daß Bonifatius
aus seiner Tätigkeit in Hessen und Thüringen sicli zu lösen und ganz der
Sachsenmission zu widmen gedaclite'. IIaucks Annahme schien mir so
überzeugend, daß ich sie gern aufgrifl''' und dem Papst das Verdienst zu-
schrieb, seinen »Germanischen Legaten«, wie sich Bonifatius im gleich-
zeitigen Aufruf an die Angelsaclisen erstmalig nannte, vnr allem mit Nacli-
druck in seinem bisherigen Wirkungskreis festgehalten und daräber hin-
aus nur einer Ausdehnung seiner Tätigkeit zugestimmt zu haben, der Mi.ssion
bei den Sachsen, der er nicht widerspracli, und der Organisation in Bayern,
die er ihm ausdrücklich auftrug.
Hier nun setzt Boeiibier mit einer ganz anderen Deutung des strittigen
Satzes ein: Nach ihm war es überhaupt nicht die Absiclit des Bonifatius.
wieder nach Deutschland zurückzukeliren. sondern er sei 737 nach Rom
gepilgert, um in Rom zu bleiben und in der Stille eines römischen Klosters
sein Leben in Welttlucht, Gebet und Beschaulichkeit zu beschließen. Als
Stützen für seine Deutung führt er aus Briefen der unmittelbar vorangehenden
Jahre (Nr. 34 imd 35) Klagen des Bonifatius über (ireisentum und Ermattung
( — er hatte eben den Sechziger überschritten — ) und das Beispiel angel-
sächsischer Landsleute an, die sich in Rom zur Ruhe setzten.
Ich will nicht leugnen, daß diese Deutung Boehmers nicht nur manches
Bestechende für sich hat, sondern daß sie sich noch weiter ausbauen läßt.
Die kirchenrechtlich so anfechtbare Frage der Designation eines Nachfolgers,
die Bonifatius während jenes Aufenthaltes ebenfalls mit Erfolg angeschnitten
' S. 66. Der schon oben S. r i Anm. i erwähnte Brief ist erst gi'gen Ende des i-ömischen
Aulenthalts des Bonifatius und bereits nncii .Ansferligiing der l'apsturkunden Nr. 42 — 44 ge-
schrieben; deren Worte »;id uceeptuni hiborem . . . a nobis rst absohitns.. (Nr. 42. S. 67) und
"(Uim edocantes ad vos. carissimi, i'enieancUim al)Solvinius. (Nr. 43. .*^. 68) haben auf den
Bericht des Bonifatius sichtlich abgefiu'bt.
- Kirch, (icseh. Deutschlands. 3. — 4. Aull.. i, 497 f
^ (iesch. .Sehr. d. deiitseli. \'orzeit. ()2. Xl\'f.
Bonifatinftfrugen . 1
hatte', erhielte dann ja eine völlig veränderte Beurteilung; es würde sich dann
ursprünglich um die unmittelbare Bestellung eines Nachfolgers für den zvi-
rücktretendenBonifatius gehandelt haben. Bleibt es also künftig dem einzelnen
überlassen, ob er sich der neuen Deutung anschließen oder an der Ansicht
festhalten soll, daß dem Tatenmenschen Bonifatius der Gedanke an solches
Ausspannen aus unentbehrlicher Tätigkeit nicht wohl zugemutet werden
könne?
So liilflos sind wir denn doch nicht: die Entscheidung fällt mit
aller Sicherheit durcli den Bonifatiusbrief Nr. 40, dessen Kinreihung da-
durch feststeht, daß zwei von den vier (betreuen, an die der oben schon
melirfach genannte Brief aus Rom vom Jahre 738 gerichtet ist, Tatwin und
Wigbert, in ihm mit der Leitung des Klosters Fritzlar betraut werden.
Bonifatius stand entweder unmittelbar vor dem Antritt seiner Reise oder
befand sich bereits auf ihr, als er die Nachricht von dem Ableben des
Abtes Wigbert von Fritzlar erhielt. In dieser Lage, in der es ihm nicht
möglich war, i)ersönlic]i einzugreifen, ordnete er durcJi unser Schreiben
die Führung der (ieschäfte im Kloster, von den leitenden Stellungen (Tatwin
und Wigbert) bis zu den niedrigeren, dem Werkmeister Bernhard und dem
Koch Sturmi, dem späteren ersten Abt von Fidda. Er ermahnt die Mönche,
in treuer Wahrung der Regel und brüderlicher Liebe zu verharren "US(|ue
ad praesentiam /Y'ivraoms w>«^rf/i"« ■'. Das lieißt, Bonifatius hat seine letzte
Romfahrt mit der festen Absiclit der Rückkehr nach Deutscldand angetreten.
Wiederliolt spricht Boehmer von der Dauer des Reiseverkehrs und
Nachrichtendienstes zwi.schen Deutschland und Rom und schätzt diese für
die Zeit des Bonifatius auf mindestens zwei Monate ein'. Für die viel-
jährigen und regen Beziehungen des Bonifatius zu Rom hat dies nm' in-
sofern Belang, ob wir uns den Nachrichtendienst als einigermaßen rasch
' Vergleiche meint' .\iisl'üiirungcn N. Aicli. 40. 76611'.
* Dabei ist die Hezielmnf; dieses Briefes zur Koinfalirt 737 wie testf;er;inimt; das Zii-
samiuenfallen mil der nächst ziivDrlicijeMden io'ößeien Reise des HoMif'atius. von der wir
wissen, dem ei-sten längeren .Vulentlialt in IJayern 734 oder 735 (N;ilier(^s darüber gleich
unten bei Besprechung der Vita .Sturmi). ist ausgeschlossen, da Bonifatius auf dieser I{eise
Sturmi erst zum Schüler gewann.
' So S. 199: "Die Heise von .Mainz bis lioni dauerte damals mindestens 2 Monate«;
ähnlich S. 202 und 203: »Die Reise von Hessen nach Rom. Zu der.s(dben hat er, da er
die schon vom Jahre 719 her ihm vertraute Route über den großen St. Berrdiard heimtzte.
mindestens 2 Monate Kebraueht.-
14 Tangi,:
oder umgekehrt als schleppend vorzustellen haben: eine »Bonifatiusfrage«
entsteht daraus nur für 741 — 742, wo es sicli darum handelt, ob zwischen
der Weihe des Papstes Zacliarias (3. Dezember 741 ) und dem Zusammen-
tritt des Concilium Germanicum (21. April 742) ein dreimaliger Naclirichten-
wechsel Rom-Deutschland (Verständigung des Bonifatius vom Pontifikats-
wechsel in Rom, das Schreiben des Bonifatius an den neuen Papst [Nr. 50]
und die Möglichkeit, daß Papst Zacliarias zu der bevorstehenden Synode
noch rechtzeitig Stellung nehmen konnte), zeitlich unterzubringen ist';
oder etwa für das Jahr 744, wo es sich um di(> schwierige Einreihung
der Schreiben Nr. 57 und Nr. 58 handelt'.
Darüber hinaus aber wird dies zu einer wichtigen Frag«; der mittel-
alterlichen Geschichte überhaupt. P]s kann gerade für das Verständnis der
politischen Geschichte \on entscheidendem Wert sein, festzustellen, in
welchem zeitlichen Abstand Ereignisse an einer Stelle auf Entscheidungen
an anderen Orten Einfluß geübt haben können. Die Entscheidung der
Frage, ob die zehn Wochen Abstand zwischen Wahl imd Weihe (jregors VII.
zur Einliolung der Einwilligung König Heinrichs IV. gereicht haben können,
das Verständnis von Entschließungen Innozenz' 111. in der Frage des deutschen
Thronstreits hängt, um nur ein paar Beispiele zu nennen, davon ab.
BoEHMKR führt drei Beispiele an ': zunächst die Reise Papst Stephans II. ins
Frankenreich, der von Rom bis Pontliion (14. Oktober 753 bis 6. Janiiar 754)
nicht weniger als 84 Tage brauchte. Abei- diese Reise ist durch die Ver-
handlungen in Pavia und dvirch einen längeren Aufenthalt in St. Maurice
im oberen Rhonetal imd durch einen weiteren kürzeren Aufenthalt auf
fränkischem Boden unterbrochen. Brauchbar sind hier nur die Angaben des
Liber Pontificalis über den Tag des Aufbruchs aus Rom (14. Oktober) und
aus Pavia (15. November)*. Zieiien wir davon die Zeit der Verhandlungen
mit dem Langobardenkönig in Pavia ab, die wir mit all den Förmlich-
keiten und dem Dazwischentreten fränkischer Gesandter auf mindestens
eine Woche veranschlagen können, so bhübt das Ergel)nis, daß Stephan II.
' Vgl. N. Arcli. 40, 772 — 776.
'' Vgl. N. Arch. 40, 776—782. ,
■* S. 202 A. I.
' Ks ist niclit unwiclitig, (l:iß uns <!i(- Vitii SlepliMiii. l.ili. I'dniif. cd. Dihiiksnk 1.445
l)is 446. die beiden Ziihlen in i\i^v ungleicli /nvci'jjissigei'OM fortlnulenden ■ragcs/iihluiig. nicht
ti;ii-h i'örnisclicTn Kalender- bietet.
Bonifntiusfragen. 15
mit seinem recht stattlichen Gefolge den Weg Rom-Pavia in wenig mehr
als drei Wochen zurückgelegt hat: und das genügt uns gerade, um Boehmers
zweites Beispiel glatt auszuschalten; denn der Erzbiscliof Sigerik von Ganter-
bury blieb mit seinen 40 Tagereisen von Rom nach Pavia, auf die er ^s
im Jahre 990 glücklich hraclite, hinter dem Papst um nahezu die Hälfte
zurück. So überaus aufschlußreich das Itinerar Sigeriks daher für die
historische Geographie ist', als Krkenntnismittel für die Reise- und Marsch-
geschwindigkeit des Mittelalters fällt es ganz außer Betracht. Das dritte
Beispiel aber ist nicht schlüssig, weil es nur Gesamtabstände, nicht die Maße
für die Einzelleistungen bringt. Willibald erledigte zAvischen dem 24. A])ril
und 22. Juli 740 eine Reise von Rom nach Bayern, einen etwa zweiwöchigen
Aufenthalt bei Herzog Odilo, die Weiterreise nach Eichstätt und zwei kleine
Reisen zu Bonifatius, der sich damals auf bayrischem Boden aufhielt'.
Meine eigenen Beispiele leite ich durch zwei ein, die sich zwar nicht
auf Romreisen, aber auf beschleunigte Überwindung größerer Entfernungen
bezielien. Schon vor Jahren habe ich auf die Schnelligkeit hingewiesen,
mit der die Kunde vom Tode des heiligen Bonifatius weitergetragen sein
muß, und auf die sehr hastige Jlofreise, die daraufhin I.ul zu König Pii)[)in
und zurück nach Mainz antrat und für die wir für etwa 20 Tage eine
tägliclie Üurchsclmittsleistung von über 40 km annehmen müssen'^. Ich
reihe daran das in der Literatur nach dieser Seite noch nicht erörterte
Beispiel von der Verl)reitung der I'odesnachricht Karls des Großen und
dem Zug des Nachfolgers nach der Pfalz zu Aachen. Als der große Kaiser
' \'gl. ilie .si.'iif wiTlvolli' i;clc-lirt(' Krliliitcnmi; (liiicli .1. .Ii N(i. Mitlcil. d. Instituts f.
österr. (iescli. -Forsch. 25. i — 90.
■' Von der Keise von Horii nacli Dciilsohliiiul. die im Aiil'tr;ii;c Kiidi.irds sriii Ncitni-
Uatleicli mit den (iebeincti dci- Iloiiigeii !\larceiliriiis und l'ctrus antrat, ist uns Icidii- nur
die Streekcnlri.stuni; I'avia St. .Manri< c bestiniiiit iilierlicl'ert; sie ahei' war als (Iterwindung
von 210 km Luftlinie in 6 lagen um so anselinliciier. als sie den t'liergang ül)ei' den groLV»n
St. Bernhard ein.scldoLv VgL Wiiii. Maiimaki. Kinhards Transiatio SS. Maroeilini et l'etri in
kulturgeschiciitlicher He/.ieljung. I. 'i'cii. i'i-ogiainrn des (iyinnasiutn Frideiieianuni /u l,anl)acii.
(irünberg 1884. M.\TirfAH gelangt auf (irund weiteiei- Zeugnisse, die sieh allerdings auf
andere und mäßig lange Strecken lie/ieiien. S. 2^ zu ilein Krgebnis: »Füui Meilen (37,5 Um)
täglich 7.iiriiek7.ulegeii. sclieinl nach unseren Feststellungen, wenn sie i'ibi'rhaupt einen solchen
Schluß gestatten, bei längeren und nicht dur<ii besondere Verhältnisse beeinilußteu Reisen
die durchschnittliche Leistung eines Heiters daiualigei- Zeit gewesen /.ii sein, vorausgesetzt.
daß er eben die Reise auf ein und demselben Pferd machte.-
^ Das Todesjahr des Bonifatius, Zeitschr. d. Ver. i. hess. Gesch. 37 (N. F. 27). 244.
] {] T A N G I, :
;iiii Morgen des 28. Januar 814 entschlafen war, wurde Ranipo als Eilbote
an Ludwig den Frommen abgeordnet, der damals in Doue, nahe der un-
teren Loire, Hofhielt. Die Luftlinienentfernungen sind: Aachen-Paris 345 km,
Paris-Orleans i 10 km, Orleans-Doue 180 km, insgesamt 635 km. Rampo
vollführte seinen Boteni-itt in Iiöchster Eile', wie wir annehmen dürfen
mit häufigem Pferde Wechsel, und kommt so nach Orleans gesprengt. Der
schlaue Bischof Theodulf errät den Anlaß des hastigen Rittes, ordnet heim-
lich einen Eilboten an Kaiser Ludwig ab und bringt so Rampo um die
Ehre, als erster die Trauerkunde zu melden. Alle anderen Verbreiter des
Ereignisses aber — man sieht, daß es wetteifernd geschah — hatte er
überflogen; sie langen erst nach ilmi der Reihe nach an'. Das Verhältnis
Ludwigs zu dem Hof des greisen Vaters war kein gutes gewesen; er machte
sich auf Widerstand gefaßt und bot daher eine bewaffnete Gefolgscliaft
auf, soweit er sie in der Eile zusammenbringen konnte. Der Umstand,
daß er unmittelbar vor Empfang der Todesnachricht zum 2. Februar 814
einen Hoftag nach Doue einberufen hatte, mcjchte dieses Aufgebot aus
dem Kreise noch anwesender lloftagsteilnelimer erleichtern. Am fünften
Tage nach Eintreffen der Meldung brach er mit Frau, Kindern, Gefolg-
scliaft und Troß auf". Kvwze Aufentlialte werden uns nur aus Orleans und
Paris berichtet. Nach dem Bericht der fränkischen Reiclisannalen rückte
Ludwig der Fromme am 30. Tage nach dem Hinsciieiden des Vaters, also
am 27. Februar, in Aachen ein'. Mochte Rampo, dem Pferdewechsel und
' Den ciiigehendsteii liericht über das (tanze gibt der sog. Asti-Diiomus in der Vita
Hiiidonuifi c. 21 M.G. SS. 2. 618 f.. Daneben, dicliterisch ausschniüci-cend, Krnioldus Nigelliis:
M. (1. Poet. lat. 2. 27 V. 91 »nocte dieijue volat«.
* \'ita Hlud. SS. 2.618 "inde aliinii atque alium liuiiisee rei tri.stes siiscipiens nuntios-.
■' »Tertia ianique dies« minder glanliwürdig und wold dem Hexameter zuliebe Ennoldus
Nigellus 11 V. 119.
'' Ann. i'egni Franc, ed. KuRzi. in SS. rer. Germ, ad a. H14 S. 140 »Cuius i'ei nuntium
cum Hludowicus filius eins in .A.quitania apud 'rcixladum villam. ubi et ipse tiinc hibernabat,
plurimis defcrentibus accepisset. tiicesimo, postqnam id acciderat. die Aquisgrani venit-.
Das »postquam id acciderat« kann sich wohl nur auf das große Ereignis, den im -voran-
stehenden Satz lierichteten 'l'od Rai'ls, l)eziehen. So aucii von Simsox. .lahrbüciier Ludwigs
des Fronmien 1.15 und Mühlimcher Heg. 519 (500) i. Der sog. Astronom rechnet die 30 Tage
zwar- eist vom Aui'ljruch aus Aijuitanien an. aber er benutzt an dieser Stelle und von da
ab ständig bis 829 (üe Heieiisaimalen und zeigt dabei die Gabe, seine (,)uelle wiederholt zu
mißdeuten. Die Xantener Annalen ed. von Simson. SS. rer. (ierm. ad a. 814 S. 5 berichten
Ludwigs Eintreffen in Aachen »mense Martio«. eine kleine Schiebung, die sieb aus der
weiteren Frist erklärt, welche die Iviinde \ 0111 Eiutrell'en des neuen Kaisers erheischte.
Bonifatiusfrayen. 17
alle sonstigen Förderungen eines Königsboten zustanden und den der Ehr-
geiz stachelte, raschest und als erster die Botschaft zu überbringen, in
noch so unermüdlicher Eile binnen wenigen Tagen die 635 km Luftlinie,
d. h. nahe 800 km wirkliche Streckenlänge von Aaclien über Paris- Orleans
nach Doue durchmessen haben, so l)lieben für Ludwigs Zug doch liöchstens
20 und mit Abstricli der beiden Rasttage 1 8 Tage und damit eine durcii-
schnittliche Tagesleistung von reichlicli 40 km, die aber in dem Maße höher
stand als die Luis, weil sie im Heereszug mit wohl mehreren Hundert
Reitern und entsprechendem Troß und in der Zeit kurzer Wintertage erfolgte.
Die Nutzanwendung auf das nhnische Itinerar ist die. daß das, was
im Westen erreicht wurde, auch nach dem Süden hin möglich gewesen
sein muß. Wir finden sie bei einem Papst bestätigt, der viel weniger be-
dächtig reiste als Stephan II. und der vollends seine Boten zu höchster Eih-
anspornte.
Nach dem Tode Leos III. (i2.Juni 816) wurde Stephan IV. gewählt und
am 2 2. Juni geweiiit. Er ließ die Römer sofort dem Kaiser Treue schwören und
ordnete an den Hof Ludwigs des Frommen, der in jeneji Monaten dauernd in
Aachen weilte, eine Gesandtschaft ab. die wegen der raschen Vornahme der
Weihe beruhigende Erklärungen al>geben', \()r allem aber di'' unmittelbar be-
vorstehende Reise des Papstes selbst ankündigen sollte". Das Ergel)nis dieser
(Gesandtschaft, den Beseheid ülier Anerkennung und Reise und über Zu-
sicherung des (ieleits, mußte <ler Papst abwarten, zumal da er dem Kaiser
anheimgegeben hatte, den Ort der Zusammenkunft zu be.stinunen '. Noch
ehe zwei Monate seit seiner Weihe ganz verstrichen waren die (Jesandtcn
mußten unterdessen in gewaltiger Eile ihre Aufgabe gelöst liaben, — brach
' Ann. rcgiii Fianc. S. 145 .i|iii (|iiasi pid sua cDiisccratiinic irn])Ciatori suggcicrcnt ■ .
Ähnlich der A.stronoin SS. 2. 620 '(iiiae super (irdinatione «'ius iiiijx'ralori salisfaccret ■.
•' iianz itlinh'ch liatt«; im .laiiri' 804 Lt'o III. von Mantua ans bei Karl dcui (Jroi.ieii
zunächst durch Boten anfragen la.ssi-n. uh und wo doin Kaisci- i-ini; Zii.saiiiiiicnkunrt gciicliiii
.sei. Die Anfrage erreichte Karl den (IroLicn Mille Ncjvi'mlier in .\a(liiri iiiiil zirlte auf
ein Zusaniinentreffi-n zu Wi'ilinarhli'ii. (\iin. nuni I'i.iiic. S. iii) und vnN Simson. .lalii-
biieher IvarLs des (iroßen 2. 3151!'.) Im 40 Tagen intiLite daln-r dii' Kiiclvk<!hj' des I>(it
nach Mantua und dii' I{eis<' des I'apstis erledigt weiden. Dir Zusanimerd<unlt fand ii
Keims stall, von wo der I'apst dann über- Itayeiii nach Kavenna /.iiriieligeleitet wurde. I)i(
Wiederkehr dei'selhen Ortlirlikeiten bei dei' Keise Sfe|)lians l\'. beweist. dal.i iiiaii 8i() ein
fach auf dn.s V'orbihl von 804 zuriickgrilf.
' Thegan, Vita liludovici S.'^. 2. 594 "et dirigens legatos stios ad siipradictmii prin
cipem nuncians ei, ut libenter eiun \ ideie voluisset in bjco. ubieum(iiie ei plaeiiisset .
Phil.-hisi. Mh. lillii. Nr. 2. S
eil
18 T A N G I, :
er selbst von Rom auf und zog in eiliger Reise nach dem Frankenreich',
wo — wahrscheinlich am 2. Oktober — zu Reims die feierliche Begegnung
mit Ludwig dem Frommen stattfand', der 4Tage später die nochmalige Krönung
des Kaisers durch den Papst (nach der Aachener Selbstkrönung von 8 1 3)
folgte; das war der ebenso wichtige wie für das Kaisertum bedenkliche
Hauptzweck der Reise. Von Königsboten geleitet, trat darauf der Papst
die Heimreise an, machte auf dieser den Umweg über Ravenna, befand sich
dort Anfang November und traf wenige Tage später wieder in Rom ein.
Als er am 25. Januar 817 starb, verzeichneten die fränkischen Reich.sannalen
seinen Tod als erfolgt »noch vor Ablauf des 3. Monats seit der Rückkehr
nach Roni«l Dieser dritte Monat lief, vom 25. Januar zurückgerechnet,
vom 25. Oktober bis 25. November 816. Da die letzten Oktobertage bei
der Weite des Reiseweges ausgescidossen sind, ki)mmt für das Wieder-
(Mntreft'en in Rom nur ein Novemberdatum, aber, dem Sinne der Stelle
entsprechend, kein allzu spätes, wohl nocli aus dei- ersten Hälfte des Monats,
in Betracht. Stephan IV. hat daher die Reise nach Reims in etwa reich-
lich 5 V^'^ochen, die Rückreise, und noch dazu auf dem recht beträchtliclien
Umweg ül)er Ravenna, in vielleiclit noch etwas kürzerer Frist vollführt,
wälirend seine (Jesandten den Ritt von Rom nacli Aachen in höchstens
4 Woclien bew'ältigt haben müssen*.
Am 7. Dezember 983 war Kaiser Otto II. in Rom gestorben. Als aber
am Weilmachtstag desselben Jahres zu Aachen die Königskrönung an seinem
■ Ann. i-ei;ni Fnini-. S. 144 »iiDiuliniKjur (iiioliiis post ronsccratiDneni siiimi cNactis
iiicnsibus quam maximis poterat itiiieiilnis ad iiiipci alorcni veniii' contenclit" .
- Über dt-n Tag vgl. \. Simson. .lalirb. Ludw igs di"< Froiniiit'n i. 68 A. i. Die (,)uellen
iirtiiRMi nur den ]\Ionat, OktolxT. dcssi-n /.weite Hälfte al)er außer Hetracht bleiV)t, da dei'
Kai.ser Keims sclion verlassen liatte, und die Zeit fiir die ['nterbringinig der Rückreise des
Hapstes nicht i-eichte. Als Kiömingstag käme außer .Sonntag den 5. liöchstens noch der
12. Oktober in Betraeiit; die ersti^ ( tktoberu oelie hat aber die weitaus größere Wahrschein-
lichkeit für sich, da sie genau in der Mitte der Abieisi' des i'apstes \ on Rom und dem
Wiedereintreffen daselbst liegt.
' Ann. regni Franc. S. 145 »teitio postqnam Roman veneiat niense, sed nondum exacto>.
' Hotenfahrt geht rascher als Herrenfahrt: dieser Satz läßt sich nicht nur aus diesem
null anderen lioispielon ableiten, ihn machte sich auch der Dichter des Nilielungenliedes
zu eigen, wenn cv \\\ guter Kenntnis des höfisclien Lebens König Etzels Boten, die Spiei-
le,uf(! Wei-bel und Swenimi'l zui' Ladung der Burgundenkönige in 12 Tagen von Pas.saii
u.-H'b Worms, die Fürsten mit ilirer (iiM'olgscIialt in d<'i' gleichen F'rist aber nui- von Worms
l>i< MM die Douau au t5avei-ns (ireuze ir<'laiii;eri läßt.
Bonifatinsfracicii. 1 '.)
kleinen Söhnlein vorgenommen wurde, da hatten die Erzbis<'höte Johüini
von Ravenna und Willigis von Mainz noch keine Almung. daß sie den
Nachfolger krönten, sondern glaubten, die feierliche Handlung an dem v(»i
den deutschen Fürsten bereits gewählten jugendlielien ^litkönig !)ei Lcli-
zeiten des Vaters zu vollziehen. Aber sehr bahl danach sprengte der Bot(^
heran und zerstörte die Festesfreude durch die Trauerkunde'. Die Nacli-
richt brauchte daher von Rom nach Aachen nur wenig mehr als i 8 Tage.
Auch hier liaben wir es wie bei Ranipo mit (iewaltritten zu tun.
Am 22. April 1073 wurde Gregor Vll. ziun Papst gewählt und am
29. oder 30. Juni geweiht. hi<lerNachholung der Priesterweihe, die Hildebrand,
der bisherige Archidiakon der römischen Kirche, sich erst erteilen lassen
mußte, kann der Grund für den Aufschub der Papstkrönung ni-ht gelegen
liaben, denn die Priesterweihe war bereits am 22. Mai erfolgt. Ks muß
etwas anderes abgewartet worden sein, das Kintrclfen der Bestätigung duirli
den deutschen König Heinrich IV., die Gregor VII. nach dem Zeugnis Runizos
am Tag nach seiner Wahl einholte und die (hirch die Entsendung des italischen
Kanzlers, des Bischofs Gregor von Vercelli, zur Krönnngsfeier tatsächlich
erfolgte". Der deutsche Hof hielt sich damals in Oberdeutschiand auf. wo
am 19. Mai ein Hoftag zu Augsburg stattfand. Die reichlich zwei ^luiiatc
vom 23. April bis Ende Juni haben daher zur .Xbordiuiiig einer päpst-
lichen Gesandtscliaft ül)er die Brenner.straße nach Augsburg (Rom Augsbtu-g
745 km Luftlinie) und zum Eintreffen der königlichen (iegengesniidtschafi
in Rom gereicht. Gregor VII., der, was wir nicht \ergessen dürfen, seine
politische Laufbahn damit begann, daß er als Begl<'iter des abgesetzten
Papstes (iregors VI. von Rom nach Köln auf die Festung wanderte und da-
bei unliebsame Gelegenheit hatte, mit oberitalischcn und detusclicii ^'(■l•kf■lll■s-
fragen Bekanntschaft zu machen, hat diese Erfahrung dadurch ü:enützt. daß
er während seines Pontitikats in Ausnahmefiillen ganz kurzfristige Ladungen
deutscher und ol)eritalisclier Bischöfe zu nnnischcn .Synoden \i>i'nalnn.
' Tliietmar von .Mer.sil)iiij;. 1\ . 2(). cd. \\\ w/.v. S. 04 »iiiox li-i;;itus tl'i.^li rmiiiio i;ihi,i
perturbans gaudia advciiit>.
- Für dieDateii, Kinzellicitfii und /i'uynis.sr \f;l. .Mevkr vd.n l\^().^Al . .ImIiiIi. Ileiiiricli.i l\ .
2, 208 — 22 1. Bonizo.s taLsäcliliclii' .Viifjahcn wcihIimi hestiUiiit durrh dm liiicf di^ Alilf-
W'alo von St. Arnulf in Metz (Wattoridi \'itac l'ont. i, 741). woiiacli \\u\ driiiscinn Hol' in
der Tat Beratungen iiher dio von einer S'citi i-cclil ^t.-nk MOürlni litonr Aii'-ri^cjniiin^ ( ir'-:;iir> \ IL
stattfanden.
3*
20 T A N n I, :
Am 24. Jnmiar 1074 zitierto er dcji Patriarchen Sigeliard von A(|uilpja
und dessen Siiffragane zur Fastensynode nacli Rom'. Diese Synode fand
am ersten Fastensonntag 9. März statt". In der Frist von 6 Wochen mußte
dalier der Patriarch verständigt sein, selb.st seine Suffragane laden und die
Möglichkeit haben, die Zurüstungen zur Reise zu treffen und diese au.s-
zuführen. Das war nur möglich, wenn der Botenritt Rom Aquileja von
515 km Luftlinie binnen 14 Tagen erledigt wurde.
Am 31. Januar 1074 zitierte Gregor VH. den Bischof Jaromir von Prag,
den mährischen Bischof Johann und (Gesandte des Böhmenherzogs Wratislav
zum Palmsonntag (13. April) nach Rom". iJi.schof Johann von Mähren er-
schien nicht, ebensowenig ließ sich Herzog Wratislav vertreten, aber Bischof
Gebhard-Jaromir von Prag fand sich tatsächlich in Rom ein\ In 10 Wochen
hatte sich daher die Fintfernung Rom-Prag zweimal bewältigen lassen.
Am 12. Dezember 1074 lud Gregor VII. den Erzbischof Liemar von
Bremen, am 4. Dezember den Erzbischof Siegfrid von Mainz und mehrere
seiner Suffragane zur Fastensynode (22. — 28. Februar 1075) nach Rom^.
Die beiden Ladungen dürften gemeinsam durch ein und denselben Boten
nacli Deutschland überbracht und daher erst um die Mitte Dezember von
Rom abgegangen sein. Dazu fügt sich auch trefflich die Klage Liemars,
die Vorladung sei so spät in seine Hände gelangt, daß ihm kaum 4 Wochen
zur Reise nach Rom zur Verfügung gestanden hätten". F> trotzte der La-
dung und wurde daher durch die Synode vom Amte suspendiert und vom
/Vbendmahl ausgeschlossen'. Der Mainzer überkam die Aufgabe, noch
Eegister Gregois VII. I, 42 in der im Druck befindlichen Xeuausgabe von Caspar,
M. ü. Epist. seli^ctae 2, 64.
■•' Meyer von Knonau, Jahrb. 2. ,:;47.
^ Reg. I 44. 45, Casi'ar S. 67.
' Meyer von Knonau, .Tahrb. 2, 357, A. 67.
' Reg. II 28. 29, Caspar S. 160 — 161. Neuere Versuche, die Zitierung des Mainzers
in das Jahr 1073 zu setzen und auf die Kasteusynode vom .Fahre 1074 zu beziehen (so Meyer
VON Knonai-. Jaiirb. 2. 304 1.), weist C.wpar S. 161, A. 6 durch den Hinweis der Stellung
und T^berlieferung des Schreibens im Originah'egister Gregors VII. mit Recht zurück und
bringt die Ansicht der Streiter für 1074 (so Dietrich SchXfer. N. Arch. 17, 418 ff.) wieder
zu Ehren. Angesichts der Überlieferung im Originalregister will ich auch von einem Aus-
gleichungsversuch der Tagesangaben .11. Idiis. II. Nonas«, der sonst naheläge, absehen.
'■ Brief Liemars an den Bischof Ilezilo von Hildesheim, Sudendorf, Registrum i, 8,
Nr. 5 ..ex qua die date mihi sunt littere. vix IUI septimane supersunt ad eain septimanam!
qua synodus celebrabitur«.
' Reg. II 52a, Ca.spar S. 196.
Bnnifritiiisfnirirn. 21
seine Suflragane von Konstanz. Straßl)urg. 8[)ey('r, Kamberg, Augsburg und
WOrzburg zu verständigen, und wir wissen, daß er sich wenigstens bei
Hermann von Bamberg persönlich bemühte, ihn zur Folgeleistung zu be-
wegen. Siegfrid von Mainz war am 12. April, dem Tage der Ausfertigung
der neuen und letzten Ladung Hermanns von Ramberg, sicher in Rom':
wie lange zuvor und ob schon zur Zeit der Fastensynode wissen wir nicht;
jedenfalls befand er sicli nicht unter den durch die Synode Gemaßregelten.
während Werner von Straßburg und Heinrich von Speyer suspendiert und
Hennann von Bamberg mit gleicher Strafe bedroht wurde, die denn auch
trotz seinem verspäteten Erscheinen in Rom schließlich über ihn herein-
brach'. Das Schreiben (Jregors \'I1. an Heinrich IV. vom 8. Dezember 1075 ',
in dem der Papst schwere Vorwürfe gegen den deutschen König erhob,
gelangte am Neujahrstag 1076 zu Goslar in des Königs Hände'. Heinrich IV.
berief daraufhin auf den Sonntag Septiiagcsima (24. Januar 1076) die be-
rühmte Synode nacli Worms. Die Erklärung der zu Worms versammelten
Bischöfe und das Begleitschreiben Heinrichs IV. sind nicht datiert, aber
in ihrer Einreihung diircli die Zeit des Zusammentritts der Synode fest
umgrenzt. Die Überbringung der Botschaft hatten die Bischöfe Huzmann
von Speyer und Burchard von Base! und ein mit den italischen Verhält-
nissen wohlvertrduter Graf ?]berhard übernommen'. Die drei wiegelten zu-
nächst auf einer Ver.sammlung in Piacenza <lie lombardischen Bischöfe auf,
blieben aber selbst hier zurück und schickten mit dem Schreiben einen
Parmeser Kleriker Roland und einen königlichen Ministerialen nach Rom.
Zur Zeit der Fastensynode befanden sich die Schriftstücke bereits in den
Händen des Papstes. Das Pmtokoll dieser Synode trägt nur .laiiresliezeicii-
nung"; in früheren Schreiben hatte aber der Papst wiederholt auf die erste
Fastenwodie (14. — 20. Februar) geladen, auch- Bernold nennt die gleiche
Zeit, während Lambert von Her.sfeld als den Tag der von ihm allein be-
' Cod. Udalrici Nr. 44. eil. .Iaffk. Bibl. ici-. (ummii. 5, 94.
- Reg. II 76. ("a.si-ak S. 231).
•^ Ficg. III 10. Ca.simr S. 263. \);\s l'agcsdatiiiii lautet allerdings »VI. Idu.s .lanuarii".
iTitspräche also dein 8. .laiiuar 1076. alter zwingende saohlielie Gründe nötigen hier zur .\n-
nuhnie eine.s Irrtum»-, der in dei' l'ni.sctz.ung des Monatsnamens bereit.s bei den Iden statt
den Kaienden gelegen haben dürfte (('A.srAR S. 263, A. i)".
* IJernoldi, Chrttn. .SS. 5,432 -fjuae legatio in ortavis Doinini ad regem |ier\enit".
^ Meyer von Kno.nau, Jahrb. 2, 629 fr.
" 1075 (nach stilus P'lorentinu.s : 1076) und die zu 1076 stiminonde Indiktion Xllll.
22 'I" A N (; I. :
liaupteten Zitierung Heinriclis IV. den Montag in der zweiten Fastenwoclie
(2 2. Februar 1076) nennt'. Die Fristen sind in diesem Fall besonder.s knapp;
denn die beiden Botenfalirten Rom-CJoslar und Worms-Rom müssen in
wenig mehr als je 3 Woclien erledigt worden sein, und es ist sehr be-
zeichnend, daß gerade die Kundgebungen, die den lirucli zwisclien König
und Papst lierbeiführten, von beiden Seiten mit verdoppelter Eile über
Ajiennin und Alpen getragen wurden.
Das Bild, das uns diese in die .lahre 1073-1076 sich zusammen-
drängenden Zeugnisse entrollen, ist ganz einheitlich: es setzt für Boten-
lahrt und Reisedauer zwischen Korn und Mitteldeutschland die Zeit von
höchstens einem Monat voraus, von der in besonders dringenden Fällen so-
gar noch eingespart werden konnte.
Die Erklärung der staufisch gesinnten Fürsten von Bamberg-Halle,
.September 1 201 bis Januar 1202, wurde durch den Erzbischof Eberhard
von Salzburg, den Markgrafen Konrad von der Lausitz und den Abt Eber-
hard von Salem an Paj)st Innocenz III. überbracht". Am 22. Januar i 202
war Markgraf Konräd in Halle a. S. noch Zeuge in einer Urkunde Philipps
von Schwaben '. Erzbischof Eberhard von Salzburg war auf dem Hoftag
in Halle nicht zugegen, sondern weilte damals in Maria-Saal in Kärnten*
und scheint auch in der nächsten Zeit dort gebliel)en zu sein, so daß er
als Führer der Gesandtschaft \'on den beiden anderen Teilnehmern erst in
Kärnten eingeholt werden mußte, was von Halle aus zu einem nicht ganz
unbeträchtlichen Umw(\!;' nötigte. Vom 13. und 20 >l;ii'z 1202 datieren be-
reits Urkunden, die Eberhard \ 011 Salzburg bei Innocenz 111. erwirkt hatte'.
' Zusammenstellung der Zeugnisse bei Mkver von KNtiNAr 2. 632, A. 25.
- Über das Zustandekommen der Erklärung vgl. jetzt (irnuKii. Das Itinerar des Königs
l'liilipp von Schwaben, Berliner Diss. 191 2. S. 30 f.. A. 4.
'' BÖH.lIER-FlCKEU 64.
■' Meii.i.rk, Salzburger Heg. S. 172 — 173. Nr. 15 — 17. *
' Meii.leh S. 174, Nr. 21 und 22. Die Urkunde Innocenz" 111. vom 13. .März 1202.
-Mkii.iku Nr. 20, .Iaksi H. Mon. bist, ducal. Carinth. 4.4. Nr. 1528. in der Eberhard von Salz-
burg mit der Untersuchung einer Besitzslörungsklage des Klosters Viktring in Kärnten be-
traut wird, bi-auchte seine persönliche Anwesenheit in Rom an sich keineswegs vorauszu-
setzen: da aber die nächste eigene Urkunde Eberhards nacli seiner Heimkehr demselben
Kloster Viktring gilt (Mkim.ki! Nr. 24). so ist es höchst wahrscheinlich, daß Eberliard damals
die Vertretung des Klosters in Rom führte, und daß daher auch schon die Urkunde Innoceni'lll.
für Viktring vom 11. März 1202 (Jaksch, Mon. bist. duc. Carinth. 4, 4, Nr. 1527) der persön-
lichen Fürsprache Eberhards verdankt wurde.
Bonifativsfragen. 23
Er mußte daher mittlerweile schon Zeit gefunden haben, seine persönlichen
Angelegenheiten an der Kurie zu betreiben und die Ausstellung der Ur-
kunden durch die pä])stliclie Kanzlei in die Wege zu leiten, also mindestens
etwa seit Anfang März in l\om weilen. Für die Keise Halle -Rom mit d<>iii
Umweg über Salzburg-Kärnten bleiben daher höchstens 5 Woclien verfügbar.
Im Jahre i 203 unternahm Bischof Wolfger von Passau eine recht be-
hagliche Romreise, deren Tagesleistungen uns in den nacli verschiedenen
Seiten hin so ergiel)igen Reiserechnungen Wolfgers fiir die Strecken Wieiier-
Neustadt-Rom und Rom-Augsburg genau verzeichnet sind'. Kr brauchte
zur Hinreise die Zeit vom i . April bis 9. Mai und voUfulirte die etwas
straflere Rückreise von Rom nach Augsburg in genau einem Monat (24. Mai
bis 24. Juni). Wie bescheiden dabei seine Tagesleistungen waren, ergibt sich
daraus, daß sie sich für Kärnten mit denen der V'enusfahrttändelei Ulrichs
yon Lichtenstein decken', und daß die Leistung Rom Bologna von Giraldus
(.'ambrensis um ein volles Drittel geschlagen, statt in 9 in 6 Tagen er-
ledigt wurde^. Zur Hinreise Bologna-Rom hatte Wolfger vollends 19 Tage
gebraucht; die Sehnsucht, vor das Antlitz Innocenz" IIL treten zu können,
liat ihn daher nicht verzehrt 1 Ich iialie schon vor vielen Jahren darauf
hingewiesen, daß die l)eiden einzigen stärk<'ren Tagesleistungen Wolfgers
(etwa 60 km) bezeichnenderweise der Überwindung der Waldwildnis des
Semmerings und der Fellaschlucht galten.
Erheblich höhere Leistungen als der gemächlich reisende VV'olfger voll-
führten in jenen Jahren zwei seiner bischöflichen .\mtsgenossen. Der Reichs-
hofkanzler Konrad hatte bis in ilas Jahr 1200 den kirchlichen Zensuren
Innocenz" III., denen er wegen des Übergangs von Ilildesheim nach Wttrz-
burg und der Beibelialtung seines früheren Bistums \ erfalleu war, getrotzt,
bis der aus dem lieiligen Lande auf dfui Umweg über Rom iicimkehrendc
Kardinalerzbischof Konrad von Mainz ihn dringend zur Nachgiebigkeit
mahnte: und im gleichen Siiuie wirkte das Schreiben Innocenz' III. an
Thiemo von Bamberg vom 26. Januar 1200 ein, in dem der Papst deut-
' Alles ein/.eliif liei I.rnwii;. Ri'isi'- iiiid Mniscli^esrli« indiLtUrMl inj 12. und 13. .Inhi--
hinidert .S. 102-103.
- M. Tanoi.. I);is Itiiifiar Herzog Lccipoldv \'l. iiri .lidjrc 1217. HlSlter d. \'ci'. I'. I„iihIi'S-
kiiiiile villi Nif'der-Ostorri'ifli N. I'. 32, q6- -9H.
' Vgl. iiH'ini- Bespieeliiiiig \nii Liid\\i!f> Keise- und Maisejigescliu iiulii^keil. Vlitteil.
i\. Ili.Stitllts f. listeir. (ie'-rii.-I'iiiseli. K). 714.
24 l' A N G I. :
lieh durchblicken ließ, daß er im Falle der Unterwerfung geneigt sein
würde, Milde walten zu lassen'. Noch am 15. März 1200 finden wir Kon-
rad neben Thiemo von Bamberg — das Sclireiben vom 26. Januar mußte
mittlerweile in spätestens etwa Monatsfrist seinen Weg nach Bamberg ge-
funden haben — als Teilnehmer am lioftag zu Nürnberg'. Noch vor dem
9. April traf er in Rom ein; denn unter diesem Datum konnte der Papst
dem Domkapitel von Ilildesheim bereits die Unterwerfung Konrads melden.
Der Reichshofkanzler mußte dalier die Strecke Nürnberg- Augsburg-Verona-
Rom mit einer Luftlinienentfernuug von 870 km in rund drei Wochen be-
wältigt'haben.
Von Erzbischof Albrecht von Magdeburg berichtet die Magdeburger
Schöppenchronik, daß er am 8. Se])tember 1206 au einem Hoftag K.Phi-
lipps in Augsburg teilnahm und am .Mauritiustag (22. September) in Rom
eintraf''. Die Zuverlässigkeit des Berichtes vorausgesetzt, ergäbe sicli darr
aus eine selbst den guten Dm-chschnitt weit übersteigende Leistung, die
aber in einzelnen Zeugnissen aus der Zeit Gregors VII. ein Seitenstück findet*.
Mit großer Schnelligkeit hat sicli die Nachriclit \on der Ermordung
Philipps von Schwaben (2i..)uin 1208) verbreitet; denn der päpstliche
Kardinallegat Ugoliuo von Ostia hatte von ihr bereits 9 Tage später in
Mantua Kunde', was bei der Entfernung Bamberg-Mantua von 530 km
> Potth. 942, Reg. liinoc. 111. I. 11. 278 li;ihi/.f. Kpi.stoliic liinoc. 111. i. 527: »vel si mi-
seiicordia digiius extiterit. secuiuluni beiiignitatein apnstolicMe sedis illaiii ciiiii eo miseri-
cordiani i'aciamus. ppr quam iiervus ccclcsiasticac (liscipliiiac iiiiniiii(> dissolvatm-" . Vgl.
Winkelmann, Jahrb. Philipps von Sciiualjcii S. 167 I'.. 5121'. (iniiiKR. Das Itiiierar des
K. Philipp von Schwaben, Berliiiev Diss. 19 12 S. 13.
- Böh5ier-Fk:kf.r ,\i-. 42 : übet- das Itincrai- Philipps /.n Brginn des .lalii-es 1200 vgl.
( ii' iiiiFu n. a. (). S. 24.
' ("hi'onikeii der deutschen .Städte 7. 131. Winkelmann, .lalii Ijüchcr Philij)ps von
Schwaben 411 A. 3 hält einen Reichstag /.n Augsburg am 8. Sej)tend)er 1206 nach dem Itinei-ar
K. Philipps für unmöglich; dorn widerspricht aber (iuiiuER. .1. a. O. S. 48. Die Ileerlahrt gegen
Otto IN'., in der WiNKi:i.5iANN ein cntsclieidcndrs llindei-nis sah. war damals bereits beendet.
Zudem wird zum 16. Oktobei' durch eine ganz andere (^)uelle. die Krf'urtei' Petei'schronik,
ein lioftag zu W'ürzburg gemehlet. K. Philipp hatte daher das uiederrheinische (iebiet auf
alle Fälle verlasseiL
■* Diese Beispiele beweisi'n zugleich, dal.i 11alli;r din'chaus im Rechte \\ar. für die
Meldung einei' wichtigen Nachricht von Krfurt nach Koni die KriSt eines Monats als völlig
ausreichend (iinznschätzeiL (Heinrich \ I. und die römische Kirche. Mitteil. d. Instituts f.
öslerr. Oesch.-Forsch. 35, 661.
'' (Ji'i'iuEH, Itinerar Phili|)ps von Schwaben S. 59.
Bonifatiusfrayen . 2 5
Luftlinie einen täglichen Verbreitungsradiiis von 60 km Luftlinie oder gegen
80 km wirklicher Entfernung bedeutet.
Ein Romwaller wie der Erzbischof Odo von Ronen, der sich 1253
von seinen mehr als bescheidenen Tagesleistungen, von denen 10 unter
20 kni blieben, durch 14 Ruhetage erholte, scheidet für unsere Zwecke
natürlich aus'. Dagegen liefert das Itinerar des isländischen Abtes Ni-
kolaus von Thingeyrar einen recht achtbaren und uns schon geläufigen
Durchschnitt: Mainz-Basel S Tage, Basel -Aosta 6 Tage, Aosta-Rom
1 7 Tage '".
Ein Itinerar, das uns Matthäus Paris überliefert, ergibt: Paris -Cham-
bery i 2 Tage, Chambery-Turin 6 Tage, Turin-Bologna 9 Tage. Die Reilic
läßt sich durch eine andere, an gleicher Stelle überlieferte nach Rom zu
ergänzen: Bologna-Imola i Tag. Imola-Lucca i Tag, Lucca-Rom 7 Tage,
insgesamt in mäßigen Leistungen Paris-Rom 36 Tage ^.
Als Teilnehmer an der Romfahrt Heinrichs VH. wurde der Bischof
Theobald von Lüttich am 26. Mai 131 2, dem Höhepunkt der schweren
Straßenkämpfe in Rom, schwer verwundet und starb am 29. Mai'. So-
bald Theobalds Tod in Lüttich bekannt geworden war, beraumten Dekan
und Domkapitel einen Tag für die Wahl eines mamburnus, d. li. Tempo-
ralienverwalters an. Dem widersetzte sich der Adel, da er Teilnahme an
der Wahl beanspruchte. Die Wahl wurde trotzdem Sonntag, den 2.. Juli
1312 vorgenommen und fiel auf den Probst Arnold von Blankenheini,
während nach dem Herkommen zu dieser Stellung stets Laien gewählt
worden waren. Die Folge waren schwere Kämpfe, bei denen der mam-
burnus erschlagen wurde'.
Bringt man die Frist für .Vnberaumung der Wahl und die Verhand-
lungen mit dem Stiftsadel in Abstrich, so muß die Kunde vom Tod des
Bi.schofs Theobald in weniger als Monatsfrist nach Lüttieh gelangt sein.
Die Appellationsschrift, welche die Kardinäle am 13. Mai 1408 aus
Pisa erließen, ging dem Grafen Hermann 11. von (Jilli am 6. Juni
' LuDWKi, Reise- und Mai'scIii.'cschwiriiliLilieit S. 107 (V.
■' Lrnwifi. a. ;i. (). S. I20(V.
' r.tuwir,, ;i. a. O. S. laört".
' V'jll. über diese Vorjiäiitre 'lui:i;oui)\ n s. (lescliiclifc dci- Stadt Uoin im Mittelalter.
5. Aufl. 6,55—56.
* Vgl. nKN.\i X, Histoire du |>;ivs de l.ii'uc. },. Aull. S. jo8.
Phil.-hisl. Abh. IUI!). Kr. 2. 4
2() T A N V. I, :
zu\ Wenn man bedenkt, daß das Datum der Appellationsschrift iiocli nicht
gleichbedeutend ist mit dem der Versendung, so bleibe]! für die Beförde-
nmg von Pisa nach Cilli walirscheinlicli weniger als 3 Woclien.
Eine Urkunde aus Cambrai vom Jahre 1431 trägt folgende Datierung:
»Datum et actum in camera ])aramenti palacii episcopalis Cameracensis anno
etc. 1431 ind. IX. die Veneris 23. mensis Mareii, apostoliea sede ut fertur
vacante« '. Papst Martin V. war am 20. Februar 1431 gestorben, sein Nach-
folger Eugen IV. wurde am 3. März 1431 gewählt und am 12. März ge-
weiht. Der Tod Martins V. war einen Monat später in Cambrai schon be-
kannt, dagegen noch nicht die Erhebung des Nachfolgers.
Man sieht, das Ergebnis bleil)t vom 9. bis ins 15. Jalirlnuidert das gleiche,
weil die Vorbedingungen für Marsch luid Reise im wesentliclien dieselben
blieben: Zustand der Straßen, Ritt, etwaiger Pferdeersatz, Rasten und Her-
bergen'. In all(>n Fällen, in denen ein gegebenes Ziel olme Abscliwenken
und entbehrliche Rasten straffer festgehalten wird — und das trlff't auf
Gesandtschaftsreisen und Botenfahrten in erster Linie z\i - , wird den zum
Teil reclit widrigen äußeren Umständen ein sehr achtbarer und steter Durch-
schnittserfolg abgerungen, der ein(^ Tagesleistung von 30 bis 40 km aiich
mehrere Wochen hindurch als guies und gesichertes Flerkommen erscheinen
läßt, bei außerordentlichen Anlässen aber (Tod des Bonifatius, Karls d. Gr.,
Ottos IL, Philipps von Schwaben, aber auch bei einzelnen Bischofsreisen)
zu Kraftleistungen von ungewöhnlicher Höhe ansteigt.
Die Anwendung auf die Zeit des Bonifatius ergibt, daß die Annahme
einer mindestens zweimonatigen Dauer des Nachrichtendienstes viel zu zag-
' GÜNTHEH, Zur Vorgeschichte (lt>s Koii/.ils von l'isa. N. Aivh. 41.643 teilt jetzt aus
eiiK^r Danziger llandsehi'ilt die bislier onhekannte Antwort des (Irafi-ii H'']iii; II. vom Cilli
mit. die in ihrem Text ausdrücklich den Eniplanatsta;; rieinit.
- Repertorium (iermanicum. I'onlitlkat Kükens IV. i.lS. Nr-. 271.
• Das Bild ändert sich mit einem Schlafe, seit ein neresrelte-- l'üstx\eseii wenigstens
in Anlangen einsetzt und ein geregelte]- Dienst der ( )r<linari|)osteri. Knriei-e und Stafetten
ausgebildet wii-d. (\'gl. W. Mimmkmioi r. Der Nachrichtendienst zwischen Dentschlan.l und
Italien im 16. .lahrhurulert, ISerliner Diss. 1911.) Jener nnühertrolVene Meisterknriei-. der im
•luni 1545 in 50 Stunden von Koni nach Trient zum Konzil ritt (^Iimmknhofk S. 34) — der
D-Zug vor dem Weltkrieg brauchte i6Stu;;den: . stellte wohl auch die Ki-aftleistung Rauipos
in den Schatten. Nui- als Kuriosuin Hige ich die.ser Zusammenstellung noch an, daß l'apst
Pins VI. seine beriUimte Reise Rom Wien vom 27. Februar bis 22. >Iärzi782 ausl7ilirte.
während Kaiser .lo.sef II. für seinen (iegeidjesuch mit der knapperen Zeit vom 6. bis 23. De-
zember i 783 langte. (\'gl. Sr-iii.irrKK. Die Reise des Papstes l'ius VI. nach Wien. Font. i-er.
Anstr. II. Abt. 47. I',. i. luid 2. Hälfte.)
Bo)dfntiiiiifrfi(jt'ii. 27
liaft ist. Ob von Fritzlar, von dem wir l)eisi)ielH\v('ise ausgehen wollen,
der längere, aber damals viel begangenere Weg über den großen St. Bern-
hard (Fritzlar-Basel 410 km. Hasel- Aosta 200 km. Aosta-Rom 600 km
= i2iokmLL.) oder der kürzere über den Brenner (Fritzlar Augsburg
330 km, Augsburg-Verona 335 km. Verona-Rom 410 ^ 1075 ^m LL.) ge-
wählt wurde, mußte es möglicli sein, Rom in einem Monat oder wenig
darüber zu erreichen. Bonifatius selbst mag seine Romreiseii mehr nach
Pilgerart eingerichtet und daher auf einen längeren Zeitraum ausgedehnt
haben. Auf ihn persönlich mag wenigstens teilweise das Beispiel Sigeriks
von (.'anterbury oder ()(h)s von Rnuen zutreffen. Reisen, deren kurze Tages-
strecken und häutige Rasten sich durch <len lk>su(*h (h'r auf dem Pilger-
wege liegenden heiligen Städten und Kirchen erklären, bei Ai)ordnung von
Boten an den Pai)St wird er auf tunlichst rasche und Ablenkungen vermei-
dende Erreichung des Reiseziels gesehen haben.
War ich der Fnrscliung von II. Bokiimkr gern i^efolgt, weil sie auch
dort, wii ich mich ihr nicht anschließen konnte, anregte, so gehorche ich
lediglich <lem Zwange, wenn ich atif den AngritV antworte, den F. .1. Hkndki.
jüngst gegen die Vita Stiirmi unternommen hat'. »Um etwas zur Auf-
hellung des Dunkels beizutragen", das über die (iründung und Frühzeit
des Klosters Fulda noch herrsche, kündigt er ^nni' Untersuchungen an:
I. Die (jiündung Fuldas und die Vila Sturmi. 2. Die t'hartuln St. Bonifatii.
3. Das unechte Privileg des Papstes Zacharias und die F.ntsteliuugszeit
der Pippin-Fälschung. 4. Die Datierung und Einreiliung der Urkunden
Nr. 22 — 28 und das Todesjahr des Hoinfatius. 5. Karls des (iroBen angeli-
liche Verleihung von Immuidtät un<l Abtwahlreclit. Die beiden ersten
Untersuchungen sind jetzt veröfl'entlicht. die drei iolgenden steJH'u uns
noch bevor. Da ich an dem Dunkel, das über die Frühzeit Fuldas noch
herrscht, einigermaßen mitschuldig liiii. muß ich wohl oder übel als Käm])fer
auf den I*lan treten: ich beschränke mich in der Abwehr fast ganz auf die
erste Untersucliung über die \'it;! Sturmi tuid hoffe, den Lesern s(dion dabei
zu zeigen, welches Lichtes sii- xoin Auflielhuigsverfahren Bkndi.i.s gewärtig
sein dürfen, werde Hrn. Bendii. aber s[)äter l)ei den Urkundenuntersuchungen
erst recht dienen.
' Sliidien zur iill.eslen ( icscliiclilf der Abtei l'"ul(l,-i. Histur. .liilirlmrli 38, 758 — 772.
28 '■' '^ ^' '- '■ ■•
Bkndkl bestreitet die VerfasserscliMf't Ki^ils ;iii der Vita Sturnii, nimmt
ihre verhältnismäßig junge handscliriftliclie t:i)erlieferung zum Anlaß, ihre
Entstehung nicht in Karolingerzeit, sondern erst um die Mitte des i i . Jahr-
hunderts zu suchen. Ihre früheste Benutzung gesteht er erst In der Vita
Lulli des Lambert, von Hersfeld zu. Das Verhältnis zu Otlohs Vita Bonifatii
sei erst noch näher zu ergründen. »Schließlich könnte Otloh der Verfasser
beider Viten sein.« »Aber selbst, wenn Eigils Urheberschaft erwiesen wäre,
so wäre für die Glaubwürdigkeit seines Werkes nicht viel gewonnen. Die
Schrift wäre doch erst über ein halbes Jahrhundert nach dem Tode des
Bonifatius entstanden.« Überhaupt ist »das mittelalterhche Heiligenleben
kein Geschichtswerk, sondern, eine Dichtung«. Die Folgerungen sind, ab-
gesehen davon, daß alle Einzelheiten der Vita ül)er die Gründung Fuldas
unglaubwürdig erscheinen, die, daß Sturmi überhaupt nicht Fuldas erster
Abt gewesen, sondern dies erst seit 768 geworden sei, nachdem Lid, der
die Abtei von Bonifatius überkam, zurückgetreten war und Hersfeld ge-
gründet hatte. Die Geschichte \ on der Einsetzung Sturmis durch Bonifatius
war in Fulda zu Beginn des 9. Jahrhunderts noch gar nicht geläufig. Die
Zusammenfassung lautet endlich (S. 756): »Damit entfällt jeglicher Grund,
an der bisherigen Wertung der Vita Sturnii als (ieschiclitsquelle festzuhalten.«
Der Name Eigils, der nach der Absetzung Ratgars (817) und einer
stürmischen abtlosen Zwischenzeit im Jahre 818 die Leitung des Klosters
Fulda überkam' und bis 822 führte, läßt sich aus der Urheberschaft der
Vita Sturmi nicht einfach wegstreichen, wie etwa der spät und ganz un-
verbürgt zugefügte Name Fredegar aus der bekannten Frankenchronik oder
die Ersetzung des »Ego N.« durch »Ego Lampertus« beim Ajinalenwerk
Lamberts von Hersfeld oder die von anderer und späterer Hand erfolgte
Beifügung »nomine Ansbertus« zum nameidosen Verfasser des Berichtes
über den Kreuzzug Friedricli Barbarossas, sondern Eigil fuhrt sich an der
Spitze der Vita zugleich als Verfasser eines ausführlichen Widmungsschrei-
bens an die Nonne Angiltrud ein, der das ^'erdienst der Anregung der
Arbeit zugesprochen und das fertige Werk überreicht wird. Hat daher
Eigil Widmung und Vita nicht verlaßt, dann hat ein Späterer seinen Namen
mißbraucht, dann liegt hier nichts (Geringeres als eine Fälschung auf den
Namen Eigils vor.
' Vgl. M. Tangl, Die Urkunde Ludwigs d. Fr. für Fulda vom 4. Aug. 817, N. Arch.
27, 28ir.
Bonifdf'nisfrnf/cii . 2 9
So hat das P'.rgobnis des Anj;rifls I.evison in einer ablehnenden An-
zeige zutreffend bezeichnet, in der er Bendel das Übersehen wichtigster
Quellenstellen nachwies'. Voran steht hier das ausdrückliche Zeugnis des
Fuldaer Mönches ("andidus. des Biographen P]igils"'. das Sturmi als ersten
Abt und Gründer Fuldas und Eigil als seinen Biographen nennt. Derselbe
Mönch Brun oder Candidus hatte, wie ich hinzufügen kann, vom Abt Eigil
den Auftrag erhalten, das Leben Bauguifs, des zweiten Abtes von Fulda,
darzustellen^. Dieser Auftrag hatte guten Sinn, weil das Leben des ersten
Abtes Stumii Eigil selbst bereits geschildert hatte.
Levison weist noch auf zwei weitere Quellen hin. Liudger schildert
in seinem Leben (Jregors von Utrecht, der Quölle, die uns als Ergänzung
von Willibalds Bonifatiusbiograpliie unentbehrlich ist, Sturmi als ersten
Abt von Fulda, der die Waldwildnis Boclionia durch seine Tätigkeit in eine
blühende Klostersiedelung umwandelte und ^ ou seinem Meister Bonifatius
das Vorrecht erhielt, in seiner Klo.sterkirche einst den Leiclinam des großen
Missionars aufzimehnien '. Auch dies, die Ursprünglichkeit der Bestattung
des Bonifatius in Fulda, wird von Bendkt, angezweifelt.
Von durchschlagender Wichtigkeit ist der Fuldaer Abtkatalog, der in
einer Hand.schrift des lo. Jahrhunderts überliefert ist, aber anscheinend
auf noch ältere Vorlage zurückgeht. Er nennt — übereinstimmend mit der
Vita Sturmi — 744 als das (iründungsjahr Fuldas, Sturmi als ersten Abt
und Gründer und rühmt als dessen besondere Verdienste die Erwerbung
Umstadts bei Pippin, ILimmelburgs bei Karl d. i'V. und die überaus nütz-
liche Leitung eines Kanals der Fulda durch die Klosteranlagen'. Dieses
' N. Arcli. 41. 768 11. 1 26.
- Vita Eigilis alihatis Fuldciisis eil. (i. Wait/. M. li. .SS. 15, 232 c. 22: Siinili iiaiiKiuc
consilio atqiic (l4!voIi()iie idciii hoiiac voliintatis vir aniiiviTsarhitn Styrmcs primi ahbati.s
'•t fuixlatoris niDiiastiTi i Fuhiae . . . (■cU^brare .saiicivit . . . Li-ctioiieni (jiioquc libri
illius, quem de \ ita sii pr-a d ict i abbatis e t i>ri!;''ie nion asteri i nuperrime noiniiiati
Christi gratia iargiente ci)ni|)o.s u it. fr-ati'ibiis ad ineiisam re<-itare praccepit.
" Vita Klgilis r. i .SS. i 5, 223 -ex eo igitur tempore, quo nie venerabilis pater Aegil vitaiii
Kaugulphi cart abbatis iiostri iain de ei'ga.stulo corporis absolui intima exhoi-tatione persuasit
btteris explioarc. Vgl. auch die poctisciie \'ita Kigils M. G. I'oetac^ lat. 2. 97. Die.se Vita
Bangulfi ist leider veilorcn.
• Vita Gregorii abbatis 'Iraieclensis auclore Liudgero c. 5 SS. 15. 72.
' Catalogus abbatuni Fuldensiiini, SS. 13, 272: •.\iino doniiiii 744 [Hiiiins pater el
fundator Fuldensis coenobii Styrnii per annos 36 eundeiu locum prudentei- evexit. (^)ui
apud Pibpinum Otniuntestat. apud Karolum Hamulunburg adquisivit; sed et inter alia multa
:}0 Tant. I,:
Lob auf Sturinis Walten ist aber nieiits anderes als ein knapper
Auszug aus den Kapiteln 20 und 21 der Vita Sturm i. Ist jetzt
noch (^tloli in den 60er Jahren des 1 1 . Jahrhunderts statt Eigils der Ver-
fasser der Vita Stunni, die spätestens im 10. Jahrhundert sclion ihren
Benutzer fand?
Aber noch andere Zeugnisse kann ich beisteuern. Die Beschwerde-
sclirift der Fuldaer Mönclie bei Karl d. (ir. gegen ihren Abt Ratgar vom
Jahre 812 spricht von Sturmi als Bonitatiusschüler und erstem Abt, gedenkt
seines einjährigen Aufenthalts in Montecassiiio und beruft sicli auf nocli
lebende Zeugen', also das gerade tiegenteil von Bkndkls Annahme einer
Tradition, die sich erst nach dem Anfang des 9. Jahrliunderts gebildet ha])en
soll. Die gleichen Dinge bericlitet Rudolf von Fulda in seinem Leben
Liobas und rühmt dazu in deutliclier Anspielung auf Eigil Sturmis edle
Herkunft". Offenkundig aber tritt die Bemitzung der \ita Sturmi in der
Vita Eigils des Mönches Candidus zutage', und das Machwerk des i i . Jahr-
hunderts erscheint nun gar sclion zu den Zeiten des Hrabanus Maurus
bekannt und benutzt.
Und dabei steht noch die Frage der Benutzung bei Kudolf von Fulda
aus, zu deren Verständnis wir uns alier zuvor der liandschriftlichen Über-
lieferung der A^ita zuwenden müssen.
Die Vita Sturmi ist uns nur in jüngeren Handschriften erhalten; sie
teilt dieses Mißgeschick der ül)erlieferung mit mancher Chronik und vielen
utilia parteiii lluiniuis Fiildac iiinnasterid ynT iU(iiac(iiii'tuiii introduxit taute iitilitatis. nl vix
vcrliis explicari queat: qiii per omiiia utilis et laiulaliilis i(). Kai. .lan. obiit.
' l>ibelln.s siipplex munachoriim KiiUlensimn. M. (!. K|)]). 4. 549: über flas .lalir (8i2|
Vi;l. V. SiMsoN, .lahrb. Ludwigs d. Fr. i. 373: »(,)in'a priiiius abbas iiDSter Sturmis in inonasterio
sancti Beiiedicti per annum conversans luie postea rediens secundum electionein sancti
Uonifacii babitum eorum et vistituni diiudicaiitis nnbis istum constituit. cuius rei plures ad-
liuc lestes supersunt.«
- ^'ita l^eobae abbatissae Ilisi-ofesiieiiuensis aucture KudoHo ed. Watiz. c. 10 — 11.
SS. 15. 125 — 126: »Sturmi discipulum suum virum geiiere et moribus nobilem« : vi;'. Vita
Sturmi c. 2. SS. 2, 366 »nobilibus et christianis pai'ciitibus j;i'nei-atuS".
■' ('an(bdi N'ita Eifd;iiis c. 3 SS. 15, 223 »luterea igitur Styi'mi priiiuis abbas et fundator
Micinastcrii K'uldae, i|ueiii saiictus Honitaeius praece])toi' eins heremitaui suuiu vocitave
solebat". Vgl. Vita Sturmi e. 5 SS. 2, 367 »Honil'acius . . . eremitaui suu m omni caritatis
afTectu suscepit c. 6 SS. 2. 368 »Honil'acius mernor eremitae sui Sturmi«. ... »Cumque
indicatum sancto fuisset episcopo eremitaui suum Stürmern adfuisse« und c. 1 1 S. 370
»ad eremum eremitam suum Stürmern al)ire sanctus permisit episcopus«.
Bonifativsfragen. 31
Urkunden, und es wäre unkritisch, daraus allein einen Verdachtsgrund gegen
eine solche Quelle herzuleiten. Die tTberlieferungen sind eine Würzburger
lls. vom Jahre 141 7 (W), eine Erlanger aus dem 13. Jahrhundert (E) und
eine Bamberger aus dem 15. Jahrhundert (B). Auf W mit nur ganz un-
zulänglicher Heranziehung von E war die Ausgabe von G. H. Pkrtz in
den Monumenta Gcrmaniae aufgebaut. Sie gibt von den starken Verschie-
denheiten der beiden Hss. kein Bild. Darauf hat erst G. Richter auf-
merksam gemacht', zugleich unter dem Hinweis, daß die neu hinzutretende
Hs. B sich an die Seite von Y^ stellt, aber Ableitung aus gemeinsamer Vor-
lage wahrscheinlich macht: und erst E. Stengel hat aus dem Material und
den Beobachtungen von Richter den Scliluß gezogen, daß uns die Vita in
zwei verschiedenen Fassungen vorliegt, einer ursprünglichen, gerade durch
die jüngere Hs. W gedeckten und einer späteren kürzenden und ändernden
Überarbeitung, die in E und B erhalten ist". Aus einer ganzen Reihe von
Stellen in verschiedenen Werken Rudolfs von Fulda, der Vita Leobae, dem
Werk De reliquiis sanctorum, den Fuldaer Annalen hat Stengel den Nach-
weis geliefert, daß Rudolf von Fulda die Vita Sturmi zweifellos gekannt
liat, und daß gerade die zweite Fassung überall die Verbindung zu Rudolfs
Texten herstellt. Nicht jede der 16 Stellen ist hierfür gleicrh beweiskräftig,
aber das Gesamtergebnis ist so gesichert, daß man sich ihm gar nicht ent-
ziehen kann. Daraus ergibt sich der Schluß, daß Rudolf diese zweite
Fassung entweder .schon vorgefunden oder selbst geschalten haben muß, und
in diesem zweiten Sinne entscheidet sich Stengel. Ohne diese Arbeit Stengels
zu nennen oder sicli mit ihr auch nur in wenigen \V(jrten auseinanderzu-
setzen, hat Bendel seine Anschuldigung der Fälschung der Vita Sturmi im
I I.Jahrhundert ausgesprochen: dabei kennt er Stengels Fuldensia und weiß
sie doclt sonst zu zitieren, wenn es gilt. Sri:N(;rL eins am Zeuge zu flicken 'I
' G. Kiiui'KR, Die ei'Stcn .Aiiirui;;!- der- B;ui- und Kunstliitiijkeit dos Klostei's Fnhhi.
Dissertation, Freiburj; i. Br. 1900. iiiicii cisrliii-neii .ds Verörtentlicliurii; des Fuldaer (icschiclils-
vereins. Ich würde es si-iii- Ijc^nibeii. w<miii >ic|] von dem zweil'clioscn Bcdfiifiiis der
Miiniimi-ntii (iermaniac nach ••ini r \cnans<;al)c zu den lici I'tdl'. (i. Rk hiei! in Fnld,! seif
.lahren voriiandenen N'orarbeltrn zu eiinT solciien eine BriirUe schlaffen lieLie.
- F. .SrENGEL. Fuldensia, Areh. f. I rk.-i'orsch. 5, 4 1 IT. Aidiaiif;: iindoir vcm i''nl(la
lind die Vita Sturmi S. 141 147.
^ V'i;l. Bkndei.s Be.spri'chnnj; von Sikm:ki.s rrkniidenbiieh (h-s Klosters l'ulda i. B.
erste Hälfte in den Studien und .Miileihinj^pn zur (iesch. d. lienediktinerordens nnd seiner
Zweite, N. F. 6. 372 — .391. 480 509 und die Krkläriini: \')n vos dkk Kdit und niii'.
ebenda .'">. 639. .S. 389 beliaupti't ei-, S m:n(;i:i,s Fuldensia "anliuiM-ksaui studiert» /u haben!
32 T A N G L :
Mit dem Nachweis, «laß Bkndkl seinen Anoriff allzu leichtfertig unter-
nommen, eine ganze Reilie entscheidender Quellenzeugnisse übersehen hat,
ist der Streit um die Vita Sturmi eigentlich schon entschieden. Aber die
Schönheit und Bedeutung der Quelle verdient es, ihrer Erzählung einmal
im Zusammenhang kritisch zu folgen. Sie wird die Proben, der wir sie
unterzielien wollen, gut bestehen.
Kigil, gleich seinem Meister Bajuvare von edler Herkunft und mit
Sturmi verwandt, war als Knabe nach Fulda gekommen und hatte über
20 Jahre unter der Leitung Sturmis gestanden'. Vom Todesjahr Sturmis
(779) zurückgerechnet, erfolgte P^igils Eintritt ins Kloster wohl in der
zweiten Hälfte der fünfziger Jahre des 8. Jahrhunderts, als(j bald nach
dem Tod des Bonifatius. \"on dieser Zeit ab berichtet <'r als Augenzeuge;
für Früheres und Wichtigstes, den Entwicklungsgang Sturmis und die Grün-
dung Fuldas, beruft er sich auf die Mitteilungen von Gewälirsmäimern, unter
denen die aus Sturmis eigenem Mund, obwolil er ihrer nicht ausdrücklicli
gedenkt, wohl obenan gestanden haben dürften". Für die Zeit aber, wann
er seine eigenen Erinnerungen und die Mitteilungen seiner Gewährsmänner
aufgezeielmet hat, bleibt zwischen dem Tod Sturmis (779) und Eigils Abt-
wahl (8i<S) ein weiter S])ielraum, dessen Umgrenzung (i. Hlitkr lii.sher am
l)esonnensten versu«;ht Jiat'. Die Vita Sturmi ist aufgezeichnet nach dem
Jahre 791, in dem Abt Baugulf den Bau der neuen Kirche l)egonnen liatte.
und anderseits noch bei i-ebzeiten Karls des Großen, also vor dem 28. Ja-
nuar 8\^\ HüFFERS Versuch, diese Grenze nocli weiter auf die Königszeit
* Die Herkunft und Verwaiidtscliaft berichtet in der Vita Kiij;ilis SS. 15. 223 über das
Weitere sein eigener Bericht in dem Wi(hiiun!i;ssehreil)en der Vita Sturmi SS. 2, 366: »Nani
et ego Eigil in discipulatu illius phis ([uam viginti annos conversatus ei'ani et sub ipsius
coenobii disciplina all inf'antia usqne in haue aetalem ruitritus et ernditus suin.
'^ »(}ua])ropter nonnuha eoruni (juac seripsi vidisse me testatus suni. : ihigegen zuvor:
»et ([uemadmodum a viris satis fidelibus, immo vasis Chi-isti, illius viri principia et eon-
\ersationem et l'undamina praedicti monastcrii agnuvi. luiic ut ])c)tni hbellu ingessi.«
■' Korveyer Studien S. 124.
* Vita Stui-ini c. 20 SS. 2, 375: »Ipse \eiv) Sturmi . . . <-()e])it . . . temphuii, id est
ecclesiam, qimd tnnc habebant ornare«: \gl. Annah Fuhlenses antiq\iissimi ed. Kurzk
S. 138 ad a. 791: ..initiuni ecclesiae S. J5oniiacii«. Anderseits S. 375 — 76: Quam tradi-
tionem (von liammelburg duich Karl den (iroßen) Iralres gratautes susci])ientes. Domino
pro illius iiicolumitaic ])reces ni>que hodie fundunt.« Vgl. den Libellus su])plex, M. (i. Epp.
4. 548 »quod liceat nobis orationuni . . . modum teuere, quem j)atres nosli-i habuerunt.
pro anueis nostris vivontibus atque del'unetis. id est quotidianam preeem pro t.-. domine
auguste«. wahrseheiiilicli iiei'eits mit Anspielung auf die \'ita.
Bonifnt'utsfrayi-n. 33
Karls einzuengen, weil stets nur vom »König Karl« die Rede sei (also
vor Weihnacht 800), scheint mir, da Sturmis ganzes Walten noch weit vor
Karls Kaiserzeit lag, schon recht unsicher, al)er immer noch eher berechtigt
als Stengels nicht näher begründete Annahme, daß die Abfassung umge-
kehrt gerade in die Kaiserzeit Karls falle'. Denn nirgends finden sich in
der Vita etwa feindliche Spitzen gegen die unbilligen Anforderungen des
harten Abtes Ratgar oder Anklänge an den Libellus supplex, dessen Ur-
heberschaft man ja ebenfalls Eigil zusprechen wollte'"; und auch die An-
regung des Werkes durch die Nonne Angiltrud gewinnt nicht an Wahrschein-
lichkeit, wenn man sie bis zu drei Jahrzehnten vom Tode Sturmis abrückt.
Das Schwergewicht liegt immerhin ganz in den vieljährigen immittel-
baren Beziehungen des Biographen zu seinem Helden : sie konnten es ihm
ermöglichen, die Erinnerungsbilder auch nach Jalirzehnten im wesentlichen
richtig festzuhalten.
Der junge Sturmi. aus edlem bajuvarischen Geschlecht entsi)rossen,
wurde von Bonifatius anläßlich eines längeren Aufenthalts in Bayern als
Schüler gewonnen und zunächst zur geistlichen Ausbildung in das Kloster
Fritzlar gebracht. Diese Nachricht Eigils läßt sich zeitlich sehr wohl
unterbringen. Der erste Anlaß, als Bonifatius im Jahre 719 auf dem Wege
von Rom nach Thüringen Bayern rasch durchwanderte, fällt ganz außer
Betracht. Um so besser paßt der zweite Aufenthalt, als Bonifatius, noch
bei Lebzeiten <les Herzogs Hukbert, Bayern in längerem Verweilen predi-
gend, prüfend und Irrlehrer bekämpfend durchzog '. Den einzigen Anhalt,
die Regierungszeit Hukberts luicli unten abzugrenzen, bietet eine Freisinger
Urkunde, die vom 12. Februar des i 2. Regierungsjalires seines Nachfolgers
Odilo datiert'. Da Herzog Odilo am 18. Januar 748 starb, muß die Ur-
' Urk.-Hucli (1. Kl. Fulda i, 2.
' GRE(i()R KiririKR. Die ersten .^ufüii^i' dfi- liaii- und KuM.stt;iti^l^(■it in Fulda. Dis.ser-
tntion, FreiburR 1900. S. lof. iiiul danach ^\" AirFMiM ji. (;i-.scli.-(,)ii(dl('n. 7. Aull. i, 25,3, A. 3.
Aljer der Annahme Rmhtkrs, daß die Stininiunj; jener Kämpfe nnt RatRar auf die \'ita
.Sturmi liereits eiiifjewirkt habe und daLi ans ihr -Jone sozusagen streng monastisrlie Fär-
bung- sich erkläre, die Kii^il seinem Bericht ül)er die Urgeschichte des Klosters gegeben
hat, vennag ich in keiner Weise zu folgen.
^ Willibald Vita Botufatii ed. I.kvison S. 351'. und mit anderen Worten, aber gleichem
.Sinn Higils Vita .Sturmi e. 2, .SS. 2, 366.
* iirrrKBAi'F. Die Traditionen des Hoehstilts F'reising i, 29 .N'r. 2 "XU die mensis
Februarii in loco nuiicupante Machinga anno XII Oatiloni diu'is».
Phil.-hisl.Abh. 1911). Nr. 2. 5
34 Tangl:
künde s])ätestens am 12. Februar 747 ausgestellt sein. Die Epoche des
Regierungsantrittes Odilos muß daher unbedingt vor den 12. Februar 736
fallen, kann aber anderseits auch nicht allzuweit zurückliegen; denn Willi-
bald ordnet seine Erzählung in dieser Zeitfolge: Pontifikatswechsel in Rom,
Begrüßung des neuen Papstes Gregors 111. 731, Erhebung des Bonifatius
zum Missionserzbischof 732, Gründung des Klosters Fritzlar (732 — 733),
Aufenthalt in Bayern unter Hukbert. Da Bonifatius 735 Streit mit der
altfränkischen Geistlichkeit führte, in dessen Verlauf er in Rom Nachfor-
schungen im Register Gregors I. anstellen ließ', ist für dieses Jahr seine
Anwesenlieit in Hessen- Thüringen anzunehmen und für das Wirken in
Bayern daher 734 am wahrscheinlichsten'".
Schon wenige Jahre später (737) konnte Bonifatius bei der Neuordnung
der Verhältnisse im Kloster Fritzlar nach dem Tode des Aljtes Wigbert
den jungen Sturmi zum Küchenmeister bestellen '. Nach der Rückkelir des
Bonifatius aus Rom (738) empfing Sturmi die Priesterweihe und Avar darauf
etwa 3 Jahre in der Mission tätig'. Die Jahre 739 — 742, auf die wir dabei
gelangen, fügen sich wieder trefflich in den Zusammenhang ein. Es ist
die Zeit, da Bonifatius den großzügigen Versuch der Sachsenmission
unternahm, zu der er seine angelsächsische]] Landsleute so eifrig zur Mit-
arbeiterschaft warb und bei der er wohl auch seinen bajuvarischen Jünger
beschäftigt haben wird. Die kaum einjährige Hersfelder Episode' und
die Suche nach einer besser geeigneten Stätte schließen diese Reihe
auch bis zum nächsten festen Zeitpunkt, der Gründung Fuldas 744, ge-
sichert ab.
F'rfahren so Eigils Angaben erfrei]licl]e Bestätigung, so muß anderes
unwese]itliches Beiwerk ebe]iso bestimmt preisgegebe]i worden. Sturmi kann
nicht als u]imün(liger Knabe von seinen Eltern der Obhut des Missionars
' Elp. Nr. 32 — 34; über die Kiiireiluinj; zu 735. S. 55 A. i.
^ So bereits Fischer, Uonifatius S. 272: Hiezi.kr, Gesch. Kaverns i, 103 »etwa 735-.
Hauck I, 496 A. 3 ..Jedenfalls voi- 736, vielleicht im Siimnier 735«. Boeiimer S. 213 ..vor 736..
' Ep. Nr. 40 (s. oben S. 13) ..Styrme in coqnina Sit».
'' Vita Sturmi c. 3 SS. 2, 366 .. Post iion longiini tciiipüris preshvter oninium voluntate
onmiiiinque consensu servonim onlinatus coejjit mystica dicta ('hristi circumqiiaque tempo-
ribus oportunis populis instanter pi-acdicarc.. .
■' Vgl. über die Hiclitigkcit dei- Lesart der durch die WürzlHirger Hs. gedeckten
nrsprüngliciien Fassung ..non iam anno« gegenüber der von Pertz an dieser Stelle bevor-
zugten Erlanger IIa. »nono iam anno.. Stenciel, Fuldensia, Ai-cb. f. l'rk. Forsch. 5. 142 — 143.
Bon ifathisfragen . 3 5
übergeben worden sein'. Zum Küchenmeister in Fritzlar kann Bonifatius
737 keinen Unmündigen bestellt haben; und der Empfang der Priesterweihe
vollends setzt damals ordnungsmäßig das 30. Lebensjahr voraus". Sturmi
muß seinen Anschluß an Bonifatius als etwa 2 5Jä]iriger junger Mann aus
eigenem freien Entschluß vollzogen haben. Eigil aber liat die Erinnerung
an seinen eigenen Klostereintritt »al) infantia« zu Unrecht auch auf seinen
Meister Sturmi übertragen.
Den Entschluß Sturmis, der Seelsorgc zu entsagen und sich mön-
chischem Anachoretentum zu widmen, auf den das Mißlingen der Sachsen-
mission vielleicht nicht oline Eintluß gewesen war, billigt Bonifatius zwar,
beschließt aber, den Eifer des Asketen seinen höhereu Zielen dienstbar zu
machen. Sturmis erste Wahl fiel auf die Stätte des späteren Hersfeld, an der
er sich in eilig und notdürftig zureclit gezimmerten Hütten mit wenigen
Genossen einrichtete; aber sie fand wegen der zu befürchtenden Gefährdung
durch die nahen Sachsen nicht den Beifall des Erzbischofs '. Der Auftrag,
fuldaaufwärts eine besser gesicherte Stelle ausfindig zu machen, führt Sturmi
bei dem zweiten Versuch in die Gegend vom Fulda, die er mit dem Scharf-
blick, den er bei Hersfeld schon bewährt hatte, als zu einer Klostergründung
in jeder Weise geeignet erkannte. Die lebendige Schilderung aller Einzel-
heiten dieses Pfadfindertums bietet uns ein Kulturbild für Zeit und Gegend,
das wir uns aus der Reihe der Quellenerzeugnisse doch nicht gleichmütig
streichen lassen möchten und von dem wir kaum eine Einzellieit preis-
zugeben brauchen. Der endlos sich dehnende Bucheimrwald ist der Wald-
tiere noch fast ungestörte Heimstätte, aber aucli menschlicher Siedelung
nicht mehr völlig fremd und von einem Straßenzuq; bereits durch(|uert*.
' Vita Stiii-iiii S. 366 " Tiiiic cliaii] pm-r Stiiriiii |jrc(atu parcatiiiri ,il) eo sn.sccptiis« .
'' \'j\. die ZusamiiK'iisti'lliiii^ ilrr liis ins 4. .iahiliuiuliTt ziiriickrciciiriHlen Helene
S. 198, .V. I nielniT .\ii.sjial)e der lloiiiratiiisliriele. Aul' eine AiilVatie des lionilatius inri'statt<'t
später I'. Zacharias am 4. Nnveiiiber 751 (S. 198). in Aiisiiahineriillcn die Wciiic von l'iiestern
und Diakonen Inreits nach vollindeteni 25. Lebtiisjalii' einticlfu /u lassen. \'oi- d<Mn Kin-
treflen dies<T päpstlichen Voihnacht wird sieh dei- in solehm Dingi'n so i;e\vissenh;(ft<' lioni-
latius sicher stren;; an die hi'Slehende N'orsebrifl ^(ehalten haljen.
^ Diese IJegrilndung <ler \'ita ist dinclians uiaiilivviirdiL; nnd wird diiicli den Hinweis
ant da.s der Sachsenjii'en/.i' noch nähere I'ritzlai- niehl w iderhüt. da /.wischen der (iinndniif^
l'Vit/lats inid Sturmis Versnchen das WiediTanrield'n der Sa(hsetd<äinj)('e nnd das Sciieitern
des .Missioiis Versuches laf^.
' Auch hiei-t'lii- ist II. I!oi-.ii.mkhs nene Aiheit sehr willUonunen. die S. 195 zwei
.StralSenzüge von Maiir/. nach Ihiiringen leststelll : eiiifii niirdlielieren. iler iini;el'ähf (h'n
36 T A N 0 L :
Die Wahl dieses Geländes findet den vollen Beifall des Erzbischofs;
und während sich Sturmi der Anfechtungen einzelner im Buchenwald be-
reits seßhafter und um die Beeinträchtigung ihrer älteren Rechte besorgter
Siedler zu erwehren hat, begibt sich Bonifatius an die Pfalz des Major-
domus Karlmann, des Gebieters über die Osthälfte des Frankenreiches,
um sich von ihm das Ödland, das es im wesentUchen noch war, zum
Zweck der Klostergründung schenken zu lassen'.
Die äußere Form, in der uns Eigil diese Verhandlungen des Boni-
fatius mit Karlmann mitteilt, ist die der mit »in(iuit« und »dicens« ein-
geleiteten direkten Rede, in der er ganz gleichartig schon zuvor zur Be-
lebung der Darstellung die Wechselreden zwischen Bonifatius und Sturmi
in eigener und freier Erfindung einflocht. Hier aber steckt liinter dieser
Form doch mehr. Nicht nur, daß uns die Tatsache der Ausfertigung
einer Schenkungsurkunde Karlmanns durch die unmittelbar anschließenden
Worte der Vita ausdrücklich bezeugt", und daß uns die Zuverlässigkeit
dieses Zeugnisses dadurch verbürgt ist, daß diese Urkunde in Fulda zu
Ausgang des 1 1 . Jahrhunderts noch vorhanden war, sind wir zur Annahme
berechtigt, daß uns Eigil in Karlmanns Rede zugleich den wesentlichen'
Inhalt dieser Urkunde überliefert hat «dicens: Locus quidem, quem petis,
et qui, ut asseris, Eihloha nuncupatur, in rijaa fluminis Fuldae, (juidquid
in hac die proprium ibi videor habere, totum et integrum de iure meo in
ius Domini trado, ita at ab illo loco undique in circuitu ab Oriente sci-
licet et occidente a septemtiione et meridie marclia per quatuor milia
passuum tendatur«. Über diesen Text halte icli noch heute mit jedem
Wort das Urteil aufrecht, das ich über ihn vor genau 20 Jahren abge-
geben habe, «daß er für den Rechtsinhalt der Urkunde einen ausreichenden
imd selbst für gewisse Schlüsse auf Form und Fassung der Urkunde einen
späteren »langen Hessen» entspracli, von l'rfurt über Kisenacli. Kreii/J)ei'i.' a. d. Werra, dem
Fnldaiibergang bei Altnioischen oder Melsnngen über Trevsa. Ebsdorl' nach Aniöueburg
und über Butzbach nach Mainz und den andern, südlicheren, den sogenaiuiten "Kaufmanns-
weg« über Vacha a. d. Werra, Hersleid. Fulda, am Kand des Vogelsberges auf die alte
Itömerstraße zu im 'J'al der Nidder und über Hochheim nach Mainz.
' Die Phantastik, die K. Ri'iikl, Die Franken, ihr Kroberungs- und Siedelungssysteni
S. 37 — 60 an die Mißdeutung ui:d Verzerrung des ganzen »Berichts der Vita Sturmi«
wandte, ist von Brandi, Götting. gel. Anz. 1908, 40 — 44 schlagend zurückgewiesen worden.
■' SS. 2, 370 »Porro rex ( — den Königstitel ninunt Eigil für die Hausmaier
ständig vorweg — ) iussit chartani suae traditionis soribi. i|uaiii ipse propi-ia manu firmavit..
Bonifatiusfi-ugen. 37
teilweisen Anhaltspunkt gewährt«'. Das gilt vor allem von der Art der
Landzuwendung im Umkreis von bestimmtem Durchmesser. Stengel hat
für diese Art von Schenkung, die für ( )dland bezeichnend ist, Belege bei-
gebracht": er hätte sie schon aus der älteren Zusammenstellung von Brandi^
etwas vermehren können, und er hat ilas wichtigste Beispiel vergessen :
In ganz gleicher Weise wurde nach dem Zeugnis der im Jahre 790 auf-
gezeichneten, unbedingt glaubwürdigen Notitia Arnonis zu Anfang des
8. Jahrhunderts durch den Bayernherzog Theodo die Maxirailianszelle, das
heutige Bischofshofen im Pongau, an die Kirclie von Salzburg übergeben :
»et Theodo dux tradidit ipsum locum ad sanctum Petrum ad Salzpurch
monasterium et ex omni parte miliarios 111«'. Aber nicht nur darin liegt
die schlagende Ähnlichkeit, sondern in der weiteren Ausgestaltung, die
diese Schenkung erfuhr. An die Stelle der Flächenangabe durch die un-
gefähre Größe des Durchmessers setzte schon der zweite Nachfolger
Theodos, Herzog Odilo, eine Umgrenzung: »dedit <|UO(iuo idem dux Otilo
ad eandem celiam sancti Maximilian! sursuni et versum per Salzaha tlumen
ex utraque ripa ipsius lluminis saltuni ;id venatioiiem at(iue ad pascua pe-
corum alpes et silvam a loco, cpii dicitur Strupe, et ad Purch et illas
alpes, ubi Swarzaha oritur, et sie in occidentem et acjuilonem, ad orientem
et austrum uscjue ad Stegen«'. Die wenigen Namen gestatten trotzdem
eine sichere Deutung'': Es sind genau die Grenzen des Pongaus, die durch
sie umschrieben werden. Bendei. hätte sich durch die Beachtung dieses
Falles das Ko])fzerbrechen über zwei Dinge in der Fuldaer Sdicnkung er-
sparen können. Er findet den Umfang der Schenkung Karlmanns mit
' Die Fuldaer Privilc^ienlVattc, Mitteii. d. Instituts (. üstfri'. (ii'sch.-For-.scli. 20.220.
Prt.i ok-Hartcng, Diploiiiati.seh-liistni-iscli<' Fdrsclniiiiien S. 235 hfUlai^t in dem seit di'iu
12. .Iiihrliiiiiil<;rt eiiigeti'eteiH'ii Verlust den Kiiti^aiif; der » wicIitiusttMi idlcr l'nldiii'r UrkiiiKle]]-.
Brandi. Göttinff. f^ei. Aiiz. 1908^' urteilt über die i^igiistelle. diil.i sie sieh »wie eiji Urkundeii-
au.sziig" lese. Vgl. Jetzt den neuen re\lid)diiiek und die einf;eliende iMliiuleruiii; durcii
•Stkncki- Fuldaer L"rkuiidenl)ucli i. 2 Nr. 4 und Fuidonsia, Arcli. 1'. l'rK.-Forsel]. 5. 77 .S6.
■■' Urkundeiddicli des Klosters i'ulda r. 5.
' A. a. (). 13 f.
' Hai: riiALER, .Sal/hnrger l ikundenbucli i. 15.
' Salzburger l'rkundeidiueii 1.31 iilierli<>i"eit in den Hre\es nntiliae ans dem 9. .lahr-
hundert.
'' Vgl. die treiriirlien und vollkDUunen ülier/euyenden Frliiuternngen von Kuiakd
Rirn rr.R. Immutiität. I-andesliolieit und Waldsehenkimueu. Al)liandluugen /um histoiiseljen
Atlas der' oslerreieliiselien AI()eTdiindei'. Ar-cliiv I'. österr. (tescii. 94.5611',
38 Tangl:
ihrem Durchmesser von 8—9 Kilometern für die Anfänge eines' Klosters
viel zu stattlich. Der Durchmesser der Landsclienkung an die Maximi-
lianszelle im Pongau, mit deren Bedeutung es Fulda selbst in seinen An-
fängen doch getrost aufnehmen konnte, beträgt aber reichlich das Drei-
fache und stimmt mit den 3 Meilen, unter denen hier bereits deutsche
Meilen zu verstehen sind, weder nach der Länge noch nach der Breite
auch nur entfernt, so daß die Abweichungen des Fuldaer Klostergebiets
von dem Normaldurchmesser der Karlmann-Schenkung demgegenüber als
sehr geringfügig erscheinen.
Diese Umgrenzung fand dann im 10. Jahrhundert, spätestens 977,
Aufnahme in die größte Salzburger Fälschung auf den Namen König Ar-
nulfs' und wurde in ihr im 11. Jahrhundert erst noch weiter und gründ-
lich verfälscht.
Ganz ähnlich erging es der Karlmann-Schenkung für Fulda. Sie wurde
in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts in die neue Form einer genauen
Grenzweisung gekleidet und im 12. Jahrhundert durch den Mönch Eberhard
von Fulda zu einer Urkunde des heiligen Bonifatius verfälscht, in welchem
Gewände sie als die sogenannte »Chartula S. Bonifatii« überliefert ist und
bis in die jüngste Zeit arglos als echt, hingenommen wurde. An diesem
Urteil, das ich über diese Urkunde längst gefaßt hatte, halte ich auch heute
fest. Die Bemühungen Stengels'", die Fälschung der Bonifatius-Urkunde
bereits dem Mönch Rudolf von Fulda in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts
zuzuschreiben, haben mich in keiner Weise überzeugt; denn die Fälscliung
steht in untrennbarem Zusammenhang mit einer andern, ebenfalls auf den
Namen des Bonifatius unternommenen', deren Urhelierscliaft durch Eber-
hard auch Stengel nicht leugnen kann. Außerdem fehlt sie in den Ful-
daer Urkundenverzeichnissen des 1 1. Jahrlumderts, und auch ein so eifriger
Sucher nach Bonifatius-Überlielerung wie ( )tloh hätte sie sich, wenn sie
bereits vorhanden gewesen wäre, für seine Bonifatius -Vita nicht entgehen
lassen. In dieser Frage muß ieii daher den Bedenken, die Bendel im zwei-
ten Teil seiner Abhandlung über die Chartula S. Bonifatii vorgebracht hat,
wenigstens teilweise recht geben.
' Mühlbachei- Reg. 1850 (1801) Salzbiiriier Ui-kundenbucli 2.56 Ni-. ,^4.
- Fuldaer Uikundenbucli 1,7 Nr. 5,6 und Kuldeiisi;). Aich. f. l rk.-Forscl]. 5. 54-77.
' Fuldacr l,'rkun(lrril)ii('li 1.21 Ni'. 14.
Bonifntiiisfragen. 39
Die zurückhaltende Art, in der ieli mieli seinerzeit über die Fassung
des Urkundenauszugs geäußert lial>e, findet in einer Einzelheit eine Be-
stätigung. Die Worte »de iure meo in ins Domini trado« sucht man ver-
geblich in anderen Fuldaer Urkunden, wohl aber begegnen sie abermals
bei Eigil in seinem Bericht über die Schenkung von Hammelburg durch
Karl den Großen': hier aber stehen wir, da wir noch das Original dieser
Urkunde besitzen', aui" ganz gesichertem Boden, und wir erkennen, daß
diese Wendung auf Kigil selbst und allein, nicht auf seine urkundlichen
Vorlagen zurückgeht. Umgekehrt stimmt die Anrede, die Eigil den Boni-
fatius an Karlmann halten läßt, verblüffend gut mit dem Briefstil aus der
späteren Zeit des Bonifatius, liat beispielsweise mit dem Schreiben an Pippin
Nr. 107 die kurzen Sätze und den Wechsel von Singular und Plural ge-
mein und weist durch das Wort »inmarcescibilis« ^ sogar auf ganz be-
stimmte Spur. Dies Wort, das dem klassischen Latein noch fremd ist, wird
erst im Kirchenlatein eingebürgert, als auch dort sonst recht seltene Vokabel
vom angelsächsischen Modedichter Aldhelm gern gebraucht und in Nach-
ahmung dieses Vorbildes von Bonifatius, l)esonders eifrig aber von Lul ver-
wendet\ der nach meiner Annahme den Bonifatius im letzten Jahrzehnt
bei der Abfassung seiner Briefe unterstützte'. Ich hnlte es daher nicht
fiir ausgeschlossen, daß den persönlichen Verhandlungen ein schriftlicher
Antrag des Bonifatius voranging, der in Eigils Bericht in brauchbarer Wieder-
gal)e vorliegt.
Als Zeit für das Einschreiten des Bonifatius liei Knrhnann kommt nur
das Jahr 743 in Betracht. Die Vermutung Stkn^els, daß es sich an die
bezeugte Anwesenheit des Erzbischofs bei Hof anläßlich der Synode von
Estinnes anfangs März 743 anschloß, ist immerhin erwägenswert.
Ebenso ist der 12. März 744 als Tag der Gründung Fuldas gesichert''.
Die Angaben der Vita verdienen hier volles Zutrauen und finden für das
' S. S. 2. 375 "de iiiif suo in iii.s Doniini et .sancti Bdiiifarii ad coonobiiiin Fuldae
tradidit-.
2 jNI. (i. Dii)l. Karol. 1, 162 DK. 116.
' S. .S. 2, 370 >f|uateniis voliis inimarccssibilu inutui.s coriiiu altissiiiii) lege . . . inaneat«.
* Vgl. meine Honitatius-.Stndicii I. N. Arcli. 40.733 inul die Aiisüabo d<'i' Briefe .S. 192 A. i.
' N. .\rcli. 41. 43.
" SS. 2, 370 -anno ineainationis Cliiisti septinijii'ntesiino rinadragesinio qiiarti), regnan-
tibus in hac gente Franconini diiobus IVatribus Karlomaiino atqiie Pippino, iiidictioiie XII,
mense priino, duodecinio die niensis eiusdein-.
40 I A N G L :
Jalir in den ältesten Fnldaer Annalen Ik'stätigung. Auch die Fassung spricht
dafür, daß sie in einer Inschrift festgehalten war, die Kigil für seine Vita
übernahm. Alle weiteren Versuche aber, aus dieser Datierung und ihrer
verderbten Weiterl)ildung in der Chartula S. HoniAitii Schlüsse auf die Da-
tierung der Karlmann-Urkunde zu ziehen', scheinen mir aussichtslos.
]^esonders mache ich nocli darauf aufmerksam, daß die Bezeichnung
des März als «mensis ])rimus« eine spätere Kntstehung im 9. (geschweige
denn im 1 i. !) Jahrhundert ausscliließt ; denn sie zäldt neben der Fortsetzung
Fredegars, dem Kanon 4 der Synode ^-on Verneuil vom Jahre 755 und
einer Freisinger Urkunde von 765 — 767" zu den jüngsteji Zeugnissen
des der Merowingerzeit geläufigen, im Karolingerreich seit Karl dem Großen
aufgegebenen Jahresanfangs vom i. März.
Für andere Fragen, nuf die Hendel ebenfalls eingeht, das Todesjahr
des Bonifatius, den Streit Sturmis mit Lul, der an der Balire des Heiligen
schon wetterleuchtet und wenige Jahre später ausbrach, die Verbannung
und Rückberufung Sturmis und die Rolle, die dabei das päpstliche Eixem-
tionsprivileg spielte, kann ich lediglich auf meine früheren Arbeiten ver-
weisen'. Ich habe ihren Ergebnissen nichts hinzuzufügen und nichts ab-
zustreichen und k;inn zur Willkür und (Gewalttätigkeit, mit der Bendel jetzt
die Datierung ihm unbeq<iemer Fuldaer Privaturkunden los zu werden suclit,
nur den Kopf schütteln. Da Bendel diese Frage überdies nocli besonders
behandeln will, wird sich Gelegenheit finden, ein letztes Wort zu sprechen.'
Seit jeher sind wir uns bewußt, daß die Eigenart der biographischen
Literatur die historische Überlieferung ebenso willkommen l)elebt, wie sie
andererseits durch ihre stark ausgejjrägte persönliche Seite den Benutzer
zu gewisser Vorsicht mahnt, und daß bei den mittelalterliclien Heiligen-
leben infolge des er))aulichen Neben-, ja vielfach Hauptzwecks dieser Viten
noch weitere Abstriche an ihrer Verwertbarkeit als (leschichtsquellen von-
nöten sind. Aber wir könnten uns sehr glücklieh schätzen, wenn hierbei
Dichtung und Wahrheit immer in so guter Mischung uns vorgesetzt würden
wie in Eigils Vitn Sturmi.
' Stkn(;icl. Arcli. f. Trli. -Forsch. 5, 77 — 86.
- Rn TKRAi I-, 'rrnditioiiiTi des Iloclistif'ts Frcisiiii; i. 50 Nr. 22 \()iu Heniiissieber falsch
lail'iii'löst mit ...liili lO" stntt »September 10«.
' Das Todesjahr des üoiiilatiiis, /eitsehr. des Verenis I'. hessiselie ( ieschichte, 37, 223
bis 250. Die Fuldaer frivilcgieiifrage. Mitteilungen des Instituts f. österr. Gesch. Foi-sch. 20,
192 — 252.
BonifaHiisfrdgen. 4 1
Nachtrag. Die Forschungen von Wolfgang Riei>l, Das Nachrichten-
wesen des Altertums mit besonderer Rücksiclit auf die Römer, Leipzig.
Teubner, 19 13, deren Kenntnis ich dem f'reundlielien Hinweis des Hrn.
DiELS A^erdanke, bringen eine volle Bestätigung des Ergebnisses, das ich
für das Mittelalter gewonnen habe: 30 — 40 km Tagesleistung gelten für
Märsche, Nachrichtenverbreitung und Botengänge auch bei größeren Ent-
fernungen alvS guter und gesiclierter Durchschnitt, der bei wichtigen und
dringenden Anlässen häufig um das Doppelte und darüber überschritten
wird. Wenn die Werte für die Durchschnittsleistungen wie für die Steige-
rungen nach dem Bild, das ich aus den zahlreichen Belegen bei Riepi, ge-
wonnen habe, im klassischen Altertum sogar etwas höher liegen, so wird
dies wohl der besseren körperlichen Durchbildung der Menschen und dem
günstigeren Zustand der Straßen verdankt.
li.rllii. -.-.Iruc-ki in .l.-r H.iilisiinii-kfr
Phil.-hist. Abh. HnH. Nr. 2 «
ABHANDLUNGEN
DER PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
JAHRGANG 1919
PHILOSOPHISCH- HISTORISCHE KLASSE
i Nr. 3
I
TÜRKISCHE MANKHAICA AI S ( IIOTSCHO. H
r
VON
Prof. Dr. A. von LE COQ
IN BERUN
MIT 2 TAFELN
BERLIN 1919
VERLAG DKR AKADPIMIE DER WISSENSCHAFTEN
IN KOMMISSION BKl IIKR
VEREINIGUNG WISSENSCHAFTUCHKR VERLEfiKR WALTER DE (iRUYTER V. CO.
V0RHAL8 G. J. ÜÖSCIUJ^'SCMK VKRLAÜSHANlJLtNG. J. lil" TTKNTAi;. VKKLA(iSm'CMHANl>Li:NÜ.
GEORG EEUJEB. KARL J. TRÜBNEK. VEIT U. COMl'.
Vorgelebt von Hrn. F. W. K. Müller in der Gesamtsitzung am 30. April 1919.
Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 'll. Juli 1919.
Die hier veröffentlichten türkischen manichcäisch-religiösen Bruchstücke sind
zum Teil, wie T. M. i8o und T. II D. 75a, sehr stark verstümmelt; zum
Teil, wie T. M. 419, T. II D. 169. III un<l 178, bieten sie der Übersetzung-
große Schwierigkeiten durch das Vorkommen unbekannter Wörter an Stellen,
deren Zusammenhang unterbrochen ist.
Ich kann daher nur den Versuch einer Übersetzung bieten, habe mich
aber zur Veröffentlichung dieser Handschriftenreste entschlossen, weil einer-
seits die Überwindung der erwähnten Schwierigkeiten seit dem Erscheinen
meiner Arbeit »Manichaica I« keiiu'rlei Fortschritte gemacht hat, anderer-
seits, weil ein befreundeter Religionsgeschichtler mich, des Inhalts der
Bruchstücke halber, lebhaft zu diesem Schritt ermuntert hat: es besteht
die Hoffnung, daß durch das Studium der Realien die Deutung erleichtert
und gefordert werden werde.
Da meine früheren Versuche sachlicher Erklärungen eine unfreundliche
Kritik in der »Theologischen Literaturzeitung (191 2)« erfahren haben, sehe
ich, obwohl ich eine Berichtigung veranlaßt habe (ebd. Spalte 732), davon
al), die vorliegenden Stücke anders als durch ihre Übersetzung zu erklären,
und beschränke mich darauf, eine kurze Zu.sammenfassung des Inhalts zu
geben.
Das stark zerstörte Bruchstück T. M. 180, welches, beiläufig bemerkt,
mit T. M. 419 zu der Ausbeute der Ersten Turfan-Expedition der HH.
GrC'nwekel und Hlth gehört, entliält eine Schilderung des Auftretens des
»falschen Mithras«; ob es sich um einen bevorstehenden Kampf zwischen
dem wahren Mithras und seinem dämonischen Nebenbuhler handelt, geht
aus der Handschrift nicht mit Sicherheit hervor.
Noch stärker zerstört ist das zweite Stück, T. II I) 75a: es gehört wie
die übrigen Handscliriftenrestc dieser Arbeit zu den Ergebnissen mcinei'
1*
4 A. V. Le CoQ :
ersten Turfanreise (Zweite Turfan-Expedition). Wichtig ist darin der Hinweis
auf »die Kinder (o'ilan) der Dämonen, die von den Himmeln zur Erde nieder-
gefallen waren« und die Erwähnung »des Samens jener männlichen Wesen«.
Es ist ohne Zweifel ein Stück der manichäischen Kosmogonie; wie so häufig
bei diesen Resten, setzt die Zerstörung gerade an der Stelle ein, von der
man Aufschlüsse erwarten dürfte.
Die übrigen Bruchstücke enthalten Gesänge, von denen einer, T. M. 419,
als »Lied« (wörtl. Melodie, küg), die übrigen als »Hymnen« (bSS, bäSik, mittel-
pers.) bezeichnet werden.
Das »Lied« enthält einen Lobgesang auf eine manichäische Gottheit,
ist aber deutlich nacli buddhistischem Muster verfaßt. Der Name des tür-
kischen Verfassers (?), des Fürsten (tigin) Aprm-c(jr wird wiederholt erwähnt.
Von den Hymnen (öäi, büäk) befinden sich drei auf einem Blatte, das
mit einem ebensolchen zweiten Blatt zusammen ein wohlerhaltenes Doppel-
buchblatt bildet. Dies zweite Blatt enthält einen soghdischen manichäischen
Text mit kurzem türkischen Endkolophon in »köktürkischen« Runen; das
Buch, von dem noch weitere Blattreste mit iranischem Inhalt gefunden
worden sind, dürfte ein liturgisches Werk gewesen sein. Die beiden ersten
Hymnen sind vollständig, gut erhalten und inhaltlich einfach : sie sind ge-
richtet: I an »den Gott der Morgenröte«, II an die »Vier großherrlichen
Wesenheiten«. Der dritte Hymnus ist der wichtigste; er beschäftigt sich
in der Hauptsache mit dem Schicksal der Seele nach dem Tod und schildert
eine der dann erscheinenden Schreckgestalten. Leider bricht der Text zu
früh ab ; die Anzahl der unerklärten Wörter ist bedeutend.
Das letzte Bruchstück, ein durch Wurmfraß beschädigtes Buchblatt
(ebenfalls die Hälfte eines Doppelbuchblattes!) entstammt gleichfalls einem
liturgischen Werke; dieses Buch enthielt, neben mittelpersischen Hymnen,
auch jene Blätter des Bußgebets der manichäischen auditores, die auf Taf. I
und II des in dem »Anhang zu den Abhandlungen« veröffentlichten »Chu-
astuanift« wiedergegeben worden sind. Es scheint ebenfalls das Schicksal
der Seele eines Gestorbenen und das Erscheinen einer Schreckgestalt zu
schildern; leider fehlt der Anfang und das Ende.
Türkische Manichaica aiis Chotscho. II.
T. M. 180. (Taf. 1.)
Stück aus der Mitte eines größeren Buchhlattes. 17' 2x131 '2 cm groß, glattes, dünnes, gelbliches Papier.
Auf Zeile 15 der Vorderseite findet sich eine Korrektur: die zu ändernden Worte sind mit Deckweiß
abgedeckt und die Korrektur oyli ni n in n darüber geschrieben wurden. Diese Art, Schreibfehler usw.
zu berichtigen, ist in manichäischen Texten hiiulig. Fundort : Ruine a.
Vorderseite.
Anfang abgerissen !
i j//ind äkii pdr/jl zwei
a ///r 0/ bulyjjl {boly/;/?) . . .jener wird finden (sein?)
3 ... mitrii yir iizä . . Mithra auf der Erde (oder auf der Krde des M.)
4 biz ani'i ködnr an//g/j' wir dieses '.' ;', jenes {.')
5 biz ti{y)'ürlär •• ati[i)ny »omii bari[i.'\ wir. sagen sie •• Das Gesetz und Wesen l^') jenes
6 sgnyäsmiik ot »* 0/ yük ist der Kampf ••Jenes Dänionen-
7 \o\yuti'i bälgu.iii mingüsti Sohnes Kennzeictien und Reittier {vähana)
8 ud bolyai »» buu yir ü:a näny wird (ein) Stier Sein •• Auf dieser Welt durchaus
9 anday t{ä)v kür yälvii arcii solchen Trug, List, Zauberei und Hexenkunst
10 yo(f kirn ol timasar s{u]mTiu gibt es nicht, die er nicht vermöge 1 Mit (für)
des Dämonen
11 [k^ücingä qripny uyai»m'iticä Kraft alles wird ei' voiniögen! .A.ls()
12 ... q(a)m(ay/ budunqa nomc'iqa .... dein ganzen Volke und dem Gesetzeslehrer
13 j//rvu milrii buryan t(ä)ngrii . . . Gottes Sohn, Mithra der Bur^an,
M [07]''' kälgäi tipän kig//j/t/ wird kommen, sagend,
15 . . kirtü t(ä)ngrii o^/ii'i m{ä)n m{cJ)n tig^j^ . .der wahre (oder des wahren) Gottes Sohn bin
ich. ich . . .
16 .... 'ilig btidu\nuy\ .... das Reich und das V(jlk
17 d[in]dar .... electus
Knde abgerissen !
R ü c k s (; i t e.
.\nfang abgcris>>en!
I ... dindarqa y(ayajl ... dem ulechts
• I . . . jjlarning uluy/i ... ihrer groß// ....
3 ... [dt]ndar bnl'/ai •• t(ä)n^gri^ . . . wild ein eleiUis werden. An den göttlichen
4 HIHIHI b()gülänmäk qutuy [Bui'yan (;')] zu *glauben wird er das Glück und
5 qiv'iy bulm'is bolyai •• ötrü Heil gefunden haben. Darauf
6 ol yäk oyuti'i 'igid mttrt\i] jener Dämonensohn, der falsche Mithra,
j ol dindarqa ' incä ai'^[i\ zu jenem elevtus also wird sprechen:
8 muncada baru t{ä)ngrii ir/utii Seit dieser Zeit seid ihr *hoßend gewesen,
6 A. V. L K C o Q :
9 mitrii bur%an Mlgäi tipän sagend, Gottes S«jhii, Mithra der Bur%an
10 küdüglii ärtii)ng{i):lär •• qmfi m(ä)n m{ä)n wird kommen •• Jetzt ich, ich bin
11 kirtü t[ä)ngrn oyulii gop bu[(iunuy] der wahre Sohn Gottes, das ganze Volk (l* ?)
,2 mangrill I quvradn y«*«»[c?]// hat versammelt; Verehrung {?)
■ 3 m(a)nga yttkünü{n)glär •• minü k[iTfu>] mir sollt ihr darbringen ! An mich sollt ihr glauben
M [m\itrü tipän kir/gümmy('.} m(a)ng[o] und mich den wahren Mithra nennen!
IS [tän]grii yirin vi(ä)n kirtü t{ä)ng\rii] Den Götterhimmel, ich des wahren Gottes
,6 ol mani mllJH (Sühn) jenei- Maui (P ?)
Ende abgerissen!
Anmerkungen.
Vorderseite. Z. 4. ködür. Unbekanntes Wort.
Rückseite. Z. 10. küdüg/i. Kin unbekanntes Wort, vicUeidit eine Ableitung auf -(//»
von dem Stamm kiit-, küd-. kiidör-, hüten, lauerij, hoffen. Z. i 1 und 12. Die sUrke Ver-
stümmelung der Zeilen verhindeit eine zuveilä.ssige Lesung. Ob eine Form des V^erbums
mangramaq .brüllen» oder vielmehr des Zeitwortes mängärämiik .herrschen, verwalten« ein-
zusetzen ist, ist ebenso ungew'ß wie die Art der Form selbst. Z. 16. Ob Mani zu lesen
ist oder mani .mich., steht dahin. Z. 13 zeigt mini; zuweilen wechselt aber der Vokal in
derselben Handschrift.
T. II. D. 75. (Taf. I.)
Durch Wurmfraß sehr beschädigtes Stück eines Buchblutts, 17 X u cm groß, weißliches Papier.
i^indort Ruine K. Halleiibau.
\' o r d e r s e i t e.
1 [snvniiny des ^\'assers
2 wräk y-üräk) ay(i)rda .s'/ im schweren
3 bu bis ay{i)r larqa diesen fünf Schweren
4 üstälür wii-d i'rhölit
5 , ,///V'* ^<'ll I
6 //«;• ymä wieder
7 Jlaranayin ymä ich will wieder
8 ärksiräyin icli \\\\\ kraftlos sein
n , : iyimi '
'" qilayin ' bu ich will tuen dies . . .
" kiU'i mint;! seine Kraft .
'= Jlqonrrns holmazun soll sich niciit niederla.sseu
■3 /7/«7 br)lm\ay\in ich will nicht sein
'4 ämyil\k\ kotürmüyin lip " Qual will ich nicht ertragen, sagend.
TürMsche Manichaica aus Chotschn. II. 7
"5 r t t i/mä aut'ida kin und nach diesem:
■* [o\i azing ymä ol qamay Deine concupiscentia wieder (besteht aus) allen den
17 [y\äklär or/lanlari kim knklärdän Dämonensöhnen (Kindern), die von den Himmeln
>' y[ir]gärü tüxmülär ärti " ... zur Erde niedergefallen waren.
'9 ol irkäkläming jener männlichen Wesen
»o .... urw/i II ymä ol tiii läming . . Samen « (und) wieder jener weiblichen Wesen
" erloschen.
Anfang und Ende zerstört.
A n m e r- k u n p.
Die in ■eckigen Klammern stehenden ersten 5 Zeilen der Vorderseite (die Schrift der
entsprechenden Zeilen der Rückseite wai- gänzlich erloschen!) sind nicht mehr erhalten, da
bei der der V'erglasung vorhergehenden Behandlung das durch Wurmfraß und .Salzablage-
rungen sehr stark zerstörte Papier in Stücke zerfiel. Am wichtigsten war Zeile t, mit der
Erwähnung der -fünf schweren (Elemente?)-.
Die Rückseite ist ebenfalls stark zerstört und zeigt nur bekannte, nicht zusanunen-
hängende Wörter; Z. 13 und 14 sind in loter Tusche geschrieben, stark erloschen und links
durch Wurmfraß zerstört: auf Z. 13 glaube ich zu erkennen:
tü[kädi al]tinc knn ai . . .
Ende das sechsten (■') Sonne (und) Mond . . .
Z. 14 beginnt mit nrrltilafi täijzjlimäk. Die Z. 15 und 16 sind unbeschrieben, zwischen
ihnen steht chinesisch ;^tfp -- Abschnitt 6 (I". W. K. .Mi'm.ek).
Von den übrigen 7 Zeilen ist noch wichtig die 17., die in roter Tusche die Worte trägt
baslanl'i yitinr adam a'/uni tiiy/// ■ . (tur///?) -^ Anfang des siebenten adam
arfihi oder Anfang des 07«» des siebenten Adam (Menschen?).
T. M. 419. (Taf. II.)
Durch Warmfraß beschädigtes Buchblatt, 24Xi5V»'""i groß, weiches, wolliges Papier.
Fundort: Ruine a.
Vorderseite.
■ \bailanfi\ apri ncor Es hat begonnen das Lied des Aprin-öor tigin
" [ligin kügi l]a>/»ullari bi liuda . ■ . seine Veree 6« tiuda (tvoda etc.)
3 \bä[]giiai r(ä)ilni tiyiir • . . .sein Kennzeichen ist das Juwel! heißt es.
< [bä/]ffüsi r{ä)dni tiyiir • . . sein Kennzeichen ist das .luwel ! heißt es !
5 [rädni]dä yig mäning ädgü O du Trefflicher im Juwel, ilu mein guter
« \iängr\im alpim bägräkim • r(ä)dni da Gott! mein Held! mein Füret! o du Trefflicher im
: yig mäning t{ä)ngrim alpim Juwel, mein Gott! mein Held!
« bägräkim m» •• bilägütOs yiHi mein Fürst! Ein *nie zu schleifender scharfer
(Demant)
8
A. V. Le VjOq:
Donn('i-keil,lif'ißtes!Kin*niezuschleifenderscharfer
(Demant) Donnerkeil, heißt es! Du, im Demant-
Donnerkeil (ntvi?)
mein Wissender! mein Gerechter! mein Strahlen-
der!
Im Demant-vajra {ötvi?) du mein Wissender! mein
Weiser!
3 yangam t» ,» Mn t(ä)ngri y(a)ntqintäk mein Elefant! Du dem Glanz des Sonnengottes
Gleicher, mein
Teurer (»Busenfreund-)! mein Weiser! Du, dem
Glanz des Sonnen-
gottesv Gleicher, mein Teurer! mein Weiser!
Du mein schöner, gerechter Gott!
Du mein Berühmter! Du mein Sehnen (?)! Du
mein schöner, gerechter
8 t{ä)ngrim buryßn{i)'m buluncsuzum * » Gott, du mein Burchan ! Du mein * Unerreichbarer
(niclit zu Findender) !
\ls ist beendet das Lied des Aprin-i'or tigin.
9 r((7)c[/rftJyMr •• bilägüsi'n yitii
lo v(a)ii[r iiyür] •• v(a)zirä[a] ötvi
" bitigligim tüzünüm y{a)ruqum ••
" t)(p)itrdo ätni biligligim bilyäm
14 köküzlügüm bilgäm •• kün i{a)ngri
■ 5 y(a)ruqintäk köküzlugüm bilgäm •
i6 körtlä tüzim l(a)nyrim
17 külügüm köziincüm • • körtlä tüziin
>9 \l\nkädi [o]/>r«ncor ligin kiigi "
Ende des Blattes (?)
Rückseite.
■ adruq özjj verschiedene . . .
j yuzlügüm • du mein Ansehnlicher! ...
3 adinciy amraq anderer geliebter ....
4 qmraq öz//äm geliebtes . . .
5 •• •• qas'inciy'imin u/j Durch mein . . ?
6 qady7trarm(ä)n qadyurduq empfinde ich Sorge, Sorge empfunden habend
7 qasi körtläm qavis[u)ysayurm{ä)n ersehne ichVereinigungmitmeinemSchönbrauigenl
8 »t »t öz qmrayimin öyürm[ä)n An meinen eigenen Teuren denke ich,
9 nyü njljär m(ä)n ödü/// /jicän {üciin ;') denkend
10 öz qmra[yim'in] opngsäyür m(ä)n •• •• meinen eigenen Geliebten zu küssen, ersehne ich!
11 bara[y'i]n tisär bac amraqim Wenn ich gehen möchte, mein . . ? . . Lieber!
12 Äa[r]M ymä umaz m[ä)n bay{'i)r-saytim zu gehen vermag ich nicht, du mein Barmherziger!
13 •• •• kiräyin tisär kicigk[iä\m Wenn ich hineingehen möchte. Du mein Kleiner!
M kirn ymä umaz m{a)n jjkin y'ipar hineingehen kann ich nicht! . . . Du mein Moschus-
15 y'idl{i)y{i)m •• •• y{ä)ruq t[ä)nyrilär Duftender! Durch der Liehtgötter gnädiges Gebot
i6 y(ä)rliqapmin yavas(i)m birlä mit meinem Sanftmütigen
>7 yaq'isipan ad{i)r(i)lmal{f)m »' •• * Vereinigung erlangt habend, wollen wir nicht ge-
trennt werden!
Türkische Manichaica atis Chotscho. II. 9
i8 kä^lüg briitilär küc bir'ög {Ues birüng?) Ihr starken Engel! gebet (mir) Kraft (?)I
i« közi q{a)ram birlä k[ül]üsüg//l Mit meinem Schwarzäugigen ... ^ -
» kütüsüffin oluratim •• in *Fröhliehkeit wollen wir uns setzen!
ai [iükä^d\i aprin\ ior tigin ... Es hat geendet [das Lied (?)] des Aprin-öor tigln.
Ende des Blattes (?).
Anmerkungen.
Vorderseite. Z. 2. 4/ tiuda, zwei fremde (soghdische?) Wörter. Z. 9. dtvi unbe-
kanntes Wort. Z. 6. bägräk fürstlichster; auch — festerer, härterer (härtester).
Rückseite. Z. 5. qa.s'inciy unbekannt. Z. 7 und 10. -uysa- {-uqsa-, -öksä-) Desiderativ-
formen von qav'ii- and öp- (aus dem angefügten, der Vokalharmonie unterworfenen Verb
öksä- zu erklären ••). Z. 11. bac (bäc?) unbekannt. Z. 16. yrl'iqazunin, Anwendung der Im-
perativform als Nomen; cf. Bano, Studien III, §8.
T. n, D. 169. (Taf. ü.)
Dies nnd die beiden folgenden Stücke finden sich in der tiicr befolgten Reihenfolge auf einem Blatte
(16x9.4 cm groß) eines Doppel bucliblatts; das andere Blatt enthält soghdische manichäische Texte.
Derbes, festes, vergilbtes Papier. Fundort: Gewölbe des nordwestlichen Teils von l{uiiie K.
•'*■'■ _ I.
I Vam vay'i nnng bat Des Gottes Vam^ Hymnus
» lang t{ä)ngri kälti • lang t{ä)ngri özi kältii • Der Gott der Morgenröte ist gekommen ! Der
Gott der Morgenröte selbst ist gekommen !
j tang t(ä)ngri kälti • lang t{ä)ngri özi källi • (Wiederholung).
4 lurunglar qamuy bäglär qadailar • tang (an- Erhebet euch, alle Fürsten und Gefährten !
grig Den Gott der Morgenröte lasset uns
s ögälim • körügmä kün l(ä)ngri »siz bizni lobpreisen! Sehender Sonnengott, du uns
« kötäding • körünügmä ai l[ä)ngri siz bizni behüte! Sichtbarer Mondgott, du uns
7 qurlyar'ing • lang l{ä)ngri » y'idtiy yipartiy » erlöse! Gott der Morgenröte! Moschus-
duftender,
• ^{a)ruq iuy-yaittq hty • lang t{ä)ngrf %\>. leuchtender • Gott der Morgenröte! Fünf
•.■''• - .- ._ lang (gearteter) Gott {oder Fünf Götter)
' Nach F. W. K. MÜLLER ist dies Zeichen eine soghdische Ziffer mit der Bedeutung 5.
Im Texte ist sie also bii (türk. _/"«/{/) zu lesen und zu transkribieren.
Ob das Zahlzeichen aus den umnichäischen Lettern 'ain &^ und ye 9 zusammengesetzt
ist, erscheint mir zweifelhaft.
' väm, soghd. ; neupers. ^i, =1 turnen, .iplendor (VuU.); Steinoass gibt die Bedeutungen
moming, dawn, break of day, lighl, gplendour. Im Türkischen ist mir lang nur al,^ Morgen-
röle bekannt. Gut Türkisch müßte der Titel wenigstens lauten vam lay'i uung baii.
Phil.-Mst. Abb. 1919. Nr. 3. 2
lö A. v.Le Coq:
9 t{a)ngri • *^' tany i(a)ngri • yidliy y'ipartiy der Morgenröte ! Fünf (gearteter) Gott der
Morgenröte ! Duftender,
lo y(a)rugluy yaSuq Im] fang t{ä)nyri • tang leuchtender üott der Morgenröte! Gott der
t{ä)ngri X \ Morgenröte I
Ende.
T. n, D. 169. (Taf. II.)
n.
I J9P(a)7 ro<(a)n 3Mw[a)r \irifi nung baSfa^ Hymnus (?) an die »Vier großherrlichen
Wesenheiten • "
' t{ä)ngri y[d)ruq küctüg bilgä kä y(a)lvarar Vor Gott, dem Lichten, Starken, Weisen,
li'iz • • demütigen wir uns (und)
3 öt(ü)nür biz kün ai t{ä)ngri kä • y(a)i'in beten zu ihm. Den Sonnen und Mondgott,
t(ä)ngri den Lichtgott,
4 nom qut'i • m{a)rmani /{ä)risti'' larqa • die Majestät der Religion, die Engel des
qut qo/ur^ Mar Mani beten [wir] an!
5 t[ä)ngrima • ät'ötümiiz ni közäding • üzü- O mein Gott! LTnseren Körper behüte! Un-
tümü: ni sere Seele
6 boSung • qiv qolur biz • y{a)ruq t(ä)ngri läutere! Heil erflehen wir! Für die lichten
lärkä • Götter
7 adasuzin * tural'im • ögrincUgin ^ ungefährdet wollen wir leben ! ' In Freuden
8 ärälim • wollen wir sein!
Ende.
T. n, D. 169. (Taf. II.)
m.
1 Adinciy türkcä baSik (Ein) anderer türkischer Hymnus.
2 täzün bilgä kisi lär tirilärim • i(ä)r>gri ning Wir gerechten, weisen Menschen wollen uns
versammeln ! Gottes
' basta. In jedem der drei Hymnen tritt eine andere Form des Lehnwortes bäiä,
bä^äh auf: in I bas, in II basta, in IH baiik {basig).
^ Der dem Türkischen fremde Laut f wird hier durcli j^ , in anderen manichäisch-
uigurischen Texten spätsoghdischer Schrift durch m wiedergegeben.
^ Augenscheinlich ist hier das l'ronomeu biz zu ergänzen.
* adasuzin statt adasuzun; ebenso
^ ÖgrincUgin statt ögrünclügün. Vielleicht war der Schreiber kein Türke.
" Nämlich : Gott, (sein) Licht, (seine) Kraft (und seine) Weisheit. Vgl. Flügel Fihrist p. 64. 95.
' turmaq hier vielleicht im Sinne von »leben«.
Türkische Manichaica aus Chotscho. IL 11
3 bxHgin biz iiir/ä/im m tört ili(i Schrift (Buch) wollen wir anhören 1 Den vier
fürstlichen
* t{ü)nfri lärkä tapinatim • tört uluy Göttern wollen wir Verehrung darbringen!
Von den vier großen
5 amgäkdä qurtulal'im • tört iliy t{a)ngri Qualen wollen wir befreit werden : (nämlich)
von Verleugnungen
6 lärdä ta'iiymalar * l{ä)ngri nomin iuda^pna- der vier Götter: mangelhaften Befolgungen
laT » des Gesetzes Gottes;
7 lünäriff yäklärkä tapunw/malar • tümäniig Verehrungen der finsteren Dämonen: zehn-
tausenden
8 inW« qiti'/malar • tübinlä nl'oqma übler Handlungen. Schließlich auch muß man
9 ötmäki bar • tünärig t(a)muqn tuimäki sterben, (und) es gibt ein In-die-finsteie-Hölle-
lo bar • tümäniig yäktär kälir tit/ür • tiimanliy Stürzen. (Da) heißt es, kommen zehntausende
Dämonen ; schwarzneblige
" yäklär ayar tiyür • tünärig liincülii Dämonen *schweben herbei, heißt es. Fin-
stere Nacht
la basar tiyür » tunumly ^ lägir tiyur » tüi üzä bedrückt (den Gestorbenen), heißt es, *Bedräng-
nis befällt ihn. heißt es : auf die Brust sich
■ 3 oltmp tültürür tiyür • tänmii ü:ültär setzend macht sie ihn *träumen heißt es:
verirrte (.^) Geister
■4 taitqar tiyür » tardic täk ät'ozin kommen heraus, heißt es: wie ein . . . ? .seinen
Körper
«5 qodur tiyür • lavari lur'/tiru qatir tiyür • legt er nieder (stirbt er), heißt es. Seine
Habe bleibt zurückgehalten, heißt es.
<6 t(ä)rtrü Bactiy qurta yäk kälir ti(y)ür * tolitiy Kine falsche (lügnerische), behaarte, greise
Dämonin kommt, heißt es; der Hjgel-
<7 (d)bulit täk tonqi qailiy • qatliy bcana wölke gleich ist ihr . . ? mit Brauen ver-
sehen: wie ein blutiges bcann ?
i8 täk q{a)raqi ti(y)ür»qnxyuq täk q(a)ra hm ist ihr Blick, heißt es; wie ein Nagel, von
amki schwarzer Farbe ihre Zitze,
19 ti(y)ür » burninta boz'bntit önür h(y)tir •• heißt es; aus ihrer Nase eine graue Wolke
steigt hervor, heißt es;
>o t{a)m'/aqinta q{a)rn tülün tasiqar ti(y)ür • aus ihrer Kehle schwarzer Rauch geht heraus,
heißt es :
»• tüii ol qanrnrj tümän yilau • yinäri {.') ihre Brust ist (besteht) ganz aus zehntausend
Schlangen ; ihr . . . :'
" ol yingnä yilan » ärngäki ol qamtty .... ist die* Fadenschlange; ihr Finger ist ganz ... .
Ende des Blattes.
' Das über und «wischen die iBucbstaben l und y gesetzte u ist eine alte Korrektur.
2*
12
A. V. Le COQ
Anmerkungen.
Z. 2. tirilörim. lies tirilälim. '/.. 3. Die vier Götter-Könige oder -Fürsten : wohl wieder
•jj'Vl ^UäuJl, die »vier großherrlichen Wesenheiten ■ , wie in T. II, D. 169, It Z. 16.
t(a)rtr'ü, (in 178 t(a)tT'ü\ lügnerisch, falsch; vgl. mein Br. SrmNs Turfcish Khuasluani/t, J. R. A. S.,
1911, Z. 135, wo i[ä)rtrü und igdäyü parallel stehen, qurta: das folgende MS. ähnlichen In-
halts (T. II, D. 178) zeigt die Form qurtya. '/.. 17. ahulil oder nbulit: der erste Buchstabe
wohl ein Irrtum des Schreibers, tonqi [tonuq-i ?) und bcana; rätselhafte Wörter, letzteres wohl
eine Entlehnung. Ebenso unerklärt die Wörter iänmü (lanmii) Z. 13: tnrdir 'L. 14; yinar
(mnar :') Z. 21. Z. 2 2. yingnä kann auch yingan. yinyra, vingan usw., selbst vyagra gelesen
werden; die Übersetzung ist entsprechend unsicher.
T. II, D. 178.
Blatt eines Doppelbuchblattes mit abgerundeten Ecken, 13.5x13.5 cm groß: starkes, bräunlichgelbes
Papier. Auf beiden Seiten des anderen Blattes manichäischer Hymnus in mittelpersischer Sprache.
Fundort: Gewölbe im nordwestlichen Teil der Ruinengruppe K.
I aUur tiyüT k{ä)ntü
a qilm'iS qilinci közünür t
3 tiyür • yir suh qutii 'irtnür
4 liyür • ni sub qutii 'iylayur
5 tiyür • 't 'iqac quti ul[a)yur '
6 tiyür • könii buryuq köiüngü
7 da közünüpän tänmis üz
8 ütüg tuiupaii » trazuk
9 'iiiniä olyurtur tiyür •
10 <[roi«]Är aiy[sar?] q[il]inöi aitiy
11 bolur ['i]rincü qilmiis
u qitinci 'istig bolur
Vorderseite.
sagt, heißt es Die von ihm selbst
getanen Handlungen erscheinen, h-
heißt es. Die Majestät der Erde und des Wassers wird
unglücklich,
heißt es. Die Majestät des Feuers und des Wassers weint,
heißt es. Die Majestät der Gewächse und Bäume
jammert laut,
heißt es. Der gerechte Beamte hat ergriflFen
die wie in einem Spiegel erscheinende, verirrte See-
le. In der Wage
wird sie niedergesetzt, heißt es.
Wenn die Wage aufsteigt, wird ihre Handlung . . ? ,
ihre übel getane
Tat wird . . ?
Ende der Seite.
t{ä)trüv, sacl{i)y qurtya yäk
kälipänin tänmii üzüt
lärig tutupanin • iünärig
Rückseite.
das Kommen (Acc. oder Instr.) der lügnerischen, be-
haarten, greisen Dämonin (und)
ihre Ergreifung der verirrten (irrenden) See-
len. In die finstere
^^d^^ri. Die Punktierung bedeutet Ausfall eines Buchstabens.
Türkische ManicAaica aus Chotscho. II.
13
4 tamuqa tartar tiyür
; töpüsin tongtaru tiqar
6 tiyür • tamudaqti yäklär
7 lutar tiyür • muntrumuntuz
8 yäklär k(ä)lir tiyür • min/Jk//
9 parkan Urupan {nrtqtanf) pirkäsäyür
10 tiyür • ö"A*&s
11 üzüt anta körür tiyür •
II öläm gut qolupan bolmaz (hHlmazi)
Hölle zieht sie (sie), heißt es:
auf ihr Haupt einschlagend, stößt sie (sie) hinein,
heißt es. Die in der Hölle befindlichen Dämonen
ergreifen (sie), heißt es. Die . . . . ?
Dämonen kommen, heißt es ... .
heißt es. Viele
Geister dort sieht sie.
Um den Tod zu flehen, ist zwecklos. (Sie fleht um
den Tod, findet [ihn aber] nicht.)
Ende der Seite.
Anmerkungen.
Vorderseite Z. 6. huryuq. Man vergleiche vielleicht chinesische Bilder buddhistischer
Totengerichts-Szenen. Z. lo und u. aifiy und istig unbekannt Rückseite Z. 7 muntru-
muntia unbekannt Z. 9 parkan, pirkäsäyür unbekannt
14
A. V. Le Coy :
Wörterliste.
abtdit [nbul'it?) s. bot'it
a(i{i)r{t)l- 419 R. '?
admciy III, 419 R. 3
arv'is 180?
ärhsirä- 75^
ärngäk III"
ay- 178'°
äki 180'
o/;j 419*'
ämjÄ: [g) III' ^
02 !(öy)- III"
op-ögsä- 419 R. '°
«rf 1808
uruy 75=°
ÜCÖ l8o3-8, ni"7
ÜSti« III'3, 1787', 178 R. »•■'
-o(u)ysa-, -ö'(ü)5'Ää- ; qav'isoysa-
419 R.''; öpö^ÄÖ- 419 R.'°
«7/0« 75''
ög- [ögälim) I5
ögrinclig 11'
o/-; o/ter- III'3 (sonst stets
nlur-y, olyur- 178?; nlur-
419 R. »°
u/(a)- 1785
ön- ni'9
tVArä^ 7 5 '9
irincü (s. auch 't) III^, 178"
Sac (Jä<??)4i9 R. "(Lehnwort?)
-6ar« [muncada b.) 180 R. ^
J(W- III"
bailan- 75 Anm.
bay(i)rs(iy 419 R. "
ftö^ l4
bägräk 419*'
bälgü 4 1 93- 4, 1 80'
burun III'9
6o2 III's
bngnlän- 180 R. *
Äw/ti; III"- '9
6oi III'S
6j7ö-
■gü-süz 4 1 9
8.5
buh
uncsuz 419'
biliglig 419"- '^
-joan, -pä«; Urupan 178 R. 9;
tutupan 1788, R. 3; <j)ja'n
iSoM. R. 9M; qoiupan 178
R. " ; Ää/i))än 1 7 8 R. ^ ^o>«-
nüpän 178'; yaq'isipan 419
R. ■'
pitkäsä- 178 R. 9
tapun- III'
i!(ä)fr« 178 R. '
<(ö)ri;rK III'«
iardic III'*
taMy- III'4- ^°
<(ä)» i8o9
taysut 419' - '
-/ö/t in'4"'8
tö^- 111'=
l{a)myaq III'"
to»- II [6
«n- (i') III'3, 178'
lang I^ 3 ■(■ 7- 8. 9- >o
tätigri: langt. 1''°; ai t. 1*;
?n/<r> huryan t. i8o'3; kürt
t. 4i9'3'4; kün ai t. Il3:
yasin t. 113 ; fort ilig t. 1113
t'übintä III^
ft5;5« 178 R. 5
tütün III'"
turyur- HI's
türkcä ITl'
töi ni""
tö^ III9, 7 5 '8
ffi/eör- III'3
toliliy III'*
tumanliy 111'°
tümänlig III'- '"
tünäriy III'- 9",
1783
tüncülä III"
tor/ji {ton{iu)q-i ?) III''
t'ingtar- 178 R. 5
tunumluy (tonvm-; torum-;
tiirum-) III"
ft-: <!-5ar 419 R. '3; /j.y«r
llI'°flF., 4193 ff.. 1783 ff.
/tn/- III'
■tiy,-tig;ait>yiTS'°; 'w<»p 178"
<i!9- 178 R. 5
-A': türkcä III'; közüngücä
178«-'
.SffcVVy III'«, 178 R.^
söngiii- 1 80«
Vrw- 1783
'ü'/fe- 1784
'/ji/rf 180 R. «
■^jma, -gmä; taniyma III*;
tudayma III«; tapunu^/malW;
qiiiyma IIP; körügmä Is;
körühiigmä I«
•gärü; yiigärü 75'*
kfifiir- (erti-agen) 75'4
knriiir 1 8o4
k'üdüyli 180 R. '°
Arür r8o9
*or//(7 419'«-", R. '
közünc 419'
knzüngv 178«
^•o'c; qaram 419 R. '9
Arü^ 419'- '9
*ö* 75"
köki'nlüg 419'*- '5
külüsüg 419 R. »o
kiilüg 419''
^önt 178«
*!>- 419 R. '3- '4
*!>« l8o'5, R. "-'5
kim 75''. 180'°.
frin {antada k.) 75'5
Türkische Manichaica aus Chotscho. IL
15
I
qadai \*
qadyur- 419 R. *
qaraq III''
qoiyuq III''
qasinciy 419 R. s
qai 419 R. ^
qaitiy IIl'J
qami-{u)r/ta- 419 R. 7
qantiy IH''
90p 180", R. "
j«/; ot tub qul'i 178«; 'i 'iqac
q. 1785; yjr *«i q. 1788
5«/ (no»i j.) II'
qut qiv 180 R. ■»
qurta III'«
qurtya 178 R. ■
jo/- ; ju/ qol-lh ; qiv qol- II*
9»p (^< q.) 180 R. 5
-/ä; tüncülä
-ma; oioqma IIP
munca 180 R. *
mingü 1 8o7
ndnj7 1 80'
y[a)riiqazniiiii 419 R. '*
yasuqluq P
y(a)iin Ha
yaq'ü- 419 R. '7
y{a)lvar- II'
yä/tii i8o9
yanj/a 4i9'3
yuzlüg 419 R. '
ytpar y'idliy 419 R. «4'5
yi'/j' 419'»
yiSr 4195-7
y«nar(?) III"
yingnä (?) III"
a<iam 75 Anm.
«K 75'*
ayun (ayuni?) 75 Anm.
ö/M 4I9"'-"
bai (für däjä) I'
baita (für 6öä) II'
ioÄiAr (für bäiä) III'
fi(a)7 II«
bcana (pcana) III''
6ni« 419 R. "
Lehnwörter.
bi tiuda 419*
j 6«, soghd. Ziffer fiir I'-»
I parkan 178 R. »
frazuA: 178«"'
/luda 419'
tW 4I9''9, R. "
rädni 4193 «! *
roi{a)n II'
caif(a)r II'
?iri/y 11'
; i(u)mnu 180'°
j f(ä)risti Il4
[ p{a)i»r 4i99'o. 'j
vay (vay'i) I'
ram 1'
m(a)r II*
fiMtni [»n(a)r m.] 11*
muntrumunlui 178 R. 7
wii>» i8o3 '3, R. 69-4
- 1
'.;.. PI'.
.J. ,. -i-^n
■ I-- V : :^ -c :
.' '1 I
•'1. . . ' ' .1 ' ~-*i
■■ r
'-■■''' Ol.:. !■'.:,
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
r.S
'i' ,, '■•
Preuß. Akad. d. Wissensch.
mi.-hist. Abh. i!)i!>. yr.:;.
IJücksi'ito.
T. M. 180.
A iH'dcrsrirc.
Kii.-k^.-ili
T. II, I). 7r>.
Vnnirl >i'ih
:l
8
A.v. LECoa: Türkische Manichaica aus Chotscho. II. Taf. I.
l'reiiß. Akad. d. Wissensc/i.
K'iii'k-icito.
T. M. 41 f>.
Phil.-hht. Äbh. 1919. Ni: :i.
\'oi(li'i'S('ite.
1 (i-.il I
2 (1-nl)
^ Uff) |ah<ii . ^fiJUMUA
Wii.kscif.
<i'«*S»» ^ l«^J«t»«if«»>^l'i*»r-'mit,
— *«f— PI ■■■» «gm ■;«»" "fifiiM^e»
T. II, I). MM».
V'iMili'l -ril.'
■<l» Hl* — •«»—
""i^-ilOr. "\ II--'--- - '•it f"iiiiV i^i
1
1 (rol)
II
(r-0
A.v. LeCou: Türkische Manichaica aus Chotcho. II. Taf. II.
ABHANDLUNGEN
DER PREÜSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
JAHRGANG 1919
PHILOSOPHISCH-HTSTORISCHE KLASSE
Nil 4
SPINOZASTUDIEN
VON
C. STUMPF
BERLIN 1919
VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
IN KOMMISSION BEI bEU
VEREINIGUNG WISSENSCHAFTUCHER VERLEliER WALTER DE (IRLYTER I'. CO.
VOKKAL.') O. J. OllMUfrNSCHE VKKLAOSHASDLtJNfi. J. «ITTENTA«. VKRI.AfiSBl tHHANDLlNi;
GEOKC HIlUIEIl. KARL J. TBCBNKB. VKIT f. ( ÜMI'.
Vorgetragen in der Gesamtsitzung am 14. November 1918.
Zum Di'uok eingereicht am 27. Mai 1919. ausgegeben am 16. August 1919.
I. Der Parallelismus der Modi innerhalb der Attribute
Ausdehnung und Denken.
I. Die Beweisfüliruiig für den Parallelitätssatz Ktli. II, pr. 7.
Spinoza gilt gemeinhin als Urheber der Lehre vom psychophysisehen Par-
allelismiis, wonach Körperliches imd Geistiges nur verschiedene Erscheinungs-
formen oder Seiten einer und derselben Wirklichkeit sind luul ihre Ver-
änderungen demgemäß durchgängig parallellaufen. Selbst ein Kenner wie
Freudenthal hält es nicht für nötig, dieser Behauptung Einschränkungen
beizufügen, ausgenommen die, daß manches in Spinozas Darstellung dunkel
Ideibe' — eine Eigenschaft, die man schließlich auch der heutigen Lehre
nicht abstreiten kann. Einzelne Spinozaforscher heben zwai- wesenthche
Unterschiede hervor (s. u.), aber das historische Verständnis leidet an diesem
Punkte meines Erachtens noch zu stark unter dem Hineintragen gegenwärtiger
Anschauungen. Im folgenden soll ausgefiihrt werden, daß der Parallelismus
zwischen den Modi der Ausdehnung und des Denkens, wie er im siebenten
Lehrsatz des zweiten Teiles der Ethik behauptet wird, eine alte Lehre der
aristotelisch-scholastischen Psychologie zum Ausdrucke bringt, deren Sinn
mit dem des gegenwärtigen Parallelismus nichts zu tun hat. Hiermit soll
natürlich nicht gesagt sein, daß der Satz von Spinoza ohne Rücksicht auf
das brennende Zeitproblcm des Zusammenhanges zwischen Leib und Seele
aufgestellt wäre - das Gegenteil liegt klar vor Augen — , sondern nur,
<laß seine Lösung des Problems erst aus jener alten Tradition verständlich
werden kann.
Spinozas naturwissenschaftliche Studien uild der mächtige Eindruck
der jungen mechanischen Naturerklärung hatten in ihm die Überzeugung
' Über die Entwickelunft dor Lehre vom psycliophvsischrn Pnrallelisrrms hoi .Spino/.i.
Ati-liiv f. (I. )re.s.-mitf PsycLulogi«' H<1. I\. S. 74 (V.
1*
4 S T f :m 1' F :
von der geschlossenen Naturkausalität begründet, die kein Hineinwirken
psychischer Kräfte dulde. Sie war noch verstärkt worden durch die vom
Okkasionalismus erhobenen Einwendungen gegen die Möglichkeit einer
Wechselwirkung zwischen heterogenen Substanzen. Auch die Lehre des
Descartes hinsichtlich der tierischen Bewegungen als rein physikalischer Er-
scheinungen und sein Hinweis auf die Reflexbewegungen, die sich auch
beim Menschen ohne Zutun psychischer Funktionen vollziehen, wirkten
sicherlich mit. Spinoza verweist gelegentlich auf die mechanischen Hand-
lungen der Schlafwandler als Beispiele rein physisch bedingter und doch
zweckmäßiger Handlungen'. Insoweit kann man auch wohl von einer ähn-
lichen wissenschaftlichen Sachlage wie heute reden. Aber im Zusammen-
hange des zweiten Teils der Ethik spielen diese Dinge keine Rolle. In der
Begründung des Lehrsatzes ist von irgendwelchen empirischen Tatsachen,
die durch diese Anschauung allein oder besser erklärt werden könnten,
überhaujjt nicht die Rede.
Der Lehrsatz »Ordo et connexio idearum idem est, ac ordo et
connexio rerum« wird gemäß der Anlage des ganzen Werkes metaphysisch,
und zwar deduktiv begründet. Der Beweis ist in zwei Zeilen erledigt — unsere
heutigen Parallelisten können's nicht so kurz machen — : »patet ex Ax. 4. p. i .
Nam cujuscunque causati idea a cognitioue causae, cujus est effectus, de-
pendet«. Das beliebte Q. E. D. fehlt, wie in ähnlichen Fällen kürzester,
durch bloße Rückverweisung erledigter Begründungen.
Um zu verstehen, um was es sich hier handelt, ist zunächst daran zu
erinnern, daß die negative Seite des Parallelismus, die Unmöglichkeit gegen-
seitiger Einwirkung zwischen zwei beliebigen Attributen, bereits 1, 3 be-
hauptet und bewiesen wurde. Dieser Satz lautete : » Quae res nihil commune
inter se habent, earum una alterius causa esse non potest. « Der Beweis:
»Si nihil commune cum se invicem habent, ergo (per Axiom. 5) nee per se
invicem possunt intelligi, adeoque (per Axiom. 4) una alterius causa esse non
potest. Q. E. D.« Das 4. Axiom, worauf dieser Beweis ebenso wie der zu
' Kthiea p. TU, prop. 2. schol. Im folgenden werden die Teile und Lehrsätze der Ethik
in der abgekürzten Form III. 2 - III. Teil. 2. Lehrsatz zitiert. Der »Kurze Traktat- ist nach
Sigwarts Übersetzung aus dem Holländischen (1870), die Briefe sind nach der neueren
Numerierung, die übrigen Werke nach der 2. Gesamtausgabe von van Vloten und Land
(1895) zitiert.
Spinozastttdi^n. 5
II, 7 gestützt wird, hat den Wortlaut: »Eflfectus cognitio a cognitione causae
dependet, et eandem involvit. «
Für den Beweis zu I, 3 ist das Entscheidende der Zusatz des Kausal-
axioms: et eandem involvit. Der Begriff der Ursache ist nach Spinozas
rationalistischer Auffassung des Kausalverhältnisses in dem der Wirkung
eingeschlossen. Das Ursachverhältnis fallt ihm zusammen mit dem des lo-
gischen Grundes zu seinen Folgen. Wie der Schlußsatz nicht bloß nach
den Prämissen, sondern aus ihnen erkannt wird, seine Erkenntnis also die
der Prämissen einschließt, so schließt die Erkenntnis der Wirkung die der
Ursache ein. Daher auch der stets wiederkehrende Ausdruck »sequitur«
für »ist verursacht, geht real hervor«. Auch die Leugnung der Realität
der Zeit hängt damit zusammen. Darum vermag Sjnnoza sogar das Ver-
hältnis eines Attributs zu den darunter befaßten einzelnen Modi als Kausal-
verhältnis zu fassen; ist doch der Gattungsbegriff in der Artxmd im einzelnen
Ding enthalten. »Res ideatae ex suis attributis conse(iuuntur et conclu-
duntur (11,6, cor.). Wir sind seit Hume's Kritik an eine andere Auffassung
der Kausalität, zum mindesten im Gebiete des Naturerkennens, gewöhnt.
Aber Spinozas ganzes Sy.stem steht und fällt mit dieser Fassung, und wir
haben sie als eine Voraussetzung seiner Deduktionen zugrunde zu legen.
Von hier aus ist der Beweis zu I, 3 in der Tat einleuclitend. Denn
wenn, nach der Voraussetzung des Lehrsatzes, zwei Dinge unter sich nichts
gemein haben, in dem Sinne, daß der Begriff des einen den des anderen
nicht einschließt, so folgt, daß keines die Ursache des anderen sein kann.
Spinoza spricht allerdings in I, 3 nicht direkt von den Attributen, auch
nicht von Substanzen, sondern von res. Diesen Ausdruck gebraucht er al)er
nicht etwa im Sinne von körperlichen Einzeldingen (wie später in II, 7),
sondern in dem allerallgemeinsten Sinne von »etwas«, wofür auch wirkeine
andere Melirzahlbildung haben als »Dinge«. Er wünscht dem Satz die größt-
mögliche Allgemeinheit zu geben und ihn in dieser Form zu beweisen.
Aber die nächste Anwendung, die er von dem Lehrsätze macht (im Beweise
zu I, 6), ist die auf Substanzen: keine Substanz kann eine andere hervor-
bringen. Und daß dasselbe auch für Attribute gilt, folgt ohne weiteres aus
der Definition des Attributs als dessen, was der Verstand als das Wesen
der Substanz ausmachend erfaßt, sowie aus dem Satze (1, 10). daß jedes
Attribut für sich begriffen werden muß. Daß endlich auch die Modi ver-
schiedener Attribute, d. h. die luiter ver-schiedene Attribute fallenden Einzel-
(i S T ij Ji I' 1' :
dinge oder Einzelvorgänge, nicht aufeinander einwirken können, folgt daraus,
daß jeder modus nur den Begriff des Attributes, dem er zugeliört, einschließt'.
So können z. B. Leib und Seele nicht aufeinander wirken, da die Seele
unter das Attribut des Denkens, der Leib unter das der Ausdehnung fällt.
Dieses Negative also hat man bei dem 7. Lelirsatz des 2. Teiles bereits
als feststehend vorauszusetzen. Er fügt nur das Positive hinzu, daß inner-
halb der Ideen, d. li. der Modi des Attributs Denken, dieselbe (Ordnung und
Verknüpfung stattfindet wie innerhalb der Dinge, d. h. der Modi des Attributs
Ausdehnung. Der Beweis stützt sich auf das bereits herangezogene Kausal-
axiom. Aber Spinoza braucht hier nur den ersten Teil des Axioms, nicht
den Zusatz »et eandem involvit«. Setzt man im ersten Teil des Axioms
für cognitio idea, so ergibt sich, daß die hlee der Wirkung abhängt von
der Idee der Ursache. Faßt man weiter Ursache und Wirkung unter den
allgemeinen Ausdruck res, so folgt, daß die Ideen voneinander nach der-
selben Gesetzlichkeit abhängen wie die Dinge.
Rein formell wäre also alles in Ordnung. Der Sinn des Satzes aber
wäre zunächst nur der, daß unsere p]rkenntnisse auseinander in derselben
Ordnung und Verknüpfung hervorgehen wie die Dinge; uiul zwar könnte
sich der Satz so verstanden nur auf eine ideale Erkenntnis beziehen, die
deduktiv und fehlerfrei von den Ursaclien zu den Wirkungen fortschritte,
nicht auf Schlüsse, die sich empirisch mit Hypothesen und Fehlgriffen
nach und nach an die Ursachen herantasten. In Spinozas Ausdrücken: nur
auf die adäquate, nicht auf die imaginative und konfuse Erkenntnis.
Tatsächlich soll jedoch der Satz nach Spinozas Intention ganz allgemein
Psychisches und Physisches einander zuordnen und wird in solch all-
gemeinem Sinne weiterhin verwendet. Jeder Zustand unseres Körpers ist
nach der Fortsetzung seiner Darstellung von einer inadäquaten, konfusen
Idee dieses Zustandes begleitet, und die inadäquaten Ideen folgen sich mit
derselben Notwendigkeit wie die adäquaten (II, 36).! Aber nicht bloß die Zu-
stände unseres Kör2)ers, sondern auch jeder physische Zustand eines Körpers
der Außenwelt soll eine Idee seiner selbst mit sich führen (II, 13 schol.).
(Gegenüber einer solchen allgemeinen Verknüpfung und Parallelität der Ver-
änderungen bilden die Fälle, wo es sich um wissenschaftliches Denken von
' 11.6 dem.: UTiiiiscn.jus(-|ue jittributi modi coneeptnm sui atti-ibtiti. iion atitem alterins
invohuiit.
Sinnoznstiirlii'n. 7
der idealen deduktiven Form handelt und unsere Gedanken sich dem wirk-
lichen Lauf der Dinge genau anschmiegen, verschwindende Einzelfälle, aus
denen der Satz in seiner Allgemeinheit unmöglich gefolgert werden kann.
Es bliebe, wenn nicht weitere Voraussetzungen dem Beweise zu Hilfe kommen,
sehr wohl denkbar, daß die Parallelität sich auf diese Ausnahmefälle be-
scliränkte, daß hingegen die meisten physischen Verändenmgen überhaupt
ohne psychische Begleiterscheinungen erfolgten und daß die Vorstellungen
im allgemeinen anderen Gesetzen folgten als die Dinge. Das stolze Q. E. D.
würde nicht bloß der Form nach fehlen, sondern wäi'e auch sachlich niclit
am Platze.
Hier greift nun das berühmte und liochbedeutsame Scholion des Lehr-
satzes ein. Spinoza erinnert den Leser,' daß er hier vom göttlichen In-
tellekt rede, und daß alles, was vom unendliclien Intellekt als seine Wesen-
heit ausmachend (d. h. als seine Attribute, 1, def. 4) erfaßt werden kann,
nur zu einer einzigen .'•Substanz gehöre, daß also die denkende und die
ausgedehnte Subst^mz eine und dieselbe sei, die nur bald unter diesem,
bald unter jenem Attribut verstanden werde. Das gleiche gelte von den
Modi der Attribute, also von den einzelnen Seelen und Körpern. Eine und
dieselbe Substanz aber — so muß man den King schließen — kann un-
möglich zweierlei oder gar (in Anbetracht der unendlich vielen Attribute)
unendlich vielen verschiedenen Gesetzlichkeiten der Aufeinanderfolge uifd
Vorknü[)fung ihrer Zustände unterliegen.
Zugleich wird durch dieses Scholion der Parallelitätsgedanke ungeheuer
erweitert. Denn wenn die Berufung auf die Eiidieit der Substanz überhaupt
lieweiskräftig ist, so gilt das Gesetz der Parallelität der Veränderungen
niclit bloß für ideae und res, die Modi des Denkens und der Au.sdehiuing
(und zwar uneingeschränkt, da auf Gott bezogen alle Ideen adäijuat sind,
II, 46), sondern auch für die Modi aller der unendlich vielen .sonstigen
Attribute der göttlichen Substanz. Spinoza versäumt nicht, dies selbst hervor-
zulieben. Der Lelirsatz liätte darum von vornherein in dieser allgemeinsten
Fas.sung au.sgedrückt und im ersten Teil iles Buches, der von Gott und
seinen Attributen im allgemeinen handelt, etwa im Anschluß an den 3. Lehr-
satz, vorgetragen werden müssen. Warum dies nicht geschah, wird aus
unseren weiteren Ausführungen hervorgehen
Zunäclist leidet aber das Gefüge der Beweisführung nun wieder an
einer schweren Lücke. Denn wenn man überlegt, was für Spinoza nacli
8 S T u 31 r 1 ;
seinen bestimmlen Erklärungen der Begriff Substanz bedeutet, so büßt der
Grundgedanke des Scholions seine sclieinbar so zwingende Schlußkraft
wieder völlig ein. Substanz ist ja für ihn nicht, wie für die vorausgehende
Philosophie, etwas die Attribute Durchdringendes, Bedingendes, Beherr-
schendes, das ihre innere Einheit herstellte und sie damit zu einem gleich-
förmigen Verhalten zwänge, sondern nur die Gesamtheit der Attribute selbst.
«Die Substanz besteht aus den Attributen« heißt es immer wieder: »Gott
oder alle Attribute Gottes'« usw. Auch die Lehre, daß jedes Attribut
nur aus sich begriffen wird und nichts mit anderen gemein hat, führt zu
der Folgerung, daß die Attribute den Begriff der Substanz nicht in sich
schließen: denn sonst würden sie eben doch etwas gemeinsam haben.
Gerade in dieser Fassung der Substanz als Gesamtheit der Attribute liegt
eine der merkwürdigsten Unterscheidungslehren Spinozas gegenüber der
gesamten aristotelisch-scholastischen Tradition, auch gegenüber Descartes ; ein
Zug, der ihn als Vorläufer Humes und vieler Modernen erscheinen läßt.
Hieraus geht nun sclieinbar hervor, daß die Attribute bei Spinoza gewisser-
maßen nebeneinander liegen, wie sich auch wirklich Zeller einmal aus-
drückt', jedes gleichgültig gegen die anderen, ohne Wesenszusammenhang
mit ihnen, daß das Wort Substanz nur ein Sammelname sei, der zur Ab-
kürzung an die Stelle der unendlichen Reihe der Attribute gesetzt werde.
Zweifellos wäre dann der Vorwurf berechtigt, daß Spinozas Ansicht über
Leib und Seele doch schließlich auf einen krassen Dualismus hinauslaufe"'
und seine Lehre von den unendlich vielen Attributen die Welt in unendlich
viele unzusammenhängende Welten auflöse.
Wäre dies aber wirklich die richtige Auslegung, so würde nichts im
Wege stehen, daß jedes Attribut auch seine eigene Gesetzlichkeit hätte,
und daß die Ordnung und Verknüpfung der Modi ebenso unendlich mannigfach
wäre wie die Attribute selbst. Statt der zwei miteinander gehenden Uhren
bei Geulincx und Leibniz hätten wir zwei, ja unendlich viele, die recht
' I, def. 6: substantiam constantem infinitis attributis. I, lo schol.; constat infinitis
attributis. Ebenso schon im Kuciien Traktat S. i6 und in den Anmerkungen S. 9 und 47,
die jedenfalls Spinozas Meinung wiedergeben, wenn sie auch vielleicht nicht von ihm selbst
herrühren. Auch im Anhange dieses Traktats S. 151 (Zusatz zum 4. Lehrsatz).
^ Geschichte der deutschen Philosophie, 2. Auflage, S. 638.
' Vgl. u. a. E. Bkciiku, Der Begrifl' des Attributs bei Spinoza (Abhandlungen zur Philo-
sophie und ihrer Geschichte, herausgegeben von Benno Erdmann). 1905. S. 53.
Spinozastudien. 9
wohl im verschiedensten Tempo laufen könnten. Dafür ließe sich auch
noch anführen, daß Spinoza vor der Abfassung der Ethik die Atti-ibute
sogar selbst als Substanzen bezeichnete und daß es in dem Briefe an
Simon de Vries vom Jahre 1663, also mitlen in der Abfassungszeit der
Ethik, nach der Definition der Substanz heißt: »Dasselbe verstehe ich
unter Attribut, nur daß die Bezeichnung Attribut auf den Verstand Bezug
nimmt, welcher der Substanz eine solche bestimmte Natur zuschreibt^«
Nun schürft uns freilich Spinoza immer wieder, so auch gerade im
Scholion des 7. Lehrsatzes, ein, daß jedes Attribut nur eine besondere Aus-
drucksweise der nämlichen Substanz sei: »una eademque substantia per di-
versa attributa explicatur, comprehenditur«. Aber eben der Sinn dieser
Formeln, die man doch unmöglich mit K.Thomas'' als eine unaufrichtige
Akkomodation deuten kann, muß aufgezeigt, und es muß ihre Vereinbar-
keit mit der anderen Formel dargetan werden, wonach jedes Attribut nur
aus sich begriffen werden kann. Dann erst kann man den ganzen Beweis
des Parallelismus als schlüssig anerkennen, als schlüssig natürlich immer
vom Standpunkt und unter den Voraussetzungen Spinozas. Denn nur um
eine immanente Kritik kann es sich hier handeln.
Alles läuft darauf hinaus, daß ein innerer Wesenszusammenhang
zwischen den Attributen bestehen muß, infolgedessen sie nicht unver-
bunden, sondern nur in engster Zusammengehörigkeit innerhalb einer und
derselben Realität existieren können.
2. Akt und Inhalt gemäß aristotelisch-scholastischer Psychologie.
Hier setzt eine neue Quelle der spinozistischen Parallelismuslehre ein,
und zugleich diejenige, die sie von der heutigen durch eine unüberbrück-
bare Kluft scheidet. Es ist die psychologische Bestimmung des Verhält-
nisses zwischen Denken und Ausdehnung, wie sie vom 10. Lehrsatz des
zweiten Teiles an entwickelt wird. Man muß Spinoza gewissermaßen rück-
wärts lesen, d. h. das Frühere nach dem Späteren deuten. Erst die folgen-
den Lehrsätze zeigen, was er mit den vorausgehenden will. Im ganzen
ersten Teil spricht er überhaupt von den Attributen nur prinzipiell
und im allgemeinen. Im Scholion zu I, 10 erwähnt er nebenbei, daß
' Näheres in der sorgfältigen Arbeit Bkchers, besonders S. 338".
' K. Thomas, Spinoza als Metaphysiker, 1840, S. 136 ff.
I'Ml.-ftist. Abh. 1919. Nr. 4.
10 s
T U M I' I'
wir zwei davon kennen, folgert im 2. Korollar des 14. Lehrsatzes, daß aus-
gedehntes und denkenden Ding entweder Attribute oder Modi Gottes seien,
behauptet im Scholion des 15., im 14. bewiesen zu liaben, daß die Aus-
dehnung eines der Attribute sei, führt im Beweise des 21. Lehrsatzes Den-
ken als Beispiel eines Attributs an und setzt dies auch im Beweis des
31. und 32. Lelirsatzes voraus. Aber erst im IL Teil Lehrsatz i uild 2
werden die beiden Attribute als solche dargetan und gewissermaßen offi-
ziell vorgestellt. In der Erläuterung des 7. Lehrsatzes selbst sind sie gleich-
wohl immer noch bloß als Beispiele benutzt. Erst vom 10. Lehrsatz an
werden sie der eigentliche Gegenstand der Darstelhmg. Der Weg vom All-
gemeinen zum Besonderen, die synthetische Methode, wird konsequent fest-
gehalten.
Wir erfahren jetzt, der menschliche Geist sei nidits anderes als die
Idee des menschlichen Körpers, der menschliche Köri>er nichts anderes
als das Objekt dieser Idee. Damit ist gesagt, daß die beiden Attribute und
ihre Modi nicht nebeneinander liegen, sondern in innigster Wechselbe-
ziehung zueinander stehen und daß diese Beziehung uns gegeben ist.
Es bleibt zwar dabei, daß jedes der l)eiden ohne das andere gedacht werden
kann und muß; der Begritf des einen schließt den des anderen nicht als
Teil in sicli ein. Aber sie bilden gemeinschaftliche Glieder eines Ganzen
und weisen ihrer Natur nach gegenseitig aufeinander hin.
Es handelt sicli für Spinoza um ein der damaligen Philosophie allge-
mein bekanntes und geläufiges Verhältnis: das des Bewußtseinsaktes
zu seinem Inhalt. In jedem Bewußtseinszustand, wie er der Selb.stwahr-
nehmung gegeben ist, sind nach dieser alten Lehre beide Elemente zu un-
terscheiden, und zwar laufen die wesentlichen Unterschiede und Einteilungen
der Akte parallel denen der Inhalte, da sie durch diese in ihrer Eigenart
bestimmt werden, um die Lehre und ihren ICinlluß zu verstehen, muß
man auf die aristotelisch-scholastische Philosophie .zurückgreifen, die zu
Spinozas Zeiten noch in weitesten Kreisen volle Autorität genoß.
Schon Plato, für den allenthalben die Stufenfolge in der \'ollkonimen-
lieit des Seins sich mit der der wahrhaften Erkenntnis deckt (die fast
nichtseiende Materie ist auch fast unerkennbar, Gott das fiejicnov /uäOtjfia),
läßt auch die Unterschiede der immanenten Objekte genau parallel gehen
mit denen der Erkenntnistätigkeiten. Vgl. besonders Kep. sogdff., wo der
Untei'schied der eTrio-n'-i/ui] von der So^a durch den des wahrhaft Seienden
Splnocasfiiillfii. 1 1
vom sinnlich Einzelnen und die Untereinteilungen vörjais — Siävoiaund iriaTis
— eiKaata wieder durch den Unterschied der direkt erscliauten von den
l)loß in Bildern gescliauten (regenständen begründet werden. Ebenso wird
im Theaetet die liöhere von der niederen Erkenntnis (Walirnehmung) da-
durch unterschieden, daß diese auf das sinnlich Einzelne, jene auf die
Koivd gerichtet ist.
Wie in dem Prinzip der Parallelität von Sein und Erkennbarkeit (der
Natur nach), so folgt Aristoteles seinem Lehrer auch in dem der Parallelität
zwischen Akt und immanentem Gegenstand'. voeTv und ai&ddvearßai sind llim
verschieden, weil die votrrd (rä Ka66\ov) von den aloßiiTa (to. KciB'eKaaTov)
verschieden sind, obsclion die votjTci für ihp nicht mehr gesonderten realen
(iegcnständen entsprechen, sondern nur als Gedankendinge existieren. Der
Unterschied der immanenten Gegenstände also bestimmt den der darauf
gerichteten Akte.
Das Denken ist für Aristoteles ein Leiden durch das Intelligible,
wie das Emj)finden ein Leiden durcli das Sen.sible. Der Verstand nimmt
die intelligiblen Formen in sich auf, wie der Sinn die sensiblen, wenn
auch die wirkenden vofjrä niclit draußen existieren, sondern in den sinn-
lichen F^inzelvorstelluhgen der Möglichkeit nach enthalten sind und aus
ihnen durch das ttoiijtikov erzeugt werden.
Im (Jebiete des Denkens selbst ist jeder Unterschied des (iedachten
zugleich einer des Denkaktes, im Gebiete des Empfindens jeder Unterschied
des Empfundenen einer des Empfindens. Hören und Selien sind verschie-
tlene Tätigkeiten, weil Farben und Töne verschiedene Iidialtsklassen sind.
Aristoteles schließt sogar einmal (De anima 426, a, ^7), das Hören müsse
eine Art Verhältnis, etwas Relatives, sein, weil das Gehörte, nämlich der
Zusammenklang {crv/jKfxovia), ein Verhältnis sei, Klang und Hören aber so-
zusagen eins seien.
Selbst die emotionellen Akte unterliegen diesem (besetze: das sinnliche
Begeljren ist seinem Wesen nach bestimmt durch das r]§v kcu Ävirtipov,
das höhere Begehren durch da.s äyaO'ov Kai kukov.
Überall werden die Akte spezifiziert durch die immanenten
Objekte.
' Am schärfsten ha.i Fr. Breniano (Psychologie des Aristoteles, bes. S. Soll"., .S. iijfl.)
(h'e Durchfuhrung dieses Prinzips bei Aristoteles aufgezeigt.
2*
12 Stumpf:
Für Aristoteles ist durch die Verschiedenheit der Akte weiter auch
die der Vermögen gegeben. Die Denkfähigkeit (vovs Svvdfjiei) ist von der
Wahrnehmungsfähigkeit (aloOrjcris Bwäfiei) ebenso verschieden wie das wirk-
liche Denken vom wirklichen Empfinden. Doch reduzieren sich hier die
Unterschiede: nicht jeder Akt verlangt einen Unterschied des Vermögens.
Das Vermögen zu Entgegengesetztem, z. B. zum Lieben und Hassen, ist
das nämliche. Ja, sämtliche Denkakte entspringen nur dem einen Denk-
vermögen.
Noch weiter erschließt Aristoteles aus den Hauptunterschieden der
Akte auch die der Subjekte, den des körperlichen und geistigen Teiles
der menschlichen Seele und den der vegetativen, sensitiven und intellek-
tiven Seele. Hier geht also die Reduktion der Einteilungsglieder noch
weiter.
Auch nach der Seite des Objektes liegt eine weitere Parallelreihe:
den Sinnesinhalten entsprechen die Unterschiede der wirklichen Eigen-
schaften der Außendinge. Der Sinn erfaßt die Formen der Dinge ohne
den Stoff (424, a, 17 ff. ; 425, b, 23). Warm und Kalt, Trocken und Feucht,
die 'i8ia aio-drjTO. des Tastsinnes sind zugleich die Haupteigenschaften der
Körper (422, b, 25 ; 423, b, 26). Wegen dieser Parallelität meint Aristoteles
sogar unsere Sinnesqualitäten als die einzig möglichen erschließen zu können
(424, b, 2 2 ff.). Innerhalb eines Sinnes sind wieder die Empfindungsunter-
schiede parallel denen der wirklichen physikalischen Vorgänge : ai Se 8ia(f>opa.i
Twv \j/o(f)ovvTWU ev TW KUT evepyeiav \l/6(f)U) SrjXovvrai (420,3, 26 ff.). Das
ö^v der Töne entspricht den kleinen, kurzdauernden, das ßapv den großen,
langdauernden Bewegungen. Allgemein ist die Energie der Wahrnehmung
und die des Wahrgenommenen dieselbe, und das Wissen ist eins mit seinem
Gegenstande; darum entsprechen die Einteilungen des Wissens und der
Wahrnehmung denen ihrer Gegenstände, der möglichen und der wirklichen'.
Diese Lehren sind mit der aristotelischen Philosophie überhaupt auf
die Hochscholastik übergegangen. So lehrt Thomas von Aquino Summa theol.
p. 1 qu. 14, art. 2 : Intellectus noster vel sensus informatur in actu per speciem
sensibilis vel intelligibilis. Qu. 77 a. 3 : Oportet quod ratio potentiae di-
' 425,b,26; 426,3,15; 431, a,l; 43I,b,2lfF.: i) "^v^fi ra ovra irüs ea-n irävTa. ij yäp
alcr6t]Ta ra ovra !] voijTii, ecm S' i) i'iTTKrTij /jt) ^ev rä eirio-Ti]Tä ttms, i; o' atirOiims ra altrOtiTÖ . . . TeuveTai
ovv 1) im<TTi]iiij Ken i] uiaOtjcris tis to TrpäyfxaTa, t) fiiv Swä/jei eis Bvvafieis, i] c'evreXeyela eis ivre-
\e^e/as k. t. \.
Spinozastiidicn. ' 1 3
versificatur, ut diversificatur ratio actus. Ratio autein actus diversificatur
secundum diversam rationem objecti'. Die Einteilung der fünf Sinne, die
Besonderheiten des menschlichen Erkennens gegenüber dem höherer Geister
u. s. f. werden aus diesem Prinzip hergeleitet (qu. 79, a. 3, qu. 84, a. i, a. 7).
Wie bei Aristoteles werden auch die emotionalen Akte demselben Gesetz
unterstellt, wobei als Objekte die erstrebten Ziele gelten: Actus voluntarii
speciem recipiunt a fine, qui est voluntatis objectum (S. theol. II, qu. 4, a. 3).
An die Reihe der realen Objekte schließt sich aber hier noch eine
weitere an: die der Ideen im Geiste Gottes. An der scholastischen Ideen-
lehre ist Aristoteles nur durch den allgemeinen Gedanken beteiligt, daß
die Ordnung der Welt im göttlichen vovs liege, wie die Ordnung des Heeres
im Feldherrn (Met. XII, c. 10). Dagegen wurde Piatons Ideenlehre von der
Scholastik in der neuplatonisch-augustinischen Umdeutung: Ideen = Ge-
danken Gottes übernommen und weitergebildet. Jedes Einzelding ist durch
eine Idee in (iott vertreten'. Aber nicht bloß die wirklichen, sondern auch alle
bloß möglichen Dinge haben ihre Ideen ; jene erkennt Gott durch die scientia
visionis (practica), diese durch die scientia simplicis intelligentiae (speculativa)^.
Es ergibt sich so für die Scholastik folgendes Schema paralleler Reihen^:
1. Subjekte. 2. Vermögen. 3. Akte. 4. Inhalte = mentale Ob-
jekte. 5. Reale Objekte. 6. Ideen Gottes.
' FIbenso Summa c. gentiles I, c. 47: Actus intellectus, siciit et aliartiin nniniae po-
teatiarum, secnndum objecta distingniintiir. III, c. 139/140: Actu.s speciem i'eeij)iuiit ex ob-
jectis (hier mit Beziehung auf die VV'illoii.sakte, die durch die vorgestellten Ziele spezifiziert
werden). Und wieder ebenso Quaestioiies disputatae, IV. De anima, art. 13: Potentiae distin-
guuntur per actus, et actus per objecta . . . Actus ex objectis speciem liahent (mit Rück-
weisung auf Aristoteles und weitläufiger Hegründung). (Joudin, I'liilosi)|)hia Divi Thomae
III. p. 30 formulieit das Gesetz .so: Potentiae animae speoificantur ab aetibus et objectis, ad
quae de-stinanlur a natura: ab actibus quidem imniediate, ab objectis vero niediantibus actihus.
- Summa theol. I, qu. 15, u. 2: Unaquaequc autem creatura hab<'t piopriam speciem.
secundum quod aliquo modo participat divinae essentiae similitudinem. Sir igitur inquantuiii
Deus cognoscit suam es.sentiam .... cogiioscit eam ut propriaui rationem et id(^am liujus
creaturae. Vgl. qu. 4, a. 2: Opoi'tet omnium rerum perfectiones praeexistere in Deo secundum
emincntiorem modimi. (^u. 14, a. 6: <,)Mii!i|uid ])erfectionis est in (|uafuiii(|ue creatura, totuui
praeexistit et continetur in Deo secundum modum excellentem. <^)n. 14, a. 11: Dens cognoscii
singularia.
' Ib. qu. 14, a. 9: qu. 15, a. 3.
* Nocli eine weitere Parallelreihe bilden die lialiitus (dl«- aristotelischen tfeis), d. h.
die von den Akten zurückbleibenden Dispositionen, Neigimgen, Fertigkeiten ia der Ausübuiin
bestimmter Tätigkeiten. Doch könmien diese hier nicht in Botiacht.
14 ' S T i: !M I' l' :
Die am stärksten difFei-enzierte Reilio ist die letzte (der Natur nach
erste); nacli i hin nimmt die Giiederzahl innerhalb der Reihen immer melir
ab, wenn" auch i selbst bei den Scholastikern außer den aristotelischen
Klassen noch die mehreren wesens\ erschiedenen Klassen der reinen Geister
umfaßt. Überall aber laufen der einen Reihe bestimmte Gruppen der anderen
parallel und sind durch sie determiniert.
xVuf die Parallelität von i und 3 bezieht sich die häufig angewandte
Regel: »operatio sequitur esse« (die auch für nicht-psycliische Tätigkeiten
gilt). Auf die von 4 und 5, indirekt auch \on 3 und 5, die Definition der
Wahrheit als »adaequatio (conformitas) rei et intellectus'«.
Von den drei letzten Reilien sagte man auch, das nämliche Objekt
sei im Geiste intentionaliter oder objectiv, in der Wirklichkeit formaliter,
in Gott eminenter - — Ausdrücke, die in gleichem Siim auch noch von
Descartes' und dem jungen Spinoza ' gebraucht werden. Das mentale Objekt
hieß auch si)ecies sensibilis und species intelligibilis (das durch den Sinn
und den Verstand aufgenommene elSos des Aristoteles). Zwisclien ihm und
dem realen Objekt besteht nach hochscholastischer, gleichfalls auf Aristoteles
zurückgehender Lehre das Doppelverliältnis der Kausalität und der Ähn-
lichkeit. Infolgedessen wird durch das mentale das reale Objekt wahr-
genommen und erkannt. Das, worauf sich Wahrnehmen und Denken be-
ziehen, ist nicht das mentale, sondern das reale Objekt; die species sind
nur das, wodurch, aber nicht das, was wir erkennen. Erst wenn der
Geist auf sich selbst reflektiert, wird er diese sjjccies gewahr. So lehrte
wenigstens Thomas*; aber der Punkt gehörte zu den umstrittenen der Schule.
Es regen sich hier die Keime der späteren Untersuchungen über die Erkenntnis
der Außenwelt.
Unter den obigen Parallelismen ist der grundlegende, für die Erkenntnis
erste und zentrale, der von 3 und 4 (bzw. nach dem eben (besagten 3 und 5).
Dieser wird als direkt gegeben betrachtet. Von da werden nach beiden
Seiten weitere erscldossen.
' Summa theol. I, i]u. 16, a. i und 2.
'^ Anhang zu den Objectiones sccundac (Definition 3 und 4).
' Principia pliiiosophiae Carte.sianae. 8. und 9. Axiom.
* S. besondere die wiclitige Ausführung Summa tii. 1. (|u. 85, :i. 2. .\uch in der Gottes-
nnd Engellehve spielen <lie species intelligiliih's eine ivolie. \nl. i|u. 14. a. 2 nnd 12: (in. s^.
a. I und 2.
Siiinozdstudlrii. 1 5
Diesen Komplex von Lelirsätzen üherliefcrt die Spätscliolastik, abge-
sehen von der kritiscli-nominalistisclien Schule, in der Hauptsadie unver-
ändert weiter. Auch Duns Scotus, sonst vielfach Thomas' Gegner, hält au
den Paralielreihen prinzipiell fest'. Sie bilden einen eisernen Bestand der
Lehrbüclier, ähnlich wie die metaphysischen Lehren von Materie und Form,
von den lo Kategorien, den 5 Prädikamenten, den 3 Passiones entis. Über
Kinzellieiten wird gestritten: ob die Seelenvermögen von der Substanz der
Seele verschieden seien, ob ein intellectus agens anzunelimen, ol> die Seele
beim Wahrnehmen und Denken rein passiv sei, und so fort. Aber das (u'uud-
scheina bleibt.
Es ist auch noch das nämliche bei den Scholastikern der zweiten
Hälfte des 16. und der ersten des 17. Jahrhunderts, die auf Spinozas Zeit
und wissenschaftliclie Atmosphäre von allergrößtem Eintluß waren, wie den
jesuitischen Kommentatoren des Aristoteles in (oimbra oder Fr. Toletus und
Fr. Suarez". Nicht minder bei den Vertretern der Scliolastik auf deutschen
' Allerdings mit einer Kinscliränkuiig. wie sie seinci' distitigiiierenden Alt entspricht:
di«,' Vermögen seien nnr exirinsece. nicht intrinsecc dnrch die Akte und Objekte unterschie-
den. Aristoteles spreche nur von der Unterscheidung a posteriori seu per nianifestationem.
In sich selbst .seien die Vermögen überhaupt nicht unterschieden, sondern identiscii mit der
einheitlichen Natur der Seele, ((^uaest. (|nodlil>. 13 art. 3 fin. Opp. 1891 tl'. XX\' p. 507 11'.
Dazu die Ausführungen des Kommentators III p. 687 IV. Auch Stöckl. Gesell, d. Pliilos. des
>litU^laltei-s II. 845 11".)
'' P. F'onseca (einer derConinibricenses) ('omni, in libros metaphysicos Aristoteiis, 1599,
T. I. p. 103: Kjns est actus, cujus est poteutia. p. 692: cum potentia, quemadmodum sumit
speciem ab objecto, sie et nnitatem suniat. T. II. p. 841: I)i<endiuii, objecta esse mensuras,
habitus aiitem et poteutia.s mensurata, ipiatenus objecta suapt" natura sunt normae ae regulae
cogiiltionis veritatisque. habitus autem et potentiae i-egniala.
Fr. Toletus. Conun. in tii-s libms .\ristotelis de aniina. 1600. I". 68 (|u. 8: An potentiae
et actus per objecta distingnanlur et deliniantui'. .Aul' diese Fi-age antwortet Toletus nach
.Anfühning gegnerischer Einwürfe: In hac re philosophdrnni cnnsensns cii-ca dno. in nno
autem discoiflia est. ("onveniunt pi-imo omnes. qnod del'i r)in n I u !• potentiiie per
actus et objecta tanquani pi-r notiora nobis et ista sunt (listin<-tins potentiarnm secnnduni
nos. Die schwierige Frage sei nur. ob die <>bjekti> und Akte irgendwie /iii- Form und
iimeren Ui-saclie der Potenzen gehörieti. worin /. B. .Scotus und Thomas anseinaiidergingeM.
Wie man den allgemein /.ugesiandenen (inmdsatz im ein/einen anwandte, möge eine
aufs (leratewohl herausgegrifl"ene Stelle des dicken Bandes zeigen, f. 128 wii'd die These
disknticit: Phantasie und sensns communis seien dasselbe, weil sie das nämliihe Objekt
hätten: diese Behauptung wird dahin richtiggestellt, daß die Pluintasie doch etwas hinzulüge.
indem sie «la.s Objekt auch in seiner .\bwesenlieit erfas.se. .Also sei das Objekt doch nicht
ganz das nnudiclii-: das höln-ri' X'iMinögcn erfasse dns()bjekl des niederen, abei' noch etwas
16 S T U M !• I- :
Universitäten, wie Scheibler (Gießen) und Martini (Wittenberg)'. Alle diese
Autoren werden von holländischen Gelehrten, von Fr. Burgersdijck und
dessen Schüler Heereboord. den Spinoza einmal erwähnt, als allgemein
benutzte und maßgebende Quellen des philosophischen Studiums zitiert*.
So fehlt es nicht an Quellen, aus denen Spinoza die Kenntnis der ununter-
brochenen aristotelisch-scholastischen Tradition in Hinsicht des Parallelitäts-
prinzips schöpfen konnte. Wenn sich auch in den mir zugänglichen Schriften
der beiden soeben genannten holländischen Gelehrten keine ausdrückliche
Erwähnung des Prinzips findet, so legt es doch Burgersdijck in seiner
Darstellung der Psychologie, die die aristotelische Lehre mit nur wenigen
darüber hinaus. Toletus will also die Verschiedenheit der Phantasievorstellung von der Wahr-
nehmung verteidigen, wagt aber nicht das oberste Prinzip für die Unterscheidung der Fähig-
keiten zu bestreiten, sondern gibt ihm lieber eine ziemlich sophistische Auslegung.
Fr. Suarez Tract. de anima, Opp. 1856 ft'. III, p. 574 f. (die Vermögen spezifiziert
durch die Akte), p. 578 no. 15: Actuum nomine hie intelligimus qualitates illas, quibus
animae potentiae attingunt extrinsece sua objecta, quales sunt cognitiones et appetitiones in
facto esse.... Actus immanens, ut est qualitas, sortitur speciem ab objecto,
ad quod terminatur. *
' Chr. Scheibler, Liber de anima, 1614, p. 39 : Unde facultates illae differant. Kespon-
detur breviter, quod inter se distinguantur per actus et objecta. Actus vero sumendi sunt
ita ut teudunt ad objectum tale . . . Visiva ergo facultas e . g. differt ab auditiva, quia illa
provenit ab actu respiciente objectum visibile, haec etc. Atque hoc est, quod dicitur: poten-
tiae per actus et objecta definiri. Vgl. auch die Definition des Intellekts p. 399: quo res
intelligibilis cognoscitur, sive apprehenditur et judicatur. An dieser Definition sei zweierlei
zu unterscheiden: objectum und actio.
Jac. Martini, Partitiones et quaestiones metajjhvsicae, 1615, p, 82 f. unterscheidet
Akt und Inhalt als conceptus formalis und conceptus objectivus (wie wir »Vorstellung- im
Sinne des Vorstellens und des Vorgestellten gebrauchen). Beide gehen abei- jjarallel. For-
fiialis enlm conceptus totam suam unitatem et rationem habet ab objecto . . . Objecta enim
externa sunt mensura nostrao cognitionis et C(jnceptuum in anima. Cum igitur conceptus
objectivus nihil alind sit quam objectum per (-(joceptum formalem apprehensum et cogaitum,
si formalis conceptus est unus, quod etiam objectivus sit unus.
Aus desselben Verfassers Exercitationes ntAiles de anima, 1606. sei nur die Unterschei-
dung des Velle uud Nolle als zweierlei Aktqualitäten aus diesem Gesichtspunkt hervorge-
hoben (wie auch Chr. Wolff Voluntas und Noluntas scheidet) : Ut enim duplex est volun-
tatis objectum, ita et duplex datur actio. Bonum igitur intellectum est objectum quod vult,
malum intellectum est objectum quod non vult. (Exerc. XVI).
- Den Suarez nennt Heereboord »omnium metaphysicorum papa atque princeps«.
Von dem Fürsten Aristoteles aber sagt er: »Solus Aristoteles regnum hodie tenet atque
obtinet in scholis atque academiis, et ex eo ac connuentationibus in eum hodie philosophari
consuevit Juventus.«
Spino^astudlfv . 17
Abweichungen bis in kleine Einzelheiten getreu wiedergibt', überall zu-
grunde. So z. B., wenn er bezäglich der dem sensus communis zugeschrie-
benen Fähigkeiten (Phantasie, Gedächtnis, Urteilskraft) die Verschieden-
heiten der Objekte und Tätigkeiten nicht so groß findet, daß man darum
mehrere verschiedene (irund vermögen annehmen dürfte". E!r glaubt das
Unterscheiduiigsprinzip selbst eben gerade wegen seiner unbestrittenen Grel-
tung stillschweigend voraussetzen zu dürfen.
I)aU das Friiizij) auch heute^ioch im alten Sinne V'ertii'tung findet, möge ncljcnbei er-
wähnt wei-den. So hat Kranz Brentano, der von Aristoteles ansging. die Uriti'i-scheidung
der psychischen Tätigkeit (des Aktes) von ihren immanenten Objekten mit Naclidruck wieder
aufgenommen, sie als Hauptunterscheidungsnierkmal der psyehischen gegein'iber den physischen
Phänomenen tjenutzt und die Verschiedenheiten dieser -Beziehung auf ein Objekt« seiner
Ginteilung der Seelentätigkeiten zugrunde gelegt (Psychologie vom fnipirisclien Standj)unkte
1874, .S. 115. zöoff.l. Zwischen dem immanenten Gegenstan<l nnd dem daitinC gerichteten
Akt besteht atich nach Bi-entano eine durchgängige Farallelität voi' allem in Hinsicht iliivi-
.Stärke. In seiner Polemikjgegenjdie Annahme unltewußter psychischer Zustände heißt es
.S. 157: -Die Intensität des Vorstellens ist immer gleich der Intensität, mit wi'lclu'r das \'or-
gestellte erscheint, d. h. sie ist gleich der Intensität der Ki-scheinungen. welche den liilialt
des Vorstellens bilden. Dies darf als selbstverständlich gelten und wird danmi f;ist ansnaliins-
los von den P.sychologen und Physiologen entweder au.sdriicklich beliau])tet oder stillschweigend
vorausgesetzt." Ks verhält sich nach Brentano ehen.so mit d('ni inneren Bewußtsein, d. li.
der Vorsti'lluug. deren Gegen.stand eine psychische Tätigkeit selbst ist (der idea nientis des
.•^pinoza). Das Si-ln-n imd die Voi-stelhing vom Sehen sind i-inaiuler der Intensitiit naeii
V'leich (.S. 175 ff.).
Diese Lehi-e hält Brentano trotz mancher sonstiger Wandlungen in spätei-en Schril'icMi
fest. Untei-s. z. Sinnespsychologie 1907. S. 65: ..So gewiß wir zwischen der eniptindenden
Tätigkeit und dem. woiauf sie gerichtet ist, also zwischen Kmplinden und Hnipfinulenein
zu unlei-scheiden haben .... so unzweifelhaft ist es doch, daß die Intensität des Empfindens
und des Kmpfundenen. die Intensität des sinidichen Vorstellens nnd des sinnlich Vorgestellten
imniei- und aufs genaueste einander gleich sein müssen. I.otze bat dies, nachdem es von
gewisser .^eite verkannt worden war. neu und mit Nachdruck hervorgehoben.- S. 73:
■ Die notwendige tileichheit der Intensität fiir Km]>tindeti und I^nipfundenes und iiberbaupt
' Collegiom physicum, 2. Aufl. 1637: Disj). 25 — 32. Im alphabetischen Katalog der
Berliner .Staatsbibliothek i.st auch eine besondere .Schrift Burgersdijcks -De aninia huniana
Lngd. 1628- angeführt, die hier von Bedeutung wäre. Sie ist aber unter den Bestünden
nicht aufzufinden und hat sich auch in Holland nach Prof. Ueymans' Nachforsehungen nicht
aiifu-eibcn lassen. Hr. Bibliotheksdirektoi- .Schwenke teilt mii- mit, daß der 'Titel aus dem
alten Katalog des 18. .lahrhunderts in den gegenwärtigen herübergenonimen ist nnd die
Schrift dort als Bestandteil eines Sammelbandes juristischer Disputationen aufgeführt war.
Dieser .Sammelband wurde später aufgelöst; weiter läßt sich aber das Schicksal des Buches
vorläufig nicht verfolgen.
* Vgl. o. Toletus über dieselbe Fi-age.
Phil.-hüt. Abh: 1919. Nr. 4.
18 SruMi'f:
fiir jede psychische Tätigkeit und ihr inneres Olyekt. wo immer dasselbe selbst einer In-
tensität teilhaft ist . . .«
Aber nicht bloß bezüglich der Stärke, auch in anderen Hinsichten betont hier Brentano
die Parallelität. Ist das Empfundene ausgedehnt, so ist ihm auch der Empfindungsakt aus-
gedehnt und hat dieselben Teile wie jener. "Jedem Teil des erfüllten .Sinnenraumes ent-
sjjricht ein darauf bezügUcher Teil unseres Empfindens.« S. 66.
Lotze, auf den wir Brentano hinweisen hörten, hat (abweichend von seiner eigenen
früheren Anschauung) im Mikrokosmus, in der Metaphysik und den verötfentlichten Vor-
lesungen in der Tat gelehrt, daß bei den Sinnesempfindungen sowohl dem Inhalt wie der
Tätigkeit Intensität zukomme und daß die Intensitäten des Aktes denen des Inhalts parallel
gehen. Bei den Vorstellungen hingegen hat er Stärkeunterschiede überhaupt geleugnet.
Mikrokosmus I S. 228 ff. Metaphysik S. 519 ff. Grundzüge der Psychologie S. 16.
Man sieht, wie bei diesen iieivorragenden neueren Psychologen das alte Parallelismus-
prinzip und die Sj)ezifikation der Akte durch die immanenten Objekte sogar in einigen
Beziehungen noch spezieller dui'chgeführt ist als früher. Seine Richtigkeit ist damit gewiß
nicht erwiesen. Aber man begreift besser, daß es auch Spinoza in diesem Lichte erschien.
Sogar bei einem Forscher, der' die Trennung der Akte von den Inhalten scharf be-
kämpft, Natorp, findet sich dasselbe Prinzip ausgesprochen in Hinsicht des Verhältnisses
der Inhalte zum Bewußtsein überhaupt. Einleitung in die Psychologie nach kritischer Methode.
1888, S. 12: »Die Bewußtheit wird gewissermaßen bestimmt durch die Bestimmtheit des
Inhaltes . . . Daher sind das fundamental Bestimmende eben die objektiven (inhaltlichen)
P^inheiten.«
3. Denkeji und Ausdehnung = Akt und Inhalt.
Kehren wir nun zu Spinoza zurück. Daß man ihn so wenig ohne
die Scholastiker, wie diese wieder ohne Aristoteles verstehen kann, ist
heute anerkannt. Wenn noch Sigwart meinte, in Spinoza sei »keine Spur
von Scholastik« zu finden, wenn Trendelenburg und Kuno Fischer gleich-
lautend behaupteten, er habe zwar viel gedacht, aber wenig gelesen, wenn
Kusse noch 1886 eine lange Abhandlung über die Unterscheidung von
esse und essentia bei Spinoza schreiben konnte, ohne mit einem Worte
die das ganze Mittelalter seit Avicenna durchziehenden Verhandlungen über
diese Unterscheidung zu erwähnen, so hat Freudenthal im Gegenteil nach-
gewiesen', daß Spinoza, der zehn Sprachen beherrschte, sogar ungewöhn-
lich viel gelesen hat und von den Scholastikern jedenfalls Thomas von
Aquino und eine Anzahl Spätscholastiker aus dem Kreise der von Heereboord
angeführten — er selbst nennt sie in der Regel nur kollektiv scholastici,
metaphysici, theologi — kannte. Für jeden, der auch nur ein einziges
' Spinoza und die Scholastik. In der Festschrift: Philosophische Aufsätze, E. Zeller
"Widmet. 1887. S. 83 ff.
Spinozastiidien. 1 9
der größereu scholastischen Systeme wirklich kennengelernt hat, lag es
von vornherein zutage, daß Spinoza mit den Ausdrücken, Begriffen und
Lehrsätzen dieser Epoche ganz gesättigt war und nur in ihren Formen
überhaupt philosophisch denken konnte.
Aber das obige Schema erfährt bei ihm eine gewaltige Vereinfachung.
Infolge seines pantheistischen Standpunktes gibt es nur ein Subjekt aller
Zustände, Gott. Die Seelenvermögen streiclit er, da das einzige, was wir
kennen, doch nur die wirklichen Akte seien: ein nominalistischer Zug innerhalb
seines sonst extremen Begriffsrealismus'. Am anderen Ende der Reihe fallen
die realen Dinge und die göttlichen Ideen in eins, da die Dinge nur als
Inhalte des göttlichen Denkens existieren, ebenso wie die Denkakte nur als
Akte dieses Denkens. Und so bleibt nur das zentrale Mittelstück des ganzen
Schemas: die Unterscheidung der Akte von ihren immanenten Objekten,
aber auf Gott übertragen, dessen Modi sie sind. Die Parallelität zwischen
den Modi der Ausdehnung und des Denkens ist daher nichts anderes als
die der immanenten Objekte und der darauf gerichteten Akte, wie sie seit
Aristoteles gelehrt wurde.
Schon aus dem Scholion des 7. Lehrsatzes ergibt sich diese Deutung,
obgleich hier die beiden Attribute nur als Beispiele benutzt werden. Einige
Hebräer, sagt Spinoza, hätten das Zusammenfallen der Modi der Ausdelinung
und des Denkens in Gott bereits wie durch einen Nebel gesehen, wenn
sie behaupteten, Gottes Intellekt und die von ihm gedachten Dinge seien
ein und dasselbe. »Beispielsweise ist der in der Natur existierende Kreis
und die Vorstellung des exi.stierenden Kreises, die gleichfalls in Gott
ist (quae etiam in Deo est), einunddieselbe Sache, nur durch verschiedene
Attribute ausgedrückt. Deshalb werden wir, mögen wir die Natur unter
dem Attribut der Ausdehnung oder dem des Denkens oder sonst einem
betrachten, die nämliche Ordnung und Verknüpfung der Ursachen und der
aufeinanderfolgenden Dinge finden.«
Hieraus geht klar hervor, daß die res, von denen Spinoza in seinem
Lehrsätze spncht, die immanenten Gegenstände des göttlichen Denkens
sind. Ihre Wirklichkeit ist nichts anderes als ihr Gedachtwerden durch Gott.
' I, 31 schol. II, 48 schol.: demonstratur, in Mente nullam dari facultatem absolutam
intelligendi, cupiendi, amandi etc. Unde sequitur, ha.s et siniile.s facultates vcl prorsus fictitias,
vel nihil esse praeter entia metaphysica, sive universalia, quae ex particularibus l'ürniare
solemus.
3*
20 Stum.-i-:
Was iliin anderseits der Ausdruck idea bedeutet, sagt die dritte
Deiiuition dieses Teiles und die ihr beigefügte Erläuterung: »Per ideam
intelligo Mentis conceptum, (juem Mens format propterea quod res est
cogitans.« Spinoza fügt erläuternd bei: »Dico potius conceptum (juam
pcrceptionem', quia perceptionis nomen indicare videtur, Mentem ab ob-
jecto pati: at conceptus actionem Mentis exprimere videtur.« Er legt also
Gewicht darauf, daß unter dem Ausdruck Idee eine Tätigkeit des Geistes
verstanden werde.
Zu dem Ausdruck conceptus selbst, den Spinoza liier fiir seine Meinung
prägnanter als perceptio findet, kann man vergleichen die Definition des
.1. Martini, Partitiones, 1615, S. 82: per conceptum form,alem intelli-
gimus ipsum actum, quo intellectus rem alicpiam scni communem rationem
concipit'.
Daß also Spinoza unter idea in dieser Definition und darum sich<'r
auch in den auf die Ideen bezüglichen Lehrsätzen ^iY. dieses Teiles nicht den
Denkinhalt, sondern den Denkakt versteht, scheint mir unleugbar. Er
nimmt dabei sogar den Aktbegriff in einem engeren Sinne als die Aristo-
teüker. Für diese bedeutete Akt nichts weiter als einen wirklichen Zustand
im Gegensatz zu dem bloß möglichen, ganz im Siime der aristotelischen
(ersten) Energie. Aber das Denken ist dem Aristoteles, wie das Empfinden,
ein wirklicher Zustand des Leidens durch das Objekt. Dieses wirkt auf
(las denkfähige Subjekt und verwandelt das bloß mögliche in ein wirk-
liches Denken. Spinoza hingegen schließt sich mit anderen Schriftstellern
' Hiermit spielt er offenbar auf die Definition von idea bei Descartes im .\rihaiig(>
zu den Objectiones seeiindae an. wo der Ausdruck perceptio gebi-aucht wii'd: eine Definition,
die Spinoza selbst früher in seinen Principia philosophiae Cartesianae. Def. II. wörtlich wieder-
holt hatte. Aber auch Descartes selbst saj^t anderwärts conceptus, Axioma X (bei Spinoza
.AxiomaVI):in onuiis rei idea si ve concej)tu continetur existentia etc. Ebenso ResponsionesI":
in eonmi oniniuiii. (|uae (-larc et distinctc inlelliguntnr, (^oneeptn sive idea existentiain pcssi-
bileni contineri.
- Audi sonst u ird in den Lehrbüchern dieser Zeit viel von den conceptus gehandelt.
Der Ausdruck gehört seit Abälard, dessen Begriffslehre öflers als Konzeptualismus bezeichnet
wird, zu den Kunstaiisdrückeu der Scholastiker, scheint aber zu systematisch durchgeffdirter
Verwendung erst in der späteren Zeit ijelangt z\i sein. Vgl. u. a. P. Fon.seoa, Institutionnni
dialecticanim libri octo, 1610, p. 20.
Interessant ist eine Erklärung des Thomas, die die späteren scheu vorbereitet: (Juan-
dncunque (intellectus) acfu intelligit. quoddam intelligibile foi-mat. quod est quaedam proles ipsius
und« et mentis conceptus noniinatur (Declaratio quorundamarticuloi-um contra Graecos etc.).
SjniHiZiistitdicil. 21
seiner Zeit der in der skotistisclien Schule herrselienden Lelire von der
Aktivitiit des P^rkenntnisvorganges an'. Um so weniger also ist daran zu
denken, daß er l>ei idea nur den Inhalt des Vorstellens oder Erkennens
im Auge liätte.
Worauf Spinoza mit dieser Lehre von der Aktivität des Intellekts
zuletzt abzielt, ergibt die Weiterführung des Lelirgebäudes und seine Krönung
durch die Theorie der Affekte luid des höchsten Affekts, des amor Dei
intellectualis. Das adäquate Erkennen ist ihm ein agerc (III, 3 : V, 20 schol.),
daher siiul auch die in solchem Erkeimen wurzelnden Affekte Tätigkeiten
(V, 3), und das Erkennen Gottes ist höchste Lebensbetätigung (V, 18 dem.:
quatenus Deum cont("mi)lamur, eatenus agimus).
Nur wenn man zugibt, daß idea im Sinne der Tätigkeit des Vor-
stellens oder Erkennens gebraucht wird, versteht man auch den voraus-
gehenden 5. Lehrsatz, wonach das formale Sein der Ideen (;ott zur Ursache
hat, insofern er als denkendes Wesen betrachtet wird. Im gleichen Sinne
wird am .Schlüsse des Scholions zum 48. Lehrsatz dieses Teils die Idee
definiert als cogitationis coneeptus, und wird sie im Beweise des 5. Lehr-
.satzes im Scholion zum 49. modus cogitandi genannt. Auch betont Spinoza
bekanntlich gegenüber cartesianischen Theorien vom EinÜusse des Willens
auf das Erkennen sehr, daß die Idee als solche bereits Zustimmung oder
Verwerfung, Bejahung oder Verneinung in sich scldieße (idea, quatenus
idea est, aftirmationem aut negationem involvere), welche doch nichts anderes
als Funktionen, Akte sind"'*.
' Aucb Suai-ez hatte dieser Lehre vorsichtig zugestimmt. Tr. de an. Opp. III, p. 627.
Im Kurzen 'l'ral^tat wird einmal (II, c. 16. Sigw. .S. 105) ganz aristotelisch das Kr-
kennen (Verstaan) ein bloßes leiden genannt. Dies wird daiiin erläntert. daß die Dinge
.selbst (die vorgestellten Inhalte! den Ausschlag für Bejahung oder Verneinung geben. -Wir
sind es niemals, die von einem Ding etwas bejahen oder verneitien. sondern das Ding selbst
ist es. das in uns etwas von sich bejaht f)d('r verneint.- Dies stinunt durchaus mit der Er-
kenntnislehre der Kthik überein: aber die Wendunj^, daß das Krkennen selbst darimi ein
bloßes Leiden sei. wird dort veimieden.
"■' Spinoza lehrt in dieser Hinsicht .lusdrilcklich ein gegensei tiges Kinschließon von
Vorstellen und l'rteilen. Im Beweise desselb(^n Ix'hi-satzes heißt es: Ilaec ergo aCfirinalio
(daß die WinkelsMmrae des Dreiecks 2 R) sine idea trianguli nee esse nee coiicipi potest.
l'orro liaec trianguli i<lea haue «-andeni ai'finnalioneni involvere (lebet. Diese Paradoxie ist
nur lösbar, wenn man Statteines F.insehließens vielmehr völlige Identität setzt: wie er auch
selbst hinzufügt: adeoqu<' haec .-itlinnatio ad pssentiani ideae Irianeuli pertinct ne<' aliud
pr.ietr'r ipsam est.
22 S
TUM i> r
Spinoza selbst stand im Kurzen Traktat hierin noch auf Seite der
Aristoteliker, wenn er das Erkennen (het Verstaan) ein reines Leiden
nannte. In der Ethik dagegen macht er in dieser Hinsicht einen scharfen
vSchnitt zwischen dem Erkennen und der bloßen Wahrnehmung, intellectus
und imaginatio: «Intellectus per quem solum nos agere dicimur — ima-
ginatio per quam solum dicimur pati« (V, 40). Hierin folgt ihm, worauf
Trendelenburg hinweist', Tschirnhaus in seiner Medicina Mentis, wenn er
auch Spinoza aus P'urcht nicht erwähnt: er definiert den Intellekt als
facultas concipiendi sub forma actionis, die imaginatio aber als facultas
percipiendi sub forma passionis.
Endlich führt auch folgende Erwägung zu dem gleichen ?]rgebnis.
Die beiden Attribute Ausdehnung und Denken, wie überhaupt alle Attribute,
sollen nichts untereinander gemein haben, daher ganz unvergleichbar sein.
Handelte es sich aber bei idea und res im siebenten Lehrsatz um den
Unterschied der vorgestellten von den wirklichen Dingen, der vorgestellten
von der wirklichen Ausdehnung, so würde man eine solche Unvergleich-
barkeit vom Standpunkte Spinozas wenigstens entschieden nicht behaupten
können; denn auch die vorgestellte Ausdehnung wäre Ausdehnung, ebenso
wie das gedachte Denken Denken. Sie gestattet Linien zu ziehen. Gestalten
zu konstruieren, die ganze Geometrie zu entwickeln. Es wäre der näm-
liche Gegenstand, nur einmal im mentalen, einmal im realen Sinne ver-
standen. Unmöglich kann also Spinoza unter den ideae und den res, wenn sie
unvergleichbar sein sollen, die erscheinenden gegenüber den wirklichen Dingen
verstanden haben. Es bleibt nur der Gegensatz zwischen Akt und Inhalt.
Eine Stelle aus der frühen Schrift »De emendatione intellectus« (p. 11)
betont den Unterschied zwischen der Vorstellung und dem Vorgestellten:
»Der Kreis ist nicht die Vorstellung des Kreises. Diese hat keine Peripherie
und keinen Mittelpunkt.« Da aber Spinoza von dem Bewußtseinsinhalt
(dem mentalen Objekt) hier ausdrücklich verlangt, daß er mit dem wirk-
lichen Gegenstand durchaus übereinstimmen müsse (p. 13), so ist klar,
daß auch da die Verschiedenheit nur gegenüber dem Bewußtseins akt ver-
standen sein kann.
Daß Spinoza im zweiten Buche der EtJiik von dem gewöhnlichen
Sprachgebrauch in Hinsicht des Wortes idea prinzipiell abweicht, wenn
' Historische Beiträge zur Philosophie Bd. Ill, S. 291.
Spinozastudit'n. 23
er ihn auf den Denkakt bezieht, scheint ihm selbst nicht entgangen zu
sein; die Erläuterung der Definition im Anfange des Teiles weist darauf
Iiin. Es war eine ähnliche Umdeutung, wie sie Piaton im Sophistes vor-
nahm, als er den Ideen Bewegung und Leben zuerkannte. Ich möchte es
sogar niclit für unwahrscheinlich halten, daß auf Spinoza in diesem
Punkte der piaton isierende Jude Philo, dem die Ideen zugleich Kräfte sind,
durch Maimonides' Vermittlung eingewirkt hat, muß aber die Prüfung den
Kennern dieser beiden Autoren überlassen. Übrigens soll auch nicht be-
hauptet werden, daß Spinoza selbst diesem Wortgebrauche in der Ethik
stets treu geblieben wäre. Bei solcher Umdeutung eines uralten und auch
in seiner Bedeutung seit Jahrhunderten feststehen<len Ausdruckes ist es
fast unvermeidlich, daß die ältere Bedeutung gelegentlich wieder durch-
schlägt. Solche Stellen würde ich also nicht als einen Einwand gegen
die vorgetragene Auslegung des siebenten Lehrsatzes gelten lassen. Man
scliickt einem ganzen Teil eines Werkes nicht feierlicli die Definition eines
Ausdruckes, der in diesem Teil eine entscheidende Rolle S2)i('lt, voraus,
um sie dann bei der Anwendung zu ignorieren und sich an eine Bedeutung
zu lialten, die man in dieser Definition offensichtlich abgelehnt hat.
Im Deutschen geben wir diesen Begriff von idea am besten mit »Vor-
stellungs- oder Denktätigkeit« wieder. Der Ausdruck cogitare hat bekannt-
lich bei Spinoza wie bei Descartes einen viel weiteren Sinn; er bezeichnet
Bewußtseinstätigkeit überhaupt, einschließlich der Gefühls- und Willensakte.
Die ideae sind also eine besondere Klasse der modi cogitandi. Immerhin
setzen jene emotionellen Bewußtseinszustände nach Si)inoza Ideen voraus
und gründen sich auf solche'; ganz ebenso wie gegenwärtige Psychologen
Vorstellungsakte als die Grundlagen des Fühlens und WoUens bezeichnen".
' . J.Axiom des J.Teils. Ebenso schon D«- intellectus emendatione am Schlüsse (8. These),
und im Anhange des Kuraen Traktates.
' Vgl. Ixjsonders Brentano. Psychologie, S. 104 fl". In der F<»nnulieruug des IiilialLs-
vci-zeichnis-ses : »Die psychischen Phänomene sind Vorstellungen oder imben Voretelkingepi
zur Grundlage.-
Eben.so wie di<jscr Lehre der Vorwurf des Intellektu.i lisnius mit l'nreclit gemacht
worden ist, da sie doch keineswegs die eigenartige Natur der emoti<»nellen Funktionen
leugnet, ebenso unberechtigt erscheint mir dei-selbe Tadel gegen Spinoza. Baenscli iiciuil
dessen Aflektenlehre in seiner Einleitung zur Übersetzung der Ethik S. XN'IIH'. »die iiußei-ste
Konsequenz des Intellektualismus-, weil SpiuDza die Affekte selbst als lde<;n lasse. Aber
Ideen sind eben doch nur die Grundlage, nicht das darübergebaute Wesen dei' Affekte. In der
Willenslehre allerdings nähert sich Spinoza jenem Standpunkte stark durch die Behauptung.
24 S T U M I' F :
Hiernach bedeutet der Satz «Ordo et cojinexio idearum iflem
rst ac ordo et connexio rerum«-: die Ordnung und Verknüpfung der
göttlichen Vorstellungsakte ist die nämliclie wie die der gött-
lichen Vorstellungsinhalte. Es ist der Parallelitätssatz der aris-
totelischen Psychologie, übertragen auf die Gottheit, deren
Modi die einzelnen Geister und Körper und ihre Zustände sind.
Auch darin folgt Spinozas Lehre der Tradition, daß die Objekte
das Bestimmende sind, daß die Akte durch sie spezifiziert
werden. Denn überall sind es die (Gesetzlichkeiten der Ausdehnung, die
Naturgesetze der materiellen Welt, die Spinoza als maßgebend auch für
den Geist und das Denken betrachtet, nicht umgekehrt'. Seine Lehre i.st
in dieser Hinsiclit durchaus und konsequent naturalistisch, wenn sie aucJi
nicht als Materialismus bezeichnet werden darf, sofern ihm das (Geistige
gleich real ist wie das Physische'"'.
daß die Ideen in sich selbst schon ein Bejalien und Venieinen und daß diese Akte Willens-
f'nnktii)nen seien, was er in dem Satze zusaininonlaßt: »\'i>luntas et intellectus ununi et ideni
sunt.« Kr gebraucht hier den Ausdruci< voluntas mit Bezugnahme auf' Descarles' Erkeantnis-
U;hre in einem ungewöhnlichen, nichtemotionaien Sinne und konnte sicli dies erlauben,
nachdem er in die Definition des Intellekts selbst schon ein aktives Moment hineingenommen
liatte, ähnlich wie Wundt in s<'inen Bogriil' der Apperception. Wird abei' Wundts Lelii-e
darum gerade Voluntarismus genannt, so würde auch für Spinoza dieser Ausdruck zum
mindesten so gut passen wie der des Intellektualismus. Bessei- aber, man sieht von solchen
mehi'deiitigen Etikettierungen, wenn sie nicht gleichzeitig genau definiert werden, ab.
Im übrigen ist zuzugeben, daß Spinoza Affekte gelegentlich auch dii-ekt als Ideen
bezeichnet, nicht bloß als auf Ideen gründend. .So V, 3 dem.: affectus. qui passio est. idea
(!St conf'usa. Anderseits kommt auch in Betracht, daß in der' Ethik außer der Identifikation
des WoUens mit den bejahenden Urteilen noch eine ganz andere Auflassung des WoUens
aufti'itt. wonach es eine besondere Form des Grundaffektes der cupiditas ist. ein eouatus
(appetitus) in suo esse perseverare (111,9. schol.). In diesem Sinne steht der Wille neben
dem Intellekt (1,31: Intellectus . . . ut et voluntas. cupidita.s, amor etc. I. 32 dem.: Volunta.s
«ertus tantum cogitandi modus est sicuti intellectus).
' II, 13, schol. : Von jedem Körper muß es notwendig in Gott eine Idee geben, und
diese Ideen müssen sich untereinander ebenso untei-scheiden wie die Dinge selbst (idea.s
inter se. ut ipsa objecta, diflerre) : die eine nmß vollkommener sein als die andei-e, mehr
Realität enthalten usw. Fm dabei' zu eikennen, welcher Untei schied zwischen dem mensch-
lichen Geist und den übrigen Geistern besteht, müssen wir die Natur des menschlichen
Körpers untersuchen. Je tauglicher ein Köi-jier ist, vieles zugleich zu tun oder zu leiden.
um so tauglicher der Geist, vieles zugleich wahrzunehmen usw. (Geküi-zt.^
'•' Spinoza wehrt sich in einem Briefe an Oldenburg (Ep. 73) ausdrücklich gegen die
ihm von gewissen Leuten zugeschobene Lehi;e. Gott und Natur, worunter sie die körper-
liche Materie verständen, seien identisch.
SpinozastudiPTi. 25
Wir verstehen jetzt auch, warum Spinoza die Lehre vom Parallelis-
mus der Modi innerhalb der Attribute erst im zweiten Teile »De Mente«
bringt. Er hätte sie, wie erwähnt, in ganz allgemeiner Form nicht bloß
für Leib und Seele, Körperliches und (Geistiges, sondern fiir sämtliche
unendlich vielen Attribute, als einen Lehrsatz der allgemeinen Gotteslehre
aufstellen müssen; und der beigefugte Beweis würde in der Tat, wenn
er überhaupt zwingend wäre, allgemeine Geltung haben. Lehrsatz und
Beweis halten sich durchaus in der Sphäre des ersten Teiles der Ethik
»De Deo«. Aber was Spinoza vorschwebte, war eben das psychologische
Verhältnis von Akt und Inhalt, an welchem allein er den Parallelismus
erläutern konnte, und hinsichtlich dessen eine von niemand bestrittene
allgemeine Überzeugung bestand, so unbestritten, daß er besonders darauf
hinzuweisen für überflüssig hielt. Wie und inwiefern er sich dieses Ver-
hältnis auf die übrigen uns unbekannten Attribute übertragen dachte,
werden wir weiter unten überlegen.
Ist dies das Verhältnis der beiden Attribute, so erhellt zugleich, wie-
fern Spinoza dadurch die Forderungen erfüllt sehen konnte, die er an die
Attribute überhaupt stellte: denn Akt und Inhalt sind erstlich heterogen,
unvergleichbar, durchaus verschiedenen Begriffsregionen angehörend, dis-
parater als irgendwelche Inhalte untereinander sein können; zweitens aber
bilden sie gleichwohl eine untrennbare Einheit, sind nur Teilausdrücke
oder Seiten einer und derselben Tatsache, die wir nur durch Abstraktion
voneinander lösen können.
Ob es sachlich unbedingt richtig ist, daß man den Begriff des Aktes
denken könne, ohne irgendwie auf den des Inhalts Bezug zu nehmen, ist
freilich eine andere Frage. Es scheint hier vielmehr ähnlich zu stehen wie
bei den Korrelativbegriffen: größer und kleiner, Vater und Kind u. dgl.,
die sich nach dem alten (von Brentano wiederaufgenommenen) Ausdruck
in obliquo gegenseitig einscliließen' : das Denken der Ausdehnung — die
Ausdehnung Inhalt des Denkens. Aber jedenfalls Undet kein Einschluß in
recto, d. h. in der Weise statt, daß der eine Begriff ein Merkmal des
anderen wäre''.
' F.Brentano, Von der Klassifikation der psychischen Phänomene, 191 1, 8. 122 ff. 133.
' Gewis.se Analogien zu Spinozas Auffassung von dem Verhältnis der beiden Attriliutc
bieten auch die aristotelischen Kategorien, die sämtlich Seiendes in vei'schiedenem Sinne
des Wortes, unter verschiedene höch.ste Gattungsbegriffe Fallendes bedeuten und doch z.u-
Phil..hist. Ahh. 1919. Nr. 4. 4
26 Stumpf.
Als lehrreiche Bestätigung für die enge Wechselbeziehung, in der sich
Spinoza die beiden Attribute dachte, kann noch der Brief an Schuller vom
29, Juli 1675 herangezogen werden, wo Spinoza auf die Frage des Tschirn-
haus, ob sich nicht ein positiver Beweis geben lasse, warum wir von Gott
nur diese zwei Attribute erkennen können, eine Art Deduktion gibt. Er
bezieht sich auf die Definition des Geistes als Idee des Körpers. Daraus
folge, daß der Geist eben nur den Körper und sich selbst, Ausdehnung
und Denken, erkenne. Das Gedachte als solches habe Gott zur Ursache,
sofern er unter dem Attribute der Ausdehnung, das Denken als solches
Gott, sofern er unter dem des Denkens betrachtet werde. Aus diesen beiden
Attributen selbst aber könnten keine anderen erschlossen oder begriffen
werden. Also könnten wir nur diese beiden erkennen.
Der Kern dieses Gedankenganges ist die enge Wechselbeziehung der
beiden Attribute unter dem Gesichtspmikt von Akt und Inhalt, wodurch
ein Drittes nach der Natur der Sache ausgeschlossen erscheint.
Eine gewisse Schwierigkeit bietet das Korollar des 7. Lehrsatzes, aber
nicht nur für unsere Auslegung des Lehrsatzes, sondern für jede: »Hinc
sequitur, quod Dei cogitandi potentia aequalis est ipsius actuali agendi poten-
tiae. Hoc est, quicquid ex infinita Dei natura sequitur formaliter, id omne
ex Dei idea eodem ordine eademque connexione sequitur in Deo objective. «
Dies klingt zunächst, als stellte sich Spinoza auf den theistischen
Standpunkt, nach dem die wirkliche Welt aus Gottes Gedankenwelt durch
Schöpfung äußerlich hervorgeht, ausgenommen, daß er den Begriff der zeit-
lichen Schöpfung mit dem den Scholastikern auch keineswegs fremden
einer fortlaufenden Schöpfung (conservatio in esse) vertauschte. Aber so
kann es natürlich nicht gemeint sein. Gerade einige Zeilen vorher, im
Korollar des vorangehenden Lehrsatzes, an welches das gegenwärtige offenbar
anknüpft, hatte Spinoza noch betont, daß das esse formale der Dinge nicht
darum aus Gottes Natur folge, weil Gott sie vorher erkannte, sondern daß
die Dinge ebenso aus ihren Attributen folgen wie die Ideen aus dem Attribut
des Denkens. Unter dem «Handeln« Gottes kann er also nicht das Nach-
außensetzen oder die transzendente Verwirklichung eines Gedachten ver-
sammen eine reale Einheit bilden sollen; ferner das mögliche und das wirkliche Sein des
Aristoteles, von dem das gleiche gilt: Aufstellungen, die Spinoza sehr gilt bekannt sein
mußten, die freilich auch nicht von inneren Schwierigkeiten irei sind und die er selbst als
aufklärende Analogien nicht anerkannt haben würde.
Spinozastudien. '21
stehen, sondern nur die Folge der wirklichen Dinge selbst, die den Inhalt
des göttlichen Denkens bilden, nach den ihnen immanenten Gesetzen der
Ordnung und Verknüpfung. Diese Abfolge deckt sich nach seiner Behauptung
mit der Abfolge der göttlichen Denkakte.
Es ist wieder ein Seitenblick auf die Theologie, der ihn hier leitet;
und wenn er die der alten Theologie entnommenen Ausdrücke cogitandi —
agendi potentia gebraucht, so bedient er sich ilirer eigenen Sprechweise
und faßt neuen Wein in alte Schläuche. Eine potentia im alten Sinne,
eine bloße Möglichkeit oder Fähigkeit des Denkens wie des Handelns er-
kennt er ja überhaupt nicht an, schon beim Menschen nicht, noch weniger
bei der Gottheit (s. o.) Das einzig Auffallende ist die beigefügte Erläuterung
(hoc est . . .), worin er eine innerhalb und eine außerhalb des göttlichen
Denkens bestehende Welt, ein esse objectivum und ein esse formale der
Dinge, auseinanderzuhalten und zu parallelisieren scheint. Er muß hier
die Ausdrücke, die nach der Tradition für das Verhältnis von 4 zu 5 gelten,
auf das Verhältnis von 3 zu 4 übertragen haben, da tur ihn die FYage nach
dem Verhältnis des Psychischen zum Physischen eben in die Frage nach
dem Verhältnis des Aktes zum Inhalt übergegangen war. Die Klarheit
der Darstellung wird allerdings dadurch beeinträchtigt.
Auch der folgende Lelirsatz 8 bedarf einiger Erläuterung. Spinoza
spricht hier von den Ideen nicht wirklich existierender Dinge, die nach
den Scholastikern und noch nach Leibniz außer denen der wirklichen Dinge
im göttlichen Geiste befaßt sein sollen'. Auf Grund des 7. Lehrsatzes könnte
nämlich der Einwand erhoben werden, daß zu diesen Ideen die parallele
Reihe der Dinge fehle. Diesen Einwand vor Augen, antwortet er: »Die
Ideen der nicht existierenden Einzeldinge oder Modi sind in Gottes un-
endlicher Idee (seinem Denken) ebenso begriffen wie die formalen Wesen-
heiten der wirklich existierenden Dinge in den (bezüglichen) Attributen
(iottes«'. Zum Beweise zitiert er einfach das vorausgeliende Scholion.
Wir dürfen seine Meinung so verstehen: diese Gedanken des bloß
Möglichen folgen mit derselben Notwendigkeit aus dem Denkattribut, wie
' Vgl. oben Thomas über die Scientia simplicis intelligentiae oder Suarez Opp. 1,
203 ff. über Gottes Erkenntnis des Xichtseienden, ja Unmögliclieii.
' Ideae renim singularitim. sive modorum, non cxistentiuni ita debent comprehendi
in Dei infinita idea, ac rerum singularium sive modorum essentiae formales in Dpi attril)utis
coiitinentur.
4*
28 S T u M p F :
j
jeder beliebige Modus aus seinem Attribute folgt. Das göttliche Denken
produziert sie neben den Gedanken der wirklichen Dinge. Aber auch sie
haben ihre mentalen Objekte, ebenso wie andererseits die wirklichen Dinge
nur mentale Objekte göttlicher Denkakte sind. In beiden Fällen also die-
selbe Zweiseitigkeit von Akt und Inhalt. Der Unterschied ist ntir, daß die
Denkinhalte im letzteren Falle auch das Merkmal des Seins neben der Essenz
einschließen, im ersten B'alle nicht.
Das Kojollar dieses Lehrsatzes, gleichfalls sehr kurz gefaßt', bezieht
sich offenbar darauf, daß dieselben Dinge, die jetzt wirklich sind, vorher
unwirklich war'^n und nach einer gewissen Dauer auch wieder unwirklich
sein werden. D^ -aus könnte wieder ein Einwand gegen die Parallelitäts-
lehre geschöpft werden. Spinoza will daher erläutern, wie sich ein wirk-
liches Einzelding von beschränkter Zeitdauer seines Daseins im unzeitlichen
Denken Gottes darstelle. Seine Antwort läuft darauf hinaus, daß für die
Zeitabschnitte der Nichtexistenz dieselbe Betrachtungsweise gelte wie für
Dinge, die überhaupt niemals wirklich waren, sind und sein werden: es
ist eben das Merkmal des Seins mit diesen Vorstellungsinhalten nur unter
der Klausel einer bestimmten Zeitdauer verknüpft. Das Sein im allgemeinen,
ohne Ansehung irgendeiner Zeitbestimmtheit, ist in keinem Begriffe irgend-
eines Einzeldinges enthalten; nur die göttlichen Attribute und ihre Ge-
samtheit, die Substanz, schließen dieses Merkmal in sich. Aber das endliche
Sein während einer bestimmten Zeitspanne, das durare, denkt sich Spinoza
allerdings als Merkmal eines wirklichen Einzeldinges, mit dessen übrigen
Merkmalen es additiv verknüpft ist. In dieser Weise müssen die wirk-
lichen Einzeldinge von begrenzter Zeitdauer im Geiste Gottes sein.
4. Geist und Körper nach Eth. II, pr. 1 1 ff.
Vollends erhärtet wird die entwickelte Auffassung des Parallelitäts-
satzes durch Spinozas Lehre vom menschlichen Geist und seiner Erkenntnis
des eigenen Körpers und der Außenwelt, wie sie in den Lehrsätzen 1 1 bis 3 2
niedergelegt ist. War vorher von den Attributen und Modi der Ausdehnung
' Hinc sequitur, quod, quamdiu res singulares non existunt, nisi quatenus in Dei
attributis comprehenduntur, earum esse objectivum. sive ideae, non existunt, nisi quatenus
infinita Dei idea existit; et ubi res singulares dicuntur existere, non tantum quatenus in Dei
attributis comprehenduntur, sed quatenus etiam dui-are dicuntur, earum ideae etiam existentiam,
per quam dui'are dicuutur, involvent.
Spinozastudien. 29
und des Denkens nur als Beispielen die Rede, so rücken jetzt zum ersten
Male diese beiden empirisch bekannten Attribute in direkte Betrachtung.
Aber auch hier wieder immer vom Allgemeineren zum Besonderen gehend,
deduziert Spinoza zuerst, daß das wirkliche Sein des menschlichen Geistes
in der Idee irgendeines wirklichen Dinges bestehen müsse (ii), dann, daß
der menschliche Geist alles erfassen müsse, was im Objekte dieser Idee,
also in dem bezüglichen Dinge, vor sich gehe (12), weiter, daß dieses
Objekt ein Körper sein müsse. Körper und Geist verhalten sich also zu-
einander als Objekt und Idee, als Inhalt und Akt (13)'.
Als eine beiläufige Konsequenz wird hier erwähntv daß alles, wenn-
gleich in verschiedenem Grade, beseelt sein müsse, da-^s von jedem Dinge
notwendig in Gott eine Idee, also eine entsprechende Seele, geben müsse.
Auch dieser Schluß geht also durch Gott hindurch.
Nach Ausfuhnmgen über die Körper im allgemeinen und den mensch-
lichen Körper im besonderen wird bewiesen (15), daß der menschliche
Geist aus vielen Ideen zusammengesetzt sei, wie der menschliche Körper
aus vielen Teilkörpern, die nur durch die gemeinschaftliche Betätigung
zu einem Ganzen verbunden sind (hierzu auch die 7. Definition dieses
Teiles zu vergleichen). Unter dem menschlichen Geist oder der Idee des
menschlichen Körpers versteht also Spinoza die Summe oder die Gesamtheit
der psychischen Funktionen, deren Gegenstände die Teile des menschlichen
Körj)ers sind. Um den Einwand auszuschließen, daß er hierbei nur die
intellektuellen Funktionen berücksichtige, hat Spinoza bereits im 3. Axiom
dieses Teiles darauf verwiesen, daß alle übrigen Bewußtscinsformen, wie
Liebe oder Begierde, sich auf Vorstellungen gründen.
Die Existenz des eigenen Körpers wird uns gemeinschaftlich mit der
Existenz fremder Körper gewiß durch die körperlichen Affektionen, die
den Gegenstand unserer Vorstellungen bilden (16 bis 19). Der menschliche
Körper ist ja nichts in sich Abgeschlossenes, sondern wird durch andere
' So sehr sich diese Definition der Seele von dem Geiste der Aristotelischen Definition
entfernt, ist doch selbst darin ein Nachklang zu spüren; denn wenn Aristoteles und mit ihm
die Scholastiker seit Alexander v. Haies die Seele als die Form des organischen Körpers
definieren, Spinoza aber als die Idee des Körpers, so könnte man sagen, Spinoza habe nur
die »erste Energie« des Aristoteles mit seiner -zweiten Energie- (woi unter Aristoteles be-
kanntlich das Tätigsein verstand) vertauscht. Aber freilich ist durch den panthoistischen
Standpunkt der Sinn der ganzen Definition auch sonst verändert, und ich glaube nicht, daß
in diesem Punkte wirklich Aristoteles die direkte Grundlage gegeben hat.
30 Stumpf:
Körper fortwährend in seinem Bestand erhalten, durch sie gewissermaßen
determiniert (vgl. auch 25 dem.). Gott hat also die Idee des menschlichen
Körpers nur, sofern er zugleich eine Menge anderer Ideen hat; somit er-
kennt auch der menschliche Geist den menschlichen Körper nur durch
die Vorstellung seiner Aifektionen, in denen die Vorstellungen äußerer
Körper bereits enthalten sind (19). Unter Aflfektionen versteht Spinoza
hier offenbar das Affiziertwerden (affectiones, quibus corpus afficitur), wel-
ches eben den Begriff des Affizierenden einschließt. Er verwendet in diesem
Zusammenhang auch wieder den Parallelitätssatz, bei dem aber (wie auch
in pr. 9 und 20) »rerum« bezeichnenderweise durch »causarum« ersetzt
ist: er will den integrierenden Kausalzusammenhang der Körperwelt, hier
speziell den zwischen unserem Körper und der Außenwelt besonders betonen \
Die Beweisführung des 19. Lehrsatzes zeigt wiederum, wie der Par-
allelitätssatz auf den aristotelisch-scholastischen zurückgeht; denn wieder
liält es Spinoza für notwendig, die göttliche Erkenntnis heranzuziehen, für
^ Hierzu vgl. aucli die ausführlicLen Erörterungen über die Notwendigkeit, sowohl
das Körperliche als das Geistige als Teile des Natiirganzen zu verstehen, in dem Briefe an
Oldenburg vom 20. November 1665 (ep. 32).
Mit Unrecht findet Freudenthal (s. die S. i erwähnte .Abhandlung) in dem Ausdruck
»causarum« statt »rerum« in pi'. 9, 19, 20 einen Rückfall in die Wechselwirkungslehre. So
unmittelbar nach Aufstellung des Parallelilätsgesetzes und mit ausdrücklicher Berufung darauf
wäre ein solcher Rückfall doch unglaublich. In jnanchen Dingen lassen sich Widersprüche
bei Spinoza nicht leugnen. Aber daß er im Kontext seines Parallelitätssatzes selbst, ihn
als Bew eismittel zitierend, einen technischen Ausdruck so verstanden hätte, daß er das Gesetz
direkt aufhebt, hieße an seinem gesunden Vei-stande zweifeln. Er nennt, meine ich, die
res hier causae, weil die immanente Kausalität der Naturdinge sich uns so lückenlos und
oifenbar darstellt, wie man es von der immanenten Kausalität des Geistigen nicht entfernt
behaupten kann. Daß sie auch da vorhanden sei, glaubt er erst aus dem Parallelitätsgesetz
selbst erschließen zu müssen. Für die heutige Parallelismuslehre steht es ja in dieser Be-
ziehung auch nicht anders. Denkt man an die Begründung des Parallelitätssatzes durch das
4. Axiom, das die Erkenntnis der Wirkimg in gleicher' Weise von der der Ursache ab-
hängen läßt, wie die Wirkung selbst von der Ursache abhängt (s. o. S. 4), so wird die
gegebene Deutung noch einleuchtender. Sollte man aber trotz alledem annehmen, daß
Spinoza hier unter causae die res als Ursachen der Ideen gemeint hätte, so könnte ich
es nur so verstehen, daß die Akte (Ideen) durch die Objekte determiniert, spezifiziert sind.
Wir wissen, daß das Kausalverhältnis für Spinoza nichts anderes ist als ein logisches Ab-
hängigkeitsverhältnis. Daraus folgt nun allerdings nicht, daß jede logische Abhängigkeit
auch schon ein Kausalverhältnis wäre. Inmierhin könnte man annehmen, daß der Kausal-
begriff hier wirklich so weit gefaßt sei, daß er mit dem der logischen Abhängigkeit zu-
sammenfiele. Aber die Deutung wäi-e weit weniger wahrscheinlich und ungezwungen wie
die obige.
Spinozash/ffien . H 1
die die wirklichen Körper immanente Objekte, die wirklichen Geister aber
die zugehörigen Vorstellungsakte sind. Von da aus schließt er erst auf
das menschliche Denken und sein Verhältnis zur Außenwelt.
Von den einzelnen Teilen unseres Körpers, deren Affektionen Gegen-
stände unserer Vorstellungen sind, besitzen wir allerdings, das betonen die
Lehrsätze 24 bis 28, soweit nur die gewöhnliche, auf Wahrnehmung des
einzelnen gründende p]rkenntnis in Betracht kommt (quoties ex communi
naturae ordine res percipit, 29 cor.) keine adäquate, sondern nur eine konfuse
und verstümmelte Erkenntnis; und dies gilt infolgedessen auch für die
äußeren Körper sowie fär die Erkenntnis des Geistes, die auch nur durch
die Ideen der körperlichen Affektionen möglich ist. Diese konfusen Vor-
stellungen sind »gleichsam Schlußsätze ohne Vordersätze« (28 dem.), näm-
lich ohne Evidenz. Nur von dem, was vielen einzelnen gemeinsam ist,
können wir, wie Spinoza alsbald (38 ff., III, 3) ausführt, adäquate Erkennt-
nisse haben.
Demnach ist also der menschliche Körper als Ganzes der Gegenstand
des auf ihn gerichteten Geistes als eines Ganzen, jeder Teil aber wieder
Gegenstand eines auf ihn gerichteten Vorstellungsaktes. Die Leber, die
Milz sind, um es einmal konkret zu machen, Gegenstände dunkler, auf
diese Organe gerichteter Vorstellungen ; und vielleicht dachte sich Spinoza
dies bis ins kleinste durchgeführt, sei es, daß er aktuell kleinste Teile
anerkannte oder die Teilung physisch wie psychisch ins Unendliche gehen
ließ. Der individuelle Geist ist die Ge.samtheit aller dieser gleichzeitigen
Vorstellungsakte, die untereinander in gleicher Weise zusammenhängen wie
die Körperteile. Spinoza begnügt sich aber mit der Formulierung der all-
gemeinsten Folgerung aus seinen Grundsätzen. Sie näher auszuführen, wider-
strebte ihm wahrscheinlich darum, weil er auf diesem Wege immer tiefer
in das Gebiet unkontrollierbarer Phantasien geraten wäre.
Selbstverständlich drängen sich gegenüber dieser Formulierung des
Parallelismus eine Menge kritischer Fragen auf, und zwar nicht nur vom
Standpunkte der heutigen Philosophie, der diese Psychologie und Erkennt-
nistheorie äußerst primitiv erscheinen muß, sondern auch von dem Spinozas
selbst, auf den es hier allein ankommt. Denn wenn er den menschlichen
Geist auch sich selbst imd seine Tätigkeiten, ja auch die göttliche Wesen-
heit erkennen läßt, so sind damit noch andere Bewußtseinsinhalte als die
körperlichen Vorgänge zugegeben und erscheint die Definition des mensch-
32 Stumpf:
liehen Geistes zu eng. Vielleicht hätte Spinoza geantwortet, die Defini-
tion müsse nur das enthalten, was allgemein und immer dem Gegenstande
zukomme, also das Minimum, das auch im unentwickelten Zustand der mensch-
lichen Seele vorhanden sei, und hätte sich dabei auf den Vorgang des
Aristoteles berufen, wenn dieser die menschliche Seele als Form des or-
ganischen Körpers definiere, obgleich er ihr einen immateriellen Teil zu-
erkenne. Wir wollen darüber nicht weiter mit ihm rechten. Erkenntnis-
theoretisch aber entsteht, abgesehen von dem Außenweltsproblem', sofort
die Frage, wie es überhaupt noch Täuschungen und Irrtümer geben könne.
Spinoza macht sich denn auch sogleich, noch im zweiten Buch, an ihre
Lösung. Aber diese Ausführungen gehören zu dem dunkelsten Teile seiner
Lehre, und der Zusammenhang unserer Betrachtungen nötigt uns nicht,
darauf ausführlicher einzugehen. Nur weil und insofern der Ausdruck
idea hier wieder eine große Rolle spielt, sei einiges in dieser Richtung
beigefügt.
5. Wahrheit und Falschheit nach Eth. II, pr. 320".
Die Falschheit in unseren Ideen ist fär Spinoza nur eine »Privation«
— dieselbe Formel, mit der die Scholastiker das Übel aus der gottge-
schaffenen Welt hinwegzuschaften suchten; der Begriff selbst wieder nach
Aristoteles {aTepijcrts). Falsch können nur unvollständige, verstümmelte
Ideen sein (II, 33, 35). Für die Wahrheit aber war zunächst im ersten
Teil die alte Regel gegeben: »Idea vera debet cum suo ideato convenire«
(Ax. VI). In der 4. Definition des 2. Teiles wird dann als adäquate Idee
die erklärt, die alle inneren Merkmale (denominationes intrinsecas — Ter-
minus der scholastischen Logik) einer wahren Idee an sich trage. In der
Erläuterung dieser Definition betont Spinoza, er sage innere Merkmale, um
das äußere, nämlich die Übereinstimmung der Idee mit ihrem Gegenstande
auszuschließen. Er beweist im 34. Lehrsatz noch besonders, daß jede adäquate
Idee zugleich wahr ist, und gebraucht fürderhin stets adäquate und wahre
Idee als äquipollente Begriffe. Von dem überlieferten äußeren Kriterium
macht er zwar in den Beweisführungen I, 30, 11, 32 und sonst öfters Ge-
brauch; aber es ist ihm nur eine Formel für die Tatsache der Wahrheit,
während der Sinn des Begriffes selbst ihm ein anderer geworden ist.
Dies war ja auch die notwendige Folge der Wandlung, die mit dem Ver-
hältnis 4 zu 5 vor sich gegangen war: früher war dieses charakterisiert
Spinozastuff ie?i . 33
durch die Doppelbeziehung der Kausalität und der Ähnlichkeit (s. o. S. 14);
die wahre Vorstellung war ihrem Inhalte nach dem realen Objekt als ihrer
Ursache ähnlich und darum wahr. Auch das Ding selbst wurde wahr ge-
nannt, sofern es der göttlichen Idee dieses Dinges, woraus es hervorgegangen,
ähnlich war. Für Spinoza gibt es aber weder das Kausalitäts noch das Ähn-
lichkeitsverhältnis zwischen einem äußeren und einem mentalen Objekt, da
beides in Gott zusammenfällt. Also kann eine conformitas rei et intellectus
nicht mehr mit »Wahrheit« gemeint sein. In der Tat tritt ein inneres
Kriterium an die Stelle. Es ist dasselbe, das wir heute Evidenz nennen.
Die Frage nach der Definition und dem Kriterium der Wahrheit stand
im engen Zusammenhange mit der ganzen Entwicklung Spinozas. Schon
in der Schrift von der Verbesserung des Verstandes macht sich der neue
Standpunkt bemerkbar. Er geht hier geradezu davon aus, daß die wahre
Vorstellung von ihrem Gegenstande verschieden sei (s. o. S. 22). Von
der Vorstellung als solcher (dem Akt) könne man zwar ein Wissen haben
und von diesem Wissen auch wieder ein Wissen; aber zur Gewißheit über
irgendeinen Inhalt brauchten wir dieses reflektierte Wissen nicht. Sie sei
in und mit dem bewußten Inhalte bereits gegeben. Somit bedürfe die
Wahrheit keines Kennzeichens. Die Ausführungen der Ethik II, 3 1 ff. kommen
auf dasselbe hinaus. Zunächst werden alle Ideen in Gott als wahr erklärt,
weil sie mit ihren Ideaten fibereinstimmen — eine Verbeugung vor dem
altehrwürdigen äußeren Kriterium. Aber im Scholion des 43. Lehrsatzes
(in den Scholien erst erkennt man den lebendigen Puls der (Jedanken
und zugleich gegenüber der Starrheit der Lehrsätze und syllogistischen
Demonstrationen noch zuweilen das Ringen mit den Problemen) erklärt
Spinoza, eine wahre Vorstellung haben, bedeute nichts anderes, als eine
Sache vollkommen verstehen, und ehe man wisse, daß man über eine Sache
gewiß sei, müsse man eben über die Sache gewiß sein — , ganz dasselbe, was
wir soeben aus der Schrift De emendatione int. hörten. »Was kann es
Klareres und (rewi.sseres geben, das die Norm der Wahrheit wäre, als eine
wahre Vorstellung? Wahrlich, wie das Lieht sich selbst und die
Dunkelheit offenbart, so ist die Wahrheit die Norm ihrer selbst
und des Falschen«'. Auch hier also ist der Weisheit Schluß, daß es
' Dieselbe Wenduiig im Kui-zen Traktat, II, c. 15, Sigwart S. 99, und in dein Brief
an Burgh (Kp. 76), worin Spinoza diesem unduldsamen Konvcrtiti.Mi, seinem früheren Schüler,
so wundervoll den Text liest.
Phil.-hi»t. Abh. 1919. i\>. ^. 5
34
1 TUMPF :
überflüssig sei, ein Kriterium der Wahrheit zu suchen; es liege einzig in
der unmittelbaren Evidenz des Wahren in sich selbst. Von der Überein-
stimmung des Vorstellungsinlialtes mit der Wirklichkeit ist nicht mehr
die Rede.
Spinoza baut hier offenbar auf Descartes weiter, der bereits vollkommene
Klarheit und Deutlichkeit als Kennzeichen der wahren Vorstellungen auf-
gestellt hatte. Die Erkenntnis bricht sich Bahn, daß eine Vergleichung
der Vorstellungsinhalte mit der Wirklichkeit ausgeschlossen ist, da uns
niemals etwas anders als in der Form des Vorstellungsinhaltes gegeben
sein kann. Ohnedies waren das convenire, die conformitas oder adaequatio
von jeher recht mehrdeutige Formeln gewesen.
Soviel nur, um zu zeigen, wie auch diese letzten Ausführungen des
2. Teils, zu dem wir gewissermaßen einen fortlaufenden Kommentar ge-
geben haben, unserer Deutung des Parallelitätssatzes zum mindesten nicht
widersprechen.
6. Die spinozistische und die gegenwärtige Parallelitätslehre.
Vergleicht man mit der im vorigen erläuterten Parallelitätslehre die
gegenwärtige, so springt der ganz prinzipielle Unterschied in die Augen.
Der Parallelismus im Sinne der gegenwärtigen Psychophysik, wie ihn Fechner
zuerst formuliert hat, will und kann vom wissenschaftlichen Standpunkte
nur als Hypothese gelten, die zwei Tatsachengruppen in Zusammenhang
bringt'. Das Bewußtsein mit seinem ganzen Inhalt steht auf der einen,
psychischen Seite, die physischen Vorgänge auf der anderen. Für Spinoza
dagegen sind sowohl die beiden Glieder als auch ihr Verhältnis zueinander
dem Bewußtsein unmittelbar gegeben: die res als die anschaulichen
Bewußtseinsinhalte, die ideae als die zugehörigen Bewußtseinsakte, und
das Verhältnis eben als das des Inhalts zum Akt, das in seiner Einzig-
artigkeit selbst eine gegebene Bewußtseinstatsache bildet. Sein Parallelitäts-
gesetz ist rein eine Angelegenheit der deskriptiven Psychologie (Husserl
würde sagen: der Phänomenologie, da es a priori durch »Wesensschauung«
begründet wird). Man könnte auch sagen, Spinozas Parallelismus sei ein
' Vgl. B. Erdmann, Wissenschaftliche Hypothesen über Leib und Seele, und meinen
Kongreßvortrag »Leib und Seele«, Philosophische Reden und Vorträge (bes. S. 90 ff.): zugleich
Beispiele für die Verschiedenheit der schließlichen Stellungnahme bei gleicher Auffassung
der methodischen Seite,
Spinozastvdien. 35
immanenter, der heutige ein transzendenter, sofern nämlich im Sinne
des heutigen die Bewußtseinssphäre überschritten und eine äußere, davon
unabhängige Welt postuliert wird, deren Veränderungen denen der Bewußt-
seinsinhalte parallel gehen bzw. ihre reale Unterlage bilden.
Die Außenwelt selbst ist ja für die heutige Weltansicht, wenigstens
für die realistische, genau betrachtet aber auch für die phaenomenalistische
(Mach, Ziehen), wissenschaftlich gesprochen eine Hypothese. Die Gehirnvor-
gänge, als deren Innenseite die parallelistische Hypothese das Psychische an-
sieht, sind überdies in vieler Beziehung noch unbekannt; und sogar über die
Definition der physischen Vorgänge überhaupt sind in der theoretischen
Physik die Akten noch keineswegs geschlossen. A priori kann nun zwischen
den beiden Tatsachengruppen: der unmittelbar gegebenen des Bewußtseins
und der erschlossenen der physischen Vorgänge, jedes beliebige Verhältnis
obwalten, Wechselwirkung ebenso wie Parallelismus und reale Identität. Nur
eben was an Erfahrungen und Sclilußfolgerungen über die Gehirnvorgänge
und ihre funktionellen Beziehungen zu den psychischen Zuständen vorliegt,
das läßt sich nach der Meinung der Parallclisten besser mit dieser ihrer
Auffassung als mit einer anderen in Einklang bringen.
Der heutigen Parallelitätslehre hat man vielfach den Vorwurf des
Dualismus gemacht. Wenn kein Einfluß herüber und hinübergeht, scheint
jede der beiden Welten die andere überflüssig zu machen. Die physische würde
gerade so verlaufen, wenn ihr psychisches Aequivalent gar nicht existierte,
und umgekehrt. Die innere Notwendigkeit, die beide Erscheinungsgruppen
miteinander verbinden soll, kann nicht aufgezeigt werden. Wie dem sei:
gegenüber Spinoza ist dieser Vorwurf des Dualismus zum mindesten für
die Attribute Ausdehnung und Denken unberechtigt. Sie liegen für ihn
nicht unverknüpft und beziehungslos nebeneinander, sondern bilden not-
wendig ein Ganzes und sind nur in diesem allerengsten Verhältnis zuein-
ander überhaupt möglich. Dies ist das Wesentliche, das hier zu er-
weisen war.
Ausgegangen ist Spinoza freilich von der durch Descartes' Weclisel-
wirkungslehre gegebenen Problemstellung, wie er denn bekanntlich diese
Lehre selbst noch im Kurzen Traktat vertritt'. Aber das ursprüngliche
' 11, c. 19. Er läßt hier zwar Leib 'und Seele nicht direkt aufeinander, aber jedes von
beiden auf die •Lebensgeister« einwirken und so indirekt auch das andere beeinilussen. Die
Lebensgeister spielen in der Kthik keine Rolle mehr. Die heutige Wechselwirkungstheorie
36 S T u M I' F :
Problem hat sich ihm infolge seiner metaphysischen Prämissen verschoben,
ebenso verschoben wie das Problem der Außenweltserkenntnis, wie es Des-
cartes aufgeworfen hatte. Die Zweifel an der Existenz der Außenwelt, mit
denen der Vater der neueren Philosophie anhebt, scheinen bei Spinoza
niemals Widerhall gefunden zu haben. Nirgends tritt das Bedürfnis her-
vor, sich in diesem Punkte gegen den .Skeptizismus zu verteidigen und
ihn zu überwinden. Eben darum aber, weil die beiden unter sich zusammen-
hängenden und die Entwicklung der neueren Philosophie beherrschenden
Probleme für Spinoza so gut wie verschwinden, hat er auch keinen Ein-
fluß auf die philosophische Entwicklung der nächstfolgenden Zeit gewonnen.
Mit dieser Verschiebung des psychophysischen Grundproblems hängt
auch zusammen, daß Spinoza kein Interesse hat an der näheren Erforschung
derjenigen Gebilde und Prozesse, die wir heute als die alleinigen unmittel-
baren Unterlagen des Seelenlebens zu betrachten pflegen, der Gebilde und
Vorgänge des Gehirns. Das Gehirn war schon im Altertum mehr als ein-
mal als der eigentliche Träger oder Vermittler des Bewußtseins in Anspnich
genommen'. Auch in der Spätscholastik wird oft lebhaft über seine Rolle
bei den Sinnesempfindungen disputiert (Suarez u. a.): und bekanntlich hatte
Descartes speziell die Zirbeldrüse als Sitz der Wechselwirkung vermutet.
Gegen diese Vermutung polemisiert Spinoza einmal (V, praef.) nachdrücklich,
hat aber seinerseits keinen Anlaß, irgendeinem Teile des Körpers eine
engere Beziehung zum Seelenleben als den übrigen Teilen zuzuerkennen.
Die sachliche Berechtigung jener Thesen der aristotelisch-scholastischen
Psychologie, die Spinoza seiner Parallelismuslehrc zugrunde legt, würde
allerdings von der heutigen Psychologie keineswegs ein.stimmig anerkannt
werden. Wird doch schon die Notwendigkeit, Vorstellungsakte von Vor-
stellungsinhalten zu scheiden, von vielen bestritten. Der Verfasser selbst
ist zwar für die Unterscheidung von Erscheinungen und psychischen Funk-
tionen, die im wesentlichen auf den Unterschied von Akt und Inhalt hinaus-
kommt (nur daß der Begrifl" des Inhaltes mehr umfaßt als der der Er-
scheinungen) eingetreten. Aber eine Parallelität beider Elemente schien mir
steht der des Traktats insofern nahe, als auch sie ja keine unmittelbare Wechselwirkung
der Seele mit den Knochen und Muskelbündeln lehrt. Sie sef/.l nur an die Stelle der Lebens-
geister das Nervensystem und seine Prozesse. Abej- auch die Lebensgeister waren als mate-
rielle Flnida gedacht.
' Vgl. die Zusammenstellungen bei Soury, Le Systeme nerveux central Bd. I. und bei
Ziehen, tjber die aligenieincn Bezieluuiüen zwischen Gehirn und Seelenleben.
^pinozantudien. 37
nicht annehmbar. Vielmehr glaubte ich die Unterscheidung umgekehrt nur
auf eine innerhalb gewisser (Frenzen unabhängige Veränderlichkeit be-
gründen zu können', analog wie die Unterscheidung von Attributen inner-
halb einer Gattung von Sinnesempfindungen demselben Prinzip der unab-
hängigen Veränderung folgen muß und nur so ihre Berechtigung hat'. Liefen
Aktverschiedenheiten und inhaltliche Verschiedenheiten durchgängig parallel,
so würde man in der Tat fragen müssen, was noch zu dieser Unterscheidung
überhaupt berechtige und ob nicht die sogenannte psychische Welt mit Be-
grifl'en und Ausdrücken der physischen beschrieben werden könne oder umge-
kehrt, so wie es tatsächlich die rein phänomenalistische, sensualistische Psy-
chologie und die spekulative Naturphilosophie, jede in ihrer Weise, anstreben.
Kann man also Spinoza auf Grund seiner aristotelisch-scholastischen
Psychologie vom DuaUsmus freisprechen, so kehren doch die Schwierig-
keiten an anderer und noch tiefer liegender Stelle wieder.
Ich möchte die Untei'schcidung der gegenwärtigen Parallelisniuslehre von der Spinoza.s
nicht als etwas ganz Neues in Anspruch nehmen. Nur die Rüciiführung auf die aristo-
telisch-scholastische Psychologie dürfte neu sein. In» übrigen hat sicli besonders Baensch
die Klärung der Lehre angelegen sein lassen'. Er untei'scheidet liei Spinoza einen drei-
fachen Parallelisnius, den er als den ideellen, metaphysischen und erkenntnistheoretischen
bezeichnet. Daß Ausdehnung und Denken sich wie Urbild und Abbild verhalten und jeder
Modus der Ausdehnung sich in einem des Denkens "widerspiegeln- solle (ideeller P.), möchte
ich aber nicht als Spinozas Meinung anerkennen. Denn für Spinoza sind idea und res so
vollkommen disparat wie die Attribute selbst, deren Modi sie sind. Den Parallelismus im
Buche De .Mente würde ich weder als ideellen noch als metaphysischen oder erkenntnis-
theoretischen, sondern vielmehr als psychologischen bezeichnen. Daß freilich die alte Lehre
von der conformitas erst allmählich in diese umgebogen wurde und daß sie auch in der
P^thik noch hereinspielt, ist nicht zu leugnen.
Auch Frau Prof. Tumarkin (Bei-n), eine Schülerin Diltheys, hat den wesentlichen
Unterschied zwischen Spinoza und dem heutigen Parallelismus hervorgehoben *.
Am engsten berührt sich, wie ich erst nachträglich bemerkte, Hermann Schwarz an
einer Stelle seiner Abhandlung über Spinozas Identitätsphilosophie ■' mit meiner AutTassung,
indem er idea uiitDeukakt übersetzt und die Umdeutung des ganzen Leib-Seele-Problems
durch die Zurückführung auf das Verhältnis von Akt und Inhalt richtig hervorhebt. Eine
nähere Begründung ist aber nicht beigefügt und wohl darum die Deutung unbeachtet geblieben.
' Erscheinungen und psychische Funktionen. Abli. d. Berliner Akademie vom Jahre 1906.
' tTber den psychologischen Ursprung der Raumvorstellung, 1873. S. i35ff. Die
Attribute der Gesichtsempfindungen. .\bh. d. Berliner Akademie vom Jahre 191 7.
' Die Entwicklung des Seelenbegriffes hcA Spinoza als Gnmdlage für das Verständnis
seiner Lehre vom Parallelismus der Attribute. An'h. f (iesch. d. Philos., Bd. 20, .*>. 332 ff.
Vgl. auch die Darstellung in v. .\stere Sammelwerk »(iroße Denker- S. 24.
* Spinoza. 8 Vorlesungen, 1908, S. 50 ff.
" In dem Sammelwerke -Philosophische Abhandlungen, Max HeiitV.c gi-widuift-, 1905,
S. 242 ff.
38 Stumpf:
IL Die unzähligen Attribute.
Von hier aus empfangt nun auch die vielbesprochene Frage nach den
unendlich vielen Attributen Gottes bei Spinoza einiges, wenn auch nicht
volles Liclit. Erregte schon die scheinbare Juxtaposition zweier Attribute
Bedenken, so werden diese natürlich durch die Vermehrung der Attribute
nur gesteigert. Aus dem Dualismus droht ein Pluralismus, ja Infinitismus
zu werden, die Welt oder die Gottheit in ein Aggregat unendlich vieler
Einzelsubstanzen zu zerfallen. Wirklich sprach z. B. Böhmer von einem
Polykosmismus Spinozas — man könnte dann ebensowohl Polytheismus sagen.
Kuno Fischer schließt seine ganze Darstellung mit der Hervorhebung des
vollkommenen Widerspruches in bezug auf Einheit und Vielheit in Spinozas
Lehre. Becher gibt gleichfalls zu erkennen, daß er hier eine Inkonsequenz
erblicke: »Hätten wir nur den Attributbegrifi^, so müßten wir beim Plura-
lismus stehen bleiben, aber die göttliche Einheit nimmt, diese Konsequenz
beiseite schiebend, alle Attribute in sich auf.«
Spinoza definiert zu Beginn der Ethik Gott als absolut unendliches
Wesen, d. i. als eine Substanz, die aus unendlich vielen Attributen besteht,
worunter jedes eine ewige und unendliche Wesenheit ausdrückt. Am
9. Lehrsatz des i. Teils sieht man, daß hier die scholastische Definition
Gottes als des allerrealsten Wesens zugrunde liegt: »Je mehr Realität
oder Sein ein Ding hat, um so mehr Attribute kommen ihm zu.« Auch der
Gedanke, daß Gott außer der körperlichen und geistigen Welt noch andere
uns unbekannte geschaffen haben könnte, war von theistischer Seite schon
ventiliert worden (Suarez). Auf diese unendlich vielen Attribute, von denen
nur zwei uns bekannt seien, kommt Spinoza in allen metaphysischen Schriften
zu sprechen. Schon im Kurzen Traktat wird die Lehre ebenso vorgetragen
und begründet \ und noch in den letzten Lebensjahren verteidigt er sie
gegen die von Walter v. Tschirnhaus erhobenen Einwände. Er hat aber
die Einwendungen dieses scharfsinnigen Gelehrten, der auch Leibniz nahe-
stand, nur sehr kurz beantwortet. Auch in der Ethik selbst schneidet er
' Kurzer Traktat, S. 18, ebenso S. 9 Anm. und S.48 Anm. (Hier scheint Spinoza oder der
Herausgeber fast die Hoffnung zu hegen, daß wir allmählich noch mehr als zwei Attribute wirk-
lich erkennen würden, da er sich äußert, bisher seien uns nur zwei bekannt.) Auch im
2. Kapitel und im Anhang ist die unendliche Zahl der Attribute betont. Ebenso im Brief
an Oldenburg vom Jahre 1661 (Ep. 2).
Spinozastudien. 39
die hier auftauchenden Fragen ab. »Klarer kann icli dies fiir jetzt nicht
auseinandersetzen — «, so schließt das oben besprochene berühmte Scholion
zu II, 7. So sind denn bis heute immer wieder ähnliche Bedenken erhoben
worden.
Die Frage ist nun, ob auf Grund der Betrachtungen über das Ver-
hältnis der beiden bekannten Attribute zueinander vielleicht auch hierüber
gewisse aufklärende Folgerungen gezogen werden können. Spinoza selbst leitet
dazu an, wenn er nach der Erläuterung des Parallelitätssatzes hinzufugt:
»Ebenso verstehe ich es mit den übrigen Attributen.« A'ergeblich zw;ir
wäre der Versuch, streng beweisbare Aufstellungen darüber zu machen,
was er mit den unendlich vielen Attributen eigentlich gem'^int und wie
er ihr Verhältnis zueinander und ihre Vereinbarkeit mit der göttlichen
Einheit sich zurechtgelegt habe. Es fehlt eben an zwingenden Belegen
aus seinen Schriften. Aber man kann immerhin fragen, auf welche Weise
man aus seinen eigenen Grundbegrilfen und Theoremen heraus die Lehre
nach dieser Seite ergänzen könnte, und kann versuchen, sie sich dadurch
gewissermaßen verständlicher zu machen, als sie dem Urheber selbst ge-
wesen sein mag, der offenbar bis zuletzt über dieses Problem nachgesonnen
hat. Der Sinn der folgenden Untersuchung kann also nur der sein, fest-
zustellen, was Spinoza auf die hier entstehenden Fragen von seinem Stand-
punkt aus hätte antworten können oder vielleicht sogar müssen. Dem
Philosophen muß es erlaubt sein, in philosophische Systeme noch etwas
tiefer einzudringen, als es die Akten an sich gestatten. Hat doch schon
Eduard Erdmann geglaubt, seine Auffassung der Attribute als bloßer Ver-
standesformen Spinoza zuschreiben zu dürfen, wenn er selbst kein ein-
ziges Zitat dafür beibringen könnte. »Ich dürfte dies, wie icIi auch sagen
darf, daß jeder Mensch, wenn er zu schielen versucht, die Pupille ver-
ändern muß, obgleich nur sehr wenige Schielende wissen, daß dem so
ist.« Aber so schlimm steht es, wie wir sehen werden, doch auch in
unserem Falle nicht.
Vier Fragen sind hier vornehmlich aufzuwerfen :
1. Wie denkt Spinoza über die Möglichkeit einer aktuell unendlichen
Zahl überhaupt?
2. Wie verträgt sich die unendliche Zahl der Attribute mit der be-
haupteten Einfachheit Gottes?
40 Stumpf:
3. Was läßt sich unter den niclitgegebenen Attributen denken? In
welcher Richtung wären sie etwa zu suchen?
4. Welche Verhältnisse können oder müssen zwischen ihnen obwalten?
I. Möglichkeit einer aktuell unendlichen Zahl.
Spinoza scheint den Begriff einer aktuell unendlichen Zahl sonst nicht
für zulässig zu halten. Er spricht mehrere Male darüber aus Anlaß seiner
Behauptung, daß Gott das Attribut der Ausdehnung zukomme'. Seine Gegner
hatten gefolgert: dann müsse er unendlich ausgedehnt sein, also unendlich
viele Teile haben, was absurd sei. Diese Absurdität einer aktuell unend-
lichen Zahl scheint nun Spinoza zuzugeben, wenn er auch die gewöhnlichen
Argumente der Peripatetiker mit einer gewissen Mißachtung anführt. Er
))egegnet dem Einwände vielmehr dadurch, daß die Ausdehnung, von der
er hier spreche, als Attribut Gottes betrachtet, überhaupt keine Teile habe.
Nur die einzelnen Körper innerhalb ihrer könnten geteilt werden, die Aus-
dehnung selbst nicht. Er setzt dabei oft'enbar den engsten Begriff von
»Teilung« voraus, nämlich Teilung in selbständig existierende Dinge. Die
Abschnitte des Raumes, die wir unterscheiden, können nicht selbständig
für sich existieren. Darum und insofern hält er sich berechtigt, zu sagen,
der Raum habe keine Teile'.
Spinoza lehnt also hier nicht die aktuell unendliche Zahl ab, sondern
die Teile. Wenn er nun aber zugibt, daß der Begriff der unendlichen Zahl
' Diese Lehre selbst, die Ausgedehntheit Gottes, erklärt Spinoza in den Cogitata ineta-
physica noch für unmöglich. Zwar die Vollkommenheiten der Ausdehnung müßten eminenter
in Gott sein, aber nicht ihre Unvollkommenheiten, z. B. die Teilbarkeit. Hier wird auch
noch behauptet, daß wir Ausdehnung ohne Existenz vorstellen könnten, was später, wie für
alle Attribute, geleugnet wird. In De emendatione intellectus (Schluß Nr. 2, 3) unterscheidet
Spinoza die Vorstellung einer unendlichen Ausdehnung, die der Verstand unabhängig von
allen anderen Vorstellungen bilde, und die einer bestimmten Ausdehnung, die ihm von
außen gegeben werde. Im Kurzen Traktat verteidigt er die Ausdehnung als Attribut Gottes
(S. i9ff.), und zwar bereits in ähnliche)- Weise wie in der Ethik.
- Daß die Substanz (Gott) unteilbar, lehrt die Ethik 1, 13. Die Ausdehnung Gottes.
wird in der angegebenen Weise im Scholion des 15. Lehrsatzes verteidigt, t'ber die ^lög-
lichkeit des Unendlichen und über die doppelte Ausdehnung vgl. auch den Brief an L. Meyer
vom 20. April 1663 (Ep. 12). Nicht uninteressant sind Spinozas Betrachtungen über das un-
endlich Kleine und die Diskussion der zenonischen Schwierigkeiten im 2. Teil der Principia
philosophiae (.\irtesianae. pr. 6 schol. Diese Dinge waren aber von den Spätscholastikern
noch viel eingehender und mit großem Scharfsinne diskutiert worden.
Spinozastudien. 41
in sich selbst absurd sei, so würde dies auch für die unendlich vielen
Attribute gelten. Es kommt noch die Schwierigkeit hinzu, daß er lehrt,
alles, was in der Mehrheit existiere, existiere nicht durch sich', während
die Attribute durch sich existieren sollen.
Köimte man nun J. E. Erdmann darin zustimmen, daß die Unterscheidung
der Attribute überhaupt nur eine subjektive sei, so ließe sich ihre unendliche
Zahl allenfalls auch als eine bloß potentielle Unendlichkeit fassen. Zu-
gunsten der Subjektivitätstheorie könnte man hier sogar anführen, daß
Spinoza die Zahl mit der Zeit und dem Maß zusammen als bloße Modi
des Denkens, genauer des sinnlichen Vorstellens, erklärt'"'.
Aber die Erdmannsche Auffassung ist schon bei Ausdehnung imd Denken
undurchführbar. Und was sollten vollends die unendlich vielen sonstigen
Auffassungsformen? An eine bloß potentielle Unendlichkeit denkt überdies
Spinoza bei der Definition des allerrealsten Wesens sicher nicht. Was ondlicli
die Subjektivität des Zahlbegriffes anlangt, so würde eine logische Ab-
surdität doch auch in bloß subjektiven Vorstellungsformen unzulässig sein.
Die unendlicli vielen unbekannten Attribute müssen also doch wirkliche
göttliche Eigenschaften sein, die wir nur niclit näher kennen.
Hat Spinoza tatsächlich die Absurditäten im Begriff einer unendlichen
Zahl als solche anerkannt, so wüßte ich ihn gegen den daraus wider seine
Attributenlehre folgenden Einwand nur dadurch zu verteidigen, daß er die
unendliche Zahl als eine Zahl in anderem Sinne wie die endlichen Zahlen
(Anzahlen) gefaßt habe. Er hat dies nicht ausgesprochen, aber man darf
es wohl mit Wahrscheinlichkeit als seine Meinung in Anspruch nehmen.
6. Cantor, der in neuerer Zeit diesen Gedanken nicht bloß gefaßt und
ausgesprochen, sondern in weitestem Umfange durchgeführt hat, nennt aller-
dings gerade die Lehre von den imendlich vielen Attributen die Achilles-
ferse des spinozistischen Systems*. Er denkt dabei an die Forderung der
absoluten Unendlichkeit^, die Spinoza aufstellt (ens absolute infinitum
' Ep. 34 (an Huygeiis).
* De intellectus einendatiune, 5. Schlußtliese. Ep. 12 und 50. In den C'ogitiita ineta-
physica heißt es einmal (I, c. 6) sogar, man könne genau genommen Gott nur im uneigent-
lichen Sinne einen nennen (sofern eben Eins auch schon als eine Zahl gilt). Ebenso Ep. 50
(2. Juni 1674).
* Über die verschiedenen Standpunkte in bezug auf das aktuelle Unendliche. Zeit-
schrift f. Philosophie Bd. 88, S. 231.
* »Das Absolute ist unvermehrbar und daher mathematisch undeterminierbar.«
Phil.-hist.Abh. 1910. Xr. 4. 6
42 Stumpf:
I (ief. 6), während Cautors transfiiiite Zahlen eine fortwährende Weiterzeugung
noch höherer Unendlichkeiten gestatten und verlangen. Sie sind sozusagen
ein potentiell aktuelles Unendliches. Darum bliebe eine Schwierigkeit auch
dann übrig, wenn man Spinoza von dieser Seite her zu Hilfe kommen wollte.
Aber wir dürfen aucli daran noch erinnern, daß Spinozas Gotteslehre
einen stark mystischen Anstrich hat, daß er darin von Gif)rdano Bruno,
wohl auch von Nicolaus von Kues und weiter zurück von den mittelalter-
lichen und patristischen Mystikern l)eeinflußt ist, jedenfalls sich mit ihnen
in Übereinstimmung weiß, und daß den philosophischen Mystikern aller
Zeiten Widersprechendes im Gottesbegriffe möglich schien (coincidentia
contradictoriorum bei Nicolaus v. Kues).
2. Die Vielzahl der Attribute und die Einfachheit Gottes.
Die unendliche Zahl der Attribute also zugegeben : wie verträgt sie
sich mit der be]iau])teten Einfachheit Gottes?
Die Ausleger, die immer wieder diese Frage als eine spezielle Schwierig-
keit der spinozistischen Lehre behandeln, scheinen nicht zu wissen oder zu
bedenken, daß die Verträglichkeit mehrfacher Attribute mit der Einfachheit
Gottes — das Problem ist ja das nämliche, auch wenn nur eine endliche
Zahl angenommen wird — von der gesamten Scholastik, mit besonderer
Ausführlichkeit von der Spätscholastik, besprochen und unter ungeheurem
Aufwand von Scharfsinn und von Distinktionen zu lösen Acrsucht wurde.
Wirklich lösbar ist die Frage natürlich nur unter der Bedingung, daß die
Unterscheidung verschiedener p]igenschaften in Gott als eine rein subjektive
(distinctio merae rationis) behandelt wird, was fär die Attribute Spinozas
sicher nicht zutrifft.
Gerade für Spinoza ist nun aber diese Frage weniger brennend als für
seine Vorgänger. Er hat, was nicht bemerkt zu werden pflegt, in den
späteren Schriften fast niemals die Einfachheit, sondern nur die Einheit
oder Einzigkeit Gottes, diese allerdings mit besonderem Nachdruck, be-
hauptet^ Wo er aber wirklich in den späteren Schriften noch von der Ein-
^ So in der Ethik I, 14 und cor. i: II. 4.
Die Eint'acliheit wird behauptet Principia philosophiae Cartesianae P. I, prop. 17: Deus
est ens simplicissimuni. Ebenso in den angehängten Cog. met. II, c. 5. Dagegen im Kurzen
Traktat nur die Einheit oder Einzigkeit: S. 24 und 27. An der erstei-en Stelle werden die
Eigenschaften Gottes zusammengefaßt, älmhch wie in der Etliik am Sclilusse des i. Teiles,
und wird ebenso wie dort die Einzigkeit hervorgelioben, aber nicht die Einfachheit. Be-sonders
Spinozastudien. 43,
fachheit spricht, wie in den Briefen an Huygcns (Ep. 35, 36, vgl. Kurzer
Traktat S. 20), da zeigen die näheren Ausführungen, daß er in erster Linie
die Zusammensetzung Gottes aus räumlichen Teilen abwehrt, die ihm wegen
des Attributs der Ausdehnung vorgeworfen wurde. Er leugnet nur die
physischen Teile, in die die Substanz zerfallen würde (Ethik 1, 12, 13 u. ö.),
nicht aber die sogenannten metaphysischen Teile; wie denn auch der öfters
wiederholte Ausdruck der Ethik und anderer Schriften (Kurzer Traktat S. 16),
daß die Substanz aus den Attributen bestehe, ihre unbedingte Einfach-
lieit ausschließt. In den Cogitata metaphysica, einer der frühesten Schriften.
wird allerdings ausdrücklich die Einfachheit in jedem Sinne, auch liin-
sichtlich der metaphysischen Teile (modi), behauptet. Aber diesen Stand-
punkt hat er eben mit der Ausbildimg seiner Lehre offenI)ar verlassen.
Wenn man die scholastischen Bezeichnungen anwendet, die Spinoza
wohlbekannt waren, so würde bezüglich der attributiven Teile nicht von
einer distinctio merae rationis, aber auch nicht von einer distinctio realis
oder auch nur formalis oder modalis (Scotus, Suarez) zu sprechen sein,
sondern von einer distinctio rationis cum fundamento in re. Die Attribute
sind zunächst verschiedene Begriffe, unter denen wir Gott auffassen:
aber daß wir dies können und müssen, wurzelt in der göttlichen Natur
und nicht bloß in unserem Verstände. Die Definition des Attributes zu
Beginn der Ethik: »quod intellectus de substantia percipit, tanquam ejusdem
essentiam constituens« besagt in anderen Worten das nämliche. Spinoza
nennt die Attribute gelegentlich geradezu realiter distincta'. Aber das
kann nicht im technischen Sinne der Scholastik gemeint sein, sonst würde
in der Tat nicht nur die Einfachheit, sondern auch die Einheit Gottes
aufgehoben und Polytheismus an die Stelle gesetzt sein.
So hebt sich meines Erachtens dieser Stein des Anstoßes dadurcli, daß
Spinoza die absolute Einfachheit Gottes gar nicht gclelirt hat.
V)ezeichnt'nd ist auch eine Stelle im Briefe au L. Meyer vom Jahre 1663 (Kp. 12): »Sequitur
quod Substantia non multiplex sed unica duntaxat ejusdem naturac cxistat.« Man müßte als
fiegonsatz zu multiplex envarteu: simpIex. .Aber Spinoza weicht dem Ausdruck geradezu aus.
Es .scheint also, daß Spinoza in der früheren Zeit die scholastische Lehre von der
absoluten Kinfachhcit Gottes festhielt, in der späteren Zi'it aber (den Kurzi'n Traktiit rücke
ich mit Freudenthal entschieden näher als die übrigen kleinen Schriften an die Ethik heran)
gerade mit Rücksicht auf die Vielheit der realen Attribute davon abgi'komnien ist und die
Einfachheit nur in Hinsicht der physischen Teile festgehalten hat.
' I, 10 schul., wo er gleichwohl die Einheit betont und ihre Verträglichkeit mit der
Viellieit der Attribute als eine durchaus klare Sache bezeichnet.
6*
44 Stumpf:
3. Die unendlich vielen Attribute als Analoga von Denken und
Ausdehnung.
Man hat versucht, etwas darüber zu bestimmen, was sich Spinoza
etwa unter den unendlich vielen nichtgegebenen Attributen gedacht habe.
Daß es ihm mit dieser Lehre voller Ernst gewesen und daß nicht, wie
F. H. Jacobi meinte, eine bloße Akkommodation vorliege, kann nicht be-
zweifelt werden. Spätere Pantheisten wie Schelling und Hegel würden
freilich nicht zugegeben haben, daß uns das Wesen des Absoluten nur
zum unendlich kleinsten Teile bekannt, daß es durch Natur und Geist
nicht erschöpft sei. Insofern könnte man sagen, das Ideal des Rationalis-
mus, die restlose Durchdringung des Weltganzen durch die Vernunft, sei
bei Spinoza vielmehr einem fast vollständigen Verzicht geopfert. In Wirk-
lichkeit liegt es aber für ihn doch nicht ganz so schlimm ; wie sich weiter
unten zeigen wird.
Bratuschek, ein Schüler Trendelenburgs, hat geglaubt, die Natur der
unendlich vielen Attribute aus einer Stelle Spinozas herauslesen zu können'.
Im 20. bis 22. Lehrsatz des 2. Teiles der Ethik ist von der »idea mentis«
die Rede, d. h. der Vorstellung, die wir von unserem Vorstellungsakte selbst
haben, dem Selbstbewußtsein. Da der Geist die Idee des Körpers ist, so
haben wir hier, sagt Spinoza, die Idee einer Idee; und er fugt bei, daß
dieses ins Unendliche gehe. Ja, es heißt auch ausdrücklich, daß die Idee
des Geistes mit dem Geiste selbst auf die nämliche Weise vereinigt sei
wie der Geist mit dem Körper. Also haben wir hier, schließt Bratuschek,
die unendliche Reihe der Attribute, die gleichwohl alle substantiell ver-
einigt sind und deren Modi untereinander durchgängig parallel laufen".
' »Worin bestehen die unzähligen Attribute der Substanz bei Spinoza?« Philosophische
Monatshefte 187 1.
- Kuno Fischer hebt richtig hervor, daß Spinozas Wege sich hier von dem Sensaa-
lisnius trennen, da es sich bei dieser Vorstellung der Vorstellung nicht um ein sinnlich an-
schauliches Vorstellen handeln könne. Nur ist es nicht richtig, daß sich Spinoza damit von
Locke entfernt habe, denn Locke ist eben auch nichts weniger als Sensualist, da er die
reflection von der Sensation klar und bestimmt scheidet.
Man kann die idea mentis auch wieder zum Beweise dafür anführen, daß unter »idea«
im 2. Buche der Ethik der \'orstellungsakt und nicht der Vorstellungsinhalt verstanden ist
Denn der Inhalt kann sich nicht selbst zum Inhalt haben, wohl aber kann der Akt Inhalt
eines neuen Vorstellungsaktes werden.
Spinozastudten. 45
/
Danach hätten wir bei Spinoza die vo^crews vötjcris des Aristoteles in un-
endlicher Vervielfältigung*.
Aber die Deutung ist mit Recht abgelehnt worden. Das gedachte
Denken und das denkende Denken sind eben doch beide ein Denken, das
eine »formaliter«, das andere »objective«. Es ergibt sich nicht eine neue
Kategorie, und Spinoza selbst versäumt nicht, dies ausdrücklich zu ver-
merken: »mentis idea et ipsa mens una eademque est res, quae sub uno
eodemque attributo nempe cogitaüonis, concipitur. « Wir hören ja auch immer
wieder, daß der menschliche Geist kein anderes Attribut als Ausdehnung
und Denken erfasse ; was er doch täte, wenn -die Idee der Idee ein neues
Attribut bedeutete. Im 64. Brief, wo Ausdehnung und Denken in gewissem
Sinne deduziert werden, fügt Spinoza ausdrücklich hinzu, daß aus diesen
beiden kein anderes Attribut erschlossen oder begriffen werden könne, was
doch nach dieser Hypothese der Fall sein würde. Endlich ist Spinoza
auch sicherlich nicht der Meinung gewesen, daß hier eine aktuell un-
endliche Reihe vorliege. Nicht einmal an die Möglichkeit, in der Reihe
beliebig weit zu gehen, scheint er zu denken. Sie ist ihm vielmehr schon
mit der idea mentis selbst abgeschlossen. Er nennt diese die Form der
Vorstellung, sofern sie ohne Beziehung auf den Gegenstand betrachtet
werde. Damit will er wohl sagen, schon der primäre Vorstellungsakt sei
außer auf den primären Gegenstand auch auf sich selbst gerichtet und
damit die Reihe abgeschnitten; »denn eben damit — fahrt er fort — , daß
einer etwas weiß, weiß er zugleich, daß er dies weiß und daß er weiß,
daß er es weiß und so weiter ins Unendliche^«. Wenn Spinoza das Ver-
hältnis zwischen der idea mentis und der mens dem Verhältnis zwischen
Geist und Körper gleichsetzt, so kann sich dies nicht darauf beziehen,
' Dieselbe Auffassung vertritt Windelband, Geschichte der neueren Philosophie* (1907)
S. 222: Da die idea mentis keine Vertretung im Attribut der Ausdehnung habe, schiene der
Parallelismus der Attribute in Frage gestellt. Die Lösung dieser Schwierigkeit habe Spinoza
in den letzten Lebensjahren im Briefwechsel angedeutet. Die Attribute sollten sich in eine
Reihe ordnen, innerhalb deren jedesmal die Modi des vorhergehenden den Vorstellungsinhalt
der Modi des folgenden Attributs bilden. Auf dem Grunde der körperlichen Welt erhebe
sich eine Stufenreihe von Welten von immer höherer Geistigkeit. Dem Menschen falle
nur die Teilnahme an den drei untersten Attributen, Ausdehnung, Bewußtsein und Selbst-
bewußtsein, zu.
Auch A. Tumarkin gibt (Spinoza S. 57) eine Deutung, die auf dasselbe hinausläuft.
^ Vgl. auch die Stelle De iutellectus emendatione S. 1 1 f., wo ein regressus in infinitum
abgelehnt wird.
4(5 Stumpf:
daß liier ein neues Attribut auftrete, sondern nur auf die reale Identität
der beiden Glieder und die Parallelität ihrer Veränderungen.
Muß es also dabei bleiben, daß die Attribute in sich selbst unbekannt
sind, wie uns Spinoza ja auch immer wieder versichert, so würden doch
nähere Bestimmungen durch gewisse begriffliche Konstruktionen gegen die
gebotene Diskretion nicht verstoßen. Wenigstens über die Richtung, in
der die gesuchten Attribute lägen, könnte sich Spinoza eine Vorstellung
gebildet haben. So ließe sich z. B. daran denken, daß die Dreizahl der
Dimensionen unseres Raumes etwas Zufalliges an sich hat. Warum sollte
es nicht Räume von jeder beliebigen Dimensionenzahl geben, und zwar
alle gleichzeitig miteinander? Sie würden natürlich unter sich ohne jede
räumliche Beziehung sein, da diese schon einen Raum voraussetzen würde,
wären also weder als nebeneinander noch als einander durchdringend zu
denken, aber sie wären zur Einheit verknüpft durch das Denkend Eine
Unterlage dafür iindet man allerdings bei Spinoza nicht. Noch weniger
hat er natürlich an die unendlich vielen möglichen Räume von verschiedenem
positiven und negativen Krümmungsmaße gedacht, von denen die heutige
Pangeometrie spricht. Für ihn gibt es keinen evidenteren Satz, als daß
das Dreieck zwei Rechte zur Winkelsumme habe. Überdies ist diese
wie die vorige Möglichkeit durch die Konsequenz des Systems geradezu
ausgeschlossen. Es ist allenthalben Si)inozas Überzeugung, daß die Gesetzlich-
keit, wie wir sie in der Natur finden, sich mit der Weltgesetzlichkeit
restlos decke. 'I'rotz der unendlich vielen Attribute gibt es nur eine Gesetz-
lichkeit, die in jedem in gleicher Weise und vollständig zum Ausdruck
kommt. Gäbe es alter Räume mit mehr als drei Dimensionen, so gäbe es
auch (iesetzlichkeiten, die über die dreidimensionalen hinausgehen. Und
wiederum, gäbe es Räume von verschiedenem Krümmungsmaße, so gäbe
es (>benso viele verschiedene Gesetzlichkeiten.
Aber in anderer Weise k(")nnen wir, glaube ich, Spinozas Gedanken
näherkommen. Seit Riemann wird der Raum unter den allgemeineren
Begrill" der Mannigfaltigkeit subsumiert. Es gibt schon in unserer Er-
fahrung außer ihm noch andere Mannigfaltigkeiten, d. h. Gattungen von
Vorstellungsinhalten, denen eine bestimmte mathematische (Gesetzmäßigkeit
' Eine \er\vanclte Anscli;iuung hat F. Brentano in den letzten Jahrzehnten seines
Lebens ausgebildet. Er läßt die iiiehrdiiuensionaleii Räume untereinander durch das Null-
dinieiision.'de, Geistige verbunden sein. Siehe C). Kraus, Franz Brentano, 1919. S. 77.
SpinQzastvdifn. 47
innewohnt. Man braucht nur an die Zeitlinio (wir meinen die phänomenale
Zeitlinie, nicht die objektive, die jetzt als vierte Raumdimension behandelt
wird), an die Linie der Tonhöhen, an die Intensitätsgrade der Empfindungen
zu denken, auf welche alle die (Geometrie der Linie unverändert anwendbar
ist. Auch bei den Farben gibt es lineare (^)ualitätonreihen wie von Schwarz
zu Weiß, von Rot zu Gelb. So sind dt>nn auch dreidimensionale Inhalts-
klassen denkbar, die den stereometrischen Gesetz<>n unterlägen und die
darum ebensogut wie die dreidimensionale Raumanschauung uns ein konkr<'t
anschauliches Bild der physikalischen Vorgänge darbieten würden, wiewohl
in der Erfahrung tatsächlich keine solchen dreidimensionalen Inhaltsklassen
außer der Raumvorstellung selbst gegeben sind. Mag nun Spinoza an
solche Analogien aus der Erfahrung ausdnicklich gedacht haben oder nicht:
den Begrifl' einer dem Räume analogen ^lannigfaltigkeit in abstracto
muß er gehabt haben, da er die nichtgegebenen Attribute denselben (ie-
setzen wie die gegebenen unterworf<'n und doch inhaltlich von ihnen ver-
schieden denkt.
Hier läge nun die erste Möglichkeit, sich die imendlich vielen Attribute
und zugleich ihren inneren Zusammenhang zurechtzulegen: alle diese Mannig-
faltigkeiten wären in gleicher Weise Gegenstände des göttlichen Denkens.
Dieses wäre gleichsam, um ein Lieblingsbild Spinozas bei so manchen
Erörterungen zu gebrauchen, das Zentrum eines Kreises, dessen Peripherie-
punkte die unendlich vielen übrigen Attribute darstellen würden. So hat
sich offenbar Tschirnhaus zuletzt Spinozas Meinung vorgestellt. Er Avendet
dagegen ein, daß danach das Attribut des Denkens sich viel weiter erstrecken
würde als die übrigen Attribute. Es würde eine ganz exzeptionelle Stellung
einnehmen, was der sonstigen Gleichstellung aller Attribute nicht entspräche.
Spinoza hat aber in seiner Antwort leider diesen Punkt gar nicht berührt.
Vermutlich teilte er Tschirnhaus' Bedenken gegen diese Auffassung der
Lehre, aber er teilte die Auffassung selbst nicht.
Nun läßt sich aber eine analoge Verallgemeinerung des Begriffes wie
beim Räume auch beim Denkattribut vornehmen. Neben dem uns empirisch
aus der Selbstbeobachtung bekannten Vorstellen und den Bewußtseinsfunk-
tionen überhaupt (cogitare) könnten zahllose andere Formen der sogenaimten
immanenten Existenz von Gegenständen oder der intentionalen Beziehung,
jenes undefinierbaren, aber allen Bewußtseinsfunktionen zukommenden Ver-
hältnis.ses zwischen Akt und Objekt, bestehen. Wie Analoga für die räum-
48 Stumpf:
liehe Ausdehnung, so sind auch Analoga für das Denken ein möglicher
Begriff. Und wie dort von Mannigfaltigkeiten, so könnte hier etwa, in Ver-
allgemeinerung eines Spinoza nicht unbekannten scholastischen Ausdruckes,
von Intentionen gesprochen werden'. Wir hätten dann ein unendliches
Reich psychoider Zustände, von denen die gegebenen nur einen Einzelfall
darstellten.) Spinoza selbst statuiert schon innerhalb der Erfahrungswelt
weitgreifende Unterschiede des psychischen Lebens bei den verschiedenen
Tieren, Pflanzen und unorganischen Körpern, welchen letzteren er gleich-
falls ein Denken im weitesten Sinne des Ausdruckes zuschreibt. Von diesem
Denken können wir uns auch schon kein Bild mehr machen. Und so lag
der Begriff psychoider Intentionen, die überhaupt nicht mehr unter das
Attribut cogitare subsumiert werden können, sondern nur Analoga dazu
darstellen, durchaus in der Linie der Erweiterungen, an die er gedacht
haben kann, wenn er auch den Begriff nicht mit diesem Wort und in dieser
Weise förmlich ausgesprochen hat.
Dadurch ergibt sich eine zweite Möglichkeit für die Definition der un-
endlich vielen Attribute, bei der auch dem erwähnten Bedenken von Tschirn-
haus Rechnung getragen ist: Jeder der unendlich vielen Intentionen wird
eine der unendlich vielen Mannigfaltigkeiten als ihr Gegenstand zugeordnet
gedacht. Wir erhalten dann eine doppelte Unendlichkeit gegenseitig aufein-
ander hinweisender, in engster Wesensbeziehung stehender Attribute. Man
kann auch kurz sagen: eine reale und eine ideale Reihe von Attributen, beide
' Der Ausdruck findet sich nach Baumgartner (Überwegs Grundriß der Geschichte
der Philosophie II, 1915, S. 376) schon in der lateinischen Version der Schriften Avicennas,
die bereits die intentio prima und secunda, d. h. die Richtung auf das primäre Objekt, die
Sinnesinhalte, und auf das sekundäre, die psychischen Funktionen selbst, unterscheiden.
Der nacbskotistische Scholastiker Petrus Aureolus setzt, wie ich bei K. Werner, Die
Scholastik des späteren Mittelalters II, S. 68 lese, die Ausdrücke intentio und forma schlecht-
weg für Akt und Inhalt: »Forma appellatur species rei coniprehensae, intentio vero species
comprehensionis« . Suarez nennt die species intelligibiles auch species intentionales (Opp. HI,
p. 616: Quidnam sunt species intentionales).
Nicht richtig übersetzt L. Schütz in seinem Thomas-Lexikon Intentio mit »Ähnlichkeit,
Abbild«. Der Satz des Thomas : »Species recipitur in organo sensus per modum intentionis
et non per modum naturalis fonnae« bezieht sich auf die aristotelische Lehre, daß das Warm-
werden und das Empfinden der Wärme, die Aufnahme der Form mit der Materie und
die ohne die Materie, zu unterscheiden sei (Brentano, Ps}ch. d. Arist. 79 ff.). »Recipitur per
modum intentionis« heißt: die Foi-m, z. B.Wärme, ist Gegenstand eines psychischen Aktes,
einer psychischen Beziehung; oder Betätigung.
Spinozastudü'» . 49
unendlich und Punkt für Punkt einander zugeordnet. Denken und
Ausdehnung, wie wir sie kennen, und alle ihre Modi, also auch unser
Geist und Körper, sind nur ein spezieller Fall dieser allgemeinen Zu-
ordnung.
Dies scheint nun nach mehreren Äußerungen die eigentliche Meinung
Spinozas gewesen zu sein, und jvir dürfen geradezu die Ausdrücke «idearum«
und »rerum« in der Formulierung des 7. Lehrsatzes allgemein auf die Modi
der idealen und realen Reihe in diesem Sione beziehen. Schon im Korollar
des vorausgehenden Lehrsatzes heißt es : » res ideatae '.r suis attributis con-
sequuntur«. In diesem Plural liegt offenbar die Voraussetzung, daß nicht
bloß das Attribut der Ausdehnung, sondern auch andere (eben alle »realen«
Attribute) ideierte Dinge als ihre Modi enthalten. Res und idea können
hier nur in verallgemeinertem Sinne verstanden sein. In der Erläuterung
des 7. Lehrsatzes selbst fügt Spinoza, nachdem dargelegt ist, wie die Ord-
nung <Ier ganzen Natur dieselbe bleibe, möge man sie unter dem Attribut
des Denkens oder dem der Ausdehnung betrachten, weil der wirkliche Kreis
eben nur Objekt der Vorstellung des Kreises sei, bedeutsam hinzu: Ebenso
verstehe ich es mit den anderen Attributen (et idem de aliis attri-
butis intelligo). Die beiden Attribute gelten ihm also als Prototype für
alle anderen. Und in der Antwort auf Tschirnhaus' Bedenken, warum der
Geist nur das Attribut der Ausdehnung begreifen solle, erklärt er (66. Brief),
die unendlich vielen Attribute, in denen ein und dasselbe Ding im unend-
lichen göttlichen Intellekt ausgedrückt sei, entsprächen eben auch nicht
einer, sondern unendlich vielen Ideen, die nicht den (ieist eines einzel-
nen Dinges, sondern unendlich viele (Jeister konstituierten imd alle unter-
einander keine gegenseitige Verknüpfung hätten. Wenn man dies beachte,
bleibe keine Schwierigkeit mehr'.
Schon E. Böhmer folgerte aus dieser Stelle: »Inhaltlich ist jedes Attribut
nur seiner Perzeption (Idee) bekannt»"'. Wenn er freilich weiter schließt:
' Ep. 66: Dicii, qiiod, fjuanivis <inaqiiiie(|ue n*s infinitis iiuidis exprcssa sit in iiifinito
Dei intellectu, illae tarnen infinitae ideai-, quibus expriinitur, unani cjindciiKiiie rci .singiilaris
Mentcm constituere nequcunt, sed infinitas: quanduque unatiuaequi' hiiiuin infinitanini idea-
rum nullaii> connexionem invict^ni hal)ent.
Vgl. schon im Anhange dvs Kurzen Traktats die merkwürdige Stelle S. i55ff., vvn
von den unendlich vielen Attributen, die ebenso ei ne Seele haben, die Rede ist.
' Spinozana, Zeitschr. f. Philiis. u. philos. Kritik Bd. 42, S. 102.
Phil.-hi$t. Abh. 19W. Nr. 4. 7
50 Stumpf:
»Die Substanz ist als das Gemeinsame der Attribute nur Abstraktion . . .
Der unendliche Verstand ist in Wirklichkeit nur eine Mehrheit von so vielen
unendlichen Intellektionen, als es göttliche Attribute gibt . . . Gott ist ein
Plural von Potenzen, ein P^lohim«, und wenn er das System als einen
Polykosmismus bezeichnet', so werden wir jetzt prüfen müssen, wie Spinoza
sich solchen Folgerungen hat entziehen können.
4. Wesensverknüpfung aller Attributenpaare.
Gibt das Voranstehende die Meinung Spinozas oder wenigstens die Ver-
mutungen, die er über die Natur der unendlich vielen Attribute hegte,
wieder, so ist damit zugleich etwas über die zwischen ihnen bestehenden
Verhältnisse ausgesagt: nämlich, daß er je zwei unter ihnen in ähnlicher
Weise zusammengehörig dachte wie Denken und Ausdehnung. Auch seine
Antwort oder vielmehr sein Nichtantworten auf eine Frage Tschirnhaus'
kann man hierher beziehen. Dieser legt ihm die Frage vor, ob nicht auch
Wesen mit drei oder vier Attributen denkbar seien, da doch Spinoza den
Satz aufstelle, daß ein Wesen um so mehr Attribute haben müsse, je mehr
Realität es habe. Spinoza stellt dies nicht direkt in Abrede, sondern ver-
weist nur darauf, daß er eine solche Behauptung nicht als Prämisse brauche
(63. und 64. Brief). Aber er hätte es doch einfach zugeben können, wenn
es seiner Meinung entsprochen hätte.
Daß damit die Frage nach dem gegenseitigen Verhältnis der unend-
lich vielen Attribute erledigt wäre und keine weiteren Schwierigkeiten
blieben, wird man allerdings nicht zugeben können. Denn es fehlt sozu-
sagen die Querverbindung aller dieser unendlich vielen Paare. Wir er-
halten statt der juxtaponierten Attribute zunächst scheinbar doch nur juxta-
ponierte Attributenpaare.
Aber hier könnte man auf mehrfache Weise der Lehre zu Hilfe kommen,
um diese Querverbindungen herzustellen. Zuerst etwa so: Jeder Intention
sind zwei Mannigfaltigkeiten und jeder Mannigfaltigkeit zwei Intentionen
zugeordnet. Aber jedes psychoide Einzelding ist nur die Idee der Modi
einer einzigen Mannigfaltigkeit, so der menschliche Geist die Idee der Modi
der Ausdehnung. Wir hätten gleichsam, um wieder das Symbol des Kreises
Kbenda S. 121. Bd. 57, S. 258.
SpinozastvAÜen. 51
zu benutzen, folgendes Bild, das nach beiden Seiten ins Unendliche fort-
zusetzen wäre:
Der menschlische Geist (überhaupt der Geist im empirischen Sinn,
alles Psychische in der uns gegebenen Welt) samt seinem primären Inhalt
wäre durch einen dieser Kreise definiert. Alle übrigen Ps5'choide würden
Analoga darstellen. Dieselbe Idee, die, auf die Ausdehnung gerichtet,
menschlicher Geist genannt wird, konstituiert, auf eine andere, uns un-
bekannte, Mannigfaltigkeit gerichtet, ein bloßes Analogon des Geistes. Auf
die nämliche Mannigfaltigkeit ist dann wieder eine uns- unbekannte In-
tention gerichtet, die wieder ein neues Analogon darstgllt usw. Um in
einer Lieblingswendung Spinozas zu sprechen: Dieselbe Intention, insofern
(quatenus) sie die Ausdehnung zum Objekte hat, ist menschlicher Geist,
insofern aber die benachbarte Mannigfaltigkeit, ist sie nur ein Analogon
davon, gehört sie einem anderen Attributenkomplex an.
Es ließe sich dies aber noch so erweitern, daß man jeder Intention
sogar unendlich viele Mannigfaltigkeiten zugeordnet dächte und umgekehrt.
Das Denken würde dann, wie bei Tschirnhaus' Fassung, ein Mittelpunkt
sein für eine Peripherie unzähliger Manigfaltigkeiten, unter denen die Aus-
dehnung eine wäre, jede von diesen aber wieder ein Mittelpunkt für eine
Peripherie unzähliger Intentionen, unter denen das Denken eine wäre. Die
göttlichen Attribute wären dann ein Unendliches höherer Ordnung. Der
Geist als die Idee der Modi der Ausdehnung wäre hier gegeben durch
einen Radius eines dieser Kreise. Jeder andere Radius entspräche einem
Analogon dazu, das zwei andere Attribute unter sich verknüi)fte.
Für diese beiden Anschauungen würde sich die durchgängige Paralle-
lität der Veränderungen innerhalb der einzelnen Attribute ex constructione
ergeben. Denn von einem einzigen realen Attribut, wie unserer Ausdehnung,
müßte die immanente Gesetzlichkeit mit logischerNotwendigkeitauf das ideale
bzw. die idealen Attribute übergehen, die ihm zugeordnet sind, und wieder
von jedem dieser Attribute auf das reale oder die realen, denen es zugeordnet
ist. Und so würde alles mit allem in Wesensverbindung stehen. Gilt
52 Stumpf:
die Parallelität auch nur innerhalb eines Paares, wie Ausdehnung und
Denken, und gehört jedes Glied dieses Paares zugleich einem benachbarten
Paar an, so muß notwendig die Ordnung und Verknü])fung der Modi auch
in diesem die nämliche sein, und so überhaupt. Damit erhielte Spinozas
Bemerkung im Scholion des 7. Lehrsatzes: »et idem de aliis atributis
intelligo« ihre volle Rechtfertigung.
Aber freilich : Positives wüßte ich nicht dafür beizubringen, daß Spinoza
sich das Verhältnis in einer von diesen Weisen zurechtgelegt hätte. Man
kann nur sagen, daß solche Möglichkeiten in der Richtung seiner Gedanken
gelegen haben müssen. Aber er selbst scheint sich bewußt gewesen zu
sein, daß sein System in dieser Beziehung nicht fertig geworden war; wie
er denn das Scholion mit dem Bekenntnis schließt: nee im])raesentiarum
haec clarius possum explicare«. Vielleicht lag seinem mathematikliebenden
Geist auch der Gedanke nicht fern, daß sämtliche Mannigfaltigkeiten unter-
einander und ebenso sämtliche Intentionen untereinander nur Glieder einer
unendlichen Reihe seien, in die sich das Wesen des Absoluten gesetzmäßig
auseinanderlegt. Auch so wäre eine unzerreißbare Kette gebildet.
Die bloße Berufung auf die Einheit der göttlichen Substanz da-
gegen würde nur dann eine wirkliche Gewähr für die einheitUche Ver-
knüpfung aller Attribute und für die Parallelität ihrer Gesetzlichkeiten be-
deuten, wenn die Substanz als etwas die Attribute Durchdringendes und
sich wie ein gemeinsames Band durch sie Hindurchziehendes gedacht würde.
Mit der Gleichung: »Substanz = sämtliche Attribute« würde dies aber
nicht stimmen, und darum erschien es geboten, sich die Möglichkeiten zu
vergegenwärtigen, die S])inoza auch ohne Änderung seines SubstanzbegrifFes
gestatten würden, an der Einheit Gottes oder des Weltganzen festzuhalten,
mögen sie ihm auch nur dunkel vorgeschwebt haben und in sich selbst bei
weiterer Verfolgung wieder zu neuen Schwierigkeiten fuhren.
5. Der Zentralgedanke des Spinozismus.
Zum Schlüsse möge betont werden, wie sehr die identische Gesetz-
mäßigkeit der Veränderungen innerhalb der unendlichen Vielheit der
Attribute im Mittelpunkte der spinozistischen Philosophie steht. Darin
allein, nicht in der absoluten Einfachheit der göttlichen Natur, liegt Spinozas
Monismus beschlossen. Man kann beinahe sagen, die einheitliche Welt-
Spinozastudien. 5H
gesetzlichkeit sei ihm die göttliche Subst<anz. Jedenfalls ist sie ihm unter
allen Kigenschaften <les göttlichen Wesens die wichtigste.
Es war seine Überzeugung, daß d.'is Attribut der Ausdehnung und
die Kenntnis seiner (Jesetzlichkeiten allein schon genüge, um daraus nicht
bloß die (iesetzlichkeit des Denkens, sondern auch die aller übrigen uns
unbekannten Attribute, also die gesamte Weltgesetzlichkeit, zu erkennen.
Man könne, lelirt er nachdrücklich, aus jedem Attribut die Substanz er-
kennen. Jedes drücke ihre ewige und unendliche Wesenheit vollständig
aus. obgleich keines mit einem anderen identisch sei. Die innere Struk-
turgesetzlichkeit, auf die unsere Erkenntnis zielt, ist eben in allen die
gleiche'. In diesem Siime sagt er gelegentlich auch, die Attribute seien nur
verschiedene Definitionen der Substanz.
Schien durch die unendliche Vielheit der unbekannten Attribute der
liationalismus, der eine erschöpfende Welterkenntnis fordert, preisgegeben.
so ist er auf diesem Wege für Spinoza rehabilitiert und mit ihm zugleich
der Naturalismus, dem die Naturgesetzlichkeit die Weltgesetzlichkeit über-
haupt bedeutet.
Nur dann, wenn man den wesentlichsten Charakter der göttlichen
Substanz und jedes einzelnen Attributs in der einen, immanenten Gesetzlich-
keit sucht, gewinnt auch die Lehre von der Erkenntnis sub specie aetemitatüf
ihren wahren Sinn. Spinoza behauptet, daß jede Vorstellung eines einzelnen
wirklich existierenden Körpers bereits die ewige und unendliche Wesen-
heit Gottes in sicli schließe. Wir brauchen uns nur vom einzelnen Modus
zum Attribut zu erheben, dem er angehört, um Gott in ihm zu erkennen.
Verstände er unter dem Attribut der Ausdehnung nichts weiter als den
Allgemeinbegriff der allen Körpern gemeinsamen Eigenschaft, ausgedehnt
zu sein, so gäbe es doch kaum eine wertlosere, inhaltsärmere Erkenntnis
als diese, den leeren Begriff des leeren Raumes. Anders wenn die »infinita
Dei potentia«. die unerschöpfliche Fülle der potentiell in der Ausdehnung
eingeschlossenen Gesetzmäßigkeiten, der Beziehungen, Gestalten und Ver-
" Schon diese Identität der Gesetze verbietet uns, mit Kiino Fiscbei- die Attribute als
Kräfte zu fassen, wenigstens als Kräfte im Sinne der heutigen Naturwissenschaft, da für die
Verschiedenheit von Kräften gerade die Verschiedenheit ihi:er gesetzlichen Wirkungsweise
das Maßgebende ist Aber es kommt natürlich darauf an, was man unter Kräften vei'steht.
Sofern Spinoza die Modi aus den Attributen heivorgehen. durch sie verursachen läßt, kann
uiau sie auch als Kräfte bezeichnen, wie er dies selbst im Kurzen Trakt-it noch getan hat.
54 Stumpf:-
änderungen darunter verstanden wird. Das Avar es doch auch, was unsere
klassischen Dichter und Schleiermacher zu Spinoza hinzog. Die bloße Sub-
sumtion aller Dinge unter einunddenselben leeren Allgemeinbegriff hätte
wenig Anzielmng auf sie ausgeübt.
Wie weit man in solcher Ausdeutung der starren, immer in gleichen
Ausdrücken wiederkehrenden Formeln seiner Darstellung gehen darf, ohne
die geschichtliche Wahrheit zu verletzen, kann allerdings gefragt werden,
wird sich aber niemals ganz bestimmt entscheiden lassen. Man hat dabei
namentlich mit dem Umstände zu rechnen, daß die Definition der Substanz
als der Summe oder des Ganzen der Attribute von Spinoza selbst nicht
stets in diesem strengen Sinne festgehalten wurde. Denn wenn er am
Schlüsse der Ethik den amor intellectualis Dei als einen Teil der unend-
lichen Liebe bezeichnet, mit der Gott sich selbst liebt, so schreibt er
Gott Selbstliebe und damit auch (zulblge seiner Affektenlehre) Selbst-
erkenntnis zu. Dasselbe hat man -aus anderen Stellen gefolgert, und kurz
vor seinem Tode hat es Spinoza in einem Brief an Oldenburg (Ep. 75)
direkt ausgesprochen. Dann muß also jene Gesamtheit der Attribute selbst
wieder Gegenstand eines darauf gerichteten unendlichen Denkaktes sein
und damit das Attribut des Denkens alle anderen umspannen und durch-
dringen. Man kommt so doch zur Definition der Substanz als eines alle
Attribute Durchdringenden, in allem sich Regenden, allem immanent zu-
grunde Liegenden. Das ist ja auch der eigentliche Sinn pantheistischer
und panentheistischcr Weltanschauung, während die Definition Gottes als
der Gesamtheit der Attribute Gott und Welt einfach identifiziert und
ebensowohl als Atheismus bezeichnet werden kann. Diese Alternative hat
sich aber Spinoza allem Anscheine nach nicht klar vorgelegt, oder er ist
von der Grundlegung bis zum Abschlüsse der Ethik unmerklich aus der
einen zur anderen Auffassung übergegangen. Die innere Folgerichtigkeit
des Systems freilich mußte darunter leiden. Denn dieses kennt keine
Substanz ijebcn den Attributen, kein Übergewicht eines einzelnen Attributs
über die anderen und kein Erkennen, das nicht in dem Attribut des
Denkens schon inbegriffen wäre. Die Inkonsequenz ließe sich nur ver-
meiden oder vermindern, wenn hier von Erkenntnis in einem anderen
Sinne gesprochen würde, als es dem Attribut Cogitare entspricht, was
aber wieder nach anderen Richtungen zu Unzuträglichkeiten führen würde.
Spinozastudien. 55
Mit Sicherheit geht aus dem Gesamteindruck seiner Darstellung wie
dem Wortlaut und dem Tone vieler einzelner Ausführungen dies eine
hervor, daß nicht der Parallelismus der Attribute an sich, auch nicht der
pantheistische Monismus an sich, sondern die Überzeugung von der lui-
Acrbrüchlichen Gesetzlichkeit des Weltlaufes einschließlich aller mensch-
lichen Begebenheiten und Handlungen, alles Denkens und Wollens, Liebens
und Ilassens der Mittelpimkt von Spinozas Weltanschauung war. Sein
Monismus verdient den Namen, wie schließlich jeder, nur sehr cum grano
salis, sein Parallclismus wird durch den erkenntnistheoretischen Primat der
Ausdehnung eingeschränkt und ist ihm überhaupt nur darum wiclitig, weil
damit die ausnahmslose Naturgesetzlichkeit der P>eignisse von dem Attribut
der Ausdehnung auf alle übrigen übergeht. Die Notwendigkeit des Geschehens
selbst al)er steht ihm unbedingt und um ihrer selbst willen fest. Zu diesem
(jedanken hatte er sich in der Jugend aus äußeren und inneren Bedräng-
nissen durchgerungen und darin seinen Frieden gefunden. P> ward ihm
gleichsam die p'ormel für den Gleichgewichtszustand der menschlichen
Seele gegenüber der Welt und dem Leben'. Und zwar ist dies»" Not-
wendigkeit für Spinoza nicht, wie fiir seinen ))hiloso])hischen (Jcgncr Leibniz
oder für die Stoa, deren l.ehre und (ieist sonst im 1 7. Jahrhundert weit-
hin nachwirkt', eine einsichtige, von einer höchsten Intelligenz erkannte
und anerkannte, sondern (prinzijuell wenigstens) eine blinde. Wenn er
die Kausalität mit der logischen Folge identifiziert, so ))edeutet dies doch
nicht, d?iß der Prozeß der Bewirkung ein Vorgang des Schließens selbst
wäre, sondern nur daß ein Sachverhalt durch einen anderen in der ^Veise
bedingt ist, wie der Inhalt eines Schlußsatzes durch den der Prämissen.
' Sieheden Anfang der Schrift Do intellcctus einendatione und dnzu P^tli. V,6: »(^uatcniis
Mens res omnes ut necessarias inteliigit, eatenus majorem in afTectus potentiam iiaijet, seii
minus ab iisdem patitur.«
Bezeichnend ist, daß im Kurzen 'I"i-aktat 1, c. 4 unter den i;igensch.T('ten Gottes nls
erste die Notwendigkeit seines Wirkens angeführt und behandelt wird. Dazu wird man
in der Scholastik schwerlich ein Soitenstück finden. Im übrigen sind Belege zu diesem
Punkt überflüssig -- man müßte fast jede Seite zitieren.
'' Hierüber vgl. besondere Diltheys Ausführungen im II. Bande seiner gesannnellen
Schriften (1914). Nach S. zSsff". ist es sehr wahrscheinlich, daß die Stoa durch Vermittlung
der niederländischen Humanisten, z. B. des Lipsius, aber auch durch Telesio und llobbes
auf Spinoza eingewirkt hat. "
56 Std M PF r
Es bedeutet nicht ein Concludere, sondern nur ein Sequi'. Nur durch die
blinde Notwendigkeit alles Geschehens erachtete er die quälende Frage
nach dem Warum als definitiv abgeschnitten. Auch die r>ehre von der
Selbsterkenntnis Gottes vermag den prinzipiellen Ausschluß der lebendigen
Vernunft aus den »Wiu-zeln aller Dinge« nur scheinbar zu mildern. Denn
diese Selbsterkenntnis ist eben nur die Selbstsjjiegelung des in sämtlichen
Attributen identisch abrollenden Weltprozosses, der aber in keiner Weise
aus ihr folgt. Sie ist nur ein Zuschauen, nicht ein Bewirken". Vor allem
aber: das Weltgeschehen verwirklicht keinen Sinn, Zweck oder Wert. Die
Welt ist ein System der Geometrie, und in der Geometrie hat der Begriff
des Guten keine Stelle. Jede Art von Teleologie, auch die weitherzigste
wie die Lessings, Herders, Goethes, bleibt grundsätzlich ausgeschlossen. In
diesem Punkte gestattet die Lehre S])inozas nirgends auch nur von fem
eine mildere Deutimg oder Konzession. Die unverbrüchliche, aiif sich selbst
beruhende, sich selbst genügende Notwendigkeit alles Seins und (Geschehens
ist der stahlharte Kern seiner Weltanschauung.
' Allerdings gebraucht Spinoza einmal beide Ausdrücke in Verbindung miteinander.
II, 6, cor.: eodem modo eademque necessitate res ideatae ex suis attributis consequuntur et
concluduntur ac ideas ex attributo (jogitationis consequi ostendimus.
^ II, 6, cor.: Esse formale rerum, quae modi non sunt cogitandi, non sequitur ideo ex
divina natura, quia res prius cognovit.
Spiuoz(istväli')i .
Inhalt.
Seit.-
I. Der Parallelisinus der- Modi iniierlialb der Attriljiitc Airsdi-Iinimsf und Diiiikcii ... 3
1. Die Bewei.sfiihruDg für den Parallelitütssat/. Klli. II. pr. 7 3
2. Akt lind Inhalt gemäß ari.stotelisch-scholastischei' I'sycliologi«' 9
3. Denken und Au.sdehnung = Akt und Inhalt 18
4. Geist und Körper nach I"th. II, pr. 1 1 tV. 28
5. Wahrheit und Falschlieit nach Kth. II, pi-. 32 fV. 32
6. Die spinozistische und die gegenwärtige I'arallelilätslehre 34
H. Die unzähligen Attribute 38
1. Möglichkeit einer aktuell uni-iidlichen Zahl 40
2. Die N'ielzah! dur Attribute und die l'.intachlieit (iotte-s 42
3. Die unendlich vielen Attribute als Analoga von Denken und Au.sdehnung. . 44
4. VV'esensverkniipfung aller Attributetipaare .")()
5. Der Zentralgedanke des Spinozismus .'i2
Hcrlin. i;fiilni<-kt in <I<t K.-irhsilnickrrn.
I'hit.-hi»t. Abh. IUI!). Ar. /.
ABHANDLUNGEN
DER PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
JAHRGANG 1919
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE
Nr. 5
VOM KOKTÜRKISCHEN ZUM OSMANISCHEN
VORARBKITEN ZU EINKR VERGLEICHENDEN GRAMMATIK
DES TÜRKISCHEN
2. MITTEILUNG: TliKK KINKiK SCH ALLNACHAHMEN DE VERBA
3. MITTEILUNG: DAS FORMANS -71/ BEI VERBEN AUF -a USW.
VON
W. HANG
IN DARMSTADT
BKRLIN 1919
VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
IN KOMMISSION BKI DKK
VKREINKiUNG WISSEiNSCHAFTLlCIIER VERLKCiKIl WALTER DE GRUYTER U. CO.
VOKHAI« (i. J. (i<)S< HKNSCHK VERLAIiSIlANIIE.lTN«. J. IM' TIKN TAG. VKRLAr.SBlIfHHANDI.I'N'^
liKOKIi KKI31KK. KARI. J. TRÜBNKR VEIT l'. roMP.
Vorgelegt in der Gesamtsitzung am 27. März 1919.
Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 20. August 1919.
n. über einige schallnachahmende Verba'.
W enn es mir vergönnt gewesen wäre, als Jüngling zu Füßen des jungen
Steinthal zu sitzen, so hätte ich wohl dieser Mitteilung den jugendlich kecken
Untertitel »ein glottogonischer Versuch« mit auf den Weg geben müssen.
Wie die Verhältnisse liegen, haben mir jegliche apologetische Absichten fern-
gelegen: mein Bemühen galt nur den Formen, deren verwirrende Fülle zu
meistern mir kaum auf den ersten Wurf geglückt sein wird. So habe ich das
Empfinden, ich hätte gut getan, abermals 30 Jahre zu warten, bis die alten
Quellen reichlicher, die neuen reinlicher fließen. Das aber wäre dem Wüten
des Kronos gleichgekommen: ich ziehe vor, den Fachgenossen gegenüber
den Untertitel »Vorarbeit« nachdrücklich hervorzuheben.
I.
§ 1. Das Verbum öksür- bedeutet im Dschag. Osm. Krm. »husten«, imll § 1
Dschag. auch »mit Krachen platzen«; das kiptsch. Glossar vom Jahre 1245
hat für »husten« die Form j^\, was Houtsma 52 öksür- liest. Dagegen finden
wir CC60 Ofcur- »husten«, lies öskür-, dem das aderb, öskür- entspricht. Ich
iialte öskür- für die ursprünglichere Aussprache, aus der öksür- erst durch 5
' Die Abkürzungen sind die auch sonst von mir gebrauchten. Außerdem bedeuten:
KDsrn den ersten Teil meiner Abhandhing Vom Kök türkisclicn zum Osmanischen
(.\B.\\V fiiripiyNr.ö); AtüD meine Arbeit Aus türkischen Dialekten (KeletiSzemle XVIII,
Budapest 1918, SS. 7 — j8) und BtüW meine Beiträge zur türkischen Wortforschung lo
(Türän für 1918, Budapest 1918, SS. 289 — 310) und ihre Fortsetzungen, die durch ' bezeich-
net sind: Mtü.Spr meine Monographien zur türkischen Sprachgeschichte (SHAW,
Jahrgang 1918, 12. Abhandlung); Pel. ^= K. I'ehssier, Mischär-Tatai-ische Sprachproben
(ABAW ffir 1918 Nr. 18).
Mit rkWb ist das kleine russisch-kirgisische Wörterbuch, PyccKo-KHpriiscKifi C.ioBapb 15
Kazan 19 10, gemeint. Hier und da habe ich durch iWb angedeutet, daß ein Wort im
Wb fehlf.
r
4 Bang:
II §1 Metathese entstanden ist'. Dieses ösknr- zerlege ich in ös-kür- und sehe in
ÖS ein schallnachahmendes Element, während ich für -Mir auf die folgenden
Paragraphen verweise.
Das Nomen oksürük »Husten« ist eine -Ä:-Ableitung, wie wir deren noch
5 mehrfach finden werden; es ist bisher im Osm. und Krm. belegt; im Dschag.
wird öksüräk registriert mit bemerkenswertem -ä-.
§ la. Ein nominales *ös dürfte auch vorliegen in schor. sag. koib.
ktsch. üstä- »seufzen« > küär. östö-; letztere Form auch Prob. II 522 1024 ff.
in der Bedeutung »ächzen«. Da es außerhalb dieser Dialekte nicht registriert
10 ist, so muß es vorläufig unentschieden bleiben, ob östä- das Ursprüngliche
ist oder ob es für *öslä- steht = »6s machen« : vgl. die denominalen -/a-Verba
in den §§ 4 ff.
Hierher ist wohl auch zu ziehen: cuwas. üshk »Husten« < *öslik und
cuwas. nz9r- »husten« <*ö's/r-usw. (vgl. § 2 Schluß); vielleicht über *r;«r- usw.
15 wie gagaus. usür-, u'sürük (Prob. X 109 12)'".
§ Ib. Neben *ös scheint ein gleichwertiges *öt gestanden zu haben, das
durch y-Prothese zu *yöt werden konnte. Wir finden:
I . Kiptsch. ötür- (Houts. 44) »husten«, CTitrundet im kar. L. ätkirik »Spei-
chel, Schleim«; CG 136 yötkür-, auch alt. tel. dschag. ostt. Das Nomen yöt-
ao kiir im Alt. Tel. Im Tob. yütkür- und yiitkürük »Auswurf, Schleim (beim
' Durch Metathese erkläre ich das auch sonst lehrreiche alt. tel. Xeh. yätkär »Schlechtig-
keit, Falschheit, Versuchung: der Teufel", das Prob. 137254 in letzterer Bedeutung vor-
kommt; yätkär steht für *yäktär und dies für yäklär. weil in den genannten Dialekten -ql-.
-kl- zu -qt-, -kt- wird (vgl. Prob. I 1 53 4u özöktör »Flüsse«, s^^spal'iqtar »Fische«). Dieses
»5 yätkär aber wird schon längst nicht mehr als Plural gefühlt; daher tritt die Adjektivendung
■l--liy an: alt. yäktärlü, leb. yaktärliff «schlecht, falsch, ränkevoll, vom Teufel besessen».
Daß die Erstarrung nicht ei'st jüngeren Datums ist, wissen wir aus dem manichäischen
Chuastuanift, das schon yäktärlägün bietet (L^Ss; L5314).
Wie hier -l'iy an den eretarrten Plural geti'eten ist, so finden wir das Abstraktformans
30 -l'iq bei erstarrtem Dativ: Prob. IV656U kickä/ik kilip cayirdi »am Abend kommend schrie
er« (vgl. Türän, Budapest 1918, 91 ft".). Sieh den Lokativ in ondatiq unten S. 4618.
' Gagaus. ü- entsteht: durch Kontraktion in üt- »mahlen« := osm. öyüt-, ün- -prahlen«
= osm. öyün-, üf- »brüllen« = osm. öy'ür-. Ein Kehllaut ist auch verschwunden: in usfk »hoch«
^ osm. usw. yüksäk (vgl. Sul.-Kun. 154 öksek\), usüi »Waise« = osm. usw. öksüz, des Suffii-
35 anlauts wegen entstimmt aus uig. öy.süz »mutterlos«. Unerklärlich sind uns heute: un »Wolle,
Haar« :=; yün, y'äh usw. (Dehnung in einsilbigem Wort?), sowie usen- »faulenzen« = osm. üsän-
(vgl. schor. özäii, kumd. öiön »unfolgsam, nachlässig«?), das wohl durch -iä-n- (AtüD § i ff.)
von einem auf Guttural auslautenden Nomen abzuleiten sein wird.
Vom Köktnrkm-hen zum Oimuinisclicn. 5
Husten) « , kaz. diütkir-. Von *yötiir- sodann : tub. küär. yödür-. Prob. V 1 8 7 1 582 n § ib
wird yötkür- durch »spucken« (Blut) übersetzt. Im Schor. entrundet öädir-.
2. Tar. dschag. ostt. yötcil »Husten«, yötäl- »husten« : tar. tob. yütäl
»Husten« und das a-Denominativ tax. yütfiln- »husten«: kaz. dzütnl; balk.
zötel und zötel et-, jak. .sötöl (Böhtl. 161 a)'. Ablautend (?) tel. yödi'd und das 5
denominale yödülda- <,yödül-lä. Olme y-: Kar. T. ötäl (Wb. I 1265) entrun-
det Kar. L. (itnl'\ sowie sag. cedil, &dil- > sag. cidil cidil-^.
§ 2. Für »niesen« gebrauchen das Osm. und Krm. eine Form aqsir-,
dem das dschag. aqsir- entspricht; Nomina sind aqsir iq, aqsiriq und die -«-Ab-
leitung aqs'iriS »Niesen«. Aderb, a^str-, a-x^stfi'^/j. Auch hier hatte schon 1°
das Kiptsch. die Lautfolge aqsur- (Houts. 50); bei Sul.-Kun. 9 findet sich:
»aksirmak : eksinnak, atsa vurmak*. — Niesen« . Der Gewährsmann von Kunos
ist zu dem anlautenden e- in dem sonst gutturalen Worte wohl durch Un-
kenntnis der folgenden Formen gelangt: osm. krm. ansir-, geschrieben y^ I.
ansinq und amir- (fWb.; wird I 197 erwähnt) bei Hindoglu geschrieben -s
3*y~^*. tragaus. ansir-.
' Mit der progi-es-siven Rundung wie in Prob. \' 75 491 yötöUir »er hustet- <, yötälär. —
Was die Prothese von y- Ijei rundem Vokal anbetrifft, so vgl.: Kiptscli. yöräu- »lernen«
(Houts. 109: neben ögrän- 51) ^ gagausiscli yäf-hi-; dschag. yöyiis neben uig. dschag. öffüi
• viel«; kar. T. yütc (=r gagaus. yev: »Haus-) ;-= äte usw. Das (iagausische gebraucht auch ju
son.st häufig die y-Prothese: yöl- -sterben -. y'irdfk rEnte- usw. Vielleicht liegt hier doch
slawische Beeinflussung vor?
' Schwierig Ist die Beuiieilung von leb. yö^ö- -husten-. Ist etwa y-Prothese anzn-
nehineii und Kürzung^' 1"^ .stünde dann yöiri- für *oc-ä, vgl. sag. koib. üstä- (< oclä-) -ächzen,
röcheln-; zu Sc- »Luftröhre«. Wie aber ist CC 138 öi'irac oder eher-/ (lies öcAräV) -Husten- ^i
zu beurteilen? Hier scheint doch wieder eine Basis *'«' vorzuliegen, zu der *öv-ä-, *fk'-k(i-
gehöieu würde.
Ein solches denouiinales Verbuni auf -a scheint aucli in dem (jaqa- vorzuliegen, das
Pi'ob. VI 141 10 auftritt (fW^b.): mama qaqap bir yötäldi -die .\lte hustete- ; zu *qaq vgl.
unten § 17 8. 3"
^ Die Entrundung im Schor und Sagaischen ganz' isoliert stehend und wohl dnrcli
ö- veranlaßt?
• Zu diesem itntr- vgl. den (Gebrauch von jeter in jeter iin cri, jet/r de hauts cri.s. Auf
türkischem Gebiete ist sal- verbreitet: Prob. III 169 114 obai ml- -weh schreien- — obaita- (!),
HI 283 1 oibai! oihai ! »aldi -sie januncrte gewaltig-, ebend. '/.. 4 nibailadi: III 99 8, 158 279 aiyai 35
sat- -schreien, brüllen- =: 0170«^- (!) in III 132 78 (zu aiyai, aiqai vgl. unten § 7 a). Prob.
11292663 qh'ya sal- -ausrufen-, II 345 1458 q'iiya sal- -schreien, rufen- ( Wb. jii *o/-, q'iiqü
■sal-, qiiyi sal-) usw. Prob. IV 198 nu läürän sal- -Lärm machen«, was auch die wörtliche
Bedeutung des osm. nd'ara ieur- -schreien- (Wb. I\' 1983) :=- kaz. tiayra 01- ist: -Lärm
schlageu-. Unklar ist mir Sül.-Kl'n. 144 rn^n»' ur- -schwätzen-, weil mir meue uniiekaunt ist. 40
6 Bang:
II §2 Auch dieses aqsir- mit seinen jüngeren Varianten afiMf- und ansir- er-
kläre ich durch Metathese und vergleiche dschag. asqur-, asquruq (Sül.-Kun.
66 aber wieder esyuruk\) = *as-qir-. Da, wie wir noch mehrfach beobachten
werden (vgl. die folgenden Paragraphen), neben -qir, -kir usw. gern -ir,
5 -ir usw. auftritt', so dürfen wir eine Nebenform *astr- fordern, deren -s- im
Sag. und Leb. regelrecht stimmhaft geworden ist: azir- »niesen«, faktitiv
bar. az'irt- < *as-tr-t-. Vgl. § i 2 a.
Bei Walde' ist s. v. sternuo {'^ h-z. etenitter) der gedankenreiche Aufsatz Grahmonts
Ononiatopees et mots expressifs (Revue des langues i'oiiianes 44, 1901) p. 130 nachzu-
>o tragen, wo auch frz. aUche, atsc/ii erwähnt wird.
§ 3. Ein andres Wort für »niesen« ist: dschag. tüdkür-, fakt. tüdkürt-,
nom. tü^kürük; bei Raquette MSOS 1914 190a tuckur-, kaz. t0ck0r-, t0dlc0rt-,
t06k0r0k. Mit Übergang von -ck- > -Sk- : dschag. kir. tüSkür-, °kürt-, °kürük.
Weiter: tel. kar. T. cückiir-, auch CC 136; dschag. tar. cüikür- sowie alt.
'5 mcür-; balk. Gi/c%ür-, kar. T. döckür-. Bei Sul.-Kun. 51 wird cMkür- über-
setzt durch atse etmek, d. h. etwa »hazzi machen«, und durch flSMrmak
(YoussouF 287 »jaillir, rejaillir, saillir«). Wb. kennt auch osm. sückür-,
dschag. sn§kür-; verdruckt ist Wb. III 15 10 schor. tutqur- für das richtige
tuSqur-, eine gutturale Nebenform, die durch die Annahme eines onomato-
jo poetischen Ursprungs der ersten Glieder viel von ihrer sonstigen Un-
erklärlichkeit einbüßt. Ein ungebräuchliches osm. ttsqir- »niesen« erwähnt
das Wb. Ob es mundartlich im Gebrauch ist, konnte ich nicht erfahren.
Dagegen ist das metathetische tiqsir- und das davon abgeleitete fiqstriq für
' Warum es, ganz allgemein gesprochen, so viele Wörter gibt, deren zweite Silbe
25 in einem Teil der Mundarten mit g-, l-- anlautet, während in anderen ^lundarteu der Silben-
anlaut durch einen Vokal gebildet wird, ist eine der schwierigsten Fragen der türkischen
Laut- und wohl auch Formgeschichte. Vielfach werden wir in der Tat annehmen müssen,
daß nicht sowohl die Lautlehre als viehnehr die Formenlehre im Spiel ist; diese aber liegt
noch recht im argen, und die bis jetzt erschlossenen alten Quellen geben uns oft neue
30 Rätsel auf, statt die alten zu lösen. Das gilt besonders von den Wörtern, deren Stammsilbe
etymologisch uudeutbar ist: kokt, qulqaq «Ohr- :z^ qulyag, qulaq: zu äiäk -Esel« —
das Wort hat schon eine ganze »Literatur- — taucht jetzt in einem manichäischen Texte
die »ältere« Form äskäk auf (L* 16 12) usw. usw.
Gründe lautlicher Art scheinen z. B. im Worte für »Zange- zu wirken; dasselbe
35 ist von qis- »pressen« vermittels des Formans -ya-c, -'•/u-c (MtüSpr. 41 13, 42 a) gebildet:
L* 8 10 ytßsyac, CC 96 chexchac, chescaz, osm. usw. qisqac alt. kir. qisqas, sag. qisqas; kaz. q'isqic.
küär. q'isqiis, tel. schor. q'isq'is, sag. q'isq'is; dschag. qwqac, in dem -u- wohl Rundung durch q-
erfuhr, sonst qisac =^ osm. -l-q'isac »von qis+ac'. Wenn dies besagen soll, daß -ac «c -70c
entstanden ist, wird man zustimmen dürfen. Im Jakutischen lautet das \\'ort kitayas.
Vom Köktiirkischen zum Osmanischen. 7
das »Niesen mit geschlossenem Munde« (vgl. auch Youssouf 1154b) be- n§3
kannt.
Im Schordialekt gibt es Kmir- »schnauben-, simiriq •Nasenschleim", doch auch «iwtjr-
• niesen«. Da s- aus c- entstanden ist, so entspricht die Sippe dem tel. cimyir-, cimir-
• schnauben-, öimyirik, cimirik •Nasenschleim«, wozu auch kmd. ^'im'ir-, ie\. cimyir •schnau- 5
ben« und km6. fimiriq, te\. cimyir'iq -Nasenschleim- zu stellen sind.
§ 4. Im italienischen Teil des CC liegt p. 55 tüpknr- »speien« vor;
der deutsche Teil bringt p. 174 4 die Nebenform ti'tkür-, die nach Wh. III
1531 auch vorkommt im Osm. Krm. Dschag. Leb. Tel. Alt. Scher. Kir. Kkir.
Tax. Sag. Koib. Ktsch. Küar. Dazu tiiküri'ik »Speichel« > osm. tiikrilk; bar. ■»
dafür tiigiirük und das Verbum tügür-\ Dagegen liegt wieder Schwund
des Suffixanlauts vor in ostt. tüpür-, tnpnriik'\ Grundlage des Wortes ist
ein schallnachahmendes *tüp = osia. Nif »das Geräusch des Spuckens«, zu
dem gehören: dschag. ostt. <m/?^/- »ausspucken«, dschag. /w/ÄMr- und dessen
nominale Weiterbildungen tüfkürük, dschag. tnfiirdnk »Wasser, das aus dem '5
Munde fließt«, discha.g. tüfilrdäk »id.«.
NB. Zu np. fe/" -Speichel«, vna. t'uK •Speichel- (Hübschmann. .\rm. Gram. 1 449/50)
sind W. ScHULZES Bemerkungen in KZ 45 S. 95 nachzulesen. Nach meiner obigen Zusammen-
stellung kann onomatopoetische Herkunft der Wörter wohl nicht mehr bezweifelt werden.
Vgl. GrlrPhil I i, n unten: 2, 77 und 86; Hobn Nr. 390: Pott, Ktyni. Forsch.^ \\ 3 S. 13. i jo
bat kvivA. tff-kem -sputare-.
Osm. j>ii/ «Geräusch des Blasens, Wehens- wird mit ät- und da- gebraucht; A&zxi püflä-
> blasen, wehen«.
Labialer Auslaut des Schallelements auch in mandsch. cifembi (spr. difembi) < *6i/-e-n-bi
und cifelembi <, * iif-e-le-n-bi -spucken, ausspucken«. Anderseits Guttural in oksimbi -speien, >5
ausspucken«.
§ 5. Beachten wir die Lehren, die wir aus § 4 ziehen müssen, so
dürfen wir aus den mundartlichen Formen des Wortes für »blasen« eine
ältere, vollere Form *üpkür- zu *üp erschließen: osm. ?'// »der Laut des
Blasens« {üf tüf da- »heftig blasen«; Prob. IV 1174U qisnin yüsnnä ürdü 3°
iif tip »er blies dem Mädchen ins Gesicht, indem er ,üf' machte«) > kaz.
jer/nid. « {0/ it- »blasen«); osm. ad. üfnr- »blasen, mit dem Munde spritzen,
prusten« und Ableitungen; iiflä- »blasen, heftig blasen« {üfür üfiir üflä-
»venter continuellement« Youss. 12 10). Schor. sag. koib. ühür- »blasen,
' Prob. IT 457 i«4« steht tukür- mit Dativ im Sinne von «nach jem. speien, jem. an- 35
speien«; im selben Stück Z. 3410 aber auch tügür-.
' Vgl. kaz. dschag. yxtqn »fein-, uig. ostt. yupqa ~> osm. yufqa\ geminiert alt. yuqqa^
ie\. i'tiqqa. Houts. 104 unter yopqn. CuwaJ. «'«%«!
8 Bang:
n§5 pusten«, auch »bellen«. Sodann schor. ügür- »blasen« > alt. wr-. Unter
diesem Worte stellt Wb. I 1825 diese Sippe zu dem gemeintürkischen ür-
» blasen, bellen« (kom., dschag., alt., tel. usw., kiptsch. bei Houtsma 55
jj\ »hauchen«, äur- gedruckt) > kaz. #r-. Im Cuwas. bedeutet V9r- (Paa-
5 soNEN 199) »blasen, bellen«, ebenso im Jakut. ür- (Böhtl. 49). Ob die
beiden Sippen doch nicht besser getrennt bleiben?
Wb. kennt ein h&r. laly'ir- »bellen«; Prob. IV 27 i8 wird laly'ir- wohl besser durch
• winseln« (wie ein Hund) übersetzt'. Prob. IV 181 lu steht ügrär »sie janunem«; es liegt
wohl das »irrtümliche« -ü- vor: üyrär <. ügürär.
10 Das osm. ürü-, das im Wb. durch »bellen« wiedergegeben wird, übersetzt Yoüssoüp
durch »hurler d'une voix plaintive, gemir (chien)«. Im Kar. L. lautet das Wort yür-.
§ 6. Im kaz. picqir- liegt wohl die ursprünglichere Gestalt des kaz.
tel. piSqir- »röcheln, schnaufen« vor; in den Texten wird es auch durch
»pruhtschen« übersetzt: 1 64 165. In den Texten des 2. und 3. Bandes
IS der Proben lautet es pisqir- »schnauben« (II 1 10 764, 267600; in i46iou,3u).
Ähnlich das osm. püskür- »mit dem Munde spritzen, speien; auspru-
tschen, herausplatzen, lachen« usw. Diesem Wort entspricht sag. koib. püzür-
(< *püsür-) » ausprutschen « .
Wieder ein anderes Schallwort bildet die Grundlage des sag. koib.
30 piTfir- »prutschen, prusten« (Prob. II 3 90 392; aber II 3 i 2 305 pirqir- »rutscht««
für »prustete« ?).
§ 7. Wir wenden uns jetzt zu einer Anzahl von Verben, deren zu-
sammengesetzte Natur so klar zutage tritt, daß sie schon im Wb.
erkannt worden ist:
J5 I. osm. usw. hai »he, ei, o«: osm. haiqir- »schreien, lamentieren«;
osm. haiqirtS »Geschrei«; dschag. haiqir und haiqir- \ dann auch osm. haila-
» schreien« usw.
' Zu 'inircaq »Packsattel« (vgl. meine Bemerkungen AtüD 25 ff.) hat das Tarantschi
die Nebenform linircaq: ich vergleiche jak. link'ir »Geklirr« und linlc'ir gin- »klirren«, wozu
30 dann sachlich herbeizuziehen ist: Prob. I 5 Nr. 75 hTir ciiiir inircaq »der knirrschende,
knarrende Packsattel« und Prob.V 2351030 inircayi sayaqtap »sein Sattel klapperte«.
Das anlautende /- drückt sowohl diesem *ltn als dem obigen */al den Stempel eines Schall-
wortes auf. Ramstedt nimmt KSz XVI 69 für liiiircaq ein sekundäres /- an, dessen Existenz
ich bezweifle, bis sie mir nachgewiesen wird. Zum jak. (ßn- vgl. Böhti.. Wb. 62b: tob (und
35 so häufig mit Klangworten) g'ina silliäbilä »er spie aus. so daß es toh (ein Laut, der den
fallenden Speichel nachahmt) machte«.
Vom KöktiirMschen zum Osmaiiischen. 9
2. uig. osm. usw. ai. kaz. ai-hai, kir. o?-7ai » Ausruf der Verwunderung, II § 7
o, acli« usw. Dazu tel. kkir. aiq'ir- = kumd. aiyiY- »schreien (bei der Treib-
jagd)« ; vgl. besonders Prob. V 70 295 aiq'ii-- »brüllen« (vom Tiger) und
100 1334 (vor Schmerz).
3. osm. usw. a »Ausruf der Verwunderung. 0« usw. Dazu «</«/'- 0^^^'- '
kaz. krm.) »brüllen«: »von a(?) + q'ir, vgl. ai-q'ir-, ba-q'ir-, ca-qir-, qic-qir-,
alle in der Bedeutung: schreien, vgl. arvir-, anir-. haiqir-«^. Das Wort kommt
auch Prob. Vi 46 182 vor und steht gern mit iw/ir- im Hendiadyoin: V
41 I 1453—4, 380 378 U.SW. Vgl. auch alt. tel. osm. a^ir-.
Zur lautlichen Seite von osm. ad. krm. anir- »schreien (vom Esel)«, >"
ad. tob. anyir-, osm. anir- ist wohl § 2 zu vergleichen, doch kann in diesem
Worte an auch ein Versuch sein, die Stimme des Esels möglichst genau
wiederzugeben ' .
Über bc^ir-, baytr- und die anderen oben unter 3 genannten Wörter
ist kaum etwas zu .sagen (vgl. § 159); man kann jedoch der von Radloff -5
aufgeführten Reihe u. a. noch hinzufugen:
4. osm. bögür- y^höyür- »mugir, meugler« (Youss. 95); osm. auch hoyur-
» brüllen«, wozu Wb. ^--fxiqir-i^ hinzusetzt, wa« möglich, aber durchaus
unwahrscheinlich ist: wir haben es eben mit den beiden Schallwörtern
'bö und *bo zu tun ^'>
5. dschag. kkir. Kar. T. ökiir- »weinen, jammern, brüllen, heulen«;
osm. ökür-ökiir ayla- »heftig weinen« (vgl. osm. baytr-f/ayir bayir- »brüllen«):
osm. ügür- »brüllen« (CC 136 nicht unbedingt sicher), osm. öyiir-. I,aut-
gerecht verengert kaz. ükir- »schreien, laut weinen« usw. = tara ügir-
» rufen«. .\uch dieses gern mit fmqir- verbunden: Prob. V 577 1743 ö^wr///) >?
huqinti »er brüllte vor Schmerzen«: im Balk. wird es vom Schrei des Esels
gesagt. Entrundet kar. L. äkir-.
' Im Kkir. steht neben raqir- ein caüir-, das im Wh. nur durch » wimmern- übersetzt
wird, doch kommt Prob. V 592 58 caftrip ■.schreiend-, vom Berkut gebraucht, vor. Hierzu
auch dschag. canirti •Geläute« (bei Sul.-Ki'n. 39: rankh-di: ^ingtrdt — das Klingen). 10
Im Mandschu bedeutet ang -Ge-schrei di-r Usei oder Streitender-, nng sembi ».«chrcieii« :
sembi -sagen- entapricbt im Mand. bei Schallwörlern dem da- des Türkisclien (vj;l. §8);
z.B. hak gembi -husten« (aber kanff und Arfwy -Husten«, kenysimbi "trocljen husten"), jir
jnr sembi • zwitschet n • , jVw -fmht -.scliwinou.. kaka kiki sem' -lachend«.
[A. VON Le Cov teilt mir inzwischen eine .\nzahl von Tiersclireien mit. unter denen 35
ich (ur Qara -Chödscha Hanta- -schreien (Esel)« finde: mit der beliebten A-Prothesi- fiir *anla-.
fiir weiches ich eine Basis * aii iin.setzen würde. Weiteres sieli unten .S. 2i.cj. )
Phil.-hist. Ahh. 1UW. Nr. .'.. 2
10 Bang:
ll§7 6. kaz. s'izytr- »pfeifen« (auch für das Balkarische belegt KSz XV 253).
im Kar. L. T. in der Bedeutung »zischen«; Böhtlingk 39 stellte schon dazu
jak. isir-^. Vgl. krm. s'isla- »pfeifen«?
7. Das Verbum siy'ir- »pfeifen« fehlt im Wb. Es kommt z. B. vor:
V Prob. I 64 181; 11 264 485 ff., 417 1309; Z 1287 sMq »Pfeife« (cf. die Anm. zur
Übersetzung) also wohl aus ''s'iy'inq über "'sir'iq, wozu s'iy'iriqi »Pfeife« usw.
zu vergleichen. Hierher stelle ich auch tel. kmd. s'iyirc'iq »Grille«, osm.
siy'irdziq »Staar«". Im Wb. ist noch kü.är. siqir-, s'iqqir- »pfeifen« zu ver-
gleichen, ob es sich um Lautgemination handelt^ oder ob zwei von Haus
10 aus verschiedene Basen im Spiele sind, kann ich nicht sagen.
8. Osm. hincqir- »schnarchen, den Schluckauf haben, schluchzen« (Redh.
»hiccough, hiccup«); vgl. hiöqtr- {sic)^; dschag. incqir- »weinen, schluchzen,
wimmern« mit Hinweis auf 'incqir-, welches fehlt. Zur selben Basis u. a.
wohl kom. incqa- oder incqa- »kröchzen« (CC 134). ;
15 Da auch in der Stammsilbe -nc- gern zu -c- wird (vgl. yanc-, CC 191 5 = Ps 24 4 yancti
= contrivit, Sul.-Kun. 99 yano- = döw-, ufalal-, rizä ät-; kaz. yänic-: jak.««- -schlagen-:
sanc-, carte- »stechen«, kaz. cänc-, cänic-, kur. cäc-, bar. foöfe- Prob. IV 43 lou, 5412a, kir.
sanS-, sc^or. sas-, sag. koib. sas-, jak. as- usw.), so dürfte auch tel. icqa- »ächzen, .stöhnen«,
\)&T. itsqan-, durch Metathese alt. iqc.a-, hierher gehören; -qa- wie in \i.om. nckät zu *nckä-
20 (8.525). Hierher, als Lehnwort (:'), mong. inckala- »gemir, sanglotter, pousser des cris:
trembloter«, während mong. incagamui, burj. incagänap. insaganam. mand. incamhi »wiehern-
wohl in in-ca-n- aufzulösen sind?
Zu einem Schallwort *iq gehören wohl: alt. tel. iqs'i- »den Schlucken
haben« % kir. gedoppelt 'iqiq »das Schnucken«. Zu iqsi- stellt Paasonen 24
25 cuwas. iksü, J9ksü »Schlucken, Hick«'". Zu 'iqiq darf vielleicht cuwas.
■ Ganz sicher ist der Vergleich allerdings nicht, da jak. isir- auch mit ostt izyitr-
»pfeifen« zusammenhängen könnte: das AVb. 1 1543 au erwähnte izytr- fehlt, dagegen findet
sich 1391 kir. üq'ir »pfeifen, zischen«, wo -.?- lautgerecht aus -s- entstanden sein dürfte, so
daß das Wort zu dschag. isqir- = osm. isqir- gehören würde. Dazu dschag. isqiris »Pfiff..
3° - Eine Übertragung scheint vorzuliegen, wenn das kom. s'iyirc'iq (CC 130) wirklich
• Taube« bedeutet.
' »Konsonantenschärlung bei Schallwort«.
^ Wb. stellt tob. ifskir- {-ts- < -r) »aufstoßen, rülpsen« zu 'its < ic »das Innere«,
worin ich ihm selbstverständlich nicht folgi'n kann. \gl. tar. käkir-, kir. kekir-. ostt. kikär-,
35 kaz. kikir- »aufstoßen«.
* Metathese im tel. i^qi-.
''• Zum Formans vgl. knnid. tub. qoiiiii- »wimmern, stöhnen, brummen«, kir. gi>ls»-
= alt. tel. leb. schor. qinzi- »heulen, wimmern, winseln« (-ni- wie in \.<^r alahzi- »schwanken«
~- kir. alaiida-, leb. alanna-, beide < -la-).
40 Für -si- tritt -Sa- auf in ostt. y'iiisa- »winseln«, vom Hund gesagt (Spr. 94a); vgl.
dschag. yansa- »schwatzen« = bar. yaiiza- uig. d.schag. yansaq, bar. yaiiiaq »Schwätzer«.
Vom KöktnrMschen zum Osmanisehen . 11
r/ßla- »Schlucken haben, hicken« (Paasonen i8) verglichen werden: Iqtq ll § 7
>v/ß-\-la.
9. Nur aus dem Balkarischen ist bis jetzt belegt: maq'ir- »miauen,
blöken, meckern«, ein naher Verwandter von Nr. 4. Zum stimmlosen In-
lautskonsonanten vgl. balk. caqir- »rufen, schreien« =^ osm. myir- (so auch 5
bei HouTS. 71, CC 141; cayur- bei Är85 23 in einem jüngeren Stück) x'ur-
wie bay'ir- y^ bar- (bei den Gagausen daneben cir-). Im Cuwas. ist belegt:
maGjr-, nuuura-, makra- »weinen, blöken«;; vgl. unten § 173.
IL
§ 8. Wenden wir uns nun zum zweiten Element all dieser Wörter, so i»
könnte eine mechanische Betrachtungsweise uns leicht veranlassen, auch
yötkür- und yödür- usw. in yötk-ür- und yöd-ür- < yöt-i'tr- zu zerlegen, wie
dies NiK. OsTROüMow in der Tat und, wie mir scheint, mit Recht bei den
Schall Wörtern wie mirqilda-, m'ifilda- versucht hat, die er in seiner Gram, des
Kazaner Dialekts (Kazan 1876, S. 36 Nr. 7) in tnrrq-'ilda-, mir-ilda- auflöst, 's
Freilich sind Onomatopoetika auf -7 nicht unbeliebt: Prob. V 285 182-3
halamn iinü barq ettl\bati (lies bai'i) yergä yarq etti »des Kindes Stimme er-
schallte, sein Kopf fiel (bei der Geburt) polternd zur Erde« ; V 415 1582 tarq
etip osurdii »er ließ einen krachenden Furz« ; V 457 3003 yürügü qalq etti »sein
Herz pochte« ; V 558 1105 yerdm asfi s'ilq etti »die Unterwelt erdröhnte« ; mit ju
da- für ät-: Prob. V 55 i 853 riralas'i yarq dep qaldt »die Feuerbrände sprühten
knisternd auf«. Wb IV 1827 kir. su burq qitip qainadi »das Wasser kochte
mit Geräusch« etwa »bullerte, blubberte«.
Gegen die Abtrennung yOtk-iir scheint mir aber die ganze Lautgestalt
des Wortes zu sprechen : Schallwörter auf -tk sind mir unbekannt, alle Schall- >5
Wörter auf -k (und -/ oder -s) haben meines Wissens vor dem auslautenden
Konsonanten -/- o(^r -r-'.
osm. yania-, yatiiaq, balk. :ania-. :anidq. Ferner Spr. 94b ija'/Ja- »wehklagen« r= ostt.
kkir. qaqia- (auch unter ^qaqsa- 3), wohl — tel. qaqsi- • wimmern, jammern«, vgl. kaz. iinsi-
-winseln«. Ob hier alter Ablaut oder nur neuere Verderbnis vorliegt, ist schwer zu sagen; 3°
-sa- darf vielleicht mit dem in AtüD behandelten zu.saminengestellt werden, -si- 111. E.
aber nicht mit dem St3 § 5 besprochenen: es scheint vielmehr zu dem ererbten Sprachgut
gerechnet werden zu müssen.
' Vgl. Prob. I 378 76 aq carö'in üiigi cart ättt -die weiße Pfostentür erbebte- ; 1 394 118
»ari ädä tüStu »er fiel klirrend, dröhnend zu Boden« ; III 146 i sirt et- (ein wieder eingerenkter 35
Knochen) •knacken-, vgl. IV 362 n sirt it-, tnirt it- -knacken, krachen- (Finger und Rippen)
ad. part ät- -mit Krachen zerplatzen« (vgl. osm. patla-); Prob. V 122 2073-4 tj'ilt et-, kert et-
•2*
12 Bang:
II §9 §9. Ich würde also vorziehen, den gutturalen Konsonanten zum
Formans zu ziehen und sodann selbstverständlich mit dem ge-
botenen Zweifel — daran denken, -qir, -qur, -yir, -yur, -kir, -kür, -gir,
-gür mit dem gleichlautenden Formans der faktitiven Verba zu
5 identifizieren. Diese Annahme würde uns auch erklären, warum das
faktitive -qir, -yur usw., das in den älteren Phasen recht lebendig war, heute
gegen die Formantien -t, -tur, -ur usw. doch eher zurücktritt.
§ 9a. Sollte dagegen der Guttural doch zum »Thema« gezogen werden
müssen, so kann man sich vielleicht folgendermaßen mit ihm abfinden :
lu Basis ist bei allen diesen Bildungen ein Schallnomen, das durch -iq zum
Verbum wird, worauf das Faktitivzeichen -ur antritt. Denominale Verba
auf -ig' sind u. a. : kär ».spät, Abend« usw.: ostt. usw. käcik- »sich verspäten,
Abend werden« > osm. gäcik-, kaz. klcik-; köz »Auge« : kir. usw. közük- »die
Augen auf etwas richten, mit bösem Auge anschauen; eine Erscheinung,
■ 5 Vision haben« usw. > osm. guziik- »zu sehen sein« usw., kaz. küzrik- »ver-
hext sein (durch das böse Auge)«: yol »Weg«: krm. usw. yoluq- »zusammen-
treffen, auf etwas stoßen; empfangen« > kir. dzolüq-, kaz. dzul'iq-: usw. usw.
Bei Antritt von -ur hätte dann die resultierende Mittelsilbe schwinden können.
Es ist mir eine Sippe bekannt, die möglicherweise so zu erklären ist:
2o von *bilr kann abgeleitet werden: dschag. bi'dä- »mit dem Munde blasen«,
lies bülä- < *hiirlä- und vgl. tar. sai-t. dschag. pViln- »blasen, pusten« < *pürl(i-.
Zu diesem *biir, *pnr sodann: krm. bürük- »Wasser aus dem Munde spritzen«,
tar. püriik- »prutschen« > kir. Kar. T. hiirk- »aus dem Munde spritzen, prut-
schen, sprühen (Regen)«, sart. piirk- »prutschen«; dschag. bürkür- »spritzen«
25 »blubbern- und »knirschen« (vom Trinken und Kauen); V^ 257 17-6-7 bult berdi y'ilt bernt
• er lasselte, er klirrte« {vgl. Paasonen 27 filt): V 450 2779 hört etip ciya ti'dtu -(der Kopf
des Kindes bei der Geburt) kam mit Getöse zum Vorschein«, vgl. Z 2781 malt etip tüiup
ija/d'i »(der Kopf resp. das Kind) fiel poltei'nd zu Boden«; ferner V^6o 1882 tiirs dep tüsö
qaldi »er stieg rasselnd, klirrend vom Pferde • : gedoppelt qars qars kill- »laut lachen, wiehernd
j" lachen« V^ 268 2139, 211 "97 usw.
Zu einem Teile dieser. Wörter wenigstens sind Weiterbildungen auf -ilda- bekannt:
qars (Wb nur Dschag.) »Ton einer Explosion, eines Schusses, des Händeklatschens«; dazu
kkir. qarsüda's- »sich gegenseitig zerren« (?), in den Texten dagegen: Prob. ^"2692163 qarsildai-
»rasselnd« (Pfeil), 272 2371 qarsildat- »klirren machen«. Zu kürs zunächst sag. kiirslä^ (^g'-
35 kürilä-) »krachen«, dann tel. kürsüldä- »einen klopfenden Ton von sich geben«, kir. kürsüldö-
■ schwer aufatmen«, Prob. V 7 4950 kürs et- und kürsüldöt- vom Schwirren, Sausen des Pfeiles;
47-48 tars fit- und tarsitdat- im selben Sinne. Vgl. auch kir. sirlUda- »knacken« zu *cirt
(Pi-ob. III 6 2}. Vgl. § 19.
Varn Köktilrkischeri zum Osinanviclu^ti. 13
(kir. bürkiin- < *t/nrkiis- »sich gegenseitig bespritzen«), alt. tel. pürkür- n^()i
r>=p7(rkü-'i, welches »prutschen«, nach Prob. I 1601511 »ausspeien« bedeutet;
dazu Prob. IV 596 upwr^/ip »spuckend«. Zur Sippe gehört auch kar.L.birfän-
< bürkün- entrundet » bespritzt werden « , wohl auch kar. T. birk- » zerstreuen « .
§ 10. Faktitiva auf -qur usw. sind u. a. die folgenden: yat- »liegen« ^
bildet neben yaür-, yatfir- auch yatijur- (dschag.), yatq'ir- (bar. Prob. IV 15 8n);
ältestes Beispiel bis jetzt PT 654 yabfur-. || Zu tar- haben wir heute turus-,
turyuz-, turyus-. durut-, durdur-: im Osmanischen noch durjur- = turyur- bei
T' 3 I . II Von OS-, m- haben die ostt. Mundarten und das Kirgisisclie jetzt
ozdur-: im Dschag. besteht daneben oz^iur-, das .jetzt in dem uig. Text bei w
PT 6 2 vorliegt. || Ebenso hat as-, az- die Faktitiva asqir-, azyir-, azyir-, azyur-\
letzteres jetzt auch im Uigurischen belegt bei L' 281 19; osm. krm. kaz. ad.
azdir-, schor. asdr-. || Zu kör- haben wir körgilz-. körgiU-, köryit- usw. (vgl.
meine St M 2 5 1 ) ; im Uigurischen finden wir jetzt körkür- » zeigen « bei M "
19 II nebeo dem gehiiiften körtkiir- <i kör-t-kiir bei M* 18 3 usw.: vgl. das -^
gehäufte cuwa.s. k^ixirt- »zeigen« (Pa.^sonen 70) -^ k^(r)-i)ar-t, = *körtürt-^
usw. II So haben wir mit r- Schwund ' zu kir- das weitverbreitete kiyiir-, neben
bar. kirit- »eintreten lassen« (Prob. IV 25 i; fWb ), tar. kir. kirytz-, dschag.
kirgiiz-; girgür- neben girdir- (diese beide, wie es scheint, ungebräuchlich). ||
Zu bil- hat sich neben biklir-, bildi'ir- im Kazantatari.schen ein biU/ir- erhal- =0
ten, mit der leicht modifierten Bedeutung »sich zeigen, sichtbar sein, wer-
den: bemerkt werden, sicli bemerklich machen« (vgl. Wh pildir- unter 2);
uig. dschag. bilgiir-.
§ 11. Ich möchte nun annehmen, daß -qur, -yi'r usw. in dem faktitiven
yatyur- .sowohl als in dem Schallverb b'igür- nichts andres als »machen« »5
bedeutet: yat^iur- »liegen machen«, bögilr- »bö machen«^; es wäre also unser
Formans synonym mit dem faktitiven -f -^ dt-, it- »machen« (Sf S. 925).
das ja anderseits, wie wir im § 8 sahen, bei Onomatopoeticis vielfache Ver-
wendung findet. Hier noch verschiedenartige Beispiele: tiir (alt. tel.) »Ge-
räusch des Fliegens«, ftir ^/V/«/; wrtl. »trrrrr machend« = »schwirrend« : vgl. 3
' Eine der schönsten Faktitivliäut'iingcn, die ich kenne, ist das i-uwaS. {am- -saugen":)
^m»rt- .säugen« •< *äm-iz-t-: vgl. zn am-, im- die Faktitiva: dschag. ostt. kar. I.. T. ämi:-.
kir. kkir. emiz-, sag. koib. ktscli. emis-, .soj. tel. küär. amts-: tar. ämit-: kir. emgiz: kaz. imt:-,
tob. imit-. Zu -2, -s vgl. St» S. 1252.
' Vgl. AtüD S. 18. . 3:.
' Vgl. Walde' .s. V. wi^/o .brüllen«; dort lut. mu und da.s gedoppelte ntulmut facere.
14 Bang:
II §11 Prob. III 309 lo dr etip üsüp ketti »sie flog ,tnT' davon«: pir (osm.) »Ge-
schwirr«, gedoppelt pir pir ät-: Prob. V 319232—3 qaq eikän qa'n/a und quq
etkän quzyun »krächzender Rabe bzw. Krähe« : Saq »Geklapper«, gedoppelt
Saq Saq it- »klappern« »isw. usw. Im Jakutischen zu dem oben erwähnten
5 ImMr das Verb um VinMr g'in- (g'in- = »machen«) »klirren«: Böhtl. 155 sar
g'ina tüs- »fallen, so daß es ,sar' macht«'; vgl. Prob. V 555 994 »im« qil'yan
iinüm »meine Jammerstimme« (aber 583 1957 qalyanl).
§ 12, Zugunsten meiner Erklärung könnte angeführt werden, daßSchall-
verba von der Art derjenigen, die ich im i.Teil dieser Arbeit aufgeführt
10 habe, im Cuwasischen mit ausgesprochenem, ja gehäuftem Faktitivformans
erscheinen: %ardldat- »schnarchen«, außer den von Paasonen 34 herbeige-
zogenen Wörtern vgl. tel. qarqildu-, qorqilda-, qorqulda- »knarren, schnarchen,
grunzen«. Neben dem schon faktitiven yßrlat- steht das gehäufte yßrlat-
tar- »murren, schnarchen«. Dem kaz. mirilda-, m'irq'ilda- entspricht cuwas.
>5 nür'ilDat- »murmeln, schnurren (Katze)«. Für kaz. qitaqla- gelten im öuw.
sowohl hdimkla- a\s> kdnaklat- »gackern«. So k&z. p'isq'ilda-, aber cuw. /j5i5/-
nal- »flüstern«; kaz. äartla- = cuw. Sartlaf- »knallen«; kaz. äat'irda- = cuw.
äajßrDat- »krachen, knistern« (vgl. auch Paasonen 130); usw. usw.
Im Altindischen erscheinen onoinat. Bildungen inei.st mit k^- -machen« verbunden
20 (Wackernagel, Ai. Gram. II, i S. 7 — 8): vgl. besonders die Nomina: ctt-kära- '\J&rm.',jkaiiat-
kära- »Geklingel", iam-kära- »Geheul, Gesumme, Getöse- (Prob.IV34i 978 qab'irya tont etip üzüldo
»krachend brachen seine Kippen-); W. Schulze ftihrt KZ 45 95 au: skr. thtit-kära- -das
beim Aus.spucken entstehende Geräusch- (vgl. phtit kf- »pusten, kreischen« bei Wacker-
nagel): Walde^ erwähnt unter bucca ein ai. huk-kära- -das Gebrüll des I^öwen-.
^5 § 12a. Das jak. Wort für »niesen«, 'ifirt- (Böhtl. §466), ist das einzige
jak. Verbum, das Böhtlingk für den Auslaut -rt anführen kann (im Wrtb. mit
-rd). Es hat vollkommen das Aussehen eines Faktitivs: iCirt- <^'ifir-t
(Böhtl. § 484 3). Seine Erklärung ist meines Wissens bisher von niemanden
versucht worden. Erinnern wir uns, daß oben § ib neben ös ein öt stand,
3° so liegt der Gedanke nahe, neben as habe at^ gestanden und dieses at sei
' Das neue jakutische Wb wird wohl Schallwörter in größerer Anzahl bi'ingen: was
mir an solchen bekannt ist, sieht sehr wenig »urtürkisch- aus, erinnert eher an mong. und
mand. Bildungen dieser Art, über die sich schon Pon einmal ii-gendwo mit Recht sehr
absprechend geäußert hat.
^ Vgl. immerhin dschag. atsa. a/se in §§ 2 und 3: als rein schallmalende Wörter be-
w(^isen sie (Veilich nicht viel — aber schließlich nehme ich ja auch nichts anderes an, als
daß at ein Schall wort sei.
Vom KöktnrHoch^n zum Oimuinischfin . 15
die Grundlage von jak. it-ir-t-: das türk. al- wird zu jak. 'il- »nehmen«, yoMl«äi2n
zu »U- »liegen« usw. Es läge demnach ein gehäuftes Faktitivum vor. Selbst-
verständlich gebe ich diesen Versuch, dem Worte beizukommen, nicht für
wertvoller aus, als er in der Tat ist; nur davon, daß wir uns einem Faktiti-
vum gegenüberbefinden, glaube ich überzeugt sein zu dürfen. i
bÖHTLiNGKS § 185 (vgl. S. 2o6b!, in welchem er aus Sibilanten entstandene Jak. / be-
spricht, ist mii- bekannt. Böhti-ingk vergleicht z. B. osm. isir- -beißen« mit jak. it'ir-x das
Wort hat alle Allüren eines Schallwortes; ich erinner« auch an dschag. tar. usar- .furzen".
Spr. 83a H-iar-, JSFOu XXVI 5 S. 26 tisur-, osm. bos. krm. ad. kir. osur-. dazu osm. osiiniq
• FurZ", osuryan »Furzer- (Youss.), osm. iisuraq -Furaer« = o.suryaq in Jarkend (JSFOu I.e. 'o
S. 43); Hoi'TS. 49 ftgur- eher atur-; alt. tel. leb. schor. küär. sag. koib. oci/-; kaz. tis'ir- „= os'ir-'^
(fWb), kaz. utr'iq -Furz« .,= osriq" (fWb), kaz. tob. tum. tisraq -Furzer" : jak. ntiiruk «Furz«
und das denominale vtnruktä-. Auch hier nehmen wir vielleicht besser zwei lautlich leicht
differenzierte Basen, d. li. Schallwörter, an; vgl. z. H. ruwas. pi^zar- »furzen«, kaz. pUildat-,
kir. p'isildat- mit einer auf .Sibilanten endigenden Basis, anderseits ^ putt -- »pupp« in '5
JSFOu I. c. S. 41 — 42. (*ber die Wiedergabe des akustischen Eindriick.s des Verschluß-
lauts läßt sich eben streiten.
Wer glaubt, mit einer einzigen Basis auszukonunen, kann sich u. a. auf jak. tita /
• Durst, Trank" berufen, das zweifellos dem ostt. usaq »duretig« :=: dschag. osm. susaq
{<.**usa-q oder eher *susa-yaq') entspricht; Böhtlinok 178b verglich schon ittai- -durstig ="
werden« mit susa; ohne sich über die Kinzelheiten auszusprechen, die auch heute noch im
Dunkein liegen: tj>r. f«a- -dursten-, Prob. VI 164 6u usitdi, 3« utudiim, 165 4 usuyan — - tel. suzäq
• durstig" < *Mizayaq <. *m.sa-yaq; MSOS 1914 178a ussa-, Spr. €33 ussiir-, ussar-; h&XV.. ussdp
und susdit »Durst- (vgl. kar. T. mitrsap •durstig«, suw-iapl'iy^ »Durst«); usstir- entspricht mög-
licherweise dem kir. *i7*t<ra- <_ "siib-s'iz-ra- (St 3 1236 .\nm. 2), wie al)ei' ist das auslautende -/ '5
im jak. utat- zu deuten i" Ist das Wort ein Faktitivum {subsat-, sttxat- -tränken.) zu *utä-
( vgl. aio- »essen- >- jak. asä-i asat- -nutern«) und entspricht die.-* *utä- dem tar. usa- <; ussa-'.'
Da utoy, sowohl «Durst« als -Trank •■ bedeutet (ebenso kir. xii,nin). muß diese Erklärung als
möglich gelten, solange keine bessere gefunden ist^.
' Kürzung urspnTnglich kontraktioiislanger Auslautsilbe, z. B. in osm. sann (türkm. ?o
Vamb. sä/in) = alt. tel. si/rSn »kalt, kühl, frisch- «C tel. ■täriigiin: im Ostt. «-Umlaut: tar. sorün.
Spr. 92c sorun, MSO.S 1914 205a .löruv. <.'C 139 fereon lies ■■^ärr/'Un. Küär. siriigiin, leb. schor.
säräri, sag. koib. ktsch. srran. Castrkn 123 siirnn. Mel. as. IX 150 siirori, fiiriiii mit sporadischen]
ä-Umlaut. SiL.-KüN. 171 gibt die Aussprache sirin. die in der Tat bestanden haben muß.
weil süron auf älteres *firon hinweist. 35
Mong. seregün. strigün, mand. sn-guicm (sprich sergiin.') .frais, rafraicliissant.. sind offen-
bar von mong. seremüi, serimüi -s'eveiller. sc reveiller. veiiier... mand. sprrmbi "bemerken- usw..
siTehvn -wachsam- zu trennen: ob särägün einem älteren Kultiirkreis entlehnt ist, weiß ich
nicht; vgl. kir. taza aua -frische Luft« (rkWh 26Tb 311) < dem Iran. bzw. Aral).
'■' Zu yÜT- u.sw. -gehen- gehört das Faktitivum yüriit-: im Jakutischen besteht nur 1°
nrit- »gehen«, zu <lem Böhtlinok im !? 486 S. 291 bemerkt; ..hier ist -< nicht Kausativaffix".
Im Wb 163a erklärt er es für ein Frci|uentativum. wie auch im !; 488. Seine Fret^uentativa
16 B ANG :
n§i3 § 13. In diesem Unglücksparagraphen werde ich nun der Frage nach
der Herkunft des faktitiven -(fir, -yur leider nicht ausweichen können, ob-
gleich ich nichts Sicheres zur Lösung derselben beizubringen habe.
Nahe läge es, das Formans mit q'il- »machen«, jak. km- »machen«
5 (< *q'i-l, bzw. -n'i) zu identifizieren und anzunehmen, das gleichbedeutende
-'ir, -ur sei auf lautlichem Wege daraus gekürzt'.
Obwohl diese Erklärung in der Herleitung des faktitiven -t < dem Ver-
bum ät- »machen« eine gewisse Stütze finden würde, birgt sie große Ge-
fahren in sich; überblicken wir nämlich die hauptsächlichsten Faktitiv-
10 formantien :
-°e ■ -t°r -7°r
-°z -t°z -y°z,
so springt in die Augen, daß -t°r, -t°z aus -°t und -°r bzw. aus -°t und
■5 -'^z zusammengesetzt, d. h. mit anderen Worten, daß sie gehäufte For-
mantien sind. A priori wird man also geneigt sein, auch in -y°r und -y°z
gehäufte Bildungen zu vermuten, obwohl bei dieser Annahme der erste Kom-
ponent vorläufig in Dunkel gehüllt bleibt (vgl. die mongol. Bildungen in
Anm. i). ■
2c. Unklar ist auch — es wird gut sein, dies ausdrücklich zu erklären —
ob -°r etwa aus -°z durch Rhotazismus entstanden ist oder ob umgekehrt
-°z, etwa aus dissimilatorischen Gründen, für ursprünglicheres -°r eingetreten
ist, wenn sie überhaupt nicht besser als zwei ganz verschiedene
Formantien aufzufassen sind.
25 Die hohe Altertümlichkeit der beiden Formen -°r und -y^r ist jedenfalls
nicht in Zweifel zu ziehen ; für erstere ergibt sich dies auf das deutlichste
oder Intensiva auf -/ unterliegen aber, vom vergleichenden Standpunkt aus beurteilt, starken
Zweifein. Statt yürüt- liat übrigens Kar. L. yüriittür-. ein gehäuftes Faktitiv.
Eine andere Kategorie von Wörtern auf -/ führt Böhti.ingk im !; 504 auf, ohne sich
über ihren Wert zu äußern: hier tiiiden wir u.a. unser niat- und dann auch irät- .sich
entfernen«. Ich halte auch dieses Verbuin für ein entwei'tetes Faktitiviun: i/'irat-, yirat-. irat-
" entfernen«, aber v.. B. rei. irada por »geh weiter fort«, wrtl. »entfernend geh« d. h. -ent-
ferne dich". Derartige Faktitiva verlangen nach einer ausführlicheren Monographie: vgl.
vorläufig Hommelfestschrift II (.MVAG 1917) 290.
' Im Mongolischen sind die Faktitivforniantien -ga. -ye. -Iga. -Ige und -17«/. gül (Schmii>t.
.S. 77) im Gebrauch: letzteres wird auf lautlichem Wege im Burjatischen -lw -jul. von dem
aus sich eine Form *-ul leicht entwickeln könnte.
- jVlit ° bezeichne ich hier den ablautenden Vokal.
Vom Köktürkiftrhfin zum OsmianiscJmi. 17
neben anderen Umständen aus dem Auftreten des sog. »Suffixes« -s^ir (vgl. n§i3
$ 14), fiir letztere wolle man auch die Schallverba auf -g'jra- usw. (vgl. §§ 1 5ff.)
im Auge behalten.
§ 14. W. W. Rädloff hat, soviel ich sehe, die verbale Endung -sur
stets für ein einheitliches Klement gehalten, am deutlichsten wohl in den 5
Altt. Inschr. S. 414, wo er »das Affix -^7'« aufführt. Es kann aber keinen
Augenblick bezweifelt werden, daß -s-ur aus, dem kooperativen -s und eben
unserem faktitiven -°r zusammengesetzt ist. Der Beweis für die Richtigkeit
dieser Ansicht liegt einmal in der Bedeutung der betreiTenden Zeitwörter,
dann aber in der Tatsache, daß sich hier und da neben Verben auf -hir 10
solche auf -^ftr < -S und -fir nachweisen lassen; letztere sind für den Sprechen-
den verständlicher, weil die auf -,^ur frühzeitig die unbetonte Mittelsilbe ein-
gebüßt hatten (xxx > xx usw.), wodurch ihr etymologischer Wert verdun-
kelt werden mußte'. Einige Beispiele werden genügen; die Dialekte werden
nur angedeutet. «5
1. yap- »decken, bedecken«; osva. yaptä- »berühren, ankleben, kleben-
bleiben«, kaz. yabiS- »zusammen zudecken, ankleben, hängenbleiben«, uig.
yahiii-, kii. dzabis- »klebenbleiben« ; alt.yapS'ir- »ankleben, befestigen« = koib.
yaps'ir-, ahn- osm. yapWü- »ankleben«, (\scha.g. yapuMur-, k&z. yabßfir-. Auch
HouTS. 104 yapiStur- »heften»". ao
2. tap- »finden, erwerben« ;' alt. talnS- »sich finden, sich vereinigen, sich
helfen«; osm. tfipisir-(\), tapi'ir- »hingelangenlassen, einhändigen, über-
geben«, uig. tapSur »übergeben, hinbringen«, aber osm. tapiM'ir- »empfehlen,
zu.stellenla.ssen« (Youss. : vieux mot), tel. tabUttr- »überbringen, zustellen«
usw., kir. tabfisttr- »vereinigen, versöhnen« (das Simplex tabis- bedeutet »sich ^s
finden, sich treffen; sich vereinigen, sich versöhnen«!).
3. täk-, täy-, dni- »berühren, treffen, anrühren« usw.; ostt. ta'giS- »sich
treffen: ein Geschenk darreichen; tauschen, austauschen« - krm. drigi^-
» wechseln«, osm. dd'yü-: Hovts. däg.yf/r- » verwech.seln « , dschag. (^/«A-.sV/r- »wech-
seln«: osm. däyiMir- »verändern, umtauschen, umwechseln«, aber krm. da- 30
gi^tir- und ostt. tägiMür- »tauschen lassen«. Sül.-Kun. 57 dekiUir- »um-
wechseln« bzw. »tauschen«. Hierher wohl auch Kar. L. tiwsiir- und Ijiwsir-
(Wb. II1814) »verändern, verwandeln«.
' Zu den lautlichen Vorgängen vgl. den ersten Anhang über yaqii usw.
- ProVj. I 26571 yafiiir'ip pa^ti -er tWickte ihn fest (oder: dicht) /.ii Hadon-. 3!
PhiL-hist. Ahh. 1919. Nr. 5. A
18 Bang:
II §14 4. qap- < *qab- »fassen, anfassen« : osm. qawU- »zusammenkommen, sich
vereinigen«, iiig. qawii- (z. B. PT 268b) und qawuS-; uig. qawmr- »zusammen-
legen« usw., z. B. M 22 12: iliglärin qawSurup »die Hände (betend) zusammen-
legend«, M" 46 71 : iki ayalarni %aw.<<urup iki uluy änräklärni yapsurup
5 »die beiden Handflächen aneinanderlegend, die beiden Daumen sich
bedecken lassend'«: osm. qatmidr- »verbinden, in Verbindung bringen, zu-
sammenlegen« (z. B. äl qaunsttr- »die Hände auf der Brust kreuzen, als
Zeichen der Hochachtung«), uig. qawuätur- (z. B. qol qatmi^tur- »die Arme
über der Brust kreuzen«)^.
m.
§ 15. Sprachgeschichtlich von großer Bedeutung, freilich auch schwierig
zu beurteilen, sind die zahlreichen Schallverba auf -q'ira usw., von denen
ich einige hier zusammenstelle:
1. Ostt. purqura- < dem Schallwort *pur und -q'ira; Bedeutung »niesen«.
'5 Wb. verweist auf eine Form purqra-, welche im Wb. fehlt.
2. Kir. barqra- »laut sprechen, schreien« < *harqira-: vgl. alt. tel. par-
qira- »knurren«, parq%ra§- »zusammen lärmen« (von Vögeln): kir. bariqra-
mit Einschub. Hierzu bars 'Tiger'??
3. Kkir. qorqura- »röcheln« (Prob. V 2 76 2420 qorqüra- von einem Sterben-
jo den) ; bar. qory'ira- » schnarchen « . YgVkorla- GC 134» schnarchen « , in den Aba-
kanmundarten belegt im Sinne von »murmeln, rieseln« (vom Wasser); anderseits
tel. qorqulda- »grunzen« (vom Schwein), tel. qorqilda- »schnarchen, knarren«.
4. CC 138 sohranirmen = ich truyre (für Kuuns eruyre), d. h. traure;
dschag. osm. soqran- »sich beklagen, weinen« nach Vämbery auch »brum-
25 men, murren«; Sul.-Kun. i 73 soätöwotö^: rriinldanmak, dudak alttndan javai
javah söjlenmek — »murren, zwischen den Lippen sprechen«; < soq'ira-n-,
wozu zu stellen ist das lautgerecht verengerte tob. suqra- »unzufrieden sein,
sich beklagen, murren, brummen«.
' Also Sj'nonym von osm. däwsir- -zusammenlegen, zusammenfalten, aufhäufen, ver-
3" sammeln» = krm. däwsir- und däüsir- »zusammennehmen, versammeln«, die ich über *täwisir-,
*tägiiir- mit tag- »berühren« (oben unter 3) in Verbindung setze.
- Die inschriftlich belegten Verba Jeinsür- und yofisur- (IK6: vgl. Thoms. Anni. 1 1)
machen nur deshalb auch heute noch Schwierigkeiten, weil die Bedeutung der Simplicia
nicht durchaus festsieht. Thomsens Analyse von yoiisur- ist jedenfalls tadellos; nur ist
35 vielleicht yohasnr- zu lesen nach Kr. 627 und Anm. i.
Vom Köktürkischen zum Osrnanlschcn. 19
5. Ostt. Mrqura- »plätschern«, zu osm. tel. aar »der Ton des Murmeins ll§i:
des Wassers«, z. B. .m sar aqfi oder gedoppelt sar sar aqti »das Wasser
floß murmelnd« osm. auch mfil äaril aqfi. Vgl. osm. safilda- »rieseln, couler
avec bruit« (Yoüssoüf), kaz. iarqilda- »laut lachen«, sarq'ildap köl- »laut
lachen«. Sodann tel. osm. kaz. sarla- »rieseln, murmeln; stark fließen 5
(Wasser aus einem Faß): prasseln (Butter auf" der Pfanne)«.
6. Tel. dirqira- »rauschen (vom Wasser), pfeifen« = kaz. öirqira- »zwit-
schern (vom Sperling)«. Vgl. kaz. f'ifilda- ■'schluchzen (von einem Kinde)«,
wodurch hinübergeleitet wird zu kkir. öirqira- »wimmern« (vor Angst) in
Prob. V 578 1785 usw. > kir. &'irqira- »wimmern« (Prob. III 2 14 1633). Das m
(irundwort fir bedeutet im Osm. »eine Sperlingsart« : dazu tel. c'iWa- »zir-
pen«: gedoppeltes circir bedeutet im Osm. »alles knarrende, knisternde«,
dann »Schwätzer, Grille«. Hierher wohl ostt. öirla- »rufen«.
7. Diesem cir steht *i'ir sehr nahe, das in den folgenden Ableitungen
weiterlebt: alt. tel. ä'irq'ira- »rauschen« osm. alt. usw. i'irla- »summen (von -s
kochendem Wasser), murmeln, rieseln (vom Wasser), schwirren (von der
Lerche), zwitschern«; vgl. weiter kaz. S'irq'ilda- »laut schreien, laut lachen«
(vgl. auch sart. osm. [?] sirilda- »murmeln, rieseln« usw.).
8. Im Wb. fehlt kkir. Inrqira-; es kommt z. B. vor: Prob. V 459 3065
Uirqiraj) tkip yatqan »heftig weinend«, 580 1842 im Sinne von »poltern« (von au
stürzendem Fels: »krachend«): vgl. kür. b'iryilda- »tönen, schallen«, kaz.
» grunzen « .
9. Prob. VI 464: qiz wäqraUlü: wai oyn däp »das Mädchen schrie: weh,
ein Dieb.« Wb. hat dafür waqra-: es ist aber klar, daß wüqra- das Richtigere
ist: *wai-qira-^, für das an der Parallelstelle 48 7 qiqas sal- »schreien« ge- ">
braucht wird. Vgl. hier wieder: baq'ir-, baq'ira-, baqra- usw., für welche man
an Zusammensetzung mit dem Ausruf bai denken könnte.
10. Schließüch erwähne ich hier schon osm . i^rff- »brüllen (von Kälbern)«,
das YoussoüF 505 durch ujrhnek umschreibt. Da er daneben ein Nomen
iyrik »animal (jui crie, qui mugit« kennt, so muß neben igrn- ein Verbum i"
"igir- bestanden haben oder mundartlich noch bestehen; igrä- steht also tur
*igird-. Dieses *tgir- wird auch durch osm. igirti, iyirti »Gebrüll« verlangt.
Eine Form *iflrä- ist bis heute meines Wissens nicht belegt" ; ich hätte
dieses Wort sonst auch im § i 7 aufttlhren können. Da aber dschag. änrä-,
' Erstsilbiges -ai- > -ä- wie in är7 <c airi • Heugabel ■ u. dgl. 35
' Vgl. immerhin Sol.-Kun. 89 inkremek «trauernd weinen«.
2Ö W. Bang:
II §15 kir. enrä- »wimmern, jammern, schreien, blöken « (Prob. III 136 19; 403 10)
virtuell dieses *inrä- vertritt, so bitte ich, die Wörter des §176 mit diesem
zusammenhalten zu wollen.
CC 1345 steht im Original: 3t pgrani&lr = der hu//t gru/ici[t]; es ist
5 also nicht mit aller Sicherheit auszumachen, ob das Verbum igrän- oder
'iyran- lautete; schov.'iyran- »knurren (von Hunden)«, vgl. unten §177.
BöHTi.iNGK fuhrt jak. Wörter auf -k'irä- usw. im § 471 auf; dazu vgl. seine Anm. 300:
• ^ ist, wie BoBRowMKow (S. 122) bemerkt, eine öfters wiederkehrende Kndung bei Verben,
die einen lauten, schneidenden Ton bezeichnen.« Soweit das jak. Material reiclit, scheint
10 es aus dem Mongolischen zu stammen.
§ 16. Die Beurteilung des Verhältnisses von -qira zu -qir hängt offen-
bar auf das Innigste mit der Frage zusammen, inwiefern im Türkischen
die heute einsilbigen, konsonantisch auslautenden Verbalstämme aus
älteren zweisilbigen, vokalisch auslautenden .entstanden sind (Phonetik
'5 § 281). Die saubere Lösung dieser Frage ist aber von einer Anzahl von
Vorarbeiten abhängig, die mit der vorliegenden Arbeit in gar keinem Zu-
sammenhang stehen (vgl. vorläufig meine MtüSpr. § 26).
Die Bausteine werden wir uns mühsam aUer Ecken zusammensuchen
müssen, ohne doch schon jetzt hoffen zu dürfen, daß sie einen festgefügten
20 Bau ergeben werden: dschag. öksüräk (§ 1) z. B. könnte auf *öskürd- zurück-
geführt werden, doch ist es isoliert, und ältere Formen des Verbums fehlen
uns; m;m darf daher auch an den Suffixablaut -ik, -iik: -ak denken.
Im Kkir. kenne ich zu cinir- »klagen, jammern, wimmern« (Prob. V
4492752, 4121481 usw.), das Nomen cminq (V 356 1613— 14); Nebenformen
25 sind : cinginq (341 1005), ci-yir'iq (4 1 3 1501), eiyiltq (505 4634) und ciy'iraq (412 1482).
Auch hier darf man vielleicht ein Verbum *eimra-, *eiyira- konstruieren?
§ 17. Auch bei der hier zu nennenden Kategorie von Schallwörtem
spielt die im § 16 erwähnte Frage wohl noch eine Rolle. Im Wb. werden
diese Verba olme Erklärung ihrer äußeren Form gegeben. Sie gehören
30 offenbar zum ältesten Sprachgut.
I. T° 93 münrä- »to bellow« (vom Maral), vielleicht auch mönrä- z\x
lesen; vgl. kir. mönrö- »brüllen« > alt. tel. leb. mörö-, lies mörö-, bar. ?närö-;
vgl. Prob. IX 346 2u miiräzip-märazip zu *müräi- und märas- (vgl. unten 3).
Im Baikar. heißt »brüllen« (Rind) münnürn-, im Kaz. tn0krä- und megffr-
35 (dies bei Paasonen 87 unter rmiärvat-): ist als Grundform aller Formen
*mü-kiir<'i-, */iii/-krn- oder *mnfi-k>/r(i usw. anzusetzen?
Vom Köktiirkischen zum Osman'iscfwa. 21
2. kom. usw. mw/lra »brüllen (Kuh, Kamel), schreien«: dschag. auch n§i7
munraä-. Im Sart. dafiir muyra-; vgl. tel. mügta-{?), das durch »brüllen
(von der Kuh, eigentlich Muh sagen)« übersetzt wird. Grundform *mu-qtra-
usw.?
3. Uig. usw. manra- »blöken; stöhnen, ächzen«; PT 584 »gemir«, L' 5
610 »schreien« (Mensch); Prob. II 3722351 manrad'i, kista'ndi »wieherte«.
Prob. IV 167 10 manara- (? ? mantfa-) »blöken«. Vgl. die cuwai. Formen
rnakra-, maGara-, inaoar- oben § 7 9. doch vielleicht auch kir. manqüda- »bfel-
len«? Nach Quellen, die fiir mich nicht laufen, erwähnt Paasonen 84: alt.
maara-, das zu obigem maüara- passep würde. Grundform *ma-q'ira-'^^ ■«
4. Voih. kinrä- »hell wiehern« (Prob. II 408 1008). Vgl. schor. Är/mni-n-
» brummen, murren«, bar. kcigrän- »murren« ". Anderseits schor. usw. känrn-t-
in at kährädip kistnp öad'ir »das Pferd wieherte hell«; dann osm. M^ra-
» brüllen, vor Wut brüllen, wütend sein«, das von Kar. L. kükni-, entrundet
aus kökrä-, zu trennen ist. Grundform *ki-kird-, *kd-kird-? -5
Ein Synonym ist sag. sanra- »hell wiehern«'.
5. \i\T. afira- (mit dem Zusatz » vgl. aMr- » ) »wimmern, schreien (von
kleinen Kindeni und jungem Vieh)«, dschag. anra.^-: tar. anraii- »stöhnen,
.seufzen«; kir. aiiira-, ancfira-, afiyra- (vgl. Phonetik § 448) »= aüru-»^: vgl.
oben § 7 3 und Anm. Grundform *a-qira-, *an-qira-?
Im Tarantschi bedeutet Aany; -Uselhengst« (vgl. oben S. 936); ich leite da.s Wort von
*angir oder *aii-yir her* und erinnere an den "Brüllei-- lyxf-r,': (vgl. Wackernagel, Voces
variae animantium' 61; Dähnhardt, Natureagen III i S. 187: Boisac^ 683; Berneker 267).
' Wenn Vämbebv da.s nur von ihm Cag. .Spr. 336 b aufgeführte mari- »briillen (vom
Stier)- selbst gehört hat, .so ist es wohl als märi- zw interpretieren; das auslautende -(' wird 25
dann aus einer geschwächtt'n Fomi erschlossen sein: märaidur ^ niäridiir usw.? Wenn
diese Annahmen unrichtig sind, bleibt mir das Wort unklar, man müßte denn auch hier
noch den Ablaut -a: -i im verbalen Auslaut annehmen wollen. .Sul.-Ki'n. 144 hat mar'i-
'havla-, af af ät- — bellen« [A. voNLECog kennt mafidl -muhte (von der Kuh)-, wo also
•a- kurz gewesen sein muß. weil es Umlaut erlitten hat]. 30
' In einem unsrer ältesten Texte (T' 34) wird schon känrän- gebraucht, und zwar vom
.Schall einer Schelle; als Parallelwoi't yaiira-, :=. bar. yanyur-, kaz. yangir- und — mit selt-
■samer Erweiterung — kir. diangiTiq- "Widerhallen-. M» 246 ein i/afiqir-, dessen -r- nicht
ganz feststeht.
' Das gewöhnliche Wort fiir -wiehern- ist kisnä-, worüber der zweite Anhang untei- 4 35
zu vergleichen ist.
* Die beiden Bestandteile diases Wortes finde ich auch in dscliag. afujir, aiiqur »eine
Knteuart- := kir. kkir. anyar, alt. aüai • Wasservogel, kleiner als eine Ciaus, mit ruti^elber
2'i W. Ban«:
11^,., Es werden also wohl auch die Wörter für -Hengst" und »Wolf-, mit denen ich
KSz. XVII 129, Anin. 2 nichts Rechtes anzufangen wußte, Schallwörter sein:
»Hengst«: kokt, ad'fir (T^ 86) > aiyir, bzw. ast^ir, aqs'ir; jak. at'ir, das ich auf eine
Foi-m ohne Guttural zurückführe: *a(lii; im Wolgabulgarischen *ad'iT mit spirantischem -d-:
5 daneben irgendwo und -wann *ayir ~> üuwas. aßr (aber z. B. -dfy- in uig. qadyu > i'uwai.
'/ivj~/jt "Sorge«); balk. anr, dessen -z- der Erklärung bedarf (Phon. §§ 274, 338 und St3
1239 Anm. 4).
"Wolf«: kkir. qarüqir; bar. qarsqur; kir. qasqir .= qaiqir« (fW^B); iuwas. knskar; wrtl.
wohl »der Heulende«? Zu *qars, einer Nebenform von qars; dazu *qarila- > cuwai.
"" icasla- "Sausen, brausen, heulen« (z. B. vom Walde). Vgl. etwa alt. usw. tars »Knall, Krach«,
osm. tars »Krach« : sag. tarUa-, koib. tarsla- »dröhnen«, sag. taslm- .lärmen« usw.
6. dschag. änrä- (»vgl. äfiil-, r'mii-'^ [?]), kir. e7ir(i- »jammern, weinen,
wimmern«; dazu: dscha.g. nnrän- »leise weinen«, nnräi-, Vit. enrcis- »zu-
sammen weinen, jammern, winseln«. Unter kir. enkildä- die vereinzelt ge-
15 bliebene Bemerkung: »von änkil -{- In; änkil ist wahrscheinlich tonnachah-
mend, vgl. eiirä-, (Uni- f. Ich stelle hierher: dschag. ngrän- »seufzen, schluch-
zen« (SuL.-KuN. 81 unter igranmakl) und bitte oben § 15 10 nachzulesen.
Grundform *n-kirä-, *i-kirä-?
Synonym: dschag. sj«r«- »still weinen, wimmern«.
20 7. kaz. iV>r«- »knarren«, kir. ifiran- »stöhnen, ächzen« (auch Prob. V
325450), tel. 'mira- »brüllen (von Kühen)«; schor. iyira-, iyra- »knarren, klir-
ren«, iyran- »knurren (von Hunden)«. Grundform t-q'ira? Neben *i' dürfte
*t(/ gestanden haben, wozu oben § 7 8 zu vergleichen ist.
8. tel. qanra- »hell klingen (von einer großen Glocke); schnattern«;
J5 .so aucli Prob. II 472 3167 von der Gans, während V 5741624 das faktitive
(f anrät- in der Bedeutung »rasselnd« vorkommt. Vgl. tel. qanira- »läuten,
einen läutenden Ton von sich geben«, dann aber auch qahqilda- »läuten,
klingen (von großen Glocken)« : »schreien (von Vögeln), schnattern von der
Gans«. Doch auch kaz. qaq'ilda- »schnattern« (Gans), Prob. IV 1413U qa-
3° Brust«, dschag. anynr, anqur (vgl. Pavei' de Courteille 38). In der Form anyir steht es
jetzt in den Tubatexten des IX. Bandes der Proben (27 >). wo es Katanoff durch »Turpan«
übersetzt. Es handelt sich um die von uns fälschlich »Rostgans« genannte Ente (Brehm,
Vögel 1 245), von deren Schrei Bhkhm 246 sagt: »Die Stimme, die der russische Name
»Turpan« klangbildlich zu bezeichnen sucht [:'], ist sehr stark und weittönend. Ein vielfach
35 abwechselnde?, immer aber klangvolles »Ang« oder »Ung« ist der Lockton-. Die Jakuten
nennen die Rohrdommel anir — sie heißt ja auch bei uns bos iaurus, frz. butor, ne. bittem,
Rohrbrüller usw. Mand. anggir niyehe »eine Art Ente«, mong. n'iggir oder anggir nogoso »mac-
reuse, anas nigra'; schallmalend auch uiand. cunggur niyehe »eine Art wilde Ente«.
Vom Köktiirhif^chen zum Osm^nvich^n. 23
qildai- vom krächzenden Raben. Die Basen *qa, *qaq, *qan' haben wohin §17
von Anfang an gleichberechtigt nebeneinander gestanden; vgl. cuwas. ka-
G^lvat- lind qaqlat- »schnattern«.
Daß diese Verba, wie Phonetik S. 243 von qofira- und kirnrä- lehrt,
unzerlegbar seien, kann ich nicht glauben. Das von mir vorausgesetzte 5
*mü-kürä- konnte zunächst zu *mükrä-, anderseits aber auch zu *mügürä-,
*mügrä- und miifirn- werden. Überblickt man die vorstehend gesammelten
Formen, so wird man diese Erklärung vielleicht annehmen : wenigstens will
mir scheinen, daß mit einer Teilung *mün-rrf-' gar nichts gewonnen ist, und
daß sich auch gegen eine Herleitung aus *münür-ä- gewichtige Bedenken 10
geltend machen lassen'.
Die einzelnen Ijiutvorgänge in diesen Wörtern kann man zum Teil bei
dem türkischen Worte för »taub« verfolgen, das etymologisch unklar ist
und bisher wohl stets als gegebenes Ganze beurteilt worden ist: osm.
kür. sayir, dschag. sayir und sayrayu < *say'iroyu (verbal sayra- »taub sein« >5
' Zu diesem te\. qandira- •läuten, klingen (von Glocken)«? \'g\. t/oiira- "klingeln,
läuten- in den Abakanmundarten, > alt. tel. ^owro-, kam. qonran- -murmeln« (CC 136) und
das Nomen »Glocke« qmlraq, qonrau, qonrä, das im Kumd. al.s qondra auftritt (mit para.si-
tischem -rf- ? ?).
Für «klingen, erklingen« hat das Sagaische noch .sinra- und siiira-f- ^^ -i: im Sch(»r. m
dazu nüdraq »das Klingen, der Klang, das Geklirr«, von dem aus das Verbum xifuiar- =r
xinra- wohl erst neu gebildet wurde (:').
' Dem Formans -ra bringe ich überhaupt einigen Zweifel entgegen. Wb. I 999 wird
dschag. osm. o^a- »winseln: leise wiehern (von Pfeiden, wenn sie die Nähe des Wassers
spüren)« in oq+ra zerlegt und auf nqla- imd dort aufo^to- verwiesen. Im I^b. liaben wir 35
oqran- »schreien (vom jungen Vieh)- alt. nqrim-: im Ktsch. ly/ra- -laut wiehern«, sag.
oyran- «wiehern«, tel. (r/ron- »schreien, brüllen (von jungem Vieh)«. Fnter tr-/ra- wird nun
auf osm. tel. (/yur- «brüllen« versv lesen. Da nun auch ein koib. lyjura'i- -laut wiehern- be-
steht, das auf *o'/ura- hindeutet, so dürfte neben 07 eine Basis o anzusetzen sein, zu der
sowohl oyur- als *o-qura- zu stellen wäre; *o-qura wurde zu oqra-, (r/ra und (r/ura-n-. Die v>
Stufe *finra- ist bis jetzt nicht belegt.
' Bei kar. T. tnüwh- »schreien, jammern, brüllen- und der eiitrundeten Nebenform
mivh- ist es nicht sicher, ob sie auf *miigrd- oder mänrä- zurückgehen : vgl. einerseits
kiptsch. dschag. hügräk »Niere« — sa<r. pügräk usw. > kar. T. bütchk, anderseits aber .limäk
> kar. T. siiwik »Knochen«. Bei kar. L. miwiz und kar. 1". miiwüz »Hörn- weiß man nicht, 3'i
ob sie auf münüz oder mügüz zurückzuführen sind.
Bei dem Nebeneinander von -g-, -u- : -tr- handelt es sich selbstredend ebensowenig
um einen I>autwandel wie etwa in uig. dschag. «mh«A* -Knochen« = dschag. osm. «iimi/^,
ostt. $üfiür- «einsaugen« •=: dschag. tar. .sam'ur- »schlürfen«, osm. -r-amasser et tirer avec- le
mufle (boeuf, vache usw.)«, wo eine Lautsubstitution vorliegt. t»
24 W. Bang:
"§'7 < *say'ira-), tar. mit Schwächung der Mittelsilbe myriyu (Prob. VI i 74 yu), ostt.
sanrayu > kir. kaz. balk. sanrau: bei von Lk Coq Spr. 92 b die entsprechende
Kürzung sayrö^. Doch kann man auch say'ir für ein Schallwort' halten:
vgl. die ablautendo Doppelung .say'ir siy'ir »butor« bei Yoüssoüf, die diese
5 Annahme geradezu fordert. Vgl. unten S. 37.
IV.
§ 18. Ablautende Doppelungen wie unser Mingklang, ritschratsch liegen
im Türkischen in großer Anzähl vor; ich stelle nur solche her, die aus
zweisilbigen Gliedern bestehen, dazu auch einige ohne Ablaut:
10 I. auf -r.
Osm. tafär tunur »klappernd« ; (nominal taq, taqif) osm. krm. taqir tuqur
»klopfend«; (nominal fiq'ir) osm. ttq'ir fiq'ir »blubberd« (beim Kochen): (no-
minal qipir, qipirdi) qipir qipir »raschelnd«; osm. dinffir nng'ir »klimpernd«;
osm. qadr qutur »klappernd« ; kkir. qab'ir-qubur »das Grunzen des Dachses«;
15 vgl. Prob. V 587 2070 ösi qtUr qdnr etti »sein Mund bibberte, zitterte« ; osm.
sanir Sunir »klirrend, rasselnd« : iapir Saptr, Sajnr äopur »schmatzend« (vgl.
auch SuL.-KuN. 176); osm. sa^'i'?- saqtr »klappernd«.
Eine Abart sind die entsprechenden Bildungen auf -dir, wie z. B. dscliag. salrlir saldir
qil- »klopfen, klappern«, kkir. raldir cvldvr sxilä- »plappern.. Prob. V 81 697, kir. küldür küldür
20 hisnät- »laut wiehern lassen- Prob. III 201 »tsa usw. usw. Man könnte geneigt sein, sie für
Weiterbildungen einer Base *salt, *kült usw. zu halten: dem scheinen aber Bildungen wie
schor. sigdir sagdir .das Klirren« zu widersprechen, die nicht zu dem Typus der -«-Basen
stimmen; sie könnten ja aber Neubildungen sein? Relativ selten sind -o-Denominativa zu
dieser Gruppe: schor. iigdrat- »ein rasselndes Geräusch hervorbringen, zu *sigd'ira-, kaz.
35 cinfira- »klingen«, \&\. sand'ira-, sandara- »tönen, läuten«: vgl. innra- und te\. sanla- < *iania-
• schwirren, zischen (Vogel, Pfeil)«; vgl. oben S. 10 Anm. 6.
2. auf -l.
Osm. {vnr wir, iinrla-) mini urifil »schnurrendes Geräusch«; osm. {ccrßl,
mytl-) cayil cayil »murmelnd, rauschend«: osm. {iqU, iq'tnfi; vgl. oben § 7 8
3° S. 10 23) iq'il iqil »das Geräusch des schweren, unterdrückten Athmens« : osm.
[tir tir; vgl. tir, tifil) tiril tiril »bibbernd, klappernd (zittern)« ; Prob. IV 263 15
' Wb. IV 333 ostt. saryü daraus durch Metathese.
^ Vgl. zum lat. surdns die von Thurxeyse.n im .\rchiv für lat. Lexikogr. XIII SS. 17
bis 18 zusammengestellten Etymologien. Darunter bestechend die Anknüpfung an susurrar«
35 »summen«; vgl. kaz. cj^^ra,/ »taub, Taubheit« < *ro9ro-(j( zu osm. cor/ra- »das Geräusch des
Koahens hervorbringen (vom Topf, Kessel auf dem Feuer)«, krm. roqraq .Quelle«, kar. T.
royaraq (vgl. osm. vnqar- .munneln beim Kochen, vom Wasser«, d. h. also »summen»).
Vom Köktvrkischen zum Osmanischen. 25
tMngil tsihgil it- »laut schreien (Kamel)«, vgl. oben ^ i6: osm. {mü'il) rnü'illl^^i
mWil uyu- »fest schlafend« besser wohl »schnarchend, röchelnd«, vgl. tel.
kRz. pi^qir- »röcheln, schnaufen«, sag. kir. pisq'ir- »schnaufen, schnauben«',
kir. ptsilda- »röcheln« usw. (vielleicht auch kkir. toa/i »heftiges Schluchzen«?);
tar. miiqir- »schnauben« u. dgl. s
E^ wäre nun von höchstem Belang, zu wissen, wie diese Formen zu
erklären sind: haben wir aucli in der zweiten Silbe ein schallnachahmen-
des Element zu sehen (vgl. etwa unser holderdlpolder , bimmeldlbammel) oder
aber stehen wir ursprünglichen Gerundien gegenüber, die ihren Auslaut-
vokal im Laufe der Zeit eingebüßt haben"? ,o
Die Antwort auf diese Frage wird man nur zweifelnd geben, und zwar
deshalb, weil uns einmal die alten Texte fast ganz im Stiche lassen^, dann
aber auch weil verbale Bildungen, zu denen diese vorausgesetzten Gerun-
dien gehören könnten, so gut wie ganz fehlen.
Eine weitere Frage ist sodann die: wenn es sich herausstellen sollte, 15
daß -tr in taqir tuqur lediglich schallmalend ist, ist es da nicht widersinnig,
anzunehmen, das -tr von azir- »niesen« (§ 2), tüpür- »speien« (§ 4) usw.
habe einen andren Wert, habe eine begriffliche Bedeutung? Ich muß
gestehen, daß ich für meinen Teil nichts Widersinniges in der Annahme
eines zweifachen Wertes von -ir sehen kann: denn, wie man auch schließ- ^
lieh das Nebeneinander von tüpkiir-, tüpür- wird zu beurteilen haben, die
Tatsache, daß azir-, tüpür- usw. reine Verbalstämme sind und sich als solche
von den mehr adverbiellen oder nominalen Schallwörtern wie taqir tuqur
heute wenigstens durchaus unterscheiden, scheint mir diese Annahme zu
rechtfertigen : ob deswegen gerade meine § 9 vorgetragene Vermutung, das 2%
-kür von tüpkür- usw. sei mit dem Faktitivformans gleichzustellen, das
Richtige triflft, wird hierdurch nicht berührt.
' Im rkWb. 317 a s. v. xpan*Tb «schnauben (vom Pferd)« auch ein mir anderweitig
unbekanntes kir. osqur-.
' Vgl. z. B. Arä/-, faktitiv kätär- usw.: hiei-zu sodann Xe\. kädä «fort«, t\t. ie\. kädärä, 30
kir. kedärä «fort, beiseite« =: alt. tel. leb. schor. kädäri. bar. kidäri «seitwärts, beiseite« ;
sag. koib. kedär «seitwärts« (.so auch Mel. a.s. IX 122; Castrkn 95b hat dafür das ursprüng-
lichere kidSr, das er mit jak. An'dr »fort, weg« vergleicht). Weiteres vgl. BtüW Anm. 34.
MtüSpr. 24 j«. Pfl. .s. vv. jana-mt und .fift-: sodann alt. tel. tortifra. tnitrn «voll, gefiillt« — kir.
tottür «voll, fett, korpulent«. ' 35
' Ich kann heute nur auf M' 24 j hinweisen, wo ein etymologisch nicht durchsichtiges
(Ufuni aquru «leise« vorkommt.
PhiL-hitt. Abh. 1919. Nr. 5. 4
26 W. Bang:
Il§i8 Bedeutungsvoll scheint mir aber zu sein, daß von einer großen An-
zahl von Schallwörtern auf -ir und -il, wie ich deren in diesem Paragraphen
zusammengestellt habe, denominale Verba vermittels der Silbe -da gebildet
werden (§ 19). Sie machen auf mich den Eindruck, einer relativ jungen
5 Entwicklungsperiode anzugehören und sich geradezu massenhaft nach einigen
wenigen älteren Vorbildern gebildet zu haben.
Wb. führt -da auch bei solchen Dialekten, die sonst -//- und -rl- nicht zu -W- und
-rd- werden lassen, auf -la zurück; wie ich glaube, mit Unrecht. Warum soll z. B. osm.
(f'idi'irda- »rascheln, knirschen« ^ dschag. qic'irda- ein sekundäres -d- entwickelt haben,
10 während beide Dialekte in den andern Verben das -la unverändert lassen: äyärlä- »satteln«,
%at'irla- »sich erinnern« usw.l' Ist etwa -da- zu zerlegen und -a das bekannte Denomina-
tivformans, wo dann -d- der Rest dei' Abstrakta auf -t wäre?!' Vgl. z. B. schor. KU »Lärm"
(< *suyult zu hiq, .inq-?] und kir. sülda- (<Z iüld, siilf-a) »lärmen, rauschen rasseln«? Gerade
ein Wort, das, wie dieses, eine weitere allgemeine Bedeutung hatte, wäre als Vorbild für
•5 die anderen Verba sehr wohl denkbar.
§ 19. Aus der überaus gi-oßen Anzahl von Verben auf -ilda- setze ich
die folgenden her:
1. Osm. mir «Miauen der Katze, Klageton der Tiere, kläglicher Aus-
ruf«, mtj- mir nt-\ osm. m'ifil mifil söilä- »murmeln, undeutlich reden« : mtfilda-
>° osm. «murmeln, murren«, kaz. «schnurren (Katze)» : niirqilda- kaz. »murren,
murmeln«, kir. »vor sich hin kichern, leise lachen« = kir. mtrzüda; niirla-
osm. »schnurren (Katze), murmeln«, tob. »grunzen«. NB. im rkWb s. v.
XHUKaxb »schluchzen« = mirstlda-.
2. Osm. q'ir »zwitschern«; alt. tel qtrla- »schnarchen, krächzen«, im
'5 Tob. =- »heiser sein, röcheln« ; kir. qiftlda- »heiser sein, mit heiserer Stimme
sprechen«, nach rkWb 125b = Myp.<iHKaTb «schnurren (Katze)«. Vgl. balk.
mwulda-, kaz. murla- »schnurren, spinnen (Katze)«.
3. *gor usw.; tel. qorqilda- »knarren, schnarchen «;kkir.g'or^M7'a- »röcheln«;
kir. qoi-qul- »röcheln« ; tel. schor. qorqulda- »grunzen (Schwein)«. rkWb. 317b
3° auch qorstdda-; bar. qoi-y'ira- «schnarchen« ; kom. qorla- »schnarchen« (CC134
corlarmen = td) dnarke), in den Abakanmundarten »murmeln, rieseln«'. Vgl.
' Das kir. qorpulda- (< qor-p-ul-) »quabbern (wie mit Wasser gefiillte Stiefel beim
Gehen)" ist wohl auch herbeizuziehen: vgl. k\r. SalpUda- »plätschern«. Grundlage derartiger
Verben sind Schallwörter auf -p. die denen auf -q. -t, -s parallel laufen, ohne so häufig zu
sein \vie diese. Dementsprechend sind auch Verba auf -pilda- verhältnismäßig selten. Sül.-
KüN. 45 hat i'ilpilda- -- catir catir <jontdmaq .schwätzen« (vgl. WTi.): dazu ostt. cilpuUa-
»plätschern«. CG 231 lirpilöepölr = l)oe fnatert (d.h. »er schwatzt«). Kaz. tirpilda-, tirbilda-
■ strampeln«, wie Prob. IV 229 8 und 230 6 lärbildä-, lärpildä- -mit den Beinen schlenkern«
Vom Köktiirkisrfn'n zum Osmanischen. 27
o^m.Wx. qurulda- »schnarchen« und »zischen (Wasser auf glQliendem Eisen)« : n§i9
schor. qurqula- »glucksen«: alt. tel. qurqulda- »gackern; schnattern (Gans)«,
tob. qwryulda- »krächzen« (Prob. V 1232087 kkir. qurquldat- »krächzen«); sart.
qursullat- (<, qur-s-u-l-la-t-) »knirschen, krachen, klopfen«'. Dann osm. ^-
rvlda- »das Geräusch des Kochens von sich geben«; gurgur »Geräusch des ^
Kochen.s: jedes glucksende, bullernde Geräusch«, verbal gurla-.
4. *tar usw. Alt. tel. soj. kir. tars »Knall (Peitsche, Flinte)«, kir. »klopfen-
des, krachendes Geräusch«; tar^il kir. = tors; sag. tarsila- »von tars -{- la«-
= koib. tarsla- »dröhnen, knallen, klatschen, knattern« ; alt. tel. leb. kir. kkir.
tarstlda- »knallen, knattern«, bar. tarsildaq »Knall« = koib. tarslaq »Gekrach«. 10
Prob. V 58oi8MVom »prasselnden« Hagel gebraucht. Osm.tar^(!): sag. taräa-.
Vgl. sag. fi'r.t »krachen«, kir. »klopfen«: schor. firsla- »krachen, mit Knall
platzen«; alt. tel. kmd. kir. firsilda- »knarren, krachen«.
Eine entsprechende -/-Bildung ist tel. schor. Sart »Gekracii«; kir. Sartila-
»von Sart + la* »krachend zerbrechen, krachen«; schor. kaz. Sartla-, wozu -5
sarla- im Tel. Osm. Kaz. zu vergleichen. Vgl. auch osm. cafirda- »brechen«.
fafirdi »Geknarr, Geräusch des Platzens«, mit welchem aber das kaz. Sat'irda-
» klopfen, knirschen, krachen, knistern« des Anlauts wegen nicht direkt ver-
glichen werden darf.
5. *diz; osm. dizla- »surren, leise klirren«; osm. d'izilda- »summen«, 20
nominal d'izilCi, -d'i »Gesause, Gesumme«. Vgl. das isolierte kir. 'iz'ilda- »sum-
men« in Prob. III 57, Nr. 5, Str. i i; 84 m; ostt. izil- »viel reden, schwatzen«.
tax. yizil- »summen, sausen«"?« Man darfein näheres Verhältnis zwischen
beiden Gruppen vermuten, weil anlautendes urtOrkisches d- vor .schließen-
dem -z derselben Silbe heute nicht überall als 1/- erscheint: besonders be- ^s
achte kir. düz »himdert« = j/iiz; kir. duz »Gesicht« = j/üz, Hz: kir. düz-
»schwimmen« =z yiiz-, üz- (Phonet. 55§ 228, 231). Im balk. duldüz »Stern«
Derartige Verba .sind ja überhaupt oft aus der Kategorie der reinen i^challwörter hervor-
gegangen: vgl. nur. tir. tir; tir'il tir'il. tiril tiril; osm. liritdä- »zittern, beben«. Schallwörter
auf -p sind: kom. qarp >krach< (Rätsel 39 SBA'Wi9i2 349), krm. iolp -klatsch-: tel. talp 3°
• prr (beim Flug)« und .\bleitungen : andere sind vorläufig nur aus .\bleitangen zu erschließen,
wie z. B. *qalp aus tölös qalban -das Hin- und Herschwanken«. *k'ülp aus kkir. külpiin «das
Funkeln des .Sonnenlichts, Glanz. Schimmer- (vgl. kir. qolpur- rkWb. 165b qulpur- «schillern-
von Stoffen) u. dgl. mehr.
' Wohl eher mit -o- in der ersten Silbe: Sul.-Kuk. 80: <^urulda- [d.h. yßrulda-] 35
=i 'yfirildamak, %urnl yjirul [-/orul?] '/urlajup ujumak, ujurketi ho-jazdan katin ses ttmek.
' Zur Form vgl. zir, zirla-, zirilda- usw., aber auch kir. z'ifil- «sausen (vom Pfeil)-.
^*
28 W. Bang:
ll§i9 scheint die »Regel« sogar über zwei Silben hinweg zu wirken: uig. i/ultuz
kom. dschag. yulduz usw.
6. Osm. dir »Sperlingsart«; cifiq »Art Saatkrähe; Art Spinnrad; Drei-
kreuzer«, cuwas. t'hrikht- (< -U'i-t-) »knarren, knirren (z. B. Tür)« : kaz. dürilda-
5 »schluchzen«; kaz. cirqira- »zwitschern«; tel. dirla- » zirpen «j osm. eirlaq
»Grille; Schwätzer«, kar. L. T. eirla% »Bach«. Mit -t: osm. dirtlaq »Grille;
Häher«, rirtlaqla- »zirpen«; mit -p: osm. dirp- »sanft schlagen, klopfen
(Herz)«. Gedoppelt: o»m. cirrir » Wies Knisternde, Knarrende; Schwätzer;
Grille« usw. Ostt. cirilla- »zwitschern, zirpen« und anderes Wb. III 2127
10 bis 2130. Mit ^-< C-: kir. üWo- »schwirren (Lerche), zwitschern«: S'irilda-
»laut schreien, laut lachen«; äirtilda- »klappern, knippsen«.
§ 20. Es mußte die Zeit kommen, wo -qilda- als Ganzes gefühlt wurde;
ihr entstammen Bildungen wie Cq'it, schor. qitla-) simb. qttqilda- (kaz. qüaqla-;
tav. qafaq »Hühnerstall«??), hat. qotqulda- »gackern«.
Vom Köktürkiscfien zum Osmanischeii . "29
Erster
Erster Anhang. Anhang
Zur Erklärung von yaqSi.
1. Nicht vom einfachen Verbum yaq- »gefallen, angenehm sein« (Wb
III 23 — 24), sondern wieder vom Kooperativum yaqU- »aller bien, convenir,
6tre assorti, s'adapter, sajuster« (Youss.) leite ich auch yaq&'i »gut, schön« 5
ab: yaqU-'i > yaqä'i. Vgl. yaqMq »passend, gut sitzend; bienseance, conve-
nance; beaute, gräce«. Es ist also yaqä'i ein durch frühen Mittelsilbenschwund
entstelltes Gerundium; vgl. etwa yara- »passend sein, tauglich sein, gefallen«
und die Gerundien yarai (<. *yara-y-a) »gut, schön« \ind yaramaz »untaug-
lich, schlecht«, dann yarai- und davon yaraä'iq »ce qui cadre. qui convient;
convenance, accord« (Prob. IV 302 m yaraiv^mtsu < -6a »wie es sich gehört,
gehörte«). Wb stellt yaq.^'i ohne nähere Angaben zu yaq-, während Phonet.
S. 225 es zu den unzerlegbaren Wörtern rechnete.
2. Die Geschichte von täkii ist offenbar ganz ähnlich verlaufen; ich
gehe aus von *täk, *täk-, *tän, tan-, zu denen man die folgende Zusammen- -s
Stellung vergleiche:
Wb III 102 I gibt das ostt. täkis »glatt, eben« mit Hinweis auf /öjrts;
1035 steht dann tegis als Dschag., tegiz als Kir. Ich halte -s für Entstim-
mung von -z^ und verweise noch auf kaz. Üyiz »gleich, glatt, eben«.
Das ältere täkiz .steht bei Sul.-Kun. 185 in der Bedeutung rfw^, t/ovrw. ^o
Ich möchte annehmen, daß es aus *tcikiz<i gekürzt ist: *täk-, faktitiv *takiz-,
Gerundium *täkizä-.
Zu *t(ik- stelle ich sodann das Kooperativum *tnkiS- und de.'isen Gerundium
*täkiM, das heute noch fortlebt in alt. tel. leb. küär. tar. täkH » gleich, gleichmäßig «
= kir. teksi »eben, glatt, gleich«. Im CG 198 2 = Ps. 464 tekei = uniformiter. »5
Das hier vorausgesetzte *t(ik- ist in der lautlichen Variante *tän-^ wohl
auch im tel. täfiii »ununterbrochen, angrenzend, gleich, übereinstimmend«
zu finden (uig. tänii ist bisher ganz unsicher; vgl. Anm. zu QB 92 is); es
' Zu h »Spur« setzt A. von Le Cog Spr. 84a die ausdrückliche Angabe »sprich «•
und das vulgäre yäs neben yäst »seine Spur»; ebenso hat er 83 c «71» für »yi'c »Mund» usw. 3°
usw. In Band VI der Proben gehen Formen mit -c und solche mit -1 nebeneinander her:
•L, B. 91611 otu* tfiqus, aber toquz i84uff., yüs >foo» 84, aber yüz 1214, 1311 u. dgl.
* Vgl. osm. Htiz < *titizä, *ti-tiz-ä BtüW Anm. 34.
' Vgl. etwa tel. saii »Uarz», alt tel. saüis :^ kiptsch. saqi: »Mastix», osm. krm. saq'iz
• Harz«, wo im Osttürkischeo aus mii- unklaren Gri'mden der stimmhafte (iuttural auftritt: 3;
sarfiz, tar. ««7t«.
so ■ W. Bang.
Erster jst wohl ebenfalls ein Gerundium zum Kooperativum : *täf>ü-, *tdnüä>tn?iiS\
^"^ Im Karaimischen ist *tänisi > tänsi »gleich« geworden: vgl. lautlich tänri
> kar. L. tänri, töndri »Gott« usw.
Eine denominale Ableitung auf -Sa- (AtOD § i flf.) haben wir in dschag.
5 täkM' »ausgleichen« (vgl. Pavet S. 261) — tähSä- (Sul.-Kun. 189, AtüD § i).
Da« schon von Böhtlingk (Jak.-Deut. Wb 94) zu tan verglichene mong.
tükSi wäre nach den obigen Ausführungen ein Lehnwort.
In Mem. Acad. St. Petersb. VII Ser. T. XXXV Nr. 6 S. 50 a erwähnt
Radloff ein uig. täkSin (fWb), von dem ich nicht weiß, wo es belegt ist;
tu wenn es besteht, so ist es wohl nach KOsm § 52 zu erklären. Im Mandschu
ist bekannt: teksin »gleich, eben: gleichgemacht, geordnet: wohlgestaltet,
geschmückt; Ordnung« und die Ableitungen teksiken \mA. teksüembi <. teksi-
ken, -le-n-bi.
3. Die verschiedenen Wörter für »Nachbar« gehören ebenfalls zu dieser
IS Kategorie: kiptsch. kom. qon^i'i, dschag. qoMi, balk. qanSü, kir. qonsu, ad.
qofiSii, osm. qonSu, qoni-u, qomSu (zum Nasal vgl. osm. sansar, sansar. samsar
»Iltis, Marder«). Sämtlich zu qon-, qonui- »zusammensitzen; nachbarlich
leben, gute Nachbarschaft halten« usw.'.
Im Uigurischen haben wir dafür qoSni, in dem man Metathese an-
jo nehmen kann', wenn man nicht vorzieht, an qos-, qomn- »sich vereinigen«
zu denken. Raquette MSOS 1914 218 gibt qoiii'i »a person allowed to
live in «ome part of one's house«* und erst an zweiter Stelle die Be-
' Vgl. meine Erklärung von diis <; dzTi-a bei Pel. 39 unter j'ift- und von yanai <.
yanasa bei Pel. Wer in tänii ein Verbalnonien auf -i sehen will, kann es tun, kommt
35 aber auch so nicht um ein verbales *tän- herum.
'■' Castkkn hat für "Nachbar« korutoge, wo -e das Possessivpronomen ist; Mel. as. IX
124 qondi'iq.
' Vgl. balk. asyji und ayjn < yaqsi »gut«.
• Vgl. balk. qosul- »sich zugesellen, in eine Gesellschaft kommen«: das )L\r. qogüliis-
30 (fWb) < *5oiM/tti- bedeutet »sich vereinigen, /.usammentun« in Pi-ob. III 256 isu: dazu qosii-
hisü "Vereinigung« rkWT3 276aiu.
Das Gerundium des Simplex, qoia, vertritt unser »zusammen mit, mit«: Prob. 1 loi
yiiq, qozo parhaid'im »nein, zu.sammen (mit dir) werde ich nicht gehen- ; I 300 no xänbilä qoio
parain »ich will mit dir zusammen gehen» usw.: IV 8411 pisninbtlä qoia kidinlär »geht mit
35 uns zusammen fort-. Im Taraiitsclii, wo ja das -a-Gerundium überhaupt im Verechwindeu
zu sein scheint, haben wir dafür qostip: VI 763 bir munca kisiyä qosup »mit einigen Leuten«
(vgl. 76 10, 77 8u); 90 7 mänl a-/iterimya qo.itip äwätmädT »er hat mich nicht mit meinen Brüdern
fortgeschickt« : 94 man säm bir dhcü(/ä qohip äicätäi »ich will Dich mit einem Dew hin-
schicken«. Vgl. auch Wb qoia.
Vom Köktiirkischen zum Osmanisch^n. 31
deutung »neighbour«. Die früh ansässig gewordenen ostt. Stämme haben Erster
alle dieses Wort: ostt. qosna, tar. qoSna, aber Prob. VI 1 5 i 19 yjosna, Spr. 91a
XÖina. Das auslautende -a kann das gerundiale sein {*qoä-un-a), wenn es
nicht als jüngere Verderbnis aufzufassen oder gar unter Einüuß von äsnd
»Freund« entstanden ist (Spr. 81 b dMtiä: vgl. Wb; Hörn Nr. 341 np. äSna $
»bekannt«). Vamberys Ansatz sart. qosan ZDMG 44 255 ist falsch.
Zu kör-, körüi-, göriiS- »sich sehen, zusammen treflFen ; in Verbindung
stehen, bekannt sein« (vgl. jak. körüs-) stelle ich bar. körSii (Prob. IV 28;
rkWb 279a körsi mit auffallendem -S- statt -.•*-; Lehnwort?'), kaz. kiir.ii,
küri&i, wobei bis jetzt nicht auszumachen ist, ob -i- alt oder junger Ein- .0
schub ist; Prob. IV 254 1311 k1Jr.f1 mit dem »irrtümlichen« -ü-. Im alt. tel.
leb. köriiä »Bekannter, Freund» kann das Verbalnomen auf -i4 angenommen
werden (so Wb, das es unter körüs »Blick, Sehen« aufführt); ich ziehe
vor, es aus *körMi, *köriiM abzuleiten. Prob. IV 395 i hu j/igitnin bir küri.^'i bir
dttsU bar igän! mit Possessivum. Vgl. tanii »von tani + i« = »Bekannter«. >5
Das Cuwa.sischc hat neben kürzj noch nr:,> in kiirz,f arz9 »Nachbarn«.
Paasonen denkt an afi »jenseitig« usw., was mir bei einem nicht seßhaften
Nomaden Volke kaum zu passen scheint. Ist an är-, ir-, öriS-, iriä- »er-
reichen, gelangen, ankommen, einholen« zu denken? Der Begriff" »Nach-
bar« ist für den Nomaden, wie wir bei qan^'i sahen, eben der »des am m
Abend zur selben Raststelle Gelangten«^.
4. Ist nun auch yorit (kaz. auch qafiS'i Bal. II 45) »gegenüberliegend:
gegenüberliegende Stelle, vis-ä-vis, gegenüber« usw., balk. »gegen, nahe,
in der (^ie) Nähe« zu qarU- »sich vermischen« usw. zu stellen? CC 21
hat qurii- im Sinne von »defendo«; vgl. Wb. II 180 kaz. qarU- »sich ent- >s
gegensteilen « . Die semasiologischen Beziehungen, die zwischen diesen Wörtern
bestehen müssen', werden erst dann ganz klar zutage treten, wenn ein-
' Vgl. kir. ari'in •Elle, Arschine- (rk'Wb4b3a) für *arsinx -ri- wohl durch Einfluß des
russ. apraHHT«; das Altaiscbe hat hier -r»- > -rc- werden lassen : ar(!in. Doch vgl. AtüD 1 1 Anm. 2 ?
' Aus dem Jakutischen ist mir nur ial -Nachbar« bekannt; vgl. Böhtl. 29a und Wb 3°
unter aiV, sodann ailda-, aildai, ällai usw. Vgl. tnctis. viciuus, voisin Walde' 833- — 4.
Dagegen bedeutet jak. körxii nur -Liebhaber-, Geliebter, unerlaubte heimliche Liebschart-
(59b und § 284 unter den unzerlegbaren Stämmen): ich stelle es zu körüs- = koriis-; das
im Jak. heute nicht mehr lebendige Gerundium auf -i, -i, -«, -ii hat sich nur in versteinerten
Bildungen erhalten (vgl. Böhtl. § 528). ?5
' Entwicklung etwa: Mischang, (Hand-)Gemenge (mölee •< *mesculata zu misceo),
Gegnerschaft, Gegenüber usw.
32 W. Bans:
Erster mg.! vduru, tidura, udur usw. (KÜsm S. 46) etymologisch geklärt sind. Be-
denkt man ara\ arala-, aralaS-r. sich vermischen; sich begegnen, treffen«
usw. {'aralaä Verbalnomen oder < *nralaia), so wird wahrscheinlich, daß
auch cuwas. yjiß »Zwischenraum, Abstand, Entfernung« aus qar^ ent-
5 standen ist'^ [Mit *qar- oder "qari- operierte schon W. W. Radloff im
QB 161 10 Anm.]
' ara ist, wie die anderen präpositionalen Begriffe, Gerundium zu *ar-; hierzu aaeli
das -/-Abstraktum ar'it, das heute nur noch im Jakutischen in der Bedeutung > Zwischenraum -
lebendig ist. Zu *ar- vgl. *ara- AtüD S. 22.
^ Das von Paasonen aus Zenker 723 c angezogeue ostt. hioi »Zwischenraum, Kluft.
Schlund« ist wohl mit Sui-.-Kun. 135 qaui r=. qowiu], ici bos otan — hohl* identisch und zu
qoauf, qoyui zu stellen.
Vmn Kökti/rkij^ehen zum Ostnanischen . 33
Zweiter Anhang. ^™^'**"'
Anhang
Verba auf -tia und Abstrakta auf -nc.
Es gibt mehrere Verba auf -na. die als offenbare Schallwörter wohl
einer älteren Sprachperiode angehören und deren Analyse bisher meines
Wissens nicht versucht worden ist. Man wird auf den ersten Blick geneigt 5
sein, sie für Üenominativa auf -na zu halten. Es sind die folgenden:
1. uig. kdknn- QB i 23 27 mit Anm. Bedentung: » bedrohen, tadeln, wider-
.sprechen«? Vgl. uig. käk, CC 182 itek = odium, kir. kek »Zorn, Rache« ; uig.
käkine »Antwort«. Denominale Bildungen sind bar. krrga- »drohen« = tob.
kiga- »drohen« (dazu kigäii »das Drohen, die Drohung«) = alt. tel. leb. knkd- .0
• mit der Hand drohen«; mit -la: schor. käktä- »tadeln, eineri Tadel aus-
sprechen«, kir. kfktd- »anfeinden, zanken, streiten«.
2. uig. üsnä- »widersprechen«, von *//.«. Es gibt in den Abakan Mund-
arten ein Nomen iis »Rache, Feindschaft. Haß« (vgl. kdk) welches voin Wb.
= Öd gesetzt wird: da aber ÖV! in diesen Mundarten schon durch ör ver- 15
treten ist, so ist es immerhin möglich, daß üs mit dem Grundwort unseres
üsnä- identisch ist.
M' 77 17 üzmi- geschrieben; 85 25 üz boz ein echtes Hendiadys (üz boz
köftül »Zerstörungsgesinnung«; oder »Haßgesinnung«?).
Wb. I 1531 wird das regelrecht entrundete kar. L. isnä- verglichen, jo
leider ohne jegliche weitere Angaben.
3. kom. dschag. tar. krm. ad. osm. nsnä- »gähnen«, kir. esnä-; dschag.
kaz. tob. bar. isTid'-. Zu '"ds, *ifi. Bosn. dmn-: alt. leb. küär ästd-, das wohl fiir
*dsld- stehen wird. Paasonen erwähnt bei cuwas. anasla-^ »gähnen« auch
ein kaz. inäski-, zu dem er ein Fragezeichen setzt: ich kenne dieses Wort 's
auch nicht. Zu *ds ferner auch das denominale schor. küär. dzd- »gähnen« :
sodann das leider nur im Dschagataischen nacligewiesene iskd- (Wb. s. v.)
oder dskd-.
Kar. L. T. ydsdld- mit dem vor -la häufig auftretenden Vokal, über den
ich an andrer Stelle sprechen werde, und _y-Prothese, wie im gagaus. yesne-. 3«
Jak. ort/- von einer Basis *dt oder os; vgl. § 12a.
4. dschag. usw. kiSnä- »wiehern«, alt. tel. tö/r/- »wiehern« und »braten«,
kaz. kUhiri-. (^uwa.s. knien-.
' Formell vgl. wohl cuwaS. s^ttu »Schnupfen«, »ytiasla- »niesen«. Auch diese Wörter
stehen allein.
Phil.-hist.Abh. 1919. Ar. .5. 5
34 W. Bang:
Zweiter yüt das Osttfirkische kennt A. von Le Coq q'iäna- (Spr. 95c), Raqitettf,
""^ aber änamdq (MSOS 191 4 196). Der CG hat 134 pilki kp3inC95ir = Di pl)ert öi
lopcrten. Das komanische Wort ist also als kisinn- anzusetzen. Ich glaube
nun, daß Raquettes cina- dadurch entstanden ist, daß die Gruppe ki- pala-
' talisiert wurde: vgl. sein kirmrik »to enter« mit der Nebenform ci{r)mäk und
seine Bemerkungen im JSFOu. XXVI 5 Helsingfors 1909, S. 26 und 3: kir-
md'k > (Hrmäk, Mm > nm. Die dem Komanischen geläufige Form kiäind- wäre
also zu *ciMnä- geworden und dann zu *c'Sind-, *cMtia'-. Die sowohl von Le
CoQ als Raquette bekannte gutturale Form beruht wohl darauf, daß das
.0 Wort kaum anders als mit at und aiyir gebraucht wird? Auf diese Weise
könnten wir uns auch das soj. min- für min-, mi'in- »besteigen« erklären
{atqajmiin-, attnajmin-), wenn hier nicht der Einfluß von m- im Spiele ist'.
5. Allen Dialekten ist qaina- in der Bedeutung »kochen, ins Kochen
geraten« bekannt; das Wort bedeutet aber auch noch »lärmen, wimmeln«'.
'5 Ich stelle es zu alt. schor. sag. qai »das Zischen, der zischende Ton, das
Brummen«, auch »die gui-gelnden Töne, die beim Rezitieren der Märchen
hervorgebracht werden«. Eine neuere denominale Bildung ist: alt. usw.
qaila- »brummen, summen, schnarchen; mit brummenden Kehltönen Mär-
chen rezitieren«, im Tobolskischen auch »einen undeutlichen Ton von sich
20 geben, murmeln, vor sich hin ein Lied summen«. Zu dieser Sippe ist
wohl auch tob. qay'ir- »schleifen«, kir. kaz. qaira- »knirschen mit den Zäh-
nen«, kir. kaz. tel. schor. qaira- »schleifen« =: alt. tel. leb. qayira- »ein knir-
schendes Geräusch von sich geben« zu stellen. Die Ableitungen qairya,
qairqas, qairyas, qayiryas bedeuten »Schleifstein« u. dgl.; vgl. etwa lat.frmdo
>■, »mit den Zähnen knirschen«, trans. »mit den Zähnen zermalmen« und z. B.
das verwandte engl, grindstone »Schleifstein«. Zu alt. tel. leb. usw. qiyira-
mit -«- in der ersten Silbe vgl. Gombocz a. a. 0. S. 67. Ist osm. qaya^an
»Schleifstein« (aber auch »Schiefer«) eine Ableitung von *qai-, *qaya-, wie
ich deren in MtüSpr. 3635 zusammengestellt habe?
: ' Ks wird aber -/- besondoi-s voi- rnl^Liendcni -m- j;ern( zu -«-: vgl. außer .^tüD § 2:
uig. kir. kaz. qim'iz, dsfhag. qimiz, bar. q'im')\>t. sag. koib. c/kotw {-?/- auch in den Lehnwörtern
rnss. K-yMbic-b. ung. kiimiiz): dschag. OT. tiniau -.Sclinupfen, Erkältung-, kir. tumaii -Heiser-
keit, Schnupfen«, dann wohl auch all. htmü -Seuche, Fieber«, wie schon CC 138 SumOP =^
Öl fnuppe (fWb).
" Das schlecht belegte uig. ^arfna- -kochen, wimmeln« CUT). II 296) kann verglichen
werden: leider ist uns die Lesart von B zu QB 146 unbekannt (vgl. QB XV die Differenz
zwischen Text und Anmerkung). Das dschag. qatna- hätt« wohl fernzubleiben.
Vom Köktiirkischeit zum Osinanbcheu. ä5
6. Onomatopoetisch dürfte auch die Urform von kom. dschag. tar. alt. Zweiter
tel. kkir. kar. T. caina- »kauen« gewesen sein; > kir. ^aina-, balk. tob. bar.
küär. (!) tsaina-; scher, koib. sag. ktsch. küär. (!) taina-. Die weitere Ent-
wicklung s. unten S. 46 Anm. i . Eine prächtige Vulgärform überliefert
HoüTSMAS Glossar 80: soina-, Mina-, zu der sich die Ausspraclie qoi/in, 5
qdy'in (wohl auch quin) für »Seh wieger-« < qay'in, qain stellt. Der treibende
Faktor war zweifellos der Nasal, der auch sonst im Kiptscliakischen das
vorhergehende -a- > -0- wandeln konnte; auch vor Liquida finden wir diese
dialektische Aussprache, und Radloffs Ausfall gegen dieselbe (Wb. II 220
unter ^qal-) ist durch nichts zu rechtfertigen. 10
Werfen wir nun einen Blick auf die unter i aufgeführten Formen, so
springt in die Augen, daß hikinc in irgendeiner Weise ein verbales *käk-
voraussetzen läßt (KSz. XVII 196).
Ist aber käkinc zu *h'ik- zu stellen, so wird damit auch für knknä-
eine verbale Herleitung möglich: zu käk- wurde das Verbalnomen auf -n -s
gebildet und an dieses *kuldn trat das denominale Formans -a; d. h.
käknn- ist durch Mittelsilbenschwund aus *käkinä- entstanden. Vgl. (kir.
j sar »Gesang«, *sar- »*singen«) tel. schor. usw. sarin »Gesang«, dazu sanna-,
sarna- »singen« (dazu auch die »Streckform« saira-, sSra-?). Ebenso: *yaS,
*yas- > cuwas. iii- »leuchten (Blitz) und dazu kir. dzastl »Donner und Blitz« 20
< *yaa'l; uig. kiptsch. tob. yai'in, leb.yaztn »Blitz« > kaz. yfWm, dzcUin um-
gelautet, uig. tob. ^a^ja-, k&z. hau. yäSno- »blitzen«, halk. zaina-\ Formell
ist zu dieser Gruppe zu vergleichen: (osm. kkir. caq »Ton des Schiagens,
des Zusammenstoßes zweier Gegenstände«, daq- »schlagen; blitzen«) osm.
caqin, dschag. caqiti, tel. ('ay in »Blitz«, tel. ray'ina- »blitzen«; mit *- < J-: ^s
schor. ktsch. iaq- »Feuer anschlagen« [so!J, Myin »Funke« und die Neubil-
dung Sayinna- < -la »Funken sprühen«.
Auf diese Weise läßt sich dann auch höchst einfach kom. kiUmi- be-
greifen: *kiMn gehört als Nomen zu *kii- »wiehern« u. dgl., von welchem
osm. kiiirdi »Gewieher« gebildet wurde als gäbe es auch *kisir, *kiiirdü-, 30
die vielleicht noch nachzuweisen sind".
' Nur im Osm. sind bis jetzt belegt: Vit-, Hin-, ii'ila- -glänzen, funkeln. : dazu dschag.
ii'iq •glänzend. Helle. Licht«, iiin, iUm »Blitz«, iina- -glänzen«. Bei Sul.-Kun. 29: biz =:
yildirim, aiin caq'in. Also auch hier die Anlautvariante a-: ya-. y'i-, i-'.' In yildirim vermute
ich *ycUd'ir- zu *yal- -leuchten« oder dgl., das auch in uig. usw. yal'in »Flanime«, tel. l'alin 35
auch »Blitz« anzunehmen sein wird.
' Vgl. (fo/ »krik-krak«; ('nt'ir/la- -brechen, knirschen«, catird'i »üeknarr« usw.
S6 W. B A N G :
Zweiter [qj Hinblick auf knkinc »Antwort« wird es, auch ohne daß man sich
dadurch den Vorwurf des Leichtsinns zuzieht, erlaubt sein, die folgende
Frage zu stellen: sind die Abstrakta auf -nc wirklich alle von der re-
flexiven Verbalform gebildet oder gehn sie ursprünglich zum Teil auf
5 ein Verbaliiomen auf -n zurück, an welches -d sekundär' antrat? Brockel-
mann scheint, wenn ich ihn richtig verstehe, ZDMG 70 (1916) S. 192 schon
an diese Erklärung gedacht zu haben.
Ob wir in qaina- und cainu- ebenfalls -a-Denoniinativa zu sehn haben,
ist mehr als fraglich.
10 ' Vgl. BtüW» § 7 am Schluß und Anm. 17, wo ich die Abstrakte wie aqinti ebenfalls
von dem Verbalnomen auf -n herleite.
Ymn Köktiirkischen zum Osmanischen. 37
in. Das Formans -7«/ bei Verben auf -a usw. ni § i
§ 1. Die Wörter wie tat. say7'iYU (oben S. 2312) sind zum Teil vom
Wb. formell und lautlich mißverstanden worden. Unter tar. ostt. qariyu
»blind« heißt es: »von (jariy-*\ Unter qariy- wird dann auf dscliag. qariq-
(zur Bildung vgl. oben § 9a) verwiesen, das »krank werden durch das Schauen 5
auf den Schnee (von den Augen), blind werden, geblendet werden»
bedeutet; außerdem wird auf uig. dschag. qarayu und auf ein im Wb. feh-
lendes qarö verwiesen; zu diesem vgl. jetzt Spr. 94 b qdrö »Blinder«.
Für das tar. qariyu haben wir also ebenfalls Schwächung von -a- in
der Mittelsilbe'' anzunehmen ; sie sollte durch i wiedergegeben wei-den, wie w
' Zu dschag. ffl«yrt7»/ > krank* gibt Wb. 1 176 die Erklärung: .von ayriq''.
* Sie wird bestätigt durch Raquette, MSOS 19 14 213b: yary« »a blind man« (vgl.
Prob. VI 1911») und indirekt durch ta.r.gaTuyu yapalaq »eine Eulenart-, das im \\T). III 262
unter iyapalaq aufgeführt wird; hier ist das -«- des Inlauts eine von W. \V. Rauloff miß-
verstandene Trübung aus -a-, die er durch -«- hätte umschreiben müssen; wäi« es ein -u-, ■'
so hätte es «-Umlaut verursacht. Das Wort für "Eule- selbst ist wieder ein schlagendes
Beispiel für Mittelsilbenschwund (vgl. KSz. XVII 133 fl'.): schov. cabanqulaq und caba-qulaq,
koib. yabä-qulaq, bar. yapqutaq (mit der -Erklärung. : 'Von yap -f- qulaq- !). dschag. tar. yapalaq,
kiptsch. kom. tob. kaz. krui. yaiaAir/, kaz. auch cabalaq, diabaUu], k\r. dinpalaq. Spr. 99c
yuprulaq (vgl. KSz. XVII 1 23 in der Anm.). Das erste Glied dieser Wörter ist unsicher. »
Mittelsilbenschwund auch in schon carna< -Fledermaus«, alt. leb. yaryana/, kaz. dschag.
OT yarqanal. alt. yarü-qariat unter iyaru -gegorbenes Leder- : kaz. diarqanat. kir. diaryanat.
Auch hier ist das erete Glied nicht über jeden etymologischen Zweifel erhaben; vgl. bar.
yarisq'i -Fledermaus-, osm. yarata (Youssouf auch yäranä; vgl. Houts. 105 yäräsä), yaras'iq,
ilsch&g. yarasiq. Das i-uwa^. »ara-strii (Paasonen 130. 131) -Fledennaus- bedeutet wörtlich '5
• kahler Spatz«: ob sara mit yarü zusammenhängen kann, ist unsicher: vgl. Kamstedt KSz.
XV 137. Nach Wood, IF. XVIII 19, stelle ich noch her: an. ledr-btaka und lith. szikszno-
spamis »Fledermaus-, wörtlich -Lederflügler-. In Selma Laoeslöfs En Herrgärdssägen, Kap. 7
fmde ich: De dar läder lapparna äro fru Sorgs fdglar; dieses /dcferfe/)/) ist im Schwedischen
ein Synonym von flädermux. Weiteres bei Pott, Zeitschr. für Völkerps. u. Spr. 1 348. 30
Lider hat BB XXI 93 — 95 (vgl. 107 ff.) einige idg. Wörter für -Leder, Haut« u. dgl.
mit Verben zusammengebracht, welche »spalten- usw. bedeuten; so mag auch yarü (vgl.
Prob. I 120 8 yarü ädäryä man urändim -ich erlernte das Gerben«) zu yar-. dzar-, car- -spalten,
enthülsen« (Spr. 99a yära- -spalten-, aber yärma und y^inrfr -Splitter- : vgl. Prob. VT 13621
yarerf? <; Yyorarfr aber 13616 yaryin; ebenso I33'5 ün'kni glip qoliya saUdT -er steckte den 35
Ring an den Finger- zu sal-, sola-) zu stellen sein, wie auch kaz. yar'i -Haut zwischen den
F'ingern, Lederstreifen. , yar^aq (-^-Ableitung zu * yarfx-'i) -kahler Pelz: uugegerbtes Leder:
38 W. Bang:
III §1 z.B. in sa%liyek »um zu bewachen« (Pioh. VI Si i) <. saqlayati, areda »in-
zwischen« (S 1 i2u) < arada, dann im Präsens: qüimän usw.
In den Texten erscheint für -i- jedoch sehr häufig -i- und sogar -f-;
trotzdem aber wird der vorhergehende Vokal nicht umgelautet: 883 aji-
' 5 leriya <, ayalartya, 90 3 ayderim, 90 6 ayileriü, 98 8u ayilerimya, 96 lou 07»-
lerimm, 96 6 u ayilerint.
Hätte qariyu irgend etwas mit qariq- < *qanq- zu tun, so müßte Um-
laut eingetreten sein: *qeriyu. Eine Diskussion erübrigt sich jedoch, da
wir das ganz klare qarayn > qärü ja neben qariyu, besser qdriyü, besitzen
10 [Prob. VI I73i6uff. findet sich melirfach qariyv\.
Ich halte qarayu für eine Ableitung auf -yu von *qara-, einem sonst un-
bekannten Denominativum auf -o; es wird wohl zu qar »Schnee« gehören,
so daß *qara- eigentlich »schneeblind, geblendet sein« bedeuten würde'.
Außer tar. sayriyu < *sayir-a-yu zu *sciyira- > sayra- (Sul.-Kün. i 64 scrfii-
■5 ol-, iMtmä-) sind noch zu vergleichen:
I. uig. osm. bos. q'irayu »Reif«, dschag. qirayu, qirau und qiral; kir.
bar. kaz. q'irau kom. CC 234 kjroo, schor. sag. koib. q'ira, ostt. qirau, tar.
qirö; kumd. qurä, alt. leb. qurü'; kkir q'irö (Prob. V 2 10 157) fWb. Ich
stelle das Wort zu *q'ira- »grau sein« von q'i?- »grau«; vgl. die kaz.
ao Neubildung qiraulan- »grau werden« von Bart und Pelz^; dschag. qiral
Schwimmhäute an den Füßen der Gänse [Prob. V 8 58 yaryaq taman qas • Leder-Sohlen-Gans] ;
Sämischleder-, nach Raquette MSOS 1914 229a auch «leather (of sheep or goat's skin)«,
Prob. I 4 Nr. 44iyar7a5 ton »kahler Pelz- ; u.a. Vgl. Dähnhardt, Natursagen III i S. 4.
Im Osttiirkischeii ist das alte türkische Wort für »Fledermaus-, wie es scheint, Ver-
as gessen worden; dafür tar. iäpärüii, Spr. 93b iäpäräfi, iäpartik, MSOS 1913 129b und 130
säb-parrak, 1914 206b säb-pärräk; alles — im einzelnen der Erweiterungen unsicher — zu
np. sab-parra. sappara GrIrPh. I 2 7 7 (vgl. u. a. die türkischen Erweiterungen von np. pöst.
pösdn »Haut, Fell- Hörn Nr. 338: postäki, postäk, postuncäk). Nach A. von Le Cog sagten
Frauen und Kinder sacqan (saiqan) yäpulaq.
30 1 Mit kir. qur, uig. osm. kmi. kor »blind- < np. kör (HCbschmann, Armen. Gram. I 173
Nr. 322) wird man nicht operieren dürfen, da das Wort unerkläi-t ist.
Im dschag. qir^/u (Zenker 697 0; Wb^i' 7V) könnte -AVurzelablaut» angenommen werden,
wenn das Wort besser oder außerhalb des Dschag. überliefert wäi-e. Katanoff, der es
nach BuDAGoPF II 50 zitiert, meint, vielleicht mit Recht, es sei falsch vokalisiert (vgl. seine
35 Ausgabe des Li in 3auHcoin. BocnJMii. (lIV^1i.I. hmii. pyccK. apxeo.ior. 06m. Band XIV, Petersb.
1902, S. 52 Anm. 60).
' Zu -«- vgl. KSz. XVII 120. Wai'um aber -k- im Kumd.? Etwa Rundung durch q-
wie in qusqac -Zange- oben S. 637.
* In Kucä hörte A. von Le Cov yiro -alt (Tücher usw.)«, was wohl hierher zu stellen ist.
Vom Köktiirkinchen zum Osmanischen. 39
< *qira-l wie osm. güzäl, gagaus. göznl < *közn-l zu *közn- zu köz; > kir. lUSi
közöP'.
2. dschag. kiptsch. qa-iayu »Striegel«, osm. qaSarfi, kaz. qaSau. Synon.
kkir. qaäaq, dschag. qa^ayuc, -wuc. Diese zu osm. qam- »ein Pferd strie-
geln«. CC 122: stregia ^ chasragu = chasrau, lies qa^rayti oder %aSrctyu, '
usw.; diese zu osm. qas'ir- »ein Pferd mit dem Striegel reinigen lassen«,
von qaü'i- »abreiben, kratzen, striegeln«. Vgl. kaz. q'iryic »Striegel« zu q'ir-
• kratzen « .
3. dschag. oqlayu »Walze, Zylinder« — osm. oqlay'i, dschag. oqhu, Sui..-
KuN. 9 auch aqlau, 6 1 c%/ar. Nebenformen dschag. oqlaq, -y. Wb. richtig : ■»
» von oqla + 7« « , und Vergleich von kaz. i'qlau » Rollholz, Mangelholz (zum
Teig rollen)«. Osm. oqlawa (\), kir. oqtau <^ oqlau im niss.-kir. Wb. Kazan
1910 S. 266 unter CKajiKa. Die lautgerechte Form ist im Kazanischen uqlau;
' Da.s jak. kiria geht auf ein gekürztes *qir-/u zurück (vgl. Böhtl. §§ 287, 289, 372).
Entlehnt sind mnng. /rirafftni (Kow.III 2546) und kirrigv, -gim (Kow.III 2549) — tung.^erm/. kern/. 1;
' Eine -/-Ableitung als Synonym einei- -/•-.Ableitung haben wir in alt. leb. yasal
• Schmuck« > schor. sag. «i«a/ von yaza-, yasa-: sag. auch cazaif "Schmuck« und schor. sag.
cazam || alt. tel. leb. yäpaäl «das Gerät. Werkzeug, Instrument. Wafte« z>i yäpsä- »ausrüsten« ;
schor. cäpitäl «Instrument« usw., al cäpsälX -Pferdegeschirr«: kumd. yä/>,väA- «Pferdegeschirr« ||
osm. cökäl neben cökük »Hefen, Bodensatz« zu iök- || Zu bultsa-. bolla-, molt'a- gehören dschag. »o
liotdiau -Frist", boldzar, boldial (vgl. Svl.-^vh. bulcar : mulrar), kkir. boldzul Prob. V 2281a,
^^1l. bolit>l; dschag. auch boldiai; koib. ktsch. molt'ag, Castr. moläa%. Prob. IX 371 14 moldiay,
balk. bolzäl. Es liegen also die Foi-mantien -y. -.{, -/ und -r vor. Warum wird Wb. I 602
dschag. ailar -Mulde, Trog« beanstandet, während es vollberechtigt neben ailaq. ailau, astau
steht? Das tob. bultsa «Frist« wird wohl mit -ä anzusetzen sein (bultsa- Prob. IV 3541a). >5
Neben osm. yular « Zügeli^ steht dschag. dzilau; Vambkry ("ag. Spr. 281b hat
ferner diulau, diular «Leitseil eines Pferdes«; die Wörter gehören wohl zusammen, sind
aber unklar.
Ein sekundäres -/ liegt offenbar vor in dschag. kii. ötkiil = kkir. ötköl < * ötkäl > kaz.
ütJeäl «Furt«, schor. ölküi -Furt«; öt- und -gä, -gü, an das dann -/, -s antraten (-« <, -t wie .1°
z.B. in scher, usw. otturyut »Sitz«, Prob. I 61 61 aucli kiin ottttrytti -Sonnenuntergang«, kar.
utiry'ic. kom. oltvrgw). Sollte diese Analyse das Richtige treffen, so würde das -/ des de-
verbalen -kill ungefähr dem -/äk des elienfalls deverbalen -kiiHik, -ijulvq-. -yulwj usw. ent-
sprechen, das in den Turfanfraginenten eine große Rolle spielt, in den neueren Mundarten
aber etwas zurücktritt. Hierher würde ich auch yätkil. piitkiil (.MtüSpr. 3541,42) stellen, 35
während k\r. d'imqit «feucht« als denominale Bildung zu dem -q'il gehört, das ich BtüW'
§11 besprochen habe. Das osm. öngäl -ent^te. obstine« (Youssouf), das AVb. 1 12 15 önägiil
gelesen wird, ist mir vollkommen unklar (vgl. Wb. I 12 14 unter f'mägi usw.).
Das -ä- von ütkäl <. * öt-kä-l würde sich folgerichtig als Ablaut wie in -yu-v. -ya-c er-
klären (MtüSpr. 42 1«). Wb. gibt anderseits für önäyj usw. auch die Bedeutung -Rival, Neben- >•
buhler- ; dieselbe Bedeutung soll osm. ängäl, krm. iirigäl haben (vgl. auch den kleinen Red-
40 W. B A V G .
in§i dazu das sekundäre uqlavla- »rollen, walzen, mangeln«. Houtsmas iiqlayu
(S. 50) ist wohl besser mit 0- zu lesen'.
Als Grundlage kommt nur oq »Pfeil« in Betracht (in Anatolien oq
a^adzi »Mangelholz« Wb. I 990), das im Osm. und Dschag. auch »Achse,
5 Deichsel, Dachbalken, perches qu'on emploie dans ia convStruction des tentes«
(Zenker 125 c, Pavet de Courteille 68, Wb. 1. c.) bedeutet; im heutigen Ostt.
ist oq im Sinne von » Wagenachse« belegt bei A. von Le Coq Spr. 83a,
Raquette MSOS 1914178b—- tar. öq"^. Es hat also offenbar zunächst jedes rund-
lich geschabte Holz bezeichnet, wie auch in dschag. sapan oqu =-- "Sapanm qulpu
10 wä a')iadzi- Ptluggrif'f« (Sul.-Kin. 166). Davon dann dschag. oqla- »wälzen«.
4. Für »Zunder, Feuerschwamm« sind mehrere Formen belegt: ohne
Dialektangabe Wb. II 434 unter qabä zunächst qobuya, das Tarantschi
sein muß: es weist w-Umlaut von -a-, und Verderbnis des Suffixes auf
(vgl. KOsm. 17 Anm. i ostt. ücügä »Gedärm« < iMgii; vgl. unten 7); qobur/a
>5 also fiir "qabuya < *qabayn = uig. qawayu M° 10 23. Hierzu auch: sag. koib.
qabö (»von qap + ö« !), schor. sag. qabä, koib. töI. qabü. Daneben eine Kurz-
form: HouTS. 86 qaw, CG 90 d)OU, osm. qaw, in Tebriz goc nach Foy MSOS
1904 223; tur. kur. bar. kir. ÜT. qau, dschag. V. qow, alt. tel. kir. sart. kaz.
qü, soj. qay und qag, küär. qog, tar. kkir. qö. Man wird sich die Entwicklung
10 wohl so denken dürfen, daß von einem Nomen *qab ein Verbum *qaba- ge-
HODSE unter rival), und es hat den Anschein, als hingen beide Wörter irgendwie zusammen.
Wie ist Viv. egäs »feindlich, Rival, Gegner« zu erklären (-« wohl < -«)?
Sicher ist hier anzuführen: ]s.\r. lekpil »dunkle Flecken auf dem Gesicht oder dem
Körper« metathetisch im -Ysepkil ^ A&chng. säpkil, kaz. sipki/ -Sommersprossen«: zu »öp-
»5 -ausstreuen- usw.
Vgl. den Anhang über die Wörter auf -au/.
' Das im Wb. I1017 verglichene ostt. 071*^ -Rollholz, Mangelholz- bleibt besser aus
dem Spiel, solange keine mundartlichen Varianten vorliegen.
^ Mit Dehnung in einsilbigem Wort. So erkläre ich jetzt auch tar. oti (MtüSpr. 29 le)
30 in Prob. VI 102 I ol tasnt kötüriip alidiyannin öin yoq -jenen Stein aufzuheben hatte er keine
Kraft". Dies ö>i < *on ist Verbalnomen auf -n zu o-, das bisher v- gelesen wui-de; o- be-
deutet »können, vermögen«, *on. ön also fa.st soviel wIp kfic. Zu n- auch das Abstraktam
ui.c in der Touyuquq-lnschrift, die mir leider eben nicht zugängig ist, und M" 3261 in
imcsuz särincsiz ämyäklär »unerträgliche Leiden, gegen die es keine Abhilfe, kein Mittel
35 gibt« = »unheilbar«; zu negiertem w- im Sinne von »nicht helfen können- vgl. KSz X^^I
198 — 199. — Gehört zu o- auch uig. kiptsch. dschag. (ryan, oyun, yan -Gott- ? [Vgl. Radlofp
QB zu 183 17]. Zu oyul vgl. den Anhang S. 661. [Oder ist gar ön nichts andres als eine
Kontraktion von 'jyan = »*Macht, * Kraft - ? Es würde dann auch o^/nr (T' 213 unter XX VTIl)
soviel wie »vermögend, mächtig- bedeuten.]
Vom KöktürMschen zum Osmanischen. 41
bildet wurde, zu dem qawayu gehört; daneben stand schon qay\ Auf eine in§i
Etymologie verzichte ich, da ich nicht weiß, ob die Wörter von Haus aus
den Feuerschwamm (Polyporus fomentarius) bedeutet haben; im Tölös be-
deutet qabü >Bast des Daja-Strauches der zum Anmachen des Feuers ge-
braucht wird«, qau im Kirgisischen »das trockne vorjährige Gras«, nach 5
VÄMBERY Cag. Spr. 320 qow auch »faules Holz«: die Bedeutung »Feuer-
schwamm, Zunder« kann also etwas Sekundäres sein, vgl. AtüD. S. 10; die
im Wb. qubur- und qnwar- gelesenen Wörter werden wohl qofnir- und qowar-
auszusprechen sein und -o- < -a- durch u- und tc-Umlaut zu erklären sein.
5. Das Wb. kennt ein bar. yürgö »Windel« ; ohne Erklänmg. Ich lese 10
es yürgö und leite es aus "yörgägü ab, indem ich auf die Tatsache hin-
weise, daß Wörter gleicher oder ähnlicher Bedeutung gern dieselben For-
mantien annehmen. Neben tar. usw. yörgü- »einwickeln« (Prob. V^I 1895")
steht zwar nur tar. yörgäk, koib. yörgök »Windel« > schor. sag. cörgäk (das
Verbuni i'örgii-, das für das Dschag. belegt ist, ist des anlautenden ''- wegen -5
wunderlich^), doch gibt es zu «Iscliag. tel. kkir. rii/yii-. koni. rii/ya/t-, kaz.
Ö0lya-, kir. Sulya- »wickeln« usw. neben dschag. culyaq »Windel, Lappen«,
bar. tsulyaq »Schuhheu« auch kom. culyau »scapinus« (vgl. Düc.\nge s. v.)
und kaz. delyau, kkir. &ulyö »Kußlappen«, tel. ädyü »Windel« =^ tob. tsid-
yau, kir. Milyau »Fußlappen« ; im Balk. bedeutet culyau, ndyöu • eingewickel- «o
tes Paket«: aUe aus *6ulya-yu, metathetisch fiir *&uyla-yu\
' Aus diesem yoy hat sich auch das Jak. k'ia entwickelt; vgl. Böhtlinoks Sammlung
im §341 und aus §443 ia- <i scey »melken«.
' Die Stelle ist jedenfalls nicht in Ordnung; ein pflügender Menscii will in seiner
Gutmütigkeit einen Wolf vor den Jägern veratecken: i/ube.tTm .-e/ip börüni ynrgäp yosundurüp »s
hir yärdä qoidi, was übersetzt wird: -da tat er ihn in seinen Sack und versteckte ihn an
einer Stelle«. Wb. kennt nach dieser Stelle yuba »Sack-. Ich denke, daß yitba. das auch
S. 190 nocli mehrfach erwähnt wird := tar. fua »Pelz- ist (Wl). III 628). für das mich
A. VOM Le Coq auf seine Spr. 89a verweist guba. t)ü*'a »Pelzrock« (l^, li _>»■), für das ei-
die nachlässige Aussprache yva kenut So ist denn alles in Ordnung: der Bauer wirft 30
seinen Pelz auf die Erde und wickelt den Wolf hinein. Ist das Wort i-uss. my6a, äuba
• Pelz« (vgl. ScHRADEB IF XVn29; vgl. Ki-LOE" und Weioands unter .Ioppe)? Wie dem
auch sei, für von Le Coqs gabchu] hat das Wb. yabduq usf.
Für »Sack« gebraucht da.s Ostt., wie u. a. das Osm., ta/yar, layä' (Prob. VI 166 7u;
KSz V 161 7ff.: ttpya, 13 tar/arini, i; tayädiki). Künos gibt in der Jarkender Version tayar, eben- 35
so Kaquette MSOS 1914 i88a.
* In der Krim entrundet zu cärgä-: dazu Kar. T. öärgl- und cär§}w »Windel«. Vgl.
auch Paasonen 183, 185.
' Vgl. leb. <'t/^> tel. cü »WiiKlel, Umhüllung«, leb. cugla-, tel. cüla- »in Windeln wickeln«.
Phil..hi»U Abh. 1919. Nr. 5. 6
42 W. Bang:
ni§i Im Sag. und Koib. lautet das Verbum sulya-, das Nomen soll nach Wb.
sulya sein. Auch hier wird sulyä das Bessere sein (vgl. unten S. 47 Anm. 3).
Wohl nur Druckfehler ist es, wenn Wb. I 1057 alt. tel. oi-U »das Ein-
wickeln, Windel« von »oro + yw« abgeleitet wird: vgl. ora-, oro- und «ro-
5 und die verbreitetere Ableitung oraq, ordg und ofig (von *ori-?) »Hülle,
Windel«. Ein zweifacher Verbalstamm tritt auch zutage bei kiptsch. osm.
usw. sar- »umwickeln«: osm. sar^fi <i * sa'n/u und kaz. sari- »aufwickeln«:
osm. krm. (nicht kom.) safiq »Tuch oder Schal, den man um den Kopf
bindet, Turban « : oder *sar-t-q.
10 Das schor. pöln- »in Windeln wickeln» soll nach Wb. aus dem Russi-
schen stammen (ne^ieHarb; vgl. allerdings pölönkö), doch kommt tar. kur.
hüäü »Windel« zweifellos von *bilngil, < *bälägü: vgl. kaz. bilä-, kom. bälä-
> kir. bölö- gerundet »in Windeln wickeln«. Cuwas. pißh-. Ich stelle bdlä-
zu bäl »Kreuz, Taille« usw. und vgl. kir. heldnü < *bnl-lä-gii »der Strick, der
■5 um die Jurte gebunden wird, um dieselbe zusammenzuhalten« ; davon bfl-
däülä-. Ein andres, ähnlich lautendes Wort siehe unter 7.
6. Es gibt ein zweifellos auf onomatopoetischer Grundlage erwachsenes
Zeitwort dschag. buzla- »schreien (von jungen Kamelen)«, dschag. bozna-,
buzna- »weinen, jammern, schreien«, dschag. bozla- »weinen, jammern, wim-
ao mern, kläglich schreien«, kir. bozda- »schreien (Kamel)«, alt. tel. leb. pusta-
» brüllen (vom Rindvieh)«, te\. schor. musta- »brüllen (in tiefen Tönen)«:
wohl auch tel. postn- »sich sehnen, streben, bitten, flehen, klagen« (?). Zum
Nomen *buz-^ konstruiere ich neben den obigen Verben das synonyme *buza-
» schreien, brüllen« und stelle dazu den Namen des Kalbes (wrtl. des »Brül-
'5 lers«): uig. dschag. kiptsch. buzayu, osm. buzay'i, kom. tob. kir. buzau', balk.
' Neben engl, to buzz, to whiz. osm. f'ia, ßs, fü vgl. besonders das wesensgleiche
osm. wiz »das Geräusch des Summens, SchnurrenS", w'iz ic'iz "Summend« (ict> auch •schnell«
= voizir wizir), w'izla- «summen«, wizilda- »summen, surren, summend kochen«, wtzild'i «das
Brimimen, Summen«.
3" ' Im CC 128 buxau = buzau, 193 2 bU30D. Die hierher gehörigen Wörter werden
meist mit -v, -w geschrieben, vvei-deii also wolil auch so zu sprechen sein. Vgl. auch das
Wort für »Kirche«: 1584 gicl)ÖD, 15810 gtd)Ön> (so im CC), 1983 (tI)OD, iu dc-m ich mit
KuüN eine Zusammensetzung von öv, öw -Haus« (162 3, 187 5, 188 9) erbhcke. Im ei-sten
Teil wird kokt. uig. y»^ stecken, entweder in der Bedeutung -gut, heilig« (Kuun), o3er
35 allenfalls in der von »Ober-, Haupt-« (St. 532 und Anm. 3); vgl. auch wohl kai\ L. yi%
kin »Sonntag«, wo wieder eher »heilig« am Platze ist. Im Balkarischen heißt »Sonn-
tag« Jyü%- kiin, wo iy'i'/^ »Woche- bedeuten soll. Spätere Vertretung des unklar gewor-
denen Wortes!'
Vom Köktürkischen zum Osmanischen. 4H
buzöu. kaz. bezau, Ifizau, gagaus. biizä, alt. tel. kumd. pozU\ sag. puzü, pizä, iii§i
pizö^, kkir. mM2'ö; cuwas. jjSrw. Auffällend sind die osttürkischen Formen:
tar. mozai, OT. muzai; Spr. mözüi, Raquktte mözai; im Tar. dazu mozaiöi
»Kälberhirt«, aber mit Umlaut mozeyini »seine Kälber« (Prob. VI 1 1 7 14).
Weitere verwandte Formen dieses Wortes siehe bei Gombocz, Die bulg. -tiirk. s
Lehuwörter in der ungar. Sprache (Mem. .Soc. Finno-Ougrienne XXX, Helsingfors
191J) S. 51, Nr. 32.
Grzegorzewski (SWAW, CXL VI, 1903, S. 30 — 32) will das Wort auf np. huz zurück-
führen, das ■caper. hircus» bedeutet (Hörn, Nr. 213, awest. hüza- bei Bartholomae, Altir.
Wb. 969); auch wenn man mit Grzegorzewski von einem deminutiven buzak, 6«i^A: ausgeht, lo
bleibt die Ableitung vollkommen unklar. Wenn in diesen Wörtern neben -au, -aic auch
-ou, -ow auftritt, so liegt hier letzten Grundes ein «-. tc-Umlaut vor, wie anderseits ai zu
äi umgelautet werden kann. CC. 124 wird z. B. paella (Dixanok: sartago; schon Klaproth
Mem. rel. ä l'Asie III 247 interpretierte durch pdete'.) als Übersetzung von QaglOOU gegeben;
CC. 234 sieht datur jaoIOD -e pl)anne- = kir. rizaulau »große Schöpfkelle aus Blech (zum 15
Kochen)- : alle aus yaylayv, das alle möglichen Bedeutungen hatte, die nur durch die ge-
meinsame Basis yay -Fett« zusammengehalten werden.
7. Zu büä-, piUi- »schleifen«' gehören: osm. bilngi, -yi »Schleifstein«,
kiptsch. bil(iicil(\), kom. kir. bilan, balk. bilrü, bar. pilnii, alt. tel. pilü und das
mir zweifelhafte schor. pilä für zu erwartendes *pilfi. Rundung nach 6- in: «.
koib. (Castren), kkir. bülö, sag. koib. ktsch. pülä, tel. pülü, ad. Kar. T. büldw.
' In den Texten meines Wissens nur potu (Prob. I 64 165, 178 isn usw.): aber 64 i6a,
164 pozüit »sein Kalb« (Akk.) <i. pozvzün, pozüzün. Die Entstehung von -k- <; -uzu- ist
Phonet. § 103 nachzutragen: so wird auch kokt, bädvk •hoch« im Küär. zu pözük (Prob. 11
703 3), für welches Wb. nur die Kontraktion pok kennt. »s
' Schwächung von -«- > -t-, deren Bedingungen eingehender imtersucht werden müssen.
' Dieses Verbum ist ein Denominativ [bi-lä-) zu dem bisher b'i gelesenen Wort, das
zweimal (M»59 9 4, 71 324) als Adjektiv bei b'icqu »Messer« vorkommt, also wohl -scharf»
bedeuten muß; ich lese bx. Gehört hierher osm. usw. bi: -Ahle- > bar. sag. koib. pis -Ahle-,
bar. alt. tel. -Schneide- (auch sag. in Prob. II 76183 oyunüii pizi -die Schneide seines Pfeils-)? 3"
Das Wort wäre dann vielleicht ein Dual {*bi-z: vgl. BtüW 307: sonst auch AtüD 27).
Bedeutungs- und fonngeschichtlich leliireich ist der Vergleich dieser .Sippe mit der
folgenden: dschag. osm. ad. iti- -scharf sein-, kom. osm. krm. ad. iti »scharf, spitz-, Kar.
T. -Schärfe, Schneide-, uig. itig dschag. ad. ilik »scharf, spitz; schnell, eilig- (Spr. itik
maü- -scharf, schnell reiten, gehen-), tar. geminiert i//(X: (auch »schnell- bei fließen) ; ebenso 35
IlAgtETTE. Mit ^-Prothese: uig. kom. yiti, uig. yitiy. dschag. yitik, küär. yidig, koib. ktsch.
yidig, schor. sag. ridig (Mel. as. IX 128, 143 ctttig): alt. yidu, tel. yidu. Das uig. yiti (jetzt
auch M 41 14; vgl. QB XV zu 177) muß Gerundium zu einem Verbum "it- sein, zu dem
auch die faktiliven dschag. irtfir- und itkür- »schleifen- gehören. Dagegen kann kom. yiti,
osm. iVi aus yitig itig mit dem hier gesetzlichen .Schwund von -g cntstandeu sein. Neben *°
iti- muß ferner *itä-, *yilä- bestanden haben: zu letztei'eni gehört bar. yidäü »scharf-
(l'rob. IV 8oi8tt'.) < *yitägü. Soll hier angeknüpA wci'den küär. idü -Kraft- -C *idägä,
6*
44 W. B A N G :
ni§i In Tebriz bläw, blöv nach Foy MSOS 1904, 221. Auch hier geht da« Ost-
türkische zum Teil seine eigenen Wege: tar. büäi, OT büläi (Sul.-Kun. 26
bila'y und 27 Ulau sind wohl mißverstandene Lesungen; Wb. 1764 dschag.
biläw; leb. küär. pilig <c*pilik)> bülf Spr. 85b.
5 Ich glaube, daß der Auslaut sowohl von biläi als von mozai auf die
Endung -7«! zurückzutiihren ist, die im Ablautverhältnis zu -yu steht. Den-
selben Lautstand weisen auf: OT birnilnn- »sich einigen« <*birägül(in- und
tar. üdäi » Dann « , wofiir auch Raquette urey gibt, entstellt aus OT. icäi = dschag.
i<^ögü (mit Nebenformen wie kur. iödgä > alt. /A/, dschag. V. iöäk > kir. iääk
.0 > kir. äVä*'); bar. ätsäii (Prob. IV 54; Wb. dafür ädzäii).
8. Etymologisch unklar ist osm. qilay'i, qilayu »Schneide einer Klinge
(Schwert, Messer)«, Ich möchte es zu qil »Haar« stellen, zu dem ich als
Denominativa konstruiere: *qil-a-, *q'il-i-. Hierzu gehören dann außer q'il-a-yu
u. a. noch dschag. q'ilau »scharf (Säbel), glänzend (Helm); brauchbar, tüchtig.
'5 das möglicherweise auch in den Eigennamen Itägä, Idägä (Prob. IV 196«: 27 Nr. 6; 127»)
fortlebt, der meines Wissens bisher nur eine volksetymologische Deutung (Prob. IV 28) ge-
funden hat?
An onomatopoetischen Ursprung könnte man vielleicht für alt. tel. iar »Schleif-
stein" :^ tob. bar. tsar und carla-, Isarta- -schleifen, wetzen- < schor. «ar/o-, das VÄmberv
30 Cag. Spr. 274 als diarla- fiir Chiwa nachwies, denken, doch vergleicht anderseits Ramstedt
KSz XV 140 np. can/^ (siehe Hörn Nr. 437 besonders S. 98). Freilich ist zu bedenken, daß
das entlehnte Äry„ (vgl. Wb. ^cäq, iarq, cärk) nirgends den "Schleifstein« zu bedeuten
scheint. Von car ist abgeleitet tel. leb. kmd. cary'i «Schleifstein-.
' Für mozüi weiß ich um so weniger, ob diese Erklärung ausreicht, als das Material
35 nur sehr dürftig ist; -ayu wird bei von Le Coy offenbar, soweit das vorUegende Material
überhaupt ein Urteil erlaubt, durch -ö vertreten, während {-<2yi) -ägi zu -t wurde: Spr. 85b
hxiÜ "Schleifstein-, 84a iklla »alle beide-: ähnlich das nicht virirklich hierher gehörende
pkt% »Handschuh (Falkenjagd)- = tar. jialäi ■=. alt. päläi (<■' Vgl. tob. pialai ■Fausthand-
schuh«;-'). Das merkwürdige biro »einer- <i birägii ist nach einer ganzen Anzahl ähnlicher
3» Lautungen zu beurteilen, in denen die gutturale Suffixform auch bei palatalen Zahlwörtern
durchgedrungen ist (BtüW= §§6 und 7 und Anm. 10 und n).
Im einzelnen schwierig sind özu kün »drittletzter Tag, heute vor drei Tagen- und
ozäql yiVi »vorletztes Jahr« (Spr. 82c); letzteres scheint aufs neue -qi angenommen zu
haben. Das kom. objOD kotl (CC. 136) »ehegestern- ist unsicher, da der zweite Buchstabe
35 unleserlich ist; lies ozawf^^ und vgl. Si'i..-Kun. 160 ozw^ kün »gätän gün«; unter Einfluß
von kün ist das Wort auch palatal ausgesprochen worden: Wb. 1301 und 1144. Vgl. 6«^«»
und nbürgün: umgekehrt alt. pasqün < tel. pasqi kün »vorgestern«.
Das tob. kölogä »im künftigen .Tahre« möchte ich für eine Kontraktion aus kilär y'ilya
halten, doch scheint dem das ostt. kölürgä yiti »nächstes Jahr« (Spr. 96a) zu widersprechen.
40 Liegt Rundung von -ä- > -ö- vor -/- vor? Vgl. KSz XVII 120 ff.
Vorn KöktürkL^chen zum Osiruxn'ischen. 45
tapfer (Mann)« auch »Haarnadel«, und qilaula- »wetzen, schärfen, polieren»; i §u l
besonders dschag. yi/öwWb.II 867, wo es »von qih abgeleitet wird, worunter
wir doch wohl das Nomen zu verstehen haben. Zu *qili- dann wohl qiM
»Säbel« und seine verschiedenen Formen'. Zu jak. Mlan »die äußerste
Spitze eines Gegenstandes ; die scharfen Spitzen der Haare eines 5
Pelzwerkes; Schneide eines Messers usw.« vgl. Böhtlingk § 334, 344 und
etwa kkir. q'üqan » Acheln der Ähre« = alt. tel. qilyan. Das bar. q'ilah »Pferde-
haar« geht auf das üeminutivuni *qilaq »feines Haar« zurück, das auch im
l-uwas. y^hy^ »Pferdehaar (vom Schweif); Saite« vorliegt.
Das osm. dschag. yana »wetzen, ein Messer abziehen; wenden, drehen» dürfte ein la
Denominativ zu yan »Seite« sein, vgl. besondei-s yanas- und seine Ableitungen, worunter cuwas.
j^fnaiar »nebeneinander«. Als Gerundium gehört zu yana- das tel. kumd. yanai -^ *yanaya
(Wb. III 82 »von yan -)- '.'') »von der Seite, nebenbei«; im Kirgisischen ist dafiir diana- »an
der Seite gehen«, belegt. Statt yana- auch die -!-.\bleitung: koui. kuz. bar. yani- »wetzen,
schleifen; sich an jemand anhäkeln« usw., auch »drohen- (CC 38 ianimieil aber ianablm), '?
kaz. kir. diani- »(trocken) auf einem Streichriemen streichen, schleifen«. .\ls Nomen: yanü
bar. »Streichriemen«, kaz. »das Schari'machen, Wetzen« und »Drohung«, kir. kaz. dianü
• Streichriemen « .
Durch den Auslaut ist der Anlaut verändert worden in: tub. nan .Seite«; dazu tub.
nanai »in die Seite, seitwärts, neben« ^^ yanai. 20
Zu dschag. yavayan steht bei Sui-.-Kun. 98 die Erklärung käskin, bülülänmis < bütu-
lä-n- (oben Nr. 7); balk. zaiiiydn bedeutet »Drohung, das Drohen«.
Im Cuwasischen besteht j\ina- -drohen«, im Jakutischen das lautgesetzlich entsprechende
"an- »drohen-, in welchem -ä- wohl Ei-satzdehnung ist (''.'). Vgl. aber auch Böhti.ingk §91:
Nemeths Arbeit in Nyelvtud. Közl. XLIII kann ich leider nicht einsehen, KSzXVi5otf. "s
erwähnt er sän- nicht.
9. Unregelmäßig ist die Entwicklung der Endsilbe von kokt, küdägil,
osm. güwäyi »Schwiegersohn« (R.\m.stedt KSz XVI 81: vgl. m. Bemerkung
KSz XVn 199 Anm. 2) im Osttürkischen; der Grund dafür wird darin zu
suchen .sein, daß es mit oyul eine Einheit bildet: tar. kiiyä (rful (Prob. VI 30
137 ff.), = Tcuy-CTigl bei Raquette MSOS 19 14 222b — M öyul, küi öyül
Spr 96c'. Die vom Wb. für das Tarantschi aufgoftihrte F"orin kilyä ist
mir nicht bekannt, wäre aber auch nicht regelmäßig. Ebenso wird das
osm. güwäyi zu güvoäi gekürzt, das im Gagaus. sogar als gimä erscheint.
Ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß sich für das Osmanische noch 35
' Im Balkarischen bedeutet qUic nur »Rand, Geländer: Querholz«. Zur Bildung vgl.
z. B. kiptsch. tikic »Stachel« von Hk- (Houtsma 68).
' Vgl. auch, was ich MtüSpr. lo 37 über die Entartung des Imperativs auf -äi > -ä
sagen konnte.
46 VV Ban«:
ni§i eine ältere oder mundartliche Form *gnyäwi =r kiptsch. küyägü usw. wird
nachweisen lassen; vgl. ki-rn. güyäw, güyü (SrL.-KuN. 72 güjav = gijav\y.
Das adherb. Mlräkän »Schwiegersohn« (vgl. zu -ü- Foy MSOS VII 229;
überhaupt die dort angegebene Literatur und Pavet de Courteille 466-7)
5 scheint Lehnwort zu sein = mong. kargen (Kow. III 2651; Plural kürget),
burj. huren, kvregen (Castren 213), tuug. kuräknn (Castren 81). Gehört
körägän »schön, nett« (Vämbery, Gag. Spr. 329b: »veraltet«) hierher oder
ist es eine Ableitung auf -dgan zu kör-? (vgl. MtüSpr. § 26; die entsprechen-
den Wörter auf -gän, -kän Wb. II 1598 mit sehr berechtigtem Fragezeichen,
10 sodann Sul.-Kun. 71, 74). Zu körün- bildet das Cuwasische kurdnaoan in
vivdr-k. »durchsichtig«, das eine junge Bildung sein muß, weil -ayan als
Ganzes angetreten ist.
Zu uig. kündägü »Eidam« (bisher nur bei Klaproth i8b belegt) stelle
ich sag. kündägä »Gefährte, Genosse« (-gif- -gfi)\ es liegt also hier der
15 Antritt eines Abstraktformans an den Lokativ vor: kün, kündä, kündägü
»tägliche Genossenschaft«. Vgl. dschag. kündälik »Tagelohn« >osm. gü/idälik
»die Dauer eines Tages, täglich; Tagelohn«, auch »journee d'ouvrier«
(Youssouf) und osm. ondatiq »der Zehnte« (BtüW § lob und Anm. 37; vgl.
oben S. 431), aber a'iMq, yiltiq usw. Vgl. Pel. 46a üdägä usw. »Hausgenosse«.
20 10. Zu osm. kösäyi — dschag. kösägü »Feuerbrand, Feuerschürer« zu
*kösä- --=- kir. kösö- »das Feuer schüren» usw. vgl. meine Bemerkungen
KSz XVII I 39^
II. CG 225 II steht im Original mit aller wünschenswerten Deutlich-
keit faroü hapncpDir = bi fpiocr gct Uf bitter. Zu lesen ist sarowm qainäydir
^5 oder qainaydtr. Ich konstruiere ein *sa?-ayu zu *sar, *sara-. Nomen und
Verbum scheinen heute verschollen zu sein, so daß die ursprüngliche
Bedeutung sich kaum erraten läßt. Die Ableitimg auf -a-yu aber liegt
' Von den mundartlichen Formen verdient hervorgehoben zu werden tum. kit/äü
»Schwager, Bräutigam, junger Ehemann«, das Prob. IV 74 auch für das Barabinzische in der
3° Bedeutung »Schwager« vorliegt. Vgl. imten § 3. An dem Übergang des -«- in -*"- trägt -y-
die Schuld, das ja überhaupt ein Störenl'ried ist {tayan- > balk. tiyan- »sich stützen- u. dgl.).
Tritt noch c- iiinzu, so kann die Palatalisation noch weiter gehen: cayna- »kauen- >■ kaz.
Cäynä- > osm. ciynä-, cihä-. So erklärt sich denn auch das sonderbare osm. ciwi .Holznagel,
Mock, Keil«; -w- ist Hiatustilger, *cii < cHy, cüi entstanden, wie <las Wort in anderen
35 Mundarten lautet; tob. tsiit »Stift, Holzstift, Keil-, kaz. ceV (vgl. BtüW 3038).
^ üehört osm. küskii. köskü »Schüreisen. (Sul.-Kun. 141 dschag. küskü »abgebrannter
Uolzstumpl'-) zu i'iner Kurzform *kös- r= kösö- oder ist es durch Mittelsilbeuschwund entstanden?
Vom Köktiirkhcheii zum Oftmanisrhen. 47
vor im tel. mrU »das Sodbrennen«: im Wl). II iszff. finden wir außerdem iii§i
tel. töiihn qainap yat »ich habe Sodbrennen« und im Anschluß daran das
kaz. sarU qainti »es dreht sich das Herz mir im Leibe herum«. Die ka-
zantatar.-russ. Wörterbücher werden also wohl weiteren Aufschluß geben'.
Im Kirgis. bedeutet »Sodbrennen haben« nach Wb. II 798 q'idMda-, das 5
wie ein Schallwort (§ 19) aussieht.
12. Osm. qazay'i »Raspel, Reibeisen« = qazint'i »Raspel. Kratzeisen«
gehört zu qas-, qaz-, qazi- »graben«, osm. qdzi- auch »abkratzen, abschaben,
rftcler«, neben welchem ich ein *qaza- ansetze.
13. Für »Fußfessel« kennt das Osmanische hoqayu, -yi, boyayt = dschag. m
hoyjayu, Süi,.-Kün. 33 auch htiyayu: tob. buyau = *buqau, bitqqU', die fehlen;
Kar. L. T. buyuw »Kette«, kir. btiyau im russ.-kir. Wb. Kazan 19 10 S. 306a;
huT.puyau; kaz. biyau. Nebenform im Dschagataisehen }Yw/ß.nr/ja (Sul.-Kun. 33).
Bei Sul.-Kun. 197 steht unter tusaq noch boqau. unter tuinndzil noch boya.
Im übrigen sind *boq, *boqn- usw. unbekannt". ",
Neben dem genannten tu^q steht kaz. te.^qu > kir. titsau < *tii,iayv,
zu tuSa- > kir. tusa-.
14. Ganz unklar ist schor. (?) qamrur/'i »Fischotter« = bar. qamnau, schor.
qamdU (verdruckt für qamnü), alt. tel. qamdü^; erweitert durch -c in ktsch.
qamnüi > sag. koib qamnüs (Mel. aslat. IX i 2 1 qnmnös; vgl. Castren 93)^ '"
' Gehört hierher i'uwa.^- *j^r- «simckeri', das ieli MtüSpr zu sazayan h(!rangezogen habeP
' Auch bu/an/u wird auf *6o^, *botja- zurückgehen; vgl. Lfi 2"] 32 wnanyu »Wohnort-
zu 'min, M'1513 lonatr^/u »Gewand« zu tim. Es ist hier -y?/ an das dominale Verbuxn" to/z-a-«-
getreten, wozu man dschag. tuuanma »Schmuck, Pomp- slullcn mag; ornanyii also < onm-a-n-'fi.
Für -7M tritt -ril ein in dschag. titiandiil »Fessel- bei Sul.-Kun. 197. a?
Zum Ansatz *boqa- vgl. auch dschag. hur/ar (Sul.-Kun. 33 ; buya-r wie oben S. 39 36 yitlar
usw.) und das bei T'213 unter XXV l)esprochene buqars'i, dessen Bildung (vgl. MtüSpr. 3843)
der Erklärung hairt. Vgl. 6j as.
' In den Texten, Prob. I 154 — 7, 234, 238 nur qamdv. Wenn die Länge heute nicht
mehr bestehen sollte, so hat sie jedenfalls einmal bestanden. \'gl. die Bemerkungen zu yürgo. 30
oben S. 41 10 und pozu. oben S. 43 jj-
Um die Quanlitätsbezeichnung der auslautenden Silbe ist es überliaupt oft übel bestellt:
Wb. .sag. porca -eine Blume-, aber Mel. as. IX 154 jx/rrö; Wb. .sag. piiriira •■ nudelartiger KäsC",
aber Mel. as. IX 156 pücürS; Wb. schor. It/n -Grashügelchen- wohl zu steilen zu Mel. as. IX 134
l'ilö »Morasthümpel- (?); usw. 35
* Nebeneinander der Suffixe -7« und -'/uc (<, -yu-c: vgl. Mtü.Spr. 424) z. B. in dschag.
ä:i/i -Leiter-, osm. i'nffiic. -/i -Strickleiter-; vgl. unten S. 50 15 das Wor; für »Spiegel».
Zu diesem *ö:- möchte ich ein älteres *üzä-, denominal zu ü.v »Oberteil« (KOsm. § 46)
konstruieren und sodann daran erinnern, daß im Cuwasischen »Steigbiige!« 11. ;i. piixkit'.^' heifit,
48 W. Bang:
in§i Es liegt wohl eine Zusammensetzung mit dem Simplex tob. tara. kaz. qama
»Otter« vor, das auch dem Kirgisischen bekannt ist; vgl. Raquette MSOS
1914 S. 214 qama »otter-fur«, Spr. 94c qdma »Art Fischotter«.
Da die Formantien -yi, -yu und besonders -yuc Nomina actoris bil-
5 den', so scheint der Name sich auf eine Tätigkeit der Otter zu beziehen:
*qamlayu, *qamlayuc^.
Bei der unglaublichen Beweglichkeit des Tieres liegt es vielleicht nahe,
auf das jetzt in den Turfanfunden wohlbezeugte Verbum qamäa- »sich be-
wegen« hinzuweisen (T" 224, L* 41c), das ebenfalls ein Denominativuin
10 sein dürfte (AtüD § i ff.) '. Ob wir das zugrunde liegende Nomen mit qam
»Schaman« * gleichsetzen dürfen, weiß ich nicht. Wer Radloffs Schilderung
der ekstatischen Tänze und Sprünge dieser »Zauberer« im Gedächtnis hat
(Aus Sibirien, II, S. 35 ff.), wird die Anknüpfung für möglich halten, aber auch
zugeben müssen, daß die Kurzform qama dann noch unerklärt ist.
>5 15. Das etymologisch vereinsamte osm. dolaxfi setze ich her, um es
einmal zur Diskussion zu stellen. Es bedeutet »Kreis, umkreis«, beson-
ders aber »um, wegen» (Wb. III 17 15; Nemeth, Türk. Gramm. § 99, G. Weil,
Gramm. Osm. -Türk. Spr. § 93): Sm-.-KuN. 58 dolayi »Seite, Linie; taub«.
Ich möchte eine ältere Form ^dolaji annehmen, die vielleicht noch zu be-
20 legen ist. Das osm. dola- bedeutet »umgeben, einwickeln, umwickeln« ;
Ableitungen sind u. a. dolaS »verwickelt«, dolam »Umdrehung, das Umge-
drehte, das Umwickelte, Falte, der Kreis einer Windung«. Das -o- ist
offenbar eine Kürzung aus -ö-, das seinerseits durch Schwund eines Gut-
das dem \ia.z. basqic »Treppe. Leiter« entspricht: dürfen wir nun das gemeintürkische Wort
25 für »Steigbügel" hier an.sohließen :' Uig. dsc-hag. üzänyü, Houts. üzänü, -äiigü; osm. usw. üzängi.
tel. üzänä, üzäil). tar. äzänffä, Spi'. 82 c üzäiigt; kaz. özängi, i'uwaj. mit y-Vrothesu jirana; da
das Wort etymologisch isoliert ist, so trat in den Abakandialekten Verderbnis ein: sag.
koib. ktsch. izäni, so auch kui'. izäna. bar. iziingü; soj. äzänä, jak. isänä. balk. ösenni. Anders
Ramstedt KSz XVI 74.
3° ' Um nicht mißverstanden zu werden, bemerke ich, daß -■y?, --/ii von Haus aus Verbal-
abstrakte bildet, die dann als Nominn ai'tui'is Verwondnn;; finden, .\hnlich die Wörter auf
-ma, -mä; so ist z.B. das ge b rä ii <'h ii ( he Wort iür »Slotterer« im Osniaiiis-chen kiikäinä
(vgl. die Anm. i unten S. 51 und den Schluß des Anhangs .S. 6517).
- Die (iruppe -ml- soll nach Phonetik §415 im Barabinzischen »ausschließlich- zu -mn-
35 werden. Warum gibt denn Wb. für diese Mundart tamtü, yimlä-?
^ Vgl. jak. yßmsä- »sich rühren, sich bewegen« = %amnä und das .Simplex %äm-
» schreiten«, dessen Länge ich nicht deuten kann.
* Vgl. Nemeth in KSz. XIV (S. 8 des Separatabzugs), wozu die älteren Ansichten Schotts
in ZDMG ^i 544 und Ki.aproth. M^m. rel. ä FAsie IIT 67 Amn. i noch von Interesse sind.
Vom Köktiirkischen zum Osmanischen. 49
turals entstanden war; vgl. s^chor. toglaq «rund, kugelrund« usw., dschag. iu§i
schor. to^alaq »abgerundet«, tel. leb. toyoloq »kugelrund, rund; rundes Stück
Holz, runder Holzblock, ein Knäuel«, alt. töloq »Knäuel«, kir. do^alaq »rund,
Rad« und die wiederholte Ableitung: tel. to^oloqtn- < *toyoloqlo- »abrunden,
ein Knäuel wickeln« = alt. tüloqlo-. Das osni. dnlay'i ginge demnach auf s
eine Urform zurück, die etwa ^toyalayt, -yu gelautet hätte'; vgl. yirmi
»zwanzig« < yigirmi, quräim »Blei« (so schon Houts. 89) = qoi'ya.hin.
Auf ähnliche Weise scheint dschag. tar. osm. tel. sag. koib. ktsch. tillä-,
alt. leb. kir. /w/ö- »haaren, mausern« entstanden zu sein: ich möchte es zu
tilg, tut »Haar, Flaum«, jak. tu stellen, bin dann aber gezwungen, in kom. 10
dschag. OT. tar. alt. leb. schor. sag. koib. ktsch. kir. kkir. soj. tilk, kaz. iek
eine sekundäre Entstimmung im Auslaut anzunehmen. Zu diesem
*tügln- > tülä- (sag. auch tiilln-\) gibt es u. a. bar. tnläü »das Mausern« =
alt. tel. tiilü < *tülägii. Semantisch vgl. kir. dziindö- <-/a' »im Frühjahr dem
Kamel die Wolle abreißen« = osm. y/m///- »to deprive of wool«, während 's
das neuere {tükld-, tiiktn-) tüklän-, tiiktfin- »sich mit Haaren, Federn, Daunen
bedecken« bedeutet, wie auch osm. iji'mlän-. Die sagaische Mundart kennt
auch külä- »haaren, mausern«, dessen substituiertes Ar- wie das in koib.
kUä- »suchen, bitten« (Wb. und Mel. as. IX 134) = ^«- zu beurteilen ist''.
§ 2. Sprachgeschichtlich von hohem Interesse ist osm. oqlawa (oben 3), ^c
das aus *oqla-ya entstanden ist (zu -w- vgl. kiptsch. biläwü < bildgü); es er-
' Bei SüL.-KüN. 199 steht: tülej {tnlaj): zun, top. dolaj. — Alles: wegen. Wb. kennt
dschag. tolai -alle, insgesamt- ohne Erklärung: da aber das identische tel. leb. toloi durch
»gefüllt, ganz, alle« iibei-set/t wird, so wird Radlokf an eine Ableitung von tt>l- gedacht
haben. Wie er sieh deren Zustandekommen vorgestellt hat, ist scliwer zu sagen. Das osm. ^5
dolai bedeutet nach Wb. »Umfang, Umgebung, rundum-. Ob auch »wegen- :' Als Ableitung
von *lola-, (lola- wären die Wörter Gerundien: * tolaya > tolai.
' Vgl. Phonet. § 199, aber auch KSz. XVII S. 132. Ist das uig. käi »schnell, fliichtig-
(Wb. II 1154) etwa dem sonstigen liiz gleichzusetzen'.' Das \i.a.7.. tiyänäk »Klette- erscheint
im Cuwaslschen als kiotnik, ohne sichtbare psychologische Gn'inde. Ks handelt sich in all 3°
diesen Fällen wohl um eine richtige Verwechslung von Lauten infolge von falscher Ap-
perzeption, und zwar um so mehr, als auch die umgekehrte V(!rwecbsluiig vorkommt: tiirk.
käp-, kep-, kip- »trocken werden- tritt im Cuwaslschen in der Form tip- auf. Beide Arten
von Verwechslung finden sich meines Wissens — die Fälle sind noch sorgsam zu sammeln —
nur im Wort- und Silbenan- und -auslaut, nie im Inlaut, was inii- wieder dafür zu .»iprechen 35
scheint, daß sie auf Fehlem in der Apperzeption beruhn. Fülle wie i/äyi =:; ijädi »sieben-
(Grzegorzewski in SWAW, CXLVI 78 aus Halitsch) beruhn wohl auf Hiatustilgeraustausch!'
Wie aber ist es zu erklären, daß tigänäk usw. im Balkarischen durch ciyana »Dorn. Dorn-
strauch- usw. vertreten wird;'
Phil.-hist. Abh. 191D. Nr. r,. 7
50 W. Bang:
in §2 weist auch für diese Wörter den Ablaut im Formans -yu: -ja, den ich von
anderen Fällen ausgehend in den MtüSpr. S. 42^ wahrscheinlich zu machen
suchte'. Dieser Ablaut erklärt uns nun auch, warum die hier behandelten
Wörter einmal kontrahiertes -ü, -ö (< -ayu), dann aber wieder -ä (< -aya)
5 haben. Außer den schon aufgeführten merke man: OT qonrayu »(Tlocke'"«,
CC 234 konkret) »Schelle«, bar. kir. qonrau, kaz. 5«V?raM (vgl . auch Paasonen 34),
tara qunrau, alt. qonrü; anderseits schor. qonrä < *qonra-ya.
§ 3. Die Akzentuation der hier behandelten Wörter geht heute in den
einzelnen Mundarten weit auseinander. Trotzdem werden wir aus der Über-
'o einstimmung in gagaus. oqläwa (Prob. X Glossar 76 a), balk. culydu usw. (dar-
unter Ä:ym »Schwiegersohn, Schwager, Bräutigam«) ostt. Ä/y# schließen dürfen,
daß die Verbalstämme auf -a, -In usw. bei Antritt von -yu den Akzent auf der
verbalen Ableitungssilbe hatten: *huzäyu, *oqldyu. *bilagü, *<kilydyu. Mit die-
■ Vgl. dschag. qonalya •Nachtquartier- (< *qon-a alya??: vgl. Prob. IV 321 7a gorndyi
»5 al- »sich lagern«) = tum. jonaZ-yt [qunalyi Prob. IV 372 is), dschag. qonalyu, Spr. 95 b jwjo/y«
»Raststätte« wie 87c tnralyü «Aufenthaltsort- [<i*tura alyu??). Auf dieselbe Art ist ge-
bildet: tel. kir. ayaly'i »Ausdruck, Wendung in der Rede, Redensart- =r dschag. ayaiyu »Ton-
fall, Modulation-, zu *ai/a, Gerundium von ai- »sagen- und alyu. Eine Ableitung auf -ya
ist hier nicht belegt; stralya (vgl. auch Sul.-Ki:n. 178) ist etymologisch ganz unklar. Neben
20 scher, suyalyi »Tränke, Wasserstelle, Luhme- finde ich Prob. N' 569 1462 kkir. sualc'i yär
»Wasserstelle«; fWb. Man wird schwerlich an einen Druckfehler denken dürfen, da das
Wb. (ohne Etymologie) ein schor. qamlci kennt im Sinne von »eine nicht zugefrorene Stelle
im Eis, aufgetaute Stelle im Eis«; mit Schwund von -/- > tel. ^oröct > schor. qarari.
sag. qaraldii, ktsch. qaralyi (vgl. Wb. II 162 auch qaraiil usw.): doch wohl zu qar »Schnee-;
25 Das Wort für »Spiegel« lautet: inschriftlich auf einem Metallspiegel küzkü oder küx{ü)kü,
HouTSMA kiizügü, kom. kir. kar. \..T . küzgü > kaz. k'6zgo;mg. tel köskü (uig. etwa AräsA:«?),
tel. kumd. küskü (lies tob. für tel.:' Vgl. Mem. Acad. St. Petersb. XXXV, Nr. 6, 1887 S. 36b);
osm. veraltet gözgii: Im Barabi nzischen küskä, wo auch auf küzgi verwiesen wird (fWb.).
Daneben die erweiterten Formen: schor. küxkiis. küär. küsküts, wo der Auslaut aus -c ent-
30 standen ist. Herkunft ist unbekannt, Zusammenhang mit köz, kör- (vgl. St3i252) jedenfalls
wahrscheinlich; vgl. tel. körünäs »Spiegel-, alt. leb. körnös, sag. körnäs und cuwas kuskihi,
kvs-kaski. wo kus das Wort für »Auge- ist (vgl. unser Spiegel < speculum zu lat. specio
u.dgl.). Eine des Kiptsch. wegen wichtige Form közüiiv zitiert T' 212 unter XXII (nach
Vkrhitzki!').
35 Wir werden also wohl auch das kir. diaöaya »die im Frühling geschorene Schaf-
wolle« zu den folgenden Wörtern stellen dürfen: Hoütsma 102 yabayti »rohe Wolle-, osm.
j/apa-yi »unbearbeitete Wolle, Fließ-; ich möchte sie von yap- »bedecken, herleiten; vgl.
osm. dschag. yapaq »Fließ, Wolle«, anderseits *yapiy, *yabiy>yabü kaz. »Zudecken, Ver-
decken, Pferdedecke-, alt. kkir. »Deckel- alt. »Fensterladen- (aber balk. zabu »Vorhang-),
40 tel. »Dach- usw.
Dasselbe Formans in dschag. V. anqraii »Glocke., Sul.-Kun. 193 Umrayu. .Klingel-.
1
Vom Köktiirkischeii :uin Osmanlschen. 5]
ser Annahme stimmen die weiteren Schicksale des anlautenden Gutturals von HI §3
-yu wohl überein: er schwand intervokalisch unter dem Einfluß der stark
akzentuierten vorhergehenden Silbe. ^
Daneben muß sich jedoch teilweise eine andere Betonung breit gemacht
haben ; sie ging wahrscheinlich von Wörtern aus, deren zugehöriges Verbuni 5
in Vergessenheit geraten war: *biizayü. *büzay'i> rnözüi, nutzai; "qärayit^ (/d-
riyii > qaryu und qdrö\
Mit den hier vorausgesetzten Betonungsschwankungen bitte ich zusam-
menzuhalten, was ich über den Akzent von qila-män usw. (xxx und xxx) ge-
sagt habe (BtüW am Schluß des Anhangs: MtüSpr. § 7). 10
Derartige Schwankungen werden wir auch sonst vielfach anzunehmen
haben, obwohl Nachweis im einzelnen zunächst schwierig ist. Ich möchte
das an einem weitverzweigten Worte veranschaulichen: das Verbum köi-,
fcüi-, kiw-, yöl- bedeutet »brennen, verbrennen«; dazu ist zu stellen: ktsch.
küyä »Ruß« = kir. küyö, tar. küä, bar. kir. küö > tel. kö. Das sag. ostt. köyä 's
bedeutet »Ruß, Kohle«, auch »der verbrannte Teil des Körpers« ; Spr. 96c
kögä- »Holzkohle (Ruß)«, zu -g- vgl. AtüD 2 5 ff.'.
' Die Fomi jijx ' ^^ *^'^ Vämbi-by, Cag. Spr. 247 b, die Aiisspractie buzyu angibt,
ist also sehr gut möglich: ob er sie selbst gehört hat. ist eine andere Frage.
Da.s ostt. .«oxö ■Dummkopf- (Spr. 92 a) gehört wohl zu der unklaren (BtiiW302 6) ao
Sippe: osm. xaqayi .Rotz der Pferde- (vgl. lat. mentigo zu mentum), koui. kir. kaz. sagau
•stumm, schwerfällig sprechend« usw., kaz. tob. sayau .stotternd, schlecht sprechend«, tel.
naqü »eine Krankheit im Ohr«. Vgl. kir. maqau -der eine schwere Zunge hat, utideutlich
redend«, aber kaz. «nicht leicht verstehend, nnverstiindig, unaufmerksam«.
Hier findet am besten Erwähnung: osm. käkägi, -yt «Stotterer« zu käkä-, dcnominai »5
von *käk. Dazu *käkäg > osm. käkä, ostt. käkäk «Stotterer« (vgl. dschag. tötäk); osm.
käkäc «Stotterer«, im Osten «stumm«. Spr. 97a kfkäc, kekäc «Stotterer (der anstößt)«.'
RAguETTE kennt MSOS 1914222b das denominale ktkäklä- «to stammer«. Wie ist koib.
kiklö, kSkete, kikelö «stotternd« (Castrkn 94) zu erklären'.' Steckt in -lii etwa -lä-gü? Katanoff
erkennt nur ktkto an (Mel. asiat. IX 123), so daß also ein neben *käk stehendes *kik an- 3°
zunehmen wäre: *kik-lä-gü. Vgl. das onomat. osm. kam küm söi/ä- «abgerissen, stotternd
reden«.
Sind osm. tätäyi, tätiyi, täUdzi «Stotterer« noch irgendwo mundartlich in Gebrauch i*
Oder tätä (SuL.-KuN. 187)?
Das Dschagataische hatte ein pupa- •murmeln, stammeln«, welches von Sul.-Kun. 162 a
durch pä/läklä-, päpälä- übersetz: wird; von pupa- und päpälä- ist wohl ohne weiteres an-
zunehmen, daß sie onomatopoetischer Hei'kunft sind; dazu päpä, päpätji, päpädzi.
^ Etymologisch unklar ist mir das Wort für «Motte«: Hol tsma 95 kii/>ä. tar. küä;
kir. küyö = küyä bei Ravu btte MSOS 1914 222 b «a moth«, Spr. 96c kuyä «kleine schwarze
Insektenlarve (fiir Felle, Federn usw. sehr verderblich)«; ha.\\i.. küye »Motte, kleiue Punkte, «o
52 \V. Bang:
III §3 Eine -/a- Ableitung ist sag. koib. /tö/«- »vonÄ:ö-t-/fl« »schwärzen, schwarz
machen (von Rauch und Ruß)«, das wohl eine Neubildung ist, während
sag. koib. schor. kölä- eine ältere Form desselben Wortes repräsentiert;
es bedeutet »dunkeln, indem man im Lichte steht, beschatten« = tel. kölö-
5 »verfinstern, beschatten, schwärzen vom Rauche, Ruß«.
Zu diesem Verbum stelle ich nun das Wort für »Schatten« : kiptsch.
schor. sag. köläk (vgl. alt. kölök »vom Rauch oder Ruß geschwärzt«) und
besonders uig. kiptsch. kom. kar. T kölägä, kar. L. entrundet kälägä, kaz.
tara külägä^. Ob hier eine Betonung xxx je bestanden hat oder noch be-
lo steht, kann ich nicht wissen ; dagegen hat die Betonung x x x zu folgenden
Kurzformen geführt: krm. ad. kölyä, krm. kölyä, bosn. külkn, osm. yölgä.
Was wir hier geradezu mit Händen greifen können, muß also auch
bei köln-, der alten Bildung, vor sich gegangen sein: *köyäln-,*kv,y(Üä->
*köyl(i-, ' küylä- > kölä-. Vielleicht liegen Spuren dieser Entwicklung noch
■5 im schor. küiläk »Kohle, Ruß« vor uns, das doch wohl aus küüä-k ent-
standen ist.
Es wäre also das osm. gölgä durch zweimalige Kürzung aus *köyälägä
entstanden.
§ 4. Schließlich noch eine Bemerkung: ich habe im vorhergehenden
jo mehrfach denominale Verba auf -a konstruiert und angenommen, daß an
diese besternten Verba das Sufifix -y« angetreten sei. Selbstverständ-
lich kann man aber in der Theorie auch annehmen, das Suffix sei all-
weiche auf Haarbänder gemalt werden-, ösm. (/ügä, güwä ••::^ güyä-, das fehlt: dafür kar. L.
güyS, lies güyä. Kaz. köj/ä: i'uwas. k»vä bei Paasonen 67, wo auch misch, kätcä erwähnt
»5 wird. Castri'n kennt ohne Dialektangabe M -schwarzes Insekt, das meist in den Jurten
lebt-. Steht mit diesen Wörtern in Zusammenhang alt. tel. leb. kör -Motte«? Das alt.
quya »Motte« kenne ich leider nur aus dem WTj.; guttural ist es möglicherweise im An-
schluß an ein stehendes Epitheton geworden: qara küyä y> qara^^küyä ^ qara ^quya oA. A^.
Wir dih-feii solche Fälle Enklise nennen; vgl. balk. dyat -Schimmel« --^ aq at -weißes Pferd-
30 und sodann kök 0/ > kar. T kdgfjt, kar. L kögät »grünes Gras-. Das Wort für -Quark-
scheint von Haus aus palataL zu sein: Houtsma 105 yiirümräk, ostt. irimcik. kir. irimiik;
da es aber fast immer mit aq verbunden wird, so kennt das Kirgisische auch die gutturale
Aussprache 'irimiiq, ja sogar ayrimsiq -l^uark-. Das dschag. Wort für »Festungsgraben-
wird Wb.I 106 1 x-jlcjjl und (r_j^j)\ geschrieben und hinzugetugt -von or-, während 1229
35 »von nrk + ?« steht. Es ist ein Heudiadyoin: ör qar'im ^ ör^qar'im ^ öryarim ^ örgärim.
bedeutet also wrtl. »Wallgraben"; zu qar'im vgl. die Hommelfestschrift U 287.
' Weitere Formen sind : tar. kölänki. Spr. 96 c kolängä (vulg. kölägä) > kir. kölönkö <;
-kä: krm. kölätkä. sag. koib. schor. kölätki, alt. leb. küär. kötölkä; bar. kölötskü, wofür Mem.
Acad. St. Petersb. XXXV Xr. 6, 1887, S. a köiönkü auftritt.
Vom KöktnrkUichrii zum O.omonisr/ifii. 53
mählich als -ayu empfunden und von den Verben auf -a und -la auf kon- m §4
sonantisch auslautende Verba übertragen worden (vgl. etwa unser -keit,
in dem das k von Wörtern wie trürecheit »Traurigkeit« > trürekeit auch
bei Adjektiven durchdrang, die nie auf -fc, -ig usw. ausgingen oder Tisch:
Tischler, nach Sattel: Sattler: verbales -/- in klügeln: Kliigler). 5
Auch die Entscheidung dieser Frage hängt auf das engste mit der
oben im § 1 6 berührten zusammen : waren die Verbalstämme des Türkischen
ursprünglich ein- oder zweisilbig? Der Lösung dieses Problems möchte ich
in keiner Weise vorgreifen, kann aber anderseits schon jetzt nicht ver-
schweigen, daß gerade unter den Wörtern auf -ayu sich eines befindet, 10
bei dem auch durch eine andre Ableitung die ursprüngliche Zweisilbigkeit
eines heute einsilbigen Verbums erwiesen zu werden scheint: Im Teleuti-
schen gibt es ein Wort qattait'i »Geschwür«, in welchem -tt- die Gemina-
tion ist ; alt. qadaM = leb. gaday'i, wonach wir hier Übergang von -7- > -n-
hätten. Ein Synonym ist alt. qadama < qada-ma. Die Wörter sind bisher -s
meines Wissens nirgends erklärt worden; ich möchte sie zu qat- »fest,
hart werden« stellen. Zu diesem qat- gehört nun einerseits dschag. qatqan,
([ab/an »stark, fest, hart«, anderseits dschag. qatayan »hart geworden« (auch
• Verbot, Hemmung« :^ qadayan »ein strenger Befehl, Verbotenes«; vgl.
MtüSpr. § 26). Auch hier liegt also *qata- vor; die Form qafi-, die man ><>
meiner Überzeugung nach unbedenklich hätte konstruieren dürfen, ist
uns jetzt durch W. Peöhle für das Balkarische bezeugt (KSz. XV 236). Im
Osmanischen soll qada- nach Redhouse »streng befehlen« bedeuten (Wb.).
Über alle Zweifel erhal)en ist die vorstehende Etymologie freilich
nicht I Zur Geschichte des Dentals kann ich jedoch u. a. auf die folgen- 's
den Wörter hinweisen:
tel. qattani : qattü »fest«; atta- »benennen«: qottoq »Penis«; sadü »Handel« (!),
alt. qadani : qattü {\) : ada-(\); qottoq (l): sadü(\),
leh. qadayi: qad'ig; ada-; qottoq (\); sadig.
Es scheint mir, daß diese^r Liste gegenüber die Zweifel über das 30
alt. -d- verstummen dürfen.
Schwierig ist die Erklärung von osm. iyägii »Seite«, uig. (?) dschag.
osm. äyägü »Rippe«'. Es wird wohl zu äi- gehören, das im Osmanischen
' HuuTSMA 57 führt ein Wort c!Jll • Rippe ■ auf, das er 'i'iyäy- üyiin liest: er verweist
auf Pavet de Colbtkille 86 yLjl -les c6tes>. Ich möchte üyäk, dyüna lesen und verweise ^s
aul kkir. üiAüi- -sich beugen- ^= änkäi-, eUkäi-, äüäi-. Raulokk W'b. 12 10 las dschag. nyägü
54 W. B A N G :
in §4 und Azeri »biegen» bedeutet und den folgenden Wörtern entspricht: uig.
kiptsch. tar. küär. dschag. sart. OT. äg-, sag. koib. ktsch. eg-, sag. koib. t^-;
kom. alt. tel. an-, bar. in-, kaz. kir. kkir. tel. t-. Darf ich hier eine Frage
stellen, so wäre es diese: beruhen beim Verbum die stimmhaften Aus-
5 laute -g usw. z.T. überhaupt auf ihrer ursprünglichen Inlautstellung?
Es hätte *ägü-, *ägi- einerseits das Simplex äg- geliefert, anderseits das
Faktitivum *ägär-, *ägir-. Zu diesen Faktitiven gehören: i. mit Mittelsilben-
schwund uig. osm. usw. ägri, osm. äiri »gebogen, knimm« als Gerundia
(*ägiri, *ngäri; Wb. dagegen »von äg-{äk-) + ri'^}; 2. mit Schwund des Aus-
lo lautsvokals: sag. koib. egir »höckerig, bucklig, krumm«, sag. koib. ktsch.
egdr »krumm, gebogen, bucklig« (Wb. »von eg + är* ; zum Auslautschwund
faktitiver Gerundien bitte ich oben S. 25300". nachzulesen; wir übersetzen sie
durch Adjektiva u. dgl.). Auf stimmhaften Guttural würde auch ämgäk (zu
ö>w^a- »gequält, geplagt sein«) »Anstrengung, Qual« usw. — kir. enbäk »zu-
■5 sammengekrümmt ; das Kriechen auf allen Vieren ; Mühe, Arbeit« schließen
lassen, das vom Wb. ansprechend durch Metathese aus *ngmä- erklärt wird.
§ 5. Daß sich trotzdem unter den oben aufgefiihrten Wörtern das
eine oder andere finden mag, in dem Suffixübertragung vorliegt, will ich
ausdrücklich nicht geleugnet haben. Sie darf vielleicht in dem Worte
30 für »Flechte (Hautkrankheit)« angenommen werden: *t(imirägü > osm. tä-
miräyi. tob. tämräü, tel. tämrü, kaz. timräii; dazu im Kirgisischen tämirntkä^.
ostt. tämrätkü, Raqüette MSOS 191 4 190a tmiuirätgu »eczeme«. Cuwas. Hmrt
»aufgesprungene Haut«. Es gehört wohl zu tnmir usw. »Eisen« und mag
ursprünglich »Rost« (vgl. im Wb. tat, tot, tut »Rost« und die Ableitungen;
»5 tob. tat auch »Fleck«; cuwas. %ura-tut, sari-tut »Sommersprosse, -flecken«)
bedeutet haben ; daß das Grundwort lautlich seine eigenen Wege gegangen
ist (Raqüette tumur »Eisen« usw.), ist selbstverständlich an sich kein Grund,
die oben zweifelnd angenommene Erklärung zu verwerfen". Das jak. töbürüön
beruht wohl auf *töbürön < *töhürägün usw.
3" »Rippe", zu dem er äyägü verglich. Er hat ebendort dschag. öyäk »die Bauch- und Hals-
haut des Eichhörnchens-, das Si;l.-Kun. sonderbarerweise iiyak (157) liest. Dieses öyäk ist
ein wohlbekanntes Wort; vgl. Wb. unter öyök, üyäk, üyök, iJk, ük; die Bedeutung ist über-
all »Bauchteil des Felles« oder dgl. Ob es mit iiyäfiü zusauimenhängt, ist mehr als fraglich.
' Die Geschichte der Wörter, die wie dieses enden, hoffe ich noch einmal zu schreiben.
35 '' Neben tämrü muß *tämiä bestanden haben oder noch bestehen; es wurde zu *tämrä
und dies durch Metathese zu */ar>nä' :> schor. tärbä »Sommersprosse; Flechte«; -mr- "> -rb-
wie z. B. in leb. yurbut • Faulbeerbaum, Traubenkirsche, prunus padus« = bai-. yumrut, küär.
Vom Köktürkischen zum Osmanisehen. 55
Zu büt- gehört außer biltün, piUnn usw. zunächst dschag. bütä »ganz« in§s
(SuL.-KuN. 36), woneben biUnn »ganz« auftritt; dies dürfte auf *hütägü zu-
nickgehen. Das aufl^allende uig. qamarfu »alle« M' 65 27 könnte sich nach
diesem *hiitngii gemodelt haben; daneben bestehen uig. qamay: kokt, qatnvy
> osm. 7 qamu; (kokt.?) uig. dschag. qatnuq, alt. tel. leb. sag. schor. qarriiq. 1
Die Gesellschaft ist fremder Herkunft verdächtig: mp. hamSk »ganz, all«,
bal. hamak, hamuk »all, jeder« bei Hübschmann, Armen. Gram. I 177 Nr. 332;
ein np. Abstraktum hamagi »Gesamtheit« erwähnt Hörn GrlrPh. I, 2, 122.
Zu uig. alYuyun, qamcpfun vgl. BtüW Anm. 18.
yumurt, tel. yimirit (vgl. auch Prob. I 15411U); schor. nibirt, nimirt, nuhurt; im Abakan nutnürl, ■•-•■
mumürt (Castren 104, 130; Mel. as. IX 130, 158 wonach auch nimirt), karagass. numurut
(Castren 105); tub. nimirt, kctib. mumurt; i'-uwaS. hmrit: kaz. mit unregelmäßigem .?-: hnmort
(woher stammt alt. tub. yodro = soj. fodera Castren 161?).
56 W.Bang:
Anhang Anhang.
über die Abstrakta auf -avl.
Die türkischen Nomina auf -avl sind fast ausschließlich termini technici
des Hof- und Heerwesens; es ist daher verständlich, daß man versucht hat,
5 dieses -aul auf Wörter zurückzuführen, die in der Terminologie der genannten
Verwaltungen eine Rolle spielen oder wenigstens hätten spielen können.
W. Radloff, der sonst den Wörtern auf -aul keine Erklärung hinzu-
fügt, setzt Wb. I 1457 — 8 zu dschag. iräül (vgl. unten 2) die Bemerkung:
»aus ir-\-qol (bohcko)«, d. h. er denkt sich das Wort aus ir, är »Mann«
io und qol im Sinne von »Armee, Truppen« zusammengesetzt. Zur Stütze
dieser Ansicht hätte er sich auf Sul.-Kun. i 2 i berufen können, wo qaranl
(vgl. unten i) durch askär qolu übersetzt wird, sowie auf die Tatsache, daß
die Osmanen nach Youssouf dieses Wort in der dreifachen Form qaravl,
qarayol, qaraqol kennen.
15 V. Thomsen, der in Det Kgl. Danske Videnskabernes Selskab, Hist.-
filol. Med. I I, Kopenhagen 191 7 S. 20 boytaoya des Goldfundes von Nagy-
Szent-Miklös erklärt, denkt für -OYA an oyiil »Sohn«; wie er über sonsti-
ges -aul denkt, ist mir nicht bekannt.
Ich selbst habe längere Zeit hindurch mündlich und brieflich ohne
20 Wärme die Ansicht vertreten, es könne in einem Teil der Wörter qul
»Sklave« vorliegen, wobei ich an die Geschichte der Hofämter erinnerte,
die schließlich in der Gründung der sogenannten Sklavendynastien gipfelte;
ganz parallel verlief der Aufstieg unsrer Ministerialen, deren unfreies Blut
heute in den Adern auch unsrer erlauchtesten Geschlechter rollt. Schließlich
25 scheint in dem Titel (?) «— ^AyWT'y im manichäischen Mahrnämag vom
Jahre 761 — 62 (F. W. K. Müllkr, Ein Doppelblatt aus einem manich.
Hymnenbuch ABAW 191 2 S. 8 80), der 1 1 80 yjardhU umschrieben wird,
das unten unter i besprochene Wort vorzuliegen'.
■ W. ToMASCHEK, Kritik der ältesten Nachrichten über den skythischen
30 Norden 11 39 (SWAW 117 1889) sagt: -Hunnische Einzelstämme nennt Jordanes [Mon.
Germ. Hist. Auct. ant. V, i. 889] in größerer Zahl, sie begegnen sogar in der Liste der von
Ermanrik unterworfenen Völker, z. B Athaul (türk. ataghul 'Schütze', von atmaq
'werfen')". Die var. lect. sind: athaul HPVAXYZ, azal L, athual B, athal 0: vgl. auch
MÜLLENHOFFS Anni. S. 164 unter Rogas. Das .türk. ataghul« ist natürlich eine kühne Kon-
ii struktion Tomascheks, gegen die Jedoch vom rein sprachlichen Standpunkt aus nichts ein
zuwenden ist.
Vom KöktiirMschpn zum Osmanischen. 57
Indem ich auf das oben S. 39 29 erklärte ötkiil verweise, schlage ich Anhang
heute vor, -aul auf -a-yu-l zurükzufuhren, wo -a- zum Verbalstamm zu
schlagen ist ; es würde also auch von dieser Form das oben §§ 4 und 5
zu -cryw Bemerkte gelten, zu dem ja unser -n-yu-l nichts anderes als eine
sekundäre Weiterbildung ist. 5
Die diesen Substantiven zugrunde liegenden Verba sind, wie es scheint,
heute zum Teil nicht mehr in Gebrauch, so daß eine gewisse Unsicherheit
bei der Interpretation nicht geleugnet werden kann; dieselbe erhöht sich
noch durch die auch anderwärts zu konstatierende Tatsache, daß Titel- und
WOrdenamen sich allmählich unendlich weit von ihrer ursprünglichen Be- 10
deutung entfernen. Was gerade die auf -yu! anbetrifft, so könnten sie zum
Teil einer vortürki sehen, d. h. etwa der hunnischen oder hephthalitischen
Hof- und Heeresverwaltung entlehnt sein: andere werden sich bei den
persischen und arabischen Geschichtsschreibern nachweisen lassen.
1. Das heute noch verbreitetste Wort auf -yvl, das möglicherweise vor- 15
bildlich für die anderen wurde, ist *qaraytil von qaro- »in die Feme schauen,
sehen« (mong. karamui KowAIS^ir; hnrj. karnnam »sehen« und »wachen«;
mand. karambi »in die Höhe steigen, um etwas zu. sehen: sich umsehen«).
Dschag. tel. bar. kir kaz. tob. qaraul »Wache«, bar. »Korn am Gewehr«,
Raqüette, MSOS 191 4 213 qaraul »a post of Observation, a watch«, tel. .o
qarül »Wache, Grenzposten«, kkir. qaröl »Korn der Flinte«, tar. qoröl (besser
qorül) »Wachtposten, Piquet, Grenzposten« ': Abakan beiCASTREN9i karöl
»Visier an der Büchse« (vgl. Mel. as. IX 1 18); vgl. Vullers II 718, auch im »
Sinne von »Visier«: Kow. 11832b karngul »sentinelle, garde, piquet, coi-jjs-
de-garde « : mand. karun » Vortrab, Kundschafter, Vorposten, Wache « (< *karüP. '5
einheimische Bildung oder Lehnwort?): Kow. 833a karaguUi »garde, sen-
tinelle« = tung. kanddin »Hirt, Wächter«; kaz. tob. qarauU'i, kir. ({uraulS'i
»Wächter«.
Für »Visier« hat rkWb. 223a unter npHUtJn. das ebenfalls zu qara-
gehörende qaraqS'i < qnraqö'i': dieses bedeutet heute allgemein »Räuber. 3°
Dieb«, wrtl. aber ungefähr »Auflaurer, Luger« u. dgl. ; gemeint war ur-
' Prob. VI 53 Ji (/oröl, 5319 qaröl; 521a /anniil qoröl rirtäii »kaiserliche Poststation.
Postpiquet".
' Das rkWb. I.e. hat auch közdöü »Visier« < köz-lä-gü, vgl. bai'. l-i'istöt- »zielen», kai'.
L. T. Aröi/er- »die Augen auf etwas richten». V.ai. ki'clä- »schauen, ausschauen nach etwas»: 35
kaz. litbäü <. *i0hä-gü zu tßbä- »zielen».
PhiL-hist. Abk. 1919. Nr. .5. 8
58 W. B A N G : '
Anhang spriinglich der am Rande der Steppe auftauchende Reiter, der auf Beute
auslugte. Bildung wie yasaqö'i < yasa-q-(yi {vg\. unten 6).
Cuwas. yjural »Wache«. %urntz9 »Wächter, Wache, Leibwache«.
Im Barabinzischen fungiert qaraul- als Verbum in der Bedeutung von
5 »in die Ferne schauen« ; kaz. qarauUa- »Wache stehn, bewachen« imd »aufs
Korn nehmen, zielen«.
Das Osmanische hat nach Youssouf: qai'aul, qarayol und qaraqol. Ob
das auffallende -o- wie das des Präsens zu beurteilen ist (MtüSpr) oder ob
hier psychologische Gründe am Werke waren, ist schwer zu sagen : die
lo Aussprache qaraqol macht es mir jedoch sehr wahrscheinlich, daß man all-
mählich dazu kam, hinter *qarayul oder dem erhöhten qara-^ol eine Bildung
wie qara qol zu wittern (vgl. Sul.-Kun. qaraul = askär qol-u), als
wäre es etwa »Hauptwache«.
Im Balkarischen ist Metathese eingetreten: qala'ür »Wache«: vgl.
'5 ser bisch -kroat. Äaräw/o, Mläura »Wachtturm-s kleinruss. Äa/ö»Mr »Wacht-
mann« (Bernekee 489 s. v. karavül). Anschluß an qala, qalä »Festung«
darf wohl nicht einfach geleugnet werden.
Im Af7anischen karäwul, vulg. karSwal »advanced guard of an army;
a sentinel, picquet« (Raverty 762).
jo 2. Dschag. araul »Vorposten, Vorhut, Vortrab, Nachtrab« Wb. I 249
»vgl. qarauh. Sül.-Kun. 13 u. a. mit der Übersetzung q'ilayuz (Yodss. auch
qüauz, qulayuz, Wb. auch qilawuz, qulawuz, qtday'iz, uig. qulayuz, dschag.
qolauz, qolawuz mit ganz unwahrscheinlichem -0-). Dschag. äräül »Vorposten,
Vorhut«, mit h- und y- Prothese Wb. I 755 m Jjli/* und J.>ly; vgl. Wb. II
J5 1784 nach Redhoüse osm. härawul (sie) »eine vorgeschobene Wache, Pa-
trouille«'. Dschag. «VäM/ Wb. 1 1457 mit der Angabe: »Bb schreibt Jjii^
und Jjlj'«.
Ich leite araul von ora- »suchen, durchstöbern, visitieren, inspecter«
usw. ab : *ara-yu-l > araul. Die übrigen Formen sind aus dieser durch den
30 Anlautwechsel a-: ya- usw. " entstanden : * y araul > yäräiil > äräül; *yaraul
' Vgl. Sui..-KüN. 77: hpraval =. •mukkadim, q'ilayuz — vorangehend, Wegweiser«: für
»vorangehend- ist »Vorhut« zu übersetzen.
^ Da Formen mit anlautendem y- bisher nicht nachgewiesen sind, ist es unsicher, ob
auch das Wort für »Ohrgehänge« diesen Wechsel hat: asirya, isirya; Sül.-Kun. 66 eserya't
35 HouTS. 49 as'iryaq zu as- »aufhängen« [?]; sag. iz'irya; ostt. isarya = jak. ifarya; mit Schwund
des .\nlauts: alt. tel. leb. schon, küär. kir. kaz. kar. L. T. .«?r<yo, so auch tob. und balk.
Vom Köktürkischen zum 0.mianische/!. 59
> yiraul, i/iratd, wie Jj\j_ ja gelesen werden kann. Ist diese Schreibung Anhang
aber palatai zu sprechen, so ist anzunehmen, daß yirmil weiter zu yiräül,
iräiil geworden wäre. Es ist kaum anzunehmen, daß das Wort nicht mehr
lebendig sein sollte; aus einer neuen türk. Mundart ist es aber meines
Wissens noch nicht aufgezeichnet worden; vgl. at^. haräwal (Raverty 1059): =
VuLLERS hat unter den Bedeutungen des Wortes II 1447 auch die von »running
footman « .
3. Üschag. yortarful, yortaul »eine Reiterschar, die ausgeschickt ist,
Vieh fortzutreiben oder Beute zu machen«. Bei Sul.-Kün. weniger gut mit
-U-: yurtaid — *önde ilgar ile giden suari — der an der Spitze galoppierende 10
Reiter«. Das Wort gehört zu yort- »schnell reiten, traben«: im Basch-
kirischen, wo -o- > -u- verengert wird, lautet es heute yurtUl und bedeutet
»der Überfall', Raubzug«.
Das Verbum cup- bedeutet in einer Anzahl von Mundarten »schnell
reiten, galoppieren«, im Osmanischen aber »courir, faire une incursion«. -s
Bedenken wir nun die Geschichte- des baschk. yurtül, so wird uns wahr-
.scheinlich, daß das osm. capul für *rapUl <,*6apayul .steht: »incursion, ex-
cursion; butin; pillage; razzia« ! Durchaus sicher wird diese Erklärung durch
dschag. capuul »Angrifl'« (eine ziemlich nichtssagende Übersetzung; Wb. III
1917 — 191 8 ein Beleg aus Abg.; das Verbum ist sal-'): Sul.-Kun. 39 fapatU w
»gegen den Feind ziehen, zur Beute machen« : Belege wären wünschens-
wert. Im Kkir. finden wir C(tbül »das Schwingen, Kämpfen, der schnelle
Ritt«, kir. SubUl bedeutet nur »Galopp«, iabüUü »Estafette« (< *('apayulfi).
Ravf.rty gibt fiir afy. <^apäiciil (355) die Bedeutungen »an advanced
guard of cavalry«, für dapa'u aber »a raid, a foray, a coup de main, an »s
inroad« ; (kipar bedeutet »a royal mes.senger, a Courier«. Zu ^apS'o vgl.
Vämbery, Skizzen aus Mittelasien 275 »Tschapaos oder Raubzöge» ; < *6a-
payu; dazu das sonderbare dschag. rapduqi (Pavet de Courteille 271).
Zum -a- der Mittelsilbe in *Aipuyvl vgl. das von ('apciyan (MtüSpr. 36 4).
Auf kleinen Beubaelitungcn wie der vurstehenden werden wir aliinäLlich die Laut- 3°
und Formenlehre des Osmanischen aufbauen können; man sieht aber, daß es ohne ein
gleichzeitiges Eindringen in die Vorstelluiigswelt der Törkvölker nicht gehen wird: auch
hier steht der Geist über der Materie, die sich unter der Einwirkung des Akzents und der
durch ihn verursachten Störungen nur allzu leicht verändert.
' Russ. Ha6*n. wird von Gioanoff 292 für das Tobolskische durch yäldirüw. -ä wieder- 3;
gegeben; zu yäldir- •traben lassen«.
'' Vgl. dschag. tnUm sal- ■ plündern* zu der Sippe tala-.
8*
60 W. Bang:
Anhang 4. Dschag. kütäHl » der Proviantaufseher, eine militärische Würde« Wb.
nach Vämbery 328b. Seine Quelle war wohl Sül.-Kun. 141 küteül = muhafiz,
hekci. Zu hüt-: *kütägül.
Das Balkarische hat für »Wache, Wächter« das auffallende mege'id; es ist
5 wohl -ül von einem gutturalen Wort wie qaruul (balk. qala'ür) übertragen. Der
erste Bestandteil des Wortes ist mir unklar; an dschag. meryaul (sie) bei Sul.-
KüN. 145 = »bahadur, kahraman, pehlivan — Held« wird man nicht denken
wollen, da dieses Wort selbst nicht ganz klar ist; wenigstens scheint es mir
wenig oder nichts zu besagen, daß das Wort für »Schütze«, mergän, nach
10 Wb. IV 2094 im Sagaischen auch »schwer, gewaltig, stark« bedeuten kann.
Das Mongolische hat zu manamui »wachen, bewachen« gebildet: ma-
nagul »Wache«, nach Kow.III 197 i auch »Vogelscheuche«, managulä »Hüter,
Wächter« ; es ist ferner zu beachten, daß das mong. sakigul (zu sakimwi)
nach Kow. II 1326 nicht nur »gardien, defenseur«, sondern auch »garde,
■5 defense« bedeutet. Zu mong ccigdagul »garde, sentinelle« vergleicht Kow. III
2iiob dj)\x»- = Sül.-Kun. 45 6i7idavul {Wb. ändaul) »nächtliche Wache zur
Prüfung des Lagers«; ccfydavul wird S. 37 durch »Nachtrab des Heeres,
Fußgänger« übersetzt und hierauf S. 39 unter öandavul verwiesen (vgl.
Wb. III 1850)'.
=Q Wörter wie diese mögen die gutturale Lautform auch bei palatalem
Anlautsglied durchgesetzt haben (vgl. oben S. 4429).
Das afV. kottwäl (Raverty 815) »the chief police officer of a city or
town« dürfte unser Wort sein.
5. VON Hammer, Goldene Horde, 242 (und Anm. 3): »Die Beamten,
=5 die für ihre [der Abgesandten] Unterkunft sorgten, hießen Je-
schaghul oder Mihmandar . . .<u S. 658 übersetzt er »Quartiermeister des
Gesandten«. Zu mihmandar vgl. Vüllehs II 1244a; es ist also *aSayul zu
a§a- zu stellen, das heute zwar u. a. nur »essen« bedeutet, als Denominativ
zu aä »Nahrung« usw. aber auch sehr wohl »zu essen geben« meinen
3° konnte: vgl. aSla- »zu essen geben« bei Sul.-Kün. 15; dazu auch aälar
<*aS-la-r »ein zum Tränken der Tiere am Bnmnen befindlicher Stein«.
Vgl. unter 9.
6. Osm. yasaul »sergent charge de surveiller la route par oü devait
passer une escorte« (Youss.); dschag. Sul.-Kün. 102: Wb.; v. Hammer, 1. c.
Vgl. Wb. unter ciydaul, cindaul.
Vom iCöktürIHschen zum Osmaiiischeii. 61
658. Spr. 99a yascml. i/iisävi »Wächter, Diener« mit -u- < -0-; tar. yosül Anhang
Prob. VI 39 i3u' («-Umlaut), yoml 40 gu, yasöl 40 4, 10, 17; das yosaul, aul'
welches im Wb. verwiesen wird, fehlt; vgl. jetzt die uig. Urkunde von Le
CoQS im Türän 1918 SS. 456 — 7. In literarischem Text unter Einfluß der
Vorlage yasaul Prob. VI i 19 und 136. Kkir. yasöl Prob. V 198 1973. Aui§ 5
"yasayul zu yasu- »machen, schafifen, herrichten« : vgl. yasaq, yasaqc'i (: qa-
raqd'i unter i) yusal, yusuv usw. So schon von Le Coq 1. c.
7. Wb. IV 587 nach Vambery Cag. Spr. 297 b sözäiil (Vambery sözaul)
» Verkünder « mit der Definition aus Sui,.[-Kun. 173 sözavl »Ein mit dem
Rücktransport der Flüchtlinge betrauter Mann«]. Aber 855: siizäiU »Offi- .<=
zier, der die Nachzügler und Flüchtlinge zu sammeln hat«, oder, wie Pavet
DE CoüRTEiLLE 355 bcsser übersetzt, »espece d'adjudant charge de forcer
les fuyards ä rejoindre leur corps« I
Ich bezweifle, daß Vambery das Wort auf seinen Reisen gehört hat;
denn er hätte wohl eher sözäiil für sein sözaul zu hören bekommen. Die -s
Bedeutung »Verkünder« dürfte also auf Verknüpfung mit söz »Wort« be-
ruhen. Da das Wort demnach bis jetzt nur auf Suleiman beruht, so nehme "
ich an, daß es für *sürdi/l verschrieben oder aus dieser Form von einem
Abschreiber »verbessert« worden ist. Es würde also *snrägiil zu sür-, sürä-
» treiben, vor sich hertreiben« zu stellen sein (vgl. kkir. siirön < *sürägän »
»das Antreiben der Pferde beim Wettlauf«). Eine unerwartete Bestätigung
finde ich nachträglich in dschag. sürkäül, sürgäül (zu sürkä-, sürgä-, einer
->5:«-Erweiterung zu sür-; vgl. tutqaul, tusqaul unter 1 1); das Wort bedeutet:
I. »eine den Feind verfolgende Truppe« und 2. nach Pavet de Courteille
354: »troupe chargee de pousser les trainards et de les forcer ä rejoindi-e 25
l'armee« (vgl. Wb. IV 822, Sdl.-Kun. 175, Vambery Öag. Spr. 297a sürgeöl).
Grundform: *sürkägitl.
8. C€ 105 steht placenus = np. tataid = kom. bogaul. Für placerivs
hat DüCANGE placenus scriba, das er durch publieus, tahdlio, frz. greffier über- 30
setzt und das er aus den Statuta Genuens. belegt mit einer Stelle: ronsul
(lUquis vel potestas' seu scriba Placenus. Für bogaul wollte Blau ZDMG XXIX
1876 584 baqaul lesen, das nacli Wb. bedeutet: dschag. »ein Hofbeamter
' Die Übersetzung ■Unterbeamte. ist irreführend; die Bedeutung ist auch hier viel-
mehr -Torwart«, wie z. B. Prob. VI 137 lu: andin km patiiäniü äiiglgä käldi, kälip i/<uaullarya 35
aitti usw.
' Vgl. CC 105 potMtas = kom. yaryuci: ital. podegtä.
62 W. Ban«:
Allhang der Chansküchc, im Range höher als der Baurtschi« : ostt. »der Koch«. Ich
stelle dieses haqaul zu baq- »schauen, zuschauen, versuchen: aufmerksam
betrachten, sich um etwas kümmern, sorgen für«. Es würde also haqain
»den die Speisen unter seiner Aufsicht habenden Beamten« bedeuten; so
5 auch wohl das dem np. in die Schuhe geschobene tataul zu tat- »probieren,
kosten, schmecken« (vgl. QB cap. 37 und 38). Lautlich ist nun gar nicht
daran zu denken, dieses huqaitl mit dem obigen bogaul einfach gleichzusetzen,
für das schon W. \V. Radloit auf Jjd> »Mundschenk« hingewiesen hat
(Mem. Ac. St.Petersb. VII. Ser. Tome XXXV Nr. 6 S. 73a, nach den Jarliken
10 und Abusqa) und das er högäül liest. Im Wb. gibt er nur dschag. hökäül
nach VÄmbery' im Sinne von »Nachtrab«; 1877 finden wir dann noch
dschag. hukäwid (lies -ül) »=:; Mkäuh, welches fehlt. Sul.-Kun. 24 bekatU
(sie) »Vorsteher, Vorkoster, Verwalter«.
VON Hammer, Goldene Horde 235 nennt die Truch.se.ssen (Bukaule),
"5 über die Näheres bei Rasideddin im Abschnitt über die Bajaut zu finden
sei; 245 nennt er den Bekaul, den Truchsessen oder Vorkoster (!): 473 steht
' ein Diplom für den Oberstkriegskommissär oder BukaiU.
Sul.-Kun. 34 finden wir bukaul in der Bedeutung von »Oberkoch«.
Wb. 1803 buqawul »die im Hinterhalt liegenden Soldaten«, dann auch »eine
20 Art Grenzsoldaten, die die Waren ohne ZoUstempel nicht passieren lassen«:
mit tamyac'i soviel als »Zollwächter, die den Zollstempel auflegen«.
Eine ziemlich bunte Gesellschaft, die sich bei unsdtn Marschall, maire,
lörd, Steward usw. wohl fühlen würde. Zur etymologischen Aufhellung könnte
man boquul durch Rundung aus baqaul entstanden sein lassen, oder an
J5 *boqa- (oben S. 47 15, 26) denken ; bökänl könnte aus bnkdül gerundet sein, kom.
bOQQUl = bögäiil zu *bögä- gehören, einem Verwandten von kom. bögäi- (in
(;C 2 3 1 joehöi bogcpp barir mit schlecht leserlicher Interpretation : l)oe Q»l)t
tDO[l] nn>ß 8Cric[I)tCt]), das bisher isoliert steht; dazu uig. bögü »weise« zu
*bög-? Wb. IV 1301 unter pögü die Anm., daß im QB sehr häufig bägü statt
3° bögü geschrieben werde, B überall ß y. habe.
9. Dschag. äV7ö?;/ Wb. IV 1067 »vgl. Sayawaki'-; 937 kiyawal: Sul.-
Kun. 1 77 siyaul^^ teSrifatdzi, mihmandar. von Hammer 1. c. 461 Anm. 1 5 Schigh-
uul, eine Art huissler oder Gerichtsdiener. Mel. as. III 640 Anm. 7 iayaul:
»Le Schagaoul ä Boukhara est un dignitaire, dont le devoir consiste ä rece-
("ag. Spr. 248 b bögeöl » Nachtrab •.
Vom KöktürkiKchpu zum Osmanisrhen. 63
voir Ips Ambassadeurs et les etrangers qui se presentent ä rEmir« und Ver- Anhang
weis auf XaHüKOBT., OnHcanie ByxapcKaro XanexBa, p. i86. VÄmbery, Gag.
Spr. 304 b.
Eine türkische Etymologie ist mir nicht bekannt; das Mongolische hat
.^ngamui »serrer, presser, fouler aux jneds« (Kow. II 1443a) = türk. bas-, 5
was nicht zu passen scheint. Da die Bedeutungen u. a. auch »Speiseauf-
seher« und »celul qui accompagne les arnhassadeurs« (Pavet de Courteille
380) sind, so dürfte ein Verderbnis' von Jeschaghul {*asayul, oben unter 5)
vorliegen. Oder ist von einer Form 'aMyayuI auszugehen, in der -7a- durch
das häufige Auftreten von -qa-, -ya- vor dem Formans -ynl veranlaßt sein .0
könnte?
10. Kir. sdkstifül »der Saksaul« = dschag. •w^'^aw/ (Haloxylon Ammoden-
dron Bunge). Man könnte an Rlt. mksdn- < säk-ft(i-n »zurückschnellen, federn;
biegsam, elastisch sein« denken, doch belehrt uns Basiner in seiner Na-
turwiss. Reise durch die Kirgisensteppe nach Chiwa (Baer-Hel- 15
mersen, Beitr. zur Kenntnis des Russ. Reiches, XV, Petersb. 1848)
S. 94, das Holz des Saxaul sei von außerordentlicher Härte, zugleich aber
auch so brüchig, daß ein Mensch ohne Schwierigkeit sogar ziemlich dicke
Äste abbrechen könne. S. 95 sagt er: »Im Chanate Chiwa sieht man die
Kohlen dieses Holzes auf den meisten Basars. Sie sind sehr beliebt, weil k
sie außerordentlich lange glimmen und beim Verbrennen einen ange-
nehmen Geruch verbreiten«. Letzteres nun doch wohl infolge einer
gewis.sen Harzhaltigkeit. Ich nehme also an, daß zu kiptsch. .mq'iz »Mastix,
Harz« (vgl. oben S. 2934) ein Verbum *saq'iza- gebildet wurde, zu dem das
Abstraktum *saqizayul lauten mußte : daraus wurde *saqsayitl und mit .«-Um- >;
laut .mqsayul > mksmil. C. A. Meyer sagt, die Kirgisen nannten den Baum
Sexugul (bei v. Ledebour. Reise durch das Altai-Gebirge und die
soongorische Kirgisen-Steppe, Berlin 1830, II 279).
11. SüL.-KuN. 198 tiitqanl — »geöid, boyaz, (lere ynl, muyjitereli derbend
ve larik — Schlucht, schmaler Weg, gefahr lieber Paß oder Weg«. Vgl. Wb. III 30
1487 unter 2.
Ich glaube, daß das Wort in diesen Bedeutungen fotqnul zu lesen und
daß es durch Metathese aus toqtaul entstanden ist; die Grundform toqtayul
' Ist etwa (Ischag. i'v^aiä — 'CiyilHon. qu-i g^rilnnUji — Halsband, Vogelhalsband"
(BtüW 302 5) aus * ciA-qa^/u-l entstanden':' 35
64 W. B A N G :
Anhang ist mir nur aus dem Eigennamen Toqfayul Mergcin Prob. III 64 ff. bekannt
(sein Gefährte heißt Domda'yul Soqur zu tel. tomdo- < *tomda- »an einem
Dinge Zeichen machen«), den ich zu toqta- stelle: dazu u. a. kir. toqtaü
»das Anhalten, der Aufenthalt« — vgl. besonders die Stelle aus dem Babur-
5 name, die Radloff Wb. III 1488 folgendermaßen übersetzt: »zur Zeit des
Frühgebetes stiegen wir bei der Brücke zu Pferde; bis zum Tutkaule (dem
Platze, wo wir anhielten) war durchaus kein Schnee, als wir aber vom Tut-
kaule (dem Platze, wo wir angehalten hatten) weitergingen, war (überall)
sehr hoher Schnee«. Die Entwicklung war meines Erachtens die folgende:
10 Anhalten, Aufenthalt, Aufenthalt auf der Paßhöhe, Paß, Durchgang, Schlucht.
Schon Pavet de Courteille gibt die Bedeutung »passage« (p. 222).
Anderseits gibt Sül.-Kun. 192 ein Wort toktavul (toksavul) in der Bedeu-
tung »Stadtrichter« ; Wb.h^at es III 1 153 als toqtaul »Polizist« (i 155 toqsavnd).
In dieser Bedeutung würde ich das Wort tuqtaul aussprechen; es ist
15 durch Metathese aus tutqaul und *tutqayul entstanden, die von *tutqu-, einer
Erweiterung von tut-, zu der auch tutqaq < tutqa-q »Angriff, Griff«, tutqcd
< tutqa-l »Leim« gehören.
Neben toqsavoul gibt Wb. III 12 10 nach Vamberv (Cag. Spr. 262 b) tns-
qavl — SuL.-KuN. 194: y>toskavul = karaul, Sahbender — Wachtsoldat«. Ob
30 toqsaul oder tuqsanl, tosqaul oder tusqaid die richtige Aussprache ist, weiß
ich nicht bestimmt. Das Wort gehört wohl zu dem Verbum, das Sül.-Kün. i 94
tosmak, Radloff Wb. III 1499 — 50 besser /mä- liest (vgl. die Ableitungen);
Wb. III 1501 gibt es denn auch nochmals, und zwar diesmal als iusqaul
»Wächter, Wachtposten auf deoi Weg«.
»5 VON Hammer, Goldene Horde 241,514. nennt die Wegmauthner Tetkauii,
245 Tutkaul.
12. Osm. (wohl veraltet) yiW/r/Mw/ »Fasan«, dschag. qtn/avoul, qirqaid,
kir. (firyaul. dschag. OT. sart. qiryuul, tar. qiryol < *q'irqayul.
Es handelt sich offenbar um eine schallnachahmende Bildung, zu der
30 auch die mong. Bezeichnung des Fasans zu vergleiclien ist: goragul (oder
gurafful?), gorgoul. Zur Deutung gibt es drei Möglichkeiten: das rauschende,
schwirrende Fliegen des flugungewohnten Vogels oder sein Ruf, den mein
Großvater folgendermaßen beschrieb: »lautet gewöhnlich Kock, das laut,
hoch, stark und weit vernehmbar ist; beim Aufbäumen und beim schnellen
35 Entfliehen kockkockkock oder kockkockkockkeck oder beim letzteren kack:
zuweilen beim Aufbäumen ein starkes Zick oder Tschih (Tierreich II i 83;
Vom Köktilrkischen zum Osmanischen. ^ 65
vgl. Brebm, Vögel, II 72). Die dritte Erklärung, die ich för die richtige Anhang
halte, gibt uns Bbehms Beschreibung des Goldfasans (1. c. 76); er sagt, sein
Ruf habe entfernte Ähnlichkeit mit dem Geräusch des Wetzens einer Sensen-
klinge und sei mit keiner anderen Vogelstimme zu verwechseln, freilich
auch nicht genauer zu beschreiben. Die Grundform *q'irqayul läßt nun ein 5
Verbuin *qirqa- voraussetzen, das offenbar in qir-qa- zu zerlegen ist; es ist
heute vertreten durch: osm. usw. [qtr-) q'irq- »scheren, abscheren«, alt. tel.
leb. q'irqi- »scheren«, schor. q'irya- »abscheren«, ostt. qiriq-, tar. dschag. sart.
qirq- »scheren«; eine Ableitung ist ostt. qiryaq (-ya-q) »Wetzstein«'. Es
ist also wohl anzunehmen, daß *qtrqayul soviel wie »Scherer, Schleifer, 10
Wetzer« bedeutet; ich erinnere an unseren Scherenschleifer, den land-
schaftlichen Namen der Kohlmeise'. Im meng. tohSigid »Schwarzspecht« (zu
toMimui) Kow. III 1795 haben wir wrtl. »Klopfen, Klopfer« zu sehen ■^;. vgl.
rkWb. 71b unter ^HTeJ'fc: toquldaq, tonquldaq und sogar taq-taq; alt. tonirtqa.
Für »Heimchen« haben Osm. und Dschag. nraq bödzäyi, nraq qvMt, zu oraq '5
»Sichel, Sense«, wrtl. also »Schnitter«.
Ergebnis: Die Wörter auf -r/«/ < a-yu-l sind nicht Nomina agentis, für
die man sie ihrer Verwendung nach halten könnte, sondern Abstrakta wie
unser Wache, Vorhut, Mannschaß usw.*. Auf türkischem Gebiet stehen ihnen
in dieser Beziehung die Abstrakta auf -tiq am näclisten wie baMq »Ober- ^
befehl« und »Befehlshaber« > tel. paMq »Stammältester, Jaisang«, kir. dzaq-
sHtiq »Güte« und »der Gute« (Prob. III 287 Nr. 2); eine eigentümliche, doch
leicht verständliche Begriffsverengerung haben die folgenden Abstrakta er-
fahren: atal'iq »Vaterschaft« aber auch »Pflegevater« (CG 142 ataltt) »Stief-
vater«), anal'iq »Mutterschaft« und »Pflege-, Stiefmutter«, «W/M" (fWb.) »Heb- 35
amme« (Prob. IV 143 gff.), oyiäluq »Sohnschaft« und »Pflege-, Adoptivsohn« \
' Vgl. zur Bildung: qairaq ■Schleifstein- ; das ostt. qhraq -Wetzstein- < *qiyraq für qirya^j.
' Weiteres siehe bei Slol-viei, Die deutschen Vogelnamen, XXVIII und 155.
' Mong. auch tsondool »Schwarzspecht- < *tsondogul zu *twndo-.'
' Vgl. auch oben S. 48 Anm. i die Verbalabstrakte auf -y'i. -yu. -ma. 30
■'■ Vgl. mong. fe>r<%«/ (Kow. III 1897 a) »une reconnaissance ; un envoye pour faire
nne reconnaissance- mixA ciimagul, cinnul (Kow. III 2 138 — 9: -ul nach Kow. für 3 1) »audi-
tion, espion«.
Für torcigul auch mong. lorrigur, wie denn überhaupt -yul und -gur wecliseln. Ein
Iteflex der mong. Verhältnisse ist der Wechsel in dem entlehnten alt. arcül, bar. ardzül 35
gegen tel. arcür •Tuch, Beutel-; vgl. mong. orrmut »essuyer- usw. und nrcigul, arcigur.
arcul, burj. arvul, arhil »mouchoir. essuie-main: bourse, petit sac-.
PM.-hut.Abh. 1919. Nr. 5. 9
66 , W. Bang:
Anhang Was dicscs oyul selbst anbetrifft, dem ich BtüW § 8a von anderer
Seite aus beizukommen versuchte, so halte ich es jetzt für ein Abstraktum
auf -7«/ zu dem oben S. 4031 erwähnten o- »können, vermögen, helfen können « .
Es würde also 0-7M-/ etwa »Kraft, Stärke, Hilfe, Schutz« bedeuten: die
5 Geburt eines Kindes bedeutet in jedem Falle für die Familie des Nomaden
einen Machtzuwachs, für die alternden Eltern aber Hilfe und Schutz. Das
Wort oyid scheint zunächst »Kind« überhaupt bedeutet zu haben (kokt, uri
oylun »Deine Söhne«, qiz oylun »Deine Töchter« in IE 24; uri auch in T'
59, L^ 117, QB 109 37; ufi oyul MM 5 3, 5; M^ 20 20 Mnc uri känc qizlar, wo
10 känc dem osm. gändz = krm. gnn<^ "jung, Jugend«, Abstraktum auf -wd?,
entspricht) und ist vielleicht zuerst als liebkosende Anrede gebraucht worden'.
Bei der durch die Verhältnisse so sehr berechtigten Vorliebe der nomadi-
sierenden Türken für den männlichen Erben — die unendliche Zärtlichkeit
dem Sohne gegenüber ist allen Reisenden aufgefallen — erfuhr es dann
15 eine Einschränkung auf diesen, so daß oylum bald nur noch »mein Junge«
bedeutete.
' Vgl. etwa osm. gözüm =r »mein Lieber-, dzanim = »mein Lieber« und sogar rein
adjektivisch «lieb«:
\om Köktilrkischrn cum Osma/mche/i.
(w
Wörter- und Formenverzeichnis.
Der RaumerspariiLS halber sind nicht alle mundartlichen N'arianten. die im Text vor-
kummen, aufgenommen worden: dalur wurde in größerem Maße die deutsche tlbersetzung
als Stichwort hergesetzt.
Die Zahlen beziehen sieh nur auf Seite und Zeile.
a 95
a-: 1/a-: i/'i- usw. 5830
-ä < -aya 5O4
-a- < -ai- 1935
-aö, -yac 638
ffc?7»r 223
-070 > -flf- 5O4
070/ 52av
ayir- %
uyrryu 37 n
uyrimMq 52m
-ayu > -ö- 44>6
-ayu > -Ü, -ö 5O4
-a-yu-l 57»
ai 9i
-«/- > -ä- 1935
aiyai sal- 535
uiy'ir- 9a
aü 3I31
aiqtr- 9^
alanzi- 1O38
-0/7«, -0/7« SOmA'.
(ilyuyun 559
anal'iq 653s
-a-n-yu 47aaff.
awptr 2230
anir- 9ii
ankleben I7i6ff.
an^'Mr 223°
ansir- < *aqsir- 515
Anstrengung
, a^r 2138
: a^r- 9io
i
I a^i'r 223«
1 a^jfr- 9io
aftjgar 2I38
I a»i7«r 223«
J aÄTir- 9ii
I a/ira- 21 ■ 7
aiisir- 5m
, ftiisiriq 5i5
I o^inÄ 36.0
ag'ir- 9?
i aqsir- 5»
aqstriiq, -U 69, ■»
a^-Mrw ag'Mr« 2637
ara 32^
I cra«/ 58ao
t ar^l 6535
I ordör 6536
ardznl 653S
ariY 328
i -a-r-st 4727
i «r^«w 3I29
arz,^ 31 16
a.yjr7fl 5835
I asqur- 62
! ÖATld 3I4
, aMar 39^4, 6O30
i a^t 30..8
! «taÄy 6624
I atsa, atse 1435
atse et- 616
I aufstoßen IO33, 35
-aul 56iflF.
ausspeien 13^
; Auswurf 420
j ayalyu SOi?
1 azir- 66
i a2ir<- 67
«'/j.f< 3O28
I -ci < -«/ 4538
-ä- > -6- vor -/- 4440
äi- 5333
I -dj > -ä 453«
: eben 29i7
ächzen 49
(7^- 542
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W. B A N G :
egäs 4O22
egär 54. i
-ägi y- -t M26
egir 54io
ägrän- 22i6
ägri 548
äkir- < ökür- 9^?
nmgnh 54i3
«?(!^fl7 3941
Enklise 348ff. (?), 52=8ff.
entfernen I632
a/i- 543
rar«- 5336
nhgäl 3941
änJcäi- 5336
enkildä- 22 14
omra- 1934, 22.2
«Mm/ 5823
Erstarrungen 43«, 46i8
asM- 3328
äsnn- 3322
Esel 631
Eselhengst 21 21
äSkäk 633
äM/ < ötäl 5?
ätMrik < öT 4.8
1 (äifedM 44io
Eule 37.3 ff.
äyägü 5333, 5430
äzä- 3326
6o« 19>7
baqaul 61 33
: haqir- 1926
baq'ira- 1926
baqra- 1926
I 6öir- < /^ö7«r- 11 7
j öary 11 17
harqra- 18.6
Bauch teil des Fells 5433
; bädiik 4324
j beiseite 2531
I 6ä^M 6229
[ bälä- 42.2
bellen 8i, 7 ; 2l8
I benennen 5327
U 43>7ff.
biegen 54. ff.
bilä- 43i8
&<7«^i 43i8
biläl 445
MrwV 42i2
biräilän- Mi
b'i'n/ilda- 19».
6«VÄ:- < bürk- 134
birkln- < bürkün- 134
b'irq'ira- 19.9
ftiVo 4429
tea/i 264
I fe 4329
1 blasen Tas, 1220 ff.
' blind 373 ff.
Blitz 35.. ff.
blöken lU, 20., 21 5
bogavi 61 29
boldzal 392.
*6oya- 6225
! boqarst 4727
; boqaul 6224'
I boqayu 47io
' Nach Abschluß dieser Arbeit liatte Dr. Theodor Kluge die Güte, mir die erste
Lieferung seines Georgisch-Deutschen Wörterbuchs (Leipzig 1919) zu senden, wo ich S. 31b
finde holcauli »Polizeipristaw" und hok'ouli »Beamter, der die königl. Befehle und die Urteile
der Richter vollzog«. So steht denn also das -o- der Stammsilbe jetzt fest: ich lese auch
boijars'i usw. (oben 4726) und ziehe zu der Sippe *boqa- ferner noch: Sul.-Kun. 34 bukat
d. h. boqat :^ »sedd ab, bend [np. blind bei Vullers I 265 b nicht nur vinculvm, ligamenium '
usw., sondern auch claustrum a(|uae, agger; vgl. Wb. IV 1590] Damm, Deich«, sowie
boqatla-. Es ist dann aber klar, daß zu *bög-, ^böyä- (6226) zu stellen sind: dschag. hökän,
hokät •■Damm«, kir. bögö »Damm, Sperre» kir. bögo- »versperren«, kir. böyöt »Scheidewand«
usw. (rkWb. 180 a = n^türiuia »Wehr«), ostt. pl'igä »Grenzmarke«, ^wj^ä^ » Flaschenstöpsel"
(Spr. 86 b). Die dschag. AVörter sind wohl mit -g- anzusetzen : biigän biigäl — ohne den doppelten
Einti-ag zu ahnen hat Radloff im Wb. IV 1881 bügät »Danun« und bügätlä- »einen FlulS
durch einen Damm sperren« ; Sul.-Kun. 32 : böMitlemek ^= ahar sujun jolunu bend-u sedd etmek.
haylamak. kir (inkmek [;']. Aber ich kann nicht behaupten, daß der Konsonantismus mir ganz
klar sei; im Kaz. lauten die Wörter gar bökit »Pfropfen. Spunt» (vgl. alt. tel. pok »Stöpsel,
Vom Köktürkischen zum Osmanischen.
69
bort 12a6
boz (üz boz) 33i8
bozyu 51 18
62^6
62 lo
b<'iyii 62^'*
bögür- 9.7
bökäi'il 62.0
böyiir- 9.?
brennen 51 u
brüllen Qjff., 9:.., 203-, 21.,
222., 23.8
brummen IO37
Biikaul 62i4
buk 12^5
buf/arst Mn
buqawul 62i9
burq \Uz
butaul 56i6
buzayu 42.7 fif.
buzla- 42i<i
bur/jiir/jii 47u
hw^/jir 47>6
bügräk 2334
fräto- 122..
6«^^ 4427,50..
^wrA:- 1223
bürkür- ]2u
' bürkiis- 13.
I 6r</ 55.
I &?i/r/ 55.
6m^«m 55i
-c- < -«('- 10. s
^abül 5922
öa-ycUivul 60.;
(!rt7ü/ rä7«/ 2429
doTÜr- 11 5
carfur- lU
I iaina- 352 (4632)
raMr culdur 24.«
Äi?}?r- 928
eap-, dapa- 59i4
iapayan 5929
dapä'o 5926
i'apaul 59.9
dapauqi 5928
<?aj>M/ 59i7
ragfir- 11s
eaq'ir- %m
6ar 44i8
! dar- <'6'a7ir- lU
I dar/ II34
dar/j 442. flF.
da/ 3537
cat'irda- 27.6, 35^;
dayna- 4632 (352)
d^'rfiY, d<pdfi7- < *dö" 57
f^firgä- < ('örgi'i- 41 37
«(^//, d^rfjY- < d^" < *cö" 57
ciya/ta 4938
öiyaul 65u
ciydaul 6O35
cilpilda- 2636
(Hlpulla- 2636
cindaul 6O16
cing'ir cmig'ir 24.3
j cinfira- 2425
! dinqrau 504.
i (Hmir- 74
j dir 19.., 283
! dfr- < doTiV'- 11 7
i djrdir 19.3, 288
j dirilda- 198, 284
I änlla- 289
I (!lrüy 283
dir/ö- 19.J
i (!i;-/o- 285
i cirlaq 28?
(!ir/)- 28;
dirqtra- 197, 285
öirtlaq 286
dirtlaqla- 287
f'jtü/ 4633
cMkiir- 6.4
öücür- 615
Oayaraq 243-
i'oqar- 243-
Vei-schluß, Gefängnis.) und 6«>»/(7 .Damm, Sperre". Semasiologisch vgl. ^iyw, das im Alt.
Tel. Sag. Koib. Ktscli. •Flußsperre durch aufgetiinntes Kis-. in den drei letzteren Dialekten
auch . Flußwehr, bedeutet, während es im Kir. -Pfropfen, Spunt- meint: vgl. bar. tiy'in-
dz'iy .pfropfen- und dann osm. tiqar, t'iyac -Pfropfen« usw.
Im CuwaJ. lautet -Stöpsel, Pfropfen- pjd.). im .lak. büii (< Uigo.'). Formell kann bögö <
*biigä kaum etwas anderes als ein Gei-undiimi sein: vgl. dschag. tiya Wli. III 1346 und Sui..-
KuN. 187.
70
W. Bang
roqra- 2435
öoqraq 2436
6öMl 3920
(^Ü 4I39
mg 41 39
ikd'ia- 41 16
aulydu 5O10
(5m/7W 4I19
duqraq 2435
Ä' 4634
Darm 448
dägSür- 17^9
däwä'ir- I829
dimqil 3936
-(ii'r 24i8ff.
d'iz'ilda- 27=0
cfii^/a- 2730
dolay'i 4815
domdcTful 642
Dorn 4929 0".
f/r l4i
drohen 337 0"., 45.7, =2 ff.
Durst, -ig ISigff.
duldüz 2727
Jm^ 2726
dzanim 66.7
dzabaya 50(5
dfi'Ä^ 3O23
diuliq- I2i7
Faktitiva 124ff., ISsff.
154., 16. ff.
Fasan 64=7
Faulbeerbaum 5437
fein 737
Fell (Bauchteil) 5433
fest 5327
Feuerbrand, -schürer 4620
Feuerschwamm 40.. ff.
Fischotter 47.8
Flaum 49io
, Flechte 5420 ff.
Fledermaus 3724
[ flüstern 14.7
fort 2530
Frequentativa 1542
frisch 1531
Frist 392.
Furt 3929
furzen lös ff.
Fußfessel 47.ofl'.
Fußlappen 41. 9
-g-: -n-: -w- 2337
gackern 14.$, .«
ganz 55.
-gä, -gii 393°, 449, 46.4
gädik- 12.3
gähnen 3322
I gänc 66.0
j gebogen 548
gerben 3733
Geschwür 53.3
j gichöv 4232
girö 3839
glatt 29.7
Glocke 23.8, 5O5
göi- 51.4
gölgä 52..
gözgii 5O28
gözük- 12.5
gözüm 6617
Grille IO7, 19.3, 286, 65.5
grunzen 14.3, I820
gurgur 27$
gurla- 276
gurulda- 274
gut 295
-gü, -gä 3930, 449, 46.4
-gü-l, yu-l 3929
gündälik 46.6
güzäl 39.
-70-, -qa- 63.0, 64.5
-7a, -yu 3930, 449, 50.
-yad, -ac 638
-ya-c, -yu-c 635, 393«
7a« 4O36
-yi, yu 446
-7t', yu, -yur 484
y'in^a- 1O40
-yu 37.
-yu, -ya 3930, 449, 50.
-yu, -yi 446
-yu, -yu-c 4736
-yu-c, -ya-c 635, 3939
-yu-l, -gii-l 3924
-yuluq, -gülnk 39^
Haar 49.o
hai 825
haila- 826
haiqir- 825
Handel 5327
Handschuh 4428
Äa%«^ 2I2.'
' A. VON Lk Coq (Spr. 98 c) hat dafür hnneiäk wohl aus hailgi äsäk: vgl. 97 c mädeiäk
'Eselstute' (zu 11p. mäda ür Ir Phil. 1 2 100, Hörn Nr. 956).
Vom Köktnrkischen zum Osmanischen.
71
hatda- 9j3
hart 53i6
Harz- 2934, 6324
Heimchen 65i5
Hengst 22i
heraval 5831
heulen 921, 1O38
hicqir- IO12
h/incqir- lOn
Holznagel 4633
Hom 2335
husten 3i
Hülle 425
-i <. -äffi 4426
-«■- < -u- 4326
-/- < -ü- vor -y- 463"
/- 543
ial 3I30
icäi 44«
idägä, -gil 44?
tcqa- IO19
üür^ 4342
7rf%a 44i5
ig- 542
i^'r/j 1932
igrä- 1928
igrän- 2O5
tTüro-, ifyra- 22ji
iyran- 206, 2222
-JÄ, -MÄ: -ä'4 20»o
i'Md 4427
iÄ*M IO25
i'M/tA: 652S
inöqa-, 'incqa- IOm
indqir-, inrqtr- lOi«, ij
inkremek 1936
Intensiva I627
«n- 543
; iwira- 2221
iüircaq 828
i'^ro- 2220
•tm- > -ww- 3430
^nnart- 1331
-i'y-, -<Ä-- 12iofF.
■«■q'i/ iqtl 2430
■^19 IO24
if^da- IO19
iq^- IO23
-ir-, -<r- 64
irät- I630
»rnw/ 5826
irimdik 5231
irimSik, ifimA'vi 523-,
tsaryo 583s
wir- IO3
Mr- 15?
iskä- 3327
««/>■- < üsnä- 3320
isyi' IO36
is^itr- lOas
Ucfir-, iäqir- 102«,
/tög'a 44.5
üi 4333
iflr- 157
iRrt- 1425
»/Mr- 4339
lÄft/bV- IO33
ittür- 4339
tyä]^!« 533J
iyirti 1932
*y»X 4237
»yrd- 1929
iijrik 1930
^2^*7 2722
izilda- 2721
iryir- 1O27
izyur- IO26
«Xa/a- 11 1
jammern 921, 1I29
Jescliaghul 6024ff.
ßksii 1O25
jilt 1226
junazar 45i2
kaG<flDat- 232
; Äa^/a- 22.0
kauen 352, 4632
-A:«-, -q'a- 525, "^, IO14, 19,
3327, 6I22, 63io, 64i5
käcik- 12 w
Mrfff 2530
kädär 2632
j Äwp'ß- 339
käk 338
I käkägi 5I25
I käknmä 4832
1 M^V- IO34
' käknn- 33-
! käkrä- 21 13
I ÄöAra < /tö" 21 15
tonr 6610
känrä- 21 12
känrnn- 2131
Ä;ap- 4933_
Är^r^ II37
A;«r 4928
kHihk- 12.3
kUhiUk 430
käixikla, -lat- 14-6
/z
W. B A N c; :
kign- 33io
HGzntk 493"
kijeu 50ii
kikir-, kikär- 1O34
kilä- = ft'te- 49i9
kinrä- 21 n
kinäür- I832
Ä:ip- 4933
-^«V-, -5'iy- 64
-kirä-, -q'ira- 18. 4
Kirche 423=
kiinä- 3332
Klette 4929
klingen 2131,2224,232
klingeln 23i6
knallen 14i7
knarren 14i2, 2220
knistern 14i8
Knochen 233s
knurren 206, 2222
kochen 34it
Kohle (Ruß) 51 14
kö 51 5 5
kögät, köyöt %2y
köi- 51 13
kölä- 52 1
kölägri 528
kölnhkl 5237
kölätkä, -ki 5238
kölgä, -yä 52ii
kölögä 4438
kölürgci y'ili 4439
Ärö'r 3830
Ä-ör (Motte) 52>6
körngän 46?
Ä;örs?V 3I32
' Ä-öriw 31 8
: kösägü 4620
tosÄ// 4636
köslöt- 5734
' közdöii 5734
! közlä- 5735
; M2o7 392
közük- I2i4
! közümi 5O33'
I krachen 14i8
kröchzen IOm
krumm 54«
Kumis 343-
I kufanaGan 46io
Miß 51 38
I küdägü 45>7
kühl 153.
küiläk 52i5
-M/ 3933
1 külä- 49i8
küldiir küldür 24i9
-külnk, -quluq 3933
kiilpöfi 2732
kündägä, -gil 4613, 1 4
künda'/ik 46. b
-Mr-, -ywr- 4.
kvräkän 463
M« 1234
kürslä- 1234
kürsüldä- 1235
kvrüln- \2y,
kürzd 31 16
^wsM 4636
kiitnül 60 1
Myr/ 51.5,39
kiizik- 12.5
küzügii 5O26
-/ 39., .6, 25, 57., 64.7
lalyir- 8-
Lappen 41.7
Inrbildä-, -pi/da- 2638
läuten 2226,23.7
Knircaq 829
ÄwÄ'ür 145
rnarär-, maeara- \\%
makra- 11 8
wiß/^ 1227
Mangelholz 39..
manq'ildd- 21«
mahni- 21 5
maqau 51 24
maqir- \h
man- 21 24
Mastix 2934,6323
mausern 498
meckern lu
megeül 6O4 (vgl. ^-y«?« 5O1.)
meryaul 606
OT^«^' 540
miauen II3
Metathese 4., 2«, 4024,5435
mifäda- 11.4,14.4,26.9
m^rhlixit- 14i5
' Vgl. jetzt közüngii in einem manichäischen Hymnus bei .\. von Le Coq, Tnrk.
M.inich. aus Chotseho. 1112« (AHAW 1919 Nr. 3).
Vom KöktiirJäscJien zum Osmanischen.
7H
mirla- 2622
niirqäda- 11. 4, 14i4, 26»
m'irsäda- 26ij
mirt 11 36
mürzilda- 26ii
TWti^ü/ mW«/ 25 1
miäqir- 255
mit 3O32
miwiz 2335
yniwh- 2333
-;«/- > -mw- 4834
-mr- > -r6- 5436
Motte 51 38
mozai 44;
möfirä- 2O31
WIM« 14«
mufira- 21 1
murin- 2637
murmeln 23i7
murren 14i4
murulda- 26^7
mütirä- 2O31
mi/wh- 23^.
miiwüz 2335
naara wur- Sn
Naclibar 30n
«a7ra 0r- 539
-«r 35i2, 363
-«(?- > -^- 10.^
Nebenbuhler 394o
Niere 2334
niesen 58, 61., Mas, ISm, 3334
-ft- : -g- : -w- 2337
-fiZ- IO38
hanai 45j<.
o- »können« 4031
Phil.-hiat. Mh. 1919. Nr.
] -ö < -ayu 4426, 5O4
! obai sol- 534
j 070« 4O36
j oyra- 2326
! oyul 66.
oyulluq 6626
OyM7J 4O36
oyur- 23.8
07«r 4O38
oyuran- 23.8
07«As' 4O27
Ohr 63T
Ohrgehänge 5834
oltur^/uö 3932
ö» 4O29, 37
ond 4O33
on&mz 4O34
ondal'ü/ 431, 46.8
09, Ö7 4O3, 8
oqlayu 399
oqlawn 4920
oqläwa 50.o
o^ro- 2324
omanyu i^lzi
osar- 15«
osqur- 2529
otturyuä 393.
0207« tow 4435
1 o^^öy/ y«// 4433
ÖSM M« 4432
-ö- < -(^i'- vor -/- 444"
öffkät < öd-kä-t 5.5
«>/ 732
; ö^Mr- 923
öA: 543^
ökiir- 9i>
5.
öksiir- 3.
öksiirnk, -äk 44, «
öwij^'i 3940
önägül 3937
ön^w/ 3937
0r- 84
ö"r 5235
örgärim 5235
ö.skih'- 34
öste- 48
ÖYrt/ 56
ö^^w/ 3929
ötür- 4.8
öyägil 5336
öyoÄ 5430
öyö/«: 5432
! Öy/m- > Im- 432
i öywr- > u'r- 433
I öywr- 923
öyilt-~> rd- 432
I özän, -ön 437
I Packsattel 828 "
I purqira- I816
i pfirt II37
paSqün Mn
1 j)a//a- II37
i pälai 4428
;;e/j 4438
pälMklä- 51 36
Pelz 4I28
Penis 532;
päfKi 5I37
pcipälä- 51 36
pnpäyi 5I37
pfeifen 10", 4, 28
pü/ldi 4428
10
74
W. Bang:
picq'ir- 812
p'ir, ptr p'ir 14i, =
ptiyir-, pirq'ir- 820
pistlda- 254
p'iscfir- 825, 253
pUqilda- 14i5
pU(fir- 813, 253
pdZdiBat- 14i6
porda, -ö 4733
j5öA 4325
j?ö7«- 42 IC.
pözi'ik 4324
Prothese von //- 4i7, 5i7
prusten 820
prutschen 814, is, 18, 20, 1223,
24, 132
pupa- 5I35
purqura- ISm
pusten 8i, I221
pÜPÜrä, -ö 4733
jom/, püflä- 722, 23
pw/ö!- 1221
pürgü- 133
/jMrA- 1224
pürkü- 13=
pürkür- l3i
pürük- 1223
//•- 816
pütkhl 3935
püzür- 817
-7 3923
-^'a-, -Aa- 525, 26, 1O14, 19,
4 3327, 6I22, 63io, 64i5
qahir-qubvr 24.4
5'OJ 34i5
r/ai7o- 34i8
qaino- 34i3
qaira- M^i
qada- 5223
qaday'i 53i4
qadama 53 is
qadafit 53i4
qadna- 3435
qalanr 58m
qalhan 2732
I 5'a?w 48io
qamayu 553
qamayun 559
qamiy, -q 554, ■^
qamnayi 47i8
qamSa- 48«
qamuq 555
qa?ld'ira- 23i6
qanira- 2226
qanqilda- 22^i
qafira- 2224
gag' 142
^ gfcga 528
i qaqilda- 22>9
' qaqlat- 233
qaqsa- 11 29
I qaqä'i- 11 29
' qayja- 11 28
qaräci, qaracH <
i qarayol 587
! qaraldi 5O22
j qaralyi 5O24
I qaraqct. -ä'i 573"
i qaraqol 58:
j qaraul 57 19
J qaraul- 585
qaraulci 57=;
qarautta- 585
qaftpi 372
g-rvrp 2730
qarqilda- 14i2
^-ör« 1232,229
g'ars (/«rs 1224
qarsildaS- 1233
g'ar^i' 31 22
qarSqir 228
qaSayu 393
qa^rayu 39?
9'a^-, qata-, qafi
qataq 2814
gfoför g-M/Mr 24i4
qatna- 3437
qattani 53i3
qawayu 4O15
qawsur- I82
qayayan 3427
qay'ir- 3421
qay'ira- 3422
qaza-fi 477
g'i&ir g'a6ür 24i5
giiJ^a soZ- 537
-gü/ 3936
qüayu 44ii
qäayuz 582.
-/oi' 50.3 1 g-«:/«« 45?
qilaula- 45 1
I giiÄc 453
! cßtyan, -qan 45?
i gü?/ II37
I 9*«^-, -2ii- IO37, 38
g'tjwr 5'jjnr 24i3
5'fg'a^s 1925
-^r-, -fer- 64
53>.
Vom Köktürklsclu^a zürn OsinaniscJii'n.
75
•qira-, -kird- 18i4,2Öii
q'irayu 38i6
qim/a- 65»
qiryaul 642«
(/iryu (qaryu) 383^
qifilda- 26js
(firla- 26»4
(/m/i- 65»
q'itaqla- 14i6, 28i}
qttla- 2813
qÜqilda- 2813
q'ii/ira- 34^6
qobur- 41«
707MÄ 32 11
qolpur- 2733
qonalya, -yu 50m, -5
qonra- 2Z*, lo
qoArayu- 5O5
qofist- IO37
^o/i^i' 30i5
qorjira- I820, 263«
yor/a- 18«., 2630
qarpulda- 2632
qorqUda- 14ij, 18«, 26j8
qorqul- 2629
qorqulda- 14ij, 18", 26^9
qorquru- 18>9, 26>8
qorsuldu- 2630
qosülm- 3O19
qosulusü 3O3''
90^/ 3O3»
yoina 31 j
^o^i' 30>9
90^- 3029
^o^/> 3O36
qotqulda- 28.4
yowi 32ii
I qowar 41 8
I qotmUI 32-2
' ^-oio 3O33
Qual 54.4
Quark 523°
quhur- 41 8
. quloyu~ 5822
qulpur- 2733
yzf^' 142
9'Mr 3830
-^^M/'-, -Ä"/«"- 4i
quryulda- 273
qurqula- 21^
qurqulda- 27»
qurs^llat- 274
qurSun 49?
qurulda- 27.
, quwar- 41»
; y«yö 52»7
-r 3923
j -ra- 2323
j Raspel 47?
Raubzug 598
Räuber 573«
Reif 38.6
Rohrdommel 2236,244
Rollholz 39..
röcheln 8.3, I8.9, 253
rufen II5
rund 49.
Ruß (Kohle) 51.4
rülpsen 1O33
-« < -^ 29i8
Sack 4I34
; saycru 5I22
j sayir 23.5
j sayir .nyi?- 244
' sayriyu 24.
sd7rö 243
I Saksaul 63.=
I sal-, sola- 3736
sanc- 10.7
so/)fo 2934
sanra- 21.«
sanrayu 242
sanrau 242
suqay'i 51 2.
.s«</aM 51 2.
s«yir .sa^iir 24.7
Äoz/ij 2934, 6323
«ay« 5I23
sar 145, 35.8
saryü 2432
, .sann 35.8
sartna- 35.8
samu- 35i8
: Saxaul 63.2
I saroM 4624
I sacayan 472.
] sd^ö 51 20
' säksäül 63.2
seÄpiV 4O23
I säpkil 4O24
I «arm 153°
I särindsiz 4O34
I särägi'm 153-'
I särügün 153.
I seufzen 48
; säugen 133.
snürün sal- 638
10*
76
W. B A \' c. :
Schaman 48ii
scharf 4328
Schatten 526
scheren 656
Schighaul 623=
schlagen, zerschlagen lOi 5
schleifen 3421, 43i8, 44.9
Schleifstein 3424, 43i8, 44i8,
6527
Schleim 4i9
schluchzen lOn, 12, 198
Schluckauf lOn, 23
schnarchen 10ii,14ii, 12, 14,
I820
schattern 2224, 283
schnauben 815, 253, 2s
schnaufen 813, 263
Schneide 44ii
Schnupfen 3334, 343^
schön 295
schreien 825, 26, 92, 26, 1I5,
18.6
schwanken IO38
schwärzen 52i
schwatzen 1O41
Schwätzer 19i3
Schwiegersohn 4527, 463
Schüreisen 4636
-««- IO37
sty'ir- 1O4
s'iy'irctq IO7, s, 30
sty'ir tq't 106
■stlq 11 20
smdar- 232 1
s'üidraq 2321
sinra- 2320
sinrä- 22ic,
sipMl 4O24
stq'ir-, siqqir- 10«
«^•70 5836
sirtq < *xiyr/'iq 1O5
s'irit- 1041
sisla- 1O3
s'izyir- lOi
Sodbrennen 4624
Sommersprossen 4O24, 5436
Soimtag 4236
soqran- I824
sörm 1531
sötöl 5;
sözäül 61 8
spalten 5733
Specht 65.4
Speichel 4.«
speien 74 (s. s])ucken)
Spiegel 5O25
spritzen 1224
spucken 52, 7?, 133
Star lOs
stechen 10. 7
Steigbügel 4739
Stotterer 5I25
stöhnen IO37
Striegel 393
sualßi 5O20
suyalyi 5O20
sunas 3334
suqra- I827
sur- 472.
.mmq 15.9
sili^kiir- 6.7
sümiir- 2339
süMk 2334
sünür- 2339
sür-, sürä- 61 .9
*mräül 6I18
sürgä- 61 22
snryänl 61 22
sürkä- 61 22
svrh'iül 61 2 2
mr&n 61 20
-i 3923
-kl-, -M- 43-, IO40, 2425, 3O4,
488
Sabül, -&ü 5923
Sayaul 6233
! äayawal 623.
i Savarixit- 14i8
iald'ir Sald'ir 24.»
Salptlda- 2633
iandaru-, -d'ira- 242;
, A^amr ^/wr 24.6
äaftra- 2425
j Sanza- 2425
! Sffjtwr ^a/>ir 24.6
I iajtwr sopur 24.6
I ia^', iar/ ^r/y 144
i iar, iar so/- 19^
Sartl sariil 193
äartldii- 193
^or/o- 195,27.6
Sarqilda- \%
Sarqura- 19.
Ä/r/ II35.27.4
iart'ila- 27.4
' Martin- 14.7,27.5
,iatmia- 14.7, 27.7
aVA" < «'öA* 44.0
Vom Köktnrkisclien zum Osmani^chen.
ä'igctir iagdHr 24=
S'igdnit- 24m
äiyaul 6231
Simir- li
sinM- 11j9
Siralya 50i9
sirilda- 19i8, 28io
i'ii-lu- 19i5,28.c.
^irq'i/da- 19i7
äirq'ira- 19io, 15
itrt Ihs
iirfilda- 1237,28..
Solp 2730
äamprt 55. »
iülda- 26.3
i«// 26. j
-^M/- 17.
fayar 4l3^
ta/j? 2730
tamr tunur 24..
tapSur 17^3
taq-ta(j 65.«
toyir ^M/' 24..
tory 11 18
tors 1237,22.0,27;
^?m7 27»
tarsäa- 27«
tartfüda- 27io
tariälduq 27io
tars'ildat- 1237
tarda- 22.., 27*
turslaq 27.»
to/-.v 22.., 27..
tarilu- 22..,27i.
/f<^Ä/- 22m
tataul 61 J9
taub 23.3, 2435
Taube IO30
tayan- 4631
Mfc 2920
Wte- 3O5
faM 29.7
täkSin 30>,
tämiräyi 542.
tö«t^ 29^7,30.
W?Wa- 30;
tö/ß 51 34
tätäyi, -iyi 51 33
m;? 49.9
Hgdnäk 49^9
^<A»p 453-
ß/o, -ö 4734
A'mau 343'
/fp- 49j3
/iV/ir ftV/i/* 24. i
t'iqs'ir- 6^3
firbilda- 2637
f/nV //ri/ 243., 27;
tirilda- 2729
tirpild('i- 263;
firp'Üda- 2637
/Urs 27.3
ttrsddu- 21 li
tirsla- 27 w
ßsg'ir- 6j.
ft'ft-: 2933
%Gn- 46 ji
fodera 55.3
toyalaq 49 ^
töglaq 49.
tnyolnqtn- 494
/o^-, *to/ö- 49=4
/o/öi 4923
töloqlo- 495
/ö/og 493
I totor 2535
i tomdo- 64=
tonanyu 47=3
tofnrtqa 65.4
I tonquldaij 65n
i tonrayu 504.
I toqsatoul 64. s
/oy/ö- 643
toqtayul 6333
toqtaul 63ij
toquldaq 65.4
tosqaul 64.8
totqaul 6332
/06a- 5736
toftr/« 5736
Trank 15.9
Traubenkirsche 5437
tsingil tsingil 25.
Tschapao 59=7
t'S^riklü- 284
tuqtuul 64.4
tiimlyü 50.6
Turpan (Rostgans) 223
/M.S- 642 j
tuktndzU 47 14
/«iay 47.4
tuSqur- 6.9
*tutqa- 64.5
tutqaul 6329, 642f,
tückür- 6..
//</■ 7.3
fe/Zri- 7.4
78
W. Bang
tüfilrcnlt, -dük 7i5, -6
tüg 49io
tügür- 7ii
tüi 49io
tiikür- 78
tülä- 498
tiiläi 4922
tüpkiir- 7?
tnpür- 1x2
tür 1329
^wrs 122R
-M < -«7« 5O4
-u- > -i- 4326
-M- < -uzu- 4323
t^iwr, vduru 32i
-<*m- < -iVn- 3430
ufi 667
wsa^' 15i9
wtoX 15i8
-ü- > -j- vor -y- 4630
übergeben 1723
y/ter- 734
Ü6äi 44«
üöügä 4O14
M^i>- < ö^«/'- 924
/// 729
üfür- 723
%wr- 81
Tik 5432'
M^V- < öAvVr- 924
ün- < öyün- 432
M 435
Mnte' 5336
Sf- < öyür- 433
ör- < ügi(/r- 81
«?•- 82
/in<- 810
iis 33i4, 4738
wseÄ < üksäk 434
MSZ^^ 4i3
üsnä- 33.3
5«W- 524
Mswr- 4i5
ums < ö^«w2 434
üSän- 436
M^«i!- 436
5^ < öyüt- 432
wy«^, //^ö/- 5335, 5432
üyänü 5335
«2^ (ÜZ' boZ) 33r8
üzängü 4825
M2^i?r- 4i4
?72g'< 4737
7<^^M(J 4737
üznä- 33i8
rar- 84
verbrennen, brennen SIm
Visier 57i9, 29
voll 2534
Vorhut, Vorposten 58jo
-w- : -ü- : -g- 233?
Wache 57.9, 27, 6O4
wai 1923
Wallgraben 5233
Walze 399
i wäqra- 1924
\ wechseln 1729
i weg 2530
: wehklagen ih»
I weinen 921, IO12, I824
wetzen 45i, 10
Wetzstein 669 (Schleif-
stein)
widerhallen 2l3<
widersprechen 33i3
I wiehern 21«i, .6, 2324, 3332
I wimmern 928, 1O13, 37, 3«,
i lh9, 199, 2I17, 22i2, .,
I Windel 41io
j in Windeln wickeln 42.o
winseln 8», IO38, 40, II3", 23,4
' wiril imril 24»«
' mz'dda- 4228
w'izla- 4228
■ Wolf 228
Wolle (rohe) 5O35
VMT- 533
yabayu 5O35
yana-, yani- 45io, u
yanai 45i2
yanaS 3O24
yanr- IO15
yanäa- 1O41
yanra- 2I32
yapay't 5O37
yapalaq 37i4
yapi'ir- l7is
yaqS'i 293
yor-, yMn/- 3734
yarai 299
yärma 3734
yarg 1I17, 2.
yarqanat 3722
yasuqdi 582, 61«
yasaul 6O33
yaii'n 3521
yavlov 43i5
Vom Kökti'irkischen ~vm Otimanischfn.
79
yazal 39i6
y(igi=^yndi »sieben«
ynMärlügnn 4^8
yähtnrlü 4^6
ynldir- 5936
yäldihhr 5935
yäpsal 39'8
ytrindi Zln
yätknr 4ii
yntkil 3935
y«^ 4234
yj:/< 12^5
//ir«/- 163r
yirmi 49?
y/% 4336
yizü 27j3
yorfro 55 13
yoluq- 12i6
yofiäur- 183»
yo;•^ 59>«
yortayul 59«
1 yödö- 5j3
4936 . yörf«/ 05
yödiildä- 5«
yödür- 5i
yörgö- 41 13
; yöYo7, yö/ff/- 63
yötki'rr- < öT 4ig
yötkür- 5j
ytiÄa 41 J5
yttfor 39ift
yvmurt 55 10
yurtül 59i2
yi/n, yw« > w« 43«
yünlä- 49.7
yürgö 41 10
yürümmk 523-
ynriit- 154<'
yürüttür- 162«
yw/o7 53
yiitkür- 4»
-^ > -Ä 2O19
^a6?i 5O39
Zange 63«
2:*n/- 2737
ztfildd- 2737
^jrfe- 2737
zischen 10^, ««
^ÖY(?7 55
Zunder 40 n
zusammenlegen 18j, 39
zusammen mit 303»
Zügel 39^6
Zylinder 399
-/ßrddat- \^^^
"/jirldt-, %arlattar- 14ij
%3^^ 459
yßrulda- 273?
XMra/ 583
yjandda- 273=
%Mf<? 324
Berlin, gedruckt in der Reichsdruciicrei.
ABHANDLUNGEN
DER PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
JAHRGANG 11)1<)
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE
Nr- 6
AUS DER ERSTEN ZEIT
DES GROSSEN ABENDLÄNDISCHEN SCHISMAS
VON
H. IJRESSLAU
IN HAMBURG
MIT 1 TAFEL
BERLIN 1919
VERLAG DKR AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
IN KOMMISSION BKI DER
VEREINIGUNG WISSENSCHArrLICIlER VERLEGE« WALTER DE GRUYTER V. CO.
VORMALS O. J. (iÖSI'HEN'SrHF VERLAUSIIANDLI'NO. J. UUTTENTAG. VEBLAGSBUCHHANDLUNfi.
KEORG RKIMER. KARL J. TROBNER. VEIT V. COMP.
Vorgelegt in der Gesaiatsitzung am 5. Juni 1919.
Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 25. August 1919.
V on der ungeheueren Masse von Geschäftspapieren, Briefen, Protokollen,
Urkundenkonzepten, Petitionen und Eingaben, Klage- und Verteidigungs-
schriften, Rechnungen und Akten aller Art, die sich in der Zeit des großen
abendländischen Schismas zu Avignon in den Bureaus der päpstlichen Be-
hörden und den Wohnungen der Kardinäle angesammelt haben muß, ist nur
ein sehr kleiner Teil auf uns gekommen. Nur die wichtigsten Archivalien der
päpstlichen Kanzlei imd Kammer sind im Laufe von mehr als drei Jahrhun-
f derten, in der Zeit von 141 8 bis 1784, von Avignon nach Rom gebracht
worden und uns dort erhalten geblieben ; die große Masse der Akten der
eigentlichen Verwaltung, zumal der Papiere, welche keine dauernde, sondern
nur eine vorübergehende Bedeutung hatten, ist zum Teil wohl schon während
der Wirren in der letzten Zeit des großen Schismas, zum Teil in späteren Jahr-
hunderten, als Avignon nur noch die Residenz päpstlicher Legaten und Statt-
halter war, unrettbar verschleudert, vernichtet und verloren worden.
Da ist es denn ein überaus glücklicher Zufall, daß ein freilich nur ge-
ringer, aber dennoch höchst wertvoller Teil dieser Akten in neuester Zeit
in unerwarteter Weise wieder zutage gekommen ist. Sie waren in die
Hände von Buchbindern gekommen, die aus ihrem starken Papier durch
Zusammenleimen Pappeinbände von Handschriften herstellten; zwei solche
Handschriften sind neuerdings aufgefunden, und durch sorgfältige Auflösung
dieser Einbanddeckel sind die ursprünglichen Bestandteile der Pappe, freilich
nicht in ganz unversehrter Gestalt, wiederhergestellt worden.
Die eine der beiden Handschriften befindet sich in der Stadtbibliothek
zu Reims; sie bildete den Einbanddeckel des Cod. 688 dieser Bibliothek;
Henri Loriquet, der den Katalog der Reimser Handschriften ' verfaßt hat,
hat diesen Einband in seine Bestandteile aufgelöst imd aus ihnen, die
er nach sehr äußerlicher Anordnung zusammengestellt hat, die neue
Bd. 39 des Catalogue gi-iieral des manuscrits des bibliotheques piibliiiucs de France.
4 Br esslau:
Handschrift n. 775 gebildet. Über ihren Inhalt hat U. Bekliere in der
Revue Benedictine 24, 456flF., 25, 19 ff. ausführlich gehandelt. Aber sein Be-
richt über die 149 Blätter, aus denen die neue Handschrift besteht, ist
nicht frei von mancherlei Irrtümern und Mißverständnissen, und seine Wieder-
gabe der zum Teil für die Lehre von den Papsturkunden sehr wichtigen Texte
ist so wenig erschöpfend, daß eine neue Edition ein dringendes Bedürfnis ist.
Die zweite Sammlung solcher Stücke, auf die schon Bekliere in einer
Anmerkung zu seiner Abhandlung in dankenswerter Weise aufmerksam ge-
macht hat', befand sich in der Stadtbibliothek zu Carpentras; Herr Lia-
BASTKES, ehemals Vorsteher dieser Büchersammlung, hat den Einbanddeckel,
aus dem er sie abgelöst hat und der schon lange von der Handschrift,
die er einst umschlossen hat, abgerissen war, auf dem Boden einer Kiste
mit wertlosen Papieren, die zur Vernichtung bestimmt waren, aufgefunden
und ihn durch sorgsame Behandlung mit lauwarmem Wasser in seine Be-
standteile aufgelöst. Er hat dann in einer außerhalb Frankreichs wenig
bekannten Zeitschrift, den in Aix-en-Provence erscheinenden Annales de la
societe d'etudes proven<;aIes i, 168 ff. von seinem Funde Mitteilung gemacht
und sechs der Blätter, die am besten erhalten und am sichersten lesbar
waren, veröffentlicht". Demnächst hat er seinen Fund, der 89, also nicht
ganz so viele Blätter wie die Reimser Handschrift zählt, an die Pariser
Nationalbibliothek geschickt, wo er gegenwärtig als Cod. n. 1887 der Ab-
teilung Nouvelles acquisitions latines aufbewahrt wird'. Ob aber auf diese
1 A.a.O. 25,47 N. 3.
' Es sind i. ein Brief des Infanten Johann von Aragon an Clemens VII. (1382), 2. ein
Brief Margaretens von Burgund, Flandern und Artois an den Kaidinal von Embmn,
3. ein Bericht des Inquisitors über die Vollstreckung des Urteils gegen einige Waldenser,
4. eine Rechnung über die Ausgaben für ein dem Amadeas von Saluzzo gegebenes Gast-
mahl, 5. ein Brief des Captal de Buch, 6. ein Brief Bureaus de la Riviere.
^ Vgl. Omont, Bibliotheque de Tecol.' des chartes 66. 22. Während Liabastres von
einer 'Decouverte de pieces manuscrites du XIV« siede provenant de rarcheveche d'Embrun'
sprach, weil ein Teil der Blätter, aber keineswegs auch nur die Mehrzahl, mit der Person
des Kardinals von Embrun, Pierre II. d'Ameilh, irgendwie im Zusammenhange steht, be-
zeichnet sie Omont als 'Recueil de lettres, suppliques etc., provenant de la chaneellerie ponti-
ficale d'Avignon'. Diese Bezeichnung tiirt't in der Tat für einen größeren Teil der Blätter zu.
aber auch sie gilt keineswegs für alle. Der Buchbinder, der den Deckel der Hs. von
Cai-pentras hergestellt hat, hat ebenso wie der, von dem der Reimser Einband verfertigt ist,
Papierblätter der verschiedensten Art. auch Privat- und Kaufmannsbriefe, die gar nicht aus
den Akten der päpstlichen Verwaltungsbehörden oder aus dem Besitz von päpstlichen
Beamten stammten, zusammengeklebt.
Atui der ersten Zeit des großen abendländischen Schismas. 5
Weise alle Blätter, die Liabastres von seinen Einbanddeckeln abgelöst hat,
nach Paris gekommen sind, ist nicht sicher zu sagen. Henri Omont war,
als ich mich in Paris mit ihm darüber unterhielt, der Meinung, daß
in Carpentras noch weitere Stücke zu finden sein würden. Ich habe mir
dann bei einem Besuch in Carpentras darüber Gewißheit zu verschaffen ge-
sucht, aber damals war die Bibliothek ohne Leiter, und der Diener, den
ich befragte, konnte mir ebensowenig Aufschluß geben wie der auch be-
reits in den Ruhestand getretene Nachfolger des Herrn Liabastres, den ich
später in Avignon kennen lernte und der von dem ganzen Funde keine
Kenntnis hatte. So muß denn die Aufklärung dieses Zweifels einer späteren
Zeit vorbehalten bleiben.
Ich habe durch Omonts Güte, dem ich dafür verbindlichsten Dank schulde,
sowohl die Reimser wie die Handschrift von Carpentras-Paris längere Zeit
in Straßburg in aller Muße benutzen können' imd manche Ergebnisse ihrer
Untersuchung im zweiten Band der neuen Auflage meines Handbuches der
Urkundenlehre bereits verwertet. Ich beabsichtige, sobald ich die Zeit da-
zu finde, in den Schriften der Straßburger Wissenschaftlichen Gesellschaft
Stücke beider Handschriften, die unmittelbar mit der päpstlichen Kanzlei
zusammenhängen und für die Papstdiplomatik von Interesse sind, zu ver-
öffentlichen. Von ihnen sondere ich aber, um sie hier abzudrucken und
zu erläutern, eine kleine Anzahl von Stücken ab, die nicht sowohl für die
Urkundenlehre als vielmehr für die politische und für die Kirchengeschichte
von Interesse sind. Sie sind, soviel ich weiß, sämtlich bisher ganz unbe-
kannt und ihrem Inhalt und ihrer Bedeutung nach sehr verschieden ; eines
von ihnen ist von höchster Merkwürdigkeit und entbehrt jedes Seitenstückes
unter den Quellen für die Geschichte der ersten Zeit des großen Schismas;
ich setze es an die letzte Stelle und gebe einen Lichtdruck davon dieser
Mitteilung bei^.
' Bei der oft recht schwierigen F^ntzifferung der stark beschädigten Papiere hat mir
mein Freund und Kollege Archivdirektor l'rof. Kaiser vielfach Unterstützung zuteil werden
lassen, wofür ich ihm zu besonderem Danke verbunden bin.
' Andern Ursprungs als die hier benutzten sind die Papiere aus dem Nachlaß des
Kardinals Pierre Gerard, welche auf einem der Familie des Kardinals gehörenden Schlosse
sioh bis auf unsere Zeit erhalten haben, dann von einem Herrn William Poidebard er-
worben und neuerdings von N. Vai.ois. La France et le grand schisme d'Occident II, 439ff.
besprochen sind.
B
R E S S h A l'
I.
Reverendissime pater et domlne! Per ea, que avidivi, estimo, quod
dieta cleri Flandrie noii tenebitur die prefixa [et ideo] .... adhuc expectent
hie. Dominus Burgundie infra tres dies debct esse cum domino rege. Am-
bassiator [regis R.] .... dieta prefixa" cum Anglicis, prout firmiter tenetur,
hie tenebitur, quia Anglici nichil in contrarium man[daverunt. Ab]
Odinetum, quem dominus Burgundie mittit ad dominum nostrum et domi-
num Biturieensem. Vestre reverende p[aternitati]'' omnipotens feli-
eiter et votive.
Scriptum Parisius XIII. Maii.
Adresse: Reverendissimo in Christo patri et domino meo confiden-
tissimo, domino cardinali Ebredunensi.
» dahinter confix getilgt. '' oder patemitatis.
Diesem kurzen Briefe, f. 19 der Pariser Handschrift, ist darin eine
Transkription Manteyers beigelegt, der noch einige Buchstaben mehr ge-
lesen hat, als zur Zeit, da ich die Handschrift sah, lesbar waren. Diese Buch-
staben sind, soweit ich sie wiedergebe, oben in eckige Klammern einge-
schlossen. Der Brief, dessen Absender nicht bekannt ist, ist am 1 3. Mai 1379
geschrieben; das Jahr läßt sich aus dem Itinerar des Herzogs von Burgund
sicher bestimmen; Philipp der Kühne, dessen Ankunft in Paris binnen drei
Tagen erwartet wurde, war in der Tat am 1 5 . Mai 1379 auf dem Wege
dahin, traf am 17. in Paris ein und blieb daselbst bei dem Könige Karl V.
bis zum 29. Mai'. Auch Bertrand de Chanac, Erzbischof von Bourges, der
in unserem Briefe genannt wird, war um dieselbe Zeit in der Umgebung
des Königs". Demnach muß die von dem Grafen Ludwig von Flandern ein-
berufene Versammlung des flämischen Klerus, die in unserem Briefe als
noch bevorstehend erwähnt wird und auf der beschlossen wurde, Informa-
tionen über die streitige Papstwahl einzuholen und zu diesem Zwecke Boten
nach auswärtigen Universitäten, insbesondere nach Bologna, zu senden',
' p]. E^ETiT, Itineraires de Pliilippe le HardI et de Jean sans Peur, ducs de Boui^ogne
(Paris 1888) S. 144 f.
^ Valois I, 132. N. 5.
' Vgl. Rodulfus de Rivo, ed. Cbapeaville, Gesta epp. Tung.eus. 111. 32.
Aus der ersten Zeit des großen abendländischen Schisinas. 7
später stattgefunden haben, als Valois meint, der sie schon in den März 1379
setzen wollte'.
II.
Reverendissime pater et domine mi! Paternitati vestre reverendissime
presenti pagina notum fiat, quod reverendissimi domini mei Albanensis,
Vivariensis, sancti Angeli cardinales et ego hie cum aliis dominis cardinalibus
sumus, cum quibus super hiis, pro quibus venimus, consilia et coUoquia
habuimus diversa. In quorum conclusione in terminis remansimus satis
bonis, non tamen talibus, sicut remansisse veUemus. Et quia certus sum,
quod hinc breviter discedemus versus curiam profecturi, egoque omnia, in
quibus remansimus invicem, vestre paternitati predicte explicabo lacius
oraculo vive vocis, non curo aures paternitatis eiusdem mea scriptura gravare.
Preterea aliqua sanctissimo domino nostro scribo pro[pria m]anu mea, que,
quia certus sum, quod omnia communicabit vobisciun, hie inculcare omisi,
alia non scribens, sed eandem paternitatem reverendissimam conservare
dignetur sator totius orbis terre. Que mihi rescribere dignetur omnia sibi
grata.
Scriptum Nicie die ultimo Octobris. Totus vester P. sancti Eustacii
diaconus cardinalis.
Adresse: Reverendissimo domino meo domino cardinali Ebredunensi.
Dieser Brief, Blatt 1 1 der Pariser Handschrift, ist von der Hand eines
Schreibers geschrieben; das Wort "ultimo' in der Datierung und die Unter-
schrift oder wenigstens ein Teil derselben, vielleicht nur die Worte 'vester
P.', sind mit anderer Tinte eigenhändig von dem Absender nachgetragen.
Der Absender ist der Kardinal Petrus Flandrini (gestorben 23. Januar 1381),
der Adressat ist der Erzbischof Petrus Amelii von Embrun, den der Papst
Clemens VII. am 16. Dezember 1378 noch in Fondi, wo er von den fran-
zösischen Kardinälen am 20. September gegen Urban VI. erwählt worden
war, zum Kardinalpriester von S. Marco ernannt hatte. Der Brief ist am
31. Oktober 1380 in Nizza geschrieben, wohin sich die beiden einzigen
' Valots I, 258. In der von ihm N. 3. 4 angeführten, undatierten Appellation muß
also die Angabe, daß seit dem Tode Gregors XI. noch nicht ein Jahr verflossen sei, un-
genau sein.
8 Bresslau:
noch überlebenden' italienischen Kardinäle, Petrus Corsini, Kardinalbischof
von Porto (genannt der Kardinal von Florenz) und Simon von Brossano,
Kardinalpriester von S. Johannes und Paulus (genannt der Kardinal von
Mailand), begeben hatten. Sie waren bei der Wahl Clemens' VII. anwesend,
hatten an ihr aber nicht teilgenommen und beobachteten später zwischen
den beiden einander bekämpfenden Päpsten eine Zeitlang eine neutrale
Haltung, wurden aber von beiden Parteien lebhaft umworben'. Zu ihnen
sandte Clemens VII. im Herbste 1380 außer dem Absender unseres Briefes
die drei in ihm genannten Kardinäle Anglicus Grimoaldi, Bischof von Albano,
Petrus de Sortenaco, Presbyter von S. Laurentius in Lucina (genannt der
Kardinal von Viviers), und Guilelmus Noellet, Diakon von S. Angelo, um
über den Anschluß der Italiener an die französische Partei zu verhandeln.
Über den Verlauf der Verhandlungen ist unser Brief das älteste Zeugnis;
er ergibt, daß die avignonesischen Gesandten ihren Zweck nicht erreicht
hatten und zur Abreise entschlossen waren. Sie haben dann am 17. No-
vember aus den Händen der Italiener deren bekannte Denkschrift über die
Wahl Urbans VI. entgegengenommen^; wann sie Nizza verlassen haben,
wissen wir nicht; einer von ihnen, der Kardinal von S. Angelo, war dort
noch am 26. August 1381 anwesend, als der Kardinal von Mailand sich
endlich, am Tage vor seinem Tode, entschloß, die Verwerfung Urbans und
die Anerkennung Clemens' feierlich zu erklären*. Schließlich folgte,' vor
dem Mai 1386, auch der Kardinal von Florenz dem Beispiel seines Kollegen
und trat zur avignonesischen Partei über.
' Von den beiden anderen Italienern, die Urban VI. mitgewählt hatten, war Franciscus
Tibaldeschi, Kardinalpriesler von S. Sabina (genannt der Kardinal von S. Petrus), bis an seinen
Tod (6. Sept. 1378) in der Obedienz Urbans geblieben; Jacobus Orsini, Kardinaldiakon voi)
S. Georgias ad velum aureiim, war in Fondi bei der Wahl Clemens VII. anwesend ge-
wesen, aber ohne aus der Neutralität herauszutreten am 13. oder 14. Aug. 1379 gestorben;
sein letzter Akt war ein Glaubensbekenntnis zugunsten des Papstes, den ein zukünftiges
Konzil anerkennen würde (vgl. Valois, La France et le grand schisme d'Occident 1,321
mit N. 5).
■■' Über die Verhandlungen Karls V. von Frankreich und Clemens" VII. mit ihnen vgl.
Vai.ois I, 32ift'., II. 361.
' Vgl. das Protokoll über seine Übergabe bei Gayet, Le grand schisme d'Occident
IIb, 21.
* Bulaeus, Hist. universitatis Parisiensis IV, 586: vgl. Vai.ois a. a. O. II, 361 mit N. i. 2.
Alts der ersten Zeit des großen aliendlündisdien Schismas. 9
m.
Beatissime pater! Aliqualiter peccuniis denudatus cum duobus meis
cappelanis ad vestram sacram curiam a[cce]ssi, non absque specialibus causis,
quas nullatenus habebam referre, nisi vestre piissime sanctitati pro eo, quod
aliqualiter laboraveram in aliquibus partibus absque vestris sanctissimis
litteris, tarnen in eiusdem profectum pariter et honorem. Et dun" mendi-
carem pluribus dominis et cardinalibus et aliis, nusquam potui ad beatissi-
mam presenciam vestram habere ingressum; ymo consumpta paupertate,
quam habebam, coactus recessi de curia et ivi ad partes maris fortuitu,
ubi nimium fui consumptus. Veruntamen, si adhuc possem fidenter vestram
beatitudinem visitare, non parcerem laboribus, quin ymo venirem et dare[m]
operam cum dei adiutorio fructuosam, insinuans namque me notum precipue
cum pluribus baronibus Alamanie, presertim cum vestre sanctitatis fi[l]io
duce Leopolde Austr[ie] et cum nonnullis comitibus p[atrie]'' atque cum
dominis Lombardie et alibi, unde, quando veni Avenionem, habebam spe-
cialem tractatum. Super quibus omnibus humilis creatura vestra episcopus
Ypon[ensis]° pluribus, qui habebant refferre, scripsit. Quare, si utilis sum
in aliquo, Pisis moram stimulatus ducam, donec hie vester humilis et fidelis
dominus archiepiscopus Smirnensis michi aliquid intimabit.
Scriptum apud villam Alguerii Sardinee XX. die mensis lanuarii in-
dictione III.
Humilis servuius sanctitatis [vestre]
Michael episcopus Sythiensis.
Adresse: Clementis.simo meritisque beato in Christo patri et domino,
domino Clementi sacrosancte Romane et universalis ecclesie summo pontifici
atque vicario'' .... Jesu Christi verissimo.
» *o statt dum Hs. ■> Ergänzung zweifelhaft; auch p[artis] paßt kaum besser. " oder
Ypori[ensis] ? <• dahinter ein nicht leserliches Wort, anscheinend auf imi endend.
IV.
Me[m]oriale f'ratris lohanni.s de Padu[a o]rdinis Minoruin" . . .
Primo videlicet idem fratej loliannes ofert se iturum ad partes Lom-
bardie, videlicet ad d[ominu]m de Mediolano, ad dominum Papie, ad do-
minum Mantuanuni, Tridentum et Tervisium, ad dominum ducem Austrie,
ad dominum de Verona, ad dominum Ferariensem. ad dominum Paduan[u]m,
I'hil.-hiKt. Abh. nmt. Nr. (i. 2
10 B U E S S L A u :
ad dominos Venetorum, ad commune Ut[in]i et portare ac predicare supra
dictis dominis et communitatibus declaracionem factam in Fondis per do-
minos cardinales, declaracionem Yspanie, declaracionem factam per dominum
Mediolanensem card[inalem]. p]t ut predicta execucioni mandare possit,
petit supra dictas declaraciones in publica vel autentica forma.
Item petit litteram familiaritatis sive salvi conductus.
Item petit litteras specialis recommendacionis ad supra dictos dominos,
in quibus contineatur, quod exercere* possit officium per suum ordinem
sibi commissum, insuper", quod possit in suis territoriis esse securus de
persona".
Item petit, quod possit ire tempore necessitatis sine habitu fratrum
Minorum, portare pecuniam et ire sine socio absque apostasie nota.
Item petit, quod ista .fiant sibi gratis pro deo, cum in magna pau-
pertate positus sit, et quod amore dei sibi fiat aliquod subsidium pecu-
niarum, ut melius et forcius ista possit execucioni mandare.
Auf der Rückseite von dritter Hand: Pro fratre Minore.
» das Folgende abgeschnitten. ^ exerce Hs. ' insupei- - — persona von zweiter Hand
mit anderer Tinte nachgetragen.
Die beiden, in gewisser Beziehung an Erscheinungen unserer Zeit er-
innernden Schriftstücke (Blatt 13 und Blatt 64 der Pariser Handschrift), in
denen ein Bischof und ein Bettelmönch, die beide kein Geld haben, sich
dem Papste von Avignon zu Agitationsreisen für seine Anerkennung an-
bieten, seien hier wegen der Verwandtschaft ihres Inhaltes zusammengestellt,
obwohl sie zeitlich etwas auseinander liegen. Der Bischof Michael von Sitia
auf Kreta\ der vorlängst gänzlich ohne Mittel, aber von zwei Kaplänen
begleitet nach Avignon kam, trotz aller Bettelei keinen Zutritt zum Papste
erlangen konnte und nun am 20.. Januar 1380 aus Alghero auf Sardinien
seine Bitten schriftlich vorbringt (n. III), ist bisher unbekannt; Gams" und
ihm folgend Eubel' kennen in Sitia fiir die in Betracht kommende Zeit nur
einen Bischof Johann aus Siena (1364) und einen Bischof Hugo Varoli
(1384). Welchen Sitz der Bischof gehabt hat, der sich früher für ihn ver-
' Die Insel Kreta stand unter der Herrschaft Venedigs, das nicht zu Clemens VII.,
sondern zu Urban VI. hielt; doch vgl. Valois II, 219. N. 5.
^ Series episcopor. eccl. catholicae S. 401.
' Hierarchia catholica I', 455.
Aus (Pr forsten Zeit des großen nbendlnndm-Jieu Schmnas. 1 1
wandt liahen soll, ist zweifelhaft, da die Lesung (Yponensis oder Ypori-
ensis) unsicher ist; aber weder ein Titularbischof von Hippo noch ein
Bischof von Ivrea, der von Clemens VII. ernannt wäre und deshalb als
dessen humilis creatura bezeichnet werden könnte, ist bekannt. Der
Erzbischof von Smyma, der dem Bittsteller über die Entscheidung des
Papstes Nachricht geben soll, ist der 1379 von Clemens ernannte Karmeliter-
mönch Georgius Dalmatii'.
Die Supplik des Franziskaners Johannes von Padna ist jüngeren
Datums; sie erwähnt die 'declaratio Yspanie', d. li. die Erklärung vom
19. Mai 1381, durch welche der König Juan I. von Kastilien in Salamanca
Clemens VII. anerkannte, und die oben' erwähnte Erklärung de.^ Kardinals
von Mailand vom 26. August 1381; sie wird also aus dem Ende dieses
Jahres herröhren. Um dieselbe Zeit, in der zweiten Hälfte des Jalires 1381,
hat ein in Paris lebender Anhänger Urbans VI. ein Gedicht in vierzeiligen
Strophen verfaßt, in dem er die Partei des avignonesischen Pa|)stes aufs
heftigste bekämpft^. In der, übrigens recht dunkel und unklar gefaßten
46. Strophe dieses Gedichtes* ist von einem Bettelmönch die Rede, vor
dem der Dichter nachdrücklich warnt: 'de quoy je tiens por fol, qui se fie
en piace' et qui tropt croit frere, (|ui ])orte la besace"; dieser Mönch muß
al.so in Frankreich, vielleicht gerade in Paris, für Clemens VII. tätig gewesen
sein. Man könnte versucht sein, hier an unseren Bruder Johann von Padua
zu denken, über den wir sonst keinerlei Nachrichten besitzen: aber gerade
Frankreich fehlt unter den Ländern, die zu besuchen er sich erboten hat,
und gewiß sind noch manche andere Mönche aus den beiden Bettelorden für
den einen oder den anderen der beiden Gegenpäpste als Agitatoren aufgetreten.
V.
. . [Reverentissime pater et]* singularissime domine mi! Non sine grandi
cogor cordis a[mar]itudine nunciare, (^uod, uti plurium Komipetarum [narra-
' EuBEL a. a. O. I'. 456: über f'leincns' Beziehungen zu Sniyrna vgl. Valois II, 224
mit N. I.
' S. S.
' Herausg. von Paii. Meykr. mit sachlichen EiläuU rungen von Vai.ois, Romania
24. 197 fl".
' A. ii. U. S. 215.
•' über dies Wort vgl. F. Mkver, a.a.O. S. 200
2*
12 Brksslau:
cione* cr]edebain et tandem nuncii domini ducis Gerunde relacione percepi,
Anglici in Portugalliam suis** properarunt [cum mjultitudine
armatorum, [cum] quibus dominus Portugalliae rex domino regi Castelle
guerram inferre se parat, [prout idem^ njuncius a certo narravit, asserens
dictum dominum ducem a domino suo patre litteras habuisse, qui'' a rege
Castelle [de hac re fuit" infjormatus. Quid succedet, ignoro. Sed ego propere
ad videndum, si deus dabit, quod eorum conceptum valeam [annuUare' . . .].
[Recor]dabitur dominus noster, quod sepius dixi me de hoc dubitare. Et nunc
cognosco per effectum, quod persona, que in istis . . . ., du[bit]ans hanc
ligam dampnabilem et exosam deo et mundo per me posse impediri, procura-
vit per IUP'' litteras regis scribi, ut in Avinione rcsiderem nee inde rece-
derem, nisi de regis speciali mandato alia ardua causa sie mihi cum
tanta instancia scriberetur. Sed nunc intelligo ex effectu eins artem [dampjno-
sam. Supplico autem, stimuletis sanctissimum dominum nostrum papam,
ut super tanto negocio aliqua consistoria [teneat]" .... in magno iudicio,
vestro servo nunciare velitis, ut caucius me habere valeam in agendis. Pater-
nitatem [vestram conservet] altissimus longeve et feliciter iuxta vota.
Scriptum in civitate Biterensi die penultima Marcii.
Totus vester M. episcopus Ulixbonensis.
Adresse: Reverentissimo domino meo domino cardinali Ebredunensi.
^ dem Sinne nach ergänzt. ^ Lesung zweifelhaft.
Der Absender dieses Briefes, Blatt 28 der Pariser Handschrift, dessen
Textlücken sich bis auf wenige kurze Stellen dem Sinne nach, wenn auch
ohne Gewähr für den Wortlaut, ziemlich sicher ergänzen lassen, ist (]er
Bischof Martin von Lissabon, ein geborener Kastilianer', den Gregor XI.
1373 zum Bischof von Silves ernannt und Clemens VII. am 7. Februar 1379
von dort nach Lissabon versetzt hatte'-. Er war ein treuer Anhänger des
avignonesischen Papstes, und es ist gewiß zum guten Teil sein Werk ge-
wesen, daß König Fernando von Portugal, wahrscheinlich noch vor dem
Ende des Jahres 1379, zu Evora Clemens VII. als den rechtmäßigen Papst
anerkannte^ was auch seinen damals guten Beziehungen zu Frankreich
' Nach Duarte Nunez, Cronica del rey D. Joäo I Kap. 7 (Cronica^ dos reis de Por-
tugal III, 24) stammte ei- aus Zainoi'a.
^ EuBEL, Hierarchia catholica I=, 452. 507.
* Vgl. Valois, a. a. 0. I, 231 mit N. 4.
Aus der ersten Zeit des großen abendländisc/ien Schismas. 1 3
entsprach. Im Jahre 1380 betraute ihn der König mit einer Gesandtschaft
an die Höfe des Papstes und des französischen Königs; im Mai 1380 war
er in Avignon bei Clemens A^II.', verhandelte hier auch mit dem Herzog
Ludwig von Anjou^ und begab sich dann nach Paris, wo er am 14. Juli
vor König Karl V. und seinem Hofe eine Rede hielt, in der er die Vor-
gänge in Portugal vor der Erklärung von Evora darstellte und Karl auf-
forderte, die Einheit der Kirche herzustellen^. Wenn er damals erklärte,
daß sein Landesherr aufs eifrigste an diesem Werke mitarbeitete, so hatte
er noch keine Ahnung davon, daß Fernando, einer der unzuverlässigsten
Fürsten, die je in Portugal geherrscht haben*, eben in diesen Tagen eine
vollständige Schwenkung in seiner Politik ausgeführt hatte. Schon seit dem
Mai 1380 verhandelte ein aus Portugal verbannter, nach England geflüchteter
Edelmann Juan Femandez de Andeiro dort mit dem Herzog Johann von
Lancaster, Oheim König Richards IL, der auf (irund seiner Heirat mit
Konstanze de Padilla Ansprüche auf die kastilianische Krone machte, über
ein Bündnis zwischen Portugal und England: er begab sich dann heimlich
nach Portugal, und am 15. Juli 1380 genehmigte König Fernando den Ab-
schluß eines Vertrages, durcli den er sich verpflichtete, ein englisches Hilfs-
heer von 1000 Geharnischten unrl 1000 Bogenschützen, das ihm der (rraf
Edmund von Cambridge, Johanns Bruder, zum Kriege gegen Kastilien zuführen
sollte, zu unterhalten und seine Erbtochter Beatrix mit Edmunds Sohn Eduard
zu vermählen^. Von den Rüstungen zu dieser P^xpedition erhielt König Juan
von Kastilien im Frühjahr 1381 Kenntnis und bereitete sich zur Abwehr des
Angriffes vor; aus unserem Briefe erfahren wir, daß er den König Pedro IV.
von Aragon davon benachrichtigte, der dann diese Mitteilung an seinen Sohn,
den Kronprinzen Juan, Herzog von Gerona, weitergab. Bischof Martin von
' VAtois I, 234.
^ Vgl. dessen Briefe bei Valois 1, 235 N. i.
' Die Rede ist herausgegeben vf>n Vai.ois in der Bibliotheque de Tecole des chartes LH
(1891), 485 ft-
* So schreibt mit Recht Pauli, Gesch. Englands IV, 541.
' Die Urkunden bei Ry.mer, Foedera VII, 253. 2620*. Wenn die neueren Schrift-
steller z. T. den 5. statt des 15. Juli nennen, so beruht das auf falscher Cbersetzung des
portugiesischen- 'quinze dias', das schon b<;i Rvmer iniy; mit 'quinto die' wiedergegeben ist.
Vgl. Pauli a.a.O. S. 541; SrHinnMACHEit. Gesch. Spaniens VI, 37; Si häi-er. Gesch. Por-
tugals I, 4738". und LucE in seiner Ausgabe des Froissart X. XXII N. 2. T'ber die englisohen
Rüstungen vgl. be-sonders I.ite a. a. O. S. XXIV N. 2 bis XXV N. 7.
14 • B H K S S L A u :
Lissabon, der von Paris nacli Avignon zurückgekehrt sein muß, hatte,
wie unser Brief lehrt, schon durch Aussagen von Rompilgern, englischen
oder portugiesischen, Nachrichten erhalten, die ihn einen solchen, auch für
Clemens VII. bedrohlichen Umschwung der portugiesischen Politik vermuten
ließen und von seinen Vermutungen' wiederholt mit dem Papst (das ist der
dominus noster oben S. 12, Z. 8) gesprochen; nun, im März 1381, be-
stätigte sie ihm ein Bote des Herzogs von Gerona^, und nun erst erkannte
er. in welchem Zusammenhang ein wiederholter Befehl des Königs, er solle
Avignon nicht ohne ausdrücklichen Auftrag seines Herrn verlassen, mit
diesen Dingen stand: man wollte seine Einwirkung gegen die veränderte
Politik Fernandos ausschließen^. Dessenungeachtet will der Bischof, wie
er dem Kardinal von Embrun schreibt, noch einen Versuch machen, die
Pläne der Gegner zu vereiteln; sein am 30. März 1381 in Beziers ge-
schriebener Brief zeigt ihn offenbar auf dem Wege nach Spanien und von
da in die Heimat. Hier aber war nichts mehr zu erreichen. Im Juli oder
August* landete der Graf von Cambridge in Lissabon; bald darauf sagte
sich Fernando von Clemens VII. los und trat zur Obedienz Urbans VI. über:
der Bischof von Lissabon selbst mußte sich dazu verstehen, das possenhafte
Beilager zwischen den beiden Kindern, Beatriz von Portugal und Eduard
von Cambridge, einzusegnen^. Erst im August 1382, als die Heere Kastiliens
und Portugals sich zwischen Badajoz und Elvas gegenüberstanden, fand er
die Möglichkeit, für seine Überzeugung einzutreten; nach Froissarts wohl
glaubwürdigem Bericht" gehörte er zu den Männern, welclie den Frieden
zwischen beiden Königen vermittelten und damit einen abermaligen völligen
Umschlag der portugiesischen Politik herbeiführten. Nun kehrte, nachdem
' dubitare Z. 8 und Z. 9 bedeutet vermuten, in welcher Bedeutung das Wort im
Mittelalter oft begegnet.
''^ Ist das vielleicht derselbe Vertraute des Herzogs von Gerona, dem Clemens Vll.
am 8. Juni 1381 ein Geschenk bewilligte, nachdem er dem Papst einen Brief seines Herrn,
der 'cerlaines nouveUes' enthielt, überbracht hatte P vi;l. Valois U, 212 N. 4. Das Datum
wfürde nicht notwendig dagegen sprechen; das Geschenk wäre dem Boten bei seiner Ver-
abschiedung zuteil geworden, und diese könnte sich wohl bis zum Juni verzögert haben.
' Wer die 'persona' ist, die durch ihre 'ars dampnosa' diesen Befehl des Königs er-
wirkt hat, läßt sich nicht enaten.
■* Nach Nunez, Cronica del rei Fernando (Cronicas II, 319), am 19. Juli; vgl. aber
LucE a. a. ü. S. XXXIX N. i.
' Nunez a. a. O. (Cronicas 11. 321).
° Vgl. Froissart ed. Lice X, 194 ff.
Aus der ersten Zeit des großen abendländischen Schismas. 1 5
die verhaßten Engländer Portugal hatten verlassen müssen, König Fernando
zu Clemens VII. zurück, und abermals wurde der Bischof von Lissabon mit
einem portugiesischen Edelmann als Gesandter nach Avignon gesandt'. Er
hatte sich um Clemens große Verdienste erworben, die der Papst zu be-
lohnen nicht unterlassen wollte; am 23. Dezember 1383 erhob er Martin
zum Kardinal; aber der Lohn ward keinem Lebenden zuteil: am 6. Dezember
bereit« war der Bischof bei einem Aufstand in Lissabon ermordet worden'.
VL
.... Hie dicitur, quod dominus noster comes, qui est hie in partibus,
disposuit revocare .... ad partes Sabaudie dominum principem ; si fiet, ignoro,
et nescio, si erit pro meliori patrie*. Dens [seiet]. Dominus Galeatius iam
pluribus diebus mortuus est. Eciam Amedeus'' Gal do-
minum principem, die prima huius mensis mortuus est et sepultus hiis
diebus Ripolis, ubi est dominus noster comes et dominus princeps cum eo.
Dominus dux Brunsulichel, [consojrs regine, hac die Martis XXIIII. Augusti"
p[ra]ndet cum domino meo comite Ripolis, et . . . [ali]qua coUoquia super
statu ipsius ducis et pace tractanda inter ipsum ducem et filium domini
Galeatii [conmitem Vijrtutum. Dominus comes, sicut dicitur, intendit trac-
tare pacem inter ipsos. et si paux** non fiat laborabitur, quia ex-
pectatur", quod finaliter
Adresse: Nobili ac magne providencie viro, domino lohanni de Caponi-
bus legum doctori fratri carissimo.
» Lesung nicht ticAer. ^ dahinter scheint iux qui dyn (dum? dfis?) :u stehen, was
ich nicht zu deuten weiß. " dahinter noch einmal aug. ^ so statt pax. ' expatur Hs.
VII. ,
[Licet]* tuis virtuosis et strenuis [serviciis* conjsideratis tibi
plurimum teneamur personeque tue [vir]tuti cuiuscumque alterius ....
lis de Italia honorem, couimodum .... cacionem totis nostris conatibus affec-
temus, nichilominus [tamen]* supervenientibus nobis nonnuUis arduis negociis
illum succursum, [quem] vellemus'', tibi non possumus impendere de presenti.
Nobilitatem tuam requirimus et hortamur, ut amplectens filialiter nostram
' Nufiez a. a. O. (Cronicas ü, 350).
' Vgl. Valoi.s II, 2o8f. mit N. i auf S. 209; Schäfkh 11. I26ff.
16 Bresslau:
bonam voluntatem nos pro nunc habeas excusatos. Nam tractu temporis et
cicius, quam credas, dante deo de te et negociis tuis taliter faciemus, quod
tu exinde poteris merito contentari. Insuper de hoc, quod nobis scripsisti,
ut faceremus, quod carissimus filius noster Ludevicus rex Sicilie filium tuum
secum reciperet" versus regnum decenter conduceret, significamus tibi, quod
ex eo, quia mors Karoli extitit tarde scita, dictus rex non potuit neque
potest sie repente disponere de suo transitu ad regnum prelibatum. Propter
quod nos et ipse mittimus ad dictum regnum dilectum filium nobilem virum
Ottonem ducem Brusvicensem tamquam capitaneum generalem, qui statim
cum gentibus et financiis decentibus per mare diriget gressus suos. Et
quia speramus in domino, quod in revolucione istius anni dictus rex dis-
ponet in personam'^ ad dictum regnum recedere, scias, quod tunc dabimus
ordinem, quod dictus filius tuus conducatur et secum vadat cum aliqua
gente competenti taliter, quod deo duce erit ad tuum atque suum com-
modum et honorem.
» dem ungefähren Sinne nach ergänzt. ^ von hier an ist der Text vollständig. ■= da-
hinter fehlt et oder ac. ^ dahinter propriam durchstrichen.
Die beiden Stücke,, die vorangehen, sind zeitlich weit voneinander
entfernt und hier nur deshalb zusammengestellt, weil beide auf die merk-
würdige Persönlichkeit des Herzogs Otto von Braunschweig, Fürsten von
Tarent, seit 1376 Gemahls der Königin Johanna von Neapel, Bezug haben.
N.6, Blatt 22 der Pariser Handschrift, ist ein Bruchstück aus einem
langen Brief an einen Doctor legum Johannes de Caponibus, der in Avignon
am Hofe Clemens' VII. vielleicht Prokurator war. Der größte Teil des Briefes
ist zerstört; ungefähr in der Mitte sind einige Zeilen lesbar, die sich auf
Privatangelegenheiten des Adressaten, einen beabsichtigten Hauskauf, be-
ziehen und hier nicht wiedergegeben zu werden brauchen. Die politischen
Nachrichten stehen gegen das Ende des Briefes. Der Absender ist ein Bruder
des Adressaten. Auf den letzteren bezieht sich noch ein anderes Stück
in unserer Handschrift, Blatt 23, ein französisches Brieffragment mit der
Adresse: A nostre bien ame Mons. Jehan Capon docteur en loys und der
Datierung: donnee a Rippaille' le XX[I]II jour d'ao. das also vielleicht
' Dfis ist, wenn der Brief wirklich ebenfalls ins Jahr 137 8 gehörr, vielleicht die
älteste Erwähnung von Ripaille, uinvoit Thonon am Genfer See. wo die Savuyer ein Schloß
besaßen, das unter Amadeas VIII., dem Gegenpapst Felix V.. zu einer gewissen Berühmt-
Aus der ersten Zeit des großen abendländischen Schismas. 1 7
gleichzeitig mit iinserem am 24. August 1378 geschriebenen lateinischen
Briefe ist; von dem Text ist noch zu lesen: vouilliez traveillier et mettre
paine et diligence a [ce que] briefvement sentence soit donnee pour luy ....
Ob mit diesem Johann Capon ein Georgius Capon, anscheinend ein Kauf-
mann in Avignon zusammenhängt, von dem in einigen anderen Fragmenten
derselben Handschrift (Blatt 34. 60. 76) die Rede ist, muß dahingestellt
bleiben.
Unser Brief scheint in der Nähe von Rivoli (Prov. und Bezirk Turin)
geschrieben zu sein. Die Datierung auf Dienstag 24. August 1378 ist nach
Z. 7 sicher; Galeazzo Visconti, dessen »vor mehreren Tagen« erfolgter Tod
Z. 3. 4 erwähnt wird, war am 4. August 1378 gestorben. Der dominus noster
(dominus mens) comes' ist Amadeus VI. von Savoyen, » der Grüne Graf» ,
der bis 1383 regierte'. Der 'dominus princeps' ist Amadeus von Savoyen-
Piemont, Fürst von Achaja, Sohn des 1367 gestorbenen Fürsten Jakob von
Achaja, dem 1369 nach dem Tode seines Bruders Philipp das Erbe dieser
Linie des Hauses Savoyen zugefallen war. Der Grüne Graf, sein Oberlehns-
herr, war auch sein Vormund, hatte ihn aber im November 1377 aus der
Vormundschaft entlassen und in den Besitz seines Erbes eingesetzt. Daß
er im August 1378 wieder am Hofe des Grünen Grafen war, lehrt unser
Brief; die Eingangsworte deuten an, daß letzterer die Absicht hatte, den
jungen Fürsten aus Piemont wieder nach Savoyen zurückzuberufen. Wer
der Z. 4 erwähnte Amadeus ist, der am i. August 1378 verstorben war, ist
bei dem hier lückenhaften Text nicht zu erraten ; da vor seinem Namen der
Titel 'donainus' fehlt, handelt es sich jedenfalls nicht um eine ftirstliche
Persönlichkeit. Die interessanteste Nachricht, die wir dem Briefe entnehmen,
ist die, daß Otto von Braunschweig" im August 1378 gleichfalls in Rivoli
heit gelangte. Lecoy de la Marche konnte den Ort erst 1383 nachweisen, wie ich einer
Notiz Deiisles über seine mir nicht zugängliche Schrift darüber, Bibliotheque de l'ecole des
chartes 25(1864), 67, entnehme. Mit Rippulae. Ripulae, dem heutigen Rivoli, darf der
Name nicht verwechselt werden.
' Vgl. aber ihn am ausführlichsten: Gabotto, L'etä del Conte Verde in Piemonte in
Miscellanea di storia Italiana Ser. III, Bd. II, 75 — 333.
' Nachrichten üt)er ihn sind zasamniengesteUt von J. Waschow, Herzog Otto v. Braun-
schweig, Füi-st von Tarent (Breslau 1876) und von O. v. Heinemann, Aus der Vergangenheit
des Weifischen Hauses (Wolfenbüttel l88i): vgl. auch Margarf.tbe Rothbarth, Urban VI.
und Neapel (Berlin u. Leipzig 1913). Kine neue, kritische und das in letzter Zeit erheblich
angewachsene Quellenmaterial erschöpfende Biographie wäre dringend erwünscht.
Phil.-hist. Ahh. lUm. Nr. 6. 3
18 B R K S S I, A u :
am Hofe des Grafen Amadeus von Savoyen verweilte. Im Juli war er an
der Spitze einer neapolitanischen Gesandtschaft in Tivoli bei Urban VI. ge-
wesen ; man hatte bisher angenommen, daß er von da nach Neapel zurück-
gekehrt sei, wo bald nachher der Bruch zwischen der Königin Johanna und
dem römischen Papste sich vorbereitete. Jetzt erfahren wir, daß er vielmehr
nach Oberitalien gegangen war, dort mindestens bis in die letzte Woche
des August blieb ; und es wird also um so wahrscheinlicher, was neuerdings
bereits mehrfach ausgeführt ist', daß die Quellennachrichten, welche den
Übertritt der Königin Johanna zur Partei der Kardinäle und Clemens' VII.
auf die Ablehnung persönlicher Wünsche ihres Gatten seitens Urbans VI.
zurückführen, nicht zutreffen.
Was Otto nach Oberitalien rief, waren seine eigenen Interessen und die
der seinem Schutze anvertrauten Herren von Montferrat. Durch das Testa-
ment' des 1372 verstorbenen Markgrafen Johann II. von Montferrat war
Otto zum Vormund seiner vier minderjährigen Söhne und zum Regenten der
Markgrafschaft bis zu deon Zeitpunkt ernannt, an dem der älteste von ihnen
das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben würde. Außerdem war
•
ihm das Miteigentum an der Herrschaft über die Städte Asti, Alba önd
Montevico verliehen, die ein gemeinsames und für alle Zeit unteilbares Besitz-
tum des Herzogs und der vier jungen Markgrafen bilden sollten ; auch Kaiser
Karl IV. hatte 1374 ihm und den Markgrafen gemeinsam das Reichsvikariat
über die drei Städte und ihr Gebiet verliehen ', und König Wenzel hatte
diese Verleihung in gleicher Weise bestätigt*. Nun hatte Otto es freilich
nicht hindern können, daß der älteste der vier Brüder, der Marggraf Secon-
dotto, ein unbändiger und zügelloser Jüngling, sich seinem Einflüsse mehr
und mehr entzog; aber unmittelbar in die norditalienischen Dinge wieder
einzugreifen, von denen ihn seine Vermählung mit der Königin von Neapel
abgelenkt hatte, wurde er doch erst dadurch veranlaßt, daß seine eigenen
Rechte auf Asti verletzt wurden. Gegen diese Stadt waren Secondotto, der
seit 1377 mit Violante Visconti, der Witwe des Herzogs Lionel von Clarence,
vermählt war, und sein Schwager Giangaleazzo, Graf von Vertus, Im Februar
1378 mit Heeresmacht gezogen und hatten sie zur Übergabe, den Bruder
Vgl. Romano, Archivio storico perle prov. Napoletane 26, 229ff.: Rothbarth S. laff.
Mitgeteilt von Benvenuto di S. Giorgio, Müratori, SS. 23, 566ff.
BÖHMER-HuiiER, Regesten Karls IV. n. 5439.
Benvenuto di S. Olorgii) n. ;i. O. S. 596.
Aus der rrstfm Zeit des großen abendländischen ScfUsmas. \\)
Herzog Ottos, Balthasar von Braunschweig. der die Roclite des Herzogs hier
vertrat, zur Entfernung aus der Stadt genötigt. Dann hatte aber der Vis-
conti die Stadt nicht etwa dem jungen Markgrafen überlassen, sondern
diesen zu einem Abkommen gezwungen, durch das Asti tatsächlich in die
Gewalt des Grafen von Vertus kam und so ein seit langer Zeit verfolgtes
Ziel der mailändischen Politik erreicht wurde. Der dadurch aufs schwerste ver-
letzten Interessen der jüngeren monferratinischen Markgrafen nahm sich
Amadeus VI. von Savoyen an, trat aber alsbald in Verhandlungen mit dem
Vater des Grafen von Vertus, Galeazzo Visconti, die am 4. März 1378 zum
Abschluß eines Vertrages führten, durch den sich (^aleazzo verpflichtete, bis
zum August keine feindseligen Handlungen gegen den Grafen von Savoyen,
den Fürsten von Achaja und Otto von Braunschweig selbst zu unternehmen
oder durch seinen Sohn unternehmen zu lassen'. Diese Verhältnisse waren
es offenbar, die Otto von Braunschweig veranlaßten, sich von Tivoli aus im
Sommer 1378 an den Hof des Grafen von Savoyen zu begeben. Aus
unserem Briefe erfahren wir nun, daß Amadeus von Savoyen bemüht war,
nach dem am 4. Aug. 1378 erfolgten Tode Galeazzos einen endgültigen
Frieden nicht nur für sich, sondern auch für seine Verbündeten, vor allem
Herzog Otto, mit dem Grafen von Vertus zustande zu bringen. Das gelang
ihm jedoch nicht. Am 29. August wurde zwar in Pavia der volle Frieden
zwischen Galeazzo und dem Grünen Grafen geschlossen'^: aber der Herzog
von Braunschweig und die Monferratiner waren darin nicht eingeschlossen;
vielmehr blieb die Spannung zwischen ihnen bestehen und der Streit um
Asti zunächst unausgetragen.
Nicht lange nach diesem Vertrage, durch den Otto die Unterstützung
des Savoyers verlor, kehrte der Herzog nach Neaj)el zurück, und erst der
Tod des Markgrafen Secondotto, der am 16. Dezember 1378 an einer Wunde
starb, die ihm einige Tage zuvor ein von ihm mißhandelter Dienstmann
beigebracht hatte, rief ihn wieder nach Oberitalien. Die monferratinische
Erbschaft fiel nun dem Markgrafen Johann II. z»i, der Otto als seinen Vor-
mund und Lande-sverweser anerkannte, während der nächstjüngere Bruder
zu den Visconti hielt und anscheinend am Hofe Giangaleazzos verweilte.
Der Braunschweiger machte mm seine und seines Mündels Ansprüche auf
Asti am kaiserlichen Hofe geltend, verlangte auch dringend von Giangaleazzo
' Gabotto a. a. f ). S. 242 fl'.
' CiBRARio, StoHa della inonarchin di Savoia III, 25,1. (Jaboi ro. a. ;i. O. S. 246.
3*
20 Bkesslau:
die Herausgabe der Stadt und rüstete, als sie verweigert wurde, zum Kampfe
gegen ihn; allein schon am 22. Januar 1379 kam es unter Vermittlung eines
Legaten Clemens' VII. zu einem Waffenstillstand bis Ostern 1381 zwischen
Otto und den Visconti; in der Zwischenzeit sollte der Streit um Asti durch
Schiedsspruch des Papstes und des Grafen von Savoyen geschlichtet werden'.
In den Besitz der Stadt sind Otto und Markgraf Johann, der ihm nach
Unteritalien folgte, nicht wieder gelangt. Am 23. August 1381* fiel der
Markgraf in einer Schlacht vor Neapel gegen den von Urban VI. mit dem
Königreich Neapel belehnten Prinzen Karl von Durazzo; Otto wurde ge-
fangengenommen. Am Tage darauf geriet auch seine Gemahlin in die
Hände des Gegners; sie kam im Jahre 1382 in der Gefangenschaft um';
man glaubte fast allgemein, daß Karl sie habe ermorden lassen. Otto er-
langte 1384 — ob durch die Gnade Karls von Durazzo oder durch einen
kühnen Handstreich seiner Freunde, bleibe dahingestellt — seine Freiheit;
er begab sich nach Sizilien, von dort nach Avignon, wo Clemens VII. ihn
gnädig aufnahm und mit Geldmitteln reichlich ausstattete; er sollte 1386
das Königreich Neapel für den Herzog Ludwig II. von Anjou, den (Jemens
1385 noch als Knaben damit belehnt hatte und für den seine Mutter Maria
von Bretagne die Regentschaft führte, wiedererobern.
In diese Zeit gehört n. 7, das zweite der oben abgedruckten Stücke,
Blatt 78 der Pariser Handschrift, das Konzept zu einem Briefe Clemens' VII.
an einen vornehmen Herrn, dessen Name auf dein zu Anfang verstümmelten
Blatte leider nicht erhalten und auch anderweit wohl nicht zu ermitteln
ist. Sein Inhalt bedarf im übrigen kaum einer Erläuterung; nur über die
Datierung ist ein Wort zu sagen. Der Brief ist nach dem Tode Karls von
Durazzo (24. Februar 1386) geschrieben, der, wie es heißt, in Avignon erst
spät bekannt wurde; die Kunde davon wird wohl erst im April, wenn nicht
noch später, nach Avignon gelangt sein*. Die Unterhandlungen mit Otto
■ Benvenuto di S. Giorgio a. a. O. S. 600; vgl. Gabotto a, a. O. S. 249.
^ Die Angaben über das Datum schwanken; den 23. August nimmt Rothbarth S. 56
an; den 25. Valois 11, 11; vgl. aber S. 11, N. 5.
' Über das Datum vgl. Valois II. 51; Rothbarth .S. 93 ff.
* Mors Karoli extitit tarde scita, oben S. 16 Z. 6. Schon am 2. März empfing man
am angiovinischen Hofe die Nachricht 'que Charles de Duras avoit este tue et occis le V. jour
du mois precedent' (Journal de Jean Le Fevre eveque de Chartres ed H. Moranville I
[Paris 1887], 245). Aber die Nachricht war verfrüht; Karl starb an den Wunden, die er am
7. Februar erhalten hatte oder an einer später hinzugekommenen Vergiftung, erst am 24. Februar.
Die Stelle unseres Briefes bezieht sich gewiß auf die Kunde von seinem wirklichen Tode-
Auf: der ersten Zeit des großen abemllnndv^chen Schismas. 2 1
von Braunschweig über die Übertragung der Würde eines Generalkapitans
des Königreichs Neapel zogen sich lange hin, da die Königin-Witwe Maria
Bedenken trug, die weitgehenden Forderungen des Herzogs zu bewilligen;
noch am lo. Juli war sie entschlossen, auf seine Sendung überhaupt zu ver-
zichten', und entschloß sich nur auf den dringenden Wunsch des Papstes,
die Verhandlungen wiederaufzunehmen'; erst am 3. Oktober waren sie ab-
geschlossen und wurden die Urkunden für Otto besiegelt, deren erste be-
sagte, daß die Königin-Regentin conimet a niessire Otthe 1 office de capi-
tainne general du royaume'"', am gleichen Tage erhielt Otto eine beträcht-
liche Geldzahlung 'pro complemento VI" florenorum auri de camera, quos
Camera apostolica sibi respondit pro domino rege Ludovico ratione capi-
taneatus regni Sicilie'*. Vor diesem Zeitpunkt konnte der Papst schwerlich
sagen 'mittimus ad dictum regnum dilectum filium Ottonem ducem Brus-
vicensem tamquam capitaneum generalem' (oben S. 16, Z. 8), und so werden
wir unseren Brief nicht früher als in die ersten Tage des Oktober setzen
dürfen. Aber er wird auch nicht viel später geschrieben sein, denn seine
Abfassung geht, wie die folgenden Worte zeigen, der Ausreise des Herzogs
voran; und dieser verließ am 25. Oktober Avignon, um sich in Aigues
Mortes einzuschilTen \ Die am Schluß des Briefes ausgesprochene Erwartung,
daß schon gegen das Ende des Jahres der junge König T.udwig II. selbst
in sein Königreich kommen werde*', ist bekanntlich nicht in Erfüllung ge-
gangen, und erst im August 1390 landete der Knabe im Hafen von Neapel.
VIII.
Recto.
■ Ego nomine pro parte mea cardinales tamquam bone consciencie et deum
t[imentesj
et veritatem negocii melius .scientes iuxta c. »Cupientes«', ubi patet,
quod non nocet parti . . .
' Journal de .lean L»; Fevre S. 293.
^ Ebenda S. 298. i
' Ebenda S. 320.
* Valois II, 121, N. I.
* Journal de Jean Le Fevre S. 323.
" Soviel ich sehe, ist hier zum ersten Male von diesem Plan die Rede; der Gedanke ist
dann im Friihjahr 1387 und im September 1388 wieder erörtert worden; vgl. Valois II, 141.
' Libtr seitus decretnl. I, Ct, Jf! »Cupientes" (F'rieubeko, Corp. iur. canon. II, 954).
22 H i< i;,s s I, A r :
Si due partes cardinalium, qui fuerunt Rome in conclavi, dicunt, [quod]
noluerunt eum facere papam, sed evitare periculum ", et totus mundus
diceret contrarium, p[ocius]
5 est credendum cardinalibus probabiliter asserentibus quam aliis negantibus.
Sumus parati facere per legatum convocari concilium et advocati, quo
st[atue-]''
tis, venire et ostendere de iure nostro et satisfacere inpugnant[lbus].
Sed (juod ipse nobiscum teneat concilium, nunquam factum est inter
Latinqs,
quia iam subponeretur in ecclesia posse esse divisionem et duos habere
unam sp[onsam]
■o et facere eam adulterari.
Cardinales ut singuli sunt testes, ut collegium Alban[ensis] ' et alii non
[presentes]
sunt iudices.
Si fieret concilium auctoritate communi, ego' ecclesiam mihi commissam
facerem peca[re et constit-]
uerem in ea duo capita, et longe toUerabilius est neutri duorum obedire
quam ambobus.
'5 Item quidquid nunc facit U[rbanus], tirannice facit, sed tunc haberet
consensum coUegii.
. Sed si ipse nominet bonas personas, ego illis et certis meis libenter dabo
auctoritatem quam p . . .'^
Quod inquiratur veritas^palam et publice per X. XX. etc. ex parte regis,
non displicet, vel in concil[io]
eciam procur[atoribus] partis adverse auditis.
Sed quod detur auctoritas iudicandi: nequaquam; propter cardinales'',
quia" laicis nuUo modo vel per laicum depu[tandis, tan-]
M to minus scismaticis, presertim quia iudicaretur de promotis et beneficiatis.
Rex recitat opinionem, que deliberata est de concilio; mictendum est
ad eum ad ostende[ndum non esse]
bene deliberatum.
' Anglicus Grimaldi, Kardinalbischof von AV'ano, der mit fünf anderen Kardinälen bei
der Übersiedlung Gregors XL nach Rom in Aviguon zurückgeblieben und dahr bei den Wahlen
Urbans VI. und Clemens' VIJ. nicht aniresend gewesen war.
^ possum:' petunt? poscnntl'
Aus der ersten Zeit des großen abendländischen Schismas. 23
In quantum agitur pro instruccione sua, non aparet, quod' oportet ex-
pectare concilium, nisi plus aperiatis.
Nam quoad dubium facti substancialis : hie potest sciri veritas melius
quam in concilio.
>5 Si concilium diceret U[rbanum] esse papam, cardinales contra eorum con-
sciencias non adquiescerent et esset n[ovum scis-]
ma.
Non agitur nunc*, quare non sit tenendum concilium, fed quid respon-
dendum.
Non deberaus vereri refutare concilium universale'', quia scimus, quod
reges Castelle et Arago[num] si[militer de eo]
sensiunt. Item patres nostri palam refutarunt.
30 Quoad concilium illarum parcium' placet [consilium]
regum, quod conveniant illi, de quibus videbitur, et deliberent. Et si
pro parte alia veniant aliqui, non d[isplicet].
Quod detur potestas X. vel XX., hoc non dicitur"" inter regem et nos,
sed inter nos et U[rbanum], [qui fjrustra
semper [refu]git convenire cum legatis nostris ut in Alam[annia] et
Arag[onia] et prius [ia]m in
Italia; eciam rex Franc[oruml et tres cardinales et regina super hoc diu
laboraverunt.
" sed evitare periculum über der Zeile nachgetragen. ^ Die Ltsung der drei letzten
Worte verdanke ich Hm. Tangl. "^ folgt durchstrichen subicerem. ^ propter cardinales
über der Zeile nachgetragen. ' folgt durchstrichen scisnia. ^ aparet quod «6er der Zeile
nachgetragen. s non agitur nunc über der Zeile nachgetragen: davor einige nicht mehr lesbare
Buchstaben durchstrichen. •> univei-sale über der Zeile nachgetragen. ' folgt durchstrichen
legatus iam voluit habere prelatos {oder prelatis?) in(?) regui Arag. ^ oder etwa datur?
allerdings wäre die Abkürzung dr ungewöhnlich.
Verso.
■ Quia fine decembris Florencie (?) concilium etc. feriatur, que (?) sunt . . .
Si per X. fieri non potest, longe minus per concilium, sed X. extranei
nesciunt factum in con[clavi] (?) ....
Congregarentur* prelati bone consciencie etc. ad minus X. ex
utraque parte, p[er quos]
ista difinirentur.
24 Bkesslau:
5 Ab utraque parte: verisimile est, quod quelibet pars ponet suos X.
tales de [iis, quibus]
confidat, et sie non concordabunt ; et quod adversariis nos demus super
nos auctorita[tem, super]
ecclesiam dei ac presertim super cardinales.
In numero equali: si ille solum duos nominaret.
Difinirentur: de beneficio X solid, non fieret hoc. Nee de aliquo.
'o Si rex Castelle nunquam obedire vellet Clementi, nunquam permicteret,
quod U[rbano] [ojbediretur^'.
Utraque parte: veniunt omnes adherentes, igitur tarde habebitur con-
sensus.
Sine uxore vir non posset litem matrimonialem eficaciter prosequi.
Difinirentur: si illi dicerent Urbanum esse papam, illi, qui sciunt con-
trarium, [respon-]"
derent propter hoc, presertim cardinales, qui sciunt veritatem et qui
[contra]
15 eos tenerent partem tuciorem.
Rex Castelle non habet querere, nisi quid expedit sibi ad salutem.
Responsio est in piano : Credere cardinalibus eciam secundum U[rbanum].
Si dicit, quod** aliter primo dixerunt, consideret causam et sequatur
Alban[ensem] et ali[os].
In scimate^ Grecorum nunquam fuit positum per ecclesiam Romanam
a[liud],
"° sed dati sunt negociorum gestores, qui tractarent.
Sic dati sunt dominus de Luna et alii nuncii*^. Et si pars adversa [velit]
mictere pari modo*, licet non placeat, relinqutmus bene [placi-]
to regis.
Nunquam ecclesia Romana misit ad tractandum cum patriarcha Constan-
tinopolitano de [unione]''
n sua ad Romanam ecclesiam, sed bene exortatorias et monitorias litteras
[sicut]*"
super re certa.
Tota questio videtur stare in hoc, utrum secunda instruccio cardinalium
infringa[t primam]''
vel reddat eam dubiam.
Ans der ersten Zeit des großen abendländischen Schismas. 2')
Duracio periculi facit' nominacionem Urbani et declaracionem Anania''' et
[eleccionem Cle-]''
30 mentis censeri simul factas.
Ostendere, quod materia non patitur aliquam viarum' tactarum.
Secundo, quod modus alius in materia scismatum certus est et hie servari
[debet]\
Servatus est scilicet mictendo personas instractas, ut in scismate Grecorum.
» garen über der Zeile, die hier durch ein Loch im Papier unterbrochen war; hinter con-
gregarentur ist X durchstrichen. ^ das o von obediretur hat der Schreiber ausgelassen.
" zwischen Z. 13 und 14 am Rande links: d, d.h. conclnsio. ^ folgt ausgestrichen variant.
« so statt scismate. ' dahinter T, ein Paragraphenzeichen. ? folgt durchstrichen non
displicet. •■ so oder ähnlich ist zu (rgänzen. ' folgt durchsirichenes c. ^ oder decla-
racio in Anania. ' folgt durchstrichenes p.
Ein Papierblatt, f. 5 1 der Handschrift, 2 2 cm hoch und jetzt noch
18,5 cm breit", auf beiden Seiten ])eschrieben, aber so, daß nach der Nieder-
schrift der Vorderseite das Blatt umgedreht ist, so daß die erste Zeile der
Rückseite der letzten der Vorderseite entspricht. Der rechtsseitige Rand
ist abgeschnitten, so daß am Ende der meisten Zeilen etwas fehlt, was in-
des in den meisten Fällen mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit
zu ergänzen ist. Vorder- und Rückseite sind von derselben Hand beschrieben.
Auf der Vorderseite sind mit schrägem Strich durchstrichen Z. i — 7: Ego
nomine — inpugnantibus ; Z. 17 — 24: Quod inquiratur — concilio; Z. 27 — 34:
Non agitur — laboraverunt. Nachträglich hinzugefügt ist Z. 2 von 'iuxta
Caput' ab, Z. 14 von 'et longe tollerabilius' ab. Auf der Rückseite sind mit
schrägem Strich durchstrichen : Z. 5 — 18: Ab utraque parte — alios ;
Z. 27 — 33: Tota questio — Grecorum. Durch wagerechten Strich sind getilgt
Z. I und 8. Zahlreiche kleinere Korrekturen sind unter dem Text angegeben.
Nachträglich hinzugefugt sind wahrscheinlich Z. i und Z. 18, vielleicht auch
Z. 12. Die Unterstreichungen von Z. 3 und 4 und Teilen der Zeilen 5, 8, 9,
II, 13, die im Drucke durch Sperrung ausgezeichnet sind, bedeuten keine
Tilgung, wie unten ausgeführt ist.
Zum Texte ist folgendes zu bemerken. Am Ende von Z. 2 der Vorder-
seite scheint hinter parti ein mit a beginnendes Wort gestanden zu haben.
' Die Erklärung vom 9. August i:i78, vgl. Valois /, 77.
' Eine Abbildung der Vorderseite des Blattes ist dieser Abhandlung beigegeben : sie
ist etwas verkleinert.
Phii.-hist. Abh. nun. ivv. n. 4
26 B R E s s L A u :
Wenn die Zeile ebenso lang wie die vorangehende war, würden ungefähr
sechs Buchstaben fehlen. Zur Ergänzung bietet die angezogene Dekretale,
Liber sextus I, 6, i6, kaum einen ausreichenden Anhalt. Sie enthält u. a.
die Bestimmung, daß bei strittigen Wahlen der Gewählte und der Opponent
personas instructas nach Rom senden sollen, und an diese Bestimmung
könnte gedacht sein (vgl. Z. 3 3 Verso) ; aber was dabei als der Partei nicht nach-
teilig bezeichnet werden soll, vermag ich nicht zu sagen'. — Am Ende
von Z. 16 steht ein p, das man zu petunt, poscunt oder possum ergänzen
mag. — In Z. 32 sind hinter qui die Buchstaben rustra wohl deutlich, und
ein f davor sehr wahrscheinlich, aber frustra paßt nicht recht zu dem fol-
genden refugit. — Auf der Rückseite ist der Schluß der nachträglich oben
hinzugefügten Zeile i (s. darüber unten) schwerlich zu erraten: aber es ist
nicht sicher, ob hier überhaupt noch etwas gestanden hat. - Zweifelhaft bleibt
mir auch der vorgeschlagene Schluß von Z. 2 ; vielleicht ist statt i con[clavi]
zu lesen: et con . . ., aber dann weiß ich keine passende Ergänzung. Im
übrigen sind die am Schlüsse der Zeilen der Rückseite vorgenommenen Er-
gänzungen zwar nicht immer dem Wortlaut nach, aber wohl überall dem
Sinne nach ausreichend sicher.
Für die Deutung und Beurteilung des merkwürdigen Schriftstückes sind
alle diese geringfügigen Zweifel in bezug auf die Herstellung des Textes
ohne Belang. Daß wir eine eigenhändige Aufzeichnung des Papstes Cle-
mens (VII.) vor uns haben, ist auf den ersten Blick klar'. Es handelt sich
um eine Selbstkonsultation, die der Papst mit sich anstellt, und wer sie
liest, wird sofort an die berühmte Deliberatio Innocenz' III. denken, die in
das Registrum super negotio imperii dieses großen Hierarchen aufgenommen
ist. Wie hier Innocenz erwägt, welchem der drei Prätendenten auf die
Kaiserkrone, Friedrich II., Philipp von Schwaben, Otto IV., die römische
Kirche ihre Gunst und Unterstützung zuwenden soll, und w4e er die Gründe,
die für und gegen jeden der drei geltend gemacht Averden können, zusammen-
stellt, so werden in unserer Aufzeichnung die Wege, die aus dem Schisma
' Allenfalls könnte man an abseutia denken; doch beliiedigt diese Ergänzung wenig.
" Paläographisch würde sich der Beweis dafür führen lassen, wenn wir andere, um-
fangreiche eigenhändige Schriften des Papstes besäßen. Das ist nicht der Fall. Alles, was
ich in dieser Beziehung beibringen kann, ist eine bisher ungedruckte Originalsupplik mit
dem eigenhändigen Fiatvermerk Clemens VII. (ein stark verkleinertes Faksimile bietet neben-
stehende Abbildung). Und von ihm kann ich nicht mehr sagen, als daß er nicht gegen
die Eigenhändigkeit unserer Aufzeichnung zeugt.
Aus der ersten Zeit des großen abendländischen Schismas.
•21
■^.\-
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herausfuhren können, erörtert und Vorschläge und Gegenerwägungen neben-
einandergestellt. Nur daß die Deliheratio Innocenz' III. die Form einer
gut disponierten und völlig ausgearbeiteten Denkschrift erhalten hat, die
offenbar zur Mitteilung an Andere, wahrscheinlich das Kardinalkollegium,
bestimmt war, während in unserer Aufzeichnung wirklich eine Art von
schriftlichem Selbstgespräch vorliegt, das wohl eine amtliche Mitteilung nach
außenhin vorbereiten konnte, in der Gestalt aber, wie es uns erhalten ist,
gewiß niemandem zugänglich gemacht werden und nur dem Papste selbst
Klarheit über seine Entschließungen verschaffen sollte'.
Eine gewisse Disposition fehlt freilich auch in ihr nicht. Zunächst wird
die Frage des allgemeinen Konzils erörtert (Recto Zeile i — 29)'", sodann der
Vorschlag, einer kleinen Zahl von 10 oder 20 Männern die Vollmacht der
Entscheidung zwischen den beiden Päpsten zu übertragen (Recto Z. 30—34,
Verso Z. i — 15); darauf folgt die Conclusio (s. Verso Note c), die beide
Wege ablehnt und einen dritten bezeichnet, auf dem der König von Kastilien,
auf den die ganze Erörterung abzielt', für die Obedienz des Papstes von
Avignon gewonnen werden soll.
' In dieser Hinsicht kann also unsere Aufzeichnung eher als mit der Deliberatio Inno-
zenz' III. mit den Selbstkonsultationen des berühmten Staatssekretärs der Königin Elisabeth
von England, William ("ecil Lord Burlcij^h, verglichen werden, über die ich Histor. Zeitschrift
52, 295 ff. gehandelt habe.
* Dazwischen beziehen sich allerdings Z. lyff. schon auf den zweiten Vorschlag einer
partikularen Vei-sammlung.
■" Er ist also offenbar der rex in /. 21 Recto. und die regina, ebenda Z. 34, ist seine
Gemahlin, s. unten S. 28. N. 4.
4* ■
28 Brksslau:
Die Aufzeichnung des Papstes setzt eine Mitteilung des Königs von
Kastilien voraus, auf die sie die Antwort vorbereitet'. Diese Mitteilung war
offenbar ebenso disponiert wie die tlberlegung des Papstes; sie enthielt
zunächst den Vorschlag der Berufung eines Generalkonzils auf Grund von
Beratungen, die in Spanien angestellt waren', ein Vorschlag, den der König
Juan — an ihn ist also offenbar zu denken — auch in einem eindring-
lichen Briefe an den König Karl V. von Frankreich vom 20. September 1379
gemacht^ und den seine Gemahlin, die Königin Eleonore, in einem wohl
ungefähr gleichzeitigen Briefe'' an denselben lebhaft unterstützt hat. Und
sie enthielt weiter, für den Fall, daß dieser Vorschlag von Clemens VII.
nicht angenommen werden sollte, den Antrag, das unheilvolle Schisma durch
die Berufung eines Partikularkonzils zu beendigen ; sie entsprach also in dieser
Beziehung ganz den Gedanken, die der Erzbischof von Toledo, Pedro Tenorio,
im Sommer i 3 79 in seinem Traktat an den Kardinaldiakon von St. Eustachius,
Pierre Flandrin, diesem ans Herz gelegt hatte\ Aber sie ging in diesem
Teile weiter, als Tenorio gegangen war, und maclite Einzelvorschläge, die
der Erzbischof noch nicht vorgetragen hatte. Während Tenorio sich darauf
beschränkt hatte, ganz allgemein zu beantragen, daß von beiden Seiten,
von dem römischen und von dem avignonesischen Papst, Prälaten oder
andere erprobte und zu solchem Werke geeignete Kleriker bestimmt werden
sollten, die sich sorgfältig und ernstlich über alle Vorgänge in dem Kon-
klave von 1378 unterrichten und danach die Pest des Schismas ausrotten
sollten'', sind die Vorschläge, mit denen sich Clemens VII. in unserer Auf-
' Vgl. Z. 27 Recto: Non agitur nunc, quare, non sit tenendum concilium, sed quid
respondendum ; vgl. Z. 17 Verso: responsio est in piano.
^ Vgl. Z. 21 Recto: Rex recitat opinionem, qua deliberata est de concilio; dazu die
Aufzeichnung bei Baluze, Vitae paparum Avenionensium II, 855 : unde reges Cast.ellae et
Aragoniae deliberaverant, quod celebraretur concilium.
' Baluze II, 882 ff". Über das Datum vgl. Vai.ois I, 205, N. 5.
* Mitgeteilt von Valois I, 205, N. 3.
•'' Gedruckt bei Martene et Durand, Thesaurus novus anecdotorum II, io99ff., der
die Abfassung ganz irrig ins Jahr 1381 verlegt. Der Traktat Flandrins. auf den Tenorio
antwortet, ist im März oder April 1379 vollendet, vgl. Bliemktzrieder, Literarische Polemik
zu Beginn des großen abendländischen Schismas (Wien 1910) S. 41*; die Replik Flandrins
auf die Antvi^ort Tenorios ist im Februar 1380 verfaßt (ebenda S. 60* L): endlich wird in
dem Briefe Tenorios an den Kardinal von Amiens vom 21. September 1379, Baluze II, 886,
auf die Versendung seiner Schrift bereits Bezug genommen. Diese ist demnach im Sommer
1379 entstanden.
" Valois I, 207.
Aus der ersten Zeit des grojSen abendläiid'iscJiea Schismaft. 29
Zeichnung in Z. 17 f. und von Z. 3 2 der Rectoseite an beschäftigt — er hat
sie in Z. 3 — 5, 8 — 9, i i. 13 der Versoseite durch Unterstreichung gekenn-
zeiclinet und im einzehien glossiert und abgelehnt, — erheblich präziser for-
muliert. Zur Entscheidung des Streites soll eine Versammlung von Prälaten,
Männern guten Gewissens, die in gleicher Anzahl, aber wenigstens zehn von
jeder Seite, von beiden Päpsten ernannt werden, Vollmacht erhalten. Ob
auch Zeit und Ort dieser Versammlung bestimmt vorgeschlagen waren, und
ob etwa die erst nachträglich hinzugefügte erste Zeile des Verso dahin zu
verstehen ist, daß sie zu Ende des Dezembers in Florenz zusammentreten
solle, muß bei der mangelhaften Erhaltung des Wortlauts dieser Zeile
dahingestellt bleiben.
Wann ist nun dieser Vorsclilag des Königs von Kastilien gemacht worden?
Nach Z. 2 I Verso war der Kardinal Petrus de Luna, der nachmalige Papst
Benedikt XIII., bereits zum Nuntius in Spanien ernannt worden; diese Er-
nennung war am 18. Dezember 1378 erfolgt'; doch hatte der Legat bis
zum Tode des Königs Enrique Trastamare in Kastllien keine Aiifnahme
gefunden, und da oflenbar nicht Enrique, sondern sein Sohn Juan der
kastilische König ist, von dem in unserer Aufzeichnung geredet wird, so
bildet dessen Regierungsantritt im Mai 1379 einen terminus post ((uem für
ihre Abfassung. Aber sie ist gewiß auch jüngeren Datums als die Briefe
der Königin Eleonore und des Königs Juan an Karl V. von Frankreich,
die, wie wir oben erwähnten^, im September 1379 goschiiebcn sind, in
denen aber nur von einem Generalkonzil die Rede ist, und als die im
Sommer dieses Jahres verfaßte Schrift des Erzbischofs von Toledo, in der
zwar der Vorschlag einer Partikularversammlung gemacht wird, aber in so
viel unbestimmterer Form auftritt. Anderseits ist sie jedenfalls älter als
die Versammlung zu Medina del Campo, die der König Juan im Herbst
1380 berief, auf der in Anwesenheit der Legaten beider Päjiste über die
Frage des Schismas verhandelt wurde, und die schließlich im Mai 1381 zu
der Anerkennung (Jemens' VII. durch den König von Kastilien führte.
Innerhalb der so gewonnenen Zeitgrenzen von Ende Se])tember 1379 bis
zum Spätherbst 1380 fällt nun die Absendung einer Gesandtschaft des
Königs Juan, die sich nach Avignou zu Clemens VII., nach Aversa zu den
' Valois I. 207.
» S. a8.
lU) B U K S S L A u : '
s
italienischen Kardinälen' und nach Rom an den Hof Urbans VI. begab, um
Zeugnisse über die Rechtmäßigkeit der beiden Papstwahlen von RT)m und
Fondi zu sammeln; im Mai 1380 waren diese Gesandten in Avignon. Daß
sie in Rom noch einmal versucht haben, Urban VI. für den Konzilsgedanken
zu gewinnen, ist bestimmt bezeugt'; daß sie in Avignon den gleichen Ver-
such gemacht haben, kann mit voller Sicherheit angenommen werden^. So
erscheint es als sehr wahrscheinlich, daß sie die Vorschläge überbracht haben,
über deren Beantwortung Clemens VII. in unserer Aufzeichnung seine Über-
legung anstellt; und zu dieser Annahme, der zufolge diese in den Mai 1380
zu setzen wäre*, scheint es ausgezeichnet zu passen, daß der Papst Z. 6
Recto sagt: et advocati, quo statuetis, venire und Z. 23 Recto: In quantum
agitur pro instruccione sua (d. h. des Königs von Kastilien), non aparet, quod
oportet expectare concilium, nisiplus aperiatis: diese Worte richtet der
Papst dann in Gedanken an die kastilischen Gesandten, von denen er weitere
Eröffnungen über die Absichten ihres Herrschers entgegenzunehmen be-
reit ist.
Unsere Aufzeichnung gibt uns sonach, wenn meine Vermutung zutrifft,
Aufschluß über die Antwort, die Clemens VII. im Mai 1380 den kastilischen
Gesandten erteilt und über den Inhalt des Briefes, den er ihnen an ihren
König mitgegeben hat'^. Im übrigen bedarf sie kaum einer ausführlicheren Er-
läuterung. Daß Clemens, ebenso wie seine Kardinäle, den Konzilsgedanken
in jeder Gestalt ablehnte, ist längst bekannt; bemerkenswert sind indessen
die weniger juristischen als kirchenpolitischen Erwägungen, mit denen er
seine Entscheidung vor sich selbst rechtfertigt. Im einzelnen möchte ich
nur zu wenigen Stellen ein paar Bemerkungen hinzufügen. In Zeile 28 f.
Recto soll nicht etwa gesagt werden, daß die Könige von Kastilien und
Aragon, wie der Papst, den Konzilsgedanken abgelehnt hätten, was ja der
' Siehe oben S. 8.
" Vgl. den Bericht des Rodrigo Bernaldez bei Baluze I, iioi; dazu Bliemetzrieder,
Das Generalkonzil im großen abendliindischen Schisma (Paderborn 1904) S. 14 f.
' Valois I, 318 mit N. 5 gibt es als feststehende Tatsache.
* Gegen sie darf nicht geltend gemacht werden, daß es Z. 34 Recto heißt: tres car-
dinales . . super hoc diu laboraverunt, obschon der eine dieser drei italienischen Kardinäle,
der Kardinal Orsini, bereits im August 1379 verstorben war, denn es ist hier von Bestrebungen
der drei Kardinäle in der Vergangenheit, in der Zeit, in der Orsini noch am Leben war,
die Rede.
' Vgl. \' ALOIS I, 204.
Alis der ersten Zeit des großen abendländischen Schismas. |-} 1
Wahrheit offenbar widersprechen würde. Der Sinn des Satzes ist, wie ich
glaube, der: Wir brauchen uns nicht (deshalb) zu scheuen, das Universal-
konzil abzulehnen, weil wir wissen, daß die Könige von Kastilien und
Aragon in dieser Beziehung ähnlich (d. h. übereinstimmend) denken. In
Z. loVerso wird wohl eine Mitteilung der kastilischen Gesandten wieder-
gegeben: ihr Sinn ist wohl, daß der König Juan die Neutralität, für die
er sich in dem Schisma erklärt hatte, bis zur Entscheidung im Konzil
weiter festhalten wolle. Auch Z. 1 2 Verso gibt wohl ein von seiten der
Gesandten für die Notwendigkeit eines Konzils geltend gemachtes Argument
wieder: wie der Papst selbst (Z. 9, 10 Recto) die Kirche als seine Gattin
bezeichnet, so konnte auch die Ansicht von den Anhängern des Konzils-
gedanken vertreten werden, daß der zwischen zwei Gatten (den beiden
Päpsten) ausgebrochene Ehestreit nicht ohne Mitwirkung der Gattin, also
der gesamten Kirche, entschieden werden könne.
Beilag
e.
Oben S. 26 N. 2 habe ich auf ein zum Zwecke der Schriftvergleichung
dieser Abhandlung beigegebenes Faksimile des Fragmentes einer von Cle-
mens VII. unterzeichneten Originalsupplik (f. 86 der Pariser Handschrift) hin-
gewiesen, das auch sonst willkommen sein wird. Ich lasse hier eine Tran-
skription dieses Stückes folgen.
quod cum ipse nuper de Quercubrivia et frater Gu[illermiis] Uate
de Brurolliis dumtaxat prioratus dicti ordinis ac diocesis Garnotensis et
a dicto monasterio sancti Petri dependentes, quos tunc temporis [obtinjebant
, et racione permutacionis huiusmodi dictus lohannes de Brurolliis et
dictus Guillermus de Quercubrivia ipsosque teneant et possideant
pacifice et quiete, quatenus permutacionem predictam ratam et gratam
habentes reservacionibus quibuscumque de dictis prioratibus vel eorum
aliquo forsam factis non obstantibus eique conced (absque* causa ra-
cionabili et legitima nequeat amoveri constitucionibus apostolicis aut statutis
' Die in ( ) eingeschlosstnen Wort/> xind in der Supplik gestrichen, also vom Papste nicht
(/enfhmigt.
32 B R i: s s I, A ir : Ay.s de?' ersten Zelt des großen ahendländischen Schismas.
vel consuetudinibus contrariis (?)ipsius quibuscumque') non obstantibus
cum aliis non obstantibus et clausulis oportunis.
Fiat G.'
Datum Avinione V. idus Decembris anno tercio.*
Recipe H. de Päd
In dorso: R[egistratum].
' Die in ( ) eingesMossenen Worte sind in der Supplik gestrichen, also vom Papste nicht
genehmigt.
^ In dem erhaltenen Teile dieser SuppliJc fehlt die übliche Bitte, daß die Ausfertigung der
Urkunde sine alia lectione erfolgen solle. Sie mag avf dem abgeschnittenen Teile des Blattes
gestanden haben.
' Die Datierung [1380, Dezember 9) hat der dem Namen nach unbekannte Datator (s. mein
Handbuch der Urkunder/lehre 11'^, illff.) eingetragen. Der Kecipevermerk ist von der Hand
des Vizekanzlers, des Kardinals von Pampelona, hinzugefügt. Hinter dem Reiipevermerk folgte
dessen Namensnnt'Tschri ft, die in anderen Originalsuppliken regelmäßig P. Päpil (d. h. Pampilo-
nensis) tautet.
Berlin, gedruckt in der R«ielisdruckerei.
Preuß. Akad. d. Witsenseh.
Phü.-hist. Äbh. 1919. Nr. 6.
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tl^r.
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>Hifi«^f
Bresslaü: Aus der ersten Zeit des großen abendländischen Schismas.
ABHANDLUNGEN
DER PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
JAHRGANG 1919
PHILOSOPfflSCH-HISTORISCHE KLASSE
Nr, 7
BRUCHSTÜCKE DER ÄLTEREN LYRIK IRLANDS
GESAMMELT UND MIT ÜBERSETZUNG HERAUSGEGEBEN
VON
KUNO MEYER
ERSTER TEIL
BERLIN 1919
VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
IN KOManSSION BEI DER
VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER HE GRUYTER U. CO.
VOBHALS 0. J. OÖSCHtaiSCHK VKRLAGSH.UfDLUNO. 1. GUTTENTAG, VEttl.AUSUl CllHANDLUNG.
CEORU BEIMKR. KARI. J TRÖBNEK. VHT X. COMl'.
Vorgelegt in der Sitzung der phil.-hist. Klasse am 10. Juli 1919.
Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 27. August 1919.
Vorwort.
Uie große Masse der älteren Lyrik Irlands ist uns, wie diejenige Griechen-
lands und Roms, nur in Bruchstücken erhalten, welche sich als Zitate in
verschiedenartigen Werken zerstreut finden. Manche von ihnen werden
als Belege in Glossaren, andere in metrischen und grammatischen Abhand-
lungen als Beispiele angeführt; wieder andere stehen in den Annalen zum
Gedächtnis berühmter Personen und Ereignisse. Auch als Randeinträge in
den Handschriften finden wir sie. manchmal mit Bezug auf den dabei-
stehenden Text, öfter bloße Einfalle und Erinnerungen, wie sie dem Schrei-
ber gerade in den Sinn kamen'.
Alle diese dmecta mernbra einer untergegangenen großen und blühen-
den Literatur zu sammeln, übersteigt die Fähigkeit des Einzelnen und war
besonders jetzt, wo dem Deutschen der Zutritt zu den Handschriften Groß-
britanniens und Irlands auf ungewisse Zeit gesperrt ist, nicht in Angriff
zu nehmen. So kann ich auch keine umfassende und planmäßig angelegte
Sammlung bieten, sondern nur das Ergebnis einer langjährigen Lektüre, die
meist auf ganz andere Zwecke gerichtet war. Vor allem aber mußte ich mir
eine zeitliche Grenze setzen, da im Laufe der Jahrhunderte das Material
schier ins Uferlose wächst". Ich liefere also eine Auswahl, bei der ich
besonders bisher überhaupt nicht oder unkritiscli edierte und übersetzte
Stücke drucke. Der Zeit ihrer Entstehung nach reichen sie vom Anfang
des 8. bis zum ii. Jahrhundert, gehören also der alt- und frühmittel-
irischen Sprachperiode an. Ihr Inhalt ist ungemein bunt. Ich habe mich
bemüht, sie in gewisse Gruppen zu zerlegen, die aber nicht immer ganz
reinlich zu scheiden sind.
' Einige der Vierzeiler, die einen abgeschlossenen Sinn geben, mögen auch von den
Schreibern selber verfaßt sein.
' Davon geben die vielen Zitate aus mittehrischen Gedichten in dem von Bkrgin im
Supplement zu Eriu veröffentlichten grammatischen Traktate einen Begriff.
1*
4 K. Meyer:
In der Übersetzung wird der historische Wert der Gedichte' stärker
hervortreten als der dichterische, der nicht gering ist, von dem aber nur
eine ganz freie Übertragung einen guten Begriff geben könnte. Die über-
wiegende Mehrzahl rührt von Berufsdichtern her, von denen wir zwei
Klassen zu unterscheiden haben, die der hochangesehenen filid (studierte
Dichter, Kunstdichter, Hofdichter) und die der weniger geachteten Barden.
Über ihre Rangordnung und die ihnen zustehenden Metren s. Thurneysen,
Ir. Texte ÜI, S. loyff.
Zum besseren Verständnis hebe ich im einzelnen hervor, daß es bei
Gedichten auf Personen u. a. darauf ankam, den Namen des Gefeierten
oder Geschmähten niemals zu wiederholen, sondern ihn mit immer neuen,,
seine Abkunft, Rang, Wohnsitz usw. bezeichnenden Umschreibungen zu
nennen". Was die dichterische Diktion betriflFt, so wäre besonders die
häufige negative Ausdrucksweise zu erwähnen*, die meist zu größerer
Emphase dienen soll, oft aber auch schalkhaft gemeint ist; ferner der
Gebrauch des Abstraktums, wo es sich um eine persönliche Beziehung
handelt, wie z. B. wenn a ithc mil etaig (Nr. 63), wörtlich 'o Speisen von
Kleiderlaus' so viel besagen soll als 'o du, der du dich von Kleiderläusen
nährst' \ Die große Häufung von adjektivischen Attributen sowie die kur-
zen Einschaltungen oder Flicksätzchen sind durch das Prinzip der fort-
laufenden Alliteration (Kettenstabreim) hervorgerufen, über das ich 'Über
die älteste irische Dichtung' I S. 5 gehandelt habe. Diese besondere Art
Stabreim wurde noch bis ins 9. Jahrhundert angewandt °.
Ich hoffe, diesem ersten Heft bald ein zweites folgen zu lassen, wel-
ches Bruchstücke von geistlichen Liedern, von Gedichten auf besondere
Ereignisse, von solchen, die aus Sagen stammen, und von Gelegenheits-
dichtung aller Art enthalten soll.
' Ich mache besonders aufmerksam auf die aus der WiJdngerzeit stammenden Ge-
dichte mit ihren nordischen Lelinworten und Anspielungen auf physische Eigenschaften und
Sitten der Nordleute.
''■ Davon liefert Nr. 23 ein besondere gutes Beispiel.
■' /,. B. n7 löig lobordaim 'kein Kalb eines kranken Hirsches' 1, nJt mess methchrainn 'du
bist keine Frucht eines siechen Baumes' 33, usw.
* Vgl. ferner er(/e Nr. 23, rüamna Nr. 26. 11 Nr. 45, dthurcvd Nr. 47, mesce ehirmairi
'^r.62. ßss fon fir Nr. 65, diultad dona Nr. 78 u.sw. So ist auch a marbad AnchrJst Cath
Finntr. 89, 27 zu verstehen und nicht etwa in o marhaid abzuändern.
'" Mehr oder weniger streng durchgeführte Beispiele sind Nr. i, 7, 9, 10, ii, 14, 17,
22, 23, 45, 53, 54, 58, 64, 65.
BrucJistilcke der alteren Lyrik Irlands.
Gedichte auf Personen.
A. Loblieder.
1.
Tüarcaib findbenna fri dam nderca
dam ara flaithcheniul nechta;
ni löig i ligiu lobordaim laiges
Leth nEilim imm Sechnasach saiges.
Ir. T. in 59 § 114, 60 § 119, 97 § 157: ilighu lobardam laides 157 illiuglui M leath
nell 157 leth neill M imosechnasacb M.
Es erhebt der Hirsch fiir sein erlauchtes Herrschergeschlecht die lichten
Spitzen des Geweihs gegen den Hirsch der Höhle: kein Hirschkalb ist er,
das auf dem Lager eines siechen Hirsches liegt, er, welcher Elims um
Sechnasach gescharte Hälfte angreift.
Bei der Lesart ncilim im könnte man an Dittographie denken und deshalb leth Null
vorziehen; aber der Stabreim bestätigt die Lesart Eilim: Sechnasach. Die dann mit saige.s
einsetzende Alliteration geht vom Anlaut der letzten Silbe von Scchnasach aus. Leth nE/im =z
Ulster, so nach dem fabelhaften König Klim mac l'onrach genannt. S. CZ. Vlll 327. 5.
TuL'RNEvsEN, Zu ir. Hss. l 84. denkt etwa an König Sechnasach mac Blathniaic, gest. 671.
Wenn die Strophe, die als Beispiel fiir da.s Metrum anamain (in §119 larcnmirc na hanamna)
angeführt wird, richtig überliefert ist, so haben wir zwei reimende Zeilen von neun und
acht, und zwei von zehn und wieder neun Silben, was an ähnliche kymrisclie Metren er-
innert. Kettenstabreim außer im zweiten Verse. — ni/chta. Part, zu niyim wasche', im Sinne
von 'rein', dann wie glan usw. 'glänzend'.
2.
Labraid lüam na lergge, faglaid fri füam fairgge,
glass glüairgrinn fri gente. blass biiainbinn na bairddne.
Ir. T. in 40 §35: fadlaig /. faghl.-n'dli B fuaim L gente lasbardne L na ryn.
Labraid, der Lotse des Schlachtfelds;, ein plündernder Held l)eim Meeres-
tosen, glänzend festes Riegelschloß gegen Heiden, stets liebliche schmack-
hafte Kost der Bardenkunst.
Bezieht sich, ebenso wie die nächsten Strophen, auf Labraid Loingsech, einen viellc^ichi
historischen König von Irland zur Zeit der Römerherrschafl in Britannien.
6 K. Meyer:
3.
1 Is la Labraid, foroll fechta, fri slüag sainbress,
ba bricht bladmass, da chet cath ö Muir Icht sairdess.
2 Tuirmem a deilb nderscaigthi, a dreich üasna düisib,
trenfer cach tüis, glegel a gnüis üasna gnüisib.
Ib. § 36: forull L nicht L delb B adnech L adech B uasan codd. duis L uasan B.
1 Labraid ist es, welcher zweihundert Heereshaufen südöstlich vom
iktischen Meere — ein gewaltiger Heereszug — gegen eine besonders
tapfere Schar besaß — es war ein ruhmeskräftiger Zauberspruch.
2 Laßt uns seine erlesene Gestalt beschreiben, sein Antlitz leuch-
tender als Kleinode, ein Kämpe jeder Front, glänzend weiß sein Angesicht
vor (allen) Angesichtern.
Dies bezieht sich auf den Kriegszug Labraids an den Ärmellsanal [muir nicht), wohl
eine Reminiszenz aus der Zeit der Pikten- und Ireneinfälle in das römische Britannien, wo-
von es am Schluß von Orgain Dind rig (CZ HI 8 § 29) heißt : riia ragaib rige co Muir nicht,
dia tue na Gaullu imda leis •!• da cKet ar fichit cet Gall cosna laignib lethnaib 'na lämaib et rie
quibus Lagin dicuntur 'als er die Königsherrschaft bis an das iktische Meer ergriff, als er
die vielen Gallier mit sich brachte, nämlich 2 200 Gallier mit den breiten Lanzen, nach denen
die Männer von Leinster genannt werden'. — bricht bladmass. So wird der Baum Eo ßossa
Dinds. § 160 bricht n-eolais 'spell of knovvledge' genannt.
Fö sen dia ngab Oengus Alpain, Alpu thulchach trethantriathach ;
ruc do chaithrih costud clärach cossach lämach lethansciathach.
Ir. T. III 33 § 7 : ngaib L chathrachaih codd. labach LL.
Es war eine günstige Stunde, als Oengus Alba in Besitz nahm, Alba,
das hnglichte. voll mächtiger Fürsten. Er brachte den Städten Krieg mit
Brettern, mit Füßen und Händen und breiten Schilden.
Die Strophe wird (jriiibne zugeschrieben (Grüibni eees di Alpain •cc-). dem fili König
Feradachs von Schottland (LL 28736). Thurneysen, zu ir. Hss. I 84, veiTOutet gewiß mit
Recht, daß unter Oengus der Bruder des ersten irischen Eroberei-s von Schottland. Fergus
Mör, zu verstehen ist. — Der Silbenzahl wegen habe ich älteres chaithrib für chathrachaih
eingesetzt. Vgl. den Acc. PI. caithrc C7^ VIII 198 § 18. — Außer der richtigen Übersetzung
des vieldeutigen cnstiid (vgl. fri catha ca>tt>id Alt. Dicht. I 39 § 6) ist es fiuglich, ob ruc do
nicht als rnr di 'trug davon' zu fassen ist. Bei clärach ist wohl an einen Angriff auf
Festungen mit Planken und Holzmasohinen zu denken.
Bruc/istnckf (In- älteren Lyrik Irlands. 7
5.
1 Aed Bennän dind Eoganacht iar Lüachair,
is mairg seotu dianad ri, * ceinmair tir dianad büachail.
2 A sciath in tan focrotha, a bidbada fobotha,
cesu becän for a muin, is ditiu dond larmumain.
Tig. 6i8, FM 614: don codd. mairg setaib T cenmair dia tuathaib dian T lutbotha M
cesa codd. as codd. don codd.
1 Aed Bennän vom Stamme Eogans westwärts von Lüachir, wehe den
Schätzen, über die er König ist! glückselig das Land, dem er ein Hirte ist!
2 Wenn er seinen Schild schüttelt, so schreckt er seine Widersacher;
ist es gleich ein winziges Ding auf seinem Nacken, ist es ein Schutz fiir
Westmunster.
Auf Aed Bennän (mit den Helmzinken), den 619 gestorbenen König von Westmunster.
— mairg mit dem Akk. wie mairg ar mnä, mairg ar maccn, mairg ar süieJ LL 119b 11.
«
6.
Niamdatli bennachtan bailc Pätraic, feib dosbert for Ociigus n-;ni,
dofessid for Cathal cäingorm, ruiri tailc tren träeta däl.
Ir. T. III 41 §43: bonachtaii codd baheilc L ba hilc H feb B coengomi L c'engorni B
tren brath L trenbrut B treata B.
Der kräftige glänzende Schimmer des Segens Patricks, wie er ihn dem
herrlichen Oengus erteilte, hat sich auf den hochberühmten Cathal nieder-
gelassen, — ein starker gewaltiger Großkönig, der Völkerstämme niederwirft.
Die Strophe bezieht sich auf Cathal mac Finguine, Könif; von Munster (gest. 742),
der ein Nachkomme von Üeiigus mac Nadfröich (gest. 490) durch dessen Sohn Eochaid war.
Dieser Öengus soll 24 Söhne und 24 Töchter gehabt haben, von denen er je zwölf dem
Dienst der Kirche weihte (Tar ffchtain do Pätraic iarum adropart da mac die ocus da ingin
dec Deo, qui omnes sancH et sanctae sunt Rl 502, 148a 41). Der hier erwähnte Segen Patricks
ist wohl das bekannte Gedicht, welches anhebt: Bemlacht De fnr Mtimain (Trip. 470). —
linfesbid = do-es-fid, das perf. Prät. zu saidim Pedkrsen § 803. Vgl. d/tessith Fianaig. 34,
17; do/eisid (-i- larrtistar) hrn occaib Laws I 250, 18. — Da das Metrum (ollhardne) offenbar
das Schema 8 '-1-7' hat, habe ich im vierten Verse bräth ausgelassen.
7.
Badbri cüicid Erenn uile, ard bara, brass bile,
dobädi sis, ni sid chena, cach rig acht Rig nime.
LL 37 b 43 : chuicid her#n«.
8 K. Meyer:
Der Schlachtenkönig der ganzen Provinz von Irland, ein erhabener
Grimm, ein mächtiger Baum; jeden König vernichtet er, — ohne das kein
Frieden! — nur den Himmelskönig nicht.
Aus einem Gedicht (düan) Rechtgals üa Siadail, einem Dichter des 8. Jahrhunderts ',
auf Öengus mac Domnaill, der hier als König von Ulster bezeichnet wird. Denn cüiied
Erenn wird AU 1096 (II 56) mit i'laid glossiert. So wird Eochaid mac Neill AU 1062 mit
rt[g]domna coicid Erenn als Thronfolger von Ulster bezeichnet. VgL auch Ottts Cbnchobur
cen feil / i commus cöicid Herenn LL 355 m. i. Doch ist mir ein König von Ulster des
Namens nicht bekannt. — dobädi zu di-häid-, Pedersen § 660.
8.
Öengus oll fonn fri nath,
febda fial, rian fri rath.
Ir. T. III 37 § 22: fian L rian B.
Der mächtige Öengus, ein Thema für Lieder, tugendreich, freigebig,
ein Weg zur Gnade.
Zu der übertragenen Bedeutung von fonn 'Boden, Grund' vgl. Äed fonn fri fuilted
feie Thes. II 298, i, wörtlich 'Äed, eine Grundlage für Verbreitung von Gastlichkeit'. Ferner
fonn flatha f vre unten Nr. 19.
9.
Bran Berba ballglaine, bärc thacid thriüin,
torc indlaig allmaire a hiathaib iüil.
Ir. T. III 14 § 31, 44 § 57 : tor ninglaig H torc ilaigh B tor nindlaig LB'' inniathaibh B.
Bran vom fleckenreinen Barrowfluß, glückhafte starke Barke, ein Eber,
der überseeisches Gut aus heimischen Gefilden zerbirst.
Zum Gebrauch von ball bei Gewässern vgl. tovd bän hallghss [liallmass), Anecd. I 54,
atd topiir ballälainn tTsana Lism. L. 47 38, wo nicht etwa, wie Stokes annimmt, ein Eigen-
name vorliegt. — Unter allmaire sind Waffen, Schmucksachen, Wein usw. aus Britannien
oder dem Kontinent zu verstehen, die nach Ii-land {Tath iüil) gekommen, von Bran im Kampf
gewonnen und unter die Seinen verteilt werden (indlach). Über Bran Berba, der 795 starb,
s. Thurneysen, Zu ir. Hss. 1 8. 80.
10.
Bran find, fi drong,
derg rind, ri glonn.
Ir. T. III 20 § 59, 48 § 81. 85 § 79: fidh B fige H gab rind H gab rim M rig L.
S. Thurneysen, Zu ir. Hss. 1 S. 80.
Bruclistiicke d^r älteren Lyrik Irlands. 9
Der blonde Bran, ein Gift für Kriegshaufen, eine rote Speeresspitze,
ein tatenreicher König.
Vielleicht auf den König der Deissi Bran Find (gest. 671). Vgl. Sitzungsber. 1915,
S. 906. ft drimg, einer, der wie Gift auf Feindesscharen wirkt. Vgl. cath cofi Hib. Min. 41,
7 und unten Nr. 49 1« lau di nemib.
11.
Bran dond, din slüaig, seol ngairgge, garg rind, recht rän rüad n-orbbai,
orb gäeth, grian läech, län fairgge, fäel crü, cü chüan nad chorbbai.
Ir. T. III 13 § 26, 42 § 51 : gairgi LB' ga.rrLB'' fairrgi B fergi H ferga LB^ faelchru B
nochorpa H nadcorba B.
Bran der braune, ein Schirm des Heeres, der rauh dahinfährt, grimme
Speeresspitze, herrliches starkes Recht der Erbschaft, weiser Erbe, Sonne
der Krieger, Meer in voller Flut, blutiger Wolf, Wolf der Wolfsbrut, der
(seine Ehre) nicht besudelt.
fairgge (nicht ferge) ist im Reim auf gairgge die richtige Lesart.
12.
Di insi Med
ma dia ris Aigli;
ili cuile cossa,
ili düissi Elgge,
ili renna nime,
ili tonna mara:
liä däma Domnaill.
Ir. T. III 35 § i6: ilinsi L innsi H madiarais L niadiari B /aigli B cuili LB duile duis
elge L duile dais eilgi B ili düissi ego nime -i- nad forelgi indel L neime -i- na foreilgi
indel B duma L.
Zahlreich sind die Inseln Med, wenn du Aigle erreichst; zahlreich
die Füße der Fliege, zahlreich die Schätze Irlands, zahlreich die Sterne
des Himmels, zahlreich die Wogen des Meeres : zahlreicher sind die Gäste
Domnalls.
Insi Mod, die Inseln in Clew Bay, deren, es der Sage nach 365 gebefi soll. — Aigle,
gewöhnlich Crüachän Aigli (Mons Egli) genannt (Trip. 112, 27) oder Crvachän Pälraic, jetzt
Croaghpatrick, ein 2510 Fuß hoher Berg am Südufer von Clew Bay. — Elg, einer der
vielen in der Dichtung gebräuchlichen Namen für Irland.
PMl.-hist. Ahh. 1919. Nr. 7. 2
10 K. Meyer:
13.
Anmchaid Osraige amra, cäine fadla flathrige;
dreeon bruthmar brüithe elta mac Con Cerca cathmile.
Ir. T. III 32 § 4: Anmchad L Anaincaid ö ossairge LL flaithrige L dreccon L.
Der ixihmreiche Anmchaid von Ossory, herrlichster Aiifteiler der Für-
stenherrschaft; ein feuriger Drache, der Kriegerherden zermahnt, ist der
Sohn Cü Cerca's, der Schlachtenkämpfer.
Über den Gefeierten, König von Ossoi"y im 8. Jahrhundert, s. Thurneysen, Zu ir.
Hss. I 83. — elta {iS) f. 'Tierherde', wie «it, büar, Imaile von Dichtern oft fiir eine Krieger-
schar gebraucht. — cathmile, des Reimes wegen statt cathmtl oder späterem cathmitid.
14.
Dünadach din slöig, sab catha in ciüin,
cuimnech rechta rüaid ria sil buidnech Briüin.
Ir. T. III 37 § 19: dunchad L cuininith L cuimnid B. recta codd.
Dünadach, der Schirm des Heeres, eine Stütze der Schlacht ist der
milde, eingedenk des starken Gesetzes an der Spitze des scharenreichen
Geschlechtes Briöns.
Der Gefeierte ist wahrscheinlich Dünadach mac Scandläin aus dem Geschlechte des
Brion mac Fiachach Fidgente, König der Ui Fidgente, der 834 siegreich gegen die Wikinger
Itämpftc und 835 starb. S. Rawl. B 502, iS2a 5 und AU. — Meine Besserung cuimnech gibt
Reim auf buidnech.
15.
Is he Feidilmith in ri diarbo opair öenlaithi
aithrigad Connacht cen chath ocus Mide do mannrad.
AU 839, Ir. T. III 17 § 46, 45 § 68 : dianid U diara B opair U monar cett. aenaidhchi B
ectrad rig H ardrigi B etirrige L eitrige U muchad H.
Das ist der König Fedilmid, für den es das Werk Eines Tages war, (den
König von) Connacht ohne Kampf zu entthronen und Meath zu zerstören.
Bezieht sich auf Kriegszüge Königs Fedilmid mac Crimthainn von Munster im
Jahre 840.
16.
Maith tra sin, a maicc Chellaig, a üi Brain!
do gfüad chorcra, do barr cass, do rose glass amal in glain,
nirscara fri horddan n-oll airet maras mong for muir.
Ir. T. III 16 § 41: do siiil ghlas do bharr cas imar in snaidh BM gloin H niscere B
niscera M inned marus H.
Bruchstücke der älteren Lyrik Irlands. 11
So ist es gut, Sohn Cellachs, Enkel Brans! deine rote Wange, dein
krauses Haupthaar, dein Auge blau wie Kristall — mögest du nicht von
großer Würde scheiden, so lange Wellenmähnen auf dem Meere sind!
Auf König Cellach mac Brain von Leinster (gest. 848). — In der Lesart von BM ist
snaid wohl eine Nebenform von snaide 'Schnitzel'.
17.
Fiu mör do maith Mäel Fäbaill, inmuin öenri ard-älaind,
etrocht bass fo beun büabaill, bude a folt for find-güalaiiin.
Ir. T. 111 19 § 54. 47 § 76: inian ri amhra B beind HLB mbuabaild H a nm. B dar a
gualaind H.
Vieles Guten ist Mäel Fäbaill würdig, geliebt ist der erhaben schöne
junge König; eine glänzende Hand um das BüfFeltrinkhorn, mit gelbem
Haar auf weißer Schulter.
Über zwei Fürsten des Namens Mäel Fäbaill, die beide dem 9. Jahrhundert angehören,
s. Thurnevsen, Zu ir. Hss. I S. 81. — Zu benn bfinbaill vgl. unten Nr. 23 das Adj. crrm-
bSabaltach.
18.
Imchomarc Flainn, flaith nomdlig, bäes fomrig nad ricim sair
• CO rig nAssail, ap druing dil fo gil chassail, fo chuind chain.
Ir. T. III 12 § 22, 42 § 47 : nodlig-ff bes L blaes ß' na raigim ß naricim L naricind B'>
druing dein HM den B om. L geil H co cell Jl om. ß cuind H chnnd ß chunn caim B'>.
Einen Gruß an Flann, ein Fürst, dem ich verpflichtet bin! Torheit
ist es, die mich abhält, nach Osten zu kommen zum Könige von Assal,
dem Abt der lieben Schar in weißem Mantel, in schönem ....
Da As.sal ein Sitz der Könige von Meath war, so ist wohl Flann mar Mail Spchnaill,
Oberkönig von Irland von 878 bis 916 gemeint, derselbe, der in der nächsten Strophe
Flann Midi genannt wird. — Zu nomdlig vgl. äil riün descin rTg nondlig Metr. Dinds. II 36,
10. — ap 'Abt' allgemein für 'Herrecher'. — cuind ist durch den Reim auf druing und
durch Alliteration gesichert, mir aber ein unbekanntes Wort. Wenn es fiii- cuing stände,
was kaum wahrscheinlich ist, wäre zu übersetzen 'unter schönem Joch'.
19.
A Flaind locha linib säme, at fond flatha fire,
is gnäth la Fland, läthar n-äne, bare sech a dine.
LL 37 b: fine — is ego.
2*
12 K. Meyer:
0 Flann vom See mit Reihen friedfertiger Scharen, du bist der Boden
wahren Fürstentums; die Herrschaft über sein Geschlecht hinaus — eine
herrliche Satzung, — ist Flann anheimgegeben.
Statt la Fland ist vielleicht do Fland zu lesen, was Stabreim mit tSthar geben würde. —
Unter dem See ist Loch Uair, jetzt Loch Owel, in Westmeath zu verstehen. — höre (iä) f.,
Abstraktum zu bar, das in H. 3. 18, 65 a mit dem aus lat. maior [domus) entlehnten maoir
{mair ib. 633) glossiert wird. Vgl. bär Bretan LL 162a 20 (sie leg. Metr. D. 1 10); bar betha
com breithemnas BR 30, bruthmar bär Rl 502, 116'' 9 usw.
/
20.
A Flaind, at lüam in gaiscid grind co Maistin maill,
at glan, at gäeth, is garg do rind, at läech a Flaind.
Ir. T. III 9 § 10, 40 § 37 : a hai laind at tualaing gaiscid L a laind atri ualaing B os
mhaisdin /?.
O Flann, du bist ein Steuermann der scharfen Wafifen bis hin zum
mächtigen Maistin, du bist glänzend, bist weise, grimm ist die Spitze deines
Speeres, du bist ein Held, o Flann.
Vielleicht ist mit L und Thurkkysen, Ir. T. III 153 at tualaing gaiscid grind' du bist der
scharfen Waffen mächtig' zu losen; doch gibt meine Lesart Alliteration. — mall als alli-
terierendes Beiwort für örtlichkeiten [mag Cog. 122, 23, muir Metr. D. III 176, 135) ist schwer
zu fassen; auf keinen Fall 'tedious', wie Stokes, KC XX 142, 12 übersetzt, oder 'lazy', mit
GwYNN, 1. c. Eher wohl 'wuchtig, massig, groß, breit' oder dgl.
21.
Erig süas, a Donnchaid duinn, for Fötlai forchair foruill!
bid do chert ös chorplai Chuinn, a üi chöim chorcrai Chonaill.
Ir. T. 111 17 § 44, Zu ir. Hss. I 72: fotla // foreair // findgaiU B findglain M uas
colblai^i? corpblae M coim H cain B.
Erhebe dich, brauner Donnchad, über das mächtige hochteure (?) Irland!
Es herrsche dein Gesetz über Conns eigenstes Gebiet, du holder rotwangiger
Enkel Conalls.
ITber König Donnchad von Irland (919 — 944) s. Zu ir. Hss. I 81. Aber die darauf-
folgende Strophe gehört nicht, wie Thurneysen annehmen n)öchte, zn dieser. • — forchair,
das im Reim auf Donnchaid steht, ist ein mir unbekanntes Wort: ich habe es übersetzt, als
wenn es ein Kompositum von dem sonst nur als Suffix vorkommenden car 'lieb' mit for-
wärc. — corplai =: corp-blai, wie M schreibt, eig. 'Leibland'. — Zu corcra vgl. nas gnüis
corcorda LI' 120a 20 und oben Nr. 16 do grüad chnrcra.
Bruchstücke der älteren Lyrik Irlands. 13
22.
Amläib airchingid ätha airtheraig Erenn iathaige,
dagri Duiblinne dene düthaige trene triathaige.
Ir. T. III 15 § 32 44 § 58: aircendeach B ai-cingid cett. deni tuathaigi B.
Olaf, der Vorkämpfer der östlichen Furt des länderreichen Irland, der
edle König von Dublin, dem gewaltigen, ererbten, starken, beherrschenden.
Es ist wohl Amläib Cüarän (Oleifr Kuarän) gemeint, der 945 König von Dublin wurde.
23.
Murchad Maisten,
macc rig Erenn, erge Coire
Breccäin barrdeirg dar brug mBanba,
marcach eich dein dorngüalannaig,
dergaid gaithlenn, grib geratta.
Gilla gargmör ic guin idal,
airsid Eorpa, ecne tuinne,
töeb fri bratt ngorm, glan a glaissin,
üa rig Chaissil chombüaballaig,
cuilen miadach min merfota.
Ir. T. III 72 § 29: eirn- M cathlaind M ngrib ngerfota H arsid HB re brat HB vi
brat M gglasin JU.
Murchad von Maistin, Sohn des Königs von Irland, der sich wie
Brecäns rotschäumender Meeresstrudel über das Gelände Irlands erhebt,
Reiter eines schnellen Rosses mit handbreiter Schulter, Speeresröter, helden-
hafter Greif, grimmer Jüngling, wenn es gilt, Götzendiener zu erschlagen,
alter Kriegsheld Europas, Lachs der Woge, die Seite in dunkelblauem
Mantel von glänzendem Waid, Enkel des Königs von Cashel, wo Trink-
hörner kreisen, ehrenvoller junger Wolfshund, milder, langgefingerter!
Trotz der genauen genealogischen Angaben ist es nicht klar, auf welchen Murchad
sich die Verse beziehen. Thurneysen. Zu ir. Hss. S. 87 denkt zweifelnd an den Sohn Brians
m. Cenneilig. Der Gefeierte war aber doch wohl König von Leinster, da er seinen Sitz in
Maistin in der heutigen Grafschaft Kildare hatte. Wenn er Sohn des Königs von Irland ge-
nannt wird, so genügt dazu vielleicht, daß sein \'ater Ansprüche auf die Oberherrschaft hatte.
In den 'Illinois Studies' 1916 .S. 596 habe ich an Murchad m. Finn m. Mail niörda gedacht,
der aber schon 972 fiel. Vgl. AU I 502 Anm. 2. — Unter den 'Götzen anbetern' sind die
heidnischen Wikinger gemeint. Über diesen Gebrauch von Tdal s. Stokes, RC XXI 135. —
areide Eorope auch RC XX 44. 6.
14 K. Meyek:
24.
Murchad Maisten, macc a äisse as ferr co n-anmain,
barr gecach glüaises in fidbaid, cetach Carmain.
Ir. T. III 74 § 35 : is feir HB gliiaisses M fjluasfes H gluaisis B'>.
Murchad von Maistin, ein Jängling von bester Seele unter seinen
Altersgenossen, ein vielzweigiger Baumeswipfel, der den Wald in Bewegung
setzt, der mit Hunderten Carman bewohnt.
Bezieht sich wohl auf denselben Murchad wie das vorige und nächste Bruchstück.
Auch Carman lag in Leinster. — Unter dem Wald sind Kriegeischaren zu verstehen. So
wird Fianaig. lo § 8 eine solche eo-chaill 'Eibenwald' genannt.
25.
A muinter Murchada möir, frisnä geib fid nä fiadmöin,
maidm for barngeinlib cu Böinn ro bar ngalimeirggib griansröill;
sceirdit broig snechta asa sröin occaib dar Kchtga imm iamöin.
Ii'. T. III 69 § 16: risnach 31 boin B ria B sgerdid brocc M agaibhther {sie) M iarm-
hoin M.
Ihr Leute des großen Murchad, gegen den weder Wald noch wilder
Morast verfängt, vor euren iiordisclien Standarten aus sonnigem Atlas
haben die . . . Heiden bis an den Boyne eine Niederlage erlitten. Wie sie in
später Abendstunde vor euch über das Echtgagebirge fliehen, sprützen
Schneeflocken aus ihrer Nase.
Das Wort barn kenne ich nur ;uis dem Personennamen Lug-hamn Rl 502. 161 a 25
und aus Glossen, die es teils mit rrclitairc, teils mit breithem erklären, was hier nicht paßt
Das in Contrib. 182 aufgestellte barn 'quantity' ist eine vox nihili, da barnih und bairtie in
den dort angeführten Zitaten zu bairenn gehören. — Zu sceirdim 'sprütze' vgl. in diabal ic
sceirded na n-nifccdh nadh Lism. L. 3713. Unter den Schneeflocken ist der sich verdichtende
Atem der keuchenden Flüchtlinge zu verstehen. — Echtya (iä) f., das heute Slieve Aughty
genannte Gebirge an der Grenze von Galway und Cläre.
26.
Läechri Bledma, bress Berba, tress tedma, tuir im Tharbga,
ri rorüad, rüamna gormga im Cholba soslüag Sadba.
Ir. T. III 13 § 25,42 § 50: laechri berba bres bledhma B^ laecrig H laechraid B bladma
B bereas B roruaid L ngormgai H goimgai L colbai H soludh B soluaig L soluaid B'
sluaig sil sadbai H sosluag cgo. ■
Briutfistnc.ke der älteren Lyrik Irlands. 15
Der Kriegerkönig von Bledma, der Kämpfer vom Berbaüusse, ein pest-
artig verheerender Ansturm, Herrscher rings um Tarbga, blutroter König,
rötlicher Glanz dunkelblauer Speere um Colba Sadba mit tapferen Scharen.
Bledma, wohl nicht verschieden von Bladma und vielleicht nur dem Reime mit ledma
zuliebe so geschrieben. Doch s. Hogan s. v. — Der Oi'tsname Cvlba ist wie colba Pfeiler'
ursprünglich Neutrum. Vgl. Cairpre Colbi Dinds. 21; / Colbu Hogan s. v. Colba Sadba 'Sadbs
Pfeiler wird sonst nicht erwähnt. Auch Taibga läßt sich nicht genau lokalisieren. Doch
zeigt die Erwähnung des Flusses Barrow, daß wir es mit Siidleinster zu tun haben. —
Meine Konjektur soilüag gi-ündet sich auf das Voi-kommen des Wortes in der nächsten
Strophe, wo es ebenfalls im Reim mit rorüad steht
27.
Imchomarc rorüad rogda d' fir imdich soslüag Sadba,
a iath na trenfer tigba üaim do thriath glegel Gabla.
LL 37 c 44 : sadha — 2« do threnfer im vierten Verse am Rande tnath.
Einen flammenden erlesenen Gruß dem Manne, der die treffliche Schar
von Sadb beschützt, von mir aus dem Lande der noch übrigen Helden
dem glanzvollen Herrscher von Gabla.
Als Beispiel des metrischen Fehlers a köen angeführt, was sich wohl auf die Wieder-
holung des Binnenreimes trenfer bezieht, der durch die Randbemerkung wegkorrigiert wird.
Fi reimt vielmehr glegel. — Die Ortsnamen Saab und Gabla sind beide bei Hogan belegt,
wenn auch ihre Lage fraglich bleibt. In einem von den Vier Meistern A. D. 876 zitierten
Gedicht wird König Aed Findliath ri slegderg Sadbn genannt.
28.
Nimthorba gaim, graif nimgaib, cia gäirit daim Dromma Nö,
ardomröet n Cairrgge Bläi, mad gabtha gäi düaine dö.
Tr. T. 111 12 § 21, 42 §46: ninithorbai M nimtorbai B gairni graip ningaib M gairnigip
niogaib B graiph- B' nimgeib L cid B garit BL doroma B domrasd B mad gaibthe duan
do B inagabtha L niagabthe M iiiagabt;ii B'.
Der Winter stört mich nicht, mich trifft kein Ungemach, wenn auch
die Hirsche von Druim Nö schreien: der König von Carric Bläi hat micli
empfangen, die Liedesspeere sind gut von ihm aufgenommen worden (haben
gut bei ihm verfangen).
Da Druimm No (Nao AU 640) in Leinster liegt, wird wohl auch Carraic Bläi dort zu
suchen sein. — In torbaim vermutet Thürneysen nach brieflicher Mitteilung ein Lehnwort
aus lat. turbare. Die Wendung nimthorba ist häufig in Gedichten, z. B. LB 232 m., Anecd. II
3, 17; femer nTgtorhand gach toir CZ X 53, 20. In LL 262 a ist nadattorbad mit nachattairmescad
glossiert. — graif (graiph B») ist doch wohl das aus lat. graphium entlehnte Wort fiir den
16 K. M
E Y Ett:
Schreibstift, auch vielleicht 'Brosche' ', welches eine der Entlehnungen mit unverändertem
Singular zu sein scheint (Thurneysen § 915). Denn der Gen. lautet CZ II 135 § 11 graiph
[i cinn mo deilge graiph). Daneben kommt bei Dichtern eine Form graph (graf) vor, welche
in SR 1341 von der stechenden Zunge der Schlange gebraucht wird [nathir rongäel, garh a
graph), dann oft in allgemeinerem Sinne 'Verletzung, Schädigung, Gefahr' oder dgl., wie z. B.
Lee. 347 a: ar ternam dün ascachgraf; LL 33a 12: riiac ramilt 'na graf cach geic; Betha Col.
C. ed. O'Kelleher 386, 12: mtna olc tiä giere graf. Diese letztere Bedeutung nehme ich für
unser graif an.
29.
A ri Femin, fäilte frim-sa, a rith mara buirb tar brüachaib,
a gnüis roderg, a rind ratha, a chomferg catha fri C'rüachain.
Ir. T. III 88 § 103: bruach BM rath B coimiearg h ri cruachan B ri cruach M.
0 König von Femen, heiße mich willkommen, du Sturz des wilden
Meeres über Küsten, du tiefrotes Antlitz, du Stern der Gnade, (fu Schlachten-
grimm gegen Cruachan.
30.
Cuim Chüalann, cia 'sin chüiciud noscongbann?
Do Domnall däilter in buiden büaball!
Ir. T. in 70 § 19 und § 22 : isin cuigeadh M coigidh B.
Die Trinkhörner von Cüalu, wer ist in der Provinz, der sie ergreift?
Domnall werde die Menge der Hörner zugeteilt!
Die Trinkhörner sind das Symbol der Königshen-schaft von Cüalu. Vgl. ein Gedicht
in Anecd. I 14 über die lenna flatha Irlands, wo auch coirm Cüalann erwähnt wird. Unter
der Provinz ist Leinster zu verstehen.
31.
Cuir failti frimm, a ri Röirenn, a lind bäiti büaball,
a glass ar oscaraib Erenn, a chostadaig Chüalann!
Ir. T. III 73 § 30: rim B rium ß' baiti ff baite M buidi BB>'.
Heiß mich willkommen, König von Röiriu, du Trank, der Trinkhörner
überschwellen läßt", du Riegel gegen feindüche Gäste Erins, der du Cüalu
verteidigst.
In 'Miscellanea hibernica' (Illinois Studies 19 16, S. 596) las ich lind buidi, ohne zu
beachten, daß bäiti mit seinem Reim &\ä fäilti die richtige Lesart ist Auch habe i«5h dort
oscar nicht gut mit 'dunce' übersetzt, was hier nicht paßt.
' Wenn es in der Stelle Trip. 92, 7 dorochair a graif a hrut Pätraic diese Bedeutung hat
" Wöi'tlich 'ertränkst'.
Bruchstücke der älteren Lyrik Irlands. 17
32.
Ri Achaid Uir ibardraignig crathaid in lüiii lethanmerlig,
ocon maigin muiredruimnig Laigin ina lebargemlib.
Ir. T. in 12 § 17: crathaigh B craithig M.
Der König des eibendornichten Acliad Ur, weithin schüttelt er die
. plündernde Lanze : an der liocligratigen (?) Stätte sind Männer von Leinster
in ihren Hand- und Fußfesseln.
Der König braucht nur die Lanze zu schwingen und die Feinde sind schon unter-
worfen. — Acha'l Ur, jetzt Freshlbrd in dei- Grafschalt Kilkenny. — crathaid des Reimes
Achaid wegen =: crothaid. — Zu lün (ä) f. 'Lanze' s. 'Death-tales', Index. - — muirf-druimnech
enthält wohl mvire 'Herrscher', doch ist der Sinn des Kompositums schwer zu fassen
Vielleicht bezieht es sich auf einen Bergi-ücken, auf dem der Herrschei-sitz liegt. — lebar
yemel entspricht genau dem aus dem Altengl. entlehnten lany-fetir 'Langfessel'.
33.
A Mail Sechlaind, nit mess methchrainn,
airgfea Rechrainn rebthruimm rüaid;
a chliath chorrga thromda thogda,
dorrga thogla Temra tüaid.
Ir. T. III 88 § 105: nid T m B reacraind B thaghdha M teghdhai 2'.
0 Mäel Sechlainn, du bist keine Frucht eines siechen Baumes; du
wirst das kriegerische kampflustige Rechru plündern, du wuchtige erlesene
Phalanx spitzer Speere, du grimme Lanze der Zerstörung Taras im Norden.
Bezieht sich wohl eben o wie die folgende Strophe auf den 1022 gestorbenen König
von Irland Mäel Sechlainn '. Zu nJ mess methchrainn vgl. m Ini crätb crmfedo Ciilumb '('. war
kein Zweig eines welken Baumes' Rl 502, 122'' 26. — Rechru (nn) f. ist der Name mehr
als eines Ort«s. S. HotiAV. ünom. s. v. — durr-tja zu doirr 'Zorn, Grimm', wovon neuir.
ilirrrach, dorrdha abgeleitet sind. Vgl. doirr nä diuliad nä doichell CZ IX 486 § 2 ; cen dtiirr
Kr. V 66, 11; Metr. D. III 60, 81; GSg. do druim a doirri' ib. 56, 41, und das Adj. doirrech
'zornig' in dem Eagennamen Dubän Doirrech YBL 325c 2.
34.
Mäel Sechlaind mac Domnaill dathgil, dorn i Tailtin tulgatänaig,
daig nä daim crannchor, nio chara, anfud mara murbratänaig.
Ir. T. III 71 § 25: daithgil T daithghil ß nach MT crannchar B anfad BTH mulbra-
tanaigb H.
' Die inittelir. Form vom altii-. Sechnaill. Vgl. unten Nr. 105 (9. Jahrhundert).
PhiL-hist. Abh. 1919. Nr. 7. 3
18 Iv. Meyer:
Mael Sechlainn, Sohn des weißfarbigen Domnall, der die Faust auf
Tailtiu mit geflochtener Brustwehr legt, ein Held wie eine Feuerflamme,
der keinen Loswurf duldet, mein Freund, Sturm des seefischreichen Meeres.
Tailtiu, jetzt Teltown in der Grafschaft Meath. Der Dichter will sagen, daß M. König
von Meath ist. — Lies vielleicht nad daim.
35.
Ingen laich as luchru a Laignib, nach len locht,
comsolus eter a failgib is a folt.
Ir. T. in 88 § 107 : luchra B lucru i M nis M.
Tochter des glänzendsten Kriegers von Leinster, der kein Makel an-
haftet, gleich hellschimmernd in ihren Armringen und ihrem Haar.
36.
Cuirn maicc Donnchada dlegait buidechas, buide benngella;
francaig fognama, fine chuindgeda, santaig senmeda.
Ir. T. III 91 § 128: fochama B focama M fognama ego.
Die Trinkhörner des Sohnes Donnchads verdienen Dank, gelbe Horn-
pfänder. Die fränkischen Söldner, ein begehrliches Geschlecht, sind gierig
auf alten Met.
Wie in den ersten Jahrhundei'ten aus Galliern, so bildeten irische Könige in späterei-
Zeit ihre Leibwachen oft aus Franken. Im 1 1 . Jahrhundert dienten dann öfters Wikinger
als Söldner an irischen Höfen, was u. a. aus einem Verse Mac Liacs hervorgeht: a Goill
's a amais imda Q7, VIII 226 § 18.
37.
Snäifid sruth na Müaide möire mine miadaige meraige
macc rig Clüana cröine crine ciabaige celaige cnämaige;
ricfa broinn na Berba birda brogda bägaige blöedaige,
öegaire bö Cerna is Clidna is Cnogba is Cäinrige is Clärmide.
Ir. T. III 89 § 1 1 7 : snaidfidh B cluaine M ciabaigh B colaige B ciallaighe T blaedhaighe B
baeglaige MT ricfa abhainn T cnodhba B cermna B caonraige is ciarruidhe is clarmidhe T.
Er wird den Strom des großen sanften berühmten wilden Moy
durchschwimmen, der Sohn des Königs vom dunkelgelben verwitterten
buschigen . . . knochenerfullten Clüain.
Bru<:hstikke der älteren Lyrik Irlands. 19
Er wird das Bett des Barrowstroms erreichen, des wasserreichen, ge-
waltigen, ungestümen, lärmenden, der Hirte der Rinder von Cerna und
Clidna und Cnogba und Cäinrige und des flächereichen Meath.
Müad (ä) f. ist der heute Moy genannte Fluß, der sich in die Bucht von Killala er-
gießt. Welcher Ort mit Clüain gemeint ist, .läßt sich nicht bestimmen. Cerna und Cnogba
werden auch sonst zusammen genannt. Ein Ort Clidna ist mir in Meath oder Bregia nicht
bekannt. Cäenrige wird LL 389b 11 als zu den /orsluinti der Ui Briüin Chüalann gohöris
erwähnt. — Die Lesart von M celaige (statt ceölaige) ist vorzuziehen, weil sie Reim vmt vteraigfi
gibt, obgleich ich das Wort nicht übersetzen kann. — öegaire bö wie (mackail sWgtkey laich
Rl 502, 86 a 14.
38.
A Dorchaide delbdathaig, a del tressa tromthoraig,
a minn marcslüaig munchoraig, a maicc charprüaid Chonchobair.
Ir. T. in II § 15. 41 §44: delchataig fl delbcathaigh Ä dcil H delb Ä truthoraig L
tromtoraid B torthoraig ff' tromtura^ U mic HB carpruaid HB corpruaid L crapcruaidh /?'.
Dorchaide, du schöngestalter, Schlachtrute des schwergehäuften Kampfes,
Diadem der halskettengeschmückten Reiterschar, leibesstarker Sohn Con-
diobors I
Dorchaide als Eigenname auch Düanaire Finn 25, 4. — munchnraih fasse ich als ein
von * muin-chor 'Halskette' abgeleitetes Adjektiv, das TBC 2804 substantiviert vorliegt {muin-
cliorach n-argait im chechtar n-ät), wo LL fälschlich mrmchoOrach liest. Ein muinchorach
mit ganz anderer Bedeutung findet sich Anecd. III 29, 3 amämdervMar do imvg a mmäthar
muinchoirchf mTairliche, mo chäine cetmuintire 'damit ich nicht durch die Erpressung ' ihrer
betrogenen übelberatenen Mutter, meiner schönen Gattin, geschädigt werde'.' Dieses rnuin-
chorach stelle ich zu main {maoin FM 866) "Betrug' ( Death-tales, Index) und cor 'Vertrag'.
39.
Ardn Ele airechtach, cöem in cele coimsercach:
sochaide 'sa hoidid uair 5 chloidera chrüaid choimeltach.
Ir. T. III 12 § 18.
Der Überkönig von Ele, Haupt der Versammlung, hold ist der liebende
Gefährte; viele liegen in kaltem Tod durch sein hartes wohlgeheftetes
Schwert.
In Illinois Studie> S. 591 habe ich mimxerin<h und cnime'tach g<!druckt und über-
.setzt, ohne v.n bedenken, daß der Reim auf airechtach eine kurze ei'Ste Silbe erfordert.
' S. Laws Gloss. s. v. frrach.
' -derustar. Konj. Pass. zu di-reg-. Pedehsen § 794, 3.
20 K. Meyer:
40.
Bendacht üaim for P^thni n-ollguirm, ingen Domnaill däiles bir,
ica n-esbius, lar cüairt chathrach fo neim iiathracli,
eire ochtair cethrair bachlach sithchenn srathrach, srfiaim de mid.
Ir. T. III 72 § 28: uam H uaind M neam B strathruch // sriiamh T do B.
Segen von mir auf die glorreiche Ethne, die Tochter des speere-
verteilenden Domnall, bei dei- ich nach einer Runde durch die Stadt, wo
icli nichts als Schlangengift erhielt, einen Metstrom getrunken habe, der
eine Last für vier und zwanzig langköpfige Kerle mit Packsätteln ge-
wesen wäre.
41.
Cia ö thucais-siu, a fir cerdda, in ndelg n-arcait gil?
is döig lemm-sa is e macc düasach Domnaill doridnacht.
Ir. T. III 20 § 56 : tucaisiu — in delg arcait — leam dorn — .
Wer ist's, von dem du die Brosche von weißem Silber erhalten hast,
0 Mann der Kunst? Es will mir scheinen, es ist der freigebige Domnall,
der sie geschenkt hat.
Als Beispiel von debide docheil a chubaid 'debide. das seinen Keim vei birgt', so ge-
nannt, wtil logisch zusammengehörende Worte [fer cerdda, mac Diimnaill) hier durch di-n
Reim auseinaiidergerissen sind. — doridnacht mittelir. Prät. Pass.. während es im Altirischeu
aktiv ist.
42.
Muinter üi Chonchobair, crö tend imm thigerna,
ruibne na roglöire, ogmöire ilerda.
Ir. T. III 92 § 136: 6 Conchubar T thenn T ilarda M.
Die Familie des Enkels Conchobors, ein fester Hag um einen Herrn,
große Scharen des großen Ruhmes, Gelehrte mancher Art.
ogmoir, eig. ein 'Ogamist', ein in der Kenntnis des Ogam Bevi'anderter. Vgl. Morann
mac Mniti int ogmoir CZ III 15: fö lim cen cop ogmöir 'es ist mir einerlei, wenn er auch
kein Ogamgelehrter ist' Ir. T. III 73 § 31. Davon ogmöracht f. 'Oganikunde' AU 1328.
43.
Ua Bricc Bregain, önd Licc Lebair ticc i Temair toraib,
muir dar Mumain, daig nä dubaig, traig dar tulaig Tomair.
Ir. T. III 73 § 32: brecaim H ta.r H.
Brtichstiwke der älteren Lyrik Irlands. 21
Der Enkel Brecs von Bregon, vom Langen Stein kommt er mit Kriegs-
haufen nach Tara hinein; ein Meer, das sich Ober Munster ergießt, eine
Flamme, die nicht dunkel wird, ein Fuß, der über Tomars Hügel hinweg-
schreitet.
Bregon (Mag Bregoin) liegt in dem Femen genannten Gebiet in Munster. — Die Lage
von I>ecc Lebar ist mir nicht bekannt. — Statt nä dnhaig ist vielleicht nad dubaig zu lesen.
— Unter Tomur ist das Gebiet der Ui Thomair zu verstehen. S. Sitzungsber. 19 1 8 S. 1033.
44.
Nert tar buidne, cert co cuibde, fuidle faidbe,
troich do tbinme, triall dar Tidle, rigne imm Raigne.
Ir. T. III 75 § 37: faibhdhe M troith M.
Gewalt, die sich über Scharen erstreckt. Recht mit Fug, ein schnelles
Aufräumen, Vernichtung von Todgeweihten, ein Marsch über die Grebiete
von Tidel, ein fester Griff um Raigne.
Der Gefeierte ist nicht genannt. — fiädte NIM. \on fuidel(l) (ä) f. 'Überbleibsel'.
Vgl. fuidlp na erand Corm. § 76. — faidbe scheint mit Metathesis (nr jaibde zu stehen, NPl.
\im fobaid •!• lüath nö etgaidh O'Cl. Vgl. (eich) crechfobdi 'beutegeschwinde Pferde' Br. D. D.
§51: ferner laich angbaidi faidbe (Ir. Nenn. 75 § 37. Das Abstraktum dazu fnibde (iä) f.
kommt Er. IV 136, 13 vor [faibde rath), wo eine Hs. ebenfalls die Metathese hnt. — tinme
r= tinbr, .\b8tr. zu to-ind-btn-. — Tidel, Druimm Tidil, Cell Tidil sind ebenso wie Kaigne
Ortsnamen. Hier liegt der API. vor. — rignf (iä) f., eig. 'Steifheit'.
45.
Ri Raithlind, rose maillech, muir Manann,
li dathphill, doss duillech, delb canann.
Ir. T. m 96 § 153.
Der König von Rathlinn, ein mildes Auge, (wie das) Meer der Insel
Man, schimmernd wie" ein farbenreiches Roß, ein blättergeschmückter Baum,
von Aussehen und Gestalt ein junger Wolf.
Raithlinn ist die Form des Gen. auch in Lism. L. 2143, wo es auf aiffrinn reimt. So
st auch ib. 2124 im Re'm mit maithgrtim zu lesen. Vgl. ferner Eoganaiht Raithlind Rl. 502,
149a und s. HoGAN s. V. — Die See um die Insel Man herum ist wegen ihrer Klarheit und
Durchsichtigkeit berühmt, worauf sich auch wohl die Bezeichnung Mutr Menti für die 'Irische
See' bezieht.
22 K. Meyek:
46.
A öclaig öic, nochon urusa do thathäir,
is mör do nert, is acat atä cert Cathäir.
Ir. T. III 75 § 36: nuclian H do tair H.
Du junger Krieger, dich zu schmähen wäre nicht leicht; groß ist
deine Macht, du bist im Besitze von Cathäirs Rechten.
Wohl an einen Nachkommen König Cathäirs des Großen (4. Jahrhundert) gerichtet.
47.
Conchobur cath merggech mör tentech tren,
diburcud d'arm rindech rüad grindech ger.
Ir. T. III 82 § 60: diburgad H dibrugad B dibrugudh M.
Conchobor mit standartenführenden großen feurigen starken Schlacht-
haufen, der ein spitziges rotes grimmes scharfes Geschoß schleudert.
48.
Rüaidri Rätha Broccäin bricc, beimm dobeir nathair do neoch,
üa rig Chairn, dann bräthar Briain, is dath ind fiaich for a eoch.
Ir. T. III 78 § 48: dath f'ola in fiaigh arxochu M dathtuirb ind tiaich // ar codd.
Rüadri vom bunten Räith Broccäin, ein Natternstich für alle, Enkel
des Königs von Carn, vom Bruderstamm Brians, mit seinem raben-
schwarzen Roß.
tiber Räith Broccäin s. Hogan. Welches Carn gemeint ist, läßt sich nicht sagen.
49.
Gec ro-äs a hOrchaill Ulad, üall co Her,
räd nad chehd, is län di nemib co nem.
Ir. T. III 20 § 58, 47 § 80: rofas HB hörcaill H horcaill B radh B dal F do fi dia L
neim HB.
Ein Zweig, der aus Orchaill in Ulster erwachsen ist, ein Stolz bis
ans Meer, eine Rede, die ihr nicht verheimlicht, — voll ist er von Giften
bis hinauf zum Himmel.
di nemib, d. h. von tötlicher Wii-kung für seine Feinde. Vgl.^ oben Nr. 10. — tlber
den Ortsnamen Orchaill s. unten Nr. 107.
BrucMtilcke lier älteren Lyrik Irlands. 23
50.
Miscais na ngataige gaibes tech Temra,
sraigles na slataige, seig foltfinn Ferna.
Ir. T. III 74 § 34: gebas.
Der Haß aller Diebe, der von Taras Haus Besitz ergreift, der die
Räuber geißelt, der blondhaarige Habicht von Ferna.
Auf irgendeinen Oberkönig von Irland. — miscais d. h. Gegenstand des Hasses. —
Der Reim Temra: Ferna weist ins 9. Jahrhundert.
51.
Brigit büadach,
büaid na fine,
siur Rig nime,
när in duine,
eslind luige,
lethan breö.
Rosiacht nöibnem
mumme Göidel,
riar na n-öiged,
öibel ecnai,
ingen Dubthaig,
duine üallach, ^
Brigit büadach,
bethad beö.
Ir. T. 71 § 36: aidead // aiged LL brigid uallach ß.
Die glorreiche Brigitta, der Ruhm ihres Geschlechtes, Schvi^ester des
Himmelskönigs, hehr ist die Frau, gefahrvoll bei (falschem) Eidschwur,
eine breite Flamme.
Sie hat den Himmel erreicht, die Pflegemutter der Galen, den Fremden
willfährig, der zündende Funke der Weisheit, die Tochter Dubthachs, eine
stolze PYau, die glorreiche Brigitta, die Lebendige des Lebens.
52.
Bairri breo bithbüadach,
büaid mbetha brethadbail,
ruithen reil rathamra
24 K. Meyer:
ruithniges Ebennag,
lia lüagmar lainderda,
ni lüad nach liüin.
E5 örda ilchrothach,
üaisliu cach cäinchumtach,
aire ard ollairbrech
ernes cach n-olladlaic
do buidnib balcBanba,
barr broga Briüin.
Ir. T. III 57 § 107: mbreatha B luagh B uaisli B nadlaicc B.
Barri, ewig glorreiche Flamme, Ruhmestitel der gewaltig urteilenden
Welt, heller Strahl wunderbarer Gnade, der Eber's Ebene erleuchtet, glän-
zender kostbarer Stein — das ist keine Rede irgendeines Schwächlings.
Goldener vielfarbiger Lachs, erhabener als jede schönste Zierde, hohes
Haupt mächtiger Mengen, der den Scharen der gewaltigen Banva jeglichen
großen Wunsch gewährt, Krone von Briöns Land.
Auf den heil. Findbarr von Cork, der von Briön, dem Sohne Kchaids Mugmedöin,
abstammte. — Ehermag, poetische Bezeichnung des Südens von Irland nach Eber mac Miled.
Zu ni lüad nach liwn vgl. cen labra len Lism. L. 2137.
53.
Descert Laigen longphortach, limtha a n-airm rigni rüada,
clanda finda Fergusa, fir dia ndernus-sa düana.
Ir. 1'. III 89 § 98: laigin-demusa.
Die Männer von Süd-Leinster mit seinen vielen Lagern, ihre harten
roten Waffen sind geschliffen, die echten Nachkommen des Fergus, Männer,
für die ich Lieder gemacht habe.
Auf die Li Fergusa, die zwischen dem LiflFey und Wicklow in Leinster saßen.
54.
Is maith a thigedus, is tenn a menma-som,
is mor a midemnus ar met a selba-som.
Ir. T. III 92 § 137: tigedus B teand B midibas M sealbhason B.
Gut ist seine Hausführung, fest ist sein Sinn, groß seine Urteilskraft,
— der Größe seines Besitzes angemessen.
Zu iiffCffn.s s. Ais!. M. s. v. — midemnus findet sich im GSg. in SG. 402. 28: do reir ma
miiiemnais-s' . ,
Bruchstücke der älteren Lyrik Irlands. 25
55.
At maithi a tige-som, at imdai a ithlanda,
at möra a fine-som, at imdai a söerchlanda,
at süairce a saimleptha, at läna a lethrenna,
büailte, it e a tairberta, at terca a döerchlanda.
Ir. T. ni 92 § 138: maith B imda B ad B saimlepa B samlepdha 31 ad B letrenda B
atearca B.
Gut sind ihre Häuser, zahlreich ihre Tennen, groß ihre Familien, zahl-
reich ihre Edlen, angenehm ihre Betten fiir Paare, voll ihre Wagengeschirre,
ihre Geschenke sind Viehherden, wenig zahlreich ihre Unedlen.
saimleptha im Reim mit tairberta. Hier haben wir in saim das mit aind. samdh, Xma
usw. verwandte Wort, das auch in sam-ildänach vorliegt. Vgl. ferner saim 'Joch' Corm. 514
und 1167; NPl. deich samn -i- länamtia Er. II 4, 12. — lethrinn (auch Nom ^/Mn«) scheint
'Gurt, Strang' zu bedeuten. S. Windisch TBC. S. 548 Anm. 2. Hier bedeutet es wohl die
Zugketten oder Geschirrtaue, die mit Ochsen und Pfei-den angefüllt sind.
56.
Ni mö gräd Gallbraite
ri hüa Cein Conchobar
do chor 'na inarad,
's e so a fir,
indä nodibuirged
län glaicce glasubull
i roimse romessa
i medön ardchaiUe
üa Rig na rig.
Ir. T. III 95 §145: inainnarad B innainnradh M ise codd. inarodibi'aiged B anda-
nodibuirged M glaslibhall B uad ri M.
Gonchobur vom Stamme der Ui Chein liebte es um nichts mehr,
Wikingerbeute in sein Gewand zu stecken — das ist die Wahrheit! —
als wenn im Überfluß der vollen Ernte inmitten eines hohen Waldes eine
Handvoll grauer Äpfel vom König der Könige herabgeschüttelt wurde.
Ein üa Cein wird AU 1096 al.s König von Tir Ciaräin (Tirkeeran) in der Grafschaft
LondondeiTy genannt — Zu inarad vgl. ionaradh 'clothing" O'R., das Nom. verb. zu maraim. —
roinuie 'Überfluß, P'üUe, Segen' (aus *ro-metse} auch Triads §202, LI' 91a 2, 0"Dav. 1399.
Dazu das Adj. roimsech, z. B. rTatt r/jim-ech 'volle Flut' CZ XI 159 § 166.
Phil..hUt. Abh. 1919. Nr. 7. 4
'2C) K. M E Y E K :
57.
Ricfat mo rainn ratha räid co hüa Flainn flatha findnäir,
cnüas crinmainn crainn cartait mäil, in diglaim daill do dingbäil.
Ir. T. 111 69 § 10: cnuas om. codd. crinmaind (-i- cnuas) M cai-dait B cardat M ni 3/,
Meine Stanzen der holden Rede werden zum Enkel Flanns, des ge-
segneten hehren Herrschers, gelangen; eine Ernte der Dichtkunst vom
Baume, den die Dichter lieben, um die Nachlese eines Blinden aus dem
Felde zu schlagen.
Die 'Nachlese eines Blinden' ist wohl auf einen Nebenbuhler in der Gunst des Königs
gemünzt.
58.
Semplän sobartach,
süi na sabgaile,
drüi derg donnbuide,
' Cü Rüi in rindmaige,
rigan na rön;
is e fiiaramar
ÖS a firglennaib,
is daig didairigen
in duine mör.
Ir. T. 111 94 § 144: Seamblan B sobartach sai codd. drai codd. curai B daidh B is
duine M.
Semplän mit tapferen Taten, ein Meister des Speerkampfs, ein roter
dunkelgelber Druide, der Cü-Röi des Schlachtfeldes, eine Königin der See-
hunde. Er ist es, den wir über seinen getreuen Talschluchten gefunden
haben, — eine gewaltig starke Flamme ist der große Mann.
sobartach, i. e. * so-bertach. — 'Dunkelgelb' wird sich auf die Haar-, 'rot' auf die Haut-
farbe beziehen. — rind-mag, wörtl. 'Speerebene'. — Cü Rüi. der berühmte Sagenheld aus
Munster.
Bruchstücke der älteren Lynk Irlands. 27
B. Spott- und Schmählieder.
59.
A Domungoirt,
a drond geöid iarna gabäil,
a gemm dubgorm demain,
a bachlaig bäin imm brait,
a bei caillige cäiche,
a chonadmairt chicaraig
nach can ceöl isin chamäir,
a cliossa cromma crebair,
a chrüachaigi lenaim laic,
nir lessaigis in säithe.
Ir. T. lU 103 § 200: a doma M geuidh M iarna gabäil mn. B geaiii B connadhmairt M
cicaraigh B nacan M cAruachaidbi B cruachaiti M niralcssaigis M.
Domungort, du Höcker einer Gans, die man gefangen hat, du schwarz-
blaues Juwel von einem Teufel, du blutleerer Geselle, auf Diebstahl er-
picht, du Lefze einer einäugigen Nonne, du gieriges gefräßiges Stierkalb,
das kein liebliches Lied am frühen Morgen singt, du krummbeiniger
Käfer, geschwollener Bauch eines schwächlichen Kindes, du hast die
Wissenschaft nie gefördert!
Mit Ausnahme von Vera 3/4 hat die Strophe Kettenstabreim. Man beachte die ver-
schränkten Reime. — Domungoirt, wohl absichtlich statt Domunyairt, ein Wortspiel mit goirt
'hungrig'. — Zu conad vgl. conadh 'a greedy appetite; rage, fury' O'Bi-. und calma re conad/i
a chrc.fs AU 1357 (im Reim mit ol/am). — hnab lac auch Ir. I. III 93 § 141.
60.
A mir do duiniu, a delb in demain,
a chir i cuiliu, a chrebair chuilig,
a athbrö ichtair, a airbe ibair,
a 51 iar n-itaid, a inair uidir!
Ir. T. ni 91 § 127: duine B cuile B cuili M airbi M.
Du Knirps von einem Menschen, du Teufelsgestalt, du Kamm in der
Speisekammer, du geile Schmeißfliege, du abgenutzter unterer Handmühl-
stein, du Zaun aus Eibenholz, du Trunk über den Durst, du schmutz-
farbener Leibrock!
4*
28 K. Meyer:
61.
A üi Flannäin, a läir mall,
a lethchoss geöid, a glass chamm fo gäir Gall!
Ir. T. III I02 § 190: ailandain B ahui flandain M geid B glais cham B glas cham M.
Enkel Flannäns, du träge Stute, du einbeinige Gans, du krummer
Riegel, wenn das Schlachtgeschrei der Wikinger ertönt.
Die Lesart ui Flannäin ist Ulandäin deswegen vorzuziehen, weil sie Stabreim mit täir
gibt. Die Ui Flannäin werden in Rawl. 502, 119b 47 als ein fwsUnmud der üi Labrada
erwähnt, die in der heutigen Grafschaft Down angesiedelt waren. — a lethchoss geöid, wört-
lich 'du eines Bein einer Gans'. — a glas chamm, Nom. pro Voc. des Reimes wegen. Der
Dichter schmäht, daß er dem Ansturm der Wikinger nicht wie ein festverriegeltes Schloß
standhält. Vgl. oben Nr. 2 glass glüairgrinn fri gente. — fo gäir 'beim Erschallen des Schlacht-
geschreis'.
62.
A brollach snedach srethfiar, a fiacla con ar cloich äilig,
a üi Thadcäin, a thoUtimpäin, a meic Alcäin, a bi ar burd
Arddäin, a säibfir!
Ir. T. III 99 § 165: srathfiar M srethar B ui om. B mc B ardain B.
- Du lausiger schiefstreifiger Busen, du Hundegebiß auf einem Stein
im Düngerhaufen, Enkel Tadgäns, du durchlöcherte Zimbel, Sohn Alcäns,
du Pech auf der Tafel von Ardän, du falscher Mann!
snedach = kymr. ntddog. — In Anbetracht der Regel, nach welcher der Dichter Namen,
Abkunft und Wohnort des Besungenen erwähnen soll, fasse ich Ardän als Ortsnamen.
63.
A meic düir daill iflfirnn, a thicäill,
a graphainn ar gairdi do gipäin,
a geöid iarna gabäil,
a feöil tarra togäin,
a ithe i mil etaig, a üi brecaig Britäin.
Ii-. T. III 103 § 193: thigaill B ar grapaing B ar grapbaind ad gairde H gibain B
gibbain M ghabail B i bhregaigh B hui bregaidh M.
Du harter blinder Sohn der Hölle, du mit der dicken Backe, du
Rennreiter mit deinem kurzen Lumpenkleide, du Gans, die sich hat fangen
lassen, Bauchfleisch eines Eichliorns, der du dich von Kleiderläusen nährst,
du lügnerischer Sohn vom Stamme Britäns.
Bruchstücke der älteren Lyrik Irlands. 29
ticäill aus tiy-gäill. Vgl. gäilleavh jaw, gum, cheek' Dinneen. — a graphainn u»w.,
wörtlich 'o Pferderennen wegen der Kürze deines Lumpenrocks', d. h. du siehst wie ein
Jockey aus mit deinem kurzen Rock. Zu gipän m. vgl. heutiges giohög f. Vag, fringe'. —
Zu ithe i rnJi etaig vgl. Inngad i scdtaib scihair von PfeiTerkörnern speisen' Aisl. M. 71,30.
— Die Ui Brittäin gehörten zu dein in der heutigen Grafschaft Carlow ansässigen Sil Meldae.
S. Rawl. 502, ii8b 27.
64.
Adastax lära i Uäim, leccu phüit dar pundainn,
cenn crüaid con ar cäirig,
maite odar äilig,
lue fri lüag, leccu chüar, üa Con cüan, ni cundail.
Ir. T. ni 82 § 64: phuint B puint M chairig M maidi B öilig H lue ri log H luige re
log B lue (-i- luac) ri luag M ua chuan B conchuan M. ^
Er ist der Zaum einer Stute in der Hand, die Seite eines Klotzes (?)
«her einer Garbe, ein grausamer Wolfskopf auf einem Schaf, ein schmutz-
farbener Knüppel auf dem Misthaufen, einer der seinen Lohn mit Füßen
tritt, eine schiefe Backe, der Sohn vom Stamme Cü Chüans, — er ist
nicht gescheit.
Sowohl /wtV (Nom. />o/?) a\s puint (Nom. /jon/ ?) ist rair unbekannt. Ich nehme zweifelnd
ein wort püt^ an, das vielleicht aus altnord. bütr 'Klotz' entlehnt ist. Oder wäre kymr. />ic<
any. short thing' heranzuziehen? — Imge re log (B) 'Eidschwur vor dem Lohn' scheint
keinen Sinn zu geben. — Die £7« Chon Cüan gehörten zu den Üi Choncholmir (O'Connors),
s. RawL 159 b 56. — cundail aus *cam-dil = kymr. cynnil.
65.
Muiredach mant capaill chröin, cü dar cössib,
carpat bö bricce for benn, bei daim dona Dessib.
Ir. T. 111 81 § 57: croin eodd. tar H beind H.
Muiredach, Kinnbacke eines gelbbraunen Gauls, ein Wolf, der sich
Ober Ferkel hermacht, aufgespießter Gaumen einer bunten Kuh, (Jchsenmaul
aus Dessi.
mant, Lehnwort ans dem Kymiischen. Vgl. mant in merhaill Ir. T. III 100 § 172, etwa
'stammelnder Gaumen'; Corni. § 897; Threc Fragm. 146, 12.
' Im Schottischen bedeutet piil 'a large buoy, generally of iiifliited sheepskin'.
30 K. Meyer:
66.
Methmac Muiredaig, mesce chirmairi, crossän liath ic linn,
screpall ar feöil n-aige, önmit ar eoch mall,
breccar claime i cinn.
Ir. T. III 84 § 71: methmc codd. aglind B feoil eoinmhe/ ar eoch B brecör H brec-
cor M s. B.
Der feiste Sohn Muredachs, trunken wie ein Kammacher, ein grau-
köpfiger Possenreißer beim Suff, ein Heller, den man für Kalbsfleisch zahlt,
Hansnarr auf einem faulen Gaul, gesprenkelter Aussatz auf dem Kopfe.
Wenn methmac zu lesen ist, wäre die Bedeutung etwa 'dekadenter Sohn'. — cfrmaire
ist in meinen 'Contributions' unrichtig mit 'fuller' übersetzt. Zu den Belegstellen kommt
noch: Triads § 117; Three Fragm. 222, 23; Betha C'olm. § 6.3; Ir. T. III 104 § 27. — breccar
im Reime mit screpall. Zum Suffix vgl. g/axar 'verdigris' Thes. II 417 a; ferner lassar, und
sijhe Pedersen II'SO.
67.
Uch, a Lorcäin, isat lac, ni mö is räiti rit, a drüith,
a choss diochtäin riä (?) catt, ocus corr dlüith ina diaid.
Ni geba tiiaignim ri tenn, a thamain chrin fo choiss chäich,
a bun fleda ar cüaillib cell, a chäith lin i lladair fiaich!
Ir. T. III 80 § 54: isid lag BB>> isat olc H ri H tuaignem BB'' tuaigneim M a cos BB'>
caich H chaech BB^ a lagair B a laghar B^ illathair M.
Wehe, Lorcän, du bist schlaff! Mehr ist gegen dich nicht zu sagen,
du Narr. Du Fuß eines Trichters .... Katze und eine feiste Krähe
hinterdrein. Du sollst nicht in den gewölbten Himmel kommen, wie sehr du
dich auch anstrengst, du dürrer Holzklotz, den jeder mit Füßen tritt, du
Rest eines Schmauses auf den Pfählen von Kirchen, du Spreu von Flachs
in der Klaue eines Raben!
riä ist mir unverständlich, wie überhaupt die ganze .\nspielung. — Da geba und /Wo
reimen sollen, wie auch in Vers 2 und 4 dreifacher Reim vorliegt, i-.t geba Konjunktiv.
68.
A drüith. cid täi dom airbire,
dia tue duit mnai co mbungile?
Isint samrud isaid tii do säith don arbur
is d'feör adbul i nUrbile.
Ir. T. III 100 § 170: cid dai M da tucar B da tncur JU mbuinghile B do feor B arbhuiie B,
ßj~uc/isti"/cke der älteren Lyrik Irlands. Hl
Du Narr, was fallt dir ein, mich zu schmähen, wenn ich dir ein Weib
mit weißem (4esäß gebe? Im Sommer sollst du dich an Korn satt essen
und an üppigem Gras in Urbile.
Meine Besserungen htc und d'feör geben die nötigen acht Silben. — Zu hungik vgl.
rin seist- barrghlais buinyhil Acall. 1545: aball harrglas bungel Er. IV 116. — Hogan Onom. 21 a
hat einen Ortsnamen Airhile, sch(;int aber anzunehmen, daß das V'erschreibung für Ard
Bile ist.
69.
A fetänaig, a chornaire, a chleraige,
a flss fon txr, a chriss cen sein, a scclaige!
Ii». T. III 70 § 18: feadanaig BT chliaraige BT fan B gan B.
Du Pfeifenspieler, du Hornbläser, du wandernder Musikant, du, den
das ganze Land kennt, du Gürtel ohne Messer, du Geschichtenerzähler!
fetänach findet sich auch Alex. Z. 469 mit nrgänach, comaire, cuslennach usw. zu-
sammen. — cteraige entspricht dein kymr. cUrddyn, derfardd.
/ 70.
Ingen gobann ben na cerdda,
gnüis roglasse is rodergga.
Ir. T. III 60 § 1 20 : in gobann codd. in cherdda B..
Eines Schmiedes Tochter ist die Frau des Goldarbeiters, ein Gesicht
von tiefer Blässe und hoher Röte.
Die Besungene vereinigt auf ihrem Gesicht die Spuren ihrer Herkunft aus der Schmiede
des Vaters (rodergge) und ihrer jetzigen Umgebung, der Werkstatt ihre.s Mannes {roglasse).
Man beachte die kreuzweise Anordnung. Zwischen cerdda und rodergga besteht Debide-Ri'ini.
71.
Düngal meta üa Mail Inmain,
athchaillech ic imthecht idraid otraig,
Düngal duine i cnuc ac creic a anma ar echtaib,
ürad buide ar brat gamna, glac duibgeltaig gortaig.
It. T. in loi § 182: mael B otraigh M othraidh B icrec B acreic JM ar achtraibh M
uradb B.
Düngal der Feige, Enkel Mael-Inmains, eine abgelebte Nonne, die über
kotiges Flechtwerk spaziert; Düngal, ein Mensch, der seine Seele auf einem
32 K. M
E Y E R ;
Hügel zu sclilecliten Taten zum Verkauf ausbietet, gelber Flicken auf einem
Mantel aus Kalbsfell, Faustgriff eines hungernden düsteren Irren.
id-rad (o) n. fasse ich als Kollektiv von id 'Gerte'; otraig, GSg. von otrach (o) n. 'Kot'
im Reim mit gortaig. — Vielleicht hat echtaib der quantitierenden Assonanz wegen kurzes e,
wie auch die Lesart von M zu zeigen scheint; dann steht es vielleicht fiir /echtaib. —
Zu ürad vgl. ürad a brat the renewing of his cloaks' BR 222, 21.
72.
Rocüala ni tabair eochu ar düana:
dobeir am as düthaig dö: bö.
If. T. m 67 § 3 : docuala R rochuala BT nithobaii- B nithabair M ara H indi B inni T
is codd. dual H dubhaigh T.
Ich habe gehört, daß er keine Pferde (zum Lohn) für Lieder gibt.
Er gibt was ihm naturgemäß ist — ein Rind.
Statt anl as ist vielleicht a n-as zu lesen.
73.
A hüi Scandail, a scian espa,
a cherc usci, a choss escra.
Ir. T. in 102 § 191 : scandlain M ecra B.
Enkel Scandals, du unbrauchbares Messer, du Wasserhenne, du (Dünn-
leibiger wie der) Stengel eines Trinkgefäßes.
Ich kenne Ui Scandlain, aber keine Ui Scandail. — Coss escra ist bei O'Mulc. § 464
ebenfalls' in übertragenem Sinne gebraucht, und zwar zur Bezeichnung einer Landenge. Eis heißt
dort: Etnr -i- tor eile •/• is mbniig eite ar a meit, is tor ar a airde. Etur dano öndt as itur,
ar ata cos escrar^ a.s fura tJagar "Etar, d. i. tor eite (Turm einer Viehherde), d. h. er ist eine
Viehlandscliaft seiner Größe nach, ein Turm seiner Höhe nach. Etar wird auch von (lat.)
itur abgeleitet, denn es erstreckt sich eine cos escrae von ihm aus, auf welcher gegangen
wird,' was sich auf die schmale Landenge bezieht, welche das Vorgebirge Howth mit dem
Festlande verbindet.
74.
A Dalläin doburthanaig digrädaig,
a cammäin chrmlämaig chonfathmannaig chüaränaig,
a phitig phaitig phianänaig,
a thiagänaig etig aitig üarlämaig!
Ir. T. III 103 § 198: digraidhib B digradaibh M caniain B confacmandaigh B confach-
mandigha M fitigh M tiganaigh M.
Britchstiicke iler älteren Lyrik Irlands. BB
Dallän, du ehrenberaubter Unglücksmensch, du krummer, zitterhän-
diger, wolfszottiger Kerl, Sandalen träger, der du hinter Eßsachen und Flaschen
her bist, du Quälgeist (?), du häßlicher, spaßiger Beutelträger mit kalten
Händen.
diyrädaig im Reim auf chrinlämaig. — Zu fathmamiach \^. folt fochöel fathmannach
furri l"Tr.' 362, cach ßnna fathmainnech LU 81 a 13: ferner fada fathmunnchäel a folt Coii-
.\mii. 145. Wir haben es vielleicht mit einem Lehnwort aus altengl. fa&am in der Be-
deutung 'ellenlanger Faden' zu tun. — pTtech, Adj. z\i pit 'Ration' im Reim mit etig. — paitech
XU /laift (ä) f. 'Flasche'. Vgl. /)ai« wi«rfa LL Ii7a50, (iä ^oÄaiY yf«a LB 129 a 35, Gen. na paitte
LL 117b 2. — Zu pianänach vgl. /jfanön Nr. 163. — tVagänach, Ableitung mit der in diesen
Gedichten besonders beliebten Doppelendung -än-ath von fiay (ä) f. au,<! lat. theca 'Tasche,
Futteral, Beutel'.
75.
Nirb ingnad i tig Chrundmäil cäilfinnach
salann for arän cen imm: is menand
rosecc feöil a muintire amal seccas rüsc imm chrann.
Ir. T. 49 § 89. Vgl. 102 § 192: nib B nim Ä' taig L chunnniail // crandmail B mein
auu BB» mar seacas // rusolainn L rus craind B.
Es war kein Wunder, daß es in dem rutenborstigen Hause Crunnmäels
Salz aufs Brot gibt ohne Butter: das Fleisch seines Hausgesindes ist sicht-
barlich zusammengeschrumpft wie die Rinde um den Baum.
76.
A ben fuil isin chuiliu, in tabrai biad do duiniu?
in tabrai dam, a ben bfln. siiill, loimm, imm ocus arän?
Atä form, meni tuca biad im dorn,
bcr-sa th'enech, a ben bän, is indisfet dorn deäii.
Ir. T. III 65 § 133, ib. S. 182 Anm.: uil B' cuili Ä' tabraidh B' duine B' miiie B
thabra L berat B' henecch cen len // dodoan H.
Frau, die du in der Vorratskammer bist, gibst du einem Menschen
zu essen? Gibst du mir, u weiße Frau, Speck, einen Schluck Milch, Butter
und Brot?
Wenn du mir nichts zu essen in die Hand gibst, so bin ich ent-
schlossen: ich werde deine Ehre davontragen, o weiße Frau, und es meinem
Lehrer erzählen.
Zu atä form vgl. bäi for a menmandaiö a marbail Ilib. Min. 77 § 5. — d^än kommt
LL 369 d 57 als Personenname vor.
Phit.-hUt Abh. 1919. Nr. 7. 5
34 K. 31 1; V E K :
77.
Atä ben istir, ni abraim a hainm,
maidid essi a deilm amal chloich a tailm.
RC XX 158 § 7, H. 3. 18, 61 la: nach abar aium R esti H.
Es ist eine Frau im Lande, ihren Namen sage ich nicht; ein crepitus
bricht aus ihr hervor wie ein Stein aus der Schleuder.
78.
Aes däna ind rig co rinnib, cona cHaraib ceölbinnib,
cid bind la cäch dib a od, ni choistfem-ni a n-airfiteod.
' Fei. XCVI, O'Mulc. 830 d : ut dicitur aos dänae in rig co rinnib 7 rl. in F ceolbinde F.
Das Dichtervolk des Königs mit Versreimen, mit ihren melodiereichen
Scharen, — obwohl jeden von ihnen sein eigener Gesang süß dünkt, werden
wir ihr Musizieren nicht anhören.
79.
Goll Mena do muintir Gräcäin, Gall ac cnüasach cnö,
ballän i mbi bainne lomma, dallän Dromnia Bö.
Ir. T. III 88 § 108: gragain B acnuasach B icnuasacb T ambi baindi loma B imbi
banda loma 7' dalla B dallan T.
Goll Mena aus Gräcäns Geschlecht, (wie) ein Wikinger, der Nüsse
sammelt; ein Krug, in dem (nur) ein Tropfen Milch ist, armer Blinder
von Drumbo.
Min, Gen. Me/ia, ist ein mehrfach vorkommender Flußname, wie der des heute Main
genannten Flusses in der Grafschaft Antrim. Nach Norden weist auch Drumbo, das nach
HüOAN in der Nähe von Strangford Loch zu suchen ist. Muinter Gräcäm ist mir unbekannt. - —
dallän, im Anfangsreim mit ballän, in Anspielung auf den Namen Goll, der "einäugig' bedeutet.
80.
Goll Mena 'mun cromgabair, cerc i cill, crann eidnenach,
bert fleda for lomgabail, lind dedblenach drolmänach,
Brissiud stüaige ic stocairecht, stiüir d'fid lim long maUrämach,
cäinte büaile ic brocairecht, ben chamlämach chomdälach.
Ir. T. ni 89 §115: dromlanach T brisid B dof id lim B dofird lini M stiuirfidh lim T.
Goll Mena auf dem krummen Klepper, wie eine Henne in der Kirche,
ein efeuumgarnter Baum, einer, der eine Speiselast auf nackter Gabel
BruchsWcke der älteren Lyrik Trhincls. 35
trägt, ein kümmerliches Faßgetränk, einer, der beim Trompeten die Hand-
habe zerbricht, ein Steuer aus weichem Holz langsamrudernder Schiffe, der
Spottvogel der Gesellschaft bei der Dachsjagd, ein krummarmiges Weib,
zu jedem Stelldichein bereit.
Zu stüag (ä) f. im Sinne von 'a eircular handle' vgl. Laws I 134, 4. — O'R. hat
brocairecht 'thievery'; doch ist mir dais Wort sonst unbekannt.
81.
A hüi Scelin scutemail, a scol cille cinn ar chinn,
a folt gobann gatbeimnig, a chorann maccleirig minn.
Ir. T. IIT 80 § 56: screitlin B screlin M screllin S* air cbind M.
Du närrischer Enkel Scelins, eine Kirchenschule, die sich unterein-
ander zankt, Haar eines Schmiedes, der Reifen schlägt, geschorener Schopf
eines stammelnden Klosterbuben.
scutemail, zu sentit -i- gnnaige -i- ax röi faitchtsa fora mhi, nö cöi fäiihiuda do cäch e H. 3. 18,
78 b. Vgl. Corm. § 1194.
82.
Find üa Buide, lind i mblede,
diultad dona, ichtar eme.
Ir.T. III 86 §90: bleidhe M.
Finn aus dem Geschlecht der Ui Buide, ein Trank, der im Becher
bleibt, ein übler Verneiner, unteres Ende eines Messerheftes.
Es gab eine ganze Reihe von Ui Buidi genannten Stämmen in verschiedenen Provinzen
Irlands. S. Hoban, Onom. 663b und den Index zum Faksimile von Rawl. B. 502.
83.
A gilla duinn a Dermaig, ocata in ben donn deölaid,
a bruig ar brut trebraid, a thonn do chedlaib clerig,
is tu in caileeh d'Uib Cellaig, a chü clechtas ar cnämaib,
a düan ar airech n-ellaig, a fertas äraid d'Elib.
Ir. T. III 85 § 84: dermuigh B deolaig B bruig ar brat B a mias bruind (-i. brondaigh) JV
dib B chleachtus H feartais B
Du brauner Bursche aus Derry, der das braune, armselige Weib hat,
du Schmutzfleck auf einem Drillichmantel, du Welle von geistlichen Melo-
H6 K. Meyer:
dien, du bist der Hahn der Üi Chellaig, du Hund, der an Knochen ge-
wöhnt ist, du Lied auf einen Packgaul, du Leitersprosse von Ely.
hrviy, Vok. von brog, heute hrogh, 'filth, dirt, rottenness' Dinneen. — Der Plural Elib
bezieht sich auf die beiden Ek genannten Orte, FM TI 692.
84.
A Ui dinnim Dergäin, a drüith chäil ar chlocthaig,
a rand lern sech lecnaib, a chertaig ö Chorcaig.
Ir. T. III 90 § 119: Adinnim B ahu M chlochtaigh B a corcaig B.
Du schäbiger Sohn vom Stamme Dergäns, du dünnleibiger Narr auf einem
Glockenturm, du Körperteil, der weichlicher ist als (fleischige) Backen, du
Lumpenkerl aus Cork!
Die l'i Dergäin gehörten mit den Ui Gumäin und Ui Siläin chrecöra zusammen nach
Rawl. 502, 125 a 34 zu den Ui Dile Deogbairi, die forsluinti der Üi Lugdach meic Thüathail
Thigich' waren, alles Stämme, die bei Hogan fehlen. — lern -i- gach mäeth H. 3. 18; •/• cach
teith Corm. § 802, jedes Weiche , nicht mit Stokes 'everything warm". Vgl. Um Nr. 80.
85.
Ni fuilet a mäine, nocho mö atä a maisse,
nocho mor a gere, nocho dene acht braisse.
Ir. T. III 90 § 120: aocdene fwrbraise B.
Schätze besitzt er nicht: sein äußerer Anstand ist um nichts größer;
sein Witz ist auch nur klein; er tut nichts als renommieren.
86.
A mäelscolb do messair,
a eclas crainn, a chacc cuirre uidre ittige,
a eöin re n-ossaib,
a fertas a broinn bicire, a Brenaindl
li'. 1'. III 102 § 189: measair B eglas B etighe B rendossaibh B feartais B bicere M.
Du stumpfer Splitter von einem Trinkgefäß, du hölzerner Magen, du
Unrat eines dunkelfarbigen geflügelten Kranichs, du Vogel, der vor Hirschen
dahinflattert, du Stange aus dem Leibe eines . . . , o Brenainn!
eclas 'Magen', dessen Gen. Sg. ccli.i Wb 29 a 26 belegt ist, scheint in der späteren Sprache
weiblich zu sein. — bicire, das auf it/ige reimt, ist ein mir unbekanntes Wort.
' mac Maini m. Nadfraich m. Echach m. Dünlaing.
Bmehittücke der älteren Lyrik Ir/niid«. 37
87.
Cindus atä hüa Conaill ocus Conn macc Cinn-Fäelad?
Ina ndernsat fri macc nDubäin, ni rob uräil a n-äerad.
It. T. ni 85 § 82 : dersat M tri nie dubain B.
Wie steht es um den Enkel Conalls und Conn, Cenn-fäelads Sohn?
Für das, was sie dem Sohne Dubäns angetan haben, war es nötig, sie
zu schmähen.
88.
Drüth (Taileng cen intliucht, sacaird senoir ac süatliad,
traigle i nach uathad uidre,
muccaid lar maidm a charann, crossän machaire ic merle,
upaid i salann suirge.
Ir. T. III 85 § 83 : cenithucht -W sacairt sacairt M tiaigl'- taebh .)/ fiiidhre B maide B
rrosaiii H opaidh fi aiipaid M isanland M.
Der Narr der Gailenga ohne V^erstand, (wie ein) alter Priester beim
Brotkneten, ein Schuhriemen, in dem auch nicht die geringste blasse Farbe
ist, ein Schweinehirt, der sein Bein gebrochen l)at, ein vagabondierender
Hanswurst beim Stibitzen, ein Liebeszauber in Salz.
Der erste Vers ist um eine Silbe zu kurz. Es gab eine ganze Reihe Gailenga
genannter Stämme. — sacaird senöir mit vorangestelltem Genitiv. — Zu traigle gl. corrigia,
Ir. Gl. 74 vgl. C'ormac § 1253. — Zu der relativen Konstruktion i nach vgl. du nach slän acht
dt Uthhliadain Pass. and Hom. .5397. — In meinen Contr. ist cüathnd zu streichen.
C Totenklag^en.
• 89.
Batar inmuini in tri töib frisnä fresciu aithirrech :
töibäii Temro, töib Taillten, töib Äido maicc Ainmirech.
CS 598, FM 591, Tig. 597 (wo die Langzeilen umgestellt sind): inniain (' inniain na 7'
ionmin'ne tri M in ego frisnach freisge M tenuach T temni CM staobh aodha M.
Lieb waren die drei Seiten, die ich nie wieder zu sehn erwarte: die
traute Seite Taras, Tailtin's Seite, die Seite Aeds des Sohnes Anmire's.
Auf den Tod König Aeds von Irland, der 598 in der Schlacht bei Dun Bolg fiel.
Die Verse werden seiner Witwe in den Mund gelegt. .Sie enthalten ein Wortspiel auf
löih in seiner Anwendung auf Ortschaften (wie engl, loitntryside, riversidi-) und auf den
menschlichen Leib (Flanke). Vgl. attreb ukbit Timrn Alt. Dicht. I 17 § 4; Temair töibgi-l
Morthimchell Er. § 64 usw.
38 K. Meyer:
90.
1 Roböi tan ba lind orddain Loch da Dam:
ni bu e in loch ba horddan, acht flaith Äeda maicc Cholggan.
2 Cuma dam, nad mair cara rodomchar,
ce be focher trillsi treb tre innsi Locha da Dam.
Tig. 6io, CS. 609: ordan T ordain C nirbo 6 an flaith Aedh C mar C rodomcair C
rodumcar T cibe C trillsib T aninnsi C.
1 Es gab eine Zeit, da war Loch da Dam ein Wasser der Ehren;
es war nicht der See, der voller Ehren war, sondern die Herrschaft Aeds,
des Sohnes Colgu's.
2 Es ist mir gleichgültig, (jetzt) da der Freund, der mich geliebt hat,
nicht mehr lebt, wer es auch sei, der durch die Insel von Loch da Dam
hin geflochtene Wohnstätten errichtet.
Auf den Tod Aeds m. Colggan, Königs der Airgialla (Oriel) und Airthera (Orior) im
.]. 610. Die Lage von Loch da Dam (See der beiden Hirsche), wo er seinen Inselsitz hatte,
ist unbekannt. — Über trilis Tlechtwerk' in mannigfacher Bedeutung s. Marstrandeb, CZ
VII 3650". Aber er ist im Irrtum, wenn er trilis in Fei. 23. Apr. mit 'Schimmer' übersetzen
will. Es bedeutet, aufs Meer angewandt, wie folt und mong, den Wellenkamm. Es steht
öfters im Heim mit inis, z. B. Fei.' 90,31: CZ XI 156,4: Three Fragm. 34. 17.
91.
1 Ma domised-sa com thech üäe Mescäin Anfortach,
usce dorbach dombör dö fo bith gono Fergusso.
2 In tan doregat buidne ceniüil Chohnäin sech Cuilne,
iarmifoiset di suidiu sil Mescäin i mBlattiniu.
AU, Tig. 617: mai U mad domtisad immo teach T hua U ba anfartach T dober T cep
tan dochorat T.
1 Sollte der Enkel Mescäns, Anfortach, zu mir nach meinem Hause
kommen, werde ich ihm wurmiges Wasser geben, weil er Fergus er-
schlagen hat.
2 Wenn die Scharen von Colmäns Geschlecht bei Cuilne vorbeikommen
werden, werden sie die Nachkommen Mescäns in Blatine darum zur Rede stellen.
Auf den Tod von Fergus mac Colmäin Möir durch Anfortach üa Mescäin im J. 6 t 8.
— Nach HoGAN ist Blatine das heutige Platten oder Platin südwestlich von Drogheda. Cuilne
{Cvillne, Cuille) ist dann irgendwo in der Nähe zu sucheo. Die öic Cuillne stammen nach
Raul. 502, 121 b 55 von Breoda m. Echdach m. Däiri Barraig ab (vgl. ib. Z. 8). gehören also
zu den Ui Bairrche. Vgl. ferner rJ Crinna oms Cuilli Ir. T. 111 74 § ^3.
Brnclistilcke der älteren Lyrik Irlands. H9
92.
1 Tonna mora mörglana, griän rodatoigsetar,
inna churchän flescach fann for Conaing concoirsetar.
2 In ben rolä a moing find inna ehurach fri Conaing,
is cass rotibe a gen indiu fri bile Torten.
Tig. AU CS 621: marii U morglan T inogalna V rodaitigsetai' C rodbatoigsetar U
rodotoicsitur 1 iri curach tlesc fann U tleachadh find T coirsetar U condcoseatar T. AU
läßt die ivDtnte Strophe aug. mong T in T for G is ed T rotibi T bili T tortan TC.
1 Die tief klaren Wellen des Meeres, (und) der Sand des Meeresgrundes
hat sie (beide) zugedeckt : sie stürzten sich auf Coning in seinem schwanken
schwachen kleinen Boot.
2 Das Weib, welches seine weiße Haarmähne gegen Coning in sein
Boot geschleudert hat, — eine gehässige Lache hat sie heute gegen Bile
Torten aufgeschlagen.
Auf den Tod eines sonst unbekannten Conaing m. Aedäin durch Ertrinken in der See,
A.D. 622. Die Verse sind schwierig zu deuten. Ich fjisse tonna und ffriän als Subjekt und
beziehe das pron. inf. -da- auf Coning und sein Boot. Unter dem Weib mit der weißen
Mähne ist doch wohl das Meer zu verstehen; doch bleibt mir dann die letzte Zeile unver-
ständlich, da der Bile Torten genannte Baum sich weit Inlands in Meath befindet. Vielleicht
war dort Coiiings Heimat. So lacht auch die Morrigan. wenn Bluttaten geschehen. Fian.
16 §42: dreman in caisgen tibes.
93.
Docelat mör n-amra ind arteni
bite for ligiu Marcäin maicc Äeda maicc Marteni.
Conn. § 26: dochelit B lige codd.
Viel Wunderbares bedecken die Steinchen, welche auf dem Grabe
Marcäns, des Sohnes Aeds, des Sohnes Martenes, sind.
Wird König Güaire von Aidne (gest. 663 oder 666) zugeschi-ieben. O'Donovan meinte
(Corm. Tr. S. 4), daß die Strophe sich auf einen 650 gefallenen König der Ui Maine
namens Marcän beziehe. Dieser war aber ein Sohn Tommäns. S. CS 650, Tig. 652. Ein
Marcän m. Äeda wird Itawl. 502, 152 a 39 erwähnt, er war aber ein Enkel Fiachras.
94.
Ni cumma a n-inmaine, cetu cummai a feba,
fötän forsngenair Cellach ocus inti forsmbeba.
H. I. 8 (AU), fol. 24a: aainmhaine — fosngenair.
40 K. MEvrn:
Nicht gleich teuer sind sie (uns), obgleich ihre Wunderkräfte die
gleichen sind: die Scholle, auf der Cellach geboren ward und diejenige,
auf der er starb.
Bezieht sich wohl auf den Tod Cellachs niac Säräin, Abtes von Othan Mör (Fahan)
in Inishowen. S. AU 657.
95.
Grüaire: Cian ö thibi do gäiri. is ar n-aire fri döini.
atchiu for indaib t'abrat is tind galgat nochöini.
Ornait: Dethbir dam ceni antais adäm abrait di breissi,
ni bad fäilid Laidgnen clam cid e maras tarm eissi.
Corm. § 726 und 180: H. 3. 18, 64 c und 633: tibe C gaire C daine C nocbaine C in-
mabrat HH^ abra C ba C niatfailtc H nifaghadh fäilti i?' mara 7/ marus H' maras C (fl*)
marad C {B).
Güaire : Lang ist's her, seit du gelacht hast, — wir geben auf Leute
acht, — ich sehe es an deinen Augenwimpern, schmerzlich ist der Ver-
lust, den du beklagst.
(Jrnait: Es wäre nur recht, wenn meine Wimpern nie aufhörten von
Tränen zu tropfen : (denn auch) Laidgnen der Aussätzige würde nicht froh
sein, wenn er es wäre, der mich überlebte.
Ein Zwiegespräch zwischen König Uüaire von Aidne und Ornait, Pflegegeschwister
des hier betrauerten Laidgnen Clam oder Lobor (L. des Aussätzigen), den ich 'King and
Hermit' S. 9 ebenso wie O'Donovan, Corm. Tr. S. 26, mit Laidgnen, dem Sohne von Bäith
Bannach von Clonfert-Mulloe identifiziert habe, und zwar aus folgenden Gründen. Bei der
Aufzählung seiner Pflegegeschwistei' in 'King and Hermit' § 4 nennt Marbän einen Laidgnen
mit Ailirän zusammen und fügt hinzu atä cechtar de fri\a\dän "sie sind beide an der Arbeit.
in § 5 nennt er denselben dann Laidgnen lobor. Da Ailirän der 665 gestorbene Geistliche
und Gelehrte von Clüain Iraird (Clonard) mit dem Beinamen sapiens (ir. ind ecnai) ist, der
\'erfasser einer leider verlorenen Rhetorica genannten Schrift', so beziehe ich dän auf geistige
und .schriftstellerische Arbeit. Auch Laidgnen mac Bäith führte den Beinamen sapiens und
war der Verfasser eines Auszugs von Gi'egors Moralia ^. Dazu kommt, daß das Todesjahr
dieses Laidgnen (661) für die Datierung der obigen Strophen gut paßt. Denn schon ein
paar Jahre darauf starb König Güaire selbst. Es wäre doch seltsam, wenn wir zwei Geist-
liche dieses immerhin seltenen Namens^ annehmen müßten, die beide um dieselbe Zeit ge-
storben wären.
' Die Rhetorica Aterani existierte noch im 1 2. Jahrhundert im Kloster St. Florian.
S. MANrrius, Gesch. d. lat. Lit. des Mittelalter^s I S. 10.
^ S. über Laidgnen mac Bäith Bannaig L. Gocgaüd, Rev. celt. XXX S. 36 ff.
' Der Name (Laidcnen. Lanlgnen] ist eine Koseform auf -p'/ von dem Vollnamen Lad-
cenn "Schneckopf. S. .k\i. Dicht. 1 15 Anm. 2.
Bruchstiickr der älteren Lyrik Irlands. 41
96.
1 Marb frimm andess, marb antüaid, niptar inmuini athshiaig,
tofoir, a Ri nime glaiss, a ndochairte tatharlais.
2 Marbäin inna bliadna-so, nirbo chüinti nech occo:
Mäel Düin, Bec macc Ferguso, ('onaing, Cuimmine Foto.
3 Ni beir Luimnech for a druimm de sil Muimnech i ILeth Cuinn
marbän i nnöi ba fiu dö, do ('humminiu macc Fiachno.
4 Ma doteiged nech dar muir seissed i suide nGriguir,
mad a hEre, ni büi dö inge ('ummine Foto.
5 Mo chuma-sa lar Cumminiu ön lö rofoilged a ärc,
cöi m'ocuil nisningaired, dord Gaill iar nderach a bärc.
6 Ni maid cride ce chie marb teinn, coich hi- a die,
innä röimdetar lar (hu öä beo lar (Jummmiu.
7 üäe Corpri, üäe Cuirc, ba süi, ba an, ba airdirc,
dirsan marbän i mmi gam, ni hach ni d'ecaib laram.
8 Sech ba hepscop som ba n, ba macthigem C'ummmi,
tendäl Erenn ar soäs, ba hälaind mar adchoäs.
Str. I, 2, 4, 7, 8 Three Fragni. 6o: Str. 2 Rawl. 503, 12a i: Str. 3 — 5 FM 661 ; Str. 5
Harl. 5280, 46b, H. 3. 18, 19; Str. 6 ('orni. § 419, H. 3. 18, 68b und 634c; Str. 7 Corm. § 673.
I iunmuin F dofoir V an docairte F 2 nibo caointe ni octa F 3 cumniiiie M 4 ma rodligthe
l'ei' F heirinn ni baoi ni do F 5 // und Harl stellen die Langweilen um. coimocuil M coi ma-
c«in mis ningarat H coi macan nisningarad Harl. nio coniaid fri coimine H fotroilge H
6 maidh H maeth Corm. M maoth // niaith R niäith V cia Curm. H con B inarbteind MB marb
teimhe // mairbthim Cf/rm. H mairbteim Y codi 7/ Curm. MB iriart'eimdetar //' iunareimdetar
//' innaroemdetar Corm. M innaroimdatfir )" inacn'jemdhatar B ua beoa H iarndieba Corm. B
7 Maith a cbeinel maith a rhrutb. ba lethan a comslonnadb. ua coirpre 7 ua cuirc u-sw. F
8 ba halaind mai- rochoa.s F adcLoas eyo.
1 Ein Toter im Süden von mirjlein Toter im Norden, — es war keine
willkommene Auflösung einer Kriegerschar — o König des blauen Himmels,
hilf dem .schlimmen Pakt, den du (uns) geschickt hast(?), ab!
2 Die Toten dieses Jalires — im Vergleich mit ihnen ist keiner zu
beklagen: — Mäel Düin, Bec, Sohn des Fergus, C'oning, Cummme der Lange.
3 Der Lumnecii trägt vom Geschlechte derer von Munster auf seinem
Rücken keinen Toten zu Schiflfe nach Leth Cuinn, der Cummine dem Sohne
Fiachnas an Wert gleich käme.
4 Wenn jemand übers Meer käme, um den Sitz Gregors einzunehmen,
— wenn er aus Irland sein sollte, so gab es außer Cummine dem Langen
niemand dafür.
Phil.-hist. Abh. 1919. Nr. 7. 6
42 K. Meyer;
5 Mein Schmerz um Cummine \on dem Tage an, da sein Leib zu-
gedeckt worden ist, — das Weinen meines Anges konnte ihn nicht be-
wahren, (es ist wie) der Klagegesang eines fremden Händlers, dem man
seine Schiffe geplündert hat.
6 Ein Herz bricht nicht, wenn es auch einen Toten schmerzlich be-
weint, um wen immer seine Klage gehen mag, da die Ohren der Lebenden
westwärts von ('liu durch das Wehklagen um Cummine nicht zerbrochen sincj.
7 Der Nachkomme (3orbres, der Nachkomme Gores, er war ein Weiser,
war herrlich, war berühmt'. Ach über den lieben Toten im Wintermond I
nach ihm ist nichts was stirl»t beklagenswert.
8 Außer daß er Bischof war, war ( ummine ein König, war ein Jung-
herr, ein Leuchtfeuer Erins an Weisheit, war schön, wie man berichtet hat.
Icli habe alle Strophen, welche aus der Toteiiklage {marhnad) Colinäiis mocu Chliiasaig
auf Cummine Fota, Bischof von Clonfert-Breiinan, angeführt werden, zusammengestellt,
f'iimmine starb am 2. November (»»7 gam) des Jahres 662. Colmän soll sein Pflegevater
[gewesen sein. Ob ich in der Anoi-dnun«; der Strophen das Richtige getroffen habe, ja ob
sie bei dem wechselnden Metrum wirklich alle demselben üedichte entstammen, ist zweifelhaft.
Str. i. Da in der zweiten Sti'. vier Clestorbeue erwähnt werden, ist vielleicht mairb
7.U lesen. — athUüay fasse ich als 'aufgelöstes Heer' mit Bezug auf die Toten, die gleich-
sam ihres Dienstes entlassen sind. Aber die zweite Langzeile ist mir nicht klar geworden.
Da do-chairte (io) n. einen schlechten Verti-ag oder Waffenstillstand bedeutet, bliebe der
Dichter damit im Bilde. Vgl. dazu den abgeleiteten Personennamen Dochartach 'einer, der
einen schlechten Waffenstillstand schließt'. — tatharlais aus to-aih-ro-/ais, 2. Sg. Prät. perf.
zu to-aith-ouir (Pedersen II 500), abstr. tathrhor. eig. 'zurücksenden, rückgängig machen',
was hier keinen Sinn gibt.
Str. 2. Von den anderen hier genannten Toten war Mäel Düin mac Furudräin nach
den Annalen König von Durlas (Tig.) und Conaing mac Congaile m. Aeda Släine (Tig.) fiel
in der Schlacht bei Ogomain. \]hQv Bec mac Ferguso. den nur Tigernach erwähnt, ist
sonst nichts bekannt.
Str. 3. Lumnech ist der alte Name für den Shannon bei Limerick, welche Stadt
danach genannt ist. Leth Cuinn, die nördliche Hälfte Irlands. Dort, am linken Ufer des
Shannon, lag die berühmteste Grabstätte Irlands, ("lonniacnois, wo König üüaire, der Gönner
Cuniniines, imd wohl auch dieser selbst beigesetzt wurde*.
Str. 4. Statt (loteiged ist wohl noteiged zu lesen.
Str. 5. ocul \n) m. 'Auge', gelehrte Entlehnung aus dem Lateinischen. — In msnin-
yaired bezieht sich das pron. inf. auf ärc |ä) f. — Gall hat hier noch die alte Bedeutung
' Oder mit F: "Edel war sein Geschlecht, edel seine Gestalt, weit verbreitet der Name
seiner Familie {comilondudy.
- Siehe die hübsche Anekdote in CZ 111 218 § 37, wo erzählt wird, wie die Leiche
des freigebigsten aller Könige auf dem Wege nach Clonmacnois sich wieder belebt, um
einem Bettler ein letztes Almosen zuzuwerfen (enech dedenach GUairi).
BruchMückfi der ä'lterm T.j/rik Irlands. 43
(ursprünglich ;= Gallus) und bezieht sich auf einen Kauffahrer vom Kontinent. Im 7. Jahr-
hundert waren das besonders Syrer. — derach (zu di-reg Ped. § 794), eine Nebenform von direch.
Str. 6. marb teinn 'einen Toten, der Schmerzen verursacht '. — coich be cuiuscunque
.Sit', (ienitivkonstiiiktion zu da be. — Das seltene Wort dte, welches Cormac mit cöinf.
H. 3. 18. 68b mit röV glossiert, findet sich in diesem Sinne auch LL 119b 13: die mar maige
.Miirthtmne dit eis und ebenda Z. 26.
Str. 7. Dem Stammbaum Cummines in LL 351c := Hl 502, 90g nach war der St^inini-
vater seiner F'amilie König Ailill Flann Bec, dessen Knkel <'orc und dessen Urenkel Corpre
waren. — lii tm gäm ist gam Gen. PI., eig. 'Monat der (einsetzenden) Winterstünne'. Di'tin
das wird die ursprüngliche Bedeutung von gam (urspr. gaim) 'Winter' sein, wie es die de.s
verwandten XEtM(i)N ist. Vgl. Stiab Gam, Name eines 1300 Fuß hohen Gebirgszuges in der
(Jrafschaft Sh'go. Auch das KoUektivum gaim-red {gam-rad) weist auf diese Bedeutung hin. —
O'DoNovANS Übersetzung des letzten Verses in form. Transl. S. 82 not lamentable, however.
— not to death (has he gone)' ist verfehlt.
97.
Ni (liliu nach ri lim-sa alailiu,
u })retha Mail Fothartaig inna gaimn<'n do Dairiu.
AU, FM668: alaliu V odobretha M ina l'Jtl ghaimhnen M geimneii I .
Kein König ist mir lieber als der andere, seit Mäel Fothartaig in ,
seiner Totenhülle nach Daire getragen worden ist.
Wird dem 679 gestorbenen Dichter Cenn Fäelad zugeschrieben. Auf M. mac Suibni,
König der Ui Thuirtri, welchi'r 669 starb und in Daire. jetzt Derry, beigesetzt wurde. —
gaimnen. Deminutiv von gaimen (s. Nr. 158), das Kalbsfell, in das die Toten gebettet wurden.
98.
1 Bronach Conaille indiu. <iethbir döib iar nUarchridiu.
m ba ellmu biäs gen i nAirdd lar iiDub-dä-inber.
2 Sirechtach bronän file for tir Thaidc,
cen Dub Ciiile, cen niacc mBrain. cen Dub da inber for Airdd.
3 Sirechtach sellad fri a lechtlecca:
far coin, far milchoin, far tniiä do buith la far n-ecrata.
4 Mani icca<l dein ainne niacc ( runnmäil dorn sirecht-se,
ntptis fola ocus cro mo der do marb Imblecho.
Str. I Thr«e Fragm. S. 90. 10, FM 686, Str. i — 4 AU 687 bronaigh (' doaibl] U
eallma F healliiiha jy ard FiV ar aird f'sella f'buid t7 echtrata CT niona T dam f domirichtf V
sirechtse egn.
' Vgl. tind (teiTid H») he frism om 'sie (die Distel) ist schmerzhaft für rohe Haul'
I i>rni. S. 1027 und oben Nr. 95 tind ijalgat.
6*
44 K. Meyer:
1 Conalls Stamm ist heute voll Kummer, sie haben guten Grund
dazu nach Uarchrides Tod; in Ard wird nach dem Tode Dub-da-inbers
so bald kein Lachen gehört werden.
2 Wehmutsvoll ist der Kummer, der auf dem Lande Tadgs lastet,
ohne Dub Cüile, ohne Brans Sohn, ohne daß Dub-da-inber auf Ard weilt.
3 Wehmutsvoll ist der Anblick ihrer Gral)steine: (und) daß eure
Himde, eure Rüden, eure Weiber in den Händen eurer Feinde sind.
4 Hätte Crunnmäels Sohn mich nicht also für meinen Kummer ent-
schädigt, so wären meine Tränen für den Toten von Imblech aus Blut.
Auf^die Schlacht bei Imblech Phich, dem heutigen Emlagh in Meath, im Jahre 688,
wo u. a. Uarchride, Häuptling der Ui Chonaill von Murthemne und Dub-dä-inber, Fürst von
Ard Chianachta, fielen. Das letztere Gebiet wird hier nach dem Stammesvater Tadc mac
Cein Tir Taidc genannt. — Es ist zweifelhaft, ob die Strophen alle demselben Gedicht ent-
stammen. Str. I und 4 und Str. 2 und 3 scheinen d'-s Metrums wegen zusammenzugehören.
Wer der Sohn Crunnmäels war und welche Hache er ausübte, ist unbekannt. — fola ocus crö
'of blood and göre'. Wie so oft, versagt hier das Deutsche bei der t'berseizung aus dem
Irischen, während das Englische die entsprechenden Worte besitzt
99.
Int Aed isind üir, in ri isind rüaim,
int enän dil dein la Cerän i Clüain.
FM. 733, Tig. 737: ciaran codd.
Aed ist unter der Erde, der König ist im Friedhof, das liebe saubere
Vögelchen ist bei Cerän in Clüain.
Auf den Tod Aeds m. Colgen in der Schlacht bei Ath Senaig im Jahre 738 und
seine Beisetzung in dem von Ciarän gegründeten Cloumacnois. Die Verse werden seinem
Besieger Aed Allan, König von Irland, in den Mund gelegt Daß sie in die erste Hälfte
des 8. Jahrhunderts zu setzen sind, beweist die Form Ceran, die im Reim auf enän hei-zu-
stellen ist. statt des späteren Ciarän. - - dein 'rein' ist ein seltenes früh ausgestorbenes Wort,
das nicht mit dfiti, einer Nebenform von den. zu verwechseln ist. In übertragenem Sinne
'rechtschaffen, ehrlich' findet es sich Laws IV 360. 19: cach duinc dein dligthidt- und bei
Gorman 16. Apr., wo so zu lesen und übersetzen ist:
secht noim deac na dathfir
deni mathi ■ möra
'siebzehn Heilige waren die ausgezeichneten Männer, die reinen, guten, großen". Davon
das Abstraktum neine, z. B. is süaichnid ar deine a düar 'er ist wohlbekannt wegen der
Reinheit seiner Verse' CZ V 489, 3.
Die Hs. hat maihih nur um den Reim mit dathfir zu markieren.
Bmchstijckf der älteren Lijrik Irlands. 45
100.
Atchluin cäch etir inggnath ocus gnäth,
abb hi Clüain mar Cetadach nochon ötfathar co bräth.
FM 848: atcluin.
Ein jeder hört es, der Unbekannte sowohl wie der Bekannte: ein
Abt in Clüain wie Cetadach wird bis zum jüngsten Gericht nicht gefunden
werden.
Aul" den Tod Cetadachs, Abtes von ("lonmacnois. im Jahre 850.
101.
Mallacht ort, a (yhallainn chrüaid, a srüaim amal ceö do sleib,
dorimmart ec do cach leith for dreich nithaig niamguirm Neill.
Ni caraim in n-usce ndüabais immetlH'it sech töib mfirais,
a Challainn, ce nomöide. macc mnä bäide robädais.
Str. I und 2 FM 844, Str. 2 AI' 845: imteit seoch V imtheit J/ robadis U.
Fluch über dich, grausamer Callinnfluß, du Strom wie Nebel vom
Gebirge; du hast von allen Seiten den Tod auf das tapfere glänz- und
nihmvoUe Antlitz Nialls gezwängt.
Ich liebe das unheilvolle Wasser nicht, das zur Seite meines Wohn-
sitzes vorbeifließt: o Callinn, ob du dich gleich (deiner Tat) rühmst, du
hast den Sohn einer liebenden Mutter ertränkt.
Aas zwei metrisch verschiedenen Gedichten auf den Tod König Nialls Cailne inac
Aeda Oirdnidi. der 846 durch Ertrinken im Flusse Callinn umkam. — Die relative Form
immftheit, die ich einsetze, gibt die nötige Silbenzahl.
102.
1 Dursan, a De, d' Fedlimid, tonn bäis ba rom rodbäidi,
fodera brön d' Erennchaib nad mair macc (Jrimthainn Cläiri.
2 Is süaichnid do Göidelaib, tan donänic dcdenbaig.
roscäich ar in nErinn n-üaig önd iiair atbath Fedlimid.
3 Ni dechaid i rredrige marbän badid n-ingnathar,
flaith fial fo rig nAlbine co bräth nicon gignethar.
Str. I CS 846. Str. 1—3 FM 845: rodbaidhe CM claire CM suaithnidh M doanic an-
dedeubhaidh M ar an erinn uaigh .1/ rrcdhriijlii M badidinnigretliar .)/ gignethair M.
46 K. Meyer:
1 Ein Jammer ist es, o Gott, um Fedlimid! Zu früh hat ihn die Todes-
welle ertränkt. Daß Crimthanns Sohn nicht mehr am Leben ist, bereitet
den Iren Kummer.
2 Es ist den Galen offenbar, als der letzte Kampf gekommen war: von
der Stunde an, da Fedlimid starb, ist es mit dem jungfräulichen Irland vorbei.
3 Kein Toter ist in das himmlische Reich gegangen, der so wunderbar
war wie er; ein Herrscher so freigebig wie der König von Albine wird
bis zum jüngsten Gericht nicht geboren werden.
Auf den Tod Fedliniids mac Crimthainn, Königs von Munster, im Jahre 847. Die erste
Strophe stammt des verschiedenen Versmaßes wegen wohl aus einem anderen Gedichte als die /.weite
und dritte, die zusammengehören. — Cläre (io) n., ein Sitz der Könige von Munster. Vgl.
i Cläriu Baile in Sc. § 10 (R). — dedenbäig. wie augenscheinlich zu lesen ist, macht wegen
des Reimes Schwierigkeit. Auch Rawl. 502, 85 a 40 wird da,s Wort vom Todeskampf ge-
braucht. Es heißt dort von einem Könige :
re secht \m\blTadna reraig räm cn rondedaig dedenbäg
'sieben Jalu-e lang erstreckte er den Lauf, bis ihn der letzte Kampf bezwang'. — Zu der
idiomatischen Wendung, die in roscäich ar Erinn vorliegt, vgl. O'Mulc. 311, wo es von einem
nicht länger Kampffähigen [vech nädichet i cath ^ dihill) heißt: roscäich aire '^ ist mit ihm
vorbei'. — redrige kehrt unten Nr. 106 wieder. Ich kenne das Wort sonst nicht. AVörtlich
'ebenes Reich', scheint es ein dichterischer Ausdruck für das Himmelreich zu sein. — Ein
Ortsname Albine ist mir in Munster nicht bekannt; denn der jetzt Delvin genannte Fluß,
der altirisch so heißt, kann es doch hier nicht sein.
103.
1 Monüar, a döini maithi, ba ferr a laithi chluichi,
mör liach Ginäed macc Conaing hi lomainn dochum cuithi.
2 larna chuimrech isin rian mör liach rocestar int slüaig
ac aicsin a airbi bäin forsin träig ös Aingi üair.
FM 849, die erste Strophe auch AU H50: dhaoine maithe M laithe cluithe M cuithe M
roceehtar M rocestar cgo airrbhi J7
1 Wehe, ihr guten Leute I besser waren seine Tage der Lust I Groß ist der
Schmerz, daß Cinäed, Conings Sohn, in Sackleinen zu Grabe getragen wird.
2 Nachdem er gebunden in den Strom' geworfen war, erlitten die
Krieger großen Schmerz, da sie seine weißen Rippen auf dem Strand über
dem kalten Ange erblickten.
' Wörtlich das Rudern'. Vgl. dirsan dö in rTan rorä !Metr. D. II 14, 66.
^ O'DoNOVAN übersetzte in the sea'. aber rtan, eig. 'Wasserlauf, kann sich auch auf
den Fluß beziehen.
BruchMiicke der älteren Ljjrik JrJands. 47
Auf (las Begräbnis Cinäeds. Königs der Cianacht Breg, der im Jahre 851 von seinen
P'einden ertränkt worden war. Ob die beiden Strophen zusammengehören, ist wegen des
wechselnden Metrums zweifelhaft. — rocestar statt rocechtar ist wohl eine sichere Konjektur. —
Der aitirisch Ainge (iä) f., heute Nanny genannte Fluß fließt durch das Gebiet der Cianacht
und mündet in die Bucht von Drogheda.
104.
Nad mair Cinäed co lin scor fodera gol i cach thig:
öenri a löga fo nim co bruinne Roma ni fil.
Three Fragm. S. 150: in gach taigh bbfail.
Daß Cinaed mit einer Menge von Reiterscharen nicht mehr am Leben
i.st, ruft Klage in jedem Hause hervor: bis hin an die Grenze Roms gibt
<'s keinen einzigen König seines Verdienstes unter dem Himmel.
Auf den 858 erfolgten Tod des Königs der schottischen Pikten Cinäed mac Aipin.
105.
1 Sirechtach rosrethnaiged a scöl ndobröin for Ere,
o atbath ar sticht ruirech Mäel Sechnaill Sinna sncde.
2 Is imda mairg i cach du, is scfl mör la Göidelu,
dorortad fin flann fo glenn, dorodbad ardri Erenn.
3 Ce du d'imrimm gabur ngel ocus d'imbud ech fri sam,
inid Mäel Sechnaill indiu atchiu i ndegaid da dam?
Str. I — 3 FM 860, Str. 2 Three Fragm. siecht M seachlainn M in gach MF dorodba
aainri F iomadh M enid J/ deadhaidh M.
1 Kummervoll hat sich der Schleier' der Trauer über Erin gebreitet,
da Mäel Sechnaill vom schnellfließenden Shannon auf der Spur großer
Könige gestorben ist.
2 An jedem Ort ist großer Jammer, e.s ist eine große Neuigkeit für
Galen, ein roter Wein ist das Tal hinabgegossen worden, ein Hochkönig
von Erin ist ausgelöscht.
3 Was soll das Reiten von weißen Rossen und die Fülle der Pferde
für den Sommer, da ich Mäel Sechnaill heute hinter zwei Ochsen erblicke?
Auf den an einem Dienstag, dem 13. liov. 862, erfolgten Tod König Mäel Sechnaills von
Irland. — Zu sneid(-i- luath H. 3. 18, 539) vgl. srüamandai snedi merjola Alex. 253, ay seng sneid
Wörtlich 'das Segel'.
48 K. M
E YER :
Four Songs 20 § i. — ce du d'imrimm, wörtlich 'welcher Ort fiir Reiten?', d. h. Reiten ist
jetzt nicht 'am Platze'. Vgl. cia du duit comhäg fri hÄedf CZ IX 459 § i ^ Aus solchem
und ähnlichem Gebrauch von du 'Platz' hat sich die Bedeutung 'passend, angemessen, ge-
hörig' gebildet, dort, welches Peuersen § 52 als Kasusform zu dii stellen möchte, halte ich
jetzt für ein selbständiges und davon zu trennendes Wort. — i ndegaid da dam, in dem
von Ochsen gezogenen Leichenwagen.
106.
1 Cobthach Guirrig chuiredaig, domna rig Lifi lenuaig,
dirsan macc mör Muiredaig, ba liacli üa cöiinfind Cellaig.
2 Clethe Laigen legnide, .süi slän sothchernda sochlach,
retglu ruirthech redrige, comorba Conläid Cobthach.
LB loib, FM868: cuirig cuiredaig L cuirrethaig M liffe L lipthe M sochemda L
slan segainn M ri'dlu ruirtech L retlu ruirech M redhrighe M.
I
1 Cobthach vom schareiireichen Currech, Thronerbe des mäntelreichen
Life, -^ ach um den großen Sohn Muredachs! ein Jammer ist es um
den holdseligen Enkel Cellachs!
2 Haupt der Gelehrten von Leinster, ein vollendeter, freigebiger,
hochberühmter Meister, ein Stern mächtigen Laufes im himmlischen Reich,
ein Nachfolger Conläd es war Cobthach.
Auf den Tod Cobthachs, Abtes von Kildare, im J. 870, den LB loi b sapiens et doctor
nennt. Hier steht auch ein kurzes rhythmisches alliterierendes Loblied auf ihn, in dem er
büaid bärtbelra bind 'Glorie der süßtönenden weißen Sprache' (d. i. Latein) und mit Bezug
auf seine Abkunft tnathgein 'fürstlicher Sprößling' genannt wird. Er scheint sich besonders
mit der Apostelgeschichte beschäftigt zu haben, denn das Gedicht erwähnt acta na n-apstal
n-üasal. Es ist übrigens zu seinen Lebzeiten abgefaßt, da es am Schlüsse heißt: säerthuind
cöemt[h\und cobair (zu lesen: Cobthach?) 'seine Hilfe befreit uns, tut uns Liebes' ^ — Cuirrech,
das heute Curragh von Kildare genannte Gelände, öfter mit dem Beiwort cuiredach, z. B.
Rl 502, 84b 32 (hi ßaith Cuirricli cuiredaich), das auch auf Personen bezüglich vorkommt:
m mair Cormac cuiredach Arch. lll 312, 5. — sothchernda aus fo-thiycrn-d': eig. 'nach Art eines '
guten Herrn'. — ruirthech aus ro-rethech wird H. 3. 18, 74 mit rith mör i cian glossiert.
Vgl. ruirthech rfa« RC XX 258. In übertragener Bedeutung intlecht ruirthech Anecd. V26, 5;
ciaptar ruirthig a rtg Alex. 572. — Der um 520 gestorbene Conläed war der erste Abt-
bischof von Kildare.
' So ist auch Tig. 603 mit CS zu lesen: ce du rige, ce du recht usw.
* Dies wird erklärt menic notcöemaiged cobair imm eiach dün in tan bimis ht nochtai.
Zu cöemaim in diesem Sinne s. Thurneysen CZ XI 165. Andere Beispiele des Wortes: 1«
cäem in gairm noscöema Metr. D. 1 28; Cermait clTarach lucäemad Ir. T. III 15 § 36. In dem-
selben Sinne auch cöemaigirn Metr. D. HI 350; LL 308b 37.
Bruchstücke der filteren Li/rik Irlands. 49
107.
Dünadach dind Orchaill äin, gäir fer ndomain, condmaib giall,
cathmil cräibdech claiime Cuinn fo chrossaib cuill i nDruimm Chliab.
FM 871: adomhan.
Dünadach vom glorreichen Orchaill, der (Schlacht-) Ruf der Männer der
Welt, mit Scharen von Geiseln, ein frommer Krieger aus Conns Geschlecht,
liegt unter Kreuzen aus Haselholz in Drumcliff.
Auf den 873 gestorbenen Fürsten von Cenel Coirpi-e mör, einem in der heiitigeu
Baronie Carburv in der Grafschaft Sligo ansässigen Stamm, wie Hogan Onom. 217 b gegen
O'DoNovAN, FM I 517 Anm. o gezeigt liat. der ihn nach Longford verlegen wollte. Dort
liegt Drumcliff und gewiß auch Orchaill, ein Ortsname, dem wir oben Nr. 49 begegnet sind.
— Zu gäir fer nrioman vgl. Colmän (^lüana, gäir cach ttiir FM 924. — condem {ü) f. eigentlich
'Dinquartierung', 'Gästeschar'. Vgl. connem naltgtan nöfbüasal SR 1656 von Adam und den
.Seinen, denen die Krde zum Wohnsitz angewiesen wli-d: 'na cönnim comihrüaig ib. 3458
von Josephs Brüdern in .^Igypten. — Im Buch von Fenagh S. 194, 4 wird ein aus Haselholz
gemachtes Kreuz erwähnt, das als cathach in der Schlacht vorangetragen wird. Hier sind
Totenkreuze gemeint.
108.
1 Gmä gnan ar cöimchlainde, cenn cräbuid inse hEbir,
mad gab näsad nöibrainne comorba Cianäin chelig.
2 Ceinmair sämad sorchaidc dia mba cenn, ceimm cen chiä,
dirsan mind mör molbthaide, ar cara cöimfind Gniä.
Three Fi-agm. S. 196, FM 870: herahir FM do ghabh / noemprainne M molbhthaighe FM
gniaa F.
1 Gnia, die Sonne unseres holden Geschlechtes, Haupt der B'römmig-
keit von Eber's Insel, schön ist er in die Versammlung der Heiligenschar
eingezogen, der Nachfolger Gianäns, des (iefthrtenumgebeiien.
2 Glückselig die erlauchte Gemeinde, deren Haupt er war, eine un-
getrübte Würde. Ach um das große gepriesene Diadem, unseren hold-
seligen Freund Gnia!
Auf den im .1. 872 gestorbenen Bischof und Abt des von Cianän gegründeten Dam
liac (j. Duleek) (aucorita et epincopus et scriba opÜmux AU). — Zu celech vgl. Cerball cräibthedi
celech (Jhron. Scot S. 182. — mind molbthaide wie ba molbthach in mind Metr. Dinds. II 10, 14.
109.
Mör liach Cinäed, grata mind, macc Coscraig co srethaib snö,
in breo büada, baile bard, comarbba ard Achaid Bö.
FM 874: snau.
Phil.-hist. Ahh. JÜjy. Ar. 7. 7
dO k. Meyee;
Groß ist die Trauer um Cinäed, ein hochgeehrtes Diadem, den Sohn
Coscrachs mit Reihen von strömenden Scharen, die Flamme des Triumphs,
die Verzückung der Barden, den erhabenen Nachfolger von Achad Bö.
Auf den 876 erfolgten Tod Cinäeds, Abtes von Achad Bö C'.-iinnig (Aghaboe) in Ossory.
— snö (anau, snU) 'Strom' gehört zur erweiterten Wurzel snä-u-, die in i-ä*, skr. snauti vorliegt.
8. Walde s. v. tio. Im eigentlichen Sinne tar Segsa snü Metr. D. II 78, 15; i sruth na sirdrung
na snäu SR 2183. Die Dichter verwenden es im Sinne von 'Menschenstrom, Menge' wie
SR 6759 dann DauJd, sretha snö seil. Das Wort liegt wohl auch in snö-brat vor, das 'King
and Herrait' § 23 ein dichterisches Beiwort für den Sonmier ist, etwa 'mit wallendem Mantel'.
— Zu haile bard vgl. becc do mör molamair . . tria haile hard Arch. III 219. Wie die 'f'ontri-
butions' S. 167 zeigen, ist der Sinn des Wortes baile besonders prophetia, aisling, fis.
110.
Bröen macc Tigernaig cen göi, cadla a erchloss fon mbith ce,
Oengus do guin amal Bröin. cani öin do decraib De?
Aü 882, FM 880: a nm. U erclos codd. che 17 loen U decraidh M.
Bröen, der Sohn Tigemachs ohne Falsch, herrlich war sein Ruhm in
dieser Welt. Daß Oengus gleich Bröen erschlagen ist, ist das nicht eins
von den Wundem Gottes?
Auf den Tod von Bröen, Sohn von Tigernach und Oengus mac Mäele düin durch
Feindeshand im Jahre 883. — er-chlosg auch LL 287328: ttnfaid ferchlos Erendmay. Vgl.
den Eigennamen Aurchlosach Rl 502 152b 10.
111.
1 Tromm ceö for cöiced mBressail ötbath le(j Liphi lessaig,
tromma esnada Assail do brön tesbada Tressaig.
2 Scith mo menma, müad mo gnäs, ö luid Tressach i tiugbäs,
osnad Oenaig Liphi läin Laigen co muir macc Becäin.
FM 884: tromcheo — o atbath — i liphi — tromm — Uuidh — lifi — laighin.
1 Schwer lastet der Nebel über Bressals Provinz hin, seit der Löwe
des vestereichen Life gestorben ist; schwer ertönen die Klagelieder Assais
aus Kummer über den Verlust Tressachs.
2 Matt ist mein Sinn, verstört mein Anblick, seit Tressach in den
Tod ging; bis an das Meer von Leinster dringt das Seufzen des menschen-
reichen Oenach Lifi um den Sohn Becäns.
Aus einem Gedicht von Flann mac Lonäin auf den 887 in der Schlacht gefallenen
Häuptling der Ui Baiirche Maige, Tressacli mac Becäin. S. Zur kelt. Wortkunde § 230. —
Zu iiuy-bSs vgl. mani toirsed tonn tiugbäis Rl 502, 84b 41 ; dt-och tiugbSis SR 6725; LL 284a 44.
Bruehstiicke der älteren Lyrik Irlands. 51
112.
1 Ni forlaig talam togu, ni targa Temro tum,
ni tairchell Eriu irmar fer fo Mäel minglan Muru.
2 Ni essib bäs cen dolmai. ni roächt gnäs co marbu,
nir iadad talam trebthach for senchaid badid n-amni.
AU 886 (vgl. 879), FM 884: farlaig U talmain toccha M thaigai temru U i ttemraig
tura M taircell U trebthaigh M badidamru U badidamhra M.
1 Es hat die auserlesene Erde niqht bedeckt, es wird zu Taras Türmen
nicht kommen, das länderreiche Irland hegt keinen Mann wie den milden
herrlichen Mäel Muru.
2 Es hat nicht den Tod ohne Zagen getrunken, es ist nicht in die
tremeinschaft zu den Toten gekommen, es hat sich die bebaute Erde nicht
über einen Kenner des Altertums geschlossen, der berühmter wäre als er.
Aul" den Tod des Dichters Mäel Mnrii von Othan (Fathan) im J. 887, den die Annalen
iTgfili Brenn 'Dichterkönig von Irland' nennen. Außer einem großen Gedichte auf die Be-
siedelungen Irlands besitzen wir leider nur Bruchstücke von ihm. — Zu talam togu vgl. talam
toga CO meit rath Er. I 39 § 4. — Trmar — - 'irach, zu rriu 'Land'. Vgl. fri hErinn n-traig
LL 127330. — dolma (ia) f. 'Unbereitschaft, Langsamkeit, Zögern', z. B. cid so, a Duid, a
dohna nombiif YBL 123a 28. — trebthaig M gäbe Reim auf senchaid. Ys i.st vielleicht tal-
main trtbthaig zu lesen, indem sich beim I'assiv der Akk. statt des Nom. in der späteren
Sprache öfter findet.
113.
1 Mör liach Muiredach Maige Liphi, läech linib cuire,
ri Laigen co lir lebenn, macc Brain, büaid nErenn uile.
2 Inmuin gnüis. cäiniu ngaib, cöim düis fo ligaib löraib,
gilithir süss a sidib, robriss for milib möraib.
FM 882: coUer — caoinibh — güither — sidhaibh.
1 Groß ist der Schmerz um Muredach von Life's Ebene, ein Held mit
Reiben von Heereshaufen; ein König von Leinster bis an die Meeresestrade,
Brans Sohn, der Ruhmesstolz von ganz Irland.
2 Lieb war sein Antlitz, das schönste unter Königen, ein holdes Kleinod
mit reicher Farbenpracht; so weiß war sein Leib wie aus Feenland, viele
Tausende hat er besiegt.
Auf den Tod von Muredach mac Brain, König von Leinster und Abt von Kildare
{rei Laginentium et princfps Cille Dara AU) im Jahre 885.
7* .
52 K Meyer:
114.
Ba liach üä Cathail cain, foben suba sü Beraich,
macc rig Rätha Baccäin büain, Oinäed cinged gin nGabrüain.
FM 886.
Es ist ein Jammer um den edlen Enkel Cathals. es vernichtet die Freude
von Berachs Geschlecht, — der Königssohn von Baccäns dauernder Veste,
Ginäed. der den Paß von Gabrän zu beschreiten pflegte.
Auf den 890 gestorbenen Cinäed mac Cenneitig, Thronfolger von Läigis (Leix), wo
auch Räith Baccäin lag, aus dem Geschlecht der Fi Beraig, einem der forsluinti der Ti
(rarrchon (Rl 502, 1 20b t4). — gin ('Mund') Gabrüain dichtei'isch statt Belach oder Belat Gabräin,
Name eines bekannten Passes zwischen Leinster und Ossory. Zur Form Gabrüan (Gabrön)
vgl. Alt. Dicht. II 13. — cingim mit Acc. wie in Nr. 121.
115.
1 Gilla Cellaig so aniar. gobar Oellaig lais 'na läim,
is mana der in scel garb, ni dalb, is marb macc Derb-äil.
2 Ni böi macc rig rigi tor fo Chellach ngormainech nglan.
teglach fo theglach ind fir ni fil fo nim. niamda gal.
YIA 890, die zweite Strophe auch AU 894: an scel — as — ni fail V ^ ri M —
niabtha U.
1 Cellachs Bursche kommt hier von Westen, Cellachs Roß führt er
in der Hand; die bittre Nachricht ist eine Vorbedeutung von Tränen, es
ist 'kein Lug:' tot ist Derbäils Sohn.
2 Es gab keinen Sohn eines scharenbelierrschenden Königs wie den
edlen Cellaeh mit leuchtendem Antlitz: ein Hausgesinde wie seines gibt
es nicht unter dem Himmel, so glänzend an Heldentaten.
Auf den im Jahre 895 erschlagenen Cellach mac Flannacäin, Thronfolger von Bregia
{iTgdomna lireg n-uite AU). Die Strophen werden seinem Vater zugeschrieben. — Derb-äil,
der Name der Mutter.
116.
Hi cetäin chrüaid scarus-sa fri Mäel Rüanaid rän rathach,
diä dardain gabus-sa ceill for ingnais maicc ni'athar.
FM 896 : cruaidh — ran rath.
Bruchstücke der älteren Lyrik Irlands. 53
An einem grausamen Mittwoch trennte ich mich von Mäel Rüanaid
dem herrlichen, huldreichen: am Donnerstag ward ich inne, daß ich den
Sohn meines Vaters nicht wiedersehen werde.
Auf Mäel Rüanaid mac Flainii, Sohn des Königs von Irland, der 901 in einem durch
den Stamm der Luigni in Brand gestecktem Hause umkam. Die Verse sind einem Bruder
von ihm in den Mund gelegt.
117.
Ruiri echtadi Essa Rüaid, imma tecraitis mörsh'iaig,
assib dig mbäis, bäeglach se, iar cräd ui lesse.
FM 899 : immottecraitis.
Der tatenreiche Großkönig von Ess Rüaid, um welches sich große
Kriegsscharen ordneten, hat einen Todestrunk getrunken — er hatte sich in
Gefahr begeben, nachdem er den Sohn vom Stamme Jesses vergewaltigt hatte.
Auf den Tod Fogartachs. Sohnes von Mäel doraid, Königs von Cenel Conaill mit dem
Sitz in Ess Rüaid, der 904 durch einen Unglücksfall umkam. — üa li-'sse ist eine oft vor-
kommende Bezeichnung für Christus, lesse dreisilbig wie SR 5802, 5984 usw. Der Dichter
sieht den Tod Fogartachs als Strafe für Kirchenraub oder dgi. an. — Zu bäeglach xe vgl.
fianda se (sie leg.) Festschr. Stokes 5 § 10.
na
1 Muiredach, ced nach cöinid, a chöimu?
is domna do dunebad, is nell co nime nöibu.
2 Mörthesbaid int ordnide, macc Cormaic milib maisse,
a minn foroll forglide ba caindel cecha claisse.
AU 911: cainid — coemu — noemhu — oirdnigi — maissi — claisi.
1 Muredach, — was beklagt ihr ihn nicht, ihr Dichter? Es ist ein
Grund zu allgemeinem Sterben, es ist eine Wolke (der Trauer) bis zu den
Heiligen des Himmels.
2 Ein großer Verlust ist der Erlauchte, Cormacs Sohn mit tausend
Vorzügen, das mächtige erlesene Diadem, das eine Leuchte jeder Ver-
sammlung war.
Auf den Tod des im Jahre 91 2 im Refektorium des Klosters durch den Blitz erschlagenen
Mnredach, Abt von Dniim Inasciainn, Jetzt Dromiskin in Louth.
54 K. Meyer:
119.
Dirsan bith i mbethaid dam d'eis rig Göidel ocus Gall:
toirsech mo rose, crin mo ehre ö rothoimsed fe fri Flann.
Corm. § 606 : beith B Im dritten Vers ksen YH: erin cen degollam de rotoimsed Y
ratoimsead B rotoimsid U.
Wehe daß ich noch am Leben bin nach dem König der Galen und
Nordleute! Betrübt ist mein Auge, es verzehrt sich mein Leib, nachdem
man Flann mit der Rute gemessen hat.
Bezieht sich wohl auf Flano mac Mail Sechnaill, König von Irland, der von 879 bis 916
herrschte. Da die Handschrift M von Cormacs Glossar die Verse nicht enthält, sind sie
dort späterer Zusatz, wie sie denn ja auch nach Coiinaps Tode verfaßt sind. — Die Lesart
von B im dritten Vers ist vorzuziehen, weil sie den Anfangsreim toirsech auf •thoimsed hat,
der sich an einer ähnlichen Stelle in Metr. Dinns. III 186,51 wiederholt: toirsech bäs de.
rotoimsed /e fri cness rlgftr. wo die Hss. fälschlich rothoimstch lesen. — fe hieß die Rute
aus Eibenholz, mit der man den Toten Maß nahm {flesc idaith domitte frisna colnai Corm.).
120.
Immon cathbarr, imma clethe co rnan reilseng,
immon rig reil, immon ngrein a hinchaib Eirenn,
immon ndaig nderg ndergöir buidi bätar ili,
immon mbarr fo tallat uili, imm Flann Midi.
Ir. T. III 8 § 9: imma /?« relseang B reg- H reid sneid Ä" ima rig H rell B imma
grein H ngren BB' ar infl in inncaibh B" breccatar nili H breactoir ile B" fontalla B".
Um den Schlachthelm, um den Dachfirst, der bis ans glänzend duftige
Meer ragte, um den glanzvollen König, um die Sonne, die über Irland
scheint, um die rote Flamme gelbroten Goldes waren viele versammelt,
um die Krone, unter der alle Raum finden, um Flann von Meath.
Aus einer Totenklage des 930 gestorbenen Dichters Öengus mac Oengusa auf König
Flann von Irland [ut dixit Oengus mac Äengusa i marhnaidh Floind S. 25 § 9).
121.
Ba dethbir do Göidelaib dia lectis dera fola
nat. cing Tailtin töidenaig üä Flainn Flann in Broga.
, FM 930: da — taillte taoidhen.
Es wäre recht, wenn die Galen blutige Tränen vergössen, daß der Enkel
Flanns, Flann vom Brug, nicht mehr das scharen reiche Tailtin beschreitet.
Auf den Tod Flanns, des Sohnes Mäel Finnias, Herrschers von Bregia, durch
Cumascach von den Ui Echach im Jahre 931. — Da wir Reim auf Göidelaib erwarten
müssen, ist Tailtin töidenaig wohl sichere Konjektur.
Bruchstücke der älteren Li/rik Irlands. 55
122.
Mäel Mochta don Midemaig, mör liach in chröib chäin cliiimra.
atbath cenn na hanmchairte, cäinchomrac moltach Magna.
FM 940: craubh caoim cumhra — caoacomrac.
Mäel Mochta von der Ebene von Meath, groß ist der Jammer um den
schönen duftenden Zweig! Das Haupt des geistlichen Zuspruches' ist
gestorben, die gepriesene Huld von Mugna.
Auf den Tod MSel Mo.chtas. Abtes und Schreibers von Clonard in Meath im .lahre 941.
— Ob statt cäinchomrac etwa cair chomraic zu lesen ist, was z. B. Lism. L. 737 von Colum
(Jiile gebraucht wird? Sonst ist cäinchomrac, 'freundliches Entgegenkommen', das auch als
Eigenname vorkommt, hier personifiziert gebraucht.
123.
1 Ma robith üa Bressail Bricc, gnb thuir thricc thressaig, for torc,
öndiu CO bräth mbairnech mbalc ni ticfa Laignech fo Lore.
2 Lorcän Laigen i treib throch, maigen cet clpth, carad nath,
dirsan d'föidiuch rolin bith, is crith, is coiniud, is cath.
3 Coimdiu cöicid Göidel ngäeth, ma rogüet for läech, ni lith,
ba lug lonn fri h'imni i n-ätli, is beimm do bräth ma robith.
FM 941 : tuir tric treasach — oniu — troch — dfaidhiuch — caineadh — coimde —
ngaoidheal — rogaeth.
1 Wenn der Nachkomme Bresal Brecs erschlagen worden ist, ein
Greif von einem schnellen streitbaren Herrscher, euer Eber, — von heute
an bis zum zornigen gewaltigen jüngsten Gericht wird keiner aus Leinster
kommen wie Lore.
2 Lorcän von Leinster in der Wohnung der Todgeweihten ! er, die
Stätte von Hunderten von Ruhmessprüchen, er, der die Dichtkunst liebte, —
wehe über den Jammerruf, der die Welt erfüllt hat, es ist ein Zittern, ein
Wehklagen, ist ein Kampf.
2 Wenn der Herr einer Provinz der weisen Galen, wenn euer Held
getötet worden ist, — es ist kein Fest; er war ein kühner Luchs zum Sprung
in die P'urt, es ist ein Schlag der Vernichtung, wenn er erschlagen ist.
Auf den im Kampf gegen die Wikinger von Dublin im Jahre 942 gefallenen König von
I.iein.ster Lorcän, den Sohn Fäeläns. — t^bei' Konstruktionen wie grib thuir s. Alt. Dicht. 1
' Wörtlich 'der Seelenfi-eundschaft , d. h. der Beichtiger.
56 K. Meye&:
S. 2 2. — Meine Emendation thressaig gibt Reim auf Bressail. — Zu torc im Sinne von
'Anführer' vgl. Sitzungsber. 1918 S. 1033 und füge hinzu: Tar marbad in tuirc TüathaU LL
13t a 22 : marbaid in tret immon torc'. FM 866. — Zu der Anwendung von maigen auf Personen
vgl. magen cicrad Ir. T. I 104, 3.
124.
Dessid digal ocus dith for sil clainne Cuinn co bräth;
nad mair Muirchertach, ba'liach, dilechta lath Göidel ngnäth.
AU 942 : gaidhel.
Rache und Verderben haben sich auf immerdar auf den Stamm der
Kinder Conus gesenkt. Da Murcliertach nicht mehr lebt, — es ist ein
Jammer! ist das Land der trauten Galen verwaist.
Bezieht sich auf den Tod des Königs von Ailöch, Murchertach mac Neill mit dem
Beinamen ^a cochall croicinn der Mäntel aus Tierhaut', der 943 von den Dänen unter
Bläkäri (ir. Bläcäir) bei Clüain Cäin im Gebiet der Fir Ross ei-schlagen wurde. — gwUh
ist ein beliebtes Beiwort der Dichter für die Galen. S. Cäin Ad. § 27 und Anecd. 11 28
§15: ar (lind Gall is Gäidel ngnäth.
♦ 125.
Dublitir dind ecnai üaig, ba büaid frecrai fri cech mbäig,
ba süi legind lebraig löir, ba dlüim öir ös Erinn äin.
FM 990: leabhraidh.
Dublitir, Gipfel der vollendeten Weisheit, er war glorreich in Beant-
wortung jeglicher Streitfrage, er war ein Meister der vollkommenen Buch-
gelehrsamkeit, er war eine massige Wolke von Gold Ober dem herrlichen Irland.
Auf den Tod von Dublitir 5a Bruatair, Lektors von Lethglinn, j. Old Leighlinn in
der Grafschaft Carlow, im Jahre 991. — Zu dlüim öir vgl. Issäc, . . . ba cUütm öir SR 2831.
126.
Diarmait dind ind ecnai äin. fer co fialblait, co n-ollbäig,
dirsan, a Ri na recht ran, ec do thuidecht "na chomdäil.
FM 991 : eccna — allbäigh — comhdhail.
Diarmit, der Gipfel der herrlichen Weisheit, ein Mann von freigebiger
Kraft, von großer Huld — weh, o König der glorreichen Gesetze, daß der
Tod zum Stelldichein mit ihm gekommen ist.
Auf den Tod Diannits, Lektors von Kildare und Abtes von Clüain Ednech, jetzt
Clonenagh bei Mountrath in Queen's County, im Jahre 992.
BnKhstncke der alteren Lyrik Irluruh. f)?
127.
1 Int ecnaid, int ardepscop, in nöib De co feib delba,
rofäith üainn ind apstalacht ötluid Äed a täeb Themra.
2 Nad mair Aed don Bregmaig binn co ngelblaid glinn glethe rann,
espa in glögemin gledenn grinn. testa legenn Erenn and.
FM 1004: ndelbha — anabsalacht.
1 Der Weise, der Erzbischof, der Heilige Gottes von herrlicher Gestalt I
Die Apostelschaft ist von uns gegangen, seit Äed von der Seite Taras ge-
schieden ist.
2 Da Aed von der lieblichen Ebene von Bregia nicht mehr lebt, mit
hellem gesichertem Ruhm, der Lieder schmückt, — dahin ist das glanz-
farbige, liebliche, leuchtende Juwel, die Crelehrsamkeit Irlands ist in ihm
versiegt.
Auf den Tod Aeds, Abtbischofs vDn Trevet in Meath im Jahre 1005. Nach den Annalen
von Ulster starb er im 72sten Jahre in Ai-magh. Trevet liegt nicht weit südlich von Tara.
— Zum Vergleich mit meiner T'bersetzung setze ich die Coigans (Trias Thaumat. S. 297) her:
Iste sapiens, archiepiscopus. .Sanctus Dei decorus forma:
Transiit a nobis Apostolus, quando decessit Aidus ex partibus Temoriae.
Quandoquidem non vivit Aidus de Bregniagia speciosa. vir celebris faniae,
lucens iucerna;
(O detrimentum!) ppetiosa gemma, decus claruni, iiiteriit in eo doctrina Hiberniae.
128.
A choscar derg dedenach fescor ocon Ath Buide,
tricha laithe lemennach o sin co cenn a uide.
FM 1022 (I 800): occan — mbuidhe.
Sein letzter blutiger Triumph an dem Abend bei der Gelben Furt:
von da an bis zum Ende seiner Lebensreise war ein Sprung von dreißig
Tagen.
Auf den Sieg König Mäel Sechlainus des Großen über die Wikinger von Dublin
bei Ath Buide (.Athboy) in Meath, einen Monat vor seinem Tode (A. D. 1022).
129.
Scela möra, maidm catha, dith flatha Findruis,
rofersat Gaill grafainn fornn, atbath ar tonn indmais.
Ir. T. III 63 § 128: grafann B fornd ß um. L atbath am. L innabais L.
Phil.-higt. Äbh. 1919. Ar. 7. 8
58 K. Meykr:
Große Neuigkeit! eine Niederlage in der Schlacht! Tod des Fürsten
von Findros ! Die Wikinger haben das Wettrennen gegen uns gewonnen,
unsere Woge des Reichtums ist untergegangen.
Findross, jetzt 'the Rosses' in Tirconoell. — Jeraim grafainn auch LL 206'' 9, TFerbe 55.
yrafann im Sinne von 'Schlacht': ;' ngrafaind Galt LL 33a 16. 52; ria grafuiny na crcch
Er. V 246, 14.
13Ö.
Mac Mail da lüa in legind leir, a bäs d'Erinn is acbeil,
i log a chertgnim do chein füair nem i tertid Apreil.
Fei. Lxxiv, Fel.= 114 (11. April): aicbeil — chirtgnim.
Der Sohn Mäel-dä-lüa's, des fleißigen Gelehrten, sein Tod ist für
Irland schrecklich; zum Lohne seiner langjährigen rechtlichen Taten ist
er an den dritten Iden des April in den Himmel aufgenommen worden.
Auf Senöir, 'aircbiepiscopus Ibernie', dessen Todesjahr unbekannt ist.
131.
Colmän mac Commäin, mairg duine nachaciä,
epscop samlaid din Muma sech ni raba, ni biä.
Fei. Clxx (21. Nov.).
Colmän, Commäns Sohn, wehe dem Menschen, der ihn nicht beweint!
Ein Bischof wie er aus Munster ist weder dagewesen noch wird er wieder-
kommen.
Der Heilige, dessen Todesjahr unbekannt ist, lebte auf der Insel Ärv airthir, jetzt
Inisheer, der östlichsten von den drei Araninseln in der Bucht von Galway. Sie zählten
zu Corco Modruad und damit zu Munster.
Bruchstücke der älteren Lyrik Irlands. 59
Gedichte auf Örtlichkeiten.
132.
Ind räith i comair in däirfedo,
ba Bruidgi, ba Cathail,
ba hÄedo, ba hAilello,
ba Conaing, ba Cuilini,
ocus ba Mäele Düin.
Ind räith dar eis cäich ar üair,
is ind rig foäit i n-üir.
LL JH*" 29, Rawl. 512, 122648: diruda L deis cach rig K iarnuair L 7 na sluaig
fooit Ä 7 na rig ronfoat L.
Die Feste gegenüber dem Eichenwald, einst war sie Bruidges, sie
war Cathals, war Aeds und Ailills, Conings und Cuilines und war Mäel
Düins. Einen nach dem andern Oberdauert die Feste; doch die Könige
schlummern in der Erde.
Wird dem heil. Berchäii zugeschrieben und bezieht sich auf Räil/i Imyäoi, jetzt
Hatharigen in der Grafschaft Kildare. Die aufgezählten Besitzer der Feste gehören alle zum
Geschlecht der L'i Berraidi, den Nachkommen von Oengus Berraide, die um Leccach, jetzt
Lackagh in Offaley, ansässig waren.
133.
Tech Dtiinn dämaig, dün Congaile, carrac rüadfäebrach räthaigthe,
räith rig fri län lir fethaigthe, fail nir, net gnphe grädaigthe.
Ir. T. III 22 § 66, 49 § 88, 98 § 161, vgl. Corm. § 968: suadh faebrach ruidles rataifii rro
imneam neach gribe gnathaige »«tc. B rodricht riler feachtnaighthi B recht lan leir M rodrict
re 1er fechtnaigthe L rothricht re lan 1er 7/ rath righ rech lan ler ß' foluing nert ngribe H
foll ner neit nett LB feil neir B» fall neir M fail nir Corm. M.
Haus des scharenreichen Donn, Feste Congals, rotkantiger Felsen der
Bürgschaft, Königsburg an stiller Meeresflut, Lagerstätte eines Ebers, Nest
eines Greifen der Ehren.
über Tech Duüm s. Sitzgsber. 1919, S. 537.
8*
• /
fiO . K. Meyer:
134.
Ni bu inmuin fid Fuirme san chan äsas imm Thuirbe:
atomchumben a dule, nimanaig a fidrube.
Corm. § 56: fil hi taeban in tuirbe U. 2. 15 adotnchumben Y anaicc Y.
Der Wald von Fuirme (?) soll (mir) nicht lieb sein, der rings um Turbe
wächst: seine Blätter stechen mich, sein Waldhag schützt mich nicht.
M liest: Nip inmain fid fuirigin | ßl a täeb an tnirigin || atomchaine usw. und am
Schluß irdruihe, was wohl aus fidruibe verlesen ist. Die Strophe wird Mac Sämäin (8. Jh.)
zugeschrieben, 'odei' Mäel odräin', wie YBL hinzusetzt, d. h. wohl mac Mäel odräin. Über Mac
Sämäin mit dem Beinamen Garbdaire s. Aisl. M., S. 7, 24. — duh (iä) f. Kollektiv zu duü
'Blatt'. Vgl. Lai. /o/ivm. — fid-rube (io) n. auch LL 193" 40 {bat fälis hat fidruba). r-^ Da die
Verse unter dem Worte aittenn 'Ginster' zitiert sind, beziehen sie sich auf einen Wald von
Ginstersträuchern, die in Irland oft die Höhe von Bäumen erreichen. Ob/uirwie hier wirklich
Ortsname ist, weiß ich nicht zu sagen. Tuirbe dagegen ist ein bekannter Ort in der Graf-
schaft Dublin, jetzt Turvey genannt, fuirigin und liiiriyin (M), was vielleicht die ursprüng-
liche Lesart bewahrt, kann ich nicht deuten.
135.
Atä sund ös chind int slüaig eö find fota neim,
foceird faid hglüair ngrind cloc bind i cill Choluim hüi Neil!.
LL 37'' 22: focheird.
Es steht hier zu Häupten der Schar ein gesegneter, hoher, glanzbe-
deckter Eibenbaum. Die süß tönende Glocke in der Kirche Columbas vom
Stamme Nialls sendet hellen, lieblichen Schall.
Die Strophe ist als Beispiel des Fehlers rofota zitiert, was sich wohl darauf bezieht,
daß das Versmaß 7' + 5- sein soll, während die Reimverse hier sechs Silben enthalten.
136.
Gnan önd üair ei-ges co fuined dar cech feice,
cid mör tic dar slessaih sräite d'essaib eicne,
is Cell Ite as ferr cosin tite teite.
Ir. T. III 75 § 39: o fuineadh M thic B is ferr ß tidhe thede M.
Von der Stunde an, da sich die Sonne über jede Dachfirst erhebt, bis zu
ihrem Untergang — wie weit sie auch reist über die Seiten von Straßen bis zu
lachsreichen Wasserfällen — Cell Ite ist der beste Ort . . . , den sie besucht.
Cell-lte, die Kirche der heil. Ite, jetzt Killeedy in der Grafschaft Limerick. — fite, durch
Reim auf Ite und Alliteration mit teite gesichert, ist ein mir unbekanntem Wort Ein ab-
geleitetes Adj. seheint LL 143'' 4 vorzuliegen: in titech tren Tripto[lim].
Bmchstiickp der älteren Lyrik Irlands. 61
137.
Dün da Lethglass linib tuile, siiairc, srethmas co saine,
conid adba amra uile for bruig Banba braine.
Ir. T. III 39 § 34: liriaib tuili B srethnas B amra om. B bruine codd.
Dün da Lethglas mit Segensfülle, glanzvoll, herrlich ausgebreitet, einzig-
artig, so daß es ganz ein wundervoller Wohnsitz ist auf dem Rand-
gebiete Islands.
Dün da Letfaglas, der alte Name für Downpatrick in der Grafschaft Down. — Ich
konstruiere for bruig braine Banba, worin auf die Lage des Ortes in der Nähe der Ostküste
angespielt wird.
138.
Tir da Locha, forsiuhg fotha, fond fochrotha cricha cfian,
caill cöilfota, cuibrend büadach, bärc roetrocht rüamach rüad.
LL 37 b 8: caille cailfota — bare reil.
Tir da Locha, ein weitgestreckter Grund, ein Boden, der die Hafen-
gebiete erschüttert, ein schlanker, hoher Wald, ein sieggewohntes Gebiet,
eine glänzende, helleuchtende, ruhmvolle rote Barke.
Aus einem Gedichte des 918 gestorbenen Dichters Flann mac Lonäin auf die Üi
Delbna 'llre Da Locha, deren Gebiet in Connacht zwischen Loch Corrib und Loch Lurgan
lag. — Man beachte den dreifachen Binnenreim in der ersten Langzeile. Die Strophe ist
als Beispiel für den metrischen Fehler clöen crette, d. h. etwa 'schiefer Bau', angeführt, was
sich wohl auf caille und reil bezieht, durch deren Beibehaltung wii- eine schiefe Silbenzahl
erhalten würden. Das Versmaß ist augenscheinlich 8' + 7'. — fonn 'Boden, Gebiet': an
fonn 7 an ferann gin Er. V 90, 21 : teora fuind crTche Crmaill Fen. 314, 14; is slnyed la forinaib
dogres RC XX 132, 9.
139.
Less Rüadrach rcbänach, se slüagach sribänach,
less n-enach n-ailenach, less f(^rach fidänach.
Ir. T. III 92 § 135: leas.
Rüadri's Hof voller Lustbarkeit, voller Kriegsscharen und Strömen
von Menschen, ein vogelreicher Hof voller Anhöhen, grasicht und baumreich.
nilmi bedeutet wie inis und kymr. yny.i nicht nur 'Insel', sondern auch eine von
sumpfigem VViesenland umgebene Anhöhe.
62 K. Meyeh:
140.
Dün dithogla do slüaig, srüaim ndorcha ndoräm,
räd erdairc do bith, bithfairgge forlän.
Ir. T. 111 60 § 118: dothsluagh — doram — bith fairge.
Die unzerstörbare Feste deiner Kriegerschar, ein dunkler, schwer zu
befahrender Strom, ein Ruhmesspruch für die (ganze) Welt, ein übervolles
ewiges Meer.
141.
Femen indiu is ferr a chäch met a thened is a thüath,
eolchaire na nöeb cen dith, crich dian cöem ceolchaire chüach.
Ir. T. III 78 § 47 : cach HBB'' dan M diui H na BB^.
Schöner als je ist Femen heute mit der Menge seiner Feuerherde
und Volksstämme: unvergängliches Land der Sehnsucht der Heiligen,
Gebiet mit dem holden Kuckucksgesang.
142.
In Mumu re lind Fingein maicc Äedo,
roptar läna a cuileda, roptar toirthig a treba.
Tig. 618: muma — fingen — aeda — lan — toirrtigh.
Das Land Munster zur Zeit Fingens des Sohnes Aeds — voll waren
seine Vorratskammern, fruchtbar waren seine Heimstätten.
Fingen mac Aeda maic Chrinithainn. König von Munster, starb 619. Er stammte aus
dem Geschlechte der Eoganacht Chaissil, s. Rawl. 502, 154c, 5. Die Verse, deren Reime
recht ungehobelt sind, werden seiner Witwe In den Mund gelegt.
143.
Bec cech tir is cech talam, bec cech brig is cech bunad,
bec cech glör is cech gredan acht medar mör na Muman.
rZ VIII 561 aus Add. 30, 512, fol. 55^: medhair.
(xering ist jedes Land und alle Erde, gering jede Macht und jeder
Bestand, gering alles Jauchzen und Frohlocken außer der großen frohen
Lust von Munster.
Wird Sadb, der Tochter Conns Cetchathach. beigelegt, die mit Ailill Aulomm, König
von Munster, vermählt vs^ar. S. Rawl. 502, 153 b 45.
Brmfistücke der alteren Lyrik Irlands. fi3
144.
Bendach, a De, Cenn Corad, corob ferr indä Femen,
büaile donn nä rodluiged, bruiden tonn ocus tened.
Ir. T. III 85 § 8 1 : coro B ina B ana M bruighean donn B.
Segne, Gott, Kincora, daß es schöner werde als Femen ist! Eine
kraftvolle Viehhürde, die nie auseinandergerissen wurde, ein Hof von
Wogen (des Überflusses) und (gastlicher) Herdfeuer.
Cenn Corad, seit Brian Böruma, aus dessen Zelt die Verse vielleicht stammen, Sitz der
Könige von Munster, wähi-end Mag Femiu bisher als solcher gegolten hatte.
145.
• Int Imblech rosöir Ailbe dia bachail
is öin ina erdarcus ö ü[i]r dar etan Cathail.
Imblech, das Albe mit seinem Stabe geheiligt hat, ist einzig in
seinem Ruhme durch die Erde, welche sich über Cathals Stirne gelegt hat.
Die Strophe findet sich in den Annalen von Inisfallen (Rawl. B 503) zum Todesjahre
König Caihals mac Finguine (742), auf dessen Beisetzung in dem durch Albe gegründeten
und nach ihm benannten Kloster Imblech Ailbi, jetzt Emly in der Grafschaft Tipperai-y, sie
sich bezieht: Cathal mac Finguine ri hErend moritur, de quo Mar Muman dixif. Wenn hier
Mör Muman als Verfasserin genannt wird, so ist das ein grober Anachronismus; denn diese
Tochter Aed Bennäns starb 632. Es ist wohl Fer Muman zu lesen, ein Dichter, der im
8-/9. Jh. lebte. Außer den in meinem 'Primer of Irlsh Metrics' erwähnten Gedichten wird
ihm in Ir. T. III 34 § 10 (BB 203» 31) ein Vers beigelegt, der wohl so zu lesen ist:
Moiono m&c Mäiti hUmai.
Hier mag Mosono eine Koseform etwa für den Namen Sonid sein.
146.
Macha mainbthech medrait müaid, sailmthech a slüaig selbait nöib,
ni tarla mürchlad a müir dar düil mar Dünchad üa mBröin.
FM 987 and CZ III S. 36: Macamh molbthach Z sluagh M braoin M
Das reiche Armagh, welches edle (Dichter) froh besingen, ein Haus
der Psalmen sind seine Scharen, das Heilige besitzen: — nie hat sich der
Deich seines Erdwalles über ein Wesen wie Dünchad vom Stamme der
Ui Bröin gesenkt.
Auf Dünchad üa Bröin, Abt von Clonmacnois, der im Jahre 988 ;im 16. Januar in
Armagh starb. Die Strophe wird dem Dichter Eochaid üa Flannacäin (gejt. 1003) zugeschrieben.
Bei Colgan, Acta Sanctorum Hiberniae, S. 106, findet sich eine Vita des Heiligen. -- Zu
mainbthech s. Wx. Dicht. I S. 49 § 31.
64 K. Meyer:
147.
Mag Raigni rindänach i rric tress tulguirt,
äibind a . . . ärach, airdirc a ainm :
clär lethan länfota longphortach linmar,
füair ardrig n-änrata co n-ilur airm.
Ir. T. III 95 § 147: taulguirt M ainarach B amiarach M airdrigh anrata B ilar nairm B.
Die grasreiche Ebene von Raigne, in die der bittere Frontkampf' sich
erstreckt, lieblich ist ihr . . . , berühmt ihr Name. Eine breite, langgedehnte
Fläche, voller Heereslager und Scharen, — sie hat einen heldenhaften Hoch-
könig gefunden mit einer Menge Waffen.
Im dritten Vers muß ein Reim auf rindänach stehen, etwa fiud-arach 'gesegnete Ge-
wahrleistung'.
147 a.
Dairbri deligthe Dairbri, ili aidbli ossoca,
eochrann öcläechda uillech direch duillech dossfota.
Ir. T. III 13 § 23, 42 § 48: uis oca M hosaea B ocbada L ocslattach B' dellech
duillecA H drongach duillech B' dosada B.
Ein erlesener Eichenhügel ist Dairbri, (wo) viele gewaltige Hirsch-
lein (sind), (und) ein heldenmäßiger Eibenbaum, ein vielkantiger, gerader,
blätterreicher, langbuschiger.
Über einen Dairbri genannten Ort in Munster s. Hogan s. v. — Mit den Hirschlein
sind junge Krieger, mit dem Eibenbaum ihr Antührer gemeint. — Dair-bri (g), im Reim
auf aidbli, ist die ui'sprüngliche Form des Wortes, nicht dairbre, und die Bedeutung
'Eichenhügel', dann 'Eichwald' und schließlich 'Eiche'. Der Personenname Dairbre ist kein
echter, sondern, wie so mancher andere, nur zur Erklärung des Ortsnamens aus demselben
erschlossen.
' Wörthch 'ein frontbitterer Kampf.
Hruch^tncke der nlteren Lyiik Irlands. ()5
in. Vermischtes.
A. Aus Natur^edichten.
148.
Mingur, gringur, certän cruinne, cäi for barraib, bind a guth,
rongab [gathjland tria gäi ngrene, rocar . . . siebe in suth.
O'Mulc. 830 e.
Kleines Getöse, liebliches Getöse, zarte Musik der Welten, ein Kuckuck
mit süßer Stimme auf Wipfeln; Sonnenstäubchen spielen im Sonnenstrahl, die
jungen Rinder haben . . . des Berges liebgewonnen.
Gringur dem Reim auf minyur zuliebe statt yriun-gur geschrieben. Ebenso (/ringen
LL 164'' 10 (Metr. D. I 38) = griun-gtn lieblicher Ursprung' im Keim mit Frigrenn. Tai -gur
vgl. (onn-gur 'WogenschwalT, smUt-gur 'Qualm', dtnn-gur 'Staubwirbel'. Es ist wohl identisch
mit gnr 'Eiter' ' und stellt sich zur }/ gnr- 'erhitzen', indem es das Sieden und Wallen be-
deutet Vgl. unser 'Brandung'. — certän cniinne auch in 'King and Hermit' § 25 von In-
sektenschwärmen gebraucht, wo ich es mit 'the little musicians of the world' übersetzt habe.
" Zu meiner Konjektur gathland hat mich u. a. der Kettenstabreiiu veranlaßt, der sich
durch die ganze Strophe hinzieht und auch in der Lacuna in der vierten Zeile wohl ein
mit ••■ anlautendes und auf gathland reimendes Wort verlangt, gathlann. eig. 'Spieß', wie
LL 146'' i6 mo gathlann inn umaide. Eine Nebenform gaithlenn oben Nr. 23. — suth könnte
auch 'Wetter' bedeuten. S. Corm. § 604 und 1226.
149.
Fegaid üaib sair fothüaid in muir müaid milach:
adba rön rebach rän rogab län linad.
Ir. T. in 38 § 24, 102 § 187: muad LBM mhuaidh mhilach // riabach H roghab
muir lan H ragab M.
Erschaut vor euch gen Nordost das wilde (?) tierreiche Meer. Der
Wohnsitz der Seehunde, der lustigen, glänzenden, ist in voller Flut.
'L\x fegaid üaib vgl. atchonnaic an ingen Uaitht griantaitnem na n-etach ri-examailVerni.6ga.:
a fir feachus üait an cnämh 'O Mensch, der du den Knochen vor dir erblickst' RC XVI 17. —
muir milach 'mare belluosum' Horaz. — müaid (i), hier im Reim mit -tüaid, eine Nebenform von
müad (o). Die genaue Bedeutung ist unsicher. Etwa wild'. Es wird auch SR 7906 vom Meer
gebraucht (Umn müad Mara Alind); vgl. 7858. Ebenso _/br mörthuinn mSajrf O'Mulc. 268. —
Zu adba rön vgl. rön rian 'Pfad der Seehunde' Four Songs 20 § i, was an hrän-räd in alt-
englischen Gedichten erinnert. So heißt die See L'Z VIII 197 § 5 magen mongach rönach.
' Ein Kompositum in-gor (iongar U'R ) in derselben Bedeutung hat Stokes Br. D. D.
§ 164 verkannt, wo er es mit 'misery' übersetzt.
Phil..hi»t. Abk. 1919. Nr. 7. . 9
66 K. Meyek:
150.
Int (in bec roleic feit do rind guip glanbuidi,
foceird fäid ös Loch Läig Ion do chräib charrbuidi.
Ir. T. III 99 § 167: roleg B fochwd B guib codd. cafbhuidhe B crandmaige M.
Der kleine Vogel hat aus der Spitze des blanken gelben Schnabels
einen Pfiff erschallen lassen; die Amsel sendet von dem gelbbuschigen
Baume einen Ruf über Loch Läig.
Ich lese carrbuide und fasse es des Reimes wegen als für corrbuide geschrieben. Vgl.
eich corrderga 'rotschnauzige Rosse' Br. D. D. 51. — Gelb ist eine der Lieblingsfarben der
Galen.
151.
Ach, a luin, is buide duit cäit 'sa muine a fuil do net,
a dithrebaig nad clind cloc, is bind boc sithamail th'fet.
LBr. S. 36 marg. sup. (Gael. Journ. IV 115): fuil — as — tfet.
Ah, Amsel, du bist zufrieden, wo auch dein Nest im Busche ist. Ein-
siedler, der du keine Glocke läutest, süß, sanft, friedlich ist dein Pfeifenton.
In fuil soll der Punkt über dem / nach der Schreibweise von LB die Nasalierung
ausdrücken. — clind steht nach der Aussprache von Ostmunster für ding. Ein Sub-
stantiv ding 'Glockenschall' findet sich Hardiman 11 412: td ding na nmrhh teis an ngaoith.
152.
Tüatha abacc usci üair, glüair conanat i cach däil.
O'Mulc. § 3 : in gach.
Die Bibervölker des kalten Wassers, reinlich hausen sie in jeder Ver-
sammlung.
153.
Sliab Cüa cüanach corrachdub, golaid gäeth imm a glimie,
gäirit coin imm a chluidthi,
beccid borbdam banodur isind fagomur imme,
eigid corr ös a chluichthi.
Ir. T. III 87 § 99 : gairit macluighthe • — coin add. ego — isin — uime — cluichthi.
Das Guagebirge, wo Wolfsrudel hausen, rauh und schwarz — es klagt
der Wind um seine Talschluchten, Wölfe heulen um seine Klüfte; im
Herbste bellt der weibchenfahle, grimme Hirsch ringsumher, über seinen
Felsen schreit der Reiher.
Bntchstiiclie der älteren Lyrik Irlands. 67
Stiab CSa (Mons cavus), das Knockmealdowngebirge an der Grenze von Tipperary
und Waterford. — Meine Konjektur coin gibt die nötige Silbcnzahl und Alliteration. —
c'uiiitke, von clod, wie c/uichthe von doch. — banodur (nicht hänodur), im Reime axti fagomur,
soll wohl die im Herbste graubraun werdende Farbe der Behaamng bezeichnen, die der-
jenigen der Weibchen ähnelt.
IM.
üar ind adaig i Möiii Möir, feraid dertain ni deröil,
dorddän fristib in gäeth glan gessid os chaille clithar.
Ir. T. ni 67 § 2 : deaitan •!• sneachta B dertan risthib // dorrdan rostibh B oschailli clithair B.
Kalt ist die Nacht in Möin Mör, ein gewaltiger Regensturm gießt
herab; eine wilde Weise, gegen welche der reine Wind anlacht, brüllt über
dem Schutz des Waldes.
Die Strophe findet sich auch im Buch der l'i Maine fol. 191 a, mit der Lesart dnrdan
im 3. Vei'S und den Glossen gesid •{• bi>anaid und caille clithar •{■ guirün. — iibim 'lache'
wird, wie hier vom Winde, besonders oft von Wellen gebraucht: doroichtis na tonna adochum
cu tihtts uimme Lism. L 2171 : conacca carraig mbie ß-issitibed an tonn RC X 88,2, wo Stokes
ein Verbum tibim 'schlage' vermutet und CTeieo), CTieeu heranzieht; rothib tond tairis LL 175a 20
die Welle hüpfte lachend über ihn': Ivid dar cech tuind dia tibed 213a 42. Aber der Ge-
brauch mit einem Objekt im Akk. tibit lulmag Alinne LL 162b 8 'sie (die Flüsse) ... die
Ebene von Alenn' ist schwer zu erklären. Es liegt wohl Korruptel vor, da alle anderen
Hss anders lesen (Metr. Dinds. II 82. 44). IJcs vielleicht tibit tar mag Alinnr. Ein anderer
metaphoiischer Gebrauch findet sich Rl 502. 84 b 13, wo es dichterisch heißt 'die Herrschaft
lächelte einem Könige' (rothib ind/laith linih/eh . . . fri hAilitl).
155.
Ronbris, ronbrüi, ronbäid, a Ri richid rindglaine,
rongeilt in gäeth feib geiles nemäed forderg fidnaige.
(»"Mulc. 830g, H. 3. 18, 614'» (Zur Kelt. Woitk. ij 108): in richid codd. geilius codd.
fidnaidhe H aod codfl. nemaed ego.
Es hat uns gebrochen, os hat uns zermalmt, es hat uns ertränkt,
o König des sternerglänzenden Himmelreichs. Der Sturm hat uns ver-
zehrt wie tiefrotes Himmelsfeuer Holzwerk verzehrt.
156.
Täinic gaimred co ngainni, rolinsat lethe linni,
arlegat duile degnad, rogab tonn medrach miniii.
IL 3. 18, 624 und 661, H. 4. 22, 67'": gemred //' geimredh H'' ngainde W letha H^ linne
codd. airicgat W //' iarleghadh //' degna W dighna //' rongab codd. medrech W med-
rarh IP minne codd.
68 K. Meyer.
Der rauhe Winter ist gekommen, die Wasser haben die Flachlande
angefüllt, Fröste lösen die Blätter, die lustige Woge hat angefangen zu
grollen.
Zum API. linni vgl. linni crö I>L 275'» 44. — ar-legaim 'löse auf zur vleg, Ped. § 758.
— Ich fasse degnad, das durch reodh (kymr. rhew) glossiert is^, als NPi. eines Neutrums. —
medrach (in Leb. Gab. mit greadhnach glossiert) ein häufiges Beiwort der See. z. B. a tond
medrach mend LU 40^ 5, muir medrach mend, ib. 15; ttagam tar muir medraig möir Eg. 1782,
all» 2. — minne (iä) f. eig. 'Stammeln, Murmeln'.
157.
Rucht fothuind fithend föi, andord ela, inmuin öi,
osnad echtge, älaind lüad, lin mucc müad, mend medras eöi.
Corm. § 662 : inmhain aui.
Das Grunzen aus dem Sauenlager . . . . , der Schwäne Gesang, dem
Ohre lieb, der Schrei des Käuzchens, ein lieblicher Ton, die Zahl der
wilden Schweine, klar erschallt des Kuckucks Ruf.
Wird Fer Muman (8./9. .Ih.) zugeschrieben. Durchgehender Kettenstabreim. — ruehl,
von O'Cleiy durch ro-iachtadh erklärt, bedeutet r.iuhe Geräusche mancherlei Art: rabert sun
a rucht rmled bar aird LL 80'' 34; rucht claidih loo'' 25, 176'' 4: von tierischen Lauten:
rucht ruip Anecd. II 48, 17. Es gehört gewiß zu lat. meto und seinen Verwandten; s. Walde
s. V. erUgo. — fothond wird durch muctaithe erklärt. Ob das für muc-laige 'Schweinelager'
verschrieben ist!' — ßthend föi ist mir unverständlich, auch fehlt eine Silbe. — öi fasse ich
als Dat. zu ö (s) n. 'Ohr. Vgl. ar aui Torm. § 44. Es läge dann eine alte Konsti-uktion
vor, die sich bei Dichtern erhalten hat. — Über evhtaih (ä) f. siehe Sitzungsber. 1919 S. 394.
158.
Gochuill choss ngall, gaimin bran.
Corm. § 683 : cochall coss Y cocholl chos B gemin B brain YB.
Die Fußbekleidung der Schwäne, die Winterröcke der Raben.
Als Beispiel fiir gall •(• ela 'Schwan'. Wird Fer Muman zugeschrieben. Wohl aus
einem Winterlied. — gaimtn (o) ni., ursprünglich das Winterfell der Tiere.
159.
Daith bech buide a hüaim i n-üaim, ni süail a uide la grein,
fö for fuluth sa mag mär, dag a dagchomul 'na cheir.
ACC § 46, H. 3. 18, 612 a : dagh beich B foiaid san mag H daj;: a dath cumang a cheir R.
Bnichstilcke der n'lteren Lyrik Irlands. 69
Von Höhle zu Höhle (schwärmt) behend die gelbe Biene, keine
winzige Reise macht sie in der Sonne; munter fliegt sie davon in die
große Ebene, dann schlüpft sie tapfer in ihr Wachs hinein.
Ich fasse daith pi-ädikativ; doch könnte es auch attributiv verwendet sein, indem bei
Dichtern ein Adjektiv dem \omen voraufgehen, das andere folgen kajin, wie ich 'Four
Songs' S. 6 gezeigt habe. — fvluth, Abstr. zu fo-lu- (PED. § 769). S. Corm. § 663. —
a dag-chnmut wörtlich 'ihre gute Vereinigung'.
B. Aus Liebes^edichten.
160.
Cride he, daire cnö,
öcän e, pöcän dö.
Ir. T. ni loo § 177: ogan — pogan.
Er ist ein Herz, eine Ntiß des Eichenwaldes, ein lieber Junge — ein
Kflßchen ihm!
161.
Mac rig Müaide mid samraid füair i fid üaine ingin,
tue dö mess ndub a draignib, tue airgib sub ar sibnib.
YBL ii8a marg. inf. : nieas dub.
Der Sohn des Königs vom Flusse Muad fand im Mittsommer in einem
grünen Walde ein Mädchen ; die gab ihm schwarze Frucht von Brombeer-
sträuchern, sie gab ihm mit {Liebe8)zeichen (?) Erdbeerfrucht auf Binsen.
Müad (ä) f., jetzt Moy genannt, der sich in die Bucht von Killala eingießende Fhiß. —
Wenn airgib auf draignib reimen soll, wie sub auf dub, so steht es wohl für airdib, was ich
übersetzt habe. Lst dagegen äirgib zu lesen, so wäre es DPI. von ärach und etwa 'als An-
gebinde' zu übersetzen.
162.
Cöinmair 'na luing indfota oca mbiat a lennata
oc imram ard allata iar n-ingnais a mennata.
Fei. XCVU: lennada.
Glückselig, wer in seinem langgespitzten Schiff mit seinen Herzliebsten
hoch und stolz dahinfährt, von seinem Heimatsitze geschieden.
lennata (ä) f., die mit dem Deminutiv sufiix -nat gebildete weibliche Nebenform zu
lennän 'Liebling'. Vgl. gilla cen tennoit nä hingen cen lendän Kr. IV 124, 11.
70 ■ K. Meteb:
C. Aus Liedern der Freundschaft.
163.
Ar corrucän cumraide, ollurcbal ar nglanbaile;
nisfüar cöem a chomdile, ciaso döer, is dagduine.
LL 37 c 48: ollurgbail.
Unser süßer kleiner Kranich, großer Stolz unserer ruhmreichen Stätte, —
ich habe keinen Freund gefunden, der mir so lieb wäre ; ist er gleich ein
Unfreier, ist er ein Edelmann.
Da man sich Kraniche als zahme Haustiere hielt (vgl. petia cuirre Aisl. M. 51, 28), so
wird corr im Sinne von 'Liebling' gebraucht. — oll-urcbä! (im Reim mit cnrrueän,
eig. 'große Erhebung'. Vgl. indochäl. ■ — cumraide, lig. 'süßschmeckend oder duftend' (cnö
cumraide Ir. T. III 106, 22) in übertragenem Sinne auch LL 129a 14 rT cumraide in Chairn;
muinter chumraide Er. VIII 16 § 18.
164.
Cara dam 1 Cill da Chellöc, mad äil düib, dofessid:
pianän i mbi corca fäsaig, Cianän dona Dessib.
Ir. T. III 105 § 210: niucarasa acill B' mad ail duib om. B conrofesidh B arafesed
M pianan •!• rus M.
Ich habe einen Freund in Cell da Chellöc; wenn ihr es wünscht, sollt
ihr wissen, wer es ist: ein kleiner Quälgeist (?), in dem wilder Hafer
wächst, Cianän vom Stamm der Dessi.
Wird einem sonst unbekannten l a Derglega ' zugeschrieben. Cell da Chellöc, jetzt
Kilraallock in der Grafschaft Limerick. — Die Glosse rus in M (Thirn. Zu ir. Hss. I 72)
ist mir unverständlich.
165.
Atä cara oobel cain dam-sa for maig Laigen lir,
segguine seng, soäes bär, dian comainm säl soillsi gil.
Ir. T. III 22 § 65, 49 § 87 : cobal BL combail B' seguine B sedghuineach B' sedgumed
L soas B soaes L comainm HLB' slän LB'.
Ich habe einen edlen freigebigen. Freund auf der Ebene des meer-
umspülten Leinster, einen schlanken Hirscherleger, einen Weisen vom besten
Alter, der den Beinamen 'Meer des weißen Glanzes' fuhrt.
' Gen. von Derg-liaig 'Wundarzt, Chirurg'.
Bruekstiicke der älteren Li/rlk Irlands. 71
Die f-esart cohel statt co mbail ist der Alliteration wegen vorzuziehen. Der Komparativ
coblu zu cobel (aus *com-fel) steht Fei. Epil. 74 (sie leg.). — Thurneysen RC XHI 274 liest
segguinech und vergleicht Corni. § 1168, wo die Hss segguiue (sedguim: LM), sedguinid
(seguinidh Y), segguinech [seghuincch B) lesen, alles drei mögliche Fonnen. — Es wäre denk-
bar, daß soainm 'schöiiei' Name' zu lesen ist, was noch eine Alliteration geben würde, die
im 1. und 3. Verse auch dreifach gehäuft ist. Der Name, auf den versteckt hingewiesen
wird, fing wohl mit Muir- oder Ler- an.
166.
Mo chara-sa Cnäroine caras iath nEli n-achtach,
bid fäilid frim dämine cia domecma cet marcach.
Ir. T. III 63 § 1 29, H. 3. 1 8, 654 : mo carasa no diliu H charas L rocbar H achtach uo
echttach H dameni H domfacced LL nobeinn tricha H.
Mein Freund Cnämine, der das tatenreiche Land von Ele liebt, wird
mich mit meiner kleinen Gästeschar willkommen heißen, wenn aucli
hundert Reiter mit mir kämen.
Wird in LL und H. 3. 18 dem Dichter Flann mac Lonäin (gest. 896) zugeschrieben.
Unter dämtns ist das Gefolge (die Schüler, Pflegesöhne und Gesinde) des Dichters zu ver-
steheu. — Ei«, jetzt Ely O'Cari-ol in Munster.
167.
Conchobar üa Cadla, crim muicce fiada ar äth n-aba,
cuin dorala in cara i n-üathad?
Duine darbu rö brigrad briathar,
fer ara tabar tirad ocus brö ocus criathar
ocus fuine ocus imfuine cen ithe do Räith chliathbän Crüachan.
Ir. T. III 100 § 178: muici fiadha B darbo M brighräd B criath- B cria M imuine M
cliathad cruachadh B.
Conchobar vom Stamm der Ui Chadla, Zungenfarn an der Furt des
Flusses, — wann ist der Freund allein? Ein Mensch, dem der Schwall
der Worte zuviel war, ein Mann, dem Dörren und Mahlen und Sieben
und Backen und Kochen für die Burg von Crüachu mit weißem Geflecht
auferlegt wird, ohne daß er selbst zu essen bekommt.
Die Strophe enthält sechs Verse von neun Silben. — Die Li Chadla finde ich sonst
nicht erwähnt. — crim muicce ftada, das 'lingua cervina' (engl, hart's tongue) genannte Farrea-
kraut. — Zu i n-nathad vgl. in tan biid i n-Uathud Rl. 502, 112'' 50. — Es ist nicht etwa
robrifrad zu lesen, wie ich Contr. S. 262 annahm, da brigrad auf ttrad reimt.
72 K. M E Y E R : Brw/isti/cke der älteren Lyrik Irlands.
Inhalt.
Seile
I. Aus Gedichten auf Personen 5
A.. Loblieder i — 58 5
B. Spott- und Schmählieder 59 — 88 27
C. Totenklagen 89 — 131 37
II. Aus Gedichten auf örtlichkeiten 132 — 147a 59
III. Vermischtes 65
A. Aus Naturgedichten 148 — 1 59 65
B. Aus Liebesgedichten 160 — 162 69
C. Aus Liedern der Freundschaft 163 — 167 70
Berlin, gedruckt in der Reiclisdruckerei.
ABHANDLUNGEN
DER PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
JAHRGANG 1919
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE
Nr, 8
; BERKELEYS PHILOSOPHIE IM LICHTE SEINES
WISSENSCHAFTLICHEN TAGEBUCHS
„nAEON HMICY nANTOC"
l VON
l BENNO ERDMANN
BERLIN 1919
VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
IN KOMMISSION BEI DER
VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRIIYTER U. CO.
VORMALS O. J. UÖStHKNS« IIE VERLACiSHANBI.lUG. J. GUTTENTACi, VKBLAGSBIK llHANDl.L'NC
UEOBGKEiaER. KARL J. TROBNER. VEIT U. COMP.
Vorgetragen in der Sitzung der phil.-hist. Klasse am 19. Juni 1919.
Zum Drucli eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 30. August 1919.
Vorwort
Wir besitzen in dem 1871 zuerst veröffentlichten wissenschaftlichen Tage-
buch Berkeleys ein einzigartiges Dokument philosophischer Gedankenent-
wicklung, aber in unzureichendem Text und in einer Druckfolge, die das
Verständnis des inneren Zusammenhangs der Aufzeichnungen unmöglich
machte, bis ihm eine glückliche Entdeckung, wie sie nur dem Kundigen
gelingen konnte, die Wege bahnte. Leider aber hat Theodor Lorenz die
äußeren Kriterien, die seine Entdeckung ermöglichten und sicherten, in
einer Kürze mitgeteilt, die seine scharfsinnigen und wohlfundierten Beob-
achtungs- und Deutungsergebnisse als gewagte Hypothesen erscheinen ließen.
Sie sind deshalb völlig unbeachtet geblieben. Die Ergänzung, die Lorenz mir
auf meine Anfrage vor längeren Jahren bereitwilligst gegeben hat, war für
mich überzeugend und ermöglichte eine Nachprüfung der von ihm ge-
lieferten äußeren Daten an dem inneren Zusammenhang der Aufzeichnungen.
Eine einfache und in allen Einzelheiten sicher lösbare Aufgabe war diese
Nachprüfung trotz der mir von Lorenz gleichfalls zur Verfügung gestellten
Textbesserungen und -Ergänzungen nicht. Ich wäre an der peinlichen
Kleinarbeit, einen im wesentlichen gesicherten Text herzustellen, schier
erlahmt, um so mehr, als Lorenz anscheinend keine Gelegenheit gefunden
hat, die von ilim in Aussicht gestellte zweite Kollation mit dem Manu-
skript vorzunehmen. Auch den inneren Zusammenhang zu ermitteln forderte
harte und zeitraubende Arbeit, sehr viel mehr Monate, als ich ursprüng-
lich Wochen in Aussicht genommen hatte. Mich hat die wundervolle Per-
sönlichkeit Berkeleys und die im[)etuose Paradoxie seiner philosophischen
Gedanken seit Jahrzehnten zu einer genaueren Beschäftigung mit seinen
Schriften gereizt. Dennoch wäre die Arbeit wohl, wie manches andere,
liegen geblieben, hätte ich nicht das Gefühl gehabt, eine Art Vermächtftis
4 Erdmann:
von Lorenz erfüllen zu müssen, der, seit Jahrzehnten in England lebend,
inmitten der Kriegsjahre verschollen ist, und hätten sich mir nicht im
Laufe der Prüfung manche virertvolle historische Erkenntnisse erschlossen,
wäre endlich der Abschluß der Arbeit nicht das einzige Mittel gewesen,
dem Tagebuch Berkeleys die ihm gebührende Wertung zu verschaffen.
Schließlich hat der Abschluß der Untersuchung mir auch über die geistige
Depression hinweggeholfen, die meine Arbeitskraft seit dem Ausgang des
Krieges und seinen Folgen für unser Vaterland lähmte.
Der Assistentin unseres philosophischen Seminars, Frl. cand. phil.
Gertrud Jung, sage ich für ihre so sachverständige wie sorgsame Beihilfe zur
Textverbesserung auch an dieser Stelle herzlichen Dank.
Berlin, 14. August 19 19
Erdmann
Abkürzungen.
Fr. AI — IV: The Works of George Berkeley ... by Alexander Campbell
Fräser, Oxford 1871.
Fr. BI — ^IV: The Works ofGeorgeBerkeley ... by A.C. Fräser, Oxford 1901.
Fr. C: Selections from Berkeley annotated ... by A. C. Fräser,
Oxford 19 10.
Fr. D: A. C. Fräser, Berkeley, Philosophical Classics III, 1881 u. ö.
Ich zitiere die Cheap Edition, Edinburgh and London 1903.
C. P. B. : Berkeleys, von Fräser sogenanntes Commonplace Book.
(00): Die Aufzeichnungen des C. P. B. nach meiner Zälilung'.
Der Sperrdruck im Text rührt durchgängig von mir her.
* Es ist keine große Aufgabe für den kritischen Leser, diese Zählung, die leider nicht
einfach fortlaufend sein konnte, auf Grund der drei Anhänge zu dieser Untersuchung, vor-
erst der Anhänge I und II, herzustellen und den Text von Fr. B nach Anhang I und II zu
bessern.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines misstnschaftlichen Tagebuchs.
Inhalt.
Seite
Einleitung 7 f.
Methodologisches zur Geschichte der Philosophie 7
Berkeleys wissenschaftliches Tagebuch in den Ausgaben von Fräser 9
Lorenz' Hypothesen über das Tagebuch und seine Textverbesserungen von Fräsers
Ausgabe B 14
Abhandlung 19 f.
Zeitbestimmungen zum Tagebuch, den Statuten und den Eintragungen IT — XXIII 20
Die frühesten nachstatutarischen Eintragungen: Die Idee des Immaterialismus . 27
Entwicklungsbedingungen der Philosophie Berkeleys 31 f.
Die religiöse Grundstimmung Berkeleys 32
Sein Anfangsstudium der Mathematik 35
Der scheinbare Einfluß der Platonischen Philosophie 36
Die religiöse Reaktion gegen den Rationalismus der Philosophie des 17. Jahr-
hunderts (Malebranche u. A.) 38
Der Einfluß der Lehre Lockes auf Berkeley 41
Berkeleys Umbildung von Lockes Lehre zum Immaterialismus 44
Die lediglich kritischen Funktionen von Berkeleys Abstraktionstheorie 47
Berkeleys Lehre von den spirits in den Schriften Berkeleys bis 1734 61
Die Entwicklung dieser I^hre im Tagebuch 66 f.
Die Unsterblichkeit der Geister und deren Abhängigkeit von Gott 67
Die endlichen Geister 70 f.
Der Begriff der Existenz '. 72
Kraft und Kausalität 76
Die Erkenntnis der fremden Geister 82
Das Identitätsproblem 82
Die Substantialität der Geister 85
Der Gesamtcharakter der Lehre im Tagebuch 91 f
New Theoiy und Treatise 91
• My Doctrine« 95
Stellung zur Mathematik und den Naturwissenschaften 96
Stellung zur philosophischen Überlieferung 99
Schlußbemerkungen 99 f.
Anhang I: Reduktion des Tagebuchtextes von Fr. B auf Fr. A 103 f.
Anhang IT: Textverbesserungen von Lorenz zu Fr. A 106f
Anhang III: Die in der Abhandlung zitierten Tagebuch-Eintragungen 114 f.
Anmerkungen 1 16£.
Die Geschichtsschreibung der Pliilosophie hat den sachlichen Entwick-
lungszusammenhang der philosophischen Gedanken bloßzulegen. Sie soll
— ihrem Ziel nach wie jede Wissenschaft international — die langsam
sich zusammenschließenden Fortschritte der philosophischen Problem-
stellungen und -Lösungen in den verschiedenen, an dieser Entwicklung
beteiligten Ländern aufdecken. Ihr Material bilden die philosophischen
Strömungen und Systeme in ihrer Abhängigkeit von der jeweils vor-
handenen Kulturlage, in ihrem Einfluß auf dieselbe sowie in ihrer Abhängig-
keit voneinander. Ihre Aufgabe kann somit weder lediglich in einer zu-
sammenfassenden Wiedergabe der einzelnen Systeme, noch in einer isolierenden
Behandlung der in ihnen enthaltenen Probleme und Problemlösungen gesucht
werden. Eine solche Wiedergabe ließe die Weiterbildung der einzelnen
Probleme in ihrem wechselseitigen Zusammenhang selbst dann nicht deutlich
erkennen, wenn die Systeme nicht nach der »Beschreibung ihrer Urheber«,
sondern nach den Ideen erfaßt wären, die den systematischen Darstellungen
gestaltend zugrunde liegen. Die isolierende Behandlung der Probleme da-
gegen vermag den inneren Ztisammenhang der philosophischen Gedanken,
der sich, jede Zeit erfüllend, in verschiedenen Strömungen und Systemen
spiegelt, niemals zum Ausdruck zu bringen.
Die Aufgabe der philosophischen Geschichtsschreibung, die fort-
schreitende Entwicklung der Probleme im Zusammenhang der leitenden
Systeme und der sie ergänzenden Gedankenströmungen aufzuzeigen, ist
schon deshalb leichter gestellt als gelöst.
Zwei weitere Schwierigkeiten kommen hemmend hinzu.
Ejs gibt wie überhaupt keine rein objektive Geschichtsbetrachtung, so
auch keine solche der Geschiclite der Philosophie. Jeder Geschichtsforscher
trägt die Ideen seiner Zeit, die Überlieferungen seines Volkes, seinen
8 Erdmann:
eigenen Standpunkt und selbst den Eigenwillen seiner Persönlichkeit in
seine Auffassung des geschichtlichen Verlaufs hinein, auch wenn er nicht
in der Weise der politischen Historiker die Vergangenheit lediglich um
die ihm wertvollen Bedürfnisse der Gegenwart orientiert, dem Vergangenen
also, uneingedenk eines tiefsinnigen Wortes von Ranke, sein Eigenrecht
verkümmert oder gar vorenthält.
Außerdem sind bei der Bestimmung eines jeden Gliedes der historischen
Entwicklung zwei philosophische Betrachtungsweisen zu vereinigen, die in
verschiedenen Richtungen verlaufen. Die objektive Entwicklung der Gedanken
geht andere Wege, als ihr subjektiver Ursprung im Geiste der Philosophen.
Eine Geschichte philosophischer Probleme, etwa des Substanz- oder des
Kausalproblems, könnte, ähnlich wie eine Geschichte der Infinitesimal-
rechnung oder des Satzes von der Erhaltung der Energie, geschrieben
werden, ohne daß einer der Träger dieser Entwicklung auch nur genannt
zu werden brauchte. Es würde genügen, ihren Anteil an der Fortbildung
der Gedanken aus den Problemlagen ihrer Zeit nach seinem sachlichen
Gehalt und seinem Einfluß festzustellen. Die Geschichte der Philosophie
dagegen würde bei so isolierender Betrachtung, ähnlich wie die Geschichte
der als olfenbart geltenden Religionen, der bildenden Künste oder der
Literatur, das Verständnis fiir die Bedeutung der Persönlichkeiten in ihrer
Wechselwirkung mit dem Milieu ihrer Zeit verlieren. Sind es letzten
Grundes überall und immerdar die führenden Geister, welche die Geschichte
machen, so sind sie es auf den genannten Gebieten in besonderem Maße.
Wie Einer ist, so ist nicht bloß sein Gott, so ist ihm auch die Welt.
Deshalb verlangt die philosophische Geschichtsforschung, daß die
individuelle Entwicklung der Persönlichkeiten mitberücksichtigt werde.
Sie fordert damit den Einschlag biographischer Fäden in das Gewebe des
sachlichen Entwicklungszusammenhangs.
Freilich nur einen Einschlag. Das Biographische gehört in die eigentliche
Geschichtsforschung nur so weit hinein, als es den objektiven Zusammen-
hang bestimmen hilft, selbst wo es möglich ist, die individuellen und die
Milieubedingungen der subjektiven Entwicklung sicher zu verfolgen.
Quellenmäßig ist allerdings diese Sicherheit auch in der Geschichte
der Philosophie nur in bescheidenem Umfang zu erlangen. Die primären
Quellen, die von den Autoren selbst veröffentlichten Schriften, gewähren
zumeist auch dann keine festen Anhaltspunkte, wenn über ihre zeitliche
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 9
Folge kein Streit sein kann. Die Wege der Begründung unserer Gedanken
sind eben meist andere, als die ihres Ursprungs waren. Und nicht häufig
ist das Bedürfnis, auch wo dem Urheber der Ursprung seiner Lehr-
meinungen aus dem dunklen Gebiet des Unterbewußtseins und dem meist
verschlossenen der unbewußt vollzogenen geistigen Arbeit feststeht, darüber
Rechenschaft zu geben. Der Regel nach sind wir auf sekundäre Quellen
angewiesen. Auch diese aber bieten niu* ausnahmsweise einen festen Boden;
eigentlich nur dann, wenn es sich um Formulierungen der Gedanken un-
mittelbar nach ihrem Status nascendi handelt, die ohne alle Nebenabsichten
und emotionelle Trübungen, gleichsam protokollarisch, niedergeschrieben
sind. Das Beste hat, wie in allen Geisteswissenschaften, die aus eigenem
Erleben quellende, nachverstehende Intuition zu leisten.
Ich kenne nur ein umfassenderes Dokument dieser Art: das wissen-
schaftliche Tagebuch des jugendlichen Berkeley. Es ist durch
die unvergängliche Frische seiner meist kurzen Eintragungen sehr viel
reizvoller als etwa die Bemerkungen Kants zu seinen Vorlesungskompendien,
und durch die volle Unbefangenheit seines Urhebers ungleich lehrreicher,
als die schon in Rücksicht auf direkte Veröffentlichung geschriebenen
Tagebuchaufzeichnungen Schopenhauers.
Es gewährt fürs erste einen vielfach überraschenden Einblick in die
Entwicklung und den Zusammenhang philosophischer Gedanken, die durch
ihre Fortbildung, insbesondere bei Hume, sowie durch die Kritik, die sie
herausgefordert haben, teils in den Vorstufen des französischen Positivismus,
bei d'Alembert und Turgot, teils in der schottischen Philosophie, vor
allem bei Th. Reid, und in deren Gegenkritik durch Priestley (^), zu den
fruchtbarsten des achtzehnten Jahrhunderts gehören. Sie gewähren solches
historische und systematische Verständnis insbesondere auch für den-
jenigen Bestand dieser Lehrmeinungen, durch den Berkeley sich unver-
gängliche Verdienste um den nicht allzugroßen ehernen Besitz an philo-
sophischer Erkenntnis erworben hat: für die psychologischen Theorien der
Gesichtswahmehmung und der Abstraktion, sowie für die erkenntnistheo-
retische Begründung des idealistischen Spiritualismus. Man kann die An-
erkennung, die Stuart Mill in seinem feinsinnigen Aufsatz über »Berkeley's
Life and Writings« ausgesprochen hat, übertrieben finden: »we think it
recognised that of all who, from the earliest times, have applied the
Phil.-hisl.AbA. 1919. Nr. 8. 2
10 E R D M A N N :
powers of their minds to metaphysical inquiries, he is the one of greatest
Philosophie genius: thoiigh among these are included Plato, Hobbes, Locke,
Hartley, and Hume; Descartes, Spinoza, Leibnitz, and Kant . . . The doctrine
of the acquired perceptions of sight . . ., the non-existence of abstract
ideas . . ., the true nature and meaning of the externality, which we
attribute to the objects of our senses: the three have made Berkeley the
turning-point of the higher philosophy in modern times. « (^) Sicher aber
ist, daß er trotz Herbert Spencers abfälliger Kritik des Metaphysikers
Berkeley in seiner Psychologie (B. VII, eh. 3 u. 4) an allgemeiner Bedeutung
Hartley, dem James und Stuart Mill besonders viel verdanken, voransteht,
und in eben dieser Hinsicht Hume nicht nachgestellt werden darf. Kants
unbilliges Urteil über Berkeley hat hier den Blick der deutschen Forscher
getrübt. In der Überlieferung unserer Geschichtsschreibung hat er, auch
in den bestfundierten Darstellungen von Windelband und Ernst Cassirer,
nicht die gebührende Würdigung gefunden. {^)
Aber die Bedeutung des Tagebuchs reicht über den Gedankenkreis
der Philosophie Berkeleys weit hinaus. Noch fehlt uns eine eindringende
Darstellung der Art, in der wissenschaftliche, speziell philosophische Ge-
danken entstehen und sich entfalten, im Sinne der Versuche der allge-
meinen Kunstwissenschaft, in das Wesen der künstlerischen Produktion
einzudringen. Auch dafür sind, gemäß den oben gegebenen Andeutungen,
die Eintragungen Berkeleys in sein »note-book«, um ein Wort Stuart Mills
zu gebrauchen, ein Musterbeispiel, dem kaum ein anderes zur Seite gestellt
werden kann.
Abgedruckt ist das Tagebuch zuerst von Fräser in Bd. IV seiner ver-
dienstvollen Ausgabe der Werke Berkeleys vom Jahre 1871, daraufhin,
allerdings nur zum größeren Teil, in Bd. I seiner zweiten, neugeordneten,
teils vermehrten, teils verkürzten Ausgabe vom Jahre 1901. (*)
Fräser hat in der kurzen Charakteristik des Tagebuchs, die seine
umfangreiche Biographie Berkeleys enthält (AIVS. 27 — 36), dessen ent-
wicklungsgeschichtliche Bedeutung richtig gewertet und ebenso zutreffend
den Standpunkt bezeichnet, von .dem aus die mannigfachen Schwankungen
und Widersprüche in solchen Aufzeichnungen gedeutet werden müssen.
Aber er konnte schließlich doch nicht umhin zu erklären: »There is little
method in the arrangement, though a progress in so mething like chrono-
logical Order may, perhaps, be traced in some parts« (A IV S. 419,
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen TagebucJiS. 1 1
30). Glücklich hat daraufhin A. J. Balfour in seinem Essay über Berkeley
diesen Eindruck formuliert: »That a collection of this kind, never intended
to meet any eyes but those of its author, should contain much that is
crude and even absurd, that there should be frequent repetition and no
method, is, of course, inevitable. A soliloquy from which these characte-
ristics are absent is most surely intended to be overheard. To my taste,
therefore, these defects, if defects they be, only add to the vividness,
and, therefore, to the interest, of the fragment of intellectual autobio-
graphy so fortunately preserved. « (*)
Wiederholt sind dementsprechend einzelne Äußerungen des Tagebuchs
zur Erläuterung der Lehre Berkeleys verwendet worden, insbesondere von
Fräser selbst in seinen verschiedenen Arbeiten über Berkeley, speziell in
seiner kleineren, die größere ergänzenden Darstellung des Lebens und der
Lehre des Philosophen (Fr. D), ferner von A. Penjon in seiner Studie über
Berkeley (1878), zuletzt, um von zahlreichen kleineren Schriften hier ab-
zusehen, von E. Cassirer in seinem Werk über das Erkenntnisproblem
(1907) und von Ant. Thomsen in der biographisch wertvollen Schrift übi^r
David Hume, sein Leben und seine Lehre (1 191 2 S. 2 i 7f., 2 25f., 2 96f , 4 j 7).
Eine Analyse des Tagebuclis hat jedoch niemand versucht. Diese
Zurückhaltung war bis 1905 begreiflich. Über Fräsers Veröffentlichung
hat ein Unstern gewaltet.
Seine Beschreibung des Nachlaßmanuskripts beschränkte sich auf zer-
streute knappe Bemerkungen. Es ist ihm zufolge »a small quarto volume
in Berkeley's handwriting . . . Here and there the writing is nearly obli-
terated, apparently by the action of water . . . On the title-page is written,
'G. B. Trin. Dub. alum.," with the date 1705 . . . The manuscript com-
mences with these words in Berkeley's own handwriting: . . . 'Mem. The
following Statutes ... A. D. 1705' (i) . . . This curious manuscript volume
contains also a description of the Cave of Dunmore ... in Berkeley's hand-
writing« (A IV S. 419, 23, XII; vgl. B I S. I, 5). Daß ergänzende und
berichtigende Bemerkungen Berkeleys vorhanden seien, sowohl »in the
margin« als auf »blank« oder »opposite« Seiten, ergab sich nur aus
einigen Anmerkungen Fräsers; zumeist war lediglich notiert: »Author«.
Der Abdruck war überdies nicht ganz vollständig. Fräser hatte erklärt:
»The original manuscript is followed throughout, except the Omission of
some of the repetitions of identical thought in the same, or almost the
•2*
12 E R D M A N N :
same, words« (A IV S. 419). Er war außerdem ungleichmäßig insofern, als
einzelne der Zusatzbemerkungen in eckigen Klammern dem Text einverleibt
waren (z.B. A IV S. 422, 427, 430), während die übrigen ihren Platz in
den Anmerkungen gefunden hatten.
Ernstlichere Schwierigkeiten bereiteten Fräsers schwankende Zeitbe-
stimmungen. Aus seinen Angaben folgte sicher nur, daß das Manuskript
im Januar 1705 der damaligen Zeitrechnung von Berkeley begonnen war
(Fr. A IV S. 23). Außerdem zeigte sich mitten im Text das Datum
»August 2 8th, 1 708 « (bei Fr. A IV S. 467). In Aufzeichnungen, die weit hinter
dieser Textstelle stehen, fand sich auffälligerweise eine Beziehung auf
Mr. Newton (A IV S. 493), zu der Fräser selbst anmerkt: "Newton became
Sir Isaac on April 16, 1705«, eine Titelbezeichnung, die im Manuskript,
wie Fräser gleichfalls anmerkt, erst später (A IV S. 498) angetroffen wird.
So werden Fräsers schwankende Zeitangaben einigermaßen verständlich :
»The Commonplace Book . . . represents Berkeley's studies, and the course
of his thoughts, apparently from about bis eighteenth tili about his twenty-
second year . . . at or about the age of twenty . . . apparently in 1 705
and some foUowing years«, »in 1705 and in the two years foUowing«,
»1705 and the three foUowing years«, »in 1705 and the two or three
foUowing years«, wozu gleich der Ansatz bei Fr. B hinzugenommen werden
mag: »This Commonplace Book throws a flood of light upon Berkeley's
State of mind between his twentieth and twenty-fourth year. » (^)
Nicht minder auffällig war es, daß Fräser den nach seinen Angaben
(A IV S. 23) ersten Teil des Manuskripts, zwei datierte Gruppen Statuten,
die erste nach seiner Angabe »in the handwriting of another«, die zweite
ohne Herkunftsangabe, sowie zwischen beiden stehende Fragen und Thesen
von Berkeleys Hand, seinem »Life and Letters« eingeordnet hatte, während
er den zweiten Teil, das in engerem Sinne von ihm sogenannte Common-
place Book, in den »Writings of Bishop Berkeley hitherto unpublished«
(A IV S. 419 — 501) zum Abdruck gebracht hatte, ohne dort jenes ersten
Teiles zu gedenken. Ebendort (S. 503 f.) findet sich auch die »Description
of the Cave of Dunmore« mit der Ortsangabe, sie sei »written at the end
of his Commonplace Book, but no date is given«.
Alle diese Unzulänglichkeiten aber mußten für den kritischen Leser
hinter den Umstand zurücktreten, daß es unmöglich war, irgendeinen Ent-
wicklungszusammenhang in den fortlaufenden Eintragungen AIVS. 419
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebucfis. 13
bis 501 zu erkennen. Schon die ersten dieser Eintragungen in Fräsers
Abdruck des von ihm in engerem Sinne sogenannten Commonplace Book
zeigen den bereits im einzelnen ausgebauten Standpunkt der späteren Lehre :
das Bewußtsein eines »Prinzips«, das Berkeley denf Newtons entgegensetzt,
von dem aus er die Meinungen des landläufigen Realismus sowie die Lehren
von Bayle, Malebranche und der Cartesianer kritisiert; sie bieten die öfter
seit 1871 zitierte Formulierung »existence is percipi, or percipere« mit der'
Randbemerkung: »or velle, i. e. agere« (Fr. A IV S. 422 = Fr. B 1 S. 10).
Sie enthalten Anmerkungen über die zu befolgende Darstellung in einem
offensichtlich geplanten Werk usw. Dagegen finden sich viel später, nach
dem oben schon erwähnten Datum vom August 1708, Niederschriften, die
allerhand offenbar Unfertiges enthalten, auch nichts von geplanter Aus-
gestaltung zu einem Werk verraten.
Ich gestehe, daß es mir lange Zeit hindurch hoffnungslos erschien,
irgendeine Ordnung in diesen anscheinend wüsten Haufen zu bringen. Auch
andere haben wohl auf die Durchfuhrung eines solchen Versuchs um so
eher Verzicht geleistet, als Fräser selbst energischer noch als in der oben
bereits angeführten Bemerkung (A IV S. 30) von einem »chaos« gesprochen
hatte, »in whicli the reader finds the philosophical remarks in the Common-
place Book«. Sein allgemeiner Bericht über die Eintragungen (^) zeigte sogar
demjenigen, der ihn an ihrem Bestände prüfte, sofort, daß hier Gewalt
vor Recht gegangen war.
Die Sachlage wurde noch bedenklicher, als Fräsers zweite Ausgabe
der Werke (B, 1901) erschien. Es war schon seltsam, daß er hier den
ersten, 1871 in die Biographie des Philosophen eingerückten Teil des
Tagebuchs einfach fortgelassen hatte, ohne dessen in der zwar in einzelnen
Punkten ergänzten, aber wesentlich abgekürzten Biographie und in dem
Vorwort zu dem Abdruck des zweiten Teiles auch nur mit einem Wort
zu gedenken. Überraschender noch war, daß in diesem zweiten Teil(*)
die Reihenfolge der Aufzeichnungen zwar erhalten war, daß sich aber,
abgesehen von zahlreichen interpunktionellen und orthographischen Ände-
rungen und verwirrender Willkür in dem Gebrauch eckiger Klammern, dem
kritischen Leser, der einen vergleichenden Blick in die ältere Ausgabe
geworfen hätte, wesentliche Textabweichungen hätten ergeben müssen ; über
ihre Herkunft hatte Fräser allerdings kein Wort verloren. Ich habe vor
Jahren, auf solche Unterschiede aufmerksam geworden, bei Gelegenheit
14 K
R I» M A N N
seminaristischer Übungen von geschulten Mitgliedern eine sorgsame, von
mir kontrollierte Textvergleichung ausführen lassen. Sie zeigte, daß die
Ausgabe B, oifenbar zum Zweck der Erläuterung im Fraserschen Sinn,
einen an vielen Stellen* ergänzten oder veränderten Text gibt, der niemals
direkt, meist überhaupt nicht von Fräser als ergänzt oder verändert erkennbar
gemacht worden ist. Daß diese Umformungen einer erneuten Kollation
zuzuschreiben sind, ist ausgeschlossen. Es ist nur anzunehmen, daß Fräser
seine Anmerkungen über Zusatzbemerkungen Berkeleys nochmals durch-
gesehen und da, wo in A nur »Author« steht, fast durcligängig den Ort
der Zusätze im MS (vermutlich auf Grund seiner Abschrift) angegeben hat;
meist durch ein »on margin«, einmal durch ein »on blank page of the MS«.
Die Aussieht auf eine Ausgabe des Tagebuchs, die allen Textansprüchen
genügt und zugleich nach Lorenz' äußeren Angaben und den nachstehenden
Bestätigungen aus dem inneren Zusammenhang die ursprüngliche Reihen-
folge herstellt, liegt, wie schon im Vorwort zu erwähnen war, in weiter
Feme. Soll das Tagebuch bis dahin, wie es verdient, nutzbar werden, so
blieb nichts übrig, als die Ergebnisse unserer Seminarkollation der Texte
von Fr. A und Fr. B zu veröffentlichen (s. Anhang 1), die in das Hand-
exemplar des Berliner Seminars von Lorenz eingetragenen Textergänzungen
und -Verbesserungen ebenfalls mitzuteilen (s. Anhang II) und zum Zweck
des Verständnisses sowie der Nachprüfung des hier Gebotenen die Ein-
tragungen in ihrer richtigen Tagebuchfolge zu numerieren: (oo). Diese
Zählung konnte nach der Beschaffenheit der Texte bei Fräser und den
Angaben von Lorenz nicht einfach fortlaufend erfolgen. Sie erfordert drei
Gruppen: (I — XXllI: i — 877, 878 — 917; a — f), von denen die beiden
mittleren Glieder Zwischenzählungen notwendig machen (z. B. 7 a). Der
kritische Leser wolle deshalb in seinen Exemplaren der Ausgaben Fr. A
oder B die Zählung gemäß dem Vorschlag in der Anmerkung zu den
»Abkürzungen« am Schluß des Vorworts vornehmen.
Den ersten Anlaß zu den vorstehenden Ausführungen und der im
Anhang A mitgeteilten Kollation hat, wie ich dankend erkläre, die Rezension
von Fräsers Ausgabe B geboten, die Theodor Lorenz im Mind 1902 ver-
öffentlicht liat. Lorenz irrte zwar, auf die Ausgabe B angewiesen, darin,
daß er annahm, ihr Text des »Commonplace Book« sei ein einfacher Abdruck
der Ausgabe A; aber im übrigen zeigte sich auch hier der trefflich geschulte
Forscher, als den er sich seit 1 900 durch zwei Beiträge zur Lebensgeschichte
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschafllichen Tagebuchs. -1 5
Berkeleys im Archiv fiir Gesch. der Philos. ausgewiesen hatte. Er machte
darauf aufmerksam, daß die neue Ausgabe Fräsers trotz mancher Vorzüge
vor der älteren gleichfalls wenig korrekt sei. In welchem Maße sein Urteil
speziell für den Abdruck des Commonplace Book in B zutrifft, ergab sich
aus einem offenen, durch eine kurze Entgegnung Fräsers hervorgerufenen
Brief von Lorenz an den Herausgeber des Mind.(^) Lorenz hatte Gelegen-
heit gehabt und benutzt, das Manuskript des C. P. B. von Berkeley durch-
zuarbeiten, und stellte daraufhin eine Reihe irrtümlicher Lesungen in Fräsers
Ausgabe B fest. Auch wies er an einem herausgegriffenen Beispiel nach,
daß Fräser unbedenklich gewesen war, Berkeleys Text stillschweigend durch
willkürliche Zusätze zu verändern, die der Erläuterung dienen sollen.
Überraschender noch waren die Eröffnungen, die Lorenz in dem Aufsatz
»Weitere Beiträge zur Lebensgeschichte G. Berkeleys« vom Jahre 1905
machte. (•*) Seine Kollation hatte ergeben: »The first part [des Manuskripts]
is formed by the notes which are printed in Professor Fraser's new edition
on pp. 7 — 58 [Fr. A S. 419 — 467]. All these entries are written on the
right pages of the manuscript only, the left pages being left blank for the
addition of marginal notes. The last of these right pages is formed by
the mysterious line which seems to read 'August 2 8th, 1708, The Ad-
venture of the Shirt', and by the subsequent paragraph beginning with
the words 'It were to be wished . . .' Then foUow three blank pages,
after which we find the first set of Statutes« — die Fräser nur in AIV S. aßf.
abgedruckt hat — ... »These Statutes are foUowed by the Queries . . .
and the second set of Statutes (written by another person) « — auch diese
von Fräser in B nicht wieder aufgenommen — »The remaining part of the
manuscript is formed by the Contents of pp. 58 — 92 in the new edition
[B 467 — 501], ending with the words: 'This is my end and not to be
inform'd as to my own particular' « .
Im Anschluß an diese erste genauere Beschreibung des Manuskripts
berichtete Lorenz über eine » startling discovery « , die ich gleichfalls in seinen
Worten wiedergebe: »On the blank pages preceding the first set of Statutes,
I found clear and unmistakable impressions of a former binding, showing
beyoud doubt that the manuscript originally consisted of two separate
volumes, which were bound together after Berkeley's death, a date which
is confirmed by the fact that the volume, in its j^resent shape, bears the
guilt-lettered inscription on its back: 'Bishop Berkeley MS'. Of course,
16 E R D M A N N :
the truth flashed across my mind at once that the two parts were bound
together in the wrong Order! The earlier of the two note-books which
now form the contents of the so-called 'Commonplace Book', began with
the Statutes of January 1 706 [unserer Zeitrechnung], which were foUowed
by the Queries, the Statutes of December i 706, and the whole series . . . printed
on pp. 58 — 92 [B = A IV S. 467 — 501]. I should add, however, that I have
reason to believe that, originally, the words 'as they consider' on p. 89
[B = AIV S. 498] formed the last entry in this first volume. The following
pages pp. 89 — 92 [B = A IV S. 498 — 501] seem to have been written by
Berkeley after completing the second volume (represented by pp. 7 — 58 [A IV
S. 4 1 9 — 468] in the new edition) which is fiUed from the first page to the last. «
Zu weiterer Stütze seiner Annahme fügte Lorenz hinzu: »A comparison of
p. 9 [= AIV S. 42 i] and p. 87 [= AIV S. 496/7] shows that several passages
occurring in these two pages are almost identical, and this is still more
striking in the original manuscript, as Professor Fräser has omitted some
paragraphs on p. 87, which are to be found on p. 9 as well. According
to my theory, p. 87 Stands at the end of the first little manuscript volume,
as Berkeley wrote it originally, and p. 9 at the beginning of the second.
From this Standpoint, the repetition appears quite natural, whereas it is
almost impossible to think that exactly the same train of ideas should
have been jotted down by him first at the beginning and then again at
the end of a volume, the contents of which must be supposed to have
covered a period of years.«
Die vorstehende Beschreibung des Manuskripts ließ leider Zweifeln
und Bedenken Raum. Lorenz hatte auch hier nur Fräsers Ausgabe B zur
Hand. In dieser aber fehlt, wie die Schlußnotiz des Anhangs A zeigt,
nach dem von Lorenz als Endwort der letzten Eintragung im ersten Heft
zitierten Satz:
. . . as to my own particular (916)
die bei Fräser AIV S. 501 stehende Bemerkung:
The Materialists & Nihilarians need not be of a party (917).
Ebenso ist bei Fräser B, vielleicht weil er als bloße Wiederholung an-
gesehen wurde, der kurze in A IV S. 498 abgedruckte Satz:
An idea cannot exist unperceiv'd (382)
nicht vorhanden. Auch Lorenz' Begründung seiner Hypothesen über den
ursprünglichen Zusammenhang des Manuskripts wirkte nicht überzeugend.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschafllichen Tagebuchs. 17
Der äußere Grund dafür, daß urspi-ünglich zwei Hefte vorlagen, die nacli
Berkeleys Tod versehentlich in verkehrter Reilienfolge gebunden waren,
hätte, um zwingend zu werden, genauerer Ausführung bedurft als durch
die oben angefahrte Erklärung: »I found . . . beyond doubt« gegeben ist.
Das gleiche gilt für die zweite Hypothese, daß die Sätze bei Fr. B S. 89 — 92
(A IV S. 498 — 501) nach Abschluß des ursprünglich zweiten Heftes von
Berkeley in dem ursprünglich ersten eingetragen seien. Lorenz hatte damals
vor, »eine zusammenfassende Darstellung des Lebens und der Philosophie«
Berkeleys zu geben und das »Commonplace Book« neu herauszugeben. (**)
So war seine Zurückhaltung begreiflich. Ebenso begreiflich aber, daß man
abwarten wollte, bis das geplante Werk erschienen war.
Nicht ganz so verständlich ist, daß, soviel ich gesehen habe, weder
bei uns, noch sonstwo irgend jemand die inneren Gründe für Lorenz'
Hypothesen, die doch mitentscheidend sind, geprüft hat. Nicht einmal
Lorenz' Ausstellungen an Fräsers Ausgabe B haben Beachtung gefunden.
Mir hatte sich bei einem ersten Durcharbeiten des Tagebuchs Lorenz' Urteil:
»Viewed in this order, the succession of Berkeley's entries appears quite
natural, if one tries to foUow the growth of his philosophical ideas« fast
durchweg bestätigt. Aber es blieben die äußeren Lücken der Beweis-
fuhrung. Sie veranlaßten mich im W. S. 1 9 1 2 , Lorenz brieflich um genauere
Auskunft zu bitten. Sie wurde mir in einem Antwortschreiben vom
27. Januar 19 13 bereitwilligst zuteil. Danach sind »beide Teile des MS. 's
rechtsseitig beschrieben. Aber der ursprünglich erste war noch nicht völlig
ausgenutzt, als Berkeley den zweiten Teil zu benutzen anfing. Oder viel-
mehr: Berkeley hatte jenen ersten Band an beiden Enden zugleich begonnen.
An dem anderen Ende (d. h. dem der ersten Seite des C. P. B. entgegen-
gesetzten) steht nämlich seine Abhandlung über die Cave of Dunmore'.
Auf den dazwischenliegenden Blättern finden sich Notizen zu seinem
' Es ist dies die oben (S. ii) bereits erwähnte undatierte Beschreibung, die Fräser
zuerst A IV S. 503 f. (= B IV' S. 75f.) veröffentlicht hat. über eine zweite, anscheinend kor-
rigierte Version Berkeleys, datiert vom »January 10. 1705/6-, also von dem gleichen Datum,
das die ersten Statuten des C. P. B. zeigen, hat Swift B. Johnston aus den Molyneux ,
Papers, von denen noch zu reden sein wird, in der Zeitschrift Heimathena Nr. XXVI,
1900 berichtet. Darin liegt, vorausgesetzt, daß Berkeley das Datum der ursprünglichen
Niedei-schrilt dieser Version nachträglich eingefügt hat, eine Bestätigung für <lie oben-
stehende Annahme.
Phil.-hist. Ahh. 191H. Nr. S. 3
18
E R D M A N N
Ludus algebraicus', zu seiner Abhandlung De motu" usw. (ohne wesentliches
Interesse). Icli halte es nicht für unwahrscheinlich, daß Berkeley, nachdem
er seinen (ursprünglich) zweiten Band V9m ersten bis zum letzten Blatte
rechtsseitig vollgeschrieben hatte, den ersten wieder vornahm (in dem es
noch freie Blätter gab) und die bei Fräser S. 89 — 92'^ gedruckten Notizen
niederschrieb *. «
Auf vier Blättern fügte Lorenz seinem Brief eine anschauliche Beschrei-
bung des MS. 's bei. Danach endet das jetzt erste Heft der offensichtlich
nach Berkeleys Tod erst gebundenen Handschrift auf seinem vorletzten
Blatt mit den Worten: »This a vain distinction« (875; bei Fr. A IV S. 467
= B I S. 58); das letzte Blatt ebendieses Heftes enthält auf seiner ersten
Seite die oben schon angeführte, bei Fr. den eben zitierten Worten un-
mittelbar folgende Einträgung (876): »August 28"', 1708. The adventure
of the [Shirt?]« und die nächstfolgende (877): »It were to be wished . . .
Clov. B 7.« Auf der Rückseite dieses Blattes, also auf der letzten Seite
des jetzt ersten Heftes, finden sich von der Mitte aus linksseitig zwei breite
Eindrücke des ursprünglichen Heftes, die von einem über die ganze Seite
reichenden saumförmigen Eindruck eingeschlossen werden. Auf der neben-
stehenden rechten Seite, der ersten des jetzt zweiten Heftes, finden sich dagegen
von der Mitte aus drei etwas längere und schmälere unumrahmte Eindrücke.
Nach Lorenz' Aufzeichnung:
Ul
J
/
Letzte Seite
des
\
Erste Seite
des
Uli
ursprünglich zweiten
\
ursprünglich ersten
Heftes.
/
Heftes.
\
•
' Der Ludus algebraicus bildet einen Teil der als von Berkeley herrührend geltenden
Miscellanea matiiematica vom Jahre 1707.
^ Die von Berkeley 172 1 veröffentlichte Abhandlung.
' Also die bei Fr. B abgedruckten Eintragungen, bei denen die beiden oben S. 16
bereits erwähnten, im Anhang I verzeichneten Sätze (382) und (917) fehlen.
■• Man beachte auch die oben gegebene Mitteilung von Lorenz, daß das ursprünglich
zweite Heft des MS.'s »is filled from the first page to the last..
Berkeleys Philofiophie im Lichte seines wissenschaftliclien Tagebuchs. 1 9
U I dokumentiert sich als Anfang des ursprünglich ersten Heftes auf der
ersten Rückseite, also der ersten linken Seite durch Berkeleys Eintragung (I),
welche die ersten Statuten als ». . . agreed . . . Jan. lo. A. D. 1705«
bezeichnet, also das zweifellose Anfangsdatum für das Tagebuch als einzige
Bemerkung trägt. Auf der nebenstehenden rechten Seite des nächst-
folgenden Blattes »beginnen dementsprechend die Statuten der ersten
Society« (bei Fr. A IV S. 25). Nehmen wir hinzu, daß das letzte Blatt von
Uli da.s Datum "August 28"", 1708« zeigt, so ergibt sich, daß Lorenz'
Hypothese durch den Bestand des MS. 's völlig verifiziert ist. Es ist
somit schon nach diesen äußeren Kriterien Tatsache, daß die
beiden Hefte erst nachträglich, vermutlich nach Berkeleys Tod, in
verkehrter Folge gebunden wurden, die Bemerkungen beiFr. AIV
S. 419 — 468 und S. 468— 498 {= Fr. BIS. 9 — 58 und 58—89) demnach
in verkehrter Folge abgedruckt sind. Zweifelhaft bleibt nur, wo tat-
sächlich und von welcher Hand geschrieben sich im MS die Notiz findet, die
Fräser A IV S. 419 mit den Worten: »On the first page is written 'G. B. Coli.
Trin. Dub. alum.' «und B I i in der Wendung: »On the title-page is written,
'G. B. Trin. Dub. alum.', with the date 1705« angibt. Lorenz' Brief an mich
und dessen Einlage mit der Beschreibung der MS-Blätter — ich habe 1913
versäumt, danach zu fragen — geben darüber keine Auskunft. Ich vermute,
es handelt sich um eine nachträgliche Einschrift von fremder Hand. Gleich-
viel aber — das ändert an der festgestellten Tatsache nichts, so wenig
wie Lorenz' Schweigen über die beiden mehrfach erwähnten Eintragungen
Berkeleys (382 und 917), die bei Fräser B fehlen.
Über die zweite Hypothese von Lorenz, daß die Eintragungen Berkeleys, die
bei Fr. AIV S.498 — 501 (= BI S. 89 — 92) gedruckt sind, erst nach Abschluß
des zweiten Heftes niedergeschrieben seien, obgleich sie auf den Schlußseiten
des ursprünglich ersten Heftes stehen, läßt sich nur entscheiden, nachdem
wir der inneren Konstitution des Tagebuchs sicher geworden sind.
Leider aber läßt sich auch dieser Aufschluß nicht ohne weiteres
gewinnen. Die Mängel der beiden Abdrücke Fräsers reichen über die im
Anhang A verzeichneten Textdifferenzen beider Ausgaben beträchtlich hin-
aus, sehr viel weiter noch, als die von Lorenz aufgeführten Verlesungen
Fräsers im Mind 1904 und im Archiv i905(*2) erkennen lassen. Schon
am letztgenannten Ort hatte Lorenz am Schluß der von ihm aufgeführten Ver-
20 Erdmann:
lesungen erwähnt: »There are other discrepancies between Professor Fraser's
Version and the original manuscript; but this may suffice, until a correct
edition of Berkeley's note-books is published. « In dem bereits erwähnten
Brief an mich vom Januar 191 3 schrieb Lorenz: »Ich schlage Ihnen vor,
mir das Exemplar des Philosophischen Seminars zuzuschicken. Ich würde
es nach meinem eigenen Handexemplar korrigieren und eine diesbezüg-
liche Notiz mit meiner Unterschrift beifügen. Ich sehe nicht ein, warum
die korrekte Form nicht allen zugänglich sein sollte: der Benutzer des
Exemplars könnte sich dann, wenn er will, auf mich beziehen, gerade als
ob es sich um eine von mir veranstaltete Ausgabe handelte.« Ich habe
dieses von wissenschaftlichem Geist erfüllte Anerbieten dankend angenommen.
Lorenz hat daraufhin in unserem Exemplar der Fraserschen Ausgabe A
damals seine Korrekturen sorgsamst eingetragen. Sie sind so zahlreich
und zum Teil so wesentlich, daß ich sie, um Fräsers Drucke des Tagebuchs,
nach dem Vorstehenden, speziell den grundlegenden Druck A, nutzbar zu
machen und Lorenz' verdienstvolle Arbeit zur Anerkennung und Verbreitung
zu bringen, in Anhang II verzeichnet habe.
Das Verständnis des Tagebuchs fordert vorweg, daß wir die Zeit der
Eintragungen Berkeleys genauer bestimmen, als Fräsers oben erwähnte
schwankende Berichte ergeben.
Der Anfangstermin des Tagebuchs ist durch Berkeleys Randbemerkung
zu den ersten Statuten (Fr. A IV S. 23) gesichert:
Mem. The follovving Statutes were agreed to and signed by a
Society consisting of eight persons, January 10, A. D. 1705 (I).
Es beginnt also nach unserer Zeitrechnung mit dem 2 1 . Januar 1 706.
Weniger fest steht der Schlußtermin. Mit Bestimmtheit läßt sich
gemäß dem Datum auf dem letzten Blatt des ursprünglich zweiten Heftes
nur der Endtermin für die große Mehrzahl der Eintragungen feststellen:
August 28*, 1708. The Adventure of the [Shirt?]' (876).
Die Bemerkungen (878 —916) des ersten Heftes, die bei Fr. A IV
S. 498 — 501 (B I S.89 — 92 ; aber ohne Nr. 917) gedruckt sind, scheinen nach
Lorenz' oben (S. 16) erwälmter Vermutung »to have been written by
' Es bedarf deshalb kaum des Hinweises darauf, daß die Zitate der Briefe von Locke
an seinen liolländischen Freund, den Remonstranten Philipp van Limborch, in Nr. 702 und 736
ebenfalls das Jahr 1 708 voraussetzen, in dem diese Briefe zuerst erschienen sind.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschafllichen Tagebuchs. 21
Berkeley after completing the second volume . . . which is fiUed from the
first page to the last« (Arch. f. Gesch. d. Philos. XVIII, 1905, S. 554). Ich
kenne Lorenz' Gründe für diese Hypothese nicht. Aber sie scheint mir
aus inneren Gründen gesichert. Die Eintragungen 878 — 898 geben eine
Zusammenstellung von sachlichen und methodischen Grundgedanken der
Ideenlehre des Tagebuchs in Form kurz formulierter Thesen', die in der
Randbemerkung :
These arguments must be proposed sliorter [d. i. weniger zahlreich?]
and more separate in the Treatise (878 a)
direkt auf das »early 17 10« veröffentlichte Werk hinweisen, während die
letzten Niederschriften des zweiten Heftes (etwa 834 — 877 bei Fr. A IV
S. 464 — 468 = BI S. 54 — 58) nichts von solchem Abschluß verraten. Selbst
die Eintragmigen (899 — 913), die sich wesentlich auf Berkeleys Ablehnung
der Infinitesimallehren beziehen, zeigen diesen Cliarakter. Auch die Wen-
dungen in (911, 912 und 916), in denen Berkeley als Irländer spricht
(»We Irishmen«''), die drei weiteren Bemerkungen endlich (914 916),
gehen direkt auf den Treatise, so zwar, daß wir diesen kaum anders als,
wenigstens vielleicht im ersten Entwurf', nahezu vollendet denken können:
' Es wäre lehrreich, diese 21 Bemerkungen mit den elf vergleichen zu können, von
denen K. Edwards Beardsley in seinem Life and Correspondence of Samuel .Fohnson, New
York 1874, S. 71 aus einem Brief vom 24. März 1729/30 nur berichtet: »He [Berkeley]
proceeded briefiy to explain or defend under eleven heads the philosojihical ideas which he
had published.-
' Als Irländer hat sich Berkeley, der in seiner Jugend den .lakobitischen Aufstand in
seiner Heimat miterlebt hatte, um diese Zeit besonders stark gefühlt. In einem Brief an
Sir Percival vom Jahre 1709 schrieb er: ■! must own this corner furnishes scarce anything that
deserves to be commemorated. We Irish are a nation in its nonage, put under the guar-
dianship of a people that do evcrythlng for us, and leave us the liberty of transacting
nothing material for ourselves, or having any part in the affairs of Europe« (Fr. D
S. 16 Anm.) Man vergleiche auch die später unterdrückte Bemerkung im Treatise § iio
über Newton als «philosopher of a neighbouring nation«. Über politische Differenzen der
Studierenden in Dublin um den Anfang des 18. Jahrhunderts vergleiche das weiterhin zitierte
Book of Trinity College S. 64 f.
' Fräser berichtet A IV S. XII, in dem zweiten Bande des Berkeley-Nachlasses, dessen
erster das Tagebuch enthält, finde sich ein undatierter »draft of the Principles of Human
Knowledge, from Sect 85 to Sect. 145-, also die Erörterung der Konsequenzen seiner Lehre,
nach Erledigung der Einwürfe, bis nahe zum Schluß des Werkes, »nearly as in print«
(vgl. Lorenz im Archiv f. Gesch. d. Phil. XVII, 1904, S. 159). Außerdem enthält die Library
iif Trinity College einen von Fra-ser aufgefundenen, in A I und B III von ihm veröffentlichten
22 K K n >i ANN:
Engagements toP. on account of y"' Treatise that grew up under
his eye, on account also of his approving my harangue. Glorious for P.
to be the protector of usef'ull tho' newiy discover'd truths (914)-
How could I venture thoughts into the world before I knew they
would be of use to the world !' and how could I know that tili I had
try'd how they suited other men's ideas? (915)
I publish not this so much for anything eise as to know whether
other men have the same ideas as we Irishmen. This is my end, & not
to be itiform'd as to my own particular (916).
Für eine nahezu vollendete Ausarbeitung spricht demnach nicht nur
das »I publish not this . . .« in (916), sondern auch das »Treatise« in (914)
sowie mittelbar (915). Damit halte ich Lorenz' Hypothese über den späten
Ursprung der Eintragungen Berkeleys (878 — 916) im ersten Heft des Tage-
buchs aus inneren Gründen für gesichert. Die Bemerkung (914) bietet uns
zugleich eine Handhabe für die Zeitbestimmung dieser abschließenden Ein-
tragungen. Die Reflexionen (878 — 913) gehen nicht auf die New Theory
of Vision, zu der fast nur, wie sich später deutlich ergeben wird, das erste
Heft des Tagebuchs gehört, dies aber zahlreiche Eintragungen enthält. Da
überdies (914) direkt den »Treatise« nennt, so haben wir keinen Grund zu
zweifeln, daß das »P« in ihm auf Lord Pembroke geht, dem Berkeley
seinen Treatise gewidmet hat.(*^) Der späteste Termin für die Nieder-
schriften (878 — 913) würde also die Zeit vor Beginn der definitiven Aus-
arbeitung des Treatise sein; (914 — 916) gehören vielleicht erst der Zeit
um den Abschluß dieser Niederschrift an. Damit kämen Avir kaum bis zur
zweiten Hälfte des Jahres 1709. Denn am 29. Juli 17 10 schrieb Berkeley
an seinen Gönner und späteren Freund Sir John Percival, nachmals Earl
of Egmont, mit dem er 1709 — 1730 in regem Briefverkehr stand, (**) nach
der Mitteilung Fräsers aus diesen, bisher nur auszugsweise veröffentlichten
Briefen »If when you receive my book, you can procure me the opinion
of some of your acquaintances ... I shall be extremely obliged to you.«(*^)
Der Treatise ist also damals allem Anschein nach versandfertig gewesen.
Danach dürfen wir das Ende 1 708 als wahrscheinlichen Schlußtermin für
die Eintragungen des Tagebuchs ansehen.
»rough draft- der Einleitung zu den Principles, der nach Lorenz im November und
Dezember 1708 »in small but pretty regulär daily portions« geschrieben ist (Mind 1902,
S. 252). Es ist also sicher, daß ein Teil des Werkes, und möglich, daß es ganz in einem
ersten Entwurf niedergeschrieben war.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 23
An diesen Daten ändern die Randbemerkungen Berkeleys nichts. Sie
scheinen sämtlich, auch die korrigierenden, wie sich noch zeigen wird, vor
Beginn der Treatise-Reinschrift nachgetragen zu sein. Zudem hatte Berkeley
kaum Anlaß, nach seinen weiterhin noch zu besprechenden Urteilen über
den Treatise schwerlich auch ein Bedürfnis, später noch auf das MS.
zurückzugehen.
Wir dürfen also abschließend feststellen: Berkeley hat das erste
Heft des Tagebuchs sicher Anfang 1706 begonnen und das zweite
wahrscheinlich imAugust i 708 abgeschlossen. Selbst die anscheinend
nachträglichen Eintragungen 878 — 916 im ersten Heft reichen schwerlich
über den Anfang 1 709 hinaus.
Auch innerhalb dieses dreijäiirigen Zeitraumes haben wir Anlaß, für
die innere Analyse wesentliche zeitliche Gliederungen anzunehmen.
Als Berkeley im Januar 1706 sein Tagebuch mit der Bemerkung (I;
Fr. A IV 23) zu den ersten, von fremder Hand geschriebenen ausführlichen
Statuten anfing, reichte seine philosophische Bildung, wenn wir voraus-
setzen, (laß die zumeist vielfach direkt auf Lockes Essay bezogenen Ein-
tragungen Nr. II — XXIII (Fr. A.IV S. 25 — 26) nicht nur von Berkeley ge-
schrieben, sondern auch selbständig formuliert sind, noch nicht tief. Sie
machen durchweg den Eindruck des Anfängerdenkens. So auch die wenigen,
in denen vielleicht das Ltcht der künftigen Lehre aufzudämmern beginnt:
Whether solids seen b. 2. c. 9. s. 9 (IV)
Power is not peiceived by sense. (XX).
Anscheinend waren sie alle zweiuiidzwanzig für die Besprechungen der
»Society« bestimmt, deren jugendlich spezialisierte Statuten, von Berkeley
in Nr. I als »agreed to and signed- bezeichnet, voranstehen. Über den
Charakter dieses Vereins sagen die Statuten direkt nur, daß es sich um
wöchentliche Versammlungen von acht Mitgliedern zum Zweck mündlicher
Verhandlungen über vorherbestimmte Gegenstände, also um einen Debattier-
klub handelte. Vorgesehen war auch ein »Keeper of the Rarities«, der
in der Regel vor den Wochensitzungen »should attend at the Museum«. (**)
Wer die sieben anderen Mitglieder waren, wissen wir nicht. Jedenfalls
wohl war Berkeley, wenn nicht der Gründer, so doch das geistige Haupt
des Vereins. Gar nichts erfahren wir von dessen Schicksal. Aus den
zweiten Statuten vom Ende des Jahres 1 706, die den XXII von Berkeley
geschriebenen Fragen und Thesen unmittelbai- folgen, gfht hervor, daß der
24 E
R D M A N N
Verein in seiner ursprünglichen Art dieses ?2nde nicht überdauert hat.
Möglich, daß er das Jahr 1706 hindurch bestanden hat. Möglich ferner,
daß die Besprechungen durch die XXII Fragen und Thesen ausgefüllt waren.
Möglich aber auch, und nicht eben unwahrscheinlich, daß Berkeley jene
Eintragungen Anfang 1 706 programmatisch niedergeschrieben hat, ohne
daß die Vereinigung, deren Majorität in jeder Sitzung das Thema für die
nächstfolgende bestimmen sollte, .sich an diese Sätze gebunden hielt.
Möglich endlich nicht weniger, daß einerseits die Strenge und Peinlichkeit
der ersten Statuten, andrerseits die den Mitgliedern gewährte Freiheit,
daß »when the subject of the Conference lias been sufficiently discussed
the members may propose to the Assenibly their inventions, new thoughts,
or observations in any of the sciences« — möglich endlich, daß diese
Antinomie dem Verein, wie ungezählten anderen solchen jugendlichen Ver-
anstaltungen, ein frühzeitiges Ende bereitet hat.
Noch weniger sind wir über die zweite Vereinigung, vom Dezember 1 706,
orientiert, von deren wenigen Statutenparagraphen oben schon die Rede
war. Auch diese (nach Lorenz) gleichfalls von fremder Hand geschriebenen
Statuten sind als »Agreed« bezeichnet. Aber es fehlen auch hier die
Namen der als » underwritten « bezeichneten Mitglieder, ebenso Angaben
über deren Zahl. Nur die Aufgabe ihrer wöchentlichen Donnerstags-
sitzungen wird bestimmt: »To discourse on some part of the New Philo-
sophy«. Was mit dieser gemeint ist, wird nicht gesagt. Möglich, daß
wir der Kürze dieser Bestimmungen einen Hinweis auf die gefährliche
Umständlichkeit der ersten Statuten entnehmen dürfen. Nichts verlautet
ferner über das Schicksal dieses zweiten Vereins. Wir wissen nicht einmal,
ob er wirklich zustande gekommen ist. Und selbst wenn wir dies an-
nehmen, ergeben die mir bekannten Nachrichten nicht das geringste
darüber, ob er in irgendeinem Zusammenhang mit der Ende 1 707 gegründeten
Dublin Philosophical Society stand, mit der die von William Molyneux,
dem Freunde Lockes, 1683 gegründete Dublin Society erneuert wurde,
nachdem deren erste beide Entwicklungsphasen mit dem Tode ihres hoch-
verdienten Gründers und Sekretärs ihr Ende gefunden hatten. (*^) Schon
weil W. Molyneux' Sohn Samuel, damals i Sjährig, undergraduate im Trinity
College, (1^) dem Berkeley seine Miscellanea mathematica ( i 707) gewidmet
hat, das Amt seines Vaters in dieser Gesellschaft erhielt, ist es nicht
unwahrscheinlich, daß Berkeley von Anfang an Mitglied auch dieser Gesell-
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 25
Schaft war, des Vorläufers der gegenwärtigen Royal Dublin Society und der
Royal Irish Academy. Dafür spricht zudem, daß das vom lo. Januar 1705/6
datierte Exemplar von Berkeleys Beschreibung der Höhle von Dunmore
(s. oben S. 17, Anm.) sich, ebenso wie der offenbar jugendliche Essay
»Of infinities« nach Johnstons Bericht unter den »Molyneux Papers« der
Gesellschaft mit dem »endorsement«, anscheinend Sam. Molyneux', unter
den in der Gesellschaft gelesenen Abhandlungen findet. Das Datum beider
Mitteilungen läßt sich allerdings nicht mehr sicher bestimmen (vgl. weiterhin
S. 26f.); nur der Endtermin, i 709, steht mit dem Fortgang S. Molyneux' von
Dublin fest, sowie Berkeleys Mitgliedschaft um 1710.
Gar kein Schluß aber ist von dem allen auf das Verhältnis des oben
besprochenen zweiten Trinity- College -Vereins zu der Dublin Philosophical
Society zu ziehen, auch nicht daraus, daß das von Johnston aufgefundene
Exemplar der Beschreibung der Höhle von Dunmore das Datum des Gründungs-
tages der ersten Gesellschaft trägt (vgl. oben S. 17).
Es war notwendig, auf diese Schranken unseres Wissens hinzuweisen.
Denn um die drei Gesellschaften und die Beziehung von Berkeleys Tage-
buch zu den beiden ersten hat sich neuerdings ein seltsamer Legendenkreis
gewoben, der zerstört werden muß, ehe die Zeit und der Charakter der Ein-
tragungen Berkeleys spezieller festgelegt werden können. Fräser hat das
Gespinst mit einem Durcheinanderwirren (AIV 27) begonnen. Er berichtet
über die Statuten der zweiten Gesellschaft: »The 'underwritten" names
unfortunately are not given. We are left in the dark about Berkeley's
associates at these Thursday evening meetings, for the discussion of the
'New Philosophy" ; and also very much as to the questions they discussed,
and the conclusions (if any) which they reached.« Wenngleich er bei Abdruck
der zweiten Statuten (A IV 26) dahingestellt sein läßt, ob es sich in ihnen
um dieselbe Gesellschaft wie die erste oder eine ähnliche handelte, fahrt
er unbedenklich fort: »The office of 'Keeper of the Rarities«, von
dem nur die ersten Statuten reden, »probably implies that Observation
and experiment were as much in vogue among them as the mathematical
and mefatphysical speculations of the hitherto unpublished Commonplace
Book in which the memorials of this Society appear. « Er nimmt also
beide Gesellschaften als eine, überträgt die Statuten der ersten hinsicht-
lich der »rarities« auf die zweite, deutet das in seinen Statuten erwähnte
Museum al.s eine vorhandene oder geplante selbständige Sammlung [vgl.
Phil.-hi»t. AbL 1919. Nr.S. 4
26 E RDM ANN:
Anna. (*^)] und schließt daraus auf eine Beschäftigung mit »Observation
and experiment« im Sinne der naturwissenschaftlichen Interessen der Zeit.
Er läßt ferner die »New Philosophy« der zweiten Statuten auf diese Inter-
essen mithinweisen und bezieht die Eintragungen des Commonplace Book
auf die »memorials« dieser zweiten, die erste einschließenden Gesellschaft.
Daran knüpft er die Zeitbestimmung: »The other contents ofthat Book«,
d.i. die bei Fräser A an anderer Stelle (AIV4i9f.) abgedruckten, . . .
»may perhaps exemplify some of the questions which engaged these Tri-
nity College inquirers in the two years before he [Berkeley] obtained his
Fellowship«, d. i., da Berkeley am 9. Juni 1707 Fellow wurde, von Mitte
1705 (1) bis Mitte 1707. (*^) Johnston hat dieses Geflecht in dem mehr-
fach genannten Aufsatz der Hermathena weitergesponnen. Er erklärt nach
einem kurzen Hinweis auf die Geschichte der Dublin Society (**) und die
obengenannten Berkeley-Manuskripte in den »Molyneux Papers«, indem
er sich auf Fräsers Angaben über die beiden ersten Gesellschaften beruft,
die zweite Trinity College -Vereinigung für ein »enlargement of the first«
und faßt wie folgt zusammen : » So the history of these gatherings nins
somewhat as foUows: — In January 1705/6, a small coterie of College
men arranged meetings for discussing subjects of common interest. A
successful Session« — wir haben eher, wie wir sahen, Grund, an einen
mangelhaften Verlauf zu denken — - »caused them to widen their lines for
the foUowing year« — wir wissen davon nichts, auch nichts darüber, ob
die Mitglieder des zweiten Vereins ganz oder teilweise dieselben waren
wie die des ersten — , »and finally, at the end of 1707, to attempt the
much more ambitious task of reviving the Dublin Society. « Ich sehe auch
dafür keine Anhaltspunkte. Denn die Umstände, daß Samuel Molyneux
dem vier Jahre älteren Berkeley nahestand und die Molyneux Papers die
von Samuel Molyneux signierten obengenannten beiden Manuskripte ent-
halten, sind natürlich nicht geeignet, diese Konsequenz zu tragen. Aber
Johnston fährt fort: »Berkeley 's 'Description of the Dunmore Cave« — ich
nehme an, die von Fräser veröffentlichte Version — »may have been the
inaugural essay of the first stage, while certain corrections and additions
that are in the copy seem to be a retouching for a subsequent reading
at the more public meetings of the 1707 revival. « Möglich ist dies beides,
wahrscheinlich aber nur das zweite. Denn für das erste wäre nur die
Übereinstimmung des Datums in der späteren Version mit dem Gründungs-
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagelmchs. 27
datum der ersten Gesellschaft anzuführen, die natürlich nichts beweist. Bei
dem Abdruck der auf die zweiten Statuten folgenden Tagebucheintragungen
in der späteren Ausgabe (B I 7 f.) — die beiden Statuten und die zwischen-
stehenden XXII Fragen und Thesen Berkeleys fehlen dort, wie oben erwähnt —
ist Fräser auf die Stellung des Commonplace Book zu den beiden ersten
Gesellschaften nicht zurückgekommen. Erst im Appendix von B III, beim
Abdruck der von Johnston aufgefundenen Erörterung » Of infinites « , erklärt
er (B m S. 409), indem er sich auf deren Abdruck durch Johnston in der
Hermathena beruft: »Now in the Life and Letters of Berkeley (A IV p. 23)
I have mentioned that in 1 705-6 he was engaged with some of his College
friends in forming a Society for promoting research in the spirit, and
according to the experimental methods, of the 'New Philosophy' of Boyle,
Newton and Locke. The first meeting seems to have been held on January 10,
1 706, the date of the paper on the Dimmore Cave. Accordingly, this paper
may have been a contribution by Berkeley at the inaugural meeting of
this Society, which was probably the precursor of the revived Dublin
Society of 1707.« Er bleibt also dabei, die beiden ersten Vereine als
einen und denselben zu behandeln, folgt mit einigem Vorbehalt der Annahme
Johnstons über den Ursprung der Dublin Philosophical Society aus dem
zweiten Verein, glaubt das Datum der ersten Statuten als das der ersten
Sitzung mit einem Vortrage Berkeleys über die Höhle von Dunmore an-
sehen zu dürfen und bestimmt die New Philosophy der zweiten Statuten
nach Geist und Methode als den InbegriflF der neuen Naturwissenschaft
und Philosophie. Er nimmt diese Deutung offenbar deshalb an, weil auch
in den späteren Eintragungen Berkeleys Beziehungen auf Lockes Lehren
häufig auftreten und durch ebenfalls häufige auf Newton ergänzt werden;
Boyles Namen hat er anscheinend in die wenigen Wendungen des Tage-
buchs gegen die Korpuskulai-philosophie hineingelesen. P*)
Nach dieser leider unvermeidlich gewordenen Kritik können wir den
Charakter und den Entwicklungszusammenhang derjenigen Eintragungen
Berkeleys in sein wissenschaftliches Tagebuch bestimmen, die sich den
zweiten Statuten unmittelbar anschließen, und zwar auf Grund der Reihen-
folge, die sich uns aus der Bestätigung der Annahmen von Lorenz ergeben
hat. Es handelt sich also, da wir die Bemerkungen (878—916) bereits
als Schlußbemerkungen anzunehmen hatten (S. 2if'.), um die Einschriften
4*
28 V, R I) M A N N :
(i — 877) in die beiden ursprünglichen Hefte, die Fräsers beide Ausgaben
in verkehrter Folge enthalten, d. i. um
Nr. 1 — 382 bei Fr. A IV S. 468—498 = B I S. 58—89
Nr.383— 877 bei Fr. A IV S. 419-468 = B I S. 7—58
Auffallend ist von vornherein ein Zug, der sich als allen diesen Ein-
tragungen bis hin zu den letzten (878 — 917) gemeinsam erweist, so daß
er aus jedem Zitat, das hier weiterhin notwendig wird, in die Augen
springt. Sie verraten von Anfang an, im Gegensatz zu den Fragen und
Thesen II — XXIII, nichts von Formulierungen, die zu Leitsätzen für eine
Diskussion mit Anderen bestimmt wären. Sie machen vielmehr durchweg
den Eindruck von Aufzeichnungen, die lediglich zum eigenen Gebrauch
gemacht sind, von Niederschriften, in denen teils in zusammengehörigen
Gruppen, teils in buntem Wechsel gestaltende Gedanken, gelegentlich mit
Einschränkungen und Bedenken, Fragen und Erinnerungsnotizen, manchmal
wiederholt, meist jedoch unmittelbar nach dem Status nascendi formuliert
werden. Zumeist deutlich so, wie sie bei immer fester werdender Konzen-
tration sich von verschiedenen Seiten aus ergeben. Im ganzen genommen
sind es Zeugnisse einer deduktiv, von frOhgewonnenen Leitideen aus fort-
schreitenden Entwicklung, die sich allmählich zu dem Plan eines »Treatise«
verdichten. Es liegt somit gar kein innerer Anhalt vor, der uns das
Recht gäbe, irgendwelche dieser Eintragungen (i — 917) als Thesen für
die Diskussionen des zweiten, Ende i 706 anscheinend gegründeten Vereins
zu denken, geschweige, daß sie irgendwie zu der Dublin Philosophical
Society in Beziehung gebracht werden könnten. Ebensowenig entsprechen
sie, am wenigsten, wie sich zeigen wird, gerade zu Beginn, der nächst-
liegenden Annahme, daß die »New Philosophy« der zweiten Statuten auf
Berkeleys eigene Lehre gehen könnte. Wird jener Tagebuchcharakter der
Einzeichnungen i — 917 vorweg als gesichert angenommen, so ist zu sagen,
daß das im engeren Sinne von Fräser sogenannte Commonplace Book,
das er in seiner Ausgabe B allein wieder abgedruckt hat, mit dem zweiten
Verein nichts zu tun hat. Es ist vielmehr Berkeleys wissenschaft-
liches Tagebuch aus der Zeit von Ende 1706 oder Anfang 1707
bis gegen Ende 1708. Man wird sich demgegenüber nicht auf die
Bemerkung Berkeleys in einem Brief an Sir John Percival vom (6?) Sep-
tember 17 10 berufen wollen, daß er den Grundgedanken seiner Lehre,
nachdem er ihn gefunden, »since carefully examined« habe, »both by my
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. "29
own judgment and that of ingenious friends « . (^) Eine Anspielung auf
den zweiten oder irgendeinen Verein läßt sich zur Not in diese Reflexionen
hinein-, sicher aber nicht aus ihnen herauslesen; auch nicht daraus, daß
gelegentlich vielleicht wissenschaftlicher Gespräche mit einzelnen Freunden
gedacht wird (558; vgl. 140, 155, 162).
Gleichviel zudem, wie es sich mit dem zweiten Verein verhalten hat:
der Bestand gerade der ersten Eintragungen in das Tagebuch nach den
Dezemberstatuten von 1706 widerspricht jedem Gedanken an eine Über-
mittlung von Berkeleys eigener Lehre für Diskussionszwecke. Die ersten
zwölf dieser Thesen enthalten gar keine Beziehung auf seinen neuen Stand-
punkt, sondern geben von ihm zumeist weitabhegende Reflexionen über
die Zeitvorstellung. Glücklicherweise fallt auf sie von einer ganz anderen
Seite her Licht, von einem Brief des Philosophen her, »written after Berkeley
was well settled in his own house « (23) in Rhode Island, also um das
Ende 1729, an den dort gewonnenen Freund und Anhänger Samuel Johnson,
den späteren ersten Präsidenten von King's College, New York, einen der
Begründer der Philosophie in den Vereinigten Staaten. Es ist lehrreich,
jene ersten Thesen des Tagebuchs mit dieser späteren, natürlich durch die
zwischenliegende Entwicklung gefiirbten Erinnerung zu vergleichen:
Aus Tagebuch Thesen i — 12:
The same TÖ nyn not common to all intelli-
gences [13 c. Matth. v. 22 & 30;']. (9.8a)
Whether succession of ideas in the Divine
intellect?(3)
Time, train of ideas succeeding each oiher. (4)
Succession explain'd by before, between, after,
&• numbering. (6)
Time thought infmitely divisible on account
of its mea.sure.(io)
Revolutions inmediately measure train of ideas,
mediately duration. ( i 2)
One eternity greater than anothei- of the same
kind.(i)
In what Sense eternity may be limited. (2)
Brief Berkeleys bei Beardsley :
"By the tö nyn (24) I suppose that all thiags,
past and to come, are actually present to the
mind of God, and that there is in Him no
change, Variation, or succession. A succession
of ideas I fake to constitute Time,
and not to be only the sensible measure
thereof, as Mr. Locke and others think.
But in these matters every man is to think
for himself, and speak as he finds. One of
myear liest inquiries was aboutTime,
which led me into several paradoxes, that I
did not think fit or necessary to publish;
particularly the notion that the Resurrection
follows the next moment to death. We are con-
founded and perplexed aboutTime, — (i)Sup-
30 K R D M A N N :
posing a succession ia God; (2) Conceiving
that we have an abstract idea of Time:
I ' (3) Supposing that the Time in one mind is
to be measured by the succession of ideas in
another : (4) Not considering the true use and
end of woi'ds, which as often terminate in
the will as the understanding, being employed
rather to exciie, influence, and direct action
than to produce clear and distinct ideas. • (25)
Diese Zusammenstellung läßt keinen Zweifel, daß die ersten Ein-
tragungen des wissenschaftlichen Tagebuchs, die nach den zweiten Statuten
stehen, Formulierungen einer der »earliest inquiries« von Berkeley abgeben.
Ihr spätestes Datum ist also der Anfang des Jahres 1707.
Auf die gleiche Zeit werden wir durch andere Betrachtungen geföhrt.
Während die zwischen den Statuten vom Anfang und Ende i 706 stehenden
Thesen, wie wir sahen (S. 23), kaum eine Vordeutung der späteren Lehren
des Philosophen enthalten, folgen hier nach einer schon deutlich an sie
anklingenden Reflexion:
Duration not distinguish'd from existence (5),
der vielleicht auch die beiden oben schon zitierten (4 und 6) zuzurechnen
sind, Sätze, die bereits alle Grundgedanken der späteren Lehre enthalten. So :
Time a Sensation, therefore only in y<^ mind. (13)
Extension a Sensation, therefore not without the mind. (18)
In the immaterial hypothesis, the wall is white, fire bot, &c. (19)
Primary ideas prov'd not to exist in matter, after the same manner
y' secondary ones are prov'd not to exist therein.(2o)
World w*out thought is nee quid, nee quanttim, nee quaU, &c. (22)
'Tis wondrous to contemplate y« World empty'd of intelligences.(23)
Nothing properly but Persons, i. e. conscious things, ^io exist. All
other things are not so much existences as manners of y' existence of
persons. (24)
Infinite divisibility of extension does suppose the external existence
of extension; but the later is false, ergo y« former also. (26)
Qu. Blind man made to see, would he know motion at i** sight?(27)
Motion, figure, and extension perceivable by sight are different from
those ideas perceived by touch w"*» goe by the same name.(28)
Diagonal incommensurable w*'' y' side. Quaere how this can be in
my doctrinei'(29)
Qu. how to reconcile Newton 's 2 sorfs of motion with my doctrine ? (30)
Die Eintragungen Nr. i f haben demnach von Anfang an einen völlig
anderen Charakter als die früheren (II — XXIU). Sie setzen die Konzeption
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 81
der Grundgedanken von Berkeleys Immaterialismus von Nr. 1 3 an deutlich
voraus. Es sind Niederschriften, die anscheinend unmittelbar nach der
Zeit einsetzen, in der diese Ideen greifbare Gestalt gewonnen haben. Nun
hat Berkeley in der Vorrede zu seinem Treatise von 17 10 erklärt: »What
I here make public has, after a long and scrupulous inquiry, seemed to
me evidently true«, und diese Erklärung aus seiner Feder ist sicher ernst
zu nehmen. Sie wird bestimmter durch eine Bemerkung in dem oben
(S. 28) schon erwähnten Brief des Philosophen an Sir John Percival vom Sep-
tember 1710. Er schreibt dort von seinem »belief in the non-existence
of unperceived and unperceiving Matter, which 1 have held for some
years, the conceit being at first warm in my imagination, biit since care-
fuUy examined, both«, wie oben zitiert, ». . . friends«. Diese sorgsame Prü-
fung ist es, deren Spuren uns in den Tagebucheintragungen Nr. i f. erhalten
sind. Auch hiemach dürfen wir ihren Beginn nicht später als in den
Anfang 1 707 setzen. Dann fallt die Konzeption der Lehre, wie sie anfangs
lebendig in ihm auftauchte, vor diese Zeit. Aber schwerlich lange vorher.
Noch war sie ihm ja nicht evident sicher, sondern nur eine Hypothese;
sie erlangt ihre Gewißheit erst im Lauf der Prüfung, deren Formulierun-
gen wir im Tagebuch vor uns haben. Auch der Umstand, daß hiernach
die erste, vielleicht schon von Nr. i, jedenfalls von Nr. 19 an gesicherte
Konzeption der Grundgedanken von Berkeleys Lehre vor diese Eintragungen
zu setzen ist, läßt allen den oben (S. 24) skizzierten Vermutungen über
das Schicksal der beiden Vereine Ramn. Es lohnt indessen nicht, auf sie
zurückzukommen. Außerdem haben alle diese Zeitbestimmungen doch nur
Wert, sofern sie unentbehrliche äußere Daten für die Einsicht in den
inneren Zusammenhang der Tagebucheintragungen Berkeleys, und damit
in die Entwicklung seiner Lehrmeinungen liefern.
Solche Einsicht läßt sich nunmehr gewinnen.
Ohne weiteres ist klar, daß wir die Grundlagen fiir die Philosophie
Berkeleys in seiner Individualität zu suchen haben. Zwei Momente lassen
sich hier unterscheiden.
Das erste, vielfaltig bezeugte, ist durch Berkeleys ungewöhnliche
geistige Frühreife gegeben. Sie ließ ihn von Jugend auf eigene Wege
suchen. Stille eigene Wege, denn der laute Widerspruchsgeist, den solche
Selbständigkeit zumeist im Gefolge hat, ist anscheinend von Jugend auf
32 Eedmann:
durch Berkeleys friedfertiges Temperament in Schranken gehalten worden,
das alle seine näheren Bekannten an ihm in wärmsten Tönen rühmen.
In diesem Sinne haben wir das Tagebuchbekenntnis zu verstehen:
Mem. That I was dist'rustful at 8 years old, and consequently by
nature disposed for these new doctrines. (267)
Bestimmter gefärbt ist eine andere Äußerung von ihm, die Fräser aus
dem zweiten Band des Berkeley-Nachlasses dem Tagebuch angefiigt hat:
From my childhood I had an unaccountable turn of thought that way. (d)
Wir verstehen, was hiermit gemeint ist, wenn wir uns die leitende
Idee seiner Philosophie gegenwärtig halten. Er selbst hat den Schwerpunkt
seiner philosophischen Überzeugungen von Anfang an zutreffend in seinem
Immaterialismus gefunden. Eine »immaterial hypothesis« nennt eine
der ersten Eintragungen (19), wie wir gesehen haben, seine Lehre. Eine
der letzten, niedergeschrieben, nachdem er der Beweiskraft seiner Methode
völlig sicher geworden war, formuliert die Idee in demselben Sinne:
»N.B. Other arguments innumerable, both a priori & a posteriim,
drawn from all the sciences, from the clearest, plainest, most obvious
truths, whereby to demonstrate the Principle, i. e. that neither our ideas,
nor anything like our ideas, can possibly be in an unperceiving thing. (897)
Auch das Positive zu diesem Negativen steht ihm von Anfang an
unverrückbar fest. So in der oben schon angezogenen Bemerkung (24)^
und weiterhin in dem oft angeführten, auch hier noch einmal anzufüh-
renden Wort:
Existence is pei'cipi, or percipere. The horse is in the stable, the
books are in the study as before (mit der ergänzenden Randbemerkung
zu percipere [or vellc;, i. e. agere]). (413. 413 a)
So konnte er, nachdem ihm seine Überzeugung auch im einzelnen
sicher geworden war, sich sagen:
I wonder not at my sagacity in discerning the obvious tho' amazing
truth; I rather wonder at my stupid inadvertency in not finding it out
before — 'tis no witchcraft to 866.(279)
Wir bedürften, um von hier aus den ursprünglichen und stärksten
Antrieb für Berkeleys philosophische Überzeugungen zu finden, kaum einzelner
Zeugnisse. Er war, ähnlich wie Pascal und Malebranche, eine religiöse
Natur von tiefster Innerlichkeit. Seine ganze Lebensführung war von
religiös fundierter Selbstlosigkeit und Menschenliebe erfiillt. Das zeigt sich
in allen seinen philanthropischen Plänen, in der Art seiner Resignation,
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. H3
als der romantischste dieser Pläne an der politischen Weltweisheit der
beherrschenden Persönlichkeit Walpoles scheiterte, (^) in der bescheidenen
Zurückhaltung bei den peinlichen Intrigen gegen die ersten Versuche seiner
Gönner, ihm nach seiner Rückkehr von Amerika eine her^MDrragende kirch-
liche Stellung zu verschaffen, ebenso in der Art, wie er die bescheidene
Stellung in dem entlegenen Winkel Cloyne aufnahm und segensvoll wirksam
machte. Das bestätigen endlich auch alle Urteile seiner Freunde und
Gönner, selbst einer so andersartigen Persönlichkeit wie Swift. Sie sprechen
durchweg die Sprache bewundernder Anerkennung seiner religiös zen-
trierten ethischen Gesinnung und Lebenshaltung. So war er zum Gottes-
diener wie wenige auserwählt. Um nur eines hier zu erwähnen: »The
worthiest, the learnedest, the wisest and most virtuous Divine of the
3 kingdoms« nennt ihn Lord Egmont bei Gelegenheit der obenerwähnten
Intrigen. (^)
Die religiöse Grundstimmung Berkeleys drängte, so dürfen wir schon
hiernach annehmen, sein früherwachtes selbständiges Denken in die Bahn
einer Weltautlfassung, deren Ziel war, die christlichen Überzeugungen,
soweit sie der wissenschaftlichen Begründung zugänglich sind', Allen ein-
leuchtend zu machen und an das Herz zu legen.
Dafür entscheiden auch spezielle Zeugnisse: »What deserves the first
place in our studies«, heißt es im Schlußparagraphen des Treatise, »is the
consideration of God and our Duty; which to promote, as it was the
main drift and design of my labours, so shall I esteem them altogether
useles.s and ineffectual if, by what I have said, I cannot Inspire my readers
with a pious sense of the Presence of God; and . . . the better dispose
them to reverence and embrace the salutary truths of the (iospel, which
to know and to practise is the highest perfection of human nature. «
Analoges besagen die Anfangsworte der Vorrede zum Treatise und der
Nebentitel der Dialoge zwischen Ilylas und Philonous. Und beide Wen-
dungen bedeuten bei Berkeley sehr viel mehr als die ähnlichen Wendungen,
durch die der religiös wenig interessierte Descartes seine Meditationes mit-
bezeichnet hat. Auch die letzte, sicher auf den Treatise gehende Ein-
' Diese Einschränkung sclion im Tagebucii: ». . . But to pretend to demonstrate or
reason anything about the Trinity is absurd. Here an implicit faith becomes us« (574);
vgl. späterhin das vollständige Zitat.
Phil-hist. Abh. 1919. Nr.fi. 5
i/:-
34 E R D M A N N :
tragung aus dem zweiten Manuskriptbande gibt das religiös-ethische
Grundthema:
The whole directed to practise and morality — as appears first,
ffom making manifest the nearness and omnipresence of God ■ . . (f)
Nicht weniger läßt es sich überdies aus dem religiösen Einschlag der
frühen Untersuchungen über die Zeit entnehmen. (^)
Eine polemische Wendung gegen die unchristliche Zeitstimmung war in
diesem religiösen Grundmotiv seines Denkens von vornherein enthalten.
Aber wir haben kein Recht, sie schon in der Frühzeit von Berkeleys Ent-
wicklung speziell auf die »EYeidenker« jener Tage zu beziehen. Tolands
»Christianity not mysterious« war allerdings bereits 1696 erschienen. Mehr
noch als der Inhalt der Schrift hatte des Verfassers Gebaren in Dublin
im nächstfolgenden Jahre bei seinen Landsleuten schweren Anstoß erregt
und zur Verbrennung des Buches an der Tür des Parlamentshauses sowie
zur Ausweisung des Verfassers aus Irland geführt. (^) Aber Berkeley hat,
obgleich er somit von Tolands erster Schrift früh Kenntnis gehabt haben
könnte, nicht Anlaß genommen, sich mit diesem Gegner des Christentums
auseinanderzusetzen. Ebenso fehlt bis 1713 jede Spur einer kritischen
Rücksichtnahme auf Shaftesburys erste Veröffentlichungen. (^) Er hat an
dem Freidenkertum seiner Zeit erst seit 1 7 1 3 den Anstoß erhalten, der
späterhin, in der Muße des Aufenthalts in Rhode Island, den Alciphron
entstehen ließ. Denn im Tagebuch finden wir nur wenige kurze Absagen
an den Epikureismus und Hobbismus (17), gegen »idolatry, whether of Images
or of gold, &c., that blinds the greatest part of the world, as well as of
that shamefull immorality that turns us into heasts« (394; vgl. 17), später
auch an Spinoza (814): ähnlich so auch im Treatise und den Dialogues. ('*)
Die Bemerkung, durch die er in einem Briefe von 1710 an Sir Percival
diesen über das Ziel seines Treatise informiert, muß daher in ihrem zweiten
Teil von dieser Voraussetzung aus gedeutet werden : » . . . a treatise . . .,
designed to promote true knowledge and religion, particularly in Oppo-
sition to those philosophers who vent dangerous notions with regard to
the existence of God and the natural immort^lity of the soul, both which
1 have endeavoured to demonstrate, in a way not hitherto made use of«
(Fr. D S. 7of.).
Freilich gibt der religiöse Grundzug nur das ursprünglich treibende
Motiv für die philosophische Stellungnahme Berkeleys. Die gestaltende
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlicfien Tagebuchs. B5
Idee entwickelt sich aus diesem Motiv erst unter dem Einfluß weiterer
Studien, deren er sich wahrscheinlich erst nach erledigter Vorbereitung-
für den Bachelor of Arts (Anfang 1704) ernstlicher widmen konnte.
Daß Berkeley sich um diese Zeit eifrig in die Elemente der Mathematik
und Physik einarbeitete, bekundet er selbst in den beiden kleinen, 1707
von ihm veröffentlichten, übrigens belanglosen Schriften, der «Arithmetica
absque Algebra aut Euclide demonstrata« und den »Miscellanea Mathematica«
(Fr. A III S. 7. 41 f.). Um 1707 hatte er auch, wie das Tagebuch und die
schon erwähnte kleine undatierte, jedenfalls vor 1 709 verfaßte kritische
Arbeit »Of infinities« zeigen, den Ziigang zu der Fluxionsmethode Newtons
und der Differentialrechnung von Leibniz gefunden. Hier aber war er
von vornherein, ebenso wie gegenüber Newtons Konstruktionen eines absoluten
Raums, einer absoluten Zeit und einer absoluten Bewegung, in der Abwehr.
Die Überzeugung von der Auflösung des Raums in nur endliche minima
visibilia und tangibilia sowie von der au.sschließlichen Relativität des
Raums, der Zeit und der Bewegung war ihm, wie aus der Analyse des
Tagebuchs weiterhin hervorgehen wird, bereits fest geworden. Viel schärfer
noch, als im Treatise zum Ausdruck kommt, hat er sich in der Tagebuch-
zeit in den Gegensatz gegen die neuen mathematischen Methoden hinein-
gedacht. Alle Grundlagen der Argumentation, mit der er späterhin, im
• Analyst« (1734) und dessen Vorteidigungsschriften (1734/35), die Konse-
quenzen seiner Lehre gegen die logische Berechtigung jeder Art infinitesimaler
Grenzbetrachtung ins Feld führt, sind hier bereits ausgesprochen \ Wir
begegnen hier also nicht frühen Antrieben, sondern der Verteidigung seiner
im wesentlichen bereits feststehenden philosophischen Lehre, ähnlich wie
für seine kausale Naturdeutung in der Abhandlung De motu (1721).
Die frühen mathematisch-physikalischen Studien kommen demnach für
die Ausgestaltung seiner religiösen Motive zur Idee des Immaterialismus,
wie fast selbstverständlich, nicht in Betracht.
Wir sind somit, um älterer, aus der Luft gegriffener Annahmen nicht
zu gedenken, auf Berkeleys philosophische Studien angewiesen. Für
diese bietet sich auf den ersten Blick scheinbar ein weites Feld.
' Man vgl. im Tagebuch Nr. 21, 59, 6r, 70 usw. mit Nr. 29, 30, 164, 217, 248 bis hin
zu Nr. 904 — 913, sowie die Erörterungen am Schluß dieser Abhandlung.
5*
36 E u D
mann:
Vor allem liegt es nahe, Einwirkungen einer frühen Bekanntschaft
mit Platonischen Lehren zu vermuten. Fräser berichtet aus einem sonst
unveröffentlichten Brief Berkeleys an Sir Jolm Percival aus dem Jahre 1709,
(laß der Philosoph in diesem » refers with admiration to Plato, teils of the
delight with which he read the Thaedo' and other dialogues years before,
and appreciates the harmony of the Piatonic spirit with 'the perfection
and badge of Christianity, which is its generous contempt for the things
of this sentient life'« (Fr. D S. 16). Leicht konstatierbar war ferner, daß
Berkeley in der Siris eine gründliche Kenntnis der Platonischen und der
Neuplatonischen Philosophie zeigt, in wärmster Verehrung wiederholt von
Piaton spricht und in seiner dort entwickelten Lehre vom Intellekt unver-
kennbar und bewußt der Platonischen ähnliche Annahmen entwickelt. Aber
der Hypothese eines Einflusses der Platonischen Ideenlehre auf Berkeleys
frühe Konzeptionen seines Immaterialismus und seiner späten Rückkehr zu
solchen frühen Einwirkungen stehen doch völlig entscheidende Gründe ent-
gegen. Über Einflüsse dieser Art besagt die eben zitierte Briefstelle offen-
bar nichts. Sie beweist nur, daß Berkeley früh, vermutlich vor dem
Jahre i 704, in dessen Herbst er Bachelor of Arts wurde, einige Platonische
Dialoge gelesen hat. in denen er, speziell im Phaedon, Analogien zu seinen
religiösen Überzeugungen fn.nd.(^^) Wir haben deshalb auch kein Recht,
in einer brieflichen Äußerung aus dem Jahre 17 10, in der er seine Lehre
von dem Perzipiertwerden der Ideen durch Gott mit der mosaischen
Schöpfungsgeschichte harmonisiert, {^) einen frühen Ausdruck des Pla-
tonischen Idealismus zu sehen. Früh schon hatte doch die christliche
Schöpfungslehre die Lehre Piatons von der ewigen P^xistenz der Ideen in
ihrer intellektuellen Ordnung und ihren Funktionen für den Weltbildner
im Timaeus zu der Lehre von der Wirklichkeit der Ideen im schöpferischen
Geist Gottes umgebildet und in verschiedenen Fassungen festgehalten.
Dementsprechend enthalten auch die gelegentlichen Hinweise auf die Über-
einstimmung von Berkeleys Ül)erzeugungen mit der bibhschen Schöpfungs-
geschiclite im Tagebuch (z. B. 342, 385) keine Spur einer Beziehung auf
die Platonische Ideenlehre. Dazu kommt, daß der noch zu erörternde
scharf ausgeprägte Empirismus in den Äußerungen des Tagebuchs der
Platonischen Wissenslehre nirgendwo einen Boden läßt. Auch die ebenfalls
noch zu besprechenden Schwankungen in Berkeleys Erkenntnislehre weisen
in ihren frühangelegten rationalistischen Wendungen demgemäß nirgendwo
Berkeleys Philosophie im Lichte seitws wissenscJmfllichen TagebucM. 37>
auf Platonische Einflüsse hin. Ebenso wenig dürfen die Ausfahrungen über
das »law of nature« in Berkeleys mehrfach aufgelegtem Diskurs über »Passive
Obedience« vom Jahre 17 12 zugunsten eines solchen Einflusses herangezogen
werden. Berkeley beruft sich hier (§ i if.) allerdings auf ein »Eternal Law
of Reason«, aus dem »practical propositions, . . . laws of nature« herfließen,
»which are ever to be esteemed the fixed unalterable Standards of moral
good and evil«. Aber er läßt in deutlichen Anspielungen auf Locke.s
Polemik gegen die Lehre von den angeborenen Ideen keinen Zweifel
darüber, daß sie nicht, wie die Überlieferung will, rationalistisch gedeutet
werden dürfen: »They are said to be stamped on the mind, to be
engraven on the tables of the heart . . . they are termed eternal
rules of reason.« Aber man nennt sie so, »because they are well known
to mankind, and suggested and inculcated by conscience . . ., because
they necessarily result from the nature of things, and may be demoti-
strated by the infallible deductions of rea.son.« Sie sind vielmehr
»collected from Observation« als Vorbilder fiir die Nachahmung der
Natur »which is nothing eise but a series of free actions produced by the
best and wi.sest Agent«, weil »it hath been shewn that God willeth the
imiversal well-being of mankind should be promoted by the concuirence
of each particular person«. Nirgends endlich geht Berkeley im Gedankenfluß
seines Tagebuchs auf Platonische Lehren ein. Die einzige Aiis])ielung auf
Piaton, die sich dort findet, ist eine Ablehnung der seinen Stil übertrieben
nachahmenden Redeweise :
I abstain from all flourish & pomp of words & figures, using a great
plainness & simplicity of .stile, having oft found it difficult to understand
those that use the lofty k Piatonic, or subtil and scholastique strain. {302)
Ein direkter Einfluß der frühen Beschäftigung mit einigen Platonischen
Dialogen auf Berkeleys Konzeption des Immaterialismus ist demnach sicher aus-
geschlossen. Wäre ein solcher nicht wiederholt angenommen worden, so hätte
es der speziellen Belege sogar kaum bedurft. Die Tatsache, daß der Geist des
Empirismus Berkeleys Denken in seinen Jugendschriften und mehr noch, wie
sich ergeben wird, in seinem Tagebuch beherrscht, hätte genügen sollen, jede
Vermutung dieser frühen Abhängigkeit von vornherein beiseite zu schieben.
Dennoch hat vielleicht nicht lediglich die immer aufs neue in histo-
rischen üntersucimngen verführerisch wirkende Neigung, iVnalogien der
Denkweise für Zeugnisse eines Einflusses zu nehmen, hier mitgewirkt.
H8 Erdmann:
«
Es ist wohl zu beachten, daß um die Wende zum 18. Jahrhundert
von verschiedenen, voneinander unabhängigen Ausgangspunkten her Lehren
auftreten, die dem idealistisclien Spiritualismus nahestehen oder ihn aus-
drücklich vertreten, in allen ihren Ausgestaltungen religiöse Antriebe zeigen
und, soweit sie philosophiscli durchgearbeitet sind, Spui-en Platonischen Geistes
nicht verleugnen.
Diese Antriebe lassen sicli weit zurück verfolgen. Es genüge hier,
auf Erscheinungen hinzuweisen, die in den Darstellungen der Geschichte
der neueren Philosophie nicht in Rechnung gestellt worden sind. Die
religiöse Reaktion gegen die herrschenden orthodoxen Schulen, in denen
seit dem 13. Jahrhundert die Wege des Aristotelisch-Thomistischen Denkens
zu Ungunsten des Platonisch-Augustinischen bevorzugt worden waren, (^)
hatte weder die Gegenreformation noch die aristotelisierende Veräußer-
lichung der abflauenden Reformation zum Stillstand bringen können. Dort war
sie im 17. Jahrhundert insbesondere in den Kongregationen der Jansenisten
und Oratorianer lebendig geblieben; hier war sie in den stillen Gemeinden
der Niederlande, in den pietistischen Vereinigungen Deutschlands und in
den pädagogischen Reformbestrebungen von Arnos Comenius praktisch
gepflegt, von Valentin Weigel, Jacob Böhme u. a. theosophisch weiter-
gebildet worden. Die neue Philosophie aber hatte ihr keine Hilfe gebracht:
weder die vieldeutigen religionsphilosophischen Wendungen Bacons, noch
Hobbes' nur oberflächlich versteckte Ablehnung des Glaubens überhaupt,
noch endlich Gassendis und Descartes' scheinbare Unterwerfung unter die
katholischen Glaubenslehren konnte religiös gestimmte Geister befriedigen.
Die Stellungnahme der Vertreter der neuen Philosophie beruhte, wie die
offiziellen kirchlichen Kreise aller Arten, vorab Descartes gegenüber trotz
seines Werbens die Jesuiten, richtig herausfanden, auf dem neuen, nicht
religiös geprägten Wissen. Auf dieser Wissensgrundlage beruht auch die
Entwicklung des Deismus bis hin zur religiösen Skepsis und dem Frei-
denkertum. Die Lehrstellung Herberts von Gherburj- ist nur ein Symptom,
niclit die Ursache dieser freigeistigen Lehren gewesen. Aber schon
in der Fortbildimg der Cartesianischen Philosophie setzte die religiöse
Reaktion sich auch philosophisch durch und bereitete so den Boden für
das Aufkommen eines religiös zentrierten idealistischen Spiritualismus vor.
Die Lehren Descartes' boten sogar direkte Hilfen für diese Vorarbeit. Die
rein geometrische Bestimmung des Körpers, derzufolge er nur Objekt, nicht
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 39
Urheber von Bewegung sein konnte, hatte, zusammen mit dem attributären
Gegensatz zwischen geistiger und körperlicher Substanz, zu der okkasiona-
listischen Kausaltheorie geführt. AUe Wirksamkeit in der Welt wurde
ihr zufolge ausschließlicli durch Gott vollzogen. Geulincx hatte die Existenz
einer Körperwelt daraufhin zwar nicht geleugnet, aber sie war für seine
Ethik mit ihrer mystischen Versenkung des sittlichen Individuums in
Gott bedeutungslos geworden. Direkter noch hatte von religiösen Bedürf-
nissen aus Pascal das Interesse am körperlichen Objekt für nichtig er-
klärt, wenig später Pierre Poiret die Cartesianischen Gedanken theoso-
phisch zu wenden begonnen. Ganz nahe endlich war Malebranche mit
seiner Lehre von unserem Schauen der Körperwelt in Gott dem idea-
listischen Spiritualismus gekommen. Selbst in Leibniz' Spiritualismus
sind die religiösen Antriebe unverkennbar. Nur hatte sein an der Physik
erstarktes und durch sein mathematisches Genie gestähltes Denken
seinen intellektualistischen Dynamismus nicht idealistisch, sondern rea-
listisch gewendet.
Auch in England hatte die religiöse Reaktion schon in den Vor-
stadien des Freidenkertums Wurzel gefaßt. So trotz allem Gegensatz gegen
das Priestertum schon bei Herbert von Cherbury; direkter noch bei dem
verspäteten und schon deshalb einflußlos gebliebenen scholastischen Pla-
toniker Robert Greville, Lord Brooke (The Nature of Truth, i64i).(^) Vor
allem aber waren in der rationalisierenden Theologenschule von Cambridge
dem Piatonismus, so wie sie ihn sich deuteten, warme Verehrer erstanden.
Sie bekämpften von spiritualistischen Grundgedanken aus, wie Cudworth
und Henry More, den Materialismus und Atheismus, oder, wie Joseph
Glanvill, mit Vorgedanken zu einer empiristischen Kausaltheorie den
»mechanischen Atomismus« ('**) von Hobbes. Möglich, daß auch eine
genauere Untersuchung bei John Norris und Arthur Collier keine faßbare
Abhängigkeit von der Cambridger Schule nachweisbar macht. Sicher bliebe
trotzdem, daß die von ihr repräsentierte religiöse Reaktion und die in ihr,
besonders ursprünglicli, vorhandene Anerkennung von Descartes' Rationa-
lismus für die Aufnahme der Lehren von Malebranche und deren Um-
bildung zu einem idealistischen Spiritualismus Raum schaffte: bei Norris
in seinem »Essay towards the Theory of the ideal or intelligible World«
(1701 — 1704); bei Collier in ungefähr um dieselbe Zeit erfaßten und schärfer
noch idealistiscli gewendeten Gedanken. ('^)
40 EnnMANN:
Es ist das Endglied dieser religiös konzentrierten, von
traditionellen Nachwirkungen des Platonischen und Neuplato-
nischen Geistes durchsetzten reagierenden Ideenfolge, das uns
in Berkeleys idealistischem Spiritualismus vorliegt.
Aber es ist kein Glied, das direkt von Platonischen Lehren abhängig
wäre. Es ist nicht einmal irgendwie durch eine der vorstehend besprochenen
einzelnen Formen dieser Reaktion bedingt. Gegen Berkeleys Abhängigkeit
von den genannten englischen Denkern spricht schon das Schweigen des
Tagebuchs. Norris wird in ihm überhaupt nicht erwähnt, und nirgends
findet sich dort eine Spur seiner Gedanken. Berkeley hätte wenigstens
gegen den Schluß seiner Tagebucliaufzeichnungeh, in der Zeit, in der er
eine Reihe von philosophischen Werken durchsah, auf Norris aufmerksam
werden können. Er kennt die 1708 veröffentlichten »Familiär Letters« von
Locke. Aber die in ihnen enthaltene Kpitik von Norris' Gegenschrift gegen
Lockes Essay luid Lockes Urteil über das obengenannte spätere Werk von
Norris (^) werden Berkeley nicht dazu gereizt haben, die.se Schrift, die
hier allein in Betracht käme, kennenzulernen. Und Colliers kleine, da-
mals überhaupt kaum beachtete »Clavis universalis«, in der dieser seine
Gedanken zuerst veröffentlichte, erschien erst i 7 i 3, gleichzeitig mit Berkeleys
Dialogen. (^*') Selbst von Malebranche nimmt keine der Tagebuchnotizen,
in denen die Idee des Immaterialismus formuliert wird, irgendwelche Notiz.
Und was mehr besagt: nichts weist auch sonst in ihnen auf eine Abhängig-
keit von Malebranche hin. Als Berkeley im Fortgang seiner Entwicklung,
etwa 1707, sich eingehender mit Malebranches Lehre beschäftigt, findet er
nur Anlaß zu ablehnender Kritik. '
Dem widerspricht natürlich nicht, daß Berkeley, der sich der Paradoxie
seiner Lehre wohl bewußt war (Fr. A IV S. 181, D S. 70), von den Fertigen
unter seinen Zeitgenossen für einen Anhänger von Malebranche gehalten
wurde. So von dem Rezensenten des Treatise in dem jesuitischen Journal
de Trevoux (Mai 1713). in eben der Besprechung, welche die Legende von
einer Malebranchistischen Sekte der »Egoisten« in dem damals gebräuch-
lichen theoretischen Sinne des Worts hat entstehen lassen, (**) vielleicht
' Im Tagebuch zueret in Nr. 231, dann wiederholt: Nr. 256, 258. 266, 270. 288. 361b,
407, 538, 678, [679], 790, 808, 875. Die Berufung auf Malebranche in dem Sclilußabschnitt
der »Miscellanen mathematica« (Fr. A III S. 61 f.) gehört vielleicht auch erst der Zeit um 1707
an. Jedenfalls beweist sie nichts fiir die oben vorliegende Frage.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaflUchen Tagebuchs. 41
auch die Legende einer für Malebranches Gesundheit verhängnisvollen
Unterredung mit Berkeley. Selbst in England, wo der Blick für Berkeleys
völlig andersartige, empiristische Fundierung des Immaterialismus hätte
geschärft sein können, fand die bequeme Einordnung der neuen Gedanken
in bereits bek?innte manche Anhänger. Berkeley selbst hat diese Zusammen-
stellung mit Recht weit von sich gewiesen. Nachdem Sir John Percival ihm
berichtet hatte, daß er (von Clarke und Whiston?) mit Malebranche und
Norris zusammengestellt werde, konnte er deshalb, in der A))lehnung zu-
treflend, wenn auch die Analogien verkennend, Ende 1710 antworten:
»As to what is said of ranking me with Father Malebranche and Mr. Norris,
whose writings are thought to be too fine-spun to be of any great use
to mankind, I have this answer. that 1 think the notions 1 embrace are
not in the ieast coincident or agreeing with theirs, but indeed plainly
inconsistent with them in the main points, inasmuch as 1 know few writers
I take myself at bottom to diflFer more from than from them.» Man erkennt
den ihn bestimmenden Einfluß, wenn er fortfährt: »Fine-spun metaphysics
are what I on all occasions dedare against, and if any one shatl show
anything of tliat sort in my Treatise, I will willingly correct it« (Fr. D S. 73).
Es ist Locke, auf den wir denuiach auch von dieser Seite aus hin-
gewiesen werden. In der Tat haben wir in Lockes Philosophie die aus-
schließliche Grundlage für die Ausgestaltung von Berkeleys religiösen
Antrieben zu der Idee des idealistischen Spiritualismus zu suchen. Es ist
ein Symptom von der Energie der religiös konzentrierten Gedanken, die
gegen die ansteigende Rationalisierung des Glaubens Front machen lassen,
daß auch aus der Gedankenwelt des Verfassers der Schrift von der
»Reasonableness of Christianity « eine religiöse Reaktion ersteht. Lockes
Essay hatte die Werdenden seiner Zeit nicht weniger erregt, als 90 Jahre
später Kants kritisches Hauptwerk dies tat. Besonderen Einfluß hatte es
früh in Dublin erlangt. Fräser hat mit Recht betont, daß schon Ende
des 1 7 . Jahrhunderts unter dem Miteinfluß von William Molyneux die
philosophisch interessierte Jugend in Dublin durchaus unter dem Einfluß
von Lockes Lehren stand. Schon 1692 war Lockes Essay auf Molyneux'
Betreiben ein text-book im Trinity College geworden; 1700 hatte er die
vierte, reich vermehrte Auflage erlebt. Im Jahre 1701 war er, ebenfalls
auf Molyneux" Anlaß, von Richard Burridge, einem Mitglied des Trinity
Phil.-kisl. Ahh. 1919. Nr. Ä. 6
42 E R D M A N N :
College, ins Lateinische übertragen worden. (*l) So waren alle Bedingungen
für die fast ausschließliche Konzentration von Berkeleys jugendlichem Denken
um die Lehre Lockes gegeben.
Ein direktes Zeugnis für diese Abhängigkeit bieten die ersten Fragen
und Thesen des Tagebuchs, die wir in den Anfang des Jahres 1 706 zu
verlegen hatten (S. 30). Analoge Hinweise finden sich fast auf jedem
Blatt der späteren Eintragungen. Deutliclier noch spricht ihr Gehalt sowie
der vieler anderer Niederschriften. Auch die Streitschriften zwischen Locke
und Edward Stillinglleet, dem Bischof von Worcester, waren ihm bekannt
(Nr. 505. 693, wohl auch Nr. 688); el)en.so, wie schon erwähnt, die 1708
zuerst veröffentlichten »Some Familiär Letters between Mr. Locke and Several
of his Frionds« (Nr. 702, 736). Auch für die frühe Ablehnung der mecha-
nischen (Trundbcstimmungen sowie der Fluxionsrechnung Newtons, der im
Tagebuch nächst Locke am meisten und mit voller Anerkennung seiner
Leistung genannt wird:
I See no wit in any of them [den englischen Verfechtern der
Infinitesimalrechnung] but Newton. The rest are meer triflers, mere.
Nihilarians(369),(42)
ist Lockes Einfluß maßgebend gewesen. In dem mehrfach bereits genannten
frühen kleinen Aufsatz » Of Infinities « Iteruft sich Berkeley in erster Linie
auf Lockes Unterscheidung der »infinity of space« und des »space inßnitely
great and small«, erst in zweiter auf den im l'agebuch anfangs mehrfach
formulierten Gedanken, »that we ought to use no .sign without an idea«(**)
(vgl. Nr. [358J. 359, 361, 404, 405), der erst späterhin aufgegeben
wird. (**)
Viel wärmer als im Treatise klingt dementsprechend Berkeleys An-
erkennung von Lockes Leistung in den »Miscellanea mathematica « C*^) und in
den Tagebuchaufzeichnungen dieser Zeit. Auch als seine Gedanken sich
bereits zu dem Plan eines umfassenden Werkes verdichtet hatten, urteilt er:
Wonderful in Locke that he could, w" advanced in yeai-s, see at
all thro' a mist; it had been so long a gathering, & was consequently thick.
This more to be admir'd than y' he did not see farther. (556)
Und noch anerkennender späterhin:
... I am no more to be reckon'd stronger than Locke, than a pignu'
should be reckon'd stronger than a gyant because he could throw off the
molehill vv'='' lay upon him, and the gyant could only shake er shove the
mountain that oppressed him. This in the Preface.(67o)
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tayebwhs. 4B
. . . Such was the caiidour of this great man that I perewade myself,
where he alive, he would not be offended that I differ from hini, seeing
that even'in >-o doing I follow his advice, viz. to use my own judgment.
See with my own eyes, & not with another's. Introduction. (68i; vgl. 452)
Was Berkeley vor allem dem Gedankengebäude Lockes entnimmt, ist
der Empirismus, der das sorgsam ausgearbeitete Fundament des Essay
bildet, d. i. nach der Problemstellung Lockes die Lehre, daß aller Inhalt
unserer Erkenntnis ausschließlich der Erfahrung, einer inneren sowohl als
der äußeren, entstamme. *
Der religiöse Antrieb, der Berkeley zum Gegner herrschender Zeit-
strömungen maclite, fand in diesem Boden so wenig ein Hemmnis, wie
Malebranche ein solches in dem Rationalismus Descartes' gefunden hatte.
Begreif liclierweise : so leicht sich im praktischen Leben bodenständige Er-
fahrung mit religiöser Konzentration verbindet, so leicht wird es auch,
wie die Geschichte der Philosophie und der Naturwissenschaft bis hin zur
modernen Anthroposophie und Theosophie sowie zum Pragmatismus und
zur letzten Phase des verblichenen Monismus zeigt, den Eimpirismus dem
religiösen Bewußtsein philosophisch dienstbar zu machen. Durchaus zu-
treffend hat Berkeley in einer späten Niederschrift seines Tagebuchs ge-
urteilt :
Sj>inosa (vid. Praef. Opera Posthum.) will havi; God to be •omniuni
rerum causa immanens', and to countenance this produces -that of St. Paul,
'in Hini we live", kc. Now this of St. Paul niay be explained by my
doctrine as well as Spinosa's, or Locke's, or Hobbs's, or Kaphsoi\'s, &c. (817)
Eine Einsicht, die ihn freilich nicht gehindert hat, sich in seinen Schriften
(z. B. Treatise § 149 und Dialogues Fr. AI S. 331) eben dieses Hinweises
zugimsten seiner Lehre zu bedienen.
Die durchgängige Abhängigkeit Berkeleys von Locke im einzelnen zu
belegen, wäre so überflüssig wie unzulänglich. Überflüssig, weil in dem Lehr-
bestande, den der Treatise und die Dialogues bieten, kein Zug ist, der nicht
diese Abstammung verriete. Unzulänglich, denn es ist wiederum kein Zug,
in dem sich nicht zugleich die Eigenart der Fortbildung ausprägte. Das zeigen
auch die Tagebuchnotizen; nur ist zu beachten, daß Berkeley in ihnen viel
mehr Anlaß hat festzulegen, was ihn von Locke scheidet, als aufzuzeichnen,
was er von dessen Lehre voraussetzt.
Wenige allgemeine, beide Momente berücksichtigende Bemerkungen
werden deshalb genügen.
6*
44 E R I) M A N N :
Neubegründet wird fürs erste der Kinpirismus von Berkeley nicht.
Sein Treatise hält insofern, obgleich dessen Aufgabe nach Analogie der
Zielbestimmung in Lockes Essay formuliert wird, nicht das, was er — schein-
bar, wie noch zu zeigen sein wird (S. 49) — verspricht. Er ist keine »strict
inquiry concerning the First Principles of Human Knowledge, to sift and
examine them on all sides« (Tr. Introd. §4). Die empiristische Ursprungs-
bestimmung unserer Erkenntnisinhalte wird im ersten Paragraphen nach
der Einleitung ohne weiteres im Anschluß an Locke eingeführt, wie bei
Locke auf Sensation und reflection verteilt und auf memory und Imagination
übertragen. Auch das nicht fixierte »thought« (§ 5 u. o.) bleibt in den
drei ersten, grundlegenden Schriften vielfach iimerhalb dieses Gedanken-
kreises; ebenso, trotz der Wendung, die Berkeley der Lehre von den
geistigen Substanzen gibt, die gleichfalls schwankende Bestimmung der re-
flection. Auf beide ist noch zurückzukommen. Selbst die neue, alle körper-
liche Realität aufhebende Grenzbestimmung für die Erkenntnis der Außen-
welt und die ebenso neue Erweiterung der P]rkenntnis geistiger Substanzen
werden nicht auf eine selbständige Untersuchung der Prinzipien unseres
Erkennens begründet, sondern erscheinen als Konsequenzen der Erklärung
Lockes, daß alle Erkenntnis auf der Perzeption der Übereinstimmung oder
Nichtübereinstimmung zweier Ideen beruhe. Die neue Grenzbestimmung
unserer Erkenntnis der Körperwelt folgt aus dem schon in Lockes Lehre ent-
haltenen, allerdings von ihm nicht konsequent festgehaltenen Satz: »an idea
can be like nothing but an idea«. Von § 8 des Treatise an, in dem er einge-
führt wird, erweist er sich als methodologisches Prinzip, in Verbindung mit
dem Gedanken, daß eben die Argumente subjektiv bedingter Relativität, die
Locke für die Subjektivität der sekundären Qualitäten verwendet, für die
gleiche Wesensart der von Locke im Anschluß an einen alten, neu gewendeten
Sprachgebrauch (■**) so genannten primären sprechen. Völlig zutreffend wird
diese Grenzbestimmung allerdings erst, wenn hinzugenommen wird, was
Berkeley als eine selbstverständliche Folgerung aus der Ideenlehre Lockes.
wiederum ohne weiteres, gleich anfangs ausspricht und nicht müde wird
zu wiederholen: »The existence of an idea consists in being perceived.«
Denn »It must be confessed thls niethod of arguing [aus der subjektiven
Relativität der Sinnesqualitäten] does not so much prove that there
is no extension or colour in an outward object, as that we do not
know by sense which is the true extension or colour of the object«
Berkeleys Philosophie, im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 45
(§ 15)', ein Gedanke, der größere Beachtung verdient, als er in der Ent-
wicklung der Lehre von der Subjektivität der Sinnesqualitäten seit der
antiken Atomistik bis zur Gegenwart gefunden hat.
Nicht anders verhält es sich mit den Gründen, aus denen Berkeley
die Lehre Leckes von unserer P^rkenntnis der geistigen Substanzen um-
bildet. Man hat wiederholt bemerkt, daß dieser Kardinalpunkt seiner Über-
zeugung wenig eingehend von ihm behandelt ist und wenig deutlich wird.
In der Tat wird er ebenfalls von vornherein als eine selbstverständliche
Konsequenz des Satzes eingeführt, daß die Existenz der Ideen in ihrem
Perzipiertwerden besteht (Tr. § 2). Denn damit ist gesagt, daß es außer den
perzipierten Ideen perzipierende geistige Dinge geben müsse, Bestimmungen,
über welche die Auslassungen im Treatise prinzipiell nicht hinausgeführt
werden.
Berkeley leitet demnach seinen idealistischen Spiritualismus nicht aus
einer neuen Untersuchung der ersten Prinzipien unserer Erkenntnis ab. Er
entwickelt ihn vielmehr aus Konsequenzen, die er, angetrieben durch sein
religiös fundiertes Denken, aus Lockes daraufhin umgedeuteter Erkenntnis-
lehre zieht. Y.T steht zu Locke in der Tat älmlich wie Spinoza zu Des-
cartes, oder wie einerseits Fichte, andrerseits Scliopenhauer zu Kant. Nur
sind seine Antriebe durchaus christlich relij^iöse, während sie bei jenen
in erster Linie ethisch fundiert sind.
Für diese Umbildung fand Berkeley in der Erkenntnislehre Lockes
noch direkter faßbare Anhaltspunkte, als der Cartesianismus sie Pascal
oder Malebranche für ihre analogen Lehren geboten hatte. Ohne weiteres
waren, wie schon zu erwähnen war, Lockes Beweisgründe für die Sub-
jektivität der sekundären Qualitäten auf die von ihm als objektiv voraus-
gesetzten zu übertragen. Ebenso naheliegend war die Konsequenz, daß
die Sensationen mit Einschluß von Raum, Zeit (13 u. 18; vgl. oben S. 30)
und solidity (Nr. 78) und die Ideen der Reflexion .sowie selbstverständ-
lich die aus iiuien abgeleiteten «ideas formed by help of memory and Ima-
gination« (Tr. § i) »not so much existences as manners of y" existence
of persons« seien (24; vgl. S. 30). Damit waren auf empiristischer Basis
fast alle Brücken zum idealistischen Spiritualismus geschlagen. Denn dann
verstand sich von selbst:
' Man vergleiche dazu ini Tai^ebuch die S. ,30 schon zitierte Eintragung (20) mit den
einschränkenden Bemerkungen (266, 288, 361b, 407).
4(5 E R D M A N N :
Qu. What can be like a Sensation but a Sensation? (46)
Qu. Did ever any man see any other tliings besides his own
ideas, that he should compare them to these, and make these like unto
them? (47; vgl. 51)
War so gesichert, daß
Nothing but ideas perceivable(5o),
SO ergab sich im Hinblick auf Lockes Kritik des Substanzbegriffs für die
Körperwelt ebenfalls von vornherein:
Material substance banter'd by Locke, b. 2 c. 13 s. 19. (91; vgl. 176)
Nicht weniger leicht gesellte sich zu dem allen die Einsicht in die
irreführenden Konsequenzen der überlieferten Lehre von der Realität der
Materie (22; s. oben S. 30), sowie die Erkenntnis, daß die unendliche Teil-
barkeit der Ausdehnung mit ihrem Ursprung aus Sensationen unverträglich
sei (26; s. oben S. 30; vgl. 33, 34, 37).
Lockes Annahme einer »sensitive knowledge«, die als Konsequenz
seiner Lehre unmöglich ist, nur als Fplgebestimmung seines naiven Rea-
lismus der primären Qualitäten verständlich wird, mochte bei dem allen
so offenbar ausgeschlossen erscheinen, daß es für Berkeley überflüssig war,
auf ihre Unzulänglichkeit spezieller einzugehen. Sie wird im Tagebuch
nur einmal berührt:
I am niore certain of y"^ existence & reality of bodies than Mr. Locke,
since he pretends onely to w' he calls sensitive knowledge, whereas I
think I have demonstrative knowledge of their existence — by them mean-
ing combinations of powers in an unknown substratum. (81)
Natürlich soll mit diesen Hinweisen auf frühe Eintragungen nicht der
so bedeutungs- wie hoffnungslose Versuch gemacht werden, den Ursprung
von Berkeleys Immaterialismushypothese aus dem Gedankenkreis Lockes
zu rekonstruieren. Sie sollen nur die Problemlage bezeichnen, aus denen
ihr sachlicher Bestand ähnlich so abfolgte, wie Malebranches Lehre aus
der Problemlage, die der Cartesianismus geschaffen hatte. Nur eine Erläute-
rung mehr zu vielen leicht beibringbaren anderen sollen sie dafür liefern,
daß auch in geistesgeschichtlieher Entwicklung bei analogen Antrieben die
gleichen Wirkungen aus sehr verschiedenen Ursachen entspringen können.
Freilich war mit dem allen der idealistische Spiritualismus vorerst nur
als »immaterial hypothesis« (19; vgl. oben S. 30) gegeben. Erscheint
»my doctrine«, also im wesentlichen eben diese Lehre, auch schon früh
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftUcJien Tagebuchs. 47
(29 und 30), so kommt Berkeley zu völliger Sicherheit, wie oben bereits
erwähnt, doch nur allmählich.
Erst in der Nähe der dort genannten Eintragungen tritt der Grund-
gedanke der Lehre als »Prinzip« auf:
Isnorance in some sort requisite in y' person that should disaver
the Principle. (285)
The Principle easily proved b>- plenty of arguments ad ab-
surdum. (293)
The reverse oC y^ Principle introduced scepticism. (307)
N. B. On my pi'incipics tliere is a realitv: there are things: there
is a rerum natura. (308; vgl. 315, 394)
Früh unil immer aufs neue wird dabei dieser Gegensatz zur Skepsis
betont, den Locke bei seinem naiven Realismus keinen Anlaß gehabt hatte,
hervorzuheben (19, 80, 81, 223. 428, 457, [460J, 479, 507, 537, 540, 552,
596,674, 797).
Nach dem allen kommt es im weiteren Verfolg des Tagebuchs zu
F>klärungen, in denen die Hypothese als gesicherte Theorie erscheint:
Newton begs his principle: I demonstrate mine. (390; vgl. 453)
. . . W I lay hefore you are undoubted theorems, not plausible
conjectai-es of my own ... (522)
W I sayis deraonstration — perfect demonstration...(54i; vgl. 576,712)
Absichtlich ist bei der vorstehenden Bestimmung der Idee von Berkeleys
Lehre und des Ursprungs ihrer Gestaltung aus den Voraussetzimgen des
Lockeschen Empirismus die Funktion und der Entwicklungseinlluß außer
Ansatz gelassen worden, den Berkeleys kritische Erörterung der überlieferten
logisch-metaphysischen Abstraktionslehre besitzt.
Die Analyse der Gesichtswahrnehmung mit den Ausführungen über
»Suggestion« in der New Theory und deren Erläuterungsschrift ist ohne
Zweifel als der historisch wirksamste, in den Grundgedanken unvergäng-
liche Bestandteil seiner psychologischen Lehren anzusehen. Schon Hume
hat seine Fortbildung von Berkeleys Abstraktionstheorie in seinem Treatise
mit der Erklärung eingeleitet: »A great philosopher has disputed the
receiv'd opinion in this [question] particular ... I look upon this to be
one of the greatest and most valuable discoveries that lias been made of
lata years in the republic of letters.« Sie ist zudem von Berkeley in der
Einleitung seines Treatise zu einem verhältnismäßig umfangreichen methodo-
logisch-kritischen Werkzeug ausgefeilt und im Fortgang des Werks häufig
48 E R D M A N N :
ZU solchem Zweck verwertet. Kein Wunder, daß sie von jeher als ein
wesentlicher Bestandteil seiner Philosophie überhaupt eingeschätzt und
wiederholt als ein ebenso wesentliches Moment ihrer Entwicklung angesehen
worden ist; letzteres um so mehr, als die Grundzüge dieser Lehre sich
schon in der New Theory finden.
So naheliegend beide Annahmen sind, so wenig halten sie doch genauerer
Prüfung stand.
Fürs erste ist zu beachten, daß die Abstraktionstheorie von Berkeley
nur in der Einleitung des Treatise ausführlich entwickelt und im Verlauf
der Untersuchung häufiger verwertet wird, in den übrigen Schriften dagegen
zvirücktritt. In der dem Treatise vorangehenden New Theory wird sie direkt
nur in einem kurzen Abschnitt gegen den Schluß der Untersuchung
(§ 122 — 126; vgl. § 152) dargestellt. In den Dialogues wird sie in dem-
selben Zusammenhang wie in der New Theory nur andeutungsweise heran-
gezogen (Fr. A I S. 283f. ; daneben ganz flüchtig S. 31 1, 3 i 5, 353). Auch
in De motu wird sie nur mehrfjicii gestreift. Etwas breiter ausgeführt
dient sie in der ursprünglichen Fassung des Alciphron, kürzer in der
Defence of Freethinking in Mathematics dem Beweisgang (Ale. VII § 5 f.;
aber auch V § 24 und VII I4f: Def. §45f). In der Siris bleibt sie in
untergeordneter Stellung fast ganz im Hintergrund'.
Sodann ist in Betracht zu ziehen, daß die neue Abstraktionslehre im
Treatise wie in den übrigen Schriften durchweg nur kritisch verwendet
wird. Sie dient nirgends zum Aufbau des Immaterialismus, sondern überall
zur Abwelir der ihr entgegenstehenden Meinungen, d. i. im Sinne Berkeleys
zahlreicher althergebrachter Irrtümer der philosophischen Spekulation sowie
der Mathematik und der Naturwissenschaften, in sehr viel bescheidenerem
Maße auch der Lehre von den spirits und der Ethik. Das Sein der
Ideen darf von ihrem Perzipiertwerden nicht getrennt werden (Tr. § 5);
es gibt weder eine abstrakt allgemeine Idee der Existenz überhaupt
' Inhaltlich ist Berkeleys Abstraktionstheorie jedoch, wenn wir von der rationalistischen
Wendung der Ideenlehre in der Siris absehen, in allen diesen Schriften wesentlich ungeändert.
Die Annahme, daß Berkeley den in seiner Abstraktionslehre vorliegenden Nominalismus in
der letzthändigen Ausgabe des Alciphron (1752) und in der Siris aufgegeben habe, besteht
nicht zu Recht. In den Erörterungen, die in der letzthändigen Ausgabe des Alciphron unver-
ändert gelassen sind, bleibt die ursprüngliche Lehre deutlich bestehen; es handelt sich bei
dem Foi-tfall der Abschnitte Ale. VII 5 — 7 offensichtlich nur um eine Konzentration des
Gedamkenganges.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftliche}! Tagebuchs. 49
(Tr. § 17, 74, 81, 88), noch eine solche speziell der Körper (Tr. §6, 11).
Ebensowenig können wir die Idee einer von den sekundären Qualitäten
abgetrennten Ausdehnung (N. Th. § 43, 122, 130, 149, 160; Tr. § 10, 1 1, 99,
116), einer reinen Zeit (Tr. § 97. iii) oder einer Bewegung überhaupt
(N. Th. § 137 ; Tr § 10, 99) bilden. Ausgeschlossen ist damit die Idee der
unendlichen Teilbarkeit von Raum, Zeit und Zahl (N. Th. § 54; Tr. § 125
— Tr. |J 13, ii9f.). Nicht weniger irrtümlich ist. daß die geometrischen
Beweise abstrakt allgemeine Ideen der Figuren voraussetzen (N. Th. § 152;
Tr. Introd. § 15; § 10, 126). Auch die abstrakt allgemeine Idee der Materie
ist haltlos (Tr. §81). Fast ausschließlich fungiert die neue Theorie der
Abstraktion somit als Waffe gegen die Irrlehren, die Berkeleys Deutung
der Ideen, d. i. der Objekte der Außenwelt, entgegenstehen. Etwas un-
motiviert in dem uns vorliegenden Zusammenhang wird die Lehre dann
auch einmal gegen die ^>Idee« der (Glückseligkeit überhaupt gerichtet
(Tr. !j 100); und erst gegen den Schluß des Treatise wird sie nach kurzem
Aufangsh in weis auch auf die »Notionen« übertragen, die wir von geistigen
Substanzen gewinnen können (Tr. § 27, 143).
Der positive (bedanke, der diese ganze Abwehr beherrscht, liegt in dem
Satze: Abstraktion in gültigem Sinne ist »the conceiving separately such
objects as it is possible may really exist or be actually perceived asunder«
(Tr. Intr. §5; §10). Es gibt demnach nur allgemeine Ideen in dem
Sinne, daß eine besondere Idee alle anderen besonderen Ideen derselben
Art repräsentiert, d. i. ein Zeichen für sie wird (Tr. Intr. § 1 2 f. u. o.).
Zudem bleibt selbstverständlich, »that a man may consider a figure merely
as triangulär, without attending to ihe particular qualities of the angles,
or relations of the sides- und daß wir »in like manner may consider
Peter so far forth as man, or so far forth as animal « (Tr.' J. § 1 6 ; vgl. Tr.' § 126).
Diese kritische, fast ausschließlich gegen eine verbreitete logische Über-
lieferung gerichtete Funktion von Berkeleys Abstraktionstheorie erklärt die
oben (S. 44) schon berührte Differenz zwischen der anscheinenden Aufgabe-
bestimraung und dem tatsächlichen Gehalt des Treatise. Die Aufgabe ist
weniger allgemein gedacht, als dies scheint, wenn der Satz, der sie formu-
liert, wie auch oben, wenn auch nur vorläufig geschehen, aus seinem Zu-
sammenhang gelöst wird. Die »strict inquiry concerning the First Principles
of Human Knowledge, to slft and examine them on all sides« steht in festem
kritischen Zusammenhang der Einleitung des Werks. »My purpose . . .
Phil.-hist.Abh. 19ni. Nr. 8. 7
50 K R I) M A N N :
is«, heißt es zu seiner Begründung, »to try if I can discover what those
Principles are which have introducod all that doubtfulness and
uucertainty, those absurdities and contradictions«, die scheinbar
»arise from the natural dulness and limitalion of our faculties«. Es ist
vielmehr anzunehmen, daß jene Hemmnisse und Schwierigkeiten »do not
spring from any darkness and intricacy in the objects, or natural defect in
the understanding, so much as from false Principles which have been
insisted on, and might have been avoided«. Welche falschen Prinzipien hier
gemeint sind, hat Berkeley nicht zweifelhaft gelassen. Unmittelbar gemeint
ist die aus einem Mißverständnis der Funktionen der Sprache entsprungene
Abstraktionstheorie in der herkömmlichen Logik und Metaphysik (Tr. Intr.
§6,18 f.). Mittelbar richtet sich die kritische Untersuchung gegen die An-
nahme, daß die Objekte der Sinneswahrnehmung etwas anderes sind als hleen-
komplexe, deren Sein in ihrem Perzipiertwerden gesteht, und die aus diesem
Vorurteil herfließenden skeptischen und irreligiösen Lehrmeinungen. Den
ersten Punkt behandelt die Einleitung des Treatise, den zw^eiten die noch
umfassendere kritische Begründung der neuen Ideenlelire und ihrer religiös-
metaphysischen Konsequenzen im Treatise selbst. So handelt es sich in
dem Werk nicht sowohl um einen neuen erkenntnistheoretischeii Aufbau,
als vielmehr um eine erkenntnis kritische Untersuchung übei'lieferter, vom
Standpunkt des Immaterialismus falscher landläufiger Annahmen, d. i. um
eben die Untersuchung, die der Untertitel des Werks in Aussicht stellt, um
eine Arbeit, «wherein the chief causes of error and difßculty in the Sciences,
[d. i. der Philosophie sowir der Mathematik und der Physik im weitesten
Sinn] with the grounds of scepticism, atheism, and irreligion, are inquired
into « .
Zu organischer Einheit sind beide kritische Untersuchungen im Treatise
nicht verbunden.
Von den zwei Gliedern der Einleitung, der Kritik der Lehre Lockes
von den abstrakten Meen und dem kritischen Nachweis der Funktionen der
Sprache, fällt das zweite für die Substanz des Werkes fast vollständig aus.
Nicht einmal die Suggestionstheorie, die in der New Theory eine ausschlag-
gebende Rolle spielt und dort zu mehrfachen Hinweisen auf die Sprache
Gottes in der Natur verwertet ist, wird weiter ausgeführt. Die jener Theorie
entsprechende Scheidung von »immediate« und »mediale perceptions« kommt
erst in den Dialogen zum Vorschein. Die tiefsinnigen Erörterungen über die
Berkeleijs Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagelmchs. 51
äußere Natur als Sprache Gottes, die in der New Theory angelegt sind,
werden erst im vierten Dialog des Alciphron, in der »New Tlieory . . . vindi-
cated« und kürzer nochmals in der.Siris weiterentwickelt. Im Treatise
fehlen sie bis auf wenige, von Berkeley selbst schließlich ausgemerzte An-
deutungen. Es bleiben von der Theorie der Sprache im Treatise nur die
eingangs betonten und weiterhin mehrfach wiederholten Klagen über die
Unzulänglichkeit der sprachlichen Formulierung. Begreiflich danach, daß
die feinsinnigen Bemerkungen über die Funktionen der Sprache, die sich in
der Einleitung und in anderen Schriften Berkeleys finden, 'weder die Ein-
wirkung, noch auch selbst nachträglich die Anerkennung erlangt haben, die
sie auch in Rücksicht auf die Leistungen Hartleys für die Psychologie der
Sprache verdienen. Sie sind weniger nocli gebührend gewertet worden, als
die in seiner Suggestionstheorie enthaltenen, voll entwickelten Keime zu
der Assoziationstheorie Hartleys, soweit diese psychologisch fundiert ist,
und zu der rein psychologisch begründeten Assoziationstheorie Humes. Sie
sind fast nur durch die Suggestionslehre von Thomas Brown weiter ent-
faltet worden.
Der erste Teil der Einleitiuig dagegen, die Ablehnung der überlieferten
logischen Abstraktionstheorie imd der psychologischen Fundierung, die
ihr Locke gegeben hatte, durchsetzt auch die späteren kritischen Aus-
führungen des Treatise, auflfalligerweise allerdings so, daß ihr Grund-
gedanke in § 5 des eigentlichen Treatise eingeführt und bis § 96 hin
wiederholt kritisch verwertet wird, ohne daß auch nur mit einem Wort an'
die Einleitung angeknüpft wäre. Erst im § 97 und dann im § 126 wird
auf sie zurückgewiesen. Der aufmerksame Leser gewinnt so den Eindruck,
daß der § 5 und die ihm bis § 96 folgenden konzipiert sind, ohne daß die
Absicht bestand, die kritischen Erörterungen der Einleitung vorangehen zu
lassen. Obgleich, wie wir sehen werden, das Tagebuch sicher macht, daß
eine .solche Eiiikilung früh yeplant war, drängt sich doch die Vermutung
auf, daß sie nachträglich ausgearbeitet wurde, also erst späterhin für
Berkeley die Bedeutung erlangte, die sie in dem uns vorliegenden Treatise
besitzt. Ist das richtig, so würde die Einleitung eine Art Seitenstück zu
der New Theory sein; nur daß sie nicht wie diese als eine Vorarbeit,
sondern als eine Ergänzung zum Treatise gedacht wäre.
Auch der Umstand will berücksichtigt sein, daß Berkeleys Abstraktions-
kritik nur die psychologische Grundlegung der logischen Abstraktions-
7*
52 P]rdmann:
theorie ausdrücklich behandelt. Die metaphysische Formenlehre des schola-
stischen Realismus wird kaum gestreift. Ihren Aufstellungen und dem
Piatonismus, auf den sie letztlich zurückweist, bleibt Berkeley näher, ohne
daß auch daraus (vgl. oben S. 36) etwa ein direkter Einfluß der Plato-
nischen Ideenlehre abzuleiten wäre. Gott kann die Ideen in uns nur dadurch
wecken, daß ihre Urbilder von Ewigkeit her von ihm vorgestellt werden
(Dial. Fr. AI 351). Noch in Rhode Island schreibt er: »I have no objection
against calling the Ideas in the mind of God archetypes of ours.« Es sind
nur nicht universalia ante res, die er zugibt, sondern Urbilder der konkreten
Dinge selbst. So müssen wir deuten, wenn er in dem angezogenen Briefe,
scheinbar die universalia in rebus verneinend, fortfahrt: »ButI object against
those archetypes by philosophers supposed to be real things, and to have an
absolute rational existence distinct from their being perceived by any mind
whatsoever. « (*^)
Möglich endlich, daß noch ein Nebenmotiv Berkeley schließlich beweg,
die Kritik der Lehre von den abstrakten Ideen und deren Ursprung aus der
Sprache dem Treatise voranzustellen. In dem schon oben erwähnten Brief an
Sir John Percival vom 6. September 1 7 10 schrieb er : »However, limagine that
whatever doctrine contradicts vulgär and settled opinion had need be intro-
duced with great caution into the world. For this reason it was that I
omitted all mention of the non-existence of Matter in the title-page, dedication,
preface, and introductiou to my 'Treatise on Human Knowledge"; that so
the notion might steal unawares on the reader . . . ; therefore ... I entreat you
not to take notice to them [Percivals Bekannten] that I deny the being of Matter
in it, but only that it is a treatise on the principles of human knowledge,
designed to promote true knowledge and religion. . . .« (^) Solcher Vorsicht
konnte die Einleitung, weil sie gegen eine offenbar unhaltbare Position Lockes
gerichtet war, ebenfalls dienen.
Alles was hiernach über die Funktion von Berkeleys Abstraktions-
kritik festzustellen war, macht wahrscheinlich, daß sie kein Moment für
die ursprüngliche Konzeption des Immaterialismus abgab. Es bewahrheitet
sich demnach auch hier der oft in der Ideengeschichte verifizierbare Gedanke,
daß neue Lehren nur selten durch eine umfassende Kritik hergebrachter
Ansichten entstehen. Produktive Ideen pflegen positiven intuitiven Ursprung
zu haben. E]rst in der Ausgestaltung können, sie dann Anlaß zu ein-
gehender Kritik bieten. Es liegt demnach hier ähnlich so wie mit Lockes
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 53
Kritik der Lehre von den angeborenen Ideen, auf deren späten Ursprung
schon Burton mit Recht hingewiesen hat.
Daß sich die Ansätze zn dieser Kritik Berkeley bald nach der Kon-
zeption seiner Grundidee als ein wertvolles Kampfmittel darboten, soll
damit natürlich nicht geleugnet werden. Dafür spricht bereits, daß sie als
solches schon in der New Theory verwendet wird. Sicherer noch zeigt sich
ihr früher Ursprung darin, daß ihre Argumentationen ausschließlich auf Locke
zugeschnitten sind. Sie sind ebenso wie die These, die sie begründen
sollen, lediglich ein Produkt Berkeleyschen Denkens. Nichts in ihnen verrät,
daß er sich des Zusammenhangs seiner Aufstellungen mit der reichen Vor-
geschichte bewußt ist, die innerhalb der christlichen P]ntwicklung bis in
die erste Periode des Nominalismus zurückreicht und im Zusammenhang
mit dem späteren Nominalismus auch in der Renaissance Vertreter hat. (•**)
Nicht einmal Hobbes, der Vorgänger, bei dem er alle wesentlichen Ge-
danken dieser seiner Lehre hätte finden können, hat irgendwelchen Einfluß
auf ihn gehabt. (^)
Wir können demnach weder der tatsächlichen Funktion der Abstraktions-
lehre in Berkeleys Schriften, noch der sachlichen Zugehörigkeit seiner Argu-
mentationen zu den nominalistischen Lehrmeinungen ein Recht zu der Hypo-
these entnehmen, jene Lehre sei ein »fundamental principle« seiner Doktrin.
Wir müßten denn annehmen wollen, sie sei ein solches, obgleich sie durchweg
nur der Abwehr herrschender Meinungen dient, lediglich im Treatise eine
in die Augen fallende kritische Stellung besitzt und nichts enthält, was
mit der Idee des Immaterialismus irgend etwas zu tun hätte.
Eben dieses, den herkömmlichen Darstellungen von Berkeleys Lehre
widersprechende Ergebnis wird durch das Tagebuch bestätigt. Es zeigt in
geradezu vorbildlicher Form, wie bedenklich es ist, ohne weiteres syste-
matische Darstellungen einer Lehre als Belege historischer ^Entwicklung,
Beweisgründe kurzerhand als Erkenntnisgründe anzusehen.
An Hinweisen auf die neue Abstraktionstheorie fehlt es im Tagebuch
nicht, völlig aber an solchen, die irgendeinen Einfluß auf die Idee des
Immaterialismus verraten. Die Theorie tritt vielmehr erst auf, nachdem
die immaterialistischen Grundgedanken, die Lehre von den Geistern und
von der rein geistigen Wirklichkeit der Ideen, längst feststehen, und auch
speziell die Grundzüge der neuen Theorie der Gesichts- und Tastwahmeh-
mung fixiert sind. Ihre ersten Anfange finden sich in kritischen Konsequenzen,
54 K R D M A N N :
die aus der empiristischen Deutung der Gesichtswahmehmung abfließen,
gegen herkömmliche und neue mathematische Lehren. Deutlich tritt die
in ihr enthaltene Verneinung der abstrakten geometrischen Gebilde erst
kurz vor dem Ende des ersten Drittels der Aufzeichnungen auf. Erst im
zweiten Drittel folgen gehäufte Ausführungen, die den positiven Sinn der
Theorie feststellen, noch immer hauptsächlich im Anschluß an eine Kritik
der dem Sensualismus widersprechenden geometrischen Deutimgen. Darauf-
hin erst konzentriert sich die Negation um die Lehre Lockes. Noch über
die Hälfte des Tagebuchs hinaus finden sich Aufzeichnungen, in denen
Berkeley unbedenklich den überlieferten Sprachgebrauch festhält, der von
abstrakten und allgemeinen Ideen reden läßt. Ganz zuletzt finden sich
einige wenige Notizen, in denen die Theorie auf die Lehre von den Geistern
übertragen wird.
Y.S lohnt der Mühe, dies im einzelnen zu begründen. Der Zusammen-
hang der hierher gehörigen Eintragungen wird nicht auf den ersten Blick
deutlich, führt aber bei genauerer Prüfung zu sicheren Ergebnissen.
Zuerst sei skizziert, in welchen Wendungen Berkeley bis um die Hälfte
der Tagebuchnotizen gelegentlich an dem herkömmlichen Sprachgebrauch
festhält; von der Eintragung (53) sei dabei vorerst abgesehen. So heißt es:
Unity in abstracto not at all divisible, it being as it were a point,
or with Barrow (vgl. 264, 337, 365, 553) nothing at all; in concreto not
divisible ad inßnitum, there being no one idea diminishable ad infinitum. (75)
Lengths abstract from breadths are the vyork of the mind. Such
do iiitersect in a point at all ungles. Alter the sanie way cuiour is ab-
stract from extension. (86)
Späterhin taucht in ebensolchen Wendungen ein Abstraktionsproblem
auf, das bald verschwindet, obgleich die Frage nach den einfachen Ideen
den Berkeley des Tagebuchs wiederholt beschäftigt:
Simple ideas include no parts nor relations — hardly separated
and considered in themselves — nor yet rightly singied by any
author. Instance in power, red, extension, &c. (133; vgl. 483)
Preliminary discourse about singling and abstracting simple
ideas. (137 a)
Auch einzelne, wenig spätere Bemerkungen zur TJieorie der Gesichts-
und Tastwahrnehmung gehören hierher:
Men estimate magnitudes both by angles and distance. Blind at
i^' could not know distance, or by pure sight abstracting from ex-
perience of connexion of sight aud tangible ideas \ve can"t pei-ceive
distance... (170; vgl. 202)
Berkeleys Philosophie im lAchte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 55
Sogar noch um die Mitte des Tagebuchs wird der alte logische Sprach-
gebrauch gelegentlich angewandt. So in einer beachtenswerten Verallge-
meinerung der Lehre von den minima sensibilia:
A line in abstract, or distance, is the number of points between
two points. There is also distance between a slave & an emperor, between
a peasant & philosopher, between a drachm & a pound, a farthing & a
crown, &c.; in all which distance signifies- the number of intennediate
ideas. (431)
No one abstract simple idea like another. Two simple ideas may
be connected with one & the same 3'' simple idea, or be intromitted by
one & the same sense. But consider'd in themselves they can have
nothing common, and consequently no likeness. (483)
Auch bleibt Berkeley bis dahin unbedenklich, von »my abstract &
general doctrines« (494) und »abstract philosophic thoughtsa (501) über-
haupt zu reden, in Ausdrücken also, über deren Unzulänglichkeit die Ein-
e itung zu dem um diese Zeit bereits fest geplanten Treatise handeln soll.
Erst wenn solche, die Anfange der neuen Einsicht überdauernden, in
einem Tagebuch begreiflichen Nutzungen des überlieferten Sprachgebrauchs
ausgeschieden sind, wird es möglich, die Entwicklung der neuen Abstraktions-
lehre zu verfolgen. Vorausgesetzt darf werden, daß die in eckigen Klam-
mern bei Fräser stehenden Worte der Eintragung:
Succession a simple idea, [succession is an abstract, i. e. an in-
conceivable idea,] Locke says (53)
einen Zusatz aus späterer Zeit bilden. Die Vermutung wird sich durch alles
Folgende als wahrscheinlich ergeben. Eine äußere Verifikation ist allerdings für
sie nur zu erlangen, wenn eine erneute Prüfung des Manuskripts Anzeichen
dafür gibt, daß die eingeklammerten Worte nachträglich von Berkeley ein-
geschrieben sind, wie etwa die von Fräser übersehenen, nachträglich ein-
gefügten Worte in Nr. 55 »abstrahible or« und andere.
Eine erste Spur der (bedanken, welche die neue Abstraktionslehre her-
beiführen, wird in der frühen Eintr?igung zu suchen sein:
Denionstrations of ihe infinite divisibUity of extension suppose length
witliout breadth, or invisible length, w'='' is absurd. (21)
Die Bemerkung will nur recht verstanden sein. Die Voraussetzung von
Länge ohne Breite ist absurd, weil sie unsichtbare Länge annehmen ließe.
Das aber ist untunlich, weil
Terminations of surfaces & lines not iniaginable />er se. (31)
56 E K D M A N N :
Denn :
No extension but surface perceivable by sight. (35 ; vgl. 107 und 346
mit der Randbemerkung [346a])
Berkeley bleibt dabei, wie die oben (S. 54) angeföhrte Eintragung (86) zeigt,
vorerst noch durchaus in dem Sprachgebrauch und Gedankenkreis der
überlieferten Abstraktionslehre.
Mit diesen Gedanken bricht im Prinzip zuerst die kurze Kritik geome-
trischer Konstruktionsbegriffe :
No idea of circle, &c. in abstract. (239)
Die Zeit ihrer Niederschrift bildet wohl den frühesten Termin für die oben
schon berührte kritische Niederschrift in Nr. 53:
[succession is an abstract, i. e. an inconceivable idea].
Bald wird die Kritik weitergeführt:
A meer line or distance is not made up of points ', does not exist,
cannot be imagin'd, or have an idea framed thereof, — no more than meer
colour without exteusion. (254)
Zugleich setzt der Anfang einer positiven Bestimmung ein:
'■'• Mem. A great difference between constiimng length w'l'out breadth,
& having an idea oC or imayining length without breadth. (255)
Sie findet sich sachlich wie terminologisch sclion in Nr. 109 (»on its con-
sideration«), ebenso z. B. in der noch S. 57 anzuführenden Bemerkung (322)'.
Auch das zweite positive Moment der neuen Abstraktionslehre, die wir
nach unserem Spracligebrauch als sachliche Abstraktion zu bezeichnen hätten,
die Repräsentation verschiedener, einander ähnlicher Einzelvorstellungen
durch eine von ihnen, kommt jetzt, wiederum vorerst geometrisch an-
gewendet, zum Ausdruck (261, 262, 264). Fast gleichzeitig treten, hier
deutlicher als in den Schriften, die (auf die ideas eingeschränkten) nomi-
nalistischen Erklärungen auf:
Speeies of all sensible things made by the mind. This prov'd either
by turning men's eyes into magnifyers or diminishers. (272)
' D. i. eine Länge ohne Breite im Sinne der Geometer, die oben schon erörterte
»insensible line", die noch 912 einmal ausdrücklich abgewiesen wird, nicht aber die »meei-
line« im Sinne der oben angeführten Notiz 431.
^ Die Bemerkungen im Treatise" § »26 u. Tr." Int. § 16 sind nach den oben genannten
Tagebucheintragungen (109, 255, 322) in dem auch dort gebrauchten •consider« terminologisch
bedeutungsvoll.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 57
. . . the sorts are the work of the mind, and onely in the mind. (288)
. . . the mind makes the sorts. They were not before the mind per-
ceiving them, & even now the}' are not without the mind . . . (290)
Auch des Seitenstücks zu der oben zitierten Bemerkung (254) wird in
diesem Zusammenhang gedacht:
[The great argument to prove that extension cannot be in an un-
thinking substance, is that it cannot be conceiv'd distinct from or without all
tangible or visible quality.] (289)
So ist der Boden bereitet für die selbstverständliche Verneinung vor-
aussetzende Frage:
Qu. Is it not impossible there should be göneral ideas? (321)
Nur die Namengebung ist noch nicht fest. Gemeint sind die später so
genannten »abstract general« oder kurz »abstract ideas«.
Gleichzeitig mit jener Verneinung in Frageform erscheint das ent-
scheidende Argument für den positiven Gehalt der Theorie:
AU ideas come from without. They are all particular. The
mind, 'tis true, can consider one thing w"'out another; but then, considered
asunder, the}' make not 2 ideas. Both togcther can make but one, as
for instance colour & visible extension. (322; vgl. 365)
Der Sinn der mißverständlichen Argumentation ist klar: die Bestandteile
jeder zusammengesetzten Ideen können, wie wir schon oben gesehen haben,
»be considered asundec« : aber es entstehen dann nicht mehrere Ideen,
sondern nur verschiedene Betrachtungsweisen einer und derselben, wie etwa
einer Länge ohne Breite (346 und [346a], 365, I368], 372 und [372a]). Das
»considered« will auch hier beachtet sein.
Nunmehr wird auch die Teilbarkeit von Längen und Einheiten ins
Unendliche, wie die Grenz-, speziell die Infinitesimalbetrachtungen der Mathe-
matik fordern, in die neue Auffassungsweise einbezogen. Eine Gerade
von kleiner begrenzter Größe kann eine in i o 000 Teile zerlegbare Linie
nur repräsentieren (344, 345, 346', 346a, 347 — 349, 351 ff.); eine Einheit
ist nicht ins Unendliche teilbar (346s 349). So kann Berkeley behaupten:
All might be demonstrated by a new method of indivisibles, easier
perhaps and juster than that of Cavalierius. (350)
Die Grundgedanken der späteren Kritik an der überlieferten Abstraktions-
lehre sind damit gewonnen. Am Anfang des zweiten Tagebuchheftes lesen
wir dementsprechend:
No general ideas — the contrary a cause (jf mistake or confusion in
matheniatiques. &c. This to be intimated in y« Introduction. (384)
PMl.-hist. Abh. 1919. Nr.N. 8
38 E R n M A N N :
Im einzelnen freilich wird noch mancherlei weitergebildet. Die mathe-
matischen Annahmen von breitenlosen Längen, die eben schon zu erwähnen
wfiren, werden ausdrücklich in die neue Lehre eingefügt:
We can no more have an idea of length without breadth or visi-
bility, thaa of a general figure. (471)
Schon vor dieser Einordnung wird der Begriff der Entfernung allgemein
in einer Weise bestimmt, die einen bedeutsameren Fortschritt ausmacht:
Extension abstract from sensible qualities is no Sensation, I grant;
but then thei'e is no such idea, as any one may try. There is onely a
considering the number of points witJiout the sort of tiiem, & this
makes more for me, since it must be in a considering thing. (424)
Die Weite dieser Bestimmung, in die man eine Vorwegnahme von Gedanken
der modernen Lehre von wohlgeordneten Mengen hineinlesen könnte (vgl.
429, 430), zeigt sich deutlicher in der oben (S. 55) schon angeführten
Bemerkung 431.
Noch immer aber ist die neue Lehre weder sachlich noch terminolo-
gisch zum Abschluß gebracht. Fürs erste hängen noch Zweifel an der
Lehre von den Minima der Gesichts- und Tastwahrnehmung:
Qu. whether a M. V. be of any colour;' a. M. T. of any tangible
quality? (426)
Sie finden keine Aufklärung (vgl. 438, 439): Berkeley denkt an eine experi-
mentelle Prüfung im Hinblick auf Newtons Farbenlehre:
Mem. To make experiments ooncerning minimums and their colours,
'. whether they have any or no, & whether they can be of that green w"""
seems to be compounded of yellow and blue. (477)
Ferner wird Locke gegenüber bestritten, daß die Erinnerungen der Worte
bedürfen. Wir lesen die kühne, später aufgegebene Behauptung:
; ' . ' ■ .... "Tis absurd to use words for recording our thoughts to our-
selves, or in our private meditations. (482; vgl. 554)
Sie mag uns als Bestätigung für die Annahme dienen, daß Berkeleys
Denken wesentlich intuitiv geprägt war, die sich aus der ganzen Art seiner
Geistesrichtung ergibt. Endlich finden wir kurz darauf eine Eintragung,
die in ihrem Schluß eine später festgehaltene Ergänzung der Theorie, in
itirem Anfang aber Unfertiges enthält:
ij .;■ Qu. How can there be any abstract ideas of colours? It seems
not so casily as of fcistes or .•sounds. Bnt then all abstract ideas what-
soever are particular. I can by no means conceive a general idea.
'Tis; öne thing to abstract one idea from another of a different kind, &
another tliing to abstract an idea from all particulars of the same kind. (484)
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen TagebucJis. 59
Nunmehr erst gewinnt die neue Theorie, während bereits festgelegte
Bestimmungen in verschiedenen Variationen wiederholt werden (z. B. 500,
581, 584, 650, 695, 718, 729, 764, 775), allgemeinere Bedeutung und
im Anschluß an kritische Bemerkungen gegen Leckes Abstraktionslehre
schärfere Prägung.
Alle Wissenschaften, niclit nur die mathematischen, sind von falschen
Annahmen über abstrakte Vorstellungen durchsetzt, die einer Mißdeutung
der Sprache entspringen :
Doctrine of abstraction of very evil consequence in all the sciences.
Mem. Barrows remarU. Entirely owing to language. (553; ^'g'- S'S» 55°»
555. 650, 696, 720)
Words have ruin'd and overrun all the sciences — law, phj'sique,
chymistry, astrology. &c. (695; vgl. ^^l, 775, 852, 853)
Auch das Gebiet der abstrakten Vorstellungen erweitert sich. So um
»the abstract idea of Being or Existence« (542: vgl. 650, 739); sie ist
wie extension eine »abstract, i. e. no idea« (764). Ferner uni die später
von Berkeley so genannten Notionen von »Will and Understanding . . ., they
not being even ratione different trom the spirit, <fiä faculties, or active«
(859; vgl. 655, 855). Selbst der Begriff der Wahrheit wird gegen den
Schluß der Aufzeichnungen (861), allerdings nur in Frageform, als abstrakte
Idee in Anspruch genommen.
Was ferner für die geometrischen Allgemeinvorstellungen gültig ist:
Considering length witbout breadth is coiisidering any length, be the
breadth w' it will (715),
das gilt für die abstrakten Ideen überhaupt:
We may have certainty & knowledge without ideas, i. e. without
other ideas than the words, and their standing for one idea, i.e. their
being to be iised iiidiflerciilly. (7J3)
Ks ergibt sich somit:
Wonls (by them nioaning all sorts of signs) are so necessary. that
instead of being (w" duly iis'd or in iheir own iiatui-e) prejudicial to the
advancement of knowledge, or an hiiidrance to knowledge, that without
them there could in matlieniatiques themselves be no demonstration. (743)
Wir stoßen damit auf eine Einsiclit in die Funktionen der Sprache, die
in den Schriften Berkeleys spät erst (Ale. VII, 2, 14, 16) deutlich liervortritt.
Daß bei allen diesen Bestimmungen im Grunde Folgegedanken des
mittelalterlichen Empirismus wirksam sind, ist eine Erkenntnis, die Berkeley
anscheinend nur nachträglich gewinnt, -wenn er sich sngt:
8*
60 E R D M A N N :
I approve of tbis axiom of the Schoolmen, 'Nihil est in intellectu
quod non prius fuit in sensu'. I wish they had stuck to it. It had never
taught them the doctrine of abstract ideas. (770)
Sicher ist endlich, daß der Gedanke, die Kritik der überlieferten
Lehre an Lockes Ausführungen anzuknüpfen, vielleicht in Fortbildung
eines schon früher erwogenen anders gestalteten, dann möglichenfalls all-
gemeiner gerichteten Planes für die Einleitung (s. oben S. 54) erst spät auf-
tritt. Er setzt vielleicht mit der Erwägung ein:
Locke cannot explain general truth or knowledge without treating
of words and propositions. This makes for me against general ideas.
Vide Locke, Hb. 4. eh. 6. (545 : vgl. 550, 592)
Bestimmtere Form gewinnt er wenig später:
. . . The nature of demonstration to be set forth and insisted on in
the Introduction. In that I must needs dift'er from Locke, forasmuch as
he makes all demonstration to be about abstract ideas, w'='' I say we have
not nor can have. (576)
Um das beweisende Denken ist die uns vorliegende Einleitung zum
Treatise sowie deren erster Jjitwurf jedoch nicht zentriert. Ihrem tat-
sächlichen Bestände entsprechen, eine oben (S. 51) der Gedankenverknüpfung
des Treatise entnommene Hypotliese bestätigend, vielmehr erst die Auf-
zeichnungen :
Mem. To bring the killing blow at the last, e. g. in the matter of
abstraction to bring Locke's genei-al triangle in the last. (680)
. . . ril [instance] in Locke's opinion of abstraction, he being as clear
a writer as I have met w^ith . . . (681)
Ganz spät gesellt sich dazu im Tagebuch noch eine Beziehung auf
Spinozas Erörterung über den Ursprung der abstrakten Ideen aus der
imaginatio (816).
Es war ein weiter Weg, auf dem wir Aufschluß über den Ursprung
und die funktionelle Stellung der Abstraktionstlieorie in Berkeleys Lehre
gewonnen haben. Aber er war. nicht zum wenigsten auf Grund des
Tagebuchs, der einzige, der zu einem sicheren Ergebnis führen konnte.
Und dieses Ergebnis kann für alle historischen Untersuchungen philoso-
phischer Lehren insofern vorbildlicJi sein, als es eindringlich zeigt, daß
wir aus der definitiven Gestaltung leitender Ideen niemals ohne weiteres
auf ihre entwicklungsgeschiclitliche Stellung schließen können.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 61
Wir wenden uns nunmehr zu Berkeleys Lehre von den Geistern, die
wir bisher nur andeutungsweise behandeln durften.
Daß die Quellen für diese Lelire in Berkeleys Schriften nur spärlich
fließen, wurde schon hervorgehoben. Im Treatise dienen ihr, von ge-
legentlichen Bemerkungen abgesehen, nur wenige Paragraphen (2, 27, 89,
135 — 145), in der urspränglichen Fassung der »Dialogues« hauptsächlich
knappe Ausführungen des dritten Dialogs (Fr. AIS. 3 26 f.), in der Ab-
handlung »De motu« nur vereinzelte Andeutungen. Ergänzt wird der ur-
sprängliche Lehrbestand durch weniges im Alciphron (1732) sowie durch
Zusätze in der zweiten Auflage des Treatise und in der gleichzeitig (1734)
erschienenen dritten Auflage der Dialoge. Von den historisch einflußlos
gebliebenen rationalistischen Wendimgen in der späten Siris sei hier ab-
gesehen.
Der Aufbau des Beweisganges bleibt in allen diesen Schriften der-
selbe. Bei .systematischer Betrachtung der Lehre bildet der Spiritualismus
den Unterbau für die idealistischen Konsequenzen. Aber Berkeley selbst
entwickelt ihn, wie wir sahen (S. 45), als Konsequenz seines Idealismus,
d. i. als Folgebestimmung der Abwehr gegen die Meinung, daß der Körper-
welt eine selbständige Realität zukomme: da die ktirperliche Außenwelt
nur einen Inbegrifl" passiver Ideen ausmacht, deren Sein in ihrem Perzipiert-
werden aufgeht, so reduziert sich die Wirklichkeit auf geistige Substanzen,
deren Existenz in ihrem Perzipieren und eben damit in den Tätigkeiten
besteht, die das Perzipieren bedingen.
In Rücksicht auf die üblichen Darstellungen dieser Lehre Berkeleys sowie
im Hinblick auf den hier zu erbringenden Nachweis, wie sich der Spiri-
tualismus im Tagebuch des Philosophen allmählich ausgestaltet, ist es ge-
boten, das Wesentliche seiner hierhergehörigen Erörterungen in den früheren
Schriften systematisch zusammenzufassen, und zweckmäßig, diese Zusammen-
fassung Glied fiir Glied zu belegen. (^') Die Ergänzungen aiis den Jahren
1732 — 1734 (Tr.*, D.') brauchen dabei nur da als solche kenntlich gemacht
zu werden, wo sie Abweichendes oder Neues enthalten.
Demnach sind die Geister (spirits, souls, minds) unkörperliche, un-
ausgedehnte, deshalb unteilbare, unzusammengesetzte, einfache, reale, aktive,
durch sich selbst subsistierende Dinge, d. i. geistige Substanzen als Träger
(Supports) von Ideen. Immer aufs neue werden sie daraufhin kurz als
perzipierende tätige Dinge oder als denkende tätige Substanzen bezeichnet. (•''2)
(')2 Erdmann:
Auf Grund der ihnen innewohnenden Tätigkeit sind sie Prinzipien des
Ursprungs und des Wechsels von Ideen mit Einschluß der Ideen von
körperlichen Bewegungen, d. i. Kräfte des Wollens, Denkens und Perzi-
pierens von Ideen. Das gilt ohne Einscliränkung von den individuellen,
endlichen, geschaffenen, aber unzerstörbaren, d. i. auf natürlichem Wege
unzerstörbaren, unsterbliclien Geistern. (''^) In dem unendlichen, den end-
lichen Geistern letzten Grundes unfaßbaren göttlichen Geist dagegen sind
die Ideen und die Geister von Ewigkeit her, er ist zudem nicht wie jene
an einen Körper gebunden. Unmöglich aber ist bei beiden, die Existenz
Vom Denken zu trennen ; aucli die endlichen Geister denken immer, ihre
Dauer muß deshalb, da die Zeit nur in der .Sukzession der Ideen besteht,
nach der Zahl der Ideen und Tätigkeiten geschätzt werden, die in ihnen
aufeinanderfolgen. (^*)
Ist der Geist demnach nicht ein mögliches Objekt einer Idee, sondern
ihr Träger, d. i. das, was Ideen perzipiert, so liegt es in der Natur des
Geistes, daß er nicht an sich selbst, sondern nur durch die Wirkungen
perzipiert werden kann, die er erzeugt. Nehmen wir den methodologischen
Grundsatz hinzu, daß eine Idee nur einer Idee gleichen kann, nach ihrer
rein passiven Natur -also niemals einem tätigen Wesen, so ergibt sich die
Konsequenz, die Berkeley nicht müde wird zu betonen, daß wir von den
Geistern niemals Ideen haben können. Idee und Geist sind eben, obgleich
der Idee eine notwendige Beziehung auf den sie perzipierenden Geist inne-
wohnt, gänzlich verschieden, wie dies zuerst Anaxagoras erkannt und von
den Neueren Descartes treffend bemerkt hat. (^} Dementsprechend sind
auch die Tätigkeiten des Geistes, selbstverständlich auch unseres eigenen,
nicht durch Ideen erkennbar: weder der Verstand, d. i. der Geist, sofern er
Ideen perzipiert, noch der Wille, d. i. der Geist, sofern er Ideen erzeugt
oder sonstwie mit ihnen operiert. Denn es ist unmöglich, die Kräfte und
Tätigkeiten des Geistes von diesem selbst oder von ihren Objekten und
Wirkungen in Gedanken abzulösen. Unter Geist verstehen wir lediglich das.
was denkt, will und perzipiert, dies —und dies allein — macht den Sinn des
Wortes Geist aus. (^)
Es unterliegt jedoch, obgleich die Ideen liLcr versagen, keinem Zvvcifel,
daß die Worte »Seele, Geist, Substanz« eine feste Bedeutung haben. Wir
verstehen ihren Sinn: andernfalls könnten wir nichts von ilinen bejahen
oder veineinen. Jeder weiß im besonderen, was er mit den Ausdrücken
Berkeleys Pldlosophü' im Lichte seines loisserisrhaftlichen Tagebucfis. G3
»Ich« und »Selbst« meint, obgleich er ihre Bedeutung nicht perzipiert, wie
er ein Dreieck, eine Farbe, einen Ton perzipiert. Unsere Erkenntnis der Geister
ist — so sagt auch Berkeley — nicht so mangelhaft, wie man sich gewöhnlich
einbildet. Das wird in der zweiten Auflage des Treatise sowie in der dritten
der Dialoge genauer ausgeführt und terminologisch fixiert, während die
früheren Bearbeitungen hier im Stich lassen. (^^) Anfanglich wird, obgleich
der Unterschied zwischen der Erkenntnis r/on Ideenkomplexen und Geistern
stets betont wird, der Ausdruck Idee im weiteren Sinne zugelassen. Später-
hin aber wird für die Erkenntnis der Geister der Ausdruck »notion« ein-
geführt, ohne übrigens lediglich in dieser engeren Bedeutung festgehalten
zu werden. Wir können sagen, heißt es jetzt, daß wir eine Art Erkenntnis
oder Notion von unserem eigenen geistigen Wesen, von Geistern und
aktiven realen Wesen überhaupt besitzen, A'on denen wir keine Ideen im
eigentlichen Sinne des Worts haben. (^)
Über das Wesen dieser Erkenntnis wird schon in den Dialogen ge-
naueres berichtet.
Ich erkenne den Sinn der Ausdrücke »Ich« imd »Selbst« unmittel-
bar oder intuitiv; ich habe eine unmittelbare Erkenntnis meines eigenen
Geistes und meiner eigenen Ideen. Wir erkennen, heißt es daraufhin in
»De motu«, uns als wahrnehmendes, perzipierendes, intelligentes Ding,
durch eine Art inneren Bewußtseins; dann in der zweiten Auflage des
Treatise: wir erfassen unsere eigene Exi.stenz durch inneres Bewußt-
sein (feeling) oder Reflexion als eine Art der Objekte menschlicher
Erkenntnis. Darüber, daß ihm dies Erfassen oder Erkennen eine Art innerer
Erfahrung ist, läßt Berkeley von vornherein keinen Zweifel : durch die
Kraft des Willens kann ich nach Belieben in meinem Geist Ideen erregen
und fortfallen lassen. Dieses Erzeugen und Aufheben von Ideen, diese Ab-
hängigkeit der imaginativen Ideen vom Willen charakterisiert den Geist
als aktiv. Soviel ist sicher und auf Erfahrung gegründet. (**')
Begreiflich, daß dabei der Geist, wo immer der Akzent auf Tätigkeit
des Geistes ruht, als Wille betont wird. Aber wir dürfen nach allem
Vornnstehenden daraus nicht entnehmen, daß Berkeley ein Vertreter volun-
taristischer Deutung des Gei.^tigen sei. Die Identität von Verstand und
Willen sowie beider mit dem Geist wird von Berkeley hi seinen Schriften
stets vorausgesetzt. Nur so verstehen wir recht, wenn gesagt wird: die
Sensationen sind nicht Geschöpfe meines Willens, sie sind nicht Ideen
()4 Ekdmann:
unserer eigenen Formung, wie diejenigen, die in der Einbildung erregt,
also innerlich durch die Seele selbst erzeugt werden. (**)
Auf Grund dieser unmittelbaren inneren Erfahi-ung erschließen wir
die Wirklichkeit anderer Geister, vor allem Gottes. Denn wir können diese
Wirklichkeit nicht anders erkennen, als durch die Ideen, die jene Geister
durch ihre Tätigkeiten in uns erregen. Unsere Erkenntnis von ihnen ist
also keine unmittelbare, wie die Eirkenntnis unserer Ideen [und unseres
eigenen geistigen Selbst], sondern hängt daran, daß Ideen in uns auf-
treten, die wir als Wirkungen oder begleitende Zeichen auf von uns ver-
schiedene tätige Geister beziehen. Aus diesen Wirkungen also schließen
wir, daß hier von den unseren unabhängige Tätigkeiten vorhanden sind.
Ist demnach zugestanden, daß wir von der Existenz anderer endlicher
Geister weder eine unmittelbare Evidenz noch eine demonstrative Erkenntnis
besitzen, so ist es doch nicht folgewidrig, ihre Existenz aus den Zeichen
und Wirkungen durch einen Wahrscheinlichkeitsscliluß (probable deduetion)
abzuleiten. (®') Verstehen wir demnach unter einem Menschen eine geistige
Persönlichkeit, so sehen wir einen Menschen niemals, sondern nur einen
bestimmten Inbegritt" von Farben, Formen und Bewegungen, die uns zu
dem Gedanken leiten, daß dort ein uns ähnliches Prinzip von Gedanken
und Bewegungen vorhanden ist, das durch jene Ideen repräsentiert wird.
So erfassen wir die Ideen in anderen (Teistern vermittels unserer eigenen,
die wir als diesen ähnlich annehmen, von denen also die unseren in solchem
Sinne Bilder sind. (^'^)
In gleicher W^eise gewinnen wir einen Beweis für das Dasein Gottes,
der sich von den üblichen Beweisen wesentlich unterscheidet. Wir er-
kennen sein Dasein durch ein auf Reflexion gestütztes Schlußverfahren mit
voller Evidenz — »sicher und unmittelbar«, wie Berkeley mißverständlich
sagt — als das Dasein des Urhebers der Natur, welche die Sprache
Gottes ist. Wir erkennen ihn als einen Geist, der unseren Geistern inner-
lich gegenwärtig ist, der in ihnen alle jene Mannigfaltigkeit von Ideen
hervorruft, die uns kontinuierlich eri-egen, von dem wir absolut, also gänz-
lich abhängig sind. Geradezu notwendig erschließen wir die Existenz
Gottes und aller gesclialTenen Dinge in seinem Geiste. Denn daß Gott
unsinnlicherweise alle Dinge erkennt und versteht, ist außer Frage; alle
Dinge, die körperlichen wie die von ihm geschaffenen Geister, so zwar,
daß jene [wie diese] in seinem Geiste existieren, auch wenn sie von den
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 65
endlichen Geistern zeitweilig nicht wahrgenommen werden. Wir haben
also nicht zu argumentieren, daß Gott ist und deshalb alle Dinge erkennt,
sondern: Sinnliche Dinge existieren tatsächlich; und sofern sie tatsächlich
existieren, werden sie notwendigerweise von einem unendlichen Geist
perzipiert ; also existiert ein unendlicher Geist oder Gott. Die Reflexions-
grundlage aller dieser Argumentationen ist, wie bei den Geistern überhaupt,
die unmittelbare Erkenntnis meines Geistes. Denn alle Erkenntnis Gottes
gewinnen wir durch Reflexion auf unsere eigene Seele, indem wir ihre
Kräfte erhöhen und alle ihre Unvollkommenheiten entfernen. (*^)
Es bedarf kaum des Hinweises, daß Berkeleys Erklärungen über die
geistigen Substanzen hiemach einer Fülle von Fragen Raum lassen. Seine
Aussagen sind nicht systematisch abgeschlossen. Die Sicherheit der Über-
zeugung, die sich in ihnen kundgibt, entspringt fast allein dem Umstand,
daß die spiritualistische Basis seines Immaterialismus von ihm als eine
selbstverständliche Konsequenz des eingehend begründeten Idealismus an-
gesehen wird, und ebea dadurch bezeugt, daß sie in das religiöse Grund-
motiv seines Denkens eingelagert ist. Undurchsichtig bleibt vor allem,
wie Berkeley sich, angesichts der Substanzkritik Lockes und seiner eigenen
Weiterführung derselben für die körperlichen Dinge, dabei beruhigen konnte,
das »Support«, dessen haltlose Deutung er für die Ideenlehre aufweist, bei
den spirits durch das »perceive orwill« ohne weiteres als erklärt anzusehen.
Nicht minder dunkel bleibt die Begründung dafür, daß die spirits als
powers gedacht werden sollen. Die Berufung atif ihr Tätigsein, das in
erster Linie dem Willen zugeschoben wird, reicht dafür nicht aus. Ist
die bewegende Kraft in der Körperwelt, speziell die Schwerkraft, wie in
»De motu« auch Leibniz' Entelechiebegrifl' gegenüber erklärt wird, nichts
als eine qualitas occulta: mit welchem Recht dürfen wir dann aus den
Wirkungen seelischer Tätigkeiten auf eine geistige Kraft schließen? Auch
im einzelnen bleibt vieles ungeklärt: die Willensfreiheit, die in den Schriften
zumeist fast stillschweigend vorausgesetzt wird; die Stellung der »passions«,
die bald den »Operations« entgegengesetzt, bald ihnen zugezählt werden
(z. B. Tr. § I undTr." 27), der » ideas of reflection « zu den »ideas of Sensation«
und den »Operations«, das Verhältnis der »ideas« zu den »volitions«, der
»ideas« zu »understanding«, der »volitions« zu »will« usw. Anderes, wie
die Frage nach der persönlichen Identität, die Locke in den späteren Aus-
gaben seines Essay so ausführlich behandelt hatte, wird gar nicht berührt.
FluL-hist. Abh. 1919. ])ir. 8. 9
ßß E R D M A N N :
Auch manclies, was aiif Grund der New Theory wohl in den Treatise hinein-
gehört hätte, fehlt dort. So, wie schon erwähnt, der Unterschied der
»immediate« und der »mediate perceptions « , der erst in den Dialogen nach-
geholt wird, mit ihm die für die gesamte Assoziationspsychologie grund-
legende, in der New Theory angebahnte Theorie der »Suggestion« sowie
die Lehre von der Natur als der Sprache Gottes, deren schwache Spuren
im ursprünglichen Treatise in dessen dritter Auflage getilgt sind, u. a. m.
Einen Teil dieser Mängel dürfen wir wohl dem Umstand zur Last
legen, daß der uns vorliegende Treatise früh und schnell ausgearbeitet ist
und dessen ursprünglich gej^lante, zum Teil ausgearbeitete Fortsetzung
fehlt (vgl. S. 94). Andere Mängel rühren offensichtlich daher, daß Berkeley von
Anfang an wenig Wert auf eine feste Terminologie gelegt hat (286, 627),
obgleich er einmal erklärt:
. . . Wlierever men have fix'd & determin'd ideas aanexed to their
words they can hardly be mistakeii . . . (541). %
Solcher Erklärung stehen schon früh Eintragungen über die mangelhafte
Wiedergabe der »insensible things« durch sinnliche Wortbedeutungen
entgegen (XXIll, 172, [173], 175, 534), deutlicher noch häufige Klagen üb^r
die Unvollkommenheit der Sprache überhaupt {505, 590, 598, 633, 686,689,
695» 824). Dementsprechend schwanken, im Tagebuch mehr noch als in
den Schriften, die Worte »perceive, perception, think, thought, reason,
notion, knowledge, idea, thing, will, volition« in mannigfachen Bedeutungen
zwischen größter Enge und größter Weite.
Gehen wir nunmehr zu der Entwicklung der Lehre von den Geistern
im Tagebuch über, so ist besondere Vorsicht vonnöten.
Nicht immer ist es leicht, gelegentlich verzeichnete, wirkungslos
bleibende Einfälle als solche auszuscheiden. So lesen wir einmal:
An extended may have passive modes of thinking. not active (615).
Es ist, die Richtigkeit von Lorenz' Entzifferung vorausgesetzt, nicht aus-
zuschließen, daß hier ein Ansatz zu einem realistischen Spiritualismus
nach Art der von ihm in »De motu« abgelehnten Leibnizischen Lehre vor-
liegt. Aber dem widersprechen doch wiederholte durchgreifende Er-
klärungen wie:
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlicJien Tagebuchs. 67
Extension itself or anything extended cannot think — these being
meor ideas or sensations, whose essence we thoroiighly know. (34)
Extension to exist in a thoughtless thing [or rather in a thing void
of perception — thought seeming to imply actionj, is a contradiction. (37)
Nothing like an idea can be in an unperceiving thing . . . (892)
Der Einfall vertrug überhaupt, wenn er von einem einmal aufdäm-
mernden Realismus Zeugnis ablegen sollte, bei der anthropozentrisch fun-
dierten religiösen Grundstimmung Berkeleys keine Ausgestaltung. Die ein-
zige Konzession, die Berkeley in dieser Hinsicht machte, steckt anscheinend
darin, daß er die Einschränkung der »conscious things« auf »persons« (»in-
telligences« 9, 23, 143), »intellectual beings« (393), »intelligent things« (446),
die anfangs vorhanden ist (14, 24, 25), allmählich fallen läßt (vgl. S. 70).
Weitaus wahrscheinlicher ist mir deshalb, daß es sich, die Sicherheit des
Wortlauts immer vorausgesetzt, um ein Bruchstück eines kritischen Ge-
dankenzusammenhangs handelt, wie ihn die Eintragung (711) u.a. bieten.
Eingeschlossen in die Idee des Immaterialismus sind von vornherein
nur die dogmatischen Überzeugungen, daß die als Personen oder Intelli-
genzen gedachten Seelen unsterblich, und trotzdem von Gott abhängig sind.
Gleich anfangs, ehe noch die im Tagebuch kaum (3, 94, 632, 667,
742, 825) angedeutete Lehre von der Zeitlosigkeit der Ideen in Gott fest-
steht, wird aus der Ewigkeit als einem bloßen »train of innumerable
ideas« geschlossen, daß sie die Unsterblichkeit zwar nicht der Seelen über-
haupt, aber doch der Personen, leicht begreiflich mache (14). In vor-
sichtigerer Form wird sie letzlich aus der Willensnatur für die Seele über-
haupt abgeleitet (804), selbstverständlicli ohne daß wir den inzwischen
festgewordenen, mit »spirit« und »mind« gleichbedeutenden Ausdruck »soul«
auf die tierischen Geister übertragen dürfen. Berkeleys religiöse Stimmung
bleibt hier ähnlich entscheidend (vgl. Fr. AIV S. 181), wie das konziliatorische
Bedürfnis bei Leibniz, obgleich er in der Tagebuchzeit auch späterhin
geneigt ist, den seelischen Unterschied zwischen Mensch und Tier als
fließenden anzusehen:
If you take away abstraction, how do men differ from beasts? I answer,
by shape, by language. Rather by degrees of more and less. (584; vgl.
631, 739. 746)
Sicher ist ihm entsprechend der christlichen Überlieferung nur von vorn-
herein, wie oben schon angeführt, daß lediglich denkende Wesen, die
68 Erdmann:
endlichen Personen, trotz ihrer Abhängigkeit von Gott, selbständig existieren
(vgl. 108, 150, 777). Klar wiTd indessen diese Abhängigkeit für die G-eister
auch im Tagebuch nicht. Sie ist dies nur für die Körper. Denn diese
sind, wie anfänglich wiederholt formuliert wird — darauf ist noch zurück-
zukommen — »powers in the active being« (52), oder was für Berkeley
dasselbe ist, » combinations of powers in an unknown substratum« (81 ; vgl.
10 1 , III, 112), so daß im Sinne des oben schon (S. 64) angeführten Gottes-
beweises aus ihrer Wirklichkeit in uns direkt auf das Dasein Gottes ge-
schlossen werden kann:
Nothing corresponds to our primary ideas w*out but powers. Hence
a direct & biief demonstfation of an active povvertuU Being distinct from
US, on whom we depend. (41)
Die etwas später gestellte Frage:
Powers. Qu. whether more or one onelyi' (85)
ist demnach im Prinzip entschieden, noch ehe sie aufgeworfen wird. Die
wissenschaftsfeindlichen Konsequenzen dieser Entscheidung, die aus dem
Treatise bekannt sind, treten im Tagebuch erst später, anfangs in religiöser
Grundstimmung sehr scharf (417, 418, 473), dann in positivistischer Wendung
stark gemildert (838; vgl. 669) zutage.
Viel früher schon tritt der Kraftbegriflf für die Deutung der Körper-
welt zurück. Die dynamische Deutung der nicht aktuell wahrgenommenen
Körper wird durch eine idealistische ersetzt. Diese Körper sind lediglich
mögliche Wahrnehmungen :
Colours in y" dark do exist really, i. e. \\ ere there light, or as soon
as light comes, we shall see them, provided we open cur eyes, and that
whether we will or no. (183; vgl. 100)
Es liegt nahe, den Anstoß zu dieser Wendung in Konsequenzen der
Suggestionslehre zu suchen, die zuerst in der New Theory entwickelt wird,
hier also, auch in der Begründung, eine Vorstufe zu Stuart Mills »possi-
bilities of Sensation« zu vermuten. Aber eine solche Annahme wird durch
das Tagebuch nicht bestätigt. Es scheint vielmehr, daß die idealistische
Wendung auch in dieser Verallgemeinerung der Existenz oder des Perzipiert-
werdens von Sensationen dm-ch den religiösen Grundtrieb Berkeleys mit-
bedingt ist. Jedenfalls wird sie durch seine Deutung der Schöpfungsmythen,
die auch in seinen Schriften (auch Ale. IV s. 14) und Briefen eine Rolle
spielt, des weiteren bestätigt:
My doctrine excellently corresponds w''' the creation. I suppose no
matter, no stars, sun, &c. to have existed before. (342; vgl. 294)
Berkeleys Philosophie im J Ächte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 69
Vorerst bleiben noch beide Gedankenreihen, die dynamische und die
ideaHstische, für die Deutung der Körperwelt beisammen:
Bodies &c.-do exist whether we think of 'em or no, they being
taken in a twofold sense —
Collections of thoughts &
Collectlons of powers to cause those thoughte.
These later exist, tho" perhaps a parte rei it may be one simple
perfect power. (282; vgl. 294, 315)
Sehr bald aber schiebt sicli die idealistische Auffassung in den Vorder-
grund. So schon in der vermutlich etwas späteren Randbemerkung zu der
eben miterwähnten, wiederholten Zusammenfassung (294):
[Bodies taken for powers do exist w" not perceiv'd; but this
existence is not actual. W° I say a power exists, no more is meant
than that if in the light I open my eyes, and look that way, I shall see
it," i. e. the body, &c.] (295)
Immer deutlicher wird die idealistische Wendung:
I must be very particular in explaining w' is meant by things
existing — in houses, Chambers, ßelds, caves, &c. — w" not perceiv'd as
well as w" perceived . . . (391)
Definitiv vollzogen ist sie in der lichtvollen Erklärung:
You ask me whether the books are in the study now, when no one is
there to see them ? I answer, Yes. You ask me. Are we not in the wrong
for imagining things to exist when they are not actually perceiv'd
by the senses? I answer, No. The existence of our ideas consists in
being perceiv'd, imagin'd. thought on. Whenever they are imagin'd or
thought on they do exist. Whenever they are mentioned or discours'd of
they are imagin'd & thought on. Therefore you can at no time ask me
whether they exist or no. but by reason of y' veiy questioii they must
necessarily exist (457 ; vgl. 458, 505, 506 usw., sowie in dem Dial. Fr. A I,
S. 343f-)
Für die Abhängigkeit der Geister von Gott bleiben wir dagegen auch
im Tagebuch auf wenig bestimmte Schöpfungsgedanken (716, 820) und
auch zuletzt noch auf die nichts erklärende Bemerkung angewiesen:
The properties of all things are in God, i. e. there is in the Deity
Understanding a.s well as Will. He is no blind agent, and in truth a blind
agent is a contradiction. (802: vgl. 174, [174a], 486, 609, 667, 727, 817)
Denn sie erläutert im Grunde nur die für Berkeley selbstverständliche An-
nahme der Persönlichkeit Gottes in seiner Doppelnatur als Intelligenz und
Willen unbeschadet der Einfachheit seines Wesens (174; vgl. 827, 833).
Wird Gott trotzdem auch im Tagebuch wiederholt als » unknown substance «
70 . E R D M A N N :
bezeichnet, so soll damit offenbar lediglich, wie im Alciphron (VII, i, i if.,
27,33), die Unzulänglichkeit der Vernunft getroffen werden, »to demonstrate
er reason about the Trinity« und andere »holy mysteries«. Für diese
haben wir ausschließlich dem lumen revelationis zu vertrauen:
. . . Here an implicit faith becomes us. (574; vgl. 354, [354a], 713)
Die Lücken, die Berkeleys Weltauffassung in der Frage der Abhängigkeit
der endlichen Geister von Gott aufweist, sind demnach in der Tat fiir
sein Bewußtsein durch seine ethisch abgezielte religiöse Zuversiclit über-
deckt, ähnlich wie dasselbe Problem bei Malebranche durcli das Bild von
Gott als dem »lieu des esprits«.
Mehr läßt sich dem Tagebuch über das Wesen der endlichen Geister
entnehmen. Es ist keine einfach aufsteigende Entwicklung, deren Ergeb-
nisse uns in den kurzen Bemerkungen des Treatise und der Dialoge kund-
werden. Die Eintragungen, die das ganze Tagebuch durcliziehen, aber ver-
schiedene, wenn auch ungleich dichte Häufungsstellen zeigen, lassen mehrere,
nicht ganz einfach und reinlich trennbare Ansatzpunkte und auseinander-
laufende Gedankenrichtungen erkennen.
Vorweg sei nochmals darauf aufmerksam gemacht, daß die »souls« oder
»minds« (13, 14, 18) ursprünglich anthropozentrisch auf die »intelligences«
oder »persons« als »conscious things" eingeschränkt sind. Obgleich beide
Termini sich lange (person 140, 182, 190, 199, 512, 580; intelligence 143,
393,446) erhalten, werden sie doch, speziell »person«, schließlich, wenn
auch nur aus Rücksicht auf die kirchlichen Lehren, definitiv aufgegeben:
The concrete of the will & understanding I inust call mind, not
person, lest oiFence be given — there being but one volition acknowledged
to be God. Mem. Carefully to omit definiug of pei'son, or inaking much
mention of it. (706; vgl. 708 und im Alciphron VII 11)
Früh werden »soul« und »mind« neben »man« in psychologischen Über-
legungen, sowie »active being« und «thinking thing«, vorherrschend. An
den engeren Begriff der Person schließt sich denn auch gleich anfangs
die offenbar gegen Locke gerichtete Frage:
Qu. about the soul, or rather person. whether it be not compleatly
known? (25)
Bald wird sie im Sinne einer nächstliegenden bejahenden Antwort speziali-
siert, ohne daß der Begriff der Person in den Vordergrund geschoben wird:
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschafllichen Tagebuchs. 71
Qu. Whether Being might not be the substance of the soul, or
(otherwise thus) whether Being, added to y« faculties, compleat the real
essence and adequate definition of the soul? (44)
Etwas später erst folgt die Bejahung selbst:
By Soul is meant onely a complex idea, made up of existenee,
willing, & pereeption in a large sense. Therefore it is known and it may
be defined.(i5o)
In ihr ist »idea« noch in dem weiten Sinne Lockes genommen; erst
weiterhin wird der Sprachgebrauch, wo er nicht, wie in Nr. 693, kritisch
gewendet ist, zumeist strenger. So in einer Randbemerkung inmitten einer
zweiten Häufungsstelle für die Operationen der Seele:
[The grand mistake is that we think we have ideas of the Operations
of onr minds. . . .] (173)
Dabei ist allerdings, wie in einer bald folgenden zusammenfassenden
Bemerkung 4ie Gleichordnung von »soul« und »extension« zeigt, die Ein-
schränkimg noch nicht fest geworden:
The impossibility of defining or discoursiug clearly of such [insensible]
things proceeds from the fault & scantiness of language, as much perhaps
as from obscurity & confusion of thought. Hence I may clearly and fuUy
undei-stand my own soul, extension, &c, and not be able to define
them.(i75)
Größere Festigkeit erlangt die Namengebung erst nachträglich:
Absurd that men should know the soul by idea — ideas being inert,
thoughtless ... (231), .
wenngleich auch hier jene Sorglosigkeit der Namengebung vorhanden ist,
die sich ebenso im Treatise gerade an diesem Punkte fühlbar macht:
Thoughts do most properly signify, or are mostly taken for the
interior Operations of the mind, wherein the mind is active. Thosp y* obey
' not the acts of volition, and in w'^'" the mind is passive, are more properly
caird sensations or perceptions. But y' is all a case. (286)
Allerdings ist, wie weitere Aufzeichnungen zeigen, diese Unterscheidung
noch so wenig fest, daß Berkeley später noch, allerdings mit gleich negativem
Erfolg, auf sie zurückkommt (478, 512). Nur die Einschränkung der Idegn
auf die passiven Perzeptionen wird ihm letzlich sicher (655, 656a, 705,
7 ■ 7» 7 73» 835, 874). Er glaubt dann sogar behaupten zu dürfen:
'Tis allow'd that particles stand not for ideas, and yet they are not
Said to be empty useless sounds. The truth really is, they stand for the
Operations of the mind, i. e. volitions (658 ; vgl. 653).
72 E R I) M A N N :
Noch drei weitere Vorerörterungen sind nötig, um die verschiedenen,
zum Teil ineinander fließenden und einander zum Teil widerstreitenden
Tagebuchbestimmungen der s])irits, die bei Ausschluß der Ideen übrig-
bleiben, deutlich herauszustellen: über die Begriffe der Existenz oder
Realität, der Kraft und des Verhältnisses von Ursache und Wirkung.
Daß die Existenz der Körperwelt für Berkeley schon im Anfang
seines Tagebuchs (13, 18, 24) in dem Perzipiertwerden von Ideen besteht,
sowohl die aktuelle oder reale ([295] u. ö.; aber 315), als die von endlichen
Geistern unperzipierte, ist schon oben (S. 68) besprochen worden. Hier
sei angefügt, daß im Tagebuch stärker noch als in den Schriften behufs
Ablehnung skeptischer Mißdeutung der neuen Lehre betont wird, die durch
unsere Sinneswahrnehmungen gegebene Realität der Körjjerwelt bleibe nicht
nur unangetastet, sondern sei als sicher, und zwar, wie es späterhin
(vgl. 81) heißt, unmittelbar sicher gegeben:
' We have an intuitive knovvledge of the existence of other things
besides ourselves, & even praecedaneous to the knovvledge of our own
existence — in that vve must liave ideas [=;: sensations] or eise we cannot
think.(537; vgl. 465, 529, 552, 562)
N.B. I am niore for reality than any other philosophers. They
make a thousand doubts, & know not certainly but we may be deceiv'd.
I assert the direct contrai-y. (507 : vgl. [460])
Der Gedanke wird sogar stärker gesteigert, als jemals in den Schriften.
Wir lesen die Frage:
[Qu. whethei"! had not better allow colours to exist without the mind;
taking the mind for the active thing w''' I call T, -myself — y' seems to be
distinct from the understandingl'](367)
Und finden schließlich (vgl. 223. 362. 41 1, [464], 851) die Antwort:
I will grant you that extension, colour. &c. may be said to be without
the miiul in a double i'espect, i. e. as independent of our will, and as
distinct from the mind. (870. vgl. 866)
Formal genommen ist Existenz überhaupt so viel wie Dauer (5, 192).
Aber diese formale Bestimmung, die noch im Treatise (§ 98) für die Seelen
festgehalten wird, widerspricht als Idee offensichtlich dem Wesen der
öeister. Denn wir haben von der Subsistenz (108) oder Selbstexistenz der
Geister keine Wortbedeutung, die vom Perzipieren, und damit, wie noch
genauer zu zeigen sein wird, vom Wollen und Handeln verschieden wäre.
Sie widerspricht als abstrakte Idee ebenso der abhängigen Existenz der
Ideen, da diese im Perzipiertwerden aufgeht. Das kommt im Tagebuch
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschafllichen Tagebuchs. 73
besonders deutlich zum "Vorschein. So in den schon (S. 69 und 32) an-
geführten Bemerkungen (391) und (413). Dann in der Reflexion:
Impossibie anything besides that W^*" thinks and is thought on should
exist(42i), mit dem späteren Zusatz 421a [making thought to be active].
Ebenso im Doppelsinn von perception (perceive und being perceived):
Strange it is that men should be at a loss to find their idea of Existence,
since that (if such there be distinct from" perception) it is brought into the
mind by all the vvays of Sensation and reflection; methinks it should be
most familiär to us, and we best acquainted with it. (661; vgl. 662, 739)
Desgleichen in der Namengebung durch das selten (vgl. 24, 199, 201,
673) gebrauchte consciousness :
Consciousness, peroeption, existence of ideas, seem to be all one.
(568; vgl. 781,789).
Bald kommt denn auch der in den schon angeführten Randbemerkungen
[413a] und [421a] hervorschimmernde Gedanke zu selbständigem Ausdruck:
Existence not conceivable without perception or volition — not distin-
guish'd therefrom. (637)
Things are twofold— active or inactive. The existence of active
tfaings is to act; of inactive to be perceiv'd. (665)
Distinct from or without perception there is no volition; therefore
neither is there existence without perception. (666)
Begreiflich demnach auch von hier aus (vgl. oben S. 63), daß bei der
sachlichen Priorität des 'act' vor dem »be perceived« wiederholt, speziell
in den noch zu besprechenden Bestimmungen der Geister, deren Existieren
geradezu als Wollen bezeichnet wird.
I<^ wird deshalb jedoch nicht zulässig, aus den Randbemerkungen zu
(4 1 3) und (421) auf eine bewußte voluntaristische Grundlegung der Gedanken
Berkeleys zu schließen, ganz abgesehen davon, daß auch für den Berkeley
des Tagebuchs noch andere Bestimmungen, die bisher nur andeutungsweise
erkennbaren Lehren über das Verhältnis von Verstand und Willen, diese
Deutung ver})ieten. Die dynamische Gnmdlegung, die sich uns zeigen
wird, hängt an ganz anderen in dem systematischen Zusammenhang der
Lehre des Philosophen vorherrschenden Momenten.
Berkeley ist sich bewußt, dem auf die Körperwelt bezogenen Begriff
der Existenz eine weitere Bedeutung gegeben zu haben, als üblich ist.
Alle unsere Ideen existieren, indem sie perzipiert werden, nicht nur die
Sensationen :
Phil.-hist. Ahh. 1919. Nr. S. 10
74 E R D M A N N :
I defy any man to imagine or conceive perception without an idea,
Ol- an idea without perception. (561; vgl. 578, 579)
'Twas the opinion that ideas could exist unperceiv'd, or before per-
ception, that made men think perception was somowhat different from the
ideas perceived- — y' it was an idea of reflection, whereas the thing perceiv'd
was an idea of Sensation. I say, 'twas this made 'em think the under-
standing took it in, receiv'd it from without, w"'' could never be did not
they think it existed without. (647; vgl. 575, 599)
Er will deshalb in dem geplanten Treatise besonders betonen:
The existence of any thing imaginable is iiothing different from
Imagination, or perception. Volition or Will, w"^ is not imaginable, regard
must not be had to its existence, at least in the first Book. (782)
So kann er im Anschluß an die oben schon (S. 69) herangezogene glückliche
Zusammenfassung seiner idealistischen Körperlehre (457) erklären:
But, say you, then a chimaera does exist !' I answer, it doth in one
sense, i. e. it is imagin'd. But it must be weil noted that existence is
vulgarly restrain'd to actuall perception, and that I use the word existence
in a larger sense than ordinary. (458)
Daraufhin darf er, wieder in bezug auf die Körperwelt, urteilen:
. . . 'Tis on the discovering of the nature and meaning and import
of Existence that I chiefly insist. This puts a wide difference betwixt the
sceptics &c. & me. This 1 think whoUy new. I am sure this new to me.
(479: vgl. 594, 646, 650, 789, 797)
Aber es bleibt für den Existenzbegriff überhaupt doch eine prinzipiell
bedeutsame Schwierigkeit unüberwunden.
Gewiß darf Berkeley von seinem .Standpunkt aus darauf ])estehen,
daß Existenz keine abstrakte Allgemeinvorstellung ist. wie sie die schoolmen
geprägt haben (542, 718, 741). Aber was bedeutet Existenz überhaupt,
d. i. bezogen sowohl auf die Ideen wie auf die Geister? Berkeley war
hier vor eine Aufgabe gestellt, die von seinen Voraussetzungen aus unlösbar
war. In dem Doppelsinn des percipere (perceive und perception) ist sie
nur verhüllt; er vereinigt konträr Entgegengesetztes: perception oder idea
ist durchweg passiv ; perceive soll im Grunde durchweg aktiv sein (obgleich
wir in unseren Sensationen wesentlich passiv sind). Wo steckt das Gemein-
same, das die Existenz hier wie dort ausmacht? Es bleibt doch »a twofold
sense. « Im Treatise erscheint der Widersinn in Form einer Konsequenz
stillschweigend anerkannt: »Spirits and ideas are things so whoily different,
that when we say 'they exist', 'they are known', or the like. these words
must not be thought to signify anything common to both natures.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 75
There is nothing alike or common in them« (§ 142). Oder, wie es
in der definitiven Fassung des Treatise in anderem Zusammenhang heißt:
»The former are active. indivisible substances: the latter are inert, fleeting,
or dependent beings.« (§ 89; vgl. Dlal. III bei Fräser A I 331'). Wir
müssen uns deshalb mit der auskunftlosen Auskunft zufrieden geben, die
den eben zitierten Worten voransteht: i> Thing or Being is the most
general name of all; it comprehends under it two kinds entirely distinct
and heterogeneous, and which have nothing common but the
name — an dessen Stelle lediglich wieder die beiden konträr entgegen-
gesetzten Arten der gesuchten Gattung folgen: »viz. spirits and ideas« I
Auf das gleiche Resultat läuft Berkeleys Polemik gegen die »abstracted
notion of existence« der Ideen gegen den Schluß des zweiten Dialogs
zwischen Ilylas und Philonous hinaus (Fr. AIS. 3 15 f.). Auch dort bleibt
die Existenz der Geister »from which we have no direct and positive
notion« problemfrei daneben bestehen. Man kann demnach sagen, Berkeley
habe keinen Weg gefunden, von seinen Voraussetzungen aus den Begriff
der Existenz überhaupt zu erfassen.
Aber das bliebe doch eine wenig ertragreiche Wertung. Auch hier
ist das Bedeutsame nur der Weg, nicht das Ziel. Wir stehen mit den
Bestimmungen, die Berkeley nicht zu vereinigen vermochte, an der Geburts-
stätte des bis dahin nur gelegentlich und ohne historische Wirkung
geäußerten Gedankens", daß Existieren oder Sein keine Inhaltsbestimmung
' So noch in dem öfter erwähnten Brief an Johnson vom 24. März 1730 (Fr. A IV
S. 176 f.): -Locke holds an abstract idea of Existence, exclusive of perceiving and being
perceived. I cannot find I have any such idea, and this is my reason against it.«
' So von Gassendi besonders deutlich in dem Text der französischen t 'bersetzung der
Meditationen Descartes' von Clerselier, die ich nach der zweiten Auflage (1661) zitiere. Es
heißt dort in den fünften Objektionen (S. 4i3f.): «Mais a vray dire, soit que vous consi-
deriez Texistence en Dieu, soit que vous la consideriez en quelqu' autre sujet, eile n'est
point une perfection, raais seulement une forme, ou un acte sans lequel il
n'v en peut avoir. Et de fait ce qui n'existe point, n'a ny perfection, ny imperfection :
mais ce qui existe et qui outre Texistence a plusieurs perfections, n'a pas l'existence
comme une perfection singuliere et l'une d'entr' elles: mais seulement comme
une forme ou un acte par lequel la chose mesme et ses perfections sont existantes et
Sans lequel ny la chose, ny ses perfections ne seroient point. De la vient, ny
qu'on ne dit pas que Texistence soit dans une chose comme une perfection, ny si une chose
manque d'existence, on ne dit pas tant qu"elle est impaffaite, ou qu'elle est piivee de
quelque perfection, que Ton dit qu'elle est nulle, ou qu'elle n'est point du tout. >■ Die Aus-
10*
7 () E R D M A N N :
des als seiend Gesetzten ist, sondern nur die grundlegende Art ihrer
Setzung abgibt. Wir treffen somit auf den (Jedanken, dem Hume, wie
zu vermuten von Berkeley aus, und unabhängig von beiden, fast gleich-
zeitig mit Hume und folgenreicher als dieser, Kant Ausdruck gegeben
haben. Auch bei ihnen bleiben freilich Vorbehalte. Prinzipiell ist bei
Hume existence soviel wie consciousness : aber ein Anstoß realer wirkender
Ursachen wird vorausgesetzt. Bei Kant Ideibt der naive Realismus wirkender
Dinge an sich überhaupt und die durch das Freiheitsbewußtsein gesicherte
Wirklichkeit der geistigen Glieder des mundus intelligibilis, deren intelli-
gible Kausalität in der Kausalität der reinen, zeitlosen Kategorie gefunden
werden soll. Nicht durch Malebranche oder einen der anderen Idealisten
der Zeit, vielmehr erst durch Berkeley ist somit die Frage nach der
Realität ein Problem geworden, an dem die erkenntnistheoretische Unter-
suchung nie mehr vorbeigehen kann.
Älmlich problemanregend ist Berkeleys Lehre von der Kraft und
ihrer Kausalität. Auch hier bietet das Tagebuch eine willkommene
Ergänzung dessen, was Berkeley angezeigt fand in seinen Schriften zu
äußern. In diesen erscheint seine Lehre vor allem dadurch bedingt, daß
er den Kraftbegriff, wie er in der Naturwissenschaft seiner Zeit gebrauclit
zu werden pflegte, ablehnt, speziell den Kraftbegriff, den Newtons Anhänger
in dessen Gravitationstlieorie liineingelegt liatten. In diesem Zusammen-
hang erscheint die Kraft als eine qualitas occulta, die nichts erklärt. So
insbesondere in der Schrift De motu. Dadurch wird Berkeley wiederum
ein Vorläufer. Er gehört zu den wenigen für die Weiterentwicklung des
Gedankens einflußlos gebliebenen Vertretern einer rein phänomeno-
logischen Naturdeutung vor Hume. Einflußlos l)lieb auch er gemäß dem
immer sich wiederliolenden Prozeß, daß philosopliische Ideen, die fiir die
Einzelwissenschaften l)edeutungsvoll werden können, diese Bedeutung in
dem Gebiet der speziellen Wissenschaften erst erlangen, wenn sie auf ihm
selbst neu gefunden worden sind. In der Tat reduziert Berkeley das
causari in der Körperwelt auf ein erfahrungsmäßiges sequi. Insofern
mündet seine Körperlehre in einem reinlicli durchgeführten Empirismus;
führung ist hier deutlicher als im lateinischen Urtext (bei Tannery Bd. VII S. 323 f.). Descartes
hält in seiner Antwort an der Überlieferung fest, nach der die Existenz zu den Vollkommen-
heiten, d. i. den Merkmalen, gehört.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenscJuifllichen TagehucM. 77
wird sie zu einer positivistisclie'n Ergänzuiig der okkasionalistisclien Leliren.
in denen bereits aller Kausalzusammenhang der Vorgänge überhaupt der
Sache nach in einen bloß zeitlichen aufgelöst war. Aber es bleibt auch bei
üim, wie schließlich noch bei Hume und besonders bei Herbart, ein Hinter-
grund metaphysischer Gedanken. Er faßt, bestimmter noch als die Okka-
sionalisten, den scheinbar kausalen Zusammenhang des äußeren Geschehens
als eine teleologische, ntu- als solche bedeut.same Zeichensprache auf, in der
letzten Grundes (4ott zu uns redet', also geistig auf uns wirkt: er wird
endlich durch «lie religiöse Deutung jener Zeichensprache zu den wissens-
feindlichen Konsequenzen geführt, die der Empirismus der Kausaldeutuug
sonst weit von sich abweist.
In direktem Anstieg hat Berkeley diesen kausalen Empirismus aller-
dings nicht erreicht.
Es wurde oben (S. 68 f.) bereits deutlich, daß bei ihm anfangs eine
dynamische Deutung der Körperwelt überwog. Erst die dort gleichfalls
besprochene idealistische Wendung, die bald für die Auffassung der Existenz
nicht wahrgenommener Körper eintritt, treibt zu der Ablehnung der Gott
gegenüber sekundären Ursachen. Mehr noch. Die psychologische Wendung,
durch die er die metaphysisch fundierte okkasionalistische Kausalauf-
fassung weiterbildet, läßt ihn zeitweise sogar den dynamischen Zusammen-
hang der geistigen Ursachen aufgeben:
One idea not the cause of another — one power iiottlie cause
of another. The cause of all natural things is only G(Ki . . . This doc-
trine gives a niost suitable idea of the Divinity. (417)
Er meint dementsprechend anderes als Spinoza, wenn er mit ähnlichen
Worten, aber ohne jedes Bewußtsein der Übereinstimmung sagt:
No sharing betwixt God & nature or second causes in niy doctrine.
(473; vgl. 609)
Noch von einem andern Gesichtspunkt aus kommt er zu der allgemeinen
positivistischen Auflösung des KausalbegrifFs. Schon in den frühesten Dis-
putationsthesen finden wir die Überzeugung ausgesprochen, daß Lockes An-
nahme, power sei eine der »simj)le ideas which we receive from Sensation
and reflection« (Ess. II 7, 8; anders bekanntlich II 21, l), irrig sei:
Power is not perceived by sense. fXX: vgl. III)
' Man vergleiche auch die Bemerkung aus der Zeit um 1730 bei Fr. A. IV S. i8o Nr. 2.
78 Erdmann:
Schwerlicli liatte er diese Überzeugung durch die später gelegentlich auf-
tretende Koordination von power mit den einfachen Ideen von »red« und
»extension« (in Nr. 133) als beseitigt angesehen. Denn erst in den positivisti-
schen Gedankengängen zu Anfang des zweiten Tagebuchheftes kommt sie
deutlich zum Fortfall:
The simple idea call'd Power seems obscure, or rather none
at all, but onely the relation 'twixt Cause and Effect. When I ask
whether A can move B, if A be an intelligent thing, I mean no more
than whether the volition of A that B move be attended with the motioii
of B!' ... (446)
In der ihr angeschlossenen Frage:
If A be senseless, whether the impulse of A against B be followed by
V'' motion of B:'
ist anscheinend nicht dei- rein zeitliche Zusammenhang problematisch,
sondern lediglich dessen sukzessiver Charakter. Dafür spricht die Rand-
bemerkung :
Power no simple Idea — it nieans nothing but the Relation between Cause
& Effect. (480 a)
Ebenso die spätere Bemerkung:
"Nihil dat quod non habet", or, the effect is contained in the cause, is
an axiom I do not understand or believe to be true. (771)
Beide sind wohl im Sinne der Reflexionen (417) und (446) zu deuten. Die
Willensnatur der Ursache und das Affiziertwerden bleibt bei dem allen
unberührt :
Ni) active power but the Will: therefoi-e Matter, if it exists, affects
US not (130; vgl. 108, 151);
desgleichen die der Überlieferung entsprechende Anerkennung passiver
Kräfte neben aktiven (229. 286), die durch die Beschaffenheit unserer Sen-
sationen und das noch zu erörternde Verhältnis von understanding und
will gefordert wird. Die Bemerkung:
There is a difference betwixt power & volition. There may be
volition without power. But there can be no power without volition.
Power implyeth volition, & at the same time a. connotation of the
effects foUowing the volition {692)
bleibt in ihrer ersten These durchaus singulär. Beachtenswert sind bei
dem allen die antinomischen Konsequenzen aus der sekundären Natur der
Kräfte in der Körperwelt, die spät erst, wohl unter dem Einfluß des Okka-
sionalismus, als »occasions« oder »co-existing idea-s« (747, 843), d. i. als
Bfrkpleijs Philosophie im Lichte seines )cissenschaßlichen Tagebuchs. 79
»physical causes« oder »causes y' do iiothiiig» (S44; vgl. 838) gefaßt werden.
Einerseits wird die wissensfeindliche Natur dieser Konsequenz in teleolo-
gisch zu verstehenden Formulierungen fast energischer noch betont als
im Treatise:
Absurd to study astronomy and other the like doctrlnes as specula-
tive Sciences. (418; vgl. 417, 419, 646)
Andrerseits heißt es einmal:
Xaturalists do not distinguish betwixt cause and occasion. Useful
to enquire after co-existing ideas or occasions. (747; vgL 492, 611)
Es sind demnach Ansätze zu jener Behandlung der Kräfte, die in der
Siris zum Vorschein kommt, obgleich vorerst durch entgegengesetzte unter-
drückt, schon im Tagebuch unverkennbar vorhanden.
In dem temporalen Empirismus der vorstehenden Kausalgedanken
haben auch wir Vorgedanken zu Humes Kausaltheorie gefunden. Sie lassen
sich ebenso auch in mancherlei Wendungen der drei frühen philosophi-
schen Schriften Berkeleys aufweisen. Aber es hieße den historischen Sach-
verhalt gründlich verkennen, wenn wir daraufJun, wie mehrfach geschehen
ist, Humes entscheidenden Anteil an der Entwicklung des Kausalproblems
schmälern wollten. Jene Vorgedanken liegen, soweit sie bei Berkeley
über die Problemlage der Okkasionalisten hinausreichen, ausschließlich in
seiner Lehre von der »customary connexion« der Ideen un<l der durch
sie, ahso erfahrungsmäßig bedingten »Suggestion«,' sowie der aus ihr ab-
folgenden »mediate perception«. Völlig unbedenklich, ähnlich so wie neuer-
dings Helmholtz in seiner Hypothese der unbewußten Schlüsse, bezeichnet er
die Ideen, die auf diese Weise reproduziert werden, als »acts of judg-
ment grounded on experience« (New Theory §3, 38, 53, 62 u. ö. ;
Tr. §43; vgl. »reason and memory« in den Dialogen Fr. A. I 295: »per-
ceive or judge« in N. Th. Vindieated § 53, 58 u. ö). Allerdings könnte
man glauben, auch Humes Gegensatz der kausalen, »moral reasonings«, zu
den mathematischen, »demonstrative reasonings«. hei Berkeley zu finden. In
der Tat unterscheidet Berkeley schon in der New Theory die reproduktiv
vermittelten empirischen Schlußsätze von den >• conclusions in mathematics,
betwixt which and the premises it is indeed absolutely requisite there
' Im Taftebuch heißt es einmal: »constant & long association of ideas« (226).
80 Erdmann:
be an apparent, neces'sary connexion« (N. Th. § 24). Sein Kampf gegen
die landläufigen geometrischen Tlieorien der Gesichtswahrnehmung beruht
auf der wohlfundierten Unterscheidung der »necessary connexion« von
der »customary« oder »arbitrary conjunction« (vgl. 194, 247, 257). Man
könnte sich für eine direkte Abhängigkeit Humes von Berkeley in diesem
Punkte sogar darauf berufen, daß dieser schon auch die Kausalsclüüsse
jenen Erfahrungsurteilen zurechnet. Erklärt er doch im Treatise, daß wir so
wenig wie »by sense«, so wenig auch »by reason« die Existenz von Körpern
als Ursachen unserer Sensationen finden können, »since the very patrons
of Matter themselves do not pretend there is any necessary connexion
betwixt them and our ideas« (§ 18). Wird doch ferner in den Dialogen,
wie bereits zu erwähnen war (S. 64, Anm. 61), ausgeführt, daß die Existenz
wirksamer Geister als solcher Ursachen nicht auf einer »necessary con-
sequence«, d. i. einer »demonstrative knowledge«, sondern auf einem Wahr-
scheinlichkeitsschluß, einer »probable deduction« beruhe, »if we see
signs and effects indicating distinct finite agents like ourselves« (Fr. A. I
328). Benutzt er doch überdies durchweg die gleiche Argumentation für
seinen Gottesbeweis aus der Ideenwelt als der Zeichensprache Gottes zu
uns, wenn auch hier die Gewißheit »far more evident« ist (Tr. § 147;
Alciphron, Dial. IV; Siris § 252 f.). Ist doch endlich seine ganze Theorie
der Zeichen (signs), besonders deutlich in der New Theory Vindicated
(§ 39) diesem Gedankengang eingewoben.
So positivistisch geschlossen ist jedoch der Gedankenzusammenhang
bei Berkeley auch psychologisch nicht. Dem aufmerksamen Leser konnte
nicht entgehen, daß der Schluß von der Wirkung auf eine Ursache über-
haupt bei Berkeley überall rationalistisch fundiert ist, auch wenn Wen-
dungen wie »probable deduction« nicht gepreßt werden. Besonders
klar spricht gerade über diesen Punkt die New Theory Vindicated. »From
our ideas of sense«, heißt es dort, »the inference of reason is good
to Power, Cause, Agent. But we may not therefore infer that cur ideas
are like unto this Power, Cause, or Active Being. ... in our ideas or im-
mediate objects of sense, there is nothing of Power, Causality, or Agency
included. Hence it foUows that the Power or Cause of ideas is not
an object of sense, but of reason«. Weiter sogar: »Our knowledge of
the cause is measured by the effect; of the power, by our idea . . . We
know that our ideas of sense are not the cause of themselves. We know
Berkfleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftliehen Tac/ebuc/is. 81
also that we do not cause them. Hence we know they must have some
other efficient cause, distinct from them and us« (§ 1 1 f ; vgl. 21, 30). So
kommt Berkeley zu der Voraussetzung, die allen diesen Argumentationen
zugrunde liegt: »To perceive is one thing: to judge is another. So like-
wise, to be suggested is one tliing, and to be inferred another. Things
are suggested and perceived by sense. We make judgments and inferences
by the understanding . . . We infer causes from effects, effects from
causes, and properties one from another, where the connexion is
necessary« (§ 42). Es ist eben der Gedankenzug, den wiederholte Er-
klärungen in den Dialogen bekunden: »From the effects I see produced 1
conclude there are actions . . . there must be a will (Fr. A 1 335); it
neccssarily follows there is an omnipresent external Mind« (Fr. A 1 325);
in anderer Wendung »a necessary relation to the mind is understood
to be implied by the term idea« (Fr. AI 331). Die rationalistische Scheidung
zwischen »experience« und »reason« in der Siris (vor allem § 264,
293f., 303f., 308, 313, 33of)' bezeugt deshalb auch in diesem Punkte
keine neue Gedankenrichtung, sondern nur. daß ein früh vorhandener,
aber anfangs im Untergrund bleibender, durch empiristische Einflüsse
überdeckter Gedankenstrom später zum vorherrschenden wird.
Jene frühe Problemlage zeigt sich auch im Tagebuch. Ein rationa-
listisches Moment enthalten alle die Aufzeichnungen, in denen das Urteilen,
ja selbst das Perzipieren überhaupt, als eine Tätigkeit einschli<'ßend be-
hauptet wird. Darauf ist später einzugehen. Direkter noch tritt es hervor,
wenn wir gegen den Schluß des Tagebuchs lesen :
• Kx nihilo nihil fit.- This (saytli Spinoza. Opera Posth. p. 464) and
the like are called reritalf$ netrmai, because »nullain fideni habent extra
mentem-. To make this axiom have a positive sigiiification, one should
express it thus: Every idea has a cause, i. e. is produced by a
Will. (821) '
So, obgleich ihm feststeht:
Pure intellect I nnderstand not (800 vgl. 521):
und schon vorher:
Qu. VVhat becomes ai \}a& avternae ecritates'f Aus. They vanish. (728)
' Insbesondere § 308 behufs Vermittlung Ari.stotelischer und Platonischer Lehren :
• Some, perhaps, may think the truth to be this: -- that there ar properly no ideas, or
pa.ssive objeets, in the mind but what were derived from setise: but that there are also
besides these her own acts or Operations; such are rtotiftns.-
Phil.-higt.Abh. 191U. Nr. f<. 11
82 K R D M A N N :
Die vorstehenden Erörterungen über Existenz, Kraft und Kausalität
setzen uns in den Stand, die nicht eben durchsichtige Entwicklung der
Lehre von den spirits im Tagebuch zu rekonstruieren.
Schon zu Beginn desselben war Berkeley, wie wir oben gesehen
haben, überzeugt, daß eine Vielheit von endlichen tätigen Geistern sub-
sistiert (23, 24; vgl. 108, 421, 745). Allmählich wurde ihm sicher, daß
zu ihrer Erkenntnis sowie zur Erkenntnis der geistigen Tätigkeiten
des Verstandes und Willens die ihrem Bestände nach trägen Ideen un-
tauglich sind (173, 231, 280; dann etwas bedenklich 478, 512: weiter 525,
526, 536, 565, 566, 634, 635, 649, 655, 656a, 676, 699, 749, 796, 835,
837, 874, 875). Wo daraufT)in gelegentlich, im Anschluß an Locke (511),
das Wort »knowledge« in engerem Sinne genommen wird, werden die
Geister und ihre Tätigkeiten unerkennbar (566, 879). Nichts im Grunde
erfahren wir aus dem Tagebuch über die Art, wie wir sie tatsächlich
erfassen. Aus der oben bereits angeführten Bemerkung, daß die intuitive
Erkenntnis unserer eigenen Existenz die der körperlichen Dinge voraussetzt,
und der etwas anders gedachten Eintragung :
... I know with an intuitive knowledge the existence of other things as
well as my own soul . . . (552)
erfahren wir nur, daß ein solches unmittelbares Erfassen besteht, sowie
weiterhin, daß wir auch die anderen Geister »as so many selves« denken
müssen (745).
Der auch in den Schriften schillernde Terminus »reflection«' hat in den
seltenen Fällen, in denen er von Berkeley im Tagebuch gebraucht wird,
den Lockeschen Sinn. (XXIII, 560, 575, 647, 661, 717; vgl. 724, 731, 882)
Ein Gegenstand wiederholter, in den Schriften kaum noch andeutungs-
weise erkennbarer, offenbar unabgeschlossener Prüfung ist dagegen die
Frage nach der Identität des Ich.
Sie setzt früh ein mit der auch für ein anderes, noch zu besprechendes
Moment bedeutungsvollen Erwägung:
On account of my doctrine, the identity offinite substances [natürlich
geistiger] must consist in something eise than continued existence, or
relation to determined time & place of beginning to exist — the existence
' Im Sinne Lockes z. B. Tr. § i, 25, 35, 68, 74; dagegen für das Erfassen der Geister
in den Dial. bei Fr. A I 326, Dial. bei Fr. A I 328. Tr.= § 89.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs.' 83
of our thoughts (which being combined make all [geistigen] substances)
beingfrequently interrupted,&they having divers beginn ings
& endings (192 ; vgl. 84),
nachdem kurz vorher nebenbei »persons not thinking« erwähnt sind (182),
deren Existenz, wie die von Farben im Dimkehi, also von ideas, ebensowohl
zugestanden werden soll, »but not an absolute, actual existence«. An jene
Erwägung schließt sich, wie mir scheint, die Frage:
Qu. wherein consists identity of person ? Not in actnal consciousness,
for then Fin not the sazne person I was this day twelvemontb, but while
I think of w' I then did. Not in potential, for then all persons may be
the same, for ought we know (199)
mit einer dunkeln xmd auch durch andere Bemerkungen über potentia
(1 39, 140, 1 55) von mir nicht erhellbaren Scheidung zwischen einer »natural«
und einer » praeternatural consciousness«, von denen hier nur die letztere
gemeint sein soll (201). Aus gleich zu erwähnendem Grunde scheint mir
auch die Bemerkung:
The grand puzzling question, whether I sleep or wake? easily solv'd (467)
in diesen Zusammenhang zu gehören. Sicher ist dies bei der Niederschrift:
No broken intervals of death or annihilation. Those intervals are
nothing: each person 's time being measured to him by his own ideas. (580)
Weiterhin erst kommt die im Begriff der Seele als selbsttätigen wollenden
Wesens von vornherein angelegte Entscheidung, daß die Seele immer
denke, mit der Berkeley, wenn auch in ganz anderer Deutung. Descartes
gegenüber, Locke recht gibt:
Certainly the mind always and constantly tbinks: and we know this
too . . . (642)
To say the mind exists without thinking is contradiction, nonsense,
nothing. (643: vgl. 697)
Dabei werden wir das »and we know this too« wohl durch die früh
feststehenden, schon oben angefiihrten Überzeugungen Nr. 50 und 75 und
deren Ergänzungen:
. . . a perception not perceiv'd is contradiction, nonsense, noihing . . .
(250; vgl. 351)
An idea cannot exist unperceiv'd (383)
erläutern müssen. In eben diese Zeit scheint die Randbemerkung zu der
oben angpfiihrten Eintragung (192) zu gehören:
[Qu. whether identity of person consists not in the Will?] (193)
11*
84 P" R n M A N N :
Sicher gehört ihr die nur scheinbar paradoxe Konsequenz an:
There are innate ideas, i. e. ideas created with us. (640)
Wir dürfen bei ihr nur nicht an ewige Wahrlieiten und einen reinen
Intellekt denken. Der Empirismus des frühen Standpunkts erleidet im
Tagebuch keinen so tiefgehenden Einbruch rationalistischer Gedanken. Dafür
sprechen außer den S. 81 angeführten Nr. 728 und 821 die Reflexionen:
. . . Certainly if there were no sensible ideas there could be no soul,
DO perception, remembrance, love, fear, &c; no faculty could be exerted. (465)
. . . If it were not for them [the senses] the mind could have no
knowledge, no thought at all. All x x x of introversion, meditation, con-
templation, and spiritual acts, as if these could be exerted before we had
ideas from without by the senses, are manifestly absurd. (529)
I approve of this axiom of the'Schoolmen, 'Nihil est in intellectu
quod non prius fuit in sensu". . . (770)
Es handelt sich in Nr. 640 anscheinend nur um einen, vielleicht bewußt
gewählten paradoxen Ausdruck für eine Konsequenz, die wir vielleicht
treftend auf die den endlichen Geistern von Anbeginn an immanenten
Sensationen ihrer eigenen und der umgebenden Körperwelt beziehen.
Wirklich paradox ist nur die in dem vorhin gegebenen Zitat von (642)
vorerst ausgelassene Konsequenz
... In sleep and trances the mind exists not — there is no time, no
.succession of ideas. (642)
Sie ist unverkennbar gegen Lockes empirische Erörterung der Streitfrage,
ob die Seele immer denke, gerichtet, inul zwar unter der Voraussetzung,
daß in solchen Zuständen eben Ideen fehlen. Daß diese Konsequenz dem
selbsttätigen Wesen auch der endlichen Seelen widerspricht, das in den
Schriften für diese Frage durchweg entscheidet,' liegt auf der Hand. Aber
das Tagebuch bietet doch in seinen Reflexionen über die Seele, wie gleich
zu zeigen sein wird, einen möglichen Ansatzpunkt für diese paradoxe
Behauptung.
"Vorerst ist noch einer anderen Lösung des Identitätsproblems für die
Seelen zu gedenken, die bald nach der eben angezogenen Reflexionsgruppe
ausgesprochen wird:
Doctrine of identity best explain'd by taking the Will for volitions,
the Understanding for ideas. The difficulty of consciousness of w' one
never acted &c solv'd thereby- (673)
■ Vgl. z. B. im Tr. § 141, sowie auch den mehrfach zitierten Brief an Sam. Johnson
bei Fr. A IV 181 Nr. 6.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 85
Sie ist nicht eben durchsichtig. Aber es ist möglich, daß ihr Sinn
lediglich in der nichtssagenden Bemerkung aufgeht:
Qu. W mean you by my perceptions, my volitions? Both all the
perceptions I perceive or conceive, &c. are mine: all the volitions I am
conscious to are mine. (737)
So unzulänglich diese Lösungsversuche bleiben, werfen sie doch
Licht in eine Lücke der Schriften Berkeleys. Im Treatise und den Dialogen
wird das Problem, das von Locke in den späteren Auflagen seines Essay
eingehend erörtert worden war, in dem »1« oder »Myself« als erledigt
vorausgesetzt. Im Alciphron wird der Lösungsversuch Lockes abgewiesen.
Aber Berkeley begnügt sich dort, bei Besprechung des Glaubens an die
Dreieinigkeit, auf die Einwürfe hinzudeuten, »which may be raised even
about human personal Identity«, und auf Grund einer kühnen Konstruktion
von Fällen nach Art derer, die jetzt als solche von double consciousness
bezeichnet werden, festzustellen, sie lasse sich durch ein fortdauerndes
Bewußtsein nicht erklären (Alciphron bei Fr. A II 307 f.). Wir finden dem-
nach in Berkeleys Schriften lediglich Spuren von Lösungsversuchen des
Problems, die ihn selbst nicht befriedigt haben. Jedenfalls haben jedoch
die Ansätze zu ihnen im Tagebuch einen nicht genauer bestimmbaren
Einfluß auf die Entwicklung der Lehre von den Geistern überhaupt gehabt.
Noch einmal sei daran erinnert, daß im Tagebuch die ÜI)orzeugung
von der selbständigen Existenz von »conscious things« als Personen, zu denen
die Körperwelt als »manner« ihrer geistigen Existenz {24), als Inbegril!"
von perceptions, ideas oder thoughts im olyektiven Wortsinn gehört (280),
von Anfang an gesichert ist. Als active, powerful, thinking »things« oder
»Beings« (41, 150, 229), als thinking (4 2 i) »substances« (27 i, [289], 395, 396),
weiterhin als »that which thinks« oder »wills« (486) sind sie gedacht.
Es konnte jedoch Berkeley nicht verborgen bleiben, daß in dieser
Voraussetzung gerade für seinen Immaterialismus ein Problem stecke.
Welches Recht besteht, insbesondere in Rücksicht auf Lockes Behauptung
des »I know not what« für den Kern des Substanzbegriifs überhaupt, die
körperlichen Substanzen in Inbegriffe von Ideen aufzulösen, für die »Träger»
dieser Ideen aber, für das, was die Ideen »supports« (s. S. 61), die dort
zurückgewiesene Substantialität beizubehalten? In seinen Schriften wird
dies so naheliegende Problem für das velle wie für das perclpere durch
86 E R n M A N N :
die Erkläi'ung gelöst, daß wir die Substanz lediglich in ihren Wirkungen
zu erfassen vermögen (s. oben S. 62). Aber damit ist doch schließlich das
zu Erweisende offenbar vorausgesetzt. Bekanntlich hat hier erst Hume,
rücksichtslos gegen alle Forderungen des religiösen Bewußtseins, aus ganz
anderen Gründen als vor ihm Spinoza für die endlichen Geister, vielmehr
lediglich auf Grund des Empirismus von Locke und Berkeley, die Konse-
quenz ausgesprochen, daß auch der Geist nur ein Bündel von Ideen sei.
Eben diese Konsequenz, die aus Berkeleys Schriften nicht zu entnehmen
ist, findet sich fiir die endlichen Geister als später aufgegebene Übergangs-
lösung im Tagebuch. Von zwei, schließlich zusammenführenden Gedanken-
gängen aus wird das Problem entwickelt.
Ein früher Ausgangspunkt zu ihnen findet sich in der Zwischen-
bemerkung zu der oben schon angeführten ersten Reflexion über das
Identitätsproblem (192), daß »our thoughts combined make all substances«
und der, wie wir sahen, jener Bemerkung zugehörigen, aber wohl späteren
Randbemerkung: '
[Qu. whether identity of person consists not in the Will?] (193)
Der Gedanke bleibt indessen vorerst unentwickelt. Vielleicht lag ein An-
stoß zu seiner Entfaltung in der Frage, die einer schon angeführten Be-
merkung vor ansteht:
Qu. How is the soul distinguish'd from its ideas? Certainly if
there were no sensible ideas there could be no soul, no perception,
remembrance, love, fear, &c. ; no faculty could be exerted. (465)
Die Antwort ist allerdings empiristisch gewendet. Aber eben diese Wen-
dung konnte auf Grund jenes frühen Ansatzes wohl zu der Hypothese
führen :
The very existence of ideas constitutes the soul. (567)
Aufgenommen wird sie in direktem Anschluß an die für Berkeley längst
gesicherte Überzeugung, daß die Seele (durch Ideen) nicht erkennbar sei.
Dies bezeugt die unmittelbar an Nr. 567 angeschlossene Überlegung:
Consult, ransack y'' understanding. W find you there besides several
perceptions or thoughts [d.i. hier imaginations ; vgl. 572]? W mean you
by the word mind;' You must mean something that you perceive or y' you
do not perceive. A thing not perceived is a contradiction. To mean
(also) a thing you do not perceive is a contradiction. We are in all
this matter strangely abused by words. (569)
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 87
So wird der Gedanke vorerst fest:
Mind is a congeries ofperceptions. Take awayperceptions and
you take away the mind. Put the perceptions and you put the mind. (570)
Say you, the mind is not the perception, not that thing which
perceives. I answer, you are abused by the words "that & thing".
These are vague and empty words with us. (571)
Der Gedankengang kehrt noch einmal wieder, gleichfalls im Anschluß
an Klagen über die Mängel der Sprache:
Say you, there must be a thinking substance — something unknown
w*"" perceives, and Supports, and ties together the ideaa. Say I,
make it appear there is any need of it and you shall have it for
me. I care not to take away anything I can see the least reason to
think should exist. (628)
I affirm 'tis manifestly absurd — no excuse in the world can be given
why a man should use a word without an idea. Certainly we shall find
that w'ever word we make use of in matter of pure reasoning has, or
ought to' have, a compleat idea annext to it,. i. e. its meaning or the sense
we take it in must be compleatly known. (629; vgl. 630)
Aber mit dem allen war doch das Problem nur von einer Seite aus
erfaßt. Der früh (130, 151) festgelegte Willenscharakter der Seele ist
hier außer Betracht gelassen. Er kommt, wie wir vermuten dürfen,
reagierend zum Vorschein. Schon in unmittelbarem Anschluß an die Frage,
die wir fiir die intellektualistische Deutung zum Ausgang nahmen, wird
er, wenn auch vprerst folgenlos, hervorgehoben:
The soul is the Will, properly speaking, and as it is distinct from
ideas. (466)
Dann wird in einer Randbemerkung, die allem Anschein nach einem
späteren Gedankengang angehört, kurz und bündig gesagt:
[It should be said, nothing but a Will — a being which wills
being unintelligible.] (487)
Denn die reagierende voluntaristische Fassung erscheint erst viel später,
Sie bereitet sich gleichfalls durch Ablehnung der Ideen für die Erfassung
des Willens vor:
To ask, have we an idea of y« Will or volition, is nonsense... (649)
If you ask w' thing it is that wills, I answer, if you mean idea by
the word thing, or anything like an idea, then I say, 'tis no thing at
all that wills. This how extravagant soever it may seem, yet is a
certain truth. We are cheated by these general terms, thing, is, &c. (650;
vgl. 652, 653, 658)
88 E R D M A N N :
Daraufhin kommt er zu der Erklärung:
The spirit — the active thing — that w«^'' is soul, & üod — is theWill
alone. The ideas are cffects — impotent things (705);
ferner in weiterem Verfolg der Frage:
You ask, do these volitions make one Will;' W you ask is meerely
about a word — unity being no more (707)
zu den Feststellungen:
We See no variety or difference betwixt the volitions, only between
their effects. 'Tis one Will, one Act, distinguished by the effects. This
Will, this Act, is the spirit, operative principle, soul. &c. (779! ^g'-785)
While I exist or have any idea, I am eternally, constantly willing;
mv acquiescing in the preseut State is willing. (781)
It seems that the soul, taken for the Will, is immoital, incorrupt-
ible. (804)
So ergeben sich endlich die Annahmen:
The Will is purus actus, or rather pure spirit not imaginable,
not sensible, not intelb'gible, is no wise the object of the understanding,
no wise perceivable. (818; vgl. 858)
Substance of a spirit is that it acts, causes, wills, operates,
or if von please (to avoid the quibble y* ma)' be made on y^ word 'it')
to act, cause, will, operate. Its substance is not knowable, not being
an idea. (819)
Die Unerkennbarkeit der Substanz ist demnach nicht, wie bei Locke,
durch ein »I know not what« erledigt. Für die Körper ist sie gesichert
durch deren Auflösbarkeit in Ideen, für die Geister durch deren dynami-
schen Charakter:
The substance of Body we know. The substance of Spirit we do
not know — it not being knowable, it being a purus actus. (694; vgl. 858)
But the grand mistake is that we know not what we mean by 'we',
or 'selves', or 'mind", &c. "Tis most sure & certain that our ideas
are distinct from the mind, i. e. the Will, the Spirit. (835)
Nur anhangsweise sei berührt, wie diese Willenslehre die Freiheit
des Willens als Selbsttätigkeit einschließt. In den ersten Anfängen wird
die Freiheit anscheinend geleugnet (XXI, XXII; vgl. die vieldeutige Ein-
tragung 144). In vielfältiger, besonders späterhin ansteigender Abwehr der
Lehre Lockes von der »uneasiness« ([143] u. ö., 601 u. ö.) wird sie Berkeley
dagegen sicher, zugleich mit der, allerdings nicht durchgeführten Konse-
quenz, daß wir von Tugenden und Lastern als Willensbestimmungen keine
Ideen haben (660 u. ö.). Sie sollte neben dem Beweis für die Existenz
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tngehmhs. 89
Gottes als eines der beiden »great prineiples of morality« spezieller aus-
geführt werden (496). Fest steht:
Folly to inquire w' determines the Will. Uneasiness, &c. are ideas,
therefore unactlve, therefore can do nothing, therefore cannot determine
the Will. (644)
I think not that things fall out of necessity. The connexion of
no two ideas is necessary, 'tis all the result of freedom, i. e. 'tis all vol-
untary. (872)
(Man vgl. dazu 145a, 15*2, 153, 154, 156, 608, 618, 619, 623, 645, 738,
787, 867).
Durchgeführt ist jedoch keine dieser beiden Argumentationsreihen.
Die Reflexionen, in denen sie auftreten, werden von den vereinigenden
Gedanken begleitet und zusammengeschlossen, die in den Schriften (s. oben
S. 62) mehr angedeutet als ausgeführt sind.
Es ist eine weite Strecke, die sie von dem frühen Gedanken trennt,
daß die Seele eine komplexe Idee aus Existenz, Willen und Perzeption
überhaupt sei (150; s. oben S. 71). Aber die letzte Entscheidung ist doch
der Sache nach von dem, was Berkeley mit jener unzulänglichen Anfangs-
formulierung eigentlich meinen konnte, im wesentlichen abhängig. Die Über-
zeugung, daß die Operationen des Verstandes und des Willens im Grunde
ein und dasselbe sind, bricht sehr bald und immer aufs neue hervor. So
in Reflexionen, auf die schon oben (S. 67) hinzuweisen war:
. . . [thought seeming to imply action] . . . (37),
und zwar schon früh, falls die Klammer bei Fräser hier nicht eine Zusatz-
bemerkung späteren Ursprungs zeigt. Dann erscheint sie in der bereits
(S. 73) angeführten Randbemerkung zu Nr. 421. Weiterhin gewinnt der
Gedanke an Klarheit:
The understanding taken for a faculty is not really distinct from y"=
will (607), mit dem nach der weiterhin anzuführenden Bemerkung (859)
vermutlich späteren Zusatz: This allow'd hereafter;
ebenso an Energie:
There is somewhat active in most perceptions, i. e. such as ensue
upon cur volitions, such as we can prevent or stop : e. g. I tum my
eyes towards the sun — I open them. All this is active. (664)
Qu. Hovv comes it that some ideas are confessedly allow'd by all
to be only in the mlnd, and others as generally taken to be without the
mind, if, according to you, all are equally and only in the mind ? Ans. Because
ihat in proportion to pleasure or pain ideas are attended with desire,
Phil.-hist.Ahh. 1919. Nr. 8. 12
90 Erdmann:
exertion, and other actions which include volition. Now volition is by
all granted to be in spirit. (685; vgl. 57, 68)
... I think judicmm Includes volition. I can by no means distin-
guish these — Judicium, intelkctus, indifferentia ... (736; vgl. die Ablehnung
in 162, die vielleicht der Meinung eines Bekannten gilt).
Noch mehr:
To be sure or certain of w' we do not actually perceive (I say
perceive, not imagine), we must not be altogether passive, there must be
a disposition to act, there must be assent, w'='' is active. Nay, what do I
talk! theremustbeactual volition. (768; dazu die oben schon zitierte Nr. 781)
Idea is the object or [was dasselbe ist, YnoKeiMeNON =]' subject of
thought. Y' I think on, whatever it be, I call idea. Thought itself, or
thinking, is no idea. 'Tis an act, i. e. volition, i. e. as contradistinguished
to eifects— the Will. (798)
It seems there can be no perception — no idea — without Will,
seeing there are no ideas so indifferent but one had rather have them than
annihilation, or annihilation than theni . . . (823)
Auf Grund solcher sich wechselseitig ergänzenden Überlegungen ergibt
sich allmählich, mitten, wie schon gesagt, in den beiden anderen, ein-
seitig bedingten Strömungen (vgl. z.B. 651):
Existence not conceivable without perception or volition — not distin-
guish'd therefrom (637)
als Erledigung von (636); ferner:
Distinct from or without perception there is no volition ; therefore
neither is there existence without perception. (666 ; vgl. auch die oben schon
zitierten Nr. 673, 706)
It seems to me that will and underetanding — volitions & ideas —
cannot be severed, that either cannot be possibly without the other. (829)
Endlich lesen wir, wie wiederholt in den Schriften (Tr. § 27, 138, 143:
Dial. Fr. AI 335):
I must not mention the understanding as a faculty or part of the
mind. I must include understanding & will &c. in the word Spirit — by
which I mean all that is active. I must not say that the under-
standing differs not from ihe particular ideas, or the will from particular
volitions. (836)
I must not give the soul or mind the scholastique name 'pure act',
but rather pure spirit, or active being. (858)
I must not say the Will or Understanding are all one, but that
they are both abstract ideas, i. e. none at all — they not being even ratione
different from the spirit, qua faculties, or active. (859; vgl. 855)
' Man vergleiche (433); so auch spirit als object of human knowledge und subject of
disCTjurse: [s. Tr.= § 89].
Berkeleys Philosophie im ] Achte seines wisseiischafllichen Tagebuchs. 1) 1
Daß auch bei dem allen die Fragen nach der Substanz der endlichen
Geister, der Art ihrer Schöpfung durch Gott und ihrer Immanenz in Gott
unerörtert bleiben, braucht kaum erwähnt zu werden. Vielleicht hat
Berkeley keine Antwort einer ihn selbst nicht befriedigenden vorgezogen;
wenigstens findet sich nichts im Tagebuch, was auf die Absicht weiterer
Bestimmungen hinwiese. Jeder Versuch, solche Bestimmungen zu erlangen,
hätte Berkeley überdies vor die Aufgabe gestellt, auch für die Substan-
tialität Gottes, an der er nie irregeworden ist, eine Auflösung in »to will«
und »to und erstand" zu gewinnen.
Kurze Schlußbemerkungen mögen das im vorstehenden entworfene
Bild iler philosophischen Lehre Berkeleys und ihrer Entwicklung ver-
vollständigen.
Über die Gesamtentwicklung der Lehre läßt sich aus dem Tagebuch
folgendes etwa herauslesen.
Es beginnt nach den ersten, die Zeitprobleme betreffenden Eintragungen
(s. oben S. 2 9 f.) mit Reflexionen über die Konsequenzen der bereits fest-
stehenden »immaterial hypothesis« (19). Sie gehen auf die lediglich geistige
Wirklichkeit von Ausdehnung, Zeit und Körperwelt, sowie auf die Bedeu-
tung der Hypothese für das religiöse Bewußtsein und die Ausschließung
alles Skeptizismus gegen die unmittelbare Tatsächlichkeit der als Inbegriffe
von Sensationen gedeuteten Körper, und damit in den beiden letzten
Punkten auf zwei Momente, die in immer neuen Variationen hervorgehoben
werden, ähnlich so, wie die Übereinstimmung der Lehre mit dem common
sense und die Ablehnung aller scholastischen Metaphysik.
... I side in all things with the mob. (388; vgl. 376, 387, 391, 579)
Mem. To be eternally banishing Metaphysics, &c., and recalling men
to Common Sense. (744; vgl. ao8, 480, 609, 741)
Aber mit jenen ersten Reflexionen wechseln von vornherein in bunter Folge,
bald anschwellend, Eintragungen, die zu dem Gedankenkreis der New
Theory gehören. So zahlreiche Bemerkungen über die Wahrnehmungen
Blindgeborener (27, 32 f.), die durch Lockes Erörterung über das von
W. Molyneux aufgeworfene Problem in der zweiten Auflage des Essay
angeregt sind, femer über den Unterschied der Gesichts- und Tastwahr-
nehmung (28 f.), über die scheinbare Paradoxie des aufrechten Sehens, die
(resichtswirkungen von Mikroskop und Fernrohr, die scheinbare Mondgröße
12*
92 Erdm an n :
in der Nähe des Horizonts, die Deutung von Gemälden, endlich vor allem
über die durch die Lehre von den minima sensibilia gesicherte Unmöglich-
keit, die Ausdehnung ins Unendliche zu teilen (i i, 21, 26, 7 2 f.). Deutlich
entspringt aus dieser, die Eigenart der anschaulichen Einzelvorstellungen
von Raum (und Zeit) verkennenden Konsequenz, wie die Ablehnung der
überlieferten Abstraktionslehre (s. oben S. 49 f.), so der Abweis aller geo-
metrischen Grenzbetrachtungen (3if.), weiterhin (31 if.) speziell der Fluxions-
rechnung Newtons und der Infinitesimalrechnung von Leibniz (die aller-
dings nicht auf genauerem Studium beruht (336), während er sich mit Newtons
Methoden und denen seiner Anhänger, Barrow, Hays, J. Keill, Cheyne usw.
eingehend beschäftigt hat). Bald kommt denn auch eine ganze Reihe kühner
geometrischer Paradoxa zum Vorschein, über die Teilbarkeit der Geraden usw.,
speziell über die Quadratur des Kreises.
Die zum Gebiet der New Theory gehörigen Eintragungen haben ihre
größte Dichtigkeit im ersten Drittel des Tagebuchs. Gegen dessen Mitte
werden sie weniger zahlreich. Dann verlieren sie sich in ganz wenigen
Bemerkungen. Mit der Notiz:
Mem. Before I have shewn the distinction between visible & tangible
extension, I must not mention them as disti'nct. I must not mention M. T.
[Minimum tangibile]&M.V. [visibile], but in generalM.S. [sensibile],&c.(42 5)
scheint ein erster Plan für die Ausarbeitung der New Theory festzustehen.
Weitere Spuren für die Ablösung der New Theory von dem Treatise, falls
der Plan zu ihr nicht von vornherein gefaßt war (vgl. Treatise § 43), bietet,
wenn ich recht gesehen habe, das Tagebuch nicht.
Später erst taucht der Gedanke an ein umfassendes Werk auf. Von
drei »Büchern« desselben ist im Tagebuch die Rede. Eines zweiten Buchs
gedenken zuerst die Notizen:
Tbe 2 great principles of morality— tbe being of God & the
freedom of man. Those to be handled in the beginning of the Second
Book. (496)
Extension, tho' it exist only in the mind, yet is no property of the
mind. The mind can exist without it, tho' it cannot without the mind.
But in Book II. 1 shall at iarge shew the difference ihere is betwixt the
soul and body or extended being. (866)
Hier sollten also offensichtliche Lücken, die der uns vorliegende Treatise
zeigt, ausgefüllt werden, und zwar auf Grund von Reflexionen, die im
Tagebuch auch für die ethisch-religiösen Lehren (156, 240, 389, 394, 496,
r
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschafllichen Tagebuchs. D.S
53i> 532, 549. 558, 660, 668, 669, 675, 683, 69of.) unter Einschluß
der schon (S. 88) berührten Lehre von der Willensfreiheit vorhanden sind.
Als eine Ergänzung kurzer Bemerkungen im Tagebuch, dem Treatise und
den Dialogen ist wohl eine anscheinend ausführlichere Erörterung über die
Worte »thing« und »idea« gedacht, die gleichfalls dem zweiten Buch
zugewiesen wird :
Say you, At this rate all's nothing but idea — mere phantasm. I answer,
Everything as real as ever. I hope to call a thing idea makes it not the
less real. Truly I should perhaps have stuck to the word thing, and not
mentioned the word idea, were it not for a reason, and I think a good
one too, which I shall give in the Second Book. (797)
Sie mag dem in Nr. 866 angedeuteten Gedankenzusammenhang angehören.
Schon vorher bestand der Plan eines dritten Buches, das Berkeleys
Aufzeichnungen nur einmal erwähnen:
That w"'' extreamely strengthen.s u.s in prejudice is y' we think we see an
empty Space, which I shall demonstrate to be false in the Third Book. (573)
Den ethisch-religiösen Ausfuhrungen des zweiten Buches, die anscheinend
eine Stütze in Erörterungen über Leib und Seele finden sollten, war also
in einem dritten Buch dem Plan nach eine kritische Naturphilosphie an-
gereiht, die wohl auch eine Kritik der mathematischen (rrenzmethoden
enthalten sollte. Das erste Buch sollte dementsprechend anders beginnen:
Mem. To begin the First Book not with mention of Sensation and
retlection, but instead of Sensation to use perception orthought ingeneral. (560)
Wie das spezieller geplant war. bleibt unersichtlich. Jedenfalls entspricht
ihm der erste, so dunkle wie kurze Paragraph des uns vorliegenden
Treatise nicht.
Wahrscheinlich ist, daß der Plan eines drei Bücher umfassenden
Werkes länger vorhielt (782). Denn der Einleitung, deren in einer frühen,
oben bereits (S. 54) erwähnten Bemerkung als »preliminary discourse about
singling and abstracting simple ideas« gedacht war, wird außer ihrem
uns in den beiden S. 2 1 Anm. 3 besprochenen Redaktionen vorliegenden
Inhalt (213, 501, 527? — Preface: 533, 534?, 586?, 671 — Preface or Intro-
duction: 672, 674, 680, 681, 689, 735, 740) noch anderes zugewiesen. So
noch spät (vorläufige?) Bemerkungen über thing und idea (677, 749a) und
über eine mittelbare Anerkennung der überlieferten Lehrbuchphilosophie:
Even to speak somewhat favourably of the Schoolmen, and shew
tliat they who blame them for Jargon are not free of it tliemselvcs.
Introd. (709)
94 E R n M A N N :
Besonders zahlreich sind Eintragungen über das im Treatise befolgte Beweis-
verfahren, das in der uns vorliegenden Einleitung auf wenige Andeutungen
beschränkt ist (366, 390, 453, 522, 533, 541. 543, 551. 689; vgl. über die
Darstellungsart 210,302,625,626,627,729). So heißt es mit Rücksicht
auf die kritische Erörterung über Abstraktion:
I shall demonstrate all my doctrines. The nature of demonstration
to be set forth and insisted on in the Introduction. In that I must needs
differ from Locke, forasmuch as he makes all demonstration to be about
abstract ideas, w"^*" I say \ve have not nor can have. (576: vgl. 807)
Ferner lesen wir im Anschluß an (712):
When 1 say I will reject all propositions wherein I know not fully
and adequately and clearly, so far as knowable, the thing nieant thereby,
this is not to be extended to propositions in the Scripture. I speak of
matters of Reason and Philosophy — not Revelation . . . (713)
Außerdem erfahren wir von Vorgedanken zu einem antinomischen Beweis-
verfahren, das in der eingehenden Beantwortung von Einwürfen im Treatise
verwertet, in unserer Einleitung jedoch nicht berührt ist:
Contradictions cannot be both true. Men are obliged to answer
objections drawn from consequences. Introd. (854; vgl. 315, 353, 612)
Nicht ausgeschlossen ist, daß bei Abschluß des uns vorliegenden,
ursprünglich als «Part I>< auf dem Titelblatt bezeichneten Teils der Plan
von di"ei Büchern noch bestand. Auf das zweite Buch scheint eine später
von Berkeley fortgelassene Bemerkung in § 144. auf das dritte ein gleich-
falls später ausgefallener Hinweis in § 132 zu deuten. Erst die Vorrede
zu den Dialogen spricht lediglich von einem »Second Part«, über dessen
Schicksale — was Berkeley von ihm ausgearbeitet hatte, ist verloren
gegangen — wir durch bekannte briefli(;he Äußerungen informiert sind.(®*)
Der Titel »Treatise« erscheint im Tagebuch zuerst in der Zeitlage
der Bemerkungen über die drei geplanten Bücher bei Gelegenheit methodo-
logischer Erwägungen:
A various or mixt cause must necessarily produce a various or mixt
effect. This demonstrable from the definition of a cause [als Wille, dem
die Wirkung regelmäßig folgt (446, 486)]; which way of demonstrating
must be frequentl)' made use of in my Treatise . . . (551)
Die überraschende Zusatz- |?] Bemerkung am Schluß der Eintrag^ung:
Hence 'tis evident that, according to Newton's doctrine, colours
cannot be simple ideas.
Berkeleys Philosophie im. Lichte seines wissenschoßlichen Tagebuchs. 1)5
zeigt einen Gegenstand mannigfacher, schwankender Überlegung an (42. 95,
147, 149. 243, 296, 438, 490, 654, 714, 905). Weiterhin werden die Hin-
weise auf das geplante Werk bestimmter (689, 712, 729). Aber erst am
Schluß des Tagebuchs treffen wir. wie schon (S. 2of.) erörtert, auf V.T-
klärungen, die allem Anschein nach einen ersten Entwurf des uns vor-
liegenden verkürzten Treatise voraussetzen.
Reichlich fließen bis dahin Berkeleys Eintragungen über das Ziel seiner
Untersuchimg. »My Doctrine« ist entsprechend der frühen Konzeption
des idealistischen Spiritualismus eine bald fest werdende Formel. Aus dem
Bedürfnis heraus, die eigene Lehre gegen die herrschenden mathematischen
und naturwissenschaftlichen Annahmen abzugrenzen, ist sie ents[)rungen
(29. 30, 92, 235). Weiterhin wird sie positiv gewendet (342,412, 415,
428, 459, [460], 494, 525, 576, 687, 767a). So erscheint sie als »principle«
(306—309. 385, 390, 394, dann 897, 898; vgl. 909, 910). Aber trotz
aller kritischen Ablehnung liegt ihm besonders daran, die Übereinstimmung
mit der empirischen Wissenschaft zu betonen:
My end is not to deliver metaphysiques altogether in a general scho-
lastic way, but in some measure to accoimnodate them to the sciences, and
shew how they may be useful in optiques, geometry, &c. (208)
l know there is a mighty sect of nieu will oppose me. but yet I
may txpect to be supported by those whose minds are not so far over-
grown w"» madness . . .; in a word, all but Mathematicians and Natural
Philosophers (i inean only the hypothetical gentlemen). Experimental
philosophers have nothing whereat to be oftended in ine. (389)
Mem. Much to recommend and approve of experimental philosophy.
(485: vgl. 414)
N. B. My abstract & general doctrines ought not to be condemn'd
by the Royall Society. 'Tis w' their meeting did ultimately intend. V. Sprat's
History S. R. [1667] (494)
Das ist eine, allerdings mehrfach von den (S. 79) schon erwähnten
ablehnenden Äußerungen unterbrochene, stärkere Anerkennung, als in den
entsprechenden Abschnitten des Treatise und der Abhandlung De motu
zum Ausdruck kommt. Sie bildet jedoch anscheinend bis hin zur Siris
mit deren Diskussion naturphilosophischer Hypothesen einen Stimmungs-
hintergrund bei Berkeley. In einem an Samuel Johnson aus Rhode Island
gerichteten Brief heißt es. in »phänomenologischer« Betrachtungsweise:
»The true use and end of Natural Philosophy is to explain the phenomena
of nature, which is done by discovering the laws of nature, and reducing
96 Erdmann:
particular appearances to them. This is Sir Isaac Newton's method; and
such method or design is not in the least inconsistent with the prin-
ciples I lay down. This mechanical philosophy doth not assign or sup-
pose any one natural efficient cause in the strict and proper sense; nor
is it, as to its use, concerned about matter; nor is matter connected there-
with; nor doth it infer the being of matter.« (^)
Mit immer größerer Schärfe wird dagegen die Naturauffassung der
»hypothetical gentlemen« im Tagebuch abgewiesen. So deren Mangel an
Vertrauen auf das in der Sinneswahrnehmung unmittelbar Gegebene:
Ridiculoiis in mathematicians to despise sense. (320)
The folly of the mathematicians in not judging of sensatioiis by
their senses. Reason was given us for nobler uses. (370; vgl. 451)
So nicht weniger ihr Vertrauen auf die Infinitesimalmethode:
Newton's fluxions needless. Anything below a M. [minimum] might
serve for Leibnitz's Differential Calculus. (336: vgl. 337 — 341)
If the disputations of the Schoolmen are blam'd for intricacy,
trifliogness, & confusion, yet it must be acknowledg'd that in the
main they treated of great & important subjects. If we admire the
method & acuteness of the math. — the length, the subtilty, the exactness
of their demonstrations — we must nevertheless be forced to grant they
are for the most part about trifling subjects, and perhaps nothing at
all- (433)
Speculative Math, as if a man was all daj' making hard knots on
purpose to unty them again. (856; vgl. 376, 378, 409, 480, 563, 769,
826, 911—913)
»Nihilarians« ist er nicht abgeneigt, die Mathematiker zu nennen (456,
aber 625).
Aus entgegengesetzten Gründen die gleichen Wirkungen: es ist, als
ob man W. Hamilton über Mathematik überhaupt reden oder Schopen-
hauer die französischen Mathematiker schelten hörte. Berkeley freut sich
des Worts:
Nullum praeclarum Ingenium unquam fuit magnus mathematicus.
Scaliger, (380)
und erläutert es in seiner Weise:
A great genius cannot stoop to such trifles & minutenesses as they
consider. (381)
So kann es nicht wundernehmen, daß .er immer unbedenklicher
wird, die paradoxen mathematischen Konsequenzen seiner eigenen Lehre,
viel stärker noch als später im Analyst, zu Pajner zu bringen:
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaßlicfien Tagebuchs. 1)7
All might be demonstrated by a new methüd of indivisibles, easier
perhaps and juster than that of Cavalierius. (350: vgl. 316, 333, 338, 376,
397,412,456,530)
Subvertitur geometria ut non practica sed speculativa. (497 : vgl. 902)
Er erklärt sogar:
We can prove Newtön's propositions more accurately, more easily,
& upon truer principles than himself (901) mit der Randbemerkung: [to the
utmost accuracy, wanting nothing of perfeetion. Their Solutions of problems
themselves must own to fall infinitely short of perfeetion] (901a.)
ril teach any one the whole course of mathematiques in '/,oo part
the time that another will. (903)
Deshalb wird er nach ersten tastenden Versuchen (246, 250 — 252, 442,
443, 469, 470) mit zunehmender Sicherheit (498, 499) unbedenklich zu
behaupten :
I can squai-e the circle, &c., they cannot, w"'' goes on the best
principles, (906; 913 a)
und ähnliches mehr (268, 276 — 363 — 447 — 259, 264, 265; vgl. 29 — 488
— 454. 756).
Späte Überlegungen, von denen die Kinleitung des Treatise imd der
Analyst nur einen schwachen Schatten werfen, gelten der Zeichensprache
der Algebra. Sie erweitern und vertiefen seine Auflassung vom Wesen
der Sprache :
Woi-ds (by them meaning all sorts of signs) are so necessary, that
instead of being (w" duly us'd or in their own nature) prejudicial to the
advancement of knowledge. or an hindrance to knowledge, tiiat with-
out them there could in mathematiques themselves be no demonstration.
(743; vgl. 724, 799, 869, 871; sowie [358])
Algpbraic species or letters are denominations of denominations.
Therefore Arithmetic to be treated of before Algebra. (750: 758, 793)
Freilich bleibt eine Antinomie, die es unberechtigt erscheinen läßt, nur
die eine der beiden Thesen als Zeugnis anzuführen. Wir lesen einerseits
im Sinne seiner allgemein festgehaltenen Überzeugungen :
Take away the signs from Arithmetic and Algebra, and pray w'
remains? (759)
These are sciences purely verbal, and entirely useless but for
practice in societies of men. No speculative knowledge, no comparing
of ideas in them. (760)
Anderseits sollen wir glauben:
We bave got the Algebra of \i\\rc inteliigenres (900),
Phil.-hist.AbA. 1919. Ar.fi. 13
98 Erdmann:
ein Wort, das wir kaum im Sinne der methodologischen Bemerkung nehmen
dürfen :
N. B. To rein in y« satyrical nature. (626)
Bedeutungsvoll bleibt bei dem allen vielmehr nur die Frage:
Qu. whether Geometry may not properly be reckon'd amongst
the mixt mathematics — Arithmetic & Algebra being the only abstracted
pure, i. e. entirely nominal — Geometry being an application of these to
pointsi* (762)
Freilich eine andere Begründung für diese Deutung der Geometrie, als
Newton sie vorahnend gegeben hat.
Unausgenutzt bleibt bei dem allen ein Gedanke, in dessen Verfolg
Berkeley zu einer ähnlich treffenden Deutung der Mathematik hätte
kommen können, wie vor ihm Hobbes und nach ihm Hume. Er kennt
und betont wiederholt den Relationscharakter der mathematischen Ge-
bilde, speziell die Relationsnatur der Zahl; die Zahl ist ihm früh »the
creature of themind« (103a, 109, 329, 535, 632, 639, 669, 725). Er streift
den für die Stellung der Mathematik gegenüber den Tatsachenwissen-
schaften entscheidenden Gedanken:
The vast, wide-spread, universal cause of our mistakes is, that we
do not consider our own notions.* 1 mean consider them in themselves,
fix, settle, and determine them, — we regardiiig them with relation to each
other only. In short, we are much out in studying the relations of things
before we study them absolutely and in themselves . . . (530)
Aber ihm schwebt dabei lediglich die unzureichende philosophische
Einsicht in die mathematischen Grundbegriffe vor. Denn er fahrt fort:
. . . Thus we study to find out the relations of figures to one another,
the relations also of number, without endeavouring rightly to understand
the nature of extension and number in themselves. This we think is of
no concern, of no difficulty, but if I mistake not 'tis of the last impor-
tance. (vgl. 904)
Die Idee der Relation selbst wird jedoch nicht zum Gegenstand seiner
Untersuchung. Er erklärt vielmehr im Zusammenhang seiner späten Re-
flexionen über die Algebra:
The obscure ambiguous term relation, which is said to be the largest
field of knowledge, confounds us, deceives us. (726)
Sie bleibt bei Berkeley auch späterhin bekanntlich unanalysiert, obgleich
er in einer überraschenden, nicht ausgearbeiteten Zusatzbemerkung zur
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaflUchen Tagebuchs. 99
zweiten Auflage des Treatise (1734) in vollem Widerspruch zu seinen
übrigen Ausführungen die »notions of relations« den »ideas« und den
»notions of spirits« zur Seite stellt (Tr. ' §89).
Ungleich eindringender, wenn auch weniger ausgebreitet als die mathe-
matischen und naturwissenschaftlichen Studien, von denen das Tagebuch
Kunde gibt (vgl. noch 146, 475, 477), sind die philosophischen, die es
direkt bezeugt. Daß der Einfluß von Lockes Essay von vornherein fiir ihn
maßgebend war, ist schon früher (S. 41 f.) besprochen worden. Nach einer
ersten, durch die Ausarbeitung der eigenen Gedanken bedingten Pause
tritt die Beschäftigung insbesondere mit dem Hauptwerk Lockes, aber auch
mit dessen Streitschriften gegen den Bischof von Worcester und mit den
»Posthumous Works« von Locke langsam ansteigend, in dem zweiten Drittel
der Aufzeichnungen in dichtgedrängten Namensnennungen, dann langsam
abflauend, deutlich hervor. Später erst erscheint der Name von Descartes,
anfangs spärlich und nebensächlich in Form ablehnender Berufungen auf
die Cartesianer (281,408,438,463; vgl. 874, 875), spät erst so, daß eine
selbständige Kenntnisnahme der Meditationes und der Schrift De methodo
ersichtlich wird (731, 775, 780, 784, 785, 791, 795, 801, 808, 809, 833).
Etwas früher und häufiger begegnen wir den schon (S. 40) erwähnten
— durchgängig ablehnenden — Hinweisen auf Malebranche. (®*) Spät erst
wird, nach einer ganz frühen allgemeine« Berufung auf den religions-
feindlichen »Hobbismus« (17), der Name von Hobbes (786 — 789, 796, 812,
814, 815, 817, 824, 826), noch später einige Male der von Spinoza (814 —
817, 821) erwähnt. Weniger anderer wie Fardella, Bayle, Henry More,
Le (;ierc usw. wird gelegentlich nebenher gedacht. Abgesehen von dem
Studium Lockes handelt es sich off'enbar durchweg um Orientierungen nach
dem Abschluß der eigenen Lehre. Es bleibt also bei dem, was friiher
über die Entwicklung Berkeleys zu sagen war.
So ist der weite, leider auch für den Leser mühsame Weg zurück-
gelegt, der zu einem Verständnis des wissenschaftlichen Tagebuchs von
Berkeley fuhrt. Durchweg hat die Analyse der in ihm niedergelegten
Gedankenreihen die Hypothesen bestätigt, die Lorenz aus seiner Unter-
suchung des Manuskripts erschlossen hat. Darüber hinaus ergab sich, daß
die ersten sachlichen Eintragungen (II — XXIII) Diskussionsthesen von einem
13*
100 Erdmann:
Anfängerstandpunkt aus ergeben, der noch nichts von den Gedanken des
Immaterialismus erschauen ließ. Aus dem Chaos der späteren Aufzeich-
nungen (i — 917), das in Fräsers Ausgaben vorliegt, ließ sich dagegen ein
von der Idee des Immaterialismus aus fortschreitender, wenn auch, wie
selbstverständlich, nicht gleichmäßig stilisierter Gedankenaufbau heraus-
arbeiten. Auch sein Bestand bestätigte durchaus Lorenz' Hypothesen über
die ursprüngliche Konstitution des Manuskripts und ließ diese Aufzeichnungen
als Bestandteile eines wissenschaftlichen Tagebuches erkennen, das aus-
schließlich für den eigenen Gebrauch des Philosophen bestimmt war.
Der Ursprung der leitenden Idee des wissenschaftlichen Tagebuchs
fand sich in einer religiös motivierten Umdeutung der emxiiristischen Lehren
Lockes. Sie zeigte Berkeleys Lehre als das Elndglied einer das ganze
17. Jahrhundert in mannigfachen Formen durchziehenden Reaktion gegen
den Rationalismus der spätscholastischen und der neueren Philosophie.
Berkeleys Abstraktionstheorie ließ sich nach ihrer diu-chweg kritischen
Funktion als Folgebestimmung der Idee des Immaterialismus feststellen;
die überlieferte Annahme ihres Einflusses auf den Ursprung von Berkeleys
Philosophie zeigte sich als Irrtum. Reichhaltig waren die ergänzenden Auf-
klärungen des Tagebuchs über die Vorgedanken Berkeleys zur Theorie der
Kausalität, zum Begriff der Existenz überhaupt, sowie insbesondere zu den
Lehren von den endlichen Geistern, ihrer Identität, ihrer Substantialität und
ihrem Verhältnis zu Gott.
Aus dem allen ergab sich im wesentlichen folgendes. Berkeley war
kein repräsentativer, synthetischer Geist wie Piaton oder Kant. Augustin
oder Thomas von Aquino. Descartes oder Leibniz. Hegel oder Comte.
Er vereinigte nicht die geistigen Strömungen seiner Zeit, sondern er rea-
gierte kritisch gegen deren rationalistische Denkweisen und die ihnen ent-
stammende Naturauffassung aus religiösen Motiven. Er gleicht in dieser
Hinsicht bei aller Verschiedenheit des Milieus und der Individualitäten
Spinoza, Fichte oder Schopenhauer, ihnen ebenbürtig in der Originalität
der Gedankenführung, in dem Scharfsinn seiner Dialektik, in der Un-
erschrockenheit, mit der er die paradoxen Konsequenzen seiner grund-
legenden Überzeugungen zieht, jenen dreien, wie schon früher anzudeuten
war, entgegengesetzt nur darin, daß nicht das ethische, sondern das religiöse
Bewußtsein in christlicher Färbung, ähnlich wie bei Pascal und Malebranche,
die Triebkraft seiner Deduktionen ausmacht, sowie darin, daß sein Denken
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 101
urspnmglich durchaus im Fahrwasser des Empirismus verbleibt. Anziehender
als alle die Genannten ist er dtirch die Urwüchsigkeit, mit der, trotz aller
Abhängigkeit von Locke, seine Lehre innerstem Erleben entquillt. Anziehend
dadurch vor allem der Berkeley des Tagebuchs.
Eine Schule komite solcher Lehre nicht erstehen. Antreibend aber
hat sie wie nur wenige gewirkt. Das bezeugt ihr schon eingangs skizzierter
Einfluß auf die flntwicklung der englischen Philosophie von Ilume, Th. Reid,
Priestley bis hin zu Stuart MiU, sowie auf die erste Entwicklung des fran-
zösischen Positivismus ungleich stärker, als unsere landläufigen Darstellun-
gen der Geschichte der neueren Philosophie erkennen lassen. Und so
gern Berkeley sich auf die Übereinstimmimg seiner Lehre von der Außen-
welt mit dem common sense benift: der Gegensatz, in dem sie zu dem
naiven Realismus des gesunden Menschenverstandes steht, hat sehr viel
melir als die von solchem Verstand getragene Lehre Lockes die Erkenntnis-
theorie zur Gnmdwissenschaft der theoretischen Philosophie gemacht. Wie
viele fruchtbare Keime zu erkenntnistheoretischen Problemen in Berkeleys
früher Entwicklung vorhanden waren, hat hoffentlich die vorstehende
Analyse seines Tagebuchs aufgewiesen. Nicht weniger bahnbrechend sind
seine psychologischen Leistungen. Alle Ansätze zur introspektiven Assozia-
tionspsychologie, die von Ilartley und Hume ausgebildet wurden, sind
schon in seiner feinsinnigen Suggestionslehre enthalten mid haben ohne
Zweifel speziell auf Hume nachhaltig eingewirkt. Und nie wird seine
metaphysische Gnmdüberzeugung aufhören, die Herzen derer zu gewinnen,
die nur in einem religiös zentrierten Weltbild Befriedigung empfinden.
Selbst seine Naturauffassung darf nicht lediglich als das Musterbild einer
auf den Menschen als Mikrokosmos bezogenen Teleologie ausgedeutet, und
noch weniger lediglich nach ihren wissensfeindlichen Konsequenzen bewertet
werden. Bei all ihrem Gegensatz gegen die Auflösung des Glaubens in
der Vernunft, die das Freidenkertum seiner Zeit predigte: wo ist der alte
Gedanke von der Natur als der Sprache, in der Gott zu allen Menschen
jederzeit geredet hat. reicher und tiefer ausgebildet als bei Berkeley? Die
Idee also einer Vernimftreligion, die jedem jederzeit gegenwärtig ist? Sie
ist in seiner Fassung doch nur die rehgiöse Kehrseite der Meinungen,
die in fortschreitender Ablehnung den religiösen Glauben aufhoben, um
die Vernunft freizumachen. Und noch etwas ganz anderes. Nach Abzug
dieses religiösen (irundzugs und jener wissensfeindlichen Tendenzen bleibt
102 P^RI>M A N N :
schon bei Berkeley in ausgesprochenster Weise die rein phänomenologische
Betrachtung des Naturwissens übrig, die gegenwärtig in der mathematischen
Physik zu weiter Verbreitung zu gelangen scheint.
Bedarf es einer Entschuldigung für den Umfang der Arbeit an einem
entlegenen Punkt der philosophischen Gedankenwelt: ich nehme sie auf
Grund solcher Einschätzung der Persönlichkeit und ihrer Leistung für mich
in Anspruch.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines loissenschaßlichen Tagebuchs. 103
Anhang I
Sachliche TextdiflTerenzen in Fräsers Ausgaben'
AIV S.:
420 Trifling for the philosophers . . . (386)
Pbilosophers (I mean — gentlemen).
Experimental . . . (389)
of gold, &c, tbat . . . World, as well as
that shamefuU . . . (394)
, i.e. object,iininediateobject,ofthought.
(411)
424 . . . inath[ematicians] . . . perhaps notbing
at aU. (433)
of motion and those . . . this new to
me. (479)
But thea all abstract ideas . . . con-
ceive a general idea . . . abstract one
idea . . . (484)
collection of ideaa . . . Of general body
no idea. (500)
420
421
422
429
430
43«
17
18
432 General ideas cause ... (513)
433 . . . as I have proved in green. (515)
435 ... if a man use y" in a ... (534)
435 . . . besides ourselves, & order praece-
daneous is the knowledge . . . (537)
436 . . . for me against general ideas . . . (545)
436 , . . general ideas. These include . . .
s. 9. c. 7. (550)
439 . . . staad for general ideas . . . (581)
21
21
*4
24
25
25
BIS.:
7 Trifling for the [naturaljphilosophers...
8 Philosophers. I mean . . . gentlemen.
Eiperimental . . .
8 of gold, that . . . world, and that sbame-
full . . .
9 i. e. an object — immediate object — of
thought.
2 Math[ematicians] . . . perhaps mean no-
thing at all.
. . . of motion and of those . . . this is
new to me.
. . . But then all ideas ^ . . . conceive an
abstract general idea ... abstract one
concrete idea . . .
. . . collection of concrete ideas . . . Of
general abstract body we can have
no idea.
Abstract ideas cause ...
. . . as I have pix)ved. S. Anhang II
... if a man use words in a ...
. . . besides ourselves & order, praece-
daneous. To the knowledge . . .^
... for me against abstract general
ideas' . . .
. . . general ideas. Abstract ideas in-
clude ... c. 7. s. 9.
. . . stand for abstract general ideas . . .
29
' Die willkürlich in Fräsers Ausgabe B zugefügten oder veränderten Worte sind hier
gesperrt gedruckt. Maßgebend also bleibt der Text von A. Nochmals sei daran erinnert,
daß die den Eintragungen von A IV in Klammern beigefügten Zahlen die von mir vor-
genommene Numerierung geben. Die (L I. II) beziehen sich auf Lorenz' Korrekturen Ver-
zeichnisse zu Fr. B im Mind N. S. XIII, 1904, S. 304 f. und im Arch. für Gesch. der Philos.
XVIII. 1905, S. 555. Die wenigen Fälle, in denen es sich möglichenfalls um Druckfehler
— meist in B — handelt, sind durch ein angehängtes [D.?] bezeichnet
' Hier war «all abstract ideas* geboten.
' Der Text Fräsers bleibt freilich auch ic B sinnlos. Den richtigen Text s. Anhang 11.
104
Erdmann :
A IV S. :
442 . . . Will is a power; [Uherefore] volition
... (613)
444 . . . homonymy in the word 'thing' w°
apply'd tu ideas and volition, and under-
standing and will. All ideas are passive
volltions [er actions]. (634)
445 . . . perceived — y' it was . . . (647)
445 . . . refrangible rays, . . . [the others],
being . . . (654)
446 . . . make of general ideas . . . {657)
446 . . . stand for the Operations of ihe mind . . .
(658)
447 ... do obtain — of co-existence in na-
ture — of signification ... by including in
morality. (669)
449 . . . eternity of Space — the possibility . . .
(688)
451 . . . be the Image or like . . . (699)
45 1 ... lest offence be given — there being but
one volition acknowledged to be God.
Mem. . . . (706)
455 ... brutes have the ideas — Unity & Exist-
ence? . . . (739)
455 . . . necessary, that instead ... to know-
ledge, that without . . . (743)
457 ... i.e. may or maynot be called . . . (769)
458 . . . betwixt the volitions . . . one Act,
distinguished ... is the spirit, operative
prineiple, ... (779)
459 . . . existence x x x first Book. (782)
460 . . . ideas — or not ideas . . . (793)
460 . . . things, or ideas, or actions — but . . .
(794)
460 Idea is the object or subject of thought
. . . 'Tis an act, i. e. volition. (798)
46 1 ... sense themselves as proceeding . . . (808)
463 . . . volitions & ideas — cannot be severed
... (829)
U I S.:
31 ... Will is a power; [therefore] volition
34 . . . homonymy in the word thing, w° ap-
ply'd to ideas and volition and under-
standing and will. All ideas are passive*.
35 . . . perceived, i. e. y' it was . . .
35 . . . refrangible rays; [the others], being ...^
36 . . . make of abstract general ideas . . .
36 . . . stand for Operations of the mind
... [D..^]
37 ... do ohtain: of co-existence, in nature:
of signification, by including, in morality*.
39 . . . eternity of Space and the possibi-
lity . . .
41 ... be the image of, or like . . .
41 ... lest offence be given. Mem. ... [D.?]
45 . . . brutes have ideas o f Unity & Exist-
ence? . . .
45 . . . necessary that, instead . . . to know-
ledge, without . . .
48 . . . may not be called . . . [D. ?]
49 . . . betwixt volitions . . . one Act — distin-
guished . . . is the Spirit, i. e. operative
prineiple, . . .
49 . . . existence (?) xxx First Book*.
50 . . . ideas — or at least not ideas . . .
50 . . . things or ideas, or about actions;
but . . .
5 1 Idea is the object of thought . . . 'Tis an
act — i. e. volition.
52 ... sense as themselves proceeding . . .
54 . . . volitions and ideas . . . cannot be
separated . . .
' In A ist hier angemerkt: »So in MS«, was unverständHch bleibt und nach Aiihang II
irrig ist.
^ Also anscheinend der für Fräser unleserliche Schluß ausgelassen. Vgl. Anhang 11.
ä Anscheinend also Unleserliches, in B nicht mehr als solches gekennzeichnet. Vgl.
Anhang II.
* Den richtigen Text s. Anhang II.
° Den richtigen Text s. Anhang II.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschafllichen Tagebuchs. 105
AIVS.:
464 . . . than that of Des Cartes . . . (833)
464 . . . cause — & why . . . absurditys. I say
you . . . (838)
465 Those may more . . . (844)
467 .. . . say he or his mind . . . sun or ex-
tended . . . wlthout his mind . . . (873)
468 Time, train of . . . (4)
468 . . . empty'd of intelligences. (23)
469 Nothing corresponds . . . ideas w*''out
but ... (41)
471 ... minimum tangihile would look. (59)
. . . a blind [man] made . . . (97)
. . . bodies being in rerum natura . . . parts,
in . . . (98)
. . . are not disputes [D.?] . . . (158)
479 . . . number no simple . . . succession in
them . . . (163)
. . . complex and uncompounded . . . b. 2.
S.35- (174)
. . . greater extensions . . . lesser exten-
sions . . . necessary connexion . . . (178)
474
474
478
479
480
480 . . . but not an absolute, actual existence
... (182)
481 ... perceivable of the sight . . . (203)
482 Hereby meere men cannot . . . (205)
483 ... they See [extension]? (221)
489 . . . perceptions, and that a perception . . .
perceiv'd ; that a thought . . . tbing ; that
one . . . (280)
490 ... all a case (286)
492 . . . farther off, &c. (305)
494 . . . should be general ideas? (321)
498 An idea cannot exist unperceiv'd (382).
500 . . . mistaken, is [D. ?J asserting . . . (905)
500 . . . lose their Matter . . . (909)
500 . . . fnture philosoph. . . . (910)
501 The Materialists & Nihilarians need not
be of a party. (917)
BI S.:
54 . . . than those of Des Cartes . . .
55 ... cause, & why . . . absurditys: you . . .
55 The physical may more . . .
58 . . . say he or his mind . . . sun, or is ex-
tended . . . without mind . . .
58 Time is the train of . . .
59 . . . empty'd of all intelligences.
60 Nothing w"'out corresponds . . . ideas
but ...
62 ... minimum tangibile would look in
Vision.
65 ... a born-blind [man] raade ...^
65 . . . bodies existing in rerum natura . . .
parts — in . . .
69 . . . are not disputed . . .
70 . . . number are no simple . . . succession
to [D.?] them ...
71 . . . complex and compounded . . .
b. 2. c. 23. s. 35.
71 ... greater t an gib le extensions ...lesser
tangible extensions . . . necessary con-
nexion . . .
71 ... but not an actual existence . . .
73 . . . perceivable by the sight . . .
73 Hereby meere seeing cannot ..."
75 ... they See extension?
80 . . . perceptions; a perception . . . per-
ceiv'd; a thought . . . thing; one . . .
81 ... all a case of words.
83 . . . farther off.
84 . . . should be abstract general ideas?
fehlt in B I.
91 ... mistaken, in asserting ...
91 ... lose their abstract or unper-
ceived Matter . . .
91 ... future nat. philosoph. ...
fehlt in BI.
Vgl. Anhang II.
PhiL-hist. Abh. 1919. Nr. 8.
14
106 Erdmann :
Anhang IL
Textverbesserungen von Fräsers Ausgabe A IV nach Lorenz' Kollation.
Die in der Kolumne »Nr« stehenden Zahlen gehen Berkeleys Eintragungen mit Ein-
schluß der beiden in B I fortgefallenen (AIV S. 498 Nr. 382 und 8.501 Nr. 917) in der
Folge, die sich aus den im vorstehenden Text sicher verifizierten Hypothesen von Lorenz
ergibt. Es finden sich demnach
Nr. I— XXIII bei Fr. A IV S. 23 und 25—26
1—382 . . „ , . 468—498 = Fr. B I 58—89
. 383 — 877 •> »■ » . » 419 — 468 = • " • 7 — 58
» 878 — 917 • ...» 498 — 501 = » • ■ 89 — 92
» a — f ■ . » . . 501 — 502 = • » ■ 92
Die Zählung ist nach Anordnung und Beschaffenheit des Textes von Fräser keine
endgültige. Die von Fräser unter seinem Text angemerkten Eintragungen, die am Rande
der beschriebenen oder auf den sonst zumeist leeren Seiten des Manuskripts stehen, sind
der leichteren Orientierung halber als 174a, 221a, 346a, 354a, 372a, 432a, 472a, 724a,
878a, 901a gezählt. Von den mitten im Text stehenden ist die in 413 eingefügte als
413 a bezeichnet; zwei andere, bei Fräser selbständig aufgeführte sind als 460 und 487
numeriert. Eine ganze Reihe von Randbemerkungen, die Fräser ohne Angabe ihies Orts
im MS seinem Text eingefügt hat — Lorenz hat sie in dem Handexemplar unseres Seminars
kenntlich gemacht ■ — , sind gleichfalls, wo es sich nicht um bloße Textergänzungen handelt,
selbständig gezählt; im Nachstehenden sind sie durch [ ] gekennzeichnet. Zwei bei Fräser an
falschen Ort gestellte Eintragungen sind nach ihrem Ort im Manuskript als 602 und 761 gezählt
Die von Fräser in ( ) eingeschlossenen Worte gehören allem Anschein nach durch-
gängig dem MS an; wo bei [] in Fräsers Text diese Herkunft ausgeschlossen oder zweifel-
haft war, ist dies im Nachstehenden angezeigt. Die von Lorenz im Mind und im Archiv
f. G. d. Ph. (vgl. S. 103 Anm. i) veröffentlichten Korrekturen des Fraserschen Textes sind als
(L. I, II) und (L. II) kenntlich gemacht: die zahlreichen Besserungen, die Lorenz in unserem
Handexemplar gegeben hat, sind ohne Zusatz aufgeführt. Die Wortkorrekturen von Lorenz
sind gesperrt gedruckt. Die irrigen Lesarten Fräsers sind nicht nochmals verzeichnet; der
nachstehende Text gibt lediglich den von Lorenz berichtigten Wortlaut.
Fräsers Verlesungen in den beiden Statutengruppen (AIV 23 — 25 und 26 — 27) stelle
ich nach Lorenz hier in Sperrdruck vorweg zusammen. Man lese
Fr. A IV S. 24 Z. 15 u.: ... every member who . . .
» 13 " ... opinion of any member whatsoever . . .
- ■ 4 » ... from the assembly be . . .
» 25 • 15 ... that each member ...
• 26 • I u. . . . the second Junior speak.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 101
Berichtigungen und Ergänzungen zu Fräsers Text der Eintragungen Berkeleys
nach Lorenz.
Nr.
Fräser, Seiten
AIV BI
»3
»5
468 58—59
I [Mem. . . . 1705]
n — VI IV Whether discerning, remembering, knowing,
vacat comparing, compounding, abstracting, &c, be
simple ...
26 VII— XXUI X God Space. b2, 13, 26, & 15, 2.
XIjI . . . L. gives b. 2 c. 16 s. 4.
XV ... therefore complex ideas? (L. II)
XVI . . . be so very signal? (L. U)
XVII . . . we know [Phave] names for? (L. II: we
(have?) names for).
XVm ... solved by Locke. (L. 11)
XXI . . . thinking, extension ... body, time can be
conceiv'd and measur'd . . . no motion was, will
is not free, &c. (L. II)
XXII ... involuntary tho' free? (L. II)
XXIII . . . by figures borrowed . . .
I — 23 7 a [Accedat huc suavitas quaedam oportet sermonum
atque morum haudquaquam mediocre condimentum
amicitiae. Cic. de Amicitia.]
9 . . . intelligences. [13c. Matth. v. 22 & 30.]
. of m o t i o n shews . . .
. Adam, rise of idolatry, rise of . . . (L. I, II)
is] encreas'd & ... (L. 1, 11)
visible, or [abstrahible or] both?
to a Blind at first . . .
specifically distinct, ...
w"^ must be less . . .
idea diminishable arl infinitum.. (L. I, II)
in State of . . .
a blind made . . . distance y' he had . . .
100 [The trees . . . seeing them.]
looa The swiftness or slowness of motion depends
on our Ideas, it does not therefore foUow that
the same force can impell a body over a greater
' Die eckige [ ] in 37 : Extension . . . contradiction bei Fr. bezeichnet vielleicht keine
Randbemerkung.
' Ebenso die [] in 53: Succession ... idea, in 54: Visible ... same, in 57:
Extension ... 'em]?
14*
»5 •
17 •
469
59—60
24—41 '
470
60— 6i
4»— 5«
47«
61—62
5«-67'
54 •
55 •
62 .
47a
62—63
68 80
70 .
73 •
'
75 •
473
63-64
81—94
84 .
474
64—65
95— >03
97 •
108 Ekdmann:
Fräser, Seiten Nr..
AIV BI
or less Space in proportion to slowness or swift-
ness of our ideas.
loi . . . blind would '
1 02 a The reason explain'd why we see things erect
their images being inverted in the eye.
475 65 — 66 104 — 120 103a Nvimber not without the mind in anything,
because 'tis the mind by considering things as one
that makes complex ideas of them, 'tis the mind
Combines into one, which by otherwise considering
its ideas might make a score of w' was but one
just now.
105 ... solidity not perceived ... (L. I, II)
III ... power L., b. 2 ...
117 ... duration? See Locke ...
1 20 Blind at i»*
476 67 — 68 121 — 138 137a Preliminary discourse about singling and
abstracting simple ideas.
477 68 — 69 139 — 153 143a [This true on . . . the will.]
144 a W should we think of an object plac'd as in
the difficulty if we saw it clearly.
145 a According to Locke we have not liberty as
to virtue and vice, the liberty he allows consisting
in an Indifferency of the operative Faculties which
is consecutive to the will, but virtue and vice
consist in the will, ergo &c.
478 69 — 70 154 — 162 157 ... the progression of Wills ...
159 ... A man must not onely . . .
479 70 — 71 163 — 175 172 ... sensible. The reason's piain. Hence . . .
173 [The grand ... we have not]
1 74 a [Omnes ... eh. 8]
480
71—72
176 — 191
481
72—73
192—203
482
73—74
204 — 214
193 [Qu. whether . . . Will?]
205 Hereby meerly men ... (L. I, II)
207 . . . great angle, faintness . . .
483 74 — 75 215 — 223 2i8a We seem to have clear & distinct ideas of
large numbers v. g. 1000 no otherwise than by
considering "em form'd by the multiplying of
small numbers.
22ia ... See [distance]. Die bei Fr. B I in 221 ...
[extension] fortgefallene Klammer macht unklar,
daß distance Verbesserung für extension ist.
' Das [man] scheint erläuternder Zusatz Fräsers zu sein.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschafllichen Tagebuchs. 109
Fräser,
Seiten
Nr.
AIV
BI
484
75—76
224 — 231
485
76—77
232—247
486
77—78
248—257
487
78—79
258—266
489
80—81
278—284
490
81
285—294
491
492
493
494
495
496
497
498
82
83
295—301
302—309
83—84 310—319
84—85 320—334
85—86 335—346
86—87 346 a— 359
87—88 360—373
88—89 374—382
253 . . . homely, and to think . . .
282 ... Sense — Collections of thoughts & Collections . . .
285 ... should disaver the ... .
289 [The great . . . quality.]
292 [Finiteness . . . geometers.]
294 . . . Combinations of thoughts; & Combinations . . .
295 [Bodies . . . body, &c.]
298 a pittle extension by distinction made great.]
302 ... & pomp' of ... of Stile, having ...
(L. I, n)
304 ... be a partial cacse of the phenomenon . . .
is less in the horizoa.
305 [We judge ... off, &c.] S. Anhang I.
310 [We think ... objects.J
334 a [Newton in sad plight about bis Cave intellexeris
finitas]
346 a [or rather . . . exist]
354 a [By excuse . . . to us.]
358 [Nor can . . . ideas]
361a If uneasiness be necessary to set the will at
werk. Qu. How shall we will in Heaven.
36 1 b Malbranche's & Bayle'.s arguments do not seem
to prove against Space but only Bodies.
363 . . . but that w" look'd . . .
367 [Qu. wether I had . . . understanding?]
368 [The taking . . . mind.]
369 [I see . . . Nihilarians.]
370 [The foUy . . . uses.]
372a [Extension without ... abstraction.j zu 372:
Extension . . . mind
373 . . . the Focus's of glasses . . .
374 [Sir Isaac . . . indivisibles]
375 ... vessels if matter . . .
376 . . . acts. I know it by . . .
377 [Mathematicians . . . parts.]
378 [The mathematicians . . . mind.]
382 An idea cannot exist unperceiv'd. (S. Anhang I.)
' So auch bei Fr. AI S. 437.
110
Ek DM A NN :
Fräser,
Seiten
Nr.
•
AIV
BI
419
7
383
420
7-8
384—394
390 •
. his principle; I . .
421
8-9
395—410
394 •
. as well as of that
422
435
436
437
438
439
9 — 10 411 — 424
423
11
425—433
424
12
434—443
425
13
444—449
426
14—15
450—457
427
15—16
458—463
428
16 — 17
464—474
429
17—18
475—484
430
18—19
485—496
431
19 — 20
497—505
432
20 — 21
506—516
433
21 — 22
517—523
434
23—24
524—531
24—25
532—542
25—26 543—552
26—27 553-564
27—28 565—574
28—29 575-584
413a... percipere [or velle, i. e. agere] The horse . . .
421a ... exist [making thought to be active]
432 a . . . have [That need . . . and idea]
433 . . . of the math. — the length . . .
436 . . . for defining it [motion] erläuternder Zusatz
von Fräser?
450 ... one, a receiv'd one ...
460 [According to my doctrine all are . . . other
doctrine].
463 ... I mean a Cartesian, why ... (L. I, H)
464 [Or rather . . . mind]
472 a [This I do not altogether approve oC]
475 . . . Huygens, &c. may be . . .
480a [Power no simple Idea — it means nothing but
the Relation between Cause & Effect.]
487 [It should . . . uninteUigible].
499 ... shall discern an . . .
505 ... sensible quality. These ...
515 ... I have proved in Green. (L. I, II)
523 ... bodys, mem: to reflect ...
525 ... The distinction betwixt entia realia ...
530 ... in study ing the . . .
537 ... & even praecedaneous to the
539 a Mem. . . . Locke, [it is of y* Reality of
Knowledge]
546 . . . But f ew or none . . .
548 . . . [Forasmuch as] to be used.' Die Klammer
schon bei Berkeley.
558 ... to be noted as ...
571 ... 'that & thing' ... (L. I, II)
575 ... from white. Das bei Fräser angeschlossene:
»men x x x« bildet den Anfang einer selbständigen
unleserlichen Eintragung (575a), die nicht mit men
anfängt. (L. II)
582 . . . on this: viz. 'The whole ...
Die Eintragung ist zur vorhergehenden: -A foot ... points- als zu ihr gehörig
gezählt.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenscltafllichen Tagebuchs. 111
Fräser, Seiten Nr.
A IV B I
440 29—30 585—596
441 30—31 597 — 610 60 j Unter dieser Nummer ist »[It is not so . . . or
act] • gezählt, dessen Ort im Manuskript bei Fräser
verschoben ist. Also 601 : The act . . .
607 The understanding . . . will. This allow'd here-
after sind als eine Nummer gezählt.
609 . . . Hylarchic . . .
44J 31 — 3a 611 — 625 613 ... power; therefore volitioii is . . . So im
Manuskript.
615 ... thinking, not active. (L. I, ü)
624 bodies betwixt those ... (L. I, ü)
443 32 — 33 626 — 633 626 a "Tis folly to define volition an act of tbe mind
ordering. For neither act nor ordering can them-
sclves be understood without volition.
628 . . . there must be . . .
631 ... or infinitely greater.
634 . . . volition, understanding and will. All ...
volitions are active. (L. I, II)
649 . . . idea of y' Will . . .
654 . . . rays, . . . ', l)eing . . .
656 a S. If by idea you mean object of the Under-
standing, then certainly the will is no Idea, or
we have no idea annext to the word will.
669 ... of signification or including or linking,
(?]" by including in morahty.
673 . . . of w' one never acted, &c.. solv'd therebv.
(L.I,ID
677 . . . for the using . . .
679 [Un second . . . bodies]
706 ... understanding I must call
724a [This seems ... negation.]
749 a M. Why I use not the word thing instead of
Idea? Introd.-*
' Die . . . bezeichnen bei Fr. hier Unleserliches, [the others] ist Zusatz von Fräser.
' or including or linking — nach Loi-enz zweifelhaft.
' Der Satz »Useful to inquire . . . occisioiis« ist selbständig, als 747 gezählt.
444
33—34
634—644
445
35
645—654
446
36
655 — 661
447
37—38
662 — 672
448
38—39
673—681
449
39—40
682—689
450
40—41
690 — 698
45»
41—42
699- -7 10
452
42—43
711— 717
45i
43—44
718—726
454
44—45
727—737
455
45—46
738—745
456
46—47
746—760
112
l
Erdmann:
Fräser,
Seiten
Nr.
AIV
BI
457
47—48
761—770
761 Sensual j
iure . . . demonstrated. Der Ort im
Manuskript ist bei Fräser verschoben. Also Qu. . . .
points = 762
763 ... [b. 4 c. 8] Zusatz Fräsers ?
767 a Agreeable to my Doctrine of Certainty. He
that acts not in order to the obtaining of etemal
Happiness must be an infidel, at least he is not
certain of a future Judgment.
458 48 — 49 771—782 779a So gezählt die offenbar selbständige Schluß-
bemerkung bei Fr. 779: No mention ... a party.
^^g ^g — 50 783 — 791 782 . . . existence at least in the first book. (L. I, II)
783 a [Also of non-coexistence as Gold is not blue.]
Hinter stone ' einzuschieben ?
460
50—51
792 — 800
461
51—52
801—814
462
52—53
815—822
463
53—54
823—831
819 . . . made on y ^ word . . .
825 a Treating of Matter I had better say the Pro-
portion & [Beauty ?] of Things than their Species
(w°'" Locke hath proved already) are the work-
manship of the Mind.
827 ... is omniscient, omnipotent, &c. (L. I, II)
827 a One great cause of Miscarriage in Men's affairs
is that they too much regard the Present'.
828 ... wish J. S. that ...
464 54 — 55 832 — 840 832 . . . Epist. I » ad . . .
836 ... & will &c. in
465 55 — 56 841 — 852 848 ... their discovery. (L. I, H)
466 56—57 853—867
467 57- — 58 868 — 877 872a One simple Idea can be tlie pattem or re-
semblance only of another. So far as they differ
one cannot resemble the other.
874 .. . , De Id. In. ...
875 ... mind as we do Hunger not ... (L. I, II)
•
498 89 878 — 887 878a [These arguments ... Treatise]
887 . . . passive reception or . . . (L. I, II)
499 89 — 90 888 — 900
500 90 — 91 901 — 912 901a [to the utmost ... perfection]
904 Innumerable vessels if matter. V. Cheyne.
[L. n.] So auch (375)
' Die unmittelbar zusammengehörigen Bemerkungen : ■ Some ideas . . . But . . .
essen tial« sind als eine Eintragung (830) gezählt.
BerMeys Philosophie im Lichte seines wissenscJuiflUchen Tagebuchs. 113
Fräser, Seiten Nr.
AIV BI
907 — 912 [] "In diesem Fall ist die linke Seite
vielleicht nicht lür nachträgliche Zusätze benutzt,
sondern (da der zur Verfügung stehende Raum
sich dem Ende zuneigt) gleich von vornherein für
die laufenden Notizen« (Lorenz im Handexemplar
des Seminars).
501 91 — 92 913 — 917 913 [The mathematicians ... neighbours]
913 a I can Square the circle, & they cannot which
goes on the best principles.
Fräser hat seinem Abdruck des wissenschaftlichen Tagebuchs noch sechs Eintragungen
Berkeleys angefugt, die sich, wie er A IV bemerkt, in einem anderen Band des Berkeley-
Nachlasses finden.' Lorenz berichtet nichts Weiteres über diese Sätze, die Fräser in B
ohne Angabe ihrer Herkunft dem Tagebuch angefügt hat. Ich füge die Korrekturen von
Lorenz zu diesen Eintragungen (Nr. a . . . f) bei.
501 a, b a . . . before, set my . . . and enjoy myself with . . .
b ... better relish and exacter knowledge . . .
502 c — f c ... would win another ...
e ... is o n him . . .
Der Erläuterung oder Verbesserung bedürftig ist der Wortlaut bei Fräser in den
nachstehenden Eintragungen :
475 66 114 'Of and 'thing' causes of mistake — Vgl. 652 : The
referring ... in this. Anders 571: Say you ...
with US.
477 68 140 .K. B. W« ... t'other? Wer mit A.B. hier sowie
in 155 und 162 gemeint ist, weiß ich nicht zu sagen.
. . . be solid that . . . lies: . . . be solv'd that . . .
. . . \ad infiniturn] . . . Irrtümliche Erläuterung oder
verlesen von Fräser?
. . . tarn . . . quum . . . lies : ... tam . . . quam . . .
. . . Principles. lies (?) Principle. Aber vgl. 308.
Die eckige Klammer im MS'.'
... in intellectum lies in intellectu.
... all XXX of . . . Gemeint ist offenbar ... all
suppositions, oder conjectures, oder thoughts of . . .
438 38 57 I ... perception, not that . . . lies . . . perception, but
that . . .
448 38 681 [instance] Konjektur von Fräser?
457 47 763 [b. 4 c. 8] Zusatz von Fräser?
Nachtrag
475 66 110 ... colour? [The mob .... Schools]
487
78
260
4§8
79
268
496
87
352
420
8
393
423
II
43*
427
15
459
434
»3
5*9
' Zu Fräsers Beschreibung dieses Bandes (A FV S. XII f.) vgl. die Berichtigung von
Lorenz im Arch. f. 6. d. Ph. XVII, 1904, S. 159 f.
Phil.-hv,t. Mh. 1919. Nr. 8. 15
114
EeDM ANN ;
Anhang in
Im Text angeführte Tagebuch- Aufzeichnungen'
Nr.
I
IV
XX
I
2
3
5
6
9
9a
10
12
13
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
34
35
37
41
44
46
s.
Nr.
S.
Nr.
S.
Nr.
S.
Nr.
20
47
46
286
71
424
58
552
23
50
46
288
57
425
92
553
23,77
52
68*
[289]
57
426
58
556
29
53
55, 56*
290
57
431
55
560
29
55
55*
293
47
433
96
561 1
29
75
54
[295]
69
446
78
567
30
81
46, 68*
302
37
457
69
568
29
86
54
307
47
458
74
569
29
91
46
308
47
465
86
570,1
29
109
56*
320
96
466
87
573
29
130
78
321
57
467
83
574
29
^33
54
322
57
471
58
576
30
137a
54
336
96
473
77
580 :
30
150
71
342
68
477
58
584 i
30
170
54
350
57,97
479
74
607
30
[173]
71
[367]
72
[480 a]
78
615 !
55
175
71
369
42
482
58
626 1
30
182
83*
[370]
96
483
55
628
30
■83
68
380
96
484
58
629
30
192
83
381
96
485
95
637
70
[193]
83,86
382
16,83
[487]
87
640 1
30
199
83
384
57
494
95
642
30
208
95
388
91
496
92
643
30
231
71
389
95
497
97
644
30
239
56
390
47
507
72
647
30
250
83
391
69
522
47
649
55
254
56
394
34
529
84
650
67
255
56
413
32
530
98
658
56
267
32
[413a]
32
537
72
66 1
67, 89*
272
56
417
77
541
47,66
664
68
279
32
418
79
542
59*
665
71
282
69
421
73
545
60
666
46
285
47
[421a]
73
551
94
670
82
59
42
93
74
86
73
86
87
93
70
60*, 94
83 .
67
89
66
98
87
87
73,90
84
83*, 84*
83
89
74
87
87
71
73
89
73
73,90
42
Von den mit einem Stern * versehenen Nummern sind nur einzelne Wendungen zitiert.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschafllichen Tagebuchs. 115
Nr.
673
680
681
685
692
694
695
705
706
707
709
713
715
723
s.
Nr.
S.
Nr.
S.
Nr.
S.
Nr.
84
726
98
779
88
835
88
897
60
728
81
781
88
836
90
900
60*
736
90*
782
74
854
94
901
90
737
»5
797
93
856
96
[901a]
78
743
59.9<7
798
90
858
90
903
88
744
91
800
81
859
90
906
59
747
79
802
69
866
92
914
88
750
97
804
88
870
72
915
70
759
97
817
43
872
89
916
88
760
97
818
88
875
18*
917
93
762
98
819
88
876
18*, 20
d
94
768
90
821
81
877
18*
f
59
770
60,84
823
90
[878 a]
21
59
771
78
829
90
892
-67*
s.
32
97
97
97
97
97
22
22
16*, 22
16.
32
34
\h*
l\Q E R D M A N N" :
Anmerkungen.
(1) S. 9: Man vgl. G. Misch, Zur Entstehung des französischen Positivismus im Arch.
f. Gesch. d. Philos. XIV, 1901, S. 19?. — .1. Priestley, An Examination of Reid's Inquiry,
Beatties Essay on . . . Truth and Oswalds Appeal to Common Sense . . . London 1774.
insbesondere S. 60 f., 146 f., i54f.
(2) S. 10: The Fortnightly Review N. Ser. Vol. X, 1871, S. 505 f.
(3) S. 10: Man vgl. die verfehlte Einordnung in J. E. Erdmanns sonst so sorgsamem
Versuch einer wissenschaftlichen Darstellung der Geschichte der neueren Philosophie II 2.
S. 173 f. und 11 I, S. 162 f., die verfehlte Konstruktion in Kuno Fi.schers unhistorischer Ent-
wicklungsgeschichte der Erfahrungsphilosophie, die Darstellung in Überwegs Grundriß III",
1914, S. 206 f., S. 211 f., sowie die rationalisierende, ganz in den Gedankenkreis des Cohen-
Natorpschen Neukantianismus eingeschnürte Arbeit von Erich Cassirer über Berkeleys System,
Gießen 19 14.
(4) S. 10: In der sonst vollständigeren, sorgsamen Ausgabe der Werke Berkeleys von
George Sampson (London 1898, Neudruck 1908) fehlt das Tagebuch.
(5) S. 1 1 : "Wiederabgedruckt bei Sampson in der Einleitung zu Bd. I der eben zitierten
Ausgabe.
(6) S. 12 : Fr. A IV S. 27, 34, 419. — Lockes Essay ed.Fraser, Oxford 1894, 1, S. CXXVI.
— Fr. D S II. — Fr. B I S. XXVIl.
(7) S. 13: Fr. A IV S. 30, 27—30, 34—35-
(8) S. 13: Fr. B I S. XXVII, 1—7—92-
(9) S. 15: Mind, New Seiies XI, 1902, S. 249^ — Archiv für Geschichte der Philo-
sophie XIII, 1900 und XIV, 1901. — Mind, N. Ser. XI, 1902, S. 435. — Mind, N. S. XIII,
1904, S. 304 f.
(10) S. 15: Archiv f. G. d. Ph. XVffl, 1905, S. 551 f.
(11) S. 17: Man vgl. auch Swift B. Johnston in den Proceedings of the Royal Irish
Academy, III. Ser., Vol. VI, N. 2, 1901, in dem Aufsatz: Supposed Autograph letter of Bishop
Berkeley in the Library of the Royal Irish Academy. — Über die geplante Ausgabe des
wissenschaftlichen Tagebuchs hat Lorenz in dem Handexemplar von Fr. A IV des Berliner
Seminars vermerkt: »Da ich noch nicht weiß, wann oder ob ich in die Lage kommen werde,
eine Neu-Ausgabe des Commonplace Book auf Grund einer neuen Abschrift des Original-
manuskiiptes Berkeleys zu veranstalten, so mögen inzwischen diese (in das genannte Exemplar
von Fr. A IV eingetragenen) Korrekturen dazu dienen, der wissenschaftlichen Arbeit einen
der Fassung des Manuskripts wenigstens näher kommenden Text zugänglich zu machen.
Denn ich muß hinzufügen, daß es mir in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich
war, dasselbe in strengem Sinne .Wort für Wort' mit Fräsers Ausgabe (1901) zu vei^leichen. -
(12) S. 19: Mind, N. Series XIII, S. 305 und Archiv f. G. d. Ph. XVIII. S. 555/6.
Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen Tagebuchs. 117
(13) S. 22: Vgl. Fräser A I 133 und B I XXXV, sowie die Berichtigung von Lorenz
im Mind N. S. XI, 1902, S. 250, derzufolge das -our Society« in der Widmung des Treatise
nicht das Trinity College, sondern die 1707 rekonstruierte Dublin Philosophical Society
bezeichnet. Daß Berkeley dem Lord, wie die Widmung des Treatise besagt, damals noch
nicht persönlich bekannt war, widerspricht Lorenz' Berichtigung natürlich nicht.
(14) S. 22: Nach der Mitteilung aus den Percival Manuscripts im Seventh Report of
the Royal Commission on Historical Manuscripts, Part I, London 1879, S. 232.
(15) S. 22: Fräser D S. 68.
(16) S. 23: Daß bei diesem Museum nicht eine selbständige Sammlung des Vereins
in Frage kommt, ergibt sich anscheinend daraus, daß die Bibliothek »at that time (1704)
served as a Museum«, in dem außer einem Herbarium einige Seltsamkeiten enthalten waren
(The Book of Trinity College 1591 — 1891 ... presented by the Provost and Senior Fellows,
Belfast 1792, S. 151, 49). Vgl. im Text S. 25f.
(17) S. 24: Fr. A m S. 43, verbessert A IV S. 52.
(18) S. 24: SwiftB. Johnston in der Dubliner Zeitschrift Hermathena Voi.XI. 1901, S. 180.
(19) S. 26: So auch in Fräsers Ausgabe von Lockes Essay, Oxford 1894, I, S. CXXVI.
(20) S. 26: Demnach ist die Dublin Society von WiUiam Molyneux, »the patriot and
friend of Locke«, der als geistig hochstehendei-, philosophisch und naturwissenschaftlich
intei-essierter Jurist in Dublin lebte, 1683 gegründet und von ihm als ei-stem Sekretär erfolg-
reich geleitet worden, «until the political disturbances of 1687 — 1690, by banishing its niembers,
put a stop to its meetings. In 1692, Molyneux brought about a reconstitution of the society,
but it had not sufificient energy to survive his death in 1698 (vgl. Fr. A IV S. 21 f.). Towards
the close of 1 707 the Society was revived, and the post of secretary was passed on to the
son, Samuel Molyneux (vgl. Fr. A III 43 mit der Korrektur A IV 52), then an undergraduate
in Trinity College.«
(21) S. 27: Vgl. auch die überraschende Zusammenstellung bei Fräser D S. 1 1 : »It
enables us to watch Berkeley when hc was awakening into intellectual life, in Company with
Hobbes and Newton and Locke, Descartes and Malebranche.« So nicht nur in dem monströsen
Buch von Kuno Fischer über Fr. Bacon und seine .Schule 3, 1904, S. 457, sondern fast durch-
gängig, selbst noch bei W. Raab in seiner Übersetzung des Alciphron, Leipzig 191 5. S. VI.
Man vgl. dazu die Angaben über Descartes, Hobbes, Boyle und Malebranche gegen den
Schluß der vorstehenden Untersuchung.
(22) S. 29: Aus den Percival Manuscripts bei Fr. D S. 71.
(23) S. 29: Beardsley, E. Edwards, Life and Correspondence of Samuel Johnson», New
York 1874, S. 72. Fräser konnte den Brief schon A IV S. 177 veröffentlichen.
(24) S. 29: Fr. A IV S. i77f.
(25) S. 30: Beardsley, a. a. 0. S. 74.
(26) S. 33: Schon Beardsley hat (S. 68 f.) hierfür auf den Anfang des Alciphron hin-
gewiesen. Man vgl. auch ebenda S. 202 sowie die Tagebucheintragung Nr. 549.
(27) S. iy. Lorenz im Archiv f. G. d. Ph. XIV, 1901, S. 298 f.
(28) S. 34: Vgl. im Text S. 29 f. Man vgl. auch Fr. D S. 72 die Äußerungen über die
mosaische Sehöpfungslegende, sowie wiederholte Berufungen im Tagebuch (281, 313, 342,
385. 387, 388, 394. 713)-
118 E li I) M A N N :
(29) S. 34 : G. V. Lechler, Geschichte des englischen Deismus, Stuttgart und Tübingen
1841, S. i94f. und Fox Bourne, The Life of John Locke ü, 1876, S. 4i5f.
(30) S. 34: Über Shaftcsburys Schriften s. Chr. Fr. Weiser, Shaftesbury und das
deutsche Geistesleben, Leipzig-Berlin 1916, S. 554.
(31) S. 34: Treatise § 102 f; Dialogues bei Fr. AIS. 304f.
(32) S. 36: Man vgl. auch die Beziehung auf den Platonischen Gorgias in dem
zweiten der Essays in the Guardian, Fr. A III 148, der den wohl sicher von Berkeley stam-
menden zugehört.
(33) S. 36: «I do not deny the existence of the sensible things which Moses says
were created by God. They existed from all eternity in the Divine Intellect; and then
became perceptible (i. e., were created) in the same mannei- and order as is described in
Genesis« (Fräser D S. 72). Man vgl. insbesondere die Schlußerörterung im dritten Dialog
zwischen Hylas und Philonous.
(34) S. 38: Man vgl. die zusammenfassenden Nachweise von Gl. Baeumker, Der
Piatonismus im Mittelalter, München 1916.
(35) S. 39: J. Freudenthal, Beiträge zur Geschichte der englischen Philosophie im
Archiv f. Gesch. d. Philos. VI 1893, S. rgof., 38of.
(36) S. 39: Die Schrift von Ferris Greenslat: J. Glanvill, A Study in English Thought
and Letters of the seventeenth Century, New York 1900, ist mir leider nicht zugänglich
gewesen.
(37) S. 39: Aus den Mitteilungen bei Fräser A IV 44 über das »hardly remembered-
Werk von Richard Burthogge, An Essay upon Reason and the Nature of Spirits, London 1694,
ergibt sich nur eine Art Phänomenalismus.
(38) S. 40: Locke, John, Works in ten Volumes" X, 1812, S. 247f., 283^
(39) Ss40: Vgl. Fräser A IV, S. 62 f und S. 239; Percival Letters, a. a. O. S. 239;
Fräser D, S. loaf. ; sodann die Bemerkungen von Thomas Reid in seinen Essays on the
Intellectual Powers of Man II. eh. X sowie Hamiltons Anmerkung in dessen Ausgabe von
Reid's Works, Edinburgh 1863, S. 287.
(40) S. 40: Emmy Alard, Die Angriffe gegen Descartes und Malebranche im Journal
de Trevoux (Abhandlungen zur Philosophie und ihrer Geschichte, hrsg. von B. Erdmann,
Nr. XLIII, 1914, S. 44f.).
(41) S. 42 ; s. Fräser D S. 73 f. aus den Percival Lettei-s.
(42) S. 42: So auch in den späteren Briefen von Johnson bei Fr. A IV S. 177, 179.
(43) S. 42: Fr. B III S. 410. Die Tagebuchbemerkungen (653) und (658) stehen isoliert;
man vgl. zu ihnen Lockes Essay III 7. § 4.
(44) S. 42: Im Tagebuch (723 f.) Man vgl. die Bemerkungen über Algebra am Schluß
diesei' Abhandlung und Berkeley, Treatise § 19 f., Alciphron VII § 5.
(45) S. 42 : Fr. A III S. 62.
(46) S. 44: Man vgl. Cl. Baeumker, Zur Vorgeschichte zweier Lockescher Begriffe 11
im Arch. f. Gesch. d. Philos. XXI, 1908 und den Nachtrag, a. a. O. XXII, 1909, sowie B.s
Abhandlung: tlber die Loekesohe Lehre von den primären und sekundären Qualitäten,
Fulda 1908. Das Ergebnis dieser sorgsamen Quellenuntersuchungen wird besonders deutlich,
wenn die Geschichte der Termini ^ on der Entwicklung der durch sie bezeichneten Lehr-
meinungen geschieden wird.
Berkeleys Philosophie i?n Lichte seines wisse iischaf dich en Tagebuchs. 119
(47) 's. 52: Fr. AIV S. 176.
(48) S. 52: Fr. D S. 70. Der Schluß der Bemerkung ist auf S. 34 zitiert.
(49) S. 53 : Über Francesco Pico della Mirandola und Fracastoro vgl. E. Cassirer, Das
Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit Bd. I, S. 145 f., 209 f.
(50) S. 53 : In der Eingangserörterung von De corpore (Computation or Logic eh. 2, § 9)
erklärt Hobbes in der Sprache seines extremen Nominalismus: »some names are common
to many things, as a man, a tree . . . And a common name, being the name of many things
severally taken, but not coUectively of all together (as man is not the name of all mankind,
but of every one, as of Peter, John, and the rest severally) is therefore called an universal
name ; and therefore this word universal is never the name of any thing existent in nature,
nor of any idea or pbantasm formed in the mind, but always the name of some word or
name ; so that . . .' these words, living creature, stone, &c. are universal names, that is, names
common to many things; and the conceptions answering them in our mind, are the Images
and phantasms of several living creatures, or other things. And therefore, for the under-
standing of the extent of an universal name, we need no other faculty but that of our imagination,
by which we remember that such names bring sometimes one thing, sometimes another,
into our mind.« Ähnlich im Leviathan § 46 (Hobbes, English Works ed. Molesworth,
London 1839, lU. S. 672 und The Elements of Law . . . ed. F. Tönnies, London 1889, P. I,
eh. 5, S. 20 f.) Man vgl. die späteren Textbemerkungen über Hobbes aus dem Tagebuch.
(51) S. 61: Die in den Anmerkungen 52 — 63 stehenden Belege DI gehen auf den
Abdruck der Dialoge bei Fr. A, die Zitate Tr. und t)e motu auf die Paragraphen des
Treatise und der Abhandlung De motu; Tr.' und D3 bezeichnen den Text beider Schriften
in den Ausgaben letzter Hand nach Fräser A I.
(52) S. 61: 1) incorporeal (Tr. 141); unextended, indivisible (D I 326); uncompounded,
simple (Tr. 141); real things (Tr. 139,89); active being (Tr. 27); subsisting by itself (Tr. 137);
.Spiritual substances (Tr. 139); substance or support wherein . . . ideas can exist (Tr. 135);
Spiritual substance er support of ideas (D' I 329); perceiving, active being (Tr. 2); thinking
substance (Tr. 33); active thinking substance (Tr. 136) usw.
(53) S. 62: 2) active principle of motioii and change of ideas (Tr. 27); cause of ideas
(Tr. 26) ; This making and unmaking of ideas . . . at pleasure . . . doth very- properly denominate
the mind active (Tr. 28); in anima sentimus esse facultatem tarn statum suum quam aliarum
rerum mutandi (De motu 33, vgl. 25, 30); power or active being (Tr. 27); power of willing,
thinking. and perceiving ideas (Tr. 138); individual principle (D' I 329); the Creator who
first gave it being (Tr. 141); finite cr-eated mind (D I 331); uncorruptible, indissoluble by
tlie force of nature, naturally immortal (Tr. 141).
(54) S. 62: 3) God is a Being of transcendent and unlimited perfections: His Nature,
therefore, is incomprehensible to finite spirits ... the ectypal or naturjil State of things . . .
was created in time; the archetypal and etemal . . • existed from everlasting in the mind of
(Jod (D I 351; vgl. 348); God, whom no extemal being can affect, who perceives nothing
by sense as we do . . ., it is evident, such a Being as this can suffer nothing (D I 336) ;
Time therefore being nothing, abstracted from the succession of ideas in our minds, it follows
that the duration of any finite spirit must be estimated by the number of ideas or actions
succeeding each other in that same spirit or mind ...: and in truth whoever shall go about
120 Erdmann:
to divide in his thoughts, or abstract the existence of a spirit from its cogitation, will, 1
believe, find it no easy task (Tr. 98).
(55) S. 62: Such is the nature of spirit, or that which acts, that it cannot be of itself
perceived, but only by the eifects which it produceth (Tr. 27); From the effects I see pro-
duced I conclude there are actions (D I 335); an idea can be like nothing but an idea
(Tr. 8 u. o.) ; all ideas whatever, being passive and inert, they cannot represent unto us, by
way of Image or likeness, that which acts (Tr. 27); that this substance which Supports or
pereeives ideas should itself be an idea or like an idea is evidently absurd (Tr. 135); I my-
self am not my ideas, but somewhat eise, a tiiinking, active principle that pereeives, knows,
wills, and operates about ideas (Dial." 329); Spirits and ideas are things so wholly different,
that when we say 'they exist', 'they are known', or the like, these words must not be thought
to signify anything common to both natures (Tr. 142); a necessary relation to the mind is
understoüd to be implied by the term idea (D I 331); Quantum intersit inter res cogitantes
et extensas, primus omnium deprehendens Anaxagoras. . . . asserebat ... Ex neotericis idem
optime animadvertit Cartesius (De motu 30).
(56) S. 62: A Spirit ... as it perceises ideas it is called the under-standing, and
as it produces or otherwise operates about them it is called the will (Tr. 27); will and
understanding constitute in the strictest sense a mind or spirit (D I 335); let any man ...
but reflect and try if he can frame the idea of any power or active being; and whether
he has ideas of two principal powers, marked by the names will and understanding,
distinct from each other as well as from a third idea of Substance or Being in general, with
a relative notion of its supporting or being the subject of the aforesaid powers (Tr. 27);
Men have imagined they could frame abstract notions of the powers and acts of the mind,
and consider them prescinded as well from the mind or spirit itself, as from their respective
objects and effects (Tr. 143); Hence, as it is impossible for me to see or to feel anything
without an actual Sensation of that thing, so is it impossible for me to conceive in my
thoughts any sensible thing or object distinct from the Sensation or perception of it (Tr. 5);
For, by the word spirit we mean only that which thinks, wills, and pereeives; this, and
this alone, constitutes the signification of that term (Tr. 138).
(57) S. 63 : The terms soul, spirit, and substance . . . mean or signify a real thing . . .,
which pereeives ideas, and wills, and reasons about them (Tr. 139); we understand
the meäning of the word spirit, otherwise we could not affirm or deny anything of it
(Tr. 140); I know what I mean by the terms 1 and myself . . ., though I do not perceive
it as I perceive a triangle, a colour, or a sound (D I 326); with regard to spirits, perhaps,
human knowledge is not so deficient as is vulgarly imagined (Tr. 135).
(58) S. 63 : In a large sense, indeed, we may be said to have an idea of spirit
(Tr. 140; vgl. D I 326); We may be said to have some knowledge or notion of ourown minds,
of spirits and active beings, whereof in a strict sense we have not ideas (Tr.' 89; vgl. 142).
(59) S. 63 : I know what I mean by the terms I and myself; and I know this im-
mediately or intuitively . . . My own mind and my own ideas I have an immediate know-
ledge of (D I 326); rem vero sentientem, percipientem, intelligentem, conscientia quadam
interna cognovimus (De motu 21); I know or am conscious of my own being (Dial.' I
328 f.); We comprehend our own existence by inward feeling or reflection; ... spirits ...
are ... in their respective kind the object of human knowledge (Tr.» 8g; vgl. D= 328); I
Berkfilfjji^ Philosophie im Lichte seines wissenschaftliehen Tayehichs. 121
can excite ideas in my mind at pleasure ... It is no more than willing, and straightway
this or that idea arises in my fancy; and by the same power it is obliterated and makes
way for another. This making and unmaking of ideas doth very properlv deiiominate the
inind active. Thus much is certain and grounded on experience (Tr. 28).
(60) S. 64: But, whatever power 1 may. have over my own thought-s, I find the
ideas actually perceived by Sense have not a like dependence on my will (Tr. 29; vgl.
D 1 330); ITie ideas actually perceived by Sense . . . are not creatures of my will (Tr. 29),
not of our own framing (Tr. :i:i), are not generated from within by the mind itself (Tr. 90).
(61) S. 64: We know other spirits by nieans of our own soul (Tr. 140); it is piain
that we cannot know the existence of other spirits otherwise than by their Operations, or
the ideas by them excited in us ... Hence, the knowledge I have of other spirits is not
immediate, as is the knowledge of my ideas: but depending on the intervention of ideas,
by me referred to agents or spirits distinct from myself, as eflFects or concomitant signs
(Tr. 145): From the effects I see produced I conclude there are actions; and, because
actious, volitions: and, because there are volitions, there must be a will (D I 335): it is
granted we have neither an immediate evidence nor a demonstrative knowledge of the
existence of other tinite spirits: . . . there is [only] a probability ... by probable de-
ductiim (D' I 328).
(62) S. 64: It is piain we do not see a man — if by man is meant that which lives,
moves, perceives, and thinks as we do — but only such a cei-tain coUection of ideas . . . the
colour, size, figure, and niotions of a man . . . as directs us to think there is a distinct
principle of tbought and motion, like to ourselves, accompanying and represented by it
(Tr. 148); we conceive the ideas that are in the minds of other spirits bv nieans of our
own; . . . soul which in that sense is the Image or idea of them: it having a like respect to
other .spirits that blueness or heat by me jiei-ceived has to those ideas perceived bv another
(Tr. 140: vgl. D l 326). Die objektive Wendung dieser Gedanken, auf die sich Berkeley
ursprünglich in den Dialogen durch das -old known axiom, Nothing can give to another
that which it hath not itself« (D I 331) berufen hatte, entspricht nicht seiner Kausalauf-
fassung: man vgl. dazu im Tagebuch Nr. 771. -- Über das Reich der Geister vgl. AIciphron IV'
s. 23 bei Fr. All S. 170.
(63) S. 65: by reilection and reasoning (D I 326); as certainly and immediately as aiiy
other mind or spirit . . ., far more evidently ... than the existence of men: because the
effects of nature ai-e infinitely more numerous and considerable than those ascribed to human
agents ... more strongly evincing the being of ... the Author of Nature (Tr. 147); the
Language of its Author (Tr.' 66, 108: vgl. im Text S. 80); nothing can be more evident to
any one . . . than the existence of God, or a Spirit who is intimately present to our minds.
producing in them all that variety of ideas or sensatinns which continually affect us, on
whom we have an absolute and entire dependence (Tr. 149, 154): I do, bv an act of
reason, necessarily infer the existence of a God, and of all created things in the mind of
God (DI 327); That God knows or undei-stands all things .... I make no question. ...
God knows or hath ideas: but His ideas are not conveyed to Him by sense (Dl
336 f.); all those bodies which compose the mighty frame of the world ... consequently
so long as they are not actually perceived by me, or do not exist in my mind or that of
any other created spirit, must . . . subsist in the mind of some Eternal Spirit (Tr. 6 u. o.) ; Is
there no difference between saying, There is a God, therefore He perceives all things;
Phil.-hitt. Abh. 1919. Nr.fi. 1«
122 Erdmann: Berkeleys Phihsophie im Lichte seines wissenschaßl. Tugebticfts.
and saying, Sensible things do really exist; and, if they really exist, they are necessarily
perceived by an infinite mind: therefore ttiere is an infinite mind, or Godi' (DI 304); For,
all the notion I have of God is obtained by reflecting on my own soul, heightening its
powers, and removing its imperfections (D I 326).
(64) S. 94: Man vgl. Fr. A I S. 116, IV S. 42; Fr. B I 212; Fr. D S. 70 f.; Berkeley
(B n S. 18) in dem leider unvollständig veröffentlichten Brief vom 25. VI. 1729 sowie B I
S. 2i3f.
(65) S. 96: Zitiert bei Fr. A. IV 179.
(66) S. 99: Vgl. in den Dialogen Fr. A. 1 S. 308.
Berlin, gedruckt in der R^ichadnickerei .
ABHANDLUNGEN
DER PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
JAHRGANG 1919
I'HILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE
Nr, 9
DIK GEMEINDE DES NEUEN BUNDES IM LANDE DAMASKUS
KINE JtTDISCHE SCHRIFT AUS DER SELEUKIDENZEIT
VON
EDUARD MEYER
BKHLhN 1919
VKRLAO DKK AKADEMIK DKR WISSENSCHAFTKN
IN KOMMiSüION BEI ÜEK
VP.HEINIGDNK WISSENS» IIAFTLICHKK VERLE(iER WALTER IH: (Mtl VIKH l. ( D.
VOBMAL« i; 1 i;f>«l HKS KCl»; VCTL AOSllANDI.rNr., 3. Bfm^NTAO. VKKLACISBll IIHANDLISI,
lilURU KKLMKR. KARI .1 IBOBSKK VKITT (IIMK
Vorgcleijt in der Sitzung der pliil.-liist. Klasse am 24. .Iidi 191!(.
/.iirii Diiick eiiigereieht ;mi gleichen 'I';i,u;<', :ui.sgegcbc'n am 27. September 1919.
I)i(! bisherigen Auffassungen der Schrift.
J Jie Rumi)elkainmer (Geniza) der Synagoge von Altkairo, der wir den hebrä-
ischen Text des Jesus Sirach verdanken, hat uns noch eine zweite Schrift aus
wenig späterer Zeit beschert, die im Jahre 1910 gleichfalls von S. Sciieohtku,
ihrem Entdecker, herausgegeben woi'den ist, unter deJn Titel: Documents
of Jewish Sectaries, Vol. I: Fragments of a Zadokite Work. Sie hat zu-
nächst bedeutendes Aufsehn erregte und mehrfach hat man sich nicht ohne
Erfolg bemüht, das Verständnis weiter zu fördern und den vielfacli korrupt
oder lückenhaft Oberlieferten Text zu emendieren. Aber zum Abschluß ist
die Arbeit und vor allem das geschichtliche Verständnis noch in keiner
Weise gelangt: vielmehr ist das Interesse bald abgeflaut, und gegenwärtig
liegt die Schrift ziemlich unbeachtet da. Und doch handelt es sich um
eine außerordentlich wichtige Bereicherung vmserer Kenntnis. Die Schrift
steht, wie Schechtek sofort erkannt hat, in engster Beziehung zu einer
Reihe alttestamentlicher Ajjokryphen, den ältesten Bestandteilen des He-
noch, dem Jubiläenbuch und den Testamenten der zwölf Patriarchen : und
sie ermöglicht, Avie wir sehn Averden, diese ganze Gruppe von Schriften
genau zu datieren und dadurch zugleich einen lebendigen Einblick zu ge-
winnen in die wichtigste, ja entscheidende l'^poche der Weiterentwicklung
des Judentums, die Zeit des großen Religionskampfes unter der Herrschaft
der Seleukiden. ihre Bedeutung ist um so größer, da die Anschauungen,
auf denen sie beruhen, sich rein auf dem Boden des Judentums entwickelt
haben und vom IIelleni.smus gänzlich unl)eeinflußt sind; dadui'ch geben
sie einen festen Anlialt für Ursprung und Ausbildung der Anschauungen,
die uns alsdann vollentwickelt in der Zeit der Entstehung des Christen-
tums entgegentreten.
Wie der Titel seiner Veröffentlichung zeigt, hält S< HEcinER die Schrift
für das Werk einer jüdischen Sekte, die er mit den bei den Kariiern er-
1"
4 E. M E Y i: K :
wälinlen Zadokiten identifiziert und deren Spuren er dann auch bei den
Dositheanern und den Falaschas sucht. Er findet in ihr eine erbitterte
Polemik gegen die Pharisäer. Diese Auffassung ist von vielen seiner Nach-
folger übernommen worden, nur daß z. B. R. Leszynsky' direkt die Sad-
dukäer an ihre Stelle setzt. Andere, wie Makgoliouth, haben gar die Ge-
meinde für eine saddukäisch-christliche erklärt, deren Propheten Johannes
der l'äufer und Jesus seien, während Paulus als der Irrlehrer mit Leiden-
schaft bekämpft werde. Alle diese Phantasien haben in Wirklichkeit in
der Schrift selbst garkeinen Anhalt und beruhen lediglieh auf falscher
Interpretation einzelner Stellen oder ganz unwesentlichen Berührungen in
einzelnen Lehren. Das hat in der Hauptsache schon G. F. Moore" in
einem gut orientierenden Aufsatz nachgewiesen, wenn er auch im übrigen
von ScHECHTERS Auffassuugen noch viel zu viel festhält und wie dieser die
Schrift für soktarisch hält. Auch R. H. Charles, der die Schrift in seine
große Bearbeitung der alttestamentlichen Apokryphen aufgenommen hat',
folgt in allem wesentlichen Schechter, hat aber durch eine Reihe von ^'er-
besserungen und durch Hervorhebung des strophischen Baus des ersten
Teils, der Malinrede, das Verständnis wesentlich gefördert. In noch be-
trächtlich höherem Maße hat das Gressmann getan*, nicht wenige Sätze
als (dossen erkannt und mit Recht betont, daß Schechter und seine Nach-
folger die zahlreichen aus der Bil)el entnommenen Wendungen und An-
schauungen, obwohl jener überall die Parallelen richtig anföhrt, vielfach falsch
interpretiert und sich dadurch das Verständnis der Schrift verschlossen haben;
dadurch sind sie zu der gänzlich unhaltbaren An.sieht gekommen, daß die
Schrift gegen die Pharisäer ])olemisiere, Mährend sie in Wirklichkeit durch-
aus wie diese auf dem Boden der strengen Gesetzlichkeit steht und das
Gesetz durch gräbelnde, oft genug äußerst gewaltsame Interpretation weiter-
bildet, genau wie diese. Ebenso nimmt sie die populären Vorstellungen,
speziell die Engellchre und die Prädestination auf, zeigt auch bereits die
Ansätze zu dem Glauben an ein bcAvußtes, dauerndes Fortleben nach dem
Tode. Die Abweichungen im einzelnen, die meist aus einer strengeren ethi-
' Di(: Siiilduzäer, 1912.
2 The Coveiiiuiters ol' Daiiiasciis, » liitlicrto iiiikno« n .Icwisli Sect. Harvai-d Theol.
H<'\ icw IV, 191 1.
■ 'I'lie Aj)Ofiyj)lia ,niil I'suudepigraplia oi' tlie ül<l Tost. \()1. II, 1913, p. 785 fV.
' In sim'iici- Bospi-ccliuii!; des Sc mkc in Kiisciicii Wii-ks ZI).M(i. 6(1. 1912.41)10".
Dir (initri/nfr di's inticii Bundi's int Laiulc JJcuna.skuK .')
sehen Auffassung hervorgegangen sind, wie in der Forderung der Monogamie,
sind nicht größer, als sie auch sonst zwischen den einzelnen Schiden des
orthodoxen Judentums bestehen: und wenn zweimal der Name Sadoq vor-
kommt (4, I ff. 5, 5), so hat das mit den Saddukäern oder gar mit einem spä-
teren Sektenstil'ter dieses Namens nichts zu tun, sondern Sadoq ist, wie wir
sehn werden, der bekannte Ahnherr der Priestergeschlechter aus der Zeit
Davids, ganz wie bei Ezeehiel oder in der Chronik. Aber Gressmann ist da-
durch in die Irre gegangen, daß er die Beziehung auf reale, historische Vor-
gänge der Gegenwart leugnet und die Schrift eschatologisch, als Apokalypse,
auffassen will. Dazu bietet der Text garkeineii Anhalt, vielmehr sprechen
die ständig gebrauchten Perfekta, die Gressmann futurisch auffassen will',
durchaus dagegen. Kschatologische Vorstellungen kommen natürlich vor,
wie in jeder Schrift des späteren Judentums; aber sie nehmen nicht ein-
mal einen grüßen Raum ein, weitaus das meiste bezieht sich auf die realen
Aufgaben der (Gegenwart und auf die jüngste Vergangenheit, aus der sie
erwachsen sind.
So fordert und lohnt die Schrift durchaus eine neue Untersuciiung,
die den Versuch macht, diese geschichtlichen Verhältnisse, in denen sie
entstanden ist, und die Anschauungen, die sie und die verwandten Apo-
kryphen beherrschen, genauer zu erfassen und in den Zusammenhang
der Kntwicklung einzureihen. Da die Schrift in Deutscidand wenig zu-
gänglich ist und eine deutsciie Übersetzung noeli fehlt, habe icli den gan-
zen Text in die folgende Untersuchung aufgenommen; das bietet zugleich
die Möglichkeit, im Zusammenhang damit die schwierigeren Stellen ge-
nauer zu analysieren und zu erläutern". Zugleich sage ich Hrn. H. (iRESs-
MANN mein.en wärmsten Dank für die Bereitwilligkeit, mit der er mir das
zum Teil .schwer zugängliche Material zur Verfügung gestellt und mir bei
iler Interpretation zahlreicher Stellen durcl» Mitteilung seiner Auflassung
und nicht weniger evidenter Deutungen geholfen hat.
' -Die als S'iTgaiigeiilieit g(!scliil(lei-tc /.eil ist iiifist als dii' Zukuiiftscliaii des Visin-
närs f^edafht."
' Die voll ScBKcuTEK gegebene Kapileleiiiteilmig verwende iili nicht, da sie mein lacii^
wenig saeligemäß ist. sondern zitiere nach Sätzen und Zeilen, p. i — 16 sind Text A. p. 19,
20 Text 15; p. 17 itnd 18 existien'n iiieht.
6 E. Mkykr:
Die Hnixlsclirifteii.
Der Text bezieht sich auf die »Gemeinde des neuen Bundes im Lande
Damaskus«. Erhalten ist er in zwei Handscliriften. Die eine, A, nach
ScHECHTKR etwa aus dem lo. Jahrhundert, umfaßt 8 Blätter (16 Seiten)
und zerfiillt in zwei scharf geschiedene Teile. Der zweite, p. 9 — 16, ent-
halt die Gesetze der Gemeinde. P^r beginnt, ohne Überschrift, aber ein-
genickt, mit dem ersten Gesetz: »Jeder Mensch, der usw.«; so ist es mög-
licii, wenn auch wenig wahrscheinlich, daß ein oder mehrere Blätter vor-
her verloren sind. Die beiden Schlußblätter sind in den unteren Hälften
der Seiten stark verstümmelt und zum Teil ganz zerstört; es läßt sich
daher nicht erkennen, ob noch weitere Blätter gefolgt sind.
Die ersten vier Blätter, p. i — 8, die man in der Regel als den ge-
schichtlichen i'eil bezeichnet, enthalten eine prophetische Mahnrede an die
(Gemeinde. Auch sie beginnt ohne Überschrift unter Verwendung bibli-
scher Zitate mit der Ankündigung des bevorstehenden Gottesgerichts: »Und
nun hört, alle die ihr (Gerechtigkeit kennt, tuid achtet auf die Taten
Gottes.« Das ist ein durchaus korrekter Eingang einer Strafpredigt, und
es ist sehr unwahrscheinlich, daß vorher etwas verloren ist; vielmehr ist
der Text auch äußerlich durcli starkes Einrücken der ersten Zeile als An-
fang bezeiclniet. Eine Überschrift, die etwa lauten könnte: »es geschah
(las Wort Gottes an die Gemeintle des neuen Bundes in Damaskus fol-
gendermaßen« ist überflüssig, weil sich das aus dem Inhalt von selbst
ergibt: die Nennung eines Verfassernamens ist ausgeschlossen, die Pro-
l)hetenrede ist in dieser Zeit notwendig entweder pseudepigraph oder
anonym. Der abgerissene Anfang mit »und jetzt« ist nicht .anstößiger
als der gleichartige Eingang bei so manchen Büchern des Alten Testa-
ments, z. B. Esther, Ruth, dem ersten Makkabäerbuch, auch beim griechi-
schen Henueli oder aber bei manchen der kleineren Schriften Xenophons
und bei seinen Hellenika.
Der Schluß dieser 3Iahnrede, von p. 7. 5 an, liegt noch in einer zwei-
ten Handsehrift (B) etwa aus dem i 2. Jahrhundert vor. die nur aus einem
.einzigen Blatt besteht (p. 19. :o bei Schechter), mit zahlreichen ziemlich
bedeutenden Varianten und mit einer großen Erweitenmg des Textes am
Scliluß (19. 34 — 20. ;;4). Es liegt aber, wie Gressm.\nn mit Recht hervor-
hebt, garkein Grund zu der Annahme vor. daß diese Fortsetzung in A
Die (ifmcindt' drs luiien Buiuh'K im Lande Damaskus 7
durch Verlust eines oder mehrerer Blätter ausgefallen sei: vielmehr gibt B
eine erweiternde Rezension des in A vorliegenden Textes. Daher ist auch
die Annahme unbegründet, daß B am Schluß unvollständig sei; vielmehr
bilden die letzten Sätze von B einen völlig sinngemäßen Abschluß, und
es ist das letzte Blatt der Handschrift, das uns erhalten ist. In A da-
gegen hat der Schreiber auf den Schluß der älteren Version der 3Iahn-
rede auf den nächsten Blättern 9—16 das Gesetzbuch folgen lassen: eine
weitere Verbindung zwischen beiden Texten war nicht erforderlich.
Daß der Text noch so spät zweimal allgeschrieben ist, spricht von
vornherein gegen die Annahme eines scktarischen Ursprungs. Etwas an-
deres wäre es, wenn es eine karäische Schrift wäre. Aber daß ein nicht
als orthodox anerkpnnter Text aus vorchristlicher Zeit sich noch ein Jahr-
tau-send lang erhalten haben und im Besitz der jüdischen (Gemeinde von
Kairo bewalirt sein sollte, ist so unwahrscheinlich wie möglich.
Beide Handschriften enthalten eine große Zahl von Flüchtigkeiten und
Schreibfehlern, die mehrfacli vom Schreiber selbst durch Streichung eines
Wortes berichtigt sind. Im allgemeinen ist B sorgfältiger geschrieben als
A. Beide setzen gelegentlich V'okalzeichen : beide trennen die Sätze durch
kleine Zwischenräume', B außerdem größi^re Sätze oder Satzgru])pen durch
Interpunktion (Paseq, Doppelpunkt). Kin Hilfsmittel der Kontrolle iiieten
die zahlreichen, freilich oft nicht ganz wörtlichen Zitate aus dem Alten
Testament; in vielen Fällen haben evidente Kmendationen geholfen. Doch
bleibt natürlich niclit weniges imsicher. und der Versuch, den überlieferten
Wortlaut zu deuten, mag ebensooft in die Irre führen wie in andern F;ill(>ii
eine blendende, aber doch nicht zutrcllende Konjektur.
Die benutzten Schriften.
Die Texte sind in korrektem und fließendem Hebräisch ü:eschrieben,
ganz anders als z. B. die Mischna; und es ist geradezu üi)erraschend. wie
wenig Worte vorkommen, die sich im A. T. nicht linden, sondern luu- in
der Mischna und der rabbinischen Literatur. xVuch das ist ein Beweis für
das Alter der Texte, und nicht minder die freie Art, Avie die Schrift zitiert
wird. Wie schon erwähnt, bindet man sich keineswegs ängstlich an den
Wortlaut, sondern zitiert frei aus dem (iedächtnis. mit Auslassungen, Vm-
' In A ist. wenn ein Satz iini Hmli' <Iit Zt>ilc' sclilii-ßt. die niiehstc i'iiiitepilclil.
H K. M I- VEI!
Stellungen und kleinen Znsätzen, etwa in derselben Art, wie Homer in der
älteren griechischen Literatur vor der Alexandrinerzeit und der Gestaltung
eines kanonischen Textes zitiert wird und wie wir so vielfach unsere Klassiker
zitieren. Absichtlich vermieden und aucli in den biblischen Texten aus-
gelassen werden die (rottesnamen Jahwe. Elloliim, Adonai: es wird ausschließ-
lieh El verwendet', sehr oft aber auch das Wort »Gott« ganz weggela.ssen.
Wo bei den Bestimmungen über den Kid der Name Gottes erwähnt werden
muß, wird er dvu-ch Aussprache der beiden ersten Konsonanten »Aleph und
Lamed« (Elobini) oder »Aleph und Dalet« (Adonai) ersetzt (15. i); gleich
darauf 15,3 findet sich die bekannte Ersetzung des Eigennamens durch
cffirt »der Name«.
Von den Schriften sind die Tora und die Propheten kanonisch und
vnibedingte Autorität (7, I5ft'.). An die letzteren schließen die Psalmen und
die Proverbien an, die vielfach benutzt werden und wie im Neuen Testa-
ment als den Propheten gleichstehend geltend. Einmal wird auch Ezra be-
nutzt (p. 2,7). Dagegen sind die übrigen Schriften nirgends verwendet,
auch nicht das Buch Daniel und die in diesem vorliegende Ausmalung der
Eschatologie. Das ist sehr wichtig für die Zeitbestimmung: die in unseren
Texten enthaltenen Anschauungen und Lehren gehn in eine Zeit zurück,
in der das Buch Daniel noch niclit existierte oder eben erst entstand.
An die Tora schließt die traditionelle Exegese (mirn bii^e [vgl. F. Weber
Jüd. Theologie'' Sgf.]) an, die mehrfach herangezogen wird (4,8. 6, 14. 18.
13,6); ihr entspricht die Deutung der Prophetenworte auf die gegenwärtige
Lage (4,4. 14). Der Schlußabschnitt in B verweist 20,6 auf »den Midra.s
(die Auslegung) der Tora, nach dem die Menschen vollendeter Heiligkeit
wandeln«.
Neben den kanonisclien Büchern sind drei weitere, zu den Apokryphen
gerechnete Schriften benutzt, nämlicli :
I. Die Geschichte von Johannes imd Jambres, den Moses bekämpfenden
Zauberern, die bekanntlich nicht (>rhalten, aber wie der christlichen Literatur,
so den Targumen und dem Talmud bekannt ist. Unser Text verwendet
p. 5, 17 f. in ilen Worten »denn ehemals trat 3fose und Aharon auf durch die
Hilfe (unter Leitung. ~'3) des Fürsten der Licliter, aber Beli'al stellte den
' Nur 20. 8 findet sich statt dessen -^^Vi-. außerdem dreimal. 20. 1.14. 32 ttt^ .der
Kinzi^e« (s. 11. S. 32I.
Die (inw'inilf dm ni'ucn Ihmdi« itii JmikIi- Daniasktt^s {)
Johannes und seinen Bruder auf" in seinen Ränken, als Israel das erstemal
(beim Auszu«; aus Ägypten) gerettet wurde« die Geschichte ebenso wie
der zweite Timotheusbrlef 3. 8 ön tpöhon a^ 'Iannhc kai ''Iambphc ant^cthcan
MüJYCeT, OYTUC KAI 0?TOI ÄNeicTANTAI TH AAHeeiA.
2. Das Buch der Jubiläen, das durchweg aufs stärkste benutzt wird,
ganz wie die kanonischen Texte, p. 16, 2 f. (s. u. S. 60) wird sein Titel ange-
geben. » Bucli der P^inteilungen der Zeiten nach iliren Jobeljahren und Wochen« ,
cnT'nacfnJ" =n';2"; r-rrn npbnr iec. Dem entspricht genau der F^ingang
des Textes des Jubiläenbuchs in der äthiopischen Version': »Dies ist die
(Jescliichte der Einteihmg der Tage des Gesetzes und des Zeugnisses nach
den Ereignissen der Jahre, gemäß ihrer P^inteilung in Jahrwocher und Jubi-
läen in allen Jahren Act Welt«, und am Schluß kürzer: »Hier ist zu Ende
das Buch der Einteilung der Tage«. Die Durchführung der Rechnung nach
Jobel- und Sabbatjahren von der Sclifipfnng an bis zur Einsetzung des
Passah und die richtige Datierung dei Feste bildet den Rahmen, in dem
hier die Vorgeschichte erzählt und durch weitere Mahnreden und Ausfiih-
rungen des Gesetzes erläutert wird, in der Form einer Unterweisung, die
der »Engel des Angesichts« auf göttlichen Befelil dem Mose am Sinai gibt.
Bekanntlich befolgt das Buch eine eigenartige Zeitrechnung: die richtige
Lange des Jahres wird auf 364 Tage (52 Wochen) angesetzt, danach sollen
die Feste bestimmt werden, ohne Rücksicht auf den Mond, der »von Jahr
zu Jahr zehn Tage vorgeht und die Zeiten verdirbt« (6, 30 ff.): die Periode
der Jobeljahre ist 49, nicht 50 Jahre, wie Levit. 25 gerechnet wird, also
7 Jahrwochen; den Israeliten wird vorgeworfen, daß sie von dieser richti-
gen Zeitrechnung abgewichen sind (vgl. 1,14: »sie werden mein ganzes Ge-
setz, alle meine Gebote, und mein ganzes Recht vergessen: sie werden Neu-
mond, Sabbat, Feste, Jubiläen und die Ordnung auflösen«; ebenso 23, 19).
Auch unser Text verkündet 3, 13 ff., daß »Gott mit Israel (d. i. mit der (ie-
meinde von Damaskus) seinen ewigen Bund geschlo.ssen hat, ihnen Geheim-
nisse zu offenbaren, in denen ganz Israel in die Irre gegangen ist, seine
heiligen Sabbate", .seine heiTlichen Feste, seine gerechten Satzungen, seine
wahrhaften Pfade und die Fonlerungen seines Willens, 'durch deren Be-
folgung der Mensch am Leben bleibt' (Lcv. 18,5)«: und 6,18 wird neben
' Ich zitiorc iiacli Lii-i'.masns tjbersetziin^ in flpii Apokryphen und l'seudepisraphen
do.s (VT.. lieraiiNficgeben von KAfr/.srii 11 \i).
- Wöitl. •die Sabbate seiner Iloilij^keit- u.sw.
mi..hisl. Ahh. lUli). Sr. !>. 'i
10 E. Meykr:
ainlern (rehoten eingeschärft »den Sabbattag gemäß seiner Deutung zu
halten und die Feste und den Fasttag nach den Geboten derer, die in den
neuen Bund im Lande Damaskus eingetreten sind«. Danach scheint es,
daß die Gemeinde die Jahrrechnung der Jubiläen ihrem Festzykhis zugrunde
gelegt, also den Versuch gemaclit hat, ihn auf ein freilich falsch berechne-
tes Sonnenjahr zu gründen. Der Hauptnachdruck liegt indessen auch hier
auf der peinlichen Beachtung der Sabbatgebote " und der sonstigen Vor-
schriften über die Feste. Bekanntlich bestanden über die richtige Gestaltung
der Chronologie auch bei den Juden noch lange verschiedene Auffassungen';
das jetzt herrschende System hat sich erst im Mittelalter ausgebildet und
wird von den Karäern verworfen. So ist es denn auch nicht richtig, die
Sonderlehre des Jul)iläenbuchs direkt als sektireriscb zu bezeichnen: .sie
ist vielmehr ein Versuch, das herrschende System durch ein nach ihrer
Meinung besseres zu ersetzen, der allerdings nicht durchgedrungen ist.
3. p. 4, 14 ff. heißt es im Anschluß an ein Zitat aus Jesaja 24, i 7 (»Grauen
und (Jrube und Garn kommen über dich, Bewohner der Erde!«): »Seine
Deutung (n»E) sind die drei Netze Beli'als, von denen Lewi, der Sohn Jakobs,
gesprochen hat, mit denen er Israel gepackt und ihr Antlitz gewandt hat(?)
zu den drei Arten des richtigen Verhaltens'": das erste ist die Unzucht,
das zweite der Reichtum (die Habgier), das dritte die Profanation des Heilig-
tums. Wer diesem entkommt, wird von jenem gepackt, und wer sich die-
sem entzieht, wird von jenem gei)acktl« Mit Recht hat Sch echter diese
Stelle auf das Testament Lewis in den Testamenten der zwölf Patriarchen
bezogen, wenngleich sie sich hier nicht wörtlich findet. Aber die Sünden,
vor denen Lewi cp. 14 seine Nachkommen warnt und denen sie anheim-
fallen werden, sind ganz wie in unserm Text Diebstahl am Tempelgut.
' Audi iiljer dii" Frage, ob das Joboljahi- mit dem siebenten Sabbatjahr ganz oder
teilweise zusammenfallen oder auf dasselbe folgen solle, gingen und gehn die Ansichten
auseinander, s. Mahi.kr, Handbuch der jiid. Chronologie (1916) S. 106 AT. 4ioff. In der
Praxis ist das Jobeljahr bekanntlich niemals eingeführt worden, anders als das Sabbatjahr,
sonderji undurchführbare Theori<' geblieben! Eben dem will das Jubiläenbuch dadurch
abhelfen, daß es das Jobeljahr jedesmal mit dem siebenten Sahbatjahr zusammenfallen läßt.
- --'— -.^■•. n-v-h-sh :r^:t ::m-. Cmari.ks hält p-sn für einen Schreibfehler für -s-rr oder -r
»Sünde».
■ Diese Schlußworte sind cinc^ Paraphrase von Jes. 24, 18: »wer dem Grauen ent-
IHcht, füllt in die Urube, und wer aus der Grube entkommt, fängt sich im Garn«.
Jei'eni. 4S. 44 sind diese Worte auf Moab übi-rfrageu.
Dir (ii'iiif'lndi' (li's neuen Bundf» im Lande Damaxkm 1 1
Habsucht (nAeoNeiiA) und geschlechtliche Sünden'. Im übrigen sind diese
Testamente bekanntlich nur in späteren Bearbeitungen auf uns gekommen,
die in den griechischen und armenischen Versionen in melireren, stark von-
einander abweichenden Rezensionen vorliegen, ganz abgesehn von den in
«ie alle eingedrungenen christlichen Interpolationen". An unserer Stelle
wird ollenbar die älteste, noch nicht überarbeitete hebräische Gestalt des
Werkes zitiert. Denn das eine solche existiert haben muß, kann nach den
F>gebnissen der eindringenden Untersuchungen von Bousskt und Chakles nicht
zweifelhaft sein; auch sind ja Bruchstücke sowohl einer aramäischen wie einer
griechischen Übersetzung eines älteren Textes des Testaments Lewis zum
Vorschein gekommen '. Freilich bin ich nicht imstande, zu den sehr kom-
plizierten Problemen, die hier vorliegen, selbständig Stellung zu nehmen ;
aber den Ansätzen von Charles, der die Abfassung der ursprünglichen Schrift,
in der die Herrschaft der Nachkommen Lewis über Israel und die Unter-
ordnung aller weltlichen Stämme unter sie gefordert wird, in die letzte
Zeit des Johannes Hyrkanos, zwischen 109 und 106, setzt und tur die
Abschnitte, in denen der Abfall der Lewiten vom Gesetz verkündet wird
und die schwersten Vorwürfe gegen sie erhoben werden, eine Entstehung
in den Jahren 70 — 40 v. Chr. annimmt, vermag ich nicht zuzustimmen^:
die den Lewiten zum Vorwurf gemachten Verbrechen sind viel schwerer,
als daß die Streitigkeiten der letzten Makkabäerzeit. die zur Eroberung
.lerusalenis durch Pompejus führten, gemeint sein könnten. Vielmehr führen
' Ebenso sind im Jiibiläenbiich, mit dessen Anscliauungen sich die Testiimente aufs
engste beriihren, die drei Sünden, die schon die Sinillut herbeigeführt imbcri, »Hurerei
und Unreinheit und alle Ungerechtigkeit« (7, 20, vgl. 20, 6; 23,21; ferner /.B.Test. Jiula
17. 18. Dan 5 u. a.).
' Sielie außer den eindringenden Untei-suchungen von I'kki si iien undBoissi:rZNTW. I,
1900 vor allem die grundlegende Bearbeitung und Erläuterung der Texte in den beiden
Werken von R. H. CHAitr.Ks: The Oreek Version of tlie Testaments of tho Twelve Patriarchs,
und die überaetzung mit Konmientar 'ihc Testaments of tbe Twelve Patriarchs. beide
1908 ei'scbienen. Auf ihnen beruht seine ('berset/.ung (nebst Einleitung) in den Apocrypha
and Psendepigrapha of'the O. T. II, 282ft'.
' S. CiiAHLKS, Greek N'ersions p. 245 H". Hier liiidet sich \-. 16 der .Satz npöcexe
ceAYTÜ Xn6 riANTOc CYNOVCiACwor KAI Xnö nXcHC Akaoapciac kaI Xnö oachc noPNeiAC. woi'an
ganz detaillierte KeinheiUsvorschrlilen anknüpfen.
• Vgl. auch das zurückhaltende Urteil von Schübku, Gesch. d. jüd. X'ulkes IIH 349,
der ül)er diese Abschuitti' (l^wi 10. 14 — 17) zntretl'end Iwinerkt: »Das würde am besten auf
die vormakkabäische Zeit [)asscn . . . Sehr unsicher sind auch die (Ji-ünde, um dorentwillen
BorssKT diese Stücke in die Zeit bald nach l'omjjejus setzt.»
2-
12 K. Mkveu:
sie, wie wir noch selm werden, durchaus ;iuf die schweren religiösen Kämpfe
und Gegensätze der Seleukidenzeit vor der niakkabäisehen Erhebung; nur
damals haben sich solche Vorgänge abgespielt, wie sie hier verkündet wer-
den, und nur aus dieser Zeit können diese Abschnitte stammen.
Das gleiche gilt von den ältesten Bestandteilen des Henochbuchs, dmi
bekanntlicli in den Testamenten wie im -lubiläenbuch fortwährend zitiert
wird (vgl. u. S. 17, i), speziell von dem Schlußstück cp. 92— 105. Zu diesen
Schriften treten jetzt die Texte der Gemeinde von Damaskus; auch sie
müssen aus derselben Zeit stammen'. Alle drei Schriften sind Erzeugnisse
des echten, nicht vom Hellenismus beeinflußten Judentums; sie stehn mitten
in den Käm|)fen zwischen den Frommen imd den Abtrünnigen der Reforni-
[)artei, die Gegensätze der Seleukidenzeit spiegeln sich in ihnen ganz lebendig
wider, sie gewähren einen tiefen Einblick in die leidenschaftliche Erbitte-
rung des Kampfes. Sie gehören alle drei eng zusammen und müssen wie
in derselben Zeit so auch in demselben Kreise entstanden sein.
Die Mahnrede.
Die Rede beginnt p. 1,1: »Und jetzt 'hört' alle 'die ihr Gerechtig-
keit kennt' (Jes. 51,7), und achtet auf die Taten Gottes: denn er hat
einen Streit mit allem Fleisch' (Jerem. 25, 31. Hos. 4, i) und wird Gericht
halten über alle seine Verächter. Denn wegen der Untreue derer, die ihn
verlassen haben, hat er sein Antlitz vei-borgen' (Ps. 10, 11) vor Israel und
seinem Heiligtum, und sie dem Schwert überliefert' (Jerem. 25, 31). Aber
da er des Bundes mit den Vorfahren gedachte' (Lev. 26,45), hat er in
Israel einen Rest übriggelassen und sie nicht der Vernichtung preisgegeben.
Und beim Ende des Zorns — 390 Jahre, miclideiu er sie in die Hand Nebukadnezars.
' Ma,ii ptlegt aucli die Abfassung des Jubiläenbuchs in die letzte Zeit des Johannes
Hyrkanos zu setzen, vor seinen Bruch mit den Pharisäern im Jalu-e 106, auf Grund der
Angabe 38, 10 fl'., daß Edoms Nachkonnnen von dm Söhnen .lakobs unterworfen wei-deii
»und die Söhne Kdoins sind nicht abgefallen von dem Joch der Knechtschaft, das ihnen
die zwölf Söhne .lakobs anferlegt haben, l)is auf diesen Tag«, woran dann die edomitischc
Königsiiste Gen. 36 angeschlossen ist, auch sie mit d<-m Zusatz -bis auf diesen Tag«, d.h.
der Fiktion nach bis zur Sinaigesetzgebung. Man hält das für eine X'ordatierung der
Unterwerfung Idnniäas durch .lohannes llyi'kanos um 125 v.Chr. Aber das ist recht un-
wahrscheinlich: denn der \erfassei- hat natürlich sowohl die Unterwerfung durch David
wie den späteren Abfall und die weitensn Schicksale der Kdomiter gekannt. Es liegt viel-
mehr lediglich eine historische l'hantasie vor. wie sie zu jeder Zeit möglich war.
Die (leinciiulr (lri< Jirunt Bu/i</i:s im Linidc l)amai<kus 1 .'>
des Könijis von Babel, gegeben liatte — nahm er sicli ilirer an und ließ aus Israel
und Aharon eine Wurzel s[)rießen, eine Pflanze, sein Land in Besitz zu neli-
men' (Jes. 60, 2 1 ) und sieli satt zu machen an dem Gut seines Bodens (vgl.
Jes. 30, 23). Und sie sahen ihre Sünden ein und erkannten, daß sie schul-
dige Menschen seien und wie die Blinden gewesen seien, die nach einem
Wege tasten — /.wanzig .lalue — , Und Gott gab acht auf ihr Verlialten,
daß sie ihn mit ehrlichem Herzen suchten, und stellte ihnen einen Leh-
rer der Gereelitigkeit' (Hosea 10, 12. .Toel 2,23) auf, sie auf den Weg sei-
nes Herzens zu fuhren. Und er gab späteren Geschlechtern kund, was
er — in einem späteren Geschlecht — getan hatte an der Gemeinde Treuloser
das sind die, die vom Wege abgewichen sind: dies ist die Zeit, von der i;esclirieb(Mi
ist: 'wie eine störrige Färse, so ist Israel stöi-rig" (Hos. 4, lO) — , als 'der Mann des
Spottes' (Jes. 28, 14) auftrat, der 'auf Israel Wasser der Lüge träufeln ließ'
(als falsclier Prophet auftrat, entlehnt aus Micha 2,6. 11) und sie irren
ließ in pfadloser Öde' (Ps. 107,40), um niederzureißen die ewigen Berge'
(Hab. 3,6). abzulenken von den gerechten Pfaden, und zu verrücken' die Grenze
(vgl. S. 36), die die Vorfahren ihrem Erbbesitz gesetzt hatten' (Hosea 5, 10.
Deut. 19, 14), auf daß .sie ereile der P'luch des Bundes' (Deut. 29, 20), sie
auszuliefern dem Racheschwert, das den Bundesbruch rächt' (Lev. 26, 25).«
Der Aufbau des Textes aus lauter alttestamentlichen Zitaten er-
innert lebhaft an die Art, wie Einhart die Biographie Karls des (iroßeu
nach Suetons Vorbild gestaltet hat und aus ihm zahlreiche Wendungen
entleiint. Trotzdem ist es diesem in bewundeiauigswürdiger Weise gelungen,
ein lebensvolles und durchaus getreues Bild des Frankenkönigs zu schafl'en.
Auch in unserem Text fehlt diese Realität keineswegs: aber bei der Ver-
wendung des prophetischen Schemas werden die Verhältnisse der (iegeu-
wart, auf die die Rede wirken will, zwar für den Einsiciitigen verständlich
genug angedeutet, aber zugleich unter den überkommenen traditionellen
Wendungen verhüllt.
So liaben denn auch schon die ersten Benutzer der Sclirift das Be-
dürfnis empfunden, die Beziehung auf die Zeitereignis.se genauer hervor-
treten zu lassen. Dem dienen die in den Text eingeschobenen Glossen.
Sie setzen »das Ende des Zorns« 390 Jahre nach dem Strafgericht unter
Neliukadnezar, den Üurcld)rucli der richtigen Erk(!iintnis, die offenbar mit
' Mit GuESSUANN ist rcV- in ;•■:"" /u korrigiiMi'ii, wie Ucnt. und unten |). 5, 2ti.
14 K. Mk vkk:
dem Auftreten des »Lehrers der Gereclitigkeit« identisch ist, nocli 20 Jahre
später. Nun hat man mit Recht gezweifelt, ob der Verfasser über die
Chronologie der Perserzeit korrekter informiert gewesen ist als das Buch
Daniel und das spätere Judentum ' ; aber klar ist, daß diese Daten auf die
Zeit um 200 v. Chr. führen, d. h. auf die Epoche der Religionskämpfe
zwischen dem Reformjudentum und den Altgläubigen unter den Seleukideu
bis auf Antiochos Epiphanes, und daß die entscheidende Wendung, die
zur Bildung der neuen Gemeinde geführt hat, in die Mitte dieser Epoche
fällt. Die zwanzig Jahre, die bis dahin noch vergangen sind, werden mit-
hin etwa die Jahre 195 — 175 v. Chr. umfassen, die ersten beiden Jahr-
zehnte der seleukidischen Herrschaft, in denen es ja an inneren Stürmen
nicht gefehlt liaben kann.
Die Fortsetzung (i, i8if.) schildert das Verhalten der Abtrünnigen,
das sie dem Raclieschwert weiht: »Weil sie nach Verführungen' geforscht
und an Täuschungen' Gefallen hatten (Jes. 30, 10) und ausspähten nach
Breschen" und Gefallen hatten an dem Gut des Scliatzes', und 'dem Frev-
ler recht gaben und dem Gerechten unrecht' (Prov. 17, 15), und 'den Bund
überschritten und die Satzung brachen' (Jes. 24, 5)^, "das Leben des Ge-
rechten antasteten' (Ps. 94, 21), und alle, die rechtschaffen wandelten, ihnen
in Greuel waren und sie sie mit dem Schwert verfolgten und ihre Freude
hatten, Hader im Volk zu erregen, so eiitbraimte der Zorn Gottes gegen
ihre Gemeinde, ihre ganze Herde zu verheeren, denn ihr Tun wird 'vor
ihm zur Unreinheit des Weibes' (Ezecli. 36, i 7)«. Daß bei ihnen auch die
' Gegen Si iiEciiTKRS Vermutung, 390 sei Flüchtigkeit füf 490. die Zahl der 70 Jahr-
wochen lienoclis und des Testaments Lewis, erinnern Charles sowie Leszvnskv. Rev. des
et. juives LXIl. 191 1 p. 193 mit Recht an die 390 .lahro der Vei-sündigung Israels bei
Ezechiel 4. 5.
^ D. i. nach einer Durchbrechung des Gesetzes: das niiissen die Worte n-^i-^i -ss" be-
sagen (so auch ScHEciriKn), falls der Text richtig ist. Gressmann ZDMG 66, 501 will is-.;"
»sie sparten« korrigieren und übersetzt: »weil sie sparten für ihre Schwelgereien (ns-s 'Aus-
gelassenheit') « .
^ -s's- ist wühl sicher mit Grkssmann a. a. O. in -::-s- zu koriigieren, so daß ihnen
Antasten des Tenipelschatzes vorgeworfen wird, was Ja durchaus zutreffend ist. Denn -i-r;:-
-sisn zrc2 »Gut des Halses« kann unmöglich, wie Schkchter übersetzt, besagen »thov choose
the goods of the throat".
* Die Worte bei .lesaja zh-j : — : -^tr; -- -rV- n--ir Tzv -: sinil in -~ —•z^- r^-z --h|=r'i zu-
saiinneiii'OZoKen.
DU.' G/mieind^' des neuen Bunden im Tjondr Da,rmfskiiJ< 15
Verehrung von (iötzenbildern, etAUAA, Eingang gefunden hat, erfahren wir
aus B 20, 9. 24 (s. u. S. 42. 43).
Was hier als geschehn berichtet wird, verkündet der Engel dem
Mose im Jubiläenbuch 23, 16 ff. im Anschluß an Abrahams Tod und das
frühe Altern der Menschen als in Zukunft bevorstehend: »Und in diesem
Geschlecht werden die Kinder ihre Eltern und ihre alten Leute schelten
wegen der Sünde und der Ungerechtigkeit . . . und weil sie den Bund
verlassen . . . Denn sie haben alle böse gehandelt, und jeder Mund redet
Sünde, und all ihr Werk ist Unreinheit und Abscheulichkeit, und all ihre
Wege sind Befleckung, Unreinheit imd Verderben . . . Und sie werden
streiten, diese mit jenen, Jünglinge mit alten Leuten, alte Leute mit
Jünglingen, der Arme mit dem Reichen, der Niedrige mit dem (Großen,
der Bettler mit dem Mächtigen wegen des Gesetzes und des Bundes; denn
sie haben (iebot und Bund und Fest und Monat und Sabbat und Jubiläen
und alle Rechtsbestimmung vergessen.« So wird das Strafgericht,,Schwert
und Krieg über sie kommen, aber zunäclist, ohne sie zu bekehren. »Und
die sich gerettet haben, werden nicht auf den Weg der Wahrheit von
ihrer Bosheit umkehren: .sondern sie alle werden sich zu Betrug und Reich-
tum erheben, daß ein jeder aU seines Nächsten Gut nehme, und sie wer-
den den großen Namen nicht in Wahrheit noch in Gerechtigkeit nennen,
und das Allerheiligste werden sie durch ihre Unreinheit und durch die
Verderbnis ihrer Befleckung beschmutzen« — ein deutlicher Hinweis auf
die Vorgänge, die das erste Makkabäerbuch kurz andeutet 1,1 2 ff'. 34.43
(icAi noAAOi Xnö 'Icpaha hy'aökhcan th aatpIa a-t'toy [des Antiochos], kai eevcAN toTc
eiAti)AOic, KAI ^BeBHAtüCAN TÖ cäbbaton). 52 (kai CYNHepoiceHCAN Xnö To9 AAo9 npöc
AYTOYC nOAAOl, OÄC Ö eNKATAAeinUN TÖN NOMON, KAI ^nOIHCAN KAKA ^N TH TH, KAI GSeNTO
TÖN 'IcPAfiA ^N KPY*ioic ^N OANTi »YrA&eYTHPiO) aytön) uud das zwcite c. 4 ff', ein-
gehend berichtet. In c. 15, 33 wird bei dem Gebot der Beschneidung ver-
kündet, »daß die Kinder Israel gegen diese Ordnung treulos sein und
ihre Kinder nicht beschneiden werden gemäß diesem Gesetze . . . und alle
Söhne Belials werden iiire Söhne ohne Beschneidung lassen, wie sie ge-
boren sind . . . sie li;d)en ihre Glieder gemacht wie die Heiden, so daß sie
vertrieben und au.sgerottet werden von der P^rde« : vgl. Makk. I i. 15 kai
^nolHCAN GAYTOTC AKPOBYCTIAN, KAI AO^CTHCAN ÄnÖ AlAeHKHC ATIAC, KAI ezeYriCGHCAN
To7c eeNeciN. So wird denn die göttliche Züchtigimg kommen (23, 2 2 ff.)
»und er wird wider sie die Kinder der Heiden« — Antiochos Epiphanes
1 6 E. M E V F. R :
und seine Gehilfen — »erweclven. l)ei denen kein Krbarmen und keine
(Jnade ist, die auf niemanden Kücksicht nehmen, weder auf alt noch auf
jung, auf niemanden" ; vgl. Makk. II 4, 16 kai ün «hadyn tac ArurÄc kai kao'
ö AOAN HeeAON esoMoiOYceAi, TOYC noAEMioYc KAI TiMüjPHTAC ^cxoN, Und das Blut-
bad in Jerusalem II 5. 1 1 ff. er^Nero Aä ngcün kai npecBVT^PcoN anaIrgcic, anhibun
TG KAI TYNAIKUN KAI TeKNUN A*ANICMÖC, HAPeeNtON TG KAI NHÜIUN CfArAI. »In jenen
Tas-en werden sie schreien und rufen und beten, daß sie aus der Hand
der sündigen Völker gerettet würden, aber keiner ist, der gerettet wird«.
Dann aber wird die TTmkehr eintreten: »in jenen Tagen werden die Kinder
anfangen, die (Jesetze zu suchen und auf den Weg der (lerechtigkeit um-
zukehren«. Dann av erden auch die Tage des Segens und der göttlichen
Gnade kommen, die nach Jes. 65 geschildert werden, in denen die Lebens-
dauer der Menschen von (Geschlecht zu Geschlecht wieder eine größere wird,
wie in der Urzeit.
Im .Buch Henocli' wird diese Zeit und die Verfolgung der Frommen
in Kap. 91 — 105 geschildert: »In der siebenten Woche«, heißt es 93, 9 f.,
d. i. in den 490 Jahren nach dem Exil, »Avird sich ein abtrünniges Ge-
schlecht erheben; zahlreich werden seine Taten sein, aber alle seine Taten
werden Abfall sein. Und am Ende derselben Averden die auserwählten
Gerechten von der ewigen Pflanze der (Tl(Techtigkeit auserwäldt werden,
daß ihnen siebenfache Belohnung zuteil werde über seine ganze Schöpfung. «
Dann tritt, in den drei letzten Weltwochen, die herrliche Zukunft ein bis
zum großen Weltgericht in der zehnten Woche. Daran schließen die Mah-
nimgen zum Au.sharren in Frömmigkeit und Gerechtigkeit, trotz der argen
Heimsuchungen durch die Sünder, die ihnen beAorstehn: die weite Ver-
breitung des Abfalls, die Verehrung der Götterbilder (99, 7), die Habgier,
die Verfolgung und Erschlagnng der Gerechten und Guten (103, 9 ff.), der
Bürgerkrieg (100. i f.) werden eingehend verkündet: aber die Vergeltimg
und die zukünftige Belohnung am Tage des großen Gerichts werden nicht
ausbleiben. — In den Testamenten der Patriarchen erscheint die Priester-
schaft, die Nachkommen Lewis, als der Hauptschuldige. Sie ist zu den
höchsten Ehren berufen und hat weitaus den Vorrang vor der weltlichen
Macht, dem neben ihr stehenden Königtum Judas. Diese Stellung soll ihr
' Icli benut/e für dasselbe die rbevset/.img von Fi.kmjiim. (das Buch Heiioph, 1901),
in dei' RAiiEHMAfiiER die irrieciiiscli erhaltenen Stiiciic beiueriiyt hat.
Die (jcnieiiulf df'S neuen Bundes int Lande Damaskus ] 7
aucli gewahrt bleiben: aber nur um so schlimmer ist, daß, wie ihr Ahn-
herr Lewi aus der Schrift Henochs weiß', sie »am Ende der Zeiten«
(^ni TH CYNTCAeiA TÖN aiüjncün) gottlos und abtrünnig werden werden, »so daß
Jerusalem es nicht aushält angesichts eurer Schlechtigkeit, sondern der
Vorhang des Tempels zerreißt, so daß er nicht eure Schande verhüllt«;
dafür sollen sie als Gefangene vinter die Heiden zerstreut werden (Test.
Lev. lo). Sie werden (cp. 14) »das Licht des Gesetzes, das euch zur Er-
leuchtung eines jeden Menschen gegeben ist, aufheben und den Verord-
nungen Gottes entgegenstehende Gebote lehren«'; ihr werdet »die Opfer
des Herrn stehlen und von seinen Anteilen die auserlesenen Stücke rauben,
in Verachtung sie verzehrend mit Huren, in Habsucht die Gebote des Herrn
lehren, . . . die Töchter der Heiden zu Weibern nehmen . . . gegen die
Gebote Gottes euch aufblähen und das Heilige verspotten und darüber
scherzen«. Wie das Buch Henochs lehrt, werden sie (cp. 16) »70 Wochen
(490 Jahre) irregehen und das Priestertum schänden, die Opfer beflecken
und das Gesetz außer Kraft setzen, . . . durcli Verdrehung gerechte Männer
verfolgen und Fromme hassen, die Worte der Wahrhaftigen verabscheuen
und einen Mann, der die Gesetze erneuern will, einen Verfiihrer nennen und
schließlich töten, da ihr seine Gerechtigkeit nicht erkennt« \ Unter dem sieben-
ten Priester »wird eine Befleckung sein, die ich nicht sagen kann vor den Men-
' Test. I^v. 10. 14. 16. Dieselbe Bezugnahme und die gleiche Verkündung für die
eigenen Narhkommen kehrt in den übrigen Testamenten wieder (Sim. 5, .lud. iS, .Scb. 3,
Dan 5, Napht. 4, Ass. 7, IJenj. 9), in Dan 5 mit Bezugnahme aiif die Sünden der I.ewiten,
während Simeon 5 den Nachkommen die Empörung gegen Lewi und als Strafe dafür die
Verteilung in I^wi und .luda verkündet wird.
- Vgl. BocssET ZNTW 1 r68. Der in drei wenig voneinander abweichenden Fassungen
(s. Chaiilf.s' Ausgabe) vorliegende Text lautet tI noiHCOYCi Hanta ta ieuH, ikn YMeTc CKOTiceflTe
in Aceßei/» kai snAieTe katäpan ^ni tö t^noc hwön, yoIp oy tö «üc toy nömoy tö Aoe^N ymPn
eic »uTiCMÖN oantöc Anopcühoy, toyton eeAHceTe ANeAelN, ^nantIac ^ntoaäc aiaXckontec toic toy
ecoY AiKAi(i)MACiN. Wcshalb, wic BorssKT behauptet, nANTÖc Anopühoy -eine offenkundig«'
(llossc" sein soll, weiß ich nicht: das Gesetz, ist den Lewiten anvertraut, sie sollen dadurch
alle Menschen, d. i. natürlich die gläubigen .luden und I'roselyten, erleuchten.
' S. Bou.sSET Z.NTW 1 169. nach dem der urspn'ingliche Text etwa lautet: ka'i anapa
ÄNAKAiNonoiOYNTA TOYC NÖMOYC HAÄNON nPOCAPOPeYceTe KAI T^AOc XnoKTeNe?Te aytön oyk eiAÖTec
THN AriCAlOCYNHN A'iTOY. KAI ^N TlH KAKIA ■Y'WfiN t6 ABÖON AIMA ^ni THC KGOAAfiC YMCON KAI iui THC
K€«AAHC TUN YIUN ^MÜN XNAA^SeCSe, KaI AI' AYTÖN fe'cTAI jk ArlA YmSn ePHMA fe'tüC ^AAi»>OYC.
Chaki.es liest für thn aikaiocynhn aytoy mit einem Teil der Überlieferung tö Xnäcthwa aytoy
(was in einem Teil der armenischen ('bereetzung durch AnActacin ersetzt, also auf Jesus
bezogen winl). und übei-sctzt: »not knowing bis dignitv".
IhiL-hist. M,h. HnH. Ar. H. 3
18 . K. M E Y E R :
sehen . . .« In der siebenten Woche werden lepeTc eiAcoAOAAXPOYNTec «oixoi (so
Charles statt des in anderen Handschriften gebotenen maximoi) «iaärtypoi
Ynepi^*ANOi ÄNOMOi AceAreTc nAiAO<t>eöpoi KTHNOo>eÖPOi kommen (cp. 17); dann aber
folgt, wie im Henoch, das Gericht- und die 'J'age der Herrlichkeit (cp. 18).
Ganz deutlich ist, daß die Abfassungszeit hier wie im Henocli inid
in den Jubiläen die Zeit der BedWingnis ist: bis dahin sind die geschilderten
Zustände historisch, auf sie soll unmittelbar das Phantasiegeraälde des
Strafgerichts und der zukünftigen Herrlichkeit folgen. Diese Bedrängnis
aber ist die Zeit der Seleukldenherrschaft vor oder bis in die Anfänge
der niakkabäischen Erhebung. Wesentlich durch die Priester, durch ihren
Kampf um die fetten Pfründen, durch ihre Unlust, die lästigen Zeremonien
weiter zu veri'ichten, und ihre Bereitschaft, auf die griechischen Lebens-
formen einzugehn, ist ja die Krisis herbeigeführt worden : es ist in der
Tat die Zeit der schweren Versündigung Lewis. Vgl. Macc.n4,i6ff. : als
Jason Iloherpriester geworden ist, eve^uc npöc tön ""Gaamnikön xapakthpa to'tc
ÖMO<t>^AOYC Mer^CTHCe . . KAI TÄC NOMIMAC KATAAYUN nOAlTciAC nAPANÖMOYC eOlCMOYC
GKAiNizeN. Er erbaut das Gymnasium, ücxe MHKexi nepi tac to9 eYciACTHPiOY
AeiTOYPriAC npoeYMOYC gTnai to'Vc lepeTc, aaaa toy mcn Neu kataoponoyntcc kai
TÖN eYClÜN ÄMSAGYNTGC ecnGYAON MeTEXElN THC GN TH OAAAicTPH nAPANÖMOY XOPHrJAC;
und nachher 6, 4 fl'., als der Zeuskultus eingeführt ist, tö men igpön acutiac
KAI K(i)Mü)N Ynö TÖN eeNüJN enenAHPOYTO pagymoyntun Mee' eTAiPÜN, kai en toTc
lePOTc nePIBÖACüN rYNAIII nAHCIAZÖNTUN, GTI Ae TA MH KAeHKONTA GNAON eiC«>eP6NTCi)N .
TÖ AG eYClACTHPION ToTc AnOAlGCTAAM^NOIC AnÖ TUN NÖMCJN AGewiTOIC enenAHPtüTO.
HN AG OYTe CABBATIzeiN OYTS HATPUDYC eOPTAC AIA^YAÄTTCIN O^TG XnAOÜC '"IoYAaTON
ÖMOAoreTN gTnai. Daher auch die Erwähnvmg des Götzendienstes, der Verehrung
der eiAWAA Test. liev. 1 7, Juda 23, Seb. 9, KAlre nÄN etAUAON npocKYMMcere,
ganz wie in unserem Texte B 20, 9. 24. Das alles paßt nur für die Zeit
des Antiochos Epiphanes und schließt jede spätere Epoche aus, so die
Vorgänge, die zu der Eroberung durch Pompejus fährten, in die Bousset
diese Abschnitte der Testamente versetzen möchte'.
' ZNTVVIiQof. Kr zioht die beknnntlich auf die Eroberung durch Pompejus bezüg-
lichcii {'salinen Salomos als Parallele heran. Gewiß ist auch in diesen von Beneckun.'t und
l".utvveiliung des Heilifitiims, Von l'iostitutioii der Töchter .lenisalems, Khebnich der Vor-
nehmen, llal)giei- und Fiun-el aller Art die Hede, wie auch sonst in allen Propheteni-oden.
Aber di(! scliai le Anklage gerade gegen die Söhne Lewis findet sich hier nicht, und zu der
war auch kein ausreichender Anlal.i, wie er in der Seieukiden/eii in vollstem Maße vorlag:
und ebenso kann von (iölzcndienst und IJilderkult in der Zeit des l'ompejus keine Kede sein.
Dir (Irimindc des ncwii Ihiiiilcs Im IjiikIi- JJa/naskiis 1 J)
Genau dieselben Zustände schildert nun unser Text; er gehört mit
den drei anderen Sclirif'ten eng zusammen. Sie stammen also alle aus der-
selben Zeit wie das Danielbuch. Aber während dies im Judentum kanonische
Geltung gewann, ist das bei unseren vier Texten nicht der Fall: sie blieben
in dem weiteren Umkreis der Schriften und haben weder in die hebräische
noch in die griechische Bibel Aufnalime gefunden. Sie sind eben aus
einer anderen Schicht der gläubigen Gemeinde hervorgegangen als Daniel;
dieser gehört der Gruppe an, die unter den Makkabäern in Palästina zur
Herrschaft kam, jene dagegen der Diaspora. So erklärt es sich auch, daß
die für Daniel charakteristische, dem Parsismus entlehnte Ausgestaltung
der Kschatologie jenen Schriften völlig fremd ist; in den Erweiterungen
des ältesten Henochbuchs hat sie dann Eingang gefunden, in den drei
andern findet sich von ihr noch keine Spur. Dadurch werden sie nur um
so wertvoller: sie gewähren einen Einblick in die verschiedenen Schichtungen
der damaligen Anschauungen und zeigen, daß die viel weiter vorgeschrittenen
Vorstellungen im Danielbuch noch keineswegs Allgemeingut gewesen sind,
sondern damals erst entstanden sind und sich dann in der folgenden Zeit,
unter den Makkabäern, durchgesetzt haben.
V^on den Abtrünnigen haben sich luui die Frommen abgesondert als
die »Gemeinde des neuen Bundes«. Sie liaben Jerusalem und Judäa ver-
lassen und sind nach dem Gebiet von Damaskus gezogen, um hier, unbe-
hindert durch die Gottlosen, nach dem Gesetz zii leben. Diese Emigration
ist eine Parallele zu der Auswanderung der Nachkommen des legitimen
Hohenpriesters Onias mit ihrem Anliang nach Ägypten, wo sie die Gemeinde
des Tempels von Leontopolis gründeten. Als »die, welche eingetreten sind
in den neuen Bund im Lande Damaskus« werden sie 6, 19. 8,21 bezeich-
net. Es ist sehr zu beachten, daß von dem entsclieidenden Eingreifen des Anti-
ochos, der Umwandlung des Tempels in ein Heiligtum des Zeus und der
systematischen Keligionsverlolgung so wenig die Rede ist wie von der mak-
kabäischen Erhebung; die Erwähnung des Strafgerichts über die Abtrünni-
gen (1, 2 I. 2, I, oben S. 14) hält sich in ganz allgemeinen Wendungen, in
Wirkliclikeit ist es offenbar noch nicht eingetreten. Ebenso wie <las Jubiläen-
buch und die Testamente fällt auch unser Text und die Auswandenuig nach
Damaskus vor die entscheidenden Kreigni.sse in Palästina und die natio-
nale Krhebinig, in die Zeit, als die Apostaten, die Reforuijuden, noch die
Macht in Händen hatten. Auch daß die Auswanderer nach Damaskus ziehn,
;(*
20 ■ K Mkykk:
also in eine unter seleukidischer Herrschaft stehende Stadt, zeigt, daß dies
Ereignis vor die Zeit fällt, in der Antiochos entscheidend gegen das Juden-
tum auftrat.
An die neue Gemeinde ist die Fortsetzung der Rede gerichtet
(2, 2 ff.): »Und nun hört auf mich, alle die ihr in -den Bund eingetx-eten
seid, und ich will euren Ohren die Pfade der Sünder enthüllen. Gott, der
Kinsicht (nyn) liebt, hat Weisheit und Umsicht vor sich gestellt« — (nrrn
?T'["]©irT', die ständigen Termini der Weisheitsliteratur) — »Klugheit {'n'ü'V) und
Verstand sind seine Diener. 'Langmut ist bei ihm und Fülle der Ver-
zeihung' (Exod. 34, 6, etwas verändert), zu vergeben 'ifeuigen Sündern'
(Jes. 59, 20), aber auch Macht und Stärke und große 'Zornglut mit Feuer-
flammen' (Jes. 66, I 5) — darin sind alle Strafengel (Van -ricsr, eine aus dem Talmud
bekannte', aber auch schon im Henocli 53, 3 vorkommende Engelgruppe) — für die vom
Weg Abweichenden und die Verächter des Gesetzes, 'so daß kein Über-
rest und F^ntrinnen für sie bleibt' (PCzra 9, 14).«
Daran scliließt der Verfasser sogleich einen Überblick der Weltgeschichte,
der sich ganz an das Jubiläenbuch anschließt. Von Urbeginn, von der
Weltschöpfuiig an, hat Gott alles vorausgewußt, daher aucli den Abfall der
Sünder und den Termin ihres »Endes«, ihrer Vernichtung festgesetzt —
auf die Prädestinationslehre, die sich daraus ergibt, kommen wir noch zu-
rück— : »Denn Gott hat sie nicht erwählt vor der Urzeit (a'""^ =~pic); ehe sie
ihre Pläne faßten, hat er ihre Taten gekaimt. So verabscheute er ihre
Geschlechter von Anfang an" und verhüllte sein Antlitz vor der F>de bis
zu ihrer Vernichtinig^, und er kannte die Jahre ihres AuCtrotens und die Zahl und die Be-
stimmung ihres Endes ^ (die riu- ihren Untergang festgesetzte Zeit) entsprechend den .Jahren
■der Welten und die Geschehnisse bis zu dem was bei ihrem Ende kommen wird in allen
Jahren der Welt. Aber unter ihnen allen hat er mit Namen Gerufene be-
stellt, um 'der Erde eine Schar Geretteter übrig zu lassen' (Ezech. 14, 22)
und 'den Erdkreis zu füllen' (Jes. 27, 6) mit ihrem Samen; und er belehrte
sie durch [seinen Messias] seinen heiligen Geist — und das ist die Wahrheit, und
durch die deutliche Bezeichnung ihrer Namen — ; aber den er haßt, den läßt er
irren.«
' Weber, Jüd. Theol.' 172.
^ Mit Charles ="(p") on—ii .-s ;"ni- zu lesen.
•' Statt a-:-n -• -^k ist a:r -• (Deut. 2, 15) zu lesen: in ^ könnte d-^-: stecken.
' Natürlich ist nn^s- -^i-t' statt =r- zu lesen, Im folgenden korrigiert Gress.ma.nn "ns
s~:-'v -■- in "■" -.V V:";,
Du- (irinnudi' dex ufUfit Bundis im Landr lJ(iinuKku!< 21
Daß in diesen letzten Worten fremde Bestandteile in den Text ein-
tredrungen sind, ist klar. »Messias« und »heiliger Geist« verträgt sich
nicht miteinander, ganz abgesehn davon, daß beide asyndetisch neben-
einander stehn'. Wäre Messias acht, so müßten wir die Lehre von dei-
Präexistenz des Messias und seiner Wirksamkeit seit Anbeginn der Schöpfung
schon hier annehmen, was wenig wahrscheinlicli ist. Es kommt hinzu,
daß rrs Sirr. •> und er ist die Wahrheit« often>)ar Glosse zimi heiligen Geist ist, der
eben die Wahrheit ist, hier die Gottes, nachher p. 5, 1 1. 7,4 die in den Menschen
lebende Wahrheit (s. u. S.36f.). Auchim Jubiläenbuch kommt 25, 1 1 »der Geist
der Wahrheit« (oder nach einer anderen Handschrift »der heilige (ieist«) auf
Rebekka, als sie Jakob segnet. So halte ich »Messias« nicht für eine Glosse,
sondern für einen dem Schreiber in die Feder gekommenen Irrtum, den zu
tilgen er hier wie sonst unterlassen hat, wälirend in B solche Tilgungen
sehr liänfig vorkommen. Ebenso liegt im folgenden sn^n'.icis "TSC C-."^S31 deut-
lich eine Dittograpliie vor. Streiclit man mit Sciieciiter TCO, so kann das
übrige nur eine weitere x\usfühnuig der Belelirung sein: er belehrte sie durch
seinen heiligen Geist und dadurch, daß er ihre Namen deutlich bezeichnete?
oder bestimmte', mit anderen Worten dadurch, daß sie zum Heil prädestiniert
und ihre Namen, wie es im Henoch und im Jubiläenbuch heißt (vgl. S. 39),
in den himmlischen Tafeln verzeichnet sind (vgl. p. 3, 3 S. 22; 4, 4f. S. 23f. ;
[). 20, 19 S. 43). Die Worte sind aber olTenbar ein späteres Einschiebsel.
Jetzt hebt der Verfasser noch einmal an (2, 14): »Und jetzt, Söhne,
liört auf mich ; ich will eure Augen öffnen, zu sehn und zu erkennen
die Taten Gottes und zu wählen, was ihm gefällt, zu verwerfen, was er
haßt, in Vollkommenheit zu wandeln auf allen seinen Wegen, und nicht
zu tra<"hten in (Gelüsten des bösen Triebes' ((len. 6, 5) nach Schuld und
Unzucht. Denn viele sind dadurch auf Irrwege geraten und Ki-iegshelden
<ladurch gestrauchelt vor alters und bis heute. Weil sie 'in Verstocktheit
des Herzens wandelten' (Jes. 13. 10), sind die Wächter des Himmels (nT
r^ccn) gefallen ; dadurch wurden sie gepackt, da sie die Gebote (iottes nicht
bewahrten, und ihre Söhne, die hoch aufragten wie Zedern' (Arnos 2, 9)
' Tn? rrn -rvzK -rz. Die Cbei-setzunj^ von Schechtkr und Chaki.es »ilurcli seinen Messias
lehrte er sie seinen heiligen Geist kennen« lialte ich tVir uiitnöglich.
- Kbensd steht p. 4, 4 s: — :'~nV zr^-r:: r— i r:r. Sonst könnte man aiicli, woran Ghessjian.v
(lenkt, ":r ir-t: it:x .s~ hei-stellen: -das ist nach der Exegese seines Namens die Wahrheit«;
doch ist mir da.s weni<r wahi-scheinlich.
22 E. Mk V EI«:
und deren Körper Hergen glielien, sind gefallen« — es ist der Mytlius
von den jetzt als »Himinelswächter« (n''^on "^tj", erPHropoi) bezeiclnieten Göt-
tersöhnen, die von den Töclitern der Menschen Riesen zeugen (Gen. 6, iff.),
ein Lieblingstlieina dieser Literatur (Jubil. 4, 22. 7, 2 i ff . 8, 3. 10, 5. Test.
Rüben 5. Napht. 3), das dann im Henochbuch cp. 6 ff", ausführlich behandelt
wird'. So folgt auch hier ein Hinweis auf die Sintflut und ein kurzer
Abriß der Geschiclite Israels bis zum l ntergang des Reichs:.
(2, 20) »'Alles Fleisch, das auf dem Festland war, erstarb' (naeli
(ien. 7, 2of.) 'und ward, als Avären sie nicht gewesen' (Obadja 16), weil sie
ihr Belieben taten und die Gebote ihres Schö])fers nicht hielten, bis daß sein
Zorn über sie entbrannte. Darüber gingen irre die Söhne Noahs, und ilire
Geschlechter wurden deshalb vernichtet. Abraham wandelte nicht darin, und
wurde zum Freund gemacht, weil er Gottes Gebote befolgte und nicht das
Belieben seines eigenen Geistes vorzog. Er lehrte Isaak und Jakob« — vgl.
im Jubiläenbuch die idyllische Ausmalung ihres Verkehrs mit Abraham
cp. 2 1 — 23 — »die hielten sie und wurden als Freunde Gottes und als
Inhaber des Bundes fiir die Plwigkeit aufgezeiclinet. «
(3, 4) »Aber die Söhne Jakobs gingen darin irre und wurden bestraft
gemäß ihrer Verfelüungen. Und ihre Söhne in Ägypten wandelten in der
VerStockung ihres Herzens, indem sie sich berieten wider Gottes Gebote
und jeder tat, was ihm recht schien; und sie aßen das Blut, und so wur-
den ihre Männer in der Wüste aufgerieben. Von Qades zogen sie hinauf
und folgten ihrem eigenen Sinn" und hörten nicht auf die Stimme ihres
Schöpfers — die Gebote ilues Lehrei's ' — und murrten in ihren Zelten'
(Deut. 1,27). Da entbrannte Gottes Zorn gegen sie. Auch ihre Kinder
sind darob zugrunde gegangen, und ihre Könige deshalb ausgerottet,
ihre Krieger darob zugrunde gegangen, ihr Land darob zur Einöde ge-
Avorden. J)adurcli sind die früheren Mitglieder des Bundes schuldig ge-
worden und wurden dem Schwert preisgegeben, weil sie den Bund (iottes
verlassen hatten und nach ihrem Woldgefallen wählten und der Verstockung
ihres Herzen« folgten, ein jeder zu tun, was ihm getiel. «
' Im Daniel ersclieinen be]<aniitlieli 4, 10. 14. 20 diejenigen dieser "^^'äcllter- (^rPHropOlj,
di(! getreu gcljlielien sind, ids Seliieksalsengcl.
- Für :-— nti "s-: •h'y ■:i--2 vcrinntc-l (Jukssmann •D-.-t und ••::--.
•^ Lies mit Chaki.ks ::-■'—; r^-^-: fnv 3;-— 1.
Dif Gf^mt'infle drs n/nr/i BkikIcx im Lande ])om(ishis 2H
(3,12) »Aber mit denen, die an Gottes Geboten festliiclten, die von
ihnen übriijgeblieben waren, liat (iott seinen Bund mit Israel auf ewi,£>'
eri'iclitet, ihnen Geheimnisse zu offenbaren, in denen ganz Israel in die
Irre gegangen ist: seine heiligen Sabbate (s. o. S. 9), seine herrlichen
Feste, seine gerechten Satzungen, seine wahrhaftigen Wege, und die For-
derungen seines Willens, 'durch die der Mensch, wenn er danach handelt,
am Leben bleibt' (Lev. 18, 5). Er hat vor ihnen eröffnet und sie haben
einen Brunnen gegraben"' {Num. 21, 18, s. u.) mit vielen Wassern: doch wer
ihn verschmäht, wird nicht leben. Aber sie haben sich gewälzt in mensch-
licher Sünde und weiblicher Unreinheit, 'und sie sprachen: das gehört
uns' (Ez. 11,15. 33» 24). Und Gott, in der Fülle seiner Wundertat, hat
ihnen ihre Sünde verziehn und ihre Verbrechen vergeben; und er baute
ihnen ein beständiges Haus in Israel, dessengleichen nicht gestanden hat
vormals imd bis heute, und die an ihm festhalten, sind bestimmt fiir ein
ewiges Leben (ns; ""nb). und alle menschliche Herrlichkeit ist für sie.«
Auf diese Gemeinde der (Mäubigen werden nun. mit der üblichen (tc-
waltsamkeit. die Sjuniche der Schrift gedeutet. So gleich im folgenden
(3, 20tf.) der Spruch Ezechiels 44, 15": »Die Priester, Lewiten Söhne Sadoqs,
die den Di<'nst in meinem Heiligtum pflegten, als die Söhne Israels von
mir abirrten, die sollen mir Fett und Blut bringen.« Der Text ist durch
zweimalige Einschaltung von »und« in »die Priester und die Lewiten und
die Söhne .Sadoqs« geändert und wird folgendermaßen erklärt:
»die Priester sind die sich Bekehrenden Israels, die aus dem Lande
.Inda ausgezogen sind;
»und (die Lewiten siiul ' sind die, welche sich iJuien angeschlossen
haben (zmc~ s-ibrn, mit etymologischem, aus Num. 18. 2. 4 entlehntem Wort-
s[)iel; zrsTiy ist wohl in =n"''*7 zu korrigieren):
»und die Söhne Sadoq's sind die x\userwählten Israels, die bei Namen
gerufen sind (vgl. o. S. 21), die am Ende der Tage (c^r'n r"'"ins3) bestehn
werden. •
' -«a "■■iip^ anaeV rtnt. Da mit dieson Wortrii ebenso wi«- narliher6.3(r. (s. u..S. 24) das Lifd
Num. 21. 18 :—s r— sr; -x: /itifrt wird, ist es mir zwiMfolhaft, ob fiuKSSMANN mit K''''lit -in'-
• iiriil IT grul)- korrigiert.
- Da.s Ziliil wird angefiifjt mit di'ti Worten: »Wie (njtt ilnion liesläti^tt- diircli <len
I'nijjhetcn Kzecliiel mit den Worten: 'die Priester niid die Lewit^-n' usw.-
^ Daß diese Worte vom Selneiber voiselientlirii nns-felassen sind, ist evident.
24 K. Meykr:
»Siehe (das ist) die genaue Bezeiclinung ihrer Namen (onTlia» c*"ie,
vgl. o. S. 2i) nach ihren (ieschlechtern und das Ende ihres Bestehens
(3TC7T2 l^p. d. i. ihr Bestellen bis zur Endzeit) und die Zahl ihrer Bedräng-
nisse und die Jahre ihres Aufenthalts in der Diaspora (0"!"T'>rn -DB) und die
genaue Angabe (SJ'T'B) ihrer Taten (d. i. Schicksale).«
Hier wird also die gesamte Gemeinde als eine priesterliche von lewi-
tischen Auserwählten bezeicluK^t: das Vorrecht der Abstammung tritt da-
gegen zurück, wenn es auch in der Organisation noch. berücksichtigt wird
(s. u. S. 46).
(Gleichartig ist p. 6, 2 IT. die Verwendung des Brunnenliedes Num. 21.18
(vgl. 0. S. 23): Nach der Verödung des Landes »gedachte Gott des Bundes
mit den Vorfahren, und er nahm von Aharon Einsichtige und von Israel
Weise und ließ sie verstehn'. Und sie gnd)en den Brunnen, einen Brun-
nen, den Fürsten gegraben, die Edlen des Volks als Gesetzgeber" gebohrt
haben'«.
»Der Brunnen ist die Tora:
Und die dm gruben, sind die sich Bekehrenden Israels, die aus dem
Lande Juda ausgezogen sind und sich im Lande Damaskus in der Diasjjora
niedergelassen haben ('"ra-^l). die Gott sämtlich Fürsten genannt hat. weil
sie ihn gesuclit und nicht nach ihrem eigenen Ruiim getrachtet haben '^r
Und der Gesetzgeber ist. wer die Tora studiert (rrnnri IBTI), von dem
-lesaja spricht (54, 16) wer ein Gerät für sein Werk hervorbringt';
Und die Edlen des Volks sind die, die gekommen sind, den Bruimen
zu bohren durcli die Rechtssatznngen. die der (Gesetzgeber festgestellt hat.
nach ihnen zu wandeln in der ganzen Endzeit des Frevels, und außer
ihnen sollen sie niclits sinnen', bis der Lehrer der Gerechtigkeit (d. i. der
Messias) auftritt am Ende der Tage.«
Noch weit gewaltsamer ist 7, 14 ff. die radikale Umdeutung des Spruchs
Arnos 5, 26 f.: »So werdet ihr den Sakkut, euren König, und den Kewan,
euer, Götterbild, den Stern, euren Gott, den ihr euch gemacht liabt, auf-
' :i-:3^- ~pv öftriete ihnen das Gehör«.
- So faßt unser Text das Wort —-n-::. vgl. LXX eN th BACiAeU aytön. während es in
Wii-kliciilveit zweifellos »mit dem Richterstab" bedeutet.
^ GiiESSMANx ZDMG 66. 503: ..Statt -rrs ■'tz an-ss r:c-- sV- lies --s --tz ar-ss.- -:r- s'i- »sie
trachteten nicht nach ihrem eigenen Ruhm, einmütigen Sinnes.. Oh <lie beiden letzten
Worte richtig sind, ist mir fraglich.
' Lies mit Gressmann ■-^•i-' für -.-.irn.
hir (ir/iii'i/tt/r ilr.s lli-um BuildiX Uli Jjdinlc DdllKIskll.^ 2")
laden, luul ich werde cue?i über Damaskus hinaus ins Exil führen.« Diese
Worte sind allerdings schon früh unverständlich gewesen, wie LXX zeigt';
unser Text, der den Wortlaut zusammenzieht und überdies aus Flüchtigkeit
ein paar Worte ausläßt, die in der Erläuterung berücksichtigt werden", deutet
den Gottesnamen Sakküt als n"2D »Zelte« oder vielmehr wie LXX singularisch
als Tr rxc (in der Erläuterung daher Ysrn roio geschrieben) »Zelt des Königs« ,
=*"r'-S p-: als »der Bestand (oder 'das (iestell'?) eurer Bilder«, und erklärt:
»Die Bücher der Tora sind das Zelt des Königs, wie er gesagt liat
(Arnos 9, II ): 'ich werde aufrichten das verfallene Zelt Davids';
»der König ist die (Volks-) Versammlvmg;
»der Bestand eurer Bilder sind die Bücher der Propheten, deren Worte
Israel veraclitet hat;
»der Stern ist der Student der Tora (niTH tsitt). der nach Damaskus
gegangen ist. wie er sagt (Num. 24, 17): 'ein Stern geht aiif aus Jakob
und ein Szepter erhebt sich aus Israel" — das Szepter ist der Fürst der ganzen
Gemeinde, und durch .sein Auftreten '^wird er zerschmettern die Schläfen
Moab.s)' und ausplündern' alle Sölme Sets'.« Das Szepter wird also auf den
kommenden Messias gedeutet, den Fürsten, der ganz Israel wieder einigen
und seine Weltherrschaft herbeiführen wird: der Stern sind die Torafor.scher
der dama.skenischen (»enieinde. die das Kommen des Messias vorbereiten.
Die Verkündung des Amos auf diese {Gemeinde zu deuten, war in der Tat
durch die Erwähnung des P]xils »jenseits Damaskus« oder, wie unser Text
liest, »der Zelte von Damaskus« nahe genug gelegt; möglich ist auch, daß
eben diese Stelle die Gemeinde veranlaßt hat. nach Damaskus auszuwandern.
Sie ist angescldossen an das in gleicliem Sinne gedeutete Zitat von.Ie.saja 7. i 7
(p. 7. 10 ff): »er wird über dicli und dein Volk und dein Vaterliaus Tage
Itriugen. wie sie ^nicht) ' gekonunen sind seit dem Tage, da Ephraim von
Juda abfiel.« Die Erläuterung lautet: »Durch die Trennung der beiden
' KAI XNCAABCTe THN CKHNHN TOY MOAÖX KAI t6 ACTPON TOY 960Y YMÖN TaI4>ÄN, TOYC
ftTioYC AYTÖN oYc inoiHCATe ^AYToic, KAi «eToiKiüi YMAC ^neKeiNA Aamackoy.
- Der Text bei .•\inos laut<?t: tij;-- ::t zrsv -rs =rrVs :r~ az-Vru ;--: ns- =::'■:•: n-:r rs arsr:-
^■■s^-'~ -nv-i zsrit. Dai-nii.s iiiaclit unsi-r Text ••:ni ^Vrsi :;-:;:: -': rs- s::--: r-:r n.x -r-;;.r-: die \\\--
läiilcruiig l)erücksiclitigt :il»fr .■lucli das ;insgeliis.seiii' :ii.
■' Oft'enbar aus Flücbtigkcit ausgelassen.
' Wie <l<;r massoreli.sclio Text von Xuin. 24. 17 liesl aiieli unsere Sdirift ~"\ LXX
riPONOME'i'cei. iiiciit -:■— -cl<*n Schädel-, wie .len>m. 48. 45.
' Vom .Selii'eilter ausgelassen.
Hiil.-hhl. Af,h. I9I!>. .Vr. i>. »
2.6 K. Mkvkk:
Häuser Israels ist Ephraim von Juda abgefallen, und alle, die sich zurück-
hielten, sind dem Schwert überliefert, aber die festhielten, retteten sich in
ein Land des Nordens, wie er gesagt hat« — und nun folgt das Zitat aus
Arnos. Die Trennung zwischen Juda imd den Nordstämmen wird also hier
ohne weiteres auf die Ereignisse der Gegenwart und den Auszug der
Frommen (des wahren Juda oder Israel) nach Damaskus bezogen'.
Dieses ganze Stück 7, 10^21 fehlt in dem hier erhaltenen Parallel-
text B; an seine Stelle tritt 19,711'. ein Zitat aus Zacharja. Eingeleitet
sind die Zitate in beiden Texten mit den Worten: »und alle Verächter
(der Gebote und Satzungen)", wenn Gott das Land heimsucht, über sie
wird er Vergeltung der Sünder bringen'^, wenn das Wort kommt*, das
geschrieben ist«, und nun folgt in A: »in den Worten des Propheten
Jesaja ben Arnos«, in B: »durch ilen Propheten Zacharja (13. 7): 'Schwert,
wache auf gegen meine Hirten und gegen den Mann meiner Genossen-
schaft, spricht Gott': schlage den Hirten, daß die Schafe sich zerstreuen
und ich meine Hand gegen die Geringen kehre'.« An Stelle eines Spruchs,
der auf die Damaskener Gemeinde gedeutet werden kann, tritt hier also
ein Wort, das die Schwere des Strafgerichts verkündet. Die Erläuterung
fügt dem ein Wort des Trostes für die Gläubigen hinzu, das aus Zacharja
II, II entnommen ist", kehrt dann aber zu dem Strafgericht zurück. Sie
' Es ist sehr bezeichnend, daß unser Text die bei .Tesa ja zwar interpoh'erte, aber zu seiner
Zeit gewiß schon voi-b'egendi' Dentnng (sie steht auch in LXX): »er wird (Unglücks-) Tage
lii'ingcn, nämlich den Könifj von Assur«, nicht berücksichtigt, so nahe die Deutung auf
Antiochos Kpiphanes gelegen hätte. Dessen entscheidendes Kingi-eifen war eben nocli
nicht erfolgt.
- Zusatz in B.
^ ari-iW n^yi" ;■»:.■. :-3-5 wird von allen Uearbeitern mit Recht als Hauptsatz betrachtet;
dci- Infinitiv mit ^ erscheint in diesen Texten auch sonst als futuiiim, so 9, i s-r: r-wi; .er
soll gelötet werden». In B ist durch Umstellung eine klarere Fassung gewonnen: :r=s^r- ;r-
-a-- s":: ™s~ rs ;s ~tz a-V-; z^;--- s--:.-, z^sr^ a-'-r:;' .-^-r-:;.
* s',2z (so B) ist in A in s"z verschiiel>en odei' verlesen.
■* Bei Zacharja: ».lahwe Sebaot».
" Das Zitat ist texlkritisch nicht ohne Bedeutung. Der massoretische Text lautet:
s-r r--T -z- -"z ■'n-s s^-rzvr.- '^üxr. -ii;>- p -rn^-; LXX liest statt dessen hier wie v. 7 •;ssh i-sf:: kai
rNücoNTAi Ol XananaFoi tA nPÖBATA TA <t>YAACCÖMeNÄ Moi. Und dicsc Lesimg (in der Bedeutung
»die Uändler dei' Schafe«) wird jetzt meist für richtig gehalten, l'nscr Text -.ts :r~2rsr-
■,s2r: ^^-;• sr. zeigt, daß er die Stelle bereits ebenso vei"Standen hat. wie die Massoreten: »und •
so werden die Armen der Herde, die auf mich achten, erkennen, daß das das Wort Jahwes
ist" (oder vielmehr, daß der vom Propheten geschilderte Hergang die Sache Jahwes ist,
daß (■!• sein Voigehn dadurch svniliolisch V(>i anschaidicht).
D'w (Irmrinilf des iit'Ufu Bvndrs im Laiidr I knnaslnts 27
lautet: »Die auf ihn (Gott) achten, sind die Annen der Herde'. Sie werden
t/erettet werden am Ende der Heimsuchung^ über die Hörigen werden dem Schwert
überliefert werden^ beim Kommen des Gesalbten (Messins) Aharons und Israels,
wie es am Ende der ersten Heimsuchung geschah, von der er geredet
hat durch Ezechiel (9,4): ein Zeichen zu machen auf den Stirnen der
Seufzenden und Stöhnenden': ((bei' die übrigen sind 'dem Raeheschwert. das
den Bund rächt', überliefert worden". »i Daß die kursi\- gedruckten AVortc
zweimal vorkommen, zeigt deutlich, daß wir es mit einer Erweiterung
des ursprünglichen Textes zu tun liaben: und das wird dadurch bestätigt,
daß dieselben Worte auch in A stehn (7,21 f.). Sie folgen hier, ohne äußeren
Anschluß, auf die Erläuterung zu dem Amos-Zitat und dem aus Num. 24
entnommenen Hinweis auf den Messias: «Diese sind gerettet worden'^ um
Ende der ersten Heims(((hung: ((ber die sich zurückhielten ', sind dem S(-hwrr(
überliefert worden.*
Es ist klar, daß in A und 1} zwei von verschiedenen Gesichtspunkten
geleitete Erweiterungen eines älteren Textes vorliegen, die beide auch in
sich selbst bmchig .sind und den ur.sprüuglichen Zusammenhang zerreißen.
Weder die Fortsetzung schließt an — »diese« (nbs) in A 7, 21 .sollen die
bei der ersten Hcimsucliung, d. i. beim babylonischen Exil, Geretteten sein,
vorher aber ist von der Zusammensetzung der (Jemeinde in Damaskus die
Kede — , noch setzen sie den vorhergehenden Text fort, der in beiden
Rezensionen übereinstimmt (7, 6 — 9 —- 19, 2 — 6). Scheiden wir die Zusätze
als Glossen aus, so erhalten wir einen konzinnen Text, der sich auf die
Ordnung der neuen Gemeinde bezieht: »Wenn sie sich in Lagern (s. u.)
niederlassen gemäß den Satzungen ' des Landes, und Frauen nehmen" und
' Hier (19, 10) steht das späthebräische, im .\. '1". nicht voriiDmnieiide Wort — =•:' statt
des 19, I,? und in A 8, i gebrauchten ~^>z-.
* Vgl. Anm. I.
* Für •■^■'•2 muß "S-rz: gelesen werden; ebenso fehlt In {-^rsst-r. ~-.~z- -,72 am Schluß das -.
* B^yesr. wie 7, 13, wo derselbe Satz in der Plrläutening zu Jos. 7, 17 stellt (oljen S. 26);
B hat statt dessen o^jcm -die übrigen-.
■• -,— »r -;-;; A, :~- r-rr -3s •,— s- -7--; 1>: heißt das »nach den Sazungen des Landes, das
im Osten liegt«, oder »wie sie von altei-s her bestanden«;' 7"c ist .späthebräisch und wird
daher in B durcii "r. ereetzt; (.'haiii.ks benicrlit, daß es sich in der aramäischen Vci-sion
des Testaments Lewi's (Greek version of the tcst. p. 250 v. .^o) lindct und liier im Urieclii-
wlien durch TÄsic wiedergegeben wii-d.
* B setzt liin/.n n-vr: .-.rr:: »nach der Weise dur 'I'ora- : ;-" bc/.eiclinulc Hcj^. 11 9, 20
die Art, wie .lehn lährt.
4*
28 E. Mkyek:
Söhne zeugen und der Tora gemäß waiuloln und wie es das Recht der Fun-
damente ist und der Ordnung der Tora entspricht, so wie er gesagt hat
(Num. 30, 17): zwischen einem Manne und seiner Frau und einem Vater
und seinem Sohne'' . . . .", dann werden diese gerettet werden^ am Ende der
Heimsuclmng, aber die übrigen« (oder »die sicli zurückhalten") »sind dem
Scljwert überliefert. So ist das Recht für alle, die in seinen Bund ein-
getreten sind und nicht l)ei diesen Satzungen beharren, sie heimzusuchen
zur Vernichtung durch die Hand Beli'als.«
Dies Thema, das drohende Strafgericht sowohl über die Gegner in
Judaea -wie über die Abtrünnigen innerhalb der Gemeinde, wird im folgen-
den, dem Schlußabschnitt der Mahnrede, weiter ausgeführt*:
»Das ist der Tag, au dem Gott heimsuchen wird, wie er gesagt liat
(Hosea 5, 10): "die Fürsten Judas sind wie Verrücker der Grenze, an ihnen
will ich wie Wasser den Zorn ausschütten' '. Denn sie waren eingetreten in
einen Bund der Umkehr (naiwr Reue)", aber sind nicht abgewichen von dem
Pfad der Abtrünnigen und haben ihren Mutwillen getrieben auf den Pfaden
der Unzucht und mit dem Reichtum der Sünde; und jeder rächt sich und
grollt seinem Bruder und haßt seinen Nächsten, und sie 'sind nicht hilfbe-
reit' (Deut. 22, I. 3. 4) und sie ergeben sich der Unzucht und tun groß mit
Reichtum und ungerechtem Gewinn, und jeder tut, was ihm gefallt und
wählt nach der Verstocktheit seines Herzens, und sie haben sich niclit ab-
gesondert vom Volk {und von ihren Sünden)', sondern 'lassen die Zügel
schießen' (Exod. 3 2 , 2 5) 'mit hoher Hand zu wandeln auf dem Weg der Sünder. «
' Mit Absicht für »seiner Tdchtei-« in Nuni. gesetzt, wo diese Worte den At)schlut>
der Bestininuingen über die Verbindlichkeit von Gelübden bilden.
^ Iliei" setzt die Interpolation ein, deren Eingang in beiden Texten noch überein-
stimmt: »und alle Verächter {der Gebote und Satzungen), wenn Gott das Land heimsucht,
über sie wird ei' Vergeltung bringen, wenn das Wort kommt- usw., s. o. S. 26.
^ Der ursprüngliche Text hatte also das Futurum -ji-'' wie B 19, 10, nicht das Per-
f'ektum ■•_-5-::, wie A 7,21 (vgl. 7, 14) ergänzt wei'den muß. Ebenso ist die Bezugnahme auf
die erste Heimsuchung in A 7,21 sekundär und fehlt in B.
' In diesem ganzen Abschnitt 8, i — 21 r=: 19, 13 — 33 stimmen die beiden Rezensionen,
\(iii kleinen Abweichungen abgesehn. wit-der wörtlich überein.
' In A niehrfiicli durch Auslassungen entstellt.
'' Dafür hat A s^-— : >: i-ct-^^ s:-:"; -Vrp 1:. wofüf Lkvi und Gressmann "sr: ::;r- vor-
schlagen: »denn sie huirten auf einen, ilei- da heilt, aber ci- i-ächte sich an allen Wider-
sp<*nsligen."
' Zusatz in 1>.
Die ireinelndi' drs neuen Ihuiden im Lanile Ikuiuo'kus 21)
»AI)er was Gott über sie gesagt hat, ist (Deut. 32, 33): 'Geifer von
Draclien ist ihr Wein und scJireckliches Otterngift' (csriB TSSi, von unserm
Text als »Otternkopf« \ erstanden). « Die Deutimg führt uns wieder ganz
lebendig in die Seleukidenzeit:
»Die Drachen sind die Könige der Völker;
ihr Wein ist ihr Verfahren (wörtl.: »ihre Wege«);
Otternkopf ist das Haupt der Könige der Griechen,
der über sie kommt, um die Rache zu vollziehn.«
Also das Strafgericht, das Antiochos Epiphanes bringen wird, wird hier
erwartet, eingetreten ist es noch nicht. Der Seleukide ist noch der mäch-
tigste Herrscher, den die Schrift kennt, die Römer sind noch nicht in den
(Jesichtskreis getreten'.
»Aber« — so fährt der Text fort — »all das haben die nicht er-
kannt, welche 'die Mauer bauten und mit Tünche bestrichen'« — aus
Ezechiel 13, loff. und 22,28, wo die falschen Propheten eine Mauer über-
tünchen, die das Volk baut — : »denn 'einer, der im Wind wandelt und
Lüge wahrsagt' (»träufelt«, Micha 2, 11, vgl. oben S. 13 ji, 14])", hat ihnen
gewahrsagt, daß der Zorn Jahwes gegen seine ganze Gemeinde entl)rannt
sei. (Indessen) was Mose gesagt hat, ist (Deut. 9, 5. 7, 8): 'nicht um deiner
Gerechtigkeit und der Aufrichtigkeit deines Herzens willen gehst du (das
Gebiet) dieser Völker in Besitz zu nehmen, sondern wegen seiner Liebe
zu deinen Vätern und weil er seinen Schwur halten will'. So ist die Rechts-
satzung für die sich Bekehrenden Israels, die abgewichen sind vom Pfade
des Volkes« (d. h. für die Gemeinde der Frommen in Damaskus): »wegen
der Liebe Gottes zu den Früheren, die er nachher dem Volke bezeugt hat ',
liebt er die, welche ihnen nachwandeln, denn mit ihnen besteht der Bund
' Das gleiche lehrt für die Testamente dcc zwölf Patriarchen Naplit. 5, worauf Bdussei
ZNTW. I 193 hinweist. Dort wird in einer himmlischen Schrift verkiUidet Accypioi, Mhaoi,
n^PCAl, fGAlMAToi, TeAAXAToi (;•;] XAAAAfol, CyPOI <AHP0N0MHC0YCIN AlXMAAUciAN TA ACi^eKA CKHOTPA
TOY "ICPAHA. Von den Römern i.st nicht die Rede, die Syrer sind die letzten Feinde, die
der Verfasser kennt. Seit 12g v. Chr. alier hört die Seleukidenmacht auf, geläiu-lich zu sein:
die Stelle ist also älter als dies Jahr. — In den jüngeren Abschnitten des Honoch eischeinen
dann 56, 5 die I'arther und Meiler als diejenigen, welche die Schlußkatastrophe herbeiführen.
D;is ist der Zustand in den letzten .hihi'zehnten des zweiten Jahrhunderts v. Chr.
* Das in üblicher Weise frei wiedergegeljenc Zitat ist \n beiden Handschriften niehi'l'acli
entsteüt. Auch der lolgende Salz ist in B abweichend und stark korrupt überliefert.
^ A -1--K —^•T-. -rx, H ";s •'-ns sit: Vy -m— -rs; zu lesen wird sein -^-ns a;~ i- "••;- -j;s.
30 K. Meykk:
der Väter. Aber er haßt und verabsclieut die Erbauer der Mauer' und
sein Zorn ist gegen sie entbrannt und gegen alle, die ihnen nachfolgen';
und dementsprechend (verhält er sich) gegen jeden Verächter der Gebote
Gottes; er hat sie verstoßen und sie haben sicli abgewendet in der Ver-
stocktheit ihres Herzens. So" (steht es um) alle Mensclien, die in den
neuen Bund im Lande Damaskus eingetreten sind«.
So scharf wie möglich wird betont, daß die Mitglieder des neuen
Bundes die Erben des alten mit den Vorfahren sind; es ist eine durch
die Worte des Deuterojiomiunis widerlegte Lüge, daß Gott das gesamte Volk
verworfen habe und mit seinem Zorn verfolge, sondern die, welche seine
Geltote lialten, sind auch, so wenig sie es an sich verdient ]ial)en, die
P]rben seiner Liebe zu den Vorfahren, mit ihnen, die sich von der Masse
des Volks abgesondert haben, ist der Bund erneuert, und sie werden,
wenn der Messias kommt, den vollen Segen genießen.
Die Verkündung des mit den Worten Michas bezeichneten l^ügen-
proplieten (:i""i:)2) wirft ein helles Liclit auf die Auffassung der Reform-
partei. Sie sind zu der Überzeugung gelangt, daß es mit dem Gesetz
nichts mehr ist: Gottes Zorn ist unauslöschlicji, er trifft die gesamte Ge-
meinde und ihr Untergang steht unabwendlich bevor. Daher ist das ein-
zig Vernünftige, das (Jesetz aufzugeben und sich 'dem Hellenismus zuzu-
' So B: A liat statt dessen: »und wegen seines Hasses (lies -srir:: statt -k— ) gegen
die Erbauer der Mauer ist sein Zorn entbrannt«
- •;; fehlt in A, so daß die folgenden ^^'oI•le, die den Schhiß des Textes bilden, ganz
in der Luft schweben. — Vor denselben ist in A 8, 20, gänzlich ohne Zusammenhang, der
Satz eingeschoben: »dies ist das Woi-t, das Jeremia zu Baruch ben Nerija und Klisa zu seinem
Diener Gehazi gesprochen hat«. Gress.mann hat vermutet, hier sei der Titel der Schrift er-
halten; es sei eine Apokalypse, die auf Jeremia und Elisa zurückgetührt werde. Aber, ganz
ahgesehn davon, daß es undenkbar ist, daß der Verfasser, der doch im Alten Testament
vortreft'lich Bes<-heid weiß, seine Worte diesen beiden durch .lahrhunderte voneinander ge-
schiedenen Männern in den Mund gelegt haben sollte, ist der Text eben keineswegs eine
Apokalypse, sondern eine um das Jahi- 170 v. Chr. gehaltene Mahni-edc. die die Gegenwart
nirgends unter der Maske einer alten Pro])iiezeiuiig verhüllt. So können diese AVorte uui-
eine fälschlich in den Text gedrungene Randglosse sein, die zu demselben geschichtliche
Parallelen anführt. Gemeint sein wild Gehazis Verhalten bei der Heilung Na'mans Reg. II 5,
seine Bereicherung durch ungerechten Gewinn in dei-selben Art, wie es die Abtrünnigen
treiben, und die ihm dafüi- von Elisa angekündigte Strafe. Bei Baruch mag an die treue
I'.rfüUung seiner Aufträge (.birem. 36. 45) und vor allem an .leremias Gebet ;!2, 16IV. gedacht
sein, nachdem er dem Baruch den Kaufbr-ief für den Acker in Anatot übergeben liatte, in
dem er von .laliwcs Allmacht und Slrarüerirlil und i\er Unli-eue des Volkes redet.
Dir (ifmeindc ilrs ncvf-ii Bumlcx im Ijindi' Dnmashis )} 1
wenden: nopevewMeN kai AiAecbweeA aiashkhn mgta tun eenÜN tun kykacü hmön,
ÖTi A** HC exupiceHMeN vn' a-t'tön, evpeN hmäc kakä ooaaä, sagt der yiöc nAPÄNOwoc
Makk. I 1, 1 1. und findet damit vielen Anhang (kai HrAevNeH 6 Aöroc en ö^oaa-
MoTc a-y-tön). Audi hier ist es ein neuer Bund, den man schließen will,
aber ein Bund mit den Heiden und ihren (röttem; dem gegenüber stellt
die Erneuerung des alten Bundes der Väter durch die aus dem gottlos
gewordenen Lande auswandernden Frommen.
Die Abtrünnigen werden im Anschluß an Ezechiel als die »Erbauer
der Mauer« bezeichnet, die die Lügen[)ropheten mit blendender Farbe an-
streichen. Der Ausdruck ist schon vorher 4, 19 verwendet: »die Erbauer
der Mauer' sind die, welche 'hinter "iS einhergingen'«, und dies dunkle
Wort Hoseas 5,11 (önicu tun mataIun LXX) wird durch Micha 2, 6 ge-
deutet: »der IS ist der Wahrsager (?|''w'!:, wie oben 8,13), von dem er
sagt: sie wahrsagen immerfort'«'. Es war ein ganz seltsamer Mißgrifl*
ScHECHTERS uud Seiner Nachfolger, in den Erbauern der Mauer die Phari-
säer zu suchen, die mit dem, was jenen vorgeworfen wird, doch wahrlich
garnichts gemein haben; das hat Gressmann kurz und bündig widerlegt".
Der falsche Proj)het, »der Mann des Spottes, der auf Israel Wasser der
Eüge träufeln Heß« (1,14, oben S. 13), der 5,12 verkündet, daß »die Ge-
setze des Gottesbundes nicht bestehn« (s. u. S. 35) und daher zum Ab-
fall auffordert, ist offenbar identisch mit dem yiöc hapanomoc des ersten
3Iakkabäerbuchs. Das zweite nennt seinen in diesem absichtlicli verschwie-
genen Namen; es i.st der Hohepriester lason (173 — 171 v. Chi'.), der acgbhc
KAI OYK APxiepcYc (II 4, 1 3), dcr Führer der Reformpartei, der die Xkmh to9
■■Gaahnicmo? kaI npöcBACic AAAOoYAicMO? herbeiführt. Es kann kein Zweifel
sein, daß unser Text dieselbe Persönlichkeit im Sinn hat '.
' •TC r:r. D«r Text bei Micha lautet aUerdiiio;s wcseiitlicli anders: •j-e-j-' -E^cCi Vs -ihr
sollt nicht wahrsagen, wahrsagen sie- (LXX versteht ganz andei-s: «h kaaietg aäkpycin).
Man sieht, wie frei unsere Schrift mit dem Bilieltext umgeht. Oder hat sich hier noch eine
andere Lesung der jedenfalls korrupt überlieferten Stelle erhalten'.'
' ZDMd. 66. 492. Der Anlaß für S( iiechter war, daß die Pharisäer fordern, einen
Zaun (it) um das Gesetz zu ziehn.
' Mit Unrecht hat (iRKSSMANN ZDMG. 66, 492 f. die Beziehung auf historische Persön-
lichkeiten geleugnet und alle diese Stellen eschatologisch auf die Zukunft deuten wollen.
Daß die Ausdrücke, mit denen sie bezeichnet wei'den. aus dein A. '!'. entlehnt sind, ist doch
kein Beweis dafüi', daß sie nicht existierten, sondern das Gegenteil: in der Gegenwart er-
kennt man die Männer an der Arbeit, deren Wirksamkeit die Propheten lange vorher ver-
kündet haben. Genau ebenso verfahren alle, welche die Angaben Daniels und der .\poka-
Ivpse auf die Kreigni.sse ihrer Gegenwart. <>twa auf Napoleon oder den Weltkrieg, deuten.
32 E. Ml. Y i:i!:
Auch in der Gegenpartei, unter den Frommen, kann es an fiihrenden
Männern nicht gef'elilt liaben, die iliren Anschauungen Ausdruck gaben
und die neue Organisation gescliafl'en liahen. Der Fülirer der Bewegung
wird I. I I und in B 20, 28. 32 als »Lehrer (h-r (Jereclitigkeit« (p"S mir) be-
zeichnet', daneben B 20, 1.14 mit dem sehr überraschenden Ausdruck
»Lehrer des Einzigen« (-'n^n m"ri: 20, 32 heißt Gott selbst »der Ein-
zige«. Die scharfe Beton\mg der Einheit Gottes ist fiir das Judentum selbst-
verständlich und Avird im Sma', dem offiziellen (Jebet. mit den Worten
von Deut. 6,4 tagtäglich von allen Gläubigen bekannt; indessen daß statt "ins
eTc hier iTiTt ö noNoreNHC als Bezeichnung Gottes gebraucht wird, ist in
dieser Zeit ohne Analogie und kehrt erst im späteren Judentum wieder';
aber es erklärt sich aus dem (Gegensatz gegen den Polytheismus der Grie-
chen, mit dem sich die Gegner einlassen. Aus 20, i. 14 erfahren wir. daß
dieser »Lehrer« bereits gestorben ist, oli eines natürlichen Todes oder von
den Feinden ersehlagen, läßt sich nicht sagen: es liegt sehr nahe, an den
»Gerechten« zu denken, von dem das Testament Lewis redet (oben S. i 7),
der die Gesetze erneuern will, aber von den Gegnern verlästert und schließ-
lich erschlagen wird. Eben das könnte den Anlaß zur Auswanderung sei-
ner (Jemeinde gegeben haben.
Zusammengefaßt wird diese Gemeinde als die, Avelclic 'den Brunnen
gegraben haben' (6, 3 ff., s. o. S. 24), »einen Brunnen vieler Wasser«, wie
es oben 3, 16 hieß. Ebenso sagt die Fortsetzung, die in B unvermittelt
an den Schluß des Textes von A angefügt ist (19. 34): »und sie Helen ab
und wurden treulos und kehrten sich ab von dem Brunnen lebendigen
Wassers«. Als Nachfolger und Erben der gottgelieJ)ten Ahnen, als das
wahre »Haus Juda«, sind die Frommen des neuen Bundes aucli vorher
4. 6 ff. schon bezeichnet, nach der Verkündung. daß ihnen ein ewiges Leben
in Herrlichkeit bestimmt ist, an die die Deutung der Stelle aus Ezecliiel
anschließt (oben S. 23): »die früheren Heiligen", denenGott vergeben hat,
die dem Gerechten recht \uid dem Sünder unrecht gaben,« — vgl. das
entgegengesetzte Verhalten der Abtrünnigen 1,19. oben S. 14 — »und
alle, die ihnen nachwandeln, zu handeln gemäß der Exegese (r'.iE) <ler
Tora, in der die Früheren sich zurechtweisen ließen, bis zur ^'ollendung
' p. 6, II wird fler Ausdruck für den zuktinftiircii Messias vonvenrlpt. oben S. 24.
- F. Weder, Jüdische Tlieologie^ S. 151.
'■' 3-:-r{x-,r ai)rTtr. vDii Chari.ks (»vidoiit lieri;eslpllt.
Die (jemelndf des neven Bundes im Lande Damaskus HH
des Endes gemäß der Zahl dieser Jahre'« — d. h. bis das von Gott vor-
herbestimmte und zeitlich genau festgesetzte Ende (p. 2, 7 ff., oben S. 20),
die Zeit des Messias, eintritt — »gemäß dem Bunde, den Gott mit den
Früheren errichtet hat. ihre Sünden zu vergeben, wird Gott auch ihnen
vergeben"«.
Aber die Zeit, sich zu bekehren, ist jetzt; wer wartet, bis die Er-
frdlung kommt, für den ist es zu spät; es ist dieselbe Mahnung, die Jesus
und das Cliristentum predigt: nenAHPuxAi ö kaipöc kai HrriKeN h baciagia to?
eeoY" weTANoeTre kai nicTevere en tu evArreAiu. »Wenn die Vollendung des
Fundes gemäß der Zahl dieser Jahre eintritt, « fährt der Text fort, » ist es
nicht mehr möglich, sich an das Haus Juda anzuschließen, sondern ein
jeder wird stehen bei seiner Feste ; 'erbaut ist die Mauer, ferngerückt die
(irenze' (Micha 7, 1 i)'.«
Aber bis die Vollendung kommt, hat der Teufel, Beli'al, noch Macht
und hat .seine Verfülirungsniittel, seine »Netze«, bereit: ihm fallen, wie
8, 2 (s. o. S. 28) wiederholt wird, alle anheini, die in den Bund einge-
treten sind, aber ihn nicht halten: »Und in all diesen Jahren wird Beli'al
losgelassen sein gegen Israel, wie (iott gesprochen hat durcli den Proplieten
•lesaja ben Arnos (24, 17): 'Grauen und (irube und (iarn konmit über Dich.
Bewohner der Erde!' Die Deutimg sind die drei Netze Beli'als, von denen
Lewi, der Sohn Jakobs, gesprochen hat. mit denen er (d. i. Lewi) Israel
gepackt* und ihr Antlitz zu den drei Arten der Gerechtigkeit hingewandt
hat: das erste ist die Unzucht, das zweite der Reichtum, das dritte die
' Wie in ZI. lo ist auch hier -Vxn a^rrn <Tes5) -^y- (statt a^Vo) s-Vb -::• zu lesen.
' Der Satz ist. wie so oft, ungesehickt aufgebaut und geht ;ius den Fugen. Gemeint
ist: -auch fiir die Nachfolger der frommen Vorfahren . . . besteht der mit diesen geschlossene
Bund der Sündenvergebung gleichmäßig weiter«.
■■' Der Micha-Text lautet --t -rr-^ s-rr a^ -p-i;. t'zzs »— : a-' -dies ist der Tag, deine Mauer
zu bauen, dieser Tag wird die (Jrenze fern rücken-. Danach sagt unser Text -T!r. ;n- ^i;- rm:,
d. h. der von Micha verkündete Tag ist Jetzt .schon da. Ich sehe keinen Grund, mit Gress-
ji\NN ZDMG. 66, 502 -r.zzz in reaV zu ändern. Im vorherf;eiieiid< n übersetzen Schechiei! und
Charlks "fr: '•>- arw -'•^:\ z» s «but everyone shall stand up against his net-, was keinen Sinn
gibt, -rr: muß hier nicht -Netz«, sondern »Burg, Turm« beileuten, wie Qoh. 9. 14 und wie
sonst -r-r^i. Naclilier 4. 15 bedeutet n-n'r? allerdings «Netze«: aber auch im h..'\'. hat das
Wort lieide Bedeutungen.
* 5ic-Ttrs sr.z ain tt~r. ~c* ist entlehnt aus Ezechiel 14, 4, wo Gott sagt aasi Vs-r^ r\-2. nx -atn ^w
■ um Israel an.s Her/ zu greifen-. Im übrigen s. o. .S. 10. 2.
PhiL-hixt. AM. 1UI<). .Yr. II 5
34 K. >I E Y K K :
Befleckung des Heiligtums. Wer dem einen entgeht, wird vom andern
gepackt, und wer diesem entkommt, wird von jenem gepackt.«
Die Befolgung der sittlichen und der mit ihnen untrennbar verbun-
denen kultischen (Jobote bildet den Kernpunkt der Satzungen des neuen
Bundes. In dem Gesetzbuch p. 9 — 16 werden sie im einzelnen au.sgeführt,
aber auch in der Mahnrede immer von neuem eingeschärft. Wie in allen
übrigen (icstaltungen des Judentums gehn sie auch in dieser Gemeinde
über die Gesetze der Tora wesentlich hinaus: trotz alles Formalisnms, den
die wahren Frommen ja am wenigsten abstreifen dürfen, wirkt in ihnen
der Geist der echten Propheten weiter fort und führt zu einer Vertiefung
der ethischen Gebote. Ein überraschender Zug der neuen Gemeinde, die
sich auch darin mit dem Christentum berührt, ist — neben der richtigen
Beobachtung der Feste, s. o. S. 9 f. — die Forderung der Monogamie, die
das übrige Judentum nicht kennt. Das wird durch künstliche Interpretation
der Schrift begründet und besonders eingeprägt iind die Polygamie, welche
die Gegner üben, als Unzucht (rroT »Hurerei«) bezeichnet. Djdier fährt der
Text im Anschluß an die drei von Lewi hervorgehobenen Sünden fort:
»Die Erbauer der Mauer, die dem "iS folgen — der "S ist der Wahrsager,
von dem er sagt: sie wahrsagen immerfort (s.o. S. 31) — , sie .sind ge-
packt (d. i. der Sünde oder dem Bell al anlieimgefallen) durch zwei Weiber',
durch die Hurerei, zwei Fi-auen bei ihren Lebzeiten' zu nehmen. Aber
das Fundament der Schöpfung ist (Gen. i, 27): 'männlich und weiblich
schuf er sie'; und die in die Arche gingen, zu zweit gingen sie in die
Arche' (Gen. 7,9). Und über den Fürsten'' ist geschrieben (Deut. 17, 17):
'er soll sich nicht viele Frauen nehmen'. David aber hatte in dem Buche
der Tora nicht gelesen, das versiegelt in der Lade lag, denn es wurde
in Israel nicht geöff'net seit dem Tage des Todes P^leazars und Josuas und
der Ältesten, die den Astarten dienten, sondern war verborgen und Avurde
(nicht) enthüllt*, bis daß Sadoq aufstand« — das ist natürlich der Hohe-
priester vuiter David und Salonio, der Ahne der späteren Pries(:ergeschlecliter;
in naivster Weise winl hier eine Geschichtskonstruktion aufgestellt, um
' 2^-135, l'emininiiiiil
^ Statt =-i^r: müßte es korrekt iiiitürlieli —— heißen.
^ An Stelle des »KönijiS« im Deiiteroiiominm setzt unser Text den s™:; nach dem
Sprachgebrauch Ezeehiels niid der nacliexilischen Zeit, die ein Köniirtnm nicht mehr kennt.
■* ScHKCH IRR koi'fiiiieit nn°t Hecht -V.: {sV>) -l-J-a".
Di4' (li'mc'mdt dm iwuen liniidrs int Ldinh' Dcuiiuskiis IJö
David eiiiij^ennaßen zu entlasten. In deii folgenden Worten wird dann
David noch weiter entschuldigt, ganz entsprechend der Darstellung im
Samuelbuch; aber das entscheidende Wort ist verschrieben: »und die Taten
Davids wurden . . . mit Ausnahme der IJlutschuld an Uria; und Gott hat
sie ihm erlassen«'.
Eine weitere Sünde, die als »Befleckung (Profanierung, Sis'j) des Heilig-
tums« betrachtet wird', ist, daß »sie der beiwohnen, die ihren Bluttluß
sieht", d. h. die Reinheitsgesetze bei der Menstruation nicht richtig lie-
obachten. und daß »man die Tochter seines Bruders oder seiner Schwester
zur Frau nimmt«, »wo doch Mose gesagt hat (Lev. i8. 13): Der Schwester
deiner Mutter sollst du nicht nalien, sie ist das Fleisch deiner Mutier'^«:
das wird also hier auf die P^nkelinnen der Mutter ausgedehnt, die ja erst
recht »ihr Fleisch« sind. »Das Recht über die Scham der Männlichen ist
geschrieben (steht in der Schrift) und gilt ebenso für die Frauen, und
wenn die feruderstochter die Scham ihres Vaterebruders entblößt, ist sie
(sein) Fleisch« ' — d. h. diese Ehe i.st verboten.
»Aber auch ihren heiligen Geist betlecken sie, indem sie mit Läster-
reden ihren Mund öftnen gegen die Satzungen des Gottesbundes und sagen:
sie stehn nicht fest (':':: vi')*. Abscheulich ist, was sie darüber reden.
Sie alle sind Brandstifter und Entzünder von Braudpfeilen (Jes. 50, 1 1)' ';
Spinngewebe sind ihre Gespinste und Natterneier ihre Eier' (Jes. 59, 5).
Wer ihnen nahekommt, bleibt nicht rein, . . ." wird sein Haus schuldbe-
fleckt . . .'. Schon von alters hat Gott ihr Tun angeschaut, und sein Zorn
' ^ "5 o=w rr^-w ST -13V: -!->--: -^zn 'IT^.
' Ebenso wiitl in li 20, 2,5 der IJiindeshnicIi der lauen und jilitrünnif;en Miti?liedei-
der neuen (ienieinJe als »Kntweiliiing des HciiigtiiniS'- Ijczeit-Iinet.
' Wörtlieli lauk't das Gebot: -Die Srhani der Schwester deiner Mutter sollst du nielit
entblößen, denn sie ist das Fleiseh deiner Mutter- ; vorher und nachher stehn <;lciclilauteude
(Jeljote rdjer die sonstigen nächsten \'er\v.andten.
' SciiKCH rEK hat diese ganz dentliehen Worte seltsam mißverstanden, indem er -they are
not prop<;r- iibei"set/.t und darin eine Polemik gegen die Pharisäer sucht. Au''h Ciiari.ks
vertritt unbegreiflicherwcise diesellje Auffassung, obwoiil er die Worte richtig übersetzt.
' Der masso retische Text n-7-7 ■<-iir: rs in- =Vi yr. ist zweifcllds korrupt. Nai'h dem
Syrer korrigiert man das vorletzte Wort in ^"tez (LXX KATicxvere »aöpa hilft nicht weiter);
un.ser Text •^t i-jir- r« irn;: 35;. der natürlich in t:-:; und .t-'t zu ändern ist. bietet vielleicht
das richtige (im nächsten llaibvers kehrt bei .lesaja ar-rs n-;;-;:- wieder).
'■ -75 »wie ein Ilerg- ist unmöglich richtig.
' Vjs folgt eine Au.snainne 3« i; •—V; ;» -c, mit Dittographie und weiterer ungelieiltei'
Vei-schrelbung.
5*
HC) K. .AlKVKit:
entbrannte über ihre Missetaten ; denn sie sind keine einsichtigen Lente,
sondern ein Volk, das den Verstand verloren hat, da keine Einsicht in
ihnen ist. Denn vor alters sind Mose und Aharon aufgestanden durch die
Hand des B'ürsten der Lichter« — ein Erzengel wie der »Engeides Angesichts«
im Jubiläenbuch — »während Bell al den Johannes und seinen Bruder auf-
stellte in seinen Ränken, als Israel das erstemal gerettet wurde (s. o. S. 6);
und am Ende der Verheerung des Landes« - d. h. gegenwärtig — »sind
die Verrücker der Grenze' (Hosea 9, 10. Deut. 19, 14; ebenso 1. 16 oben
S. 13) aufgestanden und haben Israel in die Irre geführt, und das Land
ist verwüstet: denn sie haben Abfall von den Geboten Gottes geredet
— durch Mose und auch durch seinen heiligen Messias' — und sie prophezeiten Lüge,
um das Volk von Gott abzuführen. Aber Gott gedachte des Bundes mit
den Früheren und nahm aus Aharon Einsichtige und aus Israel Weise und
ließ sie verstehn, und sie gruben den Brunnen« — und nun folgt die
oben S. 24 besprocliene Erläuterung zu Nuni. 21, 18.
Dieser ganze Abschnitt zeigt einen tadellosen, von "den bislierigen
Bearbeitern nicht genügend beachteten Zusammenliang' und ein klares
P'ortschreiten der Gedanken. Wie ehemals in der Zeit des Mose der Teufel
das Volk durch Johannes und Jambres ins Unglück zu stürzen suchte, so
jetzt durch die Abtrünnigen und die LOgenpropheten — diesmal durch
isnr', direkt als »Propheten«. n'S^-J bezeichnet, während sonst »["cr ver-
wendet wird — , denen das betörte, einsichtslose Volk nur zu willig folgt.
Aber Gottes Gnade ist trotzdem nicht gewiclien; er hat gegen sie, wie
»der Fürst der Lichter« den Mose, so die Einsiclitigen und Weisen aus
Priesterschaft und Laien (aus Aharon und Israel) erweckt, die »den Brunnen
gegraben«, den neuen Bund gestiftet haben.
Noch schärfer als 8, i wird die Verkünchmg der falschen Propheten
hervorgehoben, daß es mit dem Gesetz vorbei ist, daß es »keinen Bestand
hat«. Das wird als »Befleckung ihres heiligen Geistes« (isr'.: an"'r:"p n-n ns),
als BAAC*HMiA eic Tö ONGYMA To ATioN bezeichnet. Es ist dieselbe Auffassung
' Die ganz uuverbunden dastehenden Woi-te sind offenbar Glosse ; sie sollen besagen,
daß die Gebote durch ^Moso offenbart sind und sich auch auf den Messias und das kommende
Reich beziehn.
'■' Die Kapiteleinteilung Schkchteks ist liier wie sonst ganz unglücklich. Auch im
Manuskript stehn die durch einen kleinen leeren Raum bezeichneten Einschnitte keine.s-
wcgs libcrall ,111 der für den Foi'tganu des Gedankens entscheidenden Stelle.
Di«' (ieinfimic des itnicii Baiulcs im Lande Ikniuiskus ii7
wie im Neuen Testament. Denn sie wissen nach der Überzeugung des
Verfassers, daß das Gesetz göttlich und ewig ist, und so reden sie gegen
ihre eigene Überzeugung und ihr Gewissen, und das ist die schwerste Sünde,
die der Mensch begehn kann.
Derselbe Ausdruck I)egegnet uns nochmals in der Fortsetzung, nach
dem Abschnitt über die Bohrer des Brunnens (6, iifl".): »Und alle, die in
den Bund eingetreten sind', um nicht zum Heiligtum zu kommen, 'seinen
Altar zu erleuchten', sind '\'erschließer der Tür', von denen (iott gesagt
hat (Mal. i, lo): 'wer wird von Euch (oder vor Euch?) die Tür schließen?
und ihr sollt nicht vergeblich meinen Altar erleuchten'.« Die Stelle ist
offenbar symbolisch zu verstehn und bezieht sich nicht etwa auf den Kult
in Jerusalem; sondern das »Heiligtum« Biprsi ist, wie bei den Ehegeboten
oben S. 35, das heilige Gebot Gottes und der »Altar« der richtige Gottes-
dienst. Gemeint sind die, welche sich dem Bund angeschlossen haben
ohne die ernste Absicht, seine Gebote zu befolgen : gegen sie wird wie
durchweg .so auch im folgenden nachdrücklich gered(>t. Durch ihr Verhalten
machen sie selbst die Tür für sich zu, es nützt ihnen nichts. »Wenn sie
nicht dabei bleiben, nach der Exegese der Tora zu handeln bis zum
P'nde des Bösen und sich zu sondern von den Söhnen des Venlerbens und
sich zu enthalten vom sündhaften Reichtum, der durch Gelübde und Bann
belleckt ist", von dem Vermögen des Heiligtums, und von der Beraubung
der Armen des Volks, wodurch Witwen ihre Beute werden und sie Waisen
morden, inid (dabei bleiben) zu scheiden zwischen Unreinem und Reinem
und den Unterschied kundtun zwischen Heiligem und Profanem, und den
.Sabbattag gemäß seiner Exegese halten und die Feste und den Fasttag
gemäß den Goljoten derer, die in den neuen Bund im Lande Damaskus
' Der Text hat '*zt: -die welche (einen andern) einführen«; das ist schwerlich richtig
lind wohl mit Schkchter und Ciiables •»: 7.u lesen. Beide fassen dann ■a-.-.-v. sk x-a irsaV als
Sachsatz: »sie sollen nicht ins Heiligtum gehn und (d. i. jondern) sollen die Tür schließen«.
Aber hei dieser sprachlich durchaus möglichen Konstruktliiri vermag Ich keinen irgendwie
begreiflichen Sinn in der Vorschi-ift zu finden. Dagegen wird rn--. ■'-vr- -^ri- den. Nachsät/.
bilden: sie sind die Leute, für die das Wort ]Maleachis gilt.
* a-m- — !:a s-rcr -rv- --r. Ks handelt sich um Gut, das der Gottheit geweiht und da-
durch unantastbar geworden ist. dessen Raub daher befleckt. Daß die Abtrünnigen das
Tempelgut und die ( )pfergabe,n antasten, -sagt auch Test. I.cv. 14: TÄc nPOC*OPAC KypIoy ahc-
Tevcere kk\ Änö tun A^epi^uN aytoy KAeyere ökackta, ^ceioNTtc €N KATA<t>P0NHcei «erA nopNÜN.
. . .'6IÄ TOYTO Ö NAÖC, ON eKAeiCTAI K'r'PIOC, ^PHMOC gCTAI 6N TH AkASAPCIA YM&N.
•{8 K. Mkvkk:
eingetreten sind (vgl. oben S. lo), die heiligen Gaben darzubringen gemäß
ilirer Exegese, jeder seinen Nächsten (Bruder) /u lieben wie sich selbst,
den Annen und Dürftigen und Beisassen zu helfen, und jeder das Wohl
seines Nächsten zu suchen — und niemand soll gegen seinen Blutsverwandten
treulos handeln — , sich von den Dirnen fernzuhalten gemäß dem Recht,
jeder seinen Nächste;i zurechtzuweisen gemäß dem Gebot und nicht den
(liroll von Tag zu Tag zu bewahren, sich 'zu sondern von allen Unrein-
heiten' nach ihren Satzungen (Lev. 20, 25), so daß niemand seinen heiligen
Geist zum Abscheu niacht (fpO"'), so Avie Gott es für euch gesondert hat'
— - alle, die danach wandeln ' in aufrichtiger Heiligkeit gemäß allen Funda-
menten des Gottesbundes, für die ist er beständig, so daß sie leben tausend
Geschlechter".« Jetzt folgt der Abschnitt,* der kurz die Ordnung der neuen
Gemeinde in den »Lagern« darlegt (oben S. 2 7 f.) und dann in die ab-
schließende Mahnrede übergeht.
Der Satz, in dem der heilige Geist vorkommt, wird nur dadurch ver-
ständlich, daß er eine Umschreibung des Gebots Lev. 20, 25 ist: »Sondert
also zwischen reinem und unreinem Vieh, unreinem und reinem (ietlügel,
und macht euch nicht selbst abscheulich (arTCs: rs ispcn) durch Vieh,
Gellügel oder Kriechtiere, die ich euch als unrein abgesondert habe. « »Euch
selbst« (»eure Seelen«) wird durch den »heiligen Geist eines Jeden« (tCS
rcip mi ns) ersetzt: jeder hat ein lebendiges Bewußtsein über das. was
rein und unrein ist, und frevelt daher gegen seinen heiligen Geist, den
in ihm wirkenden tiottesgeist der Wahrlieit, wenn er sich darüber hin-
wegsetzt.
Die religiösen Anschauungen.
Die Anschauungen von der göttlichen A^'elt mit ihren Engeln, den
»Wächtern« und dem »Fürsten des Lichts« (2"'"ns«n ib) und der gegenüber-
stehenden teuflischen Welt Beli'als (vgl. auch 2, 6 oben S. 20) sind die-
selben wie im Jubiläeiibuch und den zugeliörigen Schriften. Zu beachten
ist, daß Engel namen, die im Daniel buch zuerst auftauchen, hier sowenig
' Dei- uiieiidlich Inngc Satz ist dem A'erlassei' aus den Fugen gegangen. Er zählt
iilles auf, was vei'nuMden werden soll ("Wcnn sie iiii-ht . . .»), scblägt dann in die positive Aus-
h'iliriing der l'tlicliten der (iliinhigeii um und kann sd mit dem diesen verlieißenen Segen
schließen.
- .Mit "iM.stiiiidig« sclzt der Paralleltext \i (p. 19, i) ein.
l}ie Geirif'mili' fhs ntiit-n Bunil/s im Lande DonKishii^ iil)
vorkommen wie im .Tubihleiibuch oder etwa bei Zaclisuja. Dagegen findet
sicli fiir den Teufel im Gesetzbuch i6, 5 der aus Hosca 9, 7 entlehnte Name
»der M.nstema« (msuCTsn), »der Anfeinder«, den das Jubiläenbuch mit Vor-
liebe fiir den obersten der Teufel verwendet: durch seine »Roten« (Engel,
isbr) stellt er den einzelnen Menschen nach. Den Abschluß bildet das
große Gericht der P^ndzeit, dessen Termin von Gott genau vorherbestimmt
ist und in Bälde erwartet wird, wie dort. Es wird herbeigeführt durch
das Kommen des Messias, des »Lehrers der Gerechtigkeit« (6, i r oben
S. 24), der Aharon imd Israel erlösen wird (B 19. 10 oben S. 27 und 20, i,
vgl. I, 7 oben S. 13 und 6, i oben S, 36 sowie 12, 23 »am ICnde der Sfinde
bis zum Erstehn des Messias Aharons und Israels«, ebenso wahrschein-
lich 14, 19); die besondere Betonung Aharons, d. i. der Priestersehaft (iden-
tisch mit den Söhnen Sadoqs oben S. 23), hier und 6,2 entspricht der
Bedeutung, die den Söhnen Lewis auch in den Testamenten der Patriarchen
trotz all ihrer Sünden zukommt. Sehr deutlich erkennt man in all diesen
Schriften, wie zugleich die Vorstellung <'ines bewußten Fortlebens nach dem
Tode und einer zukünftigen Vergeltung aus der Bedrängnis der Religionsnot
hervorwächst: den unsclmldig Leidenden und Märtyrern muß ein, Ausgleich
gewährt werden, so gut wie den erfolgreichen SOn<lern ihre Strafe zukommen
muß: das ethische Postulat eines gerechten Weltregiments Gottes, dem die
tiefere Auffjussung Hiobs nicht genügen kann, zwingt zu diesem allein übrig-
bleibenden Ausweg. Im Ilenoch cp. 98 ff. liegt diese Entwicklung ganz
greifbar vf)r, und zugleich wird hier deutlich ausgesprochen, daß sie ein
von Ilenoch verkündetes und ununterbrochen mit Eidschwüren bekräftetes
(ieheimnis, eine neue Offenbarung ist, die der Masse des \'olks noch fremd
ist: es ist wirklich wahr, daß alle Taten der (Juten wie der Bösen von
den F^ngeln im Himmel auf Tafeln aufgezeichnet werden und das Geschick
vorher genau bestimmt ist. Diese himmlischen Sehicksalstaf'eln, die genau
nach der richtigen Berechnung der Jahre und Festzyklen geführt werden,
kennt auch <las Jubiläenbuch (6, 3 i ; ferner 5, 13 ff. sowie 3,31. 15, 25 u. a.)
un<l ebenso das Gericht, das auch den Toten zugute kommt (23. 3 i : »und
ihre Gebeine werden in der Erde ruhn, und (d. i. aber) ihr (Jeist wird
viel Freude haben, und sie werden erkeimen, daß Gott es ist, der Gericht
hält und Gnade übt an Ihinderten und an Tausenden, an allen, die ihn lieben« :
24,31 Ober die Vernichtung des Samens der Pliilister: »und wenn er in
die Unt<>rwelt hinal)steigt, wir<l auch dort .seine Strafe groß sein. \mA auch
40 K. Mkvkk:
dort wird er keinen Frieden haben«). Von einer » Anfersteliuiig des Fleisches«,
einem Erwachen zu neuem Leben auf Erden wissen alle diese Schriften
noch garnichts. Dieser Gedanke taucht bekanntlich zuerst im Danielbuch
12,2 auf, das sich auch darin von den andern bestimmt unterscheidet,
nicht als eine universelle Auferstehung, sondern als eine Erweckung einer
großen Zahl Einzelner, sei es zu ewigem Leben, sei es zur Schmach. Das
Schicksalsbuch dagegen kennt auch der Daniel.
Unsere Schrift steht auch in diesen Dingen noch ganz auf dem Boden
der alten Anschauungen. Es kennt die Prädestination, aber ein bewußtes
Fortleben nach dem Tode i.st höchstens in dem »ewigen Leben« 3,20 (S. 23)
angedeutet, für das die Frommen bestimmt sind, wenn es sich nicht viel-
leicht auch hier doch noch mehr um das Fortleben des Volks als gesetzes-
treuer Gemeinde für die kommende Segenszeit handelt. Wenn am Schluß
der S. 38 übersetzten Stelle ein Fortleben auf tausend Generationen ver-
heißen wird, so ist damit, wie an den entsprechenden Stellen des Alten
Testaments, jedenfalls, dies Fortleben der Einzelnen in ihren Nachkommen,
den Geschlechtern, gemeint. Das wird durch den Paralleltext B bestätigt,
der noch das Zitat von Deut. 7, 9 hinzufügt (p. 19, if): »(Gott) bewahrt
den Bund und die Gnade denen, die er liebt und die seine Gebote halten,
auf tausend Geschlechter«.
Auf den Prädestinationsglaid)en kommen wir sogleich noch wieder
zurück (S. 41). Die Vorstellung vom heiligen Geist, den Gott den Men-
schen eingegeben hat, haben wir bereits kennen gelernt (S. 36 f.). Er ist
aber so wenig und noch weniger als die bei Jesus Sirach und sonst per-
sonifizierte Weisheit ein selbständiges Wesen, eine Hypostase der Gottheit,
sondern eine Manifestation Gottes im Innern eines jeden Menschen, die
Stinnne der Wahrheit, die sich im Gewissen regt und eine Überzeugung
schafft, die der Mensch wohl wissentlicli verleugnen kann, aber nicht zu
überwinden vermag, die in ilim, wenn er gegen sie handelt, das Bewußt-
sein erzeugt, daß er sündigt und an der Gottheit frevelt.
Der Absciiluß der Mahnrede in B.
Mit den oben S. 30 angeführten Worten 8, 21 »(So steht es um) alle
Menschen, die in den neuen Bund im Lande Damaskus eingetreten sind«,
sejiließt die Mahnrede in A. In der Rezension B ist daran noch eine lange
weitere Erörterung angefügt (19, 34 — 20, 34), die sieh nochmals gegen die
Die Cierrn'inclf tlr.t iwuen Bitmhs im Lantlc J)(im(is/,-ii,s 41
Abtrönnigo]! wendet und dann näher auf die p]scIiatologie eingelit. «Sie
sind abgefallen«, beginnt sie, »und sind abtrünnig geworden und haben
sich abgewendet von dem Brunnen lebendigen Wassers (s. o. S. 32). So
sollen sie nicht gerechnet werden in der Versammlung des Volkes nn<l
in der Aufzeichnung nicht geschrieben werden' (Ez. 13,9) von dem 'i'age
an, daß versammelt wurde (nämlich zu seinen Vätern, d. i. gestorben ist)
der Lehrer des Einzigen (s. o. S. 32) bis zum Auftreten des Messias aus
Aharon und Israel.«
Immer von neuem folgen die eindringlichsten Angriffe auf diese Leute,
die sich ohne innere t^berzeugung und festen VVillensentschluß den Streng-
gläubigen angeschlossen liaben; man sieht, die Schar der im (Jrunde in-
diflerenten Mitläufer ist hier, wie bei allen gleichartigen Bewegungen, sehr
groß gewesen. Aber damit sind neue scharfe Ausfälle gegen die (iegen-
partei in .lerusalem verbunden; und diese geben inis einen sehr willkom-
menen weiteren Einblick sowohl in die Vorgänge wie in die iloft'ruuigen
dir Emigranten.
»Und .so ist das Recht für alle. <lie in die Gemeinde der vollkomme-
nen Heiligkeit eingetreten und dann überdrüssig geworden sind, die Ord-
nungen der Redlichen zu befolgen. Das ist der Mann, der im Sclimclz-
ofen geschmolzen wird' (Ez. 2 2,2if). Wenn sein Verhalten klar wird'.
soll er aus der Gemeinde gestoßen werden wie der, dessen Los nicht unter
die von Gott Belehrten' (.les. 54. 13) gefallen ist« — auch hier wieder
gelangt der Glaube an eine Prädestination, an eine Auswahl der für die
"(ienu-inde der vollkommenen Heiligkeit« Bestimmt<Mi durch Gott deutlich
zum Ausdruck, wie oben S. ;i. 39. vgl. S. 43. Das stimmt durchaus zu der
Lehre <ler Pharisäer', schließt aber (Mue Verantwortung des ^len.schen hier so
wenig aus wie bei den Phari.sSern und im Grunde überall, wo die Pnidesti-
nationslehre anerkannt ist, da .sie sonst Ja jede men.schliche Tätigkeit aufheben
würde, während sie .sie gerade steigert: der eigene Wille muß der Gott-
' -^r; ■■: 7t~z, vicllciclit mit Chari.ks in ~-r: zu koiriiiicren.
' Die Saddiikäer iliijjcjrpn tceiiii liier \vi(; ülicrall über den W'oiflaiil <ics (Jesi'tzi's
nielit liiiiaiiK und wollen dabei' von einer I'^äde^itillalil>n iiicliLs wi.ssen : Joseph. ISell. II 16 j
Ant. XIV 173 CaaaoykaToi thn m^n €i«apm^nhn nANTÄnACiN anaipoycin kaI tön eeÖN es« toy
APÄN TI KAKÖN H ^«iOPÄN TieeNTAI • »ACIN AC £n' ANOPÜnUN eKAOrfi TÖ Te KAa6n KAI TÖ KAKÖN nPOKei-
ceAi KAI katA rNUMHN etcXcTOY TOYTtüN feKAT^Pu npoci^NAi. I);is ProMein. das hifi- diireli die .\l\-
iiiacbt und Allwissenheit Gottes gesehaflen winl. wird von ihnen ignoriert, darüber zu grübeln
ist .sinnlos. Kbensu vi rwcrfen sie yyxhc thn aiamonhn kaI täc kas' Aaoy timüjpiac kai timac.
I'hil.-hht. AM. Ulli). \r. .'/. . U
42 E. IVIkytr:
Jieit entgegenkommen, aber er ist seinerseits wieder bedingt durcli die
>;atiiranlage, die Gott dem Menschen gegeben hat'.
»Gemäß seiner Untreue sollen sie ihn zülden (unter) die MenscJien
der Verderbtheit bis zu dem läge, wo er wieder zxirücktritt zu den Men-
sciien der vollkommenen Heiligkeit. Und wenn sein \' erhalten klar wird
(s. S. 41, i) gemäß der Au.slegung (Bma) der Tora, nach der die Menschen der
vollendeten Heiligkeit wandeln, soll niemand mit ihm verkehren in Ver-
mögen und Arbeit, denn verfluclit haben ihn alle Heiligen des Höclisten
(irby)« — er ist also exkommuniziert. »Diesem Recht gemäß soll man
mit allen Vcrächlern der Früheren und der Späteren« — der neuen Gemeinde,
die die Erbin der Vorfaliren ist — : »verftxhren, die die (iötzen in ihr Herz
geschlossen haben« — hier ist also der Abfall der Juden und ihre \er-
ehrung der eiAUAA a^5",';5 deutlich bezeichnet, wie nachher Z. 24 die Ver-
ehrung von (lußbildern — »und in der Verstocktheit ihres Herzens wandehi:
sie haben keinen Anteil am Hause der Tora. Sie werden gerichtet werden
mit ihren Genossen, die mit den "Menschen des Spottes' (s.o. S. 31) zu-
sammengelui", denn sie haben Irrsal geredet' (Jes. 32, 6) gegen die Satzun-
gen der Gerechtigkeit'' und haben den Bund und den Bündnisvertrag (n:rs)
verworfen, den sie im Lande Damaskus aufgericlitet haben: und das ist
der neue Bund» — wir sehn also, daß ein feierlicher Bundesschluß statt-
gefunden hat, wie unter .losia und Nehemia und wie unter Mose und Josua,
durch den die neue Gemeinde zum »Hause der Tora« geworden ist — »und
nicht sollen sie und ihre Geschlechter Anteil haben am Hause der Tora«.
»Und vom Tage des Hinscheidens des I^dirers des Einzigen bis daß
alle Männer des Kampfes' (Jes. 41, 12)« — d. i. die Gegner Gottes —
»hinweggeraft't werden, die mit dem 'Mann der Lüge' wandelten, sind
' Jos. Bell. II 163 Ol <t>APiCAToi . . eiMAPM^NH Te KAi eeß npocAnroYci hAnta, kaI tö m^n hpät-
TeiN TA aIkAIA KAI MH KATÄ TÖ OAeTcTON iu\ ToTc ANePCÖnOIC Ke?CeAI, BOHecTN Ae eiC fe'lCACTON KAI THN
eiMAPMeNHN. oder in noch prägnanterer Fassnng Ant. X\"1I1 13 nPÄcceceAi Te eiMAPweNH tä
HANTA AII0YNT6C OYAE TOY ÄNePMoeloY TÖ BOYAÖMENON THC en' AYTO?c ÖPMHC (dcii eigenen Antneli
(hIiM- \\'ilieir)Ä4>AIP0YNTAI. AOKHCAN TU 660 KPICIN TENeCeAl KAI TW ^KeJNHC BOYAeYTHPiü) KAI TÖN AnSPO)-
ncüN TU eeeAHCANTi nFOCX(0P€?N mgt" ÄP6THC H KAKIAC (Ciott h:it es so anger)r(lnet. daß anob der freie
W'illensentschliiß des iMcnscheii bei der F.ntsclieidnng mitwirkt, ob er gut oder seblecbt sein
will), nnd kiir/cr XIU, 172 tina kai oy oanta thc eiMAPM^NHC eproN eInai AeroYCioN, tinä a^ i*"
eAYToic YnÄPxeiN cymbaInein te kai mh riNeceAi. Sehr mit Unrecht iiat man die Zuverlässigkeit
der Angaho des .loscphns. der Ja selbst ein i'liarisäer war, bestritten.
- Für ^ri- ist wahi-seheinlicii ■:-•- 7.11 lesen.
■' liei .lesaja ■gegen .lahwe«.
l)ii' Gfiiifiudi' <li's iiiiien Btiiidts im J^diidi- J)uiii(isku.s 43
etwa 40 Jalire.« Also die P^ndkatastrophe gilt, wie im Heiiocli, den Ju-
l)iläen und den Testamenten, als unmittelbar bevorstehend; im Laufe der
nächsten Generation werden die Anhänger des Lügen propheten von ihrem
Schicksal ereilt und das raessianische Gottesreich aufgerichtet werden; von
der entscheidenden Heimsuchung durch Antiochos ist hier ebensowenig
etwas bekannt, wie von der Erhebung der Makkabäer.
»Und bei diesem Ende wird der Zorn Gottes entbreimen gegen Israel,
wie er gesagt hat: es ist kein König und kein Fürst' (Hos. 3, 4) und kein
Richter' und keiner, 'der in Gerechtigkeit Urteil spricht' (aus Jes. 11,4); aber
die sich bekehren von der Sünde Jakobs" (Jes. 59, 20), bewahren den Gottes-
bund. 'Da sprach ein jeder mit seinem Nächsten' (Mal. 3, 16), seinen
Bruder zu stärken' und ihren Schritt zu stützen auf dem Wege Gottes;
'und Gott merkte auf (Mal. 3, 16) auf ihre Worte und hörte und es ward
ein Gedächtnisbuch vor ihm geschrieben ftir die, welche (lOtt turchten und
.seinen Namen scheuen (Mal. 3, 16)« — also ein Protokoll (ynÖMNHMA), das
ihre Namen für die Zukunft bewahrt (vgl. S. 21. 41) — , »bis daß Heil und
Gerechtigkeit (Kechtfcrtigung) hervortreten wird fiir die Gottesfürchtigen.
'Dann werdet ihr den Unterschied wiedersehn zwischen gerecht und sündig,
zwischen dem, der Gott dient, und dem, der ihm nicht dient' (Mal. 3,18).
Und er übt Gnade an denen, die ihn lieben und (seine Gebote) halten,
auf tausend Geschlechter' (Deut. 7, 9. Exod. 20, 6).««
Jetzt kehrt die Polemik zu den ungetreuen (Genossen zurück: »Als sieh
absonderten" die, welche aus der heiligen Stadt ausgezf)gen sind« — hier
wird also der Exodus (nach dem Tode des »Lehrers«) ausdrücklieh erwähnt,
s. o. S. 32 — »und an Gott anlehnten beim Ende des Abfalls Israels»
— d.h. als der Abfall seinen Höhepunkt erreichte — , »haben sie das Heilig-
tum entweiht (vgl. o. S. 35, 2) und halten sieh zu gegossenen Göttern des
Volkes' gewendet mit .... Worti-n. Sic sollen jeder nach seinem (Jeiste
im lieiligen Kat (C~p rS5a) gerichtet werden. Alle Mitglieder des Bundes,
die die Schranken der Tora durchbrochen haben\ werden, wenn die Herr-
' Ein paar Biicb.stabcn sind verwischt: /.u er^änziMi ist "tts ps (r-s -.-rrr^)'-:.
'' Für j'nr-z-: ist mit CJrksssunn :'-:tr-z zu Icsi-n.
' n;~ — c: (•)5s -,v. Im fnlgendun ist ein Wort vcrwi.sciit, elicnso wie' das ■' n;if.ii Vs.
' Der Alisdi-ncii --tt. V-i,-. -u-e --s V:- et-innort lelihafi an dii- Angabe bei Daniel 11, 14.
daß zur Zeit des zxvi'iten Krieges .Anlioelios' des (iroUen i;egen Agyjtten (202—198) «viele
.sieh gegen den König des .Südens erheben werden» — das ist eben die liellenistisehe l'artei,
44 K. M i: ^ i; k :
lichkeit Gottes fiir Israel ftrsclieint, aus dem Lager (der Kolonie) ausge-
rottet werden, und mit ihnen alle Frevler Judas in den Tagen, da es im
Sehmelztiegel lag« — also geprüft und geläutert wurde.
»Aber alle, die an diesen (besetzen festhalten, ein- und auszugehn gemäß
der Tora, und die auf die Stimme des Lehrers gehört und vor Gott be-
kannt haben : 'wir haben gesündigt, wir und unsere Väter, da wir zuwider-
wandelten' gegen die Satzungen des Bundes, und deine Gerichte gegen
uns sind wahrhaft', und die die Hand nicht erheben gegen seine heiligen
Satzungen und sein gerechtes Gesetz und seine wahrhaftigen Zeugnisse,
sondern sich warnen ließen durch die früheren (ierichte über die Söhne
der Menschen des Einzigen (s. o. S. 32) und auf die Stimme des Lehrers der
Gerechtigkeit hörten und die nicht abweichen von den Satzungen der Gerech-
tigkeit, wenn sie sie hören, die werden sich freuen und frohlocken und ihr
Herz wird stark sein, und sie werden sich allen Kindern der Welt über-
legen fühlen; und Gott wird ihnen vergeben und sie werden sein Heil
sehn, denn sie 'haben ihre Zuflucht gesucht bei seinem heiligen Namen""'
(Zeph. 3, 12).«
Das Gesetzbuch. Die Organisation der Gemeinde.
Der zweite Teil der Handschrift A, [). 9—16, enthält die Rechtsord-
nungen der neuen Gemeinde. Daß eine Überschrift oder ein Tit<»l hier
sowenig gegeben ist wie bei der Mahnrede, ist schon erwähnt. Zweimal
wird ein ijnn "lEC genannt (10,6. 13.2), mit dem die Priester und Richter
vertraut sein sollen; dieser Name, den Grfssmann ZD3IG. 66, 495 wohl
richtig als n-3?in ied »Buch dvs Nachsinnens« erklärt, wird eben dieses Ge-
setzbuch (nicht, wie Grkssmann meinte, die Torsi) bezeichnen, im Anschluß
an Psalm 1.2 »der über Jahwe's Tora sinnt (rarr) Tag und Nacht«.
Daß die Kolonie »im Lande Damaskus«, d. h. in der weiten, dicht be-
völkerten Oase reichsten Kulturlandes, dessen Mittelpunkt die Stadt bildet,
(He bei den Seleukideii Anschluß siulit — »und gewalttätige Söhne deines Volkes, ■>:;
__„ ,_,.r^ .^ic), empören wei'den. u in ein G esiclit ;i u f/.u st eilen (zu erfüllen), aber straucheln
werden«. Weiteres darüber ist nicht liekannt: aber die religiöse Bewegung war damals often-
bar bei-eits in vdllerii Gang. Ob untei- dem «Gesicht- mit Wellhausen Nachr. G5tt. Ges.
1905. 123 ein Vei'such /.u vei'stehn ist, »die niessianische Weissagung zu verwirklichen,
d. li. die Frerndlierrschart überhaupt ab/uschütteln», ist doch wohl fraglich.
' Für :re52 ist n;itürlicli "J-i'bz /u korrigieren.
- »Beim Namen .laliwes» im biblischen Text.
J)ie (icinnjidr dix iinun Ihdidift im Laude Ddiiidskiis 4;")
»y^emäß den Satzungen des lindes in Lagern« erfolgen sull (7. 6 = 19, 2),
haben wir oben schon gesclin. Ob das wörtlich zu verstehn ist und
Zeltdörfer geplant sind oder ob der Verfasser an die Urzeit und die Wander-
lager beim Auszug aus Ägypten gedaclit und den Ausdruck symbolisch
gemeint hat, läßt sich nicht entscheiden, .ledenfalls ist, trotz der messi-
anischen Erwartungen, eine dauernde Niederlassung in Aussicht genommen:
die Ansiedler sollen heiraten und Kinder zeugen. Genauere Bestimmungen
bringt das Gesetzbuch p. 12,19!?. : und hier werden die eijizelnen Nieder-
lassungen als »Städte Israels« ("SniT" "T) l>ezeichnet, wobei natürlich nicht
an wirkliche Städte, sondern an Ortschaften jeder Art zu denken ist, ent-
sprechend dem Sprachgebrauch im AT. Im Mittelpunkt steht durchweg
die ])einllche Befolgung der Tora »nach ihrer Exegese« und die Sicherung
der Reinheit und dadurch der »vollkommenen Heiligkeit«, sowohl kultisch
wie ethisch. Das wird im Eingang dieses Abschnitts nochmals hervorgehoben :
■ Ordnung' der Besiedlung der Städte Israels auf (^rund der folgen-
den Rechts.satzungen, um zu scheiden zwisclun unrein und rein und zwischen
heilig und profan' (Lev. 10, 10, wie oben S. 37). Und dies sind die Satzungen,
um zu lehren, daß das ganze \'olk darin allezeit nach dem Recht wandeln
soll, (iemäß dies<'m (Jesetz .soll der Same Israels wandeln, daß sie nicht
dem Fluch verfallen.
»Und dies ist die Ordnimg der Besiedlung der Srädte, um danach zu
wandeln in der Endepoche (7p3) der Sünde, bis daß der Messias Aharons
und Israels auftritt, bis z\i zehn Männern mindestens, zu Tausenden, Hun-
derten, Fünfzigen tuid Zehnen.« Das ist entlehnt aus der von Mose auf
Jethros Rat eingeführten Gerichtsorganisation Exod. 18,25, "ach der hier
die Ortschaften, groß oder klein, gestaltet werden sollen"'. Die spätere
Bestimmung, daß, wo auch nur zehn Israeliten an demselben Ort wohnten,.
eine Synagoge errichtet werden soll', findet sich schon hier: »Wenn (auch
nur) zehn auftreten (da sind), soll ein Priester, der im Gesetzbuch (dem »Buch
des Nachsinnens«) bewandert ist, süindig dort bleiben*, und 'seinem Befehl
' Diifiir winl .ständig das S])!itlielji-äischc Wort t- sebrauflil. da.s p. 19. 2 in B durch
=7~ ersetzt wltil.
- VÄnn niodiTiie l'arallcio liictet die iiacli deiii.si;lberi X'orlnld gi'.staltelo ( )rganisatii)n
dci- Züge der Mormonen, s. ni. li-sprung und Gesehiclite dci- Mormonen S. 108. 196.
' .SciiriiEK, (icsfh. d. Jiid. Volks Il3 448.
' VVörll. -sich nicht entfernen, nicht von dannen weiclien-, v-;^ Vs, w ie Kxoil. ,5j, 1 1.
.lo.s. 1,8 \i. a.
4(5 K. M i: ^ i: ii :
sollen Jilio sich fügen' (Cien. 41,40). Ist er aber nicht in all diesen Dingen
bewährt, wohl aber ein Mann von den Lewiten. so soll das Los heraus-
kommen« — d. h. die formell durch das Los bestimmte Entscheidung wird
tatsächlich durch diese Anordnung vorweggenommen, das Los wird zur
bloßen Form wie so häufig — , »daß alle, die zum Lager gehören (n:nm"S3 5D),
nach seinem Befehl aus- und eingehen. Aber wenn eine Entscheidung nach
der Tora über den Aussatz stattfinden muß, soll der Priester kommen und
im Lager auftreten und der P^plior (s. u.) ihn über die Exegese der Tora
unterrichten; auch wenn er einfältig ist, muß er (der Priester) es sein, der
ihn (den Aussätzigen) aussperrt, denn ihnen steht das (Bericht zu.«
Man sieht, daß die formalen Vorschriften des Gesetzes und daher auch
der Vorrang der erblichen Priester- und Lewitenkaste hier wie nachher in
der Ordnung der Gesamtgemeinde peinlich gewahrt werden, auch wenn
die realen Zustände dazu noch so wenig passen. Aber in Wirklichkeit
erhebt sich über sie, wie im Gesamtjudentum der Schriftgelehrte, der
Rabbiner, so auch hier ein der Laienschaft entnommener Beamter, der
Weltkunde und Gesetzeskenntnis in sich vereinigt, die Oberleitung fiihrt und
den zu seiner Puppe degi-adierten Priester instruiert. Er führt den Titel
n|J2'a, d. i. etwa «der überlegt, untersucht« '. Sehr oft erscheint dies, worauf
Gressmann hinweist", als Eigenname Aamobakkgpoc (al)Mubakker in den In-
schriften iler arabischen Grenzgebiete, und einmal (t.'ISem. II 2 7 2 3) auch in einer
sinaitischen Inschrift als Titel "npmobs''. Man sieht, der Titel muß in den
Gemeinden der jüdischen Diaspora weit verbreitet gewesen sein und ist
dann, wie so oft, zum Eigennamen geworden imd zu den Heiden über-
gegangen. Man kann den christlichen Titel eniCKonoc vergleichen, am besten
wird man ihn etwa durch Ephor wiedergeben'.
' Die Bedeutungscntwickluug von -;i — das niao seinem Wortsinn nach, wenn diese
Bildung gestattet wird, etwa diircli »niargigi'n- wiedergeben könnte — tritt Reg. II 16, 15
deutlich hervor, wo König Aiiaz. al.s cj- im Tempel einen neuen Altar aufgestellt hat, sagt:
was mit dem alten geseliehen soll -yy -s -^-^, ecTAl moi eic TÖ nPcoi. d. li. das will ich mir
morgen weiter überlegen, eine mchi'lach angezweifelle t'bcrsetzung, die jetzt durch unser Woit
gestützt wird, »liberlegend betrachten., bedeutet es dann Ezech. 34, 11 f. Ps. 27, 4. Prov. 20, 25.
- 'l'heol. Lit. Ztg. 1917, 154.
■' Mobitz. Sinaikult in heidnischer Zeit. Abh. Gott. Ges. .\. F. X\T -2, 1916 S 29: »Das
Wort findet weder im Arabischen noeh inj Aramäischen eine befriedigende Erklärung" ; er
vermutet dafür eine kultische Bedeutung.
' »t'ensor«, womit Siiii;(htkk ihii übersetzt, berücksichtigt nur eine Seite seiner Tätisr-
keit und iTweckt überdies ;ds röiuischer .Vmlslitel falsche Vorstelluniten.
\
l)h- Gruirindf flea nnitm Bundes im Laiiilr Dainash/y 47
Wir erfahren, daß jedes pinzclno »Tiai^er«, d. h. jede, aus mehreren Ort-
schaften (»Städten«) bestellende Siedhingsgruppe, ihren besonderen Ephoren
hat. Von seinen Aufgaben handelt der folgende Abschnitt (i3,7ft'.):
»Dies ist die Ordnung über den E[)horen (Mbaqqer) für ein Lager:
Er soll die Menge (S"'l"in) über die Taten Gottes belehren und ihnen über
die (Jroßtaten seiner Wunderinacht das Verständnis eröffnen und ihnen die
Geschehnisse der Vorzeit (~-'5) . . -' erzählen. Und er soll Eirbarmen mit
ihnen haben wie ein Vater mit seinen Kindern imd soll ihnen allen ihre
Schuld vergeben". 'Wie ein Hirt seiner Herde' (Jcs. 40, i i) soll er alle
Fesseln ihrer Ketten lösen, um zu . . . .' den Bedrückten und Zerschlagenen'
in seiner Gemeinde (frei nach Jes. 58, 6). Und jeden, der zu seiner Ge-
meinde hinzutreten will, soll er mustern auf seine Handlungen, seine Ein-
sicht, .seine Macht (n-s, seine äußere Stellung), seine Leistungsfähigkeit (m"!35)
und .sein Vermögen, und dann soll man ihn einschreiben an seinen Platz,
wie das Los des Lagers es ihm zuweist*« — ist dabei an das ihm durch
<las Los zugewiesene Grundstück gedacht? »Und niemand von den An-
gehörigen (Sölinen) des Lagers soll die Befugnis haben, jemanden in die
(iemeinde zu bringen {außer) durcli die Entsclieidung des F'phoren, der
für das Lager bestellt ist. Und keiner von allen, die in den Bund ein-
getreten sind, soll mit den Söhnen des Verderbens ' (ein (ieschäft abschließen)
außer Hand zu Hand« — d. h. es ist mit ihnen nur ein Geschäft gestattet,
bei dem die Ware immittelbar aus der einen Hand in die andere über-
geht, aber keine Verträge u. ä. Die folgenden Zeilen sind stark verstünunelt;
doch läßt sich erkennen, daß alle Geschäfte nur unter Billigung und Mit-
wirkung des Ephoren gestattet sind — er hat also zugleich etwa die
Stellung eines Notars — , und daß alle sündigen Liebeshändel verboten
werden. »Das ist die Besiedlung des Lagers ...» Dann folgte ein neuer
Ausfall gegen die Abtrünnigen: »nicht soll ihnen glücken, im Laude zu
wohnen ...» Der Abschluß, der p. 14, i f. erhalten ist, wiederholt das
schon p. 7, II herangezogene Zitat aus Jesaja 7, 17: » (Gott Avird über
dich und dein Volk und dein Vaterhaus Tage bringen) wie sie nicht ge-
' r^-iz ist korrupt.
- bstt; ViV . . . r">% VDii ('HAKr.KS in (iTir n;:'! ::'- dm; r'ir- lierf{estellt.
" 3^^..':.V.
* r yi-j; -n-r-' Tl. von Lkvi in rrr:n ;-v.s -riT-r: ^j korrijfii-rt.
■■ r-rr ~: (37) (vcrsclirfiibfti mlcr vcrlost-n in -nsr-).
48 K- Mk ykr:
kommen sind seit dem Tage, da P^pliraim sich von Juda losriß. Aber ftir
alle, die nach diesen Satzungen wandeln, ist der Gottesbund beständig,
sie zu retten aus allen Schlingen des Verderbens ...'«.
Jetzt folgen die Hestimmung«n über die Organisation der Gesamt-
kolonie, der Einlieit, in der die einzelnen »Lager« zusammengefaßt sind
(14, 3 ff.). Auch hier wird formell der Vorrang der Geistlichkeit gewahrt:
aber auch hier liegt tatsächlich das Regiment in den Händen eines welt-
lichen Oberbeamten, des »Ephoren für die Gesamtheit der Lager« -tpz-cn
mrman -3- ncs, der ehimal j). 15.8 auch als »der E])lior für die Menge«
a-'aib iiBs« -ipar" bezeichnet wird :
«Ordnung der Besiedlung aller Lager« oder richtiger »des (Jcsamt-
lagers« (minrn b;). »Sie sollen alle gemustert werden nach ihren Namen,
die Priester zuerst, die Lewiten zu zweit, die Israeliten zu dritt, der Pro-
selyt (i>n) zu viert, und sollen mit ihren Namen aufgeschrieben werden
einer nach dem andern, die Priester zuerst, die Lewiten zu zweit, die
Israeliten zu dritt, der Pj-oselyt zu viert. So sollen sie sich niederlassen
(oder in der Versammlung sitzen? ^2V) und so bei allem befragt werden '.
Der Priester, der die Menge mustert, soll zwischen 30 und 60 Jahren alt
und im Buch (des Nachsinnens sowie) in allen Gesetzen der Tora bewan-
dert sein, mit ihnen zu reden'' gemäß ihren Gesetzen. Und .der Ephor Ober
die Gesamtheit der Lager soll zwischen 30 und 50 Jahren alt sein, kimdig
aller Rede (Beratung, ~^z) und Sjjrache der Menschen . . .*« — also ein
weltkundiger Mann, offenbar ein Laie, der dem Verkehr mit der Heiden-
welt und den Proselylen, den "Gaahnictai des N. T., gewachsen ist. »Nach
seinem Ausspruch sollen alle, die in die Gemeinde eintreten, jeder der
Reihe nach aufgenommen werden ; und über jede Sache, über die irgend
jemand etwas zu sagen hat (die irgend jemand betrifft), soll er mit dem
Ephoren reden, über jeden Streit und Prozeß.«
(p. 14, 12) »Und dies ist die Ordnung für die Menge. Um alle ihre
Bedürfnisse zu regeln (festzustelien, rn'ssn ':: 'i'-^'b ^^11 der Lohn von zwei
Tagen in jedem Monat . . . (dienen) '. Das sollen sie in die Hand des p][)horen
' Die Schlußworte . x.-;- :-s.-ir ■': verstelle ich iiiclit.
- 5:5 -5sr- ist (h)cli wohl piis.sivi.scti zu verstehii.
■' Fiii- Di:rV bietet Schkihikh p. l,\'Ili =-i-;V als richtige Lesung.
' Verwischte Buchstaben.
' ScHECHiER bietet im Text ---. V;; ar -ri--.- -rr. und der Gedanke au die Terilina.
die sakrale Abgabe, liegt ja sehr nahe. Xhev diese Wdrie sind sprachlich unmöglich, und in
r
DU' Gemeinde ries nniea BiükUk im Lande Damaskus 49
geben, und die Richter sollen es . . . geben und dadurch die Armen und
Dürftigen unterstützen, den Alten, der . . ., und den, der vagabundiert (ob-
dachlos ist)', und den, der in die Gefangenschaft eines fremden Volks
gerät, imd die Jungfrau, die . . . (luid den) um den sich niemand kümmert
(Wfn lb l""« "V S58 ).« Die folgenden Zeilen sind zu verstümmelt, um sie über-
setzen zu können; aber man sieht aus den in der nächsten Zeile erhalte-
nen Worten »Dies ist die Exegese der Besiedlung«, daß hier bereits die
Schlußformeln folgten. Mit den nächsten Zeilen beginnt dann ein neuer Ab-
schnitt: »dies ist die Exegese der Rechtssätze, die . . . . (bis auftritt der
Messias) Aharons und Israels. Und er (Gott) wird ihre Sünde ver-
geben . . .« Im folgenden ist Z. 20 noch pTara »in Mammon« erkennbar:
daß dies sonst erst aus dem X. T. und der Mischna bekannte Wort för
das »Vermögen« schon hier vorkommt, ist selir interessant. Daran schließt
»und dieser weiß . . .« und weiter: »eine Strafe (tj:y) von sechs Tagen; und
wer redet . . .». Danach scheinen hier Straf bestiramungen für einzelne Ver-
gehungen, zunächst im Geschäftsverkehr, gegeben zu sein: die Buße von
sechs Tagen mag die Zahlung des Tagelohns einer Woche gewesen sein.
Ob hier noch weitere Blätter fehlen, ist nicht erkennbar; jedenfalls schließt
p. 1 5 nicht näher an, sondern behandelt ganz andere Fragen.
Daß die Verteilung der vom Ephoren eingesammelten Almosen den
Richtern zugewiesen ist, ist sehr begreiflich: diese kennen die einzelnen
und können ihre Verhältnisse und ihre Bedürftigkeit )md Würdigkeit be-
yrteilen. Von der P^insetzung der Richter, die gleichfalls der Ge.'iamt-
gemeinde, nicht den Einzelsiedlimgen angehören, ist .sclion vorher p. 10, 4 ff.
gehandelt: »Dies ist die Ordnung für die Richter der Gemeinde. (Es
sollen sein) bis zu zehn auserlesenen Männern aus der Gemeinde, gemäß
der Zeit (d. i. dem Bedürfnis, den Zeitverhältnissen), vier aus dem Stamm
Lewi und Aharon und sechs aus Israel, die im Buch des Nachsinnens
(dem Gesetzbuch) und den Fundamenten des Bundes unterrichtet sind, im
Alter von 25 bis zu 60 Jahren. Aber niemand, der 60 Jahre und darüber
ilcr tlbersetzung p. LIV Anm. 2 gibt er an, daß die verwischten Worte ,auch "»'s ff"r •«; -2v
;jelesen werden könnten. Da.s ist gewiß richtig und ergibt einen tadellosen Zusammenhang:
.leder hat in jedem Monat die Einkünfte von zwei 'l'agen, also bei 25 — 26 Arbeitstagen im
Monat rund S*/,, seines Lohns, an die Gemeinde fiir die Armenpflege zu zahlen. Die fol-
genden Worte s...':-.sind ganz verwischt, Sihechteb denkt an -Jis^n. aber- es fehlt das
Verbum-.
' Nach j). I.IV 7 ist vr -a« rV; zu le.sen.
I'hil.-hiM. Abh. IUI». Nr. U. 7
50 K. Mkykk:
alt ist, soll noch l)estellt werden, die Gemeinde zu richten. Denn durch
die Untreue (den Abfall) der Mensclien (=nsn byioa) sind ihrer Tage weni^
geworden, und als Gottes Zorn gegen die Bewohner der Erde entbrannte,
hat er gesprochen, daß ihre Einsicht schwinden solle, el»e ihre Tage zu
Ende gehn.« Das entspricht genau den Angal)en des JiiVtiläenbuchs beim
Tode Abrahams 23, iiff. : »Alle Geschlechter, die erstehn werden von jetzt
an bis zum Tage des großen (ierichts, werden schnell altern, ehe sie zwei
Jubiläen (98 Jahre) \ollenden, und ihre Kenntnis wird sie wegen ihres
Alterns verlassen' und alle ihre Kenntnis (P'insicht) sehwinden.« Daran
schließt im Jubiläenbuch die oben S. 16 besprochene Verkündimg des
großen Abfalls und des Strafgerichts in der Seleukidenzeit, an die die
Umkehr und die Rückbildung, die ständig anwachsende Verlängerung der
Lebensdauer bis zu 1000 Jahren und mehr unmittelbar anschließt.
Kultische und rechtliche Gesetze.
Die übrigen Abschnitte des Gesetzbuchs enthalten Einzel bestiramungen
rechtlicher und kultischer Art. Zu Anfang stehn die Gebote über Ver-
brechen gegen andere (p. 9. i — 10,3). Dann folgt, nach dem Abschnitt
über die Bestellung der Richter, eine Bestimmung über die Reinigung mit
Wasser (10,10 — 13) und daini sehr ausführlich die Sabbatgebore (10. 14
— 11,18). Daran schließen weitere kultische und Reinheitsgebote, luiter
denen auch Bestimmungen über den Verkehr mit Heiden erscheinen (11, 18
— 12,18). Auf die Ordnung der Besiedlung folgen dann, wie wir geselfn
haben, die Satzungen »für die Menge«, zunächst über die Abgaben (14,
12 — 17, s.o. S. 48 f.), dann weitere Straf bestimmungen bei Vergehungen
(14, 18 — 22), und weiter \'orschrifteu über die Art der Ablegung des Eides
und über die Bundbrüchigen und Reuigen (15,1 — 16,6). Dann folgen
Bestimmungen über Gelübde u. ä. (16, 6fl".). Von 16,16 an sind die Zeilen
bis auf wenige Buchstaben völlig verwischt, so daß sich nicht sagen läßt,
ob noch weitere B'ätter folgten oder ob uns dfis Gesetzbuch im wesent-
lichen vollständig vorliegt.
' So Chari.ks in seiner t "bersetzung in The Apocrypha and Pseudepigrapha of tlie
Old Testament, vol. II, p. 48: »And theii- knowledge shall forsake theni by reason of tlieir
old age.« LiTTMAN.N übei-set/.t: »und es wird ge-schehn, wenn sie ihre Kenntnis wegen ihie.s
Alterns vei-läßt, dann wird usw.«. Der lateinischo Text hat et se/tesnre relerius it -mintti nies
vitae iiisiiTum und läßt den Schlußsatz aus.
f
Dir (ifim'indr de,-: lunuii liuii(h'.-< im ImikIc Ikiniuskiis
In den kultischen und Reinheit^geboten gelangen die Sonderanschau-
nngen der Gemeinde zum Ausdruck'. Es sind Vaiüationen der Gesetzes-
auslegung ganz derselben Art, wie sie innerlialb der Pharisäer und des
talnuidischen Judentums zwischen den einzelnen Schulen bestehn''; sie be-
rechtigen aber in keiner Weise, von einer »Sekte« zu reden. Vielmehr
stehn sie durchaus auf dem Boden des orthodoxen Judentums, und zwar
mit besonders stark ausgeprägtem Rigorismus, so daß sie wie in der Ehe-
gesetzgebung, der Forderung der Monogamie, so auch in manchen anderen
Gebot«!! über das hinaus gehn, was allgemein anerkannt und befolgt wird.
Ich gebe zunächst die seJir detaillierten Sabbatgesetze lO, 14 ff.: »Über
den Sabbat, ihn gemäß seiner richtigen Ordnung zu halten. Am sechsten
Tage soll niemand mehr eine Arbeit verrichten von der Zeit an, wo die
Sonnenscheibe (crtcn ij'-j) noch fei-n von dem Tor ist in ihrer Fülle (iS"'"«,
d. J!. wo sie noch ganz über dem Horizont steht); denn das ist. Avas er
sagt (Deut. 5, 12): Beobachte den Sabbat, ihn heilig zu halten.' Am Sabbat-
tng soll niemand ein törichtes und unnützes Wort reden. Er soll seinem
Nächsten (d. h. einem andern) nichts leihen. Er soll nicht !'ecl!ten über
Vermögen oder Profit. Er soll nicht über Geschäfte und Arbeiten reden,
<lie am nächsten Tage zu machen sind. Niemand soll aufs Feld gehn.
' So in dem .\l)schuitt 10 loff. : •Über die Keinigung mit Wassei-. Niemand soll in
.sfhiimtzigem Wasser baden oder in weniger Was.ser, als was für die Füße eines Menschen
genügt« — Gre-ssmann korrigiert hier dflenbar richtig den korrupten Text '-rrr-z "-r^ 3^.:-7ij^
•»^ in mc 'M-V, ebenso Z. 13 'vr-z in V.--":; in Z. 12 ist mit Charles t-;3 in "::, in Z. 13 ■•:■'"::
in ■"?«Ä zu ändern. »Kr soll sich nicht reinigen (waschen) in dem Wasser eines Gefäßes« —
denn das Gefäß kann unrein sein; es wird also Waschimg in fließendem Wasser oder
Teichen u. ä. vorgeschnebeii. -Und jeder Teich (Pfütze) in einem Felsen, in dem nicht ge-
nügend Wasser für die Föße ist, das ein Unreiner ben"dirt hat, dessen Wasser sind unrein
wie die eines Gefäßes.- — F"eraer 12, 11 (F.: »'Niemand soll sich selt)St zum Abscheu machen'
(Lev. 11,43 *'•''• lewitiscii unrein machen, •■=%: nt -z^ \~.s-) duirh irgendein Tier oder Ge-
würm, indem er davon ißt, von den Unreinheiten (für ^V^r: korrigiert Chari.es 'W't) der
Rieuen bis zu allem Getier, das im Wasser kriecht' (nach Lev. 11,46). Fische sollten sie
nur es-sen, wenn sie lebendig aufgeschlitzt sind und ihr Blut ausgegossen wird: und alle
Heuschreckenarten sollen ins Feuer oder Wasser geworfen werden, solange sie noch
lebendig sind: denn das ist die ihrer Schöpfung entsprechende ()rdnung. Ind alles Holz.
Stein und Lehm, die durch menschliche Unreinlieit belleckt sind, von den Befleckungen,
die sie hineingcti-agen haben, wird gleichfalls um ein, wer sie beriihrt. «ledcs Gefäß, Nagel
oder Pilock in iler Wand, <lie mit einem Toten im Hau.se /usammcn sind, werden unrein
wie die Unreinheit eines Arbeitsgeräts.«
' Auch die vier orlhodoxen Rechtssysteme des Ishims kann man vergleichen.
^>
52 E. Mkykk:
um in seinem Interesse Arbeiten am Sabbat zu verrichten. Er soll nicht
außerhalb seiner Stadt gehn über ^zwei)tausend Ellen'. Niemand soll am
Sabbat etwas anderes essen, als was vorbereitet ist oder auf seinem Felde
zugrunde geht. Auch soll er nur im Lager essen und trinken; (wenn er
aber) unterwegs ist und hinabsteigt, um zu baden, darf er trinken, wo er
steht, aber nicht in irgendein Gefäß schöpfen. Einen Ausländer soll er
am Sabbattage nicht senden, um ein Geschäft für ihn zu verrichten. Nie-
mand darf schmutzige oder von einem Heiden gebrauchte Kleider anziehn,
wenn sie nicht mit Wasser gewaschen oder mit Weihrauch abgerieben
sind''. Niemand soll nach seinem Belieben am Sabbat . . .'. Niemand soll
sein Vieh außerhalb seiner Stadt auf die Weide führen mehr als 2000 Ellen.
Er soll seine Hand nicht erheben, es mit der Faust zu schlagen; ist es
störrisch, so soll er es nicht aus seinem Haus (Stall) lassen. Niemand
soll etwas aus dem Haus auf die Gasse oder aus der Gasse ins Haus
bringen; auch wenn er im Eingang steht, soll er nichts hinaus- oder hinein-
bringen. Ein zugeklebtes Gefäß soll man am Sabbat nicht öffnen. Niemand
soll am Sabbat Räuclierwerk beim Aus- und Eingehn mit sich tragen.
Er darf am Sabbat in seinem Hause nicht Stein oder p]rde aufheben.
Der Wärter soll am Sabbat den Säugling nicht aufnehmen um mit ihm
aus- und einzugehn. Niemand soll am Sabbat seinen Knecht, seine Magd
oder seinen Tagelöhner reizen. Niemand soll am Sabbat ein Vieh entbinden:
und wenn es in einen Brunnen oder eine Grube fällt, soll er es am Sabbat
■ AuC Gnind der analogen Bestimmung ir,6 und der sonst im Judf-ntiiin allgemein
heiTSclienden Hestimmung über den »Sabbalsweg« ist rss von allen Bearbeitern mit Recht
in dVss korrigiert.
^ Diese hiei- an die Erwähnung des Ausländers angenigte Bestinimung gilt offenbar
nicht nur fiir den Sabbat, sondern ganz allgemein.
' i-=~3 -yis-:: irs. 3^>Ti^ 5s. Das kann bedeuten ■■ er- soll sich nicht verpfänden- (von 712-3)
odter auch «er soll sich nicht in Verkehr einlassen« wie I'rov. 20, 19. 24, 21 ; vgl. Ezra 9, 2.
I^etzteres halte ich für die wahrscheiidichste ("bcrsetzung. Moork, Harvard 'l'heol. Rev. IV 347
gibt die erstere, schlägt aber daneben die Deutung vor: »er soll keinen 'eriib niacbeo*, die
fiktive Verbindung, durch die Häuser mittels des »Judenzauns, (ur eine Einheit erklärt
werden, zwischen denen man sicli am Sabbat trei bewegen darf; und diese Erklärung hat
Leszynskv, Die Saddizäer 146, aufgenommen. Das halte ich fiu- wenig wahrscheinlich; -noch
weniger Anlaß sehe ich zu einer Änderung des Textes, wie sie mehrfach vorgeschlagen ist.
Für die von Charles vorgeschlagene Änderung —in-' »er soll sich kein Fasten auferlegen-
spricht allerdings, daß das Fasten am Sabbat im Jubiläenbuch 50, 12 nnd im Talmud ver-
boten ist: doch liegt die Änderung von dei- Überlieferung recht weit ab, und diese gibt ja
einen iiuleii Sinn.
f
D'w Gruiniidi' (Ifs neuen Bundes im Lande lJaniui<kvs ")3
nicht henmfholen. Niemand soll am Sabbat an einem Platz in der, Nähe
von Heiden rulien. Niemand soll den Sabbat um \'ermögens oder Profits
willen entweihn. Und wenn irgendein menschliches Wesen in einen Ort
mit Wasser oder einen Ort . . .' fällt, so darf er ilui nicht mit einer Leiter,
einem Strick oder einem Gerät herausbringen. Am Sabbat darf niemand
etwas auf den Altar bringen außer dem Brandopl'er des Sabbats; denn so
steht geschrieben: 'abgesehn von euren Sabbaten' (Lev. 23, 27)'.«
Diese Bestimmungen sind eine weitere Ausfuhnmg der Vorschriften
des Jubiläenbuchs. Im Anschluß an das (resetz Exod. 3i,i4f. 35,2 (vgl.
Num. 15, 32ff.), wonach jede Arbeit am Sabbat mit dem Tode bestraft
werden soll — und wer iiin verunreinigt oder entweiht, soll des Todes
sterben, fügt das Jubiläenbuch hinzu - werden 2, 29f. und 50, 8 ff. eine
Reihe von Einzelgeboten für den Sabbat gegeben, die sich großenteils in
unserm Gesetzbuch wiederfinden: der Sabbat ist nicht dazu da, »an ihm
eine Arbeit zu verrichten, die sich nicht geziemt, an ihm den eigenen
Willen zu tun, irgend etwas zuzubereiten, was gegessen oder getrunken
wird, noch Wasser zu schöpfen, noch an ihm irgend etwas, was getragen
wird, zu ihren Türen lierein- oder hinauszutragen, was sie sich nicht in
den sechs Tagen als Arbeit in ihren Wohnungen zubereitet haben«. De-
taillierter heißt es 50, 8 IT., daß sterben soll, »wer diesen Tag belleckt (und
.seinem W^eibe beiwohnt), wer irgendeine Sache beredet, an ihm zu tun,
daß er eine Reise mache wegen allerlei Verkauf und Kauf; und nuch. wer
an ihm Wasser schö[)ft, das er nicht vorbereitet hat am sechsten Tage,
und auch, wer allerlei aufhebt zu tragen, um es aus seinem Zelt oder
seinem Hause zu bringen«. Zulässig ist nur das vorgeschriebene Sabbat-
opfer; dagegen soll sterben, »wer an ilma eine Arbeit tut, und auch, wer
einen Weg geht, und auch, wer sein Grundstück besorgt, sei es zu Hause
oder an irgendeinen) andern Ort, (und auch, wer Feuer anzündet, und
auch, wer irgendeiji Tier l)epackt, und aucli, wer zu Schiffe auf dem
Meer reist, und jedermann, der jemand schlägt und tötet, und auch, wer
ein 'I'ier oder einen Vogel schlachtet, und auch, wer ein Tier, Vogel oder
Fisch fängt, und auch, wer am Sabbat fastet \s. o. S. 5 2, 3 1 und Krieg fuhrt) « .
' In der Ilatidsclirifi i^t etwas Jiiisgefallen.
- Da.s Gesetz Lev. 23 zählt die Festtage auf, an «Uuien .Jahwe die vorgescliriebeiien
Opfer dar/.ubringea sind, -abgesehn von den Sabbaten .bihwivS" : denn am Sabbat sind nacli
Num. 28, 9 zwei einjährige fehlerlose Lüninier, ein Ölkuchen und ein Ti-ankupfer darzubringen.
<v
54 K. >I K ^ i: K :
Die luer eingeklammerten Bestimmungen fehlen in unserm Text, der dafür
eine Reihe analoger hinzufiigt; im übrigen bieten sie genau das Bild von
den peinlich durchgeführten Sabbatordnungen; das wir aus der sonstigen
jüdischen und heidnischen Literatur und aus dem Neuen Testament erhalten.
Dagegen ist von einer Todesstrafe für den Übertreter der Sabbat-
gebote nirgends die Rede. (Jemäß dem Gesetz Deut. 13, 6 Ober falsciie
Propheten und Traumdeuler luid 13, 13fr. -über »nichtsnutzige Leute«, wörtl.
»Menschen, die Söhne des Nichtsnutzes, des Beli'al sind ('"r"52 "rn ■»:«)«, die
eine Stadt zum Abfall von Jahwe und Götzendienst verfuhren und daher
dem Bann und der Vernichtung anheimfallen, wird zunächst p. i2,2tr. be-
stimmt: »Jeder, über den die Geister Beli'als (s. o. S. 39) die Hen-schaft ge-
wonnen haben, so daß er Abfall redet' (Deut. 13,6), soll nach dem Gesetz
über Totenbeschwöi-er und Zauberer gerichtet werden« — das die Steini-
gung vorschreibt (Lev. 19, 31. 20,6. 27). Dann aber heißt es weiter: »Aber
der, den er verfuhrt, den Sabbat imd die Feste zu entweihen, (soll nicht
sterben; sondern den Menscheiisöhnen liegt ob, ihn zu beobachten; und
wenn er sich bessert (geheilt ist) und sie ihn sieben Jahre lang beobachtet
haben, soll er (wieder) in die (remeinde kommen.« Hier wird also ein
ausdrückliches (iebot der Tora (Exod. 3 1, I4f. 35,2) außer Kraft gesetzt
- die Argvunentation, mit der man sich beholfen haben wird, ähnlich
wie bei der Monogamie, wird nicht mitgeteilt — ; man sieht, wie trotz
alles Formalismus die ethischen imd humanen Anschauungen dennoch vor-
dringen.
Um so strenger wird die Reinhaltung und die Vermeidung jeder Be-
lleckung eingeschärft. Das fiihrt zu der immer mehr gesteigerten Abson-
derung von den Heiden, die in dem Gebot, am Sabbat nicht in der Nähe
von Heiden zu ruhn und keine heidnischen Kleider anzuziehn, zum Aus-
dnick gelangt. Damit verbinden sich auch hier humanitäre Vorschriften.
12, 6fi'. heißt es: »Niemand soll seine Hand ausstrecken, um das Blut irgend-
eines Heiden (z'^MTi )'C w») um Vermögens oder Profits willen zu vergießen.
Auch soll er nicht irgend etwas von ihrem Vermögen nehmen, auf daß sie
nicht lästern, es sei denn auf Beschluß der Genossenschaft Israels.« Man
sieht, der »Antisemitismus« ist hier wie überall stark entwickelt und be-
ruht ganz wesentlich auf wirtschaftlichen Momenten. Dem soll diese Be-
stimmung entgegenwirken. Sehr beaclitenswert ist, daß die Gemeinde.
deren Zustimmung bei der N'erfblgung eines Vermögensanspruchs gefordert
JJie Geimiiidf ttis luiien Ihaidcs im Loiiiif DmiuiskKfi 55
wird — ob in einer allgeuieinen Volksversammlung oder durch ihre Be-
hörden und ein Ratskollegium, läßt sieh nicht erkennen — . als "SiW i-an
»Genossenschaft (Chabur) Israels« bezeichnet wird, mit einem nur hier vor-
kommenden Wort, das unmittelbar an den Terminus 3'"iin Chaberim »(Je-
nossen« anklingt, mit dem die Pharisäer sicli bezeichnen. Die (ieiueinde
des neuen Bimdes von Damaskus ist Ja in der Tat eine Variation der
Pharisäer, aus denselben Tendenzen erwachsen, und von der Gestalt des
Pharisäismus, die im Judentum die Herrschaft erlangt hat, nur durch un-
wesentliche, zum Teil nocli etwas rigorosere Einzelbestimmungen imter-
schieden.
Das Gesetz fahrt fort {12,8): »Niemand soll Vieh oder Gellügel, die
rein sind, an Heiden verkaufen, damit sie sie nicht opfern; auch von seiner
Dreschtenne und seiner Kelter darf er ihnen nicht verkaufen um all seinen
Besitz'.« Also die Idee der Gottgeweihtheit und Reinheit, die durch eine
N'erwendung des Eigentimis eines Lsraeliten zu einem heidnisclien Opfer be-
lleckt werden und so den Dienst der Idole fördern würde, wird auf alle
Lehensmittel ausgedehnt. Das gleiche gilt liir das Gesinde: »Seinen Knecht
und seine Magd soll er ihnen nicht verkaufen, da sie mit ihm in den Bund
Abrahams eingetreten sind« — naturlich durch die Gen. 17,13 auch für
die.se gebotene Besclmeidimg, die gleichfalls im .lubiläenbuch c. 15 noch nach-
drücklicher eingeschärft wird.
über die gotte.sdienstlichen Einrichtungen und die Beziehungen zum
'l'empel in Jerusalem, der natüriidi trotz des Bruchs mit den Juden Pa-
lästinas und der Auswanderung die heilige Stätte und der irdische Woiin-
sitz der (iottheit ]>lieb, geben die Vorschriften ii,i8fl'. einige Auskunft:
»Niemand soll Brandopfer, Speiseopfer, Weihraucli, Holz zum Altur durch
jemand senden, der durch eine der Unreinheiten unrein ist, .so daß er ihm
gestattet, den Altar zu verunreinigen: denn es ist geschrieben (Prov. 15, 8):
'Das Opfer der Sünder ist ein Greuel', aber das Gebet der Gerechten ist
wie ein wohlgefälliges Speisopfer".« Also Opfergaben werden hier wie sonst
aus der Diaspora nach Jeru.salem geschickt. Dazu gehört weiter 12,1: »Nie-
mand .soll in der St^ndt des Heiligtums seiner Frau beiwoiinen, die Stadt
' iTir: 'nz, vielleicbt kornipt.
- -für .laliwo« im Original, in iiiiscrciii Text aiis<ic!ns.<<i'ii, wie durchweg. Der Text
lief Pi-overbien Iniilet im zweiten ."salz -:-i- s^tr Rsir-. Damit ist v. 29 Trc- zr^'-t rnr- kon-
tiiminii-rt; so lautet unser Text: v^" '^"•■" ~"^ '^"tf^"-
50 K. Mkyer:
des Heiligtums durcli ihre geschlechtliche Unreinheit (cm:3) zu beflecken«
— bei der Wallfahrt nach Jerusalem ist also während des Aufenthalts in
der Stadt die Beiwohnung verboten. Diese Forderung wird von der Heuen
Gemeinde ganz allgemein gestellt worden sein: die Heiligkeit des Tempels
wird auf die ganze Stadt ausgedehnt, sie soll lediglich das religiöse Zen-
trum der Judenscliaft sein, in der alles weltliche Treiben verpönt ist.
In den Einzelgeraeinden bildet die Synagoge, hier als nnntsn rr'a »Haus
der Anbetung«, npocevxH und bei Philo npocevKTHPioN bezeichnet. Auf sie
beziehen sich die dazwischenstehenden Sätze 1 1 , 2 1 ff. : »Jeder, der ins Ge-
betshaus kommt, soll nicht unrein kommen, ^sondern) gewaschen. Und
wenn die Trompeten der Versammlung (bnpn, ~ ekkahcIa LXX) blasen (vgl.
Num. 10, I ff.), soll es vorher oder nachher geschehn, aber sie dürfen nicht
den ganzen Gottesdienst ruhen lassen : der Sabbat ist heilig. « Dann folgen,
nach der Bestimmung über Jerusalem 12, i, die Gesetze Aber die Zauberer
und die Entweihung des Sabbats oben S. 54.
Die Bestimmungen über das Verhalten der Gemeindemitglieder zuein-
ander stehn am Anfang des Gesetzbuchs j). 9, i ff. Die ersten Sätze knüpfen
an an das Gesetz Lev. 27, 2 8 f. über den Bann (ein), die unlösbare Weihung
eines Besitztums oder eines Feindes an die Gottlieit zu vollem Eigentum:
»Alles Gebannte, was irgendjemand dem Jahwe bannt von all seinem Be-
sitz, sei es Mensch, Vieh oder (J rundbesitz, darf nicht verkauft oder wieder
eingelöst werden ; alles Gebannte ist hochheilig für Jahwe. Alles aber von
menschlichen Wesen (nisii )'C), was gebannt wird, darf nicht losgekauft,
sondern muß getötet werden.« In alter Zeit wird bekanntlich auch alles
gebannte Vieh aus der feindlichen Beute abgeschlachtet'. Nach Ezechiel
44,29 und dem Priesterkodex Num. 18, 14 föllt dagegen »alles Banngut
in Israel« an die Priester. Im Judentum ist dann, seit eine Kapitalgerichts-
barkeit nicht mehr ausgeübt werden konnte, die »Bannung« der technische
Ausdruck für die feierliclie Ausstoßung aus der Gemeinde, das ANAeewATizeiN
geworden'. Aber zur Zeit der Entstehung des neuen Bundes war die alte
Vorstellung offenbar noch ganz lebendig, und der Bann, die Weihung eines
(legners an die (xottheit, um ihn dadurch zu vernichten, wird oft genug
angewendet worden sein. Das verbietet unser Gesetz als einen unzulässigen
' Vgl. Deut. 1:5, 13(1'. ühor die Baniuiiig und Vernichtung der zum Götzendienst abge-
Ijilleui'ii Ortscliafion. Ebenso' ganz kurz schon im Bundesbuch Exod. 22, 19.
^ Vgl. SciirRER. Oeseli. d. jiid. \'otks lli 434 f. Webkr, .Tiid. Theol.' I42f.
Dir (iriiiclndi' (Ich nnwii ]hindpi< /'/// Landf DanviKku.^ 57
Raclieakt, eine PZntartung zu heidnischem Braucli, bei Todesstrafe: »Jeder,
der einen Menschen aus der Menschengattung' bannt nach den Gesetzen der
Heiden« das kann docli nur heißen: »nach heidnischer Art«, niclit
etwa, daß er nach heidnischem Recht vor heidnischem Gericht gegen iJm
verfahren will — , »ist zu töten"'. (Denn) was er sagt, (ist): 'Du sollst dich
nicht rächen und den Söhnen deines Volkes nichts nachtragen' (Lev. 19, 18)^;
und jeder, der in den Bund eingetreten ist, der etwas gegen einen andern
(»seinen Näclisten«) vorbringt, was nicht vor Zeugen erwiesen ist*, sondern
im Zorn gegen ihn vorgeht oder an seinen Ältesten schreibt ("iEC, berichtet),
um ihn in schlechten Ruf zu bringen, der ist raclisüchtig und trägt nach.
Und es steht doch nur geschrieben (Nahum 1,2): er (d. i. Gott, im Ori-
ginal Jahwe) ist rachsüchtig gegen seine Widersacher und nachtragend
gegen .seine Hasser'« — d. h. Gott darf die Rache üben, aber nicht ein
Mensch. »Wenn er gegen ihn stumm bleibt von einem Tag zum andern
vuid dann im Zorn gegen ihn ein todbringendes Wort gegen ihn vorl)ringt
(r";7: "ia"a ■'a "ai), dann zeugt er gegen sich, weil er das (iebot Gottes nicht
gehalten liat, das ilim sagt (Lev. 19,17): 'Du sollst deinen Nächsten zu-
rechtweisen, daß du nicht um seinetwillen eine Sünde auf dich ladest.«
Ks sind dieselben Grundsätze, die im Testament Gads in der Wanning
vor dem Haß eingeschärft werden: (c. 4) »vAÄiAcee oyn, t^kna «oy, Änö to?
MicoYC, ÖTi KAI efc ay'tön TÖN K^PiON XnomIan noieT. OY' rXp e^Aei AKoieiN eN-
TOAÜN A'i'TOY n€PI XrXnHC TOY nAHCiON KAI efc 0eÖN AMAPTÄNGI. ^AN FAP n^CH Ö
AAeA»öc, cnoYAAzei e-^OYC XnArreTAAi toTc oäcin, kai cneYAei. Yna KPieeic kai
KOAAceeic XnoeANH. Eben diese Anschauung, die Malmung zur Nächston-
liel)e, wird hier in gesetzliche Gebote umgesetzt, bei aller Wahrung der zur
Aufrechterhaltung der Gesetzlichkeit unentbehrlichen gegenseitigen Kontrolle.
Audi sonst ist jede Selbsthilfe und jeder gewaltsame Zwang gegen
andere verboten: (9, 8) »In bezug auf den Eid, von dem er gesagt hat:
'Deine Hand soll dir nicht helfen'« — das i.st aus Sara. I 25,26. 31 ent-
' Man betrachtet in o-k-: s-jx s-^rr -mt das letzte Wnrt .ils Dittographie. .\bor Lev. 27, 28
steht zuerst, lici dc-r Anrziihlung (h-r Objekte, z-v- und v. 29 :-s- -ii a^-r:-' -rx; somit ist =-s-:
jedi-nlalls zu lialleii und vielleicht auch (Ins vorhergehende :-:k: .einen von der Menseheii-
^attung-,
* >i-r rrvr'-i, von Chaiii.ks richtig erklärt.
' Die Fortsetzung ist: -soiulein sollst deinen Nächsten lieben wir dich seihst«.
* Für rrr-z ks s* ist entweder -tt. »ger.'chtfertigt. als richtig erwiesen- üdei" mit
CiiARi.fxs rrrr. zu lesen -der ihn nicht zur Hede gestellt hat-.
l%il.-hi.it. Ahh. I'.nu. Sr. !). 8
58 E. Mkvkk:
iiommen, wo Abigail den David preist, daß er sicli nicht gewaltsam Selbst-
hilfe gegen Nabal verschafft hat — . »so übt jeder, der auf seinem Felde
jemand scliwören läßt, nicht in (Tcgenwart der Richter oder auf Grund
ihres Ausspruclis, diese Selbsthilfe mit eigner Hand« — denn er zwingt
ihn auf ungesetzlichem Wege zu einem Kid, der ihn schädigt. »Wenn je-
mandem etwas abhanden gekommen ist, ohne daß bekannt ist, wer es aus
dem . . .' des Lagers gestohlen hat, in dem es gestolden ist, soll sein Eigen-
tümer 'es mit dem Fluclieid beschwören' (Num. 5,21), 'und wer es hört,
falls er darum weiß und es nicht anzeigt' (Lev. 5, i). der ist schuldig.
Über alles Veruntreute, das zurückgegeben wird, aber keinen Eigentümer
hat, soll der Zurückgebende' dem Priester berichten, und dann soll ihm
mit Ausnahme des Sühnewidders das Ganze (d. h. alles andere, "rn) ge-
hören«. Leider ist »ihm« (""") zweideutig; aber das Gesetz Num. 5, 8, das
hier fast wörtlich wiedergegeben wird, bestimmt, daß »wenn der (inzwischen
verstorbene) Träger des Anspruchs keinen Blutsverwandten hat, dem die
Buße entrichtet werden könnte, so geliört die zurückgegebene Buße Jahwe«
— erläutert durch »dem Priester« — »mit Ausnahme des Sühnewidders«
— der nach Lev. 5, 15 f. Jahwe geopfert wird. So wird also auch hier
zu verstchn sein: der veruntreute Gegenstand fällt an den Priester, der
Widder wird Jahwe geopfertl Die Fortsetzung bestätigt dies: »Und ebenso
soll jeder verlorene (iegenstand, der gefunden wird und keinen Eigentümer
liat, den Priestern gehören; denn der es gefunden hat, kennt sein Recht
(d. h. das daraufhaftende Besitzrecht, den rechtlichen Eigentümer) nicht.
Wenn ein Eigentümer dafür niclit gefunden wird, solhn sie es behalten.«
»Wenn jemand sich in irgendeiner Sache gegen die Tora vergeJjt
und ein anderer (sein Nächster), und zwar nur er allein, das sieht, so soll
er, wenn es eine Sache ist, auf der der Tod steht, es vor seinen Augen*
dem Ephoren anzeigen, und der Ephor soll es mit eigner Hand nieder-
sclireiben, bis er es nochmals tut in (Gegenwart eines andern' und dieser
' -st:-:, verschrifben.
^ Fiii' zz:-2- lies mit Siiikchter z-^-rir..
•■' Deshalb kann ich Chari.es' .Xmlfrunu; des am .Schluß stehenden ■==- in ~r5 nicht für
richtig halten.
* rr^s-r;: ";V; (mit einem freien Raum /.wischen beiden Worten) könnte heißen »vor
f-einen Augen mit Zureclitweisung (Anklage)... Aber Cjiaki.es kni-rigiert es wohl mit Recht
in -y-. ^:V5 »in Gegenwart des Angeklagten«.
■' -nx korrigiert Charlks mit Hecht In -ts.
Die (if'inriitdr den iinicit Ihiiitics im JaiiuIc Ikuintsku.s T)!)
es gleichfalls dem ICphoren anzeigt. Wenn er (so) wieder von einem an-
dern ertappt wird, ist sein Urteil erledigt. Sind aber zwei «Zeugen da,
bezeugen aber Verschiedenes, so soll der Mann nur von der Reinheit aus-
geschlossen sein, wenn sie zuverlässig sind und wenn der Mann es noch
an dem Tage, an dem er es gesehn hat, dem Ephoren mitteilt. Und nach
dem Gesetz sollen sie zwei zuverlässige Zeugen ^annehmen) und nicht niu-
einen, um die Keinheit auszusehließen. Und niemand soll als Zeuge vor den
Richtern auftreten, um auf seinem Aussage ein Todesurt<'il auszusprechen,
der noch nicht volljährig ist, um unter die (bemusterten einzutreten' (Kxod.
30, 13 f.; die Altersgrenze sind demnach 20 .lahre) (und der nicht) gottes-
turchtig ist. Nicht als Zeuge gegen einen anderen (seinen Nächsten) soll
(dauben finden, wer ein Wort der Gebote mit erhobener Hand' (Num.
15.30, d. i. mutwillig) übertreten hat, bis er wieder für rein erklärt ist.«
Es bleiben die beiden stark beschädigten und verwischten letzten Seiten,
p. 15 beginnt, in welchem Zusammenhang, ist nicht erkennbar, mitten in
den Bestimmungen über den Eid. üb sich diese Satzungen auf bestimmte
Einzelfalle oder ganz allgemein auf den Eid beziehn, wissen wir nicht: das
letztere ist wohl das wahrscheinlichste. Den Namen der (iottheit dabei
anzurufen, wird verboten: »(er soll nicht schwören) sei es bei Alepli und
Lamed (= Elohim, s. o. S. 8), sei es bei Aleph und Dalet (= Adonai), son-
dern imr den Schwur, der im Bundeseid (geschrieben ist)'. Auch die Tora
3Ioses soll er niclit erwähnen, denn ... (oder: »außer ..."). Und wenn
er schwört und dann (den Eid) bricht (1371), entweiht er den Namen".
Uiul wenn (er schwört) beim Bundeseid. (so soll es vor) den Richtern
ge.schehn*; und wenn er ihn bricht, ist er schuldig; aber wenn er beichtet
und sich bekehrt, soll er nicht die Todesstrafe erleiden*.«
Daran schließen allgemeine Bestimmungen über die Ablegiing des
liundeseides und den P'intritt in den Bund: (19, 5) »Wer in den Bund
für ganz Israel nach ewiger Satzung eintritt mit seinen Söhnen, die (nocli
nicht) in die (iemusterten durch den Bundeseid eintreten können, soll es
für sie bekräftigen.« Die unmündigen Kinder werden also durch eine
' Für ..V- set/on Levi iiiid Chaki.es r:-n:r ein.
- Vgl. I/CV. 19, 12: •ihr -sollt nicht falsch .schwören 1km meinem Namen, daß du den
Namen deines Gott&s Tiicht entweihst«.
' Krf^änzt \()n (ihessmann.
' r";|r: z;;y| x~- xV (,'li VKi.KS.
m K. Mkvku:
Krklärung ihres Vaters in die Gemeinde aufgenommen und für dieselbe
verptlichtet, wie im Christentum durch die Kindertaufe.
»So ist das Recht in der ganzen Endzeit der Sünde« — der gegenwärtigen
Weltperiode — »für jeden, der sich von seinem verderblichen Wandel be-
kehrt« — also in den Bund eintreten will — : »an dem Tage, an dem er mit
dem über die Menge gesetzten Ephoren (s. o. S. 48) gesprochen hat, soll man
ihn mustern mit dem Eid des Bundes, den Mose mit Israel geschlossen hat,
dem Bund, zurückzukehren zur Tora Moses mit ganzem Herzen und ganzer
Seele .... (zerstört). Niemand soll ihm die Rechtssätze mitteilen, bis er
vor dem Ephoren gestanden hat, der ihn (prüft), indem er ihn fragt. Und
wenn er es auf sich nimmt, zurückzukehren zur Tora Moses mit ganzem
Herzen und ganzer Seele, ((iottes Gebote zu befolgen) und alles, was von
der Tora offenbart ist, zu streiten (gegen die Abtrünnigen) ..... (so soll)
der Ephor (ihn aufnehmen) und ihm gebieten (. . . etwa: die Gottlosen)
zu töten . . und einen Wahnsinnigen (wohl die falschen Propheten) und
alle . . .«■ Der Rest ist ganz zerstört; nur der Schluß des Abschnittes ist
j). 16, I f. erhalten: »((iott hat einen Bund geschlossen) mit euch und mit
ganz Israel. Darum soll der Mann (d. i. jeder) die Verpflichtung auf seine
Seele nehmen, zur Tora Moses zurückzukehren.«
»Denn in ihr ist alles genau bestimmt {■p'p^ir:). Und die Erläuterung
(©■'"IE) ihrer Endzeiten (2n"'Sp, der Zeitperioden, die sie durchzumachen
haben, und ihres Ausgangs, wie oben p. 2, 9) in bezug auf die Blindheit
Israels' über alle diese Dinge, siehe das ist genau ausgeführt (p~p""ir) in
dem Buch der Einteilungen der Zeiten nach ihren Jobeljahren und Wochen
(dem Jubiläenbuch, s. o. S. 9).«
»An dem Tage, an dem jemand es auf seine Seele nimmt, zur Tora
Moses zurückzukehren, wird der Engel des Mastema (s. o. S. 39) von ihm
weichen, wenn er sein Wort hält. Dalier wurde Abraham am Tage, avo er
zur Erkenntnis kam X'r\:?1 BT^n), beschnitten« — vgl. Jubil. 15, 26 im An-
schluß an die Beschneidung Abrahams und seiner Angehörigen und Knechte:
»Alles Geborene, das nicht beschnitten ist bis zum achten Tage, gehört
nicht zu den Kindern des Bundes, den Gott mit Abraham geschlossen hat.
sondern zu den Kindern des Verderbens.«
is-r^ . — „5. jßii sehe keinen (iruiid, mit Sciiki iiikr in ]—cr> odei- mit C'haki.es in
zu ändern.
Dil' (iciiici/ulr des nriirn Bundes im Laitdr Damaskus (i l
Diese Ausfiiliruugcii geben noeli einiriMl einen lebendigen Einblick in
das Wesen des neuen Bundes. Er ist die wahre Fortsetzung des alten,
den Gott mit Abraham geschlossen hat, dessen ewige Satzungen Mose in
der Tora offenbart hat; auf ihn ist daher auch die Verheißung überge-
gangen, er allein ist das wahre Israel, alle andern sind abtrünnig und
bilden das Reich des »Anfeinders«, des Maslema oder Satan, dessen Diener
(Engel) hinter ihnen stehn; und ihr vorausverkündetes und genau be-
stimmtes (ieschick Avird sich binnen kurzem erfüllen, wenn der 3Iessias
»Aharons und Israels« konmit und sein Reich aufrichtet.
Es folgen noch weitere Hestimmungen über die Gelübde: (p. 1 6, 6) »Was
er gesagt hat (Deut. 23, 24): Was über deine Lippen kommt, sollst du
halten', es auszufuhren, so darf ein Mann jede eidliche Verpflichtung, die
jemand auf seine Seele legt' (Num. 30, 3), um ein Wort aus der Tora aus-
zufuhren, um den Preis des Todes nicht brechen". Aber alles, was ein
Mann auf seine Seele legt (gegen die Worte der Tora), darf er um den Preis
des Todes nicht halten. Was den Eid der Frau betrifft, von dem Mose
gesagt hat (Num. 30, 6fF.), daß ihr Eid gehindert werden kann, so soll der
Mann ihi-en Eid nicht hindern, wenn er keinem Menschen schadet"'; er ist
auszuführen. Wenn er ihn aber verhindern kann, falls er (dazu f^ihrt) den
Hund zu übertreten, soll er sie hindern und ihn nicht ausführen. Und
ebenso ist das Recht ffir ihren Vater (Num. 30, 6 ff.).«
»Über das Recht der Gelübde. Niemand soll für den Altar (also nach
.Jerusalem) etwas Erpreßtes (crs; oder »gezwungen«?) geloben. Und auch
die Priester sollen von Israel nichts (derart) annehmen. Und niemand soll
eine Speise weihen« — das Folgende ist zerstört; vielleicht war von heid-
nischem Opferileisch die Rede, dessen Gebrauch verpönt wird — ; »das
ist, wovon er gesagt hat (Micha 7, 2): Jeder stellt seinem Bruder mit dem
Netz nach'. Nicht soll ...» Alles Weitere ist ganz zerstört; die wenigen
erhaltenen Buchstaben zeigen, daß noch weiter von Opfern und Gelübden
nebst Strafandrohungen die Rede war. — Ob noch weitere Blätter gefolgt
sind, läßt sich nicht sagen.
' Für •TT-r' liest Schkchtkr mit Recht r-.-v, nach Nimi. 30,9. 13 f. 16.
' zn..~-.ti- -~K ergänzt (ibkssmann sehr gut zu orscz y-.- .ss -~s.
()2 Iv M E ^ K H :
Abschluß, üie Ergebnisse.
p]ine unbefangene Interpretation der neuen Texte, wie wir sie im vor-
stehenden versucht haben, läßt ül:)er ihre Entstehungszeit keinen Zweifel.
Die Gründung der neuen Gemeinde, ihr Auszug aus Jerusalem und die
Abfassung der Mahnrede und des Gesetzbuclis fällt kurz vor das Jahr
1 70/69 V. Chr.. in dem Antiochos Epiplianes zum erstenmal entscheidend
in Jerusnlem eingriff. Die 'l'cxtc sind dann, wie die erläuternden Ein-
schübe und die Abweichungen zwischen A und B lehren, überarbeitet und
erweitert worden; aber nuch in diesen Stücken weist nichts auf eine spä-
tere Zeit, sie stammen aus einer Zeit, als die Vorgänge mit ihren Gegen-
sätzen noch friscli im Gedäclitnis waren und die Weltlage sich noch nicht
wesentlich geändert hatte, auch sie erwarten die Katastrophe, das Welt-
gericht und das Kommen des Messias in der allernächsten Zeit.
Daraus hat sich zugleich ergeben, daß die üblichen Ansätze fiir die
Abfassungszeit der ältesten Stücke des Henocli und für die der Jubiläen
und der Testam(>nte der Patriarchen beträchtlich zu spät sind. Audi sie
stammen, da sie in dem neuen Text benutzt sind, aus derselben Zeit. Das
wird dureli iliren Inhalt durchaus bestätigt; eben darum fehlt in ihnen
auch jede Einwirkung niclit nur des Hellenismus, sondern auch des Daniel-
buchs, von den für dieses charakteristischen, aus dem Parsismus über-
nommenen eschatologischen Vorstellungen findet sich in ilinen allen (ab-
gescihn von den s{)äteren Erweiterungen des Henoch) noch keine Spur.
Nur die Sclieu vor frülien Datierungen hat die riclitige Erkenntnis ver-
hindert: und die Neigung, in möglichst späte Zeit hinabzugehn, ist da-
durch bestärkt worden, daß man in allgemeinen Schilderungen des Messias
und seiner Zeit, wie z. B. im Test. Lewis c. 18 und Judas c. 24, Anspie-
lungen auf politische Ereignisse (so auf Johannes Hyrkanos) zu ent-
decken glaubte, zu denen der Text in Wirklichkeit gar keinen Anhalt bietet'.
Wenn es nicht zweifelhaft ist, daß die scharfen Angriffe auf die Lewiten
' (;iiaiaktciislisoh ist, daß Chaki.es (The Test, of the twelve patr. ttanslated p. 54)
zugibt, daß di(> Voruüife gegen die Lewiten im '{"est. Lev. 10. 14(1". besser für die Zeit von
200 — 170 a's für 100 — 60 V. Clii'. 23«ssen, sich aber doch für die letztere entscheidet, weil
c. 16 die 70 .lahrwoclien vorkommen, die Dan. 9, 24 bis anf die ^lakkabäcrzeit (160 v. Chr.)
gereciinet werden, und weil 10. 5 der Henoch zitiert wii'd. Argumente, die in Wirklichkeit
"arnirjils liciv eisen.
Die (Jf^)ieinch' des wneti Bvmlfs im Laiirlc Darnaftku-n {\'.\
und ihren Abfall im Test. Levi lO. 14 — 16 und das entsprechende Stück
im Test. Juda 21,6 — 23.5 Einlagen in den ursprünglichen Text sind, der
I.ewi verlierrlicht und die Herrschaft seiner priesterlichen Nachkommen und
die Unterordnung der übrigen Stämme, der Laien, unter sie aufs stärkste
betont, so ergibt sich vielmehr, daß der Kern des Buchs älter ist und
etwa dem Ende des dritten Jahrhunderts angehört, der Zeit der unge-
störten Priesterherrschaft unter den Ptolemäern. Er entspricht durchaus
der Verherrlichung der Priesterherrschaft und des Regiments des Hohen-
l)riesters Simon bei Jesus Sirach. Daß der Text den Mund etwas voll
nimmt und ihre Macht und Herrlichkeit übertreibt, ist doch walulich kein
Wunder: aber auf die Makkabäerzeit, auf die man diese Schilderungen
gewöhnlich bezieht, paßt das durchaus nicht. Eben diese Idealisierung hat
dann zu der Einfügung der scharfen Polemik geführt, als sicli zeigte, daß
das Verhalten der Priester ihr in Wirklichkeit durchaus nicht entsprach.
Diese Einlagen in den Testamenten sind mit Zitaten des Henoch-
buchs verbunden, und alle Hinweise auf dasselbe mögen, wie auch Cn.\nLEs
annimmt, erst damals eingefügt sein. Einzelne Bestandteile des Henocli-
buchs, auch abgesehn von dfen ursprünglich selbständigen noachischen
Fragmenten, mögen schon älter sein; das Stück 91 — 104 dagegen stanmit
aus derselben Zeit wie die neuen Texte. Aucii am Jubiläenbuch können
.sehr wohl nielirere Hände tätig gewesen sein: auch hier sehn die Ver-
weise auf Heuochs Schrift und die Erwähnung der «W^ächter« zum Teil
wie spätere Zusätze aus. Das bedarf noch weiterer Untersuclnuig. Sicher
ist, daß es in der (Jestalt, in der es auf uns gekommen ist. unmittelbar
vor der neuen Schrift und in den.selbeii Kreisen wie diese entstanden ist.
Es faßt in der legendarischen Überarbeitung der Vorgeschichte die Anschau-
ungen und Forderungen zusammen, die sich in den Kreisen der Frommen
gebildet liaben und jetzt gegen die hellenisierende Reformpartei als da.s
echte. unverfäLscIite Judentum, als die Grundlage des »Bundes mit den
Vorfahren« durchsetzen wollen. So bildet es geradezu das Programm und
die theoretische Basis für das Auftreten des »Lelirers der Gerechtigkeit«
und die Organisation der neuen Gemeinde, die durch die Mahnrede ver-
kündet und im Gesetzbucli ausgeführt wird.
Nahe verwandt sind der neuen Gemeinde oflenbar die AciaaToic des
Makkabäerbuchs, Avenn auch nicht identisch mit ilir; denn die Folgenmg,
daß Gott über das walire Israel, den Rest der Frommen, ein neues Exil
H4 E. Mever:
verhängt habe, haben sie nicht gezogen, sondern sind im Lande geblieben
und haben das Geschick duldend ertragen.
Weiteres über die Gemeinde des neuen Bundes und ihre Schick'sale
ist uns niclit bekaiuit. In den Jaliren der systematischen Religionsverfol-
gung durch Antlochos (Knde i68 bis 166/65) mag aucli sie schwer zu
leiden gehabt haben. Damit mag die scharfe Polemik zusammenhiingen.
die immer aufs neue gegen die Lauen und Abtrünnigen, die Mitläufer in
der Gemeinde, gerichtet wird. Daß in der Folgezeit in Damaskus eine
zahlreiche Diasi)oragemeinde bestanden hat. wissen wir aus dem Neuen
Testament und aus Josephus (Bell. II 559. VII 368). Aber inzwischen war
in Judäa und Jerusalem die pliarisäische Orthodoxie immer weiter ausge-
bildet und zu voller Herrschaft gelangt, der Gegensatz innerhalb des Juden-
tums im Avesentlichen überwunden; die altgläubigen Saddukäer. die zum
Pharisäismus in demselben Verhältnis stehn wie das orthodoxe Luthertum
zum Pietismus und den verwandten Richtungen, verloren in der Masse
des Volks allen Halt und kamen für die Religion nicht mehr in Betracht'.
Mit diesen Tendenzen, die aus derselben Wurzel entsprungen sind, wird
die Gemeinde in daueriuler Fühlung geblieben sein; die Difl^renzen über
Einzelheiten der Gesetzesauslegung kamen demgegenüber nicht in Belracht.
sie waren nicht stärker, als sie auch sonst innerhall) des Pharisäismus
zwischen den einzelnen Lehrern bestanden. So wird, wie die Diaspoi*a
überhaupt, auch die Gemeinde in Damaskus der Oberleitung der Kirche
von Jerusalem imtergeordnet und von ihr völlig assimiliert worden sein,
zumal ihre messianischen Erwartungen sich eben nicht erfüllten und auf
eine unbestimmte Zukunft vertagt inid umgedeutet werden mußten. Auch
läßt sich garnicht sagen, wieweit der Gesetzentwurf, der auf uns ge-
kommen ist, überhaupt in der Praxis hat durchgeführt werden können;
denn daß es sich hier wesentlicli um eine Theorie handelt, ist klar. Jeden-
falls ist die Gemeinde als orthodox anerkannt worden; tlenn ilire Schrif-
ten, das Jubiläenbuch, die mehrfach überarbeiteten Testamente der Patri-
archen, und der noch stärker immer wieder ergänzte Henoeh, sind zwar
' Nichts ist \eik(»lirter. als den .Saddiikäern Hinneigung zum Hellenismus und Lax-
heit gegenüber dem Gesetz zu/.usi'hreihen. Josephus bezeugt so scharf wie möglich das Gegen-
teil. Sie haben nur die weitere Entwicklung nicht mitgemacht, sondern sind auf dem Boden
des Schrifiworts mid der in ihm zum Ansdiuik gelangten .\nsohaunngeii .stehngeblieben
und daher notwendig dei- Stagnation und dem Absterben verfallen.
Die Gemeinde des neuen Bundes im Lande Damaskue 65
nicht in den Kanon der heiligen Schriften gelangt, wie Daniel, wohl aber
in- den Umkreis derselben aufgenommen und als Erbauungsbücher gelesen
und weiterverbreitet worden und so auch zu" den Christen übergegangen.
Auch die s])ezifischen Schriften der Gemeinde, die Mahnrede und das Ge-
setzbuch, hat, wie wir jetzt sehn, das Judentum bewahrt; so sind sie er-
halten und uns jetzt wieder beschert w^nrden.
Phil.-hist. AbJi 1919. Nt. .9.
66 E. Meyer: Die Gemeinde des neuen Bundes itn Lande ''Damaskus
Inhalt.
Seite
Die bisherigen Auffassimgeii der Schrift ■•
Die Handschriften 6
Die benutzten .Schriften 7
Die Mahniede 12
Die religiösen Anscliauungen 3S
Der Abschluß der Mahnrede in B 40
Das Gesetzbuch. Die Organisation der Gemeinde 44
Kultische und rechtliche Gesetze 50
Abschluß. Die Ergebnisse • 62
Übersicht der Übersetzung der Texte.
Ap. I, I — 18 12 f Ap. 9. I — 8
57
I, i»~-2. I 14 9.8 — 10.3 .571.
2.2 — 7 20 10.4 — 10 49f.
2,7 — 1,3 20 10.10 — 1,3 51,1
2.14 — 3,20 21 fi'. 10.14 — 11,18 51 f.
3,20 — 4.6 23 f. 1 1 . 1 8 - 2 1 .55
4.6 — 19 32 f. 11,21—12,1 56
4,191'. 31 1 2 , I f. 55
4,,9_6,3 34(r. 12,2—6 54
6.2 — II 24 12,6 — 8 54
6,11 — 7,6 37 f. 12,8 — II 55
7,6 — 9 — Bi9,2--6 27 12,11— i8 51,1
7.9 = Bi9, 5f. 26 12. 19 — 13. 7 45f.
7,10—14 25f. 13.7 — 14.2 47f.
7. 14 — 21 25 14. 3 — 22 48f.
7,21 — 8, i=Bi9. 10 — 13.. ■• 27 p. 15 u. 16 59flr.
I — 21 = B 1 9, 13 — 33 28 ff.
Sritc
B 19. if. 38,2. 411
19, 2 — 6 27
19-5-13 26 f
i9> 13--34 28 ff.
19- 34 — 20. 34 41 ff.
Berlin. i;t'drmjtt in diT ileiclisdnickrrei.
ABHANDLUNGEN
DER PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
JAHRGANG 1919
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE
Nr, 10
VOM KLOSTERBUCH DES SÄBUSTI
VON
EDUARD SACHAU
BERLIN 1919
VKRLAG DKR AKADEMIK DER WISSKNSCIIAFTKIN
IN KOMMISSION BKI DER
VEREINIOITNO WISSENSCHAFTLICHEK VERLEGER WALTKtt IIE GRUVTKU U. l().
VORMALS r;. J. HflSCIIfTI SCIIE VERLAfiSHANDI.UNr.. 1. liDTl'ENTAfi. VERLACSBITHH ANDM'NCi.
liKORli HKIMF.K. KARL J. TKl'lINK.R. VKIT lt. COMl'.
Vorgelegt ia der Sitzung dei- phil.-hist. Klasse aiu 22. Mai 1919.
Zum Druck eingereicht am 6. .luni, ausgegeben am 29. September 1919.
1 Jas christliche Klosterwesen hat für Wissenschaft und Unterricht dieselbe
Bedeutung gehabt im Orient wie im Okzident. Die Klosterschule zu Nisibis
war für das 6. und 7. Jahrhundert des östlichsten Christentums die Uni-
versitas literarum, und die große Mehrzahl der Männer, die in geschicht-
lichem oder literarischem Zusammenhange jener Zeiten hervorgetreten sind,
die Träger der Literatur und des kirchlichen Lebens, haben dort, man darf
sagen, ihre akademische Bildung genossen. In späteren islamischen Zeiten
hat das Kloster Dair Qunnä am Tigris südlicli von Bagdad die Rolle von
Nisibis übernommen.
Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, daß nicht allein christliche Schrift-
steller, sondern auch muhammedanische über christliche Klöster geschrieben
haben, freilich von ganz verschiedenen Interessen ausgehend und ganz ver-
schiedene Zwecke verfolgend. Von ersteren ist der bedeutendste der Bischof
Jesudenah oder I§6'denah (d. i. Christus ist aufgegangen) von Ba-sra, der
sein Werk bezeichnet als Buch der Keuschheit', handelnd von den Kloster-
gründern, den Schriftstellern de re monastica und den Schulgründern im
Reich der Perser (der Sasaniden) und der Araber. Er schreibt in majorem
dei gloriam und zum Ruhme der frommen Männer seines Volkes. Nach
kurzer Angabe der Ortslage der Klöster gibt er Biographisches über ihre
Gründer, berichtet von ihren Werken, iliren Wundertaten, ihrer literarischen
Tätigkeit, gelegentlich von ihren Traumgesichten und von ihrem Grabe,
Auszüge aus reicheren Quellen nach Art der Vitae sanctorum. In der Reihe
dieser Klöstergründer heben sich deutlich drei Schichten ab; als erste die
Schüler Eugens, der in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts das Kloster-
wesen von Ägypten nach Mesopotamien, zuerst in den Mons Masius (Türä
' Hei-au.sijegeben und übei-setzt von J. B. Chaboi- in Ecole Fi-an<;iii.se de Uome. Me-
lanites d'archeologie et d"histoire 1896, XVI' aiint'-e.
4 ' S A c n A u :
dh' Izkl, 'für 'Abdin) verpflanzte. Von dort, von den Bergen im Norden
von Nisibis hat sicli das Klosterwesen nach allen Richtungen ausgebreitet.
Die zweite Schicht sind die Schüler von Abraham dem Großen (im 6. Jahr-
hundert)', die dritte die Schüler des Bäbhai von Nisibis (569 — 628)-. Die
Mehrzahl der von Jesudenah aufgezählten Klöster liegt in den alten Stamm-
])rovinzen des östlichen Christentums, in Beth 'Arbäje-Nisibis, besonders in
den gebirgigen Teilen auf beiden Seiten des Tigris, in Adiabene und Gara-
maea, ferner in dem westlichen, lachmidischen Babylonien, während dagegen
von Klöstern im eigentlichen Babylonien, in der Nähe von Bagdad, in Maisän
und Beth-Hüzäje nur sehr wenig die Rede ist. Am Ende seines Buches
führt der Verfasser lediglich die Namen einiger Klöster ohne irgendwelche
Ausfiihrungen an, woraus man vielleicht schließen darf, daß es unvollendet
geblieben ist.
Von dem Verfasser Jesudenah ist außer den kurzen Angaben im Cata-
logus librorum von Ebedjesu' nichts bekannt, wir sind daher für die Be-
stimmung seiner Zeit lediglich auf die Angaben seines Buches angewiesen.
Auf S. 279, 280 unter den Artikeln 125, 126 erwähnt er die Synode des
Katholikos Timotheos im Jahre i 70 nach der Ära der Söhne Häsims, d. i.
793 n. Chr., und auf S. 250 unter Nr. 47 das Jahr 3 des Ga'far Ibn Al-
mu'tasim, d. i. des Kalifen Almutawakkil, das Jahr 864 n- Chr. Unser
Jesudenah hat also frühestens nach 864 unserer Zeitrechnung, in der
zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts geschrieben, wieviel später aber, ist
nicht zu ermitteln.
Innerhalb dieser Zeitgrenze liegen nun auch diejenigen Schriftsteller,
die Jesudenah in seinem Werke erwähnt, soweit ihre Zeit bekannt ist. Es
sind die folgenden:
Martyrius (ü(ä*3o\ «.ä.», Sähdonä), Bischof von Mähözä dh' Arewän
(Arjäwän?) in Garamaea, sein Buch 2^ouXMM.a IÄlSos \^ S. 238
Nr. 24, S. 280 Nr. 127'.
Geschichte des heiligen Jonas ^o.*p ICs-n^jc^^ S. 239 Nr. 27.
Simeon de T^ibüthä, genannt Lukas, gegen 690, S. 240 Nr. 28.
' BuDGE, Book of governors II 37 ff.
^ BuDGE, a. a. 0. II 46.
" As^emani, Bibl. Or. III i.
' Vgl. H. GoussEN, INIartyrius-SahdonÄs Leben und Werke, Leipzig 1S97. Nach S. 16
Aiiiiici kling winde Sähdönä iiiii 629/630 Bischof von Kdessa.
\om Klostcrbuch (leg Sdf/usti. ;")
Daniel Bar 'rubliänithä, vielleiclit iim 650, S. 277 Nr. 124.
Nestorius, Bischof von B6th Nuhadrä, seine Geschichte des Josef
aus Hazzä, S. 279 Nr. 125; lebte vermutlicli um 700.
Gabriel, Abt von Beth 'Abhe, seine Scliriften, S. 281 Nr. 127:
vielleicht der Zeitgenosse von Martyrius-Sahdonä. '
Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, daß eine auffallend
große Zahl der von Jesudenah erwähnten Männer aus dem Lande Kaskar
stammte, dem südöstlichen, an Mesene grenzenden Winkel lnnerbab\ lonicns.
Dies kann verschiedene Ursachen liaben, es kann aber vielleicht ehi Finger-
zeig dafär sein, daß das Christentum gerade in Kaskar sehr alt und weit
verbreitet war. Die Chronik von Arbela zählt Kaskar bekanntlich unter
denjenigen Orten auf, die schon vor dem Jahre 224 einen Bischof hatten..
Das Klosterbuch Jesudenahs ist von einem Unbekannten zu einer ver-
sifizierten Kpitome verarbeitet worden und ist uns in einer Handschrift der
Kgl. Bibliothek zu Berlin erhalten, siehe meinen Katalog ihrer syrischen
Handschriften, Berlin 1899 Bd. I S. 234 — 237. Die betreffende Handschrift
ist modern, geschrieben 1882 in Alkösch.
Ein weiteres Werk eines cliristliclien Verfassers, aber arabisch geschrie-
ben, das hier zu berücksichtigen, ist das von Evktts, Oxford 1895 heraus-
gegebene und übersetzte Tlie churches and monasteries f)f Egypt attributed
to Abu .Sälili the Armenian. Der Verfasser ist anderweitig nicht bekannt,
seine Verfasserschaft nicht einmal ganz sicher, wer er aber auch sein mag,
er hat zwischen den Jahren 1208 und 1338 geschrieben, denn das erstere
Datum ist das sjjäteste, das in dem Buclie vorkommt, und das letztere ist
das Datum der Handschrift, aus welcher der Herausgeber seine Ausgabe
geschöpft hat. Der Titel desselben lautet: »Chronik des Schaicli Abu Sälih
des Armeniers, enthaltend Nachrichten aus den Provinzen und Gauen
Ägyptens«. Sein Werk geht daher über den Rahmen eines Kloster- und
Kirchenbuchs weit hinaus, es ist vielmehr eine Sammlung von Memorabilien
aus der Geschichte des Christentums in Ägypten. In diesem Zusammen-
hang werden außer Kirchen und Klöstern samt toiiograpliischen Angaben
auch die Heiligen des Landes erwähnt, Heiligen- und Wundergeschichten,
iiuiere Vorgänge der ägyptischen Kirche, Legendarisches, Beziehungen der
Christen zu den islamischen Machthabern, danelien aber auch mancherlei
' BuixiK, a. ;i. (». 1. (11.
(i S A c 11 A u :
Vorgänge aus der islamischen Geschichte des Landes. Der englische Heraus-
geber hat dem Werke von Abii Salih diejenigen Abschnitte der Khitat von
Maqrizi (gest. 1442), welche von Kirchen und Klöstern handeln, angeschlossen.
Von Werken muhammedanischer Schriftsteller sind drei Klosterböcher
bekannt', eins von zwei Brüdern, genannt die beiden Khälidis jMli-l , von
denen der eine 350 11. gestorben ist, ein zweites von dem berühmten Ver-
fasser des Kitäb-alaghäni, Abü-x\lfarag Alisfahäni (gest. 356). Diese beiden
Werke sind nicht erhalten außer in einigen Zitaten im Länderalphabet von
Jäqüt. Erhalten dagegen ist das dritte Klosterbuch c>ijl>-»!l >_jO von Abü-
Alhasan Ali Ihn Muhammad Alsäbusti in der einzigen Handschrift der
Kgl. Bibliothek zu Berlin". Wie kamen nun diese Muhammedaner dazu,
sich mit christlichen, nicht muhammedanischen Klöstern zu beschäftigen? —
Den ersten Anlaß bot ihnen das Studium der mittel arabischen Poesie.
Die Poetik des altarabischen Heidentums erforderte, daß in dem ersten,
Nasib genannten Teil der Qasiden ein oder mehrere Ortsnamen erwähnt
wurden, und in der arabischen Alexandrinerperiode haben dann die Sammler
und Erklärer sich nicht bloß auf Wort- und Sinneserklärung beschränkt,
sondern auch diese topographischen Angaben gesammelt und ihren Lesern
zu deuten gesucht. Aus diesen Studien sind die entsprechenden Angaben
bei Jäqüt und bei dem Spanier Albekri hervorgegangen. Ein ähnliches
Bewandtnis hat es nun mit der durch Abu Nu'äs eingeleiteten mittel-
arabischen Dichtung. In den Trinkliedern z. B. werden gern die Orte
angegeben, in denen der Dichter seine Trinkgelage mit Wein und Gesang
gehalten zu haben schildert, und diese Orte, in denen Wein verzapft wurde,
waren christliche Klöster, z. B. in Bagdad und seinen Vororten, aber auch
anderswo. Sie waren aber nicht allein Weinschenken, sondern zugleich
auch Herbergen, in denen die Reisenden, Kalifen und gewöhnliche Menschen
einzukehren pflegten. Eine Sammlung der Namen solcher Klöster samt
Angaben über. ihre Lage bildet das Gerippe von Säbustis Klosterbuch.
Der Verfasser lebte in Ägypten zur Zeit des fatimidischen Kalifen
AFaziz Ibn Almu'izz (365 — 386) und starb daselbst 390 (= icx)p n. Chr.).
Er war Bibliothekar und Vorleser, Gesellschafter des Kalifen, und dies legt
die Vermutung nahe, daß es wohl nicht ein Interesse an Christentum und
' Vgl. .lusius Hei:r. Die historischen und geographischen (Quellen in Jäqiits geo-
gra pilischem Wörterbuch, Straßburg 1898, S. 88ff.
- \VEr/,STEiN II Nr. 1100 Kl. fol. datiert vom Jahie H. 631.
Vom KloKterhurh des Sdb>/.<tL 7
christlicher Klustertopographie war, was ihn zur Abfassung seines Buclies
veranlaßt hat. Er schildert darin das lustige Leben in Saus und Braus, wie
es vor lOO Jahren in der Residenz der Nachkommen von Harun Alrasid
zu Bagdad, am Hofe selbst wie in seiner Umgebung' in der Überfülle von
Reichtum und Macht sich abgespielt hatte. An eine kurze Erwähnung des
Klosters werden längere und kürzere Dichtungen von berufsmäßigen und
Gelegenheitsdiclitern, von Kalifen. Staatsmännern und Generälen angereiht,
Dichtungen, in denen der Verkehr in dem Kloster mit Wein, Weib und
Gesang im Kreise von Dichtern, Sängern, Sängerinnen und Tänzerinnen
besungen wird, Bilder großstädtischen orientalischen Treibens ^on maßloser
Üppigkeit und Sittenlosigkeit. Über manche der Dichter, die Säbusti zitiert,
gibt er einige biographisch sein sollende Bemerkungen, die sich aber fast
immer darauf beschränken, daß der Betreffende ein fester Trinker und
kühner Lebemann gewesen sei, wobei der Verfasser allemal ängstlich in
denselben stets wiederkehrenden Ausdrücken hinzufügt, er möchte ja nicht
langstielig werden, nidit den Leser langweilen". Das wertvollste aber
in dem ganzen Werke sind die Exkurse, welche in vielen Artikeln den
Schluß- und Hau]>tteil ausmachen, historische Berichte über das Leben im
Zentrum des Kalifenreiches in Bagdad und Säniarrä im 9. Jahrhundert
unserer Zeitrechnung, lehrreiche Schlaglichter, die bis in die intimsten
Vorgänge des Hoflebens hineinleuchten, von den Großen jener Zeit viel
Wissenswertes zu erkennen geben und gelegentlich auch frühere Zeiten
streifen. Daß ein Hofmann am Hofe zu Kairo ein solches Buch verfaßte,
konnte sehr wohl den Zweck haben, nicht in usum delphini, sondern in
usum regis dienen zu sollen, seinen Herrn zu unterhalten mit den Versen
weinseliger Lebemänner und mit pikanten Schilderungen von dem Leben,
wie es am Hofe und in der Residenz der großen Kalifen aus dem Ge-
schlechte von Muluimmeds Onkel Abbäs am Tigris gewesen war.
Die 53 Klöster, die Säbusti erwähnt, liegen in der Hauptsache meist
in Bagdad und den Ortschaften der nächsten Umgebung, weiter nördlich
im Dugail-Gebiet, in und l>ei Takrit, in und bei Sämarrä, in und bei Mosul,
in der Provinz Nisibis, am Euphrat, im lachmidischen Westbabylonien und
anderen Teileji der Katholikatsprovinz, und einige wenige in Palästina,
' Daraus erklärt sich, daß er die Klöster seines eijj;enen Landes, Ägyptens, nur neben-
sächlich tjehandelt.
' Vgl. A. Mkz. .\bulqitsiui. ein Bagdader Sittenbild. Heidelberg 1902, Kinleitung S. IX.
8 8 A c II A i; :
Sinai und Ägypten. Die zalilreiclien Klöster in Garamaea, den Gebirgen
von Adiabene und anderen von der Heerstraße entfernten Gegenden, in
Maisän und Beth Hiizäje existieren für ihn nicht, dort hat es keine Trink-
gelage für Bagdader Hofleute gegeben, hi der Anordnung der Klöster ist
das topographische Prinzip keineswegs konsequent durchgefülirt. Als eine
besondere Gru])pe fülirt der Verfasser die Wunderklöster Nr. 41 — 53 auf.
Die wenigen ägyptischen Klöster in de!r Nähe von Kairo, die er erwähnt,
dürften eine ähnliche Bedeutung gehabt haben wie die Klöster in und l)ei
Bagdad. Säbusti ist sehr viel benutzt worden, z. B. von Jäqnt, Albekri,
Qazwini, Maqrizi und anderen. Der Name Säbust ist unerklärt, Ibn Khallikän
Nr. 456 will ihn aus Dailam herleiten'.
Säbustis Klosterverzeichnis.
I. ^UjS j^ Kloster üarmalis. Der Anfang dieses Artikels und damit
die Ortsbeschreibung lehlt in der Handschrift, kann aber ans Jä<|üt II 660
ergänzt werden. Es lag im Inundationsgebiet am Tor des Vororts ALsammäsi.jje
in Bagdad nahe dem Mu'izzi-Palast, umgeben von einem Park, in der Nähe
eines Rohrsumpfs, groß und gut bewohnt, besucht von Lebemännern als
Vergnügensort. Die Bagdader Christen besuchten an Festtagen gewisse
Klöster, so auch an den Sonntagen der Fastenzeit, am i. Sonntag das Dair
Aräsija", am 2. das Dair Alzurai(|ijja, am 3. das Dair Alzandaward, am
4. das Dair DarmAlis. Die erstgenannten beiden Klöster sind mir ander-
weitig nicht bekannt. Das Kloster Zandaward ist so genannt nach einer
in sasanidischer Zeit bedeutenden Stadt dieses Namens im südlichen Babylonien
südlich von Wasit, dessen Bedeutung sie in fräherer Zeit gehabt hat. Sie
hatte vier in ihrer Art so hervorragende Torq^ daß der Kalife Almansür,
als er Bagdad gründete, sie dorthin schleppen ließ und mit ihnen seine
neue Residenz schmückte. Im Volksglauben galten diese Tore als das Werk
der Dämonen Salomos. Ja(|üt II 95 1. Der hier genannte Mu'izzi-Palast
■^J-'Ü jUl war 305 von dem Bujiden Mu'izz-aldaula Abü-Alhusain Ahmad
il)n Buwaihi erbaut. Der Vorort AlsammAsijje (Das Diakonusviertel) im
äußersten Norden des Weichbild'es von Bagdad, angrenzend an das Byzantiner-
viertel und nördlich von den Vororten Alrusäfa und dem Abu Hanifaquartier,
- So .lAllÜt. IIs. ^Ja\ji\
Vom Kloslerimcli dt's !<ii(niMi. i)
ist bekannt. Jä(|üt III 3 i 7 ; Stkeck, Die alte Landschaft Babyloniens, 2 Teile,
Leiden 1900, 1901 S. 169, 133, 233 und Le Strange, Bagdad during the
Abbasid C'halifete, Oxford 1 900 S. 202 . TTber die Lage des Klosters Zandaward
s. Le Strange S. 211.
2. J\f^ j^ Kloster Saniälü, östlich vom Tigris am Tor des Vororts
Alsammasjjje und am Malidi-Kanal gelegen, der dort Mülilen treibt, um-
geben von einem Park. Der Name soll umgelautet sein aus Samälü, dem
Namen einer zilizischen Stadt zwischen Mopsueste und Tarsus, die Härün
A. H. 163 erobert und deren Gefangene er am Tor von Alsammäsijje an-
gesiedelt hatte. S. Streck S. 169, 135; Le Strange S. 202.
3. yj\'ä\ ji Das Fuchskloster in Bagdad auf der Westseite in dem
im Zentrum der Stadt gelegenen Quartier, genannt Hiib-Alhadid (Das Eisentor),
und in der Nähe einer mir sonst nicht bekannten Ortlichkeit. genannt Qabrönijä,
wohl zu unterscheiden von einem anderen Fucliskloster, das zwei Meilen
von Bagdad entfernt im Gebiet des Isä-Kanals auf dem Wege nach den Sarsar
genannten Dörfern bei dem Dorfe Alhärithi,jje lag. S. Streck S. 25, 26, 166;
Le Strange S. 210. 99. Ein Fest des Fuchsklosters wird bei Alb^runi,
Chronology of ancient nations S. 308 erwähnt. Die Dichter der Zeit haben
das Fuch.sk loster, B^b-Alhadid mul Qabrunija' viel besungen.
4. J-l-'li-l j^ Das Katholikoskloster, ein gnjßes, blähendes Kloster in
Bagdad in der Nähe des Quartiers Bäb-Alhadid. S. Streck S. 167, LeStrange
S. 2 10.
Ein zweites Klost,er dieses Namens lag in Nordbabylonien im Gebiet
von Maskan, westlich vom Tigris, in der Breite von Harbf'i an der Grenze
zwischen der Provinz Takrit und Babylonien, in der islamischen Welt be-
rühmt durch die Entscheidungsschlacht, in der Mus'ab ibn Zubair, der Bruder
des Kalifen von Mekka, im Jahre 72 gegen Abdalmalik, den Kalifen von
Damaskus, unterlag. S. Streck S. 236. Die hier genannnte Ortscliaft Harbii
^j>- ist in Trümmern noch vorhanden und hat den alten Namen auch
noch bewahrt, s. mein Am Euphrat und Tigris (1900) S. 82, 83.
5. jl^ j :> Kloster Mudjän in Bagdad am KarkhäjA-Kanal, der abgeleitet
ist aus dem Stadtteil Almuhawwal Alkabir, an dem Stadtteil Al'abbäsijje
vorbeigeht, den Stadtteil Alkarkh durchschneidet und dann in den Tigris
' Vera von AlnAsi: j,ji.l _pI j Ujyv» >>. ^i^ *«l jjlJDI JU l
mi.-hist. AU. 1919. Nr. 10. t'
10 S A (' ri A u :
mündet. Frülier war (l<r Kanal in gutem Stande und hatte fließendes
Wasser, dann wurde er verstopft und sein Wasser floß nicht mehr infolge
von Dammbrüchen am Euphrat.
Die Lesart MudjAn ist diejenige der Handschrift. Wenn man Midjän
liest, kann man übersetzen Das Gläubiger- oder Das Schuldnerkloster. S. Streck
S. i68; Le STR.\N(iE S. 209. Ül)er den im Süden von Bagdad geh-genen
Stadtteil Karkh s. das. S. 92 3"., über Ahnuhawwal das. S. 85; Al'abbäsijje
das. S. 68.
6. ^j_y^\ ji Kloster Asmüni, SO genannt nach einer Frau dieses Namens,
die hier beerdigt ist, in <^)utral)bul. westlich vom Tigris. Das Fest dieses
Klosters, ein großes Fest für die Bagdader, fallt auf den 3. Oktober. Es
gibt noch ein zweites Kloster in Qutrabbul, genannt Cj y>rj>'\ j^ Kloster
Algurgüth.
Der Name Asnnmi ist die arabische Form für Solonionis, deren be-
rühmteste Trägerin die Mutter der Makkabäer. Alberüni, Chronologie S. 308
erwähnt den Gedenktag dieser A.snnmi-Solomonis. Qutrabbul (= Nikatoropolis)
ein Vorort im Nordwesten von Bagdad, s. Streck S. 232: Le Strange
S. 209, 5 I. Das Kloster Algürgüth ist mir sonst nicht begegnet. Ob ^>^^l
verschrieben für ^}>-^\ =- Georgios? Georgskloster?
7. j^ j-> Kloster S;\bur(Sapor) in Baztighä J-i'j, einem Dorfe zwischen
Almazrafa und Alsälihijje, westlich vom Tigris. LetzTer<'S war ein Quartier
von Bagdad (s. Le Sirange S. 108, Lehn des Prinzen S;Uih Ibn Mansür),
Almazrafa ein großes Dorf am Tigris, drei Farsach flußaufwärts von Bagdad
entfernt, unweit Qutral)bul. S. Streck S. 232: Le Strange S. 210: über
BazüghA s. Streck S. 230.
8. U»y j_:> Kloster (^)ütä in Albaradän auf dem Tigrisufer. Zwischen
Bagdad und Albaradän, eine Entfernung von sieben Farsach, ohne Unter-
brechung eine Reihe von Gärten und Weinfeldern, darin von Bagdad her
die Ortschaften jc^i (andere Lesart J^'^V , Vologeseslkart), Alnmhannnadijje,
das kleine T'düni, das große Tid''»'» Albaradän. Über letzteres s. Streck
S. 231; Le Stran(;e S. 174.
9. ^j^j>-j* j^ Georgskloster in Almazrafa, viel l>esucht von den
Bagdadern, die in Gondeln, genannt suniairijjät, liinatiffuhren, vor Al-
ghurüb (?). S. Streck S. 232; Le Stran(;e S. 210. Alberüni, Chronologie
S. 30S erwähnt den (iedenktag eines »Mönches Qt\tä, d. i. Mär Sergius«.
Vom Kloiiterhuch des Sdbusli. 1 1
lo. \jx^\ ji lüoster Bäsalirä auf dem Tigrisufer, gern von denen, die
von Bagdad nach Sämarrä hinaufreisen oder •zurückkommen, als Absteige-
quartier oder evtl. als Nachtquartier benutzt. Eine genaue Bestimmung
der Lage des Klosters ist mir nicht bekannt.
I I. Cj\^\ jji Schwesternkloster, ein großes Nonnenkloster in Ukbarä.
Der Festtag desselben ist der erste Sonntag im Fasten. Die Nacht dieses
Festtages wird J-y^^i-l i^ genannt, das ist die Nacht, in der eine pele-m^le-
Vermischung der Männer und Weiber stattfindet und niemand seine Hand
von etwas zurückhält. Über die Lage von 'Ukbarä s. Streck S. 227. Die
Nacht Almäsiis wird auch von Alberüni, Chronology S. 309 erwähnt. Über
einen ähnlichen Brauch unter islamischen Sektierern in Teil 'ATar s. meine
Reise in Syrien und Mesopotamien S. 338 ; auch Hokfmann, Auszüge S. 1 25 ft".
Der arabisch redende, des Syrischen kundige Christ mochte sich den Aus-
druck Lailat-almäsüs als Seh weine nacht deuten, denn jjiojcaa bedeutet
Schwein.
12. cJ-Jl j^ Das Kloster von Al'alth, einem Dorfe auf dem östlichen
Tigrisufer. Bevor man diesen Ort auf dem Tigris schiffend erreichte, kam
man zti einer schwer passierbaren Stromenge, wo im Flußbett viele Steine
lagen und der Fluß in heftiger Strömung dahinschoß, so daß die Schiffe nur
mit Schwierigkeit passieren konnten. Diese Stelle heißt Al'abwäb = Die
Tore. Wenn die Schifte Al'alth erreichen, gehen sie vor Anker, denn sie
können hier nur passieren mit Hilfe eines Führers (Lotsen) von den Ortsbe-
wohnern, den sie sich heuern. Der fährt sie ohne zu irren mitten durch diese
Stellen hindurch so lange, bis sie vor den Gefahren dieser P^.nge sicher sind.
Jnqi'it II 681 fiigt hinzu, daß es unfern Alhazira unterhalb Snmarrä
liege und meint, daß es mit dem unter Nr. 1 3 zu nennenden Dair Al'adhärä
identiscli sei. Ferner zitiert er IFIyii aus Almäwardi, daß Al'alth, zwischen
'Ukbarä und Sämairä gelegen, ein Wakfgut der Aliden war und daß es
im ersten Teil des 'Irä(i liege, d. h. an der Nordgrenze von Babylonien
gegen Takrit hin. Zur Lage von Al'alth s. Streck S. 224, 18.
13- t^jl-J^l j'^ Das Jungfraucnkloster auf dem Tigrisufer unterhalb
Alhazira, bewohnt von Nonnen. Nach .läqiit 679 lag es zwischen (?) Sä-
marrä und Alhazira, wurde aber zu irgendeiner Zeit nach 320 H. von einer
Hochflut des Tigris weggerissen. Zur Lage von Alhazira im Dugailgebiet
s. Streck S. 224, 225.
12 S A c n A u :
14. i^jl-u)| j-j Das Jungfrauenkloster, im Christenviertel von Bagdad
am Kanal Nahr-aldagäg (Hühnerkanal) gelegen. Das Kloster hat seinen
Namen davon, daß die Bewohner desselben vor dem großen Fasten ein
dreitägiges Fasten halten, welches das Jungfrauenfasten genannt wird. Über
die Lage des Nahr-aldagäg im Süden von Bagdad s. Streck S. 86; Le
Strange S. 53; über das Kloster das. S. 83. Mit dem hier erwähnten drei-
tägigen Fa-sten ist das sogenannte Ninivefasten gemeint, über das Albenini,
Chronology S. 309, 311, berichtet.
15. t_g-'^\ j^ Das Kloster des Mannes aus Susa auf dem westlichen
Tigrisufer in dem Qädisijje von Sämarrä (zu unterscheiden von dem
Qädisijje in der nordostarabischen Steppe), einen Farsach stromabwärts von
Sämarrä entlernt. Zwischen diesen beiden Orten liegt Almatira. Nach
JäqütII672 war dies ein Marienkloster, gegründet von einem Manne aus
Susa, das er selbst mit anderen Mönchen bewohnte. Alqädisijje' ein großes
Dorf im Dugailgebiet zwischen Harbä und Sämarrä; Almatira wird noch
zum Weich bilde von Sämarrä gerechnet, s. Streck S. 223, 190.
16. Uy ^ j^ Das Thomaskloster in Sämarrä bei der Wasif brücke, zu
unterscheiden von dem Kloster Dair Qunnä, das ebenfalls Thomaskloster
genannt zu werden pflegte. Die Wasifbrücke führte ihren Namen nach
dem Heerführer Wasif im Dienste des Kalifen Almu'tasim, einem der König-
macher seiner Zeit, der den Almunta^tir auf den Thron setzte, gestorben 253.
17. Ll^ y* jji Dair Mär Juliannä, Johanniskloster, ein den Nestori-
anern gehöriges, am Tigris gegen Takrit hin (also nördlich von Sämarrä)
gelegenes Kloster mit vielen Zellen und Mönchen, umgeben von Kornfeldern,
Gärten und Weinfeldern. Über dem Tor des Klosters liegt die Klause des
Abdi^n, eines malikitischen Mönches, der sie erbaut hat und bewohnt, so
daß sie unter seinem Namen bekannt geworden ist. Dieser regiert jetzt
das Kloster und seine Insassen. Neben dem Kloster hat er einen anderen
Bau aufgeführt, in dem die Passanten einkehren und von ihm bewirtet
werden. S. Streck S. 179.
18. ^l--» ^j Dair Dubä'a am Tigris auf der Ostseite, östlich von Takrit,
ihm gegenüber, gelegen an einem mächtigen Kanal, der das Wasser aus
dem Tigris in den Lsliäqikanal ergoß. Jäqüt II 673 schreibt den Namen
' Die Re^te der Ortschaft sind bcschi-ieben bei Miss Bell, Amiirath to Amurath,
London 191 1, S. 207, 208 und Photographie Nr. 119.
Vom Klosterbuch des Sdlmsii. \\i
^/L-»yj, worin ich die Bezeichnung das Fdrberkloster {ij-'^-^ = iiäl) zu
erkennen glaube, über den Ishäqikanal s. Strkck S. 32.
19. JcVl j^j Das oberste Kloster, ein großes Kloster in Mosul, das
den Tigris und ^jj^\ (?) überragt. Ein in den Felsen gehauener Stufen-
gang von gegen 100 Stufen führt von dort zum Tigris hinab, auf diesem
wird das Wasser aus dem Tigris geholt. Unterhalb des Klosters befindet
sich eine große Quelle, die ihr Wasser in den Tigris ergießt. Der Palm-
sonntag ist in diesem Kloster ein viel besuchter Festtag. Nach Jäqiit II 644
soll die genannte Quelle im Jahr H. 301 erschienen sein, in ilir seien
schvvefelartige StoflFe vorhanden, ferner Bismuth und Vitriol. Sie wurde
als Heilquelle benutzt gegen Aussatz. Krätze, Geschwüre, gegen Glieder-
lähmung und Schlagtluß. Über die Schwefelquelle in Nordosten von Mosul
s. meine Reise in Syrien und Mesopotamien 1883 S. 353.
20. ^ J- ^J^ ji Das Jonaskloster östlich von Mosul, 2 Farsach vom
Tigris entfernt. Der Ort ist bekannt unter dem Namen Ninive, und Ninive
die Stadt des (Propheten) Jona. Unterhalb des Klosters eine Quelle, ge-
nannt 'Ain-Jönus, Jonasquelle. In den Tagen des Alliusain b. Abdallah b.
Hamdan stifteten die Juden einen der Ihrigen an, der ging in die Kirche
tmd beschmutzte sie. Die Kunde davon kam zu Ibn Hamdän, der ver-
sammelte die Juden in Mosul und ließ sie schwere Geldbuße zahlen.
Die hier in Rede stehende Ortschaft ist das wohl bekannte Dorf Nebi
Jinius mit seinem islamischen Heiligtum. Mosul hieß früher ^änVi XiSo^
Hebräerburg, ein kleiner befestigter Ort. Vgl. Jesudenah Nr. 50 S. 252.
Von dem Hamdaniden Alliusain b. Abdallah berichtet Arib Tabarl-
continuattis ed. de Goeje S. 171, 172 unter den Ereignissen des Jahres 320.
21. j>l»Li!( j^ Das Dämonenkloster westlich vom Tigris, im Gebiet von
Beled, zwischen zwei Bergen an der Mündung des Tales. Das hier genannte
Beled ist die bekannte Stadt, auch Eski Mosul- Altmosul genannt, am Tigris
nördlich von Mosul. Nach Jäqüt II, 673 lag es zwischen Mosul und Beled
in der Nähe von J— jl ('/) am Tigris.
22. j\j»£-ji\ J>s. 'Umr-alza'farän, das Safrankloster bei Nisibis östlich
davon im Gebirge, das die Stadt überragt. In diesem Gebirge finden sich
drei Klöster in einer Reihe, 'Umr-alza farän, Mär Augi (Eugen) und Mar
.luliann.i. Unterhalb des Gebirges fließt der Hirmns, der Fluß von Nisibis,
und befinden sich Quellen, die sich aus dem Grunde des Gebirges, einer
14 S A eil A u :
Stelle, die Ra's-almä' genannt wird, nähren. Dies Gebirge ist der Anfang
des Tür 'Abdin (von Nisibis gesehen), 3 Farsach von Nisil)is entfernt. Der
Fluß fließt (zuerst) zwischen zwei Bergen, von Weinfeldern und Wald um-
geben. Unterhalb von Nisibis teilt er sich in zwei Ströme, der eine fließt
an Bäb Siiigär vorbei, bewässert die dortigen Gärten und fließt dann in
den Ghäbür; der andere biegt um nach dem Osten der Stadt, treibt dort
Mühlen und bewässert die Gärten.
Das hier erwähnte Kloster des hl. Flügen ist dasselbe, das Jesudenah
unter Nr. i S. 228 seines Verzeichnisses beschreibt. Über das bekannte
Jakobitenkloster Dair Za'ferän s. meine Reise in Syrien und Mesopota-
mien S. 405.
23. Lj^I ^j Dair Aliwisä, das Kloster des Klausners (ijuau.=
Uj^I = ^j~^\) in Söört. einer großen Stadt in Dijärbekr unfern Arzen,
letzteres überragend, ein großes Kloster mit 400 Mönchen. In der Nähe
ist eine große Quelle, die drei Mühlen treibt. Neben dem Kloster ein Badi,
der Nahr-Alriim, Byzantinerbach, genannt wird. Gemeint ist das berühmte
Jakobskloster bei Söört, das von Jesudenah unter Nr. 24 (s. auch ebenda
S. 233, Zeile 8) beschrieben wird. Über die Gründung des Klosters durch
den 421 gestorbenen Jakob s. Wright, Catalogue of the Syriac manuscripts
of the British Museum III, 11 36 Gol. i.
24. ^ j-_.> Kloster Fiq, auf" dem Rücken des Passes von Fiq, zwischen
Fiq und dem See A^on Tiberias, auf einem Berge, der mit dem Paß zu-
sammenhängt, eingegraben in den Fels. Die Christen behaupten, daß dies
das erste (älteste) christliche Kloster sei, daß der Messias hier einzukehren
pflegte, daß er von hier die Apostel berief. Es ist dort ein Stein, von
dem die Christen sagen, daß der Messias darauf zu sitzen pflegte. Wer
den Ort betritt, bricht sich ein Stück von dem Stein ab, um eines Segens
teilhaftig zu werden.
Nach Jäqüt ist Fiq Volksaussprache für Afiq (d. i. pss p-'BS im Alten
Testament), eine Ortschaft zwischen Damaskus und dem See von Tiberias,
am Anfang des zwei Meilen langen Passes von Fiq, der zum Ghor hinab-
führt. Von der Höhe des Passes sieht man Tiberias und den See. Jäqüt I
332; 11 684; 11 932.
25- Jj^^ jj^ Dair Altür auf einem länglich runden Berge, breit an
der Basis, schmal an der Spitze, der sich isoliert in der Ebene erhebt.
Vom Klostcrhich des Säbtdtl. 15
Nur ein einziger Weg führt hinauf. Er liegt zwisclien Tibe'rias und Allaggün,
das Ghor und Marg-Allaggün (^^W v" r^/') überragend. Das Kloster liat
eine Quelle. Es liegt auf dem Gipfel des Berges, umgeben von Weinfeldern.
Es wird auch Dair-Altagalli = Kloster der Offenbarung genannt, weil der
Messias sich dort seinen Schülern nach der Himmelfahrt geoffenbart haben
soll, indem er sich ihnen zeigte und sie ihn erkannten.
Der hier genannte Berg 'lur ist der Berg Tabor. Eine Abbildung
desselben findet sicli in Alte Denkmäler aus Syrien, Palästina und West-
arabien von Ahmed Djemal Pascha, Berlin 191 8, Tafel 26.
26. v:J>Jl ji Dair Albucht im Gebiet von Damaskus, 2 Farsach davon
entfernt. Es hieß auch Dair Michä'il, Micliaelskloster. Den ersteren Namen
bekam es deshalb, weil der Kalif Abdalmalik Ibn Marwnn dort seine bucht,
d. h. zweihöckerigen Kamele hielt und das Kloster dadurch bekannt ge-
worden ist.
27. Jij ji Zakchaeuskloster im Gebiet von Raqqa am Euphrat, auf
beiden Seiten vom Baiich umgeben (also auf einer Insel im Fluß oder in
einer Schleife desselben). Es gab dort Gazellen, Hasen und anderes Wild,
das mit dem Jagdfalken gejagd wird, wie Wasservögel, Trappen und an-
deres. Im Euphrat vor dem Kloster werden Netze zum Fischfang ausgelegt.
28. ij-^j-' y' J'^ Sergiuskloster in Ana am F^uphrat. Die Handschrift
schreibt ^^^^ji».^- U ji oder ^^.j^j-., was bei Jäqüt II 693 wiedergegeben
ist. Dort war die Mutter des Barmakiden Alfadl Ibn Jalijä Ibn Barmak
begraben. Sie hatte, als sie Alfadl an der Brust hatte, zugleich auch Alnisid.
den späteren Kalifen., genährt. Sie begleitete Alrasid. ihren Milchsohn, auf
der Reise nach Ra<iqa und stai-i) unterwegs in Ana. Hier ließ Alrasid über
ihrem Grab eine Kuppel bauen, die Kuppel der Barmakidin <l5^jJ| iJJ .
Ich halte die Lesart Jäquts ^,.x^j^ für einen alten Fehler, vielleicht
herübergenommen aus der vom Dichter willkürlich veränderten Form in
dem Gedichte bei Jäqüt II 693, 15. Albekri 374 kennt auch ein ^r-i^j^ j^,
aber in Almatira, einem Vorort von Sämarrä.
29. ^^•y ä' J^ Kloster des Il>n Maz'iKj im Zenti-uni von Hira. Nach
Jäciut II 701 lag es außerhall) Hiras. Ibn Maz'n(|, Ibn Almaz'i'uj bei
Jäcp'it II 701, unbekannte Persönlichkeit.
30. ^j-^rr' J^ Sergiuskloster in Tizanäbäd zwischen Küfa und Ahjädi-
sijje an der Straße, eine Meile vom letzteren Orte entfernt, jetzt verfallen,
1 (') S A (; II A r :
verlassen. Von den Resten sind nur noch einige verfallene Bogenbauten
und Steine auf dem Rücken (?) der Straße vorhanden, welche die Leute
die Weifipresse des Abu Nu'jis, nach Jäqüt III 570 die Bogen des
Abu Nu Vis nennen. Tizanäbäd soll ein Lehngut eines Nachkommen des
Kalifen Omar gewesen sein nach Jä(|Mt III 569.
31. k_isLVl obliJ Die Bischofsklöster in Negef vor (außerhallt von)
Kufa, wo üira anfängt, Bogen und Steinbauten, die man die Bischofs-
klöster nennt. Daneben ein Wasserlauf, "genannt Alghadir, auf dessen rechter
Seite das Schloß des Abu Alkhasib, eines Freigelassenen des Kalifen Mansür
liegt, zur Linken (das Schloß) Alsadh-. Zwischen diesen sogenannten Bischofs-
klöstern und dem Schloß des Abu Alkha.sib liegt einer der schönsten Lust-
orte der Welt, der Negef und dies ganze Plateau überragt. Auf einem
Aufstieg von 50 Stufen steigt man zu einer schönen Fläche, wo man sicli
niederlassen kann, hinauf. Von dort überschaut man Negef imd Hira. Dann
steigt man auf einem weiteren Aufstieg von 50 Stufen hinauf zu einer aus-
gedehnteren Fläche, einem herrlichen Aufenthaltsort. Der genannte Abu
Alkhasib (marziiq) war ein Freigelassener des Kalifen Mansür, sein Kanmier-
diener. Sadlr ist ein großes Schloß von den Bauten der Lakhmiden in
alter Zeit, das einzige, was davon übriggi'blieben ist. Das waren zur
Zeit des Verfassers Klöst<'r und Kirchen für die Chrisren.
32. JJLül kJ Die Kuppel des Saitiq. d. i. des Schweigsamen UXkisJC ,
eines von den alten Bauten in Hira. (Jegenüber davon liegen Kuppel-
bauten, die ojMl (unbekanntes Wort) genannt werden, alle den Christen
gehörig.
33. -Ca j^j Kloster der Hind, der Tochter des Alnu'mAn Ibn Almundhir,
welche dies Kloster in Hira gebaut und als Nonne darin gelebt hat, eines
der größti^n Klöster von Hira, zwischen dem Graben Jjci-l und jT.I^-a»'.
Nach Bekri 362 lag es in der Nähe des Quartiers der Banü Abdallah Ibn
Därim in Kufa, nahe dem Graben.
34- 'jhjjr^:^ Kloster ZurAra zwischen der Brücke von Kufa und einem
Quellenbad abseits von der Landstraße, rechts vom Wege desjenigen, der
von Bagdad nach Kufa geht. .lAciüt II 92 i und Bekri 437 kennen Zurära
als den Namen eines Stadtteils von Kufa.
' So die Hs. j: ol>
Vo7n KlostprbvcJi des SdbuMi. 17
35-, ■^^y. y j*^ Kloster des hl. Jünän (Jona) in Anbär am Euphrat,
neb<'nan die Kirche. Von diesem Kloster ist auch bei Jesudenah unter Nr. 4 die
Rede. Nach letzterem war dieser Jona ein Nachkomme des Kaisers Konstantin,
ein Schüler des ersten KlostergrOnders Eugen. Kalifen und andere Personen,
die durch Anbär passierten, pflegten in diesem Kloster abzusteigen.
36. ^ j^ Kloster (^unnä, auch das Kloster des Apostels Märi genannt,
16 Farsach stromabwärts von Bagdad entfernt, auf der Ostseite des Tigris
eine Meile von) Fluß entfernt. Zwischen diesem Kloster und dem Dair
Aräcpil beträgt die Entfernung eine Poststation. Jeder Mönch hat seine
Zelle, sie liandeln untereinander mit diesen Zellen zum Preise von 50 bis
zu 200 und 1000 Denaren. Jede Zelle ist von einem Garten mit Obst-,
Dattel- und Olivenbäumen umgeben. Das Erträgnis einer solchen Zelle
wird zum Preise von 50 bis zu 200 Denaren verkauft. Das Kloster ist von
einer großen Mauer umgeben, in der Mitte ein fließender Bach. Das viel
besuchte Fest des Klosters ist das Kreuzesfest. Zu JAqüts Zeiten war das
Kloster verfallen, und nur noch in der Mauer einige arme Mönche vor-
handen {JA<p*it II 687). Im Unterrichtswesen und in der Literatur der
Nestorianer spielt Dair Qunnä («AOud-Aussprache':') eine ähnliche Rolle wie
vor ihm die Schule von Nisibis und vor dieser die Schule von Edessa.
37. jiS^ j^ Das Kloster von Kaskar, unterhalb von WAsit. auf der
Ostseite der Stadt in einem Orte genannt Bargiii (? Jäijut Bargunije), Residenz
des Erzbisehofs, ein großes Kloster. Jeder Mönch hat seine Zelle, deren
Art derjenigen der Zellen in Dair (^»unnä (Nr. 36) ähnlich ist. Nach JAijüt III 7 24
war das Kloster einen Farsach von WAsit entfernt. tTber die Bedeutung
von Kaskar als der Heimat vieler Klostergründer s. oben S. 5.
Ä g y p t i s c h e K 1 ö s t e r.
38. >-»i)l ji Das Kloster von Alqusair im höchsten Teil des Gebirges
auf einer an der Bergspitze vorhandenen ebenen Fläche. In der Kirche
des Klo.sters findet sich ein Bild der Maria, die den Messias auf ihrem
Schöße hält. Die Leute besuchen diesen Ort, um dies Bild zu sehen.
Im obersten Teil der örtlichkeit befindet sich ein Gemach, das Abu Algais
Khumärawaihi Ibn Ahmad Ibn 'IxWnn (gest. 282 == 896) erbaut hat, auf
den vier .Selten von vier Arkaden umgeben. Er pflegte es häufig zu be-
suchen, das dortige Bild beAvmidernd und trinkend beim Ansehauen desselben.
Phil.-hist. AOL 1!)W. Nr. 10. '.\
18 Sa (11 au:
Der Weg von Kairo zum Kloster hinauf ist schwierig, dageg^en vom
Süden hör ist Anstieg und Abstieg leicht. Neben dem Kloster ist eine
Klause, die stets von einem Anachoreten bewohnt ist. Das Kloster über-
ragt das Dorf Sahrän, die Ebene und den Nil. Das letztere, auf dem
Meeresstrande gelegen, ist in gutem Zustande. Man sagt, Moses sei in
diesem Orte geboren und dort habe ihn seine Mutter in dem Korbe aus-
gesetzt. Daher ist das Kloster von Alqusair eines der vielbesuchten wegen
dea- Schönheit seiner Lage und weil es einen Blick gewährt über Kairo
und seine Teile.
Näheres über das (^)usairkloster s. The churches and monasteries of
Egypt, ed. Evetts, Oxford 1895 '^- 145^- Über Sahrän s. das. S. 141.
39. \^ y^ j i Das Hannakloster in der Nähe des Birket-alhabas, d. i.
Abessinierteich, unfern des Nil, neben ihm liegen Gärten, deren einige
der Emir Tamim, der Bruder des Emir-almu'minin Al'aziz-billäh (s. oy>en S. 6)
— beide seien gesegnet —, gegründet hat, sowie auch ein auf Säulen ruhendes
Gemach, welches ebenfalls der Emfi* Tamim gegründet hat. In der Nähe
des Klosters befindet sich ein Brunnen, genannt der Brunnen meiner Rettung
jl^_/. , der von einer Sykomore überragt wird, imter der die 3Ienschen
zusanunenkommen und trinken, wenn der Nil wächst, zur Zeit des Säens
und der Blumen.
Nach JiV(|ut II 698 lag das Kloster zwischen der Birkat-Alhabas und
Fustät nahe dem Nil, Tamim wird bezeichnet als 3*^1 ij\, und der Brunnen
wird Der Brunnen meines Todes jl*^^ genannt. Der Ort sei besondere
angenehm zur Zeit des Hochwassers.
Dies Kloster des Mär Hannä ist das Kloster des Johannes des Täufers,
s. EvETTS, a. a. 0. S. 127 — 131.
40. L,-' j-J Dair Nahjä in Gize, eines der schönsten Klöster. Eis bietet
einen herrlichen Anblick, wenn es auf allen Seiten vom Wasser umgeben
ist. Wenn das Wasser zurücktritt und gesät wird, dann zeigen die Felder
dort die Wunder des Mai und alle Arten Blumen. Nach Jäqüt II 704 hat
die Ortschaft einen Wasserlauf, auf dem sich allerlei Vögel niederlassen,
die dann gejagt werden können. Über dies Kloster und den Ort Nahjä
s. EvETTS, a.a.O. S. 180 — 188.
4 1 . \y*^ j j Dair Tamwaih im Westen (vom Nil) gegenüber Hulwän,
auf dem Nilufer, umgeben von Weinfeldern. Vgl. Evetts, a. a. O. .S. 197, 19S.
Vorn Klostcrbucli des SäbuSti. 11)
Die Wunderklöster.
42. j_^Ui-l ji Das Kloster der kleinen schwarzen Käfer zwischen Mosul
und Beled, von vielen Mönchen bewohnt. An einem bestimmten Jahres-
tage erscheinen diese Käfer, bedecken die Mauern, die Dächer und das
Land, bis alles schwarz ist. Der folgende ist der Festtag des Klosters,
dann strömen die Menschen in die Kirche, verrichten ihren Gottesdienst
und gehen dann wieder nach Hause. Die Käfer sind dann verschwunden^
so daß man bis zum nächsten Jahrestage nichts mehr von ihnen sieht.
Nach Alkhälidi bei Jäqiit II 658 liegt das Kloster westlich vom Tigris
auf der Spitze eines hohen Berges, ein kleines Kloster, nur von zwei Mönchen
bewohnt. An drei Tagen bedeckt es sich mit schwarzen Käfern, so klein
wie Ameisen', nach Ablauf dieser Tage sind sie \ erschwunden. Vor der
Gefräßigkeit der Käfer fliehen die Mönche mit ihrer gesamten Einrichtung
und kehren erst nach dem Verschwinden der Käfer zurück.
43. vJLxJl ji Das Hundswutkloster, zwischen Mosul und Beled, wo man
Leute heilt, die von einem tollen Hunde gebissen sind. Nach Jäqüt II 690
lipgt es zwischen Mosul und Gezii-e im Gebiet von Bä'adhrä, d. i. in der
Gegend von Alkös. Wenn 40 Tage nach dem Biß vergangen sind, ist
keine Heilung mehr möglich.
44. ;jL..i!| ji Dair AlqajjAra, d. 1. Kloster der Pech(|uelle, den Jako-
biten gehörig, vier Farsach von Mosul entfernt, westlich vom Tigris im
Gebiet von Alliaditha (= llammäm Ali), den Tigris überragend. Unter-
halb des Klosters liegt die Pech<|uelle, aus der heißes, zum Tigris ab-
fließendes Wasser hervorquillt. Aus dem Wasser gewinnt man das Pech.
Solange es im Wasser liegt, ist es welch und biegsam; nimmt man es
aber aus dem Wasser heraus, wird es kah und hart. Das Kloster hat
einen Verwalter, wie jedes jakobitischc und malikitische Kloster, während
die nestorianischen Klöster keinen Verwalter haben. Vgl. Jäqüt 11 689 und
mein Am Euphrat und Tigris 1900, S. 94.
45. Uy j ji Dair Barkümä (so die Hs., Jäqüt Uy ^ yj, d. i. Thomas-
kloster), zwei Farsach von MajjäfViriqin entfernt, auf einem hohen Berge,
unterhalb dessen Teiche mit Regenwasser liegen. Von dem Märtyrer glauben
die Christen, daß er 700 Jahre gelebt und noch den Messias gekannt habe.
Er liegt in einer hölzeren Lade mit Türen, die an den Festtagen des
Klosters geöffnet werden, dann erscheint die obere Hälfte des Körpers auf-
recht stehend mit abgeschnittener Na.se und Oberlippe. Eine Frau hat
2 0 S A (; II A u :
sich nämlich die Gelegenheit verschafl't, ihm Nase und Lippe abzuschneiden
und damit zu enteilen. Dann hat sie über diesen Reli(juien auf dem
Wege nach Takrit in der Steppe ein Kloster erbaut.
,46. U»l; j'j Dair Bätä, auch jU- ji Das Eselskloster genannt, dessen
Märtyrer Marikas (Maurikios?) heißt. Es liegt fern vom Tigris und von
der Stadt (Alsinn). Dort leben, sich fortpflanzend, stets zwei Raben. Zu-
weilen dringen Räuber in das Kloster ein. Wenn dann ein Räuber im
Kloster ist, erheben sich die beiden Raben über der Wiese des Klosters.
Wenn einer von den Feinden anrückt, empfangen ihn die beiden Raben
und krähen ihm in das Angesicht, als wenn sie ihn erwarteten. Dann weiß
er, daß Leute im Kloster sind, und geht zurück. Wenn dagegen niemand
im Kloster ist, dann tun die Raben nichts dergleichen. Nach'Jäqüt II 646
lag das Kloster in Alsinn zwischen Mosul, Takrit und Hit. Es hat ein
Steintor, welches nach der Angabe der Christen ein Mann oder zwei öffnen
können; wenn es dagegen sieben sind, können sie es nicht öffnen. Es hat
einen Brunnen, der heilkräftig gegen Flechten wirkt. In dem Kloster ist
die Residenz des Bischofs (von Alsinn?).
47. jjJjl j ji (unleserlich) in Alsinn. Hier ist die Residenz des
Bischofs. Es hat einen Brunnen. Wenn ein an Flechten Leidender sich
darin badet, verschwinden sie.
Ich nehme an, daß die Artikel Nr. 46 und 47 durch ein Versehen
getrennt worden sind und daß sie sich auf ein und dasselbe Kloster be-
ziehen. Vielleicht sind die unpunktierten Züge der Handschrift zu lesen
ij-^jL. ^z* ji, d. i. Kloster des Maurikios (s. Anfang von Nr. 46).
48. r^\ ji Dair Al'agäg (so die Hs., Jäqüt Al'aggäg) zwischen Takrit
und Hit. Vor dem Kloster liegt eine Quelle, deren Wasser in einen Teich
abfließt. In diesem leben schwarze, gut^ schmeckende Fische. Ringsumher
Saatfelder und Gemüsebeete, die von dieser Quelle getränkt werden.
49. iS^y:\ j^ Dair Algudi, sieben Farsach von Oezire, auf der Spitze
des Berges. Mißt man die Klosterfläche nach Spannen, so bekommt man
20 Spannen; mißt man ein anderes Mal, bekommt man 18 Spannen, und
mißt man noch mal, bekommt man 22 Spannen. So oft man mißt, bekommt
man eine andere Zahl Spannen.
Die Spitze des Gebel Gudi ist neuerdings beschrieben von Miß Bell.
Amurath to Amurath, London 191 1 S. 292. 293.
Vom Klosterbuch des 'Sdimsti. 21
50. j^\ <~p Die Kirclie des Tur (Sinai), des Berges, auf dem sidi
Moses oflenbarte und infolge des Donners ohnmächtig wurde. Die Kirche
steht auf der Spitze des Berges, gebaut aus schwarzem Gestein. Die Breite
der Befestigung ist 7 Ellen. Sie hat 3 eiserne Tore und auf der West-
seite ein feines Tor, vor dem ein Felsblock steht. Wenn sie ihn auf lieben
wollen, so ist das möglich. Wenn aber jemand sie angreifen will, dann
lassen sie den Stein los (lassen ilm fallen), und dann verdeckt er die Stelle,
so daß man nicht mehr erkennen kann, wo das Tor ist. Innerhalb des
Klosters ist eine Wasserquelle, und eine zweite außerhalb. Die (Christen
behaupten, das Kloster habe ein Feuer von der neuen Sorte Feuer, die
Jerusalem vernichtete. Sie machen sich jeden Abend ein Feuer davon, es
ist weiß, wenig heiß und steckt nicht die Dinge in Brand. Dann aber
wird es stärker, wenn die Lampen daran angezündet werden. Das Kloster
ist von Mönchen bewohnt und wird viel besucht, weil es zu den Klöstern
zählt, denen man Wunderwirkung zuschreibt.
51. j^ j( Ä«- Die Kirche des Abi'i Hur in Ägypten in i^[j-^ (Sirjäqus).
Wenn jemand an Skrofeln leidet, geht er dorthin, sich kurieren zu lassen.
Der Vorsteher läßt ihn sich niederlegen, bringt dann ein Schwein herbei
und läßt es los auf die kranke Stelle. Es frißt weg, was an der kranken
Stelle ist, ohne darüber hinauszugehen. Ist sie auf diese Weise rein ge-
worden, dann streut der Mann dariiber etwa.s Asche, herrührend von einem
ge.schlachteten Schwein, das vorher denselben Dienst getan hat, sowie etwas
Öl von der Kirchenlampe. Dann heilen die Skrofeln. Das Schwein aber
wird geschlachtet und verbrannt, und seine Asche wird hergerichtet für
einen ähnlichen Zweck. Vgl. Kvetts, a. a. ü. S. 319 unter The monastery
of Cyriacus.
52. (j-J^ yj Johannes-Kloster in Dämanliür. Am Festtage des Klo.sters
wird der Heilige aus seinem Sarg genommen, dann wandert der Sarg über
dem Erdboden hin. ohne daß jemand ihn fassen und aufhalten kann, bis er
zum Meer (Nil?) hinabkommt, dort taucht er unter imd kehrt dann an
seinen Ort zurück. Nach Jäqüt II 710 lag dies Kloster in Samannüd.
Von einer Kirche des hl. Johannes in Damanhür ist die Rede bei
EvETTS S. 139, von einem Priester Johannes von Samannüd ebenda S. 209.
53. .-j/l *«- Kirche von Atrib. Sie hat ihr Fest am 2i.Ba'üna. An
diesem Tage erscheint eine weiße Taube, geht in den Altar. Man weiß
22 S A (; H A u :
nicht, woher sie kommt. Sie erscheint dann nicht eher wieder als an dem-
selben Tage des nächsten Jahres. V^gl. Evetts, a.a.O. S. 319.
54. j^ j^ f^\ 'J'\y'_i Ein großes Kloster im Gebiet von Achmim in
der Nähe eines Berges, der Gabal Alkahf (Berg der Höhle der Siebenschläfer)
genannt wird. An einer Stelle des Berges ist ein Spalt. Am Festtage dieses
Klosters kommen alle Vögel, die Büqir heißen, und sie sind sehr zahlreich,
nach dieser Stelle, versammeln sich dort und machen einen großen iJLrm.
Einer nach dem anderen steckt seinen Kopf in diesen Spalt, schreit und
zieht ihn wieder heraus. Dann kommt ein anderer und macht es ebenso,
und das geht so lange fort, bis der Kopf eines von ihnen in dem Spalt
stecken bleibt, der zappelt sich ab, bis er tot ist. Dann zerstreuen sich
die übrigen, fliegen wieder zu ihren früheren Aufenthaltsorten und keiner
bleibt zurück. Vgl. Evetts, a. a. 0. S. 59.
V ^
Die Exkurse in Sabnstis Klosterverzeichnis.
Die oben S. 7 erwähnten Exkurse, welche Sabusti an die Beschreibung der Klöster
anschließt, sind von sehr verschiedenem Wert. Dem Getändel von Prinzen und Hofieuten,
Dichtern und Sängern mit Frauenzimmern wird man schwerlich viel Interesse abge-
winnen, anders steht es dagegen mit denjenigen ExUui"sen, welche lehrreiche Nachrichten
iibei' die Sitten- und allgemeine Kulturgeschichte jener Zeit, besonders des 9. chi'istlichen
.Jahrhunderts ', über charakteiistische Vorgänge in der Kalifenfamilie und ihrem Anhange,
über hervorragende histoiische Persönlichkeiten jener Zeiten bieten. Die folgenden Zeilen
mögen über diesen Teil von Säbustis Wei'k, über den Inhalt der Exkurse teils durch Aus-
züge, teils durch Übersetzung einige Auskunft geben.'
I. Kloster Darmälis. Ein Hofinann, Abu Abdallah Ibn Hamdün Alnadim', fällt bei
seinem Herrn, dem Kalifen Mutawakkil, in Ungnade infolge einer Weibergeschichte, in die
auch der Wesir Alfath Ibn Chäqän verwickelt war. Er wird nach Takiit verbannt, nach
einiger Zeit am Ohrläppchen verstünuiielt, aber zurückberufen und wieder in Gnaden auf-
genommen. Der Erzähler ist Ahmad b. Chalid Alsarifini '■''. Ferner von einem Hofmann bei
den Kalifen Mu'tasim, Wäthiq und Mutawakkil, Hamdün Ibn Ismä'il* und Verse von Manvän
b. Abi Hafsa'' (y 181), Ah b. Jahja Almunaggim" (7 275) und von Gahza' (-J- 326), alias
' Erwähnt werden die meisten Kalifen von Mahdi bis Muqtadir 775 — 932, am häufigsten die-
jenigen des 9. .Jahrhunderts, des 3. der Higra, von M.a niün bis Mu'tannd. Die Oniajjadon werden
nur gelegentücli gcstreifr, so Alwalid. S. weiter unten S. 38. 39.
'■' Vgl. Tabari Hl, T N T t nnd Kiiäb alaghäni, Index u. d. W. Oj-^^ ^ J^
■' S. KitAb alnghäiii, Index.
' Kilab alagliäni. Index.
■■ Ibn Cli;iUik;'ui Nj-. 726 und Ibn Quiailta. Liber poeseos et poetiiruni S. 481.
'' Ebenda Nr. 479.
' Ebenda Nr. 54.
Vam Klosterbuch den Sdlni^ti. 23
Ahmad b. Oa'far Albarniaki, einem Sänger am Hofe des Muqtadir. Mancherlei Vei-se dieses
Dichtei-s finden sich auch in anderen Exknrsen des Werkes.
2. Kloster Samähi. Verse von Mui.iammad b. Abdalmalik Alhäsimi Alzajjat, Wesir des
Kalifen Mu'tasim. Ein Dichter Khälid Alkatib, d. i. Abü-AIhaitham Khälid b. Jazid Alkntib '.
und ein Sängerkomponist Ahmad b. Sadaqa' Almughanni machen ein Kompagniegeschält
miteinander, .jener liefert den Text, dieser die Melodie und verpflichtet sich, das Lied dem
Kalifen Ma'mun vorzutragen sowie das erhoffte kaiserliche Geschenk mit dem Dichter /.n
teilen. So geschieht es. Berichtei-statter ist ein Maimun b. Hammj'id. Vei'se von AihndAhidi.
Schmutziges Benehmen einer l)etrunkenen Sängerin.
3. Das Fuclisklostcr. Von einem Abbasiden Ibn DLhqana AlhaSirai, mit vollem Namen
Abu Ga'far Muhan^mad b. Omar, einem Nachkommen des Ibrahim b. Muhammad b. Ali Ibn
Abdallah Ibn Abbäs^ der zur Zeit des Neg<M-aufstandes •' .Statthalter von Basra war, und
seinem Verkehr mit dem Dichter (iah/.a. F'erner Vei'se von AlnäSi, vermutlich dem älteren
diesem Namens, der nach Ibn Challikan Nr. 352 im Jahre 293 gestorben ist.
4. Das Katholikoskloster. Verse von Muhammad b. Abi Umajja Alkätib und seinem
Bruder Ali. welche als Sekretäre im Dienste des Alfadl Ibn Rabi'*, des Wesii-s von Härnn
Alrasid, standen. Der berühmte Grammatiker Abu Bekr Mnhammad b. (j*asim Alanbari*
(v 328) pflegte seine Vorlesungen gern mit einem Zitat des ei-steren dieser beiden Dichter
zu schließen, weil er seine Verse gar so schön fand.
5. Kloster Mudjän. Verse von Alhasain b. Aldahhak. alias Alhusain Alkhali' b. Al-
dal.ihäk Albähili. Hofdichter bei dem Kalifen Aramin und mehrei-en seiner Nachfolger, ge-
storben 250°.
Der geprügelte prinzliche Zecher.
Ein Bild aus den Trunksitten der Zeit.
Übersetzung :
Alhusain Ibn Aldahhak ei-zählt :
Abu AH Ibn AlraSid' pflegte viel in diesem Kloster (Dair Mudjän| zu vei-kehren und
in Gesellschaft einiger seiner Leute Trinkgelage zu halten. Er verkehrte dort tagelang,
prassend und schlemmend, in einer so schamlosen Weise, daß die Nachbarn des Ortes sich
über sein Treiben beschwerten. Da kam nun die Kunde davon dem Stadtpräfekten von
Bagdad, Isl.iAq Ihn Ibrahim dem Tah'riden. zu Ohren. Der ließ dem Abu Ali sagen, wie
gemein sein Benehmen sei, und befahl ihm, es nicht fortzusetzen. Darauf sagte dieser:
• Welche Macht hat denn Isi.iiiq über mich! Was hat er mir zu befehlen! Sollte man glauben,
daß er mir verbieten kann, meinen Sängerinnen zu lauschen und zu zechen, wo es mich
fi-euti" Als Islinq von diesen Reden hörte, geriet er in Zorn, geduldete sich aber bis zum
Abend. Dann ritt er hin nach dem Kloster, ließ es durch seine Leute von allen Seiten
um.stellen, befahl das Klostertor zu öffnen und deii Prinzen, so wie er war. herunterzuholen.
Der Prinz wurde heruntergeholt, betrunken, bekleidet in buntfarbigen Kleidern imd triefend
' Kit Ab alaghäiii 21,441!'.
' Ebenda 19,37.
^ S. NÖLOKk»:, Ein Sklovcnkrtcg im Oiiciit, in Orientalische Skizzen 1892, .S. issff.
' Ibn Kliallikän Nr. 339.
' Ebenda Nr. 653.
* Ebenda Nr. 190 und Kitib alaghdiii, Iudex.
' Onkel des regirrenden Kalifen Mu'tasim. der ein Enkel von Rasid war.
24 S A C M A ti :
von Safransalbe. Da sprach lsl.iA(|: »Schande über dich! Ein Mann vom Kalifenbause in
solchem Zustande 1« Auf Isl.inqs Befehl wurde nun eine Decke am Tor des Klosters auf
der Erde ausgebreitet, der Betrunkene mit dem Gesicht nach unten darauf gelegt, und dann
versetzte ihm IshAq mit der Peitsche zwanzig Hiebe und sprach: -Der Fürst der Gläubigen
liat mich nicht mit seiner Vertretung betraut, damit ich die Oi-dnung der Dinge vernach-
lässige und zugrunde gehen las.se, auch nicht, daß ich dir und deinesgleichen gestatte, ihn
mit Schimpf und Schande zu bedecken und euch Dinge herauszunehmen, wie du getan hast,
solchen öftentlichen Mummenschanz, solche Verletzung von Anstand und Sitte, solches Hin-
ausziehen nach den Klöstern und Weinkneipen. In deiner Züchtigung liegt die Wahrung
der Ehre des Kalifats und zugleich eine Warnung und Verbot für dich und deinesgleichen
vor solchem schandbaren Treiben.« Dann ließ Ishäq Sänften (eine Art geräumiger Ramel-
sattel ', die er mitgebracht hatte) heranbringen, den Betrunkenen samt Gefolge aufladen und
nach seiner Wohnung schaffen. ■ ■:
Als der Kaufe Almu'tasim hiervon Kenntnis erhielt, bezeugte er dem Ishäq schriftlich
seinen vollkommensten Beifall und befahl ihm, daß er keinem Mitgliede .seines Hauses ein
derartiges Benehmen gestatten sollte.
Der Erzähler dieser Geschichte ist der Sänger Muhammad b. Ali Abu Hasisa Altunbüri.
Im Anschluß an den geprügelten Prinzen Abu Ali wird folgende Geschichte aus dem
Hof leben unter dem Kalifen Ma'mün, dem Sohne des Härün Alrasid, erzählt:
Hnrün kaufte an demselben Tage zwei Sklavinnen, die SikI und ihi-e (ienossin, die
Sadhr. Es entsteht zwischen diesen beiden Frauen ein Neid, der sich zu heftiger Feind-
schaft steigert. Die Sikl gebärt jenen Abu Ali, die .Sadhr ein Mädchen, genannt Umiu
Abihä, also Kinder des Härün. Die beiden Mütter sterben, ihre gegenseitige Feindschalt
setzt sich aber in ihren Kindern fort. Eines Tages unterhält sich der Kalif im vertrautesten
[preise von Verwandten und Freunden über diese Feindschaft. Er läßt zuerst die Umm
Abihä kommen, befragt sie nach dem Grunde ihres Hasses gegen Abu Ali und läßt danach
auch Abu Ali kommen. Sobald letzterer erscheint, zieht die ümm Abihä den Schleier vor
das Gesicht zum Zeichen, daß sie ihn nicht als ihren Verwandten anerkennt. Sie beschimpft
ihn und behauptet, er sei nicht ein Sohn Haruns, sondern der Sohn eines Kammerdieners.
Ma'mün spricht zu seinem Bruder:
»Schlage siel« Das geschieht. Die Frau wendet sich nun an Ma'mün mit den Worten:
»Schmach über dich. Ich habe bisher gedacht, daß seine, des Abu Ali Schande verborgen
bleiben würde, nun aber, da du mich hast schlagen lassen, werden alle Erzähler bis in alle
Ewigkeit sich davon unterhalten." Ma'mün schließt mit einem Wort der Anerkennung für
die Tapferkeit der Frau, dem Abu Ali aber *'erleiht er das Amt, über Prinzenleichen die
Grabrede zu halten, um sein Ansehen etwas zu stützen.
Der Exkurs fährt fori mit einzelnen Zügen aus dem Leben des Stadtpräfekten von
Bagdad, des im vorhergehenden genannten Tähiriden Abu All.iusain Ishäq Ihn Ibrahim nach
der Erzählung des bekannten Abdallah Ihn Khurdädbih. Dieser Tahiride bekleidete sein
Amt untei- Ma'nu'm, seinem Sohn 3Iu'tasim und dessen Söhnen Wäthiq und Mutawakhil und
starb unter letzterem. Er war der Bruder des Tähir Ihn Alhusain. Seine Nachfolger waren
zuerst sein Sohn, Muhammed Ibn Ishäq, dann -Muhammed Ibn Abdallah Ihn Tähir. In
diesem Zusammenhang werden die Prätoriancrobersten Wasif und Zuräfa imd ein Dicht"r
Abu Albar(i erwähnt.
Vtwi hlosterhuch des S.()(niMl. 25
6. KIi>ster Aämüni. Das Fest desselben wurde von den Lebemännern Bagdads sein-
besucht. Reiche Leute ließen sich dort kleine und große Zelte heimstellen, um sieh zu er-
lustieren. \'erse von vei-schiedenen Dichtern, die sich dort amüsiert hatten, Cjah/.a, Muhammed
b. Alniuammal Aliä'i, Abu Al'atähija, Altharwani, .labjä b. KAmil (seine Verse gerichtet an
Abdalmalik b. Muhanuned AUiäsimit, Abu Alsibl Alhurgumi '. Von letzterem und seinem
Freunde Mal.imüd Alwarriuj wird berichtet, daß sie stets in den Kneipen zu finden, stets
lietrunken gewesen seien, und daß Abu SibI eine besondere Vorliebe für schwarze Weiber
gehabt habe.
7. Kloster Säbur. Kxkuis über den Dichter All.iusain b. Aldalil.mk (s. unter 5), der
in Gunst bei Amin, Mu'tasim, Wäthiq und Mutawakkil war, aber nicht bei Ma'mi'in, denn
dieser nahm ihm einen Vei^s ül)el. den er zugunsten seines Bruders Amin gedichtet hatte.
Verse von diesem Dichter, in denen ein Hofmann von Mu'tasini und Mutawakkil namens Azzi'in
Ojjp' erwähnt wird. I-etzterer ei-zählt, daß Mu'tasim eines Tages bei dem Durchreiten eines
Hiisses den Dichter I.lusain vor dem Krtrinken gerettet habe. Abu Abdallah h. Uatudiin
(s. unter 1) erzählt, daß Mutawakkil. als ihm an einem N.TUrnztage Figuren JJ'k aus Ambra
dargebracht waren, durch seinen Diener Safi' Stücke davon dem Husain habe bi'ingen
lassen. Dci^selbe verkehrte auch mit einem anderen Abbasiden, dem Sälil.i Sohn des Raiid
und zechte mit ihm an einem Lustorte in Bari, einem Teil von Kahviidhii. Der Sänger
Amr b. Bana (-,'- 287)' berichtet von einem fi-öhlichen .\bend bei Prinz Salih in Gesellschaft des
I.lusain. der auf Bitte des Prinzen den Abend in eii\em improvisierten Gedicht besingt, das
sogleich von dem Sänger gesungen wird. I.lusain berichtet von poetischen Einladungen, die
er unter Ma'mün zur Zeit des Fastenendes von All.iasan b. Bagä ' und von Muhammed b.
.AlliÄrith b. BaSkhir' erhalten hatte.
8. Kloster (^ülä. Verse von Abdallah b. .Al'abbäs Ibn .Vlfadl Ibn Alrabi'''. Urteil des
Wezirs Muhanuned b. Abdalmalik Alzaj.jät über seine Poesie. Seine Beziehungen zu der
Asälig, Sklavin .seiner Tante Kuijajja, und zu der Sängerin Badhl. seine Liebe zu einem
Christeumädchen. Von der Sängerin Masi'ibil.i. die am meisten seine Verse gesungen und
bekanntgemacht hat. .\uch die Muta.ijam AlhisAmi.iJa ' sang seine Lieder. Schließlich sein
Zerwürfnis mit der geliebten Ma.sÄbil.i.
9. Georgskloster. Veise von Al)i'i (iafna .\l(iurasi, von Alnunuiiri d. i. Abu Allaj,jili
Muhammed b. .\l(|nsiui Alnumain"". einem Fi-eunde des Prinzen .\bdall;di Ihn Ainiu'tazz,
mit dem er auch i)oeiischen Bi-icfwechsel pflegte. Proben dieses Briefwechsels in l'oesie
und Prosa, besonders von Ibn .Almu'taxz. Letzterer wollte von der Liebe nichts wissen, bis
er eines Tages anderen Sinnes wurde.
10. Kloster BaSahrä. Verse von Abu Al'ainä'i (gest. 283), d. i. Ahn .Abdallah Muhammed
b. .\l(|»sin) b. Khalläd b. .I.nsir b. Sulaimän" vom Stamme der Bann Hanifa in Aljamiinia.
Kr wohnte In ßa-srn, Schüler von .Afa-sma'!. übei-siedelte dann nach Bagdad und später nach
' Kitiili alagtiAni 13,22fr.
" Kita!) alaghaiii, Index u. d. W. öjjc )\ JJj^
' Ibn Kliallik.iii Nr. 51g. Kr war befrpiuidet mit Mutawakkil.
• KiiAh alaghaiii. Index.
' Kitftb alaghäni 10. 161 IT.
' Kitäb alagbäni 17, I2itf'.
^ KIlab alagliani, Index.
* Kiläb alai^liaiii 9, 144.
" Ibn Kliallikäii Ne. 654 uiiil Kiiab alagliani, Index.
Phll.-hüt. Abh. 1'Jlit. Nr. 10. 4
2^0 S A (; II A i; :
Siimarl-ä. wo er mit Mutawakkil \erkclirte. Kr erVjlindete mit dem vierzigsten Lebensjalir.
War beriibmt wegen seiner bösen Zunge und seines schlagfertigen Witzes. Proben davon.
Im Zusammenhang werden erwähnt der Dichter Abu Ah' Albasir', Mutawakkil, der Wesir
libaidallah h. Sulaimän-, Sä'id b. Mukhallad', der Wesir Abu Alsaqar*, der Wesir
Muhammed b. Abdalniallk AlzayjU, Ibn Hadr, Al)dallah b. Mansür», Maimün b. Ibrahim,
Muhamiued b. Mukarram, Ali;Al.ii/, Alhasan b. Wahl)", Ali b. Algahm', Abdallah b. Dä'nd
Alkhuraibi, der Tähiride Abu Ahmad Ubaidallah 1). Abdallah Ibii Tähir, Abu Al'abbäs b.
'riuiwäba", Ubaidallah I). Jah ja ", der Postmeister Maimün b. Ibrahim.
11. Das Schwesternkloster. Verse von Alnägim Abu l'thmän'", der zugleich der Uawi
des Ibn Aln'imi »^ (y 283) war.
12. Das Kloster von Araltb. Verse von üal.iza. Im fibiigen handelt dieser Kxkui-s
von dem Kalifen Almu'tamid als Dichter, daß er gute und schlechte Verse gemacht habe.
Er gab sie den Sängern ziim Komponieren, und daim (beim Gesänge;') verbargen sich die
Fehler in Skausioii und Diktion, nur von den Fachleuten wurden sie bemerkt Bid'a '" er-
zählt, daß er der Sängerin Arib " seine Verse zum Komponieren schickte. Alsüli erzählt, daß
Abdallah b. Ahnu'tazz ihm Vei-se von Mu'tamid vorgetragen, und daß der Kalife Almuqtafi
den Leuten goldene Rollen von Gedichten des Mu'tamid gezeigt habe. Verse von ihm, die
von der Sängerin .Sarija gesungen wurden. Verse, die sich auf seine Verdrängung durch
seinen Bruder Almuwaftak beziehen. Kr wollte der Sängerin 'Arib 300 Denare geben, konnte
aber nicht mal 200 auftreiben. • ••'
Ishäq b. Jarüh erzählt, daß Muilih, als er auszog nach Ba.sra zum Kampf gegen die
Negerrebellen, ihn zu Mu'tamid geschickt und diesem seine Sängerinnen Hazär und den
Knaben Badr Algullanär abverlangt habe. Ferner 'Ubaidallah b. Jahjä b. Khäqän'* mit eii^er
Botschaft vor Mu'tamid. Vei-se von Muhammed h. Ali AlkAtib Badingäna über Mnsä b. Bughä ''.
Wogwerfendes Urteil des Kalifen Alräcli über die Verse Mu'tamids. Letzterer und sein
•IJruder Muwaffaq im Palast Algausaq. \eTse über den Abmarsch des Muwaffaq nach Basra,
während er, Mu'taniid in Sämarn'i blieb, und Klageverse darüber, daß nach dei- Sklavin
Badr auch die Nathr.i ihn verlassen habe.
1 3. Das Jungfrauenkloster. Jamüt b. Alnmzari'i' '" nach Algahiz : Ibn Farag der Taghlibite
habe ihm erzählt, daß Leute vom Stamme Taghlib einen Angriff" auf das Gut des Sultans
' Iviti'ib alaf;lu"mi, Index.
" Ebenda, Index.
■< Ibn Kliiiliikän Ni'. 654.
' Kit:il) alagluini. Index und Il)n Khatlikän Nr. 654. S. 45, 1.
° Ebenda Nr. 654, .S. 45, 7.
'"' Kiti'ib alaghäni, Index.
' Ebenda IX, 104(1".
* Ebenda Index.
'•' Ebenda Index.
>" Ibn Khallikän Nr. 474, S. 59,1.
" Ibn Khallikiin Nr. 474.
'■■' Kiti'ib alaghäni, Indes.
" Ebenda XVIII 175 H".
'* Kitäb alaghäni, Index.
'■' S. über ihn Weh., Geschichte der Kalifen III, Index.
"•• Um Kballikmi Nr. 844. •.•...- ........-■.*- .■ ... ;- t
\om Kloxterbwh, det< Sdbusli. 27
planten, daß' aber der Sultan ihiren zuvorkam, daß sie sich in "dem JiiHgfraneiikloster ver-
bargen und bei der Gelegenheit die Entdeckung machten, daß der Priester die Nonnen ejvt-
jungfert hatte. . };y',Yx-y ■: . :; O" :
14. Das JungfrauenklostcT- in Bagdad. Veree von Ibn Aimu'tazz. Voi\ Ahnu'tazz nach
Samarrä berufen, kehrt der Tahiride Ubaidallah 1). Abdallah b. Tahir auf der Reise zwei Tage
in diesen) Klöster ein. Darüber Verse von ihm. Ubaidallah als (iasf bei dem- Kalifen
Alniu'tazz: Auf dessen Befehl muß die Sä ri ja ihm vorsingen (hinter dcrti Voi-hang). Kannani
Alzamir (der Flötenbläser) ihm vonnusizieren. Auch zeigt der Kalife seinem Gast «ine von
Ahmad b. Mi'isa Almuhandis aus Kupfer konstruierte Art Wasserpfeife, ferner ju einem Tier-
park einen Kampf zwischen einem Löwen und einem Elefanten.
Gal.i/a und Ihn (^iudama eraählen von Ubaidallah nnd seiner geliel)ten. Frau .SAgi',
von ihrem Tode und seiner Trauer um sie. Verse von Ubaidallah. Kondolenzschreiben des
Abdallah b. Ahnu'tazz an ihn, Antwortschreiben des Ubaidallah. Die Sagi war eine groLV^
Sängerin gewesen. Als die Stellung des Ubaidallah minder bedeutend geworden war, ver-
langte der Kalife .Vlmu'tadid von ihm, daß er der .Sägi erlaube, ihn zu besuchen. Ihr Gatte
kann das nicht verhindern, .so unangenehm es ihm ist. .Sie geht hin, singt dem Kalifen etnigC
Lieder vor und kommt reich beschenkt zu ihrem Gatten zurück. Poetische Rotschaft des
Ubaidallah b. Abdallah b. Tähir an Ubaidallah b.Sulaiman, als dieser das \\'esirat liir Alum'tafli<l
übernommen hatte. Abü-al'ainä und Ubai<lalluh.
Erzählung von .\bu Ali Alawäraii: Der Granmiatiker Abu B(-kr Muhammed l>. .\lsui-i
Alsarrag' zitiert bei Gelegenheit des Einzuges des Kalifen .\lmuktafi aus Haiiqa nach Bagdad
zwei Verse', in denen der Kalife neben Sonne und Mond genannt wird. Ein anderer, AbOi
Abdallali Muhammed b. Ismä'il Zangi Alkätih, der Sekretär l)ei AbA i\l'abbas b. Furät' war,
zitiert bei einer anderen Gelegenheit dieselben Verse. Es entsteht eine Difli'ren/. darübci-,
ob die Verse von Alxlallah b. .\liuu'tazz gedichtet seien oder von Ubaidallah b. Abdallah b.
Tähif. Die Sache gelangt durch den Wesir .\lqäsiin b. Ubaidallah in den Palast Althuraijä zu
<lem Kalifen und dieser entscheidet den Streit zugunsten des Ubaidallah b. Abdallah b. IVihir.
der dallir looo Denare bekommt. Weitere \'ei-se von letzterem.
Poetische Korrespondenz zwischen .\bdallah b. Ahnu'tazz und dem Tahiriden Ubaidallah,
als er .seinem .Sohn die Hegierung von Tunis übei'trageu hatte. Dieser Ubaidallah starb
^00, Die Mutter des Kalifen Almuqtadir gab seiner Familie ihr Beileid durch ihi-e Hof-
meisterin ümm Müsä zu orkenuen.
.Sein Bruder Muhammed b. .\bdallah b. Tähii- trat an seine Stelle. Der Kalife Muta-
wakkil hatte ihn nach dem Tode des Isl.iäq b. IbnUiim Allähiri und seines Sohnes Muhammed
aus Chorasan kommen lassen und zum Präfekten von Bagdad gemacht, während sein Bruder
Tähir b. Abdallah, der älteste der Bnlder, Statthalter von Chorasan wurde.
Alsäh b. Mikäl'' ei zählt Anekdoten von di&sem Tahiriden Muhammed, seinem Hof-
marächall dem Christen Ibrahim b. Harun und einem Beamten, von einer Mahlzeit bei Ishat)
■ Kitäl) alaghäni, Iudex.
» Ibn Khallikiin Nr. 653.
' Sie lauten:
* Kiiäb idaghäiii. Index.
'■• Tabari, Index.
28 S A c 11 A u :
b. Ibrahim b. Mus'ab ' und bei Muhammed. Verse von dem Dir-hter Abdalrahmän b. Abi
'^ain, der sich bei Muhammed über einen Steuerbeamteii Ijeitlagt. Muhammed war geboren
290 an dem Tage, an dem Kaisüm erobert wurde, demselben Tage, an dem die VVe,sire
Ubaidallah b. Jahjii b. Chäqän, Ai.imad b. Jsrä'il und All.iasan b. Mukhallad geboren waren.
Muhammed starb 253 an einer Beule in der Kehle. Zu seinem Nachfolger hatte er
seinen Bruder Ubaidallah bestimmt. Der Kalife Almu tazz bestätigte ihn und f-chickte ihm
P^hrenkleider durch Muilih, den Vertreter des Bäkbak*. Sein Bruder Tähir b. Muhammed
hatte ihm das Amt streitig gemacht. Trauerveree von Ihn Alriimi, von dem l'ähirideii
Ubaidallah und von Almu'lazz über den Tod des Muhammed.
Von dem Streit zwischen den beiden Tahiriden, Sulaimän b. Abdallah b. Tähir und
Ubaidallah in den .Jahren 255 — 257. In letzterem gelangte Ubaidallah durch Müsä b. Bugha
in den Vollbesitz der Macht als Gouverneur von Bagdad, Sämarrä und Babylonien.
Ja'qüb b. Laith zieht ein in Nisabür, nimmt den Xähiriden Muhammed b. lahir ge-
fangen. Schlacht zwischen Ja'qüb b. Laith und dem Kalifen Almu'tamid und seinem Bruder
Almuwaffaq. Letzterer siegt, der Jähiride wird befreit und in seine Statthaltei-schaft über
Chorasan wieder eingesetzt. Mu'tamid zieht zurück nach Bagdad, Muwaffaq nach Wäsit.
Ubaidallah wird Statthalter von Mekka und Medina. Nach dem Tode des Ja'qüb b. Laith
folgte sein Bruder 'Amr. Dieser huldigte dem Kalifen, wurde belohnt mit Chorasan, Persis,
Kanuän, Segestan, Ispahan und Sind. Er ei-naunte den 'rähiriden Ubaidallah b. Abdallah
als seinen Stellvertreter zum Gouverneur von Bagdad, schenkte ihm Ehrenkleider und ein
goldenes Szepter. Dies Avird von ISIuwattaq bestätigt.
Sulaimän b. .\bdjillah b. Tähir starb 266. Auf sein Schwert gestützt, hielt ihm sein
Bruder Ubaidallah die Grabrede. SA'id b. Mukhallad machte den Abu Abdallah Muhammed
h. Tähir b. Abdallah b. Tähir zuiri IVäfekten von Bagdad im Jahre 270. und dieser setzte
seinen Onkel Ubaidallah gefangen. Ende der 'Fähiriden in Bagdad und Chorasan. Sulaimän
war ein tüchtiger Poet und ebenfalls sein jüngster Bruder Abdal'aziz b. Abdallah b. Tähir.
Veree von ihm an seinen Bruder Ubaidallah. der von seinen Brüdern Abdallah und Sulaimän
in Gefangenschaft gehalten wurde.
Abu Abdallah b. Hamdün erzählt: Muhammed b. Abdallah b. Tähir pflegte dem Muta-
wakkil zwei Monate in Sämarrä Hofdienst zu leisten und dann für zwei Monate nach Bagdad
zu gehen, indem er seine Vertreter in Sämarrä ließ. Bei dieser Gelegenheit nahm er einmal
seinen Bruder Abdal'aziz mit, der in eine seiner Sklavinnen verliebt war und durch Ver-
inittelung des Erzählei-s von dem mächtigen Bruder die Erlaubnis bekam, nach Bagdad zu
seiner Allerliebsten zurückzukehren. Von den Tahiriden sind nur nach Bagdad gekommen
Muhammed, Abdallah. Sulaimän und .Abdulaziz.
Von dem Gründer des 'l'ähiridengeschlechts, Abdallah b. Täh'r. Er ist geboren 182
und wurde vom Kalifen Ma'mün adoptiert und er/.ogen. Sein Sohn Abu Ahmad Ubaidallah
erzählt folgendes: Abdallah kam eines Nachts, nachdem 'l'ähir nach Chorasan abmarschiert
war, betrunken vom Hofe nach Hause, dort brach ein Feuer aus, aber Abdallah wurde
gerettet. Als sein Vater 'Tähir dies erfuhr, sehrieb er ihm einen Brief voll von VorwüHen
über seine Bezechtheit und befahl ihm. nach Chorasan zu konunen. Abdallah schämt sich
sehr und verheimlicht den Brief, der Kalil'e aber erfährt doch davon, nimmt den Sohu gegen
den Vater in Schutz, und go bleibt Abdallah am Hofe Ma'müns. Der Teil des Tähir- Palastes,
' Heerführer unter Ma'mün und Mii'tiisim im Kriege gegen BäLak.
- Tabnri, Index u. d. W. JLCL
Vom Khsterhuch des SdbuMi. "29
der abgebrannt war, hieß Alqubba (def Dom), er wurde wieder aiifgebaut und bestand
bis 293.
\nn dem Feldzug des Abdallah nach Sj'rien gegen Nasr b. Sith im Jahre 209.
l'baidallah b. Abdallah ei zählt auf Autorität von Nasir. .läsir und anderen: Nachdem Abu
AI abbas Abdallah b. Tähir in Sicht von Kaisüm gekommen war, bef'estigto sich Nasr darin.
Kri''gslist des Na>r, Sieg Abdallahs. Die Burg wird gestürmt, .\bdallah flieht, wird abei'
gefangengenommen, zu Ma'mün geschickt und erhält Pardon '.
Abdallah in Ägypten 210 und 211, besiegte den Ubaidallah Ibn Alsari. Bei seiner
Rüokkelir nach Bagdad empfangen ihn die beiden Söhne Ma'niüns, Abu Ishaq und Al'abbas.
Lob Ma'müns über die Uneigen nützigkeit Abdallahs, er habe aus Ägypten nur loooo Dinar,
3 l'ferde und 2 Esel mitgebi-acht.
Abdallahs Expedition gegen BAbek, während einer seiner Brüder Chorasan vei-waltet.
Kr n'istet zum Kriege neun Monate in Dinawar. Da bekommt Ma'mun Nachricht von einem
Aufstande der Ketzer in .^Ihami-ä. Er läßt den Vertreter Abdallahs in der Stadtpräfektur,
Isimq b. Ibrahim und Jal.ijä b. Aktham kommen, schickt .sie zu .\bdallah und beordei't ihn.
sofort nach Chora.san zu ziehen. .\us Nisäbür schickt er eine Depesche an den Kalifen.
die wegen ihres Stils bewundert wurde. Abdallah ist dann bis an sein Endf 15 Jahre in
Choi-asan geblieben '.
Ibn Ouddan civ.ählt nach .\lkhulndi aus dem Privatleben .Abdallahs, wieweit er sich
am .\bend nach Erledigung der Staatsgeschäfte seiner Kleider entledigte.
Nach Ma'müns Tode bestätigte .\lmu'ta.sim den Abdallah als Statthaitor von Chorasan
und den Ishaq b. Ibrähim als seinen Stellvertreter in der Stadtpräfektur von Bagdad. Schreiben
des neuen Kalifen an ihn. Alfadl b. Marwau tritt bei letzterem für Abdallah ein. Scherz-
wort Abdallahs an .Vbn .\rauiaithal'.
Abilallah starb 230, im Alter von 48 Jahren, während des Kalifats vitn Alwathiq. Ahmad
b. .Vbi Du'äd erzählt: Muhammed b. Abdahnalik intrigieri bei Wathlq nach dem Tode .Ab-
dallahs und empfiehlt, den lsh:'iq b. Ibrahim b. Mu.s'ab an des Verstorbenen Stelle zum Statt-
halter von Chorasan zu machen. Der Erzähler dagegen empfiehlt dem Kalifen, an den
Sohn des Verstorbenen, 'I'ahir b. .Abdallah b. Tahir ein 'rr()Stschreil)en zu richten und ihn
zum Nachfolger seines Vatei-s zu ernennen. Und so geschah es. Dem Muhammed b. Abdal-
Almalik wird die .Ausfertigung des Schi-eibens übertragen.
Tahir b. .Alhusain bekommt den Ehrentitel Dhü - .Aljaminaini. Bedeutung desselben*.
Erzählung des Schiiten Gaihän. Alhusain b. Mus'ab erzählt, wie es dem Tähir b.
.All.iusain im Hause des Ali b. Isa b. .Mähan erging. Der Kalife Al'amln hatte diesen Ali
mit Heeresmacht nach Chorasan geschickt, um seinen Bruder Ma'mün zu bekämpfen.
Ihm entgegenzutreten schickte Ma'mün den Tähir b. Husain aus nach Rai, wo .Ali noch nicht
wußte, daß Ihm in "XiHär ein Feind entgegentrat.
' In (lieseiM Bericht weriioii erwähnt AIi|arir. ein Uiwerlitfehlsliaber Abdallahs. Tahif \i. Ibn'ihlni
1). MudriW, ein Vers von '.Anf li. Muhnllini Alkhiiz.Vi (Kitäb alaghAni, Index), Mnhamnied b. Alliasan
l>. Mus'ab (Kiliib ulaghäui, Index). Abdallah soll zuerst die M-bwarzen Kähnen gebraucht iiaben.
' In diesem BiTicht werden noch genannt .la'lä b. Hi^äni. Miihaimiied b. 'Pahir, linider des Al)-
dallah, Ali b. Hisain.
' KitAb alaghäni XV io6.
* Oleic"h 0»»li««u-*Vi )i 'nit Bezug auf Koian 69, 45 OuS^ O. L-U-V Ki'"-' andere Krkläruiig
im Riiiuil I 226, 20.
;{() ^ Sa c hau:
Ubaklallali b. Abdallali b. rnhir erüählt nacli Abdurral.iuiAn b. Fahm oitch seinem Onkel,
wie er den Tähir, als er seine Truppen zur Schlacht ordnete, gefunden habe zwischen den
Reihen hin- und hergehend mit einem Stück Bnit in der Hand und begleitet von einem
Diener, der ihm einen Bleikriig mit Wasser hielt. Dai-aufhin angeredet erklärt er: »Ich
habe drei Tage nichts genossen. Da habe ich gefürchtet, daß mich zu diesem Zeitpunkt
die Kräfte im Stich lassen. Daher." Der Fahnentiiiger im Heere des Ali b. Isa b. Mäliän
war Hatim Allä'i, dei' so dick war. daß vier Knechte ihm in den Sattel helfen mußten.
Im Kampfe spaltet ihm 'I aliir den Kopf.. Ali wird von Da'iid Sijäh getötet. Sieges-
dejjesche des Tahir an Ma'mi'in und Dhü Alri'äsataini (Alfadl b. Sahi). '! ahir geht rjßch
liagdad.
Der Kalife Ma'mün hegt Zorn gegen Muhammed h. Abi Ai'abbäs Altüsi, dieser bittet
Ti'ihir um seine Vermittelung, der ihm erwirkt, daß er vom Kalifen wieder zu Gnaden an-
genommen wird. Bei der Unterredung zwischen den beiden hat der Kalife angefangen zu
weinen, Pähir weiß nicht warum; Durch den Diener des Kalifen Husain und seinen Schreiber
Muhammed b. Han'ui erfähil er, daß die Erinnerung an das Schicksal seines Bruders (.\min)
dem Kalifen die Tränen entlockt hat.
Tähir wird auf Betreiben des Wesirs Ahmad b. Abi Khälid zum Statthalter vuo
Chorasan ernannt, nachdem ei- vorher den Ghassäu b. Abbäd dazu ernannt hatte. Sofoi-t.
an demselben Tage brach T;ihir auf, am letzten Dhu Al({a'da. einem Freitag im Jahre 205.
und kehrte dann (nachdem er Bagdad verlassen) in den Park von Halil b. Hisäm ein.
In Chorasan trieben die schiitischen Ultras, die Surat, ihrUnwesen. Erregte Korrespondenz
darüber zwischen Tähir und dem Kalifen, der ihm mit seinem Zorn droht, 'fähir hält eine
Rede in der Moschee, in welcher sein Postmeister Kulthiim b. Thäbit h. Abi Sa'd eine Hin-
deutung auf die ge=ipannte Situation erkennt. Er fängt an für sich zu turchten, da er Aas
Bekanntwerden der Korrespondenz nicht habe verhindern können. Als der Kalife hiei-von
erfuhr, stellte er seinen Wesir Ahmad b. Abi Khälid, weil er ihm die Anstellung des Tähir
empfohlen hatte, zur Rede. Daraufhin schickte der Wesir dem Täiiir allerlei Geschenke,
darunter eine vergiftete Essigsoße, die jener gern aß. Er genoß davon und starb z^ei
Tage darauf
Tähir war geboren im Mul.iarram des Jahres 159 und starb 207. Nach seinem Tode
litt das Heer von Chorasan an Hunger und plünderte die Magazine Tähirs. Nun ernannte
der Kalife seineu Sohn Talba zu seinem Nachfolger und schickte auch den Wesir Ahmad
b. Abi Khälid nach Chorasan. der ihm bei der Wiederherstellung der Ordnung helfen sollte.
Der Kalife schickt dem Tall.ia reiche !Mi(tel und beschenkt auch seinen Sekretär Ibrahim
b. Ai'abbäs.
15. Das Kloster des Mannes aus Susa. Der Exkurs handelt
Von den drei größten Festen im Islam,
fbei-setzung :
Der Kalife Ahnutawakkil baute sich in Alqädisi.jje ' ein Schloß, genannt Barkuwärä -,
das er, als es fertig war, seinem Sohne .Vlmu'tazz schenkte. Hier veranstaltete er das Fest
der Beschneidung dieses Knaben. Es war einer der schönsten und prächtigsten Bauten
Mutawakkils, der zwanzig Millionen Dirhem gekostet hatte.
S. oben S. 10. '.'■■< <
Hs. \j\Sj- Biizkuwi'n- bei Jn(n'i
Vom Klostf'rimch des Sdhiisti. Hl
Als (ler Beschluß feststand, das Beschneidungsfest für Abdallah Almu'tazz zu feiern,
übertrug der Kalife dem Alfath Ibn Khäqän^ die Ausführung^'er sollte unter den Teppich-
vorräten des Hofes für die Festhalle einen Teppich von entsprechenden Dimensionen aus-
suchen. Die Halle war nämlich loo Ellen lang und 20 Ellen breit. Ein so groljer Teppich fand
sich aber nicht unter den Schätzen des .\bl)asidischen Hofes, sondern nur in der Beute, die
den Omajjaden abgenommen war. Ein Teppich von der Länge und Breite der Halle fand
sich unter den Dingen, die dem oinaj.jadischen Kalifen Hisäm Ihn Abdalinalik gehört hatten.
Es war ein Teppich von Seide, goldgestickt, mit Kand und Futter versehen. Als Mutawakkil
ihn sah, war er ganz erstaunt und wünschte zu wissen, was er wert sei. Man versammelte
nun die Kauf leute, und diese sollen seinen Wert im Mittel auf loooo Denare veranschlagt haben.
Der Teppich wurde in der Halle ausgebreitet und auf der Vorderseite dei-selben ein
Thronsessel für den Kalifen aufgestellt. Vor dem Thron wurden 4000 goldene, mit Edel-
steinen besetzte Tablette, die mit Bildern aus Ambra, Ambre gris und Kampfer gesiiinn'ickt
wai'en und das Bild eines ausgebreiteten Teppichs gewährten. Der Kalife und seine Leute
setzten sich zum Frühstück. Sitzend auf dem Throne ließ er die Geneirale und Offiziere und
Höflinge eintreten. Sie wurden nach ihrem Range placiert. Zwischen ihren Tellern samt
deren Unterlagen war je ein Zwischenraum ^ Dann kamen die Kammerherien mit Körben,
überzogen mit Leder, die zur Hälfle von Denaren, zur Hälfte von Dirhems voll waren. Diese
Geldstücke wurden in diese Zwischenräume geschüttet, bis sie eine gewis.se Höhe erreichten.
Bei den Gästen standen Lakaien, welche si^e im Namen des Kalifen aufforderten zu trinken,
auch möge jeder Trinkende von diesem Gelde drei Handvoll, soviel die beiden Hände faßten,
mit fortnchuieo. Wenn nun ein Gast soviel von dem Gelde genommen hatte ((•), als in
seinen Brustlatz hineinging, darm brachte er es hinaus zu seinen Dienern, übergab es ihnen
und kehi-te in den Fi-stsaal zurück. Und sobald an einer Stelle kein Geld mehr lag, kamen
die Kamnierherren und füllten sie wieder mit (Jeld an wie vorher.
Außerdem verlieh der Kalife allen Anwesenden Feierkleider, und iVir ihre Heimkehr
wurden ihnen Reit- und Lastpferde zur \'erfügung gestellt.
Der Kalifi- gewährte dem Mu'tazz zu Ehren 1000 Sklaven die Fri'iheit, und jedem
<-inzelnen schi^nktc er 100 üirheiti und drei Gewänder.
Auf dem Hofe des l'alastes vor der Ft'sthalle standen 400 Mädchen (!')'. bekleidet mit
allen Art<-a von Gewändern, und vor ihnen 1000 Körbe (;')' von Baumfasern, in denen sich
alle Ai-ten von Früchten befanden. Zedrats rmd Oi-augen, nbgleich sie damals gerade sehr
i-ar waren, ferner syrische .\pfel, Zitn)nen und 5000 Bukette von Narzissen, loooo Bukette
von Veilchen.
Der Kalife befahl dem Fath Ihn Khaqän. daß er den Mädchen (1') •', den Lakaien und
Dienstboten des Palastes austeilen solle, was er für sie Vdrbereitet hatte, nämlich 20000 Millionen
Dirhem. Zunächst wagte keiner, sich etwas davim zu nehmen, dann aber nahm Fath einen
Dirhem, darauf stüizte sich die Menge auf das Geld, und es wurde alles zur Beute.
Frau (^abiha, die Mutter des Mu'tazz. hatte befohlen Dirhems zu prägen mit der Auf-
.schrifl Segen vdu Gott zur Beschneidiing des Abdallah Almu'tazz-billah. Eine Million davon
' Wkii., Gesrhichte «ler Kalifen II 368.
' D. li. zwischen den Gedecken von je zwei Personen.
' Text <i;:'
* 'l'ext <jt_, .
' Text zM.'!
|{*2 S A c n A u :
wurde geprägt und wurde verteilt unter die Barbiert- und 1-cute ähnlicher Kategorie, Lakaieil
und Knechte, das Palastpersonal, S[)e7,ialdieiier, Weiße wie Schwarze.
Die zu diesem Feste geladenen (läste waren die Prinzen Mul.iammed Ibn Alrnuntasir,
Abu Ahmed und Abu Sulainii'in die Söhne des Rasid, Ahmed und Abbas die Söhne des
Mu'tasim. !Mus!'i der Sohn des IMa'mün.
Ferner die beiden Söhne des Hofmannes Hamdnu, Ahmed Ibn Ai)i lin'aiin, Alhusaiii
Ihn Aldahhiik. Ali Il)n Alsiahm, Jahjii der Astronom und sein Bruder.
Femer von den Sängern '.\mr Ihn Bäna, Ahmed Ibn Ali-AralA, Ibn .\Il.afsi, Ibn
Almakki, Salmak, Ath'ath, Sulainiän Altabbäl, Ahnasdud, Abu Hasisa, Ibn .\lqassär, .Salh
.Vldaffi'il'. Zunam Alzämir, Tuffi'il.i .\lz;'iniir, und von Säng<;rinnen .\rib und ihre Sklavin Bid'a,
Saräb Särija und ihre Sklavinnen Nadmän, Mnn'im, Nai^la, l!arkij.ja, Farida, 'Irfiin.
Ein Berieht von Ibrähiui Ihn Alinudabl)ir': Zum Beschneidungsfest für Mu'tazz ver-
sammelten sich die angesehensten dei- Gelehrten vor dem Kalifen, unter ihnen JahjA Ibn
Khaqan und sein Sohn Ubaid-AUah, damals Wesir, stehend unter den Dienern in Ilock
und Gürtel. Dieser Jahja war kein Weintrinker. Nun befahl der Kaufe seinem Sohn Ubaid-
Allah: "Nimm einen von diesen Beehern, fiiUc ihn mit Wein, leg eine Serviette auf deine
Schulter, geh zu deinem Vater Jahjä, und gib ihm den Becher in die Hand.- .\lso geschah
es. Jalijä blickte seinen Sohn an (wörtlich: J. erhob sein Haupt zu seinem Sohne), der
•Kalife aber (der zugegen war) sprach: «O Jahjä, lehne den Becher nicht ab.« Letzterer
antwortete: »Nein, o Fürst der Gläubigen." Dann leerte er den Becher und sprach: -Groß,
o Fürst der Gläubigen, ist deine Gnade gegen uns. Gott möge dir viel Gnade erweisen
und uns nicht der Gnade berauben, die er uns durch dich erweisen laßt.« Dai-auf er-
widerte dei' Kalife: -O Jahjii, mein Wunsch war nur der, daß dich am Fest der Be-
schneidung eines Kronprinzen ein Wesii' in Gegenwart eines Kalifen bedienen sollte. -
Ferner eraählt Ibrahim Ihn .Al'abbäs': Ich erkundigte mich bei dem Barbier Abu
Harmala nach diesem Festtage und sprach: »Wie viel hast du bekommen, bis es zur Tafel
ging'.'" Er erwiderte: »Etwas über 80000 Denare außer dem ( ie.schracide, Ringen, Juwelen
und (:')='.,,
Derselbe erzählt: Mutawakkil xerwcilte drei Tage in Barkuwarä. Dann zog er hinauf
nach seinem Schloß .\lga'fari. Er ließ den Ibrahim Ibn Abbäs kommen und befahl ihm, die
Keciuiung über die Kosten des Beschneidungsfestes aufzustellen und ihm einzureichen. Da.s
tat er. Die Rechnung belief sich auf 86 Millionen Dirhem.
Man pflegte die Summen, die .\ll.iasan Ihn Sah! I)ei Gelegenheit dei' Hochzeit ' seiner
Tochter Büräu verausgabte, für enorm zu halten bis zu dem Grade, daß es in der Literatur
vermerkt wurde. Dies Fest hieß das Fest (wörtlich die Einladung) des Islams. Darauf
kam dann das Fest des Kalifen Mutawakkil, das alles frühere in Vergessenheit geraten ließ.
Die l)erühmtesten Feste im Islam waren drei. Dazu gehört das oben beschriebene Fest der
Beschneidung des 3Iu'tazz. Dazu gehört auch das I'est der Hochzeit dei- Zubaida, Tochter
des Ga'far Ibn Abi Ga'far, denn der Kalife .Vlmahdi verheiratete seinen Sohn Ilärün Alrasid
mit Umm (iaTar (Zubaida) der Tochter seines Brudei-s. Ihr bereitete er Hochzeitsgeschenke,
dergleichen nie zuvor ein Weib bekommen hatte. Mobiliar. Kästen von Edelsteinen, Geschmeide,
' Günstling des Kalifen Mutawakkil; Kiläb alagliäiii. Index.
^ 1). Muhamined b. Sul. Kit:ib al;igli;'ini IX 21 fl'.
■' Text oIaJIj
' Zu dieser Hochzeit vgl. Tabaii III 'I S. 1082- 1084.
Vom Klostfrbueh des hälmiti. '^ '.]
Kronen und Kränze von Silber und Gold, strahlende Damengemächer, Wohlgerüche, Ge-
wänder. Auch schenkte er ihr das Prachtgewand' der Ubaida, der Tochter des Abdallah
Ibn Jazid Ibn Mu'äwija, der Gemahlin des Kalifeu Hisäm (Ibn Abdalmalik). Man hatte im
Islam nichts gleich Schönes gesehen, nichts gleich den Perlen, mit denen es geschmückt wai-.
riier Nacken und Brust trug sie zwei Reihen von roten Rubinen, und am übrigen Leibe
große unvergleichliche Perlen. Sie wurde mit Rasid vermählt im Monat Muljarram A. H. 165
in seinem Palast, genannt Alkhuld. Bei der Gelegenheit hatte er Gäste von überallher ein-
geladen und verteilte unter ihnen gewaltige Summen. Man legte die Denare in silberne
Bechei-, die Dirhems in goldene Becher, die Schachteln von Moschus, die Dosen von Ambra
und Ghälija in gläserne Schalen und verteilte das über die Gäste. Auch bekamen sie Feier-
kleider mit eingewebten Ornamenten. In dieser Nacht brannten vor Ra.4id Ambrakerzen
in goldenen Leuchtern. Auch die Frauen der .\liden (der Bant*i Hasim) waren eingeladen.
Jede einzelne von ihnen erhielt einen Beutel Denare, einen Beutel Dirhems und eine große
silberne Schale mit Wohlgerüchen. Auch bekamen sie Festkleider mit schwerer Stickerei,
dergleichen bis dahin im Islam unbekannt waren.
Die Kosten dieser Hochzeit teliefen sich auf 50 Millionen Dirhems aus der Spezial-
kasse des Kalifen, abgesehen vi>n dem, was Rasid aus seinem eigenen Vermögen j^egeben hatte.
Die Zubaida hieß eigentlich Amat-Al'aziz, während Zubaida, d. i. B.uttei klümpchen, ihr
Beiname war. .\.ls sie klein war. ließ Abü-Gafar sich von ihr was vortanzen, und da sie
fett war und er zu ihr sagte: -Du bist nur ein kleines Butterklflmpchen, du bist nur ein
kleines Butterklümpchen«, so wurde dies Wort ihr Name.
Das dritte der größten Feste im Islam war die Hochzeit' des Ma'mün uiit Bürän, der
Tochter des Hasan Ibn Sah!, die in Fam-alsill.i stattfand. Die Kosten derselben waren
enorm. Ma'mün fragte die Zubaida. wie hoch sie die Kosten der Hochzeit schätze, worauf
sie erwiderte: »Zwischen 35 und 37 Millionen.» Als Hasan Ibn Sahl dies erfuhr, sprach
er: -Die Kosten wurden von Zubaida bestritten. Wir haben 35 Millionen ausgegeben, ^>s
waren täglich, abgesehen von anderen Lohnausgaben, über 30000 Schitfer zu besolden'.'
Bi'irnn zog ein in den Palast, den Ma'mün ihr in Fam-alsilli am l'fer des Tigris ge-
baut hatte, am 8. Ramadan A. H. 210. Ma'mün gab der BnrAn einen Brautscliatz von
100000 Denai-eii und 5 Millionen Dirhems. Kr ließ in der Hochzeitsnacht drei Ambrakerzen,
die einen mächtigen Rauch verbreiten, voi- sich brennen. Da sprach Zubaida: »Es ist bis-
her der Prachtentfaltung genug geschehen. Nehmt die Ambrakeraen weg und bringt die
Wachskei-zen.' .\ls Bürän vor ihi'em Bräutigam Ma'mün entschleiert wurde, streute er über
sie große Perlen, die ei- in seinem Brustlatz hatte: sie fielen auf ein goldenes Parkett, auf dem
er stand, und hei der Gelegenheit sprach er: Gott segne den Hasan Ibn .Alhäni'* für den Vers:
■ Als ob kleinere und größere von den Blasen (im Wein) wären.
Kleine Perlenkiesel auf einem Buden von Gold.«'
Die anwesenden tiäste enthielten sich, etwas von den Schätzen zu nehmen. Da sprach
Ma'mün zu seiner Braut: -Bediene dich.- Da streckte Zubaida ihre Hand aus und nahm
eine Perle, und darauf nahmen die anwesenden Gäste das übrige.
' Text io,, s. De Goeje, Bibliotheca Geographorum Arabicorum IV^ S. 186.
» Vgl. l.la'liai-alkuniait, Bairüt 1873 S. 59: Taban III " S. 1081 11'.
' .S. Käniil 1 174, 19-
* Abu Nu As.
Diwan des Abu Nuas, ed. Kairo 1277 S. 132.
Phil.-hüt. Ahh. 1919. Nr. 10.
34 S A (' II A II :
. Der Name der BnWin war Kliadijjf. Sie starb im .Tahrc 271 während der Regierung
des Kalifen Mti'tamid im Alter von 80 Jahren. Ma'mrin beklagte ihren Tod mit fol'^enden
Versen:
»() ihr beiden, helft meinen Augen weinen.
Nach dem Tode des Mei.stcrs bin ich Beute dei' ."^orge gewoitlen.
Ich pflegte auf das Sehicksal loszustiirnii'ii. als aber er starb.
Fing das Schick.sal an auf mich loszustürmen.«
Ihn Khurdiidbih berichtet über die Prachtbauten des Mntawakkil', eine Geldprägung
und ülier eine Krankheit von ihm.
16. DasThomaskloster inSämarrä. Verse von Alfadl b. Al'abbäs b. Ahna'mün '. DcrKalile
Almu'tazz verirrt sicli auf dei- .lagd. wird von dem Gefolge getrennt und kommt mit Alfadl
und .Tnnus b. Bugha nach diesem Kloster, wo er von dem Mönche aufgenommen und be-
wirtet wird. Als das Gefolge nachkcmimt, merkt der Mönch erst, wen er bewirtet hat.
Der Kalife ließ' ihm 50000 Dir-liem schenken und kehrte seitdem noch wiederholt in dem
Kloster ein.
Almu'tazz wai- ein Dichter, ein sehr schöner ^lensch, .sehr befreundet mit Jünus b.
Bughä. Nach '.\rib war der Kalifo Al'amin ein schöner Mann gewesen, und nach Ahmad
b. Alxlallah 1). IsmA il Almarakibi habe Mu'tazz etwas von ihm gehabt.
Verse \ on ilu'tazz für und übei- seinen Günstling .li'mus b. Bngha. Anekdoten über
ihren Verkehr. Hei einem Gelage schenkt der Kalife dem Sänger .\l4ass;'ir^ j»« ilaj il j^;'l,'j
DbJU IfJ) jLj ifU, von denen jeder die Aufschrift trägt: j^„\ iUji J->|-1>. jl:.^)! li» _,^,:,
^•ujI- jiJ.1 c>U}ll •
Erzählung des Harun b. Aljdul'aziz b. Almu'tamid nach dem Schreiber seines Vatei-s,
Sa'id b. Jüsuf: Ersterer war Verwalter der Garderobe des Mu'tazz und suchte stets das
Schönste für Jüsuf b. Bughä aus. \'on Masrür Alnm'tasimi und wie Jünus den Eraähler
Vjeschenkte.
Almu'tazz empfing die Huldigung als Kalife am 3. Muharram 252, wurde abgesetzt am
27. Ragah 255 und fünf Tage später getötet im Alter von 24 .lahren. Seine Mutter Qabiha
hatte ihn gegen die türkischen Pi'ätorianer aufgehetzt und ihm das blutige Hemd seines
Vaters Mutawakkil gezeigt.
Die Störung einer Hofgesellschaft oder
Das Haupt auf der Schüssel.
("bersetzung:
Ahnied Ibn Hamdün erzählt wie folgt: Der Kalife .\lmu'tazz' ließ in dem Hofe des
Palastes Algausaq, dei- der Vollkommene genannt wui-de. einen Pavillon (wörtlich: ein
Haus) bauen, dessen Plan seine ^lütter ((,)abil.ia) entworfen und dessen Mauern und Dächer
' S. Jä(|rit 111 17, 18 11. d. W. Sämarrä.
- Kitab alaghaiii, Index.
•* Vgl. Ibii Alqasseu' ijii Kita!) alaghaiii. Index.
* D. i. Tresoi-Denarc, von denen einige den Weil von 100. andero den Wert von 200 De-
naren hatten. Aufschrift: ■■ Dieser Denar ist geprägt im Schlosse Algaii«aq für den Tresor des Fürsten
der Gläubigen Almu'tazz-Bilhili."
^ Mu'tazz war ein Sohn. Mnsla'in ein Brnderssohn von Mutawakkil. die beiden Männer also Vetlern.
Vom Ktostcrlmch rlea Sdlmsti. 35
sie mit Bildwerk hatte scliiiiücken lassen, das schönste von Bauwerk, das man Je gesehen
hatte. Nun lud uns der Kaufe eines Tages 7,u sich ein, wir verlebten den frühesten Tag.
den man sich nur denken kann, während hinter dem \orliange eine Sängerin die schönsten,
mir unbekannten Weisen vortrug. In diesem Zustande sahen wir nun einen Diener zu
unsei-er Gesellschaft hereintreten, der in der Hund ein Tablett und darauf einen Deckel
trug. Er setzte das Tablett mitten im Zimmer nieder. Der Kalifo hielt einen Trinkbecher
in der Hand, er trank und wir taten desgleichen. Dann sprach er zu dem Diener: «Heb
den Deckel auf.« Das tat der Diener, und siehe dal .\uf dem Teller lag das Haupt des
Almusta'in '. Da ich nun über diesen Anblick anfing zu schluchzen und zu weinen, redete
mich der Kalife an: »O Hurensohn, was soll das heil3eni' Hast du etwa Mitleid mit ihm;'«
Nun kam ich wieder zu mir. riß mich zusammen und sprach: »Nicht aus Mitleid weinte ich.
sondern weil ich an den Tod denken mußte.« Er befahl dann dem Diener, den Deckel wieder
aufzusetzen und das Tablett fortzunehmen. Was geschah. Des Kalifen aber und aller An-
wesenden hatte sich eine Abspannung bemächtigt, und mit all unserer Freude war es vorbei.
Während wir nun so dasaßen, hörten wir plötzlich einen Lärm hinter dem Vorhang,
der uns erschreckte, die Stimme einer Frau, welche schrie, und die Stimme einer zweiten
Krau, welche die Schreiende beschimpfte. Die Schreiende rief: »0 ihr Leute ihr habt mich
mit Gewalt ge[>ackt. und nun bringt ihr mir das Haupt meines Herrn und legt es vor mir
hin.« Darauf hörten wir, wie eine Laute ihr, der Schreienden, an den Kopf geschlageji
wui-de. Soweit der Erzähler. Das Weib, das geschimpft und gesehlagen hatte, war (^)abiha
(die Mutter des Kalifen), das Mädchen aber war eine von den Sklavinnen des (ermordeten
Kalifen) .\hnusta'in.
Der Erzähler fährt fort: In ti-aurigster X'erfassnng gingi'U wir von diesem Hoffeste
nach Hause, voll Bitterkeit über das Erlebte. Nui- wenige Tage später geschah es, daß die
Türken iil)er den Kalifen herfielen' und ihn ermordeten. Wir wurden nun wieder zu Hol'
geladen, um seine Leiche zu sehen. Wir fanden ihn in demselben (i>henenvähnten) Pavillon.
in der Mitte des Raumes ausgestreckt, tot-
17. Das .loliannesklosti-i'. \'ei'Sf von 'Anir b- .\bdalmalik .\UvarrA(|, einem festen Trinker
und kühnen Li'bemann.
18. Dair Dubä'a. Ein i'inziger Vers zum Lobe desselben.
19. Das Oberste Kloster. Verse von Altharwäin". .Vis der Kalife Ma'nn'in nach Da-
maskus zog, verwellte ei' einige Tage in diesem Klo.ster und erlebte dort die l'almsonntag-
feier der Christen, die ihn sehr entzückte. Bericht d(« Sängers Ahmad h. Sadaqa. Der
Kalife macht N'erse übei- diese Feier-, welche .\l.mrad irnd eine Sänger-in Nir'm ihnr vor-
singen nrüssen. Der Kalife und .\ljazrdr.
Die tapfere Trau des er-inordeten tiegners.
Übersetzung:
Nel>en dieserrr Kloster (dem Ober-sterr Kloster in Mosul) liegt das Gr-ab des Ann- Ibii
.\lbaiiii(| vom Stamme Khuzä'a ' und damit zusamurenhängend eine Moschee, welche die
' Des Vorgärigiifs de« Mii'tii/.x im Kalifat.
^ Seine .Mutier Qabiim herzte ihn gegen die tür-kischerr Prätorianer ruid zeigte ilnn das blirtige
Hemd seines Vatere, ihres üernahls Alutawakkil. Der Sohn aber bat sie: »Ninrni es weg, es könrrtctr
sorrst leicht aus dem einen bliitigeri Henrd zwei wer-deri.« Tnd so gesohali es.
3 Vgl. Tabari II > S. 127, i-'8.
5*
36 S A eil A i; :
Hanidaniden gebaut hatten. Dieser Aiiif war ein Zeitgenosse des Propheten und ein An-
hänger von Ah' Ihn Abi Tälib, mit dem er in allen seinen Schlachten gekämpft hatte. Mu'äwija
hatte lange Zeit nach ihm gefahndet, während er von einem Ort zum andern tloh. dann aber
wurde er in Mosul eingriffen zu einer Zeit, als er an Wasser.sucht litt und schwer krank
war. Derjenige, der ihn entdeckt hatte, war Abderrahman Ibn Umni Alliakam ' vom Stamme
Thaqif, ein Schwestersohn von Mu'äwija. Der setzte ihn gefangen in einer Höhlezu Mosnl,
ließ ihn töten und seinen Kopf zu Mu'äwija bringen. Die.s war der ei'ste Kopf, der im
Islam von einem Ort zum andern geschleppt wurde. Sein Körper wurde an der oben-
genannten Stelle beerdigt.
Seine Frau, die Amine. 1"ochter des .\l§arid, war auf Befehl Mu'äwija'.s lange Zeit
in Damaskus gefangengehalten worden. Als das Haupt ihres Gemahls nach Damaskus kam,
schickte Mu'äwija es an Frau Amine ins Gefängnis und sprach zu seinem Boten: -Wirf
ihr das Haupt in den Schoß und merk dir, was sie sagt.« Als sie es sah, war sie erschüttert,
neigte sich über dasselbe imd küßte es. Dann sprach sie: "Wehel Wehel Lange habt ihr
ihn in schmachvoller Gefangenschad gehalten und nun bringt ihr ihn mir — gemordet. Ein
Willkommen ihm, den ich liebte und nicht vergesse.» Sag Mu'äwija in meinem Namen:
"Möge Gott deine Kinder zu Waisen machen, möge er dir deine "Verwandten entfremden
und dir deine Sünde nicht \ergebenl- Mit dieser Botschaft ging der Bote zurück. Darauf
ließ Mu'äwija die Frau holen und empfing sie im Beisein von Leuten, unter denen sich Ijä.s
Ibn Surahbil befand. Dieser Mann hatte wegen seiner dicken Zunge arg hervorstehende
Mundwinkel. Nun sprach Mu'äwija zu der Frau: »0 du Feindin Allahs, hast du das gesagt;'-
Sie erwiderte: »Jawohl, ich leugne es nicht und entschuldige mich nicht darob. Wahr-
haftig, ich habe mit Inbrunst gebetet (daß Gott meinen Flucli erfüllen möge) und bete weiter
mit Inbrunst, wenn Gott will. Aber hinter allen INIenschen st'iht Gott (als obei-ster Herrj.«
Als nun Mu'äwija ihr Schweigen gebot, sprach Ijäs: -Laß die da töten. Ihr Mann war nicht
mehi' todesschuldig als sie. » Darauf die Frau: »Was willst denn dul Wehe dir! Zwischen
deinen Mundwinkeln sitzt etwas wie die Gestalt eines Frosches. Du heißest ihn. mich zu
töten, wie er meinen Gemahl getötet hat. Er will nichts als Tj'rannei auf Erden ausüben,
und will von Frömmigkeit nichts wissen." Darüber lachte Mu'äwija und die Anwesenden.
Ijäs aber fühlte sich deutlich beschämt. Nun sprach Mu'äwija zu derFiau: »Verlaß mich.
Ich will nicht mehr hören, daß du noch in Syrien bist.« Darauf die Frau: -Ich werde dich
verlassen. Syrien ist mir nicht \'aterland, ich habe dort weder Verwandtschaft noch Freund-
schaft, bei der ich einkehren kann. Großes Unglück hat es mir gebracht, keinen Segen.
Ich kehre nicht zu dir zurück und werde dich nirgends, wo ich auch sein mag. preisen. -
Als nun Mu'äwija ihr mit der Hand andeutete, daß sie fortgehen sollte, sprach sie: »Es
i.st doch merkwürdig, daß Mu'äwija die Spitze seiner Zunge auf mich richtet und nur mit
seinem Finger eine Weisung gibt.» Als sie fort war, sprach Mu'äwija : »Man soll ihr soviel
geben, daß sie Schweigen über mich bewahrt, bis sie nach ihrer Heimat kommt.« Sie nahm
nun an sich, was er ihr geben ließ, und reiste ab in der Richtung nach Küfa. Als sie aber
bis nach Hirns (Emesa) gelangt war, starb sie.
20. Das Jonaskloster. Vei^se von Abu Sa's. einem berühmter Weindichter, der viel
in den Klöstern verkehrte.
21. Das Dämonenkloster. Verse von Alkhabbäz Albaladi.
' .S. Taliiin. Index; Usd-alghaba 3, 287.
\ 'om KlosUrburh des SäbuMi. 3 7
Als Abbadii von Mutawakkil nach Mosul veibannt war. vcrkehrti- er in diesem Kloster,
verliebte sich in einen jungen .Mönch und verfiihite ihn. Daraufhin wollten die Mönche
ihn töten, von der Uölie des Klosters in die Tiefe stürzen. Er entzog sich dem durch
die Flucht.
Dieser 'AbbAda, bekannt durch seineu sclila}i;fertigen \Vitz. war Sohu eines Kochs
des Kalifen Ma'nn'iu. Er kam wegen .seiner Redefertigkeit in Gunst lei Ma'nnin. Die.sei-
schickt ihn zu seiner Schwester Zubaida. damit sie sich über ihn amüsieren .soll. Er kommt
bei ihr in große Gunst.
Maniün l)elieh!t eines Tages, daß jeder seiner Kumpane einen Topf mit Fleisch kochen
solle. Bei dem Vei-such hat der Topf seines Bruders Abu Isl.iäq, des späteren Kalifen
Mn'tasim. den schönsten Duft. Abbada ist darauf neidisch, rät ihm gewisse Ingredienzen '
hineinzntun. Das geschieht, und nun verbreitet der Topf einen scheußlichen Gestank, •über
den der Kalife sich aufhält. Als dann Mu tasim den Thron bestiegen hatte, schickte er den
Abbäda in die Verbannung. Von Wäthi(| zunickberufen, wurde er wieder Hotinanii bei ihm
und seinem Nachfolger .Mutawakkil, letzterer verbannte ihn von neuem nach 31osul. .Abu
Häzim .\lfaqib er/,ählt Prol>en des zum Teil nicht ganz i-einlichen Witzes des Abbäda im
Verkehr mit seinen Glänbigei-n von kW b. Ibrahim .\lghann-i, dem Richtei- von Mosul: mit
Mutawakkil, Ihn liamdün. Di'bil, Sa'd I). Ibrähini Alkälib, .\bü Harmala dem Barbier, noch-
mals mit Muta» akkil und dem Richter Jahjä b. .\ktham nach der Eraählung von Ali b .Jal.ijii
.\lmunaggim. Erzählung des Richters .\bü Häzim in Damaskus hei Ihn Mudabbir-, letzterer
macht ihm eine Mitteilung aus einem Briefe, den er von seinem Stellvertreterin Sämairä. Sa'id
.\lraykh erhalten hatte von einer Begegfnung des letzteren mit Mi'isä b. Abdalmalik •' am
Hofe des Mutawakkil. Mü.sä wird im Woi-twechsel abgeführt von Abbäda durch eine Hin-
deiitung auf das Geld, das er in Damaskus sich angeeignet hatte.
32. Das .Safrankloster. \'er-sc von Mns'ab .\lkatib. der hauptsächlich über Knaben-
liebe dichtet.
23. Das Kloster des Klausners. Verse von Allubbädi. mit vollem Namen Abu Bekr
.\hmed b. Muhammed, so genannt, weil er stets über seinem Gewände einen roten Inbbäd
(Filzrock) trug, der sich v(m unten l)is oben in Rot kleidete und sein Gesicht mit rotem INjii
bestrich. Begegnung zwi.schen dem Dichter und dem Statthalter von Ai-dabil, .\bii .\li
.VlawärajH- Verse aus der Qa.side des Lubbädi über .\hmed b. .\tlia.san .\lmädar;ii*. Der
Dichter besingt den Emir .^bü .\lqasim Jnsuf b. Dewdäd b. Ali .\lsäg und den Xhü Hekr
Muhammed b. .\hmad, den Schreiber des .\f.sin. Sein .Aufenthalt i)ei .\lgahbad.
24. Das Kloster Fiq. Verse von Abu Nu'as aus einer (^aside, die er an einen ge-
liebten christlichen Jüngling gerichtet hatte.
25. Dair .\liür. Verse von .Muhalhil b. .lamüt b. .\Imuzarri'''', einem berühmten Lebe-
mann, der üljer Wein und seine Liebe zu einem christlichen .Jüngling dichtete. .Sein voller
Name lautet .A.bi"i Nadia Muhalhil b. Jamut b. .\lmuzarri' b. .lamüt b. Mi'i.sä b. l.Iukaim b.
Gabala AI'alKli.
> S. Tabari, Index u. d. W. jA\ ^ ^jk\j\
' S. Tabari, Index.
« Klt&l> alagliruii XVII 4.
" Ibn Ktiallikiin Nr. 844, S. 113, 10.
38 S A c H A i; :
Der letztgenannte Ilukaim ist eine historisciie Persönlichkeit. Als im Jahre 57 A'isa,
Zubair und Jallia im Kriege gegen AH sich der Stadt Basra bemächtigten, töteten sie die
AVächter des Schatzhauses. 70 Mann, die in jeder Beziehung unschuldig waren, und den
von Ali eingesetzten Statthalter rtliuiäu b. Hunaif Alansari packten sie. rissen ihm den
Bart aus und wollten ihn umbringen. Nun erhob sich Ijlukaim und sprach zu seinen
Leuten: »Ihn Hunaif steht unter unserem Schutz. ^Venn er auch nicht unser Emir wäre,
würden wir ihn verteidigen, weil er unter unserem Schutze steht und wegen seines An-
sehens bei dem Boten Gottes. Wie nun, da doch das Recht auf seiner Seite ist und er zu
uns gehört!' Der Lebende muß sterben, der Tote wird zur Verantwortung gezogen. Jetzt
heißt es: Entweder in Ehren sterilen oder in Freiheit leben I« Seine Leute, 300 Mann,
folgten ihm. Verse von Abu Umaj.ja Al'asamm. Ilukaiiii grifi' an. Tallia und Zubair
führten die 'A'isa mit sich auf einem Kamele- Daher wird dieser Kampf der kleine
Kamelstag genannt. Kampf der 300 gegen die 12000 der Feinde. Hukaim drängt sie
zurück bis Sikka. Er wird schwer verwundet ' und dann samt drei Brüdern getötet. .Sein
Stamm, die Rabi'a, wurde aus Basra vertr'eben. Verse von ^[uhalhil.
26. Dair .\lbukht. Der .\bbaside Ali b. Abdallah h. Abbä.s hatte hier einen Garten.
als er in Damaskus lebte.
Bericht von Ali b. Äluhammed b. Abi Saif Ahnada'ini: .\bdallah b. Abbäs kaufte eine
Berbersklavin und zeugte mit ihr einen Knaben, den erSalii^ nannte und in seiner Familie
aufwachsen ließ. .Als dann Ali b. Abdallah nach Syrien zog, ging Salit mit ihm und diente
ihm bis zum Tode des Kalifen Abdalmalik. Sein Nachfolger Ahvalid war gegen den Ali
b. Abdallah eingenommen. Feinde von ihm hetzten den Salil gegen ihn auf und veranlaßten
ilin, die Rechte eines Sohnes des Abdallah b. Abbas zu beanspruchen. Auf Beti-eiben des
Kalifen Walid kam es zum Prozeß zwischen den beiden vor dem Richter von Damaskus.
Saht bewies seine Abstammung durch Zeugen und wurde \on Walid als echter Abbaside
Jinerkannt. Dann prozessierte er gegen .\h' b. .\bdallah wegen der Erbschaft, worauf letzterer
für gut befand, ihn als vollberechtigtes Mitglied in seine Familie aufzunehmen. Von da an
half er dem Ali bei seinen Geschäften.
Eines Tages ging .\li nach seinem Garten hei Dair .\l})ukht, wo er .\rbeiter hatte,
unter ihnen den Abu Aldann aus der Familie des .Abu Riifi'. eines Fi-eigelassenen des Pi'opheten.
.\ls Ali bereits nach Damaskus zurückgekehrt war. entstand ein .'^ti-eit zwischen den Arbeitern
und Sali'i. sie erschlugen ihn und verscharrten die Leiche. Seine Mutter geht der Sache
nach, es wird in dem Garten gegTaben : die Leiche wird gefunden und .\lt b. Abdallah des
Mordes angeklagt. Er wird auf Betreiben Walids verurteilt, wird öffentlich gepeitscht und
in einem schmachvoileu Aufzuge durch die Straßen geführt auf .\nraten des Gouverneurs
von Medina, Otiiar b. Abdul'aziz. des Vetters des Kalifen. Ein Freund Alis. Ibad b. Zijäd
eilt zum Kalifen und legt Fürsprache für ihn ein. Daraufhin wii-d .\li nach der Insel
Dahlak-' verbannt. .\!s er aus Damaskus abgeführt wurde, trat des Kalifen Bruder .Sulaiman
b. Abdalmalik für ihn ein. infolgedessen er dort, wo ihn die Botschaft traf, in .Mfar'ä. ein-
gekerkert wurde und blieb, bis .Sulaiman zur Regierung kam, der ihn befreite. Er ließ
sich nieder in All.iumaima in der Beli|a und verkaufte seinen Garten bei dem Kloster Dair
.\lbukht an die Prinzessin Fntima, Tochter des Abdalmalik.
1 Ülier seinen Tod .s. auch Tabari I ^'.30.31.
'■' Die Salit-Geschäfte s. bei Wkii,, Geschichte der Kalifen IL 31. Anm.
■' Gegenüber von Masawa, dem Cajeinie der Omajjaden, vgl. Ibn Qutaiba, Liber poeseos et
poctaruin S. 349, 6.
\'a/H KJosti'rhtich des SdImMi. 'M^
Abdaliiinlik liiitte in srinem Testament seinem Sohne und Nachfolger Walid drei
Pei-sonen ans Her/, gelegt, den Ali b. Ahdalläh. seinen eigenen Bruder Abdallah, Statthalter
von Ägypten und seinen ( )nkel Muhammed h. !Marwän. Statthalter von Mesopotamien. Das
ei"ste. wa-s Walid tat. war, daß er seinen liruder aus Ägypten entfiRrnte und durch (,)urra
h. Sarik ersetzte, daß er seinen Onkel aus Mesopotamien entfernte, und daß er Ali zweimal
peitschen ließ. Als dann die Ahbasiden zur Heri'schaft kamen, fanden sie in den Schatz-
häusern der Marwaniden ein Schreiben von Sulaiman 1». Abdalmalik. in den) er den Walid
um Schonung für Ali b. Abdallah bittet. Djes war der Grund, warum die Gebeine Sulaimans
nicht aus ihi°em Gral>e in Däbiq herausgerissen wurden, während die (iräher aller übriieu
Nachkommen von Harb zei-stört wurden.
Der erste Heerführer der Abbasideu und Bi-gründer ihrer Macht Abu Muslim be-
hauptete von diesem Saht abzustammen und behauptete in der letzten CntiM-redung uu't dem
zweiten Abba.siden-Kalifea Man§ur. bevor er ermordet wurde, daß dessen Brudei' Ibrähiiu
b. Muhauuutd es ihm gesagt habe, wähi-end Mansür behauptete, daß er von einem IJarbaren
in Ispidian abstaumie.
27. Zakchäuskloster. Verse von Alsanaubari über das Kloster und über Raqqa,
vielmehr die beiden liaqqas. Auch Verse vom Kalifen Häri'in .\lrasid. Als er von
.\lniliqa nach liagdad zog, ließ er seine Frau, die Mutter desMu'tasim. Märida dort zurück.
El- schrieb ihr in Versen, und seine Trau ließ ihre Antwort auch in Versen abfassen.
Duraufhin ließ Ilun'm sie nachkommen. Si\\\\\ .Alturki. ein Diener des Mn'tasim. I>erichtet
von der Liebe Haruns für Märida.
Harun, ein tüchtiger Dichter, besingt meistens die Liel«; zu seinen Mädchen. ^'eI•se
von ihm. auch über die Helene k'Xm- die Sklavin seines Bruders Hä<li.
Härün war geboi-en in Hai zu Anfang des .Tahres 148, genährt von der Mutter des
Itarniakiden Alfadl b. Jahjä, der siel>en Tage früher geboren war. Kr bestieg den Thron
am Sonnabend, den 16.. Habi' I. im Jahre 170. In derselben Nacht wurde sein Sohn Abdallah
-Xlma'mün geboi-en von einer .'sklavin Marägilu. Härün starb zu Sindäbäd im Gebiet von
Tüs. 45 .lahi-e alt. am Sonnabend, am 14. Gumädä II. 173.
28. Sergiusklost^-r. Verse von Ihn .\bi T'd'b Almakfüf .\hväsili. Der Inlialt des
Kxkui-ses bereits oben S. 15 mitgeteilt.
29. Kloster des Ihn Mazü(|. Vei-se von Muhannued b. Abdei'rahuiän Altharwäni aus
Küfa. einem großen Dichter, der nur über Wein- und Knabenliebe sang, großem Säufei-.
der eines Tage.s in einer Weinschenke tot zwischen zwei Weinscbläucheu gefunden
wurde.
30. Das .Sergiuskloster. Verse von .\bü Nu'äs und Alhusain b. Aidal.il.iä(|.
31. Die Bischofsklöster. Vei-se von .\li b. Muhammed Alhimmäni Al'alawi und Abu
NuVis. Als HaSid auf der Heimfahrt von der Pilgerfahrt in Hii-a einkehrte, besah s<'iii
Begleiter, der Bamiakide Ga'far b. .lahjä. die .'^chloßruine von Alsadir und entdeckte an
derselben eine Inschrilt über den l*ntergang der I.akhniidenherr-sehart. was ihn zu trüben
Gedanken über sein eigenes Schicksal anregt.
Die Ruinen der Gegend waren Almusaqqatät östlich von I.Iira an der l'ilgerstraße,
eine Burg mit Arkaden: .\lqasr, Kuh .Albaqqäl, (,)«sr Aladasi^jin. .Al'aqsä Al'abjad. Qa.sr
Bani Buqaila. das Schloß des Abd Almasih b. Buqaila .-Vlghassäni. Diesei' war ein Schwester-
solm des l*rie.sters Satih. Kisrä si^hickte wegen eines Traumes, den er gehabt hatte, den
40 S
A (; II A i;
Abel Alniasil.i /.u seinem Onkel'. Von dem Eroberer Kbälid b. Ahvalid, wie er nacb IJira
kam, und von seiner Unterhaltung mit Abd Almasih.
Weitere Ruinen in der Gegend sind Dar Fir'aun. Asr in der Nähe von Alnagaf.
,52. Die Kuppel des Sattiq. Verse, auch von Bakr b. KhAriga aus Küfa".
33. Das Kloster dei' Hind zwischen Alhira und Ki'iia. Haggäg besucht es im .lahre 74
und spi-icht mit der Hind. Er fordert von ihr die (irundstener und läßt sie samt drei
Nonnen Ibrtl'ühren. aber ein edler .lüngling aus Knfa rettet sie aus der Hand der Trabanten
des Haggäg. Der Eroberer liabyioniens, Sa'd b. Abi VVakkäs besucht das Kloster und die
Hind. später Almughira b. Su'ba ■. der Statthalter Mu'äwijas über Küla. der die Hind
heii-aten will, aber von ihr abgelehnt wird.
34. Kloster Zurära. Zwei bekannte Dichter und Trinker, Jahjä b. Zijäd * und Mut!"
b. Ijäs'', kamen auf der Pilgerfahrt nach diesem Kloster, blieben dann aber hier und zechten
weiter, bis ihi'e Pilgerkarawane von Mekka zurückkam. Den Heimkehrenden schlössen sie
sich dann an, erheuchelten das Äußere eines Pilgers und zogen so mit in Küfa ein. Verse
von Muli' und Ahn Nu'äs. Ähnlich wie Jahja und Muli' machte es auch Sulaimän b. Mu-
hammed Arumawi. der schon die Kamele für den Hagg ausgerüstet hatte, alj<'r dennoch in
Küfa blieb. Verse von ihm. Das gleiche wird erzählt von Salläm b. GhAlib und Abu Albasir,
während ein Dritter, Abu Ahuidi'agi, die Pilgerreise fortsetzte.
Notiz übei' den Dichter Mup" b. Ijäs. Er war sehr befreundet mit Jahjä b. Zijäd,
llammäd 'Agrad' und Hammäd Alräwija. die alle iin Verdacht der Zandaqa standen. Er-
zählung von Al'utbi nach seinem Vater: Eines Tages besuchte uns ein Scheich aus Küfa,
der mir erzählte von Mull' und den beiden Hammäd und anderen Schöngeistern von Küfa.
speziell aber von Muli'. Der aber sei eine bedenkliche Persönlichkeit, vor dem man sich
in acht nehmen müsse. Ein ähnliches Uiteil von Ihn Habib.
.A.lmiiu" lebte unter dem omajjadischen wie unter dem abbasidischen Kalifat.. Er war
Hofmann bei dein Kalifen Alwalid b. Jazid und lobte dessen Bruder.
Muli' besiegt mit seinen Versen in Gegenwart eines Emirs in Küfa fünf Dichter:
Sara'a b. Alzindaliüd' Jahja b. Zijäd. Wäliba b. Alhabbäb'*, Abdallah b. '.\jjÄs Almantüf und
Uaminäd Agrad". Schamlosigkeiten dieser Dichterbande, zu denen auch ein Hakam Alwädi
gehört; N'erhöhnung des Gebets, lu Küfa lebte ein Friseur namens \hü Alasbagh. ein
Nabatäer, der einen sehr schönen Sohn A.sbagh hatte; Jahjä b. Zijäd tut ihm Gewalt an,
N'erse \on Muti' darüber. Letzterer dichtet Spottverse auf seinen Vater, seine Zugehörigkeit
zum Stamme Kinäna in Palästina.
35. Kloster des heiligen .lünän. Verse von Alhusain b. .\l(lal.ihäk und .\lkusägim.
Letzterer heißt mit vollem Namen .\bü .\lfati.i Mahmud b. .\lhusain Alkätib.
' S. 'fabari I 981 ff.
'■' Kitäb alaghani XX 87, 88.
a S. Kniiiil I 266, 267.
* Kitall alaghäni, Index.
■• F,l>eridii XII 78 tr.
<■■ Kitall alaghäni XIII 73 m
' Hs. j_ya._,JI
" Ibn Qutaiba. Liber pcieseos et poetaiiuii S. 501. 15; 502, 10.
'^ Ibn Qutaiba ebenda S. 490.
Vom Klosterhuch des Sd/niMi. 41
36. Klostpr QiinuA. Verse von Ihn Guniliür, mit vollem Namen Abu Ali Muhammed
b. Alliusain b. Gumhi'ir Alqummi. P> und seine Geliebte Rädamihr. Sein Vater über-
lieferte in Basra die Traditionen über die Familie des Propheten.
Von Abdün b. Muklialiad, Sa'id b. Mukhallad und seiner Konespoiidenz mit der Sängerin
Riq. Nach dem Tode des letzteren ging er nach dem Kloster Dair Qiinuii, lebte dort als
Mönch und starb daselbst i. J. 310.
Von Sä'id b. Mukhallad, dem Wesir des Muwaüaq, von seiner täglichen Lebensweise
und Vielgeschäftigkeit. Als er aus der Persis zurückkam, beklagte sich Muwaffaq über
'Amr b. Laith und über die Geringheit der Mittel, die zur Verfügung standen, um das Heer
in Bewegung zu setzen; er verlangte, Sä'id solle die Mittel beschaffen, um den Rasid gegen den
.Saffäriden marschieren zu las-sen. Sa'id weiß keinen Rat, Muwaffaq wird unwillig. SA'id will
fliehen, schlägt seinem Herrn vor, daß er, Sä'id. wenn er nach Mekka und Medina ginge, dort
vielleicht die nötigen Mittel aufbringen könne. Daraufhin läßt Muwaffaq durch seinen Sohn Abu
Al'abbäs, den spätei-en Kalifen Almu'ta<lid, das ganze Vermögen des Sä'id in Sämmarrä, Bagdad
luid anderswo einziehen. Einzelbericht des Ishäq b. Ibrahim Alkätib über den Sturz des Wesirs
und den Wert des von ihm gesammelten Vermögens. Er blieb in Gefangenschaft bis 295,
dann wurde er in den Palast des Ihn Tähir gebracht und ist dort gestorben.
37. Das Kloster von Kaskar. Vers«; von Muhammed b. Häzim ', der zu dem Wesir
Albasan b. Sahl nach Wäsit zog und ihn in seinen Dichtungen verhen-lichte. Wie er auf
einer Reise zur Annee des Alha-san b. Sahl bekannt wurde mit Muhammed b. Sa'id b. Salm
Albähiii und durch ihn mit Alhasan b. Sahl. Der Dichter gab das W(!intrinken auf sein
Verkehr mit Ibrahim b. Sakla; er dichtete nur noch über Bescheidenheit, Enthaltsamkeit,
radel der Begierden. Nach der Erzählung des llamdun b. Jahjä hatte er zuletzt nur Freude
an Katzen. Er dichtet Spottlieder auf einen 'J'ähiridcn. Bruch der Freundschaft zwischen
ihm und Sa'id b. Mas'üd Alqutrabbuli. Der Dichter vor dem Kalifen Ma'mün, von dem er
reichlich beschenkt wird.
38. Das Kloster von Alqusair. Verse von Abu Huraira b. Ali Al'isäni, Muhammed
b. 'Äsim und Ibn Alzanbaqi Almisip.
39. Das Haiinäklostei'. Verse von Muhammed b. 'Asini und Sälih b. Müsä, dem Frei-
gelassenen der Banü Tanu'm.
40. Dair N'ahjä. \'erse von 'Abbäs b. Albasri. Ei- stand im Dienste von Abu Alqäsim
Unügi'ir b. AlikhJid. Wenn er mit letzterem ausritt, trug er wie die Richter einen grünen
Tailasän. Er handelte mit Medikamenten in der Abdallah-Moschee zu Kairo.
41. Dair Tamwaih. Verse von Ibn 'Asim.
Den Klöstern 42-49 sind keine Exkurse beigegeben.
50. Die Kirche des "l'ür (Sinai). Verse von Al'äsim.
Den Klöstern 51 — 54 sind keine Exkurse beigegeben.
Die Dichter, von denen Sabusti kleinere c)der gi'ößere ( Jedichtstücke zitiert, sind
folgende :
Al'abbäs b. Alba.sri 41 , Abu Abdallah b. Hamdün AI- Abdal'aziz b. Abdallah b. 'lahii-
Al)dallah b. Al'abbäs b. Alfadl nadim 25. 28 28
b. Airabi' 25 '• Abdalrahmän b. Abi Qain 28
> Kitäl) alaghuiii XII 1581!'.
Phil.-kiift. Ahh. 1MU. j\r. 10. «
42
S A (; HAU
Abu Al'ainiVi, d. i. Abi'i Ab-
dallah Muhamniedb. Alqasim
b. Khallad b. Jäsir 25. 27
Abii Ali Albasir 26
Ali b. Jal.ijii Almunaggim 22
Ali b. Miihanirned Alhimmäni
Al'alawi 39
Ali b. Abi Uniajja 23
'Anir b. Abdalmalik 35
Aräsim 41
Ibn Asim 41
Abu Al'atahija 25
'Auf b. Muhallim Alkhu/ä'i 29
Bakr b. Khäriga 40
Alfadl b. Al'abbäs b. Alma'niün
34
Abu Gafna Alqurasi 25
Gah/-a 22. 25. 26
Ibn Gumbür, d. i. Abu Ali Mu-
hammed b. Alhusain b. Gum-
hür Alqummi 41
Härün 39
Alhasan b. Raga 25
Alhudähidi 23
Abu Huraira Ibn Abi Arisäin 41
Alhusain b. Aldahhak, d. i. Al-
husain Alkhali' b. Aldahhäq
Albähili 23. 25. 39. 40
Jahjä b. Kamil 25
Jahja b. Zijäd 40
Alkhablmz Albaladi 36 s. .Ta-
timel 531
Khälid Alkatib, d. i. Abu Alhai-
thani Khälid b. .lazid Alkätib
22
KuSägim, d. i. Abu Alfath Mu-
bamiid b. Alhusain Alkätib
40
AUubbädi, d. i. Abu Bekr Ah-
mad b. IMuhammed 37
Marwän b. Abi Hafsa 22
Muhalhil b. Jaraüt 37. 38
Muhammed b. Abdalmalik Al-
häsimi 23
Muhanmied b. Ali 24. 26
Muhammed b. Äslm 41
Muhammed b. Alhärith b. Bas-
khir 25
Muhammed b. Häzim 41
Muhammed b. Almu ammal Al-
tä'i 25
Muhammed b. Abi Umajja Al-
kätib 23
Mus'ab Alkätib 37
Alma tainid 26
Mu'tazz 34
Ibn Almu'tazz 25. 27. 28
Muli' b. Ijäs 40
Alnägini Abu Uthnian 26
Alnäsi 23
Abu Nu'äs 33. 37. 39. 40
Alnumairi, d. i. Abi'i Altajjib
Muhammed b. Alqäsim Al-
numairi 25
Ibn Alriimi 26. 28
Sälih b. Müsä 41
Alsanaubari 39
Abu Sa's 36
Abu Alsibl Alburgumi 25
Sulaimän b. Muhammed 40
Alsüli 26
Ibn Abi Tälib Almakfüf Al-
wäsiti 39
Altharwäni, d. i. Muhammed
b. Abdalrahmän Altharwäni
25- 35- 39
Ubaidallaii b. Abdallah b. Jä-
hir 27. 28
Abu Umajja Al'asamm 38
Ibn Alzanbaqi Almisri 41
Abu Abdallah b. Hamdüu 25.28
Abdurrahrnän b. Fahm 30
Ahmad b. Abdallah b. Isma'il
Almaräkibi 34
Ahmad b. Abi Duwäd 29
Ahmad b. Hamdim 34
Ahmad b. Khälid Alsarifini 22
Ahmad b. Sadaqa Almu-
ghanni 35
Abu Ali Alawnragi 27
Ali b. Jahjä Almunaggirn 22. 37
Ali b. Muhanuued b. Al)i Saif
Alnuulä'ini 38
\' e r 7. e i c h n i s der Erzähler:
I Abii Aramaithal 29
i Amr b. Bäna 25
Arib 34
Azzün 25
Bid'a 26
Alfadl b. Marwän 29
Ibn Farag 26
Algähiz 26
Gahza 27
Gaihän Alsi'i 29
Ibn Guddän 29
Ibn Habib 40
Ilanidän li. .lai.ijä 41
Hamdi'in b. Isma'il 22
Hän'm b. Abd-Al'aziz b. Al-
mu'tamid 34
Abu HaSiSa Altunbüri 24
Abu Häzim Alqädi 37
I Alhusain 1). Mus'ab 29
.Tanu'it b. Almuzarri' 26
Jäsir 29
Ibrahim b. Al'abbäs 32
Ibrahim b. Almudabbir 32. 37
Ishäq b. Jariih 26
Ishäq b. Ibrahim 41
Khälid Alkätib 22
Vom Klosterbuch (Irtt SäbuslL
4;}
Alkhuludi 29
Ihn Khurdadbih 24. 34
Maimün 1). IJammad 23
Muhamined l>. Ali 24
Muhammad I). Hä/Jni 41
Nasir 29
Ihn (^)udäma 27
Sa'd 1). Ibrahim AlkiUib 37
Alsah b. Mikäl 27
Sa id b. Ji'isul" 34
Sälih Alturki 39
Alsul! 26
rähir 30
fbaidallali b. Abdallah 29. 30
Al'ulbi 40
^\'e^ in der Lage ist, iiandschriftlich Werke von, dem 335 gestorbeneu Alsüli, der am
Hofe der Kalifen Muktat'i und Muqtadir verkehrt hat. Iienutzen zu können, dürfte finden,
daß aus dieser Quelle, vielleicht durch Vermittlung einiger Adabbüchei-, die meisten der
geschichtlichen Nachrichten Säbustis herstammen.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
¥
I
Prenß. Aknd. d. Wisscnscli.
l>liU.-hist. Abh. nun. Ar.l/.
Al.l.. I.
De Groot: Der Thupa.
Taf. I, Titelbild.
ABHANDLUNGEN
DER PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
JAHROANG 1919
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE
Nr. 11
DEH THÜPA. DAS IIEJLKrSTE HEILIGTUM
DES BUDDII ISMUS IN CHINA
KIN BEITIUO ZUR KENNTNIS DP:K F:S0TF:RISCHEN LEHRE DES MAHÄYÄNA
VON
.1. .1. M. DE GROOT
Mir G TAFELN
BERLIN 1919
VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
IN KOMMISSION BEI DER
VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER II. Cd
VURXAI.S n. J (iÜS( HKN'SCHi: VEBLAGäHANDLLNO. J. ÜLITKNTAU, VKKLAGSBUCHHANDl.IINU
UEORK RKIMKK. KARL J TrOBNER. VHT U. COMP.
Oelesen iu der Sitzung der philosophisch-historischen Klasse am 22. Mai 1919.
Zum Druck eingereicht am 23. September, ausgegeben am 11. Dezember 1919.
MEINEM FWEUXDE IM) KOLLEGEN
l'KOF. I)H. FIUEDRICJl llIRTJl
Zl'M 7.-). LEBEXSJAIIK
Vorwort.
J_/as Wort Pagode, wahrscheinlich eine Abkürzung vom indischen Bud-kfitägära, »Buddlia-
turm-, hat sich im Abendlande Bürgen-echt erworben und ist dort so allbekannt wie die
Gebäude selbst, welche es bezeichnet. Nach Abbildungen dieser Türme schaui man sich in
illustrierten Werken über China oder chinesische Kunst selten vergeblich um. Eine chinesische
Landschaft ohne Pagode ist kaum denkbai'. Modelle von Pagoden fehlen in ethnographischen
Museen und in Privatsammlungen chinesischer Kunstgegenstände fast nie. Es könnte somit
überflüssig erscheinen, über diese eigentümlichen Türme zu schreiben, wenn es nichtdaiauf
ankäme, zu bestimmen, zu welchen Zwecken sie denn überhaupt da sind. Hierüber sind
zwar Gedanken, selbst plausible, ausgesprochen worden, jedoch Versuche, das Problem mit
Berücksichtigung der chinesischen Literatur einer eingehenden Behandlung zu unterziehen,
sind meines Wissens bisher nicht gemacht worden.
Der Erläuterung der düsteren esoterischen Lehre des chinesischen Mahäyänii-Buddhisnius,
in de.ssen Bannkreis die Pagoden entstanden sind und als Heiligtümer der höchsten Ordnung
immer ihre wichtige Rolle spielten, ist die Lösung des Problems, wie wir sehen werden,
besonders förderlich. Noch immer besteht die bedauernswei'te Tatsache fort, daß das um-
fangreiche iMid reichhaltige Gebiet dieser Weltreligion ein vernachlässigtes Stiefkind der
Wissenschaft i.st, eine Tatsache, die sich auf das Unvermögen, chinesische (,)uellen gründlich
zu bearbeiten und nützlich zu verwerten, zurückführen läßt. Mit Benutzung solcher (^)uellen
die Bedeutung und die Rolle der Pagoden zu bestimmen, ist der Zweck dieser Abhandlung.
.\u.sführliches über ihre Gestalt, Bauart und Konstruktion wird der Leser darin nicht finden.
Verfasser ist nämlich nur dann hierauf eingegangen, wenn es zur Erklärung der Bedeutunj;
und Rolle dieser 'Gebäude dienlich schien, denn juch in ihnen drückt sich durch Gestalt,
Bauart und Struktur der Charakter aus. ,
Übei-setzungen von chinesischen Textauszügen sind in kleineren Buchstaben gedruckt.
Alle Übersetzungen sind wortgetreu und keine Paraphrasierungen. i
tiber die angewandte Transkription chinesischer Schriftzeichen sei folgendes be-
merkt: '
VI Vorwort.
Die Buclistaben haben im allgeiiieineii den Wert der hochdeutschen. Das s ist scharf :
.s entspricht deutschem sc/i, und somit ist ts = tsch; c =: französisches _/; e ist das tonlose e
(wie in Behuf). Aus ng (wie in singen) darf </ nicht herausklingen.
Auch in den Diphthongen ai, ao, ei, ia, ie, io, in, oa, oi, ou, tia, ue, i/i. iie behält jeder
Buchstabe seinen deutschen Wert, jedoch ohne mit besonderer Betonung ausgesprochen zu
werden^ weil jedes chinesische Wort einsilbig ist. Ao lauten also wie au; ia etwa wie_;a;
ua ungefähr wie wa; ei aber nicht wie in Eile.
Der Spiritus asper ' gilt als Zeichen scharfer Aspiration.
Ein Haken ' am Ende eines Wortes bezeichnet einen verschluckten Endkonsonanten
k, p oder (, wodurch das betreffende Woi't kurz ausgesprochen wird.
Berlin-Lichterfelde, September 1918. De Groot.
VII
Inhaltsverzeichnis.
Kapitel I. Seit,-
Der Thupa als Grabinonuinent 1
Alteste Berichte über Thüpa's. Ihre Bezeichnungen. Dei- Thüpa als Grab-
monument in der Vergangenheit und Gegenwart. Verbrennung und Beerdigung der
buddhistischen Geistlichkeit. Reliquienkult. Grabthfipa's für Nichtbuddliisten.
Kapitel II.
Der Thüpa zur Beisetzung' von Reliquien des Buddha . . . !)
Allgemeine Beschreibung der Thüpa's. Der l'orzellanturni von Nanking. Thüpiis
von Lo-jang im ß. Jahrhundert. Der erste Reliquienturni Nankings. Reliquien des Buddha.
Teile des Dhanna, des leuchtenden Weltgesetzes. Reliquienthüpa's, Tonne des Welt-
lichts. A.soka-thüpa's. Verehrung der Reliquien des Buddha, auch durch Kai.sei-.
Kajiitel III.
Der Thüpa, der Leuchtturm des Weltgesetzes . .29
Hauptsätze der esoterischen Lehre des Mahäyäna-Buddhi.sinus. Die ßuddiias als
Weltlichtgöttor. Das Brahniajälasütra, das heilige Buch der höchsten Gebote, und
Lo.sana, der Dharma, das Weltgesetz. Das W(^rk dei- Seligniachung in den Klöstern.
Bilder von Heiligen und Göttern sind beseelt. Thüpa"s entsenden das Licht des Dhai-ma
durch Vermittlung der Buddhas. Der Thüpa des T' im-ning-\\\itsi(irs. von Pa -li-tsiioug,
der Insel Pu-t'o, des Tsing-kio- und des Pi'-J«n-Klo.stei-s, von Idikut-scharl. Der
Borobudur.
Das Saddharmapundarikasötra, das heilige Ruch dei' Esoteriker. Der Welt-
thnpa. Thron des Dharma, des Weltgesetzes. Esoterische Auflassung iibei' Selig-
werdung, Buddhatum, N'irväna. Buddhas Verbrennung und Reliquien. Thüpa's, Heilig-
tümer des Weltgesetzes und der Lichtbuddhas, und somit Vei'chrungsgegensfände. Ihr
Licht und seine erlösende Wirkung. Eilö.senile rhüpaglöckchen unil KlosteTglockeii.
Wün.sche und ihre Kraft.
Kapitel IV.
Förderung der seliguiachenden Wirkung der Thüpa's . . . Cü
Beleuchtung der Thüpa's. Religiöse Umgänge um die Thüpa's liei'uni. Das
darauf bezügliche Sütra der Glückszustände der Laufbahn zum Buddhatum. Einfachere
Vorstellungen vom Glück, <las Thüjyas <len Wesen angedeihcn lassen.
Vlll Jnhaltsvrrznchnis.
Knpitel V.
Kleine Thüpa's 80
Sfitni's, Sntraverse und zauberkiäCtigc Formeln auf den Tlifipa"«. Tlifipa's der
Mäniisibiiddhas. Metallne Thnpa's.
Ka|)itel VI.
Thupa und Geoinaiitik 8H
Der Mahäyäna-Buddhisinus, eine universistische Religion, gleichwie der Taoismus.
Kinbezieliung der Thüpa's und Klöster in die taciistische Geoniantik, zur Sii-herung des
weltlichen Glücks. Wasser und seine (iötter. F«ft^-i«?-Pagoden in der Umgegend von
Peking. Konfuzianische Pagoden, l'agoden ohne religiösen Charakter.
Saeh- und Wortreg'ister .93
Erstes Kapitel.
Der Thüpa als Grabmonument.
DaÜ die Pagoden buddhistische Heiligtümer sind, ist ehinesischerseits
unbestritten. Die größten und scliönsten sind Unterteile von buddhistischen
Klöstern, und die Literatur des Zeitalters, das vor der Einführung des
Buddhismus in China liegt, enthält kein Wort, das sicli auf Pagoden bezieht.
Es ist aber bereit« von Pagoden die Rede in einem Bericht, der in die
allererste Zeit des Bestehens des Buddhismus in China zurückführt und
sich befindet im vierten Kapitel eines angesehenen, im 6. Jahrhundert ver-
faßten Werks eines ^t/T^ '^<^'^9 •f('n-täi, das den Titel '^^ ^%_^
Im -jung ka-lam ki fvihrt, d. h.: »Beschreibung der Sanghäräma (buddh.
Klöster) in Ld-jany^, der Reichshauptstadt unter der zweiten //««-Dynastie
und dann wiederum von 493 an unter der zweiten |^ V^^/-Dynastie. Wir
lesen da wörtlich folgendes im 4. Kapitel:
Das buddhistische Kloster des Weißen l'ferdes ist vom Kaiser BH Ming (58—75)
der //«//-Dynastie errichtet worden. Im Anfang der Zeit, als Buddha ins Reich "der Mitte
einzog, lag es drei li außerhalb des Tors des westlichen Sonnenlichts, südlich der kaiser-
lichen Straße. Dem Kaiser träumte von einem goldenen Menschen, einen tiatig und sechs
Zi'hntel lang, des.sen Schädel so klar leuchtete wie Sonne und Mond zusammen, und daß
«■r eine Gottheit der Hu (Barbaren) sei, der jXjt IStt hieß. Er schickte Gesandte nach dem
Westen, iiin ihn zu suclien, und diese erlangten heilige Schriflen und Statuen. Dann kam
ein weißes Pferd mit diesen Schriften auf dem Rücken (nach der Haupt-stadt). und da^-oii
leitete (das Kloster) seinen .N'ainen her. Als Kaiser Mint/ gestorben war, errichtete man
auf seinem Grabhügel ein )fiJ^')H Jetavana (Klosterpark), imd seitdem hat man auf den
(iräbem des Volks bisweilen ^B ^ p'u-td gebaut.
Oben im Kloster werden die heiligen .'>ichrift«n mit ihren Deckeln bis heute noch
immer bewahrt, und stets brennt man ihnen Weihrauch und bringt ihnen Speiseopfer dar.
Sie senden von Zeit zu Zeit ein Licht au.s, da.s unter dem Dach des Saals leuchtet, und
deshalb werden sie sowohl von denjenigen, die den Weg zur Heiligkeit beschreiten, wie
von dem I;Aientum genau so verehrt, als wenn die.se zum eigentlichen Antlitz, (des Buddha)
emporblickten.
PhU.-hiKl. Ahh. lf>PJ. Ar.1/. 1
2 D E G R O O T :
Auch falls (lieser Bericht als eine apokryphe Überlieferung aufzufassen
ist, so bleibt er dennoch wichtig als Beweis dafür, daß im 6. Jahrliundert,
als das Ka-lam ki geschrieben wurde, der Glaube herrschte, daß zusammen
mit dem Buddhismus in China Gebäude erschienen, welche mit den Klöstern
dieser Religion zusammenhingen und Grabmoimmente waren. 3Ian nannte
sie j^ m p'u-tö. Dieses Wort ist nichts anderes als eine Transkription von
»Buddha« oder »Bud« und kommt auch vorluden Sclireibungen ^^ p'u-tö,
# m put-tö, % ^ put-tö, fllJß put-to, ^ (ij put-tö, % ^ put-tö u. a. ; da.s
K' any-hi-G\os.s'ÄY sagt dann auch ganz richtig: ^ [51 '^^-(fr,^ X^^n"^
pi^Ä|g|. Vu-iö ist die Lehre des Put (Bud|, und der jÄ fap (Tliüpal eines bud-
dhistischen Klosters heißt ebenso pnt-td. In den '^ ^fß Put{Vu)-kuo' ki, »Schriften
Über die buddhistischen Reiche«, welche die Wallfahrt des Pilgers '^0
Fa-him nach Indien beschreiben, die im frühesten Teil des 5. Jahrhunderts
stattfand, werden religiöse Gebäude, welche er dort antraf, als jrÄ t'ap
l)ezeichnet, und seither ist dieses Wort in China stets die meist übliche
Bezeichnung der Pagoden gewesen. Es kann wohl kein Zweifel sein,
daß dieses t'ap eine Wiedergabe des Paliwortes Thupa ist, zumal auch
noch die Schreibung i^'^ t'ap-po vorkommt. Zu bemerken ist, daß das
Zeichen jrÄ, ehe es als Transkription.szeichen in die Erscheinung tritt, wahr-
scheinlich nicht bestand und also absichtlich zur Wiedergabe des Wortes
Thupa geschmiedet worden ist. Daß man dabei das Klassenzeichen J^ '
»Erde«, mit dem phonetischen P'.lemente ^^ t'ap verband, mag seinen Grund
wohl darin gehabt haben, daß die Thüpa's auch Grabmonumente und sogar
massive, mit Erde ausgefüllte Bauwerke waren. Weniger sicher ist aber,
weshalb in den allerersten Zeiten des Buddhismus in China die TJiüpa's
daselbst »Buddha« oder »Bud« genannt wurden. Vielleiclit läßt sich das
aus der Tatsache erklären, daß sie, wie wir sehen werden, zur Aufbewahrung
von Reliquien und Bildern des Buddha dienten und somit dessen Geist
und Seele, sein Wesen selbst, enthielten; oder, was wahrscheinlicher ist.
es könnte auch die Benennung die Abkürzung eines mit dem Worte Buddha
oder Bud anlautenden Ausdrucks sein, wofür Bud-kütägära, »Buddhaturm«,
zu allererst für uns in Betracht kommt. Die Benennung p'u-tö ist durch
das viel mehr gebräuchliche t'ap nie verdrängt worden, hat vielmehr ihren
Platz in der Literatur immer behalten, sogar als viel vornehmerer Aus-
druck, weil er nicht bloß älter, sondern auch aus klassischen Schriftzeichen
zusammengesetzt ist.
Di)- Patjodrn in (.Itimt. 3
Bekanntlicli liaben in Indien von alters her Gebäude mit Stockwerken
bestanden, zum Teil von beträchtlicher Höhe, deren Herkunft sich in der
Nacht der Zeit verliert, und die Stüpa, Pali: Thüpa, liießen. Sie waren
freistehende Bauwerke im Bannkreis buddldstischer Klöster, waren bald
massiv und somit unzugänglich, bald hohl und dann absichtlich unzugäng-
lich gemacht. Nach /)rthodoxer Auffassung waren sie zur Aufbewahrung
von Reliquien größerer oder kleinerer Heiliger bestimmt: jedoch viele sind
diesem Erft>rdernis nicht gerecht geworden und sind somit keine wahren
Dägob oder Dhätugarba, »Aufbewahrungsstätten von Elementen«, d. h.
von Reliquien, gewesen, sondern Monumente zur Erinnerung an wichtige
Ereignisse, welche an der Stelle, wo sie standen, stattgefimden haben sollen.
Jeder Dägob war somit ein Stüpa, allein jeder Stüpa nicht ein Dägob.
Weiter ist es eine wohl bestätigte Tatsache, daß bereits in den alten
Zeiten des heidnisclien Indien daselb.st kulya oder ?>dhügel bestanden,
worin Knochenreste verbrannter Leichen aufbewahrt wurden. Auf solch
einem kulya wurde wohl ein Hügel aus Mauerwerk oder eine Säule er-
richtet, oder man kennzeichnete auf diese Weise die Stelle, wo der Scheiter-
haufen gestanden hatte. Wie es mit allen Gräbern lieidnischer Völker der
Fall war, trugen solche kulya einen geweihten Charakter, und es liegt
nahe, daß sie die («rundform des Dägob gebildet haben: denn die Kuppel
des Dägob ist die Weiterentwicklung des Grabhügels, die Mauern des
(iebäudes sind der Kreis von Steinen, die Säule, welche den Dägob krönt,
ist die auf dem Grabhügel eingepflanzte Stange'. Wir werden sehen, daß
in China die t'up sowohl den Charakter eines (Grabhügels wie den des
Däg:ob oder des Thn[)a tragen, und daß die Voraussetzung, sie seien mit
(lern Buddhismus nach China hineingebracht, auch hierdurch ihre Bestä-
tigung erfährt.
Gewiß rechtfertigt der auf S. i wiedergegebene Auszug aus dem
Werke Ober die Klöster von Lo'-jnny die Annahme, daß schon in der Zeit
der zweiten //a/j-Dynastie der stark im Fortschreiten begriffene Mahäyäna-
Buddhismus nach China die Sitte brachte, die Gräber mit Tliüpas aus-
zu.statten. Einzelheiten über Form und (Jröße dieser Monumente scheint
die derzeitige Literatur nicht zu bieten, und somit dürften sie wohl von
einfachem Bau und nicht auffälliger (Größe oder Schönheit gewesen sein.
Kkrn, -Gcvscliieilfnis van lict Biuldhisnie in Indir-, Buch III. Kap. VI, 3.
1*
4 ■ U E G K O O T :
(Tewiß zierten sie hauptsäclilich, wenn nicht ausschließlich, die Gräber der
Geistlichkeit, gleichwie es auch jetzt noch der Fall ist. In der Tat sind
die, Heiligen der Kirche, von deren stofflichen Überresten |^ im oder ^
liny, d. h. »göttliche Wirkung«, ausgeht, so daß diesen als ^ ^Ij Sarira
oder Säririka, d. h. körperlichen Überresten, Verehrung gebührt, fast aus-
nahmslos im Kreise des Mönchtums zu finden, das durch Befolgung der
religiösen Disziplin der Kirche den breiten Weg (Mahäyäna) zum Buddha-
tum beschreitet und auf demselben schon während der Lebenszeit den
heiligen Zustand des Bodhisattva, des «zur Weisheit erwachten Wesens«,
erreicht.
Die in den Umgebungen der Klöster liegenden Gräber vornehmer Mönche
sind zumeist mit einem kleinen achtseitigen, jedoch auch wohl sechsseitigen
Thüpa aus Stein oder Mauerwerk geschmückt (s. Titelbild, Abb. i). Dieser
ruht auf einem acht- oder sechsseitigen Sockel mit Gesims und Wulst, und
dieser Sockel steht auf einem erheblich breiteren, teilweise im Boden ver-
senkten steinernen Unterbau. Ein einziges wie ein Zeltdach behauenes
Stück Werkstein deckt den Thüpa; oder dieser ist oben einfach abgerundet
(s. Tafel II), was seinen ursprünglichen Charakter als Grabhügel mit voller
Schärfe zum Ausdruck bringt. Es gibt auch quadratische Thüpa dieser
Art. Diese tragen als Dach eine über die vier Seiten vorspringende imd
nach unten rund zugehauene quadratische Steinplatte, worauf sich im
Mittelpunkt auf einem Sockel eine runde Stange aus Werkstein erhebt,
die häufig so hoch ist wie der Thüpa selbst, wenn nicht noch höher, und
die sich häufig sehr wenig oder gar nicht verjüngt. In gleich großen Ent-
fernungen sind darin horizontale, gleich große Einschnitte angebracht, so
daß die Stange aussieht wie eine Achse, auf der eine Anzahl gleich dicker
Ringe aufgereiht sind, und zwar in Entfernungen, die der Dicke der Ringe
gleichkommen. Diese Ringe sind häufig bauchig und in großer Verschie-
denheit stilisiert. Die Stange vergegenwärtigt offenbar die auf dem Grab-
hügel eingepflanzte Stange alter Zeit, und ihre Gliederungen deuten wohl
darauf hin, daß hauptsächlich Bambus für Grabstangen verwendet wurde,
jene eigentümliche Holzart also, welche in allen warmen Ländern, wo sie
gedeiht, stets in allererster Linie das unübertreffliclie Material fiir Stangen
aller Art liefert. Wie noch darzutun ist (S. lo f.), ist diese Grabstange
bedeutungsvoll, weil sie die Grundform der gegliederten großen Pagoden
ist, die ma. zur Beisetzung von Reliquien des Buddha erj-ichtet hat, und
Pmiß. Akafl. rl.Wis.ipnf^c/i.
I'h>L-hist. Mih. IUI 9. -Y;-. //.
Die Pagoden in Cliina. . 5
ihr Vorhandensein zeigt, daß wir im Thüpa, der sie trägt, den Grabhügel
und in dessen Sockel das Grab zu erblicken haben'.
Die Höhe solcher Grabfhüpas mag wohl ein bis drei Meter betragen.
Viele sind unter Aufwendung- von großer Sorgfalt aus den vortrefflichsten
Materialien — Majolika, Werkstein oder weißem Marmor — erbaut und zeigen,
was Bearbeitung und Verzierung betrifft, große Verschiedenheit. Viele haben
ein achtteiliges Zeltdach aus glasierten Ziegeln und darauf einen Abschluß-
knauf, der einem bauchigen Toi)f, einer Urne oder Vase auf Fußgestell
ähnlich ist. Große Klöster haben wohl einen Friedhof, wo solche Thüpas
mitten im Gebüsch und Hain reihenweise aufgestellt sind, und wo somit
die heilige Kraft der vornehmsten und seligsten der Brüderschaft dem Kloster
Schutz und Segen angedeihen läßt" (s. Titelbild, Abb. 2). Der Pilger Fa^-him
(s. S. 2) verzeiclinet solch einen Friedhof von Thüpas am Schluß des 13. Ka-
pitels seines Reiseberichts, wo wir lesen:
Mehr als 400 Schritt westlich vom Schatten (des Buddha) rasierte (sich?) Buddha, als
er sich da befand, die Haare ab und schnitt sich die Nägel, >ind er selbst baute dort init
seinen .lungern einen Thüpa, 7 — 8 lianc/ hoch, damit dieser das Modell für alle künftigen
Thüpas sei. Er besteht noch immer, und daneben liegt ein Kloster, worin über 700 Geistliche
wohnen. An dieser Stelle stehen Thüpas von Arhats und Pralyekabuddhas, über tausend
an Zahl.
In der Umgebung Pekings haben viele Totenthupas die Gestalt einer
runden, bauchigen Vase oder Urne, die sich erliebt auf dem vier- oder
achtseitigen Sockel mit Sims und Wulst und einen Sockel mit der Stange
trägt. In vielen von diesen Fällen ist die Stange von der schon beschrie-
benen erheblich verschieden : sie ist nämlich unten breit und verjüngt
sich kegelartig; schmale Einschnitte teilen sie in horizontale Kegelschnitte
gleicher Höhe, die somit als ebenso viele DScherchen aufeinander ruhen.
Ganz oben trägt diese Stange eine ringsum vorspringende Kappe, auf
der als Abschluß eine Figur wie ein Flaschenkürbis auf Fußgestell ruht,
(ierade unter diesen Vasenthupa-s trifft man besonders schöne, welche aus
weißem Marmor und mit einem schönen Marmorgeländer umgeben sind.
Daß ihre Form der der tibetischen Thüpas entspricht, ist augenfällig, imd
sie ist vielleicht wohl als eine Nachahmung derselben zu betrachten. Den-
' Schöne Abbildungen und Beseht eibungen von Mönchsgräbern gibt Boerschmann in
• Die Baukunst der C'hinesen- I, 8. 175 ff.
■■' Zwei interessante photographische Abbildungen eines Klosterfriedhofs findet man
unter Nr. 829 und 830 in Chavannks »Mission archiMjlogjqiio dans la ('hine septentrionale".
(5 • DK (Jroot:
iiüdi erhebt sieh die Frage, ob diese Bauart nicht ihren Ursprung der
Urne oder der Vase verdankt, welche die Reste der verbrannten Leiche ent-
hält. Diese befinden sicli zumeist innerhalb des Thüpa hinter einer in der
Vorderseite eingesetzten Steinplatte, auf der eine Inschrift bekundet, von
welchem Geistlichen die ;^^, »(zur Weisheit) erwachteSeelenkraft«, stammt,
welche jetzt in dem Thüpa wohnt.
Viele Leichen von Mönchen werden nicht verbrannt, sondern in sitzen-
der Haltung in einer speziellen Art von Särgen, welche wie ein Schrank
aussehen, in einem Raum unter dem Thüpa beigesetzt. Dieser Raum l)e-
steht auch wohl aus zwei oder drei Kammern, jede für eine Leiche und
mit einem Thupa; oder der Raum enthält mehrere Urnen, jede mit den
Überresten einer verbrannten Leiche, und trägt nur einen gemeinschaftliclien
Thupa. Im übrigen sind solche gemeinschaftlichen Gräber, insonderheit im
Süden des Reichs, ausgestattet wie Gräber des Laientums, namenthch mit
einer niedrigen Mauer im Halbkreis auf der Rückseite, einem offenen Raum
mit Opfertisch in der Front, usw. (s. Titelbild, Abb. i , und Taf. II, zu S. 4).
Gewiß wurde nicht immer jedem verstorbenen Möncli ein eigener
Thüpa errichtet. Diese Ehrung wird wohl immer solchen vorbehalten ge-
blieben sein, die im Kloster eine führende Stellung einnahmen und im
Ruf großer Heiligkeit standen. Die Überreste der durch Verbrennung ins
Jenseits Eingegangenen hat man in oder unter einem gemeinschaftlichen
Thüpa beigesetzt. Auf solch ein Verfahren weist der folgende Bericht hin,
der im ]?J^^^xil Jtu-jang tsa' t-^u vorkommt, einem interessanten, aus
Abhandlungen verschiedener Art zusammengesetzten Werk des 8. Jahr-
hunderts, und zwar in der ^^, »Angefügte Sammlung«, in einer ^i^gß,
»Abhandlung über buddhistische Klöster und Thüpas« :
Das buddhistische Kloster des Herrn Tiao King im Viertel Sang-lo wurde im 3. .Tahre
lier Ä"(7(-A»/a!'(</-Periode (583) der S/j-Dynastie gestiftet .... Unter einem Thupa lagen dort
drei Scheflel und vier Finten Sarira's. Als man den Thüpa fortschafTte, errichtete der Mönch
Sou-hing eine Altarstätte zur Verrichtung von religiösen Zeremonien und brachte die Sarira's
zum Vorschein, um sie vor den Notabein und dem Volke zur Schau zu stellen: aber noch
ehe er mit seinen Lobliedoi-n fertig war. wurden allerseits auf di>m Boden ."^arird's sichtbar,
so daß die Notabein und Frauen sich scheuten, darauf zu treten und sämtlich das Kloster
verließen. Smi-hing verfertigte darauf etwa hunderttausend l<leine Thüpas aus Ton und
Holz zur Beisetzung der Sarira's, und jetzt sind von diesen Thüpas noch einige Zehntausend
vorhanden.
Das Beisetzen der tiberreste verbrannter Klostergeistlicher unter Thüpas
ist ohne Zweifel ein religiöser Brauch, der, gleichwie der Buddhismus und
Die Pagoden m China. 7
seine Feuerbestattung, aus Indien herstammt. Einen Beleg (Jafür bietet
die Mitteilung des Fa'-him, daß er im Reiche Singhala (llß-J--) oder Ceylon
von der Verbrennung eines heiligen Geistlichen Zeuge war, nach deren
Ablauf" man JJ5(^ Bt"^* kIÜ^^^ '"^ Überresie sainmelte, die Knochen daraus
nahm nnd dafür einen Thnpa eiiichtete. Es liegt SOmit in Clllua dem Wort t'dp
oder t'ap-po als Transkription von Thüpa in allererster Linie der Begriff"
Grabhügel zugrunde, und das wertvolle Sammelwerk über den Buddhismus,
der ^^^^y|v Fa'-jnanMu-lin, » Perlen wald im Park des Dharma«, eine von
^jSiöl ^(ikija Tao-äi 668 vollendete Sammlung von allerhand buddhistischen
(xegenständen, hat daher vollkommen recht, wenn es schreibt (Kap. 37 Bl. 7):
^^i:^^^!^ ^irÄj^l jlt^v'^-'Ä" "'"^ '"^" '"^' '""' "'"^^ ""^' '"P'i" nennt,
da.s sind viereciiige Grabhügel.
Schon seit Jahrhunderten sind in ( hina die Grab- oder Aschenthupas
auch bezeichnet worden durch das Wort iat, das ^|] geschrieben wird.
Das Ä"V/H(/-/(/-Glossar sagt: ^.^±^iL^^^M^M-f'^\SM^ Gräher
der buddhistischen Geistlichkeit, worauf man eine Säule errichtet nnd worin man Sarira
aufbewahrt, heißen auch sai. Oline Zweifel ist dieses Sat nichts anderes als das
indi.sche Caitya, das Heiligtümer im allgemeinen bedeutet. Das Zeichen,
das es wiedergibt, ist gewiß zu diesem Zwecke geschmiedet worden, denn
es kommt in den klassischen Schriften nicht vor, und ihm ist mithin seitens
d(!r geschulten Literaten das Bürgerrecht stets abgesprochen worden.
Oberflächlich könnte es den Anschein erwecken, daß der Buddhismus
den Kult der Reliquien des menschlichen Kör{)ers als ein ganz neues
Element in die Religion Chinas eingeschaltet habe. Tatsiichlich aber ist
das keineswegs der Fall, denn gewiß waren auch in China die (iräber
von alters her wegen der darin ruhenden menschlichen Überreste heilige
Stätten. So gut wie nocli heutzutage, muß auch in vergangenen Zeiten
dort die Oberzeugung geherrscht haben, daß die menschliche Seele den
Körper nicht verläßt, wenn dieser als Leiche im Grabe ruht, sogar nicht,
wenn die Verwesung ihr Werk getan und nur noch Knochenreste zurück-
gelas.sen hat. Das Grab ist somit ein Heiligtiun, wo die Lebenden der
Seele des Toten Opfer und Verehrung darbringen, sie um Segen und Hilfe
anflehen; es ist ein Heiligtum also, das .Segnungen entsendet, welche das
iV'rt oder ling des Toten, sein Geist, die Kraft seiner wirkenden Seele
(vgl. S. 4), spendet. An diese Glaubenssätze unlöslich gefesselt, hat der
menschliciie Geist in China sieh ein Sy.stem der Leichen be.sorgung und
S I) E (i R o or :
des Toteiikults gescliafien, von so holier Kntwicklung, daß kein anderer
Teil der Menschheit ein gleiches aufweisen kann. Der Kultus menschlicher
Überreste oder Reliquien, wurzelnd in der Überzeugung, daß diese beseelt
sind und mithin Wunderkraft besitzen, war somit in China wahrscheinlich
schon uralt, als der Buddhismus ihn durch den Kultus der Reliquien seiner
mittels Feuer ins Nirväna geschickten Geistlichkeit um ein kleines ausdehnte
und überdies noch Sarira's des größten und heiligsten aller Menschen, des
Huddha selbst, als Eropagandamittel höclister Ordnung dazu gesellte. Sogar die
viel größeren und höheren Thüpas, wel(;he die Kirche zur Beisetzung dieser
allcrheiligsten Reliquien erl)aute, waren im Grunde nichts Neues, denn sie
waren, wie jetzt darzutun ist, von den für die Gebeine und Asche der Geist-
lichkeit errichteten Tlnipas im Grunde nicht verschieden und somit, gleichwie
diese, Grabhügel in der vollendeten Form. Daß sie aber viel vornehmere
Heiligtümer der Mahäyäna-Religion wurden, versteht sich von selbst.
Bevor wir nun zu diesen Reliquienpagoden übergehen, sei nocl» er-
wähnt, daß Beerdigung \inter oder in solch einem Monument auch wohl
ausnahmsweise niclitgeistliclien Per.sonen zuteil wurde. Wir lesen z. B.
in den ^j^^ Kiu T'ang su oder »Alten Geschichtsbüchern der T'ang-
Dynastie« (Kap. io8 Bl. lo) und in den ^|^^ Sin Tang äu oder »Neuen
Geschichtsbüchern der rVm^-Dynastie« (Kap. 126 Bl. 1 2), daß der hohe
Staatsdiener /fi y5!| ilü Tn Hung-tsien, der 769 oder 770 starb, sich auf
dem Sterbel)ett von buddhistischen Geistlichen das Haar abrasieren ließ
und seinem Sohn befald, ihn nach ausländischer Art unter einem Thupa
zu beerdigen. Nach denselben »Alten Büchern« (Kap. 150 Bl. 4) starb 782
das vierjährige Söhnchen des Kaisers f^^ ^^ Tsvng, und darauf befahl
der Kaiser, ihm kein Grab zu machen, sondern nach der Sitte des Westens
ihm einen Thiipa zu bauen. Als dann jedoch ^-^ Li T§ao, der Minister
für das Ritual und das Zeremoniell (jlgf^), ihm einredete, daß es nicht
anginge, bei einem kaiserlichen Prinzen von der uralten und orthodo-
xen Bestattungsweise abzuweichen und indischen Thüpas den Vorzug
zu ge})en, nahm der Kaiser seinen Befelil zurück. Derselbe Kaiser ließ
auch, wie sowohl die »Alten Büclier« (Kap. 138 Bl. 14) als auch die
»Neuen« (Kap. 152 Bl. 4) es uns in der Biographie des Zensors ^^^
Kiang Kung-fit lehren, seine geliebte älteste Tochter, die im jugendlichen
Alter starb, unter einem Thfipa aus Backstein l)estatten. Es ist wohl über-
flüssig, noch mehr solche Beispiele aus chinesischen Schriften heranzuziehen.
Picyß. Akrnl. d. Wis-irmich.
Phil.-lust. Ahh. i;ii;i. .\r. 11.
l)it PiHjodcn in ChiiKi. 9
Zweites Kapitel.
Der Thüpa zur Beisetzung von Reliquien des Buddha.
Die Heiligtümor, welche sich die Mah;lyäiia-Kirche in China zur Bei-
setzung von Reliquien Buddhas erbaut hat, entsprechen also den indischen
Dhätugarba oder Dägob (s. S. 3), und kraft dieser Reliquien sind sie
Häuser der Seele, des heiligen Geistes des Herren, folglich Heiligtümer
höchster Ordnung, erster Größe und Schönheit. Da man immer bestrebt
war, sie bis zu überragender Höhe aufzufiihren, so sind sie in Wirklich-
keit Bud-kiitägära, »Buddhatürme«, also Pagoden (vgl. S. 1).
Eine Pagode oder ein Thupa erster Ordnung (s. Taf. Uli) ist in der
Regel ein regelmäßig achteckiger, hohler, stumpfer Obelisk aus mörtelge-
bundenen Mauersteinen oder Steinquadern, mit einer immer ungeraden An-
zahl Stockwerke, durch hölzerne Fußböden gebildet, deren Höhe sich gleich
bleibt oder gleichmäßig nach oben hin verringert. Das Erdgeschoß zählt
nach chinesischer Auffassung als Stockwerk mit. In vielen Fällen bildet
jeder Stock einen quadratischen Raum, weil die Mauern des Obelisks mit
Absicht so konstruiert sind, daß sein hohles Innere die Form eines geraden
Prismas jnit quadrali.scher Grundfläche hat. Man hat auch Pagoden an-
getroffen, von denen nur die höheren Stockwerke innen quadratisch sind.
Jeder Raum hat in der Mitte der acht Wände je eine viereckige oder
gewölbte Öffnung, die abwechselnd Fenster oder Tür ist. Es kommt aber
auch vor, daß in jedem Stock vier Wände abwechselnd keinerlei Öffnung
haben, und auch, daß, wahrscheinlich auf (ii-und mystischer Ansichten der
Baumeister oder der Geistlichkeit, Türen und Fenster unregelmäßig ange-
bracht sind. Ajif jedem Stock bieten die Türen Zugang auf einen Balkon,
der den Olielisk umgibt und mit Brüstungen versehen ist. Unmittelbar
initer jedem Balkon ist ein vorspringendes Dach angebaut, das auf Wand-
kapitälen ruht und, wie es in China allgemein bei den Dächern großer
Tempel und Palastgebände der Fall ist, an den Ecken sich etwas aufwärts
biegt. Mitliin schlingen sich die Dachlinien girlandenartig um die Pagode
herum und verleihen ihr die eigentümlich(! Eleganz und Schönheit, die
sogar das abendländische Kunstgefuhl angenehm berührt und durch die zier-
lichen Wandkapitäle und die glasierten, farbigen Dachziegf^l noch erhöht
Pl,il..hhl. Abh. min. Nr. II. •-'
10 I) E G R O O T :
wird. Die Dächer sind liäiiptsäclilicli aus llolz, ebenso wie die Balkone
und ihre Brüstungen.
Die Mauern der Pagode sind unten dick und schwer und werden nach
oben hin dünner, und zwar, weil sie auf der Außenseite sicli etwas zurück-
neigen und überdies auf jedem Stock an der Stelle, wo sich der Balkon
befindet, ein wenig zurückspringen. Die Verjüngung der Pagode ist also
auch stufenartig, und es ist daher spraclilich vollkommen richtig, daß die
Ohinesen die Stockwerke ^ /«< , »Stufen«, nennen, obzwar daneben auch
die Benennung ^ tseity, »Stockwerk« oder »Schicht«, durchweg bräuch-
lich ist.
Das Erdgeschoß ist in der Regel liöher, in manchen Fällen sogar viel
höher als die übrigen Stockwerke. Es hat in der Mitte einer Wand den
Hauptehigang, oder es gibt zwei solche Eingänge einander gerade gegen-
über, sogar wohl einen in vier oder in allen AVänden. Hier führen hölzerne
Wendel- oder Zickzacktreppen, auch wohl Leitern, zu den Stockwerken
hinauf. Diese sind als Kapellen zu bezeichnen, insofern sie einen Altar
mit der Statue eines Buddhas oder mit mehreren Heiligenbildern enthalten,
oder insofern solche Bilder dort in Wandnischen untergebracht sind. Auch
befinden sich in der Regel Bilder in Nischen auf den Umgängen. Der
ehemalige sogenannte Porzellanturm von Nanking (s. S. i i f.) soll auf jedem
Stockwerk durchschnittlieh etwa zweihundert Bilder enthalten haben, alle
schön vergoldet: und der Thui)a des ;;j(^^ Fc-sr, des »Nordklosters«, von
irfi^j'l'l Su-tsou, zählt wohl fünfhundert'.
Die Bauart des Buddliaturnis zeigt also deutlieh, daß er einfach eine
Weiterbildung des Grab- oder Aschethüpa der (Geistlichkeit ist; vergegen-
wärtigt doch eine um den ganzen Turm herumgelegte viereckige Terrasse
aus Werkstein das Grab, das Erdgeschoß des Turms den (Grabhügel und
der gegliederte Turm die (irabstange. Ein achtteiliges, mit glasierten Ziegeln
gedecktes Zeltdach aus Holz, das, auch was den Abschlußknauf betrifft,
dem auf S. 4 erwähnten Zeltdach der Grabthüpas ähnlich ist, krönt den
Turm. Daß dieser im (Grunde ein Grabtlnipa ist, zeigt auch noch ins-
besondere die Tatsache, daß er häufig oben auf dem Dach die auf S. 4
erwähnte (Jrabstange trägt, wenngleich in etwas modifizierter Form und
verschiedenartig stilisiert. Sie ist zumeist aus Eisen oder Bronze, bestellt
' W. C. MiLNE, »Pagodes in China-, in den ..Transaptions of the China Branch i)f
the Royal Asiatic Society- 1855, S. 32.
l)'u- Puyoden in China . ] 1 1
vielfach aus um eine Stange befestigten Reifen oder Ringen und trägt
einen Absclilußknauf in Gestalt eines Flaschenkürbis. Sie trägt auch wohl
ganz obenauf einen platten Sonnenschirm aus Metall mit vertikal nieder-
hängendem Rand; oder sie besteht bisweilen aus mehreren derartigen Schir-
men, übereinander um eine Stange gereiht. Ketten verbinden den Gipfel
der Stange mit den Ecken des Daches. Da nun die gegliederte Pagode
schon an sich die Grab.stange darstellt, so soll anscheinend die (üpfelstange
den Zweck erfiillen, die Zahl der Gliederungen der Pagode und damit auch
ihre Höhe auf bequeme und billige Weise zu vermehren. Für diese Hy-
pothese spricht z. B. die Pagode von ^ j"!"! Kiu-ison in ^an-tuny\ die
an Stelle der Stange eine zweite schmälere Pagode derselben Bauart trägt,
die aus sechs weniger liohen Stockwerken besteht und somit die Zahl
der Stockwerke von 7 auf 1 3 vermehrt.
Die schönsten und größten Pagoden entsprechen zumeist der hier
gegeltenen Beschreibung, auch der sogenannte Porzellan türm, der außer-
halb der Südpforte Nankings, der ^5f f^ Tsii-pao m/n, stand und in
meinen Jugendjahren noch als eins der Weltwunder gerühmt wurde. Die
'/lT/f5^/^> Kiantj-^niny fu tSi, »Denkschriften des Bezirks Kinng-ning*, teilen
im 10. Kap. (Bl. 6) mit, daß im 10. Jahrhundert auf der Stelle ein zer-
trümmertes Kloster lag, nlas, als die Sw«^-Dynastie herrschte, wieder-
liergestellt wurde und dann ^)|?'|^' "Kloster der Periode Ti^^n-hit (10 17
bis 1022), hieß. Der dabei in der Periode |^^ Siang-fu (1009—17) auf-
gefiilirte Thiipa hieß S^,(^i^^ Sing-kan t'a'. In der ^Jf Ti^i-Uiug-VevioAa
(1341 — 68) der Mongolendynastie fiel das Kloster einem Brande zum Opfer.
Dann befahl im 10. Jahre der ^^ J?/«</-/o'-Periode (1412) der Miny-
Dynastie der Kaiser Jjjf] ^j}^ Ti'iny Tsu dem Ministerium der Werke, daselbst
einen neun Stockwerke hohen Thüpa aus ^tij^ Uu-li, glasiertem Porzellan,
zu erbauen, und zwar nach einem vom Hofe gemachten Entwurf Im sechsten
Jahre der Periode ^f^, Si/rn-tr' (1431) war das Kloster fertig, und der
Kaiser schenkte ihm den Namen ;Acfßy^^ Ta-pao-ngm .«r, »Großes Kloster
zur Vergeltung von Gnaden«. Es brannte in der ^^ Kia-tsing-Yeriode
(1522 — 67) ab, aber die Pagode entkam den Flammen mit knapper Not,
und es dauerte dann bis ins dritte Jahr der Periode K'ang-In (1664). bis
Gelder für den Bau der großen Klosterkirche eingesammelt wurden. Zwanzig
' Abgebildet bei Hesse- Wartecc!, -Scbantung und Deutsch-China«, und bei MCnstkr-
iiEHc;. -fhinesische Kunstgeschichte- II, S. 29.
12 I) i: Gküot:
Jahre später besuchte der Kaiser auf der Reise das Kloster und bestieg
die Pagode: und zum Andenken an diesen holien Besuch wurde ganz oben
eine Tafel angebracht, die eine Inschrift trug, wofür der Kaiser eigen-
händig das Modell geschrieben hatte. Auch schenkte er eine vergoldete
Buddhastatue und ein Exemplar des ^I^|J|^ Vajrasütra, die beide im
Turm den Ehrenplatz erhielten. Im 38. Jahre der Regierung desselben
Kaisers (1699) ging die Pagode durch Feuer zugrunde, und für den Wieder-
aufbau stellte der Kaiser Geldmittel zur Verfügung.
Soweit die chinesische Quelle. Aller Wahrscheinlichkeit nach ver-
nichtete das Feuer nur das Holzwerk und ließ die Mauern unversehrt, und
darauf hat Ehrfurcht für alles Alte den Wiederaufbau des Thfipa im alten
Stil veranlaßt, so daß er sich bis zum endgültigen Untergang, als die
T'ai-p'ing-RahaWion Nanking in Trümmerhaufen verwandelte, in der Gestalt
zeigte, die die Entwürfe des Jahres 1412 ihm gaben. Dieser wahrschein-
lich allerschönste Thüpa, den China je besaß, verdankte also seine Praclit
in erster Linie der buddhistischen Gesinnung des Kaisers Ts'inff Tsii, den
gewiß die Ehrfurcht für den Geist seines Vaters beseelte, des Stifters der
Dynastie, der ein buddhistischer Mönch gewesen war. Der Vater hatte
Kiang-7iing zur Hofstadt gemacht, und der Sohn ließ es, als er Peking
zur Hofstadt erhob, ehrerbietig als »Hofstadt des Südens« (Ntm-ki/i^) be-
stehen.
Einen ausführlichen Aufsatz über das Prunkjiiwel dieser zweiten Reichs-
liauptstadt schrieb der Gelehrte ^'/If" Tä'm /, der in der Periode JEf^^
'Jsing-tfi' (1506 — 2 i) den tsin-§i-Gr.\d erwarb, und über den ein Lebensbericht
vorkommt in Kap. 286 (BI.19), der ^^ Ming si, » Staatsgesehichte der Jim^-
Dynastie«. Dieser Aufsatz befindet sich im T u-Su tsi'-ti'ing, im 123. Kap.
des Abschnitts jjil|)^^:. Er lehrt uns, daß Tsing Tsu dekretierte, daß der
Ziegeleibetrieb im ganzen Reich sein Allerbestes aufbieten sollte zur An-
fertigung von lin-U in den fünf Hauptfarben. Weiter lesen wir da, daß
jede der acht Seiten des Thüpa 5 ^ sin, also 40 ts'i oder etwa 13m lang
war, der Turm 9 Stockwerke besaß und iimen quadratisch war, und daß die
Wände des Erdgeschosses Abbildungen der P3 ^ 3E "Könige der vier Welt-
gegenden« zeigten. Die eiserne Gipfelstange trug Scheiben und Schüsseln
und obenauf eine vergoldete Perle. An den eisernen Bändern der Stange
liingen Glöckchen, wie auch an den Konsolen der Dächer. Die Zahl der
%m. '• Korblampen., betrug 144. H^i* f^lüM, #^ f^ 1^, ^^=1]
Die Paijoden In China. 1 8
^W yC ^ ÜH ^ ^ ffi A Im ^ f^l W S ; '"lie Windglöckchen waren i o li
weit liörbar. und wenn sie sich in regnerischen Näcliten klingend be-
wegten, dann gingen die Sarira als eine Anzahl von leuchtenden Perlen
(Elmsfeuer!) der Reihe nach zwischen den Scheiben (der Gipfelstange) her-
aus und herein, einen Laut von sich gebend«. Innen führten Wendel-
treppen zu den Stockwerken hinauf Daselbst waren die vier Wände mit
fein gearbeiteten Bildern von Buddhas bedeckt, auf jeden Quadratfuß eins,
und darüber zogen sich schöne Plafonds hm. In den Fenstern hingen
Laternen aus dünnen Austemschalen.
Taylor, einer der letzten Ausländer, dem es vergönnt war, den Thfipa
zu sehen, schrieb:
"A comparatively small portion of it is white. Green is the pre-
dominant colour, from the fact that the curved tiles of its projecting roofs
are all of this colour, while the woodwork supporting these roofs is of
the most substantial charaeter and, in the peculiar style of Chinese archi-
tecture, curiously wrought and richly paintcd in various colours. The
body of the edifice is bullt of large, well-burnt brick, and on the external
surface they are green, yellow. red, and white. The bricks and tiles
are of vcrj' fine clay nnd highly glazed, so that the tower presents a
most gay and beavitiful appearance, which is greatly lieightened when
Seen in the reflected sunlight. '" Aus diesen Zeilen erhellt, wie die Be-
nennung »Porzellanturm» zu verstehen ist: das Porzellan war das zwei-
mal genannte liu-li, dasselbe weiße, farbig glasierte, harte 'I'onmaterial,
woraus auch die schweren Dachziegel der kaiserlichen Palastgebäude und
der Tempel der Staatsreligion liestehen.
W^eitaus die Mehrzahl der Pagoden entsprechen der obigen Beschrei-
bung nur in geringem Maße, sind von viel einfacherer Konstruktion und
besitzen keine ringsherum laufenden Dächer mit Baikonen, sondern an Stelle
dieser nur (Jesimse aus Mrnierwerk, die das (lebäude umfassen. Die Türme
dieser Typen (s. Taf. 111 2, zu S. 9 ; Taf. IV i , zu S. 39) sind in der Kegel bloß
aus Mauerstein, weiß oder gelb getüncht, in vielen Fällen massiv und somit
unzugänglich. Selten tragen sie die; (Jiplelstange und anstatt ihrer nur eine
runde, sich zuspitzende Flamme; auf Fußgestell, einen großen Flaschenkürbis
oder einen umgekehrten runden Topf aus harter, glasierter Tonerde.
' Mii.NE, -Transactions China Brauch R. A. S.« 1855, S. 32.
14 I) K Ü E O O T :
Die Zahl der Stockwerke oder Gliederungen einer Pagode ist immer
ungerade. Mag sein, daß ausnahmsweise mal eine angetroffen wird, die
eine gerade Anzahl aufweist; allein dann ist hier jedenfalls die Frage
zu stellen, ob sie wohl der klassisch-religiösen Sorte angehört, oder ob
nicljt durch Sturm oder Erdbeben eine Gliederung verwüstet ist, endlich
ob man nicht eine Gliederung mitzählt, die nach chinesischer Ansicht
keine ist, oder umgekehrt. Eine durch religiöse oder philosophisclie Er-
wägungen bedingte Mindestzahl oder Höchstzalil hat es wohl nie ge-
geben; wohl aber hat, wie sich bald zeigen wird, unverkennbar immer
das Bestreben vorgeherrscht, die Pagoden möglichst hoch aufzuführen, ein
Bestreben, das sich auch (vgl. S. i i) in der gegliederten Gipfelstange kund-
gibt. Einen natürlichen Einhalt hat hier gewiß die Baukunst stets ge-
boten, die es sich selbst nicht zutraute, über eine gewisse HöJie hinaus-
zugehen, ohne die Stabilität des Turmes zu gefährden; und somit ist wohl
anzunehmen, daß Pagoden mit mehr als dreizehn Stockwerken Seltenheiten
sind, luid wahrscheinlich keine eine Höhe von hundert Metern erreicht. Nach
MiLNK war der Porzellauturm Nankings 260 englische feet hoch, also etwa
80 m; unten war er 96 feet loinches oder 29.5 m breit; die Mauerdicke be-
trug daselbst 1 2 feet oder 3.66 m; und oben, nach Lecomte, 8.5 feet oder etwa
2.60m. Anderen Angaben zufolge war diese Pagode nur 236 feet oder auch
sogar 103m hoch'; jedoch diese Zahl ist sicherlich zu hoch gegriffen, da
sie für jedes Stockwerk eine Höhe von nicht weniger als 14 m voraussetzt.
Daß große Thupas, die dem hier skizzierten Bild im großen und ganzen
entsprachen, in China schon in den ersten Jahrhunderten nach der Ein-
führung des Buddhismus erbaut worden sind, läßt sich dokumentarisch
nachweisen. Im ersten Kapitel des auf S. i zitierten Buchs über die Klöster
von Lo'-jang wird nämlich eine solche im folgenden Wortlaut beschrieben :
^ ^ ^ ^ij ^ — ■ Pj^ ^i Südlich (vom Altar) der S^ (oder Götter des Erd-
z m i-di tt m ^Js ^m TT ''^g''^"^°°^[^''7'"' 7;"7 ^"-''^<^f
o ^ ^ rr* 'ri '^,2) von neun Stockwerken steht, der aus Holz-
g " 1^ /L ^o -^^ ^ gesteilen konstruiert ist und im ganzen eine Höhe
öj ^ -+- -j- j^. ^ /^ von 90 tiang hat. Er hat einen .iat (Gipfelstangel,
^ " r-t _f- -1- ^j-^ ^ rt^ der noch zehn tsang hoch ist, so daß die Gesamt-
f^ ' Q '^ ^, M& y^ lÄ höhe über dem Erdboden tausend t«'»" beträgt. Wenn
p j+ yöw ;^ ^ |S] J^ man noch hundert li von der Keichshauptstadt ab
^ ist, kann man das Gebäude schon in der Feme sehen.
'rraiisactions 1855, S. 55.
Die Poyoden in China. 1 5
Als man anfangs für die Fundamente den Boden
aushob bis unter das gelbe Grundwasser, fand man
_,.._- dreißig vergoldete Statuen. Die Großkaiserin sah
— m 3E 1> 3j^i| J^ ^K darin ein Zeugnis für die Bewahrheitung des Dharma
und entwarf aus diesem Grunde einen über das ge-
wöhnliche Maß hinausgehenden Bau. Auf dem sat
-|-j — -, ■ — -^ I.I ■• - ^ steht eine vergoldete Urne aus Kostbarkeiten, die
h ^ 1^ ^ "^ '^ *^ ^^^ 25 Stein (Wasser;*) enthalten kann, und darunter be-
T«5 h ^^ <4s ^ ^ 1^ finden sich vergoldete Schüsseln, die den Tau auf-
• ' H~| Ag ^j_ jj^ jiiii ^ ' fangen, dreißig übereinander, um die herum über-
W O ^ f^ ^ ^ ^^ f§ .ill vergoldete Glöckchen herabhängen. Auch an den
— • y^ -^ w zn ^Ö ö^ ^^ vier eisernen Ketten, die von dem iat nach den vier
■g" , ^ jg| -4- — . , . <^ Koken des p'u-iö laufen (vgl. S. 11) hängen solche
. /" ^m -jI* -^ "T^ '^ . Glöckchen. Die Größe dieser Glöckchen ist der eines
— ■ ^^ "^ 5<. " S — ■ Steinkrügleins gleich. An den neun Gliederungen des
I ^ ^ ^ ra Ü 1^ T //«-W hängen von jeder Kcke ebenfalls vergoldete
^£ « _i ^1 [jc jf^ jira -|p^ Glöckchen herab, und insgesamt gibt es deren von
o « /"i:: ^'J IE. . m 6 oben bis unten 120.
-4^ ^ A> "/l '^ ^^ f3 j^ ''^^'' p'""''-^ hat vier Fassaden, jede Fassade drei
/^ 'iü /.^: ° -V- -iu? lü 1^1 1"i'""C'i "od sechs Fenster, und die Türen haben alle
H*!^ M *ffl ^ g ^ ^ IBI einen rotlackierten Türflügel. Darüber sind fünf
™. ^ ,1^ ^ tpo 3t ^ ^ Reihen von vergoldeten Glöckchen angebracht, deren'
■Xn l ^T rp. i^ [in Gesatntzahl 5400 beträgt: auch haben die Türflügel
. ^ TW IL tm -jj -z:r einen.Tierkopf mit einem metallenen Ring. Alle .\r-
".i9 'L'* j^ yj\;; 1^ Mr- [Bl beiten in Erde und Holz sind hier erschöpfend ge-
^ Q t;^ -Jr ^ L 3f lei-stet, alle Arbeitskräfte an Konstruktion und Aus-
'^^- ' — j. .^ tA- ~; '^ gestaltung restlos aufgebraucht. Die Religion des
^ ^ ' ^\ , W ^ Buddha ist so ätherisch und so schön, daß es sich
y' tW* 'iS> ^ ^ jE. ^ nicht denken, nicht sagen läßt! Die verzierten Säulen
und die metallenen Türköpfe lassen Gemüt und Auge
S W o jS A. I erstaimen, und wenn dann droben im Winde die kost-
W öH Iw'il ^ :^ "^ ''"^ baren Glöckchen die ganze Nacht hindurch melodisch
7^ m JfX- y^ I^ ^ ^> klingen, dann ist ihre metallene Sprache weiter als
zehn li hörbar.
HB ^ Ui jgw ^ fci ;g' j^ Nördlich des p'u-tö steht ein Tempel des Buddha,
o »A« .1,^ >y^ ^- * _■ löi Darin befindet sich eine vergoldete Statue von 18 Wr,
^ ^ 'zl "T" ■^ nehst zehn vergoldeten Statuen wie ein Mensch von
PEj ^ ^^ "^ ^ ^< /\ "/Jb mittlerer Größe. Die Zellen der Geistlichen, die
>4'- "tSi ^^ ^ HH ~V' "^ W Stockwerke und Belvederen sind über tausend an
— nri' 'i* \\V o JI2 iäi i& '^a'''- ß'e Sntra"s und Statuen, welche das Ausland
m ^y feA ^ 8 ^" "^ ^^ dem Kaiser angeboten hat, befinden sich alle in diesem
® Sj Äi ^ 4f|> Q ^ ^ Kloster. Die .Mauern der Höfe des Klosters sind
i£ ;Ä ^ — F l^I ^ ^^ — "'" ''U'"'''^" Sparren Ijelegt, welche mit Ziegeln ge-
■ Bu ■^^ f'».'« er 1,* II ^ |ä/f deckt sind, wie die Mauern des jetzigen Palastes.
— Url '^—^ lit /7I TO /V o In jeder der vier Fronten des Klosters öffnet sich
J^ — J^ i^ j^X ^S 't' t' f'n Tor. Das südliche Tor hat drei Stockwerke und
16 I) E G R o o r :
_j|- ^^ o |ni lirl jlj^ _L. -K Ji'ei I)urchgäng(! und erhebt sich bis 20 tsang über
•^^ PPJ g lU U^ J/v T ^4r 1^^ Erdboden. Das Tor umfassend und flankierend,
^^ r J ^ ^^ yi 1 J -^ -^ befinden sich da vier mächtige Krieger und vier
■^ J^ jjQ J2- -U ;ö" iH: — ■ I-öwen; am östlichen und am westlichen Tor ist es
° auch so.
Ab A A Ml ^ ,^ jS ^K '■'" '^"t'*^" •'^'"■^ '^*"' J"'>9-f''-^>ir\ode (534), im
y/M xii ~^ ' ° i4? BP ^' ^l""'"*'» brannte der p'u-tö ab. Der Kaiser bestieg
3yr l/i JTL >I^ T^ IT3 >.'i» ,jjg 'Jen-asse der herabkommenden Wolken, um sich
•/öl ^ "üi 1^ ~TC 4C ^ — • '^^^ Feuci' anzusehen und schickte den König von
^ß ^ ni i :j-ji 3i 4|i Nan-jany, Pao Kii-tu. und den ^linister Tsang-sun Tsi
_L. TJx yC ^ W4 ^ SS? — mit tausend Mann der ./«-/tV/ -Garde nach dem Brand
J^ , ^a "fl ^ f/j; ip- p-j hin. um Hilfe zu bringen. Das Feuer entstand im
— ° rÄ achten Stock und brach aus bei Tagesanbruch, als
[^ ^ .J i^ I A ^" "'
m -y- r-j- zu " -gg ' "^ ^■^ achten htock und brach aus bei lagesanbruch, als
1.^ F3 ^ ■, VV 0 --• W^ Vr ein Gewitterregen die Luft verdunkelte und Graupeln
JmX "'^ IM ^ Jjf^ / -<J> 1^1 mit Schnee gemischt herabkamen. Die ganze Bevölke-
■^ fj' i_- , . .^ wß- ^^ ^g- rung, Geistliche und Laien, kamen, um den Brand
H [Sj "; "^ ^ 't' P i '"'' •i"'-i'sehen, und ihr Wehklagen erschütterte die
. -j^ 3|3l j/C Iw' "" fe yv Hauptsiadt. Drei bhik.su's liefen ins Feuer und
"^ ,2- ^ Jfn )ii^ T^ -^ W kamen darin um. Drei Monate nach dem Brand
/^ fW j_ -rr; tH; ^ ^ /l^ War das Feuer noch nicht erloschen; es befanden
M- t' ^^ ° tm 'h iS. ° ^'''^ auch Holzsäulen unter dem Boden, welche
^ ^ /Rl 3/1^ "^ ^^ _,!, "rp" das Feuer suchte, und die das ganze Jahr hindurch
'jM- J\i ^4^ ig^ j/C ^-^ ^^ j^ ""«'1 rauchten. Im 5. Monat dieses Jahres kam Je-
fe ^ ^^ ^ jfc" 'o^ W K^ maiid.aus der Mark Ä'anjr (jetzt ^D j>]>| Liv-üon in
,jjj jj/j ^ ~r 5ii''' ^ — ■ "fj!!] Kuang-xi) mit der Mitteilung, man habe auf dem
">i -j- y=j ^ g2j-- ji ^, Meere einen p'u-M ffesehen. dessen Licht glänzte
IMI ^» FI ^"» -> 'fE* jfeA ^g und leuchtete, und der wie neu aussah; das ganze
^^ <iiM; 1^ ^iJ: =1-5, -T- , 1 ^^ am Meer wohnende Volk habe ihn gesehen, bis in
n/p. "^ ' ■• ^^ '''^■' ^ 1^ einem plötzlich aufkommenden Nebel der p'u-tö ver-
'H ^ W ^ t^ 0^ J^C ^\ schwunden sei.
Dieser als Prunkjuwel gepriesene Tliüpa gehörte also einem sehr
großen Kloster an, das etwa tausend Insassen zählte und von einer Kaiserin-
witwe gestiftet war. Er muß also der vornelimste der kaiserlichen Haupt-
stadt und ihrer Umgebung gewesen sein, zumal er der einzige ist, der das
Ka-lam ki so ausführlich, und gleich auf den allerersten Seiten, beschreibt.
Dennoch war er mitsamt seinen Fundamenten hauptsächlich aus Holz er-
baut, und es ist also anzunehmen, daß bis dahin Steinmaterial nur wenig
für Buddhatürme verwendet wurde. Die ganze Höhe des neunstöckigen
Baus soll mithin 90 tSany, das heißt, nach der gegenwärtigen Länge des tSang
(3.35 bis 3.40 m), mehr als 300 Meter betragen haben. Es muß kiso das
tsang damals entweder viel kürzer als heute gewesen sein, oder, was wahr-
scheinlicher ist, es steht wohl im Text das Zeichen ^ tSang irrtümlich
Die Piiyoden ui China. 1 7
für /^ tsi\ (las Zelintel eines tsany; denn aucJi ein Turm von 30 ni war
wohl geeignet, die damalige Menschheit in China ordentlich in Staunen zu
versetzen. Es verdient betont zu werden, daß auch dieser Thüpa sclioii
die Grabstange trug, und daß diese aus dreißig übereinander gelagerten
»Schüsseln zum Auffangen des Taus« bestand, also in einem eigenartigen
Stil gegliedert war (vgl. S. 1 1). Auch soll nicht unvermerkt bleiben, daß
diese Stange damals -^at, d. h. Caitya, Heiligtum (s. S. 7), genannt wurde inid
somit keineswegs als Nebensache, sondern als ein Hau2)tbestandteil des Tur-
mes galt: waren doch in der Tat, wie auf S. 1 i dargetan ist, die sämtlichen
Stockwerke die Entwicklungsform der gegliederten Grabstange. Die eigen-
tündiche Ausstattung der Pagoden mit zahlreichen Glöckchen wird auf S. 63 IT.
zur ."spräche kommen.
Aus der Tatsache, daß im 6. Jahrhundert die größte und schönste
Pagode der Ueichshauptstadt hauj)tsächlich aus Holz bestand, darf jedoch
nicht gefolgert werden, daß es bis dahin in China keine Pagoden aus Stein-
material gegeben habe. Das Ko-lam ki erzählt im 2. Kapitel Bl. 5, daß im
unweit von Lo'-jany gelegenen Dorf ^^ T.siiny-i im Jahre 520 ein ge-
lehrter Mann die Stelle anwies, wo eine dreistöckige Pagode aus Backstein
(^K) gestanden hatte, und daß man darauf den Boden aufgrub und etliche
liuntlerttausend Backsteine fand samt einer Steininschrift, aus der hervor-
ging, daß im Jahre 285 an dieser Stelle eine Pagode errichtet worden
war. Der Inhaber dieses Grundstücks verschenkte nunmehr dieses der Geist-
lichkeit, die daselbst das ^^ /Äng-Jiu(/-K\ostvr stiftete und aus den auf-
gefundenen Backsteinen wieder einen dreistöckigen p'u-tö baute. Wenn also
im 3. Jahrhundert eine Pagode aus Backstein gebaut wurde, so läßt sich wohl
glauben, daß der Pagodenbau in China mit der ersten Verbreitung des
Buddhismus daselbst Hand in Hand gegangen ist. Daß im 5. Jahrhundert
auch Kaiser Buddhatürme bauen ließen, lehren uns die |^^^ Nan-Ts'i üu,
»Geschichtsbücher der südlichen Jls'Z-Dynastie«. die in Kap. 53 auf Bl. 3
über den Kaiser ^ 3/w<^ {465 — 472), der im jetzigen Nanking seine Residenz
hatte, folgendes zu lesen bieten:
A^ ^ ^' §ä LM ilS ^H i^ -^"f einem eliemaligen Anwesen baute der Kaiser
^^, » ,^, ^^ ■_,- »i^ , das ^inny-Jciittg-'K\itsier nnd machte dafür .\usgabeii
Mf ^> vK nri ^f' ^3^ '"' yC*t in äußerst verschwenderischer Weise. Auf die sieben
Wi PT ^Ü -^^ 5V ■^ ^ ft^ Stockweriie des Thiang-jm-C&hyn wollte er noch
f.\\ •- _L. la it}- "f^ ^ ti" zphn andere setzen; die konnten sich jedoch nicht
; "^ ''^' o ■• C» halt«[i, und so baute er zwei Caitya's mit je fünf.
I'hil.-hist. M,h. IUI!». \r. 11. ,}
18 I) K ( i R o o T :
:i^ 'o" m ITlt. ö- :iC f^ ^Ä. Da trat Tsao Saitq-tsi. clor (iouvei'neur von Sin-nuan.
^ ea Ä IsE :>5e ^E. ^ '0' , ,. ,, j- Af I • u I 1 . / . j
■ ,j. i^-j _^ _, .., 1^ ^ ;ils Verwalter dieser Mark ab, kehrte (nach der
I J 7iii^ yu I yv r-TH ■gt. •^'L Keichshauptstadt) zurück und erechien zur Audienz.
^ :/v Mn ^ 5y B Uß -^ I>er Kaiser sprach zu ihm: »Waren Sie noch nicht
^1& ^a ^S ll'l' ffe ä& <i>a ^r im ,S;a«^-^M;,j;-KI oster, um dessen Bau ich mich so
" K& i^ =t- cE? -^ I-. hochverdient gemacht habe?- Da sagte Jü Jvan,
\ -. ^ 1^ ■« Ä 5C der dabei stand: »Euere Majestät hat dieses Klo-
^ f^ R J^, ^ -jv ^ ster . mit dem Geld erliaiit, für v^elches das Volk
oj ±t -fi- Tt ^P ^ ^ii seine Kinder hat verkaufen, seine Frauen hat ver-
/ttb yti ~S AflA \V\' R 'A' pfänden müssen ; wenn der Buddha das wüßte,
(TP F3 f^ l>>J IJ-L ■• :5R: dann nn"ißte er wehklagen und jammern aus Mit-
IH 3^P ^ ö ^ ^1^11 1pJ leid. Kine Schuld, höher als diese p'u-t'ö's, was ist
das für ein Verdienst':'!«'
Fa-hirn und ^|^ Hiim-Unony trafen auf ihren Reisen in Indien Thüpas
an, denen Verehrung und Opfer dargebracht wurden, und die errichtet
waren an Orten, wo Buddha geh'Jirt, geruht, Fußspuren hinterlassen oder
anderes Denkwürdiges verriclitet hatte; oder worin seine körperlichen Über-
reste, sein Bettelnapf, Stab oder irgend eine andere Habseligkeit aufbewahrt
wurden, so daß aus dem Gebäude ein helles, himmlisches Licht strahlte,
insonderheit an religiösen Feiertagen. Daß in China von Anfang an die
großen Thupas in erster Linie zur Aufbewahrung von Reliquien des Buddha
errichtet worden sind, also Dhätügarbha's, Dägob's waren (vgL S. 3), läßt sich
dokumentarisch nachweisen. Ein sehr in Ansehen stehendes, in der Zeit
der /iö/<^-Dynastie (502 — 557) verfaßtes Werk, das den Titel j^ f^ 'fl|
Kao sang Wnan, »Bericlite über hohe buddhistische Geistliche«, trägt, enthält
nämlich im i . Kapitel die folgenden Mitteilungen über einen ^ Tlui, dessen
Ahnen aus }^ J^ K'ang-ki, Sogdiana, stammten und während mehrerer Ge-
schlechter in Indien gelebt hatten:
'l^ 'i"'!^ E3 'M^ ^ f^ 5^ VX ^'" '°' '''^'""'^ ^^^ Periode Ti'i'-wu (247) der Wu-
i^ Bö ■* "* .%U y— -ajf. jp Dynastie kam ei zum ersten Male nach Kifn-ji'
^^WUrJg -o (Nanking, Residenz des damaligen Kaisers ^ i^
^ ^ (^ ^ TT je ^^^ ^ Sim K'üen). Dort baute er sich eine Sti-ohhütte, er-
Fl AB A 1S& ^ i± ^ 1^ richtete darin Bilder und wandelte den Weg zur Selig-
' db "Ä P9 Tf -IL _i '^^'''- ^^* "ä'' «las erstemal, daß man im Reiche Wu
^' ^^ ^^ ^\ -^ 5>^ ^. • einen sramana zu sehen bekam. Man sah wohl seine
M 4S ^ W ^ [^ «^ ^ "°''°''" '"'"■'' —"—"""'" ." .•™.~"'i ."V...
Person, allein seine Handlungen verstand man nicht:
•^ _i. =q -jy |>i "y^ J^Ti er wurde also der Ketzerei verdächtigt, so daß
^^ ^ ^ ■^ _ ^^ , . der Magistrat dem Kaiser schrieb: -Ein Barbare ist
'itl ^5^* -M: 'V'l HX :Ce ins Land gekommen, der sich sramana nennt und
• Auch in Kap. 70 der ^ ^ Nan M', .Geschichte des Südens-, Bl. 15.
Die Payixirn in China. 19
EI '«- ^^ -^ yUb 1^ S^ in Aussehen und Traclit ungewöhnlich ist. Diese
UM ^tto uu ri- ^ >a:^ ^ Sache muß also untersucht werden«. SwnJST'äere sprach:
■^ ^ S /yr ^ mS ^ •(Dem Kaiser) Ming der i/ai-Dynastie hat dereinst
von einem Gott geträumt, den man Put (Buddha)
nannte (vgl. S. i); die Verrichtungen dieses Menschen
sind am Knde gar Gebräuche, welche von diesem
Buddha herstammen;'
^ ^ >ßl trtl BS ^ Pll Sofort beschied er den Hui zu sich, verhörte
Uli rtii i'l rC Air .dK -7:1 ""^ "'^"^ fragte, welche Zeugnisse es für die Macht
/rU ^IJ Ül "T ffi i^ ^4 (des Buddhas) gäbe. Darauf sprach Hui: »Nachdem
^ S ^( Jk ^>7 2E b '^'^'' l'athägata das Kindrücken seiner Fußspuren (ins
-M ^1 ^^ iw- »1° -^ ^^ Nirväna) vei-legte, sind etwa tausend Jahre vergan-
ÖW ,.«t. 3jf " • ' 'JT*' HB g^n : jedoch der göttliche helle Lichtglaaz der .'^ari^a's
^ i.«- ■* ^ P^ ^^ ^ seines zurückgelassenen Gebeins ist an keine Welt-
X-' ^"^ Ttj -p^ -^ ^ :^ gegend gebunden. Dereinst hat König A.soka dafür
rl V»i-i Sg ö - ±h {g( 84000 Thüpas errichtet: ja, die Entstehung von Thü-
o 'J^ ^ j Jl > ,j^ pas und Klöstern ist das Zeugnis der (Umgestaltung,
:Sr a i^ ^g >ffi- ^S welche von Buddha hinterlassen ist.« Sun K'üen, der
^ffi pj ^ IM- 1^ ,5iK 'l8S fi'"' Geschwätz und l'nsinn hielt, sprach nun zu
.. » . > ..•. ■'•H H O rr_.. TT L ,1.. il'_ -,..,■ v,..l „_ J l :_u
O
^ ifeh
,|- " " ^j^ /f««: »Kannst du Sarira's bekonuiien. dann baue ich
'•• ^ .. /j j^ ^ dafür einen Thnpa: sollt<?st du aber ins Leere ge-
[jj^l afe Tu A t|j td schwatzt haben, so hat mein Keich für dich festge-
^ iH "t& jMi' ifilh -An '»i't^''' Strafen." Hierauf bat Hui utn eine Frist von
rl "^T o '-*« >* sieben Tagen.
JL. lU' vfe ^: +h . Tt, Snn sprach er zu seinen Angehörigen : »Hiervon
' Mh cti '.BB ■'*// na ^m hängt der Aufstieg oder das Kränkeln der Religion
^ J,A ^ flä /7f,< 7^ j|^ durchaus ab: liieten wir also nicht jetzt unsere tiefste
•?7 hJI zu BR ^^ >^ ^I Frömmigkeit auf, werden wir dann später etwas mit
j. .,. L- I i^ y Jg ihr erreichen l'« Zusamm<"n reinigten sie sich und
+ir ^w" » M ^ '_'^ ^* fa.steten in einem stillen Raum, stellten da eine bron-
^f^ -Jt H ■» ^3^ W zene Vase auf einen Tisch, brannten Weihrauch, ver-
^ID -<fe AB I<i Ew VI- ehrten (Buddha) und riefen ihn an: jedoch die sieben-
11- ^8. 41.3 ^-4'' ^^ 'äS'g*^ Frist verlief in tiefer ."^tille, ohne daß eine
^ » jin ^i * "^ -^ Erhörung erfolgte. Er ersuchte somit um eine weitere
^ -Jj,. ^X W' ^v IBl Verlängerung der Fri.st um sieben 'läge, und als auch
-^ , ^^ jjP -fcr ^ diese in derselben Weise verflossen war. sprach Stm
- iB£ iSS- )\ T& K'iien: »Das ist ja lauter l,ug und Trug« und wollte
an "11 > o fl^ 'h'" Strafe auferlegen: aber 7/«; bat um eine dritte
^ ö -nB 'J|j& ^ jH' siebentägige Frist, die ihm noch als besondere Gunst
von Sun k'iien gewährt wurde.
^ 1^ "^^i SJ ^- IS """ ^'* '''"" -^''cnd des 21. Tages hatte sich noch
A -Wc Bil '71 T/* 4hF J-- ''nni'-'' nichts gezeigt, und alle bebten vor Ang^t:
ö ^2 W A ^ -,j> -t. jyjj^,.|, 3,j, ^jjj, ,-;.,„ftp ^Vache (3 bis 5 Uhr morgens)
1^ rf /Tfl» jL J^ //T W eingetreten war, war plötzlich in der Va.se ein me-
JllS. ^ T^ 55 tM >^ ^^ tallner Klang zu hören. Hui begab sich hin. um zu
' ° ■« ■» » sehen und fand in dei' Tut ein Sarira. .Sobald es
.•r
20 J' K (i ROOT :
tä^ '^ ^\\ W. f^ ^- IM W- ^^" gßwrdeii war. brachte ei- es zu Sun K'iicii:
im ^ E|J Z^ El yL 1Ä '^ j-„ „„„,„ Hnf tnm 7iis!immpn lind sah die Flani-
, y/< ' -H^ f^^"" g^nze Hof kam zusammen und sah die Flam-
iÖi ^ 'S^ ^ ^ ^ Jg ^^ men eines fünffarbigen Lichtes hell über der Vase
° \(n ^^ ^, Wi Ho *H ^ leuchten. Mit eigener Hand ergriff Sun K'üen die
R -täC JÖL 'Ml. ^ 5flJ ^'^^ ""'^ schüttete das Sarira in eine bronzene
, -ffi ^ -• jtr-' ^ o Schale: und an der Stelle, wo ea die Schale be-
^ ^ ^tfjf "^^ "iS '^ rührte, zerbrach diese in Stücke. Von der tiefsten
'^ ^ » z^'' i ä Ehrfurcht ergriffen, erhob sich Sun K'üe'n entsetzt
-i' ^^ fifö ifPI K^ Ä *^ und rief : »Was für ein selten vorkommendes Wunder-
^ T.^> W fflfJ T-B tL 3E .^gjpjjg^,,.
^ na -ji rft; ->• ij^ ^ D* t'''^* ^^"^ ^•"' '^"'^ spiach: »Sollte der Ehr-
"^ ^^ ^o"^ ^ furcht gebietende Geist des .«arira bloß etwas Leuch-
••^ flu '^ Ui ^ '^ tendes sein, und sonst nichts!' Ein l'euer, das einen
^ ygN ^ r^- S ^C Iffi k.ilpa hindurch zu brennen vermag, kann es nicht
An, /h!) -1, 1^ ^ ^ ^ verzehren, eine vaira (Zauber)- Keule ist nicht im-
ITP ttl <- — ^ yf> o , . „,.. , . , o r^'.. - u 1- v-l
l»L 5£ ■• yj\ » Stande, es in Stucke zu schlagen." Sun K uen befahl.
' 1^ ^ ri^ Ed 9^ 0 CS auf die l'robe zu stellen. Hui sprach eine Be-
M. "• Ja. '_v .^ Mi ^ ichwöruDg dieses Inhalts: »Wolke des Dharma, Decke
o I ' I X£ "^^ vi. ^'^ ^^ "
, fe^,.SSE /2r-» ra über den Weltgegenden, zu deren Segnungen alle
^h ^ -Tf S ^ ^''i ^^ «sen sehnend einporschauen, lasse du abermals die
äE ::fg P""ö ■'^'^ Hr rail Et Fußspuren deines Geistes herab, damit sie weit und
^X y4Jj Yi W i.ik -jj ^rii '^'■^"' deinen majestätischen Geist offenbaren!- Nun
_j_, W y^ ^ 1^ -^ W legte man das Sarira auf einen eisernen Amboß und
Y^ ^ It9 '^ 3g^ ^ ;g^ ließ einen starken Mann daraufhauen: aber es ent-
!■/■ ^ ^ /t' >f^ ifi' standen zwar im Amboß wie im Hammer Beulen, allein
IS" ■^ ~^ -Äk jj7 das Sarira blieb unversehrt. Sun ICüen tat einen
^^ ^ ^''^ **4i ^ ' großen Seufzer und war überzeugt: sofort baute er
&L ^ ffi ^^ ^ '1^ '"'' ^^^ Sarira einen Thüpa, und so entstand dort
^Q ^yi 4;S Pt5 ^ .-t^ TB] zum ersten ]Male ein buddh'stisches Kloster, dem
=fc!. " Ji'Ö '*^" ^ PI auf Grund dieses Ereignisses der Name 'Kloster des
o 1^ U S op" -« Anfangs der Gründung (des Buddhismus)' beigelegt
tjüi I. -L- -Jg. y(^ ~pj wurde. Das Dorf, wo es stand, nannte man »das
jh* V- Vrti At — Ji +-i. Dorf des pitf-t'ö-. Infolgedessen kam links des
-^ '!^ &~ W S«« MJ (./o«jf-foT:-)A-!a//p' der große Dharma zur Entwicklung. -
Wie aus Bl. 6 des lo. Kapitels der auf S. i i herangezogenen Denk-
schriften von Kiany-nlng hervorgeht, nehmen chinesische Schriftsteller an.
dieses erste Kloster Nankings sei das spätere Asoka-Kloster gewesen, das
auf S. 23 und 24 zur Sprache kommen wird, und halte auf derselben Stelle
gestanden, wo später das Kloster «zur Vergeltung von Gnaden« (s.S. 11)
mit dem Porzellanturm erbaut wurde'. Ob das wahr ist, ist unwesent-
lich, nicht aber, daß die wiedergegebene Erzählung, so sagenhaft sie auch
' Siehe auch Gaillard »Nankin d'alors et d'aujourd'hui- (•Varietes sinologiques-
Nr. 23, S. 99.
Dir Payudcn in C/ii/iii. 21
klingt, die herrschenden Anscliauungeii bezüglich der Sariras und Thüpas
im Zeitraum des Siegeszugs des Mahäyäna über Ostasien in ein helles Licht
stellt. Unverhohlen läßt sie uns lesen, daß die Sarira's des Buddha etAvas
viel Erhabeneres waren als Überreste verbrannter Knochen eines mensch-
lichen Heilspropheten. Die »Wolke des Dharma, die Decke über den Welt-
gegenden, zu deren Segnungen alle Wesen sehnend emporblicken«, sandte
sie vom Himmel herab durch die Kraft zäher, andauernder Frömmigkeit
der Gläubigen, und zwar um ihre Religion zu kräftigen und zu befestigen.
Ein »göttlicher, heller Lichtglanz, an keine Weltgegenden gebunden«,
strahlte von den Sanra"s aus, und es war ein »fünftarbiges« Licht, also
das Licht des Ostens, Südens, Westens, Nordens und der Mitte, die in
China seit alters her mit den iiinf Hauptfarben : blau, rot, weiß, schwarz,
gelb identifiziert wurden. Sarira's waren also Teile des Weltlichts, des
Lichts des Dharma oder Weltgesetzes, daher gefeit gegen die größte Ge-
walt von Feuer und Eisen und begabt mit so großer innerlicher Kraft,
daß sie sogar zähes Kupfer zersplitterten : in der Tat, gegen das Licht der
Welt, die Lehre des Buddhas, die alle Wesen zum größten Glück, zur
höchsten Seligkeit fuhrt, vermögen die Mächte des Übels nichts. Als
• Element« (dhätu) der Seele, des Geistes, der Lehre des Herrn bekelirte
das Sarira des Hui unwiderstehlich den Kaiser Sun K'iim und veranlaßte
ihn, einen Thüpa für es zu errichten als Heiligtum, von wo aus sich dann
unter Führung und Schutz einer Geistlichkeit, die unter dem Schatten des
Thüpa wohnte, die Lehre weiter über das Land verbreitete. Ein Thüpa
ist mithin Brennpunkt des Lichts der Lehre Buddhas, deren Hüter die
Geistlichkeit ist, welche die Klöster bewohnt: »die Thüpas und Klöster«,
so sprach Hui zum Kaiser, »sind die Zeugnisse der von Buddha bewirkten
Bekehrung. « Dem Durchschnittsmenschen hat natürlich die schlichte Kirchen-
legende genügt, daß Buddha selbst bestimmt habe, man solle über seiner
Asche einen Thüpa errichten. Allein dem Weisen, dem Eingeweihten, dem
Esoteriker galt nur eine viel höhere Auflassung: ihm waren die Reliquien-
pagoden Leuchttürme des Dharma, des leuchtenden Weltgesetzes; ihm waren
sie die Zaubermittel, welche Licht und Geist des Dharma. die bodhi'oder
Intelligenz des Herrn, weit hinaus trugen nach allen Seiten hin. Je größer
die Zalil dieser BudtUia- und Dharmatürme, desto höher die Blüte der
Kirciie. Jene zu bauen in so großer Zaid, daß alle Wesen der Welt in ihrem
Lichtschein leben, oder daß vom Standpunkt eines jeden Wesens min-
22 I' i: G K o () T :
destens ein Turm sichtbar ist. wurde der Kirche höchstes Ideal. Zur Ver-
wirklichung dieses Ideals ließ sich besonders leicht ein Volk herbei,
dem von alters her die Überzeugung in Fleisch und Blut saß, daß aus den
tTberresten der Toten im Grabe Geist (.¥n) und .Seelenkraft (Ufig) den
Nachkommen zufließen zur Spendung von Hilfe, Glück und Segen (vgl.
S. 7)-
Zugleich erklärt sich nunmehr ganz von selbst die esoterische Le-
gende, daß König Asoka, wie Hui dem Kaiser Sun K'üm mitteilte (S. 1 9),
84000 Thupas für die Reliquien des Herrn baute. Sicherlich mag der
Legende ein historischer Kern zugrunde liegen, daß nämlich während der
Herrschaft dieses indischen Konstantins die Heilslelire ihren großen Auf-
schwung nahm und sich weit über Asien verbreitete, so daß unter seinem
Schutz Thüpa's mit Sarira's in großer Zahl entstanden. Kap. i 14 der ^^
Wei Sh, "Geschichtsbücher der W>/-D3^nastie« (386 — 550), das eine inter-
essante AbJiandlung über Buddhismus undTaoismus ist, erwähnt den wunder-
baren Pagodenbau dieses Potentaten in folgendem Wortlaut:
»Als Buddlia sich von dieser Welt verabschiedet hatte, verbrannte man seine Leiche
mit wohlriechendem Holz; seine beseelten Knochen (^» 'a*) wurden dabei zerstückelt bis
zur Größe von Reiskörnern; sie ließen sich weder zerschlagen noch durch Feuer verbrennen.
Teilweise besaßen sie helleuchtende, göttliche Kraft (Jrlf" W§ jJiÖJ ,S^)- 'd der Sprache der
Barbaren hießen sie Sarira. Die Jünger sammelten sie und trugen sie weg; dann legten
sie sie in kostliare Urnen, liraehten ihnen mit allem, was sie an Weihrauch und Blumen
besaßen, Verehrung dar und strebten nach Errichtung von Gebäuden, welche man Thüpa (t'a)
nannte. Dies ist auch ein Fremdwort imd bedeutet soviel wie Ahnentenipel (-:^jSV wes-
halb man die Thüpas auch wohl Tempel (ISH) nennt. Hundert Jahre später gab es einen
König Asoka. Durch seine göttliche Kraft verteilte er die Sarira's des Buddha unter die
Geister (fe JlitÖ)- die dafür 84000 Thilpas bauten, über die ganze Welt zerstreut, die sämt-
lich am gleichen Tage fertig waren. Jetzt besitzen Ld-jany. ^^ ^B Ping-tsing (jetzt ^ VA
Sü-tsou in Kiang-sn). ^A^j* Ku-tsang (Jetzt V'P, >j'H l-iaitg-tsou in Kan-su') und B^ V^ Lin-
wei (unweit des jetzigen ^^^^ 'l\'in-ngan in Kan-su) alle ihr König Asoka- Kloster, dem
solch eine zurückgelassene Fußspur (jg^l^) ^"''''' geworden ist.«
Ausführliche Mitteilungen über Reliquien des Buddha und ihre Bei-
setzung in Pagoden bieten die ^^ Liang hi, »Geschichtsbücher der lAany-
Dynastie«, welche einen Zeitraum behandeln, in dem die Kirche unter der
Regierung eines frommen Bekenners und Schutzherrn ihrer Lehre eine
goldene Zeit durchlebte. Dieser Kaiser, in der Geschichte als ^ Wu und
i^jIB. Äoo Tm bekannt, regierte 502 bis 549 und hatte das jetzige Nanking
zur Residenz. Kap. 54 dieser Staatsgeschichte erzählt wie folgt:
Die Pagoden in China. 23
Im 5. Jahre »1er -4\r [gl 7a-<M«^-Periode (539) schickte das Reich it ^g Fu-nan
(Canibodja) nochmals einen Gesandten, der ein lebendes Rhinozeros anbot und mitteilte, es
gäbe in seinem Reich ein Kopfhaar des Buddha, einen Uatiy und zwei ti'i (nach jetzigem
Maß etwa 3,75 m) lang. .\uf kaiserlichen Befehl wurde der sramana ^p ^ ^ Sakya
Jän-pao entsandt, um den Gesandten dorthin zu l>egleiten und das Haar zu holen.
Zuvor, im 8. Monat iles dritten .lahres (537) hatte Kao T.su das Kloster und den Thüpa
des Königs Asoka umgebaut, und es waren dabei unter dem alten Thfip;! Sarira's samt
einem Nagel und einem Kopfhaar des Buddha herausgeholt worden. Das Haar war blaurot:
je nachdem die Geistlichen es mit den Händen reckten, wurde es länger oder küiv-er: und
ließen sie es los, dann kriillte es sich zusammen wie ein Wurm. Das f^ ^j[i ■i^ Sanglia-
sntra sagt: »Die Haare des Buddha .sind blau und so fein wie die Fasern eines Xenuphar-
stengels- ; und das '^^^£fl^j§^ »Sütra des samädhi des Buddha« sagt: »Vordem, als ich
noch im Palast wohnte und mir den Kopf wusch, maß ich mii- mit einem Fußmaß die
Haai-e, und sie waren einen Uang und zwei /.!'«' lang: als ich sie losgelassen hatte, di-ehten
sie sich rechts herum zusammen und nahmen die Gestalt von Würmern an.« Die Bücher
stimmten also mit dem Ergebnis von A'a» T»u überein.
König Asoka war König des ei.sernen Rads. Er beherrschte den Jambudvipa. die
ganze Welt unter dem Himmel. .Nachdem der Buddha in den Zustand der Auslöschung
übergegangen war, ließ er in einem Etmal durch Geister 84000 Thfipas bauen: der
hier errtähutc war der erste davon. Zur Zeit der W»/-Dynastie (229 — 280, s. S. 18) hatten
buddhistische Nonnen, die auf der Stelle wohnten, daselbst eine kleine /f m -^ "\'erfeinerungs-
stätte« gebaut, welche .^|ti; Sun Tsen^ bald vernichtete, und auch der Thüpa ging dabei
zugrunde. Nachdem Wu (im Jahre 280 vom Hause ^^ Tsin) unterworfen war, errichteten
Seligkeitsucher (jM A) auf der alten Stelle wiederum Gebäude, und als dann pb ^
Tiutig Tmny von Ti-in im ersten Jahre seiner Regierung (317) übei- i\en\Jang-t.ie-)kiang 7Mg.
stellte er sie wieder her und verechönert«' sie. Kaiser Wfi A^ Kiin-wen ließ in der ^r^r
Ili^-ngan Periode (371 — 72) vom sramana und Dhannalehrer ^^ Ngan den Bau eines
kleinen Thüpa entwerfen, jedoch dieser starb, ehe der Bau zui- Ausführung kam: aber .sein
Jünger ^ SH Sang-kien setzte .sein Werk fort und brachte das Bauwerk zustande. Im
9. Jahi-e der HJT TJr 7"a»^'i'a"-l*eriode (384) des Kai.sere ^^tjF Iliao-wu brachte man oben
darauf di<' vergoldete ^liB ^n -^'-scheibe" und den ^i,"^. »Tauauflanger;'- an (vgl. .S. 17).
."Später geschah es im Krei.s<- Äft-S ^'"*'' (jetzt ^ 5£ Juny-ning, Prov. San-.?;) in
.Si-hü, daß ein Barbar des Namens S?|l^''fnr Liu Sa -ho, erkrankte und plötzlich starb. Ei'
blieb aber unter dem Heraen wann, so daß seine Familie es nicht wagti'. ihn einzusargen.
Als der zehnte Tag verstrichen war, wurde er wieder lebendig und erzählte wie folgt: »Es
waren zwei Beamte da, die ein Regi.ster ein.sahen: dann legte ich in nor<lwestl icher Richtung
eine Strecke zurück, deren Länge ich nicht hestiuuncn kann, und gelangte so in die achtzehn
Höllen. Dort habe ich als Buße für meine schwei-en und leichten Sünden allerhand Weh
' Ein Mitglied des Hauses von Sun K'öM (S. 18), der die Wm- Dynastie gestiftet hatte.
Er fiihrte 258 in dei- Resid<'nz eine kurze Oewaltheri-schafl. riß Buddhatempel nieder und
enthauptete die Geistlichkeit, wurde aber bald getötet. -^ JjK ^^ "'•<'> 'Gedenkschiiften
von Wh", Kap. 19, Bl. 22.
24 I) K (i K O OT :
und Schmerz (-i-litten, besuclite dann ^||i;^ Kuan-si-jin (Avalokitesvaraj, und diese
sprach: .Dein Lcbensschicksal ist noch nicht vollendet; falls du wieder letendig wirst, so
werde ein .sranmna. l'nterhalli des <J'>g. Lo'-Flusses, sowie in der Stadt ^ T^s'i. in -^ ^
Tan-jang (jetz. Nanking) -und in '^ ^ Kwei-ki (in Tsf'-kiany) stehen Asoka-Thilpas: gehe
dorthin und bringe ihnen Verehiung dai', und du wirst dann am Ende deines Lebenslaufs
nicht in die Hölle sinken'. Nachdem si(; so gesprochen, war es mir. als ob ich von einer
hohen Bergwand abstürzte und plötzlich aus dem Schlaf erwachte.«
Nun trat dieser Mann aus seiner Familie (d. h. er wurde Mönch) und nannte sich
^^"iM-ta'; dann machte er eine Reise zur Verehrung der Thüpas. So kam er auch
nach Tan-jony, und die Stelle, wo der Thnpa stand, nicht kennend, überstieg er die Stadt-
mauer und warf den Blick nach allen Seiten hin. Da sah er beim Dorfe -^ ^ Ts'ang-
kan einen ungewöhnlichen Dunst, ilv begab sich dorthin und machte Verbeugungen, und
wirklich war er an der Stelle, wo der Asoka-Thüpa gestanden, öfters strahlte von ihr ein
helles Licht aus, und er entnahm daraus ganz bestimmt, daß es dort Sarira's geben mußte.
Er brachte also Volk zusammen, um die Stelle auszuheben, und als man einen tkang tief unter
dem Boden war, fand man drei steinerne Inschrifttafeln, je sechs tSi groß. Bei der Tafel,
welche in der Mitte stand, befand sich ein eisernes Kästchen, worin ein anderes aus Sillier
stand, das wieder ein goldenes en'hielt, in dem drei Sarira"s mit einem Nagel und einem
Haare lagen. Dieses Haar war einige tsi lang. Sofort brachte er diese Saüra's nach einer
weiter nordwärts belegenen Stelle, und gegenüber dem Thüpa, den Kien-rcen gebaut hatte
(s. S. 23I, errichtete er im Westen einen Thiipa mit nur einer Gliederung. Im 16. Jahre
(391) wurde dem sramana ff^ ITp^ '^ Sangha Savg-ka befohlen, ihn in drei Stockwerken
aufzuführen.
Diese Pagode nun wurde von Kao T.ni eröfl'iiet. Erst hob man die Erde vier ist
tief aus und fand dann eine §J ^ "Draclienliöhle" mit allerlei früher hineingeworfenen
Kostbarkeiten aus Gold und Silber, wie Arm-, Ohr- und Fingerringe, Haarnadeln, Kopf-
zieraten usw. In einer Tiefe von etwas mehr als neun tsi' stieß man auf einen steinernen
Sockel, worunter ein Steinkasten stand, der eine Vase aus Eisen enthielt; in dieser Vase
befand sich ein silberner Topf, der wieder eine gravierte L'rne aus Gold enthielt, und in
dieser lagen drei Sariras. .Sie waren so groß wie Reiskörner, vollkommen rund, leuchtend
und rein. Im Steinkasten befand sich auch noch eine Schale aus liu-li (Poi-zellan, vgl. S. 13),
imd darin fand man vier Sarira's. Haai'e und Nägel. Die Nägel waren vier an Zahl und
hatten alle die Farbe von ^^ Garuliolz(:')
Am 27. dieses Monats kam Kao T.sti abenuals zu dem Kloster, machte da seine feier-
lichen Verbeugungen, veranstaltete eine ^t^-J^"^ große Erlösungsversammlung (mahä-
moksa parisad) und erließ eine Amnestie für das ganze R6ich. An diesem Tage füllte man
einen metallenen Bettelnapf mit Wasser und ließ die Sarira"s darauf schwimmen; dabei ver-
schwand das allerkleinste im Napf und kam nicht wieder zum Vorschein. Kao Tsu machte
mehrmals zehrt N'erbeugungen, und nunmehr entsandten die Sarira's im Napfe ein helles
Licht; eine Zeitlang drehten sie sich rundherum und kamen dann im Mittelpunkt des Napfes
zum Stillstand. Nun fragte Kao Tsu den "^/c f^ TF Allgemeinen Direktor der Geistlich-
keit, namens ^£^^ Hui-nihi: »Heute habe ich Undenkbares, Unsagbares gesehen, nicht
wahr':'.. Die Antwort lautete: '^ -^ "ffi" "fj; Vi^ :^ ^ Jl/j »das Dharmawesen (die VVelt-
(ii'dnnng) ist ewigbleiberiil. tirf und unbeweglich." Knn Tsy sprach dann wieder: -Ich,
Die Pagoden in, China. 25
dein Jünger, bitto sehnlichst um ein Sarira. damit ich, auf meinen Palastthron zurück-
gekehrt, ihm Opfer darbringe.«
Am 5. des 9. Monats veranstaltete der Kaiser abermals im Kloster eine allgemeine
Erlösunirsversammlung und schickte den Kronprinzen dorlhin mit den Königen, Vasallen
und GroBen des Hofs, um die Sarira "s zu holen. An diesem Tage war der Wind milde und
die Luft klar: die ganze Reichshauptstadt ergoLi .sich und lief mit, und die Zahl der Zu-
schauer betrug wohl Imndert und einige zehn mal zehntausend. Die (vom Kaiser) aus-
gestellten goldenen und silbernen Opfergeräte und alles übrige wunlen dem Kloster als
Opferspende übei lassen, und überdies .schenkte ei- noch tausendmal zehntausend Münzen
als Gründungskapital.
Den 15. des 9. Monats des 4. Jahres (23. Okt. 538) zog Kao Tsu wiederum nach dem
Kloster, veranstaltete eine große Krlösungsversammlung und gründete zwei $|J ("aitj'a's.
Die .'^arira's. Nägel und Haai-e wurden je in eine goldene Urne gelegt, die von einer Urne
aus Jaspis umschlossen war, und diese wurden in (kleinen) Thüpa aus sieben Kostbarkeiten
geborgen; dann legte man diese Thüpa in zwei steinerne Kästen un<l setzte diese unter
den beiden Caitya's t)ei, zii.sainmen mit Haufen von goldenen und silbernen .\vm- imd
Ohrringen und «lergleichen Kostbarkeiten, welche die Könige, Vasallen, Gemahlinnen, Prin-
zessinnen und begüterte Familien des Volks spendeten. Am 2. des 11. Monats des 11. Jahres
(20. Dez. 545) ersuchte die Geistlichkeit des Klosters den Kao Tsu, im Kloster einen Text aus dem
^^J^ Präjüasfitra. -Sätra der Weisheit-, erklären zu wollen, und an diesem .\bend
strahlten die beiden Thüpas ein helles Licht au.s. Der Kaiser befahl dem General, der den
Osten bezwang, dem König ^m liun von 3Bf^ ^ao-liwi, eine Inschrift zu verfertigen für
eine Steinplatte, zur Verkündung des großen vei-dienstvollen Werkes des Klosters.
Zwei Jalire zuvor, als beim Umbau des Thüpa vom Kreise ^K Miu in Kwei-ki der
alte Thüpa geöffnet wurde, waren .Sarira's zum Vorschein gekommen, und der Kaiser hatte
ilen Geistlichen S&kyn Ktny-tui aus dem tI^ ^ Ktiaru/-tsl' -KUtstev mit noch drei anderen
und dem .'Staatsrat &»/«i Tsoo-Uan entsandt, um diese "^arira's nach dem Palast zu führen. Dort
verehrte sie K'ao T.m mit zeremoniellen Verl)eugungeii. und schließlich brachte man sie nach
dem Kreis zurück, zur Beisetzung untt^r dem neuen Thüpa. Dieser Krei.sthiipa war auch
von Liu Sa -ho (vgl. S. 23) entdeckt worden.
Das alles sind Mitteilungen aus einer authenti.schen cliinesischen Staats-
geschiehte, also aus allerliostcr (^)uene. Sie ffiliren uns einen Kaiser in
höchsteigener Person vor, <ler an der Spitze seiner Prinzen, Könige, Lehns-
fürsten und Magnaten, (Jeniahlinuen- uiul Prinze.ssinnen, der Geistlichkeit
und der Volksraasse, den Sarira's seine größte Verehrung darbringt. Wir
sehen bei ihrer Beisetzung im Thiipa alle Großen und Wohlhabenden Geld
und Schätze massenweise herbeischleppen und in die Grabkeller der Re-
liquien werfen, als handele es .sich um die Beerdigung des Sohns des
Himmels selbst. Es ist somit kein Zweifel möglich, daß die Sarira's als
das -Vllerheiligste, ihre Tliiipas daher als die heiligsten der Heiligtümer
galten. Wir haben es jetzt dokumentarisch vor uns, daß man die Sarira's
unter den Thiipas beizusetzen pflegte; imd die ursprüngliche Stellung
PhiL-hint. Ahh. 1U1U. Ar. //. 4
2(i DE (i R OOT :
dieser Gebäude als Grabthüpas wird Iiierdurcli l)estätigt. So stark war
das von den Sarira's ausgehende Licht, daß es sogar über den Stellen
leuchtete, wo sie tief in den Boden eingegraben lagen, und hell aus üjren
Tliüpas strahlte, insonderheit wenn der Kaiser aus dem Siitra der Präjna,
der »Weisheit«, einen Lehrvortrag hielt; in der Tat sind die Sütra's die
Weislieit, die Lehre des Buddha, also das Rad der leuchtenden AVelt-
ordnung (y^f^), das der Kaiser durch sein frommes Werk drehte (^).
Wir liaben es früher (S. i) schon gelesen, daß im Kloster des Weißen
Pferdes Licht strahlte aus den heiligen Schriften, welche aus Indien dort-
liingebracht waren, so daß Geistliche und Laien ihnen Weihrauch und
Speisen opferten, als seien sie der Buddha in eigener Person.
Leicht sind somit die tiefsirmigen Worte zu verstehen, welche das
Haupt der Geistlichkeit zum Kaiser sprach, als dieser staunend das wunder-
volle Leuchten der Sarira's anschaute: "das Dharmawesen ist ewig, tief
und unbeweglich«. Gewiß wollte der weise Mann damit etwa Folgendes
sagen: »Das Licht dieser Sarira's ist das Licht des Buddha, also sein Geist,
seine Lehre, das Licht des Weltalls, der Dharma, das Weltgesetz; das alles
besteht in unerschütterlicher Ruhe seit aller Ewigkeit und wird bis in
alle Ewigkeit walten und wirken, wie auch das Weltgesetz, der Dharma
im engeren Sinne: die buddhistische Religion und Kirchenlehre». Sarira's
waren somit die Seelen der Thüpas, die Thüpas ihre Werkzeuge zur Ver-
breitung des leuchtenden Geistes des Weltgesetzes über alle Wesen, zur
Förderung und Sicherung ihres Heils, (ianz folgerichtig heißen dann auch
die Thüpas in der Sprache der Kirche aller Zeiten: ^i^ lingt'a, »Thüpas
göttlicher Macht, Kraft und Wirkvmg«. Die in ihnen beigesetzten Sarira's
waren somit für die Erhaltung und Blüte der Religion mindestens ebenso
wichtig und unentbehrlich wie die Heilige Schrift, die aus dem Heiligen
Lande massenweise herbeigeschafft und ins Chinesische übertragen wurde.
Begreiflicherweise hielten in der goldenen Zeit der Religion die
Kaiser sich eine Sammlung von diesem kostbaren und gewiß sehr teueren
lieiligen Gegcnstände'n und erstrebten einen stetigen Zuwachs derselben.
Von Aar; 'l'su der / da )i(/-Dyna.stie, über dessen Frömmigkeit und Recht-
gläubigkeit wir schon viel Erbaidiches vernommen haben, erzählt die Staats-
geschichte seines Hauses noch (Kap. 54, Bl. 12 und 34), daß im i.Jaln-e der
T^3A;^ '/yM«yta-<'«w9-Periode (529) das Reich :^:)^ Pan-pan mehrmals Cesandte zu
ilini schickte, die Ziihne und Statuen, samt einem Thiipa als Tribnt l)rachten. sowie viele
Dil- Puyoden In China. 27
zehn Arten von Garfl- und Santal- Weihrauch; daß im 6. Jahre (534) von doi-t wiederum eine
Gesandtschaft kam, die Sarira's aus dem Reiche -^j J^ Bodhi, samt Zeichnungen von Thfipas
schenkten und auch noch Blätter de"s Bodhi-baums darbot, sowie Tse/i-zueker (^^^)
und derartige wohlriechende Sachen. Im 2. Jahre derselben Periode (530) schickte ihm ^ Äff
Pose (Persien) eine Gesandtschaft, welche ihm einen Zahn des Buddha darbot. Kaum
war im Jahre 557 die 7><ffrt(7-Dynastie gestürzt, und da.s Haus ^ Tsm au ihre
Stelle getreten, als der Stifter desselben schon am fünften Tag nach seiner
Thronbesteigung befahl, den Zahn des Buddha herauszutragen, auf dem Grundstück
eines Tu JAu die vier Stände zusammenzubringen und eine große Erlösungsversammlung
(ÄIi^"/r W) abzuhalten. Der Kaiser Kao Tsu kam selbst aus dem Palast heraus und
machte vor dem Tor zeremonielle Verbeugungen. Unter der T^^ 7Vi-Dynastie (479 — 502)
war dieser Zahn durch den verstorbenen (Jeistlichen T'wiy-fd dem Kaiser angeboten worden:
man hatte ihn im Reiche ^ |^ Ö-tin (Hö-tin, Chotßn) erworben, und er hatte dann immer
im buddhistischen Kloster oberhalb ^p ayk Ting-Iin gelegen, bis ihn im letzten Jahre der
Periode ^^^ Tien-kiin (519) der .Sramäna Hui-hiny des ^^^ Är'in^-_;"«n-Klosters auf
dem Berge x& Se' in Verwahrung nahm. Ais dieser im Sterben lag. übertrug er die
Reliquie seinem Bruder Hui-tii, der sie im letzten .lahre der ^< ^. '/'■«'(«^-«/»«/-Periode
(5541 heimlich zu Kao Tsu brachte, der sie jetzt berausbi-ingeu ließ (Kap. 2 der ^ ^-
Ti'ni .^u, »Geschichtsbücher der 7!s-'r«-Dynastie«, Bl. 4).
Lo'-Jany, gleichwie Kien-jf ein Brennpunkt des Buddhismus in diesen
Zeiten, wird auch wohl mit Zälmen und anderen Überresten des Herrn
redlich versehen gewesen sein, denn das Ka-him-kl enthält im 4. Kapitel
die Mitteilung, daß sich im ^ '^' i'^'-^MW-Kloster Sariras, Knoclien, Zähne
des Buddha, Sütra's und Bilder befanden, welche in den Ländern des Westens gekauft waren.
Wieviel solche heiligen Sachen da waren, und wieviel man sich dafiir
hatte bezahlen lassen, das sagt uns leider die Geschichte nicht.
Aus der Mitteilung, daß der Stifter der r.!5V«-Dynastie bei seiner
Tlironbesteigung den Zahn des Buddha herausbringen ließ zu einer All-
gemeinen Erlösungsversammlung von Geistlichkeit und Laien, folgt, daß
Reliquien nicht immer tief in den Thüpas vergraben oder in unerreich-
l)arer Stelle beigesetzt wurden. Das bestätigt auch der berühmte Finger-
knöchel Buddhas, der in der 7' a«y-Zeit in ^^ Funy-slany im ^^ ^ ^ :^ ^^
"Tlmpa des die Dynastie beschützenden heiligen Wesens« aufbewahrt wurde.
Einmal in dreißig Jahren wurde dieser Thüpa geöffnet, und dann »war
die Jahresernte üppig und der Mensch auf dem Höhepunkt seiner Wünsche«
(j^^A^^)- -^'s """ auch 819 die Öff"nung stattfand, ließ der Kaiser
den Knöchel durch Pala.stbeamte feierlieh abholen und in der Rcichshaupt-
4*
28 n K (I i{ o o T :
Stadt ^ ^ Tsang-nymi (jetzt Si-nqan fu) in den Palast tragen, während
er selbst von einem Stockwerk die Prozession mit ansah : nnd als die Re-
liquie drei Tage im Palast gewesen war, wurde sie nach den verschie-
denen Klöstern geschickt. Massenhaft strömte das Volk herbei, hoch und
niedrig spendete seine Gaben und opferte seine Schätze; viele ließen sieb
zum Geistliclien weihen und dabei Wunden auf Kopf und Arm brennen.
Diese Dinge empörten den Staatsmann ^; ^ Hein Jii. Er bot dem Kaiser
seine immer berühmt gebliebene Eingabe an, in der er den Buddhismus
mit scharfem Spott angriff und dem Kaiser riet, er solle das faule Ding
ins Wasser oder Feuer werfen. Dieses Dokument ist an anderer Stelle in
Übersetzung wiedergegeben'. Daselbst ist auch mitgeteilt, daß die Kaiser
der Jfm^-Dynastie sich eine große Sanmilung von Sanra's hielten, bis im
Jahre 1536 ^^ »S« Tsung die buddhistischen Tempelgebäude, welche im
Palast standen, abbrechen, die Bilder zertrümmern und den ganzen Re-
liquienschatz, der insgesamt wohl tausend Pfund wog, außerhalb der Mauern
verbrennen ließ'.
Es ist somit nicht unwahrscheinlich, daß die kleineiL Thüpa von
großer Schönheit und Kunstfertigkeit, von denen sich eine ansehnliche
Zahl im '^^ »Buddha-Saal« des Kaiserpalastes befindet', teils oder sämt-
lich aus der Ming-Aeit stammen und während dieser zur Aufbewahrung
des großen kaiserlichen Sarirasch atzes dienten. Natürlich ist nicht ausge-
schlossen, daß einige, vielleicht alle, unter der Mantschu-Dynastie ange-
fertigt worden sind und daß auch diese einen Reliquienschatz besaß. Auch
manches Kloster, das sich des Besitzes von Sarira's erfreut, bewahrt sie in
einem kleinen Thiipa auf. Dieser ist mitunter kaum einen halben Meter,
mitunter wohl bis drei Meter hoch und häufig einem quadratischen Grab-
thüpa ähnlicli. Er ist aus Stein, Porzellan, Bronze oder sogar Eisen und
trägt oft die Inschrift ^T^lj^t^, »Kostbarkeitenthüpa für Sarira's«. &
steht zumeist in der großen Kirche des Klosters im Schatten der großen
Statuen des Triratna. Das ]^^<,^ Jvng-ts'uan se, »Kloster der sprudeln-
den Quelle« bei Fu-Uou, der Hauptstadt von Fu-klan, besser unter dem
Namen _g^ \[\ Kii-san-K\ostev bekannt, besitzt einen Zahn des Buddha und
' »Sectarianism and Religious Persecution in China«. S. 53fF.
2 Ebenda, S. 88.
' Zwei, einer aus Porzellan und einer aus Metall, sind photographisch abgebildet auf
Tafel 90 und 91 von Oi^awas »Pliotographs of Palace Buildings of Peking«, 1906.
Dil' Pa(jo(Jen in China. 2'.)
einige in einer kleinen Urne aus glasartiger Substanz enthaltene Sanras.
Es bewahrt das alles auf in einem mit Gitterwerk verschlossenen Ta-
bemakelchen, das in einen kleinen quadratischen Thüpa eingebaut ist, der
wie ein Grabthupa aussieht, ein paar Meter hoch ist und in einer Kapelle
steht, die "^^Ij^ »Sarira-( trotte« heißt. Der Zahn läßt sieh ohne weiteres
als ein vom Alter gebräunter Backenzahn eines Elefanten erkennen. Die
Mönche bemühten sich sehr, mich durch die Wände des Urnchens vom
Leuchten der Sanras zu überzeugen, jedoch es wollte ihnen nicht gelingen.
Diese kleinen heiligen Gegenstände schienen Edelsteinchen oder Fragmente
einer glasähnlichen Substanz zu sein.
Drittes Kapitel.
Der Thüpa, der Leuchtturm des Weltg-esetzes.
Das zweite Kapitel hat uns in einige Hauptgrundsätze der esoterischen
Lehre des Mahäyäna-Buddhismus eingeführt, die da lauten:
1. Dharma, chin. ^ fo\ »Gesetz«, ist das Weltgesetz, die Welt-
ordnung, und die Buddhas sind seine Verkünder, das Licht
der Welt.
2. Sarira's d» > Buddha Säkya sind Elemente des Dharma, dessen
Licht und Geist.
3. Thüpas, aus denen die darin beigesetzten Sarira's strahlen, sind
Werkzeuge zur Verbreitung des Lichts des Dharma und somit
zur Förderung des Heils aller Wesen. Folglich ist jeder Thüpa
ein Heiligtum des Dharma, also das Weltall im kleinen, ein
Mikrokosmos. Umgekehrt wird das Weltall als ein Thüim dar-
gestellt; nach Hod(;son' stellen die 13 Stufen der Pyramiden der
Caitya's die 1 3 Bodhisattva-Himmel der buddhistischen Kosmo-
graphie dar und ist die Stange der Akanistha-Himmel, der
höchste des Adibuddba (Dharmaräja?).
Logischerweise gehen aus diesen Lehrsätzen die folgenden hervor:
4. Dharma, das Weltgesetz, und Buddha, sein Licht, oder viel-
mehr die Myriaden von Buddhas, welche Sonnenperioden oder
' Bei Kern II. S. 140.
30 1>K <" KOOT :
Tage vorstellen, haben zusammen einen einzigen Thron inne,
nämlich den Wcdtthüpa.
5. Dharma und Buddha bzw. die. Buddhas, bilden eine Zweieinigkeit,
insbesondere, wenn der Buddha abends ins Nirväna eingeht und
sein Licht dadurch vom Weltgesetz absorbiert wird.
6. Dharma bringt durch Selbstteilung die Buddhas hervor, und diese
leuchten, predigen, somit durch den Willen oder auf Anregung
des Dharma.
7. Der Dharma selbst ist Buddha, ein Wesen höchster Weisheit, zwar
der allererste, allerhöchste (Adi-)Buddha, aber dennoch ein Buddha;
denn eine höhere Weisheit als die der Buddhas, die den Dharma
vollständig verstehen und deshalb mit ihm sogar einheitlich sind,
kann es nicht geben.
Es wird in diesem Kapitel zu beweisen sein, daß diese fundamentalen
Sätze der esoterischen Kirchenlehre auf grundlegenden heiligen^Schriften
beruhen, daß die Thüpas für die Vorherrschaft dieser Lehrsätze als Zeugen
dastehen und durch ihre Rolle, Gestalt und Verzierung selbst die Beweise
liefern für ihre Stellung als Heiligtümer zur Verbreitung des Lichts
des Dharma.
In auffallender Weise pflegt die Mahäyäna-Kirche die Buddhas als
Lichtgötter darzustellen, und zwar insonderheit den Buddha Säkya, wenn
sie ihn auftreten läßt als Prediger der Lehre, also, wie es in der Kirchen-
sprache lautet, i^V^f^ »das Rad des Dharma, des Weltgesetzes, drehend«.
Morgens tritt das Licht der Welt aus dem Zustand des E£fl^ samädhi,
der Geistesruhe, heraus, vollbringt seinen täglichen Kreislauf und sinkt
abends ins Nirväna. Jeden Tag erscheint also ein neuer Bodhisattva, der
leuchtend allen Wesen den Dliarnia offenbart, sie dadurch weise, bodhi,
selig macht, auch weil er die Dämonen des Dunkels und des Übels, die
Mära's, vertreibt oder vernichtet. So sind in der Vergangenheit unzählige
Sonnen als Bodhisattvas erschienen, haben die Wesen zur Seligkeit geführt
und sind darauf als Buddhas ins Nirväna gesunken; und eine unbegrenzte
Anzahl wird zu dem gleichen Zwecke das Rad der Weltordnung drehen
bis in alle Ewigkeit.
Die Darstellung des Buddha als Weltlicht kommt schon zum Aus-
druck in der auf S. i wiedergegebenen alten Legende, wonach im ersten
christlichen Jahrhundert der Buddha dem Kaiser l\Hn(j erschien »als ein
Die Pagoden in China. • 81
goldenes Wesen, dessen Schädel leuchtete wie die Sonne und der Mond
zusammen«, also wie das Licht der Welt. Ebenda haben wir auch gelesen,
daß die aus Indien gebrachten Bücher der Lehre und des Geistes Buddhas
ein helles Licht ausstralilten, so daß die Gläubigen ihnen mit Weihrauch
und Speisen Opfer darbrachten, als seien sie der Buddha selbst. Sütra's
aller Art sind, wie die Kirche lehrt, durch Predigten des Buddha ent-
standen, und sie malen ihn, wenn er zu predigen anfängt, als die auf-
gehende, hell leuchtende Sonne. Mit ganz besonderer Klarheit und Be-
tonung schildert ihn so das wichtigste aller heiligen Bücher, das ^1^;^^
Fan icang kiny, »Sütra des Netzes Brahmas«, Brahmajülasfitra. Es ist das
Buch der höchsten Gebote der Kirche, welche bestimmt sind, von allen
Wesen aller Welten befolgt zu werden und diese somit dem Zustand der
Bodhisattva, also der höchsten Wei.sheit und Seligkeit, zuzuführen. Es
ist daher das Alpha und Omega des Wegs zum Heil, des Mahäyäna; es
ist das Mittel, wodurch die Kirche ihre erste und höchste Aufgabe, aus
allen Wesen Buddhas zu machen, erfüllt. Es entstand aus dem Dharma,
den es ^^^[J Ui-sa-na nennt, und zwar in der Weise, die wörtlich wie
folgt in den ersten Blättern des Buches beschrieben ist ' :
Damals befand sich der Buddha .Säkyainuni in dem Palast des Himmelskönigs 1^ ilüifc ^k
Sfi- Mahesvara (Brahma), der in der vierten Welt des dhyäna liegt, in Begleitung des unermeß-
lichen Himmelskönigs -hr ^^ Mahäbi-ahma und einer unsagbaren, unaussprechlichen Menge von
^■^ Bodhisattva's (Sternen); und er predigte über die Lehrgegenständc bezüglich der jlV^
■ Gemütszustände« und ^Ujj »Lagen- (des Boddhisattva), welche Losana, der auf der ^S^^^^
■ Lotusblumcnterrasse« thront und die Welten umschließt, verkündet. Das Wesen des Säkya
entsandte ein Licht der Weisheit, das aus dem Palast dieses Himmelskönigs in die von
der Lotusterrasse umschlungenen Welten leuchtete. Alle möglichen mit Leben begabten
Wesen, die in allen Welten dieser Welten bestehen, sahen sich einander an, voll F'reude
und .lubel, vermochten aber noch nicht, dieses Licht zu begreifen. Es entstanden in ihnen
(iedanken des Zweifels über Zweck und Grund dieses Lichts, und dasselbe war auch mit
den zahllosen Devas und Menschen der Fall. Da. aus der Menge, erhob sich ein Bodhi-
sattva, der ^jS^1^3fei. '^ö'""' ^** mystisch alles durchdringenden, glorreichen Lichts»
(die Sonne), aus dem ^^Hi^ samädhi (Geistesi-uhe) seines allerherrlichsten. glorreichen
Lichtglanzes. Mittels Buddhas göttlicher Kraft ließ er ein ;^ |i^l) 3fe "Zauberlicht" von
der Farbe einer weißen Wolke aus sich herausstrahlen, ein Licht, das alle bestehenden Welten
ohne Ausnahme erleuchtete, und in dem die ganze Schar der Bodhisattva's zusammenkam.
Einmütig, al)er in verschiedenen Sprachen fragten sie dieses Licht, was für ein Zeichen es
' Der chinesi.sche Text wird hier nicht wiedergegeben, da er in »Le Code du Mahäyäna
en Chine« auf S. 14 ft". abgedruckt ist.
H2 . DE Groot:
wohl wäre. Daraul' nahm Säkya diese große Menge Wesen diesel- Welten in seine Arme
und kehrte mit ihnen in die von der Lotusterrasse umschlungenen Welten ein, ins Ä' ;^ P||]
^(f^ HB 'ö' pb »Innere des Palastes der roten Zauberlichter« (Sterne), welche hundertmal
zehntausend Millionen an Zahl sind. Dort erblickten sie den Buddha Losana auf seinem
Thron von hundertmal zehntausend Milli(men von Lotusblumen, in glorreichst glänzendem
Lichte. Säkya und die großen Scharen brachten gleichzeitig dem Buddha Loiana zu seinen
Füßen zeremonielle Ehrung dar, und darauf sprach der Buddha Säkya:
»Wie können alle lebenden Wesen auf der l{!rde und im Luftraum, welche sich in
dieser Welt befinden, den Weg (j^ Tao) finden zur Vervollkommnung in den zehn Lagen,
welche den Bodhisattva bilden;' Und wenn sie dann im BegriflF sind, das Buddhatum zu
erreichen, welche Arten von Zeichen lassen sie dann sehen'.' Im Einklang mit der Grund-
eigenschaft der Natur der Buddhas' befrage ich dich ausführlich übei- die .Saat der Bodhi-
sattva-heiligkeit. «
Da emj^fand der Buddha Losana sogleich eine große Freude. Er offenbarte die Natur
seines im Luftraum leuchtenden Wesens, den samädhi des ursprünglichen, Buddhas bildenden,
ewig dauernden y4r ^' "Dharmawesens» und verkündigte den großen Scharen folgendes:
»Ihr alle hier, die ihr Kinder- der Buddhas seid, höret mit Andacht, denkt wohl über
meine Worte nach und benehmt euch dementsprechend. Ich selbst habe seit hundert ^S/S
IW'^ÜK asankhyeya (eine unzählbare Anzahl) von Jjfj kalpa (unberechenbar großen Zeiträumen)
mich in den Gemütszuständen und Lagen (des Bodhisattvatums) geübt, und habe sie zum Ge-
genstand meiner Bestrebungen gemacht. Zuerst warf ich alles Weltliche ab, und so habe
ich mich stufenweise vervollkommnet bis zur wahren Ä Erwachung (Weisheit), welche
Losana heißt, und auf der Terrasse der Lotusblumen wohnt, die den Ozean von Welten
umfaßt. Diese Terrasse hat ringsum tausend (L(jtus-) Blätter, und jedes Blatt ist eine -H}" R^
Welt, so daß es tausend Welten gibt; ich selbst verwandle mich in tausend Säkya "s, welche
diesen tausend Welten entsprechen, und dann gibt es in der Welt jedes Blatts wiederum
hundert Millionen Sumeru's, hundert Millionen Sonnen und Monde, hundertmiUionenmal
vier Reiche, hundert ^Millionen südliche Jambudvipa's mit hundert ^Millionen Bodhisaltva's
Säkya, die unter hundert Millionen Bäumen der Weisheit sitzen und alle die Gemütszustände
und Lagen der Bodhisattva"s predigen, über die ihr mich befragt. Die übrigen 999 .Säkya"s
manifestieren sich jeder für sich als tausendmal hundert Millionen .Säkya's, die auch das-
selbe tun. Somit sind die Buddhas auf den tausend Blättern meine eigenen Umgestaltungen,
die tausendmal hundert Millionen Srikya"s sind Umgestaltungen dieser tausend .'^äkya's, und
ich bin daher auch ihr Ursprung, der Buddha Lo.sana heißt.« (Vgl. S. 30, Satz 6.)
Und nun beantwortete Buddha Losana der l^otusterrasse, welche die Welten umfaßt,
ausführlich die Frage der tausend und der tausendmal hundert Millionen .Snkvas über den
Lehrgegenstand der Gemütszustände und Lagen des Bodhisattva . . .
Klar und deutlicli tritt uns hier die folgende kosmische Darstellung
entgegen :
Es besteht ein Buddlia, Namens J^^]^^ Lö-Sa-na (Losana), der auf
einer Terrasse aus Lotusblumen thront, welche alle Welten (jit^) imi-
AUe Wesen zur Seligkeit zu führen.
Die Pagoden in China. !}3
faßt. Hell leuchtend verkündet er allen lebenden Wesen die Lehre des
Heils und offenbart ihnen dabei seine Natur ('|^) , seinen Dharina oder
Gesetz (^), das alle Bodhisattvas hervorbringt. Das heißt also: Losana ist
das alles umfassende und alles beherrschende Weltgesetz (vgl. S. 29, i.Satz),
dessen leuchtende Kraft alles Gute und Heilige schafft. Die tausend Blätter
des Lotus, der seinen Thron bildet, sind tausend Welten, von denen jede
von einem Bodhisattva Säkya, der ein Teil des Lichts des Weltgesetzes, des
Losana, ist, durch Verkündung des Dharma zur Heiligkeit hinaufgeführt
wird (S. 29f., Satz 4 und 6). Jede dieser tausend Welten enthält hundert
Millionen von kleineren Welten, Tagen, Jambudvipas, jede mit einem Sumeru-
berge als Mittel])unkt und einem aus jenen tausend Säkya's entstandenen Bo-
dhisattva Säkya, der unter einem bodhimanda, einem Baum der Weisheit,
die Lehre predigt, welche alle Wesen stufenweise in die Gemütszustände
{t^) und die diesen entsprechenden Lagen (;ttjj) führt, welche in der Heilig-
keit der Bodhisattvas enden. Das Verkünden fängt an, wenn die Sonne
sich morgens aus ihrer samädhi oder Geistesruhe erhebt, das ganze Weltall
mit ihrem vajra (^p^l])- oder Zauberglanz durchdringt (S. 29, i.Satz), und
alle Bodliisattvas, Lichtgötter zweiten Ranges, Sterne, sich darin »ver-
.»iammeln« oder in ihm aufgehen.
Vom System der Mahäyäna-Kirche Cliinas ist diese transzendentale
Verkündung der Heilslehre der Grundstein. Vom leuchtenden Weltall
selbst gepredigt, bezweckt diese Lelire die Seligmachung jedes Wesens
mittels einer Disziplin, welche zur Vervollkommnung eines Bodliisattva
liinauffülirt, eines Wesens, das die höchste Weisheit, bodhi, besitzt und
um ein Buddlia zu werden, nur noch ins Nirväna zu treten brauclit. Diese
Disziplin besteht im Nachleben der 48 Gebote des heiligen Fait wang king,
das deshalb, der Lelire nach, von aller Ewigkeit her immer und immer wieder
vom Weltenall und den daraus entstehenden Buddhas und Bodhisattvas
allen lebenden Wesen der Myriaden von Welten gepredigt wird. Die Ver-
vollkommapng vollzieht sich stufenweise, indem die Disziplin den nach
Heiligkeit Strebenden in die »Gemütszustände« und »Lagen« versetzt, welche
somit die regelmäßige Zunahme der Heiligkeit kennzeichnen, und deren
letzte und höch.ste Lage derart ist, daß ff '{'4: >\. 'IW» W- • "Wesen und Natur
in die Welt der Buddhas eintreten«, also ins Nirväna eingehen. Somit
hat Losana durcli die Verkündung des Systems der Gemütszustände und
Lagen die von ihm emanierenden Buddhas und Bodhisattvas der Milliarden
Phil.-hist. Ahh. nun. Ar. 11. .j
H4 1> F. (i K OO T :
von Welten zum Predigen der -i8 Gebote Aeranlaßt und damit alle Wesen
des Universums das ^ Tao, den »Weg« zur Heiligkeit der Bodliisattvas
und Buddlias eröffnet. Das Bucli dieser (iebote ist folglich das wichtigste
und vornehmste aller h\iddhistischen Scliriften, denn ohne den von ihm
bedingten Weg zum Heil hätte der Buddhismus überhaupt keinen Daseins-
grund. Es bildet an sich schon das Mahäyäiia, »den großen Weg« oder das
-^^ «große Fahrzeug« zur Heiligkeit. Auf diesem Wege strebten .schon
in der anfangslosen Vergangenheit alle Wesen des Ozeans von Welten dem
Nirväna zu; sie werden es auch immer in der endlosen Zukunft tun. Die
Lehre, daß Losana und die voji ihm erzeugten leuchtenden Bodhisattva's dieses
universistische und universale Oesetzbuch verkündet haben, will somitschlecht-
hin sagen: alle Kräfte, welche im Weltenall wirken, gehen vom höch.sten
Weltgesetze aus und verkünden einmütig den Weg zum Heil.
Durch Übersetzung und Bearbeitung des Fan icang king' habe ich schon
vor vielen Jahren diese Seligmachungsdi.szi[)lin ausführlich beschrieben luid
dabei nachgewiesen, daß die Klöster des JVIahäyäna-Buddhismus Anstalten
sind, welche speziell zum Zwecke der Übung in dieser Disziplin erriclitet
sind und unterhalten werden. Ein erheblich großer Teil der 48 Gebote
bezieht sich auf die Hauptptlicht eines joden nach Seligkeit Strebenden,
nämlich möglichst viel Wesen selig zu machen und ihnen zu diesem Zwecke
die Heilslehre zu verkünden. Also ist Predigen der heiligen Schrift imd
der Lehrsätze der Religion im Kloster tägliches Werk: Bekelirung durch
Belehrung ist dort die heilige Ptlicht jedes Mönchs, der durch feierliche
Annahme der Gebote, welche eine Art geistliche Weihung bildet, schon
auf dieser Erde ein Bodhisattva geworden ist. Er soll dadurch dem Beispiel
seines Meisters, des Bodhisattva Säkya, folgen, der. bevor er ins Nirväna
der Buddhas einging, unsere Welt durch Verkündung der Heilslehre selig
machte. Damit ist eng verknüpft das Bestreben jedes Klosters, heilige
Schriften zu drucken. Zumei.st aber erfüllen die Klostergeistlichen die
hohe Pflicht der Propaganda dadurch, daß sie entweder jeder für sich,
oder in kleineren oder größeren (rruppen einstimmig aus heiligen Büchern
halblaut lesen, damit ihre aufklärende, bekehrende, heilbringende Licht-
kraft den Luftraum durchdringe und somit auch übel jeder Art, wie Dürre,
übermäßigen RegenfalL Heuschrecken. Krieg, abwehre. Kurzum, mit dem
' »I.e Code du Maliäyüna ni Cliiiie" ; Viriiandclingen der Kon. Akademie van Weton-
scliappcn t(> AiiistiTd.-iiii. iSij;?.
IHf Ihujodiu in China. ' 35
Dharma des Weltalls und den Buddlias wirkt der Sangha, die Gemeinde,
einträchtig Hand in Hand zur Yerwirklicliung der großen Aufgabe: der
Aufklärung und Erlösung der Wesen ; und so scheint das Licht der Klöster
möglichst weit in die Welt hinein, nach allen Seiten, vom frühen Morgen
an, so lange das Licht des Losana die Welt bescheint.
Gleichwie das Weltenlicht, sobald es am Firmament erscheint, das
Licht der Bodliisattvas, der Stenie, absorbiert oder, wie das heilige .Sütra
der Heilsgebote sich ausdrückt, die ganze Schar der Bodliisattvas in sich
sammelt (s. S. 32), ebenso ist es Glaubenswahrheit, daß, wenn im Kloster
Sütras gelesen oder Lehrreden gehalten werden, das heißt, die Heilslehre
leuchtet und »das Rad des Dharma sich dreht«, die Buddhas, Bodhisattva's
imd Mahäsattva's herbeiströmen wie die Wolken am Himmel, um die Heils-
lehre anzuhören. Dementsprechend werden sie am Anfang dieses heiligen
Werks mit einem Gesang begrüßt, und ihnen wird mit einem WeihraucJi-
opfer gehuldigt. Daher auch sind gedruckte Sütras häutig mit einem Titel-
blatt illustriert, das Losana oder Säkyamuni darstellt, inmitten der Wolken
auf dem Lotus thronend, mit einer leuchtenden, runden Scheibe hinter
dem Kopf und einem Scliild in der Form einer sich leicht zuspitzenden,
gezackten Flamme im Rücken; — ein leuchtender Strom von Weisheit
entfließt seiner Fontanelle und verbreitet sich nach beiden .Seiten hin über
die Köpfe einer frommen Schar stehender Bodhisattva's und Mahäsattva"s
mit Lichtscheiben hinter dem Kopf, und über Buddhas, welche liöher im
Luftraum auf Lotusblumen sitzen. Unter den Zuhörern entdeckt man auch
die »Könige der vier Weltgcgenden« (vgl. S. 12), nämlich des Ostens,
Westens, Südens und Nordens, welche somit den letzten Zweifel bannen,
daß es sich hier um eine religiös-kosmische Darstellung handelt'.
Es ist also die erhabene, hehre Bestimmung jedes Klosters der Kirche
des »Großen Wegs«, eine heilige Stätte zu sein, wo alltäglich das Rad
des Dharma gedreht wird, das somit die Lehre des Heils nach allen Seiten
hin entsendet. Seine Wirkung, die die Wesen zum Heil emporführt, wird
in hohem 3Iaße gesteigert durch drei große, einander fast älinliche Bilder,
' Kille schöne, aus der Klostcrinsel -^ ßt /*'«-< o im -^Ij- llj Tion-ian-ArchitpuX her-
nihicnde AbbiMiing gibt Boehschmann im ersten Bniul, .S. 86 .seines Werkes: »Die Bauk\inst
und religiöse Kultur der Chinesen«. Die IJntei'Sclirill: -Kuan-yin mit Göttern uml Heiligen"
ist aber fnlsch, wie fast jede Krklärung und tlbersetzung, die das übrigens so schöne Werk
enthält.
H6 DE (iROOT;
welche den Haupti^latz im Kloster einnehmen, und zwar im Schiff des
Hauptgebäudes, der ^A;^^^ ta-Mung um, »Halle des Großen Männlichen«,
d. h. Halle der männlichen Seele des Weltalls, des ^ Jang, des Lichts
der Welt. Dort sitzen sie über dem Altar nebeneinander, mit unterge-
kreuzten Beinen, auf je einem Throne, der die Gestalt eines Lotus hat
und ebenso wie die Bilder selbst gänzlich vergoldet ist. Der Dharma,
Losana, das Weltgesetz und somit auch die heilige Religionslehre, sitzt
in der Mitte; zu seiner Linken sitzt der Buddha, der dieses Dharma in
unserer Welt verkündete, und auf seiner rechten Seite sitzt der Sangha,
die Gesamtheit der Wesen, insbesondere die Geistlichkeit und die Gemeinde,
die auch fortwährend das Rad des Dharma drehen. Diese drei leuchtenden
und predigenden Weltkräfte heißen ^^ 'SV/ra pno, »die drei Kostbar-
keiten«, das Triratna. Ihre halbgeschlossenen Augen bezeugen tiefe Ver-
senkung in Gedanken (dhyäna, samädhi); die erhobene Hand zeigt die
Haltung des Predigers; die Goldfarbe, die gezackte oder ungezackte Licht-
scheibe oder ein derartiger Lichtring am Kopf und die große, buntbemalte
und vergoldete Flamme im Rücken kennzeichnen die Lichtgötter. In vielen
Klöstern befindet sich an Stelle der drei Bilder nur ein einziges, das ent-
weder Losana oder Säkya oder beide vorstellt (s. S. 29f, Satz 4 und 5).
Es ist also in der Mahäyäna-Kirche Chinas Voraussetzung, daß in den
Bildern ihrer Heiligen die Seele, der Geist dieser Wesen enthalten ist;
freilich, die Idolatrie dieser Kirche, gleichwie alle Idolatrie in der Welt
überhaupt, hat ihren Daseinsgrund einzig und allein in diesem Glauben.
Er entleiht Sinn und Kraft dem uralten Hauptgrundsatz aller chinesischen
Philosophie und Religion, daß das Weltall ein Organismus ist, in dem
zwei Seelen wohnen, deren eine ^ Jang heißt und die erzeugende, be-
fruchtende Himmelskraft, Wärme und Licht ist, die andere, ^ Jin, Kälte
und Dunkel. Alles Bestehende ist aus der Zusammenwirkung dieser beiden
Allseelen entstanden; nicht nur die lebenden Wesen, sondern auch die
Dinge, welche wir als tot betrachten, enthalten eine Mischung von Jang
und Jm, also eine Doppelseele, welche um so reiner, besser und voU-
kommner ist, je mehr darin das Jang, die Quelle alles Guten, überwiegt
und vorherrscht. Die Jatig-Seele heißt jji^ Sm und bedeutet Leben, Reinheit,
Tugend, Verstand, Weisheit, Vernunft; sie wird bei höherer Entwicklung
zur Göttlichkeit, die gleichfalls durch das Wort sm bezeichnet wird. Die
chinesische Religion ist somit polytheistisch und universistiseh. Ihre Götter
üie Pagoden in China. 37
sind von reinem Jang beseelte Wesen, also Wesen des Lichts, die den
Kosmos erfüllen und beleben, nicht bloß Himmel, Sonne, Mond und Sterne,
sondern auch Wind, Regen, Donner, Wolken, Seen, Berge, Felsen, Flüsse,
Tiere, Pflanzen und sogar Gegenstände aller Art. Voran unter diesen be-
seelten Gegenständen stehen Götzenbilder, welche in zahllosen Mengen in
China die Heiligtümer bewohnen, und von denen jedes einen größeren
oder kleineren Teil des sm der Gottheit, die es vorstellt, enthält, also ihre
^ ling oder Gotteskraft und Macht (vgl. S. 4).
Der Glaube an das Beseeltsein von Götzenbildern hängt natürlicher-
weise eng zusammen mit der einfachen Menschen und Völkern eigentüm-
lichen Eigenschaft, Bilder mit den Wesen, die sie vorstellen, mehr oder
weniger scharf zu identifizieren. YAn Bild erweckt den Gedanken an ein
lebendes Wesen, und dieser Gedanke ist kräftig genug, um einen anderen,
daß nämlich das Bild nui* lebloses Holz oder Ton sei, vollständig beiseite-
zudrängen. Insbesondere muß das für das chinesische Volk gelten, dem
der Glaube an das Beseeltsein eines jeden Gegenstandes seit uralten Zeiten
im Blut saß, unrl in welchem das Vermögen, Mögliches vom Unmöglichen
zu unterscheiden, nie zur Entwicklung gelangte. Assoziation von Bildern
mit den Wesen, die sie darstellen, wird somit Identifikation, sowohl körper-
lich wie seelisch. Man hat sie alle Zeiten hindurch zu Tausenden in den
Heiligtümern errichtet, auf daß die Götter ihre Seelen darin niederlegen,
insonderheit wenn die Geistlichkeit durch Opfer und andere Feierlichkeiten,
Zauberworte und Zauberzeichnungen sie dazu einladet oder sogar nötigt.
In der Literatur äußert sich der Glaube an das Beseeltsein von Bildern
in zahlreichen Berichten über wimderbare Dinge, die sich mit denselben
zugetragen haben; sie sollen z. B. geseufzt, geweint, gezittert, geschwitzt,
geblutet, geleuchtet, Arme und Beine bewegt, gesprochen, ihre Köpfe ab-
geworfen haben und so weiter'.
Wird also in den großen Klöstern, den durch das höchste Weltgesetz
berufenen Propagandastätten der Heilsreligion, mit aller Kraft die Aus-
strahlung des Lichts der universellen Weisheit oder bodlii instand gehalten
und gefördert, so kann es auch nicht wundernehmen, daß neben den vielen
dazu dienlichen Mitteln auch eines erdacht worden ist, wodurch sich von
dortaus dieses Licht in weiteren und breiteren Kreisen über die zur Selig-
' Ausführliches über diesen Gegenstand in -The Religious System of China«, Bd. IV,
Kap. XIII, »On thc aiiimation of lifeless njatter«.
38 JJ E G K O O T :
keit berufenen Wilson hinaussenden ließe. Dieses Mittel ist der Thujm.
Kr r;igt im Bannkreis des Klosters ülier die übrigen Gebäude hoch empor
und ist absichtlich auf einer natürlichen oder künstlichen Anhöhe errichtet;
denn je liöher ein Leuchtturm, desto weiter sein Lichtkreis. Das Bestreben,
die Thüpas so hoch, wie die Baukunst es ermöglicht, aufzuführen, tritt,
wie bereits erwähnt (s. S. i i), in ihrer Struktur klar zutage. Viel wirkungs-
voller als vom Altar der großen Kirche des Klosters aus besorgen Losana,
seine Buddhas und die Bodhisattvas die Ausstrahlung ihres leuchtenden
Geistes durch Vermittlung des Thupa; und mit einem Schlage erklärt sich
nun, weshalb in den Pagoden, welche Stockwerke haben, in jedem dieser
Räume gegenüber den Fenstern Altäre mit einem Buddhabild oder mehreren
Bildern von Buddhas und Bodhisattvas angetroffen werden, oder weshalb
solche Bilder in Nischen auf der Außenseite angebracht sind, so daß sie
ilir Licht ganz frei nach allen Seiten hin entsenden können (vgl. S. lO).
Auch wird nunmehr klar, weslialb auf vielen großen und schönen Thüpas
die Bilder außen und innen besonders zahlreich sind, denn je größer ihre Zahl,
desto stärker die Wirkung des Turms: entsendet doch Losana sein Weltlicht
durch Vermittlung seiner Myriaden von Buddhas, seiner sakti oder Kräfte.
Also ist jeder Thüpa der Thron des Losana, seiner Buddhas und noch
nicht ins Nirvfina gegangenen Bodhisattvas, welche die Seligkeit der Wesen
bewirken. Seine Stockwerke oder Gliederungen stellen die übereinander-
gestaffelten Himmel der Kirchenlehre dar (vgl. S. 29, Satz 3). Daß ihre
Zahl ungerade sein muß, wird durch altchinesische philosophische Grund-
sätze unabweisbar bedingt, denn diese setzen fest, daß die ungeraden Zahlen
dem JdiKj, dem leuchtenden Himmel (vgl. S. 36), entsprechen, die geraden
Zahlen dagegen dem Jin, der Dunkelheit'. Eine Pagode mit einer geraden
Zahl (Gliederungen würde somit die Aufgabe, Licht auszustrahlen, unmög-
lich erfüllen können. Auf die Stellung der Pagoden als Darstellungen des
Weltalls weist auch die Tatsache hin, daß weitaus die Mehrzahl acht gleiche,
nach den acht Himmelsgegenden orientierte Seiten hat, und daß es da-
neben auch viele quadratisclie gibt, die aller Wahrscheinlichkeit nach den
vier Hauptpunkten des Kompasses zugewendet sind. Den Beweis, daß
diese Orientierung eine beabsichtigte ist, bringen die Statuen der »Könige
der vier Hhnmelsgegenden«, welciie (s. S. 12, 39, 43) axif oder in manchem
Thüpa abgebildet oder neben ihm errichtet sind.
' Hierüber »Universismu.S", S. 143 f.
Proiß. Akad. d. Wissenscli.
l'hiL-Jnst. Ahh. l'Jl'.l. Xr. 11.
Dir Pagoden in China. . ."{D
Infolge der Kircliciilelire ist der Thron des Weltgesetzes eine Terrasse
aus Lotusblumen; die Blätter dieser Blumen sind die zahllosen Welten des
Kosmos, und auf jedem Blatt predigt ein Säkya die Lehre des Heils (s.
S. 32). Es sei jetzt durch Beschreibung einiger namhafter Thvipas, die
Hmiderte von Ausländern sich angesehen haben, welcJie von vielen plioto-
graphiert, jedoch von keinem mit Sorgfalt besclirieben Avorden sind, dar-
getan, daß sie Naehalimungen dieser Terrasse des Losana sind und sicli
selbst also kennzeichnen als Throne des leuchtenden Weltgesetzes, als
Leuchttürme des Dharma. "
1. Der Thüpa des 7"teM-»*«g--Klo8ters.
Auf der Westseite Pekings steht das 3^ h^ 7" «Vw-m'wy- Kloster, »der
iiimmlischen Ruhe«, das nachweislicli ein Alter von 14 Jal)rhunderten hat.
also von den bestehenden Klöstern eins der allcrältesten ist. Von seinem
achtseitigen Tlnijja (vgl. Taf. IV^ 2) stellt der schwere, massive Unterbau die
Lotusterrasse des Losana dar. Dieser Unterbau steht auf einem mächtig
vorspringenden, schönen Sockel, der eine Gliederung trägt, worin sich auf
jeder der acht Seiten eine Reihe von sechs Ni.schen befindet, jede Nische
mit einem sitzenden, predigenden Buddha. Darauf folgt ein verziertes (le-
sims, worauf ein zweiter Kranz von solchen Nischen und Statuen ruht,
-SO daß die Gesamtzahl der Bilder 96 beträgt. Nun kommt ein auf den acht
Seiten stark vorspringender, von schönen Konsolen gestützter Sockel, inid'
darauf ruhen die Lotusblumen der Terrasse, in zwei Reihen übereinander-
geschichtet. Auf jeder Seite liegen 24 Blumen, durch eine Reihe von
Lotusblättern getragen.
Auf dieser Lotusterrasse erhebt sich der Thüpa. Seine unterste Glie-
derung ist etwa so hoch wie die Terrasse und mag wohl bis zu ein.eni
Drittel der Höhe des ganzen Turms hinaufragen. An jeder Ecke steht
ein Pila-ster, mit Drachen verziert. Vier der gegen die Kardinalpunkte
orientierten Fassaden haben in der Mitte eine gewölbte Pforte, von stehen-
den Figuren der Könige der Weltgegenden llankiert: die vier anderen
Fas.saden haben ein Gitterfenster mit einem stehenden Buddha oder Bod-
hisattva auf jeder Seite. Die zwölf oberen Gliederungen werden <lurcli
dreizehn vor.springende Dächer mit glasierten Ziegeln gebildet. Balkonc
hat der Thüpa niclit. Das zeltartige Dach krönt ein achtseitiger (»ipfel,
der sich beschreiben läßt als eine Art Vase, über der eine ähnliche um-
40 I) i: G R o o T :
gekehrte Vase hängt, worauf eine sich zuspitzende Kugel, ^% »Feuer-
oder Lichtperle« genannt, den Abschlußknauf bildet.
Aus den j|j| ^ /fif 7^^ &un-Vien fu tä, » Gedenkschriften vom Bezirk §un-
t'ien« (Kap. 17, Blatt 5), lernen wir, daß das T'ien-niny-Kloster in der Zeit
der W>«-Dynastie des Nordens, also im 5. oder in der ersten Hälfte des
6. Jahrhunderts erbaut wurde und in der Zeit der |5^ 5w(!-Dynastie den
Namen ^^ Hung-ß' -Kloster trug. Dann gibt dieses große Werk auch
noch folgende, aus nebenbei erwähnten Werken entlehnte Mitteilungen:
In der Periode t!^ Jen-sou {60 1 — 605) der Äi-Dynastie en-ichtete man im Bezirk
1^1 J^'" im Ilunff-je'' -Kloster einen Thüpa und setzte darin Sarira's Ijei. Im zweiten Jahre
der Periode Jen-.sou fand im ersten Monat eine Verteilung von Sarira's statt, und man er-
richtete dafür beseelte Thiipas in 51 Bezirken. Am 26. - des dritten Monats setzte man
die Sariras im //«n^'^'e'-Kloster bei.
Der Thüpa der Swj-Dynastie, der im Kloster steht, ist 27 tsang 55 tsun (92 — 93 m)
hoch. Innen gibt es keine Ti-eppenstufen zum Hinaufsteigen, denn der Thüpa dient aus-
schließlich zui- Beisetzung von Sariras des Buddha und ist kein Ort, den man besteigt, um
herabzuschauen. Das Fundament i.st eine viereckige Terrasse. 12 tsanff lang und breit und
etwa 6 ts'i' hoch, die eine Mauer umgibt, in der sich in der Nord- und der Südseite eine
Pforte zur Abschließung befindet. Auf dieser Teirasse ist ein ^a Altar erbaut, der nacli
den acht Kardinalpunkten orientiert, etwa 4 ts'i' hoch ist und die Gestalt eines gelben
J^ tsung^ besitzt. Auf diesem Altar ist der Thüpa errichtet. Seine nach den Himmelsgegenden
orientierten Seiten sind mit denen des Altars gleich an Zahl. Sein Sockel ist stilisiert
wie ein Buddhathron. Der Thüpa trägt eingemeißelte Verzieiungen, Blumen und Gestalten
von Geistern. Der obere Teil besteht aus J^ ^ •■ Traggattern «, und in den Unterlagen, wor-
auf ringsherum diese Gatter ruhen, befinden sich auf drei Gliederungen eiserne Lampen,
im ganzen 360 an Zahl. Am 8. jeden Monats gießt man öl darein und steckt sie an.
Innerhalb dieser Gatter stehen (an den Ecken) acht Säulen, mit einander umfassenden DracJien
umwunden. Die Wände sind mit diesen Püastei n fest verbunden. In den nach den vier '
Hauptweltgegeiiden orientierten Wänden sind Türen eingemeißelt, von stehenden Bildern der
Könige der Weltgegenden flankiert; in den vier Eckseiten aber sind Fenster angebracht
von Bodhisattvabildern flankiert. .Alle Wände sind gänzlich aus 1^ ■^ • Porzellanbackstein •
(Kachelwerk); aber wer zu ihnen hinaufblickt (jder sie aus einiger Entfernung sieht, glaubt,
sie seien aus 3R 'S "''aspisstein« (Maimor), der den Bergen von 3n| Jen (Pe'-lsi'-li) ent-
nommen wird.
Vom Sockel des Thüpa (also vom Lotuskranz) bis zu den Stürzen (iiJsBlr welche auf den
Pilastern ruhen, ist es die erste Gliederung; ihre Höhe (über dem Erdboden) ist ungefähr
ein Drittel der Höhe des ganzen Thüpa. Darüber liegen schichtartig aufeinander gelagerte
' Ein W'jfe »gelber ts'ung«. war unter der Mantschu-Dynastie eine quadratische
Scheibe aus Jaspis mit einer ilachen und einer von den zwei gegenüberliegenden Kanten
nach der Mitte hin leicht gewölbten Seite (s. »Universismus«, S. 195). Der Beschi-eiber des
Thüpa muß jedoch an eine achtseitige Platte gedacht haben.
Die Pagod^m in China. 41
Konsolen (t^) uiit ciuem (darauf rulieuden) fl^ \^j^ "in der Luft schwebenden vonaf^enden
Dach", und dann folgen noch zwölf (gleichartige) Gliederungen. Am Kopf jedes Dach-
sparren ist ein ^p Glöckchen angebracht; außerdem ist ein größeres Glöckchen an jeder
Ecke befestigt, wo die Seiten aneinanderschließen, und die Gesamtzahl der großen und
kleinen Glöckchen geht über 3400 hinaus. Wenn der Wind geht, klingen die Glöckchen
gleichzeitig so melodisch wie die zu einem Orchester vereinten Glocken und Musiksteine
(,^) . In der allerhöchsten Gliederung befindet sich an der Südseite eine Steintafel mit
Inschrift (^S.)- die in einem unbekannten Jahre dort errichtet wurde. Noch höher gibt
es eine ^^^ »Tauschüssel« mit ;;|>|J ^^ -i'-scheibe« (vgl. S. 2 3), »und noch eine vergoldete
yC^fe "Feuer- oder Lichtperle- zur Beherrschung des Gipfels.
2. Der Thnpa von Pa'-li-tkuaiifi;.
Kaum fünf Kilometer von der Westmauer Pekings liegt an der Straße,
welclie nach den westlichen Bergen führt, /\Mj£ Pa-U-thumy , »das
Gehöft der achten Meile«. Dort steht ein Thfipa, welcher dem dos T'ini-
«m^-Klosters auffällig ähnelt, und von dem eine ausführliche Beschreibung
sicli daher erübrigt. Bereits 1890, als ich ihn zum letzten Male sah, war
er im Verfall, und seitdem wird von Reparatur wohl keine Rede gewesen
sein. Er mißt am Fuß auf jeder der acht Fassaden 10,83 m. Seine Lotus-
terrasse trägt auf jeder Fassade eine Anzahl von Nischen mit sitzenden
Buddhastatucn, so daß aucli sein Charakter als Leuchtturm des Welt-
gesetzes keinem Zweifel unterliegt.
Dieser Thüpa gehört zum ^,^ Tse-Sou-KXostev, »des langen Lebens
durch Wesensliebe«, das, den »Gedenkschriften von Sun-t'im» (Kap. 17,
Bl. 16) zufolge, im Jahre prng-isr der |^ J^ Wart-Zf-Periode (A.D. 1576)
von der Kaiserin-Witwe j^5^ Tse-iing gegründet und im 22. Jahr der
h" ien-htng-¥eno(le. (1757) auf kaiserlichen Befehl erneuert wurde. Hiervon
zeugen eine von Drachen umschlungene Inschrift auf dem Thupa und die
gelbglasierten Ziegeln der 1 3 Däch(^r. Der Thüpa ist genau nach den vier
Kardinalpunkten orientiert. Auf der Westseite trägt er die Inschrift /^{l)}^
0 J^, »sein Licht umschlingt Sonne und Mond«, was offen darauf hin-
deutet, daß er ein Heiligtum des gesamten Lichts des Weltalls ist. Dieses
Weltlicht ist allen Wesen zum Leben und Gedeihen unentbehrlich, auch
den Kaisern, denen vom Himmel selbst die Pflicht auferlegt ist, durch
vortreffliche Regierung die Menschheit zu beglücken mit allen Segnungen,
welche das Weltall schafft. Deshalb haben weise Kaiser diesen Thupa
erbaut und unterhalten zur Beleuchtung des Palastes und des Throns,
PhiL-hist. Abh. nnU. Nr. 11. 0
42 1) E (i ROOT :
zur Erhöhung ihrer Weisheit (bodhi), zur Sicherung ihres persönlichen
Wohls und des Wohls ihres Hauses und Volks; in der Tat, das- Weltall
vertreibt und vernichtet alle Dämonen des Dunkels, die Märas, die Grund-
ursachen alles Übels. Und somit lesen wir auf der östlichen, Peking und
dem Palast zugewendeten Fassade der hohen, untersten Gliederung: ^
ppMIH • "Seine übelbczwingende Kraft verleihe dem kaiserlichen Regie-
rungssystem feste Ruhe«; und auf der Südfassade, gegen dieselbe Welt-
gegend, zu der der K'niser von seinem Thron hinblickt: ^|^'^^ : »seine
Wohltaten umschnüren das Huiig-fan^' . Das Himg-fan, »das über alles sicli
ausdehnende Gesetz«, ist ein Bucli des heiligen Sv-khiff, welches vor etwa
41 Jalirhunderten, wie es selbst nachdrücklich sagt, vom Himmel dem
großen lieiligen Kaiser ^ J/i geschenkt wurde zur Anleitung für die
Organisation seiner Regierung; es ist daher der allerheiligste Grundstein
des chinesischen Staatswesens, und sein Name ist d,er höchstklassisclie
Ausdruck zur Bezeichnung von allem, was fundamentalgesetzlich ist. Der
auf der Hauptfassade angebrachte kaiserliche Name des Thüpa lautet ^
^MW^u"' "Thupa für ewigwährende Ruhe >md zehntausend Menschen-
alter« ; der Turm ist also auch ein Heiligtum zur Sicherung eines fried-
vollen Fortbestandes des Kaiserliauses für alle Zeit und eines möglichst
hohen Alters eines jeden Herrscliers. Hier zeigt sich somit eine Pagode
auch als Werkzeug zur Sicherung des Glücks von Kaisertum und Volk, das
heißt in einer Rolle, worüber im 6. Kapitel noch auszuführen sein wird.
Zu den zwei hier besprocheneu Thri[)as ist noch zu bemerken, daß
sie absichtlich unzugänglich gemacht und wahrscheinlich sogar größtenteils
massiv sind. Sie bilden somit einen besonderen Typus von Buddhatürmen
und tragen auch wesentlich einen anderen Charakter als die im 2. Kapitel
behandelten Dagobs mit Stockwerken und Baikonen; denn der Schwer-
punkt ihrer Bedeutung liegt in den vielen Statuen der Fassaden, das heißr.
im Licht, das diese Statuen mittels des ganzen Turmes in die Umgebung
hinaussenden. Auch die jetzt noch zu beschreil)enden Thüpas geliören zu
diesem Ty[)us, obwohl ihre Gestalt eine ganz andere ist.
3. Uor Thüpa «1er lusel /*'u-l'v.
Ein belehrender Thupa ist der vom ^' ij^ iliifi ^- » Dhyäna-Kloster des
universellen Beistands« auf der Insel ^|Jß Fu-t'o, die an der Seeküste
bei Ningpo liegt. Boehsciimann hat ihn im i . Band seines Werkes auf
D'w Pnamlen in ChiiKt.- ■ 4)5
S. 26 abgebildet. Nacli den ^IJfcpJ/^^ P'v-t'nkmtsi^ »Denkschriften d«-r
Insel P'u-t'o«, Abschnitt ^'^^ »Altertümeruntersuchungen«, wurde in
der Periode JC^ Jiian-t'imy (1333 — 35) der JMön-Dynastie vom Prinzen
^^ Si'ian-diang ein Wert von tausend Barren geschenkt, damit der Abt,
der Dhyjina-Meister '^- X^ Fii-tsung, den Thiipa erbauen sollte. Er ist
9 tSang 6 tS'i' hoch, und er ist gänzlich aus schönem Stein der ^'/^
T'ai-hu, »Größten See» (bei Su-tSnii)^.
Dieser Thüpa ist gänzlich aus großen Steinquadern erbaut, ist quadra-
tisch und hat drei Gliederungen. Er- steht auf einem Sockel, der einen
Lotus mit einer vielfachen Reihe von scharf ausgeprägten Blumenblättern
darstellt und von einem FlecJitband aus Wolken umgeben ist": er ist somit
eine Darstellung des über die Wolken ragenden Lotusthrons des Losana.
Unmittelbar auf den Lotusblättern sitzt auf jeder Seite des untersten Ge-
schosses in einer in die Steinwand gemeißelten Nisdie ein Buddha in Halb-
relief, und davor sitzen kleinere Statuen aus Stein, auf der Ost- und West-
seite je fünf, auf der Nordseite sechs, auf der Südseite zwei, also achtzehn im
ganzen, welche die vornehmen Apostel der Mahäyäna-Kirche vorstellen.
In den Nischen sind gerade Linien ausgemeißelt, welche offenbar das von
den Statuen ausstrahlende Licht darstellen. Neben den Nischen in den
St#in gemeißelte Figuren scheinen Bodhi-J)äume wiederzugeben. Die zwei
höchsten Gliedeningen haben ebenfalls auf jeder Fassade eine Nische mit
Buddha- oder Bodhisattvabild.
Dieser Thupa scheint massiv zu sein. F> hat somit keine Stock-
werke, und die entsprechenden Gliederungen sind zum Ausdruck gebracht
durch kräftig vorspringende Gesimse aus rechtwinkligen Steinbalken und
durcl) darauf ruhende schwere Steingeländer. Um die Umgebung weit
zu beherrschen, steht der Turm auf einer (|uadra tischen Terrasse aus Stein-
quadern, welche von einer schweren Steinbrüstung eingefaßt ist; und diese
Terrasse steht wieder auf einer zweiten ähnlichen, die erheblich breiter
ist. Beide Terrassen sind genau so orientiert Avie die Pagode selbst. Am
Fuß der kleineren stehen an den Ecken große Steinsttituen der Könige
der vier Himmelsgegenden. Der Name dieses Bauwerks lautet ^-J-"!:^
T'ai-tse t'a\ »Thupa des Kronprinzen«, und gewährleistet also, daß in einer
' Zitiert im T'u-iu Utii'ing, Abschnitt |J^J j||, K. tiy, Bl. ii.
- BoEKscHMANN Schreibt, daß der Sockel mit Flechtbändei n, Friesen aus \V<ilkoii.
Was'.er und Felsen geschmückt ist. Ich kann davon nur die Wolken entdecken.
6*
44 I) E Gro O T :
der Nischen sich Säkyamuni befindet, der der Sohn des Königs Suddhodana
des Landes Madhyadesa war. Boerschmann sagt, er sitze im mittleren Stock-
werk, erwähnt jedoch die Himmelsgegend, der es sich zuwendet, nicht
4. Der fünffache Thupa des 7'.sing-kio' -Klosters.
Die Lotusterrasse des üharma trägt Myriaden von Bodhisattvas und
Buddhas (s. S. 32). Es liegt somit in der Natur der Sache, daß, je mehr
solcher Prediger der Heilslehre auf dem Thüpa, der Nachahmung der
Lotusterrasse, angebracht sind, um so mehr Licht der Weisheit davon aus-
geht, und desto kräftiger seine Wirkung ist. Es kann somit nicht wunder-
nehmen, daß es Thüpas gibt, die auf allen Fassaden mit solchen Bildern
dicht bedeckt sind, und die sogar bis zu besonderer Größe und Höhe auf-
geführt wurden, damit sie besonders viel Bilder zu tragen fähig seien.
Ein typisches Beispiel hierfür bietet das JEi;^ Tsin</-kio'-K\osteT, »der
echten Weisheit« (bodhi), das im Volksmunde aber ^Üo"^ Wu-t'a se,
»das Kloster mit dem fünffachen Thüpa« heißt. Es liegt an der Straße
und dem Kanaltluß, die beide die nordwestliche Ecke Pekings mit dem
Sommerpalast verbinden, unweit der Abfahrtstelle der kaiserlichen Reise-
boote. Dort hat man (s. Taf. V) auf einem breiten und hohen quadratischen
Unterbau fünf quadratisclie Marmorthüpas errichtet und somit versucht,
dem Grundsatz gerecht zu werden, daß Pagoden das umliegende Land so
weit wie irgend möglich belierrschen sollen. Dieser Unterliau, nach den
vier Himmelsgegenden gekehrt, bildet auch an sich einen Thüpa. Sein
mit schönen Figuren gezierter Sockel hat ein scharf vorspringendes Gesims
und einen Wulst aus Lotusblumen und ist auf den vier Fassaden durch
eine Reihe von Lotusblumen gekrönt; er stellt somit die Lotusterrasse
des Dharma vor. Mit glasierten Ziegeln gedeckte, vorspringende Dächer
teilen den Unterbau in fünf Gliederungen, von denen jede eine Reihe von
großen Kacheln ist, welche je eine Nische darstellen mit einer Statue
in Halbrelief, die mit untergekreuzten Beinen auf einem Lotus sitzt. Jede
Nische ist von der nächstliegenden getrennt durch einen Pilaster, der ein
stilisierter Bodhi-baum zu sein scheint. Der ganze Untei-bau ist oben ge-
krönt von einer Mauer, welche die Brüstung seiner Plattform bildet und
in der Löcher zum Abführen des Regen wassers angebracht sind.
Auf dieser wahrscheinlich wohl 1 5 Meter hohen Plattform stehen die
fünf pyrnmidenartigen, sich zu eigentümlichen runden Figuren zuspitzenden
Prfuß. Akad. d. Wissensch.
Ph'l.-hist. Abli. I'JI!). Nr. 11.
Dil' Payodi'u in China. 45
Thüpas, und zwar vier gleichgroße an den vier Ecken und eine größere
in der Mitte. Sie sind genau so wie der Unterbau orientiert. Jede hat
einen Sockel, der dem des Unterbaus ähnlich ist und ruht somit auf einer
Umrahmung von Lotusblumen. Die elf vorspringenden Dächer jedes Thüpa
sind den Dächern des Unterbaus ähnlich, und dasselbe ist der Fall bei
den dazwischenliegenden Reihen von Nischen mit ihrem Bild und mit den
Pilastern, welche sie voneinander trennen. Allein die weißmarmorne un-
terste Gliederung jedes Thüpa hat etwa eine doppelte Höhe und auf jeder
Front in der Mitte eine viel größere und tiefere Nische mit einem sitzenden
Buddha und beiderseits derselben eine stehende Relieffigur. Daß die fünf
Thüpas den vier Weltgegenden samt der Mitte des Weltalls entsprechen,
kann wohl keinem Zweifel unterliegen. Jeder enthält im inneren Raiun
einen vergoldeten Buddha.
(iewiß ist der Unterbau zum größten Teil massiv, sonst wäre er nicht
imstande, eine so große Last zu tragen. Ein dunkler Tunnel (^), dessen
von einem breiten Saum von Marmorblöcken umgebener Eingang sich in
der Mitte der Nordfassade befindet, enthält eine linke und eine rechte
Wendeltreppe, welche auf die Terrasse fiihren.
Der Haupt charakterzug dieses merkwürdigen Thüpa ist also die große
Zahl seiner lichtspendenden Heiligenbilder. Besonders kennzeichnen diese
ihn als Leuchtturm des Weltgesetzes in der peinlichen Ängstlichkeit, mit
der man sieh hinsichtlich der Bilder an den ungeraden Zahlen festgeklam-
mert hat, welche dem Jany, der leuchtenden Seele des Weltalls, entsprechen
(s. S. 36). Auf jeder Fassade der fünf pyramidalen Thüpas sitzen in den
sieben höchsten Reihen je fünf Bilder, in den drei darunterliegenden Reihen
je sieben, in der großen Nische ein Bild, insgesamt also 57. Somit sind in
jedem Thupa, weil er elf Gliederungen hat, nur ungerade Zahlen von eins
bis elf vertreten. Auf dem Unterbau kommen die ungeraden Zahlen gleich-
falls stark zum Ausdruck. Dieser trägt nämlich sowohl auf der östlichen
wie- auf der westlichen Fassade in jeder der fünf Gliederiuigen neunzehn
Bilder und noch drei dazu, welche sich auf dem südlichen Ende der beiden
Fassaden befinden; und zur Vermeidung der geraden Gesamtzahl 22 ist
dieses Ende ein wenig nach vom ausgebaut. Auf diesen beiden Fassaden
scheint der vorspringende Teil die Seitenkante der schweren Frontmauet
des Thüpa zu sein, wie aus der Tatsache hervorgeht, daß die Rückfassade
in den drei höchsten Reihen nur neunzehn Bilder trägt. Daselbst fallen
46 I) K (i HO OT :
;ui der Stelle, wo sich der Tunnel befindet, in der untersten Reihe sieben
und in der zweiten Reihe fünf Bilder fort, so daß also diese Reihen zwölf
bzw. vierzehn Bilder enthalten; jedoch diese verbotene Anzahl ist für die
zweite Reihe dadurch beseitigt, daß noch ein Bild in den Schlußstein des
Saumes des Tunneleingangs gemeißelt ist. In der untersten Reihe würde
sich also links und rechts vom Eingang die unzulässige Anzahl von sechs
Bildern befinden, wäre nicht der ganze mittlere Teil der Fassade ein wenig
vorgebaut, und zwar so, daß links und rechts von diesem Teil sich in
jeder Reihe fünf Bilder befinden und somit die unterste Reihe auf jeder
Seite des Eingangs nur ein Bild auf dem Vorbau hat. Zu gleicher Zeit
ist durch diesen Vorbau eine Vermehrung der ungeraden Zahlen erreicht,
denn nunmehr hat auf dieser Fassade jed«> der drei höchsten Reihen
5 + 9 + 5 Bilder. Die Gesamtzahl der Bilder beträgt etwa 1500 — 1600.
Infolge einer kaiserlichen Steintafel, die sich an der Vorderseite
befunden hat, kam im ersten Jahre der Periode Jung-lo' (1403) ein
ÖEM^ Pan-dk-tat (Pandit) aus dem Westen und bot dem Kaiser als
Tribut vergoldete Buddhastatuen an, nebst einem Modell (^) des ^p^lj
W J^ »kostbaren Vajra-throns«. Darauf wurde das Kloster der ^^
«echten Weisheit« gestiftet und dabei ein Vajra-thron für die Statuen
erbaut, unter genauer Nachahmung des Ratna-throns Zentralindiens, auch
was die Dimensionen anbetraf. Im zwölften Monat des Jahres kwei-Sf^ (1473)
der Periode Ts'iug-hua wurde dem Kaiser rapportiert, daß der Bau fertig
war'. Der Stifter des Klosters und des Thüpa war also derselbe buddhi-
stisch gesinnte Ts'iny Tsu. der (s. S. 11) den Porzellanturm bei Nanking
bauen ließ. Und der Thüpa selbst war eine Darstellung des Vajra-throns
(Vajrasana) des Buddha, d. h. des jM|J^ »Platzes des Seligwerdens«
(bodhimanda), wo der Weisheitsbaum (bodhidruma) wuchs, unter welchem
der Herr die Weisheit (bodhi) erreichte. Diese heiligen Stätten lagen auf
dem l^ff^ Präg(-bodhi)-Berg bei Mägadha.
5, Der fünffache Thüpa des /*t"-j»VM-Klosters.
Nördlich vom kaiserlichen Jagdpark ^ |^Jj Hiany-San und östlich vom
3i:^Ü4 Ju-ts'uan San, dem »Berge der NephritqueUe«, liegt das ^^
Pi'-;Vm-Kloster, »der bläulichen Wolken«, das aus der Zeit der Mongolen-
herrschaft stammt. Seine schönen Gebäude liegen in einigen Höfen (|^)
' »Denkschriften von Sun-t'ieh", Kap. i6. Bl. 6.
Die Pagoden in China. 47
auf dem mählich steigonden, terrassen artig angelegten Hange des Gebirges.
Seine große Kirche enthält das Bild des Säkyamuni mit denen seiner Haupt-
jünger Kasyapa und Ananda; auf ihrer Südseite steht ein Tempel mit
500 lebensgroßen Statuen von Arhats, Aposteln der Lehre. Eine große
marmorne Freitreppe von 62 Stufen fulirt zum letzten und höchsten Hof.
der mit großen Zyi)ressen bestanden ist und einen viereckigen Thüpa aus
Marmor enthält, der 1748 vollend<'t wurde. Er ist im gleichen Stil wie der
des Klosters »der echten Weisheit« (s. oben), jedoch erheblich schöner
und mit mehr Ornamentschmuck aufgeführt. Er trägt ebenfalls den Namen
»Kostbarer Vajra-thron« und ist somit auch eine Darstellung des Bodhi-
manda von M^igadha (vgl. S. 46). Das geht auch aus einer Steintafel mit
kaiserlicher Inschrift des Jahres 1749 hervor, die daneben steht und in
<ler" Sammlung x Epigraphische Denkmäler aus China« von Frankk und
Latfer als Tafel 3 1 wiedergegeben ist.
Das kolossale CJebäude steht auf einem viereckigen, massiven Unter-
l)au aus Marmor und Sandstein, der mit wuchtigen Marmorbalustraden ver-
ziert ist. Jede Fassade des Thüpa hat zwei (Uiederungen mit je einer Reihe
von sitzenden Statuen, die zum größten Teil den Almosennapf tragen und
.somit Bodhisattvas vorstellen, die noch die Askese üben. Auf der Peking
zugewandten Ostfassade sitzt auf dem Haupt platz, in der Mitte, Lo.sana
oder .Säkyamuni; weiter ist daselbst in der untersten Reihe Bodhidharma
zu erkennen, auch Maitreya, der Buddha der Zukunft, die Könige der vier
Himmelsgegenden usw. Die Bilder in der höheren Gliederung dieser Fassade
tragen eine Stirnbinde, die fünf nebeneinanderstehende Flammen darstellt,
von welchen jede einen in dhyäna versenkten Buddha trägt. Solch eine
Binde heißt 51 1!^ [8 ' »Kranz der fünf (Dliyäni-) Buddhas«, und die Geist-
lichkeit pflegt sie sich um den Kopf zu binden, wenn sie, zur Förderung
des Seligwerdens, sicli tief in dhyäna zu versenken vorhat. Knan-jin oder
Avalokitesvara sitzt in einer Nische in der hinteren Fa.ssade.
Die Plattform, zu der eine Wendeltreppe von 42 Marmorstufen hinauf-
führt, ist von einer schönen Balustrade aus Marmor um.schlossen. Sie mißt
auf der Ost- und Westseite 15.7.5 Meter und ist auf den beiden anderen
Seiten etwa fünf Meter länger. Die fünf pyramidalen Pagoden der Platt-
fonn haben je fünfzehn (Gliederungen, von denen die unterste hölier ist und
Bilder von allerhand Buddhas und Bodhisattvas trägt. Solche Bilder sieht
man aucli auf zwei kleineren, urnenartigen Pagoden, die nach der Ostseite
4<S DE Ci K O O T :
zu stehen, links und rechts von einem viereckigen Aufbau mit tiefer Nische,
in der, gen Osten gekehrt, eine achtarmige Statue sitzt, die elf Köpfe trägt,
und zwar in drei übereinandergestaflfelten Reihen je drei, und noch zwei
übereinandergestellte in der Mitte obenauf.
Nördlich vom Kloster ruhen unter dem segenspendenden Einfluß des
Thfipa zahlreiche Hofbeamte in ihren Gräbern, die mit Statuen von Menschen
und Tieren, Steintafeln mit Inschriften, Marraorbrüstungen, Bäumen usw.
geschmückt sind.
Besonders große und hohe Thüpas, mit Bildern voll besetzt, werden
gewiß wohl in noch anderen Gegenden Chinas zu finden sein. Chavannes
bildet zwei ab im 2. Album der »Mission Archeologique « (Nr. 920 und
921, aucli 925), welche in einem Klostor in K'ai-ßj.ng stehen: besonders
plumpe und unschöne dreistöckige Bauten, anscheinend nicht massiv und
mit je einem kleinen Thüpa als Gipfel gekrönt. Einer ist sechseckig und
trägt wohl über 6000 Bilder in Reihen übereinander. Der andere, der vier-
eckig ist, mag wohl mit mehr als 4000 Statuen ausgestattet sein.
Auch außerhalb Chinas sind derartige Thüpas erbaut worden. Bei-
spielsweise sei der von Syrcheb. etwa 30 Werst von Idikut chari inTurfan,
erwähnt, der auf den vier Fassaden fünf Reihen von sieben Nischen mit
Statuen trägt'. Gewiß erwähnt auch Hiim-tsuany einen derartigen vier-
eckigen Thüpa in Kap. 10 in den Notizen über Kajingara^, wo er schreibt:
T?S 4^ -tr ^fril t^ '^^ "?r AU An der nördlichen Grenze stellt unweit vom
nn w >7 ^u ^ w. A^ AU f^ a 1 1 T -K A
TE ™ »-4- jv danges eine growe, hohe lerrasse. aus uberemanaer-
M W^ T^ ^
,. -_, ^ rg/ TE m »j- :±f. uaiiges eine groue, uoiie lei lasse, aus uuereinanuer-
1T i»i |hI W <T^ §g i^ ^ jrelegtem Backstein und Stein erbaut. Sein Sockel
!7C ^ Rj ^Jit fflE' ^^ ^- ist breit und hoch, und von seltsamer Machait was
J^ ^ ^ \\\' 'TZ -Ji- 5Ä hineingemeißelt ist. Rings hernm hat man auf den
■* „,, o ^-' -^ /" gegen die Himmelsgegenden gewendeten Fassaden
[pp. /öl '^ (in ^ Iw Abbildungen von Heiligenscharen gemeißelt, sowie
/tII 1?^ iBl '^^ W '0- j/bT Gestalten von Buddhas und Deva"s, fiir die je eine
Klause (Nische?) gesondert gemacht ist.
Alles aber, was die große Heilsreligion an Heiligtümern dieser Art
ins Dasein gerufen hat, stellt der weltbekannte Borobudur, »die vielen
Buddhas«, tief in den Schatten. Dieser wahrscheinlich zwölf Jahrhundert alte
Riese aller Thüpas, zugleich ihr Pnmkjuwel, ist gänzlich aus Werkstein
erbaut, erhebt sich fast genau in der Mitte der Insel Java auf dem Gipfel
' Ki-EMENT/., »Nachricliten über die 1898 ausgerüstete Expedition nach Turfan«, S. 31
und Tafel i.
- Stanislas .lui.iKN. »Menioires sur les ("oiitrees OccidentaieS", II, S. 74.
,!»-u
Frniß. Akarl. d. Wisscnsch.
Phil. hift. Ahh. 1910. AV. 17.
Die Pagoden in China. 49
eines Hügels und beheiTscht eine weite Aussicht. Der quadratische Unter-
bau ist auf jeder Seite mehr als 1 50 Meter lang. Die neun Terrassen oder
Umgänge, sechs quadratische imd darauf neun runde, umfassen den ganzen
Gipfel des Hügels in seinen letzten dreißig Metern und sind nach den vier
Himmelsgegenden orientiert. Die quadratischen tragen kleinere Gebäude
mit stehenden oder in Nischen sitzenden Statuen von Buddhas und Bodhi-
sattvas, sowie auch 568 herausgemeißelte Darstellungen aus dem Leben
des Säkyamuni und der Buddhas, die ilim vorangegangen sind. Die drei
höchsten Terrassen sind rund und tragen je einen Kreis von 32 bzw. 24
und 16 kreisrunden, glockenähnlichen Bauten aus Werkstein, die am Fuß
fast vier Meter im Durchmesser haben. Im Zontrum des obersten Kreises
erhebt sicli eine große Kuppel, die den Thfipa und also gleiclizeitig den
Berggipfel krönt und am Fuß fast sechzehn Meter im Durchmesser hat.
Sie scheint eine sitzende Statue enthalten zu haben und mag woJd als der
Sitz des Dliarma, des Adibuddlia, gedaclit gewesen sein. Insbesondere
weisen die 72 glockenartigen Bauten darauf hin, daß auch der Borobudur
ein Leuchtturm des Weltgesetzes ist. Alle haben nämlich (vgl. Taf. VI) auf
einem in Lotusform gemeißelten Sockel einen Buddha aus Stein, der inner-
halb einer kreisrunden (rlocke sitzt, welche vier Kreise mit rautenförmigen
Öffnungen hat und somit offenbar gedacht war als Laterne des Lichts des
Weltalls, das der Buddha entsendet. Aucli dieser Tlnipa muß zu einer
Niederlassung von Geistlichen gehört haben, wovon noch zwei weiter bergab
liegende Steintempel erhalten sind, nämlicli der einen sitzenden Buddha
entlialtende 'I'jandi Mendut und der Tjandi Pawon.
Die Seligmach ung der Wesen ist, wie dieses Kapitel dargetan hat,
der 3Iahäyäna-Kirche einziger Dasein.«:gründ und somit ihr höchstes Ziel;
und das Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels ist der Satz von Geboten
Brahmas Netzes, der von der Lotusterrasse des Weltgesetzes Losana durch
Vermittlung der Bodliisattvas der Menschheit zugegangen ist. Diese Lo-
tusterrasse» ist die Quelle aller Lehre, aller Weisheit (bodhi), alles Guten,
folglich auch die Quelle aller Sütra's, worin die Lehre oder Weisheit aller
Buddhas aller Äonen ihren Ausdruck findet. Dennoch wird von einem
Sütra, dem eine ganz besondere Bedeutung beigemessen wird, diese kos-
PhiL-hist. Abh. 1919. Nr. 11. 7
50 i>K ({koot:
misclie Herkunft diireli den Titel speziell betont, weiclier lautet: fl^'t^-
^M^^ ^l'"0-jy Uni-hnd IxitKj, "Sutni der Lotusblume des allerschönsten
(Welt-)gesetzes«. Saddliarmapundarikasutra. Das hat seinen Grund dai-in,
daß es die Lehre des Buddhawerdens enthüllt, die tiefsinnigste aller Lehren,
das Höchste überhaupt, was das Weltgesetz die nach der Seligkeit Stre-
benden zu lehren hat. Es ist daher begabt mit dem HöchstnVaß von selig-
machender Kraft, und die Klosterbrüder pflegen dementsprechend mit Vor-
liebe und besonderem Fleiß es herzumurmeln zur Förderung ihrer Weis-
heit, welche ins Nirväna fiihrt. Dieses Sutra schildert insbesondere die
Heilslehre in ihrer transzendentalen,, kosmischen Gestalt, welche zu 1)e-
greifcn und zu ei-gründon nur Eingeweihte vermögen, die Weisen also,
welche das höchste Verständnis (bodhi) erstreben und dadurch Bodhisattva
werden. Das Buch bestätigt das selbst im lo. Abschnitt, der die Überschrift
y^lfÜ "Lehrer des Dharma« führt, in diesen Worten:
"^ iH' J^ 30- -iM- n5Tc S3 Daniiils sprach Biidfllia aiicli noch zum Boilhisattva
A^ llL M m JB. /T m ,,,,', , 1 - ■ . , c , XV
^ . ^^ ■• _i._^ ^^ iiiul .Mnhasattvn Ar/.neikonig' (zur .Sonne): -1)k'
PJ fic ^ ifii T "MJ ""t Sntias und Grundgesetze, welche ich verkünde.
"^ xE W^ "Jt^ ärt W'fi m' wurden gepredigt, wei'den gepredigt und werdei
/r- ^1 /b -y- iJj- ^jK -j^^i gepredigt werden von einer unermeßlichen Anzald
ihr iAV ^i" -"i" - >i- ^''*" tausendmal zehntausend Myriaden: aber anter
3C ' ^(t *^ L_i fyX o ihnen ist dieses Sutra der Blume des Weltgesetzes am
A ^
fx. '1"-'^' i(^. wQ jfJC g^ ^^ allerschwcrsten zu glauben, am allerschvvieiigsten zu
tM 3< ■' U+. >*v &g T begreil'eii. Arzneikönig I Dieses Sfitia ist das Be-
"■■*' ^j. ^ ^>- hältiiis dt's verboi^enen Wichtigsten der Buddhas.
7i-!n ^x- - ^ ^ *^ lind soll also nicht durch Veiteiluni; und Verhreituns:
'm ±. m 's" fHE
m ?Hv W^ii frivol den Menschen iibergeben werden.«
Eigentlich ist dieses mystische Buch eine Sammlung mehrerer Sutras.
welche Kumärajiva in den allerletzten Jahren des 4. oder in den ersten
des 5. Jahrhunderts wahrscheinlich aus dem Sanskrit ins Chinesische nl)er-
tragen hat'. In einer von diesen, die im 1 1 . Abschnitt vorkommt, welche
' Hei Ki;i!n: Bhaisajyaiäja.
- Eine ("bcrset/.ung des .Saddharmapuiulaiika ans .Sanskritoriginalen vcröflentlichtc
KinN 1884 als Band 21 der »Sacred Books of tlic Hast. Ks scheint, daß diese Originale
von gciingereni (ichalt waren als die, welche Kuniärajiva zur Verfügung stjinden. denn dessen
(Ibcrselziing niaclit nirgendwo, wie es mit der KeunscIiimi manchmal der Fall ist, den Kin-
dnick, als habe ilci- Verfasser mit luiklaren Stellen zn ringen gehabt: seine chinesiselien
Sülze cntlaltcn sich diiichwcg in schlichter Deutlichkeit. Es mag aber sein, daß Kumärajiva
über Unklnrlu'iten liinwcggehüpft ist oder tüchtig <len Urtext poliert liat. Leider fehlt
noch immer ncb(^n der scIkhk'o KKH\sclirn Übersetzung eine zuverlJi.ssige von Kiuu.^rajivas
Wii'ilci lialic.
Die PtKjOfltn in C/tina. 51
<lie Überscliril't ^'^i^ "die Sichtbarmachung des Tliüpa der Kostbar-
keiten« trägt, ist der Inbegriff' der esoterischen Lehre der Thüpas und
ihre Beziehung zum Weltall mit großer Klarheit dargestellt, und zwar
derart, daß sich völlig bestätigt was darüber in diesem Kapitel bereits
angeführt ist. Wortgetreu wiedergegeben, steht da folgendes zu lesen:
-F fiS Itt" PU f'ft Wi ^ t'^ ^ Damals sprudelte vor IJuddha ein aus sieben Kost-
, ^^ .■;; ifi j ■ "* iff. ,i. öl -1- l>arkeiten bestehender Tliiljja aus dem Boden hervor:
^ W^ 5> Uli ^ 17H 6h M "u 500 yojana hoch und 250 yojana lang und breit. So
^:l ^ -Li. H 'f>^ ^^ J-H Zl. '^ stand er in der Luft, von Kostbarkeiten jeglicher Art
-p Vk^ -'^ HH JL„ ^ "g" -Ä^ vei-ziert und umgeben. 5000 Briistungen, tausendmal
— - rff ^' ^ J?* ^ ^91 ~ ' zehntausend Tabernakelhäuschen (Nischen), unzählige
---' , iji^ ^^ jii ^- ?|fj JL ^ Paniere und Fahnen dienten zu seiner Ausstattung
-^ -^ . ., 'T- "» it- ,N. -|- ^ und Veraierung; herabhängende Kostbai-kciten und
"Tj -""- ^i l'< ■» ^^ J_, >?if köstliche Steine, sowie 10 000 Millionen von kost-
t|5J \^ Mi/ J''j> ^ 4^ TT baren Glöckclien waren oben daran aufgehängt. Nach
/^ >fe> W' 'fö' ^i lYii allen vier Seiten hin ging aus ihm ein Wohlgenich
^ \_ ■ T^i "^ ^"^ -,,. yf^ -^ von taniäiapattra-candaiia hei-voi', der überallhin das
JiX m. rM f,a; l))^ ?H- l'i I^J Weltall füllte. Seine Paniere und Sonnenscl
nrme
P" Sft -^ ffil tl& *^ ■^ ^ waren aus den sämtlichen sieben Kostbarkeiten
LiM ^^ !tt^ i'l y^ ilTj B" zusammengesetzt, nämlich aus Gold. Silber, liu-li
•^ ■• '.j! *^ ' |l| j^ ti'f-k'u, Küi'Oalin. echten Perlen und mei-kwei. Er
CH ^"1' ^ "-^ ^ i o ™ war so hoch, daß er bis an die Paläste der Kö-
"5c ^\'' fira -^ )^ ~F" 'fl- ^ "'S" '^"'' ^''''' ^Veltgegenden und die 33 Himmel
■a-j-te.
IH" /it L<I ■¥►{■ /W- t7l F^ Y-V Wi '^'"'^ '''^ regnete himmlische mandarava-Blunien
tWi ^'ff >TV -=S- -rffr *fe HÄ 5/ rc: '^^^ Opfergabe lur den Thüpa der Kostbarkeiten,
^^» 4 ' " "^ ^ '^ , ^ während auch die ücvas, Niigas, Yaksas, (iandliarvas,
4n "f^ ^ :^=" S' ^ ^^'^ rt/' :X Asuias, (iarudas. Kinnaras, Mahoragas, iNIenschen
gl- '\ -L^ •'• ' ^iij ifui |||| y.'p und Niclitmensclien, tausendmal zehntausend an Zahl.
^ ^ ,^* llt" i^l '^ ' '^^J \y, dem Thnpa der Kostbarkeiten alle möglichen Blu-
JUt ^^< 'li>< ^ MY. iff y^ ^^- W; men und wohlriechenden Sachen, köstliche Steine,
T^ ^ *^ ^^ ' ildfe Hl^ Ki ^ Paniere inid Schirme. Kunstfertigkeiten und Musik
•y^ ^-: ,*|f;- 04 ™^ ^' ' , Yit alj* Opfer darbrachten, ihn \erehrten und priesen.
H $B j/v; * ut ^i- /V K^ ^ Alsdann kam aus diesem Thnpa der Kostbarkeiten
^^ -a mi ^ "^ ^' m '^§ ^ eine laute Stimme hervor, welche lobte und sprach :
'K ' '^ ;•,,. f^".' !^ ' '* . ■• W "Wie gut: wie vortrefflich! du von der Welt ge-
Hl 5fB fill" — ^n" ^ ~f* i^ ehi-ter Säkyamuni, du vermagst es nn'ttels <leincr
> „M. - ^' j^h yii. ^r 1'^: ■• gewohnten groCen Weisheit, das Gesetz der Bodlii-
* /-j^j lll i^ /'■'■■ W: r^ sattvas. die von den Buddhas patronisierte imd vcr-
J^i ^. MI. ' "* ^ ''^' ■• ^- lesene Sütra's der Blume des allcrvortreIVlichsten
ihn -^^ ^^ 5^ ^ ^ ^p Dharma, zu lehren und der großen Schar zu ver-
a\ 1 A-. ^' "h" i^ I'l Bl) ■^ künden. .la (urwahr, Säkyanutni, \on der Welt
' ^ ' iöv ■• '^ ijj.i ,VA Nerehrter, was du pre<ligst, ist alles die echte
fl -a- B^ ^, # ~ - ^ ^ Wahr
leit."
52 I) E Gkoot :
i^ =■ A ^ >^ Ä ^ S Als nun die vier Sciiaien den großen Thilpa der
l/t o^ /V PJ ^ '^■* HH n± Kostbarkeiten im Luftraum anschauten und die
'Pal llL. I*™ ßi^ ^ jl^ r^ öy daraus hervorkommende Stimme vernahmen, fanden
)^ _«j. 1^ ^ irj H- J:K P3 alle Freude am Dharma; denn so etwas Wunder-
MJ -^ W _L ^ ^ dl ^ bares war noch nie dagewesen. Sie standen von
_,"* |>r ^ '^ ^ ^ ihren Sitzen auf, legten ehrfurchtsvoll die Hand-
yC *^ ^ ^ " ^ fyX I flächen gegeneinander und standen alle nach einer
^ l5f i[^^ 3^ Hl ° Htl ^ Seite hin gewendet. Es befend sich unter ihnen
iMl ßl ^$1 A-° i® ^'^ ^^ W ®'" Bodhisattva und Mahasattva des Namens »Große-
rh "'4- BIf ^ ^ J^ ^ J^ Freude«.' Er empfand dieselbe Unsicherheit, worin
•zS. (iv — " rffi ^ /t ^'^'^ ''"^ Gemüter der Devas, Menschen und Asuras
zK ^ ^'E ^ y^ * l± aller Welten befanden und sprach zum Buddha: »Du
^ itb fln itt '■* -äS -^ lS von der Welt Verehrter! was ist der Anlaß des Her-
"n" SS ifn P^ ^ ^ -f^ S vorbrechens dieses Thüpa der Kostbarkeiten aus der
=fc!v Ä ö I J Wai /Ji> ' . i^i-de. und weshalb hallt aus seinem Inneren diese
^,m n ^ W-m * ^, stimme;-..
^ znl /yj^ ^+. _J^ ,';M^ 7t gS Darauf sprach Buddha zum Bodhisattva Große-
A ^ ^ *£ ^4 *- l''''eif^e= "^1 diesem Thfipa befindet sich das voU-
^ /V pb. ^ e ^ Ü n^ ständige Wesen eines Tathägata, und zwar von
Bfa; ^ WJ $M IM rh J!a! '^ unermeßlichen tausendmal zehntausend Millionen
^ ^ ' f# ^ !J1 ^^ Äi asankhyeya \'on vergangenen Welten des Ostens
^^^%^^^" (Tagen). Sein Reich heißt: ,Klare Reinheit der Kost-
. ^, ^- ^ 5|^ ^ -^ y^ barkeiten' (Sterne)^. Der darin anwesende Buddha
_i ,tfc. "^^ . ji. ^ yj ^ heißt Topao, .Viele Kostbarkeiten". Als diese!-
^ " ^. '^ '"'^ f^ ffi gg. Buddha noch den Weg der Bodhisattvas wandelte,
To" ^ jji i^ W PI -S. legte er diesen großen Eidschwur ab: ,Wenn ich
-fc^ i-li o Isa , 2 :^ rC. ^ Buddha gewoiden und (abends) in den Zustand der
fr ^ >f4^ S ^ Auslöschung (Nirväiia) übergegangen sein werde,
j^ ■ -. "^ -^ ^ M ^" -• und es alsdann in den Reichen und Ländern der
l>i ^ W J^ -L, _y. /^ l|;f' zehn Weltgegenden einen Ort geben wird, wo
- ,v4> )j& a ^^ [^ ^ Sütras der (Lotus-)blume des Dharma verkündet
W ^-*^ ,^ V~ ^ i^ ' ^ ^ werden, dann wird mein Thüpa-tempel durch An-
«ä j^ ' — itc ^ ^ ta fa hören dieser Sütras (morgens) vor diesem Orte zum
Hg ;^ ti 1^ _L A— )jj]^ |:|l Vorschein springen, um (dieses Werkes) Zeuge zu
^ yV K^ "/ffl -J- t* "fth ^ '^®'" "'^'^ preisend auszurufen: 'Wie vortrefflich!"'
TJ VA Rot >V tjT ^ ^ Und als dann dieser Buddha seine Laufbahn bis
~\^ fÄ il^ ^ [Sl ^ 'i Ende zurückgelegt hatte und, im Begriff in den
-t ^ ^ S I. ^^ rrEi ^ Zustand der Auslöschung (Nirväna) überzugehen,
lU- :fli rtb Im ^fe- 'db >^ 4> *'°^^ ""^^' unter den großen Scharen von Devas
iE <X, Hu -» T3 P^ ^ und Menschen aufhielt, da sprach er zu den bhik-
^ :^ ^ ^ t^ "(^ W > ?"'*= ,Solltet ihr nach meiner Auslöschuug meinem
' Bei Kern: Mahäpralibhäna.
^ Kern: Ratnavisuddha, clear by jewels (stars). -The world so called is, apparenüy,
the starry vault...
' Kern: Pi-abhütaratna. Tu-pao ist eine wörtliche Übersetzung davon.
Dlf Pa (joden in Cldna. 53
^ ^i. T&n ofe' ^^ ■'m ^ ^S- ^'ollständigen^Wesen ( )pfer darbringen wollen, so er-
{.I, j^ jj- " r+t HJ .ß^^? :/r riclitet euch einen großen Thüpa; ich, dieser Buddha,
">C 1/t xK _^ 't' um »ric Tc \verde dann durch meine göttliche Vernunft und die
3^ iul •'•n <öi ^H Ä- 'H te Kraft meiner abgelegten Gelübde allüberall in den
J-1' ""'in ^ - "^ ^Ü Ät ^ Welten der zehn Weltgegenden gegenwärtig sein,
''* ^^ 30. ^t ■» _ ^ |j^ j." und wo immer Verkündung von Sütras der Dharma-
W l*-^ g^ ^^ -"w ^^ bitime stattfindet, wird vor dieser Stelle jener Thüpa
=aW: ^^ '' -Hi :9' y^ nf *^®'' Kostbarkeiten hervorquellen; sein ganzes darin
rH 4ft ^ *'~ ;& j;>i 3fr befindliches Wesen wird preisend sagen: "Wie gut,
W £s? 'f^ ^ -tA i^ tt "•<? vortrefflich!'" (Iroße-Freudel jetzt ist der Thilpa
» Tat l'K 1=1 ,v> M CT ,]es Tathägata To-pao, weil er Sütras der Blume des
Dharnia predigen hörte, aus dem Boden hervorgequollen
^ und sagt lobpreisend: ,Wie gut, wie vortreft'lichl'«
i'^ f^ ^ ^ '^1^ ^ W ^ ^"n sprach der Bodliisattva Große-Freude durch
JÖp :^ YA -y? 5fe ^ jj/ lÖc die göttliche Kraft des Tathägata zu Buddha: «Du,
'H\ ;Ili -/f ^^ iäf ^<^ IH- 11 von der Welt Geehrter, wir möchten gern das Wesen
JL. ^ ^A ^ m J*:" ^' '"'^"^'''^ Buddhas sehen.« Und Buddha .sprach zum
"1 :^ -TA" ^^ in^ ^ ■• ^ Bodliisattva und Mahasattva Große-t'reude:
^ T^f ~f" IM -Ä- }^. % 3fr »Dieser Buddha To-pao hat folgende gründliche
"HJ" '"H /f rtli ir!/- =|lT ^ ;l*- ""*' ^^'chtige Gelübde abgelegt: .Weiui mein Thüpa
m rH HL. ^ *'*^ »1* |5§ '^ '''^'' Kostbarkeiten vor den Buddha.s erscheint, weil
- m ^ '^ •> 'NU p^ *'' ^''''■^■'' •^^■" l^'"">c des Dhamia verkünden hört,
ft't -^ ^Th ;n^ Ä -S; "PA i»! und wenn es dann unter diesen Buddhas einiMi
yj^ 1^ f^ irn *^w :^ ^ x geben sollte, der den vier Scharen mein Wesen zu
^' üti 'f^ rf 1^ ^ ihF zeigen verlangt, so kommen die verschiedenen Buddhas,
. ^ \ ;#ri ®C iä^ ... ^ 'n die dieser Buddha sein Wesen über alle Welten
"H zeigen verlangt, so kommen die verschiedenen Buddhas,
. ^c ''^\ iffi SX W ^!f ^ 'n die dieser Buddha sein Wesen über alle Welten
~' t^ 3S ^ •+< ^^ SlÖ ^^^ ^*^'"' ^'eltgegenden verteilt zum Veikünden des
» .on ■• W _i^ Q/ 'l"r r>l _:.. .._J J iK /v .
^' ^Ö^ iW ^tb -tA '^ ^ -ft ^'"*''""*' '/-usammen an ein und demselben Orte, und
'a.' ^ Jh '^ ^^ ,'5p " -^^ darauf wird mein Wesen sichtbai- zum Vorschein
^ ^ ^ ^ ^ W^ Wi treten.' Große-Freude I jetzt werden die Buddhas.
^ ■ /fi- -öfe S -^fc- i±| in die ich mein Wesen zerteile zur Verkündung des
Jfc ^ Ö. ^ SB,, -1- yjb Dharma in den Welten der zehn Weltgegenden, zu-
Hl
sammenkominen.
d?C"'^^WÖ fiJfe^";^ '^"" sprach GioBe-Frcude zu Buddha: Du, von
l'l l'l FFl -iü M. * -Vc iö^ ''^' ^^"''' Verehrter I wir wollen auch die Buddhas
Kfi KA yy ^ ^ jjM yP ^ sehen, in welche du dich zerteilst, damit wir sie
ml ?yC 31 f& — ' ^E ^5Ä ^^ verehren und ihnen Opfer darbringen können.» Da
ä+ nji ^ 5,1/ -^ /-u. §5C Ö "'^^''^ Bnddha einen weißen, feinen Lichtstrahl von
P" ^Ä^ y4i. ' E3 -flfe ^'''^ ausgehen, und sodann machte dieser im Osten
Äf A W j;jj ä|i ^ ^ ^ die Buddhas so vieler Reiche (Tage) sichtbar wie fünf
Air ^"tii -' ^ ^ B -^ ^^ ^ Millionen Myriaden von nahuta von Ganges-Flüssen
M; ^ ifx i^ Mi M ^ ,1^ Sandkörner enthalten. In allen diesen Reichen war
W- W ^ '1^ iß H^ ^ ''*"' '*"''en aus Kristall: kostbaie Bäum»' und köst-
-p- ii^[ fsfl -^nf ~f' -Öfe Ä ^ ''*^^*^ Bekleidung bildeten ihre Pracht und Schönheit;
I jÜ i.^ ^'® waren mit unzähligen tausendmal zehntausend
W iY i iy H ^K M ^ Billionen Bodhisattvas gefüllt; allüberall waren kost-
V^ "^ 'Ali ]m n ini 1f>t »< ^-i"- a^^^^j^^ (gestirnte Finnaniente) waie.i darüber gewebt.
^B M\ )j xx- Sj fp'' PI i't •''' Die Buddhas dieser Reiche predigten die Gesetze
xL; 7t ^ ^ ^ Wk •!''"' i'Ü '"'' "llerschönster Stiniuie. Auch erbh'ckte man eine
Gif '^' ^'"^ '■"'"■ 'Mr Yll" ^ ^ "'^'''' ''" ermessende Anzahl von tausendmal zehn-
-^ff: 'Jt i-'i- ' W ''y tausend l>illi(iiien \on Bodhisattxas, die diese Reiche
''^> U Vit > -^ ^ «^la überall i'iiUten und den Schalen den Dharma predigten.
;^ J^ '-^ :^|ä @ -^ W 3C Im Siiden, im Westen und im Norden, an den vier
/£• F Ttr ^t^ ^ /«J> M ff' Kardinalpunktcii, im Zenith und im Nadir zeigte
^ TO /m ^ ^ , ^ -. ^j,.^j ^11^^,,, ebenso, wo nur der weiLie Strahl sein
:^ Ö IS ift S B o f ^) l,i,|,t hinwarf.
H.i 1." 'rV 1- V fs -W- r.C "2. i--i,t I>'i sprach jeder der Buddhas der zehn ^Vell-
^H 'fe 2 tl *^ f ^ ^ ? gegende.fzn den Scharen von Bodhisattva.s : -Brave
;g; Tjifli W '.'■i' Ä^ oV jf ^ fft- Mäimer! ich muß jetzt nach der Sahii-Welt (des
M }% Ja ^^ ^ ^^^ YHf -^ ^ Leidens) hin, wo der Buddha Sfikvamuni sich auf-
•^ -y- IX. >', >•>■- ^1; i^'» Zt ~if liält, um zusammen mit ihm dem kostbaren Thiipa
^ ".^ life 1 ^^ ,-t; ^ ^' 3« des Tathngatha 7'o-;;ao ein Opl'er datv.ubringen.- Und
A 1; ^
^ i^3B ^ :^ l''!' da verwandelte sich die Welt des Leidens in reinste
\{S. 'FiB ,'/ö ^
»i AS . :
... "-!<'> -r^ yj^
^^ ^ -/U. >-, 5^*51 iTff WD ^^ ^y^ welche ihre acht Seiten abgrenzten. Verschwun-
'\ä ^f %e ^^' \>l ^ '■*■•' -Je ^^'' '^'^'"'»«'t; l^«-/' wurde ihr Boden: kostbare Bäume
... '"-^^ ^ VI" ^ '' i^ ^y.t. ^ statteten sie nrächtiir aus: Gold wurden die Schnüre,
f * 1 Ul Ä !f * I
j{„ den waren die Niederlassungen von Menschen, die
i AA -W- "M" "'Ä '#' -^ **'^ Dörler. Kriegslagcr und Städte, die Meere, Flü.sse,
o ißfl Ä j\\ ^ ^ ^] m if- Berge, Ströme, Wälder und Seen.. Man brannte dort
ij,,; JHii iy|; ifjij: ^"tii in ;r |,|^ dcu köstUclisten Weihrauch; man da ra- Blumen lagen
'y- ,f ihX =1/ «pV j- '^ ^ überall auf dem Boden verstreut; eine kostbai-e, netz-
Ifl ky* *7, mH -H. H'!' ^- "^^ artige Tuchdecke war dai-über ausgespannt, und daran
iLb i'"? 'i>^ S^ "1'^'^ ^ /^ ^ hingen köstliche Glöckchen. Nur die erwähnten
^ Ijj^l _J^ V'^ 'H- ''^ iik ^ Schalen (von Bodliisattvas) blieben, und die Devas
und Menschen wurden aiil' andei-e Ei-den vei-setzt
^ rfn ?^ i'V ^^ Ä S^ Iv-'}^ S '^^ kamen jetzt die Buddha.s, jeder mit einem
. ri. . ,4.1 ^^ .,.. -• i>j njk (Jroßbodhisattva als Gefolgsmann, nach der Sahä-
^ tX :1T- m m m ^ ^ '2 Welt hin. und je.lcr von ihnen begab sich dort unter
llt (iill l'l \^ >K ßi f\\ '^'^ ^ einen kostbaren Baum. Lin jeder dieser kostbaren
r4X ^ "fij 'W 5^ 3l 5?'f 1^' ti^' Bii'iiiie war 500 yojana hoch und hatte .Xste, Blätter,
^j^ - ^ 4l ijp 'S \*± ^ ^ Blumen und Früchte von ordnungsgemäßer Pracht,
jsix] ^/j^ e,fi .,,. V. 3i ij« Unter diesen kostbaren Bäumen standen Löwenthrone.
))\\ irt lU 7.'. M^i"- ffl P ^ fünl' yojanas hoch, ebenfalls rangmäßig mit großen
itf" ^1? l ^ ^ ^^i ^ Zu l^<>sf'"<i'keiten iimgel)en und geschmückt. Die Buddhas
«*" /^ ' -<— o ■» -^ - ^ y^ setzten sich je auf einen Thron mituntergekreuzten
'%n'M^mkk iö:^ Beineu....'
Alsdann wurde Buddha gewahr, daß die Buddhas,
if ir 4^ M ?lS ^J^ f!*!' M Ü in die er sich zerteilt hatte, alle beisammen waren,
im <m^^ ^ t^ ^ Hj A II '1 """' ''•''^ *^'" J^'*'*^*' ^"" ihnen auf einem Löwenthi-on
ik )Äi ÖT ^ 4k yih lil' I ' fi" '^■'''■^- '^"*' "^''''^'" '•'"' "''*• ''■■"''^ '"*' Rn'lf^li''"'* '"'t *!""
w 'äi, PflJ ^ Ok Wl' /^'r /-b ty; ^^.|,,^, j).^j, \'e,.ia„gen hegten, zusammen den kost-
Dil' Piitjoilcn in C/tiitd. äö
die vier Selial-en erlioben sich, legten die Hand-
tliicheii gegeneinander und schauten eininiitig zum
liuddlia auf. und liuddlia Säkyamuni ölliiete die Tili-
des Tlifipa der sieben Kostbarkeiten mit dem Finger
J^ tk 'jf^ 'f^'' [13 J-' jH} Ä Yill' baren Tlinpa /u öffnen. Sofort ei'hob er sich von
■• Lf. ii^i _#.„ I vv yii ^1- ci-i seinem Tliron und stand mitten im Luftraum. Alle
3t nfe \k 5P K n w •+» m
f Ä A g " ^1 ft « I ^ .^,
/l£ ?|\ '|i^l' ^^^ t:!! [:(J rr^ P9 .^- «'^-i' recliten Hand. Da-S gab ein lautes Gcräusrh, als
$^ FiJ aE. Inf' -^v" i2!l ^ ^ würde die Speri'schrauke eines 'l'hores zurückge-
JLA- ... _^ 'i' . ^^ rt\ 1^ in schoben oder eine große Stadtpforte aufgemaclit. Da
,-- ™\ J^ ^ 1 ji Y^ f • _j~ f\\\ erblickten alle an der Stelle vei'sammelten Scharen
. U. ^ 63; . ^j"n ''-' -IL '^'' den Tathägata To-pao auf einem Löwenthron im
yk _ ;y^ _, ^ l'/l' ^^ 1/1 I Impa der Kostbarkeiten, sein einheitliches Wesen
j^ nÄ _^ J ^ "P W ^ j^ unzerteilt und wie versunken in festos dhyäna. Und
■ 1.1^ ^^ ö^ J^ jyi 2;|J -^- ¥"• tvi sie hört<Mi ihn sagen: »Wie gut. wie \ortrett'lich.
' ,V4- äfe TV* H B4I Lt, /'- l>nddha Säkyanuini, der du am Predigen der Sütras
^* -H, -i^ '''-* /yj^ '■" I-'' der r>hune dieses Dhannas ISehagen findest I ich iiörtr
^ "Je ^ ^ *liu [jfj n^ ]^ diese Sütras, und deshalb bin ich hierhcrgekouuneh."
... .1 ,. -. , .j.. _.. _|. ,,i l'iid so schauten die vier Scharen den wählend
'"^ .UL I r Ji _L. Ha. i f^ I l»« uncriueBüch tausendmal zehntausend Billionen kalpa
in J^ Xt H^* äj ^ ■'W' 1^ ll>|' '" ''ie Vcinichtung übergegangenen Buddha an: und
Ijl ^ s|- ^ ^ «ij _|_ /^^Y nn als ei' jene W'or'te sprach, die eine nocii nicht da-
^'^liW^üil
J^ bl' ' fi-j l'T' . , ^7^ I... ^^ gewesene LobcsiinlSei nng darstelltin. da sauunelten
[j- (1,^- ^ '^ ^ ^ '' B 7; ^ ■'^'e hinuniische köstliche lünmen und streuten diese
^ *'l" jhll ^' 'tili Jjx. Ti ^^ ^^ über den Buddha To-pao und den Buddiia Snkyanumi
'' -ff. jjlll ... «w ' Jff ö ans. .letzt trennte der Buddha To-poo im Tiulpa der
M ä2Ü \ ^, t'/l' -1* yX y,j, -^ K.)stl.arkeiten die Häi(>e von seinem Throne ab und
T^ ^ II >J^ J^ ^ ' ^ ?i"'j '«'»^ Jein Buddha Säkyamuni mit den Worten:
jjri M \% ^^ '*?|f XT\ '>?i; sü- ^- »Buddha .'^rdcyamuni, setze dich auf diesen Thron...
Ü i4\' nf ^'''> P^ /-iL 'iV l(fP ^"f- •'^"^'*'''''^ ^'''■'' Säkyamuni in den Thüpa und setzte
l^\. VfV \ ' n tJ \. %» ,..> j,jp|j ijjji iiritergekreuzten Beinen auf dm h;illM-ii
4A«t irii 'I' %'' il^Äl Thron.
i'P ±/\ l'l ." fi iL' xl/k' /'t' I)''' ^ Kaum sah die große Schar die beiden Tathägatas
T± »^ kK m. m 'A^ W ^m m j,,, 'r|,npa der sieben Kostbarkeiten mit unterge-
y\ llL '7K. yj ^ f^ /H H [l^ kreuzten Bciru'n auf dem Löwenlhron silzen. da
Ij- ^ Tfe. J-^ f-,1. jjjril >'s ^ijj -J^ bildete sich in einem jeden diesei' ( ledaidie: Buddiias
« '//fe 4i» iV. 1- -ifl ' "V- |5" Ihron steht Jetzt hoch über uns in weiter Kntfernung:
:^ i<' ?^ oft II.V ^«^ f;||j ^^ ^ o. möge ,1er Tathrignta <lur,-h die .Ma.Oit seinei'
n^- l^ ^ ^ ^ -^ J ä* "^ göttlichen Veriuud't uns alle in das Lceie versetzen 1
•fjn "f' H'. }}}} •h|| ^n* -^ JL. zu .Sofort nahm der Buddha Säkyamuni durcli die Ki'aft
jtl/- \F^- nn ' ri^ 3t" ^'' An seiner' \'ernunfl (l.ehrel die großen Scharen in sich
^Ti. \^ -s^' Im im '""'"' ^" ''"''^ ^"^ ^'''' ""'' '" '''^'"' ''''<"'en liefanden.
>1'' S?t fe . /tj ^T ' 'I yK. und mit lauter Stimme spr;ich er zu den vier Scharen :
{}\ h'P ' fj/Jj 'Y'- ftt ^ ^ Wer von euch vermag es, in diesem Sahä-|{,icl
l*}' ,VJi 3//; f^ ■>! yij |g/j ^ I, weit und breit .Sütras der Blume des alierschönstiMi
.. ... _,. '^V ., ,, ,^' , ' , , , Dharma zu verkünden.' (Jerade ji'tzt in ilieser Stunde
A *V fJE ' •> )|il|' /«ü «n -O" lY ^vird der Tathägata bald ins Nirväna eingehen, und
Hl
56 1)E ÖROOt:
/^ A-\ ^& M'' \y] Y^ y0 '^^ '^* ''^^ Buddhas Wunsch, die Sütras der Blume
^2. KL . ^ si i| /■«L fyry dieses allervortrefflichsten Dharma den hier An-
-ffc /^ itc Ca ]X\u VA -y^^ wesenden als Auftrag zu übergeben.«
Dieses heilige Schriftstück sioht recht inystiscl» aus; dennoch fällt es
nicht schwer, seinen wesentlichen Inhalt klar zu erkennen. Das Sütra von
Brahmas Netz hat uns bereits den Schlüssel dazu in die Hand gegeben.
Es führte uns den Dharma, das leuchtende Weltgesetz, vor als Losana,
thronend auf dem aus Lotusblumen gebildeten Weltenall und sein Licht
zerteilend in unendliche Myriaden von Säkya's oder täglichen Sonnenkreisen,
die je in einer Welt, durch ein Lotusblatt gebildet, den leuchtenden Dharma
verkünden und dadurch alle Wesen zur höchsten Weisheit und Heiligkeit
hinaufführen (s. S. 32). Und hier tritt uns im Lotus-Sfitra genau dieselbe
Darstellung vor Augen: der To-puo, »Viele Kostbarkeiten«, in einem Thüpa,
der alle Welten und somit alle ihre Schätze und Schönheiten umfaßt, der
seine in zahllosen Nischen dieses Thüpas thronenden Bodhisattvas durch
Lobpreisungen beseelt und zur stetigen Verkündung seiner Heilslehre der
Dharmablume anregt. Bei jedem Sonnenaufgang quillt dieser gewaltige
Thüpa aus dem Erdboden hervor, das heißt, das Weltall wird allen Wesen,
welche das vom Licht gebrachte Heil ersehnen, sichtbar, und zwar in einem
Regen duftender, von des Himmels Licht und Wärme hervorgezauberter
Blumen und dankbar begrüßt und verheiTÜcht von mit Ehrfurcht und Be-
wunderung erfüllten Scharen. Wir lesen dann weiter, wie diese Scharen,
überwältigt durch den Anblick des hehren Weltthüpa, aus dem To-par/s
Stimme ihnen zuruft, daß Säkyas Lehre die wahre Lehre ist und sein
Licht mithin zur Seligkeit fülirt, »Freude am Dharma finden«, d. h. alle
bekehrt werden. Dann lesen wir, wie das aufgehende Sonnenlicht, der
Buddha Säkyamuni, nicht bloß den Weltthüpa vor den Augen der Scharen
zum Vorschein zaubert, sondern diese auch über den Ursprung und die
Rolle des darin tlironenden Weltgesetzes, den Dharma, belehrt. Dieser
To-pao ist ^0^, »wie (von selbst) gekommen«, ein Tathägata, der Ur-
heber einer unermeßlichen, unsagbaren Anzahl von im Osten entstehenden
Welten, d. h. von Sonnenperioden, Tagen. Sein Reich ist das makellos
reine, sternenbesäte Himmelsgewölbe. Sein Leuchten, das durch Vermittlung
des Buddha stattfindet, hat nur einen Zweck: es soll das Wesen (^)
des Weltgesetzes sell)st sichtbar machen, den Dharma in seiner Vollständig-
keit den Scharen der Wesen oifenbaren, diese mithin mit dem allerhöchsten
Die Pagoden in China. 57
Wissen, mit, bodhi, begaben und also Bodhisattvas werden lassen. In
lebhaften Farben schildert der Sutratext, wie der Buddha während seines
Lebenslaufs, des Tageskreises, dieses Werk vollbringt. Die unzähligen Strahlen,
in die er sich zerteilt, wovon jeder an sich natürlich auch ein Bodhisattva
ist, beleuchten zunächst die zahllosen Welten oder Tage des Ostens und ver-
ändern sie in Paradiese von entzückender Schönheit. Danacli verwandeln sie
ebenso den Süden, dann den Westen, sogar den Norden, den Zenith und
Nadir. Und wenn endlich die unzähligen Strahlen sich abends zusammen-
ziehen, dann hat sich in der ganzen Welt des Leidens eine vollständige
Umwandlung vollzogen: alles Irdische ist daraus entschwunden, alles ist
zu einem Eden geworden, in dem keine Menschen mehr, sondern nur noch
Bodhisattvas leben. Die in Säkyamuni sich wiederum konzentrierende Licht-
kraft der zahllosen Strahlen öflnet nunmehr den WelttlHi{)a, läßt die
Scharen das Wesen des Weltgesetzes erblicken und aus dessen Munde selbst
vernehmen, daß sie nur dank dem Predigen des Weltgesetzes, der Sütras
der LotusteiTasse des Dharma, jetzt das Weltgesetz zu kennen vermögen
und also die Allweisheit, bodhi, erlangen, die mit der allerhöchsten Selig-
keit gleichbedeutend ist.
Der Abend ist also da: Weltgesetz und der Buddha, sitzend auf
demselben Thron, versinken ins Nirväna, in den Zustand der Auslöschung-.
Jetzt ist Dharma mit dem Säkya, den er morgens hervorbrachte und mit
der Seligmachung, dem Drehen seines Rads, beauftragte, wieder zusammen-
getlossen; sie sind eine Zweieinigkeit, und die auf S. 29 f. aufgestellten
Sätze 4 und 5 bestätigen sich hier in der Heiligen Schrift. Die Scharen der
jetzt mit l)odhi begabten Wesen nimmt der ins Nirväna sinkende Säkya
in sich auf, damit auch sie in Zukunft alltäglich leuchtend das Welt-
gesetz verkünden, dadurch den Weltthüpa öflFnen, sich darin mit dem
Weltgesetz verschmelzen und das Drehen des Rads wieder anderen Bodlii-
sattvas übertragen.
Hinsichtlich des Abschlusses der Laufbahn des Säkya als Heils-
propheten hat somit die Kirdie eine besondere Lelire für die Esoteriker, und
zwar, daß er in den Weltthüpa des Dharma aufgenommen wurde. Eben-
falls hat sie sich von der Lehre, der Buddha sei am Ende seiner Laufbahn
verbrannt, und das Licht seiner Weisheit sei darauf in 84000 Asoka-
Thiipas als Sarira's niedergelegt, eine kosmische Darstellung zurechtgemacht,
der die Auffassung zugrunde liegt, Buddha sei die Sonne, die vom eigenen
Phif.-hit/. A/'/i. lf)J!). Nr. 11. 8
58 i> K G KO OT :
Feuer verzehrt wird, bevor sie als eine ausgelöschte Scheibe ins Nirväna
sinkt. Auch sie wird von dem höchstheiligen Lotus-Sütra verkündet. Da
lesen wir im 23. Abschnitt, daß Srikyarauni den Bodhisattvas der ^^ ^ |^
»Schönheit der Könige der (28) Mondhäuser'« eine Lehrrede hielt über
einen Bodhisattva >- Arzneikönig« (vgl. S. 50), das heißt, über die noch
nicht untergegangene Sonne, welche die Wesen von allen Übeln der Nacht
und Kälte befreit; und der kurze Inhalt dieser Predigt läßt sich wie folgt
wiedergeben":
Vor unermeßlichen Zeitaltern war ein Buddha des Namens f} ^ J^
B|j|fe^p^ »Tathcägata der Segnungen des Reinen Lichts von Sonne und
Mond" (also das Licht des Weltalls). Er verkündete die Sütras der Lotus-
blume des Weltgesetzes vor einem Bodhisattva — "^^^^Ä »den
alle bestehenden Wesen mit Freude sehen« (also vor der Sonne, die ihr
Licht dem Licht des Weltalls entleiht), und freudig durchlief nunmehr dieser
Bodhisattva seine mühsame Bahn durch das Dharma des Tathägata der
Segnungen des Weltlichts, um sich dadurch das Buddhatum zu erwerben.
Als so 12000 Jahre vergangen waren, brachte er diesem Tathägata seinen
Körper als Opfer dar, indem er durch die Kraft seines Wimsches sich
selbst in Brand steckte zur Beleuchtung des Weltalls. Das allergrößte Opfer,
welches das Weltgesetz kennt, wurde somit vollbracht. Zwölf Jahrhimderte
lang brannte sein Wesen; es löschte sich seine VAut (im Westen), und als
so sein Leben ein Ende genommen, wurde er wiedergeboren im Reiche
des Tathägata der Segnungen des Weltlichts.
Daselbst teilte ihm dieser Tathägata mit, er wolle sich ebenfalls aus-
löschen und ins Nirväna gehen und deshalb ihm den Dharma (das leuchtende
Weltgesetz) anvertrauen, mitsamt dem Werk der Hinauflführung der Wesen
aller Welten zur liöchsten Weisheit. Auch erteilte er ihm den folgenden
Auftrag :
»Die Saiira's, welche nach meinem Übergang in
ilen Zust.Tnd der Auslöscliiing da sind, übertrage icli
dii' und verhaue ich dir an. .Sorge dafür, daß sie
überall hinkommen, und daLi ihnen weit und breit
üpfergaben und Opferspeisen vorgesetzt werden, und
errichte Tausende von Thüpas für sie.«
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' Kkrn: NaksatraräjasamkusumitSbbijna.
'' Eine wörtliche Tibersptzunn des Textes befindet sich in »Le Code du Mahäyäna en
('liiiie« ;inf S. 221 IT.
Dir Pdyoili'ii in China. 'iD
Daraufging er im »späteren Teil des Abends« (^^:53^) ins Nirväna.
Der Bodliisattva errichtete einen Scheiterhaufen, setzte den Tathägata in
Brand, scharrte die Sarira's aus der Asche hervor, legte sie in 84000 Urnen
und baute dafür 84000 Thüpas, die so hoch wie die drei Welten ( jth^,
(las Trailokya) waren, Säulen (t^iJ Caitya) und kostbare Glöckchen trugen.
Dann opferte er sich fiir die Reliquien auf, indem er vor den 84000 Thüpas
seine hundertfach Segnungen spendenden Arme (Strahlen) anzündete:
72000 Jahre lang wiederholte er (täglich) diese Tat der Selbstaufopferung,
mit dem Erfolg, daß zahllose Scharen von Wesen die allerhöchste Weis-
heit (anuttarasamyaksambodhi) erwarben. Infolge seiner Weisheit und Intelli-
genz (^^) kamen ilim die Arme immer und immer wieder spontan
zurück, so daß es in den zahllosen Welten (Tagen) Blumen regnete und
alle Wesen mit bisher ungeahnten Reichtümern gesegnet wurden. Zum
Schluß der Predigt versichert Säkya den Königen der Mondhäuser, daß
dieser Bodhi.sattva, »den alle Wesen mit Wonne anschauen«, niemand anders
ist als der Arznei-König (die Sonne), der unendliche Male (Tage) in der
beschriebenen Weise sich für das Heil anderer aufopferte.
Es liegt klar auf der Hand, daß dieses esoterische Lehrstück nichts
anderes enthält als eine verblümte Schilderung des täglichen Kreislaufs der
Sonne. In der Tat ist in ihr zu lesen wie folgt:
Buddha, als das Licht der Welt, enthüllt den 28 Hauptgestiriien, also
dem ganzen bestirnten Himmelsgewölbe, wie das leuchtende Weltgesetz
täglich der Sonne die Lehre seiner Lotusblume predigt, das heißt, sein
Licht oder seinen (Jeist auf die Sonne einwirken läßt und so diese veranlaßt,
ihren täglichen Kreislauf zu vollbringen. Dadurch ist die Sonne gezwungen,
»idi selbst brennend aufzuopfern, und zwar für das Weltgesetz, das ohne
das Sonnenfeuer gar nicht leuchten und wirken könnte. Nachdem ilire
Glut sich im Westen gelöscht, wird die Sonne im Gebiet des Weltgesetzes
wiedergeboren und erhält von diesem den Auftrag, von neuem zu scheinen,
das heißt, zur Seligmachung der Wesen den Dharma zu predigen. Durch
den Untergang der Sonne hüllt «ich auch das Weltgesetz in Dunkel, tritt
also ins Nirvjlna und läßt dann seine Sarira's, seinen Geist und seine Kraft,
jeden Morgen erneut von den Strahlen der Sonne beleuchten, sich dadurch
neu beleben und somit von den 84000 Weltthüpas aus zur Seligmachung
der Wesen in Bewegung setzen. Zehntausende von Jahren lang hat also
die Sonne zur Erfüllung dieser täglichen Pflicht ihre Arme oder Strahlen
8-
60 I) E G R O O T :
aufgeopfert, und immer wieder sind sie ihr von neuem spontan gewachsen
durch die Kraft ihrer Weisheit und ihres Geistes, zur fortwährenden Be-
reiclierung der Welt mit Blumen und Schätzen.
Hier finden also durch die Heilige Schrift die auf S. 29 und 30
aufgestellten Sätze 2, '3, 5 und 6 ihre Bestätigung. Klar läßt sich jetzt
einsehen, daß die Thüpas Darstellungen d(!S Weltalls sind, des Welt-thiipa,
in dem das Weltgesetz, der Dharma, wohnt; sie sind mithin Heiligtümer
des LoSana, des To-pao, des Tathägata der Segnungen des Lichts von Sonne
und Mond, des Adibuddha oder wie sonst noch der Dharma, der Allgeist des
Kosmos, in der Sj^rache der Esoteriker heißen mag. Weil Weltgesetz und
Weltlicht eine einzige höchste Macht darstellen (Satz 5, S. 30), so ist der
Thüpa ein Heiligtum der Buddhas, im engeren Sinne ein Heiligtum des
Säkyamuni. Er ist das heiligste Heiligtum einer der höchstentwickeltsten
Naturreligionen, welche die Menschheit sich geschaffen hat, und rückt den
universistischen Charakter dieses Mahäyäna-Buddhismus ins hellste Licht.
Die Heiligkeit der Thüpas hat noch ein besonderes Gepräge vom Welt-
gesetz selbst erhalten, und es ist das so überaus heilige Lotus-Sutra, das
es uns lehrt. Wir haben nämlich schon darin gelesen (s. S. 52 f.), daß
dieser höchste Tathägata dem Sangha der bhiksu's befahl, große Thüpa-s
zu bauen, und zwar um zu bewirken, daß er selbst nach jeder nächtlichen
Versenkung ins Nirväna wieder daraus auferstehe, um das Predigen oder
Leuchten, das alle Wesen dem Heil zuführt, zu stützen und zu er-
starken. Es erklärt also das Weltgesetz selbst durch diesen Befehl, daß
die Thüpas deshalb da sind, die erlösenden Umdrehungen des Rads
des Dharma zu fördern — was wieder nichts anderes sagen will, als daß
sie die ihnen innewohnende leuchtende Kraft des Weltalls, die durch
dessen Umdrehungen hervorgebracht wird, über die Wesen entsenden.
Pünktlich hat der Sangha diesen allerhöchsten Auftrag ausgeführt. Wie
die chinesische Literatur nachweist, war die mahäyänistische Welt immer
sehr reich an Thüpas, und sie ist es bis zum heutigen Tage geblieben.
Auch der Vorschrift, daß sie groß sein sollen, hat der Sangha, wie diese
Abhandlung nachgewiesen hat, Gehorsam geleistet; Borobudur, Porzellan-
turm usw. sind Hauptboweise datiir.
Hoch, sehr hoch ragt die esoterische Lehre, daß Sarira's Licht und
Geist des Weltgesetzes sind, über die ordinäre Auffassung hinaus, daß sie
Überreste des verbrannten leiblichen Heilspropheten seien. Es ist dann
Dir Payodeii in Cliiiia. (J'l
auch nicht besonders verwunderlich, daß das Lotus-Sütra (lo. Abs.) lehrt,
dieser selbst habe erklärt, es sei gar nicht nötig, seine Sariras in den
Leuchttürmen des Dharma beizusetzen. Er sprach nämlich zu dem Arznei-
König, der Sonne, folgendes:
-*l^ iM sL . -fcr Ä jgg ^fri »Allüberall wo man (die Lehre) predigt oder laut
^iS S KK 4-Tt ^ IS= Alä. -fr ''ßs'> murmelt oder schreibt, oder wo Sütras oder
W Xi ^ Vi j. M ^ -ffi iiire Kapitel sich befinden, da soll man Thüpas der
v^ Ift l>^ hP t+f ^^ ^^ ^^ sieben Kostbarkeiten errichten, sie möglichst hoch
^ hit ^^ ^§* ^jB /i: ^ '"^'^ breit .machen und prächtig ausstatten. Es ist
^H -^ d[i- '* ti ° It, ifc unnötig, auch noch Sarira's darin niederzulegen, und
. "'S 'l' ^g ^ ^^ fei ^ weshalb das;' Es befindet sich darin doch schon
— ^^ *K J& Äff. ^g jj^ BJL das ganze Wesen des Tathägata. Man muß daher
^^ /4j- -j^ ■* .^ ^ ±fc diesen Thüpas Speiseopfer und Verehrung darbringen,
in: ^ ■^ ;^ ^ '^i 1^ :^ und zwar mit allen möglichen Blumen und Weih-
-^ "Bf S :^ 3t! ^^ ifä ^ , rauch, mit Edelsteinen, brodierten Sonnenschirmen.
^ yj.iL. ^B ■'"'i jä' ^ L- ^^ Panieren und Fahnen, mit Kunstfertigko.it und Musik,
VE ^ ujL jh^ o ^ ,-y, =:jr Gesang und Lobpreisung; und man soll sie mit
^aH o tS itP i ''^ Ehrfurcht und Achtung rühmen und verherrlichen.
B>. -fcj- '^ it»- j-j- J^ J^ Wenn es Menschen gibt, die beim Anschauen dieser
^j^ ^*^ /+■ " , /^ jÄ; Thüpas sich feierlich davor verneigen und ihnen
w "^ {{g );iA 1^ , Speiseopfer darbieten, dann wisse, daß diese Wesen
W ^ ^\ i^ ^©^ m' ^n ^"® '^^'^ anuttarasamyaksambodhi (allerhöchste Weis-
heit) nahestehen."
Auf Grund dieser heiligen Vorschrift dürfen wir wohl annehmen, daß
in vielen Thüpas, aucl» sogar großen und schönen, gar keine Sarira's vor-
handen sind und nie darin gewesen sind. In chinesischen Schriften wird
dann auch bei der Besprechung vieler namhaften Thüpas über Sarira's gar
nichts gesagt. Entbehrlich werden die Sarira's auch gemacht durch das
heilige auf S. 52 zitierte und auf S. 56 besprochene Lehrstück, daß das
WeltgeSetz sich durch Eidschwur gebunden hat, jeden Morgen mit seinem
ganzen Weltall aus dem Nirväna zum Vorschein zu quellen, um das au
den Thüpas verrichtete Werk des Sangha, die Verkündung der Heils-
lehre der Dharmablume, lobpreisend zu beseelen.
Wie wir soeben gesellen, hat Buddha auch nachdrücklich vorge-
schrieben, daß Thüpas der sieben Kostbarkeiten, also von höchster Schön-
heit und Pracht, überall erbaut werden müstsen, wo der Sangha lebt und
wirkt. Dem Buchstaben nach soll also jedes Kloster seinen Thüpa haben,
wenn nicht einen großen, so doch einen kleinen (vgl. S. 80). Zugleich
hat Buddha erklärt, daß diejenigen, die den Thüpas Opfer darbringen,
der hohen Weisheit des Buddhatums nahestehen. Folglich sind die Thüpas
(52 I) V- G R o (> T :
für die Klostergeistlichkeit, die die Bodhisattva-weilie empfangen liat, nicht
bloß Gegenstände aus Stein und Holz, sondern lebende heilige Wesen,
denen g(0])fert und A^erehrung. dargebracht wird, als wären sie der Dharma
und die Buddhas selbst, deren leuchtender Geist ihnen innewohnt. Aber-
mals also treten uns die Thü|)as entgegen als die allerheiligsten Heilig-
tümer, welche der Buddhismus kennt, und es ist leicht einzusehen, daß
er in seinen hohen transzendentalen Gedankensphären sicli unmöglich noch
heiligere hätte ersinnen können. _
Wohlbegreiflich senden die Thüpas haujitsächlich dann das Licht der
Welt aus, wenn es die Welt beleuchtet, also bei Tage. Folglich ist es für
menschliche Augen in der Regel unsichtbar. Selbst als der große Kaiser
der Lian(/-l}ynastie persönlich durch Sütralesung das Licht des Dharma
strahlen ließ, war das Leuchten der zwei dabeistehenden Thüpas erst
nach Sonnenuntergang zu sehen (s. S. 25). Aus dem Munde von Kloster-
brüdern habe ich vernommen, daß das Thüpalicht sich höchstens einmal
jährlich, mitunter nur einmal in mehreren Jahren, sehen läßt, und zwar
ausschließlich nachts bei regnerischem Wetter, in blauweißer Färbimg oben
an der Spitze. Vielleicht ist es wohl auf Grund solcher Elmsfeuererschei-
nungen, daß daselbst häufig eine «Lichtperle« (vgl. S. 40 und 41) ange-
bracht ist. Auch zeigt sich das Leuchten wohl durch eine farbige Wolke,
die über dem Thüpa schwebt, sogar durch eine fünffarbige, die also die
Farben des ganzen Weltalls in sich vereint (vgl. S. 21).
Natürlich erzählen chinesische Bücher viel Wimderbares über leuchtende
riiupas. Unter dunkler Schneeluft verbreitete sich einmal über einem Thüpa
ein heller Glanz, in dem ein Regen von Blumen herniederging. Es hat sich
auch ereignet, daß, als Sarira's in einem Thüpa beigesetzt wurden,* langan-
haltender schwerer Regenfall plötzlich ein P^nde nahm und einem Liclitschein
Platz machte, der i 2 Monate lang mehr als 50 Meilen weit um den Turm
herum sichtl)ar blieb. Bei einer anderen Beisetzung von Reliquien soll der
leuchtende Buddha selb.st aus dem Nordwesten gekommen sein, mit einem
ercjuickenden Regen im Gefolge, der den schmachtenden Feldfrüchten eine
langersehnte Labung brachte. Allgemein Avird angenommen, daß, wenn ein
Thupa leuchtet, zur gleichen Zeit alle seine Glöckchen ertönen, und es folgt
aus diesem Glauben, daß ihr Klang gleichfalls dazu dienlich ist, die lieilsame
Wirkiuig des Dharma vom Turme aus zu verbreiten. Es ist also angebracht,
diesen eigentümlichen Gegenständen einige Aufmerksamkeit zu schenken.
IHf Pagoden in China. GH
Das Ausstatten der Thfipas mit Glöckchen ist ein recht alter Brauch.
Wie auf S. 15 mitgeteilt wurde, trug im 6. Jalirhundert ein großer Thüpa
bei Lo'-jang 1 20 vergoldete Glöckchen. zum Teil an den Ketten "der (upfel-
stange. Nacli dem Reisel)ericht des ^^ Snng Jiin, der 518 — 522 in
Indien reiste, hingen Glöckchen am großen Thupa von Gandhära: denn
wir lesen da: fg EI ^ff MÜ^^ M WiJ JiE)t ^ M'J W^^'^T^HI Wenn
die aufgegangene Sonne zu steigen beginnt, dann glänzen die vergoldeten Schüsseln (des Gipfels,
s. S. 15) klar: und wenn eine sanfte Brise sicii leise erhebt, dnnn ertönen die (llöokchen
melodisch. Überdies erwähnt der Pilger noch einen viel kleineren, nmden
Thüpa, der mit Glöckchen versehen war, Welche unter Umständen ertönten,
wenn jemand das Gebäude mit dem Finger herrührte. Das Lotus-Siitra
sagt, daß der Weltthnpa des Dharma mit Milliarden von kostbaren Glöck-
chen behängt ist (s. S. 51). Daß bis in die Neuzeit hinein Thupas (ilöck-
chen tragen, zeigt z. B. der des T im-iwig-Klosters mit seinen 3400 und
mehr größeren und kleineren Glöckchen (s. S. 41), sowie auch der des Ti^ing-
Ä-/o'-Klosters (S. 44 ff), dessen fünf pyramidale Thfipas eins tragen an der
Ecke jeder Gliederung. Der Porzellanturni Nankings besaß, nach Milne,
150 Stück, wovon 72 an den acht eisernen Ketten der (Hpfelstange.
Nur bei AVindstille schweigen die Glöckchen, denn jeder Klöppel ist
ein horizontales Kreuz, an dem unten ein vertikales Flügelchen sitzt, wo-
durch das Kreuz vom geringsten Windstoß in Bewegung gebracht wird
luid anstößt. Fast unaufhörlich entsendet also der Tluipa zugleich mit
dem Licht des Dharma auch dessen melodische Stimme, wie sie im Kloster
aus dem Munde der .fast den ganzen Tag Sntras lesenden Geistliclikcit
klingt. Licht und Glöckchenklang des Thiipa wirken somit gleich heil-
sam und seligmachend und vertreiben die Dämonen des Dunkels 'mit allen
ihren Übeln, von denen religiöse Unwissenlieit tind daraus geb<)rene Ketze-
rei die schlimmsten sind.
Eine ähnliche Wirkung übt auch das Läuten der wohl bis zu einem
Meter hohen Klosterglocko. die im Vorhof des llaupttenipels in einem vier-
eckigen, zweistöckigen Jffij'^ »Glockenturm" unter dem doppelten Dach
aufgehängt ist, um mit einem iiorizontal au Seilen daneben schwingenden
Holzstück angeschlagen zu wenlen. Sie ruft die Klosterbrüder den ganzen
Tag über zu ihren Arbeiten auf, reguliert somit ihr ganzes religiöses Werk
und ist daher das Werkzeug, von dem die Seligmachung aller Wesen au.s-
geht: überall, wo ihr Klang sich verneliineii läßt, vertreibt sie also die
()4 DE (troot:
Mära's und erweckt alles zur erlösenden Weisheit. Ilir Schall erschüttert
deshalb auch die Höllen, sprengt ihre Pforten und lindert die Folterqualen
der Verdammten. Daher kommt es vor, daß die Klosterbrüder mittels
eines durch den Bach bewegten Wasserrads eine besondere Glocke Tag
und Nacht bimmeln lassen und so vielleicht schon seit Jahrhunderten
zahllose Wesen erlösen und sellgmacheii — genau so, wie es automatisch
durch die vom Winde geläuteten Thupa-Glöckchen geschieht.
Der Glaube an diese Zauberkraft der Klosterglocken wurzelt in kirch-
lichen Überlieferungen, die Jahrhunderte alt sind. Das seit der T'ang-
Zeit allgemein gültige Reglement für das Klosterleben, die ^ ^^1l^
iWiS Po'-Unmj tsung-lin ts'ing-laon, »Reinheitsverordnungen aus dem
Dickicht des Po'-Uang (Berges)«, oder kurzweg Po'-tmng ts'ing-kwn, »Rein-
heitsverordnungen vom Po'-tmng« ', gibt im 9. Kap. zwei solcher Über-
lieferungen im folgenden Wortlaut wieder:
ga ^ ^ (^ PI fät ^■- Ehemals lieh Fürst Tki^ dem (Kaiser) Wu der
^ ^ ,vf. -« _^_^. - . 7-/!a7?j/-Dynastie (s. S. 22 ff.) das Auge des Wegs (zur
■ ^ St i^ p^ ö W^ Seligiieitl. und dieser bekam dadurch ein Bild der
4^ — ■ ^ gp "• j^ 'Xi HöUenfolterqualen zu sehen. Auf seine Frage, ob
F5 ßof ift "^ [^ ° -f^ denselben ein Ende bfreitet werden könnte, sprach
'^ y^ =fc/v ~T^ *Ä HH >=i '/'««': -Jawohl, wird daselbst Glockenklang vernom
'i^ 'SC' TS?- P ifS l"J "Ml
^ ^ ^ M^"^ ^
^ o
men. dann hören diese Folterungen zeitweilig auf.'
Hierauf erließ der Kaiser den Befehl, man solle in
-t-f. _^ ^ [»^ -M_ liA ;^ <len Klöstern des ganzen Reichs beim Anschlagen
Ö ■» "^ '' -'^ iL „„ der Glocke den Klang dehnen und verlangsamen.
JuE ^ 0^ '''Ij fS* _i^ ^ Wenn geläutet wird, dann fügen diejenigen, die beim
J^ -tr x^ ^ "Ptf , H Lesen von Siltras sind, eine Agama-sntra dieses In
H -fj Jiin ^_^ ^JT^ i...w„ u: w: „:„' „„o„Ki„„„., ,.,:-,! .^-ß J„„,
^ ^ f i % 4 ^^ i-tli
lalts hinzu: »Wenn sie geschlagen wird, daß dann
den Folterqualen aller schaudervollen Wege (der
• In diesem acht Kapitel enthaltenden Werk sind die religiösen Aufgaben und Pflichten
des Mönchtums und die Organisation der Klöster im vollen Umfang beschrieben und fest-
gelegt. Der Überlieferung zufolge wurde es in der 7"a«^-Zeit von einem ina Stamme ^
Warig im Kreise -^ ä^ Ts'ang-lo in Fu-kim geborenen Mönch 'fe'/§ lluai-hai abgefaßt,
und zwar im dhyäna-Kloster ^^^^ Sou-sing auf dem Berge Po-tsang, .Hundert Klafter-.
beim jetzigen ^a q Nan-ls'ang, südlich vom Po-jnvg-See. Seit vielen Jahrhunderten ist
dieses Werk allgemein von den Klöstern als Gesetzbuch anerkannt und mit Glossen und
zahlreichen Ergänzungen bereichert worden, so'tfaß es eine nicht hoch genug zu schätzende.
einzig dastehende (Quelle ist für Kenntnis des Mönchlebens und des Klosterrituals.
' m W E^ Sanglia Pao-tsi, ein wunderbarer buddhistischer Heiliger, von dem das
\M W_ .Nan-.si, -die (ieschirlite des Südens», in Kap. 76 S. 13 f. recht eigenartige Dinge
zu erzählen weiß.
Die Payodcn in China. (55
3?. üt ^ -fä 3fr $m [f- Existenzwandlungen) insgesamt Einhalt geboten
o --_- j^-. p. ... ^tgL o werden möchte!« Beim Hören der Glocke soll man
yC l<i>.% |/J> Itp Isp ~j^ ein Zauberwort Buddhas aussprechen, zur Tilgung
S i/J 31 5ü ^R 1^ *^^'" '"^ ^®" Existenzen (der Wesen) während 500 Mil-
lionen kaipa begangenen schweren Sünden.
^ C3 -+r| i^g pti "^. Ifg Sangha Tii-A/ny, ein Geistlicher der ^wj-Zeit, wohnte
•Ki "* AA-. _L * :/5- IG* im großen Kloster der Pracht und Herrlichkeit (im oder
^!^ ^^ ^S beim jetzigen Nanking) und bekleidete das Amt eines
flfl. ^ JRJ '^ rfl; yL ^ Glockenhauptnianns. Im fünften Jahre der Periode
•Air ?S ,^iÄ ^i es fj^ -t^ ^'Q':/«' (<J09) starb dem auch dort wohnhaften Mönche
"•' '"^^ PI ^^ ^* :;^ ]g San-kw) ein Bruder unterwegs im Gefolge des Kaisers
rh rSt ■• :^ ^ 'jw. j^ und sagte zu seiner Frau im Traum: »Ich bin in
Sfc Ijfj HB ^H P& '^ •'^ P'eng-U'iny erkrankt und gestorben und versank in
^ ^t ^- ' ^*^ T-*" '*^- '"*' ^^°^'^- wurde aber durch das Läuten der Glocke
^» , ^ ^" Ä *Si ' ^ im Kloster der Pracht und Hunjichkeit. das die Hölle
fü ^^ W ^ ^^ ^ erschütterte, befreit und erlöst. Ich will diese Wohl-
• ■I 3^ ^ itr. ICS ^S ■• tat vergelten; bringe also zehn Stücke Seide dahin.
^^ YP O . I Töf *«. Die Frau tat es, und Tsi-hina verteilte die Seide unter
.u, brv |oj iij, xUj ^ gl- ''
*'■'■' ÄÄ ^ ^ ju >>' '"^ Brüderschaft. Als diese ihn fragte, wie das An-
i^ ^IT - rfn 3nA ^ ^' schlagen der Glocke so <!tvvas hätte bewirken können,
^b 1-1 >@. ^'r» 3^ ^^- sprach er: -Wenn ich die Glocke schlage, so sage
j» 113 ^r l"J ^ ^ tjS ich zuerst: ,Mögen die Heiligen und Weisen mit uns
-^ ^ ' 4rn "(^ ■« o den Platz der religiösen Verrichtungen betreten': dann
f^ IS ^v /.A- |M ar -J^ schlage ich dreimal an und dann einmal gedehnt und
1^ ^' ^ / [\. 'Xi ^ spreche dazu noch dieses Gebet aus: ,Mögen alle
Gfr ;IS '^^ ^^ ^^ ^^ Wesen, die sich in den schaudervoUen Seelenwan-
■Q ■ I1 "T" W ^4* ■'^ "^ derungszuständen befinden, in.sgesamt durch da.s
M ^^ ^ Hören des Halls meiner Glocke Folterqualen ent-
IgA hc. Ä 1=1^ tP 3^ 1=1 zogen werden !• Sogar beim schweren Fi-ost des
tf ^l :M "^^ ^ AI /f- strengsten Winters, wenn mir die Haut springt, Ben-
o rfu -I. . (gj Hg •'t' tt len sich bilden auf meinem Fleisch und das Blut
Jf/ ■, JLJ » ^ fpi mir in den Handflächen gefriert, macht nichts mich
j'Ä. '^ t-'^ pT -yjj zz: auf das Werk verzichten, und daher mag es wohl
'ti' rU Ü 3{£ fs-t |tt konmien, daß die Unterwelt sich bewegen läßt zur
Erfüllung meiner Gebete und Wünsche.«
Sogar .den großen indischen König Kaniska n)ußte eine Klo.sterglocke
;ius der Höllenfolter befreien. Das Fa-jtiau tSu-lin (s. S. 7) erzählt in
Kap. 99 (Bl. 14):
rC. jf^ -jf Vlv- ^ ^ ndb Es war damals ein König Ka-ni-tsa, habgierig,
liä _L frti ' '^- uM :;fe' g''''*i'sam und ungerecht, der vielfach in den Krieg
^, , zog und das Volk mit Frohnarbeit belastete, ohne
^ '^ Ül^ ^ M P^ t^ sichjegcsättigt zu fühlen... Er wurde dann (wieder-)
/jui F^l tp A iii yt,^ -P geboren in einem großen Meer. Dort wurde ein
'"•* o ^^ ^^ \M Ä ■• Uiusendköpfiger Fisch gemacht, dessen aus Schwertern
zusammengesetztes Rad wirbelnd auf ihn cinsclilug
ifc'A
° o ta "^ ^
<t i -^ u. m ^
I'/ii/.-/i:s/. .\l,l,. /!>]!!. Nr. lt. !»
(',(', I) K (i KOOT :
ifc/- J^T G? Pll 'jSi M- \a\ '""' ''"" '^^" Kopf abschnitt: diiraiir wuchs ihm der
-i ^ ^ ifefc >^ Kopf wieder nach, und dieser wurde ihm dann
ryC '^ 'li I58 ^ '^ /i abermals abgeschlagen, und so ging es abwechsehid
^ OM u^ "^ fffi' 7^ ,ijr weiter bis ins Unendliche, so daß in einer kurzen
7l>n +•-' ih Ä«: :iX ! ^I><in"e Zeit das große Meer von seinen Köpfen an-
. j- Hit ^ > ^^ ^*^ 'Süt gefüllt war. Damals gab es einen Arhan, der wti-na
''•^, H P.^ Jr^ ^f^ ^ Ä (Zeremonienmeister) der Geistlichkeit war, und der
e p i^ -y- in ffi" "& König benachrichtigte ihn wie folgt: -Heute hört«
- s& iiU: ^ ^ -. dieses Schwertrad das Geläute der ghaiita (Glocke),
77 yc 1 »^ PP X>|] ^^ ^ und sofort kam es während einiger Zeit zum 'Stul-
ln ^ & f^ y fh ^^ stand, so daß unterdessen meine Marterqualen eine
>l# fÜ ^ ^ W x' Weile aufhörten. O Allertugendhaftester (bhagavat),
J m -M iY ."* „TT 25J. liabe Mitleid und erbarme dich meiner! wenn immer
3^ "^ ^ ^'J^ ^ IpJ /fc du die ghania anschlägst, dann dehne das Geläute
^ Ifn o itb ßM * über einen langen Zeitraum aus !■ Mitleidig gedachte
0 ^ M P# f m ^
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-4»- .u ¥<^ >©> ^ll Vi'la ^ ''®'' ^'''i^t seiner und schlug die ghanta lange, und
nach sieben Tagen hörte die Folterung, der der
König unterlag, auf. Die Vorsteher dieses Klostere
,_ ,, . . machten dann einander der Keihe nach mit dem
iik. fM ^ -^ ^M n^ ^ Anlaß bekannt, den dieser König dazu gegeben hatte,
|/y , y\. ,„ T" ^ yjjj somit findet das langanhaltende Schlagen der
ghaiila noch immer heutzutage ebenso statt wiedamal.s
im Anbeginn.
^" löi ^^ fi S W in
Sind herzinnigliclie Gebete und Wünsche des Glockenläuters für die
erlösende Wirkung der Glocke von so hoher Bedeutung, dann liegt es auch
vor der Hand, daß das Po'-tsany ts'ing kxcd sie durch Vorschriften reguliert.
Es bestimmt im 9. Kap., daß dieser, noch ehe er zu läuten anfangt, mit
leiser Stimme sagen soll: Ultb^i^M'ä ^, ^Sl^Hn ^^ f^^ J^S
'MW iSIlIM — ^ Kf^*R^^iE^ '^'"Se der Hall dieser Glocke das Reich des
Dharma durcheilen; mögen im Dunkel der eisernen Umkreisung (der Höllen) alle ihn ver-
nehmen, somit vom Staub gereinigt werden und von voUkommner Weisheit (bodhi) Zeugnis
geben ; mögen alle möglichen lebenden Wesen wirklich zur wahren Weisheit Erwachte werden !
Während dann seine Schläge weiter ertönen, muß er eineReihe von Wünschen
aussprechen, und zwar zu allererst für die Erlösung des Kaisers, der Staats-
dienerschaft und der sämtlichen Wesen aus den f^[p] «Umdrehungen des
Rads« der Existenzen und aus dem ^'/^ »Meer der Folierungen« ; weiter
für das Ausbleiben von Hungersnot und Krieg und für die Wiedergeburt
der Gefallenen im Paradies des Westens: dann noch für die Vögel und
Vierfüßler, daß Netze und Schlingen sie nicht fangen; für die Heimkehr
von Wanderern und Verwaisten: für das Wohlergehen der Geistlichkeit
und die Blüte der Kirche; für die Beschützimg des Sangha und Dharma
Dir Puyodeii in Chiiui. H7
durch die Drachen und Gottheiten der Gegend; für Eltern und Lelirer,
Vorahnen aller Gesclilechter usw. Soll dann noch weiter geläutet werden,
dann muß der Läuter die vornehmsten 'Buddlias und Bodhisattvas je mit
einem Namo begrüßen, und zwar in dieser Reihenfolge: Vairocana, Losana,
srikyamuni, Maitreya, Amitäbha, Manjusri, Samantabhadra, Ksitigarbha' und
Avalokitesvara.
Natürlich ist es auch sittliche Obliegenheit jedes Klosterbruders, der
die Glocke hört, ähnliche erlösende, selig- und glücklichmachende Wünsche
auszusprechen. Daß es ganz besonders verdienstlich ist, einem Kloster eine
Glocke zu schenken, versteht sich wohl von selbst. Der Gießer sorgt dafür,
daß der Name des Schenkers in Relief auf der Glocke steht, damit der
Klang auch seinen Namen in die (Jhren der zu erlösenden Wesen trage,
und diese dadurch wissen sollen, wem sie Dank und Vergeltung schulden.
Die Rolle der Klosterglocke im großen Werk der Erlösung und Selig-
machung der Wesen ist gewiß nicht verschieden von der der zahlreichen
Glöckchen des Thüpa, da dieser ebenso wie das ganze Kloster, zu dem er
geiiört, keinen anderen Zweck verfolgt als die Hinauffühnmg der Wesen
zur Weisheit und Heiligkeit des Buddhatums. Daß die Brüderschaft bei
der Arbeit, die sie dazu leistet, die Windkraft nützlich zu verwenden versteht,
beweist nm-, daß ihre Erfindungsgabe nicht der der tibetischen Geistlich-
keit mit ihren Gebetmühlen und Gebetflaggen nachsteht.
Viertes Kapitel.
Förderung- der seli^inachenden Wirkung der Thüpas.
Erlösung und Seligmachung der Wesen ist die höchste Aufgabe des
Sangha, und Leuchttürme des Weltgesetzes sind zur Erfüllung dieser Auf-
gabe das Hauptwerkzeug. Deshalb ist es auch Pflicht und Schuldigkeit
jeder Klosterbrüderschaft, die leuchtende Wirkung ihres Thüpas möglichst
zu erhöhen und zu ffinlern.
Dazu dient in allererster Stelle das Anzünden der eigens zu diesem
Zwecke daran aufgehängten Lampen. Wir haben gesehen (S. 40), daß
die Zahl der I.Ämpen am Thiipa des T' im-ning-K\osttvs 360 betrug, auf
' MbS^^'E' **•"*■ VissKB, »The bodhisattva Ti-tsang»; - Ostasiatische Zeitschrift"
1913. S. i79ff.
fi8 1> F. (i R O O T :
drei Gliedeningeii verteilt, so daß auf jede der acht Fassaden 45 kamen,
und daß man sie am 8. Tag jedes Monats mit Öl zu versehen und anzu-
zünden pflegte. Der Porzellanturm Nankings soll 140 Larapen getragen
haben, und zwar 1 2 8 auf den neun Stockwerken nebst i 2 aus Glas am Erd-
geschoß, welche zusammen in einer Nacht 65 Pfund Öl verbrauchten.
Buddhistische Klöster sind erbaut und werden unterhalten von be-
güterten Laien, sogenannten ^^ H-tSu, »Herren, die (jaben spenden«,
dänapati. Diese' frommen Gönner sind es tatsächlich, die es den Kloster-
brüdern ermöglichen, ihre hohe Aufgabe der Seligmachung aller Wesen zu
erfüllen; dadurch erwerben sie sich selbstverständlich hohen religiösen Ver-
dienst und erwirken ihre eigene Seligkeit. Somit macht ein dänapati sich
ganz besonders verdient, wenn er auf seine Kosten die Brüder seligmachen-
des religiöses Werk verrichten läßt, und dazu gehört, wie gesagt, das
Illuminieren des Thüpas. Bezahlt er, allein oder im Verein mit anderen,
das Öl, dann besorgen die Mönche schon alles übrige.
Sobald er zum frommen Zweck das Klostertor durchschreitet, treten
ihm einige Mönche höflichst entgegen und führen ihn in die für den
Empfang von Besuchern bestimmte Halle (^^) der Abtswohnung, wo
der Abt ihn begrüßt und mit Tee und Leckerbissen bewirtet, besonders
falls er ein Mandarin ist und ihm deshalb der Titel ^ '^ » Schutzpatron
des Dharma« gebührt. Der Abt darf dabei nicht versäutnen, ihn über
die Vortrefflichkeit des frommen Werks, das er vorhat, zu belehren. In-
zwischen wird vor der Abtswohnung eine Tafel ausgehängt, worauf die
folgende Kundgcbvmg zu lesen steht: »Der Beschützer des Dharma Soundso
wird am Tage .... den Thüpa beweihräuchern und bittet dazu um einige
Meister (^jj, Mönche). Ihre Namen sind hier links angeschrieben.« Der
•tn'i t'a-tSv, »Vorsteher des Thüpa«, ein Mönch, der die ständige Auf-
sicht über den Thüpa führt, wird von dem Vorfall sofort in Kenntnis ge-
setzt, damit er den Turm von unten bis oben, innen und außen sprenge,
auskehre und reinige ; und dem >Iagazinmeister wird beschieden. Lichtöl
und Dochte zur Verfügung zu stellen. In jeder Lampe sollen sieben Dochte
schwimmen, entsprechend der Zahl der Mänusibuddhas, nämlich Säkyamuni
und seiner sechs unmittelbaren Vorgänger; jeder Lampe soll mithin das
Licht von nicht weniger als sieben Weltlichtgöttem entstrahlen.
Zur festgesetzten Stunde scharen sich die für die Feierlichkeit aufge-
rufenen Mönche mit dem dänapati vor dem Thüpa zusammen. Der ^^^[S
Die P(i(jodeii in China. 69
wn-nu, der Zeremonicnmeister des Klosters, steht an ihrer Spitze und er-
öffnet die Feierlichkeit mit einer bei Weihrauchopfern üblichen ^^ »Weih-
rauchkantate» ; der dänapati hebt dann mit beiden Händen Weihrauch-
stäbchen gegen den Thüjja i'mpor, wirft sich auf die Knie und verehrt
den Turm mit drei Stirnaufschlägen. Diese Zeremonie bestimmt den Namen
der ganzen Feier, die jfi ir§ »den Thüpa beweihräuchern« heißt. Nun
hebt der Zeremonienmeister die j§i§-'jä »gäthä (Vers) der Prozession rund
um den Thupa herum« an, die folgenden Wortlaut hat:
ii'^ 'S* . fe /rt] JfYz SJX- Schauen wir elirfurchtsvoU den Thripa an und
iat IS5 i-Tl *1- ° sfc » liegen wir dabei den Wunsch, daß alle lebenden
7}ft- uf>^ Ji ft -/_. 9h 'Li^ Wesen, Uevas und ^Menschen zusammen ehrerbietig
\m ^ ^ f*f\ x^ y^ ^^ zu ihm emporblicken I
fij^ ji: ° ;tj. -^^r "^ 4-Jg; Ziehen wir dann rechts um den Thupa herum.
° äji 1^ j, ^^ k ■• '"ifl hegen wir dabei den Wunsch, daß alle lebenden
-p. |->i; "^ J^u r-r- 'S* Wesen auf dem von ihnen bewandeUen Weg (zur
'J^ _^ itt * "■'' "" Seligkeit) nichts Widerstrebendos erfahren und somit
'^ ^^ ' g ~J^ 1^5^ alle mögliche Weisheit in sich vervollkonunnen mögen!
iS^ fiP ßfe ßB fl^ -^ Machen wir dann drei Umgänge um den Thüpa,
' * und hegen wir dabei den Wunsch, daß alle lebenden
Wesen fleißig den Weg suchen, der zum Buddhatum
führt, ohne daß ihr Streben nachläßt oder ein Knde
nimmt.
Nun setzt sich die Scliar in Bewegung. Au der Spitze geht der wei-na,
und ihm folgt ein Bruder-Unterzeremonienmeister, ein sogenannter '1'^^^
• Aufmunterer der Schar«, der in der linken Hand einen runden hohlen
>j^^^ »hölzernen Fisch« trägt und darauf mit einem Hämmerchen den
Takt schlägt zu einem Gruß, welchen die Brüder einstimmig ununterbroclien
wiederholen: ^ J^t ^ W^R^, g IfÜL^ää 4^- Ä# »Namas Tathägata
To-pao; Namas Buddha Säkyamuni«. Dreimal schreitet ilie lange Einzel-
reihe, die Handflächen vor der Brust zusammengelegt, langsam und feier-
lich um den Thiipa herum, diesen auf der rechten Seite behaltend. Dann
besteigt sie die Treppe zum ersten Stock und macht daselbst in genau
derselben Weise drei Umgänge auf dem Balkon, um darauf auf jedem
höheren Stockwerk die Umgänge zu wiederholen. Das Hinuntersteigen
Hnilet genau "in derselben Weise statt. Wieder am Fuß des Thupa ange-
langt, wird der Zug vom wei-na durch einen Schlag auf seinen Fisch zum
Stillstanfl gebracht, und das Rezitativ hört auf.
Dann sagt der wei-m : jf jf§ 1^ m^ ^ä' M ^ ^ — ^Jl ^ AM^^
ÄT^ »Verrichtet die Zeremonie der Stirnaufschläge vor dem Thüiia
70 DE Gkoot:
und heget den Wunscli, daß von keinem der leljenden Wesen, von keinem
Deva und keinem .Menschen der Scheitel sichtbar sei«'. Sofort wirft sich
die Schar wie ein Mann auf die Knie und berührt den Boden mit der
Stirn, mindestens 1 2 mal, jedoch wohl bis 48 mal hintereinander: das
Zeichen zu jedem Stirnaufschlag wird vom wri-na durch einen Schlag auf
den Fisch gegeben, wobei er jedesmal feierlich spriclit: — ''Ci^T^fa^
W ^B 5fv ^^ ^ ^- Ä ^0 5l^ '"''" ^^^^'^- "'"^ *'"® Seele, .ehren wir Euch durcli Stifn-
aufschlag, I'athägata Tu-pao. Tathägata Säkyamunil
Diese Verehrung des Thüpa wird wohl mit einem Opfer verbunden,
jedoch nur vormittags; falls die Feierlichkeit nachmittags stattfindet,
ist Opfern nicht zulässig. Es ist sehr empfehlenswert, am .selben Tage
alles noch einmal, sogar zweimal, zu wiederholen. Gegen Abend werden
die Lampen angesteckt. Bei Anbruch des folgenden Tages wird alles noch
einmal gemacht, und wenn dann abends die Lampen abermals brennen,
wird durch den wn-nu vor dem Thüpa ein geschriebenes (Tcbet (j^)
des diinapati verlesen und durch Verbrennung dem im Thüpa wohnenden
^\'eltgesetz übersandt. Dieses Gebet hat folgenden Inhalt:
7^ 3® S^ BS j^ f^ ^ neiiiütig werfe ich mich zu Boden und bedenke
rS -i. ' 1 J- zC. [??I WM IM beim Anschauen des hellen Lichts der Sarira's, daß
U=J 7 r ^^ J 'jr itW^ y^ diese f'ußspuren deiner Kraft {Imc/) überall im Gebiet
•yj ,-„, M TV ^ 'Ä Tw! des Weltgesetzes verstieut sind ; und beim Anschauen
ilS? ^ ^ 'fij ^ ^^^ pu-tö (Thüpa), so hoch und so breit, bedenke
Y^ J , .i? I§ rp. T-|| ii'h, daß seine Stange und sein Dach überall hin auf
=.j> nn Vffij < J Menschen und Devas Licht werfen. Mit wohlriechen-
m yl
^IJ t^ '<_ dem Wasser habe ich ihn besprengt, um ehrerbietig
^ Tfii "^l^ ih^ ^^^ ytt '^*'" Schlamm mit dem Besen von ihm zu entfernen
/rti i^ 1*1 --^K H^ ÖH dnnn habe ich ihn mit hellen Lampen beleuchtet,
I I Wä A>% Xüa '3^ ■« damit man ihn auch aus der Feme lobend verehre.
Meine Frömmigkeit und meinen Ernst erschöpfend,
schaue ich hinauf mit meiner Bitte zu deinem runden
Licht.
i|x ^tll 'flu iiSc '^ 'fA. -KTt Lebhaft gedenke ich, daß ich .... seit vielen
^ r+=. .l-li' ' ■' -^ I R» • kalpa's abseits vom richtigen Wege in der Irre ge-
<_ iMSi ™- 1^ 4^ i-Jn^ >iii^ Wesen bin und von dem durch die (Lotusijblunn'
yS" W? -A:- ^"^ i ^i^ ^C- des Weltgesetzes bekehrten Gebiet keine Ahnung hatte,
^. 1,,, T^ ^^ ^ -^^ f., so daß viele Existenzen hindurch dasRad (der Wieder-
^^ :^?'t i^ #ft -l' JiT? fH
-^ ^ii^-. ^' ^ ^ 'fg- r geburten) sich in bezug auf mich zurückdrehte und
^ 'fo Jr^^ 'l'M ^ '}4^ ^H '''^ '^^"^ mysteriösen Lichtglanz der beiden (Bodhi-)
Jit: I _ij, _i-, ^A, ^dfc i^H bäume niemals begegnete. Glücklicherweise aber ist
■* " '^ ''— tIto ^^ /' niir durch die Anwesenheit des Thüpa der Kostbar-
' I). h.: (l;iß alle den Scheitel tief in den Staub begraben.
Die Po (joden in China. 71
W 4rn £fe Kl^ S/i vl4l Ir^* keiteii liier, der so hocli und so s!ol/. dasteht, dei'
yÄ. f& ^^' '■^ Ki ^iK- /X Glaube gekommen an das ewige Dasein des Dharma-
-| itth I-Ij Ji KkL 'W Vg!' Wesens des 'rathäeata, nnd freudis; heffe ich den
^m 1 r Pß ^ ^E ^< ^ Wunsch, die Disziplin des Seligwerdens zu üben
JPs lA- -^ ^ "^ '"^ J^ft "'^'^ ''" ^^6"' Zwecke tiefe Frönmiigkeit und Khr-
j^ ^S ^ ^ ti- ' furcht zu entfalten, l'nd somit habe ich, geringoi'
j^^ ^^ ^C* ■^ ^^ tIn: ffl Mensch, am Soundsovielten dieses Monats sorgsam
v^ »b. WS ^^ ||4> ^ E2 öl und Weihrauch bereitet und mich ehrerbietig nach
^^ "tA lU ^^ '!S4 'C t- ''*'"' J^l'^s'*'' ■ • • ■ begeben: ich habe^da den Thilpa
l# 'frtl ^ "> m ''®'' Kostbarkeiten mit Stirnanfschiägen verehrt, viel-
4i}r ®I SlO /^ f^' Jfle. ^ nials die heiligen Namen ausgesprochen und einige
va *'J ^ ^ iiU W . ° Nächte die Lampen angezündet. Das alles zusammen
'^ * "tA ^^' atlll l-^i '^ß bildet zwar einen unscheinbaren Anlaß, Jedoch ich
^ 1^ .7^ * ^^ '^» -F- hoffe dadurch des Erbarmens und Schutzes teilhatlig
SL 3£ ^ ;^ ^, 5ffi ^A zu werden. Demütig mich zu Hoden werfend. liolTc
- ^: J5^ ^W K<^ ta 7^ ich. daß der Schirm der Kostbarkeiten (das Firmament)
_jj. ' ,>jä '^ mi "^ '"' Lultrauni seine Umdrehungen vollbringe, und daß
^E I XA ^fe 'l's Musik des HimmSs den tiefen, schönen Sinn der
ttl S ■^ ISO J^ H Sanskritklänge (Sntra-lesungen) begleite, auf daß
"5? t\- t<t iäf ^^ isj/" Jio'deno Lotusblumen aus dem Erdboden hervor-
JA ^" ■^ -*• *" i|uellen, und candana nebst Blumen aller Art in
Iwt Im ^a •. IW wirbelnden Massen hernieden-egnen. Zeige glück-
vei'heißende Zeichen in der Welt des Leidens (SahäK
damit sämtliche lebenden Wesen es verstehen, in dir
ihr Heil zu suchen und zu dir emporzuschauen. Va\\.-
senile Lichtstrahlen ans den Caitya's der Welt des
Staubs.auf daß die zehntausend Klassen und Sorten von
Wesen alle dem Rad der Existenzen des Leidens ent-
zogen werden. Durch die dir jetzt dargebrachte Lob-
preisung und Verehrung erhofle ich, daß für sie alle die
Fruchtdes botlhi (dasBuddhatum) Wirklichkeit werde . . .
An dieser Stelle dürfen noch andere Bitten eingefügt werden, jedoch
keine voii allzu materialistischer Art oder Sachen betreffend, welche den
(besetzen Buddhas zuwiderlaufen. Das Gebet endet mit diesem Satz:
>fer j^ Ir^ nB ^ W ^^ ^ Ehrfurclitsvoll bitte ich das Triratna. für da.s hier auf doi'
rechten Seite stehende Gebet Zeuge zu sein.
Während dieses Uebet sich verwandelt in Rauch und Asche, singen
die Brüder eine diesbezügliche Kantate, und darauf beschließen sie die
Feierlichkeit mit einem Fußfiill und drei Stirnanfschiägen, woran der dii-
napati sich beteiligt, während der wri-na dreimal ausruft: ^ f;)^ ^Ivär
^ f^ Nehmt euere Zuflucht zu dem Buddha, zum Dhaima und zum Sanghai
Diese Beschreibung der »Beweiiiräucherung des Thüpa« ist wort-
getreu dem 5. Kapitel des l'o'-f.inny ts'iiiy kwei, des authentischen (>esetzl)uchs
72 DE Groot:
des Klosterlebens (s. S. 64) entnommen. Ihr Zeremoniell i.st mithin mehr
als tausend Jahre lang unverändert so gefeiert worden. Nehmen wir es
jetzt etwas näher in Augenschau.
Aus der Ansprache des wei-na gleich nach dem Weihrauchopfer des
dänapati geht unzweideutig hervor, daß die Ehrfurcht, welche die Schar der
Mönche dem Thüpa entgegenbringt, den Zweck hat, alle Wesen zu veranlassen,
dasselbe zu tun und sich dadurch seligzumachen. Wir liaben es hier oflfenbar
mit der praktischen Befolgung der Vorschrift Buddhas zu tun, welche auf
S. 61 aus dem Lotus-Sütra wiedergegeben ist, und deren kurzer Sinn der
ist, daß Verehrung der Thüpas zur höchsten Weisheit und Seligkeit fiilirt.
Weiter geht aus derselben Ansprache hervor, daß die Umgänge um den
Thüpa gleichfalls die Seligmachung erzielen, und schließlich noch, daß
beide Zeremonien, sollen sie nicht kraft- und wirkungslos verlaufen, sicli
mit intensiven Wünscheii' für die Verwirklichung ihres Zwecks vereinen
müssen. Auch für die erlösende Wirkung der Klosterglocke sind, wie auf
S. 640". dargetan ist, während des Läutens gehegte und geäußerte Wünsche
unentbehrlich. Solche ^^ »Wünsche« oder »Hofiiiungen« für das Wohl und
Heil der Wesen zu hegen und zu formen und sie auszusprechen, war von alters
her in der Mahäyänakirche strenges, religiöses Gesetz und somit eingewurzelter
Brauch ; liegt ja das Seligmachen anderer in der Natur der Bodhisattvas
und der Buddhas, und folglich in der des Menschen, der mit wahrhaftigem
Ernst den Weg zum Buddhatum bewandelt. Fromme Wünsche gelien mithin
direkt hervor aus der allgemeinen Wesensliclx- (^J, dem Grundprinzip
des Mahäyäna, und bestimmen die iimigc Frömmigkeit, welche sein Möncli-
tum kennzeicliiiet. Werden sie bloß geäußert durch die Lippen, so sind
sie wirkungslos; aus der Tiefe der Seele, aus dem Grunde des Herzens
sollen sie emporquellen und mit intensiven Gedanken an die Verwirklichung,
welche sie zu erziehen beabsichtigen, verknüpft sein. Es erübrigt sicli
aber, hier auf diesen Unterteil der großen Methode der Heiligmaohung
einzugehen, da das bereits an anderer Stelle' stattgefunden hat.
Während der Umgänge wird der Thüpa vorschriftsmäßig auf der
rechten Seite behalten, das heißt, die Prozession muß sich in demselben
Sinn um den Thüpa bewegen, wie die Sonne sich täglich um den Thüpa
des Weltalls bewegt. Nur in dieser Weise wird der großen rflicht des
' »Le (^ode du Mahäynna en Oliine«. Kap. q.
hk' Pagoden in China. 7H
Sangha, das Rad des Üliarma zu dn^lien (vgl. S. 35), nachgekommen, denn
sollte sich die Schar in umgekehrter Richtung bewegen, so würde sie dem
Kreislauf des Lichts des Weltgesetzes, durcli welches die Wesen der Er-
lösung und Vervollkommnung zugeführt werden, entgegenwirken und so-
mit die schwerste Sünde auf sich laden, die sich denken läßt. P]s bestätigt
sich also hier klipp und klar, daß für die Kirche die Thüpas Darstellungen
des Weltalls sind, und daß ihr Licht das Licht des Weltgesetzes ist; und
von seihst erklärt sich nunmehr, weshalb während der Umgänge unauf-
hörlich luid einstimmig die heiligen Namen To-pao des Weltgesetzes und
srikyamuni, seines Lichts, angerufen werden. Nach Erledigung dieser selig-
machenden Prozession verehrt die .Schar den Thfipa mit Stirnaufschlägen
und läßt durch die Kraft ihrer Wünsche auch alle Wesen den Kopf tief,
sogar bis zum Unsichtbarwerden, vor der allerhöchsten Weltmacht im
Staub begraben und sich dadurch die höchste Weisheit erwerben.
Mit besonderer Klarheit stellt uns das an den Thüpa gerichtete Gebet
des dänapati den Charakter imd den Zweck der Thüpas vor Augen. Kommt
ja darin scharf zum Ausdruck, erstens, daß die Sarira's des Buddha das
Licht, der Geist des Weltgesetzes sind, und daß die Thüpas dieses Licht
überallhin auf Menschen und (jötter scheinen lassen und dadurch die
Heiden zur "Religion des Weltgesetzes bekehren (vgl. S. 29, Satz 2 und 3).
Weiter lehrt es, daß die Verehrung und Beleuchtung des Thüpa und die
damit verbundenen Umgänge die Umdrehungen des Weltalls, des Rads
des üharma, lordern, so daß den Wesen dadurch nicht nur materielles
Glück zuteil wird, nämlich aus der Erde hervorquellende goldene Ernten
und vom Regen des Himmels gespendetes üppiges Wachsttim, sondern
auch Bekehrung zur Religion inid daraus erfolgende P^rlösung aus den
Existenzen des Leidens und Hinauffiihrung zur höchsten Weisheit des
Buddhatums.
Wir haben es .somit mit einer religiösen Kultushandlung höchster
Ordnung zu tun; und es kann daher nicht wundernehmen, daß Buddha
in eigener Person durch eine spezielle Lehrrede in hellen Farben ihre
mächtige Wirkung geschildert hat. Diese Lehrrede heißt: 'fiJji fß; ^ )^ f^|i
■tV^f^;^ »von Buddha gepredigtes Sütra über das erfolg- und segens-
reiche Werk der Umgänge rechts um den Buddha-Thüpa herum«. An-
geblich ist sie von einem sramana von Ciioten, namens ^X.|l^l^ '^''"
ti'ai-hm-l'o, in der Zeit der ^ 7AV>?<-Dynastie (557 — 581) ins Chinesische
Phil.-hiül. Ahh. IUI!). .\r.JI. 10
74 DE (Ikoot:
übersetzt worden, allein vom Original, das vielleicht nie bestanden liat,
erfahren wir nichts. Im Tripitaka ist dieses Sütra in die Klasse der
-^p?$? »Sütras, wovon nur eine Übersetzung besteht«, eingereiht, und
in Bunyiu Nanjio's Catalogue ist es als Nr. 458 verzeichnet. Es hat fol-
genden Inhalt:
IM -H^ _L a^ ^ 4af. Jiti -Ifft Folgendes ist zu meiner Kenntnis gelangt. Der-
il^ m '5 ^ ^1 ^ ^^^ M- *^'"''*'^ ^''®'' '''*'^' Buddha im Reiche Sravasti im .Te-
1^ Itp OTt ^- ^'1 M. /Fci ^S tavana-Kloster auf, vorn und hinten und rundum von
^ ^-a f^> ^ "^ ^ liß ^ unermeßlichen Scharen von hohen bhiksu-GeisÜichen
B ^fv ith ' "^n '(ü ® M ""'^ anderen umgeben. Dann erhob sich Säriputra,
' ^13 "^ 'O ^^ 1^ ISl ° ''®r vornehmste und älteste (der Jünger), entblößte
W -^ >^. 'Ut M ISl — . ^j^ji ^jg pgßjjtg Schulter und das rechte Knie, warf
^ |5g "* ^ ^ äi B^ sich zur Erde, legte die Handflächen zusammen,
:^ yg;^ f^ ^ IS -xl 'fÖl kehrte sich zum Buddha, und bat ihn mittels eines
*n '^ ^, J ;|| ^ ^ Gedichts (gäthä) wie folgt: »AUerherrlichster Segen-
o % , "* W o MU *^ Spender, von der Welt Verehrter ( Lokajyestha), ich
IH ^ ^ ^ä 19 Er. ö hotte, daß du uns predigest von den Früchten und
refc. 3Ö, ■|.& -^ ni. /©■ ;;fe Belohnungen, welche gezeitigt werden durch Um-
^y, _. 3^ • e. -rt |=F1 gängig rechts um den Thüpa herum." Und der Loka-
iS^ rn jyeslha entsprach diesem Gesuch mit den folgenden
:^ ji K ^ ^ ^'^ Ä Versen:
alle möglichen Devas und Nagas, Yaksas und Geister usw. herbeikommen und Opfergabe.n
darbringen, so ist das ein Erfolg von Umgängen rechts um den Thüpa herum.
»» ^^^)\^AL^m^'^ Am'Wi^Um.^00 ';^^"" "berall. wo diese
Wesen leben, sie den Orten, wo die acht Hindernisse (gegen die Einlösung) bestehen, fem
bleiben und somit immer dort leben, wo die Hindernisse nicht vorkommen, so ist das . . .
(usw. wie oben).
•3) ;^-^^^^^'^Ä^^^ifi;^^^^Wennüberall,wo Wesen
leben, diese der Gnade (des Weltgesetzes) gedenken, welche ewig nie versagend einen TTber-
ilnß von Gestaltungen (Tagen) in den allerherrlichsten Farben hervorbringt, dann ist das . . .
(4) W^^K^M^^W^'^Mi^^Moo ^'^■"' ^'°" denjenigen,
die unter den Devas und Menschen verkehren, das Lebensglück in jeder Hinsicht blüht
und sich erweitert, so daß sie sich stets wachsendes Ansehen und Ruhm erwerben, dann . . .
^5) ^-mW^^'^^^LMWMWM^^oo Wenn diejenigen, die im
Jambudvipa (auf unserer Erde) wohnen, ihi- ganzes Leben sieh äußerst ehrenwert benehmen
inid ihre Reinheit in ihrem Stamme aussäen, dann ...
(6) me^'ffi^iffil.lM^ltW'l'SÄiC^aoo Wenn sie in Lebens-
foi-men und Benehmen stets korrekt sind, reich und angesehen werden, viele Schätze und
Kostbarkeiten besitzen und aus großen, vom Fürsten verliehenen Domänen dauernd Ein-
künfte beziehen, dann ...
l)it' Payoden In, China. 7ö
(7^ Wi'^'^^^^MU'^^^t^MU.^MMoo Häufen sich ihre Schätze
und Kostbarkeiten ständig in Fülle, und sind sie dennoch nicht geizig, sondern üben tat-
kräftig weit und breit Wohltätigkeit, so ist das . . .
'8, ^mmUilPn.^^0:i^li^)r^'^^moo «omen sie dan„ so rem.
fein und prachtvoll aussehen, daß ein jeder, der sie sieht, entzückt zu ihnen emporblickt,
und sollten sie so überall, wo sie sind, dauernd Frieden und Freude stiften, dann . . .
<9) ^:^t;]^lJiS^#J,>£^#;^ g^oo «ollte ein .solcher dann
König der Trayastrim.ia (d. h. Indra) werden, mit Gemahlinnen un(^ Kindern in Überfluß, mit
Majestät, Macht und Kraft und Unabhängigkeit (vom Existenzenwechsel), dann . . .
('«) ^#^^nt^?S#M^nji#j|lUfem^„Wirderei„Brah,„an.der
die (ieljote hält und durchaus die Beschwörungskunst und die Vcda-Bücher versteht, dann . . .
"■) B^ni^M^Mm^MM^M'^^^oo Wird irgend Jemand
ein großer Häuptling, eindußreich und angesehen, mit vielen Reichtümern und immer reich-
gefüllten Kornspeichern, dann . . .
('^) ^#iE^3Eä?EifeW#i±Bi1c^fl:oo •'^«•l'< einer König des
wahren Dharma wird, der unabhängig den Janibudvipa regiert, und dessen bekehrendem
Einfluß die ganze Erde sich anvertraut, dann . . .
"3) ^^Ä-bW^^m^i + ^^P^^^oo (W- wird einer König
mit den sieben Kostbarkeiten (Würdezeichen, Weiber, Pferde, Elefanten, Soldaten usw.) und
mit großer Macht, der das Rad (des Dharma) dreht und mittels der zehn Tugenden (Haupt-
gebote) alle lebenden Wesen regiert, dann . . .
('4) # jlt ^ ^ ± -^ W :'^ ^ H ^ 13 :«^ # '^00 ««'"« '''• '^''"" '"'■^ ''--•
Existenz oben im Himmel wiedergeboren werden, um dort im bleibenden Besitz von Allmacht
und höchster .segenspendender Kraft zu .sein und den reinen Glauben an den Buddhismus
zu haben, dann . . .
('S) mi^^^lim^M^SM.mrf^'^00 »■•«"««■•danndortdiescn
reinen Glauben rasch vervollkommnet, .so daß er sich im Dharma nicht mehr irrt und zu der
Einsicht kommt, daß alles Tun eitel ist. dann . . .
('^) 1it^±^^tT^1^A^A^Z^iä§loo Steigt er dann, .seine
Existenz ablegend, auS dem Himmel hernieder, um unter den Menschen geboren zu wei-den,
ohne beim Eintritt in den Mutterleib Unordnung oder Verwirrung zu stiften, so usw.
Schmutz des Mutterleibs unhesudelt bleibt wie eine reine Mani-perle, dann . . .
im Mutterleibe bis zu seiner Geburt der Mutter immer Ruhe und Freude gewährt und
dasselbe beim Saugen tut. dann . . .
(«9) ^#:Ä^^ — ^^l^^^^-^^^oo Wenn dann seine Eltern
mit den Blut- und Anverwandten alle zusammen ihn großziehen, und die stillenden Mütter ihn
nie verlassen, dann ...
in*
7(5 DK Groot:
(-» #®^tS'';ß^M^M5c#'^Mä*t:^oo l'"d wenn dam. auch
seine Arnerwandten ihn lieben und seiner gedenken, sogar mehr noch als die Eltern, und
seine Habe dadurch sich vermehrt und anwächst, dann ...
(-) ^^m?i^9iZ-mfiM\^^Jrm^f^Moo SoUte„ die Ya^s oder
andere böse Geister es nicht vermögen, ihn auch nur vorübergehend zu beängstigen, und
sollte er alles, was er braucht, von selbst bekommen, so . . .
<"' MM'ä'fijj'M^Ui^Bil^'^JMj&'Moo Wenn dann sein Wesen
hundertmal tausend kalpa's hindurch Existenzwandlungen durchmacht und dabei rein bleibt.
so daß die alierschönsten Farben und die (32) Zeichen (des Buddhatums) vollständig werden,
dann . . .
1^3) il m ^t JL M ® ^0 R M # ^ f# if ^ BRo o ^''^°" ''^"" ^^'" ••^""•^
Auge (vimalanetra) sich entwickelt und weitblickend wird und einei' blauen Lilie gleicht,
und wenn er dazu noch das reine himmlische Auge (divyacaksus) erlangt, dann . . .
(^4) ilP^'^m'i^mmjä^mf&m.-kW^oo S-d da„n seine aUer.
schönsten Farben für immer in ihrer ganzen Fülle da; offenbaren sich somit die (32) Zeichen
in aller Herrlichkeit und bilden sie seine Allmacht, dann . . .
(^5) 3Jc^^^^l'B*^M#älS'l'7/f>lJ^4»"#oo Oder sollte er im Pala-st
des Kaiseis Sakra (Indra) geboren werden, daselbst Allherrlichkeit, Allmacht und Selbständig-
keit erwerben und Verehrungswürdiger (arya) werden im 'rrayastrim.sas(-Himmel), so . . .
(^6) ^^m^B9il^^^'^it^:^^itoo Oder sollte er geboren
werden unter den Suyama(-Göttern). oder im Tusita-Himmelspalast, oder im Himmel, wo
man die Umgestaltung genießt (Nirmänarati!'), oder im Himmel der Umgestaltung andei-er
(Vasavartin), so . . .
(^7) ^=ftäi^^^1M:^Ö^^-^'ffi;fÄ^oo Oder .sollte er wieder-
geboren werden im Himmel des Brahnia (Brahnialoka) und wie Brahma ein Dasein der
höchsten Selbständigkeit führen, so daß alle Deva's ihm stets ihre Opfer darbringen, so . . .
Millionen nahuta von kalpa's stets ein Wesen, das alles Wissen innehat, dem Verehrung und
Opfer dargebracht werden, so . . .
(^9) M^lk^miUtä'^MysMc^&m^^o Bleiben dann sein We-
sen und seine Kleidung während dieser Millionen kalpa's stets makellos und im vollen Besitz
blinkender Reinheit, so ...
(30) ^i^mm:hmi§MMn^'^'^mWoo l-»serda«nmitüber-
aus großer, geistiger, vorwärtsstrebender Kraft fleißig die vielartigen Methoden (der Selig-
keitsdisziplin) übt, ohne je müde oder nachlässig zu werden, so ...
Mut und Tat stets geistesktäftig Fortschritte macht und eine unerschütterliche Standhaftig-
keit an den Tag legt, so daß alles, was er tut, schnell Früchte zeitigt, dann . . .
(3^> '(iiI^0*>^#f^^^^fi:S^^'ffi;«ff^oo Tlef-nnig-dweithör.
I)ar ist dann seine feine, herrliche (lehrende) Stimme, und Jeder, der sie vernimmt, ist er-
freut: er genießt Frieden und Fieiide und ist stets vf)n Krankheiten frei; und das ist . . .
Die Payudcn in China. 11
(33) ^n^^;?^lfi:^t^HW^^J(;i^aiiM:^co •'«"«*'- wa. id. (Bud-
dha) gepredigt habe, die (Qualen der drei Teile des Weltalls unterdrückt und beseitigt und
vollkommen die ülier das AVeltliche hinausgehende Weisheit reifen läßt, dann . . .
(34) '^|Egg^^3^J^0iEli0^n.f:W>£oo ''^*^"" '"^" <'^"" ^"•.''
fortwährend beschäftigt mit den vier immer zu erwägenden Sachen (snirtyupasthana), mit
den vier richtigen Anstrengungen (samyakprahäna, richtiges Sichvertiefen) und mit den vier
göttlichen Schritten (?) zur unbeschränkten Macht (rddhipädal')- dann . . .
(35) T-^BgÄB^^M;^4:'l^iEilÄMl^30 wenn man darauf die
vier Wahrheiten (äryasatyani) ergründet, sowie die Wurzelkräfle, die sieben Teile der Er-
wachung zur Weisheit (bodhyanga), die wahre Lehre, und die Frucht der Heiligkeit, daini . . .
(36) ^ — ^!^tiJ,.£AMfi*S'(i>^ffl#Moo Wenn dann alles mög-
liehe Leid zunichte wird, man vollständig allherrlich und allsegenspendend wird und von
seiner secbsteiligen göttlichen Vernunft nichts verliert, dann . . .
(37) ^Wt'kMMlk-mW^min^^^o. Wenn dann für immer
Itegierde, Abneigung und f nwissenlieit, sowie alle möglichen Hindernisse (suif dem Wege
zum Buddhatum) entfernt sind, und somit die einzigste Erwachung zum bodhi sicli bezeugt,
dann . . .
herrlichen purpurnen und goldenen Farben (des Wehlichts) erwirbt, die (32) Zeichen sein
hehres, prächtiges Wesen zieren und er als Lehrmeister der Devas und Menschen in die
Erscheinung ti itt, dann . . .
UM ^h. cc -/-• yt& -/r -A i^ Und das alles wird durch die Verelu-ung und Lob-
gjv • /-« .J-. ,w, >^. 3jr 1^ preisung erzeugt, welche dui'ch die Leistungen des
iyt ^ W Üh llL j^ PH ffl Körpers und der Sprache (Umgänge, Fußfälle, An-
^ ^ä ^ ^^ ^^ ^^ ^ W rufimgen. Gebete) gebildet werden. Den großen Nutzen
H^ filr -SO iii' -^Ij ^ü' liÄ ^ und Gewinn, welchen die Umgänge rechts um den Thüpa
ah- /^ ^ö- ÄX. "iiL herum einbringen, und die verdienstvollen und segens-
^ \n\ '-^i i^f ™; ^t«- *^ M reichen Eigebnisse solcher Umgänge habe ich Jetzt
so, wie ich selbst sie gelernt, in kurzen Woiten euch
gepredigt; abei' den Gegenstand zu erschöpfen, wie
wäre das möglich !
^ Ha W — ■ '^'1 i'^ W- ft Als der von der Welt Verehrte diese gäthä's aus-
^^ j*y j^ j^Tl ju, fl gö. nU gesprochen hatte, waren Säriputra und die ganze
X— ■« ■• Schar in höchster Entzückimg, nahmen gläubig die
o "^ ^^ ^ ^f f^ ^'^ lö- Lehrrede in Empfang und befolgten sie ehi-erbietig.
Es ist klar er-sichtlicli, daß dieses Siitra <lie Laufbahn schildert, welche
ilcn Mensclien durch Glückszustände verschiedener Existenzen, auch dos
irdi.schcn Daseins, führt, bis er zuletzt die allerhöchste Heiligkeit der Buddhas
eiTcicht. Wir sehen es hi<'r ^geschildert in kirchlicher Sprache, wie das
Rad des Dhamia ('^fp. dharmacakra), <lie Umwälzung des Weltgcsetzes,
die universelle Macht ist, die alles (Jute schaff't luid somit auch die Trans-
78 i>K (iEOor:
migration durch Glöckszustände bewirkt, un<l daß die Umgänge um ilie
Thüpas, welche diese Weltbewegung nachahmen und fördern, denselben
schönen Erfolg erzielen. Sie sind Ursache, daß alle Wesen die Buddhas
verehren, das heißt, der Religion des Heil?^ anhängen (i); daß sodann in
allen folgenden Existenzen nichts mehr sie an der Ausübung der Religion
behindert (2), und sie somit unaufhörlich an das täglich sich erneuernde,
herrliche Licht des Dharma denken (3). und demzufolge Glück, Ehre, An-
sehen, Macht und Reichtum ihnen zuteil werden (4, 6). Ihre Stammesge-
nossen erziehen sie zur Reinheit der Religion (5), und sie werden also auf dem
großen und breiten Weg (Mabäyfina) geführt zur Seligkeit. Die Umgänge
um den Thüpa bewirken dann weiter, daß solche guten Buddhisten die
hohe Pflicht der Wohltätigkeit tatkräftig erfüllen (7), überall durch ihr
bloßes Dasein andere glücklich machen (8), schließlich Könige im Himmel
des Indra (9) oder weise Brahmancn (10), Begüterte und Große (11) werden;
otler sie werden Könige dieser Erde, voll Macht und Majestät, die nach
buddhistischen Grundsätzen regieren und das Rad des Dharma kräftig drehen
(12, 13), um <lann schließlich im Himmel wiedergeboren zu werden (14),
daselbst, fest im Glauben, ihre Kenntnis des Dharma zu vertiefen und
folglich die Eitelkeit alles Tuns zu erkennen (15). Immer wieder erhöhen
die Umgänge um die Thüpas ihre Heiligkeit. Sie werden auf der Erde
im Mutterleib wiedergeboren (16), verweilen darin unbefleckt (17) und ohne
der Mutter Wehen zu verursachen (18). Alle Blut- und Anverwandten
spenden ihnen ihre Liebe und Muttermilch ; ihre Reichtümer wachsen stetig
an (19, 20); böse Geister haben über sie keine Macht {21). So durch-
wandert ein solches Wesen unzählige Existenzen, die ihn immer weiter
emporführen (22—31), bis ihm Erlösung von menschlichen Übeln und Qualen,
Begierde und Lust zuteil wird, nebst Weisheit, göttlicher Vernunft, Wesens-
liebe und bodhi der Buddhas, und er dann als purpur-goldenes Licht der
Welt vor Göttern und Menschen auftritt als Verkünder des Dharma des
Heils (32—38).
Es ist klar, daß dieses Thema der Existenzwandlungen sich in allen
möglichen Tonarten und mit allen denkbaren Variationen bearbeiten ließe,
und daß Buddha also vollkommen recht hatte, am Schluß seiner Predigt
zu behaupten, daß sicli Lehrreden über den segensreichen Einfluß, den
Umgänge um die Thüpas ausüben, bis ins Unendliche abhalten ließen.
Gleichermaßen verständlich ist es, daß der durch dieses Sütra so klar
Die Pagoden in China. 79
ans Licht gerückte Wert der Thüpas als Werkzeuge zur Beglückung, Er-
lösung und Seligmachung der Wesen nur einer Auswahl des Mönclitums,
den Esoterikern. begreiflich ist. Die große Mehrzahl, und die Laien erst
recht, müssen sich zufrieden geben mit allgemeinen, verschwommenen Vor-
stelhmgen vom Glück, das diese Zauhertürme Mensch. Geist und Tier an-
gedeihen lassen. Diese Begriffe schöpfen stets neuen Nahrungsstoff aus
landläufigen Erz<ählungen und Legenden, deren Geburtsstätten wohl haupt-
sächlich in den Klöstern zu suchen sind, und die sich besonders nützlich
erweisen zur fortwährenden Belebung der Opferwilligkeit der dänapati. Es
wird darin erzählt von Seefahrern und Fischern, die den Thüpas und ihrer
Beleuchtung Rettung vor Schiffbruch uml Untergang verdankten; von Schutz,
welchen diese Türme den armen Fischen angedeihen lassen, so daß, indem
die Lampen brennen, die Netze der Fischer leer bleiben; auch von Leuten,
denen liebe Verwandte im Traum erschienen, mit der Mitteilung, daß die
Thüpas ihre Folterungen in der Hölle sehr milderten; usw. Eine der niedlich-
sten I lieser Erzählungen, aus den ^/Xj^/^, Tär'-kiang t'vng tsi, »Allge-
meine Denkschriften von Tf<t^'-/cio/ig>^ in Kap. 124 des T'ii-Su fsi'-ta'ing zitiert,
sei hier beispielsweise wörtlich wiedergegeben:
Das Kloster des lindes der Reinheit hat einen Thilpa. Jede Nacht ließ es durch
umhergehende' Mönche Geld sammeln für Ol und die Lampen anstecken, und diese blieben
dann bis Tagesanbruch brennen, so daU Flußschifter und Seefahrer den Ihfipa als Bake
benutzten. In der Vitr'wAe Sao-hivg (1131 — 1163) erloschen plötzlich in der zweiten Wache
die Lampen auf dem Thüpa. Die Klosterbrü<lpr glauliten, das käme wohl daher, weil die
undiergehen<len Sammler das (Mgeld untei-schliigen, und sie befragten sie <larob. Jedoch
sie bekamen von den l'mstehenden den Bescheid, daß jede Nacht gegen Ende der Wache
eine ganze Truppe von nienschiihnlichen Wesen aus dein Westen heranfliege und sich
wiraniernil und wehklagend auf dem Thüpa versammle, und daß dann die Ijimpcii sofort
erlöschten. Die Alönche konnten das nicht so ohne weiteres glauben, zündeten in der nächsten
Nacht selbst die Lampen an und hielten Wache; und wirklich kam bei Anbruch der Wache
eine Truppe von wohl mehr als tausend ol)en zu dem Thüpa hin: Jeder tauchte die Finger
in das Ol und schmierte es auf seine Wunden. Sofort schritten die Mönche auf sie los mit
der Frage, was sie denn damit wollten. Alle machten den Siirnaufschlag und sprachen:
»Wir sind gefallene Krieger der Aimee des oberen //«i »-Flusses; wir haben das gnaden-
volle Licht des Triratna erblickt und erbitten etwas von dem öl: denn beschmieren wii'
damit unsere von Schwert und Pfeil verui'sachten Wunden, dann genesen sie sofort, und
un.s wird gestattet, wieder eine Existenz zu durchleben.« Als die Mönche dann fragten:
• Welche Existenzlaufhahn (jM" Weg. gati) werdet ihr dann durchleben!'" da stellte sich
die ganze Armee in vier (iliedei-n auf, und sowohl die \'orn- wie die Hintenstehenden
antworteten: »In der kommenden Existenz werden wir leben als begüterte und ansehnliche
Personen: sobald nur das Ol dieser Lampen unsere Wunden geheilt hat. werden wir in
jene Existenz ül)ergchen." Nunmehr kauften die Mönche noch mehr Ol ein, vermehrten
so I) K G u o () T :
die Zahl der l.aiupeii uiul fiillten damit den gati/en 'l'hfipa, und jede Nacht waren die Ge-
spensterscharen immer wieder da, um ihre Wunden mit dem Öl zu salben. So verfloß ein
hail)es Jiihr, während ihre Zahl immer mehr abnahm, bis /u guter Letzt gai- keine mehr kamen.
Fünftes Kapitel.
Kleine Thüpas.
Sind die Thüpas lieilige Zauberwerkzenge, mittels welclier die Kirche
die leuclitende Ileilslehre des Weltalls und ihre erlösende Kraft in die
Welt hinaussendet, so liegt es in der Natnr der .Sache, daß dieselbe Kirche
auch kleinere Thüpas erfunden hat, die in bescheidenerem Maße und auf
geringere Entfernungen hin lediglich von speziellen Unterteilen der Heils-
lehre die Segnungen verbreiten. Die Heilslehre ist die gesamte heilige
Schrift, die Tri]iitaka und der darin lebende heilige Geist. Somit lassen
sich einzelne Sütras, daraus entnommene Sätze, g<äthä's oder Verse, und
dhärani's oder Worte, denen seligmachende Kraft innewohnt, erfolgreich
auf solchen kleinen Thüpas anbringen, zusammen mit Statuen von Buddhas
oder Rodhisattvas, die sie zur Heiligung 'der Wesen predigen oder aus-
sprechen. Besonders in Klöstern, wo ein großer Thüpa zu den frommen
Wünschen gehört, empfehlen sich solche kleineren als Ersatz, zumal sie
sich mit geringem Kostenaufwand errichten lassen. Sie passen sich vor-
trefflich der Spezialisierung der so umfongrcichen Seligmachungsmethode
an und sind somit nützliche Werkzeuge zur Verwirklichung der liöchsten
Aufgabe der Mahäyäna-Religion : Seligmachung aller Wesen in jeder Art
und Weise, die sich nur erfinden und ersinnen läßt.
Etwa zwei bis drei Meter hohe Thüj^as, sehr verschiedenartig gestaltet,
achteckig, rund, quadratisch, massiv, aus Granitquadern zusammengesetzt,
kommen zahlreich in den südlichen tmd zentralen Provinzen vor. Sie haben
zumeist einen Sockel mit Gesims und Wulst oder in Gestalt einer Lotus-
biumc, und auf dem Dach nicht selten eine Stange aus (iranit, so daß sie
liäufig den Grabthupas der Geistlichkeit sehr ähnlich sind. In der Front-
fassade sieht man eine gemeißelte Nische mit sitzender Statue im Halb-
relief; oder es ist auf einer oder auf mehr Fassaden eine Reihe von kleinen
Nischen mit solchen Statuen zu sehen. Vi(>le solcher Thüpas tragen die
eingemeißelte heilbringende Inschrift »Namo Buddha Soundso« : oder Ü^PJ^
t!/ßBA.PÜill'f- "^^ni mani jiadme hum«. Sie sind zumeist sehr verwittert
und offenbnr Jahrhunderte alt. Wohlbegreiflich sind sie in allererster Linie
Die Pagoden in China. 81
in den Klöstern zu finden, und zwar links und reclits vor dem großen
Tempel, nicht selten sogar mit mehreren zusammen auf beiden Seiten des
Hofs in gleichen Entfernungen. Man trifft sie aber auch auf Anhöhen in
der Umgebung, sogar versteckt im Wald und (rebüsch. Weiter sind sie
auf alten Granitbrücken, l)ci P'ähren und an allerhand Stellen zu finden,
angeblich zur Vertreibung, Abwehr und Vernichtung von Übel.
Von manchem wohlbekannten \nul vielverehrten Buddha sagt die
lieilige Schrift, daß er sich zur Erlösung der Wesen von übel aller Art
im Nirvjina einer Universaldharani bedient, und daß er diese sogar <len
Wesen liekanntgegeben hat, damit sie, seelenrein und tiefgläul>ig, jeiu' mit
eigenem Munde aus.sprechen und somit tlbel al»wehren oder vernichten.
Auf manchem kleinen Thuiia steht solch eine Leilidliarani gemeißelt, neben
dem Buddha, der sie schuf. In vielen Fällen ist er einer der sieben Mä-
im.sibuddhas oder »Menscli-buddhas^i, d. h. Srikyamuni oder einer seiner
secJis unmittelbaren Vorgänger, ein jeder das Licht einer vergangenen
Sonnen per iode. Somit verstellt die Kirche es vortrefVlich, für die jetzigen
Wesen die erlösende Lichtkraft des VVeltgesetzes aus unermeßlichen Zeit-
altern der Vergangenheit nützlich zu verwerten. Noch viel weiter aber
geht die Macht ihrer bodhi, ihrer allseligmachenden Vernunft; denn sie
liat einen Thnpa erdacht, der die siebenfache seligmachende Kraft der
}Iänu.sil)uddhas in sich allein vereint. Dieses wunderbarste aller Heilwerk-
zeuge ist der -tif^ift "Tluipa der 7 Buddhas«, eine achtseilige Stein-
säule, von denen sieben .Seiten jede den, Namen eines dieser Buddhas trägt.
mit dem Vorsatz Namo und n)it seiner LeibdhJiraiii, eventuell mit einer
mächtigen gäthjl noch dazu, unendlich wirkungsvoll un<l dennoch .so
einfach steht dieser steinerne Seligmacher da, anspruchslos, vereinsamt
in der Umgebung .seines Klosters, oft zwischen Bäumen versteckt, so daß
.sogar viele Brüder kaum von seinem I)as<'in etwas wissen.
Ein interessantes Beispiel der Verbreitung des erlösenden Heils n)ittels
auf Thupas angebrachter heiliger Schrift l)ieten die lamaisiischen |^^'
»Gelben Klöster«, die nördlicli der Stadtmauer Pekings liegen, offenbar
zur .Sicherstellung des Fmiy-&iii oder geomantischen Glücks des Palastes.
Das östliche Kh>ster, der ^ m|^ Ip'!' ji^v "Dhyäna-Wald der vuiiversellen Ruhe«,
bestand bereits vor der Mantschu-Dyna.stie und enthält im liaupttempel
Statuen des Triratna. Unmittelbar daneben liegt in derselben Ummaue-
rung das westliche Kloster, im g. Jahre der Sw/z-Av/'-Periode (1652) vom
Vhit.-hhI. Atth. i!ll!>. .\r./l. II
82 I) '•: (ji K o o T :
Dalai-lama gegründet; seine kolossale Kirche enthält gleichfalls das Triratna
und dazu noch viele andere Heilige. Hier nun steht ein fast gänzlich aus
weiBeni Marmor konstruiertes, prächtiges Monument, wohl einzig in seiner
Art, der f^(^^}}^^^ »Thüpa der reinsten Reinheit und der Vollkommen-
heit des Vortrefflichen«. P]r erhebt sich im Zentrum einer rechteckigen,
nach den vier Himmelsgegenden orientierten Terrasse, die elegante Brü-
stungen aus Marmor und Backstein trägt, ausgenommen in der Mitte der
Nord- und Südseite, wo statt dessen eine schöne, solide jt$^ pai-fang
»Pforte mit Inschrifttafel« steht, mit drei Durchgängen. Von dort führt
eine Marmortreppe auf einen rechteckigen, aus Quadern konstruierten Un-
terbau eines massiven Urn-tluipa, der das Zentrum der Terrasse eiimimmt.
Der achtseitige Sockel dieses Thupa ist verziert mit Halbreliefdarstellungen
aus dem Leben Buddhas, von seiner Empfängnis bis zum Nirväna. Das
schwere Gesims des Sockels trägt das Fußgestell der Urne, das aus vier
Schichten besteht, in denen auf jeder Fassade zwei Nischen mit sitzender
Buddhastatue angebracht sind. Auch die Urne ist hauptsächlicli aus Qua-
dern. Ihre bauchige Wandlläche trägt in gleichen Entfernungen acht ste-
hende Buddhafiguren mit der dhyäna-Blnde (s. S. 47) um die Stirn, und
vorn zeigt sich in einer Nische das Triratna in sitzender Haltung. Eine
l)reite, sich verjüngende Stange mit bronzenem Schirm und Abschlußknauf
krönt die Urne. .
Zu diesem eigenartigen Urn-thüpa gesellen sich noch vier kleinere,
einander ähnliche Thfipas oder vielmehr Säulen, achtseitig, schlank, massiv,
einer auf jeder Ecke des Unterbaus. Stark vorspringende, schöne Gesimse
teilen sie in Gliederungen. Die untere Gliederung eines jeden trägt die
heiligen Inschriften; die drei folgenden Gliederungen, erheblich niedriger,
zeigen auf jeder Fassade eine Nische mit sitzendem Buddha; dann folgen
noch drei Gliederungen, die wiederum viel niedriger sind und den Ab-
schlußknauf tragen. Was nun die Inschriften betrifft, so trägt der Thüpa
der südöstlichen Ecke, auf diesem Heiligtum des Weltlichts natürlich die
vornehmste, das ^ IfÖ ^B 5^ 4>^ j|||M "Sütra der eigenen Gelübde des Ta-
tiiägata Arzneimeisters«, also des auf S. 58 erwähnten Buddhas des auf-
gehenden Sonnenlichts. Es schildert den gewaltigen Einfluß, welchen dieser
Buddha durch die Macht seiner (ielübde morgens ausübt in der Welt, und
seine Verlesung bildet daher den Hauptteil der frühen Morgenandacht jeder
Klosterbrüderschaft. Von den drei anderen Thupas trägt einer eine Anzahl
bU' Pdyodni in China. 815
(Ihcärani: ein anderer ebenfalls dhärarii, die als i^i'f{^^^^^ ver-
zeichnet sind; der vierte das ^^ll^^Ö^fM^^ Yajraprajnapäramitä-
sütra (Bunyiu-nanjio, Nr. lo). Die Modelle dieser Inschriften wurden auf
kaiserlichen Befehl im 49. Jahre der Z''jm-te5r-Periode (1784) durch zwei
Reichsgroße geschrieben, im selben Jahre, als das Monument, ebenfalls auf
kaiserlichen Befehl, gebaut wurde.
In den chinesischen Schriften aller Jahrhunderte werden so sehr viele
Thiipas erwähnt, daß der Gedanke, sie haben alle der Klasse der großen
angehört, sich von selbst ausschließt. So erwähnt z. B. das ^^^|^ yhmy
liang lu von ^ ^ i^ ^u Tse-mu, ein Werk in 20 Kapiteln voll histori-
scher, ethnographischer und wirtschaftlicher Einzelheiten, insbesondere über
l^)\\ Hany-tmu, die Hauptstadt von Täe'-kiang, für diese Stadt allein
nicht weniger als 39 Thüpa (s. Kap. 15), worunter drei aus Eisen. Ganz
gewiß können eiserne Thüpas, die in der Literatur oft erwähnt werden,
nur ausnahmsweise von ansehnlicher Höhe gewesen sein. Ciiavannes gibt
die Abbildung eines ziemlich hohen mit neun Gliederungen als Nr. 1038
seines Albums der »Mission Archeologi(|ue«, und ebenda als Nr. 922 und
923 eines 1 3 stöckigen bei K'ai-fung, der aus Eisen sein soll, aber es
vielleicht nicht ist. Auch vier kleine Thüpas aus Bronze, die in Klöstern
auf dem 51^ Wv-t' ai-^erg^ in San-si stehen, bildet er ab als Nr. i 106
bis I 109.
Sechstes Kapitel.
Thüpa und Geoinantik.
Die vorliegende Abhandlung hat erwiesen, daß die esoterische Heils-
lehre des Mahäyäna-Buddhismus das Weltgesetz zur Grundlage hat, die Welt-
ordnung, die Quelle alles wirklichen und imaginären Glücks. Diese Grund-
lage war auch die des altchinesischen philosophisch-religiösen Systems,
aus dem der Taoismus und der Konfuzianisinus erwuchsen, nämlich das
jM[ Tao, der »Weg« oder «Gang« des Alls. Also sind, wie ich unlängst
in einem Spezialwerk über »Universismus« dargetan habe (daselbst S. 2),
die drei Hauptreligionen Cliinas drei Äste eines gemeinsamen Stammes:
der Religion des Universums.
Es wäre gewiß denkbar, daß sicli der Buddhismus erst, naclidem er
sich auf dem chinesischen Boden eine neue Heimat erworben, unter dem
mächtigen Einfluß des dort von alters her herrschenden taoistischen Systems
zu einer universistischoii Religion nnibildete. Für eine solche Hypothese
Jnit jedocli eingeJiemles Studium über den Entwicklungsgang des chine-
sischen Buddliismus in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung bis-
lier noch immer keine feste Grundlage geschaffen. Vielmehr spricht der
Stand der wissenschaftlichen Kenntnis des Buddliismus für die Annahme,
daß höchstens von einer universistischen Weiterentwicklung dieser Religion
auf chinesischem Boden die Rede sein könne, weil der universistische
Cliarakter ihr schon in Indien angeboren war. F]s läßt sich also an eine
uralte, gemeinsame Wurzel der asiatischen Religionen glauben, vielleicht ein-
schließlich der von Assyrien und Babylon, eine Wurzel, die sich in fol-
gende Worte fassen ließe: Ehrfurcht vor der Majestät des Alls, das alles
Licht, alle Vernunft, alles Gute in sich hat, und worin aufgenommen und
aufgelöst zu werden das höchste Heil bringt, Erlösung von allem Übel.
So gut wie der Mahäyäna-Buddhismus, hatte und liat noch immer der
urehinesischc Universismus seine esoterischen Lehren und Wissenschaften.
seine |/jtf .sii\ Eine von diesen, in der Regel jÜ^i^fC Fung-sui, »Wind- und
Wasser«, genannt, griff zu allen Zeiten besonders tief ins Volksleben hin-
ein. Es war nämlich ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, daß Häuser, Dörfer,
Städte, Landschaften, Gräber, Tempel, kurz alle Wohnstätten der Menschen,
Toten und (Jöttcr, möglichst unter günstigen Einilüssen des Tao o<ler der
VVeltordnung sich hefinden, auf daß ülterall nur Glück und Wohlfalirt
herrsche. Ausführlieh ha])e ich diese Geoniantik in anderen Werken er-
örtert', und es braucht also nicht hier auf sie eingegangen zu werden.
Wohl aber ist es hier am Platze, zu bemerken, daß sie die buddliisti-
schen Tempel und Thüpas in ihren Dienst gestellt und dadurch die Be-
deutung dieser Heiligtümer für das chinesische Leben bis zum Höchst-
maß gesteigert hat.
Wohl verstand es die (ieomantik, nach ihrer Art für den Bau von
Wolmstätten, (iräbem und Tempeln glückverheißende Stellen ausfindig zu
machen, wo Berge, Anhöhen, (rewässer, Bäume, kurz alle unter der Ein-
wirkung von Sternen und Gestirnen stehende Bodengestaltungen günstige
Einflüsse des Weltalls zusammenzogen. Allein den Geist oder die Kr.aft
der leuchtenden Weltordnung, der Quelle alles Segens, an jeder beliebigen
Stelle festzubannen zur Sicherung des Glücks ganzer Gegenden, das war
eine Kunst, welche die Vernunft der Weisesten aller Professoren der Geomantik
' »'llic KL'ligious System of Cliiiiii», Bd. HI, S. 93511'. — »Univei-sisniuS", Kap. 13.
Dil' Paijodi'U In. CldiKi. 8;")
noch nie bewältigt hatte, und die nur der Buddhismus \ erstand. Baute sich
ja diese Religion Kl(xsterkirclien mit Statuen des Dliarma und dt's Buddha,
aus denen IJcht und Segen der Weltordnung strömten, und daneben Thupas,
die dasselbe taten mit erheblicli größerer Kraft bis zum fernen Horizonte.
Es ließe sich daher, mittels dieser Heiligtümer, das Jatirj, die Weltseele
des Lichts und des Heils (vgl. S. 36), überall hinlenken, wohin die Weisen
der Geomantik es fvir nötig oder nützlich hielten. Man brauchte sie nur als
Schutzheiligtümer des Fumj-svi ganzer Gegenden an geeigneten, genau be-
rechneten Stellen zu erbauen, wo Einflüsse des Himmels und der Erde
zusammentlo-ssen und die Wirkung {.im, Uny, s.S. 37) der Gebäude zum
höchsten Grad zu steigern in der Lage waren.
(iewiß ließ sich die Kirche diese iliren Heiligtümern zugedachte Rolle
gern gefallen : muß sie ja gerade darin ein (birchaus geeignetes Mittel er-
kannt haben, um sich in der von Behörden und Volk ihr bisher entgegen-
gebrachten Duldsamkeit und im allgejneinen Wohlwollen fester zu ver-
ankern. Von nun an opferte ein jeder, oh gläubiger Anhänger der Kirche,
ob Konfuzianer oder Taoist, freudig seine Pfennige fiär den Unterhalt oder
die Erneuerung der (iebäude des Klosters, in dessen Bannkreis er wohnte,
oder zur Vergrößerung von dessen Grundbesitz. In solchem Bannkreis sprach
fortnn ein jeder von seinem Fung-Aid-KXostitv , von seinem /'»////-.vm-Thupa
und betrachtete di<'se (iebäudc als gemeinsames Besitztum. Manches Kloster
verdankte nunmehr dem Funy-stii sogar seine Gründung. Begüterte und
Notabein, die Mandarinen an der Spitze, bildeten Ausschüsse von ^'^
tvmj-Si, »Sac;!! waltern«, welche die Geldsanmdungen <lurch freiwillige Sub-
skription besorgten und unter sachverständiger Führung von Fimg-kü-ih^-
lelirten Bau und Herstellungsarbeitön vornehmen ließen. So wurde ein
jeder nach seinem Vermögen Göimer der Kirche, d.änapati (vgl. S. 68), und
ohne Klosterbruder zu werden, setzte er dadurch zwecks Erlösung der Wesen
uikI Förderung ihres stofflichen Wohlseins seine Kräfte zum Drehen des
Dharma-rads an, abgesehen davon, daß seine Opferwilligkeit ihm noch oben-
drein einen Platz in den Reihen der Vornehmen einbraclite. So gingen
di<' stoß'lichen Interessen des Menschtums praktisch Hand in Hand mit
denen für seine Seligkeit in kommenden Existenzen, .\ltchinesischer Uni-
\ ersismus verbrüderte sich innig mit dem buddhistischen ujiter der Fahne
der allgemeinen We.sen.sliebe. So wurde die aus Bnrbarenland stammen(h'
und snniit vom Staatskonfuzianisnnis grinidsätzlieh als ketzerisch verschrieni
86 OK Gkoot:
Relio-ion ein unentbehrliches Element im chinesischen Leben und konnte
sich somit vor Verfall und Untergang, sogar vor gewaltsamer Ausrottung
durch den Staat schützen.
Fung-M bedeutet »Wind und Wasser«, das heißt, die Hauptfaktoren
der Geomantik sind diese zwei Elemente, von denen in China, wo im
Sommer vorherrschende südliche Winde Regenfall bringen, Ackerbau und
Volksernährung abhängig sind und somit Glück und Unglück der Mensch-
heit bestimmt werden. Damit im Drehen des Weltrads keine Störung ein-
tritt, und also die richtigen Zeiten den richtigen Wind und Regen bringen,
ist es eine der Hauptaufgaben des Sangha, mittels geeigneter religiöser ,
Kultgebräuche auf die in Klöstern und Tliüpas wohnende Weltallkraft
einzuAvirken. Diese Zeremonien stellen ein eigentümliches Gemisch von
buddhistischem und nichtbuddhistischem Universismus dar. So werden, je
nach Bedarf, Regen und klares Wetter erzeugt, auch Heuschreckenplagen ab-
gewendet' und Überschwemmungen vorgebeugt. Folglich ist die bud-
dhistische Geistlichkeit von selbst auch eine Priesterschaft des Funy-sui
geworden, also des Taoismus, von dem das Funy-äui ein Hauptunterteil ist.
Das dem Ackerbau, in erster Linie dem Reisbau unentbehrliche Wasser
entströmt den Bergen. Dort also wohnen und walten die ^ luny oder
»Drachen«, am liebsten ehrerbietig ff :£ Luny-wany, »Drachenkönige«,
genannt, welche durch Verdichtung der Wolken Regen erzeugen und folg-
lich den Wasserstand der Flüsse und Bäche beherrschen. Diese segen-
spendenden Wassergötter können aber unter Umständen recht gefahrlich
werden und die Urheber sein von Gewitterstürmen und Überschwemmungen,
sowie von verheerender Dürre. Deshalb sind viele große Klöster und eine
Unmenge von kleineren und ganz kleinen als Regulatoren des Regenfalls
mehr oder weniger hoch auf den Abhängen an den Flußquellen erbaut,
häufig in malerischer Lage zwischen vom Wasser bloßgelegten Felsblöcken.
Diese Entlegenheit in reiner, frischer Luft entspricht der Befreiung vom
irdischen Staub und Gewühl, welche die Seligkeitssucher erstreben; da-
durch auch sind die Klöster beliebte Ausflugsorte begüterter dänapati, in-
sonderheit während der Sommerhitze. Manche in der Literatur erhaltene
Überlieferung bestätigt, daß an solchen Orten in der alten Zeit Drachen
Sturm und Überschwemmung verursachten und durch buddhistische Geist-
liche mittels Sütras, dhäranis und andere religiöse Zauberraittel bezwungen
' Au.sfüfirliches hk'i'iiber in »Le Code du Mahäyäiia«, Kap. 8.
Die Pagoden in Chiiut. 87
oder in trocknen Zeiten zu Regenerzeugung genötigt wurden, und daß diese
Ereignisse Anlaß zum Bau der nunmehr da befindlichen Klöster gaben'.
Die Auffassung, daß Wolken, Gewitter und Regen von Draclien er-
zeugt werden und diese Götter somit entweder Mäßigung oder Anregung
erfordern mittels buddhistischer Tempel imd Thiipas, scheint keineswegs
ausschließlich auf chinesischem Boden entstanden zu sein. In der Zeit
des Hürn-tmany muß sie auch in Indien und Turkestan geherrscht habeii.
Wir lesen nämlich in den Reiseberichten dieses Pilgers im 3. Kapitel (Julien
Bd. I, S. 152) von einem Teich, zu dessen Drachen die Geistlichkeit erfolg-
reich um Regen und helles Wetter zu beten pflegte; auch noch (ebenda S. 1 34)
vom Drachen eines Flusses in Udyäna, der Sturm und Wind entfesselte, so
daß die Feldfrüchtc großen Schaden erlitten, und der deshalb vom Herrn
mittels einer Predigt bekehrt wurde. Im 7. Kapitel (Jul. I, 360) lesen wir
dann von einem Teich, dessen Drachenkönig gelegentlich Wind und Regen
entfesselte. Das 12. Kapitel (Jül. II, 240) enthält die Legende eines Flusses
in Choten. der plötzlich zu strömen aufhörte, weil sein Drache hin-
■ geschieden war. bis der König, zur Rettung des bedrohten Ackerbaus,
einen Minister ins Wasser gehen ließ, um den Draclien zu ersetzen. Noch
an anderen Stellen ist in Ilüen-tmang' s Schriften von Fluß- und Seedrachen
die Rede. Am schlagendsten aber tritt die Gleichheit der chinesischen
und indischen Funy-Sui-Etign^G &ns Licht im i. Kapitel in den Berichten
über Kapisa (Jui,. I, S. 47 ff.). Unter Weglassung von hier völlig bedeutungs-
losen Abschweifungen lesen wir dort folgendes:
('her 200 Li iiordwestlicli der Königsstadt kam er an einen großen Schneeberg. Darauf
liegt ein See, wo, wer um Hegen und klares Wetter betet, eine der Bitte entsprechende
Verwirklichung seines Wunsches erlangt. Kr vernahm dann, daß die alte Geschichte
folgendes l>erichtet:
Dereinst gab es im Reiche Gandhära einen Ärhat, der immer vom Drachenköiiig mit
Nahi ung vcrechen wurde . . . Sein Gefolgsmann, ein srämanera, . . . starb iind wurde Groß-
köiiig der Drachen. Dessen Macht entfaltete sich, und seine Bosheit kam ziiiu Ausl)rucl\;
ei- begab sich in den See, ermordete den Drachenkönig und bezog dessen Drächenpalast . . .
Dann rief er gewaltige Wind- und Regenstürme liervor, welche Bäume umwarfen und ent-
wurzelten. Kr wollte nun auch die sanghäräma (Klöster) verwüsten, und König Kaniska, den
das befremdete, entsandte Bolen, um Kundschaft einzuholen: und durch sie gab ihm der
Arhiit über die Sachlage Bescheid. Nun ließ der König gegen diesen Dracherv am Schnee-
berge einen sanghäräma erbauen und einen mehr als hundert Fuß hohen Stüpa errichten.
' E^ sei hier auf die vortreffliche Monographie hingewiesen, welche Prof. M.W. De Visser
der l^eidener Univei'sität unter dem Titel -The Draijon in China aiid .lapan" \eröfllent-
licht hat.
88 DK (Jroot:
Jfdotl] die von (kill Diadien g(!liegte Böswilligkeit war von Dauer, und er entfesselte
den Wind und den Hegen. Es war des Königs Herzenswunsch, womöglich Hilfe zu bringen,
und der Drache wütete immer weiter mit seines Zornes Gift. Serh.smal fiel der sanghäräma
mit dem Stfipa in Trüiiimer, und siebenmal wurden sie wieder erbaut. Es verdroß König
Kaniska. daß sein Werk immer wieder mißglückte, und er wollte nun den See des Drachen
zuschütten und so sein Wohnhaus verwüsten. Sofort brachte er eine Kriegsmacht auf die
Beine und zog nach dem Schneeberg hin ; aber da verwandelte sich der Drachenkönig,
den tiefe Furcht packte, in einen alten lirähman, der sich mit der Stirn auf der Erde
vor des Königs Elefanten niederwaif und ihm diesen Rat erteilte: "Großer König, . . .
weshalb läßt du dich nun au!" einen Streit mit einem Drachen ein;' Zwar ist ein Drache
ein Tier niedriger Art und von böser Sorte: aber er besitzt eine große Macht, die nicht
durch Kraft zu bekämpfen ist. Er fährt nämlich auf Wolken und Wind, schreitet durch
den Luftraum und durch Wasser und läßt sich somit nicht durch menschliche Kraft be-
zwingen. Was soll also dein königliches (iemiit gegen" ihn zürnen I . . . Icli rate dir also.
o König, deine Kriegsmacht wieder heimzuführen.«
König Kaniska befolgte aber diesen Hat nicht. Sofort ging der Drache in den See
zurück: seine Stimme dröhnte, und der Donner rollte; ein Stuiinwind entwurzelte die Bäume:
es regnete Sand und Steine; Wolken und Nebel hüllten alles in Dunkel. Schrecken und
Furcht ergriffen Streitmacht und Pferde. Nun legte der König sein (Jeschick in die Hände
der Drei Kostb;irkeiten (Triratna) und bat sie um Errettung. . . . Gleich darauf stiegen auf
seinen Schultern große qualmende Flammen empor, nnd der Drache zog sich zurück ; der
Wind legte sich, die Nebel rollten sich auf, und die A\'olken gingen auseinander.
Nun befahl der König, daß jeder im Heere einen Stein auf der Schulter herantragen
sollte, um den See des Drachen vollzuschütten. Da xerwandelte sich der Drachenkönig
abermals in einen Brähman und bat den König wieder, mit den Worten: »Ich, der Drachen-
könig Jenes Sees, fürchte deine Macht und lege mein Schicksal in deine Hand . . . Baue
Jetzt den sanghäräma wieder auf, ich werde es nicht wagen, ihn umzustoßen. Entsende öftere
jemand, der das (iebirge aus der Ferne beobachtet, und wenn sich darauf dunkle A\'olken
bilden, so schlage man rasch die ghanta (Glocke); ich werde dann den Hall vernehmen, und
meine Bosheit wird aufhören. ■< Also erbaute der König den sanghäräma und den Stüpa
wiedei', und das Beobachten dei' Wolken in der Ferne ist bis jetzt nie eingestellt worden.
V.s werden in Oliina wenig Städte zu finden sein, in deren Umge-
bung keine buddliisti.schen Klö.ster oder Tetnpel, mit oder ohne ThTipa,
liegen zur I^escliützung ilire.s Fung-mi. Erst reclit i.st flas mit Peking der
Fall : auf allen Seiten i.st sein Fimg-Sui und das des Kaiserpalastes in dieser
Weise gesichert. Weitaus die meisten Klöster und Thüpas liegen dort in
den I^ergabhängen nordwestlich der Stadt, sowie in der Ebene, welclie
sich von dort bis an die Stadt erstreckt. Fast alle sind an Bächen er-
baut, dereli Wa.sser nach der Stadt hinströmt und ihr ;;JCJfl$ .<m/-wm oder
;/IC|^ i<ui-Uny, »Geist und Kraft des Wassers«, zuführen, die dann auf der
Nord- und Westseite des Palastes mittels großer Teiche festgehalten wird.
Von diesen Klöstern tnid Thüpas seien nur die folgenden erwähnt:
Dil' Pagoden in Ckvnn. S9
Die JK'J^^ P(^ ta Wu, »acht Hauptorte«.
Das ^'^z)t^ ^^ Ling-kuang se, »Große Kloster des gotteskräftigen
Lichts«, mit einem glänzend weißen, massiven Thüpa von 13 Schichten,
unten mit Laternen, oben mit Glöckchen ausgestattet. Unweit davon liegt
das ^^^ Lung-tsuan Jen, »Kloster der Drachensprudel«.
Das auf S. 46 ff. besprochene, an einem großen Bach liegende Pi'-jün-
Kloster mit fünffachem Thüpa.
Das ~h^^;^^ Si'-fanq -pu-kid se, »Kloster der universellen Weis-
heit aller zehn Weltgegenden « . Es wird landläufig ^ i^ ^ Wo-Fu se,
»Kloster des liegenden Buddhas«, genannt, weil im Hintertempel ein bron-
zenes Bild den Buddha in liegender, vielleicht schlafender Haltung dar-
stellt, mit dem Kopf nach Westen, wo das Weltlicht ins Nirväna geht.
Der Haupttempel enthält das Triratna mit Ananda, Kasyapa und 1 8 Arhats.
Der §|§f^ He'-lung tan, »Teich des schwarzen Drachen«, mit Tempel
des Triratna und noch einem Tempel mit gelbglasierten Dachziegeln, in
dem sich die Statue eines Drachengottes befindet, mit schwarzem Antlitz
und Kleidung eines Reichsmagnaten. Hinter ihm ist die Wand mit einem
Drachen bemalt, und neben ihm stehen noch einige Götter, worunter der
des Donners sich erkennen läßt. Eine in eine Steintafel gemeißelte Hand-
schrift des Kaisers Sing Tsu (K'ang-hi) verkündet, daß dieser oftmals per-
sönlich an der Stelle mit gutem Erfolg um Regen bat und deswegen diesen
Drachentempel errichten ließ. Zufolge einer ande^ren Steintafel wurde durch
kaiserlichen Erlaß des dritten Jahres K'ien-lung (1738), der hiesige Drachen-
gott in die Opferstatuten aufgenommen', mit der Bestimmung, es solle
ihm alljährlich im Frühling und im Herbst ein Staatsojifer dargebracht
werden. Den Namen »schwarzer Drache« verdankt diese Gottheit dem
Umstand, daß der dortige Bach einer der nördlichsten ist, die dem Palaste
Wasser zufuhren, denn der Norden ist mit Schwarz identifiziert. Dieses
Wasser und somit auch sein Geist (ßen) oder seine Kraft (Ung) sammelt
sich in einem künstlichen Teich vor dem Drachentempel und strömt von
da heraus der Ebene und dem Palaste zu.
Von den Pa' ta t'i'u bis hierher trägt der Gebirgsrand viele Thüpas,
die bis weit in die Ebene hinein sichtbar zind.
Das ^;^t5P ■'^ ^^^ ^^ oder »Große Kloster der Weisheit«, das schon
aus der Zeit der iiao-Dynastie (916 — 1125) datiert.
' Siehe »UniversismuS", S. 279.
Phil-hiit. Ahh. 1919. Nr. 11. 12
90 n E G R o o T :
Der Thüpa von Pa U tsuang, dessen Stellung als Schutzheiligtum
des Glücks des Kaiserhauses auf S. 41 f. besprochen ist, und der Thüpa
des Ti('n-ning-K\ostGvs (s. S. 39!'.) stehen gleicli falls je an einem Bach, der
nach Peking fließt.
Die Stellung dieser und noch vieler anderer Klöster und Thüpas als
Palladien des Fung-sui Pekings erklärt völlig, weshalb sie fast alle von
den fünf Kaiserhäusern, die in Peking oder ihrer nächsten Umgebung ihre
Hauptstadt hatten, nämlich die von Liao, Kin, Juan, Ming und Ts'lng, er-
richtet, erneuert und unterhalten worden sind. Sie haben also alle diese
Dynastien überlebt und damit den Beweis erbracht, daß Religionen und
ihre Schöpfungen beständiger und dauerhafter als Kaiserthrone sind.
Immer wurde in China die geomantische Weisheit in erster Linie ge-
pflegt und praktisch ausgeübt durch konfuzianische Schriftgelehrte, also
durch die vornehmste Klasse, die der esoterischen Lehre der ausländischen
imd daher als höchst minderwertig l)etrac]iteten Religion am wenigsten
Verständnis entgegenbringen konnte oder wollte. Unter diesen Umständen
mußten die hohen philosophisch-religiösen Begriffe, welche dereinst dem
Thüpa einen so vornehmen Platz unter den Faktoren der Geomantik ein-
geräumt hatten, auch wieder leicht in Mißachtung und Vergessenheit ge-
raten, und der Thüpa konnte also entarten zu einem Werkzeug, dessen
die Geomantik sich zwnr noch immer in unvermindertem Maße bediente,
jedoch zu viel einfacheren und gemeinverständlicheren Zwecken. I nd so
ist es Tatsache geworden, daß man bis auf diesen Tag schlechthin Pa-
goden als Gegenstände zur Sicherung des Glücks ihrer Umgebungen er-
richtet und unterhält, ohne daß an ihre tiefe, vom Weltgesetz bedingte
Grundbedeutung noch jemand denkt. Ohne Rücksicht auf Mönch tum, Klöster
und Buddhismus bestimmt es der Geomant, an welcher Stelle sie zu er-
richten sind, z. B. um Bodenerhöhungen zuzuspitzen und dadurch das Ele-
ment Feuer darstellen zu lassen; oder um verderblichen Einflüssen den
Weg durch die Luft zu sperren; oder um //«-Eintlüsse durch die Jang-
Kraft einer in der Pagode angebrachten taoistischen, konfuzianischen oder
buddhistischen Götterfigur zu mildern, fernzuhalten, zu vertreiben, zu ver-
nichten ; und da nun der zuletzt genannte Zweck der Zweck der (TÖtzenhäuser
Chinas überhaupt ist, so stehen wir vor der Tatsache, daß die (Jeortiantik
das höchste Heiligtum des Maliäyäna zu dem Rang gemeiner Götzentempel
erniedrigt hat und zahlreiche Pagoden entstehen ließ, auf die sogar die
Namen Thüpa und buddhistisch nicht mehr zutreffen.
Dir Payuiien in Cldiid. 91
( )benan in dieser Klasse der Fimg-sui-Pdigo(i&i\ stehen die, welche der
konfuzianische Gelehrtenstand zwecks Förderung der klassischen (Gelehr-
samkeit zu errichten und zu unterhalten pflegt. Manche Stadt besitzt eine
solche, deren Wirkung sich über den ganzen Bezirk oder Kreis erstrecken soll,
dessen Verwaltungssitz diese Stadt ist. In der Regel steht sie in oder
neben dem Exaniinierplatz oder beim Konfuziustempel. Die Zahl der Stock-
werke oder (Gliederungen geht selten über drei hinaus. Im Erdgeschoß
oder im Stockwerk befindet sich ein Altar mit einer Statue des ^^
K'wei-sing, eines der Schutzgötter der klassischen Studien, der mit einem Stern
des i\ Tfm, des Siebengestims, identifiziert wird; oder er trägt das Bild des
neben dem Siebenge-stirn stehenden Sternbildes ^ ^ Wen-Wany, das
auch ein Schutzgott für Gelehrsamkeit ist und im Pantheon der Staats-
religion einen Platz einnimmt'. Diese Pagoden sind somit reine Nach-
ahmungen der Thvi[)as des Weltgesetzes, nur daß an die Stelle des Lichts
des Weltalls das des Ton trittj des wichtigsten Sternbildes des Himmels, das,
nach altchinesischer philosophischer Darstellung, durch seinen jährlichen
Kreislauf um den Pol die Jahreszeiten, also das Tao, den Gang des Welt-
alls, regelt*, dessen Hen-schaft nach klassischen (rrundsätzen auf dieser
Erde durchzuführen höchste Aufgabe des daher ausschließlich in klassischer
Weisheit zu erziehenden Kaiser- und Mandarinentums ist'.
Außerdem schmücken bis zum heutigen Tage -Fw?^5'-l'^Mi!- Pagoden »die
Landschaften des Reichs der Mitte allüberall. Zu ihnen gehört wohl die
Obergroße Mehrzahl der minderwertigen Klasse, ohne Balkone und ohne
vorpringende Dächer, von denen auf S. 13 die Rede gewesen ist. In jedem
(Grad der Vernachlässigung und des Verfalls; von Regen und Frost be-
schädigt; überwachsen mit Moos und Unkraut; überwuchert von Sträuchern,
die sogar aus den Fenstern wachsen; die Mauern gespalten durch Erd-
beben und Blitz; die Böden und das Dach wurmstichig und morsch, so-
gar so, daß der ganze Turm sich wie ein Fabrikschornstein von unten bis
oben durchschauen läßt — so stehen sie kränkelnd da, bis Sturm und Erd-
beben sie vernichten, oder das Volk, um sein Fvnghii, sein (iGlück, zu retten,
(Gelder zusammenbringt imd die Reparatur oder Erneuerung in die Hand
nimmt.
' Über diese Gottheiten s. •Universismus«, S. 287 und die dort zitierten Schriften.
» Vjjl. -The Keligious System of China-, Bd. I. S. 317 f.
' Hierüber Nähere.s in •UniveisisniiiS", S. 7,5 fl'.
12*
92 I) E G R O O T :
- Wohlbegreiflicli werden Fung-Sui-Tagoden vornehmlich bei Städten
und Städtchen gefunden, wo eine größere Menschenzahl sich ßir ihre Er-
haltung interessiert und somit Beiträge für den Unterhalt sich leichter zu-
sammenbringen lassen. In vielen Fällen sind in ihrer unmittelbaren Nähe
noch Klostergebäude oder Ruinen und Spuren davon zu finden. Häufig
stehen sie an Flüssen, zur Normalisierung des Wasserstands, damit der
Schiffsverkehr keiner Hemmung unterliege. Nicht selten sind recht groteske
geomantische Anschauungen mit ihrer Errichtung verknüpft. Beispielsweise
hierüber folgendes: Die Bezirkshauptstadt ^^J'H Ts'tmn-tSou in Fu-klen hat
innerhalb ihrer Mauern zwei schöne, fünfstöckige, gleiche und gleich große
Pagoden, der Stolz der Stadt, wahre Granitkolosse, die beiderseits des
^7^ K' ai-Juan-Klostoss hoch emporragen (Taf. III i, zu S. 9). Sie waren,
(^- ^j'N/M'/^> Ts'uan-tsoufu tsi, »Gedenkschriften des Bezirks Ts'uan-Uou*
K. 16, Bl. 1 9), ursprünglich aus Holz; die eine hatte im Jahre 865 neun Stock-
werke und im Jahre 1020 dreizehn; die zweite wurde errichtet unter der
Regierung von BEI^^D ^<ing Sen-Ui, der von 897 bis 925 in ^]\\ Fu-
tiou herrschte als König von Fu'-tsou und von Kim-tSou (jetzt 5^ ^ Kien-
ning in NO Fu-kien), also von Fu-Kien. In der Periode ^Ä Sao-hing
( 1 1 3 1 — II 63) wurden die beiden Türme in Backstein aufgeführt. Der Über-
lieferung zufolge hatte im Jahre dazumal die Stadt die Gestalt eines Fisches
imd wurde daher von der unweit gelegenen Stadt ^^ Jung-U'un, welche
die Form eines Netzes hatte, häufig überrumpelt und geplündert. Ver-
nünftigerweise wurde dann diesem Übel abgeholfen durch den Bau der
zwei Pagoden; denn nunmehr war das Ziehen des Netzes über die Köpfe
der Bewohner eine Unmöglichkeit.
Nicht bloß hat die Geomantik den Thüpa von seinem hohen Stand-
punkt als Leuchtturm des Weltgesetzes herniedergezogen; sie hat ihn auch
noch seines Charakters als Götzenhaus beraubt. Sie hat nämlich viele
Pagoden errichtet, in denen von einem Götterbild oder Altar oder von
irgend etwas, das an Religion erinnert, keine Spur zu entdecken ist. Be-
kanntlich gibt es überdies Aussichtstürmchen, Pavillons, Teehäuser, Zier-
bauten verschiedener Art usw., die das Volk t'a, der Ausländer Pagoden
nennt, die aber in Wirklichkeit nichts außer der Gestalt mit dem Thüpa
gemein haben.
Die Pagoden in China.
D3
Sach- und Wortreg-ister.
Adibuddha, 29 f., 49, 60.
Ananda, 47.
Aryasatyäni, 77.
Araneikönig, Arzneimeister, die Sonne, 50,
58f., 61, 82.
Asoka, ;9, 22 ff". S. Thüpa's.
Avalokitesvara, 24, 47.
Baum der Weisheit, s. Bodhibaum.
Bilder von Heiligen sind beseelt, 36 f.
Bcidhi. Weisheit. Intelligenz, 21, 30, a, 57.
Ein Reich, 27.
Bodhibaum, 27, 32 f., 43, 46, 54.
Bodhidruma, s. Bodhibaum.
Bodhimanila, 46, 47.
Bodhisattva, 4, 30 ff., 33.
Bodhyanga, 77.
Borobudur von Java, 48.
Brahma, 31.
Brahmaloka, 76.
Buddha. Verkiinder des Dharma, des Welt-
licht.s. 29. Mit Dharma eine Zweieinigkeit,
30, 36, 57, 60. Seine Verbrennung, 22, 57 f-
Reliquien, 2, 23, 27 ff., 58; s. Sarira.
Buddhas und Bodhisattvas, Lichtgötter, Son-
nenperioden, Tage, 29 f., 56ff".
Buddha-Saal im Kaiserpalast, 28.
Buddhismu.s, eine universistische Religion, 83 f.
Bud-kütägära, I, 2.
Caitya, 7, 17," 25, 59.
Chot«n, 27, 73, 87.
Dagob, dhätugarbha, 3, 9, 18.
Dänapati, 68, 85.
Dhärani, 81, 83.
Dharma, s. Weltgesetz.
Dharmacakra, 77.
Dharmaräja, 29.
Dhätugarbha, s. Dagob.
Dhyäna, 36.
Dhyanibuddhas, 47.
Divyacaksus, 76.
Drachen. Regen- und Wassergötter, 86 ff., 89.
In Indien, 87 f.
Erlösuiigsversammlung, 24f., 27.
E^soterische Kirchenlehren, 21, 29ff., 5off.,
56 ff., 59, 79.
Existenzen Wandlungen, 74 ff.. 781".
Fa'-hi6n, 2, 5, 7, 18.
Fa-juan tiu-lin. 7, 65.
Fan wang king. 31, 3 3 f.
Feuerbestattung, 3, 6.
Friedhöfe fiir buddhistische Geistliche, 5.
Fu-nan, Cambodja, 23.
Fung-sui, s. Geomantik.
Gebote, zur Heiligmachung, 31. 33 t'.. 49.
Geomantik, Fung-sui. 81. Verwertet Klöster
und Thüpas. 84 ff., 88 ff.
Ghanta, 66. 88.
Grab. Ein Heiligtum, 3, 7. Buddhistischer
Mönche, 6.
Grabmonumente, s. Külya, Thilpa.
tlan Ja, 28.
He-lung tan bei Peking, 89.
Himmel. Die 13 Bodhisattva — , 29. Der
Akanistha — , 29. Die 33 — , 51.
Hölle, 23 f., 64 ff., 79.
Ilüm-tsuang. 18. 87.
Hung/an, 42.
Jambudvipa, 23.
Jarig, das Licht der Welt, 361'., 38, 85.
•lang Jen-tii, i.
1)4
1) K G I! f) <) T :
.Ictavaiiii. 1.
.Tin. 36. 38.
Jiu-jang tsatsu- 6.
./(/, 42.
Kaniska. 65, 87 f.
Kao sang t^umi. 18.
Kao Tsn, s. Wu.
Kasyapa, 47.
Kiang-ning fu iüi, 1 1 .
Kien-jS, jetzt Nanking, 18. 27.
Kiän-wen. Kaiser, 23.
Klöster. Anstalten zur Seligmachung, 34, und
zur Eintsendung des Lichts der Lehre, 34 f.
Bau nnd Unterhaltung, 68. Regulatoren von
Hegenfall und Wasserströmen, 86 fl'.. auch
in ludien, 871'. Verwertung durch die üeo-
mantik, 84 ff., in der Umgegend Pekings,
89 f. Das Hauptgebäude, 36. Die große
Glocke und ihre erlösende Wirkung. 63 ff.,
67. Der Abt, 68. Zeremonienmeister und
Unter — , 69.
Koufuzianisnius, 83.
Kuan-(si)-jiri, 24, 47.
Killya, 3.
Kumärajiva, 50.
K'wei-singj^chuiigoil für klassische Studien,9 1 .
Leichenverbrennung, 3, 6.
Leuchten ist I'redigen, j,:^.
Liang-sn, 22.
Licht, s. Buddhas.
I^'ngy 4> Ji 37. 85.
Ling-t'a, 26.
Liu-li, 12 f., 24, 51. 54.
Liii Sa-ho, 23, 25.
Lo'-jang, i, 14, 27.
Lo'-jang lea-lam k>, i, 14, 27.
LoÄana, 31 ff., 56, 60.
Lotusterrasse des Weltgesetzes. 31 ff., 39, 49.
Lutig. Lung-wang. 86 ff. S. Di'acheu.
Mägadha, 46, 47.
Mahäbrahma, 31.
Mahämoksaparisad, 24. S. Krlösungsversamm-
lunu.
Mabäpratibhäna. 52.
Mahäyäna, 3, 4, 34.
Mahe.svara, 31.
Maitreya, 47.
Mauusibuddhas, 68, 8r.
Mära, 30, 64.
Miao-fd lien-h\M king, 50.
Ming, Kaiser der Äan-Dynastie, i, 19, 30.
Mung Hang lu. 83.
Naksatraräjasamkusumitäbliijna, 58.
Nanking, zweite Reichshauptstadt, 12.
i\o« H, Geschieht« werk, 18, 64.
Nan-Ts'i SU, Geschichtswerk, 17.
Naturgötter, 37.
Nirmänarati, 76.
Nirväna, 30, 52, 55, 57 f., 59.
Pagode. S. Tlulpa ; Bud-kütagära.
Polytheismus, 36.
Po-tsang ts'ttng-/in ts'ing hcei, 64, 66, 71.
Prabhütaratna, 52.
Prägbodhi, 46.
Predigung der Lehi-e, eine Pflicht, 34.
Propaganda, 34.
Piit-kuo ki, 2.
P'u-tö, Thüpa, I f
P'u-t'u. 42.
Rad der Weltoi-dnung, Dhai-macakra, 26, 30,
35' 73f-i 75» 77- Kad der Kxistenzea, 66, 70,
74ff., 78.
Ratnavisuddha, 52.
Reliquien, 3f. 7 f. S. Sarira"s.
Rddhipäda, 77.
Sahä-welt, 54 f., 71.
Samädhi, 30, 36.
Samyakprahäna, 77.
Sangha, 36.
Sangha Pao-tsi. 64.
San pao, 36. S. Triratna.
Sarg für buddh. Geistliche. 6.
Sariputra. 74.
Sarira's. 4, 6f. 8. 13. 24f.. 26f.. 61; leuchten,
19 f.. 22, 24. 26: sind unverletzbar, 2off. :
Die Pagoden in China.
95
vom Kaiser verehrt, 25, 26 ft'.: Teile des
• leuchtenden Weltgesetzes, 21, 29, 58 ff.. 73,
S. Reliquien.
Sat. Caitya, 7 ; Gipfelstaiige der Thfipa's,
14. 17. !
.Schriften, heilige. Leuchten i. Verehrt wie
Buddha, i. Auf Thüpa's gemeißelt, Sott'.
S. Sütra's.
Seele bleibt Ijeim Körper im Grab. 7.
Seligmachung, 33f.. 57 ff". Höchste Pfliclit und
höchstes Ziel, 3, 4. 49.
S^. 4. 7, 36 f.. 85.
Si-tiu. dfiiiapati. 68.
.Sietengestirn. 91.
.Singhala. 7.
.Smrtyupastbäna, 77. i
Sonne, ein Bodhisattva. 31. 58 f. S. Buddha.
Stupa, 3. S. Thfipa.
Sütra's. Leuchten, i, 26. 31. Pflicht sie zu j
drucken und zu verbreiten. 34. Vajrasütra,
12. .Sanghasütra, 23. Frajnasütra. 25 f.
Saddharmapundarikasütra. Lotussütra. 50 f1'.,
56. 6of. Brahniajälasütra, 31 ff., 34. 56.
Vajraprajüapäramitäsntra, 83. Sütra des
Saniädhi des Buddha, 23; — der Umgänge
nm die Thüpa's herum. 73(1'.: — der (Je-
lübde des Aiv.neimeisters. 82.
Suddhodana. 44.
Sui-liny, sui-sfri, 88.
Sun K'iien, 18 ff.
Sun Th'fn, 23.
i>un-t'i(n fu tsi, 40.
Td-tiu, 68.
'/"a/-//(>?y-Aufstand. 12.
Tao. Der Weg zur Heiligkeit. 34. Der Gang
des Weltalls, 83, 91.
Taoismu.s, 83, 86.
T'ap, Tap-po, Thüpa. 2, 7.
Tatbägata, 56.
Thüpa's. Grabnionumente, 1 fl'.. 4, 10, 26.
Stange. 4 f., 10 f.. 12. 17. Unterteile von
liiiddh. Klö.stern, i. 16 f. In Indien. 3, 5,
18. Für die Asche des Buddha, 21 f. Für
N'ichtgeistliche, 8. In Urnengestalt, 5, (>, 82.
P'ür Reliquien des Buddha, 9 ff., iBfl'., 28.
40. 57 f. Für Reliquien des Dharma. 59.
Erster Ordnung, 9ff.; ihr Alter. i4ff. tie-
ringerer Ordnung, 13, 91. Darstellungen
der Lotusterrasse des A\'eltgesetzes. 39, 4 1 .
43 f. Leuclittüime des Weltgesetzes, des
Dharma. des Weltlichts, der Lehre des
Buddha, 21, 26. 29ff.. 38. 41, 49, 58, 6of..
73. Darstellungen der Himmel, 29. 3B: des
Weltalls, 29. 38. 45, 51 fl'.. 56, 59 f., 73.
Höhe, 14. Ungerade Zahl der Gliederungen,
14, 38; der Heiligenbilder, 45. Asoka — .
19, 22. 23 f., 57. 84000—. 19. 22 f., 57,59.
Hoch, groß, zahlreich, 21 f.. 44. 52!'., 6of'.
Leuchten. 18, 25f'., 62ff. Zahli'ciche Heiligen-
Statuen, IG, 13, 38f., 41 ff., 47 f. Zahlreiche
Glöckchen, 12I'., 15, 41, 51. 59, 62 ff.. 67.
Lampen und Laternen, 12 f., 40. 67 f. Aus
Holz, 16; aus Stein, i6ff. ; aus Metall. 83.
Verehrung und Opfer dargebracht 61 f.,
69fr., 72 f., 74. Beleuchtung, 670"., 70, 73,
79f.Beweihräucherung,69. Umgänge,69,72f'.
Der Porzellanturm Nanking.s, 10 ff. Der
Thüpa vom Pete, 10: von Kiu-ti&u, 11:
des T'/^-n/n^-Klosters, 39ff. ; von Pa'-li-
tSuang, 41 f.: von Pu-t'o, 42 (f.: des Tiim/-
A-jV-Klostei-s ( Wu-t'a se) 44 ff. ; der lama-
istischcn Klöster bei Peking,^82 f. : des P/'-
_;«?i-Klosters, 46ff. ; von Tsuan-Uou, 92;
von Idikiit-sehari, 48: von Kajingara, 48;
von Gandhära 63. Der Borobudur. 48 f.
Kleine mit Sütratcxten und dhärani's.
Soft'.; der sieben Mänusibuddhas, 81. Con-
fuzi.inische, 91. Verwertung der — durch
die Geomantik, 84!'., 88ff. ; in den Um-
gegenden Pekings, 89 f.
Tjandi Mendut und TJandi Pawon, 49.
To-pao, das Weltgesetz, Dharma. 52 ff., 56,
60, 69 f., 73.
Tou, das Siebengestirn, 9 1 .
Triratna, 36, 82.
T/i'ang-nyan. 28.
Tse-kiang t'ung tm. 79.
Ti'eniv, (Jeschichtswerk, 27.
Ti'ing Tsu, Kaiser, 1 1 1'., 46.
Tntig-.si, Sachwalter, 85.
yC)
DE G R o o T : Die Pagoden in China.
Überreste der Toten hüben (ieist und Seele,
4, 7, 22.
Universistische Religion, 36, 83 f.
Urnen für verbrannte Leichen, 6.
Vajra-thion, Vajrasana, 46 f.
Vasavartin, 76.
Vimalanntra, 76.
\yei-ma Klosterzevemonienrneister, 66, 690".
Wei SU, Geschichtswerk, 22.
Weltall. Religion des — s, 83. Seelen des
-s, 36.
Weltgegenden. Könige der vier — , 12, 35,
38 f., 43. 51-
Weltgesetz, Weltordnung, Dharma, 21, 26,
29 f., 32 f., 36, 49, 56. Seine Lotusterrasse,
31 ff., 39, 49. Ursprung der Buddhas, 32 f.
Seine Verbrennung und Sarira's, 58 f. S.
Rad, To-pao.
Weltthüpa, 29, 51 ff., 56, 60.
Wen-ts ang, Schutzgott für Gelehrsamkeit, 91.
Wesensliebe, 72.
Wu, Kau Tsu, Kaiser der -Ltan^-Dynastie, 22 f.,
26, 64.
Wünsche zur Förderung des Heils der Wesen,
64 ff., 69, 7 2 f.
Wu-t'a se, 44.
Wu th, Geschichtswerk. 23.
fierlin, gedruckt in der Reichsdnickerei,
ABHANDLUNGEN
DER PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
JAHRGANG 1919
PHirx)SOPHlSCIi-HIt;TORISCIlE KI.A8«E
Nu. 12
EXZERPTE. AUS PHIEONS 3HXHANHv B.VHUNDVHl
(VULGO FÜNFTES BUCH)
(JRIECHISCH UNI) DEUTSCH
VON
H. DIKLS UND K. SCHRAMM
BERLIN 1920
VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
IN KOMMISSION BEI DER
VEHl-aNlGUNC WISSKNSniAlTIJCHER VEIU.EGEK WALTER DE (iRUYTER U. CO.
VOBMAI.S (;. J. liitSI llKNSl HK VKRI.AIISIIANDU Nd. J. Ul TTraTAU. VKKl.AliSlil lIlllANm.I N(i.
<iKOKIi UaHUI. KAIil. J. TKÜDMiK. VKIT V, (Olli'.
Vorgelegt in der Sitzung der phil.-hist. Klasse am 23. Oktober 1919.
Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 22. Januar 1920.
VORWORT.
Unter der falschen Bezeichnung »Fünftes Buch« geht seit Thevenot's Editio
princeps* eine Samndung von Exzerpten aus Philons Mhxanikh cyntaiic
Buch VII riAPACKeYACTiKA (Vorbereitungen zur Städteverteidigung) und VIII
TToAioPKHTiKÄ (Städteverteidigung und Städtebelagerung), die noch mehr als
die Exzerpte des vierten Buches (BeAonoiiKÄ) durch die Schuld des Exzerptors
und der Al)schreiber gelitten halben. Daher ist für den Bearbeiter des Textes,
der eine der deutschen Übersetzung entsprechende Form des Originals zu
geben beabsichtigt, noch mehr als dort eine eingreifende, ändernde und
ergänzende Bearbeitung der griechischen Überlieferung nötig gewesen. Als
Grundlage diente den Herausgebern auch hier der urkundliche Text von
Richard Schoene, dessen Rat wir auch in diesem Buche dankbar öfter ein-
holen durften. Außerdem durften wir eine handschriftliche Ausgabe, Über-
setzung und Erläuterung des die Anlage von Festungswerken betreffenden
Abschnittes (I p. 79 — 86, 21 Th.), die Hr. Ernst Faüricius im Jahre 1886
geschrieben hat (im Besitze der Bibliothek der Kgl. Museen zu Berlin), be-
nutzen; sie hat uns manche wertvolle P>läuterung des schwierigen und oft
schwer entstellten Textes gegeben. Auch ihm sind wir herzlichen Dank schuldig.
H. DiELS.
TECHNISCHES VORWORT.
Aus einem Lehrbuche über Vorbereitungen zum Festungskrieg und
Durchführung desselben in Angriff und Verteidigung kann man ebensowenig
wie aus einem Lehrbuch über Befestigungskunst ersehen, wie die Festungen
eines Landes zu einer bestimmten Zeit ausgesehen haben, selbst wenn das
betreffende Lehrbuch das trace (der Ausdruck »Bauart« ist nicht vollwertig
' Über die Renai.ssanceabschriften, welche den falsclien Titel riilireii, v^l. die kritisclieii
Anmerkungen.
1*
4 Die LS und E. Schramm:
dafür) dieser Festungen genau beschreibt und sogar in Plänen beifügt.
Denn eine Festung ist nie fertig. Teile derselben sind immer entweder
im Neu- oder Umbau oder projektiert. Außerdem gelten die im Lelirbuclie
dargestellten Befestigungssysteme nur für die Hauptangrifisfronten, während
auf den nicht wahrscheinlichen AngrifFsfronten die Werke schwächer sind
imd daher anders aussehen.
Nur um Einwänden vorzubeugen, sei erwähnt, daß, wie alle Regeln,
auch diese eine Ausnahme hat: Das tracc einer Front der Festung Neu-
Breisach ist in Cormontaignes ffiuvres posthumes angegeben. Da nun die
Festung, die völlig in der Ebene liegt, eine spätere Kanaldurchführung ab-
gerechnet, nach allen Himmelsrichtungen hin absolut gleicli ist, kann man
aus dem Grundriß einer Front den der ganzen Festung ersehen.
Sammelwerke, die .Stadt- und Festungspläne bringen, wie z. IJ. Merian,
sind nicht genau und zuverlässig in iliren Angaben. Die Festimgswerke
sind vielfach durch Phantasie ergänzt, oder Projekte als ausgeführt dar-
gestellt, die später wieder fallen gelassen oder in anderer Form aus-
geführt wurden. Ist der Schriftsteller Soldat, so ist er durch das Dienst-
geheimnis in seinen Veröffentlichungen eingeschränkt, ist er nicht Soldat,
so weiß er auch nicht genügend Bescheid, und dann verdeckt die Phantasie
den Mangel an Kenntnissen.
Philons Werk Mhxanikh cyntaiic bringt im 7. Buche TTAPACKeYACxiKÄ
und im 8. Buche FToaiopkhtikA unter anderem auch Beschreibungen der im
3. Jahrhundert v. Chr. üblichen Befestigungsysteme (die zugehörigen Zeicli-
nungen sind verloren) ohne Namensnennung (mit Ausnahme von Rhodos
und Megalopolis) der Städte, bei denen sie angewendet waren. Dazwischen
flicht er seine eigenen Vorschläge, ohne sie als solche kenntlich zu machen.
Von den Beschreibungen Philons passen tatsächlich auch einige auf ein-
zelne Teile der noch in Resten vorhandenen altgriechischen Städtebefesti-
gungen z. B. Priene, Herakleia, den P'.uryalos in Syi'akus und die Byrsa
von Karthago ; andere wieder nicht, denn die eigenen Ideen Philons scheinen
wie auch seine Geschützverbesserungsvorschläge wenig Anklang gefunden
zu haben, soweit wir aus den erhaltenen antiken Resten von Stadtbefesti-
gungen schließen dürfen. Sie sind auch schon an ihrer ^'erschrobenheit
leicht kenntlich.
Die Grundprinzipien der Befestigungskunst sind seit vorgeschichtliclien
Zeiten unwandelbar dieselheu geblieben, doch ist ihre Anwendung auf die
Exzerpte aus Philans Mechanik. 5
Praxis nicht immer mit gleicher Schärfe durchgeführt. Der Hauptzweck einer
jeden Festung: Sicherung des Ortsbesitzes durcli ein Minimum von Kräften,
kommt nicht bei allen Festungen in gleich zielbewußter Weise zum Ausdruck.
Starke Festungen sind sehr teuer und veralten im Laufe der Jahre,
weim sie nicht unausgesetzt mit den Verbesserungen der Angriffsmittel
gleichen Schritt hfdten; eine Festung, die zu einer bestimmten Zeit für
uneinnehmbar galt, fällt dann vielleicht wenige Jahre nach ilirer Vollendung
dem Feinde, der über verbesserte Angriffsmittel verfügt, überraschend
schnell in die Hände.
Bei den griechischen Festungen zu Philons Zeit sorgte jede Stadt selbst
fiir ihren Mauerschutz. Die eine Stadtregierung war nun einsichtig und
vorsorglich und baute ihre Mauern stark und dauerhaft, die andere war
leichtsinnig, tat wenig für ihre Sicherheit und behalf sich damit, erst
im Falle einer Bedrohung für die Insüuidsetzung der Umwallung zu sorgen.
Zu dieser Instandsetzung gehörte, abgesehen von der WiederluTstellung
schadhafter Mauerstellen, eventuell auch das Abnehmen hölzerner Dachungen
auf der Angriffsfront zur Verminderung der {"euersgefahr, ferner das Aus-
heben eines oder melirerer Gräben oder, falls solche schon vorhanden. Ver-
tiefen derselben, Herstellung von Palisaden im gedeckten Wege in den
Gräben und auf den Vorwerken, Instandsetzen oder Anlegen von Dornhecken
und Verhauen, Herstellung von Gegenminen und endlich die Instandsetzung
der artilleristischen und fortifikatorischen Armierung aller Art.
Manche Städte nahmen erfahrene und l)erühmte Techniker als Fostungs-
baumei.ster an, andere verließen sich auf Stümper. Genial geleitete Angriffe
und Verteidigungen wechseln ab mit kraftlosen Belagerungen und feigen,
mutlosen Kapitulationen beim ersten Ansturm.
Wie auch in den späteren Jahrtausenden sind beim Bau von Stadt-
befestigungen 2 wechselnde Strömungen erkennbar: einerseits Ausbau einer
einzigen, aber möglichst stark<'n Verteidigungslinie, die mit allen Kräften
und Mitteln gehalten werden soll, anderseits Ausbau mehrerer Linien
hintereinander, um den Feind zu zwingen, gegen jede einzelne Linie einen
erneuten Angriff durchzuführen. Als Mittelding ist die auch von Pliihm
erwähnte Methode zu betrachten, ein starkes Vorwerk fvir die Masse der
Artillerie herzustellen, hinter dem die Stadtmauer das Reduit bildet, von
dem aus bei Verlust des Vorwerkes die Wiedereroberung desselben erfolgen
.soll. Für alle 3 Methoden gilt aber der gleiche Grundsatz: Umgestaltung
6 Die LS und K. Schramm:
des vorhandenen Geländes derart, daß es dem Verteidiger möglichste Vor-
teile, dem Angreifer möglichste Nachteile^ bietet.
Zu allen Zeiten waren aus diesem Grunde folgende Anforderungen an
ein Festungswerk gestellt:
1. Überhöhende Stellung des Verteidigers gegenüber dem Angreifer,
um ihm gute tlbersicht, Überlegenlieit seiner Waffenwirkung und Beein-
trächtigung der Waffonwirkung des Angreifers zu gewährleisten.
2. Herstellung eines sturmfreien Hindernisses Aor der Verteidigungs-
linie, das vom Angreifer nur im unmittelbaren Wirkungsbereich der Ver-
teidigungsmittel zu überschreiten ist.
3. Herstellung eines gedeckten Weges vor diesem Hindernis, von dem
aus das nächste Vorgelände gut zu übersehen ist, und das zu diesem Zweck
durch Herstellung eines Glacis geebnet wird. Denn es ist bei einer Be-
lagerung besonders wichtig, stets in unmittelbarer Fühlung mit dem Feind
zu bleiben, um jede seiner Maßnahmen sofort zu erkennen, oder noch besser,
schon vorher zu erraten.
4. Sicherung- der personellen und materiellen Verteidigungsmittel gegen
die Waffenwirkung des Angreifers.
Da die Lösung dieser Aufgaben in der verschiedensten W^eise erfolgen
kann, da aucli das Gelände der einzelnen Festungen ein sehr verschiedenes
ist, so erklärt sich ohne weiteres, daß es nicht zwei Festungen auf der
FA'de gibt oder gegeben hat, die sich auch nur annähernd gleich sind.
Das Gebiet der Befestigungskunst ist aus diesem Grunde ein so rie-
sengroßes, daß sich der Nichtfachmann keinen richtigen Begriff davon
machen kann.
Das Studium vorgeschichtlicher Befestigungen kann nur in der Beur-
teilung der noch vorhandenen Reste bestehen. Das Studium der frühge-
schichtlichen Befestigungen und der dazu nötigen Kampfmittel wird zwar
erleichtert durch die vorhandenen Berichte der Kriegsschriflsteller, aber
gleichzeitig durch dieselben Berichte auch erschwert, denn die Angaben
der Kriegsschriftsteller lassen in bezug auf Glaubwürdigkeit oft und viel
zu wünschen übrig, imd da einer von dem anderen meist kritiklos abge-
schrieben hat, so haben sich die gleichen falschen Angaben durch Jahr-
tausende erhalten.
Ein Beispiel Avird besser überzeugen als lange Auseinandersetzungen:
Auf Bild I sind die Türme des Diades vor Tyros und die Helepole des
Exzerpte aus Pldlons Mechanik.
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Bild I ii.
Epimachos sowie der Widder des Hegetor vor Rhodos dargestellt; alle in
dem gleichen Maßstah i : looo. Bei der Belagerung von Tyros sind gegen
die nach Arrian W. 3 1 2, 13 150 Fuß (44.4 m) über dem Meere gelegene
Stadtmauer zwei Belagerungstürme, von Diades und Charias konstruiert,
vorgeschoben worden. ¥.s muß die größere, zwanzigstöckige Art gewesen
sein, wie sie uns der Anonymus beschreibt, falls die angegebene Stadtmauer-
höhe auf Wahrheit beruht. Das läßt sich nicht mehr nachprüfen, da die Insel
durch vulkanische Einflüsse verändert ist. Mit Staunen und Hochachtung muß
es uns erfüllen, wenn wir diese Leistung bedenken, denn so unwahrscheinlich
es klingt, es muß in diesem Falle doch zugegeben werden, daß es der antiken
Technik tatsächlich gelungen ist, diese Riesentürme nicht nur in Höhe ^ on
53.2 m zu bauen, sondern sie auch auf einem frisch im Meere geschütteten
Damm auf Rädern l»is an die Stadtmauer vorzuschieben. In dieser Stellung
mußten sie gegen den Winddruck durch festverankerte Taue gehalten werden,
damit sie nicht umfielen. Die relative Höhe kann nicht übertrieben sein, da
sie die Stadtmauer ja überhöhen mußten. Die Geschützausrüstung, die selbst-
verständlich nur in den obersten Stockwerken Zweck hatte, kann aber
Exzerpte ans P/iilons Mechanik. U
nur eine leiclite gewesen sein. Während in diesem ersten Beispiele die An-
gaben der Kriegsscliriftsteller in der Hauptsaclie auf Wahrheit beruhen
können, sind dagegen die Angaben über die Helepolis des Epimachos, die
vor Rhodos zur Anwendung kam, offenbar übertrieben. Die Befestigung
von Rliodos ist auf Hihi i in einer Stärke und Höhenprofilierung dar-
gestellt, wie sie nur im allergünstigsten Falle gewesen sein könnte. Warum
also die riesenliaften Dimensionen der Helepolis gegenüber der niedrigen
Stadtmauer, die ja nur wenig überh()ht xu werden brauchte? Schwere
(beschütze bei ebenem Gelände in einen Wandelturin zu stellen, hat docli
auch seine Beilenken. Gewiß war es von Vorteil, daß die schweren Palin-
tona horizontal abgeschossen werden konnten. Sie hatten dadurch eine
viel größere horizontale Durchschlagskraft uiul konnten die Wehren leichter
abkämmen. Anderseits belasteten die schweren Geschütze die Helepolis
übermäßig und machten sie schwer beweglich. Die Bedienung der Geschütze
in dem engen Turmraum war schwieriger als auf einer Bettung auf ge-
waclisenem Boden, die Munitionsversorgung im letzteren Falle erheblich
leichter. Die Geschützverteidigung der Festung richtete sich konzentrisch
gegen die Helepolis, wälirend letztere ihre Wirkung exzentrisch verteilen
mußte, falls sie nicht durch Artillerie außerhalb der Melepolen unterstützt
wurde. Die gesamte Angriff'sartillerie in Batterietürme stellen zu wollen,
vor allem nur in einem einzigen, wäre ein Mißgriff" gewesen. Von großem
Vorteil war aber eine Helepolis einmal zum Leiten des Einschießens der
Angriff'sgeschütze, dann aber auch zum Aufstellen leichter Ge.'jchütze von
großer Treffähigkeit zum direkten Schuß. Durch keine der Anforderungen,
die zu diesen beiden Zwecken an die Helepole gestellt werden müssen,
sind aber so riesige Abmessungen erforderlich, und es ist deshalb anzu-
nehmen, daß dieselben stark übertrieben sind.
Athenaios sagt W. 27, 7 von der Helepolis des Epimachos: Eine Stein-
kugel von 3 Talenten (78 kg) kann ihr nichts anhaben. .leder Leser nimmt
als selbstverständlich an, daß die Khodier mit dreitalentigen Geschützen
dagegen geschossen hätten. Philon belehrt uns aber 91, 27, daß die Stein-
kugeln aus Rinnen abgeworfen wurden. Diese Angabe ist geeignet, unser
Staunen über die Wi<lerstandsfahigkeit der Helepolis herabzudrücken.
Außer der Helepf)lis sind g<'gen die Mauer von Rliodos zwei Widder
zur Anwendung gekommen. Dieselben sind vcm Hegetor von Byzanz kon-
struiert, und .sollen jeder eine Länge von 120 Ellen (53.2 m) gehabt haben.
PhU.-hist. Ahl.. J!H!). Nr. 12. 2
] 0 D I E r. s und K. Schramm:
Jeder dieser Riesenwidder trug ;iii der Spitze eine Art Fallbrücke oder Stiege
(Anon. 230, II Wesclier) oder aber einen lunarm zum Werfen von Netzen
(Anon. 252,17 W.). Warum diese Riesendimensionen des Widders gegenüber
einer Stadtbefestigung, die zwar damals als besonders stark galt, die aber
gegenüber diesen ungelieurpn Angriffsmitteln kläglich erscheint? Gewiß,
man kann zu einem Angriff niemals zu stark sein, aber solche übertriebene
Kraftvergeudung ist durchaus unlogiscli und deshalb auch unwahrschein-
lich, denn nach dem Größenverhältnis der Widder gegenüber den Tüi-men
oder Mauern der Stadt müßte man annehmen, daß ein einziger Widder-
stoß genügte, dieselben zu durchbrechen. Also liegen jedenfalls auch Mer
übertriebene Größenangaben vor.
Da nun der der Anonymus 232, i W., noch erzählt, der Widder habe
einen Wirkungsbereich nach Höhe und Breite von 70 Ellen (3 1 m) geliabt,
d. i. 3 ■/2mal so hoch als eine normale Stadtmauerhöhe von 20 Ellen, wie sie
uns Philon angibt (80, 25), so wird es zur Gewißheit, daß auch die vor-
hergehenden Angaben entsprechend zu bewerten sind.
AVenn er endlich 269, 7 W. schreibt, er sei stolz auf seine Erfindung
des nieHKiON (Gegengewicht im Cardani'schen Ring), während er es doch von
Athenaios 32,11 W. abgeschrieben hat, dieser aber 7, 6 W. sagt: »er wolle
ausführen, was er bei Agesistratos gelesen hat«, so wirft das ein charak-
teristisches Licht auf den Werdegang der Schriften griechischer Polior-
ketiker. Der Wert der Philon"schen Bücher, die uns ganz besonders zur
Erläuterung und Ergänzung anderer Schriftsteller dienen, wird aber da-
durch nicht herabgedrückt.
Die gleichen übertriebenen Angaben wie bei den Belagerungsmaschinen
finden wir auch bei den Geschützen. Wiederum Athenaios sclireibt 8, 6 W.
»daß er nicht leicht Glauben finden wird, wenn er berichtet, daß der
Mechaniker Agesistratos nach seinen eigenen Angaben mit einer dreispi-
thamigen Katapalte (66.5 cm Pfeillänge) auf 3' , Stadien (574 m) geschossen
habe und mit einem vierelligen Palintonos (1.77 ni Geschoßlänge) auf
4 Stadien (656 m).« Nein, er findet wirklich keinen Glauben. Es macht
schon einen luiglaubwürdigen Eindruck, daß ein Palintonon weiter ge-
schossen haben soll als ein Eutliytonon, denn das ist ungefähr so, als
wenn heutzutage berichtet werden würde: die Mörser schießen weiter als
die Flachbahngeschütze. Ferner: In der Diadochenzeit hatten die Leistungen
der Torsionsgeschütze das höchste Maß erreicht. Wenn also bei der Be-
Exzerpte aus Philo/is Mechanik. 1 1
lagerimg von Rhodos 305/4 Schußweiten von 656 ni zu erreichen gewesen
wären, hätte Demetrios von seiner ersten Artilhriestelhmg aus den Innen-
hafen von Rliodos beschießen und die Kampfkraft der rhodisclien Flotte
lahmlegen können. Das war sein vornehmstes Ziel, und er hätte es sicher
auf diese Weise zu erreichen versucht, wenn es m<")glich gewesen wäre.
Nachfolgende Philonstellen sind deshalb ganz besonders wichtig für die
Beurteilung der Angaben des Athenaios:
84, 5 I . »Damit nicht eintalentige Steinwerfer aufgestellt werden können,
wenn die Feinde den vordersten Graben genommen haben.
85, 4. Wenn die Gräben so groß und so beschaften ausgehoben sind
(s. Bild 171, können sie nicht schnell zugeschüttet Averden; der eintalentige
Steinwerfer, der am weitesten schießt, kann entweder nicht die Mauer er-
reichen, oder die auftreftenden Schüsse werden kraftlos abprallen.
85, 43. Damit nicht etwa die Feinde auf dem Rande des Grabens ihre
Steinwerfer aufstellen und ihn als Bollwerk benutzen können.
96, 10. Diese Geschütze (dreißigminige Steinwerfer) sind in bezug auf
die Durchschlagskraft die stärksten.«
Die letzte Stelle beweist indirekt, daß die eintalentigen Steinwerfer
nicht mit der Endgeschwindigkeit, sondern mit dem Geschoßgewicht wirken
sollten, d. h., daß diese Geschütze fast an der Grenze ihres Wirkungslie-
reiches aufgestellt wurden. Die erste und dritte Stelle beweisen, daß diese
Cieschütze in dem genommenen vordersten Graben oder im Notfalle wenig-
stens am Rande desselben aufgestellt werden mußten, um überhaupt noch
wirken zu können. Die zweite Stelle endlich besagt, daß der eintalentige
Steinwerfer, obgleich er am weitesten von allen Steinwerfern schießt, doch
im genommenen vordersten Graben stehen mußte, falls seine Schüsse noch
genügende Wirkung haben sollten.
Sind diese vier Stellen glaubhaft? Ja, ganz sicher. Philon, selbst
GeschOtzkonstrukteur, hat kein Interesse daran, die Leistungsfähigkeit der
Geschütze geringer anzugeben, als sie tatsächlich ist. Dann alier gibt er
84, 43 ff. Vorschriften, wie breit die Gräben anzulegen sind, damit die
leistungsfähigsten feindlichen Geschütze der Mauer keinen Schaden zufiigcn
können, falls sie am vordersten Grabenrande aufgestellt werden.
Wie groß die Entfernung ist, in welcher die am Grabenrande stehenden
(JeschOtze von der Mauer entfernt sind, ergibt sich aus den Angaben Philons
über die einzelnen (Jrabenbauten (s. Bild 17). Ein Beweis dafür, daß
2*
12
D I E L s und E. Schräm m :
diese Ang-aben niclit einfach aus der Luft gegriffen sind, ist der, daß der
Kubikinhalt der Ausschaclitungen mit dem der Scliüttungen übereinstimmt.
Zählt man mm die von Philon angegebenen Breiten der Gräben und
Vorwerke zusammen, so ergibt sich ein Gesamtabstand des gedeckten Weges
von der Mauer von 535'. Ein olympisclies Stadion liat 600', ein attisches 500'.
Daraus erhellt: die Geschütze durften noch niclit einmal ein olympisches
oder i'/s attisches Stadion abstehen, d.i. nach unserer Rechnung 157 m.
Bild I b.
Die stärkste griechische Befestigung, die uns aus dieser Zeit bekannt und
erhalten ist, ist der Euryalos. Nacli Mauceris Plan beträgt der Abstand
des äußeren Grabenrandes von der Frontmauer der Hauptbatterie 160 m,
übereinstimmend mit Philons Angabe.
Die talentigen Palintona dürfen wir uns wohl vorwiegend mit 30*^
Erhöhungswinkel aufgestellt denken. Die Vergrößerung der Schußweite
bei 45° ist zu gering, als daß sie den Bau eines um i m höheren Ge-
schützes rechtfertigen könnte, das schwieriger zu bedienen, vor allem aber
auch schwerer zu decken ist. Auf Bild 1 b ist ein solches Geschütz in
einem Turmgewölbe dargestellt; beim Angriff müssen wir uns eine hölzerne
Exzerpte aus Philons Mechanik. 1 3
Deckung davor denken. Die verliältnisuiäßig große Scharte wurde wohl
in beiden Fällen durch einen Schartenladen geschlossen, wie ihn Philon
8i, 30 beschreibt.
Philon gibt in der Kalibertabelle 51, 43 auch die Spannlochdurch-
messer für 2 ' 2- und 3 talentige Steinwerfer an. Ks ist nicht mit Sicher-
heit festzustellen, ob diese Geschütze tatsäclilich zur Anwendung gelangt
sind. Riesengeschütze hat es zu allen Zeiten mir vereinzelt gegeben.
Ihre Leistungen haben nie die gehegten Erwartungen erfüllt.
Eine direkte Angabe über die Schußweite eines Pfeilgeschützes macht
Philon nur in einem Falle: er sagt in seiner BGAonoiiKÄ 76, 30 von dem
Mehrlader: »Höchstens schoß er al)er etwas über i Stadion.« Es ist des-
halb nur indirekt möglich auf die .Schußweiten, namentlich der größeren
Pfeilgeschütze, zu .schließen. Dabei ist nun zu überlegen : So überraschend
groß die Treffsicherheit der Pfeilgeschütze auf nahe Entfernungen ist, nimmt
sie docli auf größere Entfernungen, vor allem seitlich zur Windrichtung,
in einer Weise ab, daß das Schießen zur Munitionsverschwendung wird;
auch die Durchschlagskraft der Pfeile nimmt infolge der Befiederung schnell
ab, so daß auch in dieser Beziehung das Schießen wirkung.slos wird.
Deshalb dürfen wir wohl annehmen, daß über i Stadion nur ausnahmsweise
geschossen wurde, wenn es sich mehr um Beunruhigung als um Wirkung
handelte; daß aber in diesem Falle, mit Erhöhungswinkeln bis 45°, Ent-
fernungen von 2" 2 bis 3 Stadien erreicht werden konnten, vor allem,
wenn man leichtere als zum Kaliber gehörige Pfeile verwendete.
Eine direkte Angabe über Schußwirkimg macht also Philon niclit. Wir
wissen nun, daß die Pfeilgeschütze wohl ausschließlich gegen lebende Ziele
verwendet wurden, sie also auf jede erreichbare Entfernung einen Menschen
atißer Gefeclit .setzen sollten; die Steinwerfer kamen vorwiegend gegen
tote Ziele zur Anwendung, das sind vor allem Deckungen in jeder Form und
Art. Das einzige Beispiel, daß eine Mauer selbst, nicht bloß die steinerne
Wehr derselben, in Bresche gelegt worden. sei, gibt wiederum die Belagerung
von Rhodos. Die Mauer war nicht gegen den förmlichen Angriff gebaut, den
die Rhodier keinesfalls von dieser Seite her erwarteten. Was sonst noch für
günstige Umstände für den Angriff, ungünstige für die Verteidigung vorlagen,
läßt sich nicht mehr nachprüfen. Kurz, dieser Fall steht völlig vereinzelt da.
Durch eingehende Erwägimg aller sich gegenseitig widersprechenden
Angaben über Fe.stungs- und Gesclu'itzbau kommen wir zu dem Schluß,
14 DiKLS und E. Schramm:
(laß Avir ohne an unserer Hochaclitung vor den Leistungen der antiken
Technik zu verlieren, doch verschiedene Angaben, welche die Maße von
Bauwerken und Maschinen sowie die Wirkung und Schußweiten von Ge-
schützen betreffen, einschränken müssen. — In diesem Sinne sind auch
die Angaben Philons zu beurteilen. — Dann wird klar, wie Philon, ohne
selbst tieferes Verständnis für Befestigungskunst zu liaben, seine persön-
lichen und seine schriftlicli oder mündlich erhaltenen Erfahrungen zusammen-
getragen hat, und wo er sie durch eigene Vorschläge ergänzt. Die Über-
treibungen, namentlich auch durch die so Iiäufig angewendeten Superlative,
werden sich dann auf das richtige Maß einschränken lassen.
Hat man sich auf diese Weise in Philon »eingelesen«, wii-d man immer
klarer erkennen, wie viele seiner Angaben in staunenswerter Weise auf einzelne
noch vorhandene Keste griechischer Befestigungen damaliger Zeit passen,
welche Abweicliungen durch das Gelände oder aus anderen Gründen be-
dingt oder erklärlich sind, und warum seine eigenen Vorschläge nicht zur
Anwendung gelangen konnten.
In Summa bekommt man ziemlich klare Angaben älier die Anlage
fester Plätze, ihre Ausrüstung mit Lebensmitteln und Heeresgerät sowie
über Angriff und Verteidigung dersellien zu Wasser und zu Lande. So-
dann erhält man ein Bild von der Geheimschrift und endlich auch von
der Telegraphie, besonders, wenn man die nötigen Ergänzimgen in Diels
»antiker Technik« nachliest.
E. .Schramm.
EK TON THZ ctilAQNOZ MHXANIKHZ
ZYNTAZEQZ
BIBAIQN Z KAI H
EXZERPTE AUS PHILONS MECHANIK
RYII nAPAZKEYAZTIKA UND
B.VIII nOAlOPKHTIKA
VULGO BUCH V.
1 (} Di i; l s uikI E. S c h k a m m
ZEICHENERKLÄRUNG.
P ~; Parisinus gr. 2442
Pr = Par. gr. jüngere Ild.
V := Vaticanu.s gr. 1164
R =z jüngere Hss.
Br ;= August Pirinkmann
Bue = Franz Buechelei'
Ca = Isaac Casaubon
Die = Hermann Diels
Fa = Ernst Fabricius
Gra = Charles Graux und A. de Roctos dWiglun Philon de Bysance
((Envres de Ch. Graux II 153—227) -
Ha = Friedrieh Ilaase handschr. Nachlaß im Besitze von R. Schoene
Ko = A. de Hochas d'Aiglun Extr. d. mein, de la societe d'emulation
du Doubs IV ser., VI 1870— 187 1
S = Philonis iiiech. syntaxis libri iv et v rec. R. Schoene. Berlin 1893
Th :=:: Vet. matliem. opp. ed. Thevenot Paris 1693 p. 79—104; Th mg
Randbemerkungen Thevenots, Th 1 seine lat. Übersetzung
Va =: Johannes Vahlen
[ ] ~ Tilgung des handschrift'l. Überlieferten
<( ) — Ergänzung des in den Hss. Fehlenden
Exzerpte aus P/iilons Mechanik VII. VI IT (I I — 3; p. 7i)).
17
EXZERPTE AUS PHILONS MECHANIK B.VII UND VIII.
I.
♦ lAUN 'Apictconi XAipeiN. _.
Anfang fehlt. (1) TTpöton msn AeT 79
TOYC ofKOAOMOYNTAC HYPrOYC OPYIANTAC ME-
XPI neTPAC fl YAATOC H TINOC ^AĻOYC Xc*AAOYC
roYTON XnocTepewcANTAC tön TönoN uc «aaicta
TiGe-
NAI TOYC. eeMEAlOYC 6n rYYü), INA «H ^NAON 5
TöiN eE«e-
AJUN Oi ToIxOI PHrNYUNTAI MHa' YMOPYTTHTAI TÄ
TeixH • (2) AeYTepoN a^ toyc nYproYC oikoadmeTn
KATA TOYC
APMÖTTONTAC TÖnOYC, TOYC MeN [Xnt'i TUN CTPOP-
rYACON]
^lueeN ncpi«epelc. j^naon a' 4xontac ^ni*ANeiAN
oVa TENOIt'ÄN KYaInAPOY TMHeeNTOC KATA THN BÄCIN 10
AIXA- (3) TO'V'C AÄ felAfUNCYC KaI neNTAfWNOYC
ka'i TETPA-
rÜNOYC KATACKCYÄZONTAC ^KTieeNTAC KATA MIAN TU-
NJAN, TnA XaAHAOIC AmYNUCIN CK TUN HAAriuN
I.
Pliilou grüßt den Ariston.
(1) Krstens niüsseii die, welche I?e-
festigungen ' bauen wollen, nachdem sie
bis auf den Fels oder das Grund-
wasser' oder auf irgendeinen festen
Hoden gegraben haben und den Platz
möglichst festgemacht haben, die (ii-und-
rnauern in Gips' legen, damit die Wände
nicht innerh.nlb der Fundamente durch-
brochen oder die Mauern untergraben
werden können. (2) Zweiv^ns aber muß
man die Türme an den dazu geeigneten
Stellen bauen, und zwar die einen nach
außen abgerundet, nach innen aber mit
einer Fläche, wie wenn ein Zylinder
zweiteilig zu seiner Basis* geschnitten
wird. (3) Die sechseckigen, fünfeckigen
und viereckigen aber müssen so ange-
legt werden, daß sie Einen Winkel nach
außen gerichtet haben, zur gegenseitigen
Unterstützung aus den Schriigseiten ',
Titel fehlt VP, ebenso Subskription am Ende. <t>iA(üNOC AÖroc n^wnTOC Par. 2437. Er
wie Par. 2435 haben die Subskription: t^aoc toy Apictunoc (1) newnTOY aöfoy.
79, I apictun V 2 »nYProYC aut del. auf. in TeixH mutanduni" S: to^'C oik. n.
tilgte Br 3 Ac*aaoyc Gra: Ac^aaüc PV 8 [Anti tön CTPOfTY'AUN] .'^, vgl. p. 99,50;
100,50 und 99.24 (PV) 12 ^KTieeNTA PV: corr. Gra
' riYProc muß hier mit » I$efestigung" übersetzt werden, da das über das Gi'aben des
Grundes Ge.sagte für alle Befestigungen gilt. Wäre nur -Turm« gemeint, würde nicht
TeFxoc (Z. 6) und ToTxoc (Z. 7) getrennt angegeben sein.
' Vermutlich soll die Anlage von nassen Gräben damit angedeutet werden.
^ rYYOc kann nach Theophrast de lapid. ^5 66 auch Kalk bedeuten.
' Mit BACic wird auch die Rückwand des Tumies bezeichnet, z. B. 80, 4. Bild 3. Dikls
vermutet katä (ctaomhn npöc) thn bacin.
' Die dazu bestimmten Geschütze stehen in den Türmen. Überall wo die Tüi'me dein
Widder- und dem Geselu'itzangrif!' ausgesetzt sind, soll eine Turmecke nach außen zeigen.
Das macht den 'I'urm widerstandsfähiger und ermöglicht gleichzeitig .Schrägfeuer. In einem
giot^en Tui-m von 24 Ellen (11 m) äußerer Seitenlänge lassen sich beispielsweise aufstellen:
Ihil.-hint. Abh. 19-1!). Nr. 12. .'J
D 1 E L s und K. S C H R A M M :
n.
Mild 2.
Ai»>l6MeNWN TÖN BGAÄN eiC TA nPOCArÖMENA MH-
XANHMATA KaI VnA MHe' YnÖ TUN KPIUN MHe' YHÖ
TÖN nSTPOBÖAUN TYnTÖMENOI «HABN nÄCXUCIN'
(4) AI «eN
PAP rlNÖMENAI KATA TAC nAeVPAC KATA*OPAI TUN
nAHTÄN ICXYPAI, AI AS nSPi THN ^KKSIMeNHN rWNlAN
nepiKAciweNAi nANTGAuc AceeNeic econtai.
(5) APMÖcei Ae ncüc, toyc nepi<t>epeTc ka'i toVc
TeTPA-
rÄNOYCwcnep nynoikoaomoyntai TieeceAi- (6) toyc
AS KATA TOYC HY-
AEÖNAC eiArCüNOYC AE? CYNTSAeTN, Yn' aY Te TCO-
NIAI HTTON ePAYtONTAI KAI MH OAPAninTONTA TA BEAH
KAI CYM*ePÖMeNA AHANTA OPÖC TAC CSÖAOYC CYN-
TPIBH TAC nYAAC KAI AYCCKnOPSYTOYC KATACKCYÄZH,
TAC TS eniTAceic tun seAUN exHC OANTAXÖeeN.
(7) SAN AC
nAINeiNOYC OIKOAOMHC. T6TPArciN0YC ACI nOICIN KAI
nPOEKTieeNAI MIKPON KAT' ÖICIAN TCüNIAN, KA-
TA KYKAOY TMHMA CYNÄnTONTAC TOIC MCCOHYP-
79 wenn sie gegen die ani-ütkeuden .Ma-
schinen Geschosse senden, ntid daniit
sie nicht durch die Widder und durch
'l'i-efler der Stein weifer Schaden leiden.
(4) Die Wiii-fe nämlich, die auf die Sei-
ten treffen, werden stai'k, die um den
ausspringenden Winkel herum einschla-
gen. \verd(Mi vollständif; kraftlos sein.
2" • (5) Es wird so ziemlich angängii;
sein, die runden und die viereckigen
so zu machen, wie sie jetzt gebaut wer-
den, (6) die hei den Haupttoren aljer
muß man sechseckig machen '. damit
ihre Ecken weniger leicht zeretöi-t und
die Toi'e nicht durch das Anschlagen
und das Zusammenwirken aller gegen
die Ausgänge gerichteten Geschosse zer-
triinunert werden, damit ferner das .\us-
fallen nidit erschwert werde und dann't
man /ugleicli von allen Seiten die Ge-
schosse richten könne. (7) Wenn man
"^ mit Ziegeln baut, .sollen sie viereckig
und an einem spitzen Winkel (der Mauer)
ein wenig voi-stehend gemacht werden.
Mittels dei- Kurtinen verbindet man sie
79. 20 TOYC (j*,kH AAAOYC nYproYC. ncpi*. KAI [toycj t. Fa 2 1 Lücke nach Ti'eeceAi
Gra: vor T. S 22 esAr. (h neNTArÜNOYc) Br vgl. p. 79,11 23 nepininTONTA V ■ 25 ka-
TACKCYÄzei PV 26 eniTÄcceic P: cniCTACeic Gra exH PV: corr-. (ira nANTAx6ce S
80, I oiKOAOMeic PV: corr. Th nach oikoaoa'hc Eiicke Gra 2 nach ruNJAN Lücke Gfa
3 CYNAHTO-i-CAC PV: corr. S
Im Hauptgeschi)!.! i eintalentiger Steinwerfer und i bis 2 leichte Pfeilgeschütze, oder 2 zehn-
minige Steinweifer und 2 leichte Pfeilgeschiit/.e. Im 01>ergeschoß 2 bis 6 Pfeilgeschülze.
Bild 2, 4, 12, 15 und 26.
' Ein Winkel von 120 Grad ist weniger leicht zu zerstöreii als ein solcher von
90 (inid; dei- I iirnigriindriß ist aber ohne EiiilUiß auf das Zusanniienwirken der Geschosse.
1 «
Exzerpte mts P/ähns Mechniük VIJ. VIII (I -'l — !): p. 7f).S0).
1!)
V-\Än.tc<L«.^ jiiA/Hxe. -ft/v«. ■^■xiittC'Vi, 'Wt-viÄeÄv «)M.3Tt<i4xM.
IjZOOO-
lül.1 X.
noic, (ijCTe AnAPTizeiN aytun thn bäcin tu
n^PATi TÖN «eTAnvpriwN. (8) ina a^ «h aambanu-
CIN KATÄKPOYCIN MHa' HNTINAOYN iK nAHtHC
MHa" HCTINOCOYN, ^N «OaIbW KAI ClAHPlp KA)
rv-Yu TÖN ^cxÄTUN AJeuN np6c Xaahaoyc ae-
eeNTüjN. '. . .> npöc tö toyc neTPOBÖAOYc
nAPA»6P0YC
riNOMeNOYC MH AYNACeAl TÄC ^nÄAI€IC Ano-
KÖnTCIN.
(9) tA Ae METAnYPriA öniKAMnioYC ^xon-
TA EK TÖN ITAAriUN TOixOYC, Ol AuÖ M^CUN TÖN
HYPrCON Xxe^NTeC TÖ WSN HAATOC ^X^TUCAN AJ-
nHXY. INA MH Ol ^KnOPeYÖMeNOI TITPtüCKCüNTAI
«HAE KATA tXc AIÖAOYC TÄ BGAH «ePÖMENA TÄC
nYAlAAC ^KKÖntH.
80 nach Art eines Kreisabschnittes, so dalS
iiire Basis zum Knde der Kurtinen ' ge-
5 nau paßt. (8) Damit sie aber nicht
durdi Stol.i zerstört werden weder inner-
lich ndcii änßerhoh. \^sollen sie dadurch
gesichert werden, daß die äußersten
Steine in Blei. Kisen und (ups mitein-
ander verbun(^n werden, damit die Ge-
■" Schosse der Steinwerfer al)gieitend die
Wehren' nicht ahlvämmcn i<önnen.
(9) Hie Kui'tinen nhev sollen haivcn-
förmise' Wände von den Seitenmauern
aus bekommen (Bild 4). die von der Mitte
der Türme aus geführt werden : sie sollen
2 Kllen (0.8872) Breite haben, damit
die Ausfallenden nicht verletzt werden
und die bei den Durchgängen einschla-
genden Geschosse die Türen nicht aus
den Angeln werfen können.
80. 4 TÖ) nEPATi] TÖ n^PAC Th 7 ciahpo) h rYTo Fa 8 01 ecxatoi tun AieuN S:
Ol fecxATOi Aieoi Gra 8.9 ae e£NT(ON V: aeo^ptun P 9 ', )Gra: (Xc*AAeiAN ^xetmcan)
Di: CYN(T6A6ice<i)CAN AE TA m^n' Br II ^niKAMnJAC PV: corr. S 12 tdixun PV:
corr. S nach ToixuN Lücke Ora 14 nach aIhhxy Lücke Gra: tö ae yyoc TETPÄ^HXY■^
1 erm. Die
TiTPuCKÖMENOi ^KnoPE't'ONTAl PV : ciuT. Gra
' katA ky-kagy tmihma ist nur ein Vorschlag von Philon. Vgl. auch 82. 46. Bild 3 und 9.
Iiri Widerspruch zu 79, 12 zeigt eine Fläche, nicht ein Winkel des Tui-mes nach außen.
* Wehr bedeutet die gesamte Schutzanlage für die auf dem Wehrgang Befindlichen,
nicht nur die Brustwehr. Sic war unter Umständen nur aus Holz, meist aber gemauert
lind auch überdacht.
Das iniKAMniON erreichte wohl nur in selteneren Fällen (z. B. lleiakleia, Tor 9 [Ki'i-
schen)) die ganze Mauerhöhe. Wenn es nur eine wenig größere Höhe hatte als die zu
deckende Pforte, war die flankierende Wirkung des anstoßenden Tunnes nifht beeinträchtigt.
Bild 4. 4a. 4 h.
3*
20
D I E 1. s und E. S C H R A M M :
^3^
^^
tlTlnA-MTf* IAA, ^oj^fvy. JtAJU/n. ^A/vUn. y^^AfJCivx^ 1-Z-OÖO
-): 500
^^?I=s=i-
Q a B D
'S
Q
Ifc
PI
■M
1 = 500
Bild 4.
D D
^
(10) Anexeiio ae tö reixoc Anö
TCCN OIKIÜN eiHKONTA nHXcIC. YnA PAAICCC H HAPA-
♦epeiN TOYc AieoYC ka'i nÄpoAON exHC toic bohgoy-
CIN ka'i TAtPeiAN eNAOeSN IKANHN, ^AN Tl AEH.
(11) TA
Ae nAÄTH noiHTeoN tun TO'XWN (JYK eaatton h
AEKA nHXCON, TIOeNTAC KAI TOYC AieOYC OPeiOYC EN
PYTü), «ÄAICTA A\6N ÄK KPATAIOY AlGOY TA
enlKAIPÖTATA TUN MeTAnYPrioJN CYNTGAOYNTAC, 61
80 (10) Ks soll aber die Mauer von den
Wohngebäuden 60 Eilen (26.6) absieben
17 (s. Bild 27), damit das Heranfchaffen der
Steine leicht vonstatten gehe und man
einen Zugang habe für die Ililfstruppen
und innenseits einen genügenden Gi'alien
ausheben kann, wenn es i:ötig sein sollte.
(11) Nach der Breite soll man die Mauer
nicht weniger als 10 lilien (4.436)
machen und die Steine vorn behauen
in Gips versetzen, indem man vor allem
die gefährdetsten Teile der Kurtinen »us
widerstandsfilhigem Stein ausführt, wo
80. 17 oiKeiuN PV: eorr. Gra 18 AieoBÖAOYC Gra e'xiHC Gra: eXH PV 19 feN-
AoeeN S (vgl. 93, 25): eNseN PV: ^cweeN Ha Lueubr. Thuc. p. 51 : fe'NAON Gra 20 TeixÜN V;
vgl. 81,8.44. 82.52
Exzn-pte aus P/älo/is Mechanik VII. VIII (I 10~li^ ; p.80).
•21
Ae KH, öieTc WC Mkicta pAp neiceiAi Ynö tön
AieOBÖAUN. (12) MH ^AACCU t^k TU YY€I OIKOAOWei-
ceu fl eikocinHXH, ina ai npöc aytA kaimakcc
npocAröweNAi wh ^iiknöntai [toTc Teixe-
cin].
(13) ^«BAHT^ON Ae ^CTIN eic TA TGIXH KAI TOYC
n-t-prOYC JYAA APYlNA AIA TEAOYC CYNEXH AIA
TCTTAPUN nHXCÖN, INA YOÖ TCON AISOBÖAUN iku
KATA Tl nON^CH, PAAICCC ^niCK£YÄ2a)«eN AYTA.
(14) noierTAi ae tä m^n KATACTerA kaI ^nÄAieic exoN-
TA.- OIA Xu CYMO^PH.
(15) tinA a^ tSn weTAnYPriuN
CYNTeAcTrAi ^n toTc apmözoyci TÖnoic önÄA-
leiC MAN €X0NTA, nAPÖAOYC AE OY, Aaa' XnÖ
TUN ^n(i)koaomhm€n<i)n ikpi'un toTc Toixoic ^niBo-
AÄC I-f-AOlC KAI CANICIN i'xONTA, YnA KATA TAC Tl-
NOM^NAC noAioPKiAC aawbAnojntai <(ka'i) ötan aeh e-
80 (las nicijt möglich ist, aus spitzigen ',
deQn sie werden am wenigsten unter den
25 Steinwerfern (Schaden) leiden. (12) Die
Höhe soll man niclit geringer als 20 Ellen
(8.8/2) bauen, damit die an die Mauern
angelegten Leitern nicht ausreichen.
(13) Einzulegen sind ferner in die
Mauei-n und Türme eichene Hölzer^ im
Abstand von 4 Ellen (1.75) in fort-
30 laufender Reihe bis ans Ende, damit,
wenn etwas durch die Steinwerfer Scha-
den gelitten hat, wir sie leicht ausbessern
können. (14) Es sollen aber einige über-
dacht und mit Wehren versehen werden,
wie es zweckmäßig .scheint.
(15) Einige der Kurtinen sollen an
den passenden Stellen so hergestellt wei'-
den, daß sie zwar Wehren (s. Bild 5) er-
halten, aber keine Wehrgänge, dagegen
sollen sie von den in die Wände einge-
bauten Gerü.stbalken ans Auflager aus Holz
und Brettern haben damit sie bei vor-
kommenden Belagerungen benutzt wer-
den können, und, wenn es nötig ist, Ron-
dengänge auszuführen, oder sich dort der
D I 0 I D
1: 500.
80, 24 neiCHTAi I'\' 26 eiKOCi nHxeciN PV: corr.Gia aytA Cum : ayto I'V 27 [loic
TeixeciNJ Ura 28 nach TeixeciN Lücke 2 oder 3 Buchst. I'V 31 ^niCKeYAzo/>'>6N I'\'
32 nacli A^ {"tun mctao. aus 33 tij-a ;^^ oy An (ira Fortif. de Carlli. p. 196 35 aaa"
£n (iia 36 ^NaiKOAC/^HKCNUN (ira: OIKOAOWHM^NUN PV : AnÖ riPOCUKOA. S IKPiuN iNIi:
KPi&N I'V; vgL IG U 167,72 36. 37 ^nei boaai P: ^ni boaai V^: corr. Gra 38 aambA-
NUNTAi] ÄniBAAÖNTAC odcr ^wbaaöntac veiTii. Br: Anabai'nontac Bue (i^aI) Die
' n. i. Bossenquadern mit Handschlag bzu. in Lager- und Stoßfugen behauen, jeden-
falls aber die Fugen gut schließend, gegen Bohrer, Widder und Geschosse.
- Eine .Maßnahme, die auch im Mittelalter bis zur Einfühi-ung der Fcnerge.schüt/e
durchgelülirt wurdi-.
22
D I K I. S Uiul E. S C II R A M >I :
«OAeV-eiN H AlAKINAYNeVeiN en' A-t-TUN MHAeN HMAC 80
KUA-f-H. KAI nÄAIN A*eAOYCI TA lYAA b'jAN AP-
MÖTTH, BPAXeiA TIC ♦YAAKI^ KATAAeinHTAI ' (16) KY-
Pie-fCANTEC PAP AYTÖN Ol HOA^AMOI fl HAAIN ÄniACIN.
OY AYNÄMeNOI SIC THN nÖAIN OAPeMneCeTN, H BPA-
XYN TINA XPÖNON EHÄN «SINCOCIN, YnÖ TÖN BeAÖN
TYnTÖMENOI ÄnOAOYNTAI. (17) TINA AE KASAneP 45
in "Pö-
AU eiC YAAIAAC CYPKAeiÖMeNA (. . .) HAATH Te SXOY-
CIN AI nAPOAOI enTAnHXH KAI KÄTUeeN <t>YAAKTH-
PIA enTAKAINA, (ilN Ol TO?XOI Ol WEN ÖPGoi 6C0N- '
TAI AEKAniHXelC TU TS MHKGI KAI TÖ OÄXei • (18)0IAe
nAÄnOI MHKOC M^N eXOYClN TÖ ICON Tofc ÖPeofc, 5"
nAATOc Ae TpinHXY. (19) OYTw A^ kaI oiko-
AOMHeeNTüJN
fO ÖT Te ANÄACOMA GAATTON eCTAI. Ka! Ol M€N ASKAnH- 81
)feiC YnÖ TUN AieOBÖAUN OYOEN neicONTAI.oi Ae TPI-
nHxeic TÖ nÄxoc öntec eku ti nÄcxuciN Ynö tun
80. 42 AYTÖN PV: corr. cod. Vntic gr. 220
81, 2. 3 TeinHxeic VF,
GeCahr auszusetzen, uns Dichts im ^Vege
stehe und damit die Hölzer wieder ab-
genommen werden können, wenn es paßt,
und nui' eine kleine Wache zurückzu-
bleiben braucht. (16) Bemächtigen .sich
nämlich die Feinde derselben, werden
sie entweder wieder abziehen, wenn sie
nicht in die Stüdt weiter eindringen kön-
nen, oder wenn sie wirklich kurze Zeit
dort bleiben, werden sie, von den Ge-
schossen getroffen, umkommen. |17) Einige
(Kurtinen) sind wie in Rhodos zu Gewöl-
ben zusammengeschlossen '[. ... Die
Wehrgünge erhallen eine Breite von
7 Ellen (3.1) und unten AVachthüuser '
i7ir sieben Pritschen, deren Frontwände
10 Ellen (4.436) nach Länge und Dicke
sein sollen: (18) die Seiteiiwände aber
sollen dieselbe Länge erhalten, aber nui-
3 Ellen (1.3) dick .sein. (19) Bei dieser
Bauart werden aber die Kosten geringer
sein und die zehnelligen (4.436) werden
von den Steinwerfem niclits zu leidin
haben. Sollten aber die 3 Ellen (1.3)
50 fe'iOYCi Gra
KAi fehlt P
' In den Wachthäusern lassen sich auf 4.436 m bequem 7 Pritschen zu 60 cm Breite
aufstellen, in den Obergeschossen je i fünfspitliamiges Pfeilgeschütz. Bild 6.
»II n i I Hin
nfW
"CrCLaAAXn. von.
1:500.
9l^bfl
lüld 6.
l-lxzirptc aus P/älons Mccfumlk MI. VTIJ (I 15 —21; p. SO. S7). 23
nAHruN, TAXY
PION TOYTO.
XnocTepeücoMeN tö *yaakth- 81
(20) UCAYTUC AE KAI
TOYC nYPrOYC OIKO-
A0MHC0M6N
eK AieuN oYuN eiPHKAWcN, Tie^NTec öPeioYc ay'toyc
eN rYYCi) KAI TA HAÄTH TUN ToixuN OYK
^aAtTü) nOIOYNTeC H AeKAOHXH KAI KATAAI-
nÖNTec eYPiAAC ^k tun nAAncoN toixun tia-
e€N ctenac ka) JcueeN eYPeJAC, 6k ag toy «e-
dicken Wände unter den Würl'eii leiden,
so \verden wir das betreliende Waclit-
baus schnell \viL'<lei- befestigen können.
(20) Ebenso weiden wir dieTüniie aus
Steinen erbauen, wie wir sie l>esclirieben
lialjen, indem man diese außen l)eliauen
in Gips vei'Setzt und die Dicke der Wände
(in den Fundameuten) nicht weniger als
lo Kilen (4.436) macht und in den Sei-
tenwänden Scharten ' ausspart, außen eng
und innen weit, ■ oder in der Milto eng
(s. Bild 7) und auf der unteren Seite ab-
1:£5-0.
Büd 7.
coY ctenäc kaI kataiypoyc ^k toy KÄTweeN «e-
POYC, INA WH TITPOJCKUNTAI Ol ^NAON KAI HAPA-
(<>6p(i)n)
riNOWeNCüN (j&N BEAÜN Ä*IÖCI TO^f-C TgKATAnÄATAC
KAI TOYC neTPOBÖAOYC OY nPOAlPOYNTAI. (21) AsT
<A^) eiNAl
TAC SYPIAAC Tofc X*ie«eNOIC KATAnÄATAIC KAI
neTPOBÖAOic ^N {toTc Toixoic) tun HYPPUN, ^n
oic AI BeAOCTAceic
€K TOY ^AÄ«OYC KATACKeYACeHCONTAI,YNA T/k HPOC-
ArÖMeNA «HXANH^^ATA ^AN Te nPÖC TINA TÖN (M€TA-/
nvpritoN ii ^NANTJAC npocÄrHTAi, ^AN Te ^ni
TINA TÖN
CKKCIM^NUN nYPrWN 6niCTP^*H. CYNePrOYNTeC
ÄAAHAOIC {XmY'NMCIN') Ol HYPrOl »ePOM^NCON TUN
AieOBÖAUN
geschlägt, damit nicht die innen Stehen-
den verwundet werden und sie wäh-
rend die (feindlichen) Geschosse vorbei-
gehen, die Katapalten und Steinwerfer
nach jeder Richtung abschießen können,-
wohin sie wollen. (21) Es nn'is.sen aber
die Scharten für die schießenden Kata-
palten und Steinwerl'er in <^den Wän-
den) solcher Türme angelegt wci'den, in
denen die Geschützslände von Grund aus
aufzubauen sind, damit, wenn die heran-
rückenden Belagern ngsmaschinen ent-
weder gegen eine der Kurtinen heran-
gebi'aclit werden oder auf einen der vor-
springenden Tümie gerichtet werden, die
Tiinne sich gegenseitig unteritiitzen, in-
dem die Stein Werfer aus den Schräg-
81,0 oiK0AOMHCCilM€N FV : COri". H II [CTENACj Gra II. 12 [^K AG TOY M^COY
CTCNAc] S: fi EK T. «. CT. Schramin 14 (tän) (ira [kai] l!r nAPA »öpwn'; tinom^nun
tön) b. Br: nAPATeiNOM^NWN bgaün I'V Xoiuci Te toyc k. Br 15 oy hpoaipoyntai
l'V: corr. Th; vgl. 91,17. 97,33: falsch of Gra (a^ (ira 16 tac gyp. I'V: ka) OYP. S
17 ((rote Toixoic) Gra
(vgl p. 79, 13:84, 3)
19. 20 «eTAnYpriUN Gra; s. zu Z. 23
22 /ämy-nwcinN Buo
' 9YPiAec wird für alle Arten von (ieschütz- und BogenscLarten gebraucht sowie auch für
Scharteuläden und Pforten. Es gab zwei Arten von Scliarten : fiir Schützen und ' für
(ieschütze (mit Drehpunkt in der sog. Minimalscharte, wie aiu-li heutzutage mich diese .\rt,
wenn auch veraltet, bei SchiH'sgeschützen vorkommt).
24
D I E L S und E. S C II R A M M !
SK TÖN nAAriuN ToixcON [kAI TÖN MeTAnYPriwN],
^N oic AI eYPiAec KATACKevÄzoNTAi oTac elPH-
■' KAWeN.
(22) {. . .) KAI TOIIKAI AI MEN HAÄrlAI a] AG ÖP-
eAi eiü) TÄ CT€NA exoYCAi, öncoc an Totc Te hah-
ClAzONTAC TPAYMATiZü)CI KAI KATArNYWCI TAC
npocTieeweNAC aokiaac kaI ta mhxanhmata, ay-
TOi AE «HAEN AEINON OACXWCI ' (23) CeCiAHPü)«6NAC
rÄP KAI AM*inAeYPOYC TAC OYPIAAC AYTÖN nOIH-
COWeN, tNA «H CYNTPisMNTAI YnÖ TUN AISO-
b6aü)N • (24) ETI AE OY (»AAIUC TA TÖN ÄNANtIcüN BG-
AH eic TA nAAriA THN e*IIIN nOIHCONTAl.
(25) TOIAYTHC a' OYCHC THC TOIXOnOllAC TÖN
I nYPruN
TAC AIÖAOYC ü)C MCriCTAC Ka'I YAAlAOeiAeTc FIOIH-
;', COMEN nPÖC TÖ PAAicOC TOYC neTPOBÖAOYC GIC^C-
peiN KAI «eTAOcpeiN ötan ach. (26) acT ac
!| TOYC «CN KATÄ
-TAC eicArurAc n^-proYC tön mhxanhmätwn yyh-
i I AO'Y'C KAI ICXYPOYC OIKOA0MeTN,T0Vc AE AAAOYC OCON
KAIMAKI (WH . nPOCIKECeAl • (27) Ol PAP APAN
YYHAoi AYC-
i XPHCTÖTEPoi EICIN Ka'i eÄCCON YnÖ TÖN HETPOBÖAUN
i TVnTÖMENOI KATAninTOYClN OY AYNAMENOl TA BA-
i'PH *£PEIN. (28) (DCTC MAAAON CnOYAACTSON
; , eCTIN AYTÖN
1 TOYC ToixOYC nAXYTEPOYC [nOicfN] KAI AYTOYC
nOICIN KaI THN
' eiC TA YYH AAHÄNHN riNOM^NHN CIC TAYTA
ÄnaaIckein.
81 wändeil (der Tüniie) schießen, in denen
24 die Scharten so hergestellt werden, wie
25 wir sie besclirieben haVjen.
(22) Auch fiir Bogenschützen müssen
teils schräge, teils gerade (^Scharten an-
legt werden). Sie müssen außen eng
sein, damit man zwar die sich Nähern-
den verwunden und die vorgesetzten
Balken und Maschinen zerstören kann,
selbst aber keinen ernstliciien Schaden
erleiden könne. (23) Denn wir werden
ihre Läden mit Eisen beschlagen und
3° doppelseitig (2 Hügelig I*) machen, damit
sie nicht durch dieSteinwerfer zusammen-
geschossen werden können. (24) Auch
wird CS ferner den Feinden nicht leicht
möglich sein, mit den Geschossen die
Schartenwangen zu treffen.
(25) Während der Bau der Türme
in dieser Weise ausgeführt wird, werden
wir die Durchgänge möglichst groß und
gewölbt anlegen, um die Steinwerfer
leicht ein- und ausbringen zu können,
wenn CS nötig ist. (26) Man soll aber
an den fih' die Maschinen zugänglichen
Stellen die Türme hoch und fest bauen,
die übrigen dagegen nur so hoch, daß
40 eine Leiter nicht auslangt. (27) Denn
die allzAi hohen sind weniger brauchbar
und stürzen unter den Würfen der Stehi-
werfer schneller zusammen, weil sie die
Last nicht tragen können. (28) Deshalb
muß man sich mehr darum bemühen,
auch de Wände selbst dicker zu machen
^. lind den ^lehraüfwand für die Höhe hier-
für zu verwenden.
81, 23 nach ToixuN Lücke Gra MeTAnYPriuN L. Dindorf Thes. s. v.: «eTAnYPriAWN
PV: als Verbesserung von n't'PruN Z. 20 erkannt von I?r 25 »f. vKATACKerÄzoNTAi
Ae eni th CT^rn) kai toiika!« Hr nach p. 91.39 28 »f. tä (npocAröweNA^ m.- Br
28. 29 AYTOl Fa: AYTAi l'V : AYTAi R 29 Ae tilgten U und Va nach aytai ae Lücke Gra
nAcxcoci Die: nÄcxoYCAi PV 30 noiHCcüweN PV: corr. Ha 34 TeixonoiiAC V 38 npo-
CAruTAC (ira 40 'nH, Tli: nPÖc aytoyc «ih äs iKEceAi Gra nach p. 80, 26 41 YneTÖN V
42 OY (ira: Ol PV 43 «»epoycin \' 44 TeixoYC V [^noiEfN] Die [kai aytoyc
noiEFNl IIa (ira: ka'i aytoyc toyc t. oax. n. kai t, verm. A. Schoene 45 (wh) hin. Gia
Exzerpte aus PhUons Mechanik MI. VJIJ (I 2J~^:j:j; p. S1. 82). 25
(29) ^N Ae Tolc METAnYPrioic nÄci ka'i roh
nrproic
KAG' b AN AI nAHTAi MÄAICTA risKONTAI TUN AISOBÖ-
ACON, AieOl ü)C CKAHP6tAT0I ÄKTieeNTAI npo-
exONTec b'coN cnieAMHN ka'i AiecTHKÖrec Xn' aa-
AHAUN TOCOYTON, ÜCTe elC tHN XnÄ MECON X(i)PAN
taaantiaIon neTPOBÖAON «h OAPAAexeceAi, Yna «h
Yn' aVtÖN TA TeixH «HAEN HÄCXH. (30) TÖN
Ae Teix^uN
AnÄNTUN AJ ^Ke^ceic ka'i erKAJceic ka'i tä ähikam-
niA ka'i AI ((e'i'PYxa) pIai Äpmottöntcoc toTc yhäp-
XOYCI
Tönoic aambanontai ■ (31) {. . .) ka'i Aieoi Xp-
roM^Tunoi ne-
neAeKHM^NOi 6ni «hkoc TieeNTAi.
(32) ka'i KÄTioeeN
TüJN TeiXUN KAi TUN nPOTeiXICMÄTUN ä)C MeflCTOIC
KaI nACiCTOIC BEAECIN AI BEAOCTÄCeiC KATACKEYA-
zoNTAi, AI M^N [öPYKTAij enineAOi [ka'i katüpyxoi], m
Ad ■i'nöreioi npöc tö eYPYXcopJAN exeiN ogaamn ka'i
TO^-C Ati^NTAC «H TITP(i)CKeCeAI KaI A^TOYC ÄAHAOYC
TO-i-C ÄNANTIOYC TPAYMATizeiN, KAI ÖTAN Ol nOA^WlOI
nAHCiXzdJCi, «H AxpeioYc riNeceAi toVc katahea-
TAO^TAC XaYNATOYNT'AC KATACTF^OEIN.
(33) ETI Ad nY-
81
82
(29) Bei allen Kuitinen und Türmen
werden da, wo die Schläge der Stein-
werfer am meisten auftreffen, möglichst
harte Steine nach außen gestellt; sie
stehen (in den Bossen) eine Spanne (0.23)
vor und so weit von einander ab, daß
in der Mitte kein Platz fiir ein eintalen-
tiges Steingeschoß ' bleibt, damit durch
sie die Mauer keinen Schaden leiden
kann. (30) Bei allen Befestigungsanlagen
aber werden die Aus- und Kinspviinge
und die Biegungen und die freien Plätze
dem vorhandenen (ielände entsprechend
ausgefiihit. (31) , . . .' Auch werden
längsbeliaucne Bossenquadern gelegt.
(32) Und die Geschiitzstände werden
unterhalb der Befestigungen und der Vor-
werke i'ür möglichst große und viele (Je-
schütze gebaut,die einen auf demBauhori-
zoiit, die anderen vei'senkt, damit sie
viel Raum haben und die Bedienung nicht
verletzt werden kaiui, während sie, selbst
unsichtbar, imstande ist, die Feinde zu
verwunden iin<l beim Herannahen der
Feinde nicht kampfunfähig wird, indem
sie die Katepalten nicht wenden kann.
(33) Außerdem werden viele Pforten
81,4s riNONTAi PN': coir. Gra 49 nach AieosÖAUN fügt Gra p. 82, 5. 6 Aieoi —
TieeNTAi zu Aieoi (&") Gra
82,2 TÖN Ad 5 AAMBANONTAI tilgte Gra 3 »f (aI ^PKA.« Gra 4 AI eYPYXUPJAI
|{: AI pIai V: AI xpeIai P 5 KAI Aieoi KTA. /.usammei.iliangloses Exzerpt 6 ^ni
fehlt P TieoNTAi PV 7 ü)c Br: toTc PV 9 [<Jpykta1] und [kaI katöpyxoi] S: ai men
öpykta! [dninEAOi ka'i katwpyxoi] ai ae enirEioi Gra 11 Aahacoc ^li 13 nAHCiÄzoYci
PV: corr. Th katahaatao^tac Gra
' Kinc eintalentige Steinkugel von 26 kg
(iewicht und einem sp. G. von ungefähr 3 hat
rund 25 cm Kaliber. Bild 8.
Phil.-hisl. Abh. WJ9. Ar. 12.
Bild 8.
4
2«
D I K L s und E. Schramm:
AiASC noAAAi KATAAeinoNTAi ^K TÖN nAAriuN npöc 82
TÖ PAAiuc eneiepxecoAi [ff] kai räain AnoxtopOYN- i6
TAC rVMNA Mhl it>AINeiN iu XcnlAA nOIOYMeNOYC THN
MeTACTPO*HN, Ka! TÖN ^leAHAVeÖTA AÖXON KATA
THN npw-
THN nYAlAA KATA THN AEYT^PAN CYNTEAOYNTA
THN ei-
COAON, ÖMOIWC Ae KAI TOYC AAAOYC OANTAC 20
OYTÜ) noiOY-
MENOYC TAC ÄnOXUPHCelC. (34) TÖN Ae nY-
aIaMN AI MEN
CKOAlAi, AI AÄ KaIcIN nOIOYNTAI. (35) nPÖ riACÖN AG
AYTÖN blKOAOMHMATA , KATACKGYAZeTAI, YnA AYC-
EMnPHCTOI TS Sei KAI YnÖ TÖN OeTPOBÖACüN «H
CYNTpieCüNTAI KAI Ol nOAGMIOl Mpl nAHeiÄeUCIN 25
aytaFc, eK Ae thc nÖAeuc ötan weAAcociN iue-
iieNAi TiNec, «H cY«<t>AN6c H ToFc noAewioic.
(36) AI Ae OPYTTÖMeNAI tA*poi, eAN MH
YnOMBPOC H
Ö TÖnOC, KATÄIHPOI Te KAI YnÖNOMOl KATA TOYC
APMÖT-
TONTAC TÖnOYC riNONTAI. INA ÖTAN CYrXYNCONTAI, 3°
nANTA
TA eMBAAAÖWeNA MCe' HMSPAN [TÄ AÄ] NYKTÖCYnCHA-
THTAI nAAlN YnÖ TÖN SNAON nOAlOPKOYMeNtüN.
(37) AI Ae
XAPAKÖceic exa thc ^ta^poy thc) nPOc(exöc thn
OAPeKTACIN OAPa) TÖ TeixiCMA AAMBAN0Y-
chc ÖPeiAi nXcAi cyntgagyntai hapa < npöc)
TÖ tön xA-
PAKA AYCYnePSATON KaI AYCAIACnACTONjreN^CeAl ■ 35
gelassen auf den Seiten (s. Bild 4), um
leicht ausfallen zu können, ohne teim
Rückzüge die ungedeckte Seite zu zeigen,
und damit die durch das erste Tor aus-
gefallene Kotte durch das zweite zuriick-
kehren kann : ebenso müssen auch alle
anderen in gleicher Weise den Rückzug
ausführen.
(34) \'on den Toren werden die einen
gekrümmt ', die anderen geneigt ange^
legt. (35) Vor allen diesen aber werden
Bauten errichtet, damit ihre Verbrennung
wie ihre Zertrümmerung durch die Stein-
werfer verhütet werde und damit die
Feinde nicht an sieherankommenkönnen,
endlich damit, falls einige aus der Stadt
einen Ausfall zu machen im Begriff sind,
dies dem Feinde nicht sichtbar werden
kann.
(36) Wenn das Gelände nicht sumpfig
ist, \\erden die ausgehobenen Gräben an
den geeigneten Stellen im Trockenen
unterminiert angelegt, damit, wenn sie
zugeschüttet werden, alles, was tagsüber
eingeworfen wird, in der Nacht von den
Belagerten (durch die Gegenminen) heim-
lich wieder herausgeschafft werden kann.
(37) Die Palisaden aber werden außen
vor dem Graben, der unmittelbar neben)
dem Festungswerk ■; herläuftN Festungs-
werk hergestellt, alle senkrecht einge-
schlagen, {. . . .) so daß die Pfähle schwer
zu übersteigen und schwerauseinanderzu-
reißen sind : schwer zu übersteigen, weil
82. 16 [fl] tilgte Gra vgl. p. 83, 40 1 7 enAcniAAC PV : corr. L. Dindorf Thes. s. v.
Acnic 22 KAeTciN PV-': corr. Gra oacön S: oantcon PV 25 cyntpöbuntai V
28 ÖPYTTÖMeNoiPV: corr. Gra h Gra:' hn PV 30 CYrxYNtONTAl V: CYrxÄNUNTAI P:'
CYrxwNYCüNTAi Gra 30. 31 oAnta ewBAAAÖMGNA TA «EN HM€PAC VP: corr. Fb [ta Ae] Gra
33 (tA«poy thc) Fa nPÖc tö TeixicMA PV: Lücke erg. Die. 34 Lücke. Es fehlen
nähere Angaben über die Palisadenkonsti'uktiou hapa PV: nPÖc Vincent
' Gekrümmt, damit nicht hineingeschossen werden kann, nach außen fallend, wenn
das Gelände außen tiefer ist als innen.
Exzerpte aus Philons Mechanik VII. VITI (I 33—41; p. 82. 83). 27
AYCYn^PBATON M^N AIA TÖ «HAAMÖC MHTE {ka!- 82
«AHN mhtg) Ynep-
BACIN exeiN ToTc CK^AeCI ■ AYCAIACnACTON Ae AIÄ TÖ 37
ka'i ^akömcnon ctäcin IxeiN ka'i ifnö tön tinom^nun
Toic KAAfjjAioir, eNÄYeuN npÖTepoN An cyntpi-
BHNAI TON kAaUN, b'neP reNOITO an, H feAKYCefiNAI •»"
TÖN CKÖAOnA TeAeuc. (38) Ti'eeNTAi as [kai]
eiC TÖ CTAAION
Ol Mecoi TOIC wereeeciN öntec xäpakgc äx.
(39) feTePA Ae Tic Sctin nYPronoiiA taythc
oYeeN
XEI'PUN ^K Tü)N HMIKYKAIUN CYNICTAM^NH, döC TA
KoiAA npöc tovc noAewiOYc «AiNeceAi ■ (40) iu h ta 45
n^PATA TÖN TMHMÄTUN AeT CYNÄnXeiN Tofc OYP-
roic, ücTe XnAPTizeiN taTc tunIaic aytun kaI aam-
BÄNeiN Xn' Xaahacün aiäcthma thc feiu nepi*e-
peiAC ÖCON Xn fi rö nAÄroc toy ^c« toIxoy thc ba-
ceuc. (41) XnANTUN a^ täc AOKO'rc i.u\ i°
toyc öpeoYC
ToixoYC enieeTeoN äctIn, Ina ikuu^p Ö npöc toyc
n0Ae«i0YC KABHKUN ToTxOC TYnTÖMCNOC n^CH, MC- 83
NUCIN AI ÖPOOAI KaI AYN(üMeGA OÄAIN OIKOAO-
sie auf keine Art, weder mit Leitern noch
mit den Beinen, zu übersteigen sind, schwer
auseinanderzureißen, weil sie, wenn man
versucht, sie herauszuziehen, standhalten
und weil infolge ihrer Strick verschnürung
eherdas Tau reißen würde, wasauch leicht
vorkommen kann, als daß dei' Pfahl vöUiji,
herausgezogen werden könnte. (38) Auf
ein Stadion werden aber 1600 Pfähle mitt-
lerer Stärke (10 cm) aufgestellt.
(39) Ein anderer, aber nicht schlech-
terer Festungsbau als dieser wird aus
Halbkreisen ' gebildet, und zwar so, daß
ihre hohle Seite dem P'einde zugekehrt
ersciieint. (40) Bei ihm sollen sich die
Enden der Segmente den Türmen an-
schließen, so daß sie genau auf die Ecken
derselben passen und von einander einen
Abstand vom Außen umfang erhalten, so
groß wie die Dicke der inneren !Mauer
der Tnnnbasis betrügt. (41) Bei allen
aber sind die Decklialken auf die Front-
mauern aufzulegen, damit, wenn die nacii
dem Feinde zu sich erstreckende Mauer,
durcii einen Trcflfer füllt, die Decken blei-
ben und man sie wieder aufbauen kann.
82, 36 Ckawaiin MHTe) Die 37 Lücke nacii ck^acci (ira 38 ctacin Br: tacin PV
39 Xnäycun R 40 tön kaaon PV: corr. Gra; tön käaun b nepiTeiNOiTO an Bue
feAKYeftNAi P: eiEAKYceHNAi Gi'a 41 TeAeiuc V [kai] S; gehört vi(;lleicht nach öncp Z. 40
42 ÄÄPV: corr. Cod. Escor. 44 hwikkaIun V uc Bue: iocre Gra 45 noA. (noioYCA^
♦. Va 47 tAc ruNlAC PV: corr. Br 49 fi S: Sn PV 50 nacii ahAntcon a^ Lücke Gra
51 TeixoYC V
83,2 AYNÄweeA PV: corr. Vincent
' Anscheinend nur Philons Voi-schiag. Bild 9.
r#^
■^\ Xjooo
Bild 9.
I'SOO.
28
D I E L s und ¥.. Schramm:
meTn aytoyc. (42) noiHTeoN Ai kai 'oapa)-
eYPIAAC HAP' AYTO-f-C,
ü)Cte MHTe YIAA TO^C ^KnOPeYOMENOYC «AINeiN
MHTe YnO TÖN AieOBÖAUN AYTAC eKKÖnTeCSAI.
(43) ThiN A^AAAHN o/koaomian Akoadyguc toTc npö-
TSPON AeAHAtüM^NOIC KATACKeYACT^ON •
(44) TAYTH AG <H>
nPIONCOTH nAPAHAHCIOC OYCA TYrXAN€l, HN TTO ■
AYelAÖN *ACIN £YPeTN TON «HXANOnOlÖN ^N TH Me-
(rAAOnÖAecoc nepiTeixicei- maaicta as ay'th xpflceAi
AeT ka;tä tinac tön iniKAipMN töhmn, hap' oTc
kaI nv'p-
83 (42) Neben diesen sind auch Pforten an-
zulegen, so daß die Ausfailtruppen niclit
ungedeckt erscheinen und daß die PCdp-
ten selbst von den Steinwerfein nicht aus
den Angehl geschlagen werden können.
(43) Der übrige Bau ist entsprecliend den
voi'igen Anweisungen auszuführen.
(44) Diesem ähnelt dei- gezahnte ', den
dei' Ingenieur Polyeidos erfunden haben
soll, bei der Befestigung von (Megalopolis.
Man soll ihn aber besonders anwenden^
•o an einigen der gefährdeten Stellen, an
denen man auch fünfeckige Türme bauen
83, 3 aytön verm. Gra sypIaac] oyaIaac Ro: sypiaac hyaIaac) hap' aytoyc Gra
7 ta-i-th AS (h) Gra : ayth as PV 8 hpiommth PV : npiONUTfi Th nAPAHAHCiON PV:
corr. Gra 9 sn th] bn h Gra 9. 10 «eta tinäc PV: kata Th mg: Me/rAAonÖACwc —
ka)ta Die; Megalopolis verm, schon Bue (Philipps Einfluß: vgl. die NW-Seite der Um-
wallung auf PI. I der Fxcai;. al Megalop., Soc. for the Prom. of Hell. .Stud., Suppl. I Lond.
1892); an Metapont dachte Th 10 nAp' oic] bApeic verm. S nach 26
' Zickzack- oder sägeförmig, wie in Priene (Südostteil). Vgl. Bild 10 Plan der Stadt
Prione, nach Wieüand und Sihradkr Priene (Berl. 1904) Taf. VI.
!il 10.
Exzerpte aus Philons Mechanik VII. VI IT (I 42 50; p. S.l).
29
rOYC 0IKOA0M6IN neNTArUNOYC KATA TA AIAAEIM-
MATA T&N «econypriuN, Äo' ön. KAeÄnep ei'PH-
TAI nPÖTEPON, AOKÜN ^nlBAHeglCÄN TAYTA TA KA-
TACKCYACMATA SCTAI. '
(45) nAPÄ AÄ TA-r-THN AAAHN TINeC TeiXOnOMAN
AOKIMÄZOYCIN. gN H «IKPÖN ^KKAINONTA TA «ETA-
riYPrrA (äkoaömhtai ekatön nHxüN t6 mhkoc. tö
Ae nAxoc il, tö Ae Vyoc fei ÖPrYißN • (46) tö
Ad nPÖC TOYC nOAeMioYC KAOHKON TOIXÖKPANON
Ae] WejOYPON AinAOYN KATACKeYÄZeiN. INA Ynö
TüJN AieOBÖACüN TYnTÖMENON WHA^N nÄCXH, Aui-
xoN eXTepoN eAT^poY nHxeic öktü. ^n' e'AATTON
A^ ACiJAeKA' (47) TÖN a' ANwecN eic yaaiaac
CYrKAeice^N-
TO)N fi AOKciN ^niTeeeiCÜN OIKOAO«e?TAl *YAAKTH-
piA- in\ Ae TttN AiesöÄUN riYAiAec feniTi'eeNTAi.
(48) KATA
A^ TÖ M^CON AYTÖN HYPrOl [sÄPelc] OIKOAOMOYN-
TAI KATA TOYC ^niKAIPOYC TÖHOYC neNTÄfUNOI.
(49) CYM-
BAINel OYN TH MEN rtNeCOAl AinAOYN ^TÖ TeTxOC.
TH Ae n'r-proic ne«>YAAr«^NON, ücTe mha^n Aei-
NÖN nAcxeiN- (50) täc Te tap nPocTieeweNAC
adkIaac
KAi T/k nPOCArÖMENA MHXANHMATA KAI TAG
83 muß, an den Zwischenriiunien der Kur-
12 tiiioii, von denen aus, wie tViilier gesagt,
durch Auflegen von Balken die ervväiin-
ten (lerüste hergestellt werden.
15 (45) Außer diesen wird auch eine
andere Bel'estigungsart von einigen emp-
fohlen, bei der die Kurtinen etwas ab-
weichend gebaut worden sind: loo Ellen
(44.361 lang, 12 Kilon (5^ dick, 6
Klafter (10.65) ''Och. (46)'Der nach dem
Feinde zu zeigende abgi^.stumj^fte Mauer-
kopf' soll doppelt stark konstruiert sein,
20 damit er unter den Schlägen der Stein-
werfer keinen Schaden leide. Jeder soll
von dem anderen 8 Kllen (3.55) entfernt
sein, in selteneren fällen 12 J^32).
(47) Die oberen Teile sollen zu Gewölben
zusammengeschlossen oder mit Balken
überdeckt und hioi'durch Wachthäuser
25 erbaut wei-den. An den Ausgängen wer-
den Pforten emchtet. (48) Zwischen
diesen (Kiirtinen) werden au den gefähr-
deten Stellen fünfeckige Türme gebaut.
(49) Dadurch wird alsobewii-kt.daßeincr-
seits eine do[)pelt starke, anderseits eine
durch Türme" gedeckte Befestigung ent-
steht, so daß sie keinen ernstlichen Scha-
3.. den leiden kann. (50) Denn die ange-
legten Balken und die vorgebrachten
Maschinen und die angebauten Schutz-
^■^
83. 17 oiKOAO«e?TAi Fa 23 j&u a\ Bue 25 ta?c AieiÖAOic venu, lira
26 [BÄPeic] byzantinisches, aus der Septuaginta übernommenes Fremdwort (vgl. Hieron.
cp. O5, r4, 7) tilg!e Die: fl BÄPeic Bue 27 [cYMBAiNei — 43 TeixonoiiAic] (ira 28 thn
«^N I'V: corr. Th tö Br 29 - ne*YAAr«^NON Br: nePi*YAAr«feNON I'\': nePine*YAAi"-
n^NON Cod. \'at. 220 ■> ■
' Die .•Vbnie.ssungen stimmen nach MaIjXKRi's
l'lan mit der Hauptbatterie des Kurvalos überein.
Bild II. Auf der Byrsa Karthago's war (1879) eine
iihtdiche Anlage erkennbar.
n n n n
TT
11000
lüld II.
30
Di F. LS und E. Schramm
Ita^HnllnH^^nnllrii^B^nnllni-^"
n
■ frh
^^iwC^cUit;'
QwXA/2C^«mCw ^lAK44AJCvtaJt
D j D I D
i-SOO
10 S
10 r 0
O AWWVOIAA*^/! «^•V
-loü i^fe-iv
-J 1 1-
r.iid 12.
Exzerpte aus Philons Mechanik VII. VIII (I 50 — 55; p. 83).
Bl
nPOCUKOAOMHWeNAC CTOAC ^K TOY HAAriOY TY-
nTOM€NAC ToTc AleOBÖAOlC KAI KPIoTc TÄC MEN
CYNTPieeiN, TAC Ae paaIuc katabaaagin • (51) kai
TOYC YnOPiXTONTAC KAI TOYC YO' AYToFc ONTAC
EYxepSc XnoAeTN, eri Ae bpöxoyc nepiBAAAON-
TAC nepi TOYC KPIOYC Paaicüc KAe^seiN i-i ky-
piEYceiN AYTwN • (52) TOYC Te nPocGPxoM^NOYC eic
TÖ TeTxoc eic ta yiaA TYnTHceiN ka! aytoyc
eYxepöc YfreieAeYceceAi kaI hAain tac
XnoxuPHceic Xc^aaäc noiHceceAi mh aiaön-
TAC TA YIAÄ T0?C nOAeMioiC. (53) TAYTA AE HANTA
CYMSHCeTAl KAi ^N TAIC AAAAIC TeiXOnOliAIC.
(54) AeT A^) TA nPOTeixicMATA AYTCn (ic ICXY-
PÖTATA noieTN
TÖN AYTÖN TPÖnON ToTc TeixeCIN OIKOAOMOYNTAC •
TÄC a' AAAAC OIKOAOAMAC KAI TAG XAPAKUCEIC
oYaC nPÖTEPON elPHKAMEN HOIHT^ON.
(55) GYxepecTÄ-
TH Ae ACT! TeiXOnCiJA KAI XCitiÄAeiAN IKANHN 6-
XOYCA, ^N S TÄ MeTAn'r'PriA AOlX OIKOAOMeTTAI •
"* (lächer kann man, da sie von der Flanke,
aus durch die Steinwerfer und di^ Widder
33
getroffen werden, teils zerstören, teils mit
Leichtigkeit zu Boden werfen. (51) Auch
die Mineure und die unter diesen (Schutz-
dächern) Befindlichen wird man leicht
vernichten und die Widder durch t'ber-
werfen von Schlingen leicht festhalten
oder in seine Gewalt bekommen können.
(52) Die gegen die Mauer Vordringenden
wird man auf der ungeschützten Seite
ti'effen, selbst leicht heimlich ausfallen
und den Rückzug wieder sicher aus-
führen können, ohne dem Feinde die un-
geschützte^Seite zu bieten '. (53) Dies
alles wird übrigens auch bei den früheren
Festungsbauten der Fall sein. (54) Die
Außenwerke müssen aber möglichst stark
angelegt und in gleicher Art wie die
(}Iaupt)l)efestigung erbaut, die übrigen
Bauten und Palisadierungen, wie wir
früher beschrieben, errichtet werden.
(55) Der leichteste und doch hin-
reichende Sicherheit bietende Festungsban
ist der, bei dem die Kurtinen schräg (zu
den Tui-mflanken, s. Bild 13I gebaut wer-
'^
-&
O^
»Ae^t/lt«q/nvt«L ^v>vwi> '3<X\-VBu€^t/V\i d{AAAX*/yyJl/n .'icfy^yntKXÜKfy.
1:4000.
BiM 13.
83. 32 npowKOAOMHM^NAC Schraium 33 [kai kpio?c] Gra : kaipIcoc Bue 35 Yn aytoTc PV :
Ynö taTc ctoaTc S: Yn' aytaTc Gra: Ynö rfic Die 36 XnÖAAeiN PV: corr. Bue 36. 37 nepi-
BÄAAONTecPV: corr. Gi-a: nepiBAAÖNTAC Die 40 ^neieAet-ceceAi verm. Gra 41 noiH-
CAceAi PV: corr. Gra 44 a€? A^Cira: ^aei P: eiAei V: ^'ti ac Aef Ha [aytün] (ira
nach oiKOAOMeiTAl Lücke (Jm
' Niedi'ige Kpikampien. wie in Bild 4 (unten) dargestellt, würden das Aufsteigen auf
die nur 7 m hohe Zwingenmauer sehr erleichtern, solche in ganzer Höhe der Zwingermauer
würden dagegen die so wichtigen (irabenllankierungsscharten in den Tünnen verbauen.
De.shalb i.st anzunehmen, daß die Ausfalls- und Hückzugspforten in den Türmen selbst an-
gebracht waren, wie in Bild 1 2 dargestellt.
Dil; LS und K. Schramm
(56) kaI n-f-proi £n ayth katackcyäzontai thn «en 83
OieTAN. THN Afi AmBAsTaN TUNIAN nOIGYNTEC TÄC :"
npocHKOYCAC npöc t6 reixoc ■ (57) oytu tap oikoao- 84
MHeeNTec kÄn npocAroweNUN tän «hxanhmä-
TCON ÄAAHAOIC AMYNEIN AYNAINTO. (58) TÖN
AYTÖN AS TP6-
noN KAI EN Toic cTPAToneAcic TeixonoiHT^ON
ecTiN, eÄN
nPOCA^XHTAI HOAIOPkIaN TINA. 5
(59) äN AS TA?C
ÄPXAIAIC TelXOnOMAIC AEI TOYC HYPrOYC npoeKTi-
e^NAI KATÄ mIaN rWNlAN, TA AE f.eCOnYPrlA OIKOAO-
MEIN KAGÄneP eN'PÖAU KATeCKEYACTAI. (60)Tü)N AG
enÄAieuN tac «eN YnocTÄceic AeT noie?N tpiön
UTTOCldC rt
(li;ii. (56) Und diu Türme weiden bei
diesem so angelegt, daß sie mit der an-
stoßenden Mauer einen spitzen und einen
stumpfen Winkel bilden. (57) Wenn
sie so gebaut werden, können sie sich
gegenseitig unterstützen, auch wenn
die Maschinen herangebracht werden.
(58) Auf gleiche Weise soll auch bei den
Lagern der Festungsbau sein, wenn eine
Belagerung in Aussicht steht.
(59) Im älteren Festungsbau soll man
die Türme mit einer Ecke vorstehen
lassen, die Kurtinen aber so bauen, wie
sie in Rhodos konstruiert worden sind.
(60) Von den Wehren sollen die Unter-
teile 3 (^)uadern hoch (s. Bild 14) ge-
/i -. 1 0 0
Uil.1 14.
nAiNeiwN. INA Ynep ayt&n baaasin aynuntai toic
nPOBOAOlC Ol *YAAKeC TOYC nAHCIAZONTAC TU
nPOTCIXICMATI ■
eprwAuc AnoKonTONTAi.
(61) npö AS tun tctpapunun nYPruii npo-
OIKOAOMtaN AC?
macht werden, damit die Wächter dar-
über hinweg die Speei-e auf die gegen
die Vorwerke Vorrückenden werfen
können; diese lassen sich auch nur
schwer abkämmen.
(61) Vor die viereckigen Türme soll
man auch noch weiter Dreiecke vorbauen
83, 51 tunIac Gra
84,1 npoceiKOYCAC l'V (in P corr. m"): KAeHKOYCAC ci. Gra 1.2 oiKOAOMHe^NToc
PV: corr. Th 2 kai PV: corr. Die; tilgte Gra 5 nPOCAexH Gra ^n Th: gan PV 8 ^P-
PÖAu V 9 nach tpiun Lücke Gm 10 nAiNeiuN] Quadern wie nAiNeoc und nAiNeic
vü;]. Fabricius Herrn. 17. 566. 569 12 ai a'] o\ A(e nPOMAXÜNec . . . rö nÄxoc öNTec oder
nenoiHM6NOi) Äpr. a. verni. I5r ÄnoKÖnTUNTAi (ira
nPOUKOAOMeTN P: nPOUKOAOMHN V
13 npö R: npöc PV' tun fehlt V
Exzerpte aus PMlons Mechanik VII. VI II (1 5(> — 65; p. 83. 84). 33
Kild 15.
D Q
. I aÖL
TPireÖNOYC AAAOYC CYN€X6?C KaI CTGPeOYC Änö ICO-
nAEYPOY TPirtONOY, TnA n€Pi THN ^KKSWeNHN fCO-
NIAN CTBPeÄN KAi fcXYPAN OtCAN Ol AieOBÖAOI OA-
PÄ<«>OPOI riNÖMeNOI MH KATABÄAAUCI TOYC HYP-
rOYC.
(62) ToTc AÄ nYProic ta weTAnYPriA oy aeT
CYNAfA-
refN • änIcun päp öntcon tun bapön oyx'i ai ay-
TAI ^NACCeiC ToTc OEMeAlOIC Ka'i TaTc nAiNGOIC
]
riNONTAI
KATÄ Te TOYC nYProYC KAI (ta) weTAnv-priA.
(63) TOYTUN
A^ cy«bain6nt(on l>Hieic ^N ToTc TeixeciN ^contai •
KAI ^AN n^CH Tl TÖN «eTAriYpriuN, ^niCnÄCETAI toyc
ToixoYC TUN nYPruN.
(64) ^prÄCAceAi ae aeI toyc AieoYc
TUN HAVKYAINAPIK&N nYPfUN THN EIUeEN OEPIOE-
PelAN KATAMETPHCANTA KAI nPÖC AYTHN EMBOAeTc
lYAJNOYC KATACKEYACAMENON AIAAOYNAI ToTc Al-
ooYProic, INA EYeprwc kai tax'i' ^ppazuntai'
(65) KAi ^'-
CONTAI OYTUC CYNEXCÖC OIKOAOMOYMENOI «ÄAICT'
ICXYPOi AlA t6 THN OIKOAOmIaN AYTßN TOIA-f'THN
84
urr
(s. Bild 15), die mit ilinen fest in Form
eines {gleichschenkligen Dreiecks ziisam-
nieuhängen. damit an der ausspringenden,
so festen und starken Kicke die Steiii-
vverfei-schüsse abgleiten und die Türme
nicht zcrstöi't werden.
(62) Mit den Tüi-men dürfen die Kur-
tinen nicht in Mauerverband zusaininen-
liängen: denn da die lielastungen un-
gleich sind, ist zwischen den Funda-
ment< II und dtMU Ziegelmauerwerk nicht
Verband herzustellen bei den Türmen
und den Kurtinen. (63) Geschieht dies
aber trotzdem, werden Kisse in den
Mauern entstehen, und wenn ein Stück
der Kurtine fällt, wird es die Turmwände
mitreißen.
(64) Die Steine der halbzylindrischen
Türme sollen dem äußeren Umfange ge-
nau entsprechend behauen werden und
nach Anfertigung von hölzernen jModellen
unter die Steinmetzen verteilt werden,
damit sie zunflgerecht und schnell be-
hauen werden. (65) Und wenn (die
Türme) so im Verband errichtet werden,
so werden sie im höelisten Maße Festig-
84. 14 And] »f. Yn6 sub" Th mg 18. 19 CYNAPArGfN PV [Fiir/enverbamf) verteiiligt
l'a; CYNÄnTEiN (anstoßen: so Bue) ist etwas anders, vgl. 80, 3; 82,46 19 bapön] bapbapun
PV: corr. R 20 esM^NOic PV: corr. Ha nAiNeAic V 21 (ta) R- 24 hyptoon Egger
(vgl. zu p. 83,26; 84,36): BAPÖN P\' 25 HMIKYAINAPIKÖN S: HMIKYaInAPUN l'V 26 KATA-
MEPHCANTA V 28 EYEPröc] .f. ÄNEPröC" Br: EYXEPöc S 29 maaict' i'cxYPoi Die: nÖAEIC
TE ICXYPOI PV: tA riAeTcT' eicxYPoi Bue: aaauc te icx. früher Die 30 icxypai H
Ihil.-hist. Abh. 191!). Kr. 12. 5
34
1) I E L s und E. S C H R A M M :
riNecGAl KAi AlA <t6 tön neiPOBÖAUN tAc oah- 84 keit erhaKen, weil ilir Bau derart ist und
die Scliüsse der Steinwerfer daran al)-
TAC nAPA»6P0YC CYMBAiNCIN KaI «H eiKGIN TOYC 32
AieoYC «HeeN- eiueeN rÄP eYPYTepoi h eNAoe^N ei-
gleiten und die Steine nicht nachgeben
iiöniien; denn außen sind sie ja breiter
1:100.
Bild i6.
CIN. (66) Afil AÄ TOYC rCüNIAlOYC KAI TOYC
SiueeN TieeM^NOYC
AleOYC (S)C MericTOYC . KAI nAXYTATOYC KAI XkPO- 35
TÖMOYC
EIN AI. (67) TÖN AC [bAPÖN KaI TÖn] HY-PrUN
nÄNTUN KA-
TUeeN nAPA TAC rUNJAC ToixOYC AnTOWeNOYC AKPUN
' TÖN rUNlÖN nPCOIKOAOMe?N, YnA YnÖCTACIN fe'XUCIN
Ol KiNAYNe-i-ONTec • (68) KAI npoTEixicMATA nepi
AYTOYC
KAI XXPAKA KATACKSYÄZeiN, YnA ^AN nPOTcixiCMA J"
n^CH KAI ^NTÖC AYTOY T^NCÜNTAI Ol nOACMIOI, «H
YnOPYTTUCIN AYTOYC HPOCTieeNTEC TAC AOkIaAC.
(69) ÖPYKTeAi AC ei'ciN in nÄCAic taTc Teixo-
noMAic
OY'K ^AATTOYC TPIÖN TA<t>PCüN, Sn AB? THN «EN
npÖTHN XnexeiN Anö toy TeixoYc oa^spon, thn 45.
AG acytepan An' aythc nHxeic w, thn a^ tpIthn
iCON AnÖ THC AeYTEPAC. (70) AnA «eCON AC
TÖN AlA-
cthmAtun eni eiKOCi öktö. nHxeic tö haatoc
CKÖAOnAC KATAnftiAl KAI ÖPYTMATA nOlHCAl Ka'i
nAAioYPON <»>YTeYCAI, INA TÖ TAAANTIAICp neTPOBÖAW -o
eeCIN MH fe'xUCIN, ^An THC nPWTHC TA*POY KPATH-
als innen (s. Bild i6). (66) Die Eck-
uiid Außensteino sollen möglichst groß,
dick und kantig (d. i. mit Randschlag)
behauen sein. (67) Bei allen Türmen
sind unten an die Ecken sich eng an-
fügende'Mauern (Strebepfeiler) vor die
Spitzen der Winkel voi-zubauen, damit
die Gefährdeten eine Unterstützung haben.
(68) Auch sind Außenwerke um sie herum
und Palisaden (dahinter) herzustellen,
damit, wenn das Vorwerk fällt und die
Feinde hineingelangen, sie diese (Türme)
nicht untergraben können, nachdem sie
(Deckungs-) Balken angelegt haben.
(69) Bei allen Festungsbauten sind
nicht weniger als 3 Gräben auszuheben
(s. Bild 17); der ei-ste soll von der Mauer
ein Plethron (100' r 29.57) entfernt sein,
der zweite von dieser 40 Ellen (17.744).
ebensoviel der dritte von dem zweiten.
|70) Längs der Mitte der Abstände, auf
28 Ellen (12.42) der Breite, werden Pa-
lisaden eingerammt, Gräben hergestellt
und Dornhecken gepflanzt, damit nicht
eintalentige Steinwerfer aufgestellt wer-
den können, wenn die Feinde den
vordereten Graben genonnnen haben.
84,31 <TÖ Ha 36 [bapön kaI tön] Die; vgl. zu 83, 26: 84,36 38 nPocoiKOAO-
weiN Th mg Tna -40 katack. nicht hierher gehörig Br 39 [npoTeixicMATA — 40 ina] Gra
40 ^An tö; Gra npocTeixicMA V ka'i Die: in PV 42 aytoyc toyc nYProYc) Gra
43 oPYKTAi l'V: curi-. Gm 45 neÖTHN V 46 Anö taythc oder Anö thc ä Gra
Exzerpte am Philom Mechanik VII. VIII (I 65 — .70; jh S4).
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inmniTTTi
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A'. ^'XAK&p^^
>Ci!-vO«A.'*Ml'tftA<£C«0 mjA t
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^*A/^C*'tf*y.Cf^.#«yX<t^«t^C
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n
Hilcl 17.
36
Die LS und K. Schramm:
CUCIN Ol nOAEAMOl ■ (71) Ae&AGKA PAP ^CTI nHXÖN TOY
TAAANTIAIOY neTPOBÖAOY H Cr-Piri. H AS CKY-
tAaH A nHXüJN, üiCTe nAPAcTACIN OYX
^lei ToTc nePiAroYCi tön önon. (72) hoiht^on a'öcti
TAC TA»POYC ü)C BASYTATAC KAI «H EAATTON t6
SYPOC eSAOMHKONTA nHXGCüN ' (73) TOCOYTUN
KAI TOIOY-
TCON TÄ»pa)N oPYxeeicÄN OYTe xcoceHceTAi /jic) ta-
xewc, ö- TS taaantiaToc neTPOBÖAOC, b'c ecTi c^o-
APÖTATOC. H OYK A*iseTAI nPÖC TÖ TeIxOC
H e'KAYTOC UN ANTITYnTHCEl, aY TS CTOAI OY HAH-
ClAcOYCI TH nÖA£l, O TE KPlÖC, SAN TINEC AY-
T&N XOOCeCOCIN. OY AYNHCeTAI TYnTEIN TOYC ÜYP-
rOYC. (74) ÖPYTTONTAC AS AsT TAC TA<t>POYC THC MGN
nPCÖTHC THN ANAC^AHN n0ie?C6AI TOY XOY
nPÖ TOY TsixOYC, TÖN AG AAACON EIC TÄ AIA-
CTHMATA ANA MeCON. YnA 0 Te XÄPAI Ac*A-
AÖC TieHTAI KAI YYOC AAMBANONTA TÄ AIA-
CTH/AATA ACtÄAeiAN HAPeXHTAI TÄ nPOTGIxic-
MATi KAI TU Teixer (75) esTeoc ae ^cti npö thc
ASYTePAC KAI THC TPITHC ANSY nPOTeiXICMATUN
Ö XÄPAI, YnA YnÖCTACIN TO?C GNANTIOIC MH GXH.
(76) nPÖ A^ THC äcXATHC TÄOPOY CYNAfAfÖN-
85 (71) Die Pfeife ' des eintalentigen Stein-
werfers ist nämlich 12 Ellen (6.5323)
lang, die Handspeichen 4 Ellen (1,8),
so daß fiir die Bedienung des Haspels
kein Platz voi'handen sein wird. (72) Die
Gräber, muß man aber möglichst tief
machen und die Breite nicht weniger als
70 Ellen (31). (73) Wenn die Gräben so
groß und so Ijeschaffen ausgehoben sind,
können sie nicht schnell zugeschüttet wer-
den: der eintalentige Steinwerfer, der
am weitesten schießt, kann entwedei-
nicht die Mauer erreichen ', oder die auf-
treffenden Schü.sse werden kraftlos ab-
10 prallen; auch werden die Schutzdächer
nicht bis an die Stadt gelangen, der
Widder wird, wenn auch einige der-
selben zugeschüttet sind, nicht die Türme
rammen können. (74) Die Grabenarbei-
ter nu'issen die ausgeschaciiteten Massen
des ei-steu Gral)ens vor dei' Mauer auf-
's schütten, die der anderen aber in der
Mitte des Zwischenraumes, damit man
die Palisadenwand sicher aufstellen kann
und die erhöhten Zwischenräume dem
Vorwerke und der Mauer Sicherheit
bieten. (75) Vor dem zweiten und dem
dritten (Graben) ist die Palisade ohne
Vorwall •' aufzustellen, damit es den Fein-
den keinen Unterstand biete.
(76) Vor dem äußersten Graben sind
ferner von den Bürgern und aus Ge-
85, 3. 4 OYK eiei PV 4 eieic Gra 5 babytatoyc V 7 (tic) nach Z. 11
A. Schoene 8 b tc Gra: oytc l'V nAAANTiAroc P 10 XNTiTYnHcei PV: com. Gra: «f.
XNTiTYnHceTAi« Th mg 11 nAHCiACoici l'V: corr. Th ^an] kan Gra 12 aynhcontai PV:
corr. U 14 XOY Th mg: ToixoY P\' 16 cxäpah V 17 TJeeTAl PV: corr. R
19 GSTeoN PV : corr. Gra 20 tpithc] nPcoTHC Gra Fortif. de Carth. p. 200 n. 2 21 ^X£l
J'V: corr. K: ^XHC Gra 22 nPÖ ac — 29 kataayngin] vgl. Anon. Pol. p. 209. 12- — 16 W.
und unten p. 100,4 CYNArÖNTAC P
' CYPin ist für kaTmai gesetzt. Die Projektion dieser auf die Horizontale ist 5.3232 m.
Stelle wichtig für Beurteilung der Schulnvciten.
'■' In beiden Fällen sind Verteidigungspalisaden notwendig, die Schußfeld vor sich
haben müssen.
Exzerpte mis Philons Mechanik VII. VITI (I 71—79; p.SSJ.
37
PA Te T(DN nOAlTOJN KAi Z^HMOCIA KePAMIA
ÖPGA KAI K€NA Aei KATOPY'TTelN, CA5ANTAC TA CTÖ-
«ATA «YKei- ACHOTON fXp ^CTI • M€TÄ AB TAY-
TA THN ANMeeN iniBÄAAGIN, CüCTG TOYC M^N Xn-
ePwnoYC MHeeN nAcxeiN aginön en' aytän ba-
aIzONTAC, TÄC A^ nPOArOM^NAC XCACüNAC KAI
«HXANHMATA in AYTÖJN KATAAYNCIN. (77) nOA-
AAXOY A^ ÖPYKTdON KAI T^AMATA, nepl A OA-
aIoypon Aei «YTeYeiN, Yna uc häaicta aycxs-
peiA riNHTAi. (78) KATAAeineN a^ täc tä«poyc 6-
p-t-ccoNTAC öpefic ^xoYCAC ÖAOYC ämaihaAtoyc
IKANAC, VnA KOMizeiN eiC THN HÖAIN ÖCA nPO-
CHKON ^K THC XC&PAC AYNÜMCeA.
(79) ■( ) XPIHCIMOI A^
85 meindebesitz irdene Gefäße zu sammeln,
die aufrechtstehend und leer einzugraben
sind, deren Öffnungen mit Seegras ver-
"5 stopft werden, das nicht fault; dann ist
oben darauf Erde zu werfen, so daß
/.war die Menschen, ohne Schaden zu
leiden darüber gehen können, die vor-
rückenden Schildkröten und Maschinen
aber auf ihnen einsinken. (77) An vielen
Stellen müssen auch Sumpflöcher aus-
^° gegraben werden, um die man Dornen-
hecken anpflanzt, damit ein möglichst
schwieriges Gelände geschaffen werde.
(78) Beim Ausheben der Gräben sind ge-
radelaufende Fahrwege in ausreichender
Zahl stehen zu lassen, damit wir ange-
messene Giengen von Zufuhr vom Lande
35 in die Stadt bringen können.
(79) Brauchbar sind auch die Triboloi ',
85,23 AHMÖCIA PV: corr. Gra 25 «YKei achoton Gra: »ykIac htton PV 28 npo-
CAroM^NAC Gra 29 [in' a^tön] Gra 31 aycxgph Er 32 KATAAeineiN Die: KATAAine?N
( T über 1) PV; -i auch am Hände \' _^^ ÖPeAc P: in OPeoYC m' geändert V: corr. Egger:
6xeAC Die 34. 35 nPOCHKeN I'V: corr. Br 35 [xphcimoi — 41 xpeiAJ anderswoher
•1 : 100
1: 10
' tpi'boaoi gibt es in 4 Arten: 1. Der fünfellige Tribolos (aambaa) diente zum Auf-
balten der von hochgelegenen Festungswerken abgelassenen Wagen, Rädern und runden
Steinen, siehe Wksiher 210
Fig.Lxxx. 2.D€rMauertribo-
los diente zum Abschwächen
der Widderstöße und Ge-
schoßaufschläge gegen die
.Mauern. 3. Die Fußangel
diente zum Ungangbar-
machen kleiner Gelände-
strecken, besonders der Bre-
schen. 4. Das Brandgeschoß
(Feueilanze), harpunenähn-
lich. je nach Größe und Foi m
nn't der Hand, Pfeilgeschüt-
zen oder Steinwerfem ge-
worfen,dien tezum Anzünden
von Angriffs- und Verteidi-
gungsma.schinen und Gerät
aller Art Bild 18. — Hier
ist der Mauertrii)olos geraeint,
der in gleicher Form auch
Hild 18.
zum Dreschen benutzt wurde. Serv. zu Vergil Georg. 1 164
tribula genus vehiculi omni parte dentatum, unde teruntur frumenti. Das Urspi'ünglichc
scheint eine stachlige Pflanze, die The ophr. be.schreibt, zu sein: Tribula terrestris Linn.
88
DiKLS und E. Schramm
1 '.lO
;^^
XtoTOC WOTTtVC
I'.ilfl 19.
eiCI KAI Ol TPIBOAOI, OiC AAOßCI, KAI AI AfKY-
puToi adkIasc KAI Ol xHAtüToi KoneTc np6c TÖ
KCOA-f-eiN KAI eKTPAXHAIZelN TAG nPOCTie€M£NAC KAI-
MAKAC. (80) Ael Ae Ka'i «HXANHMATA YnÖTPOXA
YnÄPxeiN,
MAAICTA MEN B, £1 A^ WH TS fe'N, YnA f>AAia)C OAPA-
reNHTAI OY AN AYTÖN fisHTAI XPEIA (. . .)
(81) KATACKeYACT^ON
Ae KAI nAPÖAOYC ka'i aiöaoyc Äc*AAeTc im täc
nAPA-
BOHeeiAC TOY XAPAKOC, INA MH Ol nOA^MIOI iu]
TA XeiAH CTHCANTeC THC TÄ*POY TOYC neTPOSÖAOYC
85 die beim Dreschen verwendet werden,
und die Ankerstangen und die zwei-
zinkigen Gabeln(s. Bild 19) zum Abwehren
und Hinabwerfen der angestellten Leitern.
(80) Es müssen aber auch möglichst zwei.
jedenfalls aber wenigstens eine fahrbare
Maschine vorhanden sein, damit sie leicht
dort erscheinen können, wo sie gebraucht
werden. . . .)
(81) Es müssen ferner aiich Wehrgänge
undsichereDurchgänge zur Unterstützung
der I'alisadierung hergestellt werden, da-
mit nicht etwa die Feinde auf dem Rande
des (Jrabens (s. Bild 20) ihre Stein werfer
IJild 20.
(etwa p. 90, 24) irrtümlich hierher verschlagen Gra CKuvres II p. 170
85,36 [oic Aacüci] Fa AI] oi PV: corr. Hase Thes. s. v. ArKYPcoTöc 37 KoneTc
Bue (neben KoniAec): KoneNiec l'V: tilgte Gni 38 koaoyein Bue 41 an] ikn PV:
corr. Ora aytoTc PVK: cori'. S reNHTAi 1{
Exzerpte aus Phüoms Mechanik VII. Vlll (I 7!> — 87;p.S5.S6).
39
ePYMATI XPCDNTAI (a'Y'Th) ■ Ka'i Tofc nOACMioiC MH
1^ XPH-
CWOC, (iNH AG H TA^PelA.
(82) CnOYAACTEON a' eCTIN ac MA-
AiCTA nepi TÄ nporeixicMATA kaI täc tA*poyc kai
TÄC XAPAKUCeiC- YnÖ PAP TÖN AleOSOAWN KAI
cToüN PaäIuc aaIckctai TA TEi'xH. (83) nepi OYN
TAYTA
♦lAOTIMHT^ON iCT'm, INA, &C (cXYPÖTATA (ff Ta) HPO-
TeixiCMATA KAI AI XAPAKÜCGIC, Ka'i AI TA«POI
d)C TTAeFCTAI KAI BASYTATAI riNUNTAI ■ TOY-
TUN rÄP APMOZOMENWN OYSCN AN OÄeOl AEINÖN
H nÖAIC.
(84) opeAc a' Sxei täc TeixonoiiAc noieTceAi
nPOOPÜNTA TOYC TÖnOYC- XaAH rÄP AAAH Xp-
MÖTTel, OTON fl M£N MAIANAPÜAHC TH nCAINH •
H AG iK
t6n HMIKYKAJUN Ka'i HPIONUTH, 6TAN Ö TÖnOC
H CKOAIÖC, ÖN ^CU AcT nCPIAABcfN ' H A^ AinAfl,
ÖTAN KÖAnOYC KAI ANAXWPHCeiC fe'XH, TÖ HÖAICWA
önoY AG? KTiceHNAi- H A^ AoiÄ TÄ Meconv'P-
riA ixOYCA ToTc TPir^NOIC eiAGCIN- H a' Äp-
xaIa to?c nepioepeci xupioic.
(85) S'fAABHT^ON t' ^CTIN
^N nXcAic taTc nYPronoiiAic, Tna katä wh-
e^N TÖ TeTxoc Xm^Iboaon oikoaomhtai. (86) acT
AG KAI
TUN ArAeÜN ÄNAPUN TOYC TÄ(1>0YC KAI nOAYAN-
APIA nv'PrOYC KATACKCYÄZelN, "^^NA fi TS HÖAIC Ä-
C«AA€CTePA rJNHTAI KaI Ol W^N Al' XpGTHN
(XpicTCYCANTec; , oi
a' Yn^P TflC nATPJAOC TeAeYTHCANTeC 6n ayth
Tfi nATPJAI KAAÜC &a TeeAWM^NOI. (87) TO-r-TOüN AG
85 aufstellen und ihn als Bollwerk benutzen
können und so der Graben nicht den
4* Feinden Nutzen bringt, sondern uns.
(82) Ganz besonderer Eifer ist ferner auf j
die ^'or\verke und die Gräben und die !
Palisadierung zu verwenden, denn durch I
die Steinwei'fer und Schutzdächer lassen
sich die Befestigungen leicht erobern.
(83) Darum ist dies eine Flhrensache. daß
die \'orwerke und die Palisadierungen
^° so stark als möglich und die Gräben so
zahlreich und so tief wie latöglich her-
86 gestellt werden; denn wenn diese Dinge
richtig angelegt werden, kann die Stadt
wohl keinen Schaden i,ubelTirchten haben.
(84) Richtig ist es ferner, den Festungs-
bau ei'st nach der Erkubdung des Ge-
ländes auszufiihren, denn die eine Art
' paßt hier, die andere dort; so paßt z. B.
das Mäandersystem in die Ebene, da-
gegen das Halbkreis- und Zackensystein.
wenn der Ort, der befestigt werden soll,
gebirgig ist; das verdoppelte, wenn das
Gelände, auf dem die Festung erbaut
werden soll, vor- und zurückspringende
Teile hat; das mit schrägen Kurtinen
paßt zu den dreieckigen Geländeformeii :
das alte endlich lur runde Orte.
(85) Bei allen Festungsbauten ist Sorge
zu tragen, daß die Mauer nii'gends » Kreuz-
feuer« erhalten kann. (86) Auch sollen
die Helden- und Massengräber in Turm-
form errichtet werden, damit die Sicher-
'' heit der Stadt vermehrt werde und so-
wohl die durch ihren Heldenmut Aus-
gezeichneten als auch die füi' das N'ater-
land Gefallenen im Vaterlande selbst eine
schöne Grabstätte erhalten. (87) Von allen
88,45 ^AYTfi) Fa, Br [mh] Gra 47 tag fehlt a 49 [ncpi — 2 nÖAic] Gra
50 ^ct'i 1'\' (üC Gra: cuCIN l'V rt tä, Gra Fortif. de Cartli. p. 199
86, 1 d)C Gra: d)cei PV 3 a' ^xei Er Va: ag agI PV 6 ka'i in Has. P kai (k}
Gra 7 nGPiBAAefN V 9 ktibhnai PV: coir. R 1 2 katä S : kai PV 14 kaI (tä) Gra
15 <üC/ n-fproYC E. Curtius 16 Lücke Br: Xpictgycantgc erg. Die 18 tgbam^noi P
40
D 1 E L s und E. S C H R A M M
UN ASAHAOJKAMeN nACÖN TWN nYPronoiiöN ^N 86 diesen von mir beschriebenen Befesti-
gungssystemen habe ich Dir in diesem
Buche selbst die Pläne gezeichnet, damit
CA<t>ecTepoN Tna KATAMAeHC. Du es besser verstehen kannst.
AYTCO COI TÖ BIBAICO TA CXHMATA rerPAniAl,
u
'Opeöc AÄ fe'xei AH-
MOcIa KAI KATA TAC lAlAC OIKIAC AnOKsTceAl {ka!) AAAA
TÖN ACHOTUN, OiCN KÄXPY KaI TÖN EN TO?C APAH-
MACi nvPÖN KAI ePSBiNeorc ka'i eepMovc ka'i
tnnAKHN KAI oPÖBOYC ka'i chcamon kaI MHKCöNAC
nPÖC TAC TÖN *APMÄKü)N CYNeSCeiC, ^Tl AS Ker-
XPON- nPÖC AG TO-VC <t>OINIKIKO-Vc APTOYC ' (2) KAI
nAPA
TOFC SYnÖPOIC TÖN nOAlTÖN KPEA KPEMACTA (h) CYT-
KeweNA eN OINHPÄ TPYriA, AAAA A€ haicwena-
nPÖC Te PAP TPO*HN KAI icX'YN OY «IKPAN CYM-
SAAeTTAI KAI AYTAPKfilAN nAPSäETAI OACAN OYAEN
ÄPTY-ceuc oya' aaöc nPocAeÖMeNA- (3) kai äpäkoyc
«AAiCTA MSN ne*(i)CMeNOYC, ei A€ «H, öc exei.
AAAOYC <^a') ^N AWGPrU ne*YPAMeNOYC • OYTü) PAP
ACHnTON riNETAI ' (4) KAI MnATA felW TÖN YeiuN
eXONTA
THN XOAHN HAICMENA KaI ^IHPAMMeNA SN CKIA'
AOAeecTePA rÄp oytcu- AiAMENei. (5) CYNÄreiN as
TAYTA Aei nAPA TÖN MATeiPUN KAI TÖN lAlü)-
TÖN YH*icMATI TIEPIBAAAONTAC.
(6) TAC Ae KPieÄc ac?
KAI TOYC nYPOYC '(*YAÄCCelN) ÖC BEATICTA KAGA-
PANTAC KAI
CIPOYC ÖC BAeYTÄTOYC YnAlOPloYC OPYiANTAC
KAI TOYTCON TÖ SAA^OC ÄACJYANTAC ÖCON feni
II.
(1) Es ist sodann richtig, von Seiten
des Staates und in den Privathäusern
auch andere nicht faulende (I^ebensmittel)
aufzubewahren, wie Gei-ste, Weizen in
Garben, Kichererbsen, Bohnen, Stuten-
iiäse. Pahlerbsen. Sesam und Mohn für
die Ar/.neibereitung sowie auch Hirse,
endlich Palnienbrot. (2) Bei der wohl-
habenden Bevölkeruni: gedörrtes oder in
Weinessig eingemachtes, daneben auch
gesalzenes Fleisch; denn das wird keinen
unbedeutenden Beitrag zur kräftigen Er-
nährung liefern und wird allein völlig
ausreichen, ohne weitere Zubereitung oder
Zusatz von Salz zu erfordern. (3) Und
l->dnM>sc, am besten geröstet, sonst wie
sie sind, ferner solche in ölhefe einge-
macht; denn das hindert die Fäulnis.
(4) Ferner eingesalzene und im Schatten
getrocknete Lebern außer schweinernen,
mit der Gallenblase; denn st» wei"den sich
diese besser halten. 5. Diese (^Lebens-
mittel) sind auf Gi'und einer Verordnung
überall zu erfassen und von den Stadt-
köchen wie den Privatleuten beizutreiben.
(6) Die Aufbewahrung der Gerste und
des Weizens muß nach möglichst sorg-
f Tdtijroi- Keinigung in möglichst tief unter
freiem Himmel eingegrabenen Getreide-
kanunem erfolgen (s. Bild 21); der Fuß-
boden wird 4" (0.07) tief mit geknetetem
86, 20 AYTÖ] ecxATCp c\. llaase Ersch et Gi-uber s.v. Philon p. 434 n.42 22 (kaI) Die.
Anderes enthielt der dem Exzerpt vorhergehende Abschnitt äaaa PV: äaaa (je) Gra:
noAAA S 27 nach KerxpoN oder aptoyc fügt Z. 32 kai Äpäkoyc — 35 riNeTAi ein S
*OINIKIKOYC PV: «OINIKINOYC S 28 <,H^ Die: (kM\ S 30 MIKPÄ R CYMSÄAeTAI
PV: corr. Biie 32 npocAeÖMENA R: npöcAeöweNON PV: npocAeoMeNHN Va kai Äpäkoyc
KTe.j vgl. zu 26 34 <^a') Die 35 yiön P: yön V: corr. Die 41 ceiPOYC PV
42 ÄacIyanta PV: (■()ri-. R: de!. Th mg
Exzerpte aus Philons Mechanik VII. VJll (1 S7; 11 2 - //; p. SO. sj). 41
ci poc
Bild 21.
T^CCAPAC AAKT'r'AOYC TÖ BAGOC nHAÜ AieiPrACMCNCp 86
KAI HXYPCOMENü) Ka'i KYKAU nCPIAAeirANTAC
Xwöpreü- (7) ecru a€ tä «cn ayo m^ph xnoy, 45
TÖ Ad iEN Xmmoy eic TÖN hhaön eMsesAH-
M^NA. (8) ^N TO-tTOIC KAAÜC EXei OHCAYPIZelN, AN
(i)C MÄAICTA IHPANe&CIN. (9) ^MBAHe6NT0C AE TOY
CITOY Ae? OIOYC KEPAMION 4)C APIMYTÄTOY €10
TÖN M^CON txP\ TOY TPAXHAOY KATOPYIAI ' KAI 5"
nCPIBAAÖNTA ANUeeN \tH KWNOeiAE? CXHMATI
nAJNeoYc
KATAAeiYAl HHAÜ ' OYTO) TÄP ACHITTOC riNGTAI. 87
(10) TJeeTAI A^ KAI AAAON TPÖnON ^N Ync-
PUOIC AIA-
AHAelMM^NOlC ^N AMÖPrCj) TOV'C ToIxOYC KaI TÖ i-
AA4>0C, ka'i TAC OYPIaAC ^XOYCI KAI AIEKONOAC
nAeioYC ^ctpamm^nac npöc boppän ka) ne«PAr- 5
M^NAC AIKTYOIC, Tna «HO YnÖ TÖlN ÖPNl'eWN
KATCCeiHTAI MHT€ GHPiA ^rrifNHTAI ' Ö HYPÖC
a' oy; cAneTAi
Tee^NTOC 4)CAYT<0C ÖSOYC.
(11) «AN A^ JYAUN CnANIZUMeN. Aef TOYC
CITOBO-
liiul mit Spreu versetztem Lehm niis-
gefüllt 1111(1 riogsiim (der ganze Silo) mit
Ölhefe l)estrichen : (7) man nehme aber
2 Teile Spreu zu i Teil Sand in den
l.ehm. (8) In diesen (lietreidei<ammern)
läßt es sich gut aurspeichern, vorau.s-
gesctzt. daß sie möglichst gut ausge-
trocknet sind. (9) Ist das Getreide ein-
gebracht, soll ein Topf mit schärfstem
Kssig in der Mitte bis zum Halse ein-
gegraben werden ; dann soll man oben
darum Ziegel in Form eines Kegels
setzen und sie mit Lehm verschmieren;
denn so wii-d es nicht faulig werden.
(10) Es gibt aller auch noch eine andere
Art der Aufbewahrung, nämlich in ober-
irdischen Speichern, deren Wände und
Hoden mit ölhefe überstrichen sind und
die mehrere nach Nordtjn gerichtete und
mit Netzen vereperrte Fenster und Luft-
löcher liabtMi, damit (das Getreide) nicht
\on den \'ögeln gefr<!ssen wei'den oder
Tiei'e eindringen können; der Weizen
aber fault nicht, wenn man in gleicher
Weise Kssig hinstellt.
(11) Haben wir aber Holzmangel, muß
niaii die (ietreidespeicher so bauen
86.43 tlHAÄ — nePIAACirANTAC ÄMÖPfü) Die: ka'i KYKAU nePIAAGlYANTAC nHAÜ AieiPrACMeNü)
KAI HXYPooM^NO) ÄM^Pfu PV. Mit Bewahrung der iiandschriftl. Stellung verm. hxyp. ka'i
Aieipr. S nach Cat. r. r. 92; X'arro r. r. I 57, i ; Col. I 6, 13: hxypumsnü) ^kaI BeBPerw^NO) am. 15r
XNOYC I'V: corr. S 46 Xmmon FV: corr. S 47. 48 an ojc ür: uc an V\ 50 tön]
TÖ R 51 /^n) Die vgl. 87,3 nAiNeoYC S: nAiNooic PV
87, I riweTAi (Ö cfroc) S 2. 3 AiAAeAew^NOYC PV 3 [iu] S (vgl. 86,51), '^'"'1»
hält er es .jetzt nach Sept. Kstli. II 12 Xai^ömbna iu cmypnIco äaaio) 5 bopan PV: corr. Ha
7 KATeiceHTAi V: KATeiceHTAi P drrirNcTAi PV '''^' oy) S
Phil.-hi.sl. Abk. lUli). Xr. IJ. 6
42
D 1 K I. s und K. Schramm:
1 1
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SV O <J t-M-ft.«W-»W-lA/ft^t'V'»V
'VVVl'lw
3onvvtngtwö £6t-
-J c- n -vt 'bt -» o o < -»^
ß-t/CliXt'c) fc-01^■e/l•C^-C/V,
^ : ZO 0.
Bild 22.
ßf^nt^
AÖNAC OIKOÄOMeTN OYTUC ' OTAN YnOBAACüWeeA TO^C 87
eeMGAlOYC TOY OIKOAOMOYMeNOY O'ikoY, AABgTn TÖ h
HMICY TOY nAATOYC KaF, TOCOYTOY YYOYC HMI-
K~t-KAION nOIH-
CAI ■ (12) KAI nPÖC TOYTO AG? AIa) TPKEn nHXUN
OIKOAO-
Me?N 6*' €KATePOY TOY ToixOY AY?AAC nAINGINAC '
eCTü) AS nAÄTH AYTOJN (. . .) AYO nAiNeMN iVW- 15
TeeeiccöN
87,12 TOCOYTON YYOC I*V: TOCOYTON YYOYC K
14 EKATePA PV: curi-. S 15 aytun (a-t-o riHxewN
(s. Bild 22 1: Sobald die Gruiidinauern
des 7,11 erbauenden Gebäudes errichtet
sind, soll in halber Dicke und gleicher
Höhe ein Halbkreis hergestellt werden.
(12) Und von diesem ab soll man mit
Zwischenräumen von je 3 Ellen (1.32)
auf beiden Wänden Gewölbebogen aus
(>)uadern aufbauen. Ihre Dicke soll 2 Ellen
(0.887) betragen; wenn zwei Steine aut
die Grundmauern gesetzt sind, sollen
1 3 npö To-f-TOY PV AiA statt Aei S
■ ka'i) S
Exzerpte aus Philons Mechanik VIT. VTTT (II ii — 20; p. 87).
43
^ni TÖN e€«eAi<oN tac atJ^ac ÄiHxeAi AeT 6- gi
CON nfiXYN TÖ MHKel- \ . .) TU Ae HAÄTei AiOHXY ,7
nOIHT^ON. (13) TOYTO Ae fCT« leCTWN AietüN H
CVrKPOY-
CTUN üc MericTuN, Yna aynhtai tä bäph «^-
PeiN. (14) ÖTAN AS CYNAXeßCIN AI AyTACC, ^ni 20
TUN ee-
MCAIUN ÖPeOYC OIKOAOMHCAI TOJXOYC • (15| TÖ a'
ANA MeCON
AIÄCTHMA TUN ToixUN KAI XyIAUN nAINGOIC AnOHAH-
PÜCAl, ÜCTe TeTPÄrUNON rSNECeAl tö oikoaomhma
fcoN TÖ YYOC ta?c XriciN gxoN. (16) gTta eic ta anä
M^CON TUN Xr'lAUN AIACTHMATA CTPUTHPAC 6ni- 25
BAAe?N
TOYC ICXYPOTÄTOYC KAI ANUBEN KÄAAMON KAI KATA-
ACIYAI (i)C B^ATICTA- (17) KaI ^ni TOYTOIC ^ÄN T€
BO'fAH
CITOBOAÜNA OIKOAOMHCAI, THN ANCO OPO0HN AOKO^C
AlAeeiC KAI CTPUTHPAC eniBAAÜN KCPAmUCON KAI
KATÄ-
aciyon WC B^ATiCTA • (18) ^ÄN Ae «H oi'koaowhc, 30
CYNCXH
THN Oi'kOAOMIAN ÜCnCP KA/^PAC nOICIN KAI OYG^N
CTPWTHPWN nPOCAeHCETAI.
(19) INA A^ COI CYPYBMA fi-
NKTAI T/k 0iK0AOnH/>\ATA ^XONTA CYMMCTPON TÖ YYOC
TU wereeei, toyc eeMCAiOYC YnoBAAÖweNOC önn-
aIkOYC an BOYAHOHC, [TOYTOIC ICON] AAMBANe TÖ 35
YYOC
TUN XyIaUN AnÖ TUN eeMCAlUN dcON eiPHKAMCN
(20) '. . . San a^ hpo^ah «htc monöaibon cinai tö
■»■n^PÖYPON MHTe iYAlNON, MH ^wnPHcefi,
nOIHCAC THN eicOAON ÖnHAIKHN BOYAei ^iOIKO-
die Bogen eine Elle dick (0.4425)
ausgeführt werden. Nach der Breite
sollen sie 2 ellig (0.887) gemacht werden.
(13) Dieses Gewölbe soll aus behaueaen
oder möglichst großen Bruchsteinen zu-
sammengefügt sein, um die Belastung
(des Schüttbodens) tragen zu können.
(14) .Sind dann die Bogen geschlossen,
sind die ümfassiing.smauern auf den
(ii undmauern gerade aufzubauen, (15) der
Zwisclienraum zwischen Seitenwänden
und Bogen mit Ziegeln auszufüllen, so
daß (las Bauwerk in der gleichen Höhe
der Bogen viereckig wird. (16) Sodann
lege man auf die Zwischenräume der
Gewölbebogen .stärkste Balken und dar-
über Rohr und verschmiere es bestens
(als Schüttboden). (17) ITnd wenn man
auf dieser (Decke) einen .Schüttboden er-
bauen will, so errichte man darüber ein
Ziegeldach aus Balken und aufgelegten
.Sparren und ver.schmiere es bestens.
(18) Will man aber nicht so l)auen. so
mache man den Bau ziisamuienhäiigend
als Gewölbe (s. Bild 22), und man wird
nicht Längsbalken nötig haben.
(19) Damit Dir der Bau in schönem
Formverhältuis, symmetrisch in der Höhe
zu der Länge werde, nimm, wenn auch
die Fundamente beliebig groß zugrunde
gelegt sind, die Höhe dbr Bogen von den
Fundamenten ab so groß, wie ich Dir
angab. (20) Wenn Du aber zum Tür-
stur/, weder einen Monolith noch einen
Holzbalken wählst, damit er nicht au-
gezündet werden köiuie, so mache den
Kingang so groß, wie Du willst, und fülle
17 ^TÜN AÄ eeMEAJuN TÖ YnÄP rflc tthxyaTon tü YYe'i oder MHKei,) S 18 zecTüN l'V:
corr. K 18. 19 cypkpoyctün] vgl. Bull. corr. hell. W'Il (1893) 243 22. 23 AnonAH-
P(oc€i l'V 25 CTurfHPAC V; vgl. Boeckh Opp. VII p. 489 enisAAAeiN PV: corr. Bue
29 ka) (nach kcpawucon) Die: h P\' 29. 30 katAaciyon Th: katA yiaön 1': katA yhaön V
30 ikn T€ «H Bue oikoaomhcai Bue cyn^xh l'V 31 nciei IL Schoenc t,^ tu
Vyei l'V': corr. S 34 YnoBAAAÖweNoc PV: corr. S 34. 35 önoAiKCYC \ 35 ^An
BOYAHOfi PV: corr. Ha [toytoic icon] Er 36 öcon eiPHKAweNJ Z. 11. 12 37 monö-
BYPON PV: corr. Ro 38 mh S: mht' PV
«*
44
DiEi, s und E. Schramm:
Bild 23.
AÖMHCON nAINGOIC- (21) SiT ANUeCN TIGe'lC 16- 87
CTOYC AieOYC erKAICIN SXONTAC TOYC MEN eic 4i
APICTSPA TO-VC A6 SIC AEIIA, eOEITA ("K
TOY MSCOY KATÄKAeiCON ANCOeSN MEN AieO) EY-
pe?, KATweeN ae ctenw änapmöcac cocnep c*fl-
NA- (22) TOYTO Ae nOIHCAC 6S€Ae TÄC eic THN 45
AIOAON eMBAHSeiCAC nAiNGOYC MENei TAP ÄC«A-
AÜJC. (23) XPHCIMON AS TOYTO KAI SN TaTc HYPrO-
nOMAIC, ÄNTI TUN YAAIACON SAN TIC BOYAH-
TAI OYTUC KATACKEYÄZeiN TAC HYaIaAC. (24) TOYC
MEN OYN CITOBOAÜNAC OYTü) KATACKEYACTEON 5"
^CTIN.
(25) TYrXANEI AE TOY CITOY AnAGECTEPOC Ö CHA-
PEIC KAACOC EIC KATEIPTACMENHN THN KaI SE- 88
piceeic iHPoc kai «eInac en toTc APArwA-
(ilin) mit Ziegeln ' aus. (21) Dann lege
von oben behauene, abgeschrägte Steine
(s. Hild 23) tiMls links, teils reohts darauf,
sodann mache mit einem oben, breiten
' unten schmalen Steine, den Du wie einen
Keil einfügst, den Abschluß in der Mitte.
(22) Ist dies fertig, so nimm die in dem
Durchgang eingesetzten Ziegel wieder
heraus: denn es wird fest bleiben. (23) Auch
beim l'estutigsbau bewährt sich dies, wenn
man die Tore anstatt mit Gewölben auf
diese Art bauen will. (24l Die Schütt-
boden muß man also auf diese Ai-t er-
richten.
(25) Vom Getreide ist das weniger
empfindlich, das auf gutgepth'igteni Boden
gesäet, trocken eingeerntet und möglichst
lange in den fiarben geblieben ist.
87.40 nAiNeoic lio: -on comblera celte ouverture avec d< s briques- (vgl. Z. 46):
nYProYcPV: eicoikoaöwhcon nAiNeoYc' Br vgl. Thucyd. II 75,4 ehe l'V: vgl. zu p. 88, 6
TieEic] TJGEi oder ^niGEC Bi- 41 efkaeicin VV: corr. Th mg 43-41 '^•6'? a. m. er. Br
44 CTETNCo l'V: corr. Br 45 Eic TÖN V 46 «ENsf A. Schoenc: «enei PV
88, 1 EIC KAAÜc verstellt Br, vgl. Theophr. c. pi. 111 20, 6
Die /um Stützen der beiderseitigen schrägen .'steinsetzung bestimmt sind.
Exzerpte aus Phüons Mechanik 17/. VI II (II 2l~-:Ul; p. 87. S8). 45
CIN (i)c nAeTcTON xpönon. (26) riNeTAi ae kai
AAAUC
ACHnTOC, ^AN ^K THC KAAAMHC ÜAeNAC nOIH-
CAC KYKAU nePi TOYC CIPOYC nePITeiNHC AYTOYC.
eir' AprrAÜAei hhaü AiAnÄTXwN ewBÄAHC
TÖN CITON <,fl) HOATA eAÄfOY IHPA KATATEMCÜN
MIKPA ^«BÄAHC • (27) MAAICTA AE ACHOTON AIA*Y-
AÄTTei TÖN nYPÖN KAI KPieHN KAI TA OCHPIA, ^ÄN
CYrKÖYAC TÖN THC THAeUC KAPHÖN AIA neTPÖN
eiC TOYC ClPO'f'C XnOTIBH TOYC eiPHWENOYC
KAPnO-i-C, H THN KÖNYZAN H THN ÖPirANON (i)C 6X61
AiAwicruN ^N ToTc CIPOlc enCAYPiZHC TA
ocnpiA- (28) kXn oypu eiciieeN ^nipp-f-TOYC noiAcHC
TOYC CITOBOAWNAC, AIA*YAÄTTOYCIN X»eÄPTOYC
TOYC KAPno-f-c.
(29) ACI Ae TA TOIAYTA OIKOAOWHMATA
KAi X(l)NAC fxeiN ^N M^CAIC TAIC ÖPO«A?C, INA
^AN BOYAÜneeA, BAAAHTAI KAI KATAKOwiZH-
TAi Paaiuc katapp^wn ö cTtoc elc tö kätco
oiKHMA. (30) TieecGAi AC npocHKei «h Iaatton
eic ^NIAYTÖN TÖN C?TON THN nÖAIN ■ XfOPÄZeiN
88
(26) Auch aul' andere Weise kann es
widerstandsfähig gegen l'iuilnis geniaelit
werden, wenn man Rohrbiindel maclit
lind diese ringsherum in den Oriibcn
einspannt, dann das Getreide einwirft,
indem man es mil tonhaltigem Lehm be-
slreiit (oder) getrociinete. kleingeschnit-
tene Hirschlebern hineinlegt. (27) Am
besten kann man den Weizen, die Gerete
lind die Bohnen vor dem Faulen be-
"waliren, wenn man zwischen Steinen
zerquetschten Bocksliornklfesamen mit
den erwähnten Fruchtsorten in die Gruben
einlegt oder die Alantwiirzel oder Ma-
joran, wie ei- gerade zar Hand, ist, mit
den Bohnen dnrcheinandermischt und
diese so in den Gruben aufbewahrt.
(28) Auch wenn man die Getreide-
behälter mit Lufiziilliiß ' \ on auli^en her-
stellt, erhalten sie die Frucht un-
verdorben. (29) Derartige Gebäude
sollen aber in der Mitte der Dach-
boden Trichter haben, damit, wenn wir
wollen, das Getreide leicht einwerfen
und hinabschafl'en können, indem es in
das Untergeschol3 iiinablließt. (30) Es
gel)ührt sich aber, daß die Stadt sicli
nicht weniger als für -ein Jahr Getreide
88.3 XPÖNOIC l'V: XPÖNioc Ha 5. II C6IPOYC l'V wie 13 4 coaenac l'V. Ks liegt
die masc. Form (oahn, ua^noc vor, die Suid. s. v. ooa^nai und (üahn bezeugt. Mit der Bedeu-
tung -ßriiidcU vgl. Hesych. 6a6NOI : KPieflc accmoi 6 noAu P aiahaättcon l'V: cori'. S:
vgl. Theophr. h. p. \I1I 11,7: Geop. II 27,8 7 <(A, Bue 6 [^mbaahc] S 8 aä fehlt V
II ÄnoTeefi PV: Anoenc Schneider ind. Scr. r. r. sub v. ceipoi 12 opIpanin P\': corr. K
13 encAYPizeic P\' 14 kan oypu S vgl. Geop. II 27,5: kaaoy'pu PV ^pipp+toyc V;
^pp-r-TOYC P: .^PPytoyc pro ÖNP+TOYC- Lobeck noiticeic PV 21 H eic;' S, doch vgl.
1,0b. ad Phryn. p. 410
' OYPoc. sonst nur poetisch vom Fahrwind gebraucht (doch s. Xen. Hell. II 3, 31 )
scheint hier vom Luftziige verstanden werden zu müssen. Siiir.\m.m. An der gewöhnliciien
liedeuliing -Jauche, ist wohl auch hier festzuhalten. S( hone zieht (ieoponica II 27. 5 her-
bei; TINÄC A^ eic THN KONJACIN KAI KTHNÜN OtPON MirN+OYClN <i)C «eOPOnOlÖN YnAPXON TÖN
Z<J(i)N. KAI THN OCTPAKOKONIAN A^ THN ^ni TOY ^AÄ»OYC XPIOM^NHN TU OYPü) BP€XOYCI. Hier
muß man annelmien. daß Kanäle in das Innere des Silos führen, die, ohne mit dem (le-
Iri'ide in Berührung zu kommen, die aimnoniakalischen Dämpfe der Jauche zur Abwelir
des Ungeziefei-s im Innern verbreiten. Diki.s.
4(5
D 1 1: i> s und V.. S c II R A m ,m :
Ae Aei ÖTAN eYu)NÖTATOC H KAI AieAeÖNTOC TOY
XPÖNOY TÖN MEN HAAAION ANAAlcKgiN. NEON AE
AAAON TieeCGAl nPÖC TAC riNOMENAC nOAlOP-
KJAC Ka'i TAC CYWBAINOYCAC CITOAeiAC.
(»1) XPH-
CIMON Ae €CTI KAI CkIaAAC KAI BOABoVc EN TAIC
oiKiAic ÄnoTieecsAi kai »ytsyein en tk nÖAei
kaI K'r'KAa) nepl tö teIxoc, i'na katackeyazo-
MENOY TOY "enlMENIAeioY <t>AP«ÄKOY MHGeN HMÖN
nAcXMCIN Ol .HOaItAI KATÄ TÄC CYWBAINOY'CAC CI-
TOAeiAC. (32) cYNTieeTAi Ae tö AEAerweNON *äp-
MAKON KATÄ TPÖnON A*eYHeEicHC CkIaAHC
KAI nAYeeicHC yaati kai iHPANeeicHC katako-
neicHc (te uc AenTÖTATA kai mstä tayta oapa-
MIXe^NTOC ■ EIC AYTHN CHCÄMOY WEN TOY
neWnTOY WEPOYC, «HKWNOC aC OENTeKAIAEKATOY-
KAI nANTUN TOYTUN AEANeENTWN EN TU AYTÜ,
CbC BEATICTq) MEAITI »YPACANTA AIEAEIN ÖCON
EIC eAAlAC TAC MericTAC riNOMENAC- (33) KAI TOYTÜJN
EN MEN nePI AEYTEPAN ÜPAN, gN A6 nCPi AE-
KÄTHN ÄNAAICKUN TIC OYOeN AuÖ AIMOY nÄGOl
AN AEINÖN.
(34) eCTI AE »»AI AAAO nAPAHAHClÖN Tl TOY-
TO) »ÄPMAKON, Ö AE? CYNTieENAI TOYTON TON TFÖ-
88 einlegt. Man soll es kaufen, wenn es
am wohlfeilsten ist, und das alte ver-
Ijrauchen, wenn die Zeit vcrllossen ist,
und anderes, neues einlegen für die etwa
kommenden Belagerungen und den dann
^' eintretenden Nahrungsmangel.
(31) Praktisch ist es ferner. Zwiebeln
und Bollen in den Häusern aufzustapeln
lind in der Stadt und rings um die Mauern
anzupflanzen, damit die Epimenideische
Dauerspeise bereitet werden kann und un-
-" .sere Mitbürger bei dem eintretenden Nah-
rungsmangel nicht zu leiden haben. (32) E.S
wird die genannte Dauerspei.se richtig
so bereitet, daß man Zwieteln abkoclit,
dann mit Wasser auswäscht und trocknet,
sie alsdann so fein als möglich zer-
schneidet und ihnen darauf Sesam zu 5
35 und Mohn zu 15 Teilen beimischt. Dann
vcrreilit man dies alles glatt in demselben
(Topfe), vemiischt es mit dem besten
Honig inid zei-stückelt es so gi-oß wie
die größten Oliv-en. (33) Wenn man
davon eins um die zweite .Stunde (früh
7 Uhr) und eins um die zehnte (nachm.
*'•' 3 Uhr) verzehrt, wird man keinen ernst-
lichen Schaden durch Hunger erleiden.
(34) Es gibt auch noch ein anderes,
diesem ähnliches Dauernahrungsmittel,
das man auf folgende Weise zusammen-
88. 29 "eniMENiAeioY Barocius (Hero mech. f. 3'' und L. Dindorf Thes. s. v. 'enwAeNiAHC;
vgl. Mi ,1. des Sav. 1868 p. 3125.): inmo . . aIoy PV: ^himoniaIoy las der Schol. zum Anonym.
Poliorc.p. 203,3 ^niMONiAioic AeröweNoic *ap«äkoic, derauehschondieCorruptel in dem Archetypus
des Philon las. Der Name des alten Kaiharten steht durch Theophr. H. pl. VII 1 2, i (daraus Plin.
H. N. 19,43) fest. \g\. Psell. Paradox, p. 143,2 Westerm. Ö'GniweNiAeioc aawoc kta. ki^u>n
vgl. Va Opp. acad. I 440: aimä Biie 30 kata Tli: kai f'V: kata tac riNOMENAC noAioPKiAc)
kaI nach Z. 24 ^'a 31 cyntisetai ae bis 89,10 oyk ^Mnoief fast wörtlich exzerpiert im
Schol. z. Anon. a. 0.; daraus wichtige Le^arti-n nach dessen Archetypus Vat. gr. 1605 (G), vgl.
K. K. Mueller, Rh. Mus. 38 (1883) 454 32 'toyton) tön R A«£YHe£icHC G : A*eYHceeicHC
PV 32a CKIAAHC- £HP. G: fehlt PV 2^ (je/ GB uc] eic G 34 chcämoy
G: CECÄAAOY PV MEN fehlt (i 35 MHKUNOC <Ae^ R 36 AEANCeeNTttN P 37 B^AITI
P iDYPÄCANTi P\'G: corr. Ha 40 anaaIckun Tic Br: Anaaickontec G: AnaaIckcon PV
Anö] Ynö Br nÄoeiEN G 41 ecTi — 42 cyntio^nai] aaah cyngecic »afmäkov cynti-
SEMENH G
Exzerpte aus Philons Mechanik Vif. VIII (II 30 — 42; p. SS. S9J. 47
noN- (35) AABelN chcämoy 'Attikön hmIckton
KAI Me-
AITOC ftwixOYN KAI ^AaIoY KOTYAHN KAI XoInIKA
AMYrAÄAOJN rAYK^UN AEAeniCM^NUN, »PY-
5ANTA TON CHCAMON KAI TA ÄMYrAAAA KATA-
A^CAi ka'i ce?CAi • (36) gTta täc ckIaaac nepi-
AenicAN-
TA KAI TÄC piZAC KAI TA HGTAAA AnOTEMÖNTA
KAI AieAÖNTA MIKPA eic ByIaN ^«BAAÖNTA Tpf-
YAI (i)C AeiÖTATA- (37) META A£ TAYTA TUN TeTPIM-
M^NCON CKIAAÜN (/cOn) TÖ M^AITI TpItAI ÖMAAÜC
AMA TU ^AAiti) KAI ^fX^ANTAC eic XYTPAN feyelN
^nio^NTAC in' Anspakiäc* (38) ötan ae ap-
IHTAI ZelN
riAPeWBAAÖNTA TOY CHCÄWOY KAI TÖN XMYrAAACüN
Xma iVau aiakincIn mexpic an AHANTA 6M-
BAHefi- (39) ÖTAN A^ r^NHTAI CTCPeÖN icXYPÖC,
X<«>€AÖNTA
aicacTn bcoN eic ywmoyc amkpoyc, kai «na npwi,
fe'NA AeiÄHC AnAAICKUN an TIC 1KANHN 4'XOI TPO-
♦HN. (40) TYrXANei A^ KAI HPÖC TAC CTPATIÄC
IKANÖN TOYTO (TÖ)
♦ÄPMAKON- HAY PAP ^CTI KAI nAHCMIOM KAI AIYAN
OYK ÄMnoieT.
(41) CYNTieeTAi AC BPWMA ka'i ^K TOY THC MO-
AÖXHC Ka) ^K TOY THC CkIaAMC KAPHOY, ICCüN
MIXe^NTüJN
TOYTWN KAI ^N ÖAMCj) KOn^NTWN KAI M€TÄ TAYTA
KAI Hi-
AITI £«eÖ «YPAeeNTUN, KAI TUN ic(ON YUMÖN TOiC
eiPHM^NOIC AIAOMCNUN TPO0HN IKANHN RAP^XCTAI
TOTC nOAlOPKOYM^NOlC. (42) iceicTAl aI KAI H
CkIaAA KAI X-
88 stellen soll: (35) Man nehme '/^ attischen
Hekteiis (4.32 1) Sesam, '/jChus (1.62 1)
^, Honig, I Kotyle (0.27 1) öl und i Clioinix
(1.08 1) süße, geschälte Mandeln. Hat
man den Sesam und die Mandeln ge-
röstet, mahle man sie klein und schüttle
sie dui'cheinander. (36) Dann schäle man
die Zwiebeln, schneide die Wurzeln und
die IJlätter ab, zerteile sie fein und schütte
sie in einen Mörecr, in dem sie so glatt
50 als möglich verrieben werden. (37) Darauf
reibe man die zerriebenen Zwiebeln mit
dem Honig und dem öl gleichmäßig > zu
g9 gleichen Teilen) zusanunen, fülle es in
einen Topf und la.sse ihn auf Kohlen-
feuer aufgestellt kochea. (38) Fängt er
zu sieden an, werfe man von dem Sesam
und den ^Mandeln hinein und rühre mit
einem/ Holzlöffel durch, bis alles einge-
5 werfen ist. (39) Wenn es ganz fest ge-
worden ist, nehme man es weg und zer-
teile fs in kleine Stücke, und wenn man
eins davon früh, das andere nachmittags
verzehrt, so hat man wohl davon eine
genügende Nahrung. (40) Audi fiir die
Heere ist es ein geeignetes Nahrungs-
mittel, denn es ist angenelun im Ge-
schmack, sättigend und macht nicht
'" durstig.
(41) Es wii-d auch tt\n Nahrungsmittel
aus der Fi-ucht der Malve und der Meer-
zwiebel bereitet. Beides zu gleichen Teilen
gemischt, im Mörser gestoßen und darauf
mit ahgekochlem Honig gemischt und
in gleichgroßen Stücken wie die voi'her
erwähnten gegeben, wird es den Bela-
gerten genügende Nahrung gewähren.
15 (42) Man ißt auch die Meerzwiebel, abge-
kocht und ähnlich wie die Bolle zubereitet.
88,43 aabeTn S: aabün X : aabün P chcämoy S: chcamon PVG Attikön] vgl. Galen.
XUI p. 893 s.; XV p. 201 K. 44 ^aaIoy] ekaicy G cxoinika I* 45. 46 «py^antec PVG
47 cTtac täc k^aaac V 51 i'con) G: fehlt PV'
89, I irxioNTAC G 4. 5 ^MBAHefi P: feNuoiH (i (beachtenswert!) 6 bcoN
fehlt G 7 AN fehlt G exei G 8 ctpatciac Biie zu p. 58, 5 toyto tö G : t6 fehlt PV
10. II «oa6xoc V 12 OAMU Th: ÖAKÖ1 PV
48
D 1 F, I, s luul E. Senn a m m :
.teYHeeTcA km ö«oi(<,'c tu boabü CK6YAceeiCA kai 89
srKPY*ee?CA kaI öniHeeTcA kaaöc, eiTA <. . . > n
nepiAH-
♦eelCA- KAI CYN TM OPOsiNO) AASYPU iu TM AYTU
KoneTcA niNSTAi in oIno) KeKPAMeNw b'coN TPici
KOTYAAIC Ka'i MeAlTI, KAI SN AYTÄ TM oTnM AIATHX- 2°
eeicA OYTMC, MCTe riNeceAiTÖ nAxoc mc KYKecoNA-
(43) TOYTON Ae TÖN TPÖnON nPOC*€POMeNH TPO-
lUhiN IKANHN
nAPexei kai kabapcin aiA tön gypmn oyk atohon
AneprÄzeTAi. (44) riNETAi as kai es aythc aptoc
TPIC A-
♦eYHeeicHC <(kai tpissIchc) agIac kai MixeelcHC 2;
tpItm Mepei ctai-
TÖc tpo«hn icxypan nAPexeTAi toyton tön tpö-
noN eePAneY-
eeicA. (45) mcaytmc ac kai tA cyka meta tmn n-
tApTMN KaI THC CTA^IAOC KOnSNTA KAI SIC HAAA-
elAlA AlAMEPICeeNTA Ka! MAPÄeM AlAXPICeeNTA
XPHCIMA nPÖC nOAlOPKIAN MC ENA^XETAI MA- 3"
AICTA rlNETAI.
(4(5) OAPexeTAi ag TPO<t>HN oYeeNÖc xei-
PM KAI tA KPCA C<t>OAPMC eYHeeNTA KAI AIATA-
K^NTA KAI BOYTYPM KAI MGAITI MIXeSNTA, KAJ ^T-
XYeelc nAc ö es aytmn riNÖweNOC zmmöc eic
ArreiA kasapA. 3?
(47) XPHCIMOC a' eCTi kai AirJAMY
^YHee'ic eni Te<)>PAC «aaakhc 6N xytpa kainh
eaaIm xpiceeicH • tpo*hn te tAp nAPexei kai
AYCeNTEPlAN lATAI.
(48) cY«*epei ae kai khoia in
TAIC IaIaIC OIkIaIC KAI SN TaTc AKPOnÖAECIN KAI
EM T£ TOIC 'AACeCI KAI
temeneci tmn OEMN ka-
TACKEYAZEIN YrSlAC
ENEKEN KAI ÄAN TIC CYMBaInH HOAIOPkIa- »YTEY-
iii Asclie icesteckt uiiil scliön gebraten,
sodann (in Meli!) gewickelt. Man kann
sie anch trinken, indem man sie zu.sani-
inen mit Kibsenmehl in demselben Möi-ser
zerstößt, dann mit 3 Kotylen (0.81 1».
Wein und Honig in dem Weine selbst
so auflöst, daß die Dicke eines Miscli-
tiankes entsteht. (43) Auf diese Weise
zubereitet, gibt sie genügende Nahrung
und regt keine unwillkommene Urinab-
scheidung an. (44) Es wird auch aus
ihr ein IJrot hergestellt, indem sie drei-
mal abgekocht, glatt < verrieben^ und
mit '/a Weizenmehl vermischt wird, das,
auf diese Weise bereitet, eine kräftige
Naln-ung bietet. (45) Ebenso werden auch
Feigen, mit Weintrestern und Hosinen
zerstoßen, in kleine Kuchen zerteilt und
mit Fenchel bestrichen, so brauchbar für
eine Belagerung werden, wie es nur
eben uiöglich ist.
(46) Eine um nichts schlechtere Speise
ergibt auch Fleisch, stark gesotten und
zerkocht und mit Butter und Honig ver-
mischt und alle daraus gewonnene Brühe
in reine Gefäße gefüllt.
(47) Brauchbar ist auch Windhafer,
auf gelindem Aschefeuer in einem neuen
mit Ol bestrichenen Topfe gekocht: denn
er gibt Nahrung und heilt die Ruhr.
(48) Es ist auch nützlich, Gärtchen
in den Pi-ivathäusern. auf den Burgen
und in den Hainen und Tempelbezirken
der Götter anzulegen, der Gesundheit
wegen und für den Fall, daß eine Be-
lagerung eintritt, W'enn man nämlich
89, 17. 18 nepiAH<i>ee?CA verderbt oder lückenhaft, etwa (aa^Itoic) n. : •nePiAAserN v. pro-
prium cihorum aliis involutorum in medicina, non seorsus comestorum- Bue 18 cyn
Bue: ^n PV 20 kai en Die: en Bue: «en PV 24 riNSTAi S: riNONTAi PV 25 kai
TPiBEiCHcN Br 25. 26 CTAiTÖc Buc nacli Dioscorid. II 202: cnAcro darüber und am Rde. \'
'\': CTAITÖC öc> ■' S
26. 27 eEPAnEYeeTciN Bue 28. 29 haaaoiaia Bue: nAAAeiAA PV^
oaaagIaac S 31 HAPeixETAi PV ^1}. 34 a. Rde. .•- PV 36 maaakhc PV; vgl.
llippocr. de victu 1 20 (VI 494 Littr.): tial. XlII 26 K; Athen. II 54c: Oribas. V 106,13:
MAAAKMC Po; Vgl. 32 C<t>OAPMC 40 '^AACECI KAl) Die
Exzerpte aus Philons Mechanik Vll. VJJI (II ^2—53; p. 89. 90). 49
eeicäN rÄp CYKeaN kai »oinikun, sAn h nÖAic
♦^PH, KAI CnAPeicHC THcMnAIKHC KAi 'eAAMNIKHC KO-
AOKY'NeHC KAI APCÜN KAI KPAMBHC KAI ePIAAKOC
KAI TUN AAAUN AAXANCON OY WIKPAN OAPeXeTAI
^nlKOYPiAN.
(49) aeT a^ nAPACK6YÄzeceAi npöc tAc
noAioPKiAC 8nAA kaI ciahpon kaI xaakön kai hain-
eOYC KAI AieOYC XPHCIMOYC OPÖC THN OIKOAOMIAN
KAi BfAH KaI neXPOBÖAOYC KAI OiYSeAcTc KA-
TAnÄATAC KAI MHXANOnOlÖN KAI ANAPAC, q\
XPHCIMOI Tofc ÖPrÄNOiC ^CONTAI, KAI KOoInOYC
Ka'i AIK^AAAC KAI A«AC KAI AMÄ5AC KAI XliNAC KaI
CKA«6?A. (50) AeAOKIMAceU Ad TAYTA HANTA KAT'
ei-
PI^NHN ^N TaTc ^OY) XPeiAIC, INA MH KATA HÖAG-
MON ^N TaTc CYM-
BAINO'r-CAIC XPeiAIC CYNTPIBÖMeNA AxPeiA rENH-
TA1.
(51) nPöc Ae TOY-Toic ♦opmoyc ae? YnAPxeiN eN
TH nÖAei doC ICXYPOTÄTOYC KAI HAeicTOYC OPÄC TÖ
ÄAN Tl
n^CH TOY reixoYC toyc kinayneyontac ^«ninAÄN-
TAC
AYTO'YC TAXY RAPACKeYÄZelN AC*AAeiAN AYToTc '
(52) xupic
A^ TOYTUN BV'PCAC KaI nicCAN KAI MÖAIBON KAI
eeiON KAI CXCINJA HAX^A KAI AEOtA KAI XAPAKA KAI
♦YKOC KaI CTYnniON KaI oTnON KAI ^AAION KAI ÖSOC
KAI
CneiPÄMATA KAI lYAA KAYCIWA [»C nAEICTA] KAI NAY-
OHTHCIMA (iC rlAelcTA CTPOrPYAA KAI TETPAfUNA KAI
KCinAC KAI «OINIKiNAC CANIAAC KAJ AAAAC ' (53) KAI
t6 '^-
PABIKÖN «ÄPMAKON KAI KOfXYAlON TÖ ^N TH aImNH
rifNÖMENON, U Anexei Xnö 1^KHC oentihkonta cta-
Al'OYC, KAI IIÖN, ka'i CAAAWANAPAC KAI lÖN £x^(dN KAI
89 Feigen- und Dattelbämae pilaiizt, falls
überhaupt "in der Stadt solche gedeihen,
wenn man ferner indische und hel-
lenische Kürbisse, Ai'on, Kohl, Lattich
""^ und die anderen Küchengemiise säet,
bringt das keine kleine Hilfe.
(49) Für die Belagerung muß aber
in Bereitschaft gehalten werden : Kriegs-
gerät, Kisen, Kiz, Ziegel und zum Bauen
brauchba re Steine, fernerGeschosse,Stein-
50 Werfer und Pfeilgeschütze, dazu einen In-
genieur und Bedienungsmannscliaft, fer-
90 iier Körbe, Hacken, Schaufeln, Wagen,
Äxte und (Irabscheite. (50) Dies alles
soll im Frieden, wemi man es nicht
braucht, geprüft sein, damit es nicht im
Kriege bei der eintrctiMiden Vei-wenihing
5 verdirbt und unbrauchbar wird.
(51) Außerdem nu'issen in der Stadt
möglichst starke und viele Schanzköibe
vorhanden sein, damit, wenn ein Stück
der Mauer tällt.die in der Bresche Stehen-
den diese schnell füllen und sich selbst
Sicherheit damit schaHen. (52) Abge-
sehen hiervon Felle, Pech (Teer), Blei,
'° Schwefel, starke und feine Binsenstricke,
Pfähle. Seegras, Werg, Wein, ül, F.ssig,
Seile und möglichst viel Brenn- und
Schiffsbauholz, rundes und viereckiges,
ferner Kiemen, Palmenbretter und Fackeln.
(53) Sodann das arabische Gift und das
Muschelgift, das in dem von Ake (Phö-
■5 nizien) 50 Stadien (8.2 km) entfernten See
vorkommt, ferner Mistel und Salamander
und Pfeilgift soll da sein von Ottern und
89,43 *iPH kaI S: «^phtai PV 46 vgl, zu p. 90, 24
90,1 AMMAC PV 2 cxK^iK V\ : tovv. Die BuB (»alvcolos« Ca) 3 <(oy) add. Va:
[^N TA'C XPeiAic'i Ura ina — 4 xpeiaic fehlt V 4 AxoeIa PV: corr. R 7 01 kinayneyontec
^«ninPANTEC I'V: corr, S 8 ay-toyc nach p. 93, 31 Br: aytoTc PV Ac*AAeiANj a, K, d. Z. •,• P
ay-toTc S: ay'toTc PV 9 «6ainbon V it CTinnYON PV Öioc] vgl. Aen. Tact. p. 115
Schoene [lul. .\fr, ('est, 38] 12 cneipAMATA Die: chepmata P\': coApta Bue [uc haeTcta]
Br 15 Karx-r-AiON] vgl, lul. Afr, Cest, 2 16 AktIc PV: corr. Buc 17 vgl. Aen.
Tact. p, 114 fr, 4 [lul. Afr, 37]
Phil.-Mst. Ahh. i<)li). Ar.lZ 7
50
D 1 1; L s und E. 8 c h r a m m :
ACniAUN KAI NAnTÄAlON :'o EN BaBYAUNI riN€TAI
KAI
ixeYHPÖN eAAiON npöc t6 *eeipeiN noAewiwN eni-
nopeYoweNCüN tA yaata, kÄn npoeACüMeeA kata
TOYC
riNOMeNOYC KINA^t-NGYC [nPÖc] TA MHXANHMATA eMOI-
nPANAI KAI AA€f«)eiN TA BGAH, INA *6bON KAI *GOPAN
TAXeJAN nAPACKEYAZH ToFc TITPCÜCKOMENOIC KAI
npoc-
BAAAOYCI nPÖC TÖ TSIXOC.
(54) SAN AE CAnPA T^NHTAI TA
YAATA, KPieiNON €MBAAAeiN AET GEPMÖN \H/ cic
TOYC AYO
XOeAC diOYC BEATICTOY bCON KYASON ZSCANTOC
^rXEAl
KaI MST' OY nOAYN XPÖNON XPHCIMA riNCTAI.
(55). Ae? Ae kai tpyhhthpa xaakoyn h kepa-
MeOYN
KATACKEYÄCAI MH e'AACCON H t^ccapac xupoynta
90 Nattern, eiidlicli Naplitlia, die in Babylon
gewonnen \\ii-d, und Fischtran, um dem
'' anrückenden Feinde das Wasser zu ver-
dei-ben und wenn wir bei vorkommenden
Gefährdungen die Maschinen anzünden
und die Geschosse bestreichen, um so
Furciit und schnelles Verderben den ver-
wundeten und den die Mauer stümienden
Feinden zu bereiten.
(54) Wenn aber das Wasser faulig
25 geworden ist, soll man wannes Gersten-
bier hineingießen oder auf 2 Kannen
(6.48 1) I Becher (0.045 ') besten sieden-
den Essigs eingießen, dann wird es bald
darauf brauchbar werden.
(55) Man muß aber auch ein ehernes
oder tönernes, durchbohrtes Gefäß her-
stellen (s. Bild 24), das nicht weniger als
Bild 24.
90, 18 naotäaioc PV (8/ Biie: (h) Ha 19 icxyhpon V: icxypön P: corr. Th
20 TÄ YAATA KÄN Bue (vgl. 103,31): TAYTA a' AN PV KATA Th: KaI PV 21 [OPÖC] S
22 Yna S: TINA PV 23 nAPACKeYAzei PV 24 ÄAN AC — 27 riNeTAi wollte nach
iniKOYPiAN p. 89, 46 versetzen S 25 KPieiNON] v über on u. a. Rde. V'" PV kpiginon
OINON ;
<H> Br
26 zecANTAC ]*V: corr. Br
28 agT ae kt6.] Aen. Tact. fr. 3
p. 1 1 2 Seh. [Polyb. X 44]
Exzerpte aus Fhilom Mechanik VTT. VIII (II .33— .3 7; III 1—2; p. !)()). 5 1
MeTPHTÄC. ^N U ZnAPACKeYÄCANTi Te *eAAÖN kaI
6«nHIANTI BAKTHPIAN, fi TPIAAKTYAA 1cA MePH
AlAIPeftAl, KAJ) AlArPÄTANTI ^N TaTc Moi-
PAic ^CTAi rerPAMM^NA TÄAe • Nflec cTtoc hvaa
ÖnAA CTPATIÖTAI KAI ÄAAO ^ÄN TI eSAHC
rPAYAl TÖN KATA nOAlOPKiAN fl KATA<[aAHN TINA
xPeiAN; nAPA-
CKeYAZOM^NWN Ka) ^KAeinÖNTCtfN • (56) TOYT(ON
A^ re-
rPAMM^NWN kXk TETPYnHM^NOY TOY TPYnHTHPOC
"fAATOC ^KXYe^NTOC CHWAINeiN THC NYKTÖC KATATAC
nYPceiAC eic ö Xn npoAipfl cTPATÖnsAON fl nö-
AIN ft ♦YAAKTfiPION, COCTG ^K AIAAOXHC i<H-
KNCTCSAI öneP Ot nYPCOi AYNATOI EICIN CHMAINeiN,
TINOC A^ONTAI Ol nOAlOPKOYMeNOI ' (57) AG? AE
iu Tolc
nPOEIPHM^NOIC TÖnOIC ÖMoioYC KAI fcA ^XONTAC
TPYnHMATA [kaF] AAAOYC TPYOHTflPAC cTnaI TÄC
AfrXc ^irPA*AC ^XONTAC TUN ÖNOMATUN ^N TaFc
a't'taTc moipaic, Yna AiceÄNH, ti'na xpe'iAN e-
XOYCIN Oi nOAlOPKO+WENOI CYNO^MATOC AY^ToIc ÖNTOC.
III.
(1) TOYTüJN Ai nAPECKEYACM^NUN OPÖ THC
MEAAOY'CHC FEN^CeAl nPOCBOAfiC ^OICTÄNAI AeT
TÄ B^AH TiAnTA KATA TOYC nPOCHKONTAC ^KA-
CTU TÖnOYC.
(2) '. . .) KAI «eiAECSAI TUN CTPATIWTÖN KaItÖN
90 4 Maß (156 I) faßt, in doni (^inan einen
Schwimmer anbringt nnd einen in 3 zöl-
lige (5.55 cm) Felder gleichmäßig einge-
teilten Stab hineinsteckt und'> auf denTeil-
strichen folgende Aufschriften anbringt:
Schiffe, Getreide, Holz, Waffen, Soldaten,
und wenn man sonst et\va.s, was bei einer
Belagerung oder zu ander(>ni Zwecke vor-
zubereiten und nötig ist, einschreiben will.
56) Wenn dieses geschrieben ist nnd
man aus dem durchVjohrten Gefäße das
,. Wa.sser abläßt und des Nachts Feuer-
st
zeichen in ein beliebiges Lager oder
eine Stadt oder eine Wache sendet,
kann man nun aus der Reihenfolge ent-
nehmen, soweit diese Feuerzeichen das
anzeigen können, wessen die Belagerten
40 bedürfen. (57) Man muß aber an den
\'orerwähnten Orten andere gleich große
Gefäße mit den gleichen Bohrungen haben,
welche die gleichiMi Aufschriften an den
gleichen Teilstrichen haben, so daß man
dadurch erfahren kann, welches Bedürf-
nis bei den Belagerten vorhanden ist,
vorausgesetzt, daß mit ihnen vorher eine
45 Verständigimg getroffen ist'.
III.
(1) Wenn dies vor dem zu erwar-
tenden Angriff' vorbereitet ist, muß man
alle Geschütze an dem einem Jeden zu-
kommenden Orte aufstellen.
(2) (....) und man soll die Soldaten
90, 30 Lücke vor aiappayanti erg. aus Aen. a. O. Die (vgl. dessen Antike Technik» S. 8i):
Lücke nach AiArPAYANTi Br 31 ^ctai] ^ctu S nRec Die aus Polyaen. \'I 16,2: n^oc l'V
33 fi KATA P: Lücke S: erg. Kaibel : »quae ad obsidionem aut praepanita non sunt aut de-
fet-erunt" Th lat. : katä (citoaeIan Va: katA hapackeyac zhtoym^nun Bue 35 kak Die:
kaI PV TETPYnHM^NOY PV: nenAHPUM^NOY Th mg 36 äkxyb^ntoc Die : ^rxYe^NTOc l'V
37 Eic S]Vc<oc P: fcwc V: corr. Th mg 38 ^k] kai PV: corr. Th mg A«iKNETceAi PV: corr. Die
39 olnEP verm. S 41 Tönoic] to't'toic PV: corr.Th mg fe'xoNTA P\' 42 [kai] aaaoyc S :
viell. KATAAAHAOYC Die 44 AiCGANH Die: AiceANHTAi PV: aIcganuntai S 45 »f. CYN-
OHMAToc: sed vd. I^b. ad Phryn. p. 249« S 47 riNECGAi S ^«ectanai PV: corr. S
49 "KAI «EiAEceAi — 91, 2 KAiPoTc ab hoc loco aliena« S ctpatiön V
' Siehe Diki.s, Antike Technik. S. 73.
52
Die LS und E. Schramm:
nOAlTÜN UC «ÄAICTA KATA TQ-Vc riNOMeNOYC KIN- 90
AYNOYC KAI MH ^niTP^nelN AYToTc ^MOHAÖCIN 61- 5-
KH TPAYMATIZeCeAl, TnA ÖTAN H XPgIa 6- 91
XHC TOYC KINAYNe-r'CNTAC SN ToTc KAeHKOYCI
KAIPolc.
(3) (. . .>. MGTA A^ TAYTA (nPÖc) TOYC [mEn]
neTPOBO-
AOYC 6pe(üc e'xei täc ök tön «coinikun canI-
AAC CYNAHCANTAC KATAKPSMAcAI HPÖ TOY Tei- S
xoYc (icxYPAi rÄp eici kai AYce^nPHCTOi), e-
neiTA maaapmata npö aytcon (, h> äaahaaic eni-
bAaAONTAI, TnA MH AI CYNAPTHC6IC AYTÜN AIA-
KÖnTUNTAI YnÖ TUN BeAÄN ' (4) ft SK TÖN CXOINiuN
nAeiANTAC AiKTYA KAI <t>YKOYC eMHAHCANTAC '°
KATACnÄN. (Ö) ÄNUeSN a'eK TUN eKKEIM^NCON J-^AMN
AI ÖPMICTHPIAI AeAENTAI Tü)N CAnIaCüN KAI TUN MA-
AAr/AÄTUN ■ AEPPeiC AB AGI nPÖ AYTÜN KATA-
nSTACAl, TnA MH YnÖ TÖN BEAUN Ol AECMOI ÄHO-
KÖnTUNTAI. (6) ANeiCTANAI AS XPHCIMON HPÖC 15
e'KACTON
AYTÄN A-fo AGKAMNAIOYC AieOBÖAOYC. OYC AEI WETA-
*ePeiN OY AN KAI Ol nOASMIOl KINCÖci TINA TÖN
neTPOBÖ-
AUN, YnA an A^NH ÄNTA*eiC CYNTPIYHC nATÄlAC TO
OPrANON.
und die Bürger soviel als möglich bei
den eintretenden Gefahren schonen und
ihnen nicht erlauben auf gut Glück dar-
aufloszustürmen und dabei verwundet
zu werden, damit, wenn Not an Mann
ist, es nicht an Leuten fehle, die ihr
Leben im richtigen Zeitpunkte einsetzen.
(3) (...) Danach ist es richtig, ge-
gen die Steinwerfer die Palmenholztafeln
/Aisammenzufiigen und vor die Mauer
heiab/.uhängen, denn sie sind stark und
uiiveibrennlich, alsdann vor diese, wo
sie aneinandertreflcn, Schutzkissen, da-
mit nicht ihre Verbindungen, von den (!e-
schossen durchbrochen werden. (4) Odei-
man soll aus Binsen Netze flechten und,
mit Seetang gefüllt, herablassen. (5) An
den oben vorstehenden Hökern sollen
die Seile angekiu'ipft sein für die Tafeln
und Kissei\. Vor ihnen soll man Häute
herabhängen, damit nicht die Verbindungs-
taue durch die Geschosse abgeschossen
werden können. (6) Es ist ai»er prak-
tisch, einem jeden (Geschütz) von ihnen
n;egenüber 2 zehnminige Steinwerfer
aufzustellen, die man dahin bringen muß,
wo gerade die Feinde einen ihrer Stein-
werfer in Bewegung setzen, damit man
durch Gegenschüsse, wenn möglich, das
Geschütz trifft und zertrümmert.
1-. 500
Bild 25.
91, 2 exH PV 3 <npöc> Ca [wen] S 3. 4 hypoböagyc R ' 6. 7 ^ni
TÄ PV: corr. TIi 7 npöc V <h> nach p. 99, 28 Br 10 <i>ykoyc Wesseling zu
Diod. XVll 45; vgl. 99, 24: *YAAKOYC PV: byaakoyc R 12 aiaentai »ligantur. Bue
15 ANICTANAI PV: corr. Gra 17 oy] 01 Gra 1. c. 17. 18 nerpsÖAUN V 18 ay--
NANTAi <t>^ic V: AYNHTAi«eTc P: corr. Buc: A-t-NH A*eic Gra 1. c. cyntpIth PV: corr. Gra I.e.
Exzerpte aus Philons Mechanik VII. VIII (III 2—9; p. 90. 91).
53
(7) npöc Ae TAC «eTAAAerceic Öryktgon ecTiN 91
Ana w^con toy reixorc kai nporeixicAiATOc ikanhn jo
TÄ*PON ICHaIkHN KATA BÄ90C TUN eEMeAlUN TÖ KATA
rfiC, YnA »ANEPoi riNÖMENOi Ol YnOP-r'TTONTeC
^AAIUC AIA»eAPfflCI KAI MHK^TI TU Teixei
nAHCIAZWCIN.
(8) nPÖC A^ TAC CTOAC kai TA «HXANIHMATA <(eic) 25
cuaAna Xnö TOY ^NAoeeN mhxanhmatoc A
nt-proY äktao^nta ^mb^aabin Sco tpitaaän-
TOYc AieoYC- (9) ^n' ^cxAtu ae ö cuahn
^X^TU €KA-
(7) Für das Suchen nach Minen ist
in der Mitte zwischen der Mauer und
dem Vorwerke ein hinreichend geräu-
miger Graben von gleicher Tiefe wie
das Fundament in der Erde auszuheben '
(s. Bild 25), damit, wenn die Mineure
zum Vorschein kommen, sie leicht ver-
nichtet werden und sich der Mauer nicht
nähern können.
(8) Gegen die Schutzdächer und die
Belagerungsmaschinen soll man auf einer
aus der im Inneren befindlichen Maschine
oder ans dein Turme hei ausragenden
Hinne dreitalentige Steine hineinwerfen
(s. Bild 26). (9) Am Ende soll die Rinne
beiderseits in Scharnieren bewegliche
\
m
150
Bild 26.
91, 19 in V am Rande V" Zeichen der Verderbnis (zu Z. i8) np6c a^ — 24 nAHCiAZUCiN]
vgl. Anon. Byz. XIII 8 Koechly: Aen. 37, i p. loi, i ft". Seh. 20 kaI <(toy) np. Ca 21 ich-
AiKON K. B. PV: (4AiK0N ^CTi TÖ B. Ca eeMEAitoN V: MSAIUN P Td)] TÖ P V : corr. Br nach
An. Byz. a.a.O. 22 »f. reNÖweNOi« Br 25 [kaI tä mhxanhaaata] (^c) S 26 cwaAnai
PV: »kwc CWAHNA- R Anö toy] Xnö toy verrn. S
' Dieser wurde die rückwärtigen Verbindungen empfindlich stören, deshalb ist er
wohl im 3. (äiißereten) Graben ausgehoben, s. Bild 25; s. auch Aeiieas Tart. c. 37
YnoPYCCÖNTWN TNÖcic kaI k6aycic.
54
D I E L s und E. Schramm:
TEPCoeeN nrrAYMUTAC canIaac cvrKAeiOMeNAC 91
KAACüAioiC, Sn XAAACeeNTWN KAI nieCeEICÄN 30
TÖN canIaüjn ÖAiceHPÖc 0 Aieoc) ^ninece?TAi ^ni
TÄC CToAc-
KAI nAAlN TUN KAAUaIcüN CYrKA€ICe^NTUN [bAOC
Ö AieOC] TAYTÖ eCTAI-
(10) (iCA-fTUC AS ÄnÖ TUN MH-
XANHMÄTtüN KAI AHÖ KGRAIMN AlBOYC MericTOYC
A<t>leNTAC KAI Tofc nSTPOBÖADIC ANW BÄAAONTAC ToTc 35
nAAlNTÖNOIC KAI ToTc «ONArKÖCI, AIÄ AE TÖN KATA-
lYPUN BYpIaUN TUN TAAANTIAIUN AiSMN KATU Ä-
«leNTAC neiPÄcoAi AiAKÖnTeiN tAc 6po<t>Äc- (11) ^k ab
TUN eni TH CTerH kgi/agnun kata MeTunoN T-r--
nTONTAC (fi>
^K TUN nAAriuN katabAaasin aytAc. (12) ÖÄN 40
AG UCIN iK
reppuN nenoiHMENAi, kai toyc nYPO*6poYc efc ay-
TAC X*eTNAI ■ KAIPÖN AS AABUN eKneWYAC CTPA-
tiutac eMnPHCON. (13) eAn ag ucin öpyrta!,
YACOP eA-
aAcCHC ANeC 6IC AYTAC To'lC nePlAKTOIC TPoxoTc
(h) eAn aaaon tinA aynh Tp6noN, kai tu 45
eNETHPI KAI
ToTc neXPOBÖAOlC ANUeSN TYHTONTAC KEAeYeiN AiA-
KÖnTeiN TAC ÖPO*Ac AYTUN.
(14) npoc AC tA mhxanh-
«ATA otan errvc h, kai toyc kpioyc kaI tAc enisA-
ePAC nPuTON MEN katA toyton tön TPÖnON
eOAPAl TÖ
TSTXOC (mh) KAeeAÖNTAC toyc nPOYnAPXCNTAC 50
nPOMA-
xuNAC, Aaa' en' aytun thn oikoaömhcin nenoiHw^-
Brettcr haben, die durch kleine Taue zu-
sammengehalten werden. Läßt man diesi-
locker und werden die Bretter auseinander-
gedrückt, so wird der Stein hinabgleitend
auf die Schutzdächer fallen. Wenn dann
die Taue zusammengezogen vvei-deii, wird
es wieder so sein.
(10) Ebenso soll man aus den Ma-
schinen und aus Kranen sehr große
Steine werfen und mit den Stein-
werfern, den Palintonen und Einarmen
aufwärtsschießen, durch die schrägen
Schai-ten aber eintalentige Steine abwärts-
werfen, um das Durchschlagen der Schutz-
dächer zu versuchen. (11) Aus den auf
dem Dache befindlichen (Geschützen) soll
man dieselben, sie in der Front oder von
der Seite treibend, zusammenschießen.
(12) Wenn sie aber aus Hutengeflecht
gemacht sind, soll man auch die Feuer-
lanzen gegen sie abschießen : erfaßt man
aber eine günstige Gelegenheit, so schicke
man Soldaten aus, um sie in Brand zu
stecken. (13) Wenn aber Ausschach-
tungen vorhanden sind, soll man Meer-
wasser hineinlassen durch die (Schöpf-)
Räder oder wenn man es auf irgend-
eine andere Weise tun kann; auch soll
man Befehl geben, mit dem Elamnien-
werfer (Ülspritze) und den Stt'inwerfern
von oben darauf schießend die Dächer
dei-selben zii durchbrechen.
(14) Gegen die Belagerungsmaschinen,
sobald sie nahe herangekommen sind,
und die Widder und die Stnrmbrücken
soll man zuerst auf folgende Weise die
Mauer erhöhen : Man nehme die vor-
handenen Brustwehren nicht weg, son-
dern baue darauf weiter, stelle noch
91,31 öaicshpöc ö Aieoc) Die: Oaicghaoc P\' : am Rande Aieoc l'V (die hierher ge-
höi'ige' f!il>che Variante öaoc ö Aieoc ist verschlagen nacli Z. 32. 33): ö Aieoc Br: Ö Äieoc
ÖAOC Blie 32 TUN K. CYNTAeeNTUN KAI TUN CANIAUN - CYrKAEICeeiCÜN Unnötig Br [ÖAOC
ö Aieoc] Br: AAAOC A. I{o ;}2 taytö Br: toyto l'V 34 Anö ^TUN' k. ("a 36.37 kata-
iiHPUN PV: eorr. Mi vgl. 80, 12 37 tun taaantiaiun AieuN PV: tön taaantia?on aigobö-
AON Br 39 th] t aus CT cori'. V tyrtontai PV <^h) Die 41 reppuN Bue:
TiYPPUN l'\': SYAUN Th 45 (fl) S sAn (mh) aaaon Th mg 46 KeAere S 49 tp6-
noN PN': TÖnoN IJo 50 (mh) Ro: oy> Ca 51 thn] aaahn Th mg
Exzerpte aus Philons Mechanik VIT. VIII (III 9— IS; p. Ol. !)2). 55
NOYC KAI AAAOYC ÄNCdSeN KATACKEYACANTAC KATA-
CTeroN noiHCAi ta-i-th tö TeTxoc, bnuc an YnÄp-
>
xuci Te AinAO? npöc thn xpeiAN ■ kaT bnuc, äan
[npöc]
TflN ÄniBAePAN dniBAAAUCI,. KATUeEN PAAl'uC AIA
TÖN nPOMAXÜNUN ^/"inPHCUMEN AYTHN, AN TB TO'Y'C
XNueeN npoMAxöNAC XnoKÖnTuci, kpioyc kai bpö-
xoYC npocAroNTec iK tun kata toyc <kätu -
nPOMAXÖNAC ÖN-
TMN AIACTHMATOJN eYXCPÜC (nA)TÄl(i)WeN AY-
TO-f'C • (15) ^K-
TPYTIHCANTeC ^aI) [a'V'TOYC] TAYTH KAI TÖ TcixOC
kata toyc
apmözontac tönoyc, kopwov'c katackeyäzumcn
katA
TAG eYPJAAC neprrp^xoNTAC ka'i tu kpiö tö Xn-
TICKEYACe^NTI TOYTOIC TYnTONTCC ANCüGeN THC
^CXAPACTÖ «HXAnHMA kai tön KPIÖN KAITÖTPYnANON
ka'i tön köpaka ka! 6 an npocÄruci, cYNTPiauMCN
XxAA^nuc- (16) Ai AE nepi«epe?c aoko'i toytmn
CNCKA
HAÄriAl nAPÄ TÄ ÄKTPVnHMATA Tl'eeNTAI, Tn'
eyxepüc ö kpiöc SiueeN Te ka! oaain ScueeN hapa-
AAMBÄNHTAI nePITPeXÖNTOJN TÖN KOPMÖN THN
KINHCIN
önoiAN OYN Noeic. (17) katackeyact^a t^ ^ctin
AYTÖ KPIÖCTA-
CIC ÖC AC*AAeCTATH HPÖCTÖ TOYC (ieOYNTAC AYTOYC
KAAÜC BEBHKÖTAC 4)0 C*0AP6tATA CYNTeAcFN TAG
nAHrÄG.
(18) XNTOIKOAOMHTdON Te eCTI KAI TAYTH
TPirCüNON
Te?XOC (6G0)) TÖ ^«BOAON SXON, Al' OY SYPIAeC
92 iindeie darauf, und überdecke also die
Mauer, damit sie im Bedarfsfalle dop-
pelt vorhanden sind und wir, wenn
sie die Slurmbiiicken überwerfen, diese
leicht von unten her durch die Brust-
5 weliren anzündeu köuuen, wenn sie aber
die oberen Brustwehren abkämmen, wii'
aus deu btü den unteren Brustwehren vor-
handenen Zwisclienräumcn Widder und
Schlingen vorbringen und sie dann leicht
abschlagen können, (15) damit wir hier
ferner an den passenden Stellen die
Mauer durchbohren und Hollen darin
■o anbringiMi können, die in den Scharten
herumlaufen, und, indem wir mit dem Ge-
genwidder oberhalb oes Gerüstes stoßen,
wir un^cliw(>r die Maschine, den Widdei-,
den Mauerbohrer und den Raben ■ und
was alles sonst noch vorgebracht wird,
'5 ohne Mühe zerstör<'n können. (16) Die
rollenden Balken wei-den deshalb ((uer
in die ausgebohrten Löcher gesetzt, da-
mit der Widder leicht von außen nach
innen und umgekehrt gebracht werden
kann, weil die Hollen in der gerade
beabsichtigten Richtung sich drehend be-
wegen. (17) Ferner muß füi' ihn das
Widderge-stell so sicher als möglich ge-
baut werden, damit die Stoßenden selbst
feststehen und so die Stöße mögliehst
wuchtig ausführen können. (18) Ks soll
ferner an dieser Stelle auch eine drei-
eckige Mauer als Gegenweiir errichtet
feKAT^PueeN werden, die (nach innen) die Spitze hat
92, « nATASEumeN .S: tA£ü)«€n RV ayto-i'c S (vgl. Z. 9): aytön P\' 9 (ag) S [ay-
TOYc] Korrektur zu Z. S tilgte S 10 KATACKeYÄzoweN Bi- 12 toytoic Die: TcfTu l'V:
TAY'TH S 14 KAI GAN l'\' : corr. lUie 14. 15 CYNTPiBUA'.eN AXAA^nuc Die: cyntpibömgna
xAAenöc PV: cYNTpisoMeN AXAA^nuc Tli 17 ^lueeN Te V: ^lue^NTec R 17. 18 nepi-
aambAnhtai RV: coit. S 19 noiANOYNNOe, über oe ; , ebenso am Rande RV: corr. Die:
onoiANOYN Noe? Gra: önoiAN gyn Aef Bue: noio-i-NTWN agIan S aytö 'Tö) kpiö gtacic Bue
21 c«oapotatac R 23 /^cci)/ Die ^mböaoy (cxhma) ^xon Mi eYPiAGc Br: hyaIagc V:
noAiAec P
' KÖPAZ ist entweder idenli.sch mit t^panoc oder ein JFauerbrecher mit Spitze.
die.se in die Fusjen zwischen die Steine z« stoßen und die Steine auszuwuchten.
50
D I E L s und E. Schramm
lüld 27.
eiciN OYK ÖAirAi noiHT^Ai np6c tö ^an necH tö 92
M€TAnYPriON TAYTH TOYC BAAl'zONTAC eCUeSN TPAY- 25
MATlzeceAi eic ta nAÄriA -rnö le tön bgaän kaI
TÄN CTPATIWTÖN, GTI AE YnÖ TüJN nOAlTÖN. (19) AG?
AE KAJ
BÄAAelN iK TÖN KAPBATiNUN aIgOIC COC «EricTOIC
TOYC nAHCIAZONTAC TÖ Teix€l.
(20) ikn Ai Tl TOY TeixOYC
fi TÖN nYPrUN ÄAicKHTAI, ÄnOCnACTEON Te ^CTIN THN 30
TAxicTHN TÄC nPUTAC 6P0*ÄC KaI TÄC KAOAI-
peceic ÄNAipeTeoN Aooikgaomhcanta tac eka-
(s. Bild 27). In ilir sind zahlreiche Schar-
ten,' auf beiden Seiten anzulegen, da-
mit, wenn die Kurtine fällt, die dort
Vordringenden von innen her in den
Flanken verwundet werden von den Ge-
schützen und den Soldaten sowie auch
von den Bürgern. (19) Ks soll aber auch
;iu.s den Schutzhäusern mit möglichst
gi-oßcM Steinen auf die sich der Mauer
Nähernden geschossen werden.
(20) Ist aber etwas von den Älauern
oderdenTürmen genommen, sollen schnell
die ersten Dächer abgerissen und das
Xiedergerissene davongetragen werden,
um zum Vermauern der Pforten der
beiderseits befindlichen Türme venvendet
92, 24 noiHTeoN l'V: corr. S necH IIa: nom l'V: noNH Th mg 27 ETI ae ^kai)
YnÖ H 28 KAPBATINÖN Schneider Lex. s. v. wie 101,32 : kapbatkänüjn PV 30 aaicketai PV
31. 32 KAeAiPeceic] katabAceic Gra II p. 189
Exzerpte aus Philons Mecfwmik VII. Vlll (III 78—28; p. !)'2. fh'i). 57
92
TepweeN oycac (nVAiAAc) tCn nv-pruN- (21) tac
AS npöc TÄ
weconYPriA eccoeeN vnAPxoYCAc KATAAeinreoN.
Yna ixuneu toTc nvproic tayth aoHeoYNTec Kiei-
NeiN TOYC BIAZOM^NOYC AYTOYC. (22) TOYTOY AE
reNOMeNOY
TAXY nÄNTec AnoAOYNTAi Ol Xnabantgc ^ni
TOYC n't'ProYC in tö weTAnYPnoN [tö] TYnröweNoi
Tofc
BeACCI KAI OYK ^XONTeC OYAAMfl AnOXUPfiCAl AAa'
fi efc TÖ önico) .häain ^pruAÜc.
(23) ^nieeT^ON ag ecTi
KAI TaFc KAeHKO+CAIC HPÖC TÖ Te?XOC OIKIAIC npo-
«AXWNAC KAI TOIC XM'tÖAOlC fiKAT^PWeeN OYAAC
KATACKeVACT^ON KAI EK TWN HAArluN ToixUN OHAC
nOIHT^ON, Al' (ON ToTc TE XkONTIOIC KAI TA?C ZIBYNAIC
KAI T0?C BOYnÖPOIC OBCAiCKOIC ^CTAI TY-nTCIN SIC TA 45
HAAriA TO'v'c eic tä Xm»oaa biazomenoyc • (24) ka'i tac
feCTAM^NAC OIKIAC nPÖC ToTc eY-PYXäPOIC KAI Tolc ÄM-
♦ÖAOIC ^rnZOY'CAC ÖMOIWC KATACKCYACTeON ECTiN.
(25) KAI KATÄ TÄC TIMHCeiC TÖN OIKI&N AiJ>OPICT^ON
ÄCTIN,
bcAC Te AÖrxAC ka'i Toie-r-MATA npuCHKON cTnai ka'i 50
AieoYC MerAAOYC ka'i xeiPonAHeeic kao' äkäcthn
OIKJAN ■ (26) AHMOcIa TC eic e'KACTON AM*OAON
AOT^ON ^CTIN
AieOBÖAON AeKA MNWN KAI KATAHÄATAC A't'O TPI-
cnieÄMOYC • (27) ka'i to?c mh kckthm^noic öhaa
MHA€ AY-
NAAt^NOIC [ka'i WH AYNAM^NOYC] KATACKCYÄCACeAl
ahmoci'a AOT^ON ÄCTIN.
(28) ^kkoitiac Te ka'i ^«oagIac tac npocH-
KOYCAC nOIHT^ON.
7.11 werden. (21) Dagegen die von iiiiien
her durch die Kurtinen liihrriiden soll
man lassen, damit wir den Türmen Hilfe
bringen und die sie Ei-stürmenden töten
köinien. (22) Ist das geschehen, werden
schnell alle, die auf die Türme odi-r die
Kurtinen gestiegen sind, umkommen, da
sie dm'ch die Geschosse getroifen werden
und m'rgends die Möglichkeit haben, aus-
zuweichen, außer durch einen schwie-
rigen Hück/.ug.
(23) EssindfernerBrustwehren anl'den
an die Stadtmauer anstoßenden Häusern
zu bauen, und an den Straßen sind bei-
derseits Tore anzulegen und in den
schrägen Mauern sind Löcher zu machen,
durch die i-s möglich wii'd, mit den Wurf-
spießen und den Jagdspießen und den
Ochsenspießen die in die Straßen \'oi-
dringendiMi in die beiden Flanken zu
tri'ffeii. (24) Auch die an den Plätzen
stehenden und den Sti-aßen benachbarten
Häuser sollen ebenso ausgerüst<'t werden.
(25) Weiter ist bei der Steuerveraidagung
der Häuser zu bestimmen, wieviel Speere
50 und Geschosse sowie große und .Sehleu-
derst<'inc in jedem Hause vorhanden sein
93 müssen. (26) Auf .Staatskosten sind. jeder
Straße i zehnniiniger Steinwerfi'r und
2 drei.spithamige Katapalten zu g(;ben.
(27) Un<l deiH'ii, die keiru' Watfen be-
sitzen und sich auch keine beschaffen
können, mi'issen s-ie auf .Staatskosten ge-
liefert werden.
5 (28) Ferner sind .N'achtwarhen und
die nötigen lionden zu machen, wobei man
tä Ae l'\' : coi'r. Th
34 econYPriA I'V ecueeN stellen
36 ^^eic . AYTOYC nach p. 92, 46 (93,28) 95. 12 S riNO-
9t, 33 (nYAlAACy S
\i)r ^ConVpriA I'V: rorr. Die
M^NOY I'V: coiT. Schramm 37 AnoTeAOYNTAi I'V: corr. Th mg 38 tö TYnTÖMCNON
I'V: corr. Gra 41 oikIac V 47 fecTAM^NAC Die: ictam^nac I'V »f taic cypyxcü-
piAic E. Cartius, doch vgl. .\en.Tact. 2.2,67 50 opocAk on ei nai) Die: npöCHKei l'\':
nPoci^Kei cTnai, Va
93,2 AeKAMNOYN Ha wie p. 95,17 TeTPÄMNOYc: doch vg
3. 4 «HAE AYNAW^NOYC I'^' : corr. Die: -f. mha' X Ae7 ÄMYNOweNOYC" Bue
AYNAM^NOYC] Die : KAI «H AYNAM^NOIC .S
mi.-Mst. Abh. 1!)19. Ar. 12.
p. 51. 36. 49. 9t, 16
4 [kai «h
58
D 1 K h s und K. Schramm:
{^n) aTc xphcontai iyainoic aamothrcin/ina Ynö
ToVc nö-
AAC MÖNON *AiNü)NTAI KAI MH KATA*ANeTc nOIÖCI TOYC
^■UOAeYONTAC TOTC YnSNANTioiC. (29) TOYTOIC AS
KAI ToIc A«-
«OAÄPXAIC CYNeHMATA KAI YnOCYNGHMATA HAPA
TÖN CTPATHräN AIAOCSAI AsT, t6 MEN «(ONHEN, TÖ
Ae A<I>CO-
NON-
(30) AeT AE KeKAeTcGAi tac hvaac KAeÄnep
KAI TAC THC
nÖASUC KAI TAC TÖN ÄM<t>ÖA(üN, Tn' iku TINCC TÖN
noAe-
witON NYKTÖC H HMCPAC eWBAAÖNTCC SIC THN HÖAIN
nAPeMn^cuciN kaI kataa^buntai' tinac TÖnoYc,
nPßTON WeN ToTc KATAOAATAIC KAI TOIC AieOBÖAOlC,
e'Ti A^ /to?c) ToieiwACi kai to?c Aieoic nÄNToeeN
TYRTÖMC-
NOI KAKA nÄeCOCIN, «€TÄ AC TAYTA eK*OITd)CI Ka'i
BOHeßCIN o\ HOaTtAI KAI CTPATIÖTAI ÄK TÖN SKKOI-
TIÖON KAI Tü)N AM*ÖA(i)N CYNTeTATM^NOI KAI HrCMÖNAC
exoNTec ^niTieÖNTAi (tc) toTc noAewioic ötan Yno-
AAMBANWCI KAIPÖN cTnAI, KAI ^AN Tl AIAC*AAAUNTAI,
exwciN eic Äc^aaec AnoxcopeTN ^xöntun tön am-
*6aun n-t-AAc • (31) oY Te oaTaec kai ai aoyaai
KaI AI TYNaTkCC KAI AI HAPeENOI TYnTWCIN AHÖ TÖN
CTETÖN KAI nÄNTEC Sci KATA THN nOAlN ^NEProi.
(32) öpeöc
a' EXei KAI KATA TINAC TÖnOYC ENAOeEN ANTITA-
*P£YEIN KAI KPYnT£INTAcTA<f>POYC,YNA^AN OECÖNTOC
93 liölzcriK' Stocklatcnieii g(3brauclieii soll
zu flein Zweck, nur das Nächste vor den
Füßen zu beleuchten und nicht die Ron-
dengängerdemGegncrsichtbarzu machen.
(29) Diesen und den Straßenkomman-
danten muß der Feldheir die Losung
'° und Nebenlosung mitteilen, die eine durch
Worte, die andere durch Zeichen.
(30) Die Tore, sowohl die der Stadt als
auch die der Straßen, müssen verschlossen
gehalten werden, damit, wenn irgend-
welche Feinde, nachts oder tags in die
Stadt eindringend, eingefallen sind und
einige f)rte bereits erobert haben, diese
zunächst von den Katapalten und Stein-
werfern sowie von den Geschossen und
■ 5 den Steinen von allen Seiten getroften
werden und schweren Schaden leiden,
dann aber auch die Bürger herauskommen
und zu Hilfe eilen, ferner die aus den
Nachtwachen und den Straßen kommen-
den Soldaten sich in Reih und Glied
ordnen und 'unter ihren Führern die
Feinde angreifen, wenn sie glauben, daß
=° es der richtige Augenblick ist. falls ihnen
aber etwas fehlschlägt, die Möglichkeit
haben, sich auf sichere Orte zurückzu-
ziehen, vorausgesetzt nämlich, daß die
Straßen Tore haben ; (31) damit ferner die
Kinder und dieSklavinnen, die Frauen und
Jungfrauen von den Dächern herab kämp-
fen und allesamt für die Stadt tätig sind.
•'5 (32) Richtig ist es auch, an einigen
Stellen innen Gegengräben anzulegen
und diese gut zu verdecken, damit, wenn
die Feinde nach Fall der Mauer ein-
93,6 <^n) Ca AAwnTHPciN] vgl. Aen. Tact. 26,3. 11 70 9 kai nAPACYNeHWATA -t-nö
Gra nach Aen. Tact. 25, 1145: doch s. p. 93,41. 44 11 KEKAekeAi Nissen Pomp. Stud.
p. 505 : KAI KAeiecGAi PV 13 ÖMBÄAAONTEC PV: corr. Nissen 14 nAPEMnecuciN V:
nAPAn^MncüCiN P 16 (toTc) Br 17 KAKonAeöciN Br 18 kai fehlt P 20 dnirieeN-
TAi ToTc PV: cori-. Nissen 21 kaipöc P 23 6' te V 01 aoyaoi Hereher, aber die
Sklaven werden unten verwendet: vgl. Diod. 20,84,3 24 TYnTONTEC PV: corr. Nissen
CTETNÖN PV: corr. R
Exzerpte aus P/dlons Mechanik VII. VIII (III 28—38; p. 93).
59
TOY TeixOYC eiCBIAZUNTAI Ol nOA^MIOI, nOAAOi A\
ArNOiAN A'YTÖN «eeiPaNTAi. (33) aeT aä ka'i thn
TAXiCTHN
kas' ö ^Nn^cH TÖ Telx»": xapaka eeMeNovc kaI
«OPMOYC rflc ^MHAHCANTAC nPOTeixiC/>^A KATA-
CKeYÄCAI.
(34) ka'i OiC AN AniCTHC TüJN CTPATIWTCüN H TÖN
noAiTÖN, öpeöc fxei MeiAAAACceiN aytön täc
ÄKKOrriAC KAI TÄC *YAAKÄC KAI WH EIAfiNAI AYTOYC,
KAO ÖN TÖnON <1>YAA£0YCI TO TelxOC, VnA MH AY-
NUNTAI nPOAOYNAI TO?C nOAewiolC THN nÖAIN . (35) «e-
taaaakt^on a^ noT' ^cti ka'i tä cynohmata,
VnA ^ÄN tön ^NAOe^N TIC KAKOYPrwN TO CYNSHMA
AÜ Tolc noAeMioic h aytoi . ^aytoyc^ nyktöc
YnOTÄ-EANTCC TU
Tcixei AABCOCIN, AXPelON AYTOTC H r€NOM^NHC TftC
«CTAAAArflC. (36) TA <^a') YnOCYNeHMATA A»<ONA aI-
AOTAI np6c TO-rTttf (Tna) KÄN AkO'T'CWCIN Ol nOA^MIOI
TÖ Cl-N-
eHMA, KATA*AN€?C piNUNTAI Ol AAGPA ^oi TÖ
TeTxoc XnabAntec. (37) ecTi a^-ta YnocYNenMATA
TOIAYTA •
AnAITHCANTOC Aef TÖ CYNOHMA XoCA^CeAl THN
KAYcIaN fl TÖN nlAON (H THN nePIKe«AAAiAN ^ÄN fe'XH
U nPÖKunoN TÖ ^rxeiPiAioN noiAcAi A thn aciian
^«BAA€?N ft THC XAAMYAOC ^niAAB^CeAl. (38) S^NA
AC KAI AinAÄ AOTCON tCTI TÄ CYNGHMATA, Tn'
^PrUAÜC Ol nOA^MIOI katamanbänucin a'»tA,
tkn [a^] ^iäkoycton Anö toy teixoyc ti t^nh-
TAI.
93 dringen, viele durch Unkenntnis derselben
29 zugrundegehen. (33) Es sollen auch
schnellstens an den Stellen, wo die Mauer
30 getiiUeu ist, Palisaden aufgestellt und
durch mit Erde gefiillte Schanzkörbe ein
Vorwerk hergestellt werden.
(34) Es ist auch richtig, wenn man
bei Soldaten oder Bürgern, denen man
mißtraut, die Wachen und Nachtwachen
wechselt und diese in Unkenntnis bleiben,
an welcher Stelle sie die Mauer bewachen
werden, <Iamit sie nicht den Feinden die
Stadt verraten können. (35) Zuweilen
sind auch die Losungen umzuändern, daß,
wenn jemand von der Besatzung hoch-
verräterisch den Feiiuleii die Losung aus-
liefert oder diese selbst des Nachts sich
unten verborgen an die Mauer stellen
*" und sie abfangen, sie ihnen keinen Nutzen
bringt, da sie ja umgeändert ist. (36) Die
Nebenlösungen sind lautlos zu dieser
(Ilauptlosung) zugeben, damit, wenn auch
die Feinde die Losung hören, die heim-
lich auf die Mauer Gestiegenen entdeckt
werden. (37) Nebenlösungen sind aber
z. B. folgende: Vor dem, der die Losung
abfordert, muß man den Hut abnehmen
oder den Filz oder den Helm, wenn
man einen trägt, oder man soll das Schwert
am Grift' fassen oder die rechte Hand
darauflegen oder den Mantel anfa.ssen.
(38) (Jbiigens sollen die Losungen fremd-
artig und doppelt gegeben werden, so
50 daß die Feinde sie schwer verstehen,
wenn von der Mauer irgend etwas hörbar
geworden ist.
9328 eiCBiÄzoNTAi PV': corr. U 30 6ÄN PV 31 ^MnAHCANTec PV 32 ÄnicTH
PV: corr. Hr ^i ^xeiN PV 35 *yaäc coyci PV: corr. S 36 noA^MOic PV
38 — 43 >totius loci interpretatio et mendarum correctio omnis Brinkmanno debetur; praeivit
Va.' S 39 fl A+Toi ^AYTol PV •(h^ro^c): pro nyktöc hoc scribendum aut ante adden-
(lum- Bue 40 <(äk)aäb(i)cin Die 41 a<>ü)na] A*' wn PV 42. 43 npöc TO-t-Tu ;TNA^
KÄN Die; npöc TÖ ikn . . . ., kata^aneTc riNecoAi toyc änabäntac (vgl. p. 90, 6) S
43 riNONTAi PV: corr. Die 44 ^ti PV: corr. K 45 äoaithcanta PV: corr. Bue
46 HHAÖN PV 51 iku kaI ^i. Ca
8*
60
I) I K L s und E. Schramm:
(39) (. . .) kaI aytcon täc aoki'aac kai tac npocTiee-
M^NAC KAWAKAC iK TOY HAAriOY TYnTONTAC TOIC
AieOBÖAOlC PAAIÖN ÄCTI CYNTpiseiN KAI ÄnOP-
pinxeiN Anö toy reixoYC, h th NA*eA, eku ^xhc,
PÄNANTA KAI AAMHAAAC ÄNWe6N SMBAAÖNTA
KATAKAYCAI- (40) (iCAY-TCOC Ae KAI TÄC XEACÜNAC
KAI TA
MHXANHWATAb'TAN^rrYCr^NHTAITOYTeixicMATOC^M-
ninpÄNAi. (41) AoereoN a^ ^ctin uc ayta kai hy-
P04>ÖP0YC OOC nASlCTOYC KAI TPIBÖAOYC KAIOM^NOYC
cTinn-f« nepieiAi<(rM^NOYc.
(42) xPH)cTäoN AS ecTi ka) ta?c nAAlN npo-
AOcIaIC KAI TaIc riNOMeNAlC NYKTÖC KAI HM^PAC ^nl-
edceCIN ÖTAN AABHC KAIP6n ■ (43) OYTWC rAp AN
TAXICTA
KATATYXCON AYCAIC nOAlOPKIAN.
(44) AN Ae TA?C ÄMnPH-
CeCI TUN MHXANHMATüJN KAI TÖN XEAWNfflN {ka'i) TaTc
CYMBAINOYCAIC ^nieeCeCI AeT TOYC ÖnAITAC KAI
TOYC YIAOYC. bCOI AN «H ^ni TÖN T6IXÖN Sci
XPHCIMOI, nÄNTAC AieCKeYAC«€NOYC ^N TÖ
nPOTEIxicMATI feToiMOYC eInAI, INA TAX'l' KAI BY-
TÄKTUC nOIÖCI TÖ nPOCTATTÖMENON TÖ CTPATH-
rö.
(45) TOYC Ae riNOMeNOYC tpaymatIac tön i^nmn
^niMBAÖc eepAneYeiN hanta ta aconta hapa-
CKeYAZONTAC, KAI ÖCOI AN «H eXUCIN AYTÖN
TOYC eePAneYONTAC, eic täc tön hoaitön oikiac
AIAÖNAI- (46) KAI ÖCOI AN ANAPCC ArASoi TINUNTAI,
94 (39) <. . . / und ihre Schutzbalken und
angestellten Leitern sind leicht durch
Schrägschiisse aus den Steinwerfern zu
zerstören und von der Mauer herabzu-
werfen, oder man spritzt Naphtha, wenn
vorhanden, und wirft Fackeln von oben
darauf, um sie in Brand zu stecken.
(40) Ebenso kann man die Schildkröten
und Belagerungsmaschinen, sobald sie
der Befestigung nahekommen, in Brand
stecken. (41) Gegen diese sind auch
möglichst viele Brandpfoile abzuschießen
und angezündete mit Werg umwickelte
'° Feuerlanzen.
(42) .... Man soll aber auch den Ge-
gen ven-at gebrauchen und nachts und tags
Ausfälle zur rechten Zeit unternehmen,
(43) denn so wird die Aufhebung der
Belagerung am schnellsten erreicht.
(44) Bei dem Verbrennen der Ma-
schinen und Schildkröten und bei den
"5 erfolgenden Auslallen sollen die Hopliten
und die LeichtbewaflFneten, die nicht auf
der Mauer A'erwendet werden, alle in
den Vorwerken bereitgestellt werden,
damit sie schnell und wohlgeordnet den
2o Befehl des Feldherrn ausführen können.
(45) Die vorkommenden Verletzungen
der Söldner sollen sorgfältig geheilt und
alles dazu Erforderliche herbeigeschafft
werden, alle, die keinen eigenen Pfleger
haben, soll man in die Bürgerhäuser
legen. (46) Ferner soll man diejenigen,
94,1 Lücke Ha ka! aytön] »f. kat' aytön^ Ha 2 KAiA^AKAC ^k toy nAArioY
stellte um S: ^k t. ha. ka. PV 4 th naoga Br: thn Xosan PV: rflc NA«>eAC Kaibel Sxh
PV: corr. Br 5 ^«baaaontac PV: corr. Br 7 <nPo)TeixicwATOC S 8 wc] eic Th mg:
(i)C ^eic) S: uCA-r-Tuc KAI Bue 10 nePieiAl(rMdNOYC. xph ct^on Ae Br: nePieiAlCT^ON PV:
nePiCiAHTeoN R: Lücke Ro 10. 11 nAAiMnpOAOCiAic H. Schoene 13 taIc — xeA.] »videtur
ad vs. 6 adscriptum fuisse in mg. ^wnPHceic tön mhxanhmätwn kai tön xcaunön idque huc
irrepsisse« S 14 (kai) Die 17 nÄNTec PV: corr. Ha, Gra AiecKeAACM^NOYC P: aia-
CKeAACMeNOYC V: corr. Bue; vgl. Xeii. Hell. IV 2,19 18 feToiMOi P: eToiMON V: corr. K
20 "TOYC Ae — 31 KiN iYNCYceiAN I'. inscrend;! p. 96.15 ante verba Ae? Ae kt£.- S 22 6coyc
PV: corr. Ha 24 riNONTAi V\' : reNCüNTAi Die
Exzerpte aus Philms Mechanik VII. VIII (11 1 3!) — .')/; p. {)}).
(51
ANABIBÄZeiN ,KAi) XÜPAN KAI HTeMONIAN AIaÖNAI
KAI CTe-
*ANOYN • (47) KAI ÄÄN TINSC TeAeYTHCUCIN, OAnTeiN d)C
AAAinPÖTATA AHMOCIA, KAI ikn KATAAintüCIN
tAYTÜN TCKNA fl TYNaTkAC, nOAYCdPe?N MH nAP£P-
ruc ■ (48) MAAicTA rÄp oytuc eYNOOi riNÖMeNOi toic
CTPATHroTc KAI TOTC nOAlTAIC APICTA ^N KIN-
AYNEYCeiAN.
(49) ^ÄN /\i b TÖnOC KAG' ON nPOCBÄAAOYCI, KA-
TANTHC H, A*eriOH ^Ct'i TOYC TPOXOYC APenANA
gxONTAC fi Al'eOYC MCPAADYC • (50) OYTU TÄP AN tX-
xicTA KAI nAeicTOYC AiA*eeipAic TÖN ^nantIun.
(51) ^ÄN AÄ ^K OAAACCHC H nPOCArUfH CYN-
TEAfiTAI, KATÄ TÄC XnOBÄCeiC eYPAC TG KPY-
riTÄC HAOYC eXOYCAC Aei TIO^NAI KAI TPIBÖ-
AOYC KaI CIAHPOYC KAI nYilNOYC AlACnelPCIN KAI
94 die sich durcli Heldenfaten auszeichnen,
befördern und ihnen Landbesitz und
Führei'stellung geben und sie mit Ehren-
26 kränzen belohnen. (47) Und wenn einige
\ on ilineii gefallen sind, soll man ihnen
auf Staatskosten ein mögliehst glänzen-
des Begräbnis veranstalten, und wenn sie
Kinder oder Frauen hinterlassen, soll
man für diese nicht nur nebensächlich
sorgen. (48) Denn auf diese Weise
werden sie am ehesten j3ine gute Ge-
3" sinnung gegenüber den Feldherren und
den Bürgern gewinnen und so am besten
sich den Gefahren aussetzen.
(49) Wenn aber der Ort, gegen den
sie angreifen, abschüssig ist, soll man
Sichelräder oder große Steine loslassen,
(30) denn so dürfte man wohl am schnell-
sten die meisten Gegner vernichten.
(51) Wenn der Angriff vom Meere
aus erfolgt, soll man an den Landungs-
stellen xerborgene, mit Nägeln besclda-
gcne Falltüi-en aufstellen und Fußangeln
aus Eisen und Buchsbaum verstreuen
und die zur Landung günstigen Orte
1: 1 00.
Rild 28.
NON
M, 25 ^KA))» Die »recte Xnab. x. : loco promovere- Bue (bezweifelt Die) 2
I'V: corr. Br 27 KATAAinuciN Br: KATAAeinuciN l'V 29 to?c] thn k«
?- »»«r n -_ — f.. -. rj\*. IT «..f.,.^«
25. 26 CTe«A-
19 toic] thn kompendiös I'
35 nAeioYc l'V: corr. S
30 CTPATHriKofc PV: corr. R 32 nPosAAAOYCi l'V: corr. II
eNANTiwM] •hie apte in.serueris quae infia -sequuntur p. 95, 32 ikn a^ makpäc— 96, 14 nAoeiN. S
36 ^kJ kaI V\: corr. Ha. Gra 36. 37 CYNTeAeiTAi I'\': corr. R 37 evPAC] vgl. p. 100, 7
39 [kai] CIA. Br
62
D I E I, s und E. S c n R A m m :
JJUJLillll
1: 100.
15il(l 29.
ÄnoxAPAKOYN TOYC eveniBÄTOYC TÖnoYC. (52) TA 94 verpalisadieren. (52| Die Einfahrten der
,, Häfen soll man durch an Ketten hän-
Afi CTÖMATA TUN AIWENCÜN *PATTeiN IMHTOIC <'
KAeiepoic, ^N ofc ■ xöNAi eici nepiTPexoYCAi kai
cTPor-
TYAAI, CIAHPOYC AG KOAnOYC eXOYCAl ' (53) H ^CXÄ-
PAC eni TOY TÖnoY TieeceAi kaI aIgoyc ucci
XIACTOYC KAi M€ricTOYC eniBÄAASIN, ^N OiC ^M-
nHTNYCeAr TOYC
KAeAPMÖTTONTAC CTAYPOYC A03E0YC CECIAH-
PCOWENOYC, inAAAATTONTAC AAAHAOIC KAI CYN-
AeAEMeNOYC, OYX YOePeXONTAC THC. eAAACCHC
Aaa' b'coN nAAAicTHN AnoAeinoNTAC ' (54) ft oaoTa
^nantIa öPMlzeTAi) noAEWiCTHPiA ÖHAA SxoNTA, 5° übiT Schiffc, die Kriegsgerät geladen
ei A^ haben, oder andernfalls Nachen und was
«H, A^MSOI KAI cBn AN fe'xHC TA nAsiCTA npoc- man von kleineren gerade am meisten
94. 41 iWHToic Die: «h to?c PV: twhtoTc (»sectilibus«) Bue: ciAHPofc Mi: m^n toTc Ha: [mh]
'l'h mg: H Toic S 42 xöNAi) Die nepiTP^xoYCi PV: corr. S 43 ^xoycac PV:
COrr. S 45 XICTO'Vc PV: corr. K 46 KAeOPMÖTTONTAC V 47 YnAAAÄTTONXeC
PV: corr. Die 50 »^nantia corruptum" Br (ÖPwizeTAi) Die exoNTAC PV 51 a^m-
BOYC V: A^MMOYC P HAeTcTA Die: AenTA PV
gende Sperren schließen, an denen Im
Kreise bewegliche, runde, mit eisernen
Wölbungen versehene Bojen sind (siehe
Bl'd 2S). (53) Oder man soll Gerüste
an dem Orte errichten und Steine größtei-
Sorte kreuzweise aufwerfen (siehe Bild 29);
in diese sind die eisei-nen, schräggestellten
Pfähle einzupassen, gegeneinander ab-
wechselnd und miteinander verbunden,
nicht über das Meer hervorragend, sondern
eine Handbreite (0.0739) übriglassend'.
(54) ( )der es werden den Feinden gegen-
' In Toulon und La Spezzia sind genau die gleichen Unterseedämme. Das Mittel-
meer hat geringe Ebbe-und-Flut-Ditlerenz.
Exzerpte aus Philons Mechanik VII. VIII (III 52-59; p. i)l. 95). 63
opwceeNTA npöc aaahaa cynanaptätai kai cym-
BOAA'i KATACKeYAZONTAI AYToTc AOKMN nAXeÖN TE-
TPArtiiNCüN npö THc nP(j>PAC reeeicüN, kai to-J-tun
CYrroM-
♦ojeeicöN kaI cYNAeeeicöN eic tö aytö, ka) ^n
Xkpu ^mböaoy nepi aytä KAeAPMOce^NToc.
(55| nA-
pA nÄNTA TA eiPHM^NA KACJoPA Ka'i Zg-rTMATA
KAJ haoTa Akätia nAPOPMeiru niccAN kai gcTon
KAi TPiBÖAOYC exoNTA CTinnYo) nepieiAirM^NOYc •
KAI
it* TA?C ÖAKÄCI TAYTA KAI /tA TOIAYTa) ^N^CTU.
(56) KAI ^ni TOY CTÖMATOC
[kaI i*\ «KAT^pweew ^♦ecxÄTü) nerpoBÖAOC cikoca-
mnaToc, Yna ötan biäzuntai tön «IKPÖN TINeC
eic TÖN AiM^NA, MnPHcewciN h ncpi toyc ^«b6-
aoyc nePinArelcAi AiA*eAP«ci<(N h> katahon-
TICeÖCIN TYTITÖMeNAI ToIc Tg M0AIBO?C XM«OPeYCI
KAI TOic ncTPOBÖAoic. (57) ^an a4 werA ti tö aiä-
CTHA^A H. KAI n'fPrOC ^N «eCU CTAeHTCO, ^N 0)
neTPOBÖAOC ^CTti) tpiakontäwnoyc • (58) np6c aetä
nPOCArÖMSNA /mHXANHMATA KAI TÄC iiPocnAeov'-
CAC NAYC
MÄAICTA AcT XPÄCBAI Toic neTPOBÖAOlC KAI Tofc
nYPO«>ÖPOIC KAI TOTC AOPYBÖAOIC.
(59) ikn Ai Xrxi-
95 hat, vor Anker gelegt uqcI miteinander
oben verbunden, und es werden ihnen Ver-
bindungen geschaffen durch viereckige
dicke Balken, die vor dem Bug ange-
bracht und die zu einem Ganzen zu-
sammengenagelt und zusammengebunden
sind und an deren Ende ein Sporn au
5 sie angepaßt ist.
(55) Neben all den vorerwähnten
Sperrketten, Brücken und Schiffen sollen
leichte Fahrzeuge zur Seite vor Anker
liegen', die Pech, Schwefel und mit Werg
umwickelte Feuerlanzen geladen haben.
Und auf den Lastschiffen soll dies und
ähnliches) auch vorhanden sein.
(56) Ferner soll ai:f der Hafenein-
fahrt l)eiderseits i zwanzigminiger Stein-
'" weifer stehen, damit, wenn einige der
kleinen feindlichen Schiffe in den Hafen
eindringen, sie in Brand gesteckt wer-
den können oder an den Sporen hängen-
bleiben und so zerstört werden oder end-
lich, getroffen dui'ch das Aufschlagen der
bleiernen Amphoren ' und die (Schüsse
der) Steinwerfer, versenkt werden.
15 ■ (57) Ist aber der Abstand (der Geschütze)
etwas groß, soll auch noch ein Turm
in die Mitte gestellt werden, in dem sich
1 di-eißigminiger Steinwerfer befinden
soll. (58) Gegen die vorrückenden Ma-
schinen und die heran fahrenden Schiff«;
muß man vor allem Steinwerfer, Brand-
j,j pfeile und Speerwerfer verwenden.
(59) Sind aber tiefe Stelleu in der
95, 1 CYNANAcnÄTAi P\': coiT. Schramm 2 nAxeÖN Die ; vgl. Epicur. ep. I 36 (4, 7 Usener,
dazu Bonn. Ind. lect. 1880/81 p.vm): nAX^UN I'\': nAxeiÖN S: nHxecoN Ro 2. 3 xerPArÄNcoN
S; vgl. p. 99,34 und Diod. XX 85, 2. 91, 2 3 CYrrooecicÖN I'V 4 CYNAeeeNTUN PV:
corr. S 5 KABOPMOce^NTOc V 9 (ta toiayta) Die 10 [kai ^♦'] Die 11 mi-
kpün] «akpön Ho 13 <'fl . S: {KAi) R 14 TYnTÖweNOi PV vgl. schol. Ar. Eq. 762:
Thuc. VII 41,1; Eustath. zu <*> 22; Polyb. VIII 7 XXH 10 15 ti Bue: h PV 16 h
Btie: ÖN P: An V 17 neTPÖaoAOC PN' tpiakontämnoyc Die (a statt Ä): TeTPÄMNOYC PV ■petro-
l>ole de quaranta mines« Ro; vgl. p. 95, 50 ss. <^mhxanhmata) Ro
' Sogenannte Delphine, d. h. Gewichte, die an den Rahen hängen, zum Aufwerfen
auf die feindlichen Schiffe.
64
D I E L s und K. S c u R A m m :
BAseTc TÖnoi tun reixa-N ici, nPocxtiMATA kata- 9S
CKevACTSA ecriN. ina MHTe npocArurHN e'xh "
TA-f'TH MHTe TUN «ePÄAUN CKA*iuN eMBOAOC eiC
TÖ TGixoc ^«BÄAH H eniBAGPAC enieeNTEC KA-
TAAABUNTAi TINA niPfON. ((50) Ael A^ KaI NY- ^3
kt6c, otan
H XeiMWN, TAC ÄrKYPAC TUN ^«OPWOYCUN NHUN
KeAe-r-eiN toyc koaymbuntac YnorewNeiN kai tä e-
AA*H AYTUN eKTPYHÄN' (Hl) MAAICTA AE OYTU KU-
AYC0M6N TOYC ENANTIOYC ^*OP«izeiN. (<>2) TA a'
AAAA
HANTA XPHCIMA SN TAIC TOIAVTAIC HPOCBDAaTc 3°
OCA KAI nPÖC TÄC i-K THC HneiPOY riNOMeNAC
nPocArurAc.
(63) iku AE MAKPÄC OYCHC THC nÖACUC Ä«-
*IBOAON rt Tl TOY TsixOYC, A10IKOAOMHT€ON gCTI
Toixu
ft A^PPel rt AYAAIAIC AIA*PAKTeON, "INA MH Tl-
TPKCKUNTAI EK TOY ÖnlCSeN Ol dnl TOY TeixOYC 35
ÖNTec.
(64) eneiAAN ac tu npocAroweNu mhxanh-
MATI
ÖAonoiHefi, neTPOYC üc wericTOYC npoppinTciN
eK TUN neTpoBOAUN, WH cTPorr-f'AOYC, Tna mh
AYNUNTAI THN EAGnOAlN nPOCArCIN. (65) XPHCIMA
a' iCTI KAI TA nPOKATAPTIZÖWCNA HAXEA <"
AM*iBAHCTPA ^K TOY aInOY HPÖC TOYC KATÄ
TÄC kaImakac (kai; aia tun aiabagpun eni ta
TeIxH änabaInontac- otan rÄp enippi*H aytoJc,
PAAIUC CYNOeONTOC YnOXciplOI riNONTAI. (66) KAI TA
AfKICTPUTA ^«BÖAIA- AHO tAp TUN KAAWaIuN 45
N'iihe der Mauer, muß man Auf>chiitluri-
gijii machen, damit dort weder ein An-
griir.statllindeii. noch ein Sporn dergroßcii
Schiffe in die "Mauer eindringen noch
durch Anlegen von SturmVirücken ein
Turm genommen werden kann. (60) Es
soll auch nachts, wenn Sturm ist, den
Tauchern Bi'fehl gegeben werden, die
Anker der Bh)ckadeschiffe zu kappen
und den Boden derselben anzubohren.
(61) So werden wir am ehesten die Feinde
verhindern anzulegen. (62) Auch alles
andere ist gegenüber diesen Landungen
brauchbar, was bei den auf dem Fest-
lande stattfindenden .\ngriffen brauch-'
bar ist.
(63) Wenn sich aber die Stadt weit
ausdehnt und dadurch ein Stück der
Mauer zwischen zwei Feuer kommt, so
ist es durch eine Zwischenwand abzu-
trennen oder durch Häute oder Vor-
hänge abzusperren, damit die auf der
Mauer Befindlichen nicht hinterrücks
verwundet werden können.
(64) Sobald aber für die vorrückende
Maschine die Bahn hergestellt ist, sollen
möglichst große Steine durch die Stein-
wei'fer daraufgeworfen werden, jedoch
keine runden, damit sie nicht die Hele-
pole vorbringen können. (65) Brauch-
bar sind auch die vorher zurechtgemach-
ten dicken Netze aus Hanf gegen die
auf den Leitern und mit Hilfe der Fall-
brücken auf die Mauer Steigenden; denn
wenn ihnen diese übergeworfen wer-
den, werden sie leicht dui"ch das sich
zusammenziehende (Nttz) bezwungen.
(66) Auch die mit Widerhaken versehe-
nen Wurf haken (>ind brauchbar): denn
95,21 nPOCXÜMATi l'V: corr. Spaiili. ad lulian. p. 191: np6cxuMA Ti KATACKeYACTeoN Mi
24 enie^NTAC PV: corr. IIa 26 e^OYPMOYCÜN V 29 e<«>0PMizeiN Mi: Ä*APMÖzeiN l'V
32 SAN AS KTc.] vgl. ZU p. 94. ,35 MAKPAN PV : corr. I{ 33 H Tl Ha Gra: ein PV oko-
AOMHTCON PV: corr. S [ecTi] Gra 35 öniesN PV 37 npocPinTeiN PV^ corr. Bue
40 TA npOK. n. A. — 44 riNONTAi] vgl. Anon. P(j1. p. 261,3 ff- ^^ e 42 (kaI) Br: vgl. Anon. Pol.
a. 0. 44 CYNACONToc Wcsseling zu Diod. XVIII43: CYNAee^NTec oder CYP^NTec Br
Exzerpte aus Thilous Medtanik VII. VIII (III .5,9 —72; p. .9 ,5. 96). 65
€Y ^lAKONTIZÖWeNA Ka'i ANUeEN ^MBAAAÖMENA,
ÖTAN ^«nArfl eic tA «aaatmata kaI täc
f>YTAC CAnIaAC <^KAi ÄNAC^nÄCH TA KAAWAIA, nOAAA
Xno-
CnÄN AYTÖN /^-t-NATAI.
(67) nÄNTUN AE «ÄAICTA AG?
cnoYAÄzeiN nep'i TO't'c tpiakontawnaioyc nexpo-
BÖAOYC ka'i TOYC XPUMeNOYC ToTc ÖPfANOIC TOY-
TOIC KAI TAC BeAOCTÄCeiC AYTÜN, INA OJCIN (bc
B^ATicTA nenoiHw^NAi- (68) tön tAp aiooböacon oy-
T(i)c GY nenoiHw^NUN kaI tön BeAocrÄceuN
^ni tun ^niKAi'puN TÖnuN kata tpöhon ^ne-
CKeYACM^NUN KAI T«N XPHCOM^NÜJN AYToTc ^N-
T^XNUN ÖNTUN OYT" J^N [rePPOXeA(i)NH] MHXANH-
«A OYT' AY CTOA OYTe XeAÖNH (»AAIUC
npocAxoeiH- (69) ^än a^ nAHCiAcH tö t^aei.
OYK An YnOKINHC€l€N OYe^N Ynö toytun ty-
rrröweNA- (70) cy/^mcm^tphtai a^ tayta ka'i c«o-
apötata tayt' ^ct'i np6c tAc nAHrAc tA b^-
AH- (71) ÜCre TOYT(i)N ÄNEPrOYNTCiJN MHe^N An A6I-
NÖN KATA tAc riNOM^NAC HPOCBGaAc THN nÖAIN
nAeelN.
(72) AG? Ai KAI iatpo^'c XAPiecTÄTOYc Snaon
eJNAi
^MneiPOYC tpaya\At(i)n kai bcaön ^lAiP^ceuc,
^XONTAC «ÄPWAKA KAI 6prANA tA HPOCIH-
KONTA, KAI THN nÖAIN XOPHrefN KHP(OTHN KAI
M^AI KAI ^niA^CMOYC KAI CnAHNJA, INA MH
nAPAnoAAY'MNTAi Ol CTPATiöTAi tpaymatIai TENÖ-
95 wenn sie vermittelst der Taue richtig
^, abgeschleudert und von oben aufgewor-
fen werden, können sie, wenn sie sich
in den Kissen und den herbeigebrachten
Pfosten festhaken und die Taue anziehen,
vieles von ihnen wegreißen.
(67) Am allermeisten soll man sich
5° lun die dreißigminigen Steinwerfer, ihre
Bedienungsniannschaft und ihre Gesehütz-
96 stände bemühen, damit sie möglichst gut
hergestellt werden. (68) Denn wenn
die Steinwerfer gut gemacht und die Ge-
schützstände an den vorteilhaftesten Stel-
len nach Vorschrift aufgestellt werden
und die Bedienung geübt ist, dürfte
weder eine Maschine noch ein Schutz-
dach noch eine Schildkröte leicht her-
angebracht werden. (69) Wenn sie sich
dem Ziele genähert haben, dürften sie,
von diesen getroffen, sich nicht mehr
lo rühren können. (70) Diese Geschütze
sind die entsprechend gebauten und in
bezug auf die Durchschlagskraft die stärk-
sten, (71) so daß, wenn diese in Tätig-
keit treten, die Stadt bei den etwa ein-
tretenden Belagerungen keinen ernst-
lichen Schaden erleiden kann.
■ 5 (72) Ks sollen auch die tüchtigsten
Ai-zte darin sein, erfahren in der Wund-
behandlung und dein Hei ausziehen der
Geschosse. Sie müssen die entsprechen-
den Heilmittel und Instrumente haben,
inid die Stadt muß ihnen Pflaster, Honig,
Verbandzeug und Binden beschaffen,
damit die verwundeten Krieger nicht
'° sterben, sondei'ii schnell wieder geheilt
95, 46 ev Br: oy PV 48 ^ytAc PV: zweifelhaft (kai ANAc)nAcH tA Schramm : machtA
$ über H und a. Rde. 5 V^PV: [wac] fi tA Bue: [mag] (kai XNiMHeft) tA Br: (ka'i) whch tA früher
Die 51 xpum^noyc] xphcom^noyc Gra
96, I fiNA — nenoiHM^NAi] Gra • 2 nenoiHM^NOi, a. Kde. aI, PV 2. 3 oytuc]
toytun Gra 6 tgpoxgaänh P: tilgte Gra vgl. p. 99,29 7 ay S: an PV
8 T^AGl] TGIXGI R 15 vgl. zu p. 94, 20 16 ģAIP^C6Ci)C Ha Mi: ^lAIP^TUC PV
17 npoc^AKONTA PV: coiT. Ha MI 19 chahnia] J über h und a. Ude. PV 20 ha-
p An)oAA'f'(i)NTAi Br nach 101,45: nAPOAAYONTAi PV 20 riNÖMGNOi PV: corr. S
Phil.-hist. Abh. Wi'J. Ar. 12. 9
()()
Dil: LS und E. Schramm:
MENOi, AAAÄ TAXY YriAZÖMeNoi xPHCiMoi 96 iiiul kriegsverwciiduiigsrähig wci-deii uiicl
bei den spätci- vorkommenden Treffen
riNUNTAI SN TAIC YCTePON TINOMeNAiC CYMBO- =2
AAfc npoeYMWc KiN^YNe-foNTec AiA TÄc re-
NOMeNAc eePAneiAC AYTo?c ka'i xophtiac- (73) noA-
AA-
Kic Ae kaI tayta thc nÖAeuc ^ni cuthpIa as
riNeTAi.
IV.
(1) nPÖC M^N OYN nOAlOPKIAN OYTO) AeT nAPA-
CKeYÄzeceAi.
(2) TÖN MeAAONTA AHYeceAi TAC nÖAeic
eAN nPOEAHTAI 'PAAIWC AASe?N), Ae? MAAICTA MEN
feOPTHC OYCHC
HN ArOYClN eiU TÖN nYAUN, Gl Ae MH, AmHTOY ((i) 30
TPYrHTOY ÖNTOC ThN enieeciN noieTceAi' (3) nAei-
CTOYC
rÄP fe'äCO THC nÖAEUC ÄnOAABOJN ÄNePÜnOYC
paaigctat' an aäboic tö acty- (4) ei ae mh,
NYKTÖC, Xei-
«ÖNOC ÖNTOC H «eeYÖNTOJN TÖN nOAewitüN CM
TINl AHMOTCACI eOPTH KaImAKAC eTOIMOYC SxON- 35
TAC AAOPA HAHCIACANTAC TW TeixSl TÖN
nYPrCON TINAC KATAAASeCeW. (5) eAN Ae AnOTYXHC
TOYTOY, 6AN MeN enieAAACCIOC H H nÖAiC,
nepiXAPAKöcAi Te ^k eAAACCHC ei'c eA-
AACCAN, KAI BAN eXHC CKA*AC «AKPAC, ^nl 4"
TOY AIM6N0C ^«»OPMeTN, INA eicOAeH MHGeN.
eAN Ae «ha' OYTUC H nÖAIC H ÄKTICMeNH, (6)
BAAÖmeNOc TÖ cTPATÖneAON eäco aeAOYC eni
TO'Y'C ÄC^AASCTATOYC TÖnOYC, nePiXAPAKOJCAC K'f-
sich bereitwillig wieder in die Gefaln-en
stürzen, wegen der itmen zuteil gewor-
denen Pflege und Ausstattung. (73) Auch
dies kann dei' Stadt öfter zur Rettung
werden.
IV.
(1) Auf eine Belagerung soll man sich
nun folgeiidetinaßen vorbereiten.
(2) Wer die Städte zu erobern be-
absichtigt, soll, wenn er dies {auf leichte
Art) tun will, am besten einen Festtag,
der außerhalb der Toi'e gefeiert wird,
zum Allgriff wählen, andernfalls zur Ernte
oder Weildesezeit. (3) Hat man nämlich
die meisten Menschen außerhalb der
Stadt abgeschnitten, wird man wohl die
Stadt am leichtesten einnehmen. (4) Wenn
nicht, muß man in der Nacht, zur Win-
terszeit oder wenn die Feinde liei irgend-
einem öffentlichen Feste betrunken sind,
Leitern bereit halten, sich der Mauer
heimlich nähern 'und einige der Tünne
einnehmen. (5) Glückt das aber nicht.
so muß man, wenn die Stadt am Meere
liegt, sie entweder von Meer zu Meer
dui-ch Palisaden umschließen und, wenn
man Kriegsschiffe hat, diese bei dem
Hafen vor Anker legen, damit nichts
einfahren kann. (6) Wenn aber die Stadt
auch so nicht angelegt ist, soll man ein
Lager außer Schußweite auf den feste-
sten Orten aufschlagen, dieses, so gut
96. 21 riNOMeNoi PV: corr. S 23. 24 riNOMeNAC PV: corr. S 25 a. Rde. (üpaTon PV
28 TÖN M^AAONTA KTe.] Anon. Pol. p. 212, I I — 16 We 29 nPO^AHTAl] npoc^AeHTAi R : npo-
ceAGH S {PAAiuc aabcTn) Die; eYKÖnuc nopeeiN Anon. 30 awhtoy (h) Bue: ama toy PV
Si PAAiecTATA PV: coiT. S 35 eTOiMOYC PV (Randkorrektur) : feToiwAC PV (Text)
35. 36 ÄxÖNTAC P: exoNTA und hahciAcanta S 38 in Ha: hn PV (h corr. im Archetypus,
in PV als fi nach nÖAic gestellt) 39 nepixcopftcAi PV: corr. S vgl. 44: nePixßCAi vei-m.
Die vgl. 100,40 (coc im Airhetypus überge.schneben geriet zum folgenden Te) Te] ücre
PV: coiT. Er vgl. A\y]). l'un. 119 41 eicnAe? PV: corr. Ha 42 mha"] mih S S] k
PV: COIT. R 43 BAAAÖMeNOC PV
Exzerpte aus Philons Mechanik VTJ. VJJl (JIJ
-73;1V J — !);p.96.97). 67
KAM WC AN ri AYNATÖN, eTxA OYAAKAC KATA-
CTHCAC nOIOY THN nOAlOPKiAN, nPÖTON «EN
KHPYTMA noiHcÄMeNOc MHOCNA »eeiPeiN fl npo-
NOMCY-eiN. ACYTePON AG AOrlCAMCNOC EIC TArWATA
H ^nAPXlAC AlAAÖCeiC TA reUPflA • (7) Ka'i oi CTPA-
riUTAI nÄNTA TÄ A^ONTA fe'lOYClN KaI Ol nOAh
TAI OÄTTON Ö BOYAÖMeeA nOIHCOYClN X*eÄPTUN
TÖN KTHMÄTUN ÖNTUN. (8) «€tA AE TAYTA nep'l THN
nÖAiN bcA ^ctIn h Xc*ÄAeiAN <ToTc) £naon Sxon-
TA H (j«^AeiAN TA «In KATACKÄYANTAC
TA A^ ^KKÖYANTAC KAI TA YAATA TA eC(0
Monta XnocTP^YANTA (oVtcü tAp [anj MÄAICTA
ACIAUeHCONTAI tCAl CY TO?C ÖPfANOIC d)C BOY-
Aei xphch;, eV ikn ß noTAw6c nAHcioN, ^ni
t6 Tefxoc {^«eTNAi.) Tna ^än a-j-nh necÖNToc
MeTAnYPrioY
TINÖC A TTYPrOY KATÄCXHC THN nÖAIN. (9) ^ÄN
Ae MH
TOYTO A'f'NH, TÖTe TA B^AH ^niCTHCAC HANTA KAI
iniKHPYiAC T9 npwTu Anabänti ^ni t6 tsI-
XOC KAI ACYT^PU KAI TPItW AÜCEIN TÄ KAAÜC 6-
XONTA XPHMATA, KATÄ TOYC XceENeCTÄTOYC TÖnOYC
AnÖ KAIMAKUN KAI nPOCTieeW^NUN AOKIACON THN
np(iTHN noihCAi npocBOAHN. Vna kata^öbwn
ÖNTUN e'TI T6n £nAON KAI AncipUN nOAlOPKIAC,
KATA KPÄTOC AÄBHC THN HÖAIN fi AlArNUC t6
96 es geht, umwallen, daiiu Wächter davor
aufstellen und die Belagerung durch-
■** führen. Zuerst ist der Befehl zu erlassen,
niemanden umzubringen, oder zu plün-
dern, zweitens die Ländereien auf Grund
einer Berechnung an die Abteilungen
oder Befehlshaberschaften zu verteilen.
(7) Dann werden einerseits die Soldaten
alles Nötige haben, anderseits die Bürger
uns schneller zo Willen sein, wenn ihr
Besitz unzei'stört ist.
97 (8) Darauf wird rings um die Stadt
alles, was für die Einwohner Sicherheit
oder Nutzen bringt, entweder niederge-
rissen oder abgehauen und die hinein-
fließenden Wiisserläul'o abgelenkt; denn
so werden sie am meisten den Mut ver-
liei-en und Du kannst die Geschütze, wie
Du willst, benutzen; lerni-r wenn ein
Fluß in der Nähe ist, soll man ihn gegen
die Mauer leiten, damit Du die Stadt
nehmen kannst, nachdem möglicherweise
eine Kurtine oder ein Turm gefallen ist.
(9) Wenn Du das aber nicht kannst,
dann stelle alle Geschütze auf, und nach-
dem Du öflentlich verkündet hast, dem
ersten Krsteiger der Mauer und dem
zweiten und dem dritten die üblichen
Ehr«!npreise geben zu wollen, mache an
den schwächsten Stellen von Leitern und
aufgelegten Balken aus den ersten Vor-
stoß, damit Du, wenn die Pj'nwohner
noch in Angst sind und keine Erfahrung
'5 in der Belagerung haben. Du die Stadt
durch Handstreich in die Gewalt be-
kommst oder \venigstens flie Zahl der
Kämpfer oder ihre Stimmung erkennst,
96,45 ^'^^ I'^'= PAirr. R 47 «ne^NA — 48 AoncÄMeNoc in P wiederholt: corr. m'
9T, I M£tA a^~ 9 nÖAlN] 'haec una periodo comprehendi eique insertani esse parenthesin
V. 5 — 7 dociiit Va' S 3 KATACKÄYANTA Br 4 A^ (comp.) PV ^kköyanta Bi- 5 [An]
Bue 6 AeiAueHCONTAi Ha; vgl. 15: AHAueHCONTAi PV: ahahshcontai Mi ü>c ;an)
BOYAH Bue 6. 7 BOYAH V 7 cV] eiVe PV 8 (fi^eiNAi^ Die Yna PV: eTnai Br
9 KATÄCXHC Die: KATACxeiN P\' 1 1 <bTi> S 12 AciceiN Br vgl. 41 : Auceic PV 13 xphc-
mata P 14 nPOTiee«^N(0N PV: corr. Ha 15 noiftcAi P\' 16 ^naon Die:
ontun PV: 6xA<0N Bue: önantIcon oder ^nönt&jn Ha
68
D I E L s und E. Schramm:
nAfleOC TÖN MAXOMENUN fl TÄC YYXAC AYTÜN 97
nfic Te AiAKeW'iTAi npöc toyc kinaynoyc. (10) tay- 19
TA Ae nOIlHCAC AN «H COI nPOC^XCOCIN, enAA- 20
SIN iW TOY XÄPAKOC GeWeNOC KAI TAMPON OEPi
TÖ CTPATÖnSAON nePIBAAÖMeNOC AinAHN TÄ TS
«HXANHMATA l'cTA YnÖTPOXA KAI 06-
pIaKTA KATACKEYÄZUN KAI *OINIKiNAC CANIAAC
I^XONTA, Ina MH CYNTPisUNTAI- KAI TÄC CTOAC Ol- »5
KOADMeTn Ka'i TOYC eniTHACiOYC TÖnOYC YnOPYT-
TeiN, cAn «h YnoMBPoc fi ö TÖnoc, ft xe-
ACONAC KATACKeYACÄMCNOC XUCTpIaAC tAc TÄ-
♦ POYC XCiNNYC THN x6PAN MH *eeiPü)N • YCTCPON
TAP, ikn CYM*ePH, TOYTO fe'CTAI COI nOIHCAI. 3°
(11) ikn AC
«H AY^NH XCÜCAI AIA TO BAeciAC KAI GYPcIaC
eiNAI, XCAÜNHN AcT HPOe^MCNON XUCTPIaA CXC-
■ aIaN ZEYrNYONTA nPOCArAPcTN OY BOYACTAI
TCVC CTPATIÜTAC.
(12) nOIOY AC KAI KHPYTMATA TÖN
nOACwicüN AKOYÖNTCON TOIAYTA • (ToTc MHNYCACIN) 35
ÖnAiceic TC ci-
AHPCÜN YnOPYKTIKÖN KAI MHXANHMATWN CTACCIC
KaI TA TOYTOIC AkÖAOYSA, KaI cAn AnOKTCINAC
TIC H TÖN «HXANOnOlÖN TInAc H TÖN ÖNTUN ^ni TÖN
BCAÖN AllOAÖrUN H (iku TIc) TÖN ^NAÖäWN
^NANTIOY-
M^NWN ToTc nPATMACI nAPAriNHTAI HPÖC AY- 4°
wie sie sich den Gefahren gegenüber
verhalten. (10) Wenn sie sicli Dir aber
nicht ergeben, nachdem Du dies gemacht
hast, so errichte eine Wehr auf der Ver-
schanzung und ziehe einen doppelten
(Jraben um das Lager und baue die
Maschinen auf Rädern beweglich und
drehbar und mit Palmbrettern beschlagen,
damit sie nicht zerstört werden können:
ferner Vjaue die Schutzdächer und unter-
miniere die dazu geeigneten Orte, wenn
der Boden nicht feucht ist, oder baue
Schüttschildkröten, um die Gräben zu-
zuzuschütten, ohne jedoch das Land zu
ver(Jerbcn: das kannst Du später, weim
es Dir nützlich ist, immer noch tun.
(11) Wenn Du sie al>er nicht zu-
schütten kannst, weil sie zu breit und
tief sind, so muß man unter einer vor-
gebrachten Schüttschildkröte eine Brücke
schlagen und (darauf) die Soldaten an
den gewünschten Ort bringen.
(12) Krlasse auch, während es die
Feinde hören können, derartige Verkün-
digungen, daß Du {denen, die Anzeigen
erstatten) über die Ausrüstung mit eiser-
nem Miniergerät und über die .\ufstellung
von Maschinen und was dieser zu folgen
pflegt, fei'ner, wenn einer einige von den
^laschinenbauern oder von den sich bei
der Geschützbedienung Auszeichnenden
tötet oder wenn einer der angesehenen
Gegner den Interessen (seiner Vater-
stadt) entgegentritt, zu ihnen überläuft,
Ehrenstellungen und Geldpreise verleihen
97, 20 npocexcociN PV: npocxcoPöciN S 22 nePiBAAAÖMeNoc PV: corr. Ha 23 Tcta
Buo: cictA PV: eic ta ( ) I{o yhötpoxa Ho: YnoYPOYxiA V: YnoYPOYX^A P: YnÖTPoxÄ Te Bue
24 «OINiKINAC P: «OINIKAC V 25 ^XONTAC PV: Corr. P(l CYNTPIBHTAI S 26 OIKOAOMelN
PV: oiKOAÖMei Br kai (katA) to'S'C Br 26. 27 YnÖPYTTe Br 27 «in Br: mcn PV in
Ha: HN PV 28 xeA. xuctpiaac] vgl. Athen, meeh. p. 15,13 We 30 ecTu P: ecTcoi V:
corr. Ha cAn ae «h ktS.] vgl. Anon. Pol. p. 259,2. 260,5 ^s- ^^'^ 3^ nPoceeweNON PV:
con-. Br nach An. p. 260,6 33 oy (an) boy-ah Br 35 <Tofc MHN'f'CAaN) önAiceic Die:
bncüc eic PV: önuc (eec)eic tc ciahc tön (vel {nö)pa)N) Ynop. Bue 39 (ßkn Tic) Die:
(tic) nach ÄNAÖsuN S 40 nAPAriNHTAi, < AA«)npöc Bue 40. 41 nPÖc aytoyc PV: corr.
Die; vgl. 98, i
Exzerpte aus Philons Mechanik VJI. VITI (IV 9—19; p. 97. 98).
69
TO-t-C. TIMHCeiN KAI XPHMATA AÜCSIN • (13) KAI
TÖN mIn
AOYAON ^AeveepoN An XoeTnai, tön ae ctpatiüthn
XNABIBÄCeiN, tön Ae ÖnAJTHN «eTOIKON CTe<t>AN6-
CeiN, KAI ACÖCeiN ACüPeÄC TAC KAT' XliAN TOY
nPAXe^NToc eproY- (14) ta tap toiayta khp'ttma-
TA mäaictä nuc eicoee tön ^nantiun tac
AIANOIAC <TAPÄTTelN> KAI TOYC weToiKOYC KaI
TO'i'C 01-
K^TAC noieTN mhk^o' önAizeiN ka! aiaönai ta
KAAÖC SxONTA ÄniTHAEIA- (15) toytun aä n-
NOM^NUN ^AÄTTOYC Ol KINAYNC'r'ONTeC ECONTAI
KAI nAeioNA cTta Xnaaöcoycin ka'i taxa
CTACIC TIC ?CTAI ^N TH nÖAEI. (16) TOYC a' A-
XPeiOYC ÖNTAC im nAPAriNCONTAI, MH nPOCAE-
XOY, Tna TP0*H TWN nOAlOPKOYM^NUN SÄT-
TOH Xnaaickhtai.
(17) tayta a^ oAnta ötan
CYNTCA^CHC, ÖAOnOlHCAC KAI »AAArrtiCAC TAC
nPocArurAC toIc mhxanhmaci thn taxi'-
CTHN AYTÄ neipw nPocÄreiN «pÄ3eac ta?c
♦oiniki'naic canIci ka! ciahpa?c Aenici ka'i
«AAArMACI KAI XOA^APAIC, ANCOeeN KATA-
CKCYACAC, KAI TOYC neTPOBÖAOYC KaI TO'Y'C ÖJY-
BCACic ^mCTHCAC, KAI nPÖC TOYC ^KCINOIN AIOO-
BÖAOYC AYO AEKAMNAJOYC nPÖC te'KACTON Ka! nCN-
TAcnieAMON Xnticti^cac. (18) mh «ancpöc a^ tIncy
KAO' 8 nOIHCH THN nPOCAfuriHN, XaAA KAT
Xaaoyc wän npoAeiKNYe TÖnoYC, kat aaaoyc
A^ npöcAre ta mhxanhmata, ina aiamaptä-
NUCI TaTc nAPACKCYAk Ol nOAlOPKOYMCNOI. (19) npö
AC TUN KINAYNEYÖNTUN CTPATICüTÜN nPO*eP^-
97 wirst. (13) Und den Sklaven würdest
Du freilassen, den Soldaten befördern,
43 den waffentragenden Metöken den Ehren-
kranz verleihen und Belohnungen geben
je nach Wert der vollbrachten Tat.
45 (14) Denn solche Ankündigungen pflegen
vor allem die Gesinnung der Feinde {zu er-
schüttern) und dieMetöken und die Haus-
sklaven zu veranlassen, sich nicht mehr
zu rüsten und bi-auchbare Lebensmittel
zu liefern. (15) Wenn das geschieht,
^vird sich die Anzahl derer, die sich der
'° Gefahr aussetzen wollen, vermindern,
sie wei'den mehr Getreide verbrauchen
und bald wird ein Aufruhr in der Stadt
98 entstehen. (16) D?gegen nimm keine
Untauglichen bei Dir auf, wenn sie über-
laufen, damit die Lebensmittel der Be-
lagerten schneller aufgezehrt werden.
(17) Wenn Du das alles vollendet hast,
5 so lege Bahnen an und beschaffe Walzen
zum möglichst schnellen Vorbringen der
Maschinen, vei-suche die durch Palmbret-
ter, eiserne Beschläge und Kissen ge-
panzerten, die oben angebrachte Rinnen
haben, vorzubringen, nachdem Du auch
die Steinwerfer und Pfeilgeschütze aufge-
stellt und jedem der Steinwerfer jener
2 zehnminige und 1 fünfspithaniiges ent-
gegengestellt hast. (18) Verrate abei- ja
nicht, an welcher Stelle Du den Angriff
machen willst, sondern deute ihn an
15 mehreren Stellen an, schaffe dagegen die
Maschinen an andere, damit die Belagerten
durch die Vorbereitungen irre werden.
(19) Vor den gefährdeten Soldaten sollen
möglichst viele Fiechtschiidki'öten aufge-
97,42 AN X^efNAI S: XnA»HNAI PV 43 »TÖN Ae M^TOIKON HOaItHN (nOIHCCIN KAl)
cTe*." Er nach App. Mithr. 48: -Tan X«6Tnai, tön a^ m^toikon hoaIthn Xn Xnoo>flNAi, tön
Ae ctp. Xnab. (kaI > CTe*. kaI- Biie 47 f (tapattbin) S: "{aeiaAc) cf. p. 97, 6; noieTN
ex pro.ximis adsumitur« Bue 48 tä S: toy PV
98, 3. 4' SATTON Bue (vgl. Onesandr. XLII 9, 23): Saatton PV 9 xoa^apaic PV:
XOA^APAC Ro r2 AYOAeKAMNAiOYC V: AOAeKAMNAlOYC P I3 «H ♦. KT^.] AuOn. Pül.
p. 204, 10 SS. We «ANepßc V\: corr. R 15 nPOAeiKNYC P\': corr. Br 18 npo«ep^-
CGUCAN S: npoco. PV
70
Diel s und E. S c ii k a m m :
CGMCAN reppoxeA&NAi uc nAeiCTAi, Yn' eYxePöc 98
^NTeveeN dKnHAÖNrec KiNAYNev-ccociN. (20) ay- »o
TÖC AC
MAAICTA 6N ToTc Ac*AAeCTATOIC ^PY-MACIN ÖN
KAI MAAICTA eYAABOY HAPABOHeelN, nPOCTACCCON
iku noY [a^oc] AeH kai cYNeetoPÖN, eri ji
nOIHT^ON dCTIN.
(21) döCAiruc AG kaI Ik saaacchc
' ^AN(nOIHTI^N)nPOCArC0nHN, eni TeTÖNÖAKÄAUNKAi ^5
TUN A^MBUN ctAcac whxanhmata npöcAre •
(22) KAI AIACKÄYAC TaTc MericTAlC CKA^icl TÖ KAbT-
ePON TOY AlWeNOC, iku SXHC KATA<t>PÄKTOYC NAYC.
nOIHCAl THN nPOCBOAHN ToTc ^MneiPOTATOIC
OYCI KAI AYNAMeNOIC KINAYNEYeiN KAI «ÄAICTA 30
KATA GAAACCAN. (23) THN AS AlÄCnACIN TOY
♦PAfMATOC
KaI TÖN KAeiePUN fl TaTc ÖMBOAaTc TÖN NHÖN
nOlHT^ON ^CTIN H TaIc ^NAYeCI TÖN ArKYPÖN
<^Ö)NeYONTA SK TUN nPOCAXeeiCWN ÖAKÄAUN.
(24) ÖTAN
Ae nPOCAXGH TA MHXANHMATA nAPAKAAECAC 35
TOYC CTPATIUTAC KAI THN AYTHN gniKHPYIIN TH
nPOTePA CYNTGASCAC nOIOY THN nPOCBOAHN
nÄNToeeN thc nÖAScoc kai kata thn kai katä
eÄAACCAN, ^AN e'»AAON H Tl TOY TsixOYC, INA
*Ö8PN Te MC nAsTcTON nAPACKEYACHC KAI AIA- 4o
cnÄcHC eic tioaaa to'y'c eNAOeeN kinayncyon-
TAC • (25) eNeprfl Ae coi tA bbah oAnta fe'cTO) kai
Ol KPIOi KAI tA TPYOANA KaI Ol KÖPAKSC KAI
AI ^msAePAi KAI katA thn kaI katA bAaattan eic
TOYC nPOCHKONTAC TÖnOYC • (26) KAI OOIOY THN 45
npoc-
stellt werden, damit sie leicht, von hier
aus vorspringend, der Gefahr sich aus-
setzen können. (20) Du selbst halte Dich
zumeist in den gesichertsten Schanzen auf,
und hüte Dich, zu Hilfe eilen zu wollen.
Vielmehr ordne an, wenn es irgendwo
nötig ist, und überlege im Kriegsrat, was
noch zu tun ist.
(21) Kbenso bringe aber auch, wenn
Du vom Meere aus den Angriff machst,
Maschinen heran, indem Du sie auf die
Lastschiffe und Boote stellst; (22) und
durchbrich mit den größten Kähnen die
Hafensperre, und wenn Du Panzerschiffe
hast, mache mit Deinen erfahrensten und
den Gefahren zur See gewachsenen lauten
den Angriff. (23) Die Trennuag des
(schwimmenden) Bollwerks und der
Sperrkette muß man entweder durch die
Sporen der Schiffe bewerkstelligen oder
durch das Einhaken der Anker, die
man von den herangebrachten Last-
schiffen aus aufwindet (24) Wenn aber
die Maschinen herangebracht sind, rufe
die Soldaten iierbei und lasse dieselben
Verkündigungen wie liniher ausrufen,
greife die Stadt von allen Seiten zu Lande
und zu Wassei' an. wenn irgendein Teil
der Mauer am Meei-e liegt, damit Du
möglichst große Angst einjagst und nach
vielen Richtungen die Kämpfer trennst,
die innen sich der Gefahr aussetzen
müssen. (25) Sämtliche Geschütze und
die Widder, die Bohrer, die Raben und
die Fallbrücken sollen Dich zu Lande
und zu Wasser an den geeigneten Orten
unterstützen. (26) Auch mache den An-
griff so, daß Du die Kämpfer ablösest und
98,2 3 [a^ocj Die: aeon S a^h Die: Aef \'\' CYNeeupelN PV: corr. Die: -f. ۀn
ASH cnoYAH KAI CYNGeupsTN cito succurrcrc ac porro quid faeiendum sit oircunispicere" Bue
25 (noiH thn) Hr Te Die: Ae PV: [as] S 27 ckä*€CI V 29 noiHCAi S:
noiHCAC PV 30 AYNAM6N0YC PV: corr. S 31 AlÄCTAClN PV: AlÄcnACiN S, vgl. An-.
An. II 24.1 32 NeöN wie p. 100,76; 104,17;' Die 33 noiTeoN V 34 ncy-onta
PV: cori'. lir 44 ka'i katA e. P: kaI tA e. \' 45 kai n. T. np. — 99,1 <«>Yr(ociN] vgl. Anon.
l'ol. p. 204,13 — 18 We
Exzeiyte aus Phlhms Mechanik VII. VIII (IV 19—31; p. 08. 9!)). 71
BOAHN i.K AlA^iOXHC TÄN CTPATIUTÖN MHSeNA
nAPAAinWN, INA AKMÄZONTeC Aci 'kINAYNeYCUCIN ;
<(öcTe)
icxYPÄN Xei KAI CYNexfl rlNeceAi • (27) ka) eö-
PYBON no-
A^'N noielN KAI cÄAnirrAC ÄNiecsAi katä ik
icXYPÖTATA THC nÖAGUC, INA YnOAAMBANONTeC
AAlCKECeAl TA-I-TH TÖ Te?XOC XnÖ TÖN METAnYPriwN
MCTA TÖN ÄAAUN »YrUCIN, <(CY a') iK£\ nePI-
cnÄCAC WC
nAeiCTOYC tun ^NAOeeN KATA AAWCIN XEIPtüCH THN
nÖAlN. (28) AYTÖC A^ bnCOC MH AlAKINAYNeYCHC- OY-
e^N rÄp AN XneprÄCAio thaikoyton tu lAiu cu-
MATI, bcON AN BAÄYAIC OAeUN {TI> HANTA TÄ RPA-
rWATA.
(29) (. . .) nOIHT^ON a' eCTIN KAI eWBOAAC
eic TA «e-
TAnYPriA Tüj XxPeiOTÄTW TÖN MerAAUN CKA-
t •
♦ÖN, ^ÄN N TÖnOC ArXIBABHC Ka'i nPOBAHTAC
exuN KAKAJ t6 Teixoc KATÄ tayt' h XceeN^c kai a-
AÜCIMON, ^An n^CH.
(30) AeT A^ KAI TAfc YnoP'faEeci tön teixön aa-
ePAioic xPAceAi KAoAnep ka'i nyn xpöntai
(6iy WeTAAAEYONTeC ■ (31) eÄN a^ Antimctaa-
ABYÖNTUN
TÖN ^NAoeeN cYNTPHeA H eic AenfÖN cyn^aoh
TÖ ÖPYrwA, XPHCT^ON ecTi Toic BOYnöPoic kaI toTc
TAicoTc KAI taTc zibynaic ka'i T0?C TPiCnl-
98 keinen dabei ühergehst, damit sie immer
•17 bei Kräften sind, um die Gefahr zu be-
stehen, so daß der Angriff immer staili
und anhaltend wird. (27) Auch sdII man
starken Lärm machen und an den stärksten
Stellen die Trompeten schmettern lassen,
5° damit sie vermuten, dort sei bereits die
Mauer genommen worden, und von den
99 Kiirtinen mit den anderen fliehen. Du
aber dadui'ch, daß Du dort möglichst
viele von der Besatzung wegziehst, die
Einnahme der vStadt erzwingst. (28) Du
sell)St jedoch sollst Dich nicht der Ge-
fahr aussetzen, denn duirh Deine eigene
Person könntest Du nicht so viel zu-
stande bringen, wie Du duri'h einen
(^etwaigen) Unfall der ganzen Sache
schaden \vilrdest.
(29) Man muß aber mit den am wenig-
sten brauchbaren der großen Schiffe mit
dem Sporn gegen die Kurtinen rammen,
wenn die .Stelle tiefes Wasser und gegen
die Mauer Vorsprünge hat und diese
dort schwach und im Falle des Kinsturzes
'" leicht zu nehmen ist.
(30) Man soll auch die heimlichen
l^ntergrabuugen der Mauern anwenden,
wie sie jetzt Ix'i den Mineuren üblich
sind. (31) Falls aber die Belageiten
Gegenminen anlegen, der (iaiig zusaoi-
mentrifft oder bis auf ein kleines Stück
zusammenstößt, muß man die Ochsen-
spieße und die leicliten Spieße und die
Jagdspieße und <lie dreispithamigen Ka-
98, 46 MHB^N PV: corr. Die 47 {öcTe) S 48 kai in Ras. V 49 CAAnirrAC
NYKTUP/ verm. Die nach Anon. a. O. ^NieceAi Wesseüng zu Diod. XVII, 106 p. 243:
doch hat An. auch Anon. I'ol. a. O.; vgl. Onesandr. 42, 17 49. 50 tac icxyputatac l'V:
corr. Wesseüng
99, I [«etA] Bue {cV a'^> ^ke? Bue ^Ke?ce S 4 cyben rAp kt4.] vgl. Onesandr. 33,1
5 Ti^ >S 6 noioiTEON V €wboaa I'N': corr. S 8 nPocBAHTÄc l'V: coi-r. Die: npoc-
baAtac G. Dindoi-f Thcs. s. v,; »f. npocArurAc coli. 95,22« Br: nPOCBAHToic Bue 9 kaI lö
teFxoc katA tayt' h Ace. Br: katA t. t. kai ta't'th PV: katA tö t. kaI toyt' ih Biic 10 äAn
n ON^^CH Bue 11 ff. vgl. An. Pol. p. 212,6- — 10 W 11. 12 AAePAluc l'V: corr. Die
13 (p\) R 15. 16 kaI Toic r.] K^NTPOic Ca 16 rAPCoic I': rApcoic V; am Hde. S l'\':
corr. Rigaltiu.s Gloss. Takt. p. 62
72
D 1 1: L s und E. Schramm:
eÄMOIC KATAn/ATAlC KAI TOIC AIMNAIOIC nS-
TPOBÖAOIC • (32) KAI KAnNICTeON TOYC SN ToFc METÄA-
AOIC ÖNTAC- (33) KOINA Afi ECTIN XM«OTePCüN
TAYTA KAI
TAN nOAlOPKOYWeNUN KAI TÖN nOAlOPKO'r'NTUN.
(34) Yna ae mh ewninPHTAi «hts ta mhxanh-
«ATA MHTe AI iniBÄePAl MHTe AI XeAÖNAI,
taTc ciahpaTc KAI xaakaTc xPHCTeoN ecTi (Aenici)
KAI TaTc MO-
SS tapalten und die zweiniinigen Stein werfer
i8 gebrauchen. (32) Auch soll man die
in den !Minen Befindlichen ausräuchern;
(33) das ist beiden, den Belageren und
Belagerern, gemeinsam.
(34) Damit weder die Maschinen noch
die Sturmbrücken noch die .Schildkröten
in Brand gesteckt werden können, sind
eiserne oder eherne Schuppen und blei-
Bild 30.
AIBAAIC KEPAMiCI KAI TW »YKEI AISPCO £\C
AIKTYA eMBAAÖNTA KAI ToTc CnÖrfOIC NOT6P0IC
KaI Tofc KCOAIOIC 0261 BPeiANTA H YAATI. (35) fl 11«
fi TU aYmATI Te*PAN «liANTA XAei<t>eiN TA £Y-
AA, in «AAicTA nYP oisi nPocnece?ceAi.
(36) noioYNTAi Ae ai reppoxeAüNAi eK tun
nAexeeNTUN reppuN ANueeN sc öieIan ru-
NIAN CYrKAeiCeeNTUN nPÖC AAAHAA, düCAV-TUC AE
KAI eK TÖN npöceeN • (37) sIta bypcun oepita-
eeiCÜN KAI AOKlAUN KATWeEN MEN ^K TÖN HAA-
riMN TETPArCüNUN CYMOArElCÖN, ENAOGEN AE
CTPorr^ACüN YnoTEeeicöN oy XAAEnöc Ynö
erne Ziegel (s. Bild 30) anzuwenden sowie
nasses in Netze eingewickeltes Seegras
und feuchte Schwämme und mit Essig
oder Wasser benetzte Felle. (33) Oder
man mischt Asche mit Leim oder Blut
und bestreicht damit die Hölzer an den
Stellen, wo Du am ehesten vermuten
kannst, daß das Feuer auftrelTen wird.
(36) Die Flechtschildkröten werden
aber aus den geflochtenen Ruten gemacht,
die oben miteinander zu einem spitzen
Winkel zusammengeschlossen werden
ebenso wie auch vom. (37) Dann werden
Häute darumgespannt und vierkantige
Balken unten auf den Schrägseiten zu-
sannnengefiigt, innen aber werden Walzen
untergelegt. So können sie ohne Schwie-
rigkeit von den Soldaten vorgeschoben
99, 17. 18 nEPiBÖAOic P 23 (Aenici) Br 23. 24 moaybainaIc Hercher zu Aen.
Tact. p. 104,8 24 Aiepö (darüber $) und am Rde. $ Anti toy yppö PV 25 t. cnör-
roic — 27 Aaeiojein] »cf. Polj'aen. VI 3 ubi 1. ^nAAei*ö«EN0C ii6c ( — on öioc cod.); cf. etiam
Aen. Tact. 34,1, ubi probabiliter Meinekius inseruit ihü» S 26 yaati ft iiö- Ca 27 tw
aTm. t. m.] vgl. Anon. Pol. p. 259,13 We 28 ei PV: corr. Ha und Hercher a. O. nvp] nep PV
29 EK TUN (nAArlUN
>s
31 CYrKAEice^NTA PV: corr. Wilhelm Dindorf im Thes. s. v. r£^f>oxe-
AÖNH 32 zwischen ka) und iK ist h übergeschr. in V 1
32. 33 nepiTEeEicuN PV: corr. S
Exzerpte aus P/iilons Meekanik VIJ. Vill (lY 31-44; p. .9.9. 100). 73
TUN CTPATIUTUN nPO*ePONTAI /ilA TÖ MHAG 99
BAPoc txeiH noA-«'. 37
(38) AI a' eni tön AewecoN
XeAUNAI KATACK6YAZ0NTAI nePl^ePcTc ANUeEN
^K CANJAUN ICXYPÜN CYMnHrNY'MeNAI, YnÖ<l>AYCIN
KAToeeN SxoYCAi, b'eeN 01 AieoBÖAOi XoieNTAi. 4°
(39) AI Ai XUCTPIAeC TA «SN AAAA OAPAnAH-
ciü)C- TPO-
XOYC Ae exoYCAi {katahipaktoi kai) KATACTereTc
^«npoceeN riNONTAi,
INA Ol XUNNYONTeC ^I AYTÜN TAC TA*POYC «H
TITPÜCKUNTAI. (40) AI A^ KPIO^ÖPOI OYA^TGPON
fxOYCI
TOfrUN ^K TOY nPÖC TOI-C ^NANTIOYC, YnÖTPOXOI 45
A^ noioYNTAi, KAI nepi^epcTc oytcoc ^Mnpo-
ceeN ^NA^ceic kaI Antitona fe'xoYCAi (. . .
(41) Ae? A^) npöc TÄ ÄnippinTOYMeNA Xm^Ibahctpa
H TOYC KONTO'J'C [tO'Vc] HAArjOYC nAPABÄAAEIN
fl ta?c AAMnAciN ■Y'»Arrre!N aytA (fi) [Ant'i tön ir- y
XeiPlAJuN] II«iOAP^nANA fe'xONTA ^niKÖHTeiN- (42) ^CTI
Ad TAYTA XPHCIMA KAI nPÖC TAC ANABÄCeiC 100
KAI nPÖc TÄc TÖN CKEAÖN YnoTWHCEic- (43) npöc
A^ TOYC AicieM^NOYC TPoxoYc KAI Ai'eoYC tAc
reppoxcAÖNAC y*i^nai. npöc a^ tA kcpA-
MiA ka! tA kpyotömcna öpytmata toic cei- 5
powACTAic xpficoAi- (44) npöc a^ tac böopoic
ÄniTieew^NAC
OYPAC KAI TO'Vc TPIBÖAOYC TO'V'C KATABAAAO-
M^NOYC ^NAPOMIAAC €x0NTAC YnOBAiNCIN KaI
tAc «an nponeiPÄzoNTAC taFc aik^aaaic Ana-
werden, weil sie keine große Schwere
haben.
(38) Die Schiklkröteii auf den Booten
werden rund geb.Tut. oben werden sie
aus starken Brettern zusammengefügt.
Unten sollen sie eine Öffnung haben, aus
der die Steinwerfer schießen. (39) Die
Schüttschildkröten sind ihnen im übrigen
ähnlich, doch haben sie Räder und sind
vorn gepanzert und mit Verdeck ge-
macht, damit die Leute, die aus ihnen die
Gräben zuschütten, nicht verwundet wer-
den können. (40) Die Widderträger
haben an der nach dem Feinde zuge-
kehrten .Seite keines von beiden, sie wer-
den abei' fahrbar gemacht, und da sie vorn
in dieser Weise mit runden Verbindun-
gen und Kran verseilen sind {. . .).
(41) Gegen die übergewoi-fenen Netze
(soll man) entweder von der Seite die
.Speere werfen oder sie mit P'ackeln von
unten anzünden oder endlich sie mit
sichelförmigen Schwertern durchschnei-
den. (42) Diese sind auch brauchbar
beim Aufsteigen, um die Beine (der
Verteidiger) von unten abzuschneiden.
(43) Gegen die losgelassenen Räder und
Steine soll man die Flechtschildkröten
aufstellen, gegen die (vergrabenen) Töpfe
und verborgenen Gräben sind die Bodeii-
sonden anzuwenden. (44) Gegen die
über Gruben gedeckten Falltüren und
die^verstreuten Fußangeln sollen Leute,
die Schuhe mit dicken Sohlen haben, vor-
gehen und jene nach Absuchen mit zwei-
99,36 nPoco^PONTAi I'V: coit. Bue vgl. p. 98,18 ,37 Aer^MBUN V 39 cym-
MirNYweNAi PV: COIT. Ha 41 ai a^ xuctpIacc — 44 titpuckcontai] vgl. Anoi). Pol. p. 209,4 — 6;
p. 260,6 We 42 /katAopaktoi ka'i Die (vgl. oya^tcpon 44); nur {ka'i) Br 43 tac P:
TOYC V 47 Lücke erkannte Bue; er erg. {nPÖc ... aci) nPÖc: (acT a4) Die 49 [to>'c] Br
50; 51 [AntI tön irx.] S; vgl. p. 79,8. 99,24
100,3 AM«ie«^NOYC V 4 A»idNAi PV: corr. Die: AnoictAnai Br: A«<i>ieNNYNAi Bue Ke-
pAmia] vgl. p. 85. 23/!.; Anon. Pol. p. 209. 1 3 ff. \\'e 6 nPÖc ae — 11 ANAKAeAipeiN] Anon. ])ol.
p. 210, 2 — 212, 6 W 6 ^BÖePoic ^ni)Tiee«eNAC Die nach Anon. Pol. p. 212, 4 Wc tac
in\ BOePCY'MACi tiocm^nac e-t-PAC; vgl. auch oben 94,37 8 YnePBAiNeiN Br 9 npo-
neipAzoNTA PV: corr. R /
Vhil.-hiM. Abk. 191{). Ar. 12. 10
74
DiELS 1111(1 E. Schramm:
CKAnTeiN, TOYC A€ Tofc KHnOYPIKO?C KTECIn ANA- 100
KAeAiPeiN- (45) npöc ag täc cipvrMeNAC ta<i>poyc ■■
^niBÄePAC öniBÄAAeiN • (4(5) npöc as toyc npo-
BAAAOMfiNOYC AieOYC XeTpaC CIAHPAC ^niPPI-
nroYNTAC ÖNBYeiN • (47| npöc as toyc katakphmnco-
MENOYC TPIBÖAOYC KAI AOKIAAC KAI TOYC HPO- '5
TieeweNOYC *opaaoyc toic APenÄNOic xpAcoai-
(48) npÖc Ae toyc kpioyc kai ta APenANA kai toyc
KÖPAKAC TOTC CNeTHPCI KAI TaTc KEPAIAIC KAI
ToTc nepiBAAAOM^NOic BPöxoic KAI To?c AOinoTc
kpIkoic • (49) npöc a^ toyc nYPO*6poYC kai toyc tpi- ^°
BÖAOYC toyc KAIOMCNOYC KAI TÄC AAMHAAAC
KAI TAC ÄNGYnOPYieiC ToTc 6IPH«eN0IC- (50) TAC A6
OAAIOYPOYC CKÄHTONTAC CIC (tÖ)> TÄ T^AMATA KATA-
XCüNNYNAI, TAC a' (aIMACIAC^ CKKÖnTONTAC EIC TAC
erxticeic tön
TA«PtüN KATAXPriCeAl- '5
(51) npöc Ae TAC tän ncTPOBÖ-
Aü)N elC TAC CTOÄC rlNOMSNAC nAHfAC HPÖC
MCN TAC ANUeSN CniBAAAeiN TGPPA TPIHAÄ KAI
^n' AYTA <t>OP«OYC ÖMninAÄNTA AXYPUN H
*YKOYC. nPÖC AE TÄC eK TUN nAAricüN npoc-
XCONNYNAI TOYC ToixOYC AXPl TÖN rCPPCüN, HPÖC 3°
AC TAC AAAAC OACAC ToTc MAAArWACI XPH-
COAI- (52) nPÖC A^ TA ^NieWCNA YAATA ^£Ar(0-
rJAAC öPYCceiN- (53) npöc ac tAc AnoTMHceic tön
ArKYPeiwN SAN BAG'^C Ö TÖHOC, AAYCelC, bAn AE
TCNArWAHC, tAc ApKYPAC tön nAoiuN XÖNAI KA- 3^
e^IOYClN ■
(54) npöc AS tAc CKTPYntHceic tön ncön
KYKAU *~('AAKAC KATAACinTCON KAi tAc CA-
100, 14 «coNeYeiN PV: ciirr. Br
zinkigen Hacken ausgraben, diese mit
fiärtnerrechen wegharkeii. (45) Gegen
die au.sgehobenen Gräben muß man
Brücken überwerfen. (46) Gegen die in
den Weg geworfenen Steine muß man
eiserne Klauen überwerfen und sie mit
der Winde wegziehen. (47) Gegen die
lierabgeliängten Dreiecke (s. Bild i8) und
Balken und die vorgehängten Binsen-
matten sind die Sicheln brauchbar.
(48) Gegen die Widder, Sicheln und Raben
sind die Flaumienwerfer, die Krane,
die überzuwerfenden Schlingen und die
übrigen Ringe brauchVjar, (49) gegen
die Feuerlanzen, die angezündeten Brand-
gescbosse, die Fackehi und die Gegen-
minen die vorerwähnten. (50) Die Dorn-
liecken, die man ausgräbt, sind zur Aus-
fiU'ung der Schlammlöcher, die Zaun-
hecken, die man ausrodet, zum Zu-
schütten der Gräben zu benutzen.
(51) Gegen die von den .Steinwerfern
auf die Schutzdächei- gericliteten Würfe
muß man, und zwar gegen die von
oben, dreifaches Rutengefleeht auflegen
und darauf mit Spreu oder Seegras ge-
fiilkes Binsengeilecht, gegen die aus den
Flai\ken konmienden (Schüsse) muß man
die Wände bis an das Flechtwerk ver-
schütten, gegen alle übrigen muß man
die Kissen verwenden. (52) Gegen das
hineingeleitete Wasser muß man Ab-
zugsgräben jiei-stellen. (53) Gegen das
Kappen der Ankertaue werden bei tiefen
Stellen (s. Bild 31) Ketten, bei seichten
Trichter die Anker der SchiflFe schützen.
(54) Gegen ihr Anbohren muß man
ringsum Wächter zurücklassen, Bretter-
flöße daneben verankern, aus denen jene
17 APenANA] TPYnANA Gra 19 tpoxoTc PV:
corr. Ro AOinofc bezweifelt Die 20 kpioTc PV: corr. Bue 23 (rö) Br tgawata
Rr: AeiMMATA PV 24 tAc a PV: tAc a' {aimaciac) Die: toyc A(e CKÖAonAc) Br
25 xPHCSAi V 34 ArKYPicoN PV: cori-. Die basyc Br: bpaxyc PV 3^ reNAruAHC
Br: TeAioNec] über 0 hat S P (a. Rde.) V: Te(NArcüAHC, n)AeioNec Buc nAoiwN Die: n-f-pruN PV
36 NeöN S: eN PV
Exzerpte aus Philons Mechanik VIT. VTTT (IV 41—58; p. 100). 75
1-10 0.
Bild 31.
NJAAC nAPOPMICT^ON, il Ü3N ^XONTAC TPIÖAON-
TAC THPeTN TOYC YnOAeNAPYÄ ZONTAC •
(55) npöc A^
TÄC YnOXdjCelC KaI TÄC in TH TH riNOMeNAC
ANAKAOÄPCeiC TUN HinTÖNTUN AJeUN AnÖ TÖN
ToixCdN Ka] tön nPOreiXICMÄTUN XPHCIA^A ^CTIN
iK HiN
eAAACCHC yk AnTAHTHPIa) OiC ANAKAeAiPOYCI
TOYC AIM^NAC
KAI ciahpaI ÄpnÄrAi • (56) i< rfic a^, Ötan YnoTÄiw-
ci npöc tA nT(iMATA. a'i xuctpiacc xbaönai
KAI Ol MOXAOi KAI AI aIkCAAAI KAI AI AMAZAI.
(57) ^An ^i TiNoc TÖN mhxanhmätwn h npöc
TO>'C nOA€«iOYC KAeHKOYCA nAEYPA n^CH, CTP^-
YANTAC ACf nPÖC TOYC ^NANTl'oYC THN YriH
THN TeTPWM^NHN ^nicKeYÄZEiN ' (58) npöc A^ TA
AAAA CYMnTUMATA ^K TOYTUN A-TTÖN AC? ^N-
100 mit Dreizacken bewaffnet die Taucher
39 beobachten sollen.
(55) Gegen die Zuschüttung (der Ha-
4° leneinfahrt) aber und für die auf dem
Lande notwendigen Aufräuimmgen der
von den Mauern und den Vorwerken
lallenden Steine sind zu Wasser {die
Bagger) biviuclibar, mit denen man die
Häfen ausbaggert, und eiserne Harken;
(56) zu Lande aber die Schüttschildkröten.
^5 sobald sie sie an die Trümmerstätte ge-
bracht haben, und die Hebebäume, die
zweizinkigen Hacken und die Wagen.
(57) Wenn <iber bei einigen Maschinen
die den Feinden zugekehrte Seite fällt,
soll man die gesunde gegen die Feinde
drehen und die beschädigte wieder auf-
5° bauen. (58) Bei den anderen Kinstüraen
muß aus diesen selbst erwogen werden.
100,38 ii ci)N Die: Si(o I'V 3g YnoAENAPYAZONTAC Die Br: vgl. Kt. M. agn-
APvAzeiN: inscr. Epidaur. CoUitz 3340,20: Kustath. zur IL p. 326.28: YnoAeACÄzoNTAC PV
40 Ynoxciceic Ko: ■v'noxQPHceic I'V (= KÖnpoc ANePuneiA Mi) 43 (jk Antahthpia) Die
olc S: ToTc I'V: TA oTc Bue 44 ciahpaTc ApnArAic I'V: corr. S 47 tincc VI': corr. Th
48 n^CH i'V: noNECH S 51 aytoyc Br: «f. aytön a. ^NeYMOY«eNON« Bue
10*
76
D I E L s und K. S c II u A M M :
GYMOYM^NOYC Aiei Tl MHXANÄCGAI «H ANOH- 101
TUC.
(59) KAI ÖAN «eN nOAYN XPÖNON M^AAHC nO-
AioPKefN THN nÖAiN, AÖiAN ÄMnoiei To?c noAe-
MIOIC OJC ÖAirON XPÖNON nOAlOPKHCUN, TnA AA-
YlAßC ÄNAAICKUCI TA nPÖC THN TPO*flN XnH- 5
KONTA KAI MH HAPACKeYAZUNTAI nPÖC TAC eCO-
MeNAC nPOCBOAAC MHAE BOHeSIAN MSTAn^M-
nUNTAI • (60) ÄAN AS nOAlOPKHC, ilC nOAYN XPÖNON
nPOCKAPTePHCtoN ÄneiAei, Yna <t>08HeeNTec tö
M^AAON eÄTTON HmTn CYrXUPHCUCIN 6 BOYAÖME- '°
OA.
(61) neipß Ai ka! thn gnaon oycan aeian
(ka'i) Äan
YnOZ-tTlÄ TINA H, HAPeAeCeAl, ft ^SArOPÄCAl
d)C ^AAXicTOY WÄAICTA A'f'NH, fl iN TAfc riNO-
WeNAIC ANOXaTc nPÖ*ACiN TINA AABüJN ni9A-
NHN MHK^TI elCGAÄCAl A*eC «H »Y- 15
AÄCCUN TO'r'C TÖnOYC TOY'TUN H eiEAAYNONTeC
BOCKHCOYCIN, ÄAa' GACON AYTOYC elU N^MEIN KAI
fnei(T' ^niAPAMtoN) [thn än^apan] fl ^nsapan
KATACKeYÄCAC
AnoTewÖMeNOc KYPieYcoN aytwn ■
(62) OYG^N TAP ÄNAAicKei TÖN ^N TH nOAlOP- 20
KIA XPHCIMCON ONTCON, AAa' H AXYPON fl XÖP-
TON, oic eic OYeeN aaao, eic Ae ta bockhmata
xpöntai ■ (63) npöc YrieiAN Ae kai tpo»hn «erÄAA
CYMBÄAAETAI AIA Te TOY rÄAAKTOC KAI KATA-
KOneNTMN KAI nCOAOYMeNUN TUN KPeÖN '
(64) ETI AS TA 25
AEPWATA AYTCn nPÖC TA MHXANHMATA KAI
TOYC KPIOYC KAI ÖCA ÄCTI TOIAYTA XPHCIMA TINGTAI.
(65) MH ct>eiAOY Ae XPHMATWN WHTe kata au-
wie jedesmal dagegen in nicht unver-
ständiger Weise zu verfahren sei.
(59) Und wenn Du die Stadt lange
zu belagern im Begriff' bist, so enveckc
bei den Feinden die Meinung, als ob Du
nur kurze Zeit belagern wolltest, damit
sie reichlich das zur Nahrung Dienliche
verbrauchen, sich nicht auf die kom-
menden Angriffe vorbereiten und keine
Hilfe herbeirufen. (60) Wenn Du aber
wirklich belagei-st, drohe ihnen. Du
würdest lange Zeit ausharren, damit sie
aus Angst uns .schneller bewilligen, was
wir wollen.
(61) Versuche auch das innen befind-
liche Vieh und, wenn etwa einige Zug-
tiere vorhanden sind, wegzuführen oder
möglichst billig aufzukaufen, oder hebe
bei eintretendem Waffenstillstand unter
irgendeinem überzeugenden Vorwand das
Einfuhrverbot auf, indem Du zugleich
die Orte nicht bewachen läßt, wo sie
zur Weide austreiben ; laß sie vielmehr
außerhalb weiden und bemächtige Dich
ihrer später, indem Du sie durch oflienen
Angriff oder durch Legen eines Hinter-
haltes abschneidest. (62) Das Vieh ver-
zehrt ja nichts von den bei der Belage-
rung nötigen Vorräten, sondern nur Kleie
oder Heu, was zu nichts anderem als für
das Vieh gebraucht wird. (63) Zur Erhal-
tung der Gesundheit und zur Ernährung
trägt es freilich außerordentlich viel
bei durch seine Milch und sein Fleisch,
das geschlachtet und verkauft wird.
(64) Fei-ner werden ihre Häute für die
Maschinen und die Widder und alle diese
Vorrichtungen verwendbar.
(65) .Spare auch das Geld nicht, weder
101, I eNeYMOYMeNOic I'\': corr. S 5.6 Xnhkonta, h aus a corr. V 8 noAioPKHC,
uc Biic: noAloPKHCUCi I'V 12. 13 ^iAropÄc ewc l'\': corr. Br: ^lAroPÄCAi ist Imperativisch
15 Ä«ecl)ie: Ä* hcPV: a«hc R: Ä<t>eic Biie 16 hS: BcPV: ofc I{ 18 ^ni thn ^n^apan
PV: corr. Die: »f. e'neiT' an «ANePö vel ÄniTHAeiON ^niAPOMHN (cf. 103. 47) vel aliud. Bue ew^-
APANi KATACK. P: ^NBAPAN: KAT. V 20 XnaaIckein V 2 1 AAAO PV: vcrwechselt mit
Aaa' 2 2 2 2 OIC eic] oi'ceic PV aaao] aaa' V\ s. Z. 21 eicfetc P)Te ta PV: corr. Bue
Exzerpte aus Pkilon.« Mechanik VIT. VIU (IV 5S~70; p. 101. 102). 77
POAOKiAN «HTe KATA TAC AAAAC AAOANAC • 101 bci der Bostccliung iiocli bei den anderen
feAÜN PAP THN nÖAiN noAAAOAACiA AH- 3° Ausgaben ; denn nach Einnahme der Stadt
YH. wirst Du es vielfach wiedergewinnen.
(66) Du sollst Dir ferner lederne
Schutzhäuser <[herstellen)>, und die aus
den Schutzhäusern Schießenden : die
Steinwerfer, die Bogenschützen und die
Sclileuderer, sollen in möglichst großer
Zahl und Tüchtigkeit bei den Angriffen
da in Tätigkeit treten, damit sie >(niclit
^NeproYNTcc, Yna (i*ii) TPAYMATizuNTAi ' (67) Aioi- 35 Verwundet werden, (67) denn es bleibt
(66) KAPBÄTINAI Ae CGI OIKIAI <(nAPACKeYAC-
T6AI) KAI ÄK TUN
KAPBATJNÜJN BAAAONTeC KAI Ol AISOBÖAGI KAI
Ol TOIÖTAI KAI Ol C*eNAONHTAI ÄC nASrCTOI
kaI apictoi kata täc npocBOAÄc Sctucan
C€l TAP
OYaIn fl TeA€YTAN H XxPeiOYC rlNeCOAl TO'YC KIN-
AYNE'r'ONTAC • (68) KAI A-fTÖC ^KTÖC B^AOYC (Sn A
AC«AAWC nAPAnOPeYÖMENOC nAPAKÄAE! TOYC
CTPATICüTAC KAI TOYC «EN XfABOYC riNOM^NOYC AN-
APAC iriAiNei Te kai tIma, toyc a^ kakoyc aoi-
AÖpei^Te ka'i KÖAAze- (69) oytwc täp an apicta
KINAYN6YCeiAN Ol CTPATIÖTAI nÄNTGC.
. (70) aaicko-
M^NHC A^ TfiC nÖACUC *0B0Y Mhl eiC AIAP-
nAPHN ÖPMHCANTeC Ol CTPATICOTAI AYTOi TG Y*'
feAYTÖN KAJ Ynd TÖN ^NANTIWN HAPAnÖAUNTAI
fi nAAlN ^KBAHeWCIN ^K THC nÖAeWC fl KA-
TACxÖNTec AYToic AYC«eN6?c KAJ XxpeloYc np6c
tAc AeiTOYPriAC kaI täc eioopÄc noiHCcoci toyc
nOAlTAC KAI r^NHTAI mXtaIOC Ö nÖNOC AlAPnA-
sich gleich, ob die der Gefahr Ausge-
setzten fallen oder kiimpfunfähig werden.
(68) Und Du selbst mußt außer Schuß-
weile oder auf sicheren Umwegen die
Soldaten ci'muntern und die sich tapfer
Ijewährenden Männer loben, dagegen die
feigen tadeln und strafen. (69) Denn
.so werden alle Deine Soldaten am besten
dazu gebracht, sich der Gefahr auszu-
setzen.
(70) Wenn die Stadt genommen wird,
mußt Du befürchten, daß Deine Soldaten
auf Plünderung ausgehen und dabei ge-
genseitig oder durch die Gegnei' getötet
oder wieder aus derStadt hinausgeworfen
wer^len oder aber, wenn sie sich be-
haupten, die Bürger feindlich gesinnt und
unfähig zur Leistung der Fronden imd
Abgaben machen und so die Mühe um-
sonst wird, da ihnen Hab und Gut ge-
ce^NTUN TÖN XPHMÄTON KAI wcoc noiHCÄMeNOC 50 plündert ^^■orden ist, und so wirst Du
i^^"^^ nur Haß erregen, wirst den Soldaten
TAC ciTAPKiAC fe'xHC Xnaaiaönai Toic ctpati6taic nicht genügend Verpflegunggeben können
MHTe ci)«^A€iA mha' Ntic oYn coi r^NHTAi TQ-t'TOY 102 und es wird Dir, wenn dies eintriit, nicht
cymbaInontoc. der geringste Nutzen erwach.sen.
101,31 (nAPACKEYACT^Ai) Die; veiTOUtlich ist mehr ausgefallen 32 »f. kapbati6n(ün coli.
]). 92, 28- Dindorf Thes. .s. V.: kapbatinön Ca Schneider Lex. s. v. 35 <«h} S 36 A
teacytän Bue: erre AenTÄc l'V: eiTe AenTovc K 37. 38 »f. A Xc*aaöc del.« S 38 oapa-
nop.] (vgl. nAPinne-i-WN Polyaen. IV 3,8 VI 4,1: nAPAe^uN VII 21.7): nePinoPEYÖMeNoc Br
42 KiNAYNCYCuciN l'V: corr. Bue 45 nAPAnoAOYNTAi l'V: corr. Ha 47 aytoTc l'V
51 CITAPKIAC Die: ciTAPXiAC PV (stehciide Konfusion der Hss.)
102,1 uo^AeiA mha' fiTic OYN Br nach p. 80, 6: a)*eAeiAC Ömiahthc oyn l'V: (ü*dAeiA
CCiMATOC MtIC gyn BuC
78
D I E L s und E. Schramm:
(71) KATAAAMBANelN a' eN TaTc AACOCGCI MÄ- 102
AICTA
AeT TA TeIxH KAI THN AKPÖnOAlN KAI THN ÄrOPAN 4
KAI t6
CTPATHrlON KAI SAN TIC H AAAOC TÖHOC ICXYPÖC • 5
6AN AG 4AATTa3N H H AYNAMIC, [eic] TO'TC n'r'PrOYC
KAI
TÖN eniKAIPÖTATON TÖnON, INA MH HAAIN SKn^CH
THC nÖA€UC.
(72) iAH AS MH AYNH nOAlOPKÄN KATA KPA-
TOC AA-
BeTn THN nÖAIN AIÄ TÖ icXYPAN eInAI AYTHN HAN- lo
TOe£N,
ÄnixeiPHTeoN h kata (kacohn fi) npoAOCiAN h
AIMÖN AYTHN
eAe?N • (73) katA kadohn m^n nyktöc h tac cky-
ti'nac
kaimakac npoceeNTAC, aV Pahtontai KAeAnep oi
ACKO'I KAI YnAAOI*H KATA TAC PA<«>AC YnOCTe-
rNuee?cAi «ycuntai, eTta npocTieeNTA ^ni ta?c '5
CTYn-
niNAIC KAIMAIIN Ai' KATACKEyAzONTAI AIA nAOKHC
KaI PA*HC, KAI nPÖCTA n^PATA AYTUN AfKICTPA nPOC-
AnTONTA, i'na eniPPinTOYmeNooN t&n akpcün ^ni-
AAMBAnHTAI tön nPOMAXWNCON • (74) H Tofc ClAH-
poic nAC-
cAaOIC, Ol CTOWWeeNTEC KAI ÖIYNeeNTeC KAI eiC 20
tAc ne-
TPAC KATA TAC AIA»YCeiC KAI 610 TOYC AIGINOYC
ToixOYC
KATA tAc cymboaAc KAI SIC TOYC nA:NeiNOYC ir-
KÖnTONTAI
ciahpaIc c*ypaic Ynö tun anasainöntcün • (75) ,^h)
Tofc Ar-
Kl'cTPOIC TOTC CIAHPoTc, AHSP Sni KAACOaIcüN {VIPÖC
tAc ^nAAieic) enippi-
(71) Bei der Einnahme muß man vor
allem die Mauern, die Burg, den Markt,
das Hauptquartier und wenn es sonst
noch einen festen Ort gibt, besetzen. Ist
aber Deine Macht zu gering, wenigstens
die Türme und den geeignetsten Ort,
damit man nicht wieder aus der Stadt
hinausgeworfen werden kann.
(72) Kannst Du aber die Stadt nicht
mit Gewalt erobern, weil sie auf allen
Seiten stark befestigt ist, so mußt Du
vereuchen, sie entweder durch <(List
oder^ Veri-at oder durch Hunger zu neh-
men, (73) und zwar durch List bei Nacht
oder durch Anlegen von ledernen Leitern,
die zusammengenäht werden wie die
Schläuche und durch Verschmieren der
Nähte luftdicht gemacht lAid aufgeblasen
werden; dann legt man sie auf Strick-
leitern an, die durch Flechten und Nähen
hergestellt werden, und bringt an deren
pjiden Widerhaken an, so daß, wenn
man sie mit den Spitzen aufwirft, sie
sich an den Wehren festhaken, (74) oder
aber vermittels eiserner Pflöcke, die ge-
siählf und gespitzt sind und in die Stein-
blöcke in deren Ritzen, in die steinernen
Wände in deren Fugen und in die Ziegel-
wände von den Aufsteigenden mit eiser-
nen Hämmern eingeschlagen werden.
(75) Oder auch vei-mittels der eisernen
Widerhaken, wie sie an Knotentauen
■(gegen die Wehren) geworfen wei-den.
102,3 k'ataaambAnci PV: corr. R 6 h (Hj hn PV: corr. Br: h Ha [efc] Br ii <kao-
nHN fi) Ro 12 katA KAonHN] vgl. Anon. Pol. p. 212,16 We. tag ck. ka. — 19 nPOMAX.]
eljendrt p. 213,2 — 214, 2 We. 13 npoe^NTAC PV: verb. S: nPoeesTA Bue 15 elTe
PV: corr. R nPOTiecNTAi PV: npoYnoTieeNTAi An. p. 213, 8 We. : corr. Bue 15. 16 CTvn-
tInaic PV 19 CIA. nACC. — 27 ayt6] vgl. An. Pol. p. 260, 8 — 261, i We. 20 ösYe^NTec
PV: ccuT. Wescher 22 CKKÖriTONTAi PV: corr. S 24 <^npöc TAC ^n.) S; vgl. Anon.
Pol. p. 260,12 24 enippinTe?TAi S
Exzerpte aus Philons Mechanik VII. VIII (IV 71—80; p. 102). 71)
nrOYNTAI AAWATA ^XÖNTWN, ÜCT6 MH XAAenÜC
KAI KATÄ
TAYTA 4xeiN ANABAINeiN TO^C CTPATIMTAC ^GIC-
eeNTAC,
KAOAneP Airrnrioi noiovciN aytö.
(76) KATÄ AC [THn] nPOAO-
CJAN U MeTAneMYÄ«CNÖC TINA TUN GNAOGeN i)C AIA-
AejÖWeNON nep'l AlAAAArÜN H AI' ^niCTOAÖN X»A-
NüiN
KHPYKAC H npecsevTÄc eicnewncoN kai cymboaa ai-
AOYC KAI XPHMATA. (77) rPÄi»ONTAI a' AI ^niCTO-
aa! eic kay-
cIan kainhn <h) eic tön xpöta khkTaoc GAACeei-
CHC kaI y-
AATI BPAXeiCHC- iHPANG^NTA AE TÄ TPAMMATA A-
AHAA riNCTAI, XAAKOY AÄ AnBOYC TPI*OeNTOC (üCneP
^N YAATI TÖ «eAAN KAI ^N TOYTCÜ CnÖrrOY BPA-
X^NTOC,
OTAN Anocnornceft TofTw, oancpA rJNeTAi. (78) fi
eic Y-
«^NA rpA^eicHC, elTA aihahc oychc thc kaycIac eic
TÖ XnX m^con TeoeicHC thc CTe*ÄNHC kai feT^PAC
.^^ni)KOAAH-
eeicHc • (79) U knk m^con tun YnoAHMATuN toy
^MBAHMATOC
KAJ TOY KACCY■A^ATOC (»AOeicHC (80) fl eic KYCTIN
ÖN BOYAETAl
TIC^ rPA*^NT«N, eTTA eic AHKYGON KAINHN CY'M-
«eTPON
TH KYCTei TeeeicHC, eiTA BPexeeicHC ka'i mbtA tayta
♦YCHeeicHc KAI Y-nocTAAeicHc (. . ./ np6c tö ^cco
ctöma
102 so (laß es den geübti'ii Soldaten nicht
schwer fällt, auch mit diesen aufzusteigen,
wie es die Ägypter machen.
(76) Ferner durch Verrat : entweder
läßt Du einen der Belagerten heraus-
kommen unter dem Vorwande, Friedens-
verhandlungen anknüpfen zu wollen, oler
durch Geheimbriefe. indem Du Herolde
oder Gesandte hineinsciiiekst und Er-
^^ kennungsmarken und Geldsummen mit-
gibst. (77) Man schreibt diese Briefe in
einen neuen Hut oder in die (mensch-
liche) Haut mit zerquetschten und mit
Wasser versetzten Galläpfeln. Ist die
Schritt getrocknet, wird sie iinsichtbai';
zerreibt man aber Vitriol wie die Tusche
im Wasser und benetzt damit einen
35 Schwamm, so ti'itl diese, wenn sie damit
abgewaschen wird, deutlich hervor.
(78) Oder man schreibt auf dünnes Per-
gament; dieses wird, da der Hut doppelt
ist, in die Mitte der Kappe gelegt und
mit dem anderen zusammengeleimt.
(71«) Oder sie wird zwischen Deckleder
und Sohle der Sandale eingenäht.
40 (80) Oder es wird ein belithiger Inhalt
auf eine Blase geschrieben, dann in eine
neue zur Blase pä-ssende ÖKlasche ge-
steckt, darauf naß gemacht, aufgeblasen
und dadurch (in die Flasche) gedrängt
102, 25 ^niPPinTelTAi S 26 eiGiCG^NTec V\ : corr. Wescher 28. 29 aiaac-
söweNOC II 29 AiAAAArwüN 1* 30 KHPYKA V eicn^MnTUN I' 31 -^
AI Bue: AÄ PV 32 kainön V <((h > eic Ca kikIaoc PV: khkIaoc Schneider ecl. phys. 1
p. 139 36 AnocnorneA PV: corr. 11 hnntai PV: corr. R 37 elTABue: iuh* PV
38 TÖ knk M^CON TEGeiCHC S: TÖ XnU M^CHC Te OYCHC PV ^niKOAAHeeiCHC Die: KOAAHGeicHC V\
40 KACYMATOC PV IH eic K. — 47 rerPAMM^NAJ vgl. Aen. Tact. 31,10 — 13, 1461: Leo strateg.
I 2 eic KYCTIN (Ln nach Th 1 S: cickytinun PV: eic kyctin tin' Sn Ca 41 <(tic) S
KeNHN Ko 42 -f. Tfic KYCTeuC" S: (aythc; TeG. Ca 42. 43 SPexGeicHC und «YCneeicHC
sind vertauscht PV: corr. Die 43 YnocTAAeicHC Bue: XnocTAAeicHC PV nach
YnocTAAeicHc ist vielleicht Lücke anzunehmen und nach Aen. so auszufüllen (eic thn ahkygon,
TOY A^ Xkpoy XnoKon^NTOc kaI) Die ct6(aa PV : ctömatoc Bue
80
DiELS und E. Schräm;
KÖAAH KATAAe;i=eeNTOC KAI 6AAI0Y erXYG^NTOC, In'
AAH-
AOC H ^niCTOAH reNHTAl, TOYTON TON TPOnON
eicn^MneiN ■
(81) Ö PAP AABWN THN AHKYSON [XPOnON eiC-
newneiN] paaIcoc rNtöceXAi ta re-
rPAMMewA. (82) noAAol Ae kai aaaoi TPÖnoi eici
T&N KPY-
«AIWO- AnOCTeAAOMeNWN rPAMMATUN, d)C AHACüCO-
MEN
in Tu) eiAei Tö nepi ^niCTOAcöN tön KPY<t>Aiü)c Äno-
CTEAAOMeNWN. (83) EAN Ae MH KAeAipeeöciN Yn6
TÖN OYTtOC
ne/AnoM^NCoN tpamwatcon, aaaac nsMne np6c toyc
HrOYMGNOYC TÖN HPArMÄTUN YniCXNOY'MeNOC
AUP6AC MericTAC KAI XPHMATA • AI KATAfANsTc
riNÖMeNA! TOYC WEN CTAClÄzeiN nOIHCOYClN <(. . .]>
(84) KATA Ae AIMÖN nePIXAPAKÜCAC KAI TÖnON
ICXY-
PÖN nepiTeixicAC tinä th nÖAei kaI «yaakac ä-
C*AAe?C in' AYTÖ KATACKeYÄCAC, o\ kuaycoyci
«HTe KATA THN MHTe KATA eÄAACCAN MHAeN eiC-
KOMizeceAi. (85) tayta ab ooihcac tIndy npöc
TO?C
AAAOIC nPÄrWACI KAI AHYH THN nÖAIN fi TUl
nOA£A\ü) KATOPeÜCAC iH ^KGaIyAC AIMW, KAI
OYe^N KASYCTePHceic TÖN npÄieuN.
(86) ^ÄN Ae BOHeeiÄN tina npocAexH hapa-
CKeYA-
CACeAl TOTC ^NANTIOIC, eÄN MeN KATAAeeCTePAN
102 (das Lnde wird dann abgeschnitten und)
an dje innere Öffnung mit Leim angeklebt
^5 und öl eingegossen, damit der Brief un-
sichtbar wird; aiil' diese Art soll man ihn
einschicken. (81) Der Empfänger der
ölflasche wird leicht da-s Geschriebene
verstehen können. (82) Ks gibt noch
viele andei-e Methoden für Absendung
von Geheimbriefen, wie ich in dem Ka-
])itel über Geheimbriefe zeigen werde.
- 50 (83) Lassen sie sich aljer durch die so
gegesandten Briefe nicht überwältigen,
so schicke andere an die Leiter der öffent-
103 liehen Angelegenheiten, worin Du ihnen
sehr bedeutende Geschenke und Geld-
summen vei-sprichst; werden diese be-
kannt, so werden sie die^einen zu einem
Aufstand veranlassen <^. . .)
(84) Durch Hunger (kannst Du die
Stadt bezwingen), indem Du einen festen
5 Platz gegenüber der Stadt mit Wall und
Mauer umgibst und zuverlässige Be-
wachungstruppen hineinlegst, welche die
Zufuhr zu Lande und zu Wasser ver-
hindern. (85) Hast Du diese (Blockade)
eingerichtet, so widme Dich den anderen
Unternehmungen; dann wirst Du die
Stadt entvvederdurch erfolgreichen Kampf
einnehmen oder durch die Erschöpfung
10 r c
infolge des Hungers, ohne daß Du da-
dui'ch etwas in Deinen Unternehmungen
verzögei-st.
(86) Wenn Du aber erwarten darfst,
daß man für die Feinde irgendeinen-
Entsatz vorbereitet, so verständige Dich,
falls Deine Streitkräfte zu schwach sind.
102,44 KATAAH<t>eeNTOc PV: corr. S 46 [TPÖnoN eicn^Mnem] S; statt dessen stand
vielleicht da (kaI ÄiePACAC tö eaaion) nach Aen. a. O. 1475 oder (ePA-f-CAc) Die 49 efAei]
lAiü) Bue TÖN nepi P 50 kasaip ee'; öcin Biie: kasaipucin PV: KAeY«öciN Die 51 äaaac
n. KTfe.] vgl. Polyaen. V2,i8
103, I HreMÖNOYc V 3 mgn] Snaon Br: »an excidit aliquid;'« S 4 awön Th mg:
AHMON P'V: »nOIHCOYClN, KATA AE AHMON ■( KATA A^ AIMÖn) (potCSt fuisse KATAAYeCeAl
Ae AHMON- KATA Ae aimön)« Bub 12. 13 nApecKeYACGAi S : nAPececoAi Ha: eher HAPACKeY-
AcecoAi Die 13 KATAAYNACiePAN P'V: coiT. Ha und Chr. B. Hase Thes. s. v. kataayn.
Exzerpte au,« Philons Mechanik Vll. VIII (IV 80—95; p. 102. 103). 81
AYNAMIN €XHC, AIÄAYCAI THN TAXicTHN SAN BOY-
ACONTAI XPHMATA AABÜJN fi)C OTI HAeTcTA ANAZeY-
TN-^UN nPÖC TÖ HAHCIACAI TOYC nOAeWOYC • (87) ÄAN
A^
WH AIAÖCIN, AEHAATHCAC KAI KAKÖCAC THN XÜPAN
AY-
TÖN AnAAAÄTTOY nPÖNOIAN nOIDYMENOC, ÖnuC
Xc«AAÜc AnÄseic tö cTPATöneAON. (88) iku a^
nAPA-
nAHCIAN fi KPeiXTd) AYNAMIN fXHC KaI KATÄ THN
nPOCA^XH TOYC nOAeWIOYC, TH XAPAKCüCei KAI TH
TÄ*PU KaI TH
TeixonoliA nÄNToeeN (nc Ac«AAecTATA
nAPACKEYACÄMeNOC ■»'nÖMeNe, THN XPCIAN KAI TÖN
XÖPTON KAI TÖN cItON KaI TÖN oTnON KAI ÖCA AAAA
TPO*HC ÄCTIN 6x6-
«ena nPÖc TÖ CTPATÖneAON npocAröweNoc ■ (89)
ka)
taopu kai xäpaki ncpibaaün aytö ta m^n ika-
nA KATÄAeine, tä aä {nePiTTA 6c' Xn a-^nh) Anö-
AOY, TA AG AAAA ToTc
CTPATliTAIC eiC tA TÄrWATA AIÄAOC- (90) TÖN A^
KATÄ-
AOinON XÖPTON KAI CITON ÖCON i.H WH A-f-NH OPOC-
KOMICAl, /tön M^N XÖPTOn) KATÄKAYCON ' (91) TÖN
A^ C?TON AlÄ*eeiPON Tofc
OANACiwOIC »APMÄKOIC, <i)CAYT(i)C AÄ KAI tA Y-
AATA, ÖTAN ^rricuciN Ol noA^Mior (92) tjna a^
taytA
^CTIN, ^N TOIC TTAPACKeYACTIKoTc flMlN acahautai.
(93) AiAnPAiA«eNOC a^ tayta öc icxypotä-
TOYC «Y-
aakac katäcthcon • (94) kai thc m^n nyktöc ^k-
koitIai
riNEceucAN, THC a' (imcpac CKÖnei ^n Tofc
^niTHAeioic Tönoic- (95) ka'i katacköhoyc Anö-
CTGAAe
103 so schnell als möglich mit ihnen, wenn
sie dazu bereit sind, und nachdem Du
15 Dir möglichst viel Geld hast zahlen
lassen, ziehe beim Nahen der Feinde ab.
(87) Wollen sie es nicht geben, so plün-
dere und \erheere ihr Land und ziehe
ab, xoreorgend, daß Du Deine Truppen
ungefährdet vvegfiilirst. (88) Hast Du
aber eine gleiche oder stärkere Streit-
20 macht und erwartest Du die Feinde vom
Lande her. so harre aus, nachdem Du Dich
durch Palisaden, Gräben und Befestigun-
gen nacli allen Seiten so sichei' als mög-
lich verschanzt hast und den Heeresbedarf
und Futter. Getreide, Wein und alle
sonstigen Nahrimgsmittel Deinem Lager
25 zuführst. (89) Und nachdem Du dieses
mit Graben und Wall umgeben hast,
lasse dort, soviel Du brauchst, zurücit,
das (Uberechießende) verkaufe (soviel
Du kannst), das übrige verteile an Deine
Soldaten in den einzelnen Truppenteilen.
(90) Wenn Du von dem übriggebliebe-
nen Futter und Getreide nicht alles herein-
bringen kannst, verbrenne (das Futter),
3<. (91) das Getreide dagegen mache durch
tödliche Gifte unbrauchbar, ebenso auch
das Wasser, wenn die Feinde heran-
nahen. (92) Was dies für Gifte sind, habe
ich in dem Buche Paraskeuastika dar-
gelegt. (93) Hast Du das durchgeführt,
so stelle möglichst starke Wachen dort
35 auf (94) Und zwar sind nachts Nacht-
wachen einzurichten, bei Tage aber
an den geeigneten Oilen Spähposten.
(95) Schicke auch wohlbewährte und
kluge Kundschafter aus, damit nicht ver-
105, 16 npö TOY Th mg 19 XnÄiHc P'V cTPATÖneAON] »scr. ctpäteywa: soleot haec
miscere Byzantini (cf mus. Khen. XLVI p. 386 in Sabbaitico ApoUodoro ctpatcyma, in Vati-
cano CTPATÖncAON). Bue; doch vgl. 46 23 xpeian] agian S 27 ta a^ (nepiTTA öc'
AN aynh) Die: tA a' ^(MnoAOJN) Bue
30 'tön M^N XÖPTOn) S KATAYKAYCON 1" AIA-
*e€ipQN P'V: corr. Ha a in Tofc TTapack.] vgl. p. 90, 20
Phi/.-hist. Abh. 191!). Nr. 12.
36 cKonoi Ruc : CKonAi S
11
82
D I E L s und K. S c H R A .M M :
eeATICTOYC KA'i e«*PONAC, INA MH AÄeuci HAPeA-
eÖNTec TiNec ;tö tun enanticon nAfleoc ^rricAN-
(9<)) KAI
neipö nPÄTON toyc ctpathtoyc h toyc HrewÖNAC
*eerPAi xphmata aiaoyc kai AUPeÄc YnicxNav"-
«ENOC- (97) OYTUC TAP ^AN KPINH, riNETAl NIKÄN KAI
OYAeN ecTiN erePON ctpaththma toioyton ■
(98) KAI TA
xpAmata ^k tön noAioPKOYwdNcoN ecTAi Tflc nö-
Aeuc AH«eeiCHC. (99) ^än ab mh aynh aekäcai
TOYC fl-
rOYMeNOYC TOY CTPATOneAOY, GNEAPAC KATACKCYÄ-
CAC H TÖUOrC ^niTHAeioYC nPOKATAAABÖMGNOC iul-
eOY KATACTPATOneAeYOYClN AYTOTC NYKTOC HPÖ
TOY (AiAOCeAl)
TÄit>POY eniAAB^ceAi /h^> xapaka e^ceAi toTc boh-
eoYciN ■ (100) oYTOi rÄp oi kaipoI to-Vc ANTinAAOYC
XelPOYNTAI.
(101) ikn AE KATA GAAACCAN M6AAHC AlAKIN-
AYNefeiN^
XfflCON ^AN H AYNATÖN TÖ CTÖMA TOY AIMENOC 61
AG MH, <t>PÄl0N TaTc ÖAKACIN <(h) ÖCOIC AN EXHC in\-
THAeiolC nPÖC TAYTA HAOIOIC, KAI HAPAZeYION
CXEAIAN ^K TÖN YnAPXÖNTtON lYAUN KATA-
CKeYÄCAC. (102) KAI THPei TOYC *PYKTOYC «AAICTA THC
NYKTÖC, MH Ce AAGUCIN Ol BOHeOYNTCC KATA TO
CKTÄC THC GAAÄCCHC MEPOC THC nÖACfflC HAPEM-
necÖNTGC. (103) ^an ae tyxhc exwN mikpö ka-
TAAeecTc-
PAN A^NAMIN NAYTIKHN, Cni TA KATACTPüJMATA
AABÖNTA TOYC APICTOYC Ka! ewneiPOTATOYC TUN CTPA-
103 oiiizelte feindik-Le Soldaten, die der sich
39 nähernden Truppenniasse voi-auseilen,
nnentdeckt l)leiben. (96) Und vei-suche
4„ zuerst die Feldberren oder Offiziere zu
bestechen, indem Du Gel<l anbietest und
Geschenke verspriciist. (97) Denn wenn
Du Dich so entscheidest, wird der Sieg
errungen, und keine andere Kriegshst
ist so wirksajn wie diese. (98) Auch
wird ja das üeld von den IJelagerten
wieder einkommen, wenn die Sta<lt ge-
45 nommen ist. (99) Kannst Du aber die
Heerfühier nicht bestechen, so lege einen
Hinterhalt oder besetze geeignete Plätze
vorher, greife sie nachts an, während
sie ihr Lager aufschlagen, ehe es den
Hilfstruppen (möglich wird), den Graben
anzufangen {oder) Palisaden aufzu-
50 stellen; (100) denn girnstige Umstände
ül)erwältigen die Gegner.
104 (101) Willst Du aber zur See den
Kampf wagen, so schütte wenn möglich
«lie Hafeneinfahrt zu, wenn nicht, so ver-
speri-e sie durch die Lastschiffe <(oder)
durch dazu geeignete Fahrzeuge, soviel
Du gerade hast, und stelle zur Seiten-
verbindung ein aus den vorhandenen
Hölzern erbautes Floß her. (102) Und
beobachte vor allem nachts die Feuer-
zeichen, damit Dir nicht die Entsatz-
truppen, die von der außerhalb des
Meeres gelegenen Seite der Stadt hinein-
gekommen sind, verborgen bleiben.
(103) Hast Du aber gerade eine etwas
schwächere Seemacht, so niuun die besten
und erfahrensten Deiner Soldaten auf
Deck und befiehl ihnen, weder den Bug
103,38 AÄeuci (ce) S 39 <jö) Die »f. tön ^nantIwn ((kaI?) Xrr^AAONTec tö
TÖN BOHGüYNTUn) nAHGOC« Br 42 ^AN KpInH PV : ^N BIPHNH BuC : Ctwa AKONITI? Die
43 OYAG P'V 45 ACKÄCAC V: ackAtac P': curr. Mi 48 (aiaocsai) Die 49 ta*pon
V: TA*P(üN Bue TÄ*poN nepiBAA^ceAi (kaI) xäp. e^ceAi [toTc eoHeorciN] Br xäpaka g^cgai
ToTc PV: nAPAKAGHCGAi Tc oTc »prius quam fossis nianum imponant castraque committant
cum eis <(uibus auxüiantur« Bue
104,3 AN S: SAN P'V 6 «PAKTOYC P'V: corr. K 7 aäbwcin P'V: corr. Ha
10 KÄTu CTPWMATA P'V: corr. Ha
\
Exzerpte aus Philo/u^ Mechanik VII. VIII (IV 9.)— IOC; p. 103. 10 1). 83
1 50OOO. ^o^^t vtA.cyv<i/c/U,.
Bild 32.
TICOTUN, nAPAfreiAANTA «HTe AKP(l)THPIAZeiN
«HTe ^NABAiNelN ^ni nOAeWIAN NAYN MHAeMIAN,
AaaA T^ XAAKÜMATI XPÄCeAl, naymaxht^on
^CTI np6c AYTOY'C, nOIHCANTA MHNOelA^C CXHWA
KAI TÄc ^nirtAOYc ka'i täc eYnpocÖAOYC ka'i tac
XpICTA HAeOYCAC TÖN N€(i)N ^n'l TÄ KEPATA TÄ-
XANTA, TA A^ X*PAKTA KAI TA YOMPCTIKÄ eiC
M^coN nPÖCTH cxbaU. (104) eTe'ÖTAN Ärric(i)ci,To?c
riYPOOÖPOIC KAI ToTc H/«W^NOIC TPIBÖAOIC KAI TA?C
AAMnÄCI KAI TH
nicCH AHTfi ^ÄN f XHC • (105) KAI ToTc AIOOBÖAOIC
KAI TOFC ÖSYBEA^CI KAI ToTc AAAOIC BCACCIN ü)C nACi-
CTOIC XPCÄMeNON KAKOYN ACT TO'I'C ^niBÄTAC KAI
CYNTPiaeiN ka'i ^MninpXNAi ta tun änan-
Ti'mN CKÄ*H TYnTONTA ^K THC rflc KAI kVtb TÖN
MHXANHMATUN KAI XnÖ TfiN AAAUK nAOiojN, KA-
TAPPÄIANTA AYTOYC WC ^AAICTA, ikn tI nOY
BIÄZUNTAI. (106) ikn ^i YnOM^NUCIN, fe'lO) TÖN KIN-
104 abzuhauen noi-li ein ieindliches Schiff'
zu ersteigen, sondern nur mit dem eher-
nen Sporn zu rammen. Sodann muß
die Seeschlacht gegen diese so geleitet
werden (s. Bild 32): Man -stelle eine
sicbelformige Ordnung her und ordne
die angreifenden und die leichten und
die am besten fahrenden Schiffe an die
Fh'igel, die ungcp'anzerten und die Ruder-
schifle in die Mitte in der Nähe des
Flosses. (104) Wenn sie sich daini
nähern, greife an mit den Feuerlanzcn,
den angezündeten Brandgeschossen und
den Fackeln und mit Pech, wenn Du
es hast (lOä) Auch laß die Steinwerfer
und die Pfeilgeschütze und die anderen
Geschosse soviel als möglich zur An-
wendung kommen, damit mußt Du die
Schid'ssoldalen verletzen und vernichten
j, sowie die feiiKÜiclien Sehirt'e in Brand
stecken dui'ch Schüsse vom Lande aus,
von den Maschinen und anderen Fahr-
zeugen und sie möglichst zerstören, wenn
sie irgendwo vei-stoßen. (106) Falls sie
. 104, 17 n^PATA P'V: corr. L. Dindorf Thes. s. v. EYnPÖcoAOC 18 tAsac P'V:
corr. S 20 npooöpoic P'V: corr. Th mg kai taTc AAwnXci nach AieosÖAOic (21) in
I'\': versetzte nach tpiböaoic .S 22. 23 nAeicTOYC V 25 TYnroNTAC P'V: corr. S
27 TJ noY biAzuntai Bue: Te -Y-noBiAZUNTAi V\' 28 aI S: le P'V vor Siu intei-pnn-
gierte Bue
84 D I E I. s und E. Schramm: Exzerpte ans Philons Mechanik VII. VIII.
AYNON Xnö XM<t>OT^PUN noiov-MENON TÖN KePA- 104 aber standhalten, mußt Du außerhalb den
Kampf wagen, nachdem Du von V>eiden
TUN CYNAFArÖNTA.
(107) NAYMAXHTeON OYTUC ^CTIN • TAC
«eN nAAfiAC AAMBÄNUN KATAA'rCelC, TAC A€ ÄN-
TlnP«i)POYC KINAYN6Y0YCAC CYNTPItelC KaI äw-
nPHceic, KAeAnep eiphtai- (108) ikn ae aabhc Ata-
0 0
I'lügeln zusammengeschlossen hast.
(107) Die Seeschlacht ist so zu leiten :
Den einen mußt Du mit (Breit-) Seite
kommen und sie versenken, die anderen,
die den Kampf mit dem Bug wagen,
zerstören und verbrennen wie gesagt.
(108) Triffst Du sie aber ungeordnet
; \
Bild 33-
KTMC *ePO«^NAC H ICTIOAPOMO't'CAC. ^FIinAeYCAC
in TÄiei oantI tö ctö/xco täc «es amynomgnac 35
neiPÜ KATAA^f-NfilN KAI KATAniMnPANAI ' (109) TAC Ae
♦CYrO't'CAC OTAN KATAAAMBÄNHC, TÄ HHAÄAIA
CYNTPieUN KAI TON TAPCÖN nAPACYPUN eic THN THN
KATAre- (110) EAN AE MH ^'XHC NAYC, TU OYP'l
KAI TOTC
BCAeCI XPÜMCNOC KUAYC AYTOYC <^AnAAAA£IN)> 4o
nOIHCACeAl • (111) TOY-
TON AN TIC TON TP6nON nOAlOPKÖN TAC nÖABIC
AN AAMBÄNOI MAAICTA MHeEN AYTÖC XNHKeCTON
nAeüN.
oder mit vollen Segeln abfahi-end (siehe
lüld 33) an, greife in Schlachtoi-dnung
an alle in Kiellinie, versuche, wenn sie
sich wehren, sie zu versenken oder zu
verbrennen: (109) den Fliehenden aber,
wenn Du sie einholst, mußt Du die
Steuerruder zerstören und das Riemen-
werk abreißen und sie einbringen.
(110) Hast Du aber keine Schiffe, so ge-
brauche das Feuer und die Geschosse
und verhindere dadurch ihr Entkommen.
(111) Wenn man auf diese Weise die
Städte belagert, wird man sie am ehe-
sten einnehmen können, ohne selbst un-
heilbaren Schaden zu erleiden.
104,29 noiOYMeNOC P' : noiOYM^NOYC V: corr. Buc 30 CYNArArÖNTAC PV: corr. S
täc] TA P" 31 KATAAWC6IC P'V: corr. Th 34 ictoapowoy'cac P'V' 36 kai] fi S
40 <(AnAAAAiiN) Die: <(An6BACiN)> S 41 tac nÖACic kt^.] vgl. Anon. Pol. p. 276, 16 s.
J
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.
ABHANDLUNGEN
l)i:i{ I^RKUSSISCIIEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
1919
PHYSIKALISCH-MATHEMATISCHE KLASSE
V
ABHANDLUNGEN
DER PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
JAHRGANG 1919
PHYSIKALISCH-MATHEMATISCHE KLASSE
BERLm 1919
VKRLA(J DKR AKADEMIK DER WISSENSrHAFTKN
IN KOMMISSION BKl IJEK
VKKKINHilNf; WISSKNSCHAFTUCHKK VKKLF.GKR WALTKU DK (iRlYTER f. Ol
VUNaAl»*! li. i IHISI IIKN SIHK VKMI.AliSHASlll.l Mi 4 i;r ITINTAG. VKHLALSIIII llllANIPI.IXli
UKOHd HK.IME« KAHI. J TkCBSKR VKIT tl. rOW
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei
Inhalt
öllViitliciie Sitzungen S. vu — vni
Vei-zeichnis der im Jahre 1919 gelesenen Al)l)andlungen S. ix- -xiv
Bericht über den KrI'olg der I'reisaiisschreibung für 1920 und über eine
neue l'reisausschreibung S. x\ -xvii
Statut der Paid-KieL>-Stiftung S. xvii xix
\'fi7.eiehnis der im Jahi-e 19IVt erfolgten bcsonder'eii (ielillx'willigungen
aus akadcinisrhoii Mittolii /.iif Ausführung wisscnschaftliclicr Unter-
nehnningeij S. xi\ — xxi
\'''r/eichnis der im .l.ilirc 1919 erschii'nenen im Aul'trage odci- mit Untor-
stülziing di-r Akademie i)earl)citeti-n oder herausgegebeiuMi Werke S. xxi xxii
W'i'ändcrungeii Im Fersonalstande der Akademie im Laufe des Jahres 1919 S. xxiii — xxn
Verzeichnis der Mitglieder dei' Akademie am Schlüsse des Jahres 1919
nebst den \'erzeichnissen der Inhaber dei- ISradley-, der Hehnholtz-
uud der Lcibniz-Medaille und der Beamten der Akademie, sowie
der Kommissionen. Stiftungs-Kuratorien usw S. xxv xxxvii
\i>t: Gedäciitnisrede auf Simon Schwendener (ied. Red. S. I -1:
JAHR 1919.
öffentliche Sitzungen.
Sitzung am 2H. Januar zur Feier des Jahrestages
König Friedrichs II.
Uer an diesem Tage Vorsitzende Sekretär Hr. Rocthe eröifnete die
Sitzung mit einer Anspraclie. Darauf erstattete Hr. Erman einen eingehen-
deren Bericht über das akademische Unternehmen des Wörterlmchs der ägyp-
tischen Sprache und Hr. von Waldeyer-Hartz über die Anthropoiden-
station auf Teneriffa. Es folgte der wissenschaftliche Festvortrag von Hrn.
Rubner: Der Aufbau der deutschen V^olkskraft und die Wissenschaften.
Weiter machte der Vorsitzende Mitteilung \on den seit dem Friedrichs-,
Tage 191>* in der Akademie eingetretenen Personal Veränderungen, gab einen
kurzen Jahresbericlit und verkündigte zum Schlüsse, daß die Akademie die
Ilelniholtz-Medaille dem ordentlichen Professor an der Universität München,
Wirkl. (4eh. Rat von Röntgen verliehen habe.
Sitzung am H. Juli zur Feier des Leibnizischen Jahrestages.
Hr. Planck, als versitzender .Sekretär, eröffnete die Sitzung mit einer
Ansprache.
Darauf liielten die .seit dem letzten Leibniz-Tage (4. Juli IDIH) neu
eingetretenen Mitglieder ihre Antrittsreden, die von den beständigen Se-
kretaren beantwortet wurden, nämlich die HH.F'ick. Erwiderung von Hrn.
von Waldeyer-Hartz — G. Müller, F>widerung von Hrn. Planck —
Heider und Kükenthal. F>widerung von Hrn. von Waldeyer-Hartz
— Erb. Sclimidt und Carathcodory , Erwiderung von Hrn. Planck.
Daran .scliloß sich die (Jedächtnisrede auf Simon Schwcndener von Hrn.
Haberlandt.
Sodann wurden Mitteilungen gemacht über die Preiserteilung für die
Aka<Iemisclie Prei.saufgabe für das von Miloszewskysche Legat, über den
Prei«. der (;raf-I,nuliat-.*>tiftunii- ffir 1!*21 aus dem (Gebiete der AnK-rikanistik.
VIII
über die Stiftung zur P'örderuug der Sinologie, über die Stiftung zur För-
derung der kirclien- und religionsgeschichtlichen Studien und über das
Stipendium der P^duard-Gerhard-Stiftung.
Schließlich wurde verkündigt, daß die Akademie die Leibniz-Medaille
in Silber den HH. E. Debes in Leipzig, ('. Dorn in Davos, Johannes
Kirchner in Berlin -Wilmersdorf, Edmund von Lippmann in Halle a. S..
Frhrn. von Schrötter in Berlin -Wilmersdorf und Otto Wolff in Berlin
und die Leibniz-Medaille in Gold dem Gouverneur von Deutsch-Ostafrika.
Hrn. Dr. Heinrich Schnee, verliehen habe.
IX
Verzeichnis der im Jahre 1919 gelesenen Ahhandlungen.
Physik und Chemie.
Lande, Dr. A., Elektronenbahnen im Polyederverband. Vorgelegt von
Planck. (GS. 9. Jan.; SB. 30. Jan.)
N ernst. Einige Folgerungen aus der sogenannten Entartungstheorie der
Gase. (GS. 13. Febr.; SB.)
Liebisch und Rubens, über die optischen Eigenschaften einiger Kristalle
im langwelligen ultraroten Spektrum. 1. Mitteilung. {Kl. 20. März; SB.)
Einstein, über die Frage: Spielen Gi-avitationsfelder im Aufbau der ma-
teriellen Elementarteilchen eine wesentliche Rolle? (GS. 10. April; SB.)
Beckmann, über Signalvorrichtungen, welche gestatten, ii; unauffälliger
Weise Nachrichten optisch zu übermitteln. (Kl. 8. Mai.)
Beckmann, Sieherungen der Atmungsorgane gegenüber schädlichen Bei-
mischungen in der Luft. (Kl. 8. Mai.)
F, in stein, über eine Veran.schaulichung der Verhältnisse im sphärischen
Raum. (GS. 15. Mai.)
Einstein, über die Feldgleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie
vom Standpunkte des kosmologischen Problems und des Problems der
Konstitution der Materie. (GS. 15. Mai.)
Haber, Beitrag zur Kenntnis der Metalle. (Kl. 22. Mai; SB. 19. Juni.)
Planck, über die Dissoziationswärme des Wasserstoffs nach dem Bohr-
Debyeschen Modell. (GS. 30. Okt. ; SB. 27. Nov.)
Born, Prof. Dr. M., und Stein, Dr. 0., über die Oberllächenenergie der
Kristalle und ihren Einfluß auf die Kristallgestalt. Vorgelegt von
Einstein. (GS. 13. Nov.; SB. 27. Nov.).
Gromraer, Dr. Jacob, Beitrag zum Energiesatz in der allgemeinen Rela-
tivitätstheorie. Vorgelegt von Einstein. (GS. 13. Nov.; SB.)
Warburg, über den Energieumsatz bei photochemischen Vorgängen. IX.
(Kl. 20. Nov.; SB. 4. Dez.)
Liebisch und Rubens, über die optischen Eigenschaften einiger Kristalle
im langwelligen ultraroten Spektrum. 2. Mitteilung. (GS. 27. Nov. ; SB.)
Haber, zweiter Beitrag zur Kenntnis der Metalle. (GS. 27. Nov.; SB.
11. Dez.)
Mineralogie und Geologie.
Liebisch, über die Dispersion doppeltbrechender Kristalle im ultraroten
Spektral gebiete. (Kl. 3. April.)
Botanik und Zoologie.
Haberland t, zur Physiologie der Zellteilung. Dritte Mitteilung: Über
Zellteilungen nach Plasmolyse. (GS. 10. April; SB.)
Correns, über Vererbungsversuche mit buntblättrigen Sippen. I. Capsella
Bursa pastoris chlorina und albovariabilis. (Kl. 11). Juni; SB. 10. Juli.)
Heider, über die morphologische Ableitung des Echinodermenstammes.
(GS. 26. Juni.) ^
Haberlandt, Zur Physiologie der Zellteilung. Vierte Mitteilung: Über
Zellteilungen in Elodea-Blättem. (Kl. 24. Juli; SB. 31. Juli.)
Correns, Vererbungsversuche mit buntblättrigen Sippen. II. Vier neue
Typen bunter Periklinalchimären. (Kl. 23. Okt.; SB. 6. Nov.)
Haberlandt, über Zellteilung nach Plasmolyse. (Kl. 6. Nov.)
Anatomie und Physiologie, Pathologie.
Orth, über die ursächliche Begutachtung von Unfallfolgen. (Kl. 20. Febr.)
Orth, über Traumen und Nierenerkrankungen. (Kl. G. März; SB. 20. März.)
Fick, über die Entvi^icklung der Gelenkform. (GS. 31. Juli.)
Astronomie, Geographie und Geophysik.
Struve, über die Masse der Ringe von Saturn. (Kl. (5. Febr.)
Penck, über die Gipfelflur der Alpen. (GS. 13. März; SB. 27. März.)
Schweydar, Prof. Dr., zur Erkläi-ung der Bewegung der Rotationspole
der Erde. Vorgelegt von Struve. (Kl. 3. April; SB. 10. April.)
Hellmann, über die Bewegung der Luft in den untersten Schichten der
Atmosphäre. (Dritte Abteihmg.) (KI. 24. April; SB.)
Hellmann, neue Untersuchungen über Regenverhältnisse von Deutsehland.
(Erste Mitteilung.) (Kl. 24. April; SB.)
Einstein, Bemerkung über periodische Schwankungen der Mondlänge,
welche bisher nach der Newtonschen Mechanik nicht erklärbar schienen.
(Kl. 24. April; SB.)
XI
(i. Müller, über die Klassifizierung der Fixsternspektren, über ilire Ver-
teilung am Himmel und über den Zusammeidiang zwischen Spektral-
typus, Farbe, Eigenbewegung und Helligkeit der Sterne. (Kl.
24. Juli.)
von Brunn. Prof. Dr. A., zu Hrn. Einsteins Bemerkung über die unregel-
mäßigen Schwankungen der Mondlänge von der genäherten Periode
des Umlaufs der Mondknoten. Vorgelegt von Struve. (Kl. 24. Juli; 6'^.)
Einstein, Bemerkung zu vorstehender Notiz. (Kl. 24. Juli; SB.)
Struve, über die Bestimmung der Ma.ssen von Jupiter und Saturn. (Kl.
18. Dez.)
Mathematik.
Schottky, über Grenzfälle von Klassenfunktionen, die zu ebenen Gebieten
mit kreisförmigen Rändeni gehören. (Kl. 1(5. Jan.)
Carathi-odory, über den Wiederkehrsatz von Poincare. (Kl. 10. Juli; SB.)
Schottky, Tiietafunktionen vom Geschlechte 4. (GS. 11. Dez.)
Mechanik.
Müller-Breslau, über Versuche zur Erforschung der elastischen Eigen-
schaften der Flugzeugholme. (Kl. 4. Dez.)
Philosophie.
Erdmann, über Berkeleys Philosophie im Lichte seines wissenschaftlichen
Tagel)uchs. (KI. 19. Juni: Abh.)
Prähistorie.
Schuchhardt, über germanische und slawische Ausgrabungen. (Kl. (5. Nov.)
' Geschichte des Altertums.
Schäfer, Prof. Dr. Heinrich, über die Anfänge der Reformation Ame-
nophis' IV. Vorgelegt von Erman. (Kl. 8. Mai; SB. 15. Mai.)
Norden, der Rheinübergang der Kimbern und die Geschichte eines kel-
tischen Kastells in der Schweiz. (GS. 5. Juni.)
Hiller von Gaertringen, voreuklidische Steine. Vorgelegt von von Wi-
lamowitz-Moellendorff. (Kl. 10. Juli; SB. 24. Juli.)
Xll
E. Meyer, die Gemeinde des neuen Bundes im Lande Damaskus, eine
jüdische Schrift aus der Seleukidenzeit. (KI. 24. Juli: Abh.)
von Wilamowitz-Moellendorff, das Bündnis zwischen Sparta und
Athen 421 (Thukydides V.). (Kl. 4. Dez.; SB.)
Mittlere und neuere Geschichte.
Schäfer, über neue Karten zur Verteilung des deutschen und polnischen
Volkstums an unserer Ostgrenze. (Kl. 16. Jan.)
Tan gl, Bonifatiusfragen. (Kl. 3. April: Abh.)
Bresslau, aus der ersten Zeit des großen abendländischen Schismas.
(GS. 5. Juni; Abh.) \
Meinecke, über die Lehre von den Interessen der Staaten, die neben und
unabhängig von der allgemeinen Staatslehre im 17. und 18. Jahrhundert
geblüht hat und als Vorstufe moderner Geschichtsauffassung von Be-
deutung ist. (GS. 13. Nov.)
Kehr, das Erzbistum Magdeburg und die erste Organisation der christ-
lichen Kirche in Polen. (Kl. 20. Nov.; Abh.)
Tangl, über die Deliberatio Innocenz' III. (Kl. 18. Dez.; SB.)
Kircli enge schichte.
Ho 11, zur Auslegung des 2. Artikels des sog. apostolischen Symbols. (GS.
9. Jan.; SB.)
E. Meyer, über das Marcusevangelium und seine Quellen. (GS. 30. Jan.)
Sachau, zur Ausbreitung des Christentums in Asien. (GS. 30. Jan.; Abh.)
von Harnack, zur Abhandlung des Hrn. HoU: »Zur Auslegung des 2. Ar-
tikels des sog. ajjostolischen Glaubensbekenntnisses«. (Kl. 9. Febr.; SB.)
Lietzmann, Prof. D. Hans, die Urform des apostolischen Glaubensbekennt-
nisses. Vorgelegt von HoU. (GS. 13. März; SB. 27. März.)
Sachau, über syrische und arabische Literatur, vv^elche sich auf die Klöster
dels christlichen Orients bezieht. (Kl. 22. Mai; Abh.)
K. Müller, kritische Beiträge 1. und II. (GS. 5. Juni; SB. 17. Juli.)
von Harnack, über I. Korinth. 14, 32 ff. imd Rom. 16, 2öff. nach der
ältesten Überlieferung und der Marcionitischen Bibel. (Kl. 19. Juni;
<S5, 26. Juni.)
11 n 1 1 , ü])er die Entwicklung von Luthers sittlichen Anschauungen. (Kl. 23. Okt.)
xni
Rechts- und Staatswissenschaft.
Seckel, die Haftung des Sachschuldners mit der geschuldeten Sache (prae-
cise teneri) im römischen Recht und nach der Lehre der mittelalter-
lichen Legisten. (KI. 8. Mai.)
Stutz, die Cistercienser wider Gratians Dekret. (Kl. 10. Juli.)
Serin g, über die Preisrevolution seit dem Ausbruch des Krieges. (GS.
17. Juli; Abh.)
Heymann, über die Geschichte des Mäklerrechts. (Kl. 4. Dez.)
Allgemeine, deutsche und andere neuere Philologie.
K. Meyer, ein mitteliri.sches Lobgedicht auf die Ui Ecliach von Ulster.
(Kl. IC). Jan.; SB. 30. Jan.)
ürtel, Prof. Dr. H., zur baskischen Onomatopoesis. Vorgelegt von W. Schulze.
(Kl. 16. Jan.; SB. 6. März.)
W. Schulze, Tag und Nacht in den indogermanischen Sprachen. (Kl. B. Febr.)
Brandl, über die Vorgeschichte der Schicksalsschwestern in Macbeth.
(Kl. 20. Febr.)
Heusler, über altnordische Dichtung und Prosa von Jung Sigurd. (Kl.
ß. März; SB. 20. März.)
K. Meyer, über Cormacs Glossar nach der Handschrift des Buches der
Ui Maine. (Kl. 20. März; SB. 3. April.)
Lewy, Dr. Ernst, einige Wohllautsregeln des Tscheremi.ssischen. Vor-
gelegt von W. Schulze. (Kl. 3. April; SB. 8. Mai.)
Rogge, Dr. Helmuth, die Urschrift von Adalbert von Chamissos Peter
Schlemihl. Vorgelegt von Roethe. (GS. 10. April; «SÄ. 30. April.)
K. Meyer, zur keltischen Wortkunde IX, über einige keltische Orts- und
Völkernamen. (Kl. 24. April: SB.)
Jacol)sohn, Prof. Dr. H., das Namensystem bei den Osttscheremissen. Vor-
gelegt von W. Schulze. (Kl. 8. Mai; SB. 15. Mai.)
K. Meyer, über den irischen Totengott tmd die Toteninsel. (Kl. 19. Juni;
SB. 2ß. Juni.)
K. Meyer, Sammlung \on Bruchstücken der älteren Lyrik Irlands mit
Übersetzung. I.Teil. (Kl. 10. Juli.; AM.)
Schuchardt, Hugo, Sprachursprung 1. (GS. 17. Juli; SB. 31. Juli.)
Schuchardt, Hugo, Sprachursprung II. (GS. 30. Okt.; /SÄ 13. Nov.)
XIV
Klassische Philologie.
Degering, Prof. Dr. H., über ein Bruchstück einer Plautushandschrift des
4. Jahrhunderts. Purster Teil: Beschreibung der Hs. Vorgelegt von
Norden. (Kl. 8. Mai; SB. 15. Mai.)
Degering, Prof. Dr. H., über ein Bruchstück einer Plautushandschrift des
4. Jahrhunderts. Zweiter Teil: Überlieferungsgeschichtliches. Vor-
gelegt von Norden. ((t8. 15. Mai; SB. 5. Juni.)
Di eis und Dr. E. Schramm, P3xzerpte aus Philons Mechanik Buch VII
und VIII, griechisch und deutsch. (Kl. 2H. Okt.; Abh.)
Kunstwissenschaft und Archäologie.
Schuchhardt, über skythische und germanische Tierornamentik. (GS.
aO. April.)
Goldschmidt, mittelbyzantinische Plastik. (Kl. 24. Juli.)
Orientalisehe Philologie.
F. W. K. Müller, über koreanische Lieder. (GS. 27. Febr.)
Jensen, Prof. Dr. P., indische Zahlwörter in keilschrifthittitischen Texten.
Vorgelegt von W. Schulze. (Kl. 6. März; SB. 10. April.)
Lüders, über Asvaghosas Kalpanämandinikä. (GS. 27. März.)
Bang-Kaup, vom Köktürkischen zum Osmanischen. 2. und 8. Mitteilung.
(GS. 27. März: Abh.)
Erman, über die Mahnworte eines ägyptischen Propheten. (Kl. .'L April:
SB. 30. Okt.)
von Le Coq, Prof. Dr. A., türkische Manichaica aus Chotscho IL Vorgelegt
von F. W. K. Müller. (GS. 30. April; Ab/i.)
De Groot, über die Pagoden in China, die vornehmsten Heiligtümer der
Mahajana-Kirche. (Kl. 22. Mai; Abh.)
Jensen, Prof Dr. P., Erschließung der aramäischen Inschriften von Assur
und Hatra. Vorgelegt von Eduard Meyer. (Kl. 6. Nov.; SB. 12. Dez.)
Forrer, Dr. Emil, die acht Sprachen der Boghazköi-lnschriften. Vorgelegt
von Eduard Meyer. (Kl. 4. Dez.; SB. 18. Dez.)
Amerikanistik.
Sei er, über szenische Darstellungen auf alten amerikanischen Mosaiken.
(Kl. 20. März.)
XV
Bericht über den Erfolg der Preisausschreibungen für 1920 und neue
Preisausschreibungen.
Premiufyaben aus devix von Miloszewskysch^n Lecfat.
Die 15)15 aus dem von Miloszewskyschen Legat zum zweiten Male,
damals mit dreijähriger Frist gestellte Preisaufgabe »Geschichte des theo-
retischen Kausalproblems seit Descartes und Hobbes« hat 2 Bearbeitungen
gefunden.
Üie eine, ungemein umfangreiclie, auch »die vorhergehenden Kausal-
theorien« umfassende Arbeit mit dem Motto: "O-^a^n rirNexAi £< toy mh
ontoc« verdient Anerkennung des für sie aufgewandten Fleißes. Leider
aber ist es ihrem Verfasser so wenig wie dem Bearbeiter des Problems
vom Jahre 15)15 gelungen, dem philosophischen Gehalt der Aufgabe ge-
recht zu werden. Er begnügt sich mit einer zum Teil aus veralteten se-
kundären Quellen gescliöpften, an Zitaten überreichen, kaum irgendwo um
das Problem konzentrierten, vielfach weit abschweifenden Darstellung. Nur
da, wo physikalisch-mathematische Kausalfragen in Betracht kommen, be-
kundet sich ein selbständigeres, hin und wieder auch über Landläufiges
hinausgehendes Wissen und Urteil. In die Idee des theoretischen Kausal-
j)roblems, die Arten ihrer Entfaltung und die Richtung ihrer Entwicklung
einzudringen, ist dem Verfasser nicht gelungen : am wenigsten da. wo sich
seine Darstellung der Prol)lementwicklung seit Kant nähert und diese zu
verfolgen sucht. Es fehlt dem Verfasser an der philosophischen Vorbildung,
welche allein die geforderte Untersuchung erfolgreich machen konnte. Die
Akademie ist deshalb nicht in der Lage, dem Verfasser einen Preis zuzu-
erkennen.
Einen wesentlich anderen (Charakter zeigt die zweite Preisarbeit mit
dem Motto: »Oya^n xphma mAthn riNexAi, aaaä hänta ^k AÖrov tg kai vn' ANÄrKHc.«
Was immer der Verfasser aus dem Gebiet der neueren Philosophie in den
Bereich seiner .spezielleren Untersiicliung zieht, ist aus den ersten Quellen
geschöpft, um die theoretischen Kausal probleme konzentriert, selbständig
durchdacht und in lichtvoller Darstellung wiedergeg(!ben. Deutlich scheiden
sich, abgesehen von der Einleitung über die Vorgeschichte des Problems,
zwei Teile der Arbeit voneinander: die Entwicklung der Kausalprobleme
von Descartes bis Kant, und von Kant bis Sigwart. Mehrfache Korrek-
turen erfordert die Einleitung. Vortrefflich aber ist die historische Entwick-
XVI
lung in der ersten Phase zu einem historischen (ranzen abgerundet, so daß
kleinere Lücken, das Fehlen einer Skizze der Problemlage um den Anfang
des 17. Jahrhunderts, speziell der kausalen Naturauffassung von Galilei
und Kepler, ferner von Crusius' Kritik des Leibnizischen Satzes vom Grunde
sowie von Reids Begründung der Common sense-Lehre und ihrer Kritik
durch Priestley, ebensowenig ernstlich stören wie kleinere, leicht ausmerz-
bare Einzelverfehlungen. Weniger gelungen ist die Darstellung der zweiten
Entwicklungsphase. Auch wenn zugestanden wird, daß uns zur unbe-
fangenen historischen Würdigung der Problementwieklung im 19. Jahrhundert
noch die rechte historische Distanz fehlt, hätte der Verfasser zu einem
volleren historischen Verständnis gelangen können, wenn er die metaphy-
sisch fundierte Rückbildung der Probleme in der* spekulativen PhilosojAie
von Fichte bis Hegel ähnlich eindringend behandelt hätte, wie die Fort-
bildung bei Schopenhauer imd Herbart, Comte, St. Mill, Feclmer und Lotze;
und die Umbildungen durch Fries und Apelt sowie späterhin durch Her-
bert Spencer nicht beiseite gelassen hätte. Dennoch bleibt so viel des
Gelungenen, Eindringenden und Weiterführenden, daß dem Verfasser der
volle Preis in der Voraussetzung zuerkannt werden kann, er werde die
erwähnten Mängel vor der Drucklegung in sorgsamer Darstellung beseitigen.
Die Eröffnung des Umschlags mit dem Motto: »O't^a^n xphma mäthn
riNETAi, AAAÄ HANTA GK AÖTOY Te KAI yh' ÄNÄrKHC« ergab als Verfasser: Frau
Else W entscher, Bonn a. Rh.
Preis der Graf-Loubat-Stifiung.
Nach dem Statute der von dem Grafen (später Herzog) Joseph Flori-
mond de Loubat bei der Preußischen Akademie der Wissenschaften be-
gründeten Preisstiftung soll alle fünf Jahre durc?i die Akademie ein Preis
von 3000 Mark an diejenige gedruckte Schrift aus dem Gebiete der ameri-
kanistischen Studien erteilt werden, die unter den der Akademie einge-
sandten oder ihr anderweitig bekannt gewordenen als die beste sich erweist.
Die amerikanistischen Studien werden zum Zwecke dieser Preisbewer-
bung in zwei Gruppen geteilt: die erste umfaßt die präkol umbische Alter-
tumskunde von ganz Amerika ; die zweite begreift die Geschichte von ganz
Amerika, insbesondere dessen Kolonisation und die neuere Geschichte bis
zur Gegenwart. Die Bewerbung um den Preis und seine Zuerkennung be-
schränkt sich jedesmal, und zwar abwechselnd, auf die eine dieser beiden
XVII
Gruppen und Schriften, die innerhalb der letzten zehn Jahre erschienen
sind. Als Schriftsprache ist die deutsche und die holländische zugelassen.
Die letzte Preiserteilung fand im Jahre 1916 statt und betraf eine
Schrift über Volks- und Altertumskunde eines bestimmten Gebietes im nord-
westlichen Mexiko. Die nächste Preiserteilung muß demnach im Jahre 1921
erfolgen, und zugelassen sind gedruckte Schriften über koloniale und neuere
Geschichte von Amerika bis zur Gegenwart. Die Bewerbungsschriften
müssen bis zum 1. März 1921 der Akademie eingereicht sein.
Paul-Rieß-Stiftung.
Statut vom 2. Oktober 1919.
Der am 18. Februar 1903 zu Berlin verstorbene Amtsgerichtsrat a. D.
Dr. Paul Rieß hat der Akademie durch letztwillige Verfügung ein Kapital
von 250()00 Mark vermacht zur Verwendung im Interesse der Chemie,
Physik und Astronomie. Durch Allerhöchsten Erlaß vom 30. Januar 1905
ist der Akademie die landesherrliche Genehmigung zur Annahme dieser
ZuAvendung, vorbehaltlich der Abfindung von hilfsbedürftigen Verwandten
des Erblassers, erteilt worden, und das Legat ist dann in dem durch diese
Abfindungen auf 240000 Mark ermäßigten Betrage in ihren Besitz Ober-
gegangen. In Wirksamkeit getreten ist die Stiftung jedoch erst seit dem
am 1. Ajjril 1918 erfolgten Tode des Hrn. Paul Jüdel. welcher durch eine
Bestimmung des Rießschen Testamentes als lebenslänglicher Nutznießer
der Hinterlassenschaft eingesetzt worden war. Für die Verwaltung der
Stiftung und die Verwendung ihrer Erträgnisse liat die Akademie mit Ge-
nehmigung des vorgeordneten Ministeriums nachstehendes Statut festgestellt.
§ 1-
Die Stiftxing, welche den Namen Paul-Rieß-Stiftung führt, ist nach
dem Wortlaut des Testamentes dazu bestimmt, die chemischen, physikalischen
und astronomischen Wissenschaften zu fördern. Diesen Zweck wird die
Akademie zu verwirklichen suchen sowohl durch Unterstützung geplanter
XVllI
aussichtsreicher wissenschaftlicher Unternehmungen als auch durch Krönung
vorliegender ausgezeichneter Leistungen auf dem Gebiete der drei genannten
Wissenschaften. Die Zuerteilung erfolgt jedes Jahr am Leibniztage der
Akademie, für eine einzige oder auch für mehrere wissenschaftliche Arbeiten,
in der Regel jährlich abwechselnd aus den Gebieten der Chemie, Physik
und Astronomie.
§ 2.
Das Kapitalvermögen der Stiftung, welches unangreifbar ist, wird ge-
bildet aus dem Stammkapital und etwa künftig eingehenden Beiträgen.
I]s wird wie die übrigen Gelder der Akademie aufbewahrt und verwaltet.
Die Akademie der Wissenschaften führt durch ihre physikalisch-mathe-
matische Klasse die Oberaufsicht über die Stiftung und die Verwaltung des
Stiftungsvermögens. Die Klasse hat daher auch die Entlastung zu erteilen,
soweit dies nicht durch die Oberrechnungskammer geschieht.
§ 4.
Die Stiftung selbst wird verwaltet durch ein viergliedriges Kuratorium,
in welches die physikalisch-mathematische Klasse aus den Fächern der
Chemie, Physik und Astronomie je einen Vertreter wählt. Außerdem gehört
dem Kuratorium als Vorsitzender derjenige der beiden Klassensekretare an,
welcher den genannten Fächern am nächsten steht. Die Wahlen gelten auf
die Dauer von 6 Jahren, sie erfolgen vor dem Schlüsse eines Kalender-
jahres, zum ersten Male im Dezember 1019. Wenn ein Mitglied des Kura-
toriums vor Ablauf der Wahlperiode ausscheidet, so ist für die noch übrige
Dauer derselben ein neues Mitglied zu wählen.
§ 5.
Anfang Mai jedes Jahres teilt die physikalisch-mathematische Klasse
dem Vorsitzenden des Kuratoriums mit, welche Summe am Leibniztage
desselben Jahres verfügbar sein wird. Dieser fordert sodann dasjenige
Mitglied des Kuratoriums, für dessen Fach in diesem Jahre die Stiftung
in erster Linie bestimmt ist, und zwar nach der in § 1 namhaft gemachten
Reihenfolge, zu einem schriftlichen Vorschlag auf Auch jedes andere Mit-
XIX
glied des Kuratoriums ist zu einem Vorschlag berechtigt. Über alle vor-
hegenden Vorschläge wird dann in einer Sitzung des Kuratoriums oder
auch auf schriftlichem Wege abgestimmt. Bei Stimmengleichheit entscheidet
die Stimme des Vorsitzenden. Das Ergebnis der Abstimmung ist von der
Klasse zu bestätigen.
§ 6.
Falls in einem Jahre die verfugbaren Mittel der Stiftung nicht voll-
ständig oder überhaupt nicht für ihre satzungsgemäße Bestimmung in An-
spruch genommen werden, so fließt die verfügbare Summe in einen be-
sonderen Reservefonds, welcher dem Zwecke dienen soll, in irgendeinem
darauffolgenden Jahre eine Bewilligung zu ermöglichen, welche die für
das betreffende Jahr aus den»Erträgnissen des Stiftungskapitals verfLigbare
Summe überschreitet. Die Bestände des Reservefonds werden zinstragend
angelegt und durch die erzielten Zinsen fortlaufend verstärkt. Sobald der
Reservefonds die Höhe von 20000 Mark erreicht hat. werden alle weiteren
Erübrigungen sogleich und endgültig dem Stiftungskapital zugefiihrt.
§ 7.
Änderungen dieses Statuts sind nur durch absolute Majorität aller
ordentlichen Mitglieder der Akademie und mit Genehmigung des vorge-
ordneten Ministeriums zulässig.
Verzeichnis der im Jahre 1919 erfolgten besonderen Geldbewilligungen
aus akademischen Mitteln zur Ausführung wissenschaftlicher Unter-
nehmungen.
Es wurden im Laufe des Jahres 191 U bewilligt:
2500 Mark den Mitgliedern der Akademie HH. Rubens und Liebisch zur
Herstellung von Platten zur Untersuchung von Kristallen im
langwelligen Spektrum.
4000 » zur Fortführung des Unternehmens »Das Tierreich«.
3000 • zur Fortführung der Arbeiten am Nomenciator animalium ge-
nerum et subgenerum.
XX
2300 Mark dem Mitglied der Akademie Hm. Engler zur Fort^jrung des
Werkes »Das Pflanzenreich«.
6000 » dem Mitglied der Akademie Hrn. Hintze zur Fortfuhrung der
Herausgabe der Politischen Korrespondenz Friedrichs des Großen.
20000 » der Orientalischen Kommission zur Fortführung ihrer Arbeiten.
4000 >• der Deutschen Kommission zur Fortführung ihrer Arbeiten.
1000 » fiir die Bearbeitung des Thesaurus linguae Latinae (über den
planmäßigen Beitrag von 5000 Mark hinaus).
5000 » für das Wörterbuch der ägyptischen Sprache.
1500 » zur Bearbeitung der hieroglyphischen Inschriften der griechisch-
römischen Epoche für das Wörterbuch der ägyptischen Sprache.
(iOOO » dem Mitglied der Akademie Hrn' Struve als außerordentliche
Zuwendung für die »Geschichte des Fixsternhimmels«.
5000 » dem Mitglied der Akademie Hrn. Engler zur Fortführung des
Werkes »Das Pflanzenreich«.
2000 » dem Mitglied der Akademie Hm. Hei der zur Fortführung des
Unternehmens »Das Tierreich«.
6000 » der akademischen Kommission zur Herausgabe der Enzyklo-
pädie der matliematischen Wissenschaften.
1000 » dem Mitglied der Akademie Hrn. Erdmann für die Kant-
Kommission.
200 » dem Mitglied der Akademie Hrn. Burdach für die Bearbeitung
des Briefwechsels Laclimann — Brüder Grimm durch Prof. Leiz-
mann (Jena).
3000 » der Kommission für die deutschen Geschichtsquellen des
19. Jahrhunderts.
333 » der Sächsischen Akademie (Gesellschaft) der Wissenschaften in
Leipzig für die Teneriffa-Expedition.
367 » derselben für desgleichen.
1200 » derselben zur Fortsetzung des Poggendorffschen Handwörter-
buchs.
1200 » Hrn. Dr. Ernst Knoche in Halle a. S. zu Untersuchungen über
die Biologie der Nonnen.
l.)0() » als Nachbewilligung für die photographische Aufnahme franzö-
sischer Handschriften in Valenciennes.
XXI
5000 MaE|c dem Verlag des Jahrbuchs für die Fortschritte der Mathematik
als Zuschuß zu den Kosten der Herausgabe des Jahrgangs 19 19.
800 » f Hm. Prof. Dr. Hermann von Guttenberg in Berlin-Dahlem
für Untersuchungen über den Einfluß des Lichtes auf die Blatt-
stellung der Pflanzen.
5000 » Hrn. Prof. Dr. Bodenstein in Hannover zu Arbeiten über
photochemische Vorgänge.
1200 » Hrn. Dr. Walter in Gießen fiir Arbeiten über Vererbung.
10000 » der Deutschen physikalischen Gesellschaft als einmaligen Zu-
schuß für die physikalische Berichterstattung.
800 » Hrn. Prof. Dr. August Fischer in Leipzig als zweite Rate des
Zuschusses für sein arabisches Wörterbuch.
Verzeichnis der im Jahre 1919 erschienenen im Auftrage oder mit Unter-
stützung der Akademie bearbeiteten oder herausgegebenen Werke.
Unternehmungen der Akademie und ihrer Stiftungen.
Das Pflanzenreich. Regni vegetabilis conspectus. Im Auftrage der Preuss.
Akademie der Wissenschaften hrsg. von A. Engler. Heft 68. 69. Leipzig
1919. 2 Ex.
Corpus inscriptionum Latinarum consilio et auctoritate Academiae Litterarum
Borussicae editum. Vols. 1, Pars 2, Fase. 1. ed. 2. Berolini 1918,
Wilhelm von Humboldts Gesammelte Schriften. Hrsg. von der Preussischen
Akademie der Wissenschaften. Bd 15. Berlin 1918.
Ibn Saad. Biographien Muhammeds, seiner Gefährten und der späteren Träger
des Islams bis zum Jahre 230 der Flucht. Im Auftrage der Preussischen
Akademie der Wissenschaften hrsg. von Eduard Sachau. Bd 7, Th. 2.
Leiden 1918.
Deutsche Texte des Mittelalters hrsg. von der Preußischen Akademie der
Wissenschaften. Bd 30. Paradisus anime intelligentis. Berlin 1919.
Bopp-Sfißung.
Navahära- und Nisiha-Sutta. Hrsg. von Walther Schubring. Leipzig 1918.
(Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes. Bd 15.) 2 Ex.
XXll
Dr.-Karl-Gilttler-Stiflung.
Kolsen, Adolf. Dichtungen der Trobadors. 3. Heft. Halle (Saale) 1919.
Kolsen, Adolf. Zwei provenzalisclie Sirventese nebst einer Anzahl Einzel-
strophen. Halle 1919.
Savigny-Stlftuny.
Kantorowicz, Hermann und Fritz Schulz. Thomas Diplovatatius. De
claris iuris consultis. Hd 1. Berlin und Leipzig 1919. (Romanistische
Beiträge zur Rechtsgeschichte. Heft 3.)
Hermann-und-Elise-geb.-Hechnann - Wentzel-Stiflung.
Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur. Ar-
chiv für die von der Kirchenväter-Commission der Preussischen Aka-
demie der Wissenschaften unternommene Ausgabe der älteren christlichen
Schriftsteller. Reihe 3. Ed 12, Heft 3. 4. Bd 13. Leipzig 1918. 19.
Beiträge zur Flora von Papuasien. Hrsg. von C. Läuterbach. Serie 6.
Leipzig 1918. 2 Ex.
Von der Akademie unterstützte Werke.
Bokorny, Th. Bindung des Formaldehyds durch Enzyme. Berlin 1919.
Sonderabdr.
Lange, Rudolf. Thesaurus Japonicus. Japanisch-Deutsches Wörterbuch.
Bd 2. Berlin und Leipzig 1919.
Schiern ann, Theodor. Geschichte Russlands unter Kaiser Nikolaus I.
Bd 4. Berlin 1919.
Schmidt, Adolf. Archiv des Erdmagnetismus. Heft 3. Potsdam 1918.
Schwenke, Paul. Die Buchbinder mit dem Lautenspieler und dem Knoten.
1919. Sonderabdr.
Schwenke, Paul. Altberliner Bücher und Einbände. 1918. Sonderabdr.
am 26. Juni 1919,
XXIII
Veränderungen im Personalstande der Akademie im Laufe
des Jahres 1919.
Es wurden gewählt:
zum ordentlichen Mitglied der physikalisch-mathematischen Klasse:
Hr. Konstantin Caratheodory, bestätigt durch Erlaß der preußischen
Regierung vom 10. Februar 1919,
Hr. Willy Kükenthal, bestätigt durch Erlaß der preußischen Regierung
• vom 12. April 1919;
zu korrespondierenden Blitgliederu der pliysikalisch-mathematischen
Klasse :
Hr. Karl Engler in Karlsruhe
» Theodor Curtius in Heidelberg
» Gustav Tammann in Göttingen
•• Hugo BOcking in Heidelberg am 8. Januar 1920;
zum korrespondierenden Mitglied der philosophisch-historischen
Klasse:
Hr. Willy Bang-Kaup in Frankfurt a. M. am 27. Februar 1919.
Der beständige Sekretär Hr. von Waldeyer-Hartz legte dieses Amt
mit dem 31. August 1919 nieder; zu seinem Nachfolger wählte die physi-
kalisch-mathematische Klasse Hrn. Rubner, dessen Wahl von der Preußischen
Regienmg am 10. Mai 1919 bestätigt wurde.
Das ordentliche Mitglied der philosophisch-historischen Klasse Hr.
Heusler verlegte im Sommer 1919 seinen Wohnsitz nach Basel und trat
gemäß § 6 der Statuten der Akademie in die Reihe der Ehrenmitglieder über.
Gestorben sind:
die ordentlichen Mitglieder der physikalisch-mathematischen Klasse:
Hr. Simon Schwendener am 27. Mai 1919,
. Emil Fischer am 15. Juli 1919:
das ordentliche Mitglied der philosophisch-historischen Klasse:
Hr. Kuno Meyer am 11. Oktober 1919;
das auswärtige Mitglied der physikalisch-mathematischen Klasse:
Lord Rayleigh in London am B.Juli 1919;
XXIV
die korrespondierenden Mitglieder der physikalisch-mathematischen
Klasse :
Hr. Edward Charles Pickering in Cambridge (Mass.) im Januar 1919,
>' Roland Eötvös in Budapest am 8. April 1919,
» Friedrich Merkel in Göttingen am 29. Mai 1919,
» Gustav Retzius in Stockholm am 21. Juli 1919,
» Heinrich Bruns in Leipzig am 23. September 1919,
» Woldemar Voigt in Göttingen am IH. Dezember 1919.
Beamte der Akademie.
Ernannt :
Hr. Prof. Dr. Eduard Sthamer, bisher Assistent am Preußischen Historischen
Institut in Rom, zum Bibliothekar und Archivar der Akademie, am
27. Juni 1919.
Gestorben :
Hr. Prof. Dr. Hans von Fritze, wissenschaftlicher Beamter, am 10. Juli 1919.
XXV
Verzeichnis der Mitglieder der Akademie am Schlüsse des Jahres 1919
nebst den Verzeichnissen der Inhaber der Bradley-, Helmholtz- und derLeibniz-Medaille
und der Beamten der Akademie, sowie der Kommissionen, Stiftungs-Kuratorien usw.
1. Beständige Sekretare
Gewählt von der Datum der BestAtigiing
Hr. Diels phil.-hist. Klasse 1895 Nov. 27
- Roethe phil.-hist. - 1911 Aug. 29
- Phnck phys.-math. - 1912 Juni 19
- Riibner phys.-math. - 1919 Mai 10
2. Ordentliche Mitglieder
Phyultaliach-inktlieiDatische KIum Pkilosophueh-hiatorische Klasse Datum der Bestätigung
Hr. Ileiinann Diels 1881 Aue. l.T
''Ö"
Hr. WUhelm von Waldey er -Hartz 1884 Febr. 18
- Franz FMard Schulze 1884 Juni 21
- Otto Hirschfi'ld 1885 März 9
- Eduard Sachau 1887 Jan. 24
- Adolf Engler 1890 Jan. 29
- Adolf von HarTMck . . . 1890 Febr. 10
- Hermann Amandus Schwarz 1892 Dez. 19
- Oskar Hertwig 1893 April 17
- Max Manch 1894 Juni 11
- Carl Stumpf ...... 1895 Febr. 18
- Adolf Ennan 1895 Febr. 18
- Emil Warhurg 1895 Aug. 13
Ulrich von Wilamowitz-
Moellmdorff 1899 Aug. 2
- Heinrich Müller -Breslau 1901 Jan. 14
- Heinrich Dressel .... 1902 Mai 9
- Kmtrad Burdach .... 1902 Mai 9
- Friedrich Schottky 1903 Jan. 5
- Gustav Roethe 1903 Jan. 5
- Dietrich Schäfer 1903 Aug. 4
- Eduard Meyer 1903 Aug. 4
- WUhelm SchtUze .... 1903 Nov. 16
- Alois Brandl 1904 April 3
- Hermann Struve 1904 Aug. 29
d
XXVI
Phy«ik«Iiscli-matliematisclie Klasse Philosophisch-liistorische Klasse Datam der liestiti^ung
Hr. flermann Zimmermann 1904 Aug. 29
- Walter Kernst 1905 Nov. 24
- Max Rubner 1906 Dez. 2
- Johannes Orth 1906 Dez. 2
- Albrechi Penck 1906 Dez. 2
Ilr. Friedrich Müller .... 1906 Dez. 24
- Heinrich Rubens 1907 Aug. 8
- Tlieodor Liebi^ch 1908 Aug. 3
- Edtutrd Seier 1908 Aug. 24
- Heinrich Ijüders .... 1909 Aug. 5
- Heinrich Morf 1910 Dez. 14
- Goltli£b Haberlandt , .... 1911 Juli 3
Benno Erdmann . . . 1911 Juli 25
- Gusiao Hellmann 1911 Dez. 2
- Emil Scckel 1912 Jan. 4
- Johann Jakob Maria de Groot 1912 Jan. 4
- Eduard Norden 1912 Juni 14
- Karl Schuchhardt .... 1912 JuH 9
- Ernst Beckmann 1912 Dez. 11
- Albei-t Einstein 1913 Nov. 12
- Otto Hintze 1914 Febr. 16
- Max Sering 1914 März 2
- Adolf Goldschmidt . . . 1914 März 2
- Fritz Haber * . 1914 Dez. 16
- Karl HoU 1915 Jan. 12
Friedrich Meinecke . . 1915 Febr. 15
- Karl Correns 1915 März 22
- Hans Dragendorff . 1916 April 3
' - Paul Kehr 1918 März 4
- l'lrich Stutz 1918 .März 4
- Ernst Hey mann . . . . 1918 März 4
- Michael Tangl 1918 März 4
- Karl Heider 1918 Aug. 1
- E-hard Schmidt 1918 Aug. 1
- Gmtan Müller 1918 Aug. 1
- Rudolf Fick 1918 Aug. 1
- Konstantin Caratheodory 1919 Febr. 10
- Willy Kükenthal 1919 April 12
XXVII
3. Auswältige Mitglieder
PhTsikalüch-matlieinatiscbe Klasse Philosophisch-historische Kiaase Datum iler Be»t»tiguiig
Hr. Theodor Nöldeke in Str&ßbuTg 1900 März 5
Friedrich Imhoof- Blumer in
Winterthur 1900 März 5
- Vatroslac con Jagic in Wien 1908 Sept. 25
- PanagiotisKabbadias in Athen 1908 Sept. 25
- Hugo Schiichardt in Graz 1912 Sept. 15
4. Ehrenmitglieder
Datum der Hrütätigun«;
Hr. Max Lehmann in Göttingen 1887 Jan. 24
- Max Lenz in Hamburg 1896 Uez. 14
Wilhelm Branca in München 1899 Dez. 18
Httgo Graf von und zu Lerchenfeld in Berlin 1900 März 5
Hr. Richard Schöne in Berlin . • ^ . . 1900 März 5
- Konrad von Studl in Berlin 1900 März 17
- Andreas Ilettsler in Basel 1907 Aug. 8
Bemliard Fürst von Billow in Klein-Flottbek bei Hamburg . . . 1910 Jan. 31
Hr. Heinrich Wölfin in München 1910 Dez. 14
- August von Troll zu Solz in Kassel 1914 März 2
- Rttdolf von Valentini in Hameln 1914 März 2
- Friedrich Schmidt in Berlin 1914 März 2
- Hichard Wilktätter in München 1914 Dez. 16
XXVIII
5. Korrespondierende Mitglieder
Physikalisch-matliematische Klasse Datam der W.hl
Karl Frlir. Auer von Welsbach auf Schloß Welsbach (Kärnten) . . 1913 Mai 22
Hr. Oskar Brefeld in Berlin 1899 Jan. 19
- Otto BüUchli in Heidelberg 1897 März 11
- Giacomo damician in Bologna 1909 Okt. 28
- Tlieodor Curtivs in Heidelberg 1919 Juni 2(5
- William Morris Davix in Cambridge, Mass 1910 Juli 28
- Ernst Ehlers in Göttingen 1897 Jan. 21
- Karl Engler in Karlsruiie 1919 Juni 2G
- Max Fürbringer in Heidelberg 1900 Febr. 22
Sir Archibald Geikie in Haslemere. Surrey . . . \ . . . ■ 1889 Febr. 21
Hr. Karl von Goebel in München 191:^ Jan. 16
- Camillo Golgi in Pavia 1911 Dez. 21
- Karl Graebe in Frankfurt a. .VI 1907 Juni 13
- Ludwig von Graf in Graz 1900 Febr. 8
Julius Edler von Haim in Wien 1889 Febr. 21
Hr. Sven Hedin in Stockholm 1918 Nov. 28
- Viktor Hensen in Kiel 1898 Febr. 24
- Richard von Hertwig in München .... * 1S98 April 28
- David Hilbert in Göttingen 1913 Juli 10
- Hugo Uildebrand Hildebrandsson in Uppsala 1917 Mai 3
- Emanuel Kayser in München 1917 Juli 19
- Felix Klein in Göttingen 1913 Juli 10
- Leo Koenigsberger in Heidelberg 1893 Mai 4
- Wilhelm Kömer in Mailand 1909 Jan. 7
- Friedrich Küslnei- in Bonn 1910 Okt. 27
- Philipp Lenaj-d in Heidelberg 1909 Jan. 21
- Karl von Linde in München 1916 JuÜ 6
- Gabriel Lippmann in Paris 1900 Febr. 22
- Hendrik Antoon Lorentz in Haarlem 1905 Mai 4
- Felix Marchand in Leipzig 1910 Juli 28
- Franz Mertens in Wien 1900 Febr. 22
- Alfred Gabriel Nalhorst in Stockholm 1900 Febr. 8
- Karl Neumann in Leipzig 1893 Mai 4
- Max Noethei- in Erlangen 1896 Jan. 30
- Wilhelm Ostwald in Groß-Bothen, Kgr. Sachsen 1905 Jan. 12
- Wilhelm Pfeffer in Leipzig 1889 Dez. 19
- Georg Quincke in Heidelberg 1879 März 13
- Ludwig Radlkofer in München 1900 Febr. 8
Theodore William Richards in Cambridge, Mass 1909 Okt. 28
X
XXIX
Datum der Wahl
Hr. Wi/helm Konrad Röntgen in München 1896 März 12
- WUMm Raux in Halle a. S 1916 Dez. 14
- GeoTff Ossian Sars in Christi ania 1898 Febr. 24
- Oswald Schmiedeberg in Straßburg . . .* 1910 Juli 28
- Otto Schott in Jena 1916 Juli C
Hugo von Seeliger in München 190G Jan. II
- Emest Sokay in Brüssel 1913 Mai 22
- Johann Wilhelm Spengel in Gießen 1900 Jan. 18
Gustav Tammaun in Göttingen . 1919 Juni 26
Sir Joseph John Thomson in Cambridge 1910 Juli 28
Hr. Gustav Edler von Tschermak in Wien • . . . . 1881 März 3
- Ihtgo de Vries in Lunteren 1913 Jan. 16
- Johannes Diderik van der Waals in Amsterdam 1900 Febr. 22
- Otto Wallach in Göttingen 1907 Juni 13
- Eugenins Wanning in Kopenhagen 1899 Jan. 19
- EtiiU Wiechert in Göttingen 1912 Febr. 8
- Wil/telm Wien in Würzburg 1910 Juli 14
- Edmund B. WUson in New York 1913 Febr. 20
Pliilogophigcli-historische Klasse . Datum der Wahl
Hr. Karl von Amira in München 1900 Jan. 18
- Klemens Baeumker in München 1915 Juli 8
- Willy Bang-Kaup in Darmstadt 1919 Febr. 13
- Friedrich von Be:otd in Bonn 1907 Febr. 14
- Joseph Bidez in Gent 1914 Juli 9
- James Henry Breasted in Chicago 1907 Juni 13
- Harry Breßlau in Hamburg 1912 Mai 9
- Rene C/ignat in Paris 1904 Nov. 3
- Arthur (Jiu^t in Villemomble (8eine) 1907 Febr. 14
- Franz Cumont in Rom 1911 April 27
- Louis Duchesne in Rom 1893 Juli 20
- Franz Ehrle in Rom 1913 Juli 24
- Paul Foucart in Paris 1884 Juli 17
Sir James George Frazer in Cambridge 1911 April 27
Hr. Wilhelm Fröhner in Paris 1910 Juni 23
- IWcy Gardner in Oxford 1908 Okt. 29
- Ignaz Goldzilier in Budapest 1910 Dez. 8
- Francis Llewellyn Grifßth in Oxford 1900 Jan. 18
- Ignazio Guidi in Rom 1904 Dez. 15
- Georgias N. Hatzidakis in Athen 1900 Jan. 18
XXX
üatum der Wahl
Hr. Bemard Haussoullier in Paris 1907 Mai 2
- Jolum Ludvig Heiberg in Kopenhagen 1896 März 12
- Antoine Heron de Villefosse in Paris 1893 Febr. 2
- Harald Hjärne in Uppsala . .' 1909 Febr. 25
- Maurice Holleaux in Versailles 1909 Febr. 25
- Christian Hülsen in Heidelberg 1907 Mai 2
- Hermann Jacohi in Bonn 1911 Febr. 9
- Adolf Jülicher in Marburg 1906 Nov. 1
Sir Frederic George Kenyon in London - . . . . 1900 Jan. 18
Hr. Georg Friedrich Knapp in Straßburg 1893 Dez. 14
- Axel Kock in Lund . • 1917 Juli 19
- Karl von Kram in München \. . . . 1917 Juli 19
- Basil Latyschew in St. Petersburg 1891 Juni 4
- Friedrich Loofs in Halle a. S 1904 Nov. 3
Giacomo Lumbroso in Rom 1874 Nov. 12
- Arnold Luschin von Ebengreulh in Graz 1904 Juli 21
- John Fmtland Mahajfy in Dubhn 1900 Jan. 18
Wilhelm Meyer-Lübke in Bonn 1905 Juli 6
- Ludwig Mitteis in Leipzig 1905 Febr. 16
Georg Elias Müller in Göttiugen 1914 Febr. 19
- Katl von Müller in Tübingen 1917 Febr. 1
- Samuel Muller Frederikzoon in Utrecht 1914 Juli 23
- Franz Praeiorius in Breslau 1910 Dez. 8
Pio Rajna in Florenz 1909 März 11
- Moriz Ritte?- in Bonn 1907 Febr. 14
- Karl Robert in Halle a. S 1907 Mai '1
- Michael Rostowzew in St. Petersburg 1914 Juni 18
- Edward Schröder in Göttingen 1912 Juli 11
- Eduard Schwartz in Straßburg 1907 Mai 2
- Bernhard Seuffert in Graz 1914 Juni 18
Eduard Sievers in Leipzig 1900 Jan. 18
Sir Edward Maunde Thompson in London 1895 Mai 2
Hr. Vilhehn Thomsen in Kopenhagen 1900 Jan. 18
- Ernst Troeltsch in Berlin 1912 Nov. 21
- Patd Vinogradoff in Oxford 1911 Juni 22
Girolamo Vitelli in Florenz 1897 Juli 15
- Jakob Wackernagel in Basel 1911 Jan. 19
- Adolf Wilhelm in Wien 1911 April 27
- Ludvig Wimmei' in Kopenhagen 1891 Juni 4
- Wilhelm Wundt in Leipzig 1900 Jan. 18
XXXI
Inhaber der Bradley-Medaille
Hr. Friedrich KUHnei- in Bonn (1918)
Inhaber der Helmholtz-Medaille
Hr. Santiago Ramon Cajal in Madrid (1905)
- Max Planck in Berlin (1915)
Bic/tard von Herlvfig in München (1917)
- Willielm Konrad Röntgen in München (1919)
Inhaber der Leibniz-Medaille
a. Der Medaille in Gold
Hr. James Simon in Berlin (1907)
- Ernest Soivay in Brüssel (1909)
- Henry T. von Böt/inger in Elberfeld (1909)
Joseph Florimond Duc de Louhat in Paris (1910)
Hr. Hans Meyer in Leipzig (1911)
Frl. EUse Koenigs in Berlin (1912)
Hr. Georg Schueinfurth in Berlin (1913)
Otto von Schjeming in Berlin (1916)
- Leopold Koppel in Berlin (1917)
Rudolf Havenstein in Berlin (1918)
Heinrich Schnee in Berlin (1919)
b. Der Medaille in Silber
Hr. Karl Alexander von Marlim in Berlin (1907)
- Adolf Friedrich Lindemann in Sidmouth. England (1907)
- Johannes Bolle in Berlin (1910)
- Albert von Le Coi/ in Berlin (1910)
Johannes llberg in Leipzig (1910)
- Max Wellmann in Potsdam (1910)
Robert Koldewey in Babylon (1910)
Gerhard Hessenberg in Breslau (1910)
Werner Janensch in Berlin (1911)
- Hans Osten in Leipzig (1911)
- Robert Davidsohn in München (1912)
- N. de Garis Dacies in Kairo (1912)
- Edwin Hennig in Tübingen (1912)
Hugo Rabe in Hannover (1912)
- Josef Emanuel Hibsc/i in Tetschen (191H!
- Karl Richter in Berlin (19i:{)
XXXII
Hr. Hans Witte in Neustrelitz (191:?)
- Georg Wolff in Frankfurt a. M. (1913)
- Walter Andrae in Assur (1914)
- Erwin Schramm in Dresden (1914)
- Richard Irvine Best in Dublin (1914)
Otto Baschin in Berlin (1915)
- Albert Fleck in Berlin (1915)
- Julius Hirschberg in Berlin (1915)
- Hugo Magnus in Berlin (1915)
- E. Debes in Leipzig (1919)
- r. Domo in Davos (1919)
Joliannes Kirchner in Berlin (1919)
- Edmund von lAppmann in Halle a. 8.
Freiherr von Schrötter in Berlin (1919)
Hr. Otto Wolf in Berlin (1919)
(1919)
Beamte der Akademie
Bibliothekar und Archivar der Akademie: Dr. Sthamer, Prof.
Archivar und Bibliothekar der Deutschen Kommission: Dr. Behrend, Prof.
Wissenschaftliche Beamte: Dr. Dessau, Prof. — Dr. Harms, Prof. — Dr. Karl Schmidt,
Prof. — Dr. Frhr. Hiller von Gaertringen, Prof. — Dr. Ritter, Prof. - — Dr. Apstein,
Prof. — Dr. Paetsch, Prof. — Dr. Kuhlgatz, Prof.
Registrator und Kalkulator: Grilnheid.
Hausiuspektor und Kanzlist:
Akademiediener: Hennig. — .Janisch, nimmt die Geschäfte des Jlausinspektors wahr.
— Siedmann.
Hilfsarbeiterin in der Bibliothek: Fräulein Kilian.
Hilfsarbeiterin im Bureau: Fräulein Meyer.
Hilfsdiener: G Lieser.
xxxm
Verzeichnis der Kommissionen, Stiftungs-Kuratorien usw.
Kommissionen für wissenschaftliche Unternehmungen der Akademie.
Acta Borussiea.
Hintze (geschäftsfiUirendes Mitglied). Meinecke. Kehr.
Ägyptologische Kommission.
Erman. E. Meyer. W. Schulze.
Außerakad. Mitglieder: Junker (Wien). H. Schäfer (Berlin). Sethe (Göttin-
gen). Spiegelberg (Straßburg).
Corpus inscriptionum Etruscarum.
Diels. Hirschfeld. W. Schulze.
Corpus inscriptionum Latinarun\ und Griechische Münzwerke.
Hirschfeld (Vorsitzender, leitet die epigrapliischen Arbeiten). Dragendorflf
(leitet die numismatischen Arbeiten). Diels. von Wilamowitz-Moellen-
dorff. Norden. Imhoof-Blumer (Winterthur).
Corpus medicorum Graeeorum.
Diels. Sachau. von Wilamowitz-MoellendorfF.
Deutsehe Gesehichtsquellen des 19. Jahrhunderts.
Meinecke. Roethe. Schäfer. Hintze. Sering. Holl. Kehr.
Deutsche Kommission.
Roethe (geschäftsfiihrendes Mitglied). Diels. Burdach. W. Schulze. Morf.
Hintze. Kehr. Schi-öder (Göttingen). SeufFert (Graz).
Dilthey-Kommission.
Erdmann (geschäflsfuhrendes Mitglied). Diels. Stumpf Burdach. Roethe.
Seckel.
Geschichte des Fixstemhimmels.
Struve (geschäftsfuhrendes Mitglied). G. Müller.
Außerakad. Mitglied: Cohn (Berlin).
XXXIV
Politische Korrespondenz Friedrichs des Großen.
Hintze (geschliftsfülirendes Mitglied). Meinecke. Kehr.
Fronto -Ausgabe.
Diels. Hirschfeld. Norden.
Herausgabe der Werke Wilhelm von Humboldts.
Burdach (geschäftsführendes Mitglied), von Wilamowitz-Moellendorff.
Meinecke.
Herausgabe des Ibn Saad.
Sachau (geschäftsfiihrendes Mitglied). Erman. W.Schulze. F.W. K. Müller.
Inscriptiones Graecae.
von Wilamowitz-Moellendorff (Vorsitzender). Diels. Hirschfeld. W. Schulze.
Kant -Ausgabe.
Erdmann (Vorsitzender). Diels. Stumpf. Roethe. Meinecke.
Außerakad. Mitglied: Menzer (Halle).
Ausgabe der griechischen Kirchenväter.
von Harnack (geschäftsführendes Mitglied). Diels. Hirschfeld, von Wilamo-
witz-Moellendorff. HoU. Loofs (Halle). Jülicher (Marburg).
Außerakad. Mitglied: Seeck (Münster), fiir die Prosojiographia imperii Ro-
mani saec. IV — VI.
Leibniz -Ausgabe.
Erdmann (geschäftsführendes Mitglied). Planck, von Harnack. Stumpf.
Roethe. Morf. Kehr. Erh. Schmidt.
Nomenciator animalium generum et subgenerum.
Kükenthal (geschäftsführendes Mitglied), von Waldeyer-Hartz. Heider.
Orientalische Kommission.
E. Meyer (geschäftsfiihrendes Mitglied). Diels. Sachau. Erman. W. Schulze.
F. W. K. Müller. Lüders.
Außerakad. Mitglied: Delitzsch (Berlin).
„Pflanzenreich".
Engler (geschäftsführendes Mitglied), von Waldeyer-Hartz. Correns.
XXXV
Prosopographia imperii Romani saee. I — III.
Hirschfeld. Dressel.
Strabo-Ausgabe.
Diels. von Wilamowitz-Moellendorff. K. Meyer.
„Tierreich".
Kükenthai (geschäftsföhrendes Mitglied), von Waldeyer-Hartz. Heider.
Herausgabe der Werke von Weierstraß.
Planclc (ge.schäftsfülirendes Mitglied). Schwarz.
Wörterbuch der deutsehen Rechtssprache.
Roetlip (geschäftsfiihrendes Mitglied). Stutz. Heymann.
Außerakad. Mitglieder: Frensdorff (Göttingen), von Gierke (Berlin). Huber
(Bern). Frhr. von Künßberg (Heidelberg). Frhr. von Schwerin (Frei-
burg). Frhr. von Schwind (Wien).
Wissenschaftliche Unternehmungen, die mit der Akademie in Verbindung stehen.
Corpus scriptorum de musica.
Vertreter in der General-Kommission: Stumpf.
Luther-Ausgabe.
Vertreter in der Kommission: von Harnack. Burdach.
Monumenta Germaniae historica.
Von der Akademie gewählte Mitglieder derZentral-Direktion: Schäfer. Hintze.
Thesaurus der japanischen Sprache.
Sachau. W. Schulze. F. W. K. Müller.
Sammlung deutscher Volkslieder.
Vertreter in der Kommission : Roethe.
Wörterbuch der ägyptischen Sprache.
Vertreter in der Kommission: Ermaii.
XXXVI
Bei der Akademie errichte fe Stiftungen.
Bopp - Stiftung.
Vorberatende Kommission (1918 Okt.— 1922 Okt.).
W. Schulze (Vorsitzender). Lüders (Stellvertreter des Vorsitzenden). Roethe.
Brandl.
Außerakad. Mitglied: Brückner (Berlin).
Charlotten - Stiftung für Philologie.
Kommission.
Diels. Hirschfeld, von Wilamowitz-Moellendorff. W. Schulze. Norden.
Eduard - Gerhard - Stiftung.
Kommission.
Dragendorif (Vorsitzender). Hirschfeld. von Wilamowitz-Moellendorff.
Dressel. E. Meyer. Schuchhardt.
Humboldt - Stiftung.
Kuratorium (1917 Jan. 1 — 1920 Dez. 31).
von Waldeyer-Hartz (Vorsitzender). Hellmann.
Außerakad. Mitglieder: Der vorgeordnete Minister. Der Oberbürgermeister
von Berlin. P. von Mendelssohn-Bartholdy.
Akademische Jubiläumsstiftung der Stadt Berlin.
Kuratorium (1917 Jan. 1—1920 Dez. Hl).
Planck (Vorsitzender), von Waldeyer-Hartz (Stellvertreter des Vorsitzenden).
Diels. Hintze.
Außerakad. Mitglied: Der Oberbürgermeister von BerUn.
Stiftung zur Förderung der kirchen- und religionsgeschichtlichen Studien im
Rahmen der römischen Kaiserzeit (saec. I — VI).
Kuratorium (1913 Nov.— 1923 Nov.).
Diels (Vorsitzender), von Harnack.
Außerdem als Vertreter der theologischen Fakultäten der Universitäten Ber-
lin: Holl, Gießen: Krüger, Marburg: Jülicher.
XXXVII
Graf-Loubat-Stiftung.
Kommission (1918 Febr.— 1923 Febr.).
Sachau. Seier.
Albert-Samson-Stiftung.
Kuratorium (1917 April 1—1922 März 31).
von Waldeyer-Hartz (Vorsitzender). Planck (Stellvertreter des Vorsitzenden).
Rubner. Orth. Penck. Correns. Stumpf.
Stiftung zur Förderung der Sinologie.
Kuratorium (1917 Febr.— 1927 Febr.).
de Groot (Vorsitzender). F. W. K. Müller. Lüders.
Herinann-und-Elise-geb.-Heekmann-Wentzel-Stiftung.
Kuratorium (1915 April 1—1920 März 31).
Roethe (Vorsitzender). Planck (Stellvertreter des Vorsitzenden). Erman
(Schriftführer). Nernst. Haberlandt. von Harnack.
Außerakad. Mitglied: Der vorgeordnete Minister.
Max-Henoch-Stiftung.
Planck (Vorsitzender). Schwarz. Schottky. Erh. Schmidt (Schriftführer).
Caratheodory.
Faul-Rieß-Stiftung.
Kuratorium (1920 Jan. 1—1925 Dezember 31).
Planck. Beckmann. Rubens. Struve.
ABHANDLUNGEN
DER PREUSSISCHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
JAHRGANG 1919
PHYSIKALISCH-MATHEMATISCHE KLASSE
Uip:DÄCHTNISREDE AUF SLMON S( HWENDENER
VON
G. HAUE KLAN DT
BERLIN 1919
VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
IN KOMMISSION BEI DER
VEREINIGUNG WISSENSCHAFrLICHER VERI.EGEIl WALTER DE GRUYTER U. CO.
VORMALS U. J. OÖSrHKSSl IIK VERLA(iSllANDLI'Nli. J. GlTTENTAfi, VKBLAfi.SBI'CHllANDM'Nci.
UEOKCi KKIMKK. KARL J. IKÜBNKK, VEIT U. COMI'.
Gehalten in der öffentlichen Sitzung am 3. Juli 1919.
Zum Druck eingereicht am gleichen Tage, ausgegeben am 14. Juli 1919.
xVni 27. Mai d. .1. ist Simon Schwendener, der Nestor der deutschen Bo-
taniker, das älteste Mitglied unserer Akademie, der er vier Jahrzehnte lang
angehört hat, im 91. Lebensjahre gestorben. Am 2. Juni haben wir, was
sterblich an ihm war, auf dem alten Matthäikirchhof zur Ruhe bestattet.
Wenn wir uns das selten hohe Alter so recht verdeutlichen wollen,
das der Verstorbene erreicht hat, so brauchen wir nur den Zustand der
Wissenschaft, der Schwendener seine Lebensarbeit gewidmet, zur Zeit seiner
Kinder- und Lehrjahre ins Auge zu fassen. Als er am 10. Februar 1829 zu
Buchs im Kanton St. Gallen geboren wurde, da lebte noch Goethe und
befaßte sich* eifrig mit den Einwirkungen seiner Metamorphosenlehre auf
die Ptlanzeninorphologie seiner Zeit, die sich ganz auf das Gebiet einer
mystischen Naturphilosophie verirrt hatte. Hugo von Mohl, der Begründer
der neueren Pflanzenanatomie, stand erst am Beginn seiner Laufbahn und
fing systematisch das feste Zellhautgerüst der Pflanzen zu untersuchen an,
<la vom lebenden Inhalt der Zellen, dem Mohl erst viel später den Namen
»Protoplasma« gab, so gut wie noch gar nichts bekannt war. Als dann
von ScHLEiDEN, Unoek, Nägeli .u. a. die heftigen Kämpfe um die Fragen der
Zellbildung und Zellteilung ausgefochten wurden, Kämpfe, die zur Begrün-
dung der modernen Zellentheorie führten, da war der junge Schwendener
bereits zum Jüngling herangewachsen, der sich allmählich für einen Lebens-
bei-uf zu entsclieiden hatte.
Schwendeners Vater war Bauer, und so lag es nahe, den einzigen Sohn
gleichfalls Landwirt werden zu lassen. Der kräftige Knabe hatte in der Tat
auch Freude an landwirtschaftlicher Arbeit; im Sommer hütete er mit seinem
Großvater tage- und wochenlang das Vieh auf der Alpe, und unten im Tale
ritt er, wie er einst lachend erzählte, die vom Vater gezogenen Pferde kauf-
histigen Bauern und Händlern vor. Bei der Berufswahl entschied er sich
4 Haberlandt:
aber doch für den Lehrberuf. Er absolvierte ein Seminar und wurde in
Burhs als Volksschullehrer angestellt. Bald al)er ermöglichte ihm ein Ver-
mächtnis seines Großvaters, die Studien wieder aufzunehmen. Er ging
nach Genf, bereitete sich dort auf das Abiturientenexamen vor und besuchte
an der Akademie u. a. die Vorlesungen Thürys und Alphons de Candolles.
Bald aber mußte er aus Mangel an Mitteln das Studium wieder unterbrechen
und eine Lehrerstelle an einer Privatlehranstalt übernehmen. Ihr Inhaber
war ein bejahrter Mann und wollte dem jungen Lehrer, der das Herz seiner
Tochter gewonnen hatte, die Anstalt überlassen. Damals stand Schwendener,
wie er mir selbst erzählte, vor dem schwersten Entschluß seines Lebens.
Die Stimme des Herzens sprach Ja, der Forscherdrang in ihm ein noch
bestimmteres Nein. So schnürte er wieder sein Bündel und zog nach Zürich,
wo er unter Oswald Heer 1856 mit einer schon in Genf auf Anregung
DE Candolles begonnenen phänologischen Arbeit über »die periodischen Er-
scheinungen der Natur, insbesondere der Pflanzenwelt« zum Doktor pro-
movierte.
Ein Jahr vorher war Karl Nägeli aus Freiburg i. Br. an das neuge-
gründete eidgenössische Polytechnikum in Züricli berufen worden und
kündigte hier sofort auch botanisch-mikroskopische Übungen an. Das be-
deutete für Schwendener, der bis dahin keine Gelegenheit gefunden hatte,
ein Mikroskop zu benutzen, die Erfüllung seines sehnlichsten Wunsches.
Es bedeutete aber für ihn noch weit mehr: den Anschluß an den Lehrer,
dem er sich geistesverwandt fühlte und der auf die weitere Entwicklung
seiner Forsch erlauf bahn einen entscheidenden Einfluß ausgeübt hat. Was
ihn seinen eigenen Worten zufolge an Nägeli am meisten fesselte, das
war vor allem »die kritische Schärfe seines Verstandes, der weite Horizont
und die kühle Überlegenheit seiner Logik, die ihm im Gespräch über
botanische Fragen von Tag zu Tag mehr, sieghaft und anregend zugleich,
entgegentraten«. Aber auch der Lehrer erkannte die Kongenialität des
Schülers. Er erkannte in ihm dasselbe Bestreben nach mathematischer
Strenge und Präzision in der Darstellung morphologisclier und entwicklungs-
geschichtlicher Tatsachen, nach geometrischer Klarheit bei der Erfassung
der räumlichen Beziehungen der Organe, Zellen und Zellkomplexe, das ihm
selbst in so hohem Maße eigen war. Als daher Nägeli im Sommer 1857
einem Rufe an die Universität München folgte, trug er Schwendener die
Assistentenstelle bei ihm an, und gleich nach ihrer Übersiedelung begann
Gedtichtnisrede auf Simon Schwende ner. 5
die gemeinsame Arbeit, die für die Wissenschaft so wertvolle Früchte ge-
tragen hat.
An erster Stelle sei hier gleich des berühmten Werkes der beiden
Forscher über das Mikroskop gedacht, von dem der i. Teil «Die Theorie
des Mikroskops und die mikroskopische Wahrnehmung« im Jahre 1865,
der 2. Teil »Die Anwendung des Mikroskops« 1867 erschienen ist. Es ist
hier nicht der Ort, auseinanderzusetzen, um wie vieles die beiden Botaniker
im Verständnis der Eigenart und der Leistungsfäliigkeit dieses Instrumentes
alle Biologen und auch Physiker vor ihnen übertroffen haben, daß sie erst
die Grundlagen schufen, auf denen dann Abbe weiterbaute und die Theorie
des Mikroskops und des mikroskopischen Sehens zu so hoher Vollendung
steigerte. Wohl aber muß hervorgehoben werden, daß in beiden Auflagen
des Werkes auch ein bis in die kleinsten Einzelheiten auf eigener kritisclier
Beobachtung beruhender (Irundriß der inneren und äußeren Morphologie
der Ptlanz«? geboten wird, dessen Anregungen selbst lieute noch nicht voll-
ständig erschöpft sind.
In der Hauptsache fallen aber in die Müncliener Jahre (von 1857 bis
1867) die ausgedehnten »Untersuchungen über den Flechtenthallus«. Es
sind vor allem Nägklis grundlegende Arbeiten »über das Waclistum des
Stammes und der Wurzel bei den Gefiißptlanzcn« gewesen, an denen auch
SrHWENDENER als Assi.stent beteiligt war, die ihm den Gedanken nahe-
legten, eine in gleicher Weise tief eindringende anatomisch-entwicklungs-
geschichtliche Untersuchung auch im Bereiche der niederen Pflanzen aus-
zuführen. Es mußte ferner den jungen Forscher, der es im Gebrauch des
3Iikroskops so rasch zu hoher Meisterschaft gebraclit hatte, besonders
reizen, seine Kunst an einem in histologischer Hinsicht so schwierigen
Objekte zu erproben, wie es der Flechtenkörper ist.
Y^ hat sicli in der Geschichte der biologischen Wissenschaften wohl
kaum ein zweites Mal ereignet, daß die Ergebnisse einer nüchtern-deskrip-
tiven Untersucliung in einer so unerwarteten, kühnen und vielen Forschern
ganz phantastisch erscheinenden Schlußfolgerung gegipfelt haben, wie
ScHWENDENERs Arbeiten über den Flechtenthallus. Dieses Ergebnis wird
schon im Nachtrag zur letzten Abhandlung Ober die Laub- und Gallert-
flechten 1868 kurz angedeutet: es drängt sich ihm die Frage auf, ob nicht
vielleicht für sämtliche Flechten die Annahme gilt, daß ihre grünen Zellen,
die sog. »Gonidien durchgehends als typische Algen und die farblosen
6 Haberlandt:
Zellfäden als Pilzhyplien zu betrachten seien«. Diese einstweilen noch hy-
pothetisch ausgesprochene Ansicht hat Schwendener in seinem 1869 er-
schienenen Programm für die Rektoratsfeier der Universität Basel, an die
er zwei Jahre früher als ordentlicher Professor berufen worden, zur völligen
Gewißheit erhoben. Der Titel dieser Arbeit, in der die moderne Flechtcn-
theorie vor genau einem halben Jahrhundert begründet wurde, gibt bereits
die Richtung an, die die Beweisführung einschlägt. Er lautet nämlich:
»Die Algentypen der Flechtengonidien«. Es wird darin der zwingende
Nachweis erbracht, daß die (ionidien der verschiedenen Laub-, Strauch-
und Gallertflechten auf das genaueste acht verschiedenen Algentypen ent-
sprechen und daß diese vollständige Übereinstimmung nur verständlich
wird, wenn man die Gonidien für Algen erklärt. Die Flechten sind dem-
nach als besondere Hauptabteilung der Kryptogamen zu streichen, sie sind
vielmehr Pilze aus der Klasse der Ascomyceten, die auf Algen schmarotzen.
In der Einleitung dieser Schrift wird auch das physiologische Verhältnis
•zwischen Pilz und Alge im Sinne einer Lebensgemeinschaft, fvir die de Bary
später den Ausdruck Symbiose geprägt liat, mit eindringlichen Wollen
richtig gekennzeichnet. »So bieten uns also die Flechten«, sagt Schwendener,
»diese ,rustici pauperrimi' das düstere, aber doch lebensfrische Bild eines
herrschenden, man möchte beinahe sagen mit staatsmännischer Klugheit
berechneten Schmarotzertums auf der einen, und eines niederen, zu ewiger
Unfreiheit verurteilten Helotentums auf der anderen Seite, — ein Bild,
das zwar in einzelnen Zügen auch im Tierreich und im Leben der Völker
seine Analogien findet, jedoch in dieser Eigenartigkeit und Absonderlich-
keit in der ganzen Reihe organischer Wesen nicht wiederkehrt.«
Nach dem Abschluß seiner Flechtenarbeiten traf Schwendener alsbald
die Vorbereitungen für seine zweite wissenschaftliche Großtat. Die Neigung
zur Bearbeitung mechanischer Probleme, die ihn von nun an nicht mehr losließ,
veranlaßte ihn, sich mit der Frage zu beschäftigen, was fiir Festigungs-
einrichtungen den Pflanzen zu Gebote stehen und ob sich in Bau und An-
ordnung dieser Einrichtungen die Anpassung an ihre Funktion bestimmt
zu erkennen gibt. Es erscheint uns heute fast unbegreiflich, daß diese Frage
so spät erst aufgeworfen wurde, wo doch jeder Laie sich sagen mußte, daß
vom Grashalm angefangen, der im Winde schwankt, bis zum mächtigen
Baumriesen, dessen Stamm die schwere Last der Krone zu tragen hat, an
den Pflanzenkörper die mannigfachsten Festigkeitsansprüche gestellt werden.
Gedächtnisrede auf Simon Schwendener. 7
Daß die Tiere ein Skelett besitzen, sei es nun Hautskelett oder Knochen-
gerüst, legte unbegreiflicherweise keinem Botaniker vor Schwendener den
Analogieschluß nalie, daß auch bei den Pflanzen ein mechanisches System,
ein Skelett zu erwarten sei. Dabei war es nicht einmal eine gewisse Scheu
vor gewagten Analogieschlüssen, die diese Kurzsichtigkeit verschuldete. Nur
zu oft haben in der Geschichte der Anatomie und Physiologie der Pflanzen
falsclie Analogien mit den Einrichtungen des tierischen Organismus eine ver-
hängnisvolle Rolle gespielt und die Entwickelung der Wissenschaft aufge-
halten. Hat doch schon einer der Begründer der Pflanzenanatomie, Malpighi,
die Wasserleitungsröhren des Holzes wegen ihrer Ähnlichkeit mit den Tracheen
des Insektenleibes als Durchlüftungsorgane bezeichnet, Alexander von Hum-
boldt die Bastzellen in funktioneller Hinsicht mit Muskelfasern verglichen und
Schui.tz-Schultzenstein die Milchsaftgefäße der Pflanzen dem Gefaßsystem
der Tiere an die Seite gestellt. Um so größer ist das Verdienst Schwendeners,
zum ersten Male seit der Entdeckung des zelligen Baues der Organismen
eine richtige Analogie großen Stiles im anatomischen Bau des Tier- und
Prtanzenkörpers aufgedeckt zu haben.
Das klassische Werk, worin Schwendener seine Entdeckung des mecha-
nischen Gewebesystems der Pflanzen mitgeteilt hat, ist 1874 unter dem
Titel »Das mechanische Prinzip im anatomischen Bau der Monokotylen«
erschienen. Es Tällt auf, daß damit nicht das Pflanzenskelett als solches,
sondern das mechanische Prinzip, das seinen Aufbau beherrscht, in den
Vordergrund gerückt wird. Das ist gewiß mit voller Absicht geschehen,
denn nicht die Tatsache, daß die Pflanzen überhaupt ein mechanisches System
besitzen, war für Schwendener das Neue und Wichtige, sondern daß in
Bau und Anordnung dieses Systems die Prinzipien der theoretischen Mechanik
in überraschend vollkommener Weise zur Geltung kommen. Die vollendete
Übereinstimmung zwischen Bau und Funktion war es, worauf Schwendener
das Hauptgewicht legte.
Damit war aber der Grundstein gelegt für das Lehrgebäude der physio-
logischen Pflanzenanatomie. Gleich der zweite Satz des vorhin erwähnten
Werkes lautet: »Bei den Gefäßpflanzen sind alle wichtigen Funktionen
auf eben.so viele anatomisch ausgezeichnete Gewebeformen verteilt.« Es
kann sonach keinem Zweifel unterliegen, daß Schwendener sclion bei der
Abfassung des »Mechanischen Prinzips« eine anatomisch -physiologische
Einteilung der Gewebesysteme vorschwebte, weijn er diesen Gedanken auch
8 H A B E R L A N I) T :
nirgends Aveiter ausgeführt und begrändet hat. ¥,s muß sogar auffallen,
daß ScHWKNDENER drei Jalire später in der 2. Auflage des »Mikroskops«
im Widersprucli mit dem vorliin zitierten Satze nur zwei Gewebesysteme
unterschieden liat, das ernährungsphysiologische und das mechanische Sy-
stem, wobei er dem ersteren nicht nur die Funktion der Assimilation, der
Stoffleitung und Stoffspeicherung, sondern auch den Schutz gegen zu rasche
A^erdunstung u. a. zuschrieb. Und in der Antrittsrede, die er am 8. Juli
i88o in unserer Akademie gehalten hat, sprach er sich über die Zukunft
der neuen Richtung noch sehr vorsichtig und zurückhaltend aus. Es sei
erst ein kleiner Schritt nach einem entfernten Ziel getan; auch dürft« die
Wechselbeziehung zwischen Bau und Funktion der Gewebe nur teilweise,
oft nur in wenigen Punkten erkennbar sein. Um so größer war daher
seine Genugtuung, als sich bald darauf auf Grund eigener und zahlreicher
Schülerarbeiten herausstellte, daß jene Wechselbeziehungen doch zahlreicher
sind und mit größerer Sicherheit aufgedeckt werden können, als er sich
anfänglich dachte. Und als dann vier Jahre später, 1884, die erste Auf-
lage meiner »Physiologischen Pflanzenanatomie» erschien, da sah er früher,
als er gehofft, den Wunsch verwirklicht, den er mir gegenüber in Tübingen
unmittelbar nach dem Erscheinen des letzten großen Handbuches der rein
deskriptiven Pflanzenanatomie von de Bary 1877 geäußert hatte: »Das in-
haltsreiche verdienstliche Werk, das ich hier in den Händen halte, kann
keine Anregungen mehr bieten und ist deshalb veraltet. Die Zukunft ge-
hört einem Lehrbuch der physiologisc^hen Pflanzenanatomie.« Er hat rich-
tig prophezeit. Nach mehr als einem Menschenalter durfte ich dem Meister
beim Eintritt in sein 90. Lebensjahr die 5. Auflage meines Werkes widmen.
Im Jahre 1876 war Schwenhener als Nachfolger Hofmeisters an die
Universität Tübingen übersiedelt. Er fühlte sich^ hier sehr wohl. Die an-
mutige Landschaft und ein sympathischer Kollegenkreis machten ihm den
Abschied schwer, als er schon zwei Jahre später, 1878, als Nachfolger
Alexander Brauns an die Universität Berlin berufen wurde. Hier sammelte
er in dem neubegründeten botanischen Institut alsbald einen Kreis begeister-
ter Schüler um sich, auf den er bei der Annahme des Rufes mit Bestimmt-
heit gerechnet hatte. In rascher Folge veröffentlichte er selbst in den
Schriften unserer Akademie eine Anzahl wichtiger Beiträge zur allgemeinen
Botanik, die meist zugleich die Lösung mechanischer und physikalisch-
physiologischer Probleme brachten. So die Arbeiten über Scheitelwachstum
Geddchtimrede auf Simon Schwendener. 9
mit mehreren Sclieitelzelleii, über Bau und ."Mechanik der Spaltöffnungen,
die durch Waclistum bedingte Verschiebung kleinster Teilchen in trajek-
tonischen Kurven, über das Winden der Pflanzen, die Schutzscheiden und
ihre Verstärkungen, Untersuchungen über das Saftsteigen, über Quellung
und Doppelbrechung vegetabilischer Membranen, die Gelenkpolster von
Mimom jntdica, PhaseoluK und Oxalis, über den üffnungsmechanismus
der Anthercn u. a. m. Seit 1890 aber sah er sich genötigt, die Waffen
seines Scharfsinns zur Verteidigung seines dritten Hauptwerkes anzuwenden,
mit dem er sich 1878 in Berlin eingeführt hatte, seiner »Mechanischen
Theorie der Blattstelhmgen«. Sie ist sein Schmerzenskind geworden.
Die s])iralige Stellung der Blätter am Stengel war seit jeher ein Lieb-
lingsthema der Ptlanzenmorphologie. Die Naturphilosophie der ersten De-
zennien des 19. Jahrhunderts Iiat sie in ehien mystischen Schleier gehüllt,
liinter dem der alternde Goethe eine allgemeine Spiraltendenz der \'ege-
tation zu erblicken glaubte. Sie hat diesen rätselhaften Charakter auch
nicht verloren, als Karl Schimver und Alexander Braun eine in rein for-
maler Hinsicht höclist vollendete Blattstellungslehre schufen, deren geo-
metrische Konstruktionen die verschiedenartigsten Blattstellungen mit großer
Eleganz auf ein einheitliches Prinzip zurückzuführen vei-mochten. Von einer
kausalen Erklärung der Blattstellungen konnte dabei keine Rede sein. Die
idealistische Naturauffassung Sohimpers und Brauns hat darauf von vorn-
herein verzichtet.
Der erste, der vom Standpunkte der Entwicklungsgeschichte aus die
Spiraltendenz bei der Entstehung der Blätter leugnete, war W. Hofmeister.
Nach ihm sollte in einer bestimmten Zone des Stammscheitels jeder be-
liebige Punkt befiihigt sein, zu einer Blattanlage auszuwachsen. Der Ent-
stehungsort eines neuen Blattes Avird bestimmt durch die Konfiguration
der älteren Blattanlagen; die neuen Blätter entstehen über den weitesten
Lücken zwischen den nächstbenachbarten älteren Blättern; sie entstehen
dort, wo sie den meisten Platz tinden.
Diesen zuerst von Hofmeister ausgesprochenen Satz hat nun Schwenoener
ni»emommen und durch den Hinweis darauf ergänzt, daß die Biattanlagen, so-
bald si<? die Form von halbkugeligen Höckern erlangt hal)en. mit den be-
naciibarten in immittelbare Berührimg treten, indem sie mindestens zwei
«ierselben tangieren. Dieser Kontakt der neuen Organe mit vorhergehenden
ist die wichtig.ste Voraussetzung für den eigentliclien Kern der Schwen-
Vliyx.-math. Klasse, lillil. Gfdüchluisr. 2
10 Haberla.ndt:
DENERSC'lien Blattstellungslelire. für die Druckuirkuiigen. flie zu <leii soge-
nannten »Daclistuhlverscliiebungen« führen. Die nieclianisclien Folgen dieser
Druckwirkungen werden nun in nuisterliafter Weise klargelegt. Ilir Er-
gebnis sind die mannigfachen Blattstellungen und ihre Übergänge am aus-
gewachsenen Stengel. Was uns Schwendener mit die.ser Theorie bietet,
das ist einmal wirkliche »Entwickelungsmechanik« im strengsten Sinne
des Wortes.
Die Angrifle gegen die neue Blattstellungstheorie ließen über ein
Jahrzehnt lang auf sich warten. Sie setzten, was ausdrücklich betont
werden muß, in wirksamster Weise nicht am prinzipiell wichtigsten Punkte
an, an den Folgen der Druckwirkungen, sondern am .Zustandekommen des
Kontaktes und an dem Prinzip der vollständigen Raumausfullung durch
die neuen Blattanbigen. Für das eigentliche Wesen <ler Theorie muß es
aber gleichgültig sein, von welchen Faktoren die Orte der ersten Anlage
der neuen Blätter bestimmt werden, wenn nur bei ihrem allmählichen
Größerwerden der Anschluß erreicht wird und die Druckwirkungen ein-
setzen können. Daß es sich bei der ersten P]nt.stehung der Blattanlagen
nicht um eine grobniechanische Kaunifrage handeln kann, daß vielmehr
walirscheinlich chemische Reizwirkungen, die von den älteren Anlagen
ausgehen, die P^ntstehungsorte der jüngeren Blätter l)estimnien. ist gegen-
wärtig kaum zu bezweifeln. Ansätze zu einer solchen Erklänmg, die auf
innere Ursachen olme naturphilosophischen Beige.schmack zurückgreift, sind
schon vorhanden. Was aber die Verschiebungen der heranwachsenden
Blattanlagen nach eingetretenem Kontakt anlangt, so wird sich erst noch
zeigen müssen, ob nicht, in vielen Fällen wenigstens. ScHWENnENER doch
Recht behält. Aber selbst dann, wenn die mechanische Theorie der Blatt-
stellungen mit allen ihren Voraussetzungen in ihre (Jänze fallen würde.
so wäre sie doch in der (Jeschichte der Pflanzenmorphologie eine ebenso
notwendige Erscheinung, die wir keinesfalls vermissen niöchten. wie die
rein formalgeometrische Blattstellung.slehre von Schimper und Braun. Sie
wird immer als klassisches Beispiel eines streng kausalmechani.schen Er-
klärungsversuchs anzuseilen sein.
Zu den großen Zeit- und Streitfragen der Biologie hat sich Sch\Cendener
nur selten und meist sehr zurückhaltend geäußert. Er war ein überzeugter
Anhänger der Deszendenzlehre, zugleich aber mit Nägeli ein entschiedener
Gegner der Selektionstheorie. Als ich in der ersten Auflage meiner »Physio-
Gedochtnb^rede auf Simon Schwendener. 1 1
logischen Pflaiizenanatomie" den Satz aussprach, daß es erst dem Scharfsinn
Darwins gelungen sei, für die teleologische Erklärungsweise die mechanische
Formel zu finden und so die Bahn für die Erforschung zweckmäßiger
Einrichtungen im Bau der Organismen freizumachen, da erhob Schwendener
für seine Person brieflicli Einspruch gegen eine solche Darstellung. Er
sei ganz unabhängig und unbeeinflußt von DAUwiNSchen Ideen über das
Zustandekommen zweckmäßiger Anpassungen zu seiner Aufstellung des
so rationell gebauten mechanischen Gewebesystems gekommen. Die
biegungsfesten und druckfesten Konstruktionen der Ingenieure, die eisernen
Brücken und Bahnhofshallen mit ihren zahllosen 1-Trägern seien es ge-
wesen, die ihn auf die Idee eines nach gleichen Prinzipien gebauten
Prtanzenskeletts gebracht hätten, nicht aber ÜARWiNSche Gedankengänge.
Später hat sich Schwendener betreffs des Zustandekommens zweckmäßiger
Anpassungen an Nägelis Theorie der direkten Bewirkung, also dem Neo-
lamarckismus, angeschlossen und mithin auch eine Vererbung erworbener
Eigenschaften angenommen. An der Begründung dieser Lehre hat er sich
aixr nicht weiter beteiligt. Er hatte eine zu starke Abneigung vor speku-
lativen Weiterungen und vor dem Gewirr naturphilosophischer Konsequenzen.
Unter Naturj)hilosophie verstand Schwendener freilich vor allem jene Denk-
richtung, die sich in der idealistischen Morphologie der ersten Hälfte des
19. Jahrhunderts aussprach und die er auch noch bei den Gegnern seiner
Blattstellungslehre voraus.setzte, wenn sie auf innere Ursachen der Ge-
staltung hinwiesen. In solchen Fällen betonte er immer aufs schärfste
seine streng mechanistische' Auffassung der Lebensvorgänge.
Je älter Schwendener wurde, desto mehr Wert legte er auf die Er-
klärung der Naturerscheinungen, auf die Aufdeckung der Zusammenhänge,
und desto geringer dachte er von der bloßen Aufstapelung von Beobachtungs-
tatsachen. Diese Geringschätzung der rein beschreibenden Forschung muß
eigentlich wundernehmen bei einem Planne, der am Beginn seiner Laufbahn
eine solche Fülle reiner Beobachtungstatsachen gesammelt hat. Die Wurzeln
dieser Abneigung, die sich fast bis zur Feindseligkeit steigerte und ihm auch
bei der Würdigimg systematis<;her Arbeiten hinderlich im Wege stand,
waren letzten Endes in seiner allmälichen Abkehr von der unmittelbaren
Naturbeobachtung zu suchen, die teilweise auf starker beruflicher Inan-
spnichnahme, teilweise wohl auch auf dem Nachlassen seiner Sinnesfunk-
tionen beruhte. Entscheidend war freilich der kontemplative, nach innen
12 II ABERLAND t: (ic(l('ichtnisre(ie auf Simon Schirendcner.
gekehrte Zug seines Wesens. Die Einzelbeobachtung wurde ilim bald nur
Mittel zum Zweck, er hatte kein Interesse, kein ^"ergnfigen mehr an einer
neuen Beobaclitung als solcher, und da ihm diese naive Kntdeckerfreude all-
mählich verlorenging, blieben auch die Avissenschaftlichen Anregungen aus,
die dem Biologen nur im steten innigen Verkelir mit der unergründlich
mannigfaltigen Natur zuströmen. So breitete sich eine leise Tragik über
die beiden letzten Jahrzehnte seines Lehens, die iJim aber in seiner ruhigen
Selbstsicherheit zum Glück kaum zum Bewußtsein kam.
Das Einheitliche, (beschlossene, man mödite sagen Monumentale, das
sich in Schwendeners Forscherarbeit aussprach, war der Ausdruck seiner
starken, schart'umrissenen und imponierenden Persönlichkeit. Kr Avar ein
stolzer, aufrechter Mann, unnachgiebig, ja schroff*, wenn es galt, für seine
wissenschaftliche Überzeugung einzutreten, doch milde, gütig, nachsichtig
in allen menschlichen Dingen. So lebt er fort in unserer Erinnerung und
in der Geschichte der Wissenschaft.
Berlin, gedruckt in der Reiehsdruckerei.
'ä<<'t*^
AS Akademie der Wissenschaften,
182 Berlin. Philosophisch-Histo-
B3A Tische Klasse
1919 Abhandlungen
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