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Full text of "Abhandlungen der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft"

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Vibrary of the Museum 


OF | 


COMPARATIVE ZOÖLOGY, 


AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. 


The gift of Cha RE 
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No. 4069, 


Aug. 8 88- Aug u182. 
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ABHANDLUNGEN 


HERAUSGEGEBEN 
® 


VON DER 


SENCKENBERGISCHEN NATURFORSCHENDEN 
GESELLSCHAFT. 


ZWOÖELFTER BAND. 


Mit XLVI Tafeln. 


FRANKFURT .M. 
CHRISTIAN WINTER. 


1881. 


Inhalt. 


A. Turner, Die Geologie der primitiven Formationen RR En 

Jul. Notthaft, Ueber die Gesichtswahrnehmungen vermittelst des Facettenauges. 
Mit drei Tafeln. Ba a Re ae a ee See a = 

©. v. Lejtenyi, Ueber den Bau des Gastrodiscus polymastos Leuckart. Mit drei Tafeln 

4A. Hansen, Vergleichende Untersuchungen über Adventivbildungen bei den Pflanzen. 
Mit neun Tafeln DE Re ME Re NR YEN LEN TER Ve 

H. Th. Geyler, Ueber Culturversuche mit dem Japanischen Lackbaum (Rhus vernicifera D. C.) 
im botanischen Garten zu Frankfurt a. M. Mit zwei Tafeln a AR 

V. L. Seoane, Neue Boiden-Gattung und Art von den Phillippinen. Mit einer Tafel 

4A. de Bary, Untersuchungen über die Peronosporeen und Saprolegnieen und die 
Grundlagen eines natürlichen Systems der Pilze. Mit sechs Tafeln . 

O. Böttger, Beitrag zur Kenntr'ss der Reptilien und Amphibien Spaniens und der 
Balearen Be N RAR ee ET TREE NEN der 

— — Aufzählung der v. Frhrn. H. und Ffr. A. von Maltzan im Winter 1880—81 am 
Cap Verde in Senegambien gesammelten Kriechthiere. Mit einer Tafel... 


’ 


— —a H. Lenz und F. Richters, Beitrag zur Krustaceenfauna von Madagascar. 


Mit einer Tafel U BL ge, Mas Tr Fe, 
O. Böttger, Die Reptilien und Amphibien von Madagascar. Dritter Nachtrag. Mit 
fünf Tafeln SU a rn Ba an ee ae A ne 
M. Woronin, Beitrag zur Kenntniss der Ustilagineen. Mit vier Tafeln . 


Seite 

1— 35 
35—124 
125—146 
147—198 
199—216 
217—224 
225 —370 
371— 392 
3593—419 
421-433 
435—558 
559—591 


Die 
Geologie der primitiven Formationen 


von A. Turner. 


I. Die Frage der Erdentwicklung. ') 


Wenn die Geologen der alten und neuen Zeit auch in der Anschauung der all- 
gemeinen Entwicklungsformen sich öfters diametral entgegenstanden, in einem Punkte war 
die Harmonie völlig hergestellt, der auf den Uranfang der Bildung, den ausdehnsamförmigen 
Zustand in der ersten Entwicklungsperiode Bezug hatte, Sobald es sich aber um den Ueber- 
gang aus dem gasförmigen in den flüssigen Aggregatzustand handelte, gingen die Ansichten 
wieder direct auseinander, da die Einen als Uebergangsresultat eine geschmolzene, die Andern 
eine wässrigflüssige Verfassung folgern zu müssen glaubten, und auf dieser Basis baute nun 
Jeder seine eigene Theorie auf. — Objectiv betrachtet, muss jedoch die Entscheidung auf 
Grund der vorhandenen Verhältnisse zu Gunsten der Ersteren ausfallen, wenn in erster 
Linie berücksichtigt wird, dass der Planet im gasförmigen Zustande auf die Dauer nicht als 
homogene Masse betrachtet werden kann, dass vielmehr bei der grossen Ausdehnung dieser 
Atmosphäre, die Mineralgase nach dem Gesetz der Schwere um den gemeinschaftlichen Schwer- 
punkt, also im Centrum sich im grossen Ganzen concentrirten, und in Folge des hohen 


Druckes der höher liegenden Schichten zu Dampf und endlich zur flüssigen Masse verdichtet 


!) Vergl. hierüber die Arbeiten von Gerhard, Abhandl. der Berl. Akademie, 1812 p. 1—11; 
Leopold v. Buch, Abhandl. der Berl. Akademie 1822/42; Gümbel, Geognost. Beschr. Bayerns, Bd. II; 
Vogt, Geologie; Neumann, Geognosie; Cotta, Geologie der Gegenwart; Toula, Ueber das Erdinnere, 
Streng, Zur Theorie des Plutonismus, Min. Mitth. 1878; Mallet, Phils. Trans. R., Vol. 16311; Bischof, 
Chem.-phys. Geologie u. Supplementsband; Lyell, Dana, Angelott, Daubre&e, Delesse, Studer 
Volger, Beaumont, Scheerer, Scorpe, Boues, Strange, Macculloch, Hutton u.s. w. 

Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 1 


werden mussten. Diese flüssige Aggregatform konnte jedoch nicht eine wässrige Lösung 
ausmachen, da die Bestandtheile des Wassers hinsichtlich des spec. Gewichtes weit hinter 
den meisten Mineralsubstanzen rangiren, folglich in einer weit späteren Zeitperiode bei der 
Concentration der Elemente berücksichtigt werden dürfen, also erst nach jenem Stadium der 
Contraction, wo die meisten Mineralgase in Folge des hohen Druckes in Dampf und den flüs- 
sigen Zustand übergegangen waren. 

Die flüssige Aggregatform der Mineralsubstanzen ist aber ausschliesslich die einer 
geschmolzenen Masse, eine wässrige Lösung nur dann denkbar, wenn thatsächlich in oder 
mit Hülfe des Wassers eine Sammlung oder Zersetzung von Mineralsubstanzen stattfinden kann. 
Das Resultat des Ueberganges vom ausdehnsamförmigen in den flüssigen Zustand konnte 
folglich in diesem Falle nur das Stadium der geschmolzenen feuerflüssigen Masse sein, und 
dieses Stadium bei der Bildung des Planeten repräsentirt den ersten Abschnitt in der Ent- 
wicklungsgeschichte der Erde überhaupt. } 

Damit wäre also zunächst eine feste Grundlage für die Weiterentwicklung geschaffen ; 
geht man nun bis zu der Phase, wo die Concentration der kosmischen Massen so weit fort- 
geschritten erscheint, dass Druck und Temperaturverhältnisse die Verbindung von Wasserstoff und 
Sauerstoff ermöglichen, so ergibt sich eine Situation, welche wohl geeignet ist, als die die wichtigste 
der ganzen Bildungsperiode des Planeten bezeichnat zu werden. Denn obwohl der zunächst 
gebildete Wasserdampf bei dem hohen Druck der ausgedehnten Atmosphäre unter Temperatur- 
verhältnissen vor sich gehen musste, welche von denen der geschmolzenen Massen wenig 
differiren mochte, so war der Gegensatz beider Elemente doch so hervorragend, dass, mächtige 
Conflicte mit dem Eintreten des Wassers in die Erscheinung nothwendigerweise resultirten. 
Sobald aber die Entwicklung der Wasserdämpfe so weit gediehen war, dass sie in ge- 
schlossener Masse den innern Kern einzuhüllen vermochten, da musste der hohe Druck der 
darüber sich ausbreitenden Atmosphäre hinreichen, die untersten Dampfschichten in die flüssige 
Aggregatform zu zwingen, bei einer Temperatur, die jener der geschmolzenen Masse nichts 
nachgab. — Mit der Temperaturausgleichung war aber auch das hauptsächlichste Hinderniss 
beseitigt, unter dem hohen Drucke der überlagernden Dampf- und Gasmassen eine directe 
Vermischung des Wassers mit den geschmolzenen Massen des Erdinnern herbeizuführen, und 
zwar auf eine grosse Distanz gegen den Mittelpunkt des Planeten, im Verhältnisse der Ein- 
wirkung des äusseren Druckes, also der Gleichgewichtsbedingungen zwischen diesem Drucke 
und den Reactionsbestrebungen der geschmolzenen Massen, gegen die durch äussere Kräfte 


aufgedrungenen fremden Elemente des Wassers. 


| 
(db) 


Das aus diesem Conflicte resultirende Ergebniss ist nun thatsächlich ein mit Wasser 
gemengtes oder mit ihm zusammengeschmolzenes Magma, jedoch kein Zersetzungsproduct!) 
in dem von Naumann und Mitscherlich gegebenen Sinne, sondern ein Gemenge, bei welchem 
das Wasser nun einen wesentlichen Antheil hat, der den Charakter einer geschmolzenen Masse 


hinsichtlich des chemischen Verhaltens allseitig modificiren musste. 


Bisher konnte sich die Geologie gerade über diesen Abschnitt der Entwicklungsgeschichte 
nicht klar werden; denn wenn auch Sorby, Scheerer, Naumann und eine Reihe hervor- 
ragender Geologen das Bedürfniss gefühlt haben, dem Feuer und Wasser gleichzeitige Thätig- 
keit bei den Bildungen der primitiven Formationen einzuräumen, so war man doch über Mittel 
und Wege zu diesem Bildungsstadium völlig unklar, eine Vermuthung ohne den nothwendigen 
logischen Zusammenhang der ganzen Entwicklungsart des Planeten, die sich mehr oder weniger 
den Aufstellungen anlehnte, welche Mitscherlich in seiner Abhandlung an d. Akd. d. Wiss., 
Berlin 1822/23 gegeben hatte. Namentlich konnte man sich bis jetzt nicht von der vorgefassten 
Ansicht trennen, dass erst eine feste Kruste sich gebildet haben müsse, bis Ablagerungen aus 
dem Wasser überhaupt stattfinden könnten, demnach auch Mitscherlich und Naumann 
annahmen, dass die durch das Wasser zersetzte, geschmolzene Masse unter der bis zur Weiss- 
glühhitze erwärmten Wasserdecke oder Dampfatmosphäre zur Erstarrung gelangt seien und 
diese zuerst erstarrte Decke nun gerade jene Formationen umfasse, die die primitiven Gesteins- 
massen repräsentiren. Dieser Fall ist nun in dem Sinne, wie er gegeben erscheint, nicht wohl 
zulässig; denn so lange das Wasser eine so hohe Temperatur unter Einwirkung des äusseren 
Druckes halten konnte, war an eine Erstarrung des Magma, welches hier an die Stelle der 
zersetzten Masse substituirt werden muss, nicht zu denken; erst die von aussen nach innen 
fortschreitende Abnahme der Temperatur konnte hier beeinflussend einwirken, und zwar einer- 
seits dadurch, dass durch diese Abnahme nach und nach die ausgedehnten Dampfmassen voll- 
ständig in tropfbarflüssigen Zustand übergingen, und dass in weiterer Hinsicht bei fortgesetzter 
Abkühlung auch die Volumina des Wassers, welches in diesem Erwärmungszustande den Raum 
der höchsten Bergspitzen überschreiten musste, erheblich zur Reduction gelangten, der Druck 


also auf die tiefer gelegenen Schichten sich in demselben Maasse verringerte. 


Wenn nun noch weiter in Betracht gezogen wird, dass die Erstarrungsverhältnisse und 
auch die chemische Affinität der mit Wasser vermengten Masse nicht mehr den der geschmolzenen 


Mineralsubstanzen, sondern im Verhältnisse der Vermischung mehr jenen einer wässerigen 


!) Naumann, Geognosie B. II. p. 10, 148, 156. 


En a 


Lösung bei hoher Temperatur gleichkommen, so ist mit Sicherheit anzunehmen, dass die Anfänge 
der Erstarrungskruste unter der Wasserdecke erst in einer sehr späten Zeit erfolgt sind, jeden- 
falls eine geraume Zeitepoche über den Abschnitt hinaus, in welchem die Conflietsperiode des 
Wassers mit der geschmolzenen Masse des innern Planeten ihren Abschluss gefunden, das 
Gleichgewicht des äusseren Druckes und des innern Reactionsvermögens der geschmolzenen 
Masse bereits hergestellt war, welche im Kern der Erde in Folge des unzureichenden Druckes 
von aussen, noch ohne Vermischung mit dem wässerigen Elemente, demnach in rein pyrogener 
Verfassung als unveränderter Rest geblieben sein mochte. 

Der Contractionszustand des Planeten nach Abschluss dieser Ausgleichungsperiode, welche 
als die zweite Entwicklungsphase der Erde betrachtet werden kann, ist auf Grund dieser Ver- 
hältnisse folgender: Den Kern des Planeten bildet die feurigflüssige Masse, die in Ermanglung 
hinreichenden Druckes keine Verbindung mit dem wässerigen Elemente erzielte; die darüber 
sich ausbreitende Masse, welche naturgemäss in successivem Verlaufe in die untere geschmolzene 
Masse, einen Procentsatz an Wasser aufnehmen musste, der Function ist des Druckes, welchen 
die Schichten der darüber sich ausbreitenden Wassermassen, der Dampf- und Gasatmosphäre 
auszuüben und so zunächst eine wässerige Schmelzung hervorzurufen vermochten, die ohne, 
diesen Druck auf natürlichem Wege nicht hätte stattfinden können. 

Ueber (diesem wässerigen Magma dehnen sich nun die gewaltigen Wassermassen aus, 
welche schon in Folge des stattgefundenen Conflictes in den unteren Schichten, in grossem 
Maassstabe mit den verschiedenen Mineralsubstanzen verunreinigt sein mussten, ganz abgesehen 
davon, dass bei der hohen Temperatur dieser Zeitperiode eine grosse Reihe von Substanzen 
im Wasser aufgelöst sich erhalten konnten, welche bei gewöhnlicher Temperatur und ohne er- 
höhten Druck sich ohne weiteres nicht auflösen lassen. 

Man hat folglich hier ein Meer von schwebenden Bestandtheilen, von ganz und halb- 
gebundenen Substanzen, die in dem Maasse zur Ausscheidung und Ablagerung gelangen mussten, 
als die Ruhe in den. unteren Regionen, wenigstens im allgemeinen, einen stabileren Charakter 
annehmen konnte, und diese Ablagerungsproducte bilden nun die Basis für die Entstehung der 
primitiven Formationen; nicht die Erstarrungskruste des wässerigen Magma, sondern Sedimentär- 
gebilde, welche bis zur Thonschieferformation hinauf aus den schwebenden und gelösten Bestand- 
theilen des Wassers und dem Eruptionsmaterial der gleichzeitigen Periode, sich gebildet haben, 
im Gegensatze zu jenen Sedimentärgebilden, weiche vom Thonschiefer aufwärts der Mehrzahl 
nach, aus den Ablagerungen herrühren, die hauptsächlich von bereits an die Oberfläche treten- 


den Landmassen durch die abfliessenden Gewässer angeschwemmt wurden. 


Man wird demnach für die Folge zwischen den Sedimentärablagerungen zu unterscheiden 
haben, ob dieselben den ursprünglichen Ablagerungen der schwebenden Bestandtheile des Wassers, 
also den ältesten oder primitiven Sedimenten angehören, oder jenen jüngeren secundären 
Bildungen, die als blos angeschwemmte Massen den späteren Zeitepochen angehören, wo die 


Abnahme der Temperatur bereits die Bildung von Organismen im Wasser möglich machte. 


Il. Ueber den Aufbau der primitiven Formationen. *) 


Aus den im Vorangegangenen erörterten Entwicklungsverhältnissen bei der Contraction 
des Planeten, bis zu den Anfängen der Bildung einer festeren Decke, ergibt sich nun eine 
unabhängige Basis für die Erklärung des Entstehens der Urgebirgsformationen, mit allen Abnor- 
mitäten und Phänomenen, so bizarr und wunderlich dieselben mitunter auch aussehen ; aber gerade 
dieser Durcheinander in den untersten Schichten der crystallinischen Silicatgesteine ist der 
Normale; das Wunder wäre ein viel grösseres und unverständlicheres, wenn, wie bei den secun- 
dären Sedimentgesteinen, eine durchaus regelmässige Schichtung und ruhige Anordnung der Be- 
standtheile sich vorfinden würde. Denn die letzteren haben sich gebildet, als bereits allgemeine 
Ruhe auf der Oberfläche der Erde herrschte, als schon eine feste Decke die Gewässer von 


den innerhalb befindlichen Massen des Magma und dem Rest von geschmolzenen Massen trennte, 


*) Vergl. d. Ansichten hierüber: Naumann, Geognosie B. II p. 10, 148—156; Gümbel, Geognost. 
Beschrb. Bayerns B. II p. 162, 828—844, Ostb. Grenzgeb. 838, N. J. f. Min. 1855 p. 175; Vogt, Geologie (3); 
Credner, E., D. Geol. (3), Z. d. d. g. Ges. 1875, 1877 p. 757—792; Rosenbusch, Physiogrf. d.m.G.; Z.d. 
d. geol. Ges. 1876 p. 369—390; v. Hauer, Geologie; Bischof, chem. phys. Geologie B. III u. Supplement-B. 
1870; v. Cotta, Geologie d. G. I. Aufl. u. IV. Aufl. p. 16, 17, 41, 391, Grdr. d. Geognos. u. Geologie (2) N. J. 
f. Min. 1862 p. 648; Kalkowsky, Z. d. d. g. Ges. 1875 p. 629, 682; Schafhäutl, N. J. f. Min. 1849. 
p-. 641—665; Scheerer, Poggendf. Ann. B. LIV p. 493, Bull. de la soc. IV, VI, VII; Sorby, Z. d. d. geol 
Ges. XIV, Quart. Jour. of Geol. XIV p. 453—485; Hitchcock, Rep. on the geol. of Massachusetts 1833; 
L. v. Buch, Ann. d. Phys. et Chem. XXXIII, Abhdl. d. Akd. zu Berlin 1822, 1842; Mitscherlich, Ab- 
handlgn d. Akd. zu Berlin 1822 p.3; Karsten, Abhdl. d. Berlin. Akd. 1824 p. 1—38; Volger, Stud. z. E. d. 
Min. 1854 p. 151 N. J. f. Min. 1861 p. 3; Daubree, Ann. des mines 1857 (5) s. XII p. 259; Comptes 
rendus 1876 (13), Bull. d. 1. s. geol. d. Fr. 1877 (3) IV. 546; Zirkel, Der Umwandlungsproc. im Mineral 
reich; E. d. Beaumont, Ann. d. Min. (3) 1834; Mallet, Phil. Trans. R. s. v. 163 I. 147—227; Lossen, 
Z. d. d. geol. Ges. 1572 XXIV, 1876, 405—414; Balzer, N. J. f. Min. 1876, 77, 78. 


EN N nd 


die Reactionsbestrebungen dermaach nur noch einen sporadischen Charakter aufweisen konnten; 
es war folglich keine natürliche Ursuche vorhanden, die regelmässige Absetzung von Substanzen 
dieser Perioden in allgemeiner Form zu alteriren, dieselbe konnte vielmehr auf völlig unbe- 
hinderte Weise vor sich gehen. Das Gegentheil war der Fall für die primären Sedimentärgebilde 
oder krystallinischen Silicatgesteine. In erster Linie fehlte jeder feste Boden für die Ablage- 
rungsproducte; das unter der Wassermasse sich ausdehnende Magma befand sich wohl in einem 
brei- oder teigartigen Zustande, war aber in keiner Weise in der Lage, Reactionsbestrebungen 
des Innern und der regelmässig sich wiederholenden Fluthwelle, entgegen zu stemmen, musste 
vielmehr diese Bewegungen mit allen Consequenzen mitmachen. 

Daraus folgt, dass durch die höhere Consistenz des Magma woh] eine dichtere Grundlage 
für Niederschläge des verunreinigten Wassers geschaffen war, dass aber diese Niederschläge 
sämmtliche Bewegungen ihrer Grundlage mitmachen mussten, und dass dieselben bei den häu- 
figen Umwälzungen dieser Periode bis zur thatsächlichen Bildung einer hinreichend festen 
Decke, regelmässig theils in der Hauptmasse untergingen, oder überdeckt, zerrissen und auf die 
mannigfaltigste Weise durch einander geworfen werden mussten, so dass es gar nicht auffallen 
kann, wenn selbst noch spätere Sedimentschichten dieser Art in den untersten Theilen des 
Magma, als untergegangene Producte bei den umfangreichen Umwälzungen, einrangirt erscheinen. 
Und dieses Verhältniss zwischen den ersten Sedimentärgebilden und den untenliegenden Massen 
dauerte so lange, als die inneren Reactionsbestrebungen und die allgemeine Fluthwelle die fester 
werdende Decke regelmässig wieder zerreissen konnten, bis also thatsächlich der Widerstand 
der Ersteren ‚hinreichte, nur noch sporadisch den Durchbruch der unteren Massen in beson- 
deren Fällen des Andranges zuzulassen. Erst von diesem Zeitpunkte ab war eine regel- 
mässigere Schichtung der Sedimente möglich, der Contractionsprocess aber innerhalb der schei- 
denden Decke im grossen Ganzen von einander unabhängig. — Das ist die Situation, welche 
sich in den Urgebirgsformationen verkörpert hat, im Gneiss und selbst noch in dem Glimmer- 
schiefer auf das Grossartigste ausgeprägt, oft ein wildes Durcheinander in allen möglichen Ge- 
stalten und Formen, abwechselnd mit regelmässigen Schichtungen und Einlagerungen, mitunter 
die verschiedensten Massen durch einander gewürfelt, theilweise scharf von einander getrennt, in 
einander übergehend, oder wieder in seltsamsten Formen durch und an einander vorbeigepresst; 
das was man sich bis jetzt von keiner Basis aus erklären konnte, wird auf dieser Grundlage zum 
Normalen, Selbstverständlichen, das Phänomen der primitiven Formationen zu einem ganz 
natürlichen Act der Schöpfung. Es ist nichts Anderes, als der Kampf der Sedimente gegen 


die Fluth der inneren Massen um ihr Bestehen, und der Sieg über diese Elemente ist erst in 


— 


“dem Momente gesichert, als die hinreichend stark gewordene Decke den Durchbruch immer 
seltener ermöglicht. !) 

Die Carbonate der primitiven Formationen, von denen gar nicht anzunehmen ist, 
dass sie präexistirt haben, finden hierin ebenso ihre Erklärung; sie sind nichts Anderes, 
als Absetzungen aus den schwebenden Bestandtheilen des Wassers, welche bei den Um- 
wälzungen untergegangen und in der Masse des -Magma mit anderen Gebilden eingehüllt 
wurden, in den meisten Fällen noch in weichem teigartigen Zustande. Dem entsprechend 
kann es gar nicht auffallen, wenn auch in den untersten Gneissmassen Kalklager selbst von 
grösserer Mächtigkeit vorkommen, jedoch nicht als gleichberechtigte Glieder, sondern als Ein- 
dringlinge von aussen, die den ursprünglichen Standort vielfach gewechselt haben mögen. 

Die Frage über die Möglichkeit des Vorhandenseins von Kalkmassen in schwebendem 
Zustande innerhalb der Gewässer muss unbedingt bejaht werden; denn in erster Linie war 
der Kohlenstoff schon ein ursprünglicher Bestandtheil des kosmischen Körpers; es ist in 
keinem Falle anzunehmen, dass derselbe erst mit dem Erscheinen von Organismen auf der 
Erde aufgetaucht sei, wie G. Bischof in seiner »Chem.-phys. Geologie« unter allen Um- 
ständen annimmt, und seine Verbindung mit Sauerstoff und Calcium konnte schon zu einer 
verhältnissmässig frühen Zeitperiode erfolgen, jedenfalls aber schon in dem Zeitraume nach 


dem Abschlusse der Conflictsperiode vollzogen sein. Organismen ?) waren jedoch zu jener 


!) Es sind in neuerer Zeit bezüglich der Druckverhältnisse und dem Verhalten fester Gesteinsmassen 
bei starker Bedeckung eine Reihe Versuche gemacht worden, die zu den vortrefflichsten Resultaten in dieser 
Hinsicht geführt haben; vergl. Daubr&e, Compt. rend. 1876 (13), Bull. soc. geol. d. Fr. 1877 (3) IV. p. 546, 
Etudes synth. d. g&ol. exp. B. I. 1879; Treska, D. Glärnisch 1873 p. 48; Balzer, N, J. f. Min. 1876—1879, 
Bezüglich der Folgerungen, welche zu diesen interessanten Experimenten gemacht wurden, dürfte es wohl noth- 
wendig sein, vor einem Zuweitgehen zu warnen; denn gewiss sind die Druckverhältnisse bei grosser Bedeckung 
geeignet, Modificationen in mannigfacher Hinsicht bei den tieferliegenden Gesteinsmassen zu erzielen und eine 
Abänderung resp. Alteration der Festigkeitszustände zu ermöglichen, im Verhältnisse zu jenen, welche der 
Oberfläche näher liegen. Wenn aber auch dieser Druck auf die tieferliegenden Massen eine relative Erwei-' 
chung der Gesteine ermöglicht, so sind diese Zustände zwar wohl geeignet, Erscheinungen, wie die Schieferung 
und die damit correspondirenden Verhältnisse zu erklären und zu verstehen; aber sie reichen unter den 
günstigsten Verhältnissen nicht aus, selbst bei grosser Interpretationsgabe, Verschiebungen und Verhältnisse 
naturgemäss zu erklären, wie es bei den Lagerungsverhältnissen in den primitiven Formationen und besonders 
den Alpen nothwendig sein würde, ganz abgesehen davon, dass die Contactverhältnisse im allgemeinen, und 
die Bewegungsverhältnisse der einzelnen Gebirgsglieder nur stellenweise eine grössere Anzahl Momente aus- 
weisen, die mit der Theorie annäherungsweise in Einklang gebracht werden könnten, soweit sich dieselbe darauf 
bezieht, dass die betreffenden Formationen und Gebirgsglieder unter Einfluss des hohen Druckes nachträglich 
oder ursprünglich in die Situation gerathen wären, in welcher sie sich gegenwärtig vorfinden, also durch 
Erweichung und Auspressung einzelner Massen. 

2) Die Frage über die Existenz der Eozoon in der Lorenzischen und Huronianformation sowie dem Bayr. 
Waldgebirge dürfte z. Z. nun wohl allgemein als Irrthum erledigt gelten. Vergl. übrigenO. Hahn, Württemb. 


ERNER 


Zeit und während der Periode der Kieselsäureausscheidungen in den Gewässern nicht existenz- 
fähig, da die Temperatur noch hinreichend gross war, die freie und selbst halbgebundene 
Kohlensäure aus den Gewässern auszutreiben, wenn dieselbe, beziehungsweise die Hegemonie 
der Kieselsäure, auch nicht mehr hinreichte, die Kohlensäure aus thatsächlichen Verbindungen zu 
entfernen, namentlich aber die Existenz der Kalkcarbonate als schwebende Bestandtheile des Wassers 
zu verhindern. Auf diese Weise war es möglich, dass besonders bei den Strömungen, welche 
in Folge der continuirlichen Störungen und namentlich der Fluthwelle in den Gewässern hervor- 
gerufen wurden, Kalkniederschläge erfolgen konnten, noch während die Kieselsäureausscheidungen 
vor sich gingen, und dass diese Carbonate mit anderen Sedimenten vielfach in den Fluthmassen 
begraben wurden, wobei es ganz selbstverständlich wird, dass dieselben mit den einschliessenden 


Massengesteinen identische Erstarrungsverhältnisse durchzumachen hatten. 


Auch die Verhältnisse in den Alpen ') werden sicher auf dieser Basis eine mehr 
naturgemässe Erklärung finden, als es bisher vom hydro-chemischen oder vom pyrogenen 
Standpunkte aus möglich war; denn wenn auch nicht alle Gebilde in diesen Formationen in 
die Uebergangsperiode hinüberreichen, so sind doch die meisten Massengesteine derselben aus 
dieser Zeitepoche herrührend, allerdings wohl vorwiegend aus der Endperiode der Deckenbildung, 


da die mächtigen Sedimentbildungen in den Contactverhältnissen hierauf schliessen lassen. 


Ein Umstand, welcher bisher noch nicht berührt worden ist, wird gerade hier erklä- 
rend in Betracht kommen: die Ebbe in Bezug auf die innere Fluthwelle; zunächst ist zu 
bemerken, dass auf Grund der verschiedenen Consistenz des schwerflüssigen Magma und der 
leichtflüssigen Wassermassen eine Differenz in der Höhe der Fluthwelle des inneren Magma 
und der des Wassers resultirt, welches den äusseren Attractionskräften leichter zu folgen ver- 
mochte als die schwerer flüssige Masse des Innern; dann ist es selbstverständlich, dass wie in 


den bisher besprochenen Fällen, die Fluthwelle im Andrange die bildende Decke durchbrechen 


Jahr.-Hefte 1876, p. 152—155, und 1878, p. 155—177; Ausland 1879 p. 561; Gümbel, Jahrb. f. Miner. 1869, 
p. 551—559; Geognost. Beschr. Bayr., II. Bd., p. 211; Sitzungsbericht der Akademie München 1866, p. 25; 
v. Hauer, Geologie 1875, p. 169; Quart.-Journ. 1855, 1865, vol. XXI, XXII, XXIN; Kunze, Ausland 1879 
p. 684—686. Vergl. auch Jentsch, Mikr. Flora und Fauna der Eruptivgest., 1868; Ehr enberg, Abandl. 
der Akademie zu Berlin, 1870; Zirkel, Mikr. Beschr. der Min. 1873, p. 412. 

1) Vergl. die Publik. von Pfaff, d. g. Ges. 1376, p. 1-21 u. p. 673—681; Balzer, N. J. 
f. Min. 1876, 1877 u. 1878 u. d. g. Ges. 1878; Studer, d, g. Ges. 1872, p. 551; Geol. der Schweiz, 
I, p. 166, 183; Bull. Soc. geol. de Fr., 1846; Suess, Enst. d. Alpen, 1875; Fritsch, Beitr. z. g. K. 
der Schweiz (15); Das Gotthardgebiet, 1873; Favre, D. U. d. Mont-Blanc; v. Rath, D. geol. Ges., 1862; 
Treska, Der Glärnisch 1873; Heim, Verh. d. schw. n. Ges., 1872, p. 73, 89; Bull. Soc. geol. de Fr., 
1875; Gümbel, Abhandl. der Akad. zu München 1874/79; Cotta, Geol. Frag. aus den Alpen. 


musste, so lange nicht hinreichende Widerstandskraft vorhanden war, und umgekehrt musste in 
der Ebbecurve die Decke zurückweichen, einerseits weil sie in der ersten Zeit nicht so viel 
Festigkeit hatte, dass sie sich wie ein Gewölbe über den zurückweichenden inneren Massen aus- 
zuspannen vermochte, andererseits weil der Druck der überlagernden Wassermassen wohl auf eine 
lange Zeit hinaus hirreichte, dieses Gewölbe einzudrücken, auch wenn es für sich entsprechende 
Widerstandsfähigkeit gehabt haben würde die eigene Last zu tragen. Die Alteration der Decke 
war demnach eine zweifache und continuirliche, da die Fluthwelle sich regelmässig wiederholte, 
ohne Rücksicht auf die Reactionsäusserungen des Innern, welche sporadisch gleichzeitig zur 
Geltung gelangten. Erst mit dem Zeitpunkte, wo die Decke solche Festigkeit erlangt hatte, 
die eigene Last, die über ihr sich ausbreitende Wassermasse, und in weiterer Hinsicht den 
Atmosphärendruck auszuhalten, war allgemein die Trennung des Inneren vom Aeusseren voll- 
zogen, soweit die weitere Ausbildung hinsichtlich der wechselseitigen Unabhängigkeit in 
Betracht kommt. 

Man wird demnach gerade in den Alpen gewiss keinen Fehler begehen, die dies- 
bezüglichen Verhältnisse auf diese Umstände zu prüfen, auch wenn es sich um verhältniss- 
mässig geringe Ausdehnungen handelt, und wenn auch die verschiedenen Vorkommnisse sehr 
häufig verschiedene Ursachen haben, die weder die gleiche Zeit, noch die gleiche Bildungsart 
beanspruchen können, also vielfach in Bezug auf den Causalzusammenhang eine ganze Reihe 
von Wirkungen und Ursachen repräsentiren, und wo es demnach zunächst darauf ankommt, 
sämmmtliche Glieder der continuirlichen Kette richtig. herauszufinden, um die Consequenzen 
ziehen zu können. Es wird aber kaum einem Zweifel unterliegen, dass im directen oder indirecten 
Zusammenhang, viele von den mächtigen Fächerstellungen oder grösseren Ausbuchtungen, für 
den ersteren Fall auf das Zurückweichen der Decke in der Ebbecurve, im zweiten auf die 
Curve der Fluthwelle zu setzen sein werden, auch wenn sie nicht direct in allgemeiner Bewegungs- 
linie der Fluthbewegung liegen, da mehr oder weniger die ganze Erdoberfläche, resp. die in 
der Bildung begriffene Decke in Mitleidenschaft gezogen wurde. Allerdings darf man hier 
den allgemeinen Fall nicht mit kleinen Vorkommnissen von beschränktem Umfange ver- 
wechseln, und besonders nicht ausser Acht lassen, dass bei den vielfachen und sich wieder- 
holenden Alterationen und Zerstörungen, bei dem Durch- und Uebereinanderwälzen von Massen 
ganz verschiedener Consistenz und Bildungsform, die jetzt vorhandenen Lagerungsverhältnisse 
wohl allseitig geprüft werden müssen, um sämmtliche Ursachen herauszufinden, welche im 
Verlaufe der Bildung und der Zeit überhaupt mitgewirkt haben können, dieselben in die jetzt 


vorhandene Situation zu bringen. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 2 


ee 


Im allgemeinen jedoch lässt sich die Bildungsweise bestimmter Formationen im ganzen 
auf der gegebenen Grundlage ohne weiteres erklären und auch eine Reihe von Phänomene 
der primitiven Formationen, in Bezug auf abnorme Lagerungsverhältnisse, passen sich den 
gegebenen Bedingungen mehr oder weniger vollständig an; nur muss dabei immer berück- 
siehtigt werden, dass von den krystallinischen Massengesteinen nur ein kleiner Theil als zu 
Tage tretend beobachtet werden kann, während die Gebilde grösserer Tiefen, und wohl auch 
die ältesten Anfänge der Deckenbildung niemals in dem Masse abgeteuft werden dürften, wel- 
ches für eine eingehende Untersuchung bedingt wird, und andererseits sind ausgedehnte 
Gebirgsglieder, welche jetzt die secundären Sedimente bilden, durch den Einfluss der Gewässer 
und Atmosphärilien abgetragen und weggeführt worden. Das was in der erstarrten Masse 
gegenwärtig von den primitiven Formationen zu Tage tritt, repräsentirt wohl in den meisten 
Fällen jenen Theil der Uebergangsperiode, wo die Oonsistenz der bildenden Decke als that- 
sächlicher Uebergang in festen Zustand sich ausdrückt, wo demnach die Durchbrechungen des 
tieferliegenden Magma schon seltener wurden, und mehr und mehr als ausgesprochene Erup- 
tionen in die Erscheinung eintraten. Die Durcheinanderwälzungen und ausgedehnten 
Dislocationen verlieren sich, Senkungen, Faltungen, welche bei dem Verschieben der Massen 
in den Vorperioden sehr häufig bei den halb und mehr oder weniger vollständig fest- 
gewordenen Sedimenten auftraten, werden seltener und verlieren sich in den Glimmerschiefer 
im grossen Ganzen beinahe vollständig, soweit ihr Entstehen auf diese Periode zurückgeführt 
werden kaın. 

Die theilweisen Uebergänge der einzelnen Schichten in einander, welche sich zwischen 
den verschiedenen Varietäten des Gneiss, Granulit, dem Glimmer- und Thonschiefer mit ihren 
untergeordneten Einlagerungen finden, erklären sich aus den erörterten Verhältnissen von 
selbst; sie repräsentiren keine Metamorphosen, sondern sind nur die Üonsequenzen der 
Umstände, unter denen die ersten Gneiss- und Schieferbildungen bis zum thatsächlichen Fest- 
werden der Decke sich constituiren mussten, und in weiterer Folge der Verhältnisse, unter 
welchen die Absetzung aus den Gewässern in jener Zeitperiode überhaupt vor sich gehen konnte. 

Auch der Umstand, dass die ersten Sedimentbildungen der krystallinischen Silicat- 
gesteine, dem Material und Verfassung nach, mit den eigentlichen Massengesteinen voll- 
ständig harmoniren, ist nur ein Beweismittel mehr für die Richtigkeit des Vorhergesagten; 
denn wenn man auf die Zeit der Conflietsperiode zurückgeht, wo der Kampf des Wassers mit 
der geschmolzenen Masse um die Hegemonie stattfand, so ist es beinahe selbstverständlich, 


dass die hauptsächlich aus diesem Conflicte resultirende Verunreinigung des Wassers mit 


a Hruger 


gelösten und schwebenden Mineralsubstanzen der Natur nach der Hauptmasse entsprechen 
musste, welche durch die Verbindung des Wassers mit einem Theil des pyrogenen Materials 
unter dem hohen äusseren Druck sich constituirte. 

Wenn demnach die primären Sedimente sich von den krystallinischen Massengesteinen der 
Granite, Syenite etc. etc. nur durch die Lagerung und mehr oder weniger vollständige 
Schichtung unterscheiden, so liegt die Ursache einfach darin, dass die geschichteten Materialien 
zwar der Substanz nach mit jenen Massengesteinen übereinstimmen, jedoch als vorwiegende Absätze 
aus dem Wasser eine mehr gleitende Anordnung der einzelnen Bestandtheile erzielen konnten, 
und dass ausserdem der erhöhte Druck und die hohe Temperatur der Gewässer dieser Periode, 
die krystallinische Ausbildung der Gemengtheile auch für die Sedimente ermöglichte, ein 
Umstand, der bei den secundären Sedimenten beinahe vollständig wegfällt. Deshalb verliert sich 
auch mit der Temperaturabnahme des Wassers während der Periode der Glimmerschieferbildungen, 
gegen die Thonschiefer mehr und mehr die Ausbildung der Kieselsäure, die feldspathreichen 
Zwischenlagerungen, welche vom Gneiss zum Glimmerschiefer und selbst noch während dieser 
Periode die Regel bilden, machen mehr und mehr den feldspatharmen Einlagerungen Platz, 
bis diese gegen die Thonschiefer das Uebergewicht erhalten und bald in letzterem ganz vor- 
herrschen, so dass thatsächlich mit dem Thonschiefer schon der Uebergang der primären in 
die secundären Sedimente der paläozoischen Formation declarirt werden kann, während gleich- 
zeitig die Kohlensäure über die Kieselsäure vollständig die Hegemonie übernommen hat, was 
wieder genau den Verhältnissen entspricht, die aus der Abnahme der Temperatur und der daraus 
sich ergebenden Consequenzen gefolgert werden muss, namentlich in Bezug auf das Auftreten von 
Organismen, welche unzweifelhaft mit dem Beginn der Silurformation in die Erscheinung eintreten, 

Die krystallinischen Schiefer können demzufolge auch als fossilfreie Sedimente be- 
trachtet werden, als Uebergangsglieder der ungeordneten Massen in die regelmässigen Ablage- 
rungen aus den Gewässern bei normaler oder nur wenig erhöhter Temperatur. 

Bezüglich einiger Vorkommnisse in den Schichten der primitiven Formationen, beson- 
ders im Gneiss, sollen hier noch einige kurze Bemerkungen angeführt werden, und zwar 
hinsichtlich der zerbrochenen und geflossenen Krystalle, der isolirten Partien und Contact- 
verhältnisse, obwohl auch diese Phänomene nach dem bisher Besprochenen sich ohne weiteres 
erklären; denn es ergibt sich schon aus den mannigfachen Bewegungen, welche die erst in 
der Contraction befindlichen Massen der ersten Sedimente sowohl, als die obersten Schichten 
des Magma zu machen gezwungen wurden, dass bei den Verschiebungen weicher, halb und 


mehr oder weniger schon vollständig erstarrter Gebilde, oder bei den diesbezüglichen Durch- 


einanderwälzungen, bereits ausgebildete Krystalle leicht zerbrochen werden konnten, und dass 
in der Bildung begriffene im weiteren Entwicklungsprocess wieder theilweise aufgelöst, gequetscht 
oder in normaler Form alterirt wurden, wenn bei den einzelnen Verschiebungen Temperatur- und 
Massenverhältnisse sich änderten, was häufig der Fall gewesen sein muss. Desgleichen war es ja 
nur natürlich, dass in Fällen, wo Massen, ohne Rücksicht auf ihre Bildungsweise, bei den Ueber- 
fluthungen durch und zwischen einander durchgepresst wurden, dass sie ihre Gestalt bei diesen 
Bewegungen nicht nur beständig veränderten, sondern sehr wohl auch in einzelnen Theilen von 
einander gepresst werden konnten, welche nachträglich bei der endlichen Erstarrung, als isolirte 
Partien, oft in continuirlicher Reihenfolge in ganz beliebigen Richtungen sich ausprägten 
Auch darf es nicht auffallen, wenn Einschlussmassen grössere und kleinere Partien der 
weichen Umhüllungsmasse in den verschiedensten Formen ihrerseits wieder eingeschlossen 
haben, oder dass wechselseitig derartige Einschlüsse auftreten, da diese Massen in der langen 
Zeit der Uebergangsperiode wohl in zahlreichen Fällen durch einander gewälzt wurden, oder 
doch so vielfachen Alterationen unterlagen, dass eine grosse Zahl dieser Gebilde gar nicht an 
den Orte zur endlichen Erstarrung gelangte, welchen sie ursprünglich innehatten. Auch ist 
zu bemerken, dass eingeknetete und Einschlussmassen dieser Art bei ein und derselben Gattung, 
je nach der Consistenz, welche sie beim Einschluss besassen, sich wohl von der Einschluss- 
masse zu unterscheiden vermochten,, soweit die Texturverhältnisse und auch die mehr oder 
weniger scharfe Trennung dieser Contactmassen in Betracht kommt; derartige Fälle waren 
zahlreich gegeben, wo Massen verschiedener Consistenz, also ältere und jüngere Erstarrungs- 
producte, in- und durcheinandergeschoben wurden, und man ist wohl berechtigt zu sagen, dass 
n den primitiven Formationen selbst das scheinbar Aussergewöhnlichste gerade das Normale 
bildet; aber es ist nicht immer nur 'eine Ursache, welcher sie ihre jetzigen Verhältnisse ver- 
danken, sondern es haben während der Zeit ihrer Bildung und auch nach der Zeit ihrer voll- 
ständigen Erstarrung oft eine Reihe von mechanischen Ursachen mitgewirkt, die mannigfachsten 
Alterationen herbeizuführen, welche bei einseitiger Auffassung eine zutreffende Erklärung nicht 
möglich machen würden. Namentlich gilt das von jenen Einschlussmassen, von welchen oft 
durch spätere Dislocationen Theile abgetrennt oder untergegangen sind, wozu auch vielfach 
eingekeilte Massen gerechnet werden müssen, die nur noch einen Theil der ursprünglichen 
zusammenhängenden Massen repräsentiren, also auch meistens nur dann voll gewürdigt werden 


können, wenn dieser Zusammenhang erkannt und definirt worden ist. 


III. Bemerkungen über die massigen Gesteine. ') 


Die Frage der Eruptivgebilde hängt enge zusammen mit der Frage über die Bildung 
der primitiven Formationen; die neueren und jetzigen vulcanischen Producte unterscheiden 
sich von den Producten der Eruptionen der Vorzeit, den sog. Plutoniten, wesentlich durch 
die Ausbildung ihrer Gemengtheile, in ähnlicher Hinsicht wie das zwischen den primären und 
secundären Sedimenten der Fall ist. Die Basalte und Laven tragen unzweifelhaft die Wahr- 
zeichen pyrogenen oder feuerflüssigen Ursprunges, während die Granite, Porphyre und selbst 
noch ein Theil der Grünsteine einen Charakter ausweisen, der eine ursprünglich rein pyrogene 
Verfassung geradezu ausschliesst. 

Die neueren vulcanischen Producte erscheinen durchaus als dichte Gesteinsmasse, selten 
findet sich ein ausgesprochen krystallinischer Habitus; das Gegentheil ist der Fall bei den 
älteren Eruptivgesteinen, welche durchaus ein deutlich krystallinisches Gepräge ausweisen, mit- 
unter sogar Krystalle einzelner Gemengtheile enthalten, die erhebliche Dimensionen umfassen. 
Ausserdem sind vielfache Beweise vorhanden, dass die Kieselsäure 2) im Quarz viel früher zur 


Krystallisation gelangt ist, als der Feldspath, was für eine pyrogene Bildungsweise, selbst mit 


) Warmholz, Karsten’s Arch. X, 1837, p. 388, 421; Steininger, Geogr. Beschr. d. L. 
z. Laar und Rhein, 1840, p. 119; Gümbel, Geognost. Beschr. Bay., B. IL, p. 536; Die Eruptivgest. des 
Fichtelgeb., 1874; Rosenbusch, Physiogr. d. mass. Gest. u. Z. d. geol. Ges., 1876, XXVIU, 365—390 ; 
Richthofen;, Z. d. d. Geol. Ges., 1869, p. 1-79; Credner, E. d. Geol. (3), p. 278; N. J. f. Min. 
1850; Cotta, Geol. Fr. a. d. Alpen; J. f. Min., 1840, p. 461, 1852, p. 603; Geologie d. G. (4); 
G. v. Rath, Z. d. d. g. Ges., 1866; V. Hauer, Sitzungsber. d. Wien. Akad. 1850, p- 199; Cochen, 
D. Struetur d. Odenwald-Porphyre; Schmidt, D. Ehrenberg b. Ilmenau; Tschermak, Porphyre Oesterr. 
1869 u. Sitzungsber. d. Wien. Akadem. 1859; Dölter, Jahr. d. Geol. Reichsanstalt Wien, XXV, 1875; 
Fuchs, N. J. f. Min. 1870, p. 719, 851, 1875, p. 812; Studer, Z. d. d. Geol. Ges. 1875, 418—421; N. ]. £. 
Min 1875, 881, J. f. Min. 1840, 1841, 1847, 1855, 1866, u. Geol. 1847; Zirkel, D. Geol. Ges. 1867, 
p- 68, 108; N. J. f. Min. 1867; Laufer, Z. d. d. Geol. Ges, 1876; v. Lasaulz, Z. d. d. Geol. 
Ges. 1873, 286—340; Bischof, Geologie, B. III.; Naumann, Geognosie, B. I, p. 157, 918; Vost, 
Geologie (3), p. 360-367; E. de Beaumont, Bull. de la Soc., IV, 1838; Stud. chem. of Geol., 1871; 
Levy, Ann. des Min. (7), VIII, 337—438, 1875; Bull. de la Soc. de France (3), III., 1874; Behrens, N. J. £. 
Min., 1871; Sartorin v. Waltershausen, Ueber d. vule. Gest. in Sieilien u. Island; Pichler,N. J.f. 
Min., 1875, p. 926; Roth, Ueber d. Mt-Somma; Abhandl. d. Berl. Akadem., 1877, 1—45; Siegmund, Jahrb. 
d. geol. Reichsanstalt XXIU, 1879, p. 304—312, p. 317.—404. 
2) Cotta, Geol. d. G., p. 27; Scheerer, Poggd. Ann., B. LIV., 493; Vogt, Geol. (3), B. II, 
p- 356; Bischof, Chem.-phys. Geol., B. II., 484, B. III, 254; Vergl. auch H. Rose, Poggd. Ann. CVIII, 
LXXXII, LXXXVI; Söchting, Einschlüsse i. Min., p. 54, 229—258; Humboldt, Kosm., B. V, p. 94; 
Daubr&e, Ann. d. Min. 1857 (5), XI; Forchhammer, Poggd. Ann. XXXV; Weiss, Beiträge z. 
K. d. Feldspathbild., Verh. d. n. Ver. d. pr. Rheinl. u. Westph., XXXIV, 203; Zirkel, Z. d. d. Geol. Ges., 


1867, p. 88. 


Rücksicht auf das Analogon der Leucite !) und Augite in der jetzigen Lava, nicht zulässig 
erscheint, bei dem Umstande, dass der Schmelzpunkt des Quarzes ein viel höherer ist, als der 
des Feldspath, die Kieselsäure demnach naturgemäss früher zur Erstarrung hätte gelangen 
müssen. Ferner enthält die Kieselsäure der Granite das’spec. Gewicht von 2,6, während die 
amorphe Kieselsäure nur 2,2 enthält, die erstere demnach jener Modification entspricht, wie 
sie allgemein normal nur aus wässrigen Lösungen resultirt, und endlich enthalten die Krystalle 
vielfach in den kleinen Poren Flüssigkeitseinschlüsse ?) und einen allgemeinen Gehalt von Kry- 
stallisationswasser, während sich diese sämmtlichen Merkmale bei den jetzigen Laven in der 
Regel nicht finden; kein Wunder also, dass mit Berücksichtigung der jeweiligen Lagerungs- 
verhältnisse die Hauptdifferenzen der Geologen gerade auf diese Gesteinsmassen sich bezogen 
und noch gegenwärtig ihren Fortgang nehmen, eine Polemik, welche auf der bisher festgehal- 
tenen Basis niemals zum Austrage gelangen würde. 

Auch hier ist die objective Lösung nur dann möglich, wenn man die früher erörterte 
Entwicklungsphase der Conflietsperiode zum Ausgangspunkte nimmt. 

Das aus dieser Periode resultirende mit Wasser versetzte Magma, gibt in erster Linie 
die Anhaltspunkte für die Bildung der älteren Massengesteine und ihrer Uebergänge zu den 
jetzigen vulcanischen Producten, welche nothwendiger Weise mit der allmähligen Erschöpfung 
des wässrigen Magma an die Reihe kommen mussten, so dass auch der noch gebliebene pyro- 
gene Rest im Erdinnern nach und nach mit dieser Erschöpfung und der Abnahme des Druckes 
die Hegemonie über die mit Wasser versetzten Massen gewinnen und schliessiich, wie es in 
der Gegenwart der Fall ist, die alleinige Herrschaft wieder übernehmen konnte. Der Unter- 
schied zwischen den vulcanischen Erzeugnissen der Gegenwart und jenen der frühesten 
Perioden, liegt auf dieser Grundlage nicht in der Art der Abkühlungs- und Erstarrungs- 
verhältnisse, also der mehr plutonischen Contraction, sondern in dem Vorhandensein oder 
Fehlen des Wassers als wesentlichen Gemengtheil, mit Berücksichtigung der Temperatur- 
verhältnisse im. Allgemeinen und den jeweiligen Ruhe- und Druckverhältnissen während der 


Erstarrung. 


1) G. Bischof, Chem.-phys. Geologie, B. I., 480—488; Naumann, Geognosie, B. I., 126, 
702; Hofmann, Arch. f. Min., B. XIIL, 183; Söchting, Einschl. d. Min, 22—130; N. J. £. Min., 
1375, p. 396; Sandberger, Poggd. An. LXXXII.,453, OXLVIL.; G. Rose, Karste'n’s Archiv, 1839. 

?) Sorby, Quart. Journ. of Geol. Soc., XIV, p. 485; G. Bischof, Chem.-phys. Geologie, B. III, 
p: 869 (8); Vogelsang, Poggd. Ann., CXXXVII, 1869, p. 258; Zirkel, Mikrosk. Besch. d. Min,, 
1873; D. G. Ges., 1867, p. 99; Sitzungsb. d. Sächs. Ges. d. Wiss. math.-phys. Cl. 1877; N. Je f. Min., 1877, 
p- 859; Credner, E. d. Geologie (3), p. 33—40; Rosenbusch, Phys. d. mass. Gest. (2), p. 8—11. 


u 


Die Granite differiren von den Gmeissmassen der primitiven Formationen wesentlich 
nur durch die mehr unregelmässige Anordnung ihrer Gemenstheile,; im Uebrigen ist die 
Beschaffenheit dieselbe. Das Gleiche gilt den Granuliten gegenüber, welche wieder mehr 
durch Texturverhältnisse beziehungsweise die allgemeine Lagerung von den ersteren differiren; 
es existiren aber auch ausgedehnte Granitablagerungen, welche ohne jede Spur eines eruptiven 
Charakters, weite Flächenräume ausfüllen. Nur in jenen Fällen, wo dieselben unzweifelhaft 
jüngere Gesteinsschichten durchbrochen haben, von den Contactmassen sich durch den ausge- 
sprochenen Durchsetzungscharakter auch deutlich unterscheiden und Bruchtheile des Nebengesteins 
mitgerissen und eingeschlossen haben, ist der Eruptivcharakter auf unzweifelhafte Weise 
ausgedrückt. 

Es ist jedoch nicht schwer, auch in diese Verhältnisse Licht zu bringen, wenn man 
auf die Uebergangsperiode zurückgreif. Die Bewegung der unter dem Wasser sich aus- 
dehnenden Masse des Magma und überhaupt der Materialien des Planeten im Allgemeinen, 
war durch die Fluthbewegung eine permanente, so lange der Abschluss einer festen Decke 
fehlte; aber auch so lange diese Decke nicht hinreichende Widerstandskraft besass, dem 
Andrang der Fluthmasse erfolgreich sich entgegenzustemmen, war eine continuirliche Zer- 
störung und Alteration der erstarrenden Gebilde die Regel. Daraus folgt, dass dieses Durch- 
brechen der inneren Massen in den Anfängen dieser Periode mehr einer Durcheinanderwälzung, 
als einer eigentlichen Eruption gleichkam, und dass die Spuren erst dann nach und nach 
sich erhalten konnten, als die Decke mehr in vollständige Erstarrung überging. Gleichwohl 
aber müssen selbst in späterer Zeit diese Durchbrüche noch gewaltige Massen der Decke 
zerstört oder überfluthet haben, und diese Massen, welche entweder die Decke überströmt 
oder die Lücken in derselben ausfüllten, waren wohl geeignet, das Material für jene Granit- 
ablagerungen zu liefern, welche grössere Flächenräume einnehmen; sie unterscheiden sich in 
dieser Form von den Gneiss- und Granulitmassen nur dadurch, dass in Folge der statt- 
gefundenen Bewegung und Störungen während der Erstarrung, die Gemengtheile nicht zu 
einer regelmässigen Anordnung gelangen konnten, so dass bei diesen Gebilden durchaus die 
Parallelstructur fehlt. 

Man wird demnach zwischen dem Urgneiss und diesen Graniten nicht wohl dem Wesen 
nach einen Unterschied machen können, da ein grosser Theil der Gneissmassen, soweit er 
nicht ausgesprochene Schichtung ausweist, gleich diesen Granitmassen den durchbrechenden 
und überquellenden Massen des Magma entstammte, jedoch während der jeweiligen Contraction 


Modificationen in der Erstarrungsweise unterlegen hatte. 


N 


Bei grossen ausgedehnten Massen war die Fluthbewegung auch hinreichend, in Folge 
der gleitenden Welle eine mehr oder weniger ausdrückliche Regelmässigkeit der Anordnung 
einzelner Gemengtheile zu erzielen, so dass die Parallelstructur der ungeschichteten Gneiss- 
bildungen sehr wohl aus derartigen Ursachen hergeleitet werden kann, im Gegensatze zu jenen 
Gebilden, welche weniger dem gleitenden Einflusse der Fluthwelle unterlegen haben, vielmehr 
im Sinne einer stromartigen oder mehr fliessenden Bewegung, nach Art des Eruptivstromes, 
zum Ausdrucke gelangten, wie das bei überfluthenden, oder noch nicht hinreichend fest gewor- 
dener Massen, durchsetzenden mächtigeren Fluthmassen möglich war, ohne dass diese desshalb 
gerade zu den eigentlichen Eruptionsgebilden zu rechnen sein würden. Dieser Charakter kann 
sich auch nur sporadisch aussprechen, wenn durch Erschütterungen und momentane Störungen 
der Krystallisationsprocess einer schon mehr ruhigen Masse alterirt wird, so dass die Gemeng- 
theile durcheinander geschüttelt werden und dann in der endlichen Erstarrungsform den 
Charakter eines unregelmässigen Gemenges, zum Theil auch nur partieweise, annehmen, 
beziehungsweise festhalten; es sind das dann keine Methamorphosen, sondern in diesem Sinne 
ursprüngliche Bildungen, auch wenn aus diesem Anlasse, aus Gneiss, Granit, beziehungsweise 
granitartige Textur oder Structur innerhalb ein und derselben Masse resultirt, selbstverständlich 
ohne scharfe Abgrenzung. Wo letztere auftritt, ist immer der Einschluss einer fremden Masse zu 
folgern, die bei den Umwälzungen mit Variationen der Consistenz eingeschlossen oder irgendwo 
abgetrennt wurde, und die sich mitunter von der Einschlussmasse auch nur durch ihre Be- 
schaffenheit des Gefüges unterscheiden mag, als Theile derselben Gattung, aber verschiedener 
Consistenz zur Zeit des Einschlusses, welche Differenz sich vielfach bis zur endlichen Erstar- 
rung beider Massen erhalten haben wird, wenn sie sich sonst auch auf das schärfste einander 
anschmiegen oder theilweise in einander verfliessen. Es wird dementsprechend bei den primi- 
tiven Massengesteinen lediglich auf die Modificationen und Contractionsverhältnisse ankommen, 
ob eine bestimmte Masse als Gneiss, Granulit oder überhaupt als granitisches Gestein zur 
schliesslichen Erstarrung gelangte und in den meisten Fällen werden die jeweiligen Lagerungs- 
verhältnisse hierüber entsprechenden Aufschluss geben müssen, ob man es mit Modificationen 
oder einer thatsächlich ursprünglichen Bildung zu thun hat. 

Die Hauptfrage hierüber bildet zunächst der Gneiss in seinen verschiedenen Varietäten, 
begonders aber hinsichtlich der vielseitigen Contactverhältnisse, wie die Fälle in der Schweiz 
an der Jungfrau, am Stellihorn, am Laubstock, Rosenlaui-Gletscher, den Glarner Alpen etc. etc., 
welche neuerdings Balzer!) in eingehenden Untersuchungen wieder durchforscht und auf- 


!) Balzer, Z.d. d. Geol. Ges., 1876/77178. 


Fe > 


genommen hat; aber auch die Fälle ruhiger Entwicklung im sächsischen Erzgebirge, welche 
in neuester Zeit wieder von H. Credner!) und Kalkowsky?) untersucht worden sind, müssen 
besonders berücksichtigt werden, weil gerade in diesen Gebirgsgliedern die alte Frage: »ob 


eruptiv oder sedimentär«, zum Austrage gelangen wird. 


Nach den angeführten Umständen beantworten sich diese Fragen von selbst; es ist 
bereits bemerkt worden, dass der Gneiss zu einem grossen Theil noch der ersten Decken- 
bildung bei ihrem Uebergange in festen Zustand angehört und es werden nur diejenigen Glieder 
den besprochenen vielseitigen Charakter erhalten und bewahrt haben, welche sich aus der innern 
Masse gebildet und an dem Kampfe der erstarrenden gegen die flüssigen Massen theilnehmen 
mussten; sie bilden keine eigentlichen Erruptivmassen, obwohl sie vielfach den Charakter der 
Letzteren erhalten konnten, wenn Bewegungs- und Contractionszustände analog jenen wirklicher 
Eruptivmassen waren. Ihr Typus ist aber weitaus vielseitiger, weil das bergende und durch- 
einander gemischte Material, also fremde und identische Massen durcheinander, dem Ganzen 
ein mehr buntes Gepräge verleiht, besonders wo Massen verschiedener Consistenz und Art 
durch einander liegen. Die Zusammenfügurg resp. Contact- und Lagerungsverhältnisse werden 
auf dieser Basis mannigfaltiger als jene wirklicher Eruptivmassen, die thatsächlich festes 
Gestein durchdrungen haben. 


Der gemischte Typus derartiger Massen und regelmässiger Sedimente tritt in jenen 
Fällen auf, wo sich feste Sedimente in den Umhüllungsmassen bis zur Erstarrung erhalten 
konnten, die aber in diesen Fällen die ursprüngliche Richtung verloren haben, und an jenen 
Orten, wo der Uebergang der bewegten Masse in die endliche Erstarrung, die stabile und 
normale Richtung regelmässiger Sedimente ermöglichte, zwar noch öfters alterirt, aber nach 
und nach im grossen Ganzen doch in ein Ruhestadium übergehend. Dementsprechend wird 
man kaum fehl gehen, die Bildung des rothen Gneisses im Erzgebirge auf diese Periode 
zurückzuführen, da einerseits die Einschlüsse von rothem Gneiss in Grauen mit Accommodation 
der Begrenzungsflächen auf die ursprüngliche Bewegung und Einschliessung untergegangener 
Massen während ihrer Bildung schliessen lassen, andererseits die regelmässigen Wechsel- 
lagerungen von rothem Gneiss und Glimmerschiefer unzweifelhaft darauf hinweisen, dass hier 
schon ganz stabile und normale Sedimentablagerungen sich behaupten konnten, als welche die 


rothen Gneisse und Glimmerschiefer hier in die Erscheinung treten, während ein grosser Theil 


!) Credner, D. g. Ges. 1877, p. 757—792 u. 1875. 
?) D. g. Ges., 1875, p. 629—682. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 3 


— 


der Gneissmassen in den Alpen auf Massen zurückführt, die wohl mehr dem Ueberfluthungs- 
material angehören und dementsprechend auch einen so gemischten Typus ausweisen. 

Die Frage zwischen eruptiv und sedimentär der Gneissmassen und anschliessenden 
Varietäten dürfte demnach als entschieden gelten können, und zwar für die erstere Modification 
im engeren Sinne des Begriffes eruptiv verneinend; und als sedimentär bejahend überall in 
jenen Fällen, wo regelmässige Schichten und Wechsellagerung auftreten, soweit es sich nicht 
um untergegangene Producte dieser Art handelt, die nur aus der Natur des Materials, wie 
bei den Carbonaten und der dimorphen Modification des Kohlenstoffs, oder aus der Erhaltung 
des ursprünglichen sedimentären Charakters erkannt werden können, ohne Rücksicht darauf, 
nach welcher Richtung sie sich in dieser Situation ausdehnen. 

Wirkliche Eruptivmassen repräsentiren zunächst die granitischen Gesteine, soweit 
deren unregelmässige Anordnung der Gemengtheile nicht auf blosse Contractionsverhältnisse 
der Fluthmassen gestützt werden können, dementsprechend bloss Variationen der Gneissgebilde 
ausdrücken, sondern welche thatsächlich feste Massen durchbrochen und auch Bruchstücke des 
Nebengesteines mit scharfen Kanten und Bruchflächen eingeschlossen haben. Sie entstammen 
denselben Massen, wie die nicht sedimentären Gneiss- und Granitgebilde der festen Decke in 
den primitiven Formationen und unterscheiden sich von denselben hauptsächlich nur durch 
etwas veränderte Contractionsverhältnisse zwischen thatsächlich festen Gebilden, vielleicht auch 
hie und da durch Differenzen im Procentsatz des Gemengtheiles an Wasser, welche Umstände 
zusammen, mit Rücksicht auf allenfalls sporadische Störungen und Varietäten in den acces- 
sorischen oder substituirenden Gemengtheilen, den Grund zu den mannigfaltigen Abarten der 
granitischen Gesteine bilden werden. 

Jedenfalls aber können die granitischen Massengesteine im grossen Ganzen zu dem 
Material gerechnet werden, welches den oberen Schichten des Magmas entstammend, auch 
naturgemäss den grössten Procentsatz an Wasser enthalten musste, und das ist auch der haupt- 
sächlichste Grund, dass mit Rücksicht auf die hohe Temperatur die Gemengtheile der Granit- 
massen im Allgemeinen so vortheilhaft auskrystallisiren konnten, jedenfalls in weit höherem 
Maasse, als die Eruptivmassen, deren Wassergehalt nicht so weit hinaufreicht. 


Dass mitunter geschieferte Granite oder Massengesteine vorkommen, ist dadurch zu erklären, dass 
die Schieferung weniger den Bildungscharakter repräsentirt, sondern mehr auf Kosten des Druckes zu setzen 
ist, welcher die bedeckenden Massen auf die liegenden ausüben und ist bei den eigentlichen und besonders 
secundären Sedimenten deshalb so vertheilhaft ausgeprägt, weil die Bestandtheile nur nach und nach zur 
Ablagerung gelangten, also auch allmählig in diese Verfassung übergingen, umsomehr als ihre Festigkeit in 
der Bindung der Bestandtheile keine so hohe war, als die krystallinischen Gebilde, besonders aber der 
Eruptivmassen, welche als Ganzes in die Schichten eingeschoben wurden, demnach auch dem ausgeübten 


SE 


Druck des Hangenden je nach den jeweiligen Verhältnissen grösseren Widerstand entgegen zu setzen ver- 
mochten, so dass es wohl erklärlich wird, wenn derartige Gesteine sehr selten die schiefrige Structur an- 
genommen haben, und wo das der Fall ist, vielfach mit den Contactmassen in der Richtung übereinstimmen, 
wenn die Druckverhältnisse auch nach der Eruption wechselseitig übereinstimmten. 


Je mehr das Magma des Innern durch Erstarrung und fortdauernde Eruptionen der 
Erschöpfung zuging, je mehr demnach der Procentsatz an Wasserbeimengung sich verringerte, 
desto mehr gingen die Vortheile verloren, welche die älteren Eruptivmassen gegen die jüngeren 
bezüglich der chemisch-physischen Verhältnisse und den allgemeinen Kıystallisationsprocess 
voraushatten; denn mit dem Verschwinden dieses Gemengtheiles musste die vorzüglichere 
Ausbildung der Krystallisation !) als Regel mehr und mehr abnehmen, woraus sich der Ueber- 
gang der krystallinischen Eruptivgesteine zu den dichten Lavamassen ohne weiteres erklärt, 
welch letztere die Ausbildung der Krystalle in grösserem Umfange ?) nur selten ausweisen und 
nur unter dem Mikroskope in vielen Fällen auf eine krystallinische Entwicklung einzelner 
Gemengtheile hinweisen. 

Wo die Grenze des Ueberganges von den wasserhaltigen Theilen des Magma in den 
Kern der noch gebliebenen rein pyrogenen Massen des Erdinnern gesucht werden muss, wird 
sich als scharfe Grenze nicht entscheiden lassen, da der Uebergang kein plötzlicher, sondern 
allmäliger war, im Verhältniss der Abnahme der inneren Druckverhältnisse zu Gunsten der 
wasserhaltigen Massen, von den Reactionsbestrebungen der pyrogenen Massen, im allmäligen 
Uebergreifen zur Hegemonie der Ersteren, sobald Uurch die Erschöpfung die Letzteren dem 
Gegendruck nicht mehr gewachsen waren. Diesem schwankenden Charakter entsprechen auch 
die Eruptivproducte von den granitischen Gesteinen, Porphyre und ihren Variationen, bis zu 
den Grünsteinen, Basalten und den vulcanischen Producten der Gegenwart; aber in den Letz- 
teren ist die rein pyrogene Natur eine unbestrittene Thatsache, Wasserbeimengungen nicht mehr 
die Regel, sondern sporadisch nur in jenen Fällen, wo der Eruptivstrom auf seinem Wege 
Wasserreservoire durchbrochen und unter dem Drucke mehr oder weniger starker Bedeckung 


während des Durchbruches, sich mit unterschiedlichem Erfolge mit dem Wasser zu verbinden ge- 


!) Die freie Atom- respect. Molecularbewegung nimmt ab mit der Reduction des Bewegungsmittels, als 
welches hier für die Transportfähigkeit das Wasser zu gelten hat; der freie Verkehr der Substanzen im Erd- 
inneren ist hauptsächlich und wesentlich durch die Anwesenheit von Wasser bedingt, und je grösser der Procent- 
satz dieses Elementes ist, um so vortheilhafter kann der wechselseitige Austausch vor sich gehen, selbst- 
verständlich mit Berücksichtigung der Temperatur. 

?) Ueber Lava im Allgem, Vogt, Geol.; Neumann, Geogn., B. I, p. 126, 157; Zirkel, 
Z. d. d. geol. Ges., 1867, p. 737; Mikr. Beschr. d. Min.; Karsten, Arch. f. Min., 1839, B. XIII; Fouque, 
Comptes rendus, 1874; G. Rose, Karsten's Archiv, 1839, p. 13, 184; Roth, D. Vesuv, Abhandl. der 
Akad. zu Berlin, 1877, p. 1-45; Schmidt, Vule. Stud., 1874; G. Bischof, Chem.-phys. Geol., B. DE 
p. 484; Dölter, Abhandl. d. Wien. Akad., 1876, XXXVI. 


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zwungen war, soweit der wechselseitige Contact oder die Quantität des Ersteren es zuliess; mit- 
unter wird ein derartiger Conflikt in Ermangelung des hinreichenden Druckes auch nur das 
Resultat erzielt haben, das Wasser, soweit die Entwickelung von Wasserdampf nicht eine 
plötzliche Sprengung der vorhandenen Durchbruchshindernisse bewerkstelligte, auf eine ent- 
sprechend höhere Temperatur zu bringen. - 

Auch ist anzunehmen, dass die Ruhepausen bei den einzelnen Durchbrüchen vorzüg- 
lich den Anlass gaben, die Crystallisation innerhalb der Lavamassen zu fördern, besonders wenn 
sporadisch die Fälle von Wasserbeihilfe in obigem Sinne thätig mitwirken. 

Auf die vulcanischen Productionen der Gegenwart ist der Einfluss der inneren Fluth- 
welle schon als gebrochen zu betrachten, da auch die pyrogenen Massen des Erdinnern bereits 
ihrer Erschöpfung entgegen gehen. 

Es resultirt das aus dem Umstande, dass abgesehen von der verhältnissmässig geringen 
Mächtigkeit der zu Tage geförderten Lavamassen, die Communication zwischen den einzelnen 
Eruptionsherden bereits verloren gegangen ist, dieselbe also auf einen rein localen Ort vul- 
canischer Thätigkeit reducirt erscheinen, ein Beweis, dass die Erstarrung sich schon auf die inne- 
ren Theile des Planeten erstreckt, so dass feste Zwischenbildungen die Centralmasse mehr und 
mehr einengen. | 

Allerdings kann noch eine geraume Zeit vergehen, bis auch diese Localherde vulcanischer 
Thätigkeit erschöpft sind, bis die starre unbildsame Masse des Erdkörpers allgemein als eine 


abgeschlossene Thatsache in die Erscheinung tritt. 


IV. Contacet-Metamorphosen. 

Es ist aus den bisher erörterten Verhältnissen mit Sicherheit anzunehmen, dass die primi- 
tiven Gesteinsmassen, nicht wie vielfach angenommen worden, metamorphische Producte reprä- 
sentiren, sei es durch einen allmäligen Umerystallisirungsprocess auf trockenem oder nassem 
Wege, und Druck, sondern sie repräsentiren ursprüngliche Bildungen mit allen Uebergängen 
und Abnormalien; sie haben nur vielfach bis zum Stadium der Erstarrung Modificationen durch 
Störungen unterlegen. Gleichwohl ist sporadisch der Fall gegeben, wo Metamorphosen durch 
Gebilde dieser Formationen hervorgerufen werden könnten, ganz ähnlich denen wirklicher Eruptiv- 
massen; denn in jenen Fällen, wo zwei mit einander in Berührung befindliche Massen un- 
gleichzeitige Uebergänge in den festen Zustand documentiren, sei es, dass die Verschiedenheit 


des Materials Differenzen in den Contractionsbedingungen von Natur aus erzielten, oder dass 


de 


Massen verschiedener Consistenz in einander eingeschlossen, oder auch blos berührend auftraten, 
so war einerseits jene Masse, welche zuerst in festen Zustand überging, im Stande, den even- 
tuellen Ueberschuss an Wasserbeimengung bei der Zusammenziehung der Gemengtheile abzu- 
geben. Für Contactmassen, welche selbst noch nicht vollständig erstarrt waren, war dieses 
austretende Wasser insofern von Belang, als dasselbe bei höherer Temperatur im verun- 
reinigten Zustande die Consistenz der eigenen Masse an den Contactstellen verändern, und 
wohl auch je nach den chemischen Verhältnissen, Material ab- oder umsetzen konnte, so dass 
bei der endlichen Erstarrung dieser Masse die Contactstellen ein verändertes Aussehen bei- 
behielten; bei dieser Gelegenheit war nun wieder der umgekehrte Fall möglich, dass durch Aus- 
tritt überschüssigen Wassers die feste Contactmasse in entsprechendem Verhältnisse verändert 
wurde, wenn die chemischen Affinitätsverhältnisse eine Umsetzung der Bestandtheile ermög- 
lichten. In der Natur allerdings werden diese Zustände nicht wohl häufig!) vorkommen, da die 
Differenzen der Erstarrungsverhältnisse und auch der Contact für eine derartige Veränderung 
in den primitiven Formationen nur in sehr günstigen Fällen gegeben war, wobei immer zu berück- 
sichtigen ist, dass chemische Verhältnisse grossen Variationen unterliegen. Grössere Intensivität 
konnten derartige Veränderungen bei Contactmassen erlangen, wo entweder wirkliche Eruptivströme 
zwischen bereits festgewordenen Gesteinsschichten durchbrachen, oder wo nicht feste Eruptiv- 
massen in grösserem Umfange in Berührung mit dem Nebengestein gelangten, besonders in jenen 
Fällen, wo Differenzen in der Natur des Materials zwischen Eruptiv- und Nebengestein resultirten. 

Derartige Verhältnisse finden sich denn auch allenthalben in der Natur, und in vor- 
züglicher Weise bei den granitischen Gesteinsarten, welche als Massen von einem grösseren 
Procentsatz an Wasserbeimengung, auch vorzüglich für eine derartige Action geeignet erscheinen, 
da sie naturgemäss bei der Contraction den Ueberschuss an Wasser abgegeben haben, welcher 
mehr oder weniger mit Substanzen verunreinigt und mit Variationen der Temperatur in das 
Nebengestein übergegangen ist. 

So finden sich z. B. auf; der Insel Elba?) die Schiefer bei Lungone netzartig von 
Granitgängen durchschwärmt, indem sich dieselben vielfach theilen und zu Maschen wieder 
verbinden, also das zersprengte Gestein allenthalben wieder ausfüllen; sie haben theils horizon- 
talen Verlauf, theils wellenförmige Biegungen mit mächtigen, linsenförmigen Anschwellungen, 


welche mit Einschnürungen der Gangmasse alterniren. 


1) Vergl. Fikenscher, D. Lunzenauer Schieferhalbinsel 1867. 
2) G. vom Rath, Z. d. d. geol. Ges. B. XXII. p. 591—730, 1870, vgl.H. Credner, B. XXVII. p. 153—157. 
7..d00.2G.1875: 


Stellenweise sind diese Gänge ganz von Schiefer umschlossen, so dass jeder Zusammen- 
hang mit der Hauptmasse verloren gegangen ist, oder überhaupt fehlt. 

Aehnliche Erscheinungen finden sich bei S. Piero, wo der Granit die Schichten durch- 
brochen hat und Injectionen aufweist, welche der ganzen Beschaffenheit nach nicht darauf schliessen 
lassen, dass eine Eruptivmasse in dieselben eingedrungen ist; diese Gangmassen enthalten 
Turmalin, Beryll, Lithionglimmer,, welche in dem Normalgranite nicht vorkommen. Der Tur- 
malingranit des Ganges (p. 648) ist fest.und ohne scharfe Grenze mit dem Hauptgranit ver- 
bunden, was gewöhnlich bei Erzgängen und ihrem Nebengestein nicht der Fall ist. 

In Norwegen !) sind im Contacte mit Granit-Syenit die Kalkmassen und Schiefer 
auf weite Strecken verändert worden. Das südliche an den Egeberg anstossende Plateau ist 
von zahllosen Granitmassen durchsetzt, und an unzähligen Orten die deutlichsten Merkmale, 
dass eine gewaltsame Durchsetzung oder Eintreibung in die Gneissschichten stattgefunden hat; 
Stücke vom Nebengestein scheinen weggerissen und fortgeführt, so dass an der eruptiven Natur 
dieser Granite nicht zu zweifeln ist. 

Bei Drammen (p. 425), wo sich der Granit unter den Sedimentärschichten, welche hier das 
Hangende bilden, durchzieht, erscheint der Schiefer auf weite Strecken verändert. An den un- 


mittelbaren Berührungsstellen werden beide Gesteine völlig dicht, der Schiefer grünlichgrau, sehr 


hart, der Granit fleischroth; beide Gesteine scheinen fest verwachsen, die Grenze bald ganz scharf, 


mitunter aber auch in einer 1 Zoll breiten Zone vollständig in einander verflösst. Die metamor- 
phosirten Schiefer und Kalksteine umschliessen eine grosse Menge Erzlagerstätten; sie liegen alle in 
der Nähe der Granitgrenze und Granitapophysmen greifen mehrere hundert Fuss in das Nebengestein. 

Im Aschathal ?2) oberhalb der Pottenhöfer Mühle, verzweigt sich der Granit in so zahl- 
reichen Gängen und Adern in den Gneiss, dass man kaum faustgrosse Gneissstücke schlagen 
kann, welehe nicht zugleich auch einen Theil einer Granitmasse enthalten. 

Bei Predazzo, °) Monzoniberg, Fassathal wird der dolomitische Kalkstein vom Syenit- 
Granit durchbrochen, und an den Grenzen sowohl, als bis auf eine Entfernung von 1000 Fuss 


in erystallinisch körnigen Marmor umgewandelt, der an den Contactstellen häufig mit Horn- 


1) G. vom Rath, N. Jahrb. f. Miner. 1869 p. 385—444. Naumann, Geognosie B. I. p. 745, 752. 
G. Bischof, Chem.-phys. Geologie B. II. p. 189, auch Cotta, Geologie (1) p. 361. 

?) Gümbel, Geognost. Beschreib. Bayern, B. II. p. 633. 

°) G. vom Rath, Poggdf. Annal. B. CXLVII. p. 271, B, CLII. p. 1, Naumann, Geognosie B. I. 752, 
G. Bischof, Chem.-phys. Geologie B. III. p. 185, Cotta, Geolog. Briefe aus den Alpen, p. 186 und 194, auch 
Geologie der Gegenwart p. 361, Richthofen, Umgeb. v. Predazzo p. 252, Dölter, N. Jahrb. f. Min. 1875 
p: 46, Lemberg, Zeitschrift d. deutsch geol. Gesellschaft B. XXIV. p. 187—264, L. v. Buch, Abhandl. der 
Akadem. z. Berlin 1322/23, p. 114. 


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blende, Vesuvian imprägnirt erscheint. Ganz ähnliche Verhältnisse ergibt der Durchbruch des 
Augit-Syenit am Monzoniberg. 

In den Gruben bei Schneeberg in Sachsen (Breithaupt, Paragenesis der Min. p. 36 und 
G. Bischof, Geologie B. III. p. 186) wird der Thonschiefer in der Nähe des Granites fester 
und reicher an Kieselsäure, und diese Wirkung dehnt sich 800 Fuss in den Thonschiefer aus. 

Nach Duvernoy ist in den Pyrenäen !) bei Videssos der graue Kalkstein durch Granit 
in erystallinischen Zustand versetzt worden. 

In New-Jersey bei Sparta wurde der Kalkstein im Contacte mit Granit bis auf eine 
Entfernung von 50 Fuss in allmäligem Uebergang in weissen Kalkspath umgewandelt. 

In den Vogesen ?) und dem Schwarzwalde sind in der Nähe der Granitkuppen die Schichten 
der Grauwackenformation in einer breiten Zone so mit Orthoklas, Oligoklas und auch mit 
Quarzerystallen imprägnirt, dass sie oft Porphyriten und Felsitpophyren ähnlich werden; allmälig 
gehen diese feldspathreichen Massen in die unveränderte Grauwacke über. 

Desgleichen Rosenbusch (Die Contactzone von Barr-Andlau) ®) findet den Schiefer im 
ganzen Contactgebiete des anstossenden Granit umgeändert; von der Berührungsstelle aus ist der 
Schiefer völlig verhärtet, mit durchaus crystallinischem Gefüge und Glimmerblättchen enthaltend; 
die schieferige Structur ist völlig verschwunden, keine Spur von Organismen. Je mehr man sich 
jedoch von der Granitgrenze entfernt, desto mehr nimmt die Intensität ab; das hygroskopische 
Wasser,*) nimmt im Verhältniss dieser Entfernung zu, ebenso werde das chemisch gebundene 
Wasser in demselben Maasse vermehrt; die Auscrystallisirung des Quarzes vermindert sich in 
vereinzelte Gruppen und Körnchen, die Glimmerblättchen treten mehr und mehr zurück, und 
auch schiefrige Structur tritt wieder mehr in den Vordergrund, während die helle Farbe des 
erystallinischen Schiefers allmälig der normalen Farbe des Schiefers Platz macht, in welchem 
nun auch wieder organische Reste auftreten. 

Analoge Veränderungen der Contactmassen durch granitische Gesteine finden sich an 
vielen Orten im Erzgebirge, Banat,°) Harz,®) Eibenstock,”) Tyrol ®). etc. etc, 

1) Vergl. auch F. Zirkel, Zeitschrift der deutsch. geol. Gesellschaft 1867 über den Granit der Pyre- 
näen XIX. p. 68, N. J. f. Min. 1867, Fuchs J. f. Min. 1870 p. 719—752, 851—879. 

2) G. Bischof, Chem.-phys. Geologie B. III. p. 203 und 205. 

®) Rosenbusch, Die Contactmetamorphosen von Barr-Andlau, (Vogesen,) N. J. f. Min. 1875, 849 ff. 

*) Unger, Die Contactzone v. Barr-Andlau, N. J. f. Min. 1876, p. 785. Vgl. Rosenbusch ‚Die Steiger- 
schiefer u. Contactzone a. d. Graniten v. Barr-Andlau, 1877, Rosenbusch, Physiogrf. d. mass. Gest. p. 43—45. 

5) Cotta, Geologie (I) 361, 113. 

°) Rosenbusch, N. J. f. M. 1875. Vgl. Lossen, Z. d. geol. Ges. 1872 XXIV., 1876 XXVII. 


?) Pröls, N. J. f. Min. 1869, p. 257—287. 
®) Rosenbusch, Mikr. Physiogr. d. mass. Gest. p. 127. 


Er 


Kaustische Wirkungen, !) Frittungen und Verglasungen sind bei diesen Eruptivmassen 
sehr selten beobachtet worden und dürften wohl in den meisten Fällen, wo diese Beobach- 
tungen sich als richtig erweisen, auf locale Temperaturerhöhungen bei chemischen Vorgängen 
zurückzuführen sein, 

Für die Contactverhältnisse zwischen den granitischen Gesteinsarten und dem Neben- 
gestein fallen zunächst zwei Momente wesentlich ins Auge, die mitunter bedeutende Ausdehnung 
der Veränderungen, und die Art der Durchsetzungen und Verästelungen ?) in das Nebengestein. 

In Bezug auf den letzteren Fall sind besonders: die Verhältnisse auf der Insel Elba 
charakteristisch, wo durch die netzartige Verzweigung der Gänge in dem Nebengestein jeder Gedanke 
an ein Eindringen durch die Eruptivmasse ausgeschlossen ist; denn ganz abgesehen von der 
Beschaffenheit dieser Ausfüllungsmassen und ihres Verhältnisses zu der Hauptmasse, ist nicht an- 
zunehmen, dass die horizontal und vertical sich durchkreuzenden Gänge und Adern durch eine 
mechanische Eindringung, einer Eruptivmasse °) sich ausgefüllt haben sollten, besonders aber in 
jenen Fällen, wo ein directer: Zusammenhang mit der Granitmasse ohne jede Spur einer Ver- 
werfung überhaupt fehlt. 

Aber auch durch die Meteorwasser können diese Gebilde nicht in die Schichten ein- 
geführt worden sein, da sie mit den Gangadern der Erzgänge hinsichtlich der Art ihres Vor- 
kommens keinerlei Analogie ausweisen und auch schon durch die Feldspathbildung,*) welche 
sich hier auf das deutlichste ausspricht, auf eine verhältnissmässig erhöhte Temperatur bei der 
Bildung schliessen lassen. 

Ausserdem sind keinerlei Anzeichen vorhanden, dass eine Zuführung von Material durch 
von aussen eingedrungene Gewässer stattgefunden hätte, vielmehr deuten alle Umstände darauf 
hin, dass trotz der abnormen Verhältnisse in der Durchsetzung, diese Gebilde auf das engste 
mit der Hauptmasse verknüpft sind, und zwar gilt das hauptsächlich für Granitmassen, welche 
durch ihre Lagerung resp. Durchsetzung und den Einschluss von Fragmenten des Neben- 
gesteines ihre eruptive Natur auf eine unzweifelhafte Art documentiren. 

Die meisten Gangmassen und Adern dieser Art zweigen deutlich von der Eruptivmasse 


ab und verlaufen oft auf grössere Entfernungen von der Contactstelle in das Nebengestein, 


') Russegger, N. J. f. Min. 1837 p. 667, 1838 p. 626. 

?) G. vom Rath, Z. d. d. geol. Ges. p. 352; Gümbel geogn. Beschrb. Bayr. B. II. p. 633, 643; 
Cotta, Geologie (I) p. 352; Naumann, Geognosie B. I. 872, B.II. 221—245; G. Bischof, Chem.-phys. Geo- 
logie B. III. 407; Hofmann, Poggd. Ann. XVI. p. 526. 

°) Ueber die Flüssigkeit der Lava. Naumann, Geogn. B. I. p. 150. 

*) Vgl. Rosenbusch, Mikr. Physigr. d. mass. Gest. 1877 p. 48. 


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2) on ER 


sich vielfach weiter verzweigend und zwar sowohl in das Hangende, wie in die liegenden 
Schichten. 

Die Ausfüllungsmasse stimmt mit dem Material der Hauptmasse überein, in seltenen 
Fällen, dass einzelne Mineralbestandtheile in denselben auftreten, welche in dem Eruptivmate- 
rial fehlen; wohl aber treten mitunter in diesen Adern einzelne Bestandtheile der Hauptmasse, 
von der sie bestimmt abzweigen, zurück, so dass nach und nach häufig blos noch Quarz als 
Ausfüllungsmaterial die Verästelung fortsetzt. 

Wenn nun berücksichtigt wird, dass die Granitmassen als älteste Eruptivgebilde aus 
den oberen Schichten des Magma wohl auch den grössten Procentsatz an Wasser als wesent- 
lichen Gemengtheil enthalten, welcher naturgemäss bei der Contraction dieser Massen, nach der 
stattgefundenen Eruption, zu einem grossen Theil zur Ausscheidung gelangte, so ist das Phä- 
nomen dieser eigentnümlichen Gebilde unmittelbar erklärt. 

Denn die austretenden Gewässer, welche in Uebereinstimmung mit der Eruptivmasse 
noch eine sehr erhöhte Temperatur besitzen konnten, waren in vielen Fällen bis zu einem 
hohen Grad mit Substanzen gesättigt, welche aus der Hauptmasse bei der Zusammenziehung 
der einzelnen Gemengtheile ausgeführt und durch die nachdrängenden Wasser immer wieder 
ergänzt wurden. Die schon früher vorhandenen, oder während der Eruption gebildeten Spalten 
und Risse im Nebengestein wurden auf diese Art zunächst von den übertretenden Wasser durch- 
setzt, die beigemengten oder gelösten Materialien je nach den obwaltenden Verhältnissen aus- 
geschieden oder gegen andere vertauscht, so dass es nur natürlich erscheint, wenn Gänge 
oder auch die feinsten Risse und Spalten des Nebengesteins mit Material ausgefüllt wurden, 
das vollständig, oder mit einzelnen Gemengtheilen der Hauptmasse der Eruptionsproducte über- 
einstimmte, oder im allmäligen Uebergange in dieselben in einzelne Bestandtheile') sich verlor. 

Auf diese Weise ist es auch erklärlich, wenn einzelne Mineralbestandtheile während 
der Durchsetzung durch Eingehen neuer Verbindungen den Grund zu einer Vermehrung der 
zufälligen untergeordneten Gemengtheile legten, wenn sowohl das Nebengestein, und in einzelnen 
Fällen auch die Eruptivmasse selbst, an den Contactstellen mit fremden Mineralien und Cry- 
stallen imprägnirt erscheinen. 

Auch der Umstand, dass bei dieser Gattung von Eruptivmassen in manchen Fällen 
ausgedehnte Umwandlungen stattgefunden haben, erklärt sich durch die Durchsetzung dieser 
Gewässer bei erhöhter Temperatur. 

!) Das Zurücktreten des Feldspath in den Adern erklärt sich schon durch die Temperaturabnahme 


der Wasser in den oft sehr engen Spalten, in Folge der Wärmeentziehung durch die Wandflächen der Canäle. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 4 


ae 


Abweichungen in der Umwandlungsthätigkeit oder dem Wirkungsvermögen waren da 
gegeben, wo das austretende Wasser mit der Eruptivmasse eine geringere Temperatur enthielt, 
wo der Sättigungsgrad mit fremden Beimengungen kein so bedeutender war, und die chemisch- 
mineralogische Beschaffenheit des Nebengesteines eine grössere Widerstandsfähigkeit aufweisen 
konnte. Daraus erklärt sich auch der Umstand, dass das Resultat der Abänderung in den 
Contactschichten bei ein und derselben Masse ein sehr verschiedenes sein konnte, oder dass iu 
vielen Fällen auch gar keine Umwandlung stattfand, selbst wenn grössere Eruptivmassen dieser 
Art die Schichten durchsetzt haben, besonders, wenn der Procentsatz des übertretenden Wassers, 


je nach der Beschaffenheit der Eruptivmasse, keine grösseren Dimensionen annahm. 


Der Umstand, dass bei den Metamorphosen durch Granite die Contactzonen in vielen Fällen einen 
vollständigen Mangel an Feldspathausbildung ausweisen, erklärt sich aus dem Umstande, dass die Temperatur 
der durchsetzenden Wasser in Uebereinstimmung der jeweiligen Verhältnisse Variationen unterlag, welche 
wohl eine Auserystallisirung der Kieselsäure bis zu einem entsprechenden Grad ermöglichte, jedoch zur Feld- 
spathausbildung mit Berücksichtigung der Druckverhältnisse nicht immer ausreichen mochte; und auch die 
Kieselsäureausbildung, oder ihre Umcrystallisirung in den Contactschichten, hielt nur so lange vor, als die all- 
mälige Temperaturabnahme des Wassers nicht die zulässige Grenze überschritten hatte. Ebenso erklärt sich 
der Umstand, dass sowohl Eruptivgestein, wie Contactgrenzen mitunter gleichzeitig reicher an Kieselsäure 
werden, dadurch auf, dass die austretenden Wasser auch noch in der Eruptivmasse selbst zuweilen Kieselsäure 
abgesetzt haben, und dass aus demselben Grunde in beiden Massen Imprägnationen mit Crystallen auftreten 


konnten, 

Geht man von dem granitischen Eruptivmaterial auf die übrigen Massengesteine über, 
so finden sich bedeutendere Umwandlungen nur in sehr beschränkten Fällen; doch sind auch 
hier einzelne Thatsachen bekannt, wo Veränderungen des Nebengesteines im Contact mit Eruptiv- 
massen auf grössere Entfernungen stattfanden, oder dass Imprägnationen mit fremden Cry- 
stallen in die Erscheinung traten. 

Ein derartiger Fall findet sich beispielsweise in New-Jersey !) bei Lambertsville, wo 
ein rother Sandstein durch eine Trappmasse durchbrochen wurde und auf bedeutende Entfer- 
nung Veränderungen erlitten hat. Derselbe erscheint beinahe durchgehends mit Crystallen von 
Turmalin und Concretionen von Schörl und Pistacit besetzt, welche in gewissen Abschnitten 
von der Contactstelle auf einander folgen, mit gleichzeitiger Verhärtung und dunkler Färbung 
des Sandsteins in allmäligem Uebergange in seinen normalen Zustand. 

Derselbe Fall findet sich bei den Sandsteinen von Rokyhill, welche durch eine Trapp- 
masse vielfach verändert wurden. Auch dieser erscheint mit zahlreichen Crystallen von Schörl 


und Pistacit besetzt, selbst noch auf eine Entfernung von 1000 Fuss. 


!) Naumann nach Danna Geognos. B. I. 760. 


= 


Bei diesen Metamorphosen ist jedoch weniger von einer grösseren Ausführung von 
Material aus der Eruptivmasse, als von einer einfachen Durchwässerung des Sandsteines zu 
bemerken; zwar kommen in vereinzelten Fällen !) Ramnificationen zwischen Basalt und dem 
Nebengestein vor, welche demnach auf eine Ausscheidung einzelner Substanzen hinweisen, jedoch 
sehr selten. Auch ist die mineralogische und texturelle Beschaffenheit dieser Eruptivmassen 
derart, dass sie nicht darauf schliessen lassen, dass der Procentsatz an ursprünglicher Wasser- 
beimengung ein sehr hoher gewesen sein muss, wie das theilweise bei den Graniten der Fall 
war. Es ist demnach mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die augenscheinlich von 
der Contactstelle ausgehenden Wasser, welche die Umwandlung des Sandsteines hierbeigeführt 
haben, nur zufällig mit der Eruptivmasse emporgedrungen sind, also beim Durchbruch von 
Wasseradern oder Reservoirs mitgerissen wurden, ohne dass, in Ermanglung des hinreichenden 
Druckes, eine vollständige Vermengung mit der Basaltmasse stattgefunden hätte, ein Fall, der 
sich ja bei den heutigen Laven vielfach wiederholt und bei stärkerer Bedeckung wohl auch 


ähnliche Resultate erzielen dürfte, 


Bis zu einem entsprechenden Grade können Umwandlungen auch dadurch hervorgerufen 
werden, dass beispielsweise der Sandstein stark mit Wasser gesättigt, von einer Eruptivmasse 
durchbrochen wird. Da die letzteren wohl ohne Ausnahme, besonders aber wo das Material gegen 
die pyrogene Natur hinneigt, die Eruptivmasse also zu den mehr wasserarmen Eruptivproducten 
gezählt werden muss, beim Durchdringen noch eine verhältnissmässig hohe Temperatur aufweisen, 
so musste bei längerem Contacte wohl auch das Wasser des Nebengesteines erwärmt werden, 
so dass dasselbe in die Lage gesetzt war, in erhöhterem Maasse auf die Gesteinsmasse an Ort 
und Stelle einzuwirken, oder durch die in Folge der Volumvergrösserung bei der Temperatur- 
erhöhung hervorgerufene Transferirung oder Bewegung der Wassertheilchen, auch eine beschränkte 


Ortsveränderung einzelner Substanzen zu ermöglichen. 


Dass das Eruptionsmaterial des Basaltes nicht allgemein zu den eigentlichen pyrogenen 
Producten gezählt werden darf, dass dasselbe also von Natur aus z. Th. noch einen gewissen 
Procentsatz an Wasser enthielt, welcher seinen Erstarrungspunkt wesentlich modifieirte, geht 
schon daraus hervor, dass Basalt im Contacte mit der Kohlenformation vielfach nur ganz unwesent- 
liche Veränderungen hervorgerufen hat, jedenfalls aber in gar keinem Verhältnisse zu den Ver- 
änderungen, welche eine wirklich geschmolzene Masse in diesen Gebilden naturgemäss hätte 


hervorrufen müssen, selbst mit Rücksicht auf den Process im geschlossenen Raum. 


1) G. Bischof, Chem.-phys. Geologie B. III. 407. 


ERNDO N ER 


Am Meissner,!) wo eine ausgedehnte Basaltdecke einen Braunkohlenflötz überlagert, 
verwandelt sich diese auf eine Entfernung von 8&—15 Fuss in Stangenkohle, weiterhin in 
Glanz- und Pechkohle, welch letztere allmälig in die unveränderte Braunkohle ausläuft. Das 
Bitumen verschwindet hierbei beinahe vollkommen aus der Stangenkohle und zeigt sich erst 
nach und nach wieder in den Braunkohlen. 

Am Great-Causeway ?) und der Braunkohle von Habichtswald beginnt dieselbe sich 
erst mit einer Mächtigkeit des Basaltes jyon 4-—6 Fuss zu verändern, behält aber bei ge- 
ringerer Stärke ihre gewöhnliche Beschaffenheit bei. 

Bei Mährisch-Ostrau ?) erscheint die von einer basaltischen- oder melaphyr-Eruptiv- 
masse in Contact gelangte Kohle saulenförmig zerklüftet, zu coaksähnlicher Masse umgewandelt, 


sogenannte Stangenkohle. 


Ganz ähnliche Verhältnisse treten auf in den von Basalt berührten Braunkohlenlagern 
bei Utweiler, Grossalmerode,*) am Hirschberge, Vogelsberge u. s. w. 

Die Umwandlungen des Basaltes sind im allgemeinen weit zahlreicher, als die der Mela- 
phyre, Porphyre, Grünsteine, und erstrecken sich auf die verschiedensten Gesteinsarten. 

Auf der Insel Rathlin ®) wurden die Kreideschichten an drei Stellen von Basalt durch- 
brochen und in crystallinisch körnigen Marmor umgewandelt, aus welchem die ursprünglich 
vorhandenen Organismen vollständig verschwunden sind. 

Ebenso auf der Insel Man und bei Belfast, wo durch die Basaltmassen die Kreide- 
formation durchbrochen und an den Contactstellen in crystallinisch körnigen Marmor, z. Th. 
auch in eine porcellanähnliche Masse verwandelt wurde. 

Im Departement Puy de Döme °) steht der Basalt bei St. Saturin mit Thonschiefer 
in Berührung und wurde letzterer auf 10—12 Zoll in stehenden Prismen abgesondert; die in 
demselben vorhandenen organischen Ueberreste sind in Kohle umgewandelt. 

Die mit Schieferthon, Sandstein und Steinkohlen in Contact gekommenen Trappmassen in 


Northumberland erscheinen ‘durchgängig verändert. Der vorhandene Kalkstein ist zu weissem 


1) G. Bischof, Chem.-phys. Geologie B. III. 180; Moesta, Geol. Schild. der Gegend z. d. Meissner 
und Hirschberge. \ 

®) Bischof, 180. 

®) Gümbel, N. J. f. Min. 1875 p. 325, ähnl. b. Geinitz, Stein- und Braunkohle 1865, 15, 20, und 
geol. Reichsanst. Wien 1874. 

*) v. Leonhard, Basaltgebilde p. 288 (383). 

5) Naumann, Geognos. B. I. p. 751; Lyell, El. of Geol. II. 221. 

®) G. Bischof, Chem.-phys. Geologie B. III. 179. 


Bl) = 


Marmor umgewandelt, die Schieferthone röthlich gefärbt und verhärtet, kieselschieferähnlich, 
der Sandstein gefrittet und zusammen gesintert, die Steinkohlen bis auf 30 Fuss Entfernung 


vercoakt und mit erdigen Massen imprägnirt. 


Bei Ettinghausen im Vogelsgebirge wurde im Contacte mit Basalt eine Thonschiefer- 
masse bis auf 2!» Fuss Entfernung in Saulen abgesondert und auf mehrere Zoll tief roth- 


braun gefärbt. 


Dasselbe ist der Fall bei dem zwischen Braunkohle auftretenden Thonlager am Meiss- 
ner im Westerwald,!) bei dem mit Basalt in Berührung gekommenen Sandstein in der Gegend 
von Zittau,?) welcher in Saulen bis 15 Fuss Länge und 2 Fuss Dicke, von theilweise dichter 


jaspisartiger Beschaffenheit abgesondert und umgewandelt wurde. 


Auf der Insel Anglesea 2) wurde der Thhonschiefer durch einen Basaltgang bis auf 
30 Fuss verändert; an den Contactstellen erscheint derselbe vielfach erhärtet und roth gefärbt, 
ohne dass die schieferige Structur ganz verloren geht. 

Der durch bunten Sandstein hervorgetretene Basalt des Wildensteines veranlasste eine 
saulenförmige Absonderung des Ersteren bis zu einer Längenausdehnung von 7 Fuss bei nur 


1 Zoll Mächtigkeit resp. Dicke, welche durchgehend verändert erscheinen. 


Die hier genannten Metamorphosen, welche im Contacte von Basalt hervorgerufen 
worden sind, tragen einen schwankenden Charakter ; denn einerseits grenzen die hervorgerufenen 
Umänderungen an die Wirkungen pyrogener Gebilde, anderseits deutet der mitunter bedeu- 
tende Umfang der Veränderung auf eine Mithilfe des Wassers, da bei dem äusserst geringen 
Wärmeleitungsvermögen der festen Gesteinsschichten geschmolzene Massen keine umfangreichen 


Metamorphosen hervorrufen können. 


Allerdings scheinen hier bei den vereinzelten Fällen grössere Einwirkungen, wie bei 
Neu-Jersey und Rokyhill, wohl zufällige Umstände eine Wassermitwirkung herbeigeführt zu 
haben, da die Beschaffenheit der Basaltmasse auf einen ursprünglich höheren Wassergehalt nicht 
schliessen lässt, vielmehr die Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass das Wasser während der Zeit des 
Durchbruches eingedrungen ist und dass der Druck der bedeckenden Massen nicht mehr vollstän- 
dig hinreichen mochte, eine thatsächliche Verschmelzung mit der Eruptivmasse herbeizuführen, 
immerhin aber durch die Letztere eine höhere Temperatur anzunehmen veranlasst wurde. 


Seltener als im Contacte mit Basalt finden sich Metamorphosen bei Berührung mit 


!) G. Bischof, Geolog. B. III. 180.; Naumann, Geognos, B. I. p. 739. 
?) Reichel, Basalte der Zittauer Gegend. 


(NE 


Porphyren,!) Melaphyren, Grünsteinen, Trachyt; jedoch sind auch hier mehre Fälle beobachtet 
worden, in denen Veränderungen des Nebengesteins stattgefunden haben. 

Auf der Fixsterngrube bei Altwasser,2) wo in das Steinkohlengebirge ein Porphyrgang 
eingedrungen ist, wird die Kohle an den Berührungsstellen anthracitähnlich und stängelig ab- 
gesondert, eisenschwarz bis auf eine Entfernung von 20 Zoll von der Porphyrmasse. 

Nach Hoffmann?) wurde der bei Campigliea (Toscana) mit Porphyr in Berührung 
gekommene Dolomit in scharfe Saulen abgesondert. 

Ebenso findet sich das Nebengestein im Contact mit Porphyr bei Christiania®) vielfach verändert. 

Bei Probost in Böhmen wurde am Holai Kluk °) die Braunkohle durch einen überlagernden 
trachytähnlichen Phonolith prismatisch abgesondert, zerbrochen und eisenschwarz gefärbt. 

Bei Brasac durchzieht ein Grünsteingang die dortige Kohlenformation, welcher viele Trümmer 
von Schieferthon und Steinkohle einschliesst, die durch denselben vercoakt und stängelig ab- 
gesondert wurde, mit beinahe völliger Einbusse des Bitumens. 

Im Steinkohlengebirge bei Ilmenau %) am Lindenberge findet man die Sandsteine im Con- 
tact mit Melaphyr gefrittet und zu einem bandjaspisähnlichen Gestein verwandelt. 

Bei der Kohlengrube Rothell in der Pfalz überlagert der Melaphyr theilweise die dortige 
Steinkohle, die in Folge der Berührung anthraeitähnlich und vielfach zerklüftet wir. — 

Am Harsberge bei Winterlach wurde der Schieferthon durch Contact mit Melaphyr we 
eine Ziegelmasse roth gebrannt. 

Nach Zeuschner ’) sind bei Kathowic (Königshütte) die Sandsteine und Schieferthone 
des Steinkohlengebirges in Contact mit Diorit zu Porcellanit und andere gefrittete und ver- 
glaste Masse verwandelt worden. 

In ähnlicher Weise wurde am Lohnberge (Nassau) die Grauwacke in Berührung mit 
Diabas in lavendelblauen Porcellanjaspis umgewandelt. 

Aehnliche Fälle finden sich im Harz°®) am Schaumberge, der Pufflerschlucht ?) im Thü- 


ringer Walde und verschiedenen anderen Orten. 


!) Vgl. Rosenbusch, Mikr. Physiogrf. d. mass. Gest. p. 99. 

2) Naumann, Geoen. B. II. p. 706, B. I. 743, 

®) Geognost. Beobacht. u. Reise d. Italien p. 27. 

*) vom Rath, N. J. f. Miner. 1869 p. 431. 

°5) Naumann, nach Reuss, Geognosie B. I. 742, B. II. 518. 

6) Derselbe B. II. p. 518 u. 732, B. I. 748. 

”) N. Jahrb. f. Miner. 1834 p. 12, 1838 p. 583. 

®) Kayser, Zeitschr. d. d. geol. Gesellschaft 1870 B. XXII. p. 103—172. 
°) Naumann, Geogn. B. I. 743, B. II. 706. 


Bei einzelnen dieser Metamorphosen ist die Einwirkung der Hitze unverkennbar; aber 
auch hier zeigen besonders die Contactverhältnisse mit der Kohle, dass diese Massengesteine 
keine rein pyrogenen Eruptivmassen repräsentiren können, sondern dass ihre Natur wesentlich 
modifieirt erscheint, in derselben Art und Weise wie es bei den Basaltmassen der Fall ist, 
wenn auch der Wassergehalt mitunter ein sehr schwankender sein mag. 

Fälle mehr, oder rein pyrogener Wirkung auf das Nebengestein ergeben sich aus den 
Contactverhältnissen der älteren und neueren Laven. 

Am Puy de Döme,!) wo Granitfragmente ?) von Lavamassen eingeschlossen wurden, er- 
scheinen dieselben in einzelnen Gemengtheilen geschmolzen, ähnlich den zu Kalköfen verwendeten 
Granitblöcken, bei welchen durch die grosse Hitze Feldspath und Glimmer vielfach ange- 
schmolzen sind. 

Am Roderberge ®) bei Bonn wurden die Grauwacken und Thonschieferstücke, welche mit 
Schlackenmassen in Berührung gelangten, durch Einwirkung der Hitze theils roth gebrannt, 
theils aber auch ganz unverändert gelassen; eingeknetete Quarze haben zuweilen einen glasigen 
Ueberzug, an welchen zahlreiche Partien Lava fest angeschmolzen waren. 

Dasselbe gilt auch von den mit Schlackenmassen in Berührung gekommenen Grauwacken- 
stücken bei Boos (Eifel), von denin Lavamassen vorkommenden Thonschieferfragmenten, am Leilekopf. 

Auf St. Jago*) (Insel des Grünen Vorgebirges) ist ein Muschelkalkstein von Lava bedeckt 
und von dieser an verschiedenen Stellen in erystallinisch körnigen Marmor umgewandelt worden, 
aus welchem die organischen Ueberreste vollständig verschwinden. 

Der sandige Thon, über welchen der südliche Strom des Vulcans von Cravenoir 5) floss, 
wurde im Contact mit dieser Lava gelb und röthlich erhärtet, rissig und in parallelepipedische 
Stücke abgesondert.; 

Aehnliche Umwandlungen finden sich an verschiedenen anderen Orten: aber sie erstrecken 
sich nur auf sehr geringe Entfernung von der Contactstelle, obwohl mitunter die Lavamassen 
ganz bedeutende Mächtigkeit aufweisen, 

An verschiedenen Stellen ist auch hier, wie bei den früher besprochenen Eruptivmassen, 


sehr häufig gar keine Einwirkung auf das Nebengestein ersichtlich. 


!) Karstens, Arch. B. VII. 1834 p. 524 u. Naumann, Geognos. B. I. 740. 

?®) Vgl. Roth, D. Monte Somma, Abhandl. d. Akademie z. Berlin 1877 p. 1—45. 

®) G. Bischof, Geologie B. III. p. 166 u. 167. 

*) Söchting nach Darwin, Einschlüsse v. Crystallen, und Naumann, Geogn. B. I. 750. 
°)v. Leonhard p. 277 u. Bischof, B. III. p. 179. 


So ist z.B. von dem Lavastrom, der 1669 aus dem Monte Rosso ausgeflossen und theil- 
weise selbst die Mauern Catania’s überströmte, nicht die geringste Spur einer Einwirkung auf- 


gefunden worden, welche Erscheinung sich in vielen anderen Fällen wiederholt hat. 


Fasst man im grossen Ganzen das Ergebniss der Einwirkungen zusammen, welche Eruptiv- 
massen auf das Nebengestein unzweifelhaft ausgeübt haben, so wird man bei Berücksichtigung 
der sonstigen Contactverhältnisse, wohl nothwendigerweise zu dem Schlusse gelangen müssen, 
dass im allgemeinen Verlaufe dieser Metamorphosen ein Zusammenhang mit der Natur der 
Eruptivmassen sich nicht in Abrede stellen lässt, und dass in jenen Fällen, wo vereinzelte Abwei- 
chungen von der Regel auftreten, diese entweder auf locale und zufällige Ursachen zurückgeführt 
werden können, welche mit Rücksicht auf die chemisch- mineralogischen Verhältnisse sporadische 


Ausnahmen erzielt haben. 


Aber im allgemeinen ist eine gewisse Consequenz in der Art der Wirkung und dem 
hauptsächlichen Verlaufe des Processes der Umwandlungsthätigkeit bestimmt ausgesprochen, und 
wie die mineralogische und texturelle Verschiedenheit der älteren Eruptivmassen zu den jüng- 
sten Gebilden der Lava-Eruptionen sich unzweifelhaft ausspricht, sind auch die entsprechenden 
Abänderungen der mit ihnen in Berührung gelangenden Gesteinsmassen mit dem Eruptivmate- 


rial verschieden. 


Die Metamorphosen der Granitmassen und ihre Contactverhältnisse zu den durchbrochenen 
Nebenschichten heben jeden Zweifel an der Natur dieser Gesteine, sie bestätigen in jeder 
Hinsicht die frühere Aufstellung, dass das granitische Material, wenn auch mit Abstufungen, einen 
mitunter hohen Procentsatz an Wasser nicht als zufälligen, sondern als wesentlichen Gemeng- 
theil und zwar schon vor der stattgefundenen Fruption enthielt, und dass die durch dieselben 
hervorgerufenen Metamorphosen, sowie die Ramnificationen und selbst grössere Adern und 
Gänge erst durch das ausgeschiedene Wasser bei der Contraction dieser Massen hervorgerufen 
worden sind, indem die vorhandenen Sprünge- und Spalten des Nebengesteines mit dem aus- 


geführten Material, oder neuen Bildungen während der Solution, besetzt wurden. 


Desgleichen stehen die Contactwirkungen der Massengesteine, welche zwischen den gra- 
nitischen Eruptivmassen und den eigentlich pyrogenen Gebilden der Laven eingeschoben sind und 
ohne eine bestimmte Scala aufzustellen, als Eruptivmassen mit abnehmendem Wassergehalt 
bezeichnet werden können, sehr wohl im Einklange mit der Verminderung des Procentsatzes 
an Wasser, und alle Umstände deuten darauf hin, dass Letzteres, wo in vereinzelten Fällen 


ein massenhafteres Auftreten desselben gefolgert werden muss, nur zufällig beim Durchbruch 


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von Wassercanälen aufgenommen wurde, also in diesem Verhältnisse nicht schon ursprünglich 
in der Eruptivmasse präexistirte. 

Endlich sind die jüngeren und jüngsten Eruptivgebilde, die Laven, als Massen zu bezeich- 
nen, bei denen der Wassergehalt in ursprünglicher Form überhaupt fehlt, oder doch in einem 
so geringen Procentsatze, dass er als verschwindend klein angenommen werden kann. 

Diese pyrogenen Eruptivmassen, welche den noch gebliebenen Rest an feuerflüssigem 
Material aus der Ausgleichsperiode repräsentiren, also das letzte Material enthalten, das das 
Innere des Planeten für eine Reaction nach der Oberfläche noch aufweisen kann, bewegt sich 
gegenwärtig augenscheinlich schon dem Endstadium zu, der allgemeinen Erschöpfung. 

Bei den Eruptionen dieser Massen tritt Wasser nur als zufälliger Begleiter auf, nur in 
jenen Fällen, wo beim Durchbruche Wasserbehälter durchbrochen und der Inhalt mitgerissen 
wird, sei es nun, dass er in Dampf verwandelt, oder bei hinreichendem Drucke, selbst mit der 
Masse theilweise verschmolzen wird. 

Die bis jetzt aufgefundenen Metamorphosen der Laven und ihr Verhältniss zum Neben- 
gestein weisen nur die Einwirkung grosser Hitze auf, mit geringer Entfernung von den 
Contactgrenzen, stimmen also auch in diesem Falle vollständig mit den Erwartungen überein, 
welche von der Wirkung thatsächlich geschmolzener Massen auf das Nebengestein voraus- 
gesetzt werden können, oder mit den Modificationen, die eine blos sporadische Antheilnahme 


des Wassers im Gefolge haben kann. 


Abhandl. d, Senckenb. naturf. Ges. Bd- XII. 5 


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Ueber die Gesichtswahrnehmungen vermiitelst des 
Facettenauges. 


Von Dr. Julius Notthaft. 


Mit drei Tafeln. 


Durch die schönen Untersuchungen über das Sehorgan der Arthropoden, 
welche Grenacher in den letzten Jahren mit wahrhaft staunenswerther Sorgfalt und Geschick- 
lichkeit ausgeführt und neuerdings in Begleitung einer Auswahl höchst anschaulicher und klarer 
Abbildungen mitgetheilt hat), ist das tiefe räthselhafte Dunkel fast durchaus gelichtet worden, 
welches so lange den feineren Bau dieses Organes und die besondere Art seiner Function 
umhüllte und selbst auf die schwer verständlichen, oft wunderlichen, ja sogar mit sich selbst 
streitenden Deutungen der Forscher seinen trüben Schatten zu werfen schien. In dem eifrigen 
Streben nämlich, die für den ersten Blick so seltsamen Einzelheiten jenes wunderbaren Organes 
zu erklären, jedem Theile seine besondere Leistung zuzuweisen, liess man vielfach der Phantasie 
allzu willkürlich freien Lauf, unbekümmert darum, dass man sich vielleicht mit einfachen be- 
kannten Sätzen der Optik und der Physiologie in schroffen Widerspruch setzte, während man 
andrerseits einzelnen physikalischen Eigenthümlichkeiten der Cornea z. B., welche in deren 
besonderem Bau mitbegründet, der Beobachtung mühelos sich darboten, für die Thätigkeit des 
Organes aber nach Allem durchaus nicht wesentlich in Betracht kommen können, eine über- 
trieben hohe Wichtigkeit beimaass. War es doch, als ob man sich mehr zur Aufgabe gestellt 
hätte, den Gegner zu bekämpfen, dessen Annahmen und Sätze in ihrer Unhaltbarkeit zu er- 
weisen, als vorurtheilsfrei an der blossen unermüdlichen Betrachtung des Gegenstandes selbst 
‘sich den allein untrüglichen Maassstab zur Beurtheilung theoretischer Behauptungen zu bilden, 


Es kann nicht auffallend erscheinen, dass man dabei vielfach über das Ziel hinausschoss und 


1) Göttingen, 1879. 


ee 


sich durch das Streben nach möglichst ausgiebiger Negation der vom Gegner ausgesprochenen 
Ideen verleiten liess, seinerseits in ganz überflüssiger Weise zu positiven Angaben eben hier- 
über fortzuschreiten, deren Unwahrscheinlichkeit, ja Unmöglichkeit offen am Tage liegt. — 
Johannes Müller hatte die Krystallkegel des Facettenauges für lediglich der Sonderung 
des einfallenden Lichts dienende Apparate erklärt; ihr regelmässiges Vorhandensein im zusammen- 
gesetzten Auge der Insekten und Crustaceen hatte er zum Ausgangspunkt und Fundament seiner 
treffenden Erörterungen gemacht; auf den Umstand endlich, dass diese Theile bis auf seine 
Zeit zu wenig beachtet worden, ja fast gänzlich unbekannt geblieben waren, hatte er die vor 
ihm herrschende grosse Unsicherheit in den theoretischen Annahmen zurückzuführen gesucht. — 
Auf der gegnerischen Seite, welche der Theorie vom musivischen Sehen abhold, ihr Heil im Auf- 
suchen und Hervorheben der durchgreifendsten Analogie des Facettenauges mit dem Sehorgane 
der höheren Thiere suchte; welche eine Cornea und eine Sklerotika, eine Iris mit radiären 
Muskelfasern und eine Pupille, ferner einer Art von Accommodation dienende Muskelfäden 
eine Chorioidea und die verschiedenen Schichten der Retina, kurz beinahe sämmtliche das 
Wirbelthierauge bildende Stücke in den Theilen eines jeden einzelnen Elementes des zusammen- 
gesetzten Auges wiederzufinden glaubte, machte man aus den genannten Kegeln die Endigungen 
der Sehstäbe; man liess also die, hier im Ganzen convexe, feinste Ausbreitung des Sehnerven 
bis unmittelbar an die hintere Fläche «der Cornea heranreichen. Nicht genug, dass man da- 
mit die sonst so streng durchgeführte Vergleichung mit dem Wirbelthierauge, in welchem 
zwischen der Retina und dem lichtbrechenden Apparate ein Glaskörper bekanntlich stets 
vorhanden ist, auffallender und inconsequenter Weise nun plötzlich in diesem einen Punkte 
verliess: folgt nicht schon aus den einfachen Brechungsgesetzen des Lichtes mit Nothwendigkeit, 
dass die percipirende Nervenendigung vom lichtbrechenden Apparate durch einen gewissen, wenn 
auch vielleicht nicht sehr beträchtlichen Abstand getrennt sein muss? 

Was aber soll man gar von jener Hypothese halten, welcher zufolge die Function der 
besprochenen Theile eine doppelte ist, indem sie erstlich lichtempfindlich sein, zugleich 
aber auch durch ihre lichtbrechenden Eigenschaften wirken sollen? Ein Gedanke, der 
allerdings durch seine Neuheit frappirend zu wirken geeignet ist, welcher sich jedoch bei ge- 
nauerer Ueberlegung als völlig inhaltsleer herausstellt. Denn soviel ist ja freilich klar, und 
muss unbedingt zugegeben werden, dass auch ein nervöses, insbesondere ein lichtempfindliches 
Gebilde, — wenn es nämlich eine hinlängliche Durchsichtigkeit und Klarheit besitzt, sowie 
vermöge des von demjenigen des umgebenden Mediums abweichenden Brechungscoefficienten 


seiner Substanz und zufolge der besonderen Gestaltung der es begrenzenden Flächen, — auf ge- 


— 317 — 


eignet einfallende Lichtstrahlen eine brechende Wirkung auszuüben vermag, ja, ebensogut wie 
jeder andere Körper von den gleichen optischen Eigenschaften, ausüben muss. Sicherlich aber 
kann ein lichtempfindliches Organ, auch wenn es die geschilderte physikalische Beschaffenheit 
besitzt, denjenigen Lichtstrahlen, welche pereipirt werden, gegenüber seine lichtbrechende Kraft 
nicht zur Geltung bringen. Denn unter Lichtbrechung versteht man doch die Abänderung 
der bis dahin eingehaltenen Fortpflanzungsrichtung der Aetherschwingungen an der Grenzfläche 
zweier Medien von verschiedener optischer Dichte; Perception des Lichtes aber ist nichts anderes 
als die Umwandlung der Wellenbewegung des Lichtäthers in Nervenerregung einer besonderen 
Art. Wie ist es nun denkbar, dass ein und dasselbe, in seiner ganzen Ausdehnung in gleich- 
artiger Beschaffenheit erscheinende Organ im Stande sein sollte, eben dieselben Lichtstrahlen zu 
brechen, d. h. aus ihrer seitherigen Bewegungsrichtung abzulenken, und zugleich 
zu percipiren, d. h. sie als das, was sie bisher waren, zu vernichten und in etwas ganz 
Neues, nämlich Affection der eigenartigen Nervenendigung zu übertragen? Nervenerregungen 
haben doch keine, für die Qualität oder den Grad der Empfindung irgendwie in Betracht 
kommende Richtung im Raume; und wenn die ins Innere des durchaus, und natürlich auch 
an seinem lichtbrechend wirkenden Vorderende, nervösen Organes eindringenden Strahlen mehr 
oder weniger schief zur Axe derselben verlaufen, so kann dieser Umstand die Menge des 
pereipirten Lichtes doch um Nichts vermindern oder vermehren. Wenn also einer der Ver- 
theidiger dieser Annahme die Frage aufwirft: »Die Hauptfunction der (Retina-) Stäbchen wird 
zwar Jeder gegenwärtig darin erblicken, dass sie lichtempfindliche Theile sind; aber wer kann 
bestimmt verneinen, dass sie nicht auch nebenbei durch ihre lichtbrechenden Eigenschaften wirken; 
wer vermag überhaupt genau zu sagen, wo die lichtbrechende Thätigkeit aufhört und die licht- 
empfindende anfängt?« so kann darauf mit gutem Recht geantwortet werden: Wenn auch 
nicht mehr, so lässt sich jedenfalls doch soviel mit Sicherheit sagen, dass die eine Thätig- 
keit eben da aufhören muss, ihre Wirkung zu äussern, wo die andere da- 
mit beginnt; und das genügt gerade zur Entscheidung des vorliegenden Falles. Mag das 
Lichtbrechungsvermögen des Krystallkegels so gross sein, als es immer will, für die Function 
des Sehorganes kann dies nicht im Geringsten in Betracht kommen, sobald man jenem daneben 
auch lichtempfindliche Eigenschaften zuschreibt. 

Erwägt man die von den Vertheidigern der Müller’schen Theorie zu Gunsten ihrer 
Sache ins Feld geführten Beweisgründe etwas genauer, so stellt sich einer derselben (im Gegen- 
satz zu den übrigen, durchaus nicht anzufechtenden, wie ich gleich bemerken muss) als ziem- 


lich bedeutungslos und, wie es mir scheinen will, wenig zur Entscheidung geeignet heraus. Im 


gan, 


Interesse der Sache, deren Wahrheit ja, besonders durch die neuesten Untersuchungen 
Grenachers, über jeden Zweifel erhoben worden ist, deren Ansehen jedoch durch eine 
unkräftige Beweisführung nicht gewinnen kann, zumal, wenn ein Zuwachs an Beweisgründen 
völlig überflüssig und entbehrlich ist, sei es gestattet, auf jenen Punkt einen Augenblick näher 
einzugehen. N 

Im richtigen Gefühl des weitübertriebenen Werthes, welchen die Gegner dem durch 
die Facettenwölbung entworfenen umgekehrten Bildchen in Bezug auf die Entscheidung der 
theoretischen Frage beigelegt hatten (sah sich doch Max Schultze sogar zu dem Ausspruche 
veranlasst: »die Theorie von dem musivischen aufrechten Bilde im Auge der Insecten sei 
physikalisch nicht haltbar« !), war man auf Seiten der Anhänger Johannes Müllers be- 
strebt, die Bedeutungslosigkeit jenes optischen Bildes für die Function des Organes recht über- 
zeugend darzuthun und seine Unbrauchbarkeit trotz aller seiner Bestimmtheit und Schönheit 
möglichst strenge zu erweisen. Zu diesem Zwecke hätte wohl der Nachweis genügen können, 
dass eine Retina, wie sie zur Perception des Bildchens erforderlich wäre, gar nicht vorhanden 
ist; welchen Nachweis zu führen erst Grenacher vollkommen gelungen ist. Allein derselbe 
bemühte sich nun weiter zu zeigen, dass auch der Ort, an welchem das Bildchen entsteht, nicht. 
derjenige ist, wo es zufolge der Lage der nervösen Theile allein percipirt werden kann; 
und die Versuche der Art, die theils von dem eben genannten Forscher selbst ausgeführt, 
theils von Anderen unternommen und von Jenem nur in seiner Argumentation verwerthet worden 
sind, und welche der Natur der Sache nach mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, 
sind es, die wohl zu gegründeten Ausstellungen Veranlassung geben. Vor Allem ist nach 
meiner Ansicht zu tadeln, dass dieselben in viel zu geringem Umfange angestellt und nur auf 
einige wenige Arten ausgedehnt worden sind. So benutzte Dor ?) ein Insect, das er Macro- 
glossus elatarum nennt, Exner °) die Käfergattung Aydrophilus, Grenacher »verschiedene 
Dämmerungs- und Nachtfalter« *%). Es ist wohl richtig, dass, wenn es gelingen könnte, auch 
nur in einem einzigen Falle völlig zweifellos nachzuweisen, dass der Ort der Bildentstehung 
und derjenige der Perception nicht identisch sind, — wobei man aber durchaus unter den 
gleichen Umständen zu arbeiten hätte, wie die Natur sie bietet, — dass dies genügen würde, 


die Sache zu entscheiden und volle Berechtigung dazu geben würde, sich die Wiederholung des 


!) Untersuchungen über die zusammengesetzten Augen der Krebse und Inseeten, Bonn 1368. pag. 3. 
?) De la vision chez les Arthropodes’ Biblioth. univers. 1861. 

») Sitzungsberichte der Wiener Academie LXXII, Juliheft 1875. 

*) Das Sehorgan der Arthropoden, pag. 148. 


ee 


mühseligen, zur Anstellung des Experimentes erforderlichen Verfahrens zu ersparen. Denn bei 
der, soweit bis jetzt bekannt, in allen wesentlichen Stücken constatirten durchgreifenden Ueber- 
einstimmung aller Formen des in den weniger wichtigen Verhältnissen seines Baues eine fast 
unendliche Anzahl von Modificationen aufweisenden Facettenauges müsste der Analogieschluss 
auf eine in den Hauptpunkten identische Function wohl gestattet sein. Da es jedoch natür- 
licherweise nicht möglich ist, die Bedingungen, wie sie in der Natur gegeben sind, alle auch 
im Versuch genau herzustellen, so blieben dem Gegner immer noch manche Einwendungen 
übrig, der Art, wie: man habe vielleicht eine der unumgänglich nothwendigen Bedingungen 
übersehen und beim Präpariren allzu störend eingegriffen, oder auch, man habe möglicherweise 
zufällig nicht die günstigsten Objecte ausgewählt. Durch eine möglichst grosse Anzahl von Ver- 
suchen hätte man also das zu ersetzen sich bemühen sollen, was den einzelnen an Gewicht 
nothwendig abgehen musste; durch annähernde Uebereinstimmung der Resultate unter einander, 
durch ihren gemeinsamen entschiedenen Protest gegen die dem Bildchen ungebührenderweise 
zugesprochene hohe Bedeutung hätte man die Beweiskraft dieses Argumentes erhöhen sollen. 
Wie steht es aber in Wirklichkeit mit der doch mindestens zu erwartenden annähernden Ein- 
helligkeit der wenn auch durch eine viel zu kleine Zahl von Versuchen gewonnenen Ergebnisse? 
Die Verschiedenheit der Antworten könnte gar nicht grösser sein. Während nämlich Exner 
durch Rechnung fand, dass das unter Mitwirkung des Krystallkegels durch die Corneafacette 
entworfene Bild erst circa drei Millimeter hinter der Hornhaut entstehen würde, also in einem 
Abstande von derselben, welcher den Durchmesser des ganzen Auges um ein Beträchtliches 
übertrifft, fand Grenacher experimentell, dass da, wo man das Bildchen erwarten müsste, 
nämlich hinter oder an der Spitze der Kegel, nichts von einem solchen zu sehen ist; es erscheint 
erst bei der allmählichen Durchmusterung des Kegels von dessen Spitze aus in der Richtung 
nach der Basis, anfangs undeutlich, dann immer schärfer und klarer werdend, im Innern des 
Kegels. Dor dagegen wurde überrascht durch das völlige Zusammenfallen der Focaldistanz 
mit der Länge des Krystallkegels. 

Doch man mag von diesem einzelnen Punkt auch denken, was man immer will: der 
lange hin und her schwankende Streit der Meinungen ist Dank den Untersuchungen Grenachers 
und den mit Evidenz aus denselben sich ergebenden Folgerungen nun endgiltig entschieden 
und die als Siegerin aus demselben hervorgegangene Theorie vom musivischen Sehen wird 
fortan: wohl unbestritten des ihr zukommenden allgemeinen Ansehens sich erfreuen dürfen. Es 
ist jetzt an der Zeit, näher zu untersuchen, ob es nicht möglich sei, über die Richtung und 


die Menge der die einzelnen Sehstäbchen affıcirenden Lichtstrahlen zu etwas bestimmteren, 


2a 


schärfer umgrenzten Ansichten sich zu erheben, als sie durch die von Johannes Müller aufge- 
stellten Sätze in allgemeinen Umrissen bereits gegeben sind. Wenn auch das durch präcisere 
Fassung eines der Hauptsätze der Theorie zu Erreichende vielleicht als an sich unbedeutend 
und von nur geringfügigem Werthe erscheinen mag; wenn auch die kleine Abänderung sich 
mit wenigen Worten ausdrücken lässt, die nach meiner Ansicht nothwendig in der Bezeichnung 
der wirksamen, bis jetzt nur ganz allgemein als radial oder senkrecht einfallende charakteri- 
sirten, Strahlen eintreten muss; wenn endlich das zu diesem Zwecke von mir Vorzuschlagende 
sich nur stark einleuchtend machen, äber nicht streng beweisen lässt: so bietet andrerseits der 
einzuhaltende Gang der Untersuchung vielfach Gelegenheit, die gewöhnlichen aber nicht ganz 
zutreffenden Vorstellungen über die besondere Art und Weise der Thätigkeit des in Rede 
stehenden absonderlich gebauten Sehorgans zu berichtigen. An Stelle der häufig vorgebrachten 
unbestimmten Annahmen, wie: dass das Facettenauge eines der vollkommensten unter den in 
der ganzen Thierreihe sich findenden Organen des Gesichtssinnes sei; dass es sich mit dem 
neben ihm am selben Organismus häufig sich zeigenden Stemma in der Art in die Function 
des Sehens theile, dass dieses zum Blicken in der Nähe, jenes zur Umschau in weiterer Ent- 
fernung sich eigne, und Anderes der Art mehr, wird nachgewiesen werden: dass die Gesichts- 
wahrnehmungen vermittelst des zusammengesetzten Auges den mit demselben ausgestatteten 
Einzelwesen durchaus nicht in analoger Weise zum Nutzen gereichen, wie den Wirbelthieren 
die Eindrücke auf der Netzhaut ihres höher ausgebildeten Auges; dass vielmehr die ohne Mit- 
wirkung lichtbrechender Apparate verlaufende !) Thätigkeit jenes Organes sozusagen ein ganz 
anderes Ziel verfolgt, als die auf dioptrischen Vorgängen beruhende Leistung des anderen; so 
dass also dem fremdartigen Bau und Aussehen des Organes der weit abweichende Charakter 
von dessen Function durchaus entspricht. 

Den bequemsten Ausgangspunkt zu tieferem Eindringen in unseren Gegenstand bietet 
eine Untersuchung der Sehschärfe der in Rede stehenden Augen. Was in dieser Beziehung 
bis jetzt bekannt geworden, ist nicht allzuviel; besonders fehlen die überall so werthvollen 
zahlenmässigen Angaben. 

Bei Johannes Müller, dem Vater unserer theoretischen Kenntnisse von der Function 
des Facettenauges findet sich ein Satz, der bei Erörterung des vorliegenden Gegenstandes als 


Grundsatz zu gelten hat und deshalb hier vorangestellt zu werden verdient. Er lautet 2): 


') Insofern, als die wirksamen Strahlen eben die ungebrochen durch die allerdings sphärisch ge- 
krümmten durchsichtigen Bedeckungen der Nervenendigungen durchfallenden sind. 
®) Zur vergl. Phys. d. Gesichtssinnes pag. 366. — 


4 


»Jede Facette und jeder Krystallkegel entspricht einem bestimmten Theil des Horizontes;« in 
der Art, könnte man erläuternd beifügen, dass der von diesem bestimmten Theil des Gesichts- 
feldes ausgehende Strahlencomplex im Allgemeinen nur die einem einzigen Kegel sich nach 
innen anschliessende und, wie Grenacher überzeugend nachgewiesen, eine physiologische Einheit 
darstellende Retinula affıcirt, und selbstverständlich zu einem einheitlich verschmolzenen Eindruck 
von mittlerer Qualität erregt, gleichgiltig, von wie vielen, unter sich vielleicht an Färbung und 
Intensität verschiedenen leuchtenden Punkten auch der zur Einwirkung gelangende Strahlen- 
büschel ausgesendet worden sein mag. — Unmittelbar einleuchtend ist auch folgender Satz !) 
»Je mehr nun ferner der durchsichtigen Kegel in einem Kugelabschnitt des Auges bestimmter 
Grösse sind, um so bestimmter wird die Begrenzung des Bildes im Inneren des Auges werden.« 
Weiterhin fasst er das Ergebniss seiner Untersuchung über die relative Schärfe der Gesichts- 
wahrnehmungen in den Sätzen zusammen: »Die Deutlichkeit steigt also mit der Grösse der 
Kugel, von welcher die Augen Abschnitte darstellen, mit der Menge und Kleinheit der Facetten 
und mit der Länge der durchsichtigen Kegel.« ?) — »Das fernsichtigste Inseetenauge ist auch 
das scharfsichtigste bei dem grössten Umfange, bei der grössten Menge sehr kleiner Facetten, 
bei grossen Krystallkegeln und dunklen Pigmenten.< °) Im zweiten dieser Sätze wird also zu 
den schon im ersten genannten drei hervorragend ins Spiel kommenden Factoren noch ein 
weiterer hinzugefügt (die Pigmentirung), ohne dessen hinreichende Mitwirkung diese Art des Sehens 
ja überhaupt undenkbar wäre, der aber eben deswegen wohl weit geringere Variationen auf- 
weisen dürfte, als die übrigen. Wollte man es ganz genau nehmen, so liesse sich noch ein 
weiterer nicht unwichtiger Umstand anführen, nämlich die in sehr verschiedenen Graden auf- 
tretende Feinheit der inneren Zuspitzung des Krystallkegels. Ueber den Einfluss endlich, den 
der Abstand des Objectes vom Auge auf die Bestimmtheit des Eindrucks äussert, urtheilt Müller 
wie folgt: »Die zusammengesetzten Augen sehen um so deutlicher, je näher das Object, oder 
je weniger das von einzelnen Punkten ausgehende Licht die ausser dem senkrecht durch- 
leuchteten Kegel liegenden durchsichtigen Theile, schief einfallend durchleuchten kann.« +) — 
»Je näher ein Gegenstand dem Insectenauge ist, um so grösser ist die Menge des Lichtes, 
welche dem senkrecht durchleuchteten Krystallkegel zukommt.« °) Erstlich wird also, wenn der 
Zwischenraum: zwischen Gegenstand und Auge wächst, die Reinheit des Bildes abnehmen, da- 


durch, dass ein und derselbe Punkt des Gegenstandes mehrere Elemente des Auges erregt, 


!) Ebenda. 
2) pag. 374. — °) pag. 378. 
*) pag. 374. — °) pag. 377. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 6 


N 


statt eines einzigen, wie es bei grösserer Nähe des Objectes geschieht; zweitens muss die 
Specification des Bildes auch dadurch bei zunehmendem Abstande allmählich verschwinden, dass 
jeder kleinste Theil des Gegenstandes alsdann nur im Stande ist, einen immer schwächer wer- 
denden Eindruck auf das dem gerade auf ihn zugekehrten Kegel angehörige Nervenelement zu 
machen. Drittens muss aber endlich das Netzhautbild dadurch an Deutlichkeit verlieren, dass 
es kleiner wird, da ja der in grösserer Entfernung befindliche Gegenstand unter einem 
kleineren Sehwinkel erscheint. Die zunehmende Kleinheit des Bildes bringt es nämlich mit sich, 
dass die Einzelheiten desselben sich mehr und mehr mit einander vermischen und in einander 
verschwimmen, bis endlich bei einem gewissen Punkte der Charakter des Ganzen bis zur völ- 
ligen Unkenntlichkeit verwischt und entstellt ist. Auf diesen letzteren Umstand hat Johannes 
Müller seine Aufmerksamkeit gar nicht gerichtet; und doch ist eine Untersuchung darüber, 
in welcher Distanz das zusammengesetze Auge einen Gegenstand von gewisser Grösse noch mit 
aller Bestimmtheit zu erkennen vermag, entscheidend für das Zustandekommen einer völlig 
richtigen und angemessenen Vorstellung von der besonderen Art des Functionirens, zu welcher 
das Facettenauge, im Gegensatze zu den übrigen bekannten Gesichtsorganen, geschaffen scheint. 

Von späteren Autoren erinnere ich mich nur einer hierhergehörigen Aeusserung Clapa- 
r&des,!) der nach einer ungenauen Methode annäherungsweise die Grösse des einer Facette der 
Honigbiene entsprechenden Sehfeldes für die Entfernung von 20 Fuss auf 8— 9 Quadratzoll 
und für einen Abstand von 6 Fuss auf 1,3 Quadratzoll feststellte. Auf die von Claparede 
aus diesen Zahlen gezogenen Schlüsse werde ich später noch zurückkommen. 

In der folgenden Auseinandersetzung sind von den fünf die Schärfe und Bestimmtheit der 
im Auge entstehenden Bilder der Aussenwelt, wie oben schon erwähnt, hauptsächlich beein- 
flussenden Factoren, nämlich Grösse der Facetten, Länge des Radius der Augenkugel, Quer- 
schnitt des Innerendes der Krystallkegel, Abstand der Retinula von der Hornhaut, endlich 
Dichte der Anhäufung des Pigmentes und Undurchdringlichkeit desselben für das Licht nur 
die beiden ersten Grössen, als vorzugsweise wichtig und zugleich auf einfache 
Weise bestimmbar, in Betracht gezogen worden. Es wird also der Einfachheit halber 
angenommen, dass eine jede einzelne Retinula ganz ausschliesslich diejenigen Strahlen treffen, 
welche von dem genau in der Richtung ihrer Längserstreckung befindlichen Theile des Gesammt- 
sehfeldes ausstrahlen; während alle übrigen irgendwie vollständig abgehalten werden. Da ein 
solches Verhalten jedoch der theoretisch vollkommenen Beschaffenheit des Auges entsprechen würde 


und wir kaum mehr erwarten dürfen, als dass vielleicht bei einer geringen Minderzahl von 


!) Zeitschrift für wissensch. Zoologie, Band X (1860). 


=. 


Arten eine Annäherung an diesen vollkommenen Zustand sich herausstellen wird, während die 
Organe aller übrigen hinter der überhaupt denkbar höchsten Stufe der Ausbildung und Leistungs- 
fähigkeit sicherlich mehr oder weniger zurückbleiben werden, so ergibt sich schon hieraus, dass 
die Unterscheidbarkeit der wahrgenommenen Gegenstände jedenfalls in den meisten Fällen 
geringer sein muss, als es zufolge den übrigen in Berücksichtigung gezogenen Umständen allein 
der Fall sein würde, 

Es kommt nun hier nicht so sehr darauf an, weitere gesetzmässige Beziehungen zwischen 
den Verhältnissen der Gruppirung und der Grösse der einzelnen Augentheile einerseits und der 
Stufe der Leistungsfähigkeit andrerseits aufzufinden und in allgemeingiltiger Form auszusprechen, 
wodurch die Sammlung derartiger Sätze von fundamentaler Bedeutung und nicht zu bestrei- 
tendem Werthe, die wir dem Scharfsinon Johannes Müllers verdanken, sich vielleicht noch 
um ein Geringes vermehren liesse. Was uns hier interessirt, ist vielmehr einmal die Bestim- 
mung des kleinsten Sehwinkels, dann die Berechnung der Grösse des einer 
einzelnen Facette in gewissen Abständen vom Auge entsprechenden Seh- 
feldes, und zwar für eine möglichst grosse Anzahl von Fällen und mit dem höchsten er- 
reichbaren Grade von Präcision und Zuverlässigkeit. 

Es dürfte vielleicht nicht überflüssig sein, beide eben gebrauchten Begriffe, nämlich 
»kleinster Sehwinkel« und »Sehfeld« in dem speciellen Sinne, den sie hier haben, kurz 
zu definiren. Einfach ist dies für den zweitgenannten Ausdruck. Unter dem Sehfelde einer ein- 
zelnen Facette, unter einem Elementarsehfelde ist die Gesammtheit derjenigen leuchtenden 
Punkte zu verstehen, von welchen Strahlen zu einem und demselben Retinaelement gelangen 
und so zum einheitlichen Eindruck eines hellen Fleckchens unter einander verschmelzen; Ver- 
mehrung der Anzahl der leuchtenden Punkte wird demzufolge ebenso wie die Steigerung der 
Intensität der einzelnen die Helligkeit des wahrgenommenen Lichtfleckes verstärken. Den 
Abstand der Mittelpunkte zweier benachbarten Elementar-Sehfelder erhält man für jeden be- 
liebigen Abstand des Objectes, indem man die optischen Axen zweier dicht neben einander ge- 
legener Augenelemente soweit verlängert, bissie die dem Auge zugekehrte Fläche des Gegenstandes 
treffen. Es fragt sich nun weiter, wie die Sehfelder benachbarter Facetten sich zu einander 
verhalten, nämlich, ob sie sich theilweise, an den Rändern, decken, oder einander gerade 
berühren, oder aber durch Abstände von einander getrennt werden, deren Inhalt also der 
Wahrnehmung entzogen bliebe, wenigstens so lange das Auge seine Lage im Raum unverändert 
beibehält. Am einfachsten und natürlichsten möchte wohl von vornherein die zweitgenannte 


Annahme erscheinen. Johannes Müller indessen hielt offenbar die erste für die wahr- 


scheinlichste, wenigstens unter der Voraussetzung: Die Entfernung des Gegenstandes sei eine 
derartige, dass die von einem und demselben Punkte des letzteren ausgehenden und auf zwei 
neben einander gelegene Facetten auftreffenden Strahlen nicht allzustark divergiren. Es würde 
alsdann die Richtung eines zwar nicht völlig senkrecht oder radial, aber doch noch sehr steil ein- 
fallenden Strahles durch die Brechung soweit abgeändert werden können, dass er das nicht 
pigmentirte schmale Innerende auch solcher Krystallkegel noch erreichte, in deren Axenrichtung 
sein Ausgangspunkt nicht gelegen ist, und so, ohne gleich den schräger gerichteten Strahlen, von 
den geschwärzten Seidenwänden derselben verschluckt zu werden, zu den tiefer im Inneren des 
Auges gelegenen, den bezeichneten Kegeln zugehörigen lichtempfindlichen Theilen vordringen 
könnte. Wenn sich dieser Vorgang in allen rings um dasjenige Element gruppirten Kegeln 
wiederholte, in dessen Radius sich der lichtausgebende Punkt "befindet, so würde diesem einen 
Punkte des Objectes nicht wiederum ein Punkt auf der Retina, sondern ein kleiner Zerstreu- 
ungskreis entsprechen; aber nicht eine Kreislinie, wie auf der Netzhaut des Wirbelthier- 
auges, sondern eine Kreisfläche, deren Centrum das Helligkeitsmaximum der Strahlen 
einer und derselben Art enthält. Inwiefern nun jedes Retinaelement hauptsächlich von dem 
genau in seiner optischen Axe gelegenen Theile des gesehenen Gegenstandes Licht erhielte; 
zugleich aber auch mehr oder weniger stark durch eine je nach der Entfernung des Objectes 
wechselnde Menge von Punkten erleuchtet würde, deren Lage schon mehr der Richtung der 
optischen Axen der benachbarten umliegenden Augenelemente entspräche, als der des erstge- 
nannten von ihnen umgebenen, und welche auch jene vorwiegend erhellen, könnte man wohl 
von einer theilweisen Deckung der an einander anstossenden Sehfelder reden. 

Andrerseits darf bei Beurtheilung der Sache nicht ausser Acht gelassen werden, dass 
vielfach, besonders häufig bei im hellen Sonnenschein fliegenden Insecten eine Einrichtung 
anzutreffen ist, welche ganz den Eindruck macht, als ob sie die Bestimmung hätte, die den 
einzelnen Elementen des zusammengesetzten Auges zugehörigen Sehfelder möglichst von einander 
zu sondern; ich meine die von manchen Autoren mit der Iris der höheren Thiere verglichene, 
die seitlichen Zusammensetzungsflächen der Hornhautprismen einhüllende, auf der Flächenan- 
sicht öfter in Form eines breiten Ringes sich darstellende und nur die mittlere Partie der 
Facette für den ungehinderten Durchgang des Lichtes offen lassende, gelbbräunliche oder 
tiefschwarze Pigmentirung. 

Da nun Einiges für den einen, Einiges dagegen ebensosehr für den anderen der beiden 
extremen Fälle unter den drei oben aufgezählten zu sprechen scheint, diese aber natürlich 


doch nicht beide zugleich stattfinden können, so ist es wohl das gerathenste, vorläufig den 


An 


gleichsam in der Mitte stehenden und auch durch Einfachheit sich empfehlenden Fall für den 
richtigen zu halten; d. h. bis auf Weiteres anzunehmen, dass die Elementarsehfelder sich mit 
ihren Rändern ungefähr berühren. Wir können dies um so eher thun, da diese Annahme für 
die Reinheit der Netzhautbilder gewisse, wenn auch nicht sehr ins Gewicht fallende Vortheile 
zu bieten scheint. Denn wenn wir später aus der geringen Deutlichkeit jener Bilder Folge- 
rungen von grösserer Tragweite herleiten, so sind wir dann sicher, diese nicht zum Theil auf 
eine fehlerhafte Annahme in Betreff des eben besprochenen Punktes zu basiren. — Hiernach 
erhält man die Grösse eines Elementarsehfeldes für jeden verlangten Abstand vom Auge, indem 
man um den Mittelpunkt der Kugel, von welcher dieses ‚einen Abschnitt bildet, eine das jedes- 
malige Object berührende Kugel, also mit einem Radius gleich der Distanz desselben, ‚beschrie- 
ben und die Facetten im gleichen Verhältniss vergrössert denkt, in welchem die Oberflächen 
beider Kugeln zu einander stehen; oder, indem man die Ebenen, welche sich durch die Seiten- 
wände der Facetten und den Mittelpunkt der Augenkugel legen lassen, bis zum Durchschnitt, 
mit dem Gegenstand erweitert denkt. — In den Fällen, wo die Augenwölbung vollkommen 
sphärisch erscheint, werden die Elementarsehfelder, die ja nichts Anderes sind, als die vom 
Mittelpunkt der Augenkugel nach aussen projieirten Facetten, der polyedrischen Figur der 
letzteren stets ähnlich bleiben; wenn dagegen die Form des Auges von der Kugelgestalt erheb- 
licher abweicht, werden sie mit wachsender Vergrösserung eine zunehmende Verzerrung erleiden 
wie weiter unten eingehender gezeigt werden soll. 

Uebrigens würde die sichere Entscheidung der Frage, welche uns soeben beschäftigt 
hat, von einiger Wichtigkeit dafür sein, welche Vorstellungen wir uns vom kleinsten 
Sehwinkel der Insecten zu bilden haben; worunter wir vorläufig die kleinste Winkeldistanz 
verstehen wollen, welche die von zwei verschiedenen Punkten auf die kugelige Hornhaut des 
Auges gefällten Senkrechten mit einander wenigstens einschliessen müssen, wenn jene beiden 
Punkte als zwei getrennte mit Deutlichkeit sollen unterschieden werden können. Nehmen wir 
beispielshalber einen Augenblick für gewiss an, die einzelnen Sehfelder, aus welchen das ganze 
vermittelst des Gesichtsorganes zu beherrschende Gebiet sich zusammensetzt, hätten wenigstens 
innerhalb gewisser Abstände vom Auge eine derartige Ausdehnung, dass sie mit ihren Rändern 
einander gerade berühren; die Breite eines Elementarsehfeldes betrage etwa einen Centimeter. 
Wenn nun zwei leuchtende Punkte auf dunklem Grunde, die um einen Millimeter von einander 
entfernt sind, sich in solcher Lage zum Auge befinden, dass der eine ganz in die Nähe des 
linken Randes eines Elementarsehfeldes, der andere dagegen jenseits des rechten Randes des 


unmittelbar daranstossenden zu liegen kommt, so werden die von ihnen ausgehenden, das Auge 


senkrecht treffenden Strahlen in das Bereich zweier verschiedenen Retinulä fallen, mithin die 
Punkte als zwei gesonderte getrennt empfunden werden können; während andrerseits zwei helle 
Punkte, die vermöge ihrer augenblicklichen besonderen Lage zum Auge in das Sehfeld einer 
und derselben Facette gehören, noch bei einem gegenseitigen Abstande von ungefähr einem 
Centimeter nicht als zwei getrennte unterschieden werden können, sondern den Eindruck eines 
einzigen Fleckes von der doppelten Lichtstärke machen müssen; der jedoch bei der geringsten 
seitlichen Drehung des Auges sich sofort in zwei von entsprechend verminderter Helligkeit auf- 
lösen wird. Das gewählte Beispiel stellt allerdings einen extremen Fall vor; allein soviel 
leuchtet aus demselben wohl ohne Weiteres ein, dass ein dem geschilderten analoges Verhalten 
des Auges gestatten würde, den kleinsten Sehwinkel innerhalb weiter Grenzen schwankend und 
möglicherweise selbst bis zu einer verschwindend kleinen Grösse herabsinkend sich vorzustellen; 
gleichviel, wie gross der Zwischenraum zwischen Sehorgan und Object auch gewählt werden 
möge. Die beträchtlichen Schwankungen in der Grösse des Sehwinkel-Minimums würden einzig 
und allein von der wechselnden zufälligen Lage des Objectes im Verhältnisse zum Auge ab- 
hängig sein, während alle übrigen Umstände, wie die Beschaffenheit des ersteren und seine 
Beleuchtung als gänzlich unverändert anzunehmen wären. 

Unter einer ganz bestimmten Voraussetzung lässt sich zwar denken, dass zwei Punkte, 
die in einem gewissen Abstande von einander sich befinden, allemal (wenn sie nämlich über- 
haupt beide wirklich erblickt werden) auch als zwei getrennte unterschieden werden müssen und 
nicht gelegentlich einmal den Eindruck eines einzigen hervorbringen können. Dies würde, wie 
wohl nicht weiter auszuführen, dann der Fall sein, wenn die Elementarsehfelder durch Abstände 
getrennt würden, deren Breite ihrer eigenen ungefähr gleichkäme. Damit nämlich zwei Punkte 
als von einander gesondert wahrgenommen werden können, müssen sie unter diesen Umständen 
offenbar mindestens um etwas weiter von einander abstehen, als die Distanz zwischen zwei be- 
nachbarten Elementarsehfeldern beträgt. Diese ist aber gleich der Breite der letzteren selbst; 
folglich können niemals beide Punkte zugleich sich innerhalb des nämlichen Sehfeldes befinden, 
was doch die Bedingung ihres scheinbaren Zusammenfallens bilden würde. Allein mit jener 
Annahme verwickeln wir uns in eine neue vielleicht noch grössere Schwierigkeit; denn ihr zu- 
folge würde ein Insect immer weniger als nur die Hälfte des in das Bereich seines Gesammt- 
sehfeldes fallenden Theiles seiner Umgebung auf einmal wahrnehmen können; es würde von 
derselben nicht mehr erblicken, als man etwa beim Hindurchschauen durch ein groblöcheriges 
Sieb von den jenseits desselben befindlichen Dingen zu sehen bekommen würde, obgleich natür- 


lich die einzelnen empfundenen hellen Punkte unmittelbar an einander sich anreihen würden, 


ee 


und durch nichts auch nur das leiseste Gefühl davon erweckt zu werden brauchte, dass weit 
grössere in Wirklichkeit zwischen ihnen gelegene Theile des Gegenstandes dem Sinne entzogen 
blieben. Eine unbedeutende Bewegung des Kopfes dagegen würde hinreichen, das eben Em- 
pfundene mehr oder minder, vielleicht gänzlich verschwinden und Neues, allerdings an Leucht- 
kraft und Farbe von jenem vielleicht nur unwesentlich Verschiedenes an seine Stelle treten zu 
lassen. Eine solche Art, sich über die umgebenden Dinge zu orientiren, würde aber den Ideen 
durchaus nicht zu entsprechen vermögen, die wir uns von der Leistungsfähigkeit des Gesichts- 
organes bei so hoch entwickelten Thieren zu machen haben, wie es die Insecten im vollkommenen 
geflügelten Zustande sind. 

Die umständliche Erörterung der Schwierigkeiten, welche sich bei Anwendung des in Rede 
stehenden Begriffes auf unsern Gegenstand ergeben, soll einmal auf die geringe Wahrschein- 
lichkeit einstweilen im Voraus aufmerksam machen, die meiner Meinung nach die Vorstellung 
für sich hat, als ob das Facettenauge, gleich den mit lichtbrechenden, bildentwerfenden Appa- 
raten ausgestatteten Augen der höheren und auch vieler wirbellosen Thiere, in erster Linie 
zum deutlichen Erkennen der Dinge bestimmt sei. Andrerseits soll obige Ausein- 
andersetzung einigermaassen zur Entschuldigung der Willkür dienen, mit der man nothgedrungen, 
bei der Unmöglichkeit, die Frage durch das Experiment beantworten zu lassen, dem genannten 
Begriff eine etwas andere Bedeutung geben muss, wenn man ihn anders auf die Betrachtung 
des zusammengesetzten Auges übertragen will, was mir zum Zweck der vorliegenden Unter- 
suchung von nicht ganz unerheblichem Nutzen zu sein scheint. Ich verstehe nämlich hier unter 
dem kleinsten Sehwinkel die Winkeldistanz der Richtungen, welche zwei 
unmittelbar benachbarte von den im Allgemeinen radiär auseinander- 
strahlenden Retinulä (oder auch den vollständigen einzelnen Augenelementen) in ihren 
Längserstreckungen einhalten. — Wenn nun Jemand aus den später sich ergebenden 
bedeutenden Differenzen zwichen den Werthen, welche diese Grösse beim Facettenauge erreicht, 
und den entsprechenden, durch das Experiment genau festgestellten Zahlen, welche für das 
menschliche Auge Geltung haben, schliessen zu dürfen glaubte, es handle sich hier um ganz 
verschiedene Dinge, welche mit Unrecht durch das gleiche Wort bezeichnet würden, so brauchte 
man sich dem gegenüber nur darauf zu berufen, dass ja auch im menschlichen Auge das 
durch Versuche bestimmte Minimum des Sehwinkels nicht ganz ausser Zusammenhang mit der 
Richtungsverschiedenheit zweier benachbarten Sehstäbchen steht. Es ist nämlich der kleinste 
Sehwinkel des menschlichen Auges etwa sechsmal so gross gefunden worden, als die Winkel- 


distanz zweier neben einander liegender Retinaelemente. Wenn wir nun die Hypothese auf- 


ee 


stellen, im. zusammengesetzten Auge der Arthropoden seien beide Winkelgrössen identisch, so 
kann diese Begriffsbestimmung die Schuld daran sicherlich nicht tragen, dass der Werth, den 
wir hiernach für den Sehwinkel im Minimum annehmen müssen, so unverhältnissmässig hoch 
ausfällt, wie später dargelegt werden soll; unserer hypothetischen Annahme nach müsste er 
ja im Gegentheil eher insofern fehlerhaft werden, dass er zu niedrig erschiene. Es kann also, 
wie vielleicht nochmals hervorgehoben werden darf, durch diese Definition des mehrfach ge- 
nannten Begriffs’ in unsere Vorstellungen von der Sehschärfe der Insecten jedenfalls insoweit Kein 


Irrthum sich einschleichen, dass wir dadurch veranlasst würden, die letztere zu unterschätzen. 


Um nun diese Winkelgrösse mit der erforderlichen Genauigkeit zu bestimmen, können 
zwei verschiedene Wege eingeschlagen werden. Ganz direct lässt sich die dieselbe ausdrückende 
Zahl auffinden, wenn man ein Auge senkrecht zur Oberfläche durchschneidet und an diesem 
Präparat, das übrigens vorsichtig genug angefertigt werden müsste, dass nicht die natürliche 
Lage und Anordnung der inneren Weichtheile allzusehr gestört wird, .einmal die in die Ebene 
des Schnittes fallende Reihe der Facetten zählt und alsdann den Winkel der Längsrichtungen 
der beiderseitigen äussersten mitgezählten Augenelemente feststellt. Letzteres geschieht wohl 
am einfachsten vermittelst der zur mikroskopischen Winkelmessung von Krystallen bestimmten 
Vorrichtung, unter Anwendung einer mässigen Vergrösserung, oder mit Hülfe des Transporteurs 
und genauer Zeichnungen. Der in Folge der‘ bei Herstellung des Präparates nicht gänzlich 
zu vermeidenden Störung in den gegenseitigen Lagerungsverhältnissen der zarten Gewebstheile 
ebenso, wie bei der Messung selbst allenfalls begangene kleinere Fehler würde durch die zur 
Auffindung der gesuchten Grösse erforderliche Division wohl ziemlich unerheblich gemacht 
werden; ich habe mich indessen einer anderen, wohl als die zuverlässigere anzusehenden, Methode 
bedient, welche gleich näher beschrieben werden wird. Da mir übrigens F. Leydigs »Tafeln 
zur vergleichenden Anatomie« gerade zur Hand waren, so habe ich das eben angegebene Ver- 
fahren auf einige in denselben enthaltene (Taf. VIII, Fig. 3 und 4, Taf. X, Fig. 1 und 2), bei 
mässiger Vergrösserung gezeichnete Querschnitte von Facettenaugen angewendet. Die Resultate 


sind in der folgenden Uebersicht zusammengestellt. 


an = Kleinster Seh- 
der beiden | Farettenzahl | intel, 
End-Elemente. 
Apis, mellifican: ve. Sılıaar . uemerehee 104° 54 1° 56’ 
Formica rufa (Arbeiter) . . . . .. all 35 19 27° 
SpEinzgconvolyullssı Sr 67° 39 1° 43° 
Acherontia atropos . . 2 2 2 2... 20° 13 1°°32° 


une 


Von den genannten Insecten habe ich selbst zwei nicht weiter untersucht; für die beiden 
andern habe ich auf dem gleich näher anzugebenden Wege bedeutend niedrigere Zahlen gefunden 
(vgl. die unten folgende Tabelle). Vielleicht ist die Uebereinstimmung aus dem Grunde nicht grösser, 
weil die sonst so schönen und anschaulichen Abbildungen doch nicht mit dem zu Messungen 
erforderlichen hohen Grade von Genauigkeit hergestellt sind, was ja auch für den eigentlichen 
Zweck der Tafeln durchaus unnöthig ist. Uebrigens deutet auch die geringe Wahrscheinlich- 
keit, welche der Gedanke für sich zu haben scheint, dass die nicht zum Fluge befähigte Ameise 
ein schärferes Sehvermögen besitzen sollte, als die grossen äusserst fluggewandten Dämmerungs- 
falter, mit Entschiedenheit darauf hin, dass obige Zahlen wohl nur ganz beiläufig dem wahren 
Sachverhalte entsprechen. 

Wie schon oben bemerkt, lässt sich der kleinste Sehwinkel des Facettenauges noch auf 
einem anderen Wege bestimmen. Wenn man nämlich den Radius der Augenkugel und die 
Breite einer Facette kennt, so lässt er sich aus diesen beiden Grössen, wie unten gezeigt 
wird, vermittelst einer einfachen Rechnung finden. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen sind 
in der nebenstehenden Tabelle zusammengestellt, zu deren Erläuterung später noch Einiges 


zu bemerken ist. 


Radius de der die Bröite 
e r 1a: 1 eite 
SE nase n ae eines Ele m 
in Millimetern. Millimetern: Sehwinkel. — 1 Centimeter, 
in Centimetern. 
Apisemellitiener ne oa ar 0,024 1,62; 0,75 —! 51° 67 
Bombus terrestris . . 2 2 2 20.2. 0,029 1,75; 1,37 —! 57‘ 60 
Xylocopagviolacea . ».. u... - 0,035 2,75; 1,75 — 1 44° 78 
VER paRvulgarısWe nee: 0,025 1,62; 1,00 —! 49° 70 
Vespapcrabror. cc Pen: 0,032 2,50: 1,37 —! 44' 78 
Carabuswauratuse I or 0,030 0,75 Ä 2° 18 25 
Dyitiscusjone a 0,025 0,75 10355; 30 
Neerophorus vespillo . . » 2... 0,020 1,50 —! 46‘ 75 
WEtonIaBaUrata 0,024 0,60 2° 18° 25 
Amphimalla solstitialis. . - » 0,023 0,75 1° 45° 33 
Geotrupes stercorarius. » » 2 0. = 0,032 0,75 20127: 23 
Lytta vesicatoria. » ©» » 2 2 20. 0,036 0,75 2° 45’ 21 
Cerambyx hers . -. ». . .». 2x 0. 0,094 1,75 3° 5’ 19 
Saperda carcharias . . -» -»- 2... 0,045 1,50 1 43° 33 
Astynamus aedilis . » » 2.2. . 0,056 0,75 2° 45’ 21 
Phryganea rhombia . . » . 2... 0,023 0,38 30 28° 17 
Panorpa commmis . » 2-2... 0,020 0,50 2017. 25 


Abhandl, d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 7 


Radius der 


Entfernung, in 
der die Breite 


ge ee uselie en eines | Blem.- 
in Millimetern. Millimetern! Sehwinkel. — 1 Centimeter, 
in Centimetern. 
Melitaea didyma . 0,018 0,75 12221 42 
Argynnis Dia . 0,020 0,75 1° 32° 37 
Argynnis Aglaja . 0,028 1.56 1022: 56 
Argynnis Adippe . 0,026 1,50 | —! 59° 58 
Argynnis Paphia . 0,026 1,40 | OBBAL 54 
Argynnis Latonia 0,024 1,06 | 1° 18° 44 
Vanessa Io . 0,021 1,25 | 08 59 
Vanessa Antiopa 0,023 1,25 1° 4 54 
Vanessa Calbum 0,021 1,00 | 1912: 48 
Vanessa urticae 0,022 1,00 11051164 45 
Vanessa Prorsa 0,024 0,75 | 1° 50° 3l 
Vanessa cardui 0,024 1,40 _0 594 58 
Apatura Dia 0,026 1,50 0 594 58 
Arge Galatea . 0,022 0,75 1° 41° 34 
Erebia Medea. . 0,023 0,75 1° 45° 33 
Satyrus Alcyone . 0,024 1,00 1° 22° 42 
Pararge Megaera. 0,021 0,75 1° 36‘ 36 
Pararge Egeria 0,023 0,75 1° 45‘ 33 
Epinephele Tithonus 0,018 0,75 1° 22° 42 
Epinephele Dejanira 0,021 0,75 1° 36° 36 
Lycaena Alexis 0,016 0,50 1° 50° 3 
Lycaena Arion 0,018 0,75 10 22° 42 
Lycaena Adonis . 0,017 0,75 1° 18° 44 
Polyommatus Circe . 0,019 0,75 1° 27' 39 
Thecla betulae 0,019 0,75 1° 27° 39 
Thecla ilicis 0,022 0,90 19 24° 41 
Papilio Machaon . 0,024 1,25 10aIG6: 52 
Pieris brassicae 0,021 1,00 1° 12° 48 
Colias Hyale 0,024 1,00 1° 22° 42 
Gonopteryx rhamni . 0,022 0,88 1° 26° 40 
Hesperia Comma . 0,024 0,75 1° 50° 3l 
Sphinx Elpenor 0,029 1,88 — 53° 65 
Sphinx euphorbiae 0,030 1,75 — 59 58 
Sphinx nerii 0,034 2,75 —! 49° 8 
Sphinx ligustri 0,030 1,68 1° 3° 56 
Macroglossa stellatarum 0,029 1,40 1152127 48 
Acherontia atropos . 0,037 3,00 —! 42° 81 
Zygaena filipendulae 0,024 0,75 1° 50° 3l 
Zygaena hippocrepidis . 0,026 0,60 2° 29° 23 
Callimorpha hera. 0,024 0,60 2un18l 25 
Liparis dispar . 0,022 0,75 1° 41° 34 
Noctua? . 0,022 0,75 1° 41‘ 34 
Noctua? . 0,021 0,75 1° 36° 36 


te 


Barettenhreit | Radius der Klo: PER ie Bee 
ey ” reite | Aoeankuhei in a eines Elem.- 
au Billimekern: Millimetern. | Sehwinkel. — 1 Centimeter, 
| in Centimetern. 
Serionspuellatsar ln nie 0,025 0,87 10559; 35 
Platyenemis pennipes . . 2. 2.2.2. 0,025 0,87 1° 39' 35 
Libellula? (kleine grüne Art) . . . . 0,041 2,25; 1,50 103° 55 
Libellula? (kleine rothe Art) . . . . 0,048 2,75; 2,00 1° —' 57 
Libellula depresa . . . 2. 2.2... 0,044 2,75 — 155’ | 62 
Gordulagae na N en 0,051 3,25; 2,50 — 154° 64 
Aeshna? (braungefärbt) . . . 2... 0,049 3,75; 3,00 —! 45/ 76 
Aeshna? (grün und blau). . . . . . 0,045 4,00; 3,50 —! 39 89 
Locusta verrueivora. » 2: 2 2 2.0. 0,031 X 1,50; 1,25 10517: 48 
Locusta’ viridissima . » ». 2 2202. 0,034 1,12: 1,00 1° 44° 33 
Gryllussoh® MIR SEIN ARE NER EN 0,032 1,37 1° 20° | 43 
Forfieula auricularia . . . 22... 0,033 0,50 3% 47° 15 
Tipula oleracea . . .. 2. 22 .. 0,028 0,50 3° 13° 18 
Tabanus bovinus fem.. . ». 2 2 .. 0,048 3,75; 2,75 —044' | 78 
ERADST US N re 0,034 1,50; 2,50 —! 47' 73 
Haematopota pluvialis. . . .... .- ; 0,027 0,75; 1,50 102597 bp) 
Stratiomys chamaeleon. . . . ... 0,030 1,75; 1,50 —! 59' 58 
Dioctria oelandia . . . . 2 2.2. 0,030 1,00 1° 43° 33 
Sarcophaga camaria . . . 2... 0,027 - 1,25 1° 14° 46 
Musca vomitoria . » 2 2 2 20. 0,027 1,25 1° 14° 46 
Musca Caesar... 2 021080 le 0,031 1,25 1° 25° 40 
Muscardomesticans co m u. yon 0,024 1,00 102922 42 
Acauthosoma haemorrhoidalis . . . 0,028 0,30 | 5° 21° | 11 


Bei der Auswahl der zu untersuchenden Insecten, deren Namen in der ersten 
Columne enthalten sind, habe ich mein Augenmerk in erster Linie darauf gerichtet, mir, so- 
weites thunlich war, die grösseren und besonders die fluggewandteren Arten zu verschaffen, wie 
es z. B. die Dämmerungs- und auch die meisten Tagfalter sind, ferner die Libelluliden, viele 
Brachyceren, Hymenopteren und Andere; unter allen zur Betrachtung herangezogenen Arten 
ist der gewöhnliche Goldlaufkäfer, Carabus auratus, das einzige des Flugvermögens gänzlich 
entbehrende Thier. Ferner war ich bestrebt, die Untersuchung auf eine möglichst grosse An- 
zahl von Species auszudehnen, wie es ja nöthig ist, wenn den auf die gefundenen Zahlenwerthe 
gegründeten Schlüssen eine allgemeinere Bedeutung beigelegt werden soll. Es sind deshalb 
aus allen Ordnungen der Insecten Beispiele gewählt worden; und da es natürlich nicht mög- 
lich war, aus sämmtlichen eine so reiche Anzahl von Vertretern heranzuziehen, als dass nicht 


Verdacht sollte aufkommen können, es seien vielleicht absichtlich wenige, eine Ausnahme der 


RN 


bildende Fälle herausgegriffen worden, oder auch, der Zufall habe in einer die Täuschung be- 
günstigenden Weise sein Spiel getrieben, so sind wenigstens aus einer Ordnung, nämlich aus 
derjenigen der Lepidopteren, von welchen eine hinreichende Menge genau bestimmter Species 
gerade zur Verfügung stand, eine weit grössere Menge von Arten benutzt worden, als aus den 
übrigen Abtheilungen. Da sich nun bei der Betrachtung jener eine ziemliche Gleichförmigkeit 
der hier in Frage kommenden Thatsachen herausgestellt hat, so darf wohl nach der Analogie 
geschlossen werden, dass dasselbe auch innerhalb der übrigen Ordnungen der Insecten we- 
nigstens einigermaassen zutreffen wird. — Von mehreren Thieren gelang es nicht mit voller 
Sicherheit die Species festzustellen, welcher sie zugehören; die Namen derselben sind deshalb 
mit einem Fragezeichen versehen worden. 

Die zweite Spalte unserer Uebersicht giebt die durchschnittliche Breite der 
Facetten (von einer Seite des Sechseckes quer zur ihr parallel laufenden gegenüberliegenden 
gemessen) in Millimetern an. Es musste darauf ankommen, möglichst richtig den Durch- 
schnittswerth zu bestimmen, von welchem die entsprechenden Werthe der einzelnen Ele- 
mente sich im einen Falle häufiger und in höherem Grade, im anderen seltener und in ge- 
ringerem Maasse aufwärts wie abwärts zu entfernen pflegen. Um nun zu erreichen, dass eine 
möglichst grosse Anzahl von Facetten in Rechnung gebracht werden und auf den Ausfall des 
Resultates ihren Einfluss üben konnte, schien es am einfachsten und vortheilhaftesten, folgender- 
maassen zu verfahren. Zunächst wurde mit Hülfe eines auf den Tisch des Mikroskopes gelegten 
Ocularmikrometers die Länge des Durchmessers festgestellt, welcher dem kreisförmigen Sehfelde 
unter Benutzung einer etwa vierhundertfachen Vergrösserung zugehörte; sie ergab sich nach 
mehrfach wiederholter Prüfung übereinstimmend zu 0,345 Millim. Nachdem diese Grösse ein 
für allemal bestimmt worden war, liess sich die Breitenausdehnung einer Facette in der Art 
finden, dass ein durch kurzes Behandeln mit mässig starker Kalilauge in der Kälte von den 
dunkel gefärbten, der Innenseite anhängenden Theilen völlig befreites Stück der Hornhaut mög- 
lichst glatt auf einem Objectträger ausgebreitet und dergestalt in das Sehfeld des Mikroskopes 
gebracht wurde, dass eine Facettenreihe, mitten durch den erhellten sichtbaren Kreis laufend, 
gewissermaassen einen Durchmesser des letzteren darstellte. Wurde nun das Instrument auf die 
Oberfläche der Cornea genau eingestellt, so hatte das eben sichtbare Stück der Reihe,, vom 
einen Rande des Sehfeldes bis zum anderen, eine Ausdehnung von genau 0,345 Mill.; und 
durch Abzählen der in dieser Reihe (soweit sie auf einmal gesehen werden konnte) enthaltenen 
Anzahl von Facetten und darauffolgendes Dividiren mit dem zuletzt erhaltenen Werthe in die 


vorher für die Länge der Reihe (soweit sie nämlich in Betracht kommt) gefundene Zahl konnte 


— I en 


die Grösse einer einzelnen Facette leieht bestimmt werden. Da wohl nur im selteneren Falle 
die Facetten wirklich regelmässige Sechsecke darstellen, meistens vielmehr verzerrt und nach 
einer Richtung vorzugsweise in die Länge gezogen erscheinen, so dass die Abstände der drei 
parallelen Seitenpaare oft äusserst ungleich sind, so musste, wenn man anders zu einem zu- 
treffenden Bilde von der wahren Flächenerstreckung der Facetten gelangen wollte, deren Breite 
in allen drei zu den Sechsecksseiten perpendikulären Richtungen gemessen werden; es musste 
also, zufolge der einmal angenommenen Methode in jeder der drei Richtungen, in welchen die 
-Facettenreihen verlaufen, indem sie sich unter einem Winkel von etwa 60° durchkreuzen, eine 
derselben zur Zählung ausgewählt werden. Derartige dreifache Zählungen wurden in der 
Regel an drei bis vier verschiedenen Stellen der Cornea einer und derselben Species ausge- 
- führt, erforderlichenfalls auch an einer grösseren Menge. So fand ich (wenn es erlaubt ist, 
das Gesagte durch ein Beispiel zu erläutern) in der das Sehfeld des Mikroskopes in horizon- 
taler Richtung durchlaufenden längsten Facettenreihe der Hornhaut von Sphinz ligustri eine 
Anzahl einmal von 11,3, dann von 11,8 und von 11,4 Facetten; die Bruchtheile sind natürlich 
bloss nach dem Augenmaass abgeschätzt. Die von links oben nach rechts unten gerichteten 
und jedesmal durch den Mittelpunkt des Sehfeldes gehenden Reihen ergaben die Werthe: 11; 
11,6 und 11,5. Die von rechts oben nach links unten ziehenden endlich enthielten 11,3; 11,5 
und 11,9 Elemente. Das arithmetische Mittel dieser Werthe ist 11,5; durch Division mit der 
letzteren Zahl in die der Messung zu Grunde gelegte Grösse (0,345) ergibt sich das Durch- 
schnittsmaass einer Facette zu genau 0,03 Millimeter. — Da der sichtbare Theil einer Reihe 
meistens etwa zehn bis fünfzehn Facetten enthält, so ergibt sich, dass zum Zustandekommen 
eines einzigen Ergebnisses in der Regel eine Masse von etwa 120 bis 300 Facetten zusammen- 
gewirkt haben; gewiss eine stattliche Zahl! Und doch, wie verschwindend erscheint dieselbe 
gegenüber den Tausenden von Einzelelementen, die ein einziges Facettenauge von mittlerer 
Grösse zusammensetzen, und für deren Gesammtheit das auf dem beschriebenen Wege gefundene 
Resultat doch Geltung haben soll! Ich bin mir dieses Missverhältnisses wohl bewusst, jedoch 
ausser Stande gewesen, hierin eine Aenderung eintreten zu lassen; würde doch kaum die drei- 
oder fünffache Menge von Zählungen mit vollkommener Sicherheit zum Ziele führen! Es ist 
daher nicht unwahrscheinlich, dass das angegebene Durchschnittsmaass in den meisten Fällen 
von dem den Thatsachen entsprechenden ein wenig differirt; ich bin daher auch geneigt, der 
dritten Decimale der in der Uebersicht zusammengestellten Zahlen keinen allzu hohen Werth 
beizulegen. Noch viel eher müssen sich natürlich Differenzen bemerklich machen, wenn man die 


hier angeführten Resultate mit den durch Messung einer einzelnen beliebig ausgewählten Facette 


PEN ROEA EL 


oder einer nur geringen Zahl von solchen erhaltenen vergleicht. So finde ich bei Grenacher!') 
den Durchmesser einer Corneafacette von einer Tipula spec. zu 0,027, von Forfieula auricularia 
zu 0,033, von Saperda Carcharias zu 0,045, von Tubanus bovinus zu 0,054 und von musca 
vomitoria zu 0,03 Millim. angegeben, während ich selbst die Werthe resp. 0,028; 0,033; 0,045; 
0,048 und 0,027 berechnet habe; die theils mit denen Grenachers identisch, theils etwas 
geringer sind als jene, was übrigens, abgesehen von dem bereits oben für die Möglichkeit kleiner 
Differenzen angeführten Grunde, vielleicht auch davon herrühren könnte, dass Grenacher 
nicht den Abstand zweier parallelen Seiten des Facetten-Polygons, sondern die Entfernung 
zweier gegenüberliegender Eckpunkte desselben von einander gemessen hat, die ja ein wenig 
grösser sein muss, als jener, 

Schliesslich muss noch erwähnt werden, dass mir zwei aus der besonderen Art meiner 
Messungen entspringende Fehlerquellen bekannt sind, welche beide, obwohl nur in sehr geringem 
Grade, dahin wirken mussten, dass das Resultat vielleicht hier und da um ein Geringes zu 
niedrig ausfiel. Einmal nämlich lässt sich die Hornhaut, wenn das Auge klein und stark ge- 
wölbt ist, nicht ganz glatt ausbreiten, sondern behält immer eine merkliche Krümmung bei, 
in Folge wovon die Facettenreihen vom Mittelpunkt des Corneastückes aus nicht blos nach 
neben, sondern zugleich nach unten zu auslaufen. Sie müssen daher dem von oben blickenden 
Auge nicht in ihren wirklichen Dimensionen, sondern etwas perspectivisch verkürzt erscheinen, 
und es wird somit eine grössere Menge von Facetten wahrgenommen und gezählt werden, als 
eigentlich der Fall sein sollte. Wenn nun auf diese Weise der Divisor etwas zu gross ange- 
nommen worden, muss natürlich die in Form eines Quotienten sich darstellende Facettenbreite 
zu klein gefunden werden. Zweitens aber verlaufen in seltenen Fällen die Facettenreihen nir- 
gends gerade, sondern mehr oder weniger krumm und unregelmässig, wodurch natürlich gleich- 
falls eine grössere Anzahl von Facetten der Betrachtung dargeboten und in Rechnung gezogen 
werden muss, als wenn, bei gleichem Maasse der letzteren, die Reihen schnurgerade gerichtet 
sind, wie es übrigens fast immer beobachtet wird. Es darf wohl gleich hier bemerkt werden, 
dass beide Fehlerquellen, indem sie die Facettenbreite ein wenig kleiner erscheinen machen, 
als sie thatsächlich ist, die völlige Reinheit des Resultates in einer Weise alteriren, die den 


auf das letztere gegründeten Folgerungen durchaus keinen Vorschub zu leisten vermag. 


Es sei gestattet, mit ein paar Worten über die mannigfachen Eigenthümlichkeiten der 


Cornea zu berichten, die während des mühsamen und zeitraubenden Geschäftes der Messungen 


!) Untersuchungen über das Sehorgan der Arthropoden, Göttingen, 1879. pag. 177 und 178. 


NE 


hier und da sieh nebenbei der Beobachtung darbieten. Im Allgemeinen ist die Cornea völlig 
farblos, höchstens schwach gelblich; röthlich dagegen erscheint sie bei Zoeusta, Colias Hyale 
und einer Aeshna, schwarz bei Zygaena, Tabanus und Cerambyx. Während aber die letztge- 
nannte Färbung nur eine Folge der aussergewöhnlich starken Pigmentirung ist, die sich natürlich 
nicht auf die mittleren, farblos und durchsichtig bleibenden, Theile der Facetten erstreckt, zeigt 
sich die oben erwähnte röthliche Färbung gleichmässig über die ganze Hornhaut verbreitet und 
muss offenbar einen Theil des Tageslichtes von den lichtempfindlichen Schichten des Auges ab- 
halten. Am klarsten und durchsichtigsten unter allen erscheint die von Pigment ganz freie 
Hornhaut vieler Orthopteren und Hymenopteren; hier sind die seitlichen Grenzflächen der pris- 
matischen Corneafacetten überhaupt nur bei sehr schräger Beleuchtung, als feine gleichsam 
nur angedeutete Linien, gut zu erkennen. — Was ferner die Gestalt und Anordnung der 
Facetten betrifft, so zeigt sich hierin eine ausserordentliche Abwechslung, die eine Vorstellung 
zu geben vermag von der wunderbaren und unerklärlichen Mannigfaltigkeit in der Ausbildung 
der für die Function des Organes wichtigsten und wesentlichsten inneren Theile, wie z. B. der 
Gestalt des Krystallkegels, der Gruppirung der Retinulazellen, der Anordnung und Form der 
pigmentführenden Elemente. So wenig wir noch im Stande sind, uns in dieser reichen Fülle 
von Erscheinungen so weit zurecht zu finden, dass wir über den physiologischen Sinn und 
Werth der auf dem zuletzt erwähnten Gebiete so zahlreich sich vorfindenden Eigenthümlichkeiten 
im Besonderen und Einzelnen uns irgendwie Rechenschaft zu geben vermöchten: eben so weit 
sind wir noch davon entfernt, uns die Ursachen vorstellen zu können, welche zur Entstehung 
der überraschend langen Reihe von Abstufungen geführt haben, in denen sich das der Facet- 
tirung der Cornea sozusagen zu Grunde gelegte Schema darstellt, von fast typischer Schönheit 
und Vollkommenheit an bis herab zu grösster, den eigentlichen Bauplan kaum noch wiederzu- 
erkennen gestattender Regellosigkeit. Von jenem weichen am meisten vielleicht ab die in un- 
geordnetem Wechsel bald kleineren, bald grösseren, ganz unbestimmt polygonalen Facetten der 
Gattung Locusta und mancher Coleopteren, während in sehr regelmässig sechsseitiger Gestalt 
und auch an Grösse jederzeit nahe unter einander übereinstimmend die Facetten der Schwärmer 
sich zeigen; etwas weniger die der Tagfalter. Eine regelmässige Form weisen auch diejenigen 
der. Libelluliden auf, doch ist ihre Grösse hier an verschiedenen Stellen des Auges auffallend 
verschieden; aın stärksten tritt diese Differenz bei der Gattung Libellula selbst hervor, bei 
welcher das obere Drittel des Auges weit gröber facettirt und merklich anders gefärbt ist, als 
der übrige Theil desselben; so wurde bei einer nicht näher bestimmten kleineren grünlich ge- 


färbten Art das Durchschnittsmaass der grösseren Facetten zu 0,054, das der kleineren dagegen 


Be 


zu nur 0,028 mm gefunden. Die Trennungslinie beider Formen läuft hier ungefähr quer von 
hinten nach vorn über die Augenkugel, noch unten etwas convex; sie erscheint scharf und be- 
stimmt, da die Uebergangsstufen nur die Breite von wenigen (drei bis vier) Facettenreihen 
einnehmen. Bei den Gattungen Cordulia und Aeshna zeigen sich in Facettirung und Färbung 
ähnliche Eigenthümlichkeiten an ungefähr denselben Stellen des Auges; nur verläuft die Tren- 
nungslinie hier sehr stark nach unten ausgebogen, so dass von der oberen gröber facettirten 
und flacher gewölbten Partie der auf dem Scheitel in einer Linie zusammenstossenden Augen 
ein allmählich sich verschmälerndes etwa zungenförmiges Band von ebenfalls breiterer Facettirung 
an der Seite jedes Auges bis ungefähr zu dessen Mitte herabläuft, am vorderen und hinteren 
Rande von einem nach unten zu breiter werdenden Streifen von feineren Facetten eingefasst, 
welche letzteren die nach unten gerichtete Wölbung des Auges ausschliesslich einnehmen. 
Während die Durchschnittsgrösse der breiteren Facetten von Aeshna etwa 0,06 mm beträgt, be- 
rechnet sich die der schmäleren zu 0,035. Bei der Dipterengattung Stratiomys zeigt ebenfalls 
der grössere obere Theil des Auges eine weit gröbere Facettirung, als das untere Drittel des- 
selben (Maass der grossen Facetten; 0,036; das der kleinen 0,023 mm); die Uebergangslinie 
zwischen beiden Grössenstufen ist sehr scharf, sie verläuft von unten und hinten schräg nach 
vorn, oben und innen. 

Zum Theil sicherlich, aber nicht vollständig, werden diese Verschiedenheiten in der Facet- 
tirung durch die ungleiche Grösse der Krümmungshalbmesser ausgeglichen, welche den ver- 
schiedenen im Obigen angedeuteten Stellen des Auges zugehören; bei Aeshna z. B. erscheint 
der obere Theil des Auges als Abschnitt einer Kugel, deren Radius eine Länge von vier. Milli- 
metern hat; nach unten zu wird die Krümmung allmählich stärker, der Halbmesser derselben be- 
trägt an der untersten Partie des Auges etwa 3,5 mm. Denn wenn auf zwei verschiedenen 
Kugelabschnitten, die gleiche Bruchtheile zweier Kugeln von ungleichen Halbmessern 
darstellen, die Augenelemente der Art angeordnet sind, dass die Verbindungslinien der Mittel- 
punkte zweier benachbarten Facetten mit dem Centrum der Kugel in beiden Fällen gleiche 
Winkel einschliessen, so müssen ja offenbar die der grösseren Kugel angehörigen Elemente die 
breiteren sein; während doch der kleinste Sehwinkel und damit die Feinheit der Unterscheidung 
beidemal völlig dieselben sind. Allein ich habe mich durch Berechnung davon überzeugt (wo- 
rüber unten das Nähere), dass das in dem mit kleineren Facetten ausgestatteten Theile des 
Auges entworfene Stück des Retinabildes, trotz der geringeren Länge des jenem zugehörenden 
Krümmungsradius dennoch grössere Bestimmtheit zeigen muss. Da nun, soviel mir bekannt ist, 


Facetten von zweierlei Grösse neben einander auf demselben Sehorgan nur bei Raubinsecten 


Be 


vorkommen, da ferner die das schärfere Bild ermöglichende feinere Facettirung fast immer auf 
die nach unten und vorne zu gerichteten Theile der Augenwölbung beschränkt ist, so liegt die 
Vermuthung nahe, es möchte diese Einrichtung in naher Beziehung zum, Erjagen und Ergreifen 
der zu erbeutenden Thiere stehen, welches Geschäft ja durch höhere Entwicklung des Sehver- 
mögens bei allen, den verschiedensten Klassen des Thierreiches angehörenden Räubern besonders 
unterstützt wird. Die gröber facettirten Partieen wären dieser Auffassung zufolge als die in 
der Ausbildung zurückgebliebenen anzusehen. Allein hierbei muss der Umstand auffallen, dass 
mitten zwischen diesen weniger leistungsfähigen Theilen der zusammengesetzten Augen und in 
deren unmittelbarster Nachbarschaft drei grosse, schön entwickelte Stemmata zu stehen pflegen. 
Unerklärt ist auch der rasche auf eine schmale Zone (von etwa 0,15 mm bei Aeshna) beschränkte 
Uebergang von der einen zur anderen Facettenform. 

Wie aus der beigefügten Tabelle hervorgeht, besitzt die Facette der Schmetterlinge 
meistentheils eine Breite von zwanzig bis dreissig Tausendsteln eines Millimeters; über zwei 
Drittel aller untersuchten Fälle gehören hierher. Die Abweichungen nach oben und nach unten 
sind nicht sehr beträchtlich, die geringste Grösse (von 0,016 M.) ergab sich bei Zycaena Alexis, 
die bedeutendste (von 0,037 M.) bei dem Todtenkopf; diese ist jedoch nicht viel mehr als das 
Doppelte jener, während der Abstand an Körpergrösse und Gewicht zwischen jenen beiden 
Thieren ein enormer zu nennen ist. Wenn wir die übrigen Insectenordnungen gemeinsam be- 
trachten (da aus jeder derselben nur einige wenige Fälle bekannt sind), so zeigt sich, dass hier 
das Durchschnittsmaass ein wenig höher ist, als bei den Schmetterlingen; es ist zwar wiederum 
eine Breite von zwanzig bis dreissig Tausendsteln eines Millimeters die bei weitem am häufigsten 
vorkommende (nämlich unter 40 Angaben 20mal); allein, während eine niedrigere Maasszahl 
überhaupt nicht beobachtet wurde, steigt dieselbe in zahlreichen Fällen bis auf vierzig und mehr 
Tausendstel eines Millimeters. Eine ganz abnorme Grösse besitzen die fast ein Zehntel eines 
Millimeters an Breite erreichenden, schon mit blossem Auge sehr deutlich wahrnehmbaren 
Facetten des Cerambyx heros. 

Als merkwürdig und wohl werth, hier mit ein paar Worten erwähnt zu werden, darf 
vielleicht schliesslich noch die besondere Gestalt hervorgehoben werden, welche die am äussersten 
Rande des zusammengesetzten Auges gelegenen Facetten zu zeigen pflegen, und welche ich 
mich nicht erinnern kann irgendwo beschrieben gefunden zu haben. Das Facettenauge erscheint näm- 
lich bei näherer Betrachtung meist nicht mit mathematischer Genauigkeit gradlinig begrenzt, 
sondern es springen gewöhnlich an seinem Saume einzelne Facetten oder kleine Gruppen von 


solchen in etwas unregelmässiger Weise ein wenig vor; zuweilen bemerkt man eine, die von den- 
Abhandl, Senckenb. naturf, Ges. Bd. XTI. 8 


übrigen fast gänzlich isolirt ist und, nur mittelst eines kleinen Stückes ihres Umfanges mit ihnen 
in Zusammenhang stehend, über die in schwach wellenförmigen Biegungen verlaufende Grenz- 
linie des von jenen so dicht besetzten Feldes beträchtlich hinausragt. Derjenige Theil nun des 
Umfanges dieser stark vorspringenden Facetten (wie auch aller übrigen unmittelbar am Augen- 
rande gelegenen, obgleich bei diesen meist in weniger auffallender Weise), welcher nicht von 
den Nachbarn derselben berührt wird, erscheint immer völlig abgerundet und kreisförmig, er 
lässt nichts von polygonalen Ecken erkennen; und indem sich die helle, durchsichtige, runde 
Facettenfläche von der sie fast auf allen Seiten umgebenden dunkelbräunlich pigmentirten 
harten Kopfbedeckung scharf abhebt, erinnert sie lebhaft an die äussere Erscheinung der 
Ocellen. Zugleich illustrirt diese wirklich überraschende Aehnlichkeit aufs Anschaulichste 
die von Grenacher neuerdings aufgestellte und scharfsinnig begründete Hypothese in Be- 
zug auf die Morphologie des zusammengesetzten Auges, wonach nämlich ein jedes einzelne 
Element des letzteren als dem Stemma gleichwerthig auzusehen wäre; und wenn die berührte 
Thatsache natürlich auch nicht weiter von grossem Belang ist in Bezug auf die Entschei- 
dung dieser Frage, so hat der mit der eben erwähnten Auffassung derselben in gutem 
Einklang stehende und dieselbe gleichsam bildlich vergegenwärtigende sinnliche Eindruck doch 
immerhin etwas Bestechendes und für dieselbe Einnehmendes, dem man sich nicht ganz ent- 
ziehen kann. 

In der dritten Columne der Tabelle sind ferner die Maasse des Augenhalb- 
messers, in Millimetern angegeben, zusammengestellt. Um sie zu finden, verfuhr ich 
folgendermaassen. Zunächst wurden mit Hülfe eines feinen sogenannten Nullzirkels auf einem 
Blatt Papier neben einander eine Anzahl Kreise beschrieben mit einem von Viertel zu Viertel 
Millimeter wachsenden Halbmesser. Derjenige des kleinsten dieser Kreise betrug 0,25 mm, der 
des nächsten also 0,5 mm, und so fort bis zu 5 mm. Den zu untersuchenden Thieren wurde 
der Kopf abgeschnitten, von Fühlern, Tastern, Rüssel und, wenn nöthig, auch der dichten Be- 
haarung gereinigt und sodann mittelst einer Nadel ganz dicht über die auf Papier gezeichneten 
Kreise gehalten. Indem man es nun mit einem der letzteren nach dem andern versuchte und 
jedesmal den Kopf des Insectes gehörig nach allen Seiten drehte und wendete, konnte schliess- 
lich herausgefunden werden, der Krümmung welches dieser Kreise sich diejenige der Facetten- 
augen am nächsten anschloss. Natürlich lässt sich dies an einem Auge von grossem Halbmesser 
mit mehr Sicherheit und Genauigkeit feststellen, als an einem kleinen; leichter, wenn das Auge 
einen relativ grossen Kugelabschnitt darstellt, als unter sonst gleichen Umständen im anderen 


Falle. Aber auch bei Augen von nicht allzu geringen Dimensionen ergeben sich mitunter 


ng 


Schwierigkeiten, die einigermassen geeignet sind, Zweifel an dem völligen Zutreffen der zu er- 
haltenden Resultate zu erregen. Ich meine vor Allem den nicht zu seltenen Fall, dass die 
Wölbung des Auges nur annähernd sphärisch verläuft und deshalb keinem unter den zur Probe 
dienenden Kreisen von ungefähr den gleichen Dimensionen sich ganz genau anpassen will. 
Zuweilen ist deutlich bemerkbar, dass einander benachbarte Stellen des Auges als Flächen mit 
verschiedenen Halbmessern beschriebener Kugeln sich darstellen; oder es erscheint das Auge 
in der Nähe seiner Ränder weit stärker gekrümmt, als im Uebrigen; oder die obere, dem 
Scheitel genäherte Partie ist merklich flacher gewölbt, als die anderen Theile. In allen diesen 
Fällen blieb nichts übrig, als ein mittleres Maass anzugeben, welches mindestens für den grös- 
seren Abschnitt der Augenwölbung Geltung hat. Dazu kommt noch, dass bei verschiedenen 
Individuen einer und derselben Art das Maass des Auges, entsprechend dem des ganzen 
Körpers, ein wenig schwankt. 

In der Regel wurde der Krümmungsradius der Augenkugel in zwei auf einander senk- 
rechten Ebenen bestimmt: einmal in einer vertikalen, zur Längsaxe des Thieres senkrechten, 
dann in einer horizontalen, die Längsaxe selbst enthaltenden. Stellten sich hierbei zwei um 
ein Bedeutendes von einander verschiedene Werthe heraus, so finden sich’ in der Uebersicht 
beide Zahlen angegeben. Ziemlich vollkommene Kugelgestalt weisen die Augen der Schmetter- 
linge auf, weshalb hier eine Angabe genügt. Am meisten dagegen entfernen sich vielleicht 
von jener die länglichen Augen der Hymenopteren; dieselben sind nämlich in der Richtung 
von oben nach unten weit schwächer gekrümmt, als in der horizontalen von vornen nach 
hinten. Umgekehrt verhalten sich die grossen Augen von Tabanus und verwandten Dipteren. 
Die grössten Schwierigkeiten setzen sich der genauen Messung wohl bei den Käfern entgegen, 
wo das Auge im Allgemeinen verhältnissmässig klein ist und häufig von allerlei Fortsätzen der 
Kopfbedeckung überragt und theilweise verdeckt wird. 

Wie ein Blick auf die beigegebene Tabelle lehrt, wechselt die Grösse des Augenhalb- 
messers innerhalb weiter Grenzen, nämlich von wenig mehr als einem Viertel Millimeter an 
(Acanthosoma) bis zu etwa vier Millimeter (Aeshna); in weitaus der überwiegenden Mehrzahl 
der Fälle entfernt sie sich nicht sehr weit von der Zahl Eins. 

Die nunmehr folgende Zahlenreihe der Tabelle hat den kleinsten Sehwinkel des 
Insectenauges zum Gegenstand. Dieser Winkel ist der obigen Definition zu Folge der 
Unterschied zwischen den Richtungen (der optischen Axen) zweier unmittelbar neben einander 
gelegenen Augenelemente. Er ist demnach in dem gleichschenkligen Dreiecke, dessen Basis 


gleich der Summe zweier halben Facettenbreiten, mithin gleich der Facettenbreite selbst ist, und 


Or 


dessen Schenkel mit dem Radius der Augenkugel identisch, dessen Seiten folglich alle drei be- 
kannt sind, der Winkel an der Spitze. Nun stellt nach einem Satze der Trigonometrie der 
Bruch, dessen Zähler durch die halbe Basis jenes Dreieckes, also die halbe Facettenbreite ge- 
bildet wird, und dessen Nenner die Schenkellänge desselben, d. h. den Augenhalbmesser aus- 
drückt, den Sinus des halben gesuchten Winkels dar; und auf diesem Wege sind die ange- 
gebenen Zahlen gefunden worden. Nennt man die Facettenbreite f, den Augenhalbmesser r, den 
gesuchten kleinsten Sehwinkel s, so gilt für die Berechnung der letzteren Grösse aus den be- 
kannten beiden anderen die Formel: 


S$ 


or Sin 


[62 


Es ist vielleicht nicht uninteressant, etwas näher zuzusehen, welche von den beiden Zahlen, 
deren Function der Sinuswerth des gesuchten Winkels ist, auf den Ausfall des Resultates ver- 
möge ihrer eigenen besonderen Beschaffenheit den stärker bestimmenden Einfluss übt. Während 
die Differenz zwischen dem Maass der beiden nach oben und nach unten am meisten sich von 
der Mittelgrösse entfernenden Facetten (nämlich derjenigen von Zycaena Alexis und Cordulia, 
wenn wir von der ganz vereinzelten abnormen Zahl für Cerambyx heros absehen) nur 
eine derartige ist, dass die eine Zahl etwa das Dreifache der andern ausmacht, zeigt das 
grösste untersuchte Auge (einer Aeshna angehörig) gegenüber dem kleinsten (demjenigen von Acan- 
thosoma) eine mehr als zehnfache Länge des Radius. Schon hieraus lässt sich im Allgemeinen 
schliessen, dass für den einer jeden Insectenart eigenthümlichen Grad der Feinheit und Schärfe 
der Gesichtswahrnehmungen nicht so sehr die Grösse der Facetten von schwerwiegender Be- 
deutung ist, als vielmehr diejenige des aus jenen Elementen zusammengesetzten kugeligen Seh- 
organes. Mit dieser Folgerung stimmt gut überein die bei einer Vergleichung der ersten und 
dritten Zahlenreihe der Tabelle sich leicht ergebende Thatsache, dass die Hymenopteren, die 
Libelluliden, Tabanus-Arten, endlich die Dämmerungsfalter, obwohl die die Facettenbreite dieser 
Insecten ausdrückenden Zahlen weit über die mittlere Grösse sich erheben, ja zum Theil sogar 
die allerhöchsten unter ihresgleichen vorstellen, dennoch unter allen untersuchten Thieren das 
ausgebildetste und schärfste Sehvermögen besitzen. Es steht eben der relativ sehr beträcht- 
lichen Facettenbreite die verhältnissmässig noch bedeutendere Grösse der Augenkugel bei 
weitem mehr als ausgleichend gegenüber. Während also eine mehr als drei Hundertstel Milli- 
meter betragende Facettenbreite nicht verhindern kann, dass der kleinste Sehwinkel bis zu 
seinem geringsten Maass herabsinkt, ist dagegen, wie sich beim Gegenüberhalten der dritten 


und der zweiten Zahlenreihe der Tabelle ergibt, unter den mit kleinen Augen, d. h. solchen 


ee 


deren Radius den Durchschnittswerth von einem Millimeter nicht erreicht, versehenen Insecten 
kein einziges mit scharfem Gesicht begabt; und die allerkleinsten Augen (von Acanthosoma, 
Phryganea, Forficula, Tipula) sind zugleich auch die unter allen am wenigsten leistungsfähigen. 
Man darf also wohl sagen: Die Schärfe des Gesichtssinnes ist im Allgemeinen (in einem nicht 
ganz genau anzugebenden Grade) etwa proportional der Länge des Augenhalbmessers. Wenn 
daher von zwei Thieren die Maasse der Facetten nicht näher bekannt sind, wohl aber diejenigen 
der Augenkugeln, und letztere ungleiche Werthe haben, so darf man als das Wahrscheinlichere 
annehmen, dass das grössere Auge zugleich das bessere sein wird, und zwar mit um soviel mehr 
Zuversicht, je bedeutender der Unterschied in den Dimensionen der beiden Sehorgane er- 
scheint. — Ferner lehrt die eben angestellte Betrachtung, dass, wenn man sich in diesen 
Dingen zu einer höheren Stufe der Genauigkeit erheben wollte, die vielleicht gestatten würde, 
noch etwas tiefer in die Erkenntniss der feinen individuellen Schattirungen und charak- 
teristischen Unterschiede der Sehschärfe der Insecten einzudringen, man vor Allem bestrebt 
sein müsste, die Methode der dazu erforderlichen makroskopischen Messungen noch weiter 
zu vervollkommnen, denn die auf diesem Wege erzielten Resultate fallen weit schwerer ins 
Gewicht, als diejenigen der mikroskopischen Facettenmessung; zudem ist jenes Verfahren in der 
Art, wie es von mir angewendet und beschrieben worden ist, in der That bei weitem weniger 
zuverlässig und einer Verbesserung wohl in höherem Maasse fähig, als das letztere. 

Es darf wohl, ehe wir zur Betrachtung der absoluten Grösse des Sehwinkelminimums und 
dem hieraus sich Ergebenden übergehen, auf einige aus unserer Zusammenstellung ersichtliche 
Beziehungen zwischen dem Maasse des kleinsten Sehwinkels oder dem zu dem Werthe des 
letzteren im umgekehrten Verhältnisse stehenden Grad der Sehschärfe und der Körpergrösse, 
sowie den sonstigen Eigenschaften und Lebensverhältnissen der untersuchten Thiere in aller, 
Kürze aufmerksam gemacht werden. Unter den Schmetterlingen sind mit dem schärfsten Seh- 
vermögen die Schwärmer begabt, alle andern überragen in dieser Beziehung der bekanntlich 
so überaus wanderlustige und äusserst gewandt fliegende, schlank gebaute Oleanderschwärmer 
und der durch gewaltige Körpergrösse ausgezeichnete Todtenkopf. Bei den Tagfaltern hält die 
Schnelligkeit des Fluges offenbar ungefähr gleichen Schritt mit der Leistungsfähigkeit des Ge- 
sichtsorganes: die besten Segler, wie P. Machaon, Ap. Ilia, mehrere Arten der Gattungen 
Argynnis und Vanessa erfreuen sich der relativ feinsten Unterscheidungsfähigkeit. Unter den 
übrigen Inseeten zeichnen sich eben hierdurch vor Allen die mit rapider Geschwindigkeit leicht 
und wie spielend durch die Luft dahingleitenden Libelluliden aus. Wenn also aus diesen Bei- 


spielen die nahen Beziehungen zwischen der Entwicklung des Gesichtssinnes und der Locomo- 


tionsfähigkeit einleuchten dürften, so ist ebensowenig eine gewisse zwischen den Dimensionen 
des Körpers und den Leistungen des Sehorganes bestehende Proportionalität zu übersehen. Be- 
sonders auffallend tritt dieser Zusammenhang z. B. bei den Libelluliden hervor; in der Auf- 
einanderfolge nämlich, wie dieselben in der Uebersicht angeführt sind, erscheinen sie der zu- 
nehmenden Grösse nach, gleichzeitig aber auch und in gleichem Sinne in Bezug auf die Schärfe 
des Gesichtes geordnet. In ähnlicher Weise stehen die kleineren Arten der Gattungen Argynnis 
und Vanessa in der Ausbildung des Gesichtssinnes hinter den grösseren etwas zurück. — Als 
merkwürdig ist endlich die mit der hohen Stufe der psychischen Fähigkeiten parallelgehende 
Schärfe des Sehvermögens der Hymenopteren zu erwähnen, welche der durch den etwas ge- 
drungenen Körperbau und die verhältnissmässig kleinen Flügel bedingten geringeren Flug- 
gewandtheit nicht recht zu entsprechen scheint. 

Die für den kleinsten Sehwinkel der Insecten gefundenen Werthe (zu deren Berechnung 
übrigens in allen denjenigen Fällen, in welchen der Augenhalbmesser durch zwei verschiedene 
Zahlen angegeben ist, nur die grössere von- diesen zugezogen wurde, in Folge wovon das Seh- 
winkelminimum vielfach etwas geringer erscheinen muss, als es in der Natur ist) schwanken 
zwischen 39° (bei einer Aeshna-Species) und 5° 21° (bei Acanthosoma) ; das Durchschnittsmaass 
möchte etwa einen und einen halben Grad betragen. Diese im Vergleiche mit der entsprechenden 
des menschlichen Auges geradezu enormen Zahlen sind in dem, den analogen Bildungen im 
Sehorgan der höheren Thiere gegenüber als kolossal zu bezeichnenden Umfange der Sehstäbe 
des zusammengesetzten Auges, sowie in dem Umstande begründet, dass letztere nicht dichtge- 
drängt neben einander liegen, sondern durch mehr oder weniger dicke Schichten von Pigment- 
zellen von einander getrennt werden. 

Trotz des gewaltig grossen Sehwinkel-Minimums ihres Facettenauges indessen vermögen 
die Insecten unter gewissen Umständen mit ganz dem gleichen oder sogar einem etwas höheren 
Grade von Deutlichkeit wahrzunehmen, als es das menschliche Auge im Stande ist. So un- 
glaublich dies beim Anblick jener verhältnissmässig wirklich ungeheuren Zahlen auch klingen 
mag, so leicht lässt sich die Richtigkeit des eben Ausgesagten unwidersprechlich und zahlen- 
mässig nachweisen. Es ist diese merkwürdige Thatsache eine Folge der nicht zu bestreitenden 
Eigenthümlichkeit des zusammengesetzten Auges, für keine bestimmte Weite des Ob- 
jectes zum deutlichen Sehen vorzugsweise oder ausschliesslich befähigt 
zu sein; das heisst, es gibt für dasselbe kein Minimum der Entfernung, über welches 
hinaus der Gegenstand nicht angenähert werden darf, wenn er noch scharf und bestimmt unter- 


scheidbar sein soll. Denn »da die Refractionsgesetze auf das zusammengesetzte Auge der In- 


aeg 


secten nicht anwendbar sind, so fällt die Möglichkeit, das Auge für das deutliche Sehen in 
verschiedenen Fernen einzurichten, ganz weg.« !) Es kann also dem Sehorgane der Insecten 
der zu betrachtende Gegenstand beliebig nahe gebracht werden, ja letzterer kann jenes beinahe 
oder wirklich berühren, ohne dass die Umrisse des Bildes deshalb auch nur im Geringsten ihre 


Schärfe verlieren und anfangen könnten, verschwommen und unklar zu erscheinen. 


Das menschliche Auge hingegen besitzt bekaintlich einen sogenannten Nähepunkt, 
d. h. es gibt für dasselbe eine gewisse Distanz, über welche hinaus ihm der Gegenstand nicht 
weiter genähert werden darf, wenn es mit Hilfe der Accommodation noch gelingen soll, die von 
einem Punkt desselben ausgehenden und die Linse divergirend treffenden Lichtstrahlen auf der 
Retina in einem Punkte zu vereinigen. Der Abstand dieses Nähepunktes wird etwas ver- 
schieden angegeben; nach Helmholtz ?) pflegt er bei normalen Augen in etwa fünf Zoll 
(gleich dreizehn Centimeter) Entfernung zu liegen. Ein ähnliches Schwanken herrscht 
in Bezug auf das im Allgemeinen anzunehmende Maass des kleinsten Sehwinkels des mensch- 
lichen Auges; der mittlere aus den auf verschiedene Weise angestellten Versuchen sich ergebende 
Werth desselben mag ungefähr 70 Secunden betragen. Aus diesen beiden Zahlen folgt mittelst 
einer einfachen nach Analogie der auf Seite 54 aufgestellten Formel auszuführenden Rechnung, 
dass das menschliche Auge im höchsten Fall dann zwei Punkte im Allgemeinen noch deutlich 
von einander zu unterscheiden im Stande ist, wenn deren gegenseitige Distanz etwa 0,044 mm 
beträgt. Diesen Grad der Deutlichkeit, mit welchem also die Theile eines im Nähepunkt des 
normalen menschlichen Auges befindlichen Objectes höchstens unterschieden werden können, 
d. h. eine solche Genauigkeit der Auffassung, welcher gemäss von jeder Flächeneinheit des 
betrachteten Gegenstandes eine derartige Anzahl von Punkten gesondert wahrgenommen wird, 
oder mit anderen Worten, gemäss welcher das Bild der Flächeneinheit sich auf so viele ein- 
zelne Retinaelemente vertheilt, wie es der Quotient angibt, den man durch Division mit der 
Grösse eines 0,044 mm breiten Sechseckes in die Flächeneinheit erhält, nenne ich die Maass- 
Einheit der Deutlichkeit; und diese lege ich als Maass der Beurtheilung der Leistungen 
des Facettenauges zu Grunde. Es ist ferner klar, dass die verschiedenen Stufen der Deutlich- 
keit sich zu einander verhalten müssen, wie die wechselnden Mengen der von der Empfindung 
gesondert aufgefassten Punkte der Flächeneinheit, oder direct wie die Mengen der den 


einzelnen Retinaelementen entsprechenden Sehfelder, in welche jede Flächeneinheit des Ob- 


')J. Müller, zur vergleich. Physiol. des Gesichtssinnes, pag. 374. 
?) Physiologische Optik, Leipzig 1867, pag. 79. 


a 


jectes für die Auffassung gleichsam zerfällt; mithin umgekehrt, wie die Grösse dieser 
Elementarsehfelder, oder umgekehrt wie das Quadrat der Zahl, welche die geringste 
Entfernung angibt, in der zwei Punkte sich von einander mindestens befinden müssen, wenn sie 
nicht in einen einzigen Eindruck mit einander verschmelzen sollen. 

Wenden wir uns nun wieder zur Betrachtung des Facettenauges. Da hinter einer jeden 
Facette ein als Einheit im physiologischen Sinne geltendes Retinaelement gelegen ist, so leuchet 
ein, dass in einem Abstande vom Sehorgane, die wir als verschwindend klein ansehen dürfen, 
die gegenseitige Entfernung zweier gesondert wahrzunehmenden Punkte nicht grösser zu sein 
braucht, als die kleine Strecke auf der Augenoberfläche zwischen den Durchschnittspunkten der 
Längsrichtungen zweier benachbarter Augenelemente mit jener; das ist aber nichts Anderes, als 
die Facettenbreite. Mit wachsender Distanz zwischen Auge und Object vergrössert sich all- 
mählich, jener genau proportional, der Abstand der zwei genannten, unendlich verlängert ge- 
dachten Richtungslinien, oder (unserer obigen Definition zufolge) der beiden Schenkel des kleinsten 
Sehwinkels; und hieraus wäre zu schliessen, dass die beiden Punkte, der wachsenden Entfernung 
des Gegenstandes entsprechend, allmählich mehr und mehr auseinander rücken müssen, wenn 
sie immer gleich gut, wie zu Anfang, sollen von einander unterschieden werden können. Allein 
in zunehmendem Maasse treten nun auch die Schwierigkeiten hervor, die sich oben bei der 
Erörterung des Begriffes des kleinsten Sehwinkels in Bezug auf das Facettenauge ergeben haben, 
und trüben die Klarheit des Bildes, das wir uns von der Brauchbarkeit dieses Sehorganes im 
Vergleich mit unserem eigenen machen möchten. Es ist daher wohl besser, den bezeichneten 
Begriff, so grosse Vortheile er auch für die Vergleichung der einzelnen Insectenaugen unter 
einander in Bezug auf ihre Sehschärfe bietet, und so sicher aus den für ihn hier 
geltenden Zahlen im Allgemeinen auch einleuchten mag, dass wenigstens in der Entfernung 
unserer deutlichen Sehweite die Bestimmtheit und Feinheit der Gesichtswahrnehmungen der 
Insecten ganz unvergleichlich geringer sein muss, als die durch die Beschaffenheit unseres 
Sehorganes uns selbst ermöglichte, doch im Weiteren nicht mehr zu gebrauchen, und lieber auf 
einem etwas anderen Wege dei Zusammenhang zwischen den Grössenverhältnissen der Augen- 
kugel und ihrer Bestandtheile einerseits und der Unterscheidungsfähigkeit, welche das in Rede 
stehende Organ auf grössere oder geringere Entfernungen hin besitzt, andererseits uns zu ver- 
gegenwärtigen. 

Unserer obigen Definition von »Elementarsehfeld« und der nicht ganz ungerechtfertigten 
Annahme zufolge, dass die benachbarten Elementarsehfelder sich mit ihren Rändern gegenseitig 


gerade berühren, ist klar, dass in einem als verschwindend zu denkenden Abstande vom Auge 


die Grösse eines Elementarsehfeldes genau gleich derjenigen der Facetten ist. 
Rückt nun der Gegenstand z. B. soweit von der Oberfläche der Augenkugel weg, dass der 
Zwischenraum gleich dem Halbmesser der letzteren wird, so kann man, wie oben bemerkt 
(Seite 23), die Grösse eines Elementarsehfeldes so finden, dass man concentrisch zu dem Kugel- 
förmigen Sehorgan und mit der doppelten Länge des dem letzteren zugehörigen Radius eine 
den Gegenstand wiederum berührende Kugel beschrieben denkt. Da aber nach Sätzen der 
Stereometrie Kugelflächen oder Abschnitte solcher von gleicher Winkelgrösse sich verhalten, 
wie die Quadrate der Radien, so muss im eben angenommenen Falle die Fläche eines Elemen- 
tarsehfeldes das Vierfache ihrer ursprünglichen Grösse betragen; ferner bei einem Abstande 
des Gegenstandes gleich der doppelten Länge des Augenhalbmessers das Neunfache derselben 
u. Ss. £; es verhalten sich also, allgemein ausgedrückt, die Elementarsehfelder in 
Bezug auf ihre Flächenausdehnung, wie die Quadrate der Abstände des Objectes. 
Da aber, wie oben gezeigt worden, die jedesmalige. Deutlichkeit der Wahrnehmung im umge- 
kehrten Verhältnisse zu den Dimensionen der Elementarsehfelder steht, so ergibt sich der Satz: 
Die Deutlichkeit der Gesichtswahrnehmungen nimmt mit dem Quadrate der 
Entfernung ab. 

Um nun zunächst zu finden, in welchem Abstande vom Facettenauge die Schärfe und 
Bestimmtheit der Retinabilder die gleiche ist, wie die höchste im Allgemeinen vermittelst des 
menschlichen Sehorganes zu erreichende, genügt folgende Erwägung. Wie oben auseinander- 
gesetzt wurde, vermögen wir einander sehr genäherte Punkte eines Gegenstandes dann noch 
von einander gesondert wahrzunehmen, wenn dieselben mindestens durch einen Abstand von 
etwa 0,044 mm getrennt werden. Je zwei Punkte einer betrachteten Fläche müssen also 
mindestens um diese Grösse von einander abstehen, wenn sie als räumlich verschiedene, neben 
einander liegende empfunden werden sollen; und die Oberfläche eines (im Nähepunkt befindlichen) 
gesehenen Gegenstandes ist also gleichsam aus einer gewissen sehr grossen Anzahl leuchtender 
je 0,044 mm von einander abstehender Punkte zusammengesetzt zu denken, durch deren Vor- 
handensein neben einander für unsere Empfindung das Bild der wahrgenommenen hellen Fläche 
entsteht. Da jeder einzelne unter jenen Punkten auf allen Seiten von Seinesgleichen um eine 
Länge von 0,044 mm entfernt ist, da diese von allen ihren Nachbarn wieder um gleich viel 
abstehen, u. s. f.; und da alles zwischen jenen über die gesehene Fläche regelmässig zerstreuten 
Punkten Gelegene nicht gesondert empfunden werden kann, sondern nur den Eindruck desjenigen 
unter denselben verstärken hilft, welchem zunächst es sich befindet, so kann jeder einzelne 


gesondert aufgefasste Punkt als Centrum eines Sechseckes betrachtet werden, welches um 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIL 9 


denselben herum nach allen Seiten hin bis in die Mitte des Abstandes zwischen ihm selbst und 
seinen Nachbarn, also 0,022 mm weit sich erstreckt. Demnach würde die Breite eines jeden 
dieser Sechsecke 0,044 mm betragen, und wir finden die der beschriebenen, durch das menschliche 
Sehorgan erreichten gleichkommende Stufe der Deutlichkeit der Wahrnehmungen vermittelst 
des Insektenauges, wenn wir berechnen, in welchem Abstande vom letzteren die 
Breite eines Elementarfeldes gerade 0,044 Millimeter beträgt. Dies 
geschieht einfach mittelst folgender Proportion. Die gemessene Facettenbreite verhält sich zur 
Breite eines Elementarsehfeldes von a (hier 0,044) Millimeter, wie der Augenradius zur 
gesuchten Entfernung x. Wir erhalten demnach die Distanz zwischen dem Gegenstand und 
dem Augencentrum. Da wir aber nur den Abstand des ersteren von der Augenober- 
fläche zu kennen wünschen, so muss von dem eben erhaltenen Resultat noch der Augen- 
halbmesser subtrahirt werden. Ist nun einmal auf die angegebene Art die Weite der ein- 
fachen Deutlichkeit (f,) festgestellt worden, so ist es leicht, nun auch die Entfernung (f,,) 
für jede beliebige niedrigere, oder auch für die höchste überhaupt vorhandene Stufe der 
Deutlichkeit (d) zu finden, oder ferner dasjenige Maass der Deutlichkeit (d), welches jeder 
verlangten Entfernung (f,) entspricht. Es hat dies vermittelst der oben aufgestellten Relation 
zwischen dem Abstande des Objectes und dem entsprechenden Grade der Deutlichheit zu 
geschehen, wonach die Gleichung gilt: (f,)? : (f)? = 1: d. 


Hieraus ergiebt sich für die gesuchte Deutlichkeit der Werth: 


WE 
d= ‚gd=2lg f, — Ig f, 
(„> g (ig f, 9 fi) 


Ist dagegen nach der einem gewissen Grade der Deutlichkeit entsprechenden Distanz 
gefragt, so folgt: 


d Ga 
gf—=lgf, — ' lgd. 


(= VD ‚= f 


Auf der unten folgenden Tabelle finden sich für eine kleinere Anzahl von meist verhält- 
nissmässig gut sehenden Insekten folgende Daten zusammengestellt: in der ersten Reihe die 
Abstände, in welchen die Deutlichkeit der Wahrnehmung der Einheit gleichkommt; in der 
zweiten diejenigen, in welchen jene bis auf den zehnten Theil ihres einfachen Werthes 
herabsinken muss. Drittens sind die Grade der Deutlichkeit berechnet worden, mit welchen 
Dinge wahrgenommen werden, welche sich unmittelbar vor dem Auge befinden und demselben 


bis zur Berührung angenähert sind; wobei jedoch vorausgesetzt wird, dass durch dieses nahe 


ande 


Aneinanderrücken von Object und Sehorgan die Helligkeit der Beleuchtung des Ersteren nicht 
auf einen geringeren Grad herabgemindert werde, als er zum klaren Erkennen erforderlich 
erscheint. In der letzten Columne endlich finden sich die Werthe der Deutlichkeit für 


einen Abstand von sechzig Centimeter zusammengestellt. 


Abstand in Millimetern, bei dem Betrag der Deutlichkeit bei 
die Deutlichkeit einem Abstande 
=i | — 0,1 —0 | = 60 Centimeter. 

INpisionellitiean. rm Si eur er 1,35 7,17 3,36 0,000024 
Necrophorus vespilloO . . . 2... 1,80 8,93 4,84 0,000030 
Melisaeandıdyma ©» 2. m. zn... 1,08 5,04 3,95 0,000009 
AreynnisıBaphia I. 2 ee 0,97 6,09 2,87 0,000015 
Vanessauc albums... nur. 1,09 5,61 4,37 0,000012 
AnsenGalatea LE ee 0,75 4,00 4,00 0,000006 
Sphinzunerie nen Sa SENEu NEE en 0,81 8,51 1,67 0,000035 
Aeshnar (erünes Art) ..0 une 0,00 8,65 1,00 0,000044 
INESHTAN (Drau) ee ee _ 6,87 0,80 0,000031 
Locusta verrueivora.. » . 2» 22.2. 0,63 6,23 2,02 0,000012 
0,000009 


Musca domestiea. .,,. Ye ana. 0,83 | 4,79 3,34 


Wie ein Blick auf die erste der vorstehenden Zahlenreihen lehrt, muss ein Gegenstand, 
damit er ebenso deutlich gesehen werde, wie das menschliche Auge ihn zu erkennen im Stande 
ist, dem Facettenauge sehr stark genähert werden, nämlich bis auf durchschnittlich etwa einen 
Millimeter. Rückt das Object noch weiter, bis unmittelbar an die Oberfläche des Sehorgans 
heran, so wird es mit einer um ein Beträchtliches grösseren Genauigkeit (im Durchschnitte 
etwa der dreifachen) wahrgenommen, als es vermittelst des unbewafineten normalen menschlichen 
Auges möglich ist. Dagegen sinkt die Bestimmtheit seines Netzhautbildes schon bis auf ein 
Zehntel herab, wenn sich jenes vom Auge nur auf etwa einen halben bis ganzen Centi- 
meter entfernt. Es kann hiernach nicht auffallend erscheinen, dass bei einem Abstande, der 
etwa zwei Drittel Meter beträgt, die Erkennbarkeit der Objecte sich bis auf einen 
verschwindend geringen Bruchtheil der als Norm angenommenen Grösse verringert hat; es 
sind nämlich alsdann nur noch höchstens einige Hunderttausendstel derselben vorhanden. Wir 
dürfen also, wenn auch vielleicht nicht ganz genau in der Distanz von 60 Centimeter, für 
welche die letzte Zahlenreihe der kleinen Tabelle gilt, doch jedenfalls in einer nur unbedeutend 
beträchtlicheren, die äusserste Grenze des deutlichen Sehens vermittelst des 
Facettenauges annehmen. Was jenseits derselben sich befindet, kann demnach nicht mehr 


seiner Gestalt und den Einzelheiten seiner Erscheinung nach, sondern nur noch allenfalls an 


Zr Hg 


seiner ungefähren Grösse, an seiner Farbe und Lichtstärke erkannt werden; aber dies will 
nicht viel heissen, da von den genannten Eigenschaften die erste und die letzte nach äusseren 
Umständen wechseln, somit im allgemeinen selbst unbestimmt sind, und auch die Farbe in den 
meisten Fällen kein sehr charakteristisches Erkennungszeichen abgeben dürfte. 

Es ist oben schon der in Bezug auf die Zahlen für die deutliche Sehweite und den 
kleinsten Sehwinkel des menschlichen Auges bestehenden grossen Unsicherheit Erwähnung 
gethan worden. Es ist selbstverständlich, dass die Leistungen des Facettenauges in etwas 
verschiedenem Lichte erscheinen müssen, je nachdem man jene Werthe grösser oder kleiner 
wählt; je nachdem man diejenigen vorzieht, deren ich mich als Grundlage des zur Beurtheilung 
anzuwendenden Maassstabes bedient habe, oder von diesen verschiedene. Hätte man z. B. die 
deutliche Sehweite, wie es vielfach geschieht, zu 25 Centim. angenommen, statt zu 13, wie 
ich es nach der Angabe von Helmholtz gethan habe, den kleinsten Sehwinkel hingegen ebenso 
wie es oben geschehen, zu 70 Sekunden, so hätte, wie leicht einzusehen, die kleinste Distanz 
zweier noch gesondert empfindbaren Punkte durch die doppelte Grösse (etwa 0,085 Mill.) derjenigen 
Zahl ausgedrückt werden müssen, welche sich oben hierfür ergeben hat; und es würde dann 
die für einen verschwindenden Abstand des Objectes geltende Sehschärfe des Facettenauges 
sich verhältnissmässig noch viel grösser dargestellt haben, als es jetzt der Fall ist; ebenso 
aber auch der bei einem Abstande von 60 Centim. noch verbleibende Rest der Unterscheidungs- 
fähigkeit um etwas, aber doch nicht in einem wesentlich in Betracht kommenden Grade, höher 
erschienen sein; so hätte er für Sphinz nerii den Werth von 0,000140, anstatt: 0,000035; 
und für Musca domestica denjenigen von 0,000037, anstatt 0,000009 erhalten müssen. 

Wenn es nun hier nicht möglich ist, auf ganz festen und zuverlässigen Grundlagen 
weiterzubauen, so möge eine kurze allgemeine Betrachtung hierfür einigermaassen entschädigen. 
Mag man die kleinste Distanz, welche zwei getrennt aufzufassende Punkte mindestens aus einander 
halten muss, auch noch etwas geringer annehmen, als wir es hier gethan: so viel ist sicher, 
dass bei einer grossen Anzahl von Insekten, besonders bei den kleineren und kleinsten, die 
Facettenbreite hinter der geringsten für jene Distanz zu gebrauchenden Zahl immer noch um 
ein Beträchtliches an Grösse zurückstehen wird; diese Thiere werden also, in der nächsten 
Nähe wenigstens, unzweifelhaft ein das unsrige mehr oder minder an Feinheit übertreffendes 
Sehvermögen besitzen. Denn es ist ja leicht einzusehen, dass überhaupt die Sehschärfe des 
Facettenauges der als Maassstab verwendeten des menschlichen Sehorgans um so bedeutender 
überlegen sein müsse, je geringer die Facettenbreite ist. Es kann diese grössere Bestimmtheit 


der Wahrnehmungen vermittelst jenes Organes auch durchaus nicht wunderbar erscheinen, wenn 


ae 


man die im Verhältniss zur unsrigen fast verschwindende Körpergrösse der Thiere berücksichtigt, 
bei denen es sich findet, und wenn man bedenkt, dass es für dieselben vielfach vom grössten 
Vortheil sein muss, Dinge in ihrer Umgebung zu unterscheiden und zu erkennen, die uns, im 
gewöhnlichen Leben wenigstens und in jedem andern ausser im wissenschaftlichen Betracht, 
durchaus gleichgiltig sind. Andrerseits ist es nicht zu bezweifeln, dass in der Weite des 
deutlichen Sehens mit unserem eigenen Auge, mag man sie innerhalb der von einander so sehr 
abweichenden an verschiedenen Orten jetzt geltenden Zahlen annehmen, wie man will, die 
Unterscheidungsfähigkeit des zusammengesetzten Auges schon ausserordentlich gering sein muss; 
und zwar wird ihr Werth in einem jener entsprechenden Abstande um so stärker gesunken 
sein, je bedeutender das Maass für den kleinsten Sehwinkel des betreffenden Organes sich 
herausstellt. 

Doch so entschieden und unwiderleglich die in der letzten Columne der Tabelle auf 
Seite 67 zusammengestellten Zahlen dafür sprechen, dass in einer sehr geringen Entfernung 
vom Facettenauge dessen Brauchbarkeit zum Unterscheiden und Erkennen so gut wie gleich 
Null ist, so dürfte es doch vielleicht nicht überflüssig und ganz unnützlich erscheinen, dieses 
Ergebniss unserer bisherigen Auseinandersetzungen auch bildlich zu veranschaulichen. 
Diesem Zwecke ist die letzte Spalte der auf Seite 49 stehenden Uebersicht gewidmet. 
Dieselbe gibt in Centimetern ausgedrückt, die Entfernungen (vom Mittelpunkt der 
Augenkugel) an, bei welchen die Breite eines Elementarsehfeldes, gemessen von 
einer Sechsecksseite quer zur gegenüberliegenden, gerade einen Centimeter beträgt. 
Dass gerade der eben bezeichneten Ausdehnung der Elementarsehfelder der Vorzug gegeben 
wurde, hat seinen Grund zum Theil darin, dass die genannte Grösse eine geläufige und leicht 
vorstellbare ist; ihre Wahl muss insofern etwas willkürlich erscheinen, als, je nach dem ein 
wenig schwankenden subjectiven Ermessen der einzelnen Beurtheiler dasselbe, wie von ihr, auch 
von einer etwas geringeren oder einer jene um ein wenig übertreffenden Grösse geltend gemacht 
werden könnte. Es kommt indessen hierauf im vorliegenden Falle nicht so ganz genau an, 
und es ist die gewählte Ausdehnung der Elementarsehfelder mehr als ein zur Erläuterung 
dienendes Beispiel zu betrachten, wobei man ja mit einer gewissen Freiheit verfahren darf, 
denn als ein vereinzelter und besonders irgendwie ausgezeichneter Fall, von welchem gewisse’ 
Eigenschaften ausschliesslich behauptet werden sollten. Wenn also auch vielleicht nicht ganz 
genau gerade von dieser Grösse, und noch weniger nur von ihr allein, so doch sicherlich von 
einer nur unbedeutend von ihr verschiedenen, darf Folgendes behauptet werden: in einer 


Entfernung vom Auge, bei welcher jedes einzelne Elementarsehfeld durch- 


er 


schnittlich die Breite von ungefähr einem Centimeter erreicht, muss das 
deutliche Sehen, also Erkennen und Wiedererkennen der umgebenden 
Dinge völlig aufhören. Diese Entfernung schwankt, wie beim Ueberblicken der letzten 
Zahlenreihe der grösseren Tabelle (Seite 49) ersichtlich ist, zwischen ein Zehntel (bei der 
Hemipterengattung Acanthosoma) und neun Zehntel Meter (bei einer Aeshna); bis zur Länge 
von einem ganzen Meter aber erhebt sie sich auch nicht in einem einzigen Falle. Das Durch- 
schnittsmaass wollen wir beiläufigzu zwei Drittel Meter annehmen, was eher zu hoch als 
zu niedrig gegriffen sein dürfte. Es würde demnach die Facettenbreite von einem Centimeter 
allerdings nur annähernd und nur im allgemeinen, den in der letzten Spalte der kleineren 
Tabelle (Seite 67) vereinigten, auf die Deutlichkeit des Sehens bezüglichen Zahlen entsprechen, 
welche gleichfalls für einen Abstand von etwa zwei Drittel Meter gelten. 

Um nun das über die geringe Leistungsfähigkeit des zusammengesetzten Auges in der 
genannten Distanz eben Ausgesagte zur vollen Anschaulichkeit zu bringen, sozusagen ad oculos 
zu demonstriren, habe ich als Beispiel der zu erkennenden Objecte dasjenige gewählt (obgleich 
zu befürchten steht, dass hierdurch das vorliegende Heft dieser Zeitschrift das Ansehen eines 
botanischen Fachblattes gewinnen möchte), wassich hauptsächlich und fast ausschliesslich beständig 
in der Nähe der Insekten befindet und worauf sich Alle mehr oder weniger, sei es zu Zwecken 
der Ernährung, der Sorge für die Nachkommenschaft oder der Ruhe aufzuhalten pflegen, 
nämlich Pflanzen, und zwar deren ansehnlichste und am meisten flächenhaft entwickelte, von 
regelmässigen Linienzügen umgrenzte Theile, die Laubblätter. Es ist dabei die das Erkennen 
in hohem Grade begünstigende Voraussetzung gemacht zu denken, die zu betrachtenden Blätter 
befänden sich vor einer ganz gleichmässig und anders, als sie selbst, gefärbten Fläche, etwa 
vor dem hellen unbewölkten Himmelsgewölbe, also einem Hintergrunde, von dem sich ihre 
Umrisse besonders scharf und bestimmt abheben müssen. Ausserdem sind grosse und höchst 
charakteristisch geformte, vermitteist des menschlichen Auges noch in beträchtlicher Entfernung 
leicht und gut erkennbare Blätter ausgewählt worden, wie sie nur wenige Pflanzen zeigen. 
Aus zwei Gründen also muss das Pflanzenlaub, wie es gewöhnlich sich darstellt, im allgemeinen 
vie] schwieriger zu erkennen sein, als die abgebildeten Muster; einmal seiner weit geringeren 
Flächenerstreckung und der in minder charakteristischen Linien verlaufenden Umrisse wegen, 
und zweitens, weil es nicht vor einem durch seine Farbe entschieden sich abhebenden und 
dabei an sich einheitlichen Hintergrunde gesehen zu ‚werden pflegt, sondern vor einem aus 
Seinesgleichen gebildeten, daher im allgemeinen ungleichförmigen, aus in verschiedenen Gestalten 


sich zeigenden und ungleich grossen Theilen zusammengesetzten. Diese immer vorhandenen’ 


ee 


dem deutlichen Unterscheiden entgegenwirkenden Schwierigkeiten müssen häufig dadurch noch 
gesteigert werden, dass bei dem leisesten Luftzuge, wie er ja im Freien sich fast immer fühlbar 
macht, die leichten, dünnen und breiten Blattflächen in Unruhe gerathen und sich schwankend 


durch einander hin bewegen. . 


Ueber die vollkommen getreu nach der Natur und in ihrer wirklichen Grösse abgebildeten, 
meist nur in den Umrissen wiedergegebenen Blattformen ist ein Netz von Elementarsehfeldern 
gezeichnet worden, deren Breite einen Centimeter beträgt. Wenn man sich nämlich die Augen- 
kugel irgend eines Insektes soweit vergrössert denkt, dass die in Wirklichkeit nur einige 
Hundertstel Millimeter erreichenden Facetten sich bis zur bezeichneten Grösse ausdehnen 
würden,!) so kann ein so kleiner Theil der Kugel, als hier erforderlich ist, ohne bedeutenden 
Fehler als eben angesehen und demnach ohne allzu merkliche Verzerrung auf der Ebene des 
Papiers ausgebreitet gedacht werden. Es ist dann ohne weiteres ersichtlich, dass der von 
einem Elementarsehfeld bedeckte Theil eines Laubblattes nur gerade durch die einzige diesem 
Sehfelde entsprechende Cornea-Facette hindurch auf die lichtempfindlichen Theile des Auges 
wirken kann; denn der Grundgedanke der Theorie vom musivischen Sehen lautet ja dahin, nur 
die in radialer Richtung auf die kugelförmig convexe Retina auftreffenden Lichtstrahlen könnten 
percipirt werden. Bei einem so kleinen Stück einer Kugel aber, welches unbedenklich als 
eben und mit der Papierfläche zusammenfallend angesehen werden kann, “sind die Radien ungefähr 


parallel und stehen sämmtlich annähernd senkrecht auf der Ebene des Papiers. 


Bei der Construction der neben jede einzelne Blattform gestellten ‚Wiedergabe derselben 
in der Art, wie jene sich dem Facettenauge in der mehrfach angegebenen Distanz darstellen 
muss, ist Folgendes beobachtet worden. Es sind zur Zusammensetzung dieser Retinabilder . 
nicht nur diejenigen Elementarsehfelder verwendet worden, welche ganz und gar durch einen 
Theil des Blattes ausgefüllt sind und daher ausschliesslich grünes Licht enthalten, sondern 
auch diejenigen, welche theilweise auf den Rand der Blattfläche, theilweise aber auf den anders 
gefärbt zu denkenden Hintergrund zu liegen kommen und daher in verschiedenem Grade 
gemischtes, heiler oder blasser grünes Licht den ihnen entsprechenden Retina-Elementen zuführen. 
Nur in dem Falle, dass der in das Bereich eines Elementarsehfeldes fallende Theil der 
Blattfläche als verschwindend klein zu betrachten war, wurde das betreffende Element bei der 
Wiedergabe natürlich nicht berücksichtigt. Da selbstverständlich die mit der sechseckigen 


Figur der Hornhautfacetten im allgemeinen übereinkommende polyedrische Begrenzung der 


') Worauf ja die practische Ausführung der Grössenberechnung der Elementarsehfelder beruht. 


Elementarsehfelder mit der Ausgestaltung des Netzhautbildes nichts zu thun haben kann, so 
wurde nicht einfach der mannichfaltig gezackte und eckige Umriss!) des Complexes der mit 
den Contouren des Blattes ganz oder zum Theile zusammenfallenden Elementarsehfelder als 
die Umgrenzung jenes Bildes angesehen, sondern es war noch eine nicht bedeutende, aber doch 
vielleicht einer kurzen Erläuterung bedürfende Umarbeitung nach folgenden einfachen Grund- 
sätzen erforderlich. Derjenige Theil des Netzhautbildes, der durch die Gesammtheit der von 
dem ein einzelnes Elementarsehfelä erfüllenden Stück des Gegenstandes ausgehenden Strahlen 
gebildet und durch die lichtempfindliche Thätigkeit eines einzigen Retina-Elementes dem 
Bewusstsein des Thieres übermittelt wird, stellt für die Wahrnehmung einen Punkt dar, aber 
natürlich keinen Punkt in mathematischem Sinne, sondern ein punktförmiges Fleckchen, oder, 
etwas vergrössert gedacht, eine kleine Kreisfläche (Taf. I, Fig. 1a und b). Sind zwei 
benachbarte Elementarsehfelder durch ein Stück des Gegenstandes von ganz gleichförmiger 
und mit derjenigen der Umgebung contrastirender Oberflächenbeschaffenheit erfüllt, oder: 
werden zwei neben einander gelegene Augenelemente gleichzeitig durch Lichtstrahlen von gleicher 
Farbe und Intensität in etwas anderer Art affıcirt, als die umliegenden, so entsteht eine 
längliche an beiden Enden abgerundete Figur (Taf. I, Fig. 2a und b). Wird endlich eine ganze 
Reihe von Augenelementen durch dasselbe Licht in derselben Stärke erleuchtet, so resultirt 
eine Linie oder ein schmaler Streifen, der an seinen beiden Seiten natürlich durch zwei 
gerade parallele Linien begrenzt wird (Fig. 3, a und b und 4, a und b). Springen 
dagegen die am äussersten Rande des Gegenstandes gelegenen Sehfelder in regelmässiger 
Abwechslung etwas vor und zurück, so bildet sich eine, Wellenlinie, wie an den beiden 
längeren Seiten des ungefähr ein Oblongum darstellenden Complexes von Sehfeldern, (Fig. 5a und 
b auf Taf. ]J). 

Wenn sich die Retinabilder auf den beifolgenden Tafeln ungefähr in der Grösse der 
gesehenen Objecte wiedergegeben finden, so soll damit natürlich nicht das Geringste weder 
über die scheinbare Grösse ausgesagt werden, in welcher die letzteren den Insekten 
erscheinen, noch über die Ausdehnung des Flächeninhaltes, welchen das Bildchen auf der 
Netzhaut des Thieres einnimmt. Letzterer liesse sich leicht annähernd nach Maassgabe der 
Anzahl der in Betracht zu ziehenden Augenelemente berechnen; es ist jedoch hier nicht weiter 
von Werth, denselben für einzelne bestimmte Fälle genau anzugeben. Die scheinbare Grösse 
eines Gegenstandes ferner ist, wie Johannes Müller‘) ausführlich darlegt, vom Sehwinkel 


!) In Fig. 6a auf Tafel I ist derselbe durch stärkere Linien bemerklich gemacht. 
?) Zu vergl. Physiologie des Gesichtssinnes, pag. 378. 


— mann 


desselben abhängig, d. h. von dem Winkel, welchen die Längsrichtungen derjenigen Augen- 
Elemente mit einander bilden, auf welche von den beiden äussersten Rändern des Objectes 
Strahlen in radialer Richtung auftreffen. Täuschungen über die wirkliche Grösse eines Gegen- 
standes bei unbekanntem oder wechselndem Abstande desselben sind in Folge der besonderen 
Einrichtung des zusammengesetzten Auges ebensowohl möglich, als sie durch die Beschaffenheit 
des Sehorganes der höheren Thiere unvermeidlich herbeigeführt werden müssen. 

Wenn somit unter den beiden genannten Augenformen in der Art Einhelligkeit herrscht, 
dass z. B. Gegenstände von derselben Grösse und in derselben Entfernung gesehen, unter dem 
nämlichen Sehwinkel erscheinen, so ist damit doch noch nichts darüber ausgesagt, ob unter 
den angegebenen Bestimmungen ein und dasselbe Object in beiden Fällen ganz die gleiche 
Vorstellung von Ausdehnung erweckt, ob seine absolute Grösse beidemal als die nämliche 
empfunden wird. Wenn die von verschiedenen Einzelwesen mittelst des Gesichtssinnes auf- 
genommenen Anschauungen überhaupt unter einander in dieser Weise verglichen werden 
dürfen, so wird wohl vor Allem zu untersuchen sein, ob im Bewusstsein der Insekten eine 
Vorstellung von dem Zwischenraum zwischen Object und Sinnesorgan vorhanden ist und ob 
der Inhalt dieser Vorstellung in beiden Fällen wenigstens annähernd übereinkommt. Es würde 
bei dem Versuche einer Beantwortung jener schwierigen Frage, die ich mich hier begnügen 
muss nur aufzustellen, wohl auch zu berücksichtigen sein, dass durch den eigenthümlichen 
Bau des Facettenauges nichts der deutlichen Sehweite des menschlichen Sehorganes Ent- 
sprechendes gegeben ist; dass die Grenze des völlig deutlichen Wahrnehmens vielmehr bei 
ersteren mit der Oberfläche der Hornhaut identisch ist. Dem Umstande, dass der Körper- 
umfang der Insekten ein so viel geringerer ist, steht der andere bis zu gewissem Grade aus- 
gleichend gegenüber, dass dieselben einer Energie und Ausdauer der Muskelthätigkeit und im 
Zusammenhange damit der behendesten und ausgiebigsten Bewegungen mit einer Leichtigkeit 
fähig sind, die wahrhaft erstaunlich ist und jedenfalls die Weite des Raumes und die Aus- 
dehnung dessen, was ihn erfüllt, für die Vorstellung verringern muss. 

Es konnte bei jedem einzelnen der bildlich vorgeführten Beispiele immer nur eine einzige 
von den unzählig vielen überhaupt denkbaren, im Kleinen und Einzelnen von einander etwas ver- 
schiedenen Lagen von Auge und Object zu einander gezeichnet werden, welche ihren Ausdruck 
in der jedesmaligen Anordnung und Richtung der Sechseck-Reihen im Verhältniss zu den 
Blattumrissen finden. Natürlich muss der bei der Construction des Sehfeldernetzes ein wenig 
in dieser Art mitspielende Zufall einen gewissen Einfluss auf die Gestalt äussern, welche die 


Umgrenzung des Retinabildes zeigen wird; aber dieser Einfluss ist im allgemeinen nicht sehr 
Abhandl. d. Senckenberg. naturf. Ges. Bd. XII. 10 


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wesentlich; und wenn sich auch vielleicht einzelne Combinationen herausfinden lassen, durch 
welche das Unterscheiden und Wiedererkennen begünstigt wird, so stehen diesen jedenfalls 
ungleich zahlreichere Fälle gegenüber, von welchen das Gegentheil gilt. Es ist auch, meiner 
Ansicht nach, genügend, überhaupt gezeigt zu haben, dass es wenigstens "einige Fälle gibt, 
in denen ein grösseres Object von einigermaassen auffälligen Formen in einem gewissen 
Abstande undeutlich und nicht mehr erkennbar erscheint; denn sicherlich ist hierdurch 
wenigstens die unmittelbare Nähe der Grenze des deutlichen Sehens indiecirt. 
Anstatt eine Vorstellung davon zu geben, wie unter etwas andersartigen Umständen sich das- 
selbe Object ein wenig verschieden, wie es sich etwa im besten und wie im ungünstigsten 
Falle ausnehmen wird, habe ich vorgezogen, den zur Verfügung stehenden Raum lieber mit 
Gestalten von mannichfaltiger und verschiedenartiger Bildung anzufüllen und bin der Meinung, 
hiermit die Einsicht in den uns beschäftigenden Gegenstand besser gefördert zu haben. 
Nachdem dies vorangeschickt, wird die nähere Prüfung der Abbildungen wohl keinem 
Missverständnisse mehr begegnen. Fig. 6a auf Taf. I stellt drei Fiederpaare des sehr 
ansehnlichen, weithin für unser Auge erkennbaren Fiederblattes von Adlanthus glandulosa 
(Götterbaum) dar; daneben präsentirt sich das entsprechende Retinabild (Fig. 6b), welches, 
einem unbestimmten Schatten ähnlich, nur noch die Grössenverhältnisse des vorliegenden 
Objectes im ganzen einigermaassen wiedergibt, sicherlich aber, wenn es allein vorhanden wäre, 
die feinere Gestaltung des letzteren nicht errathen liesse. Nicht nur, dass der Charakter der 
ein jedes dieser länglichen, etwas geschweiften und fein zugespitzten, mittelst eines ganz 
kurzen Stieles fast sitzend der Mittelrippe angehefteten, an der Basis beiderseits mehrfach 
geöhrten Blätter umgrenzenden Linienzüge völlig verloren gegangen ist: es ist davon überhaupt 
nichts mehr zu sehen, dass wir ein gefiedertes Biatt vor uns haben; statt dessen zeigt 
sich ein etwas unregelmässig eingeschnittenes, in der Mitte wie durch Insektenfrass 
an einigen Stellen fein durchlöchert. Wenn es ein bedeutungsvolles Kennzeichen für die 
geringe Zuverlässigkeit eines Sinnesorganes genannt werden muss, wenn Gleiches oder Aehn- 
liches durch dessen Vermittlung in Ungleichartiges umgewandelt wird, so darf wohl Folgendes 
noch erwähnt werden: Die Fiedern des Ailanthus-Blattes zeigen durchweg die gleiche Gestalt, 
obwohl sie an Grösse etwas verschieden sind; im Retinabilde dagegen erscheint die unterste 
auf der rechten und die oberste auf der linken Seite spitz, die vier anderen stumpf; von den 
vier oberen Blättchen zeigen die beiden links gelegenen oben wellenförmige, unten geradlinige 
Begrenzung, während sich die beiden auf der rechten Seite gerade umgekehrt verhalten. — 


Noch viel weniger dem Originale entsprechend gestaltet sich der Umriss des Retinabildes von 


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dem viel kleineren, aber immerhin noch verhältnissmässig umfangreich zu nennenden gefiederten 
Blatte von Sorbus aucuparia (Fig. 7a); dasselbe (Fig. 75) macht vielmehr mit seinem etwas 
unregelmässig verlaufenden Rande etwa den Eindruck eines ungewöhnlich grossen und breiten 
Eichenblattes. 

Eine zweite sehr in die Augen fallende Form ist diejenige des gefingerten Blattes, 
für dessen Typus das ansehnlich grosse Laub der Rosskastanie wohl das beste Beispiel 
liefert. Bei dem bedeutenden Umfang, welchen die Blätter dieses schönen Baumes zu erreichen 
pflegen, war es nicht möglich, mehr als einen Theil eines solchen bildlich wiederzugeben 
(Tafel II, Fig. 1a), von welchem die zwei fast vollständig dargestellten gerade nach oben 
gerichteten Blattstrahlen und der sie trennende Zwischenraum besonders beachtenswerth sind. 
Fig. 1b ders. Tafel zeigt nämlich, wie der schmale, zwischen den beiden benachbarten Blatt- 
flächen hindurch sichtbare Streifen des Hintergrundes auf der Retina nur noch in seinem obersten 
Theile auf eine kurze Strecke hin der Wahrnehmung erhalten ist; anstatt eines tiefen, bis in 
das Centrum der Blattfläche vordringenden Einschnittes erblicken wir nur noch eine nicht sehr 
ausgedehnte Einbiegung. Somit wird das Rosskastanienblatt nicht fingerförmig zerspalten, 
sondern nur rundlich gelappt und etwa in der Gestalt eines (vergrössert gedachten) Alchemilla- 
Blattes erscheinen müssen, — Ein kleineres Blatt derselben Art, dasjenige von Ampelopsis 
hederacea (Taf. II, Fig. 2a) erweckt in seinem wesentlich umgestalteten Retinabilde (ebend. 
Fig. 25) die Vorstellung eines Platanenblattes. 

Wen die seither besprochenen Beispiele von dem geringen Betrage der dem Facetten- 
auge in dem mehrfach bezeichneten Abstande zukommenden Unterscheidungskraft noch nicht 
völlig überzeugt haben sollten, der wird sich doch schwerlich dem Folgenden verschliessen 
können. Fig. 1 auf Taf. III stellt das Blatt einer Ahornart, Fig. 2 derselben Tafel ein Platanen- 
blatt dar. Wie man sieht, stimmen beide Formen in ihren wesentlichsten Zügen auffallend 
überein; es sind ferner mit Absicht die beiden benutzten Exemplare so ausgewählt worden, 
dass sie auch in der Grösse mit einander möglichst genau übereinkommen. Dennoch hat jedes 
von diesen beiden Blättern auch wieder seine charakteristischen Eigenthümlichkeiten in der Aus- 
bildung seines Randes und in der besonderen Art des Verlaufs und dem etwas verschiedenen 
Grade der Krümmung der einzelnen kleineren, den Gesammtumriss zusammensetzenden Curven: 
dieses erscheint etwas geschweifter und eckiger, jenes etwas abgerundeter und gedrungener; 
die Gestalt des einen ist vielleicht im ganzen etwas gefälliger und eleganter, als die des anderen. 
Kurz, der Eindruck, den beide auf unseren Sinn machen, ist ein merklich verschiedener, der 


Art und in so hohem Maasse, dass die blossen Umrisse der beiden Blätter, also abgesehen von 


En ee 


Oberflächenbeschaffenheit und Nervatur, Farbennüancirung oder Glanz, in einer Entfernung von 
mehr als zehn Schritten noch mit aller Bestimmtheit von einander unterschieden werden können, 
wie ich mich durch mit mehreren Personen wiederholt angestellte Versuche überzeugt habe. 
Die Retinabilder der genannten Blätter werden durch die beiden mit der Zahl 3 bezeichneten 
Figuren derselben Tafel dargestellt; ich möchte es nun dem Urtheile des Lesers überlassen, 
die zusammengehörigen Paare von Bild und Gegenstand herauszufinden und habe deshalb die 
sonst angewendete nähere Bezeichnung hier weggelassen. Ich muss es für mehr als zweifelhaft 
ansehen, ob es möglich sein wird, auf den blossen Anblick hin und ohne zum Ausmessen seine 
Zuflucht zu nehmen, zu entscheiden, welche von diesen beiden Figuren das Ahorn-, und welche 
das Platanenblatt vorstellen soll. Die dahin zielenden allenfallsigen Bemühungen sind ja dadurch 
allerdings sehr erleichtert, dass nur zwischen zwei Dingen zu wählen ist, und dass die betref- 
fenden Zeichnungen, auf demselben Blatte neben einander stehend, gleichzeitig mit dem Blicke 
erfasst und auf das Bequemste und Eingehendste mit einander verglichen werden können. Indessen, 
diesen das Wählen begünstigenden Umständen steht auf der anderen Seite eine solche Form- 
losigkeit der Retinabilder, eine so wenig getreue Erhaltung der zahlreichen kleinen, das Original 
auf den ersten Blick kennzeichnenden Besonderheiten gegenüber, dass man wohl von vornherein 
die Unmöglichkeit, das Zusammengehörige mit Bestimmtheit wiederzuerkennen, für das Wahr- 
scheinlichere halten darf. 

Es muss schliesslich noch mit wenigen Worten der Verzerrungen gedacht werden, 
welche die Unähnlichkeit zwischen Gegenstand und Retinabild in sehr vielen Fällen noch ganz 
besonders und über das Maass des bisher Beigebrachten hinaus vergrössern müssen. Hierher 
gehört z. B. der Umstand, dass mitunter die einzelnen Augenelemente, insbesondere die Facetten 
merklich von einander verschiedene Breitenmaasse aufweisen. Es ist in diesem Falle mindestens 
sehr wahrscheinlich, dass der Umfang der Elementarsehfelder zur Ausdehnung der Facetten in 
einer gewissen Proportionalität steht, so dass den beträchtlicheren Dimensionen dieser eine 
grössere Fläche jener entspricht, und dass die Differenzen dort sich um so erheblicher heraus- 
stellen, je bedeutender die Grössenunterschiede zwischen der kleinsten und der grössten Facetten- 
oberfläche sich ergeben. Die Verzerrung des Bildes findet indessen hier nur im einzelnen und 
im kleinen statt, indem die ungleich grossen Sehfelder auf der Retina als gleichgrosse helle 
Fleckchen oder Kreisflächen sich darstellen; und es lässt sich im allgemeinen nur soviel sagen, 
dass durchaus gleichförmige, regelmässige Ausbildung der Corneafacetten (wie bei den Schwär- 
mern z. B.) für das Sehen insofern von vorzüglicher Bedeutung sein muss, als das Bild in 


Folge hiervon die Grössenverhältnisse des Gegenstandes bis auf seine geringsten Einzelheiten 


ei 


herab getreu wiederspiegeln kann, während dies bei mehr regelloser Gestaltung und Anordnung 
der Facetten nicht vollständig möglich ist. 

sine weitere Veranlassung zu bedeutenderen und mehr im. grossen sich äussernden Ver- 
zerrungen ist durch den sehr häufigen Fall gegeben, dass die Augenwölbung nicht genau 
und vollkommen kugelförmig ist. Ich will hier den von Johannes Müller!) erläu- 
terten Fall nicht weiter erörtern, dass der Durchschnitt des Auges mit einer beliebigen Ebene 
kein Kreisbogen, sondern eine andere Curve, z. B. eine Ellipse ist. Ich will mich vielmehr auf 
die nähere Darlegung des die Anwendung von Zahlen gestattenden Falles beschränken, dass 
die Krümmungshalbmesser des Auges in zwei auf einander senkrechten 
Ebenen an Länge beträchtlich von einander verschieden sind. Es kaun als- 
dann die Gestalt der Elementarschfelder nicht derjenigen der Facetten ähnlich sein, welch’ 
letztere im Allgemeinen als ein reguläres Sechseck betrachtet werden soll; sondern mit zu- 
nehmendem Abstande vom Auge wird jene eine stetig wachsende Verzerrung erleiden müssen. 
Es wird sich dies am einfachsten durch ein Beispiel klar machen lassen. Der das Maass der 
Wölbung des Auges in der Richtung von oben nach unten, in welcher dasselbe stark verlängert 
erscheint, angebende Halbmesser beträgt bei Apis mellifica 1,62 mm, während der für die 
Richtung von vorn nach hinten geltende nur 0,75 mm lang ist. Es ist demnach einleuchtend, 
dass die Längsrichtungen zweier horizontal neben einander gelegenen Augenelemente weit stärker 
divergiren müssen, als diejenigen von zwei senkrecht über einander befindlichen. In Folge 
hiervon ergibt sich, dass z. B. in einer Entfernung (dieselbe beträgt 67 cm), in welcher 
die Breite eines Elementarsehfeldes in senkrechter Richtung gerade einen Centimeter ausmacht, 
der gegenseitige Abstand zweier parallelen Seiten in horizontaler Richtung sich auf 2,1 cm 
belaufen wird. Da sich nun die Entfernung zweier einander gegenüberliegender Seiten zu 
derjenigen zweier diametral einander gegenüberstehenden Eckpunkte verhält wie 1: 1,15, so 
betragen im Falle das Sechseck eine Seite nach oben kehrt, dessen Maasse von oben nach unten 
einen Centim., von links nach rechts 2,4 cm, wenn dagegen eine Ecke desselben nach 
oben gerichtet ist, sind seine Dimensionen die folgenden: von oben nach unten 1,15 cm, 
von links nach rechts 2,1 cm (Fig. 4 auf Taf. II). Ebenso sind in Fig. 5 derselben Tafel 
die aus den Augenmaassen von Tabanus bovinus für eine Entfernung von circa 78 cm 
berechneten Elementarschfelder dargestellt; dieselben erscheinen in der Richtung von oben nach 


unten verlängert, in welcher bei dem genannten Insekt der Augenwölbung das Minimum des 


!) Zur vergleich. Physiol. des Gesichtssinnes, pag. 379. 


ENT NER 


Krümmungshalbmessers zukommt. In wie hohem Grade durch die bezeichnete Beschaffenheit 
des Auges und die hierdurch bedingte besondere, mit zunehmender Entfernung von der Form 
des regulären Sechseckes mehr und mehr abweichende und einseitig verzogen erscheinende 
Gestalt der Elementarsehfelder die gesehenen Gegenstände verzerrt werden müssen, ist aus den 
Abbildungen Fig. 6, a und 5 und Fig. 7, «a und b auf Taf. III abzunehmen, von denen die erste 
für die Honigbiene, die andere für Tabanus gilt; der Umriss einer kreisrunden (schematisch 
gezeichneten) Blumenkrone erscheint das eine Mal unförmlich hoch und schmal, das andere 
Mal stark breitgedrückt. Ein derartiges Retinabild lässt sich den durch Reflexion an einem 
schwach cylindrisch gekrümmten Spiegel entworfenen Figuren vergleichen. Im allgemeinen 
erscheinen die Retinabilder in der Richtung einer Linie mehr oder weniger stark verlängert, 
welche der Ebene angehört, deren Durchschnitt mit der Augenwölbung den relativ grössten 
Kreisbogen darstellt. Aus zwei Gründen müssen folglich die Bilder der gesehenen Dinge in 
zahlreichen Fällen noch undeutlicher sein, als es den seither vorgeführten Zeichnungen nach 
anzunehmen sein möchte: einmal, weil die natürlichen Verhältnisse der Objecte gestört und 
durchaus verändert erscheinen; ausserdem aber auch deshalb, weil der Flächeninhalt eines 
Elementarschfeldes in der mehrfach genannten Entfernung weit grösser ist, als er es sein 
würde, wenn jenes reguläre Gestalt zeigte. Bei allen Constructionen wurde nämlich wie bei 
den Berechnungen immer nur der grössere Krümmungsradius berücksichtigt. Es zeigen sich 
aber sehr häufig grössere oder geringere Abweichungen des Auges von der reinen Kugel- 
form, von welchen übrigens nur die augenfälligsten in der Tabelle (S. 23) durch doppelte 
Zahlenangaben angedeutet sind. — Ueber die Bedeutung dieser Unregelmässigkeiten im Bau 
des zusammengesetzten Auges und die dadurch bedingte Verzerrung der Retinabilder für die 
theoretische Auffassung jenes Organes wird später noch Einiges zu sagen sein. 

Bis jetzt sind ausschliesslich Thatsachen dargelegt und erörtert worden. Das Gesammt- 
resultat der bisherigen Auseinandersetzung lässt sich kurz dahin zusammenfassen: es ist, wie 
ich glaube, vollkommen einleuchtend und unwidersprechlich bewiesen worden, 
dass in einer Entfernung vom Auge, in welcher die Breite der Elementar- 
sehfelader einen Centimeter beträgt, und welche im allgemeinen sich auf 
etwas mehr als einen halben Meter beläuft, in keinem mir bekannten Falle 
aber die Länge eines Meters erreicht, die Fähigkeit des Facettenauges 
zum deutlichen Erkennen und bestimmten Unterscheiden so gut wie gleich 
Null ist. Man könnte nun meinen, diese Länge von höchstens etwa einem Meter stehe zu 


den geringen Dimensionen des Insektenkörpers ungefähr im gleichen Verhältniss, wie die weiter 


TO 


abliegende Grenze der deutlichen Wahrnehmungen vermittelst des Wirbelthierauges zu der be- 
deutenderen Körpergrösse der dem letztgenannten Typus zugehörigen Thiere. In diesem Sinne 
ist wohl folgender Satz Johannes Müller’s!) zu verstehen: »Diese Art des Sehens ist freilich 
immer sehr unvollkommen und undeutlich, aber für den Lebenshaushalt der Insekten hinreichend.« 
Claparede hingegen vertritt die entgegengesetzte Ansicht; wenigstens bemüht er sich?) aus dem, 
was über die Lebensthätigkeiten der Insekten im allgemeinen bekannt ist, was ferner aus 
einer einzelnen an der Honigbiene gemachten Beobachtung hervorzugehen scheint, zu erweisen, 
dass die Fernsichtigkeit der Insekten weit grösser sein müsse, als es anzunehmen die unum- 
gänglichen Consequenzen der Theorie vom musivischen Sehen zulassen. Ja, dieser Widerspruch 
scheint ihm geradezu »genügend, um Müller’s scharfsinnige Lehre zu Boden zu 
schlagen; denn wir wissen, dass vieleInsekten ein feines Unterscheidungs- 
vermögen selbst in bedeutender Entfernung besitzen.< Clapar&de drückt sich 
übrigens zum Theil so wunderlich aus, dass es nicht auffallend erscheinen kann, wenn Grenacher 
ihn ganz unverständlich fand und demzufolge den in jenen Sätzen berührten Widerspruch zwischen 


Theorie und Beobachtung gänzlich übersah.°) 


Die angedeutete Schwierigkeit, liegt hauptsächlich in dem Gegensatze zwischen der räumlich 
nicht sehr weit reichenden Unterscheidungsfähigkeit des Gesichtsorganes und der überaus grossen, 
die genaueste Orientirung über einen grösseren Umkreis hin voraussetzenden Locomotions- 
fähigkeit der geflügelten Insekten begründet, welche an Schnelligkeit sowohl, als an Aus- 
dauer der Bewegungen ganz Erstaunliches zu leisten im Stande sind, wofür ich einige besonders 
ausgezeichnete Beispiele Burmeister's Handbuch der Entomologie (Band I, pag. 502) 
entnehme. »Der allbekannte Rosskäfer fliegt an den wärmeren Sommerabenden mit einer 
Geschwindigkeit, die der der Schwalbe nichts nachgibt, wiewohl er nicht den zehnten 
Theil ihres Umfanges erreicht.«e — »Oefters kann man sich, selbst auf dem Pferde 
reitend, das die Bremse eben anfallen will, indem man dasselbe zum gestreckten Galopp spornt, 
von der Schnelligkeit ihres Fluges überzeugen; denn sie bleibt immer in der Nähe des Thieres 
und begleitet dasselbe, etwa zwei bis drei Zoll von seinem Körper entfernt; ja, am Ende, wo 
sie sich von der Unausführbarkeit ihres Vorhabens überzeugt hat, fliegt sie noch schneller als 
der Reiter davon, mit unglaublicher ‚Schnelligkeit auf seinem Pfade ihm vorauseilend.«e — »Das 
merkwürdigste Beispiel dieser Art dürfte wohl jener Fall sein, den ein englischer Reisender 

!) Zur vergl. Physiol. d. Gesichtssinnes, pag 366. 


2) Zeitschrift für wissensch. Zoologie, 1360, Band X. 
®) Untersuch. über das Sehorgan der Arthropoden, pag. 15. 


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erzählt, welcher mit einem Dampfwagen fuhr, der in einer Stunde zwanzig englische Meilen, 
also fünf deutsche zurücklegte. Diesen Wagen begleitete auf eine beträchtliche Strecke eine 
Hummel (Apis subinterrupta Kirb.), nicht blos mit derselben Geschwindigkeit, sondern sogar 
mit einer noch grösseren, indem sie nicht selten um den Wagen herumflog oder Ziekzacklinien 
im Fluge beschrieb. Dabei war den Reisenden noch der Wind entgegen.« Besonders instructiv 
erscheint mir endlich noch folgendes Beispiel: »Leeuwenhoek erzählt einen Fall, wo eine 
Schwalbe auf einem langen Gange eine Libelle der Gattung Agrion eine Stunde lang jagte, 
ohne sie erhaschen zu können; das Thierchen blieb immer sechs Fuss seinem Verfolger voraus 
und entrann ihm am Ende dennoch.« Ist es zuviel gesagt, wenn Burmeister urtheilt: 
»Kraft und Ausdauer der Muskelbewegungen erreichen bei den 'Kerfen eine Höhe, die unter 
allen übrigen Thieren ihres Gleichen sucht und vielleicht nirgends übertroffen wird.«? Es wird 
ferner ein Jeder, der mit den Lebensgewohnheiten der Insekten sich näher vertraut zu machen, 
etwa als Sammler, hinreichende Gelegenheit gehabt hat, das über die wunderbare Flugfertigkeit 
derselben hier Gesagte durch manche eigene, wenn auch nicht so auffallende, den eben erzählten 
Fällen nicht völlig Gleichkommendes, aber doch dem Grade nach nicht so sehr davon Ver- 
schiedenes betreffende Beobachtung bestätigen können. Die gewöhnliche Schnelligkeit der 
grösseren Tagfalter, aus den Gattungen Apatura, Papilio oder Vanessa z. B., ist eine der- 
artige, dass es einem Menschen auch im angestrengtesten Laufe nicht so leicht gelingt, sie 
einzuholen; aufgescheucht und erschreckt aber wissen sie sich ihren Verfolgern mit noch weit 
grösserer Behendigkeit zu entziehen. Wohl alle übrigen Insekten werden an Flugfertigkeit um 
ein Beträchtliches durch die Schwärmer und die grösseren Libelluliden übertroffen; eben 
diese Thiere zeigen die grösste Mannichfaltigkeit in der Art ihrer Bewegungen, indem sie bald 
an derselben Stelle im Luftraum unbeweglich, gleichsam stehend, sich durch den raschesten und 
für unser Auge nicht mehr sichtbaren Flügelschlag schwebend erhalten, bald mit mässiger File 
von Blume zu Blume dahinflattern, bald aber auch hastig und wild dahingleitend in einem 
einzigen Schusse, eine schön geschwungene Curve beschreibend, eine Strecke von vielleicht 
mehr als zehn Metern zurücklegen, wobei sie alle etwa im Wege liegenden Hindernisse mit 
Sicherheit zu vermeiden und, ohne irgendwo anzustossen, mitten aus Gestrüpp und dichtver- 
schlungenem Buschwerk einen Ausweg zu finden wissen. 

Wenn man die Insekten in Bezug auf Gewandtheit und Ausdauer der Locomotion mit 
irgend einer anderen Thierklasse zusammenstellen wollte, so wüsste ich nur eine einzige zu 
nennen, die diesen Vergleich wohl aushielte, nämlich die ebenfalls luftbewohnenden, immer 


unruhigen und leicht beweglichen Vögel. Oben ist schon von einem Falle berichtet worden, 


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wo ein verhältnissmässig kleines Insekt mit einem der besten Flieger unter den Vögeln, der 
Schwalbe, in Bezug auf Flugfertigkeit zu concurriren hatte und wo der Erfolg entschieden zu 
Gunsten des ersteren ausfiel. Aber die Parallele zwischen beiden Thierklassen lässt sich noch 
weiter ausführen; so sind, aus Mangel an Nahrung oder aus Fürsorge für die Nachkommen- 
schaft unternommene Massenwanderungen so gut von Insekten als von den Vögeln bekannt. 
Und ebenso wie schlechtere Flieger, die Wachteln z. B., nicht weniger zu den Zugvögeln ge- 
hören, als die schnellsegelnden Schwalben, sind ebensowohl Wanderungen der Zugheuschrecke 
(Gryllus migratorius) zahlreich bekannt, — welche sogar den meisten Ruf als wanderndes 
Insekt gewonnen hat, — als von Libellen!) und Tagfaltern, besonders dem Kohlweissling ?) 
und dem Distelfalter.°) Auch in diesem Jahre (1879), in welchem der letztgenannte Schmetterling 
sich überall in ungewöhnlicher Menge sehen liess, fanden sich in den Zeitungen Nachrichten 
aus der Schweiz und dem südlichen Frankreich über mehrfach beobachtete grössere Züge des- 
selben. Der gewandteste aller Zugvögel ist jedoch unstreitig der Oleanderschwärmer 
(Sphin& nerii), als dessen Heimathländer Nordafrika und das südliche Frankreich bezeichnet 
werden, und welcher in heissen Sommern, von einer nicht weiter bekannten Ursache angetrieben, 
bis in das nördliche und östliche Deutschland, allerdings nur einzeln und nicht in ansehnlicher 


Menge, aber mit einer gewissen Regelmässigkeit zu gelangen pflegt. } 


Man sollte nun, denke ich, von vornherein erwarten dürfen, dass Thiere, welche in Bezug 
auf ihr Vermögen der Ortsveränderung einander so nahe kommen, mit ihren Leistungen hierin 
gleichsam zu wetteifern scheinen, auch in gleicher Weise hierbei durch dasjenige Sinnesorgan 
unterstützt werden müssten, welches naturgemäss als der vorzüglichste Leiter aller Bewegungen 
zu betrachten ist, nämlich das Gesichtsorgan. In der That mag auch die Ausdehnung des 
mit dem Blicke beherrschten Gesichtsfeldes bei beiden Thierklassen einigermaassen vergleichbar 
sein; denn die Augen der Vögel sind verhältnissmässig grösser als diejenigen irgendwelcher 
anderen Wirbelthiere, sie sind beweglich und nach verschiedenen Richtungen gekehrt; das stark 
kugelig vorquellende Facettenauge aber gestattet bekanntlich, einen sehr grossen Theil des 
Horizontes gleichzeitig zu überblicken. Anders verhält es sich indessen mit den Leistungen 
des Sehorganes in Betreff der dritten Dimension des Raumes, nämlich der Tiefe desselben, oder 
der Richtung in grader Linie von jenem weg. Das scharfe, auf grosse Strecken hin gut wahr- 
nehmende und mit Sicherheit unterscheidende Auge der Vögel ist sprichwörtlich; die Insekten 


hingegen sind, wie oben ausführlich nachgewiesen wurde, dergestalt kurzsichtig, dass sie 


') Brehm, Thierleben, 4. Abtheilung, 1. Bd., pag. 519. — ?) Ebendas. pag. 352, — °) Ebendas. pag. 357. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 11 


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über eine Distanz von einem Meter hinaus überhaupt nichts mehr deutlich zu erkennen im 
Stande sind. 


Wenn jemand nun geneigt sein sollte, auf die so verschiedene Durchschnittsgrösse der 
den beiden vergleichsweise neben einander gestellten Klassen zugehörenden Thiere ein besonderes 
Gewicht zu legen: so hätte man nur auf das Vorhandensein der allerkleinsten Vögel zu ver- 
weisen, welche den Insekten an Grösse völlig gleichkommen, höchst wahrscheinlich aber, wie 
der Analogie nach wenigstens zu schliessen wäre, vermittelst ihrer mit Linsen versehenen und 
unter Mitwirkung der Lichtbrechung fungirenden Augen, auf viel grössere Entfernungen hin 
zu unterscheiden im Stande sind, als es vermittelst des Facettenauges möglich ist. Ich erinnere 
mich, in einem Bande der eben im Erscheinen begriffenen »Encyklopädie der Naturwissenschaften«!) 
eineSchwärmer-Species (Macroglossa Titan) und einen Kolibri neben einander abgebildet 
gesehen zu haben, beide in der Ansicht von oben und mit horizontal ausgebreiteten Flügeln, 
diesen mit gerade vorgestrecktem Schnabel, jenen mit gänzlich entrolltem Rüssel, beide in der 
Stellung, als ob sie saugend vor einer Blüthe schwebten. Die Uebereinstimmung in der Grösse 
und Gestalt, selbst in der Farbenschattirung zwischen beiden Thieren ist so täuschend, dass 
man jenem Schmetterlinge den Trivialnamen »Kolibri-Motte« beigelegt hat. Ferner ist die Art 
zu fliegen bei beiden so ähnlich, dass Bates »der Beobachtung mehrerer Tage bedurfte, ehe 
er sie im Fluge von einander unterscheiden lernte.« Hier haben wir also ähnliche Gruppirung 
und Wirkungsweise der bewegenden Muskeln, sowie annähernd gleiches Gewicht und gleiche 
Anordnung der zu bewegenden Körpermasse; wir haben dieselbe Flugfertigkeit und Sicherheit 
der Bewegungen sowohl als auch ganz die nämliche Umgebung, in welcher dieselbe ausgeübt 
wird. Und nur das Auge sollte im einen Falle unterscheidungsfähig und gut, im andern da- 


gegen kurzsichtig und wenig brauchbar sein? 


Wenn man dem vorhin Auseinandergesetzten zufolge ohne Uebertreibung behaupten darf, 
dass die Insekten in einer Entfernung, die mehr als einen Meter beträgt, so gut wie gar nichts 
zu erkennen im Stande sind, so fragt es sich nun weiter: in welcher Weise orientiren sich die- 
selben über die Beschaffenheit ihrer Umgebung, über die jedesmaligen Abstände der in ihrer 
Nähe befindlichen Gegenstände? Wie wissen sie z. B. die Stellen aufzufinden, an welchen sie 
ungehindert ihren Flug fortsetzen können, und wie wissen sie dasjenige zu vermeiden, was sie 
hierin hemmen würde, sei es nun der Erdboden selbst, oder die Vegetation, welche er trägt 


oder was sonst immer? Wenn man zunächst annehmen wollte, die Insekten bildeten sich über 


!) Schenk, Handbuch der Botanik, Band I, pag. 104. 


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die Distanzen der sie umgebenden Gegenstände annähernd richtige und zutreffende Vorstellungen 
gemäss dem jeweils bestehenden Verhältnisse von deren scheinbarer Grösse zu der bekannten 
wirklichen, wie ja auch wir selbst auf diese Art hauptsächlich uns über das Maass des zwischen 
unserem Sehorgan und den in unserer Nähe befindlichen Dingen enthaltenen Zwischenraumes 
zu orientiren pflegen: so könnte dies für den Raum von einem Meter im Umkreis des Thieres 
einstweilen wohl zugegeben werden. Allein es muss als etwas Unbegreifliches erscheinen, wie 
ein Thier hiermit sollte ausreichen können, welches, ohne sich besonders anzustrengen und ohne 
dabei rasch zu ermüden, oder ohne dass es erschreckt und in blinder Eile sein Heil in der 
hastigsten Flucht zu suchen genöthigt worden wäre, sondern gleichsam spielend und mit grösster 
Leichtigkeit, ja mit anscheinendem Behagen und in seinem gewohnten, durch die Beschaffenheit 
seines eigenen Körpers bedingten Thun und Treiben begriffen, einen Weg bis zu 10 Meter 
oder meinetwegen auch nur die Hälfte dieser Strecke in jeder Secunde zurückzulegen vermag. 
Was aber die übrigen, von uns selbst zur annähernden Abschätzung der Entfernungen benützten 
Hilfsmittel betrifft, so setzen diese entweder ebenfalls das Erkennen der wahrgenommenen 
Gegenstände voraus, wie die grössere oder geringere Menge von Einzelheiten, welche wir 
an ihnen zu unterscheiden im Stande sind, und die Wahrnehmung zwischenliegender Gegen- 
stände von bekannter Entfernung; oder sie kommen bei dem relativ geringen Maasse der 
hier zu berücksichtigenden Zwischenräume (die doch schwerlich mehr als etwa 30 bis 50 Meter 
betragen dürften) nicht merklich in Betracht, wie die sogenannte Luftperspective oder die 
Trübung des Lichtes durch zwischenliegende Luftschichten, welche sowohl die Schärfe der Um- 
risse verschleiern, als auch die Entschiedenheit der Contraste zwischen Licht und Schatten 
und den verschiedenen Farben mildern; oder endlich, sie fallen in Folge des besonderen Baues 
des zusammengesetzten Auges gänzlich weg, wie die indem etwas veränderlichen Grade 
der Convergenz der Augenaxen und dem Wechsel der Accommodation uns 
gegebenen Anhaltspunkte. 

Aber noch mehr: selbst die geringe Fählekeit des Facettenauges, auf unbedeutende Distanzen 
hin mit Sicherheit zu erkennen, kann für die zur ungehinderten Flugbewegung erforderliche 
Orientirung nicht von wesentlichem Nutzen sein. Wenn man nämlich, in Uebereinstimmung 
mit dem vorhin Bemerkten, annehmen wollte, die verschiedene Grösse des Sehwinkels, 
unter welchem die Gegenstände von bekannter absoluter Grösse in ihren wechselnden Abständen 
vom Auge jedesmal erscheinen, diene als Maassstab zur Beurtheilung der letzteren; ‚woher sollte 
denn diese absolute Grösse irgendwelcher äusserer Gegenstände den Insekten auch nur im 


geringsten bekannt sein? Bald nach dem Verlassen der engen Puppenhülle, wenn der Körper 


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nur erst an der Luft soweit Härte und Festigkeit gewonnen hat, dass die Flügel zu ihrer 
Bestimmung tauglich erscheinen, beginnt das gleichsam neugeborne Thier, die ihm vergönnte, 
meistens so kurze Lebensfrist mit emsiger Thätigkeit und lebhafter Bewegung auszunutzen. 
Der Erwerb der eigenen Nahrung, die eifrige Fürsorge für die Nachkommenschaft treiben es 
an zu eiligen und unruhigen, mehr oder minder ausgedehnten Wanderungen von Ort zu Ort. 
Wo fände das kleine Wesen Zeit, auch wenn nicht die erforderlichen psychischen Fähigkeiten 
wohl grösstentheils mangelten, sich mit den räumlichen Verhältnissen der Gegenstände in seiner 
immer neuen Umgebung hinreichend bekannt zu machen? Auch hier ist es sehr lehrreich, das 
entsprechende Verhalten der in so vielen Beziehungen mit den Insekten sonst übereinstimmenden 
Vögel zu vergleichen. Wie langsam und allmälig lernt der junge Vogel fliegen! Auf anfänglich 
kurzen, mit der Zeit zunehmenden, zur Uebung dienenden Ausflügen macht er sich nach und 
nach mit der räumlichen Beschaffenheit der Dinge in einem kleineren oder grösseren Umkreis 
näher vertraut; an den hier ihm dargebotenen Beispielen lernt er die Entfernungen richtig 
abschätzen und weiss alsdann erst auch anderwärts, in gänzlich unbekannten Regionen, die 
allzu grosse, gefährliche Annäherung an frei in die Luft vorragende, seiner Bahn benachbarte 
Objecte während des Fluges zu vermeiden und seinen Weg aufs sicherste und schnellste 
zurückzulegen. Dem eben ausgeschlüpften Schmetterlinge dagegen gelingt es sofort und so gut, 
sich in der Oertlichkeit seiner Umgebung zurechtzufinden, als ob er seit Jahren dort heimisch 
wäre. Es sei gestattet, ein paar Worte Darwins!) anzuführen, welche, obgleich sie sich nicht 
auf die ausgiebigeren, die Ortsveränderung im grossen bezweckenden Flugbewegungen direct 
beziehen, doch auf etwas mit Letzteren im engsten zeitlichen Zusammenhang Stehendes gehen 
und deshalb auch in unserem Sinne ihre volle Richtigkeit haben: »Für Diejenigen, welche die 
allmälige Entwicklung der Arten annehmen, wird ein äusserst auffallendes Beispiel der Voll- 
endung, mit welcher die schwierigsten consensuellen Bewegungen überliefert werden können, 
von einem Schmetterlinge, dem Rüsselschwärmer (Macroglossa) dargeboten; man kann nämlich 
diesen Schwärmer kurz nach dem Verlassen seines Puppengehäuses, wie sich aus dem Staube 
auf seinen nicht verdrückten Flügelschuppen ergibt, ruhig in der Luft stehen sehen, seinen langen 
haarähnlichen Rüssel entrollt und in die kleinsten Oefinungen der Blüthen eingesenkt. Ich 
glaube, Niemand hat jemals gesehen, dass dieser Schmetterling die Ausführung seiner schwierigen 
Aufgabe, welche ein so sicheres Zielen erfordert, erst habe lernen müssen. « Ich führe, wie 
schon gesagt, diese Stelle nicht etwa deshalb hier an, weil die Fähigkeit, die Blüthe deutlich 


1) Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei den Menschen und den Thieren, übersetzt von Carus, 
pag. 30. 


een 


zu erkennen und die Oeffnung ihres Kelches mit Sicherheit aufzufinden, hier in Betracht käme; 
noch weniger, weil ich die Absicht hätte, die von anderwärts her einleuchtend gemachte Wahr- 
scheinlichkeit unbewusst und blind zur Ausübung gebrachter, durch Vererbung überlieferter und 
vervollkommneter Fertigkeiten und Naturanlagen zur Darlegung dessen zu verwerthen und 
mit in Anspruch zu nehmen, wie es den Insekten möglich ist, sich mit Hilfe der durch das 
Facettenauge vermittelten Gesichtswahrnehmungen im Raume zu orientiren (denn was könnte 
den Versuchen, einen anscheinend wunderbaren Vorgang sich einigermaassen begreiflich zu 
machen und die Einsicht in den genauen. Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung im 
besondern und einzelnen zu vermehren, weniger förderlich sein, als gerade dies?); sondern 
nur deshalb, weil hier mit treffenden Worten bestätigt wird, wie schnell, nachdem die völlige 
Ausbildung erreicht ist, das Thier sich zu seinen gewandten Flugbewegungen vollkommen 
geschickt fühlt; nach einer Zeit, die so kurz ist, dass sie der Lebensdauer eines jungen Vogels 


gegenüber als verschwindend betrachtet werden darf. 


Fast möchte man sich unter Berücksichtigung der angedeuteten Umstände der Annahme 
nicht abgeneigt fühlen: das Facettenauge spiele als Leiter der schnellfördernden und weites 
Umherschweifen ermöglichenden Flugbewegungen überhaupt gar keine Rolle; mit anderen 
Worten, die auf diese Form des Schorganes angewiesenen Thiere (denn das sicherlich kurz- 
sichtige Stemma kommt hier nicht in Betracht) flögen sozusagen auf gut Glück so in den Tag 
hinein. Allein diese Auskunft muss als durchaus unstichhaltig sogleich wieder verworfen 
werden. Ihr steht aufs Entschiedenste entgegen die durchgreifende, von Johannes Müller im 
einzelnen nachgewiesene genaue Proportionalität zwischen der durch die Form des Auges 
bedingten Grösse und Gestalt des Gesammtsehfeldes einerseits und dem Umfange und der 
vorzugsweisen Richtung der Bewegungen andrerseits. Ihr widersprechen ebenso die von 


Reaumur und Andern angestellten Experimente.) 


Aber nicht blos das Experiment, auch die Beobachtung spricht für die Fähigkeit 
der Insekten, sich in der Aussenwelt auf das genauste zu orientiren. Wenn auch natürlich 
das grösste Gewicht in dieser Beziehung auf die ersichtliche Zweckmässigkeit und Sicherheit 
der Flugbewegungen derselben zu legen ist, so lassen sich doch noch manche andere, an 
sich geringfügige, aber als Anzeichen für die vollkommenste Bekanntschaft jener Thiere mit 
ihrer Umgebung nicht bedeutungslose Thatsachen im gleichen Sinne verwerthen. Dahin gehört 


2. B. eine Beobachtung, die ich mich erinnere mehrfach an Schmetterlingen, besonders dem 


!) J. Müller, Zur vergl. Physiol. des Gesichtssinnes pag. 369 u. folg. 


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bekannten Distelfalter (Vanessa cardui) gemacht zu haben. Derselbe ruht mit Vorliebe auf 
sonnenbeschienenen Feldwegen und Rainen ; wird er nun, ohne heftiger erschreckt zu werden, 
durch das Geräusch der Schritte eines zufällig dem Orte, wo er sich niedergelassen, sich 
nähernden Menschen beunruhigt, so pflegt er rasch aufzufliegen, den Letzteren etwa einigemal 
zu umkreisen, vielleicht auch sich ein wenig weiter zu entfernen, um dann zurückzukehren 
und nach einigem Hin- und Herflattern sich genau an der alten Stelle wieder auf den Boden 
zu setzen, welche sich doch, dem Anscheine nach, in nichts von ihrer Umgebung erheblich 
unterscheidet; an welcher er selbst auch nichts weiter sucht, als die Gelegenheit zu vorüber- 
gehendem Ausruhen oder vielleicht die etwas höhere Temperatur der reflectirten Sonnenstrahlen: 
Vortheile, welche die Erdoberfläche doch überall in annähernd gleichem Maasse darbietet. 
Mit Anwendung der nöthigen Vorsicht kann man den beschriebenen Vorgang mehrmals sich 
wiederholen sehen; das Thier kehrt mit dem gleichen Eigensinne immer an die alte Stelle 
zurück, wie bekanntlich die zudringliche Stubenfliege trotz alles Wegscheuchens das unbedeckte 
Antlitz eines Ruhenden immer wieder aufzufinden weiss, — Nicht ganz unwichtig kann ferner 
der Umstand erscheinen, dass manche Insekten, wie mehrere Dipteren und einige Libellula- 
Arten so weiche Augen besitzen, dass diese durch die geringste unvorsichtige Berührung mit 
den Fingern eingedrückt und zusammengefaltet werden. Wie verhängnissvoll müsste demnach 
diesen Thierchen ein während ihres raschen Fluges zufällig erfolgendes Anstreifen an Baum- 
zweige oder andere harte Gegenstände werden! — Auch die jedem Sammler wohlbekannte 
Thatsache, dass schon das Wehen eines leisen Windes die Insekten veranlasst, ihre Ausflüge 
durchaus einzustellen, dass plötzlich eintretende unfreundliche, obschon nicht rauhe Witterung 
sie vom Tummelplatz ihres geschäftigen Treibens sofort gänzlich verschwinden macht, scheint 
darauf hinzudeuten, dass sie, die vermöge der Leichtigkeit ihres Körpers ein Spiel jedes leisen 
Luftzuges sein und von ihm unwillkürlich dahin getragen werden müssten, nicht willenlos 
weitergetrieben und von der Stelle geführt werden, sondern ihren eigenen bewussten Antrieben 
folgen wollen; diese aber können ihre bestimmte Richtung grösstentheils nur durch Vermittlung 
des Sehorgans erhalten, wie auch nur mit Hilfe des letzteren das erstrebte Ziel sicher zu 
erreichen ist. 

Wenn also mannigfache und tiefeingreifende bei den Insekten zwischen der Thätigkeit des 
Sehorganes und der Bewerkstelligung der Ortsveränderung bestehende Beziehungen nicht zu 
leugnen sind: sollte dann der oben berührte, ebenso offenbare Widerspruch zwischen einfachen 
Folgerungen aus den Grundgedanken der Theorie vom musivischen Sehen und den thatsäch- 


lichen Beobachtungen uns vielleicht veranlassen, jene, wie Claparede will, gänzlich aufzugeben ? 


8 


Aber welche andere Theorie sollte dann an die Stelle derselben treten? Die einzige bis jetzt 
ihr ernstlich entgegengesetzte hat sich ja durch Grenacher’s Untersuchungen eben jetzt 
erst als völlig unhaltbar herausgestellt. Und andrerseits genügt unläugbar der ganze Bau des 
facettirten Auges so vollkommen und ohne die geringste Veranlassung zu weiteren Einwänden 


zu bieten, allen sonstigen Voraussetzungen und Anforderungen jener Theorie. 


Es bleibt demnach nichts Anderes übrig, als einen Ausweg auf dem Boden jener Theorie 
selbst zu suchen. Exner!) hat einen derartigen Versuch gemacht, der volle Beachtung ver- 


dient, und zwar nicht blos deshalb, weil er der einzige bis jetzt überhaupt unternommene ist. 


Exner hebt an mit dem Berichte über eine interessante Beobachtung an der Retina 
des menschlichen Auges, welcher zufolge deren peripherische Theile wenig zum Erkennen der 
Gestalt der Gegenstände, desto besser aber zum Empfinden von Bewegungen geeignet 
sind; dies geht nach ihm soweit, dass auf solchen Theilen der Retina, durch welche das Vor- 
handensein des ruhenden Gegenstandes nicht im geringsten wahrgenommen wird, dessen 
Bewegungen einen sehr lebhaften Eindruck hervorbringen. »In dieser Funktion des Auges 
als Bewegung erkennendes Organ scheint der Schlüssel zum Verständniss des Facettenauges zu 
liegen. So unzweckmässig dasselbe zur flächenhaften und räumlichen Auffassung der Aussen- 
welt gebaut ist, so zweckmässig dürfte sein Bau zur Erkennung von Bewegungen sein,« u. S. w. 
Exners Ansicht zufolge würde also das genannte Sehorgan »nach Art unserer peripheren 
Netzhautstellen fungiren, es würde mangelhafte Localempfindungen und deutliche 
Bewegungsempfindungen liefern.«a Auch in der Beobachtung mancher Lebensgewohn- 
heiten und einzelner auffallend erscheinender Züge im Verhalten der Insekten glaubt der in 
Rede stehende Forscher eine Bestätigung für die Richtigkeit des Satzes zu finden, der gleich- 
sam das Fundament seiner Beurtheilung des Facettenauges bildet und sich wohl kurz und ohne 
Uebertreibung mit den Worten ausdrücken liesse: das Facettenauge nimmt haupt- 


sächlich nur Bewegungen wahr. 


Es kommt mir durchaus nicht in den Sinn, die vielfältigen Vortheile bestreiten zu wollen, 
welche den Insekten, unter denen ja viele Arten ebensowohl höchst gefrässige Raubthiere, als 
die wichtigste und gesuchteste Nahrung anderer Geschöpfe sind, aus der Empfindlichkeit ihres 
Sehorgans für Bewegungserscheinungen in Bezug auf das Erjagen ihrer lebenden Beute einer- 
seits und in Bezug auf die Bewerkstelligung rechtzeitiger Flucht vor den zahlreichen Nach- 


stellungen grösserer Thiere andererseits erwachsen müssen. Ebenso bereitwillig gebe ich zu, 


!) Berichte der Wiener Academie, III. Abth., Bd. LXXII, Juliheft 1875. 


N ag u 


dass die Insekten ihre Verfolger, wenn dieselben sich noch weit jenseits der nach den obigen Er- 
örterungen im Abstande von höchstens einem Meter auf allen Seiten des Thieres verlaufenden 
Grenze des deutlichen Sehens befinden, doch an unvorsichtigen und raschen Bewegungen derselben 
schon zu erkennen vermögen; während die Feinde, so lange sie sich ruhig verhalten oder nur 
unerheblich bewegen, in der Regel nicht bemerkt und beachtet werden. Es ist sehr leicht 
einzusehen, wie es hiernach scheinen kann, als ob die in Frage kommenden Thiere in der 
That überhaupt durch nichts, als durch Bewegungen geschreckt würden. Es soll vielmehr 
jetzt ausschliesslich untersucht werden, inwiefern vermittelst einer derartigen leisen Empfind- 
lichkeit-für Bewegungserscheinungen eine gewisse Orientirung über die räumlichen Verhältnisse 
der Aussenwelt, insbesondere über die wechselnden Abstände der mehr als einen Meter von 
dem Thiere entfernten, nur schwach und undeutlich wahrgenommenen, in ihren Einzelheiten als 
nicht klar erkennbar zu denkenden Dinge möglich wäre und sich vorstellen liesse. In Exner’s 
Arbeit finde ich diesen Gedanken nicht weiter ausgeführt, aber doch hinreichend angedeutet. 
In einer Anmerkung nämlich heisst es: »Es gehört wahrscheinlich auch, die Function der Netz- 
hautperipherie hierher, auf den Weg zu achten, den wir gehen. Bekanntlich weichen wir 
jedem Stein aus, ohne ihn anzublicken. Es ist eben auch das Bild des Weges auf 
unserer Netzhaut in Bewegung, und man kann beobachten, dass ein Mensch, der stehen 
geblieben war, ehe er wieder ausschreitet, den Weg wirklich anblickt.« Ebenso nun, wie auf 
unserer Netzhaut das Bild des beschrittenen Weges, sind auf der Retina des Facettenauges 
die Eindrücke der Gegenstände in Bewegung, an welchen das Thier gerade vorüberfliegt. 
Diese Bewegung der ersteren wird um so rascher sein, je näher beim Auge sich die letzteren 
befinden, und an der geringeren oder bedeutenderen Geschwindigkeit, mit welcher die einzelnen 
ihrer Gestalt und wahren Grösse nach nicht genauer erkennbaren Objecte vorüberzuschweben 
scheinen, ist offenbar ein gewisser Maasstab zur Beurtheilung der jedesmaligen Distanzen der- 
selben gegeben. »Wenn uns nahe bei den Augen eine Fliege vorbeifliegt, und wir sie aus 
einer Art von Zerstreuung für sehr weit halten, so können wir sie leicht für einen Adler 
ansehen; aber sobald wir so zu sagen wieder zu uns selbst kommen und uns besinnen, dass 
der Gegenstand nahe bei uns ist, so erkennen wir die Fliege.« ') Die Möglichkeit der Ver- 
wechslung zweier Thiere von so sehr verschiedener Grösse liegt in der durch die sehr ungleiche 
Weite der Entfernungen derselben bedingten Gleichheit des Sehwinkels begründet, unter dem 
sie uns erscheinen, und in der nicht mehr vorhandenen klaren Unterscheidbarkeit der Einzel- 


heiten ihrer Körpergestalt; das bedeutende Schwanken ferner, welches unsere Vorstellungen 


!) Euler, Physikalische Briefe an eine deutsche ‚Prinzessin, Bd. I, pag. 120. 


Da 


über den als thatsächlich anzunehmenden Zwischenraum verrathen, ist eine Folge davon und 
zeigt deutlich an, dass unsere sonstigen Hilfsmittel zur Bestimmung desselben uns hier gänzlich 
im Stiche lassen. Worin aber, möchte ich fragen, besteht jenes »Sich-Besinnen, dass der 
Gegenstand nahe bei uns ist?« Es wird wohl nicht so sehr ein schärferes, angestrengteres 
Fixiren mit dem Blicke gemeint sein; ich denke vielmehr, diese Worte sind der etwas unbestimmte 
Ausdruck für die halb unbewusste überraschende Wahrnehmung, dass der kleine, dunkle Gegen- 
stand von zweifelhafter Natur sich mit einer Geschwindigkeit durch das helle Gesichtsfeld 
dahinbewegt, die auf die ungeheuer weite Distanz bezogen, in welcher ein Adler schweben 
müsste, um unter einem so geringen Gesichtswinkel zu erscheinen, eine ganz enorme, völlig 
undenkbare Grösse ergeben würde. Hier haben wir also einen Fall, wo durch die blosse 
Empfindung der Bewegung und deren Geschwindigkeit der Ort des bewegten, nicht genau 
erkannten Objectes wenigstens annähernd bestimmt wird; allerdings ist hier nur zwischen 
zweien, noch dazu sehr weit aus einander liegenden Distanzen zu wählen. Folgende Ver- 
anschaulichung dürfte der zu verdeutlichenden Sache selbst wohl noch etwas näher kommen. 
Wenn man auf der Eisenbahn fährt, so scheinen bekanntlich die Telegraphenstangen weit 
rascher vorüberzufliegen, als die Bäume auf den nächsten Feldern rückwärts eilen; diese 
wieder schweben schneller vorüber, als die Hütten eines entfernteren Dorfes, welche nur zögernd 
hinter dem dahinbrausenden Zuge zurückbleiben; kaum merklich rücken endlich die am fernen 
Horizont sich erhebenden Höhenzüge weiter und weiter in den Hintergrund, um anderen Platz 
zu machen. Es ist nun nicht schwer, aus der mehr oder minder annähernden Ueberein- 
stimmung in der Schnelligkeit der scheinbaren Bewegung, z. B. zwischen einem der genannten 
Gegenstände und irgend einem andern, vielleicht nach Gestalt und sonstiger Beschaffenheit 
nicht näher erkennbaren auf eine entsprechende, ganz gleiche, oder etwas kleinere, oder auch 
viel grössere Distanz desselben zu schliessen; etwa zu entscheiden, ob ein unten am Horizont 
in der Abenddämmerung auftauchendes Licht irdischen Ursprunges ist und durch das Fenster 
eines hoch und einsam gelegenen Hauses herüberschimmert, oder ob dasselbe von einem mit 
ruhigem Glanze leuchtenden Planeten, etwa dem hell röthlich strahlenden Mars herrührt. — 
Ganz in dieser Art wirkend, nur unvergleichlich feiner und ausgebildeter dürfte man sich die 
Empfindlichkeit des Facettenauges für Bewegungserscheinungen vorstellen, um sich begreiflich 
zu machen, wie vermittelst dieser Eigenschaft desselben eine hinreichende Orientirung über die 
wechselnden Distanzen der umgebenden Gegenstände sehr wohl möglich wäre. Ich weiss nicht, 
ob Exner sich seine Vorstellungen über die Functionsweise des Facettenauges genau in dem 


angedeuteten Sinne gebildet hat, da er, wie gesagt, sich nicht ausführlicher hierüber ausspricht. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 12 


BENKUEKST gl 


Wenn jedoch, wie Exner sich etwas paradox ausdrückt, nur die Bewegung, nicht aber das 
Bewegte selbst soll wahrgenommen werden können, wenn also des letzteren Gestalt, Grösse 
und sonstige charakteristischen Eigenschaften nicht deutlich erkannt werden können, so ist in 
der That schwer einzusehen, was anders an dieser Bewegung, an einem Attribute, dessen 
Qualität für alle Objeete ganz die gleiche ist und deren Richtung ausser allem Zusammenhange 
mit dem augenblicklichen Abstande eines einzelnen Gegenstandes steht, was anders an jener 
zum Maassstabe des letzteren dienen könnte, wenn nicht ihr Grad oder die relative schein- 
bare Geschwindigkeit. 

Diese Idee scheint auf den ersten Anblick so einleuchtend, zugleich so einfach und 
den gegebenen Bedingungen doch völlig entsprechend, dass man in der That wünschen möchte, 
sie nur bestätigt, nicht aber widerlegt zu sehen. Und dennoch lässt sich leicht zeigen, dass 
dieselbe unmöglich richtig sein kann. Schon gegen das Beispiel, das Exner für die Function 
der peripherischen Netzhautstellen des Menschen anführt, — nämlich dass diese dazu dienten, 
auf die Beschaffenheit des beschrittenen Weges zu achten und so dem Wanderer die Mühe 
erspart würde, denselben direct mit dem Blicke zu fixiren, — liesse sich manches einwenden ; 
vor Allem muss es insofern bedenklich erscheinen, als sich für die geringe Beachtung, die 
wir beim Gehen gewöhnlich dem Wege zuzuwenden scheinen, und welche sich in der auffallend 
schwachen Neigung der optischen Axen der Augen aussprechen soll, ein ganz einfacher Grund 
angeben lässt, welcher dies ebenso gut erklärt, als Exner’s Annahme. Eine einfachere Be- 
gründung aber, die genügen kann, muss doch wohl der nicht mehr leistenden und dabei fremd- 
artige, vielleicht an sich selbst unbegreifliche Vorgänge zu Hilfe nehmenden vorgezogen werden. 
(Etwas Achnliches liesse sich vielleicht gegen die zur Erklärung der Functionsweise des 
Facettenauges herbeigezogene Beobachtung überhaupt geltend machen, dass sie nämlich selbst 
noch zu neu und unerklärlich ist, als dass sie schon zur Erläuterung anderer räthselhafter 
Vorgänge angewendet werden dürfte. Exner’s höchst merkwürdige Entdeckung selbst soll 
natürlich auch nicht im geringsten hier in Zweifel gezogen werden: sie bleibt selbstverständlich 
durchaus unbestritten, auch wenn sein Beispiel nicht ganz treffend gewählt sein und die 
Anwendung auf das facettirte Auge sich aus anderweitigen Gründen verbieten sollte) Wenn 
nämlich ein Fussgänger beim Beginne seines Marsches einmal mit dem Blicke die Wegstrecke 
dicht von seinen Füssen an bis zu einer Distanz von vielleicht 25 Schritten vor ihm über- 
flogen und durchmustert hat, — was natürlich ohne eine augenblickliche geringe Senkung des 
Hauptes nicht geschehen kann, — so wird er von nun an sicher fortschreiten dürfen, den 


Blick in die Ferne gerichtet und den Weg scheinbar keiner Beachtung weiter würdigend; in 


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der That aber überzeugt er sich von dessen Beschaffenheit immer um ein gewisses kleines 
Stück im Voraus, ohne dass er den immer aufs neue näher heranrückenden und zuletzt 
unmittelbar vor ihm gelegenen Theil desselben nun nochmals mit dem Blicke fixiren müsste. 
Es ist ja eine fast unmerkliche Senkung des Auges hinreichend, um über den Zustand eines 
überdies im ganzen glatten und gangbaren, nur selten einmal ein zufällig und ausnahmsweise 
vorhandenes Hinderniss bietenden Weges hinlängliche Kenntniss zu erlangen für den Zwischen- 
raum zwischen jener Distanz von etwa 20 oder 30 Schritten vor dem rasch und stetig dahin- 
wandelnden einerseits und solchen Weiten andererseits, wo das Wahrnehmen überhaupt gänzlich 
aufhört. Wir wollen die Probe auf die Richtigkeit des Gesagten machen: es sei nicht ein 
gepflegter und vielbetretener Spazierweg gegeben, sondern ein rauher und holperiger, dem 
Wanderer unbekannter Gebirgspfad. Wird Jener hier auch noch mit erhobenem Haupte und 
in die Ferne gerichtetem Blicke dahinschreiten dürfen, wird er nicht vielmehr sorgsam vor die 
Füsse sehen müssen, wenn er nicht öfters an Steine anstossen oder ausgleiten will? Wenn 
man die Sache auf meine Art ansieht, so ist die Erklärung einfach: hier sind eben der 
Einzelheiten zu viele, als dass der vorausschweifende Blick sie alle gehörig aufzufassen im 
Stande wäre. Wenn man dagegen annimmt, das auf den peripherischen Theilen der Netzhaut 
in Bewegung begriffene Bild des Weges sei von irgend welchem wesentlichen Nutzen beim 
Vermeiden von im Wege liegenden Hindernissen oder unpassirbaren Stellen desselben, warum 
sollte die merkwürdige Bewegungsempfindlichkeit der Retina gerade da den Dienst versagen, 
wo aus ihren Leistungen doch offenbar der grösste Vortheil erwachsen müsste ? 

Doch wir wenden uns wiederum zur Betrachtung des Facettenauges selbst. Die hier in 
Betracht kommenden Gegenstände sind durch hinlänglich weite Zwischenräume getrennt, ihre 
Abstände vom Auge sind mithin genügend abgestuft, um beträchtliche Differenzen in der Ge- 
schwindigkeit zu verursachen, mit welcher sich ihre nicht genau erkennbaren Bilder auf der 
Netzhaut des dahin fliegenden Insektes fortbewegen; so dass also von dieser Seite her wenig- 
stens nichts einzuwenden wäre. Allein eine unübersteigliche Schwierigkeit bildet der Umstand, 
dass die Geschwindigkeit, mit welcher die Objecte sich zu bewegen scheinen, nicht lediglich 
von den wechselnden Entfernungen derselben abhängig, sondern zugleich 
eine Function der Eigenbewegung des Thieres ist. Wie unendlich viele Ab- 
stufungen der Letzteren aber sind nicht möglich, vom fast unbeweglichen Schweben an bis 
zum pfeilschnellen Dahinschiessen! Dieser überaus grosse Wechsel in der Fluggeschwindigkeit 
macht die Orientirung im Raume vermittelst der wahrgenommenen scheinbaren Bewegungen 


der in der Nähe befindlichen Gegenstände vollkommen illusorisch. Wie schwer wäre es schon 


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denkbar, — selbst vorausgesetzt, dass die psychischen Fähigkeiten hoch genug entwickelt wären 
und dass das Thier genau genug die letztgenannte Bedingung für das jedesmalige Maass der 
Bewegung der Netzhautbilder zu berücksichtigen im Stande wäre, — dass es nicht dem 
ungeachtet immerfort in Täuschungen mancherlei Art verfallen sollte! Im Augenblicke des 
rapidesten Fluges werden alle, auch etwas entferntere Gegenstände verhältnissmässig rascher 
vorüberzueilen scheinen, als während der gewöhnlichen Bewegungsweise von mittlerer Schnellig- 
keit; es wird also Alles dem Thiere anscheinend sich nähern und dasselbe so schrecken und 
in seiner Weiterbewegung stören. Nähert sich dasselbe hingegen der Oberfläche des Erd- 
bodens oder einer Planze, um sich daselbst zum Ausruhen niederzulassen, gemächlich und ni 
etwas verminderter Eile, so wird die gemässigtere Geschwindigkeit, mit welcher alsdann die 
Bilder auf seiner Netzhaut weiterrücken, den Schein erwecken müssen, als ob die Gegenstände 
anfıingen zurückzuweichen, und so aufs neue zu Irrthum Veranlassung geben. — Allein steht 
den Insekten überhaupt wohl ein sicherer Maassstab zur Schätzung ihrer eignen Fluggeschwindigkeit 
zu Gebote? Ich wüsste nur folgende drei Umstände anzuführen: die Energie der eigenen 
Muskelthätigkeit, die Stärke des zu überwindenden Luftwiderstandes, endlich die Geschwindigkeit, 
mit welcher die in der Nähe der Flugbahn befindlichen Gegenstände vorüberzuschweben 
scheinen. Die Empfindungen der ersten und der zweiten Art aber sind unzuverlässig: die 
Muskelaction nämlich muss nach vorausgegangenen Anstrengungen bedeutender erscheinen, als 
sie thatsächlich ist; und der Widerstand der Luft wechselt je nach der zufällig mit der des 
Fluges mehr übereinstimmenden oder ihr entgegengesetzten, augenblicklich herrschenden Wind- 
richtung. Der Versuch hingegen, die scheinbare Bewegung der das Gesichtsfeld erfüllenden 
Objecte in dem angedeuteten Sinne zu verwerthen, würde einen offenbaren Cirkelschluss ergeben. 
Exner’s sinnreiche Hypothese in Betreff der besonderen Art der Leistungen des Facetten- 
auges hat sich somit, wenigstens zur Lösung des uns gegenwärtig beschäftigenden Problems 
als unzureichend erwiesen. Die postulirte Empfindlichkeit des genannten Organes für Bewegungs- 
erscheinungen, möge dieselbe als einen noch so hohen Grad erreichend gedacht werden, ist, 
so bedeutend und vortheilhaft für den Organismus sich diese Eigenschaft auch sonst bethätigen 
mag, doch für die Entscheidung der vorliegenden Frage gleichgültig. 

Ich glaube, dass der einzige Ausweg aus den oben dargelegten Widersprüchen zwischen 
den Forderungen der Theorie und den unzweifelhaft durch Beobachtung festgestellten That- 
sachen durch tieferes Eindringen in den wahren Sinn gerade dieser Theorie zu finden, ja sogar 
in ein paar Worten Johannes Müller’s selbst schon enthalten ist; zwar nicht durch die- 


selben unmittelbar gegeben und gleichsam mit Händen zu greifen, aber doch leicht und ohne 


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Zwang oder Künstelei daraus abzuleiten. Ich meine jenen bekannten Satz, welchen der genannte 
ausgezeichnete Forscher an die Spitze seiner ganzen Erörterung über die Theorie der zusammen- 
gesetzten Augen gestellt hat und welchen man als den Grundgedanken der Lehre vom 
musivischen Sehen betrachten darf: !) »die Insekten sehen weder nach dioptrischen, noch nach 
katoptrischen Gesetzen, sondern nur durch eine nähere Bestimmung der Be- 
leuchtung.« Ich muss gestehen, dass die letzteren Worte mich zuerst auf die Idee gebracht 
haben, die ich nun näher auseinandersetzen will. 

Nur solche Lichtstrahlen, so lautet der einfache Hauptgedanke der Theorie vom musi- 
vischen Sehen, sollen pereipirt werden können, die auf die Augenkugelradial oder ungefähr 
in der Richtung der Krystallkegelaxen auftreffen. Wenn demnach alle Lichtstrahlen, 
die empfunden werden sollen, radial gerichtet sein müssen, so ist doch noch die Frage offen, 
ob umgekehrt auch alle im radialen Sinne einfallenden Strahlen pereipirt 
werden können, oder blos ein Theil derselben, und welcher? Wobei wir 
vorläufig noch nicht näher nach den besonderen Einrichtungen fragen wollen, durch welche 
ein Theil der Strahlen ausgeschlossen, ein bestimmter anderer dagegen zugelassen wird. Wie 
man sieht, läuft unsere Untersuchung in gewissem Sinne auf das oben schon berührte Ver- 
hältniss der einzelnen Elementarsehfelder zu einander hinaus, welches mit Sicherheit genau 
festzusetzen vorhin nicht gelingen wollte. — Es ist klar, dass durch jenen fundamentalen Satz 
die in Betracht kommenden Strahlen sowohl in ihrer Richtung zum ganzen Auge, als in ihrem 
gegenseitigen Verhältniss, — letzteres, soweit sie in das Bereich eines und desselben Augen- 
elementes gehören, — noch nicht völlig genau bezeichnet sind. Ich lasse es dahingestellt 
sein, ob Johannes Müller selbst in seiner Entscheidung hierüber geschwankt, oder ob er 
sich die Zulässigkeit mehrerer, im einzelnen etwas modificirter Auffassungen überhaupt gar 
nicht klar zum Bewusstsein gebracht habe. Jedenfalls sind die beiden folgendeu Annahmen 
möglich und von vornherein wohl auch gleich berechtigt und wahrscheinlich. 

1. Es fällt auf jede Retinula ein cylindrisches Lichtbüschel oder eine Lichtlinie, 
genau in der Richtung der optischen Axe des Augenelementes. Die einzelnen dieses Büschel 
zusammensetzenden Lichtstrahlen halten im strengsten Sinne die gleiche Richtung 
ein. Das Stück des Gegenstandes, von welchem dieselben ausgehen, und welches ein einzelnes 
Elementarsehfeld erfüllt, ist somit für alle noch so verschiedenen Entfernungen 
durchaus gleich gross; es ist nämlich genau gleich dem Querschnitte des hinteren zu- 
_ gespitzten nicht pigmentirten Endes des Krystallkegels oder gleich demjenigen der Retinula. 


!) Zur vergleich. Physiol. des Gesichtssinnes, pag. 363. 


DNBREN 2 Ryan 


2. Auf jede einzelne Retinula gelangt ein Lichtkegel, dessen Axe der Längsrichtung 
des Augenelementes entspricht. Der Winkel an der Spitze dieses Kegels ist beiläufig gleich 
“ dem kleinsten Sehwinkel; die Basis desselben oder das Elementarsehfeld wächst natürlich 


mit dem Quadrate der Entfernung des Objectes. 


Von dem allenfallsigen Einfluss der durch die linsenartige Krümmung der Corneafacetten 
bewirkten Lichtbrechung auf die Helligkeit der Retinabilder ist hier ganz abgesehen worden; 
es wird sich später zeigen, aus welchem Grunde. 

Der Unterschied zwischen diesen beiden Modificationen der Theorie erscheint allerdings 
an sich unbedeutend; wie spitz und einem dünnen Cylinder ähnlich ist doch ein Kegel, dessen 
Seiten einen Winkel einschliessen, der kaum ein paar Grade beträgt! Indessen, diese kleine 
Aenderung in der Richtung der auf “eine einzelne Retinula einwirkenden Strahlen erzeugt doch 
ausserordentliche Unterschiede in der Menge des die Empfindung hervorrufenden Lichtes. 
Betrachten wir zunächst den zweiten von den beiden oben einander gegenübergestellten Fällen. 
Es ist klar, dass, die Richtigkeit desselben vorausgesetzt, die Lichtstärke des durch eine 
einzelne Retinula vermittelten Eindruckes stets die gleiche bleiben muss, gleichgiltig, 
ob der Gegenstand entfernt oder ganz in der Nähe ist; unter der Bedingung selbstverständlich, 
dass er immer gleich stark beleuchtet ist und dass seine dem Auge zugekehrte Oberfläche sich 
selbst parallel verschoben gedacht wird. Denn die Basis des Strahlenkegels einerseits wächst 
ja mit dem Quadrate der Entfernung; die Helligkeit eines jeden einzelnen von den die Grund- 
fläche desselben zusammensetzenden leuchtenden Punkten andererseits nimmt mit dem Quadrate 
der Entfernung ab; Beides muss sich gerade die Wage halten und die Intensität der Eindrücke 
ist mithin von der Entfernung unabhängig, wie es ja auch bei dem menschlichen Auge, für 
nicht allzu grosse Strecken wenigstens, in gleicher Weise der Fall ist. Nennt man z. B. für 
einen Abstand vom Auge, der einen Meter beträgt, die Lichtstärke eines einzelnen hellen Punktes 
—= 1]; die Anzahl der Punkte, welche auf dasselbe Augenelement einwirken, sei = n. Auf 
der Retinula vereinigen sich nun alle von diesen ausgehende Strahlen zu einem Eindruck von 
mittlerer Qualität, dessen Helligkeit gleich der Summe der Intensitäten jener leuchtenden 
Punkte sein muss, folglich hier = n. Wird nun der Gegenstand bis zu einer Distanz von 
10 Meter abgerückt, so wird die Lichtstärke eines jeden einzelnen hellen Punktes auf den 
hundertsten Theil ihres vorherigen Betrages herabsinken, dafür aber auch die Anzahl der licht- 


ausgebenden Punkte um das Hundertfache wachsen; mithin bleibt die Intensität der Empfindung 


: 5 Kae 1 A 
genau die gleiche, nämlich 706° 100n = n. Es würde demnach ein Büschel Grashalme oder 


BE Le 


eine Hand voll Baumblätter, in der Entfernung von etwa einem Meter gesehen, einen ganz 
gleichen, in nichts den grossen Unterschied der Distanzen verratiienden Eindruck machen 
müssen, wie ein ganzer Waldbaum oder eine Strecke Wiesenland von etwa entsprechender 
Grösse bei einem Abstand von 100 oder mehr Meter; denn Farbe und Leuchtkraft ist in 
beiden Fällen die gleiche, ebenso die Einzelheiten des Bildes hier wie dort verworren und 
nicht erkennbar. Ein derartiger Verlauf der wirksamen Strahlen, bei welchem durch deren 
Gesammtheit ein schmaler Lichtkegel gebildet würde, könnte mithin der Orientirung über die 
räumliche Anordnung der gesehenen Öbjecte in nichts zu Hilfe kommen. 

Wie dagegen wird sich die Sache verhalten, wenn wir der anderen von den beiden, an 
sich gleich zulässigen oben auseinander gesetzten Annahmen den Vorzug geben? Die Anzahl 
der die Fläche eines Elementarschfeldes zusammensetzenden leuchtenden Punkte bleibt hier, 
wie schon gesagt, immer die nämliche, mag der Gegenstand ganz in der Nähe oder mag er 
noch so weit entfernt sein. Da nun die Helligkeit der einzelnen Punkte, aus denen das an 
Grösse unveränderliche Stück des Gegenstandes besteht, mit dem Quadrate der Entfernung 
abnimmt, so muss auch die Lichtstärke des einheitlichen Eindruckes, welcher die Resultante 
der Einwirkung jener Gesammtheit von hellen Punkten bildet, sich umgekehrt verhalten, 
wie das Quadrat der Entfernung. Nennen wir wiederum für einen Abstand, der einen 
Meter beträgt, die Intensität eines einzelnen leuchtenden Punktes = 1; die immer sich selbst 
gleich bleibende Anzahl der wirksamen Punkte sei n; es ist mithin für die genannte Distanz 


die Stärke des Eindruckes = n. Entfernt sich nun der Gegenstand bis auf fünf Meter, so 


vermindert sich die Helligkeit jeder einzelnen Componente des Elementarsehfeldes bis auf — 


20, 


die Lichtstärke der Empfindung ist also jetzt durch 55 zu bezeichnen. Ebenso ergibt sich 


für eine Entfernung von 10 Meter 1 u.s. w Hier haben wir also den lange ge- 
suchten Maassstab für die Beurtheilung der wechselnden Zwischenräume 
zwischen Object und Sehorgan, die besondere Art, auf welche dieselben 
im Bewusstsein des Thieres ihren Ausdruck zu finden und zur Geltung zu 
kommen vermögen, endlich gefunden. Und zwar muss diese Abstufung in der 
scheinbaren Stärke der Beleuchtung einen Maassstab von ganz vorzüglicher Bestimmtheit und 
von weit grösserer Feinheit darstellen, als er uns selbst durch den Sehwinkel gegeben ist, 
unter welchem uns Objecte von bekannter absoluter Grösse erscheinen. Letzterer nämlich 
nimmt nur einfach im selben Verhältniss ab, wie die Entfernung wächst (strenggenommen gilt 


dies nicht vom Sehwinkel selbst, sondern von dessen Tangente); eine bestimmte Länge, bei- 


Tg 


spielsweise die Höhe eines Menschen erscheint in der doppelten Distanz nur halb so gross 
wie in der einfachen,u. s. f. — Ferner wird diese Art, die Entfernungen abzuschätzen, durch 
den Unistand erleichtert, dass die in der Umgebung der Insekten befindlichen Dinge fast nur 
eine einzige Farbe, nämlich die grüne, und diese allerdings in mannigfachen Schattirungen, 
aber doch in einer im ganzen merklich sich überall gleichbleibenden Intensität zeigen. Freilich 
wird unter der Voraussetzung des eben geschilderten Verlaufes der wirksamen Strahlen die 
scheinbare Helligkeit der Objecte sehr rasch mit wachsender Entfernung abnehmen müssen. 
Allein auf diesen Umstand allenfalls zu basirenden Einwürfen gegenüber darf ich mich wohl 
auf folgende Worte Johannes Müller’s berufen: !) »Auch wird die Menge des Lichtes, welches 
zur Specification des Bildes das Innere des Auges beleuchtet, nur sehr gering sein. Allein 
diese geringen Unterschiede heben dennoch das Sehen nicht auf; denn 
auch die leisesten Affectionen wird der Sehnerv in den Energieen des 


Lichten und des Farbigen empfinden.« 


Man könnte ferner vielleicht eine Schwierigkeit darin finden, dass der angegebenen 
Hypothese zufolge, gemäss welcher ausschliesslich die ganz genau die Richtung der optischen 
Axen der radial gestellten Augenelemente einhaltenden Lichtstrahlen die lichtempfindlichen 
Theile des Auges zu erreichen im Stande sind, offenbar die einzelnen Elementarsehfelder durch 
dem Abstande des gesehenen Gegenstandes proportional wachsende Zwischenräume getrennt 
werden, deren Inhalt mithin der Wahrnehmung entzogen bleibt. Bei einigermaassen beträcht- 
licheren Distanzen zwischen Sehorgan und Object kommt demnach nur ein kleiner, ja schliess- 
lich sogar nur ein verschwindend geringer, aus vereinzelten, regelmässig über die Oberfläche 
des letzteren zerstreuten Punkten zusammengesetzter Bruchtheil desselben zur Einwirkung, 
während der ganz überwiegend grössere Theil des gesehenen Gegenstandes für das Sinnes- 
organ so gut wie gar nicht vorhanden ist. Es vergrössern sich nämlich die Flächenräume 
zwischen den Elementarsehfeldern im Verhältniss des Quadrates der Entfernung, während 
letztere selbst angenommenermaassen ihre Ausdehnung jederzeit unverändert beibehalten. 
Unter der Voraussetzung hingegen, dass auf jede Retinula ein Strahlenkegel von dem in 
der Richtung ihr ungefähr entsprechenden Theil des Gegenstandes aus gelange, würden die 
einzelnen Elementarsehfelder, gleichviel, ob sie sich mit ihren Rändern ein wenig decken, oder 
einander gerade berühren oder durch kleine Zwischenräume getrennt werden, jedenfalls doch 


genau in demselben Verhältniss wachsen, wie das Gesammtsehfeld beim Zurückweichen des 


!) Am angeg. Orte, pag. 366. 


a 


Gegenstandes objectiv an Grösse zunimmt, so dass der letztere immer mit seinen sämmtlichen 
Theilen, oder, angenommen es seien wirklich gewisse Zwischenräume zwischen den einander 
benachbarten Elementarsehfeldern vorhanden, wenn auch nicht der ganze, so doch wenigstens 
jederzeit ein gleicher Bruchtheil desselben auf das Sinnesorgan einwirken könnte. 
Jedenfalls aber afficirt im einen ganz wie im andern Falle der Gegenstand bei einer bestimmten 
Entfernung vom Auge doch ganz die gleiche Anzahl von Elementen desselben ; sein Bild 
besteht also beidemal aus einer gleichgrossen Menge von einheitlichen Lichtpunkten,, von denen 
ein jeder aus der Gesammtheit der von einem kleineren oder grösseren Stück des Gegenstandes 
ausgehenden Strahlen resultirt. Für die Deutlichkeit der Auffassung kann es aber sicherlich 
wenigstens nicht von sehr wesentlichem Belange sein, ob diese für die Empfindung einheitlichen 
Lichtflecke, aus denen sich das Retinabild zusammensetzt, von der Einwirkung einer geringeren 
oder einer grösseren Anzahl von lichtaussendenden Punkten des Gegenstandes herrühren. 
Wenn aber auch zugegeben werden mag, dass unter der Annahme, die Elementarsehfelder 
vergrösserten sich proportional dem Gesammtsehfelde, das Bild dem Gegenstande im allgemeinen 
ein wenig genauer entsprechen, und möglicherweise denselben etwas vollständiger wiedergeben 
wird, als im andern Falle, so ist doch auch zu bedenken, dass auf diesen geringen Unter- 
schied hur innerhalb der Grenze des deutlichen Sehens vernünftigerweise Werth gelegt werden 
kann. Diese aber verläuft in solcher Nähe vom Auge, dass bei weitem in der Mehrzahl der 
Fälle sich die Objecte mehr oder minder weit jenseits von ihr befinden müssen. Für den 
weitaus grössten Theil der überhaupt dem Thiere zu Gesichte kommenden Gegenstände hat 
also dieser einzelne «kleine Vorzug der im allgemeinen sich nicht zur Annahme empfehlenden 
Theorie keine Bedeutung. Ausserdem ist noch zu beachten, dass innerhalb der Grenze des 
deutlichen Sehens, wo also die Elementarsehfelder höchstens die Breite von einem Centimeter 
erreichen würden, wenn sie nämlich ohne irgendwelche Lücken mit ihren ‚Rändern überall 
dicht an einander heranreichten, die Ausdehnung der Zwischenräume doch wohl nicht beträchtlich 
genug sein kann, um ernstlich störend und die Deutlichkeit des Retinabildes beeinträchtigend 
auftreten zu können. 

Bevor wir dazu übergehen, uns die Functionsweise des Facettenauges in den einzelnen 
merkwürdigen, dieselbe auszeichnenden Zügen näher zu vergegenwärtigen und die eigenthümliche 
Stellung, welche jenes vermöge seiner besonderen Leistungen in der Reihe der Sehorgane 
einnimmt, etwas genauer zu bestimmen, möge unsere Aufmerksamkeit erst noch einem anderen, 
nicht bedeutungslosen Umstande zugelenkt werden, welcher, ohne mit dem Locomotionsvermögen 


oder dem Ortssinne und der Orientirungsfähigkeit der Insekten den ‘geringsten Zusammenhang zu 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIT. 13 


ug 


besitzen, mit den bei Untersuchung und Vergleichung jener Eigenschaften gewonnenen Ergebnissen 
im besten Einklang steht und also die Wahrscheinlichkeit der in Betreff des Verlaufes der 
wirksamen Strahlen aufgestellten Hypothese zu erhöhen im Stande ist. Ich meine das merk- 
würdige Verhalten der Insekten gegen das directe Sonnenlicht, das bis jetzt 
einer eingehenderen Prüfung auffallenderweise noch nicht gewürdigt worden zu sein scheint. 
Die Insekten zeigen sich bekanntlich zum grössten Theil in ihrer vollen Lebenstbätigkeit 
fast nur bei ruhigem klarem Wetter und hellem Sonnenschein. Sie werden also von den mit 
sommerlicher Kraft und in ungeminderter Fülle herabströmenden Sonnenstrahlen fortwährend 
beschienen, während des Fluges sowohl, als wenn sie auf Planzen oder, was manche besonders 
zu lieben scheinen, auf sandigen oder steinigen, gänzlich schattenlosen und das Sonnenlicht 
grell reflectirenden Stellen des Erdbodens sitzend ruhen. Selbst die nächtlichen Thiere werden, 
wenn sie sich zufällig einmal nicht hinlänglich verborgene Schlupfwinkel zu ihrem Tages- 
schlummer ausgesucht haben, mitunter von den Strahlen der Morgensonne erreicht und getroffen, 
ohne sich deshalb in ihrer Ruhe stören zu lassen, wenigstens so lange jene noch keine inten- 
sivere erwärmende Wirkung ausüben. Nun beherrscht das Facettenauge bekanntlich fast immer 
ein sehr ausgedehntes Gesichtsfeld, mitunter beinahe den ganzen Horizont, so dass die Sonnen- 
scheibe wenigstens sehr häufig mit unter die Zahl der den Gesichtskreis erfüllenden Geg&nstände 
gehören wird; Schutzvorrichtungen des Auges aber, etwa unseren Lidern oder auch nur der 
verengerungsfähigen Pupille vergleichbar, sind, soweit bis jetzt bekannt, nirgends vorhanden 
(Leydig’s hierhergehörige Beobachtungen sind durch die neuesten von Grenacher aufs 
sorgfältigste angestellten Untersuchungen durchaus nicht bestätigt worden, wie letzterer aus- 
drücklich bemerkt.) Es ist ferner zu erwähnen, dass viele Insekten, die Libellen z. B., deren 
Kopf sozusagen fast ganz Auge ist, manche Tagfalter, und andere, mit grossen, wohlentwickelten, 
stark kugelig vorspringenden Sehorganen ausgestattete Gattungen mehr, auf Pflanzen oder dem 
Erdboden sitzend und dem heissesten Sonnenbrand mit Behagen sich aussetzend, oft längere 
Zeit, mehrere Minuten hindurch sich völlig unbeweglich verhalten, sei es aus Ermattung und 
um sich völlig ungestört der Ruhe hinzugeben, sei es um räuberisch auf Beute zu lauern. 
Wenn nun die Sonnenscheibe, wie es immer bei weitem das Wahrscheinlichste ist, in der That 
in dem Gesichtsfeld des Thieres mit enthalten ist, so muss sie, da das Auge ja seine Lage 
nicht ändert, so lange jenes stille sitzt, längere Zeit unausgesetzt einen und denselben Theil 
der Retina treffen. Dazu kommt noch, dass dieser Theil der Retina, auf welchem sich das 
Sonnenbildchen darstellt, nicht eine grössere Anzahl von lichtempfindlichen Elementen in sich 


begreift, wie es bei dem menschlichen Auge der Fall ist, sondern nur einige wenige oder gar 


N OONNL SS 


nur eins. Es beträgt nämlich der Sehwinkel, unter welchem die Sonne von der Erde aus 
gesehen erscheint, im Mittel 32 Minuten. Der kleinste Sehwinkel oder die Richtungsdifferenz 
je zweier benachbarter Elemente des Facettenauges hingegen beläuft sich im Durchschnitt auf 
etwa einen und einen halben Grad, sinkt aber in keinem mir bekannten Falle tiefer als bis zu 
‘39 Minuten herab (bei einer Aeshna). Es kann mithin das Sonnenbildchen sich jedenfalls nicht 
über mehr als zwei in einer geraden Linie gelegene Augenelemente verbreiten und höchsten- 
falls auf drei in einem Punkte zusammentreffende vertheilen ; im allerungünstigsten Falle jedoch 
kann die ganze Sonnenscheibe auch dem Bereiche eines einzigen Elementarsehfeldes an- 
gehören. Auf der menschlichen Retina dagegen erstreckt sich das Sonnenbildchen über eine 
bedeutende Menge von Perceptionseinheiten; da nämlich die Winkeldistanz der letzteren im 
Mittel etwa 10 beträgt, so müssen die Schenkel eines Winkels von 32° auf zwei solche treffen, 
die durch 190 ihres gleichen dazwischenliegende getrennt sind; es umfasst mithin das Bildchen 
der Sonnenscheibe auf der menschlichen Retina eine Kreisfläche, deren Durchmesser gleich 
192 Einheiten, deren Inhalt demnach etwa gleich 27 000 lichtempfindlichen Stäbchen ist. 
Sehen wir zu, was eine jede der beiden oben erörterten Hypothesen zur Erklärung der 
geschilderten Thatsachen zu leisten vermag, Setzen wir zunächt voraus, eine jede Retinula 
des zusammengesetzten Auges werde durch einen kegelförmigen Complex von ungefähr 
in der Richtung des Radius convergirend einfallenden Lichtstrahlen erregt, so wird die Sonnen- 
scheibe in ihrer ganzen Ausdehnung dem Blicke ausgesetzt sein müssen, da ja die mit dem 
Quadrate der Entfernung wachsenden und in fast unendlichen Abständen vom Auge eine 
unendliche Grösse erreichenden Elementarsehfelder, der einfachsten Annahme zufolge wenigstens, 
mit ihren Rändern einander ungefähr berühren. Es ist allerdings vichtig, dass die beim Anblick 
der Sonnenscheibe vom Facettenauge überhaupt direct aufgenommene Menge von Sonnenlicht 
weit geringer sein muss, als die in das der Sonne gerade zugekehrte menschliche Auge ein- 
dringende. Da nämlich die Lichtbrechung in jenem Sehorgane höchstens nur eine sehr un- 
wesentliche Rolle spielt, indem sie vielleicht in unerheblichem Maasse die Helligkeit der 
gesehenen Objeete vermehrt, so wird sich in unserem Falle die Gesammtheit der dort wirk- 
‚samen Strablen auf einen dünnen Kegel beschränken, dessen Basis die Sonuenscheibe bildet 
und dessen Querschnitt auf der Oberfläche der Augenkugel nur etwa die Ausdehnung einer 
Facette besitzt; anstatt dass vom Wirbelthierauge die von sämmtlichen Punkten der Sonnen- 
scheibe auf den ganzen durchsichtigen Oberflächentheil der Hornhaut auftreffenden Strahlen pereipirt 
werden. In das Insektenauge gelangt mithin ungefähr soviel Licht, als .wir selbst beim Anblicken der 


Sonne durch ein dicht vor das Auge gehaltenes, ganz fein durchlöchertes Kartenblatt aufzufassen 


— 100 — 


vermögen. Ich muss aber bezweifeln, ob ein normales menschliches Auge selbst diesen ver- 
hältnissmässig sehr kleinen Bruchtheil für auch nur etwas längere Zeit zu ertragen im Stande 
ist; ich habe mich wenigstens durch einige mit einer kleineren Anzahl von Personen angestellte 
Versuche davon überzeugt, dass nach wenigen Augenblicken Blendungserscheinungen einzutreten 
pflegen. Nun hat man sich sicherlich die Lichtempfindlichkeit des zusammen- 
gesetzten Auges der Insekten (wobei wir von den zahlreichen mehr oder minder nächtlichen 
Thieren ganz absehen wollen), der für beide Fälle etwa gleichen durchschnittlichen Lichtstärke 
der gewöhnlich sich dem Blicke darbietenden Objecte entsprechend, derjenigen unseres eigenen 
Sehorganes im allgemeinen annähernd vergleichbar vorzustellen. Es ist jedoch nicht zu über- 
sehen, dass dieselbe um so beträchtlicher und um so feiner ausgebildet, mithin das Organ selbst 
schon dem unsrigen übergrossen Einwirkungen um so weniger gewachsen und durch dieselben 
um so leichter verletzbar zu denken ist, einen je geringeren Einfluss beim Zustandekommen 
des Sehvorganges im Facettenauge man der Lichtbrechung zuzugestehen geneigt ist. 
Denn wenn die letztere wirklich nur in untergeordneter Weise in Betracht kommen sollte, 
so müssen die wahrgenommenen Helligkeiten der geschenen Gegenstände viel geringer sein, 
als sie uns selbst erscheinen, mithin wird begreiflicherweise auch die obere Grenze der Licht- 
intensität, welche das Organ ohne vorübergehende Beschädigung und ohne in seiner Function 
gestört zu werden, zu ertragen vermag, entsprechend tiefer liegen, als bei unserem Auge. 
Hilft dagegen die Lichtbrechung wesentlich mit zur Specification des Netzhautbildchens im 
Facettenauge, so muss auch von der Sonne eine entsprechend grössere Lichtmenge auf die 
Retina des letzteren gelangen und das Tagesgestirn muss den Insekten in um so strahlenderem 
und blendenderem Glanze erscheinen. Das Resultat bleibt mithin das gleiche. Es ist ferner 
zu berücksichtigen, dass der oben ausgeführten Berechnung zufolge durch das ins Innere 
des Facettenauges direct eindringende Sonnenlicht, da sich nämlich in diesem das Netzhaut- 
bildchen der Sonnenscheibe nur aus dem 9000sten bis 27 000sten Theile der im menschlichen 
Auge hierfür in Betracht kommenden Perceptionseinheiten zusammensetzt, die überhaupt ins 
Spiel kommenden um das Neuntausend- bis Siebenundzwanzigtausendfache intensiver erregt 
werden müssen, als ein jedes der bei dem oben erwähnten vermittelst eines durchlöcherten 
Kartenblattes angestellten Versuche von den Sonnenstrahlen unmittelbar getroffenenen Retina- 
Elemente,des menschlichen Auges. — Wie die vorstehend beschriebenen Thatsachen und der 
vorhingeschilderte einzelne Zug aus den eigenthümlichen Lebensgewohnheiten der Insekten sich, 
mit einander sollten vereinigen lassen können, ist et: man müsste denn gerade zu 


einer lediglich ad hoc geschaffenen Hypothese seine Zuflucht nehmen, was freilich im allgemeinen 


— 10122 


mehr als ein Zugeständniss des Vorhandenseins ungelöster Schwierigkeiten, denn als ein 
Fortschritt in dem Verständniss anscheinend einander widersprechender Thatsachen anzusehen 
ist, und wobei man im vorliegenden Falle die Auswahl hätte, entweder bis jetzt mit Sicherheit 
noch nicht beobachtete Schutzvorrichtungen des Auges zu postuliren, oder eine wunderbare 
Widerstandsfähigkeit gegen allzu grelle Beleuchtung neben dem, sonst zum Sehen erforderlichen, 
hinlänglich feinen Unterscheidungsgefühl gegen geringe Helligkeitsabstufungen, wie es die 
Insekten unzweifelhaft besitzen, als eine nothwendig vorauszusetzende Eigenschaft des Facetten- 
auges zu bezeichnen. 

Die Schwierigkeit schwindet dagegen völlig, sobald wir der zweiten, schon vorhin aus 
anderen Gründen vorgezogenen Hypothese Raum geben, und annehmen, dass von dem die 
Hornhaut des zusammengesetzen Auges überhaupt treffenden Lichte die weitaus grössere 
Menge irgendwie absorbirt und ausgelöscht wird, so dass bis zu den lichtempfindlichen Theilen 
nur ein schmales centrales Bündel unter einander genau paralleler Strahlen vordringen kann. 
Denn nun wird die Sonne entweder gar nicht gesehen werden, wenn nämlich die ins Unendliche 
verlängerten Richtungen zweier benachbarten Augenelemente, welche einen Winkel von durch- 
schnittlich etwas mehr als einem Grad mit einander einschliessen, auf beiden Seiten der 
Sonnenscheibe vorübergehen ;, denn unserer Annahme nach soll ja ausschliesslich das in jenen 
Richtungen Befindliche wahrgenommen werden können. Oder, wenn die Sonnenscheibe gerade 
in den Radius der optischen Axe eines Augenelementes fällt, wird sie zwar die dem letzteren 
angehörende Retinula erregen; bei der verhältnissmässigen Kleinheit des in Betracht kommenden 
Stückes der Scheibe jedoch und bei dessen ungeheurer Entfernung wird sie nur einen relativ 
schwachen Eindruck machen können, möglicherweise selbst einen geringeren, als aus unmittel- 
barster Nähe und unter sonst sehr günstigen Umständen gesehene irdische Gegenstände. 
Dieser Satz klingt gewiss ausnehmend paradox. Die selbst für unsere, doch an die beständige 
Einwirkung viel grösserer Lichtmengen, als die die lichtempfindlichen Theile des Facettenauges 
erregenden, gewöhnten Augen unerträglich helle, blendende Sonnenscheibe sollte nur schwach 
von einem Sehorgane wahrgenommen werden, das noch zwischen geringfügigen Helligkeits- 
differenzen zu unterscheiden vermag und mit Hilfe dieser Fähigkeit sich über die räumlichen 
Verhältnisse seiner Umgebung zu orientiren im Stande ist? Für die auf einem Umwege ihın 
zukommenden, erst irgendwelche andere Objecte treffenden, alsdann von diesen reflectirten und 
auf diese Weise abgeschwächten Strahlen sollte das Facettenauge grössere Empfänglichkeit 
besitzen, als für das auf dem kürzesten directen Wege, in gerader Linie und unvermindert 


einfallende Sonnenlicht? Ich behaupte dies nicht geradezu mit Bestimmtheit und kann es auch 


— 12 — 


nicht strenge zahlenmiässig erweisen. Allein auch nur eine gewisse Wahrscheinlichkeit eines 
so widersinnig scheinenden Satzes aufzuzeigen ist immerhin interessant genug und ver- 
lohnt wohl einigermaassen die Unbequemlichkeit, mit übermwässig grossen Zahlen operiren 


zu müssen. 


Das Widersprechende in der oben aufgestellten Behauptung verschwindet nämlich grossen- 
theils, wenn man Folgendes bedenkt. Auf einen jeden, dem Sonnenschein direct ausgesetzten ‘ 
Punkt der Erdoberfläche fällt Licht von sämmtlichen Theilen der Sonnenscheibe; eine einzelne 
Retinula des zusammengesetzten Auges dagegen können nicht die von sämmtlichen Punkten 
derselben ausgehenden Strahlen treffen und reizen. Denn mögen die von der gesammten 
Sonnenoberfläche entsendeten Strahlen auch für manche Untersuchungen als vollkommen parallel 
betrachtet werden können, so ist dies doch bier nicht zulässig, wo vielmehr dem Öbigen zu- 
folge die Forderung geltend gemacht werden muss, dass ausschliesslich solche Strahlen, welche 
durchaus im Sinne der optischen Axe des Augenelementes einfallen und fast mathematisch 
genau unter einander parallel gerichtet sind, in Rechnung gebracht werden dürfen. Aeusserst 
unbedeutende und fast unmerkliche, nur wenige Winkelsecunden betragende Abweichungen von 
dem theoretisch zu postulirenden streng parallelen Verlauf sind indessen natürlich nicht aus- 
zuschliessen, und diese geringen Unvollkommenheiten bewirken in unserem Falle, dass das 
hier in Betracht zu ziehende Stück der Sonnenscheibe immerhin viele tausend Quadratmeilen 
umfassen wird; während das auf eine einzelne Retinula einwirkende Stück eines irdischen 
Gegenstandes, wie wir oben gefunden haben, im allgemeinen dem Querschnitt derselben an 
Grösse ungefähr gleich kommt. Setzen, wir z. B. voraus, die Winkeldistanz der äussersten, 
den beiden einander gegenüberliegenden Seiten des einfallenden Lichtbüschels angehörigen 
Strahlen könne höchstensfalls etwa 10’ betragen, so ergibt sich, die Entfernung der Sonne 
von der Erde zu 20 600 000 Meilen angenommen, der Radius x des kreisförmigen Stückes 
der Sonnenscheibe, welches eine Retinula des facettirten Auges zu erregen vermag, durch 
die Formel 


N sin la“ 
36 600 000 


zu 499 Meilen, mithin der Inhalt der in Betracht kommenden Kreisfläche zu 783 230 Quadrat- 
meilen. Dies ist von der ganzen sichtbaren Sonnenfläche, deren Inhalt etwa 29 030 000 000 
Quadratmeilen beträgt, nicht mehr, als der 0,000027ste Theil, also ein fast verschwindend 
geringer Bruchtheil. Nennen wir die Helligkeit eines senkrecht von den Sonnenstrahlen 


getroffenen und fast sämmtliches auffallende Licht reflectirenden Gegenstandes, etwa diejenige 


— 1037 — 


einer glatten weissen Kalksteinplatte, = Eins, so würde diejenige einer Retinula des Facetten- 
auges demnach nur den Werth der Zahl 0,000027 besitzen. Nun wird freilich nicht das 
sämmtliche Sonnenlicht, welches jenen Stein trifft und erhellt, auch in das selbst aus unmittel- 
barster Nähe ihn anblickende Auge gelangen; es wird vielmehr zu einem geringen Theil 
absorbirt und in Wärme umgewandelt, zum grössten Theile dagegen durch unregelmässige 
Reflexion nach allen Seiten hin zerstreut werden. Aber es wird doch in der einen Richtung 
stärker und in bedeutenderer Menge zurückgeworfen, als in der anderen, es kann also sehr 
wohl nach einer bestimmten Richtung hin eine grössere Zahl genau unter einander parallel 
verlaufender Strahlen ausgesendet werden. Dazu kommt noch Folgendes. Den kolossalen Grössen 
gegenüber, deren wir uns bei Berechnung der von der Sonne direct auf eine Retinula gelangenden 
Lichtquantität zu bedienen hatten, konnte deren eigene Ausdehnung, als völlig verschwindend, 
unberücksichtigt bleiben. Bei Gegenständen in endlichen Entfernungen ist dies dagegen nicht 
der Fall. So klein nun auch der Querschnitt einer Retinula im allgemeinen sein mag, so ist 
seine Flächenerstreckung von derjenigen eines leuchtenden Punktes, eines elementaren Flächen- 
theilchens im physikalischen Sinne doch immerhin noch etwas verschieden; und in diesem 
Verhältnisse hat man sich die von einem einzelnen Punkte der durch das directe Sonnenlicht 
erhellten Oberfläche eines Gegenstandes aus die percipirenden Theile des Facettenauges 
erreichende Lichtmenge vergrössert zu denken, wenn man deren ganzen, thatsächlich der 
Empfindung dargebotenen Betrag erhalten will. Alles zusammengenommen, glaube ich den 
für den ersten Anblick so auffallenden Satz doch etwas einleuchtender gemacht zu haben, dass 
das Facettenauge höchst wahrscheinlicher Weise durch die directe Einwirkung der Sonne 
weniger heftig affieirt wird, als durch die Eindrücke der von jener stark beleuchteten und 
unter den denkbar günstigsten Umständen sich darstellenden Gegenstände auf.der Erde selbst. 
Ganz dasselbe, was hier von der Sonne ausgeführt wurde, gilt übrigens für die Augen der 
nächtlichen Thiere auch vom Monde. 

Eine weitere kräftige Stütze findet ferner die oben adoptirte Hypothese an der fort- 
schreitenden Kenntniss der feineren Verhältnisse des Baues und der Anordnung der_ 
einzelnen die Elemente des Facettenauges zusammensetzenden Theile. Es wird demzufolge 
auch von Grenacher ganz der gleiche Verlauf der zur Perception kommenden Strahlen, den 
wir aus anderen Gründen anzunehmen bewogen worden sind, als der mit grösster Wahrschein- 
lichkeit wirklich stattfindende hingestellt. Von der vollkommensten Form des - zusammen- 
gesetzten Auges nämlich, dem sogenannten eukonen Auge mit hinterer Rhabdomanschwellung, 


vor der sich ein dünner Faden befindet, also mit von der Cornea relativ weit entfernter 


— 104 — 


Retinula sagt der genannte Forscher:!) »Betrachten wir ein solches Einzelauge, so wissen wir 
gleich, welche Strahlen sicher dahin gelangen, wo sie physiologisch wirksam werden 
können, d. h. ins Rhabdom. Es ist augenscheinlich in dieser günstigen Lage ein dünnes 
Strahlenbüschel, welches die optische Axe einschliesst und dieser Axe parallel den ganzen 
Facettenantheil von vorn bis hinten durchsetzt. Der Querschnitt eines solchen Strahlenbüschels 
wird durch zwei Factoren bestimmt: einmal durch die Krümmung der brechenden Medien, 
dann aber durch das Pigment und die dünnen Verbindungsfäden.«e Nachdem er hierauf den 
vermuthlichen Gang der durch die peripherischen Theile der Facette tretenden Strahlen etwas 
näher beleuchtet, fährt Grenacher fort: »Meiner Ansicht nach wird unter allen Umständen 
dem schmalen ungebrochen durchgehenden axialen Strahlenbüschel die Hauptbedeutung zufallen.« 
Ueber die beiden andern bei zahlreichen Insektengattungen sich findenden Formen des zu- 
sammengesetzten Auges, nämlich das akone und das pseudokone Auge spricht sich unser 
Autor nicht weiter aus. Aus unserer ausführlichen Begründung der angegebenen Hypothese 
jedoch geht mit Nothwendigkeit hervor, dass auch für die beiden letztgenannten Ausbildungs- 
form&n des Facettenauges ganz die gleiche Richtung der zur Wirkung kommenden Lichtstrahlen 
mit Bestimmtheit anzunehmen ist; obschon dies aus der blossen Betrachtung der Gruppirung 
und der Dimensionen der Augentheile hier wohl nicht mit solcher Leichtigkeit erschlossen 
werden könnte, wie bei dem eukonen Auge. 

Im Folgenden soll nun ein Versuch gemacht werden, etwas näher zu erläutern, in welcher 
oben schon angedeuteten Weise die durch das Facettenauge vermittelten Gesichtswahrnehmungen 
von den mit letzterem ausgestatteten Individuen dazu verwerthet werden, sich in der Um- 
gebung zurechtzufinden; und zugleich das Fremdartige etwas zu mildern und dem Verständniss 
näher zu bringen, was den ins Spiel kommenden psychologischen Vorgängen im Vergleiche 
mit den bekannteren, die Thätigkeit des Sinnesorgans in anderen Abtheilungen des Thier- 
reichs begleitenden Leistungen des Centralorganes anhängt und dieselben zu entstellen scheint. 
Es geschieht das nicht ohne das deutliche Bewusstsein, dass die eben ausgesprochene Absicht 
wohl kaum vollständig mit Erfolg gekrönt sein wird. Denn es lassen sich zwar die aus dem 
ganz abweichenden Bau des Organs nothwendig folgenden tiefgreifenden Unterschiede in der 
Function wohl verstehen, während ebensowenig bezweifelt werden darf, dass die uns selbst 
geläufige Weise dort unmöglich statt haben kann. Es ist ferner auch einzusehen, inwiefern auf 
diese gänzlich andere Art sich dennoch die wesentlich in Betracht kommenden Verhältnisse 
der Aussenwelt hinreichend treu abspiegeln können. Aber der Natur der Sache nach, da wir 


!) Untersuchungen über das Sehorgan der Arthropoden, pag. 154. 


selbst eben der Einriehtung unseres eigenen Gesichtsorganes zufolge darauf angewiesen sind, 
die uns wichtige Beschaffenheit der den Raum um uns her erfüllenden Dinge uns in einer von 
derjenigen der Insekten stark verschiedenen Weise zum Bewusstsein zu bringen, — sind die 
oben aufgestellten Sätze doch zu neu und eigenartig, als dass es gelingen sollte, sich ihre volle 
Bedeutung ganz klar zu vergegenwärtigen und sich mitten in die durch jene dargelegten höchst 
merkwürdigen Vorgänge hineinzuversetzen. 

Wir sind oben zunächst zu dem Resultat gekommen, dass die Fähigkeit des Facetten- 
auges, hinlänglich scharfe und deutliche Bilder der gesehenen Objecte zu entwerfen und so die 
Dinge als dasjenige, was sie sind, auch nur mit einiger Sicherheit erkennen zu lassen, durch- 
aus nicht hinreicht (wie es doch mit den Leistungen des menschlichen Auges bekanntlich der 
Fall ist), die grösstentheils offenbar durch den Gesichtssinn vermittelte genaue Kenntniss der 
Insekten von der räumlichen Beschafferheit, der Vertheilung und den Dimensionen der in ihrer 
Umgebung befindlichen Gegenstände zu erklären. Wir haben hierauf die Annahme gegründet, 
dass nicht die bekannten Gestalten der Gegenstände (welche einigermaassen kennen zu lernen, die 
kurze Lebensdauer dieser Thiere gar nicht hinreichen würde), die scheinbare Grösse, unter welcher 
jene erscheinen, und so weiter, genügende Anhaltspunkte für deren jedesmalige Abstände abgeben 
können, sondern dass vielmehr blos die dem Quadrate der Entfernung umgekehrt 
proportional sich abändernde scheinbare Helligkeit den fraglichen Maassstab 
darstellt. Wo also die Gegenstände augenblicklich am weitesten entfernt sind, wo mithin 
der rasche Flug am wenigsten gehemmt ist, dieser Theil des Gesichtsfeldes erscheint immer 
im mattesten Glanze der Farben und in der geringsten Intensität der Beleuchtung, er erscheint 
nebelhaft düster und mit verschwommenen Umrissen, gleichsam mit körperlichen Gegenständen 
am wenigsten erfüllt und dem leeren Raume am ähnlichsten. Ohne also dasjenige erkennen 
zu können, was es sieht, wird doch das Insekt zuversichtlich nach dem der beschriebenen 
Partie seines Gesichtsfeldes entsprechenden Theil der Umgebung seine Bewegung lenken dürfen, 
und es wird dies im allgemeinen auch vorzugsweise thun, sei es, dass es, ohne ein augen- 
blickliches ganz bestimmtes Ziel vor Augen zu haben, unstät und spielend umherschweift, sei 
es, dass es, von Feinden bedroht, in der eiligsten Flucht sein Heil sucht. Es sei gestattet, 
diese Art der Orientirung durch ein paar Bilder zu erläutern. Es verhält sich damit, wie 
wenn man, bei einer Seefahrt in starkem Nebel, um nicht mit irgendwelchen Gegenständen 
zusammenzustossen, sorgfältig auf die grössere oder geringere Klarheit der Umrisse und der 
Begrenzung derselben zu achten gezwungen ist, und sowie etwas schärfer und bestimmter von 


seiner gestaltlosen Umgebung sich abzuheben und die Farben leuchtender durch die graulichen 
Abhanul. d, Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 14 


OB 


Dunstmassen hindurchzuschimmern beginnen, — obschon man noch nicht genau angeben könnte, 
was man eigentlich vor sich hat — doch sogleich seine Richtung ändern wird, um das Fahr- 
zeug dorthin zu lenken, wo nichts wahrzunehmen ist. Oder nehmen wir an, es ginge Jemand 
auf einem vielfach sich hin und herwindenden schmalen Pfade durch einen dichten Wald, so 
wird er, selbst wenn eine gleichförmige dicke Schneedecke den Boden überall verhüllt, seinen 
Weg zu verlieren doch nicht zu fürchten brauchen, wenn er nur immer diejenige Richtung 
einschlägt, in welcher die Bäume von einander und von ihm selbst augenblicklich am weitesten 
entfernt sind. Bevor er sich einem von denselben so weit genähert hätte, um seine -Gestalt 
in allen ihren Einzelheiten erkennen und allenfalls beurtheilen zu können, ob er eine Eiche 
oder eine Buche vor sich hat, wird er doch schon der relativen Grösse des Abstandes gemäss 
zu entscheiden im Stande sein, ob sein Weg ihn gerade in der Richtung auf diesen Baum zu 
weiterführen kann oder nicht. Für das Verständniss dessen, wie das Orientirungsvermögen 
der Insekten sich in so eigenthümlicher Weise zu einer hinlänglich hohen Stufe der Feinheit 
ausbilden konnte, scheint es mir von grosser Bedeutung zu sein, dass die Insekten, obwohl 
zum Theil selbst Raubthiere und mit den wirksamsten und für Ihresgleichen gefährlichsten Angriffs- 
waffen ausgerüstet, doch sämmtlich infolge ihrer geringen Körpergrösse, um sich vor den eifrigen 
Nachstellungen ihrer sehr zahlreichen Feinde zu retten, fast lediglich auf rasche Flucht an- 
gewiesen und zu derselben befähigt sind, Man hat ja vielfältig Gelegenheit, zu beobachten, wie 
die Insekten, sobald sie sich nur im geringsten bedroht fühlen, sofort aufs schleunigste 
flüchten, sei es, dass sie sich nur auf die Unterseite der Blätter zurückziehen, oder sonstwie an 
dunkle Stellen verkriechen, oder auch sich von höheren Orten herab blitzschnell zu Boden 
fallen lassen, um sich dort unter abgefallenem Laube und im Schatten der Grashalme zu ver- 
bergen; oder sei es endlich, dass sie durch plötzliches Auffliegen sich den Nachstellungen zu 
entziehen suchen. Ist der Gedanke allzuferne liegend, dass auch bei Anwendung des letzt- 
genannten Mittels das Streben der Insekten darauf gerichtet ist, sich in das 
schützende Dunkel zurückzuziehen, und dass sie demgemäss unwillkürlich in der- 
jenigen Richtung fliegend sich bewegen, in welcher ihr Gesichtsfeld die mindeste Helligkeit 
aufweist? Es ist ferner erklärlich, wie auf diesem Wege das Thier mehr und mehr dazu kommen 
musste, auch wenn es, ohne gerade verfolgt zu werden und vor seinen Feinden auf der Hut 
sein zu müssen, ruhig dahinfliegt und höchstens nur durch die Gefahr etwaigen Wider- 
stossens geschreckt werden könnte, sich doch vorzugsweise in der dem dunkelsten 
Theile seines Gesichtsfeldes entsprechenden Richtung zu bewegen, den es natürlich niemals 


erreichen kann, da er ja im Verlaufe der Ortsveränderung seine Stelle ändern muss, indem 


— 107 — 


der anfänglich vorhandene, gerade infolge der auf ihn zugerichteten Bewegung des Thieres 
allmälig sich mehr und mehr erhellt; wofür jedoch von nahen Objecten freie und somit 
relativ dunkel erscheinende Stellen anderwärts natürlich eintreten werden. — Es steht hiermit 
nur anscheinend in Widerspruch, dass die Insekten sämmtlich eine mehr oder minder ausge- 
sprochene allgemein bekannte und sogar sprichwörtlich gewordene Neigung zeigen, nach dem 
Lichte zu fliegen, und in grösster Nähe desselben und um es herum tanzende Bewegungen 
auszuführen. Diese Thatsache kann im Gegentheile sogar den eben ausgeführten Sätzen zur 
Bestätigung dienen, wenn man bedenkt, dass es blos ganz natürlich ist, anzunehmen, dass die 
Insekten unter entgegengesetzten Umständen ein entgegengesetztes Verhalten zeigen werden. 
Und auf diese Weise liesse sich wohl mit einem gewissen Rechte von jener offenkundigen 
Gewohnheit unserer Thiere aus, die dabei anscheinend keinen anderen Zweck verfolgen, als 
ein gewisses Wohlgefallen an dem hellen Glanze des Lichtes zu befriedigen und einer Art 
spielender Unterhaltung sich hinzugeben, schliessen, dass dieselben, während sie vom heftigsten 
Schrecken erfasst fliehen und auf nichts Geringeres, als die Erhaltung ihres Lebens bedacht 
sind, nicht ebenfalls wieder zu den am stärksten erleuchteten Stellen in ihrer Umgebung sich 
hingezogen fühlen, sondern gerade umgekehrt dahin am ersten sich wenden werden, wo Alles von 
Finsterniss umhüllt scheint. 

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Insekten infolge der eigenthümlichen Einrichtung 
ihres Gesichtsorganes mitunter auch optischen Täuschungen ausgesetzt sind. So muss 
der Umstand, dass die vorher unbedeckte Sonne plötzlich hinter dicke Wolken tritt und als- 
dann nur noch mit geringer Kraft zu leuchten vermag, die scheinbare Wirkung haben, dass 
alle Gegenstände hierdurch etwas in die Ferne gerückt werden, und Anderes der Art mehr. 
Es kann indessen die beschriebene Art des Sehvorganges und der Leistungen des Sehorganes 
durch derartige in ihrem Gefolge auftretende geringe Nachtheile nicht unwahrscheinlich gemacht 
werden. Denn es handelt sich hier im ganzen doch wohl mehr um die relative, als um 
die absolute scheinbare Helligkeit, mehr um das Verhältniss der Beleuchtungsintensitäten 
der nebeneinander gelegenen Theile des Gesichtsfeldes, als um die Lichtstärke eines 
und desselben Theiles zu verschiedenen Zeiten. Auch verfallen ja wir selbst 
trotz unserer -viel vollkommneren Augen bekanntlich in gar manche durch wesentliche Ein- 
richtungen derselben verursachte und damit unvermeidlich verbundene optische Täuschungen. 

Die besondere Stellung, welche das Facettenauge in der Reihe der verschiedenartigen 
his jetzt bekannten Sehorgane einnimmt, lässt sich in folgender Weise charakterisiren. Wäh- 


rend das menschliche Auge in erster Linie zum Erkennen der Gegenstände dient und alle 


— 18 — 


seine übrigen Dienstleistungen, unter Anderm auch die Abschätzung und Beurtheiluug der Ent- 
fernungen, auf jener Fähigkeit durchaus beruhen, hat das Facettenauge zwar auch innerhalb 
der engen Grenzen seiner deutlichen Sehweite den Zweck, hinlänglich scharfe und im einzelnen 
genau entsprechende Bilder der Gegenstände zu entwerfen, und es theilt sich in diese Aufgabe 
mit dem häufig zugleich mit ihm selbst sich vorfindenden Stemma. Allein seine wich- 
tigste und hauptsächlichste Bestimmung wird hierdurch nicht erfüllt. 
Diese besteht vielmehr darin, dass es wesentlich ein Organ zur Orien- 
tirung über die räumlichen Verhältnisse der umgebenden Dinge, vor 
Allem über deren wechselnde Abstände vom Körper des Thieres zu nennen 
ist. Während das Facettenauge, wenn der Zwischenraum zwischen ihm selbst und seinem 
Öbjeet-ein nur etwas grösserer ist, durchaus nicht mehr deutlich zu erkennen vermag, leitet 
es doch mit grösster Sicherheit und nur mit Hilfe einfacher, verhältnissmässig stark von ein- 
ander abgestufter Empfindungen durch eine Welt von gänzlich unbekannten Dingen. Wenn 
nämlich erst einmal, — was der Natur der Sache nach nur eine relativ kurze Zeit in Anspruch 
nehmen wird, — der eigenthümliche Zusammenhang zwischen den scheinbaren Helligkeitsgraden 
und den Entfernungen der Objecte dem Thiere vollständig zu Bewusstsein gekommen ist, und 
die in der beschriebenen Art einander entsprechenden Beziehungen der Aussenwelt sich hin- 
reichend genau in der Vorstellung mit einander associirt haben, so ist die ausreichendste und 
zweckmässigste Führung der Bewegungen ermöglicht, ohne dass auch nur die geringsten Begriffe 
von den sonstigen Eigenschaften der Dinge vorhanden zu sein brauchten; und da ein sehr 
einfaches Princip hierbei die wesentliche Rolle spielt und keine auf eine grössere Summe von 
Erfahrungen gegründete, also sehr abgeleitete und vielfach verwickelte, möglicherweise in einzelnen 
Fällen selbst zu einander widersprechenden Resultaten führende Vernunftschlüsse hierbei erfor- 
derlich sind, so können Täuschungen über die Distanzen der Gegenstände nicht wohl in dem 
Maasse vorkommen, als sie durch unsere eigene Art des Sehens veranlasst werden. Es ent- 
spricht mithin der durchgreifenden Verschiedenheit zwischen dem Bau des zusammengesetzten 
Auges und demjenigen der mit lichtbrechenden Linsen ausgestatteten Sehorgane nicht blos ein 
andersartiger Gang der zur Wirkung kommenden Lichtstrahlen, sondern auch eine nicht 
unbedeutende Modification des Charakters der durch das Sinnesorgan 
vermittelten Wahrnehmungen und der psychologischen Verwerthung der- 
selben. Wenn Leydig sich in folgender Weise gegen die Theorie vom musivischen Sehen 
äussern zu müssen glaubte: !) »Nach Johannes Müller besteht zwischen dem Sehen mit 


!) Das Auge der Insekten, pag. 42. 


— 109 — 


den einfachen und dem Sehen mit den facettirten Augen ein ganz principieller Unterschied. 
Eigentlich musste dieser Satz schon von vornherein die grössten Bedenken erregen; wie 
seltsam wäre es, wenn zwei Organe, in einem und demselben Thiere vorhanden und beide zu 
gleicher Function, zum Sehen bestimmt, den Sehact in grundverschiedener Weise 
vor sich gehen liessen?« so musste mit Recht erwidert werden, dass es doch unstreitig 
weit einfacher und naturgemässer erscheinen muss, wenn zwei allerdings demselben Sinne 
dienende, aber in von einander grundverschiedener äusserer Gestalt erscheinende 
und eine ebenso gründliche durchgreifende Verschiedenheit des ganzen 
inneren Baues aufweisende Organe auch in durchaus abweichender, als wenn sie in genau 
der gleichen Weise fungirend gedacht werden. Das Seltsame liegt eben hier schon in der 
doch unleugbaren Thatsache, dass zwei dem gleichen Sinne angehörige Organe von im Ganzen 
sehr wenig vergleichbarer Ausbildung "an einem und demselben Thiere sich vorfinden; nicht 
aber in den Versuchen, diese nicht anzuzweifelnde, obwohl sehr sonderbare Erscheinung zu 
deuten und sich von dem vermuthlichen Einfluss der ungleichen Beschaffenheit des Baues auf 
den entsprechend andersartigen Gang des einfallenden Lichtes Rechenschaft abzulegen. Aber 
wenn nun auch unbedingt zuzugeben war, dass der Verlauf und die Menge der wirksamen 
Strahlen in beiden Fällen sehr ungleich sein müssen, wenn, bestimmter ausgedrückt, als sicher 
angenommen werden musste, dass im einen Falle der Sehvorgang analog demjenigen in unserem 
eigenen Auge verläuft, im anderen dagegen die Theorie vom musivischen Sehen zu Recht 
besteht, so war dadurch allerdings die von vornherein nothwendig zu erwartende Proportio- 
nalität zwischen der eigenartigen Einrichtung des Sehorgans und der besonderen Art von 
dessen Function hergestellt; allein die Sache selbst ist damit noch nicht erschöpft. Und dafür 
ist der deutlichste Beweis die ausserordentliche Andauer des theoretischen Streites über den 
Sehvorgang im Facettenauge, der wohl hauptsächlich deshalb so langsam der Entscheidung 
entgegenreifte, weil man sich von der einfachen und in der einleuchtendsten Weise mit vielen 
und den wichtigsten Einzelnheiten des anatomischen Befundes im besten Einklang stehenden, 
aber immerhin etwas fremdartigen Lehre vom musivischen Sehen keinen vollständig klaren 
und alle Beziehungen umfassenden Begriff zu machen wusste. Es bleibt nämlich immer noch 
die Frage übrig: Aber warum findet sich denn hier eine so gänzlich verschiedene, ja sogar 
gleichzeitig eine doppelte Einrichtung, wenn der Endzweck und das schliessliche gesammte 
Resultat der durch jene eingeleiteten Vorgänge beidemal durchaus das gleiche ist? Und warum 
ferner findet sich nur hier, nur gerade bei den Insekten im vollkommenen Zustande eine zwei- 


fache Form des Sehorgans? Diese Fragen konnten so lange nicht beantwortet werden, so 


— 11027 


lange man, stillschweigend die Voraussetzung als selbstverständlich gelten liess, das Facettenauge 
diene, ganz gleich den so allgemein verbreiteten wesentlich mit Hilfe der Lichtbrechung fungi- 
renden Sehorganen, zur Entwerfung deutlicher Netzhautbilder, zum Erkennen der Gestalten der 
gesehenen Gegenstände. Sie sind dagegen thatsächlich gelöst und der wahre Schlüssel zum 
Verständniss des Facettenauges ist gefunden in dem Nachweise, dass das Letztere hauptsächlich 
der Orientirung über die räumlichen Verhältnisse der Umgebung und als Leiter der so über- 
aus raschen Flugbewegungen dient (oder, bei den Crustaceen, der nicht viel weniger schnell 
fördernden Schwimmbewegungen). Denn, dass die Thätigkeit im eben gedeuteten Sinne im 
allgemeinen einen etwas anders eingerichteten Apparat voraussetzt, ist ja leicht einzusehen. 
Es ist auch nicht schwer, die gute Uebereinstimmung einiger auffallender und der Bildentwerfung 
offenbar schädlicher Eigenthümlichkeiten des zusammengesetzten Auges mit der zuletzt an- 
gegebenen Bestimmung dieses Sehorgans nachzuweisen. Dahin gehört vor Allem die relativ 
so bedeutende Winkeldistanz der einander unmittelbar benachbarten 
Retina-Elemente, ein Umstand, der, wie sich auf den ersten Blick ergibt, der feineren 
Ausgestaltung des Netzhautbildes äusserst ungünstig sein muss, während er die Bekanntschaft 
und Vertrautheit mit den zum Zwecke des leichten und sicheren Sichzurechtfindens. in der 
Umgebung wesentlich in Betracht kommenden Verhältnissen der Dinge nicht zu beeinträchtigen 
vermag; denn hierzu genügt ja augenscheinlich eine viel geringere Anzahl von Elementen der 
Wahrnehmung. Es sind ferner hier die schon oben berührten, so ausserordentlich zahlreichen 
und oft sehr bedeutenden Abweichungen der zusammengesetzten Augen von 
der vollkommenen Kugelgestalt zu erwähnen, welche den Gedanken eigentlich gar 
wicht recht aufkommen lassen können? dass das Retinabild des Facettenauges im allgemeinen 
und über eine bestimmte, dem Auge sehr nahe verlaufende Grenze hinaus den geringsten 
psychologischen Werth habe. Denn was sollte ein so ungemein stark und bis zur Unkennt- 
lichkeit verzerrtes Bild viel nützen können? Die sichere Orientirung hingegen, die Fähigkeit, 
die einem jeden einzelnen Theile des Gesichtsfeldes entsprechende Stelle im Raume sich in 
genau zutreffender Weise zu vergegenwärtigen, hindert jene Bildverzerrung nicht im mindesten, 
Denn die Richtungen, in welchen die einzelnen Theile der Gegenstände zu liegen scheinen, 
stimmen ja mit der Wirklichkeit vollkommen überein, und auf diese sowie auf den jedes- 
maligen Zwischenraum zwischen Object und Sehorgan kommt es ja ausschliesslich an, nicht 
aber allenfalls darauf, wie weit z. B. zwei benachbarte, durch einen gewissen Abstand ge- 
trennte Punkte des Gegenstandes im Bilde von einander entfernt scheinen, und ob überhaupt 


den Dimensionen des ersteren alle Maasse des letzteren durchaus proportional sind; und 


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nur derartige Verhältnisse allein sind ja in dem verzerrten Netzhautbilde unrichtig wieder- 


gegeben. 


Es scheint, als ob es im ganzen vier scharf von einander unterschiedene und nur 
undeutlich durch Uebergangsstufen verbundene Arten von Wahrnehmungen ver- 
mittelst des Gesichtssinnes in den verschiedenen Abtheilungen des Thierreiches gebe, 
welche im Folgenden aufgezählt und kurz charakterisirt werden mögen, wenn es anders gestattet 


ist, von unserem eigentlichen Gegenstand einen Augenblick abzuschweifen. 


1. Die unterste Stufe findet sich ausschliesslich bei den kleineren und kleinsten Or- 
ganismen mit durchsichtiger Körperbedeckung und ohne auf bestimmte Körperstellen beschränkte, 
zur Lichtempfindung ausschliesslich befähigte und in eigenthümlicher Weise hierfür umgebildete 
Sinnesnerven; also bei Thieren, welche, ohne eigentlich so zu nennende, wenn auch noch so 
unvollkommene Augen zu besitzen, doch ein mehr oder minder grosses Vermögen der Licht- 
auffassung verrathen. Es ist hier ein blosses unbestimmtes Gefühl des der Summe des von 
der sesammten Umgebung ausgestrahlten Lichtes entsprechenden Helligkeitsgrades vorhanden, 
ähnlich unserem Wärmegefühl, und, wenigstens nach der Analogie des letzteren zu schliessen, 
ohne Unterscheidung der Lichtarten je nach ihrer verschiedenen Brechbarkeit. Diese Art der 
Lichtwahrnehmung lässt nur eine sehr geringe Orientirung zu, "nämlich in der Richtung nach 


der hauptsächlichen Lichtquelle hin und von ihr weg. 


3. Sogenannte Augenflecke, d. h. specifisch ausgebildete, mit Pigment umgebene, 
aber noch nicht mit zur Lichtsonderung dienenden Apparaten ausgestattete Nervenendigungen, 
wie sie sich z. B. in der Classe der Würmer häufig finden. Der Umstand, dass die Nerven- 
endigung eigenthümlich umgeändert erscheint, deutet wohl darauf hin, dass hier schon ein 
gewisser, vielleicht sehr stumpfer Sinn für die Farben vorhanden ist; und mittelst dieser Fähig- 
keit der Farbenempfindung und Farbenunterscheidung scheint eine allerdings sehr unvoll- 
kommene Orientirung in der dem Thiere bekannten Umgebung denkbar, und ebenso ein ge- 
ringes Vermögen, bekannte Gegenstände wiederzuerkennen, die aber freilich entweder so gross 
sein oder dem Sehorgan so* stark angenähert werden müssen, dass sie einen ganz über- 


wiegenden Theil des Gesichtsfeldes einnehmen. 


3. Das zusammengesetzte Auge der Arthropoden findet sich fast ausschliesslich bei 
solchen Thieren, die einer überaus gewandten Locomotion (entweder in der Luft oder im Wasser) 
fähig sind, und dient wesentlich in einer sehr einfachen und vollkommenen Weise zur Leitung 


der Bewegungen, nebenbei im geringen Maasse auch zum Erkennen der Dinge. 


— 112 — 


4. Das sehr allgemein verbreitete und auf der höchsten Stufe seiner Ausbildung wohl 
unter allen Sehorganen der feinsten Leistungen fähige, vermittelst einer stark lichtbrechenden 
Linse ein umgekehrtes Retinabildehen entwerfende Auge ist in erster Linie dazu bestimmt 
möglichst scharfe und treue Abbilder der gesehenen Gegenstände zu erzeugen. Diese Form 
des Sehorganes bringt also nicht die Tiefe des Raums zum Bewusstsein, wie das Facettenauge,') 
es dringt nicht, wie das letztere, in die räumlichen Verhältnisse der auf allen Seiten rings 
um das Thier befindlichen Gegenstände ein in derjenigen Richtung, die von ihm selbst gerade 
weg führt; sondern es lehrt vielmehr zunächst nur den Inhalt einer Fläche kennen, ohne durch 
die Art der Empfindung von vornherein die räumlichen Beziehungen auch nur im geringsten 
anzudeuten, entweder gleichzeitig immer nur einer einzigen, in einem bestimmten und unver- 
änderlichen Abstande von Thiere gelegenen, wenn es nämlich nicht der Accommodation fähig 
ist, oder auch, im entgegengesetzten Falle, innerhalb mehr oder minder weit aus einander liegender 
Grenzen. Erst mit Hülfe der Ortsveränderung gelingt es dem mit solchen Augen ausgestatteten 
Einzelwesen, auf einem etwas umständlichen Wege die körperlichen Eigenschaften und das 
Vorhandensein der dritten Dimension des Raumes kennen zu lernen; allein in einer voll- 
kommeneren Weise nur dann, wenn es während seiner fortschreitenden Bewegung von der 
Accommodationsfähigkeit seiner Augen Gebrauch machend, von den’ neu zur Ansicht kommenden 
Gegenständen auf die früher in nächster Nähe wahrgenommenen zurückblicken und so die 
einen an die anderen gewissermaassen anfügen und die letzte Gesammtansicht seiner Umgebung 
mit den früheren in Zusammenhang bringen kann; sehr schlecht hingegen, wenn die 
Augen, wie z. B. die Stemmata der Arthropoden nur für eine einzige ganz bestimmte Seh- 
weite eingerichtet sind, wobei natürlich die früheren Eindrücke in dem Maasse, als neue auf- 
treten, verloren gehen müssen und dem Bewusstsein nicht wieder vorgeführt werden können, 
ohne dass die einmal eingeschlagene Richtung der Ortsveränderung in die gerade entgegen- 
gesetzte umgekehrt werden müsste, und wobei der Blick nicht von den näheren zu den ent- 
fernteren Dingen hin- und herschweifen kann, infolge wovon natürlich keine zusammen- 
hängende und klare Anschauung der räumlichen Eigenschaften der Dinge sich zu entwickeln 
vermag. 

Die vergleichende Betrachtung der Leistungen des zusammengesetzten Auges und der- 
jenigen des menschlichen Sehorganes oder vielmehr des Stemma der Arthropoden wirft nun 


ein neues helles Licht auf die Entstehung jenes so auffallend und abweichend gebauten Seh- 


!) Vermöge dessen besonderer Einrichtung der Grad der Empfindungen entsprechend der räumlichen 
Vertheilung der Gegenstände in eigenthümlicher Weise modifieirt wird. 


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organes. Es ist hiernach einzusehen, warum denn eigentlich aus der zu postulirenden, noch 
nicht differenzirten Urform sich die Sehorgane der Arthropoden auf zwei sehr verschiedenen 
Wegen entwickeln und weiterbilden mussten; denn wir wissen jetzt, dass jenes wenig brauch- 
bare Urauge sich zu zwei von einander ganz verschiedenen Arten der Leistung fortentwickelte 
und vervollkommnete. Die Ausbildung des Facettenauges nun, mit dem wir uns hier 
eigentlich allein zu beschäftigen haben, fällt jedenfalls zeitlich zusammen und steht 
auch sonst in der nächsten Verbindung mit der höheren Entwicklung des 
Locomotionsvermögens, bei den Insekten speciell des Flugvermögens. 
Kein geflügeltes Insekt entbehrt desselben; von den zum Fluge nicht befähigten Thieren dagegen 
(den Larven z. B.) sind nur äusserst vereinzelte Formen -damit ausgestattet. Die Ursachen, 
warum dort eine besondere Ausbildungsform des Sehorganes erforderlich wurde, liegen auf der 
Hand: es ist nichts als die oben schon erwähnte Accommodationsunfähigkeit des Stemma (oder 
richtiger zu sprechen, die in den Eigenthümlichkeiten des Arthropodentypus begründete Un- 
möglichkeit, die hypothetische Urform zu einem accommodationsfähigen Sehorgan nach Art 
unserer eigenen Augen umzuschaffen) und der hierdurch bedingte geringe Werth desselben in 
Bezug auf die Auffassung der körperlichen Eigenschaften der Dinge und die Leitung rascher 
und ausgiebiger Bewegungsformen; ferner kommt hier im gleichen Sinne die kurze Lebens- 
dauer der Insekten im vollkommenen geflügelten Zustande in Betracht, welche diesen Thieren 
nicht hinlänglichen Spielraum gewährt, sich mit der äusseren Erscheinung, der Gestalt und 
der absoluten Grösse der Gegenstände so weit vertraut zu machen, un allenfalls deren Ab- 
stand mit Hülfe des Sehwinkels beurtheilen zu können. Höchst wahrscheinlich würden zu dieser 
Leistung die intellectuellen Fähigkeiten der in Rede stehenden Thiere auch gar nicht hin- 
reichen. 

Es könnte vielleicht bedenklich erscheinen, dass bis jetzt noch gar nicht von denjenigen 
besonderen Einrichtungen des zusammengesetzten Auges die Rede gewesen ist, welche die 
grosse Menge der von allen Theilen der Umgebung ausgehenden und unter sehr verschiedenen 
Winkeln auf die durchsichtige Hornhaut desselben auftreffenden Lichtstrahlen genau in der 
erforderlichen Weise zu sondern im Stande wären; so dass, nicht allein den Hauptgedanken 
der Lehre vom musivischen Sehen entsprechend, sondern noch darüber hinaus, gemäss unserem 
oben aufgestellten theoretischen Satze nur den wenigen, ungefähr im Centrum einer jeden 
Corneafacette und in der Richtung der optischen Axe des Augenelementes auftreffenden, unter 
einander genau parallelen Strahlen bis zu den lichtempfindlichen Theilen ungehindert vorzu- 


dringen gestattet würde, während die weit grössere Zahl der 'schädlichen, zum Theile übrigens 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 15 


— 114 — 


auch in radialem Sinne einfallenden Strahlen möglichst zu beseitigen wäre. Man hätte nun, 
denke ich, wohl das Recht, auf eine diesbezügliche Frage etwa Folgendes zu antworten. Dass 
das Facettenauge lichtsondernde Apparate in grosser Ausdehnung und allgemeiner Verbreitung, 
obschon wohl nicht überall in gleich hoher Ausbildung besitzt, dass dieselben einen seiner 
wesentlichsten Bestandttheile ausmachen, ist eine unzweifelhafte Thatsache. Es muss aber auch 
- zugegeben werden, dass diese Theile jederzeit eine merkwürdige, mit Worten nicht genau zu 
beschreibende und sogar geometrisch nicht recht fassliche, und noch dazu im einzelnen sehr 
wechselnde Gestalt besitzen, dass mithin ihr Einfluss auf den Gang der Lichtstrahlen nicht so 
leicht zu übersehen und der Nachweis der Wirkungsweise und der Brauchbarkeit dieser dem 
Facettenauge eigenthümlichen Einrichtungen zu schwierig und zu unsicher erscheinen muss, als 
dass man von dem mehr oder minder vollkommenen Gelingen oder dem völligen Misslingen 
der Lösung der letztgenannten Frage zugleich das Stehen oder Fallen der obenaufgestellten 
Hypothese abhängig machen dürfte. Man bedenke andrerseits doch nur, dass von vorneherein 
überhaupt blos die zwei angegebenen, beide durch sehr grosse Einfachheit ausgezeichneten und 
nicht einmal beträchtlich von einander verschiedenen Modificationen in der Auffassung des 
Ganges der wirksamen Strahlen möglich sind; entweder nämlich können sämmtliche, das Seh- 
organ radial treffende Strahlen pereipirt werden, oder nur ein Theil von denselben, und letzterer 
wird ganz natürlich als aus den centralen, die Richtung der optischen Axe des Augenelementes 
einhaltenden Strahlen bestehend gedacht werden müssen. Wenn nun aber der eine unter diesen 
beiden Fällen in vortrefflichster Weise mit vielen von den Thatsachen in Einklang steht, die 
wir von der Beobachtung der Lebensthätigkeit und der Lebensgewohnheiten der Insekten her 
kennen, während der andere von diesen leicht immer wieder auf’s neue festzustellenden und 
anscheinend sehr auffallenden Zügen aus dem Verhalten dieser Thiere nicht das Geringste zu 
erklären vermag, ist das nicht hinreichend Grund genug, jener theoretischen Vorstellung über 
(len Sehvorgang im Facettenauge den Vorzug zu geben, diese dagegen zu verwerfen? Und 
bedarf eigentlich diese Wahl noch einer weiteren Rechtfertigung, oder der zur Annahme 
empfohlene Satz, dessen rein hypothetisches Wesen ja nicht geleugnet werden soll, noch einer 
besonderen Stütze, die ihm etwa, und zwar nur ihm allein und mit: Ausschluss des anderen, 
“ an sich selbst gleich möglichen Falles, der in allen Stücken gelingende Nachweis von einer 
gewissen thatsächlichen Beschaffenheit des in Rede stehenden Sehorganes zu gewähren vermöchte ? 
Ein Nachweis, der übrigens sicherlich ebenso schwer für die eine, als für die andere der beiden 
Auffassungen, zwischen welchen man sich überhaupt zu entscheiden hat, in aller Strenge zu 


erbringen sein möchte. Wenn daher im Folgenden immerhin ein Versuch gemacht werden 


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soll, auf die Frage nach dem Zustandekommen der durch das Facettenauge vermittelten Ge- 
sichtswahrnehmungen im Besonderen und Einzelnen eine einigermaassen befriedigende Antwort 
zu geben, so möge man sich doch auf alle Fälle vergegenwärtigen, dass man dieser Darlegung 
durchaus nicht zuzustimmen braucht und doch deshalb die oben erörterte Ansicht in Bezug auf 


den Verlauf der wirksamen Strablen noch nicht nothwendig ablehnen muss. 


Ich denke allerdings, die auf die oben berührte Frage im Folgenden ertheilte Antwort 
dürfe wohl eine im Ganzen zZufriedenstellende genannt werden, zumal sie nebenbei auf die 
eigenthümliche und bisher räthselhaft erscheinende Beschaffenheit derjenigen Theile des zu- 
sammengesetzten Auges der Insekten ein helles Licht wirft, deren besondere Ausbildung und 
dadurch bedingte physikalische Wirkungsweise wohl die Hauptveranlassung der so sehr langen 
Andauer des Streites über den Werth der Theorie vom musivischen Sehen geworden ist, indem 
man ihr auf der einen Seite eine allzu hohe Bedeutung beimass, auf der andern dagegen ihren 
Einfluss auf die physiologischen Vorgänge in dem mehrfach genannten Sehorgan etwas zu gering 
anzuschlagen geneigt war; ich meine die linsenartige Wölbung der Corneafacetten. 
Johannes Müller theilte diesen fast durchgängig am Insektenauge sich vorfindenden, mehr 
oder minder stark entwickelten, bald planconvexen, bald biconvexen Cornealinsen die Aufgabe 
zu, durch Lichtbrechung !) »das in der Richtung der Axe einfallende Licht der Axe selbst 
zuzulenken und in der Tiefe des Auges zu grösserer Einigung zu bringen«e, »wodurch die 
Bestimmtheit des Bildes sehr gehoben werden muss«. Ausserdem aber hielt er es für wahr- 
scheinlich 2), dass diese linsenartigen Wölbungen der Facettenoberflächen dahin wirken könnten, 
dass das von fernen Gegenständen ausgehende Licht mehr als einen Kegel durchleuchte, so 
dass also »jedem äusseren leuchtenden Punkte nicht so sehr ein innerer beleuchteter Punkt, 
als vielmehr ein kleiner Zerstreuungskreis« entsprechen würde; wodurch natürlich die Klarheit 
des Retinabildchens in etwas getrübt werden muss. Ich glaube jedoch, dass die Lichtbrechung 
zur Vermehrung der Lichtstärke der Retinabilder im zusammengesetzten Auge nur in einem 
sehr beschränkten, weiter unten noch näher festzustellenden Maasse mitwirkt, und dass viel- 
mehr mit grösserem Rechte die wesentlichste Leistung der so allgemein verbreiteten Cornea- 
linsen darin erblickt wird, dass sie nicht lichtsammelnd, sondern lichtsondernd zu 
wirken, d. h. die grosse Menge der schädlichen Strablen-von den tiefer im Inneren des Auges 
gelegenen lichtempfindlichen Theilen möglichst abzuhalten bestimmt sind. Ich möchte mich 
zur Rechtfertigung dieser nicht ganz neuen Auffassung ?) hauptsächlich auf das Ergebniss einer 


') Zur vergleich, Physiol. des Gesichtssinnes pag. 367. — ?) A. a. ©. pag. 365. 
®) Grenacher, Untersuch. über das Sehorgan der Arthrop. pag. 156. 
/ 


— 116 — 


vergleichenden Betrachtung einmal des Baues des Sehorgans und weiterhin der äusseren Lebens- 
bedingungen der Insekten einer-, der Crustaceen andrerseits berufen. Es soll jedoch hierbei 
von der Erörterung der genetischen Beziehungen gänzlich abgesehen werden, welche etwa 
zwischen den beiden, in vielen Einzelheiten ihres Baues fast identisch erscheinenden Formen 
des zusammengesetzten Auges bestehen; sondern es soll vielmehr blos untersucht werden, in 
welcher Weise und inwieweit die, trotz der überwiegenden grossen Aehnlichkeit beider Aus- 
bildungsformen im Ganzen, doch, wie überhaupt im Einzelnen hier und da, so auch gerade in 
der äusseren Erscheinung der Cornea in besonders hervorstechender Weise sich zeigenden Ver- 
schiedenheiten auf die im Ganzen und Grossen allerdings in beiden Fällen identische, aber doch 
in einzelnen, geringeren Zügen vermuthlich hier oder da etwas abweichende Art des Sehvor- 
ganges modificirend einzuwirken im Stande sind; und inwiefern weiterhin die äusseren Lebens- 
verhältnisse, insbesondere die Natur des umgebenden Mediums und die Art des Lokomotions- 
vermögens für einen etwas andersartigen Charakter der Gesichtswahrnekmungen. bei beiden 
Klassen der Arthropoden zu sprechen scheinen. 

Dass das zusammengesetzte Auge der Crustaceen, sowohl dasjenige mit facet- 
tirter, als auch das mit glatter Hornhaut ungefähr auf die gleiche Art fungiren wird, wie 
das Facettenauge der Insekten, dies geht wohl unzweifelhaft aus der in allen wesentlicheren 
Stücken ihrer Einrichtung sich wiederfindenden Uebereinstimmung zwischen beiden Arten von 
Sehorganen hervor. Ebenso ist schon daraus, dass bei den Crustaceen weder die Augen- 
elemente erheblich kleiner sind (es ist vielleicht eher das Gegentheil, mitunter wenigstens, der 
Fall), noch auch die Augenkugel im Ganzen einen viel beträchtlicheren Umfang erreicht, als 
bei den Insekten, soviel zu schliessen, dass die Grenze des deutlichen Sehens hier nicht weiter 
vom Körper des Thieres entfernt verlaufen könne, als es bei der seither betrachteten Arthro- 
podenklasse sich im Allgemeinen herausstellte. — Da mir kein hierhergehöriges Material gerade 
zu Gebote steht, so muss ich mich damit begnügen, an der von Grenacher gegebenen Ab- 
bildung des Augenquerschnittes von Mysis vulgaris (Tafel X, Fig. 110) nach der oben 
beschriebenen Methode den kleinsten Sehwinkel zu messen. Die Zahl der Augenelemente beträgt 
dort 62; der Winkel, welchen die beiden äussersten jederseits noch mitgezählten Elemente 
einschliessen, beläuft sich auf 203°. _ Es erreicht folglich der kleinste Sehwinkel dieses Auges 
die bedeutende Grösse von 3° 16°. Nun vermag ferner die durch Schwimmen bewerkstelligte 
Ortsveränderung der höheren Krebse zwar längst nicht in so ausgiebiger und rascher Weise 
von der Stelle zu fördern, als die durchschnittlich so sehr gewandte Flugbewegung der Insekten; 


sie ist jedoch immerhin behende genug, um eine weiter als etwa einen halben bis höchstens 


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einen ganzen Meter weit reichende, durch den Gesichtssinn vermittelte, hinlängliche Orientirung 
als sehr wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Man wird wohl auch nicht fehlgreifen, wenn 
man, nach Analogie des Sehvorganges im Insektenauge, hier ebenso, wie dort die scheinbare 
Helligkeit der gesehenen Gegenstände als das hauptsächlichste Anzeichen und Merkmal der 
wechselnden Abstände derselben ansieht. Nun ist aber wohl zu berücksichtigen, dass das 
umgebende Medium hier nicht Luft, sondern Wasser ist und zwar an sich gefärbtes, 
in dickeren Schichten mithin, wie sie bei den in der Tiefe des Meeres lebenden Thieren 
in Betracht zu ziehen sind, das durchfallende Licht in höherem Grade absorbirendes, ausser- 
“dem wohl auch meist ziemlich stark durch in ihm suspendirte Körpertheilchen getrübtes 
Meereswasser. 

Nehmen wir nun zunächst für einen Augenblick an, im zusammengesetzten Auge der 
Krebse würden ganz ebenso, wie in demjenigen der Insekten, ausschliesslich die central ein- 
fallenden und im strengsten Sinne unter einander parallel gerichteten Lichtstrahlen percipirt, 
so hätten wir schon hierdurch allein eine Abnahme der scheinbaren Helligkeit der gesehenen 
Objecte proportional dem Quadrate der wachsenden Entfernung; hierzu kommt nun aber noch 
der Einfluss der proportional der Entfernung an Dicke zunehmenden und in gleichem Maasse 
das sie durchdringende Licht abschwächenden Wasserschicht. Alles zusammengerechnet würde 
sich demnach die wahrgenommene Lichtstärke, unter sonst gleichen Umständen, um- 
gekehrt verhalten müssen, wie der Cubus der Entfernung. Eine derartige 
Abnahme der Helligkeit wäre indessen doch wohl zu rasch, als es anzunehmen noch als 
wahrscheinlich erscheinen dürfte. Es ist vielmehr von vorne herein weit eher zu glauben, dass“ 
von den durch das Wasser hindurch wahrgenommenen Gegenständen im Allgemeinen mehr 
Licht ins Auge zugelassen werden müsse, als von den in der atmosphärischen Luft gesehenen; 
da ja im 'erstgenannten Medium durchschnittlich, besonders in grösseren Tiefen desselben, eine 
ziemlich düstere, etwa dem abendlichen Dämmerlicht vergleichbare Beleuchtung herrschen muss, 
und das Sehen in demselben demjenigen der nächtlichen Thiere wohl nicht unähnlich anzusehen 
ist, welche sich unter den Vertebraten durch weitere Oeffnung der Pupille, und unter den 
Insekten durch grössere Breite der Facettenflächen auszuzeichnen pflegen. Geben wir also, 
aus den angegebenen Gründen, dieses Mal der anderen von den beiden oben aufgestellten Hypo- 
thesen den Vorzug und denken wir uns nicht blos das central, sondern vielmehr sämmt- 
liches radial einfallende Licht als zur Perception gelangend, so ergibt sich. 
Folgendes. Die Lichtmenge, welche den kegelförmigen ein jedes Retinaelement erreichenden 


Strahlenbüschel bildet, würde zwar an sich für alle beliebigen Distanzen des Objectes den 


— 18 — 


gleichen Werth haben; allein bei dem Durchgang durch die getrübten und schwach gefärbten 
Wassermassen wird sie nothwendig der Entfernung proportional durch Absorption mehr und 
mehr vermindert werden. Wir haben also hier etwas der sogenannten Luftperspective 
ganz Aehnliches im Kleinen ; und es ist auf diese Weise auch hier ein genauer Maassstab der 
Abstände der gesehenen Objecte vorhanden, ähnlich wie bei den Insekten, aber, aufs Schönste 
dem weniger gewandten Lokomotionsvermögen der Crustaceen entsprechend, von viel geringerer 
Schärfe und Feinheit, als dort. Bei jenen nämlich verhält sich die scheinbare Helligkeit dem 
Quadrat der Entfernung, hier dagegen nur der ersten Potenz der Entfernung selbst umgekehrt 
proportional. 

Wir. dürfen wohl erwarten, dass die etwas abgeänderte Funktionsweise des Seh- 
organes sich in wenn auch. nur geringen Abweichungen des Baues und der Ausbildung der 
einzelnen jenes wesentlich zusammensetzenden Apparate darstellen werde und sich hieraus 
gleichsam ablesen lassen könne; dass sich, bestimmter ausgedrückt, gewisse Einrichtungen finden 
müssen, die sich in der Art müssen deuten lassen können und richtig allein so gedeutet werden 
dürfen, dass unter Berücksichtigung ihrer Mitwirkung die vom Insektenauge percipirte Licht- 
menge, der Beschaffenheit des umgebenden, in ungleich höherem Grade lichtdurchlässigeren 
Mediums entsprechend, als an sich selbst einen geringeren Betrag erreichend erscheinen muss, 
als die das Crustaceenauge erregende. Nun sind bei den Insekten ganz allgemein die Facetten- 
oberflächen, bald auf beiden Seiten, bald nur auf der einen, mehr oder minder stark vorge- 
wölbt; bei den Crustaceen hingegen finden sich vorwiegend zusammengesetzte Augen entweder 
mit ganz glatter Hornhaut, oder nur schwach angedeuteter Facettirung und mit blos ganz 
unbedeutend über das Maass der durch die Augenrundung im Ganzen schon vorgezeichneten 
Krümmung noch hinausgehenden Facettenwölbung. Dass die im einen Falle sphärisch gekrümmte, 
im andern fast ebene Begrenzung der ziemlich stark lichtbrechenden Corneafacetten auf den 
Gang der einfallenden Lichtstrahlen einen wesentlich mitbestimmenden Einfluss ausüben muss, 
versteht sich wohl von selbst. Wie ungereimt wäre es jedoch, wenn man sich das Ergebniss 
dieser Einwirkung in der Art vorstellen wollte, dass man sagte: die Lichtbrechung in den 
zahllosen kleinen die Oberfläche des Insektenauges zusammensetzenden Cornealinsen dient zur 
Erhöhung der Helligkeit; bei den Crustaceen hingegen sind lichtbrechende Apparate überhaupt 
nicht oder kaum vorhanden, es ist also hier auch keine Vermehrung der Lichtstärke mit Hilfe 
der Lichtbrechung denkbar. Denn bedürfen nicht gerade umgekehrt die letzteren, in einem 
weit stärker absorbirenden Medium und an ohnehin schon sehr düsteren Orten lebend, zum 


deutlichen Sehen einer grösseren Menge von wirksamen Strahlen? Alles ist dagegen einfach 


= El — 


verständlich und die Uebereinstimmung zwischen dem Baue des Sehorgans und den äusseren 
Lebensverhältnissen erscheint aufs Beste hergestellt, wenn wir annehmen, im Auge der Insekten 
spiele die Lichtbrechung zwar eine grosse und wichtige Rolle, allein sie diene fast ausschliesslich 
zur Verminderung des die Aussenfläche des Organes treffenden Lichtes, zur Sonderung der 
zahlreichen schädlichen von den wenigen brauchbaren Strahlen; im Crustaceenauge dagegen 
spiele sie überhaupt gar keine Rolle, es würden demnach hier keine Strahlen ausgeschieden 
(wenigstens nicht in dem ausgedehnten Maasse, wie dort), sondern sämmtliche radial und 
zugleich senkrecht (wie es ja auf allen Stellen der einfach kugelförmig gekrümmten Hornhaut 
immer Beides zugleich der Fall sein muss) einfallende Strahlen würden zur Perception 
zugelassen. — Wenn auch die wasserbewohnenden und rasch schwimmenden Insekten (wie z. B. 
Naucoris, Ranatra und Andere) stark gewölbte Facetten besitzen !), so ist doch dieser scheinbare 
Widerspruch gegen die obige Auseinandersetzung nicht von grosser Bedeutung; es beweist 
eben nur, dass die genannten Insekten dem Wasserleben weniger gut angepasst sind, als die 
Crustaceen. Ueberdies leben jene auch niemals in solchen finsteren Tiefen, wie die letzteren, 
sondern nur in ganz seichten Gewässern, bis auf deren Grund das helle Tageslicht fast 
ungeschwächt vordringen kann. 

Um nun im Einzelnen zeigen zu können, wie die Lichtbrechung an den gewölbten 
Facettenoberflächen des zusammengesetzten Auges der Insekten im angedeuteten Sinne, nämlich 
lichtsondernd und die Helligkeit vermindernd, in den Verlauf der Strahlen einzugreifen ver- 
mag, müssen wir eine einfache und wahrscheinliche Hypothese machen, welche so lautet: Der 
Brennpunkt der lichtbrechenden Apparate (nämlich Cornealinsen und Krystallkörper) befindet 
sich jederzeit eine kleine Strecke vor der nach aussen zu gelegenen Endigung der Retinula. 
Ich weiss übrigens kaum, ob' dieser Satz strenggenommen eine Hypothese genannt zu werden 
braucht. Es ist nämlich ganz zu Anfang dieser Abhandlung der Experimente, durch 
welche man den Ort der Bildentstehung im Facettenauge festzustellen sich bemühte und 
der schlecht mit einander in Einklang stelienden Resultate der einzelnen unter diesen schwie- 
rigen Untersuchungen gedacht worden, Ein Theil dieser Ergebnisse, diejenigen nämlich der 
an »verschiedenen Dämmerungs- und Nathtfaltern«, also an einer Mehrzahl von hierher- 
gehörigen Thieren von einem so anerkannt zuverlässigen und geübten Beobachter, wie Grenacher 
angestellten Versuche, passt vortrefflich zu den hier vorgetragenen theoretischen Sätzen; denn, 
wie man sich vielleicht erinnern wird, konnte der ebengenannte Forscher in der Gegend der 


Spitze der Krystallkegel keine Spur von dem umgekehrten dioptrischen Bilächen bemerken und 


!) Was näher zu untersuchen ich keine Gelegenheit hatte, was indessen gar nicht unwahrscheinlich ist. 


— 120 — 


“ 


erst tief im Innern des Kegels kam dasselbe allmählich mehr und mehr deutlich zum Vor- 
schein. Ich wüsste aber nicht, warum die theoretische Bearbeitung sich nicht diejenigen von 
den, mit einander doch in keinem Falle ganz zu vereinenden Berichten des Beobachtungs- 
befundes zu Nutzen machen und einstweilen als die der Wahrheit am nächsten kommenden 
betrachten sollte, welche, als thatsächlich richtig vorausgesetzt, auf vieles sonst ganz unver- 
ständlich Erscheinende ein helles Licht zu werfen geeignet sind; und zumal dann, wenn die 
für den uns gegenwärtig beschäftigenden Zweck brauchbaren Fälle die Mehrzahl unter den 
wenigen überhaupt näher geprüften ‚bilden. = 

Setzen wir also als thatsächlich gegeben voraus, dass der Brennpunkt des lichtbrechenden 
Systems vor der pereipirenden Schicht gelegen ist, so ist klar, dass von den in Bezug auf die 
Augenkugel annähernd radial gerichteten und unter einander parallelen oder convergirenden 
die Oberfläche der Hornhautfacette treffenden Lichtstrahlen kaum viel mehr die Retinula erreichen 
kann, als die central und senkrecht einfallenden ungebrochen durchtretenden Strahlen. Nun 
sind aber schon die in verhältnissmässig geringen Abständen, nämlich in solchen, welche nicht 
mehr als einen gewissen Bruchtheil eines Meters betragen, von einem und demselben leuch- 
tenden Punkte ausgehenden Strahlen bei der geringen Flächenausdehnung der Corneafacetten 
insofern als parallel zu betrachten, dass man annehmen darf, sie würden durch die Licht- 
brechung wenigstens ganz in der Nähe des Brennpunktes des dioptrischen Apparates wieder 
in einen Punkt vereinigt; und nachdem sie sich hier durchkreuzt, müssen sie in ihrem weiteren 
Verlaufe auf die pigmentirten Seitenflächen der Krystallkörper treffen, um dort absorbirt zu 
werden. Ein bedeutsamer Unterschied besteht nun, in Bezug auf die Feinheit und Bestimmt- 
heit der zur Beurtheilung der wechselnden Abstände der geschenen Öbjecte gleichsam als 
Merkmal dienenden Abstufungen der scheinbaren Helligkeit, je nach den Dimensionen und der 
Gestalt des Krystallkörpers (gleichviel übrigens ob dieser als Krystallzellen-Complex oder als 
Krystallkegel vorhanden ist). Die schädlichen Strahlen, von welchen ein Minimum viel- 
leicht in keinem Falle ganz auszuschliessen möglich ist, dürften nämlich hauptsächlich davon 
herrühren, (soweit ich die Sache zu übersehen vermag), dass von nicht genau in der Ver- 
längerung der optischen Axe eines Augenelementes, sondern etwas seitwärts davon gelegenen 
Punkten ausgehende und als untereinander ungefähr parallel gerichtet anzusehende Strahlen 
durch die Brechung so abgelenkt werden, dass nach der Vereinigung im Brennpunkt ein Theil 
der gebrochenen Lichtstrahlen seinen Gang etwa parallel der optischen Axe fortsetzt; es wird 
aber ein solcher Strahl nicht genau in der Axe selbst enthalten sein können, sowenig als sein 


Ausgangspunkt in deren Verlängerung liegt; er wird vielmehr gleichfalls ein wenig seitlich und 


hass ii A 


a, An ne Zst ni a il go Zn 


— 121 — 


Letzterem schräg gegenüber verlaufen. Wenn nun das Innerende des Krystallkörpers sehr 
schlank ist und in eine feine Spitze ausläuft, so vermögen derartige schädliche Strahlen den 
von Pigment freien und dem Licht ungehinderten Durchtritt verstattenden Punkt nicht zu treffen 
und werden von den convergirenden Seitenwänden des Kegels zum allergrössten Theile 
wenigstens noch aufgefangen und entweder sogleich von dem dunklen Pigmente absorbirt oder 
zuvor noch nach der gegenüberliegenden Seitenfläche reflectirt. Alsdann ist der in der schein- 
baren Helligkeit der gesehenen Gegenstände gegebene Orientirungsmassstab in aller Reinheit 
_ vorhanden. Endigt hingegen der Krystallkörper nach Innen breit und stumpf, so tritt ein 
gewisser Antheil der nach der bezeichneten Richtung zu gebrochenen Strahlen zur Retinula 
hindurch und es ist in Folge hiervon, wenn wir die bei einem Abstande des gesehenen Ob- 
jeetes vom Auge = 1 Meter ungebrochen einfallende Strahlenmenge n, die Gesammtheit der 


schädlichen Strahlen dagegen a nennen, die den Entfernungen von 1, 2, 3 u. s. w. Metern 


n 
— u. Ss. f., sondern 


entsprechende Lichtmenge nicht, wie oben angegeben wurde, gleich n, 7 9 


gleich n + a; 7 +.a; 5 + au. s. w. Es ist nämlich die Anzahl der schädlichen Strahlen, 


von der Grenze ab, von welcher an die von einem und demselben Punkte ausgehenden Strahlen 
als parallel betrachtet werden dürfen, für alle Distanzen etwa die gleiche,. wie weiter auszuführen 
wohl nicht erforderlich ist. So lange nun a im Verhältniss zu n, getheilt durch das Quadrat 
der Entfernung, hinlänglich klein ist, wird sein störender Einfluss nicht allzu erheblich sein; es 
wird aber a im einzelnen Falle durch eine um so kleinere Zahl auszudrücken sein, je länger 
und schmäler der Krystallkörper und je weniger umfangreich der Querschnitt seiner inneren 
Endigung ist.-. Am geeignetsten möchte sich im Allgemeinen wohl eine etwa birnförmige Ge- 


stalt des Krystallkörpers erweisen. Die untere Grenze der überhaupt wahrgenommenen Hellig- 
keit ferner wird in dem Falle, dass a nicht fast verschwindend klein ist, nicht gleich = oder 


gleich der völligen Dunkelheit sein können, sondern diese Grenze wird alsdann durch a oder 
die Menge der schädlichen Strahlen selbst dargestellt werden. 

Es bleibt noch übrig, Einiges über die divergirend auf die Oberflächen der Cor- 
neafacetten auffallenden Strahlen zu sagen. Hier muss natürlich die Lichtbrechung helligkeits- 
vermehrend wirken, da der Vereinigungspunkt der abgelenkten Strahlen um so weiter von dem 
lichtbrechenden Apparat entfernt liegt, je stärker die Strahlen vor der Brechung divergirten, 
oder je näher am Auge sich der gesehene Gegenstand befindet. Es muss also von einem 


gewissen Abstand des Letzteren an und für alle geringeren Distanzen desselben die Vereinigung 
Abhandl. d, Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 16 


— 12 — 


der gebrochenen Strahlen erst auf der Oberfläche der Retinula oder sogar ein wenig unterhalb 
derselben stattfinden. Wie wir übrigens oben schon gesehen haben, beträgt der Abstand, bei 
welchem die von einem Punkte des Objects ausgehenden Strahlen bereits in Bezug auf die. 
Richtungsveränderung in Folge der Lichtbrechung als parallel angesehen werden dürfen, einen 
sewissen Bruchtheil eines Meters; und es kann mithin die Lichtbrechung nur in geringeren 
Distanzen die Helligkeit des wahrgenommenen Objectes etwas erhöhen. Es zeigt sich dem- 
nach ein merkwürdiger Zusammenhang, der wohl geeignet ist, die Richtigkeit der dargelegten 
Sätze zu bestätigen, zwischen den annähernd gleichen Dimensionen desjenigen Umkreises, inner- 
halb dessen die gesehenen Objecte mit Hilfe der Lichtbrechung in stärkerer Beleuchtung 
erscheinen, und des anderen, bis zu dessen Grenzen sich das Vermögen des Facettenauges 
deutlich wahrzunehmen, höchstens erstrecken kann. Es muss mithin scheinen, als ob die 
Fähigkeit des zusammengesetzten Auges, die Gestalten der gesehenen Dinge mit Bestimmtheit 
zu erkennen und wiederzuerkennen auf die kleine Strecke hin, innerhalb deren diese Leistung 
als jenem Organ zukommend angesehen werden darf, durch eine bedeutend vermehrte schein- 
bare Helligkeit unterstützt werden solle. 

Auf Tafel II, Fig. 3 bis 7 ist unter Benützung einiger dem Werke Grenacher’s 
(Taf. VIII, Fig. 63 und 71, Taf. XI, Fig. 117) entlehnter und blos in den Umrissen wieder- 
gegebener Abbildungen von Augenelementen der Verlauf der Strahlen, wie er den vorgetragenen 
Sätzen zu Folge etwa zu denken wäre, nur beiläufig und ohne Anspruch auf ganz exacte 
Uebereinstimmung mit der Wirklichkeit zu machen, dargestellt worden. Es gehört Fig. 3 den Auge 
von Palaemon sqwilla an und zeigt, wie auf jede einzelne Retinula im Sehorgan der Crustaceen 
ohne wesentliche Mitwirkung der Lichtbrechung ein ganzer Strahlenkegel auftrifft. Für die 
Darstellung des Verlaufes der in das zusammengesetzte Auge der Insekten eindringenden Licht- 
strahlen würde ich mich am liebsten der Augenelemente von Dämmerungs- oder Nachtschmetter- 
lingen bedient haben; da indessen in Grenacher’s Werk keine solchen vollständig abgebildet 
sind, so musste hierauf verzichtet werden. Gleichwohl aber war die Annahme aufrecht zu 
erhalten, dass der Brennpunkt des lichtbrechenden Systems tief im Innern des Crystallkörpers 
gelegen sei. — Fig. 4, 5 und 7 sind dem Auge von Apis mellifica, Fig. 6 demjenigen von 
Musca vomitoria entnommen. Fig. 4 soll den Verlauf der der optischen Axe des Augen- 
elementes parallel einfallenden Strahlen versinnlichen und deutlich machen, wie blos ein Kleiner 
ungebrochen durchgehender Theil derselben die Retinula zu erreichen vermag; das Gleiche 
würde mit convergirenden Strahlen der Fall sein. In den Fig. 5 und 6 sehen wir den Gang 


der schräg einfallenden Strahlen dargestellt. Bei Musca vomitoria vermögen die beiden mit 


— 123 — 


m und n bezeichneten Strahlen, und ebenso natürlich alle zwischen ihnen etwa in der gleichen 
Richtung verlaufenden das stumpfe, breite, durchsichtige Innerende des Krystallkörpers zu 
durchdringen; bei Apis hingegen wird dies durch den geringen Querschnitt der feinen Kegel- 
spitze verhindert, es werden die mit m und » bezeichneten Lichtstrahlen vielmehr auf die in 
der Zeichnung angegebene Weise durch die dunkel pigmentirten Seitenwände des Kegels auf- 
gefangen, und es vermöchte höchstens ein minimaler Antheil von den zwischen jenen beiden 
vorhandenen und ihnen parallelen Strahlen zu den inneren lichtempfindlichen Theilen des 
Augenelementes vorzudringen. Fig. 7 endlich erläutert den Gang der divergirend die 
Corneafacette treffenden Strahlen, von welchen mit Hilfe der Lichtbrechung eine bedeutendere 
Menge auf die Retinula geworfen wird. 

So einfach und wahrscheinlich übrigens auch die oben aufgestellte Hypothese über 
den Gang der Lichtstrahlen im Facettenauge ist, so nahe sie sich den Thatsachen anschliesst 
und so vieles sonst Unbegreifliche sie auch zu erklären im Stande ist: man darf gleichwohl 
nicht vergessen, dass sie nichts mehr als eine, allerdings sehr einleuchtende Annahme ist. Es 
ist deshalb recht wohl möglich, dass sie vielleicht nur als der erste Schritt auf dem zur 
näheren Erläuterung des Sehvorganges im Facettenauge einzuschlagenden Wege betrachtet 
werden darf, und dass der Verlauf der wirksamen Strahlen sehr viel verwickelter und mannich- 
faltiger ist und weniger einfachen und übersichtlichen Gesetzen gehorcht, als oben angenommen 
wurde. Hingegen ist wohl mit ausreichender Strenge, — soweit dies eben in solchen Dingen 
möglich ist und billiger Weise verlangt werden kann, — bewiesen worden, und darf demnach 
als feststehend betrachtet werden, dass das Facettenauge wesentlich nicht zum Erkennen und 
Wiedererkennen der Gegenstände, sondern vielmehr als Leiter der die Ortsveränderung 
bezweckenden Bewegungen dient und ferner, dass das Merkmal der wechselnden Distanzen in 
der jedesmal wahrgenommenen scheinbaren Helligkeit der gesehenen Objecte enthalten ist, 
welche zufolge ihrer verhältnissmässig raschen Abstufung einen sehr brauchbaren Maassstab 


zur Beurtheilung der Entfernungen abzugeben vermag. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Tafelerklärung. 


Tafel I. 


1-5. Zur Erläuterung der Herstellung der Netzhautbilder im zusammengesetzten Auge. 


6a. 


6b. 


Ein Stück des Fiederblattes von Ailanthus glandulosa. 
Netzhautbild desselben, construirt unter der (auch für alle folgenden Abbildungen geltenden) Voraus- 
setzung, dass der Abstand zwischen Object und Sehorgan etwas weniger als einen Meter beträgt. 


7, a. u. b. Blatt von Sorbus aucuparia und Netzhautbild desselben. 


Tafel II. 
u. b. Theil eines Blattes von Aesculus Hippocastanum und Retinabild desselben. 


l, a 
2, a u. b. Blatt von Ampelopsis hederacea und Retinabild. 
37. 


u Cr 


Veranschaulichung des Strahlenverlaufes im Innern der einzelnen Elemente des Facettenauges 
(mit Benutzung von Grenacher’s Zeichnungen). 


Tafel III. 
Blatt von Acer Pseudoplatanus. 
Blatt von Platanus orientalis. 
Netzhautbilder der genannten beiden Blätter. 
Gestalt und Grösse der Elementarsehfelder von Apis mellifica bei einem Abstand von 1 Meter. 
Desgl. v. Tabanus bovinus. 


6, a u. b. Schematisirte Blumenkrone und Retinabild ders. im Auge der Honigbiene. 


7, a u. b. desgl. von Tabanus. 


Seite 
Einleitung: Rückblick auf den Streit über die Theorie vom musivischen Sehen. 
Sehschärfe des zusammengesetzten Auges . . . a BER EBD 2 BR ST) 
Definition der Begriffe »kleinster Sehwinkel« und sElementarsehfelds u jwellrstga Kechphmegen Kia - Torte 
Berechnung der Ausdehnung der Elementarsehfelder für bestimmte Entfernungen . . » 2 2 .2...2.%4 
Messung?/deskleinsten"Schwinkelsirn. u ee 
Messung,.der. Hacettenbreite,.. wi... Ist sehe weh aan lın u une Isle seinyehr are er ee 
Eeststellung des: Augenhalbmessers. 0 2 
Berechnung des kleinsten Sehwinkels. . . . er Ran kr FE 0 
Vergleichung der Leistungen des Taccstenau ne mit eldehen ie menschlichen oce : ya seloiik 61162 
Bildliche Veranschaulichung der Resultate dieser Vergleichung . . 2: 2 2 2 nn nn nn nn. 69 
VerzerzungentderRetinabilderwnn 2 eu SE oe Sr 06 
Locomotionsvermögen der Insekten . . 2». 2... SE RE 7) 
Schwierigkeiten, die Fluggewandtheit der Insekten mit ihrer geringen Sehschärfe : zusammenzureimen . . 81 
Exner's Annahme der Bewegungsempfindlichkeit des zusammengesetzten Auges. » » 2 2 2.2......87 
Ausweg aus den erörterten Schwierigkeiten durch strengere Fassung der Theorie . . . 2 2....9 
Verhalten des Insektenauges zum direeten Sonnenlicht . . 2 2 2m nn men nn nn 98 
Nähere Erläuterung der Ftinetionsweise des Facettenauges . » » 2 22 2m nn nn nn nn 104 
Das zusammengesetzte Auge dient nicht zum Erkennen, sondern zum Orienurenae 108 


Vergleichung des zusammengesetzten Auges der Insekten mit demjenigen der Crüstacan . . . . . . 116 


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Ueber den Bau des Gastrodiscus polymastos Leuckart. 


Von 


Carl von Lejtenyi, 


Professor an der landwirthschaftlichen Akademie zu Kaschau. 


Einleitung. 

Bei Gelegenheit der im Jahre 1376 in Aegypten unter den Pferden grassirenden Seuche 
wurde von dem bekannten Helminthologen Dr. Sonsino, damals in Zagazzi bei Zuez, in zweien 
dieser Thiere ein bis dahin unbekannter Trematode von ungewöhnlicher Form aufgefunden. 
Beide Male waren es Pferde im Privatbesitz, in Acgypten gezüchtet, welche in ihrem Dick- 
darm den Wurm beherbergten. Obwohl das eine der Pferde mehr als. hundert Exemplare 
aufwies — das andere Mal fanden sich deren nur sechs — liess sich in der Beschaffenheit des 
Darmes keinerlei Abnormität erkennen. [Sonsino an the Entozoe of the horse in relation 
to the late aegyptian equine plage. Veterinarian, March 1877.] 

Sonsino, der den Wurm als neu erkannte, glaubte denselben am besten dem Genus 
Hemistoma (Diplostoma Nordmann) zurechnen zu dürfen. Cobbold, dem Sonsino einige 
Exemplare seines Wurmes übermittelte, war der gleichen Meinung und schlug für den neuen 
Parasiten die Bezeichnung Diplostoma Aegyptiacum vor,!) während von Siebold?) darin eine 
von Diesing?) als Cotylegaster cochleariformis beschriebene und später in Aspidocotylus muta- 
bilis umgetaufte Art, eine Form welche von Natterer *) in dem Darme eines ‘brasilianischen 
Fisches (Cichla) aufgefunden war, wieder zu erkennen glaubte. 

Im Gegensatze zu dieser Auffassung sprach Leuckart, dem der Wurm gleichfalls von 


Sonsino übersendet worden war, gegen diesen brieflich (vergl. Cobbold, Deseription of the new 


1) Vergl. Cobbold, Veterinarian 1877, April. 
2) Helmintholog. Beitr. Arch. f. Naturg. Bd. 1. 
®) Vergl. Diesing: Annalen des Wiener Museums der Naturg. II. p. 234. 


*) Natterer, Revision der Myzhelminthen 1858, p. 568. 
Abhandl. d, Senckenb. naturf. Ges. Bd. XIT. 17 


— 126 — 


equine fluke. Veterinarian April 1877) seine Ueberzeugung aus, dass derselbe der Gruppe des 
Genus Amphistoma zugehöre, jedoch wegen der eigenthümlichen löffelförmigen Bildung des 
Hinterleibes und der Anwesenheit zahlreicher der concaven Fläche desselben aufsitzenden Saug- 
näpfchen als Repräsentant eines besonderen Genus zu betrachten sei, für das er den Namen 
Gastrodiscus vorschlug. 

Die Angaben Leuckart’s stützen sich auf eine anatomische Untersuchung des Wurmes, 
die keinen Zweifel liess, dass Sonsino und Cobbold den cylindrischen Kopfzapfen irrthümlicher 
Weise als Hinterleibsende, den Endsaugnapf aber als Mund gedeutet hatten. Cobbold 
hat sich später‘ (a. a. O.) der Auffassung Leuckart’s angeschlossen und den betreffenden 
Wurm (Gastrodiscus polymastos Leuckart) unter dem Namen Gastrodiscus Sonsinoi in Kürze 
beschrieben. Durch die Freundlichkeit meines hochverehrten Lehrers des Geheimen Hofrathes 
Professors Dr. Rudolf Leuckart war ich nun in die glückliche Lage versetzt, eine genauere 
Untersuchung dieses Trematoden vornehmen zu können. : 

Für die Anregung und stetige Unterstützung, die mir derselbe bei diesen. meinen Unter- 
suchungen zu Theil werden liess, sage ich ihm meinen aufrichtigen Dank. 

Die mir zu Gebote stehenden in Alkohol conservirten Exemplare von Gastrodiscus hatten 


bereits eine längere Zeit darin gelegen und waren dadurch für die bei vielen Helminthen mit 


überaus günstigem Erfolge angewendete Färbung und Aufhellung in toto unbrauchbar geworden. _ 


Ich war daher genöthigt, vermittelst des Microtomes Quer- Längs- und Flächenschnitte 
anzufertigen und diese dann den bekannten Färbungs- und Aufhellungsmethoden zu unter- 
werfen. 

Als Färbemittel bediente ich mich ausschliesslich des Picrocarmins, da dieses Reagens die 
besten Resultate lieferte. Durch eine Combination der so gewonnenen Schnitte trachtete ich 
einen möglichst vollständigen Einblick in die Lagenverhältnisse und Structur der Organsysteine 
zu erlangen. 

Gastrodiscus polymastos oder, wie Cobbold will, Sonsinoi, gehört in der That, wie 
Leuckart richtig erkannte, in die Familie der Amphistomeen. Mit Cotylogaster und Aspido- 
cotylus hat derselbe höchstens eine entfernte Formähnlichkeit gemein. 

Schon die Anwesenheit eines Endnapfes macht eine Zusammenstellung damit unmöglich, 
von Eigenthümlichkeiten des anatomischen Baues und des Vorkommens ganz zu geschweigen. 

Als wahre Amphistomee besitzt Gastrodiscus zwei Saugnäpfe, von denen der Mundsaugnapf 
vorn an dem ventralen Ende des Kopfzapfens, der Bauchsaugnapf jedoch am hinteren Körper- 


ende gelegen ist. (Taf. I. Fig. 2, 0, b) — Wenn auch in dieser Hinsicht unser Wurm mit 


} . Y 
ai Ste nen db lan En al ml nnbr zia) 9 un  nur m u. 


n Yadıs Air Ah ar he a u a lan. 


— 17 — 


Amphistomum völlig übereinstimmt, so erscheint er doch dadurch in eigenthümlicher und un- 
gewöhnlicher Weise modificirt, dass der grösste Theil des Körpers von der Geschlechtsöffnung 
an (Taf. I. Fig. 2, C) sich nicht blos scheibenförmig, oder genauer gesagt löffelförmig, aus- 
breitet, sondern auch an seiner concaven Bauchfläche mit gegen 200 dicht nebeneinander- 
stehenden Saugnäpfen oder Zäpfchen besetzt ist. (Taf. I. Fig. 1, d.) Diese Bildung rechtfertigt 
die Aufstellung des Genus Gastrodiscus, die selbst dadurch keineswegs hinfällig wird, dass — 
wie Diesing’s bekannte Monographie über » Amphistomum« in den Annalen des Wiener Museums 
Bd. I. erkennen lässt — auch schon unter den Amphistomeen Formen vorkommen, welche mehr 


oder minder ausgeprägt die charakteristischen Merkmale unseres Parasiten zur Schau tragen. 


Körperform. 

Der Körper des völlig ausgewachsenen Thieres, dessen Totallänge 12—15 mm bei einer 
Maximalbreite von 7—-9 mm beträgt, erscheint seiner Hauptmasse nach als eine längliche 
Scheibe von löffelförmiger Gestaltung. Vorn trägt derselbe einen 3—4 mm langen und 1'. mm 
breiten cylindrischen Zapfen, der sich nach vorn allmählich etwas verjüngt und am äussersten 
Ende den rundlichen bauchständigen Mundsaugnapf trägt, an der convexen Rückenfläche jedoch 
continuirlich in die scheibenförmige Leibmasse übergeht. 

Die Seitenränder der Scheibe sind nach dem Bauche zu umgebogen; am äussersten Ende 
der Bauchfläche nimmt man einen durch seine Grösse scharf gegen die Saugnäpfchen sich ab- 
setzenden runden Bauchnapf wahr (Taf. I. Fig. 2, b.). 

Die Rückenfläche zeigt, mit freiem Auge betrachtet, eine glatte Beschaffenheit, ohne 
Spitzen, Stacheln oder andere Unebenheiten. Erst bei stärkerer Vergrösserung (Hartnak, 
Syst. 2, Oc. 1) erkennt man zahlreiche Poren, die ohne jegliche symmetrische Anordnung über 
dieselbe vertheilt sind. Ob dieselben mit Hautdrüsen, wie sie von Blumberg') und von anderen 
Forschern bei Distomum haematobium, Polystomum integerrimum, und Amphistomum conicum 
beschrieben worden sind, in Verbindung stehen, konnte ich nicht ermitteln, obwohl ich die 
feinsten Schnitte mit 600—800facher Vergrösserung systematisch untersuchte. 

Der Kopfzapfen scheint bei oberflächlicher Betrachtung wie aus einzelnen Ringen zusammen- 
gesetzt, doch erweisen sich diese bei genauerer Untersuchung als Hautfalten, die sich vermuthlich 


infolge der Conservirung in Alkohol gebildet haben. 


!) Blumberg Constantin; über den Bau des Amphistoma conicum. Dorpat. Inaugural-Dissertation 1871. p.16. 


— 128 — 


Der die concave Bauchfläche allseits umfassende kragenartige Wulst ist, wie schon 
oben erwähnt, nichts anderes als der umgebogene Seitenrand der Körperscheibe. Die Um- 
krempelung desselben zeigt bei den einzelnen Exemplaren sehr verschiedene Grade, so dass 
man wohl annehmen darf — und das wird auch durch die Anordnung der Muskulatur voll- 
koınmen bestätigt — dass das Thier die Fähigkeit habe, denselben während des Lebens je 
nach den Umständen mehr oder minder vollständig auszubreiten und abzuflachen. 

An der Stelle, wo der untere Theil des Kopfzapfens mit dem Körper auf der Bauchseite 
zusammenstösst, ‘bildet dieser Randwulst eine kleine Erhöhung, auf der die männliche und 
weibliche Geschlechtsöffnung sich befindet (Taf. I. Fig. 2, c.). 

Ebenso schiebt sich am hinteren Körperende der grosse Bauchsaugnapf in den Bauch- 
wulst ein, und zwar derart, dass er an seinem hinteren Rande continuirlich in den Wulst 
übergeht, an seinem vorderen (dem Kopfe zugekehrten) dagegen sich ein wenig über die 
Bauchfläche erhebt (Taf. I. Fig. 2, b). An diesem vordern Rande mündet auch das Excretions- 
gefässsystem mit einem kleinen Porus nach aussen. 

Auf die überaus merkwürdige und schon dem unbewaffneten Auge kenntliche Configuration 
der Bauchfläche ist bereits oben hingewiesen worden, insofern die hier dicht gedrängt stehenden 
zahlreichen Saugnäpfchen das wichtigste und charakteristischste Merkmal für unseren Parasiten 
abgeben. Sie erscheinen als rundliche Näpfe oder Zäpfehen, welche bei einer Höhe und Breite 
von circa 0,5 mm der Bauchfläche ein fast facettenartiges Aussehen verleihen. (Taf. I. Fig. 2, b.) 
Auf die Bedeutung dieser Saugnäpfchen werde ich im Verlaufe meiner Arbeit noch eingehender 


zu sprechen kommen. 


Haut, Hautmuseulatur und Körperparenchyem. 


a 


Die Oberhaut besteht aus zwei übereinander liegenden Schichten von ziemlich gleicher 
Dicke (Taf. I. Fig. 3, a, b), aus einer Cuticula und der sie erzeugenden Matrix (cuticularen 
und subeuticularen Schichte). Die obere zeigt hie und da eine feine concentrische Streifung, 
die jedoch nur an manchen Körperstellen prägnant hervortritt, erscheint aber meistens als 
eine homogene Lage von 0,004 bis 0,006 mm Dicke, die sich etwas weniger intensiv färbt als 
die tieferen Schichten und auch ein stärkeres Lichtbrechungsvermögen besitzt. 

Die hierauf folgende tiefere (subcuticulare) Schichte ist 0,003 bis- 0,008 mm stark und 
stets etwas schwächer gefärbt; unter starker Vergrösserung (Hartnack. Oc. III. Syst. 7) zeigt 
sie eine schwache Querstreifung. Ich halte diese Lage für die Matrix der äusseren Quticula, 


in sofern ich mich nach Anwendung von Imersionsystemen davon überzeugt zu haben glaube, 


—:129 — 


dass die ebenerwähnten Querstreifen die Grenzen cylindrischer Zellen repräsentiren. Eine 
ähnliche Beschaffenheit der Cuticula und Subeuticularschichte wurde auch bei Amphistoma 
conicum') beobachtet. Bei Amphistoma subelavatum ist nach Walter) die Cuticula structurlos, 
während die Subeutieularschichte fein granulirt erscheint; analoge Verhältnisse lässt nach 
Walter?) Distomum hepaticum und Distomum lanceolatum erkennen, bei welch’ ersterem übrigens 
nach Leuckartt) die Cuticula mit kleinen chitinartigen Wärzchen, Schüppchen und Stacheln 
besetzt ist. Auf die Subeuticularschichte folgt der Hautmuskelschlauch mit der zu oberst 
gelegenen Ringmuskelschichte (Taf. I. Fig. 2, 3, 4, 5, Rm), 

Diese Ringmuskulatur besteht aus Bündeln von je 8—12 (0,001 mm breiten) Fasern. 
Wenngleich dieselben der Hauptmasse nach ringförmig verlaufen, so trifft man doch einzelne 
Bündel an, welche seitlich divergiren, um mit den tiefer liegenden Fasersystemen in Commu- 
nication zu treten. (Taf. I, Fig. 4, 6 Mf, n). 

An die Ringmuskulatur schliesst sich zunächst die Längsmuskulatur in Gestalt 
von strangförmigen Muskelbündeln an, welche in verschieden grossen Abständen neben ein- 
ander hinziehen, ohne jedoch gleichmässig über den ganzen Körper vertheilt zu sein. Wie 
man an Querschnitten sehr deutlich beobachten kann, sind dieselben an den Seitenrändern des 
Kopfzapfens und in den Randwülsten der Körperscheibe am dichtesten gedrängt. Weniger 
entwickelt ist die Längsmuskulatur an der Bauchfläche und am schwächsten erweist sie sich 
auf dem Rücken. 

Ueberall aber sieht man einzelne Stränge aus der geraden Richtung abbiegen, um 
mit den Bündeln der Ringmuskulatur zu einem überraschend schönen Gitterwerke zusammen- 
zutreten (Taf. I, Fig. 4, Mf, n). 

Die einzelnen Längsmuskelstämme bestehen aus einer grösseren oder geringeren Menge 
drehrunder Fasern, welche jedoch an manchen Stellen — so in den Wülsten und Uebergängen 
zu denselben — auch platt gedrückt erscheinen. Die stärkeren aus meist 10—16 parallel 
neben einander hinziehenden Fasern gebildeten Bündel messen etwa 0,013 mm im Durch- 
messer, während die schwächsten einen Durchmesser von nur 0,004 mm besitzen. 

Die einzelnen Muskelfasern zeigen sich in diesen Strängen auf Querschnitten als kleine 
gleichmässig gefärbte und lichtbrechende Punkte von 0,001 mm Durchmesser. 

‘) Blumberg, Constantin, Anatomie von Amphistoma conicum p. 15. 

®) Walter, Georg, Beiträge zur Anat. und Histiologie einzelner Trematoden. Archiv für Natur- 
geschichte. XXIV. Jahrg. 1858 p. 270. 


®) Ebendaselbst p. 270. 
*) Leuckart, Rudolf, Die menschlichen Parasiten. I. p. 455. 


— 130 — 


Die Diagonalmuskulatur (Taf. I, Fig, 4 Dgm) besteht aus zwei sich kreuzenden 
Systemen, deren jedes aus in gleichen Abständen sich folgenden Strängen gebildet ist. Die 
Breite der einzelnen Stränge variirt sehr und beträgt 0,004—0,009 mm. Diese von mir 
hier geschilderte Muskelschichte scheint mit der von Anton Schneider !) beschriebenen 
identisch zu sein. Auch die von ihm in der Haut und Körpermuskulatur von Zirudo medici- . 
nalis beschriebenen Sagittalfasern sind bei meinem Parasiten vorhanden. 

Die tiefsten Lagen des Hautmuskelschlauches setzen sich aus einer schwächeren Längs- 
muskelschichte, der eine Ringmuskelschichte folgt, zusammen. Beide Lagen haben dieselbe - 
Beschaffenheit wie die früher erwähnten Längs- und Ringmuskelschichten. 

Was nun endlich die Dorsoventralmuskeln anbelangt, welche zwischen der Ringmuskel- 
schichte mit vielen ihrer Ausläufer wurzeln, und von der Rückenfläche zur Bauchfläche des 
Thieres zwischen den einzelnen Körperorganen hinziehen, so sind dieselben ähnlich von 
Stieda ?) und Schneider °) beschrieben worden. Dieselben werden von einer verschieden 
grossen Anzahl von Fasern (4—7) gebildet, deren jede einen Durchmesser von 0,001 bis 
0,0013 mm besitzt. Mit Ausnahme der 2 vorletzt von mir beobachteten Muskelzüge schildert 
auch Blumberg bei Amphistoma conicum *) den Hautmuskelschlauch in ähnlicher Art, nur 
dass er die Diagonalmuskulatur mit dem Namen »Quermuskulatur« belegt. 

Die Anordnung der Muskulatur und des Hautmuskelschlauches der übrigen Trematoden 
stimmt im allgemeinen mit der von mir oben beschriebenen überein, obwohl sich kleinere 
oder grössere Abweichungen bei den einzelnen Arten vorfinden. °) Die eingehendste und 
klarste Darstellung über die Muskulatur der Trematoden, auf welche alle späteren Unter- 
suchungen werden recurriren müssen, verdanken wir Leuckart 9). 

Sämmtliche Muskelschichten werden bei @Gastrodiscus durch em helles grosszelliges 
Bindegewebe zusammengehalten. (Taf. I, Fig. 5, 8, Bg.) 

Diese Bindegewebszellen sind natürlich nichts anderes als der peripherische Theil des 
allgemeinen Körperparenchyms, das auch die Eingeweide einschliesst, und, wie wir zuerst 


durch die Untersuchungen Leuckart’s erfahren haben, bei den Plattwürmern überall von 


!) Schneider, Anton, Untersuchungen über Platthelminthen. Taf. VI, Fig. 4. 
2) Stieda, Ludwig, Beiträge zur Anat. der Plattwürmer. Dorpat. 
®) Schneider, Anton, Untersuchungen über Platthelminthen. Giessen, 1873. 
%) Blumberg, Constantin, Ueber den Bau des Amphistoma conicum p. 18 u. 19. 
5) Vergl. darüber Walter, Wagener, Blumberg, Stieda, Anton Schneider, Diesing, 
Laurer, Blanchard. 3 
6) Leuckart, Rudolf, Die menschlichen Parasiten. I. p. 458—462. 


— 131 — 


einer Bindesubstanz gebildet wird. Ihrer Hauptmasse nach besteht diese Bindesubstanz aus 
einer hellen Intercellularsubstanz, in welche ausser grossen runden und scharf contourirten, mit 
deutlichen Kern und Kernkörperchen versehenen Zellen, noch zahlreiche isolirt verlaufende 
feine Fasern eingelagert sind; vielleicht gehören dieselben — ganz oder theilweise — dem 
Muskelapparate an; jedenfalls treten sie allerorten zwischen die Muskelbündel und tragen somit 
zur festen Verbindung derselben mit den übrigen Körpertheilen das Ihrige bei. Die eingelagerten 
Zellen besitzen im Mittel einen Durchmesser von 0,013 mm. Man findet sie bald einzeln, bald 
auch mehr oder minder dicht zusammengedrängt, ohne dass sich indessen dafür ein bestimmtes 
topographisches Verhalten constatiren liesse. Auch die Grösse zeigt mancherlei Verschieden- 
heiten; so treten besonders gegen die Peripherie hin grössere Bindegewebszellen auf. Analoge 
Verhältnisse lässt nach Blumberg !) das Körperparenchym von Amph. con. erkennen, 

Bei anderen Arten unterliegt es mancherlei Modificationen: so macht es bei den 
Distomeen die Hauptmasse des Körpers aus und besitzt bei Distomum hepaticum ?) einen dem 
Pflanzenparenchym ähnlichen Bau, indessen bei Distomum lanceolatum ?) die Bindegewebszellen 


weit kleiner, dabei dichter gedrängt erscheinen. 


Saugnäpfe. 


Die Entwickelung der Saugnäpfchen bildet neben der ungewöhnlichen Körperform, wie 
wir wissen, die auffallendste Eigenthümlichkeit unseres Gastrodiseus. Allerdings sind es weniger 
die den Amphistomeen allgemein zukommenden endständigen Saugnäpfe, die dabei in Betracht 
kommen (Taf. I, Fig. 2 b), als die dicht gedrängten Saugnäpfchen, die in unregelmässig alter- 
nirenden Reihen auf der concaven Bauchfläche aufsitzen und Leuckart veranlassten für 
unseren Wurm den sehr bezeichnenden Speciesnamen »polymastos« zu wählen. Ihre Zahl 
beträgt bei den grösseren Exemplaren einige Hundert, unterliegt aber im Einzelnen manchen 
Schwankungen, die dadurch bedingt sind, dass sich am Rande stets neue Zäpfchen den älteren 
hinzugesellen. - Alle diese Saugnäpfchen stimmen unter sich in sofern überein, als sie eine ausser- 
ordentlich kräftige Muskulatur besitzen. Die Anordnung der Muskulatur ist jedoch keineswegs 
eine gleichförmige, insofern sie in den Saugnäpfchen der Bauchfläche eine wesentlich andere. 
Configuration annimmt, als in dem endständigen Saugnapfe, trotzdem beide bis auf die ver- 


schiedenen Grössenverhältnisse auf den ersten Blick so ziemlich unter sich übereinstimmen. 


!) Blumberg, Constantin, Bau von Amphistoma conicum p. 13. . 
®) Leuckart, Rudolf, Parasiten des Menschen. I. p. 457. 
®) Ebendaselbst. 


— 132 — 


Der Mundsaugnapf wird, da er den Anfangstheil des Darmtractus umschliesst, erst 
weiter unten bei der Besprechung der Verdauungsorgane eingehend geschildert werden. 

Der um etwa das Doppelte grössere Bauchsaugnapf (Taf. I, Fig. 2 B. b.) lässt in seiner 
Structur vielfach Verhältnisse erkennen, welche der Configuration des Saugnapfes von Distomum 
hepaticum, wie sie Leuckart ?!) in seinem bekannten Parasitenwerke schilderte, entsprechen. 

Die Hauptmuskulatur besteht, wie dort, aus kräftigen radiär verlaufenden Muskel- 
bündeln oder Strängen, die gegen den idealen Mittelpunkt des Saugnapfes convergiren. Die 
Stämme sind 0,026—0,042 mm breit und an den Enden derart fächerartig ausgebreitet, dass 
die einzelnen Fasern sich theils decken, theils auch verweben und mit den Ausläufern der 
Längs- und Ringmuskelstämme in eine innige Verbindung treten. Die Ringmuskeln, welche der 
äusseren sowohl, als auch der inneren Fläche des Napfes anliegen, den Radiärmuskeln gegen- 
über aber beträchtlich an Mächtigkeit zurücktreten, zeigen eine verschiedene Dicke; der äussere 
Ringmuskel ist 0,058 mm breit, der innere dagegen nur 0,008 mm. In beiden Schichten sind 
die Fasern regelmässig concentrisch angeordnet; hier und da biegen einzelne derselben (so 
besonders in den äusseren Schichten) ab und streichen ebensowohl zu den Radiärzügen, wie 
auch dem aufliegenden Gitterwerke der äussersten, von Aequatorialfasern gebildeten Schichte. 
Letztere sind übrigens ebenso, wie die Ringmuskeln,- an der Innenfläche des Saugnapfes weit 
schwächer entwickelt, als aussen. An beiden Flächen bestehen dieselben aus isolirten cylin- 
drischen Bündeln von etwa 0,013 mm Durchmesser, welche in ziemlich gleichen Abständen 
neben einander verlaufen und aus je 8—10 Fasern sich zusammensetzen. 

Der Bauchsaugnapf von Amphistoma conicum zeigt nach Blumberg ?) denselben Bau 
wie derjenige von Gastrodiscus. Er wird von Blumberg als eine Verdickung des Haut- 
muskelschlauches angesehen, da er mit diesem innig verwoben ist und von der äusseren Haut 
überzogen wird. Wenn wir von kleineren Modificationen absehen, so lässt auch der Bau des 
Bauchsaugnapfes von Amphistoma subelavatum nach Walter 3) — wie überhaupt von allen 
Trematoden — analoge Verhältnisse erkennen. 

Das schon mehrfach erwähnte Gitterwerk des Muskelnetzes wird am Bauchsaugnapf 
hauptsächlich durch die austretenden Fasern der radiärlaufenden Muskelstämime gebildet. 
Die Verbindung der einzelnen Muskelsysteme vermitteln theils die verschlungenen austretenden 


Fasern, theils das schon erwähnte Bindegewebe. 


?) Leuckart Rudolf, Die menschlichen Parasiten. I. p. 461. 
?2) Blumberg, Constantin, Ueber den Bau von Amphistoma conicum p. 17—19. 
®) Walter, Georg, Beiträge zur Anat. und Histiol. einzelner Trematoden. ]. c. p. 274. 


— 13 — 


Die kleinen bauchständigen Saugnäpfchen oder Wärzchen liegen in den Maschen der sich 
kreuzenden Längs- und Ringmuskeln des Hautmuskelschlauchs. 

Ihre Muskulatur besteht aus einer inneren Ringmuskulatur (Taf. I. Fig. 9, Rm.), deren 
Breite 0,01 mm beträgt, und aus einer Diagonalmuskulatur, welche mit der Längs- und Ring- 
muskulatur des Hautmuskelschlauches in Communikation tritt. Die Breite der Bündel dieser 
letzteren beträgt 0,026 und 0,012 mm. 

Die Aussen- resp. Oberfläche der Saugnäpfchen wird natürlich von der glatten Cuticula 
des Thieres überzogen (Taf. I. Fig. 10 a, b). Ebenso die concave Innenfläche, die übrigens 
sehr verschiedene Zustände darbietet und mitunter mehr oder weniger vollständig verstrichen 
ist, so dass statt der Näpfchen dann blosse Zäpfchen gefunden werden. Offenbar hat der 
Wurm die Fähigkeit, seine Saugnäpfchen durch Veränderung des Innenraums abwechselnd zu 
befestigen, zu lösen und auf diese Weise seinen Standort mehrfach zu ändern. Was den 
Mechanismus der Bewegung anbelangt, so vermuthe ich, dass die bis zu den äusseren Ring- 
muskeln sich erstreckenden Excretionsgefässe als Schwellkörper fungiren, durch deren Injection 
das Näpfchen zapfenförmig gestreckt und zum \Weitertasten befähigt wird, indessen die 
Diagonalmuskeln bei ihrer Contraktion wie der Stempel einer Saugpumpe wirken, und durch 
Einziehen der ventralen Fläche resp. Bildung eines luftleeren Hohlkegels das Anheften be- 


werkstelligen. 


Verdauungsapparat. 


Der Verdauungsapparat besteht, von dem Mundsaugnapf abgesehen, aus dem Pharynx mit 
den für die Amphistomeen so charakteristischen zwei Aussackungen, dem Oesophagus und 
den zwei blind endigenden Darmmagenschenkeln. (Taf. II, Fig. 1.) Die letzten schieben 
sich trotz der mehr bauchständigen Lage des Mundsaugnapfes in ihrem Verlaufe um ein 
Weniges gegen die Rückenseite empor. 

Der ovale 0,62 mm lange und 0,07 mm breite Mundsaugnapf ist ein stark entwickeltes 
Gebilde, dessen Muskulatur, wie schon hier erwähnt sein mag, mit den Muskelsystemen des 
Kopfzapfens zusammenhängt. Seine Oeffnung beträgt 0,29 mm im Durchmesser; ich habe 
dieselbe stets rund gefunden. 

Direct an diesen Saugnapf schliesst sich sodann der Pharynx an. Er ist von unbedeuten- 
der Länge (0,52 mm) und besitzt ein 0,21 mm weites Lumen. Sein hinteres Ende ist wie 
bei Amphistomum mit zwei Seitentaschen verschen, die in Gestalt zweier Blindsäcke vor- 


springen. Zwischen denselben verengt sich der Tractus zu einem Oesophagus, welcher dann 
Abhandl. d, Senckenb, naturf. Ges. Bd. XIT. 18 


— 134 — 


an der Basis des Kopfzapfens in den zweischenkeligen Magendarm übergeht. Der Verlauf der 
Darmschenkel ist demjenigen von Amph. subelavatum ziemlich ähnlich. Beide erstrecken sich, 
der Rückenseite angenähert, in den Seiten des Körpers fast bis zu dem vorderen Rande 
des Endsaugnapfes. In ihrem ganzen Verlaufe besitzen sie ein Lumen von 0,15 mm; 
höchstens dass sie sich an ihrem aboralen Ende zu einer kolbenförmigen, blind auslaufenden 


Anschwellung, von 0,32 mm im Durchmesser, erweitern. 


Die Muskulatur des Darmtractus ist an den einzelnen Theilen desselben nicht gleich 
kräftig entwickelt, insofern sie am Mundsaugnapf, Pharynx und Seitentaschen in dickerer Lage 


auftritt, als um Oesophagus und Magendarm. 


Der Mundsaugnapf ist ein stark muskulöses Gebilde, das hauptsächlich aus Radiär- und 
Ringmuskeln besteht (Taf. II, Fig. 2, Rm. Radın.), indessen die Längsmuskeln in einer viel 
geringeren Menge vorhanden sind (Taf. II, Fig. 3, Lm). Die einzelnen Schichten sind derart 
angeordnet, dass auf eine äussere unter der allgemeinen Körperbedeckung gelegene Ring- 
muskellage zunächst ein System von Längsmuskeln folgt, der dann die kräftigen regelmässigen 
Radiärfasern folgen, an welche sich schliesslich eine innere Längs- und Ringmuskellage an- 
schliesst. (Taf. II, Fig. 3 u. 4, Rm, Lm, Radm.) Die von den einzelnen Systemen freigelassenen 
Zwischenräume werden von dem Bindegewebskörperparenchym erfüllt, wie denn auch weiter- 
hin einzelne sich abzweigende Muskelfasern durch ihr inniges Verweben zur Herstellung des 


bereits früher erwähnten Muskelgitterwerks beitragen. 


1 


Zwischen die Maschen drängen sich ausserdem noch Ausläufer des Exeretionssystens, um 
als Schwellkörper zu fungiren. (Taf. II, Fig. 3 Ex. g.) Die Muskelstränge der Längsmuskulatur 
bestehen aus je 3—10 Fasern, deren jede 0,001 bis 0,002 mm im Durchmesser misst. (Taf. I, 
Fig. 3 u. 4, Lm.) Die Stämme der Ringmuskulatur sind viel breiter; sie werden von 
8--20 Fasern gebildet. (Taf. II, Fig. 3—4, Rm.) 


Die Radiärmuskelbündel inseriren sich mit ihren fächerförmig divergirenden Enden an 
den Wandungen des Kopfzapfens und an der Innenwand des Mundsaugnapfes. Ihre Breite 
zählt die Mitte zwischen derjenigen der Längs- und Ringmuskulatur; die Stämme werden von 


je 5—14 Fasern gebildet. 


Eine dem Mundsaugnapfe analoge Anordnung der Muskulatur findet sich auch an den 
zwei Seitentaschen resp. taschenförmigen Aussackungen, nur dass hier die Längsmuskeln 
(Taf. II, Fig. 4, Lm.) sehr gering, die Radiarsfasern dagegen (Taf. II, Fig. 4, Radm.) sehr 


D) 


kräftig entwickelt sind. 


— 135 — 


Allmälich geht die Muskulatur der Seitentaschen in diejenige des Pharynx über, an 


dessen unterem Ende die Ringmuskulatur sich zu einem starken Sphinkter verdickt. 


Im Uebrigen gleicht die Anordnung der Muskulatur an ihm sowohl, wie an dem Oesophagus 
und an den Darmschenkeln durchaus der bereits von den Seitentaschen geschilderten — nur 
dass sie, besonders an den letztern, in geringerer Mächtigkeit auftritt, und die einzelnen Systeme 


gleichmässiger entwickelt sind. 


Der Darmtractus ist in seinem ganzen Verlaufe durch Haftmuskeln mit dem Körper- 
parenchym verbunden, in sofern nämlich die von den Dorsoventralmuskeln (Taf. II, Fig. 5, 
Dvm.) sich abzweigenden Fasern den Verdauungsapparat umspinnen und mit seiner Muskulatur 

o° oO 


auf das Innigste verschmelzen. 


Ueberall da, wo sich diese Haftmuskeln an den Darmtractus anheften, finden sich in den 
Lücken des Muskelnetzes die Verzweigungen des Excretionssystemes vor, die meistentheils enge 
den Wandungen des Darmtractus sich anschmiegen. Der Innenraum des Darmtractus war 
gewöhnlich mit einem gelblich körnigen Detritus erfüllt, in dem sich keine besonderen Form- 
elemente unterscheiden liessen. Die Innenfläche trägt ein stark entwickeltes hohes Cylinder- 


ephitelium. 


Wenn wir davon absehen, dass bei Amphistoma conicum am Rande der Mundöffnung und 
in dem Pharynx conische resp. stachlige Cuticularpapillen auftreten, dann bietet die Configuration 
des Darmtractus und die Anordnung der Darmmuskulatur in beiden Fällen durchaus analoge Ver- 
hältnisse. ) Von anderweitigen Bildungen, wie sie nach Leuckart?) bei Distomum hepaticum 
in Form eines blindsackförmigen Anhangsorganes des Mundsaugnapfes, oder wie bei Dist. 
lanceolatum nach Walter °) als Speicheldrüsen auftreten, ist bei Gastrodiscus ebenso wenig 


’ 


wie bei Amphistomum etwas zu beobachten. 


Geschlechtsorgane. 


Gastrodiscus polymastos ist wie fast alle seine Verwandten ein Zwitter mit vollständig 
entwickeltem männlichen und weiblichen Apparate. Zunächst schildere ich von den hier in Betracht 
kommenden Gebilden die männlichen Keimdrüsen mit ihren Ausführgängen und dem Be- 


gattungsgliede. 


!) Blumberg, Constantin, Ueber den Bau von Amphistoma conicum p. 21. 
2) Leuckart, Rudolf, Die Parasiten des Menschen. I. p. 541. 
®) Walter, Georg, Beiträge zur Anat. und Histiol. einiger Trematoden. Arch. f. Naturg. 1558 p. 282. 


— 136 — 


Der männliche Geschlechtsapparat. 

Die beiden Hoden besitzen eine unregelmässig lappige Form mit etwa 8—9 Ausbuch- 
tungen, wie solche auch sonst wohl bei grossen Trematoden vorkommen. Sie liegen im unteren 
Drittel des Körpers und füllen so ziemlich den Raum zwischen den zwei Darmschenkeln 
(Taf. II, Fig. 7, t). Der rechte Hoden ist mehr dem Bauchsaugnapfe angenähert (Taf. II, 
Fig. 7, t). Er hat natürlich auch ein längeres Vas defferens, tritt aber schon nach kurzem 
Verlaufe mit demjenigen des linken Hodens zu einem gemeinsamen Ductus ejaculatorius zu- 
sammen. (Taf. II, Fig. 7, Vd. 1 u. 2, De). Die Weite der beiden Vasa defferentia beträgt im 
gefüllten Zustande durchschnittlich 0,021 mm. Der Ductus ejaculatorius besitzt nicht ganz die 
Weite der beiden Vasa defferentia zusammengenommen, insofern sein Durchmesser an der 
Vereinigungsstelle 0,038 mm, in der Mitte 0,032 mm, und an der Uebergangstelle in den 
Penis 0,027 mm beträgt. Derselbe legt sich in mancherlei Windungen und Schlingen, ist 
meist prall mit Samenelementen gefüllt und endigt schliesslich als Penis in dem Cirrusbeutel 
an jener Stelle der Bauchfläche, wo die Seitenwülste unter dem Kopfzapfen sich vereinigen. 

Die männliche Geschlechtsöffnung liegt unterhalb ‘der weiblichen; sie ist oval und ihr 
Durchmesser beträgt 0,061 mm. Durch die Muskulatur des Cirrusbeutels entsteht um den 
Penis ein ihn von der weiblichen Geschlechtsöffnung trennender Wall. Bei der Contraction 
der Ringmuskulatur dieses Walles kann der Penis hervorgestülpt werden; während dagegen 


die Retraction einerseits durch Contraction der Längsmuskeln, andererseits durch besondere 


Retractoren vermittelt wird. 


Der ganze männliche Geschlechtsapparat liegt ventralwärts, so dass die Ausführungsgänge 
der weiblichen Geschlechtsorgane über ihn weg verlaufen, um dann ebenfalls ventralwärts 
auszumünden. 

Nach diesem kurzen Ueberblick über die Configuration des männlichen Geschlechts- 
apparates gehe ich zu der Erörterung der histiologischen Structur der einzelnen Theile über. 

Was zunächst den Bau der Hoden anbelangt, so wird, die gelappte Form derselben 
durch die Anordnung der Körpermuskulatur bedingt, namentlich durch die Dorsoventral- 
muskeln, welche das Parenchym des heranwachsenden Hodens einschnüren (Taf. II, Fig. 8, 
Dvm. M.). Die Wand besteht aus einer feinen durchsichtigen Haut, welche die Samenzellen 
umhüllt und zusammenhält. (Taf. II, Fig. 8, a). Die Letzteren sind von verschiedener Grösse 
(0,0013 mm— 0,0027 mm) und lassen einen Kern mit Kernkörperchen deutlich erkennen. Wie 
aus diesen Spermatoblasten die Samenfäden hervorgehen, welche den Innenraum der Samen- 


leiter (Taf. II, Fig. 9, b), des Ductus ejaculatorius und Penis prall anfüllen, liess sich nicht 


S 


— 137° — 


nachweisen. Im entwickelten Zustande erscheinen letztere als 0,04 mm lange und 0,0005 mm 
breite, an den Enden zugespitzte Fäden mit starkem Lichtbrechungsvermögen. Bald trifft man 
sie straff in die Länge gezogen, bald in verschiedener Weise gekrümmt, bald auch spiralig 
gewunden. 

Die beiden Samenleiter werden von einer structurlosen Hülle bekleidet, welche continuir- 
lich in die eben erwähnte Hülle des Hodens übergeht. Ihre Muskulatur ist schwach entwickelt. 
Sie bildet eine 0,008 mm dicke Lage (Taf. II, Fig. 9, Ma.), in der die Muskelfasern isolirt 
einen longitudinalen und diagonalen Verlauf einhalten. Nur gegen den Ductus ejaculatorius 
hin gewinnen die diagonalen Fasern eine kräftigere Ausbildung. 

Der Ductus ejaculatorius selbst windet sich in 5—6 theils neben, theils über einander 
gelegten Schlingen zusammen, welche in dem Zwischenraum zwischen den zwei Darmschenkeln 
sich einschieben. Sein histiologischer Bau stimmt vollkommen mit dem der beiden Samenleiter 


überein. Die Innenwandung scheint jedoch von einem Cylinderepithel ausgekleidet zu sein, 


obwohl ich ein solches — vermuthlich wegen der Einwirkung des Alkohol, in dem die Thiere 
geraume Zeit gelegen hatten, — nicht ganz klar zur Anschauung bringen konnte. Der 


 structurlosen feinen Umhüllungsmembran liegen weiterhin schwächere Diagonalmuskel auf, deren 

einzelne Stämme 0,008 mm messen, und Längsmuskel, die viel stärker entwickelt, 0,0022 mm 
im Durchmesser haben. Gegen sein Ende (das heisst an seiner letzten Windung) verengert 
sich das Lumen und seine Diagonalmuskeln treten in den Cirrusbeutel und Penis über. 

Der erstere umschliesst den Penis und verdeckt von der Bauchseite gesehen die oberste 
Windung des Uterus. Er wird hauptsächlich von Radiär- und Ringmuskeln gebildet (Taf. II, 
Fig. 10, Radm. Rm.), die sich zum Theil netzförmig verweben. Weniger entwickelt sind die 
Längsmuskelfasern. 

Die grossblasigen Bindegewebszellen (Taf. II, Fig. 10, Bg.) mit ihren Kernen und 
Kernkörperchen sind auch hier deutlich zwischen den Maschen der Muskelbündel wahrzunehmen. 

Der Penis bildet einen Kegel, der m seiner ganzen Länge von dem Canal des Duetus 
ejaculatorius durchbohrt wird. Er ist ein 0,085 mm langes, stark muskulöses Gebilde, dessen 
Hauptmasse aus Ring- und Längsmuskelstämmen (Taf. II, Fig. 10, Rm. und Lm.)- besteht. Die 
Ringmuskulatur ist als innere und äussere Lage entwickelt, zwischen welche eine schr anschn- 
liche Längsmuskulatur sich einschiebt. Sämmtliche Muskelstämme entsenden Fasern, welche 
sich netzförmig kreuzen und zwischen sich eine schwach entwickelte Radiärmuskulatur auf- 
nehmen (Taf. II, Fig. 10, Radm.), deren Contraction ebensowohl das Verlängern des Penis 


wie das Verkleinern resp. Verengern des Lumens bewirken dürfte. Die Lücken zwischen den 


— 158 — 


einzelnen Muskelfasern sind durch eine structurlose, helle Intercellularsubstanz erfüllt, in welcher 
man feine, die Muskelzüge unter einander verbindende Bindegewebsfasern unterscheiden kann. 

Wie der Tractus intestinalis, so wird auch der gesammte männliche Geschlechtsapparat 
durch ein System von Haftmuskeln in seiner Lage gehalten, welche von der Körperwand ausgehen. 

Der weibliche Geschlechtsapparat setzt sich aus dem Ovarium, einem 
kurzen Oviduct, den Dotterstöcken mit den Dottergängen, der Schalendrüse, dem Uterus und 
der Vagina zusammen (Taf. Il, Fig. 1). In Bezug auf die Topographie dieser Theile ist 
zunächst zu erwähnen, dass der Keimstock auf der linken ventralen Seite des Körpers ober- 
halb des Endsaugnapfes gelegen ist. (Taf. II, Fig. 1, f. s.) Er ist bedeutend kleiner als ein 
Hoden und hat eine rundliche Form mit leichten Einschnürungen. An der linken Seite grenzt 
er an einen Darmschenkel, nach vorn an die ersten Uteruswindungen, rechts an die Schalen- 
drüse und unten an den Bauchsaugnapf. Seine Grösse beträgt 0,67 mm, Durch einen kurzen 
und dünnen Gang steht er nach vorn zu mit der ’Schalendrüse in Verbindung. (Taf. II, 
Fig. 1, 3, Mo.) 

Die Dotterstöcke liegen ausserhalb der Darmschenkel; sie bestehen aus einzelnen 
Säckchen, welche wie die Beeren an der Traube, so auf den Dottergängen aufsitzen. (Taf. III, 
Fig. 1, Dst. und Dg.) Der Anfang der letzteren liegt in der Nähe der Gabelung des Darmes. 
Von da verlaufen dieselben als Canäle von 0,11 mm Breite fast parallel mit den Darm- 
schenkeln nach hinten, bis sie letztere vor den kolbenförmigen Enden überbrücken und seitlich 
vom Eiergange in die Schalendrüse einmünden. Am mächtigsten sind die Dotterstöcke in der 
unteren Körperhälfte entwickelt. Hier erreichen auch die Dottersäckchen ihre beträchtlichste 
Grösse. Sie messen hier gelegentlich bis 0,20 mm, während sie in der Mitte des Körpers 
nur 0,113 mm betragen, und am oberen vorderen Körperpole sogar bis auf 0,04 mm sich 
verkleinern. 

Die Befruchtung der Eier und ihre Umhüllung mit Dotter und Schale geschieht in 
der Schalendrüse. Dieselbe liegt als eiförmiges 0,52 mm messendes Gebilde in der rechten 
Körperhälfte der Medianebene genähert, neben dem erweiterten Ende des rechten Darmschenkels. 

Die neuerdings bei fast allen genauer studirten Trematoden von Stieda, Taschen- 
berg, Blumberg und Anderen aufgefundene Vagina (Laurerscher Gang) ist auch bei unserem 
Gastrodiscus vorhanden. Sie steht mit dem unteren Ende der Schalendrüse in Verbindung und 
verläuft von hier aus eine kleine Streck weit ventral, um sich dann nach oben zu wenden und als 
ein 0,014 mm weiter Gang auf der Höhe des Endsaugnapfes an der Rückenfläche auszumünden. 


An der vorderen Seite der Schalendrüse entspringt ein ansehnlicher Canal, der in 


— 139 . — 


seinem weiteren Verlaufe stark sich erweitert. Er ist der Uterus (Taf. III, Fig. 1, 3, Ut.). 
Er legt sich nach vorne in zahlreiche, aber ziemlich enge Schlingen und mündet unterhalb der 
männlichen Geschlechtsöfinung mit einem halbmondförmigen Porus nach aussen. (Taf. II, 
Fig. 10, B.) (Taf. III, Fig. 1, a) An dem mittleren gewundenen Abschnitt misst sein Lumen 
bis zu 0,5 mm. Der Inhalt besteht aus Eiern, die sich massenhaft darin zusammendrängen. 

Letztere sind in dem Uterus sämmtlich mit Dotter und Eischale umgeben. Ihre Grösse 
beträgt bei 0,07—0,09 mm; sehr viele von ihnen sind abortiv, wie dies auch bei anderen 
Trematodenarten häufig beobachtet wird. 

Die Eier sind von einer grossen Menge von Samenfäden umgeben, so dass sie 
geradezu in denselben eingebettet erscheinen. 

Was den feineren Bau der einzelnen Theile des weiblichen Geschlechtsapparates 
anbelangt, so wird der Keimstock von einer ziemlich dicken structurlosen Membran umgeben. 
(Taf. II, Fig. 2, a.) Er ist in das Körperparenchym eingebettet und von den umgebenden 
Dorsoventralmuskeln an manchen Stellen schwach eingeschnürt. (Taf. III, Fig. 2, M.) Die 
Hülle des Keimstockes ist ziemlich stark lichtbrechend, und grenzt sich scharf gegen das Körper- 
parenchym ab. Der Innenraum wird von Eizellen verschiedener Entwickelung prall angefüllt. 
(Taf. III, Fig. 2, Cs.) Eine regelmässige Gruppirung dieser Eizellen ist nicht vorhanden ; 
sämmtliche Eier besitzen eine deutliche Membran und messen 0,002—0,0013 mm. In dem 
grobkörnigen Protoplasma ist ein Zellkern deutlich wahrzunehmen. 

Die Wand des Keimleiters ist die direete Fortsetzung der Ovarialhülle. In ihm finden 
sich die Keimzellen, die behufs Befruchtung und Umhüllung mit Dotter und Schale in die 
Schalendrüse wandern. 

Eigene Muskeln sind an den Keimleitern nicht wahrzunehmen, doch ist es wahrscheinlich, 
dass sich einzelne Fasern der Körpermuskeln an ihn anheften. 

Der Keimleiter (Taf. III Fig. 3, M. s.) mündet in die Schalendrüse an ihrer linken 
Seite ein. Rechts und links treffen wir auch die Einmündungsstellen der paarigen Dottergänge. 

Wie erwähnt, sind die Dotterstöcke paarig angelegte Organe. Sie werden aus einer 
grossen Zahl von Schläuchen gebildet, die aus einer mehr oder weniger grossen Anhäufung 
von Zellen bestehen (Taf. III, Fig. 6) und Ausführungsgänge entweder in den Hauptdotterleiter 
oder in einen Nebenleiter entsenden. 

Die Grösse der Zellen varirt zwischen 0,003—0,009 mm. Nach aussen sind die 
Säckchen von einer dünnen structurlosen Membran (Taf. III, Fig. 6, a) umhüllt. Am unteren 


Ende der Darmschenkel biegen die Dottergänge nach einwärts zur Schalendrüse. Die Wandung 


— 140 — 


derselben wird von einer starken Membran gebildet (Taf. III, Fig. 5, a), an welche sich Fasern 
der Körpermuskeln anlegen (Taf. III, Fig. 5, M). Ihr Inhalt besteht nicht mehr aus membran- 
tragenden Zellen, sondern aus Ballen einer ziemlich gleichmässigen körnigen Masse ohne erkenn- 
bare Zellgrenzen von 0,02—0,004 mm Grösse. Diese Ballen treten in die Schalendrüse ein, 
um die befruchteten Keime mit Dottermasse zu umhüllen. 

Die Schalendrüse selbst liegt im Niveau des Keimstockes auf der rechten Körperseite 
0,51 mm oberhalb. des Endsaugnapfes. Sie nimmt die Mündungen des Keimleiters, der Dotter- 
gänge, des Bileiters, sowie der Vagina auf (Taf. III, Fig. 3). Wie gewöhnlich besteht dieselbe 
aus vielen einzelligen Drüsen, deren Ausführungsgänge sämmtlich gegen einen gemeinsamen 
Mittelpunkt convergiren. Die Drüsenzellen messen 0,05—0,013 mm und besitzen, in ein 
körniges Protoplasma eingebettet, einen deutlichen Zellkern, der oft gegen 0,001 mm gross 
wird. Die grössten derselben sitzen an der Peripherie der Drüse, die kleineren dagegen mehr 
der Mitte zu. Das Secret der Drüse dient wahrscheinlich zur Bildung einer Schale um die 
mit Dotter umgebenen Keime. Bevor ieser Process jedoch von statten geht, müssen die 
Eikeime befruchtet werden. Auch dies geschieht im Innern der Schalendrüse, in welcher sich 
kolossale Massen von Samenfäden befinden. 

Die Hülle des Uterus ist stark lichtbrechend. Ihr liegen von aussen die Dorsoventral- 
muskeln des Körpers an. 

An der weiblichen Geschlechtsöffnung verstärkt die Muskulatur sich zusehends. Sie 
umgibt den Endabschnitt des Uterus in Form eines Walles, analog dem an der männlichen 
Geschlechtsöfffung. Derselbe wird besonders durch Radiär- und Ringmuskelfasern gebildet. 
Besonders kräftig sind die ersteren, die auch direct in den Muskelwall der männlichen 
Geschlechtsöffnung übergehen. 

Innerhalb des Uterus durchlaufen die Eier wahrscheinlich ihre ersten Entwickelungs- 
stadien. Ich konnte darüber jedoch nicht die nöthige Gewissheit erlangen, da die Eier durch 
die Conservirung in Alkohol sehr geschrumpft waren. Wie bei den meisten Trematoden besitzen 
die Eier übrigens auch bei Gastrodiscus an dem einen Pole einen Deckel. 

Die übrigen Trematoden lassen in der Configuration ihrer männlichen Geschlechts- 
organe analoge Verhältnisse erkennen, wenn wir von unwesentlichen Modificationen, wie dem 
Vorkommen einer Prostata bei Amphistoma conicum, !) einer Samenblase bei Distomum 


hepaticum ?) und von der meist einfacheren Gestalt des Hodens absehen. 


!) Blumberg, Constantin, Ueber den Bau von Amphistoma conicum p. 27., 
2) Leuckart, Rudolf, Die Parasiten des Menschen. I. p. 550. 


— 1411 — 


Exeretionssystem. - 


Das Excretionssystem ist bei Gastrodiscus auffallend mächtig entwickelt. Es besteht 
aus zwei Hauptstämmen, vier Nebenstämmen und einem Systeme verästelter Capillargefässe. 
Ein als Centralorgan fungirender Bulbus lässt sich nicht nachweisen. 

Die Mündung des Excretionssystemes liegt am vorderen Rande des Endsaugnapfes. 

Die Hauptstämme bestehen aus zwei Gefässen, die parallel (Taf. III, Fig. 7, a) mit 
den Darmschenkeln laufend den ganzen Körper des Thieres der Länge nach durchziehen. Ihr 
Lumen beträgt 0,42 mm und zeigt sich nur an dem ovaien, im Kopfzapfen gelegenen Ende 
etwas verengt. 

Unter Abgabe zahlreicher Seitenzweige convergiren die Hauptstämme unter dem Ende 
der Darmschenkel gegen die Mitte des Körpers, um sich zwischen dem Endsaugnapf und dem 
Keimstocke kurz vor ihrer Ausmündung zu vereinigen. 

Aus dieser Vereinigungsstelle entspringen jederseits noch zwei kleinere Nebenstämme, 
welche ungefähr parallel mit einander durch die ganze Länge des Körpers streichen, um in 
geringer Entfernung von der Basis des Kopfzapfens wieder in die anliegenden Hauptstämme 
einzumünden (Taf. III, Fig. 7, b, c). 

Während ihres Verlaufes stehen die vier Nebenstämme sowohl unter sich als auch mit 
den Hauptstämmen vielfach durch engere Gefässe in Verbindung (Taf. III, Fig. 7, d). 

Obwohl solche feine Gefässe überall im Körperparenchym angetroffen werden, bilden 
sie sich doch am typischesten und in reichlicher Verästelung in der Innenmasse der Saug- 
näpfchen aus, in der sie bis an das Ende fortziehen, hart an die Muskelwand sich anlegend. 
Sie endigen blind und sind, wie schon oben erwähnt, durch Anschwellungen im Stande, die 
| Näpfchen hervorzuwölben. 

Das Lumen der äusseren Nebenstämme beträgt im Durchmesser 0,37 mm, dasjenige 
der inneren 0,26 mm, die Gefässverästelungen endlich besitzen ein Lumen von 0,04 mm. 

Die Excretionsgefässe sind in jedem Körpertheile anzutreffen. Weder an Flächen- 
schnitten noch an Quer- und Längsschnitten sind sie zu vermissen. 

Die innere Gefässwandung ist stets eine zarte 0,001 mm dicke Membran von durch- 
sichtiger structurloser Beschaffenheit. Ihr lagern feine Muskelfasern auf (Taf. III, Fig. 9, A. a. m.), 
welehe theils diagonal, theils longitudinal, theils dorsoventral verlaufen. Sie scheinen den 


Körpermuskeln anzugehören. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf, Ges, Bd. XII. 19 


— 12 — 


Ein Epithel habe ich an der Innenwand nicht nachweisen können. Dagegen bemerkte 
ich in unregelmässigen Abständen kleine, lappenförmige, der Innenwand aufsitzende Erhebungen, 
welche vielleicht Flimmerläppchen darstellen und dann voraussichtlich bei der Weiterbeförderung 
der in den Gefässen circulirenden Flüssigkeit eine Rolle spielen. Selbstverständlich kann nur 
die Beobachtung lebender Thiere darüber vollständigen Aufschluss geben. 

Bei allen zur Untersuchung verwendeten Thieren fand ich die Gefässe sämmtlich mit 
einer hellen, bräunlichgelben, manchmal körnigen Masse erfüllt (Taf. II, Fig. 9, A. b.), in 
der eine Menge von kleinen stark lichtbrechenden Körperchen (Taf. II, Fig. 9, c) suspendirt 
waren. Hier und da liessen sich sogar rundliche Zellen mit Membran und Kern unterscheiden: 
Gebilde, die ich für abgelöste Zellen halten würde, wenn es mir gelungen wäre einen Zellen 
belag in den Gefässen nachweisen zu können. Unter solchen: Umständen kann ich mir über 
den Ursprung und die Bedeutung dieser Zellen keine Vermuthung erlauben. 

Bei keinen der bisher bekannten Trematoden besitzt das Exeretionssystem eine SO 
mächtige Entwickelung wie bei unserem Gastrodiscus. 

Bei Amphistoma conicum ') besteht dasselbe aus einem birnenförmigen Centralorgan, von 
dem dann die Hauptstämme mit ihren Verzweigungen abgehen. Blumberg schreibt ihm eine 
selbstständige Muskulatur und eine mit Epithelzellen ausgekleidete Innenwandung zu, wie er 
denn weiterhin noch Drüsen schildert, welche in dasselbe einmünden sollen. 
| Auch bei Amphistoma subelavatum beschreibt Walter ?) eine im Hinterende des Körpers 
gelegene, contractile, nach aussen mündende Blase, aus welcher Gefässe erster, zweiter und 
dritter Ordnung entspringen, die sich netzartig verbinden. 

Bei Distomum hepaticum ist nach Leuckart °) das Excretionssystem gleichfalls in ein 
Netzwerk aufgelöst, aber der Hauptstamm verläuft in der Mittellinie des Körpers; während 
Dist. lanceolatum zwei Hauptstämme besitzt, welche längs der Darmschenkel verlaufen. 

Ein Porus exeretorius ist stets vorhanden, wenn er auch bei den einzelnen Arten eine 


etwas verschiedene Lagerung erkennen lässt. 


Nervensystem. 


Das Nervensystem unseres Gastrodiscus besitzt, entsprechend der kräftigeren Ausbildung 


der Muskulatur und der übrigen Organe, gleichfalls eine sehr bedeutende Entwickelung. 


') Blumberg, Constantin, Ueber den Bau von Amphistoma conicum p. 34. 
?) Walter, Georg, Beiträge zur Anat. und Histiol. einiger Trematoden. 1. c. p. 284. 
°) Leuckart, Rudolf, Die Parasiten des Menschen. I. p. 546. 


— 1453 — 


Es besteht aus einem Centralorgane mit zwei mächtig entwickelten abgehenden Nerven- 


stämmen. 


Das Centralorgan wird von zwei etwa 0,37 mm grossen kugelförmigen Ganglien (Taf. III, 
Fig. 10, g.) gebildet, die rückenständig rechts und links dem Oesophagus aufgelagert sind. 
Durch eine 0,18 mm breite, brückenartig gewölbte Quercommissur (Taf. III, Fig. 10 Qec.) stehen 
dieselben unter sich in Verbindung. Uebrigens stimmt diese letztere in ihrer Structur vollkommen 


mit den Ganglien überein, sie enthält also auch Ganglienzellen. 


Auf der dorsalen Seite entspringen aus jedem Ganglion ein vorderer (Taf. III, Fig. 10, 
v. n.) von 0,05 mm. und ein hinterer (Taf. III, Fig. 10, h. n.) Nervenstamm von 0,07 mm. 
Dicke, welche zahlreiche Fasern und Fasernbündel nach allen Richtungen abgeben und mit 


deren Hülfe die einzelnen Organe und Gewebe, hauptsächlich aber die Muskulatur versorgen. 


Die Ganglien sowohl wie die Commissur, und auch die Stämme besitzen eine zarte durch- 
sichtige Faserhülle (Taf. III, Fig. 11—12, a) der sich an den Ganglien und der Quercommissur 
von innen noch eine sehr feine, aus Fasern und Zellen bestehende Bindegewebshülle von 
0,0 mm. Dicke anschliesst. Die Zellen dieser Hülle sind 0,003 mm gross und besitzen einen 


wandständigen Kern und ein feinkörniges helles Protoplasma. 


Die eigentlich nervösen Elemente bestehen ihrer Hauptmasse nach aus bipolaren und 
multipolaren Ganglienzellen (Taf. III, Fig. 12, Gz.) die eine Grösse von 0,015 mm bis 
0,024 mm besitzen. Einige derselben erreichen sogar die beträchtliche Grösse von 0,08 mm. 
Ihre Ausläufer verbinden sich unter einander, oder strahlen in die Nervenstämme ein (Taf. III, 
Fig. 11, n.) Uebrigens trifft man auch in den Nervenstämmen vereinzelte Ganglienzellen vor, 
(Taf. IH, Fig. 11, Gz.) doch treten dieselben in grösserem Maasse nur im Innern des Ganglien- 


paares und der Quercommissur auf. 


In vielen Beziehungen stimmen diese Ganglienzellen mit den von Walter!) bei Amphistoma 
subelavatum beobachteten überein, nur dass die Grösse derselben bei unseren Parasiten eine 
vie] beträchtlichere ist. Eine feine Contour, ein deutlich wahrnehmbarer Zellkern und ein 


heller stärker lichtbrechender Zellinhalt ist ihnen beiden gemeinsam. 


Die Nervenstämme bestehen aus einer grossen Anzahl parallel verlaufender, hie und da 
sich abzweigender Fasern (Taf. III, Fig. 11, n.), zwischen welche sich, wie bemerkt, an 


manchen Stellen auch Ganglienzellen einlagern. 


!) Walter, Georg, Einige Beiträge zur Anat. und Histiol. einiger Trematoden. Arch. f. Naturg. 1858. p. 276. 


— 14 — 


Analoge Verhältnisse, wie die hier geschilderten lässt Amphistoma conicum !) erkennen. 
Eigenthümlich ist für dasselbe die von dem Oesophagus entferntere Lage der Quercommissur, und 
der Abgang von je 6 Nervenstämmen aus den Ganglien. Einer Bindegewebshülle thut Walter °) 
bei den Nerven von Amphistoma subclavatum keine Erwähnung. Auch die Distomeen s 
schliessen sich — von untergeordneten Details abgesehen — in der Anlage und Bildung des 


Nervenapparates an unsere Amphistomeen an. 


!) Vergl. Blumberg (l. c. p. 37—39) und Walter (l. ce. p. 275—280) sowie die Schriften von 
Leuckart, Siebold, Stieda, Schneider, Diesing u. a. m. 


?) Siehe ebendaselbst p. 277. 


Fig. 1 
Fig. 2 
Fig. 3 
Fig. 4 
Fig. 5 
Fig. 6 
Fig. 7 
Fig. 8 
Fig. 9 
Fig. 10. 
Fig. 11. 
Fig. 1 
Fig. 2 
Fig. 3 
Fig, 4 


Erklärung der Tafeln. 


Tafel I. 


. Gastrodiscus von der Rückenseite: A. der Kopfzapfen, B. Rücken der Körperscheibe. 
. Gastrodiscus von der Bauchseite: A. Kopfzapfen, o. Mund; B. die Körperscheibe, b Endsaug- 


napf; ec. männl. und weibl. Geschlechtsöffnung; d. Saugnäpfchen; e. umgeschlagener Rand der 
Körperscheibe. 


. Querschnitt durch das oberste Körperdrittel: a—b. Cuticula; B. g. Bindegewebszellen, Ex. g. 


Excretionsgefässe; R. m. Ringmuskel; Rad. m. Radiärmuskel; L. m. Längsmuskel; Dv. m. 
Dorsoventralmuskel; Dsch. Darmschenkel; «t. Uterus; D. e. Ductus ejaculatorius. 


. Körper- und Hautmuskulatur mit der Oberhaut (Flächenschnitt): a. Cutieula; b. Subeutieular- 


schichte; R. m. Ringmuskel; Dv. m. Dorsoventralmuskel; ZL. m. Längsmuskel; Dy. m. Diagonal- 
muskel; M. f. n. Muskelfasernetz. 


. Querschnitt der Haut und Körpermuskulatur; a—b. Cutieula; ZR. m. Ringmuskel; Dg. m. 


Diagonalmuskel; ZL. m. Längsmuskel; B. y. Grosszelliges Bindegewebe. 


. Körpermuskulatur und Haut im Längsschnitt; a—b. Cutieula; R. m. Ringmuskel; L. m. Längs- 


muskel; M. f. n. Muskelfasernetz. 


. Saugnäpfehen geschwellt von aussen. 
.. Saugnäpfchen eingezogen von aussen. 
. Muskulatur der Saugnäpfehen (Flächenschnitt). B. g. Bindegewebszellen; Dv. m. Dorsoventral- 


muskel; Z. m. Längsmuskel; Exec. Exeretionsgefässe (capillare, durchschnitten); Dg. m. Diagonal- 
muskel; R. m. Ringmuskel; Dv. m. Dorsoventralmuskel der Näpfchen; i. Schnittfläche des 
Lumens der Näpfe. 

Muskulatur der retrahirten Näpfchen: a—b. Cutieula; L. m. Längsmuskel; Dv. m. Dorsoventral- 
muskel; R. m. Ringmuskel; Ex. q. Exevetionsgefässe; B. g. Bindegewebszellen; A. Lumen. 
Kopfzapfen mit: o. Mundöffnung; Ph. Pharynx; St. Seitentaschen; Oes. Oesophagus; Dsch. 
Anfang der Darmschenkel. 


Tafel II. 


. Verlauf des Verdauungsapparats: o. Mundöffnung; Ph. Pharynx; St. Seitentaschen; Oes. Oeso- 


phagus; Dsch. Darmschenkel; no. Kolbenförmige Endigung derselben. 


. Querschnitt des Mundsaugnapfes (Muskulatur desselben): a—b. Cutieula; R. m. Ringmuske]: 


L. m. Längsmuskel; Rad. m. Radiärmuskel; B. g. Bindegewebszellen. 
Derselbe im Flächenschnitt: a—b. Cuticula; R. m. Ringmuskel; ZL. m. Längsmuskel; Rad. m 
Radiärmuskel; Dv. m. Dorsoventralmuskel ; B. g. Bindegewebszellen. 


. Muskulatur der Seitentaschen: R. m. Ringmuskel; Rad. m. Radiärmuskel; L. m. Längsmuske] ; 


B. g. Bindegewebszellen; a—b. Cuticula. 


5. 


— 146 — 


Muskulatur der Darmschenkel: Dv. Dorsoventralmuskel des Körpers; R. m. Ringmuskel; L. m. 
Längsmuskel; Rad. m. Radiärmuskel der Darmschenkel; In. Innenwand derselben. z 


Fig. 6—7. Schema des männl. Geschlechtsapparates: a. männl. Geschlechtsöffuung; P. Penis; €. Cirrus- 


Fig. 8. 
Fig. 9 
Fig. 10 
Fig. 1 
Fig. 2 
Fig. 3. 
Fig. 4 
Fig. 5 
Fig. 6 
Fig. 7 
Fig. 8 
Fig. 9 
Fig. 10. 
Fig. 11. 
Fig. 12. 


beutel; D. e. Ductus ejaculatorius; v. d. Samenleiter; t. Hoden. 
Hodensegment; a. Membran; Dv. m. Dorsoventrale Körpermuskel; c. s. Samenzellen; m. Quer- 
und Längsschnitte von den die Hoden einschnürenden Dorsoventralkörpermuskeln. 


. Partie des Samenleiters: a. Hüllenmembran; b. Samenelemente; m. aufliegende Muskelfasern. 
. Flächenschnitt durch die weibl. und männl. Geschlechtsöffnung, Muskulatur derselben: a—b. 


Cuticula; B. g. Bindegewebszellen; R. m. Ringmuskel; Dv. m. Dorsoventralmuskel; Rad. m. 
Radiärmuskel des Körpers. — R. m.ı Ringmuskel; Rad. m.ı Radiärmuskel; L. m.ı Längsmuskel; 
a. Cuticula des Penis; — L. m.2 Längsmukel; Am. 2a — Rm.sb innere und äussere Ringmuskel 
Rad. me Radiärmuskel des Cirrusbeutels; — a—b.s Cuticula; R. ms Ringmuskel; L. ms. 
Längsmuskel; Rad. ms Radiärmuskel der weibl. Geschlechtsöffnung. A männliche; B. weih- 
liche Geschlechtsöffnung. 


Tafel III. 


. Schema des weiblichen Geschlechtsapparates; a. weibliche Geschlechtsöffnung; Ut. Uterus- 


Os. Mündung desselben in die Schalendrüse; D. g. Dotterleiter; M. s. Keimgang; F. s. Keim- 
stock; Schdr. Schalendrüse; V. Vagina. 


. Flächenschnitt des Keimstockes; a. Membran; Db. Intercellularsubstanz; €. s. Keimzellen; M. 


Körpermuskeln, sich an die Hülle anlegend. 
Schema der Schalendrüse. Os. ut. Einmündung des Uterus; D. g. Dotterleiter; M. s. Keim- 
gang; V. Vagina; Schdr. Schalendrüse. 


. Segment der Schalendrüse; a. Membran; db. Drüsenzellen; ce. Mündung der Drüsenzellen in den 


Mittelpunkt der Schalendrüse; M. Muskelfasern, an die Hülle angeheftet. 


. Dottergang (Flächenschnitt), a. Wandung; b. Dotterzellen. 

. Dotterdrüse (Flächenschnitt). «a. Membran; b. Dotterzellen. 

. Schema des Excretionsgefässsystemes; a. Hauptstamm; b—c. Nebenstämme; d. Capillargefässe. 
. Verzweigungen und Anastomosen der Capillargefässe. 

. A. Flächenschnitt eines Capillargefässes: a. Membran; b. Grohkörniger Inhalt; c. stark licht- 


brechende Körper; M. angehefteter Körpermuskel. Fig. 9 B. Querschnitt desselben. 

Schema des Nervencentrums: G. Ganglien; Q. c. Quercommissur; v. N. vordere Nervenstämme: 
h. N. hintere Nervenstämme. - i 

Nervenstammpartie: a. Membran; N. Neivenfasern; @. z. zerstreute Ganglienzellen. 
Gangliensegment: a. Membran; @. z. Nervenzellenhaufen; N. austretende Nervenfasern. 


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Vergleichende Untersuchungen über Adventivbildungen 
bei den Pflanzen 


von 


Dr. Adolph Hansen. 


Mit neun Tafeln. 


Der Beobachtung und dem Studium wachsender Pflanzentheile haben sich die Forscher 
stets mit hervorragendem Interesse zugewendet. 

Zum Theil waren es physiologische Gesichtspunkte, welche zur eingehenderen Prüfung 
der Erscheinungen anregten, zum Theil rein morphologische. Als Methode zur Lösung der 
im letzteren Sinne gestellten Fragen aber diente, namentlich in neuerer Zeit in vervollkomm- 
netem Maasse, die genaue anatomische Untersuchung der sich entwickelnden Pflanzenglieder. 
Sie lieferte die Grundlage für das Verständniss der physiologischen Vorgänge. 

Solche Studien ergaben, dass die Formen sich trotz ihrer Mannigfaltigkeit auf wenige 
morphologische Grundtypen beziehen lassen, indem man von der Function, welche den Ge- 
bilden im Einzelfall als Organen zukommt, abstrahirt, und allein die zeitliche und räumliche 
Entwickelung derselben betrachtet. 

Durch Aufstellung und Begründung dieser wenigen Grundtypen wurde erst Klarheit und 
Uebersichtlichkeit in die Menge der Gestalten gebracht. Im Hinblick auf die vorhergehende 
complieirte Terminologie war diese Klärung eine Erlösung. 

Von den vier Grundformen der Pflanzenglieder, den Sprossen, Wurzeln, Blättern und 
Trichomen zeigen namentlich die beiden erstgenannten eine solche Regelmässigkeit in der Art. 
ihrer Bildung, dass man sich durch relativ wenig zahlreiche Abweichungen von dieser Regel 
in der Auffassung nicht stören, sondern dieselben mit vollem Recht als Ausnahmen gelten liess. 

. Solche Ausnahmen von der normalen Spross- und Wurzelbildung nannte man insgesammt 
adventive Bildungen und fasste sie auf diese Weise durch einen Begriff zusammen. Diese Benennung 


wurde zuerst von Du Petit-Thouars eingeführt, ') welcher im Gegensatz zu den termi- 


!) Du Petit-Thouars, Essais sur la vegetation. De la culture consider dans la reproduction par 


bourgeons, p. 241. (1809.) 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 20 


— 148 — 


nalen und axillären Knospen, die ausser diesen später und an anderen Orten entstehenden, 
Adventivknospen (bourgeons adventives, gemmae adventitiae) nannte. 

Beim späteren Versuch eine scharfe Definition dieses Begriffes aufzustellen, ergaben 
sich jedoch Schwierigkeiten, wie die verschiedenen Deutungen und Auffassungen desselben bei 


verschiedenen Forschern zeigen. 


De Candolle acceptirt die von Du Petit-Thouars eingeführte Bezeichnung und 
sagt: !) 

»Wie bekannt, entstehen die gewöhnlichen Knospen der Pflanzen bald an bestimmten und 

beständig denselben Stellen (& des places fixes et determindes); man nennt sie in diesem Falle 


gewöhnliche Knospen (bourgeons ordinaires); bald aber auch entstehen sie an zufälligen Stellen, 
alsdann nennt man sie überzählige Knospen (bourgeons adventives).« 


Ferner an anderem Orte: ?) 


»Mit dem Namen nachkommende oder Adventivwurzeln bezeichne ich jene Wurzelfäden, welche 
statt aus den Wurzelstämmen zu entspringen, sich auf den Stengeln, den Zweigen, oder bisweilen 
auf anderen Organen entwickeln.« 


Schacht °) stellt die Adventivknospe oder Nebenknospe der Terminal- und Axel- 
knospe entgegen. 
Seine Unterscheidungen gründen sich auf den Ort der Entstehung, wie bei zweien der 


Benennungen schon durch eben diese angezeigt wird. 


»Die Nebenknospe kann sich an allen Theilen der Pflanze entwickeln, wo Gefässbündel mit 
einem fortbildungsfähigen Zellgewebe zusammentreffen. Deshalb erscheint sie vorzugsweise am 
Cambiumring des Stammes sowohl, als auch der Wurzel. Die junge Knospe bricht in diesem Falle 
später aus der Rinde hervor. Aber sogar am Blatte kann eine Nebenknospe entstehen, wie wir dies 
häufig bei Bryophyllum, Malaxis paludosa, Cardamine pratensis u. s. w., desgleichen bei einigen 
Farrenkräutern wahrnehmen.« 

p- 12. »Am Stamm, wie an der Wurzel erscheint die junge Nebenknospe an der Rindenseite 
des Cambium; es bildet sich an diesem Ort ein kleiner Zellkegel, welcher mit dem Cambium innig 
verbunden ist, dagegen sich bald von den Zellen der Rinde isolirt. Indem nun die junge Neben- 
knospe den Saft des sie umgebenden Rindenparenchyms verzehrt, vertrocknen die Zellen desselben, 
sie sinken zusammen, die Knospe aber bahnt sich ihren Weg und durchbricht endlich die Rinde. 
Sie empfängt ihre Gefässbündel von dem Ort, wo sie am Cambium des Stammes oder der Wurzel 
entstanden ist und bildet selbige in der gewöhnlichen Weise weiter. Von nun ab gilt für sie alles 
dasjenige, was auch für die beiden anderen Knospenarten Geltung hat.« 


Wenn Schacht hier auf den verschiedenen Ort am erzeugenden Pflanzentheil Gewicht 


legt, so wird ausserdem als besonderes Unterscheidungsmerkmal der Adventivbildungen die Ent- 


stehung im Innern des Gewebes betont. 
!) De Candolle, A. P., Pflanzenphysiologie, übersetzt von J. Röper 1835. Bd. II. p. 336. 
®) De Candolle, Organographie d. Gewächse, übers. v. Röper 1828. Bd. I. p. 219. 
°) Schacht, Lehrbuch der Anatomie und Physiologie d. Gewächse. 1859. Bd. II. p. 10. 


— 149 — 


Wie sich später ergeben wird, sind diese letzten Darstellungen Schacht’s, sowie 
auch die gleichsinnigen von Hofmeister unrichtig, da beide nur fertige Zustände der adven- 
tiven Sprosse und Wurzeln beobachteten, eine genaue Untersuchung ihrer Entwickelung aber 


unterliessen. 


Hofmeister widmet in seiner allgemeinen Morphologie den Adventivbildungen grössere 


Aufmerksanıkeit. !) 


Adventive Knospen und Sprosse sind nach Hofmeisters Auffassung solche, welche 
an solchen Theilen des Pflanzenkörpers entstehen, die aus dem Zustande des Vegetationspunktes 
herausgetreten und in Dauergewebe übergegangen sind. Durch Anwendung dieser Betrachtung 


auf die Kryptogamen erhält der Begriff einen weiten Umfang. 


Aber nicht nur der Entstehungsort, sondern die Entstehungsweise ist nach Hof- 
meister eine abweichende bei den adventiven Knospen: 


»Bei einzelligen oder aus Zellreihen bestehenden Pflanzen liegt die Ursprungsstelle eines 
adventiven Sprosses selbstverständlich stets in der Aussenfläche des Pflanzenkörpers. Auch bei viel- 
zelligen Gewächsen kommt die Entwickelung, adventiver Sprosse aus Zellen oder Zellgruppen der 
Aussenfläche von Stengel und Blättern vor. Bei Algen und Muscineen als Regel, bei Gefässpflanzen 
als Ausnahme. Der Herd des Wachsthums der meisten adventiven Sprosse der Gefässkryptogamen 
und Phanerogamen liegt dagegen im Innern der Gewebe: Der Ursprung der Adventivsprossen 
lässt sich hier auf eine einzelne Zelle oder kleine Gruppe von Zellen zurückführen, welche allseitig 
von Gewebe umschlossen ist. Adventivknospen, welche im Innern des Gewebes von Gefäss- 
pflanzen angelegt werden, entspringen stets aus Gewebemassen, welche an Gefässbündel oder an 
den Holzkörper unmittelbar angrenzen, in der Regel den nach Aussen zugekehrten Flächen dieser 

» angrenzen. Der umgekehrte Fall ist selten; er ist für beblätterte Knospen beobachtet an geköpften 
Stämmen der Crambe maritima, deren Mark ausgefault war und die an der Innenfläche des Holz- 
ringes Knospen bildeten und an querdurchschnittenen Kartoffelknollen.« 


Der grössere Theil dieser Angaben von Hofmeister über Adventivbildungen besteht 
aber nur in dem, was man über dieselben vermuthete, nicht was man wirklich wusste. Denn 


die Thatsachen waren, besonders über die Adventivbildungen bei Phanerogamen, nur ganz ver- 


einzelt und zum Theil nicht genau festgestellt. 


Die wiederkehrende Behauptung dass die adventiven Bildungen im Innern der Gewebe 
entständen, kam wohl daher, dass man beim Stock- und Wurzelausschlag oder beim Ausbrechen 
von Knospen aus alten Stämmen diese Knospen aus dem Innern derselben hervorkommen sah, 
was allerdings ohne Untersuchung nicht zu dem Schluss berechtigte, dass dieselben auch im 


Innern entstanden seien. 


1) Hofmeister, l. c. $ 4. 


— 150 — 


Auf diese Unrichtigkeit macht zuerst Hartig aufmerksam. ') 


»Alle Triebbildung aus unverletzter Rinde älterer als einjähriger Schaft- und Zweigtheile: 
Wasserreiser, Räuber, Stammsprossen, Ausschläge gehören hierher (zu den »schlafenden Augen«) 


und sind wohl zu unterscheiden von dem, was die Botaniker Adventivknospen nennen, wohin ich nur 


diejenigen Knospen zähle, die zu jeder Zeit an allen, auch den ältesten Baumtheilen im Keime 
neu entstehen können, wenn durch gewaltsame Verletzungen ein Walst neuer Rinde (Rindencallus) 
sich bildet, mit dem die Adventivknospen gleichzeitig entstehen. Wir haben hier nur die schon am 
wachsenden einjährigen Triebe gebildeten, aber in weiterer Entwickelung zurückgebliebenen Knospen- 
gebilde (Präventivknospen) zu betrachten. Die Entstehüngsweise der ächten Adventivknospen gehört 
der Reproductionslehre an. In den Lehrbüchern der Pflanzenkunde ist der Unterschied dieser in 
der Entstehungsweise ganz verschiedenen Knospengebilde bis jetzt nicht hervorgehoben. Auch die 
schlafenden Augen werden mit dem Namen Adventivbildungen bezeichnet. 


Es ist in diesen Worten, welche ihre Berechtigung in richtig beobachteten Thatsachen 
haben, zum ersten Mal auf den grossen Fehler hingewiesen, welchen ein Forscher dem 
andern nachgemacht, indem er ohne weiteres auf die Entstehungsart wahrer Adventivbildungen 
aus der Beobachtung solcher schloss, welche gar keine Adventivbildungen waren, wenn auch 
der Schein sie für solche halten liess, abgesehen davon, dass auch die Entstehungsart dieser 
letzteren als »endogene« durchaus verkehrt aufgefasst wurde. 

Auch Sachs hebt in seinem Lehrbuch (IV. Aufl. p. 174) den Unterschied der ächten 
Adventivbildungen und der falschen hervor, glaubt aber, dass die wahren Adventivbildungen 


endogener Entstehung seien. 


»Da die Verzweigung und Neubildung seitlicher Glieder aus dem Vegetationspunkt bei fast 
allen Pflanzen vorkommt, und dadurch ihre regelmässige Wiederholung in bestimmten Punkten der 
fortwachsenden Axe für die Architektonik der Pflanze maassgebend ist, so kann sie als die normale 
betrachtet werden, gegenüber der adventiven Erzeugung von Gliedern, die an älteren Theilen des 
Axengebildes entfernt vom Scheitel und ohne bestimmte Ordnung erfolgt; solche Neu- 
bildungen sind für die Architektonik der Pflanze gleichgültig, überzählig (adventiv), wenn sie auch 
physiologisch oft sehr wichtig sind. 

Adventive Sprosse entstehen meist im Innern neben den Fibrovasalsträngen des Sprosses, 
Blattes oder der Wurzel, sind also endogen, daraus folgt aber nicht, dass alle endogenen Sprosse 
adventiv Sind; .......... ebensowenig sind alle Wurzeln adventiv, obgleich sie im Innern des Stammes, 
der Blätter oder Wurzeln entstehen; nur wo sie an älteren Theilen auftreten, sind sie oft adventiv; 
wenn sie dicht hinter der fortwachsenden Spitze einer Mutterwurzel oder eines Stammes entstehen, 
sind sie streng acropetal geordnet und eben darum nicht adventiv.« 


Sachs findet also wesentlich als zum Begriff des Adventiven gehörig, dass die Neu- 
bildungen entfernt vom Vegetationspunkt ohne bestimmte Ordnung entstehen, und dass der 
Bildungsherd im Innern des Gewebes liegt. Allein er betont ebenso sehr, dass endogene Ent- 
stehung und adventive Bildung gar nicht nothwendiger Weise etwas mit einander gemein haben. 


®) Hartig, Th., Vollständige Naturgesch. d. forstl. Kulturpflanzen Deutschlands. Berlin 1851, p. 7, 
Kupfertafelerklärung. — Hartig, Anatomie und Physiologie d. Holzpflanzen. 1878. p. 229. 


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— 151. — 


Dieser Hinweis, dass endogene und adventive Bildung durchaus nicht immer identisch sind, 
wie man früher allgemein glaubte, war wohl geeignet, die bisher gänzlich fehlende Klarheit 
anzubahnen; dass sie gleichwohl nicht vollständig erreicht werden konnte, liegt daran, dass keine 
genügende Anzahl von Thatsachen über die Bildung adventiver Sprosse und Wurzeln vorlag. 

Deshalb konnte auch die neueste Definition von Sachs 'noch nicht entscheidend sein. !) 


Es heisst am eitirten Orte: 


»Durch diese Betrachtung (der Abstammung aller späteren Vegetationspunkte vom embryonalen) 
gewinnt man auch eine richtige Unterscheidung der normalen und adventiven Sprossung, über welche 
sich die Schriftsteller noch immer nicht geeinigt haben. Sprossungen, welche sich aus irgend einem 
Vegetationspunkt entwickeln, sind normale, sie lassen sich alle als directe Descendenz des embryo- 
nalen Anfangsgewebes der Pflanze auffassen. Gelegentlich aber können im Dauergewebe selbst neue 
Vegetationspunkte entstehen; diese sind dann adventive.« 


So musste, denn, um diesen Speculationen eine feste Basis zu schaffen, vor allen Dingen 
die Anzahl der Thatsachen vergrössert werden. Beobachtet sind die Adventivbildungen schon 
seit langer Zeit von verschiedenen Forschern, anatomische Untersuchungen der Entwickelung 
liegen besonders bei den Phanerogamen nur ganz vereinzelte und zusammenhangslose vor. 

Wenn ich ausser den citirten die Namen Ascherson, Braun, Hofmeister, Irmisch, 
Kny, Magnus, Pringsheim, Vöchting als derjenigen aufführe, welche an verschiedenen 
Pflanzen die Entstehung adventiver Knospen und Wurzeln sahen, so möge mir gestattet sein, die 
Aufzählung der grossen Anzahl der Species, an welchen dieses stattfand, zu unterlassen. 

Man findet dieselben in Meyen’s Physiologie, De Candolle’s Organographie und 
Physiologie, ferner eine grosse Anzahl in Lindley’s Theorie der Gärtnerei, F. Regel’s 
unten eitirter Arbeit, Vöchting’s Organbildung im Pflanzenreich, und in vielen gärtnerischen 
und anderen praktisch botanischen Werken. 

Wie schon bemerkt, ist dagegen die Zahl der anatomischen Untersuchungen der Ent- 
wickelung genannter Bildungen nur gering. 

Treeul ?) untersuchte eine Reihe einschlägiger Fälle, namentlich die Entstehung der 
Adventivsprosse aus Wurzeln. 

Objecte der Untersuchungen waren Paulownia imperialis, Tecoma radicans, Ailanthus 
‚glandulosa. 

Die weitaus beste Arbeit ist diejenige Regel’s, welche die Entstehung der Adventiv- 


sprosse und Wurzeln aus den Blättern der Begonien in befriedigender Weise darlegt. Es 


1) Ueber die Anordnung der Zellen in jüngsten Pflanzentheilen p. 104. 
2) Tre&cul, A., Recherches sur l’origine des bourgeons adventifs. Annales des sc. nat. 1847. 


—' 12 — 


stellte sich durch diese Untersuchungen heraus, dass die Annahme der endogenen Entstehung 
dieser Gebilde eine falsche sei, da die Sprosse aus Zellen der Epidermis ihren Anfang nehmen. !) 

Von H. Berge wurde die Entstehung der Adventivsprosse und Wurzeln bei Bryo- 
phyllum calyeinum untersucht, die Entstehung der Sprosse wird in dieser Arbeit genauer 
verfolgt, während die Wurzeln wenig genau behandelt werden. ?) 

Das Umgekehrte ist der Fall bei E. Beinling, °) welcher einige Species der Gattung 
Peperomia untersuchte, aber über die Entstehung der Sprosse nur ganz ungenügenden Auf- 
schluss gibt. 

Ferner ist noch zu erwähnen eine Untersuchung der Cacteen - Stecklinge von 
S. Arloing.*) Es ist jedoch diese ausführliche Arbeit mehr eine physiologische als ana- 
tomische zu nennen. Die adventiven Wurzeln wurden zwar untersucht, jedoch die Zustände 
der ersten Anlage nicht gesehen. 

Als letzte Arbeit erschien eine Untersuchung der adventiven Wurzeln von Cissus quin- 
quefolia. °) 

Die genannten Arbeiten führen jedoch die Lösung der eigentlichen Frage nicht herbei, 
da die Verfasser bei aller fleissigen Darstellung des Einzelfalles ihre Resultate nicht genügend 
mit denen Anderer vergleichen und so Einklang oder Widerspruch aufdecken. Es dürfte heute 
aber zu den Ausnahmen gehören, dass in unserer Wissenschaft die Untersuchung eines ein- 
zelnen Falles plötzlich ein fehlendes Licht brächte und eine langschwebende Frage endgültig 
entschiede. Vielmehr wird nur eine vergleichende Untersuchung zahlreicher Fälle solches 
erreichen lassen, wobei auch wohl anzuschlagen ist, dass ein Beobachter durch Verfolgung 
verwandter Vorgänge den Blick für diese besondere Richtung schärft und wohl manches weniger 
leicht übersicht, als Jemand, der einen einzelnen Fall herausgreift. 

Wenn ich in vorliegender Arbeit versuchte, die genannten Fragen möglichst der Lösung 
nahe zu bringen, so trieb mich nicht allein dazu der Wunsch einer Kritik und Feststellung 


des Begriffs des Adventiven, was doch nur für Beleuchtung und Darstellung der Gesammtheit 


——n . 


’) Regel, F., Die Vermehrung der Begoniaceen aus ihren Blättern. Jenaische Zeitschrift f. Natur- 
wissenschaft 1876, p. 447 ff. 

?) Berge, H., Beiträge z. Entwickelungsgesch. v. Bryophyllum calyeinum. Zürich 1877. 

°) Beinling, E., Untersuchungen über die Entstehung der adventiven Wurzeln und Laubknospen 
an Blattstecklingen von Peperomia. Cohn’s Beiträge zur Biologie d. Pflanzen. Bd. III. Heft 1. 

*) Arloing, S., Recherches anatomiques sur le bouturage des cactees. Annales des sc. nat. 1877. 

°) Contribution & l’histoire des Racines adventives & propos des lenticelles du Cissus quinquefolia 
par M. d’Arbaumont. Bulletin de la societ& Botanique de France 1878, p. 185. 


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ee 


— 13 — 


der Erscheinungen im Pflanzenreich, also einen mehr systematischen Werth hat. Vielmehr hoffte 
ich, dass bei einer Untersuchung neu sich bildender Pflanzentheile die Ergänzung mancher 
Lücken und vielleicht neue Gesichtspunkte zunächst für die Morphologie und Anatomie erreicht 
werden könnten. 

Es war dies wohl durch die Vergleichung der Entstehung dieser anscheinend abweichenden 
Gebilde mit der Entstehung von Sprossen und Wurzeln überhaupt zu erwarten und ebenso 
konnte wohl für die schon so lange discutirte Frage nach der Bildung und Bedeutung des 
Callus manches Neue sich ergeben. 

Die physiologisch so wichtigen Adventivbildungen haben durch Vöchting’s Unter- 
suchungen über Organbildung im Pflanzenreich das Interesse von Neuem auf sich gezogen, 


so dass ihre Anatomie und Entwickelungsgeschichte doppelt wünschenswerth erscheint. 


Aus den oben erwähnten Gründen musste ich ohne jedes Vorurtheil an die Untersuchung 
gehen und es schien mir nöthig, nicht nur die Bildungen zu untersuchen, welche zu irgend 
einer der obengenannten Ansichten über die Adventivgebilde passten, sondern ich wandte mich 
allen solchen Spross- und Wurzelbildungen zu, welche nicht normaler Entstehung sind. Wie 
leicht ein Irrthıum möglich ist, zeigen die »endogenen« Sprosse der Equiseten, welche von 


Janczewsky endlich als normal entstehende erkannt wurden. 


Bis zur Beendigung der Untersuchung werde ich den Namen »Adventivbildung« in keiner 
von einem bestimmten Autor gebrauchten Bezeichnung anwenden. Derselbe muss vielmehr so 
lange in wörtlichem Sinne verstanden werden, bis sich ergibt, ob eine bestimmte Gruppe 
von Vorgängen unter den Begriff »Adventiv« sich zusammenfassen lässt, was erst am Schluss 


der ganzen Arbeit geschehen kann. 


Wegen der zeitraubenden Culturen muss dieser Abschluss noch eine geraume Zeit ver- 
schoben werden. Es möge mir gestattet sein, eine Reihe bis jetzt untersuchter Einzelfälle vor- 
zulegen, welche nicht uninteressante Resultate ergeben haben. Diese Reihe umfasst die Unter- 
suchung der Adventivbildungen bei 

Cardamine pratensis, 

Nasturtium officinale, 

Nasturtium silvestre, 

Atherurus ternatus, 
der schlafenden Augen von 


Gleditschia sinensis, 


— 14 — 


der Adventivbildungen an Stecklingen von 
Achimenes grandis, 
Begonia Rex. 
Die Methode der Untersuchung war die der successiven feinen Schnitte, von denen keiner 


aus der Reihe ausgelassen wurde. Dieser ‘Weg der Untersuchung protoplasmatischer zart- 


wandiger Meristeme ist eigentlich der selbstverständliche; ich musste mich häufig überzeugen,- 


dass das in neueren Arbeiten häufig über Gebühr gerühmte Surrogat für das Messer, die 
Kalilauge, nur ein Surrogat ist. Bei dünnen Schnitten leistet die Aufhellung mit Kali häufig 
gute Dienste, kann aber nicht vom zarten Schneiden befreien. Zur Aufhellung diente auch 
Ammoniak und in manchen Fällen mit Erfolg Kochsalzlösung. Ein Theil des Untersuchungs- 
materials wurde in Alkohol gehärtet, für einen anderen eignete sich diese Behandlung nicht. 


Zartes Callusgewebe wurde zum Theil durch die Einwirkung des Alkohol unbrauchbar. 


I: 
Natürliche Adventivbildungen. 


A. Adventivbildungen bei Cardamine pratensis. 


Schon lange Zeit ist das Vorhandensein adventiver Sprosse und Wurzeln bei Cardamine 
pratensis bekannt und diese Erscheinung findet sich seit Jahrzehnten von verschiedenen Forschern 
in Lehrbüchern, Abhandlungen und praktisch botanischen Werken als ein Beispiel adventiver 
Bildung citirt. A 

Es ist dies nicht zu verwundern, da die genannten Bildungen bei Cardamine nicht durch 
besondere künstliche Bedingungen hervorgerufen werden, sondern sich unter den in der Natur 
gegebenen stets bei dieser Pflanze finden. 

Mehr zu bewundern ist, dass trotz des Interesses, das an denselben seit jener Zeit ge- 
nommen wurde, diese Adventivbildungen keiner Untersuchung in Bezug auf ihre Entstehung 
unterworfen worden sind. 

Im dritten Bande seiner Physiologie !) führt Meyen als einen der bemerkenswerthesten Fälle 


der Entstehung von Sprossen auf Blättern an: »Cassini hat im Jahre 1816?) die Entdeckung 
!) Meyen, Neues System der Pflanzenphysiologie. T. III. p. 47. 
:) Journal de physique, T. 82. p. 408. 


ET EN U A GEH 


| 
| 


— 155 — 


gemacht, dass die Blätter der Cardamine pratensis auf ihrer oberen Fläche kleine Knospen 
tragen, welche die Pflanze vermehren können, doch sollen sie hier wenigstens nur in den Axeln 
der Blattstielchen sitzen, doch auch in der Blattfläche.« 

Cassini selbst gibt seine Beobachtungen in folgenden Worten:!) »An der Basis der 
Oberseite jedes Blättchens bemerkte ich ein kleines fleischiges, halbkugeliges Höckerchen, einer 
Drüse ähnlich. Diese Höckerchen sind gewöhnlich deutlicher auf den Blättern am Wurzelhals 
und am Grund des Stengels als auf den höher stehenden Blättchen; sie sind auch deutlicher 
‚auf den oberen Blättchen als auf den unteren desselben Blattes. Ich sah diese Höckerchen sich 
in Knospen verwandeln, wenn die Bedingungen zu ihrer Entwickelung günstig waren. Diese 
Umwandlung findet sehr häufig nur auf dem Endblättchen der Wurzelblätter statt. Das 
Höckerchen, welches sich an der Basis dieses Blättchens befindet, verwandelt sich beinahe immer 
bei den genannten Individuen in eine wahre Knospe, welche nach oben Blätter und einen 
Stengel, nach unten Wurzeln aussendet. Ich habe selbst auf der Oberseite des Blättchens eines 
"Wurzelblattes ein Höckerchen beobachtet, welches nicht an der Basis, sondern in der Mitte der 
Lamina sass, welches Höckerchen sich in einen langen Faden, ganz ähnlich einer Wurzel ver- 
wandelt hatte. Oft lösen sich die Blättchen der Wurzelblätter von ihrem gemeinsamen Stiel; 
dann. fasst jedes von ihnen auf der Erde durch seine Höckerchen Wurzel.« 

Wie es ein häufiger Fall ist, dass eine Thatsache, deren eigentliche Entdeckung einem 
Forscher zugeschrieben werden muss, ganz oder zum Theil schon einmal vorher gesehen wurde, 
so ist es auch hier. Schon 1799 schildert Joh. Sam. Naumburg im 1. Stück, Band 2 von 


Römer’s Archiv für Botanik p. 14—17 diese Verhältnisse, wenn auch ungenauer, als Cassini. 


Die Cassini’schen Beoabachtungen, welche der Vergessenheit anheimzufallen drohten, hat 
Münter wiederholt, und in einem längeren Aufsatze darüber berichtet.?) Er fügt den Cas- 
sini’schen Mittheilungen bestätigende und erweiternde Angaben und noch einige allgemeine 


Betrachtungen bei. 


Seit .dieser Zeit wurde die Sprossbildung auf den Blättern von Cardamine pratensis so- 
wohl, als auch auf anderen Species häufig der Beobachtung unterzogen. So besonders von 


A. Braun, Ascherson, Magnus und Bouche, welche auch von Cardamine impatiens 


und hirsuta dieselben Vorgänge berichten. °) 


!) Cassini, Observations sur les feuilles du Cardamine pratensis. Opuscules phytologiques. T. II. p. 340. 
2) Botan. Zeitung 1845 N. 33 ff. 
®) Ascherson, Magnus, Braun und Bouche, Ueber Knospenbildung auf den Blättern der Carda- 


mine. Sitzungsber. d. Ges. naturforsch. Freunde zu Berlin 1873. 30. Mai. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. ! 21 


— 156 — 


Ascherson stellte in einer Abhandlung die bisher bekannten Thatsachen zusammen. !) 

Was die in den genannten Arbeiten erwähnte Ablösung der Blättchen von ihrem gemein- 
schaftlichen Stiel betrifft, so bemerkt Ascherson in einem Nachtrage, dass die Ablösung fast 
nur bei einer Unterart der Cardumine pratensis (Cardamine dentata, Cardamine paludosa) 
vorkommt. Nur einmal hat der genannte Forscher die Ablösung der Blättchen bei Cardamine 
pratensis beobachtet. ?) 

Aus dieser historischen Uebersicht ‚geht hervor, dass die Anzahl der Beobachtungen keine 
geringe ist, dass aber durch spätere den früheren wenig Neues hinzugefügt wurde, da Keiner 
der Beobachter sich auf eine entwickelungsgeschichtliche Untersuchung der vielbesprochenen 
Gebilde einliess. E 

Die Ergebnisse einer solchen finden sich in folgenden Blättern niedergelegt. Ehe wir 
uns aber den Thatsachen zuwenden, wird eine kurze Betrachtung des Untersuchungsobjectes von 
Nutzen sein. 

Cardamine pratensis lenkt schon bei flüchtiger Beobachtung die Aufmerksamkeit auf sich, 
durch die verschiedene Form ihrer Blätter, welche je nach deren Stellung am Stengel wechselt. 

Die Wurzelblätter, welche wie eine Rosette den aufstrebenden Stengel umgeben, sind 
meistens gefiedert, wenige einfach. Die einzelnen Fiederblättchen sind an Gestalt und Grösse 
verschieden. Ein durch bedeutendere Ausdehnung hervorragendes Blatt nimmt das Ende des 
gemeinsamen Stiels ein und zu beiden Seiten des letzteren reihen sich die nach unten zu an 
Grösse abnehmenden Blättchen. Die hoch am Stengel der Pflanze stehenden Fiederblätter 
zeigen bekanntlich in ihren Theilblättchen eine von den unteren ganz abweichende, linealische 


Form und erscheinen sitzend. 


D 


Ort der Sprosse und Wurzeln. 


An den Wurzelblättern zeigt das einzelne Fiederblatt eine rundliche, eiförmige Gestalt. 
Es treten drei Hauptnerven in den Blattstiel über, welcher etwas verbreitert und an den Rändern 


etwas eingerollt ist. Von den Hauptnerven zweigen sich sehwächere ab. 


An diesen Gabelungsstellen der Blattnerven sind die Orte der Adventivbildung und zwar 
erfolgt dieselbe acropetal, sodass die ersten und ältesten Sprosse stets an der Blattbasis, später 


jüngere auf der Lamina entstehen. Diese Folge wird immer eingehalten. Man findet deshalb auch 
1) Festschrift z. Feier d. 100jährigen Bestehens d. Ges. natuıf. Freunde zu Berlin. Ueber eine biologische 
Eigenthümlichkeit der Cardamine pratensis v. Dr. P. Ascherson, ; 
2) Bot. Zeitg. 1874. p. 621. 


— 17 — 


auf den jüngern Blättern meistens nur an der Basis Sprosse und Wurzeln, hier aber ausnahms- 
los. Taf. I. Fig. 1. Ausser an diesen Stellen findet sich in jeder Axel jedes seitlichen Fieder- 
blättchens, sowohl der Wurzelblätter, als der Stengelblätter, ein Spross, von Wurzelanlagen 
umgeben, Taf. I. Fig. 2. u. 3s. 

An allen genannten Orten findet sich immer nur ein Spross neben vielen Wurzeln. 
Wenn später beim Auswachsen mehrere an der nämlichen Stelle erscheinen, so ist einer der 
Axelspross des anderen, wie durch Untersuchung festgestellt wurde. 

Die Adventivknospen und Wurzeln sieht man an älteren Pflanzen mit blossem Auge auf 
jedem beliebig gewählten Exemplar, namentlich die zarten weissen Wurzeln, welche wie dünne 
Fäden oft bei weiterem Wachsthum den Blattstiel umwickeln. Die Sprosse bleiben gegen die 
Wurzeln unter gewöhnlichen Umständen sehr zurück und sind selbst auf alten Blättern nur 
als kleine Anschwellungen zu erkennen. Auf dieser Stufe der Ausbildung verharren sie. 

Um sie zur vollkommenen Entwickelung zu bringen, cultivirt man die einzelnen Blättchen, 
welche man von der Mutterpflanze getrennt hat, wie Blattstecklinge. 

In eine in flacher Schale befindliche feuchte Sandschicht werden einzelne Fiederblättchen 
oder ganze Blätter, an denen noch kein Spross oder Wurzel ausgewachsen ist, mit ihren Stielen 
gesteckt und mit einer Glasglocke bedeckt bei Zimmertemperatur eultivirt. Direetes Sonnen- 
licht wurde vermieden, sonst aber für die nöthige Beleuchtung und Zuführung von Wasser gesorgt. 

Nach wenigen. Tagen begannen die ersten Wurzeln auszuwachsen und nach acht Tagen 
waren bei den Culturen an fast allen Blättern die Wurzeln in zahlreicher Menge lang hervor- 
getreten. An Blättern, welche den 27. April 1879 gesteckt wurden, waren zwischen dem 
10. und 14. Mai die Sprosse zum grossen Theil zu bedeutender Länge herangewachsen. Von 
ihnen hatten am 22. Mai schon einige Axelsprosse getrieben. Taf. I. Fig. 3. 

Die Form der Blätter an diesen Sprossen ist die der Wurzelblätter einer aus Samen 
entstandenen Pflanze. Trotz des weiteren Wachsthums der jungen Pflänzchen hielten sich die 
erzeusenden Blätter oft Monate lang grün. 

Verlassen wir diese Adventivsprosse und wenden uns noch einen Augenblick zu den nor- 
malen Axelsprossen von Cardamine. In der Axel jedes Fiederblattes entsteht ein normaler 
Axelspross, um den herum auch unter natürlichen Bedingungen auf der Pflanze zahlreiche 
adventive Wurzeln entstehen, welche ebenfalls aus der Blattaxel entspringen. Dies ist auch 
bei den hoch am Stengel stehenden schmalgefiederten Blättern der Fall, nur zeigen deren 
Axelsprosse noch die Merkwürdigkeit, dass ihre Blattform nicht der des Stützblattes, sondern 


derjenigen der Wurzelblätter gleicht. Taf. I. Fig. 2. Ax normaler Axelspross, «w Wurzeln. 


— . 158 — 


Ein Abwerfen der Blättchen, von dem frühere Forscher berichten, habe ich nicht be- 
obachten können, obgleich ich häufig danach suchte. Es wird somit wohl die letzte Angabe 
Ascherson’s richtig sein, dass nur einzelne Abarten diese Erscheinung zeigen. Doch dürften 
noch Versuche über diese Fragen anzustellen sein. 


Verfolgen wir nun mikroskopisch die Entwickelung der adventiven Sprossg und Wurzeln. 


Entwicklung der Sprosse. 

Wenn wir durch den Ort der Sprossbildung an der Basis der Lamina eines jungen Fieder- 
blättchens, welches noch keinerlei Anlagen gebildet hat, einen Querschnitt machen, so zeigt 
sich folgende Anordnung der Gewebeformen. Taf. I. Fig. 4. 

Die Zellen der umschliessenden Epidermis zeichnen sich durch allseitig starke Wände 
aus; einige dieser Zellen haben eine bedeutendere Grösse und heben sich über das Niveau 
der andern empor. Im grosszelligen Grundgewebe sind die Blattspurstränge sichtbar. 

Der Ort der Sprossbildung ist in Fig. 4 mit o bezeichnet. Legt man durch die ent- 
sprechende Stelle eines älteren Blattes, auf welchem die Sprossbildung schon begonnen hat, 
ebenfalls einen Querschnitt, so sieht man, dass dort sich ein Hügel erhebt, welcher den jungen 
noch blattlosen Spross darstellt. Taf. I. Fig. 5 s. 

Der Spross entsteht nicht, wie die Adventivsprosse der Begonienblätter, aus einer Epi- 
dermiszelle.. Bei Cardamine gleicht die Sprossbildung mehr der normalen in der Axel eines 
Blattes. Wie dort erheben sich auch hier gemeinsam das unter der Epidermis liegende Ge- 
webe mit dieser als Vegetationshügel. Bei Cardamine liefert also die Epidermis des Mutter- 
blattes nicht den ganzen Spross, sondern nur einen Theil. 

Der Verlauf der Sprossentstehung im Einzelnen ist folgender: Zunächst verlieren die 
stark verdickten Epidermiszellen an jener Stelle ihre starken Wände, welche aufgelöst werden 
und vermehren ihre Anzahl durch radiale Theilwände. Es beginnen wohl gleichzeitig mit diesem 
Vorgang die unter der Epidermis liegenden Zellschichten sich zu theilen. Auch hier siud die 
Wände dünner geworden und das ursprüngliche Gewebe geht in ein meristematisches über. 
Diese Umwandlung geht allmälig vor sich, so dass man den Uebergang des Dauergewebes in 
verjüngtes beobachten kann. Zum Theil haben die Zellen noch ungleichmässige Membranen. 
Taf. I. Fig. 6. 7. Selbst an älteren Sprossen finden sich noch oft an den Ecken oder Seiten 
der Tochterzellen Reste der Wandverdickung ihrer Mutterzellen. 

Die Erscheinungen des weiteren Wachsthums des jungen Sprossscheitels bis zur schliess- 


lichen Blattbildung sind denen normaler Vegetationspunkte ganz gleich. Es genügt daher, 


— 159 — 


auf die Fig. 8 bis 11 auf Taf. I. u. II. zu verweisen, welche die aufeinanderfolgenden Entwicklungs- 
stadien ohne Erklärung verständlich machen. Die Gefässbündelanlage geschieht in gewöhnlicher 


Weise. Die Stränge des Sprosses treten mit dem Strang des erzeugenden Blattes in Verbindung. 


Entwicklung der Wurzeln. 


Die adventiven Wurzeln von Cardamine pratensis bilden die erste Ausnahme von der 
bisher als fast unumstösslich angenommenen Regel, dass alle Wurzeln endogenen Ursprungs 


seien. Diese Wurzeln sind exogen. 


Es fällt schon bei der Betrachtung von Schnitten durch ältere Wurzeln auf, dass nirgends 
die angrenzenden Gewebe durchbrochen erscheinen und die Epidermis des Blattes continuirlich 
in die der Wurzel übergeht. Allein bei so leicht möglicher Täuschung ist ein Schluss aus den 
anatomischen Verhältnissen älterer Entwickelungsstadien auf frühere bedenklich. Die Verfolgung 


der Entstehung der Wurzel zeigt, dass die Vermuthung der exogenen Bildung richtig ist. 


Die Entwickelung der Wurzel nimmt folgenden Gang: Aus der Basis des schon beträcht- 
lich ausgebildeten Sprosses wölbt sich ein Hügel hervor, indem ganz wie bei der Entstehung 
dieses Sprosses selbst aus schon älterem Gewebe wieder ein neues Meristem sich bildet. “Das 
Periblem des Sprosses beginnt an jener Stelle eine lebhafte Theilung und die es bedeckende 
Epidermis muss, um dem Ausdehnungsbestreben zu folgen, ihre Zellen ebenfalls durch neue 
Theilungen vermehren. Fig. 12 zeigt diesen Zustand und zwar Fig. 12a die Conturen des Sprosses 
mit dem vollständig gezeichneten Gewebe der Wurzel, um deren Stellung zum Spross zu zeigen. 

Fig. 12b zeigt dieselbe Wurzel allein, bei stärkerer Vergrösserung. Die ursprünglich dem 
jungen Spross angehörige Epidermis überzieht ohne Unterbrechung die junge Wurzel und 
andererseits geht. dieselbe continuirlich in die des Blattstielgewebes über. Schon in diesem Stadium 
zeigt sich der Beginn der Differenzirung der: Wurzelhistogene, welche im Vergleich zum Spross 
schon viel früher beginnt. Durch fortgesetztes Wachsthum wölbt sich die Wurzel mehr und 
mehr unter dem Spross hervor und zu gleicher Zeit wird die Differenzirung der Meristem- 
schichten deutlicher, namentlich die Abgrenzung des Pleroms. Taf. II. Fig. 13a und 13b, 
14a und 14b. Es ist hier wieder zur Orientirung ausser der Wurzelansicht bei stärkerer Ver- 
grösserung dieselbe mit dem erzeugenden Spross, von welchem jedoch nur der Contur ge- 
zeichnet ist, gegeben. 

Betrachten wir eine weiter entwickelte Wurzel Taf. II. u. III. Fig. 15a und 15b. Dieselbe hat 


nahezu ihre Ausbildung erreicht, doch hat sie ihre Stellung gegen den Spross verändert, sie 


—.NN — 


steht jetzt neben demselben. Diese Verschiebung tritt stets bei der weiteren Entwickelung der 
Wurzel auf. 

Es wird durch diese spätere Verschiebung die Nothwendigkeit des bogigen Verlaufs 
des Pleroms in der noch jüngeren Wurzel, wie denselben Fig. 13a zeigt, erklärt. Richtet sich 
die Wurzel beim weiteren Wachsthum wie in Fig. 15a auf, so erhält der Axencylinder durch 
eine relativ geringe Verschiebung der Wurzelspitze seine normale Lage, was schwieriger 
geschehen könnte, wenn schon in der jungen Anlage des Stadiums Fig. 13a die Plerombildung 
in der Richtung der Axe fortschreiten würde. Im Stadium Fig. 15a hat schon die Bildung 
der Gefässe begonnen, welche sich an den Strang, der dem Blattstiel angehört, anlegen. So 
erreicht endlich die Wurzel ihre vollkommene Ausbildung, indem schliesslich die Differenzirung 
der Wurzelhaube erfolgt und durch dieses Merkmal jeder Zweifel gehoben ist, dass man es 
hier trotz der abweichenden Art der Entstehung mit wahren Wurzeln zu thun hat. 

Da der Schnitt, dessen Zeichnung Fig. 16 gibt, sehr zart war, so sind seitlich einige 
Zellen durch das Messer fortgenommen worden. Fig. 17 gibt deshalb noch eine Ansicht der 
Spitze einer Wurzel gleichen Alters. Die Spitze lässt die Anordnung der Meristemglieder klar 
überschauen. Plerom und Periblem sind scharf geschieden, den Scheitel des letzteren bedeckt 
eine Initialschicht, welche für die Epidermis und Wurzelhaube gemeinsam ist. Das Periblem 
selbst geht aus zwei Initialen hervor. Demnach würde man die Wurzeln dem dritten der von 
Janczewsky aufgestellten Typen beifügen müssen. Diese Thatsache macht weitere em- 
pfehlende Worte zur Anerkennung der Adventivgebilde als normal gebaute Wurzeln wohl 
überflüssig. 

Die Zeichnung der Wurzelspitze ist wie alle übrigen mit der Camera mit grösster 
Genauigkeit entworfen, ohne jegliche Schematisirung. Die Initialen des Pleroms und die gemein- 
samen für Dermatogen und Wurzelhaube treten in einer so charakteristischen Weise gegenüber 
den umgebenden Zellen. hervor, dass man an der Thatsächlichkeit der Meristemgliederung nicht 
zweifeln kann. 

Auf dieselbe Art, wie das eben geschilderte Beispiel, entstehen sämmtliche weitere 
Wurzeln, die sich rund um den Spross herum bilden. Es sind nur noch einige ergänzende 
Bemerkungen hinzuzufügen. 

Man wird wohl eigentlich nur die erste oder die wenigen ersten Wurzeln als aus dem 
Spross direct hervorgehende bezeichnen können. Die zahlreichen später nachfolgenden Wurzeln 
sind sowohl in Beziehung zu einander, als auf den Spross, accessorische Gebilde. Da der 


Spross nämlich unter gewöhnlichen Verhältnissen bald sein Wachsthum einstellt, während die 


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— ..161 — 


Wurzeln lebhaft weiter wachsen und neu entstehen, so wird ersterer allmälig hoch enıpor- 
gehoben und steht nun auf einem breiten Meristempolster, welches immer neue Wurzeln erzeugt, 
die aber nun nicht mehr aus dem Spross, sondern aus diesem Polster neben ihm entstehen. 
Die Skizze Fig. 18 zeigt diese Verhältnisse. Fig. 19 gibt eine ergänzende Aufsicht auf die 
Basis eines Blattes von Cardamine, welche den Spross s, umgeben von zahlreichen Wurzeln w 
verschiedenen Alters zeigt. Die Wurzel w? ist keine Nebenwurzel von «!, sondern eine dicht 
daneben entstandene Schwesterwurzel. Fig. 20 gibt einen Durchschnitt durch zwei solche im 


Verhältniss der accessorischen Bildung zu einander stehende Wurzeln. 


Dass auch zuweilen im Anfang Wurzeln nicht aus dem Spross, sondern neben dem- 
selben entstehen, geht aus Fig. 21 hervor, welche zugleich das jüngste beobachtete Anfangs- 


stadium einer der beschriebenen Wurzeln zeigt. 


Nun blieb noch die Entscheidung übrig, ob die oben erwähnten neben den normalen 
Axelsprossen entstehenden Wurzeln Fig. 2 w ebenfalls exogener Entstehung seien, wie die auf 


den Blättern entstandenen. 


Zu diesem Zweck wurden Stengelstücke, mit daransitzendem Blatt, in deren Axel 
die Wurzelbildung noch nicht oder kaum begonnen hatte, in obenbeschriebener Weise cultivirt. 


Durch dies Verfahren wurde die sonst langsamer von Statten gehende Wurzelbildung beschleunigt. 


Die Untersuchung ergab, dass diese Wurzeln mit den auf den Blättern oder in den 
Axeln ihrer Stiele entstehenden Wurzeln im Bau und in der Bildungsweise ganz übereinstimmen, 


also auch exogene Wurzeln sind. 


Entstehung der Nebenwurzeln. 


Es schien wohl von Interesse, zu erfahren, ob die im Vergleich mit allen normalen, 
so abweichend sich bildenden adventiven Wurzeln von Cardanmne nach ihrer vollkommenen Aus- 
bildung noch von ersteren durchgreifende Verschiedenheiten zeigen, namentlich, ob sie Neben- 
wurzeln in gewöhnlicher Weise bildeten oder ob auch diese aus der Mutterwurzel exogen 


entständen. 


Stecklinge aus den Fiederblättchen von Curdamine trieben zwar bei der Cultur üppig 
heranwachsende Wurzeln von relativ grosser Länge. Letztere bildeten aber nur zahlreiche 
Wurzelhaare, welche sich aus einem Ende der sehr langgestreckten Epidermiszellen der Wurzel 


als zarte Schläuche ausstülpten, dagegen keine Nebenwurzeln. 


— 162 — 


Ich benützte die von Prantl mitgetheilte Erscheinung, !) dass nach Entfernung der 
Wurzelspitzen zahlreiche Nebenwurzelanlagen auftreten. 

Es wurden also, nachdem die adventiven Wurzeln zu mittlerer Grösse herangewachsen 
waren, die Spitzen derselben abgeschnitten, diese Manipulation hatte den gewünschten Erfolg. 
In 6—7 Tagen brachen Nebenwurzeln aus den Mutterwurzeln hervor. 

Die Nebenwurzeln weichen von der gewöhnlichen Regel der Wurzelentstehung nicht 
ab; sie entstehen endogen am Fibrovasalstrang der Hauptwurzel. Fig. 22 zeigt eine solche 
junge Anlage einer Nebenwurzel. Die erste Anlegung derselben wurde bei der Schwierigkeit, 
(durch die fadendünne Hauptwurzel in gewünschten Richtungen Längsschnitte herzustellen, nicht 
erhalten, da ein zeitraubendes Versuchen für den vorliegenden Zweck nicht nothwendig erschien. 
Ist die Nebenwurzel herangewachsen, so durchbricht sie in bekannter Weise das deckende Ge- 
webe der Hauptwurzel. Somit documentirten sich die adventiven Wurzeln auch durch dieses 


Verhalten als normale Wurzeln, trotz ihrer abnormen Entstehungsweise, 


B. Adventivbildungen bei Nasturtium officinale und silvestre. 


Dass die bei Cardamine pratensis gefundene Abweichung der Wurzelbildung eine ganz 
alleinstehende Erscheinung sei, schien mir nicht sehr wahrscheinlich. Da mir andere Species 
der Gattung, bei denen eine Erzeugung adventiver Sprosse und Wurzeln bekannt ist, nicht 
zugänglich waren, so wandte ich meine Aufmerksamkeit der nahe verwandten Gattuug Nastur- 
tium zu. Wie bekannt, zeigt Nasturtium offieinale eine üppige Wurzelbildung hoch am Stengel. 
Diese Wurzeln stehen nicht an beliebigen Stellen der Pflanze, sondern entspringen aus den 
Blattaxeln. 

Eine vorläufige Betrachtung zeigt also eine Aehnlichkeit mit den axelbürtigen Adventiv- 
wurzeln von Cardamine pratensis. 

Auf den Blättchen der gefiederten Blätter von Nasturtium ist jedoch keine Spur einer 
Spross- oder Wurzelanlage zu entdecken, weder mit blossem Auge noch mikroskopisch. 

Ich versuchte in ähnlicher Weise, wie es oben bei Oardamine geschildert ist, einzeln 
getrennte Blätter zu eultiviren. Der gewöhnlichen Lebensweise des Nasturtium entsprechend 
wurde die Cultur in einer mit Wasser reichlich durchtränkten Sandschicht gehalten. 

Trotz mehrfach wiederholter Versuche entstand auf keinem der Blättchen irgend welche 


Neubildung ; dieselben wurden gelb und gingen schnell zu Grunde. 
!) Prantl, K., Untersuch. üb. d. Regeneration des Vegetationspunktes von Angiospermenwurzeln. 
Arbeiten d. bot. Instit. z. Würzburg. I. Bd. p. 555. 


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— 169° — 


So schritt ich denn zur Untersuchung der axelständigen Wurzeln, und da Nasturtium 
dieselben in reichlichster Menge erzeugt, wenn man es ins Wasser legt, so konnten alle Stadien 
ohne weitere besondere Cultur erhalten werden. 

In der Axel jedes Fiederblattes finden sich meist zwei accessorische Sprosse, von 
denen gewöhnlich einer gegen den andern in der Entwickelung bedeutend zurückbleibt. 
Neben diesen Sprossen entstehen in unbestimmter Anzahl Wurzeln. 

Die Entstehung dieser Wurzeln weicht in Nichts von derjenigen der axelständigen 
und blattbürtigen Adventivwurzeln bei Cardamine pratensis ab. Die Adventivwurzeln in den 
Axeln von Nasturtium offieinale entstehen exogen und stimmen in der Entwickelungsgeschichte 
ganz mit denen von Cardamine überein, so dass die beigegebenen Zeichnungen für beide Species 
gelten können. 

Auch der Bau der Wurzeln von Nasturtium ist mit dem der Cardaminewurzel über- 
einstimmend und gehört demselben Typus an. 

Das gelbblühende Nasturtium silvestre, welches ich gleichfalls untersuchte, schliesst sich 
der eben besprochenen Pflanze ganz und gar an. Auch hier entstehen die axelbürtigen 


Wurzeln exogen in derselben Weise. 


Es lag nun der Gedanke nahe, dass auch Pflanzen anderer Gattungen, welche in 
gleicher Weise, namentlich wenn sie an feuchten Orten wachsen, adventive Wurzeln am Stengel 
erzeugen, sich den Ausnahmen von der gewöhnlichen Wurzelentstehung anschliessen könnten. 

Ich untersuchte daher zum Vergleich noch einige Pflanzen, welche, ebenfalls im Wasser 
oder an nassen Orten lebend, Wurzelbildung am Stengel zeigen. 

Bei Veronica Beccabunga findet man ringsum unter jedem Stengelknoten eine Menge Wurzeln 
verschiedener Grösse. 

Anscheinend geht deren Basis in das Stengelgewebe continuirlich über, Allein eine genaue 
Untersuchung ergibt, dass diese adventiven Wurzeln endogener Entstehung sind und das 
Rindengewebe des Stengels durchbrechen. 

Polygonum amphibium zeigt mit Veronic« übereinstimmende Orte der Wurzelbildung. 
Das Mikroskop zeigt, dass auch hier die Wurzeln endogen entstehen. 

Bei Ranunculus fluitans finden sich seitlich unterhalb der Ansatzstelle der fadenförmigen 


Blätter adventive Wurzeln. Ihre Entstehung ist eine endogene, 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XTI. 22 


— 164 — 


Endogener Entstehung sind auch die Wurzeln von Hottonia palustris, die meist seitlich 


unterhalb der Blätter entspringen. 


Eine genaue Entwickelungsgeschichte der adventiven Wurzeln dieser 4 Pflanzen kann 


erst später gegeben werden. 


Es ist also ein durchgreifender Unterschied in der Entstehungsart der adventiven 
Wurzeln bei diesen 4 Species einerseits und bei den genannten Cruciferen andererseits vor- 


handen, trotz der äusserlichen Aehnlichkeit der Erscheinung. 


Wenn auch eine Erklärung für diesen Unterschied hier nicht gegeben werden kann, so 


ist doch folgende Thatsache bemerkenswerth. 


Die endogenen Wurzeln bei Veronica Beccabunga und Polygonum amphibium bei Ranun- 
eulus fluitans und Hottonia palustris, entstehen sämmtlich aus .dem Stengel selbst, nie aus 
der Blattaxel, die exogenen Wurzeln bei Cardamine pratensis (ausgenommen natürlich die 
auf Blättern entstandenen), bei Nasturtium officinale und silvestre dagegen alle in der Axel 


eines Blattes, nicht aus der blatttragenden Axe selbst. 


C. Adventivbildungen bei Atherurus ternatus. 


Die blattbürtigen Adventivbildungen dieser Aroidee sind ebenfalls lange bekannt. 

Sie sind schon von H. Peter-Peterhausen einmal untersucht worden, doch noch nicht 
eingehend. !) 

Die Pflanze entwickelt sich im Frühjahr aus einer tief im Boden steckenden Zwiebel- 
knolle. Die an die Oberfläche tretenden Blätter haben nach Vollendung ihres Wachsthums eine 
dreitheilige charakteristische Form. Der mittlere Theil des Blattes zeigt eine bedeutendere 
Grösse im Vergleich mit den beiden seitlichen Theilblättchen. Die drei Blättchen sitzen an einem 
gemeinsamen Blattstiel und bilden an ihrem Vereinigungspunkte eine kleine Vertiefung. In 


dieser Vertiefung entstehen die adventiven blattbürtigen Zwiebelchen. Fig. 23 A. 


Der Blattstiel ist sehr lang und an seinem unteren Theil scheidig zusammengerollt. Aus 
dieser Scheide drängt sich eine je nach dem Alter des Blattes verschieden grosse Zwiebel 
heraus, welche durch die Streckung des Blattstiels zuweilen über den Boden emporgehoben 


wird, meistens jedoch unterirdisch bleibt. Fig. 23 z. 


') H. Peter-Peterhausen, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Brutknospen. Hameln 1876, p. 42. 


— 165° — 


An älteren Blättern von Atherurus ternatus findet man in der Vertiefung zwischen den 
Basen der drei Theilblättchen ein oft mehr, oft weniger deutliches Höckerchen. Es ist die 
Anlage der blattbürtigen Zwiebel, welche unter den gewöhnlichen Umständen nicht zur Aus- 
bildung gelangt, sondern auf der unentwickelten Stufe stehen bleibt und mit dem Blatt zu 
Grunde geht. 

Es war also erforderlich die blattbürtigen Zwiebeln durch Cultur der Blätter zur Ent- 
wickelung zu bringen. Zu diesem Zwecke machte ich von den abgeschnittenen Blättern Steck- 
linge. Dieselben wurden mit ihren Stielen aufrecht in feuchten Sand gesteckt und unter 
Zuführung der nöthigen Feuchtigkeit bei Zimmertemperatur mit einer Glasglocke bedeckt ge- 
halten. Für Beleuchtung war vollkommen gesorgt unter Ausschliessung der Wirkung directer 
Sonnenstrahlen. 

Die Culturen wurden in folgender Art modificirt. 

Erstens wurden Blätter dicht unter der Vereinigungsstelle der drei Theilblättchen vom 
Stiel getrennt und gesteckt. 


Einer zweiten Anzahl wurde ein längeres Stück des Stengels gelassen, indem das Blatt 


oberhalb der Zwiebel (z) (Fig. 23 bei x) abgeschnitten wurde. 


Bei einer dritten Versuchsreihe endlich wurden die Blätter mit ganzem Stiel und daran- 
sitzender Zwiebel (2) gesteckt. Diese Culturen wurden in demselben Raum unter gleichen 


Bedingungen gehalten. 


Ausserdem wurde noch eine kleinere Anzahl Versuche gemacht, wie sich Stücke des 
Blattstiels allein und Stücke des Blattstiels mit daransitzender Zwiebel verhielten. Ich bemerke 
gleich hier, dass diese Stengelstücke schnell zu Grunde gingen, dass bei den mit Zwiebeln 
versehenen Stengelstücken diese ebenfalls schnell faulten, die Zwiebeln aber lebensfähig in der 


Erde liegen blieben. 


Wenden wir uns nun den erstgenannten drei Reihen von Blatteulturen zu, so lag nach 
Verlauf von 14 Tagen ein Resultat vor, welches jedoch bei den drei Reihen ein ver- 


schiedenes war. 


Diejenigen Blätter, welchen die blattstielständige Zwiebel gelassen worden war, sahen ganz 
frisch und turgescent aus, zeigten aber keine Spur von Entwickelung der adventiven Zwiebel 
zwischen den drei Blättchen. Dagegen trugen sowohl die mit kurzen als mit längeren Stengel- 
stücken, aber ohne Zwiebel eingesetzten Blätter ausgebildete Zwiebelchen an der Vereinigungs- 
stelle der drei Theilblättchen. Fig. 23 A, 


— 166 — 


Diese entwickelten sich munter weiter, während das Mutterblatt bald zu Grunde ging, 
und gelangten endlich nach dem Vertrocknen des Blattes auf die Sandunterlage, wo sie eine 
längere oder kürzere Zeit liegen blieben und nach dieser Ruheperiode junge Sprosse aus- 
sandten. In ihrer Form gleicht diese blattbürtige ganz der am Blattstiel entstehenden, nur 
dass erstere grüne, letztere, weil unterirdisch, chlorophylliose Blattschuppen zeigt. Auch 


der Bau ist bei beiden ganz übereinstimmend. 


Entwickelung der adventiven Zwiebel zwischen den Blättern. 


Schnitte in der Richtung der Längsaxe des Stengels durch den Ort der Sprossbildung 
vor dessen Anlage zeigen ein lockeres Parenchym, dessen Zellen sehr. zartwandig sind, über- 
zogen von einer Epidermis. Beide Gewebeformen lassen keine besonderen Abweichungen im 
Bau und Verhalten erkennen. Im Grundgewebe verlaufen die Gefässstränge der Blatt- 
spuren Taf. IV. Fig. 24. 


Wenn nun die Bildung des ‘adventiven Sprosses ihren Anfang nimmt, so geht das am 
bezeichneten Orte liegende Dauergewebe in ein meristematisches über. In den Epidermis- 
zellen werden die Wandverdickungen resorbirt und dieselben zeigen sammt denen des Grund- 
gewebes neue Theilungen, welche durch erneut auftretendes Wachsthum bedingt werden. 

Die Epidermis zeigt dabei ein ganz eigenthümliches Verhalten. 

Wenn in anderen Fällen ein seitliches Glied aus einem vorhandenen entsteht, wenn z. B. 
ein Blatt aus dem Vegetationspunkt des Scheitels oder der Blattaxel sich bildet, so pflegt 
die Epidermis des neuentstehenden Gliedes durch Wachsthum und neue Theilungen aus der 
vorhandenen der Mutterachse hervorzugehen. Die primäre Epidermis liefert nur wieder 


Epidermis und Keine andere Gewebeform. 


Bei der Sprossbildung auf den Blättern von Atherurus gehen verschiedene Gewebeformen 
aus einem und demselben Systeme hervor. Epidermiszellen liefern nicht nur Elemente der 
Epidermis des neuen Vegetationsscheitels, sondern auch Elemente für den Aufbau des ihm 


angehörigen Periblems. 


Wie Fig. 25 zeigt, theilen sich die ursprünglichen Oberhautzellen nach Resorption ihrer 
euticularisirten Wandverdickungen tangential, so dass jede derselben eine secundäre Oberhaut- 


zelle und eine Rindengewebszelle liefert. 


Da dieser Theilungsmodus auch in älteren Stadien zum Theil beibehalten wird, so zeigt 


— 167. — 


der Vegetationspunkt nicht die regelmässige Anordnung und die scharfe Grenze, welche sonst 
zwischen Epidermis und Grundgewebe bemerkt wird. Fig. 26 u. 28. x 

Hat sich der Vegetationshügel erhoben und durch Wachsthum genügend vergrössert, so 
entsteht aus ihm in gewöhnlicher Weise das erste Blatt, wie Fig. 42 zeigt. Auch in den 
Epidermiszellen des Blattes treten ab und zu tangentiale Wände auf. 

In weiterer Vollendung mit den zwei ersten Blättern zeigt Fig. 28 die junge Zwiebel. 

Der Vegetationspunkt wird durch Heranwachsen und Neubildung der Blätter später von 
diesen ganz eingehüllt. Er liegt dann tief unter dem jüngsten Blatt, da immer ein Blatt das 
andere mit tutenartiger Scheide bedeckt, so dass eines in das andere eingeschachtelt erscheint, 
Fig. 29 (v Vegetationspunkt, b Blätter). 


Entstehung der Zwiebel am Blattstiel. 

Wären wir nun über die Entstehung der zwischen den drei Blättchen stehenden Zwiebel 
ausser Zweifel, so ist noch eine Betrachtung der am Blattstiel stehenden Knolle (z) nothwendig, 
da aus dem fertigen Zustand ihre Bildung nicht ohne weiteres Klar liegt. 

Im fertigen Zustand sitzt die Zwiebel stets da, wo die scheidenartige Bildung des Blatt- 
stiels ihr Ende erreicht. Oberhalb der Zwiebel ist der Blattstiel ohne Spalte, dieselbe beginnt 


erst gerade über der Ansatzstelle der Zwiebel und ist nach unten hin zu verfolgen. 


Betrachtet man den Stiel eines noch jüngeren Blattes von Atherurus, so ist in einer 
geringen Anschwellung in nicht stets gleicher Entfernung von der Blattbasis die in Bildung 
begriffene junge Zwiebel zu erkennen. Dieselbe erscheint ganz im Blattstiel eingeschlossen, 


so dass man fast an eine endogene Entstehung glauben möchte. 


Querschnitte durch jene Stelle zeigen das Irrthümliche dieser Vermuthung. Die Zwiebel 
entsteht wie ein gewöhnlicher Spross exogen aus dem Blattgewebe. Allein schon sehr früh 
wird dieselbe von beiden Rändern des Blattstiels, welche sich scheidig zusammenlegen 
schützend bedeckt. Fig. 30 (v Vegetationspunkte der Zwiebel, s Blattscheide.) 

Bei der späteren bedeutenden Anschwellung der Zwiebel drängt dieselbe die schützenden 


Decken bei Seite und tritt aus diesen heraus. 


Die Zwiebel hat den Werth eines normalen Axelsprosses, doch ist diese Bezeichnung, 
da bei der Form des Blattes von Atherurus von einer Blattaxel nicht zu reden ist, nicht 


anwendbar. 


Die Zwiebel entsteht schon früh aus dem Gewebe eines jungen Blattes in der gewöhn- 


— 168 — 


chen Art und zwar unterhalb der Basis der jungen Spreite. Fig. 31 (2 Zwiebelanlage, 
sp Blattspreite, st Blattstiel.) 


Das dargestellte Blatt entspricht demjenigen, welches auf der Skizze des Vegetations- . 


punktes Fig. 44 mit bt bezeichnet ist. An den jüngeren Blättern ist noch von der Zwiebel- 


anlage nichts vorhanden. 


Da sich der Blattstiel (st) oberhalb der Zwiebel beim Wachsthum gewaltig streckt, so 
rückt diese scheinbar immer weiter nach unten und steht im fertigen Zustand weit entfernt 
von der fertigen Blattspreite, Fig. 23 z. Legt man solche erwächsene Zwiebeln entweder 
isolirt oder mit daransitzendem Blatt in feuchtes Erdreich, so entstehen aus ihnen eine Anzahl 
Wurzeln. Diese entspringen nicht, wie. gewöhnlich bei einer Zwiebel an der Basis derselben, 


sondern treten nach oben hervor, die Blattschuppen durchbrechend. Fig. 32. 


Die äusseren Zwiebelblätter zeigen eine reichliche Korkbildung und sind zum Theil 


abgestorben. Sie bilden einen Schutz für die darunterliegenden. 


Aus diesen letzteren Blättern entspringen die Wurzeln, deren Anlagen man auf Schnitten 
in grosser Menge findet. Es sind normale Wurzeln, welche sich durch eine stark ausgebildete 


Wurzelhaube auszeichnen. Fig. 33. 


Werfen wir nun noch einen Rückblick auf die eben geschilderten Erscheinungen. 

Die Adventivbildungen der Cardamine pratensis sowie der Nasturtium-Arten zählen zu 
denjenigen, welche regelmässig unter den natürlich gegebenen Bedingungen an der Pflanze 
auftreten. Sie sind für dieselben ein typisches Merkmal. 


Die Adventivgebilde bei Atherurus ternatus schliessen sich den obengenannten an. 


Beide zeigen auch darin Uebereinstimmung, dass, obgleich die Anlage der adventiven Sprosse 
und Wurzeln regelmässig stattfindet, doch die vollkommene Ausbildung zum Theil unterbleibt, 
und für Erreichung dieser erst besondere Umstände nöthig sind. 

In ihrem Bau weichen Sprosse und Wurzeln nicht von dem der übrigen bekannten Formen, 
welche als normale bezeichnet werden, ab. Ein Abweichung findet nur statt in Bezug auf den 


Ort und theilweise auf die Art und Weise ihrer Entstehung. 


In ihrer weiteren Lebenszeit verhalten sich die Wurzeln ganz normal, die Sprosse gleichen 


den aus dem Embryo entstandenen. £ 


— 169 — 


Die adventiven Sprosse zeigen bei Cardamine auch immer die einfachere Blattform, 
welche die ersten Blätter der aus Samen erzogenen besitzen; auch die normalen Axelsprosse 


beginnen mit dieser einfachen Blattform. 


il. Scheinbare Adventivbildung (Schlafende Augen.) 
A. Gleditschia sinensis. 


Im Baseler botanischen Garten befand sich ein jüngeres Exemplar derselben, welches durch 
die Art seiner Sprossbildung die Untersuchung nahe legte. 

Beim Betrachten der Pflanze im blattlosen Zustande musste es auffallen, dass an den 
Stellen, welche durch Vorhandensein der Blattnarben als ursprüngliche Blattaxeln zu erkennen 
waren, fast überall ein Büschel junger Sprosse im Knospenzustand dicht zusammengedrängt 
stand. Eine besondere Anordnung war nicht zu erkennen; die Sprosse schienen die Rinde 
durchbrochen zu haben, welche mit ihren emporgehobenen Rändern dieselben umgab. Der 
eigentliche normale Axelspross war in einen Stachel umgewandelt und zwischen ihm und den 
hinter ihm folgenden Sprossen war ein grösserer Abstand vorhanden. Taf. V. Fig. 34. 

Auf die Entstehung der Sprosse liess sich aus dem vorliegenden Zustand kein sicherer 
Schluss ziehen. Ob sie accessorische Axelsprosse seien, ob die scheinbar nebeneinander 
stehenden Sprosse unter sich im Verhältniss von Axelsprossen ständen oder ob adventive 
Sprossbildung vorläge, war ohne weiteres nicht zu erkennen. 

Ausser dieser Frage drängte sich noch die weitere auf nach der Entstehung der mächtigen 
Stacheln am Hauptstamm und an alten Zweigen, welche namentlich an ersterem keine Be- 
ziehung zu einem früher vorhanden gewesenen Blatt erkennen liessen. 

Im Laufe des Winters untersuchte ich den geschilderten vorgefundenen Zustand und 
konnte im folgenden Frühling der Entwickelung der jungen Knospen bis zur Ausbildung des 
Triebes schrittweise folgen, sowie durch Beobachtung der Anlage neuer die oben gestellten 
Fragen lösen. : 


Die Darstellung wird sich am besten diesem Wege anschliessen. 


Entstehung der schlafenden Augen. 


An einzelnen Zweigen stehen die Sprossknospen ohne erkennbare Ordnung gruppenweise 
dicht bei einander, an anderen dagegen, namentlich an jüngeren findet man dieselben in deut- 


lich erkennbarer Reihe hinter einander stehend. Fig. 34. 


— 170 — 


Der erste, älteste Spross ist zum Stachel umgewandelt. Es folgt, hinter-ihm stehend, ein 
blättertragender jüngerer und diesem wieder einer geringeren Alters; oft stehen so drei oder 
vier und mehr Sprosse hinter einander, der jüngste ist noch zum Theil von der gehobenen 
Rinde bedeckt und macht den Eindruck, als ob er diese durchbrochen hätte. 

Macht man nun Längsschnitte durch die ganze Reihe von Sprossen und die hinter dem 
jüngsten liegende Partie, so findet man, dass die Reihe grösser ist, als mit blossem Auge wahr- 
nehmbar, dass nämlich hinter dem letzten an die Oberfläche getretenen Spross noch eine An- 
zahl jüngerer folgen, welche tief unter der Rinde sitzen. Taf. VI. Fig. 43. 

Es schien kaum zweifelhaft, dass hier immer neue adventive Sprosse endogen im Rinden- 
gewebe angelegt würden. 

Längsschnitte gaben jedoch nicht die nöthige Aufklärung über die Anlage dieser scheinbar 
endogenen Adventivsprosse. Es wurden deshalb, vom jüngsten mit blossem Auge erkennbaren 
Spross beginnend nach rückwärts fortschreitend, sämmtliche Querschnitte gesammelt, bis das 


Ende des Bildungsherdes erreicht war. 


So erhielt ich die auf einander folgenden Sprosse verschiedenen Alters in verschiedenen 
Stadien des Durchbrechens durch die Rinde. Die letzten Stadien waren solche, wo der Spross 


noch ganz und gar unter der Rinde steckte, die sich als dichte Decke über ihn erhob. 


Die Figuren 35 und 36 auf Taf. V. geben eine bessere Vorstellung von diesen Verhält- 
nissen als weitläufige Beschreibung. In beiden Bildern haben die Sprosse ihre vollständige 
erste Ausbildung bis zur Anlage von Blättern erreicht und stecken in einer Höhlung des Rinden- 
gewebes, welches an der Oberfläche zum Theil verkorkt und mit reichlichem Periderm ver- 


sehen ist. Mit d sind Blattreste eines schon an die Oberfläche getretenen Sprosses bezeichnet. 


Ich erhielt eine grosse Menge von Präparaten, welche den in Fig. 35 und 36 gezeich- 
neten gleich waren. Stets waren es Sprosse annähernd gleichen Alters und von dem Aus- 
bildungsstadium, wie es die Zeichnungen zeigen. Allein ein emsiges Suchen nach noch jüngeren 
Stufen und nach ersten Anlagen blieb vergeblich, trotz ungezählter Reihen von Schnitten und 
Beobachtungen. Diese Unmöglichkeit, trotz vorhandenen Materials, der Anlage der endogenen 
Sprosse auf die Spur zu kommen, brachte mich auf den Gedanken, dass trotz der anscheinen- 


den Thatsache endogener Bildung, doch eine Täuschung vorliegen könne. 
Da man stets nur ausgebildete Sprosse tief unter der Rinde fand, dagegen nie eine Anlage, 
so war es wahrscheinlich, dass die erste Anlage überhaupt nicht dort zu suchen sei, wo man 


den fertigen Spross findet. 


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— 171 — 


Durch stets wieder aufgenommene Untersuchung gelang es, die Bestätigung für diesen 
Schluss aus unzweifelhafter Beobachtung zu erhalten. 

Dieselbe ergab folgendes Resultat. 

Der tief unter der Rinde sitzende Spross ist, obgleich von jeder Verbindung mit der 
Aussenwelt abgeschlossen, keineswegs im Innern des Rindengewebes entstanden. 

Vielmehr sind die eingebetteten Sprosse Axelsprosse, welche in normaler Weise in der 
Axel eines Fiederblattes angelegt werden. Durch wucherndes Wachsthum der Rinde und deren 
reichliche Kork- und Borkebildung erhebt sich dieselbe im Laufe der Zeit wie ein Wall zu beiden 
Seiten des Sprosses und neigt über ihm zusammen, die beiden Ränder der Rindenwälle ver- 
wachsen. miteinander und der Spross ist unter einer dichten Gewebedecke begraben. 

Den Beginn dieser Einbettung zeigt Fig. 37. Der einzubettende Spross wird durch ein 
zungenförmiges Stück (z) des Rindengewebes wie von einer Schutzdecke bedeckt und über 
dieses erst lagert sich die Gewebemasse der Rinde. Dieses zungenförmige Schutzstück besteht 
immer aus noch lebendem, nicht verkorktem Zellgewebe und vermittelt später die Verwachsung 
der beiden Wäille. 

Fig. 38 zeigt ein weiteres Stadium der Ueberwallung, doch ist in beiden Figuren noch 
die nach aussen führende Spalte vorhanden, welche in der Fig. 35 und 36 endlich ganz ver- 
schwunden ist. 

Durch diese Vorgänge wird oft der Spross so tief ins Innere gedrängt, dass man eine 
andere als endogene Entstehung beim Anblick der beendigten Einbettung kaum für möglich 
hält. Es findet sich sogar häufig, dass durch die Verschiebungen ein Spross schliesslich senk- 
recht unter dem andern sitzt. 

Dass nun, wie oben gesagt, nicht einzelne Sprosse, sondern ganze Reihen sich hinter 
der Blattnarbe in der Rinde finden, erklärt sich daraus, dass ursprünglich in der Axel eines 
Fiederblattes von Gleditschia eine Reihe accessorischer Sprosse angelegt wird. 

Ich verfolgte zur Vervollständigung der vorliegenden Entwickelungsgeschichte die Bildung 
der normalen Sprosse.!) 

Es musste hierbei auf die Untersuchung des Vegetationspunktes eines neuen Jahrestriebes 
zurückgegangen werden, da die Axelsprosse schon früh in der Blattaxel angelegt werden. 

Fig. 39 zeigt den Umriss eines jungen Blattes (5), welches sich schon zur Fiederung 

1) Accessorische Sprossbildung bei Gleditschia findet sich bei Hofmeister Allgem. Morphol. p. 429 erwähnt. 


Seine und Oersted’s Angaben sind von C. Delbrouck in dessen Arbeit über Pflanzenstacheln, (Hanstein’s 


Botan. Abhandl. B. II. p. 95) mit aufgenommen. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. . 23 


— ll 


anschickt (bei f). In dessen Axel erhebt sich als Hügel die junge Sprossanlage (a), 
diese entsteht in normaler Weise, wie aus Taf. VI. Fig. 40 hervorgelit, welche denselben Spross 
bei stärkerer Vergrösserung zeigt. 

Es geht aus den Abbildungen hervor, dass dieser Axelspross in seiner ersten Anlage 
ganz einem normalen Spross gleicht. Auch noch im folgenden Stadium, wo er sein erstes 
Blatt anlegt, weicht er in nichts von einem solchen ab. Fig. 41 bei a. 

Beim späteren Heranwachsen bildet sich der Spross zu einem verzweigten Stachel um, 

In dieser Umbildung begriffen zeigt ihn Fig. 42 bei a. Die am Spross gebildeten Blätter 
kommen kaum zur Entwickelung und bleiben immer mehr zurück. Durch Wachsthum des 
Internodiums hat er sich von seinem Stützblatt ganz entfernt und hinter ihm beginnt nun die 


Bildung zahlreicher accessorischer Axelsprosse, welche ebenfalls allmälig vorrücken und so 


Raum für die weitere Bildung ihrer Schwestersprosse geben. Der Stachel wird schliesslich hart 


und scharf, die hinter ihm stehenden Sprosse aber sind es, welche, ehe sie auswachsen können, 
vom Rindengewebe eingebettet werden. 

Sind sie gar zu tief hinabgesenkt, so kommen sie wohl gar nicht oder erst nach Jahren 
unter günstigen Bedingungen wieder ans Licht. Die der Oberfläche näher liegenden brechen 
nach einander in folgenden Vegetationsperioden durch und da der vorausgehende Spross beim 
weiteren Wachsthum die hinter ihm liegende Rindenpartie etwas lockert und hebt, so bahnt er 
dem folgenden schon den Weg. Fig. 43 (bl Blattnarbe, » Rinde.) - 

Wie erwähnt wachsen am Hauptstamm von @leditschia sinensis jedes Frühjahr eine Anzahl 
grosser Stacheln direct aus diesem hervor. Dieselben sind an Grösse den an Blättern stehenden 
bedeutend überlegen und erlangen ihre Ausbildung viel schneller. Auch sie sind anfangs 
weich und biegsam und zeigen rudimentäre Blattbildung, erst später werden sie zu den ge- 
fährlichen Waffen. 

Zur Untersuchung ihrer Enstehung wurde -dem Stamm ein Stück Rinde mit mehreren 
grossen Stachen abgenommen. Schon mit blossem Auge sieht man in der Umgebung der 
Stacheln viele zurückgebliebene Sprosse aus der Rinde hervorragen und Schnitte zeigen, dass 
auch hier eingebettete Sprosse vorhanden sind. Es ist also kein Zweifel, dass auch diese Stacheln, 
welche an unbestimmten Orten aus dem Stamm hervorbrechen, aus schlafenden Augen entstehen, 
welche seit Jahren eingebettet sind und von ursprünglich am Hauptstamm in dessen Jugend 
gebildeten Axelsprossen seiner Blätter herrühren. 

Eine genauere Lösung dieser letzten Frage, welche eine theilweise Entrindung des Stammes 


nöthig gemacht und dessen Leben gefährdet hätte, musste aus diesem Grunde unterbleiben. 


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— 13 — 


Allein der Augenschein und Vergleich mit den oben geschilderten Thatsachen erlauben wohl 
den Schluss, dass die Entstehung der Stacheln am alten Stamm keine andere sei als die der 
Beobachtung direct zugängliche an jüngeren Zweigen. 

Es ist nur der Unterschied, dass an jüngeren Zweigen die hervorbrechenden Sprosse in 
den ersten Jahren sich immer zu Laubsprossen ausbilden, während sie am alten Stamm 


Stacheln werden. 


B. Symphoricarpus vulgaris. 

Ganz denselben Vorgang der Einbettung normal entstandener Sprosse durch Rindengewebe 
fand ich bei Symphoricarpus vulgaris. 

An den Knoten der Zweige findet ınan sehr starke Anschwellungen, welche durch Wuche- 
rung der Rinde veranlasst sind. Ein Schnitt durch ein Internodium zeigt, dass der Holzkörper 
von einer relativ schwachen Rinde umgeben wird, an den Knoten dagegen hat sich das Rinden- 
gewebe gewaltig vermehrt. Es bietet den Anblick einer unregelmässigen Zellenmasse und hat 
Aehnlichkeit mit dem Gewebe eines Callus. 

In diesem Gewebe finden sich in grosser Zahl Sprosse eingebettet und der Vorgang dieser 
- Einschliessung ist ganz derselbe wie bei Gleditschia sinensis. 

Die Rinde erhebt sich über dem Spross und umhüllt ihn endlich durch Verwachsung ihrer 
Ränder. Auch hier ist das. zungenförmige Gewebestück, welches den Spross bedeckt, immer 
vorhanden, welches theils von einer Seite, theils von beiden, denselben überwächst. Fig. 44. 45. 

In den beigegebenen Figuren ist der Vorgang recht deutlich, wie durch die Verschiebungen, 
welche die wachsende Rinde hervorbringt, Sprosse unter einander geschoben werden können, 
so dass sie nach gänzlichem Einschluss schliesslich senkrecht unter einander stehen. 

Die beiden Skizzen Fig. 45 und 46 zeigen den Mechanismus dieses Vorganges sehr an- 
schaulich. Zu seiner Beendigung ist nur noch eine geringe Hinunterpressung des jüngeren 
Sprosses durch das Rindengewebe und die Verwachsung der nach Aussen führenden Spalte 
nöthig, welche schliesslich in der That stattfindet. 

In den Knoten der am Boden lang hinlaufenden Zweige von Symphoricarpus finden sich 


ausserdem noch Wurzeln, welche später angelegt werden und in gewöhnlicher Weise entstehen. 


— 1714 — 


Wir haben also in diesen beiden Fällen diejenige Erscheinung, welche Hartig mit dem 
Namen der schlafenden Augen ganz passend bezeichnete und als von den Adventivbildungen 
ganz verschiedene gekennzeichnet hat. 

Gerade diese Knospen wurden früher ihres später folgenden und unregelmässigen Er- 
scheinens an alten Stämmen wegen, vorzugsweise als adventive Knospen bezeichnet; der mit 
diesem Irrthum Hand in Hand gehende zweite, der Glaube an die endogene Entstehung dieser 
Gebilde führte dann zu der falschen und verwirrenden Identificirung von adventiver und endo- 


gener Entstehung. 


Ill, Adventivbildungen an Stecklingen. 


Es ist eine bekannte Erscheinung, dass abgetrennte Glieder einer Pflanze die Fähigkeit 
besitzen, adventive Sprosse und Wurzeln zu erzeugen, und dies Vermögen wird seit alter Zeit 
von den Gärtnern zur sogenannten künstlichen Vermehrung benutzt. 

So allgemein bekannt und praktisch bedeutsam diese Vorgänge aber auch sind, so sind die- 
selben doch noch wenig der wissenschaftlichen Untersuchung unterworfen worden. 

Ich erwählte daher auch aus dieser Gruppe von adventiven Erscheinungen zwei Fälle, um 


mit den oben dargestellten einen Vergleich ziehen zu können. 


Ehe ich jedoch die Entwickelungsgeschichte der adventiven Sprosse und Wurzeln an Steck- 


lingen gebe, muss ich die Aufmerksamkeit auf eine Erscheinung lenken, welche mit der Er- 


zeugung adventiver Glieder eng zusammenhängt. Ich meine die Bildung des Callus. 

Bei der Cultur abgeschnittener Blätter oder Internodien als Stecklinge beginnt an der 
Schnittfläche, ehe die Bildung adventiver Sprosse und Wurzeln auftritt, eine reichliche Ver- 
mehrung des Gewebes. Dasselbe scheint aus der Schnittfläche gleichsam hervorzuquellen und 
bedeckt sie und ihre Umgebung mit einer oft bedeutenden Anschwellung. Die Gewebewucherung, 
welche so lange bekannt ist, als die Vermehrung durch Stecklinge selbst, belegte man mit dem 
Namen Callus. 


Später zog diese Erscheinung natürlich wissenschaftliches Interesse auf sich, blieb aber bis 


heute noch immer ziemlich räthselhaft. 


Die Untersuchungen Duhamel’s, Meyen’s, Tr&cul’s waren wesentlich zur Lösung 


physiologischer Fragen angestellt. 


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Eine genauere Verfolgung der Gewebeentwickelung des Callus durch mikroskopische 
Untersuchung unternahm zuerst H. Crüger.') 

Er fand, dass alle Gewebe, welche in der Nähe der Schnittfläche sich befinden, sich am 
Aufbau des Callus -betheiligen. 

Erst 1874 wurden die Untersuchungen über den Callus von R. Stoll wieder aufgenommen.?) 

“Diese Untersuchungen bringen jedoch nicht viel Licht über ihren Gegenstand, da sie von 
_ einer, dem Interesse und der Wichtigkeit desselben wenig angemessenen Unzulänglichkeit sind. 
Die wenigen Fälle, welche etwas eingehender untersucht wurden und nur drei Species um- 
fassen, konnten natürlich unmöglich hinreichen, diese wechselvolle Erscheinung aufzuklären. 

Schlimmer ist, dass der Autor statt die wenn auch spärlichen, doch achtungswerthen 
früheren Untersuchungen zu berücksichtigen und zur Lösung herbeizuziehen, dieselben nicht 
genügend würdigt. 

Hierher gehören z. B. die Crüger’schen Untersuchungen, welche trotz des geringen Seiten- 
umfanges des citirten Aufsatzes recht schätzenswerth sind und diejenigen ihres Kritikers an 


Genauigkeit nicht unbedeutend übertreffen. 


Crüger, dessen Untersuchungen gar nichts an Klarheit vermissen lassen, wie R. Stoll 
rügt, schildert die Gewebeveränderungen in wesentlichen Punkten richtig. 

Die erste folgende genauere Untersuchung nur einer Species durch Regel reichte denn 
auch schon hin, um Stoll’s Behauptung zu widerlegen, dass Epidermiszellen nicht an der 
Callusbildung theilnehmen sollten. 

Seine Behauptung, dass im Callus selbst keine Vegetationspunkte gebildet würden, dass 
aus ihm keine Sprosse und Wurzeln entstünden, hätte Stoll leicht selbst widerlegen können, 
wenn er seine Untersuchungen etwas ausgedehnt hätte, da die drei ersten Species, welche mir 


in die Hand fielen, die Entstehung von Vegetationspunkten im Callus bestätigten. 


Die bisherigen Beobachter unterlassen es, eine bestimmte Definition für den Begriff des 
Callus zu geben. 

Stoll sagt l.c. p. 753: »Im botanischen und gärtnerischen Sinn versteht man unter dem 
Gallus der Stecklinge diejenigen Gewebecomplexe, die sich aus der Schnittfläche zum Zweck 
der Vernarbung bilden.« 

!) H. Crüger, Einiges über die Gewebsveränderungen bei der Fortpflanzung durch Stecklinge. Botan. 


Zeit. 1860 Nr. 47. 
») R. Stoll, Ueber die Bildung des Callus bei Stecklingen, Botan. Zeitung 1874 Nr. 46, 


— 16 — 


Im weiteren Verlauf der Arbeit wird aber ein Theil solchen Vernarbungsgewebes als 
»kein eigentlicher Callus« bezeichnet. Dem entsprechend werden später zwei Kategorien unter- 
schieden : Stecklinge, welche Callus bilden, und solche, welche »keinen eigentlichen Callus« bilden. 
Charakteristische Differenzen dieser beiden Kategorien oder Begriffsbestimmungen der ver- 


schiedenen Gewebeformen finden sich nirgends.) 


Es wird dadurch eine Unsicherheit in nachfolgenden Arbeiten veranlasst. So wird 
z. B. E. Beinling (I. c.), welcher bei seiner Untersuchung der Adventivbildungen bei Peperomia 
Stoll’s Arbeit als Basis benutzt, zu der unrichtigen Baar geführt, dass Peperomia 
keinen Callus- bilde. Infolge dieser falschen Prämisse gelingt es ihm nicht, die wahre Sachlage 


der adventiven Sprossbildung bei Peperomia klar zu legen. 


Peperomia bildet nämlich in der That Callus und aus dem Gewebe des Callus gehen die 
Sprosse hervor. Beinling mag dies wohl gesehen haben, da er aber seine falsche Prämisse 
nicht aufgibt, so hat er den wahren Sachverhalt nicht erkennen können und wird schliesslich 
zu einer ganz gezwungenen und unzureichenden Erklärung gedrängt. 

Ausser der Unklarheit über die Entwickelung des Callus ist noch immer der Hauptpunkt 
dunkel, wie der Gewebecomplex desselben seiner Function nach aufgefasst werden muss, ob 
derselbe nur eine pathologische Erscheinung ist, ob er ein Schutzgewebe oder ein Bildungs- 
gewebe darstellt. Die hier angedeuteten Fragen werden zum Theil in Folgendem beantwortet 
werden. 

Die Darstellung der Callusbildung im Allgemeinen, worüber mir schon Resultate vorliegen, 
möchte ich, um die Uebersicht nicht zu stören, später gesondert geben. 

Da diese Erscheinung mit der Adventivbildung eng zusammenhängt, so werde ich im 
Laufe der weiteren Untersuchung genügend Material sammeln können, um zur Lösung dieser 


langschwebenden Frage einen Beitrag zu liefern. 


x 


A. Adventivbildungen an Stecklingen von Achimenes grandis. 
Unter den zahlreichen Pflanzen, welche sich durch Stecklinge vermehren lassen, zeichnen 
sich die Gesneraceen durch diese Fähigkeit besonders aus. 


Da mir Achimenes grandis in grösserer Menge zu Gebote stand, so wählte ich diese Species. 


!) Die Abtrennung einer Gruppe von Stecklingen, welche keinen Callus bilden gründet Stoll auf die 
Resultate seiner Untersuchungen von Pogostemon Patschouli und Begonia fagifolia. Ich habe Blätter von 
Pogostemon Patschouli eultivirt und untersucht und gefunden, dass Stecklinge dieser Pfianze Callus bilden, wie 
alle übrigen, wenn auch in weniger reichlichem Maasse. Begonia fagifolia war mir noch nicht zugänglich. 


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— 117 — 


Eine grosse Anzahl Blattstecklinge wurden in der gewöhnlichen Weise hergestellt und 
eultivirt. Die Blätter waren theils mit längeren, theils kürzeren Stücken ihrer Stiele ge- 
steckt worden. 

Nach Verlauf einiger Wochen waren sowohl Wurzeln, wie Sprosse erschienen. 

An der Schnittfläche des Blattstiels stirbt die begrenzende Zellschicht und die darunter 
liegende wie gewöhnlich ab. Das Ende des Blattstiels schwillt um die Schnittfläche herum 
an durch die nicht unbedeutende Callusbildung, welche an diesem Ort beginnt. Zuerst erscheinen 
nach allen Seiten den Callus durchbrechende Wurzeln und ihnen folgen die Sprosse, die neben 
und zwischen jenen sitzen. Sie sind als kleine Höckerchen leicht auch durch ihr weissliches 
Aussehen von dem durchsichtigeren Callusgewebe leicht zu unterscheiden. 

Taf. VI. Fig. 47 zeigt ein Blatt von Achimenes mit an der Stielbasis sitzenden Neubildungen 
(s Sprosse). Die Blätter bleiben trotz des Wachsthums der Sprosse und Wurzeln sehr lange 
grün und lebendig. 

Durch Vöchting’s Untersuchungen über Organbildung ist nachgewiesen, dass sowohl 
Internodien, wie Blätter und Wurzeln an ihrer Spitze oder Basis, je nach dem morphologischen 
Werth des Pflanzentheils Sprosse und Wurzeln erzeugen können. 

Da Achimenes grandis so leicht sich zu Neubildungen anregen liess, lag der Gedanke 
nahe, auch einen Versuch mit Blüthenstielen zu machen. Zu diesem Zweck wurden Stecklinge 
von Blüthenstielen gemacht. Dieselben verhielten sich ganz wie Blattstecklinge. An der Basis des 
Blüthenstiels bildete sich eine Callusanschwellung und nach einiger Zeit entstanden hier auch 
Wurzeln und Sprosse. Taf. VII. Fig. 48. 


Entwickelung der Sprosse. 

Der Sprossbildung geht die Callusbildung vorher. Die Sprosse entstehen aus dem Callus selbst. 

Nachdem die Schnittfläche durch Vertrocknen der äussersten Zellschichten und das 
sich darunter bildende Korkgewebe geschützt ist, beginnt ein lebhaftes Wachsthum des übrigen 
lebendigen Gewebes unter dieser Schutzdecke. Es kommt dadurch bald die bedeutende An- 
schwellung des Blattstiels zu Stande. 

Schnitte durch den Callus zeigen seine allmälige Entwickelung aus vorhandenen Ge- 
webeelementen. Taf. VII. Fig. 49. 

Ausser den Trichomen nehmen alle Gewebeformen lebhaft an der Callusbildung_ theil. 
Die Epidermiszellen haben sich in radialer Richtung bedeutend gestreckt und sich sowohl in 


- dieser als auch in tangentialer Richtung lebhaft getheilt. Das Collenchym hat seine Wand- 


— 178 ° — 


verdickungen zum Theil verloren und ist ebenfalls in lebhafter Theilung begriffen; ihm schliesst 
sich das übrige Grundgewebe an. 

In letzterem haben sich an zahlreichen Orten procambiale Stränge gebildet, welche 
bald ihre Wände netzförmig verdicken. Ganze Gruppen solcher Gefässzellen liegen. inselartig 
an unbestimmten Stellen im Gewebe. Aus ihnen bilden sich die Gefässe für die später ent- 
stehenden Wurzeln und Sprosse. ’ 

In dem Fig. 49 gezeichneten Stadium sind noch die verschiedenen den Stengel ursprünglich - 
constituirenden Gewebeformen trotz ihrer Veränderungen deutlich zu unterscheiden. Bald aber 
verschwindet jede Grenze und das Callusgewebe besteht dann aus einem gleichartigen Grund- 
gewebe, dessen Zellen jedoch der häufigen Theilungen wegen an Grösse sehr differiren, und 
aus in diesem liegenden Gruppen von Gefässen. 

Der Callus wächst nun eine zeitlang weiter oft zu bedeutenden Dimensionen. Dann aber 
treten an zahlreichen Punkten neue Differenzirungen auf; es beginnt die Spross- und Wurzel- 


entwickelung, welche hier bei Achimenes ziemlich gleichzeitig erfolgt. 


An vielen Orten des Callusgewebes bilden sich ohne erkennbare Regel Vegetations- 
punkte. Einige der Zellen, die der Oberfläche nahe liegen, werden protoplasmareich, es tritt 
in dieser Zellgruppe eine lebhafte Theilung ein, so dass ein kleinzelliges Meristem entsteht, 
welches gegen das übrige Zellgewebe des Callus auffallend absticht. Sehr schnell differen- 
ziren sich aus diesem Urmeristem die primären Gewebeformen des jungen Sprosses, von denen 


zuerst das Dermatogen sehr deutlich als solches sich kennzeichnet. Taf. VII. Fig. 50 s. 


Thatsächlich ist der Unterschied des Vegetationsscheitels und des farblosen Callusgewebes 
durch den dichteren Zellinhalt des ersteren viel grösser, als sich dies in einer Gewebezeichnung 
ausdrücken lässt. Fig. 51 zeigt einen Spross annähernd gleichen Stadiums, wie Fig. 50 in 
stärkerer Vergrösserung. Auffallend ist immer die gleich bei der Anlage eines Sprosses scharf 
ausgeprägte Regelmässigkeit der jungen Epidermis im Gegensatz zu den sich anschliessenden 


ungleichartigen Zellen, welche das Callusgewebe nach Aussen begrenzen. 


Der einmal angelegte Spross tritt immer mehr in seiner charakteristischen Form hervor, 


und gleicht ganz einem phanerogamischen Vegetationshügel im Allgemeinen. Fig. 52. 


Auch in seiner Blattbildung schliesst er sich den gewöhnlichen Erscheinungen an wie 


Fig. 53 zeigt. (s Spross, c Callusgewebe.) 


- 


Die Gefässbündelbildung wird später durch das Auftreten procambialer Stränge erkennbar, 


welche eine Verbindung mit den überall bis in die Nähe der Oberfläche liegenden Gruppen 


— 179 — 


der im Callus selbst entstandenen Gefässe eingehen und schliesslich selbst nach Bildung von 
Wandverdickungen als solche in Function treten. 
So hat der junge aus dem Callusgewebe entstandene Spross seine primäre Ausbildung 


erreicht und wächst zu einem neuen Individuum heran. 


Entwickelung der Wurzeln. 


Nicht nur die Sprosse, sondern auch die Wurzeln gehen aus dem Callusgewebe hervor. 

Wie erstere auch trotz des abnormen Ortes und der Abstammung als exogene Bil- 
dungen entstehen, so zeigen die Wurzeln auch hier ihr charakteristisches Merkmal der endo- 
genen Entstehung. 

Häufig kommt es vor, dass die Wurzeln ganz in der Nähe der Oberfläche aus Callus- 
elementen sich bilden, aber immer ist die junge Anlage von mindestens einer Zellschicht des 
Callusgewebes bedeckt, welche keinen Antheil. an der Wurzelbildung nimmt, sondern später 
durchbrochen wird. 2 

Die Anlage der Wurzel geht aus einer oder wenigen äusserlich nicht bestimmten Zellen 
des Gallusgewebes hervor. Oft entsteht sie nahe, oft entfernter von einer Gruppe von secun- 
dären Gefässen. Das erste Wachsthum und die ersten Zelltheilungen folgen schnell auf 
einander. Letztere treten in keiner erkennbaren regelmässigen Reihenfolge auf. 

Die junge Wurzelanlage hat eine rundlich gedrungene Gestalt, welche auch in späteren 
Stadien beibehalten wird. Fig. 54. Sie besteht. erst aus wenigen Zellen. Die Differenzirung 
der Histogene ist noch wenig kenntlich. Die Zellen sind noch ziemlich gleichartig, nur an der 
Spitze beginnt schon das Dermatogen sich zu zeigen. Fig. 54 d. 

Die äusserste Zellschichte c gehört dem Callusgewebe an, unter ihrem Schutze ent- 
wickelt sich die Wurzel bis zu ihrem Austritt. 

Eine ältere Wurzel stellt Fig. 55 dar; dieselbe ist schon in der Ausbildung ihrer 
Gewebeformen vorgeschritten. Die in Fig. 54 dargestellte junge Wurzel ist aus dem Gewebe 
eines schon üppig herangewachsenen’ Callus, dessen Zellen kaum als Abkömmlinge der Zellen 
des ursprünglichen Blattstielgewebes angesehen werden können, entstanden, also aus Zellen, 
welche ganz und gar neugebildete sind. 

Dagegen hat sich die Fig. 55 gezeichnete Wurzel aus Zellen gebildet, welche noch 
dem Blattstielgewebe als solchem angehörten und noch nicht in der Callusbildung aufgegangen 
sind. Wie die noch zum grossen Theil vorhandenen Verdickungen der Ecken zeigen, sind es 


Zellen des Collenchyms, welche das Hypoderm des Achimenes-Blattstiels bilden. Es geht 
Abhandl. d. Senckenb. naturf.. Ges. Bd. X IT. 24 


— 180 — 


daraus hervor, dass jede Zelle, welcher Gewebeform sie auch angehören mag (ausgenommen 
vielleicht Fibrovasalstränge und Sklerenchym), im Stande ist die Initialen der Wurzel zu liefern. 

Zur Vollendung der Wurzel erübrigt noch die vollständige Differenzirung der Gewebe, 
welche nun in den folgenden Stadien eintritt. Fig. 56. Die vorliegende fast fertige Wurzel 
ist an einem Ort entstanden, wo die Callusbildung noch nicht sehr energisch eingetreten war, 

Die ursprüngliche Epidermis ist noch vorhanden, Collenchym und Grundgewebe noch 
wenig getheilt. Es haben sich jedoch schon Gruppen der secundären Gefässe gebildet, Fig. 56 9, 
und neben diesen ist die Wurzel entstanden. Dieselbe ist gerade im Begriff, das bedeckende 
Gewebe zu durchbrechen und die Epidermiszellen sind dem Ausdehnungsbestreben der Wurzel 
durch Wachsthum und radiale Theilungen gefolgt. Schliesslich wird auch diese Hülle durch- 
brochen und die Wurzel tritt in Function. 

Die Untersuchung der Callus-, Spross- und Wurzelbildung an Blüthenstielen von Achi- 
menes ergab, dass ganz dieselben Verhältnisse hier wie an den Blattstecklingen vorhanden sind. 
Die Callusbildung geht an den Blüthenstielen ebenso vor sich, und aus dem Gewebe des Callus 
entstehen in der geschilderten Weise Sprosse und Wurzeln. 

Es war somit die Thatsache gewonnen, dass die noch immer bezweifelte Bildung von 


Vegetationspunkten aus dem Callus selbst stattfinde. 


B. Adventivbildungen*’an Stecklingen von Begonia Rex. 
Die Arbeit F. Regel’s über diesen Gegenstand !) bekam ich erst nach Abschluss 
meiner eigenen Untersuchungen in die Hand und freue mich dieselbe bestätigen zu können. 
Die selbst gefundenen Thbatsachen, dieser grösseren Reihe von vergleichenden Unter- 
suchungen einzufügen, glaube ich um so mehr berechtigt zu sein, als dieselben namentlich die 
Anfangsstadien der Sprossentwickelung klarer legen und ich auch in manchen wesentlichen 
Punkten von Regel’s Angaben abweichende Resultate gewonnen habe. Im Uebrigen auf die 


Arbeit Regel’s verweisend, kann ich Vieles kürzer fassen. 


yildung des Callus und Entstehung der Adventivbildungen. 
Das Verfahren, zur Erzeugung adventiver Bildungen aus einem Begonienblatt darf ich 
als bekannt voraussetzen, da es in der gärtnerischen Praxis allgemein gebräuchlich ist. 2) 


ı) F., Regel, Die Vermehrung der Begoniaceen aus ihren Blättern. Jen. Zeitschrift f. Naturwiss, 


1876 p. 447 ft. 
2) Regell. c. p. 448. A. Hansen, Flora 1879 Nr. 6. 


Da a Dh 0 a U 


— 1831 — 


An. nach demselben ausgeführten Culturen von Blättern erschienen in einer oder 
wenigen Wochen die Neubildungen. 

Zuerst sind es die Wurzeln, welche ans Licht treten, ihnen folgen in einiger Zeit die 
Sprosse nach. 

Die Orte der Bildung sind am unversehrten Blatt stets dieselben. Die Wurzeln ent- 
stehen am Ende des abgeschnittenen Blattstiels zahlreich und von dort aufwärts in abnehmender 
Anzahl, die Sprosse treten in grosser Zahl an der Vereinigungsstelle der Hauptnerven des 
Blattes an der Grenze zwischen Blattbasis und Stiel auf. So bleiben die Verhältnisse, wenn 
man das Blatt selbst unverletzt lässt. Andere Orte der Bildung können aber auf der ganzen 
Blattspreite willkürlich in beliebiger Menge geschaffen werden, indem man die Blattnerven 
durchschneidet. Es entstehen theils in reichlichem Maasse in der Nähe des Schnittes, theils 
entfernter von dieser Stelle auf der ganzen Längenausdehnung der Blattnerven zahlreiche adven- 
tive Wurzeln und Sprosse. Die Wurzeln entstehen vorwiegend nahe der Schnittstelle auf der 
unteren Seite. 

Zur Orientirung über die Anatomie der Begonien muss ich auf Hildebrand und 
Regel verweisen.!) 

Der anatomische Bau der Blattnerven, welchen wir im Nachfolgenden ins Auge fassen, 
ist dem des Blattstieles im grossen Ganzen gleich. 

Kurz überblickt, zeigt sich der Blattnerv im Querschnitt folgendermaassen gebaut. 

Nach aussen schliesst die Epidermis den Complex ab. Die Epidermiszellen der Ober- 
seite bilden mit denjenigen des eigentlichen Blattgewebes eine continuirliche Schicht, doch ver- 
grössern sie sich nach der Blattfläche zu bedeutend. Die Zellen zeigen wenig verdickte Aussen- 
wände und einen. farblosen Inhalt. Die Epidermiszellen der Unterseite sind meist kleiner und 
entfalten rothgefärbten Zellsaft. 

Unter der Epidermis liegt sowohl an der Unter- wie Oberseite des Nerven eine mehrere 
Lagen starke Colienchymschicht. Dieselbe erstreckt sich nicht über die ganze Oberseite des 
Blattnerven, sondern nimmt nur die Mitte desselben ein, während zu beiden Seiten des Collen- 
chymstranges _grosse runde Zellen mit farblosem Inhalt liegen. Es folet nun unter dem 
Collenchym eine zwei Zellenlagen dicke Schicht chlorophylihaltiger Zellen, welche sich in die 
Blattspreite fortsetzt. An die Epidermis der Unterseite des Blattnerven schliesst sich nach 


innen zu eine 4—5fache Schicht von Collenchymzellen., 


!) Hildebrand, Anatomie der Begoniaceenstämme 1859. Regel. e. p. 452 ft. 


2 le 


Den von diesen beiderseitigen Epidermal- und Hypodermalschichten eingeschlossenen 
Raum erfüllen grosse kugelige Parenchymzellen, welche meistens farblosen oder nur wenig 
rothgefärbten Zellsaft soweit sie dem Nerven angehören, in der angrenzenden Blattfläche aber 
stark rothen Inhalt zeigen. In diesem Grundgewebe liegen isolirte Gefässbündel von un- 
bestimmter Anzahl und Grösse, theils der Peripherie genähert, theils um das Centrum des 
- Gewebecomplexes. i 

Die nach dem gewaltsamen Eingreifen des Messers im Gewebe auftretenden Ver- 
änderungen sind folgende, 

Die Zellschicht, welche die Wundfläche begrenzt, vertrocknet und stirbt ab. Sie wird 
durch ein Korkgewebe vom lebendigen Theil abgeschlossen und später zum Theil wie Borke 
abgestossen. 

Unter dieser schützenden Hülle beginnt eine reichliche Gewebewucherung, die Bildung 
des Callus, welcher allmälig den Umfang des Blattnerven um das Doppelte an -der Schnitt- 


stelle verdickt. 


Beim Beginn der Callusbildung sind namentlich die Epidermiszellen sehr betheiligt. Es 
treten zahlreiche Theilwände auf, zum Theil sind diese Wände ihrer Richtung nach ziemlich 
regelmässig, da oft in einer ganzen Reihe nebeneinanderliegender Zellen tangentiale Wände ent- 
stehen, welche die Epidermiszellen halbiren. Diese regelmässige Anordnung verschwindet jedoch 
bald wieder durch Entstehung anders gerichteter Wände, und nun nimmt auch das Collenchym 
in lebhafter Weise an der Vermehrung der Gewebemasse theil. Dabei verschwinden die Ver- 
dickungen des Collenchyms durch Resorption. Auch die Zellen des Grundgewebes theilen sich 
reichlich in verschiedenen Richtungen. 

Die Beobachtung Regel’s, dass zwischen den isolirten peripherischen Gefässbündeln durch 
Auftreten von tangentialen Theilungen eine Verbindung der einzelnen Bündel hergestellt wird, 
kann ich bestätigen. Ich muss hinzufügen, dass auch zwischen peripherischen und centralen 
Bündeln dies zuweilen stattfindet. 

Allein die Betrachtung, welche Regel anstellt, dass die Bildung als »eine Art nachträg- 
lich entwickelten Interfascicularcambiums«!) gelten könne, ist nicht gerechtfertigt, da es sich 
hier um einen ganz anderen Vorgang handelt. 

Es ist nur in der Configuration häufig eine Aehnlichkeit zwischen den hier auftretenden 


Zelltheilungen und. dem Interfaseicularcambium. Durch die im Grundgewebe auftretenden 


1) Regel, 1. c. p. 459. 


— NE = 


parallelen Theilwände werden nämlich die procambialen Stränge angelegt, welche später die 
zahlreich im Callus zerstreuten Gefässe liefern. 

Diese Stränge bilden sich senkrecht zur Längsaxe der ursprünglich vorhandenen Gefäss- 
bündel. Auf Querschnitten durch den Blattstiel oder Blattnerven hat man also den ursprüng- 
lichen Gefässbündel auch im Querschnitt, die secundär sich bildenden aber in der Längsansicht. 
In dieser haben sie allerdings, wenn sie gerade zwischen zwei Bündeln liegen, Aehnlichkeit mit 
Interfascicularcambium. i 

Allein diese Stränge entstehen auch nicht vorwiegend zwischen zwei Bündeln, sondern 
strahlen vielmehr, an einem Bündel beginnend, von diesem gegen die Peripherie des Callus aus. 
Nach eingetretener Verdickung ihrer Wände ist dann der Callus von einem weitverzweigten 
System von Gefässen durchzogen, und diesen schliessen sich später die für Sprosse und Wurzeln 
sich bildenden an. 

Während die Neubildung des Callusgewebes fortschreitet, treten auf der der feuchten 
Sandschicht aufliegenden unteren Seite der Blattnerven zahlreiche, Wurzelhaaren ähnliche 
Gebilde hervor, welche Regel zuerst gesehen und Pseudo-Wurzelhaare genannt hat, 

Es ist wohl kein Zweifel, dass diese Haargebilde, welche sich ganz und gar von den 
übrigen Trichomgebilden des Begonienblattes unterscheiden, nicht nur morphologisch, sondern 
auch in ihrer Function mit den echten Wurzelhaaren identisch sind. 

Stoffe zur Bildung von Zellwänden und Inhalt liegen im Blatt in Masse aufgespeichert ; 
eine Wasserzufuhr ist aber um so nöthiger, als die grosse Fläche des Blattes grosse Mengen 
Wassers verdunstet. So ist denn die Annahme wohl berechtigt, dass diese schnell entstehenden 
Wurzelhaare bis zum Auftreten der eigentlichen Wurzeln selbst die Zuführung von Wasser 
besorgen. 

Diese Erscheinung ist nicht vereinzelt; auch bei Peperomia magnoliaefolia fand ich diese 
Haare vor Entstehung der Wurzeln in Menge aus dem Callus hervorwachsen. 

Wie die echten Wurzelhaare, verwachsen die genannten Bildungen fest mit den Boden- 
partikelchen. 

Sie sitzen freilich nicht an der Wurzel und man kann sie also trotz der Identität nicht 
gut Wurzelhaare nennen. Ich gebe ihnen dieser Identität wegen lieber den Namen Rhizoiden. 

Nach kurzer Zeit brechen die jungen Adventivwurzeln in grosser Menge hervor und 
nehmen an Zahl und Grösse rasch zu. Dieselben treten bei Degonia Rex namentlich dicht 
hinter der Anschwellung, welche durch den Callus am Ende der durchschnittenen Blattnerven sich 


gebildet hat, auf; einzelne durchbrechen den Callus und treten an der vorderen Fläche ans Licht. 


— 184 — 


Entwicklung der Wurzeln. 

Der Ort der Entstehung der adventiven Wurzeln liegt seitlich an einem peripherischen 
Gefässbündel. 

Nach Regel’s Darstellung leiten »einige dem Xylem dicht anliegende Zellreihen des 
Cambiums auf einer Seite -les Stranges, sowie der äussersten Grenzschicht des Bündels« die 
Wurzelbildung ein. 

Ich kann dieser Angabe nach meinen Beobachtungen, wenigstens für Degonmia Rex nicht 
beistimmen. Keines der zahlreichen beobachteten jüngsten Stadien der Wurzelentwicklung 
konnte zu der Annahme führen, dass Elemente des Gefässbündels selbst den Anfang derselben 
einleiten. Ich habe nie einen Zustand gefunden, wo die Cambiumzellen eines Fibrovasalstranges | 
auf ihrer bisherigen Theilungsrichtung senkrechte Wände zu zeigen begannen und die Initialen 
zur Bildung der ganzen Wurzel lieferten, wie Regel angibt. 

Es ist leider nicht möglich die Anlage der jungen Wurzeln bis zur ersten Theilung der 
erstenZelle zurückzuverfolgen. Wie erwähnt treten meistens, auch wenn an dem betreffenden 
Fibrovasalstrang keine Wurzel gebildet wird, Theilungen in anliegenden Zellen auf, so dass es 
unmöglich ist, zu entscheiden, ob in einem bestimmten Falle hier die Bildung der Wurzel- beginnt 
oder nicht. 

Zur möglichst genauen Lösung dieser Frage muss man solche Blattnerven wählen, die 
bei genügend reichlicher Wurzelbildung eine geringere Callusbildung zeigen, und untersucht nun 
an diesen diejenigen Anlagen, welche möglichst weit von der Schnittfläche entstehen. Bei 
zahlreichen Culturen erhält man solches Material ganz nach Wunsch von selbst. 

Auf Querschnitten findet man hier keine oder wenige störende Theilungswände zwischen 
Gefässbündeln, sodass das Bild des Stranges mit der jungen Wurzelanlage klar hervortritt. 

Dasselbe zeigt sich wie folgt: 

Die junge Wurzelanlage liegt dicht am Gefässbündel an. Dieses ist aber noch in seinem 
ganzen Umfange erhalten; es sind noch kaum, wie bei der späteren Vergrösserung der Wurzel 
geschieht, Elemente des Bündels in das Wurzelgewebe hineingezogen. 

Letzteres trifft nur, wie dies bei der innigen Verbindung auch kaum anders sein kann, 
die Elemente des Phloms, welche stetig in das sich differenzirende Dermatogen und Periblem 
"übergehen. Taf. VIII. Fig. 57. 

Regel hebt ausdrücklich das Gegentheil hervor: !) »Der Bast des Bündels betheiligt 


DAL.Tc. pP. 469. 


— 185. — 


sich aber nicht an der Bildung der Wurzel, nur wird er öfters, besonders bei dürftiger Aus- 
bildung in schwächer entwickelten Strängen von der kräftig sich entwickelnden Wurzelanlage 
etwas zusammengedrückt und bei Seite geschoben; an stärkeren Gefässbündeln indess ist er 
intact auch neben der entwickelten Wurzel erhalten.« 

Durch genaue Zeichnungen liefert Regel keinen Beweis für diese Behauptung. Dieselbe 
wird durch meine drei beigegebenen Zeichnungen widerlegt. Taf. VIII. Fig. 57. 58. 59. 

Demnach ist aus den Beobachtungen zu schliessen, dass die Initialen der jungen Wurzel 
nicht Cambiumzellen des Fibrovasalstranges sind, sondern eine oder mehrere Zellen des an 
diesen grenzenden Grundgewebes, und zwar solche, welche neben dem Cambium- und Basttheil 
des Gefässbündels liegen. Taf. VIIL Fig. 57. Phloömelmente dieses Gefässbündels werden schon früh 
mit in das Gewebe der Wurzel hineingezogen. So stellt die junge Wurzelanlage einen Meristem- 
hügel dar, der sich in seinem Wachsthum centrifugal vom Gefässbündel entfernt. Durch die 
Zerrung der wachsenden Wurzel wird das Gefässbündel ein wenig verschoben. 

Die Differenzirung der Meristemschichten ist bei der ersten Anlage noch wenig 
erkennbar, sie wird erst deutlich, nachdem die Wurzel sich durch mehrfache Theilung ihrer 
Zellen vergrössert hat. 

Auch in der Folge der Differenzirung der einzelnen Gewebeformen muss ich Regel’s 


a 


Auffassung berichtigen. 


Derselbe schreibt: !) 

»es erschien mir durchgängig die Herausbildung der Histogene, welche das Wachs- 
thum der Wurzel vermitteln, aus dem indifferenten Zellcomplex der ersten Anlage von 
Innen nach Aussen zu erfolgen, also vom Plerom auszugehen. « 

Wie Regel’s Worte zeigen, spricht er seine Angabe mehr als Vermuthung, wie als 
feste Thatsache aus, und lässt sich auch aus seinen Figuren diese nur für möglich, nicht für 
gewiss halten. 

Bei allen an Begonia Rex beobachteten jungen Anlagen musste ich das Umgekehrte 
constatiren, da sich zuerst die Differenzirung des Dermatogens resp. Kalyptrogens allein deutlich 
zeigte und die des Pleroms erst später hervortrat. Taf. VIII. Fig. 57—59. 

Obgleich die Wurzel stets neben einem Gefässbündel entsteht, so schliesst sich dieselbe 
zuweilen während ihres weiteren Wachsthums an ein naheliegendes zweites an, Taf. VIII. Fig. 58. 


Dies findet jedoch nur statt, wenn die beiden Bündel so nahe liegen, dass dieser Anschluss 


2) ]. c. p. 464, siehe auch die Anmerkung dort. 


— 186 — 


geschehen muss. Durch weiteres Wachsthum erlangt die Wurzel ihre charakteristische Form 
und es vollendet sich dabei die Differenzirung der drei Gewebeschichten. Dermatogen und 
Wurzelhaube ist schon vorhanden, ehe die Differenzirung des Periblems und Pleroms vollendet ist. 
Schliesslich bilden sich die der Wurzel eigenen Gefässe, welche sich an den Gefässtheil 
des mütterlichen Stranges oberhalb der cambialen Zone anlegen. 
Die die Spitze der Wurzel umgebenden Parenchymzellen sind schon zum Theil zerrissen, 


es werden weitere Gewebemassen zerstört und bei Seite geschoben und die Wurzel findet so 


ihren Weg ins Freie. Die fertige Wurzel weicht in ihrem Bau nicht von dem einer normalen . 


Wurzel ab. 


Entwickelung der Sprosse. 

Die Sprosse zeigen sich einige Zeit nach Entstehung der Wurzeln auf der oberen Seite 
der Blattnerven in Gestalt rother Pünktchen. Am zahlreichsten entstehen auch diese um die 
Schnittfläche herum, in grösserer Menge auf der Oberseite, nur wenige auf der unteren. 

Es bilden sich aber ausserdem an von der Schnittfläche entfernten Orten auf der ganzen 
Länge der Blattnerven ebenfalls Sprosse in Menge. 

Gerade die hier entstehenden eignen sich vor’Allem zur Untersuchung ihrer Entwickelung, 
da die Epidermiszellen nicht zur Callusbildung herangezogen werden, wie in der nächsten Nähe 
der Schnittfläche. Dadurch ist es möglich, mit Sicherheit auf die ersten Stadien der Enwicke- 
lung zurückzugehen, da hier keine Theilwände in der Epidermis auftreten, welche nicht zum 
ersten Aufbau des jungen Sprosses gehörten. 

Wie Regel zuerst fand, entstehen die Adventivsprosse der Degonien ausschliesslich aus 
der Epidermis. Regel hat zwar die Bildung der Sprosse nicht bis auf den eigentlichen Be- 
ginn derselben zurückverfolgt, sondern gibt in seinen Figuren schon fortgeschrittene Stadien, 
doch reichen seine Untersuchungen vollkommen hin, um die bisher bezweifelte Thatsache der 
Entstehung der Adventivsprosse aus Epidermiszellen festzustellen. 

Es ist mir gelungen bei Begonia Rex die Entwickelung der adventiven Sprosse vom Auf- 
treten der ersten einleitenden Theilungen zu verfolgen. 

Ob immer in einer einzigen Zelle der Epidermis die bildenden Kräfte zuerst ihre Wirkung 
zeigen und die Sprossbildung immer nur von einer Zelle aus beginnen muss, ist schwer zu 
entscheiden. 

Jedenfalls gelingt es häufig genug, die erste sprossbildende Zelle bei ihrer ersten Thei- 


lung zu überraschen. 


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4 
| 
; 


— 87702 — 


Die erste Theilungswand ist eine tangential gerichtete, sie läuft also der Aussenwand der 


Mutterzelle parallel und theilt dieselbe in zwei annähernd gleiche Tochterzellen. 


Da Regel für die ersten Entwickelungsstadien der Sprosse nur Aufsichtsbilder benutzte, 


so musste er natürlich-diese zuerst auftretende Wand übersehen. 


Wenn man also an den obengenannten geeigneten Orten der Sprossbildung successive 
feine Quer- oder Längsschnitte macht, so muss man, wenn kein Schnitt in der zur vergleichenden 
Reihe ausgelassen wird, unfehlbar auf die Sprossanlage treffen. Man findet, während die um- 
liegenden Zellen keine Theilungswände zeigen, eine Epidermiszelle und im folgenden Stadium 
zwei nebeneinanderliegende durch eine horizontale Wand getheilt. Taf. VIII. Fig. 60 und 61. 
Dass dies nicht eine normale Theilung der Epidermis ist, erhell$ daraus, dass abgesehen von 
der Regel, dass die Epidermis unter normalen Verhältnissen ihre Zellen nicht tangential theilt, 
bei einer sorgfältigen Untersuchung. frischer Blätter keine solche Theilungen in den Epidermis- 
zellen sich finden. Dass aber auch keine zufällige Theilungswand vorliegt, ist dadurch wohl 
zweifellos, dass dieser Modus der Theilung auch an den als Stecklinge cultivirten Blättern sich 
nur an den Orten der Sprossbildung finde. Auch durch das eigenthümliche Aussehen ihres 


Inhaltes zeichnen sich diese Zellen vor den umgebenden aus. 


In mehreren Fällen fand ich ein Anfangsstadium, wie es Fig. 62. Taf. VIII. darstellt. Hier 
hat offenbar eine etwas länger gestreckte Zelle die Sprossinitiale geliefert und sich zuerst durch 
eine senkrechte Wand in zwei nebeneinanderliegende Zellen getheilt, in welchen dann Wände 
anderer Richtung auftreten. 

Die Richtung der den ersten folgenden Wände ist sehr häufig eine schiefe; besonders 
auffallend ist das häufige Auftreten gekrümmter Wände, welche nicht zwei gegenüberliegende, 
sondern zwei anliegende Wände schneiden. Taf. VIII u. IX. Fig. 62, 63, 64 und folgende. 

Regel hebt diese auffallende Thatsache nicht hervor, dass er aber ebenfalls diese Wand- 


richtung gesehen, erhellt aus mehreren seiner Zeichnungen. 


Bei weiterer Entwickelung zeigen sich neue Theilungen in den neben den Sprossinitialen 
zu beiden Seiten gelegenen Zellen, und auch in diesen ist immer die erste Theilungswand eine 
horizontale. Gewöhnlich treten in diesen Zellen keine weiteren Theilungen auf, so dass also 
der einen oder den beiden Initialen ganz allein der Aufbau des Sprosses zufällt und ausschliess- 


lich aus ihnen der Meristemhügel des jungen Sprosses hervorgeht. 


Die unter der Epidermis liegenden Zellschichten nehmen Anfangs gar nicht Theil an der 


Sprossbildung, wie dies fast alle Figuren zeigen. Erst wenn die Gefässbündelbildung beginnt, 
Abhandl. d. Senckenberg. naturf. Ges. Bd. XII. 25 


— 188 — 


welche eine Verbindung mit denen des erzeugenden Blattnerven zum Ziel hat, theilen sich 
Zellen der hypodermalen Schicht. 

Dass die Initialen allein den Meristemhügel bilden, zeigt deutlich das Aussehen schon 
vorgerückterer Sprossanlagen. Man hat immer den Eindruck, als habe man eine (oder wenige 
vereinigte) zu bedeutender Grösse herangewachsene Epidermiszellen vor sich. Taf. IX. Fig. 67, 68. 

Die ersten Bildungsvorgänge scheinen besonders häufig in solchen Zellen stattzufinden, 
welche schon früher einmal ein Trichom gebildet haben. Man findet schon bei ganz jungen 
Sprossen auf ihrer Spitze ein in verschiedenen Stadien des Absterbens befindliches Trichom 
aufsitzen. Dessen Basis ist mit als integrirender Theil in das Sprossgewebe aufgenommen, die 
Spitze geht zu Grunde und bleibt oft sehr lange vertrocknet auf dem Spross sitzen. Fig. 68, 69. 
Diese Erscheinung hat wohl T. Caruel zu der nicht ganz richtigen Annahme geführt, das sich 
Trichome in Sprosse umwandeln können.t) 

Hat der junge Spross eine beträchtliche Grösse erreicht, so entstehen die jungen Blätter 
in gewöhnlicher Weise. Diese ersten Blätter zeigen einen etwas verschiedenartigen, sehr ein- 
fachen Bau und ähneln Stipulargebilden. Taf. IX. Fig. 71, 72. 

Die Anlage der Gefässbündel lässt sich auf Längsschnitten durch junge Sprosse sehr gut 
verfolgen. Die zwischen dem Vegetationshügel und einem dem Blattnerven angehörigen Ge- 
fässbündel liegenden Zellen beginnen sich zu theilen. Es treten in den parenchymatischen Zellen, 
sowohl des Collenchyms, welches meist seine Verdickungen verliert, als auch des übrigen Grund- 
gewebes Theilungen in der Richtung der Sprossaxe auf. Man sieht dann vom Gefässbündel des 
Blattnerven bis in das Gewebe des Sprosses mehrere parallele Reihen röhrenförmiger Zellen ver- 
laufen. Taf. IX. Fig. 70, welche durch spätere Wandverdickung und Fusion die Gefässe liefern. 
Die Bildung der netzförmigen Verdickungen scheint in diesen Zellreihen sowohl von oben 
nach unten als zu gleicher Zeit ‘umgekehrt vor sich zu gehen. 

Oft findet man den Beginn dieser Verdickungen schon im jungen Spross ziemlich früh. 
Taf. IX. Fig. 68. In der Zeichnung des Schnittes, welchen Fig. 68 darstellt, sind die Netz- 
gefässe punktirt conturirt, da sie unter der ersten Zellschicht lagen und bei etwas tieferer Ein- 
stellung scharf gesehen wurden, wie Fig. 68a zeigt. Fig. 68b soll nur die Lage des jungen 
Sprosses (Fig. 68) zwischen den umgebenden Zellen der Epidermis zeigen. 

Der ganze Bau des hervorgewachsenen Sprosses zeigt durchaus nichts Abweichendes von 
einem normal entstandenen. Besonders zeigt der Vegetationshügel eine solche Uebereinstimmung 


') T. Caruel, Nota su di una trasformazione di peli in gemme Nuovo giornale botanico Italiano 
Vol. VII. 1875. p. 292. 


— 189 — 


mit dem eines normal entstandenen Sprosses, dass wohl kein Zweifel ist, dass auch diese zwar 
ihrem Orte nach abnorm entstandenen Sprosse denselben Wachsthumsgesetzen unterliegen wie 
andere Sprosse. 

Das Mutterblatt, auf welchem die neu entstandenen Sprosse und Wurzeln sitzen, hält sich 
oft lange Zeit, geht aber dann allmälig durch Vertrocknen zu Grunde. Es bleibt nur der 
Theil erhalten, welcher die Sprosse und Wurzeln trägt und welcher dann eine Art Knolle, die 
mit den Sprossen und Wurzeln verwachsen ist, darstellt. 

Es erhält also nicht etwa jeder Adventivspross seine eigenen ihm angehörigen Wurzeln 
von Anfang an. Natürlich kann aber der ältere Spross noch adventive Wurzeln aus seiner 
Basis treiben. 

Aus ganz bestimmten Gründen hatte ich bei der Untersuchung der Sprossentwickelung 
solche Orte vorgezogen, welche von der Schnittfläche fern lagen. 

Allein es war nun nöthig, gerade die um die Schnittfläche dem wuchernden Callus auf- 
sitzenden Sprosse und Wurzeln näher zu untersuchen. 

Es fand sich, dass ausser der Entstehungsweise aus Epidermiszellen, also aus Dauergewebe, 
an demselben Object auch aus dem Callusgewebe zahlreiche Sprosse entstehen. 

Die Entstehung der Sprosse aus dem Callus von Begonia gleicht der bei Achimenes 
grandis geschilderten und wie dort der Callus nicht allein Sprosse, sondern auch Wurzeln er- 
zeugt, so ist es auch bei .Begonia. 

Die Sprosse entstehen exogen und die Wurzeln endogen. 

Um mich zu überzeugen, dass diese interessante Thatsache der Bildung von Vegetations- 
punkten im Callus weitere Verbreitung habe, zog ich noch ein drittes Object zur Untersuchung 
herbei. 

Es wurde noch eine grössere Anzahl Stecklinge von Peperomia magnoliaefolia eultivirt 
und auch hier die Bestätigung der Spross- und Wurzelerzeugung aus dem Callus erhalten. 

Die Callusbildung weicht nicht viel von den obengeschilderten Vorgängen ab. 

Die abgestorbenen Zellschichten an der Schnittfläche werden durch Korkgewebe ab- 
geschlossen. Es beginnt dann die Epidermis in besonders energischer Weise die Callusbildung 
einzuleiten. Die Epidermiszellen wachsen in radialer Richtung zu ganz bedeutender Länge 
hervor und theilen sich durch Wände in tangentialer Richtung. Dadurch wird die Basis des 
Blattstecklings verdickt und zwar ziemlich gleichmässig am ganzen Umfang. Nun beginnen 


zahlreiche Epidermiszellen zu Rhizoiden auszuwachsen. 


— 190 — 


Nachdem die Gewebevermehrung einige Zeit gedauert hat, bilden sich die ersten Wurzeln, 
welche noch aus dem ursprünglichen Blattstielgewebe neben den Gefässbündeln entstehen. 

Bis hierher fand die Gewebevermehrung, namentlich durch die lebhafte Thätigkeit der 
Epidermis in der Weise statt, dass sich der ganze Umfang der Blattstielbasis oberhalb der 
Schnittfläche ziemlich gleichmässig verdickte. An der Schnittfläche selbst war das Wachsthum 
der dort liegenden Zellen noch wenig intensiv. Die ursprünglich ebene Fläche zeigte eine 
geringe Wölbung nach aussen und hatte noch eine gleichmässige Bedeckung durch die braun- 
gewordenen äusseren Zellschichten. 

Jetzt beginnt aber auch hier die Callusbildung lebhafter zu werden. Die von den abgestorbe- 
nen Zelllagen bedeckten Gewebeschichten beginnen ein energisches Wachsthum senkrecht zur 
Schnittfläche, also nach aussen zu. Die bedeckenden abgestorbenen Zellschichten können dem 
Ausdehnungsbestreben nicht folgen, sie müssen also reissen. Wie Borke zerreisst nun diese 
Bedeckung unter dem Druck des vordrängenden Callusgewebes in zahlreiche Fetzen, welche 
diesem noch aufsitzen. Das Callusgewebe quillt unregelmässig in zahlreichen Hügelchen hervor. 
Erst nachdem die Durchbrechung der Kork- und zarten Borkenschicht stattgefunden, be- 
ginnt die Differenzirung von Vegetationspunkten ganz in der Weise, wie dies oben bei Achimenes 


mitgetheilt ist. E. Beinling hat diesen Vorgang beobachtet,!) aber unrichtig gedeutet. 


Er hielt die Callushügel für Sprossmeristeme, welche sich aber zum Theil zu Sprossen 
entwickeln könnten. Sein Resume über die Entstehung der Sprosse ist daher unrichtig. 
Es heisst I. c. p. 23. 


»Bei Peperomia entstehen die Knospen aus dem Grundparenchym des Blattstieles. Die 
erste Anlage einer Knospe bildet sich immer aus. einer Zellgruppe in einer oder mehreren 
Schichten der betreffenden Gewebe hervor, die direct unter der vernarbten Schnittfläche liegen. 
Allerdings findet jedesmal ein Durchbrechen der sehr wenig mächtigen Korkschicht statt, 
aber nur dieser. Der endogene Ursprung der Knospen ist daher nur scheinbar; vielmehr sind 
dieselben als exogen aufzufassen.« 

Wie aber die oben mitgetheilten Beobachtungen ergeben, entstehen die Adventivsprossen bei 
Peperomia weder aus dem Grundparenchym des Blattstiels, noch findet die Anlage der Knospe B 
in Zellschichten statt, welche unter dem Vernarbungsgewebe liegen. 

Aus dem Grundparenchym des Blattes unter dem Vernarbungsgewebe bildet sich Callus. 


Dieser durchbricht die dünne Korkschicht, und aus dem hervorgetretenen Callusgewebe ent- 


ı) E. Beinling, l. c. p. 20 ff. 


— 191 — 


stehen Vegetationspunkte der Sprosse. Die Entstehung derselben ist also nicht wie Beinling 
angibt, eine scheinbar endogene, sondern eine offenbar und unzweifelhaft exogene. Sie - 
stimmt in Allem mit der Bildung von Sprossen aus dem Callus von Achimenes und Begonia 
überein. \ 

Beinling’s unrichtige Darstellung basirt auf der falschen Voraussetzung, das Peperomia 
keinen Callus bilde, welche I. c. p. 23 ausgesprochene Behauptung hiermit ebenfalls wider- 
legt ist. e 

Die Untersuchungen der Adventivbildungen an Stecklingen zeigen, dass Sprosse und 
Wurzeln durch besondere Bedingungen an ungewöhnlichen Orten hervorgerufen werden können, 
dass aber der Ort ihrer Entstehung keine abweichende Art der Gestaltung bedingt. Beide ge- 
nannte Glieder sind im fertigen Zustand morphologisch und anatomisch normale und zeigen 
auch physiologisch kein abnormes Verhalten. 

Was die Entstehung anbetrifft, so findet für die Sprosse eine exogene, für die Wurzeln 
eine endogene Bildung statt, analog dem normalen Typus. | 

Sprosse und Wurzeln können unmittelbar aus Dauergewebe hervorgehen. Es kann auch 
mittelbar geschehen, indem das Dauergewebe erst durch ein erneutes Wachsthum ein Gewebe, 
den Callus erzeugt, welches erst seinerseits Spross- und Wurzelmeristeme differenzirt. 

Diese Fälle fanden sich gleichzeitig bei allen untersuchten Arten, es überwog in einem 
Fall dieser, im andern jener Modus. 

Bei Begonia zeigte die Sprossbildung die auffallendste. Abweichung von der normalen 


Bildungsweise. Sie gehen dort aus einer Epidermiszelle hervor. 


Da man diejenigen Pflanzenglieder, welche aus Epidermiszellen entstehen unter dem ge- 
meinsamen Typus der Trichome zusammenfasst, so müsste man die Adventivsprosse der Degonia 
auch zu diesen zählen. 

Andererseits zwingen aber ihr durchaus normaler Bau und ihre mit denen der übrigen 
Sprosse übereinstimmenden Merkmale dazu, sie diesen beizufügen. 

Die Collision, welche hier Thatsachen und Begriffe erleiden, kommt lediglich daher, dass 
bei der systematischen Eintheilung der Erscheinungen der Pflanzengliederung gegen die Gesetze 
der Logik verstossen wurde, indem man den Fehler beging, Artbegriffe aufzustellen, welche sich 
nicht vollkommen ausschliessen. Man wendete zwei verschiedene Eintheilungsprincipien an, ein- 
mal beim Spross, Blatt, der Wurzel rein äussere Merkmale, beim Trichom dagegen ein genetisches. 

Dieser Widerspruch ist übrigens.schon länger durch Thatsachen beleuchtet, wenn auch 
wenig beachtet worden. Man darf nur an die Blattbildung von Elodea canadensis erinnern. 


a 


N 


Der Beginn der Bildung von Sprossen und Wurzeln liess sich bei den untersuchten Pflanzen 


bis auf wenige Zellen, bei Begonia sogar bis auf eine Zelle zurückverfolgen. 


Es liegt kein Grund vor, anzunehmen, dass diesen Zellen specifische Eigenthümlichkeiten 


ursprünglich zukommen, welche eine solche Entwickelung ermöglichen. 


Es darf vielmehr angenommen werden, dass in jeder Zelle sich die Kräfte äussern können, 
welche die Entwickelung zu einem höheren Gliede zur Wirkung haben. Die sich abspielenden 
Processe sind-zu complicirt um einen Beweis und den Nachweis des gesetzlichen Zusammen- 
hanges zu erlauben. Unsere Methoden reichen für Erforschung so subtiler Vorgänge nicht hin. 


Dennoch sind einige Thatsachen zur Stelle, um die geäusserte Annahme zu stützen. 


Erstlich entstehen, um als Beispiel Begonia beizubehalten, die Sprosse an verschiedenen 
Blättern nicht an auch nur annähernd gleichgelegenen Orten. Ferner hat man es in der Hand, 
bestimmte Zellen zur Sprossbildung zu zwingen. Da nämlich die Sprosse sich sicher um 
die Schnittfläche herum bilden, so legt man den Schnitt eben in die Nähe derjenigen Zellen, 
welche zu Sprossen auswachsen sollen. Dass man mit Sicherheit natürlich nicht in einer direct 
bezeichneten Zelle die Kräfte zur Wirkung veranlassen kann, ist selbstverständlich, der prak- 


tischen Schwierigkeit wegen. 


Dennoch ergibt sich die theoretische Verallgemeinerung der eben berührten Gesichts- 


punkte, wie dies von Vöchting in seiner »Organbildung« geschehen ist, als eine Nothwendigkeit. 


Hiermit schliesst die erste Reihe meiner Untersuchungen über Adventivbildungen. 


Ich beabsichtige nicht, aus denselben schon allgemeine Folgerungen von weiterem Um- 
fang zu ziehen. In Folgendem soll nur das Gemeinsame oder Eigenthümliche der eben ge- 
schilderten Erscheinungen noch einmal hervorgehoben werden. 

Wenn wir die abgehandelten Neubildungen betrachten, so ergibt sich, dass die bei Gle- 
ditschia sinensis und Symphoricarpus vulgaris auftretenden Sprosse von vornherein von den 
adventiven Bildungen getrennt werden müssen. 

Es sind diese Sprosse ganz normal entstandene, erst durch secundäre Vorgänge gewinnen 
sie den Anschein von Adventivbildungen. Da diese scheinbare Abweichung vom normalen Ver- 


halten aber ein häufig vorkommender Fall ist, so ist es wohl zweckmässig, solche Fälle 


— 193 — 


besonders zu classifieiren. Es scheint ganz angemessen, für diese und ihnen gleiche Erscheinungen 
die von Hartig eingeführte Bezeichnung als »schlafende Augen« beizubehalten; wenn dieser Aus- 
druck auch ein populärer ist, so bezeichnet er doch diese in Rinde eingebetteten Sprosse ganz passend. 

Die nach Ausschluss dieser schlafenden Augen noch bleibenden Adventivbildungen trennen 
sich, wie es auch schon in der Darstellung geschehen, von selbst in zwei Gruppen. Die eine 
"bilden die unter gewöhnlichen, in der Natur gegebenen Bedingungen regelmässig auftretenden 
Adventivgebilde; die zweite diejenigen, welche erst durch künstliche Bedingungen hervor- 
gerufen werden. 

Zur ersten gehören die Adventivbildungen bei Cardamine und Nasturtium, bei Veronica 
Beccabunga, Hottonia palustris, Ranunculus fluitans, Polygonum amphibium, ferner diejenigen 
bei- Atherurus ternatus. 

Wenn diese Bildungen zum Theil unter gewöhnlichen Umständen nicht zur vollständigen 
Entfaltung gelangen, so ist ihre Anlage doch nur durch diese bedingt. 

Zur zweiten Gruppe ordnen sich alle aus Stecklingen erzeugten Adventivbildungen, welche 
durch willkürlich geschaffene Bedingungen überhaupt erst zur Anlage kommen und sonst nicht 
erscheinen würden. 

Von den vorliegenden Fällen gehören hierher die Sprosse und Wurzeln an Stecklingen 
von Begonia, Achimenes, Peperomia. 

Dies ist das Verhältniss der Adventivbildungen unter einander, die Beziehungen zu der 
normalen Spross- und Wurzelbildung ist folgende. 

Morphologisch und anatomisch sind die Adventivbildungen den normalen gleichwerthig. 
Erstere zeigen einen Aufbau aus denselben Elementen, wie die normalen, welche zu denselben 
Gewebeformen zusammentreten, wie bei diesen. Das Wachsthum und die Zelltheilung ist nicht 
verschieden von diesen Erscheinungen bei normalen Gliedern. Die schliessliche Gliederung der 
heranwachsenden Adventivbildungen ist die gleiche, wie bei normal entstandenen. 

Auch die exogene Entstehung der Sprosse und die endogene der Wurzeln theilen die 
adventiven mit den normalen. Die exogenen Wurzeln bei Cardamine und Nasturtium sind 
der grossen Zahl der endogen entstehenden gegenüber als Ausnahmen zu betrachten. 

Ein durchgreifender Unterschied der normalen und adventiven Bildung tritt also nur in 
Bezug auf die Art und Weise und den Ort der Entwickelung hervor. 

Während der Ort der normalen Bildung ein bestimmter ist (durch welche Kräfte, lassen 
wir hier dahingestellt), wechselt der Ort der entsprechenden adventiven Bildung; bald liegt 
dieser auf dem Blatt, bald am Internodium, bald an der Wurzel. 


— 194 — 


Bei den Hatinlich entstandenen Adventivbildungen ist der Ort für die betreffende Species 
zwar auch ein eonstanter, aber dieser Ort ist immer ein anderer, als der des gleichnamigen 
normalen Gliedes. 

Der Ort des normalen Sprosses ist die Blattaxel, der des adventiven das Blatt, das 
Internodium, die Wurzel. 

Die normale Wurzel entsteht aus dem Embryo oder aus einer Wurzel als Nebenwurzel, 
die adventive aus einer Blattaxel, aus einem Blatt oder aus dem Internodium. 

Bei der künstlich erzeugten Adventivbildung ist der Ort der Bildung nicht constant. 
Er ist abhängig von den jeweiligen äusseren Bedingungen und kann durch Regulirung derselben 
annähernd willkürlich bestimmt werden. 

Betrachten wir nun die Abstammung der adventiven und normalen Glieder. 

Während das normale Glied stets aus einem Meristem, aus einem Vegetationspunkt des 
Scheitels, der Blattaxel oder einem Wurzelvegetationspunkt hervorgeht, ist das adventive 
Glied ganz wechselnder Abstammung, entsteht aber nicht direct aus einem Meristem. 

Es kann aus Dauergewebe jeglicher Form hervorgehen, oder aus einem sich neu bilden- 
den Gewebe, dem Callus, welches aber kein Meristem genannt werden kann. 

So ist zwar bei der ersten Anlage der adventiven Bildung gegenüber der normalen ein 
grosser Unterschied vorhanden, da aber eben durch diese Anlage eines adventiven Gliedes und 
durch das folgende Wachsthum das erzeugende Dauergewebe oder Callusgewebe !) wieder in 
ein Meristem übergeht, so muss der Unterschied zwischen adventiver und normaler Bildung 
immer mehr verschwinden und es bleibt schliesslich im fertigen Zustand für die Unterscheidung 
kein anderes Merkmal übrig als der Ort. 

Wenn hier auch noch keine entscheidende Definition des Begriffes »adventiv« gegeben 
werden’ kann, so ergibt sich aus den angestellten Betrachtungen, dass die bisherigen Definitionen 
nur noch ein historisches Interesse haben und nicht mehr in Betracht kommen können. 

Eine Ausnahme macht die letzte Definition von Sachs, welche Seite 149 mitgetheilt ist und 
welche, wenn man in dem Wortlaut derselben hinter »Dauergewebe« noch die Worte »unmittelbar 
oder mittelbar« (durch Callusgewebe) einfügte, für die bis jetzt bekannten Fälle ausreichen würde. 

Ob dieselbe später definitiv angenommen werden kann, muss erst durch weitere That- 


sachen entschieden werden. 


1) Da das Callusgewebe weder Dauergewebe ist, noch auch als ein Meristem bezeichnet werden kann, 
da es solche erst secundär selbst erzeugt, so ist es wohl nöthig, die Bezeichnung »Callusgewebe« als einen be- 
stimmten Begriff anzunehmen. Die wesentlichen Merkmale desselben wären, dass es selbst ein indifferentes 
Theilungsgewebe ist, welches an beliebigen Orten organbildende Meristeme differenziren kann. 


— 1 — 


Allgemeine Bemerkungen über den Callus bei Stecklingen. 


Callus ist die Gesammtheit secundären Gewebes, welches nach der Verletzung eines 
Pflanzentheils aus dem vorhandenen Gewebecomplex hervorgeht. 

Die Callusbildung umfasst alle Veränderungen, welche nach Anlegung der Schnittfläche 
durch Wachsthumserscheinungen an diesem Ort hervorgerufen werden. 

Der Callusbildung vorher geht die pathologische Erscheinung des Absterbens und Ver- 
trocknens der äussersten Zellschichten an der Schnittfläche. Sie gehören noch dem vorhandenen 
Gewebecomplex an und erfahren keine Veränderung durch Wachsthum. 

Alle diesem Vorgang folgenden Erscheinungen sind mit zur Callusbildung zu rechnen. 
Es gehört hierher also die Bildung des Korkgewebes, welches die wenigen abgestorbenen Zell- 
schichten vom lebendigen Gewebe an der Schnittfläche abgrenzt. Es ist kein Grund vorhanden 
dieses Korkcambium von dem übrigen Callusgewebe zu trennen. Es ist keine Grenze zwischen 
beiden Geweben vorhanden, so wenig wie zwischen Rindenkork und dem übrigen Rindengewebe. 

Zum Aufbau des Callus können alle Elemente der vorhandenen Gewebeformen mitwirken, 
welche noch fortbildungsfähig sind. 

Anatomisch besteht das Callusgewebe aus einem gleichartigen Grundgewebe und aus in 
demselben entstandenen Gefässen. Zuweilen kann die Abgrenzung nach Aussen durch eine regel- 

" mässigere Zellschicht geschehen, einer Epidermis nicht unähnlich. 

Seiner physiologischen Bedeutung nach ist das Callusgewebe, wenn auch durch einen 
pathologischen Vorgang hervorgerufen, kein rein pathologisches Gewebe. Ebensowenig ist es 
ein Schutzgewebe, sondern es repräsentirt ein fortbildungsfähiges Gewebe eigener Art. a 


Aus diesem durch abnorme Vorgänge entstandenen Gewebe können sich organbildende 


Meristeme differenziren, welche zum normalen Typus zurückleiten. 


Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. ; 26 


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Fig. 
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Fig. 
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Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


1. Cardamine pratensis. 


» 


» 


Erklärung der Tafeln. 
Tafel I. 


Blättchen vom Wurzelblatt. s Adventivbildungen. 
Stengelständiges Fiederblatt mit normalem Axelspross Ax und axelbürtigen 


Apventivwurzeln (w). s Blattbürtige Adventivsprosse. 


11. Cardamine pratensis. 


12a. 
12b. 
13a—15a. 


Cardamine pratensis. 


> 


» 


Wurzelblatt mit Adventiv-Sprossen und Wurzeln. 

Querschnitt durch die Blattbasis eines jungen Blattes vor Anlage des Sprosses. 
Querschnitt durch die Blattbasis eines älteren Blattes mit Sprossanlage (s). 
Anlage von blattbürtigen Adventivsprossen. 

Weitere Entwicklungsstadien der Adventivsprosse. 


Tafel I. 


Adventivspross mit erstem Blatt. 
Blattbürtiger Adventivspross mit exogener Adventivwurzel. 
Wurzel allein, stärker vergrössert. 


Weitere Entwicklungsstadien der Wurzel (die mit a bezeichneten Figuren zeigen die Juage 


der Wurzel zum Spross, die mit b bezeichneten die Wurzel allein, stärker vergrössert). 


15b. 16. 
17. 
18. 
19: 
20. 
21. 


22. Cardamine pratensis. 
23. Atherurus ternatus. 


Tafel IH. 
Cardamine pratensis. Erwachsene Adventivwurzel. 
> Spitze der Adventivwurzel. 
» -  Adventivspross mit Wurzeln. (Durchschnitt zu Fig. 19.) 
» Blattbasis mit Adventivspross und Wurzeln. (Ansicht von oben.) 
» Adventivwurzeln. (Durchschnitt zu Fig. 19.) 
» Adventivspross mit Wurzelanlage. 
Tafel IV. 


Anlage der Nebenwurzel einer Adventivwurzel. 
Blatt mit Adventivspross (A). Z normaler (Axel-) Spross. 
Längsschnitt durch den Ort der Sprossbildung vor Anlage des Sprosses. 
Längsschnitt durch den Bildungsort nach Aulage des Sprosses. 
Weitere Entwicklungsstadien der Adventivsprosse. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


34. 


oe — 


Tafel V. 
Atherurus ternatus. Querschnitt durch den Blattstiel. Anlage des normalen Sprosses. (Fig. 23 z.) 
> » Junges Blatt aus dem Vegetationspunkt mit Anlage des normalen Sprosses (2). 


sp Blattspreite. st Blattstiel. 

Atherurus ternatus. Erwachsene Zwiebel mit im Gewebe der Blattschuppen entstandenen Adventiv- 
wurzeln. 

Anlage einer solchen Wurzel im Gewebe der Zwiebelschuppe. 

Zweigstück von @leditschia sinensis mit scheinbaren Adventivsprossen. _ 


35. 36. Gleditschia sinensis. Querschnitt durch einen Zweigknoten. Im Rindengewebe eingebettete Sprosse 


37. 


39. 


40. 


41. 


43. 


(Schlafende Augen). e 
38. Gleditschia sinensis. Beginn der Ueberwachsung eines normal entstandenen Sprosses durch 
Rindengewebe. 


Gleditschia sinensis. Skizze des Vegetationspunktes. b Blatt. a Axelspross. 
Tafel VI. 
Gleditschia sinensis. Der Spross der vorigen Figur stärker vergrössert. 
» > Weitere Entwicklung des Axelsprosses. 
» » Umwandlung des Axelsprosses in einen Stachel (a). Auftreten aceessorischer 


Axelsprosse. 
Gleditschia sinensis. Accessorische Axelsprosse an einem älteren Zweige. bl Blattnarbe. 


44—46. Symphoricarpus racemosus. Ueberwachsung eines normalen Sprosses durch Rindengewebe; 


Entstehung der schlafenden Augen. 


47. Achimenes grandis. Blatt mit Callus- und Adventivenbildung an der Basis. s Sprosse. 
Tafel VII. 
48. Achimenes grandis. Blüthenstiel mit Callus und Adventivbildungen. 
49. > » Querschnitt durch den Callus. 
90. > » Aus dem Callus ce entstandener Adventivspross S. 
51—53. >» » Entwicklung des Adventivsprosses. s Spross. c Callusgewebe. 
54. » » Callus des Blattstiels mit Wurzelanlage (d). 
: Tafel VIII. 
55. 56. Achimenes grandis. Entwicklung der Adventivwurzel. 
57. Begonia Rex. Querschnitt durch den Blattnerven eines Stecklings. Anlage einer Adventivwurzel 
neben dem Gefässbündel. 
58. 59. Begonia Rex. Entwicklung der Adventivwurzel. 
60. » > Anlage eines Adventivsprosses in einer Epidermiszelle des Blattes. 
61. 62. > » Weitere Entwicklungsstadien der Adventivsprosse. 
Tafel IX. 
63—73. Begonia Rex. Entwicklung der Adventivsprosse. 


Hansen. Taf l. 


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Hansen, Taf.M. 


Hansen. Taf. X 


Fig, 68265) 


2370. 


(120) 


4% 


Ueber Culturversuche mit dem Japanischen Lackbaum (Rhus 
vernicifera DC.) im botanischen Garten zu Frankfurt a. M. 


von 


H. Th. Geyler. 


Ebensowohl von wissenschaftlichem Interesse, als auch insbesondere von praktischem Werthe 
sind die Versuche wichtige Nutzpflanzen ausserhalb ihres ursprünglichen Vaterlandes zu accli- 
matisiren. Der englischen Regierung vor allen anderen ist es gestattet, derartige Versuche 
gegenseitigen Austausches von wichtigen Pflanzen in ihren weiten Besitzungen mit Vortheil 
anstellen zu können, So werden z. B. in den verschiedenen Gärten Australiens im Austausch 
mit anderen Gegenden die umfassendsten Versuche gemacht, aus den entlegensten Ländern der 
Welt werthvolle Gewächse dort einzubürgern, !) bei welcher Gelegenheit freilich auch eine Menge 
anderer Pflanzenarten als Beigabe miteingeführt zu werden pflegen. ?) Ein solcher Bürger 
Australiens, welcher im Austausch mit anderen Gewächsen in die alte Welt hinübergekommen 
ist und sich hier in die wärmeren Gegenden einzubürgern beginnt, ist ja auch der jetzt viel- 
genannte australische Fieberbaum, Kucalyptus Globulus. Ferd. von Müller war es, welcher 
zuerst auf dessen aromatische und dem Cajeputöl ähnliche Ausdünstungen aufmerksam machte 
und aus diesem Grunde den Baum zur Anpflanzung in den von dem Malariafieber heim- 
gesuchten Gegenden dringend empfahl, wozu leider, wie die Karten über die Verbreitung der 
Malariakrankheit beweisen, auch am Mittelmeere in den verschiedensten Gegenden ausreichende 
Gelegenheit geboten ist. Bei diesen Culturversuchen entdeckte aber Trottier in-Algier, dass 
nicht sowohl jene aromatischen Ausdünstungen, als vielmehr die den sumpfigen Boden aus- 


trocknenden Eigenschaften der Wurzeln jenes Baumes diese fieberwidrige Wirkungen haupt- 

!) Vergl. z. B. W. T. Thiselton-Dyer, The Botanical Enterprise of the Empire. Address delivered 
before the Royal Colonial Institute on the 11th of Mai 1880. — F. v. Müller, Select Plants readily eligible 
for industrial culture or naturalisation in Victoria, with indication of their native countries and some of their 
uses, 1876, oder Rich. Schombursk, Reports on the progress and condition of the botanie garden and 
government plantations zu Adelaide in Südaustralien u. s. w. 


?) Vergl. z. B. Rieh. Schomburgsk, On the naturalised weeds and other plants in South Australia 1879. 
Abhandl. d. Senekenb. naturf, Ges. Bd. XII. 27 


y 


— 200 — 


sächlich hervorrufen. !) In der Absicht nun jene vom Fieber heimgesuchten Gegenden etwas 
zugänglicher zu machen, vertheilte unter anderem der botanische Garten zu Kew eine Menge 
von Samen jenes Eucalyptus, welche insbesondere auch nach den von jenen gefährlichen 


Fiebern befallenen Küsten West-Afrikas reichlich versendet wurden. ?) 


Unter den Nutzgewächsen Japans sind 2 Pflanzen für die dortige Bevölkerung und 
Industrie von höchster Bedeutung; es sind die beiden Sumacharten Rhus succedanea L. und 
Rhus vernicifera DC., welche nicht blos wegen der Lackgewinnung, sondern auch wegen des 
in den Früchten enthaltenen Wachses hochgeschätzt werden. Die erstgenannte Species stammt 
nach Rein (auch in der weiteren Schilderung folge ich diesem Reisenden, welcher im Auf- 
trage der preussischen Regierung 2 Jahre hindurch in Japan verweilte und welchem wir 
neuerlich die Einführung und Verbreitung der Rhus vernicifera DC. zumeist zu verdanken 
haben) wahrscheinlich von den Lutschu-Inseln und gedeiht nur in dem wärmeren Theile der 
Insel Nippon, sowie auf Shikoku und Kiushiu, so dass an eine Acclimatisation im Centrum von 
Europa nicht zu denken war. In dieser Hinsicht konnte also nur die zweite Sumachart, Iihus 
vernicifera DC., in Betracht gezogen werden, welche in den kälteren Gegenden Nippons >) 
eultivirt wird und gleichfalls ein Einwanderer und zwar aus China ist. Der letztgenannte 
Lackbaum erreicht gewöhnlich eine Höhe von 8—10 Metern und nach 40 Jahren etwas über 
einen Meter im Stammumfange. Der Baum wächst langsam (im Mittel jährlich nicht viel über 
!/; Meter) in die Länge und ist demnach das grünlichgelbe Kernholz fest und schwer. Der 
Baum hat einen geraden Wuchs und ziemlich regelmässige, jedoch nicht dichte Krone, da die 
Verästelung spärlich und die Belaubung dünn erscheint. Die Rinde ist grau und wird im 
Alter rissig. Die Blätter entwickeln sich erst im Mai und fallen gegen Ende October wieder 
ab. Sie sind unpaarig gefiedert, meist mit 9—11*) grossen, eiförmigen, zugespitzten, ganz- 
randigen, kurzgestielten, oberseits kahlen, unterseits leicht und kurz behaarten Fiederblättchen. 
Eine Umwandlung der gelbgrünen Farbe der Blätter in Roth findet vor dem Abfallen derselben 
im Herbste nicht statt.5) Im Juni zeigen sich bei diesen diöcischen Bäumen die schlaffen 


gelbgrünen Blüthentrauben, welche aus zahlreichen Blattwinkeln an den Enden der Zweige 


1) Vergl. z. B. Göppert, Ueber den blauen Gummibaum, im Bericht der Section für öffentliche Gesundheit. 

?) Siehe Report on the progress and condition of the Royal Gardens at Kew, during the year 1873, p. 5. 

®) Franchet und Savatier, Enumeratio plantarum etc. I. p. 93 nennen als Culturdistriete Kiushiu, 
das mittlere Nippon, Kamakoura. 

“) De Candolle im Prodromus II. p. 63 spricht von »foliis 5—6 jugis.« 

5) Im hiesigen botanischen Garten zeigte sich, abweichend von dem Verhalten im Vaterlande, anfangs 
October oder bei einigen Blättern auch schon Ende September, eine intensiv gelbe bis rothe Färbung. 


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hervorbrechen. Die Früchte reifen Ende October und bilden, wie auch bei Rhus succedanea L., 
nicht eigentliche Beeren, sondern gelblichgrüne glänzende Drupae. Sie blühen und fructificiren 
vom 8. Jahre an und liefern im Alter von 18—20 Jahren den meisten Lack, welcher durch 
Anritzen gewonnen wird. Der Baum wird in vielen Gegenden Nippons cultivirt, doch ist die 
Haupteultur zwischen 37—39° n. Br. im Thale des Tadamigawa des westlichen Aidzu, um 
Yonezawa und Mogami in der Provinz Uzen und im nördlichen Echigo. 

Nach der Rückkehr von seiner Japanischen Reise hatte Rein die Freundlichkeit, den 
botanischen Garten zu Frankfurt am Main neben vielen anderen Japanischen Sämereien auch 
mit einer grossen Anzahl von Früchten der Rhus vernicifera DC. zu beschenken. Von den 
letzteren entwickelten sich im Jahre 1876 ziemlich viele, so dass von den jungen im hiesigen 
botanischen Garten erzogenen Pflänzchen später ein Theil an andere botanische Gärten, wie 
z. B. nach Darmstadt, abgegeben werden konnte. Diese kleine Lackbaumeultur wurde aber 
bedeutend vergrössert, als im Auftrage des Ministeriums für Handel und Gewerbe am 3. Mai 
1877 Herr Forstmeister Rando in Chorin dem botanischen Garten zu Frankfurt am Main 
50 weitere Pflanzen zu Culturversuchen übermittelte. Von diesen 50 Stück erschienen nach 
dem Einpflanzen 25 als nicht mehr lebensfähig, während die anderen 25 unter der Obhut des 
Gärtners Perlenfein sich weiter entwickelten. Doch gehörten von letzteren 4 Stück zu 
anderen Rhus-Arten, so dass von den seitens der Regierung übersendeten Pflänzchen nur noch 
21 Stück wirkliche Lackbäume zur Beobachtung übrig blieben. Hierzu kamen dann noch 
4 Stück zweijähriger und eine grosse Anzahl einjähriger, 1877 im Garten selbst aus den von 
Rein übergebenen Samen neuerdings frisch gezogenen Lackpflänzchen, so dass die Zahl 
sämmtlicher 1877 cultivirten Pflanzen der Rhus vernicifera DC. gerade 100 Stück betrug. 

Während des allerdings nicht sehr strengen Winters 1877/78 nun blieb diese ganze 
Lackbaumpflanzung vollständig unbedeckt und mögen im Folgenden die kälteren Tage während 
dieses Winters kurz aufgezählt werden, bei welcher Aufzählung jedoch nur diejenigen berück- 
sichtigt werden, an welchen hierorts ein Minimum von unter 0° beobachtet wurde. Im October 
1877 zeigte sich nur an 4 Tagen (am 10., 18., 19. und 21. October) ein Minimum, bei 
welchem die Temperatur unter 0° sank (so zeigte sich z. B. am 19. October ein Minimum 
von —1,?°C.), während vom 23. October bis Mitte November die Temperatur wieder ziemlich 
warm war, Erst seit dem 10. November sank dieselbe wieder unter 0°, ohne jedoch zu 
bedeutenderer Kälte zu gelangen. So war das Minimum vom 21. bis 23. December etwa 
— 3,3° C. oder auch etwas mehr (so am 22. December z. Be — 5°C.) und ähnlich sank auch 


wieder am 29. December die Temperatur im Minimum auf —4°C. Dagegen traten die 


— 202 — 


bedeutendsten Kältegrade im Januar 1878 und zwar vom 10. bis 14. Januar auf und zeigte 
z. B. der Thermometer am 11. Januar —9,1°C. und am 12. Januar sogar — 9,s° C. Eine 
zweite Kältewelle erschien vom 26. bis 29. Januar, doch sank das Minimum diesmal nicht 
unter —6,6°C. Die erste Hälfte des Februar zeigte einen ziemlichen Wechsel in der Tem- 
peratur, doch ebenfalls keine sehr bedeutenden Kältegrade (am 5. Februar betrug z. B. das 
Minimum — 6,6°C., am 13. — 6°C. dagegen am 9. nur —1,1°C. und am 11. Februar 
—0,9°C.), dann stieg die Wärme sehr rasch und- zeigte sich ein Minimum von im Mittel 
meist +5 bis 6°C., bisweilen sogar über + 8,3°C. Vom 9. bis 27. März sank wieder das 
Minimum während 10 Tagen unter 0°, doch zeigte der kälteste Tag am 16. März nur 
— 3,°C. Im April war nur ein Tag ein Kältetag und zwar der 2. April mit einem Minimum 
von — 1°C. 

Hierdurch wurde zunächst erwiesen, dass der Lackbaum ohne jegliche Bedeckung einen 
Kältegrad von etwa — 10°C, vollkommen gut zu überdauern vermag, wenn anders diese Kälte 
nicht sehr lange andauert, wie es in dem Winter 1877/78 der Fall gewesen ist. 

Aber, wie schon früherhin erwähnt wurde, waren bereits 1876 aus den von Rein mit- 
gebrachten Samen einige Pflänzchen der Rhus vernicifera DC. erzogen worden, welche schon 
den im Ganzen viel ungünstigeren Winter 1876/77 überdauert hatten. Damals zeigte bereits 
der 11. und 12. November ziemlich bedeutende Kältegrade (am 11. November ein Minimum 
von —6°C., am 12. von —6,5°C.) und noch viel stärkere Kältegrade, wenn auch nur auf 
kurze Zeit, traten vom 25. bis 27. December hervor (so betrug‘ das Minimum am 25. December 
—5,°C., am 26. — 10°C. ‘und am 27. December sogar —10,.°C. Januar und Februar 
waren verhältnissmässig sehr warm; das bedeutendste Minimum fand sich im Januar am 22. 
mit —2,7°C. und im Februar am 28. mit —5,;°C. Dagegen verhielt sich der März sehr 
ungünstig und hatte auch, zumal durch die vorausgegangene warme Witterung die Entwicklung 
beschleunigt worden war, manchen Schaden angerichtet. Besonders waren es die beiden ersten 
Tage des März und die Zeit vom 10. bis zum 12. dieses Monats, welche sich durch Kälte 
auszeichneten. So sank das Minimum am 2. März sogar auf —9,9°C. und auch am 11. und 
12. März waren die beiden Minima noch — 7,s°C. und — 7,°C. Im April fiel die Tem- 
peratur nur an einem Tage, dem 16.. April, unter 0° nämlich mit —0,3°C. 

So war bereits vorher im Winter 1876/77 an diesen wenigen Versuchspflanzen nach- 
gewiesen worden, dass der Lackbaum auch eine Kälte von — 10—11°C. ertragen kann, selbst 
unter den ungünstigen Verhältnissen des Nachfrostes, wenn anders derselbe nicht zu lange 


andauert. Bei einigen Pflänzchen waren jedoch die Gipfeltriebe durch den Frost beschädigt 


worden. — Alle Pflanzen entfalteten im kommenden Frühjahre wieder eine entsprechende 
Blätterzahl; einige begannen hiermit schon Anfang Mai. Der Laubfall trat in der letzten Hälfte 
des October ein und ging demselben ein intensiver Farbenwechsel in Gelb und Roth voraus. 

Um einige Verhältnisse in der Entwicklung der Pflanzen, sowie für die folgende Zeit 
deren Wachsthumsintensität bestimmen zu können, wurden 4 Versuchspflanzen am 8. October 1877 
gemessen, nämlich 2 Exemplare aus dem Jahre 1876 (unter A. und D.), sowie 2 Exemplare 
aus dem Jahre 1877, nämlich das grösste aus Chorin erhaltene (unter (.) und ein im hiesigen 
botanischen Garten im freien Lande gezogenes Exemplar (letzteres unter D.). Es ergaben sich 


hierbei die folgenden Verhältnisse: 


4. B. Ü. D. 
Stammhohese were 62cm 52 cm 15 cm 12,5 em 
“ Stammdicke (am Grunde) . . 17 mm 12 mm 7 mm 5 mm 
ZahledersB alters u 10 3 Ü 
Blätter er et 3—6paarig 3—5paarig Bpaarig 2paarig, 
Grösstes Blatt (Länge) . . . 65 cm — 32 cm 26 cm 
» > (Breite) m 2 10022 — 22- » 20 >» 
Grösstes Fiederblättchen (Länge) 20—21 cm — 11 » 2 
» » (Breite) 95—11 >» — DR, — 


Aus dem Vergleiche der Exemplare von 1876 und 1877 ergibt sich, dass das Wachsthum 
der Lackpflänzchen auch in unserem Klima ein recht rasches ist, so dass die Stammhöhe bei 
einem kräftigen Exemplare von 12—15 cm im ersten Jahre bei dem 2jährigen Pflänzchen 
sich bereits auf 50—60 em und darüber steigern kann, wobei auch die Dicke des Stammes 
entsprechend im Zunehmen begriffen ist. Gleicherweise vergrössert sich die Zahl der Blätter 
und Fiederblättchen nicht unbedeutend, wie auch deren Länge und Breite ein Wachsen 
erkennen lässt. 

Im Frübjahre 1878 wurden die von Seiten der Regierung erhaltenen, sowie die im 
Jahre 1876 im Garten gezogenen Lackpflänzchen in Reihen an einen geschützteren Ort ver- 
pflanzt, während eine grössere Anzahl jüngerer hier erzogener Exemplare an der früheren Stelle 
verblieb. Da der Winter 1878/79 im Anfange ziemlich kalt zu werden drohte, so wurde bald 
die Hälfte der Versuchspflanzen durch Laub geschützt. Von diesen ging jedoch nur ein ein- 
ziges aus Chorin erhaltenes Exemplar zu Grunde und dieses war bedeckt gewesen. 

So lange andauernd auch der Winter 1878/79 auftritt, so sind doch keine excessiven 


Kältegrade zu verzeichnen. Im November fiel die Temperatur nur an 4 Tagen, den 1., 2., 


— 204 — 


3. und 6. November unter 0° und zwar betrug das Minimum am 2. November — 2,5% 0. 
Dagegen war der December verhältnissmässig kalt und sank in diesem Monate die Temperatur 
an 23 Tagen unter 0°. So waren die Tage vom 9. bis 18. December ziemlich kalt zu nennen 
und betrug insbesondere am 11. und 12. December das Minimum — 9,4° und — 9,5°C. Auch 
die vom 24. bis 26. December gehörten zu den kälteren Tagen; so betrug das Minimum am 25. De- 
cember — 6,3°C. Die ersten Tage des Januar 1879 waren verhältnissmässig mild, dagegen 
sank die Temperatur in der Zeit vom 8. bis 13. Januar ziemlich bedeutend (so betrug das 
Minimum am 11. Januar — 9,4°C.) und eine 2. Kältewelle erschien vom 19. bis 23. Januar 
(das Minimum war am 20. Januar — 6,3°C.). Die letzten Tage des Januar waren nicht be- 
sonders kalt. Dagegen traten im nächsten Monat wieder der 1. und 2. Februar etwas kälter 
auf (das Minimum zeigte am 2. Februar — 4,1°C.) und später die Zeit vom 23. bis 26. Fe- 


bruar (das Minimum betrug am 23. Februar — 4,6°C.). Kalt waren wieder der 28. Februar 


mit einem Minimum von — 5,»°C. und der 1. März mit einem Minimum von — 8,1°C., 
während in den übrigen Tagen des März nur an 3 Tagen unter — 2,5°C. sank, nämlich am 


14., 15. und 25. März. Im April endlich waren nur noch 3 kältere Tage vom 12. bis 14. April 
zu verzeichnen, während welcher Zeit das Minimum am 13. April auf — 1,7°C. sank. 

Auch hier möge eine Tabelle über die Wachsthumsverhältnisse von zwei Exemplaren jener 
Versuchspflanzen, welche mit A und © (4 = dem grössten im Garten 1876 erzogenen Exem- 
plar; © = grösstes aus Chorin 1877 erhaltenes Pflänzchen) bezeichnet wurden, ihren Platz 
finden. Im Jahre 1878 fand die Messung am 24. October statt, 

A.(1877)° 4. (878). 20877) > E.X1878] 


Stammhöhere ses een: 62 cm 90 cm 15 cm 70 cm 
Stammrest (Gipfeltrieb früher erfroren) —_— .» 41 » —_— .» — » 
Astalen ea ln — >» 8 >» — » — >» 
Astell sn nenn. —_ .» 52 >» = zu 
Stammdicke (am Grunde) . . . . . 17 mm 25 mm 7 mm 16 mm 
Asbal.u(Dicke)ka Juan al — .» ur 3 —.» — » 
Anzahl der Blätter . . . 2.2... 16 Zahl vermehrt s Zahl vermehrt 
Blätter . . 2. 2 2 22020202. 3—-6paarig meist 4—6paarig 3paarig meist 4 paarig 
Grösstes Blatt (Länge). . . . . . 65 cm 62—63 em 32 cm 55 cm 
» » (Breite) BE LE wo 40 >» — cm 22 >» es, 
Grosses Fiederblättchen (Länge). . . 20—21 » 18,5 » 1l » 185 >» 


» » (Breite). . . 95—11 » 8—10 » 5,7» 85 >» 


— 205 — 


Auch im Jahre 1878 haben also diese beiden Versuchspflanzen hinsichtlich der Höhe und 
Dicke des Stammes sehr bedeutend zugenommen, die Versuchspflanze © sogar um mehr als 
‘, Meter in der Länge, wogegen die Versuchspflanze A zwei grosse Aeste gebildet hat, von 
welchen der eine fast die Länge des ganzen Bäumchens erreicht und dessen Dicke der vor- 
jährigen Dicke des Stammes selbst gleichkommt. Die Anzahl der Fiederblättchen hat sich an den 
Blättern beider Exemplare im Ganzen vermehrt, sowie die Anzahl der Blätter selbst. Während aber 
die Grösse der Blätter und Fiederblättchen bei (’ gewachsen ist, hat dieselbe bei A nicht unbedeutend 
abgenommen. — Im Anfang Juni 1879 hatte das Versuchsexemplar neben den beiden Primanästen 
noch 2 weitere Secundanäste gebildet. Von den Primanästen hatten zu dieser Zeit der grösste 13, der 
andere 10 Blätter, von den Secundanästen der eine 6, der andere 5, alle 4 Aeste zusammen also 
34 Blätter entfaltet, von welchen das grösste bereits eine Länge von 44 cm besass. Das unver- 
ästelte Versuchsexemplar C aber hatte 10 Blätter entfaltet, deren grösstes in der Länge 39 cm 
besass. Diese kräftige Entfaltung im Frühjahre 1879 lieferte den Beweis, dass der Lackbaum 
auch eine lange andauernde Kälte ertragen kann, welche etwa — 10°C im Minimum beträgt. 

Während in den 3 vorhergehenden Wintern die Kältegrade kaum — 10°C. überstiegen, 
erreichten dieselben während des Winters 1879/80 auch in dem verhältnissmässig geschützten 
hiesigen botanischen Garten die ungewohnte Höhe von mehr als — 19°C. In dem Folgenden 
möge über die Kälteminima der verschiedenen Monate kurz Nachricht gegeben werden. Im 
Monat October sank nur an einem einzigen Tage, am 17. October das Minimum auf — 1,°C. 
herab. Dagegen begann schon am 14. November eine längere Kälteperiode, welche ununterbrochen 
bis zum 29. December anhielt. Bereits am 27. November betrug das Minimum — 7,6° C., am 
3. December — 12,7°C., am 8. December — 17,°C., am 10. December sogar — 18,3 C. 
Dann stieg in den nächsten Tagen die Temperatur um ein Weniges, so dass das Minimum 
am 16. December noch — 17,7°C., am 22. December — 17,°C. und am 25. December noch 
28 16,50 C. zeigte. Vom 30. December bis zum 5. Januar 1880 stand das Temperaturminimum 
wieder etwas über 0°. Darauf begann abermals eine zweite Kälteperiode, welche gleichfalls 
ununterbrochen vom 6. Januar bis zum 11. Februar andauerte. Die kältesten Tage während 
dieser Zeit waren der 19. Januar mit einem Minimum von — 15° C., der 20. Januar mit einem 
Minimum von — 19,1ı°C., der 28. Januar mit einem Minimum von — 13,3°C. und der 
29. Januar mit einem Minimum von — 14°C. Auch noch am 5. und 6. Februar zeigten sich 
Minima von 11,3° und 11°C. Seit dem 12. Februar aber wurde die Temperatur milder und 
sank nur noch an einigen Tagen (vom 14. bis 16. Februar, ferner am 25., 26. und 28. Februar, 


sowie später vom 14. bis 16. und vom 19. bis 24. März) ein wenig unter 0°. 


— 206 — 


Trotz dieser geradezu excessiven Kältegrade überdauerten gegen Erwarten sämmtliche 
Versuchspflanzen den Winter in vollkommen günstigem Zustande. Ja sogar die Gipfeltriebe, 
welche in den vorhergehenden gelinderen Wintern häufig durch die Kälte gelitten hatten, fanden 
sich im Winter 1879/80 nur selten angegriffen. Auch von den jüngeren, an ungünstigerer 
Stelle befindlichen Lackbäumchen ist auch nicht ein einziges Exemplar erfroren und entwiekelten 
sämmtliche Pflanzen in üppiger Weise ihr Laub. Die Versuchspflanze ©, deren Gipfeltrieb 
schon die früheren Winter glücklich ausgehalten hatte, blieb auch während des letzten Winters 
unberührt und ist jetzt eine der grössten und schönstgewachsenen Exemplare der ganzen 
Cultur. — Während der andauernden Kälte war die Hälfte der Versuchspflanzen ganz ohne 
Bedeckung gelassen, die andere Hälfte aber eingebunden worden; beide Sorten überdauerten 


den Winter vollkommen gleich gut. 
Wie günstig sich im Jahre 1879 (und in ganz ähnlicher Weise gilt dies auch für 1880) 
die Wachsthumsverhältnisse der verschiedenen Exemplare der hiesigen Lackbaumplantage ge- 


stalteten, mögen wiederum die folgenden Tabellen ersichtlich machen. 


A — grösstes hier 1876 erzogenes Exemplar 
gemessen am 8. Oct. 1877. am 24. Oct. 1878. am 12. Sept. 1879. 
Staınmhohegaee Er Be 62 cm 90 em 172 cm 
Stammdicke (am Grunde) . . . . 17 mm 25 mm 43 mm 
Ast I (Länge) — 83 cm 162 cm 
» (Dicke) | ‘beide mit je einem _- 17 mm . 33 mm ® 
Ast II (Länge) Nebenaste = 52 cm 124 cm 
» (Dicke) = = 25 mm 
Blattzanlee u en 16 _ über 60 
Blatter one Ba A 3—6paarig meist 4—6paarig 5—Spaarig 
Grösstes Blatt (Länge). . . . . 65 cm 62—63 cm s0 cm 
» DR (Breite) 40 » — > 48 » 
Grösstes Fiederblättchen (Länge) . 20—21 » 18,5 >» 24 » 
» » (Breite) . 95—11 » 8-—-10 >» 10 » 


Trotz der bedeutenden Längs- und Dickenentwicklung der Aeste hat sich hier der Haupt- 
stamm doch noch um 82 cm, also mehr als */; Meter in die Länge gestreckt. Die Entwick- 
lung der Blätter und Fiederblättchen, welche im Jahre 1878 hinsichtlich der Dimensionen 


etwas zurückgegangen war, hat sich wieder bedeutend gesteigert. Die Zahl der Blättchen an 


ji 


— 20 — 


den Blättern, deren Zahl sich über 60 erhebt, ist an manchen der entwickeltsten Blätter bis 
auf 17 gestiegen. 
C = grösstes 1877 aus Chorin erhaltenes Exemplar 
gemessen am-8. Oct. 1877 am 24. Oct. 1878 am 12. Sept. 1879. 


Stammhöhe (Aeste fehlen) . . 15 cm 70 cm 167 cm 
Stammdicke (am Grunde) . . 7 mm 16 mm 37 mm 
Blattzahla a Bea el, 20 8 — 31 
Blättern 3paarig 4paarig 5—7paarig 
Grösstes Blatt (Länge) . . . 32 cm 55 cm 84 cm 

» Ser tBreite)e. 22 » — 48 » 
Grosses Fiederblättchen (Länge) al 5 13,5 cm 24 » 

» » (Breite) 57» 85 >» 95 > 


Es betrug also bei dem Versuchsexemplar €. das Längenwachsthum des bisher allerdings 
unverästelten Stammes fast 1 Meter bei ebenfalls kräftiger Dickenzunahme. Auch hier steigerte 
sich die Zahl‘ der Blättchen bei einem Blatte bis zu 15, während das ganze Blatt unter 
Umständen die gewaltige Länge von *5 Meter und darüber erreichte. — Die Resultate des 
“letzten Winters haben also deutlich erwiesen, dass der Lackbaum eine Kälte bis — 19°, auch 
wenn sie zweimal und fast jedesmal in der Dauer von 1'/, Monaten ununterbrochen anhält, 
vollkommen ohne Schaden zu überdauern vermag. 

Auf den Japanischen Inseln existiren im Ganzen 6 Sumach-Arten und fanden unter den von 
Rein mitgebrachten Sämereien sich ausser dem Samen der Rhus vernieifera DU. auch solche von 
Rhus silvestris Sieb. et Zuce., Rh. succedanea L. und Rh. semialata Murray vor. Die Samen 
dieser 3 genannten Rhus-Arten wurden ebenfalls 1876 ausgesäet und gingen zum grossen Theile 
auf. Die Pflänzchen aber der beiden erstgenannten Arten, welche im freien. Lande gelassen 
wurden, gingen während des Winters sämmtlich zu Grunde und blieben nur einige wenige dem 
Gewächshaus anvertraute Exemplare übrig.‘ Später erhielt der hiesige Garten durch Herrn 
Stud. Meyer aus Strassburg noch Sämereien der Rh. vernicifera DC. (letztere aus Ostindien 
stammend) zum Geschenk. Es gelang jedoch nicht, diese Samen zum Keimen zu bringen, so dass 
leider nicht beobachtet werden konnte, ob und in wie weit die Ostindische Rh. vernicifera von 
der Japanischen Species abweicht. Die dritte der oben erwähnten Sumach- Arten, die Rhus 
senvialata gedeiht vollständig gut im freien Lande und übertrifft hinsichtlich der Raschheit des 
Wachsthums selbst- den Lackbaum bedeutend, wie die folgende Tabelle übersichtlich macht. 


Ein 1876 erzogenes Exemplar besass z. B. folgende Dimensionen: 
Abhandl, d, Senckenb, naturf. Ges, Bd. XII. 


19 
e%) 


1877 1878 
Stammhöle> 2. 7. ee Be lem 84 cm (der Gipfel war abgestorben) 
Stamm astrein bis...» .. | — 68,5 >» 
Erster grosser Ast (II) findet sich bei - 725 >» 
Ast I (sehr klein) ist ang . . . — 36» 
Ast II RE ROHR RE 
Ast III SEHE» RE; — 80» 
Ast IV „eh RS E _ 63 >» x 
Stammdicke (am Grunde). . . . . 15 mm 29 mm 
Astlll; istädick nn oe = 16 >» 
Blätteric. > ee er —- bis 7paarig 
u sindglangien te wen Zr: _ bis 74 und 75 cm 

Fiederblättchen (Länge) . . . . .» — 16—17 cm 

Ya url Bieite) ans cu. _— bis 9 cm 


Mag auch hinsichtlich der Schnelligkeit des Wachsthums der Lackbaum hinter der 
Rhus semialata zurückstehen, so ist doch im hiesigen botanischen Garten das jährliche Längen- 
wachsthum (im Mittel) bei Versuchsexemplar A = 43 cm, bei © dagegen sogar — 56 em, 
also über das normale Wachsthum im Vaterlande (etwa !/s Meter) noch hinausgehend. Es 
gedeiht also diese so wichtige Japanische Culturpflanze auch in unserem Klima vollständig 
gut und vermag auch eine Wintertemperatur zu ertragen, welche vielfach selbst für unsere 
einheimischen Bäume verhängnissvoll wurde. Eine Temperatur, wie sie in den wärmeren 
Theilen von Deutschland (im Rhein- und Mainthale z. B.) auftritt‘), scheint für die erspriess- 
liche Cultur des Lackbaumes nach den iin Vorhergehenden mitgetheilten Beobachtungen voll- 
kommen zu genügen. 


') Vergl. z. B. Richard Andree und Oscar Peschel, Atlas des deutschen Reiches, I. Hälfte, 1876. 
Karte 3—5. i 


Einige Bemerkungen über Phyllocladus. 
Von 


H. Th. Geyler. 


Die Phyllocladus-Arten sind Bäume von geringerer Höhe !) oder auch Alpensträucher, wie 
Phyllocladus alpinus, welcher auf Neuseeland bis 5600 Fuss über Meer emporsteigt. Die 
Stellung der nicht sehr zahlreichen Hauptäste von rundlichem Querschnitte ist ziemlich unregel- 
mässig, wie dies ein grösseres, etwa 14—15 Fuss hohes Exemplar des Phyllocladus tricho- 
manoides Don.?) in dem botanischen Garten zu Frankfurt am Main erkenngg lässt. Die Blätter 
stehen wie bei den Abietineen u. s. w. in Spiralen an der Hauptaxe. Sie sind klein, fast 
schuppenförmig, mit mehr minder breiter Basis und oft sehr verschmälerter Spitze. Sie ver- 
trocknen sehr bald, nehmen dann eine dunkelbraune Färbung an und fallen dann unter Hinter- 
lassung einer dunkeln, in die Breite gezogenen Narbe bei der geringsten Berührung sofort ab, 
so dass meist nur an der sich fortentwickelnden Spitze der Axe die jüngeren, noch grünlich 
gefärbten Blätter vorhanden sind. In den Achseln dieser Blätter entwickeln sich hie und da 
die Zweige, welche vorherrschend blattartig als sog, Cladodien ausgebildet sind. Entsprechend 
der Stellung der Blätter an der Hauptaxe folgt auch die Stellung dieser Cladodien der Spiral- 
richtung, nur dass bei weitem nicht alle Blätter solche Blattzweige bergen. Doch zeigt sich 
hierbei eine gewisse Gesetzmässigkeit insofern, dass, nachdem eine Strecke weit eine grössere 
Blattzahl der Cladodien gänzlich entbehrt, nun eine Region beginnt, in welcher die Cladodien 
einander sehr genähert sind. Dadurch hat es den Anschein, als ob diese Cladodien, welche 
doch ursprünglich der Spiralrichtung folgen, in Wirtelstellung sich befänden. Eigenthümlich 
erscheint noch der Umstand, dass die älteren Cladodien an der Basis meist stark anzu- 


schwellen pflegen. 


!) Vergl. die ausführlichen Mittheilungen von C. E. Bertrand in Ann. des Science. Natur. Botan. 
=Ser.. V. 1 XXI ep3 37. 

2) Vergl. besonders die schönen Untersuchungen Strassburger’s über Phyllocladus rhomboidalis Rich. 
und Ph. trichomanoides Don., die Coniferen und Gnetaceen, 1872, p. 391, Taf. XXVI, welche durch die meinigen 
insofern erweitert werden, als auch die besonderen Verhältnisse der ersten Jahre in Vergleich kommen. 


2100 


Diese Cladodien bilden selbst wieder ein System ähnlicher secundärer, tertiärer u. s. w. 
Verzweigungen, welche jedesmal von einer entsprechenden Blattbildung gestützt werden, die 
freilich weiter nach Oben hin immer kleiner und rudimentärer auftritt. Die Verzweigungen der 
primären Cladodien stehen zunächst und bei schwächeren Cladodien von beschränkterem Wachs- 
thum auch bis zur Spitze in einer Ebene und in letzterer finden sich demgemäss auch die 
Blätter, in deren Achseln die Cladodienzweige stehen. Bei kräftigeren Cladodien weichen 
jedoch die oberen Verzweigungen bald etwas von jener Ebene ab und folgt über der letzten 
Verzweigung eine Region, in welcher die Hauptaxe des Cladodiums wieder einen vollständig 
runden Querschnitt erhält und zahlreiche Blätter, wie an der Hauptaxe, in Spiralen sich ent- 
wickeln. Wächst dann ein solches Cladodium im nächsten Jahre weiter, so entsteht zunächst 
eine Reihe steriler (d. h. nicht Verzweigungen tragender) Blätter, bis endlich eine Anzahl 
sehr nahe auf einander folgender, fast wirtelig gestellter und, wie bei der Hauptaxe, nach allen 
Richtungen abstehender Cladodien sich bilden. Bei dem erwähnten grösseren Exemplare aus 
dem hiesigen botanischen Garten haben sich im Jahre 1880 besonders üppige und kräftige 
Cladodien entwickelt, welche sämmtlich weiter wachsen werden, an der Spitze den runden Quer- 
schnitt der Hauptaxe. angenommen haben und mit vielen spiralig gestellten Blättern versehen 
sind. 8. Fig. 5. 


Im Winter 1876/77 stand das berührte Exemplar in voller Blüthe !) und reifte auch 
eine Menge von Samen. Von letzteren gingen jedoch, obgleich eine erhebliche Anzahl gesäet 
worden war, nur 3 auf. Da auch von diesen Pflänzchen eines bereits im zweiten Jahre zu 
Grunde ging, so blieben nur 2 am Leben und zwar fanden an allen 3 sehr verschiedene 


Wachsthumsverhältnisse statt. 


Das bereits im zweiten Jahre absterbende Pflänzchen war von allem Anfang an am dürf- 
tigsten entwickelt. Die Länge der Wurzel bis zum Wurzelknoten betrug nach dessen Tode 
35 mm, die Länge des kaum Y» mm dicken Stammes vom Wurzelknoten bis zu den beiden 
Cetyledonen 29 mm und von da bis zur Spitze noch 30 mm. Die grössten Nadelblätter des ersten 
Jahrestriebes waren ca. 6—7 mm lang und nicht ganz 1 mm breit, nach unten allmälig sich ver- 
schmälernd, noch oben spitzlich auslaufend und einnervig. Weiter oben wurden diese Nadel-. 
blätter immer kleiner, kaum 2—3 mm lang, um im Anfang des zweiten Jahrestriebes zunächst 
wenigstens wieder die frühere Grösse zu erreichen. Im Ganzen hatten sich in den Achseln 


von 5 dieser Nadeln Cladodien, jedoch von geringer Grösse, entwickelt. 


!) Strassburger, l. c. Taf. XXVI. Fig. 16 bildet solch ein blühendes Oladodium ab. - 


— 21l — 


Etwas kräftiger zeigt sich ein zweites Exemplar, welches im 3. Jahre eine Stammhöhe 
von 70 mm besitzt. An der Hauptaxe entspringen hier zunächst 8 unregelmässig gestellte, 
büschelig genäherte Zweige mit rundlichem Querschnitte, welche im Ansehen ganz der Haupt- 
axe gleichen und, wie diese, zahlreiche spiralig gestellte Nadelblätter tragen. Hierdurch erhält 
das Pflänzchen ein dichtbuschiges Aussehen. Cladodienbildung findet sich erst bei 4 dieser 


Zweige und zwar meist nur je 1 Cladodium. 


Am kräftigsten ausgebildet und am charakteristischsten stellt sich endlich das dritte 
Exemplar jener Keimpflänzchen dar. Die Höhe des ganzen Stammes beträgt hier 135 mm, 
die Dicke des Stammes an der Basis 2 mm. Am Ende des dritten Jahrestriebes vergrössert 
sich jedoch der Stammdurchmesser mehr und mehr, so dass er zuletzt etwa das Doppelte 
erreicht (vergl. die Abbildung des Pflänzchens auf Taf. I); ähnlich, wie es ja auch bei 
kräftigen, weiter wachsenden Cladodien sich zeigt. Von der Basis bis zu den 2 Cotyledonen 
misst der Stamm 30 mm. Die beblätterte Region des ersten Jahrestriebes hat eine Länge von 
30 mm und besitzt 4 ohne besondere Regel gestellte Cladodien; der zweite Jahrestrieb ist 
20 mm lang und zeigt 7 Cladodien, der dritte endlich 55 mm mit 8 Cladodien. Die Cladodien 
des ersten Jahrestriebes sind schwach und unansehnlich, die des zweiten und dritten viel 


kräftiger und bis 30 mm lang. 


Im ersten Jahrestriebe folgen bei dem letztbezeichneten Exemplare auf die beiden Coty- 
ledonen zunächst etwa 15 deutlich ausgebildete, flache Nadelblätter und in der Achsel des 
letzten das erste Cladodium, dann kommen wieder 7 Nadeln, das zweite Cladodium, 12 Nadeln 
und das dritte und an dieses fast unmittelbar sich anreihend das vierte Cladodium. Den 


Schluss bilden einige wenige kürzere und spitzere Nadeln. 


Der zweite Jahrestrieb beginnt mit 2—3 Nadeln und diesen folgen sofort 4 grosse, ein- 
ander sehr genäherte und daher scheinbar wirtelig gestellte Cladodien, dann kommen etwa 8 
längere und etwas spitzere Nadeln, dann wieder sehr genähert 3 neue Cladodien und schliesslich 


einige sehr kurze und zugespitzte Nadelblätter. 


Der dritte Jahrestrieb endlich wird eröffnet durch 4 Nadeln, dann folgt das erste 
Cladodium, 2 Nadeln, zweites Cladodium, nun 12 ausserdem ziemlich weit von einander ent- 
fernte Nadeln, drittes Cladodium, 2 Nadeln, viertes Cladodium, 3 Nadeln, fünftes Cladodium, 
dann wieder 12 etwas genäherte Nadeln (diese Region ist noch in der Längsstreckung begriffen), 
ferner in fast wirteliger Stellung das sechste, siebente und achte Cladodium und schliesslich das 


mit zahlreichen, hier sehr spitzigen Nadeln versehene Ende des Jahrestriebes. 


ee 


u 


3ei allen 3 Pflänzchen entwickelten sich je 2 sich nicht genau gegenüberstehende Keim- 
blätter, welche zwar die allgemeine Gestalt der ersten flach ausgebildeten Nadelblätter zeigen, 
aber doppelt so lang und breit, als jene, und zugleich von 2 deutlich getrennten Nerven durch- 
zogen sind. Die ersten Blätter des ersten Jahrestriebes und dann auch wieder ein Theil der 
im zweiten Jahre entwickelten sind flache zarte Nadeln; zunächst am Ende fast abgerundet 
werden sie bald spitzer und spitzer und am Ende der Triebe sind sie zugleich meist viel 
kürzer. Schon bei dem dritten Jahrestriebe sind sie den schuppenartigen Blättern älterer 
Exemplare schon viel ähnlicher, wenn sie auch noch lange nicht so hinfällig sich zeigen und 
so leicht verdorren, als jene. Die Blätter an den Trieben älterer Exemplare fallen deshalb 
sehr leicht ab und hinterlassen dann am grünen Zweige eine deutliche dunkelbraune quer- 
gezogene Narbe; zugleich sind sie viel weiter auseinanderstehend, als etwa in den 2 ersten 
Lebensjahren, was schon bei dem dritten Jahrestriebe unseres Pflänzchens deutlicher hervortritt. 

Wie bei den Blättern der Stengelorgane mit rundem Querschnitte treten auch bei den 
Blattbildungen der Cladodien, sowie bei diesen selbst nicht unbedeutende Formveränderungen 
hervor, wie die Vergleichung der Fig. 1—5 sofort erkennen lässt. Bei den Cladodien des 
ersten Jahres (siehe Fig. 1 und 2) sind die Blätter sehr zart und besonders nach Oben zu 
mit der Spitze nach einwärts gebogen; im zweiten Jahre (siehe Fig. 3) sind sie derb, meist 
scharfspitzig, durch tiefere Einschnitte von dem Cladodienzweige getrennt und zugleich nach 
Aussen gerichtet. Im dritten Jahre (siehe Fig. 4) bilden sich die Oladodienzweige schon als 
(die untern meist als Stheilige) Lappen mit crenulirtem Rande aus. Schon reducirt sich auch 
die Blattbildung mehr und mehr auf die Schuppenform und ist fast nur noch deutlich bei 
denjenigen Blättern, in deren Achseln die Cladodienzweige sitzen. Bei dem Fig. 5 abgebildeten 
Cladodium eines erwachsenen Exemplares werden endlich die Cladodienzweige viellappig, die 
Lappen alterniren meist deutlich unter einander und erinnern etwa an ein fiederlappiges Blatt. 
Auch hier sind die Blattbildungen meist nur deutlich an der Basis des primären Cladodien- 
zweiges oder hie und da am äusseren Rande der secundären Verzweigungen des Cladodiums. 

Die Cladodien entwickeln zunächst ihre Zweige in einer Ebene und entspricht dem auch 
die Stellung der Blätter, in deren Achseln die Verzweigungen entstehen. Bei schwächeren 
Cladodien von geringer Entwicklungsdauer bleibt dieses Gesetz bis zu Ende in Geltung, bei 
kräftigeren aber weicht die Stellung der Blätter und der in den Blattachseln befindlichen Ver- 
zweigungen weiter nach Oben hin von dieser Norm etwas ab und die oberen Zweige bilden 
einen Winkel zu der früheren Verzweigungsebene. Später endlich, zumal bei Cladodien, welche 


mehrere Jahre fortwachsen, wird der Querschnitt der Hauptaxe rund und trägt zahlreiche in 


— 213 — 


Spiralen gestellte Blätter (siehe Figur 5 an der Spitze), so der ursprünglichen Hauptaxe ähn- 
lich werdend. Die in den Achseln der bestimmten Blätter entwickelten Cladodien sind dann 
auch nach allen Richtungen gewendet.!) — Solche Verhältnisse können schon frühzeitig ein- 
treten. Bei dem Cladodium des dritten Jahrestriebes, welches in Fig. 4 wiedergegeben ist 
(bei der Pflanze auf Taf. I. findet es sich auf der rechten Seite) haben sich 8 alternirende 
primäre Cladodienzweige in ein und derselben Ebene entfaltet. Die Hauptaxe ist hier etwas 
flach. Oberhalb der 8. Verzweigung aber erhält sie einen rundlichen Querschnitt und die 
kleinen schuppenförmigen Blätter stehen in Spiralen. Der letzte (9.) Cladodienzweig dicht unter- 
halb der Spitze ist denn auch unter einem gewissen Winkel zu der ursprünglichen Ver- 
zweigungsebene gerichtet. 

Mit Recht heben van Tieghem und Bertrand hervor, dass auch bei Phyllocladus 
je ein Gefässbündel in das Blatt?) eintritt (mit Ausnahme wohl der beiden zwei strängigen 
Cotyledonen? für deren nähere Untersuchung mir jedoch kein genügendes. Material vorlag). 
Bei dem in Fig. 6 mitgetheilten Querschnitte durch die zarte Axe eines zweiten Jahrestriebes 
verhielten sich die in die Blätter abgehenden Bündel ganz entsprechend, wie andere zartere 
Triebe von Coniferen mit spiraliger Blattstellung. Von den herabsteigenden Bündeln legt sich 
je das 5. obere an das Ausgangsbündel an, wie aus den Nummern der Bündel auf dem mit- 
getheilten Querschnitte erhellt. Leider war das Material nicht günstig genug, um eine grössere 
Anzahl successiver Querschnitte zu erhalten, insbesondere auch den Austritt der Bündel in das 
Ciadodium sicher zu beobachten. Doch scheint es, als ob die auf Fig. 6 von Bündel 5 und 8 
sich abzweigenden dem Blatte O0 zunächst benachbarten, etwas derberen Stränge bestimmt ge- 
wesen wären in das Cladodium einzutreten, welches in der Achsel von Blatt O0 zu stehen käme. 
In der primären Axe des Cladodiums selbst gelten dann die Gesetze, welche ich in meiner 
früheren Darstellung zu entwickeln suchte,?) nur dass von den 3 aus dem Bündelkreise aus- 


tretenden Strängen 2 (Doppelstränge) für den Cladodienzweig, ein (einfacher) für das zugehörige 


') Auch Strassburger, 1. c. p. 394, 395 erwähnt dieses Umstandes. 


.°) Im Gegensatze zu meiner früheren Darstellung in Pringsheim, Jahrb. VI. 1867. pag. 65. Taf. VII. 
Fig. 3. Dieser Irrthum scheint durch ein schwaches Cladodium mit undeutlichen oder abgefallenen Blättern, 
welches mir damals allein zur Untersuchung vorlag, hervorgerufen zu sein; das jetzt in meinen Händen be- 
findliehe Material lässt hierüber keinen Zweifel zu. — Vergl. ©. E. Bertrand in Annal. des Seiene. Nat. 
Botan. 1874 Ser. V. T. XX. p. 39, 42, sowie van Tieshem, l- c. 1869. Ser. V. T. X. p. 272. Anm. (Die 
Note in der französischen Uebersetzung von Sachs, Lehrbuch, konnte ich nieht vergleichen.) 
°) Geyler in Pringsheim Jahrb. 1867. Taf. VIII. Fig. 3.4. — In der oberen Region der Cladodien- 
zweige ist die Stellung der Gefässbündel noch mehr verändert; vergl. Strassburger, ]. c, Taf. XXVI. Fig. 18. 


— 214 — 


Blatt bestimmt sind. Vorzüglich deutlich tritt dieses Verhältniss bei dem in Fig. 2 abgebilde- 
ten und bei seiner Zartheit halb durchsichtigen Cladodium hervor, welches zugleich zeigt, 
dass die dünneren, für die Blätter bestimmten Bündel, wenigstens bei den Tragblättern der 
Cladodienzweige, lange vorher (ein Internodium weit und darüber) aus dem Gefässbündelkreise 
heraustreten, ehe dies mit den übrigen in den Cladodienzweig selbst tretenden Gefässbündeln 


geschieht. !) 


Carpinus grandis Ung. in der Tertiärformation Japans. 


Mittheilung von H. Th. Geyler. 


(Hierzu Fig. 7 auf Taf. II.) 


Eine der weitverbreitetsten Tertiärpflanzen ist Carpinus grandis Ung., welche über einen 
grossen Theil von Mittel- und Süd-Europa, sowie in Grönland und Aljaska gefunden wurde ?) 
und neuerdings auch durch Heer?) von Sachalin angeführt wird. Die Blätter variiren hin- 
sichtlich der Grösse und Form sehr bedeutend, so dass Heer*) früherhin schon 8 Formen 
unterschied. 

Unter den Fossilien, welche mein Freund Rein von seiner Japanischen Reise zurück- 
brachte, findet sich auf einem harten Thongestein mit der Etiquette »Mikawa, Nippon«, ein 
ziemlich gut erhaltener Blattabdruck von Carpinus grandis Ung. als der ersten Tertiärpflanze, 
welche meines Wissens aus Japan bekannt gemacht wird. Das Blatt, welches auf Taf. II. Fig. 7 
abgebildet wurde, ist verhältnissmässig breit.°) Basis und Spitze sind leider nicht vollständig 
erhalten, dagegen zeigt der linke Blattrand die zwiefache Zähnung, wenigstens auf gewisse 
Erstreckung, ziemlich deutlich. Auch die Nervatur ist recht gut zu erkennen. Die 15 alter- 
nirenden Secundarnerven auf jeder Seite lassen bei den unteren deutlich in die kleineren 


Zähne auslaufende Tertiärnerven erkennen. Auch die am Grunde der Secundarnerven fast 


1) Dasselbe Verhältniss zeigt auch die Abbildung Strassburger's l. c. Taf. XXVI. Fig. 17 bei einem 
erwachsenen Cladodium, wobei zugleich der Verlauf der einzelnen Bündel genauer angegeben ist. 

2) Schimper, Pal6ont. Veget. II. p. 590. 

®) Heer, Mem. de l’Acad. Imper. de St. Petersbourg, VII. Ser. FT. 25. No. 7. — Vergl. auch Heer, 
Flora fossilis arctica. Bd. V. No. 3. 

*) Heer, Flora tert. Helvet. II. p. 40. 

5) Aehnlich etwa der Fig. 7 auf Taf. VII, welche Heer ]. c. in seiner Flora Sachalinensis mittheilt. 


— 215 — 


rechtwinklig, nach dem Rande zu mehr und mehr unter dem Winkel der Tertiärnerven ent- 
springenden Nervillen sind hie und da nachzuweisen. 

Das Auffinden dieses Abdruckes erweitert die bisher bekannte Verbreitungssphäre der 
Carpinus grandis Ung. noch mehr und scheint vielleicht darauf hinzudeuten, dass die tertiäre 
Flora Japans in naher Beziehung stehen möge zu der des nördlicher gelegenen Sachalins, da 
am Posten Dui auf Sachalin nach Heer!) Carpinus grandis Ung. gerade als der häufigste 


Blattabdruck auftritt. 


ı) Heer]. c. p. 25. 


Abhandl. d. Senckenb,. naturf. Ges. Bd. XII. 29 


Erklärung der Abbildungen 


(zu Phyllocladus). 


Taf. I. Dreijähriges Pflänzchen von Phyllocladus trichomanoides. Nach Photographie, etwas vergrössert. 
Taf. II. Fig. 1 und 2. Cladodien des ersten Jahrestriebes. 6- und löfach vergr. 
Fig. 3. Cladodium des zweiten Jahrestriebes, 3fach vergr. 
Fig. 4. Cladodium des dritten Jahrestriebes, am Ende mit rund werdender Axe. 3fach vergr. 
Fig. 5. Cladodium von einem erwachsenen Exemplar. Natürl. Grösse. 


Fig. 6. Querschnitt durch die Axe des zweiten Jahrestriebes; die Nummern geben die Stellung der 
successiv in die Blätter tretenden Bündel. 100fach vergr. 


Geyler Taf.l 


Geyler. Taf Il. 


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Neue Boiden-Gattung und -Art von den Philippinen 


von 


Vietor Lopez Seoane. 


Mit einer Tafel. 


Piesigaster !) nov. gen. 

Char. Habitus gen. Enygri Wagl.; corpus valde compressum, duplo altior quam 
latior; cauda prehensilis. 

Dentes antici maxillarum maximi, recurvi; os intermaxillare dentibus non instructum. 

Nares inter duo scuta sitae. Praenasalia in medio rostro contigua. Postnasale rhom- 
bicum. Praefrontalia anteriora regularia, posteriora in scuta 7 irregularia divisa. 
Frontale supraorbitaliaque magna. Parietalia in scuta irregularia divisa. Frenale unicum. 
Supralabialia simplicia, fossulis non instructa, aut septimum solum aut sextum septimumque 
bulbum attingentia. Pupilla verticalis. Squamae laeves, lanceolatae. Anale simplex; subcau- 
dalia simplicia. eg 

Von allen bekannten Boidengattungen scheint mir das Genus Chilabothrus Dum., et 
_ Bibr. (Erpet. gener. Bnd. VI, p. 562 und Jan, Jconogr. des Ophidiens, Lief. 6, Taf. 5) am 
ähnlichsten zu sein. Es unterscheidet sich aber unsere neue Gattung leicht durch die in 
mehrere kleinere Schilder zertheilten hinteren Praefrontalen, durch den Contact von nur einem 
oder höchstens von zwei Supralabialschildern mit dem Auge und namentlich durch die grossen, 
auf dem ersten Supralabiale aufliegenden und in der Mitte der Schnauze in langer Naht sich 
berührenden Praenasalen. In gewissem Sinn ähnliche Form der Nasenschilder zeigt unter allen 
Boiden nur das in allem Uebrigen sehr abweichende Genus Erumectes Wagl. Aehnliche Kopf- 
form und ähnlichen compressen Habitus hat dagegen die auf den Sunda-Inseln, auf Neuguinea 
und auf den pacifischen Inseln vorkommende Gattung Enygrus Wagl., die aber in der 


/ 


Pholidosis noch stärker abweicht. 


!) Von Tıeoıg Druck, Pressung, und Yy«oTtnp Bauch. 


—. 218 — 


 Piesigaster Boettgeri nov. spec. 


Char. Caput pyramidato-quadrangulare, cantho rostrali subdistineto, ad verticem 
longitudinaliter depressum, ad latera post oculos paululum erectum. Rostrale pentagonum, 
sescuplo latius quam altius. Frontale magnum, subregulariter sexangulare. Supraorbitalia 
magna, lata, subregularia. Frenale unicum, permagnum, supralabialibus 2—4 superpositum. 
Praeocularia 2 superposita, superius duplo majus quam inferius; scutulum pseudofrenale acces- 
sorium 1, inter frenale et supralabiale quintum immissum. Postocularia 4 oblongula. Supra- 
labialia 12, infralabialia 12. Mentalia 4 parvya postposita. 

Ser. squam. 43; Gul. 6, Ventr. 265, An. 1, Subcaud. 75. 


Flavescenti-ceinerascens, postice et cauda obscure variegatus marmoratusque. 


Maasse. 
Totallängen so re ee 133% Meter: 
Von der Schnauze bis zur Afterspalte. . . 112 » 
Schwanzlangen sa a a No En ER = 0,2122, 
Kopflängein ln nr N Er 2002 
GrössterKopfbreiten. 2. LEE 0,07 


Verhältniss von Schwanzlänge zur Totallänge wie 1: 6,33. 


Verhältniss von Kopfbreite zur Kopflänge wie 1: 1,56. 


Beschreibung. 

Der Kopf stellt eine vierseitige, vorn abgestutzte Pyramide dar, ist etwa anderthalbmal 
länger als breit, auf dem Scheitel der Länge nach flach ausgehöhlt, hinter den Augen links 
und rechts dagegen mässig aufgeblasen und ziemlich deutlich vom Halse abgesetzt. Die 
Schnauzenkante erscheint ziemlich deutlich, ist aber verrundet. Das Maul ist abgerundet, vorn 
ein wenig schief nach innen geneigt. Die Mundspalte erscheint nur sehr schwach S-förmig 
geschweift. Die Augen sind normal, etwas klein, wenig vorragend und mit senkrecht-elliptischer 
Pupille versehen. 

Das Rostrale ist breiter als hoch, fünfseitig, seine Basis tief concav ausgeschnitten, 
die oberen beiden fast rechtwinklig auf einander stossenden und an die Praenasalen angren- 
zenden Seiten doppelt so lang als die unteren beiden an die ersten Labialen stossenden. Die 


Basis ist die längste Seite des von dem Rostrale gebildeten Fünfecks. 


ER SON KOIR e 


Die Nasenöffnung ist rundlich und zwischen zwei Platten, dem Praenasale und dem 
Postnasale gelegen. Das Praenasale ist sehr gross, unregelmässig fünfeckig und in der Mitte 
hinten zur Aufnahme der Nasenöffnung stark ausgeschnitten ; es stösst mit dem Praenasale der 
anderen Seite in der Schnauzenmitte in langer Naht zusammen und bildet im übrigen mit dem 
vorderen Praefrontale, dem Postnasale, den beiden ersten Supralabialen und dem Rostrale 
Sutur. Das Postnasale ist nur halb so gross wie das Praenasale, von rhombischer Gestalt und 
vorn durch die Nasenöffnung gleichfalls etwas concav ausgeschnitten. 

Die vorderen Praefrontalen sind normal gebildet, fast doppelt so lang als breit, 
in ihrem grössten Durchmesser von innen vorn nach aussen hinten ziehend, rhomboidal, etwas 
gekrümmt, vorn auf die beiden Nasalen, seitlich auf das Frenale, hinten auf die hinteren Prae- 
frontalen gestützt. 

Die hinteren Praefrontalen sind in 7 unregelmässige Schilder getheilt, bilden 
unter sich aber doch drei ziemlich symmetrische Paare und eine kleinere mediane Schuppe. 
Das vordere Paar derselben lehnt sich an die Praefrontalen an und jedes Schild dieses vor- 
deren Paares hat etwa die Form eines gleichseitigen Dreiecks, dessen hintere Spitze abgestutzt 
und durch die mediane Schuppe ersetzt ist, die hinten an das Frontale anstösst. Die beiden 
seitlichen Paare dagegen legen sich zwischen Frenale und Frontale hinein und berühren vorn 
die vorderen Praefrontalen und das erste Schilderpaar der hinteren Praefrontalen, hinten die 
Supraorbitalen. 

Das Frontale ist relativ gross und breit, sechseckig, in der Mitte schwach eingesenkt, 
fast so breit wie lang, vorn nur wenig schmäler wie hinten; es grenzt an vier von den hinteren 
Praefrontalschilderu an. 

Die Supraocularen sind gleichfalls relativ sehr gross, länglich sechsseitig, so lang, 
aber weniger breit als das sie von einander trennende Frontale, breiter und fast doppelt so lang 
als der Augendurchmesser. 

Die Parietalen fehlen gewissermaassen, indem sie in unregelmässigster Weise in bald 
nach vorn, bald nach hinten verschmolzene grössere Schilder zertheilt erscheinen, die nach dem 
Hinterkopf und Hals zu allmählich an Grösse abnehmen und also unmerklich in die gewöhn- 
liche Schuppenform übergehen. 

Ein einziges eigentliches Frenale ist zu erwähnen. Es ist verhältnissmässig sehr gross, 
so hoch und zweimal so lang wie das dahinterliegende grosse obere Praeoculare, also im Sinne 
der Längserstreckung des Kopfes besonders ausgedehnt, fast fünfeckig mit parallelem Ober- 


und Unterrand, vorn winklig zwischen das Postnasale und den oberen, abgestutzten Hinterrand 


des hohen zweiten Supralabiale hineingezogen, hinten mit geneigter Sutur an das obere Prae- 
oculare tretend. Unten stützt es sich auf das dritte und vierte Supralabiale und auf die 
accessorische Pseudofrenalschuppe, die ihrerseits, die Form des unteren Praeoculare getreu 
nachahmend, genau vor demselben in der Weise gelegen ist, dass man sie auch aus einer 
Quertheilung des fünften Supralabiale ableiten könnte. 

Praeocularen sind zwei vorhanden, ein grösseres oberes und ein kleineres unteres. 
Das obere Praeoculare ist fünfeckig, vorn oben in spitzem Winkel weit nach vorn gezogen, 
oben breit, nach unten verschmälert; es stützt sich vorn auf das gleichhohe Frenale, unten 
auf das untere Praeoculare. Dieses untere Praeoculare ist-nur halb so gross wie das obere, 
quergestellt, breiter als hoch und zeigt sich, mit dem unter ihm liegenden sechsten Supralabiale 
zusammengenommen, analog gebildet wie das vor ihm liegende Pseudofrenale zusammen mit 
dem unter ihm liegenden fünften Supralabiale. Je beide Schüppchen zusammen mit dem ihnen 
correspondirenden Labiale füllen nämlich in Höhe und Breite etwa den Raum eines der übrigen 
grösseren vorderen Supralabialschilder aus. 

Die Postocularen sind vier querliegende Schilder, von denen die drei oberen recht- 
eckige Schüppchen, das untere aber ein längliches Schildchen darstellen. Das oberste und 
unterste Postoculare ist schmäler als die beiden mittleren. Das unterste legt sich auf das 
achte Supralabiale seiner ganzen Länge nach auf und rückt auch unter dem Auge noch ziem- 
lich weit nach vornen. 

Die Temporalen erster Reihe sind drei kleine länglich-lanzettliche, über einander 
gestellte Schuppen, die Temporalen zweiter Reihe aber bestehen aus drei bis vier grösseren, 
von den übrigen Kopfschuppen in nichts abweichenden, ebenfalls über einander gestellten 
Schuppen. 

Die Supralabialen sind jederseits in der Zahl zwölf vorhanden. Alle sind ziemlich 
gleich breit. Das erste Supralabiale ist niedriger als das zweite, das von allen das höchste 
ist, und stösst mit einer Sutur an das Rostrale, mit einer zweiten an das Praenasale und mit- 
einer dritten-an das zweite Supralabiale. Dieses letztere ist relativ hoch, fünfeckig und schiebt 
sich oben zwischen die beiden Nasalen und das Frenale ein. Das dritte Supralabiale ist 
niedriger als das zweite und stützt wie das gleichgrosse vierte das über ihnen liegende Frenale. 
Das vierte Supralabiale ist an seinem Hinterrande oben schief abgestutzt zur Aufnahme eines 
Theils des Pseudofrenale. Das fünfte und sechste Supralabiale sind wesentlich niedriger als 
die vorhergehenden Supralabialen, aber beide von gleicher Gestalt und Grösse, und stützen, das 


erstere das Pseudofrenale, das letztere das untere Praeoculare. Das sechste Supralabiale 


kommt mitunter schon in Berührung mit dem Auge. Das siebente Supralabiale ist wieder 
höher und steht immer im Contact mit dem Auge. Das achte Supralabiale erscheint fast 
quadratisch und macht mit dem untersten Postoculare Sutur. Das fünfeckige neunte Supra- 
labiale ist abgesehen vom zweiten höher als sämmtliche übrigen. Das zehnte, elfte und zwölfte 
Supralabiale nehmen allmählich nach hinten zu an Höhe ab und sind mehr oder weniger fünfeckig. 

Das Mentale ist gross, bildet ein vollkommen gleichseitiges Dreieck und ist am Lippen- 
rande nur sehr wenig concav ausgerandet. 

Von den zwölf Infralabialen verlängert sich das erste an der Seite des Mentale weit 
nach unten, ist am Kinn in stumpfem Winkel übergebogen und reicht sehr weit nach der 
Mentalgegend hin, um hier links und rechts die schuppenlose Kehlfurche noch im ersten Drittel 
ihrer Länge zu begrenzen. Beide Schildchen würden also, wenn die Kehlfurche nicht wäre, 
hinten sich berühren und in der hinteren Hälfte ihrer Länge mit einander Sutur bilden. Das 
zweite Infralabiale lehnt sich an das erste in fast gleicher Länge an, das dritte, vierte und 
fünfte nehmen zwar langsam an Höhe ab, sind aber gegen die hinteren sieben Infralabialen 
immer noch als sehr hoch zu bezeichnen. Alle fünf nämlich, also das erste bis fünfte Infra- 
labiale sind im Verhältniss zu ihrer Länge schmal und überhaupt schmäler als die übrigen 
Infralabialschilder zu nennen, indem das erste wenigstens dreimal länger als breit und das 
fünfte wenigstens noch zweimal länger als breit erscheint. Die nächsten vier Infralabialen, 
also das sechste bis neunte, sind rhombisch und werden, je weiter nach hinten, um so schiefer 
rautenförmig, indem sie langsam an Höhe ab-, aber an Breite zunehmen. Das neunte Infra- 
labiale ist schon ganz schuppenförmig nach hinten ausgezogen. Die letzten Infralabialen, also 
das zehnte bis zwölfte, sind klein und unterscheiden sich kaum von den an sie angrenzenden 
Halsschuppen. 

Die Submaxillaren sind, wie überhaupt bei den Boiden, kaum entwickelt, klein und 
durchaus unregelmässig schuppenförmig. Jederseits fassen vier solcher Schüppchen die zwei 
hinteren Drittel der Kehlfurche ein. 

Die Gularschuppen sind wie gewöhnlich einfach schuppenförmig und stehen in sechs 
schiefen Reihen. 

Die 265 Ventralschilder sind nach dem Hals und nach dem Schwanz zu etwas 
schmäler,, im allgemeinen aber sowohl wenig in die Länge als auch in die Breite ausgedehnt 
und in der Körpermitte etwa fünf bis sechsmal breiter als lang. Die Ventralen machen, in 
die Quere gemessen, nur etwa den sechsten Theil des Körperumfangs aus. 


Das Anale ist ungetheilt, klein, halbkreisförmig. Die Hinterextremitäten sind neben 


— 222. —. 


demselben als kleine weisse Sporne sichtbar, die übrigens nur die halbe Länge der umliegen- 
den Körperschuppen erreichen. 

Subcaudalschilder sind 76 vorhanden, ebenfalls sämmtlich einfach und ungetheilt. 

Die Körperschuppen stehen in mässig schief gestellten Reihen, von denen ich 36 auf dem 
Halse, 42 bis 43 in der Bauchmitte, 22 auf der Schwanzwurzel und-12 in der Schwanzmitte 
zähle. Dieselben sind flach, glatt, glänzend, ohne Spur von Apicalporen. 

Hinter den unregelmässig getheilten und als solche nicht deutlich erkennbaren Parietalen 
nehmen die Kopfschuppen ganz allmählich nach hinten zu an Grösse ab, um ihre geringsten 
Dimensionen gleich hinter dem Kopf und auf der Oberseite des Halses anzunehmen. Hier am 
Halse sind sie lanzettförmig, werden aber nach hinten zu allmählich grösser und nehmen dabei 
eine rhombische, an der Spitze aber immer noch etwas zugespitzte Form an. Die mittleren 
Schuppenreihen des Rückens sind übrigens nicht, die seitliche an die Ventralschilder anstossende 
Reihe kaum grösser als die übrigen Längsschuppenreihen des Körpeıs. 

Körper von der Seite recht auffällig  zusammengedrückt, durchweg von elliptischem 
bis langovalem Querschnitt und namentlich in der Leibesmitte wenigstens doppelt so hoch als 
breit. Vom Hals an, der etwa um die Hälfte schmäler ist als die hintere Kopfpartie und sich 
bereits deutlich höher als breit zeigt, erhöht sich allmählich und verbreitert sich zugleich bis 
zur Leibesmitte der Körper des Thieres. Für die geringe Länge des Körpers von 1!/ Meter 
ist die Dicke des Leibes recht stattlich zu nennen. Rücken wie Bauch sind. übrigens wohl- 
gerundet und zeigen namentlich keine Spur einer Bauchkante. Der Schwanz ist gleichfalls 
höher als breit, verhältnissmässig kurz, conisch, stark einwärts gekrümmt und zum Fassen und 
Greifen eingerichtet. Seine Spitze geht ziemlich stumpf zu und ist mit einer kurzen, oben 
einen kurzen, scharfen Kiel tragenden Endschuppe gedeckt. 

Färbung. Die Grundfarbe des ganzen Thieres ist ein ins Gelbliche ziehendes Weiss- 
grau. Die Schilder .des Kopfes sind sehr schwach mit feinen schwarzbraunen Pünktchen ge- 
wölkt, die sich hauptsächlich auf den Supralabialen zusammendrängen, denen sie eine dunkle 
Färbung verleihen. Diese Pünktchen concentriren sich auf den Infralabialen dermaassen, dass 
sie sich fast in schwarze Flecke verdichten, die dann das Centrum derselben und die Mitte der 
Kehlschuppen einnehmen. Weiter bemerkt man nur einige kleine, wenig dunkler als die Grund- 
farbe markirte Makeln auf dem Kopf, auf der Rückenmitte und auf den Körperseiten, über- 
haupt also nur spärliche Zeichnung auf der vorderen Hälfte des Rumpfes, während auf der 
Hinterhälfte desselben die dunklen Makeln weit mehr entwickelt sind, mehr zusammenfliessen 


und, je weiter nach hinten, um so mehr an Zahl zunehmen. Auf dem letzten Rumpfdrittel 


und auf dem Schwanze zeigen sich grosse, aus Schwarz, Gelblich und Graulich zusammengesetzte 
Marmorflecken, die sich in einander verschlingen und mischen und im allgemeinen zahlreiche 
Querbänder bilden, die vom Rücken zu den Seiten ziehen oder andre mehr seitlich gestellte 
Querbinden berühren, die ihrerseits mit milchweissen oder gelblichen Querbinden abwechseln. 
Auf dem Schwanz sind diese Querzeichnungen fast schwarz, also dunkler und mehr hervor- 
stechend als an allen übrigen Körpertheilen. Die Ventralschilder sind durch feine schwarzbraune 
Wolkenpünktchen etwas dunkler als die Oberseite des Körpers, am Hinterrande aber zeigen 
sie einen schmalen helleren Saum. Sie werden nach hinten zu gleichfalls allmählich dunkler, 
doch niemals so intensiv wie die oberen Partien des Hinterkörpers und des Schwanzes. 

Vaterland. Diese Riesenschlange lebt auf den Philippinischen Inseln und zwar in 
der Provinz Iloilo und Pollock auf der Insel Mindanao, wo sie im Jahre 1854 mein Bruder 
Joseph Dominicus Seoane, Schiffscapitän der Königl. Spanischen Marine, entdeckt hat. 

Lebensweise. Man findet diese Schlange in den Erdgeschossen, in den Kellern und 
an anderen dunkeln Orten der Wohnhäuser und behauptet, dass sie sich von Reptilien und ähn- 
lichem Gethier ernähre. Das eben eingehend beschriebene Exemplar hatte ein junges Hühnchen 
im Magen. Man sieht die Art selten am Tage, aber häufig während der Nacht, wenn sie auf 
Beute ausgeht, eine Eigenthümlichkeit, die sie mit vielen ihrer Familienverwandten theilt. 

Die Art dürfte nicht leicht die oben angeführte Grösse überschreiten; unser Stück ist 
demnach als ein vollkommen ausgewachsenes zu betrachten. Obwohl sie wegen ihres zusammen- 
gedrückten Körpers und mit Hülfe ihres gut entwickelten Greifschwanzes sicher auch auf Bäume 
steigen kann, wissen wir doch nichts Genaueres hierüber. 

Die Entdeckung einer ächten Boide auf den Philippinen ist gewiss ein hoch interessantes 
Factum, namentlich auch in Bezug auf die geographische Verbreitung der Schlangen und der 
Riesenschlangen insbesondere. Bis jetzt waren in dem indischen Archipel und in Australasien 
nur Vertreter der Gruppe der Pythoniden und von Boiden überhaupt nur die Gattungen 
Enygrus Wagl. in zwei Arten und Erebophis Günth. in einer Art bekannt gewesen, so dass 
unsere Novität einen dritten Gattungstypus und meines Wissens überhaupt erst die vierte be- 
kannte Species in dieser Region darstellt. 

Es sei mir erlaubt, diese schöne Art Herrn Dr. Oscar Boettger in Frankfurt a. M, 
zu dedieiren, der die Freundlichkeit hatte, mich über gewisse Zweifel betreffs dieser Species 
aufzuklären, Zweifel, welche um so mehr natürlich sind, wenn man unglücklicherweise, wie ich 
weit von wissenschaftlichen Centralpunkten wohnt. 


Torres de Allo (Spanien), den 26. Juli 1880. 
Abhandl. d. Senekenb. naturf. Ges. Bd. XI. = : = = 30 


Erklärung der Tafel. 


. Piesigaster Boettgeri Seoane von Mindanao, Philippinen, in halber natürl. Grösse. 


. Kopf von oben, in natürl. Grösse. 


>» » der Seite, desgl. 


1 
2 
.3. >» >» unten, desgl. 
4 
5 


. Rostrale und Mentale, in anderthalbfacher Vergrösserung. 


. Schema der Schuppenform und -Vertheilung in der Körpermitte, in natürl. Grösse. 


» der Körpermitte, desgl. 


6 

. 7. Durchschnitt des Halses, in natürl. Grösse. 
8 
9 


» der Schwanzmitte, desgl. 


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Untersuchungen über die Peronosporeen und Saprolegnieen 
und die Grundlagen eines natürlichen Systems der Pilze. 


Von A. de Bary. 


Mit 6 Tafeln. 


Einleitung. 

Die vorliegende Arbeit hat. ihren Ursprung in dem Bestreben des Verfassers, ein sicheres 
Urtheil zu gewinnen über die mancherlei aus neuerer Zeit vorliegenden Versuche, für die Pilze 
und für die Thallophyten überhaupt ein neues System zu construiren. Es musste hierbei die 
Pilzgruppe, welche seit 1865 unter dem Namen Phycomyceten kurz zusammengefasst wird, also 
die Mucorinen (Zygomyceten), Peronosporeen und Saprolegnieen einer erneuten Vergleichung 
unterworfen werden, weil bei diesen der gesammte Entwicklungsgang leichter in alle Einzelheiten 
vollständig verfolgt werden kann als bei den meisten anderen Pilzen, weil sie daher besonders 
günstige Objecte zu sein versprachen, um allgemeine leitende Gesichtspunkte für die Systematik 
klarzulegen. 

Für die Mucorinen oder Zygomyceten war die Arbeit leicht gemacht durch das reiche 
und sauber durchgearbeitete Material, welches Brefeld’s und van Tieghem’s Arbeiten geliefert 
haben, meine eigenen älteren Resultate bestätigend, erweiternd, und, wo es Noth that, berichtigend. 

Auch für die Peronosporeen liegen seit 1863 Untersuchungen vor, welche seither zwar 
mancherlei schätzbare Einzelerweiterung, aber kaum eine nennenswerthe Berichtigung erfahren 
haben und welche zur Lösung der ursprünglich gestellten Aufgabe genügt hätten. Im 
Verlaufe der Arbeit zeigte sich jedoch, dass diese Gruppe unvollständiger, als man meinte, 
bekannt ist, und stellte sich die Nothwendigkeit ausgedehnterer Untersuchung derselben heraus. 

Anders als mit den beiden genannten Gruppen verhielt es sich von vornherein mit den 


Saprolegnieen. Seit Pringsheim’s berühmter Arbeit vom Jahre 1857!) ist über diese eine reiche 


!) Beitr. z. Morphologie u. Systematik der Algen. II. Die Saprolegnieen. Jahrb. f. wiss. Bot. I. 284. —- 
Abhandl, d. Senekenb. naturf. Ges. Bd. XII. 3l 


— 226, — - 


Literatur erwachsen, deren Durchmusterung die Ueberzeugung begründet, sie müsse für unsere 
Fragen besonders lehrreich sein, die aber kaum minder reich ist an Thatsachen als an Wider- 
sprüchen und Controversen. Um über diese ein sicheres Urtheil zu gewinnen, bedurfte es neuer 
eingehender Untersuchungen. Die Controversen beziehen sich auf mancherlei entwicklungsgeschicht- 
liche Fragen, am meisten aber auf die Sexualorgane und deren nächste Producte. Auf diese wurde 
daher zuerst die Untersuchung gerichtet. Sie dehnte sich dann bald weiter, und auch über 
Peronosporeen aus, weil sich herausstellte, dass zu diesen solche Formen gehören, welche als 
Saprolegnieen in Angriff genommen waren. Zu den Fragen, von denen ausgegangen war, 
konnte dann schliesslich wieder zurückgekehrt werden. 

Diesem Gange der Arbeit selbst schliesst sich die nachstehende Darstellung an, mit 
Hinzufügung einzelner, auf Zwischenfragen bezüglicher Excurse. 

Was aus früheren Arbeiten sicher bekannt ist, wurde, mit Hinweisungen auf diese, 
meistens nur kurz erwähnt. Manche Fragen, wie besonders die neuestens von Schmitz und 
Strasburger bearbeiteten nach den Zellkernen, blieben, als für die hier zu erreichenden Ziele 
unwesentlich, fast gänzlich unberührt. Sehr erwünscht wäre es mir gewesen, mich bei Be- 
stimmung und Beschreibung der untersuchten Species auf den seit lange erwarteten speciellen 
Theil von Cornu’s Saprolegnieen-Monographie beziehen zu können. Da derselbe noch nicht 


erschienen ist, musste ihm vielleicht hier und da vorgegriffen werden. 


I. Die Sexualorgane der Saprolegnieen und Peronosporeen. 


1. Bisherige Ansichten. 


Die Darstellung der seitherigen Anschauungen über die Sexualorgane der in der Ueber- 
schrift genannten Pilze hat mit Pringsheim’s erwähnter Arbeit vom Jahre 1857 zu beginnen, 
weil in dieser von Sexualorganen zuerst bestimmt die Rede ist. Auf die ältere Literatur über 
dieselben wird theils in genannter Arbeit selbst, theils in den nachstehend öfters zu citirenden 


Schriften zur Genüge hingewiesen. 


An seinem Hauptobjecte, welches er Saprolegnia monoica nennt, kam Pringsheim 


damals zu folgendem Resultat. 


Auf den Enden, selten in der Continuität besonderer Aeste des Thallus gliedern sich die 
Oogonien ab, als mit dicht körnigem Protoplasma erfüllte blasige Zellen. An diese legen sich, 
während ihrer Ausbildung, die Enden anderer, dünner Thalluszweige, der von A. Braun zuerst 
gefundenen Nebenäste, eines oder mehrerer, fest an und gliedern sich durch je eine Quer- 
wand ab als schmale gekrümmt-längliche, protoplasmaerfüllte Zellen: Antheridien. In dem 
ausgebildeten Oogonium theilt sich dann das Protoplasma in mehrere Portionen, welche sich 
zuletzt plötzlich zu ebensovielen kugeligen, die Mitte des Oogoniumraumes einnehmenden Körpern 
zusammenziehen, den Befruchtungskugeln oder wie man jetzt sagt, Eiern; und sobald dieses 
geschehen ist, treiben die Antheridien, durch einige der jetzt in der Oogoniumwand in Mehr- 
zahl vorhandenen Löcher, Fortsätze, die Befruchtungsschläuche, welche zwischen die 
Eier eindringen, hier sich öffnen und ihren Inhalt ergiessen. Grössere glänzende, sich bewegende 
Körperchen in diesem sind, nach der Analogie von Vaucheria für Samenkörperchen zu halten; 
ein Befruchtungsvorgang, wie er bei dieser Gattung beobachtet ist, hiernach wenigstens höchst 


wahrscheinlich; in welcher Form er eintritt, war jedoch nicht möglich direct zu beobachten. 


— 228 — 


Seine nächste Folge besteht in der Ausbildung einer Cellulosemembran um jedes Ei. Ganz 
ähnliche, nur durch das Vorhandensein von nur je einem Eiim Oogonium wesentlicher modifieirte 
Erscheinungen zeigt der Befruchtungsvorgang von Pythium monospermum. — Man findet nun 
aber häufig Saprolegnia- und Achlyaformen mit Oogonien und normal reifenden Oosporen, welche 
denen der S. monoica gleich sind, aber ohne die von Nebenästen getragenen Antheridien. 
Pringsheim!) fand bei solchen Exemplaren in besonderen, den Zoosporangienträgern mehr 
oder minder ähnlichen Zweigen die Bildung. kleiner Schwärmzellchen, welche mit ihrer Aus- 
bildung ins umgebende Wasser entleert werden und von deren Keimung nichts beobachtet wurde. 
Er deutete diese Schwärmzellchen, nach ihrer Aehnlichkeit mit den Samenkörpern mancher 
Algen, als die Samenkörper jener Formen, ihre Bildungsstätten dementsprechend als Antheridien 
resp. männliche Pflanzen, die betreffenden Formen als diöcischen Arten, Sapr. dioica, Achlya 
dioica angehörig. Es ist ihm wahrscheinlich, dass der Zutritt der Samenkörper zu den Eiern 
durch die Löcher, welche auch hier in den Oogoniumwänden zu sein scheinen, stattfinde; er hat 
jedoch keine Beobachtung hierüber gemacht und verfehlt auch nicht, auf Bedenken gegen jene 


Deutungen aufmerksam zu machen. 


Pringsheim’s Beobachtungen und Ansichten über die monöcischen, mit Nebenastantheridien 
versehenen Formen erfuhren bald, auch durch Auffindung neuer Arten gleichen Verhaltens, in 
den meisten Punkten Bestätigung. Eine solche war auch enthalten in dem Nachweis, dass die 
Peronosporeen Sexualorgane besitzen, welche in den meisten Beziehungen jenen der monöcischen 


Saprolegnieen durchaus ähnlich 'sind.?) 


Nur über die eine Hauptfrage, die Form, in welcher die Befruchtung vor sich geht, und 
den Moment, in welchem sie eintritt, gehen die Ansichten der Beobachter auseinander, auch für 
die mittlerweile bekannt gewordenen zahlreichen Formen, bei denen die Untersuchung durch 


das Vorhandensein von nur einer Oospore im Oogonium geringere Schwierigkeiten zu haben schien. 


Auf der einen Seite fand Reinke°) bei Sapr. monoica nicht nur die Prasumpfayon Samen- 
körperchen wieder, sondern beschreibt sogar ihren Austritt aus dem Befruchtungsschlauch des, 
Antheridiums, bildet sie als längliche, langgeschwänzte Körper (Säugethierspermatozoiden ähnlich 
gestaltet) ab, gibt an, dass sie 5—10 Minuten lang schwärmen und dann zu mehreren nach 
einander in ein Ei eindringen, worauf dieses von einer feinen Membran umgeben wird. Die 


1) ]. e. u. Jahrb. Bd. II. p. 205 ft. 
2) Botan. Zeitg. 1861, p. 89. 
®) Schultze’s Archiv f. mikr. Anatomie, Bd. 5 p. 185. 


— 229 — 


nachträglich ankommenden gehen nach fruchtlosem Versuche, die Membran zu durchdringen, 
zu Grunde, gar nicht selten nachdem sie durch eines jener Löcher der Oogoniumwand in das 
umgebende Wasser ausgetreten sind. Auch Walz!) gibt an, dass er bei einer monöeischen 
Form Samenkörperchen ins Oogonium treten sah, mehr jedoch nicht; ich selber?) glaubte mit. 
einigem Zweifel bei Aphanomyces laevis die Pringsheim’schen Samenkörper im Innern des 
Antheridiums zu sehen, ohne jedoch über den Vorgang ihrer Entleerung und der Befruchtung 
directe Beobachtungen machen zu können. Bei einer andern Art, Aphanomyces phycophilus 
(l. e. p. 181) wollte mir dagegen damals die Bestätigung der Pringsheim’schen Befruchtungs- 


Beobachtungen, selbst die Auffindung des Befruchtungsschlauches nicht gelingen. 


Der Widerspruch andrerseits begann damit, dass Hildebrand?) für seine Achlya-Arten, 
dann Leitgeb*) für seinen Diplanes saprolegnioides das Vorhandensein bestimmt organisirter 
Samenkörper in Abrede stellten. Sie erhoben im übrigen keine bestimmte Einsprache gegen 
Pringsheim’s Darstellungen, erkennen also an, dass aus dem geöffneten Fortsatz des 
Antheridiums körniger Inhalt, dessen Körnchen nur der Charakter von Samenkörpern abgeht, 
entleert wird und dass infolge hiervon an den Eiern Befruchtung stattfindet, deren Eintreten 
zuerst durch das Erscheinen einer Cellulosemembran angezeigt wird. Ob und wie eine Aufnahme 
der amorphen entleerten Körnermasse in die membranlosen Eier stattfindet, darüber fehlen 
alle Angaben; die Sache beginnt daher jetzt unklar zu werden, weil für eine Befruchtung 
eines zwar membranlosen, aber scharf abgegrenzten Eies durch eine ergossene structurlose 
Körner- oder Protoplasmamasse keine Analogien vorliegen. Für seinen Dietyuchus monosporus 
weicht Leitgeb noch weiter von den Pringsheim’schen Vorstellungen ab, indem er hier 
nur. die Anwachsung der Antheridien an die Oogonien, nicht aber die Eintreibung ihrer sich 
‚entleerenden Schläuche finden konnte; — er gibt allerdings die Möglichkeit zu, sie übersehen 
zu haben; sein »trotz der sorgfältigsten Untersuchung« erhaltenes, bald nachher von Lindstedt?) 
für Dietyuchus 'Magnusii bestätigtes negatives Resultat musste aber doch, zusammen mit 


meinem bei Aph. phycophilus gewonnenen, nach einer neuen Seite hin Bedenken erwecken. 


Während die genannten Beobachter nur bestimmte angegebene Erscheinungen in Zweifel 


oder in Abrede stellten, ohne positive gegentheilige Behauptungen, trat im Jahre 1872 


1) Botan. Zeitg. 1870, p. 544. 

®) Pringsh. Jahrb. f. wiss. Bot. II. p. 177, 179. 

) Jahrb. f. wiss. Bot. VI. p. 249. 

*) Ibid. VII. p. 357 fi. 

5) Synopsis der Saprolegniaceen, Berl. 1872 p. 17. 


— 230 — 


Cornu!) als Widersacher gegen Pringsheim auf, indem er für die mit Nebenästen ver- 
sehenen Arten nicht nur die Existenz von Samenkörpern bestimmt negirt, sondern ebenso 
bestimmt einen anderen Befruchtungsmodus als den von seinen Vorgängern angegebenen 
behauptet. In kurzen Worten resumirt, bestände dieser darin, dass das Antheridium mittelst 
seines Schlauches mit dem Ei in offene Verbindung träte und letzteres das ganze Protoplasma 
des Antheridiums in sich aufnähme, wie die aufnehmende Zelle einer copulirenden Spirogyra 
des Protoplasma der abgebenden. Für die Oogonien mit nur einem Eie träfe dieser Vergleich 
ziemlich genau zu; für jene mit mehreren Eiern mit der Modification, dass ein Antheridium 
sich durch Veszweigung des Befruchtungsschlauches mit mehr als einem Ei in Verbindung 
setzen und auf diese Art ihr Protoplasma unter letztere theilen kann. Die Entleerung des 
Antheridiums besteht einfach in einer langsamen Auswanderung ihres Protoplasma in das bis 
nach Vollendung dieses Vorgangs membranlose Ei. Cornu gründet diese seine Angabe wohl 
zunächst auf eine von ihm schon 1869 ?) publicirte Beobachtung an Myzocytium globosum. 
Hier liegen bei den sexuellen Exemplaren jedesmal eine runde Oogonium- und eine schmale 
Antheridienzelle als Glieder der den Thallus bildenden Zellreihe direct hintereinander, und das 
Antheridium treibt von der Mitte der trennenden Querwand aus in das Oogonium einen stumpfen 
Schlauch ; dieser öffnet sich und das ganze Protoplasma des Antheridiums vereinigt sich mit 
dem des Oogons zur Oospore. Das ist eine klare Beschreibung eines Copulationsvorganges, 
welche aber darum nicht für die Beurtheilung der mit Nebenästen versehenen Saprolegnieen 
ohne weiteres angewendet werden kann, weil Myzocytium keine Nebenäste hat und, wenigstens 
der gegebenen Beschreibung zufolge, ein zu befruchtendes Ei in dem Oogonium nicht vor- 
gebildet ist, wenn der Inhalt des Antheridiums austritt. Weit mehr erinnert der beschriebene 
Process an die Copulation von Pfitzer’s Ancylistes?) und Zopf£f’s Lagenidium Rabenhorstii, *) 
welche Pflanzen von ihren Autoren zwar als den Saprolegnieen verwandt, aber, nicht am 
wenigsten wegen ihres Copulationsprocesses, doch von denselben wesentlich -verschieden be- 
trachtet werden. An Myzocytium schliesst sich, nach Cornu, der Befruchtungsprocess 
einer von ihm Pythium gracile Schenk genannten Form an, und diese kann allerdings, 
seiner Beschreibung nach, als Repräsentant der Saprolegnieen betrachtet werden, weil sich vor 


dem Austritt des Protoplasma aus dem Antheridium in dem Oogonium ein distinetes Ei 


t) Ann. sc. nat. 5. Ser., T. XV. p. 1—198, Taf. 1—7. 
2) Bull. Soc. bot. de France, XVI. p. 222. 

®) Monatsber. d. Berliner Academie 1872, p. 379. 

*) Vgl. Botan. Zeitung 1879, p. 351. 


— 231 — 


gebildet hat. Was Cornu über den Act der Copulation seines Pythium in der ceitirten 
Arbeit sagt und abbildet, gibt zwar keine hinreichend klare Vorstellung von der Sache; 
schliesst er doch selbst die Darstellung mit den Worten: Der Mechanismus der Entleerung 
(sc. des mit seinem Schlauche zu dem Ei vorgedrungenen Antheridiums) scheint folgender 
zu sein: das Plasma verlässt die Mitte und nimmt nur noch die Wände ein, die Wände selbst 
entkleiden sich desselben nach und nach, und Schleimstränge ziehen die Körnchen langsam 
fort; das Ganze wendet sich gegen die Mündung (des Schlauches) und so vollzieht sich die 
Vermischung der Elemente von Ei und Antheridie. Später aber hat Cornu in van 
Tieghem’s Uebersetzung von Sachs’ Lehrbuch ') eine Abbildung gegeben, welche den Ueber- 
tritt des Protoplasmas aus dem Antheridium in das vorgebildete Ei deutlich darstellt, und sind 
seine Beobachtungen auch für eine der seinigen nahestehende Form bestätigt worden von 
Sadebeck, °) welcher dieselbe P. Equiseti und, minder klar, von Lohde,°) welcher sie 
Lucidium pythioides nennt. — Für die grösseren Saprolegnieen, insbesondere die mit mehreren 
Eiern im Oogonium versehenen, ist aber mit diesen Angaben die Sache nicht erledigt. Hier 
fehlt es an einer präcisen Beobachtung über den Gang des angeblichen Uebertritts des Proto- 
plasmas.. Cornu’s kurze Angabe (l. c. p. 31), dass die Befruchtungsschläuche ins Innere der 
Eier sich einbohren und langsam gänzlich entleeren, kann nicht als Ausdruck einer solchen 
angenommen werden. Die einfache Uebertragung der an dem Pythium gewonnenen Resultate 
aber ist nicht zulässig, weil mit mancherlei anderen bekannten Differenzen auch eine Ver- 
schiedenheit der Befruchtungsvorgänge verbunden sein könnte. 

Zu einer dritten, von Pringsheim sowohl, wie Cornu abweichenden Ansicht war ich 
selber gelangt, indem ich auf Grund der bei Peronospora und Cystopus beobachteten 
Erscheinungen, *) von einigen Beobachtungen an Saprolegnieen, und Leitgeb’s oben an- 
gegebenem negativem Resultate bei Diciyuchus vermuthete, dass ein Austritt geformten 
oder ungeformten Protoplasmas aus dem Antheridium zum Zwecke der Befruchtung überhaupt 
nicht stattfinde, dass vielmehr die bei dieser zu beobachtende morphologische Erscheinung 
seitens des Antheridiums nur bestände entweder in einem Anwachsen an die Oogoniumwand 
allein oder der Anlegung des Befruchtungsschlauches an das zu befruchtende Ei. In beiden 
Fällen bliebe die Antheridienwand überall geschlossen, wie die Membrum des Angiospermen- 


i 


!) Traite de Botanique. Paris 1874, p. 328. 

2?) Cohn’s Beitr. z. Biologie, Heft III, p. 117. 

®) Vol. Bot. Ztg. 1875, p. 88. 

*) Vgl. Bot. Ztg. 1861, 1. c. u. Ann. sc. nat., 4. Ser., Tom: XX (1863). 


— 232 — 


Pollenschlauchs; der eventuelle Uebertritt befruchtender Substanz müsste dann durch die 
geschlossene Membran hindurch stattfinden. Dass dann nach geschehener Befruchtung bei 
manchen Formen eine Oeffnung des Schlauches und eine Entleerung des Antheridiums durch 
dieselbe eintreten könne, sollte nicht in Abrede gestellt werden. Diese, in mündlichem Vortrag 
öfter geäusserte Anschauung ist durch die Dissertation von R. Hesse!) in die Oeffentlichkeit 


gelangt. 


Nach allen diesen Widersprüchen hat Pringsheim selbst, 1374, die Frage von neuem 
bearbeitet und in neuem Sinne zu lösen gesucht. ?) Er schliesst Formen, wie Myzocytium, von 
seiner Discussion aus und beschränkt diese auf ächte Saprolegnieen mit Nebenästen, besonders 
Saprolegnia und Achlya. Bei diesen findet er in’dem Befruchtungsvorgang einen, wie er sich 
ausdrückt, combinirten Act. Der erste Theil dieses bestehe darin, dass das Antheridium an 
bestimmte Stellen der Oogoniumwand anwächst, oder, wie Pringsheim sagt, mit diesen 
copulirt. Diese Stellen bleiben dünnwandiger, als der übrige Umfang des Oogoniums, sie 
können bei bestimmten Arten wie Warzen oder selbst wie kleine Aestchen nach aussen vor- 
ragen, dem Antheridium gleichsam entgegenwachsen. Der zweite Theil besteht dann in der 
bekannten Austreibung der Befruchtungsschläuche und ihrer Einwirkung auf die Eier. 
Pringsheim constatirte, dass die Schläuche, eventuell ihre Zweige, gegen die Eier wachsen 
bis zur festen Berührung mit diesen; er stellt den von Cornu behaupteten langsamen Ueber- 
tritt des Protoplasma aus dem Schlauche ins Ei bestimmt in Abrede, ebenso ein Eindringen 
der Schlauchspitze in das Ei; er zeigt, dass jedenfalls nur ein kleiner Theil des Antheridium- 
Inhalts zur Befruchtung verbraucht wird, weil jener oft kaum vermindert ist, wenn die Eier 
längst die Anzeichen stattgehabter Befruchtung erkennen lassen. Wie aber die Befruchtung 
selbst stattfindet, lässt er unentschieden, es sprechen ihm nur manche Umstände mit grosser 
Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Schläuche in unmittelbarer Nähe des zu befruchtenden Eies, 
aber frei, d. h. ohne letzterem angewachsen zu sein, sich an ihrer Spitze öffnen und ihren 
Inhalt hervortreten lassen. Andere, und zwar nicht im Oogonium, sondern an ausserhalb 
dieses an Antheridien beobachtete Erscheinungen führen dann zu der Annahme, dass jener 
Inhalt ruckweise ausgestossen werde in successiven kleinen Portionen, deren jede ihren 
Leistungen nach einem Samenkörper entspräche, wenn auch an ihnen eine bestimmte Gestalt 
und Structur nicht erkannt wird. 


!) Pythium de Baryanum, ein endophytischer Schmarotzer. Halle 1874. 
2) Jahrb. f. wiss. Bot., Bd. IX, p. 203. 


Es ist klar, dass man mit alledem in der Hauptsache nicht viel weiter ist, als im Jahre 
1857. Nur die bestimmt geformten Samenkörper sind aufgegeben, das bekannte Anwachsen 
der Antheridien an das Oogonium erhält den Namen Copulation, welcher bei unbefangener 
Betrachtung der Thatsachen nichts weiter ist, als ein ungeeigneter Name für eine längst 
bekannte Sache; — ungeeignet; deswegen, weil Copulation in der Zeugungslehre eine sehr 
bestimmte und ganz andere Bedeutung besitzt, als die, in welcher Pringsheim das Wort 
hier ganz unvermittelt eingeführt hat; — und über den eigentlichen Act oder Schlussact der 
Befruchtung ist man noch ebenso im Unklaren, als im Jahre 1857. 

Bei den anderen, der Nebenäste entbehrenden Saprolegnieen liest die Controverse einfacher. 
Die Bedenken, welche, wie erwähnt, schon von Pringsheim selbst in seinen früheren Arbeiten 
gegen die Deutung jener Schwärmzellchen bildenden Exemplare als männlicher Pflanzen nicht ver- 
schwiegen worden waren, vermehrten sich, und Corn u konnte ohne Widerspruch in seiner Arbeit 
behaupten, dass alle jene Schwärmzellchen, welche Pringsheim für Samenkörper diöcischer 
Arten gehalten hatte, nicht den Saprolegnieen angehören, sondern in diesen wachsenden Parasiten 
aus der Gruppe der Chytridien. Hiervon ist derzeit wohl Jedermann überzeugt und Cornu's 
ausgedehnte und vortrefflich durchgeführte Aufspürung solcher parasitischer Chytridien hat 
hierzu wesentlich beigetragen. Die Ueberzeugung gründet sich aber, wie Pringsheim !) 
sehr richtig hervorhebt, nicht auf eine correcte Beweisführung, denn von keiner der in Frage 
kommenden Formen ist der Entwicklungsgang vollkommen untersucht, noch direct bekannt, 
dass und wie sie als Parasit in ihren Wirth gelangt; vielmehr beruht jene Ueberzeugung 
lediglich auf der Vergleichung der fraglichen Formen mit anderen, nicht in Saprolegnieen 
vorkommenden Chytridien, welche seit Pringsheim’s Arbeit von 1857 wirklich genau bekannt 


geworden sind. 


Nach Abweisung der Pringsheim’schen Samenkörper und Antheridien, und angesichts 
der Thatsache, dass die Oogonien ohne Nebenäste mit anderen, durch Nebenast-Antheridien 
augenscheinlich befruchteten, in allen übrigen Beziehungen vollständig übereinstimmen, stellte 
sich Cornu die Frage, wie nun die Befruchtung jener erfolge. Er beantwortet dieselbe mit 
der Annahme, dass dieses durch bewegliche, den Zoosporen ähnliche (daher bis jetzt von 
ihnen noch nicht klar unterschiedene) Samenkörper geschehe, welche durch die Löcher der 
Oogoniumwand zu den Eiern dringen. Beobachtet ist hiervon nichts; und die von Cornu 


als directe Stütze für seine Hypothese vorgebrachten schönen Beobachtungen an seiner Mono- 


') Jahrb. IX, p. 191. 


Abhanil. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd, XII. 


E=] 
[Se} 


— 234 — 


blepharis können für Saprolegnieen nicht directer angewendet werden, als etwa jene über 
Befruchtung bei den Oedogonien, weil bei Monoblepharis nach Allem, was wir über sie wissen, 
die Einrichtungen eben andere sind, als bei den Saprolegnieen. Erlösung von der somit in 
der Luft stehenden Hypothese brachte Pringsheim’s letzteitirte Arbeit, indem sie zeigt, 
wie alle derzeit festgestellten Thatsachen übereinstimmend darauf hinweisen, dass jene Oogonien 
ohne Nebenäste überhaupt nicht befruchtet werden, ihre Oosporen vielmehr ohne Befruchtung 
parthenogenetisch, wie er es nennt, ausbilden. 


2. Beobachtungen. Allgemeiner Gang. 


Gegenüber der dargestellten Verwickelung der Ansichten handelt es sich vor allen Dingen 
darum, die Thatsachen klar zu legen durch Beobachtung einer Anzahl von Formen, welche 
die vorkommenden Verschiedenheiten möglichst vollständig repräsentiren. Ich war bei diesem 
Bestreben seitens des Materials nicht sonderlich begünstigt. Seltene Formen, wie Cornu’s 
Rhipidien, Apodya, konnte ich nicht erlangen; und insbesondere bedaure ich, trotz jahrelanger 
Bemühungen die Achlya racemosa nicht haben erhalten zu können, welche, nach den vor- 
handenen Darstellungen zu urtheilen, für die Entscheidung der schwierigsten Fragen das 
günstigste Object sein muss. Aus dieser für mich ungünstigen Lage erwächst aber andrerseits 
der Vortheil, dass ich vorzugsweise mit ganz gewöhnlichen Formen arbeiten musste, welche 
überall leicht zu haben sind, so dass Jeder Gelegenheit hat, die mitzutheilenden Resultate zu 
controliren. 

Da es sich nicht um Untersuchung einzelner Zustände handelte, sondern um Verfolgung 
eines bestimmten Entwicklungsabschnittes in seinem ganzen Verlaufe und Zusammenhang, so 
wurde vor allen Dingen Sorge getragen, günstige Einzelobjecte direet im Gesichtsfelde des 
Mikroskops durch alle fraglichen Stadien zu verfolgen; Objectträger-Culturen, besonders solche 
"mit hängenden Wassertropfen in feuchter Kammer sind dazu nothwendig. Untersuchungen von 
einzelnen Zuständen, welche grösseren, nicht auf dem Objectträger gemachten Culturen ent- 
nommen wurden, dienten dann zur Controle der gewonnenen Resultate Was die Culturen 
im Hängetropfen betrifft, so zeigte sich, dass dieselben von den meisten untersuchten. Formen, 
auch von den grösseren Achlya- und Saprolegnia-Arten vortrefflich ertragen werden. Bei 
gehöriger Sorgfalt kann man diese Pilze tagelang gesund wachsen sehen. Da die meisten 
Formen auf todten Inseeten erfahrungsgemäss am besten gedeihen, so wählte ich, nach man- 
chem Hin- und Herprobiren, für die Hängetropfenculturen als Substrat gewöhnlich Fliegen- 


beine, weil solche den Vorzug haben, einestheils in ihrer Muskelsubstanz dem Pilze aus- 


— 235 — 


reichende Nährstoffe zu liefern, anderntheils die faulenden Muskeln "in dem Chitinpanzer 
zusammenhalten und hierdurch die Culturtropfen vor Verunreinigung einigermaassen schützen. 
Für die spontan pflanzenbewohnenden Formen dienten kleine Keimpflänzchen, besonders von 
Lepidium sativum gewöhnlich als Substrat, und zwar je nach Bedarf entweder lebende oder 
durch Eintauchen in heisses Wasser getödtete. Letztere sind auch für die Cultur der 
gewöhnlich inseetenbewohnenden Formen ein brauchbares, für manche Fälle vorzuziehendes 
Substrat. Dass jene Arten, welche in bestimmten lebenden Pflanzen streng parasitisch wachsen, 
in diesen cultivirt wurden, ist selbstverständlich. 

Die kleineren Arten, wie die untersuchten Pythien, erhalten in den Hängetropfen gewöhn- 
lich dieselbe Ueppigkeit, wie bei Cultur im Grossen. Bei den stärkeren Saprolegnieen bleiben 
die Exemplare auf kleinen Substratstücken, wie den Fliegenbeinen, klein, und zwar jedenfalls 
wegen des spärlichen Gehaltes dieser Stücke an Nährstoffen, denn auf denselben Stücken tritt 
die gleiche Erscheinung auch bei Cultur in grossen Gefässen ein. Die Kleinheit besteht aber 
nur in der geringeren Zahl, manchmal auch in geringeren Dimensionen der sich ausbildenden 
Organe. Bau und Entwicklung dieser sind, wie die Controle zeigt, ganz die gleichen, wie 
bei Cultur im Grossen. Für die Untersuchung sind jene kleinen Exemplare daher günstiger, 
als die anderen, weil bei ihnen die Uebersicht leichter, die aus der höheren Zahl der Sporen, 


Eier, Antheridien erwachsenden Complicationen geringer sind. 


‘3. Pythium de Baryanum. 
(dl, 1—19.)?) 

Hesse’s Pythium de Baryanum, welches mit Sadebeck’s Pyth. Equiseti identisch ist, 
befällt sehr häufig als Parasit junge feucht gehaltene Sämlinge dicotyler Pflanzen, zerstört 
dieselben, wie Hesse des Näheren beschrieben hat, zunächst an der Bodenoberfläche und 
bringt sie zum Umfallen. Die Keime dieses Pilzes sind in Gartenerde sehr verbreitet, man 
kann sich denselben daher leicht verschaffen, wenn man schnell keimende Samen, z. B. die von 
Lepidium, ‘Camelina, Capsella in nass gehaltene Erde sät und von den aufgehenden Pflänzchen 
diejenigen sammelt, welche bald nach dem Aufgehen umfallen. In dem Gewebe dieser letzteren 
ist das Mycelium des Pilzes enthalten; es kann hier auch Oosporen bilden. Bringt man sie 
aber in sehr feuchte Umgebung oder direct in Wasser, so beginnt es sofort aus der Oberfläche 


der Pflanze hervor ins Freie zu wachsen und hier ebenfalls reichlich Oosporen zu produciren. 


!) Die römischen Zahlen bezeichnen jedesmal die Tafel, die anderen die Figuren auf denselben. 


f 


mE 


Für die Cultur in Wassertropfen auf dem Objectträger und für die hier in Rede stehenden 
Fragen ist P. Equiseti daher ein bevorzugt günstiges Object; es wurde aus diesem Grunde 
und wegen seiner Aehnlichkeit mit Cornu’s P. gracile zuerst zur Untersuchung gewählt. 

Zur Gewinnung des Materials diente Lepidium sativum. Geeignete, den Pilz enthaltende 
Stücke der Pflänzchen (auch künstlich infieirter) wurden dann in flache, auf dem Objectträger 
ausgebreitete oder am Deckglas in feuchter Kammer hängende Wassertropfen gebracht zur 
Beobachtung des sich ausbreitenden Pilzes. 

Das Mycelium dieses besteht aus zarten, reichlich und unregelmässig racemös verzweigten 
cylindrischen Schläuchen, welche anfangs querwandlos und von feinkörnigem Protoplasma dicht 
erfüllt sind, später, zumal nach Beginn der Oogoniumbildung, immer Querwände in wechselnder 
Zahl und Anordnung erhalten. An den Zweigen verschiedenster Ordnung entstehen, in oft 
beschriebener Weise, die Oogonien als terminale, seltener intercalare kugelige Anschwellungen, 
welche von dem aus dem Tragfaden fortwährend einströmenden körnigen Protoplasma stets 
gleichmässig dicht erfüllt bleiben, bis sie ihre definitive Grösse erreicht haben. Ist letzteres 
eingetreten, so grenzt sich das terminale Oogonium durch eine, das intercalare durch zwei 
Querwände von dem tragenden Fadenstück ab. Dieses ist bis dahin gerade, eylindrisch oder 
höchstens nach der Insertionsstelle des Oogoniums hin schwach conisch verbreitert. Von einem 
Antheridium ist nichts vorhanden ; erst nach Abschliessung des Oogons beginnt in seiner Nähe 
die Antheridienbildung. (Vgl. Fig. 9, 14, 19.) 

In der, bis auf relativ seltene, nachher zu erwähnende Ausnahmen, herrschenden Regel 
entsteht das Antheridium in unmittelbarster Nähe des eben abgeschlossenen Oogoniums an 
demselben Thalluszweige. Seine Form und Stellung ist nach den Einzelfällen verschieden. 
In dem einfachsten, am wenigsten häufig, jedoch keineswegs absolut selten vorkommenden 
Falle grenzt sich das dem Oogonium anstossende gestreckt cylindrische oder cylindrisch- 
conische Stück, ohne seine Form wesentlich zu ändern, durch eine Querwand als beson- 
dere Zelle ab, um nachher als Antheridium zu fungiren. Bei intercalarer Stellung des Oogoniums 
liegt das Antheridium daher vor oder hinter diesem in der Continuität des Tragfadens; termi- 
nale Oogonien sitzen dem Antheridium wie einer geraden Stielzelle auf. (Fig. 90, 14, 17.) 

Sehr oft kommt zweitens die Bildung krummer Stielantheridien zu Stande. Nach 
Abgrenzung eines terminalen Oogoniums nämlich beginnt dicht unter diesem ein auf entgegen- 
gesetzten Seiten ungleiches intercalares Wachsthum des tragenden Fadenstücks, derart, dass 
dieses bogig gekrümmt oder selbst hakenförmig geknickt, auf der bevorzugten Seite convex 


und ausgebuchtet, auf der gegenüberliegenden gerade oder meistens concav wird. Hat dieses 


—_— 37 — 


Wachsthum eine Zeit lang gedauert, so hält es inne und das betreffende Fadenstück grenzt 
sich durch eine Querwand zur Antheridienzelle ab, welche als krumme, mehr oder minder 
schief keulenförmige Stielzelle das Oogonium trägt. Die Krümmung ist am stärksten unmittelbar 
unter dem Oogonium; dieses wird daher aus seiner anfänglich auf dem gerade aufrecht 
gedachten Träger ebenfalls gerade aufrechten Stellung mehr und mehr seitwärts geneigt, so 
dass es schliesslich schräg oder rechtwinklig absteht oder selbst nach abwärts sieht. Die 
Grade der auf diese Weise schliesslich erreichten Krümmungen sowohl wie die Stärke der 
Ausbuchtungen sind nach den Individuen aufs mannichfaltigste verschieden, von leichter Biegung 
bis zur jähen Knickung. (Vgl. Fig. 9a, 12, 1.) 

Wohl die häufigste, soweit ohne genaue Statistik behauptet werden kann, ist die dritte 
Hauptform der Antheridienbildung, die der Zweigantheridien. (Fig. 1, 13a, 19.) Unweit 
einer Querwand, welche das Oogonium abgrenzt, tritt an dem Tragfaden eine seitliche Aus- 
buchtung wie ein Zweiganlage hervor, krümmt sich sofort concav gegen das Oogonium und 
wächst nach diesem zu, um sich ihm mit dem stumpfen Scheitelende fest anzupressen. Ist 
dieses geschehen, so kann das Längenwachsthum noch einige Zeit andauern, der Bogen, 
welchen der Zweig beschrieb, also weiter werden. Das dem Oogonium angepresste Ende 
schwillt zugleich in individuell sehr verschiedenem Maasse keulig an. Zuletzt grenzt sich auch 
hier das dem Oogonium angepresste Endstück des Zweiges, welches durchschnittlich etwa 
4—6mal länger als breit ist, durch eine Querwand als Antheridienzelle ab. Die Krümmungs- 
grade, Grösse der Ausbuchtungen und hieraus resultirenden Specialgestalten dieser sind nicht 
minder mannigfaltig, als bei den krummen Stielantheridien. 

Nicht minder wechselnd als diese Gestaltungen ist der specielle Ursprungsort des 
Antheridienzweiges und das Verhältniss zwischen der Gesammtlänge des letzteren und der 
Länge des Antheridiums für sich allein. Jener Ursprungsort liegt vorwiegend häufig dicht neben 
dem Oogonium, so dicht, dass die Seitenwand des Antheridienzweiges in die gerade Ver- 
längerung der jenes begrenzenden Querwand fällt. Er kann aber auch weiter, selbst mehrere 
Tragfadenbreiten weit von der Oogonienwand entfernt sein. Die Länge des Antheridiums selbst 
kann jener des gesammten Antheridienzweiges gleich, der ganze Zweig also Antheridium sein, 
die dieses unten begrenzende Querwand in die Verlängerung der Seitenwand des Tragfadens 
fallen. Oder aber das Antheridium ist kürzer als der Seitenzweig, dessen Endstück es bildet, 
es ist, nach der Saprolegnieen-Terminologie, alsdann das Endstück eines kurzen Nebenastes, 

Vom Zeitpunkte der ersten Anlegung des Antheridienzweiges an kommt, zumal bei 


terminalen Oogonien, zu den beschriebenen Erscheinungen meist noch die weitere hinzu, dass 


BETEN La 


der Tragfaden auf der Seite der Zweiginsertion durch intercalaren Zuwachs, und zwar an der 
Insertionsstelle selbst, länger wird als auf der gegenüberliegenden Seite. Folge hiervon- ist 
eine jähe Krümmung oder Knickung des mit dem Oogonium endenden Fadens nach letzterer 
Seite zu, und diese Krümmung geht oft so weit, dass das Oogonium ganz zur Seite gedrängt 
wird und der Antheridienzweig in die gerade Verlängerung des Tragfadens zu stehen kommt. 
Im fertigen Zustande sieht es alsdann aus, als sei das Antheridium terminal und das 
Oogonium ein kurzer, oft rechtwinklig abstehender Seitenast; eine Erscheinung, welche in vielen 
direct verfolgten Fällen die beschriebene Entstehung zeigte, ‘und. in keinem der fertig be- 
obachteten der Zurückführung auf die gleiche Entstehungsweise Schwierigkeiten gemacht hätte. 
(Vgl. Fig. 19.) 

Für alle Fälle terminaler Oogonien fand ich fast immer nur die Bildung eines 
Antheridiums, nach einem der drei beschriebenen Modi; sehr selten zwei nebeneinander ent- 
springende Zweigantheridien. In den Fällen intercalarer Oogonien kann entweder ebenfalls‘ 
nur ein Antheridium neben der einen Insertionsfläche, oder eines neben jeder von beiden 
Insertionsflächen des Oogons auftreten, und zwar entweder Stielantheridien oder Zweig- 
Antheridien. (Fig. 18.) Sehr selten erhält ein intercalares Oogon drei Antheridien, indem 
an seiner einen Seite zwei Zweigantheridien nebeneinander auftreten. — Das Mitgetheilte 
wird genügen, um die Haupterscheinungen bezüglich der besprochenen Verhältnisse für die 
regulären Fälle klar zu machen. Auf alle die möglichen Combinationen und kleinen Abände- 
rungen noch näher einzugehen, möge dem Leser wie dem Verfasser erspart bleiben. 

Es erübrigt nur noch, ein Wort hinzuzufügen über den oben angedeuteten Ausnahmefall. 
Derselbe besteht darin, dass ein Zweigantheridium nicht von demselben Thalluszweige entspringt 
wie das Oogonium, an welches es sich anlegt, sondern, als Seitenzweig, von einem andern Aste, 
der mit dem oogontragenden von dem gleichen Stamme seinen Ursprung nehmen oder auch 
einem ganz anderen Zweigsysteme angehören kann. Ich habe die Entwicklung dieser Er- 
scheinung nicht lückenlos von Anfang an verfolgen können. In allen beobachteten Fällen aber 
entsprang das Antheridium von einem Aste, welcher schon zur Zeit der Entstehung des Oogons 
örtlich dicht bei diesem gelegen haben musste; das Antheridium musste also an seinem Träger 
in der Nähe des Oogons hervorgewachsen sein, nachdem letzteres ausgebildet war. Ich hebe 
dieses hier einstweilen hervor, um später ausführlicher darauf zurückzukommen (vergl. Fig. 13 b). 

Der Bau des Antheridiums ist immer der gleiche und kommt auf die nämliche Weise 
zu Stande, gleichviel welches der specielle Entstehungs- und Gestaltungsmodus ist. Während 


des Wachsthums wandert aus dem Tragfaden stark lichtbrechend-trübes, grössere Körner in 


— 239 — 


individuell verschiedener Quantität führendes Protoplasma ein; nach Abgrenzung durch die 
Querwand ist die Volumenzunahme und Gestaltung, soweit sie ausserhalb des Oogons- statt- 
findet, fertig. Es folgt nun mässige Verdickung der Wand, während das Protoplasma zu- 
nächst keine auffallenden Veränderungen zeigt. Es erfüllt, in der angegebenen Beschaffenheit, 
den Innenraum zum grössten Theile, nur in der Mitte dieses lassen sich oft hellere Räume, 
Vacuolen von wechselnder Gestalt und Zahl erkennen, und bei dauernder Beobachtung sieht 
man in der ganzen Protoplasmamasse stetig und allseitig wechselnde Verschiebung der fixirbaren 
Theile, wechselnde Protoplasmabewegungen stattfinden, wie solche für protoplasmareiche Zellen 
allbekannt sind. 

Das Oogonium verdickt nach seiner Abschliessung die Membran ebenfalls, auf das etwa 
dreifache der ursprünglichen Stärke; und zwar ringsum annähernd gleichmässig, mit Ausnahme 
der Ansatzfläche des Antheridiums, welche etwas dünner bleibt und oft zugleich etwas nach 
innen eingedrückt wird. Der ganze Innenraum wird zuerst, soweit erkennbar, überall gleichförmig 
erfüllt von dicht- und feinkörnigem, daher dunkelem Protoplasma. Auch in diesem herrscht 
dauernde langsam wechselnde Verschiebung. Bei scharf eingestellter Profilansicht sieht man 
die Anordnung der peripherischen Körnchen sich fortwährend ändern, einzelne Randstellen ab- 
wechselnd von Körnern frei und dann wieder von solchen erfüllt; auch im Innern lässt sich 
Verschiebung erkennen. Zugleich wird deutlich, dass die kleinen Körner nach und nach zu 
grösseren zusammenfliessen, die anfangs feinkörnige Masse wird mehr und mehr grobkörnig. 
Lichtbrechung und Reagentien erweisen jetzt, dass die gröberen Körner wenigstens sehr 
vorwiegend aus Fett bestehen. i 

Ist die grobkörnige Beschaffenheit eingetreten, in den beobachteten Fällen etwa 3 Stunden 
nach Abschliessung des Oogons, so beginnt die dunkele Körnermasse weiter und dauernder 
von der Peripherie zurückzutreten, anfangs unter starkem stetem Wechsel ihres Gesammtumrisses, 
allmählich aber stabilere Form und glatteren Contour annehmend und sich zu einer Kugel 
zusammenziehend, deren Durchmesser durchschnittlich etwa !/s kleiner ist als der des Oogoniums, 
deren Oberfläche also von der Membran dieses um einen breiten Zwischenraum absteht. Die 
Kugel ist das Ei. An ihrer immer noch langsam undulirenden Oberfläche wird nach und nach 
eine dünne, aber scharf begrenzte hyaline Schicht sichtbar, welche die Körnermasse umgibt 
wie eine zarte Haut. Ich will sie die Hautschicht nennen und muss dahingestellt sein lassen, 
ob sie zuerst nur eine Protoplasmaschicht oder ob sie von Anfang an eine sehr zarte Cellu- 
losemembran ist. Jedenfalls ist sie weich und nachgiebig und folgt den Undulationen der 


Eioberfläche, so lange diese andauern. (Vergl. Fig. 1, 9—11, 14). 


—- 1240 — 


Nicht die ganze Protoplasmamasse des Oogons gestaltet sich zum Ei, sondern nur der, 
allerdings weitaus grösste, die groben Körner führende Theil derselben. Ein anderer, kleinerer 
Theil, er mag Periplasma heissen, bleibt als blasse, ungleichmässig feinkörnig trübe Aus- 
füllung des Zwischenraums zwischen Eioberfläche und Oogonwand zurück. 

Mit Formation des Eies beginnen auch in dem Antheridium Veränderungen, welche die 
Befruchtung vorbereiten. Mitten aus seiner, wie erwähnt oft schon vorher ins Oogonium 
eingedrängten Ansatzfläche wächst eine stumpfe, eylindrische oder conische Ausstülpung, der 
Befruchtungsschlauch, durch die Oogoniumwand hindurch, gerade auf das Ei zu, um dieses 
alsbald zu erreichen und sich ihm mit seinem Ende fest aufzupressen. Der Schlauch ist zart 
eontourirt; er enthält zunächst nur ganz homogenes, trübes Protoplasma. Der übrige Theil 
des Antheridiums erscheint zunächst unverändert. (Fig. 1, 2, 11, 12, 15, 17.) Wenn aber 
die Hautschicht auf dem Ei scharf hervortritt, so sieht man plötzlich, oft fast ruckweise 
eine Sonderung in dem Protoplasma des Antheridiums. (Fig. 3, 4.) Eine dünne zarte, ziemlich 
homogene Schichte, die wiederum Periplasma heissen möge, bleibt wandständig, die grössere 
Masse, welche Gonoplasma genannt sei, tritt in Form eines unregelmässigen dicken 
Stranges in den Mittelraum. Das Periplasma kleidet die Wand lückenlos aus, hier und da 
Anschwellungen zeigend, die durch fadenförmige Stränge verbunden und sammt diesen in 
stetem langsamem Wechsel der Gestalt und Stellung begriffen sind, bis zum schliesslichen Ab- 
sterben des Antheridiums, Das Gonoplasma nimmt die Gesammtheit der grösseren Körner auf, 
es bildet, wie gesagt, einen strangartigen, fast die ganze Länge des Antheridiums durchziehenden 
Körper, mit nirgends scharf gezeichnetem Umriss, von dem Periplasma durch einen schmalen 
hellen Zwischenraum getrennt. In dem einen, Fig. 3 abgebildeten Falle war der Strang 
anfangs durch einen schrägen hellen Streif in zwei ungleiche Portionen getheilt; in den anderen 
beobachteten Fällen fehlte eine derartige Erscheinung. — Das Gonoplasma beginnt nun sofort 
durch den Schlauch in das Ei zu wandern (Fig. 5, 6). Zwischen diesen beiden besteht nun oftene 
Communication, zwischen den Protoplasmen beider Continuität. Die Wanderung dauert, bis 
alles Gonoplasma in das Ei getreten ist; nur selten sah ich kleine Portionen desselben in dem 
taume des Antheridiums dauernd zurückbleiben. Die Bewegung des Uebertritts ist langsam; sie 
dauerte in den beobachteten Fällen (im Mai, bei kühlem Wetter) eine bis zwei Stunden. Die 
ganze Masse rückt langsam vor, wie ein träger zäher Strom, keines der Körner zeigt eine 
Spur selbstständiger Bewegung. Kommt bei der Wanderung ein grösseres Körnchen in die 
Nähe des Schlauches, so sieht man es zu Spindel- oder Stäbehenform verschmälert, und dann 


entweder in kleinere unterscheidbare Körnchen zertheilt werden oder der Beobachtung ganz 


— rl 


entschwinden, indem es in der umgebenden Substanz zerfliesst wie in einem Lösungsmittel. 
Durch den Schlauch wandert nie ein gröberes Korn, nur ganz kleine Körnchen durchziehen 
in einfacher Reihe hintereinander seine Mittellinie; sein übriger Raum wird durch homogene 
Substanz eingenommen. 

Der Eintritt der optisch unterscheidbaren Theilchen des Gonoplasma in das Ei ist meistens 
sehr klar zu sehen, weil mit Beginn der Einwanderung die grobe Körnermasse des Eies rings 
um die Ansatzstelle des Schlauches von der Oberfläche zurücktritt, einen schmalen, hyalinen 
Abschnitt, Empfängnissfleck, freilassend, dessen Umriss übrigens gegen die Körnermasse hin 
in fluctuirender Bewegung bleibt. In die hyaline Substanz des Fleckes treten nun die Theilchen 
des Gonoplasma, eins nach dem andern, ein, um dann gegen die dunkele Körnermasse zu 


rücken und in dieser zu verschwinden. 


Mit dem Uebertritt des Gonoplasma beginnt die Eioberfläche sich vollständig zu glätten. 
Sie ist jetzt, d. h. während der Uebertritt noch im Gange ist, von einer zarten, aber distincten, 
durch Chlorzinkjod von dem Inhalt scharf trennbaren Cellulosemembran umgeben, welche nur 
an der Ansatzstelle des Schlauches eine Unterbrechung hat. Diese wird nach Beendigung des 
Uebertritts ebenfalls geschlossen (Fig. 7, 9a), das ganze Ei ist ringsum von der Cellulose- 
membran umgeben, meist ganz glatt-kugelig, manchmal an der Ansatzstelle des Schlauches mit 
einem auf diesen passenden kleinen conischen Fortsatz. Das Ei tritt nun in den Reifungsprocess 
zur Oospore ein, von welchem später die Rede sein wird. Das Periplasma des Oogoniums 
schrumpft zu einem blassen, die Oospore locker umgebenden unregelmässigen Sacke zusammen ; 
das des Antheridiums behält eine Zeit lang seine beschriebene Beschaffenheit bei, um nach 
1—2 Tagen mit der übrigen Umgebung des Oogoniums unter Beihülfe der Bacterien langsam zu 
Grunde zu gehen. Von den bei in Rede stehender Species relativ seltenen Fällen der An- 
legung von zwei, sehr selten sogar drei Antheridien an ein Oogonium kam keines im Stadium 
der Antheridienentleerung zur lückenlosen Beobachtung, öfters aber solche Exemplare, wo die 
zwei oder drei Antheridien mit ihren Schläuchen der jungen Oospore aufsassen und ihr 
Gonoplasma entleert hatten (Fig. 18). Wäre letzteres nicht in das Ei gewandert gewesen, 
so hätte es in dem Oogonium irgendwie wahrnehmbar sein müssen, was thatsächlich nicht der 
Fall war. Es ist daher als sicher anzunehmen, dass auch bei vorliegender Species das Ei das 
Gonoplasma von mehr als einem Antheridium aufnehmen kann. Bei anderen der beschriebenen 


zum Theil sehr nahe stehenden Arten ist dies die ganz vorherrschende Regel. 


Abhandl. d. Senekenb. naturf. Ges. Bd. XII. 33 


4. Pythium  proliferum, gracile, megalacanthum, Artotrogus. 
(I, 20—26. I, 3—15.) 

Von solch anderen zu Pythium zu ‚stellenden Species — über welche ich anderwärts 
ausführlicher zu berichten gedenke — nenne ich hier zunächst eine neuerdings auf todten 
Insecten und Pflanzentheilen in Wasser reichlich beobachtete Form, welche meinem P. proliferum') 
mindestens so ähnlich ist, dass sie hier diesen Namen führen kann. Die Sexualorgane (I, 20, 21) 
derselben gleichen denen des sonst gut unterschiedenen P. de Baryanum in jeder Beziehung und 
in allen Entwicklungsstadien so sehr, dass ein allgemein gültiger sicherer Unterschied für sie 
nicht angegeben werden kann. Die Antheridien sind wohl durchschnittlich kleiner, zumal 
kürzer und, wo sie als Zweigantheridien auftreten, viel weniger gekrümmt als bei erstbeschriebener 
Art, doch liegt hierin, gegenüber der für diese selbst geltenden Mannichfaltigkeit, kein fester 
Charakter. Die Oogonien sind denen der anderen Species an und für sich genau gleich. 
Ihre Stellüng ist vorwiegend intercalar, seltener, zuweilen jedoch auch, terminal. Manche 
erhalten nur ein Antheridium, die meisten zwei, manche auch drei und mehr. Die Antheridien 
entspringen in der Regel wie bei voriger Art dicht neben dem Oogonium; sie haben zuweilen 
die Form von Stielantheridien, meistens von Zweigantheridien, und stehen in letzterem Falle 
zuweilen paarweise nebeneinander an einer der das Oogon begrenzenden Querwände. 
Auch der Fall kommt vor, dass an ein Oogon Antheridien hinzutreten, welche von einem 
morphologisch fern, aber räumlich dem Oogon sehr nahe gelegenen Thallusfaden ihren Ursprung 
nehmen (Fig. 20). Ich sah solche Antheridien auch bei dieser Species immer ohne oder mit 
ganz kurzem Stiel der Seite eines Fadens inserirt, welcher dicht neben dem Oogon, dem sie 
sich ansetzten, herlief; in einem Falle erhielt ein Oogon 5 Antheridien, von denen wenigstens 


3 von nur örtlich nahe benachbarten Fäden entsprangen. 


Wo 2 oder 3 Antheridien zu einem Oogon gehen, findet auch hier in der Regel die 
Entleerung des Gonoplasmas aller in das Ei statt, und zwar, soweit ich beobachten konnte, 
successive, in übrigens rascher Aufeinanderfolge. Doch sah ich auch von 2 Antheridien das 
eine unentleert bleiben unbeschadet der normalen Ausbildung der Oospore. Manchmal fanden 
sich neben den ausgebildeten Antheridien anscheinend rudimentäre, d. h. gegen das Oogon 
wachsende Aussackungen des Tragfadens, welche auf dem Zustande in erster Entstehung be- 


griffener Zweigantheridien verharren (Fig. 21). Oogonien resp. Eier, in welche nicht wenigstens 


!) Jahrb. f. wiss. Bot. II. p. 182. 


ein Antheridium sein Gonoplasma entleerte, habe ich aber weder bei dieser noch bei der 
vorigen Species gesehen. 

Eine Schenk’s P. gracile, meinem P. reptans!) in der Zooporenbildung völlig gleiche, 
hier mit ersterem Namen zu bezeichnende Form stimmt in der Entwicklung der Sexualorgane 
mit den vorigen ebenfalls in den wesentlichen Punkten durchaus überein, wie die in Fig. 6—15, 
Taf. II gegebene Abbildung‘ eines durch die successiven Entwicklungsstadien verfolgten 
Exemplars zeigt. Ich habe von dieser Species zahlreiche terminale Oogonien mit je einem 
Zweigantheridium beobachtet, wie das abgebildete. Dass auch die anderen bei den erst- 
beschriebenen Arten beobachteten Zahlen- und Stellungsverhältnisse vorkommen können, ist 
wahrscheinlich, wurde jedoch nicht sicher constatirt. Da die Oogonien sich nur (in todten 
Pflanzentheilen) im Innern der Gewebe, intra- und intercellular finden und im Vergleich 
zu denen anderer Arten sehr klein sind, war es nicht leicht über diese Verhältnisse völlig 
ins Klare zu kommen. Einige Besonderheiten derselben werden theils in nachstehender Tafel- 


erklärung theils an anderem Orte beschrieben werden. 


Pythium megalacanthum nenne ich eine sehr stattliche Form, welche besonders aus- 
gezeichnet ist durch ihre grossen, von vielen spitz conischen Aussackungen der Wand stacheligen 
Oogonien. Dieselbe wurde in Kresse-Keimpflänzehen gefunden und in diesen reichlich eultivirt 
wie die beiden erstbeschriebenen Arten. Sie verträgt wie diese die Objectträgercultur sehr 
gut, nur mit der unerwünschten Einschränkung, dass sie Oogonien zwar immer reichlich im 
Innern der befallenen Gewebe, aber nur selten an den aus diesen ins Freie tretenden Thallus- 
ästen bildet. Immerhin gelang es in einigen Culturen, an letzteren sehr reiche und vollständige 
Oogonienentwicklung zu beobachten; mit den an diesen erhaltenen Resultaten stimmen alle 
übrigen beobachteten Erscheinungen vollständigst überein. 

Die Entwicklung der Oogonien (Fig. 3—5, Taf. I) ist, abgesehen von den schon 
angegebenen Besonderheiten der Gestalt, dieselbe wie bei den vorigen Species; nicht minder ihre 
theils terminale, theils intercalare Stellung. Haben dieselben ihre volle Grösse erreicht, so 
treten an die meisten auch Antheridien heran. Diese entspringen aber bei P. megalacanthum 
niemals, soweit ich beobachtet habe, in naher morphologischer Nachbarschaft des 
Oogoniums, welchem sie sich anlegen; die morphologischen Ursprungsorte von beiderlei sich 
vereinigenden Organen liegen so weit auseinander, dass es mir nie gelungen ist, sicher zu 


entscheiden, ob die Zweige, welche ein Oogon und seine Antheridien trugen, in letzter Instanz 


1) Vgl. Pringsheim’s Jahrb. f. wiss. Bot. 1. c. 


BET 2 


von einem und demselben Hauptstamm des Thallus ihren Ursprung nahmen, und ob ein und 
derselbe Hauptstamm an den einen seiner Zweige Antheridien, an anderen Oogonien zu bilden 
vermag, oder ob beiderlei Organe rein eingeschlechtigen Individuen oder wenigstens Spross- 
systemen entstammen, was freilich wenig Wahrscheinlichkeit für sich hat. 

Die Antheridien entstehen vielmehr so, dass von Thalluszweigen, welche dem erwachsenen 
Oogon örtlich benachbart sind, keineswegs nothwendig von den allernächsten, aber doch nur 
solchen, deren Entfernung nicht viel mehr als etwa zwei Oogondurchmesser beträgt, Aestchen 
gegen das Oogon wachsen und ihre Enden zu Antheridien ausbilden. Sind in solcher Nähe 
eines Oogons zur Zeit seiner Ausbildung andere Thalluszweige nicht schon vorhanden, so 
erhält dieses keine Antheridien, was thatsächlich öfters zu beobachten ist. Die antheridien- 
bildenden Aestchen wachsen an ihren Trägern seitlich hervor, gerade oder verschiedentlich 
und in n»icht allgemein charakteristischer Form gekrümmt auf das Oogonium zu, ihr an- 
schwellendes Ende tritt in einen der Zwischenräume zwischen den Stachelfortsätzen und nimmt 
die Gestalt einer eiförmigen, meist etwas schiefen Blase an, die mit ihrem breiten Ende der 
Oogonwand fest anwächst und sich durch eine Querwand zur Antheridienzelle abgrenzt. 
Manche Oogonien erhalten auf diese Weise nur ein Antheridium; die meisten mindestens zwei, 
oft drei und vier. In letzterem Falle erfolgt die Entwicklung aller zu einem Oogon tretenden 
ohngefähr gleichzeitig und können dieselben entweder von demselben Tragästchen als dessen 
kurze Auszweigungen, selbst dicht nebeneinander entspringen (Fig. 3) oder einzeln von ver- 
schiedenen Seiten und Zweigsystemen kommende Tragästchen endigen. 

Der Anlegung der Antheridien folgt im Oogon die Ballung des Eies, seine Sonderung 
von dem körnigen Periplasma, dann die Austreibung eines breiten dicken Befruchtungs- 
schlauches seitens jedes Antheridiums und die Wanderung des Gonoplasma durch diesen in das 
Ei; endlich die Abschliessung des letzteren durch eine feste ringsum gehende Membran zu 
der nunmehr reifenden Oospore. Was von diesen Processen beobachtet werden konnte, geht 
wie bei den erstbeschriebenen Arten vor sich, mit‘ dem geringen Unterschiede, dass in dem 
Antheridiums die Sonderung des Gonoplasma von dem wandständig bleibenden Periplasma weniger 
scharf und plötzlich erfolgt wie dort und dass die gesammte Entwicklung langsamer fort- 
schreitet. Für die Beobachtung mancher Einzelheiten ist P. megalacanthum wegen der Grösse 
und der Stachelbesetzung seiner Oogonien allerdings ein minder günstiges Object als die oben 
beschriebenen Arten, doch überzeugt man sich leicht von der vollen Uebereinstimmung mit 
diesen, wenn man letztere zuvor kennen gelernt hat. 


In dem vorwiegend häufigen Falle der Vereinigung zweier und mehrerer Antheridien mit 


— 245 — 


einem Oogonium ist es ganz allgemeine Regel, dass jene sämmtlich ihr Gonoplasma in das 
Ei ergiessen, und zwar, soweit ich beobachtet habe, nicht gleichzeitig, sondern eine unmittelbar 
nach der andern. Nur in seltenen Fällen sah ich von mehreren an einem Oogonium ansitzenden 
Antheridien eins oder das andere unentleert bleiben, und zwar nur in alten Culturen, wo die 
Zersetzung des Substrats so weit vorgeschritten war, dass die Annahme eingetretener Störung 
des normalen Entwicklungsverlaufs begründet erschien. 

Die Bildung einer Oospore oder auch nur eines Eies ohne Vorhandensein eines Antheridiums 
kommt bei P. megalacanthum ebensowenig wie bei den übrigen Arten vor. Allerdings 
wurden bei ersterem gar nicht selten Oogonien beobachtet, an welche aus dem oben 
genannten, oder vielleicht auch aus irgend einem andern Grunde kein Antheridium herantrat. 
Solche gehen ohne Eibildung entweder zu Grunde oder verhalten sich vegetativen Schläuchen 
insofern ähnlich, als sie vegetative oder Sporangien bildende Zweige, Sprossungen austreiben 
können, wie anderwärts beschrieben werden soll. 

Schliesslich sei noch kurz eine dem P. megalacanthum in der Oogonienform ähnliche Art 
beschrieben, welche am besten P. micracanthum genannt würde, wenn sie nicht schon den alten 
Namen Artotrogus hydnosporus Montagne besässe. Sie wurde vorzugsweise in Gesellschaft des 
P. de Baryanum beobachtet und kann wie dieses auf Objectträgern cultivirt werden. In Bezug 
auf die hier zu behandelnden Erscheinungen verhält sie sich den beschriebenen Arten gleich, bis 
auf folgende Eigenthümlichkeiten. (Vgl. I, 22—26.) Die mit kleinen spitzen Stachelaussackungen 
versehenen Oogonien sind selten terminal, meist intercalar ; die Antheridien habe ich nie anders 
denn als intercalare oder Stielantheridien beobachtet, meistens jedesmal in Einzahl; ob intercalare 
Oogonien auch zwischen zwei Antheridien eingeschaltet sein können, ist mir nicht ganz klar 
geworden. Nur äusserst selten (Fig. 26) fand ich die Antheridienzelle oogonwärts keulig oder 
flaschenförmig verbreitert. In den bei weitem meisten Fällen behält sie stets dieschmale Cylinderform 
. des Tragfadens bei; sie ist etwa 3—6mal so lang als breit und zunächst nach ihrer Entstehung 
von einer beliebigen cylindrischen Gliederzelle dieses in nichts verschieden. Ihre Abgrenzung 
geht der Ballung des Eies um eine kurze Frist voraus. Ihr bis dahin wandständiges Proto- 
plasma sondert sich sodann in ein sehr blasses, spärliches Periplasma und einen die Mitte 
einnehmenden scharf umschriebenen Körper, welcher erst Spindelform und körniges Gefüge 
zeigt und sich dann meist rasch zu einem unregelmässig cylindrischen oder rundlichen, fast 
homogenen glänzenden. Klumpen zusammenzieht. (Fig. 23, 24.) In den anscheinend normalen 
Fällen sieht man nun diesen Klumpen nach der Ansatzstelle des Oogons rücken, zur Ober- 


fläche des Eies vordringen und vollständig in dieses einfliessen. In einigen Fällen sah ich 


nur einen Theil des Körpers übertreten, der Rest blieb im Antheridium, nach und nach zer- 
fallend; die Ausbildung der Oospore verlief normal. In den vollständig beobachteten Fällen 
brauchte der Gonoplasmaklumpen bis zur Vollendung des Uebertritts etwa 45 Minuten. Während 
letzterer stattfindet, ist die offene Communication zwischen Antheridium und Ei ungemein 
deutlich; an günstigen Exemplaren sieht man einen sehr zarten leeren Befruchtungsschlauch 
von dem entleerten Antheridium zur Eioberfläche gehen. Die Entstehung dieses muss sehr rasch 
erfolgen und mit dem Einrücken des Gonoplasmakörpers coincidiren, denn bevor letzteres 
stattfindet, wollte es mir nie gelingen, ihn zu sehen. Man sieht nicht selten ein Oogonium 
zwischen zwei einander ähnlichen eylindrischen Zellen eingeschaltet, die Entleerung beider ins 


Ei konnte ich aber niemals sicher constatiren. 


5. Phytophthora omnivora. 
(III, 9—27.) 

Unter vorstehendem Namen sei hier eine Peronosporee aufgeführt, welche zahlreiche 
Phanerogamen-Species als Parasit befällt und, wie anderswo gezeigt werden soll, schon unter 
verschiedenen Namen beschrieben worden ist; so von Schenk!) als Peronospora Sempervw:, 
von R. Hartig:) als Phytophthora Fagi. Die nachstehend darzustellenden Beobachtungen 
wurden vorzugsweise gemacht an Exemplaren, welche cultivirte Sempervivum-Formen und Olarkia 
elegans bewohnten. Da der Pilz in morphologischer Beziehung viel Aehnlichkeit mit Pythium 
zu haben schien, so war eine Vergleichung der Eientwicklung wünschenswerth, und da die 
Erfahrung gelehrt hatte, dass er unter Wasser gut gedeiht, so schien er zur Cultur in feuchter 
Kammer nicht minder geeignet zu sein als die Pythien. Die in letzerer Hinsicht gehegten 
Erwartungen haben sich allerdings nicht ganz erfüllt, indem das Mycelium kaum aus den be- 
fallenen Pflanzenstücken hervorwuchs und keine frei auf dem Objectträger liegenden Oogonien 
bildete. Dennoch war es möglich, eine Reihe genügender Beobachtungen zu erhalten, weil die 
Oogonienbildung sehr oft in den Zellen der Epidermis oder auf der Innenfläche dieser statt- 
findet, bei Clarkia sogar auf der Aussenfläche, auf welche einzelne Fäden durch die Zell- 
membranen hindurch treten, um zwischen dieser und der alsdann berstenden Cuticula Oogonien und 
Antheridien zu bilden. Abgezogene Epidermisstücke aber sind durchsichtig genug, um bei 


geeigneter Lage und Beleuchtung eine genaue Beobachtung des in oder auf ihnen befindlichen 
1) Sitzungsber. d. Naturf. Gesellschaft zu Leipzig. Juli 1875. 


2) Untersuchungen aus dem Forstbotan. Institut zu München I. und Botan. Zeitung, 1878 p. 138; 
1879 p. 511. 


UN — 


Pilzes zu gestatten, und dieser wird durch die Procedur des Abziehens und Eintauchens in 
Wassertropfen so wenig in seinem Wachsthum gestört, dass es oft gelingt, die Entwicklung 
der Oogonien von ihrer ersten Anlegung bis zur vollen Reife der Oosporen an solchen Präparaten 
zu verfolgen, welche beim Beginn der Beobachtung noch keine Spur einer Oogoniumanlage 
zeigen. Das Hauptergebniss der Untersuchung besteht darin, dass die Befruchtungsvorgänge 
der Phytophthora den für Pythium beschriebenen sehr ähnlich verlaufen. Nach Vöranstellung 
dieses allgemeinen Resultats kann die Einzelbeschreibung kürzer gefasst und bei derselben 
vorwiegend Rücksicht auf Hervorhebung der Unterschiede genommen werden. 

Das sowohl inter- wie intracellular verbreitete und reich verästelte Mycelium des Pilzes 
hat die für Peronosporeen überhaupt bekannten Eigenschaften; ältere Schläuche zeigen regellos 
gestellte Querwände; bestimmte Haustorien sind nicht vorhanden. 

Die Oogonien entstehen als stumpfe seitliche Aussackungen eines Thallusfadens, seltener 
als ebensolche Anschwellungen des Endes eines längeren Seitenzweiges, sehr selten fand ich 
sie intercalar. Wenn dieselben noch kaum dicker sind, als ihr Tragfaden und nicht länger als 
breit, so liegt ihnen schon eine gewöhnlich von demselben Tragfaden nahebei entspringende 
Aussackung oder Endanschwellung von ähnlicher Gestalt und Grösse einerseits fest an: der 
Anfang des zugehörigen Antheridiums. Beide jedesmal zusammengehörige Organe werden also 
hier der Regel nach dicht bei einander und fast gleichzeitig angelegt und treten von ihrer 
ersten Entstehung an in feste gegenseitige Berührung. Sie sind in der ersten Zeit nicht 
sicher von einander zu unterscheiden. Ob die Anlegung des Oogons jener des Antheridiunis 
doch um kurze Zeit vorausgeht, war bei dem gewöhnlich dichten Gewirre von Zweigen und 
Zweiganlagen an fructificirenden Orten nicht möglich mit Sicherheit festzustellen. Von den wenigen 
beobachteten Fällen intercalarer Oogonien konnte nur in einem der Ursprung des Antheridiums 
erkannt werden und zwar als der eines dicht neben dem Oogon stehenden Seitenzweigleins. 
Fälle von Antheridien, welche von dem zugehörigen Oogon morphologisch entfernten Ursprungs 
ort haben, mögen vorkommen, wurden jedoch nicht mit voller Bestimmtheit constatirt; denn 
selbst in solchen wie Fig. 22 könnten beide Organe als Schwesterzweige an einer Umbiegungs- 
stelle eines Tragfadens entstanden sein. 

Beide Organe sind von Anbeginn an mit dunkel feinkörnigem Protoplasma dicht erfüllt 
und- bleiben dieses während ihrer zunächst stattfindenden Grössenzunahme und Differenzirung. 
Die Oogoniumanlage wächst zu einer im allgemeinen kuglig-birnförmigen, gegen ihre Ursprungs- 
stelle hin in einen individuell ungleich langen ceylindrischen Stiel verschmälerten Blase heran, 


deren specielle Formen jedoch nach dem Raume, in welchem die Entwicklung stattfindet, 


— 243 — 


mannichfach wechseln können, innerhalb geräumiger Epidermiszellen von Sempervivum z. B. 
die angegebene Normalgestalt annehmen, aber schmal ei- oder birnförmig werden, wenn sie 
sich dem engen Raume einer Spaltöffnungs-Nebenzelle anbequemen müssen. Ist die unter 
steter Einwanderung von Protoplasma stattfindende Volumzunahme und Gestaltung vollendet, - 
so wird das Oogonium durch eine Querwand von dem Stiele getrennt. Die Membran. wird 
nun, mit Ausnahme der dünner bleibenden Ansatzstelle des Antheridiums, stark verdickt, sie 
nimmt dabei oft schon jetzt die licht-gelbbräunliche Farbe an, welche an den meisten Exem- 
plaren zur Zeit der Oosporenreife auffällt. Gleichzeitig geht in dem Protoplasma ein successives 
Zusammenfliessen der »Körnchen« zu grossen, untereinander ziemlich gleichen Fettkugeln vor 
sich, welche in homogen-trüber Grundsubstanz suspendirt sind, theils dicht aneinander gedrängt, 
mit nur ganz schmalen Interstitien, theils breite, von der Grundsubstanz allein ausgefüllte 
Lücken frei lassend. (Fig. 9.) Letzterer Fall, also relative Armuth an Fettkugeln, trat 
besonders an solchen Objeetträgerculturen auf, welche vor Beginn jeglicher Oogonienbildung 
in Angriff genommen waren. Die Lostrennung der Präparate von dem in der Blattsubstanz 
verbreiteten Mycelium hatte hier augenscheinlich die Zufuhr der Protoplasma-Gemengtheile 
vermindert. Nichtsdestoweniger verlief auch hier gewöhnlich die Weiterentwicklung normal bis 
zur vollen Reife der Oosporen. 

Gleichzeitig mit dem Heranwachsen des Oogoniums zeigt die zugehörige Antheridium- 
anlage ganz ähnliche, nur viel weniger ausgiebige Wachsthumserscheinungen. Sie nimmt die 
Gestalt einer etwa schief eiförmig oder schief keulenförmig zu nennenden Blase an, welche in 
einen sehr kurzen Stiel verschmälert ist und sich von diesem ebenfalls durch eine ‘Querwand 
abgliedert; mit dem Oogonium bleibt sie in fester Verwachsung und zwar in einem ihrem 
oberen Ende und ihrer kürzeren Seite angehörigen Flächenstück. Da sie sammt ihrem Stiele 
kaum halb so lang wird als das Oogon, und da die beiden Organe dicht nebeneinander ent- 
springen, so bleibt sie immer der unteren Hälfte des Oogoniums, nicht weit über der Quer- 
wand, angewachsen. Im einzelnen sind die Antheridien noch viel mannichfaltiger und unregel- 
mässiger als die Oogonien gestaltet, augenscheinlich in Folge des Druckes, welcher einerseits 
von Thallus und Wirthgewebe, andererseits von dem gleichzeitig stärker wachsenden Oogonium 
auf die heranwachsende Anlage ausgeübt wird. (Fig. 9, 11, 22.) 

Die Wand des Antheridiums wird wenig verdickt, jedoch immer dicker als jene der 
Thallusschläuche. Bis zum Abschluss durch die Querwand wird sie, ähnlich dem Oogonium, von 
dichtkörnigem Protoplasma erfüllt. Alsdann wird dieses allmählich der Hauptmasse nach 


homogen-trübe, bläulichglänzend und in der homogenen Grundmasse treten grössere, theils 


— 249 — 


kugelige, theils länglich spindelförmige Körner auf, je nach Individuen in sehr ungleicher 
Menge, Gestalt und Anordnung und bei demselben Individuum mit der gesammten Protoplasma- 
masse in steter langsamer Beweguug und Verschiebung. 

Diese Differenzirungen im Antheridium vollziehen sich gleichzeitig mit jener der Fett- 
kugeln in dem zugehörigen Oogonium. Haben dieselben die bisher beschriebenen Stadien 
durchlaufen, so beginnt in letzterem die Bildung des Eies. (Fig. 10, 22.) Die Fettkugeln 
rücken in centripetaler Richtung zusammen, um miteinander einen dichten Ballen zu bilden, 
in dem sie jedoch durch schmale Streifen homogener Zwischensubstanz stets voneinander 
gesondert bleiben. Bei Einstellung des optischen Medianschnittes des Ballens erscheinen die 
Fettkugeln deutlich, wenn auch nicht gerade sehr regelmässig, in radiale Streifen um einen 
nicht immer genau centrischen organischen Mittelpunkt geordnet. Anfangs hat der Ballen wie 
bei Pythium unregelmässigen und lebhaft wechselnden Umriss, allmählich glättet er sich und 
es tritt rings um seine Oberfläche eine doppelt contourirte homogene Hautschicht auf. Die 
Grösse des Ballens ist je nach der verschiedenen Plasmamenge verschieden; bei den oben 
erwähnten, schlecht ernährten Öbjectträgerculturen war sie oft auffallend gering. Mit der 
Glättung ist gewöhnlich auch Abrundung zur ohngefähren Kugelform verbunden, doch kann 
diese auch erst später erfolgen und die Gestalt des schon mit der Hautschicht versehenen 
Ballens noch die unregelmässig wechselnde bleiben. Der nach der Specialform des Oogonium 
individuell verschieden breite Raum zwischen der Oogoniumwand und der Eioberfläche erscheint 
auf den ersten Blick von wasserheller Flüssigkeit erfüllt. Bei näherer Untersuchung erkennt 
man jedoch ringsum eine stellenweise ungleiche, manchmal selbst feinkörnige, wolkige Trübung, 
welche anzeigt, dass auch hier ein allerdings dünnes Periplasma ringsum abgeschieden wird. 
Immer ist diese Abscheidung bei der vorliegenden Species sehr auffallend und charakteristisch 
unmittelbar vor der Ansatzfläche des Antheridiums (Fig. 14—16, 21—23), indem von dieser 
aus ein trüber dichter Protoplasmastreifen gegen die zugekehrte Seite des in Bildung begriffenen 
Eies ausgespannt ist, derart, dass letzteres oft wie an demselben aufgehangen erscheint. Auch 
sieht man öfters, wenngleich nicht immer, die Abgrenzung des Eies, soweit es mit diesem 
in Berührung ist, langsamer als in dem übrigen Umfang erfolgen und vor Vollendung dieser 
Abgrenzung das Ei gegen den Streifen hin conisch verschmälert. Der Streifen ist an der 
Ansatzstelle des Antheridiums ungefähr so breit wie diese, sonst an Gestalt sehr ungleich und 
in wogender Bewegung fortwährend wechselnd. Einmal sah ich ihn von der gewöhnlichen 
Stelle langsam an eine Seite des Eies wandern, ohne an jene wieder zurückzukehren; die 


Befruchtung verlief in diesem Falle nachher normal. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 34 


— 230 ° — 


Ist die Glättung des Eies vollendet, so treibt das Antheridium von der Mitte der Ansatz- 
fläche aus gegen jenes eine cylindrisch-keulenförmige, von homogen-trübem Plasma erfüllte 
Aussackung, den -Befruchtungsschlauch. (Fig. 13.) Derselbe ist da, wo er von der Ansatz- 
stelle entspringt und die Oogoniumwand durchbricht, sehr eng. Er presst sein Ende dem Ei 
fest auf, derart, dass dieses oft einen tiefen Eindruck erhält; dann schwindet in der Mitte 
der Berührungsfläche die scharfe Umschreibung der Hautschicht, diese erscheint durchbrochen 
und man sieht nun durch die Mittellinie des Schlauches eine dunklere, unbestimmt körnige 
Plasmamasse langsam aus dem Antheridium gegen das Ei wandern, bei sehr deutlichen Exem- 
plaren an der Ansatzstelle die Fettkugeln zurückdrängend, so dass dieselben einen breiten 
trüb-feinkörnigen »Empfängnissfleck« frei werden lassen. (Fig. 14—16, 25, 26.) Dieser 
Zustand dauert etwa 2—3 Stunden, dann ist plötzlich die successiv derber und glatter 
gewordene Haut der Kugel auch zwischen Empfängnissfleck und dem jetzt oft breit an- 
schwellenden Schlauchende wieder geschlossen; sie hat jetzt die Eigenschaften einer zarten 
Celluloseınembran; die Fettkugeln rücken langsam wieder ein, es beginnt die Reifung der 
Oospore. (Fig. 17, 27.) 

Eine diesen Processen vorausgehende Sonderung einer distincten Gonoplasmamasse, wie 
bei Pythium, konnte ich in den Antheridien der in Rede stehenden Pflanze nicht beobachten 
und auch während des Befruchtungsvorgangs ist in dem Antheridienraum keine für diesen charakte- 
ristische Veränderung zu bemerken. Die sichtbare Hauptmasse des Protoplasma in demselben 
behält ihr früheres Aussehen und ihre früheren langsamen Veränderungen und Verschiebungen 
bei, und von letzteren kommt es, dass der Raum zuweilen leerer zu werden scheint oder dass 
grössere Körner wirklich eine Zeit lang‘nach dem Befruchtungsschlauch zu rücken. Oft genug 
sieht man solche Bewegungen wieder rückläufig werden. Nach allen diesen Thatsachen geht 
nur ein sehr kleiner, der Form nach vorher nicht als gesondert erkennbarer Theil des Proto- 
plasma des Antheridiums als Gonoplasma in die Eikugel über. Die Hauptmasse bleibt ohne 
charakteristische Veränderung bis nach geschehener Befruchtung. Erst jetzt wird das Proto- 
plasma in dem Antheridienraum sowohl wie in dem sehr zartwandig bleibenden Befruchtungs- 
schlauch nach und nach im ganzen blasser und durchsichtiger, oft jedoch mit schärfer hervor- 
tretenden kleinen Körnchen. Noch nach vollendeter Reife der Oospore ist es oft in reichlicher 
— jedoch individuell sehr ungleicher — Menge erhalten. (Vgl. Fig. 18, 24.) 

Das Periplasma des Oogoniums zeigt während und nach der Befruchtung keine weitere 
bemerkenswerthe Gestaltung. In dem den Befruchtungsschlauch umgebenden Strang dauern 


die wechselnden Bewegungen eine Zeit lang fort; sie können zu Anhänfungen führen, durch 


— 23531 — 


welche der Schlauch selbst zeitweise für die Beobachtung vollständig verdeckt wird. Zuletzt 
zerfällt die ganze Masse unregelmässig in Klümpchen oder Tropfen, welche schliesslich kaum 
mehr zu erkennen sind. 

Die Zeit, welche für die beschriebene Entwicklung, von der ersten Anlegung der Oogo- 
nien bis zur vollendeten Befruchtung erforderlich ist, beträgt, nach den beobachteten Culturen, 
ohngefähr 48 Stunden. In zwei Präparaten von Sempervivum-Epidermis z. B. fand sich am 
16. Juli Mittags nur Mycelium; am 17. zahlreiche Oogonien und Antheridien; am 18. Ei- 
bildung und Befruchtung im Gange; am 19. sind die Oosporen bis auf einzelne Nachzügler 
fertig. Die völlige Reife trat bei einzelnen fixirten Exemplaren erst am 22. und 23. ein, 
also etwa 7 Tage nach der ersten Anlegung. Der Befruchtungsprocess begann sowohl in 
diesen als in anderen Culturen an den meisten Exemplaren Abends und lief über Nacht ab, 
eine Erscheinung, welche der Beobachtung natürlich recht hinderlich ist. In den bei Tage 
beobachteten Exemplaren verliefen von Beginn der Ballung der Eikugel bis zur vollendeten 
Befruchtung etwa 8 Stunden und mehr; in dem Fig. 13—16 abgebildeten Exemplar von der Aus- 
treibung des Befruchtungsschlauchs bis zur Abschliessung der Oospore ziemlich genau 4 Stunden; 
um die Oberfläche des Eies zu erreichen, hatte der Schlauch etwa 40 Minuten gebraucht. 

Die Beschreibung, welche R. Hartig') von dem Befruchtungsprocesse seiner Phyto- 
phthora Fagi gibt, weicht in mehrfacher Hinsicht von der vorstehenden ab. Die wesentlichste 
Differenz besteht darin, dass nach Hartig der grösste Theil des plasmatischen 
Inhalts des Antheridiums in das Oogonium übertreten und dass sich erst 
nachdem dieses geschehen ist der gesammte Inhalt des Oogons von der 
Wand zurückziehen soll, um sich dann mit einer Membran zu umgeben und zur 
Oospore zu werden. Hartig selbst gibt an, diese Dinge nicht direct beobachtet zu haben. 
Da das Vorstehende einerseits das Ergebniss continuirlicher directer Beobachtungsreihen ist, 
andererseits an der Identität des von Hartig und von mir untersuchten Pilzes kaum ein 
Zweifel bestehen kann, so wird der Grund jener abweichenden Darstellung eben in der Unvoll- 
ständigkeit der Beobachtungen liegen, auf welche sie sich gründet, und von den anderen, 
minder wichtigen Differenzen das Nämliche gelten. Meine Behauptung der Identität des 
Hartig’schen Pilzes und des meinigen gründet sich, wie hier nur kurz bemerkt sein mag, 
auf die vollkommene morphologische Uebereinstimmung beider und’ auf die Thatsache, dass 
die in Rede stehende Prytophthora leicht von Sempervivum oder Clarkia auf Fagus und 
umgekehrt übertragen werden kann, wovon anderwärts ausführlicher geredet werden soll. 


!) Untersuchungen aus dem forstbotan. Institut zu München. I. p. 49, 50. 


— 252 — 


6. Peronospora. 
(I, 16—20 u. III, 1-8, 28, 29.) 

Die bei der Phytophthora gewonnenen Resultate forderten auf zu einer Revision _der 
früheren Angaben über den Befruchtungsprocess der ächten Peronosporen. Solche liess sich 
vornehmen mit P. Alsinearum (Stellariae mediae), P. affinis (Fumariae offieinalis) und besonders, 
wegen günstiger Beschaffenheit des disponibeln Materials, mit P. arborescens (Papaveris dubüi). 
Es zeigte sich, dass diese Pilze, auch wenn ihre Wirthpflanzen völlig unter Wasser getaucht 
sind, die Eier normal ausbilden und, nach erfolgter Befruchtung, normal ausreifen, und dass 
das Gleiche der Fall ist mit erwachsenen Oogonien, wenn man dieselben, in Schnitten aus 
dem Wirthgewebe, in Hängetropfen-Cultur in feuchte Kammer gebracht hat. An solchen 
Präparaten, — am besten hinreichend dünnen Längsschnitten durch das Parenchym des 
Wirthes, — lassen sowohl die in den intact gebliebenen Intercellularräumen liegenden, als. 
auch am Rande des Schnitts frei ins umgebende Wasser ragende Exenıplare den Entwicklungs- 
process bis zur vollen Reife der Oospore verfolgen. Die erste Anlegung von Oogon und 
Antheridiam wurde in solchen Präparaten allerdings nicht gesehen. Die zu schildernden Be- 
obachtungen beginnen vielmehr mit dem Stadium, wo Oogon und Antheridium ihre volle Grösse 
erreicht haben, mit feinkörnigem Protoplasma dicht erfüllt und durch die Querwand abgegrenzt sind. 

Der ganze Verlauf der in Frage stehenden Entwicklung, von dem Zusammenfliessen der 
»Körnchen« des Protoplasma zu den grössern Fettkugeln an, bis zur Bildung der festen 
Membran um das befruchtete Ei ist, kurz gesagt, bis auf einige, minder wesentliche Modifica- 
tionen, der gleiche wie bei der Phytophthora. Man sieht, mit anderen Worten, ein und dasselbe ° 
Individuum die in meinen Arbeiten von 1861 und 1863!) beschriebenen Stadien in derselben 
Succession durchlaufen, welche damals aus der Vergleichung verschiedener, ungleich ausgebildeter 
Individuen erschlossen wurde. Nur der Befruchtungsaet selbst ist dort nicht ganz vollständig 
beschrieben. : 

Was die angedeuteten Modificationen betrifft, so ist die Menge des bei der Ballung des 
Eies in der Peripherie verbleibenden Periplasmas eine viel grössere als bei Phytophthora. 
Dasselbe füllt den breiten Raum zwischen Wand und Ei aus als eine farblose, trübe, je nach 
dem Individuum mit Körnchen und Klümpchen verschieden reichlich durchsetzte Masse. Von 
seiner Betheiligung bei der Bildung der Oosporenwand wird im 12. Abschnitt die Rede sein. 


Bei den grösseren Dimensionen aller Theile tritt besonders an dem zu befruchtenden Ei von 


?) Ann. Sc. nat. 4. Ser. Tom. XX. 


— 253 — 


P. arborescens die strahlige Gruppirung der Fettkugeln um einen, nicht immer gerade genau 
im mathematischen Centrum gelegenen Organisationsmittelpunkt viel deutlicher hervor als bei 
Phytophthora. Die peripherischen Kugeln erscheinen keilförmig, mit dem breitern abgerundeten 
Ende nach aussen gekehrt. Gegen die Mitte wird die Anordnung minder regelmässig, die 
Kugeln selbst etwas kleiner. Einen distineten Kern zu unterscheiden war nicht möglich; doch 
ist nicht selten an dem Orte des Organisationsmittelpunkts ein rundlicher heller Fleck, eine 
hyaline Lücke zwischen den glänzenden Fettkugeln vorhanden. Langsame undulirende Ver- 
änderung des Umrisses findet aueh hier bis nach vollendeter Befruchtung statt. Bei P. 
Alsinearum bleiben die Fettkugeln viel kleiner, ihre radiale Anordnung ist daher minder deutlich. 

Das Verhalten des Befruchtungsschlauches konnte bei P. arborescens genauer beobachtet 
werden. Er wächst gerade auf das Ei los und presst sein Ende fest auf dieses, so dass an 
der getroffenen Stelle die scharfe Grenze zwischen beiden Organen verwischt erscheint. An 
derselben Stelle wird ferner die Oberfläche des Eies etwas nach innen gedrückt und weichen 
die Fettkugeln nach innen und 'seitwärts zurück, um einen homogen-hyalinen Ausschnitt frei 
zu lassen. Nach 30—60 Minuten erscheint dann die Oberfläche des Eies auch von dem 
Schlauche scharf abgegrenzt durch die zarte Cellulosemembran, die Fettkugeln rücken wieder 
-in den Raum des hyalinen Ausschnitts, dieser verschwindet; es beginnt nun die Reifung der 
Oospore. Der Schlauch selbst hat entweder ziemlich regelmässig cylindrische Gestalt oder 
schwillt an der Ansatzstelle mehr oder minder breit blasig an. Er ist von homogenem oder 
sehr spärliche Körnchen führendem Protoplasma erfüllt und in dem Stadium seiner festesten 
Vereinigung mit dem hyalinen Ausschnitte des Eies sah ich mehrmals Körnchen in einfacher 
Reihe durch seine Mitte gegen den Ausschnitt rücken und an diesem verschwinden. Einmal, 
in dem Fig. 18—21, Taf. II, abgebildeten Falle, erschien der Inhalt des Schlauches homogen 
(innerhalb des sehr stark lichtbrechenden trüben Periplasma fast wasserhell), nach Vereinigung 
mit dem hyalinen Ausschnitt schwoll das aufsitzende Ende breit blasig an, um nach 20-30 
Minuten wieder zu der ursprünglichen Cylinderform zusammen zu sinken. In anderen Fällen 
ist die blasige Anschwellung dauernd. Eine weite offene Communication zwischen Schlauch 
und Ei und ein Uebertritt grösserer sichtbarer Protoplasmamassen aus jenem in letzteres 
findet auch hier nicht statt, in der Gesammtmasse des Protoplasma des Antheridiums ist während 
der beschriebenen Vorgänge und meist lange nach Abgrenzung der Oospore durch eine derbe 
Membran keinerlei charakteristische Veränderung zu bemerken. Tritt daher überhaupt etwas 
aus dem Schlauch in das Ei über, was ja nach Analogie von Pythium und Phytophthora 


wohl angenommen werden, aber nicht direct gesehen werden kann, so ist dies nur eine minimale 


— 254 — 


Menge des Antheridieninhalts, welche sich im Momente des Uebertritts in einem optisch nicht 
mehr direet erkennbaren Zustande — Lösung oder hochgradiger Quellung — befindet. Während 
des Reifungsprocesses der Oospore tritt dann, wie früher beschrieben, langsames Schwinden 
des Antheridieninhalts ein. 

An P. Alsinearum und Fumariae konnten die Beobachtungen des Befruchtungsprocesses 
zwar nicht so vollständig ausgeführt werden, wie an P. arborescens, immerhin aber soweit, dass 
an der vollständigen Uebereinstimmung mit letzterer Species kein Zweifel bleibt. 

Bezüglich der ersten Entstehung von Oogon und Antheridium, speciell der gegenseitigen 
Stellung ihrer Ursprungsorte, habe. ich den früheren Darstellungen nichts hinzuzufügen. Ich 
will diese hier nicht recapituliren, weil ich später doch auf dieselben zurückkommen muss. 
Nur das Eine sei hier noch hervorgehoben, dass mir bei keiner Peronospora je ein Oogonium 
mit reifer oder reifender Oospore zu genauerer Beobachtung gekommen ist, an welchem nicht 
Antheridium und Befruchtungsschlauch nachzuweisen gewesen wären. Allerdings habe ich’ ein- 
zelne Fälle gesehen von Oogonien mit reifenden Oosporen ohne anliegendes Antheridium. 
Ein solches war aber alsdann in einer seiner Breite ohngefähr gleichkommenden Distanz von 
dem Oogonium vorhanden und hatte den Befruchtungsschlauch quer durch den Zwischenraum 
zu diesem hingetrieben. Fig. 22, Taf. II stellt einen solchen Fall von P. effusa (im Blatte 
von Atriplex patulum) dar, nach einer alten, aber nach dem aufbewahrten Präparat neu con- 
trolirten Zeichnung. Der Befruchtungsschlauch durchbohrt die Oogoniumwand und kann bis 
an das Exospor der halbreifen Oospore verfolgt werden. Die örtlichen Verhältnisse des Blatt- 
durchschnitts, in welchem das Exemplar enthalten ist, lassen keinen Zweifel daran, dass sich 
dasselbe in seiner natürlichen Lage befindet und nicht etwa ein durch zufälliges Herausreissen des 
Schlauches entstandenes Artefact ist. — Eine ähnliche Erscheinung erinnere ich mich einmal 
an P. Alsinearum, im Blüthengrunde von Stellaria media gesehen zu haben, ohne sie damals 


näher haben untersuchen und später wiederfinden zu können. 


7. Saprolegnia ferax. 
A en Be 
Aus der Gattung Saprolegnia habe ich die von mir früher beschriebene 8. asterophora!) 
untersucht und eine Anzahl von Formen, welche der S. ferax im Sinne von Pringsheim’s 
letzter Arbeit?) angehören. Ich unterscheide dieselben, aus später darzulegenden Gründen, als 


!) Pringsh. Jahrb. II, 189. 
2) Jahrb. IX, 195. 


— 255 — 


S. monoica, 8. Thureti und $. torulosa und fasse alle drei als Ferax-Gruppe oder auch 
unter dem Collectivnamen $. ferax zusammen. 

Die Oogonien dieser Gruppe, von welcher hier zunächst die Rede sein möge, sind so 
allgemein bekannt, dass ich die gröberen Verhältnisse nicht ausführlich zu beschreiben, sondern 
nur auf frühere Darstellungen, zumal Pringsheim’s Abbildungen im 1. Band seiner Jahrbücher 
zu verweisen brauche. Stehen sie, wie die vorherrschende Regel ist, terminal und frei auf 
Haupt- oder Seitenzweigen, so haben sie gewöhnlich rund-birnförmige Gestalt, nur ausnahmsweise 
andere, für besondere Fälle unten noch zu erörternde Formen. Wo sie intercalar stehen oder 
terminal auf Prolificationen, welche in leeren Zoosporangien eingeschlossen sind, erhalten sie 
auch Cylinder- oder Tonnenform. Ihre Anordnung, ob terminal auf einzelnen stärkeren Haupt- 
trieben oder auf vereinzelten oder traubig geordneten, geraden, hakig, schraubig gekrümmten 
Seitenzweigen, oder vereinzelt oder reihenweise intercalar, wechselt mannichfach und gestattet 
kaum eine übersichtliche Beschreibung. Im Nachstehenden ist vorzugsweise auf einzeln-terminale 
Bezug genommen. Die kleinen Differenzen von diesen, welche bei anderer Stellung auftreten 
betreffen lediglich durch letztere bedingte unwesentliche Gestaltverhältnisse und sind hiernach 
bei der Darstellung der Entwicklungsgeschichte höchstens gelegentlich zu berücksichtigen. 
Nicht minder wie die Anordnung wechselt die Grösse der Oogonien und die Zahl der Oosporen, 
welche in den einzelnen gebildet werden, und welche zu dem Volumen des Oogoniums in 
ohngefähr geradem Verhältniss steht, derart, dass die kleinsten nur eine, die grössten 10—20 
und noch mehr enthalten können. Die Grösse der Oosporen selbst schwankt zwischen engeren 
Grenzen, ihre Gestalt ist fast immer kugelrund, in cylindrischen Behältern, resp. dem cylindrischen 
Halse lang-birnförmiger auch oval-birnförmig oder abgerundet-cylindrisch, sehr selten auch 
in runden Oogonien von der Kugelform erheblich abweichend. 

Wie Pringsheim in seiner letzten- Arbeit gezeigt hat, können sich die Oogonien und 
Oosporen der Ferax-Formen ausbilden mit oder ohne Hinzutritt von Antheridien. Wir be- 
trachten hier zuerst den ersten dieser beiden Fälle, welcher für unsere $. monoica 
charakteristisch ist. 

Die Bildung des Oogoniums beginnt, wie oft beschrieben, damit, dass das betreffende 
(gewöhnlich also terminale) Stück des Thallusschlauches blasig anschwillt, und in dem Maasse 
als die Anschwellung zunimmt, an 'feinkörnig vertheiltem Fett reiches Protoplasma in sie ein- 
wandert. Hat sie eine bestimmte Grösse erreicht, so grenzt sie sich, als Oogonium, durch 
eine Querwand von dem sie tragenden Schlauchstücke ab, um dann an Volumen nicht mehr 


merklich zuzunehmen. Die definitive Grösse, welche sie erreicht, hängt ab von der Menge 


— 256 — 


des ihr zuströmenden Protoplasma; diese, wie bei Culturen mit eng limitirter Nährstoffmenge 
sehr deutlich hervortritt, von der Quantität der für die Pflanze disponibeln Nährstoffe. Wenn 
die Schwellung des Oogoniums begonnen hat, beginnen, meist in seiner Nachbarschaft, Neben- 
äste als stumpfe Auswüchse an dem Tragfaden vorzutreten. Die Orte, wo sie entstehen, sind 
nicht allgemein bestimmte; sie können hart neben der Insertionsstelle des Oogoniums oder 
um mehrere Oogoniumdurchmesser, oft noch viel weiter von dieser entfernt liegen; wenn das 
Oogon einen kurzen Zweig endigt, an diesem selbst oder an dem ihn tragenden relativen 
Hauptstamm sich befinden. Nicht minder wechselt nach den Einzelfällen die Zahl der in der 
Nachbarschaft eines Oogoniums entstehenden und der Grad der Ausbildung, welchen sie 
erreichen. In letzterer Beziehung sieht man oft manche als kurze, stumpf conische Aus- 
stülpungen ihr Wachsthum für immer sistiren, die meisten allerdings zu schmal cylindrischen, 
verschiedentlich gekrümmten, oft wiederum ihnen ähnliche Verzweigungen treibenden Aestchen 
heranwachsen und sich dann einzeln oder zu mehreren gegen das benachbarte Oogonium 
krümmen, um sich demselben anzuschmiegen. . Andere Zweige können frei in das umgebende 
Wasser hinaus wachsen. Die sich anschmiegenden Aeste erreichen das Oogonium in den 
‚genauer verfolgten Fällen vor seinem Abschluss durch die Querwand, oft schon bevor es die 
Hälfte seiner definitiven Grösse erreicht hat. In fester Berührung mit seiner Oberfläche 
können sie dann noch ein ferneres Stück in die Länge wachsen und ferner einige Zweiglein 
treiben, welch letztere alsdann meist ebenfalls dem Oogonium angeschmiegt sind, selten von 
ihm abstehen. Der ganze beschriebene Process läuft in günstigen Fällen sehr rasch ab; ein 
Nebenast kann in 1—1!J; Stunden von seiner ersten Anlegung an sein Oogonium nicht nur 
erreicht, sondern mit mehreren Seitenzweigen umgriffen haben. 

Die angegebene Succession des Auftretens von Oogonium und Nebenästen beobachtet 
man an solchen Exemplaren, bei welchen die Oogonien nicht zu dicht beisammen stehen. Sehr 
üppige Culturen der $. monoica zeigen oft eine Menge Oogonium- und Nebenastanlagen in 
verschiedenen Jugendstadien so nahe bei einander, dass die Möglichkeit aufhört, bestimmte 
Nebenäste auf ein bestimmtes Oogon zu beziehen, also eine Regel für Succession der Anlegung 
festzustellen. — Andererseits kommen Oogonien zur Beobachtung, an welche von weit her, 
oft von ganz entlegenem Haupt-Zweigsystem entspringende Nebenäste sich anlegen. Ueber die 
relative Entstehungszeit dieser ist ebenfalls nichts Sicheres ermittelt. 

Die den Oogonien angeschmiegten Enden der Nebenäste und ihre eventuellen Zweige 
wachsen in dieser Verbindung noch ein kurzes Stück in die Länge. Dann steht ihr Längs- 


wachsthum still, sie schwellen etwas an zu etwa schief keulenförmiger, im einzelnen sehr 


— 2571 — 


mannichfaltiger, oft durch Aussackungen unregelmässiger Gestalt, schliesslich grenzen sie sich 
durch eine Querwand zum Antheridium ab. Schon aus dem Gesagten folgt, dass ein Oogonium 
eine oder mehrere Antheridien erhalten kann. Dazu kommt ferner, dass hinter dem an 
einem Nebenast terminalen nicht selten noch ein zweites Stück des Nebenastes ebenfalls durch 
eine Querwand zu einem (meist gestreckt ceylindrischen) Antheridium abgegrenzt werden kann. 
Nach allen diesen Daten braucht kaum hinzugefügt zu werden, dass ein bestimmter morpho- 
logischer Ort für die Anlegung der Antheridien an das Oogonium nicht besteht, auch wenn 
jener nur eines vorhanden ist. Das Antheridium wächst der Oogoniumwand immer in relativ 
grosser Fläche an, gewöhnlich mit seiner ganzen einen Seitenfläche oder wenigstens dem 


grössten Theil derselben. 


Nach Erreichung der definitiven Grösse und Abgrenzung durch die Querwand beginnt 
in beiderlei Organen die Verdickung der Membran, deren Stärke zur Zeit der Reife aus den 


früheren Beschreibungen kekannt genug ist. 


Seit Pringsheim’s erster Arbeit wird diese Membran beschrieben als zur Zeit der 
Befruchtungsreife von regelmässig vertheilten runden Löchern durchbrochen. Ich habe 1852 
Pringsheim’s Angabe bald nachher bestätigt und Alle, welche sich später mit Sapro- 
legnieen beschäftigten, sind über dieselbe einig. Seit unseren alten Arbeiten aber scheint 
Niemand mehr diese Organe genau angesehen zu haben, denn jedes ordentliche heutige 
Mikroskop lässt bei gehöriger Aufmerksamkeit mit Sicherheit erkennen, dass jene Angabe 
auf einem, bei unseren damaligen Instrumenten mehr als verzeihlichen Irrthum beruht. 
Jene in der Flächenansicht der Membran helleren, runden Flecke sind keine Löcher, 
sondern scharf umschriebene Tüpfel, aussen verschlossen durch eine dünne, aber - sehr feste 
Aussenschicht, welche entweder in der glatten Kugeloberfläche der Wand liegt oder manchmal 
in Form einer sehr niedrigen scheibenförmigen Prominenz über diese Fläche etwas nach aussen 
vorspringt. Chlorzinkjod färbt die Wand des Oogoniums, mit Ausnahme der Tüpfel, dunkel- 
rothviolett, die diese verschliessende Aussenschicht bleibt dabei entweder farblos oder nimmt 
hellblauviolette Farbe an, dieselbe, welche unter den gleichen Verhältnissen die Thallus- und 
Zoosporangienwände zeigen, nur viel blasser. Zersprengt man die Oogonienwand, so sieht man, 
zumal nach Einwirkung des genannten Reagens, wie die Risse oft scharf mitten durch die 


verschliessende Aussenschicht gehen. 


Es mag gleich hier hinzugefügt werden, dass das gleiche Verhalten bei allen Formen 


der Ferax-Gruppe stattfindet. Die Zahl der Tüpfel auf der gleichen Membranfläche ist nach 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII, 35 


IN 


den Individuen sehr verschieden; einzelne, zumal kleine Exemplare, lassen manchmal gar keine 
Tüpfelung erkennen. 

Gleichzeitig mit der Wandverdickung beginnen die ebenfalls schon vielbeschriebenen, die 
Eibildung vorbereitenden Veränderungen in dem Protoplasma. Dieses erfüllt den Raum des 
eben abgeschlossenen Oogoniums zunächst als eine, soweit erkennbar überall gleichförmige, 
dicht und feinkörnige Masse, ohne distincte Vacuolen; bei durchfallendem Lichte erscheint 
das. Organ daher in jeder Einstellung des Mikroskops in der Mitte am dunkelsten, gegen die 
Peripherie successive heller, durchscheinender. Bald aber beginnt eine Veränderung, welche, 
allgemein ausgedrückt, darin besteht, dass sich in der Mitte des bisher gleichförmigen Proto- 
plasmakörpers mehr und mehr wässerige Flüssigkeit ansammelt und von einer in gleichem 
Maasse dichter werdenden und sich schärfer abgrenzenden, die Wand bekleidenden Proto- 
plasmaschichte abscheidet. Zunächst sieht man bei Einstellung des Medianschnittes einen im 
Ganzen helleren, minder dicht körnigen Mitteltheil, in welchem einzelne schärfer umschriebene, 
anscheinend völlig wasserhelle Vacuolen erkennbar sind und welcher ohne scharfe Grenze in 
die dicke, noch gleichförmig körnige peripherische Masse übergeht. Nun treten in dem Mittel- 
raum eine Anzahl Vacuolen, dann an Stelle dieser eine einzige grössere successive deutlicher 
hervor. In der somit nach innen schärfer begrenzten, noch sehr dicken wandständigen Schicht 
erscheinen gleichzeitig an verschiedenen Orten kleine, scharf umschriebene, helle rundliche 
wassererfüllte Räume (Taf. V, 1). .Ihre Zahl, Grösse, speciele Form und Vertheilung 
wechselt, wie dauernde Beobachtung lehrt, an demselben Individuum ziemlich langsam zwar, 
aber fortwährend. Speciell ihre Vertheilung über eine eingestellte Oberfläche kann zeitweise 
sehr regelmässig, dann aber wieder eine beliebig irreguläre sein. Fixirt man eine solche 
helle Stelle, so sieht man oft, wie sie ihren Ort wechselt, mit anderen sich vereinigt oder 
langsam kleiner wird, um nach und nach ganz zu verschwinden. Während dieses wechselnde 
Spiel andauert, nimmt successive der mittlere wasserhelle Raum an Grösse zu und die wand- 
ständige dichte Plasmaschicht in entsprechendem Maasse an Dicke ab. Eine Vermehrung der 
gesammten Wassermenge in dem Oogonium findet hierbei nicht statt, denn dieses nimmt 
während der in Rede stehenden Veränderungen an Volumen und Turgescenz nicht zu, im 
Gegentheil werden seine Durchmesser manchmal um ein Geringes kleiner. Die ganzen 
beschriebenen Processe können daher nichts Anderes sein, als eine Umlagerung des ursprüng- 
lich im Protoplasma vertheilten Wasserquantums in dem Oogonium. Dieselbe beginnt mit 
dem Auftreten einiger, dann in die eine zusammenfliessender ‘centraler Vacuolen; dann sam- 


melt sich das Wasser successive in den kleinen peripherischen Räumen, um von diesen aus 


a 5 


in den Mittelraum ergossen zu werden. Letzteres geschieht allerdings nicht stossweise, etwa 
indem eine Vacuole sich plötzlich wie eine platzende Blase in den Mittelraum entleerte, 
sondern allmählich, relativ langsam. An geeigneten Exemplaren, zumal an Halsstücken birn- 
förmiger (V, 1), sieht man öfters eine peripherische Vacuole langsam gegen den Mittelraum 
rücken und dann kleiner werden bis zum Verschwinden, dabei jedoch von dem Mittelraum 
selbst noch getrennt bleiben durch eine Protoplasmalage, in welcher eine gröbere Durch- 
brechung nicht erkannt werden kann. — Es braucht wohl kaum ausdrücklich gesagt zu werden, 
dass der angewendete Ausdruck Wasser hier nichts weiter als eine vorwiegend aus Wasser 
bestehende Flüssigkeit bezeichnen soll, ohne über deren chemische Reinheit etwas auszusagen ; 
und dass mit Constatirung der Thatsache, dass die im Oogonium enthaltene gesammte Menge 
der wässerigen Flüssigkeit nicht zunimmt, die Frage nach deren etwaiger Mischungsänderung 
durch endosmotischen Austausch mit dem umgebenden Wasser auch unberührt bleibt. 

Da mit Vergrösserung des wassererfüllten Mittelraums die wandständige Protoplasma- 
schichte successive an-Dicke abnimmt, rücken auch die in ihr liegenden kleinen Vacuolen immer 
mehr nach der Peripherie des Oogoniums zu. Sie erscheinen daher in den Flächenansichten 
dieses als immer schärfer umschriebene helle Flecke. Sie liegen aber nie in der die Membran 
Perukrenden peripherischen Region der Protoplasmaschicht, sondern in der Mitte oder an der 
gegen den Mittelraum sehenden Innenseite derselben; aussen, innerhalb der Membran, setzt 
sich das gleichförmig-körnige Protoplasma auch über die peripherischsten hellen Flecke ununter- 
brochen fort, wie bei scharfer Oberflächeneinstellung deutlich wird. Auch nach der Zahl, 
Grösse und Vertheilung der hellen Flecke erweist sich die von Pringsheim ausgesprochene 
Ansicht, diese entsprächen den späteren sogenannten Löchern, d. h. Tüpfeln der Membran, 
bei einigermaassen aufmerksamer Untersuchung als ein Irrthum — wenigstens bei $. ferax; 
bei andern Arten wird die Sache später noch zu erörtern sein. — Für die meisten Fälle 
liegt, wie schon Reinke (l. ce.) richtig hervorgehoben hat, nicht ein Schein eines Grundes vor 
für die Annahme einer directen Beziehung zwischen den hellen Flecken und den Tüpfeln, weil 
zwischen Zahl und Anordnung beider keine Uebereinstimmung besteht. Jene sind in der Regel 
viel zahlreicher als die Tüpfel, sie finden sich auch an den hie und da vorkommenden Indivi- 
duen, deren Membran der Tüpfel gänzlich entbehrt. An geeigneten, in glücklich getroffener 
Profilstellung liegenden Exemplaren (vgl. V, Fig. 1, 2, bei 2) sieht man klar, dass die Tüpfel 
stabil vorhanden sind, lange bevor der Wechsel der hellen Vacuolen aufhört; und zwar fand 
ich sie in den beobachteten Fällen, vielleicht zufälligerweise, nie über einer Vacuole, sondern 


vielmehr über dichten, vacuolenfreien Stellen der Protoplasmaschicht. 


ey 


In Folge der Wasserausscheidung geht die Dicke der wandständigen Protoplasmalage 
successive auf ein Zehntel oder noch weniger des Durchmessers des Oogoniums zurück. In 
dieser dünnen Schicht erscheinen die Vacuolen flacher, ihre Form in der Flächenansicht geht 
aus der runden in längliche oder biscuitförmige über, ihre Umrisse werden zarter, endlich sind 
sie ganz verschwunden, und hiermit ist der Zeitpunkt für den Beginn der Eibildung eingetreten. 

Dieser Process (vgl. V, 2—7, 11, VI, 3—11) ist, wie zum voraus bemerkt sein möge, 
in allen wesentlichen Punkten der gleiche, welches auch die Zahl der zu bildenden Eier sein 
mag. Er sondert sich in .drei, ziemlich scharf unterscheidbare Abschnitte, welche Ballung, 
Trennung und Glättung der Eier genannt sein mögen. 

Die Ballung (V, 2, VI, 3, 4) beginnt damit, dass die bis dahin ringsum ziemlich 
gleich dicke, oder wenigstens an ihrer Innenseite gleichmässig concave wandständige Proto- 
plasmaschichte an den Orten, welche dem Mittelpunkt der zu bildenden Eier entsprechen, und 
zwar an allen gleichzeitig, derart anschwillt, dass sie daselbst in Form je eines convexen Buckels 
in den Mittelraum vorspringt. Diese Orte lassen weder bei Entstehung von einem, noch bei 
der von mehr als einem Ei irgend eine constante Beziehung zu den Ansatzstellen der Anthe- 
ridien erkennen. Im Falle der Zwei- bis Mehrzahl der Eier sind sie in nach allen Seiten nahezu 
gleichen Abständen von einander über die Peripherie des Oogoniums vertheilt. 

Jene Anschwellungen der’ Protoplasmaschichte kommen dadurch zu Stande, dass die 
inneren Partien derselben nach den Eimittelpunkten zu wandern. Wo sie auf den 
gewölbten Seiten des Oogoniums liegen, ragen sie anfangs in flach convexer Linsenform, 
dann halbkugelig, schliesslich als hohe stumpfe Buckeln nach innen vor, und sind in der 
Flächenansicht ziemlich genau kreisrund und von annähernd dem gleichen Durchmesser wie. die 
reifen Oosporen.. Kommt eine Anschwellung in dem Hals eines birn- oder tonnenförmigen 
Oogons zu Stande (V, 2—4), so erhält dieselbe die Form eines diesen ausfüllenden, nach innen 
convexen Pfropfs. Sobald die Anschwellung deutlich zu werden beginnt, erkennt man in ihrer 
Mitte einen scharf umschriebenen, kleinen, runden, körnerfreien hellen Fleck, welcher von jetzt 
ab dauernd bleibt, resp. nach zeitweiligem Undeutlichwerden immer wieder zum Vorschein 
kommt. Ohne seine stofflichen Qualitäten genauer untersucht zu haben, darf ich denselben 
wohl mit grosser Wahrscheinlichkeit für- einen Zellkern halten und hinfort Kernfleck 
nennen. Von den oben als wassererfüllte Räume beschriebenen hellen Flecken ist derselbe 
durch andere Lichtbrechung verschieden. In eineiigen Oogonien nimmt der Eianfang kaum 
die Hälfte der Wandfläche ein; in zwei- bis mehreiigen sind die Eianfänge durch entsprechend: 


breite, zusammen ‚ebenfalls annähernd die Hälfte der gesammten Wandfläche einnehmende 


EIN 


Zwischenstreifen getrennt. In dem Maasse nun, als die Eianfänge durch Zufluss von Proto- 
plasma anschwellen, nimmt die Dicke der Schichte ausserhalb und zwischen ihnen ab, indem 
das Protoplasma aus ihr in die Anschwellungen wandert. Und zwar findet diese Wanderung 
in der jeweils inneren Partie statt, ihre Aussenseite bleibt, wie auch die der Eianfänge,. zu- 
nächst der Membran eng anliegend (V, 2, VI, 3, 4). Schliesslich ist ausserhalb der An- 
schwellungen nur noch eine ganz dünne, die Wand bekleidende Protoplasmaschichte vorhanden, 
aus welcher man immer mehr vereinzelte Körner und Körnergruppen in jene einwandern sieht. 
Da tritt plötzlich das Stadium der Trennung ein (V, 3, VI, 4). Die ganze Protoplasma- 
auskleidung (sammt den Anschwellungen) löst sich von der Membran los, zwischen beide tritt 
Wasser. Wo.ein einziges Ei gebildet wird, fliesst alsbald die bisher noch ausserhalb desselben 
gebliebene Wandschicht in dasselbe ein, während es als unregelmässig kugliger Ballen in die 
Mitte des Oogoniums rückt. Wo mehrere Eier entstehen, ist die sie verbindende Plasma- 
schicht im Moment der Trennung von der Membran noch ein geschlossener Sack. Dieser 
reisst aber sofort in Stücke, welche rasch in die ihnen jeweils angrenzenden Eier einfliessen, 
während letztere, ebenfalls in wenigen Secunden, nach der Mitte des Oogoniums zusammenrücken 
bis zu dichter gegenseitiger Berührung. An allen diesen Vorgängen nimmt die ganze Menge 
des Protoplasma Theil; um die Eier bleibt nur Wasser zurück; und zwar erfüllt dieses nun, 
wie nach dem Gesagten selbstverständlich ist, ganz oder grösstentheils den Raum zwischen der 
Wand und der von der Eigruppe (oder dem Einzelei) eingenommenen Mitte des Ooganiums. 
Die Grösse der Eier nimmt während des Trennungsprocesses ein wenig zu; im Falle der 
Einzahl anscheinend mehr als in jenem der Vielzahl. Ihre Gestalt sucht sich, wenn ich so 
sagen darf, der kugligen zu nähern, bleibt jedoch zunächst darum unregelmässig, weil die 
Oberfläche sich in steter undulirender Bewegung befindet, flache, abgerundete Erhebungen von 
verschiedener Breite in langsamem Wechsel vortreibend und wieder einziehend. Einige Minuten 
lang nehmen diese Bewegungen an Intensität ab, die Oberfläche wird glatter gerundet; bei 
Mehrzahl der Eier ist dies gewöhnlich der Fall, wenn dieselben bis zur Berührung zusammen- 
gerückt sind. Nun beginnt aber plötzlich von neuem eine lebhafte Bewegung an der Ober- 
fläche (V, 5, 11, VI, 5—9). Unregelmässig runde, helle, körnige, zart umschriebene 
Protuberanzen treten an derselben hervor, wie Blasen an einem kochenden Brei. Ihre Zahl, 
Grösse und die Orte ihres Auftretens sind je nach den Einzelfällen höchst ungleich und unregel- 
mässig. Manche derselben bleiben dem Ei ansitzen; viele trennen sich vollständig los, gleiten 
dann wechselnd über kurze Strecken hin und her, unter undulirender Aenderung ihres Um- 


risses. Dieses Spiel dauert einige Minuten, dann fliessen die Protuberanzen, eine nach der 


a a 


andern wieder in die Eimasse zurück, sowohl die fest sitzen gebliebenen als auch die los- 
getrennten, und zwar letztere, überall wo eine directe Beobachtung möglich war, immer wieder 
in dasselbe Ei, von welchem sie sich getrennt hatten. Nur kleine Körnerhäufchen oder einzelne 
Körner bleiben nicht selten von der Wiederaufnahme in die Eier dauernd ausgeschlossen. Man kann 
sie dann Tage lang, ruhig oder in tanzender Bewegung, neben den reifenden Oosporen wahrnehmen. 

Mit der Einschluckung der Protuberanzen ist der Beginn der Glättung der Eier — meist 
zur regelmässigen Kugelform — definitiv eingetreten. An ihrer Oberfläche tritt eine dünne, 
aber scharf umschriebene körnerfreie Schichte — Hautschichte (welche übrigens oft schon 
in der Periode der Protuberanzen erkennbar ist) deutlich hervor. Zugleich wird in der Mitte 
der Kernfleck sichtbar, welcher während der Stadien lebhafter Bewegung wenigstens in der 
grossen Mehrzahl der Fälle nicht erkannt werden kann. Noch ein letztesmal ist jetzt eine 
auffallendere Veränderung im Protoplasma zu bemerken (V, 6, VI, 10): in der Peripherie, 
dicht unter der Hautschicht, in Mehrzahl ziemlich gleichförmig über die Oberfläche vertheilt, 
erscheinen kleine, runde oder linsenförmige wasserhelle Räume, welche aber bald, oft schon 
nach wenigen Minuten wieder verschwinden. Das Ei stellt nun eine glatte Protoplasmakugel 
dar, welche innerhalb der Hautschicht und abgesehen vom Kernfleck überall gleichförmig und 
dicht von mässig grossen, zu grossem Theile aus Fett bestehenden Körnchen durchsetzt ist 
(Va LR), 

Bis zu vollendeter Glättung nimmt das Ei immer merklich an Volumen ab. Es ist daher 
anzunehmen, dass aus ihm noch Wasser ausgestossen wird, und hiermit dürfte die Protuberanzen- 
bildung sowohl, als besonders das Auftreten und Wiederschwinden der peripherischen wasser- 
hellen Räume zusammenhängen. 

Es ist selbstverständlich, dass mit den beschriebenen Bewegungen in einem Oogonium 
eine Verschiebung der Eier gegeneinander stattfinden muss. Anfangs, nach eben geschehenem 
Zusammenrücken, ist in der Richtung derselben keine bestimmte Regel zu finden. Mit der Glättung‘ 
aber beginnt ein langsames Auseinanderrücken, welches dahin führt, dass sie sich in ziemlich, 
wenn auch nicht genau gleiche Abstände von einander ordnen, derart, dass bei geringerer Zahl 
alle, bei sehr grosser wenigstens die meisten der Wand nahe treten oder an diese anstossen, 
um dann zunächst ruhig liegen zu bleiben. Die letztgenannte Bewegung findet ihre mecha- 
nische Erklärung in “der eben besprochenen Wasserausstossung. Mit Eintritt der Ruhelage 
hat auch die Volumenabnahme aufgehört. 

Die Zeit, welche von beginnender Trennung bis zu vollendeter Glättung erforderlich ist, 


betrug in den beobachteten Fällen etwa 20 Minuten. Für einige der letzteren ist sie nebst 


LAoRaN = 


anderen auf vorstehende Beschreibung bezüglichen Details in der Tafelerklärung näher an- 
gegeben. Der Process der Ballung geht viel langsamer von statten; er kann stundenlang 
dauern; die ihm vorangehenden Stadien nicht minder. Die Geschwindigkeit des Verlaufes hängt 
augenscheinlich ab von den äusseren Vegetationsbedingungen. 

Während aller dieser Veränderungen im Oogonium hat sich in den ihm anliegenden 
Antheridien die anfangs den ganzen Raum ebenfalls gleichmässig erfüllende Protoplasma- 
masse zuerst zu einer wandständigen, einen wassererfüllten, manchmal durch Protoplasma- 
stränge gekammerten Mittelraum umgebenden Schicht gruppirt. Dieselbe ist trüb-durchscheinend, 
von glänzenden Körnern in individuell sehr verschiedener Zahl durchsät, enthält auch hie und 
da kleine blasse, zart umschriebene, runde, kernähnliche Körper, welche jedoch keineswegs 
immer erkannt werden können. Sie zeigt die bei protoplasmareichen Zellen gewöhnlichen, 
allseitig wechselnden Bewegungen, welche an der örtlich wechselnden Dicke der Schicht und 
der hin- und herströmenden Verschiebung der Körner erkannt werden. Formtheile von all- 
gemein bestimmter Gestalt und Anordnung sind in ihr nicht zu erkennen; insbesondere ver- 
dient der nach den Individuen sehr beträchtlich und ganz regellos ungleiche Körnerreichthum 
ausdrücklich hervorgehoben zu werden. 

Meist etwa 5—10 Minuten nach vollendeter Eiglättung, manchmal auch erst später, 
beginnen nun die meisten Antheridien an ihren Ansatzflächen schlauchförmige Ausstülpungen 
zu treiben, Befruchtungsschläuche, welche quer durch die Wand des Oogoniums ins 
Innere dieses dringen. Kleine Antheridien treiben einen Schlauch, grössere können deren 
zwei, selbst drei bilden (V, 12—19). Sind mehrere Antheridien am Oogonium vorhanden, 
so kann an einem oder dem anderen die Schlauchtreibung ausbleiben. Treten in ein Oogonium 
mehrere Schläuche ein, gleichviel, ob sie von demselben Antheridium kommen oder nicht, so 
beginnt ihre Bildung ohngefähr, aber nicht genau gleichzeitig. Die Orte der Ansatzflächen, 
an welchen die Schlauchbildung eintritt, sind vorher meistens nicht genau zu bestimmen ; 
insbesondere entsprechen sie nicht nothwendig den Tüpfeln der Oogoniumwand. Manchmal 
unterscheidet man allerdings schon während der Eiglättung an einer Ansatzfläche einen eircum- 
scripten runden Fleck und sieht dann an diesem den Schlauch entstehen; es muss aber auch 
hierbei meist unentschieden bleiben, ob der Fleck wirklich ein Tüpfel ist. Andererseits kommt 
es vor, dass ein Tüpfel wirklich im der Ansatzfläche liegt, der Schlauch aber nicht durch ihn, 
sondern daneben eindringt. In den allermeisten Fällen aber konnte ich von prädestinirten 
Orten nichts wahrnehmen. 


Jeder Schlauch beginnt als- ein cylindrischer, an seinem Ende breit abgerundeter, sehr 


— 264 — 


zartwandiger Auswuchs des Antheridiums, in welchen aus diesem dichtes, homogen trübes, nur 
einzelne und dann äusserst kleine Körnchen, keine Vacuolen enthaltendes Protoplasma eintritt. 
Diese Beschaffenheit verbleibt dem Schlauche während seiner demnächst eintretenden Wachs- 
thumserscheinungen und Veränderungen. 

Tritt nur ein Schlauch ein und ist nur ein Ei vorhanden, so wächst jener gerade auf 
letzteres zu und presst sich demselben mit seinem stumpfen Ende, manchmal etwas conisch 
verbreitert, fest auf (V, 18), während kurzer Zeit so innig, dass oft die Grenze zwischen 
beiden Theilen verschwunden zu sein scheint. Nach wenigen Minuten aber tritt am Rande 
der Aufsatzstelle eine Aussackung hervor, welche ihrerseits wiederum rasch zu einem Schlauch 
auswächst, anfangs wohl immer sich auf der Eioberfläche fortschiebend, später, wenn Raum 
vorhanden, wohl auch von der Eioberfläche nach anderer Richtung abbiegend. Dieses Wachs- 
thum dauert mindestens mehrere Stunden, es ist in der ersten Zeit am lebhaftesten, der 
Schlauch erreicht eine beträchtliche, dem ÖOogoniumdurchmesser mindestens gleichkommende 
Länge und wächst dann nicht mehr; er zeigt nun stundenlang überhaupt keine nennens- 
werthen Veränderungen, wovon nachher noch die Rede sein wird. Sobald die Aussackung am 
Rande der Ansatzstelle begonnen hat, tritt auch die Grenze zwischen Schlauch und Ei wieder 
scharf hervor; es sieht aus, als sei der Schlauch erst auf das Ei hin und dann seitwärts aus- 
biegend und über dessen Oberfläche gleitend weiter gewachsen. 

Wenn mehrere Eier vorhanden sind und es tritt nur ein Schlauch ein, so wächst dieser 
erst auf das nächste Ei hin und verhält sich hier wie im vorigen Fall, die Aussackung wächst 
dann, über das erste hingleitend, zum zweiten, und so geht es, im Falle der Mehrzahl, fort 
von einem zum andern. Liegt, wie zuweilen vorkommt, ein noch unberührtes Ei seitwärts 
von dem Wege, welchen der Schlauch erst eingeschlagen hatte, so sieht man diesen oft 
plötzlich gegen jenes hin abgelenkt werden, um nach ihm hin zu wachsen und mit ihm in 
Vereinigung zu treten (vgl. V, 16). Auf jedem Ei wiederholen sich die für den ersten 
Fall beschriebenen Erscheinungen; über das letzte hinaus verlängert sich die Aussackung zu 
einem gewöhnlich noch recht lang werdenden und in dem Oogoniumraum irgendwo frei 
endigenden Schlauche. Bei starken mehreiigen Exemplaren kann sich der Befruchtungs- 
schlauch nach seinem Eintritt ins Oogonium verzweigen. Ich sah dieses nur in der Form 
geschehen, dass an der Ansatzstelle an das erste Ei zwei Aussackungen entstanden. Jede 
derselben zeigt dann das oben für den einfachen Schlauch beschriebene Verhalten und beide 
theilen sich in die vorhandenen Eier, derart, dass der aus der einen erwachsene Schlauch, 


wenn er auf ein mit dem anderen schon in Verbindung getretenes Ei trifft, sich auf dieses 


— 265 . — 


nicht ansetzt, sondern über dasselbe hingleitend, seinen Weg fortsetzt, bis er auf das nächste 
noch unberührte trifft. Dass Verzweigung auch an anderen Orten des Wegs eines Schlauchs 
eintreten kann, soll um so weniger in Abrede gestellt werden, als ich selber hierfür noch 
ein. Beispiel, freilich untergeordneter Bedeutung, anzuführen haben werde. 

Es ist nun zunächst zu fragen, welche Veränderungen in Schlauch und Ei eintreten, 
wenn jener sich angesetzt hat. Letzteres wird anfangs oft durch den andrängenden Schlauch 
ein wenig fortgeschoben und kann durch diese Bewegung seine eventuellen Nachbarn mit ver- 
schieben. Bald ist aber zwischen beiden Theilen feste Verbindung vorhanden, eine scharfe 
Grenze an der Ansatzfläche des Schlauches oft kaum zu erkennen, wie schon oben bemerkt 
wurde, und in dem Ei selbst weichen jetzt in manchen Fällen die Körner des Protoplasma 
von der Ansatzstelle zurück, derart, dass an dieser in der dunkel körnigen Masse ein homogen- 
farbloser linsenförmiger Abschnitt erscheint. Oft ist diese Erscheinung allerdings nicht zu 
bemerken, und wo sie vorkommt, ist der körnerfreie Abschnitt je nach den Individuen sehr 
verschieden breit und deutlich. Einmal, in dem Fig. 12—16, Taf. V, abgebildeten cylin- 
drischen Ei, sah ich denselben sogar an einem entfernten Orte der Peripherie auftreten und 
dann rasch nach der Ansatzstelle hin rücken. Der aufsitzende Schlauch ist, wie schon oben 
erwähnt, immer von fast homogenem Protoplasma ganz erfüllt. In diesem fällt manchmal auf, 
dass sich die äusserst kleinen Körnchen in eine Linie ordnen, welche senkrecht auf die Ansatz- 
fläche hinläuft. Man sieht auch, wie Körnchen nach und nach verschwinden; aber dass 
sie in das Ei einwandern ist niemals zu sehen. 

Nach kurzer Zeit tritt dann immer wieder die scharfe Grenze zwischen Schlauch und Ei 
hervor und die beschriebene Aussackung jenes beginnt. In den farblosen Abschnitt des Eies treten 
die Körner seines Protoplasmas langsam wieder ein, um nach einigen Minuten die ursprüng- 
liche gleichförmige Vertheilung durch den Eiraum anzunehmen. Den centralen Kernfleck 
konnte ich während dieser Vorgänge oft zeitweise nicht wahrnehmen, möchte aber hierauf 
vorläufig kein grosses Gewicht legen, weil bei der grossen Undurchsichtigkeit der Eier kaum 
sicher zu entscheiden, ob er abwesend oder nur verdeckt ist. — Eine zarte Cellulosemembran 
umgibt das Ei jedenfalls nach Anlegung des Schlauches; vorher konnte ich sie in den unter- 
suchten Fällen nicht nachweisen. 

Die direct sichtbaren Erscheinungen der Wechselwirkung zwischen Schlauch und Ei 
beschränken sich hiernach auf eine feste Berührung beider und auf die beschriebenen Ver- 
schiebungen im Protoplasma. Möglich wäre hiernach doch noch eine sehr enge, aber immerhin 


optisch nachweisbare offene Communication zwischen beiden. Um über solche ins Klare zu 
Abhandl. d. Senckenberg. naturf. Ges. Bd. XIT. 36 


— 266 — 


kommen, wurden geeignete Exemplare mehrfach im Momente des festesten Aufsitzens des 
Schlauches getödtet, immer mit dem gleichen Erfolg: das aufsitzende Ende des Schlauches 
zeigte sich immer geschlossen, Zumal bei Einwirkung verdünnter Chlorzinkjodlösung nimmt, 
in Folge der Wasserentziehung, der Schlauch nach allen Richtungen an Grösse ab. Sein auf- 
sitzendes Ende blieb hierbei nie mit dem Ei in Verbindung, sondern trennte sich von diesem 
und zog sich relativ weit zurück, umgeben von zarter, aber völlig geschlossener Membran. 

Auf die beschriebenen Erscheinungen folgt nun rasch merkliche Verdickung der Membran 
und Beginn des Heranreifens der Eier zu Oosporen, von welchen Vorgängen im 12. Paragraphen 
die Rede sein wird. 

Es erübrigt noch, die Schläuche und die mit ihrer Entwicklung verbundenen Veränderungen 
im Antheridium bis zu ihrem Ende zu verfolgen. 

Wie schon angegeben wurde, wächst die Aussackung, welche ein Schlauch an seiner Ver- 
einigungsstelle mit dem letzten, eventuell also auch dem einen ihm zugänglichen Ei treibt, ebenfalls 
aus zu einer schlauchförmigen Fortsetzung jenes, welche in Kürze sein Anhang, Appendix genannt 
sein möge. Dieser erreicht eine Länge, welche dem Durchmesser einer Oospore selten nach- 
steht, denselben vielmehr meistens und selbst beträchtlich übertrifft; nicht selten treibt er auch 
einen oder den andern ihm gleichen Zweig. Sein Längenwachsthum ist in den ersten Stunden 
nach seiner Anlegung am stärksten; später geht es langsam und unbedeutend von statten; 
nach höchstens S—10 Stunden dürfte es wohl immer sein Ende erreicht haben. Der Weg, 
welchen er bei seiner Streckung einschlägt, geht anfangs wohl immer an der Oberfläche des 
letztberührten Eies her, auf welcher er sich gleitend vorwärts schiebt; nachher tritt er, wenn 
Platz vorhanden, oft in den freien Raum des Oogoniums, dort gerade fortwachsend bis er durch 
Anstossen an die Wand oder an andere Eier zu Krümmungen der verschiedensten Einzelformen 
genöthigt wird; Krümmungen, welche genaue Bestimmung seiner Länge, resp. Längenzunahme 
unmöglich machen. Dass er hierbei auch zwischen die Eier gerathen kann, bedarf kaum der 
besondern Erwähnung. Sehr selten kommt es vor, dass ein Appendix die Oogoniumwand durch- 
bohrt und ins Freie wächst (V, 17). Die grosse Seltenheit dieses Vorkommens führte, beiläufig 
beierkt, zur Auffindung des Verschlossenseins der vermeintlichen Löcher in der Oogoniumwand. 
Wäre diese mit Löchern regelmässig versehen, so müssten die Schläuche sehr oft aus diesen hervor- 
wachsen. Der Anhang ist gleich dem ganzen übrigen Schlauch mit einer sehr zarten Cellulosemem- 
bran bekleidet, und zwar überall, auch über seinem stumpf abgerundeten Ende, und bleibt an 
diesem durch die Membran zeitlebens verschlossen (V, 17, 19; auch VI, 2). Es 


ist allerdings oft recht schwer, an stark gekrümmten und durch Eier mehr oder minder ver- 


deckten Schläuchen selbst unmöglich, hierüber ins Klare zu kommen; allein in allen Fällen, 
wo eine sichere Beobachtung überhaupt möglich war, blieb nicht der mindeste Zweifel. Günstige 
Exemplare lassen die geschlossenen Schlauchenden bis zur vollen Reife der Oosporen tagelang 
wahrnehmen. 

Wie schon angegeben wurde, ist der Schlauch zu Anfang immer dicht erfüllt von trübem, 
kaum oder höchst fein körnigem Protoplasma, und diese Beschaffenheit verbleibt ihm und dem 
Appendix auch nach starkem Längenwachsthum, mit der Modification, dass später in der Mitte 
öfters kleine Vacuolen, hie und da auch einzelne derbere Körnchen auftreten können. Das 
Protoplasma wandert in den Schlauch aus dem Antheridium; in dem Maasse als jener wächst, 
entleert sich dieses, so zwar, dass die in ihm wie erwähnt oft reichlich vorhandenen Körner nicht 
als solche in den Schlauch treten, sondern sich an der Eintrittsstelle bis zur Unkenntlichkeit 
zertheilen. Niemals findet jedoch eine völlige Entleerung des Antheridiums statt. Die Wand 
dieses bleibt vielmehr immer ausgekleidet von einer ununterbrochenen Protoplasmaschichte, die 
je nach dem Einzelfall verschieden mächtig, manchmal sehr zart sein kann. Der Mittelraum 
wird von wässeriger Flüssigkeit erfüllt. Ist der Schlauch sammt seinen Appendices dem Ende 
des Längenwachsthums nahe, so beginnt auch in ihm das Protoplasma um einen continuirlichen 
wässerig erfüllten Mittelraum wandständig zu werden. Nach vollendetem Wachsthum tritt auch 
in ihnen rasch — augenscheinlich in Folge irgend eines Zersetzungs- vielleicht Verbrennungs- 
processes — ein Schwinden des Protoplasmas ein. Dieses kleidet alsbald nur als zarte, stellen- 
weise Verdickungen zeigende Schichte die Wand aus; der ganze Schlauch kann hierdurch so 
durchsichtig werden, dass einige Uebung und Aufmerksamkeit dazu gehört, um ihn überhaupt 
wahrzunehmen oder von Anfang bis Ende zu verfolgen. Gegen die Reifezeit der Oosporen hin 
tritt dann wirkliches Schwinden der Schläuche ein, sie werden mehr und mehr unkenntlich, 
und auch die Antheridien beginnen augenscheinlich, und unter oft lebhafter Betheiligung der 
nie fehlenden Bacterien, der Zersetzung anheimzufallen, blasser, zartwandiger zu werden, in zu- 
nehmendem Contraste mit den noch lange unverändert bleibenden Wänden der Oogonien und 
ihrer Träger. 

Die vorstehende Darstellung gibt die Resultate einer Anzahl an ganz günstigen lebenden 
(in Hängetropfen cultivirten) Exemplaren angestellter Beobachtungen, welche fast alle durch 
alle Stadien von der Ballung der Eier bis zur Reifung der Oosporen verfolgt wurden. Solche 
Exemplare sind nicht gerade häufig zu finden, denn es gehört dazu die Aufsuchung solcher, 
welche nicht nur vor Beginn der beschriebenen Vorgänge der Beobachtung günstige Lage, 


Grösse u. s. w. haben, sondern bei welchen auch nachher die Richtung, in welcher die Schläuche 


an) 


wachsen, eine scharfe Beobachtung möglich macht. Da man nie vorher bestimmen kann, welches 
diese Richtung sein wird, da dieselbe thatsächlich sehr oft zu Verdeckung der Schläuche durch 
Eier führt, und eine Drehung der Objeete ohne Gefahr einer Entwicklungsstörung nicht vor- 
genommen werden kanı, so bleiben viele unter den anscheinend besten Auspicien begonnene 
Beobachtungen, wenn sie auch vom Anfang bis zum Reifestadium durchgeführt waren, unvoll- 
ständig, weil sich eben irgend ein Stück eines Schlauches der Beobachtung entzog. Alles 
jedoch, was bei solch minder vollständigen Beobachtungen, was ferner bei der Vergleichung 
der verschiedensten nebeneinander vorkommenden einzelnen Entwicklungszustände, ihrer Behand- 
lung mit Reagentien gefunden wurde, stimmt mit vorstehender Darstellung aufs vollständigste 
überein. 

Dasselbe gilt auch, mutatis mutandis, für alle die häufigen Fälle, welche von den bisher 
allein berücksichtigten einfachsten dadurch verschieden sind, dass nicht ein, sondern 2 bis 
mehr Antheridien an, und nicht ein, sondern zwei bis viele Befruchtungsschläuche in ein Oogonium 
treten. Hier sind gewöhnlich die Verdeckungen einzelner Theile durch andere so zahlreich, 
der Verlauf der sich krümmenden, zwischen die Eier drängenden und zwischen diesen durch 
wachsenden Schläuche gleichzeitig nach so verschiedenen Richtungen gehend, dass ein ganz 
klarer Ueberblick über alle Einzelheiten einfach unmöglich wird. Was die somit immer stück- 
weise Beobachtung ergibt, stimmt aber mit dem oben Dargestellten wiederum so vollständig 
überein, dass ausgesagt werden muss, dass sich die zu mehreren in ein Oogonium getretenen 
Schläuche hinsichtlich ihres Ansatzes an die Eier und des Auswachsens der Appendices ver- 
halten wie die oben geschilderten Aeste des Einen. Sie setzen sich an ein noch intactes Ei, 
welches sie erreichen, an und gleiten über nicht mehr intacte weg. Die endlosen Combinationen 
und Specialfälle, welche sich hiernach, nach Zahl der Eier, Antheridien und Schläuche ergeben, 
bedürfen wohl keiner Einzelbesprechung. 

Bei Mehrzahl der an ein Oogonium herantretenden Antheridien kommt zuweilen, jedoch 
selten, eine Erscheinung vor, welche besonderer Erwähnung verdient. Während nämlich die 
einen Antheridien in der beschriebenen Weise ihre Schläuche ins Innere des Oogoniums schicken, 
ist dies für andere nicht der Fall; sei es, dass sie aus räumlichen Gründen die Oogonium- 
wand überhaupt nicht erreichen, sondern sich an ein anderes Antheridium anlegen, sei es aus 
anderer, nicht zu ermittelnder Ursache. Solche Antheridien können ganz ohne Schlauchbildung 
bleiben. Einzelne Male aber sah ich sie auf ihrer dem Oogonium abgekehrten Fläche einen 
Schlauch treiben, welcher frei ins umgebende Wasser wuchs, im übrigen den ins Oogonium 


dringenden sammt ihrem Appendix in Gestalt und Grösse ganz ähnlich wurde. Auch das 


— 269 — 


schliessliche Schwinden des Protoplasmas, das Blasswerden von Schlauch sammt Antheridium 
trat hier ebenso schnell ein wie in- den normalen Fällen. Fig. 1, 2, Taf. VI nebst der zu- 
gehörigen Erklärung gibt über Detailverhältnisse nähere Auskunft. Auch hier wurde mit voller 
Sicherheit constatirt, dass das Ende der Schläuche durch die zarte Membran völlig geschlossen 
blieb, bis, nach etwa 48 Stunden, der ganze Schlauch durch Zersetzung unkenntlich wurde. 
Oogonien ohne anliegende’Antheridien und eindringende Befruchtungsschläuche habe ich 
bei den Tausenden der untersuchten Exemplare von $. monoica nie gefunden. Andere Formen 
der Ferax-Gruppe, von denen ich 8. Thureti und S. torulosa untersuchte, haben aber bekanntlich 
Oogonien, welche ohne jede Berührung mit Antheridien ihre Oosporen reifen. Die Entwick- 
lung dieser Organe durch alle Stadien an einem Individuum lückenlos zu verfolgen ist leicht. 
Das Resultat der hierauf gerichteten Untersuchungen kann in die wenigen Worte zusammen- 
gefasst werden, dass die Entwicklung hier in allen Einzelheiten bis zur Reife der Oosporen 
genau so vor sich geht, wie oben beschrieben wurde, mit alleiniger Ausnahme der von den Anthe- 
ridien herrührenden Complicationen. Die Figuren 1—7, Taf. V und 3—12, Taf. VI werden dies 
zur Genüge darthun. Sie konnten schon zur Erläuterung der obigen Darstellung benutzt werden, 
und sind für diese lediglich wegen der grössern Leichtigkeit ihrer Ausführung gewählt worden. 
Selten wurde bei $. Zorulosa beobachtet, dass ein Antheridium sich an ein Oogon anlegte 
ohne einen Befruchtungsschlauch zu bilden, oder dass ein Schlauch in ein mehreiiges Oogon 
eintrat ohne mehr als höchstens ein Ei zu erreichen. Die Eier selbst reiften in allen diesen 
Fällen normal. Fig. 13 und 14, Taf. V nebst ihrer Erklärung werden zur Schilderung dieser 


Erscheinungen hinreichen ; die Bedeutung derselben wird weiter unten erörtert werden. 


8. Saprolegnia asterophora. 
(VI, 18—29.) 

Saprolegnia asterophora stimmt mit den Formen der Ferax-Gruppe in den meisten 
Punkten so sehr überein, dass die Angaben über sie, mit Beziehung auf die für letztere 
gegebene ausführliche Darstellung kurz gefasst und hauptsächlich auf die Hervorhebung der 
wenigen Besonderheiten eingeschränkt werden können. 

Nachdem die Pflanze zuerst Zoosporangien gebildet hat, welche oft relativ klein, jedoch 
nicht scharf von denen der S. monoica zu unterscheiden sind, treten an ihren Schläuchen dünne, 
cylindrische, meist gekrümmte Zweige auf, welche Oogonien bilden. Häufiger noch als bei 
S. monoica wachsen solche Zweige, als Ausstülpungen der unteren Querwand, in leere Zoosporangien 


hinein, um entweder durch die offene Mündung dieser wieder heraus zu wachsen und dann 


— 2107 — 


Oogonien zu bilden, !) oder letztere (sammt Antheridien) in dem leeren Sporangienraume 
selbst zu erzeugen. In letzterem Falle sind die genannten Organe oft in den engen Raum 
eingezwängt und dementsprechend missgestaltet, dabei aber in allen wesentlichen Eigenschaften 


gleich den frei entwickelten, von denen nunmehr allein die Rede sein wird. 


Die Oogonien entstehen in der Regel terminal als Anschwellungen der Zweigenden. Der 
Modus ihrer Bildung und schliesslichen Abgrenzung durch eine Querwand ist derselbe, wie bei 
S. ferax, nur mit dem Unterschied, dass ihre Oberfläche nicht glatt gerundet ist, sondern, 
vom Beginn des Anschwellens an, stumpf conische Aussackungen treibt; erst wenige, in 
unregelmässigen Abständen von einander und regelloser Anordnung, mit zunehmender Schwel- 
lung successive neue zwischen den ersten, so dass schliesslich die ganze Oberfläche aus solch 
conischen Aussackungen besteht, welche radial divergiren und mit ihren Basen in gerundeten 
Buchten aneinanderstossen (Fig. 13—21). Wie ein Blick auf die Abbildungen anschaulich 
machen wird, sind specielle Gestalt, relative Grösse und Zahl der Aussackungen individuell 
höchst verschieden. Nöthigenfalls kann man nach diesen Verhältnissen zwei Hauptformen der 
Oogonien unterscheiden: kleinstrahlige, mit Fortsätzen, welche kaum höher als breit sind und 
Buchten von geringerer Breite, als ihre eigene ist, zwischen sich lassen (z. B. Fig. 29); und 
grossstrahlige mit relativ längeren, durch breitere Buchten getrennten, also minder dicht 
gestellten Aussackungen (z. B. Fig. 27). Beide Formen, sowie intermediäre aller Grade 
kommen übrigens bunt nebeneinander vor. — Manchmal tritt die das Oogonium abgrenzende 
Querwand weiter oben auf, als die unteren Aussackungen des anschwellenden Endes, der Träger 
des Oogoniums ist alsdann mit entsprechenden Fortsätzen versehen ; gewöhnlich ist er zunächst 
unter dem Oogonium glatt. 


Wenn das Oogonium seine Grösse nahezu, aber nicht vollständig erreicht hat, beginnt an 
seinem Tragfaden die Bildung von Nebenästen, welche durchschnittlich ‘die gleiche Dicke wie 
dieser erhalten (Fig. 20). Die obersten derselben stehen meistens, doch nicht immer, von 
der Insertionsstelle des Oogoniums um die ein- oder zweifache Länge seines Durchmessers 
entfernt. Ihre Zahl an einem Tragfaden wechselt von 1 bis 6 und wohl noch höherer Ziffer, 
ihre Anordnung im Falle der Mehrzahl folgt keiner allgemeinen Regel, ihre Länge wechselt 
aufs mannichfaltigste, die grösseren können wiederum gleichartige Zweige. treiben. Allgemeine 
Regel ist bei einigermaassen grösserer Länge wellige oder schraubige Krümmung, welch letztere 


durch einseitigen Druck gefördert zu werden scheint: fremde Körper, Algenfäden, andere 


!) Vgl. Fig. 25, 26 meines cit. Aufsatzes von 1858. 


=, 


gleichnamige Zweige werden von den Aesten nicht selten schraubig umschlungen. Ein oder 
zwei Nebenäste endlich werden, in den zunächst zu betrachtenden regulären Fällen, gewöhnlich 
zu Trägern der Antheridien (Fig. 21, 24). Sie wachsen unter den beschriebenen Krüm- 
mungen an das terminale Oogonium und ihr etwas anschwellendes, schief keulenförmiges Ende 
grenzt sich als Antheridium ab, wie bei S. monoica. Eine bestimmte Stellung der Antheridien- 
träger zu den nicht antheridientragenden Nebenästen des gleichen, in ein Oogonium endigenden 
Fadens ist nicht zu unterscheiden. 

Der beschriebene Ursprung der Antheridienträger findet als der häufigste statt; er ist 
jedoch hier ebensowenig, wie bei S. monoica, allgemeine Regel; vielmehr können Oogonium 
und zugehöriges Antheridium je auf den Enden kurzer, nahe bei einander von demselben 
Hauptfaden entspringender Seitenäste stehen, oder die an einem Oogonium befindlichen Anthe- 
ridien sogar solche Nebenäste endigen, welche weit von dem das Oogonium tragenden .ent- 
springen, selbst von Fäden, die mit letzteren nicht einmal auf denselben Hauptstamm zurück- 
geführt werden können. 

Die Anlegung der Antheridien an das Oogonium erfolgt ohngefähr zur Zeit der Abgren- 
zung dieses durch die Querwand; ob constant nach Auftreten der letzteren, war nicht sicher 
zu entscheiden. Der Ort ihrer Anlegung ist insoweit bestimmt, als er gewöhnlich in der 
unteren, d. h. der Querwand zugekehrten Hälfte des Oogoniums liegt, und das Antheridium 
immer in eine der Buchten zwischen den Aussackungen eingeschoben ist. Und zwar ist 
jenes hier dem Grunde der Bucht mit seiner Endfläche, nicht mit einer Seitenfläche, auf- 
gepresst und angewachsen. Die Bucht, welche das Antheridium aufnimmt, wird, in Folge der 
Einschiebung dieses, entsprechend breiter als die übrigen. z 

Wie bei S. monoica, folgt auf die Vereinigung und Abgrenzung von Oogonium und 
Antheridium zunächst Verdickung der Wände beider. Diese werden in dem Oogonium ringsum 
ohngefähr gleich stark, nur dass öfters die Enden der Aussackungen und die Querwand etwas 
bevorzugt sind. Tüpfel sind nicht vorhanden; auch an der Ansatzfläche des Antheridiums 
konnte ich die Wand nicht dünner finden, als im übrigen, will jedoch hierüber nicht ab- 
urtheilen, weil eine scharfe Entscheidung wegen der complieirten Reliefverhältnisse kaum 
möglich ist. — Protoplasma und Inhalt haben in beiden Organen die gleiche Beschaffenheit 
wie bei S. monoica; insbesondere gilt dieses von den Oogonien durch alle Entwicklungsstadien 
bis zur Glättung der Eier. Die der letzteren Erscheinung vorhergehende Abstossung und 
Wiedereinschluckung von Protoplasmastücken tritt bei S. asterophora weniger auffallend hervor, 


als bei den Ferax-Formen, findet jedoch ebenfalls statt. 


Es ist wohl nicht ganz überflüssig, hervorzuheben, dass während der Periode der Sonde- 
rung der hier auch die Aussackungen füllenden wandständigen Protoplasmaschicht von dem 
wassererfüllten Mittelraum in jenem die gleichen wechselnden Vacuolen auftreten, wie bei den 
Ferax-Formen. Sie erscheinen in der entsprechenden Flächenansicht als helle Flecke. Ganz 
ähnliches Ansehen haben bei bestimmter Einstellung diejenigen Aussackungen des Oogoniums, 
- welche nach dem Beobachter zu gerichtet sind, von diesem daher im Querprofil gesehen 
werden. Es sind also hier zweierlei, wesentlich verschiedene, übrigens auch leicht zu unter- 
scheidende »helle Flecke« bei Betrachtung einer Flächenansicht vorhanden. 

Wie ich schon früher beschrieben habe, bildet 8. asterophora in einem Oogonium gewöhn- 
lich nur ein Ei, seltener zwei, selten drei; vier und selbst fünf sah ich nur einige Male. Für 
den erstgenannten gewöhnlichen Fall ist anzugeben, dass der Ort der Ballung niemals die 
Ansatzstelle eines Antheridiums, im übrigen ebensowenig fest bestimmt ist, als bei S. monoica. 

Die Vorgänge im Innern des Oogoniums sind bei der vorliegenden Species in Folge des 
Vorhandenseins der Ausstülpungen nicht ganz leicht zu beobachten; doch gelingt es, bei wenig 
dichtstrahligen, günstig gelegenen Exemplaren mit einem Antheridium und einem Ei, wesent- 
lich das Gleiche wie bei $. monoica zu constatiren. Nach Glättung des Eies wächst von der 
Ansatzfläche des Antheridiums aus ein Schlauch gerade auf jenes zu, presst sich mit der Spitze 
ihm fest an und sackt sich dann zu dem über die Eioberfläche gleitenden Schlauchanhang 
aus, welcher binnen 1—2 Stunden sechs- und mehrmal länger als breit werden kann 
(Fig. 24—28). Er wird in dem Maasse, als er wächst, blasser, durchsichtig, so dass, wegen 
der Verdeckung durch die Aussackungen, sein Verhalten in späteren Stadien nicht ganz scharf 
zu erkennen ist; soweit letzteres möglich war, konnte keine Verschiedenheit von 8. monoica, 
insbesondere niemals eine Oeffnung des Schlauches, gefunden werden. Unmittelbar nach 
Ansatz des Schlauches ist das Ei von einer — durch Chlorzinkjod abtrennbaren und blass- 
violett werdenden — Cellulosemembran umgeben. Der Schlauch selbst verkürzt sich unter 
Einwirkung dieses Reagens und trennt sich, völlig geschlossen, von dem Ei ab, wie bei $. monoica 
(Fig. 28). 

Abweichungen von dem beschriebenen, durch Anlegung von schlauchtreibenden Anthe- 
ridien an das Oogonium charakterisirten regulären Verhalten kommen bei $. asterophora vor. 

Erstlich muss ich erwähnen, dass ich mehrfach Exemplare fand, bei welchen Antheridien 
zwar vorhanden, ein’ Schauch aber bei dauernder Beobachtung und schliesslicher Anwendung 
von Reagentien nicht zu finden war. Bei den erwähnten Beobachtungsschwierigkeiten ist es 


allerdings nie ganz unbedenklich, die Anwesenheit des blassen, zarten Schlauches bestimmt in 


Tan 


Abrede zu stellen. Doch beziehe ich mich auf Beobachtungen, bei welchen auch in dem 
Protoplasma des Antheridiums nach 24 Stunden keine erhebliche Veränderung, insbesondere keine 
Verminderung nachzuweisen war. Die Reifung der Oosporen geht bei solchen Exemplaren 
wie bei schlauchtreibenden, normal vor sich. Vielleicht stellt Fig. 27 meiner früheren Arbeit einen 
hierher gehörigen Fall dar; jedenfalls kann dieselbe zur Veranschaulichung des Gesagten dienen. 

Eine audere Abweichung von der Regel kommt, neben dieser und an denselben Stöcken, gar 
nicht selten vor, nämlich völliges Ausbleiben der Antheridien bei normaler Oosporenentwick- 
lung. Auch für diesen Fall gilt hier alles bei den Formen der Ferax-Gruppe Gesagte, mit 
dem Hinzufügen, dass Nebenäste ganz fehlen oder in der verschiedensten Zahl und Form, nur 
ohne Antheridien zu bilden, an dem Tragfaden des betreffenden Oogoniums’ entspringen können. 


Die Figur 29 veranschaulicht einen hierher gehörigen Fall. 


9. Achlya prolifera und A. polyandra. 
(10 1y41 193) 

Von den grösseren Ach !ya-Arten kamen zwei zur Untersuchung. Mit der Bestimmung derselben 
bin ich in einiger Verlegenheit, weil keine von beiden auf vorhandene Beschreibungen vollständig 
passt. Doch glaube ich nicht zu irren, wenn ich in der einen Hildebrand’s und Pringsheim’s 
A. polyandra wiedererkenne, ich führe sie daher unter diesem Namen an. Die andere nenne 
ich A. prolifera, weil sie, soweit meine Erfahrung reicht, die häufigste der unter diesem 
Namen möglicherweise confundirten einander ähnlichen Formen, aller Wahrscheinlichkeit nach 
daher diejenige ist, welcher der Name von Rechts wegen zukommt. Beide Arten stimmen in 
Wuchs, Verzweigung, Sporangien- und Sporenbildung vollständig mit einander überein; ich kann 
daher bezüglich aller dieser Dinge auf frühere Beschreibungen!) verweisen, wobei hervorzuheben 
ist, dass Hildebrand’s Angabe, -dass die unter einem entleerten Sporangium vorsprossenden 
Seitenzweige keine neuen Sporangien bilden, für die von mir untersuchte Form nicht, d. h. 
nicht mehr und nicht weniger zutrifft als für die alte A. prolifera. Auch die Anordnung der 
Oogonien folgt bei beiden Arten den gleichen Regeln (I, 1, IV, 1, 5). Die meisten derselben 
stehen einzeln auf dünnen, kurzen, abstehenden Seitenästchen, welche in grosser Zahl und in 
racemöser Anordnung, von den starken, über das Substrat vortretenden. Schläuchen des Pilzes 
entspringen, in nicht streng regelmässiger, zumal bei A. prolifera nicht selten basipetaler Ent- 
wicklungsfolge. Von den also mit kurzgestielten Oogonien seitlich besetzten Schläuehen 
bilden die meisten in der bekannten Weise auf ihrem Scheitel Zoosporangien, und zwar geht 


ı) Vgl. Bot. Ztg. 1852 1. c. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 37 


— 274 — 


die Ausbildung dieser in der Regel dem Auftreten der Oogonien vorher, sie sind daher ent- 
leert, wenn letztere in Entwicklung stehen. Andere solche Schläuche endigen selbst in ein 
Oogonium (IV, 3); noch andere bleiben an ihrem Scheitel steril oder wachsen mit demselben in 
einen der zu beschreibenden vielverzweigten Nebenäste aus. Innerhalb dieser Regeln kommen 
unzählige Specialformen vor, je nach der Stärke, der Verästelung der Zweige verschiedener 
Ordnungen, der Länge der Oogonienstiele u. s. w. Auch intercalare Oogonien sind im All- 
gemeinen nicht selten, an einzelnen Exemplaren sehr zahlreich. Gut ernährte Exemplare 
aber lassen die Regel immer hervortreten und erhalten durch die zahlreichen den Haupt- 
schläuchen seitlich aufsitzenden Oogonien ein schon für das blosse Auge ganz charakteristisches 
Ansehen. Auch dieses stimmt nicht mit Hildebrand’s A. polyandra ; andererseits aber kom- 
men bei meiner Form auf schwachen Hauptschläuchen terminale Oogonien vor, welche, 
sammt ihrer Antheridienbegleitung mit dem von Hildebrand für seine Form als typisch dar- 
gestellten und (l. c. Fig. 8) abgebildeten Specialfall vollkommen portraitähnlich sind. 

Den Oogonien legen sich die Enden dünner Nebenäste an, welche, sammt ihren reichen 
unregelmässigen Verzweigungen in mannichfaltigster Weise wellig kraus gekrümmt verlaufen. 
Dieselben entspringen von den starken Hauptschläuchen, meist seitlich, öfters aber auch ter- 
minal, insofern das Ende eines Hauptschlauches plötzlich sich verjüngend, in der oben schon 
angedeuteten Weise ‚als reich verzweigter Nebenast weiter wächst. Bei A. polyandra ent- 
springen die Nebenäste grösstentheils von denselben Hauptschläuchen, welche auch Oogonien 
tragen — jedoch nicht direct von den diesen als Stiele dienenden Seitenzweigen (IV, 5). Sie 
gehen dann theils zu Oogonien, welche von Aesten des gleichen Hauptschlauches getragen 
werden, theils zu solchen, welche einem andern Hauptschlauche entstammen. Das erstere, 
monöeisch oder androgynisch zu nennende Verhältniss ist anscheinend das überwiegend häufige, 
“das andere kommt jedoch auch öfters vor. In den einzelnen zur Beobachtung kommenden 
Fällen ist es nicht immer möglich, die Herkunft eines an einem Oogonium befindlichen Neben- 
astes mit Sicherheit zu ermitteln, weil die Nebenäste, wegen ihres vielfach verschlungenen 
Verlaufes sich oft decken oder bei der Präparation durchreissen. Uebrigens gelingt eine sichere 
Constatirung von Ursprung und Verlauf doch bei weitem in der Mehrzahl der Fälle, so dass 
über den Sachverhalt im allgemeinen kein Zweifel bestehen kann. 

Achlya prolifera verhält sich anders wie A. polyandra. Weitaus vorherrschend ist bei 
ihr wenigstens anscheinende Diöcie, d. h. von den Hauptschläuchen geben die einen nur Oogo- 
nien, die anderen nur Nebenästen den Ursprung (vgl. I, 1, 2). Letztere gehen von ihrem 


Träger nach allen Seiten ab, mit ihren Zweigen zwischen den benachbarten Schläuchen des 


— A — 


Rasens sich verbreitend, diese oft, jedoch nicht immer, längere Strecken weit eng schraubig 
umschlingend, endlich die Oogonien erreichend. Ein Nebenastträger kann auf diese Weise die 
Oogonien einer ganzen Anzahl benachbarter Hauptschläuche versorgen. Die Oogonien eines 
Hauptschlauches erhalten gewöhnlich Nebenäste von einer Mehrzahl von Nebenastträgern, ja 
selbst ein einzelnes Oogonium kann von Nebenästen umwachsen werden, welche verschiedenen 
Trägern enstammen. In einem kräftigen Rasen werden auf diese Art sämmtliche Haupt- 
schläuche durch die Nebenäste mit einander verbunden. 

Ob die beschriebenen Nebenast- und Oogonienträger jedesmal besonderen, je aus einer 
Spore stammenden, an allen ihren Hauptästen nur gleichnamige Organe producirenden Stöcken 
angehören; oder ob von den Hauptzweigen eines solchen Stockes die einen Oogonien, andere 
Nebenäste erzeugen können; ob daher die oben, und auch von Leitgeb für seinen sich ähnlich 
verhaltenden Distyuchus gewählte Bezeichnung Diöcie für das hier herrschende Verhältniss 
streng oder nur in Beziehung auf das Verhalten der Hauptschläuche zutrifft, konnte ich nicht 
mit Sicherheit entscheiden. Gewiss ist andererseits, dass auch bei A. prolifera ausnahmsweise 
Schläuche vorkommen, an welchen beiderlei Organe dicht neben einander entspringen. Die 
Nebenäste gehen dann mit ihren Verzweigungen theils zu den Schwesteroogonien, theils zu 
anderen, und jene können nicht minder andere als schwesterliche Nebenäste erhalten. — 

Die Entwicklung der Oogonien bis zur Glättung der Eier, die der Antheridien, der Bau der 
letzteren im fertigen Zustande, auch der Entwicklungszeitpunkt, in welchem die Nebenäste an 
die Oogonien treten sind in allen wesentlichen Punkten die gleichen wie bei S. monoica. Die 
Verschiedenheiten von dieser sind untergeordneter Art. Die hauptsächlichste derselben besteht 
darin, dass bei beiden Achlya-Species das Protoplasma des Oogoniums vor und während der 
Ballung der Eier eine weit grobkörnigere Vertheilung des Fettes erhält als bei Saprolegnia, 
indem die Körner zu grössern, unter einander ziemlich gleichgrossen, glänzenden Kügelchen 
zusammenfliessen. Während und nach der Ballung sind die Eier von diesen dicht erfüllt, daher 
viel undurchsichtiger als bei Saprolegnia, ein Kernfleck nicht deutlich sichtbar. Die Grösse der 
Eier ist im Verhältniss zu jener des Oogoniums durchschnittlich geringer als bei der Sapro- 
legnia, die Zwischenräume zwischen ihnen daher schon in den vorgeschrittenen Stadien der 
Ballung erheblich grösser wie bei dieser. Die Ausstossung und Wiedereinschluckung feinkör- 
niger Protoplasmaportionen nach der Trennung ist weit weniger auffallend wie bei Saprolegnia ; 
doch geschieht sie bei A. polyandra wie bei dieser, nur mit dem Unterschiede, dass die: aus- 
gestossenen Stückchen meist sehr klein sind; bei A. prolifera sah ich sie, wohl wegen der zu 


beschreibenden Umhüllung der Oogonien, nicht deutlich. Die Zahl der Eier resp. Oosporen 


— 216 — 


in einem Oogonium beträgt meist zwei oder mehr; eine einzige sah ich nur als seltenen Aus- 
nahmefall bei A. polyandra. Zuweilen kommt,. zumal bei dieser Species, die Anomalie vor, 
dass zwei oder mehrere bei der Ballung gesonderte Eier nach der Trennung wieder zu einem 
unförmlich gelappten Körper zusammenfliessen, der in dieser Form normale Oosporenreife 
erreichen kann. 

Die Gestalt der terminalen Oogonien ist bei beiden Arten ziemlich genau kugelig, oder 
kugelig mit scharf abgesetztem, kurzem cylindrischem Stielstück; seltener birnförmig; die der 
intercalaren mehr oder minder breit-tonnenförmig. - A. polyandra zeigt dabei zuweilen einzelne 
kurz conisch-warzenförmige oder grössere stumpf cylindrische Aussackungen der Wand. In 
dem Bau letzterer liegt der Hauptunterschied zwischen beiden Arten. Bei A. polyandra ist 
sie derb und ringsum überall gleich dick, mit Ausnahme der wenigen von Anfang an dünner 
bleibenden runden Flecke, an welchen sie später durch ‚die Befruchtungsschläuche durch- 
brochen wird, der oft auch dünnwandigern Spitzen der vereinzelten, zu allermeist ganz fehlenden 
warzenförmigen Aussackungen, endlich, in manchen, keineswegs den meisten Fällen der das. 
Oogonium abschliessenden Querwand, welche zapfenartig in den Innenraum ‚vorspringen und 
alsdann gewaltig verdickt sein Kann. — Bei A. prolifera kommt solche zapfenförmige verdickte 
Querwand gelegentlich auch vor (IV, 2). Die übrige Fläche der Wand aber ist bei dieser 
Species versehen mit meist sehr zahlreichen runden oder länglichen Tüpfeln. Diese geben, in 
den seltenen Fällen, wo grössere Flächenstücke der Membran frei sind, ganz dasselbe Profil- 
und Flächenbild wie die der Oogonien von Ferax-Formen (IV, 2). Bei den meisten Exemplaren 
sind sie wegen der zu beschreibenden Bedeckung weniger auffallend, oft ‚auch wirklich viel 
seichter, treten aber nach Einwirkung von Chlorzinkjod sehr deutlich hervor, als hellblaue 
Flecke, und oft so zahlreich, dass die dunkelviolett werdenden stärker verdickten Theile nur 
schmale Netzstreifen zwischen ihnen bilden. 


Oogonien, an welche sich gar keine antheridienbildende Nebenäste anlegten, habe ich,- 
bei sehr reichlichem Untersuchungsmaterial, weder an A. prolifera noch polyandra auffinden 
können. Selbst bei dem anscheinend antheridienfreien, in Fig. 2, IV gezeichneten Exemplar 
von A. prolifera lag ein Antheridium der dem Beobachter abgekehrten, hintern Seite an und 
hatte einen (nicht seinem ganzen Verlauf nach zu verfolgenden) Befruchtungsschlauch ins 
Innere getrieben. Die bisher als mit antheridien- und nebenastfreien Oogonien beschriebene 


A. prolifera *) ist daher entweder eine andere Form als die hier so benannte; oder sie ist 


!) Vgl. Lindstedt, 1. c. 


— 277 — 


das Product unvollständiger Untersuchung eines Gemenges von gesellig wachsender Achlya und 
antheridienfreier $. Thureti. Letzteren Argwohn möchte ich, nach meinen jetzigen Erfahrungen, 
ganz besonders aussprechen gegenüber meinen Angaben vom Jahr 1852 und den daran 
anknüpfenden anderer Autoren. Seine nähere Begründung wird sich aus einem spätern Ab- 
schnitt (15) ergeben. 

In dem Verhalten der an ein Oogonium gehenden Nebenäste und Antheridien treten, 
unbeschadet der schon hervorgehobenen allgemeinen Uebereinstimmung mit S. monoica, der 
Regel nach wiederum Differenzen zwischen beiden in Rede stehenden Achlya-Arten auf. A. poly- 
andra sei als die übersichtlichere zuerst beschrieben (vgl. IV, 5—9, 11). Ein oder meist 
mehrere (2—4) Nebenastzweige legen sich, bogig gekrümmt, um das Oogonium, ihr Ende wird 
wie bei $. monoica zu einer, oder auch zu zwei hinter einander stehenden Antheridien. Diese 
liegen dem Oogonium entweder mit ihrer ganzen concaven Seite fest an, oder nur vermittelst 
kleiner, füsschenartiger Fortsätze, welche sie zur Oogoniumwand treiben, und zwischen welchen 
eine Berührung mit letzterer nicht stattfindet. 

Sobald die Glättung der Eier fertig ist, wächst, wie bei $. monoica, von einem oder von 
mehr als einem Antheridium aus, je ein oder zwei Befruchtungsschläuche, die Wand durchbrechend, 
in das Oogonium hinein und, unverzweigt oder mit den Zweigen, in die sie sich gabeln, auf die 
nächsten Eier los. Der Schlauch wächst langsamer als bei $. monoica, er ist augenscheinlich 
derber als bei dieser, lässt gewöhnlich wandständiges, homogenes oder körniges Plasma und 
einen wasserhellen Mittelraum deutlich unterscheiden; diese Eigenschaften und der relativ grössere 
wassererfüllte helle Raum, welchen er im Oogonium zu passiren hat, lassen ihn hier viel 
leichter als bei Saprolegnia verfolgen, so lange er nicht zwischen die undurchsichtigen Eier 
tritt. Ist letzteres der Fall, so hört die sichere Beobachtung allerdings auf. Zahlreiche Exem- 
plare aber, bei welchen bei geringer Zahl der Eier und Antheridien nebst günstiger Profillage 
eine Verdeckung der Schläuche nicht eintritt, lassen den Sachverhalt klar erkennen. Der 
Schlauch wächst langsam, bis er ein Ei berührt. Er gleitet, nachdem er das erste getroffen, 
weiter wachsend, langsam über dessen Oberfläche, um ein zweites zu treffen, wie bei $. mo- 
noica, bleibt aber, nach Berührung mit 1—2 Eiern im Wachsthum gewöhnlich bald ein für 
allemal stehen, ohne sich weit über die getroffenen Eier hinaus zu verlängern. Doch ist das 
nicht ausnahmslose Regel; ich sah auch Schläuche zwischen den Eiern durch oder aussen um 
dieselben herum quer durch das ganze Oogonium wachsen. Eine Oefinung des Schlauches 
findet hier so wenig statt wie bei Saprolegnia; 15—20 Stunden nach seiner ersten Bildung 


beginnt er, sammt dem übrigen Antheridium blasser zu werden, um dann während der nächsten 


— 278 — 


1—2 Tage der Beobachtung mehr und mehr zu entschwinden. Die Berührung der Schläuche 
mit den Eiern scheint hier, soweit sich dergleichen bestimmen lässt, weniger innig zu sein als 
bei Saprolegnia. Auch von dem Auftreten eines hellen Flecks im Ei an der Berührungs- 
stelle sah ich nie etwas. Bald ach dem Auftreten der Schläuche haben die Eier, statt der 
zuerst allein vorhandenen Hautschicht, eine feste, durch Chlorzinkjod trennbare Cellulosemembran. 
Das Auftreten dieser hängt aber hier sicher nicht nothwendig ab von der Einwirkung der 


Schläuche, denn sie erschien aufs schönste an allen 4 Eiern eines vom Beginn der Eiballung 


an in Hängetropfencultur genau controlirten Exemplars, von dessen drei Antheridien — wohl 
in Folge irgend einer durch die Cultur verursachten Störung — während der 48stündigen 


Beobachtung keine einen ‚Schlauch bildete. 

Mit diesen an günstig beschaffenen Exemplaren gewonnenen Resultaten steht keine der 
wegen Verdeckung der Schläuche unvollständig gebliebenen Beobachtungen im Widerspruch. 
Von solchen sei noch die an grossen, vieleiigen und mehrere Antheridien erhaltenden Oogonien 
oft auffallende erwähnt, dass durch zahlreiche verzweigte vorzugsweise von einer Seite her kommende 
Schläuche sämmtliche Eier nach der entgegengesetzten Seite des Oogoniumraumes gedrängt werden. 

Bei Achlya prolifera (I, 1, 2, I, 2) zeigen manche Oogonien bezüglich der Umwachsung 
mit- Nebenästen und Antheridien kein von A. polyandra verschiedenes Verhalten. Die meisten 
aber, und darin beruht wenigstens der Regel nach ein Unterschied, werden von Nebenästen 
und deren Zweigen nach allen Richtungen hin dicht umklammert, bei üppigen Exemplaren oft 
lückenlos umhüllt. Eine Anzahl terminaler oder auch intercalarer Glieder dieser umhüllenden 
Zweige sind dann Antheridien, und diese verhalten sich sammt ihren Befruchtungsschläuchen 
wie bei A. polyandra und Saprolegnia. -Die bezeichnete Umhüllung ist es, welche hier eine 
genaue Beobachtung der Vorgänge im Innern des Oogoniums in hohem Grade, oft 'bis zur 
Unmöglichkeit erschwert. Immerhin gelang es, direet und sicher zu constatiren, dass diese 
Vorgänge hier die gleichen sind wie bei A. polyandra, also keiner nochmaligen Beschreibung 
bedürfen. 

10, Achlya spinosa. 
(IV, 13—18.) 

Achlya spinosa sei eine Pflanze genannt, welche Archer’s A. cornuta ‘) jedenfalls 

ähnlich, aber, wenn des Autors Beschreibung richtig, von ihr verschieden ist, den neuen Namen 


daher führen mag. 


t) Quart. Journ. of Micr. Science 1867, Vol. VII, p. 121. 


— Fe) 


Die Pflanze ist merkwürdig genug, um die Einschaltung einer kurzen Gesammt- 
beschreibung hier zu rechtfertigen. Sie fand sich zuerst, mit Saprolegnia monoica und 
A. polyandra, auf einer todten Fliege zwischen Algen und Sphagnum aus der Gegend des 
Titisees im Schwarzwald und wurde dann in Reinculturen, auf todten Insecten und todten 
Pflanzentheilen (Kartoffelstengeln, Nymphaea-Blattstielen, Kressenblättern) reichlich vermehrt. 
Ihre Thallusschläuche dringen ins Innere des Substrats und treiben dann über die Oberfläche 
dieses zahlreiche, dichte Rasen bildende, ihrerseits in wiederholten Ordnungen verzweigte Aeste, 
Die Anordnung dieser ist im Allgemeinen racemös, im Einzelnen vollkommen regellos. Die 
meisten stehen in weitem Winkel, meist etwas bogig von ihrer Abstammungsachse ab. Alle 
sind, so lange sie steril bleiben, an ihrem Ende sehr allmählich in eine lange scharfe Spitze 
verjüngt. Die Aeste erster Ordnungen können auf geeignetem Substrat, z. B. grösseren Insecten, 
die Dicke starker Schläuche von A. prolifera und polyandra erreichen. Die Aeste höherer 
und auf minder nährstoffreichem Substrat aller Ordnungen sind durchschnittlich viel dünner, 
als bei den genannten Arten. In dieser Form bildet die Pflanze auf dem Substrate dichte, 
durch die Verschränkung der allseits divergirenden Aeste feinwollige, schneeweisse Rasen, ‚welche 
bei gut ernährten Exemplaren 2—3 cm hoch werden. Dieselben sind, in einer für eine 
Saprolegniee ungewöhnlichen Weise, arm an Fortpflanzungsorganen jeder Art. Man kann sie 
Tage lang cultiviren, ohne ein Sporangium oder ein Oogonium zu finden. Kommt aber ein 
todter Thier- oder Pflanzenkörper mit. den- sterilen Fäden in Berührung, so wird er von 
diesen sofort umstrickt, dieselben dringen in ihn ein, um alsbald neue Rasen auf seiner Ober- 
fläche zu bilden. 

Fortpflanzungsorgane sind nun, wenn auch relativ spärlich, doch schliesslich immer zu 
finden. Zoosporangien entstehen theils an Zweigenden, theils, bei älteren Exemplaren, aus 
dem Schlauchstücke dicht unter einem terminalen Oogonium, nachdem in diesem die Eibildung 
vollendet ist. Dieselben haben in Bau, Gestalt, Köpfchenbildung alle für die anderen Achlyen 
bekannten Eigenschaften. Auch das Ausschwärmen und Keimen der Zoosporen zeigt keine 
Besonderheiten. Entsprechend der geringen Dicke der Thallusschläuche sind die Sporangien 
relativ klein, besonders schmal, die Sporenköpfchen armzählig;; die stärkeren den kleineren bis 
mittelstarken von A. prolifera etwa gleich, schwache Sporangien aber schmal-cylindrisch, oft 
kaum mehr als ein Dutzend in einfacher Reihe, wie bei Aphanomyces, hinter einander 
liegender Sporen, und dann natürlich auch ein entsprechend kleines Köpfchen producirend. 

Die für A. prolifera bekannte seitliche Sprossbildung unter dem entleerten Sporangium 


kommt auch bei A. spinosa öfters vor. 


a 


Manchmal findet man eine Mehrzahl von Zweigen gleichzeitig bei einander, deren jeder 
ein Sporangium trägt; oft muss man lange suchen, bis man ein vereinzeltes antrifft. Es 
scheint, dass die Sporangienbildung bei dieser Species zurücktritt gegenüber der oben erwähnten 
Propagationsfähigkeit der sterilen Thalluszweige. 

Reichlicher als die Sporangien treten die Oogonien auf. Dieselben sind denen der Sapr. 
asterophora ähnlich, und es mag zum voraus gesagt sein, dass ihre Entwicklung, Membran- 
verdickung, die Ballung der Eier sich gerade so wie bei dieser verhalten. 

Die Oogonien (IV, 13—15) stehen an mässig starken Zweigen des Thallus theils ter- 
minal, theils intercalar, in beiden Fällen entweder einzeln oder zu zwei bis drei reihenweise 
binter einander. Ihre Gestalt und Grösse ist nach den Individuen höchst mannichfaltig. Der 
Gesammtumriss nähert sich bei den terminalen oft der Form einer Kugel oder kurzen dicken 
Tonne — allerdings wiederum nicht selten mit lang spiessförmig vorgestrecktem Ende; die 
intercalaren haben im Allgemeinen schmale Tonnengestalt mit mehr oder minder langgestreckt- 
cylindrischen Endstücken. Die Wand ist mit Aussackungen der mannichfaltigsten Form und 
Anordnung versehen. Dieselben haben die Gestalt spitzer oder stumpfer conischer Dornen, 
sind einfach oder lappig verzweigt, meist viel kürzer, als der grösste Querdurchmesser des 
übrigen Oogoniumraumes, nicht selten aber auch diesem gleich lang. An manchen Oogonien 
sind sie sämmtlich von ähnlicher Gestalt und Länge, an anderen sehr ungleich. Sie bedecken 
entweder die ganze Wand oder nur einen Theil derselben ; insonderheit bei den gestreckt 
tonnenförmigen Exemplaren oft nur das bauchig geschwollene Mittelstück, während die eylindrisch 
ausgezogenen Endstücke ganz glatt sind. Die Abbildungen auf Tafel' IV können von der 
herrschenden Mannichfaltigkeit eine Vorstellung geben, sie stellen aber nur einige und nicht 
einmal besonders auffallende Specialfälle aus Hunderten dar. 

In den meisten Oogonien werden ein oder zwei Eier gebildet, selten drei; mehr als drei 
sah ich nicht. Auffallend gegen andere Species ist bei A. spinosa die Ungleichheit der Grösse 
der Eier und Oosporen. 

Jedes Oogonium erhält in der Regel ein Antheridium, von dessen Entwicklungszeit und 
Entwicklungsgang wiederum das Gleiche wie für S. asterophora gilt. Nur seine Form und sein 
Ursprungsort sind andere. Es ist nämlich das Ende eines Seitenastes, welcher nahe bei, oft 
ganz dicht neben der das Oogon begrenzenden basiskopen Querwand von dem Tragfaden ent- 
springt. Derselbe wächst, der Oogoniumwand sich anlegend, eine Strecke weit in die Länge 
und sein oberer, stumpf und etwas schief-cylindrischer Theil grenzt sich dann als Antheridium 


von dem unteren, dem oft minimal kurzen Antheridienstiele ab. Wo mehrere Oogonien hinter 


— 231 — 


einander liegen, entspringt der Antheridienstiel des oberen von der Wand des nächstunteren, 
wie Archer für seme Saprolegnia androgyna darstellt, und auch bei anderen Arten unter 
ähnlichen Verhältnissen gelegentlich vorkommt (vgl. auch Fig. 11, Taf. V). Die Oogonien 
entstehen hier successive, eines nach dem anderen in basipetaler Folge und dasjenige, von 
welchem der Antheridienzweig entspringt, war, als dieser entstand, noch kein Oogonium, son- 
dern ein einfaches Stück des Tragfadens. 

Das Antheridium liegt der Oogonwand immer in den zwischen den Dornfortsätzen befind- 
lichen Buchten, höchstens hie und da dem unteren Theile der Seitenfläche eines Fortsatzes, 
nie seinem Ende an. Nach Glättung der Eier treibt es hier, quer durch die Wand, einen 
Befruchtungsschlauch, der, wie bei S. asterophora, auf das oder die Eier gerade los wächst und 
- nach Berührung derselben zu einem langen Schlauchanhang auswachsen kann. 

Als relativ seltene Ausnahme von der beschriebenen Regel entspringt das zu einem 
Oogonium gehende Antheridium nicht von demselben Thalluszweige wie jenes, sondern wird von 
einem kurzen Aestchen eines nur örtlich nahen, einem anderen Zweigsysteme angehörigen 
Schlauches getragen. Fig. 14 zeigt zwei solche Fälle und bei p dazu ein kurzes Aestchen, 
welches in der Nähe des antheridientragenden steht und anscheinend selbst ein Antheridium 
trägt, das kein Oogonium erreicht hat. Dieselbe Figur zeigt ferner, dass ein solcher, Anthe- 
ridien zu einem Nachbar sendender Schlauch seinerseits auch Oogonien bilden kann. 

Mehr als ein Antheridium sah ich nicht an ein Oogonium treten; doch kann ein zweites, 
wegen der Stachelfortsätze, leicht übersehen werden. Sicher ist dagegen, dass, wie bei 
S. asterophora, gar nicht selten Oogonien mit normal reifenden Oosporen vorkommen, an 
welche kein Antheridium tritt. Höchstens findet sich an solchen gleichsam das Rudiment 
eines Antheridiums in Form einer kleinen abstehenden Zweigaussackung dicht unter der basiskopen 


Wand. (Fig. 14, 0.) 


11. Aphanomyces scaber. 
(VI, 30-36.) 

Von der Gattung Aphanomyces kam die früher !) als A. scaber beschriebene Form, deren 
kugelige Oogonien kurze, breite, conische Aussackungen von individuell sehr ungleicher Grösse 
und Vertheilung zeigen, zur Beobachtung. 

Für die Entstehung der Oogonien gilt, bis sie ihre volle Grösse und Abgrenzung durch 


Querwände erreicht haben, wesentlich das Gleiche wie für die Saprolegnien, ebenso für ihre 


!) Jahrb. f. wiss. Bot. II. 
Ä bhandl. d. Senckenb. naturf, Ges. Bd. XII.. 38 


— 232 — 


nachherige Wandverdickung. Ihre Stellung ist meist terminal auf einem längern oder kürzern 
Thalluszweige; sehr selten intercalar. Bis zur Vollendung der Abgrenzung sind sie von fein- 
körnigem Protoplasma überall gleichförmig erfüllt. Ist jene erfolgt, so scheidet sich eine 
dichte, wandständige Protoplasmaschichte von einem wassererfüllten hellen Mittelraum ab, 
welch’ letzterer eine Zeit lang an Grösse zunimmt, während die Dicke der Wandschichte ent- 
sprechend kleiner wird, zunächst ringsum in annähernd gleichem Maasse, nur mit leichten, 
in wogender, langsamer Verschiebung begriffenen Unebenheiten auf ihrer Innenfläche. Von 
diesen wächst aber dann eine, an einer vorher nicht bestimmbaren Stelle gelegene, zu einer 
dicken, convex in den Innenraum einspringenden Anschwellung heran, indem Protoplasma nach 
ihr hin wandert (Fig. 30, 32). In dem Maasse als sie zunimmt, nimmt daher die übrige 
Wandschicht an Dicke ab und zugleich wird letztere, fast ihrer ganzen Dicke nach, zerklüftet 
in unregelmässig eckige, ungleich grosse, ungleich stark nach innen vorspringende Stücke, 
welche durch breite hyaline Zwischenräume getrennt werden. Alle diese Theile bleiben zu- 
nächst wandständig und auch in den hyalinen Zwischenräumen behält die Wand einen dünnen 
Protoplasma-Ueberzug. In dieser Anordnung zeigen sämmtliche Theile eine Zeit lang stete 
Verschiebung; insbesondere fällt bei der dicken Anschwellung auf, wie sie längs der Wand 
bin- und herrückt, so dass sie während einer Beobachtungszeit von 20—30 Minuten bald auf 
der dem Beschauer zu- oder abgekehrten Fläche des Oogoniums, bald in Seitenprofilansicht 
liegt. Endlich rückt aber die Anschwellung langsam in die Mitte des Oogoniums, mit der 
Wandstelle, welche sie verlässt, durch breite Protoplasmastränge in Verbindung bleibend und 
mit den anderseitigen Theilen der Wand durch Fortsätze, welche sie aussendet, in Verbindung 
tretend (Fig. 31, 33, 36a). In dem Oogonium liegt daher alsbald eine centrale oder excentrische, 
relativ dicke Protoplasmamasse von stetig langsam wechselnder Gestalt, mit dem Wandplasma 
in Verbindung stehend durch nach allen Seiten ausstrahlende, meist dicke Fortsätze, welche, 
sammt den wässerig erfüllten Räumen zwischen ihnen und dem zerklüfteten Wandplasma eben- 
falls Lage und Gestalt stetig langsam verändern. Dieser Zustand dauert mehrere Stunden. 
Er macht auf den ersten Anblick den Eindruck, als beginne eine Desorganisation des Oogo- 
niums. Mit einem Male aber tritt das gesammte wandständige Protoplasma, als geschlossener 
Sack, von der Membran zurück nach der Mitte zu, um sich mit der centralen Masse zu einer 
Kugel — dem Eie — zu vereinigen. Diese zeigt während ihrer Bildung in ihrer Peripherie 
noch helle-Vacuolen, welche aber schnell verschwinden: das Wasser tritt in den Raum zwischen 
Ei und Oogoniumwand; ihre zuerst leicht wellig bewegliche Oberfläche wird nach einigen 


Minuten stabil, glatt, von distineter Hautschicht umzogen. Die ganze übrige Masse des Eies 


RE 


besteht aus homogen-feinkörnigem Protoplasma mit Ausnahme eines kleinen, — vorher nicht 
unterscheidbaren — centralen oder etwas excentrischen hellen »Kernflecks« von anfangs spalten- 
förmiger, bald rund werdender Gestalt (Fig. 34, 365). Es folgt nun die Bildung einer Mem- 
bran an der Oberfläche des Eies und die Reifung dieses zur Oospore. 

Nicht selten, wenn auch bei der Minderzahl der Exemplare und vorzugsweise bei solchen, 
welche in alten Culturen als die letzten entwickelt werden, treten diese Erscheinungen ein an 
ganz frei, d. h. mit keinem andern Thalluszweige als ihrem Träger und mit keinem Antheri- 
dium in Verbindung stehenden ÖOogonien (Fig. 36). In der weitaus überwiegenden Mehrzahl 
der Fälle sind dagegen Antheridien vorhanden (Fig. 30—35). Der Bau und die Entwicklung 
dieser zeigen von denen der Saprolegnien keine Verschiedenheit. Ihre Anlegung an das Junge 
Oogonium erfolgt schon, bevor dieses seine definitive Grösse erreicht hat. Der Zweig, welcher ein 
Antheridium trägt, entspringt, soweit meine Beobachtung reicht, bei der vorliegenden Species immer 
von einem andern Thallusschlauche wie das Oogonium, zu welchem er herantritt. In der 
Mehrzahl der beobachteten Fälle tritt ein antheridienbildender Zweig zum Oogonium und theilt 
sich, wenn er die Oberfläche dieses erreicht hat, in zwei Aeste, welche divergirend das Oogo- 
nium umwachsen, etwa wie Daumen und Zeigefinger einer eine Kugel umspannenden Hand. 
Die Grösse des Divergenzwinkels und die specielle Richtung der Umspannung sind nach Einzel- 
fällen sehr verschieden; nicht minder das Längenverhältniss der beiden Zweige. In den extre- 
men Fällen bleibt entweder der eine dieser eine kurze Aussackung seines Trägers und nur der 
andere umwächst bogig das Oogonium (Fig. 30); oder beide zeigen das letztere Verhalten 
derart, dass sie einen grössten Kreis der Oogonkugel umspannen, und mit ihren Enden einander 
treffen (Fig. 32). Von den stärker entwickelten Zweigen grenzt sich dann das längere End- 
stück durch eine Querwand zum Antheridium ab, das dem Oogonium mit seiner ‘einen Seite 
anliegt. In dem erstgenannten extremen Falle erhält also das Oogonium nur ein Antheridium 
in dem anderen, häufigeren zwei, Die Antheridien selbst zeigen nicht selten kurze Auszweigungen 
oder Aussackungen. ö 

Ausnahmen von dieser Regel der Gestaltung und Anordnung fehlen nicht. Besonders 
treten oft mehr als ein Antheridienast zu einem Oogonium und umwachsen dann mit ihren 
Zweigen sowohl dieses als einander derart, dass der Verlauf der einzelnen nur sehr schwer 
sicher verfolgt werden kann. Auch andere Unregelmässigkeiten kommen vor. Ich habe die- 
selben nicht näher untersucht. 

Wenn sich nun in dem antheridientragenden Oogonium die Eikugel geglättet hat, so treibt 


ein oder jedes Antheridium sofort quer durch die Oogoniumwand einen zarten, homogen- 


— ask —— 


glänzenden, schmalen Befruchtungsschlauch, welcher sich mit seinem Ende der Eioberfläche 
aufsetzt (Fig. 34). Derselbe bleibt sehr kurz, weil der Raum zwischen Ei und Oogonwand 
überhaupt nicht breit, jenes aber immer noch derjenigen Seite letzterer am meisten genähert 
ist, von weicher die Befruchtungsschläuche kommen. Sowie ein Schlauch das Ei erreicht hat, 
ist sein Wachsthum für alle Zeit beendigt. Einwanderung sichtbarer Theile aus dem Schlauch 
ins Ei wurde nicht beobachtet, jener schien vielmehr geschlossen zu bleiben — worüber frei- 
lich, bei seiner Kleinheit im vorliegenden Falle, eine sichere Entscheidung kaum gewagt werden 
darf. Unzweifelhaft ist aber auf alle Fälle, dass die eventuelle Communication zwischen 
Schlauch und Ei nur von ganz kurzer Dauer, und dass die eventuell übertretende Sub- 
stanz nur ein minimaler Theil des Antheridieninhalts sein kann. Denn die Antheridien bleiben 
bis zur Vollendung der Oosporenreife turgescent und ihr Protoplasma lässt weder eine Vermin- 
derung noch andere Veränderung erkennen, als die steten Verschiebungen seiner Theilchen, die 
gewöhnlichen »Protoplasmabewegungen«. Erst nach vollendeter Oosporenreife erfolgt allmä- 
liches Absterben der Antheridien. Die Befruchtungsschläuche selbst werden lange vorher sehr 
blass; sie sind zur Reifezeit wohl immer vollkommen unkenntlich. Auf die Berührung der 
Befruchtungsschläuche folgt unmittelbar das Auftreten der ersten Cellulosemembran an der Ei- 
oberfläche, wie bei den Saprolegnien. Der Reifungsprocess der Oosporen verläuft dann genau 
wie an den antheridienfreien Exemplaren. 

Mehr als ein Ei in einem Oogonium habe ich bei der in Rede stehenden Pflanze nie 
beobachtet. 

12. Bau und Keimung der reifen Oosporen. 

Der Bau der reifen Oosporen der vorstehend beschriebenen Pflanzen ist für die meisten 
derselben längst bekannt. Es sollen daher hier über denselben und den Gang seines Zustande- 
kommens nach der ersten Membranbildung um das Ei nur wenige Bemerkungen hinzugefügt 
werden. 

Die reife Oospore der Saprolegnien aus der Ferax-Gruppe (VI, 17) hat sich umgeben 
mit einer mässig dicken Cellulosemembran, welche gesondert ist in eine dickere äussere Lage, 
Episporium, und eine dünnere innere, Endosporium. Der grösste mittlere Theil ihres Innen- 
raumes wird eingenommen von einer homogenen, nicht sehr sark lichtbrechenden, daher blass 
contourirten Kugel, welche, wie Reagentien erweisen, ganz vorwiegend aus Fett besteht und 
daher kurz als Fettkugel bezeichnet sein mag. Ihre Lichtbrechung, verglichen mit jener von 
Fetttropfen, welche beim Zerdrücken oder bei Einwirkung wasserentziehender Reagentien aus 


dem Inhalt der Oospore austreten, macht wahrscheinlich, dass sie nicht ausschliesslich Fett 


— 2 


ist, sondern ein auch bei stärkster Vergrösserung homogen erscheinendes Gemenge von solchem 
und anderen, speciell eiweissartigen Körpern. Sichere Entscheidung hierüber war wegen der 
schweren Zugänglichkeit für Reagentien nicht möglich. Der Raum zwischen Fettkugel und 
Membran wird eingenommen von sehr gleichmässig körnigem Protoplasma, welches nur an 
einer Stelle einen runden oder linsenförmigen kleinen hellen Fleck zeigt, d. h. einen körner- 
freien, völlig wasserhellen Raum, der zwischen Wand und Kugel liegt, von beiden nur 
durch einen ganz schmalen körnigen Streifen getrennt oder selbst die Wand unmittelbar 
berührend. 

Wie oben beschrieben wurde, ist das Protoplasma- des geglätteten Eies durchaus gleich- 
förmig feinkörnig, mit hellem centralem Kernfleck. Es behält diese Beschaffenheit, nachdem 
die Membran aufgetreten ist und ihre Verdickung begonnen hat. Nach etwa 24—36 Stunden 
sieht man dann im Innern des Protoplasma mehrere, etwa 2—4 grössere Fettkugeln auftreten, 
allmählich an Volumen zunehmen und zuletzt zu der einen, die Mitte der reifen Oospore aus- 
füllenden zusammenfliessen. , Sobald die Fettkugeln auftreten, ist der Kernfleck nicht mehr 
sichtbar; ob verschwunden oder nur verdeckt, ist nicht zu entscheiden. Ist die Kugel fertig, 
so ist auch der peripherische helle Fleck da; es ist daher die Annahme nahegelegt, dass er 
zu dem primären centralen wenigstens in naher Beziehung steht. Doch bleibt es immerhin 
zweifelhaft, ob er als Zellkern betrachtet werden darf. Der gauze Reifungsprocess der Oospore 
erfordert bei günstigen Vegetationsbedingungen 2 bis 4 Tage; die grösseren Fettkugeln 
erscheinen ohngefähr nach Ablauf der Hälfte dieser Frist. 

Bei allen vorstehend besehriebenen Pflanzen, mit Ausnahme der Achlya-Arten, also den 
Saprolegnien, Pythien, Phytophthoren, Peronosporen und Aphanomycen (vgl. I, 8, II, 15, 16 
III, 8, 20, VI, 35) ist der Bau der reifen Oospore dem soeben beschriebenen im Wesentlichen 
ganz gleich, also innerhalb der aus Epi- und Endosporium bestehenden Wand peripherisches 
durch den hellen Fleck unterbrochenes Körnerplasma und Fettkugel vorhanden ; letztere ist 
von mir für Peronospora früher ungenau als »centrale Vacuoles bezeichnet worden. Dass 
leichte Modificationen der Wanddicke, der relativen Grösse der Fettkugel, der Granulations- 
form des Körnerplasmas nach Individuen und Species vorkommen, ist selbstverständlich. Bevor 
ich zur Beschreibung der bemerkenswerthen unter diesen übergehe, sei hervorgehoben, dass, 
ebensowenig bei Einzahl als bei Mehrzahl von Antheridien und Oosporen eine censtante 
Stellung des hellen peripherischen Flecks letzterer zu jenen, resp. der Ansatzstelle ihres 
Befruchtungsschlauches vorhanden ist. Jene Arten ferner, deren Oogonien theils mit Anthe- 


ridien und Befruchtungsschläuchen versehen sind, theils von diesen frei bleiben, zeigten in 


— 286 — 


beiden Fällen Reifung und Bau der reifen Oosporen durchaus übereinstimmend. Wenn viel- 
leicht bei antheridienfreien Formen der Ferax-Gruppe eine durchschnittlich etwas geringere 
Wanddicke als bei den antheridientragenden zu bemerken ist, so gehört dies, wie sich zeigen 
wird, in die Reihe der specifischen Unterschiede. R 

Von den angedeuteten Modificationen sei zunächst erwähnt die starke Lichtbrechung und 
dunkle scharfe Contourirung der Fettkugel bei dem Aphanomyces (VI, 35). Dieselbe gibt das 
Bild, wie es beliebige reine Fetttropfen unter dem Mikroskop zeigen, was einen relativ 
grösseren Fettgehalt als bei den anderen in Rede stehenden Oosporen anzuzeigen scheint. 

Ferner die bei Pythium (I, 8, II, 15) geringe relative Grösse der Fettkugel. Dieselbe 
liegt hier in einem von der wandständigen dichten Protopläsmaschicht umgebenen hellen Mittel- 
raum, über dessen sonstige Ausfüllung keine bestimmten Angaben zu machen sind. 

Sodann muss darauf aufmerksam gemacht werden, dass statt des einen peripherischen 
hellen Fleckes manchmal zwei in der Fläche dicht neben einander liegende gefunden werden. 
In einem dauernd beobachteten (dem in Fig. 8, II, dargestellten) Exemplar von P. arborescens 
sah ich den hellen Fleck innerhalb 24 Stunden erst einfach, dann durch einen Streifen Körner- 
plasma in zwei rundliche kleinere getrennt, später wiederum grösser und einfach — Erschei- 
nungen, welche für die Zellkernqualität des Fleckes nicht gerade sprechen dürften. 

Endlich ist etwas ausführlicher zu reden von den mit Periplasma versehenen Gattungen, 
Pythium, Phytophthora, Peromospora. Wie oben dargestellt wurde, besteht hier das Ei der 
Hauptmasse nach aus einem Aggregat grober Fettkugeln. Bald nach der Befruchtung zerfallen 
diese in kleinere und dabei blasser contourirte Portionen, das Ei wird feinkörniger und heller 
als zuvor, ein Kernfleck, d. h. eine helle, rundliche Figur tritt jetzt gewöhnlich sehr scharf 
und in ohngefähr centraler Stellung hervor. Die nun beginnende Sonderung der Protoplasma- 
theile verläuft wesentlich wie bei Saprolegnia und erreicht den Reifezustand am dritten bis 
fünften Tag nach der Befruchtung. Gleichzeitig hat die unmittelbar nach dieser aufgetretene 
Gellulosemembran ihre definitive Dicke und Schichtung in Epi- und Endosporium erhalten ; 
sie ist, wie andere Cellulosemembranen, ein Abscheidungsproduct des Protoplasmakörpers, wel- 
chen sie umgibt, hier also des Eies; bei Pythium und Phytophthora ist das evident, bei den 
Peronosporen liegt kein Grund vor, daran zu zweifeln. Das Periplasma nimmt bei den 
Formen, wo es spärlich entwickelt ist (Pythium, Phytophthora), an dem Aufbau der reifenden 
Oospore geringen morphologischen Antheil; es zieht sich zusammen zu einem unbedeutenden, 
unregelmässig körnigen Sacke, welcher die Oosporenmembran locker umgibt, oder es zerfällt 


in unscheinbare, dieser aufliegende, zur Reifezeit, zumal bei P. omnivora, nicht oder kaum 


ORTE 


mehr kenntliche Körnerhäufchen (vgl. Taf. I-III). In wieweit hierbei etwa ursprüngliche 
Bestandtheile desselben gelöst und von der Oospore als Baustoffe aufgenommen werden, ent- 
zieht sich der Beobachtung. Auch bei den ächten Peronosporen kommen ausnahmsweise 
kleine, dürftige, die Oospore übrigens normal reifende Oogonien vor, in welchen der Sach- 
verhalt nicht viel anders, das Periplasma jedoch immerhin schon reichlicher entwickelt ist 
(II, 16). In den normalen, grossen Oogonien der Peronosporen dagegen ist eine reichliche 
Periplasmamasse vorhanden und diese bildet sich um die reifende Oospore zu der zumal bei 
den pleuroblasten Formen derben äusseren Hülle um, welche ich früher Episporium genannt 
habe, jetzt Exosporium nennen will, und welche, wie bekannt, eine dicke, meist braune, bei 
manchen Arten mit sehr regelmässigem und charakteristischem Oberflächenrelief versehene 
Haut ist. 

Ueber die Entwicklung und den Bau dieser kann ich heute nicht viel mehr sagen als 
in den Arbeiten von 1861, 1863 und 1866. Manche Detailfragen, welche noch gestellt werden 
könnten, habe ich auch seitdem unberührt gelassen. Da aber Cornu !) meine früheren An- 
gaben, welche kaum über Schilderung beobachteter Thatsachen hinausgehen, nicht »logisch« 
genug findet, so mag dasjenige, was ich damals nach Vergleichung augenscheinlich verschieden 
alter Exemplare als Entwicklungsprocess beschrieb, hier nochmals beschrieben werden, nach 
andauernder Beobachtung desselben Exemplars, in Hängetropfencultur. S. arborescens, 8. inter- 
media und $. Alsinearum lieferten auch bei dieser die Untersuchungsobjecte. Bei den beiden 
erstgenannten Arten (II, 18—21, II, 1—8) tritt einige Stunden nach dem Erscheinen der 
festen Cellulosemembran um das befruchtete Ei, in dem sonst nicht merklich veränderten Peri- 
plasma etwas reichlichere Abscheidung von Körnchen und unregelmässig gerundeten Ballen ein ; 
übrigens in individuell sehr ungleicher Menge; manchmal erscheint auch eine oder die andere 
scharf umschriebene Vacuole. Später beginnt die körnig getrübte Masse an nicht genau mor- 
phologisch bestimmten Orten sich grösstentheils von der Oogonienwand loszulösen und um die 
Oberfläche des Eies zu sammeln. Diese ist von einer Periplasmaschichte vollständig umhüllt, 
von welcher breitere und schmälere Streifen radial zur Oogoniumwand verlaufen; letztere bleibt 
mit kleinen, zerstreuten körnigen Resten des Periplasma — dauernd — besetzt, zwischen den 
Radialstreifen des letztern ist klare wässerige Fiüssigkeit. Weiterhin, während 12 und mehr 
Stunden, zieht sich die Periplasmamasse mehr und mehr um die Eioberfläche zusammen, die 
Radialstreifen fliessen vollständig ein in die an verschiedenen Orten ungleich dicke und ungleich 


YElze,p.103: 


— 728850 


dichte Periplasmazone, mit welcher umgeben die Oospore nun in dem Oogoniumraum in Flüssigkeit 
suspendirt, nur noch einerseits durch den ihr angewachsenen Befruchtungsschlauch festgehalten 
ist. Während nun die Verdickung und Schichtensonderung in der Cellulosemembran einerseits 
fortschreitet, nimmt die Periplasmaschichte, diese immer eng umschliessend, successive die Eigen- 
schaften einer festen, erst gelblichen, dann, intensiv gelbbraun werdenden Haut an, anfangs 
noch von unregelmässig körniger Beschaffenheit, nach und nach mehr — doch nie vollständig — 
homogen, aussen und innen scharf begrenzt werdend. Einzelne Körnchen des Periplasma bleiben 
unverbraucht an der Aussenseite zurück. Der Befruchtungsschlauch, welcher von Anfang her 
der Cellulosewand aufsitzt, wird mit dieser von dem Periplasma eingehüllt und von dem Exo- 
spor dann eine Strecke weit umscheidet. Auch wo er selbst längst unkenntlich geworden, 
wird in günstigen Exemplaren sein Verlauf bezeichnet durch eine das Exospor von aussen her 
radial durchsetzende, bis an die Cellulosehaut reichende Röhre. 

Die Erhärtung der Periplasmamasse zum Exospor beginnt an ihrer innern, d. h. der mit 
der Cellulosemembran der Oospore in Berührung stehenden Fläche und schreitet in centrifugaler 
Richtung fort. Ihre definitive Dicke ist der der Oelluloseinembran durchschnittlich ohngefähr 
gleich — nicht genau gleich, das einemal etwas dicker, das anderemal dünner; ihre Oberfläche, 
auch bei den unter Wasser gewachsenen Exemplaren, nie glatt, sondern unregelmässig und grob- 
höckerig. Manche dieser Höcker sah ich direct hervorgehen aus dichteren Körnerhaufen oder 
Klumpen des ursprünglichen Periplasma, welche bei der Formung des Exospors in geringerem 
Maasse an Volumen abnahmen als die Stücke zwischen ihnen. Andrerseits sah ich (vgl. z. B. 
III, 1—8) einzelne bald nach der Befruchtung in dem Periplasma entstandene kleine Vacuolen 
bis zur vollen Reife des Exospors, als helle Räume in diesem persistiren. 

Abgesehen von den relativ unbedeutenden Höckern ist bei den unter Wasser gereiften 
Exemplaren die Gesammtoberfläche des Exospors ziemlich regelmässig gerundet. Auch löst 
sich die Oospore sehr oft vollständig, auch an der Ansatzstelle des Befruchtungsschlauchs, von 
der gerundet bleibenden Wand des Oogons los, um frei im wassererfüllten Innenraum zu 
schwimmen. Die in den luftführenden Intercellulargängen der lebenden Wirthpflanze gereiften 
Oosporen derselben Species zeigen bekanntlich, wie alle der Section »Effusae« angehörigen 
Arten, die Oberfläche des Epispors nach verschiedenen Seiten hin zu groben und sehr unregel- 
mässigen Leisten ausgezogen, welche mit ihren Kanten der collabirenden Oogonwand anliegen, 
wie angeklebt sind. Die Vergleichung dieser Exemplare und der verschiedenen einzelnen Ent- 
wicklungszustände, welche man von ihnen findet, mit den im Wasser erwachsenen lässt kaum 


einen Zweifel daran, dass bei ihnen, in Folge der andern Beschaffenheit des umg ebenden 


— 2189 — 


Mediums, die Trennung des Periplasma von der Oogonwand unvollständig erfolgt, derart, dass 
radiale Verbindungsstreifen bleiben, welche zu den Leisten erhärten. 

Noch mag hier erwähnt werden, dass mit dem Reifungsprocess oft eine geringe aber 
deutliche Volumenverminderung der in dem Exospor eingeschlossenen Oospore stattfindet, über 
welche ich übrigens genaue Messungen nicht angestellt habe, und dass besagter Process in den 
beobachteten Fällen mindestens 5—8 Tage von dem Zeitpunkt der Befruchtung an bis zu 
seiner Vollendung erforderte. 

P. Alsinearum hat bekanntlich auf dem reifen dunkelbraunen Exospor netzförmig ver- 
bundene Leistenvorsprünge, deren Netzmaschen aussen manchmal durch eine ebenfalls braune 
Membranlamelle zu Blasen abgeschlossen sind, welchen nicht gar selten nochmals einzelne eben- 
falls aus der braunen Substanz des Exospors bestehende Blasen aussen aufsitzen. 

Bis zur Befruchtung und Umkleidung des Eies mit der festen Cellulosemembran erfüllt 
auch hier trübes, von zerstreuten Körnchen durchsetztes Periplasma den ganzen Raum zwischen 
Ei und Oogonwand. Seine Veränderungen unmittelbar nach der Befruchtung habe ich nicht 
gesehen. Etwa 10 Stunden nach derselben aber erscheint es von zahlreichen, in meist 1—2 
unregelmässige concentrische Schichten geordneten Vacuolen durchsetzt, und zugleich in einer 
schmalen, hier und da knotig verdickten, die Cellulosemembran eng umschliessenden Zone viel 
dichter als weiter aussen. Die Vacuolen sind anfangs äusserst blass und zart umschrieben. 
Man kann sie bei bestimmten Einstellungen des Mikroskops leicht für dichter erfüllte Räume 
als die Streifen zwischen ihnen halten, was sie nicht sind; aus einer solchen optischen Täu- 
schung ist wohl die Fig. 14, Taf. 8 meiner Arbeit von 1863 entstanden. Im Laufe der fol- 
genden 12—24 Stunden nehmen sie nun an Schärfe successive zu, werden zugleich durch- 
schnittlich etwas grösser, die trennenden Streifen entsprechend schmäler, so dass nach ange- 
gebener Frist die Profileinstellung ein scharf gezeichnetes rundmaschiges farbloses Netz um die 
reifende Oospore zeigt. Zugleich nimmt die diese umgebende dichte Schichte an Mächtigkeit 
etwas zu, beginnt sich durch Gelblich allmählich hellbraun zu färben und auf ihrer Aussenfläche 
erscheinen, zunächst sehr fein gezeichnet, die Netzleisten des Exospors (III, 28). Diejenigen 
unter diesen, von welchen man scharfe Profileinstellung erhält, passen immer auf einen der die 
Vacuolen trennenden Streifen. Von der farblosen Substanz dieser erscheinen sie allerdings 
auch immer scharf abgesetzt. Folgt nun successive Dickenzunahme des ganzen Exospors sammt 
seinen Netzleisten, während die Vacuolen successive an Zahl, die trennenden Zwischenstreifen 
an Breite abnehmen. Zuletzt trennt sich das ganze dünnwandige Vacuolennetz von der Oogon- 


wand, an dieser nur geringe anhaftende Reststückchen zurücklassend, und zieht sich unter 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 39 


— 290 — 


Volumverminderung seiner Blasenräume nach dem Exospor hin zusammen (III, 29). Von einer 
Anzahl der jetzt noch vorhandenen Blasen bleibt die Wand ringsum erhalten, bräunt sich 
und erhärtet zu jenen oben erwähnten blasig überbrückten Maschen des Leistennetzes. 
Andere Maschen scheinen nach aussen geöffnet, nicht überbrückt zu werden; — doch ist es sehr 
schwer, auch auf dünnen Durchschnitten volle Sicherheit darüber zu erhalten, ob und wo es 
sich um wirklich offene, oder um solche Leistenmaschen handelt, bei denen blasige Ueberbrückung 
zwar vorhanden, aber sehr zart und vollkommen eingesunken ist. Sei dem wie ihm. wolle, so 
sieht man jedenfalls in den persistenten gebräunten Blasenräumen Theile des Periplasma, welche 


direct zu Theilen des Exospors werden. 


Aus diesen Beobachtungen, am einfachsten denen an P. arborescens, ist ersichtlich, dass 
das Exospor in der That nichts weiter ist als das nach Species charakteristisch veränderte 
Periplasma, so dass man als Ausdruck für die directe Beobachtung recht wohl kurz sagen 
konnte, das Exospor bildet sich aus dem Periplasma, »indem dieses sich um die Oospore 
gleichsam niederschlägt und erhärtet.« 

Dass dieser kurze Ausdruck, wie jede vergleichsweise Bezeichnung, die Sache nicht ganz 
erschöpfend bezeichnet, gebe ich gern zu. Es handelt sich in der That nicht um einen ein- 
fachen erhärtenden Niederschlag, wie etwa den eines Gummi aus einer Lösung, sondern um 
einen complicirten morphologischen Process, dessen Product, das Exospor, wie schon die 
beiden beschriebenen Beispiele zeigen, charakteristische Gestaltung, oft auch noch sehr charak- 
teristische, hier nicht näher zu erörternde feinere Structur, z. B. bei P. Alsinearum Radial- 


streifungen erhält. 


Cornu’s Einsprachen gegen meine früheren Angaben hatten, wie aus seiner nicht immer 
ganz klaren Auseinandersetzung ersichtlich wird, zwei Gründe. Erstens den, dass für die 1861 
von mir für Peronospora gefundene Entstehungsweise des Exospors aus dem Periplasma keine 
anderweitigen analogen Fälle bekannt waren. Die hieraus resultirenden Bedenken sind jetzt 
beseitigt durch die von Russow, Juranyi, Strasburger studirte Entstehungsgeschichte 
der Exosporien und verwandter Bildungen von Pteridophyten, wie Marsilia, Salvinia u. a. m.!) 
Zweitens musste es in Ermangelung analoger Fälle und. gegenüber sonst ganz allgemeiner 
Regel höchst auffallend sein, dass das ausserhalb der Cellulosehaut des Eies befindliche, mit 
letzterm gleichzeitig entstandene Periplasma zu einer das Ei umkleidenden Membran wird. 


Denn die allgemeine Regel ist die, dass eine Membran, welche einen Protoplasmakörper umgibt, 


!) Vgl. Strasburger, Studien über Protoplasma, p. 43. 


von diesem erzeugt und an seiner Oberfläche abgeschieden wird, ihrer Herkunft nach also eine 
Tochterbildung dieses Protoplasmakörpers ist. Das gilt z. B. auch für die Cellulosemembran der ; 
Oosporen, welche hier in Rede stehen. Die Membran aber, welche aus der directen Transformation 
des Periplasma hervorgeht, steht zu dem Protoplasmakörper des Eies nicht im Tochter- sondern 
im Schwesterverhältniss. Der Umstand, dass diese Exosporbildung hier und bei Pteridophyten eine 
von der allgemeinen Regel der Membranbildung abweichende Erscheinung ist, kann nun aller- 
dings an der klar vorliegenden Thatsache nichts ändern. Weil aber in den regulären Fällen 
der Protoplasmakörper, welcher von einer Membran umgeben wird, auch der Träger der Kräfte 
ist, aus deren Wirkungen diese Membran hervorgeht, so stellt sich für die Fälle der periplas- 
matischen Exosporbildungen die Frage, ob nicht doch auch hier die Kräftewirkungen, welche 
die Transformation des Periplasma in Exospor zur Folge haben, ausgehen von dem Protoplasma- 
körper, welcher von dem Exospor umgeben wird, also in unserem Falle von dem des Eies, 
so dass gesagt werden könnte, das Protoplasma des Eies scheidet, seine Cellulosehaut ab und 
transformirt das ausserhalb dieser befindliche Periplasma in Exospor. 

Lässt man die analogen anderweitigen Fälle ganz bei Seite und hält sich nur an den von 
Peronospora als den einfachsten, so ist eine bestimmte Entscheidung der Frage doch schlechter- 
dings unmöglich. Die Alternative ist diese: Entweder geht die Transformation des Periplasma 
von dem Ei aus, etwa so, dass irgendwelche Ausscheidungen von diesem durch seine Cellulose- 
membran in das Periplasma filtriren und dort die charakteristischen Transformationen verursachen; 
es wären alsdann bei der Erscheinung zweierlei Ursachen wirksam, einmal jene, welche als 
Transformationsfähigkeit des Periplasma, dann diejenigen, welche als transformirende Action 
des Eies zusammengefasst werden können; — oder die Ausbildung des Eies mit seiner Cellulose- 
wand und die des Exospors verlaufen unabhängig von einander, die eine neben der andern 
- als Wirkungen gemeinsamer Ursachen, — Ein drittes Verhältniss, etwa die Mitwirkung oder 
bestimmende Einwirkung ungleichnamiger umgebender Zellen, wie sie bei Farnexosporien denkbar 
wäre, ist hier nicht möglich, weil die Exosporbildung bei Peronospora auch an frei im Wasser 
liegenden Oogonien stattfindet-und irgendwelche von der Cellulosewand dieser ausgehende Wirkung 
nicht anzunehmen ist. 

So einfach hiernach die Frage auch zu liegen scheint, so ist doch, wie schon gesagt 
wurde, eine auch nur wahrscheinliche Entscheidung nach der einen oder andern Seite unmöglich. 
Man wird ja zu der Annahme der vom Ei ausgehenden bestimmenden Einwirkung a priori 
geneigt sein, weil man eben von den regulären Fällen her gewöhnt ist, einen Protoplasma- 


körper als activ bei der Bildung jeglicher Membran anzusehen, von welcher er umgeben wird. 


: — 292 — 


Der uns beschäftigende Fall liegt aber ausserhalb jener Fälle, die in Kürze regulär ge- 
nannt wurden, und wenn man bedenkt, dass das Periplasma ein Theil des Gesammtprotoplasma 
des Oogons ist, dass es von den Gemengtheilen und den Eigenschaften dieses Gesammtplasına jeden- 
falls ebensogut wie das Ei selbst, einen erheblichen Antheil erhält, so ist nicht einzusehen, warum es 
nicht auch ebensogut wie das Ei selbst einer in gewissem Grade selbständigen, von der directen Ein- 
wirkung dieses unabhängigen Entwicklung fähig sein sollte, welche eben in der Exosporbildung ihr 
Ende erreicht. Es wäre zwecklos, die Discussion hier weiter zu führen. Das Gesagte wird genügen, 
um zu zeigen, dass man hier wie überall, wo es sich um Erscheinungen an protoplasmatischen 
Körpern handelt, auf Schwierigkeiten stösst, die sich nicht so einfach erledigen lassen. 

Ein Zugeständniss will ich übrigens noch an Cornu machen. Meine obigen Angaben 
beziehen sich auf Peronospora-Arten, und auch meine früheren Untersuchungen wurden vor- 
wiegend an solchen gemacht, und ihre Resultate dann, allerdings nicht ohne aufmerksame Ver- 
gleichung, auch auf die nah verwandten Cystopus-Formen angewendet. Ich habe neuerdings 
versucht auch über die Entwicklung des Cystopus-Oogoniums directe Beobachtungen zu machen, 
konnte aber bei ©. candidus, der allein zur Disposition stand, zu ganz bestimmten Resultaten 
nicht gelangen, weil die Cultur in Wassertropfen von dem Pilze schlecht ertragen wurde. 
Soviel kann ich jedoch aussagen, dass die Eientwicklung (auch der Bau der reifen Oospore) 
bei genannter Species in manchen, noch genauerer Untersuchung nicht unwerthen Einzelheiten 
von jener der Peronosporen abweicht. Die Bildung eines Exospors durch Transformation des 
Periplasma bleibt mir auch für Cystopus überwiegend wahrscheinlich; doch schliessen die Be- 
obachtungen die Möglichkeit hier nicht völlig aus, dass die gesammten Membranen der Oospore 
durch den Protoplasmakörper dieser selbst abgeschieden werden. Cornu’s Zweifel könnten 
sich daher, soweit sie auf Cystopus Bezug haben, als begründet erweisen, was fernere Unter- 
suchungen entscheiden mögen. 

Was endlich die Oosporen der untersuchten Achlya-Arten betrifft, so ist der Bau der 
Membranen der gleiche wie bei den anderen Saprolegnieen. Die an Gestalt und Grösse sehr 
ungleichen Oosporen von A. spinosa (IV, 16, 17) sind auch sonst von denen der Sapro- 
legnien nicht sehr wesentlich verschieden, am wesentlichsten wohl dadurch, dass der periphe- 
rische helle Fleck fehlt — wenigstens konnte ich ihn nie finden. Eine relativ sehr grosse 
schwach lichtbrechende Fettkugel nimmt die Mitte des Innenraumes ein; selten sind statt der 
einen zwei vorhanden. Der übrige Raum wird von gleichmässig feinkörnigem Protoplasma 
erfüllt. Bei runden Oosporen bildet dieses oft eine gleichförmige Schicht rings um die ganze 


Fettkugel (Fig. 17). An vielen anderen Exemplaren aber kann diese Schichte an verschiedenen 


— 293 — 


Orten der Peripherie sehr ungleich dick und auf grössere Strecken selbst vollständig unter- 
brochen sein; die Fettkugel liegt an diesen Strecken direct der Wand an und ist mit ihrer 
gegenüberliegenden Seite gleichsam einer Aushöhlung der körnigen Protoplasmaausfüllung ein- 
gefügt (Fig. 16). Die speciellen Formen, in welchen diese Erscheinung auftritt, sind nach 
Individuen sehr mannichfaltig. 

4A. spinosa stellt durch diesen Bau eine Uebergangsform dar zwischen den anderen 
Saprolegnieen einerseits und andererseits der merkwürdigen Oosporenstructur von A. prolifera 
und polyandra. Bei diesen (IV, 4) liegt in der einen Hälfte des kugelrunden Innenraumes 
ein halbkugeliger oder ovaler, zart aber scharf contourirter und gleichförmig dicht feinkörniger 
Protoplasmakörper, mit seiner convexen einen Seite, welche die äussere heissen mag, der Wand 
angelegt, an der Kante zwischen äusserer und innerer Seite abgerundet. Der Querdurchmesser 
des Körpers ist etwas grösser als der Radius des kugeligen Innenraumes. In der andern 
Hälfte des letztern liegt meist eine, genau kugelrunde, sehr stark lichtbrechende Fettkugel, 
deren Durchmesser ebenfalls etwas grösser als der Radius des Innenraumes oder diesem gleich 
ist. Sie berührt einerseits die Wand der Oospore. Mit ihrer gegenüberliegenden Seite ist sie 
eingepasst in eine entsprechende Vertiefung in der Mitte der Innenseite des körnigen Proto- 
plasmakörpers. Zwischen Fettkugel, gerundeter Kante des Protoplasmakörpers und Oogonium- 
wand bleibt ein Raum von der Form eines krumm dreiseitigen Ringes, und dieser wird aus- 
gefüllt von einer sehr schwach lichtbrechenden, von ganz kleinen blassen Körnchen getrübten 
Protoplasmasubstanz. Ein peripherischer heller Fleck fehlt auch hier. . Kleine individuelle 
Schwankungen in dem Grössenverhältniss von Fettkugel, körnigem Protoplasmakörper und 
Ring kommen vielfach vor; an Stelle der einen Fettkugel zuweilen auch zwei, gleich oder un- 
gleich grosse. Wesentliche Aenderungen in dem beschriebenen Bauplane werden durch solche 
Schwankungen nicht hervorgebracht. 

In jenen monströsen grossen Oosporen der A. polyandra, welche, wie oben (p. 276) er- 
wähnt, zuweilen in Folge unvollständiger Trennung der Eier entstehen, fand ich, wie Fig. 10 
für eine Doppeloospore zeigt, so viele Fettkugeln, als Eianlagen vereinigt blieben, in gleichen 
Abständen von einander der Membraninnenfläche anliegend, eingepasst in entsprechende Ver- 
tiefungen eines einzigen die Mitte des Innenraumes ausfüllenden körnigen Protoplasmakörpers, 
und jede Einpassungsstelle, wie in dem gewöhnlichen Falle, von dem dreiseitigen Ringe um- 
geben. — In dem körnigen Protoplasmakörper sieht man, von der vollen Reifung an bis zur 
Keimung, d. h. oft Monate lang, die Körnchen in steter, oft sehr lebhafter wimmelnder 


Verschiebung gegeneinander. 


— 294 — 


Nach eingetretener Reife tritt die Oospore in einen Zustand der Ruhe ein, welcher je 
nach dem Einzelfall verschieden lange Zeit dauern kann. Um Wiederholungen zu vermeiden, 
soll von der Dauer der Ruhezeit erst nachher die Rede sein. 

Die nach Beendigung der Ruhe eintretende Keimung ist in ihren morphologischen 
Erscheinungen schon früher von Pringsheim, Cornu und mir selbst für eine Anzahl von 
Formen beschrieben worden. Ich kann, nach neueren Untersuchungen, die früheren Angaben 
auch für mehrere andere nachher zu nennende Species bestätigen und denselben nur Weniges 
hinzufügen, 

Der Anfang der Keimung besteht darin, dass die Fettkugel allmählich das Ansehen einer 
körnigen Protoplasmakugel annimmt und diese dann durch strahlige Fortsätze in die wand- 
ständige Schicht vollständig hinüberwandert; die Oospore erhält hierdurch die Structur eines 
vegetativen Schlauches. (Vgl. Pringsheim 1. c. 1873, Taf. XX, Fig. ”—11). Es wäre inter- 
essant, die Vorgänge dieser Veränderung besonders bei Achlya genauer zu verfolgen, was mir 
bisher nicht glücken wollte. Gleichzeitig mit diesen Veränderungen nimmt die Oospore an 
Volumen, oft beträchtlich, zu und ihre Wand erscheint dünner, die Scheidung von Endo- und 
Epispor unkenntlich. Folgt nun an einer beliebigen Stelle Austreibung eines, immer von 


einer Fortsetzung der innersten Wandschicht bekleideten Schlauches. Ist dieser ausgetrieben 


und der ursprüngliche Oosporenraum später entleert, so geht der Umfang der Oospore wieder 


auf das ursprüngliche Maass zurück und man sieht dann, wie ich besonders bei S. Thureti 
beobachtet habe, die Oberfläche fein gefeldert, bei näherer Betrachtung die Aussenschichten 
der Wand (Epispor) in sehr viele kleine Stückchen zerklüftet, welche dem glatten, in den 
Keimschlauch fortgesetzten Endospor aussen aufsitzen. Hieraus geht hervor, dass das an und 
für sich dünne Epispor während der Anschwellung in Stückchen zersprengt und hierdurch, so 
lange der Oosporenraum von Protoplasma erfüllt und turgescent ist, unkenntlich wird 
(vgl. IV, 11, 12; V, 9, 10). 5 

Die weiteren Veränderungen können nun folgende sein: 

1. Nach Bildung des Keimschlauchs, der kürzer als der Oosporendurchmesser bleiben 
oder diesen an Länge mehrfach übertreffen kann, wird die ganze somit schlauchartig ver- 
längerte, überall protoplasmaführende Oospore ein Zoosporangium. Die Zoosporenbildung und 
-Entleerung in demselben findet jedesmal in der für das Genus typischen Form statt (V, 9, 10). 

2. Alles Protoplasma wandert in den Keimschlauch, der ursprüngliche Oosporenraum 
wird »leer«, d. h. nur von wässeriger Flüssigkeit erfüllt. Das hierdurch entstandene schlauch- 


förmige Keimpflänzchen kann dann 


— 295 — 


a. als kurzer unverzweigter Schlauch durch eine dicht über dem Oosporenraum stehende 
Querwand abgrenzt werden und sofort die Eigenschaften eines für die Species typischen 
Sporangiums annehmen (IV, 12); 

b. bei hinlänglicher Ernährung sich verzweigen, mehrere typische Sporangien bilden, und, 
hierdurch “erschöpft, zu Grunde gehen. 

3. Endlich kann wie bei 2. ein Keimschlauch gebildet werden, welcher direct keine Zoo- 

sporangien erzeugt, sondern wenn er auf geeignetes Substrat gelangt ist, zum vegetirenden 
Thallus von der für die Species normalen Gestalt und Grösse heranwächst, und dann erst 


Zoosporen und auch Oogonien bildet. 


Wie schon aus Pringsheim’s Angaben hervorgeht, können bei manchen Arten alle 
drei Hauptformen bei der Keimung einer und derselben Species vorkommen. Welche der drei 
Formen auftritt, hängt dann wenigstens zum grossen Theil von der Nahrungszufuhr ab, wie 
unten gezeigt werden wird. So fand ich, und zwar je in derselben Material-Portion, die 
Formen 1., 2a. und 3. bei Achlya polyandra, S. monoica und asterophora. — $. torulosa, 
Thureti und A. prolifera dürften sich ebenso verhalten, doch sah ich bei ersterer nur die 


Formen 1 und 3, bei den zwei letzteren nur 1. 


Bei Pythium gracile habe ich 1 und 3 beobachtet, 3 jedoch nicht ohne einige Zweifel. 
Andere Species sind, wenigstens nach den vorliegenden Beobachtungen und vorbehaltlich 
weiterer Untersuchung, auf eine der drei Keimungsformen beschränkt. Ich kann hierfür meine 
alten Untersuchungen an Oystopus candidus !) anführen, welche immer nur die Form 1, und 
an Aphanomyces ?) und Peronospora ?), welche immer nur die Form 3 zeigten, und hinzufügen: 
Achlya spinosa, Pyth. de Baryanum, beide ebenfalls nur mit Form 3; ferner Pyth. proliferum 
und Phytophthora omnivora, die in sehr zahlreichen Exemplaren nur in der Form 2a. und b. 
keimten. Die Anfangsstadien der Keimung, und bei unmittelbarer Zoosporangienbildung der 
ganze Process, werden oft sehr rasch durchlaufen. Eine reife Oospore von $. T’hureti, welche 
24 Stunden anscheinend unverändert neben ausgekeimten lag und später in der Form 
1. Zoosporen bildete, entleerte diese 6 Stunden nach dem Auftreten der ersten sichtbaren Ver- 
„änderungen der Fettkugel. Aehnliches wurde bei derselben Species, A. polyandra, Pythium und 
Phytophthora öfters beobachtet. 


!) Ann. sc. nat. 4. Ser. XX. 
2) Jahrb. Bd. II. 
®) Diese Beitr. 2. Reihe, p. 39. 


— 296 — 


Il. Allgemeine Resultate. 
13. Der Befruchtungsprocess. 


Suchen wir jetzt die Resultate der vorstehend mitgetheilten Beobachtungsreihe zur Beant- 
wortung der Frage nach der Entwicklung der Sexualorgane und ihrer Producte zusammen- 
zufassen, so ergeben dieselben, in Uebereinstimmung mit bisherigen Anschauungen, für die 
Entwicklung der Eier in den Oogonien zwar zwei, nach dem Vorhandensein und Fehlen von 
Periplasma kurz zu bezeichnende Typen, gleichwohl aber in den Haupterscheinungen überall grosse 
Aehnlichkeit. Das Gleiche gilt von den Haupterscheinungen an den Antheridien, wenn man 
vorläufig absieht von deren früheren, der Anlegung an das Oogon vorhergehenden Entwick- 
lungsstadien, auf welche unten zurückgekommen werden soll. Eine grosse Verschiedenheit 
herrscht dagegen, im Widerspruch mit bisherigen Anschauungen, in den Vorgängen der Befruch- 
tung oder denjenigen, welche bisher so genannt worden sind. 

Zunächst ist hervorzuheben, dass für die Fälle, wo Nebenast-Antheridien mangeln, 
Pringsheim’s Ansicht, eine Befruchtung finde überhaupt nicht statt, ausser allem Zweifel 
steht, sowohl nach den lückenlosen directen Entwicklungsbeobachtungen an den Eiern und 
Oosporen, als auch auf Grund des Nachweises der Nichtexistenz jener Löcher in der Oogonium- 
wand, durch welche hypothetische Samenkörper heimlich ein-, nach Reinke auch unver- 
richteter Sache wieder hinausschlüpfen sollten. Rechnet man diese antheridienfreien Formen 
mit, so sind für die Befruchtung resp. Nichtbefruchtung wenigstens 6 verschiedene Formen zu 
unterscheiden, welche zusammen eine zwischen zwei Extremen abgestufte Reihe bilden. 

1. Das eine Ende der Reihe wird gebildet von den Pythium-Formen, bei denen der 
grösste Theil des Protoplasma des Antheridiums als Gonoplasma in das Ei hinüber wandert, 
nachdem sich auf diesem die zarte Wand des Befruchtungsschlauches geöffnet hat. Zwischen 
Ei und Antheridium findet, mit anderen Worten, Copulation statt. 

2. Bei Phytophthora tritt durch den Befruchtungsschlauch eine minimale, aber optisch 
noch zu verfolgende Menge von Protoplasma aus dem Antheridium in das Ei über, Eine enge 
Oeffinung des Schlauches auf dem Ei muss auch hier vorhanden sein. 

3. Bei Peronospora konnte das Vorhandensein letzterer nicht mehr direct erkannt und 
das Protoplasma des Antheridiums auf dem Wege in das Ei nicht direct verfolgt werden. Nach 
der im Uebrigen sehr vollständigen Uebereinstimmung der beobachteten Erscheinungen mit den 
für Phytophthora nachgewiesenen ist aber der Uebertritt einer minimalen Plasmamenge als 


höchst wahrscheinlich anzunehmen. Ob dieselbe eine enge, aber doch gröbere Oeffnung der 


— 297 — 


dem Ei aufsitzenden Schlauchwand oder, auf diosmotischem Wege, die Micellarinterstitien dieser 
passirt, muss dahingestellt bleiben. 

4. Bei bestimmten Formen oder Individuen von Saprolegnia, Achlya, Aphanomyces tritt 
zwar feste Berührung zwischen Schlauch und Ei ein, eine Oeffnung und ein sichtbarer Austritt 
von Antheridieninhalt in das Ei findet aber nicht statt. 

5. Andere Individuen von Saprolegnia (bei S. torulosa, asterophora) zeigten zwar feste 
Anwachsung des Antheridiums an die Oogonienwand, aber entweder keine Befruchtungsschläuche 
oder nur solche, welche die Eier nicht erreichen. 

6. Endlich Oogonien und Oosporen ohne Anlegung von Antheridien ausgebildet. 

Bei diesem Sachverhalt ist es klar, dass manche der eingangs aufgezählten Angaben 
über die in Rede stehenden Processe für bestimmte Formen vollkommen oder annähernd 
richtig sind, dass aber ihre Uebertragung auf andere Formen verfehlt sein konnte. Speciell 
hat Cornu die Vorgänge bei Pythium in der Hauptsache richtig erkannt, nur das allerdings 
spärliche Periplasma übersehen, mit Unrecht hat er aber die für Pythium gültige Erscheinung 
auch auf Saprolegnia und Achlya zu übertragen gesucht. In ähnlicher Weise sind andere der 
oben aufgeführten Anschauungen zu beurtheilen, auf welche hier im Einzelnen nicht mehr 
eingegangen zu werden braucht. Vollkommen falsch sind nur jene Angaben, welche von einem 
Austritt geformter oder ungeformter Körper aus dem spontan geöffneten Ende der Befruch- 
tungsschläuche in die Umgebung, nicht direct ins Innere der Eier, und von einem nachherigen 
Eintritt jener in die zu befruchtenden Eier selbst reden ; falsch wenigstens für jene Formen, 
welche Gegenstand der oben dargestellten Beobachtungen waren. Wie es sich bei Achlya 
racemosa verhält, konnte ich allerdings nicht untersuchen. Ich vermag daher auch nicht, 
Pringsheim’s Angaben über dieselbe ganz direct zu widersprechen, darf jedoch wohl daran 
zweifeln, dass sich diese Species von allen anderen Saprolegnieen so total verschieden verhält, wie 
sie thun würde, wenn die Angaben über die stossweise Entleerung ihrer Antheridien richtig wären. 

Jene älteren Angaben, welche von präsumptiven Samenkörpern in der Umgebung der 
Eier reden, haben vielleicht, abgesehen von psychologischen, ihre thatsächlichen Gründe in 
jener Ausstossung von Protoplasmastücken aus den in der Glättung begriffenen Eiern von 
Saprolegnia und in dem zuweilen vorkommenden Zurückbleiben einzelner nicht wieder auf- 
genommener Körner zwischen denselben. 

Bei der Verschiedenheit der beschriebenen Processe, welche als Befruchtungsvorgänge 
bezeichnet zu werden pflegen, entsteht nun die Frage, wie und ob in jedem derselben die 


Befruchtung stattfindet, wie man sich ihren Gang vorstellen kann. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 40 


— 298 — 


Von der Action sexueller Organe, welche man überhaupt Befruchtung nennt, wissen 
wir zweierlei. Erstens nämlich, dass in den Fällen, wo Befruchtung vorkommt, die Ein- 
wirkung eines befruchtenden, männlichen Formelements, mag dasselbe Samenkörper, Pollen 
oder wie sonst heissen, auf das zu befruchtende, das Ei z. B., nothwendig ist für die Ent- 
wicklung des letzteren zum lebensfähigen Embryo; und zweitens, dass der sichtbare Act der 
Befruchtung besteht in dem Uebertritt einer Quantität protoplasmatischer Substanzen aus dem 
männlichen in das weibliche Element, mag dieses eine einfache Eizelle oder ein Thierei 
sein, oder ein complicirterer Eiapparat, wie jener der Angiospermen oder wie das Carpogon 
der Florideen. Man sieht, dass dem weiblichen Element von dem männlichen etwas zugetheilt 
wird, was es zur Entwicklung braucht. 1) Unter protoplasmatischer Substanz verstehe ich 
hier der Kürze halber sowohl die Substanz des Protoplasma im engeren Sinne, als auch die 
des Kerns. Die Untersuchungen Strasburger’s?) haben zwar für manche Fälle gezeigt 
und für viele wahrscheinlich gemacht, dass bei jenem Uebertritt protoplasmatischer Substanzen 
eine Vereinigung stattfindet zwischen den gleichnamigen Theilen, also z. B. den Kernsubstanzen 
des männlichen und des weiblichen Elements. Im Uebrigen, und unbeschadet des letzt- 
erwähnten Verhaltens, sind die Modalitäten des Uebertritts und der Vereinigung nach den 
Einzelfällen sehr verschieden. Als extreme Fälle seien in Erinnerung gebracht die Ver- 
schmelzung des Protoplasmaleibes von Samenkörper und Ei bei Oedogonium, wo beide 
zusammenfliessen wie zwei ungleich grosse körnige Schleimtropfen, und andererseits der 
optisch allerdings nicht direct nachweisbare, nach dem ganzen Zusammenhang der Erscheinungen 
aber als unzweifelhaft anzunehmende Austritt der befruchtenden Substanz durch die geschlossen 
bleibende, quellende Cellulosehaut des Pollenschlauches der Phanerogamen, ihr — allerdings 
nicht mehr als wahrscheinliches — sichtbares Wiedererscheinen als Spermakern in der Eizelle 
und die räthselhafte Vermittelung ihres Uebertritts in diese durch die vom Pollenschlauch 
direct getroffenen Eigehülfen. | 

Wenn nun auch, wie diese Beispiele andeuten mögen, unsere Kenntnisse von der Mor- 
phologie der Befruchtungsacte neuerdings in unerwarteter Weise gefördert worden sind, so 
wissen wir doch noch : einfach nichts darüber, worin das Wesen des Befruchtungsprocesses 
besteht, welche Kräfte bei der Vereinigung der Protoplasmakörper wirksam sind, welche 
andere in Folge der Vereinigung in Wirkung treten und die Keimentwicklung in Gang setzen. 
In einem zweifelhaften Falle kann man über die Bedeutung der fraglichen Erscheinung als 


!) Sachs, Lehrb. 4. Aufl. 1877. 
?) Ueber Befruchtung und Zelltheilung. 1878. 


— 299 — 


Befruchtung nur entscheiden durch die experimentelle Feststellung des physiologischen Effects, 
bei Unmöglichkeit experimenteller Behandlung wohl auch Erfahrungen zu Hülfe nehmen, um 
wenigstens einen genügenden Grad von Wahrscheinlichkeit zu erhalten, oder die letztere 
gewinnen, indem man die morphologischen Vorgänge genau vergleicht mit solchen, welche in 
experimentell sicher gestellten Fällen stattfinden. 

Für die Fälle der Phycomyceten, welche uns hier beschäftigen, fehlt die Möglichkeit 
experimenteller Behandlung, weil absichtliche Trennung und Zusammenbringung der fraglichen 
Organe, Eier und Antheridien, nicht ausführbar ist. Nach den übrig bleibenden Kriterien ist 
bei den Pythien und Phytophthora bestimmt von Befruchtung zu reden, weil Uebertritt von 
Protoplasma aus dem Antheridium in das Ei erfolgt und weil, ohne dass dieser vorhergegangen 
ist, die Ausbildung einer Oospore niemals beobachtet wird. Bei Peronospora sind die Daten 
die nämlichen, mit dem Unterschied, dass der Uebertritt des Protoplasma nicht deutlich ist. 
Bei der so grossen Uebereinstimmung aller übrigen Erscheinungen ist jedoch auch hier 
unbedenklich, wenngleich schon mit nicht so vollständiger Sicherheit, von Befruchtung zu 
reden. 

Es mag hier die Bemerkung hinzugefügt werden, dass von diesen Peronosporeen Phyto- 
phthora, Peronospora (und Cystopus), der allgemeinen für Befruchtungen geltenden Regel ent- 
sprechend, immer nur ein befruchtendes Antheridium für jedes Ei haben. Wenn, wie es 
zuweilen vorkommt, zwei Antheridien einem Oogon ansitzen, so treibt doch, soweit die Beobach- 
tung reicht, nur eines den Befruchtungsschlauch. Auch bei den Pythien genügt ein Anthe- 
ridium. Dagegen verdient hier die Thatsache nochmaliger Hervorhebung, dass bei diesen 
Gewächsen der Eintritt des Plasmas von zwei oder mehr als zwei Antheridien in ein Ei eine 
häufige Erscheinung, bei bestimmten Arten sogar ganz vorherrschende Regel ist. Soviel mir 
erinnerlich, ist ein einigermaassen analoges Verhalten nur bei einigen Conjugaten und zwar 
als seltene Anomalie bekannt. 

Anders als mit den letztgenannten Formen verhält es sich mit den Saprolegnieen. Hier 
sind die Erscheinungen der gesammten Eientwicklung, bei aller Aehnlichkeit, von jenen der 
Pythien und Peronosporen doch soweit verschieden, dass die bei letzteren gewonnenen Resultate 
nicht ohne weiteres übertragen werden können. Man muss sich vielmehr an die zu be- 
urtheilenden Fälle allein halten und da tritt zunächst die in keinem der letztbesprochenen 
gefundene Thatsache hervor, dass bei manchen Species, — nämlich Achlya spinosa, Aphano- 
myces, Saprolegnia asterophora — die Oosporen sehr häufig ohne alle Mitwirkung von Anthe- 


ridien ebensogut reifen, alle ihre Entwicklungsstadien in genau der gleichen Form durchlaufen, 


— 300 — 


wie wenn Antheridien und Befruchtungsschlauch vorhanden sind. Eine Lücke in den Kennt- 
nissen ist hier allerdings noch vorhanden: ob die Keimfähigkeit der Oosporen in beiden 
Fällen bei den genannten Formen die gleiche ist, ist nicht sicher ermittelt, weil zur Zeit, wo 
die Keimung erfolgt, nicht mehr erkennbar ist, ob ein Antheridium vorhanden war und weil 
die Schwierigkeiten der directen Beobachtung eines isolirten Eies, von seiner ersten Ent- 
wicklung bis zur Keimung, bis jetzt nicht überwunden werden konnten. Da aber in beiden 
Fällen der Bau der reifen Oosporen genau der gleiche und da bei anderen Saprolegnieen 
sicher bekannt ist, dass die Keimung ebensogut nach Fehlen wie nach Anwesenheit von 
Antheridien erfolgt, so liegt kein Grund vor, an der Keimfähigkeit in den beiden uns be- 
schäftigenden Fällen zu zweifeln. Nimmt man nun an, dass in dem Falle der Anwesenheit 
von Antheridium und Befruchtungsschlauch eine Befruchtung stattfindet, so würde folgen, dass 
die reife keimfähige Oospore hier ebensowohl mit als ohne Befruchtung ausgebildet werden 
kann. An und für sich ist eine solche Annahme zulässig. Denn was wir von Sexualität 
überhaupt und speciell von der Nothwendigkeit der Befruchtung wissen, sind nicht mehr als 
empirisch festgestellte Thatsachen und Regeln, welche für bestimmte, meist für überaus zahlreiche 
Fälle, aber keine allgemeine principielle Geltung haben. Tausend Species können der sexuellen 
Befruchtung nothwendig bedürfen, und eine oder die andere, ihnen nächst verwandte nicht im 
geringsten. Das zeigen die Beispiele der parthenogenetischen Chara crinita, der apogamen 
Farne, auf welche hier wohl nur kurz hingewiesen zu werden braucht. 

So gut es nun Species gibt wie Ohara erinita, bei denen die Eier ohne jede Befruchtung 
sich ganz genau so verhalten, wie die anderer nächst verwandter Species, welche für ihre Weiter- 
entwicklung der Befruchtung nothwendig bedürfen, so gut könnten auch von den Eiern einer 
Species wie Sapr. asterophora, die einen befruchtungsbedürftig sein, die andern nicht, letzteren 
das Etwas, was jene von der Antheridie empfangen, auf anderem Wege während ihrer Ent- 
wicklung zugetheilt worden sein. Soweit man die Dinge zu beurtheilen vermag, könnte eine 
Veränderung der Ernährung z. B. die in Rede stehende Differenz verursachen, und da bei 
S. asterophora und Aphanomyces die Antheridien oft (nicht immer) ausbleiben, wenn der auf 
einem Insect cultivirte Rasen alt, die Zersetzungsproducte des Substrats daher vielleicht andere 
sind -als zu Anfang, so liesse sich gerade hier eine Erklärung der Differenz aus der Aenderung 
der Qualität der aus dem Substrat zugeführten Nährstoffe plausibel machen. 

Es fragt sich aber, ist die Annahme, von welcher wir ausgingen, richtig, findet in den 
Fällen, wo Antheridie und Befruchtungsschlauch vorhanden sind, bei den in Rede stehenden 


Formen eine Befruchtung wirklich statt. Und da sich alle untersuchten Saprolegnien, Achlyen 


— 301 — 


und Aphanomyceten in allen hierher gehörigen Punkten mindestens sehr ähnlich verhalten, so 
können wir die Frage auf alle ausdehnen. Die Antwort lautet, dass bei keiner der in Rede 
stehenden Formen ein zwingender Grund für die Annahme einer Befruchtung vorliegt. 

Um sich hierüber klar zu werden, sind die beiden Scenen von Pringsheim’s 
combinirtem Act auseinander zu halten und zu fragen, ob erstens Befruchtung des Eies mittelst 
des Befruchtungsschlauches, zweitens vielleicht des Oogoniums durch das sich anlegende Antheridium 
stattfindet. Die erste Frage stellen wir voran, weil sie nach der Analogie von Pythium jeden- 
falls bei weitem am nächsten liegt. Sieht man sich in den Beobachtungen um nach directen 
Gründen für das Stattfinden der Befruchtung, so fehlt der eines sichtbaren Substanzübertritts 
oder auch nur einer festen Verwachsung des Schlauches mit dem Ei. Der Schlauch bleibt 
geschlossen, eine Entleerung des Antheridiuns, d. h. eine Wanderung des Protoplasma aus dem 
ursprünglichen Antheridienraum hinaus, findet nur in dem Maasse statt, als die Schläuche 
wachsen, bei Aphanomyyces, wo diese sehr kurz bleiben, verändert sich das Antheridium bis 
zur Oosporenreife so gut wie gar nicht. Ueber das Stattfinden eines eventuellen Uebertritts 
gelöster Substanz in das Ei ist hiermit nichts entschieden; ihrer Annahme würde nichts im 
Wege stehen, wenn anderweitige Gründe dafür sprächen. 

Erfahrungen, welche für die Nothwendigkeit der Einwirkung von Antheridium und Schlauch 
sprächen, liegen durchaus nicht vor. Man sieht erstens die Oosporen ohne dieselben genau 
so reifen, wie da, wo sie vorhanden sind. Zweitens ist es eine alte Erfahrung, dass in nicht 
hierher gehörigen Fällen das Auftreten einer Cellulosemembran auf dem Ei mit dem Moment 
der Befruchtung erfolgt, es ist in diesen Fällen das erste Anzeichen der erfolgten Befruchtung. 
Bei den in Rede stehenden Pflanzen findet nun allerdings Coincidenz der Membranbildung mit 
ler Berührung durch den Schlauch auch oft statt; die Membran erscheint aber bei antheridien- 
führenden Formen auch dann, wenn aus irgend welchen Ursachen die Bildung der Schläuche 
unterbleibt, und zwar erscheint sie, soweit bestimmbar, ohngefähr zur selben Zeit nach der Ei- 
glättung, wie wenn Schläuche vorhanden wären; es kann daher hier nur von Coincidenz beider 
Erscheinungen und nicht von der causalen Abhängigkeit der einen von der andern die Rede sein. 

Nur zwei Erscheinungen liessen sich als directe Argumente für die Wahrscheinlichkeit 
einer Befruchtung anführen, nämlich die Thatsache, dass die Schläuche geradeswegs auf die 
Eier loswachsen, oder sogar, wenn sie anfangs eine andere Richtung eingeschlagen hatten, in 
scharfem Winkel nach einem noch unberührten Ei zu umbiegen; und ferner dass bei $. feraw 
ein Schlauch rascher über ein Ei hingleitet, welches schon von einem andern berührt war, als 


über ein noch unberührtes. Das bei der obigen Beschreibung dieser Erscheinungen erwähnte 


— 302 — 


Auftreten eines hellen körnerfreien Flecks an dem Ei ist zu unbeständig, um hier heran- 

gezogen werden zu können. Die erste Thatsache zeigt unzweifelhaft eine Beeinflussung der - 
Wachsthumsrichtung, eine Anziehung um kurz zu reden, der Schläuche durch die Eier an; ob 

diese aber zu einer Befruchtung der Eier in Beziehung steht oder nicht, bleibt hierbei völlig 
unentschieden. Wir werden auf diesen Punkt später zurückkommen. — Die zweite Thatsache 

ist die für unsere Frage beachtenswertheste und fordert jedenfalls zur Vorsicht in der 

Beurtheilung und in der Generalisirung der Urtheile auf, weil sie anzudeuten scheint, dass nach 
der Berührung durch den Schlauch in dem Ei eine Veränderung eingetreten ist, welche sich 

in einer veränderten: Anziehung der Schläuche zu erkennen gibt. Für diejenigen Fälle, wo 

‚besagte Erscheinung eintritt, muss die Möglichkeit zugegeben werden, dass eine Befruchtung, 

und zwar alsdann durch nicht direct sichtbaren raschen Uebertritt gelöster Substanz, statt- 
findet. Weiter dürfen wir in dem Zugeständniss nicht gehen, gegenüber den beobachteten 
Erscheinungen einerseits und unserer Unkenntniss von den wesentlichen Ansen Vorgängen 
bei sexueller Befruchtung andererseits. Es liesse sich z. B. recht wohl denken, dass die rein 

mechanische Berührung der Eioberfläche durch einen Schlauch die Bildung der festen Cellulose- 

membran am Ei um ein Geringes beschleunigt und hierdurch dessen Anziehungskraft für einen 
andern Schlauch verändert, ohne irgendwelche Stoffabgabe an das Ei und ohne irgendwelche 

Veränderung in diesem, welche nicht auch ohne Schlauchberührung, vielleicht alsdann etwas 

später eingetreten wäre. 

Nicht besser als mit den von der directen Beobachtung hergenommenen Argumenten für 
unsere Frage steht es mit den indirecten, von Homologien und Analogien zu entnehmenden. 
Dass die Oogonien und Antheridien von Pythium den hier in Frage stehenden homolog sind 
und dass sie einen Befruchtungsprocess wirklich vollziehen, ist zweifellos; noch zweifelloser aber 
doch die Homologie der antheridienführenden Oogonien mit den antheridienfreien derselben 
Species oder gar desselben Stockes. Gleiche oder auch nur analoge physiologische Eigen- 
schaften und Leistungen sind nun ja zwar bei homologen Organen überhaupt nicht nothwendig, 
dürfen aber bei so nahe, wie die in Rede stehenden, übereinstimmenden wohl supponirt werden. 
Hätte man die Organe von Pythium und Peronospora allein zum Vergleich mit den hier in 
Frage stehenden, so läge allerdings die Annahme analoger Befruchtungsvorgänge in beiden 
sehr nahe. Bei dem wirklichen Stand der Kenntnisse liegt aber die Analogie mit den antheridien- 
freien Oogonien von Saprolegnia, Achlya, Aphanomyces, jedenfalls noch näher. Die Zuhülfenahme von 
Homologien und Analogien führt also nicht minder wie die directe Beobachtung zu dem Resultat, dass 


in unsern Fällen ein Befruchtungsprocess weder nachweisbar noch selbst vorwiegend wahrscheinlich ist. 


— 303 — 


In vorstehender Auseinandersetzung wurden die Eigenschaften der mit und ohne Anthe- 
ridien gereiften Oosporen einer Species als vollkommen gleich betrachtet, und was ihren Bau 
betrifft, gilt dieses streng, sowohl für die meisten von Pringsheim, als für alle von mir 
beobachteten Fälle. An dem von Pringsheim angegebenen gelegentlichen Vorkommen relativ 
sehr dünnhäutiger Exemplare, habe ich übrigens, wie schon oben bemerkt, keinen Grund zu 
zweifeln. Pringsheim!) gibt aber noch eine andere Erscheinung an, welche eine Verschieden- 
heit zwischen morphologisch gleichen Oosporen einer Species, je nachdem sie mit oder ohne 
Anwesenheit von Antheridien gereift sind, enthält, und welche hier nicht unerörtert bleiben 
darf, weil sie als ein wenn auch nur schwaches Argument für das Stattfinden von Befruchtung 
angeführt werden kann. Ich meine, um mit Pringsheim’s Worten zu reden, dass die 


parthenogenetischen Oosporen früher, d. h. nach kürzerer Ruhezeit, keimen, als die befruchteten. 


So wie sie dieser Satz formulirt liegt die Sache hier aber nicht, wie eine Reihe von 
Beobachtungen über die Dauer der Ruhezeit zeigt, welche im Jahre 1880 angestellt wurden 
und zunächst hier mitzutheilen sind. Vorausgeschickt sei, dass ich aus oben angegebenen 
Gründen nicht im Stande war, bei A. spinosa, Sapr. asterophora und Aphanomyces die partheno- 
genetischen Oosporen von befruchteten zu isoliren, um die etwaigen Unterschiede in der Dauer 
der Ruhezeit festzustellen, und dass letztere aus technischen Gründen nicht für einzelne Oo- 
sporen genau, sondern jedesmal für die einer Cultur angehörigen ohngefähr bestimmt wurde. 
Zu diesem Behufe wurden jedesmal ein oder mehrere mit eben reifen Oosporen reichlich ver- 
sehene Rasen der zu prüfenden Form in einem wassererfüllten Gefäss isolirt und der Tag der 
Isolirung notirt; sodann sämmtliche Gefässe unter möglichst gleichen äusseren Bedingungen 
gehalten — sie standen alle dicht bei einander — und in der Regel alle 8—14 Tage Musterung 
vorgenommen (nur einmal gelegentlich einer Ferienreise eine vierwöchentliche Unterbrechung 
gemacht, während welcher Aphanomyces keimte, die übrigen Materialien unverändert blieben), 
und der Tag, an welchem die ersten Keimungen an einer isolirten Partie beobachtet wurden, 
als das Ende ihrer Ruhezeit notirt. Die relative Ungenauigkeit dieses Verfahrens liegt auf 
der Hand, da nicht alle Oosporen eines Rasens am nämlichen Tage reifen, und vereinzelte 
erste Keimungen in dem Material eines oder mehreren Rasen leicht übersehen werden konnten. 
Doch beziehen sich die hieraus resultirenden Fehler auf alle zu vergleichenden Fälle gleich- 
mässig, so, dass sie die Gewinnung eines ohngefähren Durchschnittresultats nicht hindern. Die 


beobachteten Fälle sind folgende: 


') Jahrbuch IX, p. 200, 


— 304 — 


Datum der Reifung, der en Ohngefähre Dauer der Ruhezeit. 
Saprol. monoica !) 15. Mai 7. October 145 Tage 
» SR) 3. Juni 18. October 137 > “ 
» » 3) 10.—14. Aug. 18. October 68 >» 
Saprol. Tureti ') Ende März bis Ende April 1. August 92 »  (v. 1. Aprilab gerechnet) 
» a) 4. August 28. September 45 » 
Saprol. torulosa 2. August 12. August 1023 
Achlya polyandra !) 30. Mai 6. Juli 37 >» 
» » 2) 22. Juni 13. Juli 21 » 
Achlya prolifera Januar bis Ende Februar. 28. September 212 »  (v.1. Märzab gerechnet) 
Achlya spinosa Anfang Juni nach 8—10 Tagen 8—10 Tage 
Saprol. asterophora März bis Mai 22. September. 175 Tage (v. 1. April ab gerechnet). 


Zu diesen Angaben ist zuvörderst zu bemerken, dass an dem als Ende der Ruhezeit 
bezeichneten Datum immer nur eine kleine Zahl der Oosporen der untersuchten Partie 
keimten, die Zahl der Tage bezeichnet daher nur das ohngefähre Minimum der Ruhedauer. 
Die überwiegende Mehrzahl der Oosporen einer Cultur ist um die bezeichnete Zeit anscheinend durch- 
aus unverändert, viele bleiben es noch lange Zeit hindurch. So fanden sich z. B. am 22. September 
noch ungekeimte, anscheinend keimfähige Oosporen in der oben notirten Cultur von A. spinosa ; 
sehr zahlreiche desgleichen am 22. September in der Cultur !) von 8. Thureti und der von 
S. torulosa. An diesen zuerst übrig bleibenden tritt dann später nach und nach Keimung ein, je 
nach dem Einzelfall in verschieden rascher Folge: bei A. polyandra am schnellsten, 8S—14 Tage 
nach Beginn der ersten hatten die weitaus meisten Oosporen gekeimt; bei A. prolifera sehr 
langsam, viele Wochen hindurch sind immer nur ganz vereinzelte Keimungen zu bemerken. 
A. spinosa entzog sich, wegen Spärlichkeit und geringer Reinheit des Materials, zuletzt der 
genauen Controle. In den letztgenannten Culturen von $. Thureti und torulosa hatte sich 
die Keimung bis Ende October über die letzten vorhandenen Oosporen erstreckt. 

Sieht man von letzterwähntem Verhältniss ab, und berücksichtigt das ohngefähre Minimum 
der Ruhedauer, auf welches allein sich auch Pringsheim |. c. bezieht, so zeigt obige Beob- 
achtungsreihe, dass dieses allerdings bei einer und derselben untersuchten Form sehr ungleich 
sein kann — z. B. S. monoica — dass es aber doch unverkennbar in bestimmten Fällen, unter 
gleichen äusseren Bedingungen ‚nach Species verschieden ist. Selbst einander sonst 
sehr ähnliche Arten wie A. polyandra und prolifera zeigen in dieser Hinsicht grosse Verschieden- 
heit. Es zeigt sich ferner, dass gerade die extremst verschiedenen Fälle solche Species oder 
Oosporen betreffen, bei denen eine »parthenogenetische« Eientwicklung nicht stattfindet; denn 
in den sehr genau controlirten Culturen von A. polyandra sowohl wie prolifera wurde nie ein 


antheridienfreies Oogon beobachtet, und an den rasch keimenden Exemplaren von A. spinosa 


— 805 — 


war das zugehörige Antheridium zur Zeit der Keimung vielfach noch wohlerhalten vorhanden 
(vel. IV, 18). 

Mit dem Nachweis solcher specifischer Unterschiede ist ein Einwand gegen Pringsheim’s 
Behauptung allerdings noch nicht begründet, denn diese bezieht sich, wenn auch nicht in 
scharfer Formulirung, doch wohl ihrem eigentlichen Sinne nach auf die Differenzen zwischen 
den mit und ohne Befruchtung ausgebildeten Oosporen einer und derselben Species. Und 
zwar werden von solchen genannt A. polyandra und »S. ferax.« Von ersterer kann über- 
haupt nicht die Rede sein, aus Gründen, welche in Vorstehendem schon angedeutet und in dem 
15. Abschnitt näher darzulegen sind. Pringsheim’s Beobachtungen für $. ferax aber haben 
in der vorstehenden Untersuchungsreihe Wiederholung und auch, was die nackten Thatsachen be- 
trifft, Bestätigung erfahren, denn unsere S. monoica, Thureti und torulosa bilden miteinander und viel- 
leicht mitnoch anderen Formen die alsS. ferax von Pringsheim zusammengefasste Collectivspecies; 
und die parthenogenetische Form Zorulosa hat ein Ruheminimum von 8—10, die nicht partheno- 
genetische monoica dagegen von 68—145 Tagen, die ebenfalls rein parthenogenetische so gut wie 
nie Antheridien bildende Form 7’hureti hält aber mit der Durchschnittsziffer des Ruheminimums 
zwischen beiden ersteren die Mitte; in einem besonderen Falle war dasselbe sogar erheblich 
länger (92 Tage) als das kürzeste der für S. monoica beobachteten (68 Tage). Schon hier- 
nach kann man nicht allgemein aussagen, dass bei Pringsheim’s $. ferax die Ruheminima der 
parthenogenetisch erzeugten Oosporen kürzer sind als die nicht partenogenetischer. Hierzu 
kommt aber noch ein anderer Gesichtspunkt. Wie schon oben angedeutet und im 15. Ab- 
schnitt ausführlicher zu erörtern ist, sind die drei genannten Formen keineswegs solche 
einer und derselben Species angehörige Formen, die in Folge irgend welcher äusserer 
oder sonstiger Ursachen wechselsweise auseinander hervorgehen. Sie sind vielmehr, soweit 
nach mehrjährigen Erfahrungen geurtheilt werden kann, drei erblich constante Species oder 
Racen, die eine immer mit Antheridien versehen, die beiden anderen immer partheno- 
genetisch. Die Differenz ihrer Ruheminima stellt sich daher in die Kategorie derjenigen 
Differenzen,. welche wir oben als Species-Eigenthümlichkeiten auch bei anderen Arten kennen 
lernten. Eine directe Ursache dieser Differenz in dem Fehlen oder Vorhandensein von An- 
theridien und Befruchtungsschläuchen zu finden, dafür fällt jeder Grund weg; sie kann vielmehr 
nur eine gemeinsame Ursache haben mit den anderen Species-Eigenthümlichkeiten, denen sie 
correlativ ist. 

Die angeführten Thatsachen und Beobachtungen genügen um darzuthun, dass Pringsheim 


von an und für sich richtigen Beobachtungen aus, mit seiner oben reproducirten Aussage viel 
Abhandl, d. Senckenb. naturf. Ges Bd. XII. 41 


— 306 — 


zu weit geht. Diese durfte nicht mehr besagen, als dass bestimmte »parthenogenetische« 
Oosporen ein viel kürzeres Ruheminimum als bestimmte »befruchtete« haben; was darüber 
hinausgeht ist unbegründet, insbesondere soweit es directe Causalbeziehungen zwischen der 
Ruhedauer und der präsumptiven Befruchtung oder Parthenogenie betrifft. 

Nachdem die erste oben gestellte Frage verneinend beantwortet ist, bleibt die zweite 
noch discutabel: ob vielleicht eine Befruchtung des Oogoniums selbst durch das an- 
liegende Antheridium stattfindet, ob also der Befruchtungsaet in ein der Austreibung der An- 
theridienschläuche vorausgehendes Stadium zu verlegen sei. Die Ei- und Oosporenbildung wäre 
alsdann eine Folge der Befruchtung. Es bedarf nun aber wohl keiner besonderen Auseinander- 
setzung, dass sich aus der direeten Beobachtung für die Beantwortung dieser zweiten Frage die- 
selben Argumente und Schlüsse ergeben wir für die erste, und dass die von Pythium herge- 
nommenen Analogien ganz unzweifelhaft für Verneinung sprechen, weil hier unzweifel- 
hafte Befruchtung nach Austreibung des Antheridienschlauches und mit Hülfe desselben 
stattfindet, nicht aber vorher durch das dem Oogon anliegende Antheridium, und weil diese 
Befruchtung das vorher geformte Ei betrifft und nicht das Oogonium vor der Eiformung. 
Die zweite Frage muss daher noch bestimmter wie die erste mit Nein beantwortet werden. 
Meine oben (p. 231) angegebene Meinung, soweit sie auf eine Bejahung derselben hinauslief, 
beruhte auf unvollständiger Kenntniss der Thatsachen. 

Auf Grund des gedruckten Wortes allein könnte man freilich eine befruchtende Beziehung 
der Antheridien zu den Oogonien immer noch vermuthen, weil letztere, nach Pringsheim,-mit 
besondern Apparaten zur Vermittelung der Vereinigung mit den Antheridien, den »in vielen 
Fällen nur rudimentären weiblichen Copulationsästen oder Copulationswarzen« versehen sein sollen, 
Wären solche besondere Apparate wirklich da, so würden sie allerdings zum Nachdenken über ihre 
Function auffordern und würde nach der ganzen Sachlage am ersten vermuthet werden können, 
dass sie doch etwa irgend einem Befruchtungsvorgang dienen. Die Thatsachen liegen aber anders. 
Einerseits bleiben allerdings in den Ansatzflächen der Antheridien bestimmte circumscripte 
Stellen der Oogoniumwand in vielen, vielleicht in allen Fällen dünnhäutiger als der grösste Theil 
des Umfangs dieser, sie sind die spätern Eintrittsstellen der Antheridiensschläuche; eine andere 
Beziehung zur eventuellen Befruchtung haben sie auch nach Pringsheim nicht. Sie finden sich 
auch bei Pythium bei manchen Peronosporen, wo über den Befruchtungsprocess selbst Kein 
Zweifel besteht. Andererseits haben die Oogonien vieler in die hier behandelte Formenreihe 
gehöriger Arten radiale, als Stacheln, Warzen etc. auftretende Wandaussackungen: einzelne von 


sehr wechselnder Gestalt und Grösse kommen zuweilen, doch nicht zu oft bei A. polyandra 


— 307 — 


vor; von A. spinosa, Saprolegnia asterophora, Aphanomyces wurden sie oben beschrieben; sie 
sind aber keineswegs auf die Saprolegnieen im engeren Sinne beschränkt, sondern finden sich auch, 
wie angegeben, bei Pythium-Arten, und nicht selten, allerdings keineswegs constant, in Form 
stumpfer Warzen auch bei Peronospora densa.') Manche Saprolegnieen, wie S.monoica, Achlya prolifera 
haben glatte, aber mit den bekannten Tüpfeln versehene Oogonien und jene Tüpfel können 
vielleicht als den Aussackungen anderer Species: homolog betrachtet werden. Achlya racemosa 
hat nun nach Pringsheim’s Darstellung spitze Aussackungen, welche zugleich viel dünnwandiger 
sind, als die übrige sehr derbe Oogonienwand, welche also in dieser Beziehung Ansatzstellen 
der Antheridien gleichen. An die dünnwandigen Aussackungen sah Pringsheim bei A. racemosa 
manchmal Antheridien angelegt; er hielt sie daher für in diesen Fällen besonders ausgebildete, 
in andern Fällen auf die dünn bleibende, nicht ausgesackte Wandstelle beschränkte eigene Ver- 
einigungsorgane. Und was bei anderen Arten theils von Tüpfeln, theils von Ausstülpungen vor- 
kommt, soll dann ganz oder zum Theil, fungirend oder functionslos, in die gleiche Kategorie 


gehören. 


Aus unseren obigen Darstellungen geht hervor, dass für die Aussackungen der beschrie- 
benen Species das gerade Gegentheil von Pringsheim’s Ansicht richtig ist. Sie sind nicht 
die Ansatzorte für die Antheridien, sondern diese treten in die Lücken zwischen ihnen. Dass 
bei sehr dicht stehenden Aussackungen wohl auch einmal ein Antheridium auf die Seitenfläche 
einer solchen kommen kann, ist fast selbstverständlich und ändert nichts an dem Sachverhalt. 
Nicht anders liegen die Dinge bei A. racemosa. Nach Pringsheim’s Darstellungen (vgl. 
dessen Taf. XIX.), auf welche ich mich hier allein beziehen kann, ist die Anlegung des Antheridiums 
an eine Aussackung ein Ausnahmefall; sie erfolgt gewöhnlich an glatte Stellen der Oogonwand. 
Mögen die Tüpfel glatthäutiger Oogonien nun auch meinetwegen den Aussackungen anderer 
homolog sein, einGrund, sie für rudimentär oder klein gebliebene Vereinigungsorgane zu halten, 
liegt schlechterdings nicht vor. 

Pringsheim’s Auseinandersetzungen lassen durchblicken, dass er sich, zum Theil wenigstens, 
durch andere Gründe als die soeben besprochenen Thatsachen auf seine Ansicht ‚hat führen 
lassen. Er meint nämlich das Auftreten seiner Vereinigungsorgane, mögen sie als Tüpfel oder 
als Aussackungen erscheinen, stehe in directem Zusammenhange mit der Bildung jener hellen 
Flecke im Innern des heranreifenden Oogoniums, also mit charakteristischen Veränderungen in 


dem Protoplasma, welche, wie ich hinzufüge, an anderweitig vorkommende Bildungen von 


!) Vgl. Ann, sc. nat. 1863, T. 20, p. 104. 


— 308 — 


Empfängnissflecken und dergleichen erinnern. Oben wurde aber gezeigt, dass dieses für die 
hellen Flecke der glatten Formen, wie S. ferax, ein einfacher Irrthum ist, und für die mit 
Aussackungen versehenen auf einer ebenfalls irrthümlichen Vermengung von zweierlei sichtbaren 
hellen: Flecken beruht, nämlich der im Innern des wasserausstossenden Protoplasma befindlichen 
Vacuolen, welche mit der Wandoberfläche nichts zu thun haben, und der hellen Figuren, als 
welche die Aussackungen, rein in ihrer Eigenschaft als Relieftheile, bei bestimmter Einstellung 
des Mikroskops erscheinen müssen. Was in letzterer Beziehung bei der Beschreibung von 
5. asterophora gesagt wurde, gilt auch für alle anderen in Frage kommenden Fälle. Auf die 
Beschreibung der Einzelerscheinungen selbst brauche ich hier nicht zurückzukommen. Nach 
allen diesen Daten und Erwägungen fällt für die Annahme besonderer Vereinigungsorgane jede 
Spur eines Grundes weg. Wären sie übrigens wirklich vorhanden, so würden sie für das 
Stattfinden einer Befruchtung wiederum nichts beweisen, sondern nur eine Discussion anregen 
können, welche jetzt überflüssig ist. 

Da die Frage nach der Function der Aussackungen einmal berührt werden musste, so 
mag die Bemerkung gestattet sein, dass sie, soweit beurtheilt werden kann, wohl mit jenen 
zahlreichen ähnlichen Bildungen in eine Kategorie gestellt werden dürfen, welche an der 
Oberfläche von anderen der Fortpflanzung dienenden Zellen — Sporen, Pollenkörnern — und 
sonstigen kleinen Körpern bekannt sind, und deren Leistung wohl hauptsächlich darin besteht, 


die Verbreitung ihrer Träger zu fördern oder ihnen Schutz zu gewähren. 


14. Entstehungs- und Wachsthums-Ursachen von Antheridien und Nebenästen. 


Bei der Betrachtung der oben beschriebenen, der Vereinigung vorangehenden Entwicklungs- 
stadien von Oogonium und Antheridium treten einige Fragen hervor, welche hier noch berührt 
werden müssen. Sie kommen bei sämmtlichen in dieser Arbeit behandelten Formen in Betracht 
und betreffen die causalen Beziehungen zwischen der Entstehung der Oogonien und Antheridien 
und die Einwirkung ersterer auf die Wachsthumsrichtung von Antheridien und Nebenästen. 

Nach der gegenseitigen Stellung, Insertion von beiderlei Organen unterscheidet man bei 
den untersuchten Arten zwei Hauptfälle, den einen mit nächst benachbartem Ursprung beider 
Organe an demselben, androgynen Thalluszweige, den andern mit von einander morphologisch 
weit entfernten Ursprungsorten der zusammentretenden Organe, eingeschlechtigen, entweder 
Oogonien oder Antheridien tragenden Thalluszweigen. Zu den ersteren, in Kürze den andro- 
gynen Formen, gehören z. B. in der Regel die meisten Pythien, Phytophtora omnivora, Sapro- 


legnia monoica, asterophora, Achlya spinosa, zu den anderen, die ich kurz dicline nennen 


— 309 — 


will, Pythium megalacanthum, Achlya prolifera, A \phanomyces scaber. Für jede Species ist eines 
der beiden Verhältnisse Regel, das ausnahmsweise Vorkommen des anderen aber nicht aus- 
geschlossen. Ob die Diclinie bis zur vollständigen Diöcie gehen kann, lasse ich aus oben an- 
gedeuteten Gründen dahingestellt, und wiederhole nur, dass eine bestimmte directe Beobachtung 
dafür nicht vorliegt.!) Die Entstehung der Sexualorgane ist bei P, de Baryanum besonders leicht 
genau zu verfolgen. Sie zeigt in dem regulären Falle der Androgynie die Eigenthümlichkeit, 
dass jedesmal erst ein Oogonium zu seiner vollen Grösse und Abgrenzung heranwächst und dann 
unmittelbar daneben ein, resp. zwei Antheridien entstehen. Bei derselben Species kommt Diclinie 
als Ausnahme vor. In diesem Falle ist ein Oogonium einem seinem Träger räumlich (nicht 
morphologisch) benachbarten Thalluszweig genähert und an dem jenem nahe liegenden Theile 
des letztern entsteht das Antheridium. An anderen als den soeben bezeichneten Orten werden 
— abgesehen von einzelnen unten noch zu berührenden zweifelhaften Fällen — Antheridien 
nicht beobachtet, obgleich dieselben, falls sie vorkämen, an ihrer häufigen Hakenform erkennbar 
sein müssten. Die Erscheinungen an der regelmässigen androgynen Form und die Thatsache 
des Fehlens isolirter Antheridien führen zunächst zu der Annahme, dass zwischen der Entstehung 
der beiderlei Organe eine ursächliche Beziehung existirt. Es fragt sich dann aber, ist die 
successive Bildung beider die Wirkung einer gemeinsamen Ursache, hat das fertile Zweigstück 
Eigenschaften erhalten, vermöge deren es erst je ein Oogon, dann ein Antheridium daneben 
bildet, und letzteres auch dann ausbilden würde, wenn das Oogon unmittelbar nach seiner Ab- 
grenzung entfernt oder zerstört wäre; oder ist die Bildung des Antheridiums die Consequenz 
von Einwirkungen, welche das Oogonium nach seiner Entstehung auf seine nächste Umgebung 
ausübt. Der denkbare Weg, der Frage experimentell, durch Vivisection, beizukommen, ist nicht 
wohl ausführbar. Die diclinen Ausnahmefälle aber beantworten die Frage mit der grössten 
_Wahrscheinlichkeit zu Gunsten der causalen Abhängigkeit der Antheridienbildung von dem 
Vorhandensein eines benachbarten Oogoniums, denn sie zeigen, dass jene, bei dichter Annäherung 


des letzteren, auch an solchen Orten erfolgt, wo sie andernfalls nicht erfolgt sein würde. 


Fragt man weiter, welcher Art die Einwirkung des Oogoniums auf die Antheridienbildung 
ist, so liegt die Annahme unmittelbar nahe, dass es sich in unserem Falle in letzter Instanz 
um die Wirkung chemischer Differenzen handelt, denn die später eintretenden Befruchtungs- 
erscheinungen erweisen für die Zeit des Befruchtungsprocesses jedenfalls eine stoffliche Ver- 


schiedenheit des Inhalts der beiderlei Organe, und nichts steht a priori der Annahme entgegen, 


') Vgl. auch Cornu l. c. p. 72. 


— 131077 


alle Thatsachen sprechen vielmehr dafür, dass diese Verschiedenheit schon in den Anfangsstadien 
ihrer Entwickelung vorhanden ist, resp. ihren Anfang nimmt. Zu einer präcisen Nachweisung 
derselben reichen unsere Reagentien derzeit nicht aus. Allein schon die oben bei der Ent- 
wicklungsgeschichte beschriebenen Erscheinungen der Bildung und Umbildung der Fettkugeln 
u. s. w. sind direct greifbare Argumente dafür, dass in dem Oogonium stoffliche Verhältnisse 
bestehen, welche den übrigen Theilen der Pflanze fehlen. Schon vor der Ballung der Eier ist 
das Protoplasma des jungen Oogoniums durch optische Eigenschaften ausgezeichnet, welche direct 
auf stoffliche Besonderheiten hinweisen. Neben den Sexualorganen kommen bei unserer Pflanze 
nicht selten jene keimfähigen, geschlechtslosen Ruhezellen oder Conidien vor, Zellen, welche 
jungen Oogonien in Gestalt und Grösse oft völlig gleich sind, aber durch andere Lichtbrechung, 
Feinkörnigkeit etc. ihres Protoplasmas meist auf den ersten Blick erkennen lassen, dass sie 
etwas anderes sind als Oogonien. 

In welcher Weise die stofflichen Besonderheiten für die Antheridienbildung bestimmende 
Wirkungen ausüben, dafür fehlt die Möglichkeit einer sichern Vorstellung. Die Haupt-Alternative 
wird die sein, dass es sich entweder um physikalische Processe handelt, welche in Folge chemischer 
Veränderungen als die direct wirksamen eintreten, z. B. um electrische Spannungen und Aus- 
gleichungen; oder um directe chemische Wirkung von Stoffen, welche aus dem Oogonium 
abgeschieden ‚werden und dann mit dem zur Antheriumbildung kommenden Protoplasma in 
Beziehung treten. Die erstere, physikalische Annahme hat nur den einen Vorzug, dass sie 
gänzlich im Dunkeln tappt. Die andere steht wenigstens mit der direct beobachteten Erscheinung 
in Uebereinstimmung, dass stoffliche Sonderungen und Abscheidungen im Innern des Oogoniums 
der Ballung des Eies wirklich vorangehen. Dass hierbei auch nicht direct sichtbare Abscheidungen 
gelöster Körper, welche durch die Membran nach aussen diffundiren können, stattfinden, ist 
zum windesten nicht unwahrscheinlich. In wieweit diese hypothetischen Körper etwa mit den 
Protoplasmabestandtheilen des künftigen Antheridiums chemische Verbindungen eingehen, oder 
als Fermente wirken, muss natürlich ganz dahingestellt bleiben. Auf den Boden der Thatsachen 
kehren wir aber zurück mit Hervorhebung der Erscheinung, dass sich die antheridienbestimmende 
Wirkung der Oogonien immer nur auf eine äusserst geringe, die Länge des Oogoniumdurch- 
messers kaum je übertreffende Entfernung äussert. Gehen wir von der chemischen Annahme 
aus, so muss der hypothetische, abgeschiedene Stoff in minimaler Menge abgeschieden und von 
dem benachbarten antheridienbildenden Plasma sofort vollständig gebunden oder zerstört 
werden, denn andernfalls müssten in einem kleinen, zahlreiche Pythiumhyphen und tausend 


Oogonien enthaltenden Wassertropfen an vielen nicht direct an Oogonien grenzenden Orten 


— 311 — 


jener Antheridien entstehen. Fälle wie der Fig. 12, Taf. I abgebildete, wo in etwas grösserer 
Entfernung von einem Oogon ein Zweiglein auftritt, welches seiner Form nach ein nicht recht 
fertig gewordenes Antheridium sein könnte, sind vielleicht aus, wegen zu grosser Distanz un- 
vollständig gebliebener Oogoniumeinwirkung zu erklären, doch bleibt das unsicher, weil die Form 
solchen Zweigleins nie charakteristisch genug ist, um seine Prädestination zum Antheridium sicher 
erkennen zu lassen. 

Die bekannten Thatsachen zeigen endlich, dass die Ausgiebigkeit der Antheridienbildung 
an einem Oogonium nach Einzelfällen insofern sehr verschieden ist, als ein intercalares Oogon 
ein oder zwei androgyn entstandene Antheridien erhalten kann; dazu eventuell noch ein anderes 
diclinen Ursprungs; oder auch letzteres allein. Diese und ähnliche Differenzen führen, unter 
Voraussetzung der obigen Annahmen, zu der Ansicht, dass die so zu sagen antheridienbildende 
Kraft eines Oogons, oder die Menge der von ihm abgegebenen Substanz, ceteris paribus nach 
Einzelfällen ungleich sein kann. Freilich ist hierbei die gleiche Empfänglichkeit oder gleiche 
Fähigkeit der Umgebung für die Erzeugung von Antheridien vorausgesetzt, für deren Beurtheilung 
uns jeglicher Anhaltspunkt fehlt. 

Die an P. de Baryanım gewonnene Anschauung, dass die Bildung der Antheridien in be- 
stimmten Fällen ursächlich bedingt sei durch Einwirkung der zuerst vorhandenen Oogonien auf die 
ihrerseits dazu fähigen, aber durch keinerlei sichtbare Besonderheit eine Prädestination anzeigenden 
Thallusäste, findet sehr vollständige Bestätigung und Unterstützung in den bei P. megalacanthum 
beobachteten Erscheinungen. Die nach allen Richtungen mit ihren Zweigen über und durch- 
einander gewachsenen Thallusfäden im Wasser entwickelter Exemplare bilden an morphologisch 
nicht vorausbestimmbaren Orten Oogonien. Antheridien werden dann erzeugt von anderen 
Zweigen entfernten Ursprungs, und zwar immer nur von solchen, welche sich in nächster ört- 
licher Nachbarschaft der vorher entstandenen Oogonien befinden. Anders als durch directe, 
auf kurze Entfernung wirkende, von den Oogonien ausgehende Action ist diese Thatsache nicht 
zu erklären. Allerdings kommen bei dieser Species, wie beschrieben wurde, öfters Oogonien 
vor, welche keine Antheridien erhalten und dann in vegetative Zweige oder Zoosporangien aus- 
wachsen. Solche Exemplare kommen aber auch nie zur Eibildung, von der man doch annehmen 
muss, dass sie in einem normal beschaffenen Oogon unabhängig von der Gegenwart der Anthe- 
ridien eintreten müsste. Sie haben daher augenscheinlich überhaupt andere Eigenschaften, als 
völlig normal ausgebildete, und das Ausbleiben der Antheridienbildung in ihrer Nähe findet in 
der Unvollkommenheit der Ausbildung des betreffenden Oogons seine einfache Erklärung. 


Ganz analoge und zu denselben Erwägungen und Anschauungen führende Thatsachen 


— 312 — 


lernten wir oben bei Achlya spinosa kennen: der Regel nach androgyne, dicht neben und zeitlich 
nach dem Oogon entstandene Antheridien, und solche diclinen Ursprungs, wo ein Oogon an 
einen andern Faden anstösst an diesem entstehend. Auch der in der Regel wenigstens dicline 
Aphanomyces scaber scheint sich hier anzuschliessen, insofern, soweit ich die Sache verfolgt 
habe, beliebige an junge Oogonien grenzende vegetative Zweige die Antheridien entwickeln. 
Nicht minder könnten hier gleich Achlya racemosa und bestimmte Formen von $. monoica 
mitbetrachtet werden, von welchen jedoch erst nachher die Rede sein soll. 

Zunächst möge hier die Bemerkung eingeschaltet werden, dass die Constatirung der Wirkung 
eines Oogoniums auf die Entstehung der ihm anliegenden Antheridien an einem vegetativen 
Zweige eine Erscheinung bis zu gewissen Grenzen völlig erklärt, welche mir bisher immer 
räthselhaft war, nämlich die, dass bei Peronosporeen im Innern befallener Pflanzentheile kaum 
je ein reifendes Oogonium gefunden wird, dem nicht das befruchtende Antheridium ansässe. 
Sehr viele dieser Formen, z. B. P. effusa, arborescens, Alsinearum sind nicht oder nicht streng 
androgyn, der Ursprungsort des Oogons und des Trägers eines ihm angelegten Antheridiums 
liegen morphologisch oft weit auseinander. Man musste sich nun in solchen Fällen bisher vor- 
stellen, der Antheridienträger, irgendwo entsprungen, wüchse gegen das Oogon hin, um sich 
ihm anzulegen. Bei dieser Vorstellung ist es aber geradezu unbegreiflich, wie er sein Ziel 
jedesmal mit jener unfehlbaren Sicherheit von weither erreicht, gegenüber den Hindernissen, 
die er zu überwinden hat in dichten Geweben, wo die Pilzhyphen eingeklemmt sind in enge 
Intercellulargänge und diese von anderen pilzführenden wiederum getrennt durch feste, für die 
fructifieirenden Zweige des Pilzes undurchdringliche Zellenlagen. Mehr noch als für die alt- 
bekannten Peronosporen würde diese Schwierigkeit gelten für Pythitm megalacanthum bei seinem 
normalen Vorkommen in dichtem Gewebe, da seine Oogonien in der Regel mit mehreren 
Antheridien diclinen Ursprungs versehen sind. Die für P. megalacanihum vorliegende directe 
Beobachtung, dass das Oogonium Antheridienbildung an den gerade vorhandenen, örtlich be- 
nachbarten Zweigen hervorruft, lässt sich einfach auf jene Peronosporen anwenden und beseitigt 
für sie wie für das Pythium die Schwierigkeit, denn in den Pflanzentheilen, wo Oogonienbildung 
an einer Peronosporee stattfindet, ist das Vorhandensein einer Mehrzahl von Zweigen des Pilzes 
nebeneinander in einem Intercellularraum Regel und leicht zu erklären. 

Die vorstehenden Erwägungen und Folgerungen können selbstverständlich nicht für alle 
in dieser Arbeit untersuchten Fälle gelten. Zunächst wurde für die meist streng androgyne 
Phytophthora hervorgehoben, dass Oogon und zugehöriges Antheridium fast gleichzeitig sichtbar 


werden, so dass die Annahme einer für beide gemeinsamen, in den Eigenschaften des Trägers 


—ı 3157 — 


gelegenen Entstehungsursache kaum umgangen werden kann. Die bei dieser Pflanze relativ 
seltenen und in ihrer Entstehung nicht genau untersuchten Fälle morphologisch entfernten Ur- 
sprungs von Oogon und Träger des diesem anliegenden Antheridiums mögen jedoch in die oben 
erörterte Kategorie gehören, und auch für die androgynen Fälle ist wenigstens die Möglichkeit 
einer causalen Einwirkung des — allerdings alsdann noch sehr jugendlichen — Oogons nicht 
ausgeschlossen. 

Etwas anders liegt die Sache bei den Saprolegnieen mit grösseren Nebenästen. Formen 
wie Achlya racemosa, nach Pringsheim’s und Hildebrand’s Darstellung, und S. monoica könnten 
zwar, wie schon bemerkt, auch in die erste Kategorie gerechnet werden, weil bei ihnen in der 
Regel die antheridientragenden Nebenäste örtlich ganz nahe beim Oogonium entspringen. Jedoch. 
schon bei S. monoica erstreckt sich das Auftreten jener Aeste oft auf Theile der Thalluszweige, 
welche von den Oogonienanlagen weit entfernt sind, und beginnt mit diesen fast gleichzeitig. 
Für S. asterophora wurde das Nämliche oben beschrieben. Bei A. polyandra ist ein noch 
fernerer Ursprung häufig und bei A. prolifera endlich vorherrschende Regel diese, dass beiderlei 
Organe von ganz getrennten Hauptstämmen des Thallus, vielleicht sogar in wirklich diöcischer 
Vertheilung entspringen. Ich habe bei letzterer Species isolirte, d. h. ohne andere in einem 
Gefässe cultivirte Rasen beobachtet, welche 14 Tage lang nur Nebenäste in sehr grosser Zahl 
producirten, so dass ich rein »männliche« Exemplare vor mir zu haben glaubte. Nachher kamen 
jedoch Oogonien hinzu. Jedenfalls zeigt diese letzte Beobachtung, dass es Formen gibt, bei 
welchen jene mit dem Namen Nebenäste bezeichneten Zweige des Thallus ohne jede Einwirkung 
von Oogonien auftreten; und da ausschliesslich an den Nebenästen die Antheridienbildung 
stattfindet, so erreicht diese, kann man sagen, ein in bestimmter Form auftretendes Anfangs- 
oder Vorbereitungsstadium unabhängig von bereits vorhandenen Oogonien irgend welchen Alters. 

Auf der anderen Seite zeigen aber gerade die selbständige Nebenäste entwickelnden 
Formen aufs schlagendste die entwicklungsbestimmende Einwirkung der Oogonien; denn jene 
Nebenäste können sich reichlich verzweigen, bei hinreichender Ernährung weite Strecken durch- 
wachsen, es ist aber ganz herrschende, vielleicht ganz ausnahmslose Regel, dass, wie zur Genüge 
beschrieben, Antheridien nur von denjenigen Zweigen gebildet werden, welche in Berührung oder 
wenigstens in nächste Nähe eines Oogoniums gelangen. Die einzige mögliche Ausnahme von 
dieser Regel könnten jene, von Pringsheim (1873) auf seiner Tafel XVIII, Fig. 6 —8 z. B. 
abgebildeten Fälle, zu welchen vielleicht auch der in unserer Fig. 14, p. Taf. IV. von A. spinosa 
gehört, darstellen, in welchen man kleine Nebenäste findet, welche in eine Zelle 


endigen, der nach ihrer Gestalt und eventuellen Schlauchtreibung der Name Antheridium nicht 
Abhandl. d. Senekenb. naturf. Ges. Bd. XII. 42 


— Bold — 


versagt werden kann, wenn auch nicht gerade absolut zwingende Gründe ihn fordern. Erkennt 
man aber die Antheridienqualität dieser Bildungen an, so kommen sie erstens so überaus selten 
vor, dass sie die Gültigkeit der Regel auf keinen Fall beeinträchtigen könnten. Zweitens aber 
ist für keinen der von mir und, soviel aus den Beschreibungen ersichtlich, von Anderen be- 
obachteten Fälle nachgewiesen, dass diese Antheridien nicht jedesmal in nächster Nähe eines 
Oogoniums entstanden waren. Kommen sie zur Anschauung in Präparaten, welche aus einem 
Gefäss genommen und dann auf dem Objectträger ausgebreitet worden sind, so kann jenes leicht 
der Fall gewesen, das Antheridium aber bei der Ausbreitung aus der Lage, in der es entstand, 
verschoben worden sein. Ja selbst ohne Zuthun des Beobachters könnte eines der Saprolegnieen- 
Culturen so gerne störenden kleinen Thiere die Verschiebung besorgt haben. Dass aber an den 
Enden von Nebenästen, welche einem Oogonium sehr nahe kommen, auch ohne es zu be- 
rühren, Antheridien, und selbst später schlauchtreibende gebildet werden können, ist bei ruhig 
liegenden Objectträger-Culturen öfters zu beobachten. Unsere Fig. 1, Taf. VI. z. B. stellt 
einen Fall dieser Art dar. Die Erscheinungen der Antheridienbildung selbst brauchen hier 
nicht wiederholt zu werden. 

Zu der Einwirkung der Oogonien auf die Differenzirung und Gestaltung der Antheridien 
in ihrer unmittelbaren Nähe kommt in vielen Fällen die andere auf die Wachsthumsrichtung 
der antheridientragenden Zweige hinzu. Dieselbe ist selbstverständlicher Weise nur bei solchen 
Formen zu beobachten, welche frei im Wasser wachsen. Am klarsten tritt sie hervor bei 
Formen mit langen Nebenästen wie Saprolegnia asterophora, Achlya polyandra und zumal 
prolifera. Was von Thatsachen über sie zu berichten, ist in obenstehenden Einzelbeschreibungen 
schon enthalten. Die Nebenäste zeigen, wie dort beschrieben, vielfach Krämmungen, wechselnd 
ungleichseitig gefördertes Längenwachsthum, über dessen Zurückführung auf innere und äussere 
Wachsthumsursachen bestimmte Aussagen nicht gemacht werden können. Die Thatsache ferner, 
dass sie sowohl ihre gleichnamigen Nachbarn und Hauptäste, wie andere dünne Körper, Algen- 
fäden u. dergl. oft schraubig, nach Art von Schlingpflanzen umwinden, zeigt Beeinflussung des 
Längenwachsthums durch einseitigen Druck an; eine genaue Untersuchung des hierbei in 
Betracht kommenden Mechanismus hat der Kleinheit der Objecte wegen grosse Schwierigkeit 
und wurde nicht unternommen. Sobald nun aber ein kräftig wachsender Nebenast in eine 
bestimmte Distanz von einem jungen Oogonium gelangt, sieht man sein Ende sich diesem 
zuneigen und dann in der oft beschriebenen Weise zur Antheridienbildung anlegen. In 
Hängetropfenculturen wurde diese Richtungsänderung, zumal bei den längeren Nebenästen der 


A. prolifera, öfters direct beobachtet. Die Distanz, in welcher das Oogonium ablenkend wirkt, 


— 315 — 


lässt sich auf ohngefähr die Grösse des Oogoniumdurchmessers schätzen. Aus den Einzey- 
beschreibungen ist ferner ersichtlich, dass die Wirksamkeit des Oogons in ein bestimmtes 
ohngefähr durch seine Abgrenzung bezeichnetes Entwicklungsstadium fällt; früher sowohl wie 
später, nach der Eibildung, findet kein neuer Zutritt von Nebenästen mehr statt. 

Die beschriebene Ablenkung der Nebenäste lässt sich auf keine andere als eine in den 
besonderen Eigenschaften des Oogoniums selbst gelegene Ursache zurückführen. Von anderen 
äusseren Ursachen könnte man a priori etwa an Lichtstrahlen denken, insofern sich wenigstens 
fragen liesse, ob etwa die wachsenden Nebenastenden negativ heliotropisch und dabei gegen 
Beleuchtungsdifferenzen sehr empfindlich seien und zu dem Oogon dann hingelenkt würden, 
wenn dieses ihre eine Seite — freilich schwach genug — beschattet. Derartige Möglichkeiten 
sind aber durch die in den Hängetropfenculturen öfters beobachtete Thatsache ausgeschlossen, dass 
die Ablenkung auch dann erfolgt, wenn Oögon und Nebenäste neben einander auf der ebenen 
von unten beleuchteten Fläche des Objectträgers’ liegen. 

Fragt man nun weiter, worin die ablenkenden Figenschaften des Oogons bestehen, so 
kommt man auf eine ähnliche Alternative wie oben bei der Frage nach den Ursachen, welche 
die Forınung der Antheridien bestimmen. Entweder handelt es sich um eine Anziehung wie 
zwischen Magnet und Eisen oder zwischen ungleichnamig elektrischen Körpern; oder das Oogon 
muss in- dem betreffenden Entwicklungsstadium eine Substanz an seiner Oberfläche abscheiden, 
welche auf die Wachsthunisrichtung des Nebenastes einwirkt; sei es, dass die Wirkung eine 
chemische ist, welche eintritt, wenn die ausgeschiedene Substanz mit dem Nebenast in Berührung 
kommt; sei es, dass die Abscheidung auf den Nebenast einen mechanischen Reiz ausübt. 
Letzteres wäre auf zweierlei Art denkbar. Entweder könnte die das Oogon umgebende 
Flüssigkeitsschicht in Folge der Beimischung des ausgeschiedenen Stoffes nur andere Dichtigkeit 
haben als das Wasser; oder es könnten in ihr in Folge der Ausscheidung Bewegungen, 
Strömungen eintreten, welche den Nebenast treffen und seine Wachsthumsrichtung beeinflussen. 

Mit den Gründen, welche für die eine und die andere Annahme sprechen, steht es 
wiederum ‘ähnlich wie bei der oben discutirten andern Frage. Dass Ausscheidungen stattfinden, 
ist, wie oben gezeigt wurde, wahrscheinlich; direet sichtbar oder durch Reagentien nachweisbar 
ist von einem ausgeschiedenen Stoffe nichts. Dagegen stehen für.die vorliegende Frage analoge 
Fälle zu Gebote, in welchen direct nachweisbar ist, dass in der Umgebung von Oogonien — und 
sonstigen Eizellen — in bestimmten Entwicklungsstadien Substanz abgeschieden wird, und dass 
die Bewegungsrichtung von Körpern, welche zu den Oogonien treten, durch jene Substanz 


bestimmt wird. Am nächsten liegt hier der Hinweis auf Oedogonium, wo beim Eintritt der 


— 3 


Befruchtungsreife an der Zutrittsstelle des Samenkörpers Gallertbildung direct wahrnehmbar ist, 
und wo man ferner sieht, wie der Samenkörper Form und Richtung seiner Bewegung ändert 
und gegen das Ei läuft, in dem Augenblicke, wo er dem hochgequollenen Gallertpfropf, welcher 
die Zutrittsstelle umgibt, auf eine bestimmte Entfernung — vielleicht bis zur direeten Berührung — 
nahe gekommen ist. Die bekannten Bewegungen anderer Samenkörper, insonderheit auch jener 
der Oharen und Archegoniaten,!) schliessen sich mutatis mutandis hier an. Dass es sich in 
allen diesen Fällen um freibewegliche Protoplasmakörper handelt, in den hier in Frage stehenden 
aber um wachsende Zweigenden, ist wohl richtig; es soll ja aber auch nur darauf hingewiesen 
werden, dass an Orten, wie die hier in Frage stehenden, in der That Ausscheidungen statt- 
finden können, welche auf die Bewegung bestimmter Körper auffallende Wirkungen ausüben. 
Die Fälle ferner, in welchen jene Bewegungen in bestimmter Richtung zu und durch vorhandene 
Gallerte gehen, sprechen für mechanische Wirkung. Nimmt man an, dass nichts weiter ab- 
geschieden wird als die Gallerte, so’ muss diese natürlicher Weise das allein Wirkende sein. 
Doch ist nicht zu übersehen, dass die vorliegenden Beobachtungen nirgends die Möglichkeit 
ausschliessen, dass neben der Gallerte auch gelöste Abscheidungsproducte vorhanden sind. 

Es hätte keinen Zweck, diese Auseinandersetzungen weiter auszuspinnen, bevor eingehendere 
Untersuchungen an geeigneten Objecten vorliegen. Es kam hier nur darauf an, eine annehm- 
bare Vorstellung zu gewinnen für den ursächlichen Zusammenhang der hier in Frage 
stehenden Erscheinungen. Wird dieselbe acceptirt, so finden eine Menge analoger Processe 
des gegenseitigen »Sichaufsuchens« bestimmter Organe wenigstens eine theilweise Erklärung 
Ich gehe auf dieselben nicht ausführlicher ein, als dass ich noch-kurz hervorhebe, wie besonders 
zahlreiche Erscheinungen des Zueinanderwachsens von Pilzfäden, z. B. bei Sclerotienbildung, 
bei der Entwicklung der Hüllen von Sporenfrüchten, sich unverkennbar an die hier discutirten 
anschliessen. Endlich sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass die oben besprochene An- 
ziehung der Befruchtungsschläuche durch die Eier, insonderheit bei Suprolegnia, Achlya 
und Verwandten, unzweifelhaft ein hierher gehöriger Specialfall ist, auf welchen somit die 


vorstehende Discussion Anwendung zu finden hat. 


15. Zur Systematik der Peronosporeen und Saprolegnieen. 


Für die Systematik der in Vorstehendem behandelten Pilze ergibt sich aus den mit- 
getheilten Untersuchungen zunächst, wie schon gelegentlich angedeutet, eine schärfere und 


von der bisherigen abweichende Sonderung der Peronosporeen und Saprolegnieen. Erstere 


\) Vgl. Strasburger, in Bot. Zeitung 1868, 8. 825. 


— Sul — 


Gruppe umfasst Pythium, Phytophtora, Peronospora (mit Basidiophora Cornu und Scelerospora 
Schr.) und Cystopus; letztere Achlya, Saprolegnia, Aphanomyces, Dietyuchus; die übrigen 
bisher zu den Saprolegnieen gestellten Genera, mit Ausnahme der unten zu besprechenden 
Monoblepharis, bedürfen zu genauer Bestimmung ihrer Stellung nochmaliger Untersuchung. 

Die Peronosporeen sind von den Saprolegnieen unterschieden : 

1) durch die Entwicklung des — stets solitären — Eies innerhalb des abgeschiedenen 
Periplasma; 

2) die (mittelst einer ins Ei übertretenden Gonoplasmamasse stattfindende) Befruchtung; 

3) die nach ihrer definitiven Trennung von einander einmal beweglichen (monoplanentischen), 
mit 2 seitlichen Cilien versehenen Schwärmsporen, welche, nachdem sie zu Ruhe gekommen, 
direct, d. h. ohne vorherige Häutung keimen; oder aber, bei den pleuro- und akroblasten 
Peronosporen, durch den Mangel der Schwärmsporenbildung. 

Bei den Saprolegnieen dagegen wird: 

1) in dem Oogonium, aus dessen ganzem Protoplasma ein Ei, oder durch Theilung 
mehrere Eier, ohne Periplasma, gebildet; 

2) die Befruchtungsschläuche bleiben geschlossen oder fehlen gänzlich. Uebertritt von 
Gonoplasma ist nicht zu erkennen; 

3) die Schwärmsporen machen bei vollständiger Ausbildung nach ihrer definitiven Trennung 
zwei successive Entwicklungs-Stadien durch. In dem zweiten sind sie denen der Peronosporeen 
gleich, mit 2 seitlichen Cilien schwärmend und schliesslich keimend. Das erste beginnt mit ihrer 
Entstehung durch Theilung des Mutterzellprotoplasma und endigt damit, dass jede Zoospore sich 
mit einer Cellulosemembran umgibt, aus welcher sie nach einer Ruhezeit ausschlüpft, um ins zweite 
Stadium einzutreten. Die Form, in welcher das erste Stadium durchlaufen wird, ist nach den als 
Genera unterschiedenen Gruppen verschieden. Bei den einen (Dietyuchus) erfolgt die Bildung der 
Cellulosemembran und der Ruhezustand am Entstehungsorte in der Mutterzelle.. Bei Achlya 
und Aphanomyces werden die Zoosporen ohne deutliche autonome Bewegung aus der Mutter- 
zelle entleert und gehen, vor dieser gruppirt, sofort in den Ruhezustand ein. Sie sollen nach 
Cornu während des Austretens aus der Mutterzelle mit 2 terminalen Cilien versehen sein, 
eine Erscheinung, deren Vorkommen bei bestimmten Species ich nicht bestreiten will, bei 
4A. polyandra und prolifera aber nicht finden konnte. 

Bei Saprolegnia endlich sind sie diplanetisch, sie schwärmen zweimal, indem sie 
mit 2 terminalen Cilien beweglich aus der Mutterzelle aus-, dann nach kurzem Schwärmen 


in den Ruhezustand, und endlich, sich häutend, in das zweite Stadium eintreten. 


— 73187 — 


Die auf die Zoosporen bezüglichen Unterschiede treten, wie hervorgehoben wurde, in 
dem Falle vollständiger Ausbildung auf. Es ist hiermit zugegeben, dass, wie bei Propagations- 
erscheinungen niederer Pflanzen so häufig, Fälle unvollkommener Ausbildung vorkommen 
können, meist hervorgerufen durch Störungen der typischen Entwicklung, vielfach künstlich 
z. B. bei Cultur unter dem Deckglas zu provociren, je nach den Species leichter oder schwie- 
riger. So die Unterdrückung der Schwärmsporenbildung überhaupt, das directe Auswachsen 
der typisch Schwärmsporen bildenden Zellen zu einem Keimschlauche, nicht nur bei Phyto- 
phthora, sondern auch bei Pythium, Saprolegnia. Alle untersuchten Saprolegnia-Formen sind, 
wenn sie ihre Ausbildung in vollständiger Gliederung durchlaufen, diplanetisch und die 
zweierlei successiven Formen, in welchen die Sporen schwärmen, sind gewiss eine sehr hervor- 
ragende Eigenthümlichkeit. Sowohl das zweite als auch das erste_ Schwärmstadium können 


aber auch ausbleiben. Die Spore kann. direct zum Keimschlauch auswachsen, nachdem 


sie aus dem ersten Schwärmstadium zu Ruhe gekommen ist, wie Cornu und Pringsheim 


schon hervorheben; sie kann auch, wie längst bekannt, ohne überhaupt zum Schwärmen zu 
kommen, an ihrem Entstehungsorte direct keimen. Auch die Dictyuchus-Form der Sporangien 
tritt, wie Pringsheim hervorhebt, bei manchen Achlya-Arten ausnahmsweise als eine theil- 
weise Hemmungsbildung der typischen Köpfchenbildung auf, womit aber nicht gesagt ist, dass sie 
nicht bei anderen Arten stets die Köpfchenbildung vertritt. — Das Vorkommen also von allen 
diesen Erscheinungen unvollkommener Ausbildung steht ausser Frage. Nicht ınminder aber auch 
dieses, dass durch dieselben die Bedeutung der vollkommensten Ausbildungsform für die 
Classification nicht beeinträchtigt werden kann, zumal jene in den meisten Fällen auch die 
thatsächlich häufigste ist. Man classificirt ja auch solche Phanerogamen nach ihren Blüthen 
und Früchten, welche gewöhnlich gar keine Blüthen oder Früchte ausbilden, sondern diese 
durch Bulbille und andere Organe unvollkommenerer Gliederung ersetzt haben. 

Zu diesen morphologischen Unterschieden kommen andere, weniger wesentliche, aber 
um so mehr in die Augen fallende in Wuchs ir Lebensweise. 

Was letztere betrifft, so sind die Saprolegnieen Saprophyten, die Peronosporeen vorwiegend 
Parasiten und zwar endophytische; nur unter den Pythien kommen saprophytische Arten vor, 
und solche, welche sowohl als Saprophyten wie als Schmarotzer leben. 

Der endophyten Lebensweise entsprechend, verbreitet sich bei den Peronosporeen der reich 
verästelte Thallus rhizomartig kriechend in dem Substrat. Im Innern und an der Oberfläche 
dieses kann er an beliebigen morphologischen Orten Fortpflanzungsorgane bilden (je nach Species 


auf besonderen Seitenzweigen, intercalar u. s. w.), sobald die nöthigen äusseren Bedingungen 


FE Sc 


— 319 


dafür gegeben sind. Dasselbe gilt für solche Theile des Thallus, welche bei manchen wasser- 
bewohnenden aus dem Substrat ins Freie treten können. Alle Verzweigungen des Thallus haben 
in diesen Beziehungen gleiche Eigenschaften ‚mit Ausnahme etwa der Haustorienzweiglein Land- 
pflanzen bewohnender Arten. Regel ist eine bestimmte Succession der beiderlei Fortpflanzungs- 
organe an einem Stocke, derart, dass zuerst nur ungeschlechtliche Sporangien oder Conidien, dann 
bei genügender Ernährung auch Sexualorgane auftreten. Doch kommt, zumal bei Pythium-Arten, 
auch der umgekehrte Fall vor. 

Bei den Saprolegnieen, wenigstens den gewöhnlichen grösseren Achlya- und Saprolegnia- 
Arten, von denen zunächst die Rede sein soll, ist der Wuchs ein ganz anderer, wie Prin gsheim, 
schon in seiner ersten Arbeit gezeigt hat. Hier setzt sich, bei regelmässiger Entwicklung, die 
Spore dem Substrat aussen an und treibt einerseits einen von diesem ab ins Freie wachsenden, 
andererseits einen in das Substrat eindringenden Keimschlauch. Der erstere, extramatricale, wächst 
rasch in die Länge und Dicke, treibt zunächst nahe seiner Basis eine oft grosse Anzahl von 
Zweigen, welche ihm in den wesentlichen Eigenschaften gleich werden und welche sich je nach 
Species weiter verästeln können. Dieses extramatricale Zweigsystem stellt dann den bekannten, 
vom. Substrat abstehenden Theil der Pflanze dar und bildet beiderlei Fortpflanzungsorgane. 

Der andere, in das Substrat eingedrungene Schlauch treibt sofort in rasch wiederholter Folge 
reichliche dünne Verzweigungen, welche sich im Substrat als Wurzelhaare oder Rhizoiden 
verbreiten. Rhizoiden gleicher Eigenschaften entspringen dann 
von der Basis der dem Substrat nächststehenden extrama- 
tricalen Aeste und dringen in dieses ein. Die nebenstehende 
Figur stellt diese Erscheinungen an einem 24 Stunden alten, 
1,5 Mm. hohen, aus einer Zoospore auf einer Mückenlarve 
erzogenen Pflänzchen von Achlya prolifera in fast schema- 
tischer Regelmässigkeit dar für die extramatricalen Ver- 
zweigungen und die in dem unversehrten Larvenkörper (dessen 


Oberfläche durch die Linie a angedeutet ist) von aussen sicht- 


baren Theile der eingedrungenen Rhizoiden. Gewöhnlich sind 
die Erscheinungen bei weitem weniger übersichtlich. Der Haupt- 
stamm schwillt vielmehr dicht über der Aussenfläche des Substrats fast knollenförmig an, 
ebenso seine dicht büschelig bei einander stehenden basalen Verzweigungen; letztere erheben 
sich oft erst bogig vom Substrate, von diesem anliegendem, ein oder mehrere Rhizoiden treibendem 


Grunde aus. Auch der Hauptstamm kann ausser den ersten noch andere Rhizoiden an seiner 


— 320 — 


Basis treiben. Die Rhizoiden selbst können in den Chitinhüllen der Insectenkörper undurchdringliches 
Substrat finden und sich dann, kurz bleibend und selbst blasig anschwellend, nur dessen Aussen- 
seite anpressen. Alle diese Erscheinungen können die basalen Verzweigungen selbst bei einer 
isolirt erwachsenen Pflanze schwer entwirrbar machen, und da sich gewöhnlich eine Mehrzahl 
Zoosporen nebeneinander dem Substrat ansetzen und keimen, so pflegt die Basis eines Saprolegnia- 
Rasens ein kaum zu entwirrendes Durcheinander von Verzweigungen der beschriebenen Art zu 
bilden. Unterschiede nach Species mögen auch hier vorkommen, konnten jedoch nicht festgestellt 
werden. 

Die intramatrical verzweigten Rhizoiden nun sind, wenigstens der ganz herrschenden Regel 
nach, von dem intramatricalen Thallus der Peronosporeen dadurch verschieden, dass sie that- 
sächlich nur als Wurzelorgane functioniren und keine neuen extramatricalen und fruchtbaren 
Zweige treiben. Dass ihnen unter besonderen Verhältnissen die Fähigkeit hierzu nicht fehlt, 
soll nicht geleugnet werden, weil ja zumal bei diesen niederen Pflanzen eine absolut 
scharfe Organdifferenz nirgends zu erwarten ist, und weil umgekehrt von den extramatricalen 
Fäden selbst jedes abgeschnittene Stück fähig ist, Rhizoiden zu treiben und ein geeignetes Substrat 
zu besiedeln. Jedenfalls ist aber besagte Erscheinung ein Ausnahmefall; beobachtet habe ich 
dieselbe nicht. Säet man eine Achlya oder Saprolegnia auf das eine Ende eines Mehlwurms 
oder eines schmalen Streifens Muskelfleisch und sorgt dafür, dass sich an dem anderen Ende 
keine Zoosporen ansiedeln können, bringt aber das Ganze gleichmässig unter Wasser,!) so ent- 
wickelt sich der Pilz auf dem besäten Theil, auf dem abgesperrten tritt er aber, auch bei 
wochenlang fortgesetzter Cultur, "nicht hervor. Die Rhizoiden dringen vielmehr nur bis etwa 
3 Mm tief in das Substrat ein, verzweigen sich in diesem ungemein reich, anscheinend — ob 
wirklich habe ich nicht untersucht — oft gabelig, und zwar werden die Zweige höherer Ordnung 
äusserst dünn und zart. — Hat man einen gestreckten Körper an einem Ende besät und dann 
ganz, ohne Absperrung des andern, unter Wasser gebracht, so verbreitet sich der Pilzüberzug 
allerdings von dem besäten Ende aus allmählich über die Oberfläche. Das geschieht aber — 
abgesehen von der Ansiedelung neuer Sporen — dadurch, dass an den extramatricalen Fäden 
successive neue basale Zweige entstehen, deren Auftreten den ursprünglichen Rasen verbreitert, 


und welche ihrerseits neue Rhizoiden in das Substrat eintreiben. 


») Ich steckte Fleischpfropfe oder in einen kurzen dichten Wachspfropf eingesetzte Mehlwürmer in das 
Ende des kurzen Schenkels einer mit (oft erneuertem) Wasser gefüllten ungleichschenkeligen U-Röhre, Das 
aus dem kurzen Schenkel vorragende Stück des Substrats erhielt die Aussaat und wurde in ein wassererfülltes 
Gefäss gestellt. Der lange Schenkel ragte aus diesem hervor, das in ihm enthaltene Stück war durch die 
Röhre von Infection abgesperrt. 


— 5321 — 


Bei Saprolegnia asterophora, Aphanomyces habe ich die Wuchsverhältnisse weniger genau 
untersucht, doch ist für die Annahme einer wesentlichen Verschiedenheit von den angegebenen 
kein Grund vorhanden. Die Wuchseigenthümlichkeiten von A. spinosa sind im 10. Abschnitt 
schon besprochen worden. Es sind bei dieser die extramatricalen Schläuche, welche geeignetes 
Substrat sofort umstricken und auf ihm fortwachsen. 

Auf den extramatricalen Schläuchen entstehen dann die Zoosporangien und Sexualorgane, 
und zwar bei regelmässiger und vollständiger Ausbildung beiderlei Organe auf demselben Stock, 
bei den gewöhnlichen Formen in regelmässiger Succession derart, dass zuerst nur Zoosporangien 
auftreten, später auch oder ausschliesslich die Sexualorgane. Hiermit steht allerdings eine 
Angabe Pringsheim’s im Widerspruch, welcher?!) die Saprolegnieen für dimorphe Pflanzen 
hält, d. h. solche, die aus zweierlei Stöcken bestehen, geschlechtslosen (Zoosporen bildenden) 
und geschlechtlichen. Allerdings ist auch nach ihm die Dimorphie keine vollständige; es 
kommen Stöcke vor, welche beiderlei Organe zugleich besitzen. Aber normaler Weise sollen 
aus der Keimung der Oosporen neutrale, aus den Zoosporen dieser erst wieder geschlechtliche 
Generationen hervorgehen — beiderlei Formen sich mit einer gewissen Regelmässigkeit wechsels- 
weise ablösen. Die Erscheinung, auf welche sich diese Ansicht gründet, ist die, dass, wie seit 
A. Braun?) und Pringsheim’s erster Arbeit in den Leopoldinischen Abhandlungen bekannt, 
in einem Rasen der gewöhnlichen grösseren Saprolegnia- und Achlya-Formen zuerst nur 
zoosporangientragende Schläuche auftreten, später solche, welche entweder Sporangien und 
Sexualorgane oder letztere allein tragen. Pringsheim meint, dass diese zweiten Schläuche 
anderen Stöcken angehören als die ersten, und zwar solchen, die aus den von den ersten 
gebildeten, neben oder zwischen ihren Eltern auf dem Substrat gekeimten Zoosporen erwachsen 
sind. Mit der Wirklichkeit steht diese Meinung nicht im Einklang. Bei einem starken Rasen 
von Achlya polyandra oder prolifera kann man schon mit der Lupe sehen, dass die Sexual- 
organe vorwiegend von denselben Schläuchen, resp. deren Zweigen, gebildet werden, welche 
vorher Sporangien getragen haben. Für die grossen Saprolegnien, wie S. monoica, Thureti, 
torulosa, gilt ganz dasselbe Es ist hier weniger grob evident wegen der andern Wuchs- 
verhältnisse. Sieht man einen reich fertilen Rasen flüchtig mit dem Mikroskop an, wenn die 
Bildung von Oogonien im Gange ist, so scheinen diese allerdings oft von solchen Schläuchen 
zu entspringen, an denen Sporangien fehlen. Es findet sich aber leicht, dass es vorwiegend - 
dieselben Schläuche sind, welche gestern oder vorgestern Sporangien getragen haben. Nach 

!) Jahrb. XI. p. 28. 


?) Verjüngung, p. 288. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 


IN 


der bekannten, ein- oder successiv mehrmaligen Zoosporenentleerung durchwachsen solche 
Schläuche in der ebenfalls bekannten Weise ihre terminalen leeren Sporangien, um nun keine 
Zoosporen mehr, sondern Sexualorgane zu bilden. Je kräftiger sie werden, um so vollständiger 
füllen sie die leeren Sporangienwände aus, um so mehr überragen sie diese, um so täuschender 
scheint es, als ob neue Schläuche an Stelle der gestrigen Sporangienbildner getreten wären. 
Es ist aber eine Täuschung. Allerdings sind bei genannten Pflanzen auch solche Schläuche 
keine Seltenheit, welche nur Sexualorgane oder nur Sporangien tragen. Es gelingt sehr oft, 
nachzuweisen, dass beide Zweige desselben Stockes sind. 

Dass Stöcke vorkommen können, welche nur Sexualorgane bilden, soll hiermit nicht 
geleugnet werden, obgleich ich solche thatsächlich nicht beobachtet habe. Dass es andere der 
gleichen Species nur zur Zoosporenbildung und nicht zur Oogonienentwicklung bringen, ist sehr 
häufig zu finden und leicht absichtlich zu erreichen. Man braucht nur den Culturen ein sie 
ungenügend ernährendes Substrat zu geben, oder eine Species mit einer sie bedrängenden 
zweiten zusammenzubringen. In sehr heisser Sommerszeit beobachtet man oft das nämliche, sei es 
weil zu hohe Temperatur auf den Pilz direct, oder durch die Beschleunigung der Zersetzungs- 
processe im Substrat oder der mit diesen einhergehenden Bacterientwicklung indireet ungünstig 
einwirkt. Ich habe einmal, in heissen Augusttagen, die im Arbeitszimmer beharrlich ausbleibende 
Oosporenbildung der S. torulosa sofort erzielt dadurch, dass ich die Culturen in den Keller 
stellen liess. 

Auch Thiere können, wie schon Cornu gelegentlich andeutet, der Entwicklung von 
Saprolegnia hinderlich werden. Im Hochsommer 1880 gerieth mir in Culturen von $. monoica 
eine Colpoda oder verwandte Infusorienform, welche sich gewaltig vermehrte und den 
Schläuchen der Pflanze in Menge, wie saugend, ansetzte, derart dass die ovalen Thierleiber 
oft wie Trauben die Schlauchenden bedeckten. Letztere wurden dabei zwar stark protoplasma- 
reich, aber aufs mannichfachste unregelmässig gekrümmt. Sie bildeten zwar noch Zoosporangien, 
aber. die vorher regelmässige Oosporenbildung hörte absolut auf. Nachdem dieser Zustand 
einige Wochen, bei wiederholten Generationen, “gedauert hatte, wurden die Thiere von einer 
folgenden, mit dem Mikroskop controlirten Aussaat. ausgeschlossen und diese in ein reines 
Gefäss mit Wasser gebracht. Schon bei der aus dieser erwachsenen Generation und allen 
folgenden trat wiederum normale Oosporenbildung ein. 

Alle diese Thatsachen zeigen nur, dass sich die in Rede stehenden Gewächse wie alle 
übrigen bei ungünstigen Vegetationsbedingungen unvollständig ausbilden. Ein vollkommen 


ausgebildeter Stock aber trägt beiderlei Organe und ein auf innere specifische Ursachen 


— 323 — 


gegründetes regelmässiges oder unregelmässiges Alterniren differenter Generationen findet 
nicht statt. 

Auch die bei der Keimung der Oosporen beobachteten Erscheinungen stehen hiermit nicht, 
wie auf den ersten Blick scheinen könnte, im Widerspruch. Es mag ja allerdings manchen 
Arten als specifische Eigenthümlichkeit eigen sein, dass sie, wie Phytophthora ommivora (p. 295), 
aus der keimenden Oospore immer nur kleine Pflänzchen mit Zoosporangien entwickeln. Gerade 
bei den gewöhnlichen grossen Formen liegt die Sache aber anders. Findet die Keimung in 
relativ reinem, Nährstoff für den Pilz nicht oder nur in minimaler Menge enthaltendem Wasser 
statt, so entwickelt sich allerdings, wie oben p. 294 unter 1) und 2) beschrieben wurde, meist 
nur ein minimales Pflänzchen, dessen Protoplasma für die Bildung von Zoosporen vollständig 
verbraucht wird. Keimen dann diese Zoosporen auf geeignetem Substrat, so erwachsen aus 
ihnen die schliesslich Oogonien tragenden Stöcke. Finden dagegen die von den ÖOosporen 
getriebenen Keimschläuche sofort genügende Ernährung, so wachsen sie direct zu ganz 
typischen, starken Stöcken aus, welche erst Zoosporen und nachher Sexualorgane bilden. So 
habe ich die Sache wenigstens bei $. monoica und A. polyandra beobachtet, und zwar, was 
ich besonders hervorheben möchte, bei letzterer in einer Objectträgercultur die Ausbildung des 
Oosporenkeimschlauches zur wiederum oosporentragenden Pflanze (auf einer kleinen Mücken- 
larve) direct verfolgen können. Man darf wohl annehmen, dass viele, vielleicht die meisten 
Oosporen im natürlichen Verlauf der Dinge jene kleinen Zoosporangienpflänzchen entwickeln, 
aus deren freibeweglichen Producten dann erst, nachdem sie geeignetes Substrat gefunden 
haben, die sexuellen Stöcke werden. Für diesen Fall sind allerdings in dem Entwicklungsgang 
der Species zwei verschieden gestaltete und wechselsweise aus einander hervorgehende Formen 
vorhanden. Das wechselsweise Auftreten dieser gehört: aber, wie das Mitgetheilte zeigt, nicht 
zu den erblich fixirten Eigenheiten der Species. Es kommt zu Stande durch die Wirkungen 
von äusseren, von Gelegenheitsursachen, und wenn diese durch andere ersetzt werden, hört 
der dimorphe Wechsel auf. 

Ich habe bisher nur vn den gewöhnlichen grossen Saprolegnieen-Formen geredet, weil 
von ihnen die Pringsheim’schen Behauptungen ausgehen. Bei anderen Formen, wie Sapro- 
legnia asterophora und Achlya spinosa, überzeugt man sich an gut entwickelten Exemplaren 
auf den ersten Blick von dem gleichen Sachverhalt. Letztgenannte Art zeigt sogar, wie oben 
beschrieben wurde, in dem Auftreten der Zoosporangien und Oogonien an einem Stocke gar 
keine regelmässige Succession; jene können mit den Oogonien gleichzeitig auftreten, oder später 


als diese, oder fast ganz fehlen. — Für Aphanomyces ein anderes Verhalten anzunehmen, liegt 


— 324 


wenigstens nicht der geringste Grund vor; genauere Untersuchungen über die Wuchsverhältnisse 
dieser Gattung habe ich nicht angestellt. Was die Oosporenkeimlinge betrifft, so verhält sich 
Saprolegnia asterophora wie ihre grossen Gattungsgenossen. Bei Achlya 'spinosa konnte ich 
nur Keimschläuche, ohne Zoosporangienbildung, finden. Bei Aphanomyces-Arten führten meine 
früheren Untersuchungen!) zu. demselben Resultat. Hiernach fiele bei letztgenannten Pflanzen 
auch die gelegentliche Dimorphie ganz fort; doch mögen spätere Untersuchungen vielleicht 
noch Zoosporangienbildung an Keimpflänzchen kennen lehren. — 

Die Genera, in welche sich innerhalb der Peronosporeen- und der Saprolegnieen "Abtheilung 
die einzelnen Formen gruppiren, sind seit lange in zweckmässiger Weise besonders auf die 
Differenzen in der Entwicklung der geschlechtslosen Propagationsorgane gegründet, sie bedürfen 
hier keiner ausführlichen Besprechung, die Discussion einzelner wohl vorhandener Controversen 
liegt der Aufgabe dieser Arbeit fern. 

Noch weniger soll in extenso eingegangen werden auf eine Discussion der einzelnen Species. 
Ein unbefangener Blick auf das vorhandene Material und die Literatur zeigt, dass es hier mit 
den Species steht wie überall: es gibt scharf definirte, minder variable Arten, andere, welche 
in hohem Maasse variiren, und Formen, deren Specieswerth aus inneren und äusseren (d.h. in 
dem Maasse unserer Kenntnisse gelegenen) Gründen zweifelhaft ist. 

Nur für eine Gruppe, nämlich für die Gattungen Achlya und besonders Saprolegnia muss 
hier der Specieswerth bestimmter Formen näher untersucht werden, weil über denselben die 


Meinungen weit auseinander gehen und weil es für die nachstehend zu begründenden Anschauungen 


wichtig ist, sich über dieselben klar zu werden. 

In beiden Genera gibt es einerseits scharf unterschiedene, mit anderen bekannten durch 
Uebergangsformen nicht verbundene Arten, wie A. spinosa, S. asterophora. Andererseits kennt 
man Formen, welche zwar im Grossen unterscheidbar, aber einander doch so ähnlich sind, dass 
nicht immer von jedem einzelnen in einem Rasen befindlichen Exemplar mit voller Sicherheit 
nach Merkmalen ausgesagt werden kann, welcher von zwei in Frage stehenden Formen es 
zuzuzählen ist. Die Unterschiede zwischen den einzelnen können in allen Erscheinungen des 
Baues und der Gliederung liegen; die hervorragendste Stelle unter ihnen nehmen Beschaffenheit, 
Vorhandensein oder Mangel von Nebenästen und Antheridien ein. 

Formen dieser Art sind die von Pringsheim neuerdings unter dem Collectivnamen der 


Achlya polyandra und der Saprolegnia ferax zusammengefassten ; auch unsere oben als A. polyandra 


!) Jahrb. f. wiss. Bot. I. 1. c. 


— 325 — 


und A. prohfer«a beschriebenen. Der Specieswerth solcher Formen hat nun verschiedene Be- 
urtheilung erfahren. Die alten Namen Saprolegnia monoieca für mit Nebenästen versehene, 
S. dioica für Formen ohne Nebenäste aus der Ferax-Gruppe erinnern daran, dass manchen seit 
lange Specieswerth zuerkannt ist; und Cornu scheint in seiner Monographie solche reichlichere 
Speciestrennung beizubehalten, soweit sich das aus der bisher allein publicirten Einleitung be- 
urtheilen lässt. Pringsheim dagegen zieht in seiner Arbeit von 1873 von den früheren 
Species alle diejenigen in eine zusammen, deren Unterschiede vorwiegend in dem Fehlen oder 
Dasein von Nebenästen gelegen sind, und dehnt dies Verfahren wohl auch noch weiter aus. 
So fasst er als Sapr. ferax zusammen alle beschriebenen Saprolegnien mit polysporischen und 
»durchlöcherten« Oogonien. Sein Name A. polyandra soll, wie schon erwähnt, eine ähnliche 
Formenreihe ‚wie seine $. ferax bezeichnen. j 

Pringsheim gründet seine Anschauungen wohl auf die Meinung, dass die verschiedenen 
Formen jeder seiner Collectivspecies wechselsweise in einander übergeführt werden können. 
Das ist wenigstens zwischen den Zeilen zu lesen. Als Resultat der directen Beobachtung wird 
nur dieses angegeben: Es werden, bei länger fortgesetzten Culturversuchen, »die auseinander 
erzeugten Generationen sowohl der S. ferax als der A. polyandra kleiner, und zugleich reducirt 
sich in den aufeinanderfolgenden Generationen die Zahl der männlichen Aeste fortschreitend ; 
und so gehen die an Nebenästen reichen monöcischen Formen... nach und nach in gemischte 
und rein weibliche Formen über.« Die Formen ohne Nebenäste und Antheridien wenigstens 
wären hiernach als herabgekommene Abkömmlinge nebenastführender zu betrachten. Für andere, 
morphologisch ausgezeichnetere Formen, wie besonders für die merkwürdige S,ferax hypogyna Pr. 
bleibt ein solcher directester genetischer Zusammenhang mit den anderen allerdings 
unerwiesen. 

Die unzweifelhafte Thatsache, dass manche Arten, wie S. asterophora, A. spinosa, Aphano- 
myces scaber, denen sich nach Pringsheim’s Angaben A. racemosa anschliessen wird, an den- 
selben Exemplaren Oosporen sowohl mit als ohne Nebenastantheridien reifen, spricht von vorn- 
herein zu Gunsten von Pringsheim’s Anschauung. In der Absicht, zunächst den Ursachen des 
Herabkommens bei Culturversuchen näher zu kommen, suchte ich Pringsheim’s Beobachtungen 
zu wiederholen, bin aber zu entgegengesetzten Resultaten gelangt. Seit mehr als 2 Jahren 
eultivire ich planmässig die im 7. Abschnitt erwähnten drei zu Pringsheim’s $. ferax 
gehörigen Formen. Zwei Jahre sind ja für solche Beobachtungen ein kurzer Zeitraum, aber 
innerhalb desselben blieben sich die beobachteten Erscheinungen durch alle successiven Generationen 


gleich, so wie sie nachstehend mitgetheilt werden sollen. 


Die erste der drei Formen, welche von mir S. monoica genannt wurde, entspricht genau 
der mit diesem Namen von Pringsheim früher bezeichneten. Sie hat alle-Charaktere der 
unter gleichem Namen oft beschriebenen Pflanze, ist in Gestalt, Stellung, Grösse, Eizahl der 
Oogonien sehr variabel, unter günstiger Ernährung an Oogonien sehr productiv, und zeigte 
während der ganzen Beobachtungszeit, auch an den noch so mager gehaltenen Objectträger- 
culturen und an Exemplaren, welche im dunkeln Raume durch successive Generationen erzogen 
wurden, nie ein Oogon ohne Nebenast, Antheridium und Befruchtungsschlauch. 
(Vgl. Taf. V, 11—19, VI, 1.) 

Die zweite Form, welche ich, nach der Uebereinstimmung ihrer gewöhnlichen Oogonien 
mit Thuret’s schöner und genauer Abbildung vom Jahre 1850,'!) $. Thureti nannte, ist von 
der ersten dadurch am meisten verschieden, dass sie fast nie einen Nebenast noch ein 
Antheridium bildet. Ich sage fast niemals, denn hie und da kommen, dicht neben antheridien- 
freien Oogonien, einzelne vor, an welche sich ein benachbart entspringender Nebenast mit 
Antheridium anlegt. Ob letzteres auch Befruchtungsschläuche bildet, wurde nicht ermittelt. 
'S., Thureti hat ausserdem gewöhnlich theils auf Hauptästen terminal, theils an diesen racemös 
geordnete, von weniger krummen Stielen als in der Regel bei $. monoica getragene Oogonien 
und diese sind vielfach von denen der nächstverwandten Formen ausgezeichnet durch mehr 
kugelige Gestalt, besonders reiche Tüpfelung der Wand, sehr beträchtliche Grösse ‘und, hiermit 
in Zusammenhang, Oosporenzahl. Letztere steigt in einem Oogon oft auf 40 und mehr. Alle 
diese Differenzen sind aber unbeständig; es können auch kleine, schmale (V, 8) Oogonien, 


solche mit nur einem Ei vorkommen u. S. w. 


Die dritte Form wurde S. torulosa genannt (vgl. VI, 1—17). Die Pflanze entwickelt sich 
in derselben Form wie gewöhnlich $. monoica bis zur Bildung der ersten Zoosporangien. Auch 
diese sind von denen der $. monoica in Nichts verschieden, cylindrisch-schlank; sie werden 
eleich letzteren nach ihrer Entleerung durchwachsen. Dann aber findet in den Thallusschläuchen, 
sowohl jenen, welche die primären Sporangien trugen, als auch anderen daneben befindlichen, 
Querwandbildung statt, durch welche sie in eine Reihe gewöhnlich ungleich grosser, ungleich 
und sehr unregelmässig gestalteter, im allgemeinen keulen- oder tonnenförmiger, aber auch 
schmal-cylindrischer oder ganz unregelmässig ausgebuchteter Zellen gegliedert werden. Die 
Querwände entstehen successive in basipetaler Folge, die Keulen- oder Tonnenanschwellung 


eines Gliedes geschieht, unter reichlicher Protoplasmaeinwanderung, vor seiner Abgrenzung 


1) Ann. Sc. nat., 3. Ser., Tom. XIV. Pl.>22. 


RE 


durch die basiskope Querwand. Dass eine solche Reihe auch ästig sein kann, braucht kaum 
ausdrücklich gesagt zu werden. Ihre Gliederzahl beträgt, nach Einzelfällen, zwei bis über ein 
Dutzend. Die protoplasmareichen Zellen nun, aus welchen hiernach ein Thalluszweig aufgebaut 
ist, werden theils Oogonien, theils Zoosporangien, theils zu Ruhezellen, d. h. solchen, welche 
längere Zeit unverändert bleiben, um später, unter günstigen Bedingungen, zu neuen Schläuchen 
auszuwachsen oder nachträglich Zoosporen zu bilden. Die Anordnung dieser drei Arten von 
Zellen in einer Reihe ist ganz regellos. Es können nur gleichnamige in einer Reihe vorhanden 
sein, oder ungleichnamige in der verschiedensten Distribution mit einander abwechseln. Die 
Figuren 12, 15 und 16 geben einige wenige Beispiele hierfür. Nicht minder wechselt nach den 
Einzelfällen das Vorherrschen der drei Zellarten in einem Rasen; manche enthalten nur wenige 
Oogonien zwischen Zoosporangien und Ruhezellen; andere zeigen das umgekehrte Verhalten 
oder mehr gleichmässige Mischung. 

Die Zoosporangien und Ruhezellen der Reihen sind etwas dickwandiger als die schlanken 
Frstlingssporangien. Erstere treiben zur Entleerung der Sporen einen cylindrischen Fortsatz, 
welcher bei den intercalar gestellten seitlich neben der akroskopen Querwand entspringt, und, 
von den inneren Membranschichten bekleidet, die äusseren durchbohrt. — Die Oogonien zeigen 
alle für die Ferax-Gruppe oben beschriebenen Eigenschaften (vgl. Fig. 11—16). Ihre Membran 
ist meist arm an Tüpfeln, öfters von solchen ganz frei. Die Zahl der Eier schwankt zwischen 
eins und hohen Ziffern. Nebenäste sind in der Regel nicht vorhanden, doch trifft man sie in 
manchen Rasen an einzelnen Oogonien, höchstens jedem tausendsten. Sie entspringen meist 
einzeln dicht unter dem Oogon, welchem ihr Antheridienende sich anlegt, doch fand ich auch 
(vgl. Fig. 15) solche diclinen Ursprungs. Ihre Antheridien trieben an einer Anzahl genau 
darauf untersuchter Exemplare keine Befruchtungsschläuche, oder jene rudimentären, welche, 
wie oben beschrieben, kurz blieben, ohne mit einem Ei in Berührung zu treten. An den 
antheridienreichen Exemplaren der Fig. 15 wurden jedoch auch zahlreiche zwischen die Eier 
getretene Befruchtungsschläuche beobachtet. 

Nach den beschriebenen Eigenschaften sind die drei Formen in jedem vollständig entwickelten 
Rasen stets auf den ersten Blick von einander zu unterscheiden. Man wird aber aus der 
Beschreibung bemerkt haben, dass von den angegebenen Unterschieden keiner ganz constant 
allen jedesmaligen gleichnamigen Organen zukommt. Die Formen Thureti und torulosa haben 
hie und da die antheridiumführenden Oogonien der monoica. Es ist bekannt, dass bei dieser 
öfters zwei oder drei (allerdings auch mit Antheridien. versehene) Oogonien hintereinander ge- 


reiht vorkommen können, und an älteren Exemplaren auch reihenweise hintereinanderstehende 


— 32383 — 


Zoosporangien und Ruhezellen — Pringsheim’s Reilen und Dauersporangien — dass also solche 
Exemplare Charaktere der Zorulosa haben; und für die Thureti gilt das Gleiche. Jede der 
drei Formen zeigt daher hieund da Uebergängezuden beiden anderen. Man kann daher keine als 
so scharf definirte Species, wie die S. asterophora, unterscheiden, wohl aber jede als innerhalb der 
bisherigen Beobachtungszeit erblich constante Form, welche ihre Haupteigenthümlichkeiten in 
allen successiven Generationen unverändert wiederholt, ihre nahe Zusammengehörigkeit mit den 
anderen aber durch ebenfalls sich immer wiederholende einzelne Intermediärformen erkennen 
lässt. Will man sie hiernach nicht drei gesonderte Species nennen, sondern drei erblich con- 
stante Racen einer Species, so ändert das nur die Form des Ausdrucks und nicht die Sache. 
Man hat nach den vorliegenden Thatsachen gewiss allen Grund, eine gemeinsame Herkunft 
der drei Racen anzunehmen; und da die Uebergangsformen der Thureti und torulosa immer 
nach der monoica hin convergiren, kann man jene beiden von letzerer ableiten, und zwar 
alsdann selbstverständlich als in ihrer Gliederung redueirte Abkömmlinge. Wann aber ihre 
Abzweigung von der Stammform stattgefunden hat, bleibt ungewiss; sie können so alt sein 
wie die ältesten scharf unterschiedenen Species. Denn eine successive Reduction und Ab- 
änderung in den fortgesetzten Culturen, eine mit den successiven Generationen eintretende 
Ueberführung der einen Form in die andere, etwa der monoica in die antheridienlosen Formen, 
trat bis jetzt nicht ein, nicht einmal ein Kleinerwerden, wie die durch die besonders grossen 
Oogonien ausgezeichnete T’hureti anschaulich zeigt. Dieselbe Constanz der Form habe ich auch 
nicht nur in den über zwei Jahre fortgesetzten Culturen der öfters erwähnten S. asterophora 
gefunden, sondern auch in allerdings erst ein Jahr lang dauernder Cultur bei Achlya proli- 
fera. Für meine A. polyandra gilt das Gleiche, doch kann ich hier erst von achtmonatlicher 
Erfahrung reden. 

Es fragt sich nun, worin der Grund des Widerspruchs zwischen Pringsheim's und 
meinen Beobachtungen gefunden werden kann. Ist meine Beobachtungszeit zu kurz? Ich 
weiss es nicht, denn Pringsheim gibt über die Dauer der seinigen nichts an. Aus meiner 
Beobachtungszeit ist mir aber eine Quelle von Irrthümern bei Unterscheidung von Saprolegnieen- 
arten bekannt, welche unsere Differenz erklären dürfte, nämlich das häufige gesellige Vorkommen 
verschiedener, einander ähnlicher Species und die dabei oft in einer Oultur eintretende Ver- 
drängung der einen durch eine andere. 

Von der ersteren Thatsache überzeugt man sich leicht, wenn man zur Gewinnung einer 
Saprolegnieencultur geeignete Körper, also todte Insecten, in Algen enthaltendes Wasser bringt 


oder im Freien gefundene Saprolegnieen-Ansiedelungen untersucht. Da ist monoica und ihre 


nächsten Verwandten am häufigsten, oft allein vorhanden; sind andere Arten da, so ist 
eine der genannten gewöhnlich auch dabei, kurz man erhält selten eine andere Form als eine 
aus der Ferax-Gruppe von Anfang an ganz unvermischt. Ist mehr als eine Form vorhanden, 
so kann man sich ferner leicht davon überzeugen, wie sie sich gegenseitig verdrängen, die 
eine vorwiegend das Substrat occupirt. Das kann fortgehen bis zum völligen Verschwinden 
der andern aus der Cultur; gewöhnlich aber bleibt auch die benachtheiligte Form erhalten, 
um dann zeitweise wieder reichlicher aufzutreten oder auch das ursprüngliche Verdrängungs- 
verhältniss später umzukehren. Es ist nun aber selbstverständlich, übrigens schon von Cornu 
scharf betont worden, dass um eine Species oder Race in ihren Charakteren genau kennen 
und unterscheiden zu lernen, sorgfältige Trennung derselben von anderen ähnlichen und nach- 
herige sorgfältig reingehaltene Cultur durch wiederholte Generationen nothwendig ist. Denn 
die grösseren- Formen der Gattungen Saprolegnia und Achlya sind einander vielfach so ähn- 
lich, dass eine Confusion unvermeidlich wird, wenn sie gesellig durcheinander wachsen. Zum 
Belege hierfür sei eine (aus der Untersuchungsreihe, über welche hier berichtet wird, nicht aus 
älteren datirende) Erfahrung mit A. prolifera angeführt, für deren Oogonien ich lange Zeit die 
der $. T’hureti hielt, welche auf Aesten ohne deutliche Zoosporangien mit den sporangientragenden 
der Achlya zusammenzustehen pflegten. Die Geschichte der A. prolifera, welche als »diöcisch« 
beschrieben zu werden pflegt, macht es wahrscheinlich, dass Andere demselben Irrthum 
verfallen sind, welcher sich mir durch fortgesetzte Untersuchung aufklärtee Die Trennung 
der einmal gesellig wachsenden Arten ist oft recht schwer, viel schwerer als bei so gross 
werdenden Pflanzen auf den ersten Blick einleuchtet, denn neben den grossen Exemplaren 
stehen oft ganz kleine, deren jedes nichtsdestoweniger ein paar Dutzend Zoosporen producirt, 
die Zoosporen selbst, einmal aus dem Sporangium entlassen, sind gar nicht mehr sicher con- 
trolirbar; wenn ein einzelnes Sporangium der gewünschten Form unter dem Mikroskop isolirt 
wird und die Isolirung auch gelingt, so können diesem im Ruhezustand befindliche Zoosporen 
der auszuschliessenden Art ungesehen anhängen und nachher zur Weiterentwicklung gelangen 
u. s. w. Kurz, eine vollständige Trennung der Formen kann oft wochenlange Arbeit erfordern. 
Doch gelingt sie schliesslich, wie vielfache Erfahrung lehrt. Schon leichter ist es, neben- 
einander befindliche Culturen rein zu erhalten, weil ja die in Rede stehenden Gewächse streng 
an das Wasser gebunden sind und ihre Keime nicht spontan, d. h, ohne Zuthun des Beobachters 
von einem Gefäss in das andere kommen können. Jedoch muss hier gerade der Beobachter 
auch sehr vorsichtig auf Reinhaltung der Instrumente achten, wenn er die Culturen successive 
untersucht. 


Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 44 


— 330 — 


Culturen, die nach den ‚angedeuteten Gesichtspunkten speciesrein gehalten wurden, 
sind es, welche mir die mitgetheilten und mit den von Cornu kurz angegebenen über- 
einstimmenden Resultate ergeben haben. Pringsheim’s entgegengesetzte erklären sich, wie 
ich glaube, aus nicht mit der gehörigen Sorgfalt speciesrein gehaltenen Culturen einander 
ähnlicher Arten, in welchen Culturen theils mehrere Arten gemengt gewesen, theils eine durch 
eine andere verdrängt worden sein mögen. 

Belege für diese Vermuthung sind, wie mir scheint, in Pringsheim’s letzter Arbeit 
selbst enthalten. Es wird dort Achlya polyandra als Beispiel für die Structurform der reifen 
Oosporen angeführt, welche für die oben beschriebenen Saprolegnien charakteristisch, von 
jener der obigen Achlyen aber sehr verschieden ist. Dass unsere A. polyandra mit der 
Pringsheim’schen identisch sei, kann nun allerdings nicht bestimmt behauptet werden; 
ebensowenig, dass es nicht Achlya-Arten geben mag, bei denen der Bau der Oosporen dem 
für Saprolegnien beschriebenen ähnlicher ist, als der unserer A. prolifera und polyandra. 
Auf der anderen Seite aber sind die beiden letzteren so vorwiegend häufig, dass -sie in einer 
ausgedehnten Untersuchungsreihe wie der Pringsheim’schen schwerlich gefehlt haben. Nichts- 
destoweniger fehlt bei Pringsheim jede Erwähnung des eigenartigen Oosporenbaues der- 
selben. Das dürfte anzeigen, dass eine gehörig scharfe Unterscheidung der Formen hier nicht 
stattgefunden hat. Bei solchen, die einander wirklich so ähnlich sind, wie $. monoica, Thureti, 
torulosa u. s. f., wird dieselbe dann’ noch weniger stattgefunden haben. Ohne die Unterscheidung 
der Formen aber kann an eine Reinhaltung ihrer Culturen natürlich nicht gedacht werden. 

In Pringsheim’s widersprechenden Angaben ist sonach ein stichhaltiger Einwand 
gegen die mitgetheilten Resultate nicht enthalten. Fassen wir diese nochmals kurz zusammen, 
so setzen sich auch die Gattungen Achlya und Saprolegnia, wie so viele andere im Pflanzen- 
reich, zusammen aus erblich constanten Species, von denen die einen scharf differenzirt, die 
anderen durch Uebergangsformen mit einander verbunden sind, welche ihre Abstammung von 
einander oder von gemeinsamer Stammform deutlich erkennen lassen. Will man letztere Arten 
lieber Racen als Species nennen, so ist, wie schon gesagt, dagegen nichts einzuwenden. In 
Beziehung auf das Vorkommen der Nebenäste und Antheridien zeigen die einzelnen Arten 
und Racen Verschiedenheiten. Bei den einen fehlen diese Organe nie: z. B. unserer Sapr. 
monoica, Achlya prolifera, A. polyandra; bei anderen sind sie an den meisten Oogonien vor- 
handen, fehlen aber an einzelnen dieser, z. B. 8. asterophora, A. spinosa (auch Aphanomyces 
scaber); bei einer dritten Kategorie ist ihr Vorhandensein seltene Ausnahme, ihr Fehlen ganz 


vorherrschende Regel: S. torulosa, Thureti. 


— . 3317 — 


16. Grundlagen eines natürlichen Systems der Pilze. 

Vorstehend erörterte Morphologica und ihre Consequenzen für die Systematik der Perono- 
sporeen und Saprolegnieen selbst mussten eingehend festgestellt werden, um eine sichere 
Grundlage zu erhalten für die Lösung der Frage, durch welche die ganze Untersuchung ver- 
anlasst wurde, der Frage nämlich, was von genannten Phycomyceten zu lernen ist für die 
Systematik der Pilze und der Thallophyten überhaupt. Denn es sind für diese allerdings 
seither viele Nutzanwendungen von Angaben über Phycomyceten gemacht worden; dieselben 
mussten aber von zweifelhaftem Werthe bleiben, so lange über jene Gewächse selbst das 
Durcheinander der Controversen bestand. 

Zuvörderst fragt sich jetzt, ob überhaupt der Entwicklungsgang der in Rede stehenden 
Phycomyceten in seinem gesammten Rhythmus und in allen seinen einzelnen Abschnitten mit 
demjenigen anderer Gewächse so viel Uebereinstimmung zeigt, um eine nähere Verwandtschaft 
mit diesen erkennen zu lassen. Ziehen wir zunächst die Peronosporeen allein in die Ver- 
gleichung. Die gesuchte Uebereinstimmung des Gesammt-Rhythmus wird für sie ohne weiteres 
bejaht werden, denn derselbe ist bei ihnen der gleiche, wie bei den oosporenbildenden Chloro- 
phyilalgen. 

Aus der keimenden Spore wird ein Thallus, dessen Entwicklung bei vollständiger Aus- 
bildung mit der Bildung von Oosporen abschliesst, vorher ungeschlechtliche Propagationsorgane 
(Conidien, Zoosporen etc.) bilden kann und meistens, aber nicht immer, bildet. Aus der kei- 
menden Oospore entwickelt sich entweder direct ein neuer Thallus oder zuerst Conidien 
(resp. Zoosporen). In dem Aufbau der einzelnen Entwicklungsabschnitte finden allerdings 
grosse Verschiedenheiten zwischen den Peronosporeen und den bekannten Chlorophyllalgen 
statt, doch fehlt es nicht an Formen, welche in verschiedenem Sinne eine Annäherung ver- 
mitteln. Für den Bau des Thallus bedarf dieses kaum ausführlicherer Auseinandersetzung, 
wenn an Vaucheria, Coleochaete, Monoblepharis und D. Cunningham’s!) Mycoidea erinnert 
wird; der Chlorophylimangel steht, wie sichere anderweite Erfahrungen lehren, der morpho- 
logischen Annäherung nicht in Wege. Hervorzuheben ist noch die Thatsache der häufig, 
wenn auch nie regelmässig auftretenden Gliederung durch Querwände, welche der Thallus 
zumal bei Pythium und Phytophthora zeigt und auf welche ich früher wohl zu wenig Gewicht 
gelegt habe. Die Differenzen in der Zoosporenbildung und in der Keimung der Oosporen 
stehen einer engen morphologischen Annäherung gewiss nicht im Wege. Am auffallendsten 
ist die Differenz in der Entwicklung der Sexualorgane: gegenüber den charakteristischen 


!) Transactions of the Linn. Soc. London, Ser. 2, Vol. I. 


— 332 — 


Erscheinungen der Ei- und Periplasmasonderung und des Eintritts des ungeformten Gono- 
plasmas durch den Befruchtungsschlauch bei den Peronosporeen, die frei zugänglichen Eier 
und charakteristisch gestalteten beweglichen Samenkörper der meisten in Vergleich zu ziehenden 
chlorophylihaltigen Formen und auch der chlorophylifreien Monoblepharis. Doch stehen auch 
hier die Differenzen nicht unvermittelt einander gegenüber. Ausstossungen kleiner Protoplasma- 
Portionen, welche sich der Periplasmabildung direct vergleichen lassen, sind von Pringsbeim 
längst beschrieben worden bei der Eibildung von Oedogonium und Vaucheria ; bei der Bildung 
der Samenkörper von Vaucheria wird ein grosser Theil des ursprünglichen Protoplasma- 
gemenges des Antheridiums unverbraucht ausgestossen; weiterer Umblick zeigt solche Aus- 
stossungen überhaupt als eine sehr allgemeine Erscheinung bei der Bildung von Sexualzellen. 
Bei Pythium und Phytophthora entspricht die Sonderung des Periplasma jenen Ausstossungen 
bei Vaucheria u. Ss. w. vollständig nach der geringen Quantität und seinem Zugrundegehen 
ohne eine bestimmte Organisation. Dadurch dass es bei Peronosporen reichlicher vorhanden 
ist und zur Bildung einer Hülle (Exospor) um das befruchtete Ei verwendet wird, ist an der 
Vergleichung nichts geändert, sondern nur ein interessantes Beispiel dafür geliefert, dass auf 
gleiche Art und an gleichem Orte entstandene Entwicklungsproducte je nach den Species ver- 
schiedenen physiologischen Leistungen dienen und hiernach verschiedene Specialeigenschaften 
annehmen können. 

Es bleiben somit als allgemeine Differenzen von den in Frage kommenden Chlorophyli- 
algen noch das Nichtaustreten des Periplasma aus dem Oogon, die Nichtformung des Gonoplasma 
zum autonom beweglichen Samenkörper und der Befruchtungsschlauch — Erscheinungen, welche 
in nächstem Zusammenhange unter einander und mit der typisch endophyten Lebensweise der 
Peronosporeen stehen. Man kann sie kurz Anpassungserscheinungen an diese Lebensweise 
nennen, bei welcher ein Eintreten frei werdender beweglicher Spermatien in ein frei geöffnetes 
Oogon thatsächlich schwer oder unmöglich wäre, die freie Oeffnung dieses und die beweglichen 
Spermatien daher nicht zur Ausbildung kommen und durch den Befruchtungsschlauch ersetzt 
werden. Cunnin gham’s leider gerade in diesem Punkte nicht vollständigen Beobachtungen 
an seiner Mycoidea machen es wenigstens wahrscheinlich, dass auch bei dieser chlorophyll- 
haltigen Pflanze, im Zusammenhange mit der endophytischen Ausbildung der Sexualorgane, an 
diesen ähnliche Differenzen von jenen der frei lebenden Nächstverwandten (Coleochaete u. a.) 
wie die für die Peronosporeen hervorgehobenen eintreten. 

Nach diesen Betrachtungen, welche sich leicht mit demselben Resultate noch in weitere 


Einzelheiten verfolgen liessen, bleibt an der zumal durch Pythium vermittelten nahen 


— 333 — 


Verwandtschaft der Peronosporeen mit den oosporenbildenden Chlorosporeen wohl kein 
Zweifel. — 

Sieht man sich nach anderen Verwandtschaftsbeziehungen der Peronosporeen um, SO 
brauchen die zu den Saprolegnieen hier, nach den obigen Darstellungen, zunächst nicht 
ausführlich ‘explieirt zu werden. Auch die zu den Zygomyceten bestehenden sind wohl 
allgemein anerkannt. Nicht minder finden sich nahe Anknüpfungen an die Chytridieen. Auf 
diese drei Gruppen soll unten zurückgekommen werden. Hier sehen wir zunächst von ihnen 
ganz ab und fragen nach ferneren an die Peronosporeen etwa anzuschliessenden Formen. Unter 
den bekannten Gewächsen sind dies unstreitig die einfacheren Erysipheen, welche ich!) in der 
Gattung Podosphaera zusammengefasst habe. Und zwar kann von diesen ausgesagt werden, 
dass sie nicht etwa von überhaupt fernstehenden den Peronosporeen noch am nächsten kommen, 
sondern dass sie mit letzteren ihrer ganzen Entwicklung nach wirklich sehr nahe Uebereinstimmung 
zeigen. Der ganze Entwicklungsrhythmus ist in beiden Abtheilungen der gleiche, wie wohl der 
einfache Hinweis auf die vorstehenden und die citirten Beschreibungen zur Genüge zeigt. Bau 
und Wachsthum des sterilen Thallus zeigen keine durchgreifenden Unterschiede, denn in dem 
regelmässigern Auftreten der Querwände im Thallus der Erysipheen können solche nicht wohl 
gefunden werden; noch weniger in der innerhalb der Peronosporeen ja auch nach Genera und 
selbst Species sehr verschiedenen Bildung der Haustorien. 

In beiden Abtheilungen bildet der Thallus bei den meisten Arten auf besonderen Trag- 
zweigen ungeschlechtliche Propagationsorgane — Zoosporangien bei den ganz oder zeitweise 
Wasser bewohnenden Formen, Conidien, die direct zu einem Thallus auswachsen, bei jenen, 
welche nicht Wasserbewohner sind. Beiderlei Organe entstehen bei allen Arten so zu sagen 
am gleichen Orte des Entwicklungsweges. Beide sind von einander in nichts anderm allgemein 
verschieden, als in der durch den Mangel oder das Vorhandensein der Zoosporenbildung 
angezeigten Anpassung an äussere Lebensbedingungen. Die nicht wasserbewohnenden 
Peronosporen haben so gut wie die Erysipheen nur nicht zoosporenbildende Conidien; die 
plasmatoparen ?) Peronosporen vermitteln den Uebergang zwischen diesen und den typische 
Zoosporangien bildenden Arten. Die "Conidienbildung der Erysipheen ist jener von Oystopus 
sehr ähnlich. 

Die Podosphaeren entwickeln als Anfänge ihrer den Entwicklungsgang abschliessenden 
Fructification Organe, welche ich) Antheridien (oder Pollinodien) und Eizellen genannt habe 


!) Diese Beiträge, 3. Reihe. 
2) Vgl. Ann. Sc. nat. 1863, T. XX. p. 34. — °) Diese Beitr. 1. c. 


— 334 — 


und hier noch einen Augenblick wiederum so nennen werde. Ihrer ersten Entwicklung nach 
zeigen diese Organe die grösste Aehnlichkeit mit den Sexualorganen von Phytophthora omnivora; 
ihrer Insertion nach mit denen jener Peronosporeen, wo das Antheridium von einem dem jungen 
Oogon örtlich nahen beliebigen Thalluszweige entspringt. Die citirten Beschreibungen liefern hierfür 
den Nachweis. Zwischen dem jungen Antheridium mit seinem Stiele bei Podosphaera und den 
gleichnamigen Theilen einer Peronosporee besteht kaum ein anderer Unterschied als der der 
Grösse und speciellen Form. Weiter geht aber die volle Uebereinstimmung nicht. Denn erstlich 
konnte nie ein Austritt von Gonoplasma aus dem Antheridium, dieses vielmehr immer nur völlig 
geschlossen beobachtet werden; und zweitens ist die Weiterentwicklung der Eizelle sehr ver- 
schieden von jener einer Oogoniumanlage bei Peronosporeen, insofern aus ihr ein Ascus mit 
seiner kurzen Stielzelle wird. Mit der Bildung der acht zu neuem Thallus entwicklungsfähigen 
Sporen in dem Ascus ist dann das Wesentliche der Podosphaera-Fructification vollendet. Der 
Unterschied besteht hiernach darin, dass sich in der Eizelle nicht wie im Oogon von Pythium 
ein zu befruchtendes Ei differenzirt, dass vielmehr die eventuelle Befruchtung empfangen wird 
von der noch sehr kleinen, undifferenzirten Eizelle und diese dann wächst und zwei successive 
Theilungen erfährt, deren Endproduct die Bildung der acht Sporen ist. Letzteren Process nehme 
ich hierbei als die zweite (ihrerseits wohl noch in Unterabschnvitte zerlegbare) Theilung, weil 
die prineipielle Differenz zwischen »freier Zellbildung« und Theilung derzeit nicht mehr aufrecht 


zu halten ist.') 


So sehr nun diese Differenz in die Augen fällt, so ist sie doch bei näherer Betrachtung 
keine sehr tief greifende. Würde bei Peronosporeen — resp. in deren nächster Verwandtschaft 
— der Fall vorkommen, dass das Oogon ohne vorherige innere Eidifferenzivung direct die 
Befruchtung aufnimmt und dann zum Sporangium wird, so wäre hier der Unterschied schon 
auf ein Minimum reduecirt. Bei Myzocytium und Lagenidium trifft dieses Postulat vielleicht 
schon theilweise zu; weitere Untersuchungen werden darüber zu entscheiden haben. 

Jedenfalls zeigt die vorstehende Vergleichung, dass die Entwicklung des Ascus bei 
Podosphaera und der Oospore bei Peronosporeen einander sehr nahe kommende Processe sind, 
welche der Annährerung beider nicht nur nicht im Wege stehen, sondern für dieselbe ein 
Haupt-Argument abgeben. Gegen dieses kann kein Einwand erwachsen aus der Thatsache, 
dass bei Podosphaera der Ascus von einer Hülle umwachsen wird, der späteren Fruchtwand. 


Diese ist eine accessorische Bildung; sie durfte, so auffallend und charakteristisch sie auch sein 


1) Vgl. Strasburger, Zellbildung und Zelltheilung, 3. Auflage. 


ER 


— W335, — 


mag, in die vorstehende Betrachtung nicht hineingezogen werden, weil sie ausserhalb der 
ascusbildenden Eizelle entsteht und eine volle Entwicklung dieser ohne sie sehr wohl denkbar 
wäre. Käme sie auch bei Peronosporeen vor, und vielleicht bei Podosphaera nicht, so würde 
hierdurch an der ganzen Vergleichung nichts geändert werden. Denn man kennt aus der 
unzweifelhaft nächsten Verwandtschaft der Peronosporeen Thatsachen genug, welche zeigen, dass 
die Bildung von aussen kommender Fruchthüllen bei sonst in allen wesentlichen Punkten 
gleichem Gange der Entwicklung und der eigentlichen Fruchtbildung selbst, je nach Species 
vorkommen oder völlig fehlen kann. Unter den Mucorinen sind Mortierella und Absidia') 
mit ihren charakteristischen Hüllen der Zygosporen einerseits, die hüllenlosen Mucor- Formen 
andererseits zu nennen und auch Intermediärformen fehlen nicht. Bei den noch näher hierher 
gehörigen Saprolegnieen ist Achlya prolifera von den übrigen bekannten Formen ebenfalls 
durch die beschriebene Umhüllung der Oogonien von ihren hüllenlosen Verwandten ausgezeichnet. 

In der vorstehenden Vergleichung wurde eine Voraussetzung gemacht, welche angefochten 
werden kann und worden ist,?2) und daher noch der Motivirung bedarf, nämlich dass die Anfänge 
der Podosphaera-Frucht als Eizelle und Antheridium den Sexualorganen der Peronosporeen 
gleichwerthig betrachtet werden. Die Gegner dieser Auffassung gründen zwar ihre Einwendungen 
mehr auf andere Formen als Podosphaera; sie könnten sich aber auch nur auf diese beziehen, 
denn die Pointe ihrer Einwände gilt auch für diese und ich acceptire dieselbe vollständig. Sie 
lautet dem Sinne nach so, dass die sexuelle Function, welche mit den Ausdrücken Eizelle und 
Antheridium doch behauptet zu sein scheint, für diese Organe nicht erwiesen, ihre directe Ver- 
gleichbarkeit mit den gleichnamigen Theilen der Peronosporeen daher zum mindesten zweifel- 
haft ist. 

Nach dem, was oben über Befruchtungsprocesse und deren’ Nachweisung gesagt ist, und 
da ich mit der Entwicklungsgeschichte der Podosphaera-Frucht heute nicht weiter gekommen 
bin als im Jahre 1870, muss ich noch mehr als damals (vgl. 1. ec. p. 78) zugeben, dass die 
sexuelle Function der fraglichen Theile unerwiesen ist. Fehlen doch für sie selbst die meisten 
indirecten Argumente, welche bei der Discussion über die gleichnamigen der Saprolegnieen für 
wirkliche Sexualität noch geltend gemacht werden konnten. Bei der Aufsuchung natürlicher 
Verwandtschaft kommt es aber auf die genaue Feststellung der physiologischen Function zu 
vergleichender Theile nicht nur nicht an, sondern es ist ein grundsätzlicher Fehler, auf dieselbe 
den entscheidenden Werth zu legen, ein Fehler, den ich selbst früher und meine Gegner nachher 


!) Van Tieghem, Ann. Se. nat., 6. Ser., Tom. IV. — Brefeld, Bot. Zeitg. 1877, p. 77. 
2) Van Tieghem, Bulletin Soc. Bot. de France, Tom. XXIII, 271, 99. Bot. Zeitg. 1876, p. 165. 


— 36 — 


nicht vermieden haben. Es handelt sich vielmehr lediglich um morphologische Vergleichung, um 
Entscheidung über die Homologien bei den zu vergleichenden. Arten; unter homolog werden 
solche Organe differenter Species, oder richtiger solche Glieder ihres Entwicklungsganges ver- 
standen, welche in diesem genau entsprechende Stellen einnehmen, vergleichbar den entsprechenden 
Punkten in einander gleichnamigen geometrischen Figuren, und vorstellbar als entstanden aus 
“ der Umänderung eines Gliedes der gleichen vorelterlichen Stammform. Nach diesem Maassstabe 
sind die Sexualorgane der antheridientragenden Saprolegnieen denen der Peronosporeen jedenfalls 
homolog, obgleich ihre sexuellen Leistungen zweifelhaft sind, und die Oogonien ‘von 8. Thureti 
jenen der anderen Arten ebenfalls, obgleich ohne sexuelle Function. Nach demselben Maass- 
stabe stellt sich auch, nach der obigen Vergleichung, die Homologie heraus zwischen Oogon 
(=Eizelle) und Antheridium der Peronosporeen und den gleichnamigen Theilen der Podosphaeren, 
ebenso wie für die übrigen gleichnamigen Theile beider Gruppen, die Conidien u. s. w., der 
oben vermiedene Ausdruck homolog hier hinzugefügt sein möge. 

Die Homologieen in dem Entwicklungsgang beider Gruppen sind streng vorhanden bis 
zur Bildung der Eizellen und Antheridien. Bis dahin sollten daher auch gleiche Namen für 
die homologen Glieder eingeführt, speciell der Ausdruck Pollinodium fallen gelassen und dafür 
Antheridium gesagt werden resp. Antheridienzweig, d. h. Zweig, welcher im Falle 
sexueller Differenzirung das Antheridium bildet. Auch der Ausdruck Eizelle ist für Podosphaera 
aufzugeben, weil er theils Unerwiesenes theils Unzutreffendes aussagt. Statt seiner möge ein für beide 
zu vergleichende Gruppen passender Ausdruck, Fruchtanfang, Archicarpium eingeführt werden 
für die in beiden homologe junge Zelle, welche dann bei Peronosporeen zu dem eibildenden 
Oogon, bei Podosphaera zum Ascus mit seinem Träger heranwächst. Bis zum Antheridienast 
und Archicarp reichen die strengen Homologien in beiden Gruppen. Dann hören sie auf; der 
Vergleich des Ascus von Podosphaera mit dem Ei von Pythium, der acht Ascosporen etwa mit 
den in der keimenden Eispore gebildeten Schwärmern kann: ja noch angedeutet werden, ist aber 
nicht mehr ganz zutreffend. Ist man von,den Peronosporeen ausgegangen, so stellt die Ascus- 
Bildung bei Podosphaera eine neue Erscheinung dar, weiche jenen fremd ist. 

Mit - Podosphaera in unmittelbarster Verwandtschaft stehen, wie nicht ausführlich ınotivirt 
zu werden braucht, die übrigen, mehrere Asci in einer Frucht führenden Erysipheen, also die 
alte Gattung Erysiphe; sie ist von jener nur dadurch verschieden, dass bei ihr das Archicarpium 
zum mehrgliedrigen und eine Mehrzahl von Ascis erzeugenden Ascogon wird. 

Mit Erysiphe sind wir aber mitten in die Abtheilung der Ascomyceten gelangt. Denn 


dieser Gattung schliessen sich zahlreiche andere Ascomyceten-Genera nach dem ganzen Gange, 


— 3300 == 


und den Einzelheiten ihrer Entwicklung so direct an, dass eine nahe verwandtschaftliche Be- . 
ziehung schwerlich je bezweifelt werden kann. Zunächst können hier nur solche Ascomyceten- 
Genera gemeint sein, bei denen die Asci wie bei Erysiphe von einem Ascogon entspringen, 
welches dem der letzteren Gattung seiner ganzen Erscheinung nach als homolog betrachtet werden 
muss und gewöhnlich auch seine -erste Entwicklung in inniger Verbindung mit einem Antheridien- 
zweig antritt; also Genera wie Burotium'), Penieillium?), Gymnoascus?), Ascobolus*), Hypocopra°). 

Mag auch hier die sexuelle Function der in Frage kommenden Organe unerwiesen sein, 
so ist doch ihre durch Vermittlung von Podosphaera und Erysiphe angezeigte Homologie mit 
den Sexualorganen der Peronosporeen einleuchtend, und die systematische Stellung der in Rede 


stehenden Pilze hierdurch klar. 


Andere Ascomyceten haben gleichfalls ein Ascogon, welches demjenigen der genannten in 
den wesentlichsten Eigenschaften gleich ist, aber nicht in Begleitung eines Antheridienzweiges aus- 
gebildet wird, sondern vielmehr zuletzt einen Conceptionsapparat (Trichogyn) entwickelt, mit welchem 
Spermatien in Vereinigung treten. Folge dieser Vereinigung, welcher nach allen Indicien die 
Bedeutung einer sexuellen nicht abgesprochen werden wird, ist dann die Entwicklung der Asci. 
So bei Oollema und Physma‘), denen sich, nach den von Stahl gefundenen Andeutungen und 
nach der seit Schwendener’s früheren Untersuchungen?) bekannten Thatsache des besonderen 
ascusbildenden Hyphensystems in der Flechten - Sporenfrucht, die weitaus überwiegende Mehrzahl 
der Lichenen - Pilze anschliessen wird. Auch für diese Fälle wird, bei der sonstigen Ueber- 
einstimmung der wesentlichsten Gestaltungs- und. Entwicklungsprocesse, die Homologie des 
Ascogons mit jenem der erstgenannten an die Erysipheen anschliessenden nicht wohl bestritten 
werden, und die Bildung der Spermatien in besonderen Behältern, sowie die hiermit correlative 
Entwicklung des Trichogyns einfach als Erscheinungen der Geschlechtertrennung aufzufassen 
sein, wie solche in den verschiedensten Verwandtschaftskreisen und mit den mannichfachsten 


Einzelerscheinungen vorkommen. 


Alle diese Erwägungen führen zu dem Resultat, dass die vorstehend aufgezählte Reihe 


der mit Ascogon versehenen Ascomyceten sich durch Vermittlung der Erysipheen an die 


!) Vgl. diese Beitr. 3. Reihe. 

2) Brefeld, Schimmelpilze 11. 

®) Baranetzky, Botan. Zeitg. 1872, pag. 145. 

*) Janezewski, Botan. Zeitg. 1871, pag. 257. 

°) Gilkinet, Bullet. Acad. Belg. 1874. 

6) Stahl, Beitr. z. Entwicklungsgeschichte d. Flechten, I. Leipz. 1877. 


?) Flora, 1864, 320. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 45 


— 338 — 


e 


Phycomyceten in aufsteigender Ordnung anschliesst, dass wir in ihnen die nächst höher stehenden 


Pilzverwandten letzterer zu erblicken haben. 


Es gibt nun aber eine leider noch überwiegend grosse Anzahl von Ascomyceten, welche 
mit den bisher betrachteten. zwar die grösste Uebereinstimmung in der Bildung der Asci, der 
Sporenfrucht, dem gesammten mit letzterer abschliessenden Entwicklungsgang, auch der Bildung 
von Conidien und anderen accessorischen Erscheinungen zeigen, bei welchen aber von Archicarp, 
Antheridienzweigen, Spermatien nichts, oder doch nichts Sicheres bekannt ist. Diese sehr zahl- 
reichen Formen lassen sich nach den jetzigen Kenntnissen in zwei Kategorieen sondern. Bei 
der einen!), z. B. Tulasne’s Xylarieen, Nectrieen, Cordyceps, Claviceps, sehr vielen Discomyceten, 
kennt man zwar vielfach ihrer morphologischen und physiologischen Bildung nach zweifelhafte Sper- 
matien, bei manchen (Peziza confluens?) wohl auch nicht minder zweifelhafte Bildungen, welche für 
Archicarpien gehalten werden könnten; die Untersuchungen über ihre Entwicklung, speciell die der 
Früchte, sind aber noch zu unvollständig, um überhaupt ein sicheres Urtheil zu gestatten über An- 
oder Abwesenheit von Ascogonen und sonstigen Sexualorganen oder deren morphologischen Homo- 
loga. Die andere Kategorie bildet eine Anzahl genauer studirter Formen, bei welchen aber alle 
angewendete Sorgfalt bis jetzt nichts hat finden lassen, was als Homologon der Ascogone, 
Archicarpien, Antheridienzweige und Spermatien betrachtet werden könnte. Als Beispiele hierfür 
seien nur, um minder sichere wegzulassen, genannt: van Tieghem’s Ascodesmis?), Chaetomium*), 
Pleospora°) und die Pezizen aus der Gruppe Sclerotinia Fuckel (P. Fuckeliana, Sclerotiorum 
u. s. w.°). Die Träger und Erzeuger der Asci sind hier Hyphen, welche von den benachbarten 
sterilen in nichts verschieden sind als dadurch, dass die Asci als Verzweigungen an ihnen ent- 
stehen; sei es, dass sie wie bei Ascodesmis fast frei auf dem Substrat wachsen, oder besonders 
gestalteten Fruchtträgern (Peziza) oder Gehäusen (Pleospora) angehören, welche Fruchtträger 
und Gehäuse dann ihrerseits anderen in hohem Grade gleichen, in denen die Asei von einem 


Ascogon ihren Ursprung nehmen, z. B. Ascobolus, Hypocopra. 


Die zahlreichen Fälle der ersten Kategorie würden für ihre Classification kaum grosse 
Schwierigkeiten machen, weil man, zumal bei der sonstigen Uebereinstimmung, annehmen könnte, 


die Details ihrer Fruchtentwicklung stimmten mit jenen der ascogonbildenden Formen auch überein 


") Vgl. Tulasne, Carpolog. II. u. III. 

2) de Bary, Fruchtentw. d. Ascomyceten, p. 11. Tulasne, Ann. sc. nat. 5. Ser., Tom. VI, 17. 
®) Bullet. Soc. de France, T. XXIII, p: 271 ff. 

*) Vel. Zopf, Bot. Zte. 1879, p. 73. 

°) Bauke, Bot Ztg. 1877, p. 313. 

6) van Tieghem, ]. c. Brefeld, Bot. Zeitg. 1377, pag. 79. 


— 339 — 


und die Lücken unserer Kenntnisse hätten lediglich ihren Grund in der unvollständig gebliebenen 
Untersuchung des massenhaften Materials. 

Für die zweite Kategorie ist diese Ausflucht nicht stichhaltig. Mit dem Ascogon oder 
Archicarp aber fehlt ihr eines der für die anderen wesentlichsten Entwicklungsglieder, und 
man muss daher fragen, ob beide Kategorien in naher natürlicher Verwandtschaft zusammen- 
gehören; ob die jetzige Abtheilung der Ascomyceten mit Recht als eine natürliche Gruppe 
gilt, oder nicht. Es liesse sich ja denken, dass sie in Wirklichkeit aus zwei Abtheilungen 
ganz verschiedener natürlicher Verwandtschaft bestände, in deren jeder sich die Discomyceten- 
Pyrenomyceten-Form u. s. w. wiederholen könnte und welche eben nur in der Ascusbildung 
übereinkämen. Phylogenetisch ausgedrückt: es wäre denkbar, dass es mindestens zweierlei, 
d. h. von zwei verschiedenen Stammformen abzuleitende Ascomyceten gäbe. !) 

Es ist unmöglich, eine solche Annahme durch strenge Beweisführung zurückzuweisen. 
Die bekannten Thatsachen reichen hierzu nicht aus. Mit der sicheren Begründung derselben 
steht es aber ebenso; und da die überwiegenden Wahrscheinlichkeitsgründe gegen sie sprechen 
und sich zeigen lässt, dass man sie nicht nöthig hat, wird sie aufzugeben sein. Jene Wahr- 
scheinlichkeitsgründe bestehen in der überall ?) hervortretenden Uebereinstimmung der cha- 
rakteristischen Eigenschaften der Asci, Dieselbe ist in der That so gross, dass sie auf wirk- 
liche nahe Verwandtschaft fast zwingend hinweist. Wenigstens kennt man keinen anderen 
Fall so grosser Aehnlichkeit analoger und nicht auch homologer Organe bei nicht in nächster 
natürlicher Verwandtschaft stehenden Gruppen. Hierzu kommt, wie die angeführten Beispiele 
zeigen, die Uebereinstimmung des gesammten übrigen Entwicklungsganges in beiden Kategorien, 
und die Thatsache, dass in beiden so genau die gleichen Gestaltungen wiederkehren, nach 
welchen man Pyrenomyceten, Discomyceten etc. unterscheidet. Die in Rede stehende Annahme 
ist aber nicht nöthig, weil die ihr zu Grunde liegenden Erscheinungen ohne sie einfacher als 
mit ihr erklärt werden können. 

Die genaue Vergleichung der oben beschriebenen Phycomyceten hat gelehrt, dass in 
einer Reihe zweifellos nächstverwandter Pilzspecies die einen streng sexuell (Pythium), andere 
von zweifelhafter Sexualität, aber mit der Form nach entwickelten Sexualorganen versehen 
(alle Saprolegnieen mit Antheridien), noch andere endlich geschlechtslos und fast immer auch 
ohne alle Homologa männlicher Sexualorgane sein können (Sapr. Thwreti, torulosa). Nichts- 
destoweniger ist in allen diesen Fällen das Endproduct der Fructification, die Oospore, genau 


!) Vgl. Bauke, Bot. Ztg., 1877, p. 319. 
?) Vielleicht mit Ausnahme der Tuberaeeen, welche einstweilen füglich unberücksichtigt bleiben können. 


— 340 — 


das nämliche. Die Oosporen sind auch, was ja wohl nicht nochmals motivirt zu werden 
braucht, in allen diesen Fällen einander streng homolog, obgleich Organe, die zu ihrer Aus- 
bildung bei Pythium durchaus nothwendig sind, bei Sapr. Thureti und torulosa gewöhnlich 
nicht einmal mehr spurweise vorkommen. Homologe Glieder, in diesem Falle Fructificationen 
können also, allgemein ausgedrückt, in bestimmten Fällen zu Stande kommen mit Ueber- 
springung oder Unterdrückung von (sexuellen) Zwischengliedern, welche in anderen Fällen » 
constant und nothwendig auftreten. Wendet man diese sichere Erfahrung auf die Beurtheilung 
der Ascomyceten an, so kann das Fehlen des Ascogons oder Archicarps bei vielen derselben 
gegenüber den vorwiegend fürsprechenden Wahrscheinlichkeitsgründen kein entscheidendes Be- 
denken mehr gegen die unmittelbare natürliche Verwandtschaft sämmtlicher Ascomyceten 


begründen. 


Bei den Saprolegnieen liegt die Sache allerdings nicht ganz genau so, wie in den Fällen 
der Ascomyceten. Die Fructificationsorgane auch der antheridienfreien Formen sind dort den 
ÖOogonien anderer ganz gleich. Man kann daher mit Pringsheim von Parthenogenesis 
— wenigstens in morphologischem Sinne — reden. Bei den in Frage stehenden Ascomyceten 
geht das nicht, hier ist, soweit die Kenntnisse reichen, eine za@p®evog überhaupt nicht vor- 
handen, sie sind geschlechtslos. Nichtsdestoweniger bleibt das Wesen der Erscheinung in 
beiden Fällen das gleiche, die Differenz geht den Gestaltungen nach bei den Ascomyceten nur 
um einen Schritt weiter, welcher bei den Saprolegnieen, wegen der Einfachheit des Gesammt- 
aufbaues, man kann fast sagen unmöglich wäre, Letztere lassen sich der ebenfalls par- 
thenogenetischen Chara crinita vergleichen, welche ihre Embryonen-aus unbefruchteten Eiern 
entwickelt; jene Ascomyceten den- Farnspecies mit Embryobildung am völlig geschlechtslosen 


Prothallium. 


Als ich diese letztere (Bot. Ztg. 1878) beschrieb und besprach, verzichtete ich absichtlich 
auf die vergleichsweise Heranziehung analoger Fälle bei niederen Thallophyten, weil ich solche 
damals für nicht hinreichend sicher und klar gestellt hielt. Ich hatte bei dieser Reserve 
ganz besonders die Saprolegnieen im Sinne und gerade die Zweifel über diese waren für die 
oben mitgetheilte Untersuchung eine Hauptveranlassung. Pringsheim hatte nämlich seine 
»Parthenogenesis« bei Saprolegnieen, mit Ausnahme des ihm selbst ganz unklaren Falles von 
Leptomitus brachymema*) als eine Erscheinung dargestellt, welche einträte bei herunter- 


gekommenen Individuen solcher Species, die in wohlentwickeltem Zustande mit wohl- 


!) Jahrb. IX, p. 202. 


— 341 — 


entwickelten Sexualorganen versehen wären, und bei denen parthenogenetischer und sexueller 
Zustand wechselsweise in einander übergeführt werden könnten. Es ist einleuchtend, dass 
eine solche Erscheinung nicht mit der völligen Geschlechtslosigkeit anderer Arten direct in 
Parallele gestellt werden könnte und dass noch weniger jene weitgehenden Consequenzen für 
die Beurtheilung anscheinend völlig geschlechtsloser Thallophyten-Gruppen so ohne weiteres 
zulässig waren, welche Pringsheim selbst, Bauke!) und Cohn) aus derselben ge- 
zogen haben. . ; 

Die Berechtigung solcher Consequenzen ist nun allerdings durch Prüfung ihrer Grund- 
lage erwiesen worden, indem diese umgestaltet und die Existenz wirklich geschlechtsloser 
oder parthenogenetischer Arten, resp. erblich constanter Racen in den fraglichen Abtheilungen 
gezeigt wurde. Zugleich geht aber auch aus den bei Saprolegnia festgestellten Resultaten 
hervor, dass jene Consequenzen mit Vorsicht zu ziehen sind, denn Ausbildung und Mangel 
der Sexualorgane oder ihrer morphologischen Homologa können in engem Verwandtschafts- 
kreise von Species zu Species wechseln. Das soll hier mit specieller Bezugnahme auf die 
Ascomyceten gesagt sein, denn bei vielen dieser bleibt, abgesehen von allem übrigen, das aus- 
gedehnte Vorkommen nicht nur von rein morphologisch unterscheidbaren Archicarpien, sondern 
wirklicher sexueller Processe immerhin als möglich und fernerer Untersuchung empfehlenswerth 
angezeigt durch die Thatsache der so überaus grossen Verbreitung der Spermatien. Diese 
Organe fehlen allerdings in zahlreichen Fällen vollständig, und zwar in allen denjenigen, wo 
Archicarpien mit Antheridienzweig vorhanden sind (Erysipheen, Eurotium, Penicillium, Hypo- 
copra ete.) und in anderen mit völliger Geschlechtslosigkeit (Selerotinia). Bei den Collemen aber sind 
die Spermatien nach Stahl’s Untersuchungen Sexualorgane. Ein Blick auf Tulasne’s und auf 
Cornu’s ?) neuere Arbeiten zeigt zumal für Pyrenomyceten die weite Verbreitung und das in jedem 
Einzelfall ihres Vorkommens massenhafte Auftreten solcher Organe, welche in allen ihren bekannten 
Eigenschaften den Spermatien von Collema bis zur Gleichheit nahe kommen. Ueber ihre Functionen 
weiss man nichts, auch nicht nach Cornu’s neuerer Untersuchung. Denn dass manche ursprüng- 
lich für Spermatien gehaltene Zellchen, z. B. die von Claviceps, Conidien gleich keimen und einen 
neuen Thallus zu erzeugen vermögen, zeigt doch nur, dass man in solchen Fällen kleine 
Conidien (resp. was wesentlich dasselbe ist: Stylosporen) irrthümlicherweise für Spermatien 
gehalten hatte. Cornu geht nun freilich weiter, indem er allen Spermatien den physio- 

!) Beitr. z. Kenntn. d. Pyeniden. Nov. Act. Leopold. Carolin. Bd. 38, p. 488. 


?) Berichte d. Schles. Gesellsch. 1879. 
5) Ann. sc, nat. Bot. 6me Ser., Tom. III (1876). 


— 342 — 


logischen oder biologischen Werth solch kleiner Conidien zuzusprechen sucht. Den Beweis 
dafür bleibt er aber schuldig, vielleicht einen oder den anderen Ausnahmefall abgerechnet, in 
welchem eine der angedeuteten irrthümlichen Verwechselungen vorgelegen hatte. Denn er 
zeigt nur, dass manche Spermatien nach Aussaat in geeignete Flüssigkeiten wachsen, resp. 
wenigstens anschwellen. Wie aus denselben dann ein neuer Thallus werden kann, darüber 
spricht er nur subjective Vermuthungen aus. Die Anschwellung, ja selbst eventuell das Aus- 
treiben von Schläuchen in Nährstofflösungen kann aber über .die normale Function dieser 
Organe keinen sicheren Aufschluss geben ; das zeigt das bekannte Verhalten von Pollenkörnern 
und Pollenschläuchen. 

Auf Grund der Unkenntniss könnte man andererseits Spermatien für rudimentäre Organe 
erklären. Das mag für manche Fälle vielleicht zutreffen. Für die grosse Mehrheit dürfte 
solche Deutung aber vorerst nur mit der grössten Vorsicht aufzunehmen sein, denn es wäre 
eine ganz exceptionelle Erscheinung, wenn die sonst so sparsame Natur in diesem einen 
Falle solchen profusen Luxus mit rudimentären Organen triebe. Nach allgemeinen An- 
schauungen wäre in diesem Falle wenigstens zu erwarten, dass etwa die Spermatien sexuellen 
Organen morphologisch homolog, als solche functionslos, dafür aber zu anderen physiologischen 
Leistungen verwendet wären. Alles das bleibt aber noch nachzuweisen. 

Die gewonnenen thatsächlichen Resultate gestatten ferner jetzt auch, zunächst für die 
Saprolegnieen, die oben angedeutete Parallele mit Chara crinita und den geschlechtslosen 
Farnspecies insofern durchzuführen, als es sich in beiden Fällen um Apogamie handelt. 
Das ergibt eine Vergleichung der oben beschriebenen Thatsachen mit meinen Darstellungen von 
1878 von selbst, und soweit hier der Ort ist, weiter darauf einzugehen, wird dieses nachher 
geschehen. Für die als geschlechtslos erwiesenen Ascomyceten aber ist nach den mitgetheilten 
Daten die Annahme, dass sie apogam sind, wenigstens zulässig. Zwingende Gründe können 
für dieselbe allerdings nicht beigebracht werden. 

Aus den vorstehenden Betrachtungen und Vergleichungen ergibt sich für die Systematik 
der Pilze das allgemeine Resultat, dass erstens gegen die herrschende Ansicht, welche die 
Gesammtheit der Ascomyceten als eine einheitliche natürliche Abtheilung aufstellt, kein Ein- 
wand zu erheben ist und dass zweitens diese grosse Ascomyceten-Gruppe sich durch Ver- 
mittlung der Erysipheen an die Peronosporeen anschliesst; diese -wiederum, durch Vermittlung 
von Mycoidea, Monoblepharis etc. an die eibildenden Chlorophyllalgen. Bei phylogenetischer 
Betrachtung liegt dann die Anschauung am nächsten, dass sich Peronosporeen von den 


genannten Chlorophyllalgen abgezweigt haben und von ihnen dann die Entwicklung der 


— 343 — 


successive höheren Ascomyceten ausgegangen ist. Der Gestaltung nach nehmen von diesem 
Ausgangspunkte aus die Ascomyceten eine reiche progressive Entwicklung. Bezüglich der 
Sexualverhältnisse tritt, soweit derzeit geurtheilt werden kann, bei vielen eine bis zu völliger 
Apogamie gehende regressive Ausbildung ein. Man kann freilich die Sache auch umkehren 
und die Peronosporeen von den Ascomyceten ableiten als der Gestaltung nach vereinfachte, 
sexuell vervollkommnete Abkömmlinge. Damit fiele aber, für die phylogenetische Betrachtung 
wenigstens, die Möglichkeit des in die Augen fallenden Anschlusses an die Chlorophyllalgen 
weg, wenn man nicht zu der Ungeheuerlichkeit einer Ableitung dieser von den Peronosporeen 
kommen will. 

Peronosporeen und Ascomyceten stellen nach der vorgetragenen Anschauung die an Nicht- 
pilze direet anschliessende Pilzgruppe dar, welche ich schon bei früherer Veranlassung kurz 
die Hauptreihe der Pilze oder die Ascomycetenreihe genannt habe. Fragt man nun weiter, 
wie sich diese’ Reihe zu den übrigen Pilzgruppen stellt, oder diese sich ihr anschliessen, so 
mag es zunächst gestattet sein, die Schizomyceten und die Myxomyceten von der 
Betrachtung auszusondern, weil beide eine aparte Behandlung erfordern, oder allerweniestens 
vertragen. Für die übrigen, die ächten Pilze, wissen wir, dass ihre natürliche Verwandtschaft 
nicht bestimmt werden kann 

1) nach dem anatomischen Bau, denn dieser ist bei allen im Wesentlichen der gleiche, 
wie es das Wort Hyphe kurz bezeichnet, seine Einzelmodificationen kehren bei verschiedenen 
Abtheilungen in gleicher Weise wieder und umgekehrt; 

2) nach der gröberen Gliederung und äusseren Gestaltung allein, denn 

a. von nächstverwandten Genera können die einen nur frei lebende solitäre Hyphen 
haben (Hyphom/ycetenwuchs), die anderen aus Hyphen verflochtene, zusammenge- 
setzte Pilzkörper bilden. Beispiel: Peronospora, Oystopus. 

b. Zusammengesetzte Pilzkörper gleicher Gestaltung können in den verschiedensten Ab- 
theilungen vorkommen. Beispiele: Olavaria und Geoglossum; Hydnum und Hydno- 
gloea; Cyphella und Peziza; Guepinia!) und Bulgaria u. s. w. 

Es bleibt daher für die Entscheidung nur übrig die Vergleichung des Gesammt- 


Entwicklungsganges, wie derselbe besonders in der Suecession der Fortpflanzungserscheinungen 


!) Nämlich die als Guepinia bezeichneten Formen, welche wie @. Peziza Tul. und @. contorta (vgl. meine 
Morphol. d. Pilze ete. p. 55) das Hymenium auf der Innenseite des becherförmigen Trägers haben. @. helvelloides 
Fr. verhält sich anders und ist wohl von den übrigen zu trennen unter dem alten Persoon’schen Namen 
Gyrocephalus. Vgl. Tulasne, Ann. Sc. nat., 5. Ser., Tom. XXV. p. 219. 


— 34 — 


hervortritt, und für entwicklungsgeschichtlich minder vollständig bekannte Formen die der 
Fortpflanzung direct dienenden Organe und Processe selbst, also Sporen, Sporenentwicklung, 


Keimung u. S. w. 


Geht man nun die nicht ascosporen Pilze durch, so fällt zunächst auf, wie der Gesanimt- 
entwicklungsgang der aecidienbildenden Uredineen in allen Hauptzügen der gleiche ist wie 
bei den typischen Ascomyceten. Auch die reichliche und charakteristische Bildung von Conidien, 
unter welchem Namen hier Uredo, Teleutosporen und Sporidien zusammengefasst werden, ist 
von jener bei conidienreichen Ascomyceten nur als Specialfall verschieden. Spermogonien mit 
Spermatien, welche von jenen mancher Ascomyceten wiederum kaum differiren, begleiten die 
jüngern Entwicklungsstadien der als Aecidium bekannten Sporenfrucht. Von der Entwicklung 
dieser ist, zumal in Beziehung auf die Anfänge, allerdings noch manches unklar und die 
Bildungsgeschichte ihrer Sporen weicht von jener der Ascomyceten-Früchte sehr erheblich ab — 
wenn auch bei dem derzeitigen Stande der Zellenlehre der Unterschied nicht mehr so tiefgreifend 
erscheinen mag wie in früherer Zeit. Das unterscheidet die aecidienbildenden Uredineen scharf von 
den Ascomyceten und es sind auch zur Zeit keine Intermediärformen zwischen beiden Gruppen 
bekannt. Aus diesen Gründen kann zur Zeit ein sicher begründetes Urtheil über das Ver- 
wandtschaftsverhältniss beider nicht festgestellt werden. Dies zugegeben, ist es aber wohl die 
mit der Gesammtheit der bekannten Thatsachen am meisten in Einklang stehende Anschauung, 
die Spermatien und Sporenfrüchte (Aecidien) der Uredineen mit denen der Ascomyceten für 
homolog zu betrachten, jene Gruppe also als eine solche, welche sich den reicher gegliederten 
Ascomyceten-Formen verwandtschaftlich anschliesst. Ihr charakteristischer Entwicklungsgang 


würde sie dann, als eines der höher ausgebildeten Glieder, in die Ascomyceten-Reihe selber stellen. 


Mit der Aufzählung der Uredineen haben wir das Ende der Ascomyceten-Reihe erreicht. 
Was von Pilzgruppen noch übrig bleibt, lässt sich ihr nicht mehr streng einordnen, schliesst 
sich ihr dagegen, wie ich glaube, an verschiedenen Orten als mehr oder weniger reich weiter 


gebildete seitliche Abzweigungen an. 


An einem andern Orte!) habe ich schon darauf aufmerksam gemacht, wie die Tremellinen 
sich unverkennbar an solche Uredineen-Species anschliessen, welche der Aecidienbildung 
ermangeln, dieselbe wahrscheinlich verloren haben, und welche sich dafür erblich constant fort- 
pflanzen, indem sie nur bestimmte Conidienformen (Teleutosporen, Sporidien) produciren, 


COhrysomyxa Abietis ist eine solche Species. Sie gehört-allen ihren Eigenschaften nach in oder 


!) Bot. Zeitg. 1879, p. 325 ff. 


— u 


direct neben die Uredineen-Gattung Euchrysomyza, Chr. Ledi und Rhododendri und unter- 
scheidet sich von letzteren durch wenig mehr als den Mangel der Aecidienbildung. Den Eigen- 
schaften ihrer Teleutosporen- und Sporidienbildung nach kann sie ebensogut ohne weiteres zu 
den Tremellinen gestellt werden. Für andere gewöhnlich zu den Uredineen gezählte Arten 
gilt Aehnliches. Es gibt hier also Arten, welche mit gleichem Rechte der einen oder der 
andern Gruppe zugezählt werden können und hierdurch die nahen Beziehungen beider aufs 
klarste hervortreten lassen. Das kann jetzt um so eher ausgesprochen werden, als die 1879 
geäusserte, damals noch unerwiesene Annahme, dass der Entwicklungsgang der Tremellinen in 
den wesentlichen Zügen dem einer aecidienfreien Uhrysomyza gleich verläuft, neuerdings durch 
anderweitig zu beschreibende Culturen von Daerymyces- und Tremella-Arten bestätigt worden ist. 

Die Tremellinen sind Basidiomyceten. Ihre Basidien sind nach der vorgetragenen 
Anschauung über die Zusammengehörigkeit den Teleutosporen der Uredineen homolog. Es 
scheint mir aber auch aller Grund vorhanden, sie als den Basidien der übrigen Basidiomyceten 
homolog zu betrachten, oder richtiger ausgedrückt, in den entwicklungsgeschichtlichen Daten 
ist kein Grund enthalten, welcher gegen diese den Ansichten der Mycologen seit lange zum 
Grunde liegende Anschauung spräche. Hiermit ist gesagt, dass die ganze grosse Abtheilung 
der Basidiomyceten eine in natürlicher Verwandtschaft zusammengehörige ist, und zweitens 
dass die Tremellinen die Anschlussgruppe sind, mittelst deren sie an die Ascomyceten-Reihe 
anschliesst, resp. sich von dieser abzweigt — wie ich a. a. O. näher ausgeführt habe zuerst 
auf regressivem Wege entstanden, dann in sich progressiv weiter gebildet. Ich habe dort 
dahingestellt gelassen, ob die ganze Abtheilung der Basidiomyceten an die Tremellinen 
anzuschliessen, resp. von ihnen abzuleiten sei, oder ob etwa Gründe zu finden wären, um dies 
nur für einen Theil derselben gelten zu lassen und andere Unterabtheilungen anderswo, speciell 
an andere Ascomyceten-Gruppen als die Uredineen anzuschliessen. Sicher entscheiden kann 
man natürlich hierüber auch jetzt nicht. Allein nähere Erwägung der bekannten Thatsachen 
lässt die Annahme eines gemeinsamen Ursprungs der gesammten Basidiomyceten zur Zeit doch 
als die ganz vorwiegend wahrscheinliche hervortreten. Der Entwicklungsgang ist in allen 
bekannten Fällen in den Hauptzügen der gleiche und wo man ihn nicht genau kennt, liegt 
kein Grund vor, wesentliche Verschiedenheiten von den bekannten Fällen anzunehmen. Die 
charakteristischen Fructificationsorgane, nämlich die Basidien, zeigen bei fast allen, sowohl 
Hymeno- als Gastromyceten, die grösste Uebereinstimmung in. Bau und Entwicklung; und auch 
bei Tulostoma sind ihre von Schröter!) entdeckten Besonderheiten nicht so gross, dass sie 


!) Cohn, Beitr. z. Biolog. II. Heft 1. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 46 


einem nahen Anschluss an die Uebrigen Schwierigkeiten machten. Die Unterschiede bestehen 
überall nur in der äusseren und inneren Gestaltung der Fruchtkörper. Bei den Hymenomyceten 
finden sich zwischen diesen, von der einfachen, kaum so zu nennenden Hymenialschicht eines 
Exobasidium oder Hypochnus centrifugus bis zu den reichst gegliederten »angiocarpen« Formen 
von Boletus oder Amanita so zahlreiche Uebergangsformen, dass oft selbst die Genera schwer 
abgegrenzt, grössere Gruppen muthmaasslich verschiedenen Ursprungs aber nirgends unterschieden 
werden können, und es ist unverkennbar, dass die verschiedenen Typen convergiren nach jenen 
einfacheren Formen, wie sie in den Clavarien, Thelephoreen, Hydneen bekannt sind,- welche sich 
ihrerseits auch der Gestalt und dem Bau nach den Tremellinen anschliessen. — Schärfer heben 
sich die Gastromyceten von den übrigen ab; jedoch stehen sie keineswegs ohne Anknüpfung neben 
denselben, wie die Vergleichung von Polyporeen, Merulius und Boletus einerseits, der Hymeno- 
gastreen mit Secotium!), Gautieria andererseits zeigt. Der Anschluss der übrigen Gastromyceten- 
Gruppen an letztere und ihre Divergenz von diesen nach verschiedenen Richtungen liegt auf 
der Hand. Dass dieselben unter allen Pilzen die reichste und complieirteste Gliederung und 
Structur erreichen, dürfte auch ausser Zweifel sein. Sie stellen hiernach wohl die obersten, 
höchstentwickelten Glieder der von den Tremellinen aus weiter entwickelten Basidiomyceten- 
Gruppe dar. — Mit den höchstgegliederten Hymenomyceten stimmen sie darin überein, dass 
sie »angiocarp« Sind. 

Es bleiben nun noch einige kleinere ausserhalb der Ascomycetenreihe stehende Gruppen 
übrig. Zunächst möchte ich zu diesen die Saprolegnieen rechnen, deren Homologien und 
nahe Verwandtschaft mit den Peronosporeen ja nach dem oben Mitgetheilten ausser Zweifel 
sind, welche aber, wenn die Reihe von Pythium und Peronospora zu Podosphaera fortgesetzt 
wird, nicht in dieselbe hineinpassen, sondern sich von ihr seitwärts, als eine Nebenreihe, ab- 
zweigen. Der Grund dieser Anschauung liegt darin, dass sich die Fructificationsorgane, Archi- 
carpien und Antheridienzweige (und in Correlation damit auch die vegetativen Körper), welche 
wir bei den Peronosporeen fanden, bei den Saprolegnieen zwar auch weiter ausgebildet haben, 
aber nach anderer Richtung als jener, welche zu dem Ascogon von Erysiphe führt. Worin 
die Weiterbildung und Divergenz besteht, braucht hier auch nicht weiter auseinandergesetzt 
zu werden. Bemerkt sei nur noch, dass die sonderbare, der Glättung der Eier vorausgehende 
Protoplasmaausstossung bei Achlya und Saprolegnia sich als eine der Periplasmasonderung von 
Peronospora homologe Erscheinung erklären lässt, welche hier überflüssig und daher durch die 


Wiedereinschluckung beseitigt wird; und dass die Saprolegnieen nach den Abschn. 13. gegebenen 


1) Tulasne, Ann. Sc. nat., 3. Ser., Tom. IV. p. 169. 


—. Wi. — 


Auseinandersetzungen apogam gewordene Abkömmlinge der Peronosporeen sein dürften, jedenfalls, 
wie S. Thureti und torulosa zeigen, eine unzweifelhafte Neigung zur Apogamie besitzen. 

Es ist ferner wohl unbestritten, dass die Zygomyceten!) sich an Peronosporeen wie 
Pythium anschliessen, als eine Nebenreihe, welche weit reicher und mannichfaltiger wie die 
Saprolegnieen nach verschiedenen Richtungen — Mucor — Mortierella — Chaetocladium — 
Piptocephalis — in sich weitergebildet ist und von der Hauptreihe divergirt. Zu den Zygomyceten 
dürften auch die Entomophthoren ungezwungen zu rechnen sein. Ich habe die Ent- 
wicklung der präsumptiven Zygosporen derselben nicht selbst beobachtet, sehe aber nach 
Nowakowski’s?) Beschreibung für E. curvispora keinen Grund, dieselben für etwas anderes 
als Zygosporen zu halten. Wenn sie, wie Brefeld?) angibt, bei P. radicans alle oder zum 
Theil ohne Gopulation entstehen, so wird dieses — Nowakowski’s Beobachtungen als richtig 
vorausgesetzt — als ein Fall von Apogamie aufzufassen sein, vergleichbar dem von Sapr. torulosa 
und Thureti. Auch bei anderen Zygomyceten kommen ja Erscheinungen von Apogamie vor, wie 
die Azygosporen von Syzygites und vielleicht der mir unbekannte Azygites zeigen, welch letzterer, 
nach den vorhandenen Angaben?) eine apogame Species sein-dürfte. Auch der ganze Ent- 
wieklungsgang und Bau der Entomophthoren scheinen mir mit jenem anderer Zygomyceten am 
meisten übereinzustimmen, wenn sie auch bei ihrer eigenartigen Anpassung manches Besondere 
zeigen. Brefeld’s hiervon abweichende Meinung ist augenscheinlich beeinflusst durch den 
Hymenomyceten-Habitus der P. radicans.°) Ein anderer Grund, die Entomophthoren als niederen 
Typus der »specifischen Basidiomyceten« zu betrachten, liegt nicht vor, denn die Aehnlichkeit 
mit Basidien besteht für viele, eigentlich für alle Träger von Conidien, welche durch sogenannte 
Abschnürung frei werden, auch z. B. für Chaetocladium. Jener Hymenomyceten -Habitus be- 
stimmter Arten, d. h. die Vereinigung der Conidienträger zu zusammengesetzten Fruchtlagern, 
kann aber für die Beurtheilung der Homologien und Verwandtschaften nicht maassgebend sein, 
das zeigt das erwähnte Beispiel von Cystopus und Peronospora. 

Den Peronosporeen, speciell Pythium sehr nahe verwandt sind Pfitzer’s Ancylisteen, 
Ancylistes, Lagenidium, Myzocytium.°) Sie unterscheiden sich von Pythium durch die 


einfachere Gliederung des Thallus und dadurch, dass, wie die Beschreibungen angeben, das ganze 


) Brefeld, Schimmelpilze I. 

2) Bot. Zeitg. 1877, p. 217.» x 

®) Ibid. p. 351. 

*) Tulasne, Carpol. I. p. 64. 

°) Vgl. Bot. Zte. 1. c. p. 352. 

®) Vgl. Pfitzer’s, Cornu’s, Zopf's oben 8. 230 citirte Arbeiten. 


— 348 — 


Protoplasma einer Antheridienzelle mit dem ganzen, wandständig bleibenden Protoplasma eines 
Oogons mittelst eines von jener getriebenen Befruchtungsschlauches zusammenfliesst, und dass 
das Product dieser Copulation erst nachher zur ruhenden Oospore sich gestaltet. Die Gruppe 
hiernach für sehr einfache, zugleich nach der Seite der Zygomyceten Anknüpfungspunkte darbietende 
Pythien (v. s. v.)'zu halten, ist gewiss zulässig. Andrerseits aber scheint sie ebenfalls in näherer 
Uebereinstimmung zu stehen mit manchen Chytridieen; ihre Stellung im System mag daher 
unentschieden bleiben, bis letztere vollständiger als zur Zeit bekannt sind. — 

Unter dem Namen Chytridieen fasst man zur Zeit eine recht gross gewordene Reihe 
von Formen zusammen, welche in der Bildung von Schwärnsporen und bestimmten Dauerzellen 
sehr grosse Uebereinstimmung unter einander zeigen. In anderen Erscheinungen der Entwicklung 
und des Baues sind die Extreme der Chytridienreihe sehr verschieden. Auf der einen Seite 
Formen wie Nowakowski’s Polyphagus!) mit stattlichem rhizoidem Mycelium, Zoosporangien 
und Zygosporenbildung; auf der andern Synchytrium und die von A. Fischer letzthin?) be- 
schriebene Olpidiopsis, nach den freilich noch nicht ganz lückenlosen Beobachtungen mycelium- 
freie, anscheinend geschlechtslose Formen allereinfachster Gliederung. Es könnte sich fragen, 
ob diese extremen Formen wirklich einer einzigen natürlichen Verwandtschaftsreihe angehören 
oder vielleicht zweien, deren Angehörige, der ähnlichen Lebensgewöhnung entsprechend, sehr 
ähnliche Anpassungsformen zeigten. Letztere Annahme ist allerdings nicht wahrscheinlich, 
immerhin aber möglich. Träfe sie zu, so würden die mycelfreien Chytridien wohl irgend welchen, 
nicht näher anzugebenden »einzelligen Algen« sich anschliessen, also für den Augenblick von 
ganz unsicherer Stellung sein. 

Die meisten myceliumbildenden Chytridien dagegen schliessen sich ganz eng an die Pero- 
nosporeen und Saprolegnieen an, Polyphagus und Zygochytrium, wenn Sorokin’s Beschreibung?) 
wirklich richtig ist, an die Zygomyceten, was ja keinen grossen Unterschied in der systematischen 
Stellung ausmacht. Für die Formen aus Braun’s Gattung Rhizidium und für die typischste 
Chytridienform, Ch. Olla, kann ich nach noch nicht ganz abgeschlossenen und daher noch nicht 
zu publicirenden Beobachtungen schon jetzt sagen, dass sie ohne grosse Uebertreibung sehr 
kleine Saprolegnieen (oder vielleicht Peronosporeen) genannt werden könnten. Ob sie Antheridien 
besitzen oder ihre (Dauer-) Oosporen geschlechtslos entwickeln, ist mir noch nicht zu ent- 


scheiden gelungen. 


!) Cohn, Beitr. z. Biologie Bd. II. Heft 2, p. 201. 
2) Bot. Zeitg. 1880, p. 689. 
*) Bot. Zeitg. 1874, p- 305. 


—. Be) 


Für den wahrscheinlichsten Fall nun, dass die Chytridieen allesammt einer einzigen natürlichen 
Verwandtschaftsreihe angehören, erwächst aus der letztangedeuteten Thatsache eine zu be- 
rücksichtigende neue Frage für die Systematik. Es bleibt nämlich alsdann die vorhin bemerkte 
Möglichkeit eines nahen (phylogenetischen) Anschlusses der Synchytrien an einzellige Proto- 
coccaceen bestehen und wenn die mycelbildenden Chytridieen in aufsteigender Reihe sich einerseits 
an Synchytrien, andrerseits an Peronosporeen anschliessen, so wäre hierdurch für diese entweder 
ein anderer Verbindungspunkt mit den Chlorophyllalgen als der oben bezeichnete, oder zwei 
Verbindungspunkte gegeben — beide lägen allerdings nicht weit auseinander. Mit Sicherheit 
hierüber abzuurtheilen, ist zur Zeit natürlich wiederum unmöglich. Nach den vorliegenden 
Daten kann aber eine directe Anknüpfung der einfachsten Chytridieen an Chlorophyllalgen zwar 
wohl unbestimmt vermuthet, aber nicht näher ausgeführt werden. Es fehlen bekannte Formen, 
welche geeignet wären, den Uebergang zu vermitteln. Dass dafür solche wie Cohn’s Chlorochy- 
frium‘) an welches man in dieser Beziehung wohl denken könnte und gedacht hat, kaum gelten 
können, ist von Klebs jüngst gezeigt worden ?). Da die oben erörterte Anknüpfung der 
Peronosporeen an die Chlorosporen aus den angegebenen Gründen die grösste Wahrscheinlichkeit 
für sich hat, so wird man sich hiernach am besten an sie allein halten. Unter dieser Voraus- 
setzung werden dann die Chytridieen als eine von Peronosporeen direet oder durch Vermittlung 
von Saprolegnieen abgezweigte Nebenreihe zu betrachten sein, deren einfachste, rein parasitische 
Formen, wie Olpidiopsis und Synchytrium, die Producte einer stark regressiven Entwicklung smd. 
Unter den ferneren in Vorstehendem noch nicht behandelten Pilzgruppen machen die 
Ustilagineen für die Unterbringung im natürlichen System besondere Schwierigkeit. Man 
könnte sich hierbei bescheiden und ‚mit dem Ausspruch begnügen, dass sie eine Gruppe von 
vorerst zweifelhafter Stellung sind. Es muss ja nicht Alles auf einmal untergebracht werden 
und klarer Ausdruck der Unkenntniss hat vor unbestimmten Vermuthungen jedenfalls den Vorzug. 
Nichtsdestoweniger darf wohl schon jetzt, wenn auch mit aller, bereits früher?) ausgesprochenen 
Reserve, der Versuch gemacht werden, die Ustilagineen an andere, im Vorstehenden besprochene 
Pilzgruppen anzuschliessen. Hierbei ist zunächst auszugehen von der Erfahrung, dass die 
Ustilagineen für sich allein wiederum eine zusammenhängende Reihe bilden, die beginnt mit 
Formen einfacherer Gliederung und Entwicklung: Entyloma, Tilletia, und von dieser zu reicher 
gegliederten fortschreitet: einerseits Sorisporium und Urocystis, andrerseits Ustilago. Morpho- 
logisch kommen alle diese Formen überein erstens in der Bildung der nach Species resp. Genera 


') Cohn, Beiträge zur Biologie. Bd. I. Heft 2, p. 94. — ?) S. Botan. Zeitung 1881. 
®) Actes du Congres etc. des botanistes ete. tenu A Amsterdam en 1877. Vgl. Bot. Zeitg. 1880, p. 305. 


— 350 — 


verschiedenen »Dauersporen« an den Fäden des Thallus; zweitens darin, dass sich aus den 
»keimenden« Dauersporen ein »Promycelium« entwickelt, welches »Sporidien« bildet, sei es durch 
Abschnürung, sei es durch Trennung in quer abgetheilte Glieder. Die Sporidien copuliren dann 
paarweise, gewöhnlich, aber nicht immer in der bekannten Form eines H, und dieses Copulations- 
product treibt im einfachsten Falle direct, im anderen durch Vermittlung abgeschnürter Conidien 
einen zum neuen fruchtbaren Thallus heranwachsenden Keimschlauch — günstige Vegetations- 
bedingungen selbstverständlich vorausgesetzt. Directe Keimung der Sporidien, ohne vorherige 
Copulation, kommt allerdings nicht selten auch vor; doch prävalirt die Copulation bei den 


meisten Arten und fehlt wohl bei keiner ganz. 


Für die obersten reichstausgebildeten Endglieder ist ein Anschluss an ausserhalb der 
Ustilagineenreihe selbst stehende Formen schlechterdings nicht zu finden. Anders steht es mit 
Entyloma, einer Gattung, welche ihrerseits wiederum mit Tilletia, Urocystis die unzweifelhafteste 
nahe Verwandtschaft zeigt. Die von mir beschriebenen Arten derselben!) haben in allen ihren 
morphologischen Eigenschaften mit Ausnahme der Keimung die grösste Aehnlichkeit mit Unger ’s 
Protomyces macrosporus,”) manche derselben waren daher mit diesem lange und mit gutem 
Grunde in demselben Genus vereinigt. Die Uebereinstimmung erstreckt sich aber auch, mehr 
als auf den ersten Blick scheinen mag, auf den Keimungsvorgang der Dauersporen. Denn das 
Product dieses sind in beiden Fällen H förmig copulirte Sporidienpaare, die sich in ihrer 


Weiterentwicklung ganz gleich verhalten. 


Mit Protomyces macrosporus scheinen aber ferner jene Chytridieen unverkennbare 
Aehnlichkeit in Bau und Entwicklungsgang zu besitzen, welche »Sporangien« intercalar und in 
Mehrzahl an verzweigten Mycelschläuchen bilden und von ihrem Entdecker Nowakowski’) 
als Oladochytrium bezeichnet worden sin. Nowakowski hat zwar bei seinen Cladochytrien 
nur mit der Reife sofort zoosporenbildende, nicht in sogenannten Dauerzustand eingehende 
Sporangien beobachtet. Er hat aber selbst sogleich aufmerksam gemacht auf die grosse 
‘Aehnlichkeit seiner Formen mit solchen, welche wie der alte Protomyces Menyanthis an einem 
Cladochytrium-Mycel »Dauersporen« bilden, und für diese die Vermuthung der Zugehörigkeit 
zu Cladochytrium ausgesprochen. Die Vermuthung hat sich sowohl für Cl. Menyanthis, als 


andere Formen, von denen ich besonders eine in den Blättern von Iris Pseudacorus parasitische 


!) Bot. Zeitg. 1874, p. 81. Vgl. ferner Schröter, in Cohn’s Beitr. z. Biol. Bd. II. Heft 3. 
2) Diese Beitr. 1. Reihe. £ 
?) Cohn, Beitr. z. Biologie, Bd. II. Heft 1 p. 92. 


kenne,!) vollkommen bestätigt. Von den Cladochytrien Nowakowski’s unterscheiden sich 
diese Formen allgemein, soweit bekannt, allein dadurch, dass an dem Mycel als Reproductions- 
organe nur Dauerzellen gebildet werden, welche gleich denen von Protomyces und Entyloma 
nach längerer Ruhe »keimen«. Und zwar besteht ihre Keimung darin, dass sie die Eigenschaften 
eines Chytridieen-Zoosporangiums annehmen. Diese Dauer-Zoosporangien sind den Dauerzellen 
von Protomyces wiederum sehr nahe vergleichbar, insofern in beiden das Protoplasma in eine 
Mehrzahl von Reproductionszellchen getheilt wird; die Schwärmerqualität dieser in dem einen, 
der Mangel autonomer Beweglichkeit in dem andern Falle würden keine schwer wiegende 
Differenz ausmachen. Ein weit grösserer Unterschied aber liegt darin, dass die Zoosporen, 
wenigstens bei Cl. Pseudacori, nicht copuliren — es müsste dies denn etwa nach ihrem Ein- 
dringen in die Nährpflanze geschehen, was ich nicht entscheiden konnte. Hierin liegt ein 
Hauptbedenken gegen den Anschluss von Profomyces an Oladochytrium, und in der Gesammtheit 
der hervorgehobenen Differenzen und Bedenken der Grund für die ausgesprochene Reserve. 
Fernere Untersuchungen werden die Reihe der Uebergangsformen vielleicht vervollständigen, 
vielleicht auch nicht, jedenfalls ist ihnen die definitive Entscheidung vorzubehalten. Nach 
dem heutigen Stande der Kenntnisse ist es aber wenigstens erlaubt, die Ustilagineen durch 
Entyloma, Protomyces und Oladochytrium an die Chytridieen anzuschliessen und- ein anderer 
Anschluss ist nicht aufzufinden. Die Ustilagineen stellen hiernach ebenfalls eine Nebenreihe 
im Gesammtsystem dar, welche sich von einem Gliede der Chytridieen-Gruppe abzweigt und 


mit Ustilago, resp. Sorisporium und Urocystis ihre Höhepunkte erreicht. 


Es bleiben schliesslich noch übrig die Formen, welche ihrer Gestaltung nach mit Nä geli 
als Sprosspilze bezeichnet werden können. Der Name Sprosspilze bezeichnet allerdings 
zunächst nur eine bestimmte Wuchs- und Structurform, ohne Rücksicht auf deren natürliche 
Verwandtschaft, etwa wie Fadenpilze, Hutpilze, Gallertpilze u. a. oder an anderen Stellen des 
Pflanzenreichs Bäume, Kräuter und Sträucher; und es ist bekannt, dass es Species gibt, 
welche unter bestimmten Bedingungen in dieser, unter anderen in anderer Wuchsform auf- 
treten und aus der einen in die andere wechselsweise übergehen können, wie Mucor 


racemosus und Dematium pullulans.‘) Letzterm kann noch hinzugefügt werden Dematium 


1) Formen dieser Gruppe sind, als intracellulare Parasiten, anscheinend sehr verbreitet in den Laub- 
theilen wasserbewohnender Pflanzen. Wallroth’s Physoderma maculare und Fuckel’s Protomyces Heleo- 
charidis z. B. gehören sicher zu denselben. Vgl. Bot. Zeitg. 1874 p. 106. Vielleicht kommt eine und dieselbe 

Species in verschiedenen Arten von Phanerogamen vor. 


')- Vgl. Handb. d. physiol. Bot. II. p. 183 und Löw, in Pringsheim’s Jahrb., Bd. VI, pag. 467. 


—ı oe 


vulgare = Cladosporium herbarum, wenn nicht sogar beide Formen identisch sind. Es gibt 
aber Pilzspecies, wie die Arten von Saccharomyces, ) bei welchen die in Rede stehende 
Wuchsform erblich constant und exclusiv ist, und für diese ist die systematische Stellung hier 
zu discutiren. Was man von ihren morphologischen Verhältnissen weiss, geht über das 
Gesagte wenig hinaus; nur tritt bei den Saccharomyces-Arten zu den vegetativen Sprossungen 
noch die Bildung jener von Reess als Asci bezeichneten Sporenmutterzellen hinzu, in welchen 


wiederum sprossende Sporen gebildet werden. 


Handelt es sich nun darum, einen Anschluss dieser Sprosspilze an andere zu bestimmen, 
so kann derselbe nur bei solchen Gruppen gesucht werden, bei denen sowohl die sprossende 
Wuchsform als auch gleiche oder ähnliche Sporenbildung bekannt ist. Das gilt für zwei der 
oben besprochenen, nämlich die Mucorinen und die Ascomyceten. Was man von den Sporan- 
gien bei Saccharomyces kennt, lässt diese gleich zutreffend sowohl minimal klein gewordenen 
Mucorsporangien als auch kleinen Ascis vergleichen, z. B. jenen von Zurotium, Onygena, 
Esxoascus. Ihren sonstigen morphologischen Eigenschaften nach gleichen die Sprosspilze in 
hohem Grade bestimmten Ascomyceten, zumal wiederum Exoascus, oder bestimmten Zuständen von 
solchen; ich erinnere nur an die Sprossungen bei der Sporenkeimung von Bulgaria inquinans, 
Dothidea ribesia?) und wiederum an Dematium und Cladosporium herbarum, welch’ letzteres 
doch wohl sicher einem Pyrenomyceten zugehört, wenn auch die Species derzeit unsicher ist. ®) 
Jedenfalls ist diese Uebereinstimmung mit Ascomyceten weit grösser als jene mit Sprossformen 
von Mucor. Und die rein physiologische Aehnlichkeit mit diesen, welche manche Saccha- 
romyceten als Erreger von Alkoholgährung zeigen, kann hier grundsätzlich nicht in Betracht 
kommen, betrifft übrigens auch nicht alle Sprosspilze. 

Der Anschluss an Ascomyceten ist daher für die in Rede stehende Gruppe vorwiegend 
wahrscheinlich. Wird er angenommen und werden die oben gegebenen Erörterungen an- 
erkannt, so können aber die Sprosspilze wiederum nicht als Anfangsformen der Asco- 
mycetenreihe betrachtet werden, sondern nur als sehr reducirte Abkömmlinge dieser, deren 
Gestaltungsprocess auf bestimmte, erblich constant gewordene Erscheinungen eingeschränkt ist, 
welche bei den höheren Formen nur als Conidienbildungen vorkommen, und bei welchen Asci 


selten und gleichsam nur als rudimentäre Reminiscenz, oder gar nicht auftreten. — 


!) Rees, Botan. Unters. über die Alkoholgährungspilze. Leipz. 1869. 

?) Vergl. Handb., p. 153. 

®) Vgl. Bauke, Beitr. z. Kenntniss d. Pyeniden, N. Act. Leop. Carolin, Bd. 38. (1876) und Botan. 
Ztg. 1877. 


— 3553 — 


Zum Schlusse dieser Auseinandersetzung noch einige allgemeine Bemerkungen über 
regressiv entwickelte oder »reducirte« Species, von welchen im Vorstehenden oft die Rede 
war. Wie schon in der citirten Arbeit von 1879 auseinandergesetzt wurde, ist eine Tremel- 
linenform im Vergleich mit einer aecidienbildenden Uredinee einfacher, weil ihr der höchst- 
gegliederte Entwicklungsabschnitt dieser, das Aecidium, fehlt und ihr nur eine Conidien- 
form zukommt. Stellt man sich vor, erstere sei aus letzterer entstanden, ‘so ist mit 
dieser Entstehung ein Rückschritt in der Gliederung des Entwicklungsgangs eingetreten. Das- 
selbe gilt, wenn man die Sprosspilze von den Ascomyceten ableitet u. s. w. Einen solchen 
regressiven Entwicklungsgang zu statuiren, widerstrebt einigermaassen den üblichen Vor- 
stellungen über phylogenetische Entwicklung. Denn es ist ja zwar eine nicht ungewöhnliche 
Erscheinung, dass durch Anpassung an besondere Lebensbedingungen in der vegetativen 
Ausbildung bestimmter Species und Gruppen ein Rückschritt, eine Reduction eintritt, wie bei 
thierischen und phanerogamen Parasiten, bei submersen Wasserpflanzen. Allein in diesen 
Fällen pflegen sich die Fortpflanzungsorgane und -Processe der betreffenden Pflanzen auf gleicher 
Höhe mit denen anders angepasster und reicher gegliederter Verwandter zu halten und gerade 
hierdurch bleibt die Verwandtschaft evident und wird ein Rückschritt in der Gesammtentwick- 
lung gewissermaassen verhindert. Solche Fälle stehen daher in keinerlei Widerspruch mit der 
Vorstellung, nach welcher Formen reicheren Gesammtentwicklungsganges in progressiver 
Folge aus einfacheren hervorgehen oder, rein objectiv ausgedrückt, sich an solche anreihen; 
— einer Vorstellung, welche ja auch für die grossen Hauptreihen der Organismen unzweifel- 
haft feststeht. 

Anders verhält es sich mit den hier in Rede stehenden Fällen, weil es sich bei denselben 
nicht um vegetative Reduction handelt, sondern um Ausschaltung ganzer, und zwar höchst- 
gegliederter Entwicklungsabschnitte, welche gerade in charakteristischen Fortpflanzungsprocessen 
ihren prägnantesten Ausdruck erhalten. Dass dabei auch die Sexualität, resp. ein Verloren- 
gehen derselben, in Betracht kommt, ist an und für sich bemerkenswerth genug, aber für den 
Kern der Sache gleichgültig. Denn was wir über die Sexualität wissen, ist nicht mehr als 
eine, wenn auch noch so grosse Reihe von Erfahrungsthatsachen. Nicht minder sichere Er- 
fahrungen aber haben erwiesen, dass der sonst gleiche Entwicklungsgang je nach Species mit 
oder ohne sexuelle Processe ablaufen kann. Das lehren die apogamen Farne und die 
Saprolegnieen. 

Darf man hiernach auch, wenn nöthig, von der Sexualität absehen, so ist doch, gegen- 


über der Thatsache des Vorherrschens progressiver Entwicklung der Species, gegen die 
Abhandl. d. Senckenberg. naturf. Ges. Bd. XII. 47 


— 354 — 


Annahme einer Regression ein begreifliches Widerstreben vorhanden und für jeden Einzelfall 
Vorsicht geboten. Principiell steht solcher Annahme allerdings auch nichts entgegen, denn 
so gut die Ausbildung einer Blattlamina oder eines Gefässbündelsystems ausbleiben und dieses 
Ausbleiben in einer Speciesgruppe erblich constant sein kann, muss solches erblich werdende 
Ausbleiben auch für. bestimmte Form der Fructification als möglich statuirt werden. Dass es 
letztere gewöhnlich nicht betrifft, ist wiederum eine Erfahrungsthatsache, aber keine prineipiell 
zu begründende Nothwendigkeit. Das ist a priori klar, es kam aber doch darauf an, zu 
untersuchen, ob von der herrschenden Regel auch thatsächliche Ausnahmen gefurden werden. 
Einen solchen, speciell in die hier betrachtete Reihe von Erscheinungen gehörigen Fall stellte 
die in der Arbeit von 1879 discutirte Ohrysomyxa Abietis dar. Das Studium der Sapro- 
legnieen hat diesem neue sichergestellte hinzugefügt. Ist aber einmal die regressive Entwick- 
lung für eine Species festgestellt, so steht der Annahme solcher für eine Gruppe verwandter 
Species nichts im Wege, wenn die Thatsachen dazu stimmen. Und ebensowenig wird dann 
die weitere Annahme bestritten werden, dass aus einem regressiv entstandenen Anfang auf in 
neuer Richtung progressivem Wege eine neue Formenreihe hervorgehen und hohe und reiche 
Ausbildung erreichen kann. 

Dass es auch Fälle gibt, in welchen letzteres nicht eintritt, sondern die Regression auf 
einzelne Species beschränkt bleibt, welche dann als unvollkommene, morphologisch herab- 
gekommene Glieder ihrer Systemabtheilung erscheinen, zeigt z. B. Saprolegnia torulosa. Aus 
anderen Abtheilungen mögen vielleicht einzelne bekannte, immer nur mit Conidienbildung beob- 
achtete Formen hierher gehören. Ich habe in der letzteitirten Arbeit von 1879 schon auf solche 
wie Uredo Symphyti hingewiesen und möchte hier beispielsweise nur noch das Oidium laetis 
nennen. Man muss aber mit der Beurtheilung solcher Fälle äusserst vorsichtig sein, weil die 
anscheinende Unvollkommenheit auch lediglich in unserer Unkenntniss ihren Grund haben kann; 
dafür liefert die neuere Geschichte der Mycologie Belege genug. 

Die vorgetragenen Anschauungen mögen in der auf der folgenden Seite stehenden 
kleinen Tabelle recapitulirt werden, welche einer Erklärung hier wohl nicht mehr be- 
dürftig. ist. 

Die allgemeine Systematik der Pilze hat in neuerer Zeit von anderer Seite mehrere 
Bearbeitungen erfahren, welche schliesslich noch kurz besprochen sein mögen. Zunächst ist 
die bekannte Eintheilung der Thallophyten in Sachs’ Lehrbuch und die auf ähnliche Grund- 
anschauungen basirte Eintheilung von Cohn zu erwähnen, welche beide die Pilze nicht als 


zusammenhängende Gruppe behandeln, sondern dieselben in die Abtheilungen vertheilen, welche 


° 


— 355 — 


> Tremellinae, Hymenomycetes, 
Gastromycetes. 

»Sprosspilze« 

(Saccharomyces) 


ELEXTIU VER T n 


A 


3D940ds0uU01aT > IMIyYydıshuf > saI99Rrmoasy 


> Ohytridieae > Protomyces— Ustilagineae. 
Zuygomycetes *S > Saprolegnieae. 


s2.Dyda7gouopr 
voprodhlt 


Chlorophyceae 


sie auf Grund der Fruchtentwicklung bei den Thallophyten überhaupt unterscheiden. Sie 
erreichen hierdurch eine geordnete Uebersicht, aber kein natürliches System, wie ich an 
anderem Orte zu zeigen versucht habe. !) 

Sodann hat van Tieghem?) eine kurze Uebersicht über eine von ihm gewählte 
Pilzeneintheilung gegeben. Gegen dieselbe ist nichts einzuwenden, weil Jedermann eintheilen 
kann, wie er will. Auf natürliche Verwandtschaften nimmt sie überhaupt nicht Rücksicht. 

Winter’s Pilzsystem 3) schliesst sich in den hier allein zu discutirenden Grund- 
anschauungen‘ nahe an Brefeld’s an, findet daher zugleich mit diesem seine Besprechung. 
Brefeld) ist in ausführlicher Auseinandersetzung über die natürlichen Verwandtschaften der 
Pilze zu Resultaten gelangt, welche von den oben vorgetragenen erheblich abweichen. Sieht 
man von den auch bei ihm wenigstens sehr reservirt bei Seite gehaltenen Schizomyceten und 
Myxomyceten wiederum ab, so stellt er die Pilze in zwei Hauptreihen: »höhere«, Mycomyceten, 

1) Bot. Ztg. 1881, 1. 

2) Ann. sc. nat., 6. Ser., Tom. IV (1878). 

®) Hedwigia 1879, Nr. 1. 

*) Schimmelpilze III (1377). 


. 


— 3556 — 


und »niedere«, Phycomyceten. Die »höheren« umfassen die Basidiomyceten, Ascomyceten, 
Uredineen, Entomophthoren und Ustilagineen. Dieselben werden als nach einem gemeinsamen 
Stamme direct convergent betrachtet, resp. von diesem jede direct abgeleitet, dieser aber 
gefunden in nur »Conidien tragenden« Formen, von welchen lebende Repräsentanten derzeit 
nicht näher bekannt: sind, und welche sich vielleicht an Sprosspilze als einfachste Form an- 
schliessen. 

»Niedere« Pilze sind die Zygomyceten, Peronosporeen, Saprolegnieen, wohl auch die 
nicht näher berücksichtigten Chytridieen. Ob dieselben mit den »höheren« vielleicht durch 
Vermittlung bestimmter Sprosspilze (Saccharomyces), vielleicht durch die der Entomophthoren 
in Verbindung stehen, bleibt unentschieden. 

Die Frage nach der Stellung der Pilze im Gesammtsystem, ihr Anschluss also an Nicht- 
pilze bleibt für die »höheren« fast unberührt, für die >niederen« wird der Annahme, dass sie 
»chlorophylifreie Algen« seien und zu Siphoneen in verwandtschaftlicher Beziehung stehen, 
Berechtigung zuerkannt. 

Innerhalb der Gruppe der »höheren« werden zweierlei Basidiomyceten angenommen 
mit zweierlei Anschluss resp. Ursprung; nämlich erstens die Tremellinen mit den Clavarieen, 
welche mit den Uredineen, und zweitens die übrigen, welche mit den Ascomyceten gemeinsamen 
Stamm haben. Letzterer wird gefunden in Pycniden, aus welchen einerseits die Ascomyceten 
hervorgehen, andererseits die Gastromyceten, und zwar von diesen zunächst Lycoperdaceen als 
Stammformen der übrigen Gastromyceten sowohl wie der Hymenomyceten. ; 

Da das Gesammtsystem aus der Zusammenfügung seiner einzelnen Abschnitte zu Stande 
kommt, so hat auch die Beurthbeilung diese zuerst ins Auge zu fassen. 

Bezüglich der »niederen« sind die Differenzen zwischen Brefeld’s und meinen An- 
schauungen theils schon oben, bei Zntomophthora, besprochen worden, theils minder wesentlich, 
sie brauchen daher hier nicht weiter berührt zu werden. 

Von Brefeld’s Ansichten über die Verwandtschaftsbeziehungen der »höheren« ist 
zunächst die auf die Hymenomyceten bezügliche zu bestreiten. Mit dem Anschluss der Cla- 
varieen an Tremellinen und dieser an Uredineen bin ich natürlich einverstanden. Die Ab- 
trennung der anderen Hymenomyceten aber und ihr Anschluss an Lycoperdaceen lässt sich 
nicht rechtfertigen. Es wurde oben schon hervorgehoben, dass die ganzen derzeit statuirten 
Unterschiede zwischen den einzelnen Typen aller Hymenomyceten in der Gestaltung der 
Fruchtträger liegen und eine unbefangene Vergleichung zeigt doch deutlich, dass diese von 


allen Seiten her gegen die einfachen Formen der Clavarien, Thelephoreen, Merulien hin 


— 357 — 


convergiren. Die Stammformen, von welchen alle abzuleiten sind, werden daher auch unter 
diesen einfacheren zu suchen sein. Brefeld dreht die Sache um und lässt die Hymenomyceten- 
reihen convergiren nach den angiocarpen Agaricinen, deren prägnantester Typus die Amaniten 
sind. In den Erscheinungen, welche bekannt sind von den doch jedenfalls hier zuerst in 
Frage kommenden Formen selbst, liegt hierfür kein Grund, denn die Thatsachen stimmen viel 
ungezwungener mit der anderen Anschauung überein; auch die angiocarpe Entwicklung der 
Fruchtträger bei den ihrzufolge höchstgegliederten Hymenomyceten. Der Grund muss daher 
wo anders gesucht und kann kaum wo anders gefunden werden, als in der Absicht des Autors, 
die Hymenomyceten an Gastromyceten als Stammformen “anzuschliessen. Amanita, der sich 
die hemiangiocarpen Formen nach der Entwicklung der Fruchtträger anreihen, ist angiocarp, 
die Gastromyceten auch, die Absicht erreicht. 

Wie und wo schliessen sich nun zweitens diese Angiocarpi an Gastromyceten an? Ant- 
wort an Lycoperdaceen ; von diesen aus divergiren sie sowohl, wie die übrigen Gastromyceten- 
Gruppen. Es kann nun kein Zweifel sein, dass letztere sämmtlich nahe mit einander ver- 
wandt sind; alle convergiren aufs deutlichste, aber doch wahrhaftig nicht nach den hoch- 
gegliederten Lycoperdaceen zu, sondern mit diesen nach den Hymenogastreen ; alle bekannten, 
mit Ausnahme von 7ulostoma, sind letzteren in der Jugend im Wesentlichen gleich gebaut und 
verdanken ihre besonderen Eigenschaften nachherigen, meist erst nach der Sporenbildung auf- 
tretenden Gewebedifferenzirungen. Tulostoma selbst weicht allerdings, ‚nach Schröter, von 
den übrigen ab, steht aber doch den Lycoperdaceen so nahe, dass es nicht mehr als eine 
»anomale« Seitengruppe dieser darstellt, wie solche bei vielen anderen Familien des Pflanzen- 
reichs ja auch vorkommen. An der nahen Zusammengehörigkeit der Hymenomyceten mit 
Gastromyceten wird auch niemand zweifeln und wenn man den Anschluss zwischen beiden 
gerade bei den Hymenogastreen einerseits und den Boleten, Merulien u. s. w. andererseits 
sucht, so stimmt das mit den bekannten Thatsachen. Wie derselbe aber mittelst der angio- 
carpen Hymenomyceten gerade an Lycoperdaceen vermittelt werden soll, dafür fehlt jeder 
Anhalt; zwischen beiden Gruppen besteht in allen hier heranzuziehenden Verhältnissen eine 
durch nichts überbrückte Kluft. 

Die Gründe für jenen Anschluss an die Lycoperdaceen liegen demnach wiederum nicht 
in den Thatsachen, welchen sie zunächst hätten entnommen werden sollen. Um sie zu ver- 
stehen, muss man weiter gehen und beachten, dass sich Trlostoma den Lyeoperdaceen an- 
schliesst, und der Autor beabsichtigt, an 7ulostoma die Formen Pilacre und Ptychogaster, 


und durch diese die Basidiomyceten an Pycniden und »Conidien tragende Stammformen« 


— N 


anzuschliessen. Ohne Einschaltung der Lycoperdaceen an bezeichneter Stelle ginge das nicht. 
Es geht aber auch nicht mit dieser Einschaltung ‚und selbst wenn alles bis hierher Bestrittene 
zugegeben würde. Pilacre und Ptychogaster !) sind Formen, welche mit Zulostoma darin über- 
einstimmen, dass sie in den Lücken eines Geflechts von Hyphen, an Zweigenden dieser, 
terminal und seitlich je mehrere Sporen simultan abschnüren. Nach Cornu würde es sich 
bei Piychogaster sogar nicht einmal um einen »Abschnürung« zu nennenden Process handeln. 
Jene Zweigenden sind den eigenthümlichen Basidien von Tulostoma allerdings ähnlich, doch 
haben diese auf den Namen typischer viersporiger Basidien allen Anspruch, während sich die 
abschnürenden Enden jener beiden Formen nach Gestalt und unregelmässiger Zahl und An- 
ordnung der Sporen nur von ferne mit solchen vergleichen lassen — nicht mehr und nicht 
weniger wie jedes andere simultan mehrere Sporen abschnürende Hyphenende. Mit dieser Ueber- 
einstimmung und etwa der Gesammtgestalt des Sporen bildenden Körpers ist die Aechnlichkeit 
zwischen Pilaere, Ptychogaster und Tulostoma zu Ende. Dieses hat reiche Lycoperdaceen- 
Structur und -Differenzirung, jene den einfachen Bau büschelig vereinigter Conidienträger, etwa 
der Penieillium-Coremium-Form;, eine »Peridie« ist nicht vorhanden, sondern nur eine filzige 
Öberflächenschicht, bestehend aus den über die Sporen tragenden hinaus verlängerten End- 
verzweigungen der das Büschel bildenden Hyphen. Von einer directen näheren Uebereinstim- 
mung. mit Zwlostoma kann daher nicht die Rede sein und Uebergangsformen sind nicht 
bekannt. Ein Grund, Pilacre und Piychogaster an Tulostoma anzuschliessen, ist daher nach 
den Gestaltungserscheinungen nicht vorhanden; nach dem Entwicklungsgang auch nicht, denn 
dieser ist für jene beiden zur Zeit unbekannt. Beide Formen sind ihrer Stellung und Zu- 
gehörigkeit nach zweifelhaft, und wie Tulasne hervorhebt, auf Grund der wenigen über sie 
bekannten Daten, am besten noch vermuthungsweise für Conidienträger von Ascomyceten zu 
halten, nach Cornu und einer älteren Andeutung bei Fries für Entwicklungsglieder von 
Hymenomyceten. Sei dem wie ihm wolle, Glieder des Systems, durch welche eine Anknüpfung 
an Lycoperdaceen möglich wäre, sind sie nach den bekannten Thatsachen nicht. 

Was andererseits die Pycniden betrifft, so ist darüber wohl kein Wort zu verlieren noth- 
wendig, dass dieselben nach Bau und Gestaltung den Lycoperdaceen sowohl, wie den Formen 
Ptychogaster und Pilacre so unähnlich sind, als unter Pilzen möglich, und daher auf Grund 
jener den genannten Formen nicht angeschlossen werden können. Wo die Pycniden im Systeme 


stehen, kennt man. Man weiss, dass jedenfalls viele derselben in den Entwicklungskreis von 


') Vgl. Tulasne, Annales sc. nat., 5. Ser., Tom. IV (1865), p. 290, 296 u. Tom. XV (1872). Ferner: 
Cornu, in Bulletin Soc. bot. de France, Tom. XXIH, p. 359. i 


EP ni 


— 359 — 


Ascomyceten-, besonders Pyrenomyceten-Species, als Glieder desselben gehören; und zwar 
wird man sie für nichts anderes zu halten haben, als für Behälter von Conidien, näher 
vergleichbar, selbst homolog wohl den Conidienlagern (Uredo- und Teleutosporen) von Ure- 
dineen. Diese ihre Zugehörigkeit zu Ascomyceten-Species ist nach der Gesammtheit der von 
Tulasne dargestellten Thatsachen und nach den Detailuntersuchungen von Bauke!) ausser 
Zweifel. Es wird hieran nichts geändert durch die Erfahrung, dass in bestimmten Fällen, 
z. B. dem von Cieinnobolus, Irrthümer vorgekommen sind über die Ascusform, zu welcher eine 
bestimmte Pycnidenform gehört; solche Irrthümer dürften, der Natur des Gegenstandes nach, 
auch fernerhin noch für einzelne Fälle nachgewiesen werden. Es wird an jener Zu- 
gehörigkeit ferner nichts geändert durch die Thatsachen, dass man von vielen Pycniden die 
. zugehörige Ascusform noch nicht kennt und dass man solche kennen gelernt hat, welche sich 
in den Culturen durch lange Zeit und viele Generationen nur gleichförmig aus ihren Sporen 
reproducirten,. Ersterer Umstand wird grossentheils in dem riesigen Umfang des noch zu 
bewältigenden Formenmaterials seinen Grund haben; letzterer wohl auch zum guten Theil in 
dem Culturverfahren, denn es ist ja auch für andere Conidienformen von Ascomyceten bekannt, 
dass sie sich leicht und unter sehr verschiedenen Bedingungen gleichförmig reproduciren, 
während für die Production ihrer Ascusfrucht jedesmal ein Substrat sehr bestimmter Qualität 
erforderlich ist. 

Es könnte aber auch daran gedacht werden, dass es Pycnidenformen geben mag, welche 
die zugehörige Ascusform verloren haben und für sich fortbestehen, vergleichbar also der 
Ohrysomyxa Abietis. Es ist wohl gut, in dieser noch nicht genügend entwirrten Gruppe 
von Formen mit solcher Annahme vorsichtig zu sein, aber sie mag einmal zugegeben werden. 
Wir hätten alsdann Pycniden-Species, wie wir in Zeptopuceinien und Chrysomyza Abietis 
Teleutosporen-Species haben. Ihre Stellung im System können wir bestimmen und auf 
Grund bekannter Thatsachen erklären. Auch für Stamm- oder Anknüpfungsformen könnten 
sie gehalten werden, so gut wie dies für Ohrysomyxa versucht wurde. Nur müssen dann auch 
für die Anknüpfung durch den Nachweis von Uebergangsformen nach irgend einer Richtung 
überzeugende Gründe beigebracht werden. An diesen fehlt es aber, wie gezeigt wurde, 
gänzlich. 

Kommen wir endlich zu den »Conidien tragenden Stammformen«, von welchen Brefeld 


die Pyeniden, wohl auch Piychogaster, die Uredineen, Entomophthoren und Ustilagineen ab- 


') Beitr. z. Kenntn. d. Pycniden, 1. c. 


— 360 — 


leitet, so sind diese nicht concreter Art, sie bestehen nur vermuthungsweise, entziehen sich 
also der sachlichen Discussion um so mehr, als das Gebäude, welches sie tragen sollten, schon 
ehne sie hinfällig ist. 

Vorstehende Kritik könnte ungerecht erscheinen, weil Brefeld betont, dass er mit der 
Bezeichnung Stammformen niemals jetzt lebende Pflanzenformen meine, und wenn er auf jetzt 
lebende Bezug nähme, damit nur ausdrücken wolle, er halte diese für die der wirklichen Stamm- 
form am nächsten stehend. Wenn man sich auf dem Boden der Thatsachen halten will, so 
kann man in unserer Frage jedenfalls nur auf bekannte Formen Bezug nehmen. Solche 
könnten vielleicht ausgestorben, aber durch ihre erhaltenen fossilen Reste hinreichend bekannt 
sein. Auf anderen Formengebieten ist das ja vielfach der Fall. Von den Pilzen kennen wir 
aber bekanntlich keine für die in Rede stehenden Fragen irgend brauchbare fossile Reste. Wir 
wissen nicht einmal, ob es je Formen gegeben hat, welche von jetzt lebenden wesentlich 
differiren. Wir haben uns daher lediglich an die Vergleichung der lebenden Formen zu halten. 
Andernfalls gerathen wir auf das Gebiet der Phantasie, welches mit den »Conidien tragenden 
Stammformen« schon berührt wurde, auf welches aber diese Discussion nicht ausgedehnt 
werden soll. 

Der vorstehende Classificationsversuch geht von den bekannten lebenden Pilzen aus, 
nimmt auf andere nicht Rücksicht und sucht mit diesem Material auf inductivem Wege die 
Verwandtschaften der einzelnen Hauptgruppen und besonders die Anschlusspunkte der Pilze 
an Nichtpilze zu bestimmen. Durch die Feststellung der letzteren erhält das natürliche System 
der Pilze überhaupt erst einen sicheren Halt. Einen endgültigen Abschluss erreicht zu haben 
bildet sich der Verfasser nicht ein, dafür sind die bekannten Materialien nicht ausreichend. 
Auf die schwachen Punkte wurde gelegentlich des Anschlusses der Uredineen, Chytridien, 
Ustilagineen u. Ss. w. zur Genüge aufınerksam gemacht. Dass der Verfasser auf dem Stand- 
punkte der Descendenztheorie steht, ist ersichtlich. Allein die vorgetragenen Anschauungen 
behalten auch ihre volle Geltung, wenn man statt von Abstammungsverwandtschaft nur von 
Aehnlichkeit der ontogenetischen Entwicklung redet. Das erweist wenigstens im allgemeinen 
die Richtigkeit der befolgten Methode, mag das Ergebniss nun durch neue Thatsachen mit der 


Zeit bestätigt oder berichtigt werden. 


Erklärung der Tafeln. 


(Die Ziffern in Klammern geben die Vergrösserung an.) 


Tafel I. 
Fig. 1—19. Pythium de Baryanum. Aus Culturen im Hängetropfen. (Fig. 2—8 u. 17 Verer. 600; 
die übrigen 375—400.) 

Fig. 1. Thalluszweige mit zwei Oogonien. a. mit Zweigantberidium; Befruchtung vorüber. — Db. anscheinend 
mit krummem, das Oogon tragenden Stielantheridium; es war jedoch nicht ganz klar und konnte bei 
der fixirten Lage des Exemplars nicht sicher entschieden werden, ob nicht das Oogon etwa von dem 
rechts unterhalb angrenzenden Thallusaste entspringt. Im Oogon b. die Ballung des Eies eben fertig, 
das Antheridium hat den Befruchtungsschlauch getrieben. Beobachtet am 9. Mai, 11 Uhr Vormittags. 

Fig. 2—7. Suecessive Zustände des Exemplars b. — Fig. 2. 11 Uhr 30 Minuten Vormittags. 


Fig. 3. 12 Uhr: Plötzliche Zurückziehung des Gonoplasma von der Wand. 

Fig. 4. 12 Uhr 15 Minuten: Die zwei Portionen des Gonoplasma wieder zu einer gruppirt. 

Fig. 5. 12 Uhr 50 Minuten: Uebertritt des Gonoplasma beginnend. 

Fig. 6. 2 Uhr 40 Minuten: Uebertritt der letzten Gonoplasmakörnchen. 

Fig. 7. 6 Uhr Nachmittags: Oospore schon derbwandig; Antheridium mit wandständigem Periplasma. 

Fig. 8. Das Oogon a. der Fig. 1, am 11. Mai Vormittags: Oospore reif; von dem Antheridium nur noch ein 


Rest sichtbar. — b. der Fig. 1 hat dieses Reifestadium am 13. Mai erreicht. 
Die beiden oberen freien Zweigenden der Fig. 1 schwollen am 10. Mai kugelig an und gliederten 
sich als »Conidien« durch je eine Querwand ab. 

Fig. 9. Thallusstück mit einem bereits befruchteten, von krummem Stielantheridium getragenen Oogon a., und 
einem erst angelegten, b. Dieses steht intercalar, ist eben durch Querwände abgegrenzt; Antheridium 
fehlt noch. 12 Uhr 30 Minuten. 

Fig.10. b. der vorigen Figur um 2 Uhr 30 Minuten: Ballung des Eies und Antheridium unter dem Oogon vor- 
handen, letzteres mit conischem Befruchtungsschlauch das Ei berührend. 

Fig. 11. Dasselbe um 4 Uhr 30 Minuten. Um 5 Uhr erfolgte die Contraction des Gonoplasma. 

Fig. 12. Entwicklungsstadien eines von krummem Stielantheridium getragenen terminalen Oogoniums; a. um 3 Uhr, 
b. um 4 Uhr 45 Minuten. — Unter dem Antheridium ein antheridienähnlicher (?) Seitenzweig, der 
sich nicht weiter veränderte. 

Fig.13. Thallusast mit zwei intercalaren Oogonien, beide schon befruchtet; a. durch ein vom selben Aste 
entspringendes Zweigantheridium; b. von einem Antheridium, welches an einem benachbarten anderen 
Aste entstanden ist. E 

Fig. 14. Verzweigter Thallusast mit drei zu Oogonien anschwellenden Zweigenden. Oogonien noch nicht 
abgegrenzt. 12 Uhr Mittags. — Alle drei Oogonien erhalten nachher gerade Stielantheridien. Das 
Oogon c. ist um 2 Uhr 45 Minuten durch eine Querwand abgegrenzt. 

Fig.15. Stellt dasselbe um 5 Uhr 45 Minuten dar: Antheridium abgegrenzt, Befruchtungsschlauch beginnend, 
Ei in Ballung. 

Fig.16. a. von Fig. 14 um 5 Uhr 45 Minuten. — D. verhält sich ebenso. 

Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 48 


Fig. 17. 


Fig. 18. 


Fig. 19. 


Fig. 20. 


Fig. 21. 


— 362 — 


Intercalares Oogon mit einem intercalaren geraden Antheridium während der Entleerung dieses. 
5 Uhr 30 Minuten Nachmittags. — Um 5 Uhr hatte die Contraction des Gonoplasma stattgefunden ; 
um 5 Uhr 45 Minuten war der Uebertritt dieses zu Ende. 

Intercalares, durch zwei mit ihm von demselben Tragfaden entspringende Zweigantheridien be- 
fruchtetes Oogon. 

Zwei successive Entwicklungsstadien eines terminalen, durch ein Zweigantheridium zur Seite gedrängten 
‚Oogoniums: a. um 2 Uhr 45 Minuten, b. um 4 Uhr Nachmittags. Um 6 Uhr war das Antheridium 
und die Ballung des Eies fertig. 


Fig. 20 u. 21. Pythium proliferum. 


(375.) Intercalares Oogon, befruchtet durch zwei beiderseits neben ihm vom selben Träger entspringende 
Antheridien und ein drittes, welches von einem andern, benachbarten Thallusfaden seinen Ursprung nimmt. 
(600.) Intercalares Oogon während des Uebertrittes des Gonoplasma aus dem angrenzenden Antheridium. 
Auf der anderen Seite ein unentwickelt bleibender Antheridium-Anfang. 11 Uhr 10 Minuten Vormittags. 
— Um 1 Uhr Uebertritt des Gonoplasma beendigt. Um 2 Uhr Kernfleck in der Oospore deutlich. 


Fig. 22--26. Artotrogus hydnosporus. 


Aus Hängetropfenculturen in Lepidium-Cotyledonen; Oogonien entwickelt an Zweigen des Pilzes, welche aus 


Fig. 22. 


Fig. 23. 


Fig. 24. 


Fig. 25. 


Fig. 26. 


Fig. 1. 


Fig. 2: 


Fig. 3, 


Fig. 5. 


dem Substrat hervorgewachsen und in dem Wassertropfen ausgebreitet sind. (600.) 
Fadenstück mit einem oben abgegrenzten intercalaren Oogon. Antheridium noch nicht abgegrenzt. 
4 Uhr Nachmittags. — Um 5 Uhr 30 Minuten ist das Antheridium unter dem Oogon durch eine Quer- 
wand abgegrenzt, bei a., und die Ballung des Eies beginnt. 
Dasselbe Oogon, 6 Uhr 30 Minuten: Gonoplasma in der Antheridie a. zu einem spindelförmigen 


_ Ballen zusammengezogen. Ei anscheinend fertig. 


Dasselbe: Gestaltveränderung des Gonoplasma. 6 Uhr 45 Minuten. 

Dasselbe, 7 Uhr: Uebertritt des Gonoplasmaballens in das Ei. Der Uebertritt war um 7 Uhr 
45 Minuten fertig; ein Befruchtungsschlauch nicht deutlich erkennbar. Der Inhalt der cylindrischen 
Zelle über dem Oogon trat nicht in das Ei über, während letzteres, binnen 36stündiger Beobachtung, 
normal weiter reifte. 

Kleines Oogon mit fast reifer Oospore, intercalar, mit angrenzendem keulenförmigen, einen sehr deut- 
lichen leeren Befruchtungsschlauch zeigenden Antheridium. 


Tafel II. 
Fig. 1 und 2. Achlya prolifera. 


(40.) Oogonientragender Faden zwischen zwei Nebenasttragenden. Ersterer ist von den Nebenästen 
dicht umstrickt, was bei der schwachen Vergrösserung nur angedeutet werden konnte. 

(230.) Zwei Oogonien, a. und b., verschiedenen Hauptfäden entstammend, umschlungen von Neben- 
ästen, welche von einem dritten Hauptfaden kommen. a. intercalar, mit fertigen Eiern; bei b. ist die 
Ballung an nur zwei Eiern im Gange. 


Fig. 3—5. Pythium megalacanthum. 
4. (250.) Aus einer Hängetropfencultur; aus dem Substrat (Lepidium) hervorgewachsene, auf dem 
Objectträger ausgebreitete Fäden, theils Oogonien, theils Antheridien tragend; beiderlei Organe noch 
jung. In Fig. 3 entspringen zwei Antheridien dicht bei einander an demselben Aestchen, ein drittes 
an einem anderen. Der Zustand gezeichnet um 5 Uhr Abends; um 10 Uhr 45 Minuten die Ballung 
des Eies im Gange. 
(375.) Oogonium mit fertigem Ei und einem Antheridium; Befruchtung fast zu Ende. 


— 363 — 


Fig. 6—15. Pythium gracile. 


Successive Zustände eines, in einer Epidermiszelle des Randes eines Cotyledon von Camelina sativa liegenden 


Fig. 6. 


Fig. 7. 


Fig. 8. 


Fig. 9. 
Fig. 10. 


Fig. 11. 
Fig. 12. 


Fig. 13. 
Fig. 14. 


Fig. 15. 


Oogoniums mit Antheridium. Fig. 15 830 mal, die übrigen etwas schwächer vergrössert. 

13. August, 7 Uhr Abends: Oogon erwachsen. Antheridienzweig angelegt, Antheridium noch nicht 
abgegrenzt. Im Oogonium findet lebhafte Verschiebung der Körnchen statt; dieselben gruppiren sich 
oft zu grösseren Portionen, welche durch helle Streifen getrennt werden, wie wenn Zelltheilung vor- 
bereitet würde, jedoch in stetem Wechsel. 

7 Uhr 30 Minuten: Antheridium durch Querwand abgegrenzt, mit feinkörnigem Protoplasma und 
Vacuolen. — Aus dem weit in das angrenzende Gewebe verfolgbaren Tragfaden wandert das Proto- 
plasma nach rückwärts, in andere, nicht deutlich sichtbare Aeste hinein, 

8 Uhr: Ballung des Eies beginnend schon seit 7 Uhr 30 Minuten. Die Körner im Oogon fliessen zu 
grösseren zusammen und treten wechselnd von der Wand zurück und wieder an diese. Eine sehr 
zarte Periplasmaschicht bleibt aber an der Wand bis zuletzt sichtbar. Im Antheridium fliessen die 
Körnchen auch zu grösseren zusammen, welche in die Mitte rücken; dünne Periplasmaschicht wand- 
ständig bleibend. ; 

9 Uhr: Dieselben Processe sind weiter vorgeschritten. Ei ringsum gleichförmig grobkörnig. 

10 Uhr 10 Minuten: Am Ei ist ein heller Empfängnissfleck sichtbar; am Antheridium der Be- 
fruchtungsschlauch und dichtere Ballung der Gonoplasmakörner. 

10 Uhr 25 Minuten: Uebertritt des Gonoplasma. Ei durch den Schlauch an die gegenüberliegende 
Seite des Oogons gedrängt. F 

10 Uhr 55 Minuten, und 

11 Uhr 30 Minuten, letzte Stadien des Gonoplasma-Uebertritts. 

14. August, 10 Uhr Vormittags: Antheridium leer, sehr zart umschrieben. Die mit derber Membran 
und Kernfleck versehene Oospore hat sich derart vergrössert, dass sie den kugeligen Theil des Oogons 
völlig ausfüllt. 

15. August Vormittags: Oospore reif. Membran hell gelblich. 


Fig. 16—20. Peronospora arborescens (Papaveris dubü). 


Oogonien, in Längsschnitten durch den Blattstiel, im Hängetropfen cultivirt. Fig. 17 Vergrösserung 375, 


Fig. 16. 


die übrigen Vergrösserung 600. 


Kleines Oogon mit Antheridium und reifer Oospore. Exosporium dieser sehr schwach entwickelt. 


Fig. 17—21. Successive Zustände eines Exemplars. 


Fig. 17. 
Fig. 18. 
Fig. 19. 


Fig. 20. 


Fig.21. 


8. Juni, 12 Uhr 15 Minuten Mittags: Ballung des Eies, 

8. Juni, 2 Uhr 15 Minuten: Ballung fertig, Kernfleck, Befruchtungsschlauch die Oberfläche des Eies 
eben erreichend. 

2 Uhr 30 Minuten: Befruchtungsschlauch an der Ansatzstelle am Ei blasig anschwellend. Er blieb 
so bis 2 Uhr 50 Minuten, wurde dann wieder schmal, um bis 3 Uhr dieselbe Form, welche er 2 Uhr 
15 Minuten hatte, dauernd wieder anzunehmen. 

6—7 Uhr Nachmittags: Beginn der Zusammenziehung des Periplasma zur Bildung des Exospors um 
das Ei. Dieses bereits mit derber Membran. — Der Process der Exosporbildung schreitet nun fort. 
Um 11 Uhr Nachts ist das Periplasma von mehr als der Hälfte der Oogonwand zurückgezogen. - Am 
9. Juni bildet es rings um die Oospore einen schmalen, körnigen Saum, der nur in der Nähe des 
Antheridien-Ansatzes noch die Wand des Oogons berührt. Am 10. Juni Vormittags gelbliche Färbung 
beginnend, Exospor noch körnig, überall von der Wand zurückgezogen. 

10. Juni Abends: Exospor hellbraun, fast homogen, an seiner Aussenfläche zerstreute Körnerhäufchen. 
Wand des Eies völlig ausgebildet. Im Innern die Fettkugel, der helle peripherische Fleck u. s. w. 
fast fertig. Am 16. Juni war die Oospore wenig verändert, das Exospor noch glatter und homogener; 
Oogonwand und Antheridium blass und zart. 


— 864 — 


Fig. 22. Peronospora effusa aus-dem Blatte von Atriplex patulum. (390.) 


Fig. 22. Sehr kleines Oogon, mit halbreifer Oospore und Antheridium, welches, ohne das Oogon zu berühren, 


einen Befruchtungsschlauch getrieben hat. Vgl. S. 254. 


Tafel III. 
Fig. 1—8. Peronospora arborescens (Papaveris dubü). 


Oogon mit Antheridium, in einem Intercellularraum des Blattstiels, in Hängetropfencultur, dauernd beobachtet, 
(Vergrösserung 500.) Inhalt des Oogoniums war den 28. Juni 12 Uhr Mittags gleichförmig feinkörnig; dann 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


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2. 
3. 
4. 
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6. 


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10. 
11. 
12. 


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13. 
14. 
15. 
16. 
17. 


18. 
19. 
20. 


begann das Zusammenfliessen der Körnchen zu grösseren Fettkugeln. 
3 Uhr 15 Minuten Nachmittags: Diese grösstentheils fertig, gleichförmig im Raume des Oogons verdhen 
5 Uhr: Ballung zum Ei begonnen; ist 
6 Uhr 15 Minuten fortgeschritten. 
9 Uhr: Ei fertig. 
11 Uhr 45 Minuten bis 12 Uhr 30 Minuten Nachts: Befruchtungsschlauch auf die Eioberfläche aufgepresst. 
29. Juni, 9 Uhr Vormittags: Ei mit derber Membran und Kernfleck, Fettkugeln kleiner und zarter 
umschrieben. Periplasma um das Ei zusammengezogen. Eine in dem Fig. 5 dargestellten Stadium 
in ihm aufgetretene Vacuole bleibt bis zuletzt (Fig. 8) an derselben Stelle erhalten. 
30. Juni: Periplasma (Exospor) körniger. Im Innern des Eies hat die Sonderung in das feinkörnige 
Wandplasma und grosse centrale Fettkugeln begonnen. 
1. Juli: Ei reif. Exospor.rothbraun; bis zum 2. Juli wurde dasselbe noch schärfer contourirt, 
homogener und dunkler braun gefärbt. ; 


Fig. 9—27. Phytophthora omnivora. 
Fig. 9—11. Aus der Rinde von Olarkia pulchella. (600.) 
Erwachsenes Oogon und Antheridium, in ersterem die Fettkugeln gebildet. 
Dasselbe, vier Stunden später (in Hängetropfencultur). Ballung des Eies. 
Fast reifes Oogon mit seinem Antheridium. 
(140.) Oogon mit Antheridium in einer Spaltöffnungs-Nebenzelle von Sempervivum spec. Die Epidermis 


“ist von der Aussenfläche gesehen, der gemeinsame Ursprungsort von Oogon und Antheridium liegt auf 


der abgekehrten Innenseite. 


— 20 (600) stellen successive in der Hängetropfeneultur beobachtete Entwicklungszustände dieses 


Exemplars dar. 
17. Juli, 10 Uhr Vormittags: Ballung des Eies fertig, Befruchtungsschlauch beginnend. Er hat 
10 Uhr 40 Minuten, das Ei erreicht. 
11 Uhr 30 Minuten: Beginn der festen Vereinigung. 
12 Uhr 15 Minuten: Verschmelzung mit dem Ei, Durchtritt der Körnchenreihe. 
2 Uhr: Ei mit fester Membran abgeschlossen, Empfängnissfleck noch sichtbar. Die Fettkugeln 
beginnen zu zerfallen. 
18. Juli, Nachmittags. 
21. Juli. J 
23. Juli: Oospore reif, Befruchtungsschlauch nicht mehr sichtbar. 


Fig. 21—24. Anderes Exemplar aus einer Epidermiszelle von Sempervivum spec. in Hängetropfencultur. (600.) 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


21. 


22. 
23. 
24. 


Ursprungsort des antheridientragenden Zweiges nicht deutlich. 
18. Juli, 10 Uhr Vormittags: Ballung des Eies. Ein starker Periplasmastrang verbindet dieses mit 
der Ansatzstelle des Antheridiums. 
12 Uhr 30 Minuten bis 2 Uhr 15 Minuten Nachmittags. 
5 Uhr Nachmittags. 
19. Juli. Das Exemplar reifte bis 22. Juli normal weiter. 


” 


— 565 — 


Fig. 25—27. Aus der Epidermiszelle von Clarkia. (975.) Ursprungsort des Oogons von dem Antherium verdeckt. 


Fig. 25. 
Fig. 26. 
Fig. 27. 


1 Uhr 45 Minuten: Ei geballt, Befruchtungsschlauch ihm aufsitzend. 
2 Uhr 25 Minuten: Schlauch mit dem Ei verschmolzen. Durchtritt der Körnchenreihe. 
4 Uhr: Ei durch feste Membran abgeschlossen. Zerfall der Fettkugeln hat begonnen. 


Fig. 28, 29. Befruchtetes Oogon von Peronospora Alsinearum aus dem Stengel von Stellaria media, 


Fig. 1. 


Fig. 10. 
Fig. 11. 


Fig. 12. 


in Hängetropfencultur. (375.) 


. Exosporium braun, netzleistig, die Leisten übergehend in die farblosen Periplasmastreifen, welche die 


Wände blasiger Vacuolen bilden. 30. April. 
1. Mai: Exospor fertig; die Vacuolenwände um das Ei dichter zusammengezogen und von der Oogon- 
wand, bis auf geringe Reste, losgelöst. 


Tafel IV. 
Fig. 1-4. Achlya prolifera. 
(80.) Schlauchende mit fünf Zoosporangien und, weiter unten, drei Oogonien, von denen das unterste 


das jüngste ist und noch vor der Ballung der Eier steht. Alle drei Oogonien erhalten Nebenäste 
resp. Antheridien von benachbarten Hauptschläuchen her. 


. Das in Fig. 1 mit a. bezeichnete Oogon 375mal vergrössert. Oogonwand mit Tüpfeln; von der 


unteren Querwand ragt eine zapfenförmige Verdickung bis zwischen die benachbarten Oosporen — 
kein Befruchtungsschlauch, sondern ein solider Cellulosezapfen. Auf der abgekehrten hinteren Seite 
aber liegt — ausnahmsweise nur — ein Antheridium an; der von diesem ausgehende Befruchtungs- 
schlauch ist bei n. zu sehen. — Oosporen noch grob-fettkörnig. 


. (375.) Oogonium an einem Hauptschlauch terminal, mit acht jungen Oosporen, von Nebenästen und 


Antheridien umwachsen, welche von anderen Hauptschläuchen herkommen. 


. (600.) Zwei reife Oosporen. 


Fig. 5—12. Achlya polyandra. 


. (225.) Hauptfaden mit drei Oogonien und einem diese versorgenden reich verzweigten Nebenast. In 


den Oogonien sieht man je einen Befruchtungsschlauch. 

(375.) Kleines zweieiiges Oogon mit einem Antheridium; dieses auf einem von hinten kommenden 
Nebenast, von dem noch am Oogonium (rechts) ein blind endender kurzer Zweig abgeht. Antheridium 
hat zwei, Befruchtungsschläuche getrieben, der eine berührt das obere Ei, der untere noch keines. 
5 Uhr 45 Minuten Nachmittags. Der letztere Schlauch erreicht 


. um 6 Uhr 5 Minuten das obere Ei. 
8. 7 Uhr Nachmittags, zeigt die Richtung und Form seines weiteren Wachsthums. — Dieses ging nicht 


weiter. Nach 24 Stunden ist er unverändert, nur blasser; die Oosporen reifen normal. 

(375.) Kurzgestieltes Oogonium. a. Nebenast, welcher, von einem entfernten Hauptstamm kommend, 
hinter dem Oogon hergeht, in der Abbildung oben rechts (b) und links (c) einen blind endenden, 
zartwandigen Zweig und das zwischen diesen beiden gelegene Stück zum Antheridium ausgebildet 
hat. Zwei Befruchtungsschläuche; der eine mit keulig- verzweigtem Ende dem einen Ei aufliegend; 
Ende des anderen verdeckt. Eier schon derbhäutig. ; 

(480.) Eine der in der betreffenden Cultur nicht selten vorkommenden Doppel-Oosporen. Vgl. S. 293. 
(225.) Oogonium mit Ende Mai gereiften, am 6..Juli keimenden Oosporen. Zwei Antheridien sind 
noch deutlich. Von den fünf Oosporen sind zwei noch ungekeimt; die eine derselben liegt unten 
und ist nicht mitgezeichnet. Drei haben kurze Keimschläuche getrieben, von denen zwei durch die 
Oogonwand nach aussen treten, der dritte innerhalb dieser gekrümmt verläuft. 

(225.) Von derselben Cultur wie Fig. 11. Keimende Oospore, welche ein kleines Sporangium resp. 
Sporenköpfchen gebildet hat. 


Fig. 15. 


— 366 — 


Fig. 13—18. Achlya spinosa. - 
(375.) Thallusschlauch mit einem intercalaren (a.) und einem terminalen (b.) Oogonium, und je einem 
zugehörigen Antheridium. Das zu b. gehörige liegt unten und ist etwas verdeckt; das bei a. in 
Profilansicht, mit dickem, um das Ei gekrümmten Befruchtungsschlauch. 
(225.) Drei Thallusschläuche, a., b., c. a. trägt zwei intercalare Oogonien, kein Antheridium. b. ein 
terminales Oogonium o., mit reifendem Ei ohne Antheridium; unter dem Oogon nur ein kurzes 
Nebenästchen. Von c. ist nur ein kurzes Stück gezeichnet; der Schlauch war nach oben verlängert 
und endigte in ein terminales Oogon mit Antheridium. -Schlauch db. gibt zu dem Oogon n. einen 
kurzen Nebenast mit Antheridium, welch letzteres einen verzweigten Befruchtungsschlauch in jenes 
eintreibt. Daneben ein kleiner antheridienähnlicher Nebenast p. Oogon m. erhält vom Schlauch c. ein 
Antheridium, welches hinten liegt und daher in Figur nicht wiedergegeben ist; es hatte gleichfalls 
einen Befruchtungsschlauch getrieben. 
(225.) Ende eines Schlauches mit terminalem eineiigem und intercalarem zweieiigem Oogon; jedes 
dieser mit einem schon ziemlich entleerten Nebenast und Antheridium, deren Enden durch die schon 
derbwandigen Eier verdeckt sind Das obere liegt über, das untere unter dem zugehörigen Oogon. 


Fig.16, 17. (480.) Reife Oosporen. 
Fig. 18. (225.) Keimende Oospore, etwa 10 Tage nach der Reifung, noch eingeschlossen in die Wand des 


Oogons, an welchem der Antheridienast noch deutlich. 


Tafel V. 
Fig. 1—10. Saprolegnia Thureti. 


Fig. 1—7. Successive Entwicklungsstadien eines in Hängetropfencultur beobachteten Oogons. (600.) 


Fig. 1. 30. Januar, 11 Uhr 30 Minuten Vormittags. Profilansicht und nach oben gekehrte Seite gezeichnet. 

Fig. 2. 2 Uhr Nachmittags: Ballung im Gange. Von den fünf Eiern sind die drei im Profil und an der nach 
oben gekehrten Seite sichtbaren gezeichnet. j 

Fig. 3. 2 Uhr 10 Minuten bis 2 Uhr 14 Minuten: Moment der Trennung der Eier. 

Fig. 4. 2 Uhr 18 Minuten. 

Fig. 5. 2 Uhr 20 Minuten: Ausstossung der Protoplasmaballen. Um 2 Uhr 25 Minuten werden diese wieder 
eingeschluckt. . 

Fig. 6. 2 Uhr 30 Minuten. 

Fig. 7. 3 Uhr 30 Minuten: Eimembran und Kernfleck sehr deutlich. Bis zum 2. Februar waren die fünf 
Oosporen normal gereift. 

Fig. 8. (140.) In ein leeres Sporangium hineingewachsenes Oogon mit neun halbreifen Oosporen. 

Fig. 9. (375) 5. August, 2 Uhr 45 Minuten: Oogon mit sieben Oosporen. Vier von diesen haben gekeimt 
und sind (durch Entlassung der Zoosporen) leer, und zwar ist bei zweien der offene und leere Keim- 
schlauch 'seitwärts und oben aus dem Oogon vortretend sichtbar; die zwei anderen liegen unten, theil- 
weise verdeckt. — In der Mitte liest eine noch keine Keimungsvorbereitung zeigende Oospore. — 
b. eine solche mit körnig gewordenem Protoplasmakörper, der beginnt wandständig zu werden. a an- 
geschwollen, mit wandständigem Protoplasma und kurzem nach aussen (oben) vortretendem Keim- 
schlauch. — Db. war um 5 Uhr angeschwollen, eiförmig, Protoplasma wandständig; hatte um 9 Uhr 
Zoosporen gebildet und entleert. 

Fig. 10. Die Oospore a. der Fig. 9 um 3 Uhr 15 Minuten: Protoplasma in sechs Zoosporen getheilt, von denen 
fünf sichtbar sind. Um 3 Uhr 45 Minuten schwärmen sie aus. 

Fig. 1—19. Saprolegnia monoica. 
Fig. 11—17. Ein in Hängetropfeneultur beobachtetes Oogon mit dem — einzigen — zu ihm gewachsenen 


Antheridium. Fig. 11 und 17 375mal, die übrigen 600mal vergrössert. 


Fig.11. 16. Februar, 10 Uhr 48 Minuten Abends: Ballung der Eier im Moment der Ausstossung der Proto- 


plasmaklumpen. 


Fig. 12. 


Fig. 13. 


Fig. 14. 


Fig. 15. 


Fig. 16. 


Fig. 17. 


Fig. 18. 


Fig. 19. 


Fig. 1. 


— 367 — 


11 Uhr: Eier geglättet, Protoplasmaklumpen wieder eingeschluckt mit Ausnahme des in dem ceylindrischen 
Theil unten gelegenen. Befruchtungsschlauch hat das nächste Ei eben erreicht. 

11 Uhr 5 Minuten: Der Protoplasmaklumpen in a. ist plötzlich an das nächste (cylindrische) Ei hin- 
gerutscht und von diesem verschluckt worden. Befruchtungsschlauch grösser als Fig. 12, hat sich auf 
das nächste Ei gedrängt und dieses sammt den übrigen verschoben. 

11 Uhr 20 Minuten: Befruchtungsschlauch beginnt sich zu verzweigen; das eine Zweigende sichtbar, 
das andere hinter das zuerst berührte Ei gewachsen. 

11 Uhr 25 Minuten: Der sichtbare Zweig des Befruchtungsschlauchs war zuerst auf das links gelegene 
Ei gewachsen, diesem aufgepresst, dann seitwärts (oben) ausgewachsen, über das Ei a. geglitten, und 
gleitet jetzt über Db.; D. und c. waren von dem verdeckten hinteren Aste des Schlauchs berührt. 

12 Uhr 10 Minuten (Nachts): Der sichtbare Ast des Schlauches glitt über db. und bog dann plötzlich 
um gegen das cylindrische Ei. Der helle Fleck in diesem rückte rapid nach der Ansatzstelle 
des Schlauchs. 

17. Februar, Vormittags: Der in voriger Nacht sichtbare Ast des Befruchtungsschlauchs ist an der 
Berührungsstelle mit dem cylindrischen Ei in zwei Zweige (Anhänge) ausgewachsen, von denen der 
eine aus dem Oogon ins Freie getreten, der andere innerhalb des Oogons zurückgebogen ist. Der 
andere (hinten liegende) Ast des Schlauchs sieht hinter der Oospore b. (vgl. Fig. 15) hervor. Alle 
Schlauchanhänge blind geschlossen. Oosporen mit Kernfleck und fester Membran. 

Am 18. Februar mehrere grössere Fettkugeln in jeder Oospore. Am 19. dieselben in jeder zu 

einer zusammengeflossen; Oosporen völlig und normal reif. Antheridium und Befruchtungsschläuche 
sind allmälig ganz blass und durchsichtig geworden. 
(600.) Eineiiges Oogon mit Antheridium, in Hängetropfeneultur beobachtet. Kam am 27. Februar, 
3 Uhr 45 Minuten Nachmittags zur Beobachtung; Eiballung war eben im Gange, Antheridium noch 
ohne Befruchtungsschlauch. 4 Uhr: Ballung fertig, Schlauchtreibung beginnend, der Schlauch in 
cylindrischer Gestalt auf das Ei los wachsend. Um 4 Uhr 15 Minuten ist der in Figur dargestellte 
Zustand erreicht. Schlauch conisch verbreitert und dem Ei fest aufgepresst; in diesem an der Aufsatz- 
stelle die Körner von der Peripherie etwas zurückgewichen. In dem Schlauch lebhafte Verschiebung 
im Protoplasma, aber kein Uebertritt von diesem in das Ei sichtbar. Der abgebildete Zustand bleibt 
bis 5 Uhr 10 Minuten der Form nach unverändert; dann beginnt der Schlauch nach rechts und hinten 
eine stumpfe Aussackung zu treiben, welche, dem Ei anliegend, weiter wächst; schon um 6 Uhr ist 
aus ihr ein langer Schlauchanbang geworden. Am 28. Februar keine Veränderung an diesem, ausser 
dass er viel blasser geworden. Reifung der Oospore normal fortschreitend und am 29. Februar fertig. 
(600.) Kleines eineiiges Oogon mit einem Antheridium nach Behandlung mit Jodlösung. Antheridium 
hat zwei lange, geschlossene Schläuche getrieben, welche sich um das mit fester Membran versehene 
Ei gelegt haben. 


Tafel VI. 
Fig. 1 und 2. Saprolegnia monoica. Aus einer Hängetropfencultur. 


(225.) Oogonium auf dem Ende eines in ein grosses leeres Zoosporangium hineingewachsenen Astes. 
Kam am 26. Februar Abends zur Beobachtung während der Ballung der sechs Eier — von denen in 
der Figur fünf sichtbar sind, eines unten verdeckt liegt. Neben dem Träger des Oogons entspringen 
drei Nebenäste, welche an dieses hingewachsen sind. Sie haben schon bei Beginn der Beobachtung 
die in der Figur gezeichneten Antheridien an ihren Enden gebildet: a. zwei hintereinander, dem Oogon 
anliegend; b. eines, ebenfalls dem Oogon anliegend; c. ebenfalls eines, welches das Oogon nicht erreicht, 
sondern dem unteren Antheridium von a. anliegt. Der Nebenast b. hat unter dem gezeichneten Antheridium 
einen Zweig getrieben, der nach der hinteren Seite des Oogons abbiegt und dort in ein, weil verdeckt, 


Fig. 2 


— 368 — 


nicht gezeichnetes Antheridium (n.) endigt. Bei Beginn der Beobachtung hat kein Antheridium einen 
Schlauch getrieben. Nach der Ballung treiben die beiden Antheridien an a. Befruchtungsschläuche, 
welche zwischen die Eier treten. Ihr Wachsthum ist Nachts 11 Uhr in lebhaftem Gange, die 
Antheridien von b. und c. dagegen unverändert. 3 
Am 27. Februar Vormittags ist der in der Figur abgebildete Zustand eingetreten; alle 
Antheridien haben auf Kosten ihres Protoplasmas lange Schläuche getrieben, die von b. und c. aber 
nieht ins Innere des Oogons, sondern durch die Membran des leeren Sporangiums ins Freie. Auch n. 
hat einen Schlauch getrieben, welcher ausserhalb des Oogoniums geblieben und gegen die Insertions- 
stelle dieses hin gewachsen ist. Die ins Freie getretenen Schläuche sämmtlich mit durchsichtigem, 
wandständigem Protoplasma und völlig geschlossen. 
(600) ist Antheridium c. mit seinem Schlauch “am 28. Februar. Der Schlauch ist seit gestern in die 
Länge gewachsen, mit einem kleinen Zweig versehen und sammt den übrigen völlig geschlossen. Am _ 
29. Februar ist er unverändert, durch Zoogloea etwas verdeckt. Reife der Oosporen am 29. Februar 
vollendet. 


Fig. 3—17. Saprolegnia torulosa. 


Fig. 3—12. Successive Stadien eines kleinen Exemplars mit eineiigen Oogonien, aus einer Hängetropfencultur. 
Fig. 3—11. (600.) Terminales Oogon, mit völlig tüpfelfreier Wand. Entwicklung des Eies. Vgl. den Text 


Fig. 3. 
Fig. 4. 
Fig. 5. 


und die Erklärung. von Fig. 1—7 Taf. V. 
31. Januar, 2 Uhr 30 Minuten Nachmittags. 
» » DESZAT » » 
» » 93250 » » 


Fig. 6—9 rasch in der Ordnung der Ziffern aufeinander folgende Stadien. 


Fig. 10. 
Fig. 11. 
Fig. 12. 


Fig. 13. 


Fig. 14. 


Fig. 15. 


Fig. 16. 


Fig. 17. 


3 Uhr 10 Minuten: Glättung; peripherische Vacuolen. 

5 Uhr: Kernfleck und deutliche Membran sichtbar. 

(225.) 2. Februar: Unter dem terminalen, bei Beginn der Beobachtung am 31. Januar allein vor- 

handenen Oogon hat sich ein zweites gebildet, mit gleichfalls einzelner Oospore. 

(375.) Terminales Oogon, ohne Tüpfel, mit acht halbreifen Oosporen; dicht unter dem Oogon 

entspringt ein Nebenast, der ein Antheridium trägt. Dieses hat in das Oogon einen kurzen dicken 

Schlauch getrieben, der eine Strecke weit über ein Ei läuft und dann sein stumpfes Ende gegen die 

Oogonwand wendet. In diesem Zustande kam das Exemplar zur Beobachtung. Es wurde 24 Stunden 

weiter beobachtet: Antheridium mit seinem Schlauch zeigt keine Veränderung, die Reifung der Eier 

schreitet normal fort. 

(225.) Aus derselben Cultur wie Fig. 13. Kleines ähnliches Exemplar mit nur drei Oosporen. 

Antheridium (auch nach Controle mit starken Vergrösserungen) dauernd ohne Schlauch. 

(140.) a—e. oogonientragendes Schlauchende. a. eylindrisches terminales Oogon, mit einer Oospore, 

antheridienfrei. b. grosses tonnenförmiges, oben in einen schmalen Hals ausgezogenes Oogon mit 

vielen Oosporen, bei n. durch eine Querwand abgeschlossen von dem gleichfalls vieleiigen Oogon c. 

d. Oogon ohne Antheridium; e. ebensolches, noch ohne Eier, 24 Stunden später 7 Oosporen enthaltend. 
An das Oogon b. ist von einem benachbarten Schlauche m. aus ein Nebenast gewachsen, welcher 

mit zahlreichen Verzweigungen b. und c. umstrickt — die um c. gezeichneten entspringen auf der 

unten liegenden Seite von dem Nebenaste — und Antheridien gebildet hat. In b. waren auch von 

diesem ausgehende Befruchtungsschläuche in Mehrzahl sichtbar, ihr Verlauf zwischen den Oosporen 

jedoch nicht genau zu verfolgen. 

(225.) Terminales, ungetüpfeltes und antheridienfreies Oogon mit zahlreichen reifen Oosporen. Unter 

ihm drei entleerte übereinander gereihte Zoosporangien. 

(375.) Reife Oospore. 


— a 


Fig. 18—29. Saprolegnia asterophora. 


Fig. 18—23. (225.) Successive Entwicklungsstadien eines eineiigen Oogons mit Nebenästen und Antheridium 


Fig. 18. 
Fig. 19. 
Fig. 20. 
Fig. 21. 
Fig. 22. 
Fig. 23. 
. 24—27. (600.) Successive Entwicklungsstadien eines Oogons mit einem Ei und einem Antheridium. 
Fig. 24. 
Fig. 25. 
Fig. 26. 


Fig 


Fig. 27. 


Fig. 28 


bis zur Formung des Eies. Entwicklungsfolge nach den Nummern. 
29. October, 12 Uhr 40 Minuten Nachmittags. 


» » 2->» 30 » » 

» » eg 5 e) 
30. » 10 » Vormittags. 

» > 5 » Nachmittags. 

» » 6 > > 


5 Uhr 10 Minuten Nachmittags: Ballung beginnend. 

8 Uhr bis 8 Uhr 35 Minuten Nachmittags: Ei fertig. Erstes Erscheinen des Befruchtungsschlauchs. 
8 Uhr 40 Minuten Nachmittags: Befruchtungsschlauch gegen das Ei, dieses an die andere Seite des 
Oogons gedrückt. 

9 Uhr Nachmittags: Schlauch seitwärts über das Ei fortwachsend. Wachsthum bis 9 Uhr 45 Minuten 
verfolgt. 12 Stunden später waren Antheridium und Schlauch ganz blass, letzterer in Folge der Ver- 
deckung durch die Oogonfortsätze nicht ganz deutlich zu beobachten. 

(600.) Anderes Exemplar, mit Chlorzinkjod behandelt. Oospore mit scharf umschriebener, einfacher, 
durch das Reagens blass violetter Membran. Der Befruchtungsschlauch hatte dieser aufgesessen und 
ist durch das Reagens verkürzt und losgelöst worden, geschlossen und mit gelb gewordenem Proto- 
plasma erfüllt. 


Fig. 29. (225.) Oogonium mit einer, während der folgenden drei Beobachtungstage normal reifenden Oospore, 


ohne Antheridium. Auch bei Betrachtung von der anderen Seite war ein solches nicht vorhanden. 


Fig. 30—36. Aphanomyces scaber (600), aus Hängetropfenculturen. 


Fig. 30 u. 31. Zwei successive Stadien der Eiballung. Fig. 30 um 11 Uhr, Fig. 31 um 11 Uhr 40 Minuten. — 


Fig. 32. 


Fig. 33. 
Fig. 34. 


Fig. 35. 
Fig. 36. 


Verunglückte später. — Profil- und Oberflächenansicht gezeichnet. 

8. März, 10 Uhr 15 Minuten Vormittags: Oogon terminal auf dem Schlauche a.; zwei Antheridien, 
als Gabelzweige eines Aestchens des Schlauches b., umfassen das Oogon: eines im Profil sichtbar, das 
andere hinten herum gelegt. 

Dasselbe, 12 Uhr Mittags: Centrale Plasmamasse gebildet. 

Dasselbe, 4 Uhr 35 Minuten: Ei geformt. Die sehr kleinen Befruchtungsschläuche vorhanden. Am 
9. März war die Oospore derbwandig, mit Kernfleck, Befruchtungsschläuche sehr blass, schwer sicht- 
bar; sonst keine Veränderung seit gestern. Am 10. März die Oospore fast reif, 

Dasselbe, 13. März: Völlig gereifte Oospore. Antheridien noch turgescent. 

Völlig antheridienfreies Oogon. a. um 11 Uhr 30 Minuten Vormittags des 7. März. 11 Uhr 45 Minuten 
erfolgte die Formung des Eies; b. dasselbe um 12 Uhr Mittags: völlig geglättet, mit spaltenförmigem, 
centralem (Kern-?) Fleck. Um 5 Uhr zarte Membran sichtbar. Reifung verlief normal und wurde 
am 9. März vollendet. 


Abhandl. d. Sonckenberg. naturf. Ges. Bd. XII. 49 


Inhaltsübersicht. 


R Seite 
Einleitung .. . . : a ee 
I. Die Sexualorgane de Sapenlegnisen und Peroanaporden: 
1. Bisherige Ansichten . . . EN N EN ER ES. 0 
2. Beobachtungen. Allgemeiner Gene De a ee ES RORERT EERSA 
3. Pythium de Baryanuım . . . EL 
4. Pythium proliferum, gracile, mörklncanihum. Asinieeimie a En REN PMDLD, 
BSENYLODNENOTALOMNWOLaEEE 2 ee ee a Een EB 
6.2. PErONOSPOran a nn EN RER IRRE TA RE ern: SEE OLE a 
7. Saprolegnia ferax — monoica, Thureti, FOTOS ER Te N Dad 
8. > asterophora . . - er N EN ENEE 
9. Achlya prolifera und A. alyanıEn EN ERNEST 
1-2 IL a Er a ee ee a a ae na eh an 
11. Aphanomyces scaber . . - ae TREE een Kerne en KAaRe LE MECHER EN 
12. Bau und Keimung der reifen Ooeporen a ER EN Bu re - BL 
UI. Allgemeine Resultate. 
13. Der Befruchtungsproces. . . .. ne ae IE 
14. Entstehungs- und Wachathunismsschen von Kathsridien nd "Wehenketen a ESS 
15. Zur Systematik der Peronosporeen und Saprolegnien . » » 2 2 2 22 a 2 0 2000. 3816 
16 Grundlagen einessnatürlichen Systemsrders Bilzer 22. Em re 


Birklärung; der’ Abbildungen sw zus. 9.060 a ee Te Eee et ao 


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de Bary-Taf. ll. 


de Bary-Tafll. 


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de Bary-Taf. IV 


Beitrag zur Kenntniss der Reptilien und 
Amphibien Spaniens und der Balearen. 


Von 


Dr. Oskar Böttger in Frankfurt a. M. 


I. Liste der von Hrn. Hans Simon in Stuttgart im Spätherbst 1880 
in Südspanien gesammelten Kriechthiere. 


Während der Monate October und November des verflossenen Jahres sammelte Herr 
Hans Simon in Spanien von Cartagena anfangend bis Algeciras im Wesentlichen Kleinkäfer, 
aber auf meinen Wunsch auch Reptilien und Amphibien und zwar in so ausgiebiger Menge 
und so reicher Mannigfaltigkeit, dass ich es im Interesse unserer Kenntniss der geographischen 
Verbreitung der einzelnen Formen für zweckmässig halte, wenigstens eine kurze Liste der 
Simon’schen Ausbeute zu veröffentlichen. Die tadellose Conservirung der gesammelten Exem- 
plare machte die Bestimmung zu einem ebenso angenehmen als unterhaltenden Geschäft. 
Herr H. Simon, dem unser Museum schon so viele kostbare Spenden verdankt, hat die Güte 
gehabt, die gesammte prachtvolle Ausbeute wiederum der Senckenbergischen Naturforschenden 
Gesellschaft zum Geschenk zu machen, wofür ich und die genannte Gesellschaft ihm nicht 
genug Dank sagen können. 

Ueber die Art und Weise des Vorkommens und seine Methode zu sammeln gibt mir 
Herr H. Simon folgende briefliche Notizen: 

»Auf der Rückreise fing ich nur noch Einiges in Almeria; in Malaga und Cartagena 
war kein Reptilienwetter, d.h. leider nicht heiss genug. Zu meinem grossen Bedauern habe ich manche 
aus Südspanien verzeichnete Formen, z. B. Bufonen, nur in wenigen Exemplaren, andere, z. B. 
Amphisbaena und Seps, gar nicht gefunden, ‘obgleich ich stundenlang hinter den ackernden 


Bauern hergegangen bin in der Hoffnung, dass beim Ackern unterirdische Thiere zum Vorschein 


kommen möchten, leider umsonst. Dass ich mir viel Mühe gab, dass ich manche Stunde, 
manchen halben Tag dem Reptilienfang obgelegen habe, werılen Sie aus der Zahl der Thiere 


ersehen, welche ich mitgebracht habe. 


»Von Geckonen habe ich neben Hemidactylus leider nur mittlere und kleinere Exemplare der 
Tarentola erwischen Können. Grosse Thiere, z. Th. ganz schwarzgraue, sah ich in Menge, 
aber immer in den Trockenmauern, oft 5 bis 6 an einer Mauer; es war aber nicht möglich, 


eines zu fangen, und die Mauern konnte man natürlich nicht abtragen. 


»Auch von echten Eidechsen ist mir Manches durchgekommen, besonders eine ziemlich 
grosse, längsgestreifte Art oben in den Schluchten der Sierra de Algeciras. Das Thier flüchtete 


in eine Geröllhalde und kam nicht wieder zum Vorschein, obgleich ich lange wartete. 


»Lacerta viridis bekam ich nicht zu Gesicht, ebensowenig Vipera ammodytes. Wenn 
Andere sagen, die genannte Giftschlange sei häufig bei Algeciras, so kann ich dies nicht glauben, 
denn ich kenne das Thier genau und hätte bei meinem fast ununterbrochenen Aufenthalt im 
Freien doch wol wenigstens ein Stück derselben sehen müssen! Allerdings führt die Art, wie 
alle europäischen Giftschlangen ein nächtliches Leben, aber. beim Umwenden zahlreicher Steine 
hätte sie mir auch bei Tage sicher nicht entgehen können. 

»Auch Landschildkröten konnte ich nicht auffinden; man kennt in dem ganzen von mir 
durchwanderten Striche des spanischen Küstenlandes nur Süsswasser- und Meeresschildkröten. 

»Die Laubfrösche ‘waren in Algeciras häufig; ich hörte sie geradeso wie die unsrigen 
von Büschen und niedrigen Bäumen herab schreien, konnte aber im Ganzen nur 3 erwischen. 
Einer davon sass im Schatten an einer Mauer; das Thierchen erschien mir weit grösser und 
lebhafter grün gefärbt wie unsere Form. Sonst kann ich leider über abweichende Gewohnheiten 
desselben keine Mittheilung machen. 

»Pelodytes punctatus lockte mich durch sein lautes, heiles, fast unkenartiges (an 
Bombinator erinnerndes) Geschrei von ziemlicher Entfernung her an einen kleinen Wasser- 
tümpel, in dem ich stundenlang fischen musste, um die wenigen vorliegenden Thiere zusammen- 
zufangen. Fast nie sah ich das Thier an der Oberfläche des Wassers; sie versteckten sich 
wie Bombinator unter dem überhängenden Grase des Ufers, und ich musste immer dem Ge- 
schrei nach aufs Gerathewol mit dem Netz danach fischen. Daher erklärt sich auch, dass ich 
nur Männchen erbeutete. Ich fand das schöne Thierchen übrigens an keinem anderen Platze. 

»Bei Malaga kam ich an eine sehr tiefe Cisterne, in welcher Rana esculenta in wahrhaft 


riesigen Exemplaren lebte, aber ich hätte eine Stange von 12 bis 18 Fuss Länge haben 


—r Bd .— 


müssen, um Stücke davon zu landen. Unverrichteter Dinge musste ich diese schöne Fundgrube 
verlassen, die sich wohl verlohnt hätte, gründlich zu durchfischen ! 

»Kröten waren ausserordentlich selten, und habe ich ausser den drei gefangenen Exem- 
plaren nur noch ein sehr grosses Thier halbverwest auf der Strasse liegen sehen. 

»Ein colossales Hinderniss für den Reptilfänger sind die dornigen und stacheligen 
Pflanzen, welche es oft geradezu unmöglich machen, ins Gebüsch einzudringen. Oft habe ich 
Schlangen und Eidechsen nur mit blutenden und stachelgespickten Fingern ergreifen können. 

»Von Lacerta ocellata habe ich viele Exemplare gesehen, aber nur junge erbeutet und 
nur ein mittelgrosses Stück lebend gefangen und:mit nach Hause gebracht. Ebenso habe ich 
6 Exemplare von Emys und mehrere Stücke von Coronella cucullata, Tropidonotus viperinus, 
Psammodromus und Tarentola lebend mit nach Stuttgart genommen. 

»Von den lebend mitgebrachten Thieren kann ich nur soviel berichten, dass Tropidonotus 
viperinus ein rein amphibisches Leben führt und kleine Fischchen frisst, dass es eine Lust ist. 
Coronella cucullata lebt dagegen mit einer hiesigen Zacerta agilis in der schönsten Freundschaft, 
badet öfters mit Genuss und hoffe ich, dass sie sich vorläufig, bis wir wissen, was sie frisst, 
mit Schaben (Blatta) den gröbsten Hunger stillen wird. LZacerta ocellata jung und alt fressen 
mit Appetit Schaben, die Tarentola begnügt sich mit Fliegen. Nachts ist sie sehr lebhaft und 
scheint dann auch zu fressen. Die Emys haben Fische bis jetzt nicht angerührt, fressen aber, 
in erwärmtes Wasser gesetzt, ohne Anstand nudelförmige Fleischstückchen und Mehlwürmer.« 

Bezüglich der Literatur kann ich auf Ed. Boscä’s »Catälogo de los Reptiles y Anfibios 
observados en Espana, Portugal & Islas Baleares. Madrid 1877« und auf meine Arbeit »Am- 
phibien aus Südportugal« in Giebel’s Zeitschrift f. d. ges. Naturwissenschaften, Bnd. 52, 1879, 
p. 497 u. f. verweisen. Fr. Steindachner’s, von den Specialforschern über spanische 
Herpetologie noch nicht genügend berücksichtigten Fundortsangaben in »Reise der Novara, Zoolog. 
Theil, Bnd. I. Rept. u. Amphib., Wien 1869« habe ich mir erlaubt, bei den einzelnen Arten 
ebenfalls anzuführen. Bei mehreren der aufgezählten Species habe ich auch neuere Special- 
forschungen von v. Bedriaga citiren können. Endlich gingen mir ganz neuerdings noch zu 
Ed. Boscä’s »Catalogue d. Rept. et Amph. d. I. Penins. Iberique et d. Iles Baladares« in 
Bull. Soc. Zool. d. France, Paris 1881 und desselben Autors »Correceiones y Adiciones al 
Catälogo d. 1. Rept. y Anfıb. d. Espana etc.« in Anales d. ]. Soc. Espah. d. Hist. Nat,, 
Bnd. 10, Madrid 1881 p. 89, welche beide Abhandlungen ich leider erst bei der Correctur der 


folgenden Blätter zu benutzen in der Lage war. 


— 3714 — 


Reptilia. 
Ordnung I, Serpentes. 
Familie I. Colubrina. 
Subfamilie a. Coronellidae. 
1. Coronella cucullata Geoffr. sp. 1827. 

(Geoffroy, Desceript. Egypte Rept. Taf. 8, Fig. 3 [Coluber]; Schreiber, Herpetolog. 
europ., Braunschweig 1875, p. 296.) 

Sämmtliche Exemplare, von denen mir zwei vorliegen, wurden bei Algeciras, von wo 
Dieck die ersten europäischen Stücke mitbrachte, erbeutet. 

Das jüngere Stück ist in Pholidose und Färbung ganz normal, das ältere zeigt eine 
ganz schwarze Kopfoberseite, hat also die richtige Kapuze, die dem Thiere den Namen ver- 
schaffte. Die Schuppenränder der Oberseite sind hier weisslich, daher der Rücken gestrickt 
erscheint und die so entstehende Fleckfärbung an gewisse Varietäten von Zamenis viridiflavus 
erinnert. 

Beide Stücke zeigen jederseits nur eine Temporalschuppe erster Reihe, haben 21 Längs- 


reihen von Schuppen und ein unten zusammenhängendes, schwarzes Halsband. 


Subfamilie b. Colubridae. 
2. Zamenis hippocrepis L. sp. 1754. 

(Linn6, Mus. Reg. Ad. Frid.I. p. 36, Taf. 16, Fig. 2 [Coluber]; Schreiber, Herpet. 
europ. p. 260 [ Periops].) : 

Von dieser schönen Art wurde ein junges Stück bei Cartagena, ein altes Exemplar 
bei Malaga am 30. October 1880 erbeutet, die beide in Tracht und Färbung mit marocca- 
nischen Stücken unserer Sammlung übereinstimmen. 

Das junge Stück von Cartagena zeigt Ser. Squ. 25, Anale 1/1 und, wie die europäischen 
Exemplare dieser Art immer, ungekielte Schuppen. — Links ein halbgetheiltes Praeoculare, 3 Infra- 
ocularen und 2 Postocularen, also ein vollständiger Kranz von 6 kleinen Schuppen ums Auge, 
rechts geradeso, aber statt eines (fehlenden) zweiten Infraoculare reicht das fünfte Supralabiale 
bis ans Auge und es zeigt sich zwischen den Circumocularen, dem Frenale und den Supralabialen 
noch ein accessorisches Pseudoocularschüppchen, Supralabialen 8—9. — Rückenrhomben, zähle 


ich 63 bis zum Schwanzanfang. 


E: 
eb 
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S 
3 
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Bi AT, N 22 ua j 
Sa. be an 3 RATE 3 nu ae 1. GENE nn a Aa 2 


— ee — 


Das alte Stück von Malaga zeigt Ser. Squ. 25, aber Anale 1. Links 2 Praeocularen, 
3 Infraocularen und 2 Postocularen und davor 1 Pseudoocularschüppchen; rechts geradeso, doch ist 
blos 1 übrigens halbgetheiltes Praeoculare zu bemerken. Supralabialen 9—-8. — 51 gelb 


umsäumte Rückenrhomben bis zum Schwanzanfang; Bauch tief braunroth. 


Subfamilie c. Natricidae. 
3. Tropidonotus natrix L. sp. 1754. 
(Linne, Mus. Reg. Ad. Frid. I. p. 27 [Coluber] ; Schreiber, Herpet. europ. p. 237.) 
Nur ein Stück wurde ‘am 29. October 1880 bei Malaga am Guadalhorce erbeutet. — 
Ferrol, Bilbao und Sanabria inSpanien, Coimbra in Portugal (Steindachner p. 66). 
Praeocularia 1—1, Postocularia 3—3; Supralabialia 7—7, das dritte und vierte das Auge 
berührend. — Halsband ein weissgelbes Querband bildend, das nur oben in der Mitte durch 
eine feine schwarze Längslinie getheilt erscheint. Oben olivengrau mit 6 Reihen sehr regel- 
mässiger kleiner schwarzer Fleckchen, unten ganz schwarz mit blauweisser seitlicher Einfassung 
der Ventralen, die gegen den Hals hin breiter wird und hier nur hie und da in der Mitte 


schwarze Würfelmakeln zeigt. Halsunterseite nahezu ungefleckt. 


4. Tropidonotus viperinus Latr. sp. 1802 und var. aurolineata Gerv. 1836. 


(Latreille, Hist. nat. d. Rept. IV. p. 47c. Fig. p. 32 [Coluber]; Gervais, Ann. d. 
Sc. nat. 2° ser. VI. p. 312 [var.]; Boettger, Offenbach. Verein f. Naturk., Bericht X. p. 54 
und Amphib. aus Südportugal, p. 499; Schreiber, Herp. europ., p. 226.) 

Diese häufigste Schlangenart der pyrenäischen Halbinsel wurde von Herın H. Simon 
am 29. October 1880 in einem Stück am Guadalhorce bei Malaga und sehr häufig im No- 
vember desselben Jahres bei Algeciras erbeutet. Unter den Stücken von letzterem Fundorte 
befanden sich 3 Exemplare der var. aurolineata Gerv. — Umgebung von Cadix, Mureia, 
Sevilla, Albufera-See, La Granja, Toledo, Zamora und Gibraltar in Spanien 
Cintra und Castello do Vide in Portugal (Steindachner p. 66). 


Das halberwachsene Stück von Malaga gehört zur typischen Form und zeigt gelbe, nach 
dem Hals und Kopf hin tief fleischrothe Unterseite; die Würfelflecken desselben sind grob und 
finden sich meist nur in der Mitte der Bauchschilder. — Praeocularia I—1, Postocularia 2—2, 
Supralabialia 7—8, links das dritte und vierte, rechts das vierte und fünfte an das Auge 


stossend. 23 Schuppenreihen! 


— 376 — 


Sämmtliche Exemplare von Algeciras zeigen 21 Schuppenreihen und Praeocularia 29, 
Postocularia 2—2, Supralabialen stets 7—7, das dritte und vierte unter dem Auge. — Die 
Würfelfleckung der Bauchseite ist bald spärlich und nur in der Mitte der Ventralen, bald ziemlich 
gleichmässig in der Mitte wie an den Seiten der Bauchschilder. — Bei der var. aurolineata 
Gerv. sind die beiden rothgelben, die siebente bis achte Schuppenreihe von unten einnehmenden 


Längsstreifen stets sehr deutlich, die dunkeln Rückenmakeln dagegen gewöhnlich fast obsolet. 


Ordnung Il. Saurii, 
Familie I. Lacertae. 
5. Lacerta ocellata Daud. var. margaritata Schinz 1803. 


(Daudin, Hist. nat. gen. Rept. III. p. 125, Taf. 33; Schinz, Naturgeschichte und 
Abbild. d. Rept. p. 98, Taf. 37, Fig. 3, 1833 [var.]; Boettger, Amphib. aus Südportugal 
p. 502; v. Bedriaga in Troschel’s Archiv Bnd. 45 I, 1879, p. 316; Schreiber, Herp. 
europ. p. 423.) 

Von dieser gemeinen spanischen Eidechse liegen 2 Exemplare vor, die am 29. October 
1830 am Guadalhorce bei Malaga, 2, die im November 1880 bei Algeciras erbeutet 
wurden. — Ronda, Malaga, Alicante, Taragona und Cadix in Spanien (Stein- 
dachner p. 40). 

Sämmtliche Stücke sind noch jung und zeigen sich wie junge portugiesische Exemplare 
gefärbt. Oben stehen auf grauschwarzem Grunde gelbweisse, zu ziemlich regelmässigen Quer- 
binden gestellte, schwarzumsäumte Rundflecke; der Bauch ist röthlich. — Die Bauchschilder 
stehen in 10 Längsreihen, deren jedesmalige äusserste aber so kleine Schildchen zeigt, dass 
dieselbe auch als blosse Oberschilderreihe betrachtet werden könnte. Halsband aus 13 Schuppen 
gebildet. 

Bei den Stücken von Malaga finde ich 15—16 und 15—14 Schenkelporen und 120, 
bezw. 114 Wirtel am Schwanz. 2 

Bei einem der Exemplare von Algeciras ist die äusserste Seitenreihe der Bauchschilder 
etwas deutlicher entwickelt als bei den Stücken von Malaga. Schenkelporen zähle ich 14—15, 


Schwanzwirtel 110. 


6. Lacerta oxycephala (Fitz.) Dum. Bibr. 1839. var. hispanica Steind. 1870. 


(Dumeril et Bibron, Erpet. gener., Band V, p. 235; Steindachner in Sitz.-Ber. 
d. Wien. Akad., Band 59, Sep.-Abdr., p. 11, Taf. 1, Fig. 3—6 (var.); Schreiber, Herpet. 


| 


erh 


europ., p. 404; v. Bedriaga in Troschel’s Archiv f. Naturgeschichte, Band 46 I, 1880, 
p. 250 u. f., Taf. 11. Fig. 2, 5, 6 und 8.) 

Zahlreich beobachtet am 26. Oct. 1880 bei Almeria im trockenen felsigen Bett eines 
Baches und später nochmals in den steinigen Bergen bei furchtbarer Hitze; ein Schwanz dieser 
Art lag auch unter Eidechsen, die am 16. October am Mar menor bei Cartagena ge- 
sammelt worden waren. Die Thiere laufen gedankenschnell und konnten nur zum kleineren 
Theile erbeutet werden. 

Zu dieser seltenen Art rechne ich 5 mir vorliegende Stücke, die ziemlich genau mit 
Steindachner’s prachtvoller Abbildung und mit var. e. bei Schreiber, a. a. O. p. 404 
übereinstimmen. Sie zeigen folgende wesentliche Charaktere: Kopf vorn rasch ver- 
schmälert; Körperschuppen klein, glatt; Schwanzschuppen sehr stumpf gekielt. Temporalgegend 
feinkörnig, ohne grösseres Massetericum; 6 Längsreihen Bauchschilder; Collare vollkommen 
ganzrandig. 

No. 1. Nasofrenalen wie auch bei allen übrigen Stücken 1—1; vordere Supralabialen 5—5. 
Collaren 13, Ventralquerreihen 25, Femoralporen 18—18. 

No. 2. Zwischen Interparietale und Occipitale ein kleines accessorisches quadratisches 
Schildehen. Vordere Supralabialen 5—5. Collaren 11, Ventralquerreihen 27, Femoralporen 17—17. 

No. 3. Vordere Supralabialen 4—4. Collaren 11, Ventralquerreihen 25, Femoral- 
poren 17—16. 

No. 4. Vordere Supralabialen 5—5. Collaren 11, Ventralquerreihen 25, Femorai- 
poren 17—17. 

No. 5. Vordere Supralabialen 4—5. Collaren 9, Ventralquerreihken 30, Femoral- 
poren 17—16. 

Im Mittel finden wir also für die südspanische Zac. oxycephala: 

»Massetericum fehlt. Nasofrenalen 1—1. Vordere Supralabialen 5—5. Collaren 11, 
Ventralen längs 6, quer 26. Femoralporen 17—17.< 


Maasse eines besonders gut erhaltenen Stückes: 


Länge des Kopfs bis zum Hinterrande des Oceipitle . . . 9 mm. 
Von der Schnauze bis zur Afteröfnung . . . . 2 2.....834 » 
Bangesdes Schwanzese ren U AN > 


“ Verhältniss von Körper- zu Schwanzlänge wie 1: 2,26. 
Die Färbung der vorliegenden Thiere ist sehr ähnlich der, die Schreiber a.a. ©. 


von seiner var. e. angibt. Junge Stücke haben 7 schwarze Längsstreifen, deren äussere 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII 50 


Zwischenräume von je 2 weissen und deren zwei innere Zwischenräume von 2 olivenbraunen 
Längsstreifen eingenommen werden. Der obere der beiden seitlichen weissen Längsstreifen 
zieht über die Seiten der Parietalen und wird hier stets nach innen von einer schwarzen Längs- 
binde begrenzt. Bei älteren Stücken verschwinden die schwarzen Streifen der Rückenmitte 
oder werden successive von unten nach oben schwächer, und die grüne, olivengrüne oder 
braune Mittelzone des Rückens wird breiter, die weissen Seitenstreifen aber wandeln sich in 
weissgrüne, bläulichgrüne oder olivenbraune Streifen um und verlieren mit dem Alter an 
Intensität. Der Kopf ist stets mit sehr regelmässigen, symmetrischen, schwarzen Zeichnungen 
gefleckt, die Halsseiten sind schwarz gepunktet; auf jedem Schild der äussersten Bauchschilder- 
reihe ein schwärzlicher Mittelflecken. Bauchseite meist einfarbig grünlichweiss, beim Weibchen 
zuweilen röthlich irisirend; Kopfunterseite beim Männchen mitunter schön himmelblau. Schwanz 
mehr als doppelt so lang als der übrige Körper, mit mehr oder weniger deutlichen schwarzen 
Querringeln auf je dem zweiten Wirtel. 

Ich vermuthe, dass die von Herrn v. Bed riaga in Troschel’s Archiv, Band 45 I, 1879, 
p. 292 aus Valencia angeführte Eidechse sich ebenfalls auf die vorliegende Form zurück- 
führen lässt. 

Diese Form von Almeria unterscheidet sich etwa in dem Grade von Lacerta muralis 
neapolitana v. Bedr., wie sich von dieser die syrisch-cyprische L. judaica Cam. unterscheidet. 
Erkennt man letztere als Species an, so ist auch Z. oxycephala als solche aufzufassen, doch 
gibt es von beiden Arten hin und wieder unter den normalen Stücken Exemplare, deren 


Unterschiede von L. muralis nur gradueller Natur zu sein scheinen. 


7. Tropidosaura algira L. sp. 1758. 

(Linne, Syst. Nat. I, p. 203 [Zacerta]; Schreiber, Herp. europ., p. 455; Boettger, 
Amphibien aus Südportugal, p. 507; v. Bedriaga in Troschel’s Archiv, Band 45 I, 1879, 
p. 332.) 

Nur ein junges Exemplar wurde im November 1880 bei Algeciras erbeutet, das in 
Pholidose und Färbung ganz den früher a. a. O. p. 507 von mir aus Monchique in Portugal 
beschriebenen jungen Stücken gleicht. — Madrid, Escorial, Toledo, Alicante, Jerez 
de 1. Frontera und Granada in Spanien und Lissabon in Portugal (Steindachner, p. 41). 

Der mediane Rückenstreif fehlt; auf dem Rücken zähle ich 26 Längsschuppenreihen; 


Schenkelporen 14—15. 


large 


8. Psammodromus hispanicus Fitz. 1826 und var. cinerea Bonap. 1339. 


(Fitzinger, Classificat. d. Rept., p. 52; Bonaparte, Descript. esp. ined. Lac. in Ann. 
d. Science. nat. XII, p. 62 [var.]; Schreiber, Herp. europ., p. 397; Boettger, Amphib. aus 
Südportugal, p. 508.) 

Sämmtliche von Almeria (26. October 1880) und vom Mar menor bei Cartagena 
(16. October 1830) stammende vorliegende Stücke sind von den von mir früher untersuchten 
Stücken abweichend nur dadurch, dass bei allen beiderseits das Infraoculare gar nicht an die 
Mundspalte tritt, sondern seiner ganzen Basis lang auf einem sehr niedrigen, stabförmigen 
fünften Supralabiale aufruht. — In Gemeinschaft mit Tropidosaura und Acanthodactylus auf 
der sandigen, mit dichtem Gestrüpp und Nadelholz bewachsenen Landzunge, welche den 
Albufera-See von dem Meere trennt; auch bei Granada (Steindach ner, p. 41). 

Bei dem Stücke von Almeria spielen die Körperseiten vorn deutlich etwasins Rothgelbe und 
unterhalb dieser Färbung lässt sich zwischen den Insertionen der Gliedmaassen eine ganze Längs- 
reihe hinmelblauer Flecke erkennen. Die Unterseite ist rein silberweiss. — Schenkelporen 13—12. 

Bei den Exemplaren von Cartagena ist das Halsband deutlicher als gewöhnlich entwickelt 
und besteht aus 5—7 ziemlich scharf abgesetzten grösseren Schuppen. Vier von diesen Stücken 
haben die normale Färbung der von mir früher a. a. OÖ. p. 509 beschriebenen portugiesischen 
Exemplare; ab und zu zeigt sich ein blauer Punkt in der Achselgegend. Schenkelporen zähle 
ich bei ihnen 10—10, 13—11, 13—13 und ganz abweichend von der Regel bei einem Stück 
18—18. Ein Stück dagegen ist oberseits aschgrau und zeigt fünf verloschene rothbraune 
Längsstreifen; die schwarzen und weissen in Reihen gestellten Rückenpunkte fehlen ihm, und 
nur gegen den oberen der beiden helleren Seitenstreifen hin zeigt sich eine verloschene Längs- 
reihe strichförmiger ‘schwärzlicher Makeln. Schenkelporen sind 14—14 vorhanden. Ich halte 
dieses Exemplar für eine Uebergangsform zur var. cinerea Bonap, die von Lataste und 
Ed. Boscä neuerdings als Species betrachtet wird. Im Leben waren die zarten Thierchen, 
die zusammen mit Acanthodactylus vulgaris auf Sandfeldern am Mar menor bei Cartagena 
gefangen wurden, nach Herrn H. Simon’s brieflicher Mittheilung theils brillant, fast malachit- 


artig hellgrün, theils grau gefärbt. 
9. Acanthodactylus vulgaris D. B. 1839. 
(Dumeril et Bibron, Erpet. gener., Band V, p. 268; Schreiber, Herp. europ., p. 390; 
v. Bedriaga in Troschel’s Archiv, Band 45 I, 1879, p. 335.) 


Die beiden vorliegenden jungen Stücke wurden am 26. October 1880 auf Sandboden am 


— 3800) — 


Mar menor bei Cartagena erbeutet. Herr H. Simon sah dieselbe Art auch bei Malaga 
an den Ufern des Guadalhorce -auf den Sanddünen unter Gebüsch, konnte hier aber leider kein 
Stück erhaschen. — Albufera-See, Alicante, Madrid und am Monte Agudo bei 
Murcia in Spanien (Steindachner, p. 41). 

Das Auge ist nach unten von einem winklig bis nahe an den Lippenrand zwischen viertes 
und fünftes Supralabiale eingeschobenen Infraocularschild begrenzt. Die Nasalpartie ist kaum 
aufgeblasen. Statt des vorderen Supraorbitale finden sich zwei grössere an den Seiten von 
kleinen Körnchen begrenzte Schuppen. Die Ohröffinung ist kaum gezähnelt zu nennen. Das 
Collare ist winkelig, frei und besteht aus neun, beziehungsweise elf Schuppen. Die Rücken- 
schüppchen sind ungekielt; zehn Längsreihen von Ventralen. Die Zähnelung der Zehen ist 
relativ sehr schwach. Schenkelporen zahlreich, hier 26—25 und 23—26, eine winklige, in der 


Mitte kaum unterbrochene Linie bildend. 


Oberseite mit neun sehr deutlichen, gelbröthlichen Längslinien, die durch gelbröthliche, 
mit Schwärzlich marmorierte und gefleckte Streifen von einander getrennt werden. Kopfschilder 
oben symmetrisch schwarz marmoriert und gebändert. Beine mit gelbröthlichen Tropfenflecken. 
Hinterseite der Oberschenkel und Schwanzunterseite leuchtend prachtvoll zinnoberroth; eine 
Eigenthümlichkeit dieser Species, die übrigens schon 1833 von Schinz durch den Namen 
Lacerta erythrura angedeutet und neuerdings noch besonders für jüngere Stücke durch 


v. Bedriaga gebührend hervorgehoben worden ist. 


Eine ähnliche rothe Schwanzunterseite zeigen übrigens noch viele andere Acanthodactylus- 
Arten, wie ich es z. B. speciell bei A. syriacus Boettg. und A. scutellatus Aud. beobachten 
konnte. Auch bei ihnen zeigt sich diese Färbung besonders lebhaft namentlich im Jugend- 


zustand. 


Familie II. Geckones. 
10. Tarentola mauritanica L. sp. 1767. 
(Linne, Syst. Nat. I, p. 361 [Zacerta]; Schreiber, Herp. europ., p. 490 [Platydactylus]; 
Boettger, Amph. aus Südportugal, p. 510 [Platydactylus].) 


Von diesem Gecko wurden zwei schöne, ziemlich erwachsene Weibchen im November 1880 
bei Algeciras, ein junges Weibchen bei Almeria und am 26. October 1880 ein junges 


Männchen am Mar menor bei Cartagena gefangen. 


Alle genannten sind in Färbung und Pholidose durchaus normal. 


— 381° — 


1l. Hemidactylus verruculatus Cuv. 1829. 
(Cuvier, Regne anim. II, p. 54; Schreiber, Herp. europ. p. 511; Boettger, Amph. 
aus Südportugal, p. 511.) 


Es liegt ein.im November 1880 bei Algeciras erbeutetes junges Weibchen mit normaler 
Pholidose vor. 


Die Färbung desselben ist sehr ansprechend, weissgrau mit breiten rothbraunen Quer- 
binden über den Rücken, die jedesmal an ihrem vorderen und an ihrem hinteren Rande von 
einer quergestellten schwarzen Fleckreihe begrenzt werden. Der Schwanz zeigt elf schwarz- 


graue doppelte Halbringe. 


Ordnung Ill. Chelonii, 
Familie I. Empydidae. 
12. Clemmys caspia Gmel. sp. var. leprosa Schweigg. 1812. 

(Gmelin in Linne, Syst. Nat. I, p. 1041, 1790 [Testudo); Schweigger, Königsberg. 
Arch. I, p. 298 [Emys]; Schreiber, Herp. europ. p. 528 [Emys].) 

Von den sechs im Rio del Miel bei Algeciras gesammelten und lebend mit nach 
Stuttgart gebrachten Stücken liegt mir eines, das grösste und schönstgefärbte Exemplar vor, — 
Umgebung von Murcia (Steindachner, p. 5). 

In der Pholidose finde ich bei demselben nichts Bemerkenswerthes und auch die Färbung 
des fast uniform ölbraunen Rücken- und des fahlgelben, nur an den Plattenrändern breit 


schwärzlich gesäumten Bauchschildes weist keine besonderen Eigenthümlichkeiten auf. Hals 


und Gliedmaassen sind sehr lebhaft mit tiefem Orangegelb längsgestreift. 


Länge des Rückenpanzers in der Mitte . . . 137mm. 
Grösste hintere Breite desselben . . . . . 100 » 
Länge des Bauchpanzers in der Mitte . . . 115 » 


Breitendurchmesser der Femoralen. . . . . 58 >» 


ze Be — 


Batrachia. 
Ordnung I. Urodela. 


Familie I. Salamandridae. 


13. Pleurodeles Waltli Michah. 1830. 


(Michahelles in Isis, Band 23, p. 195, Taf. II; Schreiber, Herp. europ., p. 60; 
Boettger, Amphib. aus Südportugal, p. 515.) 

Erbeutet wurde im November 1880 bei Algeciras nur ein junges, durchaus normal 
gefärbtes Stück mit jederseits neun durch die freien Rippenenden erzeugten spitzen gelbgefärbten 


Erhöhungen, die aber noch nirgends perforirt erscheinen. 


Oberseite grünlich-braungrau, mit zahlreichen rundlichen und in einander verfliessenden 
schwarzen Punktmakeln und überdies mit glänzend schwarzen Warzenspitzchen. Seiten gelblich, 
mit schärfer sich abhebenden schwarzen Makeln und Fleckchen. Unterseite schmutziggelb, an 


den Seitentheilen der Kehle und der Brust mit einzelnen feinen schwärzlichen Spritzfleckchen. 


Ordnung Il. Anura. 
Familie I. Bufonidae. 
14. Bufo vulgaris Laur. 1768 und var. spinosa Daud. 1803. 

(Laurenti, Synops. Rept., p. 28; Daudin, Hist. nat. d. Rept. VII, p. 199 [var.]; 
Schreiber, Herp. europ., p. 134; Boettger, Amphib. aus Südportugal, p. 524.) 

Typus und Varietät wurden im November 1880 in je einem Stück bei Algeciras gefangen. 
— Die Varietät (asiatica Steind.) im April 1865 bei Murcia ın Spanien (Steindachner, p. 39). 

Als Typus bezeichne ich ein mit portugiesischen Exemplaren ganz übereinstimmendes 
grosses Männchen mit braunen, nicht schwarzen Fingerschwielen. Nur dem äussersten Finger 
fehlt jede Spur der Brunstschwiele. 

Bei einem kleineren Männchen mit gelben Fingerschwielen und gelbem, nach aussen hin 
schwarz gerandetem Parotidenstreif sind die Warzen, namentlich an den Kopfseiten und Glied- 


maassen, so auffallend stark, fast dornartig vortretend, dass ich nicht fehlzugehen glaube, wenn 


ich das Stück als var. spinosa Daud. aufführe. 


— 383 — 


15. Bufo calamita Laur 1768. 


(Laurenti, Synops. Rept., p. 27, Taf. I, fig. 1; Schreiber, Herp. europ., p. 141; 
Boettger, Amphib. aus Südportugal, p. 525; Boulenger, Proc. Zool. Soc. 1880, p. 547.) 


Ein Männchen, das am 21. November 1880 bei Almeria erbeutet wurde, mit den be- 
kannten, von mir a.a. O. p. 526 bereits hervorgehobenen Eigenthümlichkeiten. — Von August 
bis October 1864 in der Umgebung von Zamora, Ferrol, Vigo und Sanabria und bei 
Gibraltar (Steindachner, p. 40). 


Die Ohrdrüsen sind breit oval und bei 7 mm Breite 10 mm lang. Die Zehenspitzen erscheinen 
schwarz und sind stark. verhornt; die Höcker an der Basis der Finger- und Zehengelenke stehen 
paarig; die Schwimmhaut der Hinterfüsse ist schwach entwickelt, aber doch noch etwas stärker 


als bei deutschen Exemplaren dieser Species. Die Unterschenkeldrüse zeigt sich stark entwickelt. 


Die Färbung ist genau die der oben citirten portugiesischen Stücke, der Rückenstreif bei 


dem vorliegenden Spiritusexemplar hellgrau, heller als seine Umgebung. 


Familie II. Hylidae. 
16. Hyla viridis L. sp. 1761 var. meridionalis Boettg. 1874. 


(Linne, Faun. Suec. p. 102, 280 (Rana); Boettger, Rept. v. Marocco u. v. d. Canaren, 
Abhandl. d. Senckenberg. Ges. Bnd. 9 p. 66 (var.) und Amphib. aus Südportugal p. 527; 
Schreiber, Herp. europ. p. 106 —= Hyla Perezi Boscä, Annal. d. l. Soc. Espah. d. Hist. 
nat. Bnd. 9, 1880, p. 181 und Bnd. 10, 1881, Taf. II, Fig. 7—10.) 


Von dieser Varietät liegen 3 Stücke vor. Eines wurde am 29. October 1880 am Guadal- 


horce bei Malaga, zwei wurden im November bei Algeciras erbeutet. 


Der dunkle Augenstreif geht bei den vorliegenden Exemplaren nur bis zur Achselgegend, 
auch zeigen weder Rücken- noch Körperseiten schwarze Fiecke und die Hüftschlinge fehlt. 
Das Grün der Oberseite geht am Mundwinkel noch etwas auf die Kinnseiten über, so dass, von 
unten gesehen, jederseits am Kinnrand noch ein grösserer grüner Fleck zu beobachten ist. Bei 
einem sehr grossen Stücke von Algeciras lässt sich zwischen dem Grün der Oberseite und 
dem Weiss der Unterseite noch eine schmale Zone von lebhaftem Orangegelb bemerken, das 
namentlich in den Weichen und auf der Rückseite der Hinterschenkel sehr zur Geltung kommt. 


Das Stück ist zudem grösser als durchschnittlich mitteleuropäische Exemplare dieser Species. 


— 384 — 


Familie III. Ranidae. 
17. Rana esculenta L. 1758 var. hispanica Michah. 1830. 


(Linne, Syst. Nat. I. p. 212; Michahelles, Isis, Bnd. 23, p. 160 (var.); Schreiber, 
Herp. europ. p. 118; Boettger, Amphib. aus Südportugal, p. 528.) 


Zahlreich am Guadalhorce bei Malaga am 29. October 1880 und bei Algeciras im 


November 1880 erbeutet. — In der sumpfigen nächsten Umgebung von Gibraltar (Stein- 


dachner p. 16.) 


Diese durch grosse quadratische, in ziemlich regelmässige Längsreihen gestellte, isolirte, _ 


schwarze Rückenflecke ausgezeichnete Form liegt in vielen Exemplaren vor. 

Ganz junge Stücke von Malaga haben einen breiten hellen Rückenstreif, der den mehr 
erwachsenen und alten Exemplaren aber nahezu immer zu fehlen scheint. Auch sind bei jungen 
Stücken die Kehlseiten rechts und links grau überstäubt und gepudert, oder bei den alten Männchen 
wenigstens die Ränder der Unterkinnlade schwarz gefleckt. Beim Männchen und bei den Jungen 
sind die übrigen Theile der Unterseite weiss, ungefleckt, während alte Weibchen ausser der sehr 
lebhaften Graufleckung der Kehle auch die ganze übrige Unterseite schwach bestäubt und gepudert 
zeigen. Beim Männchen ist das dunkle Pigment der Unterseite höchstens durch einen schwach 
bleigrauen Anflug auf Kehle und Brust angedeutet. Die Hinterseite der Oberschenkel ist schwarz 
mit milchweissen, gelben, orangegelben oder fleischrothen Flecken und Makelzeichnungen, die 
Körperseiten aber sind namentlich nach hinten rein weiss mit schwarzen Makeln und Netzflecken. 
Die Grundfarbe der Oberseite ist immer dunkel, graugrün oder schmutzig olivengrün, die Haut 


selbst immer mehr oder weniger deutlich warzig und längsnarbig. 


Die zahlreichen von Algeciras vorliegenden Exemplare sind den vorigen sehr ähnlich, 
aber die Höckerbildung an den Körperseiten und selbst auf den Gliedmaassen ist noch weit 
kräftiger entwickelt. Die Grundfarbe des Rückens ist dunkel erdgrau, erdbraun oder olivenbraun, 
die grossen isolirten Rückenflecke stehen in 4 Längsreihen. Helle Rückenstreifen sind bald 
vorhanden, bald fehlen sie. So besitzt unter 9 Stücken von Algeciras ein junges Exemplar von 
27 mm Körperlänge keine hellen Rückenlinien, während ein altes Weibchen einen hellen, schmutzig 
fleischgrauen Dorsalstreif besitzt und ein altes Männchen sogar 3 helle Rückenlinien zeigt. Die 
übrigen 6 Stücke haben keine Längsstreifen. Bezüglich der Färbung der Körperunterseite ist 
beim Männchen entweder nur der Unterkiefer seitlich schwarz gefleckt und alles Uebrige weiss, 
oder die ganze Kopfunterseite bis zur Brust schwarz gefleckt und gemarmelt und alles Uebrige 


weiss, oder endlich die ganze Unterseite des Körpers mit verloschenen grauschwarzen Punkt- 


— 385 — 


flecken und Makeln bestreut; beim Weibchen ist dagegen die ganze Unterseite schwarz bepudert, 
oder kräftig über und über schwarz gefleckt und marmorirt. 

Endlich scheint es mir, dass, verglichen mit deutschen Exemplaren, bei dem spanischen 
Wasserfrosch die innere Schwiele am Hinterfuss etwas kleiner und platter ist und eher gerundet 


dreieckig als halbzirkelförmig genannt werden darf. 


Familie IV. Discoglossidae. 
18. Pelodytes punctatus Daud. sp. 1802. 


(Daudin, Hist. nat. d. Rain., Gren. et Crap. p. 34, Taf. 16, Fig. 1 (Rana); Schreiber, 
Herp. europ. p. 99; Boettger, Amphib. aus Südportugal, p. 529.) 


Bei Algeciras wurden im November 1880 drei brünstige Männchen erbeutet, die genau 
mit dem von mir von Mertola a. a. OÖ. p. 530 beschriebenen Stück übereinstimmen. 

Alle Höcker des Körpers und der Gliedmaassen zeigen einen feinen schwarzen Drüsenpunkt, 
der die Haut in Form eines Stachelspitzchens deutlich überragt. Die vier äusseren Hinterzehen 
zeigen auf der Unterseite gleichfalls Spuren von Bürstenschwielen, indem der Längsrichtung nach 
links und rechts sich je eine Linie feiner schwarzer borstenartiger Drüsenpünktchen ausbildet. 
— Die Fleckung der Oberseite ist schwarzgrau oder braungrün, die Flecken oft mit einer helleren, 


gleichsam rostartigen Zone umgeben. Die Hinterbeine sind unterseits stets lebhaft lehmgelb gefärbt. 


19. Discoglossus pictus Grav. sp. 1829 var. sardoa Gene 1839. 

(Gravenhorst, Delic. Mus. Zool. Vratisl. p. 39 (Rana); Gen&, Syn. Rept. Sardin. p. 24, 
XVII, Taf. V. (var.); Schreiber, Herp. europ. p. 112; Boettger, Amphib. aus Südportugal p. 531). 

Hr.°H. Simon sammelte nur ein normal gebildetes und gefärbtes Weibchen dieser 
Varietät im November 1880 bei Algeciras. 

Es zeigt 4 oder richtiger durch Verschmelzung der beiden mittelsten Reihen 3 Längs- 
reihen grosser, hellumrandeter schwarzer Flecken auf licht aschgrauem Grund und eine Tförmige 
schwarze Zeichnung zwischen den Augen, deren Mittelstrich weit nach hinten ragt. — Alles 


Uebrige ist genau wie bei dem a.a. O. p. 531 von mir beschriebenen portugiesischen Exemplar. 


Abhandl, d. Senckenb. natnrf. Ges. Bd. XII. 51 


— 386 — 


II. Liste der von Herrn Lieut. F. Will in Erlangen 18S0 auf den 
Balearen gesammelten Kriechthiere. 


Die Aufzählung der mässigen Anzahl von Reptilien und Amphibien, die Hr. Lieutenant 
F. Will auf den Balearen erbeutete und die er mir nach seiner Rückkehr zur Bestimmung 
einsandte, würde allein die Veröffentlichung der folgenden Zeilen nicht rechtfertigen, insbesondere 
da sämmtliche 9 angeführte Arten bereits in den Catalogen von 
Ramis y Ramis, Specimen animal. etc. in ins. Minorica frequentiorum, 
Magone 1814, 
Barcelö y Combis, Catälogo de los reptiles ete., observados en las islas 
Baleares, Palma de Mallorca 1876, und 3 
Boscä, Catälogo etc. siehe oben p. 373 und Anal. d. l. Soc. Espan. d. Hist. Nat., 
Bnd. 10, Madrid 1881, Actas p. 9 
als sichere Bewohner der Inselgruppe aufgezählt werden, wenn nicht eine neue Localform sich 
unter den mitgebrachten Arten befände, die eine kurze Mittheilung dringend erheischt. Ausser 
den ebengenannten über die Balearen handelnden Schriften, hat neuerdings auch Dr. von 
Bedriaga in Troschel’s Archiv f. Naturgeschichte, Band 45 I, 1879, p. 243 u. f. über seine 


im Herbst 1878 auf den genannten Inseln gemachte Ausbeute eingehend berichtet. 


Was die näheren Fundorte anlangt, so sind die meisten der vorliegenden Exemplare aus 
der nächsten Umgebung von Palma, einige auch vom Prat und von Maratxi (Maratschi) bei Palma, 
mithin sämmtlich von Mallorca; einzelne andere Sachen stammen von Ciudadela auf Menorca. 

Hr. F. Will schreibt mir über die vorliegenden Arten unterm 11. November „1880 in 
Kürze Folgendes: 

»Sie werden wohl mittlerweile in den Besitz eines Theiles der von mir auf den Balearen 
gesammelten Reptilien und Amphibien gekommen sein. Ich sage »eines Theiles«, denn leider 
ist ein anderer Theil, namentlich reich an Fröschen und Eidechsen, durch Verdampfen des 
Spiritus während längerer Abwesenheit von Palma zu Grunde gegangen. Auch das Ihnen 
Gesandte hat zum Theil Schaden gelitten, da, obschon die Gläser doppelten Verschluss hatten, 
doch auf dem Transport ein Theil des Weingeistes ausgelaufen ist, resp. derselbe die über- 
gebundene Blase gesprengt und den Stöpsel gelüftet hat! Wären unsere Zollbehörden nicht 
so saumselig zu Werke gegangen, so dass ich meine Kisten erst acht Wochen, nachdem sie 
hier (in Erlangen) angekommen waren, erhalten konnte, so wäre wohl noch mehr zu retten 


gewesen. Die genannten Kisten standen nämlich auf dem hiesigen Zollamt, ohne dass dieses 


N 


—. al — 


(weil Nebenzollamt) trotz meines Drängens früher die Erlaubniss der Oberzollbehörde zur aus- 
nahmsweisen Revisionsermächtigung erlangen konnte. 

»Während meines Aufenthalts in Palma hat auch Herr Prof. Ed. Boscä aus Ciudad 
Real mehrere Tage auf den Inseln verweilt, um die dortige Fauna kennen zu lernen. Mehrere 
Sammelausflüge habe ich mit ihm gemeinsam ausführen können. 

»Betreffs der einzelnen Stücke bemerke ich noch, dass ich das Datum des Fangtags als 
unwesentlich weggelassen habe, da die betreffenden Thiere das ganze Jahr hindurch, selbst im 
Winter, gefangen werden können.« 

Von den gleich aufzuführenden 9 Arten wurden 5, nämlich die Nummern 1, 2, 4, 7 
und 8 in leidlichen Exemplaren für das Museum der Senckenbergischen Naturforschenden Ge- 


sellschaft erworben. 


Reptilia. 
Ordnung I. Serpentes. 
Familie I. Colubrina. 
Subfamilie a. Coronellidae. 
1. Coronella cucullata Geoffr. sp. 1827. 
Vergl. oben p. 374. 

Liegt von Mallorca, und zwar aus Maratxi in zwei, aus dem Prat bei Palma in fünf 
und aus der weiteren Umgebung von Palma in einem Exemplar vor, dürfte demnach die häufigste 
Schlange der Insel sein. 

Bei sämtlichen vorliegenden 8 Stücken reicht wie gewöhnlich das 4. und &. Supralabiale 
in den Augenkreis und die Zahl der Praeocularen beträgt 1—1, die der Postocularen 2—2, 
die der Temporalen erster Ordnung 1—1. Dagegen zeigen die Hälfte der Exemplare 9—9 
ein Stück 9—8 und nur drei Stücke die normale Ziffer von S—8 Supralabialen. 

Die Zahl der Längsschuppenreihen beträgt bei sieben Exemplaren 19, bei einem 21. 

Die Färbung ist im Allgemeinen die gewöhnliche. 5 Stücke zeigen die Unterseite ganz 
ungefleckt oder sehr wenig fleckig, doch ist gewöhnlich wenigstens die Mittellinie der Schwanz- 
unterseite etwas tingirt. 3 Stücke sind auf dem Bauche lebhafter gefleckt, aber immer noch 
so wenig, dass diese Flecke bei weitem die Grundfarbe noch nicht verdrängen. 

Diese Art lebt sowohl auf Menorca. (Mahon nach Martinez Saez) als auch auf Mallorca 


Palma, Andraitx und Benisalem nach Barcelö). 


— 1388. 


Subfamilie b. Natricidae. 
2. Tropidonotus viperinus Latr. sp. 1802 und var. aurolineata Gerv. 1836. 
Vergl. oben p. 375. 

Liegt in typischer Form und Färbung von Mallorca, und zwar in einem Stück von 
Maratxi und in einem zweiten Stück vom Prat bei Palma vor; die Varietät, die in einem 
jungen Exemplar erbeutet wurde, stammt vermuthlich von Son Moro, sicher aber von Mallorca 
überhaupt. 

Sämmtliche 3 vorliegenden Stücke besitzen 7—7 Supralabialen, von denen das 3. und 4. 
den Augenrand berühren, weiter 2—2 Postocularen, und 21 Längsschuppenreihen. Zwei Stücke 
haben 2—2, das dritte 1—2 Praeocularen, indem das linke Praeoculare vorn in der Mitte nur 
zur Hälfte quergetheilt erscheint. 

Die typische Form dieser Species war bisher ausdrücklich nur von Menorca (Martinez 
Saez) erwähnt gewesen; die var. aurolineata Gerv. scheint für die Inselgruppe ganz neu 
zu sein. 


Ordnung Il. Saurii. 


Betreffs der eigentlichen Zacerta-Arten schreibt mir Hr. Lieutenant F. Will: »Aechte 
Eidechsen konnte ich keine erhalten, obwohl ich verschiedenen Leuten Auftrag zum Fang 
gegeben und für das Stück den Preis von einer Peseta = 1 Franc ausgesetzt hatte. Auch Hr. 
Prof. Boscä konnte keine erlangen. Ueberhaupt sind aber diese Inseln an _Eidechsen, sowol 
was Arten- als Individuenzahl anbelangt, sehr arm, was Hr. Boscä zu bemerken ebenfalls 
Gelegenheit hatte; nur Menorca ist etwas reicher. Das Chamaeleon fehlt übrigens der Insel- 


gruppe ganz bestimmt.« 
Familie I. Geckones. 
3. Tarentola mauritanica L. sp. 1767. 
Vergl. oben p. 380. 
Aus der Umgebung von Palma auf Mallorca liegen 25 junge, halbwüchsige und ziemlich 


erwachsene, von Ciudadela auf Menorca ein Stück vor, die mit Exemplaren. von Tanger in 


Marocco volle Uebereinstimmung zeigen. 
Zu erwähnen ist vielleicht, dass das Nasale hemmschuhförmig ist, wie immer bei dieser 
Art, im Gegensatz zu T. Delalandei D. B. sp., und dass bei zweien von 26 Exemplaren die 


beiderseitigen Nasalen am Vorderrand in der Mittellinie in Berührung mit einander kommen, 


3 — 113897 — 


während sie hinten durch ein kleines Schüppchen getrennt werden. Bei den übrigen 24 Stücken 
sind, wie gewöhnlich, die beiderseitigen Nasalen oben durch eine kleine mediane Schuppe von 
einander getrennt. 

Nur ein Exemplar zeichnet sich durch eine hellere Farbe als gewöhnlich aus. Es ist hell 
weissgrau und zeigt besonders lebhafte, tief schwarze, auf dem Kopfe wurmförmige Zeichnungen. 

Zwischen den Fingern dieser Geckonen-Art sitzt sehr gewöhnlich ein kleiner, lebhaft 
siegellackroth gefärbter Ixodide. 

Martinez Saez erwähnt diese Species von Menorca, Barcelö von der gesammten Gruppe 


der Balearen als ein häufiges Thier. 


4. Hemidactylus verruculatus Cuv. 1829. 
Vergl. oben p. 381. 

Diese Art wurde in einem schönen, erwachsenen, weiblichen Exemplar bei Ciudadela auf 
Menorca gefangen. 

Die Beschuppung desselben ist durchaus normal, die Zeichnung sehr lebhaft schwarzgrau 
auf weissgrau. Durch das Auge zieht ein bis über die Ohröffnung hinaus fortgesetzter, schwarz- 
grauer Streif. 

Dieser Gecko wird von Barcelö bereits sowol von Mallorca als von Menorca angegeben, 
und derselbe Gewährsmann bemerkt dabei, dass die Art auf den genannten Inseln seltner als 


die vorhergehende sei. 


Ordnung Ill. Chelonii. 
Familie I. Testudinidae. 
5. Testudo graeca L. 1758. 
(Linne6, Syst. Nat. I. p. 198, 6; Schreiber, Herp. europ. p. 550.) 
Von dieser Art hat Hr. F. Will ein Pärchen lebend von den Balearen mitgebracht. 
Der für T. graeca charakteristische Einschnitt auf dem Caudalschild des Rückenpanzers 
ist nach Hrn. Will’s brieflicher Mittheilung sehr tief und stark markirt, der Rückenpanzer 
selbst aber beim Männchen sehr stark gewölbt und nach hinten etwas ausgezogen und stark 
nach unten abgebogen, beim Weibchen flach und sehr scharfkantig. 
Die Landschildkröte wird als einheimisch aus Menorca bereits von Ramis, von Blasco 
(Mahon) und neuerdings von v. Bedriaga, aus Mallorca von Barcelö (Artä und Capdepera) ' 


und aus den Balearen überhaupt von Perez Arcas angegeben. 


— EN 


Familie II. Emydidae. 
6. Emys europaea Schneid. sp. 1783. 

(Schneider, Naturg. d. Schildkr. p. 323. V. (Testudo); Schreiber, Herp. europ. 
p. 537 (Cistudo lularia). 

Wahrscheinlich diese Art ist es, von der mir Hr. Lieutn. Will schreibt: »Bei Arta und 
Son Moro auf Mallorca kommt im Süss- und Brackwasser eine platte Schildkrötenart . vor, 
von der nur Hr. Prof. Boscä ein zertretenes, resp. überfahrenes Stück aufgefunden hat, und 
dessen Kopf er mitnahm. Selbst unseren vereinten Bemühungen ist es nicht gelungen, ein 
gutes Stück dieser Species zu erhalten.« 

Von Menorca erwähnt diese einzige bis jetzt von den Balearen bekannte Süsswasserschild- 
kröte schon Ramis und in neuester Zeit auch v. Bedriaga; von Mallorca kennt sie 
Barcelö, der sie bei Albufera de la Alcudia, bei La Catrotja, im Monacor und in der Porrassa 
beobachtete. 


Batrachia. 
Ordnung I. Anura. 
Familie I. Bufonidae. 
7. Bufo viridis Laur. 1768 var. balearica Boettg. 1880. 

(Laurenti, Syn. Rept. pp. 27 u. 111, Taf. 1., Schreiber, Herp. europ. p. 138; Leydig, 
Anure Batrach., Bonn 1877, p. 29; Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1880, No. 72 (var.). 

Char. Differt a typo cute natatoria in pedibus distinctissima, fere perfecta, in manibus 
membrana digitos basi jungente distinctiore. Caeterum typo simillima. — Hab, in insulis Balearieis 
Majorca et Minorca. 

Von dieser sehr auffälligen, jedenfalls das Wasser weit mehr als unsere ost- und mittel- 
europäische Stammart frequentirenden Form liegen mir 9 Stück und zwar theils Männchen, theils 
Weibchen aus der Umgebung von Palma auf der Insel Mallorca vor. Diese Kröte lebt 
nach Herrn Lieutenant F. Will’s brieflichen Mittheilungen auf den Inseln in allen Bewässerungs- 
bassins (estances) oft zu Hunderten. Im Winter dürfte man übrigens des Thieres nicht so leicht 
habhaft werden können als im Sommer, da zu jener Jahreszeit die Bewässerungsbassins in der 
Regel leer stehen und andere Wassertümpel oder Seen nicht vorhanden sind. Die einzige Herrn 
Will bekannte Lache in der Nähe von Palma, die Altung eines kleinen Baches, wird von 


genannter Kröte nicht bewohnt. Mein Gewährsmann hat sie übrigens auch im Februar und März 


— Be — 


unter Steinen in der Nähe solcher Estances gefunden, wahrscheinlich jedoch nur deshalb, weil 
eben die Bassins leer waren; denn an Nahrung, auch im Winter, fehlt es den Thieren wohl nie. 
Die balearische Form zeichnet sich vor Stücken aus dem Caspi-Gebiet und von Frankfurt a. M. 
auf den ersten Blick durch nahezu vollkommene, effectiv bis an die Zehenspitzen reichende und 
nur vor der längsten Zehe beiderseits bogig ausgerandete Schwimmhaut an den Hinterfüssen 
und merkliche Spannhäute zwischen den Fingern an den Vordergliedmaassen aus. Auch hat die 
var. balearica meist ein etwas grösseres Trommelfell, das, halb so gross wie der Bulbus, in 
seinen Dimensionen die Grösse des Trommelfells der ägyptischen Form von .D. viridis zeigt, ohne 
aber jemals die des verwandten B.regularis Reuss zu erreichen. Der innere Höcker des Handtellers 
ist zudem oft fast so gross wie der äussere, und beide, auch der innere, sind mehr linsenförmig 
gestaltet. Der erste Finger der Hand ist nicht viel länger, aber viel kräftiger als der zweite. 
Sonst ist die erwähnte Form in Gestalt und Färbung meiner Ansicht nach von typischen 
Exemplaren des B. viridis nicht wesentlich verschieden. Die überraschend kräftige Entwicklung 
der Schwimmhäute ist jedenfalls ihr wichtigstes Kennzeichen. Die vorliegenden Exemplare sind 
leider nur z. Th. passabel conservirt, und es könnten sich möglicherweise beim Studium lebender 
Exemplare noch weitere, wenn auch kleinere Differenzen von der typischen Form ergeben. 
Bei dieser Gelegenheit sei noch bemerkt, dass Rüppell’s Bufo arabieus (Abbild. zu Rüppell’s 
Atlas d. Rept. N. Afr. 1827, Taf. 3, Fig. 2) aus Arabia petraea nach den Originalexemplaren 
im Frankfurter Museum, soweit die schlecht conservirten Stücke ein Urtheil erlauben, der Grösse 
des Trommelfells nach zu B. viridis Laur. und nicht zu B. regularis Reuss gehören, dass dagegen 
der ächte D. regularis auch in Abessynien (nach Originalstücken Rüppell’s gleichfalls im Mus. 
Senckenbergianum) einheimisch ist. 
Obgleich Bufo viridis schon von Martinez Saez von Menorca und von Barcelö von 
Mallorca und Ibiza erwähnt wird, scheint den früheren Beobachtern doch die oben beschriebene 
beachtenswerthe Verschiedenheit der balearischen von der nördlicheren und östlicheren typischen 


Form bis jetzt entgangen zu sein. 


Familie II. Hylidae. 
8. Hyla viridis L. sp. 1761 var. meridionalis Boettg. 1874. 
Vergl. oben p. 383. 
Zwei Stücke dieser die Mittelmeerländer in ihrer ganzen Ausdehnung bewohnenden südlichen 
Varietät unseres gemeinen Laubfrosches, em Männchen und ein Weibchen, wurden von Herrn 


Lieutenant Will bei Ciudadela auf Menorca gefangen. 


— 32 — 


Beiden Exemplaren fehlt die charakteristische Hüftschlinge der typischen Form, und die 
Rückenfärbung geht allmälig in die Färbung der Bauchunterseite über. Das Männchen ist an 
den Kehlseiten in der Längsrichtung dunkel tingirt und der dunkle Augenstreif geht nur vom 
Auge bis wenig über das Trommelfell hinaus. Beim Weibchen zieht sich der schwarze Streif 
vom letzten Drittel des Canthus rostralis anfangend durch Auge und Trommelfell bis in die 
Axillargegend herunter und bricht dann plötzlich ab. Die Mitte des Trommelfells bildet hier 
zugleich auch den Mittelpunkt in der Länge dieses Temporalstreifs. 


Angegeben wird diese Art bereits von Ramis aus Menorca und von Barcelö aus Mallorca. 


Familie III. Ranidae. 
9. Rana esculenta L. 1758. 
Vergl. oben p. 384. 

Herr F. Will fand diesen Frosch in allen Reservoirs auf der Insel Mallorca. Ein im 
Leben braunes, sehr schlecht erhaltenes Exemplar, bei der Station von Palma auf Mallorca an 
einem Reservoir unter einem Stein gefangen, weicht von den übrigen 7 eingeschickten, leider 
vollkommen eingetrockneten Stücken in nichts Wesentlichem ab und gehört wohl sicher ebenfalls 
zu der in Rede stehenden Art. 

Im eingetrockneten Zustande sind es die starken, langen, spitzen, mehr in die Quere 
gestellten, 3— 7 Zähne tragenden Gaumenhöcker, die vollkommene Schwimmhaut und der 
schaufelförmige 6. Zeh an den Hinterfüssen, die diese Art von anderen südeuropäischen Fröschen 
mit Sicherheit unterscheiden lassen. 


R. esculenta wird von Barcelö als sehr häufig auf den Balearen lebend angegeben. 


Aufzählung 


der von Frhrn. H. und Frfr. A. von Maltzan im Winter 1880/81 
am Cap Verde in Senegambien gesammelten Kriechthiere. 


Von 
Dr. Oskar Boettger in Frankfurt a. M. 


(Mit 1 Tafel Abbildungen.) 


Die auf nachfolgenden Blättern verzeichneten Reptilien und Batrachier wurden auf einer 
speciell zu naturhistorischen Zwecken unternommenen Sammelreise vom September des Jahres 
1880 bis in den Januar 1881 von meinen verehrten Freunden Freiherrn Hermann und 
Freifrau Agnes von Maltzan im französischen Theile von Senegambien zusammengebracht. 
Durch tückische Krankheit gezwungen, musste Herr von Maltzan sehr gegen seinen Willen 
bereits im November 1880 heimkehren. Er brachte die Reptilien von Goree, Dakar und Joal 
mit. Seine Frau, die vom Klima nur verhältnissmässig wenig zu leiden hatte und welche die 
einmal begonnene Campagne mit der grössten Energie und Geschicklichkeit zu Ende führte, 
kam mit den höchst ansehnlichen Schätzen von Rufisque, Nianing und Fundium erst im Januar 
1881 wieder in Frankfurt an. 

Die Ausbeute beider Reisenden an Reptilien und Batrachiern ist eine sehr reichhaltige zu 
nennen, indem unter den 27 gefundenen Kriechthierarten nicht nur fünf so weit nördlich noch 
nicht beobachtete tropisch-afrikanische Schlangenspecies, von welchen allerdings drei bereits aus 
dem englischen Gambiagebiet bekannt sind, nachgewiesen werden konnten, sondern auch zwei 
Novitäten gefunden wurden, von denen für einen Frosch die neue Gattung Maltzania errichtet 
werden musste, 

Was die herpetologische Literatur über Senegambien anlangt, so ist dieselbe noch auf- 
fallend dürftig zu nennen. Abgesehen von einigen allgemeineren systematischen Werken, wie 


Dumeril et Bibron’s Erpetologie generale, A. Dumeril’s Catalogue methodique de la collect. 


Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 52 


— 394 — 


des Kept., Paris 1851, und Gray’s und Günther’s Katalogen der Sammlungen des British 
Museum kenne ich von speciell auf das französische Senegambien eingehenden Arbeiten nur 
Fr. Steindachner’s treffliche Liste gleichfalls von 27 Arten Reptilien und Batrachiern in den 
Sitz.-Ber. d. Acad. d. Wiss., Wien, I. Abth., Bd. 61, 1870, Maiheft, die ich bei der folgenden 
Aufzählung nach dem Separatabdrucke citiren werde. Die Notes p. s. ä l’hist. de l’erpet. de 
l’Afrique oceid., Paris 1857, und die Archives du Museum d’hist. natur., Band 10, p. 137, in 
denen A. Dume&ril neben einer eingehenden Namenliste auch auf die geographische Verbreitung 
der Reptilien des westlichen Afrika’s besondere Rücksicht genommen hat, konnte ich mir leider 
erst nach Fertigstellung dieser Arbeit verschaffen. Weitere Aufzählungen speciell von senegam- 
bischen Kriechthieren sind mir nicht bekannt geworden. 

Die Fundorte, an welchen die Reisenden sammelten, liegen sämmtlich zwischen 15° und 
14° nördlicher Breite und zwischen 16° und 18° westlicher Länge von Greenwich an der Küste 
an und unterhalb dem Cap Verde in Westafrika, im französischen Senegalgebiete. Dakar und 
die Insel Goree sind die nördlichsten, Joal ist der südlichste der ausgebeuteten Fundpunkte. 

Die von Herrn und Frau von Maltzan gesammelten Objecte vertheilen sich auf folgende 


Ordnungen, Familien, Gattungen und Arten: 


Reptilia. 


Ordnung 1. Serpentes. 
Familie I. Typhlopina. 
1. Typhlops (Onychocephalus) liberiensis Hallow. 1848 var. intermedia Jan 1863. 


(Hallowell in Proceed. Nat. Sc. Philadelphia, Band 4, 1848, p. 59, Taf. Fig. 1—2; 
Jan in Elenco sisteın. d. Ofidi, Milano 1863, p. 14 und Iconogr. Ophid., Lief. 5, Taf. 5, Fig. 2 
und Taf. 6, Fig. 2 [var. intermedia].) 

Im Urwald von Joal, von einem französischen Officier mitgetheilt. 

Nach Jan’s Schema in Elenco a.a. 0. p. 14 gehört die in einem Stück vorliegende Art 
zu Onychocephalus, und da sie 24 Längsreihen von Schuppen besitzt, zur obengenannten Species, 
die meines Wissens mit O. obtusus Pet. von Mossambique die einzige hier in Frage kommende 
Art sein kann. Vergleichen wir nun die von Jan, Iconogr. a. a. O. gegebenen sehr genauen 
Abbildungen der von ihm var. intermedia genannten, aus Liberia und anderen Theilen von 


Westafrika stammenden Form, so stimmt eben alles bis auf die etwas geringere Grösse und 


— 895 — 


Dicke des vorliegenden senegambischen Exemplars. Einen Zweifel an der Richtigkeit der Be- 
stimmung halte ich für ausgeschlossen. 

Der Senegal ist der nördlichste District, in dem diese in Westafrika verbreitete Art, die 
"nach A. Dume£ril, Archiv. du Museum, Band 10, p. 187 wahrscheinlich mit congestus Dum. 


Bibr. 1839 unbekannten Fundorts übereinstimmt, bis jetzt angetroffen worden ist. 


Familie II. Colubrina. 
Subfamilie a. Psammophidae. 
2. Psammophis elegans Shaw sp. 1802. 


(Shaw, Zool., Band IH, p. 536 [Coluber]; Günther, Catal. Colubr. Snakes Brit. Mus., 
p- 138; Dume&ril et Bibron, Erpet. gener., Band VI, p. 894; Steindachner, a.a.0.p. 8.) 

Ein in der Körpermitte stark verletztes Stück von Fundium. 

Frenale dreimal so lang als hoch; Temporalen jederseits 2+2-+-3; Supralabialen 9—9, 
die fünf vordersten fast von gleicher Gestalt und Grösse, das fünfte und sechste das Auge 
berührend; Infralabialen 11—11, jederseits sechs die Inframaxillaren berührend. 

Schuppenformel: Squ. 17; G. 3, V. ?, A. Yı, Se. 161jeı. 

Färbung hell graubraun, Rückenstreif schön rothbraun, Seitenstreif dunkel graubraun, 
darunter ein beiderseits von schwarzen Linien eingefasster gelbweisser Seitenstreif. Bauch 


schmutzig fleischfarbig, mit vier verloschenen graulichen Längslinien. 


3. Psammophis sibilans L. sp. 1758. 

(Linne, Syst. natur., Ed. X, Band I, 1758, p. 222 [Coluber); Dume6ril et Bibron, 
Erpet. gener., Band VII, p. 891 [moniliger]; Günther, Catal. Colubr. Snakes, p. 136; 
Jan, Iconogr. d. Ophid., Lief. 34, Taf. 3, Fig. 3 [typus] und Taf. 4, Fig. 2 [ürregularis]; 
'Steindachner, a..a. 0. p. 8.) 

Von dieser Art liegen vier Exemplare, eins von Dakar, zwei von Nianing und ein 
grosses Stück von Rufisque vor. h 

Das zu Dakar im Grase des, Gartens gefangene junge Stück stimmt in der Färbung 
genau überein mit Jan’s Abbildung in Iconogr. d. Ophid., Lief. 34, Taf. 3, Fig. 3, hat 
17 Schuppenreihen und 7—8 Supralabialen, von denen links das dritte und vierte, rechts das 
vierte und fünfte den Augenrand berühren. 

Die übrigen, älteren Exemplare von Nianing und Rufisque stimmen dagegen gut mit der 


0. c. Abbildung Taf. 4, Fig. 2 von Jan’s Ps. irregularis. Die Tendenz des hinteren Nasale und des 


— 396, — 


Praeoculare, in je zwei über einander liegende Schildchen zu zerfallen, ist bei dieser senegambischen 
Localform, wie es scheint, wesentlicher Charakter und zeigt sich auch bei unseren drei älteren 
Stücken mehr oder weniger deutlich. Abweichend von Jan’s Abbildung erscheint nur der Contact 
von 6 (statt 5) Infralabialen mit den Inframaxillaren bei dem einen der vorliegenden Exemplare, 
und die Stellung der jederseits 2 + 2 + 3 gelegten Temporalen bei den zwei Stücken von 
Nianing, während das Exemplar von Rufisque, wie es Jan für irregularis andeutet, jederseits 
die Stellung 74T +3 zeigt. Die vorliegenden Uebergangsformen zwischen sibilans typus und 
irregularis Jan bestärken mich in der Ansicht, dass letztere Form von ersterer nicht specifisch 
getrennt werden darf. Ob das auch für Ps. irregularis Fisch. gilt, wage ich nicht zu entscheiden, 
da mir Originalexemplare, die auch in der Färbung und Zeichnung wesentlich von sibilans typus 
abweichen müssen, nicht zu Gebote stehen. 

Schuppenformeln: Nianing. Squ. 17; G. 3, V. 167, A. "ı, Se. 1%®/ıos. 

Nianing. 'Squ. 17; G.3,V. 2%, A. Yı, 'Sc ? 
Rufisque. Squ. 17; G. 3, V. 170, A. Yı, Sc. 9a. - 

Färbung bei zwei Stücken graubraun, Rückenlinie etwas heller, durch seitlich schwarze 
Schuppenränder etwas hervorgehoben; je ein rothbrauner Seitenstreif auf der 4. Schuppenreihe 
von unten. Labialen rothbraun gefleckt. Kopf oben einfarbig gelbbraun oder mit sehr matten 
Zeichnungen. Heller Seitenstreif auf der an die Ventralen angrenzenden untersten Schuppenreihe, 
von der einfarbig weissen Unterseite durch eine sehr schwach markirte gelbgraue Linie getrennt. 

Das dritte Stück von Nianing weicht von der eben beschriebenen Färbung nur darin ab, 
dass der Rücken desselben ganz einfarbig graugrün ist und die Schuppen nur ganz feine 
schwärzliche Ränder zeigen. Bei ihm ist auch das Praeoculare ohne Spur von Einschnitt oder 
Theilung. Dies Exemplar entspricht somit genau Jan’s o. cit. Fig. 2, die derselbe noch zu 
Ps. irregularis Fisch. zieht. 

Ob Sich die letztgenannte Form als Species aufrecht erhalten lässt, müssen weitere Unter- 
suchungen lehren; soviel aber scheint mir aus meinem Material hervorzugehen, dass Jan’s 


Ps. irregularis höchstens als Rasse von Ps. sibilans getrennt werden darf. 


Subfamilie b. Dendrophidae. 
4. Philothamnus irregularis Leach sp. 1819. 


(Leach in Bowdich’s Mission to Ashantee, App. p. 494 (Coluber); Günther in Ann. 
a. Magaz. Nat. Hist. (3), Bnd. 11, 1863 p. 285; Reinhardt in Dansk. Vid. Selsk. Afh. 10, 


— 3171 — 


1843 p. 246, Taf. 1, Fig. 13 u. 14 (Dendrophis Chenoni); Smith, Ilustr. Zool. South Afr. 
Rept. Taf. 65 u. Taf. 64, Fig. 3 (Dendrophis albovariata). 

Zwei schöne Exemplare von Rufisque. 

Die Kennzeichen für diese Art sind nach Günther: Ventralen seitlich deutlich gekielt; 
9 Supralabialen, von denen 3 das Auge berühren; Anale getheilt; Ventralen 164—177. 

Anseichend von Günther’s Diagnose erscheinen bei den vorliegenden Stücken nur die 
Zahl der Ventralen 181 und 179 und die Zahl von 8—8 Supralabialen bei dem einen derselben. 
Temporalen jederseitse 1 + 2; 6 Infralabialen in Contact mit den Inframaxillaren, deren 
hinteres Paar länger ist als das vordere. Die weissen Fleckchen auf der Aussenseite der Rücken- 
schuppen sind in der vorderen Körperhälfte besonders deutlich. 

Schuppenformeln: Squ. 15; G. 3, V. 181, A. Yı, Sc. !1%ııs. 

Squ. 15; G. 2, V. 179, A. !ı, Sc. mehr als °°%s. 

Das zweite Exemplar hat, wie gesagt, S—8 Supralabialen, von denen jederseits nur das 
vierte und fünfte in den Augenkreis treten. Alles übrige ist mit dem erstgenannten 
Stücke übereinstimmend. Die geringe Zahl der Supralabialen bei diesem Exemplar ist 
sehr bemerkenswerth und zeigt, dass auch Dei Ph. irregularis im Günther’schen Sinne die 
Zahl der Supralabialen nicht ganz constant ist; die Form und Stellung der Temporalen, der ganze 
Habitus und die Färbung beweisen aber mit Evidenz, dass das Stück zu irregularis Günth. gehört. 

Auch Ph. irregularis Günth. dürfte für den französischen Senegal neu sein; für das 


englische Gambiagebiet wird er bereits von Günther in Cat. Col. Sn. Brit. Mus. p. 152 erwähnt. 


5. Bucephalus capensis Thunbg. 1794 var. viridis Smith 1839. 

(Thunberg, Voyage Afr., Asie et Japon p. 75; Smith, Ilustr. Zool. South Afr. Rept. 
Taf. 3 (viridis); Dumeril et Bibron, Erpet. gener., Bnd. VII, p. 877 (£ypus); Jan, Iconogr. 
d. Ophid., Lief. 32, Taf. 4 (typus). 

Ein stattliches Stück dieser Baumschlange von Rufisque. 

Von Dum&ril und Bibron’s Beschreibung weicht das Stück nur ab durch die Zahl 
der Temporalen 1+2+3 und 1+2 +4. 

Schuppenformet: Squ. 19; G. 2, V. 201, A. YA, Se. !!Yııı (alle getheilt). 

Die Pholidose von Jan’s citirter Abbildung stimmt gut mit dem vorliegenden Stück, nicht 
aber die Färbung. Unsere Schlange ist lebhaft grün, an den Seiten ins Blaue ziehend, unten 
hellgrün. Auge und Kehle bis auf die Ventralschildränder rothbraun. Alle Schuppen haben 


einen vorderen seitlichen schwarzen Fleck, einige in der Mitte des Körpers auf einer beschränkten 


— 3983 — 


Ausdehnung an den Seiten in etwa 4—5 Reihen stehende zeigen ausserdem unter dem genannten 
schwarzen Fleck noch einen schwefelgelben, nach hinten einen mehr grünlichweissen Aussenrand. 


Neu, wie mir scheint, für Senegambien. 


Subfamilie c. Dipsadidae. 
6. Crotaphopeltis rufescens Gmel. sp. 1788. 

(Gmelin, Syst. Nat. Linn., Bnd. I. 3, p. 1094 (Coluber); Dume&ril et Bibron, 
Erpet. gener. Bnd. VII. p. 1170 (Heterurus); Jan, Iconogr. d. Ophid. Lief. 39, Taf. 2, Si 1.) 

Zwei durchaus typische Stücke von Nianing, eines von Rufisque. ; 

Vorn die 3—5, hinten nahe der Schwanzbasis die 9—13 mittelsten Rückenschuppenreihen 
leicht dachig gekielt. 6 Infralabialen in Contact mit den Inframaxillaren, während Jan jeder- 
seits nur 5 Sutur bilden lässt. Keine Zeichnung auf dem Hinterkopf. 

Schuppenformeln: Squ. 19; G. 1, V. 180, A. 1, Sc. **sı (alle getheilt), 

Squ. 193°G. 1, V. 178, A, 1, Sc. 4945. (desgl.), 
Squ.-19;7G. 1. V. 167, A. 1, Sc. *%40. (desgl.). 

Beiläufig erlaube ich mir noch die Bemerkung, dass Dumeril und Bibron’s Angabe 
a. a. O. p. 1172 »Subcaudalen 143 & 147« Druckfehler und in 43 & 47 zu ändern ist. 

Neu für das französische Senegalgebiet; vom Gambia wird die Art bereits durch Günther 
in Cat. Col. Sn. Brit. Mus. p. 166 erwähnt. 


Subfamilie d. Lycodontidae. 
7. Boaedon unicolor Boie sp. 1827. 
(Boie in Isis 1827 p. 521 (Lycodon); Dumeril et Bibron, Erpet. gener. Bnd. VII, 
p- 359; Jan, Iconogr. d. Ophid., Lief. 36, Taf. 2, Fig. 1; Steindachnera.a. O.p. 8. 
Nur ein ganz junges Stück von Nianing. 
Schuppenformel: Squ. 27; G. 2, V. 218, V. 1, Se. er. 
Oben schwarz, unten grau; auf der Kopfunterseite eine kreuzförmige, weisse Zeichnung, 


die nach hinten bis zum 5. Ventrale inclusive reicht. 


Familie III. Peropodes. 
Subfamilie a. Pythonidae. 
8. Python Sebae Gmel. sp. 1788. 


Von Freifrau A. von Maltzan wurde bei Rufisque ein 3m langer Python erbeutet, 


den sie lebend mit nach Paris nahm und der wegen seiner riesigen Grösse und des unbequemen 


— 733922 — 


Transportes an den Jardin des Plantes übergeben wurde. Ich bin natürlich nicht selbst in der 
Lage, mit Sicherheit anzugeben, ob die Art zu Python Sebae Gmel. sp., den auch Dumeril- 
Bibron, Günther und Steindachner vom Senegal erhielten, oder zu Python regius 
Shaw sp., der gleichfalls aus dem französischen Senegambien von Dume&ril und Bibron an- 
gegeben wird, gehörte, doch wird mir von Hrn. v. Maltzan die erstere Bestimmung als die 


richtige nachträglich mitgetheilt. 


Familie IV. Elapina. 
9. Aspidelaps rhombeatus Licht. sp. 1823. 


(Lichtenstein, Berlin. Dubl. Verz. 1823 p. 106 (Sepedon); Schlegel, Essai phys. 
Serp. II. p. 483, Taf. 17, Fig. 12 u. 13 (Naja); Dumeril et Bibron, Erpet. gener. Bnd. VII. 
p. 1263 (Causus). 

Ein junges Exemplar von Nianing, ein älteres von Ruf isque. 

Cireumocularen 6—6, d. h. 2 Prae-, 2 Infra- und 2 Postocularen jederseits, genau wie 
in der Abbildung bei Schlegel. Das Stück von Nianing hat 10—10 Infralabialen, von denen 
nur 4 mit den Inframaxillaren in Contact stehen, das von Rufisque zeigt dagegen 9—10 
Infralabialen, von denen 4—5 mit den Inframaxillaren Sutur bilden. Auch besitzen bei ihm 
die mittelsten Schuppenreihen des Rückens-nur sehr schwache Andeutungen von Längskielen und 


das Frenale ist hier jederseits in 2 übereinanderliegende Schildchen gespalten. 
Schuppenformeln: Nianing. Squ. 19; G. 0, V. 134, A. 1, Se. ?%eo. 
Rufisque, Squ. 17; G. 0, V. 139, A. 1, Sc. ?%so. 
Dem Stück von Rufisque fehlt die Kopfmakel, und auch die übrige Makelzeichnung 
des Körpers ist sehr undeutlich. 
Neu, wie mir scheint, für das französische Senegambien; aus dem englischen Gambiagebiet 
übrigens bereits in Cat. Col. Sn. Brit. Mus. p. 269 u. f. von Günther erwähnt. 


Aspidelaps Lichtensteini Jan (Iconogr. d. Ophid., Lief. 44, Taf. 6, Fig. 5) von 
der Goldküste, die nur 15 Schuppenreihen und wenigstens gegen die Schwanzspitze hin immer 
ungetheilte Subcaudalschilder aufzuweisen hat, im -übrigen aber unserer Form sehr nahe kommt, 


ist vielleicht nur als Localvarietät oder Rasse von A. rhombeatus zu betrachten, 


— 400 — 


Ordnung Il. Saurii, 
Familie I. Monitores. . 
10. Monitor saurus Laur. sp. 1768. 

(Laurenti, Specim. Rept. 1768 p. 56 (Stelo); Dumeril et Bibron, Erpet. gener. 
Bnd. Ill. p. 476 part. (Varanus niloticus); Steindachner a.a.O. p. 5 (Varanus nilotieus) ; 
Giebel in Zeitschr. f. d. ges. Nat.-Wiss. 1878, p. 137.) 

Ein erwachsenes und zwei halbwüchsige Stücke von Nianing, alle von durchaus normaler 
Form und Färbung; ausserdem zwei kleinere Exemplare von Rufisque, sehr lebhaft gelb 
auf tiefem Schwarz gezeichnet. 

Ich finde wie Steindachner die Nackenschuppen deutlich etwas grösser als die Rücken- 
schuppen; die senegambische Forın gehört demnach zu Peters’ Y. saurus Laur. = capensis 
Sparmann. Giebel hat a. a. O. p. 140 die Unterschiede im Schädelbau von M. saurus und 
M. niloticus L. sp. eingehend gewürdigt und schliesst sich Peters’ Auffassung, dass diese 


beiden nahe verwandten Arten specifisch zu trennen seien, rückhaltlos an. 


ll. Monitor exanthematicus Bosc sp. 1792. 

(Bose, Act. Soc. d’hist. nat. Paris 1792 p. 25, Taf. 5, Fig. 3 (Lacerta); Daudin, 
Hist. nat. d. Rept. Paris 1802—1804, Bnd. IIL, p. SO (Tupinambis); Dumeril et Bibron, 
Erpet. gener. Bnd. III. p. 496 (ocellatus). 

Sieben z. Th. erwachsene Stücke von Rufisque. 

Die Mitte der Nasalspalte befindet sich genau zwischen Augencentrum und Schnauzen- 
spitze. Dierunden, von einem fünffachen Ring äusserst feiner Granulationsschüppchen umgebenen 
Schilder des Halses und Nackens sind viel grösser und mehr tuberkelartig vortretend als die 
des Rückens. 


Maasse-7Koptlänze san. 2 ee ER ne Br TR Ram 
Von der Schnauze bis zur Brustquerfalte . . . 13012 >» 
Von der Brustquerfalte bis zum Anus . . . . 263 » 
Schwanzlänge eat! » 


Totallänger Kr 0 ann LS On ae 


Färbung oben uniform schmutzig gelblich erdgrau, unten weissgelb mit groben, graulichen, 
sehr undeutlichen Quermaschen an den Kehl- und Körperseiten und mit sehr zahlreichen, 


gleichfalls meist etwas undeutlichen, dunkler grauen Querbinden über den Schwanz. 


— Wr 


Junge und oft auch halberwachsene Thiere zeigen einen hellen Längsstreif längs der 
Orbitalbögen und darunter einen schwarzen, am Hinterrande des Auges anhebenden und bis gegen 
den Nacken ziehenden Längsstrich, sowie einen zweiten gewöhnlich deutlicheren und längeren, 
gleichfalls schwarzen, hinten etwas nach aufwärts geschwungenen, mit seiner Convexität nach 
innen gerichteten, hell eingefassten Längsstreif vom Ohr bis über die Insertion der Vorder- 
gliedmaassen. Geräumige undeutliche schwärzliche Ocelli bedecken den Rücken. 

Bereits von Daudin, Dume6ril und Bibron (ocellatus) und Gray (ocellatus) wird diese 
Art als Einwohner des Senegals aufgeführt. 

Verglichen mit einem ausgestopften Originalexemplar des M. ocellatus Rüppell sp. von 
Kordofan (sub II 2, 5c. im Mus. Senckenberg.) hat der senegambische exanthematicus eine mehr 
gewölbte und mehr in Rundung nach unten gezogene (Pferde-) ‘Schnauze, die mit grösseren, 
ganz flachen Pflasterschuppen gedeckt ist. Der Canthus rostralis ist viel stumpfer und mehr ver- 
rundet als bei M. ocellatus, während die Schläfen dicht hinter dem Auge mehr eingesenkt sind 
und die hintere Fortsetzung des Supraciliarbogens stark wulstig über ihnen hervorspringt. Bei 
M. ocellatus sind die Schläfen mehr aufgetrieben und eher etwas gewölbt, und der Supraciliarbogen 
endet unmittelbar am Hinterrande des Auges. Die Rückenschilder stehen bei M. exanthematicus 
in etwas deutlicheren Querreihen als bei ocellatus, haben aber im übrigen dieselbe Form und 


Grösse. Alles übrige scheint mir nicht wesentlich verschieden zu sein. 


Familie II. Lacertae. 

12. Acanthodactylus sceutellatus Aud. sp. 1811 var. Dume£rili M. Edw. 

(Audouin, Descript. d. l’Egypte, Bnd. 1, 1811 p. 172; Savigny, Suppl. Taf. 1, Fig. 7 
(Lacerta); Milne Edwards in Ann. Science, Nat. Bnd. 16, 1829 pag. 75 u. 85, Taf. 7, Fig. 9 
(Lacerta Dumerili); Dum6ril et Bibron, Erpet. gener., Bnd. V, 1839 p. 276 (Savignyi var. C); 
Steindachner a. a. ©. p. 6.) 

Vor mir liegen 59 Exemplare aller Alterszustände dieser Art aus Gor&e und Dakar, 
wo dieselbe in Löchern im Sande lebt und gelegentlich auch auf Bäume klettert. Nach Herrn 
von Maltzan’s mündlicher Mittheilung sieht sie im Sonnenlichte fast rein weiss aus. Ein 
Stück stammt von Nianing. 

Die angeführte Synonymie beweist, eine wie wechselnde Auffassung die vorliegende Species 
im Laufe der Zeiten erfahren hat. Die obigen Namen A. Dumerili, Savignyi und scutellatus 


_ Steind. beziehen sich speciell auf senegambische Exemplare. 


Abhandl. d. Senckenberg. naturf. Ges. Bd. XII. 53 


Die Schnauze des Senegal- Acanthodactylus ist relativ kurz-conisch, wie es die Abbildung 
Taf. 1, Fig. 11 in dem grossen ägyptischen Reisewerke für A. Olivieri verlangt, und wie sie 
von Lataste für seinen A. Bedriagai hervorgehoben wird. Die Nasalpartie ist nicht oder 
äusserst wenig aufgeblasen. Von den drei Supraorbitalen ist das vorderste stets deutlich ent- 
wickelt, doch ist eine Theilung desselben in 1—3 neben oder hinter einander gestellte zusammen- 
hängende Platten, nie aber in Granula, etwas durchaus Gewöhnliches. Das Infraorbitale erreicht 
nie den Lippenrand, zeigt vielmehr unten stets eine horizontale Kante und ruht meist auf einem 
fünften eingeschobenen Supralabiale. In 52 Fällen finde ich nämlich 4—4 vordere Supralabialen, 
in 5 Fällen 4—5, in 2 Fällen 5—4 und in 1 Fall 5—5 vordere Supralabialen, auf die dann das 
constant vorhandene, oben erwähnte eingeschobene Supralabiale folgt. Ohr mit 4—5 Schüppchen 
immer sehr deutlich gezähnelt; Zähnelung der Zehen überaus stark entwickelt. Halsband 
frei, stark gezähnelt, aus etwa 12 Schuppen bestehend. Sämmtliche Rückenschuppen deutlich, 
wenn auch oft sehr stumpf, gekielt. Schuppenlängsreihen quer über die Rückenmitte gemessen 
51 (wie bei A. Schreiberi Boul. —= Savignyi Schreib.), Ventrallängsreihen 12 oder 14. Die Zahl 
12 ist die bei weitem häufigere und gewöhnliche. Ventralschilder breiter als lang. Femoralporen 
16—16 bis 19—19; bei dem Stück von Nianing auffallenderweise nur 13—12. Schuppen 


der Schwanzunterseite immer deutlich, aber schwach gekielt. Körpergrösse gering. 


Maasse: Kopflänge oben . . ....8 g 12 13 mm 
Von der Schnauze bis zum Anus 29 341%, 48 50! >» 
Schwanzlange,s = 2 es Son 66 95 94 » 
Totallanger ea 22 222256422 21004/3 143 144! »- 


Junge Stücke zeigen 6 helle Längsstreifen, welche mit 7 dazwischen gelegten dunklen 
"Streifen abwechseln. Diese dunklen Längsstreifen verlaufen in folgender Weise: Nr. 1 
beginnt an der Ohröffnung und geht als feine grauliche Linie bis zur Insertion der hinteren 
Gliedmaassen. Nr. 2, breit und zickzackförmig, beginnt am Auge und geht auf die Schwanz- 
seiten über. Nr. 3 beginnt an der hinteren Aussenecke der Parietalen und zieht gleichfalls bis 
zum Schwanz. Nr. 4 endlich ist die Medianlinie, welche sich bis in die Schwanzmitte erstreckt. 
Die Streifen 3 und 4 sind durch Quermakeln und Marmorzeichnungen in der Rückenmitte vielfach 
init einander verbunden. Mit dem Alter werden diese dunklen und hellen Längsstreifen vom 
Rücken angefangen nach dem Bauch hin mehr und mehr undeutlich und verschwinden. zuletzt, 
einer unbestimmten Marmorzeichnung von Hell und Dunkel Platz machend, gänzlich. 

Nach diesem Befund und namentlich, worauf mich Herr G. A. Boulenger besonders 


aufmerksam machte, wegen der starken Zähnelung der Zehen glaube ich die vorliegende Art zu 


— 403 — 


A. scutellatus Aud. und nicht zu A. Olivieri Aud. stellen zu dürfen, von dessen Abbildung in 
dem grossen ägyptischen Reisewerk ‚Suppl. Taf. 1, Fig. 11 die vorliegende Form allerdings 
wesentlich nur in der starken Zähnelung der Zehen abzuweichen scheint. Dass aber auch 
4A. Bedriagai Lat. verwandt ist, ergibt die Vergleichung der genauen Lataste’schen Angaben 
für diese Species, die sehr nahe mit der uns vorliegenden Art stimmen und nur dadurch wesentlich 
abweichen, dass bei der algerischen Species die Zähnelung der Zehen stets viel schwächer ist, 
und dass gewöhnlich das eingeschobene fünfte Supralabiale fehlt und nur »quelquefois, surtout 
chez les individus des Hauts-Plateaux« durch ein supplementäres Supralabiale ersetzt wird, das 


bei den senegambischen Formen niemals fehlt. 


Dume&ril und Bibron, die bei Unterscheidung der Acanthodactylus-Arten irrthümlicher- 
weise auf die Kielung der Rückenschuppen ein besonderes Gewicht legten, zogen die senegambische 
Art, die sich durch deutliche Kielung der Rückenschuppen auszeichnet, zu A. Savignyi, mussten 
aber in der Diagnose desselben infolge dessen p. 274 die Concession machen, dass ausnahmsweise 
das Infraorbitale nicht bis zur Mundspalte herabreiche, und dass auch gelegentlich ein grosses 
vorderes Supraorbitale vorkomme. Auf die sehr starke Entwicklung der Fransen an den Zehen 
und der Ohrloben kommen die genannten Autoren dagegen nicht zu sprechen. 

Steindachner legt bei seinem senegambischen A. scutellatus das Hauptgewicht offenbar 
auf die stark gefransten Zehen und auf die Abdrängung des Infraorbitale von der Mundspalte 
durch das fünfte Supralabiale, übersieht aber, dass die Senegalform, die übrigens wirklich dem 
typischen A. scutellatus D. B. am nächsten steht, constant eine viel kürzere Schnauze hat, 
12—14 statt 14—16 Ventralen besitzt und immer deutlich gekielte Rückenschuppen zeigt. 

Dass ich in Folge dessen die Milne-Edwards’sche Benennung Dumeril:, die ausdrücklich 
auf die senegambische Form basirt ist, als Bezeichnung für die westafrikanische Varietät von 


A. scutellatus bestehen lasse, wird nach diesen Auseinandersetzungen wohl Niemand befremden. 


Familie III. Seinei. 
Subfamilie a. Scincidae. 
13. Euprepes Perroteti Dum. Bibr. 1839. 
(Dumeril et Bibron, Erpet. gener., Band V, p. 669; Gray, Cat. of Liz. Brit. Mus., 
1846, p. 111 [Euprepis); Steindachner, a.a. O.p. 6.) 
Acht Exemplare von Dakar, zwei ganz jugendliche Thiere von Nianing, an Baum- 


stämmen sich sonnend. 


— 404 — 


Im Allgemeinen mit den citirten Beschreibungen gut übereinstimmend, doch finde ich die 
Zahl der Schuppenreihen wechselnd und zwar bei den Stücken von Nianing, wie Steindachner 
es gefunden, 32, bei denen von Dakar aber 32 (zweimal), 33 (zweimal) und 34 (viermal) Längs- 
schuppenreihen. Bei den Stücken von Nianing finde ich 3—3 und 4—3 Ohrloben, bei denen 
von Dakar 3—3 oder viel häufiger noch 4—4. 
’ Nur ein Exemplar von Dakar ist übereinstimmend mit Steindachner’s Angabe gefärbt, 
und das Roth unter der dunkeln Längsbinde an den Körperseiten fehlt hier ganz. Bei den 
übrigen Stücken dieses Fundortes bieten die Körperseiten eine 412 — 5 Schuppenreihen breite 
ziegelrothe, ungefleckte oder gefleckte Längsbinde, die sich auch noch auf die Schwanzseiten 
fortsetzt; bei noch anderen beginnt das Roth der Seiten erst unter der von Steindachner 
erwähnten braunen Seitenbinde. Zwei Exemplare haben ausserdem. ungefleckten Rücken. Die 
jungen Exemplare von Nianing zeigen fast uniform olivenbraunen Rücken; die drei Schuppen- 
reihen breite schwarze Seitenbinde ist nach oben hell bräunlich eingefasst, unter ihr zeigen 
sich zwei Reihen feiner heller Punktfleckchen. 


Die Art scheint demnach in der Färbung auffallend starken Variationen unterworfen zu sein. 


Maasse: Kopflänge bis zum Hinterrand der Parietalen . . . 151, mm. 
VonwdersSchnauzerbisezumsAnuserer a lid » 
Schwänzlangesa: 2 ee non » 
Totallängeeea. ar. a OT » 


Farbenspielarten dieser Species leben nach W. T. Blanford (Proc. Zool. Soc. 1881 


p. 469) auch in Abessynien und auf Socotora, 


Subfamilie b. Sepidae. 
14. Sphenops meridionalis Günth. 1871. 
(Taf. I, Fig. 1a—e.) 

(A. Dumeril, Rev. et Mag. de Zool. 1856, No. 8, p. 421 und Arch. du Mus. d’hist. 
natur., Band 10, p. 180, Taf. 15, Fig. 3 [Anisoterma sphenopsiforme); Günther, Proc. Zool. 
5065 1871,2722425 

Nur ein junges Exemplar von den Dünen bei Dakar, wo es in den Sand eingegraben 
gefunden wurde. Es soll ausgewachsen etwa die doppelte Grösse erreichen. Irrthümlicher 
Weise wird die Art auch vom Gaboon erwähnt. 


Die Diagnose der vorliegenden Species könnte meiner Ansicht nach etwa folgender- 


maassen lauten: 


Char. Statura coloreque peraffinis Sph. sepoidi Aud., sed digitis brevioribus manus 2, 
pedis 4 instructus, supranasalibus duobus, ad latera cum nasofrenali omnino in unum scutum 
transversum confusis itaque supralabialia prima attingentibus, spatio distincto inter rictum oris 
aperturamque auris, scuto internasali breviore, frontali elongato-sexangulari. Aperturae auris 
lobulis non instructae. Membra breviora, cauda longior. 

Supra albus, lines 9—11 longitudinalibus nigrescentibus ornatus, penultima utriusque 
lateris latiore atque intensiore. Seuta mediana capitis nigrocincta; taenia lata nigra ab apertura 


naris incipiente per oculum usque ad latera colli decurrente. Ser. squam. 23— 25. 


Maasse: Kopflänge bis zum Hinterrand der Parietalen . . . 6! mm. 
Rumpflänge . a we a AAR » 
BCDWARZIAnge, rl ee Pe 2 AO » 
Notallangey ara De Be Be ee OA END 
BängerdersVorderextremitäty a al > 
Tänser den tlinterextremität er re elle > 


Das vorliegende Stück unterscheidet sich demnach von Sph. sepoides Aud. wesentlich nur 
durch die Anzahl von zwei (statt fünf) Zehen an den Vorder- und von vier (statt fünf) Zehen 
an den Hintergliedmaassen, sowie durch die Form und Stellung der Supranasalen. Diese sind 
nämlich in der normalen Zweizahl vorhanden und bilden jedes einzelne ein in die Quere gezogenes 
Fünfeck, dessen schmälste Seite an das Supranasale der entgegengesetzten Körperhälfte anstösst. 
Eine zweite gradlinige Seite grenzt an das Rostrale, eine dritte an das Internasale, eine vierte 
an das einzige vorhandene Frenale und die fünfte Seite endlich bildet mit dem ersten Supra- 
labiale Sutur, so dass also die Nasenöffnung von der Frenalgegend durch das bandförmig sich 
dazwischenlegende Supranasalschildchen vollkommen abgetrennt wird. Das Internasale ist sieben- 
seitig und im Verhältniss zu dem von Sph. sepoides kürzer und breiter; sein Vorderrand tritt 
weit mehr winklig zwischen die Supranasalen als bei jenem. Dagegen ist das Frontale der 
senegambischen Art weit länger als breit und fast verlängert sechsseitig zu nennen. Zwischen 
Mundwinkel und Ohröffnung zeigt sich ein deutlicher Zwischenraum, und die Ohröffnungen selbst 
zeigen nicht wie bei Sph. sepoides treppenförmig vortretende Loben, sondern sind am Vorder- 
rand ungezähnt und mit rundlichen Schuppen gedeckt. Die Gliedmaassen, namentlich die 
Vorderextremität, und die Zehen sind etwas schwächer entwickelt, der Schwanz relativ etwas 
länger als bei Sph. sepoides Aud. 

In Habitus, Färbung und „Zahl der Längsschuppenreihen stimmt die vorliegende Art 


mit ägyptischen Exemplaren des Sphenops sepoides fast vollkommen überein. Auf weisslichem 


0 


Grunde stehen, die Ränder je zweier Schuppen einnehmend, 11 schwärzliche Längsstreifen, die 
sich in der Schwanzbasis auf sieben Streifen reduciren. Der vorletzte Streifen an der Seite oder 
von oben, die Mittellinie mitgerechnet, der fünfte jederseits ist breiter und tiefer schwarz gefärbt 
als die übrigen. Auch der Umkreis der mittleren Kopfschilder ist schmal schwarz gesäumt. 
Ein breiter schwarzer Streif zieht vom Nasenloch durch das Auge bis gegen die Halsseiten hin, 
ganz wie bei Sphenops sepoides. Auch die Gliedmaassen zeigen oberseits schwarzweisse Streifung. 


Die Unterseite erscheint rein weiss mit kaum angedeutet dunkler Streifung. 


Familie IV. Geckones. 
15. Tarentola Delalandei Dum. Bibr. sp. 1836. 

(Dumeril et Bibron, Erpet. gener., Bnd. III. p. 324 (Platydactylus); Gray, Cat. of 
Liz. Brit. Mus. p. 165; Steindachner.a. a. ©. p. 2 (Platydactylus aegyptiacus.) 

13 Stücke aus den Festungsmauern und den Kellern von Gor&e, ein altes Exemplar 
von Fundium. 

Von bedeutender Grösse und mit lebhaft wie bei 7. aegyptiaca Cuv. sp. gefärbten Nacken- 
flecken, ganz wie Steindachner richtig bemerkt, aber ohne jede Zähnelung des vorderen 
Öhrrandes. Nasenloch dicht über der Sutur von Rostrale und erstem Supralabiale, vorn nicht wie 
bei 7. mauritanica L. sp. durch ein hemmschuhförmiges Nasale vom Rostrale abgedrängt. Auch 
die Höcker auf den Seiten des Hinterkopfs zeigen gewöhnlich weisse Spitzen. -Hals mit einer, 
Rücken mit vier dunkeln Querbinden, Schwanz von 3 zu 3 Ringeln mit graulicher Querzeichnung; 
jeder unmittelbar hinter einer dunkeln Querbinde des Schwanzes gelegene Ringel röthlich gefärbt. 

Maasse: Kopflänge. . . 23!e 30 mm 
Rumpflänge AV 54 >» 
Schwanzlänge . . 64 70 >» 
Totallänge . . . 127! 154 > 


16. Hemidactylus affinis Steind. 1870. 
(Steindachner.a.a. 0. p. 3.) 

Zwei ganz mit Steindachner’s Diagnose ihereinstimmeniie junge Weibchen von den 
Mauern und aus den Kellern der Festung von Gor&e, ein erwachsenes Weibchen von Nianing, 
ein erwachsenes Männchen von Rufisque. 

Kopf vorn conisch zugespitzt, Längsfurche namentlich zwischen den Augendisken viel 
weniger deutlich als bei 7. verruculatus Cuv. Auch die Form und Stellung der Submentalen 


scheint charakteristisch zu sein. Das Weibchen von Nianing hat 8—9 Supralabialen, 


— 407 — 


7—7 Infralabialen und querüber am Bauche zähle ich 31 Schuppen. Das Männchen von 
Rufisque zeigt dagegen 8— 8 Supralabialen, 7—7 Infralabialen und querüber am Bauche 
33 Schuppen. Femoralporen zähle ich 11— 10, in Summa 21. Dicht hinter der Afterspalte 
links und rechts beim Männchen je zwei stumpf conische Tuberkel. 

Die Zeichnung des Rückens hat eine Tendenz bald zur Querfleckung, bald zur Längs- 
fleckung, während bei A. verruculatus Querfleckung das Gewöhnliche ist; Schwanzende ziegelroth; 
Schwanz mit breiten grauen, nach vorn halben, nach hinten ganzen Querringen. 


Maasse des Weibchens von Nianing: 


Von der Schnauze bis zum Anus . . . 29 mm 
Schwanzlangeige ne 3 ala» 
Hiotallänge, ee ae ee. 102 ame 


Familie V. Agamae. 

; 17. Agama colonorum Daud. 1803. 

(Daudin, Hist. Rept. Bnd III. p. 356 (excl. syn); Dumeril et Bibron, Erpet. 
gener., Bnd.IV.p. 490; Gray; Cat. Liz. Brit. Mus. 1845 p. 256; Steindachner.a.a.0.p.5.) 

Lebt an Mauern und Bäumen auf Gor&e, bei Dakar, Nianing und Rufisque, 
von wo Exemplare in allen Alterszuständen vorliegen. 

Gut übereinstimmend in der Pholidose mit Dume&ril-Bibron’s Beschreibung und mit 
Steindachner’s Angabe der Färbung bei jungen wie bei alten Stücken, aber erwachsene 
Weibchen zeigen anscheinend stets eine Längsreihe von drei goldgelben (im Leben wahrscheinlich 
ziegelrothen) Fleckmakeln, oder eine durchlaufende, breite Längsbinde von dieser Farbe auf 
jeder Rückenseite. 

Die Längswamme an der Kehle ist bei jüngeren Stücken fast immer nur schwach, und 
erst bei älteren Exemplaren deutlicher entwickelt. Auch die Schuppen der Innenseite des 
Unterarms und Unterschenkels sind bei der senegambischen Form mitunter schwach gekielt, also 
nicht immer glatt, wie dies Dume&ril und Bibron angeben. 

Ich zähle 9 bis 10 Supralabialen und 8 bis 9 Infralabialen jederseits. Der Schwanz ist 
anscheinend nur bei alten Exemplaren deutlich von der Seite comprimirt. Beim Männchen 
finde ich constant nur eine Reihe von 4—4 bis 6—5, also in Summa 8 bis 11 Praeanal- 
poren. Bei einem der vorliegenden Stücke von Rufisque ist der Schwanz in höchst sonder- 
barer Weise kolbig regenerirt, nach Art eines Typhlopiden stumpf zugespitzt, aber mit viel 


unregelmässiger gestellten und nur schwach gekielten Schuppen gedeckt. 


— 408 — 


Maasse: d 
Kopf unten bis zur zweiten Falte 14 15!/e 15 17 231, 24 32 mm 
Rumpflängeri . . Eon. 729932226050 ayle 311, 47 50 57 >» 


Schwanzlange „I. u. 2. 0.4.62 Tan eh s0 118 111155 » 
Totallänger 0. 2.2 2 2m. lg 115! 1281, 188! 185 244 » 


CS 
Kopf unten bis zur zweiten Fate 34 34 35 mm 
Rumptlangeps sn 66a 
Schwanzlängez . a 2209. 75,722016207170216400> 
Totallänge sn ea ne, 1262202, 


Verhältniss von Kopf- zu Rumpflänge also im Durchschnitt wie 1: 1,96, von Schwanzlänge 


zu Gesammtkörperlänge wie 1: 1,62. 


Familie VI. Chamaeleontes. 
18. Chamaeleo senegalensis Daud, 1803. 
(Daudin, Hist. Rept., Band IV, p. 203; Dume&ril et Bibron, Erpet. gener., Band III 
p. 221, Taf. 27, Fig. 2; Steindachner, a. a. O.°p.:2.) 
Wurde in ziemlicher Anzahl bei Nianing, Rufisque, Fundium und auf dem Kirch- 


hof von Dakar gesammelt. 


Zeisiggrün, mit schwarzer bis in die Augengegend reichender und die Kiefer einschliessender 
Kopfspitze, hellgelbem Fleck am Mundwinkel und sehr gewöhnlich mit orangegelbem Seitenstreif 
in ein Drittel Seitenhöhe zwischen den Insertionen der Gliedmaassen. Darüber ebenso gewöhn- 
lich noch eine Parallelreihe von vier orangegelben Flecken in zwei Drittel Seitenhöhe. Seltner 
ist auch der erstgenannte Seitenstreif in bis zu sieben Flecke aufgelöst. Gelenke und Handfläche 


heller als die mittleren Theile der Gliedmaassen. 


Manchmal ist der Hinterkopf grasgrün, die Wangenseiten sind bläulich, manchmal der 
Rücken schwarzgrau, die Körperseiten schwärzlich und ein bleigrauer seitlicher Schwanzstreif 
vorhanden. In anderen Fällen zeigen sich ziemlich deutliche feine schwarze wurmförmige Längs- 
linien auf dem vorderen Theil der Körperseiten. Einzelne Stücke haben auch einen grossen 
rhombischen Fleck von grünlichweisser Farbe jederseits über der Insertion der Hintergliedmaassen 
oder eine schwarze Makel mitten auf der Kehle oder eine kleinere schwarze Makel je links und 


rechts hinten an den Kehlseiten dicht vor der Insertion der Vordergliedmaassen, 


— ll 


Sehr gewöhnlich ist die Crista über dem Auge orangefarben tingirt und das Augenlid zeigt 
gelbe Ringzeichnung mit schwarzem Centrum. In einzelnen Fällen ist, bei alten Männchen die 
‚ganze Einfassung des Helmes orangegelb bis intensiv gelbbraun und der vordere Theil der 
Rückencrista ebenso gefärbt. 

Wichtig für die genauere Kenntniss der Species sind folgende Sexualunterschiede. Das 
Männchen zeigt mehr weniger verlängert sechseckigen Helm, der immer parallele Seitenränder 
besitzt und hinten sehr deutlich spitz zuläuft. Die Entfernung quer zwischen den Augen gemessen 
ist so gross oder grösser wie die hintere Breite des Helmes (?Ch. gracilis Hallowell in Proc. 
Acad. Philadelphia 1841, Band I, p. 111 und Journ. Acad. Nat. Sc. Philadelphia 1842, Band VIII, 
p. 324, Taf. 18; Gray in Proceed. Zool. Soe. 1864, p. 471). Das Weibchen dagegen hat einen 
mehr langgezogen birnförmigen oder tropfenförmigen Helm, der hinten stets deutlich breiter ist 
als zwischen den Augen und an seiner hinteren Spitze deutlich zugerundet erscheint (Ch. sene- 
galensis Gray a. a. 0. p. 471.) 

Maasse des Helms: Oo e) OO 
Von der Schnauzenspitze bis zur Helmspitze 33 33 34 aaa ann! 

150 ar or 102 
102 12 12 13 13 14 In 5 


Grösste Breite zwischen den Augen 
Grösste Breite am Hinterkopf . 
Verhältniss von Helmbreite zwischen den Augen zu grösster Helmbreite am Hinterkopf 
im Durchschnitt beim Männchen wie 1: 0,92 
beim Weibchen wie 1: 1,20. 


Ordnung Ill. Chelonii. 
Familie I. Chelydidae. 


19. Sternothaerus Derbyanus Gray 1844. 

(Gray, Cat. of Tort., Crocod. and Amphisb., 1844, p. 37, Cat. of Shield Rept., 1855, 
p. 82, Taf. 22 und Handlist of the Spee. of Shield Rept. 1873, p. 69; Strauch, Vertheil. 
d. Schildkröten, St. Petersburg 1865, p. 109.) 

Zwei gute Exemplare von Rufisque. 

Vorderer Sternallappen beweglich; Panzer bald länger bald kürzer oblong, convex, vorn 
und hinten gerundet. Erstes Vertebrale viel länger als breit, an den Seiten sehr stark aus- 
gebuchtet, zweites so lang als breit oder wenig breiter, das letzte vorn ein halb oder ein Drittel 
so breit als hinten. Ueber alle Vertebralen zieht ein stumpfer Mittelkiel, der aber auf dem ersten 


oft undeutlich und auf dem letzten nur im vorderen Drittel zu beobachten ist. Frontale mit den 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 54 


— 410° — 


= 


Parietalen verschmolzen, eine grosse Platte bildend, die nur hinten eine nach vorn verschwindende 
mittlere Sutur zeigt und nach vorn höchstens bis zum Centrum dieses grossen Kopfschildes 
reicht. Schnauze schwach conisch; Zahnbildung am Oberkiefer kaum angedeutet. Sternum 
zwischen den Abdominalen und Femoralen deutlich stumpfwinklig eingebuchtet und hier also 
erheblich verschmälert, oben an den Gularen zuckerhutförmig abgerundet; mittlere Gularplatte 
spindelförmig, hinten spitzwinklig. 

Das eine Stück ist dunkel hornbraun einfarbig, das andere fast einfarbig schwarz. Die 
Kopfschilder sind verloschen schwarz auf grüngrau gepunktet, bei einem der Exemplare blos 
auf dem Kopfe, bei dem dunklen auch an den Kopfseiten; hier zugleich feine, sehr zierliche 
Querstreifehen auf den Kiefern. Sternum gelb, an den Aussenrändern schwärzlich, ziemlich 
einfärbig bei dem dunklen Stück, mit braunem Umkreis der einzelnen Schilder bei dem mehr 
hornbraunen. Analen und Gularen bei beiden durchaus schwarzbraun. 

Nach Dume&ril-Bibron’s Beschreibung ist "zweifellos der anscheinend mehr kurzovalen 
Panzer tragende St. nigricans. Donndorff eine verwandte Art, doch gehört vorliegende Art 
schwerlich zu dieser Species, die im übrigen noch niemals in Westafrika beobachtet worden ist. 
Von der schwarzen Zeichnung auf Gelb, die den Rückenpanzer des gleichfalls verwandten, wenn 
nicht identischen, St. Adansoni D. B. sp. auszeichnen soll, ist bei unserer Species nichts. 


zu bemerken. 
20. Pelomedusa galeata Schöpff 1792. 


(Schöpff, Hist. Test., p. 12, Taf. 3, Fig. 1 [Testudo]; Dume&ril et Bibron, Erpet. 
gener., Band II, p. 390, Taf. 19, Fig. 2 [Pentony& capensis]; Strauch, Chelonolog. Studien, 
p. 150; Steindachner, a.a. O. p. 1.) 

(= Gehafie Rüppell in Boulenger, Bull. Soc. Zoolog. de France 1880.) 

Nur drei halberwachsene Stücke (zwei gJ und ein Q) aus Brunnen und Pfützen von 
Rufisque bei Dakar, die etwa den Figuren e und f bei G. A. Boulenger a. a. 0. p. 4 
des Separatabdruckes entsprechen. 

Im Allgemeinen sind die vorliegenden Stücke gut übereinstimmend mit Dum&£ril-Bibron's 
Abbildung und Beschreibung, aber der Panzer ist etwas weniger in die Länge gezogen als in 
der genannten Abbildung eines erwachsenen Stückes. Die Rückenschale ist demnach bald länger 
bald kürzer oval-oblong, hinten etwas breiter als vorn; der Rückenkiel erscheint flach und wenig 
erhaben. Beim Männchen zeigt der vordere Sternaltheil mehr geradlinige Seitenränder und 
bildet somit ein deutlicheres gleichschenkliges Dreieck mit abgerundeter Spitze, während beim 


Weibchen derselbe Theil ein sphaerisches Dreieck mit nach aussen convexen Seiten bildet. 


— hl 


Maasse: 3 
Länge des Rückenpanzers in der Mittellinie . . 168 175 mm 
Grösste Breite desselben. . - ». .......127. 123 » 
Länge des Bauchpanzers in der Mittellinie . . 144 140 » 
Grösste hintere Breite desselben . . . . .....61 60 » 


Das eine Männchen wurde lebend mitgebracht und mir zur Pflege übergeben. Es wog 
bei seiner Ankunft am 1. December 1880 genau 700 gr. und, da es trotz häufiger warmer Bäder 
und einer mittleren Temperatur von 16—18° R,, in der es den Winter über gehalten wurde, 
wenig frass, am 8. Januar 1881 nur 645 gr. Augenblicklich — am 20. März 1381 — wiegt es 
wieder 650 gr. Seit einigen Tagen geht es den vorgeworfenen Regenwürmern scharf zu Leibe. 
Fleisch nimmt es gerne an, verdaut es aber sehwer und ist besser mit Würmern, in Ermangelung 
derselben mit Mehlwürmern zu füttern. Es ist im allgemeinen auch im Winter sehr beweglich 
und munter gewesen. Angefasst, vertheidigt es sich sehr wirksam mit seinem Urin, den es 
seinem Angreifer sehr geschickt entgegenzuspritzen im Stande ist und von dem ihm immer 
sehr beträchtliche Quantitäten zu Gebote stehen. Seine Beissversuche sind dagegen im allge- 
meinen schüchtern. Sein Gang ist relativ weniger laut und polternd als der der ächten Land- 


und Süsswasserschildkröten. 


Batrachia. 
Ordnung 1. Anura. 


Familie I. Bufonidae. 
21. Bufo regularis Reuss 1834. 

(Reuss, Museum Senckenberg. Bnd. I. 1834 p. 60; Günther, Cat. of Batr. Sal. Brit. 
Mus. 1858 p. 59 part. (pantherinus); Steindachner a..a. O. p. 10 (pantherinus); Bou- 
lenger, Proc. Zool. Soc. 1880, p. 560, Taf. 52.) 

Ueberall häufig, so in Fundium, Rufisque und Nianing und zu Milliarden in 
Dakar, hier in jungen Exemplaren im September auf Grasplätzen und in den Gärten auf 
Schritt und Tritt. 

Die Hinterseite der Oberschenkel zeigt fast ausnahmslos einen oder mehrere grosse pracht- 
voll carminrosa gefärbte Flecke, die auch Günther a.a. 0. p. 59 unter B. pantherinus 


u— z Afrika erwähnt. Ein Stück von Fundium zeigt überdiess auch noch in der Achselhöhle 


— 42 — 


einen gleichgefärbten Flecken. Nur ein glänzend schwarzgraues, sehr warziges Exemplar von 
Nianing, dem eigentliche Dornspitzen fehlen und das mattschwarze grosse Rückenflecke und in 
die Länge gezogene Parotiden besitzt, zeigt kein Carmin auf der Hinterseite der Oberschenkel. 

Junge Stücke zeigen stets eine schmale weisse oder gelbe Vertebrallinie, haben meist ver- 
hältnissmässig längere und schmälere Parotiden und mehr distincte Fleckenzeichnung auf 
Rücken und Gliedmaassen. Sie entsprechen Boulenger’s und meiner Ansicht nach voll- 
ständig dem B. guineensis Günther-a. a. O. p. 59. Ganz junge Stücke sind sogar drei- 
streifig, d.h. sie haben ausser dem Rückenstreif jederseits noch einen von dem Vorderende der 
Parotiden beginnenden, bis in die Weichen verlaufenden breiten hellen Längsstreifen. Aelteren, 
ausgewachsenen Exemplaren fehlt dagegen der Vertebralstreif eben so constant, wie er bei den 
jungen regelmässig aufzutreten pflegt. Der Uebergang von der einen Tracht zur andern ist 
bei mehreren der vorliegenden Stücke sehr gut zu beobachten und die Zugehörigkeit beider 


Formen zu einer Species ist über allen Zweifel erhaben. 


Familie ZI. Polypedatidae. 
22. Hyperolius cinctiventris Cope 1862. 

(Cope in Proceed. Acad. Nat. Se. Philadelphia 1862 p. 342.) 

Es liegen zwei weibliche Exemplare einer kleinen Hyperolius-Art von Nianing vor, die 
im ganzen gut auf die oben genannte Diagnose sich beziehen lassen. 

Der Körper ist zwischen den Vorderextremitäten am breitesten. Die Zunge ist nicht viel 
länger als breit und hat die Form eines tief eingeschnittenen Kartenherzens. Finger ein Drittel, 
Fuss ‚zwei Fünftel mit Schwimmhäuten versehen. Haut oberseits überaus fein granulirt mit einzeln 
eingestreuten grösseren Tuberkeln, die ziemlich gleichmässig über die ganze Oberseite zerstreut 
sind, zwischen Auge und Achsel aber meist etwas dichter stehen. Pupille horizontal. Sonst ganz 
mit Cope’s Beschreibung übereinstimmend. 

Färbung gelbweiss, über und über mit Graubraun auf’s Feinste gepunktet, so dass das 
Thierchen ohne genaueres Zusehen graulich erscheint; eine mehr oder weniger deutliche schwärz- 
liche nach oben hell eingefasste Seitenlinie vom Nasenloch durch’s Auge und bei einem der beiden 
Exemplare bis in die Weichen ziehend. Die granulirten Theile der Körperunterseite weiss, die 
nicht granulirten und überdies der Oberarm und der ganze Oberschenkel schmutzig fleisch- 
farben, nicht schwarz, wie Cope sagt. 

Nach Hrn. G. A. Boulenger, dem ich für seine Aufschlüsse betrefts dieser Species zu 


besonderem Dank verpflichtet bin, ist auch 2. citrinus Günther (Procced. Zool. Soc. 1864 


p. 311, Taf. 27, Fig. 2), den neuerdings auch Steindachner a. a 0. p. 10 von Taoue 
im Senegal angibt, mit der vorliegenden durch die auffällig tiefe Postgularfalte sehr gut characte- 
risirten Species identisch. Leider gestattet mir die kurze Beschreibung Günther’s, der 
seine Art gleichfalls vom Senegal erhielt, nicht, die Wahrscheinlichkeit dieser Angabe zu be- 
stätigen. Die Abbildung Günther’s zeigt ein etwas schlankeres und mit relativ etwas längerem 


Oberschenkel ausgerüstetes Thierchen als die uns vorliegende Form. 


Maasse: OD 
Rörpenlane ee DerTzenm 
Grösste Breite in der Axillargegend . 10 8ls » E 
Viordere@Extremität ee Ser‘ » 
Eintereälixtremitäf 2 22.0 0 022.227273350:28 » 
Länge der Tibia im Fleische . . .-10. 9 » 
Breite zwischen den Mundwiniken . 8 6la » 


Familie III. Ranidae. 
23. Rana galamensis D. B. 1841. 
(Dumeril et Bibron, Erpet. gener., Bnd. VII. p. 367; Günther, Cat. Batr. Sal. 1858 p. 19.) 


. 


Nur ein schönes Stück von Nianing. 

Verglichen mit Dum6ril-Bibron’s Diagnose ist unser Frosch dieser Art jedenfalls sehr 
nahe verwandt, aber ohne jede Spur eines Drüsenwulstes auf den Rückenseiten,; das Trommel- 
fell ist wenig dunkler als seine Umgebung, auch fehlt die schwarze Seitenbinde. Die dritte Zehe 
der Hinterfüsse ist etwas länger als die fünfte; die Zunge, wie sie Dum6ril-Bibron von dieser 
Art beschreibt, hinten auffallend wenig ausgerandet, auch die auffallend kurze Schwimmhaut 
der Hinterfüsse stimmt mit der Diagnose. 

Statt braun ist unser Stück schmutzig aschgrau; vom Nasenloch aus verlaufen zwei seitliche 
breite silberweisse Längsbinden, die eine über dem Auge bis in die Analgegend, die andere unter 
dem Auge und Trommelfell bis in die Weichen. Unterseits uniform silberweiss, Hinterbeine 


fleischfarbig. Sonst ganz wie Dume&ril-Bibron’s Beschreibung. 


24, Rana Bibroni Hallow. 1845. 
(Hallowell in Proceed. Acad. Nat. Soc. Philadelphia 1845, p. 249; Günther, Cat. 
Batr. Sal. 1858, p. 18.) 
Herr Professor W. Peters, der R. Bibroni in Von der Decken, Rept., p. 17 mit 


R. nilotica Seetzen identificirt, vermuthet beim Männchen der ersteren Art äussere Schallblasen- 


— 44 — 


schlitze, die der mir vorliegenden Species, die vollkommen mit Hallowell’s Diagnose über- 
einstimmt, fehlen. Ich glaube aus diesem Grunde der Hallowell’schen Art Speciesrecht zu- 
gestehen zu müssen und nenne die zahlreich von Nianing vorliegenden Stücke demnach 
R. Bibroni Hallow. 

Bei fünf Stücken dieser Art ist die helle, rosa gefärbte Rückenlinie sehr deutlich, bei den 
übrigen neun Exemplaren fehlt dieselbe. Rückenfarbe hell aschgrau bis olivengrün. Die acht 
schmalen Längswülste des Rückens sind deutlich entwickelt und darauf stehen zahlreiche recht- 
eckige schwarzumrandete Längsflecken. Zwischen Auge und Nasenloch ein schmaler, scharfer, 
schwarzer, vor dem Auge etwas nach abwärts gebogener Frenalstrich. Ein weisser Streif von unter- 
halb des Auges bis zur Schulter. Der Unterkiefer ist seitlich mit mehreren dunklen Makeln ver- 
sehen. Auf der Hinterseite der Oberschenkel zwei lehmgelbe, oft in Flecken aufgelöste Längsbinden. 

Alle vorliegenden Stücke haben etwas mehr als halbe Schwimmhäute an den Hinterfüssen. 
Ein schwacher innerer Tuberkel auf der Planta des Fusses ist namentlich bei etwas ein- 
getrockneten Stücken mitunter zu beobachten. 

Der Unterschied von R. Bibroni und unseren Exemplaren von AR. mascareniensis D. B. 
aus Madagascar ist so gering, dass aufmerksame Vergleichung dazu gehört, beide Arten von 
einander zu unterscheiden. Aber R. Bibroni Hall. hat beim Männchen keine äusseren Spalten 
für die Schallblasen neben den Kieferrändern und zeigt neben einigen Abweichungen in der 
Körperzeichnung auch die Knötchen an den Gelenken der Zehenunterseite und die Prominenzen 
auf der Planta der Hand etwas stärker entwickelt als die madagassische Species; im übrigen 
finde ich aber eine grosse Uebereinstimmung zwischen beiden Arten. R. mascareniensis besitzt 
im männlichen Geschlecht dagegen äussere Schallblasenschlitze parallel mit und sehr nahe den 
Kieferrändern, während bei R. nilotica nach Hrn. Prof. Peters’ gütiger Mittheilung diese Schlitze 
weiter vom Kieferrand entfernt und gegen die Vorderextremität hinuntergerückt erscheinen. 

Ob auch Steindachner’s R. supereiliaris a. a. ©. p. 10 hierher zu rechnen ist, wage 
ich ohne Kenntniss der Originalexemplare nicht zu entscheiden; R. superciliaris Günth. — nilotiea 
Seetz. Peters dürfte nach Günther’s Abbildung aber .noch weit spitzschnäuziger sein als die 


uns vorliegende Art und sicher eine andere verwandte Species repräsentiren. 


95. Rana trinodis nov. spec. 
(Taf. I, Fig. 22— e.) 
Char. Corpus gracile, dorso longitudinaliter octoplicatum; caput antice acuminatum, 


oceipite convexiusculo, rostro protracto, acutissimo. Digiti pedis plus quam °, palmati, plantae 


— Ale 


tuberculis ternis instructae, scil. uno ad basin hallucis, altero minus valido sed aequa fere 
magnitudine ad basin digiti quarti, tertio rotundato in calce sitis. Aperturae externae vesicarum 
clamatorium prope rietum oris desunt. Supra griseo-olivacea, maculis nigris subrotundis et taeniis 


tribus angustis flavidis ornata. Macula distineta nigra ad latera maxillae inferioris infra oculum. 


Maasse: - Korperläneem nn 44: 48 mm. 
Vordere. Extremität . ... . 2! 23 » 
Hintere. Extremität . . . . 66 73 » 
TibiaxımaBleische ey 30222029 29a > 
Breite der Maulspalte . . . 13!e 15 » 


Ein jüngeres Stück aus dem Sumpf beim grossen Dorf Dakar; 15 Exemplare von Rufisque. 

Diese durch die drei Tuberkel der Fussfläche sehr ausgezeichnete neue Art zeigt einen 
schlanken und zugleich kräftigen Körperbau. Der Kopf ist verlängert, die Schnauze vorn auf- 
fallend zugespitzt und nasenartig über den vorn quer abgestutzten Unterkiefer vorgezogen. Das 
Nasenloch steht der Schnauzenspitze näher als dem Auge. Der Hinterkopf ist etwas mehr convex 
aufgetrieben, als dies gewöhnlich bei der Gattung Rana der Fall ist. Das Trommelfell misst zwei 
Drittel des Augendurchmessers und entspricht in seiner Ausdehnung der Breite der Knochenbrücke 
zwischen den beiden Orbitalkreisen. Die Zunge zeigt sich wie bei Rana esculenta gestaltet, die 
Tuben sind doppelt so gross als die Choanen. Die Vomerzähne stehen auf nach hinten con- 
vergirenden Querleisten, die am inneren Vorderrand der Choanen beginnen und einen Zwischen- 
raum zwischen sich freilassen, der der ungefähren Länge einer Vomerzahnreihe entspricht. Der 
Unterkiefer ist vorn mässig zweimal gebuchtet. Die Vorderextremität ist relativ kurz, der vierte 
Finger kleiner und zarter als der zweite, der Daumen wenig länger als der letztere. Die 
Knötcheu an der Unterseite der Fingergelenke sind gut entwickelt. Palma der Hand mit zwei 
rundlichen und einem sehr mässig entwickelten länglichen Tuberkel, letzterer an der Basis des 
vierten Fingers. Deutliche Spannhaut am Grunde sämmtlicher Finger. Die im Tode fast immer 
stark nach hinten gestreckte Hinterextremität ist kräftig gebaut, die fünfte Zehe etwas länger 
als die dritte. Die Knötchen an der Unterseite der Zehengelenke sehr gut entwickelt. Planta 
des Fusses mit drei immer gut ausgebildeten Tuberkeln, der gewöhnlichen etwas schneidigen 
Schwiele an der Basis der ersten Zehe, einem gleichgrossen, aber stumpferen, schiefgestellten 
Tuberkel an der Basis der vierten und fünften Zehe und einem rundlich-conischen an der 
eigentlichen Ferse. Die beiden letztgenannten Schwielen sind überdies durch weisse Farbe immer 
deutlich markirt. Haut oberseits mit acht schmalen, ziemlich undeutlichen Längsfalten, von 


denen die beiden äussersten besser entwickelt zu sein pflegen. Die äusserste, mehr seitlich 


— 416 — 


gelegene Falte ist meist durch weisse Farbe ausgezeichnet. Eine weitere drüsige Hautfalte zieht 
von unterhalb des Auges bis in die Axillargegend.. An den Seiten des Rumpfes und in der 
Aftergegend ist schwache Granulation zu bemerken; im übrigen ist die Haut vollkommen 
glatt. Aeussere Oeffnungen für die Stimmsäcke an den Mundwinkeln fehlen allen vorliegenden 
Exemplaren. 

Färbung oberseits grüngrau, olivengrau oder schwarzgrün, immer mit 3 schmalen, weiss- 
gelben oder weissen Längslinien. Zeichnung aus runden, schwarzen, über die Längsfalten des 
Rückens hinausgreifenden, ziemlich symmetrisch gestellten Makeln bestehend; immer je 2 Makeln 
auf dem oberen Augenlid; oft auch ein schwarzer, verwaschener Frenalstreif. Trommelfell 
dunkel mit heller Centralmakel. Falte unter dem Trommelfell weiss. Beine quergebändert, 
Schenkel hinten gelbweiss und schwarz längsgestreift; mitunter die schwarzen Streifen in kleine 
Makeln aufgelöst. Unterseite wachsgelb einfärbig, an den Seiten des Unterkiefers gerade unter 
dem Auge immer ein tiefschwarzer Fleck. 

Bei dem jungen Stücke von Dakar sind die 8 Längsfalten des Rückens noch nicht sehr 


entwickelt, sonst aber ist es den Exemplaren von Rufisque vollkommen gleich. 


Unsere Species erinnert, abgesehen von der viel mehr conisch zugespitzten Schnauze, 
unter den mir genauer bekannten Arten im Habitus sehr an AR. mascareniensis D. B. und 
Bibroni Hallow., hat auch wie letztere Art im männlichen Geschlecht keine ‚äusseren seitlichen 
Schlitze für die Stimmsäcke, unterscheidet sich aber leicht von allen verwandten afrikanischen 


Arten dieser Gattung durch die 3 deutlich entwickelten Fusstuberkel. 


26. Rana occipitalis Günth. 1855. 

(Günther, Cat. Batr. Sal. Brit. Mus. p. 130, Taf. 11; Steindachner a.a. 0. p. 10.) 

1 Exemplar im Grase in Dakar, zahlreiche sehr grosse Stücke, theils Männchen, theils 
Weibchen, von Rufisque. 

Mit Günther’s Abbildung vollkommen übereinstimmend und auch von der a. a. O. 
p. 130 gegebenen trefflichen Diagnose in nichts abweichend. Längs der 1. und 5. Zehe des 
Hinterfusses und etwas an sie angedrückt, läuft äusserlich je eine starke Hautleiste, die als 
äusseres Schwimmhautrudiment des sehr vollkommen für das Wasserleben eingerichteten Fusses 
betrachtet werden muss, und auf die Günther gleichfalls schon aufmerksam gemacht hat. 
Nachzutragen ist vielleicht, dass die Seiten des Oberkiefers beiläufig mit 5 dunklen Querbiuden 


geziert sind, so dass die Kopfseiten annähernd schachbrettartig gewürfelt erscheinen. 


— Ale = 


Maltzania nov. gen. Ranidarum. 


Char. Aff. gen. Pyxicephalo Tschudi, sed capite multo majore, rostro acutiore, lingua 
postice leviter. solum emarginata, dentibus vomeris duos acervulos subhorizontales breves sed 
altos inter choanas formantibus. Tubae choanaeque magnitudine fere aequales. Tympanum 
maximum, bulbum’ magnitudine aut aequans aut fere superans, Digiti manus liberi, pedis basi 


modo breviter palmati. Caeterum ut Pyxicephalus Tsch. 


Dieses plumpe, in der Tracht etwas an Pelobates erinnernde Froschgenus steht unter 
allen mir bekannten Ranidengattungen den afrikanischen Pyzxicephalus Tschudi am nächsten, 
unterscheidet sich aber durch folgende Kennzeichen genügend von denselben. Der Kopf ist 
sehr gross, viel grösser als bei Pyxicephalus und nimmt über zwei Fünftel der ganzen Körper- 
länge ein, ist auch vorn in viel stärkerem Bogen nach abwärts gewölbt und die Schnauze 
etwas mehr zugespitzt als bei Pyxicephalus. Auf dem Frontale und den Nasalen adhärirt die 
Haut des Schädels und lässt hier die narbige Oberflächenstructur der genannten Kopfknochen 
durchblicken. Maulspalte sehr gross. Die Zunge ist flach, breit oval, auf allen Seiten etwas frei, 
hinten im übrigen weit weniger frei als bei der Gattung Rana und hier nur sehr schwach aus- 
gerandet. Die Vomerzähne stehen auf rundlichen Häufchen genau zwischen den inneren Nasen- 
öffnungen und sind kräftig entwickelt und relativ hoch. Tuben und Choanen haben fast gleiche 
Grösse. Das sehr grosse Trommelfell übertrifft das Auge fast an Ausdehnung oder ist wenigstens 
von gleicher Grösse. An der Seite des Körpers läuft eine starke, die Gliedmaassen mit einander 
verbindende und dieselben theilweise einhüllende Hautfalte. Auch der Oberschenkel ist von 
faltiger Haut umgeben. Die Finger sind ganz frei, die Zehen nur am Grunde mit sehr derber 
Schwimmhaut versehen. Alles Uebrige ziemlich wie bei Pyzwicephalus;, so die Ausrandung der 
Unterkieferspitze in 3 kräftige Knochenzapfen, die starke Entwicklung der Ossa palatina, die 
grosse Grabschwiele am Os cuneiforme primum und endlich auch die Färbung und Zeichnung 


des Körpers. 


Da nur ein Exemplar vorliegt, dem sowohl äussere wie innere Schlitze für den Stimmsack 
mangeln, lässt sich über die Geschlechtsunterschiede vorläufig nichts sagen. Ich vermuthe 


übrigens in dem vorliegenden Stück ein erwachsenes Weibchen. 


Zu dieser neuen, den verehrten Reisenden Freiherrn Herm. und Freifrau Agn. von 


Maltzan gewidmeten Gattung rechne ich als einzige Art: 
Abhandl. d, Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 


or 
or 


— 48 — 


27. Maltzania bufonia nov.. spec. 
(Taf. I. Fig. 3 a—e.) 


Char. Corpus magnum, membris satis compactis. Supra sordide olivacea, maculis atque 
in membris taeniis obscurioribus notata, linea dorsali angusta flava; subtus tota sordide flava 
unicolor. Tympanum obscurum, signo lunari albo ornatum. 

Long. corporis 87, membr. anter. 50, poster. 113 mm; long. rictus oris 331e, lat. 
max. capitis 39 mm. 

Der plumpe krötenartige Körper ist gross mit unförmlichem Kopfe und fast halbzirkelförmig 
nach abwärts gewölbter Schnauze. Die Frenalgegend bildet zwischen Schnauzenspitze und Auge 
eine breite, sehr flache Vertiefung. Die äussere Nasenöffnung steht dem Auge etwas näher als 
der Schnauzenspitze. Der Zwischenraum zwischen den Augen ist etwas kleiner als der Durch- 
messer eines Auges. Die gelbe Mittellinie auf dem Frontale liegt etwas vertieft. Hinterkopf 
oben jederseits hinter dem Auge etwas gewölbt und aufgeblasen. Vom Unterrand des Auges 
ober dem Trommelfell weg und dasselbe hinten winklig einfassend läuft eine schwache Knochen- 
leiste. Oberkieferzähne sehr kräftig. Tuben weit nach hinten gerückt. Die drei Knochen- 
protuberanzen am vorderen Theil des Unterkiefers schr entwickelt, die seitlichen breit, scharfrandig, 
höher als die mittelste, alle drei in entsprechende Gruben des Oberkiefers passend. Haut glatt; 
flache Wärzchen nur an den Körperseiten. Finger und Zehen mit sehr undeutlichen Gelenkhöckern. 
Zweiter Finger der Hand kleiner als vierter. Eine schwach entwickelte Schwiele an der Basis 
des Daumens. Zehen des Fusses nur mit ein viertel Schwimmhaut; eine sehr kräftige, dicke, 
schief gestellte sphaerisch-dreieckige Grabschwiele, deren freier Rand mässig schneidig ist, an 
der Basis der ersten Zehe. Dritte Zehe etwas länger als fünfte. 

Färbung schmutzig olivengrün mit grossen, dunkler olivengrünen Flecken und Makeln über 
und über besät. Eine feine gelbe Mittellinie von der Schnauze über den Rücken bis zum After. 
Seitentheile schmutzig gelbgrün; vom Oberkiefer zum Auge laufen drei breite dunkelgrüne Quer- 
binden.‘ Trommelfell dunkel mit horizontalem hellem Mondfleck. Hinterschenkel mit drei bis 
vier breiten, dunklen Querbinden. Unterseite schmutzig grünlich gelb; Kopfunterseite und Weichen 
sowie die hintere Seite des Oberarms satt citrongelb. 

Das einzige vorliegende Exemplar wurde aus einem Uferloch an einer Pfütze bei Ruf isque 


ausgegraben. Es dürfte nach Art von Pelobates und Pyzicephalus ein amphibisches Leben führen. 


Erklärung der Tafel. 


Fig. 1. Sphenops meridionalis Günther von Dakar. a. Totalansicht in anderthalbfacher natürlicher Grösse. 
b. Kopf von oben und c. Kopf von der Seite in vierfacher, d. Vorderextremität in vierfacher und 
e. Hinterextremität in dreifacher Vergrösserung. 

Fig. 2. Rana trinodis n. sp. von Rufisque. a. Totalansicht, d. Kopf von unten und c. Inneransicht des 
Maules in natürlicher Grösse, d. Hand in doppelter und e. Fuss in anderthalbfacher Vergrösserung. 

Fig. 3. Maltzania bufonia nov. gen. et sp. von Rufisque. a. Totalansicht, d. Kopf von der Seite, c. Inner- 
ansicht des Maules, d. Hand und e. Fuss, alles in natürlicher Grösse. 


INS UR NEN 


I h\ 


Beitrag zur Krustaceenfauna von Madagascar. 


Von 


Dr. H. Lenz und Dr. F. Richters. 


Im Mai 1880 erhielten das Senckenbergische Museum durch die Güte des Herrn 
Ebenau, das Lübecker schon im Februar durch die Güte des Herrn Reuter, eine reiche 
Sendung Naturalien von Nossib&, und im Herbst desselben Jahres folgten eine weitere Sendung 
des Hrn. Stumpf für das Senckenbergische Museum, sowie des Hrn. Reuter für das Lübecker 
Museum von derselben Oertlichkeit. Nachfolgende Zeilen geben nun eine Uebersicht der unter 
diesem Material vorgefundenen Krebsarten, sowie die Beobachtungen, zu denen dieselben 
Gelegenheit boten. 

Majidae. 

1. Micippe philyra Herbst var. mascarenica Kossm. M. 8.*) 1 d. 

Das Männchen stimmt in Stirn- und Handbildung mit dem Weibchen. M. philyra var. 
latifrons Richters, Meeresfauna v. Mauritius, p. 142 Taf. XV. Fig. 1, ist also nicht das 


Männchen der var. mascarenica. 


Cancridae. 


2. Epixanthus frontais M. Edw.M.S.I1Q M.L*)ı1dg. 

3. Etisus dentatus Herbst M. L. 1. Neu für Madagascar. 

4. Etisus utilis Hombr. u. Jaqg. Voy. au pöle Sud. Crust. pl. I. Fig. 6; Heller, 
Novara-Exp. p. 16. 

Bei den von Heller angegebenen 8 Seitenzähnen ist der Orbitalzahn mitgezählt. Dieser 
ist kürzer und stumpfer, als die übrigen 7, welche von gleicher Grösse sind. Heller’s Be- 
schreibung passt im Uebrigen genau auf das vorliegende Exemplar, nur hat das Antibrachialglied 

*) Museum Senckenbergianum. 


**) Museum Lubecense. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 56 


_— 412 — 


an den beiden Vorderfüssen 4 Zähne. Der zweite von innen ist der grösste, der innere etwas 
kleiner; die beiden äusseren sind die kleinsten. Die Farbe des Spiritusexemplares ist nicht braun, 
sondern roth. Länge 65 mm, Breite 95 mm. Neu für Madagascar. 

5. Eurycarcinus natalensis Krauss M. S. 1 J M. L. 1 jung. 

Stimmt recht gut mit der Beschreibung von Krauss, hat aber, übereinstimmend mit 
Hilgendorf’s Beobachtungen, 8 gelbe Flecke statt 6 und ist breiter, als Krauss angiebt. 
Das junge g des L. M. ist ohne Flecken. 

6. Pilumnus vespertilio Fabr. M. S. 2, M.L. 1 und 19. 


Eriphidae. 


7. Eriphia Smithä M. Edw.M.S.1QS M.L.1g. 

8. Eriphia scabricula Dana M. S. 1. 

Neu für Madagascar, aber schon durch Krauss (allerdings als E. gonagra) von Natal. 
durch Hilgendorf von Mozambique, durch Richters von Mauritius bekannt. 

9. Tetralia glaberrima Herbst M. S. 19. 


Neu für Madagascar, bekannt von Natal. 


Portunidae. 


10. Achelous granulatus M. Edw. M. S. 1. 
11. Thalamita erenata Latr. M. S. 19. 
12. Goniosoma orientale M. Edw. M. S.'1 d. 


Neu für Madagascar; durch Heller von den Nicobaren bekannt. 


Gecarcinidae. 


13. Cardisoma carnifex Herbst M..S.1S IQ M.L.39. 

14. Thelphusa depressa. Krauss M. L. ein junges Jg. 

Das vorliegende Exemplar stimmt im Uebrigen mit der Beschreibung von Krauss überein, 
nur ist die rechte Scheere nur wenig grösser, as die linke. Die Scheerenfinger sind fest ge- 
schlossen und denen der linken Hand durchaus ähnlich. Da die Länge unseres Exemplars nur 
15 mm, die Breite 19 mm beträgt, so istes muthmaasslich ein junges Thier, beidem die Scheeren 
noch nicht völlig in ihrer Form ausgebildet sind. Das Abdomen ist nach der Spitze zu im Ver- 
hältniss schmäler, als Krauss dasselbe Taf. II. Fig. 4 c. darstellt. 


Von Madagascar bisher unbekannt. 


— 23 — 


Ocypodidae. 


15. Ocypoda ceratophthalma Fabr. M. S. 7S Expl. M. L. 64 Expl. 

16. Ocypoda Fabricii M. Edw. M. S. 4 Expl. M. L. 2 g. 

17. Ocypoda cordimana Latr. M. S. 2 Expl. M. L. 2 g und 19. 

Hilgendorf verweist mit Recht auf die Constanz in der Ausbildung der Tonleisten als 
wichtiges Merkmal 'zur Unterscheidung der Arten. Aus den zahlreichen uns vorliegenden 
Exemplaren konnten leicht nach der Form der Tonleisten die drei obengenannten Arten ge- 
sondert werden. Dieselbe variirt nach dem Alter ungemein wenig; eine von Hilgendorf nicht 
bemerkte Thatsache ist, dass im Alter bei ceratophthalma eine starke Behaarung längs der Ton- 
leiste auftritt. 

Die vielen Exemplare der ceratophthalma haben eine sehr verschiedene Grösse; ihre Länge 
beträgt 5—35 mm. Sehr deutlich zeigt das Material, dass die junge ceratophthalma keinen 
Stiel auf dem Auge hat; bei den etwa 13 mm langen beobachtet man die ersten Anlagen 
eines solchen und nun nimmt mit der Grösse des Körpers auch die Grösse des Stieles zu, 
während die Tonleiste auch bei den kleinsten Exemplaren völlig ausgebildet ist und so wohl 
das einzige sichere Unterscheidungsmerkmal bildet. 

18. Gelasimus vocans L. M. S. 10 Z 19 

Bei allen Exemplaren grosse Scheere rechts; Finger sehr platt; Stirn schmal; oberer Orbital- 
rand einfach und glatt, unterer einfach und gezähnt; Extraorbitalzahn nach vorn. 

19. Gelasimus Dussumieri M. Edw. M.S. 7 Ex. M. L. bau. 10: 

Grosse Scheere: bei sechs Exemplaren links, bei sieben rechts; Finger weniger platt als bei 
voriger Art, beide mit Rinne. Innenseite nicht, wie Hilgendorf in v. d. Decken III, p. 83 
angibt, einfach gekörnt, sondern constant mit zwei gekörnten schräg verlaufenden Leisten, 
ähnlich denen der vorigen Art versehen. Oberer und unterer Orbitalrand doppelt und gekörnelt; 
Extraorbitalzahn mehr nach aussen. Unter dem Material des M. S. sind noch drei Formen, die 
aber nicht mit Sicherheit mit beschriebenen Arten zu identificiren sind. 

20. Gelasimus annulipes Latr. M. L. 3 Expl. g. 

Auf unsere Exemplare stimmt vollständig das von Hilgendorf in v. d. Decken, III, p. 85 
und Berl. Monatsb. 1878, p. 803 ff Gesagte. Die Leiste an der Innenseite der Hand ist ungekörnt. 

21. Macrophthalmus Grandidieri Alp. M. Edw. M.S. 138 39. M.L. 15Q 29. 

Unsere Expl. stimmen genau mit der Beschreibung von Alp. M. Edwards in Deser. des 


Crust. nouv. de Zanzibar et’ de Madagascar in Arch. du Musee IV, p. 84—85, pl. 20, Fig. 8-11. 


— 4244 — 


Der Vorderrand des ersten grossen Seitenzahns berührt die Spitze des vor ihm stehenden 
Orbitalzahns, so dass nur ein ganz schmaler Schlitz zwischen beiden bleibt. Das Armglied hat 
an seinem vorderen inneren Rande einen spitzen Zahn, welcher noch ein wenig grösser ist, als 
der am Grunde der Innenseite der Hand sich befindende. Der breite, auf der Schneide granulirte 
Zahn des unbeweglichen Fingers sitzt in der Mitte und nimmt etwa ein Drittel der Länge desselben 
ein. Der bewegliche Finger ist unregelmässig gebogen, an der inneren Seite und auf der Schneide 
lang behaart, er trägt nahe am Grunde, zwischen der Behaarung versteckt, einen ähnlichen Zahn, 
wie der obige, der nur ein wenig schmäler ist. Edward’s Figur ist gut, nur fehlt in der 


Figur 8 der Zahn am beweglichen Finger, in Figur 10 ist er richtig gezeichnet. 


Beim Weibchen ist die Schale im Verhältniss ein wenig länger als beim Männchen; die 
Scheeren sind klein; Arm, Handglied und beweglicher Finger auf der oberen scharfen Kante 
mit langem, bräunlichem Haar besetzt. An der Aussenseite zieht sich am oberen Rande eine 
Körnerreihe entlang, die obere Hälfte der Hand ist überdies fein gekörnt, die untere Hälfte 
der Länge nach schwach rinnenförmig, die untere Kante scharf. Der unbewegliche Finger hat 
an der Aussenseite dicht am unteren Rande eine vorspringende Linie. Bei geschlossenen Fingern 
bleibt nur ein schmaler Raum frei. Die Schneide des beweglichen Fingers trägt in der Nähe 
des Grundes einige kleine Höckerzähnchen, der unbewegliche Finger im mittleren Drittel eine 
Reihe feiner Zähne. Das Abdomen ist sehr breit. Alles Uebrige wie bei den Männchen. 

Neu für Madagascar; bekannt von Zanzibar., 

22. Macrophthalmus Polleni Hofim. Rech. s. l. faune de Madag. p. 19, Figur 27 — 30. 

M.S. 4 Exp. M.L.1dg 29. Fig. 24—27. 

In der Hoffmann’schen Beschreibung ist die Breite der Stirn gleich !/, der Länge des 
Augenstiels angegeben; bei unseren Exemplaren ist die Stirn 4,5 mm breit, die Augenstiele 
5 mm lang. Am Seitenrande befinden sich, incl. des Orbitalzahns, vier nach hinten allmälig 
kleiner werdende Zähne. Der Zahn am Vorderrande des Femur findet sich nur beim zweiten 


bis fünften Fuss. 


Die Hoffmann’schen Abbildungen sind wenig correct; Figur 27 stellt nach den Scheeren 
zu urtheilen ein @ dar, obgleich es nach dem Text ein Z' sein soll; auch die Figuren 28 und 29, 
welche sich allerdings eher als Scheeren eines g' deuten lassen, sind keineswegs genau, wir 
geben deshalb nochmals den Umriss einer Schale und die Abbildungen der vorderen Füsse des 


g sowie des Abdomens von Z und 9. 


Beim Q@, dessen Schale mit der des ' übereinstimmt, ist das Abdomen sehr breit (Figur 27), 


— LI N — 


die Scheeren sind schmächtig; von den Fingern lässt nur der unbewegliche auf der inneren 
Schneide eine feine Zähnelung erkennen, 

Länge J' 30 mm @ 32 mm 

Breite Q 43 mm 9 42 mm. Grösste Breite des Abdomens 30 mm. 

23. Macrophthalmus Bosci Aud. M. L. 1 dQ. 


Neu für Madagascar; bekannt von Natal. 


Grapsidae. 
24. Grapsus Pharaonis M. Edw., M.S.2g M.L.192. 
25. Metopograpsus messor Forskal M. S. 1. 


16) 


6. Sesarma bidens de Haan. Die Kammleiste auf dem Rücken des Daumens ist nicht 
bei allen Exemplaren gleich regelmässig ausgebildet, vielmehr, namentlich bei den grösseren, 
durch unregelmässig quer gestellte Höckerreihen undeutlich gemacht und verdeckt. Von der 
S. tetragona ist bidens sofort an dem bedeutend breiteren Abdomen zu unterscheiden, namentlich 
ist das vorletzte Schwanzglied bedeutend breiter als lang. M. L. 13 29. 

27. Sesarma tetragona M. Edw. M.S. 158 89. M.L6g 392. 

28. Sesarma quadrata Fabr. M.-S. 18 62%. M.L.1G. 

Neu für Madagascar, aber von Natal und Zanzibar bekannt. 

Calappidae. 

29. Calappa tuberculata Herbst. M.S. 4. M.L. 1. 

30. Matuta victor Fabr. Unsere Exemplare stimmen völlig mit den Bemerkungen Hilgen- 
dorf’s in v. d. Decken III, p. 93. Die geriefte Leiste auf der Aussenseite des beweglichen 
Fingers und das Leistensystem in der regio pterygostomica sind bei allen männlichen Exemplaren, 
MS. 5.2 9. «ML, 3a 9 

31. Matuta distinguenda. Hofim. M. S. 3 Exp. M. L. 1. 


Leucosidae. 
32. Leucosia Urania Herbst M. S. 1 Expl. 
Neu für Madagasear; durch Ehrenberg aus dem Rothen Meer bekannt. 
33. Philyra scabriuscula Leach. M.S.1g M.L.1g. 


Neu für Madagascar; bekannt von Zanzibar. 
Hippidae. 
34. Remipes testudinarius Latr. M. S. 1 Expl. 


Neu für Madagascar; bekannt von Zanzibar und den Mascarenen. 
Abhandl. d. Senekenb. naturf. Ges. Bd. XII. 57 


eo 


Paguridae. 

35. Pagurus deformis M. Edw. M. S. 1 Exp. M. L. 1 Expl. 

36. Pagurus miles Fabr. M. S. 31 Expl. M. L. 28 Expl. 

Neu für Madagascar; bekannt von Natal. 

37. Pagurus punctulatus Ol. M.S. 3 Expl. M. L. 4 Expl. 

38. Pagurus guttatus Oliv. M. S. 2 Expl. M. L. 1 Expl. 

Neu für Madagascar; bekannt für Mauritius. 

39. Caleinus tibicen Herbst. M. S. 4 Expl. M. L. 2 Expl. 

40. Caleinus nitidus Heller. M. S. 1 Expl. 

Ein kleiner Caleinus stimmt mit der von Heller, Novara, p. 89, Taf. VII, Fig. 4 
gegebenen Beschreibung und Abbildung recht gut. Das Exemplar weicht nur insofern ab, als 
der Höcker auf der Aussenfläche des Handgliedes »sehr undeutlich« nicht genannt werden kann 
und dass sich auf dem scharfen Oberrande des Handgliedes des rechten Vorderfusses nicht drei 
bis vier, sondern fünf Zähne finden. Auffälliger ist die Abweichung in der Färbung. Das mir 
vorliegende Spiritusexemplar ist ziemlich gleichmässig röthlich gelb, Klauen des zweiten und 
dritten Beinpaares am Grunde mit marineblauer Binde und mit schwarzer Spitze. Das Thier 
scheint eine Farbenvarietät des O©. nitidus zu sein. | 

41. Cenobita rugosus M. Edw. M. S. 1 Expl. M. L. 1 Expl. 

42. Olibanarius longilarsis de Haan. M. S. 1 Expl. 


Neu für Madagascar; bekannt von Zanzibar. 


Porcellanidae. 
43. Porcellana bellis Heller, Novara-Exp.. p. 76, Tab. VI, Fig. 4. M.L. 3 Expl. 


Neu für Madagascar; durch die Novara-Expedition von den Nicobaren bekannt. 


Palinuridae. 
44. Palimurus ornatus Fbr. M. L. 1 Expl. 
45. Palinurus longitarsus Alph. M. Edw. M. L. 1 Expl. 
Unser Exemplar stimmt genau mit Alph. M. Edwards’ Beschreibung, nur sind die 
zweiten und dritten Beinpaare fast von gleicher Länge. 


Neu für Madagascar; bekannt von Zanzibar und Mauritius. 


Alpheidae. 
46. Alpheus sp. M. S. 1 Expl., ohne Vorderfüsse. 


a 


Thalassinridae. 


47. Gebia spec. M. S., ein wegen seines ungenügenden Erhaltungszustandes nicht be- 


stimmbares, kleines Exemplar. 
48. Callianassa madagassa nov. spec. (Fig. 20—23.) M. S. 2 Expl. 


Der Cephalothorax endigt in ein deutliches Rostrum; keine seitlichen Zähne. Das erste 
Bein links ist eine echte Callianassa-Gliedmaasse, wie A, Milne Edwards sie p. 77 und 78 
seiner Revision du genre Callianasse beschreibt; Ober- und Unterrand des Carpus enden in 
einen Dorn; der Unterrand des Unterarmes trägt nahe der Einlenkung in den Oberarm einen 
Dorn. Wesentlich anders ist die rechte Gliedmaasse, an der diese Art sofort zu erkennen ist; 
Oberarm, Unterarm und Carpus wie links, aber kein Dorn am Unterarm und oberhalb des 
Enddorns am Unterrande des Carpus noch drei Dornen; Handglied mit fast löffelförmigem 
unbeweglichem Finger; beide Ränder desselben gezähnt; zwischen den Zähnen Haarbüschel ; 
beweglicher Finger glatt, .auf der Aussenfläche mit zwei den Rändern parallel laufenden Rinnen; 
Ober- und Unterrand kammförmig gezähnt; hinter jedem Zahn des Oberrandes ein Haarbüschel; 
der Finger ist so articulirt, dass der Unterrand desselben scheerenartig neben dem Oberrand 
des unbeweglichen Fingers hergeht. Das siebente Abdominalglied ist klein, wie bei C. armata 


u. Ss. w.; das erste Paar Kaufüsse ist beinartig, Länge 57 mm. 


Palaemonidae. 


Die von Hoffmann von Madagascar beschriebenen Palaemon-Arten unter unserem 
Material zu erkennen, war nicht möglich. In den Beschreibungen fehlt die Angabe eines scharf 
die Arten unterscheidenden Merkmals und die Zeichnungen flössen leider wenig Vertrauen ein, 
denn wenn die Innenantenne bald zweigliedrig (Figg. 66. 68), bald dreigliedrig (Fig. 62), 
bald viergliedrig abgebildet ist, wenn statt drei sich vier Zähne finden (Fig. 68), so erscheint es 
zweifelhaft, ob das Uebrige mit grösserer Correctheit dargestellt ist. P. mayottensis, reunionensis 
und Zongimanus sind schlechterdings nicht von einander zu unterscheiden; in vielen Punkten ist 
in den Beschreibungen fast wörtlich dasselbe gesagt; in andern Unterschiede angegeben, die 
wahrlich nicht auf Anerkennung als Artunterschiede rechnen dürfen. Das Rostrum der Palae- 
moniden gibt nach unserer Ansicht nicht in allen Fällen ein sicheres Unterscheidungsmerkmal ab, 
es ist vielmehr recht variabel. Unter unseren Exemplaren finden sich grössere und kleinere; die 
grösseren, 28 an der Zahl (M.S. 19 + M.L. 9), sind wir geneigt, sämmtlich für dieselbe Art zu 


halten, trotzdem das Rostrum bald ein wenig kürzer, bald ein wenig länger ist, in 6 Fällen zn 5 


x — 4283. — 


- 


= - undin1 - Zähne am Rostrum hat. Nach den Zeichnungen scheinen 


‘zwar die zweiten Beinpaare die genannten Arten zu unterscheiden; man kommt aber von der 


: Sr bo) 
in 2 i 
3 g, nl zymil 


‚Annahme wieder ab, wenn man in der Beschreibung der Figg. 61, 67 liest: chagrinees par des 
tuberosites spiniformes. Die kleineren Exemplare (M. L. 8) sind vielleicht mit parvus Hoffm. 
identisch, jedoch ist auch darüber keine Sicherheit zu erlangen gewesen. 

Leider ist das vorliegende Material unvollständig, insofern den meisten Exemplaren die 
zweiten Beinpaare fehlen; wir schmeichein uns übrigens auch durchaus nicht, wenn das Material 
vollständiger gewesen wäre, bessere Arten als die angezweifelten haben aufstellen zu können. 
Die Palaemoniden sind noch viel zu wenig studirt, um nach wenigen Exemplaren sicher eine 
neue Art aufzustellen. Wo finden wir in den Beschreibungen Rücksicht auf etwaige secundäre 


Geschlechtsunterschiede genommen ? 


Squillidae. 
49. Lysiosquilla (Miers) maculata Fabr. M. S. 19. 


Neu für Madagascar. 
50. Gonodactylus chiragra Latr. M. S. 19, M. L. 2 Expl. 


Hypophthalmus leucochirus, 


ein Krebs aus der Familie Ocypodinae. 
Von 
Dr. Ferd. Richters. 


Fig. 1—10. 


In der Beschreibung des Xenophthalmodes Moebii (Beiträge zur Meeresfauna von Mauritius 
p- 155) erwähne ich eines noch unbeschriebenen Krebses aus der Sammlung des Naturhistorischen 
Museums zu Hamburg, der durch die auffällige Bildung seiner Augen möglicherweise einen 
Schlüssel bietet für das Verständniss der gleichsam zugekitteten Augenhöhlen des Xenophthalmodes 
und uns einen Fingerzeig gibt, wie etwa jene Bildung zu Stande gekommen ‘sein mag. Ich 
habe das Genus Hypophthalmus genannt und gebe in folgenden Zeilen nach einigen allgemeinen 
Bemerkungen über dasselbe eine ausführliche Beschreibung der vorliegenden Art. 

Auf den ersten Blick schon erscheinen die Genera Xenophthalmus, Xenophthalmodes und 
Hypophthalmus als entschieden verwandte Formen: der ganze Habitus, die Form des Cephalos- 
thorax, der Hände, des Abdomens, die Färbung sind so übereinstimmend, dass man glauben 
möchte, nur mit verschiedenen Arten einer Gattung zu thun zu haben. Der Bau des Auges 
zeigt indess Unterschiede, denen jedenfalls nach unserer Auffassung von Systematik generische 
Bedeutung beizulegen ist, Unterschiede, die aber andererseits, vom descendenztheoretischen 
Standpunkte, durchaus nicht gegen eine ganz nahe Verwandtschaft dieser drei Formen sprechen. 
Leider fehlt eine Abbildung der Augen des Xenophthalmus und die Beschreibung ist wenig 
ausführlich und klar; es heisst da: The front with a wide notch. in which are two slits, the 
bottom of each containing one of the eyes; eyes small, seen from above, separated from the 
antennae by a somewhat eylindrical tooth, which runs across the slit. 

Xenophthalmodes hat gar keine Augen; die Grenze der Augenhöble ist erkennbar, letztere 


aber wie mit einem Kitt erfüllt. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 5 


Q 


Die Augen des Hypophthalmus dagegen sind gestielt, ringsum fest vom Augenhöhlenrande 
umschlossen, daher unbeweglich und liegen an der Unterseite des Körpers; selbst durch Kochen 
der ausgeschnittenen Partie in Kalilauge wurde der Zusammenhang zwischen Auge und Augen- 
höhlenrand nicht gelöst. 

Unzweifelhaft spricht dieser Befund für die Auffassung, dass bei Hypophthalmus eine 
Rückbildung, vielleicht in Folge von Anpassung an den Aufenthalt an dunklen Orten, vorliegt. 
Sollte die Anpassung weiter fortschreiten, so liegt jedenfalls die Annahme am nächsten, dass 
die lichtbrechenden und — pereipirenden Organe degeneriren und verschwinden und schliesslich 
eine Form resultirt, deren Augenhöhlen mit den aus der Reduction der Augen hervorgegangenen 
Resten erfüllt sind. Jedenfalls gewinnt diese Annahme an Wahrscheinlichkeit, wenn wir eine 
Krebsform finden, bei der thatsächlich die Augenhöhlen mit einer durch nichts an ein Auge 
erinnernden Masse erfüllt sind wie bei Xenophthalmodes, und andererseits erklären sich die Ver- 
hältnisse bei diesem, so scheint mir, auf keine Weise ungezwungener, als wenn man eine Form 
wie Hypophthalmus annimmt. 

Es ist mir durchaus nicht unwahrscheinlich, dass sich genannte drei Genera von einer 
Krebsform ableiten, die sich dem Aufenthalte an dunklen Orten anpasste und dabei mehrere 
erhaltungsmässige Formen lieferte: bei den einen rückte das Auge auf die Unterseite und verlor 
seine Beweglichkeit, Hypophthalmus; bei andern trat vollständige Rückbildung ohne vorheriges 
Herunterrücken ein, Xenophthalmodes; bei den dritten versenkten sich die Augen in Schlitze 
der Stirn, Xenophthalmus. 

Im ganzen Habitus, am auffälligsten im Bau der Hände sind die drei Genera den Ocy- 
podinae sehr ähnlich. 

Hypophthalmus n. gen., leucochirus n. sp. Kopfbruststück fast viereckig, vordere Ecken 
abgerundet, Rücken schwach gewölbt, mit nicht sehr stark ausgeprägter Felderung, schwach 
behaart; eine stärkere Haarreihe längs dem Vorder- und Seitenrande; Augen von oben nicht 
sichtbar; oberer Augenhöhlenrand fällt mit dem Stirnrand zusammen; unterer Augenhöhlenrand 
hat am inneren Augenwinkel einen stumpfen Zahn; Auge klein, gestielt, unbeweglich, vom Augen- 
höhlenrande fest umschlossen; äussere Antennen im inneren Augenwinkel, Geissel vielgliedrig; 
das vierte Glied des dritten Maxillarfusspaares ist seitlich an dem viereckigen, dritten eingelenkt; 
Carpus viereckig, die vordere, innere Ecke zahnartig verlängert; Hand und Finger porzellan- 
artig, glatt, weiss; rechte Hand kräftiger; beide Hände gekrümmt, Unterrand stark ausgebuchtet, 
Innenränder der Finger mit abgerundeten Zähnen; auf der Aussenseite des unbeweglichen Fingers 


eine Punktreihe; Glieder der übrigen Beinpaare abgeplattet, an den Kanten bedornt und behaart; 


an den Endgliedern drei besonders stark hervortretende Haarreihen; Endglied des fünften Bein- 
paares nach aussen und oben gekrümmt; Abdomen des Männchens siebengliedrig; zweites Segment 
schwäler als das erste, drittes viel breiter, mit gebogenen Seitenrändern. 

Farbe weiss und schwach bläulich (s. Abbild. des Xenophthalmus in der Samarang-Reise). 

Länge 14mm, Breite 19 mm; grösste Spannweite des vierten Fusspaares 81 mm. 

Das eine Exemplar trägt eine Sacculina am Abdomen. 


Fundort wahrscheinlich chinesisches Meer; das Glas trägt die Etiquette Hongkong. 


Erklärung der Abbildungen. 


Fig. 1. Hypophthalmus leucochirus, natürl. Grösse. Fig. 6. Zweiter Maxillarfuss. 

Fig. 2. Mandibel. Fig. 7. Dritter Maxillarfuss. 

Fig. 3. Erste Maxille. Fig. 8. Scheeren des ersten Beinpaares. 

Fig. 4. Zweite Maxille.(bei der Präparation ein wenig | Fig. 9. Ansicht der Stirnpartie von vorn und unten: 
verletzt). ’ Fig. 10. Abdomen des Männchens. 

Fig. 5. Erster Maxillarfuss. 


Limnadia Garretti noV. Sp. 


Fig. 11—19. 

A. Garrett schickte im Frühjahr 1880 dem Museum Godeffroy von Huahine, einer 
Insel der Tahiti-Gruppe, eine Anzahl Exemplare einer Limmnadia ein und hatte denselben 
folgende Bemerkungen beigefügt: »This remarkable Branchiopod was found in abundance in 
a spring near my house at Huahine. On four different oCeasions it occurred, that they appeared 
in large number in a tub of rainwater, caught from the roof. Now it would be most interesting 
to ascertain how they came into the tub. When discovered they were nearly all full grown 
and many carried their eggs. They could not have been bred in the tub, as it was cleaned out 


and thoroushly dried between the rainy spells of weather. Colour of the animal brownish.« 


Um zunächst auf die Frage einzugehen, wie die Limnadien in die Regentonne gelangt 
sein mögen, so ist es natürlich schwer oder vielmehr unmöglich, eine bestimmte Antwort darauf 
zu geben. Möglicherweise ist die Tonne zeitweilig mit Wasser aus einem von Limnadien be- 
wohnten Bach gefüllt, vielleicht auch nur gereinigt worden’ und sind auf diese Weise die Thiere 
eingeführt (dass die Tonne gänzlich ausgetrocknet ist, kommt ja bei der Widerstandsfähigkeit 
der Branchiopodeneier gegen Trockniss nicht in Betracht) oder es können Eier an irgend 
welchen Dingen, die auf dem Dache sich befanden, Schilf, Erde, die von Wasservögeln dorthin 
getragen, sich befunden haben und sind dann mit dem Regenwasser in die Tonne gelangt. 

Von bei weitem grösserem Interesse ist es dagegen, dass durch diesen Fund von diesem 
überhaupt artenarmen Genus eine Art von den Gesellschafts-Inseln bekannt wird. Ausser der 
europäischen Z. Hermanni, kennen wir nur noch eine Art von Mauritius, L. mauritiana Guer. 
und eine von St. Domingo, L. antillarum Baird, immerhin machen es diese vier Vorkommnisse 
wahrscheinlich, dass auch die Limnadien, wie manche andere Branchiopoden, um die ganze Erde 
verbreitet sind. 

Statt einer eingehenden Beschreibung gebe ich hier nur eine Aufzählung der diese Art 
charakterisirenden Momente und verweise im Uebrigen auf Grube’s Arbeit im Archiv für 


Naturgechichte 1865, p. 263 ff. und auf die beigefügten Zeichnungen der neuen Art. 


Die Schale ist länger im Verhältniss zur Höhe als bei ZL. Hermanni; sie ist 6,5—7 mm 
lang, 5 mm hoch, das ganze Thier 2 mm dick. Die Schale hat sieben Anwachsstreifen ; sie 
variirt in der Form; die Zeichnung stellt eine ziemlich hohe Form dar, oft ist sie gestreckter. 
Die Geisseln der äusseren Antennen sind zehngliedrig. Es sind 19 Beinpaare vorhanden; 
nur zwei, das achte und neunte, haben peitschenförmige Anhänge zum Tragen der Eier. 
Letztere werden vorn auf dem Rücken getragen, nicht an der Seite und nicht so weit hinten 
wie bei Estheria; siehe Grube Taf. VIII. Fig. 1. Der untere Ast der borstentragenden Branchial- 
platte ist sehr schmal. Das Thier trägt den Hinterleib abwärts im Gegensatz zu den Beobach- 
tungen von Grube an Z. Hermanni und der Charakteristik, die Claus in seinem Lehrbuche 
von der Gattung Limmadia gibt. Die trapezoidale Endplatte des letzten Segments hat sowohl 
an der vorderen, wie an der hinteren, unteren Ecke einen krummen Dorn (entgegen Grube’s 
Charakteristik des Genus); der fast gerade Hinterrand trägt etwa 18 Dornen, der bewegliche 
Anhang des letzten Segments (Uncus inferus Grube) ist gerade und ist mit Fiederborsten besetzt. 


Sämmtliche Exemplare, die zur Untersuchung vorlagen, waren Weibchen. 


Dr. F. Richters. 


Erklärung der Zeichnungen. 


Fig. 1. Natürl. Grösse. Fig. 6. Kopf von vorn gesehen. 

Fig. 2. Schale 4mal vergr. | Fig. 7. Bein. 

Fig. 3. Thier ohne Schale. Fig. 8. Anhang des achten Beinpaares. 
Fig. 4. Aeussere Antennen. Fig. 9. Endsegment. 

Fig 5. Auge, becherförmiges Organ, innere Antennen. 


Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XTI. h 59 


Richters u. Lenz 


da, 


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LER 


7 


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| 


» 
3 Fig. 1.10 Hypopithatıns Ieucourus Richters. Fig 19 Limnadıa Garrett! Riders. 
‘ 719 20.23. Callianassa madagassa Richters. Fig 2427 Macopiitkalmus Pollen Holfın 


: 


Boettger. 


Frankfurt 8 


Lith Anst.v. Werner & Winter, 


0.Boettger gez 


Die Reptilien und Amphibien von Madagascar. 


Dritter Nachtrag. 
Von 
Dr. phil. Oskar Boettger. 


Mit 5 Tafeln. 


Seit meinen letzten 1878 und 1879 in diesen Abhandlungen erschienenen Nachträgen zur 
Reptil- und Amphibienfauna Madagascars, welch’ letztere Arbeit sich in den Abhandlungen der 
Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft Bnd. XI, 1877 p. 1 u. £. findet, ist mir wieder 
eine so ansehnliche Menge von interessanten madagassischen Objecten durch die Hände gegangen, 
dass ich mich veranlasst sehe, hiermit zum vierten Male und diesmal einen ansehnlicheren 
‚Beitrag zur dortigen Kriechthierfauna zu geben. 

Wesentlich sind es wiederum ungewöhnlich reiche Sammlungen der Herren Carl Ebenau, 
früher in Lukube auf Nossi-B&, jetzt Consul des Deutschen Reiches in Sansibar, und Anton 
Stumpff in Lukube, auf welche die folgenden Untersuchungen basirt sind. Eine überaus 
kostbare individuen- und artenreiche Collection, in der sich sieben für- die Wissenschaft neue 
Arten befanden, erhielten wir im April 1880 durch Herrn C. Ebenau; eine kleinere am 
1. October 1880 und eine ähnlich wie die genannte Ebenau’sche artenreiche und werthvolle 
Sammlung, die gleichfalls sieben für Madagascar neue Formen enthielt, gelangte durch Herrn 
A. Stumpff im Januar 1881 in unsere Hände. Diese drei Collectionen stammen durchweg 
von der Insel Nossi-B& im Nordwesten von Madagascar. Aber auch von Tamatave auf der 
Ostküste von Madagascar erhielten wir im September 1879 durch Herrn C. Ebenau eine 
Flasche mit Reptilien, in der sich ausser anderem ein für Madagascar neuer Gecko befand. 

Auch von anderer Seite erhielt ich übrigens noch werthvolle Objecte, die die madagassische 
Amphibienfauna und unsere Sammlungen bereichern halfen. So hatte ich Gelegenheit im 


October 1830 fünf für das Senckenbergische Museum neue aus dem Osten von Madagascar 


aa 


stammende Batrachier von Herrn Naturalienhändler Gustav Schneider in Basel im Tausche 
gegen andere Madagassen zu erhalten, von denen mir eine Species für die Wissenschaft neu 
zu sein scheint. Endlich war Herr Prof. Dr. Hubert Ludwig in Giessen so freundlich, mir 
die kleine, aber an neuen und interessanten Arten reiche, aus den Nordwest- und Central- 
provinzen stammende Reptilausbeute des so schmählich auf Madagascar umgekommenen Bremer 
Reisenden Dr. Christ. Rutenberg zur Bearbeitung zu übergeben. 

Die relativ ebenfalls recht bedeutenden Sammlungen des Herrn C. Reuter in Nossi-B6, 
der dieselben dem Lübecker Museum zum Geschenk machte, wurden mir durch die Gefälligkeit 
des dortigen Conservators Herrn Dr. Heinrich Lenz gleichfalls grossentheils eingesandt, 
doch ergaben sie leider nicht eine einzige Art, die wir nicht schon früher durch unsere Gönner 
von dort bekommen hatten. 

Das massenhafte Material, das mir so in kurzer Zeit zuströmte, veranlasste mich, in der 
Zwischenzeit wenigstens die neuen Gattungen und Arten zu diagnosticiren, und so entstanden 
die folgenden kleinen Arbeiten: 

1. Diagnoses reptilium et batrachiorum novorum a Carolo Ebenau in ivusula Nossi-Be 


Madagascariensi lectorum in Carus’ Zoologischem Anzeiger 1880, No. 57 p. 279—283. 


wD 


Diagnoses batrachiorum novorum insulae Madagascar, ebenda 1880, No. 69 p. 567—568. 
3. Diagnoses reptilium et batrachiorum novorum ab ill. Dr. Christ. Rutenberg in 
insula Madagascar collectorum, ebenda-1881, No. 74 p. 46—48. 
4. Reliquiae Rutenbergianae II.: Reptilien und Amphibien in Abhandlungen, herausgegeben 
vom Naturwiss. Vereine zu Bremen, Bnd. VII, April 1881, p. 177—190. 
5. Diagnoses reptilium et batrachiorum ab ill. Antonio Stumpff in insula Nossi-Be& 
Madagascariensi collectorum in Carus’ Zoologischem Anzeiger 1881, No. 87 p. 358— 362. 
Ich hatte gehofft, alle madagassischen Reptil- und Amphibienarten, die mir bis jetzt durch 
die Hände gegangen sind und die vorher noch nicht genügend abgebildet worden waren, bildlich 
ausreichend fixiren zu können. Wenn ich diesen Plan hiermit nur theilweise ausführe, indem 
ich nur die von mir neu aufgestellten und in den Sammlungen der Senckenbergischen Natur- 
forschanden Gesellschaft befindlichen Species berücksichtige, so bitte ich das damit entschuldigen 
zu wollen, dass meine Mussezeit schon seit Längerem nicht mehr ausreicht, die massenhaften 
Eingänge an seltenen und neuen Reptilien und Amphibien auf gleich breiter Grundlage in 
systematischer Weise literarisch zu verwerthen, wie ich das bis vor Kurzem gewohnt war. Ich 
weiche diesmal auch in Bezug auf die Beschreibungen von meiner in den früheren die mada- 


gassischen Kriechthiere behandelnden Arbeiten gepflogenen Regel ab, alle Exemplare dem Leser 


— 437 ° — 


vorzuführen, da die Neumaterialien diesmal, wie gesagt, so reichlich eingetroffen sind, dass das 
für die Wissenschaft Neue vor allem eine eingehendere Besprechung verlangt, und dass eine 
Aufzählung aller Eingänge die so schon langathmige Abhandlung ungebührlich vergrössert haben 
würde. Nichtsdestoweniger schmeichle ich mir, mit dieser Arbeit einen wesentlichen Schritt 
in der Kenntniss und in der Unterscheidung der betreffenden Thiere vorwärts gethan zu haben. 

Was die beigegebenen Tafeln anlangt, so habe ich die Batrachier in Farbendruck aus- 
führen lassen. Ich bin mir zwar wohl bewusst, dass manches der abgebildeten Thiere durch 
die Einwirkung des Alkohols an seiner Farbenpracht wesentlich eingebüsst hat, aber ich glaubte, 
da die Sachen sehr frisch in meine Hände gelangt sind, auch die so veränderten Färbungen 
fixiren zu sollen, einmal weil für europäische Forscher wenigstens und für unsere Museen die 
Thiere doch so immer am leichtesten erkannt werden können, und weil zweitens, was Schatten 
und was Farbe sein soll, in blosser Kreidezeichnung stets nur schwierig zu erkennen ist, und 
so das Verständniss von Form und Tracht selbst durch etwas mangelhafte farbige Darstellung 
wesentlich erhöht werden dürfte. 

Schliesslich erlaube ich mir wiederum im Namen der Senckenbergischen Naturforschenden 
Gesellschaft den freundlichen, rastlos in unserm Interesse thätigen Herren Carl Ebenau und 
Anton Stumpff und auch den übrigen genannten Herren nochmals an dieser Stelle den 
aufrichtigsten Dank für ihre im: Dienste der Wissenschaft, zum Theil im Schweisse ihres An- 
gesichts, geleistete Mühewaitung und für ihre uneigennützige Berücksichtigung unseres Museums 


ergebenst auszusprechen. 


Sämmtliche Exemplare der 48 in den folgenden Blättern namentlich aufgeführten Arten 
und Varietäten von Reptilien und Amphibien Madagasears und der Insel Nossi-Be, mit alleiniger 
Ausnahme der von Dr. Chr. Rutenberg auf Nossi-B& und in Central-Madagascar gesammelten 
und im Bremer Museum niedergelegten, und der von ©. Reuter gesammelten und im Lübecker 
Museum aufbewahrten Stücke — letztere übrigens sämmtlich identisch mit den auch von den 
Herren C. Ebenau und A. Stumpff von Nossi-Be an uns eingeschickten Arten —, befinden 
sich, wie die in meinen drei früheren Abhandlungen 1877 — 1879 in diesen Blättern beschriebenen, 


in der Sammlung der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft zu Frankfurt am Main. 


— 438 — 


I. Studien über Reptilien und Amphibien von Madagascar. 


(Mit 5 Tafeln.) 


Reptilia. 
I, Ordnung. Serpentes. 
I. Familie Typhlopina. 
I. Gen. Typhlops Dum. Bibr. 
1. Typhlops (Ophthalmidion) mucronatus Boettg. 
Boettger in Carus’ Zoologischem Anzeiger 1880, No. 57 p. 279. 
(Taf. I, Fig. 1a—f.) 

Char. Corpus pro latitudine longiusculum, antice distincte gracilius quam postice. Caput 
subtruncato-conicum, vertice deplanatum, rostro valde protracto, turgido, rotundato neque 
acuminato. Rostrale supra satis magnum, regulariter late ovatum, postice subacuminatum ; 
nasalia in summo capite valde approximata ibique angustissima; sulcus nasalis e supralabiali 
secundo exiens, nasale non dividens nec nares submedianas transgrediens. Oculi distincti, magni. 
Scuta verticis parva; praefrontale majus latiusque quam frontale; supraocularia obliqua; parietalia 
transversa. Series longitudinales squamarum 24, Squamae praeanales magnitudine non excel- 
lentes. Cauda brevis, sed longior quam Jatitudo capitis, subinvoluta, basi circiter 18 seriebus 
squamarum transversarum tecta, apice acute mucronata, 

Fere unicolor pallide cinerascenti-fuscus, ventre pallidior, marginibus squamarum undique 
obscurioribus. 

Long. total. 378, capitis ca. 9, trunci 362, caudae 7; lat. capitis prope oculos 5/2, 
trunei 9, caudae 71» mm. — Rat. squam. 524—548. 

Hab. in insula Nossi-B& (2 specim.). 

Beschreibung. Körper im Verhältniss zur Dicke auffallend in die Länge gezogen, 
nach vorn deutlich verschmälert. Kopf nach vorn mehr oder weniger conisch zugespitzt, mit 
verrundet-abgestutzter Schnauze und etwas von oben abgeplattetem Scheitel. Schnauzenrand 
stark vorspringend, stumpf verdickt, aber durchaus nicht schneidig zu nennen. Rostrale oben 
ziemlich gross, regelmässig breit oval, nach hinten etwas zugespitzt, unten umgekehrt glocken- 


förmig. Nasalen auf dem Scheitel einander sehr nahe tretend, oft in der Mitte sich berührend; 


— 439 — 


und von hier aus als schmale Bänder links und rechts das Rostrale umfassend; Nasenfurche 
in der Mitte des zweiten Supralabiale beginnend, nach oben das verhältnissmässig grosse, unter 
der Schnauzenkante liegende Nasenloch nicht überschreitend. Das Praeoculare ist schmäler als 
das Oculare und steht unten mit dem zweiten und dritten Supralabiale, das Oculare mit dem 
dritten und vierten Supralabiale in Verbindung. Das vierte Supralabiale ist stark in die Länge 
gezogen und etwa dreimal länger als breit. Von den schuppenförmigen oberen Kopfschildern 
sind nur das Praefrontale, die Supraocularen und die Parietalen etwas durch Grösse vor den 
folgenden Kopfschüppchen ausgezeichnet; sie stehen im Quincunx, die Supraocularen deutlich 
nach hinten und innen, die Parietalen schwach nach vorn und innen gegen einander conver- 
girend. Die Kinnschuppen sind wenig grösser als die darauffolgenden Schuppen des Halses 
und der Körperunterseite. Die Körperschuppen, von welchen in der Leibesmitte 29 Querreihen 
auf 20 mm gehen, sind ganzrandig und stehen in 24 Längsreihen. Bei dem grössten vor- 


liegenden Exemplar zähle ich 545 Querreihen, während nach der Formel Ze er — 548 


20 
berechnet wurden. Die Praeanalschuppen zeichnen sich nicht durch besondere Grösse aus. 
Der Schwanz ist kurz, ziemlich so dick wie lang, aber länger als die Kopfbreite, etwas eingerollt, 
an der Innenseite mit etwa 18 Schuppenquerreihen gedeckt und mit scharfer, schief nach ein- 


wärts gerichteter, kurzer Stachelspitze versehen. 


Färbung. Fast einfarbig heller oder dunkler graubraun, am Bauche wenig heller, alle 


Schuppen mit dunkleren Rändern. Obere Kopfschilder dunkel mit breiten hellen Säumen. 


Maasse. Totallänge des grössten vorliegenden Stückes 378 mm; Länge des Kopfes 
etwa 9, des Rumpfes 362, des Schwanzes 7 mm. Kopfbreite in der Gegend der Ocularen 


5!’ mm, Körperbreite 9, Schwanzbreite 7!’ mm. 


Vorkommen. Bis jetzt nur von Nossi-B& bekannt (Ebenau, Stumpff und Reuter); 


vier Exemplare im Frankfurter und zwei im Lübecker Museum. 


Verwandte. Eine wie der früher von mir beschriebene T. madagascariensis Boettg. 
Madagascar 1877 p. 3, Taf. Ta—f durch 24 Schuppenreihen und auffallend verlängerte Körper- 
gestalt ausgezeichnete Species, aber mit grossem, deutlichem Auge, stachelbewehrtem Schwanz, 
nach vorn mehr verschmälertem Kopfe und wesentlich anderer Beschilderung desselben. Ausser- 
dem hat 7. madagascariensis sowohl oben als unten am Kopfe helle Schuppen mit lebhaft 


dunkleren Rändern, während 7. mucronatus nur oben dunkle Kopfschuppen mit breiten hellen 
Schuppenrändern zeigt. 


Die Art scheint auf Nossi-B& die bei weitem häufigste Typhlopidenform zu sein. 


— 40 ° — 


II. Familie. Colubrina. 
I. Subfamilie. Coronellidae. 
I. Gen. Heterodon Pal. de Beauv. 
2. Heterodon (Anomalodon) madagascariensis D. B. 

Boettger, Madagascar p. 5, Nachtrag I p. 5. 

Es liegen vor zwei junge Exemplare von Tamatave an der Ostküste von Madagascar 
(Ebenau) und zwei Stücke von Nossi-B& (Stumpff). 

No. 5 (coll. no. 295) von Tamatave. Rostrale sehr schwach gekielt. Praeocularen 1—1, 
Postocularen 3—4, Supralabialen 8—8, Infralabialen 10—10, von denen beiderseits 5 die Infra- 
maxillaren berühren. 

Schuppenformel: Squ. 23; G. 1, V. 206, A. 1, Sc. 66 (5, °'fsı). 

Färbung mit der der früher beschriebenen Stücke dieser Art übereinstimmend, aber 
unterhalb des zickzackförmigen Seitenbandes stehen in regelmässigen Intervallen von 5 zu 5 
Schuppen nochmals grosse je zwei Schuppen deckende rundliche schwarze Seitenmakeln, die 
mit den Ausbuchtungen des darüber liegenden Bandes alterniren. Bauch in der vorderen 
Körperhälfte prachtvoll ziegelroth. 

No. 6 (coll. no. 278) von Tamatave. Rostrale, Praeocularen und Supralabialen wie bei No. 5, 
Postocularen 3—3, Infralabialen 9—10, von denen links 4, rechts 5 die Inframaxillaren berühren. 

Schuppenformel: Squ. 23; G. 1, V. 208, A. 1, Se. 63 (!ı, 2, °%so). 

Färbung wie No. 5. 

No. 7 von Nossi-Be. Kopfpholidose wie bei No. 5, aber Infralabialen 9—10, von denen 
links 4, rechts 5 die Inframaxillaren berühren. 

Schuppenformel: Squ. 23; G. 1, V. 211, A. 1, Se. 68 (/, 7, °%eo). 

Färbung normal; vordere Hälfte der Bauchunterseite lebhaft zinnoberroth. 

No. 8. Altes Exemplar von Nossi-Be. Kopfpholidose wie bei No. 5, aber Postocularen 
3—3. Schwanz verheilt. 

Schuppenformel: Squ. 23; G. 1, V. 214, A. 1, Sc.? (29, ®s .....). 


Färbung wie bei No. 7. 


Maasse. Nor 5 NoroeeNorT. 
Länge von der Schnauze bis zur Afterspalte. . 406 431 464 mm. 
Schwanzlängere „0 Fame ed 33 90» 


Motallänge- se eh RER FRE MI OB DyY Se" 


— 4Ml — 


Verhältniss von Schwanzlänge zu Totallänge also wie 1:5,83; 1:6,19 und 1: 5,16. 
Bemerkungen. Die Grenzwerthe der Variationen der Schuppenformel stellen sich bei 
dieser Art jetzt auf: Squ. 23; G. 0-2, V. 206—215, A. 1, Sc. 63—73, von welch’ letzteren 
wenigstens die unmittelbar hinter dem After liegenden immer ungetheilt erscheinen. Durch- 
schnitt von -11 Beobachtungen: 
Squw:237.G. 1,'V.. 211, A717 8.67 (125-9956). 
Das Durchschnittsverhältniss von Schwanzlänge zu Gesammtkörperlänge beträgt nach den 
vorliegenden 9 Messungen 1: 5,83. 
II. Gen. Enicognathus Dum. Bibr. 
3. Enicognathus rhodogaster Schleg. sp. 
Boettger, Madagascar p. 8. Nachtrag II. p. 6. 
Die 4 von Nossi-Be (Ebenau, Stumpff) neu vorliegenden Stücke dieser leicht kenntlichen 
Schlange unterscheiden sich in nichts von den früher von mir untersuchten Exemplaren. Die 


Art ist in Pholidose wie in Färbung, wie es scheint, immer sehr constant. 


Il. Subfam. Dryadinae. 

I. &en. Dromieus Dum. Bibr. 
= 4. Dromicus Stumpffi Boettg. 

Boettger in Carus’ Zool. Anzeiger 1881, No. 87, p. 358. 

(Taf. I, Fig. 2a—g.) 

Char. Dentes 2 posteriores maxillae superioris multo majores, sed non canaliculati nec 
spatio distineto ab anterioribus separati. — Temporalia 2 + 2. Squamae laeves, scrobiculis 
apicalibus parum distinetis 2 instructae. Frenale rhombicum; praeoculare 1 pilum sed non 
frontale attingens, postocularia 2. Supralabialia 8, 4to et 5to sub oculo positis, 6to subtriangulari. 
Ventralia ad latera haud angulata. Cauda basi distincte angustior squamisque majoribus tecta 
quam ultima pars trunci. 

Squ. 19; G. 1, V. 148 ad 155, A. !ı, Sc. °4oa ad "ss. 

Supra sordide fuscus, aut parum distinete nigro reticulatus, marginibus squamarum solum 
lineolis albidis maculisque parvis nigris ornatis, aut praeterea collo seriebus 4 longitudinalibus 
macularum nigrarum parum distinctarum signatus; striga nigra postoculari labium superum 
album eleganter cingente. Infra ruber subalbicans unicolor, ventralibus antice solum ad suturam 
squamarum nigro marginatis. 

Long. total. 750, capitis 21, trunei 492, caudae 237 mm. 


Hab. in insula Nossi-Be rarus (3 specim.). 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XI. 60 


aa 


Beschreibung. Die beiden hintersten Zähne des Oberkiefers beträchtlich länger als 
die übrigen, nicht gefurcht und kaum durch einen Zwischenraum von den vorhergehenden 
schwächeren Oberkieferzähnen getrennt. — Körper schlank, Schwanz lang, mit schmaler Basis 
ziemlich deutlich vom Rumpf abgesetzt. Kopf langoval, deutlich vom Hals abgesetzt, mit 
stumpf abgerundeter Schnauze. Rostrale breit dreieckig, etwas schief gestellt, kaum auf den 
Pileus übergebogen; Maulspalte stark S-förmig geschwungen. Nasenöffnung weit; Auge gross. 
Sein Durchmesser so gross wie die Entfernung vom Nasenloch zum Auge. Internasalen mehr 
oder weniger dreieckig, so lang oder länger als breit, Praefrontalen dagegen viel breiter als 
lang, vorn nach der Aussenseite hin stark umgebogen, Frontale vorn geradlinig abgestutzt, 
nach hinten deutlich zusammengezogen, Supraocularen vorn stark verschmälert, Parietalen so 
lang oder länger als das Frontale, hinten etwas auseinandertretend, jederseits von 3 oder 4 
grösseren Temporalschuppen begleitet. Frenale rautenförmig, kaum länger als hoch, Prae- 
oculare unten schmal, oben über den Pileus übergebogen, aber von dem Frontale stets durch 
einen deutlichen Zwischenraum getrennt. 2 Postocularen. Temporalen 2 +2 + 3. Supra- 
labialen 8, die 3 vordersten sehr schief gestellt, das 4te und 5te unter demAuge, das 6te ein 
gleichschenkliges Dreieck bildend. Infralabialen 10, von denen 6 mit den Inframaxillaren Sutur 
bilden. Hintere Submaxillaren sehr lang und schmal, anderthalbmal so lang als die vorderen. 
Schuppen glatt, langrhombisch, mit 2 wenig deutlichen, von der Schuppenspitze ziemlich weit 
entfernten Apicalgrübchen. Ventralen seitlich ohne Spur von Bauchkante; Schwanzschuppen 
deutlich grösser als die Schuppen des Hinterrückens, gegen die Schwanzmitte hin am grössten, 
sechseckig und hier fast so breit wie lang. 

Schuppenformel: No. 1. Squ. 19; G. 1, V. 153, A. !ı, Se. ®®s. 

No. 2. Squs 19;G. 1; V..155, As) u 8es 2%7: 
No. 3. Squ. 19; €. 1, V. 148, A. !ı, Se: °%aa. 
Die Durchschnittsformel beträgt also für diese Species nach den 3 vorliegenden Angaben: 
Squ. 19; G. 1, V. 152, A. !ı, Se. °6ee. 
Maasse. No. 1. No. 2. No. 3. 
Länge des Kopfs bis zum Hinterrand d. Parietalen 15 12 11, mm. 
Länge des Rumpfs von hier bis zur Analöffnung . 498 346 331’ » 
Schwanzlänge II I a ES ee ZEN Tot lar) » 
Fotallinge =. 20m ne een DONgDLER BOB: 
Schwanzlänge zu Totallänge also wie 1:3,16; 1:3,34 und 1:3,16; im Durchschnitt 


demnach wie 1: 3,22. 


— 43 — 


Färbung. Oberseite düster graubraun mit schwarz-weisser undeutlicher Maschenzeich- 
nung, die dadurch entsteht, dass die Schuppenränder namentlich an den Rumpfseiten zum Theil 
weiss, zum Theil schwarz gefärbt erscheinen, und dass die-Schuppenspitze immer dunkel gefärbt 
ist. Junge Stücke zeigen die Maschenzeichnung weniger deutlich, besitzen aber längs des 
Halstheiles vier Reihen undeutlicher rhombischer schwärzlicher Flecken. Den oberen Rand der 
weiss gefärbten Supralabialen begrenzt ein tief schwarz gefärbter Längsstreif. Unterseite 
schmutzig weiss, ins Röthliche ziehend, wenigstens im ersten Körperdrittel vorn an den Seiten 
der Ventralen, da wo dieselben mit der äussersten Seitenschuppenreihe in Contact kommen, 
jederseits mit einer kleinen schwarzen Makel. Unterseite des Schwanzes in der Mittellinie meist 
mit einigen ganz schwachen unregelmässig gestellten grauen Punktflecken. 

Bemerkungen. Die neue Art unterscheidet sich von der einzigen bis jetzt auf Ma- 
dagascar gefundenen Species dieser Gattung, dem Drom. madagascariensis Günther in 
Ann. a. Mag. Nat. Hist. (4), Bnd. 9, 1872 p. 22, Taf. V, Fig. A durch die Zahl und Stellung 
der Temporalen 2 + 2 statt 1 + 2, durch die geringere Anzahl der Ventralen 148—155 statt 
168 und durch das Fehlen des gelben Seitenstreifs auf den ersten Blick. In. der Pholidose 
ist von sonstigen bekannteren Dromicus- Arten nur der chilenische Dr. Temmincki Schleg. sp. 
ähnlich; in der Färbung schliesst sich die neue Art an den westindischen Dr. unicolor D. B. 
und den brasilianischen Dr. melanostigma Wagl. sp. an. 

Fundort. Die 3 vorliegenden Stücke stammen von Nossi-Be (Stumpff), wo die Art 


nur sehr einzeln vorzukommen scheint. 


II. Genus Herpetodryas Boie. 
5. Herpetodryas Bernieri D. B. typ. und var. quadrilineata D. B. und 
trilineata Boettg. 

Boettger, Madagascar p- 9, Nachtrag II p. 7 und in Reliquiae Rutenbergianae p. 178. 

Von dieser häufigsten madagassischen Schlange liegen 3 Exemplare von Tamatave an der 
Ostküste (Ebenau) und von Nossi-B& (Stumpff, Rutenberg) vor, die der var. trilineata 
Boettg. angehören, und zahlreiche Exemplare der var. quadrilineata D. B. von Nossi-Be 
(Ebenau und Stumpff). 

Der grössere Theil der vorliegenden Stücke der var. quadrilineata D. B. ist in Pholi- 
dose und Färbung normal und gibt zu Bemerkungen keine Veranlassung. 


No. 11 var. trilineata Boettg. von Tamatave. Pholidose und Färbung analog wie bei 


— 44 — 


No. 8 unserer Sammlung, jedoch bedeckt der dunkle Seitenstreif 2 Schuppenreihen, nämlich 
die — vom Rücken gezählt — 7. und 8. Längsreihe. : 

Schuppenformel: Squ. 19; G. 1, V. 198, A. 1/1, Se.? 

No. 12 var. trilineata Boettg. (Rutenberg) von Nossi-Be. Pholidose und Färbung wie 
bei No. 8. 

Schuppenformel: Squ. 19; G. 4, V. 211, A. Yı, Sc. !!8hııs. 

No. 13 var. trilineata Boettg. (Stumpff) von Nossi-Be.e Wie No. 11, aber ohne 
die für var. quadrilineata D. B. charakteristische Kopfzeichnung, und folglich bis auf die 
abweichende Zahl der Längsstreifen mit dem typischen H. Bernieri D. B. übereinstimmend. 

Schuppenformel: Squ. 19; G. 1, V. 196, A. ',, Sc. ? 

No. 14 var. quadrilineata D. B. von Nossi-Be. Pholidose und Färbung normal. 
Die vier gelben Makeln der Hinterkopfs sehr accentuirt. 

Schuppenformel: Squ. 19; G. 1, V. 209, A. Y,, Sc. !17hıır. 

No. 15 desgl. von Nossi-B6. Wie vorige. 

Schuppenformel: Squ. 19; G. 1, V. 208, A. Yı, Sc. '?®ı2s. 


Maasse. No. 14. No. 15. 
Von der Schnauze bis zur Afterspalte . . . ... 764 S63 mm 
Schwanzlänge: 9 „rn 0 Pe SE ee ner Earl, 348 >» 
Totallänget, 27 2 er re te ER LObSS ae 


Verhältniss von Schwanzlänge zu Totallänge also wie 1: 3,51 und 1: 3,48. 
Bemerkungen: Meine Untersuchungen ergeben nach alledem für Herp. Bernieri D. B. 
und seine madagassischen Varietäten als Grenzzahlen für die Variationen der Beschilderung: 
Squ. 19; G. 1—4, V. 196—216, A. ', und Sc. 108/108&—!23jıes, und die Durchschnitts- 
formel stellt sich jetzt nach 15 Beobachtungen auf: 
Squ.. 19,2@G..37.V., 207, A. 1, ı9c: Zn 
Die grösste überhaupt beobachtete Körperlänge besitzt unsere No. 15 mit 1,211 Meter. 
Die Grenzwerthe des Verhältnisses von Schwanzlänge zu Totallänge betragen 1: 2,67 
bis 1:4,12. Das Durchschnittsverhältniss aber beträgt nach 10 sicheren Messungen 1: 3,56. 
III. Genus Philodryas Wagl. 
6. Philodryas miniatus Schleg. sp. 
Boettger in Madagascar p. 13, Nachtrag II p. 8. 
Vier Stücke dieser Art liegen diesmal von Nossi-B6 (Ebenau, Stumpff) vor. Schuppen 


mit 2 Apicalporen, 


— 45 — 


No. 3 und 4. Pholidose und Färbung normal. 
Schuppenformel: Squ. 21; G. 3, V. 212, A. !ı, Se. 15656. 
Squ. 21; G. 2, V. 201, A. Yı, Se. 164164. 

No. 5. Pholidose normal. Hinterrücken und Schwanzoberseite mit breitem hell kupfer- 
rothem Mittelband, das jederseits von einer Längsreihe grosser schwarzer, den Raum von 5—7 
Schuppen einnehmender Makeln eingefasst wird. 

Schuppenformel: Squ. 21; G. 4, V. 212, A. !hı, Se.? 

No. 6. Pholidose und Färbung normal, aber Postocularen 3—3 und Temporalen links 
PEre3arechtsw2n 1598 

Schuppenformel: Squ. 21; G. 3, V. 209, A. !/,, Se.? 


Maasse. No. 32 No. 4 
Von der Schnauze bis zur Afterspalte. . . . „680 847 
Sch wanzlangesen rn I le ee IR ae OH 400 
otallängeng er, Sy en 00 IA 


Verhältniss von Schwanzlänge zu Totallänge also wie 1: 3,08 und 1: 3,12. 

Bemerkungen. Diese Schlange soll folgende Grenzzahlen für die Variationen der 
Beschilderung zeigen: Squ. 21; G. 2—4, V, 197—212, A. !/, und Se. !28ı2s—164lı6a. Die 
Durchschnittsformel aber stellt sich nach meinen 6 Angaben auf 

Squ, 21:4G.53,2V2.208, Anl, Sch 189lyso. 

Die grösste überhaupt beobachtete Körperlänge besitzt ein Stück des Pariser Museums 
mit 1,543 m Länge. 

Die Grenzwerthe des Verhältnisses von Schwanzlänge zu Totallänge sollen 1: 2,9 bis 


1: 3,43 betragen. Nach meinen 3 Messungen beträgt das Durchschnittsverhältniss 1: 3,08. 


III. Familie Psammophidae. 
I. Genus Mimophis Günth. 


7. Mimophis madagascariensis Günther. 
Günther in Ann. a. Mag. Nat. Hist. (4) Bnd. 1, London 1868 p. 421, Taf. 18; 
Boettger in Reliquiae Rutenbergianae p. 178. 
Von dieser seltenen, von Günther vortrefflich abgebildeten Schlange liegen 2 Exemplare 
von Nossi-B& (Ebenau, Rutenberg) vor. 
No. 1 (Rutenberg) hat folgende Charaktere: Nasale ungetheilt; Nasenloch im hinteren 


oberen Theil desselben gelegen; ein mässig grosses Postnasale; das Frenale fehlt. Praeocularen 


— .46 — 


1—1, Postocularen 2—2; 2 lange, schief über einander gestellte Temporalschuppen. Supra- 
labialen 8—8, von denen jederseits das 4. und das 5. den Augenrand berühren. 

Schuppenformel: Squ. 17; G. 4, V, 160, A. 1, Se. °°les. 

Färbung. Die Grundfarbe ist typisch, die Zeichnung dagegen auffällig matt und ver- 
loschen. Die Mittellinie des Rückens wird durch ein schmales, helles Längsband eingenommen, 
das beiderseits von einer scharf von ihm abstechenden, etwas fleckigen, nach der Seite hin 
aber verloschenen dunkelbraunen Längsbinde eingefasst wird. Sämmtliche genannte Longitu- 
dinalstreifen setzen nur bis zur Schwanzbasis fort. Das obere Seitenband der typischen Form 
ist hier nur durch eine Reihe von wischförmigen Längsflecken angedeutet, das untere fehlt 
ganz. Die Kopfzeichnung ist nahezu typisch. Die Körperunterseite ist mit strichförmigen, 


verloschenen Flecken über und über gefeldert, so dass die Grundfarbe nur wenig hervortritt. 


No. 2 (Ebenau) weicht von der typischen von Günther beschriebenen Form nur in 
folgenden Kleinigkeiten ab: Die beiden Praefrontalen bilden vorn in der Mitte zusammen einen 
nach vorn gerichteten Winkel und legen sich seitlich je auf das 2. und 3. Supralabiale auf. 
Frontale länger als Internasalen + Praefrontalen. 

Schuppenformel: Squ. 17; G. 4, V. 161, A. Yı, Sc? 

Färbung ziemlich normal, doch sind die Längsbinden im Allgemeinen deutlicher aus 
Längsflecken zusammengesetzt als bei den Exemplaren des British Museum; das dunkle Rücken- 
band ist nur 3 Schuppenreihen breit, durch eine schmale weisse Mittellinie wie bei No. 1 in 
zwei Bänder getheilt und läuft bis gegen die Schwanzspitze. Ein zweites ebenso dunkles, aber 
nur strichförmiges Fleckband liegt auf der 5. Schuppenreihe von unten, ein drittes helleres 
auf der 6. und ein viertes gleichfalls helleres, aber breiteres Band zeigt sich auf den zwei 
'äussersten Schuppenreihen. Die Kehle und sämmtliche Labialen zeigen eine sehr saubere braune 


Zeichnung, die sich scharf von dem hellen Weissgelb des Grundes abhebt. 


Maasse von No. 1. Von der Schnauze bis zur Afterspalte 436 mn 
Schwanzlanresp. zu u u learn 
Totallänge, nun, ss 0 rei 
Verhältniss von Schwanzlänge zu Totalläuge wie 1:3,38, während Günther’s Maass- 
angaben dasselbe zu 1:4,4 (wohl zu hoch) berechnen lassen. 
Bemerkungen. Da Günther’s Zahlenangaben der Ventralen und Subcaudalen auf 
offenbaren Druckfehlern beruhen, und höchstens die Zahl 151 für die Ventralen Vertrauen be- 


anspruchen kann, bin ich für die Aufstellung der Schuppenformel dieser Art auf die obigen 


— 47 — 


wenigen Daten beschränkt geblieben. Danach stellen sich für diese Species die Grenzwerthe auf: 
Squ. 17; G. 4, V. 151—161, A. Yı, Se. 9%/ss und die Durchschnittsformel nach 3 allerdings 
nur theilweise completen Angaben auf: 


Squ. 17; G. A, V. 158, A. Yı, Sc. °®os. 


V. Familie Dryiophidae. 
I. Gen. Langaha Brug, 
8. Langaha nasuta Shaw sp. 
Boettger in Madagascar Nachtrag Ip. 2, Nachtr. III p. 11. 
Hr. Ant. Stumpff sandte ein schönes Stück No. 3 dieser seltenen Art von Nossi-B& 
ein. Dasselbe zeigt zwei hinter einander gestellte mediane Schuppen zwischen den Praefrontalen ; 


9—9 Infralabialen, von denen je das 4. nahezu rechteckig ist. Im Uebrigen ist die Kopf- 


pholidose vollkommen identisch mit der unserer No. 1. 


Schuppenformel: Squ. 19; G. 7,.V..143, A, !,, Sc. 1*3/as. 


Maasse. Länge von Schnauze bis Afterspalte . . . 2.2... . 423mm 
Schwanzlänge RE EEE RER LENNNEN 
Totallänge a N RE SEE re RENTEN 
Nasenaufsatz bis zum Nasenloch . . . 2.2.2.2... 14» 


Verhältniss von Schwanzlänge zu Totallänge also wie 1:2,41. 


Färbung. Oberseits ein schönes Fuchsroth, auf dem Kopf mit feinen schwarzen Pünktchen, 
auf dem Halstheil mit einzelnen grösseren verloschenen schwärzlichen Fleckmakeln. Schwärzlicher 


Seitenstreif nur im ersten Körperdrittelund auch hier nur fein strichförmig. Sonst wie unsere No. 1. 


Bemerkungen. Lang. nasuta hat folgende Gränzwerthe für die Variationen in der 
Schuppenformel: Squ. 19; G. 3—7, V. 143—152, A. 1—!|,, Se. 1?%ıss—1°®Iıs3s. Die 
Durchschnittsformel stellt sich nach den 7 bis jetzt vorliegenden Angaben auf: 

Squ. 19:76. 6, V.2147, A. !ı, Sc “has. 

Die grösste Körperlänge, die bei einem Exemplar des Pariser Museums beobachtet wurde, 

stellt sich auf 0,915 Meter. 


Die Grenzwerthe des Verhältnisses von Schwanzlänge zu Totallänge schwanken von 1:2,41 


bis zu 1:2,57. Nach 4 Messungen beträgt der Durchschnitt aber 1: 2,51. 


a 


VI. Familie. Dipsadidae. 
I. Genus. Dipsas Boie. 

9. Dipsas (Heterurus) Gaimardi Schleg. var. granuliceps Boettg. 

(Boettger in Madagascar p. 14, Taf. I, Fig. 3.) 

Zwei weitere dieser auch von C. Reuter gefundenen schönen und interessanten Varietät, 
welche Herr A. Stumpff von Nossi-Be einschickte, liegen mir vor. Sie stimmen bis auf 
Kleinigkeiten mit unserer No. 1 überein. 

No. 2 mit 69 schwarzen, weiss eingefassten Halbbinden quer über den Rücken und mit 
38 über den Schwanz, in Summa mit 97 Querbinden. Praeocularen nur 1—1. Knötchen auf 
den Kopfschildern sehr deutlich. 

Schuppenformel: Squ. 17; G. 4, V. 247, A. !/,, Se. 111 (Yı, 4, !6hı oe). 

No. 3. 70 schwarze, weiss eingefasste Halbbinden quer über den Rücken, Schwanz ver- 
letzt. Praeocularen 1—1. Knötchen auf den Kopfschildern deutlich. 

Schuppenformel: Squ. 17; G. 5, V. 248, A. !ı, Se.? (!,, 5, ?). 


Maasse. No. 2. 
Kopflänge bis zum Hinterrand der Parietalen . . ... 22mm. 
Von der Schnauze bis zur Afterspalte Ach RUN RU RD El RD OLD 
SEHWANZIANGEN N. Cyan one ee een ee ee Re DS 
:Potallanger nt ee ee ee Ne 720,» 
Verhältniss von Schwanzlänge zu Totallänge also wie 1: 4,4. . 


Bemerkungen. Nach meinen Beobachtungen an 3 Exemplaren dieser Varietät stellt 
sich jetzt die Variationsgrenze für die Schuppenformel auf: Squ. 17; G. 2—5, V. 238— 248, 
A. 1—!Iı, Se. 108—111, welch’ letztere folgende Beschaffenheit zeigen: !Jı (getheilt), 2—5 
(ungetheilt) und !%51105—10%ı0s (getheilt). Die Durchschnittsformel ist: 

Squ. 17; G. 4, V. 244, A. !lı, Sc. 110 (!ı, 4, !%Jıos). 

Das grösste bis jetzt von Nossi-B& bekannte Stück unserer Sammlung misst 1,011 Meter. 

Das Verhältniss von Schwanzlänge zu Totallänge beträgt bei 2 Stücken der Varietät 
1:4,4 bis 1:4,53, im Mittel also 1:4,47. 
10. Dipsas (Eteirodipsas) colubrina Schleg. typ. und var. citrina Boettg. 

(Boettger in Madagascar p. 16, Nachtr. Ip. 3 und Nachtr. Ip. 11.) 

Es liegen von dieser, häufigen Schlange wiederum zahlreiche Exemplare vor, die die 
Herren Ebenau und Stumpff auf Nossi-Be gesammelt haben. Nur über ein der var. 


citrina Boettger angehöriges Stück erlaube ich mir hier ein paar kurze Bemerkungen. 


— 449 — 


No. 14. var. eilring Boettg. Praeocularen 2—2, Infraocularen 3—3, Postocularen 3—3; 
Temporalschuppen erster Reihe 3—3 und Supralabialen 8—8, also alles ganz normal wie bei 
der typischen Form. 

Schuppenformel: Squ. 25; G. 4, V. 182, A. !h, Sc. 63 (fe, 3, °®]ss). 

Färbung. Oberseits bräunlich citrongelb; Schwanzspitze auf 17 mm Länge hornweiss 
mit 2 mm langer schwarzer Endspitze. 

Bemerkungen. Fassen wir das bei unseren No. 5, 6, 8 und 14, die sämmtlich zur 
var. citrina gehören, Gesagte zusammen, so ergibt sich für diese Varietät die Durch- 
schnittsformel: 

Squ. 25; G. 3,.V. 194, A. Y,, Sc. 68 (2, 2, 4a), 
was bis auf die hier constante Schuppenzahl 25 genau mit der früher (Nachtrag II p. 13) für 
die typische Art gefundenen Formel übereinstimmt und zugleich beweist, dass var. citrina 


nichts weiter als eine constant hellere Farbenspielart dieser Species ist. 


Il. Ordnung. Lacertilia. 


II. Familie. Zonuridae. 
II. Genus. Gerrhosaurus Wiegm. 
1l. Gerrhosaurus (Cicigna) madagascariensis Gray sp. 

(Boettger in Madagascar Nachtr. II p. 15.) 

Es liegen zahlreiche von Hrn. A. Stumpff auf Nossi-B& gesammelte Exemplare dieser 
Eidechse in allen Alterszuständen vor mir. 

Nachzutragen ist nur, dass das Interparietale dieser Species fast constant fehlt, dass bei 
erwachsenen Thieren Kehle und Brust und oftmals auch die ganze Bauchunterseite sammt der 
Innenseite der Schenkel prachtvoll zinnoberroth gefärbt zu sein pflegen, und dass die nie 
fehlende helle Seitenbinde meist lebhaft spangrün und goldglänzend erscheint. Der Rücken ist 
fast immer sehr deutlich und dicht unregelmässig schwarz gefleckt und zeigt keine dunkle 
Mittellinie. 

Die Art hat vor dem grossen, unter dem Auge liegenden Supralabiale constant 4 vordere 
Supralabialen. Das eine Geschlecht, vermuthlich das Männchen, zeichnet sich im Alter vor 
dem andern Geschlecht durch eine spitzig nach der Seite hin abstehende dreieckige Schuppe 
aus, die je links und rechts von der Kloake auf der Schwanzbasis liegt. Unter den mehr als 


30 neu vorliegenden Stücken besitzt ein einziges, ein»junges Exemplar, zwar ein kleines Inter- 
Abhandl. d. Senckenberg. naturf. Ges. Bd. XII. 61 


— 450 — 


parietale, doch ist dasselbe deutlich etwas weiter nach hinten gerückt als bei den übrigen mit 
Interparietale versehenen Arten dieser Gattung. Im Uebrigen verweise ich auf die folgende 


Art, bei der die Unterschiede beider Species erörtert werden sollen. 


12. Gerrhosaurus (Cicigna) rufipes Boettg. 

(Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881, No. 87 p. 358.) 

(Taf. I. Fig. 3a—c.) 

Char. Corpus membraque compacta; caput breve, scutis pilei subtiliter vermiculato- 
rugosis, rostro obtuso. Frontoparietalia nulla; interparietale minimum, rarius nullum. Supra- 
labialia 6, quarto sub oculo posito. Series longitudinales squamarum dorsalium valide sed 
subaequaliter striatarum 24—26; series transversales abdominis ab intermaxillari usque ad 
cloacam 46—48. Squamae partis inferioris caudae non carinatae. Sub utroque femore 
pori 12—13. 

Badius, dorsum seriebus 3 punctorum nigrorum lineaque laterali albopunctata ornatum, 
latera corporis caudaeque praeterea hie illie punctis albis vel caerulescentibus irregulariter 
adspersa. Labialia alba, nigromaculata, ingluvies alba eleganter nigro longitudinaliter taeniata, 


abdomen subminiatum, pars inferior caudae caerulescens, manus pedesque laete rufae. 


Long. total. 162, capitis usque ad parietalia 13, trunci 42, caudae 107, membri anterior. 
20, posterior. 38'/s mm. 

Hab. in insula Nossi-Be satis frequens (12 spec.). 

var. subunicolor Boettg. 
(Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881, No. 87 p. 359.) 3 

Char. Squamae dorsales caudalesque validius carinato-striatae, carina media distinetiore. 
Squamae et partis inferioris caudae plerumque distinete carinatae. Sub utroque femore pori 
10 subquadrati. 

Supra aut unicolor fuscus aut indistinete nigro reticulatus, lateribus praecipue ad axillam 
punctis albis vel caerulescentibus obsoletis hie illic sparsus, infra totus caerulescens unicolor. 

Long. total. 144!/,, capitis ut supra 12, trunci 33", caudae 99, membri anterior. 16%, 
posterior. 28 mm. | 

Hab. cum typo sed rarior (2 sp.) 

Beschreibung. Die typische Form dieser neuen, brillant gefärbten Art zeigt geringere 


Grösse und einen noch gedrungeneren Körperbau als G. madagascariensis, hat aber eine 


— 3510 — 


verhältnissmässig mehr verlängerte 4. Zehe am 'Hinterfuss. Der Kopf ist weit kürzer pyra- 
midal mit fein wurmförmig gerunzelten Deckschildern ; die Schnauze ist wesentlich kürzer und 
stumpfer. Frontoparietalen fehlen; das Interparietale ist in 10 Fällen deutlich entwickelt, 
wenn auch sehr klein, in 2 Fällen fehlt es. Es liegt in *5 Länge der medianen Parietalsutur 
und hat die Form eines winzigen Ovales. Die Kopfschilder sind im allgemeinen ähnlich denen 
von G. madagascariensis, aber alle und namentlich das Internasale und die Parietalen sind 
im Verhältniss zu ihrer Länge deutlich breiter als bei diesem. Auch ist bei der neuen Art 
das Frontale an seinem Vorderende stärker abgestutzt. Supralabialen sind stets nur sechs 
vorhanden, von denen das 4. unter das Auge gestellt ist, während bei @. madagas- 
cariensis constant erst das 5. unter dem Auge liegt. Der schmale Ohrlobus stimmt bei 
beiden Species in der Form überein. Die Bedeckung der Kinnunterseite stimmt abgesehen von 
der auffallenden Breite. der einzelnen Schuppen im Vergleich .zu ihrer Länge gut mit @G. mada- 
gascariensis. Die vorderen Submaxillaren sind bei unserer Art immer breiter als lang, 
während sie bei jener stets deutlich länger als breit erscheinen. Die Rückenschuppen sind 
kräftig und mehr gleichmässig kielstreifig, und diese Streifung ist auch auf dem Halse, an den 
Körperseiten und auf der ersten Ventralschuppenreihe deutlich. Die Schuppen der Schwanz- 
unterseite sind nicht gekielt. Unter dem Schenkel stehen jederseits nur 12—13 Femoralporen. 
Die Rückenschuppen stehen in 24—26 Längsreihen, die Bauchschuppen in 8 Längsreihen und 
vom 2. Intermaxillare (exclus.) an in 46—48 Querreihen. Verglichen mit G. madagas- 
cariensis ist die dritte Zehe des Fusses weit kürzer im Vergleich zur vierten als bei diesem. 

Färbung. Dunkel graubraun, Kopfschilder auf ihrer Fläche ohne schwarze Flecke oder 
Makeln, Rücken nur mit 3 ‘oder 4 meist unregelmässigen Längsreihen kleiner schwarzer Punkte. 
Die für @. madagascariensis so charakteristische helle Seitenbinde ist höchstens durch 
eine helle Fleckreihe angedeutet, welche sich übrigens immer längs der Schwanzseiten fort- 
setzt und hier besonders deutlich ist. Sie besteht aus kleinen, nur eine Schuppe einnehmenden 
viereckigen weisslichen oder bläulichen, nach aussen dunkel eingefassten Makeln. Auf dem 
Schwanze wechseln diese hellen Makeln mit schwarzen Flecken ab und bilden so eine deutliche 
seitliche Längsbinde. Darunter sind die Seiten des Rumpfes und des Schwanzes überdies noch 
mit unregelmässig gestellten hellen rundlichen Tropfenfleckchen geziert. Die grossentheils 
weissen Labialen sind zierlich schwarz gefleckt; die Kehle zeigt jederseits auf weissem Grunde 
3—4 schwarze aus dichtgedrängten Fleckchen gebildete Längsstreifen. Der Leib ist unterseits 
mennigroth, die Schwanzbasis bläulich. Die Gliedmaassen zeigen sich schwarzgefleckt und 


undeutlich hell getropft; Hand und Fuss sind lebhaft rothbraun bis feurig fuchsroth. 


— 452 — 


Zu den einzelnen Stücken habe ich Folgendes zu bemerken: 
No. 1. Längsreihen der Rückenschuppen (L) 26, Querreihen der Bauchschuppen (Q) 46, 
Femoralporen (F) 13— 12, 


No. 2. L. 26, Q. 47, F. circa 10 jederseits. 

.No..3. 1::26,.0.745, PB: 10 11. ; 
No. 4. L. 26, Q. 44, F. 12—12. 

0.19.1796, QFAscmere 11, 

No. 6. L. 24, Q. 47, F. 13—13. Schwanzwirtel (S) 87. 


No. 7. L. 26, Q. 45, F. circa 10 jederseits, S. 86. 
No. 8. L. 24, Q. 48, F. circa‘ 10 jederseits, S. 72 (wohl etwas zu kleine Zahl, aber es 


war absolut keine frühere Verletzung am Schwanze zu bemerken). 


Die Varietät var. subunicolor Boettg., welche nur in 2 Stücken vorliegt, gehört zwar 
zweifellos zu dieser Species; ihre Färbung ist aber so beträchtlich abweichend von der nor- 
malen, dass es der Aufmerksamkeit bedarf, um die Form auf die genannte Art zurückzuführen. 
Vielleicht kommt dieses Kleid auch nur bei einzelnen Jugendexemplaren vor und verändert 


sich im Alter zu der oben für den Typus angegebenen Tracht. 


Beschreibung. Die Kopfpholidose stimmt ganz mit der der typischen Form überein, 
aber die Kielung der Rücken- und Schwanzschuppen erscheint etwas kräftiger und der Mittel- 
kiel der einzelnen Schuppen ist deutlicher ausgeprägt. Auch die Schwanzunterseite zeigt vom 
ersten Drittel an nach hinten meist ziemlich gut entwickelte Kielschuppen. Unter den Schen- 
keln stehen nur je 10 quadratische Femoralporen, die mir besser entwickelt zu sein scheinen als 
bei der typischen Form. 

Die Färbung und Zeichnung ist auffallend einfacher, oberseits einfarbig tief dunkel- 
braun oder doch nur schwach und undeutlich mit Schwarz genetzt, ohne Punktlinie an den Seiten 
und nur mit wenigen weisslichen oder bläulichen Fleckchen in der Achselgegend. Die Unter- 
seite des Thieres ist ebenso einfarbig hell stahlblau. Die Labialen sind nur mit ein paar 
helleren Punkten undeutlich gezeichnet, die Kehlstreifen kaum durch etwas dunklere Schuppen- 
ränder angedeutet. 

No. 9. Längsreihen der Rückenschuppen 24, Querreihen der Bauchschuppen 45, Femoral- 


poren 10—10, Schwanzwirtel SO. 


No. 10. L. 24, Q. 44, F. 10—10, 8. 84. 


Maasse. No.6 No. 7 No. 9. 
Kopflänge bis zu den Parietalen. . . ...13 10e 11!e mm 
GrösstegKopibreiteer a el) 8 9 » 
Von der Schnauze bis zum After . . . . 55 41 a5le » 
Schwanzlange ae ee ERLOT, 76 99 » 
Tkansesden Morderextremitäter ol 161, > 
Tkängerdess3.Eingers ars 5, 4 5 » 
Länge der Hinterextremität . . 2.2... 384 27 28 » 
Bänserders3:8Zeherut ee Bes ein RE Here 9 618 Tue» 
Tkängewden Aw Zehen ee nA ya al 
kängenders da Zehen wre Re 7 5 6 » 
otallangess Sr me see ee 162 117 144! >» 


Verhältniss von Kopflänge zu Rumpflänge im Mittel wie 1:4,04, während ich dasselbe 
bei @. madagascariensis im Mittel zu 1:4,49 fand. Verhältniss von Schwanzlänge zu Total- 


länge im Mittel wie 1:1,5, während bei jenem 1: 1,61 der Durchschnittswerth ist. 


Fundort. Die Art wurde von Herrn A. Stumpff auf Nossi-B&e entdeckt, wo sie 
seltener als @. madagascariensis zu sein scheint. Auch die var. subunicolor stammt 
von hier. 

Bemerkungen. Abgesehen von der Färbung namentlich der Kinnseiten und der Füsse 
ist die Art leicht durch das Auftreten eines kleinen Interparietale und die geringere Anzahl 
der Supralabialen von @. madagascariensis zu unterscheiden. Der gleichfalls mit einem 
Interparietale ausgestattete G. ornatus Gray sp. und die übrigen von Grandidier auf- 
gestellten madagassischen Arten dieser Gattung sind schon durch ihre Färbung hinreichend 


von der vorliegenden Species verschieden. 


III Fam. Gymnophthalmidae. 

Durch den gleich namhaft zu machenden Fund eines Ablepharus wird die genannte 

Familie zum ersten Mal in die madagassische Reptilfauna eingeführt. 
I. Gen. Ablepharus Fitz. 

Nach dem Vorgange von Alex. Strauch in Melanges biolog. tir6s du Bull. d. !’Acad. 
St.-Petersbourg, Bnd. 6, 1867 p. 553 u. f. fasse auch ich die Gattungen Oryptoblepharus Fitz. 
und Ablepharus Fitz. in eine einzige zusammen und nenne demgemäss die folgende weitver- 
breitete Art Adlepharus. 


— 454 — 


13. Ablepharus Boutoni Desj. sp. var. cognatus Boettg. (= Seineus Boutoni Desj.) 

Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881 No. 87 p. 359. 

(Taf. II, Fig. 4.) 

Char. Differt a typo supralabialibus anterioribus multo longioribus quam altioribus, 
quarto nec quinto sub oculo posito. Internasale triangulare nec rhomboideum, antice truncatum, 
postice linea directa horizontali terminatum; frontale rhombicum. Series longitudinales squa- 
marum 22; squamae praeanales 6, mediae majores. Caeterum et colore speciminibus var. 
B. Dumenil-Bibroni simillimus. 

Hab. in insula Nossi-B& perrarus (1 spec.) 

Beschreibung. Indem ich auf die trefflichen Beschreibungen des typischen A. Bou- 
toni Desj. sp. bei Dum&ril und Bibron, Erpet. gen., Bnd. 5 p. 813 (Peronii), bei Gray, 
Catal. of Lizards Brit. Mus. p. 64 (Oryptoblepharus) und bei Strauch, a. a. O. p. 566 u. £. 
verweise, mache ich hier nur auf die Unterschiede aufmerksam, die es gerechtfertigt erscheinen 


lassen, die madagassische Form als eine Varietät der obengenannten Art aufzufassen. 


Der wesentlichste Unterschied vom Typus besteht darin, dass die vorderen Supralabialen 
viel länger als boch sind, und dass das 4. und nicht das 5. Supralabiale unter das Auge ge- 
rückt erscheint. Das Internasale ist breit dreieckig und nur vorn an der Spitze ein wenig 
abgestutzt, hinten durch eine gerade horizontale Linie begrenzt, also nicht rhomboidisch; das 
Frontale ist rautenförmig. Längsschuppenreihen zähle ich 22. Praeanalschuppen sind 6 vor- 
handen, deren mittlere sich durch bedeutendere Grösse auszeichnen. Im übrigen finde ich keine 
Unterschiede von der durch Dum6ril und Bibron sub var. B. beschriebenen Farbenspielart, 
und auch 2 Exemplare der’ Coll. Senckenberg von Australien (Rüppell) und von Timor (Mus. 


Giessen) zeigen keine weiteren Versehiedenheiten. 


Maasse. Von der Schnauze bis zur Afterspalte 44 mm. 
Schwanzlaneeu ze 0 


Totallänsem war ren d4anD 


Verhältniss von Schwanzlänge zu Totallänge wie 1:1,88, während Dumeril und Bibron 
diesen Werth zu 1:1,74 berechnen lassen. 

Die Färbung des madagassischen Ablepharus entspricht durchaus der unseres Stückes 
von Timor. Die Grundfarbe ist braungrün mit undeutlichen dunkelbraunen Längsflecken, die 
sich auf der ersten Hälfte des Schwanzes zu einem mässig breiten Medianstreifen verdichten. 


Beiderseits durchzieht eine hell olivengrüne breite Längsbinde die Rückenseiten bis zum Schwanz- 


— di — 


ende. Die Körperseiten darunter sind schwarzbraun, weiss getropft, und ähnlich sind auch die 
Gliedmaassen gefärbt. Die ganze Unterseite ist hell bläulichgrün irisirend, jede einzelne Schuppe 
mit etwas dunkleren Rändern. 

Fundort. Nossi-Be, von Hrn. A. Stumpff entdeckt und in einem einzelnen Exem- 
plar eingeschickt. Scheint sehr selten zu sein. 

Man kennt diese Art nach A. Strauch u. a. bis jetzt in Afrika von Mombas an der 
Sansibarküste (Peters) und von Cabaceira auf dem afrikanischen Festland (Pet.) und auf den 
ostafrikanischen Inseln von Mossambique (Pet.), Comoro (Pet.), Nossi-B& (Stumpff) und Mauritius 
(Desjardins, Günther). Aus Asien wird die Art angegeben von Java (A. Dume&ril), Timor 
(Gray, Rüppell), Amboina (Pet.) und von Lobo u. a. O. auf Neu-Guinea (Pet.). Weiter 
von Buru, Soron, Ramoi, Insel Yule, Somerset auf Cap York (Pet.), von der Insel Savage 
und Aneiteum (Günth.). In Australien lebt sie auf Neuholland im Westen und Norden (Günth.), 
an der Seehundsbai (A. Dum.) und bei Adelaide (Pet.), auf Tasmanien (A. Dum.) und auf 
den pacifischen Inseln, namentlich den Fidjis, den Samoa-Inseln (A. Dum.), auf Tahiti und auf 
den Sandwich-Inseln (Wilkes, Strauch, Günth.). In Amerika endlich findet sie sich auf 
der Insel Puna (A. Dum.) im Golf von Guayaquil und auf den Pisacoma-Inseln an der Küste 
von Peru. 

Die Species ist also von der Ostküste Afrikas an über die Inseln des sunda-moluckischen 


Archipels, Australien und die Inseln des Stillen Oceans verbreitet bis zur Westküste von Amerika. 


IV. Familie Seineidae. 
III. Genus Euprepes (Wagl.) Dum. Bihr. 
14. Euprepes (Euprepes) bistriatus Gray. 
Gray, Synops. Rept. in Griffith’ An. Kingdom Cuv., Bnd. 9, p. 69; Ann. Nat. Hist. 
Bnd. 2, p. 280 (Tiligua) und Catal. of Lizards Brit. Mus. p. 115; Dumeril und Bibron, 
Erpet. gen. Bnd. 5, p. 686 (Eupr. Gravenhorsti); Boettger in Madagascar p. 35 (Buprepis 
Gravenhorsti). 

— Seincus vittatus Gravenhorst in Mus. Bresl. non Zupr. (Euprepes) vittatus Olivier sp. 
in Voyage dans l’Emp. Ottom. Bnd. 2, p. 58, Taf. 29, Fig. 1 (Seincus) nec Seincus 
bistriatus Spix ın Spec. Lacert. Brasil. p. 23, Taf. 26, Fig. 1 = Euprepes (Mabuya) 
agilis Fitz. 


= Euprepes elegans Peters in Mon.-Ber. Preuss. Acad, d. Wiss., Berlin 1864 p. 619. 


— 2 I — 


Es liegen zahlreiche Exemplare dieser schönen Art von Nossi-BeE (Ebenau, Stumpff, 
Reuter) vor. 

Beschreibung. Eupr. bistriatus ist dadurch, dass die Frontoparietalschilder zu einem 
einzigen, ziemlich herzförmigen oder Aförmigen Schilde vereinigt sind, und dass das Interparie- 
tale deutlich entwickelt ist, gut von ihren Verwandten zu unterscheiden, und ich beschränke 
mich im Folgenden darauf, nur dasjenige zu erwähnen, was mir von Dume6ril und Bibron’s 
ausführlicher Beschreibung dieser Art abweichend erscheint, und das hervorzuheben, was sich 
etwa an individuellen Variationen bei den vorliegenden Stücken vorfindet. Nur zwei Stücke 
unserer und eines der Lübecker Sammlung zeigen ausnahmsweise vollkommen getrennte Fronto- 
parietalen; alle drei lassen sich aber trotzdem nach Gestalt und Färbung als sicher hierher- 
gehörige erkennen. Ohr mit 2 bis 4 Loben, im Durchschnitt nach 17 Beobachtungen 3—3. 
4. und 5. Supralabiale stark in die Länge gezogen und auffallend übereinander geschoben, 
ganz wie es Dum&ril und Bibron a. a. O. p. 687 beschreiben. Die Längsschuppenreihen 
schwanken zwischen den Zahlen 32 und 36, während Dumeril und Bibron die auffallend 
hohe Zahl 37 angeben. Nach 16 Beobachtungen ist die Durchschnittszahl für die madagassische 
Form fast constant 34. 

Interessant ist No. 12. Längsschuppenreihen 36; Ohrloben 2—2; Frontoparietalen voll- 
kommen getrennt. 4. Supralabiale klein, nicht unter das 5. unter dem Auge befindliche ge- 


schoben. Sonst wie die typische Form, aber ohne weisse Punkte in dem schwarzen Seiten- 


streifen. 
Maasse: No.4. No.7. No.8. No.10. No. 12. No. 16. No. 17. 
Kopflänge bis zum Hinterrand 
der Parietalen 7. 7 2 °1122 727 101 1179/87 11295: 10521 77 9 an 
Von der Schnauze bis zum Anus 55 54 64 64 50 59 46 » 
Schwanzlangerı FR 105 96 123 109 90 124 92 >» 
Dotallänge sy 72 ar a6 a) lee) 1407 1837 01383725 


Verhältniss von Kopflänge zu Rumpflänge im Mittel wie 1:4,16, von Schwanzlänge zu 
Totallänge im Mittel wie 1:1,53, während bei Dum&ril und Bibron sich letzterer Werth 
zu 1:1,71 berechnen lässt, eine Zahl, die offenbar von einem Exemplar mit reproducirtem 
Schwanz herrühren dürfte. 

Färbung. Kopf einfarbig, lebhaft gelblich- oder röthlichbraun, Rücken und Schwanz 
grau- oder grünbraun mit 3 oder 4 Längsreihen von oft undeutlichen, etwas unregelmässig 


gestellten, helleren, schwarz eingefassten, einfachen oder Doppelfleckchen. Körperseiten schwarz- 


a 


braun oder schwarz mit einer hellbraunen oberen und einer sehr markirten weissen unteren 
Längsbinde jederseits, die erstere vom hinteren Augenlidrand meist nur bis gegen die Mitte 
des Rumpfes hin deutlich, die letztere, anfangs nur oben schwarz eingefasst, vom Nasenloch 
an durch die Ohröffnung und von hier beiderseits dunkel eingefasst bis zur Schwanzbasis 
verlaufend. Zwischen den beiden hellen Seitenbinden häufig eine Längsreihe feiner weisser 
Punktfleckchen. Unterseite grünlichweiss irisirend, die Schuppenränder etwas dunkler. 

Vorkommen. Bis jetzt kennt man die schöne Art nur von Nossi-B6, von Madagascar 
(Dum. Bibr., Peters), hier namentlich von der St. Augustinsbai (Peters) im Südwesten und vom 
Cap d. g. Hoffnung (Dum. Bibr.). 

Bemerkungen. Der Diagnose nach gehört Peters’ Eupr. elegans von der St. 
Augustinsbai auf Madagascar ebenfalls hieher. Ich wüsste wenigstens keinen irgend erheblichen 
Unterschied zwischen beiden Formen anzugeben. 

VII. Familie Geckones. 
I. Genus. Geckolepis Grandidier. 
15. Geckolepis maculata Peters. 
Peters in Mon.-Ber. Preuss. Acad. d. Wiss., Berlin 1880 p. 509, Taf. p. 798, Fig. 3—3d. 

Diese wunderbare Geckonenform, die uns jetzt auch durch die Güte des Hrn. A. Stumpff 
in 4 Exemplaren von Nossi-Be-zugegangen ist, wurde unlängst durch Hrn. Prof. W. Peters 
a. a. O. ausreichend beschrieben und so vortrefflich abgebildet, dass mir nur weniges zu sagen 
übrig bleibt. Die Pupille ist vertical spaltförmig. Die drei mittleren Praeanalschuppen sind 
normal, die je 2 nächst äusseren aber mitunter etwas dreieckig vorgezogen und sparrig 
abstehend. Die Mittelzehe zeigt auf der Sohle nicht 12 bis 13, sondern 17 Oneamellen 
Der Schwanz ist meist verletzt und wieder verheilt. 

No. 1 zeigt 24 Längsschuppenreihen und 36 Querreihen von Bauchschuppen vom Kinn 
bis zum Anus, No. 2 beziehungsweise 25 und 34, No. 3 26 und 40. No. 4 zeigt sich grossen- 
theils von Schuppen entblösst, ist aber durch vollkommen erhaltenen Schwanz ausgezeichnet, 
Derselbe ist oberseits graubraun mit 16 matten, schwärzlichen, nach hinten heller begrenzten 
queren Halbbinden geziert. 


Maasse eines jüngeren Stückes No. 4. 


Köpibreites. cn age 11! mm 
Von der Schnauze bis zum After . . 4615 >» 
Schwanzlangel you 3 De, 64 » 
:otallangegs u lo VeRls 


Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 62 


— 458 — 


Verhältniss von Schwanzlänge zu Totallänge demnach wie 1:1,73. Auch Peters’ Ab- 
bildung zeigt ein kaum mehr als etwa halbwüchsiges Exemplar. 

Färbung wie die von Peters angegebene, aber Unterseite weisslich, durch äusserst 
feine bräunliche Pünktchen, die sich so ziemlich auf allen Körperschuppen beobachten lassen, 
an Kinn und Körperseiten hie und da dunkler gepudert. Ein schwarzer Längsstreif durch das 


Auge, ein zweiter ihm paralleler jederseits am der Seite des Hinterkopfs. 


Vorkommen. Man kennt @. maculata ‚bis jetzt nur von Anfica in Nordwest-Mada- 


gascar und von der Insel Nossi-B&. Es ist ein nächtliches Thier und wird wohl deshalb 


hauptsächlich nur selten erbeutet. 


Bemerkungen. Grandidier’s @eckol. typicus in Rev. et Mag. de Zool. p. 
Gu6rin-Möneville (2) Bnd. 19, 1867 p. 233 von Ste, Marie in Süd-Madagascar soll einen 
plattgedrückten, mit eiförmigen Schuppen bedeckten Schwanz und ungefleckte, »rubro-ardesiacus« 
(röthlich schieferfarben?) tingirte Oberseite besitzen. Da Grandidier vermuthlich frisch 
gefangene Exemplare mit verletztem und wieder geheiltem Schwanze beschrieben hat, ist die 
Identität der Peters’schen, auch uns vorliegenden Form mit der Grandidier’schen nicht 
unwahrscheinlich, diese Uebereinstimmung aber bei der kurzen Beschreibung Grandidier’s 


natürlich nicht mit Sicherheit festzustellen. 


II. Genus. Pachydactylus Wiegm. 
16. Pachydactylus Cepedianus PEr. sp. var. madagascariensis Gray. 

Peron in Cuvier, Regne anim. IL, ed. 2, p. 46, Taf. 5, Fig. 5 (Platydactylus); Du- 
meril und Bibron, Erpet. gen. Bnd. 3 p. 301 (Platydactylus); Gray, Catal. of Lizards 
Brit. Mus. p. 166 (Phelsuma madagascariensis) non P. Oepedianus Boettger in Madagascar, 
Nachtr. II p. 24 (laticauda); Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1880 No. 57 p. 280. 

r Taf. II, Fig. 5a—b.) 

Char. Poris femoralibus utrimque 18— 25. Rostrale postice truncatum, media parte 
leviter ineisum. Internasale magnum. Submentalia 6—8S majora, retro plerumque magnitudine 
decrescentes, primum par medianum maximum. Cauda gracilis, parum deplanata, membra 
digitique graciliora. Granulae laterum dorsi et‘ caudae speciminum jam aetate provectorum 
subcarinatae. Squamae caudae verticillatae magnae, verticillus singulus e seriebus squamarum 
5—6 compositus. 

Colore diverso, sed gula speeciminum juvenilium semper strigis maculisque nigrescen- 


tibus ornata. 


—_— 459 — 


Long. total. 212, capitis 32, trunci .62, caudae 1138 mm. 

Hab. in insula Nossi-Be (ca. 12 specim.). 

Beschreibung. Diese Art, die eine viel bedeutendere Grösse erreicht als P. laticauda, 
ist zwar dieser Species sehr nahe verwandt, aber ganz sicher eine eigene Art, da gleichgrosse 
Exemplare beider Formen bereits die in der obigen Diagnose namhaft gemachten Unterschiede 
scharf erkennen lassen. Das Männchen dieser Art besitzt jederseits 18—25 Femoralporen, 
sehr selten eine oder zwei weniger. Das Rostrale ist hinten abgestutzt und hier in der Me- 
dianrichtung durch eine eingedrückte Längslinie stets deutlich eingeschnitten. Das Internasale 
ist gross und nimmt ein Drittel des Raumes zwischen den beiden Nasenlöchern ein. Die 6—8 
Submentalen sind relativ gross und nehmen nach rückwärts meist successive an Grösse ab, 
das wittelste Paar ist fast immer das deutlich grösste. Der Schwanz ist schlank, drehrund, 
nur an der Basis oben und unten etwas abgeplattet, gewirtelt. Die einzelnen Schwanzschuppen 
sind relativ gross, schwach gekielt; jeder Wirtel wird nur aus 5—6 Schuppenreihen gebildet.’ 
Bei intactem Schwanze ist jedesmal das 3. der-auf der Schwanzunterseite gelegenen breiten 
Subcaudalschilder etwas breiter als die beiden vorhergehenden. Die Gliedmaassen und Zehen 
sind etwas schlanker als bei P. laticauda. Die Schüppchen der Rückenseiten sind im 
Alter mehr oder weniger deutlich gekielt, an den Kinnseiten überdies conisch und etwas 
büschelig vortretend. 

No. 1. Weibchen. Schwanz etwas verbreitert und mit aus 5 Schuppenreihen * gebildeten 
Wirteln (W). Internasale in zahlreiche kleine Schüppchen zertheilt. Schiefergrau. 

No. 2. Männchen. W. 5, Femoralporen (F) 24—23. Grün. 

No. 3. Weibchen. W. 5. Grün. 

No. 4. Weibchen. Schwanz mit undeutlichen, aus 5 Querschuppenreihen gebildeten 
Wirteln. Grün. 

No. 

No. 


5. Männchen. Salem etwas verbreitert, W. 6, F. 22-21. Grün. 
6 

No. 7. Männchen. Schwanz regenerirt, ohne deutliche Wirtelbildung. F. 24—25. Graugrün, 
8 
I 


Männchen. W. 5, F. 20—21. Graugrün. 


Weibchen. W. 6. Grün. 

Männchen. W. 6. F. 24—24. Grün. 

No. 10. Männchen. W. 6, F. 22—22. Grünblau., 

No. 11. Männchen, W. 6, F, 24—23. Grün. 

No. 12. Männchen. W. 6, F. 23—24. Himmelblau. 

No. 13. Weibchen. W. 6, Andeutungen von F. 11—11l. Grün. 


— 460 — 


No. 14. Männchen. Schwanz regenerirt, F. 25—26. Grün, 

No. 15. Weibchen. W. 5. Grün. 

No. 16. Weibchen. W. 5. Grün. 

No. 17. Weibchen. W. 6. Grün. 

Junge Thiere weichen in der Färbung der Oberseite von den alten meist etwas ab. 

No. 18 und 19. Weibchen. W. 6. Sie haben schon ganz die Färbung der alten. Grün; 
der Rücken aber etwas mit schwarz reticulirt, der Schwanz mit schwarzen ‚Querbinden am 
Abschluss eines jeden Wirtels. 

No. 20. Weibchen. W. 6. Dunkel schiefergrau. 

No. 21. Männchen. W. 5, F. 20—20. Himmelblau, an den Körper- und Schwanzseiten 
mit hellen und dunkeln Punkten; Unterseite der Schenkel hochgelb, des Schwanzes ziegelroth, 
nach hinten mit graulichen Makeln. 

No. 22. Männchen. .W. 5, F. 19—18. Aehnlich dem vorigen, aber grau. 

No. 23 und 24. Männchen. W. 5 und 5, F. 16-17 und 20—19. Grau, die ziegel- 
rothen Flecke des Hinterrückens weiter nach vorn reichend und in drei Reihen gestellt. 
Körperseiten hell getropft. Unterseite wie bei No. 21. 

No. 25 und 26. Weibchen. W. 6 und 6. Wie die vorigen, aber oberseits überall grau 
mit hellen runden Makeln über und über gesprenkelt. 

No.-27. Männchen. W. 6, F. 18—17. Färbung wie No. 23. 


Maasse. No. 12. No. 15. No. 3. No. 18. No. 20. No. 21. No. 23. No. 26. 
Schnauze bis After . 92 88 94 59 70 551/a 58 52 mn 
Schwanzlänge . . . 109 114 118 63 85 671% 70 63 » 
Totallänge . . . . 201 202 212 122 155 123 128 115 » 


Das grösste beobachtete Exemplar dieser Varietät zeigt demnach 212 mm Totallänge. 
Verhältniss von Schwanzlänge zu Totallänge also im Mittel wie 1:1,82, bei Dum£ril und 
Bibron für die Normalform wie 1:2,19. a 

Färbung. Iris bläulich oder graulich. Grundfarbe der Körperoberseite verschieden, schiefer- 
grau, braungrün, blaugrün, himmelblau oder grasgrün “mit mennigrothem Frenalstreif, oft mit 
einem rothen Rundfleck auf der Stirn und immer mit je etwa 5 einfach, doppelt oder dreifach 
in Längsreihen stehenden mennigrothen Rundmakeln auf dem Hinterrücken. Kopf meist bis 
hinter dieAugen und Unterlippenränder schwärzlich. Schwanz einfarbig oder jeder Wirtel durch 
einen dunkleren Ring bezeichnet. Unterseite je nach der Oberseitenfärbung graulich oder 


grünlich, Kehle stets graulich marmorirt und bei jungen Exemplaren an den Seiten mit je 


—p4H — 


2 bis 3, dem jederseitigen Kinnrand parallelen, schwärzlichen, mit der Spitze nach vorn ge- 
richteten Chevronzeichnungen geziert. 

Vorkommen. Die zahlreichen mir vorliegenden Exemplare sind durch die Hrn. Carl 
Ebenau und A. Stumpff auf Nossi-B&e gesammelt worden. Sonst soll die Art noch in 
Mossambique, auf der Comoreninsel Anjoana, auf Madagascar, Bourbon, Mauritius und fraglich 
auf den Seychellen vorkommen, doch scheint es mir noch zweifelhaft, ob alle genannten Formen 
wirklich einer einzigen Species zuzurechnen sind. i 

Bemerkungen. Leider steht mir kein Exemplar des typischen P. Cepedianus von 
Mauritius zu Gebote, so dass sich über die feineren Unterschiede der mauritianischen und der 
madagassischen Form nichts Näheres berichten lässt. Die Unterschiede von den beiden folgenden 


Arten sollen bei diesen des Näheren erörtert werden. 


17. Pachydactylus laticauda Boettg. 


Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1880 No. 57 p. 280 und Madagascar Nachtr. II. 
p. 24 (Cepedianus var.); Peters in Mon.-Ber. Preuss, Acad. d. Wiss., Berlin 1880 p. 509 
(laticaudus —? lineatus Gray). 

(Taf. II, Fig. 6a—b). 

Char. Peraffinis P. Cepediano var. madagascariensi Gray, sed semper minor, poris 
femoralibus utrimque solum 13—14. Rostrale postice subacuminatum, non incisum. Inter- 
nasale parvulum. Submentalia 6—8 parva, fere aequa magnitudine. Cauda magis minusve 
lata, deplanata, membra digitique robustiora. Squamae caudae verticillatae parvae, verticillus 
singulus e seriebus squamarum 8—10 compositus. 

Supra fere unicolor olivaceo-viridis, strigis parum distinetis lateralibus vieinis 1—2 nigres- 
centibus, membris caudaque eleganter aut nigro aut fusco vermiculatis, gula totaque parte 
"inferiore flavescente unicolore. 

Long. total. 100, capitis 16!/,, trunci 2912, caudae 54 mm. 

Hab. in insula Nossi-B& frequens (multa spec.). 

Beschreibung. Die Art ist dem P. COepedianus var. madagascariensis Gray ohne 
Frage sehr nahe verwandt, aber constant kleiner und besitzt jederseits nur 13—14 Femoralporen. 
Das Rostrale ist an seinem oberen hinteren Rande etwas zugespitzt und hier nur sehr selten 
schwach gefurcht, nie eingeschnitten. Das Internasale ist relativ klein und nimmt nur etwa 
den vierten Theil des Raumes zwischen den Nasenlöchern ein. Die 6—8 Submentalen sind klein 


und nahezu von gleicher Grösse. Der Schwanz ist mehr oder weniger breit, plattgedrückt, 


im ersten Drittel seiner Länge breiter als der Hinterrücken zwischen den Schenkeln, ziemlich 
deutlich gewirtelt und nur bei ganz jungen Exemplaren — in allem bei 4 von 77 Exemplaren — 
drehrund. Die einzelnen Schwanzschuppen sind relativ klein, körnig; jeder Wirtel ist constant 
aus 8-10 Querschuppenreihen zusammengesetzt. Bei intactem Schwanze ist jedesmal. das 
4, der auf der Schwanzunterseite gelegenen breiten Subcaudalschilder etwas breiter als die 
drei vorhergehenden. Regenerirte Schwänze zeigen keine Wirtelbildung. Die Gliedmaassen 
und Zehen sind etwas robuster als bei P. Cepedianus var. madagascariensis. Die Kielung der 


Rücken- und Schwanzschuppen bleibt bei dieser Art immer sehr undeutlich. 


Im Grossen und Ganzen sind die von Nossi-B& vorliegenden Stücke einander in Pholidose 
und Färbung so ähnlich, dass ich von einer eingehenderen Betrachtung der sehr zahlreich vor- 
liegenden Stücke absehen kann. Nur sei bemerkt, dass nach 20 Beobachtungen die Zahl der 
Femoralporen des Männchens zwischen 11 und 14 jederseits schwankt, und dass die Durch- 
schnittszahl 13— 13 beträgt. Die Zahl der Querschuppenreihen, aus welchen je ein Schwanz- 
wirtel besteht, wechselt nach 77 Beobachtungen zwischen 8 und 10; die Durchschnittszahl 
aber beträgt in 60 von 100 Fällen 9. Die Form von Tamatave hat ziemlich drehrunden 


Schwanz; jeder Wirtel zeigt 8 Schuppenreihen. Femoralporen zähle ich hier 13—13. 


Maasse No. 3 Nr. 6 No. 10 No. 11 No. 12 No. 13 
Von Schnauze bis After . . 42 50 52 46 45 54 mm. 
Schwanzlangerı Dune 50 57 Gl EB 7 63 » 
f Potallänge ut En n002 107 113 98 98 147° > 
No. 15 No. 16 No. 20 No. 21 No. 25 Nr. 26 
Von Schnauze bis After . . 49 56 43 41 46 53 mm. 
Sehwanzlänge 2 u eu. 258 64 50 48 53 61 >» 
Totallinge or or n.190° von 00. aaa . 


Das grösste bis jetzt beobachtete Exemplar dieser Species hat demnach 120 mm Total- 
länge, während P. Cepedianus var. madagascariensis bis zu 212 mm Länge erreicht. Nach 
12 Messungen beträgt die Schwanzlänge im Vergleich zur Totallänge 1: 1,86, während sie bei 


P. Ceped. var. mad. 1:1,82 ausmacht. 


Färbung. Iris violetroth. Oberseite einfarbig zeisiggrün bis olivengrün mit einem oder 
zwei sehr benachbarten schwärzlichen Seitenstreifen, die vom Mundwinkel aus durch die Ohr- 
öffnung und dann über die Gliedmaassen hin nach der Schwanzbasis ziehen und in den Weichen 


namentlich breiter und deutlicher werden. Der zweite, untere schwächere Längsstreif zieht, 


— 463 — 


wenn vorhanden, vom Mentale aus längs der Unternaht der Infralabialen parallel der Mund- 
spalte und dem oberen Seitenstreifen bis zur Insertion der Vordergliedmaassen und taucht 
vor und hinter den Hintergliedmaassen wieder als kurzer Streif auf. Ueber den Kopf laufen 
stets drei rothe Querbinden, die vorderste bogenförmig vom Vorderrande des Auges A -förmig 
über die Schnauzenspitze, die mittlere quer über die Stirn gerade vor, die hinterste quer über 
den Vorderkopf gerade hinter den Augen. Auf dem oft ins Blaugrüne ziehenden Hinterrücken 
stehen 3 grosse streifenartige oder lang tropfenförmige ziegelrothe Längsflecke, hinter denen 
sich mitunter noch einige ganz kleine Punktfleckchen zeigen. Die Gliedmaassen und der 
Schwanz sind oberseits überaus fein mit Schwarzgrau oder Kupferbraun längsgesprenkelt und 
gepunktet; das Schwanzende erscheint oft bläulich. Die Kehle und die Körperunterseite ist 
stets einfarbig weisslichgelb, nur die Schwanzunterseite und der Hinterhals in querer Zone 
manchmal lebhafter gefärbt, hell gelbgrün. Die beiden Exemplare von Tamatave sind 
oberseits blauviolet und der dunkle Seitenstreif reicht nach vorn über Ohr und Auge bis zur 
Schnauzenspitze. 

Vorkommen. Die Art ist auf Nossi-B& sehr häufig (Ebenau, Stumpff); auch von 
Tamatave an der Ostküste von Madagascar erhielten wir 2 junge Exemplare (Ebenau). 

Bemerkungen. Die grössere Zahl der Schuppenreihen auf den Schwanzwirteln, der 
breite Schwanz selbst, die geringere Zahl der Femoralporen, die stets geringere Körpergrösse 
und die Abweichungen in Körperfärbung und Zeichnung stempeln die Art zu einer durchaus 
guten und von P. Cepedianus var. madagascariensis scharf verschiedenen. Ich kann Prof. 
Peters deshalb nicht beistimmen, wenn er die Art als mögliche Varietät? von P. Oepedianus 
hinstellen will. Viel eher lässt sich die von Peters vorgeschlagene Vereinigung mit P. lineatus 
Gray sp. (Phelsuma) discutiren, dessen Diagnose in Catal. of Lizards Brit. Mus. 1845 p. 166 
folgendermaassen lautet: »Femoral and praeanal pores forming an angular line; brown in 
spirits, with a black upper and darker lower edged white streak on each side; beneath whitish ; 
scales of back ovate, tubercular, keeled; chin with 8 large gular shields in the front row, the 
2 middle rather the largest; scales in front of the throat larger than those behind; the lower 
labial shields 5—1—5, with 3 or 4 additional plates at the back.« Leider fehlen dieser 
Diagnose aber die wichtigsten und charakteristischsten der von mir gefundenen Unterschiede, 
und es ist daher abzuwarten, bis Ocularinspection der im British Museum aufbewahrten 
Originale von P. lineatus Gray sp. eventuell die Identität dieser mit der hier beschriebenen 
Art erweist, Möglich ist übrigens auch, dass nicht diese, sondern die folgende Species mit 


Gray’s P. lineatus identisch wäre. 
Y E 


— 464 — 


18. Pachydactylus dubius Boettg. 

Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881 No. 74, p. 46 und in Reliquiae Ruten- 
bergianae p. 179. 

Da ich mir das im Bremer Naturhistorischen Museum liegende Originalexemplar dieser 
Form neuerdings nicht nochmals verschafft habe, kann ich davon hier auch keine Abbildung 
geben. Ich wiederhole, um alle 3 von mir bis jetzt untersuchten Formen neben einander stellen 
zu können, nur nochmals wörtlich das in Relig. Rutenbergianae p. 179—181 gesagte: 

Char. Forma et statura medius inter P. Cepedianum var. madagascariensem Gray et 
P. laticauda Boettg., sed aperturis nasalibus magis lateralibus et squamis nasalibus minoribus, 
inter se separatis squamulis 3 internasalibus in transversum positis. Pori femorales utrimque 
solum 12—13. Rostrale postice truncatulum, media parte leviter ineisum. Submentalia 8 per- 
parva, magnitudine aequalia, squamulas sequentes gulares magnitudine vix superantia. Squamae 
dorso-laterales trunci pro genere magnae, rotundae, lentiformes, planulatae; squamae caudae 
latae, deplanatae, parum distinete verticillatae majores, verticillus singulus e seriebus squamarum 
5—6 compositus. 

Supra sordide castaneus, antice flavescenti postice caeruleo variegatus maculatusque, 
strigis lateralibus binis vieinis nigrescentibus, membris basique caudae caerulescentis eleganter 
obscure vermiculatis, gula parteque tota infera flavescente unicolore. 

Long. total. 109; capitis 16, trunci 35, caudae 58 mm. 

Die grosse Aehnlichkeit unserer vorliegenden mit den zwei in der obigen Diagnose ge- 
nannten Arten überhebt mich einer eingehenderen Beschreibung. Der Kopf dürfte nach vorne zu 
flacher auslaufen, die seichte Rinne auf dem Scheitel zwischen den Augen fehlt, die Umgebung 
der mehr seitlich gestellten Nasenlöcher ist weder gewölbt noch aufgeblasen. Die Schüppchen 
in der Umgebung der Nasenöffnungen und überhaupt oben in der Nähe der Schnauzenspitze 
sind auffallend klein und mit Ausnahme des gleichfalls kaum grösseren Nasale sämmtlich ziem- 
lich von gleicher Grösse. Das Auge ist wie bei P. laticauda relativ klein. Die Submentalen 
sind auffällig klein und legen sich je zu Vieren an das Mentale und die Infralabialen an. 
Die nach hinten an die Submentalen angrenzenden Gularschuppen sind von ihnen in der Grösse 
kaum verschieden, während sie bei den anderen Pachydactylus-Arten Madagascars wenigstens 
halb so gross sind wie die mittelsten Submentalen. Namentlich die seitlichen Rückenschuppen 
sind relativ gross, rund, etwas flach linsenförmig und höchstens schwach gekielt. Die Schuppen 


des relativ breiten, an den von P. laticauda erinnernden ‘Schwanzes sind gross, sechseckig und 


— 45 — 


stehen in nur bei genauerer Aufmerksamkeit deutlichen Wirteln, die aus 5—6 Schuppenquer- 
reihen aufgebaut sind. Die Mittelreihe grösserer Schilder auf der Schwanzunterseite ist weniger 
deutlich als bei P. laticauda. Femoralporen sind nur 12—13 vorhanden. 

Die Färbung ist oberseits matt rothbraun, nach vorn auf dem Kopfe mit gelblichen, nach 
hinten mit himmelblauen Flecken, Schnörkeln und Makelzeichnungen. Der Schwanz erscheint 
bläulich; die Gliedmaassen und die Schwanzbasis sind graulich fein mamorirt. Den Körper- 
seiten entlang laufen zwei schwarzgraue Linien, die durch einen weissen Streifen von einander 
getrennt werden, deren untere aber nur vorn deutlicher markirt ist. Die Unterseite ist ein- 
farbig weissgelb. 

Es ist schwer zu sagen, ob wir in der leider nur in einem einzigen Stück vorliegenden 
Form eine distinete Species oder nur eine Localvarietät des P. Cepedianus zu registriren haben, 
da wir über die besonders charakteristischen specifischen Merkmale der Gattung Pachydactylus zur 
Zeit noch so gut wie nichts wissen. Da es mir aber bei einem reichen madagassischen Material 
gelang, wenigstens zwei Formen, die bisher wohl in eine Species vereinigt worden waren, mit 
Sicherheit specifisch von einander zu trennen, und da das vorliegende Stück neben gemein- 
samen Charakteren mit jeder von diesen beiden Arten auch noch andere recht auffallende 
Merkmale zeigt, die eine Zutheilung desselben zu der einen oder anderen der genannten Arten 
wenigstens sehr gezwungen erscheinen lassen, halte ich es vorläufig für das beste, auch diese 
Form als Species zu beschreiben, es der Zukunft überlassend, ob meine ziemlich feinen Unter- 
scheidungsmerkmale Berechtigung haben oder nicht. Auf alle Fälle scheint mir nämlich bis 
zur endgültigen Erledigung der Speciesfrage in dieser schwierigen Gattung eine scharfe Unter- 
scheidung und Trennung der bis jetzt vorliegenden Formen dringend geboten. 

In der groben Beschuppung der Rückenseiten und in den nur aus 5—6 Reihen grosser 
Schuppen bestehenden Schwanzwirteln, sowie in der Rückenfärbung und Zeichnung erinnert die 
vorliegende Form an P. madagascariensis Gray. Sie unterscheidet sich aber gut in der ein- 
farbigen, nicht schwärzlich gestreiften oder gefleckten Kehle, in den nur 12—13 statt 18—25 
Femoralporen, in dem breiten, an P. ladicauda erinnernden Schwanz, in der Dreizahl der auf- 
fällig kleinen, in eine Querreihe gestellten Internasalen und in der Form und Grösse der kleinen 
Submentalschilder, die nicht wesentlich grösser sind als die’ hinter ihnen liegenden Gular- 
schüppchen, während sie bei P. madagascariensis dieselben 4—6 mal an Flächeninhalt übertreffen. 

P. laticauda hat dagegen zwar Grösse, Habitus, Färbung der Kehle, Zahl der Femoral- 
poren und flachen Schwanz mit unserer muthmaasslich neuen Form gemein, zeigt aber kleinere 


Rücken- und Schwanzschuppen, von denen erst 8—10 Reihen einen Wirtel bilden, besitzt im 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 63 


— 46 — 


Verhältniss zu den Submentalen nur halb so grosse Gularschuppen und zeigt wie bei P. mada- 


gascariensis nur eine einzige Internasalschuppe. 


Fundort. Nossi-Be, in einem einzelnen Stücke von Dr. Christ. Rutenberg gesammelt 
und mir von Prof. Dr. H. Ludwig, jetzt in Giessen, gütigst zur Beschreibung mitgetheilt. 

Bemerkungen. Wie bei der vorigen Species bereits bemerkt wurde, ist die Möglich- 
keit nicht ausgeschlossen, dass diese Form mit Gray’s P. lineatus zusammenfiele. Eingehende 
Vergleichung der im British Museum aufbewahrten Originalexemplare mit der vorliegenden 


Form dürfte allein diese Frage zum Austrag bringen. 


IV. Genus Peripia Gray. 


Ein für Madagascar neues Genus, das in einer, übrigens bereits bekannten und ziemlich 


weit verbreiteten Art von Hrn. C. Ebenau auf Ost-Madagascar entdeckt wurde. 


19. Peripia mutilata Wiegm. sp. 


Wiegmann in Nov. Acta Acad. Nat. Cur. Bnd. 17, p. 288 (Hemidactylus); Dum&ril 
und Bibron in Erp&t. gen. Bnd. 3, p. 352, Taf. 30, Fig. 1 (Hemidactylus Peroni) und p. 354 
(Hemidactylus); Gray, Catal. of Lizards Brit. Mus. 1845, p. 159 (Peroni); Steindachner, 
Rept. in Reise d. Novara, Zool. Theil, Bnd. 1, 1869, p. 13 (Peropus) und Peters und Doria, 
Catalogo d. Rett. d. Reg. Austro-Malese, Genova 1878, p. 50. 

(Taf. II. Fig. 7 a—d.) 

Das schön erhaltene vorliegende Männchen, von dem ich eine getreue Abbildung gebe, 

stammt von Tamatave an der Ostküste von Madagascar (Ebenau). 


Beschreibung. Von Dume£ril und Bibron’s Diagnose weicht das Stück nur in 
folgenden untergeordneten Dingen ab: Die Submentalschilder stehen streng genommen in zwei 
Querreihen, deren Nähte aber theilweise geschwunden sind, so dass 6 mehr oder weniger 
deutliche Schilder den Submentalraum füllen. Der Schwanz ist bei unserem Exemplar regenerirt, 
von oben nach unten deprimirt, an der Basis aber wenig verbreitert. Supralabialen zähle ich 
9—9, Infralabialen 8—8. Die Klauenlosen Daumen zeigen nur 5, die übrigen klauentragenden 
Finger und Zehen 6—7 Doppellamellen auf ihrer Unterfläche. Die Schwanzunterseite besitzt 
in der Mitte eine bis zur Spitze verlaufende Längsreihe breiter Subcaudalplatten. 

Im Uebrigen ist der Kopf stark abgeplattet, die Füsse sind kurz, stämmig, die Schenkel 
werden in den Kniekehlen durch starke Bindehaut mit einander verbunden, und auch die Finger 


und Zehen, namentlich die 3ten und 4ten sind gleichfalls durch deutliche Spannhäute an ihrer 


ya 


Basis ausgezeichnet. Alles andere, so die beiden grösseren rectangulären Platten zwischen den 
Nasenöffnungen und die bogenförmig geschwungene ununterbrochene Linie von 36 Femoralporen 


ist genau, wie es Dum&ril und Bibron angeben. 


Maasse. Länge des Röpfes“. .. u... .."., 14mm 
Breite desselben . . . . a L/2N> 
Grösste Höhe desselben . . . ... 6!» 
Von der Schnauze bis zur Afterspalte 54 » 
Länge des (regenerirten) Schwanzes . 351), » 
Totallänge, yı- 2005 Veen 280155 


Schwanzlänge zu Totallänge wie 1:2,52, während sich dieses Verhältniss bei Dumeril 
und Bibron für normale Exemplare zu 1:2,41 berechnet. ; 

Die Färbung ist oberseits uniform hellgrau, unterseits weisslich. Die sämmtlichen 
Körperschüppchen sind unter der Lupe überaus fein schwarzbraun gepudert. 

Vorkommen. Als Vaterland können wir für diese weitverbreitete Species anführen die 
ostafrikanischen Inseln Mauritius (P&ron et Lesueur), Bourbon (Peters) und Madagascar 
(Ebenau), die südasiatischen Fundorte Ceylon (F. Müller), Bangkok (Peters), Borneo (Pet.), 
Celebes (Steindachner), Amboina (Pet. u. Doria-Pet.), Ternate (Doria-Pet.), Goram 
(dies.) und Manila (Wiegmann, Steindachner) und die australischen Inseln New-Guinea 
(Doria-Peters) und Honolulu (d’Albertis). 

Bemerkungen. Der Ausdruck bei Gray a. a. O. »Toes free, dilated for their whole 
length« scheint mir für diese Species nicht zu passen, da die chevronförmigen Querlamellen 


der Zehenunterseite nur etwa die Hälfte der Zehenlänge bedecken. 


Y, Genus. Hemidactylus Cuv. 
20. Hemidactylus mabuia Mor. de Jon. sp. 
Boettger in Madagascar p. 23, Taf. I, Fig. 4 (mercatorius), Nachtr. I. p. 7, Taf. ], 
Fig. 2 (frenatus), Nachtr. II p. 22 und in Reliquiae Rutenbergianae p. 179. 
= mercatorius Gray —= platycephalus Peters —= hexaspis Cope in Proc. Acad. Nat. 
Scienc. Philadelphia 1868 p. 320. 


Von diesem auf Madagascar und seinen Küsteninseln gemeinsten Gecko liegen wiederum 
zahlreiche Exemplare von Nossi-B&e (Ebenau, Stumpff) und 4 Stücke von Tamatave auf 


der Ostküste von Madagascar (Ebenau) vor. 


—, nee, 


Beschreibung. Indem ich auf das in Madag. Nachtr. II p. 22 u. f. Gesagte verweise, 
gebe ich hier nur eine kurze Charakteristik und die Hauptmaasse der besser erhaltenen neuen 
Stücke. Von Lamellen auf der Unterfläche der Hand zähle ich bei allen untersuchten Exem- 
plaren — die unpaare Platte an der Spitze des Fingers mitgerechnet — am Daumen 4—5, 
am zweiten Finger 6—7 und an den übrigen Fingern 6—8, auf der Unterfläche des Fusses an 
der ersten Zehe 4—5, an der zweiten 6—8, der-dritten 7—9, der vierten 6—8 und an der fünften 
Zehe 5—7 Chevronlamellen. Die geringe Entwicklung der Lamellen an der fünften Zehe des Fusses 
ist genau so auch den amerikanischen Stücken dieser Species eigen. Dieser mein Befund weicht 
von der Beschreibung bei Dum6ril und Bibron a.a.0.p. 363 insofern ab, als die genannten 
Forscher dieser Zehe wie der vierten des Hinterfusses S’ Querlamellen zuschreiben. 

No. 6. Kleines Exemplar von Tamatave, ähnlich unsern No. 1 und 3. Supralabialen 
(S1.) 10—10, Infralabialen (I.) 9—9, Submentalen (Sm.) 2—2, deren vorderste an einander 
stossen, während die hinteren durch 3 Schüppchen von einander getrennt sind. Grau mit einigen 
braunen Flecken zwischen den Augen und mit wenigen schwarzbraunen Chevronbinden quer 
über Rücken und Schwanz. 

No. 7. Halbwüchsiges Stück von Tamatave. Wie voriges, aber aschgrau, auf dem Rücken 
unregelmässig mit ganz wenigen schwarzbraunen Flecken bespritzt. 

No. 8 von Tamatave, ebenso, aber die Querzeichnungen über Rücken und Schwanz 
deutlicher. | 

No. 9. Grösseres. Weibchen von Tamatave. SI. 10—11, I. 9—9, Sm. 2—2, die hinteren 
nur durch 2 Schüppchen von einander getrennt. Chevronzeichnungen auf dem Rücken unter- 
brochen, wenig deutlich; Schwanz regenerirt, ohne Querbinden. Lippenschilder, Füsse und Zehen 
wie bei allen genannten Stücken weiss und braun gefleckt und gebändert. 

Sämmtliche folgende Exemplare stammen von Nossi-Be: 

No. 10. Weibchen. Sm. 3—3. Rücken grau und weiss melirt, hier und da schwarzbraun 
gepunktet; Schwanz mit dunkel- und hellgrauen Querbinden. 

No. 11. Männchen. Sm. 2—2, Femoralporen (F.) 14—14. Sonst wie No. 10. 

No. 12. Weibchen. Sm. 2—2. Färbung wie No. 10. 

No. 13. Männchen. Sm. 2—2, F. 23—27. Wie vorige, aber mit 5 breiten, an den 
Rändern verwaschenen, schwarzbraunen Querzeichnungen über den Rücken. 

No. 14. Weibchen. Sm. 3—3. 4 Chevronzeichnungen quer über den Rücken, 15 Quer- 


binden über den Schwanz. 


No. 15. Männchen. Sm. 3—3, F. 25—27. 
No. 16. Weibchen. Sm. 3—3. 

No. 17. Weibchen. Sm. 2—2 
No. 15. Männchen. Sm. 2—2, F. 13—14. Kopf kürzer und höher als gewöhnlich. 


Die drei letzten Stücke wie No. 13 gefärbt. 


Tuberkel ziemlich entwickelt, 6 Reihen spitziger, gut entwickelter Dornen am Schwanz. Stark 
tingirt, am Hinterkopf eine, über den Rücken 5 W-förmige, über den Schwanz mehr als 9 
dunkle Querbinden. Lippenschilder lebhaft schwarz und weiss gefärbt. 

No. 19. Männchen. Sm. 2—2, F. 14—15. Wie No. 18, aber mit 11 dunklen Querbinden 
über den Schwanz. 

No. 20. Männchen. Sm. 2—2, F. 13—13. Färbung wie No. 13. 

No. 21. Männchen. Sm. 2—2. F. 16—17. Wie voriges. 


Maasse. No.7 No.8 No.10 No.14 No. 19. 
Von der Schnauze bis zum After 48 49 65 51 52 mm. 
Schwanzlangegs eg 461, 80 67 64 >» 
Totallängeey u we on, ee 097 95127 145 118 116 » 


Schwanzlänge zu Totallänge also wie 1:1,86, im Mittel von 6 intacten madagassischen 
Exemplaren aber wie 1:1,87, während sich dieses Verhältniss beim typischen 7. mabuia aus 
Westindien auf etwa 1: 2,09 stellt. 

Bemerkungen. Hemidactylus hexaspis Cope s. 0. von Madagascar ist zweifellos 
gleichfalls identisch mit der in Rede stehenden Species und ist auf ein Exemplar, das besonders 
schwach rien Tuberkel hat, wie solche gerade in Ostafrika häufiger sind, aufgestellt. 
Die Cope’sche Diagnose gibt wenigstens nicht den geringsten Anhaltspunkt zur Trennung seiner 


Art von H. mabuwia. 


VI. Genus. Scalabotes Peters. 
Die Entdeckung dieser bis jetzt nur von der westafrikanischen Insel St. Thome bekannten 


Gattung in einer zierlichen Art auf Nossi-B& verdanken wir Hrn. Anton Stumpff daselbst. 


21. Scalabotes madagascariensis Boettg. 
Boettger n Cana; Zoolog. Anzeiger 1881 No. 87, p. 360. 
(Taf. II, Fig. 8 a—d.) 
Char. Valde affınis Sc. thomensi Peters (Mon.-Ber. Acad. d. Wiss., Berlin 1880, p. 795, 
Fig. 1), sed membris, ut videtur, brevioribus et phalange antepenultima digiti quarti pedis serie 


duplici lamellarum 4 nec 5 transversalium instructa. Internasalia 3 in transversum posita, 


— 40 — 


neque unicum; squamae menti anteriora multo majora quam ventralia. Z' poris praeanalibus 7 in serie 


parum angulata positis instructus. Nulla series media squamarum majorum in parte inferiore caudae. 


Supra aut fusco- aut olivaceo-cinereus, indistinete nigro marmoratus maculatusque, sed 
fascia transversa ante oculos, taeniis 4 obliquis parallelis inter oculum axillamque, puncto reni- 
formi in oceipite semper distinctioribus. Cauda semiannulis ca. 7 nigrescentibus ornata. Subtus 
albescens unicolor, ingluvie aut punctis paucis nigris hie illic sparsa (9) aut unicolore (Q'). 
Labialia fusco adspersa, cauda subtus tota cinereo pulverulenta. 

Long. total. 69, capitis usque ad aurem 8, capitis 4 trunci 31, caudae 38, membri 


anterior. 11, posterior. 1312, manus 4, pedis 6 mm. 
Hab. in insula Nossi-B& rarus (2 spec.). 


Beschreibung. Die vorliegende kleine Art scheint dem von Prof. Peters a. a. O, 
beschriebenen Se. thomensis von der westafrikanischen Insel St. Thom& nach Abbildung und 
Beschreibung so ähnlich zu sein, dass ich, indem ich auf Peters’ und meine Zeichnungen 
der betreffenden Arten verweise, hier nur die mir wichtig erscheinenden unterscheidenden Merk- 


male hervorzuheben brauche. 


Bei der madagassischen Art scheinen der Abbildung nach die vorderen Gliedmaassen kürzer, 
die vierten Zehen aber etwas schmäler und länger zu sein, und das vorletzte Zehenglied derselben 
am Fusse ist mit einer doppelten Reihe von 4—4 und nicht von 5—5 in Chevron gestellten 
Lamellen ausgerüstet. Zwischen den grossen Nasalschuppen stehen 3 Internasalia und nicht 
blos ein einziges, wie es Peters’ Abbildung andeutet. Die vorderen Kinnschüppehen sind viel 
grösser als die Bauchschüppchen. Das Männchen zeigt eine Reihe von 7 Pracanalporen, die 
quer in einen mit der Spitze nach vorn gerichteten, sehr stumpfen Winkel gestellt sind. Die 


Schwanzunterseite zeigt in ihrer Mittellinie keine Längsreihe von breiten Subcaudalschüppchen. 


Maasse. No.1g No29 
Kopflänge bis zur Ohröffnung . . . 2 .2....8 8 mm. 
Von der Schnauze bis zur Analöfnungse st alas 
Länge der Vordergliedmaasen. . -». . .... 11 les» 
Länge der. Hand 5. ve sa. ze 5205 eye and AS 
Länge der Hintergliedmaassen . . . 2. .2..2....14 15» 
Länger .desABussesuäen, encore anzanr een 6 » 
Schwanzlangeuilt sur ige 2 3er da Sala ve ae 38» 


Totällänge ven ah. Ra ARD 69 >» 


—ı 471 — 


Das Verhältniss von Schwanzlänge zu Totallänge ist demnach genau wie bei Se. thomensis, 
nämlich wie 1: 1,82. 

Färbung. Oberseits braungrau, olivengrau oder bronzegrau, undeutlich und auf beiden 
Rückenseiten etwas alternirend schwarzbraun oder schwarz gefleckt und marmorirt, die Flecke 
am Hinterrücken undeutliche Querbinden bildend. Immer viel besser ausgeprägt erscheint eine 
wellige schwarze Querbinde auf der Schnauze vor den Augen, vier schiefgestellte Parallellinien 
jederseits zwischen Auge und Achsel und ein nierenförmiger Punktfleck auf dem Hinterhaupt. 
Von den 4 genannten Parallellinien zieht die vorderste vom hinteren Unterrande des Auges 
schief nach hinten und unten, die zweite vom Hinterrande des Auges durch die Ohröffnung 
gegen die Kehlseite, die dritte etwas mehr längsgestellte breitere Binde der Halsseite entlang 
und die vierte kürzeste und breiteste liegt unmittelbar über der Insertion der Vorderglied- 
maassen. Der Schwanz ist mit etwa 7 schwärzlichen Halbringen geschmückt. Unterseits ist 
das Thierchen einfarbig weisslich, die Kehle beim Männchen einfarbig, beim Weibchen mit 
sparsamen, feinen, schwarzen Punkten hie und da bestreut. Die Schwanzunterseite ist über 
und über grau bestäubt, die Lippenschilder sind braun gefleckt. 

Fundort. Nossi-Be, von Herrn A. Stumpff bis jetzt nur in einem Pärchen eingeschickt. 

Bemerkungen. Ob die angeführten Kennzeichen in Pholidose und Färbung genügen, die 
Art von dem westafrikanischen Se. thomensis mit Sicherheit specifisch zu unterscheiden, muss ab- 
gewartet werden. Dass Grandidier’s Hemidactylus Tolampyae aus den Wäldern der Westküste 
von Madagascar möglicherweise identisch mit unserer Species ist, will ich gleichfalls nicht in Ab- 
rede stellen. Setne leider wie immer überaus kurze Diagnose in den Ann. d. Scienc. Nat. (5) Bnd. 15, 
1872 p. 8 lautet: »De taille assez petite; d’un gris brun jaunätre coupe de raies transversales, 
brunes, brisdes, tres-irregulieres. Des pores preanaux. Pas de pores aux cuisses. Aucun tubercule 
sur la peau. Queue sans 6pines.« Ich gestehe, dass, wenn man die Art als Hemidactylus 
bezeichnen wollte, die Möglichkeit einer Identität mit unserer Species nicht ausgeschlossen ist. 

VI. Genus. Ptyodactylus Curv. 
22, Ptyodactylus (Uroplates) fimbriatus Schneid. sp. 

Boettger in Madagascar, Nachtr. II p. 21. 

Es liegen 6 weitere von Herrn C. Ebenau und A. Stumpff auf Nossi-B& gesammelte 
- Exemplare dieser bizarren Geckonenform vor. 

Das Männchen unterscheidet sich vom Weibchen äusserlich durch eine kugelige An- 
schwellung der Schwanzbasis, die auch dem jungen Thiere schon zukommt, und durch weit 


stärker entwickelten, beiderseits an der Seite der Schwanzbasis stehenden Analhöcker. 


— 412 1 — 


No. 5. Männchen. Jederseits 47 Supralabialen (S.) und 39 Infralabialen (I.). Sonst und 
namentlich in der Färbung wie unsere No. 2, aber auf der Schnauze mit deutlicherer Fleck- 
zeichnung und mit undeutlichen schwarzgrauen Querbinden zwischen den Augen. Am Hals 
und an den Insertionen der Gliedmaassen rosa. Längs der Rückenmitte hellere, von undeut- 
lichen dunkleren Chevronzeichnungen eingefasste grosse Flecke. 

No. 4. Weibchen. 8. 43—43 und I. 40—40. Tuberkel an der Seite der nicht 
kugelig geschwollenen Schwanzbasis klein. Färbung wie No. 2, aber eine Längsreihe von 10 
schwarzen Purktmakeln auf der Rückenmitte deutlicher. Kopfunterseite grau gepudert; Zehen 
oberseits mit sehr eleganten wurmförmigen schwarzen Zeichnungen gemustert. 

No. 5. Weibchen. S. 44—44, I. 33—38. Färbung wie No. 3. 

No. 6. Weibchen. S. 43—43 und I. 43—43. Färbung röthlichgrau mit schwer zu beschrei- 
bender rother, grauer und schwarzer Marmorirung ; Schwanz gegen die Spitze hin schwarz punktirt. 

No. 7. Weibchen. S. 40—40 und J. 38—38. Färbung wie No. 3. 

No. 8. Männchen. S. 44—44 und J. 44—44. Färbung lebhaft. Auf dem Hinter- 
kopf eine grosse pilzförmige, auf dem Rücken zwei schabrackenartige, nach unten in nach 
vorn und hinten gerichtete Zipfel endigende, auf der Schwanzbasis eine langovale, schwarz- 
eingefasste Zeichnungen quer über den Körper. 


Maasse. No. 692 No. 79 
Kopthöbesen zes: ee 5) 19 mm. 
Kopfbreite.v can re en 3l » 
Von der Schnauze bis zur Afteröffnung . . 142 147 * >» 
Schwanzlangei Euer N oA 50 » 
Grösste Schwanzbreite . ... .i. ru. „alle 24 >» 
Totällange 2 Wilma IE De ie 7 RR 206 197 >» 


In beiden Fällen ist der Schwanz regenerirt; überhaupt scheinen intacte Exemplare dieser 


Art mit vollkommen normal ausgebildetem Schwanz überaus selten zu sein. 


IX. Genus. Phyllodactylus Gray. 
23. Phyllodactylus (Phyllodactylus) Stumpffi Boettg. 


Boettger in Ber. d. Senckenberg. Naturf. Ges. 1878—79 p. 85 und Madagascar, 
Nachtr. I. p. 18. 


(Taf. II, Fig. 9a—d.) 
Von dieser schönen Art, von der ich die Abbildung eines völlig erwachsenen Stückes 


geben kann, liegen neuerdings 8 von Herrn A. Stumpff auf Nossi-B& gesammelte Exemplare vor. 


. 


ee 


Ich kann mich auf die oben citirte sehr genaue, in Madagascar, Nachtr. II p. 18 u. f. 
gegebene Beschreibung beziehen und erwähne nur noch folgende Eigenthümlichkeiten dieser 
Species. Der an der Basis beim Männchen kugelig verdickte, beim Weibchen einfache Schwanz 
ist mit zahlreichen geschlossenen Ringen von 14 spitzen Dörnchen bewehrt, von denen die 
oberen 10—12 stark dornförmig vorragen, während die basalen 2—4 Dornschuppen schwächer 
entwickelt bleiben. Die Körperunterseite ist einfarbig, schmutzig weiss. 

No. 2. Männchen. Schwanz mit 23 Dornwirteln. Lippenschilder gelblich, schwarzgrau 
gewürfelt. Schwanz oben mit 14 hellen, dunkel eingefassten Querbinden. 

No. 3. Weibchen. Kinnseiten mit graulichem Maschenwerk, Lippenschilder wie bei No. 2. 
Vier dunkle, durch drei helle Längs- und vier Querstreifen unterbrochene Rückenlinien; also 
abweichend vom Typus durch deutlichere Ausbildung von noch je einer hellen Längslinie auf 
den -Rückenseiten. 

No. 4. Männchen. Der regenerirte Schwanz starrt von kleinen Dornspitzen, zeigt aber 
keine Wirtelung. 

No. 5. Männchen. Die kugelige, hinten nierenförmig ausgeschnittene Schwanzbasis ist 
unterseits mit grossen conischen Schuppen gepflastert; links und rechts von der Afterspalte 
steht ein mässig entwickelter Tuberkel. f 

No. 6. Männchen. Schwanz mit etwa 24 nach der Spitze zu undeutlich werdenden 
Dornwirteln. Färbung wie bei No. 1, aber der Schwanz zeigt oben 12 helle Querbinden. 

No. 7. Weibchen. Schwanz mit etwa 22 nach der Spitze zu undeutlich werdenden 
Dornwirteln. Färbung wie bei No. 1, aber der Schwanz zeigt oben nur 11 helle Querbinden. 

No. 8. Junges Männchen. Schwanz mit 27 Dornwirteln. Kinnseiten und Labialen sehr 
lebhaft weiss und schwarz marmorirt; die weissen schwarz eingefassten Querbinden über den Rücken 
stärker accentuirt als die helle Medianlinie. Schwanz oben mit mehr als 9 hellen Querbinden. 

No. 9. Junges Männchen. Schwanz mit 24 Dornwirteln. Sonst wie No. 8, aber die 


Querbinden auf dem Schwanz undeutlich. 


Maasse. No.2. No.6. No.7. No. 8. No.9. 
Länge des Kopfes. 7... 2.39 Dana ld, 122/2mm: 
Grösste Breite desselben . . 14 SS 17 10 Sig » 
Grösste Höhe desselben . . 10 1052.12 U Ge 
Schnauze bis Afterspalte . . 55 6270 40 Oma» 
Schwanzlängel: .. Zur. a9 ba 73 42 Sb 
Totallängege 2 27 re A129 43 82 al 


Abhandl. d. Senckenberg. naturf Ges. Bd. XII. 64 


— 44 — 


Schwanzlänge zu Totallänge also im Mittel wie 1:1,95, Kopflänge zu Totallänge im 
Mittel wie 1: 5,89. 

Das grösste bis jetzt bekannte Exemplar dieser Art misst 143 mm. 

Fundort. Man kennt Ph. Stumpffi nur von der Insel Nossi-Be (Stumpff, Reuter, 
Hildebrandt). 

Bemerkungen. Die Unterschiede dieser von der folgenden Species sollen bei letzterer 


erörtert werden. 


24. Phyllodactylus (Phyllodactylus) oviceps Boettg. 

Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881 No. 87, p. 359. 

(Taf. III. Fig. 10 a—d.) 

Char. Digiti omnes unguiculati, pergraciles, recti, subtus serie singula lamellarum trans- 
versarum instructi; disci scansorii trapezoidales, sulco longitudinali bipartiti, subplani. Pholidosis 
heterogenea. 

Caput corpore parum latius, oblongo-ovatum, postice rotundatum, media parte latissimum, 
oculis valde eminentibus, rostro acutiusculo, depresso. Membra pergracilia. Pupilla verticalis; 
rostrale convexo-trapezoidale, superne latius; supralabialia 14; mentale triangulare; infralabialia 
12. Submentalia 2 longe producta, ad latera binis vel ternis, postice uno scutello sexangulari 
minoribus secuta. Orbitae distinetae, sulco cireumscriptae; oceiput cute non adstrietum, tuber- 
eulis hie illice sparsum. Dorsum seriebus longitudinalibus irregularibus tuberculorum sub- 
ovatorum obtusorum et vix carinatorum 6 pluribusque valde indistinctis dorso-lateralibus ornatum; 
labera membraque tuberculis modieis graniformibus, haud carinatis, venter squamis laevibus, 
satis parvis, rotundatis instructus. Cauda subuliformis, verticilläta, supra basi modo, ut videtur, 
seriebus 6 spinularum parvarum armata, caeterum squamis majoribus reetangularibus tecta. 

Supra canus, subtus fusco pulverulentus; caput vario modo nigro eleganter signatum, 
signo Y-formi in oceipite; dorsum fasciis latis 4 nigris M vel W-formibus, media parte sub- 
interruptis, cauda annulis latis 11 nigris irregulariter ornata. Membra vario modo nigro ma- 
culata annulataque. 

Long. total. 76, capitis 15", trunci 23%,, caudae 37, membr. anterior. 17, posterior. 
23 mm. Lat. max. capitis 9, trunei 7'e, caudae 2!’ mm. 

Hab. in insula Nossi-B& perrarus (1 spec.). 

Beschreibung. Alle Finger sind mit Krallen versehen, sehr schlank, gerade, unter- 


seits mit einer einfachen Reihe von Querlamellen versehen; die Fingerballen trapezoidisch 


— 4) — 


durch eine Längsfurche, in der sich die kleine Kralle verbirgt, in zwei Theile gespalten, unter- 
seits ebenflächig. Die Rückenpholidose besteht aus zwiefachen Elementen. Die Gliedmaassen 
sind auffällig schlank. Der relativ immerhin grosse Kopf ist wenig breiter als der breiteste 
Theil des Rumpfes, länglich-eiförmig, hinten schön gerundet, an den Seiten hinten also nicht 
eckig vortretend, etwas hinter der Mitte am breitesten, mit grossen, weit vorquellenden Augen 
und spitzlicher, niedergedrückter Schnauze. Die Schnauzenkanten sind gut entwickelt, vorn 
parallellaufend und einander stark genähert, eine Längsfurche zwischen sich einschliessend. Die 
Pupille ist vertical; das Rostrale convex-trapezoidisch, oben, wenn in eine Ebene aufgerollt, 
weiter nach rückwärts reichend als unten; Supralabialen sind 14, Infralabialen, die ziemlich 
weit nach abwärts in die Kinngegend reichen, 12 zu zählen. Zwei grosse in die Länge ge- 
zogene Submentalen schliessen sich links und rechts an das dreieckige Mentale; an ihren Seiten 
stehen noch je 2 bis 3, nach aussen an Grösse abnehmende, relativ kleinere Schildchen, an 
ihrem Hinterrande eine mediane sechsseitige, ebenfalls relativ kleine, unpaare Schuppe. Die 
hinter diesen grösseren Schuppen liegenden Kinnschüppchen nehmen schnell an Grösse ab. 
Die Augendisken sind gross, gewölbt, von einer Furche umschrieben; die Haut am Hinterkopf 
ist lose, nicht mit den darunterliegenden Schädelknochen verwachsen und mit grösseren und 
kleineren, denen des Rückens ähnlichen, knötchenförmigen Tuberkeln bestreut. Der Rücken ist 
grob gekörnt und zeigt überdies etwa 6 unregelmässige Längsreihen von ziemlich ovalen, 
stumpfen und höchstens verrundet-gekielten Tuberkeln, an die sich seitlich noch weitere sehr 
undeutliche Reihen ähnlicher Tuberkel anschliessen. Die Körperseiten und Gliedmaassen sind 
mit mässig grossen, ungekielten, körnerartigen Tuberkeln geziert, der Bauch aber mit glatten, 
ziemlich kleinen, gerundeten Schüppchen gepflastert: Der pfriemförmige Schwanz ist nur oben 
an seiner Basis mit Halbringen von in 6 Längsreihen gestellten, kleinen und wenig vortreten- 


den Dörnchen versehen, im übrigen aber mit grösseren rechteckigen Schuppen gewirtelt. 


MaassesoKopllängerz ae slsemm! 
Grösste Breite des Kopfes . . .. 9 » 
Kumpilangew ae naar 231100 7% 
Grösste Breite des Rumpfes . . . Tina » 
Schwanzlänge em nee 137 » 
Grösste Breite des Schwanzes . . . 21a 
Totallänge, rennen es 976 » 
Länge der Vordergliedmaassen . . . 17 » 


Länge der Hintergliedmaassen . . . 23 » 


— 46 ° — 

Verhältniss von Schwanzlänge zu Totallänge also wie 1: 2,05. 

Färbung. Oberseits ist das äusserst schmuck gezeichnete Thierchen hell aschgrau, 
unterseits jedes Schüppchen sehr fein mit Braun bestäubt. Der Kopf ist in eleganter Weise 
mit eigenthümlichen schwarzen Schnörkeln geziert — siehe unsere Abbildung —, von denen 
namentlich eine »&- oder W-förmige Makel auf dem Hinterkopf charakteristisch zu sein scheint. 
Der Rücken zeigt vier breite M- oder W-förmige, in der Mitte unterbrochene schwarze Quer- 
binden, die auch als kleeblattförmige, mit ihrer Breitseite nach aussen stehende Makeln auf- 
gefasst werden können. Den Schwanz zieren 11 unregelmässige, breite, schwarze Ringe, die 
unterseits nur durch sehr schmale weisse Querlinien unterbrochen werden. Die Gliedmaassen 
und Zehen sind in verschiedener Weise schwarzgrau gefleckt und geringelt. 

Fundort. Herr Anton Stumpff sandte nur ein einzelnes Exemplar dieser präch- 
tigen Novität von Nossi-B£. 

Bemerkungen. Von Ph. Stumpffi ist die vorliegende Art leicht zu unterscheiden 
durch ihren hinten abgerundeten, nicht rechteckigen Hinterkopf, dessen Oberhaut den Schädel- 
knochen nicht adhärirt, durch die schlankeren Gliedmaassen und Zehen, durch die verrundeten 
und nicht gekielten Tuberkel, durch den weit schwächer bewehrten Schwanz und durch die 
ganz abweichende Färbung und Fleckenzeichnung,. Grandidier’s Ph. androyensis vom 
Vorgebirge St. Marie im südlichsten Madagascar, den ich Madagascar Nachtr. II p. 20 schon 
mit Ph. Stumpffi verglich, ist zu wenig ausführlich beschrieben, als dass er gut zum Ver- 
gleich herangezogen werden könnte. Er soll an den Körperseiten rothbraun sein, und das 
erste der vier Rückenmakelpaare soll bis zur Zügelgegend reichen. Auch werden seine 
Tuberkel als dreieckig beschrieben. Danach wenigstens ist er sehr wahrscheinlich eine 


wesentlich von der unsrigen verschiedene Species. 


VIII. Familie Iguanidae. 
I. Genus Hoplurus (Cuv.) Dum. Bibr. 
25. Hoplurus torquatus Cuv. 
Cuvier in Regne anim. 2. ed., I D- 46; Dumeril und Bibron, Erpet. gen. Bnd. 
4 p. 461; A. Dumeril, Catal. methodique p. 83; Peters in v.d. Decken’s Reisen in Ost- 
afrika Bnd. 3. I. p. 14; Boettger in Reliquiae Rutenbergianae p. 181. 
— Hoplurus Sebae Dum. Bibr. und A. Dumeril. 
Beschreibung. Uebereinstimmend mit Dume&ril und Bibron’s Beschreibung, aber 


auch die Schuppen der Unterseite, namentlich die des Halses und der Brust mit deutlichem, 


— 41 — 


wenn auch schwachem Mittelkiel. Die schwache Halserista besteht nur aus 4 Dornschuppen, 
von denen die vorderste die grösste ist. 

Die Färbung des grösseren der beiden vorliegenden Stücke ist graubraun, fein mit 
dunkler braunem Netzwerk marmorirt. Ueber den Rücken laufen 5 quere braune Binden, 
deren zwei vorderste und namentlich die auf dem Nacken gelegene vorderste Binde fast 
schwarz erscheinen. An den Seiten ist diese Nackenbinde hinten links und rechts weiss ein- 
gerahmt. Die Unterseite ist hell gelbbraun, schwachgewölkt mit einem lichten Grau, das 
sich besonders deutlich auf den Gliedmaassen erkennen lässt; die Kopfunterseite ist mit 9 wel- 
ligen, durch schwarzgraue Färbung lebhaft abstechenden, in der Mitte in einander verlaufenden 
Längsbinden geziert. Das jüngere Exemplar ist ihm in der Farbe und Zeichnung ähnlich, 
doch erscheint die Grundfarbe auf dem Rücken mit helleren unbestimmten Fleckchen durch- 
setzt, und die tiefschwarze Querbinde auf dem Nacken ist vorn und hinten von einer lebhaft 
markirten weissgelben Zone umgeben. 

Supralabialen 7—7; Infralabialen 8—8, also etwas mehr als Dume6ril und Bibron 
angeben. Die Region zwischen den Nasalen ist nicht so regelmässig beschildert, wie es die 
gleichen Forscher beschreiben. Alies übrige aber stimmt gut, und auch die Färbung scheint 
in der Hauptsache dieselbe zu sein. Ich stehe daher nicht an, trotzdem mir Originalexemplare 
zum Vergleich fehlen, die in zwei Stücken, einem jüngeren und einem älteren, vorliegende 
Form für den ächten Hopl. torquatus Cuv. zu erklären. 

Vorkommen. Beide Stücke stammen nach Prof. H. Ludwig wahrscheinlich (?) von 
Nossi-B&e; sie wurden von Herrn Dr. Christ. Rutenberg gesammelt. Die Exemplare 
befinden sich jetzt im Bremer Naturhistorischen Museum. Von detaillirteren Fundorten war die 


Art bislang nur von Kanatzi an der Westküste von Madagascar (Peters) angeführt gewesen. 


IX. Fam. Chamaeleontes. 
I. Genus Chamaeleo L. 
26. Chamaeleo (Chamaeleo) verrucosus Cuv. 
Cuvier, Regne anim. II. p. 60; Dume&ril und Bibron, Erpet. gen. Bnd. 3 p. 210, 
Taf. 27, Fig. 1; Gray in Proceed. Zool. Soc. London 1864 p. 479; Peters in v. d. Decken’s 
Reisen in Ostafrika, Bnd. 3. I. p. 12; Boettger in Reliquiae Rutenbergianae p. 182. 
Ein mehr als halbwüchsiges Weibchen dieser Art liegt vor, das in Färbung und Beschil- 


derung gut mit der Dum&ril-Bibron’schen Beschreibung übereinstimmt. 


— 418 — 


Färbung normal; nur die Zeichnung ist in folgender Weise etwas abweichend. Die 
mit grösseren Pflasterschuppen ausgezeichnete Seitenlinie zeigt nämlich über dem Ellenbogen 
einige weissliche Flecke, die der Seitenlinie entsprechend in eine Längslinie geordnet 'sind; ein 
grosser rautenförmiger weisser Fleck steht oberhalb der Hüftgegend dem Rücken mehr genähert 
als dem Bauche. 

Schnauze bei dieser Art relativ stärker zugespitzt als bei anderen Vertretern der Gattung, 
pyramidenförmig, ohne häutige oder hornige Anhänge. Die Kehlerista reicht weder bis zum 
Schnauzenende, noch ist sie hinten in Contact mit der Bauchcrista; sie besteht aus etwa 20 
langconischen Tuberkeln. Rückenkamm, Schwanzkamm und Bauchkamm deutlich, wie es 
Dumeril und Bibron von jüngeren Stücken beschreiben. Auf den Schläfen jederseits zwei 
besonders grosse, zirkelrunde Schildschuppen. Jederseits an den Körperseiten eine Längsreihe 
von etwa 17 grösseren Schuppen und überdies noch vereinzelte grössere Körner und Schüppchen 
unregelmässig unter die übrigen kleineren Körner der allgemeinen Körperbedeckung eingestreut. 

Vorkommen. Das vorliegende Stück stammt von Mahazamba auf Madagascar, zwischen 
15 und 16°S. B. und 47 und 48° O.L. und wurde von Herrn Dr. Christ. Rutenberg dem 
Bremer Museum eingeschickt. Meines Wissens wird die Art in der Literatur ausser von der 
Insel Bourbon von specielleren Fundorten nur noch von Kanatzi an der Westküste von Mada- 


gascar und aus Nordwest-Madagascar (Peters) aufgeführt. 


27. Chamaeleo (Cyneosaura) pardalis Cuv. 

Boettger, Madagascar p. 25, Taf. I, Fig. 5a—d, Nachtrag I. p. 13, Taf. I, Fig. 
6a—b und Nachtrag II. p. 26. 

Die zahlreichen von Nossi-B& (Ebenau, Stumpff) neu vorliegenden Stücke dieser daselbst 
häufigsten Chamaeleonspecies unterscheiden sich in nichts von den früher von mir untersuchten 
8 Exemplaren. Die Art scheint in der Pholidose recht constant zu sein, und nur die Färbung 
wechselt je nach Alter und Erhaltungszustand, ohne dass man auf die geringen Farben- und 
Zeichnungsdifferenzen besonderen Werth zu legen veranlasst wird. 

Nur die Maasse eines besonders grossen und schönen Weibchens No. 9 und eines 


Männchens No.:10 erlaube ich mir hier mitzutheilen. | 


Maasse. No. 92 No.10g 
Länge des Helms in der Mittellinie . -. ». ..2..2.....583 45! mm. 
Breite desselben am Hinterkopf . . » » 2 22.2... 221 20 » 


Länge der Oceipitalerista, N. .. „u. PN 27 248 20 » 


— 49 — 


Maasse: No. 99 No. 10 
Kopfhöhe vom höchsten Theil des Helms bis zur Kehle . 42 3 mm 
Breite des Kopfs in der Wangengegend . . . . 2.2648 232 >) 
MonwdersSchnauzenbistzums After er 2 ner 163 140 » 
SChwanzlange sinn. a A sr Bo aan 6a DTO 174 » 
Totallänge WAR sa na a 37 314 » 


Die Helmbreite verhält sich demnach zur Helmlänge beim Weibchen No. 9 wie 1: 2,36, 
beim Männchen No. 10 wie 1:2,27 und im Mittel beim Männchen überhaupt wie 1: 2,23. 


Die Schwanzlänge verhält sich zur Totallänge im Mittel von zwei Beobachtungen wie 1: 1,79. 


28. Chamaeleo Campani Grand. 

Grandidier in Ann. d. Science. Nat. (5) Bnd. 15, 1872 p. 8; Boettger in Reliquiae 
Rutenbergianae p. 183. 

Zu dieser leider nur sehr dürftig mit den Worten »Corps traverse longitudinalement par 
6 rangees subsymmetriques de grosses 6cailles rondes et plates, qui sont ä peu pres toutes 
d’egale grandeur; celle qui suit la ligne du dos est double. Pas de crete dorsale ni ven- 
trale. Le casque est peu @leve. — Long. d. corps 35, d. ]. queue 33 mm« diagnosticirten, 
in ihren Charakteren allerdings sehr auffälligen Species glaube ich ein prächtiges, anscheinend 
weibliches Exemplar stellen zu sollen, das Dr. Rutenberg auf Madagascar gesammelt hat. 

Beschreibung. Das vorliegende, höchstens von bekannten Arten an Cham. (Apola) 
lateralis Gray (vergl. die Figur des Kopfes in Proceed. Zool. Sgc. London 1864, p. 473) er- 
 innernde, aber in der fehlenden Zähnelung an Kinn und Ventrallinie, in dem niedrigen und nur 
vorn gekielten Hinterkopf und in der Pholidose mit zweierlei Schuppenelementen weit verschiedene 
Thier hat folgende Charaktere: 

Der hohe, am Rücken eine schwach schneidige Kante ohne deutliche Zähnelung bildende 
Rumpf ist stark gebogen und doppelt so hoch als der Kopf in der Augengegend. Der anfangs 
etwas comprimirte, dann im Durchschnitt runde Schwanz ist nicht einwärts gerollt und scheint 
deshalb kaum oder wenig als Greiforgan benutzt zu werden. Der Kopf ist verhältnissmässig 
klein, ohne Nasenaufsatz und zeigt einen schwach entwickelten, überall ohne Abschnürung in 
den Rumpf verlaufenden Helm. Die feine Nasenöffnung steht genau zwischen Schnauzenspitze 
und Auge. Die Augenbrauenbogen werden durch eine leistenförmig erhabene Reihe grösserer 
würfelförmiger Körnerschuppen, die dicht vor dem Auge am grössten erscheinen, gebildet, sind 


durch eine tiefe Längsdepression von einander getrennt und ziehen, einen in schiefer Richtung 


— 480 — 


nach vorn geradlinig abfallenden Canthus rostralis bildend, bis nahe an das Rostrale, ohne 
sich bier aber mit einander zu vereinigen. Der Hinterkopf oder Helm ist relativ niedrig, 
rechts und links als ein schwach aufgeblasenes Oval sich darstellend und durch ähnlich grössere 
Schildchen, wie sie den ganzen Oberkopf pflastern, ausgezeichnet, aber nur in seiner vorderen 
Hälfte mit einer geradlinigen, links und rechts durch einen = ® - förmigen,, vertieften Ein- 
druck begränzten Crista bewehrt. Der hintere Augenrand und eine kurze, von diesem aus- 
gehende, in die Längsrichtung des Thieres gestellte, sehr schwache Crista, welche den 
Seitenrand des Helms einfasst, sind mit etwas grösseren und etwas erhöhten, auch durch hel- 
lere Farbe ausgezeichneten, quadratischen Schuppen gepflastert. Die Schläfen zeigen grosse, 
gedrängte Pflasterschuppen, von denen 2 oder 3 die andern etwas an Grösse überragen. Weder 
am Kinn, noch am Bauch oder am Rücken und Schwanz deutliche Kammbildung. Körper bedeckt 
mit verhältnissmässig grossen rundlichen Pflasterschüppchen, die nur auf der Rückenschneide 
in mehreren Längsreihen etwas conisch zugespitzt erscheinen. Ausser diesen kleineren Schüppchen 
zeigt jede Körperseite noch etwa 7 Längsreihen grosser, flacher, runder Schuppen, deren 3 
untere aber weniger deutlich in Reihen gestellt sind als die 4 oberen. Die oberste, der Rücken- 
first genäherte Reihe ist doppelt. Alle diese grösseren Schuppen sind annähernd von gleicher 
Grösse und entsprechen dem Raum von beiläufig 4 Schüppchen der Umgebung. Das untere 
Viertel der Körperseiten (der Bauchtheil) entbehrt der grösseren Schuppen ganz. Auf den 
Schwanz geht nur die oberste Seitenreihe derselben über, setzt sich aber bis beinahe zum 
Schwanzende hin fort. Auch die Gliedmaassen zeigen mehrere unregelmässige Reihen solcher 
grösserer Schüppchen zwischen den kleineren. An der Kehle stehen jederseits einige 
Längsfalten. 
Färbung. Grundfarbe des Thierchens spangrün. Oberkopf schwärzlich mit einzelnen 
zwischen den Augen gelbgrünen, auf dem Hinterkopf himmelblauen Punktflecken. Maulspalte 
oben und unten breit schwarz gesäumt. Ein Strich vom Mundwinkel nach dem Schultergelenk 
schwefelgelb. Rücken- und Ventrallinie gleichfalls schwefelgelb und ausserdem jederseits noch 
drei gelbe Längsstreifen, und zwar 1. einer vom Unterrand des Auges anfangend in !ı Körper- 
höhe bis über die Schwanzbasis hinaus, 2. ein kürzerer in Y» Körperhöhe, welcher oberhalb 
der Iusertionen der Gliedmaassen verläuft und dieselben verbindet und 3. ein breiterer, welcher 
von den Kinnseiten her unterhalb der Insertionen der Gliedmaassen in ®4 Körperhöhe bis auf 
den Schwanz läuft und hier die dunkle Oberseite von der gelben Unterseite abtrennt. Innen- 
seiten der Gliedmaassen gelb mit Graugrün gesprenkelt. Die sämmtlichen grösseren Schuppen 


der Seitenreihen himmelblau. 


— 44812 — 


Mearassıes EängesdestKoptesen m 2 me en, 18,5 mm 


Grösste Breite desselben in der Temporalgegend 10,5 >» 


Von..der) Schnauze, bis°zum "Alten... .... 22,017» 
Grösstenkumpfhöhesa ges a er es nor > 
Grösste@Rumpibreite rue en Ihr 2» 
Schwanzlänge ee u ee 01 > 
iotallängee en ee LO RS 


Verhältniss der Schwanzlänge zur Totallänge wie 1:1,91, während Grandidier’s Maass- 
angaben die Verhältnisszahl 1: 2,06 ergeben. 

Sollte die Art, was bei der kurzen Diagnose Grandidier’s und der grossen Mannig- 
faltigkeit an nahe verwandten und zum Theil schwierig zu unterscheidenden Chamaeleon-Arten 
Madagascars immerhin möglich wäre, dennoch neu sein, so würde ich mir für sie den Namen 


Cham. octotaeniatus vorbehalten. 


Vorkommen. Das vorliegende Exemplar wurde von Herrn Dr. Chr. Rutenberg auf 
der niedrigeren Spitze des Tsiafakafo zwischen 19 und 20° südl. Br. und 47 und 48° östl. L. in 
Madagascar gesammelt und befindet sich jetzt im Naturhistorischen Museum zu Bremen. 
Grandidier hatte die Art im Waldgebirge von Ankaratra in Central-Madagascar zuerst 


aufgefunden. 


29. Chamaeleo (Brookesia) supereciliaris Kuhl. 

Boettger in Madagascar Nachtr. II. p. 28, Taf. I, Fig. 1a—d (JQ)). 

(S Taf. III, Fig. 11a, Q ebenda Fig. 1b.) 

Diese Art wurde neuerdings von Herren K. Ebenau und A. Stumpff zahlreich von 
Nossi-Be eingesandt. Auch das Lübecker Museum erhielt von dort viele Exemplare von Herrn 
C. Reuter. Der verstorbene Hildebrandt fand die ne auch in Nordwest-Madagascar 
und F. Müller gibt sie in Catal. Basel. Mus. I. Nachtr. 1880 p. 48 gleichfalls von Madagascar 
selbst an. 


Indem ich hier auf Taf. III die Abbildungen eines extrem ausgebildeten männlichen und 
eines ebensolchen weiblichen Kopfes in der Oberansicht gebe, glaube ich die in meinem Nach- 
trag U. p. 30 gelieferten Beschreibungen des Helmes vervollständigen zu sollen. Im Uebrigen 
habe ich nur Weniges hinzuzusetzen. Bei dem durch die breite Schwanzbasis immer leicht 
kenntlichen Männchen verhält sich der Abstand der Orbitalspitzen zur Helmlänge (in der Mittel- 


linie gemessen) im Durchschnitt von 10 Exemplaren wie 1: 1,99, beim Weibchen im Durchschnitt 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. ; 65 


NIE N 


von 10 Exemplaren wie 1:1,78. Der Unterschied in der Kopfbildung bei den beiden Ge- 
schlechtern ist also bei weitem nicht so auffallend, als ich früher nach den zwei einzigen damals 
vorliegenden Exemplaren verniuthet hatte, und es verhält sich, der Abstand der höchsten Orbital- 
spitzen des Männchens zu dem des Weibchens nur wie 1:0,89, nicht 1:0,69, wie ich, gestützt 
auf die wenigen früheren Exemplare, bereehnet hatte. In der That kommen Zwischenformen 
vor, denen man an der Kopfbildung nicht auf den ersten Blick ansehen kann, ob die betreffenden 
Thiere männlichen oder weiblichen Geschlechtes sind, und die Verdickung der Schwanzbasis 
bleibt dann immer das beste äussere Anzeichen zur Erkennung des Männchens. Weiter ist zu 
erwähnen, dass fast constant 10 Dornpaare die flachliegende Rückensäge zieren, und dass nur 
in sehr seltenen Fällen das erste Dornpaar fehlt, so dass dann nur 9 Paare zu beobachten sind, 


oder dass das vorletzte sich verdoppelt, so dass dann 11 Paare auftreten. 


Junge. Exemplare dieser Art, von denen zwei Stücke von ca. 30 mm Totallänge vorliegen, 
zeigen einen hinten noch anliegenden Helm, fehlende und nur durch eine Längsreihe von Körnern 
angedeutete Rückendornen und eine Längsreihe gröberer Tuberkel den Körperseiten entlang 
zwischen der Insertion der Vorder- und. Hintergliedmaassen. Die Tuberkelspitzen am oberen 
Augenrand sind bereits vorhanden, aber relativ noch sehr schwach entwickelt. Diese Jugend- 


form ist als hiehergehörig trotzdem im Grossen und Ganzen nicht leicht zu verkennen, 


Färbung. Grundfarbe wie Zeichnung wechseln ganz ungemein. Vielfach lassen sich 
Stücke beobachten, die vorn dunkel, in der hinteren Körperhälfte aber hell, fast weiss erscheinen. 
Auch die Rückenlinie hebt sich öfters als dunkler, schmaler Längsstreif von der helleren Um- 


gebung ab. 


30. Chamaeleo (Brookesia) Ebenaui Boettg. 

Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1580, No. 57, p. 280. 

(Taf. III, Fig. 12a—b.) 

Char. Affinis Cham. supereiliari Kuhl, sed undique magis spinoso-granulatus, membris 
robustioribus minusque gracilibus, distinete spiniferis. Supra nares spina perdistincta, oblique 
protracta, valida. Galea superne magis deplanata, antice minus declivis, postice magis campa- 
nulae instar dilatata, spinis marginalibus horridis et praecipue lateralibus validioribus. Carinulae 
longitudinales submedianae galeae satis distantes, subparallelae, postice non convergentes. Oculi 
minores; arcus supraoculares strietiores, minus prominentes, antice posticeque spinis magnitudine 
paribus armati. Dorsum spinis dorso-lateralibus validioribus; cauda brevior, quadrangularis, 


superne eomplanata, utroque latere serie singula spinarum validarum instructa. 


Long. total. 75", capitis 12Y/e, trunei 36, caudae 27 mm. 

Hab. in insula Nossi-Be (1 spec.). 

Beschreibung. Die in einem einzelnen weiblichen Stücke vorliegende Species ist in 
Form und Färbung so ähnlich der vorhergehend genannten Art, dass eine eingehendere Be- 
schreibung überflüssig erscheint. Folgende Unterschiede aber scheinen mir die specifische Ver- 
schiedenheit. beider Formen genügend darzuthun: Die Gliedmaassen sind kräftiger gebaut, weniger 
schlank, überall mit kräftigen, abstehenden Dornen bewehrt, und der Körper überhaupt mehr 
mit Dornspitzen bedeckt, daher rauher und stacheliger. Ueber jeder Nasenöffnung befindet sich 
ein nach vorn und oben gerichteter, wohl einen Millimeter langer, kräftiger Dorn. Die Schnauzen- 
spitze erscheint in der Seitenansicht spitzer als bei Cham. superciliaris. Der Helm ist oben 
mehr abgeplattet, nach vorn weniger abschüssig, nach hinten mehr glockenförmig verbreitert; 
seine hinteren und seitlichen Randdornen stehen sparrig ab und die seitlichen besonders sind 
stärker entwickelt als bei Cham. supereiliaris. Die ziemlich in der Mitte des hinteren Helm- 
theiles liegenden beiden Längskiele stehen ziemlich weit von einander ab, sind parallel und con- 
vergiren nach hinten nicht wie bei der verwandten Art. Das Auge ist kleiner; der Supra- 
ciliarbogen ist oben mehr geradlinig, gleichsam niedergedrückt und weniger vorspringend, und 
seine Bewehrung ist gleichmässiger mit vorn und hinten an Grösse fast gleichen, nicht nach 
vorn grösser werdenden Dornspitzen. Zwischen Nasaldornen und vordersten Supraorbitaldornen 
steht in gleichem Abstand von beiden vorn noch ein weiteres deutliches Dornpaar. Quer von 
einem Dorn zum andern laufen zwischen den Nasaldornen, den Praeoculardornen und den 
vordersten Supraorbitaldornen drei chevronförmige, erhabene, mit ihrer Mittelspitze nach hinten 
zeigende Leisten quer über die Schnauze. Den Rücken zieren ähnliche, aber kräftiger ent- 
wickelte Querdornen wie bei Cham. supereiliaris. Der Schwanz ist kürzer, im Querschnitt vier- 
eckig, oben abgeplattet und seitlich oben je mit einer Längsreihe kräftiger, den Rückendornen 
ähnlicher Dörnchen besetzt, während die verwandte Art an deren Stelle nur grössere, kreis- 


runde, flache Pflasterschuppen zeigt. 


Maasse: a Kopflänge in der Mittellinie . re DEE TUE WEN . 12!& mm 
b Entfernung der höchsten Orbitalspitzen von einander . . . ... Bl » 
ce Hintere grösste Breite des Helmes mit den Dornen. . . . .. 9a » 
d Grösste KopthoherameHinterhaupt >... „nn. Bl iz 
e Grösste Kopfbreite (ohne die seitlichen Dornen gemessen) . . . 3, » 
f Entfernung der*“vordersten Orbitalspitze vom Schnauzenende . . . 6 » 


g Entfernung derselben von dem äussersten hintersten Theile des Helmes 9!a » 


— 484 — 


*h Querabstand der Spitzen der Rückensäge von einander. . . .. 5 mm 
i.Gesammtkörperlänge>... mr er. De ee nv laae na ze Bunt eakToNeuer 
k Länge von der Schnauze bis zur Afterspalte . . : 2 2.2.2... 481e >» 
LSChwanzlänger za Sa a REIT » 


Auf die Kopflänge a bezogen beträgt demnach 


bei Cham. Ebenaui -bei Cham. superciliaris 
DER — ©21072,27 Sn LINSE 21,78 
CEO — T:1,32 - 1: 1,69 
O0 — 1A, 11,32 
er — 1: 1547 1:1,55 
f:a= 1: 2,08 7 
g:a= 1:1,32 1: 1,24 
Mia — 12:5 1732,27: 


Das Verhältniss von Schwanzlänge zu Totallänge dagegen beträgt bei Cham. Ebenawi 
1:2,8, beim Q von Cham. superciliaris aber 1:2,52. Diese Zahlen ergeben wohl hinlänglich 
die in den Dimensionen überall ausgesprochenen Unterschiede der im Uebrigen doch recht 
ähnlich zu nennenden Thiere. 

Die Färbung ist eine aus Rothbraun und Schwarzbraun gemischte. Die Oberseite des 
Helmes, die Randdornen desselben, das grosse Lendendornenpaar und der Anfang der Schwanz- 
oberseite ist weiss; die ganze Körperunterseite isabellgelb mit einzelnen grossen braunen Makel- 
flecken und nur die Kopf- und Halsunterseite dunkler braun, schwarzbraun undeutlich gefleckt. 

Fundort. Nossi-Be, Wir erhielten von dieser anscheinend sehr seltenen Art ein Weib- 
chen durch Herrn Consul Karl Ebenau, dem zu Ehren ich die prächtige kleine Species auch 


genannt habe. 


31. Chamaeleo (Crassonota) nasutus Gray. 

Boettger in Madagascar, Nachtr. I. p. 10, Taf. I. Fig. 4 und 5. 

Von dieser Art liegt jetzt mehr als ein Dutzend männlicher (9) und weiblicher (4) auf 
Nossi-Be neuerdings (Ebenau, Stumpff) gesammelter Stücke vor, die mir gestatten, die 
Geschlechtsunterschiede schärfer zu markiren. 

Bei dem Männchen ist der Schwanz immer länger als der Körper, bei dem Weibchen so 


lang als der Körper oder kürzer. Das Männchen allein besitzt eine weitläufige Reihe von 


— 455 — 


9—13 Rückendornen; die Mittelzahl nach 10 Beobachtungen aber beträgt 12. Dem Weibchen 


fehlen dieselben vollständig. 


Maasse. gJNo.3 ZNo.4 ZNo.5 ZNo.6 ZNo.7 ZNo.8 
Helmlänge (mit Nasenaufsatz gemessen) 21!/s 18 208 19%, 19%, 21'!emm 
Grösste Kopfbeeite - .. 2... ..°. 8% 7 8 8 7! 8, se» 
Kopfhöherhinten mu n .al23le 9 11 10! 10 105023 
Nasenaufsatzubis’ After 2... 0551 47! 51 50 52 SUSE» 
SChwanzlancemee Sl 50 57 53 61 54 » 
Matallanger see ll 9743 108 103 1.137 81042 9% 
Maasse. QNo.9 Q@No.12 QNo13 Q9 No.14 
Helmlänge (mit Nasenaufsatz gemessen) 19 20 es 15 mm 
GrössterKoptbreite „ „ 2a. nn m 7a 7 7» 
Kopthöherfinienerr er 91 11 ent) 10 » 
Nasenaufsatz. bis Alter . . . . . . 47 50 49 50 » 
Schwanzläange am rc 43 53 48 50 » 
liotallängene nme ee: 90 103 97 100 » 


Demnach beträgt das Verhältniss von Kopfbreite zu Kopfhöhe zu Helmlänge wie 
1:1,37:2,59 und das Verhältniss von Schwanzlänge zu Totallänge beim Männchen wie 1:1,9, 
beim Weibchen wie 1: 2,01. 


Bei der Färbung ist nachzutragen, dass frische Stücke stets eine schief nach hinten 
und unten gerichtete feine rothbraune oder rothe Maschenzeichnung erkennen lassen, und dass 
der Schwanz mit zahlreichen rothen Binden quer gebändert ist. Ein dunkler Längsstreif quer 
über das Auge 'bis zum Hinterkopf ist häufig, ein schwarzer Fleck oben auf der Schnauze hinter 


der Basis des Nasenaufsatzes immer vorhanden. 


Vorkommen. Man kennt die Art von Madagascar und Nossi-Be. Von Gray wird auch 
eine Varietät mit nur drei Rückendornen von Port Natal angeführt, die aber wohl einer eigenen 


Species angehören dürfte. 


— 486 — 


iii. Ordnung. Crocodilia. 
I. Kamilie Crocodilidae. 
I. Gen. Crocedilus L. 
32. Crocodilus madagascariensis Grand. 


Grandidier in Ann. d. Science. Nat. (5) Bnd. 15, Paris 1872 p. 6; Boettger in 
Madagascar p. 27, Taf. I, Fig. 6 (vulgaris var.). 


Von dieser auf Madagascar, wie auf Nossi-Be — hier nach Peters namentlich in den 
Kraterseeen — häufigen Crocodilform liegt en von Hrn. K. Ebenau dem Ei entnommener 


Fötus von Tamatave an der Ostküste von Madagascar vor. 

Das Stück No. 3 ist ausgezeichnet durch verhältnissmässig hohen und kurzen Kopf, wie 
es bei Jugendformen von Reptilien ja die Regel ist. Das scharfe Körnchen vorn auf der Schnauzen- 
spitze — vergl. Madagascar p. 30 —, (das zum Spalten der harten Eischale dient, ist gut fühl- 
bar und zeigt die Form eines Sphenoids. Die Zähne des vorliegenden Exemplars sind noch 
nicht zum Durchbruch gekommen, doch sind die 15 Erhöhungen dafür im Unterkiefer schon 
deutlich, während im Oberkiefer sich jederseits erst 14 Erhöhungen beobachten lassen. Der 
Scheitel ist noch stark gewölbt; Nuchalen sind 2—2 vorhanden. Die Cervicalen sind nach 


folgendem Diagramm entwickelt: 


1 1 
1 
nn! 
al 1 


Diese Cervicalen stehen in 3 deutlichen Querreihen, und die hinterste kleinste Schilder- 
reihe stösst fast unmittelbar an die Dorsalschilder an. 
Maasse: "Länge des Kopfes 30 ınm. 
Grösste Breite desselben 18 » 
Höhe desselben > 
Verhältniss von Kopfbreite zu Kopflänge wie 1: 1,67, während bei den etwas grösseren 
früher untersuchten beiden Stücken dieses Verhältniss sich auf 1: 1,78 und auf 1: 1,83 stellte 


und bei mehr erwachsenen Thieren noch sehr bedeutend zunimmt. 


— 487 -- 


Batrachia. 


I. Ordnung. Anura. 
I. Familie. Ranina. 
I. Subfamilie. Ranidae. 
II. Gen. Rana L. 
33. Rana mascareniensis Dum. Bibr. 


Boettger in Madagascar, Nachtr. II. p. 35; F. Müller in Catal. Basel. Mus. I. Nachtr. 
p. 14 (typ. und var. /dae Steind. von Nossi-B6). 

Von dieser auf Nossi-B& häufigen Art liegen sehr zahlreiche Exemplare in allen Alters- 
stufen vor, die die Hrn. K. Ebenau, A. Stumpff und C. Reuter daselbst gesammelt haben. 

Die Schnauze ist bald etwas mehr, bald etwas weniger zugespitzt, die Zunge bald grösser 
bald kleiner, die Convergenz der Vomerzahnreihen wechselt und selbst die relative Länge der 
Gliedmaassen zur Körperlänge ist ganz erheblichen Schwankungen unterworfen. Trotzdem bin 
ich keinen Augenblick im Zweifel gewesen, dass die sämmtlichen zahlreichen Stücke von Rana, 
welche mir bis jetzt von Nossi-B& zugegaugen sind, nur einer einzigen, ähnlich wie unsere 
R. esculenta variabeln Art zugehören. Besonders kräftig entwickelte Wärzchen an den Körper- 
seiten und die Andeutung eines schwachen, an der Basis der drei äussersten Zehen des Fusses 
. liegenden rundlichen Tuberkels treten meist nur bei in Alkohol sehr zusammengezogenen In- 
dividuen auf. Das brünstige Männchen zeigt die Aussenfläche der beiden inneren Finger der 
Hand mit Ausschluss des letzten Gliedes und einem Längsfleck an der Basis des dritten Fingers 


mit einer hellbraunen sammtartigen Copulationsbürste überzogen. 


Maasse. QNo.2 QNo.3 QNo.4 ZNo.5 QNo.6 ZNo.7 JNo.8 ZNo.9 QNo.10 
Totallänge 49 47 4312 45 51 44 42 38 52 mm. 
Kopflänge u ala aly/ 181g 21 Ta 16 215 > 
Kopfbreite 18 15!e 14 151/e 18 15 1420, 1429. 1877 >» 
Rumpflänge 2912 281 26a 264 30 26a 25 22% 31.7 > 
Vorderextremität 25 231 26 24 97 23 23 22 dla » 
Hand m. 3tem Finger 11 10 1lle  10%e 12 10!e 10 10 108,25 
Hinterextremität 86 81 89!e 80 90 sl 75 74 9 >» 


Fuss m. 4ter Zehe om 25 29 26 30 25 24 24 29 » 


reg 


Im Mittel nach 10 Messungen verhält sich also bei madagassischen Exemplaren dieser 
Species Kopfbreite zu Kopflänge wie 1:1,15 und Totallänge zur Länge der Hinterextremität 
wie 1:1,81. Die Vorderextremität verhält sich zur Hinterextremität im Mittel wie 1: 3,43. 

Färbung. Die Larve zeigt, wenn die Hinterbeine bereits entwickelt sind, der Rücken- 
linie entlang auf dem Schwanze dunile Makeln, und das Thierchen ist auch sonst über und 
über mit Braun gepudert. Die jüngsten bereits vierbeinigen Stücke dagegen sind auf dem 
Rücken einfarbig hellgrau (29°) oder mit wenigen, mehr oder weniger deutlichen, quadratischen, 
schwärzlichen Fleckchen geziert (61°); seltner ist ein breiter heller Medianstreif längs des 
Rückens (10°%o) bereits in diesem Alter deutlich. Die Längsfalten des Rückens sind bei die- 
sen Jugendformen ebenfälls meist erst sehr schwach entwickelt und gewöhnlich nur auf der 
hinteren Rückenpartie deutlicher. Im erwachsenen Zustand ist die Art grossem Wechsel in 
Färbung und Zeichnung unterworfen. Erwachsene Exemplare zeigen nämlich entweder eine 
breite, schmutzig fleischfarbene oder hellgraue Längsbinde über die Rückenmitte und je eine 
schmälere wenig hellere Seitenbinde (29°/o), oder die Medianbinde fehlt und nur die schmale Seiten- 
binde, die sich jederseits auf der äussersten drüsigen Längsfalte findet, ist vorhanden (59°), 
oder die breite Mittelbinde ist vorhanden und die Seitenbinden fehlen (6°) oder endlich alle 
hellen Längsbinden auf dem Rücken fehlen (6°). Männchen und Weibchen zeigen übrigens 
übereinstimmend bald die eine, bald die andere Tracht. Der Oberkieferrand und die Falte vom 
Mundwinkel bis zur Insertion der Vordergliedmaassen ist hell, weisslich. 

Bemerkungen. Herr Dr. Heinrich Lenz in Lübeck machte mich darauf aufmerk- 
sam, dass junge Stücke dieser Art erst sehr spät deutlich entwickelte Vomerzähne aufzuweisen 
haben, und namentlich später als gleich grosse Exemplare unserer R. esculenta. Ich kann 
diese Beobachtung bestätigen, und erwähne hier nur noch, dass Stücke von AR. mascareniensis 
von 18 mm Körperlänge noch keine Spur, solche von 20 und 21 mm Körperlänge aber eben 
erst sichtbare Spuren von Vomerzähnen aufzuweisen haben. 

Rana Bibroni Hallow. vom Gaboon und Senegal, die ich zu-vergleichen Gelegenheit 
hatte, ist eine der vorliegenden überaus nahe verwandte Species. Aber ich konnte unter sehr 
zahlreichen Exemplaren vom Senegal, die mir durch die Güte des Herrn Baron H. von 
Maltzan vorlagen, kein einziges Stück finden, das äussere Spalten für die Schallblasen, 
wie sie das Männchen des Maskärenenfrosches auszeichnen, neben den Kieferrändern gezeigt 
hätte, trotzdem dass die Stücke als nahezu erwachsen gelten durften und sicher nicht sämmt- 
lich weiblichen Geschlechts gewesen sind. Abgesehen von kleinen Abweichungen in der Farben- 


zeichnung finde ich übrigens bei R. Bibroni als einziges Unterscheidungsmerkmal nur noch 


— 489 — 


die Knötchen an der Unterseite der Zehengelenke stärker entwickelt als bei R. mascareniensis. 
R. nilotica Seetzen aber, eine gleichfalls nahe verwandte Species, hat nach einer gütigen 
Privatmittheilung von Professor Dr. W. Peters die Schallblasenschlitze weiter vom Kieferrand 


entfernt, und sie erscheinen mehr gegen die Vorderextremität hingerückt. 


Il. Subfamilie Discoglossidae. 
I. Gen. Dyscophus Grand. 
34. Dyscophus sanguineus Boettg. 


Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1880 No. 69 p. 567; F. Müller in Catalog d. 

Herp. Samml. Mus. Basel, I. Nachtr. 1880 p. 20 (insularis). 
(Taf. III, Fig. 13 a—d.) 

Char. Secundum caput latum, obtusum plica cutanea transversa ad membrum anterius 
decurrens. In palato inter tubas plica transversa cutanea fimbriata. Pedes semipalmati. Cutis 
omnino laevis. 

Supra laete sanguineus, infra antice fuscescens vel nigrescens, postice albidus. 

Long. corp. ' 60, © 95, membr. anter. g' 39, © 58, poster. J'85, 9 128 mm. 

A Dyse. insulari Grandidier (Ann. des Science. natur, 5. Ser. T. 15. 1872. p. 10), 
typo generis huius Discoglossidarum, notis supra positis facile distinguitur. 

Spec. 2 e Foizana insulae Madagascar teste Gust. Schneider Basiliensi mihi allata sunt. 

Eine zur Grandidier’schen, auf Madagascar beschränkten Gattung Dyscophus — vergl. 
Ann. d. Science. Nat. (5) Bnd. 15, 1872 p. 10!) — gehörige Art, die aber von dem Typus des 
Genus D. insularis Grand. specifisch abzuweichen scheint. Während D. insularis nahezu freie 
‘ Zehen haben soll, sind dieselben bei der vorliegenden Art beim Männchen mit mehr als halben, 
beim Weibchen mit nahezu halben Schwimmhäuten versehen, die Haut ist auch auf den Körper- 


seiten und unter dem Bauche ohne Granulationen, und der Rücken ist einfarbig, nicht mit Farben- 


1) Dyscophus nov. gen. Voisin des Pelobates et Neobatrachus. Dents maxillaires fortes; dents vome- 
riennes disposees sur une forte et longue rangee transversale interrompue au milieu. Langue ovale non 
echancree, libre dans sa partie posterieure. T&te conique confondue avec le tronc, a sommet convexe. Corps 
trapu, membres peu developpes. Tympan cache. Pas de parotides. Un &peron dur, analogue A celui des 
Pyxicephales. Doigts et orteils & peu pres libres et obtus & lextremite; le 3me doigt et le 4me orteil sont 
beaucoup plus longs que les autres. 

Dyscophus insularis Grandidier nov. spec. Tete et corps lisses; des granulations sur les flancs et sous 
le ventre. Parties superieures d’un brun roux, vermiculees de brun plus fonce; les dessins sont bordes de 
tres-fines lignes d’un jaune d’or terne. Flancs rougeätres. Abdomen d’un brun rougeätre. — Long. d. corps 35, 


des membres poster. 40 mm. — Hab. Antsuhy, pres de Trabunzy (Madagascar). 
Abhandl. d. Senckenberg. naturf Ges. Bd. XII. 66 


: — 40 — 


zeichnung geschmückt. Auch die Färbung des Bauches ist wesentlich abweichend. Endlich 
beträgt das Verhältniss von Totallänge zu Länge der Hinterextremität im Durchschnitt 1: 1,37, 
während Grandidier’s Maasse für D. insularis 1: 1,14 berechnen lassen. Unsere neue 
Art muss demnach wesentlich schlanker sein. Hr. Dr. F. Müller in Basel, der vor mir aus 
derselben Quelle und von demselben Fundort Stücke dieser merkwürdigen Froschart erhalten 
hatte, hat dieselbe a. o. g. ©. p. 20 sehr exact und eingehend beschrieben und sie als zu 
D. insularis gehörig betrachtet. Madagascar scheint aber noch eine dritte Species dieser 
sonderbaren Gattung zu beherbergen, nämlich D. Guineti Grand. sp. (Kaloula) (vergl. Ann. d. 
Science. nat. (6) Bnd. 2, 1875 art. 6) von Sambava in Nordost - Madagascar, die nach Günther’s 
kurzer Notiz in Ann. a. M. Nat. Hist. (4) Band. 19, 1877 p. 317 nicht zu Calohyla, sondern zu 
Dyscophus gehören soll. 

Beschreibung. Habitus gedrungen, Calohyla-artig; Körper zwischen den Vorder- 
gliedmaassen am breitesten. Gliedmaassen mässig entwickelt, aber kräftig. Ober- und Zwischen- 
kiefer mit zahlreichen, kräftigen Zähnchen; Vomerzähne auf einer sehr langen und kräftigen, 
prominirenden, in der Mitte unterbrochenen Querleiste, welche die grossen halbmondförmigen 
Choanen nach hinten unmittelbar begrenzt und welche nach aussen hin leicht bogig verläuft. 
Tubenöffgungen eng, halb so gross wie die Choanen. Von einer Tubenöffnung zur andern 
zieht ähnlich wie bei Calohyla eine vorhangartig von oben herabhängende Hautfalte quer über 
den Gaumen, die mit etwa 12—15 dreieckigen, fransenartigen Läppchen besetzt ist. Nach 
Grandidier und F. Müller soll die Zunge — bei unseren beiden Exemplaren von 
.D. sanguineus ist dieselbe leider halb zerstört; sie scheint aber vorn und hinten festgewachsen 
und nur in dem mittleren Theile frei gewesen zu sein, so dass man unter ihr von einer Seite 
zur andern mit der Sonde durchfahren kann; auch ist sie vorn bandförmig und wird nach 
hinten hin breiter — bei diesem Genus oval, hinten nicht ausgerandet und in ihrer hinteren 
Partie frei sein. Unterkiefer vorn an der Symphyse zweimal ausgerandet; Mittelknötchen 
etwas spitz. Aeussere Nasenöffnung relativ sehr klein, unter dem Canthus rostralis jederseits 
als halbmondförmiger Schlitz sichtbar, der Schnauzenspitze weit mehr genähert als dem Vorder- 
rande des Auges. Trommelfell von der Haut bedeckt. Der convexe, sehr breite Kopf zeigt 
stumpfe, abgerundete Schnauze und weitgespaltenes Maul und ist hinten mit dem Körper ver- 
schmolzen. Die Augen sind mittelgross und mässig vorragend. Pupille rundlich. Oberes Augen- 
lid gut entwickelt, frei, hinten eine schwache, stumpfe, zipfelförmige Ecke bildend. Parotiden- 
gegend stark angeschwollen, doch ohne Parotidenentwicklung. Enden des Querfortsatzes des 


Sacralwirbels deutlich verbreitert. Kopfhaut beweglich. Wie bei Calohyla pulchra Gray eine 


— 491 — 


Hautfalte quer über den Kopf dicht hinter den Augen, die sich seitlich bis zur Insertion der 
Vordergliedmaassen herunterzieht. Haut oberseits weich und faltig, durch feine punktförmige 
Grübchen lederartig genarbt, nur in der Umgebung des Auges und auf dem oberen Augenlide 
mit einigen feinen, undeutlichen Wärzchen, unten ganz glatt wie bei Rana. Aftergegend etwas 
runzelig. Hand mit kaum entwickelter Bindehaut, mit gut ausgesprochenen, knopfigen Gelenk- 
höckern auf der Unterseite und mit drei sehr schwach markirten Höckern am Handballen. 
Fuss mit derber, beim Männchen über die Hälfte, beim Weibchen nahezu die Hälfte der Zehen- 
länge einnehmender Schwimmhaut, mit schwach entwickelten Gelenkhöckern und an Stelle der 
sechsten Zehe mit einer compressen, lanzetlichen, harten, schneidigen Hornschwiele, ähnlich, aber 
schwächer wie bei Pelobates. Finger an ihrem Ende cylindrisch; dritter Finger mit zwei 


Gliedern, vierte Zehe mit zwei und ein halb Gliedern ihre Nachbarn weit überragend. 


Maasse. Nor 17% N0.279 
liotalläangegn use ve un a re 22260 95 mm 
Kopflänge ‚oben bis zur Querfalte °. „2... ..124, 18° > 
Grösste Kopfbreite am Mundwinkel . . . „2... 331 » 
Kleinster Abstand der Augenbulbus von einander 6 gan 
Länge der Vorderextremität . . 2. 2. 2...2..839 Hewi > 
Handamitdnittem) Binger 2 na. ls 251 >» . 
Länge) der Hinterextremität  iı. 2... ... 185.1987 > 
ussmitswerterZehen se et 43! » 


Verhältniss von Körperlänge zur Länge der Hinterextremität wie 1:1,42 und wie 
1: 1,35; von Vorder- zu Hinterextremität wie 1:2,18 und wie 1: 2,21. 

Färbung. Rücken einfarbig, dunkler oder heller weinroth, nach den Körperseiten 
hin heller, rosa gefleckt, die Flecke allmählich in das Weiss der Unterseite übergehend. Glied- 
maassen von der Farbe des Rückens. Der ganze vordere Theil des Unterkörpers ist durch 
gelbgraue und russbraune Pünktchen heller oder dunkler schwaszbraun bis russgrau über- 
flogen, ebenso die Planta des Fusses, und beim Männchen auch der grössere Theil der Unter- 
seite der Hintergliedmaassen. Sporn und Gelenkhöcker der Hand sind beim Weibchen gelblich 
hornfarben. 

Fundort. Foizana (nicht Tohizana, wie die Etiquette irrthümlich lautete) in Ost- 
Madagascar, nördlich der Antongil-Bai, gerade an der Grenze, resp. am Rande des grossen 
Urwaldes, der Madagascar durchzieht. Wir erhielten 2 Exemplare, en Männchen und ein 


Weibchen, im Tausche von Hrn. Gustav Schneider in Basel. 


— u 


Bemerkungen. Ich rechne jetzt dieses sonderbare Thier mit Günther zu den 
Discoglossen und nicht mehr, wie Grandidier, F. Müller und ich früher thaten, zu den 
Bombinatoren. Die verbreiterten Fortsätze des Sacralwirbels lassen die erstere Stellung denn 
doch als die bei weitem wahrscheinlichere vermuthen. Grandidier vergleicht die Gattung 


im Habitus mit Pelobates und Neobatrachus; ich kenne kein irgend näher vergleichbares Genus. 


II. Familie. Bombinatoridae. 
I. Subfamilie. Hemimantidae. 
I. Genus Hemimantis Peters. 
35. Hemimantis horrida Boettger. 


Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1880, No. 57 p. 282. 
(Taf. III, Fig. 14a—d). 

Char. Caput ingens, fere dimidium longitudinis corporis aequans, corpore distincte latius, 
nasalibus orbitisque globose prominentibus, regione frenali profunde excavata. Lingua piri- 
formis, postice distinete emarginata. Tympanum parum conspicuum, quartam circiter orbitae 
partem magnitudine aequans. Aperturae tubarum minimae, minores quam choanarum par- 
varum. Cutis undique obserta tuberculis parvis scabris, supra insuper armata verrucis majoribus 
acutiuseulis, in capite, in orbitis et secundum dorsum maximis. Membra digitique pro capitis 
magnitudine gracilia; digiti apice hamati, diseis scansoriis distinctis, truncatis, minimis in digitis 
pedum et in digito primo secundoque manus, validioribus digitoque latioribus in digito tertio 
quartoque manus. Articuli subdigitales distincti; membrana natatoria nulla. Planta tubereulis 
instructa parvis, manus tribus, pedis unico. 

Supra grisea, tubereulis hie illic pallidioribus, taeniis latis transversis nigris ornata, tribus 
‘in dorso, aliis crebris in membris usque ad extremos digitos; infra pallidior, mento lateribusque 
abdominis nigris, maculis magnis albis raris variegata. 

Diam. capit. 7!fe, long. corp. 1742, membr. anter. 12!e, poster. 27 mm. 

Hab. in insula Nossi-B& (1 sp.). 

Beschreibung. Das anscheinend jugendliche, einzige vorliegende Exemplar hat einen 
auffallend grossen und breiten Kopf, der fast die Hälfte der Körperlänge ausmacht und bestimmt 
breiter ist als der Rumpf. Die Nasenlöcher und die Augen springen kugelförmig vor; die 
Frenalregion ist tief ausgehöhlt, und die Schnauzenkante ist in Folge dessen sehr prononcitt. 


Pupille quer elliptisch. Oberkieferzähne, aber keine Vomerzähne. Zunge birnförmig, mässig 


— 493 — 


gross, hinten deutlich ausgeschnitten. Trommelfell tiefliegend, in seiner Umgränzung etwas 
undeutlich, etwa ein Viertel des Bulbus an Grösse erreichend. Die Tubenöffnungen sehr klein, 
kleiner als die kleinen Choanenöffnungen. Parotiden fehlen. Vom Hinterrand des Auges zieht 
ober dem Trommelfell nach der Insertion der Vordergliedmaassen hin eine wenig schiefe, wenig 
gebogene Hautfalte. Die Haut ist überall mit kleinen rauhen Tuberkeln bedeckt, auf der Ober- 
seite des Körpers aber ausserdem noch mit gröberen härtlichen und spitzlichen Warzen besäet, 
die auf dem Kopfe, auf den oberen Augenlidern und längs des Rückens am grössten sind und 
zum Theil in Reihen geordnet erscheinen. Die Gliedmaassen und Zehen sind, verglichen mit 
der Grösse des Kopfes, auffallend schlank, Die Finger und Zehen sind an ihren Spitzen winklig 
zurückgekrümmt, an der äussersten Spitze quer abgestutzt und zum Theil mit deutlichen, kleinen, 
etwas queren Haftballen versehen, die am schwächsten an den Zehen der Füsse und amı ersten 
und zweiten Finger der Hand entwickelt sind. Deutlicher zeigen sie sich an der vierten Zehe des 
Fusses und sehr deutlich und breiter als der Finger selbst am dritten und vierten Finger der 
Hand. Die Knötchen unter den Finger- und Fussgelenken sind sehr entwickelt, knopfartig; eine 
Schwimmhaut fehlt vollständig. Die Handfläche zeigt drei kleine, die Fussfläche einen deutlich 


conisch vortretenden Höcker an der Basis der ersten Zehe. 


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Verhältniss der Körperlänge zur Länge der hinteren Extremität wie 1: 1,54; von Vorder- 
zu Hinterextremität wie 1 : 2,16. 

Färbung. Oberseits hell aschgrau mit hie und da helleren, weisslichen Tuberkeln und 
breiten schwarzen Querbinden, von denen 3 über den Kopf, 2 über den Hinterrücken laufen. 
Andere zahlreiche schwarze Querbinden ziehen über die Gliedmaassen und ringeln auch die 
äussersten Zehenspitzen. Unterseits ist der Körper heller; das Kinn und die Seiten des Körpers 
erscheinen schwarz, mit wenigen grossen weissen Makeln in folgender Weise geziert. Die 
Unterkinnlade zeigt im Umkreiss weisse Flecken, ebenso liegt längs „der Mittellinie des Kinns 


und quer über die Brust eine weisse Fleckenreihe. 


— 494 — 


Fundort. Die Art wurde bis jetzt nur in dem einzigen beschriebenen, anscheinend noch 


jungen Exemplar von Hrn. A. Stumpff auf Nossi-B& entdeckt. 


IV. Familie. Bufonina. 
I. Subfamilie. Engystomatidae. 
I. Genus Rhombophryne Boettger. 

Boettger in Carus’ Zool. Anzeiger 1880 No. 69 p. 567. 

Char. Corpus rhombicum, breve crassumque; membra valde compacta. Caput latissimum, 
brevissimum, sieut membra non distinete a corpore separatum, rostro obtusissimo. Oculi minimi; 
aperturae nasales laterales, spatio lato inter se separatae. Fissura oris parva, bulbum vix 
transgrediens. Dentes maxillares nulli; palatales parum validi, lineam transversam, media parte 
retro angulatam neque interruptam adornantes. Choanae mediocres; tubae fere obsoletae. Inter 
tubas in medio palato plica transversa cutanea, arcui similis, simplex, non fimbriata. Lingua 
magna, lata longissimaque, parte postica non ejicienda ibique sulco longitudinali instructa, sed 
nullo modo emarginata, lateribus liberis, linea longitudinali mediana in basi oris affıxa. Tym- 
panum cute obtectum. Parotides nullae. Cutis verruculosa, verruculae ad rostrum et in mento 
spinulosae, in tergo series longitudinales exhibentes. Plica cutanea angulata ab oculo super 
tympanum ad regionem humeralem deeurrens. Digiti minimi manus mediocresque pedis liberi; 
plantae utriusque membri laeves, tuberculo singulo calloso, calcarato instructae. Digiti primores 
eylindrati, depressi, apice obtusiusculi. 

Huic generi maxime affıne est gen. Breviceps Merr., cui dentes palatales omnino desunt. 

Beschreibung. Der Körper ist von kleiner Statur, rautenförmig, kurz, breit und im 
Rücken hoch gewölbt, nach vorn und hinten gleichmässig steil abfallend; die Gliedmaassen sind 
sehr kurz und von der faltigen Körperhaut an ihrer Basis theilweise umschlossen. Der kleine, 
sehr kurze und sehr breite Kopf ist nicht halb so lang wie breit, zeigt vollkommen halbeirkel- 
förmigen Umriss, ist nicht deutlich vom Körper abgegrenzt und mit einem sehr stumpfen, vorn 
etwas abgestutzten Schnäuzchen versehen. Die etwas vorspringenden Augen sind auffallend klein, 
kleiner als die Entfernung der Nasenlöcher von einander, weit nach vorn gerückt und mit 
querovalen Pupillen versehen. Die äusseren Nasenöffnungen stehen seitlich an der Schnauze 
in der Mitte zwischen Canthus rostralis und Mundspalte, der Schnauzenspitze genähert, aber 
durch weiten Zwischenraum-von einander getrennt. Die Entfernung vom Auge zum Nasenloch 
ist nur halb so gross als die von einem Nasenloch zum andern. Die Maulspalte ist sehr kurz 


und überragt nach hinten das Niveau der Augen nur um ein Geringes. Maxillarzähne fehlen; 


— 495 — 


die Vomerzähne sind wenig kräftig, stehen aber auf einer langen, in der Mitte nicht oder kaum 
unterbrochenen winkligen Querlinie, deren mittlere Spitze nach hinten geriehtet ist, ziemlich 
weit hinter den relativ kleinen, kreisrunden inneren Nasenöffnungen. Die Tubenöffnungen 
sind klein, halb so gross als die Choanen, gleichfalls kreisrund, ganz an der Seite gelegen und 
bei der abnormen Enge der Maulspalte nur schwierig sichtbar zu machen. Zwischen denselben 


zieht quer über den Gaumen eine -förmige, einfache, nicht gefranste Hautfalte. Die 


vorn die ganze Basis der Mundhöhle ausfüllende, grosse, breite und sehr lange Zunge kann 
mit ihrem hinteren Ende nicht nach vorn herausgestülpt werden und zeigt daselbst eine mediane 
Längsdepression, an ihrer hintersten Partie aber keine Ausrandung. An den Seiten ist sie 
vollkommen frei und lässt sich mit der Pincette heben, in der Mittellinie aber zeigt sie sich 
ihrer ganzen Länge nach mit der Basis des Mundes verwachsen. Das von der Haut überdeckte, 
in seinen Umrissen wenig deutliche Trommelfell hat ungefähr senkrecht-ovale Form und bei- 
läufig die Grösse des Bulbus. Parotiden fehlen. Die schlaffe den Körper umhüllende Haut ist 
namentlich an den Körperseiten und auf dem Bauche zwischen den Extremitäten in grobe, 
grosse, unregelmässige Falten gelegt, welche die Gliedmaassen zum Theil einschliessen, und 
erscheint im Allgemeinen warzig. Feine, spitze, dornartige Wärzchen stehen namentlich auf 
der Schnauze und am Kinnrande, sowie mehr rundliche an den Körperseiten, in der Bauchmitte 
und um den After herum. Auf dem Rücken ordnen sich diese, hier schwach entwickelten 
Wärzchen zu ziemlich regelmässigen, heller gefärbten Längsreihen, die zum Theil in schwach 
erhöhte Hautfalten übergehen und von denen sechs deutlicher zu sein pflegen. Eine stumpf- 
winklige Hautfalte zieht von der Schauze über das Auge und ober dem Trommelfell bis zur 
Schultergegend herunter. Die Finger der Hand sind sehr kurz, die Zehen mässig entwickelt; 
Schwimmhäute fehlen. Knotenartig verdickte Gelenkhöcker fehlen der Unterseite sowohl der 
Finger als der Zehen. Die Innenflächen von Hand und Fuss sind glatt; an der Basis des ersten 
Fingers und der ersten Zehe steht je ein grosser, flacher, stumpfer, schwieliger Tuberkel. Finger 
wie Zehen sind breit cylindrisch, niedergedrückt und zeigen stumpf abgerundete, nicht ver- 


breiterte Enden. 


Ich musste für die vorliegende, höchst eigenthümliche Art ein neues Genus aufstellen, 
da die sonst nächstverwandte süd- und westafrikanische Gattung Breviceps Merr. keine Vomer- 
zahnreihen besitzt, wie denn überhaupt den bis jetzt bekannten Engystomiden-Gattungen Vomer- 


zähne vollständig mangeln. 


—_ 574960, 


36. Rhombophryne testudo Boettger. 
Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1880 No. 69 p. 567. 
(Taf. IV, Fig. 153—d). 
Char. Supra einereo-badia, verrueulis plieisque cutaneis clarioribus, a regione frenal 
usque ad regionem tympanalem striga nigrescente, fascia lata singula transversa obscura utrim- 
que albidocineta per membra, parte posteriore femorum alba, a parte inferiore zona nigrescente 


distinete separata. Infra sordide flavido-brunnea, albido indistincte vermiculata. 
Long. corp. 30, membr. anter. 11!/e, poster. 33!/s mm. 
Spec. 2 collegit ill. Carolus Ebenau in insula Nossi-B&e Madagascariensi. 


Beschreibung. Erster, zweiter und vierter Finger fast von gleicher Grösse, dritter 


Finger doppelt so lang als seine Nachbarn, dritte Zehe deutlich länger als die fünfte. 


Maasse. No. 1. No. 2 
Totallangepee a un me or: EEE SR TEEN) 32 mm. 
GrössteKörperbreitea rn u en  . San 22.41 231 » 
GrössterWVeiterders Maulspaltesenn Ser sn eilt 10!2 » 
Kleinster Abstand der Augenbulben von einander . . . . 31 4» 
TaneerderwVorderextremitäts nn. we ee > Nah, 8 
Handamitdrittem SRıngers en ee eo, RE 
Länge der, Hinterextzemität In Wr. s 0 EL rate 371e >» 
Buss#mit£vierter#Zehe 1 Se ll: 10209 


Verhältniss von Körperlänge zur Länge der hinteren Extremität wie 1: 1,15; von Vorder- 


zur Hinterextremität im Mittel wie 1 : 2,9. 


Färbung. Oberseits graulich gelbroth oder fuchsroth mit hellerer, violettgrauer Schnauze 
und helleren Hautwärzchen und Warzenfalten. Die Zügelpartie bis gegen die Achsel hin 
schwärzlich, nach oben hin durch eine helle, feine Hautfalte eingefasst. Ein grosser, unregel- 
mässiger Fleck links und rechts vor und oft noch ein längerer, weniger deutlicher, mehr strich- 
förmiger Fleck links und rechts hinter der Rückenmitte. Unterarm, Oberschenkel, Unter- 
schenkel und Fuss in der Mitte je mit einer dunkler braunen, hellgesäumten Querbinde. Knie 
gleichfalls mit einem dunkeln, hellgesäumten Querfleck. Auf der Hinterseite der Oberschenkel 
eine weisse Querlinie, welche gegen eine weiter nach unten liegende schwärzliche Zone grell 


absticht. Aehnliche, nur mattere, helle Linien trennen auch auf den Gliedmaassen die Ober- 


— Ay a — 


seite von der Unterseite. Die Unterseite des Körpers ist schmutzig gelbbräunlich, oft mit 
weissen Fleckchen undeutlich bespritzt und marmorirt. 

Fundort. Ich kenne bis jetzt von dieser Art nur die beiden von Hrn. A. Stumpff 
auf Nossi-Be gesammelten Exemplare unseres Museums. Die Art muss sehr selten sein, da 
Hr. Stumpff trotz einer ihm übermittelten Farbenskizze dieser so auffallenden Art neuerdings 


nur ein weiteres — das zweite, grössere — Exemplar aufzufinden im Stande war. 


V. Familie. Hylina. 
I. Subfamilie. Polypedatidae. 
I. Genus. Limnodytes D. B. 
37. Limnodytes madagascariensis A. Dum. 


A. Dume&ril in Mem. sur les Batrac. Anour. d. l. Fam. des Hylaeformes in Ann. d. 
Science. Nat. (3) Bnd. 19, Paris 1853, p. 155; Dume&ril und Bibron, Erpet. gen. Bnd. 9, 
p. 401; Günther, Catal. of Batrach. Sal. p. 73 (Hylarana). 

non Hylarana madagascariensis F. Müll’er in Catal. Herp. Samml. Basel. Mus., Nachtr. I, 
1880, p. 23. 


Von dieser neuerdings, wie mir scheint, öfters verkannten, aber sehr charakteristischen 
Art liegt mir ein schönes männliches Exemplar vor, das ich im Tausche gegen andere ma- 
dagassische Batrachier von Hrn. Gust. Schneider in Basel erwarb. Das vorliegende Stück 
stammt von Foizana in Ost-Madagascar, nördlich der Antongil-Bai. 

Der im Allgemeinen recht exacten Diagnose A. Dumeril’s habe ich noch Folgendes 


hinzuzufügen: 


Im Vergleich mit ZL. ulcerosus Boettger auffällig viel spitzschnäuziger und lang- 
beiniger, im Habitus viel mehr an Z. granulatus Boettger und also an Rana erinnernd, 
während L. ulcerosus mehr an Bombinator gemahnt. Canthus rostralis deutlich entwickelt; 
Frenalgegend durch eine tiefe, fast grubenförmize Längsdepression ausgezeichnet. Vomerzähne 
klein, auf zwei gegen einander schief gestellte, nach hinten sehr deutlich convergirende Haufen 
gestellt, die mit ihrem Vorderende zwischen die Choanen gerückt sind. Tuben mässig grösser 
als die relativ weiter als bei L. ulcerosus geöffneten Choanen. Entfernung der äusseren Nasen- 
öffnung von der Schnauzenspitze fast so gross wie die Entfernung derselben vom vorderen 
Augenrand. Trommelfell an Grösse die Hälfte der Orbita übertreffend. Hautfalte über dem 


Trommelfell leicht gebogen, schief nach abwärts ziehend, nicht winkelig geknickt wie bei 
Abhandl. d. Senckenb. naturt. Ges. Bd. XII. 67 


L. ulcerosus. Drüsenwärzchen finden sich bei Z. madagascariensis nur in schwacher Ent- 
wicklung an den Bauchseiten und auf dem hinteren Theile der Innenfläche der Oberschenkel. 
Solche von besonders auffälliger Grösse sind nicht zu beobachten. Die Bauchhaut ist also 
nahezu glatt, die Rückenhaut ganz glatt zu nennen. Finger sehr schlank ; zweiter Finger auffallend 
kurz, halb so lang als der dritte und auch wesentlich kleiner als der erste, dessen stark an- 
geschwollene Basis beim Männchen, ähnlich wie bei Bombinator, Pelodytes u. a. Gattungen, 
nach innen zwei über einander gestellte mattschwarze, sammtartige Brunstschwielen trägt, die 
bei der Copulation eine Rolle spielen. Die Haftscheiben an den Fingern und Zehen sind 
ähnlich klein wie bei Z. ulcerosus; sie erscheinen etwas länger als breit, während sie bei 
letzterem etwas breiter als lang sind. Die Hintergliedmaassen zeigen sich nicht so schlank 
wie bei ZL. granulatus, aber weit graciler gebaut als bei L. ulcerosus, dessen Unterschenkel 
kaum zwei Drittel so lang ist. Die Schwimmhaut und die Hand- und Fussfläche sind trotz 
des abweichenden Habitus bei beiden Arten übereinstimmend gebildet, doch ist der Daumenballen 


beim Männchen von L. madagascariensis auffallend viel kräftiger entwickelt als bei Z. ulcerosus. 


+ 


Miaasısen Körperlänge vr: m. u. ee. 0, Damm: 


Kleinster Abstand der Bulbi von einander 3 » 


Länge der Vordergliedmaasen . . . . 27 » 
Do ndeszerstenmRingers 0.0 2m ud » 
» SEIZWEILENGN SB a ge aan 
» » dritten Er fee DA le HELLE ENE > 
» » vierten Dis Den Sean Re 9: » 
» der Hintergliedmaasen . . . . 80 » 


» des Oberschenkels im Fleisch . . 24 » 


» » Unterschenkels » » E02 6 » 
» » Fusses » » ET) » 
2 se derläritten@Zehe nr ln s> 
» » vierten » EL LTENREE VE) » 
» » fünften » ee net, » 


Die Körperlänge verhält sich demnach zur Länge der Hintergliedmaassen wie 1:1,38; 


die Vorder- zur Hinterextremität wie 1: 2,96. 


Was die Färbung anlangt, so vermisse ich die feine weisse Längslinie in der Rücken- 


mitte, die A. Dum6ril hervorhebt. Die Grundfarbe der Oberseite ist bei unserem Exemplar 


— 499 . — 


ein helles Aschgrau, das auf den Extremitäten nach hinten zu — ähnlich wie das Grün der 
Oberseite bei unserem Laubfrosch — gegen die Unterseite überall durch eine schwarze wellige 
Linie scharf abgegrenzt wird. Auf dem Kopfe zwischen den Augen und auf dem Rücken 
jassen sich verästelte Längsbänder und Marmorzeichnungen von einem kaum dunkler zu nennenden 
Grau mit Mühe erkennen, das auch schwache Querbänderung der Oberschenkel bewirkt. Von 
der Schnauzenspitze an zieht ein feiner, tiefschwarzer Streif über das Nasenloch quer durch 
das Auge ober dem Trommelfell bis zum Ursprung der Vordergliedmaassen, der an der 
Schnauzenspitze, dann hinter dem Nasenloch und auf dem Trommelfell sich zu drei nach 
unten gerichteten tiefschwarzen Flecken aussackt. Vorn auf der Vorderfläche des Oberschenkels 
oberhalb des Knies stehen 3—5 ähnlich tiefschwarze Parallelflecke in gleichen Abständen von 
einander — ein nach A. Dumeril besonders charakteristisches Kennzeichen dieser Species. 


Alles Uebrige stimmt in der Färbung genau mit A. Dumeril’s Beschreibung. 


38. Limnodytes granulatus Boettger. 


Boettger, in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1851, No. 87, p. 361. 
(Taf. IV, Fig. 162—d.) 

Char. Habitu gracili ZL. madagascariensis D. B., sed rostro acutiore, discis scansoriis 
duplo fere majoribus, digito secundo manus pollicem magnitudine parum superante et cuti 
dorsi densissime granulata etc. discrepans. — Dentes palatales duos acervos formantes sub- 
orbiculares, inter se et a choanis spatio lato separati, satis longe infra choanas positi. Lingua 
onga, piriformis, postice profunde bifurca. Aperturae tubarum aequa magnitudine, sed an- 
gustiores quam choanarum. Aperturae nasales apici rostri devexi "/s intervalli magis approxima- 
tae quam oculis. Canthus rostralis distinctus, regione frenali longitudinaliter valde concava. 
Tympanum !/ orbitae magnitudine superans. Plica cutanea angusta obliqua, parum angulata 
ab oculo super tympanum ad regionem humeralem decurrens; altera angustissima secundum 
utramque partem dorsi. Cutis cranio non adhaerens, supra undique granulis densissimis 
scabris, in dorso hie illic, in femoribus praecipueque in tibiis distinctius seriatim dispositis, 
induta, infra abdominis et femorum postica tantum parte modice glandoso-granulata. Membrum 
posterius antice projeetum calce apicem rostri distinete superans. Digiti manus graciles, 
liberi, primus secundo paulum minor; disci scansorii pro genere magni. Cutis natatoria plus 


quam 25; digitus quintus pedis tertium longitudine vix superans. Artieuli subdigitales valde 
prominentes. Planta manus tribus, pedis unico tubereulo instructa, caeterum sublaevis. 


Supra aut cinereo- aut badio-fuscus aut griseo-isabellinus, nigro adspersus, semper macula 


distinctiore W-formi in cervice taeniaque lata nigra secundum canthum rostralem usque ad 
plicam cutaneam regionis humeralis ornatus. Latera nigrescentia; membra taeniis crebris 
angustis nigris fasciata. Infra excepto ventre sordide albo unicolore penitus nigro maculatus 
marn.oratusque; semper maculis 4 ınagis distincetioribus in transversum positis inter insertiones 
membrorum anteriorum. 

Long. total. 43'g, membri anterior. 2942, poster. 87!’, manus 132, femoris 25%e, 
tibiae 27%/2, pedis 371g mm. 

Hab. in insula Nossi-Be satis frequens (5 spec.). 

Beschreibung. Vom Habitus des Z. madagascariensis A. Dum., aber abgesehen von 
anderen Kennzeichen noch schlanker, mit spitzerer Schnauze, fast um das Doppelte grösseren 
Haftballen an den Zehenenden und mit höchst eigenthümlich fein granulirter Rückenhaut. — 
Die Vomerzähne bilden zwei fast kreisrunde Haufen, die, unter sich und von den Choanen 
durch einen weiten Zwischenraum getrennt, etwas hinter dem Niveau der Choanen liegen. Die 
Zunge ist lang, birnförmig, hinten tief zweispaltig. Choanen und Tubenöffnungen von gleicher 
Grösse, aber die Tuben enger, mehr dreieckig. Die äusseren Nasenöffnungen stehen dem Ende 
der abschüssigen Schnauze um ein Drittel näher als dem Vorderrande der Augen. Canthus 
rostralis deutlich entwickelt; die lange Frenalgegend durch eine tiefe, fast grubenförmige Längs- 
depression ausgezeichnet. Bulbus stark vorspringend, Pupille horizontal. Das Trommelfell zeigt 
etwas über die halbe Grösse des Bulbus. Eine schmale, schiefe, wenig winklig gebogene Haut- 
falte läuft vom Auge an ober dem Trommelfell bis zur Schultergegend herunter; eine zweite, 
noch feinere und schmälere grenzt links und rechts den Rücken von den Körperseiten ab und 
läuft vom Hinterrande des Auges bis gegen den Anus hin. Die Haut des Schädels adhärirt 
den Knochen auch im Alter nicht. Die ganze Körperoberseite ist mit gröberen und feineren, 
rauhen Körnchen dicht übersäet, die auf dem Rücken hie und da, auf den Schenkeln aber und 
namentlich auf den Unterschenkeln in regelmässige feine Reihen gestellt erscheinen. Diese 
Körnerreihen auf den Unterschenkeln erinnern etwas an die Nervatur von Laubblättern oder 
noch mehr an ähnliche erhabene Sculpturen auf den Oberschenkeln gewisser Heuschrecken. 
Auf dem Bauche stehen in seiner hinteren Hälfte, auf der Innenseite der Oberschenkel eben- 
falls nur in der hinteren Partie mässig grosse und zahlreiche Drüsenwärzchen. Die nach vorn 
gelegten Hintergliedmaassen überragen mit der Ferse deutlich die Schnauze. Die Finger der 
Hand sind schlank, ganz frei, der erste ist wenig kleiner als der zweite, und die Haftballen 
der Fingerspitzen sind für die Gattung gross zu nennen, immerhin aber noch nicht so gut ent- 


wickelt wie bei den typischen Polypedates-Arten. Die Schwimmhaut ist zu mehr als zwei 


— #500 


Dritteln entwickelt; die fünfte Zehe des Fusses überragt die dritte nur um Weniges. Die 
Gelenkhöcker der Finger- und Zehenunterseite treten stark knopfförmig vor. Innenfläche der 


Hand mit drei, des Fusses mit einem ziemlich weichen, ovalen Tuberkel. 


Maasse. No. 1 No. 2 
KorpeRansans a Le N ne, EB 42‘, mn. 
Kleinster Abstand der Bulbi von einander . . 2 ......4 4, 2» 
Länge der Vordergliedmaasen . . 2... 0. 00... 29a 29 » 
Länge der Hand mit drittem Finger . . 2.2.2... 131% 13 » 
BangesdeszerstenWEingersiirn We u  T 8 » 
Länge des zweiten Fingers \ BE RER ERDE EN ID Se) Sılal> 
länge.des‘ dritten: Bingers 1. tan an San 12 » 
Wäncesdesäwierien®Bingersar. ua 9 10 » 
Länge «der. 'Hintergliedmaassener un. su. ala Ta 85 » 
Länge des Oberschenkels im Fleisch. . . . .......  25lle 25 » 
Länge des Unterschenkels im Fleisch . - . . 2... 27! DT 3 
BängendeseBussessim@Bleisch\, 0 2 Sn ze ST» 
Kängesder drittensZehes.. ni. ann. 1 Bee N a a LO 17 » 
(WänserdersviertengZehen. aa ee 228, 25 » 
Länseserstünften®/ehen an eu ee el, 18 » 


Die Körperlänge verhält sich demnach zur Länge der Hintergliedmaassen im Mittel wie 
1 : 2,01; die Länge der Vorder- zu der der Hinterextremität aber wie 1 : 2,95. 

Färbung. Grundfarbe etwas wechselnd. Oberseits in der Jugend meist graulich- 
isabellfarben, im Alter graubraun oder röthlich gelbgrau, mit Schwarz gefleckt und bespritzt, 
auf dem Nacken immer mit einer mehr oder weniger deutlichen W-förmigen schwärzlichen 
oder schwarzen Querzeichnung. Längs des Canthus rostralis zieht bis zur Schultergegend immer 
ein mehr oder weniger breiter schwarzer Frenalstreif. Die Körperseiten sind unterhalb der 
oben erwähnten granulirten Seitenfalte dunkler bräunlich oder schwärzlich; die Gliedmaassen 
zeigen zahlreiche, schmale schwarze Querbinden, von denen 6—7 auf dem Ober- und 5—6 
auf dem Unterschenkel zu erkennen sind. Die Iris ist hell messinggelb oder silberweiss. Die 
Unterseite ist mit Ausnahme des einfarbig schmutzig-weissen Bauches überall, aber etwas 
spärlich, mit grösseren schwärzlichen Flecken, Makeln und Marmorzeichnungen übersäet. Von 
diesen Makeln sind vier quer über die Brust zwischen die Insertionen der Vordergliedmaassen 


gestellte grössere schwärzliche Längsflecke besonders charakteristisch. 


— 502 — 


Fundort. Wir erhielten die schöne Novität im Januar 1881 in 5 Exemplaren von 
Nossi-Be, wo sie Hr. A. Stumpff neuerdings gesammelt hat. 

Bemerkungen. Von allen bis jetzt bekannten madagassischen Zimnodytes-Arten ist 
diese die schlankste. Sie zeichnet sich vor den bekannten Species dieser Gattung leicht und 
sicher durch die rauh granulirte Körperoberseite aus. Mit L. madagascariensis hat, sie im 
Habitus übrigens mehr Verwandtschaft als mit der merkwürdigen, stämmigen, gleich zu er- 
wähnenden dritten madagassischen Species dieser Gattung. Die Zutheilung zu Limnodytes 
geschah wegen des Mangels einer Bindehaut zwischen den Fingern und wegen der beiden 
feinen Drüsenfalten auf den Rückenseiten; der Grösse der Haftballen nach könnte die Art 
mit ebendemselben Rechte auch bei Polypedates stehen, wie denn beide Gattungen durch 


innige Uebergänge vielfach mit einander verbunden zu sein scheinen. 


39. Limnodytes ulcerosus Boettger. 


Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1880, No. 57, p. 282. 
—= Hylarana madagascariensis F. Müller in Catal. Herp. Samml. Basel. Mus,, I. Nachtr. 
1880, p. 23. 
(Taf. IV, Fig. 17a—1). 


Char. Habitu Polypedatis mierotympanum. Günth., sed diseis scansoriis multo minoribus. 


Dentes palatales duos acervos formantes parvos, inter se et a choanis spatio lato separati, 
satis longe infra choanas positi. Aperturae choanarum dimidio minores quam tubarum. Aper- 
turae nasales apici rostri devexi magis approximatae quam oculis. Tympanum maris ?/s, 
feminae !/ orbitae magnitudine superans. Plica cutanea angulata ab oculo super tympanum 
ad regionem humeralem decurrens. Cutis cranio non adhaerens; lateribus dorsoque praecipue 
in aetate provecta seriebus longitudinalibus plicarum verrucarumque mollium eutanearum magis 
minusve distinctarum induta, abdomine laevis et postice tantum perleviter granulosa. Intima 
femoris pars maris glande turgida elliptica, unicam tantum perforationem magnam infundibuli- 
formem praebente, feminae acervo glandularum instructa, quarum externa deplanata maxima. 
Membra valde compacta. Digiti secundi minimi. Disci scansorii parvi, magnitudine articulos 
subdigitales parum superantes. Cutis natatoria subperfecta; planta manus tribus, pedis unico 
tuberculo instructa, caeterum sublaevis. 

Supra aut cinereo-niger unicolor aut macula transversa inter orbitas nonnullisque maculis 


indistinctis nigris in dorso ornatus aut fascia lata griseo-albida mediana aut macula alba orbi- 


—1,903,  — 


ceulata in medio dorso signatus. Membra obscure fasciata. Infra sordide alba, nigro praecipue 
in gula penitus vermiculata et marmorata.. Margo labri inferioris laete albo et nigro 


tesselatus. 
Long. corp. J 36, © 48, membr. anter. Z 21, @ 28, poster. 54, @ 68 mm. 
Hab. in insula Nossi-BE frequens (multa spec.). 


Beschreibung. Habitus gedrungen, an Bombinator erinnernd, etwa wie Polypedates 
mierotympanum Günth., aber mit den viel kleineren, für die Gattung Limnodytes charakte- 
'istischen Haftscheiben an den Finger- und Zehenspitzen. — Gliedmaassen auffallend stämmig. 
Kopf etwas stumpfschnäuzig, etwa wie bei Rana fusca Rös., mit vorquellenden grossen Augen, 
die eine horizontale Pupille zeigen. Canthus rostralis mässig markirt; Zügelgegend deutlich 
vertieft. Die Vomerzähne bilden zwei kleine rundliche Haufen, deren Abstand von einander 
etwas grösser ist, als der von den Choanen, und deren Vorderende im oder etwas hinter dem 
Niveau des Hinterrandes der Choanen liegt. Die inneren Nasenöffnungen sind um die Hälfte 
kleiner, als die Tubenöffnungen. Die äusseren Nasenöffnungen dagegen stehen der vorn ab- 
schüssig zugerundeten Schnauzenspitze mehr genähert, als dem Vorderrande der Augen. Trommel- 
tell des Männchens mehr als °/s, das des Weibchens mehr als !/g der Ausdehnung des Bulbus 
einnehmend. Eine immer deutlich winklig geknickte Hautfalte zieht vom Hinterrand des 
Auges ober dem Trommelfell bis in die. Schultergegend herab. Die Haut des Schädels ad- 
härirt im Alter nicht; auf den Körperseiten und längs des Rückens zeigen sich namentlich in 
vorgerücktem Alter unregelmässige Reihen von groben, weichen Hautwarzen und verleihen dem 
Rücken demgemäss ein mehr oder weniger stark gerunzeltes Aussehen. Um den After stehen 
zahlreiche kleine rundliche Wärzchen. Die Unterseite ist bis auf den ziemlich fein granulirten 
hinteren Umkreis des Bauches und bis auf die gröber granulirte Innen- und Hinterseite der 
Oberschenkel glatt und glänzend. Auf der Innenfläche des Oberschenkels zeigt sich überdies 
beim Männchen eine grosse, mit einer einzigen trichterförmigen Durchbohrung versehene 
wulstige, elliptische Drüse, beim Weibchen an derselben Stelle ein Häufchen grösserer Drüsen, 
deren äusserste am grössten und abgeflacht ist. Der zweite Finger ist so gross oder etwas 
kleiner als der erste, die dritte Zehe etwas länger als die fünfte. Die Haftscheiben an den 
Finger- und Zehenspitzen sind klein, kaum grösser als die mässig stark vortretenden Gelenk- 
höcker auf der Finger- und Zehenunterseite. Die Schwimmhaut ist fast vollkommen, 2/s bis 
®ja der Zehenfläche bedeckend. Ballen sind an der Hand drei recht deutliche, am Fusse einer 


entwickelt; im Uebrigen ist die Fussfläche glatt, ohne Wärzchen oder Granulationen. 


— 504 — 


Maasse, ZNo.1ı JNo.2 ZNe.3 @ No.4 @ No.5 9 No. 6 
Körperlänge 34 34 36 47 45 48 mm. 


Kleinster Abstand der Bulbi von 


EINANdERIES LEN. NEN 2 RRBLENG: 3le 3 _ 4 4 _. .» 
Länge der Vordergliedmaassen . . 20 22 21 26 2612 -28 >» 
» » Hand mit drittem Finger 11 101], -- 12 11! — » 
» des ersten Fingers . . . . 61, 61% — 7a 7 — 
» » zweiten » Be AUS; 64er 6! — 7!e 6; — > 
» » dritten » Auer 308 be) 10 —_ 11! al _ .» 
» >» vierten >» EIER 8 8!le nn 91 9 — > 
» der Hintergliedmaassen . . 531e 591e 54 69 66 68 » 
» des Oberschenkels im Fleisch 17207719 _ 2212 21 — >» 
» » Unterschenkels » » 16 181, —_ 21! 20 — » 
» » Fusses im Fleisch . . 24 26 u 31 9 — >» 
» der dritten Zehe . . . . 13 14 —_ 15a 15 — > 
» » vierten » BLLITER Neralte 18 18! — 21 21 — » 
EN Prunten re Ren RD 131. Er ee 


'Die Körperlänge verhält sich demnach zur Länge der Hintergliedmaassen im Durch- 


schnitt wie 1:1,52, die Länge der Vorderextremität zur Hinterextremität aber wie 1:2,58. 


Färbung. Die Grundfarbe wechselt bei dieser Art wenig, dagegen ist die Zeichnung 
sehr mannigfaltig zu nennen. Alte Stücke sind gewöhnlich dunkel schiefergrau, seltner ganz 
einfarbig, gewöhnlich wenigstens mit einer schwarzen, nach vorn hell begrenzten Querbinde 
zwischen den Augen und oft auch noch mit einigen an den Rändern verchwommenen und in der 
Stellung wechselnden schwarzen Flecken oder Makeln auf dem Rücken gezeichnet. Jüngere 
Exemplare haben sehr gewöhnlich einen grossen weissen Rundfleck mitten auf dem Rücken 
oder gar zwei hinter einander, seltner eine schmälere oder breitere weisse, von der Schnauze 
bis zum After ziehende Längslinie. Ausnahmsweise kommt diese Rückenlinie auch beim er- 
wachsenen Männchen vor. Die Gliedmaassen sind dunkler schwarzgrau gebändert, die Quer- 
binden aber im Alter mehr oder weniger verloschen. Die Körperunterseite erscheint schmutzig 
weiss, mit Schwarz über und über, und namentlich an der Kehle, stark gepudert und marmorirt. 
Der Rand des Unterkiefers ist lebhaft schwarz und weiss gewürfelt. Diese Würfelfleckung 


sowohl wie auch die starke Fleckung der Kehle tritt besonders bei jungen Exemplaren stark 


A US 


hervor und lässt neben der immer — selbst bei den noch geschwänzten Stücken — vor- 
handenen Schenkeldrüse die Art in allen Alterszuständen sehr leicht erkennen. 

Fundort. Z. ulcerosus ist häufig auf Nossi-Be, von wo wir ihn durch die Herren K. Ebenau 
und A. Stumpff in Menge und in allen Alterszuständen erhielten. Auch Hr. C. Reuter 
schickte die Art von hier in Menge ein (Mus. Lübeck). 

Bemerkung. Die plumpe Gestalt und die eigenthümliche Schenkeldrüse entfernen 
diese Species etwas von den beiden andern madagassischen Zimnodytes-Arten, die unter sich 


weit mehr habituelle Uebereinstimmung zeigen. 


II. Genus. Polypedates Tschudi. 
40. Polypedates tephraeomystax A. Dum. 

A. Dume£ril in Mem. s. 1. Batr. Anour. d. l. Fam. d. Hylaeformes in Ann. d. Scienc. 
Nat. (3) Bnd. 19, Paris 1853, p. 158. 

Zu dieser Art rechne ich einen mir aus Ost-Madagascar vorliegenden, nur mässig gut 
conservirten, anscheinend jungen Laubfrosch, der bis auf Kleinigkeiten sehr wohl mit der 
etirten A. Dumeril’schen Diagnose übereinstimmt. 

Beschreibung. Die Vomerzähne stehen in zwei kleinen, isolirten, rundlichen Häuf- 
chen knapp unter einer Linie, die man sich vom Hinterrand der einen Choane zu dem der 
andern gezogen denken kann, und sind kaum weiter von einander entfernt, als von dem Rand 
der nächsten Choane. Bei P. dispar Boettg., der ähnlich bezahnt ist, erscheint dieser Abstand 
der beiden Vomerhöcker von einander viel grösser. Auch sind die Tubenöffnungen abweichend 
wie bei dieser Art deutlich kleiner als die Choanen. Die Schnauze ist relativ kürzer, als bei 
anderen mir bekannten Polypedates-Arten; der Canthus rostralis ist gut entwickelt, sehr 
stark und deutlich gebogen — die Concavität nach aussen gerichtet —, während 
P. dispar fast geradlinigen Canthus rostralis zeigt. Die stark vorspringenden äusseren Nasen- 
öffnungen sind der Schnauzenspitze etwas näher gerückt, als bei den übrigen madagassischen 
Polypedates-Arten, mit Ausnahme von P. lugubris A. Dum., und die eingesenkte Frenalgegend 
dacht sich weniger schnell nach dem Mundrand hin ab als bei P.'dispar. Das nicht sehr deut- 
lich umgrenzte Trommelfell ist auffallend klein und übertrifft an Grösse nur wenig den dritten 
Theil des Orbitaldurchmessers. Die auf der Bauchfläche und in der Analgegend befindlichen 
drüsigen Granula sind relativ grösser als bei allen übrigen bekannten Polypedates- 
Arten und sind neben der eigenthümlichen Krümmung des Canthus rostralis als wichtigster 


Speciescharakter, wie bereits A. Dume&ri! bemerkt hat, zu betrachten. Endlich ist auch der 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges Bd. XII. 68 


— 506 — 


Oberkieferrand etwas geschweift, d. h. unter dem Auge etwas bogenförmig nach unten ge- 


zogen. 
Maasse. 


Körperlänge. . . . 0... 2,00 am, 


Kleinster Abstand der Bulbi von einander 3 » 


Länge der Vordergliedmaassen . . . . 181 » 
» » Hand mit drittem Finger . . Sie» 
» des ersten Fingers Alla » 
» » zweiten Dem» 
» » dritten » ne TREE 
» » vierten » LONERS 
» der Hintergliedmaasen . . . . 43 » 
» des Oberschenkels im Fleisch . . 14 » 
» » Unterschenkels >» » en 2lo> 

» Fusses im Fleisch ... . 18 
» der dritten Zehe . : . ..... 8 
» » vierten » a | 
» » fünften » ee au 


Die Körperlänge verhält sich demnach zur Länge der Hinterextremität wie 1:1,48 (bei 
P. dispar wie 1:1,56), die Länge der Vorder- zur Hinterextremität aber wie 1: 2,32. 

Färbung. Die Grundfarbe besteht oberseits aus einem schmutzigen Gelbgrau mit un- 
deutlichen, dunkleren Zeichnungen. Zwischen den Augen verläuft eine schmale schwarze Quer- 
binde. Auf einer vom Auge nach dem After gezogen gedachten Linie stehen in gleichen Ab- 
ständen von diesen Endpunkten und von einander zwei kleinere runde schwarze Punktflecken. 
In der Halsgegend auf der Rückenmitte liegt ein undeutlicher, schwarzbrauner unsymmetrischer 
Querwisch. Die Gliedmaassen sind mit relativ zahlreichen schmalen, dunkel graubraunen Quer- 
binden sehr deutlich gebändert, von denen 8 auf den Oberschenkel, 5 auf den Unterschenkel 
und 6 oder mehr auf den Fuss kommen. Unterarm und Hand zeigen ganz analoge Bänderung. 
In der Frenalgegend zeigt sich ein undeutlicher, schmaler, heller, gelbgrauer Längsstreif. 

Fundort. Das vorliegende Stück stammt von Foizana im östlichen Madagascar, nörd- 
lich der Antongil-Bai. Es wurde uns von Hrn. Gust. Schneider in Basel mit anderen 


uns fehlenden Batrachier-Arten gegen Dubletten madagassischer Reptilien überlassen. 


Bemerkungen. Von der Originaldiagnose verschieden ist nach dieser meiner Be- 


re 


schreibung nur die Stellung der Vomerzähne, die von A. Dume&ril »dents vomeriennes en 
chevron entre les choanes« genannt werden, und der folgende Passus in der Schilderung der 
Farbenzeichnung: »L’externe des membres, de m&me que les flancs est parcourue par une ligne 
brune foncee, qui circonscrit incompl&tement des espaces inegaux d’une teinte blanchätre. Cette 
teinte apparait sous forme de petits points nombreux & la region interne et un peu posterieure 
des cuisses, oü ils se detachent sur un fond d’un brun sombre.« Möglich, dass diese Färbung 
erst bei älteren Exemplaren, als das vorliegende ist, deutlicher wird oder bei unserem Stück 


durch längeren Aufenthalt im Spiritus undeutlich geworden ist. 


41. Polypedates dispar Boettg. und var. leucopleura Boettg. 


Boettger im Jahr.-Ber. d. Senckenberg. Naturf. Gesellsch. 1878—79, p. 86 und in 
»Madagascar«, Nachtr. II, p. 32. 


var. leucopleura Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881, No. 74 p. 47 und in 
Reliquiae Rutenbergianae II, 1881, p. 185. 

(Taf. V. Fig. 18a—e.) 

Von der Stammart liegen wiederum einige neue, durch Hrn. K. Ebenau, A. Stumpff 
und C. Reuter (Mus. Lübeck) eingesendete Stücke von Nossi-B&e vor, die mir zu weiteren 
Bemerkungen keine Veranlassung geben. Immer ist die mittlere Partie des Rückens beim 
Männchen dicht und fein granulirt, beim Weibchen wie die Seitentheile des Rückens glatt. 
Die Färbung unserer Spiritusexemplare wechselt sehr, hält sich aber doch ziemlich in den 


Grenzen meiner a. 0. O. gegebenen früheren Beschreibung. 


Gleichfalls von Nossi-Be stammt folgende von Hın. Dr. Christ. Rutenberg in einem 


Exemplar gesammelte Varietät Zeucopleura : 
Char. A typo rostro subtruncato, tubis minus apertis, colore laetiore discrepans. 


Q supra griseo-isabellina punctulis nigris irregularibus hie illic sparsa, Striga alba 
labium superum cingente strigisque binis albis in lateribus corporis, superiore perdistincta, 


latiore ornata. 

Long. total. @ 33; membr. anter. 19, poster. 52 mm. 

Das vorliegende einzige Stück dieser Varietät, ein junges Weibchen, ist etwas eingetrocknet, 
und die kurze Abstumpfung der Schnauze, sowie die deutlich weniger geöffneten, mehr schlitz- 


förmigen Tubenöffnungen dürften vielleicht nur diesem mangelhaften Erhaltungszustand zu- 
zuschreiben sein. 


— 508 — 


Die Färbung aber weicht durch Lebhaftigkeit etwas von der typischer Exemplare im 
Mus. Senckenberg. in Frankfurt a. M. ab und berechtigt wohl zur Aufstellung einer Varietät. 
Die Oberseite ist graulich isabellgelb und zeigt ganz unregelmässig gestellte, feine, schwarze 
Pünktchen und wurmförmige Linienfleckchen. Die Oberlippe hat nach hinten, abweichend von 
der Stammart, eine lebhaft weisse Einfassung und ebenso zeigen sich die beiden seitlichen 
Längsbinden des Körpers rein weiss. Namentlich die obere ist sehr breit und deutlich und 
von der unteren durch eine dunkle Längszone vollkommen getrennt. Die Querbänder der 
Gliedmaassen sind, wie sonst nur beim S, deutlich entwickelt. 

Der verwandte -P. tephraeomystax A. Dum., der mir in einem Exemplare von Foizana 
auf Madagascar vorliegt, unterscheidet sich bei directer Vergleichung ausser anderem leicht 
durch die bei geringerer Grösse ganz auffallend gröbere Granulirung des Bauches, durch 
den kürzeren, nach aussen deutlich concav gebogenen und nicht wie bei P. dispar geradlinigen 
Canthus rostralis und durch die Färbung und Zeichnung. 

Fundort. P. dispar und seine Varietät ist bis jetzt nur von Nossi-B& an der Nord- 
westküste von Madagascar bekannt, wo er zu den seltneren Froscharten gehören muss. Die 
Weibchen scheinen häufiger gefangen zu werden als die kleineren, schlankeren, auf der Rücken- 


mitte in einer Längszone granulirten Männchen. 


IV. Genus. Hyperolius Rapp. 


42. Hyperolius madagascariensis D. B. 


Dumeril und Bibron, Erp6t. gen. Bnd. 9, 1841, p. 528 und Günther, Catal. of 
Batrach. Sal. Brit. Mus. p. 88. 

Zu den eitirten kurzen Beschreibungen dieser Art gestatten die vorliegenden 5 Exemplare 
— 3 Männchen und 2 Weibchen — noch folgende Bemerkungen: 

Die Choanen sind rundlich-viereckig; die Tuben zeigen sich etwas kleiner und mehr quer 
schlitzförmig, liegen auch sehr weit nach hinten, so dass sie nur mit Schwierigkeit ohne Ver- 
letzung der Mundspalte zu erkennen sind. Die äusseren Nasenöffnungen stehen an den Aussen- 
enden einer schwach erhobenen queren Leiste und sind etwas kugelig vortretend. Die Zahl 
der rundlichen Drüsen in dem Drüsenhäufchen hinter der Mundspalte beträgt etwa 8—10. In 
den Kehlsack des Männchens mündet jederseits links und rechts unter der Zunge eine innere 
spaltförmige Oeffnung. Der äussere Kehlsack selbst bildet beim Männchen eine grosse nieren- 
förmige oder rundovale, mit Ausnahme der vorderen festgewachsenen Seite nach allen Richtungen 


hin mit scharfen Rändern begrenzte Platte, die zugleich zum Festhalten beim Springen und 


— EHI 


Klettern dienen dürfte. Nur am vorderen festgewachsenen Ende zeigen sich feine warzen- 
artige Granulationen, die beim Weibchen fehlen, im Uebrigen ist die Kehlplatte voll- 
kommen glatt. Der ganze Bauch, aber nur ein kleiner Theil der Innenfläche der Ober- 
schenkel ist mit warzigen Granulis versehen. Finger mit deutlicher Bindehaut an der Basis; 


Zehen mit fast vollkommener, bis zur vorletzten Phalanx der vierten Zehe reichender 


Schwimmhaut. 


Maasse, © No,.1. &N0o,27 & No. 3% 9 N0:4; '9-No: 5 
Totallänge a name Alla 2.6028 281% 24 30 26°/2 mm. 
Länge der Vorderextremität . 16 16 Ye 15 17 15 !e 

» Hinterextremität . 45 46 46 46 39 » 
Kehlplatte beim J _6!s 51la 5! _ — 
Breiterderselben Base 2, Dre 7 6! — _ 


Verhältniss von Körperlänge zur Länge der Hinterextremität beim Männchen wie 1: 1,7, 
beim Weibchen wie 1:1,5. Dumeril und Bibron lassen dies Verhältniss bei ganz aus- 
gewachsenen Stücken zu 1:1,3 berechnen. Das Längenverhältniss von Vorder- zu Hinter- 


extremität beträgt dagegen im Mittel 1: 2,78. 


Färbung. Die auffallend variable Grundfarbe der Spiritusexemplare wechselt von hellem 
Silberweiss bis zu dunkelm Bräunlichgrau. Die Oberseite ist nämlich mehr oder weniger be- 
deckt mit ganz ausserordentlich feinen, schwarzen oder braunschwarzen Pünktchen, welche die 
silberweisse Grundfärbung in ihrer Totalität entweder kaum alteriren oder so stark beeinflussen 
können, dass diese Purktzeichnung dem Rücken und der Oberseite der Gliedmaassen eine 
schmutzig braungraue Färbung verleiht. Der schwarze Strich vom Nasenloch durch das 
Auge, der unter dem Auge stets von einem lebhaft weissen Längswisch begleitet wird, setzt 
sich fast immer noch etwas hinter dem Auge in die Temporalgegend hin fort. Einzelne 
grössere, unregelmässig gestellte, rundliche, tiefschwarze Punkte finden sich auf dem Rücken 
von zweien der vorliegenden Exemplare; auch die Vorder- oder Hinterextremitäten können bei 


ungeflecktem Rücken solche grössere Punktfleckchen aufweisen, 


Fundort. Die sämmtlichen vorliegenden Stücke stammen aus Foizana, im Norden der 
Antongil-Bai, in Ost-Madagascar. Wir verdanken sie, wie mehrere der oben genannten Ba- 
trachier dem Naturalienhändler Gust. Schneider in Basel, der sie -uns gegen madagassische 
Reptildoubletten bereitwilligst überliess. 


—ı 9 


43. Hyperolius Rutenbergi Boettg. 


Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881, No. 74, p. 47 und in Reliquiae Ruten- 
bergianae Il, p. 187. 


Char. Lingua modica, cordiformis, postice distinete emarginata. Corpus pro lati- 
tudine longum, subfusiforme. Caput breve, rostro acutiusculo, oculis eminentibus, tympano 
occulto; elypeus gularis maris latissimus, semieircularis, postice media parte non emarginatus. 
Glandulae prope angulum oris nullae, sed plica singula libera cutanea curvata ad latera menti 
a regione tympanali usque ad clypeum gularem decurrente. Pupilla oculi horizontalis. Cutis 
dorsi laevis, ventri glandoso-granulata; pars interna femorum fere laevis. Digiti manus fere !/ı, 
pedis plus quam !/ palmati. Articuli subdigitales subdistincti; disei scansorii minimi, articulati. 

Supra griseo-ater, strigis longitudinalibus 5 argenteis eleganter ornatus, seil. 1) striga 
mediana dorsali inter orbitas incipiente usque ad anum decurrente, 2) striga laterali a rostro 
ineipiente super orbitam ad anum decurrente, et 3) striga laterali a rostro incipiente sub or- 
bita labium superum cingente usque ad lumbos decurrente. Mentum zona argentea /A-formi 
et clypeo sordide argenteo, griseo indistincte maculato ornatum. Vesica clamatoria atra. 
Membra striga longitudinali argentea singula, in radio et in tibia binis eleganter lineata, femur 
solum supra colore carens et sicut venter pallide carneum. 

Long. total. @ 25; membr. anter. 18, poster. 37 mm. Clypeus gularis &' fere 3 mnı 
longus, 5/2 latus. 

Beschreibung. Der Körper des nur in einem männlichen Exemplare vorliegenden, 
schön gezeichneten, kleinen Laubfrosches ist für seine Breite auffallend in die Länge gezogen, 
eylindrisch, vorn und hinten etwas zugespitzt. Die Zunge ist mässig gross, herzförmig, hinten 
deutlich eingeschnitten. Die Choanenöffnungen sind etwas kleiner als die Oeffnungen der 
Tuben. Der kurze Kopf zeigt sehr vorspringende Augen und eine kurze, aber doch etwas spitz- 
liche Schnauze, die in keiner Weise abgestutzt erscheint. Das Auge mit horizontaler Pupille. 
Das Trommelfell ist vollkommen unter der Haut verborgen. Das von vorn die grosse Schall- 
blase des Männthens deckende und schützende und nach hinten und unten in verticaler 
Richtung zum Kinne aufklappbare Kehlschild ist ungemein breit und hat die Form eines Halb- 
ovals, dessen gekrümmte, in der Mitte nicht ausgerandete Seite nach hinten gerichtet ist. 
Auf jeder Kinnseite schliesst sich daran ein vorhangförmig herabfallender, gleichfalls halbovaler 
Hautlappen, der vom Seitenrand des Kehlschildes, vorn noch etwas über dasselbe hinausgreifend, 


bis in die Trommelfellgegend zieht und die aufgespannte Schallblase seitlich zu decken und 


— ll = 


zu schützen hat. Die sonst bei dieser Gattung gewöhnlichen Anhäufungen von Drüsenwärzchen 
am Mundwinkel fehlen hier oder sind wenigstens in hohem Grade undeutlich. Die Rücken- 
haut ist glatt, die Bauchhaut grob gefeldert und drüsig granulirt, die Haut des inneren Theiles 
der Oberschenkel dagegen fast glatt. Die Gliedmaassen sind lang und schlank; die Spann- 
häute der Hand betragen fast !/, der Zehenlänge, die Schwimmhäute der Zehen reichlich die 
Hälfte. Die knotenartigen Anschwellungen auf der Unterseite der Finger- und Zehengelenke 
sind ziemlich deutlich, die Haftscheiben aber sind verhältnissmässig sehr klein, nur so breit als die 
Breite der Finger in deren Mitte, vorn gelenkartig vom vorletzten Fingerglied abgeschnürt und 
winklich abgebogen. Hand- und Fussfläche sind ziemlich undeutlich durch grosse flache 
Wärzchen granulirt. 

Färbung. Das Männchen ist grauschwarz, sehr sauber mit 5 scharf sich abhebenden, 
in Breite nahezu einander gleichen, silberweissen Längsstreifen geziert. So läuft über die 
Rückenmitte ein medianer Streif, der, die Schnauzenspitze nicht berührend, erst zwischen den 
Augen anhebt und bis zum Anus zieht. Der obere der beiden Seitenstreifen dagegen beginnt 
an der Schnauze und läuft, das Nasenloch unter sich lassend und einen Theil des oberen Augen- 
lidrandes bildend, gleichfalls bis zum Anus. Der untere Seitenstreif endlich beginnt gleichfalls 
an der Schnauze, säumt die Oberlippe, und zieht, in der Mitte sich etwas verbreiternd, bis in 
die Weichen, ohne nach hinten sich mit dem vorigen Seitenstreifen zu vereinigen. Das Kinn 
zeigt vorn, der Mundspalte parallel, eine breite, A -förmige, silberweisse Zeichnung, die sich 
auch auf die vorhin genannten seitlichen Kinnlappen erstreckt. Das Kinnschild ist ebenfalls 
schmutzig silberweiss mit wenigen, grossen, graulichen Makeln. Die dahinter liegende Schall- 
blase ist tiefschwarz gefärbt. Alle Gliedmaassen zeigen nicht wie gewöhnlich quere, sondern 
gleichfalls in die Längsrichtung gestellte Binden, und zwar die mittleren Gliedabschnitte Unter- 
arm und Unterschenkel zwei parallele silberweisse Streifen auf grauschwarzem Grunde, die 
übrigen Gliedabschnitte nur je einen. Da der Oberschenkel grossentheils die Färbung der 
Unterseite trägt, so ist der weisse Längsstreif hier nur in der oberen hinteren Hälfte desselben 
entwickelt und verbindet sich nach innen mit dem oberen Seitenstreif. Das Gesäss zeigt 
einen V-förmigen silberweissen Fleck. Die Unterseite und ein Theil des Oberscheukels sind 
von schmutzig heller Fleischfarbe. 

Der in der. Färbung nächste Verwandte dürfte H. taeniatus Peters (Wiegm. Archiv für 
Naturgeschichte, Bd. XXI, 1, Berlin 1855, p. 57) von Boror in Mossambique sein, der aber 
röthlichbraun ist und 4 schwarzbraune Längsbinden zeigt, die sich in der Mundgegend ver- 


einigen, und der überdies deutliche Granula am Mundwinkel zeigt. 


— 512 — 


Ich erlaube mir, die.so eigenthümliche, zudem prächtig gefärbte Art, wohl die schönste der 
von Hrn. Dr. Chr. Rutenberg auf Madagascar gemachten herpetologischen Entdeckungen, 
zum Andenken an den leider auf so traurige Weise umgekommenen, hoffnungsvollen Reisenden 
und Naturforscher zu benennen. 

Fundort. Dr. Chr. Rutenberg fand die Art im Bezirk Imerina in Central-Mada- 


gascar, zwischen 47 und 48° O. L. in ungefähr 19° S. B. (Mus. Bremen). 


44. Hyperolius renifer Boettg. 


Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881, No. 74, p. 46 und in Reliquiae Ruten- 
bergianae II, p. 189. j 

Char. Lingua parva, parum lata, cylindrato-piriformis, postice leviter emarginata. 

Corpus tere subclavatum, in regione capitis latius, postice angustatum. Caput breve, 
obtusatum, rostro non truncato, subaltum, fronte distinete longitudinaliter concavum, tympano 
occeulto ; celypeus gularis maris multo latior quam longior, reniformis, postice media parte 
emarginatus. Pupilla oculi horizontalis. Glandulae prope angulum oris distinetae, crebrae. 
Cutis dorsi laevis. Digiti manus !/s, pedis °/, palmati. Tuberculus singulus parvus in metatarso. 
Disci scansorii modiei, latiuseuli. Articuli subdigitales perdistincti; caeterum plantae manus 


pedisque sicut venter parsque interna femorum glanduloso-granulatae. 


Supra obscure olivaceus, ab oculo usque ad lumbos taenia longitudinali singula laterali 
parum distineta albida ornatus. Circa anum albidus. Infra totus fusculus. Humerus femurque 
supra colore carentes. 

Long. total. J 21; membr. anter. 15, poster. 36 mm. Clypeus gularis 5’ 4 mm longus, 
6%/, latus. 

Beschreibung. Eine nur in einem männlichen Stück vorliegende kleine, gedrungene, 
etwas keulenförmig nach hinten verschmälerte Laubfroschform mit kurzem, verhältnissmässig hohem 
Kopf und stumpfer, aber nicht abgestutzter Schnauze und ziemlich weit nach vorn gerückten, 
vorquellenden Augen. Scheitel zwischen den Augen links und rechts der Länge nach etwas 
erhöht, so dass sowohl eine seichte, breite mittlere Längsdepression, als auch je eine seitliche 
gebogene Furche zwischen jenen schwachen Prominenzen und der- jeweiligen Orbita entsteht. 
Zunge klein, relativ wenig breit, cylindrisch-birnförmig, nach vorn schmäler, hinten leicht, aber 
deutlich eingeschnitten, Tubenöffnungen etwas kleiner als die inneren Ausgänge der Choanen. 


Auge mit horizontaler Pupille. Trommelfell vollkommen von der Haut überdeckt. Das den 


— a8 — 


Kehlsack des. Männchens nach vorne schützende Kehlschild allseitig frei und namentlich hinten 
beweglich, von reiner Nierenform, viel breiter als lang, hinten in der Mitte stark ausgerandet. 
Die Drüsen am Mundwinkel deutlich und zahlreich; etwa 12—15 grössere lassen sich gut 
zählen. Rückenhaut glatt. An den mässig verlängerten Gliedmaassen sind die Finger sehr 
deutlich in "s ihrer Länge, die Zehen in über °&s ihrer Länge mit derber Schwimmhaut ver- 
sehen. Die Haftscheiben sind gut entwickelt, etwas breit. Die subarticularen Anschwellungen 
an der Unterseite der Finger und Zehen sind breit und knopfförmig, namentlich an den Fingern, 
und überdies ist die ganze, relativ breite Hand- und Fussfläiche noch mit Drüsenwärzchen 
bedeckt, die in Form mit’ denen der Bauchregion und mit denen der unteren und hinteren 
Theile der Oberschenkel übereinstimmen. Ein sehr kleiner, aber sehr deutlicher, knopfförmiger 
Tuberkel steht an der Basis der vierten Zehe. 

Färbung. Oberseite dunkel olivengrün, ein von der Nasenöffnung durch das Auge bis 
in die Trommelfellgegend laufender undeutlicher Streif schwärzlich, ein vom Hinterrand des 
Auges bis in die Weichen ziehender, an den Rändern verwaschener Seitenstreif weisslich. Die 
ganze Unterseite und die Oberseite von Oberarm und Oberschenkel bräunlich. 

Diese Art könnte möglicherweise mit yp. betsileo Grandidier (Bucnemis), beschrieben in 
Ann. d. Science. Nat., 5. ser., Bnd. 15, 1872 p. 10, identisch sein, der leider nur nach der 
Farbe beim lebenden Thier mit folgenden Worten kurz charakterisirt wird: »Tout vert; les 
flancs sont s6pares du dos par une belle bande d’un jaune d’or, qui, partant des narines, va en 
s’elargissant jusqu’aux membres posterieurs. Une raie de m&me couleur s’&tend sur les deux 
tiers posterieurs des cuisses. — Long. du corps 25, des membr. poster. 35 mm. — Pays des 
Betsileos, Madagascar.« Da aber das helle Seitenband bei unserer Form nicht an der Nasen- 
öffnung, sondern erst am Hinterrand des Auges beginnt, auch in der ganzen Länge seiner 
Ausdehnung ziemlich gleich breit bleibt und von einem Streif auf den Hinterschenkeln, abgesehen 
von einer dreieckigen Stelle um die Afteröffnung, nichts zu sehen ist, glaube ich nicht an spe- 
eifische Uebereinstimmung beider Formen. 

Auch Hyp. Horstocki Schleg. sp., der sich nach einer freundlichen Mittheilung des Herrn 
G. A. Boulenger auch auf Madagascar, und zwar in Südost-Betsileo findet, scheint den 
Dumeril-Bibron’schen und Günther’schen Beschreibungen nach — und nach einem von 
Herrn Boulenger während der Correetur dieses Bogens erhaltenen schönen Exemplar aus 
Caffraria — eine wesentlich verschiedene Species zu sein. 

Fundort. Die Art stammt gleichfalls aus dem Bezirk Imerina in Central-Madagascar 


zwischen 47 und 48°0.L. und in ungefähr 19° S. B. (Mus. Bremen.) 
Abhandl. d. Senckenberg. naturf. Ges. Bd. XII. 69 


— Bild — 


V. Genus. Hylambates A. Dum. 
45. Hylambates microtympanum Boettg. 


Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881, No. 74 p. 47 und in Reliquiae Ruten- 


” 


bergianae II. p. 155. 

Char. Lingua magna, crassa, late cordiformis, postice bicornis; dentes palatales duos 
acervulos formantes fastigia postica choanarum distincete superantes. Aperturae choanarum 
tubarumque aequa fere magnitudine. 

Corpus hylaeforme, rostro rotundato-subacuminato, maxilla infera antice distincte truncata, 
cantho rostrali parum acuto, aperturis nasalibus mediis inter rostrum et bulbos satis parvos 
modiceque eminentes sitis, regione frenali alta. Membrana tympani sub cute subocculta, minima, 
!/3 bulbi vix superans. Plica eutanea supertympanalis angusta parumque distineta. Cutis dorsi 
laevissima, nitida; ventris, laterum, femorum densissime et valide glanduloso-granulata. Disci 
scansorii minimi artieulati. Digiti bini externi manus basi membrana conjunctiva- distineta 
juncti, bini interni liberi, nee illis oppositi. Pedes *s palmati. Digitus secundus manus primo 
longior; tertius omnium valde longissimus. Articuli subdigitales parum distincti; plantae omnes 
membranaque natatoria distinete glanduloso-granulatae. Tuberculus parum validus ad basin 
hallucis. 

Supra griseus, lacunis nigrescentibus anguste albolimbatis, hie illie confluentibus, vario 
modo eleganter variegatus, membris eodem modo transversim taeniatis. Latera corporis clunes- 
que sordide albo maculata punctataque. Infra totus fusculus. 

Long. total. 27; membr. anter. 21, poster. 49 mm. 

‘Beschreibung. Die Zunge des einzigen vorliegenden Exemplars dieser brillanten 
Laubfroschart ist gross, dick und breit herzförmig und zeigt hinten wie bei der Gattung 
Polypedates zwei Hörner; die schwachen Gaumenzähne sind in kleine, rundliche Häufchen 
gestellt, die etwas hinter einer von der einen Choane zur andern gezogen gedachten Linie zu 
stehen kommen. Die Oeffnungen der Tuben sind fast noch etwas grösser als die der Choanen. 

Der Körper ist wenig unter Mittelgrösse, Hyla-artig, der Kopf zwischen den Augen ohne 
Längsdepression und nach vorn gleichmässig gerundet abfallend, die Schnauze selbst verrundet 
und sehr mässig spitz, der Unterkiefer aber vorn breit in die Quere abgestutzt. Die 
Schnauzenkante ist verrundet, das Nasenloch steht auf ihr in halber Entfernung von Auge und 
Schnauzenspitze; die Zügelgegend ist hoch. Das Auge ist verhältnissmässig klein und springt 


weniger vor als gewöhnlich bei den Arten von Polypedates. Das Trommelfell ist schwierig 


— 515  — 


zu sehen, auffallend klein und nur wenig über "/s grösser als der Augapfel. Die über dem 
Trommelfell hinziehende schmale Hautfalte ist schwach entwickelt und ziemlich geradlinig. Die 
Rückenhaut erscheint durchaus glatt und glänzend; schon an den ‘Seiten des Körpers beginnen 
aber kleine, anfangs sehr undeutliche, flache Wärzchen, die auf dem Bauche, auf der Innenseite 
der Schenkel und auf den Fussflächen, ja selbt auf der Unterseite der Schwimmhaut sehr dicht 
stehen, hier überall sehr scharf und deutlich ausgeprägt sind und eine grosse Fläche der 
Körperunterseite bedecken. Die Haftscheiben sind sehr klein, kaum breiter als das vorletzte 
Finger- oder Zehenglied und gelenkartig von diesem abgesetzt. Die beiden äusseren Finger 
der Hand haben an der Basis eine sehr deutliche Bindehaut, die den inneren Fingern fehlt; 
eine Oppositionsstellung zwischen diesen beiden Fingergruppen ist aber nicht wahrzunehmen. 
Die Schwimmhaut am Fusse kaun als ?/; Schwimmhaut bezeichnet werden. Der zweite Finger 
der Hand ist deutlich länger als der erste, der vierte länger als der zweite, der dritte ziemlich 
lang und weitaus der längste von allen. Die knopfförmigen Anschwellungen auf der Unter- 
seite der Gelenke und der Fersenhöcker an der Basis der innersten Zehe sind schwach 
entwickelt. 

Färbung. Die Grundfärbung der Oberseite ist ein schönes Lichtgrau. Zahlreiche 
schwarzgraue, durch eine schmale weisse saumartige Einfassung sich scharf von der Grundfarbe 
abhebende Lacunen, die in unregelmässigster Weise und durchaus unsymmetrisch sich bald 
hierhin, bald dorthin wenden, mit einander verfliessen und wieder aus einander streben, bilden 
die höchst elegante Zeichnung. Auf den Gliedmaassen zeigen sich dieselben Makelzeichnungen 
in gleichen Farben als quere Doppelbinden, die einen Fleck von der Grundfarbe einschliessen. 
Auge und ‚Trommelfell liegen in einem der schwärzlichen Lacunenstreifen. Die grösstentheils 
schwärzlichen Körperseiten zeigen grössere, die Aftergegend und die Hinterseiten der Ober- 
schenkel kleinere schmutzigweisse Fleckchen. Die ganze Unterseite ist vorn mehr gelblich, 
hinten mehr fleischfarbig hellbraun gefärbt. 

Die vorliegende Art stimmt, wenn wir die Gattungscharaktere von Leptopelis Günth. mit 
denen von Hylambates A. Dum. vereinigen, gut mit dem letzteren, jetzt in allen vier afrikanischen 
Subregionen nachgewiesenen Genus und weicht von den typischen Formen desselben höchstens 
durch die weniger entwickelten Fingerscheiben ab. Die Gattung Hylambates A. Dum. gehört 
ohne Frage in die nächste Verwandtschaft von Polypedates und Limnodytes, also zu den 
Polypedatiden, und nicht, wie C. K. Hoffmann in Bronn’s Klassen und Ordnungen, Amph. p. 
651 wohl aus Versehen schreibt, zu den Hylodiden. 


Nähere Verwandte der beschriebenen Art sind mir nicht bekannt. 


— ‚516 .— 


Fundort. Auch diese Art wurde von dem verstorbenen Dr. Christ. Rutenberg im 
Bezirk Imerina in Central-Madagascar, zwischen 47 und 48° O. L. und in ungefähr 19° 8. B. 
entdeckt (Mus. Bremen). 

VI. Familie. Mierhylina. 
I. Genus Cophyla. Boettger. 


Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1880 No. 57 p. 281. 

Char. Peraffinis gen. Micrhylae Tschudi, sed fere habitu generis Aylae. Palatum longe 
infra choanas valde distantes armatum acervulo conglobato singulo mediano dentium perparunı 
validorum; pedes basi breviter palmati; disei scansorii magni, trapezoidales, apice distincte 
truncati, supra a digitis incisura transversa disjuncti mediaque parte sulco longitudinali bipartiti. 
Lingua lata longissima postice nullo modo emarginata. y 

Beschreibung. Nicht mit absoluter Sicherheit, aber doch mit grosser Wahrscheinlich- 
keit gehört diese Gattung, welche dem Genus Micrhyla Tschudi sehr nahe verwandt zu sein 
scheint, zu der oben genannten Familie. Im Habitus erinnert Cophyla an eine etwas stämmige 
Hyla, die oben mit einer mittleren Längsfurche ausgestatteten Haftscheiben aber gemahnen an 
die von Phyllobates oder Elosia. Charaktere ziemlich wie bei Micrhyla Tschudi, Trommelfell 
versteckt, Tuben rudimentär, aber hinten im Gaumen, ein geraumes Stück hinter den weit von 
einander abstehenden, seitlich gestellten Choanen mit einem einzelnen medianen rundlichen 
Häufchen sehr schwacher Zähnchen bewehrt, und die Füsse nur mit ganz kurzen — eben 
noch als solche erkennbaren — Schwimmhäuten versehen. Die Haftscheiben sind gross, 
trapezoidförmig, an ihrer Spitze quer abgestutzt, oben von der vorletzten Phalanx durch einen 
tiefen Quereinschnitt getrennt und überdies in ihrer Mittellinie durch eine Längsfurche in zwei 
Theile getheilt. Die breite und auffallend lange Zunge ist in ihrer hinteren Hälfte frei und 
hinten nicht oder kaum merkbar ausgerandet. 

Die einzige bis jetzt bekannte Micrhyla achatina Tschudi von Java stand mir zum Ver- 
gleich leider nicht zu Gebote; ich kann daher über ihre nähere Verwandtschaft zu der hier 


vorliegenden Form mich nur muthmaasslich äussern. 


46. Cophbyla phyllodactyla Boettg. 
Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1880 No. 57 p. 281. 
(Taf. V, Fig. 19 a—e.) 
Char. Caput breve, orbitis distantibus prominentibus, rostro obtuso, branchiis inferioribus 


in fronte late profundeque emarginatis. Dentes maxillares adsunt. Tympanum aperturaeque 


— 5117 — 


tubarum non conspicua. Plica cutanea levis, obliqua, parum curvata ab oculo usque ad regionem 
humeralem decurrens. Cutis laevis, sed abdomine, tota parte infera femorum, plantis manus 
pedisque glanduloso-granulatis. Digitus quintus pedis tertium longitudine fere superans; articuli 
subdigitales parum prominentes. Plantae manus tuberculis binis magnis validisque, pedis 


singulo minore instructae, 


Supra sordide cinereo-fusca, maculis transversis nigro-brunneis, parum distinctis, modo literae 
A vel m positis pieta; membra taeniis paucis nigro-brunneis magis minusve conspicuis ornata. 


Infra candore sordide carnoso, granulationibus hie illic sulphureis. 
Long. corp. 25, membr. anter. 15', poster. 36 mm. 
Hab. in insula Nossi-B& (7 spec.) 


Beschreibung. In der äusseren Form etwas an die madagassische Calohyla notosticta 
Günther erinnernd, aber kleiner, mit kürzerem Kopf und mit weit stumpferer Schnauze. Die 
weit auseinander gerückten kleinen Augäpfel treten stark hervor, der Unterkiefer ist an seiner 
Spitze abgestutzt und ausgerandet. Die äussere Nasenöffnung liegt der Schnauzenspitze mehr 
genähert als dem Auge; die Pupille ist horizontal. Obere Maxillarzähne sind vorhanden. Das 
Trommelfell ist unter der Haut versteckt und nur bei stark eingetrockneten Stücken undeutlich 
sichtbar und dann etwa "« bis !/s des Augendurchmessers erreichend. Tubenöffnungen ver- 
kümmert, stichförmig. Hautfalte über der Tympanalgegend schwach, fast geradlinig schief 
vom Hinterrande des Auges bis in die Schultergegend herablaufend. Haut glatt und glänzend, 
nur auf dem Kopfe etwas lederartig narbig, mit einer äusserst feinen, etwas erhöhten Mittellinie 
auf der Stirn; Bauch und Innenfläche der Oberschenkel mit mässig grossen, stärkeren, Hand- 
und Fussfläche mit schwächeren drüsigen Wärzchen dicht besetzt. Gliedmaassen kräftig, etwas 
gedrungen. Die Haftballen der drei äusseren Finger sind relativ sehr gross, die fünfte Zehe 
ist fast etwas grösser als die dritte. Die Gelenkhöcker auf der Unterseite der Finger ragen 
wenig vor. Am Grunde der Handfläche stehen zwei Tuberkel, der äussere undeutlich, der 
innere als relativ sehr grosse, dicke, gerundete Schwiele aus dem Umriss der Handfläche heraus- 


tretend; am Grund der fünften Zehe zeigt sich ein nur halb so kräftig entwickelter, länglicher 


Fersenhöcker. 
Maasse. No.1 No.2 No.3 No.4 No.5 
Körperlängere u. u ne. 30 25 28 27 2lmm 
Kleinster Abstand der Bulbi von einander Sle — ale — —») 


Länge der Vordergliedmaassen . . . .„ 16 15le 17 17 12 » 


— 518 — 


Maasse. No.1 No.2 No.3 No.4 No.5. 

Länge des ersten Fingers . . ... 4 _ — — — mm 
» » zweiten » 6 — = _ —» 
» » dritten BE ECT en inalt. SO RE — — ir 
» » vierten Bingers un une » 
» der Hintergliedmaasen . . . . 40 36 40 38 28 >» 
» des Oberschenkels im Fleisch . . 13! — 13! — —_» 
» » Unterschenkels » » ee — 131 — a 
» ° » Fusses » » SEELE — 17! — _ >» 
22. der dritten®Zehei wa. en gN sn — — — >» 
» » vierten » BR Ne Paar 11 — —_ P- en 
» fünften » ee ee ae) = _ — _» 


Die Körperlänge verhält sich demnach zur Länge der Hintergliedmaassen im Mittel wie 
1:1,39, die Länge der Vorder- zur Hinterextremität wie 1:2,35. 

Färbung. Öberseits hell graubraun oder graulich isabellfarben, mit oder ohne breite, 
quere, undeutliche, A- oder M-förmige, dunkelbraune Binden über Kopf und Rücken, 
von denen eine zwischen und etwas hinter den Augen liegende, V-förmige deutlicher 
sichtbar zu sein pflegt. An jeder Körperseite steht dicht hinter der Insertion der Vorder- 
gliedmaassen eine Reihe von 1 bis 3 tiefschwarzen gerundeten Fleckchen. Gliedmaassen nicht 
oder nur sehr undeutlich dunkelbraun gebändert, die Binden gelegentlich seitlich von helleren, 
mehr gelblichen Zonen begrenzt; auf den Oberschenkeln und oft auch in der Weichengegend 
einige scharf abstechende eckige schwefelgelbe Punktfleckchen. Unterseite einfarbig weisslich 
oder hell fleischfarbig; Rand des Unterkiefers mit einigen schwefelgelben Fleckchen; die 
Granulationen des Bauches und der Unterseite der Schenkel theilweise schwefelgelb. 

Fundort. Selten auf Nossi-Be, von Hın. K. Ebenau entdeckt und später auch in 
geringer Anzahl — wir besitzen im Ganzen 5, das Lübecker Museum 2 Exemplare — von 
Herren A. Stumpff und C. Reuter daselbst gesammelt. 


— 519 — 


VII. Famitie Hylaplesina. 
I. Subfamilie Hylaplesidae. 
I. Genus Dendrobates Wagl. 
47. Dendrobates Ebenaui Boettger. 


Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1880 No. 57, p. 281. 
> (Taf. V, Fig. 20 a—e.) 

Char. Caput breve, obtuse triangulare; truncus subquadrato-prismaticus; membra satis 
gracilia. Lingua elliptico-ovata, postice latior _distineteque emarginata. Tympanum dimidiam 
orbitam parum prominentem aequans. Cutis supra minutissime granulosa, infra laevis sed in- 
tima parte femorum distinete granulata. Digiti primus et secundus longitudine aequales, tertius 
quartusque basi coaliti. Disci scansorii minimi, magnitudine articulis subdigitalibus bene con- 
spicuis fere minores. Cutis natatoria nulla; plantae manus pedisque binis tuberculis instructae. 

Supra zona lata dorsali argentea (J') aut aureo-viridi (9), postice obscuriore ahenea aut 
cuprea, distinete separata a lateribus nigris unicoloribus; membra obscure cinereo-nigra maculis 
fasciisque parum distinctis nigris. Labium superius linea argentea circumeinetum usque ad 
insertionem membri anterioris pertinente. Infra niger; sub mento signum album trifurcum 
postice apertum; gula unicolor; caeterum albo punctatus maculatusque, maculis majoribus in 
coxis et in suris. 

Long. corp. @ 20, © 25!/, membr. anter. d 13!e, @ 16, poster. S 30, 2 33 mm. 

Hab. in insula Nossi-B& (12 spec.). 

Beschreibung. Das sehr kleine, überaus elegante Fröschehen zeigt einen kurzen, 
stumpf dreieckig zugespitzten Kopf mit etwas vorspringender, aber abgerundeter Schnauze und 
seitlich gestellten, wenig vorragenden Augen. Der Körper ist ziemlich vierseitig-prismatisch; 
die Gliedmaassen erscheinen ziemlich schlank. Die Zunge ist klein, birnförmig oder elliptisch- 
eiförmig, hinten breiter und hier deutlich ausgerandet. Choanen- und Tubenöffnungen rund 
und von gleicher Grösse. Die äusseren Nasenöffnungen stehen ganz seitlich, um ein Drittel 
der Schnauzenspitze näher als dem Vorderrand der Augen. Pupille horizontal, breit oval. 
Trommelfell halb so gross wie das Auge. Humeralfalte kaum angedeutet. Kopf und Rücken- 
feld (s. in der Beschreibung der Färbung) überaus fein granulirt, nach hinten mit schwach er- 
höhter, medianer Rückenlinie; Körperseiten und Unterseite glatt und glänzend und nur der 
innerste Theil der Oberschenkel grob drüsig granulirt. Finger schlank, erster und zweiter 


gleich lang, dritter und vierter an der Basis verwachsen. Zehen schlank, ohne Schwimmhaut, 


52077 — 


fünfte Zehe viel kürzer als die dritte. Haftscheiben sehr klein, wenig breiter als die Breite 
der betreffenden Zehe und als die gut entwickelten an der Unterseite der Gelenke liegenden 


Höcker. Je zwei rundliche Höcker an der Basis von Hand und Fuss. 


Maasse. le 3 9,2. MORD ORZ KORB 
Körperlänge ., . . . . 20 2512 219. 22 2012. 26 2l 25 19!e mm 
Kleinster Abstand d. Bulbi h 

von einander . . . . — _ 3 3 3 al — 3 — 


Länge der Vorderglieder. 131g 16 1147 7152127 974 16 14 16 13 » 


» des ersten Fingers — - nn = a ae Ai N 

» » zweiten » —_ — Aa S 
> » dritten » — — — — ee Zur Bi 6 Mer: e 
» » vierten » — — le un u 2 5 Bi R 


» der Hinterglieder 30 33 31° 733115 29157233 3242/2035 30 » 


Oberschenkel im Fleisch. — _ —_— _ = = 10 — » 
Unterschenkel » m — — 11! — » 
Fuss » Bu — _— 16 —_ » 
Länge der dritten Zehe . — E Ze = — Te — 
» DLVIerten@s Sure — 0 — — = _ 1012 — » 
» » fünfen ».. — — — = — = — 7 — » 


Die Körperlänge verhält sich demnach kn Länge der Hintergliedmaassen im Mittel wie 
1:1,43; die Länge der Vorder- zur Hinterextremität aber wie 1: 2,18. 

Färbung. Den Kopf und Rücken ziert eine blattförmige, beim Männchen silberweisse, 
beim Weibchen goldgrüne, nach hinten dunkler erzfärbige oder kupferrothe, metallisch glänzende 
Zone, die zwei mehr oder weniger deutliche dunklere, von der Mittellinie als Primärnerv nach 
hinten abgehende Secundärnerven zeigt und auch hierin ein schmales Pflanzenblatt nachahmt. 
Die tiefschwarzen Körperseiten sind scharf von dieser Zone abgegränzt und stets einfarbig. 
Die Gliedmaassen erscheinen grauschwarz und sind mit meist sehr undeutlichen tiefschwarzen 
Flecken und Streifen gebändert. Längs des Umkreises der Oberlippe läuft eine bis zur In- 
sertion der Vordergliedmaassen reichende silberweisse Linie. Die Körperunterseite ist tief- 
schwarz; unter dem Kinn steht ein grosser dreizackförmiger, nach hinten geöffneter Fleck; die 
Kehle ist im Uebrigen einfarbig schwarz. Bauch und Gliedmaasen sind unterseits silberweiss 
punktirt, gefleckt und marmorirt, die Flecken in den Weichen und auf den Waden länglich 


und grösser, beim Männchen im Allgemeinen ausgedehnter und mehr in die Länge gezogen. 


Fundort. Auf Nossi-Be von Hın. K. Ebenau, jetzt Kaiserl. Deutschem Consul in 
Sansibar, dem zu Ehren ich mir diese prachtvoll gefärbte Art zu benennen erlaube, entdeckt; 
in mässiger Anzahl später : daselbst von Herren A. Stumpff und ©. Reuter (3 Exemplare 


im Mus. Lübeck) gefunden. 


I. Genus. Stumpffia Boettger. 2 
Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881, No. 87 p. 360. 


Char. Habitu gen. Dendrobatis Wagl., sed diseis scansoriis obsoletis. Lingua 
subfungiformis, duabus partibus sulco profundo transverso partitis exstructa magnitudine fere 
paribus; anteriore triangulari palato adhaerente, lateribus solum liberis; posteriore crassiuscula, 
orbiculari, postice acutiuscula, integra, excepta parte antica tota liberrima. Dentes maxillares 
palatalesque null. Tympanum, parotides aperturaeque tybarum non conspicuae. Digiti liberi, 
apice truncati, tertii manus mediique pedis extrema parte leviter dilatati. Metatarsus nee 
tuberculis nec calcare armatus. 

Beschreibung. Habitus von Dendrobates Wagl. und von gewissen Calohyla-Arten, 
aber nur am 3. Finger der Hand und an den mittelsten Zehen des Fusses mit leicht er- 
weiterten Haftscheiben versehen. Zunge überaus eigenthümlich gebildet, nach Art gewisser 
Tritoniden nahezu pilzförmig, indem sie aus zwei gesonderten Theilen von ziemlich gleicher 
Grösse besteht, die durch eine tiefe Querfurche von einander getrennt werden. Der vordere 
dreieckige, nach vorn spitz zulaufende Theil ist mit seiner unteren Fläche mit der Mundbasis 
verwachsen und nur an seinen Seiten frei, der hintere Theil aber ist dicklich, fast kreisrund 
und nur hinten etwas zugespitzt, ohne Ausrandung oder Kerbung und mit Ausnahme einer 
kleinen, im vorderen Drittel liegenden, queren Stelle, die auf dem Hinterende der Vorderzunge 
festgewachsen ist, auf allen Seiten vollkommen frei. Maxillar-- und Vomerzähne fehlen. 
Trommelfell von der Haut bedeckt, Parotiden fehlen; innere Tubenöfinungen rudimentär, 
stichförmig. Finger und Zehen ganz frei, an der Spitze quer abgestutzt, der 3. Finger der 
Hand verlängert und wie die mittleren Zehen des Fusses mit einer kleinen, schwach verbreiterten 


Haftscheibe versehen. Metatarsus ohne jede Spur eines Sporns oder Tuberkels. 


Da mir von dieser Gattung nur ein, vielleicht sogar noch junges Exemplar der folgenden 
Art vorliegt, ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die neue Gattung, die schon der 
Zungenform wegen sich mit keinem der mir bekaunten Froschgenera vergleichen lässt, sich 
nicht den Hylaplesiden, sondern den Brachymeriden anreiht. Den Nachweis, ob die Querfort- 


sätze des Sacralwirbels verbreitert sind oder nicht, kann erst die Zukunft liefern. 
Abhandl, d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 70 


— 52 — 


48. Stumpffia psologlossa Boettger. 

Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881 No. 87. p. 360. 

(Taf. V, Fig. 21 ad). 

Char. Caput breve, obtuse triangulare, cum corpore confusum. Aperturae nasales 
internae laterales, orbiculares, externae inter se valde distantes, laterales, media parte inter 
rostrum oculosque sitae. Cutis laevis; postica pars abdominis internaeque partes femorum leviter 
granulato-glandulosae. Digitus primus manus minimus, secundus quartusque parvi subaequales, 
tertius magnus, vieinis duplo longior. Digiti pedis graciles, tertio quintum longitudine distincte 
superante. 

Supra ceinerea nigro maculata: taenia transversa inter oculos; dorsum seriebus 4 
longitudinalibus macularum magnarum extrinsecus albido-marginatarum, internis majoribus et 
inter se magis approximatis; membra in transversum faseiata. Infra cana Dane hier vermiculata, 
branchiis inferioribus nigrescentibus albopunctatis. 

Long. corporis 16, membri anterior. 8!/2, posterior. 22!/s mm. 

Hab. in insula Nossi-B& rarissima (1 spec.). 

Beschreibung. Kopf kurz, mit stumpf dreieckiger, etwas vorstehender Schnauze, 
nach hinten mit dem Körper verschmolzen. Aussere Nasenöffnungen seitlich, von einander 
weit ‘entfernt, etwas näher der Schnauzenspitze als dem Vorderrand des Auges gelegen; innere 
Nasenöffnungen gerundet, ebenfalls seitlich gestellt. Interorbitalraum sehr breit, etwas gewölbt; 
Bulbi ganz seitlich, klein, etwas vorspringend, mit quer ovaler Pupille. Humeralfalte gänzlich 
fehlend. Haut glatt und glänzend, Bauch in seiner hintersten Hälfte deutlicher, innere Theile 
der Oberschenkel schwächer drüsig granulirt. Erster Finger der Hand sehr klein, zweiter und 
vierter von gleicher Länge, klein, dritter Finger. gross, um das Doppelte länger als seine beiden 
Nachbarn. Zehen des Fusses schlank, dritte deutlich grösser als die fünfte. Handfläche an der 
Basis mit zwei kleinen Tuberkeln, Fussfläche ohne Spur von Spornen oder Tuberkeln. 

Maasse. 
Körperlangeger in N ee oem! 


Breite des Interorbitalraums an seiner schmalsten Stelle 2! » 


Länge der Vordergliedmaassen . . . . ... 2.0. 8le » 5 
Länge: des ersten Eingersı 7... 27 u. M.R. rn ll 
Länge des zweiten Fingers . . . . 2 220. 2WM » 


Länge des dritten Fingers -. . . 2 2 2 nm .. 8la >» 


Maasse. 
Eänge: dess vierten Eingers 2 u... 0.0. rn alıkınm 
Länge der Hintergliedmaassen . . . 2 22.0.0. 22le » 
Länge des Oberschenkels im Fleisch . . . 2. ..0.. 7 » 
Länge des Unterschenkels im Fleisch . . „2... TI» 
Länge des Fusses im Fleisch . . . . 2.2.2... 10% >» 
TängerdendrittensZehen ao mon a. » 
Bkäncerderäviertens Zeheg u » 
Tänceuderstünttenn Zehen a et » 


Die Körperlänge verhält sich demnach zur Länge der Hintergliedmaassen wie 1:1,41, 


die Länge der Vorder- zur Hinterextremität aber wie 1:2,65 


Färbung. Oberseits bräunlichgrau mit schwarzen Punkten und Makeln. Eine Querbinde 
liegt zwischen den Augen; vier Längsreihen grosser Longitudinalflecke, die nach aussen hin 
durch eine weissliche Zone eingefasst werden, zieren Rücken und Körperseiten. Die Makeln 
der beiden mittleren Rückenreihen sind grösser, nierenförmig und einander in der Längen- 
richtung mehr genähert als die der Körperseiten, die übrigens nach hinten allmählich obsolet 
werden. Zwischen diesen grösseren Makeln zeigen sich überall’ noch kleinere punktförmige 
schwarze Fleckchen. Die Gliedmaassen sind in die Quere gebändert. Die Körperunterseite 
erscheint grau, schwarzgrau und weisslich gewölkt und gemarmelt; die Ränder der Unterkinnlade 
sind schwärzlich, jederseits mit 3—4 weissen Punktfleckchen geziert. 

Fundort. Diese überaus seltsame Art, die ich ihrem Entdecker Herrn Anton Stumpff 
in Lukub& auf Nossi-BE zu Ehren benenne, ist bis jetzt nur in einem kleinen, vermuthlich noch 
jugendlichen Stücke auf Nossi-Be gesammelt worden. Sie mag zu den grössten Seltenheiten 


der genannten Insel gehören. 


— 524 — 


II. Aufzählung der bis jetzt von Madagascar und seinen Küsteninseln 
bekannt gewordenen Reptilien und Amphibien. 


Die hier folgende Liste mag als eine Verbesserung und Vervollständigung der von mir 
in »Reptilien und Amphibien von Madagascar, Frankfurt a. M., Christ. Winter, 1877, p. 30« 
in diesen Blättern gegebenen Aufzählung betrachtet werden. Ich kann die namentliche Er- 
wähnung der zahlreichen, seit jener Zeit bekannt gewordenen kleineren Arbeiten über neue 
Funde schon deshalb hier übergehen, da bei jeder einzelnen der aufgeführten Arten sorgfältige 
Citate gegeben werden sollen. Einzelne in der früher gegebenen Aufzählung noch zugelassene 
Species sind von mir in Anmerkungen verwiesen worden, da ihr Vorkommen neuerdings 
zweifelhaft erscheint, andere sind als Synonyme oder Varietäten eingezogen worden, eine noch 
erheblichere Anzahl ist als neu einzufügen gewesen. 

Die so überarbeitete Liste dürfte unserer jetzigen Kenntniss des Gegenstandes wohl 
ziemlich annähernd entsprechen. Ich bin wie früher im System der Reptilien im Wesentlichen 
dem von Wallace in seiner »Geographischen Verbreitung der Thiere, Dresden 1876, Bnd. 11, 
p. 413 u, f.« adoptirten gefolgt, während ich für die Amphibien das von C. K. Hoffmann 
in Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs, Amphibien, Leipzig und Heidelberg 1873—78 


p. 612 u. f.« weiter ausgebaute Günther’sche System angenommen habe. 


I. Classe Reptilia. 
1. Ordnung Serpentes. 
I. Familie. Typhlopina. 
I. Genus Typhlops Dum. Bibr. 
1. Typhlops (Typhlops) braminus Daud. sp. Boettger, Mad. Nachtr, II, p. 3, Taf. 1, 
Fig. 1a—e (= T. inconspieuus Jan, Elenco sistem. d. Ofidi, Milano 1863, p. 11). Nossi-Be 
und Madagascar. Ausserdem Bourbon, Süd- und Ost-Africa und das ganze indo-malayische 


Gebiet bis zu den Key-Inseln. 
2. Typhlops (Typhlops) madagascariensis Bttg. Boettger, Mad. 1877, p. 3, Taf. I, 
Fig. 1a—f. Nossi-Be. 


— 525 — 


3. Typhlops (Ophthalmidion) mucronatus Bttg. Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1880, 
p- 279 und Abbild. in Mad. Nachtr. III, Taf. I, Fig. 1a—f. Nossi-Be. 
4. Typhlops (Onychocephalus) arenarius Grandidier in Ann. d. Science. Nat. (5) Bnd. 15, 


1872, p. 9. Morundava auf Madagascar. 


II. Familie. Colubrina. 
I. Subfamilie. Coronellidae. 
I. Genus. Heterodon Pal. d. Beauv. 
5. Heterodon madagascariensis D. B. (= Anomalodon Jan). Dumeril und Bibron, Erpe- 
tologie generale Bnd. 7, p. 776. Nossi B& und Madagascar, hier namentlich aus dem Nord- 


westen erwähnt. 
6. Heterodon modestus Günther in Ann. a. Mag. Nat. Hist. (3) Bnd. 12, 1863, p. 356. 


Madagascar. 
II. Genus. Enicognathus D. B. 


7. Enicognathus rhodogaster Schleg. sp. (Herpetodryas). Dum. Bibron, Erpet. gener. Bnd. 7, 


p. 332. Nossi-B& und Madagascar, hier speciell aus dem Nordwesten erwähnt. 


III. Genus. Liophis Wagl. 
8. Liophis quinquelineatus Günther in Ann. a. Mag. Nat. Hist. (5) Bnd. 7, 1881, p. 357. 
Betsileo in Central-Madagascar. 
ll. Subfamilie Colubridae. 
I. Genus. Pseudoxyrhopus Günther. 
9. Pseudoxyrhopus helerurus Jan. sp. (Homalocephalus) in Iconogr. d. Ophid. Lief. 17, 


Taf. 4, Fig. 2. Madagascar. 
10. Pseudoxyrhopus microps Günther in Ann. a. Mag. Nat. Hist. (5) Bnd. 7, 1881, 


p. 359. Betsileo in Central-Madagascar. 


Ill. Subfamilie. Dryadinae. . 
I. Genus. Dromicus D. B. 
11. Dromicus madagascariensis Günther in Ann. a. Mag. Nat. Hist. (4) Bnd. 9, 1872, 
p. 22, Taf. V, Fig. A. Madagascar. 
12. Dromicus Stumpffi Boettger in Carus’ Zool. Anzeiger 1881, p. 358 und Abbild. in 
Mad. Nachtr. III, Taf. I, Fig. 2a—f. Nossi-Be. 


II. Genus. Herpetodryas Boie. 


13. Herpetodryas Bernieri D. B., Erpe6t. gener. Bnd. 7, p. 212. Nossi-Be, Tamatave 
u. a. OÖ. im Osten und Nordwesten von Madagascar, Mauritius. 


III. Genus. Philodryas Wagl. 
14. Philodryas Goudoti Schleg. sp. (Coluber). Dumeril und Bibron, Erpet. gener. Bnd 7, 
p. 1122 (Dryophylax). Madagascar. 
15. Philodryas miniatus Schleg. sp. (Coluber). Ebenda p. 1120 (Dryophylax). Comoren- 
insel Mayotte, Nossi-Be, Madagascar, hier namentlich im Nordwesten, und Mauritius. 


III. Famitie. Psammophidae.*) 
I. Genus. Psammophis Boie. 


16. Psammophis mahfalensis Grandidier in Revue et Mag. d. Zoologie (2) Bnd. 19, 1867, 
p. 234. Machikova und Anhulabe auf Madagascar. 


II. Genus. Mimophis Günther. 
17. Mimophis madagascariensis Günther in Ann. a. Mag. Nat. Hist. (4) Bnd. I, 1868, 
p. 421, Taf. 18. Nossi-Be und Madagascar, hier namentlich aus dem Nordwesten erwähnt. 


IV. Familie. Dendrophidae. 
I. Genus. Philothamnus Smith. - 


18. Philothamnus lateralis D. B. sp. (Leptophis). (= Thamnosophis Jan = Ahaetulla 
Boettg.). Dum. und Bibron, Erp. gen. Bnd. 7, p. 544. Madagascar. 


II. Genus. Ityeyphus Günther. 


19. Itycyphus caudaelineatus Günther in Ann. a. Mag. Nat. Histor. (?) Bnd. 9, 18.. 
p. 374. Madagascar. 


*, Die von mir Madagascar p. 33 unter 

»III. Familie. Homalopsidae. I. Genus. Helicops Wagl. 12. H. schistosus Schleg. sp. (Dropi- 
donotus). Dum. Bibr., Erp. gen. Bnd. 7, p. 596. (Tropidonotus.) Ostindien und Madagascar. 

»1V. Familie. Psammophidae. I. Genus. Psammophis Boie. 13. Ps. sibilans L. sp. var. 
Günther, Catal. of Colubr. Snakes, London 1858, p. 137. Aegypten, West-, Mittel- und Südafrika, Ma- 
dagascar, Ostindien und 14. Ps. elegans Boie in Dum. Bibr., Erp. gen. Bnd. 7, p. 895 und Westphal- 
Castelnau, Catal. d. Rept., Montpellier 1870, p. 40. Ganz West-Africa und Madagascar« aufgeführten 
drei Species dürften als auf unsicheren Vaterlandsangaben oder falscher Bestimmung beruhend zu be- 
anstanden sein und mögen bis auf weitere Bestätigung aus ‚der Liste der madagassischen Kriechthiere 
gestrichen werden. 


— 527 — 


V. Familie. Dryiophidae. 
I. Genus. Langaha Brug. 
20. Langaha cristagalli D. B., Erp. gen. Bnd. 7, p. 806. Nossi-B&e und Madagascar. 
21. Langaha nasuta Shaw. Dum. Bibron, Erp. gen. Bnd. 7, p. 803 (ensifera). Nossi-Be&: 
und Madagascar. 
VI. Familie. Dipsadidae. 
I. Genus. Dipsas Boie. 
22. Dipsas betsileana Günther in Ann. a. Mag. Nat. Hist. (5) Bnd. 6, 1880, p. 238. 
Südost-Betsileo in Central-Madagascar. 
23. Dipsas (Heterurus) Gaimardi Schleg. Dum. und Bibron, Erp. gen. Bnd. 7, p. 1173 
(Heterurus). Nossi-B& und Madagascar. 
24. Dipsas (Heterurus) arctifasciatus D. B. sp. Ebenda p. 1176 (Heterurus). Madagascar. 


_ 


t 


5. Dipsas (Eteirodipsas) colubrina Schleg. Ebenda p. 1146. Nossi-Be, Madagascar und 
Bourbon. 
VII. Familie. Pythonidae. 
I. Genus, Pelophilus D. B. 
26. Pelophilus madagascariensis D. B. Ebenda, Bnd. 6, p. 523. Nossi-Be und Ma- 


dagascar. 
II. Genus. Xiphosoma Wagl. 


w 


7. Xiphosoma (Sganzinia) madagascariensis D. B. Ebenda, p. 549. Nossi-B& und Ma- 
dagascar. 
VILL Familie. Hydrophidae. 
1. Genus. Pelamis Daud. 
28. Pelamis bicolor Schneid. in Wallace, Geogr. Verbreit. d. Thiere, 1876, Bnd. 2, p. 425. 


Madagascar bis Neuguinea, Neuseeland und Panama. 


Il. Ordnung, Lacertilia. 


I. Familie. Lacertidae. 
I. Genus. Tracheloptychus Peters. 
1. Tracheloptychus madagascariensis Peters in Verh. d. Preuss. Acad. d. Wiss. 1854, 
p. 617. St. Augustinsbai auf Madagascar. 
2. Tracheloptychus Petersi Grandidier in Rev. et Mag. d. Zoölog. (2) Bnd. 21, 1869, 
p. 339. Murunbe auf der Westküste von Madagascar. | 


— 1,9282 — 


II. Familie. Zonuridae. 
I. Genus. Zonurus Merrem.*) 


3. Zonurus tropidosternum Cope in Proceed. Amer. Philos. Soc. Bnd. 11, 1869, p. 119. 


Madagascar. 
II. Genus. Gerrhosaurus Wiegm. 


4. Gerrhosaurus (Oicigna) madagascariensis Gray sp. (Cicigna) in Dum. Bibr., Erp. gen. 
Bnd. 3, p. 375, Taf. 47 (bifasciatus). Nossi-B& und Westküste von Madagascdt. 

5. Gerrhosaurus (Cieigna) ornatus Gray sp. (Cicigna). Dum. und Bibr., ebenda, p. 378 
(lineatus). Madagascar. & 

6. Gerrhosaurus (Cicigna) rufipes Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881, p. 358 und 
Abbild. in Mad. Nachtr. III, Taf. 1, Fig. 3. Nossi-Be. 

7. Gerrhosaurus quadrilineatus Grandidier in Rev. et. Mag. d. Zoolog. (2) Bnd. 19, 1867, 
p. 233. Tüllear auf der Südwestküste von Madagascar. 

8. Gerrhosaurus laticaudatus Grandidier, ebenda (2) Bnd. 21, 1869 p. 341. Fierin auf 
der Westküste von Madagascar. 

9. Gerrhosaurus Karsteni Grandidier, ebenda p. 341. Von demselben Fundort. 

10. Gerrhosaurus aheneus Grandidier in Ann. d. Sciene. Nat. (5) Bnd. 15, 1872, p. 8. 
Madagascar. 

III. Familie. Gymnophthalmidae. 
I. Genus. Ablepharus Fitz. 

11. Ablepharus Boutoni Desj. sp. (Seincus) in Boettger, Mad. Nachtr. III, Taf. II, Fig. 4. 

Ostafrica und ostafricanische Inseln Mossambique, Comoro, Nossi-B& und Mauritius, sunda- 


moluckischer Archipel, Australien und Polynesien bis zu den Inseln der Westküste von Amerika. 


IV. Familie. Sceincidae. 
I. Genus. Leiolepisma D. B. 
12. Leiolepisma Telfairi Desj. sp. (Seincus). (= Belli Gray). Dum. und Bibron, Erp. 
gen. Bnd. 5, p. 742. Madagascar, Mauritius und Nachbarinseln, Manila. 


% 


II. Genus. Pygomeles Grandidier. 
13. Pygomeles Braconnieri Grandidier in Rev. et Mag. d. Zool. (2) Bnd. 19, 1867, 


p. 234. Tüllear auf der Südwestküste von Madagascar. 


*) Vermuthungsweise und ganz beiläufig wird auch Z. griseus Cuv. = cordylus Merr. von Madagascar 
erwähnt. e 


—y .8297 — 


III. Genus. Euprepes (Wagl.) D. B. 

14. Euprepes (Euprepes) bistriatus Gray in Dum. und Bibron, Erp. gen. Bnd. 5, p. 686 
(Gravenhorsti). (= vittatus Grav., — elegans Peters). Nossi-Be, Madagascar, hier speciell von 
der Augustinsbai, Cap der guten Hoffnung. 

15. Euprepes aureopunctatas Gvyandidier in Rev. et Mag. d. Zoolog. (2) Bnd. 19, 1867, 
p. 234. Salub&e in Central-Madagascar. 

16. Euprepes bilineatus Grandidier, ebenda (2) Bnd. 21, 1869, p. 340. Fierin auf der 
Westküste von Madagascar. 
17. Euprepes sacalava Grandidier in Ann. d. Science. Nat. (5) Bnd. 15, 1872, p. 8. 


Malaimbandy im Gebiet der Sakalaven auf Madagascar. 


V. Familie. Sepidae. 
I. Genus. Gongylus Wagl. 
18. Gongylus igneocaudatus Grandidier in Rev. et Mag. d. Zool. (2) Bnd. 19, 1867 
p. 234. Tüllear auf der Südwestküste von Madagascar. 
19. Gongylus Polleni Grandidier, ebenda (2) Bnd. 21, 1869, p. 340. Morundava auf der 
Westküste von Madagascar. 
20. Gongylus splendidus Grandidier in Ann. d. Science. Nat. (5) Bnd. 15, 1872, p. 8. 
Berununu im Gebiet der Betsileo auf Madagascar. 
21. Gongylus Morundavae Grandidier, ebenda, p. 9. Morundava in West-Madagascar. 
22. Gongylus melanurus Günther in Ann. a. Mag. Nat. Hist. (4) Bnd. 19, 1877, p. 314. 
Anzahamaru und Mahanoro bei Tamatave in Ost-Madagascar. 
23. Gongylus melanopleura Günther, ebenda, p. 315. Anzahamaru bei Tamatave in Ost- 
Madagascar. 
24. Gongylus gastrostictus O’Shaugnessy, ebenda (4) Bnd. 4, 1879, p. 301. Madagascar. 


II. Genus. Scelotes Fitz. 
25. Scelotes fierinensis Grandidier in Rev. et Mag. d. Zoolog. (2) Bnd. 21, 1869, p. 340. 


Tüllear auf der Südwestküste von Madagascar. 


III. Genus. Amphiglossus D. B. 
26. Amphiglossus Astrolabi Dum. und Bibron, Erp. gen. Bnd. 5, p. 608. Nossi-B& und 


Madagascar. ya 
Abhandl. d. Senckenb, naturf. Ges. Bd. XII. 71 


— 550 — 


VI. Familie. Acontiadae. 


27. Acontias meleagris L. sp. (Anguis) Dum. und Bibron, Erp. gen. Bnd. 5, p. 802, 
Taf. 55. Madagascar und Cap der guten Hoffnung. 


28. Acontias rubrocaudatus Grandidier in Rev. et Mag. de Zoolog. (2) Bnd. 21, 1869 
p. 342. Fierin auf der Westküste von Madagascar. 


29. Acontias holomelas Günther in Ann. a. Mag. Nat. Hist. (4) Bnd. 19, 1877, p. 313, 
Taf. 16, Fig. A. Anzahamaru bei Tamatave in Ost-Madagascar. 
30. Acontias Hildebrandti Peters in Mon.-Ber. Preuss. Acad. d. Wiss. 1880, p. 509. 


Nordwest-Madagascar. 


® 


VII. Familie. Geckones. 
I. Genus. Geckolepis Grandidier. 
31. Geckolepis typica Grandidier in Rev. et Mag. d. Zoolog. (2) Bnd. 19, 1867, p. 233 
Vorgebirge Ste. Marie an der Südküste von Madagascar. E 
32. Geckolepis maculata Peters in Mon.- Ber. Preuss. Acad. d. Wiss. 1880, p. 509, Taf. 
. 798, Fig. 3. Nossi-B& und Anfıca in Nordwest-Madagascar. 


II. Genus. Pachydactylus Wiegm. 

33. Pachydactylus Cepedianus Per. sp. (Platydactylus) Dum. und Bibron, Erp. "gen. 
Bnd. 3, p. 301, = Phelsuma madagascariensis Gray in Catal. of Lizards Brit. Mus. p. 166. 
Mossambique, Comoreninsel Anjoana, Nossi-B&, Madagascar, Bourbon, Mauritius und fraglich 
von den Seychellen. 

34, Pachydactylus dubius Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881, p. 46. Nossi-Be£. 

35. Pachydactylus laticauda Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1880, p. 280 und Mad. 
Nachtr. III, Taf. II, Fig. 6. Nossi-B&e und Tamatave an der Ostküste von Madagascar. 

36. Pachydactylus lineatus Gray sp. (Phelsuma) in Catal. of Liz. Brit. Mus. 1845, p. 166 
= ocellatus Dum. Bibr., Erp. gen. Bnd. 3, p. 298. Madagascar. 

37. Pachydactylus grandis Gray sp. (Phelsuma) in Ann. a. Mag. Nat. Hist. (?) Bnd. 6, 
18.. p. 191. Madagascar. 

III. Genus. Theconyx Gray. 


38. Theconyx trachygaster A. Dumeril sp. (Platydactylus) in Catalogue method. d. |]. 
Coll. d. Rept., Paris 1851, p. 35. Madagascar. 


ma 


39. Thecony& Boivini A. Dumeril sp. (Platydactylus) in Descript. d. Rept. nouv. etc. 
in Arch. du Mus. d’Hist. Nat. Paris, Bnd. 8, 1856, p. 43. Madagascar. 


IV. Genus. Peripia Gray. 
40. Peripia mutilata Wiegm. sp. (Hemidactylus) in Boettger, Mad. Nachtr. III, p. 466, 
Taf. II, Fig. 7. Tamatave an der Ostküste von Madagascar, Bourbon und Mauritius, Ost- 
indien und von Ceylon an durch das ganze indo-malayische Gebiet bis Neuguinea und Honolulu, 
41. ? Peripia mutabilis Grandidier sp. (Platydactylus) in Rev. et Mag. d. Zool. (2) Bnd. 21, 
1869, p. 341. Fierin und Menabe an der Westküste von Madagascar. 


V. Genus. Hemidactylus Cur. 

42. Hemidactylus mabuia Mor. de Jon. sp. (Gecko) in Dum. und Bibron, Erp. gen. Bnd. 
3 p. 362, = mercatorius Gray — platycephalus Peters — hexaspis Cope. Küste von Ost- 
und Südost-Africa, Comoren, Nossi-Be und Madagascar, hier z. B. von Tamatave an der 
Ostküste, Antillen und ganz Südamerika bis Südbrasilien. 

43. Hemidactylus frenatus Schleg. in Dum. und Bibron, ebend. p. 366. Süd- und Ost- 
Africa, Madagascar, Mauritius, Seychellen, Bengalen, Cochinchina und indo-malayischer Archipel. 

44. Hemidactylus sacalava Grandidier in Rev. et Mag. de Zoolog. (2) Bnd. 19, 1867 p. 
233. Tüllear im Gebiet der Sakalaven auf Madagascar. 

45. Hemidactylus Tolampyae Grandidier in Ann. d. Sciene. Nat. (5) Bnd. 15, 1872 p. 8, 
Westküste von Madagascar. 


VI. Genus. Scalabotes Peters. 


46. Scalabotes madagascariensis Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881 p. 360 und 
Abbild. in Mad. Nachtr. III, Taf. II, Fig. 8. Nossi-Be. 


VII. Genus. Ptyodactylus Cuv. 
47. Ptyodactylus (Uroplates) fimbriatus Schneid. sp. (Stellio) in Dum. und Bibron, 
Erp. gen. Bnd. 3 p. 381 (Uroplates). Nossi-B& und Madagascar, hier speciell aus dem Südwesten 
erwähnt. 
48. Piyodactylus (Uroplates) Ebenaui Boettger in Mad. Nachtr. I p. 5, Taf. I, Fig. 1. 
Nossi-Be, 
49. Piyodactylus (Uroplates) lineatus Dum. Bibr. sp. (Uroplates) in Erp. gen. Bnd. 3 p. 
384, Taf. 31, Fig. 1—3. Madagascar. 


— 532 — 


VIII. Genus. Ebenavia Boettger. 
50. Ebenavia inunguis Boettger in Mad. Nachtr. I p. 8, Taf. I, Fig. 3. Nossi-Be. 


IX. Genus. Phyliodaetylas Gray. 
51. Phyllodactylus androyensis Grandidier in Rev. et Mag. de Zoolog. (2) Bnd. 19, 1867 
p. 233. Vorgebirge Ste. Marie in Süd-Madagascar. 
52. Phyllodactylus (Phyllodactylus) Stumpffi Boettger in Ber. Senckenbg. Gesellsch. 
1878—79 p. 85 und Abbild. in Mad. Nachtr. IH, Taf. II, Fig. 9. Nossi-Be. 
53. Phyllodactylus (Phyllodactylus) oviceps Boettger in Carus’ Zoolog. Anz. 1881 p. 359 
und Abbild. in Mad. Nachtr. III, Taf. III, Fig. 10. Nossi-Be. 


X. Genus. Diplodactylus Gray. 
54. Diplodactylus porphyreus Dum. Bibr. sp. (Phyllodactylus) in Erp. gen. Bnd. 3 p. 392, 
Ganz Südafrica, Madagascar, Australien und Polynesien. 
55. Diplodactylus pictus Peters in Mon.-Ber. Preuss. Acad. d. Wiss. 1854 p. 615. St. 


Augustinsbai in Südwest-Madagascar. 


VIII Familie Iguanidae. 
I. Genus. Hoplurus (Cuv.) Dum. Bibhr. 

56. Hoplurus torgquatus Cuv. in Dum. und Bibron, Erp. gen. Bnd. 4 p. 361 (Oplurus 
Sebae) und Peters in v. d. Decken’s Reisen in Ost-Africa Bnd. 3, Abth. 1, Amphib. p. 14. 
Kanatzi auf der Westküste von Madagascar und angeblich auch von Nossi-Be. 

57. Hoplurus Barnardi Peters in Mon.-Ber. der Preuss. Acad. d. Wiss. 1854 p. 616. 
Bombatuka und St. Augustinsbai im Südwesten von Madagascar. 2 

58. Hoplurus quadrimaculatus (D. B.) A. Dumeril in Catalogue me&thod. d. 1. Coll. d. 
Rept. Paris 1851 p. 83. Madagascar. 

59. Hoplurus montanus Grandidier in Rev. et Mag. de Zoolog. (2) Bond. 21, 1869 p. 
340. Fierin in West-Madagascar. 

60. Hoplurus saxicola Grandidier, ebenda p. 340. An demselben Fundort. 


61. Hoplurus fierinensis Grandidier, ebenda p. 341. Mahfale in West-Madagascar. 


II. Genus. Chalarodon Peters. 


62. Chalarodon madagascariensis Peters in Mon.-Ber. d. Preuss. Acad. d. Wiss. 1854 p. 


616. St. Augustinsbai in Südwest-Madagascar. 


— 533 — 


IX. Familie Chamaeleontes. 


I. Genus. Chamaeleo L. 


63. C'hamaeleo bifurcus Gray (= Brongniarti Fitz., = bifidus Brongn.). Dum. und Bihron, 
Erp. gen. Bnd. 3 p. 233. Madagascar, Bourbon, Ostindien und Ile de la Sonde. 

64. Ohamaeleo minor Günther in Ann. a. Mag. Nat. Hist. (4) Bnd. 4, 1879, p. 246 mit 
Taf. Fianarantsoa im Gebiet der Betsileo in Central-Madagascar. 

65. Chamaeleo lateralis Gray in Dum. und Bibron, Erp. gen. Bnd. 3 p. 220. Bourbon 
und Madagascar, hier speciell von Fianarantsoa im Betsileo-Gebiet in Central-Madagascar, 

66. Chamaeleo nasutus Dum. Bibr. ebenda p. 216. Nossi-B& und Madagascar, angeb- 
lich auch von Port Natal. 

67. Chamaeleo gallus Günther in Ann, a. Mag. Nat. Hist. (4) Bnd. 19, 1877 p. 315, Taf. 16, 
Fig. B. Mahanoro südlich von Tamatave an der Ostküste von Madagascar. 

68. Ohamaeleo pardalis Cuv. in Dum. und Bibr., Erp. gen. Bnd. 3 p. 228. Nossi-Be, 
Madagascar, Bourbon und Mauritius. 3 

69. Ohamaeleo globifer Günther in Proceed. Zool. Soc. London 1879 p. 149, Taf. 13. 
Antananarivo in Central-Madagascar. 

70. Chamaeleo Parsoni Cuv. in Dum. und Bibr., Erp. gen. Bnd. 3, p. 231. Nossi-Be& 
und Madagascar. 

71. Chamaeleo O’Shaugnessyi Günther in Ann. a. Mag. Nat. Hist. (5) Bnd. 7, 1881, 
p. 358, Taf. 19. Gebiet der Betsileo in Central-Madagascar. 

72. Chamaeleo calcaratus Peters in Mon.-Ber. d. Preuss. Acad. d. Wiss. 1369, p. 445. 
Bombatuka-Bai an der Westküste von Madagascar. 

73. Chamaeleo verrucosus Cuv. in Dum. und Bibr., Erp. gen. Bnd. 3, p. 210. Bourbon 
und Madagascar, hier speciell angeführt von der Nordwestküste, von Kanatzi an der West- 
küste und von Mahazamba zwischen 15 und 16° S. B. und 47 und 48° OÖ. L. 

74. Ohamaeleo rhinoceratus Gray in Catal. of Lizards Brit. Mus. 1845 p. 267. Madagascar. 


75. Chamaeleo balteatus A. Dumeril in Arch. d. Mus. d’Hist. Nat. Paris Bnd. 6 p. 260. 
Madagascar. 

76. Chamaeleo supereiliaris Kuhl in Dum. und Bibr., Erp. gen. Bnd. 3 p. 235 und 
Boettger, Mad. Nachtr. I, Taf. I, Fig. 2. Nossi-B& und Nordwest-Madagascar. 

77. Chamaeleo Ebenaui Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1880 p. 280 und Mad. 
Nachtr. II, Taf. III, Fig. 12. Nossi-Be. 


— 534 — 


78. Chamaeleo malthe Günther in Proc. Zool. Soc. London 1879 p. 148, Taf. 11. Anta- 
nanarivo in Central-Madagascar. 

79. C'hamaeleo brevicornis Günther, ebenda p. 148, Taf. 12, Fig. A. und Ann. a. Mag. 
Nat. Hist. (5) Bnd. 7, 1881 p. 358. Antananarivo und Betsileo-Gebiet in Central-Madagascar. 

80. Chamaeleo gularis Günther in Proc. Zool. Soc. London 1879 p. 149, Taf. 12, Fig. B. 
Fianarantsoa im Betsileo-Gebiet und Antananarivo, beides Orte in Central-Madagascar. 

81. Chamaeleo cucullatus Gray in Dum. und Bibron, Erp. gen. Bnd. 3 p. 227. Madagascar. 

82. Chamaeleo antimena Grandidier in Ann. d. Science. Nat. (5) Bnd. 15, 1872 p. 7. 
Westküste von Madagascar. 

83. Chamaeleo Campani Grandidier, ebenda p. S und Boettger in Mad. Nachtrag II 
p- 479. Auf der Spitze des Tsiafakafo zwischen 19 und 20° S. B. und 47 und 48° O.L. und im 
Gebirge von Ankaratra in Central-Madagascar. 

84. Chamaeleo Labordi Grandidier in Ann. d. Science. Nat. (5) Bnd. 15, 1872 p, 7. 


Westküste von Madagascar. !) 


Il. Ordnung. Crocodilia. 
I. Familie. Crocodilini. 
l. Genus. Crocodilus L. 
1. Crocodilus madagascariensis Grandidier in Ann. d. Sciene. Nat. (5) Bnd. 15, 1872 
p. 6 und Gray in Proceed. Zool. Soc. London 1874 p. 145. Nossi-Be, hier namentlich in 


den Kraterseeen und Madagascar. 


IV. Ordnung. Chelonia. 
I. Famitie. Testudinidae. 
I. Genus. Testudo L. 

1. Testudo (Testudo) radiata Shaw in Dum. und Bibr., Erp. gen. Bnd. 2 p. 83 (mada- 
gascariensis Comm. Mus. Par.) und Gray, Catal. of Tortoises Brit. Mus. 1844 p. 6. Mossam- 
bique, Sansibarküste und Bourbon, hier überall wahrscheinlich von Madagascar importirt, und 
Madagascar, hier speciell von der Westküste erwähnt. 

2. Testudo (Testudo) geometrica L. in Dum. und Bibron, Erp. gen. Bnd. 2 p. 57 und Westphal- 
Castelnau, Catal. d. Rept., Montpellier 1870 p. 5. Süd- und Ost-Africa, Madagascar und Mauritius. 

!) Nach W. T. Blanford, Proceed. Zool. Soc London 1881 p. 464 lebt der von Gray für Mala- 


gascar angegebene Ch. monachus Gray. Proc. etc. 1864 p. 470 sicher ‚auf Socotora. Die Fundortsangabe 
Madagascar ist also wohl zweifellos irrthümlich. 


— 555 — 


3. Testudo (Testudo) pardalis Bell in Dum. und Bibron, Erp. gen. Bnd. 2 p. 71; Schlegel, 
Handl. Bnd. 2, Taf. I, Fig. 7 u. 8; Pollen in Nederl. Tijdschr. voor de Dierk. Bnd. 1 p. 331. 
Süd-, Ost- und Central-Africa und Madagascar. 

4. Testudo (Testudo) planicauda Grandidier in Rev. et Mag. d. Zool. (2) Bnd. 19, 1867 - 
p. 233. Murundava an der Südwestküste von Madagascar. 

5. Testudo (Testudo) desertorum Grandidier, ebenda (2) Bnd. 21, 1869 p. 255. Madagascar. 

6. Testudo (Homopus) areolata Thunbg. in Dum. und Bibron, Erp. gen. Bnd. 2 p. 146. 


Süd- und Ost-Africa, Madagascar und Mauritius. 


II. Genus. Chersina Gray. 
7. Chersina angulata Gray in Dum. und Bibron, ebenda p. 130. Süd- und Ost-Africa 
und Madagascar. 
IH. Genus. Pyxis Bell. 
8. Pywxis arachnoides Bell in Dum. und Bibron, ebenda p. 156 und Gray, Catal. of Tor- 


toises Brit. Mus. 1844 p. 12. Mauritius, Bourbon, Madagascar und angeblich auch in Ostindien. 


IE. Familie. Chelydidae. 
I. Genus. Dumerilia Grandidier. 
9. Dumerilia madagascariensis Grandidier in Rev. et Mag. d. Zoolog. (2) Bnd. 19, 1867 


p. 232. Murundava, Tsidsibu an der Westküste und im Beravigebiet in Nordwest-Madagascar. 


II. Genus. Sternothaerus Bell. 
10. Sternothaerus subniger- Bechst. sp. (Testudo) in Dum, und Bibron, Erp. gen. Bnd. 2 
p- 399 (nigricans); Gray, Catal. Tortoises Brit. Mus. 1844 p. 37 und Proc. Zool. Soc. London 
1864 p. 133. Süd-Africa von Port Natal an über ganz Ost-Africa und Madagascar. 
11. Sternothaerus castaneus Schweigg. sp. (Emys) in Dum. und Bibron, ebenda p. 401; 


Gray, ebenda p. 37. Ganz Süd- und Ost-Africa und Madagascar, hier namentlich im Nordwesten. 


II. Genus. Pelomedusa Wagl. 
12. Pelomedusa galeata Wagl. in Dum. und Bibron, ebenda p. 390 (Pentonyx capensis); 
Gray, ebenda p. 38. West-, Süd-, Ost- und Central-Africa bis zum Senegal einerseits und bis 


Abessynien und Sennär andererseits, sowie Madagascar, hier speciell aus dem Nordwesten erwähnt. 


— 5356 — 


II. Classe Batrachia. 
I. Ordnung. Anura, 
I. Familie. Ranina. 
I. Subfamilie Ranidae. 
I. Genus. Pyxicephalus Tschudi. 


1. Pyxicephalus labrosus Cope sp. (Tomopterna) in Proceed. Acad. Nat. Scienc. Philadelphia 


1868 p. 138. Madagascar. 
2. Pyxicephalus madagascariensis Grandidier in Ann, d. Scienc. Nat. (5) Bnd. 15, 1872 


p: 9. Madagascar. 
II. Genus. Rana L. 


3. Rana mascareniensis Dum. Bibr. (Idae Steindachner) in Erp. gen. Bnd. 8 
p. 350. Abessynien und Insel Dahlak im Rothen Meer, Seychellen, Nossi-Be und Madagascar, 


Bourbon und Mauritius. 
4. Rana nigrescens Steindachner in Verhandl. d. Zool.-Bot. Gesellsch. Bnd. 14, Wien 


1864 p. 268, Taf. 12, Fig. 2. Madagascar. 
5. Rana Delalandei Dum. Bibr. in Erp. gen. Bnd. 8 p. 388 und Steindachner, ebenda 


p. 269. Süd-Africa und Madagascar. 
6. Rana inguinalis Günther in Ann, a. Mag. Nat. Hist. (4)- Bnd. 19, 1877 p. 316. 
Anzahamaru nahe Tamatave an der Ostküste von Madagascar. 
7. Rana guttulata Boulenger, ebenda (5) Bnd. 7, 1881 p. 360. Gebiet der Betsileo in 
Central-Madagascar. 
ll. Subfamilie Discoglossidae. 
I. Genus. Dyscophus &rand. 
8. Dyscophus insularis Grandidier in Ann. d. Science. Nat. (5) Bnd. 15, 1872 p. 10. 
Antsuhy bei Trabunzi auf Madagascar. 
9. Dyscophus Guineti Grandidier sp. (Kaloula), ebenda (6) Bnd. 2, 1875, art. 6. Sumbava 
an der Nordostküste von Madagascar. 


10. Dyscophus sanguineus Boettger in Carus’ Zool. Anzeiger 1880 p. 567 und Abbild. 
in Mad. Nachtr. IH, Taf. III, Fig. 13. Foizana nördlich der Antongil-Bai in Ost-Madagascar. 


— ae, — 


II. Familie. Bombinatoridae. 
I. Subfamilie Hemimantidae. 
I. &enus. Hemimantis Peters. 
11. Hemimantis horrida Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1880 p. 282 und Abbild. 
in Mad. Nachtr, III, Taf. III, Fig. 14. Nossi-Be. 


III. Familie. Brachycephalina, 
I. Subfamilie Brachycephalidae. 
I. Genus. Hemisus &ünth. 
12. Hemisus obtusus Grandidier in Ann. d. Science. Nat. (5) Bnd. 15, 1872 p. 11. Nord- 


westküste von Madagascar. 


IV. Familie. Bufonina. 
I. Subfamlie Engystomidae. 
R I. Genus. Rhombophryne Boettg. 


13. Rhombophryne testudo Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1880 p. 567. Abbild. in | 
Mad. Nachtr. III, Taf. IV, Fig. 15. Nossi-Be, 


V. Familie. Hylina. 
I. Subfamilie Polypedatidae. 
I. Genus. Limnodytes D. B. 

14. Limnodytes madagascariensis A. Dumeril in Mem. Batr. Anoures etc. in Ann. d. 
Scienc. Nat. (3) Bnd. 19, Paris 1853 p. 154. Foizana, nördlich der Antongil-Bai im Osten, 
sowie in Nordwest-Madagascar. 

15. Limnodytes granulatus Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881 p. 361 und Abbild. 
in Mad. Nachtr. III, Taf. IV, Fig. 16. Nossi-Be. 

16. Eimnodytes ulcerosus Boettger in Carus etc. 1880 p. 282 und Mad. Nachtr. III, 
Taf. IV, Fig. 17. Nossi-Be. 

II. Genus. Polypedates Tsehudi. 

17. Polypedates Goudoti Dum. Bibr. in Erp. gen. Bnd. 8 p. 517 und Steindachner in 

Verh. d. Zool.-Bot. Ges. Bnd. 14, Wien 1864, Taf. 10, Fig. 1. Madagascar, hier speciell aus 


dem Nor dwesten erwähnt. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 


kan] 
ww 


— 538. — 


18. Polypedates lugubris A. Dum£ril in Ann. d. Science. Nat. (3) Bnd. 19, Paris 1853 
p. 157. Madagascar. 

19. Polypedates tephraeomystax A. Dumeril, ebenda p. 158. Foizana, nördlich der 
Antongil-Bai in Ost-Madagascar. 

20. Polypedates quadrilineatus Boie sp. (Hyla). (= Limnodytes celebensis Fitz.) Günther, 
Catal. Batr. Sal. Brit. Mus. 1858 p. 79 und Steindachner, Verh. d. Zool.-Bot. Ges. Bnd. 14, 
Wien 1864 p. 253, Taf. 10, Fig. 2. Madagascar, indische und indo-malayische Region. 

21. Polypedates Orossleyi Peters in Mon.-Ber. d. Preuss. Acad. d. Wiss., Berlin 1874 
p. 618. Nossi Vola im Innern von Madagascar. 

22. Polypedates dispar Boettger in Jahr.-Ber. d. Senckenbg. Ges. Frankfurt a. M. 1878—79 
p. 86 und Abbild. in Mad. Nachtr. III, Taf. V, Fig. 18. Nossi-Be. 


III. Genus. Rhacophorus Kuhl. 


23. Rhacophorus madagascariensis Peters in Mon.-Ber. d. Preuss. Acad. d. Wiss., Berlin 
1874 p. 618, Taf. 1, Fig. 3. Madagascar. 


IV. Genus. Hyperolius Rapp. 

24. Hyperolius madagascariensis Dum. Bibr. sp. (Euenemis) in Erp. gen. Bnd. 8. p. 528 
und Günther, Catal. Batr. Sal. Brit. Mus. p. 88 —= Hyla Grayi Pollen, Nederl. Tijdschr. voor 
de Dierk. Bnd. 1 p. 335. Foizana, nördlich der Antongil-Bai in Ost-Madagascar und Mauritius 
(Boulenger). 

25. Hyperolius Horstocki Schleg. sp. (Hyla) in Dum. und Bibron, ebenda p. 529 (Zucnemis) 
und Günther, ebenda p. 85. Süd- und Ost-Africa und Südost-Betsileo in Central-Madagascar. 

26. Hyperolius antanosi Grandidier sp. (Eucnemis) in Ann. d. Sciene. Nat. (5) Bnd. 15, 
1872 p. 10. Salavaratse auf Madagascar. 

27. Hyperolius betsileo Grandidier sp. (Euenemis) ebenda p. 10. Gebiet der Betsileo in 
Central-Madagascar. 

28. Hyperolius Rutenbergi Boettger in Carus’ Zoolog. Anzeiger 1881 p. 47 und Nachtr. 
III. Mad. p. 510. Im Bezirk Imerina zwischen 47 und 48°O.L. und in ungefähr 19° S. B. in 


Central-Madagascar. 
29. Hyperolius renifer Boettger, ebendä p. 46 und p.512. Von gleichem Fundort wie der vorige. 
V. Gen. Hylambates A. Dum. 


30. Hylambates microtympanum Boettger, ebendap. 47 und p. 514. Von gleichem Fundort 


wie die beiden vorigen. 


— 539 — 


VI. Fam. Micerhylina. 
I. Gen. Cophyla Boettg. 


31. Cophyla phyllodactyla Boettger in Carus’ Zool. Anzeiger 1880 p. 281 und Abbild. 
in Mad. Nachtr. III, Taf. V, Fig. 19. Nossi Be. 


VII. Fam. Hylaplesina. 
I. Subfam. Hylaplesidae. 
I. Gen. Dendrobates Wagl. 
32. Dendrobates madagascariensis Grandidier in Ann. d. Science. Nat. (5) Bnd. 15, 1872 
p. 10. Ambalavatu zwischen Manazarine und Fianarantsoa auf Madagascar. 
33. Dendrobates betsileo Grandidier, ebenda p. 11. Gebiet der Betsileo in Central-Madagascar. 
34. Dendrobates Ebenaui Boettger in Carus’ Zool. Anz. 1880 p. 281 und Abbild. in Mad. 
Nachtr. III, Taf. V, Fig. 20. Nossi-Be. 


I. Gen. Stumpffia Boettg. 
35. Stumpffia psologlossa Boettger, ebenda 1881 p. 360 und ebenda, Taf. V, Fig. 21. 
Nossi-Be. 
il. Subfam. Hylaedactylidae. 


I. Gen. Calohyla Peters. 


«“ 


36. Calohyla notosticta Günther (Callula) in Ann. a. Mag. Nat. Hist. (4) Bnd. 19, 1877 
p. 316, Taf. 16, Fig. C. Anzahamaru und Mahanoro im Süden von Tamatave an der Ostküste 


von Madagascar. 


III. Bemerkungen über die verwandtschaftlichen und geographischen 
Beziehungen der Reptilien und Amphibien Madagascars. 


Dies Kapitel mag als eine verbesserte und vermehrte Wiederholung des gleichnamigen 
Kapitels meiner »Reptilien und Amphibien von Madagascar, Frankfurt a. M. 1877 p. 43 bis 
54« betrachtet werden. Ich bin redlich bemüht gewesen, es dem heutigen Standpunkt unserer 
faunistischen Kenntniss mehr anzupassen, als es früher der Fall war. Benutzen konnte ich bei 
den Angaben über geographische Verbreitung der Familien und Gattungen ausser Wallace’s 
»Geograph. Verbr. d. Thiere, Dresden 1876, Bnd. 1 p. 328 und 329, und Bnd. 2 p. 413 bis 


465« diesmal auch »Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs, Amphibien, Leipzig und 


— 540° — 


Heidelberg 1873—78 und Schildkröten, ebenda 1879—80«, beide herausgegeben von C. K. 
Hoffmann in Leiden. 

Die Reptil- und Amphibienfauna von Madagascar und seiner mit einer ziemlich gleich- 
artigen Thierwelt ausgestatteten Küsteninsel Nossi-B& ist eine ganz überraschend reiche und 
eigenthümliche, und dürfte überhaupt eine der im Verhältniss zur Grösse des Areals reichsten 
der Welt zu nennen sein. Trotz des im Laufe der letzten vier Jahre erfolgten Zuwachses von 
42 für die Wissenschaft grösstentheils neuen Kriechthierarten ist die Zahl der dort, einheimi- 
schen Species sicherlich noch lange nicht erschöpft.” Wir dürften nach meinem Dafürhalten 
sicher erst ?/s der Reptil- und wenig mehr als die Hälfte der Amphibienfaune dieses wunder- 
baren grossen Eilands kennen. Von Fröschen werden sogar noch einige bis jetzt dort unver- 
tretene Familien zu entdecken sein. 

Nicht ganz in dem Grade, wie bei den Säugethieren, aber doch immer noch ganz auffällig 
stark tritt uns bei den Reptilien — weniger bei den Batrachiern — Madagascars die 
unerwartete Eigenthümlichkeit entgegen, dass verhältnissmässig sehr wenige der räumlich doch 
so nahe gerückten specifisch aethiopischen Gruppen auf Madagascar repräsentirt sind, wäh- 
rend eine beträchtliche Anzahl orientalischer und nicht wenige amerikanische Gattungen und 
Familien, die theils vollkommen identisch sind, theils als sehr nahe Verwandte bezeichnet 
werden müssen, auf Madagascar vorkommen. Etwas zurück tritt diese Eigenthümlichkeit nur 
bei den Schildkröten, unter den Eidechsen bei den Zonuriden, den Sepiden und den Chamaeleons, 
sowie, wie bereits gesagt, bei den Batrachiern, deren Einwanderung leichter geschehen konnte 
und z. Th. wenigstens in verhältnissmässig neuerer Zeit mit ziemlicher Sicherheit angenommen 


werden darf. Betrachten wir in diesem Sinne die einzelnen Klassen und Ordnungen etwas genauer. 


1. Ueber die Verbreitung der Familien, Gattungen und Arten der Schlangen Madagascars, 


Beginnen wir zuerst mit der Ordnung der Schlangen, so finden wir auf Madagascar 
4 Arten von Typhlops, einer Gattung, welche zu den in allen wärmeren Regionen der Erde 
vorkommenden Typhlopinen gezählt wird. Eine dieser Arten ist in der orientalischen und 
aethiopischen Region weit verbreitet. 

Die grosse Familie der ebenfalls in allen wärmeren Theilen der Erde vorkommenden 
und auch über die anderen Provinzen der aethiopischen Region verbreiteten Calamarinen fehlt 
bis jetzt der madagassischen Fauna gänzlich. ; 

Ebenso findet sich in der enormen, universell verbreiteten Familie der Colubrinen unter 


11 auf Madagascar bekannten Arten kein einziger africanischer Typus, aber an deren Stelle 


— 54l — 


eine eigenthümliche Gattung Pseudoxyrhopus, die in 2 Arten nur Madagascar bewohnt 
zwei Genera, Enicognatus und Herpetodryas, deren Vertreter in Südasien und in 
Mittel- und Südamerika zu Hause sind — ein Art Herpetodryas lebt auch auf den Galopagos- 
Inseln — und nicht weniger als 4 Gattungen mit 7 Arten: Heterodon, Liophis, Dromicus 
und Philodryas, die in ihrer geographischen Verbreitung ganz auf Amerika, den Norden 
wie auf den Süden, beschränkt sind. Diese 4 für die neotropische Region besonders charak- 
teristischen Genera fassen bereits den vierten Theil aller bekannten Schlangenarten Madagascars 
in sich. 

Für das Vorkommen der ziemlich universell verbreiteten Homalopsiden, die in der aethio- 
pischen Region überhaupt nur in West-Africa und auch hier nur schwach vertreten erscheinen, 
mangeln neuere Bestätigungen. 

Dasselbe gilt theilweise auch für die Familie der Psammophiden, von denen mit Sicher- 
heit nur 2 Arten, eine der typischen von Westafrica bis Indien verbreiteten Gattung Psammo- 
phis angehörig, und das für Madagascar charakteristische Genus Mimophis nachgewiesen werden 
konnten. 

Die Dendrophiden, Baumschlangen, welche in allen tropischen Regionen gefunden werden, 
sind durch Phrlothamnus, eine Gattung, deren Arten sich fast gleichmässig zwischen dem tro- 
pischen Africa und dem tropischen Amerika vertheilen, und durch das für Madagascar eigen- 
thümliche Genus Ifycyphus vertreten. i 

Die Familie der Dryiophiden, welche gleichfalls alle Tropen bewohnen, aber am besten 
in der orientalischen Region entwickelt sind, zeigt 2 Arten der für Madagascar sehr charakter- 
istischen, eigenthümlichen Gattung Zangaha, die sich durch das Vorhandensein eines langen, 
weichen, büschel- oder spiessförmigen, mit Schuppen gedeckten Nasenaufsatzes auszeichnet. 

Die ebenfalls fast rein tropisch zu nennende Familie der Dipsadiden zeigt 4 Arten der 
weit verbreiteten, auch in der aethiopischen Region vorkommenden, aber in Ostafrica merk- 
würdigerweise fehlenden Gattung Dipsas, von denen 2 von den übrigen Formen des Genus in 
der eigenthümlichen Beschilderung der Schwanzunterseite (Subg. Heterurus) abweichen, während 
eine dritte Art einer für Süd- und Mittelamerika charakteristischen Untergattung (Subg. Eteiro- 
dipsas) angehört. 

Die fast nur in der Tropenwelt wohnenden Pythoniden, von denen nahezu die Hälfte der 
Species in Amerika ‚vorkommt, sind durch zwei eigenthümliche Genera: Pelophilus und Sganzinia 
(Xiphosoma Wagl.) repräsentirt, von denen das letztere sich innig an die tropisch-amerikanische 


Gattung Corallus anschliesst. 


a 


Die Familien der Lycodontiden, der Elapiden und der Viperiden endlich, die 
in Africa güt entwickelt und in allen übrigen aethiopischen Subregionen nicht selten sind, 


fehlen dagegen auf Madagascar gänzlich. Die Insel besitzt somit keine einzige Giftschlange. 


Von Hydrophiden oder Seeschlangen, die nach Wallace zahlreich in den orientalischen 
und australischen Meeren angetroffen werden und westlich bis Madagascar, östlich bis Panama 
vorkommen sollen, wird bis jetzt aus den Meeren um Madagascar auffallenderweise nur eine 
Art der Gattung Pelamis angegeben. 

Die Uebereinstimmung vieler Schlangenfamilien und -Gattungen mit amerikanischen, während 
die aethiopischen und insbesondere die orientalischen verwandtschaftlichen Beziehungen mehr 
zurückzutreten scheinen, ist somit unzweifelhaft und in hohem Grade überraschend. Mit vollem 
Recht hebt deswegen auch schon Wallace hervor, dass eine Landverbindung Madagascars mit 
dem südwestlichen Theil der orientalischen Region unter der Benennung Lemuria, wie sie von 
einigen neueren Forschern vorgeschlagen worden war, in der Verbreitung der madagassischen 
Schlangen absolut keine Stütze finde. 

Gehen wir nun auf die geographische Verbreitung der einzelnen Arten, soweit dieselbe 
bekannt ist, näher ein, so finden wir, dass von den 27 (exclusive der Seeschlangengattung 
Pelamis) bis jetzt von Madagascar und den zu Madagascar zu rechnenden Küsteninseln be- 


kannten Schlangenspecies sind: 


Eigenthümlich für Madagascar (mit Nossi-B£): 


9—19, 14, 16-23,25—27 2.2.0. = 23 oder 85,19 % 
Gemeinsam mit Mauritius 13:15 ? 20... „nr BETA 
» » ),Bourbon: 1.24 a a ne Je re aa Ten 

» SFr den COMOLEN- ARD SI MORE SUN 3» 

» >» »Süd- und: OstatnenaTı vr ee 3 SH 

» » dem indo-malayischen Gebiet: 1... = 1 » 3,7.» 


Aus dieser Tabelle ersehen wir, dass die Verwandtschaft der madagassischen mit den 
amerikanischen Schlangenformen sich nirgends bis auf die Species herab erstreckt, und dass 
nach unserer jetzigen Kenntniss die sehr geringe Annäherung in der Verwandtschaft an die 
Fauna der umliegenden Festländer zu gleichen Theilen zwischen Africa und dem indo-malayischen 


Gebiet getheilt ist. 


2. Ueber die Verbreitung der Familien, Gattungen und Arten 


der Eidechsen Madagascars, 


Was nun die Eidechsen in zoogeographischer Beziehung anlangt, so fehlt auf Madagascar 
die in Africa wie in Indien verbreitete Familie der Monitoren und auch die in Africa, Asien 
und Europa zahlreich auftretende Familie der Lacertiden gänzlich, wenn wir nicht eine zwischen 
Lacertiden und Zonuriden zu stellende, für Madagascar eigenthümliche und hoch charakteristische 


Gattung Tracheloptychus, welche in 2 Arten vertreten ist, hierher rechnen wollen. 


Die Familie der Zonuriden, von welcher Vertreter in Africa zahlreich zu Hause sind, ist 
in Madagascar durch Zonurus und Gerrhosaurus, recht charakteristische, specifisch aethiopische 
Gattungen, gut repräsentirt. Von Gerrhosaurus allein kennt man auf der Insel bereits 7 ver- 
schiedene Arten. Die durch eine longitudinale Hautfalte an jeder Seite des Körpers charak- 
terisirte Familie der Zonuriden hat nach Wallace, a. a. ©. Bnd. 2 p. 433 »eine sehr bemerkens- 
werthe Verbreitung. Ihr Hauptverbreitungscentrum ist die aethiopische Region, welche mehr 
als die Hälfte der bekannten Gattungen und Arten enthält, und von denen die meisten in 
Südafrica gefunden werden. Nächst Africa tritt die grösste Zahl von Gattungen und Arten der 
Familie in Mexico und Oentral-Amerika auf, neben einigen wenigen auf den Antillen, in Süd- 
Amerika und Californien, ja selbst so weit nördlich wie Britisch-Columbien. Die hervorstechendste 
Thatsache der Verbreitung dieser Familie ist, dass die Masse der Gattungen und Arten zwei 
Gruppen bilden, die eine in Südafrica, die andere in Mexico, in Ländern also, zwischen welchen 
es in hohem Grad schwierig ist, sich irgend eine Art der Communication vorzustellen. Wir 
haben hier wahrscheinlich ein Beispiel einer einst viel ausgedehnteren Gruppe, die weit ver- 
breitet über die Erde war und sich nur in jenen Distrikten erhalten konnte, welche speciell 


für ihren eigenthümlichen Organisationstypus passten.« 


Die weit und etwas erratisch verstreute Familie der Gymnophthalmiden ist nur durch 
eine einzige, sehr verbreitete Species der in allen Regionen mit Ausnahme der Continental- 
fläche der orientalischen Region heimischen Gattung Ablepharus vertreten, die sich in Ost- 


africa, dem sunda-moluckischen Archipel, Australien und Polynesien wiederfindet. 


Die ebenfalls universell verbreitete Familie der Scinciden ist in 3 Gattungen vertreten, 
von denen eine, Leiolepisma, der ostafricanischen und orientalischen Inselwelt gemeinsam zu 
sein scheint, eine, Pygomeles, dagegen Madagascar eigenthümlich sein dürfte, und eine, Zuprepes, 


sehr zahlreiche Arten in Africa, Indien und Australien aufzuweisen hat. Nur Euprepes tritt 


— 54 — 


zahlreicher, in 4 Arten, auf, von denen eine mit einer südafricanischen Species identisch 
sein soll. 

Die für Africa hoch charakteristische und sonst nur in einer kleinen Anzahl von Arten 
im Mittelmeergebiet auftretende Familie der Sepiden ist ebenfalls durch 3 Genera repräsentirt, 
Gongylus, eine Gattung, die, fast rein africanisch, nur mit wenigen Formen in das palaearktische 
Gebiet hineinragt, Scelotes, ein Genus, das specifisch africanisch, und Amphiglossus, eine Gattung, 
die auf Madagascar beschränkt erscheint. Die 9 Sepiden Madagascars, von denen nicht weniger 
als 7 auf die Gattung Gongylus entfallen, verrathen demnach eine recht bemerkliche An- 
näherung an die africanische Reptilfauna. 

Die kleine, sehr sonderbar verbreitete Familie der Acontiaden ist durch 4 Arten der 
africanisch-ceylanischen Gattung Acontias reichlich vertreten, von welchen eine mit einer in 
Südafrica heimischen Species identisch sein soll. 

Aus der grossen, auf Madagascar überaus reich und in den abenteuerlichsten Formen 
vertretenen Familie der Geckoniden, die eine fast universelle Verbreitung in den wärmeren 
Theilen der Erde besitzt, zu der sie sich nach Wallace a. a. O. Bnd. 2 p. 440 ganz ex- 
ceptioneller Mittel bedient haben muss, da Vertreter dieser Gruppe auf vielen der entferntest 
liegenden Inseln der grossen Oceane vorkommen, sind auf Madagascar bis jetzt nicht weniger 
als 25 Vertreter in 10 Gattungen gefunden worden. Aber unter diesen 10 Gattungen befindet 
sich als einziges specifisch aethiopisches Genus nur Scalabotes, von dem man übrigens erst 
eine einzige westafricanische Inselform kennt. 4 weitere Genera, also ?/s aller überhaupt vor- 
kommenden Geckonen, sind Madagascar und den benachbarten ostafricanischen Inselgruppen 
eigenthümlich. Ich erwähne als solche das in 2 Arten auftretende, mit Seincidenschuppen 
bedeckte, überaus seltsame Genus @eckolepis, das ein in der Beschuppung ähnliches, aber sonst 
weit verschiedenes Analogon höchstens in dem südrussischen Teratoscincus »dem Wunderskink« 
aufzuweisen hat, dann die in 5 schwierig von einander zu unterscheidenden Arten auftretende 
Gattung Pachydactylus, von denen identische oder verwandte Species auch auf den Maskarenen, 
Comoren und wahrscheinlich auch auf den Seychellen und Andamanen vorkommen, weiter die 
gleichfalls durch den Mangel der Krallen an allen Zehen ausgezeichnete schmucke Gattung 
Ebenavia und endlich die in 2 Arten gefundene, sonst nur noch, wie es scheint, auf den 
Seychellen lebende Gattung Theconyx. Von den übrigen 5 Gattungen hat nur das Genus 
Phyliodactylus, das mit 3 Species in Madagascar auftritt, seine meisten Verwandten im 
tropischen Amerika und in Californien, doch kommen Vertreter dieser Gattung auch in Queens- 


land vor; Diplodactylus mit 2 madagassischen Arten ist höchst verzettelt in Australien, Süd- 


— 545 — 


africa und Californien; Piyodactylus mit 3 madagassischen Species lebt sonst noch im Mediterran- 
gebiet und in Chile, Hemidactylus mit 4 Arten überhaupt in allen tropischen und warmen 
Gegenden und Peripia mit wahrscheinlich 2 Species in der orientalischen Region, auf den 
Papuainseln, auf Mauritius und in Brasilien. Von allen madagassischen Geckonen haben eine 
weitere Verbreitung nur 4 Arten, eine Peripia, welche durch das ganze indo-malayische Gebiet 
bis Oceanien vorkommt, zwei Hemidactylus, von denen der eine vom indo-malayischen Gebiet, 
der andere von Südamerika bis Africa gewandert ist, und ein Diplodactylus, der in Südafrica 
lebt, aber auch in Australien und Polynesien angetroffen worden ist. Zu bemerken ist schliess- 
lich noch, dass der genannte eine Hemidactylus die einzige bis auf die Species herab mit 
Amerika absolut identische Geckonen-Form ist. 

Die ausgedehnte Familie der Iguaniden, die für Amerika hoch charakteristisch erscheint 
und nur eine Gattung in Australien, eine andere auf den Fidji-Inseln aufzuweisen hat, ist in 
Madagascar durch zwei scharf prononeirte Genera repräsentirt, durch Hoplurus, eine süd- 
amerikanische Gattung, in 6 Arten, und durch Ohalarodon, ein für Madagascar eigenthümliches, 
den brasilianischen Enyalius-Arten nächstverwandtes Geschlecht, in einer Species. 

Die für die orientalische Region so sehr charakteristische und auch in der aethiopischen 
Region durch die Gattung Agama vertretene Familie der Agamiden fehlt dagegen in Madagascar 
gänzlich und scheint hier wie in Amerika durch die vorige Familie vertreten zu werden. 

Die Familie der Chamaeleontiden endlich ist eine wichtige und auffallende Charaktergruppe 
Madagascars. Die einzige auf der Insel vertretene hierhergehörige Gattung C’hamaeleo ist, 
wie bekannt, fast ausschliesslich aethiopisch, und nur eine Art, das gewöhnliche Chamaeleon, 
bewohnt die Mittelmeerregion und Centralindien und Ceylon. Die Chamaeleons kommen nicht 
nur über das ganze Festland von Africa hin vor, sondern eigenthümliche Arten derselbon werden 
auch auf Fernando Po, den Seychellen, Comoren, auf Bourbon und Madagascar gefunden, 
welches letztere bis jetzt nicht weniger als 22, eine Zahl, die mehr als die Hälfte aller bekannten 
Arten und mehr als den vierten Theil aller beschriebenen madagassischen Eidechsenspecies 
ausmacht, aufzuweisen hat. Alljährlich werden dazu noch neue Formen auf Madagascar ge- 
funden, wie sie abenteuerlicher nicht gedacht werden können. Wahre Gespenster in Bezug 
auf Körperform, von der Seite schneidig zusammengedrückt oder dickwanstig, mit langen 
Greifschwänzen oder ganz kurzen, kaum zum Festhalten dienlichen Schwänzen, die einen mit 
bizarren Helmen und Stachelpanzern auf dem Kopfe, die andern mit Hörnern oder beweglichen 
Lappen auf der Nase, wieder andere mit Ohrenklappen, Kapuzen, Kehlwammen, mit flach auf 


dem Rücken befestigten Schrotsägen oder mit aufrecht stehenden Kämmen, theilweise mit den 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 73 


— 546 — 


prächtigsten und buntesten Anilinfarben bemalt, stellen sie alle erdenkbaren Carrikaturen in 
den Schatten und sind als die wahren Paradiesvögel unter den Eidechsen zu betrachten. Wie 
bei diesen ist Männchen und Weibchen in der Tracht oft erheblich verschieden, oftmals auch 
das Männchen ungleich seltner als das Weibchen. 

Ueberblicken wir nun nochmals ganz im Allgemeinen die Verwandtschaftsverhältnisse der 
Eidechsenfamilien und -Genera von Madagascar, so fällt uns ein ziemlich starkes 
Anlehnen an die aethiopische Fauna — ein viel stärkeres als bei den Schlangen, aber ein 
schwächeres als bei den Schildkröten — sowie wiederum eine recht nahe Beziehung zwischen 
Madagascar einerseits und Mittel- und Südamerika andererseits auf, während die Analogieen 
mit Indien, die sich übrigens meist bis auf die Species herab erstrecken, nur mässig hervor- 
treten. 

Wenn wir schliesslich auf die geographische Verbreitung der einzelnen Arten, soweit 
dieselbe bekannt ist, näher eingehen, so finden wir, dass die 84 bis jetzt von Madagascar be- 
schriebenen Eidechsenspecies sich folgendermaassen gruppiren lassen. 

Eigenthümlich für Madagascar (mit Nossi-B£): 

1 10..13, 15265. 98° 39, 13439, 41, 4453, 


55--62,.64,,.67.,69- 72. und\ 7484... 2,20 se as re 70: odenı33,3a ee 
Gemeinsam mit Mauritius: 12, 33, 40, 43,68 ...2 2 22. = 5 » 5,95» 
> »., Bourbon: 38, 40;-63,:65,.68, 73 un ln LE 
» » den Comoren: 11, 33, 42 Te. Its Dani. Mauer 
> » . Ost- und Südafrieca: 11, 14, 27, 33, 42, 43,54 u.266 = 8 » 9,52» 
» » .den Seychellen: ? 33, 43°. . .v.r. REEL T. —a 2 20 7253803 
» » Ostindien und dem indo- nelapinchemrghipet 12,40,43u.63 = 4 » 4,16» 
» » Australien und Polynesien: 11, 40, 54. . 2... = 3 » 351» 
» » Central- u. Südamerika: 11, 422... . 2... .= 2 » 1 2,38I>r 


Aus dieser tabellarischen Zusammenstellung können wir ersehen, dass sich die Verwandt- 
schaft mit amerikanischen Formen kaum bis auf die Species herab erstreckt, dass dagegen die 
Annäherung an die Eidechsenfauna Africas fast doppelt so gross ist, als an die Asiens, Auch 
die Aehnlichkeit mit der Saurierbevölkerung der Maskarenen Bourbon und Mauritius springt 
in die Augen, wenn auch jedenfalls noch etwas fehlerhaft beeinflusst durch die Ungenauigkeit 
in der Bestimmung gewisser Chamaeleonarten. Weniger klar, aber doch immer unzweideutig, 
zeigt sich die Verwandtschaft mit den nahe liegenden, in herpetologischer Beziehung immer 
noch nicht vollständig bekannten Comoren. 


— el — 


3. Ueber die Verbreitung des madagassischen Krokodils, 


Bekanntlich sind die ächten Krokodile weit über die tropischen und subtropischen Regionen 
der Erde verbreitet. Sie bewohnen alle Flüsse Africas, einen kleinen Uferstrich in Syrien, 
die Ufer und Meeresarme Indiens und Siams und gehen östlich bis Nordaustralien, Andere 
Formen bewohnen Cuba, Yucatan und Guatemala bis Ecuador und den Orinoco. Das Krokodil 
von Madagascar wird von Grandidier, Gray und Peters für eine der Insel eigenthümliche 
Species gehalten, die ihren nächsten Verwandten in dem westafricanischen Or. cataphractus 


haben soll. 


4, Ueber die Verbreitung der Familien, Gattungen und Arten der Schildkröten Madagascars, 


Unter den Schildkröten ist auf Madagascar — von Nossi-B& ist mir merkwürdigerweise 
noch keine einzige Species zugeschickt worden — die in allen wärmeren Regionen vorkommende 
Familie der Testudiniden in der ziemlich starken Anzahl von 8 Arten in 3 Gattungen vertreten, 
von denen das bekannte auf Madagascar in 6 Species gefundene Genus Testudo am zahl- 
reichsten in der aethiopischen Region, dann aber auch in der palaearktischen, neotropischen, 
orientalischen, nearktischen und australischen Region verbreitet ist, während Chersina zu 
gleichen Theilen auf die aethiopische und neotropische Region vertheilt erscheint, und Pyais 
sowohl auf Madagascar und den Maskarenen, als auch merkwürdigerweise auf dem Festland 


und den Inseln von Ostindien vorkommen soll. 


Die Familie der Chelydiden, deren Gattungen sich auf Africa,’ Australien, Südamerika und 
in einer Art auch auf die indische Inselwelt vertheilen, wird durch 3 Gattungen repräsentirt, 
nämlich durch Sternothaerus und Pelomedusa, deren Arten ausschliesslich die aethiopische 


Region bewohnen, und durch Dumerilia, die für Madagascar eigenthümlich ist. 


Trionychiden, die mit Ausnahme der neotropischen und australischen Region in allen 
tropischen und subtropischen Klimaten leben, sowie Cheloniiden sind bis jetzt von Madagascar 
mit Namen noch nicht aufgeführt worden, obgleich letztere für die Küstenplätze dieser Insel 
sogar einen bedeutenden Handelsartikel abgeben sollen. Dass A. Smith in seinen prächtigen 
Il. Zool. of South Africa Append. p. 2 Chelone virgata Schweigg. und Ch. viridis Schneid. = 
Caretta imbricata L. aus den Meeren rund um das Cap der guten Hoffnung erwähnt, will ich 
hier nur beiläufig bemerken. Von Mahe auf den Seychellen wird gleichfalls CR. viridis eitirt 


(Peters), und schon der alte De Flacourt, der 1655—1657 Commandeur des Fort Dauphin 


— 548 — 


auf Madagascar war, gibt in seiner Histoire de la grande Isle Madagascar »tortues de mer« 
als vorkommend an (Pollen). 

Fassen wir das eben Gesagte zusammen, so fällt uns bei den Schildkröten Madagascars 
eine entschiedenere Verwandtschaft mit dem Festland von Africa auf, als bei den übrigen Ord- 
nungen der Reptilien. Anklänge an orientalische Formen treten dagegen bei den madagassischen 
Schildkröten fast ganz, an amerikanische Formen ganz und gar zurück. 

Die geographische Verbreitung der einzelnen Arten stellt sich so, dass von den 12 bis 


jetzt von Madagascar stammenden Schildkröten eigenthümlich sind: 


Für Madagasar =?,4,5wud9 . . 2. 22 nenn. == 4 oder 33,33 Oo, 
Gemeinsam mit Mauritius —= 2, 6 und 8. =3 » 25,00 » 
» » Bourbon = ? 1,8 a Vena es E91 5166 

» » der aethiopischen Region =? 1, 2, 3, 6, 7, 10-12 = 8 66,67 .» 
Indien und dem ostindischen Archipel =?8.. =1 8,33 >». 


Es sind dies gewiss auffallende Zahlen im Vergleich mit und im Gegensatz zu den bei 
den Schlangen und Eidechsen Madagascars erhaltenen Ziffern, aber auch erklärlich, wie mir 
scheint, durch die grössere Möglichkeit der Verbreitung dieser lebenszähen, den Hunger lange 


ertragenden Thiere durch absichtliche oder unabsichtliche Verschleppung von Seiten des Menschen. 


5, Ueber die Verbreitung der Familien, Gattungen und Arten der Lurche Madagascars. 


Zwar sind die Batrachier von Madagascar noch keineswegs so vollständig und gut bekannt 
wie selbst die Reptilien, aber die letzten Jahre haben doch einen so reichlichen und mannich- 
faltigen Zuwachs an Gattungen und Arten gebracht, dass es schon jetzt verlohnt, die Ver- 
wandtschaftsverhältnisse derselben etwas eingehender zu betrachten. Wollen wir es gleich all- 
gemein ausdrücken, so scheinen die madagassischen Amphibien im Grossen und Ganzen sich 
wesentlich auf Arten von aethiopischen und orientalischen Gattungen zu beschränken; doch 
kommen auch bei ihnen, wie bei den Schlangen und Eidechsen, beachtenswerthe Anklänge an 
die herpetologische Fauna von Südamerika — so das Auftreten der südamerikanischen Gattung 
Dendrobates in 3 Arten — zum Vorschein. Im Allgemeinen überwiegt aber die Verwandtschaft 
mit orientalischen Gattungen die mit amerikanischen in dieser Thierklasse ganz bedeutend. 

Gehen wir nun zu den einzelnen Ordnungen der Amphibien über, so sei vor allem erwähnt, 
dass die Ordnung der Gymnophionen, die in etwa 68 °) ihrer Artenzahl die neotropische, in 
23 ° die orientalische und in nur 9 ° ihrer Artenzahl die aethiopische Region bewohnt, 
auf Madagascar gänzlich fehlt. 


J) 


-- 549 — 


Ebenso mangelt die Ordnung der Urodelen, die in beiläufig 56 °» ihrer Artenzahl in der 
nearktischen, in 31 °0 in der palaearktischen, in 12 °% in der neotropischen und in etwa 1 °Jo 
ihrer Artenzahl in der orientalischen Region auftritt, in der aethiopischen Region aber absolut 
zu fehlen scheint. 

Alle madagassischen Amphibien gehören somit zur Ordnung der Anuren. 

Was nun die einzelnen Familien anlangt, so fehlen die für die aethiopische Region hoch 
charakteristischen Dactyletriden bis jetzt auf Madagascar. 

Die fast kosmopolitische Familie der Raninen ist dagegen in 3 Gattungen gut vertreten. 
Das Genus Rana, das sich über die ganze Erde verbreitet, aber in der australischen Region 
nur durch eine einzige Species repräsentirt zu sein scheint, während aethiopische und orientalische 
Region in ziemlich gleichen Theilen die Hauptmenge der bekannten Species beherbergen, ist 
in 5 Arten auf Madagascar gut vertreten, von denen 2 mit dem benachbarten Festland von ; 
Africa gemeinsam sind. Die Gattung Pyzxicephalus, die wesentlich über die aethiopische 
Region, aber auch über die orientalische und palaearktische Region verbreitet ist, wird auf 
Madagascar durch 2 und das eigenthümliche Genus Dyscophus durch 3 Arten repräsentirt. 
Die Unterfamilie der Discoglossiden, zu der Dyscophus zu rechnen ist, hat eine merkwürdig 
sprungweise Verbreitung, indem 45 % der bis jetzt bekannten Arten in der australischen, 
ebensoviel in der orientalischen und 10 °% in der palaearktischen Region auftreten. Das für 
die aethiopische Region besonders charakteristische Genus Phrynobatrachus und die in Africa 
in mehreren Arten auftretende Gattung Cystignathus sind auf Madagascar dagegen noch nicht 
aufgefunden worden. 

Aus der Familie der Bombinatoriden kennt man bis jetzt nur eine in Madagascar vor- 
kommende Art des Genus Hemimantis, das für Süd- und Westafrica hoch charakteristisch ist. 

Ebenso ist von Brachycephalinen nur eine Art des Genus Hemisus in Madagascar auf- 
gefunden worden, einer Gattung, die gleichfalls als specifisch aethiopisch bezeichnet werden darf, 

Die in Madagascar seltsam schwach vertretene Familie der Bufoninen findet sich nur in 
ihrer Unterfamilie der Engystomiden in einer Gattung und Art Rhombophryne, die der Insel 
eigenthümlich ist. Die übrigen für Aethiopien charakteristischen Bufonengattungen Nectophryne, 
Breviceps und Bufo, welche letztere in wenigstens 6 Arten in West-, Süd- und Ostafrica auf- 
tritt, fehlen in Madagascar. 

Von den nun folgenden Laubfröschen sind die Hylinen überaus reich vertreten, aber nicht 
in der Unterfamilie der ächten Hyliden, die der aethiopischen Region absolut fehlen, sondern 


in der für die orientalische und aethiopische Region so charakteristischen Unterfamilie der 


55 ? 


Polypedatiden, und zwar in den folgenden 5 Gattungen. Das Genus Limnodytes, das 
in 88°) seiner Artenzahl der orientalischen, in 8° der australischen und in nur 4°/o der 
aethiopischen Region angehört, findet sich in 3 Arten auf Madagascar vertreten. Die Gattung 
Polypedates mit 6 madagassischen Species hat eine ganz ähnliche geographische Verbreitung. 
89% aller bekannten Arten dieser Gatung leben nämlich in der orientalischen Region, 8°/o 
in der palaearktischen und nur 3° in West-Africa. Die in der orientalischen und palaearktischen 
Region zu ziemlich gleichen Theilen verbreitete Gattung Rhacophorus ist gleichfalls auf 
Madagascar vertreten. Dagegen ist auch die fast rein aethiopische (92°%0) und nur in wenigen 
Arten in Australien (8°) lebende Gattung Hyperolius auf Madagascar bereits in 6 Species 
bekannt, von denen eine mit dem Festland von Africa gemeinsam ist. Endlich ist die in der 

„ aethiopischen Region gut vertretene und für dieselbe besonders charakteristische Gattung 
Hylambates neuerdings in einer Art auf Madagascar gefunden worden. Dagegen fehlen von 
specifisch aethiopischen Gattungen Chiromantis (in 2 Arten bekannt) und das auf ‚den 
Seychellen lebende Genus Megalizalus und von mehr zerstreut lebenden, aber auch in der 
aethiopischen Region bekannten Gattungen Platymantis. Von den madagassischen Polype- 
datiden, die überhaupt nahezu die Hälfte aller von dort bekannten Batrachier in sich fassen, 
zeigen viele je nach dem Geschlecht besondere Trachten; so konnten in den vorhergehenden 
Blättern die beiden Geschlechter yon Limnodytes ulcerosus und von Polypedates dispar 
beschrieben werden, und es konnte in der verschiedenen Gestalt des zum Schutze der Schall- 
blase beim Männchen angebrachten Kehlschildes ein wichtiges diagnostisches Merkmal für die 
Unterscheidung der Hyperolius-Arten beigebracht werden. Der schön gestreifte Hyperolius 
Rutenbergi ist dadurch so auffallend, dass er sich durch schwarz-weisse Längsstreifung 
der Beine auszeichnet, während alle mir bekannten Froscharten, wenn überhaupt gestreift, auf 
den Hintergliedmaassen, wie unsere Rana esculenta, Querbinden zeigen. 

Die bis jetzt nur in einer einzigen Gattung und Art auf Java gefundene, überaus merk- 
würdige Familie der Micrhylinen ist in der für Madagascar eigenthümlichen Gattung Cophyla 
vertreten, welche durch unvollkommen entwickeltes Ohr und durch die trapezoidal nach Art 
der Geckonen Phyllodactylus und Ebenavia verbreiterten Zehenenden sich auszeichnet. 

Aus der Familie der Hylaplesinen endlich besitzt Madagascar eine gleichfalls ihm ganz 
eigenthümliche, durch ihre Zungenform vor allen anderen mir bekannten Anuren ausgezeichnete 
Gattung Stumpffia und die beiden Genera Calohyla und Dendrobates, welches letztere ebenso 
ausschliesslich charakteristisch für die neotropische, wie Calohyla für die orientalische Region 


ist. Letztere Gattung besitzt ausserdem nur noch eine Art, die bis in die palaearktische 


— 551 — 


Region hineinreicht. Dendrobates ist in 3 Arten, Calohyla nur in einer Species auf Madagascar 
vertreten. Dagegen fehlt bis jetzt die für die aethiopische Region wichtige, charakteristische 


kleine Gattung BDrachymerus. 


Gehen wir zum Schluss auf die geographische Verbreitung der einzelnen Species, soweit 
dieselbe eben behannt ist, ein, so finden wir, dass von den 36 bis jetzt von Madagascar und 


seinen Küsteninseln beschriebenen Batrachiern angehören: 


Eigenthümlich für Madagascar (mit Nossi-Be): 


12, A062 49,0 aa ee a 31 ,0der..86,111.%0% 
Gemeinsamamit2Mauritius:23, 24 7 Re 220 2>55,56:> 

» » Bourbon: 3 5 — I INS 

» > Süd-TundnOstafticar 3, 2D., na — 529703 5,561> 

» » ‚den Beychellen 3 an. 2 en, 172 =,.2,78%> 
ä » » der indischen u. indo-malayischen Region 0 = 1 » 2,78». 


Bei der Betrachtung der geographischen Verbreitung der einzelnen Arten stellt sich demnach 
das bemerkenswerthe Factum heraus, dass ähnlich wie bei den Reptilien bei weitem die grösste 
Anzahl der beschriebenen Species von ungeschwänzten Lurchen — es sind bis jetzt, wie oben 
schon bemerkt, nur solche von Madagascar bekannt geworden — auf die Insel beschränkt ist, 
wobei zu berücksichtigen sein dürfte, dass selbst die benachbarten ostafricanischen Inselgruppen 
der Maskarenen, Comoren und Seychellen eigene Formen von Batrachiern besitzen, die für 
dieselben grossentheils eigenthümlich und charakteristisch zu sein scheinen. Auch ersehen wir 
schliesslich, dass die specifische Uebereinstimmung der wenigen über die Insel hinaus verbreiteten 
Arten etwas grösser ist mit der Batrachierfauna des benachbarten Festlandes Africa als mit 
der der orientalischen Region. 


6. Schlussfolgerungen. 


Was die Betrachtung der geographischen Verbreitung von Familien und Gattungen der 
Reptilien und Amphibien von Madagascar anlangt, wie wir sie im Vorhergehenden zu schildern 
uns bemüht haben, so ist die Classification dieser Thiere leider in einem noch so wenig 
abgeschlossenen Zustande, dass einige dieser Verwandtschaftsbedingungen wahrscheinlich verkehrt 
sind; aber es ist nicht wahrscheinlich, dass irgend welche Verbesserungen, die erforderlich sein 
könnten, im Wesentlichen die allgemeine Bedeutung unseres Resultates beeinflussen werden, 


nämlich, dass ein bemerkenswerther Beitrag von indischer, und wie ich besonders und mit 


— 552 — 


grösserem Rechte noch als Wallace hervorheben kann, von amerikanischer Verwandtschaft 
nachgewiesen werden konnte. 

Fassen wir in einer Tabelle zusammen, was über die Verbreitung der einzelnen Species 
in sämmtlichen Ordnungen angegeben worden ist, so zeigen sich von den 124 (wieder mit 


Ausschluss der einen Art von Pelamis) durch mich aufgezählten Reptilformen: 


Eigenthümlich für Madagascar (mit Nossi-Be) 93-— 19,07.9 
Gemeinsam mit Mauritius 10= 31» 
» » Bourbon 1 — 781» 

» » den Comoren Ae—=n3:205 
der aethiopischen Region 172 13,7 > 
> den Seychellen 2.— 1,6. > 
» » Indien und dem indo-malayischen Gebiet 6 = 4,8 » 

» » Australien und Polynesien = 24» \ 
» Central- und Südamerika 2u 6 > 


Vereinigen wir zum Schluss diese Tabelle mit der, welche wir oben p. 551 für die 
geographische Verbreitung der madagassischen Batrachier gefunden haben, so sind von den 
auf Madagascar bis jetzt überhaupt bekannten 160 (161 mit Pelamis bicolor und 163 mit 


dieser und den beiden Seeschildkröten Ohelone virgata und viridis) Kriechthierarten: 


Eigenthümlich für Madagascar (mit Nossi-B6) 129 = 80,6 Jo 
Gemeinsam mit Mauritius 122 —aNT-IMe> 
» » Bourbon 11 = 69°» 

» » den Comoren Au—2 HE > 

» der aethiopischen Region 197 —a190E> 

» » den Seychellen Sen Ron 

» Indien und dem indo-malayischen Gebiet 7 = 44 >» 

» Australien und Polynesien 3 —ı ke) > 

» » Central- und Südamerika DE 3 


Diese immerhin interessanten Zahlenverhältnisse sind aber der Natur der Sache nach nur 


als vorläufige, annähernde und keineswegs schon als ganz sicher begründete zu betrachten. 


— 2553, ° — 


7. Uebereinstimmung mit Wallace’s Folgerungen aus der geographischen Verbreitung 
der übrigen Thierklassen 
und 


Andeutung über die Möglichkeit einer Erklärung der gewonnenen Resultate. 


Nach Wallace weisen uns auch andere Klassen des Thierreichs auf ähnliche Verwandt- 
schaftsbeziehungen, wie wir sie in Obigem gefunden haben. 

Madagascar besitzt nämlich (a. a. ©. Bnd. 1 p. 92) nicht weniger als 3 Familien und 2 
Subfamilien von Säugethieren, welche ihm eigenthümlich sind, und fast alle seine Gattungen 
sind für dasselbe charakteristisch. Einige davon zeigen orientalische und aethiopische Beziehungen, 
einige sogar amerikanische Analogieen, der Rest aber steht ganz isolirt. Auch hat Madagascar 
von seinen 65 einheimischen Säugethieren nur 2 aus der Familie der wandernden Fledermäuse, 
also nur 3,08 °b seiner gesammten Säugethierfauna mit anderen Gebieten gemein. 

Wenden wir uns zur Klasse der Vögel, so finden wir, dass ihre Verwandtschaftsbeziehungen 
ebenfalls sehr bemerkenswerth sind; aber, wie man wohl erwarten kann, ist eine grössere 
Anzahl von Gattungen mit denen der umliegenden Länder gemeinsam. Mehr als 30 Genera 
sind durchaus eigenthümlich, und einige derselben sind so isolirt, dass man sie in besonderen 
Familien oder Subfamilien aufzuführen pflegt. Die africanische Verwandtschaft ist jedoch hier 
stärker ausgedrückt durch die beträchtliche Anzahl (13) eigenthümlicher aethiopischer Gattungen, 
welche auf Madagascar repräsentative Arten besitzen. Identisch mit solchen Vögeln, welche 
die benachbarten Continente Africa oder Asien bewohnen, sind von den 111 Madagascar 
eigenen Landvögeln aber doch nur i2 oder 10,81 %o. Es kann übrigens trotzdem, wenn 
wir die Vögel allein berücksichtigen, kein Zweifel darüber sein, dass Madagascar der aethiopischen 
Region näher verwandt ist, als irgend einer anderen; aber die Eigenthümlichkeiten der Insel 
sind so gross, dass, wenn man nicht ihren kleinen Umfang und die begränzte Ausdehnung 
ihrer Fauna bedächte, etwaige Ansprüche, sie als besondere geographische Region rangiren zu 
lassen, nicht unbillig scheinen würden. 

Von den Käfern sind nach Hauptm. Dr. L. von Heyden’s Angabe in Ber. Senckenbg. 
Ges. Frankfurt a. M. 1877—78 p. 98 drei Viertheile aller Species Madagascar und den be- 
nachbarten Inseln Mauritius und Bourbon eigenthümlich. ;; der Arten hat die Insel mit dem 
Festland von Africa, besonders mit Mossambique-und nur einen geringeren Theil mit Indien 
gemeinsam; doch gehören viele madagassische Käferarten in nähere Verwandtschaft mit 


indischen. Eine Anzahl (!/ıo) der Arten sind Kosmopoliten. 
Abhandl. d. Senckenberg. naturf Ges. Bd. XII. 74 


—. Di 


Von den Schmetterlingen sind dagegen nach Oberstleutn. M. Saalmüller’s Forschungen 
in Ber. Senckenbg. Ges. Frankfurt a. M. 1877—78 p. 74 volle ?/s der Insel eigenthümlich. 
Die Lepidopterenfauna Madagascars bildet nach diesem Gewährsmanne den Uebergang von der 
africanischen zur indo-australischen Fauna, aber zu letzterer nicht in dem Maasse, als die 
östlich von Madagascar gelegenen Maskarenen, deren Fauna schon viel Aehnlichkeit mit den 
indischen Küstenstrichen und Inseln hat, so besonders Mauritius mit der Südostküste von Ost- 
indien. Auffällig wenig Uebereinstimmung zeigt die Fauna mit der zunächst liegenden Küste 
des Festlandes, etwas mehr Annäherung mit Natal und dem Caplande. Dagegen tritt eine 
grosse Aehnlichkeit mit Abessynien, ja selbst mit den weit entlegenen Küsten der Westseite 
Africas nördlich des Aequators hervor. 

Ueberblicken wir dagegen nach Wallace, a. a. ©. Bnd. 1 p. 334 die madagassischen 
Insekten als Ganzes, so erhalten wir das bemerkenswerthe Resultat, dass ihre Verwandtschaften 
in hervorragender Weise orientalisch, australisch und südamerikanisch sind, während das 
aethiopische Element hauptsächlich durch speciell südafricanische, wie es Dr. Kirk auch für 
einige Pflanzenarten Madagascars behauptet, und westafricanische Formen vertreten wird, mehr 
als durch solche, welche weit über die aethiopische Region verbreitet sind. 

Für die Landmollusken gelten nach Wallace a.a.0. p. 335 fast dieselben Bemerkungen 


wie für die Insekten. 


Schiesslich stimme ich Wallace vollkommen bei, wenn er in seinem Resume a. a. O. 
p. 334 hervorhebt, dass man nicht vergessen möge, dass die weitgehenden verwandtschaftlichen 
Beziehungen in der madagassischen Insektenfauna, und ich möchte noch weiter gehen, wenn 
ich sage, in der gesammten Fauna Madagascars nur Uebertreibungen einer ähnlichen Erscheinung 
auf dem africanischen Festlandsind. Africa hat ebenso seine zahlreichen Verwandtschaften mit Süd- 
amerika, mit den malayischen Ländern und mit Australien; aber sie machen keinen so grossen 
Procentsatz der ganzen Fauna aus und ziehen daher unsere Aufmerksamkeit nicht in dem Grade 
auf sich. 

Die speciellen Existenzbedingungen aber und die lange fortgesetzte Isolirung von Mada- 
gascar wird diesen Unterschied wohl zum grossen Theil erklären können. Es wird meiner 
Ansicht nach gewiss nicht nothwendig sein, wie einige Naturforscher zu thun geneigt sind, eine 
specielle Landverbindung in geologisch neuerer Zeit oder doch wenigstens grössere Annäherung 
zwischen Madagascar einerseits und Asien, Australien oder Amerika andererseits, unabhängig 


von Africa, zur Erklärung dieser Thatsachen einzuführen, 


Fig. 1. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


ig. 10. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel I. 


Typhlops (Ophthalmidion) mucronatus Bttg. Nossi-Be. a Ansicht des ganzen Thieres von der Seite 
in nat. Gr., b Kopf von oben, c von unten, d von der Seite, in dopp. Vergr., e Schwanzspitze von 
unten und f von der Seite, in 1'/sfacher Vergr. Ü 
Dromicus Stumpffi Bttg. Nossi-B6e. a Kopf von oben, b von unten, ce und d von der Seite, in nat. 
Gr., e linker Oberkiefer, in 3facher Vergr., f Partie aus der Bauchmitte” von der Seite und g Rücken- 
ende und Schwanzanfang von oben, beides-in nat. Gr. 

Gerrhosaurus (Cicigna) rufipes Bttg. Nossi-B6. a Kopf von der Seite und b von oben, in dopp. 
Vergr., e Kopf von unten in 1'/efacher Vergr. 


Taf. IL. 


Ablepharus Boutoni Desj. sp. var. cognatus Bttg. Nossi-Be. Kopf von der Seite, in Sfacher Vergr. 
Pachydactylus Cepedianus Per. sp. var. madagascariensis Gray. Nossi-Be. a Kopf von unten, in 
1!/sfacher Vergr., b Schnauzenspitze von oben, in nat. Gr. 

Pachydactylus laticauda Bttg. Nossi-Be. a Kopf von unten, b Schnauzenspitze von oben, beides in 
1!/sfacher Vergr. 

Peripia mutilata Wiegm. sp. Tamatave, Ost-Madagascar. a Ansicht des ganzen Thieres von oben, in 
nat. Gr. b Kopf von unten, in dopp. Vergr., c Aftergegend und d verticaler Schwanzdurchschnitt, in 
nat. Gr. 

Scalabotes madagascariensis Bttg. Nossi-Be. a Ansicht des Thieres halb von der Seite, in nat. Gr. 
b Kopf von oben und ce von unten, in dopp. Vergr. d Unterseite des rechten Hinterfusses, in 4facher 
Vergr. 

Phyllodactylus (Phyllodactylus) Stumpffi Bttg. Nossi-Be. a Ansicht des Thieres von oben, b der 
Schnauze von unten, beides in nat. Gr., c Unterseite des rechten Hinterfusses, in dopp. Vergr. 
d einzelne Fusszehe in der Seitenansicht, in 4facher Vergr. 


Tafel IH. 


Phyllodactylus (Phyllodactylus) oviceps Bttg. Nossi-Be. a Ansicht des Thieres von oben, in nat. Gr., 
db Schnauze von unten, in 1!/sfacher Vergr., e Unterseite des linken Hinterfusses, in dopp. Vergr., 
d Einzelne Fusszehe in der Seitenansicht, in 4facher Vergr. 


. Chamaeleo superciliaris Kuhl. Nossi-Be. « Kopf des Männchens und b Kopf des Weibchens von oben, 


in 1!/efacher Vergr. 


. Chamaeleo Ebenaui Bttg. Nossi-Be. a Kopf von oben, in dopp. Vergr., b Kopf von der Seite, in 


3facher Vergr. 


. Dyscophus sauguineus Bttg. Foizana, Ost-Madagascar. a Ansicht des Weibchens nach einem Wein- 


geist-Exemplar von oben, b des Oberkiefers von innen, c der Hand von unten, d Fuss des Männchens 
von unten, sämmtlich in nat. Gr. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


14. 


15. 


16. 


17. 


18. 


19. 


20. 


21. 


5% 
A ee 


Hemimantis horrida Bttg. Nossi-B6e. a Ansicht des Thiers nach einem Weingeistexemplar von 
oben, d des Rachens, c der Hand und d des Fusses von unten, sämmtlich in dopp. Vergr. 


Tafel IV. 


Rhombophryne testudo Bttg. Nossi-Be. a Ansicht des Thiers nach einem Weingeistexemplar von 
oben, in nat. Gr., b Rachen, e Hand und d Fuss von unten, in dopp. Vergr. 

Limnodytes granulatus Bttg. Nossi-Be. a Ansicht des Thiers nach einem Weingeistexemplar von 
oben, in nat. Gr. b Rachen, ce Hand und d Fuss von unten, in 1'/sfacher Vergr. 

Limnodytes ulcerosus Bttg. Nossi-Be. a Ansicht des Weibchens nach einem Weingeistexemplar von 
oben, in nat. Gr., b Rachen, in 1'/sfacher Vergr., c Innenseite des Oberschenkels beim Männchen und 
d beim Weibchen, in nat. Gr., e Hand und f Fuss von unten, in 1’/sfacher Vergr. 


Taf. V. 


Polypedates dispar. Bttg. Nossi-Be. a Ansicht des Weibchens nach einem Spiritusexemplar von oben, 
in nat. Gr., b Seitenansicht des Kopfes und ce Rachen, in 1'/sfacher Vergr. d Hand und e Fuss von 
unten, in nat. Gr. 

Cophyla phyllodactyla Bttg. Nossi-Be. a Ansicht des Thieres nach einem Spivitusexemplar von 
oben, in nat. Gr., b Seitenansicht des Kopfes und ce Rachen, in 1'/sfacher Vergr. d Hand und e Fuss 
von unten, in dopp. Vergr. 

Dendrobates Ebenaui Bttg. Nossi-Be. a Ansicht des Weibchens nach einem Spiritusexemplar von 
oben, b_.von unten, in nat. Gr., ce Rachen, d Hand und e Fuss von unten, in 3facher Vergr. 
Stumpffia psologlossa Btts. Nossi-B6. a Ansicht des Thieres nach einem Spiritusexemplar von oben, 
in 1!/sfacher Vergr., b Rachen, ce Hand und d Fuss von unten, in 3facher Vergr. 


I. Studien über Reptilien und Amphibien von Madagascar 


Reptilia. 


I. Ordn. Serpentes. 


Inhalt. 


I. Fam. Typhlopina. 


1. Gen. 


Typhlops D. B. . 


II. Fam. Colubrina. 


1. Gen. 
2. Gen. 
3. Gen. 
4. Gen. 
5. Gen. 


Heterodon Pal. d. Beauv. 
Enicognathus D. B. 
Dromicus D. B. 
Herpetodryas Boie. . 
Philodryas Waegl. . 


III. Fam. Psammophidae. 
1. Gen. Mimophis Günth. 
IV. Fam. Dryiophidae. 
1. Gen. Langaha Brug. . 
V. Fam, Dipsadidae. 
1. Gen. Dipsas Boie . 
I. Ordn. Lacertilia. 
I. Fam. Zonuridae. 
1. Gen. Gerrhosaurus Wiegm.. 
U. Fam. Gymnophthalmidae. 
1. Gen. Ablepharus Fitz.- . 
III. Fam. Sceincidae. 
1. Gen. Euprepes D. B. . 
IV. Fam. Geckones. 
1. Gen. @Geckolepis Grand. . 
2. Gen. Pachydactylus Wiegm. 
3. Gen. Peripia Gray. : 
4. Gen. Hemidactylus Cuv.. . . 
5. Gen. Scalabotes Peters. . 
6. Gen. Ptyodactylus Cuv. . 
= 7. Gen. Phyllodactylus Gray. . 
V. Fam. Iguanidae. 
1. Gen. Hoplurus D. B.. 
VI. Fam. Chamaeleontes. 


1. Gen. Chamaeleo L. 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 


75 


III. Ordn. Crocodila. 
I. Fam. Crocodilidae. 
1. Gen. Crocodilus L. 
Batrachia. 
I. Ordn. Anura 
I. Fam. Ranina. 
1. Gen. Rana L. 
2. Gen. Dyscophus Grand. 
II. Fam. Bombinatoridae. ' 
1. Gen. Hemimantis Peters. 
III. Fam. Bufonina. 


1. Gen. Rhombophryne Bttg. 


IV. Fam. Hylina. 
1. Gen. Limnodytes D. B. 


2. Gen. Polypedates Tschudi. . 


3. Gen. Ilyperlius Rapp 
4. Gen. Hylambates Dum. . 
V. Fam. Micrhylina. 
1. Gen. Cophyla Bttg. 
VI. Fam. Hylaplesina. 
1. Gen. Dendrobates Wagl. 
2. Gen. Stumpffia Bttg. 


I. Aufzählung der bis jetzt von Madagascar und seinen Küsteninseln Den nenn Reptilien en 


Amphibien 


III. Bemerkungen über die verwandischaftlichen u eogrankleahen ches der Reptilien nad 


Amphibien Madagascars . 


. Schlussfolgerungen 


ıouıpor_rD m 


—_———— I EDDIE — 


558 


. Ueber die Verbreitung der Familien, Batungen nd en hen enter Medırasan 
. Ueber die Verbreitung der Familien, Gattungen und Arten der Eidechsen Madagascars 
. Ueber die Verbreitung des madagassischen Krokodils A Der 
. Ueber die Verbreitung der Familien, Gattungen und Arten der Schildkröten aan 
. Ueber die Verbreitung der Familien, Gattungen und Arten der Lurche Madagascars 


. Uebereinstimmung mit Wallace’s ölgerkaren aus der ren Terre der übrigen 
Thierklassen und Andeutung über die Möglichkeit einer Erklärung der gewonnenen Resultate 


Seite 


Boettger, Mad. N.II Tafl. 


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Lith.Anst.v Werner & Winter, Frankfurt/M 


‚ Beitrag zur Kenntniss der Ustilagineen. 


Von 
M. Woronin. 


Mit 4 lithogr. Tafeln. 


Obgleich die Ustilagineen schon vielfach untersucht und beschrieben worden sind Ü), be- 
sitzen wir hinsichtlich der Entwickelungsgeschichte vieler Repräsentanten dieser Familie, ins- 
besondere der Gattungen Tuburcinia, Thecaphora und Sorosporium, noch bis heutzutage nur 


sehr unvollständige und dürftige Kenntnisse. — Für alle Pilzgruppen im Allgemeinen, vor 


1) Von der sehr reichhaltigen Literatur über diesen Gegenstand führe ich hier blos die allerwichtigsten 
Arbeiten an: 

L. R. et Ch. Tulasne. M&moire sur les Ustilaginees, comparees aux Uredinees. Annales des Se. 
Nat. III. Serie, tome 7 (1847); p. 12. 

L. R. Tulasne. Second Memoire sur les Uredinees et les Ustilagindes. Ann. d. Sc. Nat. IV. Serie, 
tome 2 (1854); p. 77. s 

A. de Bary. Untersuchungen über die Brandpilze. 1853. 

A. de Bary. Protomyces macrosporus und seine Verwandten. (In Botan. Zeit. (1874). Jahrg. 
XXXI ; p. 81.) 

J. Kühn. Die Krankheiten der Kulturgewächse. 2. Auflage. 1859. 

Fischer von Waldheim. Beiträge zur Biologie und Entwickelung der Ustilagineen, in Pringsheim’s 
Jahrbücher f. wiss. Botan. Bd. VII. (1869—1870). — Apergu systematique des Ustilaginees. Paris 1877. — 
Les Ustilagindes et leurs plantes nouricieres. An. des Se. Nat. VI. Serie; tome 4; p. 190. 

R. Wolff. Beitrag zur Kenntniss der Ustilagineen. Der Roggenstengelbrand, Urocystis oceulta Rabh. 
Botan. Zeit. 1873 (Jahrg. XXXI), p. 657. — Der Brand des Getreides etc. 1874. Halle. 

G. Winter. Einige Notizen über die Familie der Ustilagineen. Flora 1876; Nr. 10 und 11, — Dr. 
L. Rabenhorst’s Kryptogamen-Flora von Deutschland etc. I. Bd.: Die Pilze, bearbeitet von G. Winter« 
1. und 2. Lieferung. 1881. 

J. Schröter. Die Brand- und Rostpilze Schlesiens 1869 (in Abhandl. d. Schlesischen Gesc-Ischaft). — 
Bemerkungen und Beobachtungen über einige Ustilagineen (in Cohn’s Beiträgen zur Biologie der Pflanzen. 
Bd. II. (1877); p. 349 und p. 435. 

Ed. Prillieux. Quelques observations sur la formation et la germination des spores des Urocystis 
(Ustilaginees). An. des Sc. Natur. VI. Serie; tome X. (1880); p. 49. 

Ausserdem findet sich eine ganze Reihe kleinerer Abhandluugen von P. Magnus, G. Winter, F. v. 
Thümen, E. Rostrup ete. Von einigen derselben wird weiter, im Text, Erwähnung gemacht. 


— 560 — 


Allem aber für die Ustilagineen hat eine genaue Kenntniss der Entwickelungsgeschichte ihrer 
einzelnen Formen eine viel wichtigere Bedeutung als deren einseitige morphologische Be- 
schreibung, mag dabei diese letztere noch so ausführlich sein. Die morphologischen Charaktere 
für sich allein sind meistens nicht genügend, um eine Ustilaginee richtig zu bestimmen und 
sie von ihren nächsten Verwandten sofort zu unterscheiden; dafür braucht man, wenn auch 
nicht eine vollständige und völlig lückenlose Entwickelungsgeschichte, jedenfalls aber eine 
richtige Kenntniss ihrer ersten Keimungserscheinungen. 

Hieraus ausgehend, entschliesse ich mich, in den nächstfolgenden Zeilen meine, die 
Ustilagineen betreffenden Untersuchungen kurz zusammenzufassen und sie dem geehrten 
botanischen Publicum vorzulegen. — Ich fange an mit der Beschreibung der Entwickelungs- 
geschichte von Tubureinia Trientalis, worauf ich einige Bemerkungen über die Keimungs- 
erscheinungen einer Reihe bis jetzt noch wenig erforschten Ustilagineen-Formen folgen lasse, 
und schliesse dann mit einer kurzen allgemeinen Uebersicht aller bis jetzt aufgestellten Ustilagi- 
neen-Gattungen. 

Denjenigen Herren, die das für meine Keimungsversuche nöthige Material mir zugeschickt 
oder anderswie in meinen Untersuchungen mich gefälligst unterstützt haben, sage ich hiermit 
meinen innigsten Dank, besonders den Herren: A. de Bary, L. Kny, P. Magnus, R. 
Pirotta, E. Rostrup, F. v. Thümen, E. Ule und G. Winter. 


fi 


Als ich vor etwa 16 Jahren in der Umgebung von St. Petersburg Tuburcinia Trientalis 
Berk. et Br. lebendig zum ersten Male auffand, nahm ich sofort eine entwickelungsgeschicht- 
liche Untersuchung dieser Ustilaginee vor und verfolgte sie einige Jahre nach einander, konnte 
aber, wegen fortwährendem Misslingen der angestellten Keimungsversuche, diese Arbeit nicht 
abschliessen; erst viel später, nämlich während meines letzten Aufenthaltes in Finnland, im 
Herbste 1878, ist es mir endlich geglückt, den Moment und die Art und Weise der Sporen- 
keimung abzupassen und demnach auch Kulturversuche anzustellen, die denn auch möglich 
machten, von der zu beschreibenden Tuburcinia eine fast lückenlose Entwickelungsgeschichte 
zu erhalten. 

Im Jahre 1869 machte ich in der botan. Section der II. russischen Naturforscherver- 


sammlung in Moskau über den uns hier beschäftigenden Gegenstand eine erste vorläufige 


- 


— 561 — 

Mittheilung und glaubte, auf einige Analogie der Sporenentwickelung dieses Pilzes mit derjenigen 
von Sorosporium Saponariae mich damals einzig stützend, gerechtfertigt zu sein, die Gattung 
Tubureinia zu streichen und den Trientalis-Pilz zur Gattung Sorosporium zu rechnen. Jetzt 
aber, nachdem mir bei beiden Pilzen, einerseits, die Sporenkeimung und, anderseits, in der 
ganzen Form so wie auch in dem Auftreten der beiden Ustilagineen einige nicht unwesent- 
liche Unterschiede bekannt geworden sind, sehe ich mich genöthigt, den Trientalis- Pilz von 
der Gattung Sorosporium zu trennen und ihm wieder seinen ursprünglichen Namen » Tubureinia« 
zu geben. 

Trientalis europaea ist eine echt nordische Pflanze, so dass sie schon in Mitteldeutschland 
nur hie und da und zwar blos in Gebirgswäldern wächst. — Die Verbreitung der auf Trientalis 
schmarotzender Tubureinia hat daher selbstverständlich auch nur einen ziemlich begrenzten 
Umfang. Von Berkeley und Broome wurde sie zuerst in England entdeckt.') In Deutschland 
ist der Pilz auch gefunden worden, im Ganzen aber nur sehr selten und blos in vereinzelten 
Exemplaren.2) Im nördlichen Russland, in der Umgebung von St. Petersburg und besonders 
in Finnland, habe ich ihn dagegen sehr oft und stellenweise sogar massenhaft aufgefunden.°) 

Tuburcinia Trientalis, die, den meisten anderen typischen Ustilagineen gleich, ein streng 
intercellularer Pilz ist, tritt auf der Nährpflanze ganz auffällig in: zweifacher Weise auf. 

a. — Im Frühsommer, d. h. im Mai — Juni, also noch vor und während der Blüten- 
periode von Trientalis, trifft man einzelne Stöcke dieser Pflanze, die durch ihr äusseres Aus- 
sehen sogleich von den gesunden, normalen leicht sich unterscheiden lassen (Taf. I, Fig. 1.) Der 
aus dem Rhizom emporwachsende erkrankte Stengel erscheint nämlich in seiner ganzen Länge, 
wenngleich nur in ganz geringem Maasse gleichmässig angeschwollen, und ist nicht, wie der 
junge normale Stengel, glatt und hellgrün gefärbt, sondern besitzt eine etwas rauhe, marmorirte 
Oberhaut, die anfangs graugrün, später dunkler wird und zuletzt fast ganz schwarz aussieht. 
Die auf einem solchen Stengel sitzenden Blätter sind in der Regel etwas kleiner und viel 


heller gefärbt, als die einer gesunden Pflanze; — dieselben erscheinen gewöhnlich blassgrün, 


) M. J. Berkeley: Outlines of british fungology. London 1860. p. 336. 

2) Vergl.L. Fuckel. Symbolae mycologicae 1869. p. 41. — Fungi rhenani No. 1661. — Joannes Kunez 
hat neuerdings die Tubureinia Trientalis in seinen Frungi selecti exsiccati (No. 212, im August 1879 in Schlesien 
gesammelt) unter dem Namen Polyeystis opaca Strauss herausgegeben. 

®) In dem privaten Herbarium des Herrn F. v. Thümen, das er mir zur Ansicht mit der bereit- 
willigsten Gefälligkeit zugeschickt hatte, fandich ausser den Fuckel’schen Exemplaren (aus dem Fichtelgebirge, 
bei Bischoffsgrün) noch einige Exsiccaten der Tubureinia Trientalis aus Finnland, von Herrn P. A. Karsten 
im Jahre 1878 gesammelt (Vergl. Thümen’s Mycotheca universalis No. 1421) und ein anderes von der Insel 
Seeland stammend, von H. Mortensen im Jahre 1874 eingelegt. 


— 562 — 


zuweilen auch gelblich, wodurch die ganze Pflanze mehr oder minder ein etiolirtes Aussehen 
erhält. — Unterwirft man nun die so beschaffenen erkrankten Trientalispflänzchen einer 
näheren Untersuchung, so findet man, erstens, die untere Fläche der Blätter mit einem 
weissen schimmelartigen Ueberzuge bedeckt, welcher, wie weiter unten gezeigt werden soll, 
nichts anderes als die Conidienfructification des Pilzes ist (Taf. I, Fig. 2 und 3), und, zweitens, 
zwischen den Elementen des Rindenparenchyms, zuweilen auch des Markes, dunkelbraune, 
vielzellige, dem Pilze zugehörende Sporenballen eingelagert (Taf. II, Fig. 2), wodurch das leichte 
Anschwellen, so wie auch die schwarze Färbung des befallenen Stengels bedingt werden. — Nach 
dem Verstäuben der weiter unten noch zu beschreibenden Conidien entwickeln sich die Blätter 
der erkrankten Pflänzchen entweder gar nicht mehr oder blos noch in ganz geringem Maasse; 
meistens trocknen dieselben bald ein, jedenfalls eher, als an den gesunden Pflänzchen. Manchmal 
treten auch im Diachym dieser Blätter hie und da einzelne kleine schwarze fleckige Anschwellungen 


auf, die, wie nähere Betrachtung zeigt, aus Anhäufungen ebensolcher dunkelbraunen Sporenballen 


bestehen. Zuletzt reisst die Epidermis des Stengels, sammt dem darunterliegenden Rinden- 


parenchym in Längsspalten unregelmässig auf, wodurch die schwarz ausschenden Sporenkörper 


des Pilzes blossgelegt werden. 

db. — Am Ende des Sommers und im Herbste wird der Trientalispilz viel häufiger ge- 
troffen, — die von ihm um diese Jahreszeit befallenen Pflänzchen haben aber ein ganz anderes 
Aussehen. Die Stengel sind äusserlich wie innerlich völlig normal und gesund; auf der 
unteren Fläche der Blätter ist von einem weissen, conidientragenden Schimmelüberzuge keine 
Spur zu finden; an den beiden Lamminaflächen der sonst in Gestalt und äusserlicher Structur 
ebenfalls ganz normal aussehenden Blätter befinden sich dagegen meistens rundliche oder un- 
regelmässig begrenzte Flecke, die entweder flach oder in der Regel convex sind. (Vergl. Taf. 
II, Fig. 1.) Sie sind von Ys bis 2 Millim. Durchmesser und sehen ganz dunkel, fast schwarz 
aus. Diese schwarze Färbung tritt besonders deutlich hervor, wenn die Blätter benetzt oder 
bei durchfallendem Lichte betrachtet werden. Was die Vertheilung der Flecke anbetrifft, 
so ist in derselben keinerlei Ordnung oder Regelmässigkeit zu erkennen. Entwender findet 
man sie auf jedem Blatte der erkrankten Pflanze und dabei auf dem einen in sehr grosser, 
auf dem anderen, daneben sitzenden dagegen in viel geringerer Zahl, — oder von allen Blättern 
der Nährpflanze (deren es gewöhnlich, wie bekannt, 6 oder 7 giebt) tragen blos 1 oder 2 
die Flecke, während alle übrigen frei davon sind; — meistens sind die Flecke auf der Lamina 
nur zwischen den grösseren Blattnerven; man findet. dieselben aber auch den Nerven entlang, 


oder sogar diesen letzteren aufsitzend (Vergl. hierüber Fig. 1, Taf. II); ein Mal sind die Flecke 


a 


über die ganze Blattfläche mehr oder minder gleichmässig vertheilt, ein anderes Mal dagegen 
sitzen sie blos auf der einen Hälfte des Blattes, entweder mehr gegen die Spitze zu, oder nur 
an der Basis. Auf den Blattstielen werden die Flecke auch gefunden, obleich im Ganzen 
viel seltener; sie erhalten hier gewöhnlich ein schwielen- oder polsterartiges Aussehen. — Die 
schwarze Farbe der Flecke stammt her von dem Auftreten des zu beschreibenden Pilzes; — die 
dunkelbraunen Sporenkörper der Tubureinia bilden nämlich in den Intercellularräumen des 
Blattdiachyms mehr oder minder mächtige Anhäufungen, die durch die meistens emporgehobene 
und dadurch bis zu emem gewissen Grade gespannte, farblose Epidermis in Form von dunkelen 
Flecken durchschimmern. Beiläufig sei hier noch bemerkt, dass alle Flecke an den Blättern 
der auf diese Weise befallenen Nährpflanzen in der Regel nahezu gleich entwickelt sind und 
dass ausser der vom Pilze eingenommenen Stellen, d. h. ausser den eben geschilderten Sporen- 
anhäufungen vom Pilze, auch von dessen Mycelium, in der ganzen Pflanze nicht die mindeste 
Spur zu finden ist. Wie das zu Stande kommt und auf welchem Wege eigentlich der Pilz 
bier in die Blätter eindringt, darüber wird weiter die Rede sein. — Hinsichtlich ihrer allmählichen 
Entwickelung und Structur stimmen diese in den Blättern angehäuften Sporenkörper völlig 
mit denjenigen überein, die, wie oben angegeben worden ist, während der Frühsommerperiode 
in einigen Stengeln der Nährpflanze ihre Evolution durchmachen. — Die Schilderung dieser 
letzteren soll denn jetzt auch als Ausgangspunkt dienen für die Beschreibung des vollständigen 
Entwickelungseyclus der Tuburcinia Trientalis. 

Das der Zubureinia angehörende vegetative Mycelium (Taf. II., Fig. 3 und 4), das man 
in den erkrankten, oben unter a beschriebenen Trientalis-Stengeln auf allen Höhenabständen, 
vom Rhizom an bis in die Blätter hinein, findet, besteht aus farblosen, feinen, meistens nur 
0,002—0,003 Millim. dieken Fäden, die mit Querwänden gewöhnlich sparsam versehen und 
unregelmässig verzweigt sind. Diese Mycelfäden haben ihren Sitz. im Rindenparenchym, dringen 
dabei aber nicht selten auch ins Mark hinein. Sie verlaufen in den beiden obengenannten 
Geweben immer zwischen den Zellen, nie habe ich sie in den Zellen getroffen, wogegen ich sie 
aber einige Male in den Gefässen auffand, das Innere der letzteren entweder völlig oder nur 
zum Theil ausfüllend. In den Intercellularräumen legen sich die Mycelfäden sehr fest an die 
Membran der sie ernährenden Zellen und treiben ins Innere derselben seitliche, sehr kurze, 
verzweigte Aussackungen, die meistens traubenförmiger Gestalt und jedenfalls nur als 
Haustorien zu betrachten sind (Taf. II, Fig. 3 und 4). — Aus diesem Mycelium wachsen nun 
in grosser Anzahl andere, meistens vielverzweigte Hyphen aus, die in der Regel etwas feiner 
und zarter sind und von den obenbeschriebenen vegetativen Fäden sich noch dadurch unter- 


scheiden, dass sie viel reicher an Querwänden sind und gewöhnlich keine Haustorien bilden. 


— 564 — 


Diese Fäden sind es, an denen die Sporenkörper des Pilzes erzeugt werden. Sämmtliche Vor- 
gänge der Sporenbildung stufenweise und lückenlos zu verfolgen, hat sich als eine sehr mühsame 
und schwierige Aufgabe erwiesen, die ich auch leider völlig befriedigend zu lösen nicht im 
Stande gewesen bin. Ich fasse diese Vorgänge der Art jetzt zusammen, wie sie mir aus den 
unzähligen mikroskopischen Präparaten, die ich untersucht habe, am allerwahrscheinlichsten vor 
sich zu gehen scheinen. (Vgl. Tafel II.) 

Die jüngsten Sporenanlagen, die ich auf diesen secundären Tubureinia-Mycelfäden auffand, 
erscheinen gewöhnlich in Form kurzer, entweder völlig geradgestreckter, oder verschiedenartig 
gekrümmter und zum Theil spiralig oder anderswie gewundener, meistentheils mehrgliederiger 
Fäden. Einzelne Glieder der letzteren, in manchen Fällen sogar nur 1 oder 2 der Endglieder, 
sind unregelmässig blasenförmig erweitert (Fig. 6). Manchmal wird der Faden blos auf eine 
einzige solcher Zellen redueirt (Fig. 5); ein paarmal fand ich aber die ersten Bildungsstufen 
der Sporenanlagen auch etwas anders beschaffen: es legen sich nämlich, wie Fig. 7 zeigt, zwei 
derartige Fäden, aus zwei verschiedenen, benachbarten Myceliumhyphen auswachsend, fest 
aneinander und alle Glieder dieser beiden sich berührenden Fäden nehmen eine blasige Gestalt 
an. — Das Aufsuchen sowie auch die nähere Untersuchung dieser ersten Entwickelungsstufen 
der Tubureinia-Sporenanlagen wird, einerseits, durch ihre ausserordentliche Zartheit und Feinheit 
beträchtlich erschwert, anderseits aber noch dadurch, dass dieselben sehr bald und rasch von 
vielen, sich fest daran anlegenden Seitenhyphen völlig umsponnen werden. Diese letzteren sind 
zarte, vielverzweigte Fädchen, die entweder nur von dem sporenbildenden Faden selbst aus- 
wachsen oder auch aus der denselben erzeugenden Mycelhyphe und von anderen nächstliegenden 
Fäden ihren Ursprung nehmen. Um jeden sporenbildenden Faden wird denn auf diese Weise 
ein wahrer Knäuel aus so dicht verflochtenen Fäden gebildet (Fig. 8—11), dass es völlig 
unmöglich wird, die nächstfolgenden im Inneren des Knäuels vorgehenden Umänderungen zu 
verfolgen und mit Bestimmtheit festzustellen. Nach dem Vergleiche aber einer ganzen Reihe 
mittelst verschiedener, in solchen Fällen anwendbaren Reagentien bearbeiteten und durchsichtig 
gemachten Präparate ersieht man, dass gleichen Schrittes mit der Umfangsvergrösserung des 
Knäuels auch die Zahl der die Mitte desselben einnehmenden blasigen Zellen sich vermehrt 
(Fig. 12—14). Dieser Vorgang ist, meiner Ansicht nach, nicht anders sich zu erklären, als 
dass gleich nach dem ersten Anlegen des Knäuels in den gewöhnlich sehr inhaltsreichen 
kugelig aufgeblasenen Gliedern des sporenbildenden Fadens eine sehr lebhafte und rasch vor- 
sichgehende, consecutive Theilung eintritt. Sonst wüsste ich nicht, auf welche andere Weise 


aus den primitiven ganz kleinen, meistens nur mit 2—3 kugeligen Centralzellchen versehenen 


— 565 — 


Knäuelchen, die im grössten Durchmesser bis 0,056—0,075 Millim. grossen und nicht selten 
aus 50, ja manchmal sogar bis aus 100 und noch mehr Zellen zusammengebildeten Sporen- 
körper entstehen könnten und sollten. — Wie aber die Sache sich auch nur verhalten mag, 
so ist das Endresultat immer dasselbe und die sogleich auseinanderzusetzenden allmählichen 
Entwickelungsstufen der Sporenkörper gehen immer in derselben Reihenfolge vor sich. Anfangs 
ist, also, wie eben gesagt, die Mitte der kleinen, knäueligen Sporenanlagen meistens nur von 
2—3 Zellchen eingenommen. Dieselben sind noch sehr zart und von kugeliger Gestalt. Bei 
allmählicher Weiterentwickelung der Knäuele nimmt nicht nur die Zahl, sondern auch der Umfang 
der centralen Zellchen immer mehr zu, wobei diese letzteren einen viel schärferen Umriss und 
nicht selten eine mehr oder minder scharf ausgesprochene, durch gegenseitigen Druck heryor- 
gerufene polyedrischeForm erhalten. Und so geht es fort, bis die Knäuel ihre definitive Grösse 
erreicht: haben. Sind dieselben so weit vorgerückt, so erscheinen die Membranen aller Sporen eines 
Ballens doppelt contourirt (Taf. II., Fig. 12— 14). Jede hat nun ein Endosporiumund ein Exosporium; 
das erstere bleibt farblos, das zweite erhält dagegen zuerst eine blassgelbbraune Färbung, die all- 
mählich ins Dunkelbraune übergeht. Der Inhalt der Sporen ist farblos und besteht aus einem fein- 
körnigen Plasma, in welchem meistens, besonders zur Zeit, wo das Exosporium noch nicht 
sehr dunkel gefärbt erscheint, ein centrales kernartiges Gebilde (ob Kern oder Vacuole?) auf- 
zufinden ist (Fg. 13.). In dem völlig entwickelten, reifen Sporen ist das Exosporium mehr 
oder minder beträchtlich und gleichmässig verdickt, dabei immer ganz glatt und so intensiv 
dunkelbraun gefärbt, dass man von dem feinkörnigen Inhalte jetzt kaum noch etwas er- 
kennen kann. 

Während der eben geschilderten allmählichen Ausbildung der Sporenkörper, besonders gegen 
deren Reife zu, wird das dieselben umhüllende Fadengeflecht mehr und mehr undeutlich und 
verschwindet zuletzt vollständig. Obgleich eine Vergallertung der Fäden, wie sie bei vielen 
anderen Ustilagineen so evident auftritt, hier nicht deutlich zu sehen ist, muss dieselbe dennoch, 
meiner Meinung nach, auch hier stattfinden. — Bis auf diesen letzten Umstand stimmt wohl 
der Entwickelungsgang der Tuburcinia-Sporen im Ganzen mit demjenigen von Sorosporium 
Saponariae Rud. überein. (Man vergleiche hierüber 1. F. v. Waldheim: »Beiträge zur 
Biologie und Entwickelung der Ustilagineen«. Pringsheim’s Jahrb. f. wissensch. Bot. VII. und 
die in dieser Arbeit angeführten Zeichnungen von Prof. A. de Bary. 2. A. B. Frank. »Die 
Krankheiten der Pflanzen«. 1880. S. 442.) Beim Reifwerden treten aber in den Sporen beider 
Pilzformen einige sehr wesentliche Unterschiede hervor: 1) Die Sporen von Sorosporium 


Saponariae besitzen ein feinwarziges Exosporium und haben eine helle blassbraune Färbung, 
Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 76 


— 566 — 


wogegen die Sporen von Tuburcinia Trientalis immer glatt und sehr dunkelbraun gefärbt 
erscheinen. 2) Die Vergallertung des die Sporenknäuele umgebenden Hyphengeflechtes, wie es 
aus den Beschreibungen von A. Fischer v. Waldheim und A. Frank hervorgeht, ist bei 
Sorosporium Saponariae eine sehr starke, was, wie eben angegeben worden ist, bei Tubureinia 
Trientalis nicht der Fall ist. 3) Endlich existirt zwischen den beiden Pilzen noch folgender 
Unterschied. — Bei Sorosporium Saponariae lassen sich die nicht selten zu ganz grossen Ballen 
angehäuften Sporen, manchmal schon bei der leisesten Berührung von einander sehr leicht 
trennen; bei Tuburcinia Trientalis dagegen sind die einzelnen Zellen des zusammengesetzten 
Sporenkörpers 'so fest mit einander vereinigt, dass es sehr schwer hält, dieselben von einander zu 
trennen. Die Substanz, mittelst welcher sie so fest zusammengehalten werden, umgibt auch 
den ganzen Sporenkörper herum in Form einer meistens dicht daran liegenden, gemeinsamen 
braunen Hülle, die, besonders bei längerer Behandlung der betreffenden Präparate” mit Kali, 
Glycerin und dergleichen anderen Reactiven, deutlich hervortritt (Taf. II, Fig. 15.). 

Was nun die Keimung der Sporen von Tubureinia Trientalis anbelangt, so fand ich sie 
erst nach sehr langem Suchen auf, Alle Keimungsversuche, die ich mit völlig reifen, frischen, 
dies- und vorjährigen Sporen wiederholte Male alljährlich anstellte, blieben lange Zeit erfolglos. 
Dieses fortwährende Misslingen der Sporenaussaaten kam, wie es sich zuletzt (erst im Jahre 
1878) erwies, daher, dass ich meine Aussaaten nie in der richtigen Jahreszeit vorgenommen 
hatte. Es keimen nämlich bei Tubureinia Trientalis nur diesjährige Sporen, und auch diese 
nur im Spätherbste. Sammelt man Ende September oder Anfang October, zu einer Zeit also, 
wo im Norden die nasse Herbstwitterung schon eintritt, vom Thau- und Regenwasser 
stark benetzte Tuburcinia-tragende Trientalispflänzchen, so findet man auf deren Blättern und 
Stengeln viele ausgekeimte Sporen, deren Zahl durch Kultur auf Objectträgern (unter Glasglocke, 
in feuchter Atmosphäre) sehr leicht in ‚kürzester Zeit sich vermehren lässt. Die Keimung 
selbst geschieht hier nach dem T7illetia-Typus, indem jede Spore ein Promycelium treibt, und 
dieser an seiner Spitze einen Sporidienkranz bildet. Jede Zelle des Tuburcinia-Sporenkörpers 
erweist sich als eine in dieser Weise keimfähige Spore. Die Sporen eines Körpers keimen 
nicht alle zu gleicher Zeit. Man findet daher z. B. nicht selten ausgekeimte Sporenkörper, 
die blos 1 (Taf. II, Fig. 18.) oder 2 Promycelien tragen, viel öfter aber wachsen aus ein und 
demselben Sporenkörper gleichzeit 6, 7, 11 (Taf. II, Fig. 16 und 17; Taf. III, Fig. 1.) bis 20 
Promycelien aus. Eine grössere Zahl als 20 erinnere ich mich nicht in meinen Aussaatspräparaten 
je getroffen zu haben. Die durch das Auswachsen des Promyceliums hervorgerufene Perforation 


des Exosporiums tritt in der Regel in Form eines kleinen runden Loches auf (Taf. II, 


v 


— ll — 


16—21; Taf. III, Fig. 1), welches zuweilen auch mit einigen, von der Perforationsstelle aus- 
gehenden, kurzen Rissen der braunen Sporenmembran begleitet wird. Die Länge des cylindrischen 
Promyceliums ist kleiner oder nur wenig grösser, als der Durchmesser des Sporenkörpers, 
übrigens sehr ungleich. Sporen, die nur feucht, z. B. auf der Oberfläche eines Wassertropfens 
liegen und dabei dem gewöhnlichen Tageslichte ausgesetzt sind, treiben gewöhnlich sehr kurze 
Promycelien, die meistens nicht mal auf das Doppelte eines Einzelsporendurchmessers sich 
verlängern. Diejenigen Sporen aber, die auf dem Boden eines auf dem Objectträger liegenden 
flachen Wassertropfens zur Keimung kommen, treiben gewöhnlich Promycelien, die eine 2- und 
selbst 3- bis 5mal grössere Länge erreichen. Noch länger werden aber die Promycelien an 
solchen Sporen, die noch tiefer unter Wasser liegen oder im Dunkeln zum Keimen gebracht 
werden. Im letzteren Fall tritt gewöhnlich nur eine unvollkommene oder selbst gar keine 
Sporidienbildung ein, wobei selbstverständlich die Promycelien meistens das Aussehen einfacher 
Keimschläuche erhalten. An solchen in der Dunkelheit gezogenen Exemplaren ist ausserdem 
zuweilen noch eine andere Erscheinung wahrzunehmen: der aus der Perforationstelle hervortretende 
Keimschlauch erscheint nämlich anfangs ungemein dünn, und erst später erweitert er sich 
allmählich oder auch ganz plötzlich bis zur Dicke eines normalen Promyceliumfadens (Taf. II, 
Fig. 20 u. 21.). — In den als normal anzusehenden Fällen (Taf. II, Fig. 16—18; Taf. III, Fig. 1.) 
fängt die Bildung der Sporidien gewöhnlich schon sehr frühzeitig an, nicht selten sogar noch 
vordem das Promycelium seine definitive Länge erreicht hat. Um den stumpfabgerundeten 
Scheitel desselben treten 4—8, am häufigsten aber 6 oder 7 kleine Protuberanzen hervor, die 
in einem Wirtel stehen und allmählich zu cylindrisch-spindelförmigen Aestchen, schlechtweg, 
der Terminologie Tulasne’s folgend, Sporidien genannt, heranwachsen. Erst wenn diese 
letzteren in ihrer Entwickelung schon ziemlich weit vorgerückt sind, tritt in dem Promycelium 
eine Querwand auf, wodurch der obere, gewöhnlich kleinere plasmaführende Theil des Promy- 
celiums von seinem unteren, jetzt schon vollkommen plasmaleer gewordenen Theile abgetrennt 
wird. Die kürzeren Promycelien besitzen blos diese einzige Querwand, die längeren sind aber 
zuweilen nach unten zu noch mit einer zweiten (Taf. II, Fig. 18 und 19.) und selbst einer 
dritten versehen. Da das oberste, protoplasmaführende und sporidientragende Promyceliumglied 
gewissermassen einer Basidialzelle entspricht, so soll dasselbe hier weiter diesen Namen 
auch beibehalten. Bald nun, nachdem die Basidialzelle vom leeren Promycelium durch die 
Querwand abgegliedert worden ist, trennt sie sich völlig von ihm und fällt ab, — eine Er- 
scheinung, die, so viel ich weiss, bei der Keimung aller anderen, dem Tilletia-typus augehörenden 


Ustilagineen nie vorkommt. Nach dem Abfallen der Basidialzellen von den sie tragenden 


— 1568 0 


Promycelien, sind diese letzteren sehr leicht hinfällig und gehen in der allerkürzesten Zeit 
völlig spurlos zu Grunde. Während die Basidialzelle noch am Promycelium aufsitzt oder, was 
im Ganzen öfters geschieht, gleich nach ihrem Abfallen, fangen die von derselben getragenen 
Sporidien mit einander paarweisse zu copuliren an. Vor der Copulation und in ihrem ersten 
Anfange ist gewöhnlich in jeder Sporidie ein kleiner, runder, heller Fleck (vielleicht ein einem 
Kerne entsprechendes Gebilde) vorhanden (Taf. II, Fig. 2, 3 und 5.). Nachdem aber die 
Copulation schon eingetreten ist, ist dieser Fleck nicht mehr wahrzunehmen; es treten jetzt 
dagegen im Plasma der Sporidien wie auch der Basidialzelle viele Vacuolen auf, wodurch 
dasselbe schaumig wird. — Die Copulation eines Sporidienpaares findet statt, wie Fig. 3, 4 
und 6 (Taf. III) zeigen, mittelst eines kurzen, gewöhnlich dicht über ihrer Insertionsstelle 
quer dazwischen laufenden Schlauches; nur in höchst seltenen Fällen geschieht die Copulation 
nicht unten, sondern am oberen Ende eines Paares (Fig. 7 auf Taf. III). Nach der Copulation 
wächst eine der beiden Sporidien des Paares an der Spitze in eine secundäre Sporidie 
aus, wobei das Protoplasma durch den Verbindungsschlauch aus der anderen überwandert. Die 
primären, d. h. den Basidialzellen ansitzenden Sporidien können aber auch, ohne jeglicher 
Copulation, direct zu secundären Sporidien auskeimen (Taf. III, Fig. 3—5 und 9.). Hierin 
herrscht im Allgemeinen grosse Mannigfaltigkeit. Ich führe hier einige Beispiele an: — Man 
findet z. B. Basidialzellen mit 7 Sporidien (Taf. III, Fig. 4 8.), von denen 6 durch Copulation 
paarweise verbunden sind, und jedes dieser 3 Paare trägt eine secundäre Sporidie, während 
die siebente primäre Sporidie direet, ohne Copulation, zu der vierten secundären Sporidie aus- 
wächst. Auf einer anderen Basidialzelle (Fig. 4« auf Taf. III.) sitzen nur 5 Sporidien, von denen nur 
2 durch einen querlaufenden Schlauch zu einem Paar verbunden sind, die übrigen 3 bilden, 
ohne vorgehender Copulation, je eine secundäre Sporidie. Es finden sich endlich gar nicht 
selten auch Fälle, wo sämmtliche primäre Sporidien, ohne zu copuliren, direct in secundäre 
Sporidien auswachsen (Taf. III, Fig. 5). Es können aber mitunter auch 3 primäre Sporidien 
mit einander copuliren, (Fig. 6% auf Taf. III.) u. s. w. Dergleichen Modificationen und mehr 
oder minder abnorme Fälle finden sich, wie gesagt, massenhaft. Es ist unnütz sie hier alle 
anzugeben und anstatt dessen verweise ich den Leser auf meine hierauf Bezug habenden 
Zeichnungen (Vergl. Fig.16—21 auf Taf. II und Fig. 1-5, Taf. III). Nicht allein die secundären, 
sondern auch die primären Sporidien fallen von ihren Insertionsstellen sehr leicht ab. Die 
secundären Sporidien bilden zuweilen auch noch tertiäre Sporidien (Fig. 10). — Die von ihren 
Sporidien degarnirten Basidialzellen bleiben sehr oft noch mit Plasma erfüllt und können dann 
ihrerseits feine Keimschläuche aus sich treiben (Taf. III, Fig. 8). Ebenfalls trifft man, dass die 


— 569 — 


Sporidien 1ter, 2ter und 3ter Ordnung auch in kurze Fädchen auswachsen (Taf. II. Fig. 11 und 12). 
Alle diese schon keimenden und noch nicht ausgekeimten Sporidien, mit und ohne ihren Basidial- 
zellen, werden im Herbste vom Regen- oder Thauwasser von den Blättern und den Stengeln 
abgespült und bis zur Erde heruntergetrieben. Hier werden sie mittelst des Wassers durch 
die poröse Erde oder zwischen Moos weiter getragen bis zur Oberfläche der um diese Zeit 
gewöhnlich schon völlig angelegten, nächstjährigen Trientalis-Sprosse. 

Aussaatversuche, welche ich in 2 aufeinanderfolgenden Jahren angestellt habe, indem ich 
keimende Sporen auf gesunde junge, meist mit einer dünnen Erdschicht bedeckte Trientalis- 
Sprosse brachte, ergaben, dass die Sporidien feine Schläuche trieben, und dass dann in den 
Sprossen ein zartes Mycelium auftrat. Die Form, in welche die Keimschläuche eindringen 
und zu dem Mycel heranwachsen, habe ich nicht direct beobachten können. Dass das Mycelium 
aber aus ihnen erwachsen ist, wird so gut wie sicher dargethan durch seine Weiterentwickelung. 
Nach der Winterruhe nämlich wachsen die infieirten Trientalis-Sprosse über die Erde empor, 
und mit ihnen wächst auch, ihrer Entwickelung gleichen Schritt haltend, das Mycelium. Sind 
die Sprosse einmal so weit, dass sie ihre Blätter zu entfalten anfangen, so entwickeln sich aus 
dem Mycelium die Conidien der Tuburcinia, die, wie ich anfangs angegeben habe, auf der 
unteren Blattfläche der Trientalis-Frühlingspflänzchen in Form eines weissen schimmelartigen 
Ueberzuges auftreten. (Vergl. Fig 1—4 auf Taf. I). Die hier, in den Blättern, verlaufenden 
Myceliumfäden stimmen völlig mit denjenigen überein, die, wie oben gezeigt worden ist, in 
den Stengeln vorhanden sind, und es ist sogar nicht besonders schwer sie aus den Stengeln 
in die Blätter contiuuirlich zu verfolgen. Die intercellularen Mycelfäden, die auch hier, im 
Blattparenchyme wie im Stengel, mit traubenförmigen Haustorien versehen sind, rücken alle 
mehr nach der unteren Blattfläche hin und bilden hier, zwischen dem Diachym und der Epidermis, 
ein mehr oder minder dichtes Fadengewirr (Taf. I, Fig. 3). Aus diesem werden nun senkrecht 
zur Blattfläche Zweige emporgetrieben, die durch die Spaltöffnungen sowie auch zwischen den 
Epidermiszellen sich hervordrängen (Taf. I, Fig. 3—5). Einige dieser Fäden werden direct zu 
Conidienträgern (Fig. 3, 4.), andere legen sich dagegen auf die Blattfläche, kriechen auf derselben 
nach allen Richtungen umher, wobei sie sich an die Epidermiszellen nicht selten mit Haustorien 
fest ansetzen (Taf. I, Fig. 4) und auf diese Weise eine fädige Unterlage bilden, aus welcher 
erst dann die emporsteigenden Conidienträger auswachsen. — Letztere sind meistens scheide- 
wandlos, ziemlich schlank und laufen allmählich in eine pfriemenförmige Spitze aus, die in der 
Regel nach einer Seite hin sich bogenförmig neigt, so dass die von den Fruchtfäden getragenen 


Conidien mit Beziehung auf die horizontale Blattfläche immer eine mehr oder minder horizontale 


— 270 — 


Lage annehmen (Taf. I, Fig. 2, 3). Die Conidien selbst, die gewöhnlich 0,011—0,015 mm 
lang sind, haben birnförmige Gestalt und zwar sitzen sie den Tragfäden immer mit ihrem 
breiten Ende auf. Sie sind mit einer zarten, feinen farblosen Membran versehen und zeigen 
mitten in ihrem ebenfalls farblosen, feinkörnigen Plasma einen kleinen, runden, hellen, vacuolen- 
artigen Fleck (Taf. I, Fig. 8.). Sie fallen von ihren Tragfäden leicht ab, worauf letztere an 
ihren Spitzen wiederum Conidien abschnüren können, was sich mehrmals wiederholen kann, 


so lange in den Fruchtfäden noch genügendes Plasma verhanden ist. 


Die eben beschriebene Conidienbildung der Tuburcinia Trientalis, die einigen Ramularien 
(z. B. R. ovata und R. obovata) !) gewissermassen ähnlich sieht, ist, wie es scheint, von den 
Sammlern der Tubureinia Trientalis entweder völlig übersehen worden, oder jedenfalls unbe- 
rücksichtigt geblieben. Anderseits ist sie aber auch in England schon aufgefunden und von 
Berkeley, unbegreiflicher Weise unter dem Namen Ascomyces (!) Trientalis beschrieben worden.?) 
Dass dieser Ascomyces Trientalis in der That nichts Anderes ist, als die Conidienform 
von Tuburcinia Trientalis, habe ich mich selbst überzeugen können auf authentischen, englischen 
Herbarexemplaren, die mir zur Ansicht freundlichst von P. Magnus vorgelegt worden sind 
und mit folgender Etiquette begleitet waren: »Ex herb. Charles. B. Plowright. Ascomyces 


Trientalis Berk. Legit rev. John. E. Vize.« 


Werden die Conidien auf eine Objectplatte in einen Wassertropfen übergetragen, so tritt 
sogleich die Keimung derselben ein. Jede Conidie nimmt in der Regel anfangs etwas an Um- 
fange zu, dann wächst sie in einen Keimschlauch aus und gleichzeitig erweitert sich auch der in 
ihr vorhandene centrale helle Fleck, der jetzt deutlich in Form einer grösseren, runden Vacuole 
auftritt (Taf. I, Fig. 8). Wächst der Keimschlauch aus einer Seite der Conidie hervor . 
(Fig. 7 auf Taf. I.), so steigt derselbe gewöhnlich vertical empor und schnürt dann sogleich 
an der Spitze wiederum ebensolche Conidien (also secundäre Conidien) ab. (Fig. 7.) Treiben 
aber die Conidien den Keimschlauch, was im Ganzen viel öfter geschieht, aus ihrem oberen, 
schmäleren Ende (NB. Keimungen aus dem breiten, erweiterten Ende, wie es z. B. Fig. 8. «. 
zeigt, gehören zu höchst seltenen Erscheinungen), so laufen die ausgekeimten Schläuche auf 
dem Objectträger immer horizontal und wachsen dabei gewöhnlich in ziemlich lange Fäden 
aus (Taf. I, Fig. 8 und 9). Aus der Conidie tritt der ganze Protoplasmainhalt in den Keim- 
schlauch über und wird von der jetzt leergewordenen Conidie durch eine zarte Querwand 

!) Vergl. Fuckel. Fungi Rhenani. Supplementi Fasc. II. Nr. 1634 und Nr. 1635. 


°?) Berkeley: Outlines of Brit. Fung., p. 376 und in Cooke’s Handbook of British fungi. 1871 
vol. II. p. 737. 


Tr 


getrennt. Bei weiterem Auswachsen des Keimschlauches rückt das Protoplasma in das obere 
Ende des Fadens vor; es bildet sich hiernach in dessen unteren Theile, zwischen der ersten 
Querwand und dem Protoplasma, ein protoplasmaleerer Raum, der seinerseits mittelst einer 
zweiten Querwand sich abtrennt, und so geht es weiter. Auf diese Weise wird beim allmählichen 
Wachsen des Keimschlauches im unteren leeren Theile desselben eine ganze Reihe successiv 
nach einander entstehender und ziemlich gleich weit von einander entfernter Querwände gebildet. 
Je länger der Keimfaden auswächst, desto grösser erscheint die Zahl dieser Querwände (Taf. 1, 
Fig. 9). 

Die so beschaffenen auf der Glasplatte in Wasser kriechenden Keimschläuche wachsen 
eine gewisse Zeit, gehen dann aber zu Grunde. — Bringt man aber, was ich zu wiederholten 
Malen auch gemacht habe, eben abgefallene oder in Keimung schon begriffene Conidien auf 
die stark benetzte Oberfläche gesunder Trientalis-Blätter und verfolgt dann deren weiteres 
Schicksal, so sieht man, wie die aus den Conidien ausgewachsenen Keimschläuche in die Nähr- 
pflanze immer durch die Scheidungswand zweier benachbarten Epidermiszellen (Fig. 10 auf 
Taf. I.) eindringen, um sich dann im Blattdiachyme zu einem mit Haustorien versehenen und 
sofort fructificirenden Mycelium auszubilden. 12—15 oder höchstens 18—20 Tage nach der 
Aussaat der Conidien erscheinen an den Zrientalis-Blättern die charakteristischen schwarzen 
Tubureinia-Flecke „von denen schon im Anfange die Rede war und die, wie dort angegeben 
worden ist, im Freien immer etwas später, im Sommer, auftreten und aus Anhäufungen der 
obenbeschriebenen Sporenballen bestehen. — Auf Grund dieser von mir angestellten Aussaat- 
versuche kann mit voller Bestimmtheit angenommen werden, dass das Nämliche auch im 
Walde geschieht: die kleinen, sehr leichten Conidien werden vom Winde und wohl auch durch 
Insecten auf die Blätter anderer, gesunder, nahe oder auch weit entfernter, pilzfreier Trientalis- 
Pflänzchen übertragen; durch Thau- oder Regentropfen' benetzt, fangen die Conidien an zu 
keimen, und deren Keimfäden dringen sogleich in die |Nährpflanze hinein. — Die Aussaat- 
versuche haben mir ausserdem gezeigt, dass die Keimschläuche in das Blattdiachym ebenso 
leicht durch die obere (völlig spaltöffnungsfreie), wie durch die untere Seite der Lamina ein- 
dringen, immer aber nur in der schon oben angegebenen Weise, — zwischen den Epider- 
miszellen; nie ist es mir dagegen vorgekommen, das Eintreten durch die Spaltöffnungen oder 
durch Perforation der oberen Wand der Epidermiszellen wahrzunehmen. — Eigenthümlich und 
sehr bemerkenswerth ist hierbei noch folgende Erscheinung: Jeder ins Blattdiachym einge- 
drungene Conidienkeimschlauch bildet ein selbständiges, von der Eintrittsstelle aus nach allen 


Seiten hin centrifugalgehendes Mycelium; — die Ausbreitung des letzteren ist aber ziemlich 


— 512 — 


eng begrenzt, wodurch denn auch der Pilz immer in Form von über die Blattfläche ganz 
regellos vertheilten Flecken auftritt, und der Umstand, dass über die Grenzen dieser Flecke 
hinaus das Tubureinia-Mycelium im Blatte, wie auch in allen übrigen Theilen der durch 
Conidien angesteckten Pflanze in der Regel nirgends mehr wahrzunehmen ist, findet hierin seine 
einfache Erklärung. — Eine in dieser Hinsicht völlig analoge Erscheinung zeigen verschiedene 
Entyloma-Arten. !) Mit letzteren hat Tubureinia Trientalis ausserdem noch das Auftreten von 
Conidien gemein. ?) Sie ist daher für Conidienbildung bei Ustilagineen zwar nicht das erste, 
aber das eclatanteste Beispiel. Wie bei Entyloma, so geht auch bei Tubureinia die ganze Ent- 
wickelung (Conidien- und Sporenbildung) auf ein- und derselben Nährpflanze vor sich; 
— es sind demnach streng autoecische Pilzformen.- Ich vermuthe aber, dass zwischen den 
Ustilagineen sich auch, wie bei den Uredineen, eine ganze Reihe von heteroecischen Formen 
auffinden lassen wird. Weiteren, in dieser Richtung angestellten Culturversuchen ist es vor- 


behalten, zu entscheiden, ob meine Vermuthung eine richtige ist. 


» 


Unter den beschriebenen Ustilagineen finden sich einige Formen, die der Tubureinia 
Trientalis Berk. et Br. sehr ähnlich zu sein scheinen, und es wird wohl jetzt am Platze sein, 
derselben hier kurz zu erwähnen. — Vor Allem führe ich die Thecaphong aterrima Tul. an. 
Bei dieser Ustilaginee, wie wir es schon bei Tulasne angeführt finden, hält es ebenfalls sehr 
schwer, die einzelnen Sporen aus einander zu trennen. ?) — A. Fischer von Waldheim 
(Apercu systematique des Ustilaginees. Paris 1877. p. 35. — Les Ustilagineees et leurs 
plantes nouricieres. An. d. Sc. Natur. 6 Serie, tome IV., p. 231) zieht zu der Thecaphora 
aterrima nicht allein die von Tulasne unter diesem Namen beschriebene, die Aehrchen 
mehrerer Carex-Arten bewohnende Ustilaginee, sondern auch diejenige, welche in den Stengeln 
von Euphrasia lutea L. vegetirt und schon früher von Cesati im Rabenhorst’schen 
»Herbarium Micologieum« (Nr. 1083) unter dem Namen Sorosporium schizocaulon herausgegeben 
worden ist. Beide Pilze sehen auf den ersten Blick, in der That, einander sehr ähnlich, bei 
genauerer Betrachtung findet man aber, dass während bei der Tulasne’schen Thecaphora 


aterrima die Sporen deutlich warzig granulirt sind, das Exosporium der Euphrasia-Ustilaginee 


') Vergl. de Bary. Bot. Zeit. 1874. S. 81 und folg. 

2) J. Schröter in Cohn’s: »Beiträgen zur Biologie der Pflanzen« Bd. II. (1377) p. 435 u. folg. 

3) Tulasne sagt: »Il est fort diffieile d’isoler les spores les unes des autres, et de les separer de la 
tunique commune, que nous croyons appartenir ä& chaque globule ou sporoides. An. des Se. Natur. III. Serie, 
tome 7. (1847). p. 110. Man vergl. auch die dort auf Taf. 4 gegebenen Fig. 20—22. 


— 573 — 


nicht warzig, sondern glatt ist, wodurch diese letztere sich mehr der Tubureinia Trientalis 
nähert. — Die Ustilaginee, die ich von F. v. Thümen unter dem Namen Sorosporium 
Müllerianum Thüm. f. Oladii Fili (aus Victoria) zur Untersuchung erhalten habe, wird sich 
wohl mit der Thecaphora aterrima Tul. als identisch erweisen. Wie sich aber alle diese hier 
eben angeführten Ustilagineenformen unter einander verhalten: — ob sie wirklich gute, streng- 
charakterisirte Arten sind und ob sie nicht vielleicht, anstatt der Gattung Sorosporium anzu- 
gehören, zur Gattung Tubuwreinia (was meiner Meinung nach sehr wahrscheinlich ist) übertragen 
werden sollen, sind Fragen, die ohne jede Kenntniss weder von Keimungs- noch von anderen 
weiteren Entwickelungsvorgängen sich nicht entscheiden lassen. 

Die vormals zur Gattung Tuburcinia gerechnete Urocystis Paridis Thüm. (= 'Sorosporium 
Paridis Winter,!) Polycystis opaca Strauss, Urocystis Colchici, f. Paridis F. v. Wald.) sieht 
auch einigermaassen der Tuburcinia Trientalis ähnlich, unterscheidet sich von ihr aber, gleich 
jeder anderen Urocystis-Art, sofort durch das constante Vorhandensein der peripherischen, die 
Sporenkörper umringenden, unkeimfähigen Zellen (Wolff’s »Nebensporen«); bei Tubureinia 
Trientalis kommen diese letzteren in der Regel gar nicht vor, wenn aber an ihren Sporen- 
körpern zuweilen, was jedoch nur höchst selten erscheint, auch einzelne sporenartige, oder 
anderswie aussehende, meistens inhaltsleere und mit braunen Membranen versehene Zellen 
hie und da fest anhaften, so sind dieselben jedenfalls mit den eben eitirten Urocystis-Neben- 
sporen gar nicht zu identifieiren. — Die beiden von Fries zuerst aufgestellten Arten Tuburcinia 
Monotropae und Tub. Orobanches sind echte Urocystis-Formen und von F. v. Waldheim schon 
ganz richtig in diese Gattung eingereiht worden. Was endlich Tubureinia Cesati Sorok. und 
Tub. scabies Berk. anbelangt, die F. v. Waldheim zur Gattung Sorosporium zieht, so ist 
mir die erstere aus eigener Anschauung nicht bekannt und von der zweiten habe ich viel zu 
wenig gutes Material in die Hände bekommen, um über dieselbe meine Meinung definitiv aus- 
sprechen zu können. — Ebenso ist mir auch die Tubureinia Veronicae Schrt. wenig bekannt, 
so viel ich aber aus der Schröter’schen?) sehr klaren und ausführlichen Beschreibung ersehen 


kann, hat diese Ustilaginee mit Tubureinia Trientalis und der Tulasne’schen Thecaphora aterrima 


‘) G. Winter begeht einen Irrthum, indem er Polycystis opaca Strauss, Tuburcinia Trientalis Berk. 
et Br. und die oben eitirte Euphrasia bewohnende Ustilaginee (— Thecophora aterrima Tul. nach F. v. Wald.) 
zusammenstellt und sie mit dem gemeinsamen Namen Sorosporium Paridis bezeichnet (Vergl. Rabenhort’s 
Kryptogamenflora von Deutschland, Oesterreich und der Schweiz I. Bd. Pilze, von Dr. G. Winter. 2 Lieferung. 
1881. $. 102.) | 

°) Dr. J. Schröter. Bemerkungen und Beobachtungen über einige Ustilagineen (in Cohn’s Beiträgen 
II. Bd. (1877). p. 349). 

Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. 


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grosse Aehnlichkeit oder ist sogar vielleicht mit den beiden identisch. Um hierüber eine 
positive Entscheidung zu geben, sind jedenfalls, was ja auch Schröter angiebt, weitere 


Beobachtungen, vor Allem aber Keimungsversuche nöthig anzustellen. 
[4 


II. 


In den nächstfolgenden Zeilen will ich nun die Keimungsversuche anführen, die ich an 
einer Reihe bis jetzt in dieser Hinsicht noch wenig erforschten Ustilagineen-Formen angestellt 
habe. Ich fange mit denjenigen Formen an, die in den meisten mycologischen Schriften und 
Herbarien bis heutzutage, ohne Weiteres unter den Gattungsnamen Sorosporium zu stehen 
pflegen. 

a. Sorosporium Saponariae Rudolphi (Taf. IH, Fig. 13—18). — Oben sind schon 
die wichtigsten Hauptmerkmale angeführt worden, wodurch Sorosporium Saponariae von der 
eben beschriebenen Tubureinia Trientalis sich sofort unterscheiden lässt. Dazu kommt noch 
die Differenz in den Keimungsvorgängen. Die Sporen von Sorosporium Saponariae, f. Lychnidis 
dioicae, die ich im vorjährigen Spätherbste und im Anfange des Winters (Decemb. 1880) zum 
Keimen gebracht habe, stammten aus der E. Doassans und N..Patouillard’schen 
Sammlung: »Les champignons figures et dessöches« her; dieselben waren von den beiden 
Herren im Bois de Boulogne bei Paris am 15. Juni 1880 gesammelt. — 
Andere, nur etwas ältere Sporen, solche 'z. B., die blos 1—1!s Jahre gelegen hatten, 
erwiesen sich dagegen als völlig unkeimfähig; und so viel ich aus meinen allerdings im 
Ganzen nicht sehr zahlreichen Versuchen urtheilen kann, findet für Sorosporium Saponariae 
die Keimung, und demnach wahrscheinlich auch die Infection nur im Spätherbste des nämlichen 
Jahres statt. Hierin würde also Sorosporium Saponariae mit der Tubureinia Trientalis wohl 
übereinstimmen!); — was aber die Keimung anbelangt, so ist dieselbe hier eine ganz andere. — 
Nachdem die Sporen 3 bis 4 oder höchstens 5 Tage im Wasser gelegen haben, wächst ihr 
farbloses Endosporium, das feinwarzige, blassbraune Exosporium in Form eines kleinen runden 
Loches durchbohrend, in einen Keimschlauch aus, welcher in der Regel ziemlich lang wird, 
immer unverzweigt bleibt und an welchem, jedenfalls in allen den von mir angestellten Aus- 
saatversuchen nie eine etwaige Sporidienbildung zu Stande kam (Taf. II, Fig. 17). Beim 

ı) Die Zahl solcher Ustilagineen, die im Spätherbst auskeimen und in ihre Nährpflanze eindringen, 


wird wohl bei weiterer Untersuchung sich leicht vergrössern lassen. Ich möchte die Aufmerksamkeit künftiger 
Beobachter darauf ganz besonders lenken. 


fortdauernden Längerwerden dieses Keimschlauches rückt der ganze feinkörnige, farblose 
Plasmainhalt in das obere Ende des Fadens vor, während in dem unteren, leergewordenen 
Theile desselben eine Reihe unter einander paralleler Querwände entsteht. Mehrmals sah ich 
den oberen plasmaführenden Theil des Schlauches, nebst einem oder zweien der hinter ihm 
sich befindenden plasmaleeren Glieder, von dem übrigen, unteren Fadentheile sich lostrennen 
(Fig. 18) und, im Wassertropfen (auf dem Objectträger) weiter fortlebend, an seiner Spitze, 
noch viele Tage hindurch, langsam in die Länge vorwärts wachsen. Weiteren Untersuchungen 
bleibt es nun vorbehalten zu entscheiden, ob denn hier, wie es den Anschein hat, sich wirklich 
nie Sporidien bilden, und auf welche Weise und zu welcher Jahreszeit der Pilz in die Nähr- 
pflanze eindringt.!) 

b. Sorosporium Junci Schröt. (Taf. IV., Fig. 1—8). — Die Sporen des in Juncus 
bufonius L. vegetirenden und von Schröter unter dem Namen Sorosporium Junci zuerst 
beschriebenen Pilzes scheinen eine sehr dauerhafte Keimfähigkeit zu besitzen. Das zu meinen 
Aussaaten verbrauchte Material war 2 bis fast 3 Jahre alt und stammte zum Theil aus den 
Zopf-Sydow’schen Exsiccaten (»Mycotheca Marchica« Nr. 97), anderntheils aber aus dem 
privaten Herbarium von Herrn E. Ule. Die Aussaatversuche mit diesen Sporen (in Wasser- 
tropfen, auf Objectträgern oder in Uhrschälchen) stellte ich erst im Spätherbste 1880 und 
dann wiederum im März 1881 an. Die Keimung trat jedesmal nach ungefähr 2—2!s Wochen 


nach der Aussaat ein und zeigte sich wie hier folgt. 


Durch das dunkelbraune Exosporium der rundlich-polyedrischen, zu unregelmässigen 
Ballen vereinigten Sporen ?) bohrt sich das Endosporium durch und wächst in einen Keim- 
schlauch aus, der gewöhnlich die 8- bis 10- und 12fache Länge des einzelnen Sporendurch- 
messers erreicht (Fig. 3—6, Taf. IV). In dem den Keimschlauch erfüllenden, sehr feinkörnigen, 
regelmässig vertheilten, farblosen Protoplasma treten mehrere, gewöhnlich 8, von einander 


ziemlich gleich weit, entfernte, helle, runde, vacuolenartige Gebilde auf, die ich für echte Zell- 


!) Nachträglich sei hier angegeben, dass ich diesen Spätherbst (1881) auch die Keimung an den 
Sporen von Sorosporium Saponariae, f. Saponariae officinalis beobachtet habe. Die zu meinen Keimungs- 
versuchen angewendeten Sporen waren von Herrn P. Magnus bei Kreuznach Ende Sept. d. J. gesammelt; 
die Keimung derselben trat Ende October und Anfang November ein. Im Ganzen genommen entspricht die 
Keimung derselben derjenigen von Sorosporium Saponariae, f. Lychnidis dioicae, unterscheidet sich aber von 
dieser dadurch, dass das obere plasmaführende Glied des Keimschlauches nicht immer unverzweigt bleibt, 
sondern zuletzt noch gewöhnlich in mehrere unregelmässige seitliche Verzweigungen auswächst. Von einer 
Sporidienbildung habe ich aber auch hier keine Spur wahrnehmen können. 

*) Ueber die nähere Structur der Sporen vergl. J. Schröter: »Die Brand- und Rostpilze Schlesiens« 
und meine auf Taf. IV. gegebenen Fig. 1—6. 


. 
I 
kerne zu halten geneigt bin. Dann wird der Faden durch zarte Querwände in so viel Glieder 
getheilt, wie es vorher Kerne gegeben hat, und zwar derart, dass in jedem der eben ent- 
standenen, unter einander fast gleichgrossen Glieder einer von den Kernen zu liegen kommt 
(Fig. 4). Nach oder auch selbst während der gleich weiter zu beschreibenden Sporidienbildung 
treten in dem Promyceliumfaden gewöhnlich noch einzelne, wie es scheint, ganz zufällige Quer- 
wände auf, wodurch der Faden anstatt 8-, meistens 10- bis 12-gliedrig wird; — vor der Ent- 
stehung der Sporidien habe ich dagegen in allen meinen Aussaatversuchen den protoplasma- 
führenden Theil des Promycelium, wie gesagt, fast immer S-zellig gefunden (Fig. 3—5). Jede 
dieser 8 Zellen treibt kurze seitliche Zweiglein, die durch bald eintretende Abschnürung sehr 
leicht vom Faden abfällig sind und sich demnach als Sporidien erweisen. In der Entstehung 
und Anordnung der Sporidien scheint, im Ganzen genommen, keine besondere Regelmässigkeit 
aufzutreten; dieselben können aus dem Faden, wie es die Abbildung zeigt (Fig. 5), allenthalben 
auswachsen. Während aber die Sporidienbildung an dem Endgliede des Fadens meistens an der 
Spitze des letzteren auftritt, erscheint sie an den übrigen Gliedern gewöhnlich an einem ihrer 
beiden Enden, d. h. in der Nähe der Querwände, und da die Sporidien hier nicht einzeln, 
sondern in einer grösseren Anzahl und dabei nicht nur einerseits, sondern rund um den Faden 
herum auftreten, so bilden sich in der Regel auf dem Promyceliumfaden mehrere übereinander- 
sitzende quirl- oder knäuelartige Anhäufungen derselben (Fig. 6). Die Sporidien werden von 
den Promyceliumgliedern so lange abgeschnürt, bis das ganze Protoplasma aus den letzteren 
dazu verbraucht ist. — Die Sporidien selbst sind meistens schmale, sehr kleine, gewöhnlich 
nur 0,001—0,002 mm. lange Körperchen, die entweder ganz gerade sind, von der Gestalt 
spindelförmiger Stäbchen, oder dieselben erscheinen verschiedenartig gekrümmt, wobei sie bogen- 
oder hackenförmige Gestalt am häufigsten anzunehmen pflegen (Fig. 5—7). Manchmal sitzen 
die Sporidien nicht nur sehr nahe an einander, sondern zu mehreren, meistens zu 2—4, auf 
einer gemeinschaftlichen Anheftungsstelle, einem kurzen Stiele, büschelig beisammen, oder es 
kommt auch vor, dass eine schon völlig ausgewachsene Sporidie ihrerseits in eine ebensolche 
Sporidie auswächst, was dann aber nur an der Basis der ersteren, nahe an der Anheftungs- 
stelle, stattfindet. — Nicht selten legen sich zwei benachbarte Sporidien mit ihren bogen- oder 
hackenförmig gekrümmten Spitzen fest an einander (Taf. IV, Fig.7), ob aber dabei eine Copulation 
zu Stande kommt, kann ich mit Sicherheit nicht behaupten. Wie Fig. 7« zeigt, können auch 
die Sporidien an ihren Spitzen kleine Auswüchse treiben. Was aber aus diesen, sowie auch 
aus den vom Promycelium abgefallenen Sporidien weiter wird, müssen künftig anzustellende 


Kulturversuche entscheiden. Es wird sich wohl herausstellen, dass die ausgesäeten Sporidien in 


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feine Schläuche auswachsen und zu einer bestimmten Jahreszeit in die Nährpflanze (Juncus 
bufonius L.) eindringen. 

Nach allem hier eben über Sorosporium Junci Schr. Gesagten ist leicht zu ersehen, dass 
man diesen Pilz nicht in dieselbe Gattung mit Sorosporium Saponariae stellen kann, und dass er 
wohl als Repräsentant eines neuen selbständigen Genus betrachtet werden darf. Dieses neue Genus 
mag Tolyposporium (zoAönn, Knäuel), und die beschriebene Species Tolyposporium Junci heissen. 

c. Thecaphora hyalina Fingerh. (Taf. IU., Fig. 19—28.) — Dieser Brandpilz, der von 
manchen Mycologen !) auch zur Gattung »Sorosporium« gerechnet und unter dem Namen 
Sorosporium hyalinum beschrieben wird, unterscheidet sich von den übrigen Ustilagineen, erstens, 
durch die Sporenstructur und, zweitens, durch seine Keimungserscheinungen. Im Spätherbste 
(Octob. und Novemb.) 1880 stellte ich Aussaatversuche an mit Sporen von Thecaphora hyalina, 
forma Comvolvuli arvensis, die von G. Winter bei Zürich Mitte August desselben Jahres ge- 
sammelt und mir freundlichst zugeschickt waren. 2—2!z Wochen nach der Aussaat trat die 
Keimung dieser frischgeernteten Sporen ein. Aeltere Sporen derselben Thecaphora hyalina, die 
aus den verschiedensten Jahren und Gegenden herstammten, haben dagegen bei mir nie keimen 
wollen. Es wäre demnach anzunehmen, dass die Koimfähigkeit der Sporen von T’hecaphora 
hyalina nur von sehr beschränkter, kurzer Dauer ist. — Die ziemlich hellrostbraun gefärbten 
Sporenkörper sind aus mehreren Zellen (respective Sporen), die fest mit einander haften, zu- 
sammengesetzt (Taf. III, Fig. 19). Die Zahl der letzteren ist eine sehr verschiedene und 
variirt‘ zwischen 2 und 15, bis sogar 20; die am häufigsten auftretenden Sporenkörper sind 4 
bis 12-zellig, die 2—3-zelligen kommen dagegen in der Regel minder häufig und diejenigen, 
die aus 15—20 Zellen bestehen, seiten vor. Die einzelnen Zellen eines jeden Sporenkörpers 
stehen mit ebenen Flächen und scharfen Kanten unter einander in Berührung, wogegen ihre 
freie Aussenfläche immer abgerundet erscheint und mit stumpfen, stacheligen Auswüchsen des 
Exosporiums ziemlich dicht bedeckt ist. Das Auffallendste und charakteristische in der ganzen 
Structur der T’hecaphora-Sporen ist aber, dass in der Mitte der Aussenfläche jeder der ein- 
zelnen Zelle ein runder stachelloser, heller Fleck sich befindet, der nicht allein durch sein Aus- 
sehen, sondern auch durch seine Funktion den Keimporen der Uredosporen völlig entspricht. 
Beim Auskeimen wird nämlich das Exosporium gerade an dieser stachellosen Stelle von dem 
in einen ziemlich dicken Keimschlauch auswachsenden Endosporium durchbohrt (Fig. 20— 22). 
In dem farblosen, feinkörnigen und zuweilen auch vacuolenhaltigen Protoplasma, welches 


') Vergl. z. B. Dr. L. Rabenhorst’s Kryptogamen-Flora von Deutschland etc., bearbeitet von G. 
Winter. 2. Lieferung. 1881. p. 105. 


— 518 — 


aus der Spore in den Keimschlauch übergewandert ist, findet man in der Regel ein kernartiges 
Gebilde (n in Fig. 21, Taf. III). Hat aber der Keimschlauch eine etwas beträchtlichere Länge 
erhalten, so treten in ihm, anstatt einem, gewöhnlich 4 solcher Kerne auf. (Fig. 22, 23). Bei 
noch weiter fortdauerndem Längenwachsthum des Keimschlauches wird durch das Vorwärtsrücken 
des Plasmainhaltes das untere Ende des Fadens von unten nach oben zu protoplasmaleer, und 
dann wird der obere, längere protoplasmaführende Theil des Fadens von dem unteren, kürzeren 
protoplasmaleeren durch eine zarte Querwand abgetrennt (Fig. 23). Auf dem nämlichen Wege 
kann hier auch die Bildung einer zweiten (Fig. 24) und zuweilen sogar einer dritten Quer- 
wand entstehen. — Gleich darauf zerfällt der plasmaführende Theil des Fadens, den man auch 
mit dem üblichen Namen Promycelium bezeichnen kann, mittelst zarter Querwände in mehrere 
gewöhnlich in 5 gleichgrosse Abtheilungen. Wie sich dabei die hier vorher angeführten kern- 
artigen Gebilde verhalten, ist mir unklar geblieben; — nach der Gliederung des Promycelium- 
fadens sind dieselben jedenfalls nicht mehr wahrzunehmen. Dann fängt jedes dieser eben ent- 
standenen Fadenglieder, anstatt Sporidien zu bilden, wie es nach Analogie mit Tolyposporium 
und den meisten Ustilago-Arten zu erwarten war, in einen im Verbältniss zur Dicke des Pro- 
mycelium ziemlich feinen, unseptirten Keimfaden auszuwachsen (Taf. III., Fig 24—26). Diese 
Fädchen treten aus den Promyceliumgliedern in der unmittelbaren Nähe der zwischen diesen 
letzteren sich befindenden Querwände, und dabei entweder am oberen oder am unteren Ende 
jedes Promyceliumgliedes; jene wachsen aber immer aufwärts, diese dagegen abwärts (Fig. 24 
bis 26). Treffen sich nun zwei solche in entgegengesetzten Richtungen wachsende Keimfäden mit 
ihren Spitzen, so legen sie sich damit fest an einander und verwachsen oder copuliren (Fig. 
26). Bald nach geschehener Copulation treibt ein der eben copulirten Fäden unweit der Copu- 
lationsstelle seinerseits einen dünnen Keimschlauch (Taf. IH., Fig. 27). Dieser nimmt das 
ganze Protoplasma der beiden mittelst der Keimfädchen in Copulation gerathenen Promycelium- 
glieder in sich auf und wächst binnen kurzer Zeit in einen verhältnissmässig langen, septirten 
Faden aus, bei dem nur das endständige, gewöhnlich viel längere Glied mit Protoplasma erfüllt 
ist, während dagegen alle seine übrigen Glieder plasmaleer sind (Fig. 27). Dieses Endglied 
wächst entweder immer weiter gerade aus, oder treibt auch zuweilen einen seitwärtsgehenden 
Zweig aus. — Da in dem ganzen, eben geschilderten Prozesse von einer Sporidienbildung auch 
nie die mindeste Spur vorkommt, so scheinen wohl die aus den Promyceliumgliedern aus- 
wachsenden und copulirenden Fäden, jedenfalls ihrer Funktion nach, den Sporidien der übrigen 
Ustilagineen entsprechende Gebilde zu sein. Eine einigermassen ähnliche, von Dr. R. Wolff 


schon früher beschriebene und abgebildete Erscheinung findet bei Ustil«go destruens Schlecht. 


a 


und zum Theil auch bei Ustilago Carb Tul. statt. !) — Was die aus dem Promycelium 
ausgewachsenen Fädchen betrifft, die in Copulation aber nicht eintreten, so wachsen dieselben 
eine Zeit lang noch fort, bleiben dabei meistens unseptirt oder erhalten zuweilen auch ein oder 
zwei ganz zufällige Querwände, gehen aber dann in der Regel ohne Weiteres zu Grunde; in 
einigen Fällen sah ich aber einen solchen Faden lang emporwachsen, durch Querwände in 
mehrere Glieder sich theilen und dann wiederum feine Schläuche austreiben (Fig. 28). Solche 
und einige dergleichen andere Fälle treten aber nicht constant auf und sind wohl nur als Ab- 
normitäten zu betrachten. — Was aus dem langen Keimschlauche, welcher aus den Promycelium- 
fädchen in Folge ihrer Copulation entstanden ist, später wird, — ob er noch einigen weiteren 
Umänderungen unterliegt, oder ob, was ja auch möglich ist, bei der Inficirung der Nährpflanze 


sich direct betheiligt, das sind Fragen, die noch näher geprüft und untersucht sein müssen. 


Obgleich der Namen »Thecaphora« mir für diese hier eben beschriebene Ustilaginee 


eigentlich gar nicht zu passen scheint, so ist derselbe, weil einmal existirend, dennoch beizubehalten. 


Nach der Structur ihrer Sporen sind T’hecaphora deformans Dur. et Mntgn., Thec. affinis 
Schneid. und Thec. Lathyri Kühn entschieden der Thecaphora hyalina Fingerh. sehr ähnlich, der 
ganze Unterschied scheint nur in der Zahl, Grösse und Anordnung der die Sporen bedeckenden 
Borsten oder Stacheln, sowie auch in der Zahl der den Sporenkörper zusammensetzenden 
Zellen zu liegen. Ob aber alle diese verschiedenen Formen wirklich völlig identisch sind und 
zu ein und derselben Species gerechnet sein können, wie es G. Winter thut, 2) kann, glaube 
ich, nur erst dann definitiv festgesetzt werden, wenn wir über die Entwickelungsgeschichte und 
die Sporenkeimung dieser Formen überhaupt etwas Näheres kennen werden. — Die mir 'aus 
dem privaten Herbarium von Herrn F. Baron Thümen unter dem Namen Sorosporium Astra- 
gali Peck und Sorosporium Desmodii Peck zur Ansicht zugekommenen Formen 3), müssen auch, 
der Sporenstructur nach, unstreitig der Gattung Thecaphora angehören. 

d. Sorosporium Aschersonii Ule (Taf. IV., Fig. 12—18) und Sorosporium Magnusii Ule 
(Taf. IV., Fig. 19—26). — Dass diese beiden Pilze nicht zur Gattung »Sorosporium« ange- 


hören, hat schon G. Winter *) ganz richtig eingesehen, dagegen hat er Unrecht, sie für 


) Dr. R. Wolff: Der Brand des Getreides, seine Ursachen und seine Verhütung. Halle. 1874. S. 7—9 
Taf. I. A. und B. 

?) Dr. L. Rabenhorst’s Kryptogamen-Flora ete., bearbeitet von G. Winter. 2. Lief. 1881; p. 105. 

°) Diese beiden Ustilagineen waren im Herbarium von f. v. Thümen mit folgenden Etiquetten begleitet: 
a) Sorosporium Astragali Peck n. sp. in Botanical Gazette 1879. IV. p. 218. Colorado. U. S. A. in Astragalo 
Drumondii. leg Jones. und b) Sorosporium Desmodiü Peck. f. Desmodii. New-Yersey. 

Ne. p. 87, 


— 580 — 


identisch zu halten und sie zur Gattung Ustilago unter den gemeinsamen Speciesnamen Ustilago 
Magnusiü zu stellen. Ihrem Auftreten und äusseren Aussehen nach haben beide Formen aller- 
dings unter einander grosse Aehnlichkeit. Die eine, Sorosporium Aschersonit, bildet Anschwel- 
lungen verschiedener Form und Grösse an den Wurzeln und Stengelbasen von Helichrysum 
arenarium De., während die andere, Sorosporium Magnusii, ebensolche unregelmässige Aus- 
wüchse an den Stengeln und Wurzeln von Gnaphalium luteo-album L. hervorruft. Wendet man 
sich aber zur näheren Betrachtung beider Pilze und besonders zur Structur ihrer reifen Sporen, 
so ersieht man schon auf den ersten Blick, dass dieselben keiner einzigen der bis jetzt be- 
schriebenen typischen Ustilago-, sondern viel eher den bekannten Zntyloma-Arten sich nähern, 
was durch die Keimungsversuche sich denn auch wirklich bestätigt hat. Meine Aussaaten haben 
ausserdem gezeigt, dass die beiden von Ule unterschiedenen Arten nicht, wie es Winter 
glaubt, identisch, sondern wirklich zwei wenngleich auch sehr nahe stehende, dennoch verschie- 
dene Pilzformen sind. Dieselben müssen demnach unbedingt wiederum umgetanft -werden und 
sollen von nun an Entyloma Aschersoni, resp. Entyloma Magnusii heissen. Der Unterschied 
in den Sporen dieser beiden Entyloma-Arten ist in der That ein sehr geringer und beschränkt 
sich eigentlich blos auf ihre Grössen® und Farbenverhältnisse. Die Sporen von Entyloma 
Aschersonii (Taf. IV., Fig. 12) sind, worauf auch G. Winter schon aufmerksam macht, etwas 
kleiner und intensiver gefärbt als diejenigen von Entyloma Magnusü (Taf. IV., Fig. 19.) In 
allem Uebrigen sehen sich dagegen die Sporen dieser beiden Pilzformen sehr ähnlich aus. Die- 
selben sind nämlich wie diejenigen der meisten anderen Zniyloma-Arten mit einer aus zwei 
Lagen bestehenden Membran versehen, von denen die innere nur mässig und dabei überall 
gleich dick ist, die äussere Lage dagegen meistens stark und unregelmässig verdickt und 
nicht selten dazu zartgeschichtet erscheint. Der Inhalt der Sporen ist ein farbloses, körniges 
und fettreiches Plasma, in welchem ein centraler heller Fleck vorhanden ist. — Wenn, wie 
eben gezeigt worden ist, zwischen den beiden hier in Rede stehenden Pilzen, ihrer Sporen- 
structur und äusseren Merkmalen nach, auch nur ein sehr geringer Unterschied obwaltet, so 
tritt ein um desto beträchtlicherer bei den Keimungsvorgängen ein. 

Bei Entyloma Aschersonü (Taf. IV., Fig. 12—18) reisst bei der Keimung die äussere, 
dickere Lage der Sporenmembran spaltenförmig auf, die innere dünnere Lage wird dagegen 
durch den austretenden Keimschlauch eng perforirt (Fig. 12—14). Dieser letztere wird zu 
einem Promycelium, welches recht bald durch eine zarte Querwand in zwei, gewöhnlich fast 
gleich lange Glieder sich theilt (Fig. 12). Während nun das untere Glied an seinem oberen 


Ende, unmittelbar unter der Querwand, einen seitwärts ausgehenden und, so viel ich aus meinen 


— 581 — 


Aussaaten ersehen konnte, keinen besonderen Zweck erreichenden Keimfaden austreibt, ver- 
längert sich das obere Promyceliumglied. noch etwas, stellt aber sein Weiterwachsen bald ein, 
um an seinem stumpf-abgerundeten Scheitel in zwei fast rechtwinkelig divergirende Aestchen 
auszuwachsen (Fig. 14). In dem Maasse, als diese Aestchen sich vergrössern, schreitet das 
farblose, feinkörnige Protoplasma-Inhalt aus dem oberen Promyceliumgliede. in sie über, und in 
Folge dessen wird dieses letztere von unten nach oben zu allmählich protoplasmaleer. Diese 
zwei, am Promyceliumscheitel sitzenden Aestehen haben gewöhnlich eine cylindrisch-spindel- 
förmige Gestalt und entsprechen den Wirtelästchen (oder Sporidien) ‚der übrigen Entyloma- 
Arten, unterscheiden sich aber von jenen nicht allein durch ihre geringere Zahl, sondern. noch 
dadurch, dass, während bei den übrigen Entyloma-Arten die Wirtelästchen meistentheils mit 
einander paarweise copuliren, hier, bei Entyloma Aschersoniü, eine Copulation nie auftritt. 
Eines der beiden Aestchen wächst dagegen an seiner Spitze ohne Weiteres in einen Faden 
aus (Fig. 16), der an einem kleinen Seitenzweiglein eine ziemlich lange, spindelförmige, leicht 
abfällige Sporidie abschnürt. In der Art des Auswachsens und weiteren Verhaltens der beiden 
Wirtelästchen, sowie auch in der Bildung der Sporidien, herrscht keine strenge Regelmässig- 
keit. Die in den Figuren. 15 und 1 (Taf. IV.) dargestellten ‚Beispiele kamen in meinen Aus- 
saaten am häufigsten vor. Nicht selten erhalten die aus den Wirtelästchen auswachsenden 
Fäden eine beträchtliche Länge und werden durch zarte Querwände in mehrere Glieder getheilt, 
wobei von diesen letzteren bloss eins oder ‚höchstens zwei plasmaführend, alle übrigen dagegen 
plasmaleer sind. Die mit Plasma erfüllten Glieder treiben ihrerseits Fäden aus, an deren Spitzen 
Sporidien abgegliedert werden (Fig. 17 und 17a). Die abgefallenen, ziemlich langen, ‚schmalen 
Sporidien (Fig. 18) sind, wie schon erwähnt, spindelförmiger Gestalt; in ihrem farblosen Plasma- 
inhalte ist gewöhnlich in der Mitte der Spindel ein kleiner, runder, heller Fleck (Vacuole oder 
Kern) wahrzunehmen. Einige Stunden in Wasser gelegen, kann eine jede der abgegliederten 
Sporidien in einen dünnen Keimschlauch auswachsen (Fig. 18a), mittelst welchem der Pilz 
aller Wahrscheinlichkeit nach in die Nährpflanze eindringt. 

In der nämlichen Weise, wie bei Zintyloma, Aschersonii, wächst auch aus der .keimenden 
Spore von Entyloma Magnusii (Taf. IV, Fig. 20--24) ein Promyceliumschlauch hervor, der 
sich aber dadurch von demjenigen der. Einiyloma Aschersonii unterscheidet, dass er, erstens, 
nie einen Seitenspross austreibt und, zweitens, an seinem abgerundeten Scheitel nicht 2, sondern 
immer 3 (in höchst seltenen, wie mir, scheint abnormen Fällen auch 4 [Fig..23.]) Wirtelästchen 
trägt. Diese letzteren wachsen dann, ebenfalls ohne jegliche vorhergehende Copulation, in 


einfache, unverzweigte Fäden, die manchmal ziemlich lang werden können und an ihren Spitzen 
Abhandl. d. Senckenberg. naturt. Ges. Bd. XII. 78 


Er ae 


mehrere, meistens zu 2 oder 3, beisammensitzende, ganz eigenthümliche, hirschgeweihartig 
verzweigte Sporidien abschnüren (Fig. 24, 25). — Die junge, schmale, noch nicht völlig aus- 
gewachsene Sporidie ist anfangs gerade gestreckt, hat demnach mehr oder minder spindelförmige 
Gestalt (sp. Fig. 22), erhält aber bald in der Mitte eine leichte Einbiegung, die beim allmählichen 
Heranwachsen der Sporidie immer stärker auftritt; gleichzeitig damit wird die Sporidie an ihren 
beiden Enden sehr fein, fast nadelförmig zugespitzt, und aus der convexen Seite des gekrümmten 
Sporidienkörpers wachsen 1 oder 2 pfriemenförmig zugespitzte Aestchen empor, wodurch die 
geweihartige Gestalt der Sporidie zu Stande kommt. In solchen Sporidien, die einige Zeit 
im Wasser gelegen haben, treten nicht selten 2 bis 3 zarte Querwände auf (Fig. 25.); zuweilen 
entsteht aber auch eine ebensolche zarte Querwand in einem der pfriemenförmigen Aestchen, 
und dieses letztere kann dann an seiner Spitze eine kleinere ebenfalls verzweigte, secundäre 
Sporidie von sich abschnüren (Fig. 25). 

Schliesslich sei nun noch bemerkt, dass die Sporen der beiden eben geschilderten 
Entyloma-Arten ihre Keimfähigkeit mehrere Jahre hindurch bewahren können. Die zu meinen 
im December 1880 und im Januar 1881 angestellten Aussaaten angewendeten Sporen stammten 
aus dem Jahre 1877 (ich entnahm dieselben aus der Zopf-Sydow’schen Mycotheca marchica, 
No. 35 und No, 48), waren demnach 3'/s Jahre alt. — Die Keimung trat ein nachdem diese 
Sporen 3 Wochen im Wasser gelegen hatten. — Es ist wohl anzunehmen, dass die Keimkraft 
bei diesen beiden Entylomen noch länger als 3%’ Jahre fortdauern kann, einen guten, sicheren 
Schutz gegen vollständige und rasche Eintrocknung besitzen ja diese Sporen in ihrer äusseren 
dicken Membran. 

e. Entyloma Eryngii de Bary (Taf. IV, Fig. 9—11). — Die Keimung von Entyloma 
Eryngüi ist schon hinlänglich von de Bary beschrieben und abgebildet worden'). Bei den 
von ihm im Januar und Novem ber (1873) angestellten Aussaatversuchen trat von Sporidien- 
bildung niemals auch nur eine Andeutung auf. Bei den Aussaaten dagegen, die ich mit ganz 
frischen Sporen, in den ersten Tagen von Juli (1879) anstellte, erhielt ich auch die Sporidien- 
bildung. Nach der Copulation wachsen die Wirteläste, wie es auch de Bary angiebt, zu sehr 
langen, meistens leicht undulirten Keimschläuchen aus, und an den Enden dieser Fäden sah 
ich zuletzt die Sporidienbildung eintreten. Die Sporidien selbst werden entweder an den Enden 
der Fäden oder an kleinen, kurzen Seitenzweiglein abgeschnürt. Dieselben ragen aus dem 


Wassertropfen in die Luft empor, und sind, wie die beiliegenden Fig. 9—11 zeigen, ziemlich 


ı) A.de Bary: »Protomyces mierosporus und seine Verwandten«. — Botanische Zeitung. Jahrg. XXXII 
(1874.) 


—, 583. — 


lang, erhalten demnach die bei der Gattung Entyloma so oft auftretende schmale, spindel- 
förmige Gestalt. Wie diese Sporidien keimen und in ihre Nährpflanze eindringen habe ich 
leider nicht erforschen können. 

f. Melanotaenium endogenum de Bary (Taf. IV, Fig. 27—35). — Diese in Gakum 
Mollugo, selten auch in @. verum vegetirende und früher unter dem Namen Protomyces endogenus 
Unger und Protomyces Galii Rabh. bekannte Pilzform ist von de Bary in die Familie der 
Ustilagineen mit (?) eingereiht worden. Um jeden Zweifel über die richtige Stellung dieses Pilzes 
im System zu beseitigen, war es nöthig die Keimung der Sporen aufzufinden. Im Jahre 1879 
ist es mir geglückt dieselbe abzupassen. Das Material zu meinen Aussaaten sammelte ich 
Ende Juni; die Keimung trat erst Ende October und Anfang November ein, und ich bin geneigt 
anzunehmen, dass sie auch immer gerade um diese Jahreszeit geschieht, denn überwinterte, 
d. h. bis zum Frühjahre 1880 aufbewahrte Sporen haber sich alle als unkeimfähig erwiesen. — 
Was das Mycelium von Melanotaenium anbelangt, so habe ich zu dem, was A. de Bary hier- 
über angegeben hat, nur eins zuzufügen. Die Myceliumfäden, die, wie es de Bary in seiner 
Abhandlung!) auch anführt, immer streng intercellular sind, besitzen nämlich und zum Theil 
sogar massenweise schön entwickelte Haustorien, die ins Innere der Zellen eindringen. Dieselben 
sehen denen der Tuburcinia Trientalis ähnlich, sind aber hier viel üppiger entwickelt und 
erscheinen daher in Form von traubenartigen Körpern, die zuweilen so gross werden können, 
dass sie ein Drittel bis sogar fast die Hälfte der Zelle einnehmen (Fig. 27, Taf. IV). Für 
das Uebrige über die Bildung und Structur der Sporen von Melanotaenium endogenum verweise 
ich den Leser auf die eben eitirte Arbeit von A. de Bary und meine hier beiliegenden Ab- 
bildungen (Taf. IV, Fig. 27, 28). — Der Keimung nach ist Melanotaenium endogenum, wie 
de Bary2?) auch schon ganz richtig vermuthet hat, am nächsten mit der Gattung Entyloma 
verwandt. Durch die äussere, dunkelbraune, unregelmässig aufreissende Sporenmembran wächst, 
beim Eintreten der Keimung, die farblose innere Membran (das Endosporium) in einen Keim- 
schlauch — das Promycelium — aus (Taf. IV, Fig. 30, 31). Dieses letztere ist anfangs immer gabelig 
verzweigt, hat nämlich zwei Aussackungen, von denen aber nur die eine sofort zum Promy- 
celiumfaden auswächst, während die andere ihr Weiterwachsen einstellt, um dann später an der 
Basis des ausgebildeten Promyceliums, in Form eines blinden, völlig leeren Anhängsels zu er- 


scheinen. Der ganze, farblose, mit sehr vielen Fettkörnchen versehene Protoplasmainhalt 


!) A. de Bary: »Protomyces und Physoderma« in Beitr. z. Morph. und Physiol. der Pilze I. Reihe. 
Frankfurt 1864. p. 19. " 
?) A. de Bary: »Protomyces microsporus und seine Verwandten« Botan. Zeit XXXII (1874). 


ee 


wandert aus dem Sporenraum, wie auch 'aus diesem sackigen Anhängsel in den Promycelium- 
faden über (Fig. 30—32). Der ‚grosse, helle, kreisförmige Kern (oder Vaecuole?), den man 
schon im Inhalte jeder reifen Spore durchschimmern sieht, wird auch mit fortgeschleppt und 
in dem Promyceliumfaden wahrgenommen, so lange der letztere noch im Wachsthum- begriffen 
ist. — Die Länge des ausgewachsenen Promyceliums ist sehrverschieden. Die kürzesten Promycelien, 
die nur bis auf die 3—4-fache Länge des Sporendurchmessers sich strecken, besitzen gewöhn- 
lich nur eine Querwand, mittelst‘ welcher der kleinere, obere, plasmaführende Theil des 
Promyceliumfadens von- dem längeren, unteren, plasmaleeren abgetrennt wird (Fig. 33, 34); 
werden dagegen die Promycelien beträchtlich länger, was im Ganzen auch öfters geschieht, so 
entstehen in denselben mehrere (Fig. 35) bis viele Querwände, wodurch der plasmaleere Theil 
in mehrere, meistens ungleich grosse Glieder getheilt wird. — Die Zahl der Wirteläste, die 
an dem stumpf abgerundeten Scheitel des Promyceliums sich entwickeln, variirt zwischen 4 und 7. 
Die unter den Wirtelästen eintretende Copulation ist entweder basal oder apical (Fig. 33, 34); 
dieselbe kann aber, was bei Eniyloma') auch ja zuweilen vorkommt, ganz wegbleiben. — Eine 
Sporidienbildung an den Wirtelästen habe ich bei Melanotaenium endogenum in den von mir 
angestellten Aussaaten nie auffinden können, dagegen öfters gesehen, wie die Wirteläste nach 
oder auch ohne jede vorhergehende Copulation’ direct zu einem langen, einfachen oder ver- 
zweigten vielseptirten Keimschlauch auswachsen, in welchem nur das oberste Glied plasma- 
führend, ‘alle übrigen dagegen plasmaleer sind (Taf. IV, Fig. 35). — Was weiter hierauf folgt 
habe ich leider nicht entscheiden können. — Für Melanotaenium endogenum würden demnach 
die Fragen noch zu entscheiden sein, wann und wie der Pilz in die Nährpflanze eindringt 
und ob die:Sporidienbildung hier constant wegbleibt oder ob dieselbe nicht durch äussere Ur- 


sachen dennoch bedingt und hervorgerufen werden könnte. 


I. ) 


Alles eben Mitgetheilte zeigt, dass die Kenntniss der Keimungsprocesse für die Gruppirung 
der Ustilagineen wichtige Merkmale zu den bisherigen hinzufügt. Ordnet man die Ustilagineen 
nach denselben, was vielleicht den natürlichen Verwandtschaftsbeziehungen der Genera am 


meisten entspricht, so stellt sich folgende Uebersicht heraus: 


!) Vergl. A.-de-Bary.|.c, 


— 589 —., 


Familie: TUstilagineae. 


I. Bei der Kere findet keine Sporidienbildung statt. 

a. Die Sporen treiben lange, vielgliederige Keimschläuche. Dieselben bleiben entweder 
einfach und unverzweigt oder deren ‚oberes plasmaführende Endglied erhält mehrere 
seitliche, unregelmässig vertheilte Verzweigungen. Das unverzweigte, allein inhalts- 
reiche Endglied kann zuweilen von dem übrigen plasmaleeren Theile des Keim- 
schlauches sich lostrennen und eine Zeit lang selbstständig noch weiter fortleben. 
1. Sorosporium.. Rudolphi. 

S. Saponariae. Rudolphi. 

b. Die. Keimschläuche haben ein begrenztes Wachsthum, sind demnach Promycelien zu 
nennen. Dieselben sind gegliedert, anstatt aber Sporidien zu bilden, treiben sie 
Keimfäden, die gewöhnlich in entgegengesetzte Richtungen wachsen und mit ihren 
Spitzen in Copulation. eintreten, und erst nach dieser wächst der eigentliche Keim- 
schlauch aus. 

2. Thecaphora. Fingerh. 
T. hyalina. Fingerh. 
II. Das Promycelum theilt sich durch Querwände in mehrere Glieder, von denen jedes 
eine oder mehrere Sporidien abschnürt. 
3. Ustilago Link (Persoon. Tulasne). 
Ich führe hier nicht alle die unzähligen dazu gerechneten Arten. ° Man findet 
sie Alle aufgezählt in den Arbeiten von A. Fischer v. Waldheim und in 
anderen dergleichen ‚mycologischen systematischen Werken. 
4. Schizonella. Schröter (in Cohn’s Beitr. z. Biol. d. Pf. II. Bd. p. 362.) 
Sch. melanogramma Schr. (DC.) ' 
5. Tolyposporium mihi. 
T. Junei (Syn. Sorosporium Junci Schr.) 


III. Am Scheitel des Promyceliums bildet sich ein Wirtel von mehreren (2—8), gewöhnlich 
spindelförmigen Aestchen, auch »Sporidien« genannt. Dieselben treten gewöhnlich 
paarweise in Copulation; — diese leztere kann aber zuweilen auch ganz wegbleiben. 
Nach geschehener oder auch ohne vorhergehender Copulation wachsen die Wirteläste 
entweder zu secundären Sporidien oder direct zu langen, einfachen oder verzweigten, 
dünnen Keimfäden aus. 


6. Tilletia Tulasne. 
Die verschiedenen Arten dieser Gattung sind ebenfalls bei F.v. Waldheim etc. 
nachzuschlagen. 
7. Entyloma. de Bary. 
Zu den früher bekannten und beschriebenen Zntyloma-Arten sind jetzt noch zwei 
neue Arten hinzuzufügen: E. Aschersonü und E. Magnusi. 
8. Melanotaenium. de Bary. 
M. endogenum. de Bary. 
Könnte vielleicht jetzt mit Zintyloma vereinigt werden, da es aber noch fraglich 
ist, ob bei diesem Pilze jemals Sporidien gebildet werden und da ausserdem 
seine Sporen sich von denen der Entyloma nicht nur durch ihre Färbung, sondern 
auch durch ihr Auftreten in der Nährpflanze sogleich unterscheiden lassen, ziehe 
ich vor, dieses Genus noch aufrecht zu erhalten. 
9. Schröteria. Winter (in Dr. L. Rabenhorst’s Kryptogamen-Flora von Deutschland 
ete. I. Bd., bearbeitet von Dr. G. Winter. 1881. p. 117). 
Schr. Delastrina. Winter (Syn. Geminella Delastrina. Schröter). 
10. Urocystis. Rabenhorst. 
Bis jetzt ist die Keimung nur bei folgenden 4 Arten beobachtet worden: Ur. 
occulta Rab. (Wallroth) 1), Ur. pompholygodes Rab. ?), Ur. Violae F. v. Wald. 
(Sow.) ?) und Ur. primulicola P. Magnus #), 
Es ist wohl anzunehmen, dass auch die übrigen Urocystis-Arten in der nämlichen 
Weise auskeimen. — Was Ur. Corydalis Niessl (in Thümen, Mycoth. 1626) an- 
belangt, so ist die Bemerkung, die G. Winter dazu gegeben hat?), eine ganz 
richtige. Dieser Pilz ist kein Urocystis; er hat viel mehr Aehnlichkeit mit 
Entyloma, ist dabei aber von E. Corydalis de Bary sehr verschieden. Die 
Keimung allein kann und muss entscheiden, was es für ein Pilz ist, jedenfalls 
kann derselbe aber nicht der Gattung Uroecystis angehören. 
') J. Kühn. Krankheiten d. Kulturgewächse 1858. — A. Wolff. Botan. Zeitung 1873. 
2) A. Fischer v. Waldheim. Jahrb. f. wissenschaftl. Botanik. 1869 -70. 
®) E. Prillieux. An. d. Se. natur. Serie 6, tom. X. (1880). p. 49. 
*) Die Keimung von Urocystis primulicola P.M. ist von Dr. R. Pirotta im Sommer 1880 im Botanischen 
Institut der Strassburger Universität beobachtet worden. — R. Pirotto, »Sulla struttura e sulla germinazione 
delle spore del Sorosporium (?) primulicola (Magn.)‚« in Nuovo Giornale botanico Italiano. 


Vol. XII. 12 Luglio 1881. No. 3. 
Srlweanlls: 


=D 


11. Tubureinia. Fries. 
T. Trientalis Berkeley et Broome. 
IV. Keimung unbekannt. 
In diese temporäre Gruppe stelle ich alle übrigen bis jetzt aufgestellten, aber in 
Hinsicht der Keimung noch nicht erforschten Arten der Gattungen Sorosporium Rudolphi 
und Thecaphora Fingerh., sowie auch die Gattung 
12. Yossia Thümen (in Oesterr. botan. Zeitschrift 1879, Nr. 1). 
V. Moliniae Thüm. — G. Winter (l. c. p. 109) stellt die V. Moliniae zur 
Gattung Tilletia. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel I. 


(Fig. 1 in natürl. Grösse, Fig. 2 bei 90-, Fig. 11 bei 160-, Fig. 3, 6 und 7 bei 320- und Fig. 4, 5, 8-10 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 


1. 


co 


bei 520facher Vergrösserung gezeichnet.) 

Sämmtliche Figuren von Tubureinia Trientalis. h 
Eine in den ersten Tagen des Juni gesammelte, durch Tuburcinia befallene Trientalis-Pflanze. Die 
untere Fläche der Blätter ist mit den Conidien des Pilzes bedeckt. — Von den im Rindenparenchyme 
(vergl. Fig. 2 auf Taf. II.) eingelagerten und durch die Epidermis durchschimmernden schwarzen 
Sporenballen erhält der Stengel der erkrankten Trientalis-Pflanze ein etwas rauhes, schwarzmarmorirtes 
Aussehen. 
Ein Theil eines Querschnittes durch ein noch ziemlich junges Trientalis-Blatt, dessen Lamina auf 
der unteren Fläche mit den Conidienträgern bedeckt ist. 
Ein kleinerer Theil eines ebensolchen Schnittes. Aus der Blattlamina drängen sich zwischen den 
Epidermiszellen Pilzfäden hervor, von denen einige direct zu Conidienträgern auswachsen, andere 
aber sich umbiegen um auf der Blattfläche umherzukriechen. 
und 5. Stückchen abgezogener Epidermis, an welchen man sieht, wie die Tuburcinia-Fäden, theils 
durch die Spaltöffnungen (Fig. 4), theils aber auch zwischen den Epidermiszellen (Fig. 5), sich auf 
die Blattfläche hervordrängen. m Myceliumfäden, h Haustorien, k und %’ zwei Conidienträger, von 
denen der eine (%’) die Conidie schon abgeworfen hat. 
Reife, eben abgefallene Conidien. 
In feuchter Atmosphäre, auf einer Glasplatte, auskeimende Conidien. Drei von ihnen wachsen in 
verticalstehende Fruchtträger, an deren Spitze secundäre Conidien abgeschnürt werden. 
In einem Wassertropfen keimende Conidien. Die Keimung geht gewöhnlich sehr rasch vor sich; 
nicht selten tritt dieselbe ein schon 1!/s—2 Stunden nach der Aussaat. Höchst selten wächst der 
Keimschlauch aus dem breiten, erweiterten Ende der Conidie, wie es & darstellt. 
In Wasser ausgekeimte Conidien ungefähr sechs Stunden nach der Aussaat. 


. Ein Stückchen der Epidermis einer oberen Blattfläche von Trientalis, auf welcher Conidien ausgesäet 


waren. Man sieht wie 4 Conidienkeime in die Nährpflanze, zwischen den Epidermiszellen, eindringen. 


Tafel LU. 


(Fig. 1 in natürl. Grösse, Fig. 2 bei 90-, Fig. 10—14 bei 320-, Fig. 3, 4, 8, 15—19 und 21 bei 520- und 


Fig. 


1. 


Fig. 5—7, 9 und 20 bei 620facher Vergrösserung gezeichnet.) 
Sämmtliche Figuren von Tuburecinia Trientalis. 
Eine von Tubureinia bewohnte, im Spätsommer aufgesammelte Trientalis-Pflanze. 


Fig. 2. Theil eines Querschnittes durch den Stengel der in Fig. 1 der Taf. I abgebildeten Pflanze. 
Fig. 3 und 4. Mit Haustorien (R) versehene Fäden des intercellularen Myceliums. 
Fig. 5—14. Entwickelung der vielzelligen Sporenballen von ihren allerjüngsten Anlagen an bis zu den aller- 


entwickeltsten, fast reifen Zuständen. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


—. 589 — 


ig. 15. Völlig reifer und schon ausgekeimter Sporenkörper nach einer längeren Behandlung mit Kali und 


Glycerin. 


. 16—18. Keimende Sporenkörper. Fig. 18 blos mit einem, F%g. 17 mit sieben und Fig. 16 mit elf Keim- 


schläuchen oder Promycelien. 


. 19. Zwei normal ausgewachsene Promycelien. 
. 20 und 21. Promycelien, die beim Auskeimen in Dunkelheit sich entwickelt haben. 


Tafel III. 


Fig. 2, 48, 5y, 6a, 68 und 7 sind bei 620-, alle übrigen bei 520facher Vergrösserung abgezeichnet. 


Fig. 1-12. Tubureinia Trientalis. 


. 1. Keimender Sporenkörper mit 5 Promycelien. 
ig. 2. Vier, von ihren Promycelienfäden abgefallene Basidialzellen. Zwei derselben sind blos mit 4, jede 


der zwei übrigen dagegen mit 8 Wirtelästen (primären Sporidien) versehen. 

3. Zwei abgefallene Basidialzellen, von denen die eine (a) sechs, die andere (b) sieben Wirteläste trägt. 
Einige Wirteläste fangen an auszukeimen. In b ist zwischen 2 Wirtelästen eine basale Copulation 
deutlich wahrzunehmen, während ein anderer Wirtelast an seiner Spitze eine schon völlig entwickelte 
secundäre Sporidie aufrecht trägt. 


. 4. Zwei Basidialzellen in etwas späteren Entwickelungsstadien. In «& findet basale Copulation blos an 


einem Wirtelastpaare statt; jeder der übrigen drei Wirteläste wächst direct zu einer secundären 
Sporidie aus. — In $ sind von den sieben primären Sporidien (Wirteläste) sechs durch Copulation 
paarweise verbunden und jedes dieser drei Paare trägt eine secundäre Sporidie, während die siebente 
primäre Sporidie direct in die vierte secundäre Sporidie auswächst. 


.5.° Drei Basidialzellen mit Wirtelästen, die ohne vorhergehende Copulation in secundäre Sporidien aus- 


wachsen. In y ist ausnahmsweise einer der Wirteläste ungemein lang ausgewachsen. 


ig. 6. Basidialzellen, von denen fast alle Wirteläste schon abgefallen sind. In & sitzen auf der Basidial- 


zelle nur noch 4, durch basale Copulation paarweise verbundene Wirteläste; in $ sitzt nur noch ein 
solches Paar. In 5 finden sich 3 primäre Sporidien, die alle 3 mit einander durch basale Copulation 
in Verbindung stehen. 

Ein apical copulirendes Wirtelastpaar, welches vom Basidium eben abgefallen ist. 


1 


. 8. Basidialzellen, die von ihren Wirtelästen degarnirt sind. Die Insertionsstellen sind noch deutlich zu 


sehen. In b sitzt noch eine der Sporidien auf. — c, d und e sind Basidialzellen, die nach dem Ab- 
fallen der primären Sporidien in feine Keimschläuche auswachsen. 

9. Primäre abgefallene Sporidien, die auskeimen und secundäre Sporidien bilden. 

10. Ebensolche mit secundären (se. sp.) und tertiären (ter. sp.) Sporidien. 

11. Tertiäre abgefallene Sporidien, die in feine Keimschläuche auswachsen. Zwischen diesen letzteren 
tritt zuweilen eine Copulationserscheinung (@) ein. 

12. Primäre Sporidie, die gleichzeitig eine secundäre Sporidie bildet und einen Keimschlauch austreibt. 


Fig. 13—18. Sorosporium Saponariae. 

13. Reifer vielzelliger Sporenknäuel von Sorosporium Saponariae, forma Saponariae officinalis. 

14. Einzelne Sporen eines solchen Knäuels. 

15. Reife Sporenknäuel von Sorosporium Saponariae, forma Lychnidis dioicae. 

16.. Einzelne Sporen aus denselben. 

17. Keimende Sporen. 

18. Plasmaführende Schlauchzellen, die nebst einem oder zweien der hinter ihnen sich befindenden 
plasmaleeren Glieder von dem übrigen unteren Theile des Keimfadens sich losgetrennt haben und, 
im Wassertropfen weiter fortlebend, an ihren Spitzen eine Zeit lang in die Länge wachsen. 


Abhandl. d. Senckenb. naturf. Ges. Bd. XII. R 79 


Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 


Fig. 


— 3) — “ 


Fig. 19—28. Thecaphora hyalina. 


19. Reife mehrzellige Sporenkörper. 
20—23. Auskeimende Sporen: Fig. 20 der erste Anfang der Keimung; Fig. 21 in dem farblosen, fein- 


körnigen Protoplasma der beiden hier ausgewachsenen Keimschläuche ein kernartiges Gebilde n. In 
den beträchtlich schon länger gewordenen Keimschläuchen (Fig. 22 und 23) treten, anstatt einem, 
vier Kerne auf. 3 


24—26. Weiter vorgerückte Keimungszustände. Der plasmaführende Theil eines jeden Keimschlauches 


(des Promyceliums) hat sich durch zarte Querwände in fünf fast gleichgrosse Zellen getheilt. Jede 
dieser fünf Zellen treibt einen feinen, unseptirten Keimfaden. In Fig. 24 wachsen diese Fädchen 
alle in aufwärtsgehender Richtung; in Fig. 25 vier wachsen aufwärts und blos einer abwärts; in 
Fig. 26 zwei Fädchen gehen rückwärts und die übrigen drei aufwärts. In Fig. 25 und 26 treten 
die in entgegengesetzten Richtungen wachsenden Fädchen in Copulation ein. — x in Fig. 26 ist ein 
in seiner Entwickelung gehemmter Keimschlauch. 


27. Noch weiter vorgeschrittene Keimung. Einer der beiden copulirten Fäden wächst, unweit der Copu- 


lationsstelle, in einem langen, septirten Faden aus; bei diesem letzteren ist nur das endständige, ge- 
wöhnlich viel längere Glied mit Protoplasma erfüllt. 


38. Vielzelliger Promyceliumfaden mit sechs aus ihm auswachserden Keimfädchen, von denen 2 Paare in 


Copulation treten, die übrigen 2 Fädchen dagegen eine abnorme Entwickelung zeigen. 


Tafel IV. 


(Fig. 7 ist bei ungefähr 700-, alle übrigen Figuren dagegen bei 520facher Vergrösserung gezeichnet.) 


Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


ww 


68: 


.9 
.. 11. Abgefallene Sporidien. 


Fig. 1—8.. Tolyposporium Junci. 
Ein kleiner, blos aus 5 Sporen bestehender Sporenknäuel. 
Zwei einzelne Sporen. 
Sporenknäuel, der nur aus 3 Sporen besteht. Eine dieser Sporen treibt einen Keimschlauch, in dessen 
Protoplasma 8 kleine, runde, von einander ziemlich gleichweit entferute, kernartige Gebilde auftreten. 
Ein viel grösserer Sporenknäuel,-der auch nur einen Keimschlauch austreibt. Der letztere ist durch 
zarte Querwände in 8 kleine, gleichlange Glieder getheilt, in jedem dieser liegt in der Mitte ein Kern. 
und 6. Weiter vorgerückte Keimung. Von jeder Zelle des Sgliederigen Promyceliums werden Sporidien 
abgeschnürt. Anfangs sitzen dieselben am Promycelium ganz vereinzelt, nur in geringer Zahl (Fig. 5); 
später erscheinen sie in viel grösserer Anzahl und bilden dann gewöhnlich rund um den Faden herum, 
in der Nähe der die einzelnen Glieder trennenden Querwände, quirl- oder knäuelartige Anhäufungen (Fig.6). 
Enden zweier Promyceliumfäden, bei einer etwas stärkeren Vergrösserung betrachtet. Nebeneinander 
sitzende Sporidien, die dabei bogen- oder hakenförmig gekrümmt sind, legen sich nicht selten mit 
ihren Spitzen fest aneinander (vielleicht eine Copulation?). — « — Sporidien, die an ihren Spitzen 
kleine fädige Auswüchse treiben. 
Abgefallene Sporidien. 
Fig. 9-11. Entyloma Eryngü. 
und 10. Sporidienbildung bei Zintyloma Eryngü (Man vergl. hierüber den Text). sp. — Sporidien. 


Fig. 12—18. Entyloma Aschersonü. 


. 12. Zwei reife Sporen, von denen die eine in einen Keimschlauch ausgewachsen ist. Dieser durch eine 


zarte Querwand in zwei fast gleichlange Glieder getheilt. 


. 13. Das obere Glied des Promyceliums hat sich verlängert, der Plasmainhalt ist in demselben nach oben 


vorgerückt, und der untere Theil dieses Gliedes erscheint bis zur Querwand inhaltsleer. 


. 14. Zwei in ihrer Entwickelung gleichweit vorgeschrittene Promycelien. Das untere Glied treibt an 


seinem oberen Ende, unmittelbar an der Querwand, einen seitwärtsgehenden Keimfaden, das obere 
wächst dagegen an seinem Scheitel in zwei fast rechtwinkelig divergivende Wirtelästchen aus. 


Fig. 


Fig. 


—ı Sl 


15. Spore mit einem einfachen, ungegliederten Promycelium, an dessen Scheitel ebenfalls nur zwei 
Wirteläste aufsitzen. Eine Copulation zwischen diesen ist nicht vorhanden. Eines dieser Wirtel- 
ästchen (a) wächst in einen seitlichen Faden aus, der an seiner Spitze sich verzweigt. 

16. Ein gegliedertes, den beiden in Fig. 14 abgebildeten Exemplaren entsprechendes Promycelium, mit 
zwei Wirtelästen, von denen der eine (a) in seiner Entwickelung zurückgeblieben, der andere (b) 
dagegen in einen feinen Keimschlauch ausgewachsen ist und an seiner Spitze einen sporidienbildenden 
Zweig trägt. sp. — Sporidie. ; 


. 17 und 17a. Enden zweier Keimfäden, die direct aus den Wirtelästchen ausgewachsen sind und an denen 


man die Sporidienbildung wahrnimmt. sp. — Sporidie. 
18. Zwei reife, abgefallene Sporidien. 


. 18a. Eine Sporidie, die eben zu keimen anfängt. 


Fig. 19—26. Entyloma Magnusi- 


. 19. Reife Sporen. 

. 20. Eine in ein Promycelium ausgewachsene Spore. Am Scheitel des Promyceliums sitzen 3 Wirteläste. 
. 21. Alle drei Wirteläste des Promyceliums treiben an ihren Spitzen Keimschläuche aus. 

. 22. Die aus den Wirtelästen ausgewachsenen Keimschläuche sind schon beträchtlich länger. An einem 


dieser drei Fäden tritt die Sporidienabschnürung ein. sp. — junge Sporidie. 


. 23. Seltener vorkommender Fall, wo am Promyceliumscheitel, anstatt 3, vier Wirteläste aufsitzen, von 


jenen ist aber der eine verkümmert, der andere leer, und blos die ‚übrigen zwei sind normal ent- 
wickelt und treiben Keimschläuche aus. Während aber einer dieser normalen Wirteläste blos einen 
Schlauch austreibt, wachsen aus dem anderen zwei Fäden (ein apicaler und ein basaler) aus. 

’ 


. 24. Ein Promycelium mit drei zu Keimschläuchen ausgewachsenen Wirtelästen. An ihren stumpf ab- 


gerundeten Enden werden die Sporidien (sp.) abgeschnürt. 


. 25. Ende eines ebensolchen ausgewachsenen Wirtelastes mit drei Sporidien geweihartiger Gestalt. Von 


einer derselben wird eine seeundäre, ebenfalls verzweigte Sporidie abgeschnürt. 


. 26. Abgefallene Sporidien. 


Fig. 27—35. Melanotaenium endogenum. 


. 27. Stückchen eines Längsschnittes durch ein von Melanotaenium endogenum bewohntes Internodium von 


Galium Mollugo. m. — Myceliumfäden; r. — Haustorien; sp. — junge Sporen. 


. 28. Ein anderes Stückchen eines ebensolchen Schnittes mit völlig entwickelten, fast reifen Sporen (sp.) 


m. und Ah. wie in der vorhergehenden Figur. 


. 29. Reife Spore etwas verlängerter, seltener auftretender Form. 

. 30. Keimende Sporen. 

. 31. und 32. Etwas weiter vorgerückte Zustände. 

. 33. Zwei normale, ausgewachsene Promycelien; das eine (a) mit fünf, das andere (b) mit sieben Wirtelästen. 


Bei a copulirt ein Paar dieser Wirteläste apical; in b dagegen .eine basale Copulation. 


ie. 34. Ende eines Promyceliums mit vier Wirtelästen, von denen ein Paar apical copulirt. 
Fig. 


35. Ein längeres, mehrzelliges Promycelium mit 6 Wirtelästen: 2 in apiealer Copulation; von 2 anderen, 
die mit vacuolenhaltigem Plasma erfüllt sind, fängt der eine an einen apicalen Faden zu treiben, während 
die übrigen 2 Wirteläste zu langen, vielseptirten, zum Theil verzweigten Keimfäden schon ausgewachsen 
sind. Ausser den mit Plasma erfüllten Endgliedern sind die übrigen Glieder dieser Fäden völlig 
plasmaleer. 


Mahlau & Waldschmidt. Frankfurt a.M. 


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78. Tolyposportum Junet milu@Schroter). 9-1. Entyloma kryngii De Bary. 12-18. Litylomazischersonü mehr (Ule) 
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79-26. Entyloma Magnusti mihi(ÜVle) 27-35. Nelanotaenium endogemm De Bary 


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VON DER 


_ SENCKENBERGISCHEN NATURFORSCHENDEN. 
GESELLSCHART. 


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ZWOELFTER BAND. 
ERSTES UND.ZWEITES HEFT 


Mit XX Tafeln. 


FRANKFURT ı.M. 
CHRISTIAN WINTER. 


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