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Full text of "Abriss der Soziologie"

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3Hr r i H 



bcr 



Ji ^ i t t e 



x)on 



Dr. |lUH?rt «. |r» f dräffli^* 



herausgegeben mit einem Sßormort 

oon 



^uMitgeu 

SSerlag ber ^. ßaupp'fd)en S3uci^^anblung. 

1906. 



.S31 



^Ue fÜtä^U voxh^i)ctXtttu 



X)ru(f t»on $. Sau})}) jv in Tübingen. 






— in — 



3(m aipril^eft bc§ ^al^rgangS 1902 Der Bcitfc^rtft für btc 
gcfamte ©taatSipiffenfd^aft begann ©d^Sffle eine Slrtifel^SReil^e ju 
veröffentlichen unter bem a;itel: „3)ie 9iotn)enbigteit eyaft ent* 
nDidelungSgefd^ici^tlid^er @r!lärung unb ejratt entmidelung^gefc^ici^t« 
lid^er 83e]^anblung unferer Sanbn)irtfc^aft86ebrängni§". ®ie SReil^e 
njurbe eingeleitet mit einer aßgemeinen ©^arafteriftif unb Äritif 
be§ !urj juoor bem Sieid^Stage oorgelegten 3ößtarif*@ntn)urfeS 
(9^g. 1902, @. 316 ff.), um bann ju bem Semeife überjugel^en, 
ba§ bie d^ronifd^e 83ebrängni§ unferer Sanbmirtfd^aft nur ein Seil 
einer meltmirtfd^aftlic^en @ntn)idtelung§frift§ fei (Ql^g. 1902, 
@. 518 ff.). 3wr Älarlegung biefer ©ntmidtelung l^ielt ber 95er» 
f äff er eine oierfad^e Unt^rfud^ung für nötig: 

1. über bie S3en)egung ber lanbmirtfd^aftlic^en ^Betriebsgrößen* 
unb ©eft^formenoerl^altniffe, 

2. über bie elnjelnen 2:atfac^en beS ftattge^abten ^robuftionS*, 
Sßer!e]^r§* unb Unterne]^mung§4tmfd^n)ung8, 

3. über bie ^rei§» unb Äoftenoerfd^iebungen, 

4. über bie mittelbar, b. 1^. oerfd^uIbungSftatiftifd^ ertennbare 
$RentabiIität8ben)egung ber beutfd^en Sanbn)irtfd^aft. 

9iur ber erfte unb ein a;eil be§ jmeiten ^unlteS biefe§ 5ßro« 
grammS (Umformung ber ^robuftion) mürben nod^ im Oftober« 
^eft 1902 erlebigt. Site im Slpril^eft be§ ^a^rgangS 1903 ber 
britte Slrtifel erfd^ien, brachte er nic^t eine gortfe^ung biefer 
Unterfud^ungen. |)atten ftc^ bod^ ingmifc^en bie S8orau§fe^ungen, 
unter benen bie ganje ©erie begonnen morben mar, baburd^ ooQ* 
ftänbig geänbert, ba^ t)on ber ^Reid^StagS^SWe^rl^eit ba§ 3ößtörif» 



— IV — 

gcfc^ angenommen unb t)om ^aifer unterm 25. Segembcr 1902 
üerlünbigt morben mar. Sine ganje Stellte neuer ^Probleme mar 
babur(^ bem Sßerfaffer nal^e gebrad^t morben, über bie e§ i^n 
brängte, ftd^ junäd^ft auSjufpreci^en. 2lm ©d^Iuffc biefer Srörte* 
rungen fteQt er no6) einmal mit größerer ©ntfd^ieben^eit unb in 
f d^ärf fter Formulierung bie ©runbfrage : 9tot ober Sntmidf elung§* 
brang? ®egen bie allgemeine ätnnal^me eine§ agrarifc^en Slot* 
ftanbeS rniH er norläufig nur 3^^if^t äußern, bie fx6) auf bie 
Unjulängli^feit ber lanbläufigen ©rflärungen für bie ©ntfte^ung 
ber Äriftg ftü^en. ®a§ mirflid^e 93erftänbni§ ber le^teren fönne 
nur auf @runb einl^eitlid^er ©ojialmiffenfc^aft errei^t merben. 

2)amit fe^en bann bie ®rörterungen ein, meldte ben Qnl^alt 
biefer ©d^rift bilben, beginnenb mit einer 2lbfage an bie Sßer* 
äd^ter ber ©d^äffle'f^en ©ojiotogie unb enbenb mit bem burd^* 
gefül^rten ©lieberbau eine§ gangen fojiologifc^en @9ftem§. ®er 
Slnfang biefer offenbar mit bem ©egenftanbe ber Slrtifel^Serie 
über bie Sanbmirtfc^aft§bebrängni§ faum lofe gufammenl^ängenben 
SÄrbeit erf(^ien nod^ im 2lpril^eft 1903 unter bem 2:itel: „3)ie 
9totmenbigfeit eyaf t cntmidfelung§gefd^id)tlid^er ©rflärung ac. unferer 
Sanbmirtfd^aft§bebrängni§", unb ebenfo bie fjortfe^ung im ^uli* 
l^eft 1903 ; ber ©(^Iu§ mar für ha^ ^anuarlieft 1904 beftimmt ; 
er befanb fid^ im ©a^, ate ©(^äffle am 25. 3)egember 1903 feine 
2lugen für immer fd^Io^. Stber er liatte oon if)m einen anberen 
%xUl ertialten: „9ieue 33eiträge jur ©runblegung ber ©ojiologie". 

3Bie ©(^äffle bagu lam, eine fo gro^e, bur^ unb hnxä) 
felbftänbige fgftematifd^e 2Irbeit, mie bie liier oorliegenbe, in eine 
Slrtifelreilie über eine il|n lebliaft bemegenbe 3^itfrage eingu* 
fc^ieben, tann auä) oon benen, bie H)m natie ftanben, nur oer^ 
mutet merben. ^c^ benfe mir ben S^fammenl^ang etma folgen- 
berma^en. 

©d^äffle§ oierbanbigeg SÖßerf: „S3au unb Seben be§ fojialen 
SörperS" (1875—1878) ijatk nad) feinem erften @rfd)einen nid^t 
bie 2IufnaI|me gefunben, bie er ju ermarten bered^tigt gemefen 
märe, ©ine nic^t immer rooIilmoUenbe ^ritif Iiatte fid^ an Stteu^er^ 
lic^e§ gel^alten: bie biologifd^en unb pfgd^ologifd^en 2Inalogien, 



- V - 

beten fi^ ber SBerfaffer al§ einer 2lrt l^euriftifd^en ^tlf§mittefö be^ 
bient liatte; man warf tl|m üor, ba§ er roefentlid^ üerfd^iebene 
©rfc^einungSfreife einanbcr gleic^gefe^t \)aU. Qm Unmut über 
biefe aSerfennung fagte er mir fd^on i. Q. 1881, er traue ft^ ju, 
ba§ ganje SQBerf ol^ne jebe ^araDelifierung mit organi[d)en SSor« 
gangen, auf rein fojiologifd^er ©runbtage ganj neu aufzubauen. 
®er ©ebanfe fd^eint i^n feitbem nid^t mel^r lo^gelaffen ju Iiabcn; 
tro^bem fam e§ nid^t ju feiner SluSfül^rung. 3ltö 1896 eine 
jmeite, abgefürgte 2luf(age oon „33au unb Seben" erfd^ien, waren 
bie bioIogif(^en ätnafogien mol^l jurüdtgebrängt, aber nic^t be« 
feitigt. 

SBer einigermaßen bie fd^riftfteßerif(^e Sätigfeit oerfolgt 
I|at, bie ©c^äffle in bcn testen brittl^alb ^^ö^tge^nten auf bie 
93el^anblung oon 2:age§fragen oermenbet l^at, mag bie§ leicht be* 
greifen. Qft boc^ faum ein mid^tige^ ^ßroblem auf bem ©ebiete 
ber ©ojials 3Birtfd^aft§* unb ginönjgefe^gebung aufgetaud^t, ju 
beffen ©rörterung feine g^ber ni^t fd^öpferifd^e unb fruchtbare 
©ebanfen beigefteuert, ha^ er nid^t mit ber gadfel reifer miffen* 
fd^aftlid^er @rfenntni§ bur(^Ieud^tet ^ätte. @§ ift nod^ in attge^* 
meiner ©rinnerung, mit welcher Kraft unb @ntfd)iebenl)eit ber 
nun ©iebenjigjä^rige im ^df^xt 1901 ben Kampf gegen bie 
agrarifd^e ©d^menfung ber beutfd^en ^oßpolitif aufgenommen ftat 
unb loie bie mit biefer ;,Kernfrage" jufammenljängenben ^Probleme 
feit bem ®rfd^einen feine§ mannhaften „aSotum gegen ben neueften 
3oQtarifentn)urf" (S^übingen 1901) fein ganjeS 2)enfen unb gor* 
fd^en in 2lnfprud^ nal^men. Site alle biefe 2lnftrengungen fi(^ al8 
oergeblic^ ermiefen, ba fd^eint ein Slugenblid ber Srmattung über 
i^n ge!ommen gu fein. Qxoax ^at er ben oierglieberigen 2lrbeit§* 
plan, ben er fid^ für bie entmidfelung§gefd^i^tlid^e Q3el|anblung 
ber Sanbn)irtfd^aft§frift§ gefegt l^atte, nod^ meiter oerfolgt. Qn 
einem ^interlaffenen 9Wanuffripte l^aben fid) längere 2Iu§arbei* 
tungen über bie no^ nid^t erlebigten 2:eile oon 5ßunft 2 (bie 
©inroirfungen be§ „aSerfetir^umfd^mungg" auf ben lanbmirtfd^aft* 
lid^en betrieb) unb 5ßunft 3 (über bie ^rei§* unb Koftenoer* 
fd^iebungen) gefunben. ätber feine fonft fo fräftige unb tlare 



— VI — 

^anbfd^rift fd|cint ber unocrminbcrtcn Äraft be§ ©ebanlenflugg 
nid^t melir ^abcn folgen ju !önncn ; ftc ift unglcid^ unb oft ganjc 
©citcn Iiinburd^ fd^road^ unb unft(^cr. 3)a fd^cint if)n benn bie 
SBcforgnig bcfc^lid^en ju Iiabcn, ba§ fein SicbUngggcbanfc, bie 
neue, oon biologtfc^en Slnalogicn unabl^ängige ©ojiologie, unau§* 
gefül^rt bleiben lönnte, unb mit großem ®ifer mad^te er fidl) anS 
9Bert il|te ©runbjüge ju entwerfen, mitten au§ ber Sßerfolgung 
be§ 3wfömmen]^ang§ jmifd^en 2Igrarfrifi§ unb n)eltn)irtfd)aftlid^er 
©nttoidfelung. 93eibe ©ebanfenfreife lagen für feine miffenfc^aft* 
lid^e 2lrbeit fo liart neben einanber, ba^ fte ftd) teilmeife burd^* 
brangen, unb fo mo^te er mirflic^ glauben, wa^ er in bem erften 
unb jmeiten 2lrtitel be§ Qal^rgang^ 1903 ber ßeitfd^rift au^ge* 
fprod^en l^at, ba§ bie Äenntni§ feine§ allgemeinen fojialmiffcn* 
fd^aftlid^en ®efid^t§freife§ aud^ für ben Sefer feiner 2Iuffä^e über 
bie entn)irfelung§gef^i(^tlid^e Stellung ber 2Igrarfrifi§ eine SBor* 
bebingung tieferen S5erftänbniffe§ eröffnen merbe. 

3lber im Sßerlaufe ber 2Irbeit f^eint er fid^ eine§ anberen 
p befinnen. 3)ie 93ejugnal|men auf ba§ urfprünglidö rein agrar* 
politifd&e 2:f)ema ber ^^uffä^e werben feltener unb oerfd^minben 
fc^lieglid^; ja ber le^te Slrtilel fteßt fiel) anä) in ber 2:itelüber* 
fd^rift auf eigne %\i^t, Quo^Uid) mirb bie 2lrbeit felbft, je weiter 
fie fortfd^reitet, immer ftijjen^after; nur bie ^auptglieber be§ 
93aue§ werben nod^ liingefteHt. Qn ben Ueberfc^riften für bie 
fteben ^auptabfd)nitte liei^t e§: „jum" founbfooielten 2Ibfd^nitte — 
ein beutlidier ^inwei§, ha^ ber aSerfaffer wie ein totmüber aSBan« 
berer jum Qizk Iiaftet, ba§ er nur noc^ ben SÖßeg jurüdtlegen wiU, 
ol^ne an feinen eingelnen 2lu§fid)t§punften ftc^ ber mannigfad)en 
2lu§blidfe auf bie Sanbf(^aft erfreuen ju fönnen. 

aSor mir liegt ba§ SWanuftript ju ben legten oier ^auptab^» 
fd)nitten. @§ gleid^t fo gar nid^t ben oielen für ben Srud be= 
ftimmten 2lu§arbeitungen be§ gleichen aWanne^, bie früher burd^ 
meine ^änbe gegangen finb. ©d^äffle gel^örte nid^t ju ben ©d^rift- 
ftellern, bie erft ju benfen anfangen, wenn fie bereite bie ^eber 
in ber ^anb liaben. ®r war mit bem ©toffe fertig, el)e er ju 
fd^reiben begann. Qn ben langen ©pa^iergängen, bie er burd^ 



— vn — 

fjclb unb 9BaIb in ber rctjooKcn Umgebung (Stuttgarts gu mad^en 
pflegte, l^atte er bie Slrbeit grünbltd^ burd^bac^t, um bann in 
einem Quqz il^r am ©d^reibtif^ bie g^rm ju geben, in ber fie jur 
®ruderei manbern foHte. ^n ben fauber gefd^riebenen Duartblättern, 
bie er gleid^ in§ Steine gebrad^t l^atte, mar nur etroa ^ier unb 
ba einmal ein 2lu§brudf oerbeffert. ©onft ftanben bie ®eban!en 
feft unb fidler in ber ^orm, wie fie ber erfte SlBurf ergeben l^atte. 
3)a§ aWanuffript ju jenem legten SKuffa^e jeigt menig von biefer 
großen unb fidleren 9{ul|e be§ ®eftalten§. ®a ift taum eine ©eite, 
bie nid^t mannigfadtje Korrefturen, Umfteßungen, ©inf^altungen 
aufroeift; mand^eS ift burd^geftrid^en ; einjelne 2lu§fül^rungen finb 
erfid^tlid^ au§ anberm 3ufammen]^ange erft an bie ©teilen t)erfe^t, 
bie fte im 3)rudf einnehmen. 3llle§ meift barauf l)in, ba§ er 
fd^mer gerungen ^at mit ber gemaltigen SKufgabe, ha^ mäl^renb 
ber S3auarbeit einjelne SEBerfftüdfe ben 5ßla^ in ber ©efamtfon* 
ftruftion ^aben me(^feln muffen, unb mer hin ©pejialplan, ben 
er im Qlig. 1903, ©. 320 ff. ber ^eitfd^rift üorau§gef^idtt ^atte, 
mit ber enbgiltigen ©eftaltung be§ @toffe§ oergleic^t, mie fie je^t 
vorliegt, mirb leidet I|erau8finben, ha^ unb oieHeid&t aud^ marum 
ber urfprünglid^e S3auri§ nidtjt in allen ©injel^eiten eingel^alten 
morben ift. 

©d^äffle'S fgftematifd^e SBerfe gleid^en nid^t ben jierlid^en 
SDlofaifarbeiten, mie fte jfinftige ©elelirfamfeit in gebulbiger Älein« 
meifterei am ©tubiertifd^e l^eroorbringt; er türmt gemaltige ^elSftüdte 
auf einanber, faft unbehauen, oline oerbinbenben SJlörtel, mie gu 
einem ftarfen ^^P^^S^^öu, ber ben ©türmen ber 3^iten trogen 
foK. 3llle§ ift maffig unb f(^mer, felbft bie oft redtjt umftänbli(^en 
Äapitelüberfd^riften, bie einen neuen ©ebanlenin^alt neu unb eigen=^ 
artig jufammenpreffen. ®ro^ unb muc^tig, mie feine ©ebanfen, 
ftnb feine Sffiorte, oft feltfam gufammengefe^t. ®ie ®abt lül^ner 
fprad^lid^er 9teufd)öpfung mar il^m mie aCBenigen oerlie^en ; aber 
biefe fraftftro^enben SEBortbilbungen l^atten bei i^m nid^tS Siünp 
lid^eS nod^ ®efünftelte§. 2ludt| in angeregter münbltd^er ober 
brieflidtier 2lu8fprad^e ftrömten sesquipedalia verba tl|m ungefu^t 
oon ben ßippen unb au§ ber ^eber; er oerauSgabte fte mit einer 



— vm — 

Setd^tigfcit, loic anbete baS Rletngelb fonoentioneller 9teben§arten. 
©ebrungen unb fd^TüerfäHig ftnb bie ©ä^e; jal^lreic^e 2lppofttionen, 
$arttjipia(tonftru!tionen unb @infd^ad^telungen f(^einen mand^mal 
il^r ©efüge faft fprengen ju rooHen; oft fel^It bem ^eriobenbau 
baS glättenbe Del oerbinbenbcr ^artifeln. 

©0 \)at er ba§ ßefen feiner roiffenfd^aftlid^en SBerfe .nid^t 
gerabe bequem gemacht; fie erforbern oöllige Eingabe, energif^e 
geifttge 3Kitarbett. 216er wer biefe mitbringt, ben entfd^äbigen 
fie auc^ burd^ bie lel^r^afte Klarlegung oermidelter @ebanfen=« 
gange, burd^ bie Urfraft inbiüibueHen ©a^bau§ unb bi§n)eilen aud^ 
bur^ eine l^erbe ©d^ön^eit ber ©prad^formen. SSieHeidEit er* 
mangeln fte öfter ber ©rajie. SßöHig l^at i^m au^ bie ®abt 
einfad^ leichter ©c^reibmeife burd^au§ nid^t gefelilt, mie feine 
„Duinteffeng be§ ©ojiali§mu§" unb man(^e feiner 2luffä^e be* 
meifen. 9tur mo feine miffenfd^aftlid^e gorfi^ung weite ©cbiete 
nod^ unbetretenen ßanbeS burdtima^, t)erf(^mä^te er fie, mochte 
e8 ber trippeinben S3ebäd^tig!eit a\x6) nod^ fo fauer werben, feinem 
roeitauSfd^reitenben gu§e ju folgen. 

©eine SKuffä^e über mirtfd^aft^^ unb fojialpolitifc^e Sage^*- 
fragen leiben mand^mal an einer gemiffen gormlofigfeit ber ftoff* 
Ud^en ©tieberung. 2lber oieHeic^t liegt barin aud) mieber einer 
il^rer Jßorjüge. ©d^äffle mar ju tief baoon burd^brungen, ba^ 
aQe ^olitif eine Äunft ber Satfad^en ift. Sine SBeränberung 
ber Umftänbe fonnte i^n leidet oeranlaffen, aud^ einen bereite in 
ben ©runbjügen aufgefteUten ^lan ju änbern unb einen ©eiten- 
meg einjufc^lagen, mo ju ermarten gemefen märe, ba§ er unbeirrt 
auf baS Qkl losgegangen märe. Unb biefe ©igentümtid^teit 
journaliftifd^en SlrbeitenS, bie jemeifö ben gorberungen ber ©tunbe 
folgt, l^öt fic^ aud^ in feine miffenf^aftlid^^Pf^^w^ötifd^en Slrbeiten 
eingefc^Iic^en, in benen er „©yfurfe" burd^au§ nid^t ängftli^ oer^ 
mieb, menn neu fi(^ i^m eröffnenbe 21u§blidte auf feit^er unbe* 
ad^tet gebliebene 2)atfac^engebiete gum Sßermeilen einluben. ©einem 
fd^arfen 9luge entging fo leidet feine mid^tige fojiale ober mirt* 
fd^aftlic^e 3^iterfd^einung, bie fgftematifd^e ©inorbnung l)ätte 



— IX — 

l^eifd^en lönncn, unb oft roax er ttieoretifc^ bereits mit i^r fertig, 
tüenn bie SKnbern fid^ nod^ erftaunt bie 2lugen rieben. 

©0 tüirb man fid) a\x6) au§ biefem ©runbe nic^t wunbern 
bürfen, menn bie eingelnen einanber glei^georbneten 2:cite be§ 
oorliegenben „9lbriffe§" ber fgmmetrifd^en aSer^ältniSmä^igfeit 
entbel^ren, menn breite 9lu§fü^rung mit ffijjen^after Stnbeutung 
med^felt unb menn and) SBieber^olungen nid^t üermieben finb. 
9tel|me man ha^ ©ebotene, mie e§ ift, al§ einen SÖBegjeiger, ben 
ein alter aWann aufgerid^tet l^at nad^ bem miffenfd^aftüd^en 9ieu* 
lanb, ba§ er allein erfd^aut tiatte. aSieHeid^t ba§ eS unfere jungen 
fojiologif^en ©tubien Dor Qrrgängen gu bemal^ren oermag, in benen 
fi^ mand^e ilirer Sßertreter gerabe in neuefter Qnt verlieren ju 
moHen fd[)einen. 

©d^äffle l^at nod^ felbft bie beiben erften 3:eile (bi§ ©. 128 
biefeS 93udöeS) für ben S)rudf forgfältig burd^rebigiert, mand^e§ 
üerbeffert unb babei auc^ jebe 93ejugna]^me auf bie entmidelungS* 
gefd^ic^tlid^e ©rffärung ber ßanbn)irtfd^aft§bebrängni§ geftrid^en. 
2luf bem Umfi^lage be§ ©eparatabjugS, ben er babei benu^te, 
ftel^en t)on feiner ^anb bie SBorte: „2Ibgefonberte Verausgabe 
nad^ meinem 2:obe mein SÖBunfi^". 93ei ber Erfüllung biefeS 
SQBunfd^eS ^aht xd) mid^ Don ben gleid^en ©runbfä^en leiten laffen, 
mie fie mir auS bem 9tebaftion§DerfaI|ren beS 95erfaffer§ erftd)t* 
lid^ mürben. Sffleine 2:ätigfeit befd^ränfte fid^ barum auf 3leu§er* 
Ud^e§. ©emiffe fj^rmlofigfeiten in ber 3lnorbnung ber einjelnen 
%tiU mußten burd^greifenb befeitigt; bie logifd^e ©lieberung be§ 
©toffeS beutlid^et gemad^t, bie polemifd^en Partien in ber ©rudf* 
geftaltung jurüdgebrängt, bie Qxtatz ergänjt, ©törenbeS au§ bem 
S^eft in 2Inmerfungen oermiefen merbcn. ©d^äffle pflegte mel 
mit %ztU unb ©perrbrudf ju arbeiten; ba§ ©d^riftbilb feiner 
93ü^er mirft barum oft unruljig; ja e§ fann ben ®enu§ ftören, 
bie Slufmerffamfeit jerftreuen. ^ä) I|ielt e§ für erlaubt, biefe 
nid^t immer bered^tigte @igentümlid)feit auf baS bef^eibenfte 9Jla§ 
einjubämmen. Sbenfo Iiabe id^ fein 93ebenfen getragen, fleine 
ftiliftifd^e Unebenlieiten mit fd^onenber ^anb ju befeitigen. 3)er 
S^eyt mürbe l^ingegen — abgefelien oon ben ermähnten ©trei« 



— X — 

d^ungcn — nirgenb^ angetaftct, aud^ tpo SEBiebcrl^olungen bic8 
nal^e legten, ©oroeit bie Urfd^rift oorlag, rourbe er genau mr^ 
glid^en, unb fo fonnten noc^ gal^Ireid^e fleine ©a^fel^Ier berid^ttgt 
werben, bie teiber in bem Slbbrudf ber 3^itfd^rift, tro^ aller aRttl^e 
t)on ©e^ern unb Äorrettoren, ftelien geblieben waren. 

©0 barf id) Iioffen, ba§ biefe le^te ätrbeit be§ mir fo teuren 
fjreunbe§ in i^r felbftänbige§ bud^mä^igeg S)afein roenigftenS an^» 
nä^ernb in b e r ©eftalt hinaustritt, weld^e il|r ber aSerfaffer felbft 
gegeben tiaben würbe, wenn er bie Verausgabe nod^ erlebt l^ätte. 
Slid^t ganj ftd^er bin ic^, ob bieS auc^ oon bem oon wir ge* 
wählten 2)itel gelten barf. @r ift ber ©rwä^nung ber 2lrbeit 
in einem ©riefe oom 27. 2lpril 1901 entnommen; in ber SKrbeit 
felbft fprid^t er wieber^olt oon einer neuen „®runblegung allgemeiner 
©ojiologie" ; bem 3lbbrudf beS legten Seilet in ber g^itf^^^ift ^^^n 
1904 ^atte er bie Ueberfd^rif t : „5Reue S3eitröge jur ©runblegung 
ber ©." gegeben, ^c^ Iiabe geglaubt, ber jenigen S3enennung ben 
aSorjug einräumen ju bürfen, bie ber ©elbftanbigfeit unb 2lbge* 
fd)loffen^eit beS QntialtS am meiften gerecht wirb. 

Ob e§ mögli^ fein wirb, au§ ©d^äffle'S ^anbfd^riftlid^em 
9tad^la§ nod^ einen 2)eil ber auf bie „Sanbwirtfd^aftSbebrängniS" 
bejüglic^en 2lu§fül|rungen etwa in einem britten S3anbe ber „^ern* 
unb 3^ilfi^ögen" ju oeröffentUdien, oermag id^ tieute noc^ nid^t ju 
überfetien. 3)agegen mu^ ic^ ju meinem lebl^aften S3ebauern feft* 
ftellen, ba^ bie in „2lu§ meinem Seben", II, @. 192 erwälinte 
3lrbeit über ben „^rieben", „bie 9Jlad)t'' unb „bie ©ewalt" fid^ 
in feinen papieren nic^t gefunben t|at. (£§ Iianbelte fid^, wie 
axi^ feinen S3riefen ju entnehmen ift, eigentlid^ um j w e i SJlono* 
grapljien, bie nadi) feinem Sobe in ber Sübinger 3^itf^^ift ^^^ 
fpater im III. S3anbe ber „^ern« unb 3^itf ragen" oeröffentlid^t 
werben foHten. Qn einem ?3riefe an bie ^. ßaupp^fd)e 93ucl)* 
l^anblung oom 3. SUlai 1903 bejeid^net er fte al§ „burd^auS 
originale Unterfu(^ungen, welche auS meinen neueren fojiologifc^en 
©tubien ^eroorgegangen jiemlid^ brudffertig lagern". 3lber ob^^ 
wol|l er für bie aSeröffentlid^ung bie beftimmteften 9Beifungen 
gegeben tiatte, fo tiabe id^ bod^ au§ feinem 93riefwed^fel nad^ 



— XI — 

Tüieber^otter forgföltigcr ©rtüägung aller Umftänbe bic Ucber* 
jeuguttg genjonncn, ha^ er biefe Slbl^anblungen, tote alle feine 
SBerfe, tüol^I „erlebt", aber ntd^t me^r niebergefdtirieben l^at. @8 
liegt alfo ein äl^nlid^cr ^all oor, wie er beim Sobe t)on Slob^ 
bertu§ fid^ ^erau^ftellte, ber aud^ in feinen 2leu§erungen al§ 
fertige ©d^rift belianbelt l^atte, n)a§ nod^ ber literarifd^ geftalten* 
ben ^anb liarrte. 3)oci^ ift bie Sefdtiäftigung mit jenen ©egen» 
ftänben, mie ©d^äffte felbft in einem 93riefe Dom 25. SJlai 1901 
gelegentlid^ bemerft t|at, ber SBertiefung unb bem weiteren 2lu§* 
bau feiner „©ojiologie" ju ®ute ge!ommen; bie mit fii^tlid^er 
Siebe au§gefül|rten Darlegungen be§ oorliegenben S3ud^e§ über 
„SWa^t" unb „©emalt" bemeifen, ba§ mir n)enigften§ für biefen 
^eil feiner legten ©tubien einen mefentlid^en Sßerluft nid^t ju be* 
flagen Iiaben. 

Seipiig, ben 15. 2lpril 1906. 

^ a r l 93 ü c^ e r. 



— XIII — 



dittlettttttg. 

Seite 

1. 9ln bte SBctäd^tcr metner ©ojtoloöte 1 

2. Snx foaiologtfc^en ©runblegutig 8 

3. Ueberfid^t über bie ©runblinfen einer aflgemeinen ©o^ioloöte . 25 

@rttttblittiett btr aUgenteittett Sojiologie« 

I. 2)te SBeltfleUting ber menf4H4en ©efeUfdaft 27 

A. ^ie ®efeirfd&aft arg SBeltbeftanbteil. 

1. ^er formale ©inöanö ber ©efeUfd^aft mit ber ©efamt* 
fd^öpfung 27 

2. ^ie reale S8er!nüpfung ber ©efeflfd^aft mit ber ®efamt* 
fd^öpfung ober bie äußeren S8er!ettungen (^onjunftionen 

unb ^onjunfturen) ber (Sefeflfd^aft 30 

3. %a§ SBer^ältniS ber Soziologie jur S^aturwiffenfd^aft 

unb jur ^f^d^ologie al§ ©ilfiroiffenfd&aften . , . l 31 

B. ^ie ©efeUfd^aft als SBelt für fid^. 

1. Ueberfid^t über bie ©efeUfd&aft al§ SBereirfi ber ©efittung 33 

2. S)ie ©igen-SBerfettungen ber ©efeUfd^aft aB eineä (^an- 
jen tjon äußeren unb inneren SBerfel&ren unb bag oHges 
meine §8er{)ältni§ ber SBerfel^re ju ben ©emeinfd^aften 36 

3. %it (Steigerung ber ©elbftönbigfeit med^felroirfenber ^eile 

iVLX {Jreil&eit unb i{)rer Slbl^ängigfeit jur ©olibaritdt . 38 

4. ^er JJortgang ber ©efeflfd^aft oon ber S^atumotmenbig* 

feit jur iJreimiUigfeit nrib jur SJlötigung ober hzm ßmange 39 

5. ajiad^t unb Unmad^t ber ©efeflfrfiaft gegenüber ben 
äußeren unb ben inneren S8er!ettungen ...... 40 

6. %cS SBefen ber ©efeöfd&aft mb ber aBert ber ©tatifti! 

al§ fojiologifd^er 3Jieti)obe 44 



— XIV — 

Seite 

n. 2)a9 @efenf(tambekottf;tfein 46 

1. ®ag ®cfcaf(f|aft«bcn)ul3tfcin unb bcr ®cfcaf(f|aft8!drpcr 47 

2. %zx »cgriff beg ®efcafci^aft§ben)u|tfcin§ 50 

3. %tx Snl^alt bc§ ©cfettfci^aftgbcroultfcinS 55 

4. ^ag 3nbit)ibua(ben)u^tfetn 59 

5. %a§ ®emeinfci^aft8bcn)ul3tfein 62 

6. ^ie 3w"^i9W"9«" w^^ Wc Slbncigungen, g^rcunbfci^aftcn 

unb ffcinbfci^aften 66 

7. ^a§ 3JlaffenbcTOu|tfein bcr ©cfettfci^aft 67 

8. ®ie geifttgen 3Jlaffensufammcnl&änge, il)rc ^ongruenj unb 
Snfongruenj 70 

9. %xz S3cf)errfci^ung be§ aWaffenbcmulJtfeing burci^ Slutori* 
täten 71 

10. ^ie ^Betätigung be§ SJlaffenbewu^tfeing im SWaffenmeinen 
unb SJlaffenrooHen ober bie öffentlici^e üWeinung unb ber 
Sßol!§n)iae , . . \ 71 

11. ^ie ©ntwirfelung be§ ©efeUfd^aftSbewu^tfeinS. %tx 3ett* 

geift 76 

12. ^ie SSerberbniffe unb ©anierungen be§ ©efellfd^aftS- 
berou^tfeinS ober bie ^orritption unb beren SSefämpfung 79 

mixdbM 80 

ni. 2)ie ®runb(eftanbtei(e ober (&lmtnit M @efellf4aftdlör)ierd . 81 

A. S)a§ Sanb. 

1. %a§ Sanb aB fostologifci^er Elementarbegriff .... 85 

2. %a§ Sanb al§ ©runbbeftanbteil beg SBoKeg .... 85 

3. ^ie Sänbermelt 87 

4. %a^ Sanb al§ S^laturlanb unb al§ 95olfgIanb .... 87 

5. %a^ Sanb geofojiologifd^ ober aB ^laturlanb .... 88 

6. %a8 Sanb rein fo^iologifci^ ober al§ SBoIf^lanb ... 90 

B. %a^ SBoI!§t)ermögen. 

1. begriff unb Sßefen 103 

2. S)ie SBermbgenSbeftänbe natürlici^ unb rein fojiologifd^ . 106 

3. %a§ befd^ränft unb ba§ unbefd^ränft t)ermel)rbare Tlo^ 
biliaroermögen 108 

4. S)ie unbefrf)rän!te 95erme{)rbar!eit ber 93ilbung§mittel . 112 

5. ^ie Betätigung be§ SSoIfeS für ba§ SSoIfgoermögen . . 113 

6. %a^ SßoKSoermögen al§ Sßorrat (Slffumulation) ... 115 

C. S)ie «eoölferung 116 

1. ^ie S3et)blferung al§ ba§ Element aller $anblung§fä{)ig* 

feit ober ber ^erfönlid^feit 118 



— XV — 

6cUe 

a) S)ie Iciblici^e unb getftige SBeranlagung bcr SBeoöIfe* 
rung sunt ©anbeln 118 

b) ^ic %ätiqUxt beä SBoHeS für bte Jöeüölferung ... 119 

c) %xt 93en)cgung ber SJeoöIferung 121 

d) S)ie SBeoöIferung al§ Slffumulation 122 

2. %k ©lemcntartatfad^en be^ ©anbeln§ 124 

ly. 2)et fßonmxptt ober bte tiatiotia(e @efeaf(taft 129 

^ttalQtifci^e $attptabtetluttg : 
Serglteberuttg be§ 95olf§fbrper§ 136 

A. $erfotteitIef)re. 

1. SBott bett ^erfottctt uttb betn Jöefift 136 

2. Söott ben ^anbluttgen 138 

* a) fßon bett ©etiteittfci^aftett 156 

b) SBott ben SBer!el)ren 161 

a) SBefen unb ®runb be§ SBer!e^r§ 161. ß) ^ommunt- 
tation unb SSerfel&r 162. y) Seiftung§* unb SluSein- 
anberfeöung§t)er!e]^r 163. ö) %xt materiellen, bie get^ 
fttgen, bie gemifd^ten SBerfel)re 164. e) ©infeitiger unb 
gegenfeitiger fßexU^x 165. Q ^er allgemeine ^n^alt 
be§ aroeifeitigen SBerfel&r§ 166. ri) Unmittelbarer unb 
»ermittelter SBerfe^r. S^latural« unb ®elbt)erfet)r 167. 
^) ^er Slblauf ber SSerfel&re 167. t) 2)ie 2luäbeutung 
unb ber ©treit in ben Sßcrfe^ren 168. x) S)ie JJolgen 
ber Sßerfel^re 170. X) 2)ie SBerfel&rSbegriffe ber ^uxi^- 
prubena unb ber S^ationalöfonomie 171. 

B. Drganifation^lel^re 173 

1) 95on ben Sßeranftaltungen unb ben fjunftionen ber na- 
tionalen ©efeafd^aft 173 

2) ^ie Sßerfnüpfungen unb SSer!nüpfung§mitteI ber natio* 
nalen ®efeaf(^aft •. . 198 

©ijntl^etifd^e Hauptabteilung: 
^ie®in]&eit unb Unteilbar!eit ber nationalen 
©efellfci^aft 210 

A. ®ie allwerf) feifei tige Slb^ängi gleit (Snter^ 
bepenbenj) aller ©lieber nationaler ®ef eil- 
fci^aft 212 

B. ®ie ®inf)eit§erfd^einungen ber nationalen 
©efellfd^aft 214 

1. S)ie nationale JJamilie 214 

2. ^ie nationalen ©emeinroefen 215 



— XVI — 

3. ®a8 SßoIfStum unb ba§ Sflattonalberou^tfein .... 217 

4. 9lationalttät unb S^erritortum 217 

5. 3«a*t unb 2)larf)t!unft (^otttt!) 221 

y. 2)ie mittt* ttttb i^ätibetkoea ober bie internationale ©efeUfdftaft 228 

VI. 2)ie ^ntkoicflnng bet ©efeUfd^aft aber bie |iftanf4')»alitif4en 

tatfadSenfreife 235 

VIT. ^ie @tdtnngen bet ©efeUfd^aft nnb itre SBelfint)ifung ... 242 

©aci^regiftcr 246 



— 1 



1. %n Me PetSd|ter meiner Sotiologte* 

S)ie 95erä(^ter ber ©ojiologic finb no(^ immer fiegion, unb 
bcr Scrfaffcr i)at mit ber ^räbijierung feinc§ „©au unb 
geben be§ fojialen ßörper§" (1. Slufl. 1875—1878, 2. SKufl. 1896) 
al§ einer mett)oboIogifd)en ©runboeritrung — fogar unter gefliffent» 
üd)er 2InbicI)tung von Unfinn ^) — t)iel Ungemad) ju befte^en ge* 
f)abt. @§ n)itl t)on il^m a\x6) m6)t geleugnet werben, ba§ „©ojio* 
logen" felbft il)ren SSeräd^tern ba^ @piel leidet gemad^t l^aben. 
2)er SBerfaffer lä§t ftd) bennod^ burd^ bie Sänroürfe nid^t ab« 
fd^redfen, weitere fojiologifd^e ©runblegung anfprud^§lo§ ju wagen. 
®r ift fid^ bewußt, t)or brei^ig Qal^ren me^r ni(^t al^ einen 
Sänfang üoöftänbiger 93efd)reibung unb Älaffifüation 
ber gemeinfamen Satfadtjen aller fojialen ©injelwiffenfd^aften oer* 
fud^t — nur oerfudit unb l^iebei aU SUlittel ber SBeranfd^aulid^ung 
unb ber ^fabfinbung (^euriftifc^) bie 3lnalogien ber 93iologie 
unb nod^ mel)r ber pligfiologifd^en ^fpd^ologie jwar angewenbet, 
aber in feiner SBeife unb nirgenbwo bie 2lnalogie bi§ jur 93es 
^auptung ber Homologie jwifdien 93iologie unb ©ojiologie ge* 
trieben ju ^aben. 

®er SBerfaffer ift feitbem — unb barauf vertraut er l^ier 
beim erweiterten 93erfuc^e — nic^t mü^ig gewefen, um me^r al§ 
ben bloßen Slnfang fojiologifdier 93efd^reibung unb ^lafftfitation 
JU gewinnen. ®r glaubt fid^ ^eute imftanbe, eine jiemlid^ t) o 1 1* 
ftänbige ©gftemifierung fämtlid^er fojialen 
2:atfad^enfreife vorlegen unb ^iebei bie ^rüdfen ber bio» 

1) S3öl- ^oxmxt m 2. 'änfi. 

@ d^ a f f I c , SMbri^ ber ©o jiologtc. 1 



— 2 — 

logifc^^pfgd^ologif^en älnalogicn (oI§ SBeranf^aulic^ungg^^ unb 
^fabftnbung^mittcl) oöHig tücgtücrfcn ju fönncn. 

®a}u f)at xf)n f ortgcfc^tc^ 3)enten in ben ©tanb gefegt, unb 
er wäre roo^l — ba er im ©veifenalter feine 3^it i^m ©äumen 
^at — mit ben @rgebniffen feine§ bebeutenb erweiterten fojio* 
logifd^en S)enfen§ fcI)on l^eroorgetreten, wenn if)n nid^t ber — 
naä) feiner Slnfid^t — ffird^terlidie Srnft ber agrarifd^en ©efa^r 
auf ben 93oben ber politifd^en 2;age§!ämpfe unter Dtelem QtxU 
oufroanb geführt l^ätte ^). 2)ie Vertiefung feiner agrarpolitifd^en 
©tubien i)at i^m felbft bie oerftärfte Ueberjeugung eingetragen, 
ha^ nur eine fojiologifd^ DoQftänbige Säuffaffung befriebigenbe 
©rtlärungen unb Söfungen in ber ^olitif geftatte. SDie 93efd)äf* 
tigung mit ber Sanbn)irtfd^aft§bebrängni§ l^at bat)er ben Ser* 
faffer t)on weiterer ©runblegung ber ©ojiologie nid^t nur nic^t 
öbgejogen, it)n oielmel^r jur praftifd^en (Erprobung feinet je^igen 
fojiologifd^en @eban!enbefi^e§ an einem gemaltigen Problem ber 
nationalen ^oUtif oeranla^t. 2)ie ^robe l|at, mie er meint, ni(^t 
üerfagt. 2)effen nun nid)t gemi§, ba^ il^m feine ^al^re bie be« 
fonbere unb au§fü]^rlid^e SDarfteHung unb 93egränbung ber @r* 
gcbniffe feinet fortgefe^ten fojiologifdtjen 2)enten§ noc^ geftatten 
merben, — l^at ber Serfaffer fein 93ebenfen getragen, juerft im 
3ufammen^ang mit ber bie ganje Station auf Qa^re l|inau§ be* 
megenben ^rage, eine weitere ©runblegung ber ©ojiologie ju 
bieten, bie nun al§ felbftänbige ©d^rift l^ier vorliegt. 

35ei feinem 93emü^en l^at ber SSerfaffer an ber ftreng er^ 
fal)rung§mä§igen, ber üerad^teten „empiriologifd^en" Stuffaffung 
be§ aOBerteg „93au unb Seben" feftgeljalten unb ftd^ gehütet, bie 
©ojiologie mit ber ontologifd^-metap^pfifdien SBerfteigung in ba§ 
„2ln fid^" ber ©efetlfctiaft anjufangen. Sei ber 2Ibfaffung ber 
erften 2Iuflage oon ,,öau unb fieben" f)atte er fid^ nod) niijt 
ganj au§ ben geffeln ber naturpt)iIofopt)ifd^en ©pefulation 
lo§gemadt)t, obmot)l er burd^ Sänge unb S o ^ e von bem 93anne 
ber älteren pl^ilofopl^ifd^-tlieologifd^en ©pefulation fd^on frei ge* 

1) «gl- Seitfrfirift für bie gef. ©taatgwiffenfd^aft LVIII (1902) @. 
316 ff., 518 ff. unb LIX (1903), ©. 255 ff. 



— 3 — 

tüorben roax; eben nod^ Ratten bie geiftt)oIlen Äonjeptionen oon 
^. t). fi i l i e n f e t b unb dou ^. @pencer§ first principles 
einen ftarfen ©inbrudt l^interlaffen gehabt, roeld^em fid^ ber 93er* 
faffcr nod^ nid^t entjiel^en tonnte (1. 2lufl. I, 15 ff.). 21I§ f)er* 
naä) ©pencerg Soziology erf(J)ien, war jebod^ ber 9Serfaffer aud^ 
Don ber naturpt)ilofop]^if(^en ©pefulation metfiobologifc^ fo frei 
geworben, ba§ er e§ nidjt über fxä) oermod^te, bem fojiologifc^en 
^auptwerf @pencer§ genau }u folgen ; er tennt e§ bi§ l^eute nur 
au§ 2lnalr)fen unb ßritifen unb fc^ämt fid^ biefer Südte in feinem 
SBiffen ni(^t. @§ ge^t alfo nid^t an, it|n als „©d^üler" von 
^. ©pencer ju rubrijieren, t)on roeldjem ben SJerfaffer beffen ein* 
feitig inbioibualiftifdie @runbanf(^auung fd^on t)on 2Infang an 
abgeflogen ^atte. 3lnbere mögen bie ©ojiologie in bie fpetu* 
latioe Siegion ^inaufbauen, bem SBerfaffer ift ba§ nad^ feiner 
met^obologifdien SJerliärtung ju bloßer ©mpiriologie in ber SQBiffen* 
f^aft ni^t mögli(^. SDa§ 93erftänbni§ für ®oet^e§ „Sier auf 
bürrer ^eibe" t)at it)n fo ganj ergriffen, ba§ er auf jebe p^ilo* 
fopl^ifdie ©peJulation über ba§ ,,2ln fid^" ber ©efeHfd^aft unb 
ba§ 2ln fid^ be§ @in§fein§ ber ©efeUfd^aft mit allem anberen 
oerjid^ten mu§ unb gerne perjid^tet. 

Um fo angelegentlid^er roirb ber aSerfaffer fortfal^ren, bie 
fojiale ©rfal^rungSmelt nad^ ber ©efamtt)eit i^rer ebenfo burd^ 
äußere mie bur^ innere ©rfa^rung ju faffenben Jatfa(^entreife 
in ben a3ereicl) ber fojiologifc^en a3etrad^tung einjubejie^en. @r 
vermag e§ meber, bie ©ojiologie ju einer neuen 2lrt „9iec^t§* 
ptlilofop^ie" t)erfct)rumpfen, noc^ fie in „©eiftmiffenfc^aft'' auf* 
gellen ju laffen. 

®ie folgenben 2lu§füt)rungen werben eine SReilie gewaltiger 
fojialer Satfad^enbeftänbe feftfteHen, meldje nid^t mit 9ie^t unb 
©itte fid^ bedfen, lebenfaHS ben ©d^merpuntt barin nid^t liegen 
l^aben. 9lec^t unb ©itte mürben nidit jureidien, ben ?iau ber 
fojialen SQBelt jufammenjutialten, wenn nid|t aud^ innerlid) ber 
3ufammenl|ang au§ bem ©emiffen aller Qnbioibuen ^erau§ be* 
roirft werben würbe. Ueber ba§ a3ect)ältni§ ber ajloral ju SRed^t 
unb ©itte unb über bie öebeutung ber erften fü^lt fic^ ber SSer* 

1* 



— 4 — 

foffer ^eutc noä) genötigt, fo ju bcn!en, mie in „Sau unb ßebcn" ^). 
®ine 93egrenjung ber ©ojiologie auf bie @rfd^einungen bc§ nor« 
mierten SBoIt^- unb 93ölfcrlcben§ ift il^m unmöglid^ geblieben. 
Sftedtit unb (Sitte fmb eben nur 9Sott§Dertnüpfung§mitteI, unb fte 
finb ba§ nid^t allein, ©aneben wirfen ni^t minber unentbebr* 
lid^e, in befonberen Seranftaltungen angeroenbete anbete 93inbe* 
fräfte üon PöHig felbftänbiger 93ebeutung. 

3)er SBerfaffer entbält fid) ber @ntfc^eibung ber 5^age, ob 
bie ©ojiologie „©eiftro if f enf d^af t" ober umgefel^rt bie 
©eiftraiffenfd^aft (Sojiologie fei. @r t)ielt fct)on in „93au unb 
Seben" unb ^ält anä) im folgenben bie möglid^ft üoöftänbige 
^laffifilation ber (Subftanj* unb ber ^^tm^ ber 5wnftion§* unb 
ber ®ntn)icflung§=@rfd^einungen ber ©ojialroelt für bie näd^ft 
notroenbige 9lufgabe ber ©ojioIogie. 3)er geftfteßung be§ ^la^e§, 
welcher ber ©ojiologie in ber ^ierard^ie ber SBiffenfd^aften einft 
gebütiren roirb, rooßte er unb roiö er ebenfo ferne bleiben, wie 
für immer einer ajletafojiologie, b. 1^. einer ontologifi^^meta^^ 
pl^tififd^en @rgrünbung be§ 3Befen§ ber ©efetlfd^aft ^). 2)ie ©ojio* 
logie mu§ aber roenigfteng nic^t au§ mettiobologifd^en ©rünben 
ilirer ©elbftänbigteit oerluftig erttärt werben. SBenn fie als 35es 
ftanbteit ber ®eiftn)iffenfct)aft be^^alb in 9lnfprud^ genommen unb 
aU fetbftänbige SBiffenfd^aft fofort mieber abgefegt morben ift, 
meil fie nad^ iljrer 3Wetl|obe auf innerer, nid)t auf äußerer ©r* 
fa^rung berutie, fo vermag id) bie 9ii(^tigfeit biefer 2lnfid)t nid^t 
jujugeben. 9iein auf innere ©rfatirung fann fid) nur ba§ SBiffen 
T)on ber ©eele unb bem ©eifte jebeg ^nbioibuumg ftü^en. 2)ie 
fojialroiffenfd^aftlidie @rtenntni§ ift and) auf ©eift in anbern 
unb an anbern, if)r ^nnere§ unb il^re äußeren SBerfe gerichtet; 
fie ^at umfaffenb auc^ au§ äußerer ©rfatirung ju fi^öpfen. ®e§* 
l^alb alfo, meil bie ©ojiologie nur auf innere ©rfa^rung fi(^ 
ftü^en !önne, oermag id^ fte aU „©eiftmiffenfdjaft" nid|t anju* 
fel)en. SBielme^r bürfte ba§ SBiffen oom inbi^ibuellen ©eift ge* 

1) Sßgl- 2. 5lufl. I, 234 ff. wnb II, 334 ff. 

2) Sögl. meine Slnsctge öon 'Jl a^cnl&of er, „2)te fosiologtfcfie ©r« 
feitntniS" in ber 3eitfcf)rift für bie gef. @taat§n)iffenfd)aft LIV (1898) @. 733 ff. 



— 5 — 

netifd^, b. f). bejüglid^ bcr ©ntftel^ung ber SBcrnunft bc§ Qfnbiüi* 
buum§ ber eintieitlic^cn — nid^t blo§ fprad^tüiffcnfd^aftlic^cn — 
(Sojiologic mclir unb mel^r jufaHen. 

©d^Iieglid^ glaube id) mxä) gegen ein neueS aWi^oerftänbniS 
ber SSeräc^ter meiner ©ojiologie — e§ wäre bie Umtel^rung be§ 
frülieren — im üorau§ üerma^ren ju foDen. ^6) oermeibe im fol^ 
genben jebe biologifdtie Slnalogie. ®arau§ fönnte gefolgert merben 
rooQen, ba§ x6) meine erfte @ojioIogie abgetan ^abe. S)a§ märe 
eine falfdie 3lnna^me. Q6) üermeibe ^ier bie SKnalogie nic^t be§« 
l^atb, meil id^ einen üerfel^lten Sßerfud^ jurücf junel^men ^ätte, fon* 
bern nur be^l^alb, meil id^ beroeifen miH, ba§ bie SKnalogie für 
meine ©ojiologie nid^t Homologie, nid^t 35e]^auptung ber ©leid^* 
mertigfeit ber einanber äl^nelnben ©rfd^einungen ber organifd^en 
Statur unb ber ©ojiatmelt gemefen ift. 3Befentlidö mit ^ilfe ber 
„2lnfdöauung§fraft" für bie ©ojialmelt, meldte burd^ 2lnaIogte 
erlangt mirb, unb burd^ SKntel^nung an ba§ SSorbilb ber bio» 
togifc^en SUlet^obe bin id^ imftanbe gemefen, eine umfangreid^e 
©^ftematif ber (Sojiotogie ju geminnen; tro^ gänjlicl)er SBeg* 
merfung ber ÄrüdEen ber 3lnatogie l^abe id^ bie ©rgebniffe t)on 
„35au unb Seben" feftju^alten üermoc^t. ®ie 93iotogie ^at fid^ 
unbebentlid^ ber fojiologifd^en 3lnalogie bebient; meine SKeinung 
mar unb ift geblieben, ba§ bk (Soziologie ebenfo ungebunben ber 
biologif(^en 2lnalogie fid) bebienen barf. Dbmo^t ii) in ber 
jmeiten Sluflage von „^a\x unb Seben" (93orroort) ber Umbi(^* 
tung meiner SKnalogien ju Homologien mit allem 91ad^brudf ent* 
gegengetreten bin, ift e§ bod^ no(^ in neueren SBerfen bei ber 
fable convenue geblieben, ba§ id) ber reine „Organiter" — b. 1^. 
Organüer im ©inne ber ©leid^mertigteit ber einanber ätinelnben 
organifc^en unb fojialen S^atfad^entreife — fei, ba§ id^ biologi* 
fierenber „©pencerianer", atfo aud^ oollftänbig „übermunben", tot 
fei. aSieHeic^t überjeugt ba§ golgenbe baoon, ba§ id^ Organifer 
im bejeidjneten ©inn überliaupt nie gemefen, aU ©ojiologe aber 
forigefal^ren bin ju leben. ®ie bebeutenbften 91aturforfc^er tiaben 
fi(^ nie baran gefto^en, für bie ^Biologie ber fojiologifd)en Slna^ 
logie fid^ ju bebienen, mie 3) a r m i n mit feinem befannten, bei 



— 6 — 

aW a 1 1 1^ u 8 geborgten „Kampf um§ 3)afein" ober SH i l n e ® b« 
n)arb§ mit feiner Hafftfc^en „2lrbeit§teilung" für bie ^^rifio* 
logie. ®a§ SDBort „Organ", organifd^ felbft ift ja fojiologifc^e 
SBorfteDung oom SBerfjeug. ^ener fojialmiffenfd^aftlid^en Sioman* 
tif, auf meldte früher f(^on ber a5er§ gemad^t ift: 

„^ai man ntd)t befitnieren fann, 
^a^ fielet man für organtfc^ an" 

l^abe id^ mid) nie unb nirgenb§ bebient. ©egen ben Sßorrourf 
l^omologen aHipraud^§ ber organifd^en Slnalogie fd)ü^en mid^ 
fc^on meine älteren ©c^riften, toorin ic^ bie 93ejeidt)nung be§ 
©taate§, ber Kird^e, ber 9Solf§n)irtfd^aft u. f. ro. al§ „Organi§* 
mu§", — aud^ al§ „^erfon" (S. @ t e i n) — nac^brüdflid^ abge* 
miefen l^abe. ^t|n miberlegt aud^ bie 2^atfac^e, ba§ id) oon ber 
nationaIöfonomif(^en SRubrijierung ber ©ad^güter für ©arfteQung 
unb aWitteilung, für ^erftellung ber geiftigen 93änber ber @e« 
feQfd^aft ju bem Sä5agni§ eine§ ©ntmurfe^ ber ©ojiologie ge- 
brängt morben bin^). 

®ie Sßerirrung au§ ber älnalogie in bie Homologie ift mir 
fo ftarl an bie SiodEfd^ö^e angefreibet geblieben, ba§ id^, miH id^ 
mid^ oerma^ren, meinerfeitg rabifal aufräumen mu§. SRabifaler 
lann eS nidjt gefd^e^en, ate baburdö, ba§ id^ unter Serjid^t auf 
alle Sßeranfd^aulid^ung burd^ Slnalogie einen ®runbri§ oollftän* 
biger unb einl^eitlid^er, alfo mirflid^ fojiologifd^er Älaffifitation 
unb ©riftemifierung aller 2:atfad^en!reife ber ©efeHfd^aft im fol^ 
genben aufftelle. 3tur bie miffenfdiaftlidie ^totroel^r, nid)t bie 
Jtotroenbigfeit ber ß^^ü^^^ci^w^e eine§ oerfel^lten 95erfuc^e§ ift 
e§ alfo, mag bie folgenbe ©arftellung jur SBermeibung aller 
Stnalogien beftimmt l^at. SDie weiteren fojiologifd^en ©tubien, 
beren ®rgebni§ in Ueberfid^t ^ier norgelegt mirb, liaben jmar 
mefentlic^e SSemollftänbigungen meinet erften (Sntmurfe^ einer 
©ojiologie ermöglict)t, jur SSerleugnung ber erften großen 2lr* 
beit ^aben fie mid^ aber nid)t genötigt. ^6) oermöd^te bie @r^ 
gebniffe fo turj, mie e§ im folgenben gefd^iel)t, gar nid^t oorju- 



1) SSgl. Sßomort gu „33au unb Sebcu". 



— 7 — 

legen, tüenn iti) nt(^t auf „35au unb Seben" üerroeifen bürfte. 
Qd) betone alfo nod^maI§ jroei fünfte: ber SBerjid^t auf Seran* 
fd)auli(^ung burd) bioIogif(^*pf9d)ologifd)e Slnalogie nötigt mid^ 
überliaupt ni(^t, irgenb einen 2;eil meine§ erften aBer!e§ ju Der* 
leugnen; benn bie 2lnaIogie ift eben nid)t al§ Homologie behauptet 
geroefen. SDer 9Serji(^t auf bie Sttnalogie nötigt aber ju fold^er 
Verleugnung and) beSl^alb nic^t, weil ganj^ gro^e 2lbfcl)nitte von 
„35au unb 2zbtn*' o^ne Sßeranfdtiaulid^ung unb ^fabfinbung burd^ 
Slnalogie juftanbe gefomnten finb. 

geft l^alte id^ an ber Jiotroenbigleit, bie ©ojiologie fo einju* 
teilen, wie e§ früher t)on mir gefd^e^en ift. 

Qn erfter Sinie werben bie fojialen @rfd)einungen einzuteilen 
fein in bie ©rfd^einungen ber normalen (gefunben) ®efell« 
fd^aft unb in bie @rfd^einungen ber SBerbilbung unb Störung 
ober bie @rf cl)cinungen ber abnormen (tranfen) ©efellfd^aft. 

@ine weitere Einteilung nötigt jur Unterf(^eibung einerfeitS 
nad^ ben Qn^tanh^ tx\6)txx\unQtn, b. 1^. abgefel^en oon ber 
©ntmidfelung, anbererfeitsi ber ftattgel^abten unb ber meitergelien* 
ben @ ntroidEelung, b. 1^. nad^ ben l^iftorifd^en unb ben po* 
litifd^en ®rfdt)einungen. 

Qnnerlialb biefer boppelten ß^^^it^^^ung l^at eine britte jur 
©eltung ju tommen: bie Einteilung einerfeit^ nad) ber Q\x^ 
fammenfe^ung in it)ren teilen unb gormen, ben ©in* 
rid)tungen ober ^nftitutionen, anbererfeitg nad^ ben 93er* 
r i d^ t u n g e n ober gunftionen. 

3tur bie SßJiffenfdiaft l^at fo ju fd^eiben. Qm S e b e n finb 
normale unb abnorme Satbeftänbe oertnüpft, finb bie gegebenen 
®efellfd^aft§juftänbe juglei(^ Ergebniffe ber ©efc^id^te unb ©egen* 
ftanb unaufl)örlid^ meiterge^enber ©ntmidfelung, fmb enbli(^ bie 
©inrid^tungen unb äJerric^tungen immer miteinanber. 

SBie man bie oerfc^iebenen öetrad|tung§n)eifen nennen will, 
ift nid^t Don 93ebeutung. 9^ur ba§ ift ju verlangen, ba§ fie alle 
jur ©eltung fommen. 

^ier wirb für bie jmei S^atfad^enfreife ber ©ntmidfelung bie 
93ejei^nung ^ i ft o r i f d^ unb p o l i t i f d^ beibet)alten. S)ie 95e« 



— 8 — 

jcid^nung ftatifd) ober anatomifd^^morpl^ologif^ für bie Jatfad^en 
ber ©inrid^tung unb bgnamifc^ ober p^pfiologifd) für bie SJer« 
ri(^tungen fönnen fallen, obtoo^t [ie ertaubt fiub ; roir Ratten ba« 
fflr bie Sejeid^nung inftitutioneU (juftänblid^) unb funftionell 
(tätig), um aud^ in biefer ^infic^t ber biotogifd^en Slnalogie ju 
entfagen. ©rroünfd^t wäre es», aud^ für bie 35etrad^tung ber SSer* 
bilbungen unb ber (Störungen, foroie ber |)eite*(^erfteöung§*) 
©rfd^einungen anerfannte 2lu§brüdfe ju geroinnen. Siofd^er 
l^at für bie 9tationatöfonomie unbeanftanbet bie biologifc^eu 93e* 
nennungen ^attjologie unb S^erapie angeroenbet 2)anad^ wäre 
^Patl^ofojiologie unb 2:^erapofojioIogie ju unter* 
fd^eiben; jebe anerfannte beutfdtje öe}eid)nung würbe jeboc^ oor* 
jujietien fein. 

S)ie nac^folgenben neuen 53eiträge jur ©runblegung ber @o« 
jiologie, roie bie oorftetienben 2lu§einanberfe^ungen mit ben SBer« 
ädtjtern meiner bi§f)erigen ©ojiologie miffen fid^ ebenfo frei oom 
Sräntenmoöen, wie oom ©etränttfein. ©in fd^le^ter ©ojiotoge 
wäre ber, welcher nid^t bie 'SJladjt be^ ^erfommen^ and) über 
bie jünftige ©ele^rfamteit unb bie wohltätige SBirfung biefer 
9Jlad)t JU begreifen oermödtite. 2lber bejüglid^ ber ein]^eitU(^en 
©ojiatmiffenfd^aft, ber ©ojiologie, t)offe id) entgegen, ba§ bie ^age 
nid^t ausbleiben werben, ba man biefenigen oerfte^en wirb, welche 
unter bem tiefen ©inbrudf ber fojiologif^en 9Seranfc^auti(i)ung§* 
unb 5Pfabfinbung§fraft ber Slnalogie „törid^t g'nug il|r ooüeg 
^erj ni(J)t waf)rten". 

2. Jur fofiologifdien (Srunblegung. 

®ie @rbe ift — wof)l fd^on oon bem (Sd)Iuffe ber Jertiär* 
jeit an — oom 3JJenfd)en unb jwar nai) ben älteften ©puren 
oon einem ootflid^ lebenben SDIenfd^en bewohnt, aber freiließ nid^t 
immer unb überaß gleich bewohnbar gewefen. @ie ift ^eute oon 
einer Slnjal^l eigenartiger, nod^ in ©ntwidtelung begriffener, aber 
ungleid^ entwidtelter Sßölter befe^t. S)iefe 93ölferwelt ift 
e§, wa§ aU®efetlf(i)aft im fojiologifd^enSinne 
biefe§ oielbeutigen äBorteS anjufetien ift. 2)er S3egriff ber ®e* 



— 9 — 

feaf(^aft [c^t alfo ben 93 c g r i f f be§ 95 o I f c § Dorau§. SBaS 
ift ba§ in aQcu »ölfcrn gleiche äBefen be§ SSoIfcg? 

®ic 93egrünbung ber ©ojiologic l|at fid^crlidö jur ©runb* 
aufgäbe bic ©eiDtnnung be§ 93 e g r i f f § ber ©cfellfc^of t. ®ic 
c i n t) c i t li (^ c ä^f^mmenfaffung aller befonberen [ojialen %at' 
fac^enfreife, bie ©ntfaltung be§ 93egtiff§ ju feiner gangen ^üUc 
wirb aber nid^t mtnber baju gehören. äBir beginnen mit bem 
93egriff. 

^n ber erften Sluflage von „^a\x unb fieben" ift, um jebe 
Ueber^aftung bc§ ®efinieren§ im befc^reibenben unb Kaffififato= 
rifd^en ^ugenbjuftanbe ber . ©ojiologie ju oermeiben, bie f örmlid^e 
93egriff§beftimmung be§ SSolfeS unterlaffen morben. Qn ber jroeiten 
Sluflage (II, 592 ff.) mürbe jmar bem SOBefen be§ a5olfe§, ber 
Station unb ber SRationatität eine nähere 93eftimmung ju geben 
gefud^t, t)on roeldier nid^t§ iurädtjunef)men ift; t)otlftänbig ift bie 
Definition nod^ immer nid^t gegeben morben. ®er 93egriff ^at 
injmifc^en aud^ oon anbrer (Seite eine anerfannte 93eftimmung 
nid^t erfaliren. @r foH fie nun Ijier tunlic^ft finben. 

SDabei mirb nur oon ber ©rfal^rung ausgegangen merben. 

Qwax entfprict)t e§ unferem metapf)9ftfc^=religiöfen ^ang, an 
eine jenfeitige ©ojialmelt ju glauben unb, ba mir ben bleibenben 
©taat nid^t ^aben, fonbern erft fud^en ^), ber SBorftellung eine§ „Qn^ 
Iunft§ftaate§" fid^ l^injugeben. SlHein fc^on ^ier meiben mir alle 
2;ran§äenbenj; ber ©ojiologie gehört „ber ^immel" nur aU tirdö* 
lid^ bogmatifd^e ©taubenSfad^e an. 

3öa§ ift ein Solf nad^ bem ganjen Umfang ber @r* 
f a^rung ? 

2)a§ 93olf gef)ört fi(i)erli(^ ben ©rfc^einungen maffenl^aften 
güreinanberfein§ unb güteinanbermirfenS belebter ©injelmefen an. 
®at)on fann bic S)efinition auSgel^en. 

2llS maffen]^afte§ güreinanberfein einjelner Sebemefen ftellen 
fid^ nun fd^on bie ^flanjen* unb bie ^ierförper bar, meldte oon 
^Biologen unbebenflid) ate „Q^Utn r e i d^ e" bejeid^net morben fmb. 

1) §ebr. 13, 14: „3Bir \)ahzn t)ier feine bleibenbe @tabt (tiöXiv), aber 
bie auKinftige fud^en mir." 



— 10 — 

S)a§ güreinanbcrfcin be§ 93oIfe§ ift jcboi^ ni(^t fo, wie ba§ in 
bcn Körpern ber Biologie. 2)ic Sßcrfnüpfung jum 93olte ift nid^t 
p^^ftologifc^er 2lrt, fein güreinanbcr üon Qtü^n, t)on ©liebem 
unb fieben^üerric^tungen, wie im ^flanjentörper unb im 2;ier* 
leibe, im ^flanjenftodt unb im 2:ier[todt. S)a§ SBoIt ift bemu^teä 
güreinanber t)on ^erfonen, ift gemad)te (praftifd^e) unb burc^auS 
beroertete ßeben§gemeinfd)aft; fomeit ^flanjen* unb S^ierreic^ in 
ba§ Sßolf (aSoIt^oermögen) eingeben, flefcl)ie^t e§ in ber ©eftalt 
ber %aU unb ber 3Berterfd^einungen. ^mifdben bem organifd^en 
güreinanbcr ber Qtüm unb bem gemad^ten güreinanber t)on ^n* 
bioibuen einiger Siierarten beftel^t nur 3QBefen§ät)nlid^feit (3lnaIo* 
gie), meitge^enbe für bie Unterftü^ung ber fojiologifd^en Sttnfd^au« 
unggfraft be§ mcnfd^lic^en @eifte§ fogar l^öd^ft mertDOÖe, bafür 
faft unentbel)rlid^e 3Befen§öt)nU(i)teit, aber SBefen^gleidö^eit (^o* 
mologie) befiehlt jmifd^en bem Qzütnxtiä) be§ Seibe§ unb bem 
^erfonenreid^ ber 93oItegemein)d)aft nic^t. 

©0 fd^eint bod^ ber 2:ierleib nad^ feiner 3nnerlid)teit, feiner 
93 e f e e t u n g , nad^ feiner 9^eroenorganifation unb feinem ^ieroen^' 
leben, im roefen^gleic^en ©inn ben ©rfd^einungen eine§ oolfiic^en 
güreinanber beigejätjlt werben ju foßen. ^n 3QBirflid^feit ift bem 
aber nic^t fo. ©ine etmaige Q[nnerlid^!eit ber ^^Jflanjenförper ift 
für un§ überhaupt fo unertennbar, mie eine fold^e ber anorgani» 
fdjen Sörper. 2lu(^ bie ^nnerlic^feit beg Z\m\i)zn oom ^la§* 
maflümpc^en an bi§ jum Ijöd^ftorganifierten Säugetier ift nur in 
i^rer jentralen 2Ieu§erung, in ©mpfinbung unb 2:riebleben er* 
tennbar; bie innerlid^en SSorgänge innerljalb ber 9tert)en!noten, 
ber 9^erDen* unb anberer QtU^n finb nid)t ju erfaffen, roenn aud^ 
fold^e mären unb oietteid^t fmb. SJlan roirb bie ©efeöfc^aft erft 
anheben laffen, mo ade 2lnge^örigen einer SSereinigung t)on Sebe» 
mefen in er!ennbarer SBeife mit 93en)u§tfein für einanber finb, 
of)ne p^pfiologifd^ mit einanber oerbunben fein ju muffen. ®a§ 
unterfd^eibet bie t)0lfli(^e Serfnüpfung ber ^erfonen aud^ t)on ben 
feetifc^en „3lffojiationen" unb „®iffojiationen" im 2;ier!örper. 
Ueberall ift bei ben Spieren unb JierftödEen ber räumliche unb ber 
jeitlic^e 3^fömment)ang ber Steile pt)9fiologif(^ gegeben, nidjt ge* 



— 11 — 

maäjt rote beim 95olfe, roo er nur burd^ berou^te 9lu§brucf§be* 
roegungen, burd^ Obcenmitteilung beroirtt ift. 2lllerbing§ bietet 
aud^ bie neroenpl^pfiologifd^e ^fpdjologie für bie ©ojiologie ein 
Si(^tmeer ber Slnf^aulic^feit burd^ bilbli^e Sßergleid^ung mit bem 
geiftig au§geroirften güreinanberf ein im SBoK e : 3lnütogie bie ^n\k, 
aber !eine Homologie. 

9tun gibt e§ oerfc^iebentüd^e SBertnüpfungen einer Slngal^l 
t)on Seberoefen, bei meldten ber 3ufaniment)ang nid^t pti^fiotogifd^ 
erjeugt erfc^eint. @ f p i n a § ^) unterfdieibet jroeierlei Sßertnüp^ 
fangen t)on foldjer 93efd)affent)eit nämlid^ foldje Bereinigungen üon 
^nbimbuen ungteidjer 3lrt unb fotd^e von Qfnbioibuen gleid^er 
2lrt, ober „tieterogene" unb „l^omogene ©efeßfd^aften". @r i&ijlt 
ju ben erfteren ben ^arafiti§mu§, ben ÄommenfuoIi§mu§ unb ben 
9Kutuali§mu§ (bie SDomeftitation), ju ben le^teren bagegen bie 
„2^ierDöl!erfct)aften", b. 1^. bie gerben, SRubet, ©d^roärme u. f. ro. 
aJlan roirb jebod) in beiben 2lrten biefer „S^iergefeöfd^aft" nid^t 
üoHlid^e ©ebilbe ju erblidten l)aben, fie batier roiffenfdiaftlid^ in 
bie ©ojiologie ni<^t einbejietien bürfen. 

Seberoefen üerfd^iebener 2lrt finb roo^I überaß bei* 
fammen, aber im 93eifammenfein meift mdjt für*, fonbern gegen* 
einanber, iebenfaös aber nid^t berou^t roed^felfeitig für einanber. 
Sßom ^arafiten gegenüber bem SQBirte, Dom tommenfualen 95ogeI, 
roeld^er bem Säugetier bie ^arafiten Dom Seib roegpidtt, aber ani) 
oon ber 93Iatttau§, roelc^e t)on ber Slmeife, t)om bomeftijierten 
Stinbe, ba§ Dom SKenfd^en im 3Äutuati§mu§ gemolten roirb, ift 
bie§ ol^ne weitere^ Har. ®em ^araftti§mu§ unb bem kommen* 
fuali§mu§, aber aud^ bem aJ}utuali§mu§, alfo jeber ber brei gor* 
men „heterogener", bod^ ni(J)t ptipfiologifd^ beroirfter ßeben§* 
oer!nüpfung fetjlt e§ an ooHer äBefen^gteic^l^eit mit bem roec^fel* 
feitig gleid^berou^ten, innerlid^ au^geroirften g^üreinanberfein, roie 
e§ bie ^iere in ber ^erbe, bie Sölenfd^en im 9Sol!e eingeben. 

^ft nun nid^t äße inneriid^ au^geroirfte Seben§gemeinfc^aft 



1) Les soci^tes animales. [^eutfd^e SluSgabc t)on SB. ©d^Iöffer, 
^aunfd^roeig 1879.] 



— 12 — 

jroifd^cn ßeberoefen berfclbcn 2trt aU SßoH ju bcjcic^nen? Jiid^t 
and) bic allgemeine ^PaarungSgemeinfd^aft ber ®^e mit ber ®r* 
meiterung jur gamilie? TOc^t auc^ bie Sßertnüpfung t)on gleid^* 
artigen 2:ieren jur ^erbe? 

SDie 5 ö m i l i e in it)rem ©runbe fidierlii^ nid^t. SD8enn fte 
gleid^ beim 3Jlenf(^en einen immer reicheren ©ojialge^alt fadige« 
mä§ annimmt, jur pf)r|fiofo}iologtfc^en 2;atfad^e fid^ erfüllt, fo 
bleibt [ie bennod^ in erfter Sinie immerfort ba§ ®rgebni§ pt)9fio*= 
logifdjer SJeise, immer ift ber burd^ ben ®efd^te(^t§trieb bemirfte 
3ufammenf)ang ba§ 93eftimmenbe. ®a§ Sßolt ift ni^t bie ermei* 
terte gamilie. 2)ie gamilie ift nid)t bie ©runblage ber 93oI!§'- 
gemeinfd^aft überl^aupt, fonbern erftlinig nur bie ©runblage für 
©rneuerung ber organifdjen ^Perfonalfubftanj be§ a3otf§förper§, 
©eneration^organ. S)a§ 93olf fann fid^ jmar ol^ne ben organi* 
fd^en ^eimboben be§ gruppenmeife alle 9Solf§mitgtieber umfaffenben 
gamilienoerbanbe^ nid^t in feiner ^erfonalfubftanj erl^alten, ift 
aber eine ben ©eneration^med^fel überbauernbe ^Bereinigung, meldte 
9lngel|örige üerfd^iebener Familien, einanber frembe ^erfonen 
gleidier Slrt in fid^ aufjune^men fät)ig ift, baju mel^r unb mel^r 
au(^ geneigt roirb. 311^ Sßolt mirb nur ein ben ©eneration§« 
mec^fel überbauernbe^ — bal^er me]^rgefd^led)tlidt)e§ unb me^rattri* 
ge§ — ^üreinanberfein t)on ^erfonen jeglidier SIbftammung an* 
jufel)en fein. SBenn bie fog. S^ierftaaten ber 93ienen unb 3lmeifen 
nur 93rutgemeinfd^aft mit „pl^pfiologifd^er 3lrbeit§teilung" finb, 
mie neuerlid) namhafte 3oologen betiaupten, fo mirb man fie ben 
„Jiergefellfd^aften" Don @fpina§ nid^t beijujät|Ien, fonbern nur 
al§ geglieberte gortpflan jung^oerbänbe , alg eigenartige gamilien 
anjufelien Ijaben. 

9tun trifft man nidjt blo§ beim SJlenfd^en, fonbern auc^ bei 
gemiffen, aber nic^t fet)r ja^Ireid^en 2:ieren — namentlid^ ©äuge* 
tieren unb SSögeln — SSereinigungen oon roed^f elnber , nid^t ge* 
fdjloffener ajlitglieberjatil, beren ßufammen^ang nid^t auf pli9fio* 
logifdjem Steije beruht, fonbern burd) ©pmpatl^ie unb ®el|orfam 
innerlid^ bemirtt mirb. ©^ finb bie gerben, Siubel, ©d^märme 
u. a. @fpina§ jät)lt bie gerben ju ben üölferfdiaftli^en ©rfc^ei* 



-^ 13 — 

nungcn, inbcm er fagt^): „Qc t|öt|cr tüir in ber ©tufenleitcr (ber 
Sebcn§t)crfnüpfungcn) aufftcigcn, bcfto ooMommcner gcl)t bic p^g« 
fiologifd^e 2:ätigfcit in ber pfgd^ifdien auf, befto tne^r ift ber 
organifd^e Konfenfu§ bcm 93etDuJ3tfcin untcrgcorbnet. 2)icfc§ l|at 
balb bie ^nitiatioc unb bcn ©d)u^ ber ^otleftioinbioibuaUtäten 
übernommen, beren ©nbpunft bie gunftion ber g^ortpflanjung 
roar, unb e§ i)at eine SÄenge oon (Serootinl^eiten unb abrieben erjeugt, 
welche fc^Iie^Iic^ um i^rer felbft roiflen, unabl^ängig oon i^ren 
folgen gepflegt werben. Qn biefen geliören aud) bie beiben 2^riebe 
ber ©gmpattiie unb ber S)oppeIinftinft ber ^errfd)aft unb Unter* 
orbnung". ©olc^e ^Bereinigungen erfd^einen j. %. nur al§ burd^ 
3ufan, 2:emperaturn)ed)fel, ©eeftrömung tierbeigefü^rt unb finb 
furj bauernbe Sßerbinbungen. ®§ gibt aber auc^ freimillige unb 
bauernbe SBereinigungen, in meieren na^ ®fpina§ nid^t bie Q&xU 
Ud^feit ber ©Itern für einanber, aud) nid^t ber jungen für ein» 
anber al§ „bie fd^öpferif^e Äraft ber Oemeinfd^aft" ju roirten 
fd)eint unb in roeld^en ©piele, gleid^jeitige 93en)egung, frieblid^e§ 
Oeniejsen fgmpat^ifd^er Stimmungen, ©efeßigfeit über bie Qdt 
ber tätigen Cooperation ^inau§ tieroortreten. S)a§ finb bie gerben: 
rein pfgc^ifd^ buri^ SluSbrudE^bemegungen beroirtte ®emein[c^aften 
geroiffer Säugetiere, ber milben ^unbe, ©d^meine, ^ferbe, @Ie* 
fanten, namentlid^ aber ber nid^t anttiropoiben Slffen, meldte in 
ber §erbe ©olibarität mit au^gebilbeter 3^üt|rung unb Unterorb:« 
nung oerbinben. „Qe me^r man — fd^Ue^t @fpina§ — Don ben 
Stnfängen be§ Seben§ fid^ entfernt, befto me^r fte^t man bie @rup* 
pierungen lebenber Sßefen -nid^t metir burd^ bie SBirfung p^9fi== 
Iali[c^'d)emifd^er Gräfte ober ptigftologifd^er Sieije fid^ ootljietien, 
fonbern burd^ immer beutlid)er bemerfbare Jiriebe unb immer 
beutlid^er erlennbare Steigungen. Unmerüid^ gelangt man oon 
au^en nac^ innen, Don einem ©piel melir ober minber lomplijierter 
93en)egungen — roa§ ift ba§ Seben anbere§? — ju einem ©nt« 
fpred^en oon SBorftetlungen unb SBünfd^en, jum Semujstfein. Stufen- 
roeife mirb ber organifc^e Äonfenfug ©olibavität, bie in SRaum 



1) «gl. rr^au mh Seben", 2. Slufl. L, @. 270 ff. 



— 14 — 

abgcbilbetc organifd^c Sintieit unftd^tbare§ 33eti)ufetfein , bic ^on* 
tinuität (bcr 3^itjufammcn^ang) lüirb Ueberlicferung, bic ©pon« 
tancität ber SBeroegung ©rfinbung oon <3becn, bic ©pciialificrung 
bcr gunftioncn 9lrbcit§tcilung. S)ic ^oorbination bcr Elemente 
ocrroanbclt ftd) in ©gmpattiie, ifirc ©uborbination in 2ld)tung unb 
SBcrclirung , bic 93cftimmung bcr ©rfd^cinungcn fclbft wirb ©nt« 
fd^tu§ unb freie SBSatil. ©o crtiält atlc§ ein ncuc^ 2lu§fcl^cn ; au§ 
bcm materiellen Organi§mu§ entftelit eine neue aOBclt, betjcrrfd^t 
oon benfelben ©efe^cn roie jene, aber oon i^m burd^auö oerfd^ic^ 
ben. Sine roirüi^ befonbere 3Belt, weil in i^r ^bcen ober Soor* 
ftcllungen bic gigurcn erfe^cn unb bie SBünfd^c bic SRotle ber 33e* 
roegung fpietcn. Unb biefe Sßclt ift bie ©cfcllfd^aft. S)a§ animale 
Seben entwirft i^re Umriffe ; mo anä) immer SBefen ©inbrürf e au§=» 
taufd^en tonnen, ift für bic Oefeflfd^aft SRaum, unb umgcfe^rt, mo 
au(^ immer eine ®c[eüf(^aft entfielt, finbet ein 9lu§taufd) oon 
SBorfteüungen ftatt. @inc ©cfefifc^aft ift ein Iebcnbigc§ 93erou§t:^ 
fein, ein Organi^mu§ oon ^been". 

3)ie ^erbe ift mirflic^ mic ba§ SBoIf: ein Scben§jufammcn= 
liang nic^tpti^ologifc^cr Slrt. ©ie t|at, mie ba§ SBol! ein Oebiet 
t|at, ein beftimmte^ aOBcibcgebiet ober SBalbreoier, ift alfo eine 
territoriale ©rfd^cinung. ®ie ^erbe t|at auc^ in bcm meiteren 
Sinne bcr 3^orter^aItung burd^ ©encrationen eine ©cfd^id^tc. ©ie 
ift 2Jlaffenerfc^cinung oon nic^t gef (^(offener SÄitglicbcrjatil , oer* 
mel)rung§fä^ig, teilbar, abjmcigunggfä^ig, !olonifation§fäl|ig in 
gcmiffcm ©inn; ob fie frcmbe ©Icmcntc gleicher 2lrt aufjunelimcn 
oermag, bleibe ba^ingeftellt. 3Jian fann baljcr oerfud^t fein, bie 
§crbe alg JÜeroolf mit ben 3JJcn[d^cnoölfern in einen meiteren 
33cgriff 9Solf jufammenjufaffcn. 

2lllein e§ fragt fid), ob nid^t eine ©raboerfc^ieben^eit beftel)t, 
meldte forbert, ba^ man bic ^erbe eben ^erbe fein laffc, fie in 
bic JRcitic ber oöllerfd^aftlid^en ©rfd^cinungen nid^t ftcHe. ®er 
3n)eifcl an oollcr 3QBefen§glcid|t|eit ergebt fic^ fofort; benn ctma^ 
mie „Sld^tung unb Sßcrc^rung", „@ntfd^lu§" unb „freie SBa^l", 
„-Sbeen" finbet man n)ol)l fc^r entfaltet beim SSolt, bei ber ^erbe 
taum. 



— 15 — 

3J?an fcnnt ba§ SÄenfd^cnool! nid^t metir a(§ ^crbe, fonbern 
nur nod^ al§ ^orbe. 9Kan mag fid) immcrtim bcn „Urmenfd)cn" 
al§ ^crbenlcbctocfcn bcnfcn, n)clci^c§, aufrecht unb otinc @rciffuj3 
am 33obeu mirfcnb mic bie Slmcife, unter bcn Derroanbtcn Sluttiro* 
poibcn gelebt unb biefe bi§ auf geringe 2^rauerrefte oernid^tet l^at. 
5öäre ein fold^er S^P^nb be§ ^orbenba[ein§ nod^ üorlianben unb 
motlte man ben 93egriff 95oH auf ade ^erbenoereinigungen oon 
Sebemefen übertragen, f o tidtte man ju fagen : SÄenfd^enoöIfer unb 
2^ieroöHer ftimmen barin überein, bemußte, burd^ 3lu§brudt§beme* 
gungen au^gemirfte (nid^t p^gfiologifd^ jufammen^ängenbe) , ben 
Oenerationenmed^fel überbauernbe, einen metir ober weniger großen 
%tH ber ©rboberfläc^e gemeinfam einnetimenbe SBereinigungen einer 
größeren nid^t gefd^Ioffenen 2lnjaf|l für einanber lebenber Qnbioi* 
buen berfelben Slrt ju fein. 2lHein ba§ aJlenfd)enoolt ift nirgenb§ 
metir ^erbe unb befi^t im frütieften unferer etl)nograp^ifc^en ®r=« 
fatirung nod^ jugängUd)en 3wftanb au^jeid^nenbe ©igenfc^aften, 
meiere ber (Steid^fteüung mit ber ^erbe entgegenfte^en. 

Qn bem SÄetir- unb ^ö^erfein liegt and) ber gortgang oon 
einer SSieltieit einanber frember SSölfer ju einem ^neinanbcrauf* 
getien einer ainjal^l fid() einanber ergäujenber SBölfer, b. i). oom 
93egriff be§ Sßolfeg jum 93egriff ber „menfd^Iid^en ©efellfctiaft" 
begrünbet. ©einem ganjen SÖefen nac^ ift ber aWenfi^ „me^r auf 
bie einlieitlid^fte ©rfc^einung oolüid^er ^Bereinigung, ben ©taat 
nämlid^, angelegt, al§ jegtid^e§ anbere ^erbenlebemefen". 
2lriftoteIe§ mirb mit ber berühmten ©teile — cpuaec (jiaXXov noXi- 
Tcxöv 7iavTÖ(; dyeXacou ^(oou — Siedet bel)alten. 

®a§ 9JIet|r, ma§ fd^on in bem oolflii^en Urjuftanbe bem 
^erbenjuftanbe gegenüber anjutreffen ift, l|at jum ^nl)alt, baß 
ba§ SBolt bie ®ntn)idEelung§fä^igteit p ben übrigen SJierf^ 
malen ^inju beft^t; e§ geljt ju ©runbe, menn e§ fic^ nid^t ent* 
faltet. 

®ie 9lffenl|erbe bagegen lebt Iieute fo, mie ;3a^rtaufenbe iiu 
oor ; bie S)ingomeute ebenfo. ®ie jufammenlialtenben 2^riebe unb 
©mpfinbungen roieber^olen fid^ bei ber ^erbc gleid^ in allen @ene« 
rationen; bie ungefätire 2lu§be]^nung ber SReoiere, bie mittlere 



— 16 — 

3a]^l bcr 9lngc]^6rigcn , bic 2)aucr be§ Sßcrbanbcg lücrbcn nur 
innerhalb enger Orenjen feit ber Utjcit ber ^crbe gefd^tüanlt 
l^aben, fotüeit nid^t ber größte geinb aller gerben nid^t bomefti» 
jierbarer 2:tere, ber üolflii^e ÜUlenfd^ namlid^, rüdtbitbenb einge:' 
roxxtt tiat. gür bie SSöIfer bagegen criüeift bie atigemeine ^ultur= 
gefd^id^te unb jebe befonbere a3ol!§gefd^id^te eine geroaltige @nt» 
n)idEelung§fäl)igfeit, beren le^te Qkk nod^ gar nic^t abjufe^en ftnb 
unb beren Xempi immer rafd^er werben. Unb fo märe man ver- 
anlaßt, in ber obigen Definition oor ba§ SBort „^Bereinigungen" 
ba§ SBort „entmidEelung§fäl|ige" einjufügen unb i>a§ SEBort „^n« 
bioibuum" burd^ ba§ 3Bort ,,^erfon" ju erfe^en. 

Sßon ber 93ejeid^nung „entroidtelung§fäl|ig" fönnte jebod) eine 
bebeutfame SBa^rnetimung abtialten. @§ gibt 93öl!er unb ganje 
SBölferfamilien, meiere feit ^alirtaufenben ot|ne erl)eblid^e SJBeiter^ 
entmidelung oerliarren, ftetien geblieben finb, SSölfer, oon meldten 
e§ jroeifell^aft ift, ob fie er^eblid^e aOSeiterentroidelung aud) für bie 
3u!unft erfaliren unb nic^t t)ielmel)r untergel^en merben. S)a§ 
finb namentlid^ bie „Siaturoölfer" ber SSBilbniffe, bie Sßötter an 
ben Äüften be§ (Ji§meere§, fomie an ben Mften unb auf bcn 
^nfeln ber großen ©anbmeere. 9lud^ in ben gemäßigten, fub* 
tropifd^en unb l^eißen 3«^^^^^ fi^b burc^ 93oben unb ßlima ber 
©ntmidEclung ©renjen gejogen. S)al|er tann man e§ rid^tiger 
finben, ben au^jeid^nenb oolflic^en S^arafter ber 9Kenfd)en anberS 
al§ burd^ ba§ 3Jlerfmal ber @ntmidEelung§fäf|igfeit ju beftimmen. 

93ejeid^nenber mill e§ fd^einen, ba§ erfte SBort ber gegebenen 
3)efinition „bemußt" jum „oer nun f tbcmußt" ju fteigern. SBenn 
ber ©runbunterfd^ieb ber §erbe unb be§ 95olfe§ oon aßen übrigen 
^Bereinigungen in ber 93eroußtl)eit ber 9lu§roirfung oon (Semein* 
fd^aft befielet, fo mirb bie Steigerung oon ber §erbe jum SSolf 
in bem ®rabe ober ber Qualität ber 33emußtl|eit liier be§ gerben*, 
bort beg 3Solf§jufammen^ange§ liegen. S)a§ SSolt ift geiflig, 
b. l|. burd^ l|öt)er bemußte§ Sßollen, g^ü^len unb S)cnfen, nic^t 
buvd^ blinbe 2^riebe, unftare ©efü^le, trübe SBorfteflungen ^erbei* 
geführte ^Bereinigung. 9iun beftelien freilidd jmifd^en SRanboöÜern 
unb ©teppenbarbaren einerfeit§ unb jioilifierten Stationen anberer« 



— 17 — 

fcit§, ferner innerl^alb jebeiS ^ulturooHeS jn)ifd)en ben SBolfö» 
genoffen gewaltige 2(bftänbe ber inbiDibuetlen SBernunft; allem fd^on 
bie ,;5öilben" unb bie „^Barbaren" beft^en Slnfänge roirflid^ oer* 
nünftiger 2Bilten§^ ®efü^t§* unb 3)enHraft. aWan ^at jn)ar biefen 
aSernunftbefi^ al§ ®rgebni§ unberechenbar langer SBergefellfc^aftung 
oon ber Urzeit ^er ju Dermuten. 2lber bie unbetannten unb oiel* 
leid)t für immer nur permutbaren ©tufen. Über meldte ber SWenfc^ 
t)on ber §erbe jur SBölferfd^aft emporftieg, finb abgebrochen; fd^ou 
auf ber nieberften ©tufe, roeld^e nod^ befteljt, beim SRaturoolt 
nämlid^, mirb ein ®rab bemühter Jßertnüpfung angetroffen, roel* 
d^er al§ Oeift ober SSernunft anjufetien ift, unb eben biefer ®eifte§* 
ober SSernunftd^arafter ber SBertnüpfung ift e^, n)a§ jebe§ SBolf 
über jebe ^erbe ^inau§^ebt. @§ mirb freilid^, ba jebe ^erfon 
im normalen 3wftanb al§ SBernunftmefen gilt, für bie Definition 
ber 33eifa^ „Dernünftig" überflüffig, menn nur ba§ anbere aWer!mal 
be§ 9Solfe§ al§ einer SBerfnüpfung oon ^erfonen beibel^alten roirb. 
®ine befonbere Srmägung mu^ fogar baoon abl)alten, ba§ 
3JJerfmal „oernunftbemu^t" in bie Definition be§ SBolfeS aufjuneli* 
men. ®ie Sfflaffe alle§ ^anbeln^ in ber SBolfSgemeinfd^aft ift nic^t 
bie fog. reine SBernunfttätigfeit, fonbern eine 9lrt fojialinftinftioen 
^anbeln§. ®iefeg ^anbeln gef(^iel|t nad^ 93raud^ unb ^erfommcn, 
nad^ einer oolttid^en „raison fixe", oolflid^em :3nftintt, nic^t auS 
„instinct mobile", toie bie SSernunft genannt morben ift. @§ fmb 
oerI)ältni§mäJ3ig wenige ©eifter, meldte üernunftbemujst am SSBeb* 
ftuljl ber fojialen ©ntmidtlung arbeiten, babei bie ©efa^r be§ 
2Jlärtgrertum§ laufenb ; bie 9Waffenberoegung erfolgt nacl) 93rauc^ 
unb ^ertommen. S)a§ ift neueften§ mit befonberem @efc{)idE unb 
SRad^brudt oon ^. ©d^ur^ ^eroorgeI)oben morben ^). S)a§ inftinf* 
tioe ^anbeln ift für ba§ SBolf fo notmenbig, wie bie reine aSer* 
nunftbetätigung. Die Kultur befielt roefentlid^ barin, „immer 
neue al§ jmedtmä^ig anerfannte SReilien oon ^anblungen in auto^ 
matifd^e, in felunbäre Qnftinfte ju oermanbeln, bie nun aud^ ol)ue 
Kontrolle bei SSerftanbeS roirffam werben, ma§ im ®runb auf 
eine @ntlaftung be§ (Seiftet hinausläuft" (©d)uv^). Sffiürbe man 

1) Urgefd^id^te ber Kultur. ©. 8 f. 

© (^ ä f f I c , Slbrt^ ber ©oäiologie. 2 



— 18 — 

ba§ SÄerfmaf „pcrnunftbcrou^t" in ben SScgriff ber oolflidjen SBer« 
fnüpfung aufnel^men, fo mü^te man ani) bie fojialen QnftinÜc 
be§ ^erfontmcn§ l^etüorlieben. 2)a§ !önntc gcfd^c^cn, otinc ba§ 
bcr SBolfSbegriff auf bcn 93cgriff ber ^crbe l^erabgebrüdEt würbe ; 
benn an bie ©teile ber 2:riebe unb ber QnftinÜe ber ^erbe tritt 
beim SBoIfe mit ben erften Stnfängen ber Äultur bie ftare @r» 
fenntni§ ber Urfad^en unb ber Qkk, an ©teile ber blinben ©e« 
fü^le bie 3Wad^t ber bemühten SCßertung unb barauf begrünbet ba§ 
bemühte jmedEmälige 2:un. @§ gefd^ietit nur nid^t, ol^ne „ba§ 
©eujonnene in med^anifd^ fic^ folgenbe SSorftellung^fetten ju ner* 
manbeln" (©c^ur^). Slber aud^ ba§ 2Jloment be§ fojialinftinftiüen 
ober automatifd^en ^anbelnS braui^t faum befonber§ l|eroorgeI|oben 
JU werben ; e§ gibt feine ^erfon, meldte im SSolt rein nernunft* 
bemüht, nic^t aud^ nad^ ©itte unb 93raud^ lianbeln mürbe. 

®a§ roefentli^fte aÄertmal be§ SSolf^^ unb ©efeUfd^aft^be:^ 
griffe bleibt bennod^, ba^ bie innerlid)e SSerfnüpfung nid)t mel^r 
burd^ blinbe S^riebe, untlare ©mpfinbungen, trübe SBorfteßungen 
mit ^ilfe bcr 2lu§brudt§bemegungen bemirtt mirb. S)arum mirb 
e§ ft(^ empfehlen, biefe§ 3Woment, obmo^l e§ mit bem 93egriffe 
be§ aSolteg alig einer SUlaffenerfd^einung Don ^erfonen mittelbar 
aud^ berüdtfid^tigt märe, unmittelbar ^ernorjulieben. ®afür em« 
pfie^lt ftd^ nad^ meiner Slnftd^t ba§ 3J?erfmal geiftig au§gemirfter 
©emeinfd^aft. S)iefe Sejeid^nung umfd^lie§t fomotil ba§ ^anbeln 
nad^ ^raud^ al§ ba^ SSernunft^anbeln. 

©ie ift jugleic^ jutreffenb für alle brei Seiten ber innerlid)en 
95erbunbenl)eit. ©gmpattiie märe ju menig ; benn ber 3^" 
fammen^ang ift jmar aud^ unb felir ftarf, aber bodi) nid)t blo§ 
@efüt|l§jufamment|ang. ,,©ittlid^e" Sßerfnüpfung märe ebenfalls 
ju enge ; benn ber f ojiale ßiif^mmenliang ift ni(^t blo§ ein etf|ifd)er 
unb nic^t blojs ®rgebni§ non 3EBillen§regelungen burd^ Siedet unb 
9Woral, fonbern nid^t minber g^üreinanberfül^len, ba§ ®rgebni§ 
teil§ oon p^gfiofojiologifc^en, teil§ non rein fojiologifc^en SReijen, 
gefd^led^tlic^er Siebe unb freier 3^^^i9^"8- ^^^ SSolI^gemein* 
fc^aft mirb nid^t blo^ burc^ ba§ 9ied)t, morin „Silier @ine§, 
®ine§ 2llle§ Ijält", üor Slu^renfungen bema^rt, fonbern ^at auc^ 



— lo- 
bte mä^tigen Ocmütöbanbc ber g^^wnbfd^aft, ber Oefctligfeit, 
bc§ ©tanbe§bert)U§tfcin§, bc§ ^atnoti§mu§, ber Humanität u. a. 
Unb nod^ mel)r! 9lid)t blo^ 5öttlcn§übercinftimmung unb ein* 
l^eitUc^e Drbnung ber jufammeittreffenben 5öitlen, auc^ nid^t blo& 
©emüt^jufammenftitttmung unb ®efüt|l§neigung für einanber finb 
erforberü^, fonbern ein immerfort übereinftimmenbe^ Sßiffen 
au§ ber Sßergangcnlieit a(§ SBoIfgerinnerung, gefd^id^tlic^e Zxa^ 
Utxon, übereinftimmenbe§ SBiffen über aüe§ ®egenrt)ärtige a(§ 
laufenbe ^ublijität, gleid^e§ SSorftetlen unb SEBünfd^en über ba§ 
Äommenbe, ©rroartete, ju ^offenbe finb oötlig unentbe^rtid^ für 
ben 93eftanb unb bie ©ntfattung oottlid^er Seben^gemeinfd^aft. 
91 ße großen 3JiitteI ber ^beenüberUefcrung unb ^beenoerbreitung, 
ber (Erinnerung unb ber "ißropaganba — ^eute oor aflem bie 
treffe — bienen unauf^örlid^ and) einer allgemeinen 3öiffen§ge:= 
meinfd^aft unb 2ßiffen§übereinftimmung. Qroax ift e§ rid^tig, ba§ 
bie ^erfteHung be§ oolllic^en ©efül^lö^ unb 9Sorftellung§ein!tange§ 
felbft auf umfaffenbem, öietgeftaltigftem ^anbetn berul^t ; aber ber 
Sinftang aller brei ©eifte^energien — t)on bem in jeber ^infid^t 
„eroigen" religiös = tran^fjenbentalen Olauben^einflang ganj ju 
fc^roeigen — ift an fic^ felbft mefenttid^, roenn er aud^ gemad^t 
ift; er mu§ für fic^ bafein unb roirft au§ fid) felbft. ®a^er 
fc^eint,ba§ 3Jier!mal geiftiger 2lu§n)irfung n)enigften§ ber jroedt* 
mäßigere, Dor falfd^er ©infd^rdnfung metir beroatirenbe 2lu§brudE 
JU fein. ®er 9lu§brudE ,,aSolf§feele" fei oermieben — nic^t blo|, 
weil ilim gfo^e SBagtieit im l^eutigen ©prad^gebraud) anhaftet, 
fonbern auc^ roeit nid^t blo§ ba§ einjelne SSolt für fid^ innerlich 
jufammenl^ängt, fonbern aud^ alle untereinanber unb bie @eelen= 
oorgänge nic^t burd^au^ aU bemüht erfennbar finb. 

®ie weiteren SD^erfmale, mel^e bem Sßolfe, aber nid^t ber 
^erbe eignen, gewinnt man, roenn bie 3)oppelfrage beantwortet 
wirb: voa^ ftnb bie Steile (55eftanbteite) ? unb wie fmb bie 2:eile 
oerbunben ? :3nftitutionell unb funitionell l|at ba§ SBolt eine un== 
oergleid^lic^ eigenartige 3^fönimenfe^ung unb eine unoergleid^lid^ 
eigenartige Sßerlnüpfung. 

3ufammengefe^t ift e§ au§ ^erfonen unb au§ 

9 * 



— 20 — 

©ad^befi^cn unb jroar nid^t blo§ au§ natflrlid^en ^erfoncn 
mit i^rem 93cft^, fonbcrn frülie fd^on anä) au§ ^anblung§fäl)i9cn 
^evfonetiDcrf ötperungen , ©ctncinfd^aftcn ober ©amtpcrfoncn mit 
©cfamtbcfi^en. Sltlc ^^crfoncn befinbcn ftd) in gciftigen SOSed^fct* 
mirfungen unb unterhalten Sßerfe^re; bie ©amtperf onen fügen 
bem äußeren SBerfetir einen inneren Sßerfe^r jmifd^en ben 3Jiit= 
gliebern l^inju. 2)as; ^anbeln ift in SBerte^r unb in ®emeinfd)Qft 
immer geiftig beftimmte 2:ätigfeit in ber ftttlid^en ®oppelgeftalt 
beS aW a d^ e n § (^erfteltung burd^ SWac^t) unb ber 93emertung, 
ber ^rayi§ unb ber ©d^ä^ung je für ein ©d^affen (^eroorbringen, 
©efd^äft) unb für imedEgemä§e§ 93raud^en. 

3u ben ©rfd^einungen ber 3"fömmenfeöung fommen ^öd)[t 
eigenartige ®rf c^einungen ber SSerfnüpfung t|in ju. 

Obenan ftetit bie © p r a d^ e , momit alle ©lieber geiftig 
ein§ unb mitteilfam gemad)t fmb. ^inju fommt gemeinfame 
33en)ertung, nid^t erft fpät unb nic^t blo§ für ben 33efi^, 
fonbern Don ber frülieften ßeit an aud^ für bie f\6) unb anbere 
fd^d^enbe ^^erfon, lange beoor e§ ©elb unb einen eigentlidt)en 
aJlartt gibt. Q\xx ©prad^* unb SBertoerfnüpfung tommt bie britte 
95erfnüpfung ber O r b n u n g tiinju; nämlid^ burd^ ©a^ung (©itte, 
9ted)t) Don ber ©emeinfd^aft au§ unb burd^ aWoral oom ^anbeln- 
ben ©ubjelt au§. Sßeitere 93inbefräfte unb 93inbefunttionen treten 
auf für ben 3ufömmenl|ang im SHad^en : bie ^errfc^aft ober @e* 
malt (3mang§gemalt, 2lutorität, Sefi^geroalt), ferner bie ©emeiu« 
famfeit ber SSerftcitigfeit (Sec^ni!, a5ol!§mirtfc^aft) , enblic^ bie 
SRaumoerfnüpfung al§ ortfd^aftlid^e 2lnl|äufung unb 2:ran§port* 
oerfnüpfung im 9laum unb bie ^^i^i^^rfnüpfwng al§ 2lnl|äufung 
oon 93ilbung unb oon SSermögen (©ammlung, SSorratbilbung, 
3Äelioration). 

ajlan oerglei(^e nun §erbe unb SSolf juerft mit 9tüdffid)t auf 
bie 3wfammenfe^ung ber SBoltegemeinfd^aft. 

9iur ba§ 9Sol! l|at ju 3Äitgliebern geiftig f|anblung§fäl^ige 
©elbftmefen, ^erfonen unb ift al§ ®anje§ l)anblung§fäl|ig (mög* 
lid^e§ ©taat§mefcn). Qebe ^erfon betätigt \\6), arbeitet unb 
brandet; ba§ Sßolf ift ein ©ange^ oon 2;atbeftänben. S)a§ ^a\u 



— 21 — 

beln bcr 5ßer[onen ift ein untrennbare^ 2)oppe(l|anbeln: ^rayiS 
(3JJac^e, SRaditbetätigung) unb öeroertung, unb jroar ^raji§ unb 
93cn)ertung int ©d^affen wie im ©raupen, @efcl^äft§= wie 93cbarf§« 
betätigung. 3)ie ^erfonen [teilen in eigenartigen 3EBed)feIn)irfungen 
ober SBerfe^ren : Slbfe^rungen unb 3wf^^^^ungen, abletinenben unb 
ergänjenben, feinblid^en unb freunblid^en 99erüt|rungen. SBon alit^ 
bem \)at bie ^erbe ni^t§, n)a§ auf geiftige SBeife ju einiger ®nt== 
faltung fäme. 

S)a§ Sßolt befi^t einen jweiten ©runbbeftanb : ein Sanb 
unb nimmt au§ bem Sanb © a d^ g ü t e r ; Siegenfd^af ten unb 
ga^rtiabe, e§ nu^t fie. gerben tiaben mol)! aud^ bleibenbe ©tanb* 
orte, SReuiere, aber nid^t eigentU(^e Sänber, nic^t gat|rl)abe unb 
nid)t Siegenfd^aften, menigften^ nid^t in geiftiger 2tu§n)irtung. 

3u einem SSoß gel^ört in ber 2:at ein Sanb. ®§ befi^t ju 
gegebener Qext ein jufamment|ängenbe§ ©tüdt ©rboberfläd^e , be* 
l^errfd^t e§ atö ©ebiet, fd^ü^t e§, befeftigt e§, baut e§ an unb 
überbaut e§. 2lud^ mo ^äufcr unb SBBege nod^ fel)len unb ber 
2tufentl^aIt§ort nai^ ber ;3al|re§jeit ein Derfd)iebener ift, jeigt fid^ 
am SSoIf ein anbere§, bemu^tere^ SBerl^alten jum 93oben, aU an 
ber §erbe. ®a§ aWerfmal ber Sanboerbunben^eit mirb bal^er in 
ber S)efinition mit enttialten fein muffen. S)a§ SSolt erhält eigen* 
tümlid^e§ Oepräge t)on feinem Sanbe, ha^ Sanb oom SBoHe eine 
immer intenfioere 3«>^tf9^ft<^Itung. 

®a§ aSoI! ift eine roeit über bie 3lffenart l|inau§reid^enbe 
©d^öpfung aud^ burd^ ben unoergleid^lid^ reid^eren ©ad^güter^» 
befi^, ben e§ feinem Sanbe entnimmt, ©(^on beim «^ägeroolle 
unb bei ber ^orbe trifft man an Sffiaffen, ©eräten, 93ebedungen, 
SBorraten meit mel^r al§ bei irgenb einer ^erbe; ber ©ad)güter* 
befi^ ber ^erbe ift, roenn überl^aupt bat)on gerebet werben tann, 
minimal. 3Äan barf ba^er fagen, ba^ ber 93efi^ üon ©ad^gütern 
unb bie gdliigf eit , fie immer reid)Iid^er unb mannigfaltiger für 
bie ©injelperfon unb für eine -äWannigfaltigfeit üon ^erfonen= 
Bereinigungen (©amtperfonen), jutiöd^ft für bie SBölIer im ganjen 
JU erlangen, afö ein au§jeid^nenbe§ Orunbmerlmal üotflid^er @e= 
meinfdiaft anjufe^en ift. 3)a§ SSott empfängt bie „freien" @aben 



— 22 — 

ber Statut, bie fog. freien ©äter ber 9lationaIöfonomie — rote bie 
^etbc; aber e§ fud^t unb I)oIt fie bi§ in bie 2:iefen ber @rbe unb 
be§ ajleere§, geftaltet fie für feine Qxozde. 3)er SBeft^ funftge* 
ntad^ter unb tunftgefunbener ©üter ift nur ben SWenfd^en in ryolh 
lieber ^Bereinigung möglid^ unb eigen; e§ gibt immer ein 95oIf§* 
taum üxoa^ mie ^erbenoermögen. 3)a§ ÜWertmal be§ ©a^güter^ 
beft^eg roirb in ber Definition be§ aSolfe§ ni(^t feljlen bürfen. 
S)agegen werben jmei ©runbunterfc^iebe im ©ad^güterbefi^ — 
Sad^güter für 3)arfteQung unb aJlitteilung t)on Qbeen neben ©ad^^ 
gutem für fonftige SRu^ung, fog. materiellen ©ütern, foioie bie 
6en)egli(^en ©üter neben unbemeglii^en ©ütern — in bie ®efi== 
nition nid^t auf june^men fein. Bw^^r bringt e§ nur ber ajicnfdi) ju 
einem eigentlid^en Qmmobiliarbefi^, aud^ nur er ju einem Sieid^^^ 
tum t)on ©d^riftroerl aller 9lrt, Don S)rudEen, 93itbern, ^unftmerfen, 
ajlufitnoten u. f. vo., aber ju bem einen unb ju bem anbern bo6) 
f)auptfäd)lid^ erft auf bem Saufe jur Kultur unb 3ii5ilifation. 

3)a§ SBolf bleibt fein Raufen üon Qnbioibuen fog. natürlii^er 
^^erf onen, f onbern entfaltet in ftd^ befonbere ®emeinfd)aften, 
Ä'otleftioperfonen, meldte unter fid) unb mit ben natürlichen "^^er^ 
fönen in bie SBe^felmirfung nid)t blo§ be^ ßampfe§ unb ber 
2:rennung, fonbern ber ©rgänjung, be§ 95erfel|r§ treten. 91i(^t§ 
baoon ift an einer ,^erbe ma^rjunelimen. S)ie ©emeinfd^aften 
mit ilirem SBerfetire treten in boppelter p^i)fiologifc^er unb fojio* 
logifc^er ©rfd^einung auf : al§ alle ^nbiüibuen in fid^ faffenbe Sßer- 
fnüpfung ju gamilien unb als; eine 3Jiaffe einfadier unb jufammen* 
gefegter, prioater unb öffentlid^er 93ereinigungen (SSerbinbungen, 
93erbänbe). ®a§ Sßolf mag im Slnfang feiner 2)inge in 
familienlofer ^romi^fuität gelebt ^aben, mie bie ^erbe ; balb Der* 
mag e^ aber unb ftrebt e§ immer mef|r, bie fefte @inet)e neben 
immer reid^erer ©ntfaltung ju 35erbänben unb 9Serbanb§oerfe^ren 
JU geroinnen. ®ie fteigenbe 93efeftigung ber ®inel|e au^ roalir* 
fd^einlic^ polygamen llrsuftänben f|erau§ unb bie Slufna^me be§ 
reid^ften Kulturinl)alteg in bie im ©runb bennodt) ftet§ pI)i)fio=» 
logif(^ beftimmte gamiliengemeinfd)aft gehören ju ben au^jeidi)* 
nenben ©igenfd^aften be§ Sßolfe^. 2)ie ®inl|eit ber Slbftammung, 



— 23 — 

be§ 93futc§ trifft lüotil im 9lnfang oötlig ober übcrroicgenb ju, 
iDcid^t aber immer mel)r ber SBerfnüpfung ftammlid) ungleid)er 
^erfonen. ®ie ©emeinfamfeit ber 9lb[tammung wirb alfo im 
©inne ber 93lutreinl)cit ni(^t in ben SSoIf^begriff aufjunef)men 
fein. ®ie SBöIfer befleißen nid)t an^ ^erfonen gleid^en 93(ute§; 
g^rembe fommen herein, unb jmar frülie fc^on buri^ 3Äenfc^enraub, 
bur^ SSerfftaoung ber ©efangenen, burd^ ©jogamie, imifd^en- 
ftammlic^e§ unb internationale^ heiraten. SBiele SSölter, unb nid^t 
bie gefc^ic^tlid^ unbebeutenbften, mie ba§ römifd^e unb in ber 
9teujeit ba§ ameritanifd^e, finb faft oon Stnfang burd^ 3Wifd^ung 
entftanben. 

2)od^ nid^t b(o§ bie 93eftanbteite unb bie S^eiloerrid^tungen 
finb unoergleid^Iid) eigenartig. 3lud^ bie fed^§erlei geiftigen SB e r » 
fnüpfunggroeifen, meldte fc^on genannt finb , f amt ben 
gugeljörigen Hilfsmitteln finb e§. 9tämlid^: 1) bie geifteintieit^ 
lic^e (fprad^li(^'äftl)etifd)e), 2) bie merteinlieitlid^e, 3) bie orbnungS* 
eintieitli^e, 4) bie gen)alteinl)eitlid)e, 5) bie mirtfd^aftSeintieitli^e, 
6) bie raum^ unb geiteinljeitlid^e SSerfnüpfung mit ben jugetiörigen 
großen 95eranftaltungen. ®ie ^erbe l|at ba§ al(e§ nid^t, ber 
ooltlid^ angelegte SJJenfd^ aber 3lnfänge unb ^eime baoon fd)on 
in ber Urgefd^id^te ber Kultur. 

3^ür bie Definition genügt c§ ni(^t, nur eine ber fe(^§erlei 
SSerlnüpfungSmeifen l^eranjujiel^en. S)ie mid^tigfte ber SBerfnüpfungen 
ift n)ol)l bie ©prad^e ; auf fie ftü^en fid^ bie anbern 93inbeprojeffe 
unb Säinbemittel be§ SSolfSjufammentiangeS. Slber entbelirlid^ ift 
feine oon allen. 2)ie ©prad^e ift nid^t einmal alleinige @rfd)ei* 
nung ber @eifte§einl)eit. QebeS SSolI, ja bie ganje SSöltermelt 
befi^t aud^ äftt)etifc^e ®eifte§ein^eit unb pflegt fie. SJian mirb 
entmeber eine 93ejeid}nung ju roät)len Ijaben, meldte alle fed[)§ 33in* 
bungen unb 93inbemittel anbeutet, ober aud^ ben ^inmeiS auf bie 
©prad^eint)eit uuterlaffen. 3QBir jiet)en ba§ erftere oor unb fagen 
oom SBolf: e§ ift geiftig oerfnüpft. 3Jian unterfd()ä^t mit biefer 
2lnftc^t bie fojiologifd^e 93ebeutung ber ©prai^e nid^t. ©eiftige 
2lu§mirfung beS 3^üreinanberfein§ fe^t oorau§, ba^ alle oerbun= 
benen 5ßerfouen in it)rem 2)enfen, gü^len unb SBollen eine§ 



— 24 — 

®eiftc§ feien, mit allen i^ren SBorftellungen, ®t^nf)U^ unb aBi(Ien§« 
neigungen einanber Derftel^en unb baj3 fte fid^ ju oerftänbigen 
vermögen. @in ^ieju bienenbe§ 2RitteI, jroar nid^t ba§ einjige, 
aber ba§ am meiften mirfenbe, ift bic ©prad^e. ©eiftreid^ ^at 
man fte bie ,, laute Sßernunft", ba§ ®enfen [title ©prad^e genannt. 
®ie fog. 2anU unb ©eberbenfprad^e ber 2:iere reid)t an bie 
SJolfgfprac^e nidijt oon ferne ^eran unb befi^t leine @ntn)tdEelung§:= 
fäf)igfeit. 3J?an barf nur nie »ergeffen, baj3 bie ©prad^e für bie 
©ojiologie nid^t blo^ afö Sommunitationömittel — famt ben ju* 
geljörigen Staum- unb 3^itoeranftaltungen ber Slu^breitung unb 
Uebertieferung ber ;3been — 93ebeutung l|at, fonbern oor allem 
al§ ^erftellung, ©emal^rung unb 3lu§bilbung geiftiger ®igent)eit 
unb Sigenart t)on 33eoölterung§maffen, man möd^te fagen al§ 
^rojep ber Äapitalifation be§ SSolt^geifte^. 2)ie ©prad^e mäd^ft 
mit bem SBolfe unb au§ bem Sßolfe ^erau^. ^ft aber bie ©prai^e 
alleiniger 2lu§brudE ber geiftigen ®in]^cit eine^ 95olte§?' kleben 
xi)x barf bie äft^etifd^e ®ei[te§^ bie ©d^önl)eit§s ©efc^mad^^ 
?ßf|antafiefprad^e ber fc^öncn fünfte, einfdt)lie§lid[) ber befonber§ 
in ber Sieligion jum ^erjcn fpred^enben SUluftf, ber ^oefie unb 
ber frönen Siteratur nid^t überfeinen werben. 3)ie fd^öne Kunft 
fpielt fd^on in ber „Urgefdnid)te ber Äultur" eine fo bebeutenbe 
SRoHe, ba§ man fojiologifd) üeranla^t märe, neben ber ©prad[)e 
bie geiftige SSerfnüpfung burd^ ba§ Söirfen unb bie SOSerle ber 
barftellenben Mnfte, ber ®id)tung unb ber SJiufil in bie S)efini* 
tion felbft eiujube jiel)en ; benn ba§ ^öd^fte unb 93efte unb Un= 
üergänglid^fte unb allen SSölfern SSerftänblid^fte unb bag ©inbrudE^- 
fäl)igfte am ©eift finbet barin 9lu§bi'udE. Unb nid^t bloß für ba§ 
fßolt be§ Sünftlerg, fonbern für aUe SSölfer aller 3eiten ^at man 
bie Sßerfe ber 5ßoefte unb ber fd^önen fünfte ju fd^ä^en. 

3Ba§ ift nad^ aller @rfal)rung ber 3"^^^^^^^^ ^^^ 9Solf§= 
gemeinfd^af ten ? ®ie Kultur!. Sßo^in jielt bie SSoß^ent* 
midEelung? 2luf allgemeine ©inbürgerung ber ^erfonen in immer 
meitere nad^ au|en unb innen immer frieblic^ere ©emeinfd^aft, 
b. 1^. auf fortfc^reitenbe 3ioilifation. 

93eibe 93egriffe, Kultur unb 3ii5ilifation ftnb jmar no(^ nidjt 



— 25 — 

in allgemein anerfannter Sßeife feftgeftellt. S)oc^ meinen mir, ba^ 
bie Qxotdini)a\te ber Kultur immer unb überaß biefelben feien: 
nämlid^ erften§ Seroältigung ber 2lu|en= unb grembmelt jum 
gemeinen SSolf^rooliI burd^ ©id^erung unb ©ad^güteroerforgung, 
bann jmetten^ geiftige (profane — religiöfe) unb materielle (&nU 
fattung unb ®rl^altung aller @injel= unb ©amtperfonen burd^ 
äußeren unb inneren SSerfetir, beibe§ unter SBeranftaltung unb ®urc^« 
fül^rung ber fec^^erlei SBerfnüpfungen. 3)iefe f onfrete Sluffaffung 
bedtt fid^ mit bem 93egriffe ber Äultur. Unb mir meinen, ba§ 
ba§ 5öefen ber ^i^iKfotion mirllid^ in ber ©ntmidfetung oon 
immer meiir unb immer gleichmäßigerer ©inbürgerung in frieblid)e 
©emeinfd^aften unb SBertel^re unter fortfd^reitenbem @rfa^ ber 
allgemeinen 2lbfto§ung burc^ bie allgemeine 2lnjiel)ung gmifd^en 
ben ©liebem jebe§ 9Solt§ unb ben SBöHern unter einanber gefun* 
ben merben bürfe. 

Äultur unb 3i^Wifötion jufammen merben ba§ fein, ma§ 
man ©efittung ju nennen l|at. 3)er 33egriff ber ©efittung 
enthalt alfo alle§, auf roa^ bie eigentümlid^ Doltlid^e ®ntmicfelung§^ 
fätiigleit be§ SUleufd^en im ©egenfa^ jur entmidtclung^Iofen ^erbe 
^infütirt, er bebeutet inbinibuelle ©ittlic^feit unb ©itte jufammen. 
^n bie Definition fe^en mir balier an ©teile be§ 3ÄerfmaI§ ber 
(5ntmidEetung§fäf|igteit ben 93egriff ber @eftttung§fäi)igteit in bem 
beftimmten ©inne t)on Kultur unb oon Si^il^otion ein. 

©omit befiniere man auf ©runb aller porftel^enben ®rmä* 
gungen: SBolt ift bie geiftig oertnüpfte, ein Sanb 
betiauptenbe, gefittung§fät|ige 3)auer= unb 
3Jlaffenoereinigung oon ^^erfonen nebft beren 
jugel^örigen ©ac^güterau§ftattungen (93efi^en). 

Sie menfc^lidtie ©efellfd^aft ift ber Qnbe^ 
griff ber in ©emeinfc^aft unb SSerfelir oer^ 
bunbenen SBöÜer, bie gefittete SBöItermett. 

3. Meberfid|t über bie <Srunblinien einer atlgemeinen Soziologie. 

©elbft bie allgemeinft gehaltene Ueberfid^t ber fojialen 2:at= 
fad^enfreife ergibt eine faft unüberfef)bave gütle unb a)?annigfaltig* 



— 26 — 

!cit bcfonbcrer ©rfd^einungcn, bereu eintieitlid^e ©rfaffung 
ber ©Ojiologie jufommt. 3)a^er fei e§ uerfuc^t, über bie liaupt* 
fäd^lid^en 2:atfad^enfreife junädift eine Ueberfid^t ju geroinnen. 
S)iefe jerlegt fid^ in [ieben ^auptabfc^nitte. 

Sßon bief en gilt ber erfte ber 2B e 1 1 fteßung ber ® ef eßf d^af t, bie 
fed^§ folgenben ber ©efeßfc^aft für fic^ ober ber ©eftttung. 

Sei ber ©efellfc^aft für ftdE| fommt obenan (jroeiter ^aupt* 
abfd^nitt) ba§ ©efellfd^af t^berou^tfein, bie ^ n n e r Iid)feit ber @e* 
fel(f(^aft; benn biefe ift e§, roelci^e bm fojialen Körper baut. 

2)er britte big fünfte §auptabfd)nitt finb ber normalen 
©efetlfd^aft im gegebenen ^wftanbe, b. 1^. ber ©efellfd^aft ab^ 
gefeiten oon ben ©rfd^einungen ber ©ntmidtlung unb ber (Störung 
gemibmet, unb smar ber britte unb oierte bem Sßolfe ober ber 
nationalen ©efeUfc^aft, ber fünfte bagegen ben SSöttern ober 
ber internationalen ©efeöf d^af t. 

S)er fec^^te ^auptabfd^nitt gilt ben l| i ft o r i f d) * p o l i t i * 
fi^en 2:atfad^enfreifen ber ©utroidElung, enblid^ ber fiebente ben 
SSerbilbungen unb Störungen unb bereu Selämpfung. 

Sogif^ ftrenger, aber bei weiterer 3^äd^erung fe^r oiel roe* 
niger überfid^tlid^ wäre bie folgenbe Einteilung ber ©ojiologie: 

A. ®ie 2B e 1 1 ftettung ber ©efeöfc^aft. 

B. bie ©efeafdiaf t für fid) ate bef onbere SBett ber @ e f i t -^ 
tung, unb jmar bie OefeUfd^aft für fid^: 

1) bei normaler 93efd^affenl)eit 

a. in einem gegebenen ^^^pöub : 

a) aSolf unb Sanb ober bie nationale ©efeUfd^aft, 
ß) bie SBölfer* unb Sänbermelt ober bie internatio- 
nale ©efeßfc^aft; 

b. bei normaler 33ef(i)affenl)eit, jebod^ in ber ©ntmidEe- 
lung begriffen: ©efc^ic^te unb ^olitit; 

2) bie ©efellfd^aft bei abnormer 93efd^affenl)cit unb aU 
©egenftanb ber 33efämpfung oon aSerbilbungen unb 
oon Störungen. 



— 27 — 



I. 

S)ic ©efeÜfc^aft crftrcdtt ftd^ über bte berooljnbarc ®rbe (De* 
fumcne) unb fenbet ilire SBerbinbunggfäben unb 3WittciIung§rt)el(cn 
burc^ ba§ Suftmecr, bic Sffiaffer, über bic ©rbbedten. @ic gc» 
^ört ium platteten unb ift 33cftanbtcU bc§ SBeltganjen. ®ie 
aBcItftcttung bcv Oefctlfd^aft fteljt batier für bte fojiologifci^e 93e* 
trad^tung obenan. 

®iefe SBetrad^tung ergibt jweierlei: bie ©efeöfd^aft fte^t jroar 
in formalem ©inHang unb in realer Sßerfnüpfung mit ber ganzen 
©dlöpfung, ift aber aud^ eine eigenartige SÖelt für fid^ innertialb 
ber @efamtfd)öpfung unb mittele be§ SBeltganjen. 

A. 2)ie ©efeUfc^aft al» föeltbeftanbteU« 

1) 2)er formale ©inflang ber ©efellfd^aft mit 

ber ©efamtfc^öpfung. 

S)ie ganje SÖelt ift eine ^ufammenftellung oon ©onbermefen, 
2:eilen, meldte fomol^l oon einanber abl)ängig al§ gegeneinanber 
felbftänbig finb, meldte einanber ftü^en aber auc^ einanber ab- 
fto^en unb bebrängen, ©ie ift infofern societas generalis (Seib* 
nij), „allgemeiner SBefenoerein" (Traufe). 

ged^ner fagt oon ber 9latur: „®ie ganje Siatur ift ein 
einjige§, in fid) jufamment|ängenbe§ ©gftem oon med^felmirfenben 
Steilen, in welchem t)erfd)iebene ^artialfrifteme bie lebenbige Kraft 
unter oerfd)iebener 5?orm erjeugen, oermenben, aufeinanber über= 



— 28 — 

tragen unter SBal^rung allgemeiner Oefc^e, burdi roeldie ber Q\x^ 
fammenfiang bel^errfd^t unb bewahrt wirb", fjür bie ©efamtbe- 
roegung ber Staturroelt ^at @ a u § (nadi iJ o ^ c) ba§ allgemeine 
@efe^ ber SMed^anif ba^in formuliert: „Sin (Softem materieller, 
n)ie aud^ immer untereinanber oerbunbener fünfte, bereu Seme- 
gungen an voa^ immer für äußere 93efd^rän!ungen gebunben fiub, 
bewegt fid) jeben SWoment in möglid^ größter Uebereinftimmung 
mit ber freien ©eroegung ber Seile ober unter möglidi fleinftem 
3mang, inbem man al§ SJla^ beS QwanQt^, bem ba§ ganje 
@r)ftem in jebem ß^^Weild^en unterliegt, bie ©umme ber 5ßrobufte 
au§ bem Ouabrat ber 2lblenfung ber freien 33en)egung jebe§ 
fünftes unb au§ beffen 9Waffe betradjtet". Q\\ ber 2;at, in jebem 
„^artialfgftem" ber Statur ift aOBedifelroirfung felbftänbiger Seile, 
gegenfeitige 2lnjiet)ung unb Slbfto^ung wal^rjunel^men, unb bie 
Seile ftnb SSerförperungen nodi einfadierer Seile, bie le^teren 
aber SBertörperungen oon legten ©runbbeftanbteilen. ^^^fxtalifd^* 
d^emifdö ift bie anorganifd^e SBelt, oom ©eftirn bi§ jum SJli* 
neral, ein @anje§ felbftänbiger Körper unb ©temente, roeld^e burd^ 
bie ben Slet^er unb bie Suft burdjbringenbe Kraft ber ©döwerc, 
be§Sid^te§, berSBärme, ber ©leftrijität in aDBedt)feln)irfung ftel^en 
unb in fid^ felbft burd^ Ko^öfionen, äiffinität oerbunben fmb, 
bej. getrennt werben. 3)ie organifd^e 5)tatur ift be^gleid^en eine 
au^ ber anorganifd^en Jlatur aufgebaute unb burdt) bereu Kräfte 
lüirtfamc SSiel^eit oon pflan^lid^en unb tierifd^en ©injelmefen, 
roeld^e einanber anjie^en ober fliegen, einanber nü^en ober be^ 
brängen, einfadt) al§ Qtüzn (pa§ma) ober oerfnüpft in SSereini* 
gungen, al§ biologifd^e Körper mirfen. 2lm einzelnen ^flanjen- 
förper unb Sierinbioibuum ift biefelbe ©runbbefd^affen^eit ma^r= 
junel^men, unb oermutlic^ ift fie audt) ber «S^nerlic^feit be§ Siere§, 
ber (Seele, eigen. 

2)er 93lidt auf bie ®efellfdt)aft ergibt fofort, ba^ bie fojiale 
©d)öpfung formal im ©inftang mit ber übrigen ©d^öpfung an-- 
gelegt ift. ©ie ift ein ®anje§ oon einfad^en unb jufammengc=' 
festen Seilen, oon ©iujelperfonen unb oon ©amtperfonen (^er* 
fonenförpern, ®emeinf(^aften, 2lnftalten), welche famt itirem 93efi^ 



— 29 — 

im aScr^ältniS ber Slnjietiung unb ber 2lbfto§ung, bcr ©rgänjung 
unb ber ©ntgcgenfe^ung (SBcrbrängung), bcfonbcrg bejeid^net : be§ 
aSerfc^rg unb ber geinbfd)aft ftefien. ®ie SSöIfer al§ ©in^eiten 
ober bie (Staaten befinben fid^ in eben bcmfelbcn SJcrljältnig. 
international für bie oerfcI)iebenen „2^eilfgfteme" aller aSöIfer unb 
national für bie 2;ei(e jebe§ a3oIte§ ift berfelbe ®runbri§ be§ 
SBeltenbaueS tüa^rjunel^men. 2)em „SBoIf^roirt" wxii c§ fd^eincn, 
ba§ bie ganje ©efeöfdiaftgberaegung in geiftiger S)urd^füt|rung 
bcm ©au^'fd^en ©efe^e ber aWedianif folgt. 

2)er religiös fpelulatide $ang unferd ©eifteS n^irb immer 
bcrfu^t fein, bog S) a § ber formalen Sin^cit ber ©efcHfc^oft mit ber 
übrigen SBclt moniftifc^ ju ergrünben, jumal bie ©cfeUfc^aft au^ bcr 
organifd^cn unb unorganifc^en Slotur fic^ ergebt. S)ie ©ojiologie ttjirb 
aU SBiffcnfc^aft fid& bcffeu gu enthalten ^aben. — ©erfclbc fpcfulotide 
^ang unfcrcS ©ciftcS möchte wiffcn, warum bie gonge SBclt auf bie 
boppclte SBec^ielmirfung bcr Slnjic^ung unb bcr SScrbrönguttg , bie 
©ogialroclt auf ©ntgcgenfteHungcn unb auf Scrlc^rc angelegt ift. Siuer 
religiös jd&auenben SBeltbctrad^tung ^ot fidö immer bcr allgemeine 
SEBcltengegcnfa^ aufgebrängt: in bcr äJorfteUung oon Drmujb unb 
Sl^riman, bom 6rog unb bcr 6ri^, öon ®ott imb Scufcl, üon einem 
^ßringip bcS ©uten ober bcr Uicbe unb einem ^ßringip bcS Sööfcn, 
h)cld&c§ tt)ibcrtt)illig bennod^ äßittcl bc§ ©uteu ift. ©ic^tcrift^ ift biefe 
fpcfulatibe SBcltbctrad^tung unübertroffen burtfi ©oettjc im ,,$rolog" 
gum SluSbrucf gefommcn, inbcm bcr ©rjcngcl beginnt: „S)ie Sonne 
tönt nad^ alter fficife in Srubcrfp^ärcn SBcttgcfang", SD?cpt|ifto aber fagt: 
3c^ bin ,,ein Seil bon jener ffraft, bie ftctS ba§ Söfe mitt unb ftct§ 
baS ©Ute fc^afft". ®ie ©ojiologie mu§ bennoc^ jcbc f|)cfulatibe SSer= 
fud^ung, boS SBarum }u beantmorten, ftanbtiaft ablehnen. 3)ie gragc, 
ob eg „bie befic ber möglid^cn SBcltcn'' ift, tpclc^e ©ott gcfd^affen ^at, 
!ann bie SBiffenfd^aft nic^t aufujcrfcn. ©ag in. ber fojialen SBclt bie 
SBcd^fclnjirfung audö ©ntgcgenfe^ung, Trennung unb Slbfto^ung bleibt, 
beftatigt ade fügiologifd^e ®rfal)rung, aber auc^, bag fie im SScr^ältniS 
bon 5ßcrfon ju 5ßerfon, SSolf ju SSolt immer mcf)r bon feinblid&cr ju 
frieblid^cr SBec^fetoirfung fi^ fortcntmidtclt ^). 



1) 3n 8^el)l0riffen fül^rt nid)t bloß bcr fpefulatit)c Optimismus, fon- 
bern md) ber fpefulatioe ^effimiSmuS. ©in abfrfircdfenber ^eleg l)iefür ift 
neucftcnS $Reinf)olb§ „93en)egenbc Gräfte ber SSoIfSmirtfd^aft", n)e(df)cmit 
bem ©d^opcnl^auc r^fcl)en „3öeltbefpoten" SBiüe unb ber gütigen JJee 
Sbee (SJorftcUung) bis in§ Slfrfigrauc fojialpolitifdjen §o!uSpofuS ge^ 
trieben unb an^ „bcr 93eial)ung beS SöillcnS ju leben", bie 9^otn)cnbig!eit 
ber fojialcn 3erftörungen unb SSermüftungen abgeleitet f)at, of)nc auf t>m 
©cbanlen ju lommen, ba^ ba^ 3Jia5imum möglid^er „SSejafiung bcS SöiüenS 



— 30 — 

2) Sie reale aSerfnüpfung ber ©efellfd^aft mit 
ber ©efamtfd^öpfung oberbie äußeren aSerlet« 
tungen (Jlouiunftionen unb Jlonjunfturen) ber 

©efellfdiaft. 

SBenn e§ ber ©ojio(ogie oerfagt ift, ben jenfeitigen hinter« 
grunb be§ äroiefpältigen 5örmd)arafter§ ber SlBett ju crgrünben, 
fo l^at fte befto nad)brüdEIiciöer bie reale SSerfnüpfung ber foäialen 
mit ber übrigen SBelt, bie SSerfettungen im ©ein unb im ®c= 
fd)e^en, feftjuftetlen. 

3u ber „übrigen SBelt" gel^ört für jebeg abgefc^Ioffene, no^ 
nid)t in ben Söettoerte^r ber ©efetlfdiaft eingetretene Sßolf nid^t 
b(o^ bie Statur, fonbern aud^ jebe§ frembe aSolf, bie ooIHidie 
fjrembmeft. ©ine lange ©ntmidEelung fangt smar immer mel^r 
bie ^^embmelt in bie ©efeüfd)aft auf; aber t)on Slnfang an ift 
bie grembwelt eine gemaltige äuJBere 2:atfad|e, meldte faft ben 
^rieg Silier gegen 2llle bebeutet, unb patl^ofojiologifd^ erhalten fid^ 
in ©eftalt oon aSerbredt)ern, ©aunern, ©gmbioten üerfd^iebener 
2lrt grembförper, mit meld)en u. a. bie ;3uftij unb bie ^olijei 
einen fc^meren Äampf ju führen tiaben. 

S)ie aSerfettung mit ber 2lu§enmelt ift teil§ SSerfettung im 
©rbenraum : geograp^ifd)e ÄonjunJtion, teil§ SSerfettung im 
©efc^el^en: gef(i|id)tlid)e Äonjunftur. 

a3eibe Slrten ber SSertettung finb baburd) gegeben, ba^ bie 
tätigen Gräfte, bie ^^erfoncn, leiblich felbft ber Slatur unb beft^- 
1x6) auc^ ber anorganifdien SBelt angehören, inxä) bie Gräfte ber 
organifc^eu unb anorganifd)en Slatur mirfen. 2)ie SSölfer bleiben 
bal^er abt)ängig oon ber ^immelsbemegung mit Stag unb Slad^t, 
(Sommer unb SBinter, üon ber aSemegung be§ Suftmeer§ mit ber 
SBitterung, mn ber @rboberpd)e mit Sage unb Slima, f?eud)tig* 
feit unb SrodEen^eit, bem ©egenfa^ üon 3Jleer unb g^efttanb, bem 
a3obenreid^tum unb ber Sobenarmut. 93iologifd| ftnb fie mit bem 
äBed^fel ber ©eneration, ber 2lufeinanberfolge üon 2lrbeit unb 



5um Scben" burd) ben JJ r i c b c n fld) ergibt, bajs ber gerieben ernäl)rt 
unb ber Unfrieben ücrgcl^rt. 



— 31 — 

SRul^c, mit bcm ^flanjenbau unb ber 2:ierjud^t in bie ovganifc^c 
9iatur Dcrtcttet. S)cr alle ©cfetlfd^aft auSroirfenbc ©cift arbeitet 
burd) bie SRcijempfinbungen unb 2^riebe ber inbioibuellen ^e* 
feelung. ©onadö beftetjt eine ganj allgemeine Sßerfettung mit ber 
anorganifdien unb organifdien Statur, mie mit bem einjelfee- 
lif(^en Seben. 

3)ie aSerfettung bleibt iebod^ aU äußere ßonjunftion unb al§ 
äußere ^onjunftur immer SBeltt)er^ältni§ ber SBed^felbebingttjeit 
felbftänbiger äBefen, bej. Gräfte, bei meieren feiner ber beiben 
Derfetteten Steile feine ©elbftänbigteit ganj an ben anberen ab* 
gibt. 3)ie 2lbl^ängigteit oon ben „äußeren Umftänben" ober ber 
^onjunftion unb oom „BwföK" ber ^onjunftur mad)t fid^ bem 
ajJenfdien immerfort fühlbar. 

3)er fojiologifd)en ©ntmidEelung^lel^re gef)ört e^ an, ju jeigen, 
ba§ bie Äonjunftionen unb Konjunfturen nic^t blo§ überl^aupt 
med^feln, fonbern aud^ ba§ mit bem gortfd^ritt ber Oefittung bie 
ajJad^t ber ©efetlfc^aft über ^onjunftion unb ^onjunftur, mit bem 
Slüdfd^ritt bagegen bie 2lbl)ängigfeit ber ©efellfd^aft oon ben ^on« 
junftionen unb Äonjunfturen roäd^ft. 

3) 3)a§ aSerl^ältni§ ber Sojiologie jur Statur* 
n)iffenfd)aft unb ^ur ^ft)c^otogie al§ ^ilf§== 

miffenfd^aften. 

?3ei ber äußeren SBeltoerfettung ber ©efettfc^aft mit ber un- 
befeelten unb befeelten SOSelt l|at bie ©ojiologie auc^ bie 9iatur= 
miffenfd^aften, fomie bie SBiffenfd^aft oon ber (Seele l^eranäujielien. 
aOSie bie 53iologie be§ ^flanjen- unb be§ Jierreid^e^ auf 53iO' 
p^gfil unb Siod)emie fü^rt unb wie bie ^f^i^otogie in ber „pfig* 
fiologifd)en ^fgdjologie" mieber auf eine biologifdie 93afi§ fid^ 
geftellt l^at, fo mirb eine jur 2lu§bilbung gelangte ©ojiologie auf 
ein ^ilf^roiffen oon bem ber ©efellfd^aft al§ Unterlage bienenben 
Statur^* unb ©eetenbafein fid^ ju ftü^en l^aben. äBenn ha§ bi§ 
je^t nur fel)r unooHftänbig gefd^e^en ift, fo liegt ber ®runb barin, 
ba§ bie ©ojiologie jung ift. S)ie Slotroenbigfeit ber ^ilf^miffen* 
f(i|aftlid)en ^eranjiel^ung ber Siaturmiffenfc^aften unb ber 5ßfgc^o- 



— 32 — 

logic wirb aber nid)t überliaupt ju beftreiten fein. ®§ mögen fic^ 
aU t^ilf§bi§jiplinen ergeben: 

$^gfifali[cl)e ©ojiologie: ©ojiopti^fif — ©ojiod)emie, 

©ojiogeograpliie — Sojiogeologie, 

93iofojioIogie — ^fgd^ofojiologie, 
bie testete al§ ^ilf^roiffen oon ben feelifdien ©runblagen ber 
®efel([d)aft. dagegen ge{)ört ba§ SEBiffen oom Sinjelgeift, bie 
@eiftn)iffenfd)aft ber reinen Sojiologie felbft an, I)eute freilid^ nur 
erft genetifc^. ®ie 53io* unb bie ^fgd^ofojiologie liegen fid^ ju 
einer 2lntf)vopofojiotogie jufammenf äffen. 

SGßo im folgenben t)on ©ojiotogie bie 5Rebe fein wirb, fte^t 
immer bie rein fojiologifc^e @rfd)einung — abgefel^en dou ilirer 
9iatur= unb Sanb(@rb):=53ebingtl^eit unb abgefe^en oon i^rer bio- 
Iogifd)spfr|cI)ologifc^en 93ebingtl^eit — in ^xa^e. SEBo auf bie 
Statur* unb ©eelengrunblagen Slüdfid^t ^u nehmen ift, werben 
3lu§brürfe mie pI)gfiofojiologifc^, biofojiologif(^, auf bie Sauer fo 
menig oermieben werben tonnen, al^ in ber SGBiffenfdjaft oon ber 
©inselfeele bie begriffe p^gfiologifdie ^f^d^ologie unb in ber SSio:» 
(ogie eine 53iopt)t)fif unb 33iod|emie , eine 93iogeograpI)ie um= 
gangen merben fönnen. ©efäüig finb bie 33eäeici^nungen a\itx^ 
bingg nic^t, unb fie merben fid) fd)roer einleben; bie Sejeid^nung 
ber einl)eitlic^en ©ojiatoiffenfc^aft bur^ ba§ gemifd)t lateinifd)* 
griediifd^e SBort Soziologie fann anä) nid^t befonber§ gefallen. 
53effere 3^amen, meldtje eben fo furj finb, mürben mitlfommen fein. 

Sie Unentbe^rlid^feit genannter ^ilf§miffenfc^aften ber ©ojio- 
logie tritt Iieroor: einmal an ber Betrachtung ber fojialen ©le* 
mentarbeftanbteile, ber ^erfonen unb ber ©qdigiiter, ber 53es= 
Dötferung unb be§ 3Solf§oermögen§, be§ 3Jiobiliaroolf§Dermögen§ 
unb be§ Sanbe§. @ie ergibt fid) aber aud) mit S3ejug auf bie 
©emeinfd^aft^^ unb 95erfe^r§erfd)einurigen, bei meieren bie 5^=» 
milie" al§ bie p^gfiologifd) bebingte ®runbeinrid)tung ber ©efell* 
fdjaft bie morpl^ologifc^en ©runbunterfdjiebe ber reinen unb ber 
gemifd^ten gormtatfad^en ergeben mirb. 

S)er SSerfaffer mar lange Q^xt oerfudEit, ben rein fojialen bie 
familienl^aft fojialen S^atfad^en entgegenjuftellen , ift aber baoon 



— 33 — 

abgefommcn, rocil bic ©ejcici^nung „f^^^i^^^^^öft" nic^t aUc pl^tifi« 
falif(^e, biologifd^c unb pf^t^ologifi^c 93cbingt^cit ber ©tementar« 
beftanbtcile unb ©lementaroerridötungcn bc§ ©efellfd^aft^törpcrg 
in ftc^ aufjunc^mcn oermag. ®r jict|t für fi(^ bic 93cjci(^nungcn 
ptigfio^ bio*, pfgd^ofojiologifd) für bic ^^^S^icbcrung oor, wirb 
aber baoon fo fpärlid^ wie möglid^ ©cbraud) madjcn. S)ic 53e* 
jeidinung „natürlid)" ginge an. 

B. 2)te ©efeOfdiaft aU äSett für ftdj. 

l)Uebcrfid)tüber bie@efellfd^aft al§93crei(^ 

bcr ®efittung. 

®ic ©efcttfdiaft ift eine eigenartige unb jroar eine nod^ nict)t 
abgefc^Ioffene, fonbern in fteigenber ©ntfaltung begriffene ©d)öp* 
fung über unb au§ ber leblofen unb ber belebten Siatur, religiös 
gebadjt: fortlaufenbe Offenbarung^). 

3DBoriu itjre ©igenart unb bic fortfct)reitenbe ©ntfaltung bc* 
ftcljt, ift an^ ber geftlegung beS SBoIf^begriffeg f(ar geroorben. 
@ie ift eine geiftig au§gen)irfte, im fjortgang jur Kultur unb 
3it)iIifation begriffene, geiftig gefegte SBelt, alfo ©efittung, SBe(t 
be§ ^anbetn§ für ^^edc, 3Äaffenerfd)einung ber Xat 

5Die ©efettfdiaft ift SBelt ber ©efittung forootjl na^ ber 3u= 
fammenfe^ung, aU nad) ben Qxütdzn. 

Qn il^rer 3 ^ f <^ "^ ^ ^ ^ f ^ fe it ^ 8 iP P^ ^^"^ fittlid^e 2Be(t, 
fon)of)I n)a§ bic Scftanbteile unb beren 3^föntmenftellung§form 
betrifft, aU in ^infid^t auf bie Gräfte unb ajlittel ber SSer* 
fnüpfungen. 

^^re Seftanbteile finb nämlid) ^ e r f o n e n , ^anblungsf ä^ige 
@inje(ne, b. 1^. ^nbioibuen, unb l^anblnng§fä^igc @emeinfd)aften 
ober ©amtperfonen, beibe für il^rc Betätigung mit ©ad^gütcroer- 
fügung ober 93 e r m ö g e n au^gerüftet. 

^a§ ^anbeln biefer ^erfonen ift in unjertrenntid)er SSer^ 
binbung äugteid) ein 9JIac^en (ÜJia^e, ^raji^) mittele vereinigter 



1) 9'lid)t bloß burd) §ammurabi unb SJlofeg, fonbern buri^ bie gange 
®cfd^id)tc. 

S c^ ä f f l c , Stbrig ber (Soäioloßie. 3 



— 34 — 

^^Jerf onal* unb 93cfi^ - 3Ä a d^ t unb ein SßftftcHen oon SB e r t e n, 
SBertung auf ©runb bcr SBertfd^ä^ung. 2)a§ SWad^en unb ba§ 
aScrtcn fmb gerietet juglei^ auf ein © d^ a f f e n ober t^erfteHen, 
^ctDorbringen, unb auf ein SB r a u dt) e n ober 9iu^en§jurürf* 
nal^me, 93ebürf niSbefriebigung : bie ©runblagen bcr aJlaffenerfdiei* 
nung oon Slngcbot unb 9ta^fragc in ber S8oIf§n)irtf(^aft. 

©efittung ift bie ©efettfd^aft aud^ al§ eine Crbnung ober 
al§ eine 2BeIt ftttlidt)er 3ufammenfe^ung§formen. Q{)re ©runb* 
formen fmb teil§ ber SanbeSgeftaltung entnommen al§ territoriale 
©inteilung aller ©inrid^tungen unb Sßerridtitungen, teil§ ber pligfio»' 

logifd^^n ©tieberung ber ©eoölterung nad^ ^^"^ili^w^^^öäw^^" ^^^ 
ber rein fojiologifd^en ©Ueberung ju freien unb ju äroangSoer^ 
binblidien, prioaten unb öffentlid^en 3ufammen{)ang§formen. 

©efitteter Slrt finb aud^ bie SBed^felmirtungen ber ^erfonen 
ober bie 93 er feiere. @§ finb 

teil§ äupere SJerfel^re jroifd^en ben felbftänbigeu ©injel- unb 
©amtperfonen untereinanber, 

teil§ innere SSertelire jn)ifd)en ben 9WitgIiebern ber ©e« 
meinfd^aften. 

2)er aSerfe^r ift SBed^felmirfung 

entmeber ber ©ntgegenfe^ung (Oppofition, 2lbfto^ung, Äampf, 
Streit) gegenfä^lid^ intereffierter gleid^artiger ^erfonen mit ber 
golge oon 2lu§gleid^en unb ©d^eibungen, 

ober be§ @ntgegentommen§ (2lnjiet)ung) jmifdien med^felfeitig 
ergänjung§bebürftigen, oerfdjiebenartigen ^erfonen mit ber golge 
oon ©rgänjungen unb ©emelnfd|aft§bitbungen. 

^eber SSerfe^r begrünbet gorberungen unb SSerbinblic^feiten: 

einfeitigc ober jroeifeitige, 

an pcrfönlid^en Seiftungen ober an ©ad^en unb 9tu^ungen 
ober an beiberlei Objeften (facio ut facias, do ut des, facio 
ut des). 2)er SSerte^r f c^ U e ^ t burd) ©rfüUung (Hinterlegung, 
Slufredinung, ®rla§ u. a.). 

©efittet ermeift fid^ bie ©efeHf^aft audE) mit ben eigentüm* 
li^ geiftigen SSänbern unb jugel)örigen 93inbemitte(n, meldte 
fie iufammen^alten. 



— 35 — 

aWan f)at oor fid^: 1. bie allgemeine ©eiftoertnüpfung burd^ 
©pmd^e unb äft^etifd^en SBölferbefi^ an fdf)öncr Äunft unb Site* 
ratur, 5ßoefie, mit jt)en Hilfsmitteln ber Sl^etorit, ber @^rift, 
be§ ®rudEe§, ber S)id|termerle, ber Silbmerle aller 2lrt; 2. bie 
allgemeine SRaum* unb ^^ituerf nüpf ung : afö allgemeine SR a u m* 
oerfnüpfung: ba§ Ortfd^aftS* unb SEBegemefen mit bem zugehörigen 
3öo{)nung§» unb 8agerung§*, ^ö^tjeug» unb aWotoren*9Jlatcrial, 
at§ allgemeine 3 ^ i * oerfnüpfung : bie 21 n ^ ä u f u n g unb 
§interlaf[ung von 33ilbung burd^ fortlaufenbeS Srjictien, 
Unterrid^ten — bie Sln^äufung oon 31uöung§üorräten : Sparen, 
^apitalifieren, SWeliorieren, mit ben juge^örigen öilbungS* unb 
UebertragungSmitteln ; 3. bie Sßcrlnüpfung für bie 3«^^^^ ^^^ 
einfeitigen unb ber medifelfcitigen ©cmertung: berperfön^ 
l i d^ e n ©d)d^ung unb SBerurteiluug mit ben Hilfsmitteln ber 
2lu§jeict)nung unb ber SSermerfung in ber ©efeHigteit, ber fad)= 
lidt)en Semertung mit bem Ijauptfäc^tic^en Sa^mertungSmittel, 
bem @etb im SBeltoerf e^r ; 4. bie SSertnüpfung für ba§ <3fnein* 
anbergreifen ber SBillenSbeftrebungen: (Sitte, 9ied^ t, 
SJtoral, mit ber 9{ed)t§= unb ©ittenpflege unb beren Hilfsmitteln ; 
5. bie praftifdt)e SBertnüpfung bur^ bie 2öer!tätigfeit ober Zt6)^ 
nit: 2:eilung beS nüfelid^en ÄönnenS mit allen baju gehörigen 
unbemeglid^en unb 6emeglid)en H^'f^^^'^^^^*'^ (SBerfjeugen SJla* 
fc^inen, Slpparaten, aDBer!ftoff en) ; 6. bie prattifct)e SSertnüpfung 
burd^ ein ©qftem oon 9Wad^tjufammenfaffungen ober H^i^^f^iaftS* 
üer^ältniff en , @em alten: Ueberorbnungen unb H^rrfd^aften, 
Unterorbnungen unb 2)ienften, mit ben SWitteln beS Qxüan^t^ 
unb ol^ne 3w>öngSmittel, auf ©runb perfönlidf)er 3lutorität unb 
befi^lii^er Uebermad)t. 

©efittung unb nur ©epttung ift enblid^ bie ©efeHf^aft aud^ 
als entfaltete 3«>ßdtätig!eit. ^^r SKad^en unb äßerten, ©d^affen 
unb 93raud^en ift 

erftenS gerid^tet auf bie Slu^enmelt; unb jmar geboppelt : auf 
© i d^ e r ]^ e i t gegen 5Uatur* unb g^einbeSgefa^r, teils oorbeugenb, 
teils unterbrüdEenb ; auf baS ©d^affen unb ©raud^en t)on ©ad^= 
gütern auS ber 9tatur (nebft 2luSbcutung ber g^embmelt burd^ 



— 36 — 

2)ienftuuterit)ctfun9, SRaub unter nod^ unjioiUficrtcn aScr^ältniffen) ; 

jmeitcn§ gcrid^tct auf bie ©ntfaltung unb ®rl)altung ber 
93ölfer felbft, unb jiüar auf bic perfönlid^c, gciftige unb Iciblidjc 
©ntfaltung unb Sr^altung bcr 53cftanbteile unb bcr %z\lr)zxx\6)» 
tungcn, Scibcg« unb @cfunb^cit§pflcge (mcUlid^e§ unb rcligiöfc§ 
®cifte§Iebcn); 

auf bic Sntfattung unb bie ©rl^altung ber SBerfnüpfungen 
je mit ben befonberen Hilfsmitteln, alfo Q^örberung unb Pflege 
bcr ©prad)e unb ber fd^önen Äunft, ber SRaum* unb Q^xtmx' 
fnüpfung, ber ©efcUigfeit unb be§ SWarftmefenS, be§ SRcd^teS 
unb ber SKorat, ber äöirtfd^aft, ber ®emaltilbung. 

3)ic t)orfteI)enb gegebene Ueberfid^t über ben @efittung§in^att 
beruf)t auf ^laffififation aller ©rfd^einungen ber entfalteten ®e* 
feUfd^aft. 2)ie einielnen 2:atfad^enf reife fmb jmar nur fe^r lang* 
fam ju roirflid^er (Entfaltung gelangt. Qnbeffen finb fd^on von 
ben 2lnfängcn ber ^ulturgefd^id^tc bie ^eime aller bcjeid^neten 
2;atfadbenf reife mirflid) ermittelt; aber audf) nid|t§ wirb man 
finben, voa§ nii^t ämangSloS im SRal^men ber obigen Ueberfid^t 
Unterfunft fänbe. 

2) 2)ie ©igen^aSertettungen ber ©efellfdiaft 
als eine§@anjcn von äußeren unb inneren aSer* 
fe^ren unb ba§ allgemeineSJerl^ältniS berSJer^ 

fel&re ju ben ©emeinfdiaften. 

Obmo^l eigenartige ©efittungSmelt innerhalb ber Siaturmelt, 
l^ält bie ©efellfd^aft bennod^ ben formalen ©d^öpfungSeinflang 
inne. ©ie ift feine 9Jlafd|ine, meldie oon einer einjigen Äraft 
alle Semegung empfängt, fonbcrn bleibt Inbegriff felbftänbiger 
in SBedifelroirfung ftetienber ©injelmefen, Inbegriff oon ^erfonen 
unb ^erfonenoerfe^ren. 

2lud^ bie ©efeUfdiaft ift balier ein SReidi ebenfo ber @elb^ 
ftänbigfeit als ber medtifelfeitigen 2lbt|ängigfeit ober ©ebunben^eit 
ber 2^eile unb nad^ ber (Seite ber 2lb{)ängigfeit eine @rfd)einung 
oon ©igenoertettungen, inneren ^onjunftionen unb Äonjuntturen, 
meldte ju ben äußeren SSerfettungen l^injutommenb eS bemirfen^ 



— 37 — 

ba§, ganj abgcfc^cn von ber beraubten ^ort« unb SÜldEfd^rittg^ 
bcroegung, bic ©ntroidfclung niemals ftiüe fte{)t, aber aud) nicmaB 
üöüig bc{)crrfd^bar wirb ^). 

S)ie SSerfel^re finb bi§ ba^in fd^fed^ttiin al§ a3Bed)feIn)ir== 
futtgen jraifi^cn felbftänbigen ?ßcr[onen' ober aU äußerer SJcrfefir 
gebadet inbem aud) bie ©amtperfoncn a(§ untrennbare ©in^eiten 
unter einanber unb mit ©Injelper fönen in 2Beci^[eIn)ir!ung treten. 
S)a§ ergibt jebodb für bie fojiaten Jatfad^enfreife be§ aSerfe^r§ 
eine erfc^öpfenbe 93orfteQung nic^t. 3" ^^^^ äußeren SBerfetiren 
tritt fo oielmal, at§ e§ l^anblung^fä^ige ©emeinfd^aften gibt, innerer 
aSerfel^r ber ju ©emeinfdiaft oerbunbenen Qnbiüibuen auf, unb 
jroar unter eigentümlid)en neuen @rfd)einungen. 

3)ie ®emeinfd^aft§ tatfad^en finb in bem Slbfd^nitt über 
„bie @emeinfcf)aft'', namentlid^ über bie Sßereinigungen ober SBer* 
biubungen unb Sßerbänbe befonber§ na(^iun)eifen. 2lber fdjon an 
ber (Sd)n)e(le ift jener ©runbirrtum abjule^nen, n)eld)er barin 
heftest, baj3 man glaubt, in ben @emeinfd)aften liege bie fojiale 
2lbn)eid)ung oon bem auf aOgedifelroirfung angelegten 2Be(tplan oor. 

S)ie ®efeKfd)aft mirb al§ eine 3Serfnüpfung roedifetmirfenber 
^erfonen baburd) nid)t aufgehoben, ba^ innerhalb ber Oemein* 
fd)aften lieber- unb Unterorbnung, fittlid)e ©d^merpunft^^, lieber* 
mad)t§', ®emalt', ^errfd^aft^Dertjältniffe auftreten unb ^mar mit 
ber fteigenben ©ntmidtelung immer entfaltetere. 2)a maltet bennoi^ 
SOBed^felroirfung, jebodt) auf bem '^n^t ber Ueberorbnung , nidt)t 
ber ©leid^fteüung. 2)er Qn)zd aller ©emeinfd^aft, S3Bir!en mit 
ber vereinten ^raft mehrerer ^erfonen, »erlangt biefe Ueber== unb 
Unterorbnung, je ootlfommener bie ®emeinfd)aft mirb, in befto 
l^ö^erem ©rabe; bie 2öed)felmirfung bleibt aber immer. 3^if^^" 
ben ^Borgefe^ten unb ben Untergebenen in ben ©emeinfc^aften 
ift bei normaler SSerfaffung ber ©emeinfd)aften bie ©inrid^tung 
einer irgenbmie gearteten SSertretung — mittele ©leic^ftellung in 
ber 93efd|lu§faffung unb mittele Kontrolle ber SSorgefe^ten burc^ 

1) (§ine ber ßemaltigften, aber aud) fd^mierigften inneren ©ntmidelungS- 
^onjunltionen, bic e§ je gegeben, l^at ©uropa, namentlid) feine ßanbroirt* 
fd)aft, burd) b^n (Eintritt beg @ifcnbal)n5eitalter§ erfalircn. 



— 38 — 

bic Sßertrctung — rc(^t§förmlid^ foweit nötig gcfidiert; ftc mad^t 
fic^ bei autofratifi^cr 9lbnormität bcr 3Scrfaffung tatfäd^Iid) — 
im ©taat äußerften %aUt^ nod^ burd^ bic Kamarilla, bie ^ammcr^ 
bicncr unb bcn UntttrodE — gcitcnb. @in folgenber 2lbfd^nitt 
wirb in Sßcrgleid^ung oon @cmeinfd)aft unb Sßertel^r bie S3efdt)ei* 
nigung bafür ju erbringen fudien, ba^ bie für ade ©emeinfdjaften 
unentbe^rlid^e ©eroalt mit bem SOBeltgrunbgefe^e ber SBed^felroir* 
fung felbftänbiger 2;eile fid) nidjt im SOBiberfprud) befinbet. 

2)ie fjülirungen (S)irettionen) roirfen aU ^oorbinationSjentren 
für bie gefüljrten ^erfonen, finb fomit felbft 35orau§fe^ungen ber 
© a m t roed^felroirfungen ober ber foüeftinen ©efeüfc^aft^betäti* 
gungen. Qn ber ©emeinfd^aft be§ öffentlid^en 9led^te§ finb Äoor* 
binationgjentren fogar in mel^rfadier Uebereinanberlagerung nicb- 
riger — ^ötjerer — f)ödE)fter ©eroalten roa^rjunel)men, unb ^öd^fter 
gü{)rung§mittelpunft für ein ganje§ Sßolf ift bie ©taatggeroalt. 
2lüein unter ben oberauffe^enben unb fd)ü^enben 3^i^tralfü^rungen 
bleiben bie untergeorbneten ®emcinfd)afteu immer 9Sertel)re, unb 
unter ber Seitung ber ©taat§geroalten bleibt bie ganje SBölfer- 
roelt SBed^felroirfung ober SSerfe^r. 

3) 2)ie (Steigerung ber ©etbftänbigfeit roed) = 
felroirfenber 2^eile jur ^^rei^eit unb itirer Slb* 

l^ängigfeit jur ©olibarität. 

aOBenn in ber ©efellfc^aft ba§ SGBeltgefe^ ber SBec^felroirfung 
felbftänbiger J^eile ebenfalls gilt, fo beftel^t bod^ ein großer Unter^ 
fc^ieb forooI)l ber ©elbftänbigfeit al§ ber 2lb^ängigfeit ber Steile 
einerfeit§ in ber 9Jatur, anbrerfeitg in ber ®efelljd)aft. ^n ber 
©efellfc^aft fteigert fid) bie ©elbftänbigteit jur grei^eit, bie roed)fel= 
feitige *2lbl)ängigf eit jur ©olibarität. S)ie ®efellfd)aft fann ebenfo 
roenig beftef)en o^ne g^-ei^eit, aU fie oljne bie ©oUbarität ber 
SJlitglieber beftel)en fann. ®ie ^erfonen finb frei unb felbftänbig, 
berou^t ©iner für Sllle unb 9lüe für ©inen. 

2)ie ©leic^lieit ift nid)t inl^altlid) ®leid|I)eit ber ^erfonen unb 
ber S3efi^e, roeld)e immer me^r ber SSermannigfaltigung roeid)t, 
fonbern nur bie gleid^e 93ered^tigung aller ^erfonen jur freien 



— 39 — 

Slttroenbung bcr eigenartigen Gräfte unb SBefitjtümcr im folibari* 
fc^en <3ntereffe aiUer, aiUgemeinfieit ber fjrei^eit 

^n biefer gaffung bilbet bic 3^ r e i ^ e i t eine im innerften 
SBefen ber ©ojialmelt begrünbete unoerjid^tbare gorberung jeg* 
lid^er ^erfon nad^ itirer ©teöung innerl^alb ber ©efeüfd^aft, unb 
ba§ 3Q3aIten ber grei^eit ftd^ert in^altooUfte ©olibarität bei grö§-- 
ter Sßerfd|ieben^eit ber J^eile. 

S)ie greil^eit, einfdilie^lidö ber ©leid^fieit Silier jur freien 
93etätigung ift fein ^oftulat be§ 9laturred^t^ , fonbem eine gor* 
berung au§ bem SBefen ber ©efeKfd^aft al§ eine§ ©9ftem§ fittlidö 
med^felmirfenber 2:eile (^erfonen). ^n i^rer jeweiligen ©ntroirfe* 
lung ift fie ®rgebni§ ber Oefd^ic^te, „^^rinjip" jebod^ nur im 
©tnne tbealiftifd)er gülirer be§ gortfdjritt^ ^). 

SBa{)re ©olibarität tritt ebenf o mie bie greitieit erft 
mit ber ©efellfd^aft auf. Qxoax fprid^t @§pina§ ©olibarität 
fd^on ben aJlitgliebern ber 2:ierf)erbe ju. 2ltlein ein oollbemu^teg 
@inftef)en 2lller für einanber, güreinanberfein mit ©emüt, aOBillen 
unb SSerftanb, b. l). ©r^ebung ber medjfelfeitigen 2l6f)ängigfeit in 
bie SSernunftpotenj ber ©olibarität, eignet nur ber ©efetlf d^aft unb 
mirb i\)x in berfelben ©rabation mie bie grei^eit immer me^r ju eigen. 

4) ®er gortgang ber ©efellfdiaft oon ber ?la* 
turnotroenbigleit jur greiroilligfeit unb jur 

9iötigung ober bem 3"^önge. 

3)ie ©r^ebung oon ber ©elbftänbigfeit in ber 9iatur (Statur* 
notmenbigfeit) jur greilieit unb ber 2lbl)ängig!eit jur ©olibarität 
in ber ©o^iatoelt mirb baburd^ nid^t beeinträd)tigt, ba§ in ber 
©Oäialroelt ber 3 «^ ^ n g befteljt , ba§ nicl)t alle ©emeinfdt)aften 
unb 3Serte^re ber greimilligfeit entfpringen. 

aWit bem QwanQ ift e§ nid)t melir fo, ia^ „ro^e Gräfte 
finnlo§ malten"; mit i^m ^errfdit nic^t mel)r bie 9laturnotmen* 
bigfeit. 2)iefe ^errfc^t ferner nur no^ in bem unbe^errfc^baren 
SBereidö ber äußeren Sßerfettungen al§ „blinbe§ gatum", fomie im 
©idt)erung§* unb ^robuftion^fampf mit ber Slatur unb mit gein==- 

ly^^flteau ,,«au unb 2^Un'\ 2. 3lufl. I, ©. 352 ff. 



— 40 — 

bett. Unentbel)rlid^ jroar i[t bcr S^ong im Soppcitampf mit bcr 
Statur. 9lbcr er ift nic^t Slotmenbigfeit, fonbcrn Slötigung. (är 
i[t fxttlid^e SSetüältigung geworben, meldte einer t)iel umfaffenberen 
fjreimitligfcit ben feften ©c^lu^ gibt. S)er S^Jang felbft ift überalt, 
mo er auftritt, in bie ®eftttung§potenj ertjoben, in ben S)ienft 
ber '3Jla6)t eingeftcüte 9lotmenbigfeit. 9Son ber Organifation ge- 
rabe be§ med^anifd^en 3"^<J^9C§ hnxä) bie mobernen ^eere unb 
aJtarinen mirb man nid)t behaupten fönnen, ba§ fie bie natur« 
notroenbigen SJÖed^felmirfungen fortfe^t. §eer unb SJtarine finb 
jroar für bie med)anifc^e 9iötigung im äu^erften %aü ha unb 
fönnen bafür nid)t cntbel^rt werben, aber an fic^ felbft finb fie 
@eiftfd)öpfungen erften 9iange§. Qroax ift e§ l^öd^ft n)ünfd|en§* 
mert, ba^ üon i^nen möglic^ft fein ©ebraud^ gemad)t werben 
muffe; bodt) wirb bie befonbere UnterfudE)ung über 9JIac^t unb 
©eroalt ergeben, ba§ biefer SBunfd^ nicl)t burdi 2lbrüftung einjel^ 
ner Staaten, fonbern nur burd^ allgemeine SSollrüftung aller 
einanber im ®leidE)geroi(i|t ber SBedifelroirtung ^altenber Staaten 
feiner Erfüllung entgegengel^en fann. @§ roirb fein muffen, ba^ 
ber med)anifdö'militärifcl)e 3^öi^9 f^^^t ^^^ ©trafjroang ben 
öffentlidien ©eroalten oorbe^alten bleibe, bie ©elbfttjülfe unb Siot- 
roe^r aber auf ba§ für bie g^rei^eit unerläfetid^e 9JIinbeftma^ be* 
fd^ränft fei. S)a§ fann nur burd^ SBoU-, nidt)t burdt) 3lbrüftung 
erreid^t roerben. ©elbft bie ®rfdt)einung be§ öffentlichen Qxoan^e^ 
in ber ©efellfc^aft ift l^ienad) nid^t Sßerneinung, fonbern Seja^ung 
ber ©efettfc^aft at§ einer 9Belt ber gefitteten Söed^felroirfung ^). 

5) SJla^t unb Unmad)t ber @efellfdt)aft gegen* 
über ben äuJBeren unb ben inneren SSerfettungen. 

ajlacl)t ift bie gä^igfeit, in ber ©efellfd^aft etroa§ 5U beroir* 

fen, fojiale SCBiberftänbe tätig ju beroältigen. 

1) 33gL I)icr§u m. 3lbf). über bie §aager g^rieben^fonfcrenj in ber 
3ettfci)rift für bie gef. ©taat^roiffenfdiaft LV (1899), ©. 705 ff. S8on h^n 
bortigen ^2lu§füt)rungen fann irf), fo fct)r fie gefci)mäi)t loorben finb, fein 
Sßort §urüc!net)mcn. Söer fie unbefangen lieft, loirb nid^t finben, baß id^ 
mid) ba bem „2)^ilitari§mug", roie er ift, „mit §aut unb ©aar" oerfd^rieben 
l)abe. %k allgemeine 3lbrüftung märe rafd)er 9tücffaU in ben „^rieg 
^Her gegen Me". 



— 41 — 

3[cbe§ lianblunggfä^igc ©ubjeft ift ^^rögcr oon 3Ra6)t, wenn 
auä) immer nur n:)eni9e e§ finb, meldte Uebermad)t, $err[d)aft, 
©eroalt erlangen. ®ie SJlad^t ift für un§ ein ftreng fojiologifdier 
begriff. ?lur tropifd) fann t)on SDladjt gefprod^en rocrben, roo 
fein aWad^en ift. ©ine Wlaä^t ber SSerfettungen gibt e§ ftreng 
genommen nid)t, fonbern nur SJlad^t ber ©efeUfd^aft. 

9^un fte^t bie ©efellfdiaft bei aller greil^eit unb ©olibarität, 
aller f^reiroidigfeit unb 3wJang§mac^t abl^ängig ben 3Serfettungen 
— ben Konjunftionen in ber geograpfjifdien Sßertnüpfung ber 
aSölter unb ben SBerfettungen in ber gefd)i(^ttid^cn Zeitfolge be§ 
®efd)el)en§ ober ben J^onjunfturen — gegenüber. 

2)iefe beiberlei SSertettungen finb in^altlid^ günftig ober un= 
günftig, ®lüc! ober Unglücf, ©lüdESfatt ober UnfaU, oom ©tanb^ 
punft ber ß^^^i^^^f^^lflwngen oerfetteter Subjelte ©elegen^eiten 
ober Ungelegcnl^eiten. 

SGBie oerliält fid) bie 3Jlad)t ber ©efellfc^aft gegenüber ben 
aSerfettungen, unb jroar einerfeit§ gegenüber ben äußeren, anberer* 
feit§ gegenüber ben inneren SSerf ettungen ? 

®er ©prad^gebrauc^ felbft roeift in ben 2lu§brüden 93 e r = 
l^ängni§, Sdiidfal, So^, 3i*fölf barauf ^in, ba^ bie 
aJlad^t ber ©efellfd^aft gegenüber ben SJerfettungen eine befd^ränfte 
ift. 2)ie größten 3Jlad^tmenfc^en ber @efd)ic^te ^aben ba^ am 
tiefften empfunben, unb nidt)t roenige l^aben ben 2lnteit, roeldien 
bie ^onjunftionen unb Äonjunfturen an bem ©ange ber ©efeH- 
fd^aft gehabt ^aben, oerglic^en mit bem @influ§ ber 9Jtacl)t, für 
überroiegenb angefe^en. Sllle gefellfd^aftlid^e ©eftaltung unb atle§ 
©efd^el)en ift jebodE) ^robuf t au§ beiben ^'aftoren, au§ ber Tladjt 
unb au^ bem ^^föö. S)iß ©ntftel^ung unb bie Sluflöfung ber 
9Jtad)t felbft ^ängt nad^ ^ e r b e r „an einer Äette oon SCrabitio« 
nen, beren erften ©renjpf at|l ba§ ©lüdE ober bie SJiad^t einfd^lug 
unb bie fid^ meiften§ roieber nur burc^ ©lüdf unb Uebermad^t 
fortjog." 

©aefar mar gatalift, SBallenftein la§ „in ben ©terncn", ben 
„Sonftetlationen". griebric^ b. ®. l)at, aU er älter gemorben mar, 
behauptet, bag ,,Seine SKajeftät ber Qn^at brei SSiertel aller ©inge in 
btefer ntiferablen SBelt beforge" ; 9lap olcon I. f)at erflört, ba§ er 



— 42 — 

nidjt intftaubc gctüefen, and) nur ein cinjigeS (SreigniS fjcrüorjubrinflcn. 
— SB i e ö i c I bic SD^ac^t unb lüic diel bcr SufaU tut, lägt fic^ freiließ 
nid^t beftintmen. SBcnn SJt a c d) i a t) c U d^nlic^ tüie gricbridö b. ®. fagt, 
bcr 3wfött tm mel^r als bic ©ölfte, fo meint er nur, bcr Qn^aü fei fo 
[tarf, baj3 „3eug felbp bic Fortuna färbte". S)a§ SBefcntlidje ift, bajs 
bcr Sn\a\l auS bcr SJerfettung oHer äugereu Umftänbe ^erauS wirft, 
bafe bic ffugel, worauf bic gortuna ftc^t, nic^t oom ÜKcnfd^en in§ 
SioIIen gcbroci^t wirb. „®eS ©d^icffalg ©i^ ift ein $ala[t öon allen 
Seiten offen; ber ©ingang ift niemonb, aber ber Sluögang für ieber= 
mann ungewiß" (SKacc^iaüell). S)en 2lftroIogen aBaUenfteinS lägt 
©d^iller fagen: „S)aS ®rfte aber unb ^au|)tfäd^Iid^fte bei allem 
irb'fd)eu 3)ing ift Drt unb ©tunbe.'' 

3)a§ tatfäc^lic^e SBalten be§ 3wfoß^ neben unb jufammen mit ber 
Wacbi ift es , ma§ bic (Srfo^rung übermältigeub jebem aufbröngt. 
Urfa^loS fann jeboc^ ber 3wfött fo wenig fein aU bie menfdjlid^c 2^ot. 
®r wirb bom ©laubigen, ber i^n ber SSor f e^ung jufc^reibt, fo 
wenig wie öom gataliften geleugnet: „S5}a§ un§ blinbeS D^ngefä^r nur 
büntt, gerabe baS fteigt au^ ben tiefften OueHen" (©Ritter). i)a§ oon 
ben l)anbclnben ©ubjeften felbft nid^t „oorf)ergefe^en" wirb, bog ni^t 
aRcnfd^enwiHe bie tieffte Ouelle ift, worauf bcr 3»foH fi^ö ergibt, baS 
ift baS Söebeutfame am B^^f^ö gegenüber ber SKacöt. gür ben 3Jien^ 
fc^en, ba§ ©ubjett, ift ber Befall eine unleugbare Satfac^e, trete biefer 
auf aU ber alte „©rfiabenftifter" ober al§ bie SRe^e , weld^e bem 
(Slüdgpilj fid^ an ben ^aU wirft. 3)er Segriff beS 3ufaa§ f^Uefet 
nid^t SBirfungen in fic^, bie feinen treibenbeu ®runb l)dtten, fonbern 
SBirfungen, welche nic^t burd) ba«^ ©ubjeft üerurfac^t finb, ba§ er über^^ 
fönt. — 5)er SufaU f)at für bie SBiffenfc^aft feine jenfeitige ©rflärung 
nötig. ®ie SSolf§^ unb SSölferwelt Ijöugt in ber allgemeinen Jiaturüer* 
fettung, ift nur ein 5{5artialf^ftem be§ aögemeinen SBelt^ufammen^angeS 
unb S5eltgeid^ef)en§, unb bie ©05ialwelt felbft refultiert in jebem ge- 
gebenen Slugenblicf nic^t auS einer einzigen bewegenben Sraft, fonbern 
ift ^ßrobuft ber SBed^felWirfung ber ga^Uofen felbftänbigeu ^erfonen, 
weldbe jur 3Sölfcr= unb SSolf^welt üerbunben finb. Sebe^ ^anbelnbe 
©ubjeft ift in bie 9iatur= unb in bie ©o^ialwelt tjerfettet unb bal}er 
tjon beib^n abt)ängig. 

2)ie 9JJad)t ber ©efetlfd^aft ift eine fe{)r oerfd^tebenc einer^ 
feitg ben äußeren, anbcrerfeit^ ben inneren SSerfettungen 
gegenüber. @et|r ftarf, n:)enig be^errfd^bar ift bie Siaturoertettung, 
elaftifrf)er, me^r unb metir betierrfdibar bie eiflcne (innere, fojiale) 
SSerfettung. 2llle äußeren unb alle inneren 93erfettungen l^ängen 
aber in einer Äonjunftion be§ SBeltall^ unb einer ^onjunftur be§ 
9Beltgefc^et)en§, rcoburc^ aJJenfd^en^ unb 93ölferleben auf ©rben 
möglich n^urbe unb bi§ je^t möglich ift. 2)eu äußeren SSerfet:* 
tungen wirb jroar bie ©efeüfc^aft ftet§ mad)tlofer 9egenüberftel)en 



— 43 — 

al^ ber eigenen wec^felfeitigen ©ebunben^eit ber 3::eile unb ber 
S^eitoerrii^tungen, aber and) bie @igent)erfettungcn ber ®efellfd|aft 
roiberftreben ber üoBen 93e^errfd^ung. Kein ©lieb eine§ SJolfeS 
fann voxw&xtS fommen, wenn bie anbern fte^en bleiben ober ju* 
rürfgefien, b. l). roenn bie innere Äonjunftur ungünftig ift. Unb 
fein 9Solf fann irgenb eine ©tufe gef(^i(^tUdt|er ©ntroidelung über^ 
fpringen ober unabhängig t)om Sfflitgefd^e^en in ber übrigen 2Belt 
bie erreid^te ©tufe feftl^alten. ®a§ alte ©uropa fann ^eute bie 
a£8ect|feln)irfung mit ben jungen SSöIfern unb ßänbern roeber auS* 
fd)lie§en, noc^ witlfürlid^ beeinftuffen. 

3)ie inneren Konjunftionen unb Äonjunfturen roed^feln befto 
ftärfer, je plö^Ii^er bie ®efellfd|aft geograpl)ifd^ fic^ auSbe^nt 
unb je fd^roffer fte gefdjic^tlic^ fid^ änbert, alfo am meiften bei 
mä(^tigem gortfc^ritt ober SßerfaB. ®ie inneren Äonjunftionen 
erfal^ren in einem 3^italter ber rei^enben $ran§portfortfcl)ritte 
ben I)eftigften Umfturj; SBeltteile unb Sauber gegen einanber, in 
jebem Sanbe bie einjefnen Ortf(^aften unb Sejirfe geraten plö^lic^ 
in ganj neue „9SerI)altniffe". ^m ©ifenba^njeitalter t)aben i)kna6) 
bie inneren SSertettungen eine mäd^tige 93ebeutung erlangen fönnen 
unb mirtlid^ erlangt. 2lttein au^ bie äJiac^t i^nen gegenüber ift 
oer^ältni^mä^ig geftiegen. S)eu neuen JJonjunttionen gegenüber 
bringt biefelbe Urfac^e, ber fie entfpringen, au(^ größere 9Äad)t 
ber Semältigung, ®§ ift ba§ J^ran^portmef en , met^e^ bie 2ln^ 
paffung an neue internationale äßec^felbejie^ungen mäi^tig erleid)^ 
tert l)at. S)en tieftigeren ©rfjmanfungen ber Konjunfturen gegenüber 
mäi^ft bagegen bie aj?ad)t ber 93 o r a u § f i ^ t unb ber 93 o r = 
fid^t, geübt burd) 2lnfammlung oon Jtotoorräten — Steferoen, 
93ereitfc^aften — , fei e§ im SBege ber SSerfii^erung für eingelne, 
fei e§ im SÜBege ber 93ereit^altung öffentlid^er ^erfoual* unb 
©üterreferoeu, meldte im UnglüdE^fatl in bie Südfen geworfen, im 
OlüdE^falle in Semegung gefegt merben fönnen. 

(Sine ganj allgemeine SSorbeugung gegen Ueberrumpelung 
burd^ 3wfalt liegt in ber t)ert)ältni§mä^igen unb jeitgemä^en @nt* 
midtelung aller 2:eileinrid)tungen unb 2:eiloerrid)tungen ber ©efell* 
fc^aft. Qe gleidjmägiger fämtlid^e 2:eile entmidtelt finb, je 



— 44 — 

jcitgcmä^er jcbcr einjclnc %i'ü c§ ift, bcfto mc^r ift für icbc§ 
©Heb aScrIa§ auf jebe§ anbere im ©lud unb im Unglüdf. ®ic 
fojialc ^nterbepenbenj forbcrt aud^ für bic ©infdiränfung bc§ 
UnglüdtS unb für bie 2lu§nü^ung be§ ®Iüdtc§ bic forgfältigfte 
SBcad^tung. 

S)iefe Sluffaffung mirb burd^ ade ft a a t § m ö n n i f c^ e (£ r f a 6= 
rung bcftötigt. ®er burcft gntuition große @taat§mann ttJeig itüar 
nid^t öorau^, mann unb wie für feine @ac§e bie S^it fommt; er fann 
aber fieser wiffen, ha^ fte einmal fommen tüirb. Sft if)m beftimntte§ 
aSor|^erjet)en öerfagt, fo bod^ nid^t bie S3orfid^t ber meifen Jungfrauen, 
bic i^re Sampe bcreitf)alten, nic^t bie ®infi^t, meiere ©ic^crl^eiten f^afft, 
SRac^tüorröte anfammelt unb bereit^ölt, bo§ SSolf für feine ®efc^id£e 
crjie^t unb bereitfteBt. — ©e^r gut bcjeic^nct SR a c (ft i a ö e H ba§ 
©c^idEfal aU ben rcigenben Scrgftrom nur „für jene Sönber, ttjcldöe 
öergeffen ^oben, §ur rechten S^i^ SSe^ren unb S)ämme anzulegen." 2>ie 
SKac^t fann fic^ aud^ fclbft ©etjidEfal »erben, inbem fte fid^ in baS 
©^idffal fc^idft, gegen ba^ UngtüdE SReferöen bereit plt, bie günftige 
Äonjunftur abwartet. S)er 9Räd)tige muß ebenfo bereit fein, bie ©e- 
legctt^cit 6eim Schopf ju faffen, a\^ er e§ öermeibcn muß, fie üom 
Saune §u brechen. (£r muß ba§ toujours en vedette be^erjigen; er 
mug aber auc^ märten lönnen, 2lugenbtidf§erfeuntiii§ mit gebutbigem 
3urüd£^atten üerbinben. „S)a§ ©d^idffal fü^rt ben SBiÜigen an ber 
^anb unb jerrt nur ben SBibermiÜigen fort" (fata volentem ducunt, 
nolentem trahunt). S)ie erfteu ajlad)tgenic§ öerbanben ta^jfere (BnU 
fc^Ioffcnbeit mit SSorftc^t unb SSorau§ftc|t; aber SSorfe^ung §u fpielen, 
l^abcn fte fic^ geptet. ®arum — fortes fortuna juvat — mar ipen 
baS ®lüd£ ^olb. S)er SldermeU^jubringlic^feit unb ber 5tnermett§ein= 
mifd^ung, bem SRic^tmartenfönnen unb bem „SSer^jaffen" mar e§ immer 
gleic^fcl^r ab^olb. 

6) S)a§ aScfcn ber ©cfcHfc^aft unb ber äBcrt 
ber ©tatiftit al§ fosiologifc^er 9Jiett)obc. 

®ic ©ojiologie I)at e§ burc^au§ mit 9Jl a f f c n crfdtieinungcn 
ju tun. Dbmot)! fic besüglic^ be§ ®cfellfd()aft§ben)ußtfein§ mic 
bcjüglid^ be§ ©efeüfc^aft^förper^, bejüglid^ ber 33eftänbc mic bc= 
jügtid^ ber ^anblungen t)om Qnbtpibuum auS- unb auf ba§ 
QnbtDibuum jurüdEjuge^en i)at, tritt it|r bie mirtlic^e ©efellfd^aft 
aU ein Inbegriff von 3Jiaffentatfad^en entgegen, unb felbft jebeg 
^nbiüibuum ergibt fic^ nac^ ©eift unb Seib, ^erfon unb 93efi^ 
fd^lie^tid^ al§ ©rjeugni^ einer unenb(id) langen ^ette t)on SJiaffen* 
mirfungen. S)er I)ier uerfuc^te ©runbri^ ber (Sojiologie mirb ba= 



— 45 — 

I)cr burd^grcif cnb immer bic aWaffcncrfi^einung bcrücf * 
fid^tigcn; a\xä) bic ©cmcinfd^aftcn treten al§ SKaffenerfd^cinungen 
auf. ®ie ©tatiftif ift e§, meiere bie a)laffeuer!enntni§ t)er* 
[c^afft. 

SDie Satfai^e ber aWafftgfeit ift burd) baS äBefen ber ©efcß^ 
f(^aft al§ einer Söelt roei^fetoirtenber 2:eite gegeben. Qa\)l unb 
3Äannigfaltig!eit ber ^erfonen unb ber SSerfefire fteigen immerfort. 
Sie ©ojiofogie mu§ batier auf bie 3Maffenbeobad|tung fu^ ftü^en, 
Sie 3»nbit)ibualität vermag fie nic^t ju meffen unb ju erflären; 
bie ©tatifti! ift jmar eine ^auptfä(^li(^e ajlettiobe, aber ni(f)t b i e 
aJleti^obe ber ©ojiologie. — Sie fojiafen SUlaffenerfd^einungen un« 
terliegen bem be!^arrlid|en SlBei^fel; benn bie ©efeüfc^aft ift fort- 
gefegte ©ntmicfelung ber ©efittung. Sie ©tatiftif al§ SJlaffen* 
beobai^tung ^at f)iebur(f) befonberen äBert für aße ttieoretifc^e unb 
praftifc^e ißolitit. 



46 



IL 

3JJein „Sau unb Sebcn" t)attc ben cigcntümlid^cn 93en)u§t* 
fcinScrji^einungcn bcr @cfenj(^aft cingclicnbe 2lufmcrfjamfcit gc=^ 
f^cnft. 

Qn bcr crften Sluflagc gcfd^af) c§ fd)on burc^ bcn crftcn 
^Quptab[(^nitt in SBürbigung bcr „gciftigcn Slnlagc bc§ 3Mcn* 
fd)cn jur ©cfcßfd^aft" unb burc^ bcn üicrtcn ^auptabfdinitt über 
bie „pfgd^ifc^en Satfad^en bc§ fojialcn Scben§", n)cld)er ate 
„atlgcmeincr %nl einc§ @runbriffe§ bcr ©ojiatpfg^ologic" gc= 
bad^t unb au§gefü^rt roar. Qn einem fünften ^auptabfd^nitt bc§ 
allgemeinen 2^eil§^) mar bie fojiale ©ntfaltung be§ inbioibucHen 
®eifte§teben§ , voa^ fojiale 2Ba^rncI)mung unb fojialen SSoBjug, 
bie inteHcftueCe, ä[tt)etifc^e unb etl^ifdje Sfflaffenbetätigung, religio- 
fen unb ct^ifd^en ^beali§mu§ betrifft, einer cinge^enben QexQlk- 
berung untermorfen morben. ^n bcr jmeiten 3luf[age mürbe oon 
biefen 2lu§fü^rungen fac^lid^ nid^t§ jurüdtgenommen, obmofil fte 
— um t)on Dier auf nur jmei 93änbe p fommen — - er^ebtid^ 
gefürjt roerben mußten, ^ienac^ ift e§ feine ß^tüdna^me, fon* 
bern nur eine oeränberte ©tiftematifierung, menn nun ein ^aupt* 
abfc^nitt über ba§ „®efeBfc^aft§bemu§tfein" abgesroeigt unb obenan 
gefteßt mirb. S)ie pfgd^otogifc^e 2lnaIogie foH ^iebei ängftlic^ per* 
mieben fein. 

Obenan fteße id) ba§ ®efeaf(^aft§berou|tfein mit JRüdEfidit 
barauf, ba| bie 93eftimmung be§ 93egriffe§ 3SoIt bie ©eiftigfeit 



1) (Srfte 9lufl. I, @. 467—730. 



— 47 — 

bc§ oolflid^cn Sebcn§jufammcnl)alt8 al§ ^croorraflenbfteS SWertmal 
ergeben t)at. 0lur irirb nid^t mel)r, lüie in „33au unb Seben", 
ber „©ojialpfgd^ologie" ber ^la^ hinter, fonbern oor ber ßel)re 
oon ber Drganifation be§ ®efeßf^aft§!örper§ anjuroeifen fein. ®ie 
äußeren ©inrid^tungen unb 95errid^tungen, ^nftitutionen unb gunf:^ 
tionen, n)efd)e mx fojiale nennen, ^aben fid^ burd|au§ ate geiftig, 
nidt)t af§ biologifc^ unb ntc^t al§ einjetfeefifd) au§gen)irtt erliefen. 

Um 3Mi^t)erftänbniffe fern ju Ratten, ift juerft jroeierlei feft- 
aufteilen : 

einmal, ba^ bie 33etrad|tung be§ ®efeUfc^aft§ben)u|tfein§ für 
fic^ eine gebanflic^e So§Iöfung, miffenfd^aftlid^e 2t b ft r a 1 1 i o n ift, 

fobann, ba§ ber Q^nbegriff ber äußeren Q^ftitutionen unb 
aSerridtitungen ber ©efeüf^aft meber im @inne ber Slggregate ber 
anorganif^en 5tatur, nod^ im ©inne ber SSioIogie Körper ge* 
nannt merben miü, bej. in fotd^em ©inne trgenbmo üon mir al§ 
Körper gemeint gemefen ift. 

1. 2)a§®efeUfd^aft§ben)u|tfein unb berSefeU« 

fd)aft§!örper. 

Sie ©efeKf^aft ift ein Inbegriff geiftgefdCj'affener äußerer 
Sinrid^tungen (Qnftitutionen) unb geiftbemirtter äußerer SSerric^* 
tungen (gunftionen). ®ie ©inrid^tungen unb bie aSerridjtungen 
löfen fid^ elementar in ^nbioibuen unb inbimbueHe §anblungen, 
in 33efi^e unb 93efi^nu^ungen auf, finb alfo greifbar unb fa^ar, 
förperlid^. 

®ie ©efellfd^aft ift jeboi^ Körper nic^t im ©inne ber be* 
feelten Seiblic^feit be§ 2:iere§, nic^t biologifdijer Organi§mu§, aud^ 
nid^t Körper im ©inne von 2lggregaten ber anorganifd^en 0latur. 
©ie ift geiftig, bemüht au^geroirfte ^erfonen* unb ^^efi^erf^ei^ 
nung, ein Körper, meld^er im Sereirfje aller joologifc^en ©r- 
fd^einungen bi§ oor ben 3Äenfc^en ^in feine^gleid^en nic^t finbet. 
2)ie ©efeUfd^aft ift fein 9iaturerjeugni§, nic^t „gemorben", fon^ 
bern „gemad^t", gemad^t burd^ bie perbunbene @eifte§tätigteit ber 
Snbioibuen, meldte in i^r ju @emeinf(^aften unb in a3erfel)ren 
oerbunben finb. 



— 48 — 

®icfc Dcrbunbene ©ciftcStätigfeit, bie ®cfcBf(^aft§mncrlic^- 
feit ift bic fd^öpferifi^c Kraft, vozlä)t ben ©cfcUfd^aftSförper ju« 
fammenl^ält unb in feiner ganzen ^Seroegung bei^errfdit. 

S)a§ ®efeBfc^aft§ben)u§tfein fann jroar otine äußere aSeran* 
ftaltungen burd^ ^erfonen unb Sackgüter, b. ^. un!örperlic^ fo 
raenig gebadet werben, roie bie ©eele be§ organifc^en ^nbit)ibuum§ 
o^ne ben Seib. 3)a§ ®efellf(^aft§ben)u§tfein Iä§t fi(^ jeboi^ üon 
feiner SSertörperung — feiner 2leu^erung in ben üielen ©inrid)- 
langen unb aSerrid)tungen — gebanflidt) to^Iöfen. S)iefe 
So^löfung ift eine 3lbftra!tion oon ber SBirflic^feit ber ©efell- 
fc^aft, n)eld)e ^Serfonen^' unb aSefi^förper ift. Sie Slbftrattion 
ift aber raiffenfd^aftlic^ erlaubt, burd^ ba§ eigenfte SBSefen ber 
@efellfrf)aft al§ beraubt au^gemirtter ßeben§gemeinfd^aft na^e ge* 
legt, oielleidit geforbert. 

^m fofgenben ^auptabfc^nitt über ba§ ®efeßfrf)aft§beu)u§t* 
fein ^at fiiernadi) nur b:e Qnnevlic^feit, nic[}t ba§ ^anbeln, oon 
lüelc^em fie üietme^r abftrat)iert ift, in %xaQz ju fommen. 

3ur Slbtüe^r einiger 91 n griffe, ^ier ift ber Ort, feftjii^^ 
fteüen (ügl. oben @. 3 ff.), baß ic^ ju ben „Drganifern" ber 
Soziologie nid^t gehöre, gd^ fiabe bo§ fc^on gegen baS SJiißüerftänbni^ 
eines anftönbigcn ©djriftfteÜcrS (99a rtb) in ber ^citfdjrift für bie 
gef. ©taatsmiffenfc^aft LIV (1898) @. 753 ff. getan, ©inen Unfinn, 
ber gegen mic^ im Sfopfe einer SSiener äRagnificeuj (SReftoratSrebe), 
nid)t in meinem eigenen genja^fen ift, t)abe id) in ber SSorrebe jur 
2. aufläge bon ,,^45au unb Seben" abgefertigt. S)ennoc^ begegne id^ immer 
mieber ber Unterfteflung öon ,,barem Unfinn", ber nid^t mir jur Saft 
fädt. @o neueftenS noc^ bei einem fo a^tbaren Sd^riflfteßer ujie 
SB 1 1 m a n n (in beffeu jüngft erfc^ienener ,,5ßoUtifcl)en 2lnt^ro^3otogie")r 
ber mir fet)r unüberlegt unb obcrflädölic^ „boren Unfinn" öortoirft, 
weil ic^ öon ©c^u^gettJeben be§ f o jialen S'ör^jerS gef^jvoc^en t^aht. SB o 1 1^ 
mann fc^eint nac^^ureben, ba| id^ fo^iale unb organifd^e ©ebilbe 
ibentifi^icre, obtool^l ic^ bie erftereu — aucb bie „igntegumente" — als 
„t)^<)erorganifc^" überall c^arafterifiert \)ahe, Oelbft 91. §effe, mel* 
cöer in SonrabS ga^rbüc^ern (III. g. 21. S3b.) ben ©efeUfd^aftSbegriff 
Spencers einer Äritif unterzogen ^at, t)at mi^ grünblid) migöer* 
ftanben. §effe ujenbet gegen Spencer rid^tig ein, bajs bie ©efeüfc^aft 
nid^t organifcb geworben, fonbern ftttlid^ gemalt fei. 5Run babe id^ 
überall ben ^ ^ p e r organif(^en ß^arafter ber fo jialen (Srfd^einungen 
tro^ ber SSeranfi^aulic^uug burd^ biologifi^^inbiöibualpfl^d^ologifd^e 9Ina' 
logie genau ebenfo geltenb gemacht. Sd) fann eS ba^er ni(^t anerfcnnen, 
boß id^, wie ^effe a. a. D. S. 738 bemer!t, ,,bie Ausführungen 



— 49 — 

©pcnccrS itt ttjid^tigen 5ßun!tcn ergönjl unb bcri^tigt l^abc, oi^m grunb* 
fö^Iic^ über biefen ^inau^^uge^en". 3<ft ft^nb grunbfä^Iic^ immer auf 
einem Soben, auf lüelc^em ©iencer nic^t fte^t, unb ^abe i^n ba^er 
lüeber miffentlid) noc^ unlüiflentlid^, lüeber in lüic^tigen uoc^ in un* 
mistigen 5ßuntten ,,ergau5en" unb „berichtigen" fönucn, ,,ol)ne grunb* 
fä^tid^ über bie ^2luSfü^rungen Spencer^ ^inaudguge^en". — 3n einem 
ganj anberen ©inne aU Spencer ^at 81 a ft e l (5ßot. ®eogr. 1. u. 2. ^2IufI.) 
ben ,, Staat" als ,,DrganiSmuä" aufgefaßt, nömltd) feiner Sanbberbunben* 
t)eit lüegen. ®aS ftofflic^ 3"fömmen^dngenbe am Staat fei nur ber 
©oben, feine SSerfnüpfung mit bem 33oben »erbe eine immer intenfiüere, 
fo bag ber ©oben „Organ" beS Staate^ werbe. ®in ®eograp^ wie 
9la§el, welcher bie StaatSroiffenfc^after unb bie §iftorifer in fo ^eröor= 
ragenber SBeife baüor ^u bema^reji gefuc^t ^at, t)^n Staat in bie 2uft 
ju fteden, mag fic^ ben MuSbrudt in biefem gang beftimmten Sinne er* 
lauben, jumal toenn er auerfennt, baß ber im Öoben bem Staat ge* 
gebene Drganreic^tum ein geringer, üiet ärmer als jener beS tierifd)en 
Organismus, eigentlii^ ein „^2iggregatorganiSmuS" fei. Qui ^bme^r 
weiterer SJiigüerftönbniffe muß ic^ wenigftenS bie 33e5eic^nung beS 
aSolfeS (Staats) als „ÖrganiSmuS" auc^ im Sinne SRa^elS bermieben 
Wünfc^en. 2)ie SSerbinbung beS SSolfeS mit bem SSoben — im ®ebiet, 
in ber 5Rieberlaffung unb im SBegeWefen, in ber Urprobuftion — ift 
thm nic^t „natürlich geworben", fonbern „fünftlid^ gefertigt". 

SieSejeii^nungöefellfcöaftSbewugtfein. SBarum 
uic^t „SSolfSfeele" ober „«olf S geift"? 3n „«au unb Seben" 
^attc ic^ unter ^2Inle^nung an bie üon iperbartianern bereits gefc^affen 
gewefene „SSölf erpf ^cl olo gie" ben SluSbrucf „So^ialpf^c^ologie" 
gewollt. ®iefe Se^eid^nung ^alte icb jwar immer noc^ für üöüig ^iaiU 
baft, üermeibe fie aber, um auc^ bejüglic^ beS pfl^c^ologifc^en Slnalogi* 
fierenS ben böfen Schein ju üermeibeu unb törichte ober abfid^tli^e 
äRijgüerftänbniffe ab^uwebren. ®er SluSbrud „©efeüfc^aftsbewujstfein" 
als SJejeicbnung für bie @efamtl)eit ber fo5ialen SBewujstfeinStatfac^en 
fc^ließt wirffamer bie SSorftettung ber ©efeüfdjaftsinnerüc^teit als eineS 
SRebeneiuanber ein^etfeelifcber Stei^empfinbungen unb 9leflejwir!ungen 
aus. 2)ie „SS o 1 1 S f e e l e" ift neuerli^ eine f o „gute Seele" geworben, 
baj3 fie alles nur 2)enfbare unb einiges anbere ba^u in fi(^ aufnebmen 
mu6. Was fie für bie Soziologie nicbt braud^bar macbt. S)er SluS* 
brud „SSolfSgeift" reicht nid^t auS, ancb bie internationalen 
3nnen5ufammenl)önge ju umfaffen, welche jum ©efeUfcbaftSbewugtfein 
gel)ören, unb üerleitet leidet ba^u, fi(^ einen felbftänbigen, über ben 
töiujelgeiftern fcbwebenben befonberen ©efamtgeift üor^ufteCien, wät)renb 
bod) ade 3d^S in einem SSir finb unb baS SBir auS ben 3cbS ober 
ben ©ingelgeiftern refultiert. 

S)ie p^l^fiologifc^^pf^d^ologifi^e ©runblage beS 
©efeltfc^aftSbewußtfeinS. !Jlacb ben 2(nnat)men ber Jiatur» 
wiffenfcbaft über bie p^i^fiologifc^e ajfecbanif beS ©e^irnS ift bie SRerüem 
materie ein Stggregat lofe gefügter, aber fe^r äufammengefe^ter d^emifcber 
SSerbinbungen, welche als $robuft groger SKaffen „S)iSgregationSarbeit" 

© d^ ä f f l e , Stbriß ber ©Oätologie. 4 



— 50 — 

eine große SRaffe „vorrätiger ^(rbeit'' aufgeftapelt fialtcn, „^o^e SSer* 
brennungSiDcrte" ober bie gö^igtcit bcr greimac^uug groger 3Rengen 
lebenbiger Sraft befi^en. S)icfe§ neroenpl)^fioIogiic^en JtraftborrateÄ 
bcbient fic^ bag tätige ©efeUfd^aft^betoufetfeiii : ber Sbecnücrfeljr ermög- 
licht ein berbnnbene^ SBirfen ber iubiüibueQen Sleroenfräfte. ®ie fee* 
lifd^en Steiäempfinbungen unb SReflejtätigfeiten ber im ©efeßfc^afts* 
benjugtfcin geiftig äufammen^ängenben $erfonen bilben bie feelifc^c 
®rnnb(Qge aüt^ rul^enben unb aQeS tätigen ©efeQfd^aft^bemugtfein^. 

2. ©erSBcgriff bc§ @cf etlf d|af t§ben)u§tf ein§. 

Sie ©tiftematif, bie ic^ einer an bie ©pi^e ber ©oätotogie 
gefteKten @ojiatben)u|tfcin§Ie^re geben mö(^te, ift naä) i^rem Um» 
riffe bereite angebeutet worben^). 

Sic fpejieUc 3lu§fü^rung würbe einen reichen ^nl)alt barju» 
bieten fiaben; benn biefelbe Qnnerlid^feit raofint bem ganzen @e» 
feUfd^aftgförper unb feiner Seraegung in jeber feiner äußeren 
Einrichtungen unb 9Serrid)tungen inne. ©ie ift al§ aSolf^bewu^ta 
fein für iebe§ aSolf eigenartig. (Sie ©erfolgt felbft jebe Sd^otle 
Sanbe§ unb j[ebe§ ©tücf 33efi^e§, lebt in aßen ^erfonen, be» 
l^errfd)t aCe ©emetnfdiaften unb SSerfe^re, äußert fid^ in ben 
fprad^Ii(^*äft^etifc^en , ben raumjeitKc^en, ben SBert* unb ben 
DrbnungS^ ben 2:e(^nit* unb ©eroaltoertnüpfungen, erfüllt jeben 
befonberen Sereid^ ber 9So(t§gefittung in eigenartiger SBSeife, Hingt 
au§ vergangener Qtxt atö l)iftorif(^e§ Seroufetfein , beftimmt im 
3eitgeift ben fojiaten ^ul^fc^lag ber ©egenmart, unterliegt eigen« 
artigen Störungen unb forbert ^eiberanftaltungen , an meli^en 
nid^t blo^ Staat unb ^irc^e, fonbern alle ©injelnen immerfort 
ftd^ ju beteiligen ^aben, menn bie ©efettfd^aft nid^t meltlidt) unb 
religiös ber SBiUenSoerberbniS, ber OemütSuermirrung, ber 93e* 
törung unb ber SSerbummung anheimfallen foH. ©d^on bie fpe» 
jialfojiologifc^e ®rfaffung einjelner befonberer 2^atfac^enfreife be§ 
©efettfdtiaftSbemuBtfetnS, j. 93. be§ Staatg^ be§ Äirdjen^ be§ 
gamilienbemu^tfeinS mürbe einen überaus reidtien (Stoff aufju« 
arbeiten ^aben. Sie allgemeine (Sojiologie roirb fid^ befc^ränfen 
muffen. 

1) «gl. aud^ 3tfd^r. f. b. gef. ©taatSro. LIX (1903), ©. 321 f. 



— 51 — 

Sin bicfcr ©teile wirb man nur baS SlUgemeinfte anbeutungg* 
roeife ju jagen l^aben. 3)ie 2lnbeutungen foflen ftd^ befd)ränfen 
ouf ben 93egriff be§ ©efellf diaftSberou^tfeinS , baS allgemeine 
SBSefen be§ ®efellfc^aft§ben)u§tfein§ , bie gefettfd^aftlidje Sßeran* 
lagung be§ Qnbioibualben)u|tfein§, bie ©runberfd^einungen be§ 
@cmeinfc^aft§ben)u§tfein8, ba§ SWaffenberou^tfein nad) [einer 
Äapajität, feiner 2lu§breitung in 9iaum unb Qtit, feiner @ct|i(^* 
tung, ba§ ajlaffenmeinen unb SMaffenroollen, ben B^itgeift bie 
JRorruption be§ ®efellf(^aft8ben)u§tfein8. 9luf ben 3^it9^ift ^^^ 
bie Korruption weifen bie t)on öfonomifdien Srifen fo oft auS- 
gelöften Störungen be§ ®efeBfd^aft§ben)u§tfein§ mit leibig großem 
Stad^brud ^in. 

3unäd^ft märe ber 93egriff be§ ®efellfci^aft§berou§tfein§ feft* 
juftelten. 

SBSoflte man eine oerfü^rerifcli einfactie Definition ber ^fg* 
d^ologie nad|al)men, nad^ melc^er bie ©eele innertii^ fein foH, maS 
ber Körper äu^erlid) ift, fo märe ju fagen: baS ®efellf(^aft§bemu§t« 
fein ift ber ®efeltf^aft§förper innerlid^. ®amit märe aber nur 
eine Spielerei getrieben, melrf)e no(^ meniger bieten bürfte, al§ 
bie 93elel)rung, meiere ber SSerfaffer einften^ oon einem ^egelfi^en 
Se^rftul^l t)erab bal)in erhalten ^at, bie ©eete fei „bie 3>i>cntität 
ber Spontaneität unb ber Stejeptit)ität". 

Smit befferem ®rfolg mirb man oon ber inbioibua^pfric^o« 
logifd^en Definition be§ S3emu^tfein§ ausgeben; benn al§ bemüht 
au^gemirfte Seben§gemeinfct|aft oon ^erfonen ift bie ®efel(fd^aft 
früher bem Slidte entgegengetreten, unb um ben fojialen Kompley 
ber 93emu§tfein§tatfa^en I)anbelt e§ \\ä) an biefer oberften ©teße. 

5Rad^ einer Definition oon angefel)ener Seite ift nun baS 
©injelbemu^tfein „burd^gängiger 3iifttmmenl)ang innerer 3uftänbe". 
®a§ ®efellfdt|aft§berou§tfein ift aud^ ein S^fciw^w^^^^^^S innerer 
3uftänbe, aber auf eine ^otenj erhoben, meldte bem 3fnbit)ibual=' 
bemu^tfein fel^lt. 

Qm ®efenfc^aft§bemu§tfein finb junäi^ft nic^t innere 3^* 

ftänbe be§felben Sebemefen§ oerbunben, fonbern innere 3wpänbe 

oerfd^iebener ^erfonen. 

4 * 



— 52 — 

©obann treten im ®efellfciöaft§ben)u^tfcin bie ^erfonen nur 
geifttg mit ®enfen, gü^Ien unb äBoUen in ben inneren 3«föm« 
men^ang; eine gemeinfame @inne§organifation fel^lt bem oerbun« 
benen @eifte§teben. 

®a§ ©efeKfd^aft^bemu^tfein l^at an ©teile ber nernenp^gfio« 
logifci^*natürli(^en SSermittelung „burc^gängigen inneren 3iiföi^* 
men^ange§" eine pttlid^^praftifdie SSermittelung be§ inneren Qn^ 
f ammenf|Qnge§ , bie 2lnftalten ber SÄ i 1 1 e i l u n g. D^ne bie 
©eelenfräfte ber ^nbipibuen, meldtie burd^ Q^beenmitteilung geiftig 
oerfd^moljen finb, unb o^ne bie Seiftung it)rer 5Reroen!raft fönnte 
jmar ©efcöfd^aft^bemu^tfein nid^t befielen, aber barin ift ba§ 
®efellf(^aft§ben)u§tfein eine eigentümlid^e ©rfclieinung, ba§ in il)m 
nur Semu^tfein^in^alte unb jmar 33en)u§tfein§in^alte Derfd^iebe* 
ner ^erfonen buri^ geiftige Sfflitteilung ober «Sbeenoerfetir inein* 
anberflie^en. ®ie üermittelnbe Strömung ift eine anbere al§ 
bie inbioibualpf ^(^if^e ; fie ift bemüht, geiftig unb bennod^ fa^= 
barer aU bie ben ©eetenjufammen^ang oermittelnbe 0leroen« 
ftrömung. 

3Äan ift oeranla^t, ^ier einen 2lugenblidE bei ber ^rage ftd^ 
aufjul)alten, ob benn nic^t bennod^ in bem §auptabfd)nitt oom 
®efellfd^aft§ben)u§tfein ber SBeg ber Slbftraftion ju oerlaffen unb 
menigfteng jene^ ©tüd ^anbeln§, n)eldt)e§ in ber Qfbeenfommuni* 
fation gegeben ift, pgleid^ mit bem ®efellfd^aft§bemu^tfein abju* 
l^anbeln märe; in „33au unb Seben" I)atten bie ©inrid^tungen unb 
SSerrid^tungen ber :3beenmitteilung eine folc^e Stellung im ©9* 
ftem er^lten. ®anad^ mären bie großen 3Kittel ber 2lu§breitung 
ber Qbtzn in Slaum unb ßeit, bie ©prad^e, bie ^ublijität unb 
bie Ueberlieferung fogteid^ abju'^anbetn. 2)iefe 2lrt ber ©gftemi- 
fierung fei bennod^ nun oermieben! 2)a§ ®efellfc^aft§bemu§tfein 
l)at jmar an ber ©prad^e feinen immaterießften 3lu§brudE. ®8 
fprid^t aber au§ allen äBerfen be§ gefeUfd^aftlic^en 2)lenfd^en, unb 
bal)er märe e§ fd^roer, für bie ©ereinäiel)ung ber :3beenDerförpe* 
rung bie ©reuje ju finben, bie ^nnerlic^teit unb bie ^örperlid^* 
feit ber ©efellfd^aft überl)aupt au§einanberjul)alten. ®er SSorteil, 
meldten bie 3lbftraftion baburd^ gemährt, ba§ fie geftattet, bie be^» 



— 53 — 

]^crrf(^cnbc ©cfellfd^aftginnerttd^fcit vox bcr ©cfcOfd^aftStörperlid^« 
tcit fclbftänbig ^crau^ju^ebcn, ginge ücrtorcn. @8 bleibe jebod^ 
oorau§ anertannt, ba§ bog @efellfc^aft§ben)u§tfein au8nal)m8lo8 
burd^ ein §anbeln, burd^ Q^beenau^erung üermittett ift; oon bie* 
fem ^anbeln wirb nur üorläufig abftral^iert. 

aöa8 ift benn aber ba§ ©igentümtid^e be§ ©efeKf^aftäbe* 
n)u^tfein§ ? 

®a§ @efcllf^aft§ben)u§tfein barf man ftd) nid^t a\8 ein 93e* 
mu^tfein au§er unb über ben ©injelgeiftern, auc^ ni(^t at§ ein 
jn)eite§ gemeinfameS SBemu^tfein in ben ©injelgeiftern benfen. 
Sine SSorftellung biefer 2lrt l)at fid^ mefirfad^ an bie SBejeid^nun* 
gen „9SoIf§feele" unb „Sßolt^geift", bie mir permeiben, angel^eftet. 
®a§ @efellfd^aft§bemu§tfein ift ben gefeUfd^aftüd) üerbunbenen 
©injelgeiftern innemo^nenb, immanent. 9Jian fann ben ©injelgeift 
oom ®efeKfd|aft§bemu^tfein gar nidjt trennen. S)er ©injelgeift 
ift ©eift t)om ©eifte be§ aSoIfe§ unb ber 3Äenf(^^eit unb ba§ ©e« 
fellfi^aft^bemu^tfein SRefultante aller ©emeinfd^aften unb aSerfelire 
ber ©injetgeifter in ber ©egenmart unb in ber Sßergangenl^eit. 
®er ©injetne f)at mit feinem Senfen, %mtxi unb SBSoßen fo piel* 
mal am ©efeÖf(^aft§ben)u§tfein al§ geiftiger Soeffijient SKnteil, als 
er in ©emeinfd()aften unb in Sßerte^ren ftel|t. 

®a§ ©efeUfd^aft^berou^tfein barf man fidt), obmolil e§ nur in 
ben ©injetnen ruf|t ober lebenbig ift, anbererfeit§ nid^t ate Summe 
ber in ber ©egenmart jufammenf)ängenben ©injelgeifter benfen, 
fo al§ ob biefe mären, oI)ne ba^ fi^on por i^nen ein SBolfg* unb 
SSöfferbemu^tfein gemefen märe. ®ie einjelnen in ber ©egenmart 
lebenben ^^3erfonen finb geiftig au§ bem SBoHen, ^01)1^^ ^^b 
®enfen ber oorfiergegangenen ©enerationen Iieroorgegangen ; im 
unauf^örlid^en ^li^eenoerfel^r aüer in ber ©egenmart ooBsielit fid^ 
immer mefir eine gemeinfame Stimmung unb 2lbgleid^ung ber 
(Strebungen, ©efül^te unb aSorftellungen unb eine ©lieberung aüer 
©injelgeifter ju einer geiftigen Äottettiofraft, metd^e in ben oer* 
fd^iebenen ©emeinfd^aften unb SSerteliren jmar arbeitsteilig mirtt^ 
aber fortlaufenb eine ©efamtmirfung ooUjiefit. 

®a§ ©efellfd^aftSbemu^tfein ermeift bie S^atfad^e, ba^ e§ 



— 54 — 

mcfir ift aU @ummc oon Sinjelbcroufetfein baburd), ba^ bie ein* 
jelnen bcfonbere Seite ber geiftigcn ©efamtleiftung, wenn ani) 
oielerlei unb raed^felnbe ©onberleiftungen ooBjielien. SBeiter ba* 
burd), ba^ bie ©efamtleiftung ben 2Be(^fel ber ©injelgeifter über* 
bauert. gerner bamit, ba^ bie Qbeen baliingegangener ©enera* 
tionen burd^ Ueberlieferung in ©injelgeiftem reprobujiert wer* 
ben, roeld^e bie reprobujierte Qbee felbft nid^t Ratten, ©nblic^ 
barin, ba^ fid^ bie Qbeen be§ einen mit ben Qbeen unjä^Uger 
3eitgenoffen buri^ ^ublijität affoaiieren. Qn aßen biefen ^in* 
ftd^ten erroeift ba§ ©efeHf^aftSberou^tfein t r o ^ feiner -^mmanenj 
in ben ©injelgeiftem eine eigentümlirf)e SBSefen^eit für fid). 

®a§ ®efeUfd^aft§ben)u|tfein barf man fic^, obmol)! e§ SRe* 
fultante aöer ftattgetiabten unb fortbauernben SBei^fclmirfungen 
inbinibueller ©eifter ift, nid)t al§ eine alle ©ingelgeifter gleid^* 
artig unb gleid^mä^ig erfüöenbe ©nergie beuten, bur(^ roeldie 
alle immer eine§ unb be^fetben ®eifte§ mären. 2)em ift nid^t fo 
unb fann nid)t fo fein. aSielmefir ift ba§ ©efellfd^aftSbenJu^tfein 
befiarrlid^e 2lbgleid^ung befonberer 93eftrebungen, ©efüi^le unb Sßor* 
fteHungen, mel(^e nie aufhören, auc^ au^einanber ju laufen. @§ 
finb immerfort felbftänbige ^erfonen, meldte geiftig aufeinanber 
mir!en, unb !einen Slugenblid !ann ba§ ®efellfc^aft§ben)u§tfein 
frei oon ©egenfä^en ber 2lnfid^ten unb Söertanfd^auungen, na* 
mentlid^ aber ber SBillen^neigungen fein. 2)a§ ©efamtbemu^tfein 
lann au§ S33illen§entjmeiungen, au§ latenten ^arteiungen niemals 
nollftänbig ^erauSfommen. 0lur liebt biefe 2:atfad^e ben 93eftanb 
eine§ ©efeUfd^aft§bemu§tfein§ al§ unaufhörlicher med^felfeitiger 
innerer aSerfnüpft^eit unb Slb^ängigteit gefellf(^aftli(^ oerbunbe* 
ner ^erfonen t)on einanber nid^t auf. 

Kein ©injelner lann fxä) geiftig nur auf fu^ felbft fteHen, 
niemanb bem ©influ^ ber ^been ber anbern — treten fte als 
3Äaffenftrömung ober als ba^nbredtienbe inbioibuelle ©eifteStat 
auf — fidö entjie^en. Umgefe^rt ermangelt niemanb, auc^ 
nic^t ber ©eringfte, einer ©inmirfung auf ba§ 2BoUen, gülilen 
unb Senten met)rerer ober oieler ober aller anberen. Keiner 
mirb geiftig beffer unb reid^er nur burc^ fi(^ felbft, unb feiner ift. 



— 55 — 

ber md)t für ben ©tanb bc8 @efcnfd^aft§ben)u^tfein§ feiner 3^^ 
einen 2:eil be§ SSerbienfteS anjufpred^en ober einen 2^eil ber ©c^ulb 
ju tragen ^ätte. 

^n aßen brei SRic^tungen, in roeld^en fxä) baS ®efeUfd^aft§* 
berou^tfein rote ba§ ©injelberou^tfein entfaltet, nSmlid^ im SBol« 
len, füllten unb ®en!en jugleid^, erlangt e§ Sfflad^t über bie in» 
bioibueße ®eifte§betätigung. S)iefe ajla^t fd§eint um fo größer 
}u fein, je niebriger bie SuUurftufe nod^ ift. ©ie äußert ftd^ in 
©emol^n^eit, in ^er!ommen unb ©itte al§ ein ®influ^ be8 @c» 
feBf(^aft§ben)u§tfein§ auf baä inbimbueße SBBotten. @ie ift aber 
auc^ an aßgemein gleii^em gürten unb SJorftetten al§ eine SÄb* 
^ängigfeit beS ©injelbemu^tfeinS oom 2Jlaffenben)u§tfein erfenn* 
bar. ■ ®a§ ganje ®eifte§Ieben ber ©injelnen ift oon ber geiftigen 
aJiaffenftrömung be§ ©efeßfc^aft^bemu^tfeing umfangen. D^ne 
biefe gotgfamfeit be§ einjetnen gegen ba§ 3Äaffenben)u^tfein 
märe ^i^fonimen^ang im ©efamtgefüge unb in ber ©efamtbe* 
megung be§ @efeUf(^aft§förper§ nid^t mögtid^. Qn ber SKai^t 
be§ @efellfc^aft§bemu§tfein§ über jebe§ ©injelbemu^tfein offen* 
bart ftd^ be§ meiteren bie Siealität be§ @efettfd^aft§bemu§tfein8 
aU einer bie ©umme alleg ®in}elbemu§tfein§ überragenben 
2:atfad)e. 

^ienad^ mirb ba§ ©efeUfd^aft^berou^tfein beftimmt werben 
bürfen al§ Inbegriff alle^ burd^ Qbeenoerf e^r in 9iaum 
unb Qzit vermittelten, ben ©emeinf (^aften unb Sßer* 
feliren immanenten burc^gängigen ©eifte^jufammen* 
l^ange§ ber gefellfd^aftlict) oerbunbenen ^erfonen. 

3. ®er Qnlialt be§ @ef el lf(^ aft§ bemüht fein«. 

S)er ^n^alt be§ ©efellfdiaft^bemugtfein^ ift nid^t bie ©umme 
be§ ©eelenlebenS alter, einf^lie^lid^ ber SReisempfinbungen unb 
alter Siefleymirfungen (33emegung§erregungen). ©einen ^'^^ött 
bilbet nur bie ©ei fte§ tätigfeit, ba§ bemühte SBotten, gü^len 
unb Senfen, unb jmar ba§ vereinigte SBotten, gütilen unb Sßor* 
fteöen ber gefellfd^aftlid) nerbunbenen ^erfonen. ®ie ©ojiologie 
mirb meber bie ganje ^fgd^ologie in fi(^ aufnel)men bürfen, no(^ 



— 56 — 

genötigt fein, einen befonberen Unterbau au§ ben 2Biffenfd|aften 
oom inbimbuellen ®eifte — im „93au unb Seben" ift e§ tatfäd^Ud) 
gefd^e^en — felbft aufzuführen. 

Sie ©ojiologie fann ba§ a3er^ältni§ jwifd^en SBSoöen, gü^Ien 
unb ©enfen, wie e§ bie „3^nbipibual*®eiftn)iffenf^aft" feftftellt, 
al§ gegeben übernehmen: im SBiKen umfaßt ba§ Subjett innerlich 
fein eigene^ ^anbeln; im SßorfteBung^in^alt be§ S3en)u§tfein§ 
fpiegelt fid^ i^m eine Dom ©ubjeft oerfd^iebene SOSirtli^feit; bie 
SBejie^ungen aber, melrfie jroifd)eu bem SJorfteHen unb bem SBSoUen 
für ftttlirf)c ßroerfe ftattfinben, äußern fid^ bem ©ubjett in ben 
@efül)len unb ®emüt§beroegungen. 

ßroeierlei jebod^ I|at bie ©ojiologie in jenem ^auptabfd^nitte 
über ba§ ®efeÖfd^aft§ben)u^tfein, meldten fie an bie ©pi^e (teilen 
fann, für ben Qn^alt be§ ®cfeafc^aft§ben)u^tfein§ feftju^alten: 
ba^ lefetere ift t)ereinigte§ , foüeftine^, unb e§ ift üerfc^mol^ 
jene§, einl^eitlic^eö SBollen, 5üt)len unb ®enfen. 

S)a§ vereinigte SföoBen, gü^Ien unb S)en!en erfolgt in Seilung 
ber ®eifte§arbeit unb unter bem @influ§ füt)renber ®eifter. ^k^ 
buxä) ergibt fid) al§ ®efamtleiftung innerlid^er ©efamtjufammen* 
^ang ber ®efenfc^aft in aCen it)ren Qnftitutionen unb gunftionen 
unb ein geiftiger ®efamtbefi^ an SBerten unb aBerten, an ^unft 
unb an 2Biffenfrf)aft, mie er au§ ber ©umme ber S3eteiligung aller 
©injelgeifter — üorau^gefe^t ba§ biefe für fic^ allein überl)aupt 
benfbar mären — nic^t I)ert)orge^en !önnte. 

®ine qualitatiüe 3Serfc^ieben^eit be§ ^n^alte§ jn)ifd)en inbi* 
nibuetter unb foHettiner 93emu§tfein§tätigteit ift nid^t Dort)anben. 
®ie inbinibuelle SSernunft ift nid^t gegeben üor foHeftiüer Setäti« 
gung ber ©injebernunft aller, fonbern bie ©injelDernunft ermäd^ft 
mit ber KoBeftiDbetätigung ber SSernunft. 

Sie fojiale ©ntfaltung beg inbiüibuellen 2Bollen§, 3^ül|len§ 
unb ®enfen§ jum follettiüen 33en)u|tfein ift — namentlid^ in ber 
erften 2luflage von „33au unb Seben" — fo einge^enb unb aud^ fo 
frei üon 3Seranfd)aulic^ung burd) 2lnalogie bargelegt, ba| in biefer 
apologetifd^en Darlegung meinet fojiologifc^en @tanbpunfte§ nict|t§ 



— 57 — 

j^injugcfügt ju werben brau(^t^). 2lud^ bie fojialen SBSertungS* 
projeffe, roel^e — unter bem beftimmenben @influ§ be§ ©efü^l« 
im 3ufammenn)irfen mit bem ^ntelleft — ftattfinben, allem ^an* 
beln porangel^en unb allem .g)anbetn jur ©eite laufen, finb eben« 
bafelbft in i^rer allgemeinen (nic^t blo§ bie ^rei^bilbung um- 
faffenben) SBebeutung bargelegt 2). 

S)er ^xiijalt be§ ©efeüfd^aft^bemu^tfein^ ift aber ni^t blo^ 
vereinigte, tolleftioe SSemunftbetätigung ; er ift aud^ einheitlich ab»= 
geglichenes, perfc^moljeneS SBotten, g^ü^len unb ®enfen. S)a§ ®e* 
famtbemu^tfein gel)t jmar au§ ber inbipibueHen ©eifteSarbett fül^' 
renber ©eifter tierpor, ftellt aber ein gleichartige^ SBoBen, gü^len 
unb SSorftellen bar, meines äße aSolfSangel^örigen in berfelben 
SBBeife geiftig beftimmt jeigt, fid^ ber beliebigen 3Jlobifitation burd^ 
jeben ©injelnen entjie^t unb — bis e§ burd^ neue ein^eitliclje 2ln=» 
paffung t)eränbert ift — jebem einzelnen als beftimmte geiftige 
©efamtrid)tung fid) auferlegt. 2ln ber ©emo^n^eit unb am ^er* 
lommen ift bie SMadjt einfieitlid^er äBillenSrid^tung längft erfannt. 
©ie ift nii^t minber für bie im ©efüt)l murjelnben SBertan« 
f^auungen unb für bie intelleftuelle aSoltSanfd^auung ma^rjune^* 
men. Dt)ne bie fraglidje SSerfd^meljung märe baS ^^P^^l^^f^^"^^^ 
unb bie immer neue ©eminnung beS geiftigen ^wfammen^angeS, 
alfo bie ajlöglid^feit einl)ettlic^er Senfung ber ©efellfc^aft ni^t 
benfbar. 

S)a§ pereinigte unb baS perfd^moljene ®enfen, g^ü^len unb 
SBBollen finb nic^t burd)auS, fie finb nur jum geringeren 2^eil überlegte 
SSernunftbetätigung. ©inmal fiyiert äußert fid^ baS ©efellfc^aftS* 
bemu^tfein automatifc^, miebert)olt eS fic^ im gleichen galle o^ne 
immer neue Ueberlegung, ift e§ fd^on fertig mie ber ^nftintt beS 
^fnbiüibuumS, f. j. fagen ftel)enbe SSernunft. ®er Trübung burd^ 
SRaffenleibenfd^aft ift eS nid^t entnommen. 

©elbftänbige ©inneSmal^rne^mung unb finnli^e 33emegung§* 
erregung ^at baS ©efeUfd^aftSbemu^tfein nid^t. @S oerfügt aber über 
oernunftbemu^te 2Bal)rneI)mung unb SSoßftredEungStätigeit in einem, 

1) «gl. ,,«au unb 2zhzn" 1. Stuft. I, @. 482—703. 

2) bafelbft @. 510-549. 



— 58 — 

burc^ 3>i>ßßn^ci^fßt|v t)ermiltclten 3ufammcnn)ir!en bcr in ®cmcin* 
fc^aften unb a3er!el)rcn gelftig Derbunbenen ^erfoncn unb über 
einen beni Qnbioibuum unerreichbaren 3lpparat oon fünftlid^en 
Seobac^tungg« unb SSoKjugSmitteln. ®ie eigenartige SDBal)rne]^* 
mungg^« unb SBoUftredfungStätigteit ber ©efeUfc^aft ift in „93au 
unb Seben" genügenb unb nic^t blo^ in i^rer jentralen ftaatlic^en 
©rfc^einung flar gefteltt ^). 

3)a§ ®efellf(^aft§benju^tfein l|at benfelben boppelten weit* 
liefen unb religiöfen ^n^alt wie ba§ inbioibuelle Serou^tfein. 
e§ ift nic^t blo^ Sßolföwiae, Sßolfggemüt, Sßolt^benfen mit ber 
9iid)tung auf ba§ ®le§feit§ ober bie (£rfa]^rung§n)elt, fonbern 
Sßoltggemüt, aSolf^wiae, SßolfSüorfteHung mit ber Siic^tung auf 
ein ^enfeitg — fSolU glaube. S)er ©lauben ober bie ^Religion 
feimte fc^on mit bem 3lnfang ber 9Söffer, ift tulturgefc^ii^tlid^ 
fc^on bei ben niebrigften übrig gebliebenen älteren ©efeßfc^aftg^ 
bilbungen anzutreffen, quillt auf jeber ©tufe ber ©ntmidfelung au§ 
ber ganjen immerfort auf jenfeitige ®ebunbenl)eit liinmeifenben 
®rfal|rung immer reicher unb reiner l^eroor, ift eine 3Jlac^t in ber 
©egenmart unb mirb oermutUd^ bei aüer SBanblung pofitioer 9{e= 
ligionen eine ba§ meltlii^e ©efellfc^aft^bemu^tfein begleitenbe geiftigc 
@runbmad)t bleiben. S)er ^Religion, il^ren Einrichtungen unb Sßer* 
ric^tungen, l^at hdi)zx bie ©ojiologie eine ©runbfteüung neben bem 
tüeltlic^en ©efeltfc^aft^bemu^tfein anjumeifen ^). 

1) @r|te 2JufI. I, @. 467—482. 

2) 2J?an f)at ben inbimbueUen $^n fünft al§ «raison fixe" unb bie 
SBernunft al§ „beroeglidien Snftinft" begeidinet, rva^ riditig ift, wenn 
ber Snftinft ^lieberfcfilag urfprünglirfier, ooHberoußter ^äti^Uit ift, bie 
SBernunft aber befeftigt im ^nftinft oorliegt (t)gl. „Söau u. Seben" — unb 
üben @. 18 bie 2leu^erung t)on (S(f)ur^ über bie ®en)o]^nI)eit a(§ 
automatifrfie ®eifte§tätigfeit be§ S8oIfe§). ^er ftürmifcf)e SReuerer ober 
Ufurpator !lagt über hk 3Jiad)t be§ ^um §erfommen oerfteinerten SBol!^* 
finne§, roie benn @d)iller feinen SöaUenftein über bie 3Jlaci)t be§ „ewig 
©eftrigen" flagen unb gegen ben auf bem 3:t)ron ber ©emolinl^eit meid)* 
tigen g^erbinanb fagen (ä&t: „5lug ©emeinem ift ber SD^enftf) gemad^t, unb 
bie ®en)o()n()eit nennt er feine 5lmme". — SBon Seibenfdiaft ift aud^ ba§ 
^oI!§9emüt nid^t frei. %u S8oI!§leibenfd)aften finb al§ 3:atfad)en be§ 
®efellfd)aft§ben)ußtfein§ bagfelbe, mai hiz „®emüt§ben)egungen" beim 



— 59 — 

4. 2)a§ 3fnbit)ibualben)u^tfctn. 

aWan wirb Sinjelbcrou^tfein unb aJlaffenbctüufetfein auSeinan« 
betjul^altcn unb beim ©injelbeiüu^tfctn , b. \). bem 93cn)u§tfetn 
bcftimmter ^erfonen ba§ 3nbioibuaIbcn)u§tfein al§ bic einfachere 
©rfc^einung oon bem 93en)u§tfein einer beftimmten ©emeinfc^aft, 
bem ©amt* ober @emeinfc^aft§ben)u§tfein, ju unlerfc^eiben liaben. 
2)a§ 3f"biDibuaIben)u§tfein ift ba§ 93en)u^tfein be§ einjelnen, ba§ 
©amtbenjufetfein aber ift 93en)u^tfein§jufammen]^ang aller 9Wit* 
glieber einer ©emeinfc^aft. 

1) 3) er fojiale ©l^araüer auc^ be§ ^n^i^i* 
bualben)u§tfein§. ©c^on ba§ OnbiDibualberou^lfein ift 
auf ©efeUfc^aft geftimmt. ®ie ©efeßfd^aft ift !eine ©umme oon 
Sinjelgeiftern unb ba§ ®efe[lfc^aft§ben)U^tfein nic^t fpälerer @j* 
traft au§ üorl^er geroefenem O^biüibualberou^tfein. ©oroeit ber 
inbimbueHe ®eift t)on ben 9Sorfaf)ren ererbt ift, liaben il^n biefe 
tiid^t au^er, fonbern in ber ®efeHfd)aft gewonnen ; bie perfönlid)e 



Snbioibuum ftnb. @ie brcdien l^erüor, wenn haS ®efeHfrf)aft§ben)ußtf^in 
für plö^Iid) firf) aufbrängenbe SöorfteHungen 3lufmerffam!eit nod) nidit 
gewonnen l^at, fonbern unoorbereitet überrumpelt wirb. %iz SBoWSleiben- 
fdiaft äußert firf) burd^ bie lärmenben, tobenben 3lu§brucfgbewegungen ber 
^emonftrationen. %k S8er()ütung unh 2lbwel)r foldier ©efüIiISüber* 
Tumpelung ift ein §auptgeficf)t§punft guter ^erfaffutiggpolitif. — S8oI!§» 
glaube wäre ocrmutlid^ aud) bann nod^, xvtnn bie Dogmen ber pofttioen 
äteligion oon I)eute ebenfo i()re 5lnf)ängerfcf)aft oerloren f)ätten, wie ber 
©laube an 3^u§ unb an §era!Ie§. %iz SBemunft, weirfie bem SJlenfrfien 
al§ gefeUfdiafttid^em 2öefen geworben, ift un§ ^war nur al§ „^d)zin be§ 
§immel§Ii(f)te§" gegeben, tiefer (Sdiein leuditet aber, wenn aud^ nodö 
trüb unh matt, p einem Ueberung f)in, unb er leudjtet bal)in mit ju^ 
ne()menber §eHtg!eit. ^er ©laube an ®ott aB bagjenige, in weldiem 
^ugleid) unfere Vernunft unb bie äußere ^latur mit entt)alten fein muffen, 
wirb fid) ba()er immer erneuern. %a§ 9^ä^ere ift in „SBau unb ßeben" 
bargelegt in ben 2lbf(f)nitten über ben ;;tranf5enbentalen §ang be§ menfdö- 
lid&en ®eifte§", über hit „\pzMatwt ^I)iIofop^ie", bie „^eligiofität" (2. 2t. 
I, B7— 66). ©benbafelbft über bie 2lttribute eine§ «nicfit leeren", „nid^t 
wiberfpredienben", „nid)t unooUftänbigen" ®lauben§, über htn 2lgnoftiäi§- 
ntu§ für bie 3öiffenfd)aft unb (a. a. D. II, 64-67 ff.) über ben mögti^en 
Urfprung be§ religibfen 83ewußtfein§ au§ ber ®rfa()rung. 



— 60 — 

gciftigc ©nttDidetung be§ ^nbioibuumg aber f^at in ben ©emeins 
fd)aftcn unb burc^ bic @cfamtl)cit ber SBcrfelirc ftattgefunbcn, in 
n)et(^cn e§ fein geiftige§ @rbe weiter entfaltet. 2)er inbiüibueße 
®eift ift ®eift Dorn ®eifte be§ ganjen Sßolfeg in ©egenroart unb 
SBergangenl)eit. 2)ie ganje geiftige SSerantagung fd^on be§ Qnbi* 
t)ibuum§ ift eine gefeUfd^aftlic^e unb !ann nur gefeUfc^afttid^ fein. 
Salier barf bie ©ojiologie Dom QnbiDibualberou^tfein au§* 
unb barauf jurüdgetien, bie inbimbuelle SSernunft al§ 31 unb D 
bel^anbeln, ol)ne mit @runb bem SSorrourf atomiftifc^sinbiüibua* 
liftifc^er @efe((fc^aft§auffaffung fid) prei^jugeben. greilic^ ift e§ 
nic^t lange l|er, feit man fic^ bie ^nbiüibuen al§ Dor ber ©efeK^ 
fc^aft entftanben bai^te unb ba§ ©efeüfc^aft^bemu^tfein at§ nad^=* 
träglid^e 3wfa^fc^öpfung ju vorausgegangener inbiüibueller 9Ser=^ 
nunftfc^öpfung fid^ üorfteHte. «^nbeffen bered^tigen fc^on bie 
fidleren ©rgebniffe ber neueren ©prad^forfd^ung ju ber 3lnna]^me, 
ba§ bie inbiüibuelle SSernunft mit unb in ber ©efellfd^aft ent- 
ftanben ift. 3)ie SSernunft mirb mit bem urfprünglic^ften Qn^ 
fammenflie^en inbioibueHer ©eeleninl)alte ju einem ^orben*@efet(s= 
fd^aftSbemu^tfein ju feimen begonnen unb tann fic^ auf il^re ^ö^e 
nur unter bem bel^arrlid^en @influ§ ber gefellfc^aftlid^en 2)afein§s 
bebingungen erl)oben tiaben. 2)arf unb miH man ^ieoon ausgeben, 
fo mirb auc^ angenommen merben muffen, ba^ ber ©injelne 
feinem gangen SBefen nad^ — gleid^oiel ob er oernunftbebac^t 
ober gen)ol)n]^eit§mä^ig mirft — jraei geiftigen ^olen folgt, ba^ 
er ©emeinfinn unb ©elbftfinn jugteid) in fid) trägt. ®er ©injel* 
geift al§ g^ortpflanjungS* unb Ueberlieferung§ergebni§ einer un- 
abfetjbaren ©efeUfc^aftSoergangentieit fann nur aU gefeUfc^aftlic^e, 
b. 1^. jugleid^ auf ©olibarität unb auf ©elbftänbigfeit angelegte 
©nergie (oben ©. 39 f.) gebadet werben. 

S)er naturred^tlic^e grrtuni. Unermefeüd^ lange 3^it, 
beöor ber ntenfd^Uc^e ©eift jenes SleflejionSöermögen ju erlangen öer* 
mod^te, meld^eö bie 5Waturred)tgpt)ilofop^ie beS 17. linb 18. S^^^^i^i^bertg 
beftintmt t)at, bie ©efelllc^oft auS ,,Urt)erträgen" — teils ber Unter* 
merfung, teils ber ©ojietät — abjuleiten, Iiatte fd^on ber SRenfd) bie 
„gefeUi^oftlidöe 5Rotur", bie i^m SlriftoteleS gufd^reibt. äRit ber SSor^^ 
anftellung beS ^nbiöibuumS in ber ©efeÜfd^oftSbemufetfeinS- unb in ber 
©efeüfc^oftsförperle^re tpirb man alfo nic^t Sltomift, Snbiöibualift. 



— 61 — 

2) 2)ic ungleiche unb ungleichartige aSeran* 
lagung ber <3nbioibuen. 5)er inbioibuelle Oeift ift eine 
Slbftraftion, @S gibt fo Dielmal befonbere ©eifteSoeranlagung jur 
©efeHf^aft, aU e§ ^f^bioibuen gibt, unb jebe baoon ift oon 
anberer ©tärte unb 2lrt. 2)ie inbiDibueHe ®eifte§oeranlagung für 
bie ©efeHfc^aft ift ungleich unb ungleichartig; e§ fäme nid^t jur 
©efellf^aft unb jum ®efellfc^aft§ben)u§tfein , wenn nid)t forool^l 
au§ antliropo-fojiologifd)en al§ au§ rein fojiologif^en Urfadf)en 
bie geiftige Sßeranlagung ber 3nblt)ibuen eine ungleiche unb un* 
gleichartige n)äre. 3)ie inbimbuetle Ungleic^tieit beS ®eifte§ ift 
unb bleibt oom Slnfange bi§ anS ®nbe aller gefellfc^aftlic^en 
Singe gegeben, .^iemit ift aud) bie 9lötigung ju üielerlei ®emein* 
f^aft unb jum SBerfel^r jugleid) antf)ropo»fojiologif(^ unb rein 
fojiologifc^ unerfd^ütterli^ gefid^ert. 2)ie geiftige Ungleic^l^eit barf, 
Derglid^en mit ber leiblid)en, al§ bie größere angefetjen werben. 
2)ie geiftige Qnbiüibualifierung nimmt im Saufe ber ©efittung Der* 
mutlid^ nid^t ab fonbern ju mit ber S^olge immer größerer 3Jlannig« 
faltigteit in ®emeinfc^aft unb SSerfel^r. 

3lu§ ber Ungleic^l^eit ergibt fidE) mit ?totn)enbig!eit anij bie 
gül^rung ber geiftig ärmeren burc^ bie geiftig reid^eren <3nbioi* 
buen im folibarifc^en 3fntereffe beiber Steile, nid^t bie 3lu§beutung 
einer SWaffe Don „Untermenfdjen" hnxä) „Uebermenfc^en". 2lu§ 
ber geiftigen Ungleic^artigteit folgt bie 9Jlannigfaltig!eit befonberer 
93eteiligung eine§ jeben im ©olibarintereffe aller. 

9tl§ günftigeg Ser^ältniS ber Ungleid^^eit mirb 
jenes anjnfe^en fein, bei tpeld^em bie ^nbiöibuen beS 9Dt i 1 1 e l m a 6 e § 
übertpiegen, bie „Uutermenfd^en" tjerfc^ttJinben, bie ^Uebermenfc^en" — 
cingebUbete ober tüirflic^e — ber ^Üflgemein^eit bienen. ®S fann öer* 
mutet merben, bog 3lu§lefet3orgänge, tpeld^e bie fo^iale (SnttDidEelung be* 
lierrfd^en, immer auf njirflid^eö ^-l^ormiegen beS 3Rittelmage§ IjingettJirft 
^aben unb fünftig ^intpirfen merben. „Untermenfc^en", b. {|. ftarl unter 
bem SRittelmag begabte ^erfonen fönnen ficft nic^t erhalten, ,, lieber- 
nienfc^en" nic^t maffentiaft unb :p(ö|lic^ t)om mittleren 5Wiöeau meit 
über biefeS fid^ ergeben. Segion freiließ merben immer biejenigen fein, 
meldte fid^ für Uebermenfd^en Iialten, oud^ menn fie in SBtrtüc^feit ben 
Untermenfd^en nö^er flehen. (Sine 3cit, bie an ber le^teren ©attung 
ungemö^nlid^ reic^ ift, mirb me^r unb geräumigere grren^ufer mit 
me^r ober weniger ^tütn aud^ für fold^e ^"biüibuen ^aben muffen, 



— 62 — 

tDeld&c einiget gcug ju Ucbermenfc^cn gehabt l^ättcn. Sag fi* Ucbcr* 
ntetifd^cn allgemein burc^ funftlid^e 3w*tiüa^l nic^t erjeugen laffen, barf 
aU getüig angenommen merbcn ; ni^t bloß fein $a^ft unb fein ffaifer, 
fonbem aud^ fein Äommuniften^aupt befäge bie |)anb, ba« ©cneralgeftut 
für allgemeine Uebermenfd^emSnc^tung juftanbe ju bringen unb ju 
leiten. 5Riefefci&f N «ici^t afle al« Uebermenfc^en für möglid^ ge== 
galten, üielme^r gefagt: ,,®iu SSoIf ift ber Umtpeg ber Siatur, um ju 
fed&g, fieben großen äRännern ju gelangen". ®^er ließe fid^ fagen: 
me^r alg fieben toirfltdö augerorbentlidie aReufdö^n fann ein SSoIl in 
jeber ©eneration nidjt ^aben, aber aud^ nic^t — brauchen. 

5. ®a8 @emeinf(^aft§beit)u§tfein. 

2)ie lianbcinben ©ubjette finb nic^t bloß O^^i^i^^^^/ fonbem 
auc^ ©emeinfd^aften, Samtperfonen. Sediere werben l^ier nic^t 
juriftifd^e ^crfonen genannt, weil e§ auc^ ^anblung^fäl^ige aSereini^ 
gungen ol^ne red^ttic^e ®ef(^Ioffenl)eit gibt; aber bie juriftifc^en 
^erfonen getiören ju ben ©amtperfonen. 

®ie ©emeinfd^aften ftnb nac^ ^Jorm, Svozd, 3lu§be]^nung, 
®auer ungemein oerfd^ieben. ®arin aber ftimmen alle überein, 
baß fie ein ©onberberoußtfein geiftiger Sßerbunbenl^eit in fid^ unb 
für fid^ befi^en. 2)a§ ®efetlfc^aft§ben)ußtfein liegt bal^er nid^t 
bloß fo t)ietma(, al§ e§ «^nbiüibuen, fonbem aud^ fo oielmal, al§ 
e§ ©emeinfd^aften gibt, im ©injetbemußtfein. <3ebe§ @emeinfc^aft§* 
bemußtfein ftetit bagegen bem SJlaffenbemußtfein ebenfo gefd^loffen 
gegenüber, mie jebe^ ^nbioibualbemußtfein. 

2)a§ ©emeinfd^aft^bemußtfein ift nic^t melir einfad^e§ 93e* 
mußtfein, ba e§ Dom Semußtfein SBieler — nämlic^ aller feiner 
9Witgtieber — in fid^ aufnimmt ; e§ ift alf o meiter al§ ba§ ^nbiDi« 
bualbemußtfein. ®a§ ©amtbemußtfein ift aber weniger ooÜ al§ 
ba^ «^nbiDibualbemußtfeiu , ba e§ bie SJlitgtieber nic^t mit il^rem 
gaujen 338ollen, gütilcu unb 2)enfen unb niemals alle 2lngel)örigen 
ungeteilt umfaßt. 

®a§ Qnbimbualbemußtfein gef)ört fo üielmal befonberem ®^^ 
meinfd^aftSbemußtfein an, al§ ba§ <3nbimbuum in befonberen ®z^ 
meinf^aften ftef)t. SJlit ber ©efittung mirb aber jebeg ^nbiüibuum 
t)ietfeitiger, immer mel^r — um einen Slu^brudE ber SterDenana^' 
tomie ju gebrauchen — „multipotar". Slud^ burc^ bie unenblic^ 
mannigfaltige unb immer mel^r fteigenbe aSer!ettung atle§ ^nbioi* 



— 63 — 

hnaU mit allem ©cmeinfc^aft^bcmu^tfcin mirb baS ®efcllfc^aft§* 
bcmußtfcm ein unüberfePar Derfc^lungcne§ ©eiftgemebe. 

3ln biefcr ©teHc ift e§ auSgef c^loff cn , bie einjelncn ©rfc^ei* 
nungcn be§ ®emeinfc^aft§bcn)u§tfcin§ r\a6) bem Untcrfdf)ieb ber 
gorm, be§ Qxotd^^, ber 3lu8bel)nung unb ber ®auer ber einjelnen 
©emetnf^aften in§ 2luge ju faffen. @§ ift fic^ auf ba§ ju be* 
fc^ränten, maS am bemühten 2:un unb Saffen jeber 3lrt t)on @e* 
meinfd^aft al§ ^arafteriftifc^e @igentümlic^!eit bem ^fnbioibual» 
bemu^tfein gegenüber l^eroortritt. 

©egenüber bem Qinbioibualbemu^tfein fmb nun jmei ©igen* 
tümlid^feiten mal^rjunelimen, meldte au§ bem SQBefen ber ©emein» 
fc^aft jmar oieter Qi^bioibuen, ieboc^ nur für begrenzte S^^^t 
l^erDorgeben : einmal innere @ebrod)en]^eit be§ @efamtben)u^tfein§ 
ber SUlitglieber, n)a§ oerfd^iebene ®rabe geiftiger Harmonie unb 
3)i§^armonie, ber ©intgfeit unb ber Uneinigfeit ergibt, fobann bie 
3lbftufung (^fnftanjierung ober ^ierarc^ie) be§ ®emeinfc^aft§* 
bemu^tfeinS. 

l)®ie®emeinfd)aft§einigfeit (®emeingeift, ßorpS* 
geift). 2)er „®emeingeift" ift bie Siefultante fortgefe^ter :3been= 
gSerfel^re im Innern ber ®emeinfd)aft. @r ift ber ©tärfung mie 
ber ©d^mäc^ung , bem SBec^fel mie ber Q3e]^arrung unterworfen. 

3)er ©emeingeift ift bei normaler Sefd^affentieit Sinigfeit, 
b. I). Harmonie ber ®emeinfd^aft§mitglieber in ben Steigungen, 
®ef ül)len unb Sßorftettungen ; benn ber Qxotd jeber normalen ®e* 
meinfd^aft ift oereinteS SBirfen für einen gemeinfamen Qxoed, 
n)dl)renb umgefel)rt in ben SSertel^ren pufig genug innere ®egen* 
fä^e folange malten, bi§ ber 5ßertet|r ju einem 3lbfd^lu^ geführt 
l^at. Qn ben ©emeinfd^aften ift bal^er Uneinigfeit eine 2lbn)eidE)ung 
oom Qxüzd ber ®emeinfd^aft, abnorm. 

Qn ber SBirflic^feit beftetjt bie umfaffenbe 9Jlöglid)feit ber 
Uneinigfeit ober 3^^riffen]^eit be§ ®emeingeifte§, fei e§, ba§ jer« 
f e^enbe ©inflüff e oon 3lnf ang gegeben fmb, fei e§, ba^ fie fpäter in bie 
®emeinfd^aft Ijineingetragen merben. 2)ie Uneinigfeit oon ®emein= 
fd^aften ift ein 3Liftönb mie bie innere 3^^riff^nl)eit be§ d[)aratter* 
lofen, gef ü^fef d^manf enben , unlogifc^en ^nbioibuum^, jeboc^ mit 



— 64 — 

bcm Unterfd)tcbc, ba^ bic @ntjn)ciung ron einem einjigen ajlit* 
gltebe allein nid^t gel^oben werben !ann. ®ie Uneinigfeit mxtt 
immer fc^mäc^enb, fd^Iie^Iic^ auflöfenb für bie ©emeinfd^aft. 

5)ie Uneinigfeit fann S^^^iff^^^^^t ^^^ ^^ ®emeinfd)aft§* 
moKen ober nur im ©emeinfd^aftggefül^I ober nur in ben ©emein* 
fd)aft§i)orftellungen ober in allen brei 9?id)tungen jugleic^ fein. <3e 
umfaffenber fie ift, befto fc^mäd^er ift ber ©emeingeift unb infolge 
baoon ber @emeinfd^aft§törper, 

©inigfeit unb Uneinigfeit rühren baoon tier, ba§ bie Singe* 
llörigen ber ©emeinfc^aft nur mit einem 93ruci^teil il^rer befonberen 
<3ntereffen ber ©emeinfd^aft angeijören. 2llle übrigen ^ntereffen 
fönnen mit bem gemeinfamen <3ntereffe fomol)! im SBiberfprud^ 
al§ im ©inflang fid) befinben. ®ie übrigen <3ntereffen fönnen 
fic^ mit bem gemeinfamen Qntereffe im Saufe ber Qnt entjmeien, 
nad^bem juoor ©inftang mar, ober jum ©inflang gelangen, nac^* 
bem juerft innere Oegenfä^e beftanben. 

^lar ift, \)a^ bie innere ©inigfeit mie bie innere Uneinigfeit 
einen befto l^öl^eren @rab erreid^en fann, je mannigfaltiger bie 
3medfe finb, morin Slngel^örige übereinftimmenbe ober au^einanber« 
gel^enbe <3ntereffen liaben, je längere 3^it bie ©emeinfc^aft gleid)* 
intereffierter ^erfonen gebauert fiat, je unauflösbarer ungleiche 
^[ntereffen oerfoppelt finb, enbtid^ je mel^r bie ©emeinfd^aft 
jmangSoerbinblid) unb je weniger fie freimillig ift. 

3fn ben Unioerfalgemeinfc^aften, ben Familien unb ben ©e* 
meinmefen (Oemeinben, Staaten) fann bal)er, je nad^ ber melt* 
lid^en unb religiöfen @leic^t)eit ober Ungleic^artigfeit ber Sänge* 
l^örigen, fomol^l bie ©inigfeit als bie Uneinigfeit ben l^öc^ften @rab 
erreichen. ®ie le^tere mürbe bei unioerfeßem ©taat§fommuni§* 
mu§ nic^t gro§ genug gebadjt werben fönnen. 

2)a§ ©inbringen f rembartiger ©lemente erjeugt immer mefir ober 
weniger innere 3^^^^iBung, weld^e jwar burc^ Slbgleid^ung allmäl^* 
tid^ oerfd)winben, aber aud^ bx^ jur Sluflöfung fortfc^reiten fann. 

2) ®ie innere Slbftufung (^nftan^ierung, ^ierardiie) 
be§ ®emeinfd^aft§bewu§tfein§. Sind) bie ©emein* 
fc^aft ooUjie^t fid^ bur^ 9Be(^felwirfung, burd) innere 9Serfef)re 



— 65 — 

aßet 3lngepri9en. ®er (Srfolg oerlangt Orbnung im ocrcintcn 
SDBirfcn unb ^icju fü^rcnbe Gräfte für Äoorbinalion im SQBirfcn, 
für ßoorbination im inneren unb für ßoorbination im äußeren 
95er!ef)r (mit bvitten ^erfonen). 3)ie Säufgabe ber foorbinierenben 
3JlitteIpun!te — gü^rerfd^aften, ^errf^aften, ©emalten — befielet 
teil§ in ber 3lufre^terl)altung ber t)erfaffung§mäfeigen Drbnung 
unb Semegung ber ©emeinfc^aft, teil§ in ber 3lufred^ter]^altung 
be§ (Sinflangeg mit aüen im äußeren ®efamtt)erfel)r ftelienben 
^[nbioibuen unb ©emeinfd^aften. S)a§ Soorbination^jentrum erfüllt 
biefe feine Soppetaufgabe teitö burc^ 3luffic^t über, teil§ burd^ 
(Eingriff in ba§ ©igenmirfen (Slutonomie/ ©elbftoermaltung) ber 
aWitglieber. 

5)a§ 93ebürfni§ oberauffe!|enber unb eingreifenber Koorbina^* 
tiongjentren mirb um fo ftärfer, je mel^r befonbere 2:eil- ober 
Untergemeinfc^aften eine ©emeinfc^aft umfaßt, b. \). je mel^r Qvozdt 
fie oerfolgt unb je mel^r über engeren meitere, über biefen meitefte 
SSerbänbe fic^ eriieben, um bennod^ in ber 3"^^rfö^i^^^^w^9 ^"^ 
in ber Slbftufung ein jufammenmirfenbeg ©anjes; ju bleiben. 3)ie 
^nftanjierung ift Ijienad^ entmeber einfad) unb einftufig ober ju* 
fammengefe^t unb metirftufig. 

3Jlit ber -^nftanjenbilbung tritt eine S^eilung in ber geiftigen 
93etätigung ber ©emeinfc^aft^ange^örigen für bie ©emeinfdjaft 
ein. ®ie SJlaffe ber geiftigen 2:ätigfeit mirb automatifd^e @eifte§* 
arbeit ber Untergebenen unb tritt nid^t in§ Semu^tfein ber über* 
georbneten ©emaltträger, mäl^renb umgetetirt bie 3luffid)t§tätig5 
leiten unb Eingriffe ber ^fnftanjen überlegt unb mel^r ober weniger 
aud^ unabl^ängig oon ben Untergebenen einfe^en. 93ei einer 9Jle^r* 
l^eit oon übereinanbergetagerten ^nftanjen — ber Sofal^ 93ejirf§^ 
^rooinjial*, Sanbe^*, 9ieic^§t)erbänbe — tritt nur ein fe^r Keiner 
a:eil ber geiftigen SKrbeit über bie 93en)u^tfein§fc^n)etle ber f)öd^ften 
^nftan^en; bie geiftige SJlaffenarbeit bagegen läuft meift auto* 
matifd^, jebod^ unter Sluffic^t unb 9iegelung§eingriffen tieferer ^n* 
[tanjen ab. 

S)ie ^nftanjen ober ^oorbination^jentren muffen, inbem fte 
Don ber med^anifd^en SJlaffenarbeit geiftig entlaftet werben, je 

© d^ ä f f l e , aCbrift ber ©Ojiologie. 5 



— 66 — 

l^ö^cr ober jentralcr fie liegen, befto mel^r S8eftimmtl)eit unb ©ic^er^eit 
in ber S3eaufftci^tigung ber au§fül)tenben ©eifteätätigfeit mit ge* 
fd^meibiger SKnpaffung an bie wc^felnben Umftänbe unb an ftet§ 
neue Sagen ju t)eteintgen oerftel^en. 

SDie ©rfd^einungen ber ^nftanjierung be§ ®emeinben)u§tfem§ 
bürfen nid^t mit ber geiftigen Ueberorbnung unb Unterorbnung 
ber 9Waffen — ben 2lutoritäten unb 2lnl|ängerf d^aften 
(t)gl. unten ©.71) — üermed^felt merben, SDie Qnftanjen mer« 
ben freiließ um fo beffer il^reg ®icnfte§ malten, je mef)r bie SSer* 
faffung ber Oemeinfc^aft bie ©rl^ebung ber mirflic^en Slutoritaten 
ju Oemaltträgern begünftigt ^). 

6. SDie 3^^^i9""9^ti unb bie Slbneigungen, 
greunbfd^aften unb g^i^^f^^ft^"- 

3)a§ ©efeKfc^aftSbemu^tfein ift notmenbig ein ©emebe innerer 
Zuneigungen unb ©ntgegenfe^ungen. 2)iefe I)aben fid^ au§ freunb= 
liefen bej. feinblic^en SSerfel^ren ber SBergangen^eit jmifd^en be« 
ftimmten ^erfonen niebergefd^Iagen. ®iefe innerlidie 95ermebung 
ift jeben Slugenblidf ber Sßeränberung, ©tärfung ober ©c^mäd^ung 
burc^ neue Sßertel^re au§gcfe^t. darüber märe in ber fpejieKen 
©ojiologie ein au§fül^rn^e§ Kapitel ju fd^reiben; l^ier genügt e§ 
anjubeuten, ha^ bie Slbneigungen nid^t bloß au§ bem äußeren 
Sßerfelir feinblic^ fic^ berül^renber unb bebrängenber ^erfonen 
entfpringen, fonbern auc^ au§ bem inneren 95erfet|r oon @emein= 
fc^aften jeber 2lrt, auc^ ber intimften, mie ber Familie, ber @f|e^ 
felbft ber retigiöfen SSerbänbe. Umgefel^rt !önnen aSölferjuneiguna 
gen bloß au§ bem äußeren SSerfe^r, j. 93. jmifc^en ©taat^män^ 
nern in au^märtigen Slngelegenlieiten, l^erüorgel^en. 

SDa§ @efellfd^aft§bemußtfein ift niemals frei oon inneren ©e^» 
genfä^en, entbelirt aber aud^ niemals ber lebl^aften Slnjieliungen 
jmifd^en ^nbioibuen unb ©amtperfonen. 

S)ie greunbfc^aften unb geinbfc^aften beftimmter 5ßerfonen auS be- 
ftimmten SSerle^ren finb ju unterfc^eibeu t)on ben SRaffenf^nt* 

1) Ueber bie fojiale Qnftansierung f. bie aUg. 3lu§fül)rung in ;,93au 
unb 2tUn** 2. 21. I, (5. 134 ff. oergl. mit I, (5. 132 f. 



l 



— 67 — 

atzten unb 23la\]t\\antxi(>ati)itn, tt)clc^c beim SKaffcttbctDugt* 
ein l^eröotjul^eben finb. 



7. 2)a§ aWaffenbctüu^tfcin ber Oefellfd^aft. 

SDen 33e«)u§tfein§jufammen^ängcn beftimmter ^erfonen in 
unb au§ beftimmten ©emeinfd^aften unb SBerfeliren [teilen jur 
Seite unb gegenüber allgemeine SQBillen^^ ®efü^I§« unb ®e« 
banfenftrömungen, roelc^e oon größeren ober fleineren, aber nid^t 
gefc^Ioffenen ^erfonenfreifen auägel^en unb ein me^r ober roe« 
niger allgemeines SlBoHen, '^üffUn unb 2)enfen ber ©efamt^eit 
über alle 2lngetegen]^eiten unb ^anblungen fämtlid^er ^erfonen 
barfteHen. 

©benfo religiöfen mie weltlid^en Qnl^alteg, untermerfen fie 
ba§ ^anbeln beftimmter ^erfonen in beftimmten SBerfel^ren einer 
Mgemeinbeftimmung unb öffentlichen Kontrolle. 

S)iefe§ SJlaffenbemufetfein übt einen mic^tigen @influ§ auf 
alle§ ©injelbemu^tfein, auf bie ß^^^iflii^S^" ^^^ ^^^ ^i^ 2lbnei* 
gungen jmifc^en beftimmten ^erfonen unb ^erfonenfreifen. 

@§ betätigt fic^ mit einer aJladjt, gegen mel^e ber ©injetne 
im gegebenen aiugenblid faft miberftanbSloS ift. 

3Iuf bie 2^atfac^e be§ 9Jlaffenben)u^tfein§ bin i^ bereits oiel* 
feitig eingegangen^), fo ba^ ic^ ^ier in ber ^auptfac^e nur ju 
Dermeifen braud^e. 

S)a§ SÄaffenbemu^tfein tiat eine begrenjte ^affungSfraft, ab^ 
folut unb relatio^). @§ jeigt ©d^meHen unb SReijl^öIien eigner 
3lrt^). ©eine SluSbreitung erftredt fid^ im 9iaum unb in ber 
3eit. ®ie SluSbreitungbeS SWaffenbemu^tfeinS im 9iaum mirb 
burc^ bie Deffentlidjfeit ober ^ublijität, in ber Qtxt burd^ bie 
Ueberlieferung ober 2:rabition bemirft. 

SDie räumliche 3Iu§breitung be§ SWaffenbe* 
u) u ^ t f e i n § ermä^ft in einem langen ^roje^ oon ber engften 
8ofal= bis jur meiteften SBeltöffentli^feit unter bem ma^gebenben 



1) „^au unb 2zh^n", 2. 3Iuf[. I, @. 179-206. 

2) 31. a. D. I. @. 179 unb 401. 

3) % a. D. I, @. 403. 



— 68 — 

@tnf[u§ bcr 2:eci^nif ber 9iaumt)crfnüpfung, bc8 ^licberlaffungS:^ 
unb bc§ 2;ran§portn)efcn§. 2)ie mit biefcr Sied^nif fortfd^rcitcnbc 
Dcffcntlic^!cit l|at ©prad^üerfc^meläung jur Solge unb ermöglicht 
fortfc^reitcnbeS 5ßoK§* unb ©taatcnmad^Stum. 

Sucrft finb c^ öicic Heine SSöIfer unb cbenfo jafilreidje, aber enge 
©ctpalt* unb 5riebenSf<){|oren. 9ioc^ für bie ^ellenen bermoc^te ein 
Mriftoteied leine größere ©taatdbeüölferung aU naturgemäß anju^ 
fe^en, ate eine fold^e, beren SSottbürgerüerfamntlung anf bemfelben SSer* 
fammlungSpIafe bon einer ©tentorftimme bearbeitet merben fann. Sft 
eS ju berttjunbern, baß benfelben ^ellenen nad^ bem Urteil cincÄ ^i* 
ftoriferg „ber ewige ffrieg mit ben fjrembgeborenen, ben Sarbaren" 
afö ber naturgemäße SSöIferjuftanb gegolten ^at? ®ie geiftige ^u^^ 
fammenftimmung größter SKaffen ju einer unb berfelben SSoIf^gemein* 
fc^aft tpar big jur neueften 3^it ein ®ing ber Unmöglid^feit. S)ie ®nge 
ber Deffentü(^Ieit in ber borgefd^id^tüc^en 3eit ließ anbere^ aU bie 
SerfpUtterung in bielerlei SSoIlSgeifte unb S5oIl§f^rad^en nic^t ju. 3)iefe 
SerfpUtterung, einmal befeftigt, mirft lange nac^; mit ber fortfd^reiten* 
ben (£nttt)idtelung ber SDlittel ber Deffentlid^feit tpeic^en bie überlieferten 
Unterfd^iebe ber SSoIfetümer unb SSolf^fprac^en nid^t bon fetbft; e§ be« 
barf Seit unb Slrbeit jur ^2lbfc^Ieifung unb Serfc^meljung. Slur burc^ 
langfame unb ftreitbolle, nid^t jum ©tiUftanb gelangenbe ^ßrojeffe beS 
SBad^StumS ber SJiittel ber DeffentUd^feit unb bamit ber Sprache fommt 
eg jur Silbung immer größerer SSoIl^tümer unb immer auSgebe^nterer 
Sprachgebiete, ©inige Deffentüdpfeit übertiaupt ift ald geiftige 
Dffenl^eit ber ^erfonen für einanber bon Slnfang jebem SSolfe ge* 
fid^ert burd^ bie ©prad^e unb bag 3ufammenfein. ®ie Deffentlic^Ieit 
beg perfönlid^en SSerlelird, bie m ü n b l i c^ e Deffentlid^Ieit ift burc^ bie 
pol^grapl^ifd^-eleltrotec^nifc^e ^ublijitöt nid^t bloß nic^t berbröngt tt)or* 
beU; fonbern ^u immer !)ö^erer (Sntfaltung gelangt. SBie biet Iiö^er 
liegt ein Slationalparlament ober SSöllerfongreß bon l^eute über einer 
,,SSolf§gemeinbe" in ,, Urlantonen" ober über bem 5Wegerpalaber; mie 
biel ^ö^er eine SSörfe über bem alten Saufd^fianbel, mie biel ^ö^er bie 
Deffentlicftfeit be^ SRationalfefteg über ber ^orbengefeKigfeit^)! 2)ie 
l^eutige Deffentlid^feit l^at an ^Parlamenten, Äongreffen, S e r f a m m- 
l u n g e n jeber ^rt, ^ÄuSfteHungen, SBirtö^auSjufammenfünften eine gc? 
toaltige Steigerung aud^ ber perfönlid^en Deffentlid^feit erfahren. Ueber* 
ragenb ift bennod^ bie pol^grap^ifd^e Deffentlid^feit, bie treffe mit i^ren 
SageSjeitungen unb i^ren 3eitf<|riften getoorben ^). 

2)a§ ©eitenftüdf jur räumlid^en bilbet bie j c i 1 1 i c^ c 31 u §* 

breitung ber ^been in§ SJlaffenbemußtfein. ©ie gibt bem 

©efedfc^aftgbemußtfein gefd^ic^tlic^en ßufammenl^ang, tro^ ber Q^X' 

ftreuung ber ©injelgeifter in ber Qzxt, jur ©eite be§ 3"föntmen= 

1) W' //33au unb ßeben'' 2. Slufl. II, @. 46 ff., 49 f. 

2) 21. a. D. I, @. 191. 



— 69 — 

l^angeg, welchen bie Dcffcntlid^Ieit tro^ 3^^pi^^iiw^9 ^^^ ^erfonen 
im 9iaum fK^erfteßt. 

®ic Ucbcrlicfctung aU Kontinuität im fojialcn SBemu^tfcin 
überragt weit bie einjelfeelifd^en @ebäc^tni§tatfac^en. 

®en wic^tigften ©egenftanb ber Ueberlieferung bilben nid^t 
einjelne Erinnerungen an gro§e 2:aten unb augerorbentlid^e @r* 
lebniffe be§ aSotte§ in ber SSergangenl^eit, obmol)! biefe ©rinne* 
rungen einen mächtigen Äitt ber geiftigen SBoIt^einl^eit au§ ber 
SBergangeniieit l^er bilben unb noc^ oon ben frütieften 3^it^^ V' 
be§ aSoIfe§ au§ fagenliaft nad^tlingen. 2)er eigentlidje ®egen* 
ftanb ber Ueberlieferung ift bie au§ ber unmittelbaren SBer* 
gangenl)eit l^er in bie Oegenmart übergegangene Uebereinftimmung 
im SBoIIen, gü^len unb SBorfteHen. 3)a§ 93ebeutenbere ift bie 
g^orter^altung be§ allgemeinen Sßorrate§ geiftiger SBotf^energie, be§ 
ganjen „immateriellen ^olUtapitaW , meli^eS von ben Sßatern 
ererbt ift unb im ^alle auffteigenber ©ntmidelung mit 3i^f^n unb 
3iufe§jinfen t)on ber lebenben ber näc^ften ©eneration l^inter* 
laffen mirb. 

®ie Ueberlieferung bebient fid^ berfelben äußeren SWittel mie 
bie Deffentlid^feit. ©ie erfolgt teils perfönlid^ t)on 9Jlunb ju SWunb, 
teils burc^ ©dirift, SDrud, 93ilb. 

2llS äluSbreitung ber ^been in ber ^^it berul)t fie ted^nifc^ 
in erfter Sinie nid^t auf ber SRaum-, fonbern auf ber 3^it^^^* 
fnüpfung, nid)t auf ortfi^aftlic^er SRaumfiyierung unb Siaumüber* 
tragung ber «^beenäu^erungen, fonbern auf 3^itönl)äufung oon 
Vorräten an Silbung burd^ ©rjiel^ung unb Unterrid^t unb auf 
3eitan]^äufung ober Sßorratbilbung an ^beenjeic^en, auf ©am m« 
lungen t)on Sieben, ©d^riften, SrudEen, Silbmerfen, @ebic^= 
ten u. a. 

©prac^e unb fdjöne Mnfte bienen übrigens ber Ueberliefe* 
rung ebenfo mie ber räumlid^en SluSbreitung beS OefeUfc^aftS* 
bemu^tfeinS. 

®ie äußere Organifation ber 2:rabition reid^t t)on ben großen 
öffentlichen S3ilbungSanftalten unb ©ammlungen bi§ jur einfad^ften 
SBud^l^altung unb SHegiftratur. 



— 70 — 

2)ie S^rabitton aU gefd^ic^tltd^er ©eiftersufammetttjang ift fd^on 
frü^c öorjügüc^ gerourbigt ttjorbcn burdö ^crbcr („33au unb Scbcn" 
2. «ufl. I, 388). gi^r Umfang, ttjona^ unfct tägliche« Sun unb 
Saffcn, ©d^affctt unb ©cnicfecn in bic graue Sorjcit jurucfrcic^t, ^at 
burd^ 31 b out öorjügüc^c ©arftcHung gefunben. — ®ic Srabition ift 
bie @runblage ber tonfert^atiben (SntmideUmg. ©c^eUing ^at be^ 
ntcrft: „SBaS ttjirfßd^ in bcr ©efd^id^te gcttjefcn ift, {jöngt mit bem 
inbiöibueHen SBcn^ufetfcin eines jeben burdö uneublic^ üiele 3^*1^^^^' 
glieber berartig jufammen, baß, tpenn man jene gwifcöenglieber auf* 
jeigen fönnte, aud^ offenbar mürbe, bag, um biefeS Semufetfein ju» 
fammeniufeften, bie gange SSergangentieit notmenbig toar". Unb |)er* 
bart (gef. SB. IX, 385): „»ein SWenfc^ ftet)t aüein unb lein Seitalter 
bem^t auf fic^ felbff; in jeber (Scgenroart lebt bie Sergangenfieit, unb 
tt)aS ber ©injelne feine ^erfönlic^feit nennt, baS ift felbft im ftrengften 
©inne beS SBorteS ein ©emebe bon ©ebanlen unb ©mpfinbungen, bereu 
bei toeitem größter Seil nur mieber^olt, maS bie ©efeüfc^aft, in beren 
SKitte er lebt, alg ein geiftigeS (Semeingut befifet unb verwaltet. . . ®ie 
ganjc SKaffe bon SSorftellungen fommt ebenfo getoig, toie bie SKutter* 
fprad^e, öon äugen" ^). 

8. SDie gei fügen SWaffenjufammenl^änge, il)re 
^ongruenj unb «^ntongrucnj. 

®ine groge 93ebeutung wirb bie allgemeine ©oätologic weiter 
jenen inneren ß^^fötnmenliängen beilegen, weli^e nic^t beftimmtc 
^erfonen burd^ ffierfel^r mit SBollen, gül)len unb 2)enfen in 
Uebereinftimmung ober in 3«^i^tra^t erfc^einen laffen, fonbern 
ganjc ©c^t^ten ber Q3eoöIterung infolge gleid)artiger Qi^t^i^^ff^n, 
@efül|Ic, aSorfteHungen, ©rinnerungen in allgemeine 2Jlaffenüber= 
einftimmung ober ajlaffengegnerfc^aft t)erfe^en. ^n „33au unb 
Seben" ift auf bie SBiditigfeit biefe§ aWaffenjufammen^alt§ , auf 
bie 93ebeutung feiner ^ongruenjen unb Qnfongruenjen fo nac^* 
brüdlic^ aufmertfam gemacht, ha^ x6) blo^ oerroeife^). 

95on ber inneren SWaffenfongruenj, bej. ;3nfongruenj ift 
ber ®ang ber Sßolfö* unb Sßölferentroidfelung immer ftar! beein* 
flu^t gemefen. 

3ln jerrei^enber 3Bir!ung wetteifern l^eule bie ®lauben§^ 
bie Klaffen*, bie 9lationalität§gegenfä^e, immer melir aber aud^ 
bie 9iaffen«9Jlaffengegenfä^e. 

1) SSgl. l)iegu über ben ,,«oI!igeift'' «au unb 2zhzn 2. ^ufl. II, @. 64-67. 

2) @rfte 5lufl. I, @. 288—322. 



— 71 — 

©el|r gro^ ift bcr jerrei^cnbe unb icrrüttcnbe @inf[u| maffcn» 
haften ®inbringen§ frembcr SSoIf^elemcntc, glcic^oicl ob bcr ©r« 
oberer ober ber Kaufmann ober ber SÄifftonär ober ber g^or* 
fc^ung^reifenbc ober bie @ifenbal)n fie jufü^rt. SDie SKbneigung 
ber S^inefen gegen unfere aWiffionäre, ber 3luftralier unb ber 
2)an!ee« gegen bie gelbe SRaffe! 93efannt ift and) ba§ erftc 
2)urd^einanber nad^ SKuf^ebung oon haften* unb ©tanbeSunter« 
fd^ieben, nac^ bem fallen oon ©d^Iagbäumen, naä) 3Iuf^ebung oon 
Slaffenunterfc^ieben, nac^ bem ©turj einer alten bur(^ eine neue 
2}ol!§religion. 

9. ®ie 93el)errfc^ung be§ aWaffenbewugtfeinS 

burd^ bie 3lutoritäten. 

SDa§ ajlaffenberau^tfein jeigt nad) aßen feinen O^^ölten eine 
geiftige ^errfd^aft fül^renber ©eifter ober 3Iutoritäten über nac^= 
tretenbe SJlaffen ober 3ln]^ängerfc^aften, aber aud^ auf ber @egcn* 
feite eine Slüdfrairfung ber 9Jlaffen auf bie gü^rer, eine un* 
aufPrlid^e 9tötigung ber le^teren, 5ül)Iung mit ber geiftigen @e* 
folgf^aft ju nelimen. .^eroorgebrac^t mirb bie 3lutorität nad^ 
bem emigen Oefe^e ber ^errfd^aft ber ftär!eren ^raft ; bie 9Waffe 
ber fc^mäd^eren Gräfte meiert bem Uebergen)idE)t einiger ^eroor« 
ragenber, ^eroorragenbere finben fid^ ftet§ unb überaß infolge 
inbioibueßer Ungleic^l^eit auc^ ber geiftigen S3egabung^). 

10. 5)ie 93etätigung be§ SJlaffenbemu^tfeinS im 
3Jlaffenmeinen unb 3Kaffenn)olIen ober bie 

öffentlid^e 9Weinung unb ber ffiolt^mille. 

SJlan l^at biefe ©rfd^einungen oon ben SBert* unb äBißenS* 
entfd^eibungen beftimmter ^erfonen in beftimmten SSerfel^ren fd^arf 
ju unterfd^eiben. 2)a§ ©injelbemu^tfein, ba§ inbioibueße unb baS 
ber ®emeinf c^af ten , fteflt innerlich burd) SQBertermägung unb 



1) %xt SBebeutung ber Slutorität ift eingel^enb fd)on in „f8<m unb 
Seben" geroürbigt (t)gl. 2. 5lufl. I, 185 ff.), worauf l^ier einfad^ oerroiefen 
werben fann. SBgl. namentltd) bie flaffifdjcn Söemerfungen oon § er bar t 
(a. a. D. 185) nnh t)on @ ^ a ! e f p e a r e (186, 252). 



— 72 — 

aBiUcngcntfc^tteßung uorauS fcft ober ptäformicrt inncrlid^, roaS 
äu^erlid^ ocriDirflid^t, in bie 2:at übergcfc^t iDcrbcn foll. 2)ie ein* 
jcine ^erfon wertet unb befc^lic^t; eine beftimmte Oemeinfc^aft 
beratet unb entfc^eibet, voa^ gemacht werben [oß. Sßon einer be* 
ftimmten ^erfon mu§ gelianbelt, oon i^r felbft bie ©ntfd^eibung 
getroffen werben ; ift e§ eine ©amtperf on, f o mag, wenn nad^ ber 
a3efd)affen^eit ber Oemeinfc^aft nic^t eine anbere gorm ber (SnU 
fd^eibung oerfaffung^mägig befielet, bie ©ntfd^eibung einer 9Jlel|r* 
l^eit ber aJlitglieber oorbe^alten fein, ©ine SUle^rl^eit^entfd^eibung 
biefer 3Irt ift e§ nid^t, wa§ bei ber öffentlid)en SJleinung unb 
beim 5ßoIf§witlen in ^rage !ommen fann. SBeber bie eine, nod^ 
ber anbere gibt unmittelbar bie ©ntfc^eibung für irgenb ein be^ 
ftimmte§ ^anbeln. S)ie ßffentlidie SKeinung unb ber 9Waffen* 
wiHe fmb (S^öre, weld^e ber 3l!tion ber l^anbelnben ©ubjefte oor* 
angelten, fte begleiten, il^r folgen; aber unmittelbar bef)errfd^en fte 
bie Slftion nid^t. 

aJlittelbar übt ba§ aJlaffenbewu^tfein in ben beiben ©eftalten 
be§ öffentlichen 2Berturteil§ unb ber öffentlid^en SBiHen^funbge* 
bung befto größeren @influ§ auf bie prattifcfee SBertgebung unb 
aOBiüen^beftimmung jeber beftimmten ^erfon au§. 5)iefer ©influ^ 
ift fo gro§, ba§ nur ein mutiger Oeift fid^ il|m me^r ober xot^ 
niger entjiel^en tann. 3)ie ©efellfc^aft befunbet burd) bie 3Kac^t 
be§ 9Jlaffenmeinen§ unb be§ aJlaffenwoUen^ über SBert* unb 
SDBillen§meinungen aller l^anbelnben Subjette bie geiftige Ueber* 
legenl^eit be§ SSötfer* unb SBolf^ganjen über ba§ ©injelbewufetfein. 
2)iefe SJlac^t ift ein weitereg wefentlid^e§ 3lttribut be§ ©efell* 
fc^aft§bewu^tfein§, wie fofort gegenüber ben SSeräd^tern ber öffent« 
lid^en SWeinung unb be§ 9Solt§willen§ bargetan werben wirb. 

®ie öffentli(^e SWeinung ift im wefentlic^en 833 e r t urteil ber 
aWaffen, begleitet oon li^tem ober trübem aSerftanbe§urteil. ®er 
SBolt^wille bagegen ift ein gorbern ber SJlaffen auf ©runb 
oon 5ßerftanbe§s unb 333erturteilen. Seibe, öffentlidfie 9Weinung 
unb aSolföwiHe, äußern fid^ auf biefelbe äöeife. @§ gefdE)ieI)t 
burd) bie 3lnftalten be§ fprad^lic^en unb äftt|etifd)en -^beenoerf el^r^ : 
treffe, ^unftaupl^rung, SHebnertribüne u. a. 



— 73 — 

S)a§ aJlaffcnmcincn unb ba§ SWaffcnrooIten geben fid), wtx 
and) ber leitenbe unb treibenbe ®eift babei fei, ftet§ ben @(i)ein, 
aU ob bie ganje SScüöÜerung ber fraglii^en SBett* unb SSBitlenS« 
nteinung iDäre. Sie njotlen möglid^ft für ba§ 2lllgemeinurteU 
unb ber 93oI{§n)ille foH minbeften§ für ba§ Urteil ber „großen 
3Äei)rt|eit" gelten. S)a§ mag in einem gegebenen %a\i jutreffen; 
in jatitlofen gällen trifft e§ nidE)t ju; in feinem einzigen ^aüt 
läfet fid) feftftetten, ob e§ jutrifft. Deffentliclje aWeinung unb aSo«^^ 
n)illc fönnen ba§ 2lugenblidf§erieugni§ ber gemeinften Demagogie 
fein, unb bie Parteien ilibtn immerfort einen äöettlauf fi^marjer, 
weiter unb roter Demagogie. 

Qn jäl^em SQSec^fel fdE)lagen öffentliche 3Reinung unb SSolte« 
n)ille oon Iieute auf morgen um. 2)a§ ift leidet ju begreifen : bie 
aWaffen bleiben auc^ in it)rem öffentlii^en ajieinen unb SSBoHen 
lodere 2lnl^äufungen felbftänbiger ^erfonen ; fie Iiaben fic^ jroar 
unter bie gülirung oon Seit^ämmeln begeben, aber taum jufammen* 
gerafft jerftieben fie. 

S)er innere Söert be§ angeblid^ altgemeinen ober boc^ mel^r« 
l^eitlic^en a3oI!§meinen§ unb aSoIt^moHeng ift l^ienad^ unb bleibt 
fd^on be§^alb fragmürbig, meil fic^ bie SJlaffenmeinung nid^t einmal 
jälilen, gefd^meige benn mägen läJBt. @inl|eitlic^e ©manation eine§ 
„a3olfögeifte§" finb ba§ SJlaffenmeinen unb aJiaffenmoHen nie* 
mal§; fie finb immer nur 9lu§flüffe oon 2lugenblidf§äbereinftim* 
mungen oieltöpfiger Raufen. 

@§ finb, mie ic^ meiterl^in jitiere, jcberjeit bie bal^nbred^en* 
ben unb ibealiftifd^en ©eifter gemefen, meldtje ber öffentlid^en 
SWeinung unfäglid^e SSerad^tung entgegengebradtjt unb il)re Ketten 
am unmiHigften getragen Iiaben. S)a§ ift begreiflid^: bem fc^ö* 
pferifdtien ®eniu§ mirb ba§ Sleigeroid^t be§ gemeinen 8Q3erturteil§ 
befonberg läftig. SKan barf jeboc^ bie Unentbel)rlid^feit , meiere 
bie geiftige 5äWaffenI|emmung aud^ für ben @cniu§ befi^t, nic^t 
überfeinen. 2lu(^ ber ©ro^geift be§ ^bealiften fann, menn er für 
fein aSolt ober bie ganje aWenfdt|t)eit mirfen mill, nidtjt gegen fein 
aSolt, nid^t otine 2lufadferung unb Slnfaat ber g^urd^en be§ em* 
pfängtidtien aSott^bemu^tfein^ mirfen. SBenn bie dürften be§ 



— 74 — 

@ciftc§ über bie gcffetn ber gemeinen SWeinung Hagen, fo ^ätte, 
raenn ifire Qb^tn fofort aSirtlidifeit werben fönnten, umgefelirt 
ba§ gemeine 9Solf ftd^ nod^ melir über ba§ ju bctiagen, maö bie 
geuergeifter i^m jumuten; e§ märe ein gro^e§ Uebel, menn ber 
^latonifd^e «^bealftaat ober ein gid^tefdier gefd^Ioffener ^anbete* 
ftaat t)on ben $t)iIofopI|en oftrotjiert menn bie fojiale Söelt üon 
einem ^egel panlogiftifi^ tonftruiert merben fönnte. 

®efpotie ber öffentlidien SKeinung !ann im ©injelfaHe oer« 
äd^tlid^ fein, unb bie SWaffe berjenigen, meldte fie teilen, begrünbet 
noc^ gar feinen 3Bert für ben ^nl^alt. Unri^tig ift e§ bagegen, 
ba^ ber ®efpotie ber öffentlidien SWeinung feine ©c^ranfen 
entgegenftefien, feine ®egengemidt|te anl^ängen. (Sd)ranfen unb 
©egengemic^te finb tjorl^anben: einmal barin, ba^ ridtjtige unb 
neue <3been fi^ ununterbrüdfbar feftfe^en unb ausbreiten fönnen, 
beüor fie bie „©d^meHe" be§ aJlaffenbemufetfein§ überfdE)reiten ^) ; 
fobann barin, ba^ bie öffentlid^e SWeinung eben nur ein SJieinen 
ift, mel(^e§ bie 2)i§fuffion unb ^ritif ber juftänbigften ©egenbe* 
urteilung ftet§ fierauSf orbert ^) ; brittenS barin, ba§ bie öff entlid^e 
aWeinung niemals ungeteilt ift, mie benn Iieute il^re ,,Organe", 
3eitungen unb 3^itW^ift^«/ unauftiörlidt) einanber befämpfen. 

®ie tatfä(^lic^e Korruption ber öffentli(^eu SJieinung ift jmar 
ftet§ eine§ ber fdtjlimmften Seiben ber SSölter unb bie Duelle 
größter Störungen im ©efeHf^aftSbemu^tfein; aber unfieilbar unb 
unüermeiblidt) ift fie nid^t. Qux Teilung finb eben bie fü^renben 
©eifter befäliigt unb berufen. Söeil bie öffentlii^e SKeinung immer« 
fort Siefultante unauf^örlid^er 8Q3edt|felmirtung felbftänbiger ©eifter 
ift, tjermag ber SJiad^t gefunber ^Autoritäten aud^ bie öffentlidtie 
SJleinung bauernb nid^t ©tanb ju lialten. 

2)ie öffentlidtie SJIeinung, meldte mirflic^ oerä(^tlid^ ift, mirb 
ba§ für bie Siegel nidt)t beSlialb fein, meil fte SKeinung einer 
aWaffe, fonbern meil in i^r bie SWaffe burdt) gülirer geblenbet ift, 
meldte fid^ Dor einer gefunben öff entlid)en aJieinung fürd^ten unb i^ren 
betörten Sorben gegen beffere ©infid^t ba§ O^r ju oerftopfen 

1) „S8au unb 2tUn", 2. 2Iuf(. I, <S. 187—198. 

2) 51. a. D. 1, @. 203 f. 



— 75 — 

tüiffcn. S)ie guten Sßeräd^tcr einer fdjled^ten öffentUd^en SKeinung 
liaben ben 93eruf, biefe ju oerbeffern. aJlarttjrium wirb babei 
immer gewagt, aber feinem SJlenfi^en, roeld^er bie ^pid^t gegen 
fein aSolf (eiftet, ift baS immer unb unter aflen Umftänben erfpart. 
S)er ®rf olg ift niemals auSgcfd^loffen ; in ber 2:age§preff e f ommt 
ba§ eine Parteiorgan gegen ba§ gegnerifd^e jum Söort, oon ben 
3eitfc^riften unb 93üd^ern au§ lä^t fid^ bem -3ournalterrori§mu8 
beitommen, jünbenbe Sieben t)on ben öffentUdtien 2:ribfincn fönnen 
mit einem ©d^fage ber Derblenbeten STlaffe bie Säugen öffnen. 
@§ ift immer Derfel)It, bie öffentlid^e SJleinung in jebem gaUe ju 
oerad^ten, man mu§ auf fie unb bur(^ fie mirfen. 

(£g l^eigt, bie öffentlid^e SReinung fei l^eutc eine ©rogmad^t, „nid^t 
bie fed^Ste, fonbern bie crflc". ©ic mar eS immer. ©(|on ^cfiob 
fcnnt unb f^ilbert i^rc bamonifc^e 9latur (SB. u. %. 760 ff.), lüic 
bie römifdjen Sid^tcr. @ic ift für 5) ante bie „SBetterfa^ne" atter 
bcrjenigcn, ttjel^c im SSort)of ber ^ölle im ©turmroinb herumfliegen 
unb öor meieren SJirgil iüarnt: ma guarda e passa! „SBirbeliüinb 
unb trodEncr Sot" bei ® o e t ^ c. ßängft üerac^tet, nid^t erft öon 
©d^elling, ber fie bie „ftupibe X^rannei", bie „grofee ^urc öon 
SSab^Ion" nennt, üon S a } } a 11 e unb üon § e 11 ttJ a I b. 5)ie ©optjiften, 
bie fa^renben ©d^olaftcn inarcn Pfaffen ber öffentlid^en SKeinung, 
ebenfo öcräc^tlid^, inie einjelne befted^Iic^e gournaUften üon ^cute, meiere 
bei tägli^ jttJeimaliger ausgäbe i^rer 3^i^w"9 äiüölfmal bie SBod^e 
allein auf ber ffanjel fte^en unb umfaffenb genug — ni^t in ©laubenS-. 
fad)en, fonbern in iniparcn Singen — berougte Unma^rl^eit rcben, 
unb iinar (^ßrepureauj!) aud^ für Regierungen. 

S)em aWaffenmeinen läuft jur ©eite ein ayiaffenmollen. S)iefer 
f og. SB 1 1 § ro i 1 1 e n ober aSölferroilten mirb f ortgefe^t bear* 
beitet burd^ ©inmirtung auf bie öffentUdtie STleinung. 2luf ben 
aJlaffenmiHen fiel)t e§ bie 21 g i t a t i o n ab; beren ^Trägerinnen 
ftnb, ba bie 2öil(en§juftimmung oon SJiaffen ©runbbebingung ber 
©eroalterlangung ift, bie Sßerbinbungen jur 93e]^auptung unb @r* 
langung ber STladtit, b. i). bie Parteien. Söie bie öffentlidtie 
3Jleinung ift ber SWaffenmiHe Objett be§ ^arteifampfe§. 

®in ^auptmittel ber 93eeinf(uffung be§ Sßolf^miUenS finb bie 
Äunbgebungen ober S)emonftrationen; biefe erfolgen unter 
©ntfeffelung ber gSolt§Ieibenf^aft (©. 58 f. Slnm.). 

Sludt) bem aSolf^miHen gegenüber mu^ man fi(^ fomoljt oor 
Hebers al§ uor Unterfd^ä^ung l|üten. ©idtierlid) ift ber 93Bert be8 



— 76 — 

SßottSroiUcng nid^t na(^ bcr Qdf)l berjcnigcn ju fd^ä^en, tüeld^e 
xi)n liegen, fottbern Ttad^ ber Qrvtämä^xQUit ber SWaferegeln, tüetd^e 
ber SWaffentüiHe burd^gefe^t felien tüiÜ. ^n biefem (Sinne ift e8 
rid^tig, ba^ man „bk (Stimmen mögen unb nid^t jäljlen" foK. 
Oft genug fönnen bat)er leitenbe ©eifter ben aJlaffenmiHen ebenfo 
oerai^ten muffen unb bürfen mie bie öffentliche SWeinung, au§ 
meld^er er l^eroorgel^t. ®^ fommt barauf an, ob ber ^fi^l^alt bem 
SBolfe frommt ober nid^t. 

Unter feinen Umftänben ift ber SßoIfömiHen eine ju oerad^* 
tenbe ©röfee. (Seine SSeräd^ter Iiaben barauf ju feigen, il|r beffereS 
SBoUen jum aWaffenmoHen ju erl^eben. ®egen ben (Strom be# 
a3ol!§miüen§ ju fdtimimmen, ift t)ergeben§; ber geringfte l|at ein 
9ledf)t, gegen bie 2lufbrängung fremben SöolIen§, oon beffen 9lid^* 
tigfeit er nid^t überjeugt ift, ftdt) ju ftemmen ; and) er mu^ über« 
äeugt fein, menn baS 93effere bur^bringen foH. S)ie ®efeUf(^aft 
ift ebenfo unmöglid^ gegen ben 33oIf§millen mie gegen bie öffent* 
lidtie $!Weinung ju be^errfd)en ^). 

11. 2)ie ©ntmicEelung be§ ® ef ellf c^af t§bemu^t* 

f e i n §. S)er 3 ^ i t g e i ft. 

S)ie oorftel^enben (Erörterungen Iiaben ben fojialen 93emu^t* 
fein^tatfad^en nad^ il^rem in ber fd^on entfalteten ©efellfd^aft ge^^ 
gebenen Seftanbe gegolten. S)ie miffenfd^aftlid^ anjie^enbere, aber 
meit fd^mierigere Säufgabe, meldtje noc^ meit ab oon ber Söfung 
fidt) befinbet, liegt barin, junäc^ft I|iftorifdt| ju erflären, mie bei ben 
SSöltern bie einjelnen 93emu§tfein§tatfadt|en fidö ^erau^gebilbet 
l^aben, fobann für jebe ©egenmart bie befonbere Slid^tung ju be* 
ftimmen, in meld^er ba§ @efellfdt|aft§bemu^tfein ben ®efellfdt|aft§* 
förper in bie näd^fte abfel^bare 3i^'^wi^ft I)inein auSmirft. 2)ie 
©efd^id^te be§ ®efellfd)aft§bemu^tfein§ unb bie Unterfud^ung beS 
3eitgeifte§ finb jmei meitere gro^e 2lufgaben allgemeiner (Sojio* 



1) Tili bcr ©rfd^cinung bcr 9Btllen§cntfrf|ctbung burrf) 3Jlaiorit&t 
innerhalb bcftimmtcr ©cmeinfrfiaftcn, b. 1^. mit ocrfaffungSrnd« 
Jigcm aJid^rl^citSmiHcn irgcnb mclrficr ©cmcinfd^aft ober Slnftalt 
ift bcr aJlaffcn- ober S8oI!§n)iIIc nid^t ju X)cm)crf|fcln. 



— 77 — 

logie. SBeibc Slufgabcn finb l^icr nur ju bcäcid^nett, nidE)t gu löfcn. 
(Sic fd^on gclöft ju i)dbzn, ^at mein „93au unb Sebcn" mrgcnbS 
bcanfprud^t. 

S)tc erftc unb l^ö(^fte 2lufgabc tüirb bcjüglid^ bcr @ c f a m t » 
enttüicfclung bc8 ®efcllfd|aft§bcn)u^tfcin§ immer barin bc* 
[teilen, c§ bcnfbar ju mad^cn, toic ©cfetlfd^aft^bemu^tfein für 
Sltle, b. l). mic bic aScrnunft SlHer ober ©injelncr angefangen f)at. 
95om Urfprung ber ©prad^c au§ l^at man ber fiöfung be§ ^roblem^ 
na^ejutommen gefüllt ^). 9tur ein Meinet ©tücE ber Söfung ift bi§ 
je^t gewonnen. 2ln biefcr (Stelle märe ganj allgemein ju bemer!en, 
ba| ba§ @efellfdE)aft§berou|t|ein nid^t ol^ne ben ©efeHfd^aftöförper 
ift, mit biefem ftc^ entfaltet, fteigert ober minbert. 9lur buri^ bie 
Unterfud^ung ber ©efd^ii^te aller äußeren ^nftitutionen be§ @e^ 
fellfdE)aft§förper§ unb be§ in i^nen ma^melimbaren ©emu^tfeinS 
— oon ber Urgefd)ic^te ber ©efittung an — mirb man bie größte 
unb umfaffenbfte Slufgabe, bie einer ®ntmidEelung§gef(^i(^te bc§ 
®efellfdt|aft§bemu^tfein§ unb bamit jugleid^ ber inbioibuellen Sßer- 
nunft, bemältigen !önnen. 

2)erfelbe SBeg mirb eingefdE)lagen merben muffen für bie 
leid)tere Sluf gäbe ber (Ermittelung be§ jemeiligen QzxtQzx\tt8, 
b. \). ber geiftigen 9iidt|tung für bie ©ntmidfelung ber ©egenmart 
nad^ ber ä^fw'^ft ^^^ i^ ^Hen tultureHen ^auptrid^tungen. 

^n feine Qni lä^t fidt) eine befonbere geiftige Slid^tung roill* 
!ürlid^ l^ineintragcn. SBer aud^ bie fü^renben ©eifter feien, voAdjz 
bem @efellfdE)aft§bemu^tfein — jum ®uten ober (SdE)limmen — 
bie Siid^tung geben, ber 3^itgeift lä^t fid^ nid)t blo§ nad^ fub« 
jettioen (Einfällen unb Steigungen einliaudtien ; felbft bie @eifte§:* 
ridE)tung ber SWäi^tigften oermag über il|n nur SBenige^. 

®er „!apitaliftifdt|e" ober ber „inbioibualiftifc^e" ö^i^S^Ut 
ber ®eift ber „freien Unternel)mung", t)on ber SKitte be§ 18. bi§ 
über bie SKitte be§ 19. ^al|r^unbert§ ift ebenfomenig oon irgenb 
jemanb, (etma gar oon ben ^l^ilofopl^en) nac^ fubjettioen Einfällen 
eingegeben morben mie ber „fojialiftifd^e" ©eift ber ©egenmart. 



1) ;,S8au unb ^tUn"* 2. Slufl. II, @. 29 f. 



— 78 — 

S)icfe 58cmcrfung f)at n)ic für bic rairifd^afttici^c analog aud^ für 
jcbc anbcrc (retigiöfc, politifc^c, !ünftterifd^c, Tüiffenfd^aftUd^c) 9iid^*= 
tung ber 3^it ©cltung. SBcr etwa glauben fotttc, ber ^rcetrabc* 
^o§mopoUti§muS fei nur ein 3^itgciftprobutt KobbenS geroefcn, 
ober ber je^ige <3mperiali§mu§ fei nur au§ ber Saune t)on K^ant' 
bcrlain unb ©enoffen ^eroorgegangen , würbe fe^r oberfläd^lid^ 
über ba§ SBefen be§ „QätQti\k§" benfen. 

SBonac^ beftimmt fidö in SDBirJUd^teit ber 3citgeift? @r gel^t 
— bei jebem 93o(fe nad^ feinem befonberen @ntn)irflung§gange 
unb innertialb jebe§ @efittung§jn)eige§ nad) bem befonberen @nt* 
roidelunggftanbe biefe§ ^ulturbereid^e§ — au§ ben jur Qtxt ge* 
gebenen ©ebürfniffen ber realen @efellf(^aft , au§ ben !onfreten 
IJorberungen ber fortfd^reitenben ober jurürffdtireitenben ©ntraidEe* 
lung burd) bie ©inroirfung ftar!er ©eifter auf ba§ 3Raffenben)u§t* 
fein ^eroor. 

9^iemal§ fann l^ienac^ ber S^'^S^if^ ^^^ äöerf roiUfürlidtier Qn^ 
fpiration fein. @r rairb immer burd^ ba§ ©ntmidtelunggbebürfniS 
in einem beftimmten ®efittung§bereidt|e ju beftimmter Q^xt an^ 
geregt; aSerbienft unb ©dtjulb am ß^itgeift barf eben be^^alb nie 
rein fubjeftio beurteilt unb jugefprod^en merben. 

'Slad) biefer 3luffaffung fann ber B^itfl^iP ^^i aSöIfern oon 
oerfd^iebener ^öl|e ber SntmidEelung , oon ungleid^em ©tanbe ber 
3lu§bilbung feiner einjelnen ^nftitutionen nic^t ber gleid^e fein, 
aber aud^ nid^t länger ber gleid^e bleiben, al§ bi§ ben 3^itanfor*= 
berungen ber ©ntmidEelung genügt ift. 

@§ fann fein, ba^ alle jioilifierten SSötfer in einer beftimmten 
^infid^t eines ®eifte§ merben, inbem fie im Streben, nidtjt jurüdE- 
jubteiben, auf biefelben Qkk loSfteuern. ätlSbann fann man oon 
einer allgemeinen 3ßit^ic^tiing reben; man mirb beifpielSmeife in 
ber ©egenmart ber gefitteten Söelt ted^nifc^en 3^itgeift jufi^reiben 
bürfen; juoor gab e§ potitif^ liberalen 3^it8^iP- 2Benn auc^ 
nid^t bie ganje Söelt, fo mag eine SJölferfamilie bei gleid^en ®nt* 
midfeluugS^, «^aupt-- unb Jtebenbebürfniffen benfelben (Seift in fic^ 
aufnehmen, bi§ ba^ je ba§ gemeinfame näd^fte ©ntmidfelungSjiel 
erreid)t ift. 



— 79 — 

S)cr 3^it9^ift föntt na6) allcbcm jiüar für fid^ betrachtet aber 
in feinem ©tücE nur au§ ftd^ felbft, o^ne Siücffid^t auf ba§ QtxU 
bebürfni§ ber realen ©ntraidetung ber Qnftitutionen erflärt werben. 

12. S)ie aSerberbniffe unb Sanierungen be§ @e» 
f ellf d|af t^beroufetf ein§ ober bie Korruption 

unb beren 58efämpfung. 

®ie aSerberbniffe be§ ®efenfd)aft§ben)u^tfein§ mit ben 9Wa§* 
regeln il)rer aSerptung unb Unterbrüdfung bilben einen gemaltigen 
Jiatbeftanb. 

S)en aSerberbniffen be8 ©efeUfdiaft^bemu^tfeinS, aSerbilbungen 
unb Störungen, tonnte man bie ©efamtbegeii^nung ber Sorrup* 
tion geben. 

3n „a3au unb Seben" ift bie pat^o* unb t^erapofojiotogifd^e 
aSetrad^tung ber fojialen Seiben§* unb ber fojiaten $eilerfd)ei* 
nungen nur im allgemeinen geforbert, im eingelnen aber jurüd* 
geftellt morben. ®at)er märe biefer apologetifdt) oeranla^te ©runb* 
ri§ genereller ©ojiologie noc^ nidtjt genötigt, eine Surfe, meld)e bemufet 
ftelien geblieben ift, ju fd^lie^en. @ine§ barf jeboc^ anä) t)ier 
nid^t unbemertt bleiben: bie Korruption unb bie a3etämpfung ber 
Korruption l)aben nid^t entfernt fd^on bie erforberlid^e allgemeine 
unb felbftänbige Srfaffung burd^ bie 2Biffenfd^aft gefunberi. 2)iefe 
unoollftänbige aSel^anbluug mirb auf 3Rangel an ©Ojiologie ju* 
rüdfjufüliren fein. 

S)ie tl^eologifc^e unb bie nidtjt tfieologifd^e @t^i!, meldte unter 
il^rem @efid^t§frei§ fidt) be§ ©toffe§ bi§ je^t l^auptfädt|lidt) bemäd^^ 
tigt tiaben, merben alfo bei aSegrünbung unb 2lu§bilbung ber 
©ojiologie geminnen Jönnen. 2)ie formen unb bie ©i^e ber 
Korruption, bie 2^räger ber Korruption, bie Urfad^en ber Korrup* 
tion, bie STlittel ber aSorbeugung unb ber Unterbrüdfung gegen 
Korruption merben erft an ber ^anb ber ©ojiologie ooUftänbig, 
beftimmt unb ftdier fgftemifiert merben tonnen. 

Ob Korruption unb meldt)e 2lrt oon Korruption bei ber SKgrar« 
unb äl^nlid^en aSemegungen ber jüngften Qtxt in 3^rage ftel^e, märe 



— 80 — 

eine g^age, bcrcn Söfung burd^ fojiologifd^c 58cl^aTtbIung leidster 
gcmad^t raäre. 

atücfblicf. 

^nbem bic altgemeinen 93en)u^tfein§tatfad^en ber ©efeUfdjaft 
t)on ben realen ober förperlii^en @r[d)einungen berfetben ge* 
banflid^ lo^gelöft raurben, raar e§ aud^ gegeben, ba| bie befon* 
bere 2lu§prägung be§ ®efellfd^aft§ben)u^tfein§ beftimmter SSölfer 
ober Q^xttn nodt) unberührt blieb. ®a§ Sßolfg* ober nationale 
93en)u^tfein, ba§ SBötter- ober internationale (menfd^l^eitlidtie) 93e* 
nju^tfcin l^ätte in ben folgenben ^auptabfc^nitten über bie natio== 
nale unb bie internationale ©efcllfd^aft ooHe SerüdEfic^tigung unb 
bic rid^tige ©teile im ©pftcm allgemeiner ©ojiologie ju finben. 

2)ie oben vorgeführten ©runblinien eine§ an bie ©pi^e ber 
©ojiologie ju ftellenben ^auptabf(^nitte§ über ba§ @efellfdt|aft§* 
bemu^tfein Iiaben mit ber felbftänbigen ©rfaffung ber 93en)u§t* 
fein^tat[ad)cn aud^ SSeroollftänbigungen unb eine formell ccränberte 
©tiftematit ergeben, dagegen brandete oon bem, wa^ in „58au 
unb Seben" „©ojialpfgdtjologie" ge^ei^en I|at, nid^t§ jurücEgenom* 
men ju merben, obmoljl auf bie gelegentlichen ©inftreuungen oon 
2lnalogien au§ ber pI|t|fiologifd^en unb au§ ber reinen ^f^dtjologie 
nun gänjlidtier Sßerji^t geleiftet roorben ift. 



— 81 — 



IIL 

Qu bcr aaBirflic^tcit, real, ift bie ©cfettfc^aft nic^t ©cfamt^ 
bcrou^tfcin an ftd), fonbcrn in äußeren ©inrid^tungcn oerförpcrteS, 
in äußeren Sßcrrid^tungcn fic^ bctätigenbc^ ©cfamtbcrou^tfcin. Sleal 
f)at man einen Inbegriff geiftig au^gemittter SBeranftaltungen fo» 
xvk äußeren (Sd^affcn§ unb 33raud|en§ ber Sßölfer üor fic^. Qn 
biefem ©inne unb nur in biefem ©inne — raeber im ©inne be§ 
organifc^en Seibe§ noc^ ber anorganifdien ^Aggregate — ift bie 
©efeüfdiaft al§ ©efettf^aftStörper bejei^net roorben (©. 47 f.). 

2)ie ©efeUf^aft al§ ©efeüfdiaft^törper ift in aflem SBeiteren 
ber ©egenftanb ber Unterfud^ung, jebod^ in ben ^auptabfc^nitten 
m — V nod^ abgefet)en oon ben 2:atfad^en ber ^iftorifd^en, jurüdf- 
gelegten fomie ber ju jeber 3cit beoorftetienben ©ntmicEelung, auc^ 
abgefelien oon ben umfaffenben S^atfad^en ber SBerbilbungen unb 
©törungen unb oon ben nidtjt minber umfaffenben 2:atfadf)en!reifen 
ber 33etämpfung oon 3Serbilbungen unb ©törungen. 

^n biefer apologetifd^en ©runblegung ber ©ojiologie Iialte 
iä) ben Segriff be§ ©efe[Ifd^aft§förper§ unb bie 9lotn)enbig!eit 
ber SßoranfteHung feiner gegebenen 3iiftä"blid)feit oor bie ©efd^idtjte 
fomie üor bie SöeiterentmidEelung feft. Dbmo^I nun jebe 2lnaIogie 
au^gefd^altet mirb, gef|t uon ber SÄuffaffung in „33au unb ßeben" 
au^er ber 2lnfd^aulid^feit nid^t^ nerloren. ®a§ wirb meiter ba= 
t)on überjeugen, ba| idt) bie ©efeüfrf)aft bem fieibe nur im Silbe 
oerglidtien, aber nid^t im SBefen glcidtigeftetlt ^abe. 

©(Raffle, 3(6ri$ ber ©Ontotogie. 6 



— 82 — 

^ft bcttn aber bcm ®cfcllf(^aft§förpcr im bejeid^nctcn ©innc 
eine befonberc unb bte auSfül^rlidiere 93etrad)tung ju tüibmen? 
S)iefe ^rage ift l^ier ju entfd^eiben ; bettn bic ©ojiologie wirb in 
ber geltcnben ^icrard^ie ber Sßiffenfd^aften t)on ber alten ©eiftcS* 
roiffenfdiaft inSlnfprud^ genommen; ©ojiotogie mirb neben Statur* 
unb ®eifte§n)iffenfd^aft al§ gegenftanb§Io§ erflärt. -3^ bejalie je* 
boc^ bie obige 5^*age mie biSl^er. 

aSenn mit ber ©liarafterifierung ber ©ojioIogie aU ®eifte§* 
miffenfd^aft nur gejagt merben möd^te, bafe bie ©efeüfdiaft geiftig, 
nid^t p^gfiologifd) au^gemirtt fei^ fo brandete !aum ein SBiberfprud^ 
gegen bie K^aratteriftit ber ©ojiologie atö ©eifte^miffenfdiaft er- 
l^oben }u merben ; ber Sßerfaffer t|at m6)t blofe oben in ben Unter* 
fu(^ungen über ba§ SBolt, über bie aBeltfteUung ber ©efeUf^aft 
unb über ba§ ©efetlfd^aft^bemu^tfein, fonbem \6)on in „Sau unb 
Seben" bie burd)au§ geiftige 2lu§n)irtung ber ©efeUfdiaft mit allem 
91ad|brucf jur ©eltung gebracht. S)ie grage ift jebod^, ob e§ 
genügt, bie ©efamtinnerlid^teit unb nid^t aud^ bie ©efamtoertör» 
perung, b. 1^. ben ^i^begriff ber au§ ben eigenartigen ©lementen 
— Sanb, ©adtigütern unb ^erfonen — aufgebauten äußeren ^n* 
ftitutionen ju erfaff en. ^ä) Iel)ne bie 93efdt|räntung ab ; benn id^ 
bebente, ba§ ber inbioibuelle ©eift nidtjt oor ber ©efeUfd^aft t)or* 
l^anben geroefen fein fann, bie ©efellfdtiaft nidtjt nadt|trägtid^e§ 
^robuft, nid^t fpätere (Emanation ber oorI)er gefd^affenen SSernunft 
fein mirb; id^ bebente, ba§ bie ©efeUfc^aft nur al§ -Inbegriff oon 
äujseren ^nftitutionen unb Sßerrid^tungen beftetjt, aujserlialb meldtjer 
e§ ©efellfd^aft^bemu^tfein nid^t gibt, bajs bie ©lemente, au§ mel* 
d^en bie :3nftitutionen aufgebaut finb — Sanb, ©ad^güteroermögen, 
SBeoölferung — me^r al^ ©d^emen finb. D^ne 3^oö«8 ^m Söort 
„©eifte^miffenfd^aft", melc^eg feit «^a^rtaufenben bem SGBiffen oom 
inbioibuellen ©eifte ober t)on biefem famt bem nid^t geiftigen 
©eelenleben gegolten ^at, mirb e§ entmeber nid^t angelten, eine ein« 
l^eitlid^e unb ooüftänbige ©ojialmiffenfc^aft ganj jur ©eifte^miffen* 
fd^aft ju jie^en, ober man mirb mefentlidEie 33eftanbteile fotdE)er 
©ojialroiffenfc^aft unbeadtjtet liegen laffen muffen. 3Benn e§ ber 
alten ©eifte^miff enfd^aft belieben mürbe, aud^ bie ganj eigentümlichen. 



— 83 — 

in bcr organifdE)en 9latur nid^t oorfornmcnbcn Sßcrförpcrungcn 
aU ®ciftn)ir!ung ju crfaffcn unb ben inbioibueUcn ®cift tDenig* 
ften§ gcnetifc^ aU @rgebm§ bcr ©cfellfc^aft ju bc^anbcltt, au^cr» 
bem bie fojialc Sßctförperung be§ ©eiftc^ in ben ^nftitutionen 
beS aSoIfc§ jum ©egcnftanb ju nelimcn, fo raürbc eben bie @eifte§* 
n)iffenfd|aft fclbft jur ©ojiologic erweitert werben; ob man bie 
alte 93ejei(^nung beibefiält ober bie neue — altein ben ooHen Qn^ 
l^alt becEenbe — 93ejei(^nung n)ä^It, n)äre ein ©treit, raeld^en baS 
9lu§Ianb oietleid^t jU ben „querelies allemandes** ber 2)ojenten« 
weit jä^len möd^te. 93i§ in bie neuefte Qzxt n)enigften§ ^at jie«= 
bod) bie ©eifte^miffenfc^aft bie foeben bejeii^nete Sel^anblung unb 
(ärweiterung m. SB. nid^t erfal^ren. 2)ie ©ojiologie brandet bal^er 

— biefe SWeinung fte^t mir felfenfeft — t)or ber „©eifte^miffen^^ 
fd^aft" bie taum gel^i^te g^tagge nid^t ju ftreidE)en. 

3Benn juerft ba§ ®efeüfd^aft§ben)u§tfein unb Iiernac^ ba§ 
®anje aller realen .^nftitutionen unb gunttionen, b. i). ber ©e^^ 
f ellf (^af t§f örper , jum ©egenftanb einl^eitlidtier ©ojialmiffenfd^aft 
gemadE)t mirb, fo fommt, wie mir fc^einen mill, bie geiftige SCBelt 
erft redE)t beftimmt unb ganj ooUftänbig ju u)iffen[(^aftlid^er Unter* 
fud^ung, unb bie alte ®eifte§n)iffen[d^aft fann mit ber neuen ©ojio* 
logie jufrieben fein. 

2)ie reale ©efellfdtiaft gelangt nun — nodt) abgefel^en oon 
bem, n)a§ id^ nur ber Äürje megen bie I)iftorifc^-politifc^en, bie 
pattjo^ojiologifc^en unb bie t^erapo=fojiologifd^en 2:atfad^en nenne 

— JU erfd^öpfenber 58etrad^tung , menn bie @ l e m e n t e , au§ 
meldtien ber ®efellfd^aft§törper aufgebaut ift, unb bie ©nergien, 
meldte in biefen Elementen gegeben finb, juerft für fid^ betrachtet 
werben, obmol^l fie in ber äßirMid^feit nad) Seftanb unb Urfprung 
für fid^ allein nidtjt oorl^anben fmb. 2lud^ in „Sau unb fieben" 
finb bie ®lementarbetrad^tungen felbftänbig belianbelt unb ooran«= 
gefteHt morben, mooon nichts jurüdEjunelimen ift ^). 

@rft nad^ Darlegung ber ®runbbeftanbteile mirb ber ®efell* 
f(^aft§förper, mie er ift, al§ organifiert ober tonftituiert ju erfaffen 
fein. 2)a§ mirb in erfi^öpfenber SGBeife fo gef(^el|en, ba^ man 
1) @rfte 2luf[. I, @. 82 ff., ^miU Slufl. I, ©. 26 ff. 



— 84 — 

ben ©efcHfd^aftSförpcr jucrft jcrglicbcrt, um il^n l^crnad^ in feinen 
teils ftammlid^en, teil§ territorialen @in]^eit§erf(^einungen, b. 1^. in 
feinen Unioerfalgebilben ber ©etrad^tung ju unterjielien. 

2)er organifterte ®efeItfdE)aft§!örper fteltt nun ein ununter^ 
fci^iebene§ ®anje§ nid^t bar. @r ift eine burd^ ©emeinfd^aft unb 
Sßertel^r oermai^fene SWenge üon Sßöltern, weld^e auf oerfi^iebenen 
©tufen ber ®ntu)icfelung fteiien, geograpliifd^ unb etl^nograptiifd^ 
eigenartig fmb. 2)al^er wirb eS fid^ empfel^ten, Dom 95 o l f , nic^t 
von ber ganjen menfi^lid^en ©efeüf^aft auSjuge^en. 

S)emgemä^ würbe x6) nunmelir ben SSoItStörper ober bie 
„nationale ©efeUfd^aft" gefonbert unb juerft, l^ernad^ bie aSöIfer* 
roelt al§ geglieberte§ @anje§ ober al§ „internationale OefeUfdiaft" 
(menfc^Iid^e ©efeüfdiaft) erfaffcn. 3ft bod) ba§ SSolf ba§ juerft 
aSorl^anbene, unt) erroäd^ft erft au§ einer Sßiell^eit abgefonberter unb 
getrennter, einanber juerft feinblid^er SSöIter bie mcnfd^Iid^e ®e* 
feUfd^aft. SDBenn bei biefer 93et|anblung bie 93ejeid^nungen „na« 
tionale" unb „internationale" ©efettfd^aft gerodelt werben, fo ift 
felbftoerftänblic^ „national" ganj allgemein al§ gleic^bebeutenb mit 
oolflid), ate ®igcnfc^aft§n)ort für jebe primitiofte mie ^öd^fte ©tufe 
be§ aSolfgbafcinS tjerftanben. 

3unä(^ft mären liienad^ — ju einem britten ^auptabfc^nitt 
allgemeiner Soziologie — bie ©runbbeftanbteile ober ©lemente be§ 
®efeaf(^aft§förper§ in§ Sluge ju faffen. a«an ftö^t ^iebei fofort 
auf berb reale DbiztU einer jur ©ojiologie erweiterten „®eifte§* 
roiffenf(^aft", auf ®rfc^einungen, meldtie oon ber „reinen" ©eifteS* 
miffenfc^aft faum angefaßt werben tonnen, aud^ Jaum nod^ an* 
gefaxt finb. 

®ie ©runbbeftanbteile be§ ©efeüf^aft^förperS finb in i^rer 
$!Waffenerfd^einung : ba§ fianb — ba§ „$8olt§oermögen" — bie 
58er)öl!erung. 

SBenn im golgenben ba§ Sanb nidt)t neben ha^ aSolfSoermögen 
unb bie 93eoölterung al§ ben paffioen unb ben a!tit)en ©runbbeftanb* 
teil be§ @efellfd^aft§förper§, fonbern mit biefen sufammengefteflt 
ift, fo wirb bamit wenigften§ eine neue biologifdtje 3Inalogie nii^t 
oerbrod)en ; benn id^ oergleid)e ba§ aSolt weber mit ber im 93oben 



— 85 — 

jüurjclnbcn ^flanjc, nod) mit bcn tücnigcn am ©oben fcftft^cnben 
2:icrcn unb liabc fi^on in „93au unb Scben" biefc SScrgleid^ungen 
gcmiebcn. 

A. Sad Sattb. 

Qn „93au unb ficbcn" ift bcm Sanbc nid^t bie au§fül^rlici^c 
93el^anblung gemibmct, meldte für S)ur(^füt)rung bicfcr Unter» 
fu(i)ungcn Söorau^fe^ung ift. ®al|cr fei eine Srgänjung einge* 
fd^altet. ^ierju oerbantc ic^ bie beften ^Anregungen hm geogra» 
pl^ifd^en SBerfen Sla^el§. 

1. 2)a§ Sanb al§ fo jiologif (^er ®Iementarbegriff. 

S)ie 58ejeid^nung fianb f)at im ©prad^gebraud^ mand^ertei 
©inn. ©ie bebeutet ba§ Sanb al§ gcftlanb gegenüber ben brei 
aSierteilen meerbebedEter ©rboberfläd^e. ©ie bebeutet ben 93oben 
im ®egenfa^ jum Suftmeer über unb im ©egenfa^ ju ben Sebe* 
mefen auf ber ©rboberpd^e. ©ie bebeutet bie £anbortfd)aften 
ben ©tabtortfd^aften gegenüber, ©ie .bebeutet — im ©inne pon 
®eutf(^lanb, ©nglanb, 9iu^I an b — nid^t ein ©lement be§ SßoIfS* 
!örper§, fonbern ben ganjen Sßolf^förper in ber güHe feiner ^n* 
ftitutionen unb ift im territorialen 2lntlang ba§felbe, n)a§ „baS" 
b. 1^. ein ganje§ Sßolf bebeutet; ba§ Sanb im le^teren ©inne, afö 
bobenftänbiger SßoIfStörper, ift metir ate (Clement unb mirb erft 
in ber fpntbetifd^en Hauptabteilung be§ näc^ften ^auptabfi^nitteg 
ins fojiologifd^e ®efid^t§felb treten, ^ier mirb unter Sanb nur 
ein jufammenf)angenbe§ ©tüdf ©rboberfläd^e ober ein irgenbroie 
jufammettge^örige§ ©anjeS fold^er ©tüdfc (ärboberfläd^e oerftanben, 
aber ni(^t blo^ al§ 58oben allein, fonbern famt allem, ma§ im 
93oben, am 58oben, über bem Soben an ©toffen, an teHurifd^en 
unb to§mifdt|en Gräften, an gloren unb g^^unen gegeben ift. 

2. 2)a§Sanb al§®runbbeftanbteil bc§ Sßolfeg. 

®in aSolf fann ol)ne ein Sanb fo roenig fein mie ol^ne Sßolfö* 
oermögen, roeldtje^ au§ bem Sanbe gefdE)öpft wirb, unb fo menig 
u)ie ol^ne ©etjölterung , oon ber ba§ Sanb bemol^nt ift. SBenn 



— 86 — 

baS Sanb ttid^t mit aKcm, tüaS barin ift, jum Sßotfgförper gcl^ört, 
fo ift c8 bod^ ganj ber ^crrfd^aft bc§ 95oßc§ untcrroorf cn ; als 
©cbiet ober 2:erritorium ift loirtlid^ ba§ gattje fianb SßoHS« 
bcftanbtcil. 

Sanblofe Sßölfcr gibt c§ ttid^t. 3)ic fogcnantttcn „lanblofen 
aSöIfer" 1) fmb Jpmbiotifd^c" (mitlcbcnbe) »cftanbtcile ber 93c- 
oöifcrung cinc§ SattbcS, aber feine SBößer, fonbern il^reS fianbeS 
oerluftig gegangene SßöÜertrümmer, unaufgefogene SlüdbitbungS* 
refte geroefener SSöIfer, weld^e ju bm ©rfd^einungen ber 2:t|Iorfd^en 
„Ueberlebfel" (survivals) ju jäl|Ien wären. Qtire ©t)mbiofe (Qn^ 
faftimenleben mit bem gaftlidien SSoI!) ift teilroeife in $araftti§mu§ 
fibergegangen. 

S)a§ fianb ift für fein SBott meit mel)r al§ ber ®efamtbefit( 
an ©runbftüdfen, melir al§ bie ©efamtl^eit be§ Siegenfd^aftSoermö* 
gen§ aKer fog. pl^tiftfd^en unb juriftifc^en ^erfonen, melir al§ bie 
©umme aKer SQBoIinflddien , gelber unb SÖBälber, SQBafferMfte, 
Sanb* unb glu^roege. 3)a§ Sanb ift bie Cluelle aller S^aturgaben, 
ber erfdE)6pflid^en unb ber im emigen Ärei^lauf ber 9tatur ftc^ 
immer mieber erfe^enben 93raud)lic^!eiten unb jugleid^ bie OueHe 
oon ©efa^ren, meldte ber Seoölferung unb bem SßottSnermögen 
brol^en. Sänge beoor e§ ©runbbefi^ überfiaupt gibt unb el|e ba§ 
Privateigentum an ®runb unb 93oben fid^ entroidelt, ift ba§ Sanb 
©runbbeftanbteil be§ SSolf §f örperS , minbeftenS aber neben bem 
©runbbefi^ unentbe^rlidt|e§ SKebium feines SebenS. 

Slud^ in ben 3^iten jener Söanberungen, roeldtie in ber Kinb« 
l^eit unb Qugenb ber SSöffer baS regelmäßige, meHeid^t baS nor* 
male S)afein auSmad^en, ift fein Sßolf im gegebenen Slugenblidf 
ofine Sanb. ©in SJolf nimmt mit feinem Sanbe ju unb ai, ner^ 
beffert unb t)erf(^led^tert fid^ mit bem Sanbe. SDlit bem SJerluftc 
feines SanbeS ge^t eS unter ober mirb eS, fei eS fompaft, fei eS 
in 2:rümmern, ©timbiont mirtlid)er SSölfer. 

@in aSolf fann aud^ l^iftorifdti unb politif^ nid^t noUftänbig 
erfaßt merben, menn nidtjt fein Sanb in ^etrad^t gejogen mirb. 



1) S8gr. 9i a ö e I , ^olitif^e ©eograpl^ie, 1. Slufl., @. 35. 



— 87 — 

S)ic neuere ©efc^^tfd^reibuttg \)at bie§ begriffen. ^elmoIt§ 
„33BeItgefdE)id)te" f)at fogar geograpI|if(i)e ©runbeinteilung. 

3. ©ieSänberraelt. 

3)a8 Sanb ift aU ©runbbeftanbteil unb at§ SKebium eine§ 
a5oI!e§ nur eine§ ber ©tücfe eine§ größeren ©anjen, nämlidi ber 
Detumene, ber bewohnbaren @rbe. ®iefe \)at 9laum für eine 
aSietlieit oon SBötfern. S)a§ Sanb ift l^tenad) SWaffenerfd^einung. 

®§ ift bennod^ ni(^t bie ganje ©rboberpd^e, votläjt Sänbet 
ergibt, fonbern nur i^r bemol^nbarer 2:eil. 3)er Don ®i8 ftarrenbe 
unb ber roüftliegenbe 3;eil ber ©rboberfläd^e ergibt feine Sänber, 
er ift Untanb. 

®a§ fd^iffbare unb fifdibare offene SJleer gel)ört allen Sßöl* 
fern jufammen (mare liberum) mit 9lu§nal^me ber Äüftengeroäffer. 

9^ur bie berool^nbaren Steile ber Dberfläd^e ber fünf 3^eft* 
lanbroeltteile (kontinente) unb ber Qnfeln famt ben baju ge^öri« 
gen ^lüffen, SBinnenfeen unb Binnenmeeren, Äüftengemäffern be§ 
offenen 9Jieere§, mit 3^loren unb gaunen finb e§, morauS bie 
Sänber beftel^en^). 

4. ®a§ Sanb aU Jtaturlanb unb al§ SBotf§lanb. 

®a§ Sanb tommt einmal in Betracht nad^ feiner 9laturan* 
läge unb nad^ feinen SHaturfdtimierigfeiten für SßolfSbafein, fobann 
in feiner mirflid^en SBerfnüpfung mit ber 58eoölferung unb bem 
aSol!§oermögen. 2ll§ 9laturlanb mürbe e§ einer §ilf§miffenfd^aft 
(etwa ©eofojiologie ju nennen) jujufd^eiben fein, al§ Sßolfölanb 
gel^ört e§ ber reinen ©ojiologie an. 

2)ie „©eofojiologie" eine§ beftimmten SanbeS ptte barju*» 
legen, mie e§ mit ben allgemeinen Hilfsmitteln unb mit ben 
©(^roierigfeiten, meiere bie ®rbe für bie Semol^nung burc^ SBölfer 
bietet, im befonberen Sanbe ftd^ oerl^ält. ©ie l)ätte bie befonbe« 
ren 93efi^e unb SWängel anberen Säubern gegenüber nad^jumeifen. 
S)arau§ lie^e ft(^ bie @rgänjung§bebürftigfeit unb (ärgänjungS* 

1) SBgl. ^iesu „^an unb 2(ihm", sroeite 9luf[. II, 601 f. 604 ff. nad^ 



— 88 — 

fä^igtcit im Sonbc anbeten ßänbern gegenüber unb bamit feine 
natürlid^e aftioe unb pafftoe Sßerfel^rSbeftimmung ableiten. 

©ine ©eofojiologie wäre nur ^ilf§n)iffcnfc^aft für bie reine 
©ojiologie be§ £anbe§. S)iefe le^tere l^ätte ben ®influ§ nad^ju* 
weifen, roeld^en bie 93eoölferung auf ba§ Sanb unb ba§ Sanb auf 
bie 93et)öHerung unb ba§ Sßolfgoermögen roirflid^ ausübt unb au§* 
geübt ^at. ®ie reine ©ojiologie be§ Sanbe§ ^ätte ba§ Sanb, wie 
e§ burd^ ben SRenfd^en, unb ben SUleufd^en, wie er burd^ ba§ Sanb 
geworben ift, ju erfaffcn. 

®a§ Sanb im fojiologifd^en ©inne bedft fid^ nid^t mit bem 
natürlid^en Sanb, bie ooltlid^en nid^t mit ben natürlid^en Sanbe§* 
grenzen, ©ojiologifd^ oeränbevn fid^ bie Sänber, belinen fie fid^ 
au§ unb f^rumpfen fie jufammen, jeigen fie oerfd^iebene ©rabe 
ber ^ntenfität be^ 3lnbaue§ unb ®inbaue§ feiten^ ber 93eoöIferung, 
finb fie ©egenftanb fel^r med^felooöer Vorgänge ber Dffupation 
unb ber Kultioation. 

S)a§ ©cbürfniS ber Unterfd^eibung gcofojiotogifcöer unb rein fojio* 
logifd^er ^Betrachtung bc§ Sanbe§ ^at fid^ f(|on frü^e gettcnb gemacht, 
inbem neben ber „\>\jtj\\lali^6:^t\\ ® e o g r a ^j | i e" bie „ p o n= 
tifc^e ©eograp^ic" unb bie „81 ^ t ^ r o p o g e o g r a <) ^ i e" ^ßflegc 
gefuubcn l^aben. S)icfe älteren Sejeic^nuttgcn einer bie ©eofojiologie 
einid&liejsenben iöetrad)tung follen ^ier nid^t angefod^ten fein, njenn man 
unter „politifd^" nic^t blojs \>a^ ftaatUc^e unb unter „ant^ropologifd^" 
nid^t bloJ5 ba§ einjelmenfd^lic^e SSer^ältniö ber Seoölferung jum Sanb 
begreift. Siiic njiffcnf^Qftlic^e 3*üedEmä6igfeit§frage ift eS, ob fid^ bie 
®to^xa\>^t auf „p^^fifalifc^e" ©eograp^ie befc^ränfen foll ober nic^t. 
S)ie ©ntfd^eibung njirb baüon ob^ängen, ob bie einjclnen Sigjipünen 
ober bie Oefamt^eit ber (Soziologie bem SSeburfniS ein^ettlid^er @r* 
lenntniiJ beffen, nja^ bie SSölfer ouiJ i^ren Sanbcrn mad&en un\> bie 
Sänber aug i^ren iöeüölferungen i^ahen werben laffen, ©enügc tun. 
@rft nad^ öoHer Segrünbung ber ©ojiologie wirb aug ber ©eograpl^ie 
manc^e^ entfallen lönnen, wag l^eute als Surrogat mangelnber ©ojio* 
logie S5ered^tigung in i^r befifet. 

5. 2)a§ Sanb geofojiologifd^ ober al§ 91aturlanb. 

2)ie natürlid^e (Signung eine§ Sanbe§ für 9Solt§bafein ift 
abhängig teil§ oon ber ßufammenfe^ung, teil§ oon ber Semegung 
ber ®rbe. 93ei ber Unterfud^ung ber ®ignung mären nid^t blo§ 
bie natürlid^en Sßorteile, fonbern aud^ bie 9lad^teile, meldte ba§ 
Sanb einem Sßolfe bietet, ju bead^ten. 



— 89 — 

2Rit SBcjicl^ung auf bic ß^fön^ntcnfe^ung ergibt jtci^ al8 
obcrfter ®cfi(^t§punft bic gfinftigc ober ungünftige Sage, ^icrl^cr 
gcl^ört einmal bie 3l6gren}ung be§ befonberen ©tücfe§ btxooi)n^ 
barer ©rboberfläd^e anbern Sänbern gegenüber, fobann bie Sage 
ber Seile unb ©tüdte be§felben Sanbe§ gegeneinanber. 

SCBeiter wäre ju betonen bie Unterfd)eibung jraifc^en ber geo»' 
logifd^en 3wfömmenfe^ung unb bem 93efi^ an Seberoefen, jroifd^en 
bem 93oben einer-, ber glora unb gauna anbrerfeitS. 

3)er 33 b e n fäme feine§n)eg§ bIo§ für bie Urprobuftion, 
aud^ nid^t bIo| mit feinen ©toffen, fonbern aud^ mit feinen Kräften 
(SBafferfräfte u. f. m.) in 93etrad^t. 

Sieben bem 93oben bilbet ba§ S u f t m e e r famt ben barin 
maltenben teHurifc^en unb fo§mifd^en Kräften einen geroid^tigen 
©egenftanb geofojiologifd^er Unterfud^ung. 

2luf ber ©emegung ber ®rbe berul^en bie befonberen <3a^re§^ 
unb 2:age§äeiten eine§ Sanbe§. 

©eofojjiologie ber Sänber fönnte I|ienad^ ein ^ilf§miffen üon 
großer 2lu§bel^nung unb SUlannigfaltigfeit umfaffen. ©oI^e§ 
SCBiffen ift in ben einjelnen SRid^tungen mit großer Sorgfalt be* 
reit§ angebaut, Iiarrt aber nod^ ber ^anb, meldte e§ einl^eitlid^ 
für bie ©ojiologie iufammenfa^t. 2lm meiften Vorarbeit finbet 
bie ©ojiologie in ber „poUtifdien ©eograpl^ie" unb in ber „3ln* 
tl^ropogeograpl^ie" (in ober o^ne 33erfnüpfung mit ber Stl^no* 
grap^ie ^). 

1) Ueber natürlidie 9Beiträumig!eit unb ©ngräumigJeit, über natür* 
lid^e ©renjen, über bie fontinentalen unb „tf)aIaffifd^=potamifd^en'' Sanbeg* 
vorteile, über l^gbrogropl^ifdie unb orograpl^ifdie Konfiguration unb 3ers 
riffenl^eit t)gt. jefet namentlid^ 9fl a ^ e I , $oI. ®eogr. 1. u. 2. 3(uf[. ®ben* 
bafelbft über [Raum, Sage u. ©renje: ,,suerft !ommt bie Sage, bann ber 
[Raum, bann bie ©renje". %zx ©renge !omme bie ,,peripf)erifdöe fjunüion" 
JU, unb biefe beftel)e „in ber 9lufnal^me unb 3lu§gabe aUer ber ©toffe, 
bie ba§ Seben eineS ^oI!e§ unb @taate§ brandet unb abgibt. ®in be* 
ftänbigeS ©eben unb S^el^men finbet burd^ bie ©renje feine unjäl^Iigen 
Söege. S)al)er begegnen mir in il^r neben ben S8orrid)tungen pm (Sd)uö 
and) benen jur fjörberung be§ 2lu§taufd^e§. 93eibe oerbinben fid), wie 
in ben ©pibermoibalgebilben von ^ftanjen unb 2;ieren, ju fel^r mer!« 
mürbigen peripl^erifd^en Organen: Kombinationen oon §anbet§s unb 



— 90 — 

6. 3)a8 Sanb rein fojiologifd^ ober ba§ S8olf§tanb. 

®ie reine (Sojiologie be§ Sanbe§ würbe Iiauptfäd^Iici^ ju er* 
!unben l^aben: ba§ ©enügen unb Ungenügen be§ SanbeS für ein 
Sßolt, bie äußere Slbgrenjung gegen anbere 9SoIt8länber, bie ©ig* 
nung beS Sanbe§ für bie oerf^iebenen Qxv^dhzxtxii)t be§ SSolteS, 
bie Unoemtel^rbarfeit unb Unberaeglid^teit bc§ 93oben§, bie 9Ser* 
mel^rbarfeit unb Unoerme^rbarteit ber einjelnen (Sattungen t)on 
SBrauc^lic^teiten, bie ba§ Sanb enthält, bie 3KögIic^!eit ber aWelio* 
ration aud^ be§ 93oben§ unb bie fteigenbe 3lntenfität ber ©oben* 
oerbefferung, bie ©rö^enoerl^ältniffe be§ 9Solf§Ianbe§ in ber 2lb* 
Ilängigteit oon ber 2:ran§portteci^nif, ba§ Sanb aU ©egenftanb ber 
93etätigung feine§ SSotteS, enblid^ ba§ Sanb afö 2lttumuIation unb 
©runblage ber »oIf§tontinuität. 

3)a§ Sanb, ba§ SßoÜ^Ianb fein tann, b. f). nid^t Unlanb ift, 
aber ber 93en)o]^nung burd^ ein SBoH nod^ ermangelt — unbe* 
t)ölferte§ ober potentieöe§ SBoIManb — nennen wir im golgenben 
mol^I aud^ greilanb. 3)ie jungen SSölfer ^aben jroifd^en beoölfer* 
ten Seilen nod^ mel^r ober weniger ©tüdte g^eilanb, unb in§ %xzU 
lanb überl^aupt gef)t nod^ immer ber Strom ber inneren unb ber 
äußeren SCBanberung unb Kolonifation. 

1. 3)ie au§fd)Iie§Iid^e©e^errfd)ung be§ Sanbe§ 
burd^ fein fßolt unb bie SRitnu^ung burd^ anbere SßöHer. 3)a§ 
Sanb ift nur ftaatlid^, al§ ©ebiet, ein au§fd^Iiepd) einem SBoIf 
ijuge^firiger 2:eil ber beroo^nbaren ©rboberfläd^e. <3m ©taat 
mirb ba§ Sott l^anblung^fäl^ige Sinlieit, unb bie au§fd^Iie^Iid^e 
©ebiet^l^o^eit ift bal^er immer ba§ erfte, woran beim SßottSlanb 
gebadet wirb. 

3[nbem oom Sanb aU ©ebiet ausgegangen wirb, barf nid^t 
flberfe^en werben, ba§ ba§ Sanb je nur eine§ oon oielen ©tüdfen 
einer Sänberwelt ift, unb e§ ergebt fid^ bie aud^ für bie ^anbefö* 
politif grunbwid^tige S^rage, ob ein Sanb in jeber ©ejiel^ung 

geftunggftäbten, SBrüdfen unb 93tüdfen!öpfen, 3^ort§, bie au§ ocr!e^r§* 
reid^en ©trommünbungen fid^ erl^ebcn, ober befeftigten 3nfeln u. a.*' S)ie 
SBergteid^ung ift oorjügli^. $RafeeI Jann nur oon ®Iüdf fagen, ba^ er 
gleid^rool^t nod^ nid^t alg „Dtganifer" abgetan ift. 



— 91 — 

augfd^Iie^cnb einem 93oIt angel^ören, ob ein 9Solf burd^ fein eigenes 
Sanb fxä) ganj genügen !ann unb barf. 3)ie beftimmte 2lntn)ort 
ift : ftaatlid^, al§ ©ebiet, ate üoltlid^er ^errfdiaftSbereid^ gel^ört eS 
au§fd^Iie|Iid^ bem beftimmten Sßolt, unb jeber SWitbeft^ ju gleid^em 
Siedete burd^ ein anbere§ Sßolf ift Unnatur, bauernb unmöglid^. 
^n jeber anbeten ^infid^t ift jebeS SBoIf genötigt, burd^ SBerfel^r 
au§ anberen Säubern 9iu^en ju jiel^en unb au8 feinem eigenen 
Sanbe an anbere Sßölter 9lü^lid^e§ abzugeben, gür alle nid^t 
ftaatlid^en gunttionen bedtt fi^ bie fojiale ©lieberung mit bem 
©ebiet unb beffen ©inteilung menigftenS nid^t notmenbig unb genau. 
a)ie 2lu§fdt|Iie§lid)feit be§ Saiten^ eine§ Sßolfeg über ein 
Sanb ift nid^t blog 3lu§fd^lie§ung ber ^errfd^aft frember SBöIfer, 
fonbern aud^ unbefd^räntte 2lu§fd^tie|ung t)on ^^Jflanjen unb 
liieren, metd^e bie 2Iu§nu^ung be§ Sanbe§ burd^ baS 9SoIf 
^inbern ober ber SBeoölterung unb bem SBolfSoermögen ©d^aben 
bringen. 

Slid^t jebcS Sanb bietet alle SSorteite, tt?rid^e bie @rbc für il^re 
ffinber Vorrätig ^ätt. 6ö birgt in öcrji^iebettem @rabe unb in öer* 
fc^icbcncr ©cfc^affcn^cit bcfonbere Vorteile, tt)ctcöe auc^ bcn frembcn 
SSöIIern für immer ober jeitmeiUg SebürfniS finb. S)ic Slu^fc^Iieglid^* 
leit ber Sanbbe^errfd^ung ift ba^er mit ber ©rganüung auS frembcn 
Säubern unb mit bem SKittcbcn (S^mbiofc) frember SSoIl^clcmentc im 
Sanbe nic^t nur bertrögtid^, fonbern fegt fie üorauS. S)ic§ um fo me^r, je 
menigcr ein SSoII ouö feinem eigenen Sanbe fid^ öoHe ®enüge (Slutarfie) 
ju fc^affen meig, b. f), je Heiner, ärmer, gleid^förmiger fein Sanb be^ 
fc^affen ober je geringer feine eigene Jfraft jur Slu^nü^ung unb ©i^a- 
benöbema^rung nod^ ift. 

S)ie ©^mbiofe ber ^ßPanjcn unb ber liere befd^rönft ficb auf bie«' 
Jenigen ^ßflaui^en' unb lierarten, meldte cntmeber bem äRcufd^en bienen 
(|>au§tiere, üRu^ppanjen), ober, ol^nc bomeftijiert ju fein, ber SeüöHc« 
rung nid^t fd^abcn, immer fomeit, aU bie Seoöllerung ben ganjen t)om 
Sanbe gebotenen Spielraum für i^r eigene^ Scben no^ nicftt einnel^men 
fann ober nod^ nic^t eingenommen l^at. 

2. 3)ieSanbe§abgrenjung unb bie SanbeS* 
eint eilung. ©runbroid^tig ift bie Sage ber SBolMänber ge^ 
gen anbere 9Sotf§tänber unb bie Sage ber eiujelnen Seile be§* 
felben Sanbe§ gegeneinanber. ®ie internationale Sage beftimmt 
fid^ burd^ bie ©renje, bie Sage ber Sanbe^teile burd) bie Sintei^^ 
lung beS SanbeS. 



— 92 — 

2)ic ©renjc unb bie ©inteilung jebeS SanbeS finb bcftim*» 
mcnb für bie SUl o r p ^ o I o g i c ber mcnfd)lid^cn ©cfettfd^af t unb 
jebe^ aSolfgförpcrS. Sßcnn man oon fojialer SUlorp^oIogic rcben 
mU, loic c§ jc^t rcic^Ud^ gcfd^icl^t, fo !ommen näd^ft ber Ober* 
pdiengeftaltung burd^ 93Quten unb Sßege^) bie ©renje unb bie 
SanbeScinteilung in SBetrad^t, bie ®renje nid^t qI^ matl^ematifd^e 
Sinie, fonbern al8 ©aum, im 3öttn)efen ate „©renabejirf. 

®ie ©renje unb bie Sanbe^einteilung finb nid^t biefelben für 
jeglichen Swtici ber 93olf§gefittung. ®ie l^ouptfäd^Iid^e, weil ooltS* 
ein^eitü^e Slbgrenjung unb ©inteilung, ift bie ftaatlid^e; mit i^r 
fallen bie übrigen ©renjen unb (Einteilungen jroar oielfad^, ho6) 
nid^t ganj jufammen. (Sie verfolgen überfd^reitenb unb jurüd* 
meic^enb aud^ anbere Kuroen. 

gür QÜe nic^tftaatlidien Qfi^ftitutionen unb gunftionen ergibt 
fxcS) fd^on beäl^alb eine 2IbiDeic^ung ber 2lbgrenjung unb ber 
Serritorialeinteilung, roeil fte — bie römifd^e Kird^e, ber ganje 
Sßeltlianbel , bie SBiffenfd^oft u. a. — i^rem S33efen na^ nid^t 
t)oö unb ftreng national fmb, e§ i^rem Sßefen nad^ aud^ nid^t 
fein fönnen. 

©ämtlid^e ©renjen unb ©inteilungen jebe§ Sanbe§ finb not^^ 
menbig üeränberlid^. @ie roed^feln mit ber auffteigenben unb mit 
ber rüdtläufigen ©ntmidtelung be§ Sßolfe^. hierbei gefd^ie^t e§, 
ba§ alte Slbgrenjungen unb ©inteilungen ftaatlid^er Slrt al§ ©ren* 
jen unb aU Einteilungen, befonber§ für nid^tftaatlid^e Kulturoer* 
anftaltungen fortleben ^). 

3. S)a§ ©rögenoerl^ältnig ber Sänber unter 
bem ma^gebenben ®influ§ ber S^ranäportted^nif. Sßon ber ©renje 
I|at ber fojiologifd^e ©ebanfe nur einen ©d^ritt jur ©rö§e ober 
bem Umfang ber Sßolt^länber ju mad^en. 

1) „S8au unb Seben", 2. iup. II, (S. 144 ff. 

2) S)ie engeren Qfläume ber älteren 3eit mxUn fort in 
ber So!aI^, SBejir!^* unb ^ooinjialeinteilung ber fpäteren Reiten, ogl. 
^S8au u. Seben" 2 21. II, ©. 560 ff. S^re alten «Hamen „brängen ftd^ mie 
unausrottbares Urbobengeftrüpp burd^ unb über bie rool^lgefügten ©renjen 
ber ^rooin^en nnb 9flegierung§bcjir!e" ($Rafeel). — Ueber bie fRai^th 
fd)e SBergleid^ung ber ©renjen mit ben ©pibermoibatgebilben f. @. 89. 



— 93 — 

3)ic @rö|c rairb jroor jucrft nad^ ber gläc^cnauSbel^nung 
}u mcffcn fein; bod) ift bic Sal)! bcr Duabratfilomcter eincS 
SanbeS nid^t ber aöcin jutreffcnbe SWa^ftab für bic 93cbcutung 
eiltet äJoIt^IanbeS. 

@§ fommt rociter barauf an, tüie bic g(ä(^e liegt, tüie fic bc- 
grenjt ift, wie fic fid^ in ^ö^en* unb Sicflanb oertcilt, über roeld^c 
®rb}onen fte fid^ erftrcdft, ob il^r 93obcn rcid^ ift, ob bic ©obenfc^ä^c 
gut ocrtcilt unb günftig jufammcngclagert finb, ob ba§ Ocfamt* 
territorium gut jufammcnl^ängt, ob e§ gcfd^Ioffen ift ober burd^ 
frcmben @influ§ burd)treujt toirb. 

2löe§ in aöcm genommen finb ^eute bic SScreinigten (Staaten 
9lorbamerita§ rool^t ba§ territorial ftärffte Sieid^ geworben. @ic 
finb balier aud^ ol^ne Qnxvaöi^ oon Kanaba nad^ innen bcr mäd^* 
tigften Snttoidtclung fällig, unb über bic jroei großen SQäcItmeere 
Ilinroeg fmb fic bc§ mädjtigftcn ®influffe§ oerfid^ert jugleid^ auf 
ben Dften unb ben Sßcflen ber alten SSBclt, obwohl i^r ©ebiet 
oiel Heiner ift, al§ ba^jenige ®roPritannien§ mit ben Kolonien 
unb 9iu§(anb^. 

3)ic gefd^id)tlid^ load^fenbc @rö|c ber Sänber ift jroar ®r* 
gebni§ be§ @cfamtfortfd^ritte§ ber ©cfittung. ®ic ©runbooraug« 
fe^ung bafür ift jebod^ bic Sßerooütommnung in ber 2:ed^nif bcr 
Siaumpcrtnüpfungcn, ber gortf^ritt im (5iebelung§== unb 
S:ran§portmefen, bic SBcrbeffcrung bcr SQ3egc, ber ga^r^ unb 2:rag« 
mittel unb bcr 3^g'f^öfte (ÜJlotoren). 

SJlomaben marcn juerft fällig, SQäeltrcid^c — freilid^ nur oon 
furjer ®auer — ju grünben, weil fic jucrft Syiaffcnbcnjcglid^teit 
auf größere ©ntfernung erlangten, ©päter ergab bic 5Iw§* unb 
©eefdjiffaljrt bic ajlögtid)feit oon ©trom* unb SRittclmeerreic^en. 
3)a§ römifd^e Sßeltreid^ brad^tc e§ fd^on ju me^r kontinental 
l^errfc^aft auf ©runb fcine§ g^ftungsi^ unb ^ecrflra^enmefeng. 

®ie ©ifenba^n l^at bie SRöglid^fcit fontinentaler SQäcltreid^c 
(9lorbamerita, Slu^lanb, g^^anfrcid^^Slorbafrita) gefd^affen. 3)ie 
„SJleujeit" juoor, b. l|. bic 3^'* f^^t ^^^ ©ntbedtung 3lmeri!a§ 
unb feit bem 3lbfpringen bcr Slfc be§ S33cltt)er!el^r§ au§ bem 
aWittelmecr auf bic SBcltmcerc mar ber 93ilbung ber Sccreic^c 



— 94 — 

flünftig geroefen; biefc ®unft ift mit bem ©ifenbal^njcitatter gc* 
fd^rounben. 

Sur ©rögenftatiftit berSanber. 3n äRißioncn Dua* 
bratlilomctern bcp^en (nad^ 3la|cl, 5|5ot. ®cogr.) baS britifc^e Stcic^ 26,1, 
baS rujfifd^c 23,4, baS d^inefifc^c 11, bic SScrcin. Staaten 9,2, Äanaba 9, 
SrafUien 8,3, 2luftraüen 7,9, ba^ cigcntlidöe K^ina 5,4, baS ffaifcrreicft 
änbien 4,8, S)eutfd^Ianb mit feinen Kolonien 3,0 (Dftafrila 0,93). S)a« 
S)cutfc^e aicidö ^at 0,543, granfreic^ 0,536, ©rofebritannien unb 3r-- 
lonD 0,314, Defterrcic6=Ungarn 0,676 SRitt. qkm. S)ag römifcftc Slcicft 
^attc beim 2obc beS Jtaifer^ SluguftuS nur 3,3 2RiII. qkm. ober ein 
9[d)tel bed l^eutigen brttif^en tReid^e^. 

S)ic S^amberlainf c^e „Imperial Confederation". 
S)er ©ebonle eines SBettbritannien (Greater Britain) , meieren ber 
heutige Slbgott ber ©ngtönber gu öermirflid^en fid^ anfc^idtt, lann bic 
Segeifterung jebeS ®nglänber8, ber SKut feiner Sertt)irMi(^ung aber bie 
Senjunberung ber SBelt finben. S)cr Sn^eifel, ob ber ®ebanfe in einer 
@pod^e ber beginnenben SSilbung inner* unb interlontinentaler Siational-, 
nic^t me^r bloß t^ataffifc^er Äonglomeratreic^e noc^ ausführbar fein 
mirb, ob er nic^t bcrfpätet fommt, tt)irb fid^ bcnnod) me^r unb mel^r 
aufbrängen. Sla^ere Unterfuc^ung tt)irb bei ^anbelspoütifd^er ©teflung* 
na^me bem ©rofebritonnien Kf^amberlainS gegenüber ju einer fe^r 
ruhigen unb füllen Sluffaffung gelangen. ©nglanbS SSSett^errfc^aft ift 
gegenüber ben auf bie Sanbmad)t fid^ ftügenben S33eUreic^en beS ®ifen> 
ba^njeitaUerS genjijs biet fc^tt)ieriger geworben: Unterbred^ung beS 
SBeltgebieteS burd^ internationale Sanbengen unb SKeerengen — @nt= 
fte^en grojjer ffontinentatnac^barreid^e jur ©eite feiner abgelegenen 
S'olonien unb ©inftugf^j^aren — SluSbilbung ber Seemacht einer größeren 
Sa^I anberer Steid^e! 

S)ie natürlichen ©renjen, t)on meldten feit ®inbruc^ ber 
©ifenba^nseit im abfoluten ©inne faum me^r gefproc^en werben fann, 
traten noc^ ben SRömern fo ftarl entgegen, bajs fie innerhalb ber weiten 
äRafc^en i^reS SReic^Sftragenne^eS unberü^rbare ©ebiete unb SSölfer 
(oberer, Gelten, Sß^^i^i^) Uegen loffen mußten. 

4. 3)a§ Unüermcl^rbare unb ba^ 93crmcl^r* 

bare, ba§ Unbcn)cglid|c unb ba§ ©eroeglid^c am 

S a n b c. ajlan ift geiDol^nt, ba§ Sanb überhaupt al§ unoer^» 

mel^rbar unb ate unbemcglid^ anjufel^en. Slic^tig ift, ba§ bic 

Sänbern)cU nur im ganjen unüerme^rbar ift unb ba§ bic einjcincn 

SBoIMänber cntweber burd^ SBcfiebelung oon ^^rcilanb außerhalb 

ober innerhalb ber ©reujcn ober burd^ 2lnglicberung frcmbcn 

aSol!§Ianbe§ fid^ au§jube^nen oermögcn. SlHein, aud^ ba§ t)oüc 

aSerfd^minbcn oon gteilanb oorau^gcfc^t, ift an beu aSoIf^Iänbern 

nid^t aöe§ unoermc^rbar unb unbcnjegtic^. 



— 95 — 

Unocrmel^rbar ift nur ber 93obcn mit allem, ma§ mit it|m 
pon Slatur feft ocrbunben ift. 3)ic bcrootinbare ©rboberfläc^c 
lann nid^t mefentlid^ ücrgrö^crt, ein Sanb nid^t auf ein anbereS 
gefegt ober unter anbere Sängen* unb 93reitengrabe oerfe^t wer* 
ben. aSerme^rbar finb bagegen fämtUd^e braud)baren SJlinerale, 
3^Iüffigteiten, ^^flanjen unb 2:iere, bie le^teren burd^ Slttlimati* 
fation, ©d)onung, ®omeflifation, fomie bie grüd^te. 3)er »er* 
me^rbare unb beroeglid^e ^eil ber im Sanbe üor^anbenen 93raud^* 
Ii(^!eiten bilbet bie frü^eften Oegenftänbe be§ aSölferoerfe^r^. 

3)ie bei aSor^anbenfein oon ^Jreilanb nur relatioe, fpäter 
me^r unb me^r abfolute Unüermel^rbarfeit be§ Sanbe§ ift oon 
ma^gebenbem Sinflu^ auf bie ganje ©ntmidfetung be§ SSolte^ unb 
ber aSöIfermett. 

©0 lange bie ®rbe nod^ nid^t ganj oon ajlenfd^en in SBefi^ 
genommen ift, merben bie beiben anberen ©lemente, 9Sermögen 
(Kapital) unb SBeoölferung, fid^ jerftreuen. 3)ie§ um fo raf(^er 
unb allgemeiner, ie geringer nod) bie g^^tigfeit ju mol^lfeiler 
Kunftoerme^rung ber notmenbigften Sackgüter, ber Unterl^alt^:^ 
mittel ift unb je beweglicher bie Seoölferung mirb. 

@§ gefc^ielit burc^ SBanberung, meldie juerft 3Jlaff en* 
manberung mit Eroberung ift, me^r unb mel^r Sinjelroanberung 
ober Slu^manberung mit Äultioation mirb. 

©0 ^aben fid^ in ^a^rtaufenben, oieHeic^t 3f<i^T^^ii«i>^^ttoii^ 
fenben bie Urbeoölterungen über bie @rbe jerftreut. 

3)a ebenfolange er^eblid^ere Sletonjentrationen unb Wu 
fd^ungen nid|t ftattfinben tonnten, mirb e§ leidet benfbar, ba§ bie 
menfd^lid^e Urbeoölferung, menn fie nad) ber je^t ^errfd^enben 3ln* 
fic^t mirtlic^ monpgeniftifc^ ^) entftanben ift, unter bem @influ§ 
be§ S(ima§ ju ^Raffen unb aSölterfamilien fid^ p^gfiologifd^ biffe»^ 
renjierte. aSölferttipen merben burd) lange 3^T^fl^^wung entftan* 
ben fein. Ob nac^ 3luf^ebung ber bisher einfeitigen 3^tftreuung§=^ 
tenbenj feit ©intritt be§ ©ifenba^nseitalter^ in größeren QziU 
räumen 9laffen:= unb aSölferoerfd^meljung eintreten fönne, barüber 
läfet ftd^ allerlei oermuten, aber SBeftimmteS nid^t fagen. 
1) „f8au unb Seben'', 2. 2Iuf[ , II, 6. 20. 



— 96 — 

3)ic btwo^nhaxt ®rbc ift nod^ nid^t ganj au§ greilanb in 
93olt§Ianb oerroanbclt, unb a\iä) bic SBanbcrung, fclbfl bic SUlaffcm 
lüanbcrung bei bcn 9laturt)öl!ern , bauert tatfäd^Ii^ unb cnt* 
roidelungggcfc^Iid) fort. 3)ie Unocrmel^rbarfeit be§ 93oben§ fätirt 
fort, il^re crftc jerftrcucnbc SBirfung ju äußern. ®§ gcf^ie^t bie§ 
in bem ajla^c mel^r, al8 bic aSöIfcr no^ wenig lanbboufä^ig fmb; 
3[unfer oerglcid^t einen Seil be§ Iieutigen ^nnerafrita mit 
einem burd^ ftet§ neue Figuren befe^ten ©^ad^brett. 3)er 93erg 
— ba§ Sanb — tann eben nie jum 5ßropl^eten, e§ mu§ ber 
5ßrop^et — bie Seoölferung mit i^rem Sßermögen — jum Serge 
fommen. 

ajlit bem Knapproerben oon g^^it^nb folgt ber ®pod^e ber 
^erftreuung eine Spod^e ber 9Serbid^tung, bie Jlötigung jur 
Sultioation in fefter 3Infäffigteit unb bie ßuItit)ation§fä^igfeit 
unter Sran^portentmidtelung. 

2)ie 3lnnä^erung ber relatioen Unoermelirbarfeit an bie ab^ 
fotute Unoerme^rbarfeit be§ Sanbe§> bie SBeränberung im aSer:^ 
I|ä(tni§ oon greilanb unb aSollSlanb ift e§, mag biefen ®ang ber 
3)inge ju einer unumgänglid^en 9lotmenbigfeit mad^t. 

Unberoeglid^ ift nur ber ©oben mit ben baran unb barin 
fixierten Stoffen unb Kräften. ®in 2:eil felbft ber im ©oben ent* 
l^altenen a3raud^tid^teiten !ann burd^ menfdtilic^e ©efd^idfUd^feit lo^^' 
getöft, bemeglid^ gemacht werben. ®§ gefd^iel^t burd^ Sergbau unb 
Sanbbau. ^n ©eftalt ber Sobenprobufte erreicht ber 
Soben in immer ^ö^erem @rab mittelbare Semeglid^feit. 

Qn bem SUiage, aU bie relatioe SSermelirbarteit be§ Sanbe§ 
burd^ aSerfd^minben be§ greilanbe§ abnimmt, ift nunmehr ber 
ajlenfc^ genötigt, bie Sraud|Iic^teiten be^ 93oben§ bemeglic^ ju 
machen (fteigenbe 3Äobilifierung). ®amit aber fann bie ^eimifd^e 
£eiftung§fä^igteit be§ Soben§ oerftärtt, bie ^eimif(^e burd^ frembe 
Sobentraft ergänjt werben. 

2)er Sobenprobutten^anbel jmifc^en Säubern unb Sanbe^^ 
teilen fteCt fic^ alg oereinte SQäirfung ber 2lbna^me ber relatioen 
aSerme^rbarteit unb ber 3una^me ber fünftlic^en Semeglid^feit 
notmenbig ein. 



— 97 — 

5. 2)ic bejd^ränttc Sßerbcffcrlid^fcit bc§ 93 o* 
b e n §. SBenn bcr ©oben nid^t oermclirt racrbcn fann , fo !ann 
er bod) ocrbeffert, er fann burd) Slufroenbung t)on 3lrbeit (93e^ 
oölferung^energie) unb üon Vermögen (Äopital), burd^ 3In* unb 
©inbau immer broud^barer, in^befonbere ertragreid^er in 93oben»= 
probuften gemalt merben. ®er jur 93et)öHerung§jerftreuung 
nötigenben ®pod^e bloßer Düupation naturgegebener 93raud^lid)* 
feiten folgt unter bem ßw'öng ber Unoerme^rbarfeit in ber Sat bie 
®poc^e ber Dualität§fteigerung, ber SobenoerooUfommnung. ®er 
ejtenfioen folgt eine fteigenb intenfioe ^eriobe ber SBobennu^ung. 
2lu§be^nen, quantitatio mel)ren lä^t ftd^ ber 93oben nid^t; aber 
feine 93rau^barfeit für menfd)Iid)e Qvoedt Itx^t fxd) in einem ge* 
miffen, nä^er ju bejeid^nenben SJla^e fteigern. 

3)a§ gilt nid)t bIo§ für bie ©eminnung oon Urprobuften 
jeber 3Irt, fonbern aud^ oon Srauc^Iid^feiten für oerfd^iebene anbere 
Qxvtdt: ba§ Sßo^nen, bie SSerteibigung , ben 2:ran§port. 3)er 
93oben mirb l^ienad^ in fteigenbem 3JJa§e jmar faft ganj oer* 
mel^rung§unfäl|ig, bagegen für jeglid^e ©attung menfd^Iid^er Qvotät 
relatio melioration§fä^ig. 

ajlit bem fteigenben 2lufgef)en be§ greilanbe§ in SJolf^Ianb 
b. ]^. mit 9lbna^me ber relatioen 9SermeI|rbarfeit ergibt fid^ bie 
^iotmenbigfeit ber aWelioration, bie Srl^ebung t)on ber Offupation 
jur 9lu^ung burd^ 3ln* unb ©inbau. 9lur ber SRenfd^ ift ju 
biefer ©r^ebung gelangt. ®ie Sier^erben l^aben biefen gortfd^ritt, 
metd^er aud^ gortfd^ritt jur SSernunft ift, nid^t ju beioerfftelligen 
oermod^t; bie Slbna^me ber relatioen aSerme^rbarfeit be§ Sobeng 
f|at für fie biefelbe emporl^ebenbe SQäirfung mie für ben SJlenfc^en 
nid^t gebrad^t, unb ilire ß^^pteuung l^at oon einem gemiffen 5ßunft 
nid^t aufhören, einer SSerbid^tung nid^t ^a^ mad^en fönnen. 

3)ie 9lötigung jur SBerbefferung be§ 93oben§ beginnt nid^t 
erft, menn alle bewohnbaren Steile ber @rbe, bej. alle Steile eine§ 
Sanbe§ in ejtenfioe SBenu^ung genommen, offupiert finb, fonbern 
t)iel früher. 

®ie jmei ©rünbe l^iefür liegen nal^e. ' @rften§ finb Sßiber* 
ftänbe ju übermiuben unb Soften aufjuroenben, um ^^eitanb oom 

© d^ ä f f l e , ST&riB bcr ©ojiologie. 7 



— 98 — 

9SoIf§lQnb au§ ju crreid^en ober beracglid^c ^robuftc t)on %x^u 
länbcrn l^erbeijufü^ren, nad^ heutigem ©prad^gebraud^ : bic 2:ran§5 
portfoftcn bcroirten, ba§ man SBoIfelanb um bcn 93etrag ber 
2:ran§porrtoftcn nad^ unb Dom greitanb intenftucr an« unb cin^* 
bauen fann. S)ie jmcite ^aupturfad^e liegt barin, bag nid^t jeber 
93rud^teil oon Sanb biefelbe (Signung für ©eminnung ebenberfelben 
aJlaterialien, SJiaturträfte, ^flanjen unb Siere, für 93efriebigung 
be§ 3Bol^nbebürfniffe§, für Sran^port u. a. \)at; bie retatbe Sßer^ 
me^rbarfeit oerfd^iebener 93obenftüdte nimmt in fe^r ungleidiem 
SWa^e ab, unb perfd^iebene Sänber unb Sanbe§teile finb meber in 
bemfetben ^^i^P^^lft ^^^ Kulturgef d^id^te , nod^ für jebe SBobenart 
unb SBobenlage in bemfelben (Srabe jur SJletioration gebrängt. 

3)ie Folgerung au§ biefer 3luffaffung, meldte ben tiefften 
©runb be§ berül^mten o. Sliünenfd^en (nid^t blo§ für bie Ur* 
probuttion bebeutfamen) ®efe^e§ bloßlegt , ergibt, ba§ ber Untere 
fc^ieb ber Sänber unb Sanbe^teile bejüglid^ ber SUlelioration ober, 
mag ba^fetbe ift, bejüglid) be§ <3ntenfität§grabeg ber 9lu^ung 
um fo größer ift, je foftfpieliger ber 2:ran§port ift unb je unju- 
■gänglid^er biefelben „natürli^en ^ülf^queHen" anberer Sänber finb, 
b. 1^. je befd^ränfter bie g^ei^eit ber ßumanberung unb be§ ^an^* 
belö ift. ®pod^en ber ^rangportoerbiöigung werben immer für 
bie burc^ Slbgelegen^eit begünftigt gemefenen ^ntereffen alter 
Sänber bie 3Serfud^ung ju !ünftlid)er Hemmung ber 2lu§gleid^ung 
na^e legen. 

3)ie aSerbefferunggfä^igleit be§ 93oben§ ift eine befd)ränfte. 

@§ gibt roo^l Spoc^en, in meldten bie ^edini! ben ?tu^effe!t 
ber Slrbeit unb beg Kapitale in einem ©rabe fteigert, ba| bie 
Soften ber 93obennu^ung fin!en fönnen, obmo^l ber SDäert beg 
fteigenb unoerme^rbaren 93oben§ mäd^ft. ®ag ift jebod^ bie 3lu§- 
na^me. Siegel ift, ba§ fteigenber 2lrbeit§:= unb Kapitalauf manb 
ben ?iu^en aug bem Soben nid|t in gteid^em ober progreffioem, 
fonbern nur in abne^menbem ^a^t fteigert unb immer mieber 
an einer ©renje anlangt, mo ber SBert beg gejogenen Jtu^eng 
Ijinter bem S33erte ber ^ufmenbungen jurüdfbleibt. 2)er Qntenfität 
ber 53obennu^ung finb alfo ©c^ranten gefegt. ®g tann auf bie 



— 99 — 

S)auer nur unter ftcigcnben Äoftcn mcl^r probujicrt, unb bie Äofien* 
fteigerung !ann, wenn c§ fid^ um notraenbigc SBobenprobuItc l^an* 
bclt, nur burd^ ®infc^rdnfung bcr entbel^rlid^cn ©ebarfc l^ercin 
gcbrad^t werben. 

SBon einem gegebenen ©rabe ber <3ntenfität ber 93obennu§ung 
!ann roirtf^aftlid^er SBeife erft bann ju noc^ l^öl^erer 3»«t^nfttät 
ber 93obennu^ung fortgefd^ritten werben, wenn eftenftoer unb ba* 
mit billiger probujierte 93obenprobufte frember Sänber nid^t me^r 
erlangt werben fönnen, b. 1^. wenn bie Äoften ber ©obenprobufte, 
immer bie ^anbefe^ unb Sran^porttoften inbegriffen, in beiben 
Säubern (8anbe§teiten) biefelbe ^öl^e erreid^t ^aben, ber SBcbarf 
an 93obenprobuften aber weiter fteigt. S)ie 93efd^ränfung beS 
3ntenfität§grabe§ ber 93obennu^ung fann fo formuliert werben: 
bie 3f«tßnfität fann wirtfd^afttid^er SQäeife nid^t ^öl^er getrieben 
werben al§ bi§ ju ber ©renje, an tpeld^er bie ©umme ber ^xo^ 
buftionS' unb ber 33ejug§toften auswärtiger 93obenprobufte bie 
^öl^e ber ^robuftion§foften an Ort unb ©teile erreid^t ^at. ^ebe 
Steigerung ber ^fntenfität juoor ift üerfrü^t unb biefe SBerfrül^ung 
eine 93ergeubung, weld^e fid^ an bem Sßolt, ba§ ftd) bie Unnatur 
erlaubt, jule^t an ben 93obeneigentümern biefe§ Sanbe§ am meiften 
räd^en mu§. 3)ie 3lgrar5 unb ^anbefepolitif fann gegen biefeS 
®efe^ nic^t auftdtnmen; fie mu| il|m folgen. 

6. 2)er fteigenbe SQ3ert be§ Sanbe§. ®er Sßert 
be§ ganjen SanbeS nimmt für fein 9Solf ju, nid^t blog, xoa^ feit 
lange unb grfinblid^ in ber nationalötonomifd^en Seigre oon ber 
93obenrente unterfud^t ift, ber SQ3ert ftäblifdier unb länblidier 
©runbftüdfe oon gegebener Sage unb @rgiebigteit. SWit ber ©e- 
famtentwidtelung be§ 9Solte§, bej. eine§ Sanbe§teil§ bewegt ftd^ 
ber SBert be§ ^obenS auf== unb abwät^. 

S)a§ Steigen ift lebiglid^ golge ber Slbnal^me relatioer Sßer* 
mel^rbarfeit be§ Sanbe§, ba§ göHen aber g^olge ber SQäieberju* 
na^me foldier Sßerme^rbarteit. 3)a nod^ tein Sanb an ber 
Obergrenje ber ^f^tenfität feiner 93obennu^ung angelangt ift, 
wirb ber ©obenwert normaler SBeife aufwärts gc^en unb nad^ 
Slüdtfällen immer wieber aufwärt? ftreben. 3Kan wirb alfo fagen 

7* 



— 100 — 

bürfen: ber SBert bc8 Sanbc§ Iiat bie lenbcnj jum (Steigen. 3)a 
ber ©oben felbft baS S)auerI|Qftefte ift unb über SßerfaUgperioben 
Ilinroeg fortbeftel^t fo wirb ber ©a^ nur befto me^r gelten fönnen. 

®ie Slationalöfonomie l^at bQ§ Steigen be§ 3Berte§ etne§ 
Sanbe§ nur unooUftcinbig in§ Sid^t fteHen fönnen, nämlid^ für 
bie SJlu^ung be§ Sanbe§ jur ^robuttion. ©ojiologie wirb anä) 
für bie SBürbigung be§ SD3erte§ oon Sanb ben @efici^t§frei§ er* 
roeitern. 

®a§ SBolf mu§ fein Sonb im ganjen immer I|ß^er werten, u. j. 
au8 jmei ©rünben: einmal meil bie Sluöbe^nung öon Sßolf^lanb 
im felben 3JJa^e fd^roieriger mirb, in weld^em ba§ greilanb fid^ 
minbert unb bamit ber „£anbl|unger" ganjer SSölfer rote ©ingelner 
roäd^ft, fobann roeil mit ber fteigenben SUletioration bie in ben 
SBoben geftecften 2lr6eit§= unb Kapitalroerte, bie fog. ^fn^^^ftitionen, 
fteigen, o^ne bag ber oom Sanbe abgegebene 9iu^en im felben 
9Ser]^ältni§ roie bie Soften fliege. 

S)er Umftanb, ba§ ein Seil be§ 9lu^en§, roeld^en ba§ Sanb 
abgibt, üon ber SJlatur immer roieber in jureic^enber güH^ erfe^t 
roirb (Suft, SBaffer, SBärme, Sic^t) unb ba§ einjelne (Sattungen 
Don 93raud^lid^!eiten , meldte bem Sanbe entnommen roerben, mit 
fieigenber 2:eci^nit in jebem 93ebarf§umfang ju fintenben Soften 
l^eroorgebrad^t roerben fönnen — biefer Umftanb fann ba§ Steigen 
be§ S33erte§ be§ Sanbe§ nid^t aufhatten. ®a§ Sanb ift eben nid^t 
blog alg 5ßrobuftion§mittel oon SBert, fonbern al§ 93afi§ be§ ge* 
famten aSolf§bafein§, unb bie roid^tigften SSobenprobufte, bie not« 
roenbigen Unter^alt§* unb S33erfmittel fönnen bei fteigenber 93es 
Dölferung nur ju fteigenben Soften l^eroorgebrad^t roerben. ®§ 
ift ba^er feine 2:or]^eit ber SBölfer, roenn fie für bie 93e^auptung 
i]^re§ Sanbe§ SWiHiarben Soften aufroenben unb ©tröme oon 93lut 
oergie^en, ba im Sanbe „SRiefenfraft" liegt. @§ ift namentlid^ 
feine törid^te Sanbpolitif, roenn oon oolfreid^en Säubern au§ für 
Sanb, ba§ erft in Slufna^me unb nur langfam jur (Sntroidtlung 
JU bringen ift, aSorfdtjüffe auf lange Sermine l^in gegeben roerben, 
b. i). roenn e§ l^altbar folonifiert, unter Umftänben fogar erobert 
roirb. S)iefe 3lrt oon Äolonifation ift minbeften^ feine größere Xox^ 



— 101 — 

I|cit, als bQ§ 2:un bcr glödlid^cn 93aufpe!ulanten, bie allgemein 
beneibet fmb. 3)ie 9Sorau§fid^t fidleren ©teigenS beS Sanbroerte? 
fte^t l^ier im ©piet. ®cr „<3mperiaU§mu§" ift für unfere 3eit, 
ba bie „SBerteilung ber @rbe" ftd^ jum 2l6fd^Iu^ neigt, roenigfteng 
ju begreifen. 

7. Sag Sanb aU (Segen ftanb ber SSoIfSbetä^ 
t i g u n g. 3^ür bie ©ojiotogie genügt bie 93etraci^tung ber 93e* 
tätigung am 2anbe, mie fie bie Slationalöfonomie gibt, nid^t. 
®iefer ift ba§ Sanb gaftor ber Urprobuftion, ber ^ögb unb ber 
gifd^erei, be^ 8Balb:= unb be§ 5^Ibbaue§, beS 93ergbaue§. Unferem 
SBerfud^ ber ©rfaffung be§ £anbe§ aU @lement§ ober „gaftorS" 
ber ©efeUfc^aft überliaupt ftnb meitere 93etätigungen beS Sßolfe« 
am Sanbe bereits entgegengetreten. 

3)iefe weiteren Betätigungen beginnen teilroeife fc^on ju einer 
3cit einjutreten, ba ba§ SBoIf über blojse Dffupation ber bemeg* 
lid^en 93raud)lid)feiten nod^ nid^t ^inau§ ift. ®a§ Sanb mill 
fto§^ ober f^rittmeife , frieb(id^ ober burd^ Eroberung ottupiert, 
auigebe^nt, a\x§ g^eilanb (Sioblanb, freier SÄarf) in mirflid^eS 
SBolfSlanb übergeführt fein. ®§ mu§ gegen elementare Sermü* 
ftungen gefd^ü^t, pon ©d)äblingen jeber 3lrt gefäubert, gegen 
3^einbe befeftigt unb oerteibigt werben. @§ ift im SJla^e ber öe* 
oöI!erung§juna^me ju meliorieren (f. 3.). 3)a§ im 9Sott§Ianb liegen 
gebliebene Unlanb mu^ tunlic^ft in braud^bareS Sanb übergefül^rt 
merben (Sntfumpfung, 2Roor!olonifation u. a.). SWit bem fort* 
fc^reitenben Einbau ^ält ein fortfd^reitenber @inbau be§ Sßoße§ in 
fein Sanb, bie Uebcrfü^rung in (Sebäube* unb SBeggrunb ©d^ritt. 
S)a§ Sanb unterliegt oon ber ®ntbedEung, roeldie fpäter ©rforfd^ung 
mirb, einer erften empirifd^en, bann einer mel^r unb mel^r miffen» 
fd^aftlid^en, namentlid) aud^ geologifd^en Unterfud^ung, 3Sermeffung, 
fortmätirenbem SRed^tSoerte^r über ha^ Eigentum unb über ben 
93efi^ oon 93oben. 

3)ie oielfeitige Sätigfeit be§ SBolfeS am Sanbe ge^t nid^t blo§ 
oon ben einzelnen, fonbern aud^ oom SBolfe al§ ©anjem au§: @r* 
oberung, ©taatSfolonifation (coloniae e consilio publico eductae)^ 
öffentlidie 3Reliorationen u. a. 3)ie 93etatigung beS SBolfeS an 



— 102 — 

feinem Sanb für fein Sanb ift l^ienad^ eine aügemeine. ©elbft in 
Sanbern l^eutiger ^oc^fultur, ha bie gro^e SWel^r^eit ber SBeoöt* 
ferung fein 2Ir oaterlänbifc^en 93oben§ inne l^at, ift boc^ jeber 
burd^ Seiftungen für ben im öffentlid^en ©igentum liegenben 930« 
ben unb burd) bie ©ntrid^tung ber SRiete für ben 93oben interef« 
fiert^ am Äampfc um ben 93oben mittelbar beteiligt. 

8. a)a§ Sanb aU 2lt!umuIation. 2)a§ Sanb ift 
Don SJlatur bauerliaft. ©ein Seftanb ift feftfte^enbeg @rgebni§ 
mer ber 93ötterentftel|ung oorauSgegangenen ©rbentroidtung. ®a§ 
SJiaturlanb bleibt beftelien, aud^ wenn feine 93eo6lferung mit i^rem 
Vermögen ju ©runbe gel^t unb e§ felbft mieber ganj ju fjrei* 
lanb mirb. 

S)a§ Sanb ift burd^ feine 3)auer^aftig!eit unter aßen brei 
Elementen ba^jenige, meld^eg im SBed^fel ber 9Solt§generationen 
unb burd^ bie be^arrlid^en ©toff* unb g^rmmed^fel be§ SBoltS* 
permögeng l^inburd) immer ba§felbe 9laturlanb — bie gefid^erte 
©runblage für ben ^ortbeftanb eine§ 9Solfe§ abgibt. ©§ fteHt ba§ 
gefte in ber ®rfd^einungen g^lud^t, meld^er bie jtt)ei anberen ®le* 
mente unterliegen, bar. 

^fm 93oben fledten nid^t blo§ jene natürlid^en 93raud^lid^teiten, 
beren meitau§ größter %zxl unerf^öpflid^ ift unb oon ber 9tatur 
immer mieber erfe^t mirb. Qn bem meliorierten, gegen ©efa^ren 
jeber Slrt gefid^erten Sanbe ift t)on allen üergangenen ©enerationen 
burd^ Slufopferung oon ©ad^gütern unb oon perfönlid^er ©nergie 
ein mäd^tiger Sßorrat oolfögefd^affener 93raud^lid^feiten für bie 
fommenben ©efd^led^ter angeliäuft. ®a§ Sanb ift alfo nid^t blo^ 
al§ SWaturlanb, fonbern aud^ al§ 93olf§lanb, burd^ 3lRumulation 
ber eigentliche 3)auerbeftanbteil eine§ 9Solfe§. 

®urd^ 3l!fumulation oerftärft unb oerbeffert e^ fid^ pon ber 
erften ©eneration eine§ Sßotfeg bi§ jum ©ipfelpunft feiner ©e* 
fd^id^te. Slu^er Änoc^enreften ber ©eoölferung unb ben metaCifd^* 
mineralifd^en ©eräten unb ©efä^en ift e§ ba§ ©injige, iebenfaHS 
ba§ ^auptfdc^lid^fte, n)a§ nod^ in ben Sluinen oon entfdimunbener 
©rö|e eines 9Solte§ ju jeugen üermag. 

Qn ber ©röfee bauerl^after SBraud^lid^feiten, meldte ein Sanb 



— 103 — 

burd^ SlffumutationStätigfeit aller vorangegangenen ©enerationen 
l^at, beftelit jebod^ ein erlieblid^er Unterfd^ieb. 2ltte SSöIfer ftnb 
burdb bie ooCjogene SMffumuIation, junge burd^ SBerfügung über 
nod| unau§gefd|6pfte natürtid^e ^ülf^quetten reid&er ober ftärfer. 
Sei ber Serül^rung mit ben jungen Kulturoölfern europäifd^er 
Slbftammung ftnb bie alten ©uropäer roentgfteng in ^inftc^t auf 
ba^ ®auerelement be§ 93olf§f6rper§ nid^t im 9lad^tetl. ®ie ^ol^ 
gerungen l^ierau§ bejüglid) ber 93efdmpfung ber überfeetfd^en Äon« 
furrenj burd^ @d)u^jolt werben nid^t überfeinen werben bürfen, 

B. "Sia» 9$oIIdi3etm9gett. 

1. SSegriff unb SBefen. 

S)a§ aSolteoermögen umfaßt alle einem SßoIIe jur Verfügung 
ftel^enben fad^lic^en SSraud^lid^fetten oon SBert. ®ie mertgel^atte* 
neu, meil nid^t ol^ne ^Aufopferungen ju l^abenben SSraud^lid^feiten 
l^ei^en bie ©ad^güter. 2)a§ SBolf^oermögen ift ba§ ©anje ber 
©adigüter eine§ SBotfeS. 

3[n ber ©lementarlel^re oom SJolI^oermögen finb bie ©ad^* 
guter nodt) nid^t al§ ^ahz oon ^erfonen ju betrad^ten, obmol^l 
in SBirflid^Ieit fie alle, ungeteilt ober geteilt, im ©igentum unb 
Sefi^ fidb befinben. 

©ad^güter finb nid)t aße für bie Sxotdt eine§ SBolfeg guten 
©ad^en, ober „äußeren ®üter", fonbern nur biejenigen äußeren 
®üter, meldie nid^t im ooHen 33ebarf o^ne 3lufopferung jur SBer* 
fügung ftel^en unb be^^alb mert finb. ®§ finb nur bie fog. 
mirtfc^aftlic^en ©ad^güter, meldte bie ©ubftanj be§ SBolfg* 
t)ermögen§ au^ma^en. Qvoax an^ bem Sanbe fommen aHe äußeren 
©ad^güter, bie fog. freien mie bie mirtf c^af tlidien ; ba§ SBolfgoer* 
mögen aber umfdtjlie^t nur bie mirtfd^aftlidien ®üter. 

2)ie ©ad)güter finb übrigen^ nid^t bie einzigen ®üter, meldte 
mert gelialten werben; wertgehalten finb neben i^nen, fogar oor 
il^nen bie p e r f ö n l i d^ e n ® ü t e r , b. 1^. alle in ber Seoölfe* 
rung angel^äuften ©nergien be§ Seibe§ unb ®eifte§. ®ie perfön^ 
lid^en ®üter finb oon aBert für biejenigen, weld^e im 93efi^ ber 
leiblid^en unb geiftigen ©nergien fic^ befinben; aber in ben 2lu§* 



— 104 — 

löfungen bcr ©nergicn, tüctc^c anbeten jugute fommen, werben fte 
TPertooK and) für britte; in ben Seiftungen für anbcre ober ben 
„® i e n ft e n" gelangen bic perfönlid^cn ®üter aud^ in ben SSer* 
fe^r unb jum 2lu§tauf(^ gegen Sackgüter: SWan barf biefe jweite 
^aupttategorie oon wertgehaltenen ®ütern nid^t oernad^Iäffigen ; 
jum aSoIf^oermögen gel^ören fie nic^t. 

®ie Sackgüter l^aben eine 93ejie]^ung jur 93eoölferung nid^t 
blo^ bnxä) \i)x aaSertfein ate gefc^ät^te 93raud)Iid^feiten , fonbern 
faft alle auc^ nad^ i^rer ©ntfte^ung, b. 1^. al§ ©rjeugniffe ber 
31 r b e i t. diejenigen äußeren 93raud^lid^fetten, welche Sßert er^» 
langen, oline ben erften 93efi^nel^mer Slrbeit ju foften, bilben, je 
l^ö^er bie ©eftttung fortfc^reitet, befto me^r bie 3lu§na]^me. 3)ie 
©adigüter foften: in ber ^robuftion burc^ 2lufn)enbung oon 
Sttrbeiten unb 2lrbeit§probuften unb im aSerfel^r burd^ Eingabe 
oon S)ienften unb ©a^gütern. 

aSenn man bie ^robuftion§mittel ober bie ©ubftanjen be§ 
„Kapital^" al§ „oorgetane Slrbeit" bejeic^nen miß, fo barf man 
nic^t oergeffen, ba^ auc^ bie jum Äonfum beftimmten Sackgüter, 
bie 93efriebigung§mittel, oorgetane Slrbeit finb. SßoHte man bem 
©ad^gut burc^auS t)a§ fac^lid^e SÖBefen abftreifen, nur ba8 ^er* 
fönli^e in il^m ^eroorfcl^ren, fo mü^te man beibe 3lrten oon ©ad^= 
gutem al§ oorgetane 2lrbeit unb überbie§ al§ „aufgefc^obene 
93efriebtgung" bejetd^nen. 3Kan mirb beibe§ beffer oermeiben. 

®ie ©adigüter ftel^en il^rer ©ntfte^ung nac^ mie mit ber 936^ 
oölterung, fo auc^ mit bem Sanbe im 3ufammen^ang. 3lQe äußeren 
©ac^güter ol^ne 2lu§nal^me finb bem Sanbe entnommen, bie mirt* 
fc^aftUc^en mie bie freien. @§ ift jeboc^ fein ®runb, nur bie 
bemcglid^en ©adigüter jum aSolf^oermögen ju jälilen, nid^t auc^ 
bie unbemeglid^en, bie Immobilien ober Siegenfdtiaften. ®§ fmb 
ja bie ©runbftüdEe nur aU mirtfdiaftlid^e ©üter jum aSermögen 
gered^net; als folc^e finb fie me^r al§ ge^en „Jlaturlanb" ; nur 
bie unentbel^rlidien freien ©aben be§ Sanbe§ gehören bem 5ßolt§* 
oermögen nid)t an. ajlit ber ©inbejie^ung ber ^[mmobilienfac^* 
guter in ba§ 5ßolf§oermögen gel^t alfo ber Unterfd)ieb ber jmei 
©lemente fianb unb SSolfSoermögen nid^t oerloren. 3)ie ©runb* 



— 105 — 

ftüdfe erliatten, je ^öl^er bic Kultur ftcigt, befto intenftDcrc ©igen* 
fd^aften, roetd^e nid^t fd^on t)om 9tatur(anb bargeboten, fonbem 
wie bei bcn bcroeglid^en ©fitem oom SWenfd^en hineingelegt fmb. 
aWan fann ben Unterfc^icb be§ bewegtid^en unb be§ unberoeglid^en 
aSermögenS nid^t roid^tig genug nel^men; a\8 Sackgüter, l^iemit 
5ßolf§oermögen8beftanbtetle finb jebod^ bie roertgel^altenen ®runb* 
ftödEc cbenfo jn)eifetIo§ wie bie beroeglid^en Sackgüter ju erachten. 

@inen 4)öwptanfto§ ^at ben SSeräc^tcrn meiner ©oiiologie bic SJcr* 
glcid^ung be^ SSerntögenS mit bcm organijd^eu S^ifd^c^i^Uftoff 
ber S^terjeDuIarfubftanj, gegeben. 

5)iefe ,,biologif(öe Sinologie" ^ottc nur ben 3*^^*/ bic elementare 
(Stellung bc^ SSolfööermögcn^ gegenüber ber öeööllerung, nämlid^ bic 
gnaftiöität bc8 erficrcn gcficnüber ber 2(ftit)ität ber leiteten, ju »er« 
anfc^aulidjen. 911^ gleid^rocrtig mit ber gnter^cllularfubftanj f^aht idö 
ba§ aSolfSücrmögen mit feiner Silbe crflärt. Sind) ba« SSotfSöermögen 
ift in ,,93au unb Seben" burc^au^ als „ti^pcrorganifd^eS" ®ebilbe bar- 
gefteüt tuorben. S)er SSergleid^ lann fallen gelaffen n^erben, otine ha% 
etmag anbere§ als Slnf^aulid^feit üerloren geljt. 

So^ale SPritifer Ijöttcn namentlich burd) ^toü nnd^brüdtlid^e IBe« 
tonungen meines „Sau unb Seben" \id) abtialten laffen follen, mid^ in 
|)infidöt auf bie fragliche SJergleid^ung jum ,,Drganifer" ju ftcmpeln. 
föinmat burdö bie ftarfe Setonung ber SScrmögenSfotegorie ber „®üter 
ber 3)arftellung unb ber aKittciluiig", meiere m. SB. öon leinem anbercn 
SRotionalöfonomen juüor fo angelcgentlidfe ^erüorge^oben gemefen ift, 
mie nun oon mir, jmeitcnS bur(5 bie fd^arfe ^eroorljebung eines Unter* 
fcbiebeS, n)eldöer jebem „Drganifer" ffopf^crbrcd^en bereiten fann unb 
bem angeblichen ober njirflid^en ^^Drgantfer" ^. (Spencer oiid^ bc* 
reitet l^at. ®S ift ber Unterfc^ieb, ta^ im ©egenfa^ ju ben Organismen 
ber ®efellfd^aftSförper feine ftoffltd)e SRaumcrfüHung jmifc^cn ben 
2;rögern ber Slftiüität, b. ^. feine S^terjettularjubfianj im Sinne ber 
Biologie ^at unb l^aben fann ^). 

i)"<3ö^on eine einzige ©teOe („«au unb fieben'' 1. 9lufl. I, 286) bätte 
bie ^onquiyoterien, mit meldten auf mid^ al§ ben reihen Drganifer log* 
gef dalagen morben ift, augfd^lie^en foHen. 3d& babe bort mörtltd^ gefagt: 
„®§ ift feine ununterbro^ene [Raumerfüllung burcf) ^erfonal^ unb SSer* 
mögenSfubftanj mabrnebmbar. ^iefe ©rfd^einung fann nid^t auffallen; 
benn nid^t ^rdfte, meldte in fleinfter ©ntfernung mirfen, mie ^obäfion, 
Slbbäfion, ^emifd^e 2lffinität, bemirfen im fojialen Körper ben Sufammen* 
bang unb bag 3uf ammenmirfen, fonbem g e i ft i g e Gräfte, meldte be* 
föbigt finb, burd^ bie pb^fi^alif d^en Gräfte itireS ® ü t e r apparateS meitbin 
ben ßufammenbang geiftigen unb leiblid^en ^ereintmirfeng jmifd^en räum« 
lidb getrennten Elementen augenblicflid^ ber^ufteHen . . . SRamentlid^ ber 
bem ajienfd^en eigene ®ebraud^ ber perfönli^en unb fad^lid^en ©gmbole. 



— 106 — 

2. ®ie 93ermögen§beftänbc natfirtic^ unb rein 

f ojiotogif c^. 

®ie SBetrad^tung bc§ SBoIfSocrmögcnS tüirb äl^nlid^, iric c§ 
für ba8 Sanb jutraf unb für bic 93coölfcrung jutrcffcn wirb, 
eine Untcrfd^cibung bcr pl^pfitalifc^^d^cmif^, biologifd^ bej. 
pfgd^ologifd^ gegebenen ®tgenf^aften ber ©ad^güter non benjenigen 
©igenfc^aften forbern, raetd^e fte naä) il^rer gefeHfd^aftlid^en ©nt^ 
ftel^ung unb 93eftimmung aufroeifen. ®tne gemifd^t J^ilfgroiffen« 
fdiaftlid^e ober natürlid^e neben rein fojiologifc^er ©rfaffung roirb 
geboten fein, um auc^ bie jroeite ber brei ©lementarle^ren ju 
ooüftänbiger 2lu§bitbung ju bringen. 2ln biefer ©teile muffen 
jebod^ Slnbeutungen genügen. 

I. 3)ie aSermögen^beftänbe nac^ il^rer n a t ü r l i c^ e n ®ig* 
nung für ba§ SSolf. 93on l^eroorragenber 93ebeutung ift e§: 

1) ob oon 5iatur t)k ©ad^güter al§ ©toffe ober al§ ^raft* 
quellen (35Bafferfraft, ^uflf^öft) ober in beiben ®igenfc^aften 
braud^bar finb, 

2) ob fie ber anorganifc^en ober ber organifd()en 9tatur, ber 
?ßflanjen=^ ober ber 2:iern)elt entnommen finb, 

3) ob fte oermel^rbar ober unoermel^rbar (einjig, erfd)öpflidt|), 

4) ob fte oon 5iatur bemeglid^ ober unbemegtid^, 

5) ob fte oergänglic^ ober bauer^aft, 

6) ob fte au§fc^liej3enb braud^bar ober neben anberen ©ac^* 
gutem für benfelben Qxozd brauchbar (erfe^bar) finb. 

IL S)ie SBermögen^beftänbe rein fo^iologifdli, b. 1^. 
nur auf il&re ^erfteHbarfeit unb auf i^re 93eftimmung für bie 
©efellfd^aft angefe^en. 

1) ®in funbamentaler Unterfd^ieb ift berjenige ber ©ad^güter, 
meldte 9Brau c^lic^!eiten be§ „ibeellen ^anbeln§", SJlittel be§ tatigen 

ber (5pradE)e, ©d^rift, ^rucffad^en, Signale geftatten oereinteS SBirfen 
rdumlid^ getrennter Körper." ^iefe nad^brürflid^e 95etonung unb @r* 
fldrung ber 3tdE)tf o ntiguität" be8 fojialen ^örperg liefert ben 
— meine id) — nid^t ju entfräftenben SBeroeig bafür, ba^ idü) ber „Dr* 
ganifer", al§ roeld^er ic^ nun fd^on längft tot gemarfit unb oon ben topfem 
Söefen ber be!annten 9lrt mit dritten bel)anbelt bin, übertjaupt nid^t ge* 
mefen bin unb nid^t fein fann. 



— 107 — 

®cfeßfd^aft§ben)u§tfcin§ fmb, unb bcr 93raud^Kc^fetten aUzS übrigen 
fog. praftifd^en ^anbctn«. ©rftcrc Kategorie oon Sackgütern 
l^abe id^ bte ©a^güter „ber ®arftettung unb aWittetlung" ge* 
nannt. ^f^re ^eroorl^ebung ift fd^on für bic SWattonalötonomie 
aHeitt, gefd^roeige für bie ©ojiologie im ganjen uncntbe^rüd^. 
^l^r unioerfeücr 93cftanb offenbart ba§ ®runbn)efen ber ®cfeß* 
fd^aft al§ burc^gel^enb§ geiftig au§gcn)irfter ®emeinfdt|aften unb 
aSerfel&re oon ^erfonen. 

2) ®er lieroorragenbfle unb nie überfel|cne weitere Unter« 
fd^ieb in ben ©ad^güterbeftänben be§ a3oIt§t)ennögen§ ift berjenige 
ber ^robuttion^mittel (^apitalfubftanjen) unb ber aWittel jum 
Äonfum. 

3) ®in britter Unterfc^ieb ift berjenige ber SWittel jur organi- 
fd^en ©rl^altung ber 93er)ölferung ober ber Unter^attSmittel oon 
aßen übrigen ©ad^gütern. 

3Jlit biefen brei ^auptfategorien fann fid^ jebod^ bie fojio» 
logifdtie ©lementarlel^re oom 33olf§oermögen nic^t begnügen, wenn 
fie al§ Sendete für bie praftifd^e 5ßoIf§n)irtfd^aft au8reid()en roiH. 
©ie l^at an ben SBoIf §oermögen§beftänben weiter ju unterfdieiben : 

1) ob e§ ©ad^güter finb, roetd^e ate Unica aud^ otine Sir- 
beit SBert erlangen ober nic^t, 

2) ob e§ ©ad^güter finb, roetd^e bei fteigenbem SSebarf oer* 
metirbar ober befc^ränft oermel^rbar, ju fteigenben — finfenben 
— gteid^bteibenben Soften oerme^rbar finb, 

3) ob bie betreffenben ©ad^güter beroeglid^ gemad^t, ju finfen« 
ben ober fteigenben Soften mobilifiert werben fönnen, 

4) ob fte bauer^aft gemacht werben fönnen unb ju meldten 
Soften bei fteigenbem 93ebarf, 

5) ob fie mieber^olter 0lu^ung fä^ig, ftänbig, @ebraud^§- 
guter, ober nur ein einjige§ 9Jlat nu^bar, o e rbraud)tid^ finb, 

6) ob fie nur für eine einjige ^erfon ober für mel^rere, 
oiele, aHe jugteic^ braud^bar, ©onbergut ober ©emeingut fein 
tonnen, 

7) ob fie nur für einen einjigen Qxotd ober für mehrere 

3medCe braudtjbar. 



— 108 — 

8) ob ftc für ftd^ allein ober nur in SBerbinbung mit anberen 
©ütern braud^bar, fomptementär ftnb, 

9) ob fie überl^aupt Derfel^rSfätiig (übertragbar), 

10) ob ftc im SBerfcl^r vertretbar ober unoertretbar, 

11) ob fte jum ©ebraud^ teilbar ober unteilbar, 

12) mel^r ober weniger entbetirlid^ ober unentbe^rlid^ finb. 
Unter ben obigen jmölf ©igenfc^aften ftnb biejenigen ber SBer* 
mel^rbarfeit nur ju fteigenben Soften, ber 93en)egltc^feit ju finfen- 
ben Soften, ber Unentbel^rlid^feit, ber Sßertretbarmad^ung, ber 
Äonferoierbarfeit aud^ für bie ®ntfc^eibung obfc^mebenber fragen 
ber 5ßolf§n)irtfd)aft§politif oon aOBiditigfeit. 

®ie Unterfd^eibungen 1—12 l^aben nid^t blo§ felbftänbige 
93ebeutung je für fid^, fonbern eine 93ebeutung burc^ mec^fel* 
feitige SBerftärtung ober ©urd^freujung. Unica (Kunftroerfe, 
9taturfd^önl)eiten) j. 93. merben roegen il^rer Unoerme&rbarfeit 
unb megen ilirer ©ignung ju gleic^jeitigem ©ebrauc^ burd^ SSiete 
8U ©emeingut geftaltet unb in öffentli^en 2lnftalten bargeboten ^). 

3. 3)a§ befc^ränft unb ba§ unbefc^ränft oermel^rbare 

3Kobiliaroermögen. 

93ei ber 93etrad^tung be§ fianbeS ift bie juerft relative, f d^lie^lic^ 
abfolute Unoermel^rbarfeit be§ Sanbe§ in§ Sic^t gefegt morben. 
®amit ift auc^ bie Unvermel^rbarfeit ber Siegenfc^aften al§ ^aupt^ 

1) ^ie in ,,93au unb Seben" gegebene Einteilung ber ©ad^güter in 
fold&c be§ fgmbolifterenben unb be§ nütjlid^en §anbeln§ unb bie Slbfd^ei* 
bung ber ®üter be§ perfönlid^en UnterE)aIt§ von ben JBraud^Iid^feiten für 
jeben anberen Qwtd ift jroar nid^t voflftänbig; id^ würbe E)eute aud& bie 
SöertungSmittel — nur eine§ berfelben ift baS ®elb — i)ervor5uftelIen 
l^oben. SlUcin weniger voflftänbig, al8 fie bei anbern ©d^riftfteflern ju 
finben ift, war meine Einteilung ber $8ermögen§beftdnbe nid^t 3Tlein 
„S3au unb Seben'' I)at weiter bie Kategorien aufgefteHt: ©ad^güter ber 
9'lieberlaffung unb be§ 2:ran8porte§, beS ^d)ni^t§ unb ber ^ertcibigung, 
ber ©ad^güterverforgung ober ^oI!§wirtfd^aft (^obuftion — Umlauf — 
Äonfumtion), ber ^ed^nif. S)iefe 58erm5gen§fategorien ftnb frud^tbar unb 
bleiben fämtlid^ aufredet, aud^ wenn man bie SBeranftaltungen, von weld^en 
bie betreffenben SBcrmögengbeftönbe abftraE)iert worben finb, anberg grup^ 
pieren wiU. „Drganüer" bin id^ aud^ babei mit feiner ©übe gewefen. 



— 109 — 

bcftanbtcit§ atte§ 3mmobüiart)crmögen§ tlax gelegt. SBon größter 
93ebeutung finb nun weiter rid^tige SBocfteßungen barüber, xok 
e§ ftd^ mit ber SBermelirbarteit unb Unoermelirbarteit ber beweg* 
lid^en SBottSoermögenSbeftanbteite überl^aupt unb mit i^rer SBer* 
mel^vbarfeit entmeber ju fteigenben ober ju finfenben 
ober JU gleid^bteibenbcn Äoften oer^ätt. ?ßrattifc^ ift 
eine fold^e 93etrad^tung mit Siücfpd^t auf bie niemals aufl^örcnbe 
3:enbcnj ber 93eoölferung ftd^ ju oermel^ren, alfo bem fteigenben 
93ebarf gegenüber. 

gür bie praftifc^en Slufgaben ber ©egenmart ©erlangt nament* 
lic^ ba§ SBerftänbniS ber 2:atfaci^e riefiger ftäbtifc^er Donjen* 
tration ber 93et)ölferung elementare 93etrac^tungcn über bie SBer^^ 
mel^rbarfeit unb Unoermel^rbarfeit aud^ ber beweglichen 93eftänbe 
beg a3olf§oermögen§. 

33ei ber Unterfud^ung be§ 3Jlobitiaroermögeng eine§ SBotfe§ 
auf bie aSermelirbarteit ju fteigenben ober ju finfenben ober ju 
gteidibteibenben Soften einer ßwnal^me ber 93eoötterung gegenüber 
l^at man nic^t blo^ bie ^oftengeftaltung im allgemeinen, fon* 
bem aud^ bie ^oftengeftaltung bei 3ii"ö^me be§ 93cbürfe§ an 
einem beftimmten Orte ju bead^ten. ®ie Soften an Ort unb 
©teile fe^en fid^ nun au§ ben eigentlichen Soften ber ^robut* 
tion — Urprobuftion unb mcc^anifd^^'C^emifc^en Umarbeitung — 
unb au§ ben 3:ran§port* unb ^anbel^foften jufammen. 95ei ber 
fraglid^en 33etrad^tung oerfd^iebener SSeftänbe be§ 3Jlobiliaroolt§* 
Vermögens wirb bal^er ba§ Slugenmert aud^ barauf ju rid^ten 
fein, ob bie 3:ran§portfoften ju= ober abnehmen, bej. ob ba§ 
Steigen ber eigentlid^en ^robuftionSfoften burd^ ein Steigen ber 
2:ran§porttoften oerftärft ober burc^ bereu ©inten au^gegtid^en 
wirb. 

-3m ganjen fd^rcibt man — unb gemi^ mit SRed^t — ben 
Soften ber gemerblid^en Umarbeitung unb be§ 2:ran§porte§ eine 
2:enbenj etier jum ©infen al§ jum ©teigen ju. ©elbft ein ©teigen 
bc§ ^reife§ ber 5ia^rung§mittel unb ber 93rennmaterialien wirb 
für bie ^f^^uftrie unb ben 2:ran§port burd^ ©rfparung an ^anb* 
arbeit mel^r ober weniger l^ereingebrad^t. 



— 110 — 

3Ba§ bic burd^ Urprobuftton geiüonncncn aRobitiarirertc bc* 
trifft, fo fönncn bem Sanbe — naö) erfolgter Ueberfütirung aHe§ 
greilanbe§ in aSolfStanb — bie tüic^tigften ©üter be§ beroeglid^en 
aSermögenS nur ju ftetgenben Soften unb nic^t in unbegrenjter 
2lu§bel^nung abgenommen merben. ®§ ftnb bie 9^ a 1^ r u n g §* 
mittel. Ob bie d^emifd^e Sed^nif je imftanbe fein roirb, ben 
SHdEerboben entbel^rltd^ ju mad^en, b. 1^. mit Umgel)ung beg 
^flanjenbaueS unb ber 2:ierjud^t, bie 9tal^rung§mittel in jebem 
Umfange be§ 93ebarfe§ ju gteidtibletbenben ober finfenben Soften 
l^ersufteüen, ift minbeften§ problematifc^. ajltt ben fd^on feftge* 
fteQten folgen ber Unt)ermet|rbar!eit be§ 53oben§ wirb man afö 
mit feftftelienben Urfac^en ber S^atirung^erfc^merung ju red^nen 
l^aben. S)ie 9^al^rung§mittel werben ate nid^t beliebig unb afö 
nid^t ju gleid^en ftoften beliebig oermel^rbare ©ad^güter anju* 
fel)en fein. 

@ine jmeite Kategorie beweglicher ©ad^güter bilben bie SWittel 
für ben förperlid^en ©d^u^ gegen bie Unbilben ber SBitterung 
unb be§ Älima§, für Äleibung, SBo^nung, ©rmärmung. 
®§ finb nur bie SWaterialien jur ^erfteßung, für welche 9Jer* 
metirbarfeit nur ju fteigenben Soften in ?5^age fommen fann: 
35BoUe, 93au* unb 93renn^otj, ©teinfo^Ien. ?tun mirb ange* 
nommen werben bürfen, ba^ bie aöBoße burd) pflanjlid^e 93es 
fleibunggftoffe me^r unb melir @rfa^ finben fann, fo ba^ bie 
Äteibung für jebe mögliche ©rö^e ber aSeoölferung al§ ein ol^ne 
^oftenfteigerung ^erfteübarer 93ebarf angefel)en werben mag. 93e* 
jüglic^ ber 3Jlaterialien für bie ^erftellung oon 93auten unb für 
l|äu§lic^e 3^euerung wirb ba^fetbe anjune^men fein. @§ finb nur 
bie 93au= unb ©tra^engrünbe , wetci)e einer intenfioften Ueber* 
bauung, einer unbegrenjten örtlid^en Äonjentration ber SSeoöIfe* 
rung 2:ro^ bieten. 

2)ie näd()ft wid^tige Kategorie beweglidier ©üterbeftänbe finb 
bie 3Jlaterialien, weld)e ber Qnbuftrie unb bem S^ran^port med^a* 
nifd^e SSewegung unb Sßärme ju liefern geftatten. 

2)ie „SB a f f e r f r ä f t e" finb jwar ©aben be§ fianbe§, bie 
fic^ immerfort felbft erneuern. ®ie SBafferbauten, 2:urbinen unb 



— 111 — 

bic anbeten SJlittet if)re S^ffung werben nid)t foftfpieliger. ®ie 
Gräfte fetbft aber, roel^e gefaxt werben tonnen, finb unb bleiben 
befc^ränft. ^i)xtni 9Jlanget fteigenbem 53ebarf gegenüber l^at ]e* 
boc^ big je^t bie ©teinfo^lc abjuf)elfen nermod^t. 3)ie Äotiten* 
lager, in roeld^en bie Slatur in uralter 3«it bie äBärme für un§ 
aufgefpeid^ert l^at, ge^en jebod^ ber ®rfci^öpfung entgegen. SBirb 
bie für Qfnbuftrie unb 2;ran§port erforberlid)e ungeheuere Duan» 
tität äßärme fünftig nur ju fteigenben Soften geliefert werben 
fönnen? @§ ift nid^t lange ^er, feitbem barob fd^wereS 93angen 
empfunben warb, ©eit ber ©ntberfung be§ „med^anifc^en 3lequis 
oalentg ber Sßärme" fiel|t man bennod) ber ®rfd()öpfung ber 
Kohlenlager mit nic^t ju großer ©orge entgegen. 9luf forttau» 
fenbe ©penbe bewegenber ^raft burc^ bie 5Jiatur finb bie ^off* 
nungen gerid^tet. ©id^er abjufel)en ift ein J^eurerwerben ber be* 
wegenben Kräfte für <3nbuftrie unb Sran^port jebenfallg nid^t. 

Steine, ®rben, 9Jletalle finb im ganjen fo reid^lid^ 
in ben meiften Säubern oortianben, ba^ eine Steigerung ber $er* 
fteUunggfoften bei weiter fteigenbem 33ebarf für abfe^bare Q^xt 
nid)t anjunel^men ift. ®ie 2lbnal^me ber 2:ran§port!often für 
aHe§ ^Rohmaterial unb ^albfabrifat begünftigt oielmel^r eine ©e« 
friebigung örtlid^ fteigenber ©ebarfe o^ne fteigenbe Koften ober 
gar ju finfenben Koften. 

2)ie 3Jlaterialien für bie ^erftellung unb 93erooKfommnung 
ber „@ ü t e r ber ® a r ft e 1 1 u n g unb 3Jl i 1 1 e i l u n g" wer» 
ben — man ben!e an ba§ ^oljpapier — faum je foftfpieliger 
werben, bie aWafd)inen unb 3lpparate bafür audt) nid^t. 

9Ba§ ift ba§ @rgebni§ biefer aUgemeinften Ueberfd^au über 
bie 93erme]^rbar!eit ber beweglichen 93eftänbe be§ 9Solf§oermögen§ ? 
S)ie ?lal^rung§mittel aufgenommen, wirb ba§ 3Jlobiliaroolfg* 
oermögen ol^ne 3wna^me ber Koften im ganjen, fogar unter Slb* 
na^me ber Koften im einzelnen, aller bi§ je^t abfe^baren S3e* 
barfgme^rung gegenüber, al§ oermef)rbar anjufel^en fein. 9lud^ 
bie 9la^rung§mittel finb aU t)ermef)rbar folange ju betrad)ten, 
al§ noc^ ^reilanb oorl^anben ift, weld^e§ unter ben ^flug ge« 
nommen werben fann unb folange bie 3wful)r au§ Säubern ey* 



— 112 — 

tcnftDcr nad^ Sanbcrn intcnftocr 93obcnnufeung (@. 97 f.) nic^t 
fünftUd^ gcl^cmmt rairb. 

®ie ftäbtifd^e Äonjentvation bcr Söeoölfcrung für allc§ ®e* 
fd^äft n)cld^c§ nid^t Urprobuttion, nic^t an 3^^Pi^^^^"fl ö^^^ ^ö§ 
Sanb gcbunbcn ift, irirb bur^ S^al^rungSmittelocrtcucrutig nic^t 
gel^inbert. ®§ fragt fic^ immer nur, ob mcitere 2ln^aufung bcr 
93et)ölfcrung in bcn ©täbtcn fo gro^e SBortcilc bietet, um bie 
Soften bcr 9lat|rung§jufu]^r au§ größerer gerne, bie ^oftfpielig* 
feit bcr ftäbttfi^cn 93augrünbe unb jene l^öl^crcn greife au§ju* 
gteid^cn, roclc^c bie ftäbttfc^c 93er)öltcrung bcn Sanbmirten bcr 
näc^ften unb näheren Umgebung ju jaulen t|at. 

3)ie SBcrmcl^rbarfcit faft aller 3Jlobiliart)ermögen§bcftänbe 
el^er ju finfenben al§ ju fteigenben ^robuftion§* unb 2:ran§port* 
foften ift bie cigcntlidic 2lntinomic bc§ a5olf§oermögen§ bem ®le* 
mente Sanb gegenüber. 

4. S)ie unbefc^ränftea3ermel^rbar!eitber93il* 

bung§mittel. 

S)ie „®üter bcr S)arftellung unb bcr 3Jlitteilung" — bie 
Untcr^alt^mittcl be§ @eifte§, fürjer bie 33ilbung§mittel — werben 
mit fteigenber ©cfittung in immer Doltfommcncrcr 33efc^affenl^eit 
ju finfenben Soften in jicbcm Umfang be§ 33cbarfe§ J^crftcUbar. 
©ie fmb jmar, n)ie im vorigen befc^einigt ift, nid^t bie cinjige 
©ac^güterfategoric, non meli^cr f old^e§ ju fagen ift ; benn e§ gibt 
93raud()tid^fcitcn auc^ be§ praftifc^en §anbeln§, rodele ju finfenben 
Soften ^erfteUbar finb. ®a§ gilt namentlich pon benjenigen, meiere 
auf med^anifc^cm Söcge von reid^en Sagern bcr 5iatur genom* 
men unb Dcrarbeitet werben fönnen, bcn meiften 3Jlitteln bcr 
2:ed^nif. 2)ie fd^led^tl^in unentbe^rlid^en ©ad^güter bagegen, jene 
bcr ®rnä^rung, fönnen nidtjt ift jebem Umfang bem Sanbe ent* 
nommen merben. 

3lu§ biefem gegenfä^li^en SBcrl^alten bcr 93ilbung§* unb ber 
Unter^alt§mittcl ergeben ftd^ jmei Söirfungcn, bie einanber für 
bie ©ntmidtelung ber ©eftttung oerftärfen : einmal bie unbefd^ränfte 
aJeraHgemeinerung unb Sßerpollfommnung ber S5olf§bilbung , fo= 



— 113 — 

bann bie Slötigung ju ftcigcnbcr Slnftrcngung aller getftigcn 
Gräfte bc§ SBolfc^, um jugteid^ bcm 93obcn bie 9ta^rung§mittel 
unter minbefter (Steigerung ber Soften abjugeroinnen unb um bie 
bemegtid^en ©arf)gfiter ju fintenben Soften für bie 93er)ölferung 
l^erjufteÜen. 

aSirflidier ©ojiologie fann bie 2lntinomie jroifd^en 93ilbung§» 
unb Unterl^alt^mitteln nid)t entgetien. 3)ie Slationalöfonomie 
brandet ftc^ um fie unmittelbar nic^t ju befümmern. Qn „93au 
unb fieben" ift fie oerfc^iebentUd^ mit allem 9lad^brurf l)ert)or« 
gel^oben roorben. 

5. 2)ie Betätigung be§a5olfe§ für ba§ ^oitS-^ 

Dermögen. 

3)a§ aSotfgoermögen ift mie ba§ Sanb paffioeS Sßolfgelement, 
nic^t mac^enb, fonbern gemacht, geftaltet, genügt. ®ie 2:ätigfeit 
be§ 93olfe§ für ba§ SBoltSoermögen unb an bem aSotf^oermögen 
ift bagegen l^öd^ft umfaffenb. 

3)iefe 2:ätigfeit äußert fic^ im unauf^örlid^en Ärei^Iauf ber 
^robuftion unb ber Ä o n f u m t i o n. 3Kan barf nur nid^t 
meinen, moju man mangels fojiologifdier SÖBeite be§ @efid^t§* 
freifc§ leidet nerfudtit ift, ba^ nur ©ad[)güter ©egenftänbe be§ 
^erfteßenS unb be§ a3raud^en§ feien; bie perfönlic^en ©üter finb 
e§ nic^t minber (ügt. C. 2). 

S)ie aSetätigung be§ SSoIfeg für ba§ aSoIf^nermögen befd^ränft 
fic^ jebod^ nid^t auf bie ^ßrobuttion unb Äonfumtion ber ©ad^* 
guter unb bie jugel)örigen SBertung^projeffe. ®ie ^robuftion 
unb bie Äonfumtion ber ©ad^güter mären überl^aupt nid()t mög* 
lid^, menn fie nid^t non jebem anberen ©efittung^bereid^e ber ®e* 
feßfd^aft — nom 91iebertaffung§= unb 2:ran§portmefen, t)om 
©d^u^* unb ©id^erl^eit^mefen, oon ber 2:ec^nif unb ber SWad^t, 
Don ber ©prad)e unb ber ^'unft, non Siedet unb 9ied^tg;pflege u. a. — 
unterftü^t mürben, ^ienad^ gibt e§, menn man unter a3olf§* 
mirtfd^aft bie ©ac^güternerforgung be§ a3otfe§ nerftelien miH, eine 
jureid^enbe ajolf§mirtfc^aft§Ie^re rein für [xä) m6)t 9tur al§ ©lieb 
ber ©ojiotogie ift eine nollftänbige Stationatöfonomie möglieft. 

© (^ a f f l e , 9lbrtB ber <SojtolOflte. 8 



— 114 — 

®ag crmeift fid^ uniüibcrlcgtid^ an jenem 2lbfc^nitt ber aSoIfS* 
n:>trtfd^aft§Iet|re, welcher nid^t ber ^robuftion, ßi^fw^^tion unb 
Äonfumtion, fonbern ber SBerteilung ber ©adigüter geroibmet ift. 
@§ ift bie ©efamt^eit ader tätigen Sßortgbeftanbtetle, ba§ gange 
^anbeln be§ SBolfeS, n)a§ bie ^Beteiligung SlQer an ben @vjeug» 
niffen ber ©ad^güterprobujenten — teil§ in entgettlid^en, tei(g 
in unentgeltlid^en, teitS in familientiaften, teil§ in rein fojialen^ 
teite in prioaten, teils in öffentlid^en 93erfet|ren — vermittelt. 

aWan mirb bie Seigre von ber Urerjeugung, oon ber gemerb* 
Kd^en Umarbeitung unb com SBarenl^anbeL beögleid^en oon ber 
^reiSbitbung ber Kapitalien unb ber in ^robuftion unb Umfa^ 
ber ©dd^güter aufgel^enben S)ienfte, einer befonberen gac^miffen« 
fd^aft immer oorbel^alten muffen; aber fraglid^ ift e§, ob nad^ er« 
folgter SäuSbilbung ber ©ojiologie aud^ bie ^reiSbilbungen 
unb aWärfte für aßen übrigen SBerfel^r in ©ad^gütern, 2)ienften 
unb 9lu^ungen unb ob bie ganje Konfumtion — nid^t bto^ bie 
ber ^ßrobuttion unb bem Umlaufe ber Sackgüter gemibmete Son« 
fumtion — in bie SßoltSmirtfd^aftSlel^re einbejogen bleiben muffen. 

S)ad SSolfdüermÖgeu ift ^eute fic^erltd^ nic^t in tbealer SEBeife t)er« 
teilt unb bie fog. SSerteilung bed SSolfdetnfommenS in feiner ^eife t)oll'' 
lommen. S)arum ift eg bod^ eine grobe ^i^^lc^^c vermeintlich befter 
greunbe ber Älaffe ber 4)anbarbeiter, baß ba§ SSoIf^üermögen nur 
SBerl ber ©ad^güter probujierenben ;,^2lrbeiter'' unb 
lünftig fo ju uertcilen fei, um jebem ,,?lrbeitcr" ben öoHen Ertrag 
feiner Arbeit ju fiebern. ®ie ©ad^gütcr finb nic^t bloß ,, geronnene 
Slrbeit", ha eben in ben ©ad^gütern al^ fad^lid^er SSerlörpcrung t)on 
Strbeit baS 5ßcrf6nli(^e abgeftreift unb bafür raumjeitlic^e Siyierung 
außerhalb ber ^JJerfon gegeben ift. 3cbe^ Sackgut ift ferner ßr^ 
gebnid be^ aRitmtrfend aud^ ber Arbeit ber ni^t probujierenbeu ©tänbe 
unb Klaffen, aller nid^t parafitifdöen ©d^ic^tcn be§ SSolfeg. ®ie 
©ad&güter finb, je ^ö^er bie (gntwidfelung ber aSolf^toirtj^aft gebieten 
ift, befto ttjeniger nur ba§ ^robuft ber jüngften ^robuftion^pcriobe, 
unb fie bürfen ebenjowenig als nur für bie Sflu^ung ber ®egentt)art 
beftimmt angefe^en toerben. Seine ®encrotion probugiert aÜeS burc^ 
i^rc Slrbeit o^ne Uebernatime üon ©oc^gütern auS ber |?anb üon ®ene? 
rationen, welche üorgeorbeitet ^aben, unb jebe hinterläßt me^r ober 
toeniger SSorarbeitSprobufte on bie folgenben ©efc^lec^ter. 3)arum ift 
e§ ööHig auiJgefdöloffen, baß jebeS S^biöibuum ben „öoßen" (Srtrag 
Der Slrbeit, gcfc^ioeige „feiner" Slrbeit je erlangen fönne unb ju Der* 
langen berechtigt fei. ®ai5 4)öcöfte, toa^ erreid^t werben lann, ift, boß 
am öerteilbaren äSolföeinfommen ber leiftunggfäl)ige leil ber ^robu^^ 



— 115 — 

gcntcn im SSer^ältni« bcr Sciftung bctcilt werbe unb bog für bie 
leiftungöfd^wac^en ^nbiöibuen öffentlid^e ober pribate Steid^ungen bi« 
jur Scfriebigung be« SlotbcbarfcS ftattfinben. 

6. ®a§ aSoIfgoermögen aU SBorrat (Slffumu« 

t a t i n). 

2lud^ ba8 S8ott8t)crmögen ift elementar nid^t l^inreic^enb ge* 
Toürbigt, roenn man nid^t beachtet, bag e§ — in ©eftalt ber 
gal^rl^abe, mie ber Siegenfc^aft — Sln^äufung, 2lnfammlung, SBor«^ 
rat ift. ^n il^m fte^t fc^on oermenbung^bcrcit jur Sßerfügung, 
maS J^erfiedbar ift. 

äluf älftumulation be§ unbemeglid^en mie be§ bemeglic^en 
S3ol{St)ermögen§ beruht aud^ ber ununterbrod^ene Fortgang be§ 
SebenS unb ber ©ntmidfclung eine§ Sßolfe^. 

®a§ ift bcr SBiffenfd^aft von ber fojialen ©ac^gütert)erfor« 
gung menigfteng bejüglid^ ber ^robuftionSmittel nid^t entgangen. 
®ie Seigre com Kapital l^at fomo^I bie Derbraud^üd^en, „um* 
laufenben", „jirfulierenben" ^robuf tionSmittet , aU bie „ftel^en* 
ben", „fijcn" ©ebraud^Smittel ber ^robuftion unb beS ^anbete 
eingel^enbft gemürbigt. ®üS Kapital ift jeboc^ nid^t bie einjige 
®rfd^einung ber Slffumulation im 33ereic^e be§ aSoIföoermögenS. 
Slße anberen 2:ette beS festeren bienen nic^t minber bem ^iiföm^ 
men^ang ber ©efittung in ber Qtxt 

®rei ?ßunfte fmb Don befonberer SBid^tigf eit : 

1. ®er aitfumulation, meiere im SBolfSoermögen liegt, ift faum 
eine ©renje gefegt; benn ba§ bewegliche SBolföoermögen ift faft 
unbefc^ranft oerme^rbar, ha^ unbemeglid^e aber oerbefferbar 
(©. 94 ff.). 

2. ®ie 93erm6gen§aff umulation eines 93olte§ mirb mirffam auc^ 
für alle anberen SBölfer, fomeit ate ba§ Vermögen bemeglid^ ift 
unb mirflic^ ftnb nid^t blog bie ^^ßrobuftionSmittel ©egenftanb 
internationaler Uebertragung. 

3. 2)ie 2lftumulation mirb eine immer reid^ere unb jut)er* 
läffigere SBoroerforgung, ba bie oerbraud^lid^en ©ad^güter immer 
mel^r l^altbar unb bie ©ebraud^Sgüter immer mel^r nad^l^altig braud^» 

bar l^ergeftellt merben. 

8* 



— 116 — 

®te SBcrtiättniffc bcr SBermögen^aKumutation liegen bei 
„jungen" unb bei „alten" aSötfern oerfdiieben. ®inem an frud^t» 
barem greilanb noc^ reid^en SBoIfe fielen weniger reid^e ©ad^* 
güteroorräte ju ®ebot, e§ ift „fapitatärmer" ; ba§ flel^enbe ober 
®ebraud^§r)ermögen eineS fold^en SBoIfeS fte^t an ®rö§e unb an 
Dualität (S)auer^aftigteit) l^inter bemjenigen älterer SBötfer ju* 
rüdE; haS öffentlid^e ©ad^güteroermögen junger Sänber wäd^ft unb 
oerDoHfommnet jtd^ nur aHmäl^Ud^. 3»«nge Sänber finb in ber 
Sage, il^re relatit) geringere SBermögenSanfammlung burd^ il^ren 
relatio größeren ©obenreid^tum au^jugleid^en; alte ftnb ba* 
gegen in ber Sage, relativen aJlangel an rool^Ifeiler 93obenfraft 
burd^ i^ren größeren 9ieid)tum an ftel^enbem SBermögen, „Kapital" 
unb 2lrbeit aufjuroiegen. ®ie einen unb bie anbern liaben fid^ auf 
il^r ftar!e§ ®Iement bei fid^ felbft ju [tilgen, aber auc^ einanber 
ju ergänjen^). 

C, 2)ie »eöäaetittig. 

©einen britten unb l^auptfäd^tid^en 93eftanbteit l^at ba§ SBoIf 
an ber Seoötterung, bem Qf^begriff aHer fein Sanb berool^nenben, 
nad^ 3tbftammung, ©efd^ted^t, 2llter, leiblid^er unb geiftiger 93il* 
bung oerfd^iebenen -3nbit)ibuen. 

®en ^auptfäd^tid^en SBottgbeftanbteil bilbet bie SBeoöIferung 
aU ba§ Clement aUer im SBotfe gelegenen ^anbtung§fä^igfeit. 

3Jlan fann perfud^t fein, bie 93eoötferung at§ ben ©efamt* 
beftanb ber „perföntid^en ®üter" ju bejeidtinen unb fie ate fold^en 
bem ®efamtbeftanb ber ©ad^güter, bem SBoIf^oermögen, gegen« 
überäufleHen. Qn jebem ber üielen bie 93epölferung auSmad^enben 
Qnbiüibuen finb mannigfaltige Kräfte aufgefpeid^ert, n)eld()e au§* 
lösbar unb au^gelöft mertooHe SSraud^üc^feiten jur ®igenpern)en« 
bung unb jum S)ienft für anbere, atfo ®üter perfönlid^er Slrt 
barfteden; in ben SBerfeliren fommen biefc 3lu§I6fungen in ben 
S:aufd^ gegen ©ad^güter. 3Jlan mirb bennod^ beffer tun, ben t)on 
ber tl^eologifd^en @t^i! gemünjten unb oerbraud^ten S3egriff ber 

1) 3^ür bie internationale ^Igrar- unb §anbel§poUtif wirb fid^ bie 
S8erfd^iebenl)eit ber Slüumulationgoerpltniffc junger unb alter ßänber 
a(§ roeittragenb erweifen. 



— 117 — 

perfönlic^cn ®üter tücnigftcnS bei bcr elementaren 93etrad^tung ber 
93eoölferung ju oermeiben. ^n ben SBorbergrunb mu^ gerüdt 
werben, ba^ bie 93et)ölferung ba§ aftioc ber brei SBoIfSelemente 
ift; t)on ben perfönlid^en ©ütern, 2:ugenben unb Saftern gelangt 
man aber nid^t letd)t jur SlarfteUung ber 93eDöIferung als ber 
2:rägerin aller ^anblungSfätiigfeit. 

ajlan barf bei ber ©lementaranalpfe ber 93er)ölferung nid^t 
oergeffen, ba^ bie 93et)öKerung für fid^ — lo^gelöft oom SBoIfe 
unb vox bem Sßolfe, loSgetöft pom Sanb unb oom SBoIföoermögeu 
unb oor beiben — ntdtjt beftel^t. 3)a§ ganje SBoIf, b. 1^. bie Se*= 
oölferung in ber 93crfnüpfung mit Sanb unb bem SBoIföoermöge« 
entfprid^t ber ootten aaBir!Iid)teit. ®a§ 93oIf ift ba§ Seben^ooHe; 
il^m mirb aße Srcube unb alle§ Seib juteit; in il^m gtülien alle 
Seibenfdjaften ; ta^ 33olf ift glürflic^ unb unglürflid^. 

9tur an biefer ©teile ift bie 93eoölferung gebanflic^ oom 
aSolte lo^julöfen, um bie fonftituicrenben ©lemente aller §anb* 
Iung§fäl^igleit, um bie ®runbtatfadt|en be§ ^anbelnS felbft er* 
faffen, b. I). bie ©runbeigenfd^aft be§ britten ®lemente§, bie Slfti^ 
oität, in§ Sid^t fteden ju fönnen. 

S)ic folgenben wenigen 3"fäfe^ h^^ Scöölfcrung^lc^re entspringen 
ntdöt ^awptfädjlid^ einem apologetifc^en 93ebürfni§ ben SSeröd^tern meiner 
©oiiologie gegenüber, gwar |abc id^ burc^ bie SJergleic^ung ber ©in- 
l^eit ber Scööllerung, bc§ ^nbioibunntg, mit ben fferngebilben ber 
organifd^en 3^öc Slnftog erregt. SlDein bie ©leic^fteHung bciJ gnbibi* 
buumS mit bem Stüttxn \)ahe id^ mit feinem Suc^ftaben trgenbloo mir 
erlaubt : ber „l^^perorganifd^e" E^araftcr beS aftioen @(enient§ be§ 
©cfeDfc^aftSförperS mürbe auSfül^rlid) bargelegt ^). ®ic biologifdöe 
Slnalogie mar al{o auc^ ba nid^t SSel^auptung t)on ©leicbmertigfeit, 
tonbern äRittcl ber SSeranfdöaulic^ung beiJ eigentümlid^en SBefenS ber 
Seoölferung aU be§ Sräger« ber Slftioität gegenüber bem paffiben 
Sertialten be§ SSolI^bermögen^. S)ieje ajcrgleid^nng mar eine böUig 
jutreffenbe. gc^ fann fie jeboc^ faßen laffeu, o^ne bog ic^ barum üon 
bem früher über bie Seoölferung Semerftcn ein 3ota jurüdE^une^men 
brandete. * 5)ie SSergleid^ung beg gnbioibuum« nid^t mit bem Seßfern, 
fonbern mit ber ganzen ßeße (ü. Silienfelb) märe anfed^tbar ge* 
mefen, ba bie in ber geße mitent^altene 3nter5cßularfubftanj eben nid^t 
Trägerin, fonbern SRittel beiJ Seben§ ift, loie ba§ SSolfäoermögen als 
aWittel aßer fojialen ^ftton fid^ barfteßt; id^ bin barin mit boBem 
©emugtfein bem SSorgange b. Silienfelb^ ni^t gefolgt. 

1) „93au unb 2zUn\ 1. Slufl., I, <S. 96-212. 



— 118 — 

äBaS an bicfcr ©teile jur SSeoölferungsIel^re gefagt wirb, t|at 
ben Qxotd, bie ©teKung beftimmt ju bejeidinen, roeld^e ic^ bem 
©egenftanbe im ©riftem ber aKgemeinen ©ojiologie nunmel^r ju« 
löeifen möd^te. ®ie öeoölferung ift ^ier bQ§ ©lement ber ^anb* 
lungSfä^igfeit be§ SBolfeg. S)Qmit bleibt baSjenige in ben SBorber« 
grunb gefteHt, n)a§ bie nun fallen gelaffene SJergleid^ung mit 
einem einzigen äBort oeranfd^aulid^en mollte. 

S)er Slnalrife be§ ®lemente§ ber §anblung§fd^igfeit foH bie 
Slnal^fe ber ©lementaroorgänge beS ^anbelnS folgen, ^iemit 
wirb unmittelbar oor ben erften ©egenftanb ber ße^re oom or* 
ganifierten Sßolföförper, bie ^erfonenlelire nämlid^, bie ©runblage 
biefer le^teren Seigre liingefteHt fein. 

1. ®ie93et)ölferung al§ ba§ Clement aller ^anb« 
lungSfal^igfeit ober ber ?ßerfönlic^feit. 

a) S)te Ictbltrf)e unb geifttge SBcranlagung bcr93et)öl!e- 

rung jum $anbe(n. 

3)en 2lu§fü^rungen, meldje l^ieju in „Sau unb Seben" ge* 
geben finb, ift nid)t§ l^injujufügen. 

2lud^ an ber ©teHung be§ @egenftanbe§ im ©gftem ber ©o* 
jiologie l)ätte ic^ ttwa nur ba§ eine }u änbern, ba§ id^ bie fog. 
„SJlaffenjufammenbänge" au§ ber Se^re oon ben ^lementaroer* 
binbungen in bie 93eoölferung§lel^re oerfe^en möd^te. 

93eibel^alten mürbe id^ bie ©d)eibung ber pj^gfiologifd^^pfg- 
d^ologifd^en ober ant^ropofojiologifi^en oon ber rein fojiologi^ 
f^en 93etra^tung. ®ie festere ^ätte bie oon ber ©efellfd^aft 
lieroorge brachte SSeranlagung getrennt oon ber natürlid)en SSeran* 
lagung für baS ^anbeln jum ©egenftanb ju nel^men. 

Sei ber ant^ropofojiologifd)en Setra^tung mären meiter bie 
pll^fifc^en unb bie pfr|d)ifd^en ©lemente ber Veranlagung jum 
^anbeln au§einanber ju galten. 

2llle in ber Seoölferung liegenben ©lemente ber ^anblungS- 
fäl^igteit mären erft in ber Sinjelerfd^einung an jebem Qnbioi* 
buum, bann in ber SJlaffenerfc^einung an ber ganjen 93eoölferung 
aufjufaffen. 



— 119 — 

®in antt)ropofo}iologifc^er Seil bcr 93eoölferun9§lel|rc lüirb 
bejüglid^ bcr Iciblid^cn SJcranlagung jum SSoIf bie ©igcnfd^aftcn 
be§ menfd)Iid)en ®cl)irn§ unb ©d)äbcfö, bic ©prad^fä^igfcit, ben 
93eft^ bcr §anb, bcn aufredeten ®ang, bie 33en)cgung§== unb Slffli* 
watifationSfäliigfeit, bie ©efd^lcdet^* unb Sttlter^perfd^iebcnticit, bic 
SRaffe unb bie 2lb[tammung tiauptfäd^Ii^ fterportel^rcn muffen, 
^er rein fojiologifdie Seit einer SScDölferungSlel^re bagegen wirb 
e§ mit ben geiftigen 2lnlagen, bcn eigcntlid^cn Kräften be§ SJlaffen* 
t|anbcln§ }u tun l)aben. 

3)ie foj(iologifd)e S3et)ölferung6lel)rc lie^c eine gro^e Südte 
offen, menn fie an bem vorübergehen mü^tc, u)a§ „öau unb Sc* 
ben" aU bie „9}laffcnjufammenl|änge" bcr OcfcKfdeaft bcicid^net 
l^at. Qdj gebe iebod) ju, ba§ man biefem ©egcnftanbc auc^ eine 
anberc ©tettung, aU er fie in „Sau unb Seben" gefunben l)at, 
jumeifen fann. 3)ie aJlaffenjufammcntiängc (Sanbgmannfd^aft, 
Sladibarfd^aft, SSermanbtfd^aft, ©tanbe§* unb ßlaffcnjufammen* 
^ang, @Iauben§jufammenI)ang, ^Rationalität u. a.) mcrben nid^t 
JU ben @rfd()einungen ber organifierten SJerbinbungen ju jäl^tcn 
fein; fie finb bafier auc^ ni(^t Srfd^cinungcn ber ^erfönlic^fcit, 
fonbern SWaffenerfdecinungen be§ aftioen aSoIf§elemente§ unb 
!önnen bal)er, fomeit fie nic^t fc^on in ber Se^re t)om Ocfett:' 
f^aft^bemugtfcin beamtet finb (©. 70), in bie a3et)ölferung§let|re 
gemiefen merben. 

Sincn üon ben realen ajlaffenjufamment|ängen b^er S3coöltc= 
rung ^anbclnben Seil ber ^opulationiftif fönnte man in bem 
ajlaffcnjufammenl^ang ber „fprad)li^en 9?ationalität" gipfeln laffen. 
©prad^jufammen^ang ift Scüölferung^^ nic^t territorial* unb nid^t 
@tamme§ju[ammenl)ang ; er ift ber unioerf eUfte (Seifte^sufammcnl^attg. 
3)ie ©teHung ber fprad^lid^en ^Nationalität auf bie |)o^e be§ 31b* 
f^nitte§ t)on ben geiftigen 9}laffcn}ufammenl)ängen mürbe ftd^ alfo 
red)tfertigen laffen, unb für bie Seigre oom SJoIfötum lie^c fid^ 
I)ier ber ®runb legen. 

b) ^ic S äti gleit be§ SßoIfeS f ür bie SBcoblferung. 

3)ie Seoöltcrung ift nid^t blo^ bie (Srunblage aller Slttioi* 
tat, alle§ §anbeln§ für bie S3ebürfni§befriebigung, fonbern aud) 



— 120 — 

@egenftanb, \a bet l^auptfäd^It^fte ©egenftanb aßet ^etötigung 
be§ $oI!e§. 

ff 

®ic pl^^fiologifci^c ®r]^altung unb SScrgrö^crung bcr ^z^ 
oölferung burd^ gortpftanjung ift ©runbfunftion bcr gamilic. 
Sluf bcn leiblichen Unterhalt, auf fötperlic^e S3en)Ql)rung, auf 
©d^u^ ber ©efunbl^eit, auf Unterricht unb ©rjiel^ung, auf 2lu§« 
breitung unb 95ert)oüfommnung ber 93ilbung ber 93et)ölferung, auf 
Pflege iEireS religiöfen @inne§, auf bie Sefriebigung im ganjen 
unb im einjetnen, auf ba§ @Iüdt ber 93eoölferung ift bie aSoIf§* 
tätigfeit gerichtet. 

S)a§ (Slücf ber 93eoöI(erung fann jmar nid^t erreid)t werben, 
ol^ne ba| bie üerfd^iebenen Sßoßginftitutionen jur 2lu§bilbung ge* 
langen, allerlei ®emeinfd)aften eingegangen unb bie üerfd^iebenften 
aSerfel^re gepflogen merben. @§ fann auc^ nic^t erreid^t merben, 
o^ne ba| ba^ fianb immer me^r melioriert unb ba§ aSolf§oer'= 
mögen immer metir au^gebitbet mirb. 2lIIein nid^t für i^re ^n^ 
ftitutionen, i^r Sanb unb it|r SSermögen ift bie 93ei)ölferung ba, 
fonbern biefe finb um ber 93eoöIferung mitten. 9Jlan mag biefe 
Sttnfid^t als „eubämoniftifd)" bejeid^nen, fie brandet barum nidt)t 
unrichtig ju fein. 3Jlan fe^t mit i^r ben äBert ber eingelnen Qn^ 
ftitutionen unb ber gefamten ©efittung nid^t l^erunter; benn ba§ 
fubjeftioe ©lüdt ber 93eoölferung ift nur burc^ l^öcf)fte objeftioe 
SBerooHfommnung fämtlid^er Qnftitutionen erreichbar. 

S)ie SSerfnüpfung ant^ropofoiiologif^er unb rein 
fojiologif^er SeüölferungSle^re. SBenn im üorfte^enbcn eine 
S^eibelinie jiuijd^en ant^ro^jofo^iologifc^er unb rein jo^iologUc^er ^^5opii* 
lationiftif gcjogen ift, jo miH eine boppelte ©infcitigteit üermiebcn toerbcn: 
einmal bie ©infcitigfeit einzelner SScrtreter bcr Slnt^ropologic, tücldöc alle 
@05ialtt)iffcnf(ftaft in Slntl^ro^jologie, fogar bieg in ber SRaffcnlcl^rc auf* 
gc^cn laffcn motten, bann aber aud& jene anöcrc ®infeitigfcit, ttjcl(fte 
oHem unfo^iologijc^cn 9(ufbau bcr jo5ialen ga^miffenj^aften faft unücr- 
meiblid^ fic^ anheftet, nömU^ baS üöHige Slbfc^cn t)on bcr biologifc^' 
pj^^ologif^cn Scbingt^eit beö SSolföba|ciiig. SBirflic^c ©ojiologie fann 
feiner btefer jmci ©infeitigfciten pm Dpfer faUcn. S^bcffcn wirb noc^ 
mcl^r crforbcrlid^ fein, al§ ant^ropologijd^e unb fo^iologif^e Sc^anb- 
lung ber ScüöIferungSle^rc nebencinanber. ®tc ©ojioIoQie mirb auc^ 
nid^t überfe^en bürfen, baß miffenfc^aftli^e gäben 5mijc^eu bcr antJ^ropo- 
fo5ioIo9ijc^en unb ber rein jojiologif^cn Sc^anblung l^erübcr« unb 
l^inüberlaufcn. ^n bcr lat, meine i^, ttJürben nic^t einmal bie bcfon*= 



— 121 — 

beten öeibegüeranlogungen be§ ÜKenjc^en jur ©efeHj^aft — bad ntenfc^* 
Uc^e ©e^irn, aufrechter ©ang, Sage unb Sefc^offen^eit be^ SJe^lfo<)feiJ, 
ber Sefi^ bon ^anben ftatt bon SSorberfügen, bic ©d&äbel^ unb ©e^irn* 
®nttt)i(felung — erflärt merben fönnen (menu bie ©rflörung uberfjaupt 
gelingen fann), o^ne bog ju ber grage Stellung genommen toirb, wie 
weit bie ben SKenf^en über bie Slffen^erbe ^inauSfül^renbe 3lrt ber 
©efeüfd^oftung an ber ®ntftet)ung ber antfjropologifdöen Eigenart ber 
SeböHerung Anteil gehabt ^at. S)ie nmge!e^rte Söerbinbung ant^ro<)o* 
fojiologif^er mit rein fojiologifd^er Setra(fttuug für bic fulturgefc^i^t* 
lid^e ®rflärung ift ^eute faum met)r bernad^Iäffigt. 

c) ^ic „S8ctt)cgung ber SBeoöIfcrun g". 

S)ie 33et)ölterung erfätirt unau^gefe^t eine ©ubfianjüeränbe« 
tung burd^ S^gcing wn Sleugcborenen unb burd^ 2lbgang von 
©terbenben. ©ic beftnbet fid) burd) Oeburten unb 2:obe§fäüe in 
bel)arrtid)er SJeränberung übcrtiaupt unb in SBeränberung ber 
3Jlaffenoerl^ältniffc nad) @efc^lcd)t unb Sllter. ®iefe fortgefct^te 
aSeränberung l^at man fici^ geraöl^nt, bie „93en)C9ung" ber Seoöl* 
ferung ju nennen, ©ie ift numerifc^e aSeroegung, entroeber al§ 
93eoöItcrun9§}una^me ober al§ S3et)ölferung§abna^me. 

ajlit ber numerifd^en Semegung ift nur bie eine ©eite ber 
Seoölferunggberoegung erfaßt, biejenige, roeld^e fic^ ftatiftifd) genau 
erfaffen lä^t. ®ic anbere, nic^t minber n)idt)tige ©eitc ber S3e=' 
t)ölferung§ben)egung ift bie qualitatioc öeraegung. ©ic beftetit in 
ber Ieiblid)*geiftigcn Sßcrüoßfommnung ober aScrfc^Ie^terung ber 
©cfamtbcDÖIferung ober einjelner ©(^id^ten ber Scoölferung, in 
ber aScrooütommnung ober aSerfd^led)terung nur einjelncr ober 
üieler ober attcr Gräfte unb 2lntriebc be§ ^anbeln§. 

®cr numerifd^cn SJermelirung ber 93et)ölfcrung erf^eint pl)t|s 
fiologifcf) feine abfolutc ©rcnjc gefct)t, wenn man aud^ bie 3^or- 
mulierung bicfcr 93e]^auptung bei 9Jl a 1 1 1) u § , wonad^ bie S3et)öl* 
ferung bie S:cnbcna ptte, in geometrifcf)cr ^rogreffion au n)ad)fen, 
nid^t genau ncl^men barf. 3)er ptigfiologifc^ unbegrenjten 33er^ 
mel^rbarfcit ftel)en jcbod) ©d)ranfcn entgegen: einmal bie Unocr* 
me^rbarfeit bc§ 93oben§ mit i^ren junel)menb fül)lbaren %olQtn 
(©. 94 ff.)/ jmeiten^ bic ajienfd^enoernic^tung burd) bic ©cfell* 
fd^aft fclbft (^rieg, 2Iu§beutung u. a.), burc^ bic ©Icmcntc unb 
bur(^ fd^äblid^c Sebemefcn, mit meieren ber 9Kcnf^ niemals ganj 



— 122 — 

fertig wirb. Qmmerl^in nimmt mit bcr Sunft, Seben unb ®c« 
funbl^cit ju fd)ü^cn, ber jmeitc bie 93et)ölferun9§iuttal^mc ^cmmenbc 
Sinflufe ab, mäl^renb bic anbete Hemmung ber pl^rifiologifciö mög* 
lid^en aSolföjunaI)me, bie 9lal|rung§erfd)n)erung, mit bem immer 
mel^r ooUftänbigen unb intenfioen Slnbau ber bemoEinbaven ®rbe 
junimmt. 

©in fefteS 33er^ältni§ ber ßw^ö^me, etma bie 3una^me in 
arit^metifd^er ^rogre[fton, giltig für alle SSöIfer unb für alle @nt* 
midflung^ftufen be§ einjelnen 9SoIfe§, lä^t fic^ nid^t bel^aupten. 
93ei ganj gefunber ©ntmidfelung mu§ ftd^ bennoc^ ein 33olf bem 
©tillftanb ber SSerme^rung näl^ern. 93ei pat^ologifd^er ©ntmicf elung 
fann bie S3et)ölferung meit unter ben ©tanb l^erabfinfen, meldten 
ber 93obenanbau unb bie ^rigiene an unb für fid^ geftatten mürben. 

dagegen fmb ber „qualitatinen" 2lufmärt§bemegung äußere 
©d)ranfen nid)t gefegt. 3)ie fteigenbe Sernodfonimnung ber 33il' 
bung^mittel bei finfenben Soften (©. 112) ermöglicht eine allgemeine 
SBeiterüerüotlfommnung, beren ®nbe no^ nid)t abjufelien ift. ^ixx 
bie patl^ologifd^e 2lbmärt§bemegung ber Seoölferung in qualitatiner 
^infi^t laffen fid^ aD[erbing§ unüberfd^reitbare ©renjen au^ m6)t 
feftfteüen. 

S)ie ©tellung ber SSemegung ber Seöölferung im 
©Aftern, ©ine öoUftönbige ßrtlärung ber ©eroegung ber S3et)ölfermtg 
läßt fidö erft in bcr Öel^re t)om 5Solf als einer ®efittungSeinl)eit (I. ^Ai., 
f^ntljetifcbe feauptabt.) geben. ^i\x bie ©ntmidfelungSle^re ift bie 83e= 
toegung ber S3eüölferung 5tüar ein ipaiiptgcgenftanb ; aber m(^t erft in 
ber ©ntlüidelungSle^re ift bie Semegung ber Seüölferung in Setrac^t 
5U nehmen, wa§ in „?3ou unb üeben" gef^el)en ift. 

d) ^te Söeoölferung al§ 3l!f umulation. 

Slud^ bie 93et)ölferung ift al8 ein mädijtiger ©efamtoorrat be§ 
SBotteS an perfönlidt)en ©nergien be§ Seibe§ unb be§ @eifte§ eine 
®rfd^einung ber 2lffumulation. 

3)ie ^epölferung ift eine 3^ortpflanjung§* unb Unterl|alt§:', 
eine ®r}iel^ung§* unb 93ilbung§]^interlaffenfd^aft au§ ber ganjcn 
aSergangenl^eit be§ 9Solfe§ unb bie ©runbtage be§ SBeiterbeftanbeS 
für bie tommenben ®efc^led)ter be§ 93olfe§. 

3)ie 2lnt|äufung non S3et)ötferung ift bie ©runblage aller 



— 123 — 

SBoIf^cntiüicfclung. O^nt bic Slnliäufung bcr ßeibe§* unb @tx\k§^ 
cnergien, toeld^c bic ocrgangcnen ©efc^Iec^tcr l^intcrlaffen l^abcn, 
löäre bic ©cgcnroart be§ aSoIteg nid^t möglid^, unb o^nc bic 
^intcrlaffung einer Iciblid^ unb gciftig träftigen, cbenfo jal^Ireid^cn, 
«bcnfo gcfunben unb gcbilbcten neuen ©encration wäre bie Qn^ 
fünft bc§ 33olfe§ nid)t gefid)ert. ®ic 3wna^me bcr 33epölterung 
an 3öt|I unb an 93ilbung ermöglicht eine l^ö^erc 3utunf t ; bic 2lb* 
na^me bagegen fül^rt jum 33erfafl. Keine ©encration l^at geift« 
leiblid) wie befi^Iid^ aflcg, xoaS fie l^at, nur burd^ fid^, fonbern ift 
®rbin, unb feine wirft nur für fid^; jebe ift aud) Srblafferin. 

®ie Slnl^äufung ift aber gegenüber ber 2lffumulation im un* 
beroeglid^en unb im ben)eglidt)en Seil be§ 9Solf§oermögen§ eine 
eigentümliche : 

fic ift nicljt unbcfdjräntt mie beim 3JJobiliaroermögen; 

fobann ift fie nur möglich burd) beliarrlidöe ©rneuerung ber 
93eoölterung mittete ununterbro^cner 2lu§Iöfung ber ©nergien; 

biefe Energien ftnb nur in einem beftimmten 2lbfc^nitt ber 
ganjen Scben§jeit aller Qnbipibuen, meld^er nid^t meit l^inaufgerüdft 
merbcn lann, nur in beftimmten SJlltcr^flaffen, nid^t in ber ganjcn 
93et)ölterung, angehäuft, unb bie 2lftumulation verliert burc^ allen 
9ti^tgebraud^ ber in ber 93et)ölferung liegenben Snergien. 

®ie einjige 2lffumulation in ber Seoölterung, für meiere 
nod^ feine ©renjc abjufe^cn ift, beftelit in ber SBeraUgemeinerung 
unb aSerooUfommnung non ©efunb^eit unb Seibe§fraft, namentlid^ 
aber t)on geiftiger S3ilbung jeber 2lrt. 2luc^ biefer Slffumulation 
bienen befonbere ^auptanftalten be§ 9Solfe§^). 



l)3wr territorialen S8cüölferung§fapajttät fteßt 
tHatjel (3lntf)ropogeo0r. II, ^op. 8) folgenbc Sßerte in Äopf§af)Iett pro 
Cluabratmcile auf: !3d0cr=^ unb Qrtfd^croölfcr in h^n ^Ranbgebtctcn bcr 
€>e!umenc 0,1—0,3. ^ägeroöüer bcr ©tcppen 0,1-0,5. 3[^9eroölfcr mit 
etn)a§ SldEcrbau 10-40. g^ifd^croölfcr auf fd^malcn lüften- unb S^lu^- 
gebieten big 100. §trtcnnomaben 40—100. Sfiomabcn mit 3ldEerbau 200 
bt§ 300. 5ldcrbauer mit Slnfängcn oon ©cwerbc unb Sßerfef)r 100-300. 
^(fcrbaucr mit JJifd^fang big 500. Sänbcr be§ ^^lam im fteppcnl)aftcn 
Sßcftdfien unb @uban 200—500. gunge fiänbcr mit curopäifd^cm Sldtcr» 
bau 500. ^Umatifd^ unbegütiftigte Sänber @uropa§ cbcnfooiel. fReine 



— 124 — 

2. ®ic ®Icmentartatfad^ett bc8 ^anbelnS. 

S)a§ ^anbcln ift SSctatigung ber in bcr 93co5I!crung liegen* 
ben leiblid^en unb geiftigen ©nergien, 93etätigung be§ ganjen 
SDBoBeng, gü^IenS unb ®en!en§ burd^ l^anblunggfa^ige ©injel* 
perfonen unb burd^ ©emeinfd^aften. 

2ln biefer ©teile ift nod^ nid^t ba§ organifierte ^anbeln ber 
Seoölferung }u betrachten. ?tur bie @tementartatfad)en ber 93e* 
tätigung menfd^lid^er ©nergie ftnb ju jergliebern. Unb nur baS 
^anbeln an fid^, nid^t bie ©d^ranfen unb" bie 9l6tigungen, bie 
it|m burc^ bie 9latur unb in ber ©efeUfc^aft gejogen unb auf* 
erlegt finb — nid^t ha^ ©oHen, 3)ürfen, SWüffen — ift an biefer 
©tette JU erfaffen. 

S)ie menfd^Iic^en Sftibioibuen , au§ roeldien bie Seoölterung 
beftel^t, ftnb $:räger aller Sattraft für bie 93efriebigung aller 
93ebürfniffe. 

9lud) ba§ 2:ier \)at öebürf niff e , ftnnlid^e Sebürfniffe unb 
beft^t bie Kräfte jur S3efriebigung feiner ftnnlid^en 93ebfirfniffe. 
S)er 3Renfc^ ^at neben ben fmnlid^en 93ebürfniffen aud^ per* 
nünftige Sebürfniffe unb S^attraft für bie 93efriebigung beiber — 
er 1^ a n b e 1 1. 

©eine Sebürfniffe gel)en nid^t blo§ auf äußere ©ad^en, fon* 
bern finb aud^ auf perfönlic^e ßeiftungen, auf anbere au^er il|m^ 
nic^t bIo§ auf anbere§ aufeer il|m gerichtet. 

®er letzte metapl^rififdie ®runb be^ 93ebürfniffe§ ift für unfer 
geiftige§ 3luge unerreid)bar. S)a§ Sebürfen unb bamit bie 9löti* 
gung jum ^anbeln ift eine gegebene Slbtiöngigfeit be§ Seberoefen^ 
oon anberem unb anberen. ®iefe 2lbl^cingigfeit fommt bem 9Jlen* 
fd^en im S3ebürfen jum S3en)u§tfein ; ba§ 93ebürfni§ ift e§, voa^ 
bie 2lnregung jum ^anbeln gibt; bie 93efriebigung üon 33e* 
bürfniffen aber ift ba§ Qkl atle§ ^anbetn^. 

Slrferbaugcbietc 9Kittcleuropa§ 4000, reine 3ldterbaugebtcte ©übeuropa^ 
4000. fRcine ^Iderbaugcbicte 3[nbtcn§ bi§ 10 000. ®emifrf)te ^Idcrbau* 
unb Snbuftriegebietc 5—6 000. ©cbictc curopätfrf)cr ®ro^tnbuftrte bi^ 
über 15 000. 



— 125 — 

3)ic Äraft jum ^anbcln, bic Siatfraft bcr S3coöIferung, 
liegt in bcn 9Sernunftfät|igfeitctt, bem SBoHen, %ixf)Un unb S)enfcn. 
2tber nid^t allein barin. ®a§ I)ei§e[te SBerlangen, ba§ glü^enbfte 
gül^Ien, ba§ flarfte ßraedoorfteHen ift nod) fein §anbeln. Um 
ein SBolIcn, über beffen jroedtmä^ige aScrnjirflicfaung ber QnteKeft 
unb über beffen SBert bQ§ ©efül^l befragt ift, jum ^anbeln ju 
ma(^en, e§ änbernb auf bie geiftigc unb materielle Ummelt mirfen 
JU laffen, ift meiter nötig bie Seibe§au§ftattung jur Ueberfe^ung 
be§ 3öolIen§ in bie 2^at — mit ober ol^ne Senü^uug äußerer 
§ilf§mittel (SBerfgeuge, SBerf mittel). ®ie fog. innere ©eifteg* 
tätigteit ift nod^ fein ^anbeln. 2llle§ ^anbeln ift l^ienad^ geiftig 
unb med^anifd) (pl)r|fiologifc^) jugleid^, in einem gaUe unb fpäter 
me^r ba§ eine, im anbem "^aüt unb früher me^r baS anbere. 

2Bie bie bemühten Erregungen jum ^anbeln, bie SBiUenS^ 
antriebe, in äußere öemegungen ober ^anblungen übergeben, in 
2:aterfolge umgefe^t werben, ift fo unerf orf c^Iid^ , mie ber 
Uebergang ber medianifc^en S3emegung oon einem 93itlarbball auf 
ben anbern. ©egebene SJerfettungen feelifc^er ©rregung unb na* 
türlid^er 93en)egung laffen au§ bem SBoHen bie 2:at tieroorgel^en. 
®er S^aterfotg gehört bem moHenben ©ubjefte nur fo meit an, 
ate biefe§ gemoHt l^at, ba§ er eintrete ober ausbleibe, unb nur 
bafür fann ba§ ©ubjeft fittlid) ober rec^tlici^ oerantmortlid) ge« 
mad)t merben. 2llle§ anbere ift ©rjeugni^ be§ 9JlecI|ani§mu§ be§ 
Seibe§ unb ber Slu^enmelt. Slur „in meiner ©ruft ift meine Zat 
noc^ mein" ^). 

®a§ ^anbeln ober bie 2:at ift SBillen^ooHjug. Q\)m getien 
innerlid^ jmeierlei 9teu§erungen be§ ®eifte§ ooran: einmal bie 
oerftanbe^mdfeige ®rmägung be§ §anbeln§ nad^ SJlitteln unb Söer* 
fahren, oerbunben mit ber geftfteHung be§ 3Berte§ ber ^anblung, 
jn)eiten§ bie geftfteHung be§ 3Bitlen§inE|aIte§ für bie 2lu§füt|rung 
ober ber ®ntfd)lu§. 

3)a§ ^nbioibuum ootljiel^t feine 3w^cfmä§igteit§* unb SBert^^ 
ermögungen unb ebenfo feinen @ntfc^lu§ rein innerlid), obmo^l 
e§ baju äußerer ^anblungen (SBerfud^e, SBered^nungen , Sarftel- 

1) SSgl. l)im ,,^CLU mt> Scben" erfte Slufl. I, 137 ff. 551 ff. 



— 126 — 

langen) fic^ bcbicnt l^abcn mag. SEBcnn in ©emcinfd^aft gel^anbelt 
wirb, mu§ ein mel^r ober roeniger t)crn)icfclte§ ^anbeln beS (Bx^ 
n)ägen§ unb ber 93efd^Iu|faffung ber 2lu§fü^rung oorangel^en. 

3)a§ ^anbeln ober aSerwirflid^en oon ®en)oßtem l^at oer» 
nünftigerroeifc ftet§ jroei ©eiten. @§ ift ein SWad^en unb ein 
aBerten ((Seltenbmac^en oon SBert), alfo SWac^t* unb 2Berterfd)ei* 
nung jugleid^. 

S)a§ ^anbeln ate 3)1 a c^ e n berul^t einmal auf einem können, 
welches oom Sßerftanbe bie SWittel unb äBege ber aSerroirflic^ung 
erfahren \)at ; ba§ aWac^en ift infofern Äunfttätigfeit, a:e^nif . ®a§ 
§anbeln ift aber aud^ ein SBerten; beim ^anbeln mirb immer 
barauf gehalten, nur SBcrtgefunbenc§ ju ma^en unb für J^inge»* 
gebenen SBert ©egenmert ju erlangen; aud^ baS SBerten bleibt 
fo menig mie baS SBoHen ein rein innerer SBorgang. 

3fm ^anbeln als bem in aSerrairflid^ung begriffenen SßoHen 
malten burd^ S^ec^nif unb SEBertung immer aud^ bie jmei anbem 
®eifte8!räf te , nämlic^ ber QnteKeft, welcher bie Sßorftellung x)on 
ben SJlitteln für ben Qxo^d ergibt, unb baS ®efül^l, melc^eS in 
ber 2lu§fül^rung mie im ©ntmurf bie SBertentfd^eibungen trifft. 

®er Segriff ber üJlad^t l^at ft^ im ©prad^gebraud^ ouf 
baS SWac^enfönnen in ber ©emeinfdiaft, fogar nur auf ba§ üKad^en** 
tonnen im ©taat unb burc^ bie ©taatggemalt eingef c^rantt ; an 
fxä) l^at ba§ aJlad^entönnen einen meit größeren Umfang. 9lud^ 
ben Segriff be§ 2Berte§ finbet man oielfad^ ju eng gefaxt, fo 
ba§ er nur ©elbmert ober ^rei§ eine§ ©ad^gute§ ober einer £ei* 
ftung märe; e8 mirb fid^ jeigen/ ba§ e§ au^ perfönlid^e SEBerte, 
neben bem @elb al§ SWittel ber fad^lic^en aud^ SBlittel ber perfön^ 
lidien SBertung gibt. 

3)a§ ^anbeln — 2)lacl|en unb SBerten — tritt auc^ mit 
jmeierlei ^nl^alt auf, nämlid^ al§ ein ^anbeln, meld^eg al§ baS 
„ibeeKe", unb a(§ ein jmeite^ ^anbeln, meldie^ a(§ baS „praf* 
tifc^e" fid) bejeidinen lie^e. 

®a^ ibeelle ^anbeln, meldjeS t)om ©t^iter ©dileiermad^er 
ba§ fgmbolifierenbe ^anbeln genannt morben ift, befielt in ber 
^erfteHung unb ®ntgegennal|me t)on <3fbeen, in SBiUenS*, SBor* 



— 127 — 

ftcQung^s unb ©efül^lSäu^erungcn burd^ „Slu^brudSbeioegungcn" ; 
c§ ift Sieben unb SBerne^men, ©d^reiben unb Sefen, ©arfteHen unb 
©d^auen. 2lüe§ übrige ^anbeln, abgcfe^en t)on ber SDarfteüung 
unb 9JlitteiIung t)on Sf^een, Ijei^e ba§ praftifd^e ^anbeln! 

3)ie befonbere Sead^tung be§ tbeeHen ^anbelnS ift unerlä^* 
lic^. @§ tritt auf, felbft menn praftifd) nid^t§ ju ftanbe fommt, 
oft fogar bamit praftifd^ nid)t§ ju ftanbe f omme. 3fn ber 2lflgeniein* 
erfd^einung be§ ibeellen ^anbelnS fommt e§ äu^etlidö jur ®eltung, 
ba§ baS „©efeüfc^aftSberou^tfcin" bie atteg — ba§ Unterlaffen 
wie ba§ pofitbe ^anbeln — beftimmenbe 3Jlad^t ift. %üx ben 
gefeUfc^aftlic^en SWenfc^en mu§ aüe bewußte Sätigteit pc^ äußern. 
^n „93au unb ßcben" l^at baS fgmbolifierenbe ^anbeln fe^r ein* 
ge^enbe 93ead^tung al§ 3Jlittel ber „fojialpftid^ologifd^en'' ^rojeffe 
gefunben (1. 2lufl. 1. 93bO. SBill man ba§ ibeette ^anbeln aU 
„frimboIifierenbe§ ^anbeln" bejeidinen, fo barf man nid^t oer* 
geffen, ba§ nid^t bloß bie ^erfteßung, fonbern aud^ bie Entgegen* 
nal^me ber äBorte, be§ @ef d^riebenen , be§ ©ejeid^neten , bilblid^ 
SargefteHten jum frimbolifterenben ^anbeln gel^ört. 

S)a8 ^anbeln, aud^ ba§ ibeale, jeigt elementar eine britte 
3)oppeIgeftaItung: e§ ift üernünftigermeife einmal ein §er* 
ft eilen (©d^affen, ^robujieren) t)on SJlitteln ber 93ebürfni§* 
befriebigung , bann ein 93 r andren (9iu§en, flonfumieren) für 
bie mirflid^e S3efriebigung. 

^erftellen unb öraud^en fteüen ein allgemeines ß^ißi^S^P^^r 
be§ ^anbeln§ bar unb tommen miteinanber nid)t blo| in ber 
(SBolfSmirtfd^aft genannten) ©ac^güteroerforgung t)or. 

®em ©d^affen gel^t SBertauffteHung üoran; mit bem 93raud)en 
erfolgt bie SBerterfüHung burc^ Sefriebigung be§ ®efül^l8. 

3)ie Seoölferung aU 2:rägerin aller Energien be§ ^erfteTlen§ 
ift bie 2lrbeit§fraft, bie Betätigung im ©diaffen ba§ 2lrb eitern 
©d^affen unb Sraud^en gelien in unauf^örlid)em Kreislauf ineinan* 
ber über. 3)a§ ©diaffen ift ein 93raud)en oon f^on ®efd)affenem, 
ein ^ ft e n , unb ba§ Brausen ein ^erfteHen ober 93eränbern 
üon perfönlic^er Energie ober oon ©ac^gütern. 

3)a§ ^erftellen unb ba§ S3rau(^en fönnen nad^ ^erfon, Ort 



— 128 — 

unb 3^W jufammenfaHen ober auScittanbcrgcrüdft fein. Slud^ im 
ibeeHen ^anbeln Eiaben ©d^rift unb ®rucf ein n)eitere§ Slu^- 
einanberrüdten ermöglid^t. 

3)te perfönli^en unb bie faci^Iid)en ©üter jeigen, xoa^ ba§ 
3ufammenfanen ober 2lu§einanbertreten be§ ^erftcBen^ unb be§ 
S3raud)en§ betrifft, gro^c Untcrf Cetebe. ®ie Sackgüter erfahren 
bie ftärfere ©pattung jn)ifd)en ^erftetten unb 93raud)en. 

3Jlit bem gortf^ritt ber ©efittung l^ört ba§ örtlid^e unb jeit- 
lic^e 3wfanimenfQÜen oon ^erfteKung unb 93rQUc^en ni^t auf. 
2lber bie ©d^eibung jroifd^en ben S3raud)ern unb ben ^erftellern 
nimmt immer me^r ju, bie ^ettc, bie oon ber erften S3ebürfni§* 
erregung bi§ jur Sefriebigung fid) I)in}ie^t, wirb immer länger 
unb glieberreid^er. S)ie „©igenbedung" nimmt ab, Singebote unb 
9laci^frage treten perfönlid^, örtlid^, jeitlid) immer weiter au^einan^ 
ber, fönnen unb muffen e§, je größer bie 93eoölferung mirb. 

®a§ ^anbeln ift im oorftel^enbcn nod^ junäd^ft al§ Sctöti* 
gung jebe§ einzelnen Qnbit)ibuum§ gebadet, ba bie Seoölterung 
eine 9SieIt|eit oon ^nbioibuen ift. Q^ebe einjelne ©eite be§ ^an* 
beln§ tritt aber al§ ajlaffenerfdieinung auf. ®§ finb bie ajlaffen* 
erf^einungen be^ Könnend, ber 3Jladt)t unb ber S^ed^nit, be§ ibeel* 
len unb be§ praftifdt)en ^anbelnS, bie ajlaffencrf Meinungen ber 
2Ir6eit unb be§ 93ebarfe§ unb bei perfönlidier ©ntjmeiung jmifc^en 
^erftellen unb 93raud)en bie aJlaffenerfd^einungen ber 2lngebote 
unb ber SWad^fragen, meiere un§ entgegentreten merben. 

Sllle ©eiten be§ ^anbelni^ fe^en — in ber @injel== unb in 
ber SJlaffenerfd^einung — einanber norau^. 3)a§ ©c^affen erl^ält 
bie 2lnregung oom SJlangelgefü^I ober bem 33ebürfni§, baS @nb^ 
glieb ift 'bie S3ef riebigung , i>a^ ®efül)I be§ ©lüde^, bej. be§ 
Unglüdt§. Qm unauf^örlid^en Kreislauf oon ©c^affen unb SSrau^ 
d^en ber dinjelnen fteigt unb fällt — in günftiger unb ungünftiger 
Silanj jmifc^en Soften unb 9lu^en — bie Q3eDÖIferung unb i^r 

mm. 



— 129 — 



IV. 

SEBcfcn unb Segriff bc§ aSoIfc§ ift bereite geroonncn (®. 8 ff.). 
®§ l^anbelt fid^ nun nid^t metir um ba§ 33oU§bcn)u§tfcin für fic^, 
fonbcrn um ba§ in ben ©inriditungcn unb in ben SBcrrid^tungen, 
bcn <3nftitutioncn unb ben gunftionen jebeg a3olfe§ oertörperte 
(SefeUfd^aft^berau^tfein. @§ I)anbelt ftd) auc^ nid^t mel)r um bie 
brei ®lementarbeftanbteile aller ©efeUfd^aft: öeüölferung, SBoIfS* 
vermögen unb Sanb je für fid^/ fonbern um beren SBerfnüpfungen 
jum aSolfc, mie e§ leibt unb lebt, um bie 3lu§geftaltung ber ®runb* 
beftanbteile jur mirfun g§ fällig geglieberten nationalen ®e* 
feQfc^aft. 

®ic %Mt unb SJlannigfaltigfeit ber befonberen ©rfd^einungen, 
roeld^e in ben ©inrid^tungen unb SSerric^tungen jebe^ f^on l^ö^er 
entfalteten SBoIfeS vox ba§ 2luge treten, ift nun fo gewaltig, ba§ 
man am 2lnfang jagl^aft barüber merben möd^te, ob c§ möglid^ 
fei, aud) nur flaffififatorifd^ unb fgftemifierenb mit bem ©toff 
fertig ju merben. ®ine bem SBefen be§ ®egenftanbe§ angemcffene 
©runbeinteilung mirb e§ bennod^ ermögüd^en, ben @egen* 
ftanb jiemlic^ einfad^ ju bemältigen. 

3)a§ mirb gelingen burc^ 3^rf^9iing biefeS ^auptabfd)mtte§ 
in eine analgtifd^e unb eine fgntl^ctif ^e ^auptab* 
tcilung. SKan mirb erften0 ju jerglicbern, jmeitenS bie @r* 
fd^einungen ber ©in^eit, Ungeteilt^eit, ©anjl^eit be§ SBoIfeS ju er« 
faffen fiaben. 

3)ie ©ojiotogen — unb fo aud) ber SBerfaffer oom „93au unb 
Seben" — l^aben fid) mit SSorliebe ber 3^^9K^i^^^ung jugemenbet. 

© (!^ ä f f I c , Srdrll ber <So jiologie. 9 



— 130 — 

3)ic f9tttl^etifd)e 93ctrac^tung ift aber ebenfo roid^tig unb nod^ 
älter qI§ bic analritifd^e Sluffaffung. Sie \)at fid^ in ®i§}ipünen, 
lüic politifd^cr ©eograp^ie, ©tl^nograpl^ie , nationaler ®efd)id^t» 
fd^reibung, politifd^er ©tatiftü, wol^t ju bel^aupten üerftanben. 
äBeber lä|t ftd^ baS ©anjc ot)ne ©onberbetrad^tung ber ©lieber 
unb ber S^eiloerrid^tungen begreifen, nod^ Id^t ft^ ein 2^eil für 
fid^, pielmel^r jeber nur al§ ©lieb bc§ ©anjen, ganj üerftetien. 
SBenn bei ber SSerfnüpfung t)on Slnalgfe unb ©gntl^cfe ba§felbe 
Dbjeft jraeimal in§ ©efid^t^felb rüdt, fo empfangt e§ bafür »e* 
leud^tung t)on beiben wefentlid^en ©eiten. 

®ie erfte a n a l g t i f ci^ e Hauptabteilung einer ©ojiologie 
be§ aSolfes roirb ^ienad) ben SSolföförper in feine n)irfung§* 
fälligen ©runbeinliciten, ba§ SBirfen aber be8 9Solfe§ in bie 
2:cilt)errid)tungen aufjulofen l^aben. 

2ll§ ©runbein^eiten finb un§ bie ©ubjefte be§ §an* 
belnS famt allen jenen äußeren SJlitteln it|re§ Hanbeln§, worüber 
fie teils burci^ fi(^ felbft, teife burd) SSerfe^r mit ©ritten oerfügen, 
bereits entgegentreten. Sin bie ©pi^e einer ©ojiologie be§ SJolfS 
mtrb eine ^erfonenlel^re in SJerbinbung mit einer Sßer« 
mögen §s ober Sefi^lel^re ju ftellen fein. 

®en jmeiten ©egenftanb ber erften analgtifd^en ^auptab« 
teilung mirb eine S^^S^i^^^^ung be§ ^anbelnS einfd^Iie^lidi ber 
9iu^ungen, b. 1^. eine Sel)re t)on ben ^anblungen ber $er* 
fönen als S^eiloerrid^tungen beS SBolfStörperS ju bilben l^aben. 
®abei mirb eS nic^t genügen, mit ^furiSprubenj unb ©tl^it nur 
bie red^tlid^=ftttli(^e SBiHenSbeftimmttieit am ^anbeln ju erfaffen. 
S)ie ganje ^anblungSfäliigfeit, ilire oirtuelle Sleu^erung mirb ju 
jergliebern fein. 

®ie ©runbrid^tungen, in meldien ba§ ^anbeln üirtueH fid^ 
äußert, finb unS fdt)on entgegengetreten. 

®aS ^anbeln erfc^ien als oereinte ^rayiS unb SBertung, 
bie ^rayiS als ein ©djaffen unb ein 93raud)en unb im einen mie 
im anbern teils als ajlac^tübung, teils als ^unftübung (2^d^nif), 
teils als Söirtfd^aftSfütirung. ©ie ift aud^ S^iaum^ unb Qtitbt-' 
l^errfd^ung. 



— 131 — 

Qm jioeitcn Slbfd^nittc einer ahalgtifd^en SBolfSlcl^re tüerben 
l^ienad^ auc^ bie SWac^t^ bte Äunft*, bie äBirtfd^oftS^ bie dianm^ 
unb 3^itbeftimtntl^eit beg ^anbelnS begriffHd^ feftjulegen fein. 

® er 93egriff 9t r b e i t wirb al§ 2leu|erung perf önlid^er ©nergie, 
unb ber S3egriff 5W u ^ u n g loirb al§ ^anbcln burd^ 93efi§ t)orQu§* 
gefegt werben . 

S)te neuere 9laturn)iffenfd)aft f)at allerbingg bem 93egrtffe 
Slrbeit roeld^er urfprüngUd^ ber (Sojiatoiffenfd^aft angel^ört \)at, 
ben roeitcften ©inn ber 2luSlöfung jeber 3trt t)on Kräften gegeben. 
®ie ©ojiologic brandet biefe Slnroenbung fojiologifc^er 2tnaIogie 
ntd)t ju befämpfen, wirb aber biefer @ru)eiterung int ^f^tereffe 
il^rer 33egriff§fd^drfe beffer nidit folgen. 

®ie ^erfonen njerben ooHlid^ mit ^ilfe il^re§ 93eft^e§ in 
ju)ei l^auptfäd^Iid^en SBeifen tätig, einmal vereint in ©emeinfc^aften^ 
fobann in SBec^felmirtungen — ben SBertel^ren. ®in britter unb 
vierter Stbfdinitt ber erften Hauptabteilung mirb J^ienad^ t)on ben 
@emeinfd)aften (Samtperfoncn) unb t)on ben SBertel^ren 
JU l^anbeln l^aben. ^ür bie ©ojiologie finb namentlid) bie SBer« 
fel^rStatfad^en einer weiteren grunblegenben S3e^anblung bebürftig. 

93i§ bal^in mar bod^ nur eine formale ©ubjeftlel^re gemonnen. 
®ie jmeite, nid)t minber mefentlid^e 2lufgabe ber Slnal^fc mirb 
eine Seiire oon ben ^erfonen unb ^anblungen in i^rer 95 er* 
förperung ober oon ben aSeranftaltungen unb gunf tionen, eine 
OrganifationS* ober Sfnftitutionenlel^re ju bilben l^aben. 

@S merben babei au^einanber treten einmal bie allgemein 
mieberfel^renben aSeranftaltungen für jebc ber Seftimmt^eiten be§ 
§anbeln§: für SRec^t unb für ©ittlic^f eit , für ^rayig unb für 
SBertung, an ber ^raji§ für SJlad^tübung, Kunftübung, äBirt* 
fd^aft§fül|rung, raum^jeitlid^e (Einrichtung; fobann bie SSeranftal« 
tungen für bie befonbern |)auptjmede ber ©eftttung. ajlan fönnte 
baran beuten, erftere bie allgemeinen jioilen ©runbanftalten, le^:» 
tere bie befonberen fultureHen ober ^auptinftitutionen (Organe^ 
Organfgfteme) ju nennen. 

®ie ^erfönli^feit unb ba§ ^anbeln, bie 2lnftalten unb bie 
gunttionen merben aud^ auf i^re formen anjufe^en fein. 

9* 



— 132 — 

aBa§ fann fojiologifd^ bie gorm überl^aupt l^ei^en? SSon 
^orm im ©inne äußerer Slbgrcnjung äufammentiängenbcr ©toffc 
im 5Raum tann für bie ^crfonen unb bie ^anblungcn nid^t bic 
SRcbe fein. 5Wur bie SBiBenSbeftimmtl^eit ber l^anbelnben ^erfo« 
tten unb ber ^anblungen fommt in ber ^ßerfonenlel^re in 93etra^t, 
unb nur Unterfd^iebe in ber 9Biflen§beftimmt^eit fönnen — un* 
eigentlid^er 3Beife — qI§ gormunterfd^iebe ber ^erfonen unb ber 
^anblungen angefel)en werben. Qn biefem uneigentUd^en ©inne 
mögen bie familien^aften (pl^gftofojiologifc^en) unb bie nid^t fa« 
milienl^aften ober rein fojiologif^en formen unterfdt)ieben njerben. 
®ie rein fojiologifd^en formen laffen fid^ njeiter in bie freien, 
nur moralifd^ bemirften, nic^t binbenben unb in bie red^tlic^ ge* 
bunbenen gormen einteilen. 3)ie gebunbenen g^ormen gelten meiter 
auSeinanber in bie formen be§ ^rit)atrec^te§ unb in bie formen 
be§ öffentlid^en 9ted)te§, bie öffentlid^en formen in törperfdt)aftlicl|e 
unb in ftaatIicI|:=fommunale ober @emeinn)efen§formen. 

5orm im eigentlid^en SBortfinne fann bagegen ben lörper* 
tieften ©rfd^einungen, b. 1^. ben 2Inftalten, jugef(^rieben werben. 
:3l^re förperlic^e gorm beftimmt fid^ naä) ben förperlid^en gor« 
men il^rer ftofflid^en 93eftanbteile , alfo be§ Sanbe§, melc^eS fie 
einnel^men, ber ©ad^güter, n)orau§ fie gebilbet finb, unb ber Seib:* 
lid^feit il^reg ^erfonafe. SlHein auc^ an ben Slnftalten fmb bie 
formen nid^t anorganifc^er unb organifd^er, fonbern l^gperorga* 
nifdier Slrt. Sluc^ bie ©tofflic^feit be§ aSolf§förper§ erleibet 2tb* 
anberungen ber natürlid)en ©eftaltung; bie g^ormen ber Slnftalten 
werben etl)ifc^e ©rjeugniffe unb ftnb fünft(id^ teil§ ber ted^nif^en 
3nJedtma|igfeit, teifö bem äftl^etifd^en S3ebürfni§ angepaßt. Uebri* 
gen§ befi^t unb benötigt ber SSoIf §f örper , wie fd)on erflärt ift 
(©. 105), bie „Kontiguität" (^. © p e n ce r) ober ununterbrochene 
SlaumerfüHung nid^t. 

aSenn man über bie gormerfdjeinungen obige 2lnfic^t teilt, 
fo ^at man immer nod^ nidt)t bie üoQfommene 3^tgli^berung aüer 
Srfd^einungen ber nationalen OefeHfd^aft. üJlan wirb ju fragen 
l^aben, ob e§ ni(^t aud^ eine SJie^r^eit befonberer aSerfnfipf* 
ungen be§ 33oIföförper§ gibt. @ine analgtifd^e ©ojiologie be§ 



— 133 — 

$8oIfe§ fann Dcranla^t fein, anä) nad^ ben cinjelncn 33inbcfräften 
unb aSinbcmittcIn ber aSoIfögcmeinfd^aft fic^ umjufcl^en. 3)er 
Drganifation§lcI|rc rväxt oBbann eine ßc^re oon ben SBcrfnüpf« 
ungcn onjufügen. S)er SBerfaffcr roirb einer fotd^en 2lufga6e 
roirflic^ nic^t auSroeidien. Qxoax ge^t e§ and) an, jebe aSeron* 
ftaltung jugteic^ auf i^re Detfnüpfenben Kräfte unb auf bie oer* 
fügbaren Hilfsmittel ber Serfnüpfung anjufetien, g. 33. auf bie 
©pradie beim aSerfetir, auf baS ®elb bei ber 93efi^n)ertung. 3)er 
SJerfaffer jielit eine abgefonberte 3ufammenfaffung ber 93inbefrafte 
unb aSinbemittel Dor. Qn biefem SSerfa^ren beftimmt itin baS 
93ebürfni§ be§ Stac^meifeS, ba^ bie jmingenben Stormen mit il^ren 
aSeranftattungen für 9ied)terjeugung unb SRed^tSpflege feineSroegg 
al§ bie alleinigen a3änber unb a3inbemittel be§ SJotfSförperS ftd| 
barfteHen. Söir ^aben bereite weiter naml^aft gemad^t: bie fprad^* 
lid)^äft^etifd|e aSerfnüpfung ber Stationen, bie 5Berfnüpfung burd^ 
bie aWadit (@emeinfd|aft§* unb $8erfet|r§ma^t), burd) 2:ed^nif unb 
SDBirtfc^aftlid^feit, burc^ bie Söertungen (^rei§ unb ^^reifen), enb« 
lict) bie raumjeitlic^e aSerfnüpfung. SBenn bie a3ejeid^nungen 
„a3änber" unb „aSinbemittel" in Slnroenbung famen, fo mar nidtjt an 
aSSnber gebadet, meld)e Don au^en um bie Qnftitutionen ge^ 
fct)lungen merben unb burc^ befonbere Kraft ben ©inftang im 
^anbeln maliren, fonbern an allgemein mirfenbe 2^riebfräfte, meldtie 
au§ bem Qnnern aller ^anbelnben ©ubjefte l^erauS ben ^ufammenä« 
l^alt bemirfen, unb an «gnftitutionen, meiere biefen innerlid^en 
Sriebfräften aU SWittel bienen. 

S)ie jmeite fgnttietif c^e Hauptabteilung einer (Soziologie be§ 
a3otfe§ Iiätte ba§ SJolf nad) ben @rfct)einungen feiner ©inl^eit unb 
Ungeteilt^eit ju erfaffen. 

S)ie notiere Segrünbung mirb ergeben, ba^ ba§ in jmei 2lb« 
fct)nitten gefd^elien fann. ^n bem einen märe bie allgemeine 
aOäed^felbejüglid^feit aller oerfc^iebenen Q^ftitutionen unb gunt* 
tionen unb l^iemit bie allgemeine äöec^felabtiängigfeit aller ^erfonen 
unb Hö^i^I^^S^« tieroorjufetiren. ^m anberen Slbfdtinitt mären 
bie integrierenben @inl|eiten felbft Dorjufüliren : bie gamilie al§ 
ptigfiofojiotogifc^e, bie OrtS- unb Sanbe§einmot|nerfc^aft al§ rein 



— 134 — 

fojiologifdie ffiinl^cttgerfd^emung. ^aS Q^nbiptbuum al§ Ic^te un* 
teilbare ©ojialeintieit Don ber aKe fojiologifd^e Unterfuc^ung au§* 
gellt ((5. 59 ff.), liege ftc^ als @rgebni§ ber gamilie unb ber ^a^ 
tion au§ ber gaujen Sßergangen^eit an§ @nbe einer fgntl^etifc^en 
5ßoff§Ie^re ftetten. 

93Io&e 3c^8li^^^^w^8 ^^^^t i^ ^^^ ^^t für bie ©ojiotogie 
beS aSolfe§ nic^t au§. S)tefe ipürbe il^ren (Segenftanb nur fe^r 
unüoHfommen erfaffen, wenn fie roeber ba§ n)ed)felfeitige ^n^ 
einanbergreifen aller ^f^ftitutionen — bie „:3nterbepenbenj" nac^ 
ber 93ejeid|nung pon 21. ©ornte — ^eroorfel^ren, noä) bie ^a* 
milie unb bie ©emeinroefen al§ ©rfc^einungen ber ©in^eit natio* 
naler (Sefittung, al§ ftttlid^e Uniüerfalgebilbe befonberS in§ Sluge 
faffen mürbe. ®a§ le^tere gefd^ie^t jroedtmä&ig in abgefonberter 
fgnttietifc^er 33etraci^tung, gelingt aber in 2lnfel^ung ber ju OrtS^» 
gemeinroefen geglieberten einen Station nid^t, wenn man — mie 
im „33au unb Seben" gefd^a^ — bie Ort§* unb Sanbe§einmot|ners 
fd^aft nur ate ben ©taat§* unb bie Äommunalf örper , nic^t als 
®eftttung§ganje mürbigt. 

S)ie Familie bleibt jmar in i^rem ©runb pt|gfiofojiologifd)e 
3fnftitution ber gortpflanjung ber 33epölferung unb roirb e§ mit 
bem entmidfelung§gefd^ict)tli(^en heraustreten au§ bem älteften 
Uniüerfalgebilbe ber (Sippfd^aft unb (StammeSgemeinf^aft immer 
reiner, ©ie ift jebod^ unb mirb nod| meit melir, nämlid^ ein 
aKifrofo8mo§ beS 3iolfe§. ®ie fJortpflanjungSanftalt ift in ber 
gamilie ber S^^il^fotion burd) unb burc^ Don alten ©ebilben ber 
©efittung burd^madifen unb überroac^fen. -S^Ö^nb einer ber melen 
au§ ber älteren ©tamme§gemeinf^aft ]^erau§ bifferenjierten unb 
ftd| immer met|r bifferenjierenben gamilien gel^ört jebe§ ^f^^i^^i- 
buum an, unb alle gamilien eine§ $8olfe§ jufammen bilben ein 
unjerrei^bareg ©emebe unioerfaler 2eben§gemeinfd|aft. S)ie ga* 
milie tritt alfo bem ©ojiologen jmeimal, am 33eginn ber jer^ 
gliebernben unb bann am ©d|lu^ ber jufammenfaffenben 33etrac^=^ 
tung, entgegen. 

S)ie jroeite groj^e ©ruppe unioerfaler Sßolf^gemeinfd^aft fteljt 
nid^t auf pl^gfiologifdjer, fonbern auf -territorialer ©runblage. @§ 



— 135 — 

ftnb bie Äomplcjc ber lofalcn unb tcrritoriotcn ®cftttung§gemein* 
fc^aftcn, bic ©cmcinbe in ber Slbftufung pon ber Drtögemeinbe 6x8 
jur ^rot)inä unb jum Sftetd^Slanb unb roieber ba§ ganje SBolf als 
untüerfeHe ßeben^gemeinfd^aft, alS Station, ^n feiner territorialen 
UniDerfalgemeinfd^aft ift ba§ SBoIf $8off im ootten SBortfinn. Qn 
ber SarfteHung beS aSolfeS aU territorial geglieberter Unioerfal« 
gemeinfd^aft xoxxi bk generelle ©ojiologie be§ 9SoIfs;förper§ ju 
gipfeln l^aben ober roenigftenS gipfeln bürfen. 

3)ie lofal^territoriate Unioerfalgemeinf^aft be8 S8olfe§ bietet 
ber 93etrad^tung jroei (Seiten bar, roeld^en roo^l ber gemeine, 
nid^t aber ber fojiatmiffenfd^aftlic^e @prad)gebraud| jugleid^ ge« 
rec^t geworben ift. 3)ie „Drtfd^aft", „©tabt" unb „Sanb", ift 
einmal Organ ber 2Billen§= unb SJladitein^eit, ©emeinbe im (Sinne 
ber örtlid^en ^Regierung, 9lormierung unb aSerroaltung, furj „Äom* 
munal"* ober „(Selbftoerroaltunggförper" ; fie ift aber nod^ mel^r: 
ba§ ganje örtlid^e (Stüdt Station, ein @anje§ aller befonberen 
©lieberungen. ^eim Flamen einer Drtfd^aft, mie gro^ ober Mein 
fie fei, ben!t man immer an ben ganjen Äomplej ber ©efittung 
einer (Sinmol^nerfd^aft, it|re geiftige SIrt, i^ren ganjen ^erfonaU 
unb 33efi^ftanb, ilire ©emeinf^aften unb SBerfel^re, alle Äultur* 
tätigfeiten jufammen. Unb ebenfo benft man, wenn oon ®eutfd|« 
lanb, ©nglanb, Siu^lanb bie Stebe ift, nidjt blo§ an bie 
ftaatlid^e Drganifation — nämlic^ an bie pfleglid^e (Srfaffung 
aller Sxo^de ber S a n b e § einmo^nerfd^aft burd^ ba§ SBolt al8 
3Billen§* unb SJla^tein^eit — fonbern an ba§ ganje im ßanbe 
unb mit bem Sanbe gegebene ^(StüdE ©efellfd^aft^bemu^tfein unb 
OefeUfd^aft^oerförperung. S)er gemeine (Spradigebrauc^ tommt 
l^iemit aud^ einer fgntl^etifdien 33etrad^tung ber ©emeinroefen be* 
reitmiUig entgegen. 

^ienad) ergibt fid^ für bie (Sojiologie ber nationalen ©efeU* 
fc^aft bie gefuc^te ©runbeinteilung mie folgt : 
©rfte Hauptabteilung: 3^^S^i^i^^^w^8 ^^^ 9Solteförper§. 

A. ^erfonenlelire: 

1. Don ben ^erfonen unb itirem 93efi^e, 

2. oon ben ^anblungen; 



— 136 — 

B. Orgamfation^Ie^rc : 

1. üon ben SJcranftaltungcn unb i^rcn gunftioncn, 

2. oon bcn einjclncn 95änbcrn unb 33inbcmitteln bc^ 
S8oIf§förpcr§. 

Zweite Hauptabteilung: ©gnt^ctifc^c SBetrad^tung bc§ Söolt^f örperS : 

A. 3)ic „^fnterbepcnbenj" aller ^erfonen unb ^anbljingen, 
2lnftaltcn unb gunftionen; 

B. ®ie nationale gamilie unb bie nationalen ©emeinwefen ; 

1. oon ber nationalen gamilie 

a) al§ ^ultureinl^eit, 

b) al§ I|anbtung§fät|iger ©eroalt; 

2. oom SBolt als Drt^einrootinerf d^af ten : geglieberte ßanbe§* 
einrool^nerfdiaft 

a) al§ Kultureinl^eit ober Station, 

b) als 93Billen§* unb SKad^teinlieit, bem ©taate unb 

ber ®efamtf|eit ber Kommunalförperfd^aften. 

2lnalgtifd^e Hauptabteilung: 

i. ^erfoneiiCeQre. 

1. SJon ben $erf onen uttb bem ä3efi^. 

2ll§ bie roirffamen ©runbeintieiten, roeld^e einer analgtifd^en 
a3etrad)tung juerft entgegentreten, tiaben fid^ fd^on in ber Unter* 
fud^ung über ben 33egriff be§ SBolfe^ (©. 9 ff.) bie ^erfonen 
mit il^rem 53efi^e bargefteHt. @§ ift nidjt me^r bie 53eoölferung 
at§ ^nbioibuen, nic^t melir bag aSolf^oermögen aU ©ac^güter* 
maffe, xoa^ im ©ingang einer ©ojiologie be§ SBolfe^ ^eroorju* 
[teilen ift. S)ie ©ubjefte, 2:räger aller 93etätigung, au§gerüftet 
mit ben äußeren SJlitteln alleg erforberlid^en H^nbeln^, fmb nun 
al§ bie unjertrennlic^ jufammenliängenbe @rfdt|einung ber ^erfon 
unb be§ SSeft^eg an ber 9teit|e. 

ßmei klaffen Don ^erfonen mürben fc^on unterfd^ieben. @§ 
ftnb bie ©injelperfonen unb bie ©amtperfonen. 



— 137 — 

21I§ (Samtpcr fönen würben bie ©emeinfd^aften bejeid^* 
net. S)ie ^öejeid^nung juriflifdie ^erfon rourbe gefliffentlid) oer* 
mieben, roeit für bie re^tlid) unoerb inbUd^en freien gormen ber 
^erfönüd^teit ber ^Segriff ber juriftifd^en ^erfon einen SBibetfpruc^ 
enthält; bie SSejei^nung p^gftfc^e ober leiblid^e ^erfon für bie 
©injelperfon rourbe umgangen, loeit ba§ eigenfte 2Befen ber ^erfon 
barin befteljt, nidjt me^r blo^ natürtidie, pligfifdie ober leibtidie 
©rfd^einung ju fein. 

aSon ber @ i n j e I p e r f o n bürfen wir in ber ©ojiologie 
beS aSoIfe^ abfegen, ba fie elementar fd^on gemürbigt ift (II. unb 
III. ^auptabfi^nitt). 2)od) oergeffen mir nid^t, ba§ fie ba§ 21 
unb O ber ®efeßfd|aft ift. 3Q3ir galten feft, ma§ fc^on nad^ge* 
miefen ift : bie ©injetperf on ift, ma§ fie ift, unb fie l|at nur mer* 
ben fönnen, ma§ fie gemorben ift, inbem ber SJcenfc^ immerfort 
gefeCfd^aftlic^ lebte, immer oollfornmener unb oielfeitiger fic^ ju 
oergefetlfdjaften oerftanb (©. 59 ff.). 

2llle ©amtperfonen löfen fidt) in ©injelperfonen auf, meiere 
burc^ eine eigene 3lrt SSerfetir, ben inneren ober ©emeinfdtiaft^:' 
oerfelir, ju gemeiufamer 2:ätigfeit oerbunben finb (ogl. u. ©. 158 ff.). 

S)ie ©injelperfonen mitten jmar auct) al§ fol^e, b. l). für fid^ 
abgefortbert, aber bo^ nur in fe^r befdtjränftem Umfang. 2)a§ 
meifte mirfen fie oolttidö, b. l). al§ ©lieber t)on allerlei (Semein* 
fc^aften unb al§ 3:räger oerfc^iebenartiger SSerte^re. S)a§ ift nic^t 
erft auf ber §öf)e ber SSolf^gefittung mal)rjunel|men, mo ber ein- 
jelne rein fojiale, freie unb binbenbe ©emeinfc^aften eingeljt, fon* 
bern fd^on in ber frütieften ^eriobe oormiegenb ftammti(^en (alt* 
famitien^aften) SBolfsjuftanbe^. 9Jlan fann fragen, ob ni^t in 
biefem frütieften ßwftanbe bie ©iujelperfon ganj befonber§ in bie 
©emeinfc^aft oerfloditen ift. 3)at|er ift e^ bie Sarftellung ber 
©emeinfc^aften, in welcher aud| ber l|auptfäc^lidE)e S^eil ber ^er* 
fonenletire fidt) erlebigen mirb. 

3ur ^erfon gehört ber S3efi^. SDBir oerftel^en barunter 
nid^t 53eft^ im (Sinne ber <3uri§prubenj, roenn biefe im ©a^en* 
rec^t ben 33efiö bem ©igentum gegenüberftellt, fonbern im ©inne 
ber 2lu§ftattung jeber ^erf on mit äujseren SKitteln be§ §anbeln§. 



— 138 — 

rodele ü&zxt l^abcn. 2Iu8brudt§Dotler loare bic 93ejeic^nung 95 e r* 
mögen; benn alle äußeren SWittcl, burc^ roelc^c eine ^erfon für 
fid^ fon)ie in ®emeinfd)aften unb aSerfeliren etroaS oermag, b. 1^. 
bie unjertrenntic^e S\ibtf)&x an äußeren SWitteln beS SBirtenä, 
ftel|t qI§ $}efi^ in ^rage. 3>nbeffen ift ber 93egriff SBermögen 
burd^ bie SInroenbung für ba§ aSoIfgüermögen perbraudjt. 3)arum 
n)irb bie 93ejeic^nung 93efi^ porgejogen. 9Jlan fönnte fagen „53e* 
fi^ung", roenn fid| ba§ SBort nidjt jum 93egriff be§ 93efi^e§ an 
Immobilien eingeengt fjätte. 

3)er aSefi^ im ©inne be§ a3ermögen§ einer ^erfon umfaßt 
nid^t blo§ ©igentum unb bingli^e SRedjte, fonbern anö) alle äu^e:^ 
ren 9Jlittel be§ aWad)en§ unb äöerteng, ©d^affen§ unb 93raud^en§, 
über meldte eine ^erfon burdl) Seiftung 3)ritter, fei e§ an ^anb* 
lungen (3)ienften), fei e§ an (Sad^en, oerfügt. ®§ fmb ©er* 
t e ^ r e aller 3lrt, meldte ba§ 93anb ber Obligation um alle ^er* 
fönen fd^lingen. ^n äußeren unb inneren aSerfel^ren l^ängen alle 
^erfonen burd^ SSerbinblid^feiten jufammen. 

2)a§ <3nbit)ibuum mirb, um ^anblung^fäl^ige ^erfon ju fein, 
über gemiffe ©ad^güter an Sla^rung, ^leibung, 2Berfmitteln ju 
©igentum muffen oerfügen fönnen. @§ fann aber au^erbem 
burc^ Ueberlaffung be§ SSeft^e^ anberer ^anblung^fä^ig fein, um« 
gefetirt burc^ feinen 93efi^ über ben eigenen 93raud^bebarf l|inau§ 
SInberen 93efi^ barbieten. 2luc^ bie ©emeinfd^aften fiebern — 
frülier in ber ©tamme§gemeinfd|aft — bem ^nbioibuum ben 
93efi^. 3)en fel^lenben SSeft^ an ^robuttion§mitteln finb bie 93e- 
fi^lofen ^eute burd^ ©emeinbefi^ ju erreichen beftrebt. 93efi^ 
über ben nä^ften eigenen 93ebarf ^inau§ gibt mefir ober me* 
niger ÜRadtjt, ©emeinfc^aften ju grünben unb aSerfel^re jU be- 
l^errfd^en. 

2. äJoit ben ^aitbluitgen« 

SlUe ©injelmefen ^aben anbere SBefen, leblofe unb belebte, 

für il^r 3) afein nötig, im meiteften ©inne 53ebürfniffe. ®er 

9Jlenfd^ tiat für einen Seil feiner 93ebürfniffe ein jmedtbemu^teS 

^anbeln ju entfalten, um in 93efriebigung biefer feiner eigent^ 



— 139 — 

üd^cn SBcbürfniffe objeftip ju befielen unb fubjcftio ftd^ ju be« 
glüdfen (ogt. @. 126 f.). ^ebürftig angelegt unb bürftenb nad^ 
©lüdf, gelangt er immer mel^v ju unabläffigem ^anbeln — freitid^ im 
3lnfang ber fojialen 3)inge nur ju einem fe|r bürftigen, mä^ig 
bemühten ^anbeln. 

(Sein ^ a n b e I n forbert, nod| abgefel^en pon ben einjelnen 
3n)edfen, mofür gel^anbett mirb, eine boppelte 95etrad|tung. @in« 
mal ift ba§ formelle, redjtlid^e unb moralifc^e ^anbeln, ja weiter 
jebe 2leu^erung oirtueKer ^anblung§fä^igfeit ju unterfud^en. 

3)ie formelle ^anblunggfäl^igfeit ift ^auptfädjlid^er ©egen» 
ftanb ber ^urigprubenj unb ber @t^if feit lange gemefen. SWit 
il^r liaben fid| aud^ bie Erörterungen oon „95au unb Seben" über 
JRedit unb aRoral ^auptfäc^Iid) befc^äftigt. 

3u ben fragen ber formellen §anblung§fäl|igfeit laffen fic^ 
aud^ jene ber fj^reimilligfeit unb be§ ®ejn)ungenfein§, be§ SKögen^, 
2)ürfen§, aWüffen§, auc^ jene ber grei^eit nnb ber @lei(i)l|eit 
fteHen. 2lud| an i^nen ift ber erfte SBerfud^ be§ SJerfafferg nic^t 
vorübergegangen. Q\x ben frül)eren Erörterungen über g^reil^eit 
unb ©lei^^eit bliebe jebod) ergänjenb nadEijul^olen, ba^ ^rei^eit 
unb @leidt)]^eit in engfter 53ejicl|ung jur 9Jlad^t ftelien. ®ie 
aJlad^t gibt grei^eit unb bie @leid|l)eit ber ÜRad^t ©lei^fielt ber 
^tei^eit; grei^eit unb ©leid^ljeit nehmen gefd)i^tlid| ju, meil in 
bem mit bem a3ilbung§bebürfni§ ^erbeigefülirten gortgang jur 
^emofratie immer mel)r aWenfd^en mädE)tig unb gleidE) mädjtig merben. 

Qn ber jmeiten 5Rid^tung, bei Unterfu(^ung beS oirtueüen 
^anbeln§ nämlid^, ift bie ©ojiologie be§ SBolfe^ äiemlid) bürftig 
geblieben, unb ^ier ]^auptfäct)Ii(^ ^at aud^ ber erfte SBerfud^ be§ 
aSerfaffer§ Südfen gelaffen. 

Qroax eine ber Ijier einfd^lagenben Klaffififationen ^at nidE)t 
unbeadtjtet bleiben f önnen : ber UnterfdE)ieb jmifdEien bem ^anbeln 
burc^ perfönlidtie Energie unb bem §anbeln burc^ ben S3eft^, 
fürjer ber Unterfdtjieb jroifd^en 21 r b e i t unb 91 u ^ u n g. 

3)ie 2lrbeit trat efier ju einfeitig, menigften^ in einer ber 
fojialmirtf^aftlidEien S)i§jiplinen, Ijeroor. ®ie Stu^ungen tiaben, 
fomeit fie S8erfet|r§gegenftänbe geworben finb, in ber ßetire oon 



— 140 — 

her ßci^e, ^a^t, namcntlid^ aber t)om Ärebit nationalöfonomifd^c 
93ead)tun9 gefunbcn. @ine§ aber ift nid^t immer flar feftgetialten 
morben: 3)ie Stu^ungen fmb feine felbftänbigen Äraftäu^erungen 
ber 33efi^ftä(ie, fonbern ^anblungen an ben SBeft^ftüdten unb burd) 
bie 93efi^ftü(ie, be§ SBerfel^rg abgefonbert fällig, mie bie 2lrbeiten 
c8 al§ S)ienfte finb. 

9tid^t bIo§ bürftiger, fonbern aud| ungteid^mä^iger finb bie 
anbern allgemeinen 2leu§erungen be§ virtuellen ^anbelnö un« 
terfuc^t. %df)\n geljören: 

1. bie^rayi^ (SKac^e) unb bie alle§ 3)lad^en begleitenbe SBertung, 

2. an ber ^raji§ ber burc^greifenbe Unterfc^ieb be§ ©d)affen§ 
unb be§ S3raud|en§, be§ ®efd)äfte§ unb ber 93ebärfni§befriebigung, 

3. weiter an ber ^raji^ ber Unterfc^ieb ber aWad)tübung, 
ber ^unftübung (2:e(^uif), ber 3Birtf(^aft§füt|rung, 

4. enblid) bie allgemeine raumjeitlidie ©eftaltung. 

S)iefe fämtli^en 2leu^erungen be§ oirtueUen ^anbeln§ finb 
nic^t minber al§ SRec^t unb SWoral Don einer (Soziologie be§ 
aSolfe§ ju erfaffen. 

Qu oberft treten in unjertrennlidier SSerbinbung am ^an*' 
beln bie ©rfc^einungen ber ^rafi^ unb bie ©rfd^einungen ber 
SBBertung tieroor. 

^rajig (SUlad^e) ift bemühte ^eroorbringung oon 2lenbe* 
rungen an ^erfonen (aud) bem eigenen ßeibe unb ©eifte) unb an 
Sachen, ©ie märe 9Jiad^t ju nennen, menn biefer SDBortbegriff nidjt 
für eine begrenjtere SSorftellung oerbrauc^t märe. Qm ©egenfa^ 
ju ^rajis ift SB e r t u n g aHe§ ^anbeln, roeld)e§ barauf gerichtet 
ift, bie S3ebeutung be§ aWad^en^ unb be§ .®emad)ten für menfd^» 
lid)e Sxvzäz feftjuftellen unb jur ©ettung ju bringen. SlUem 
SJlad^en mol^nt fittlic^ermeife ein SQBerten bei. ®a§ SBerten ift 
ein ^anbeln, metd)e§ au§ bem oom SSerftanb beratenen Seben§* 
gefül^l ebenfo t|ert)orgel|t, mie ba§ 9Jlad)en au§ bem Dom 38er=' 
ftanb beratenen Söillen. 

®ie SJlad^e ober ^raji§ ^at nun felbft einen großen Poppet* 
in^alt unb jmar gefittung§mä^ig mit Slotmenbigteit. ©ie ift teit§ 
ein ©(Raffen, ©efc^äft, ^erftellung, tei(§ ein S3rau(^en^ 



— 141 — 

Slnftd^nc^men oon (Scfd^affcnem für bic Qxozät bcr l^anbclnbcn 
^ßcrfonen, ^au^^alt. @in ©d^affcn ol^ne für ein 93rauc^cn ift 
gcftttung^rotbrig. 

SÄan fönnte für bic eine @citc bcS aWad|cn§ bcn 2lu§brurf 
^robuftion, für bie anbcre Seite ben 2lu^bru(f Äonfumtion roä^« 
len. 3)iefe 2lu§brüdte fmb aber Don einet ber gaci^n)iffenfd)aften, 
ber 9tationalöfonomie nämlic^, in einem fo engen (Sinn oerbraud^t, 
n)ie i^n bie ©ojiologie nic^t l^innel^men fann, nämlid^ für bie 
Schaffung unb für ba§ 93rauc^en (Oebraud) unb SBerbraud}) ber 
© a c^ guter. 3Bir jietien batier für bie beiben ©eiten aller ^rajiS 
bie 2lu§brüdte ©c^affen nnb 93raud^en (2lu§nu^en), (Sefd^äft unb 
^au§^alt por. 93eibe reichen weit über bag ©c^affen unb aSrau* 
6)tn ber ©ad^güter ^inau§ unb erftreden ftd^ aud^ auf ba§, xoaS 
an ^erfonen o^ne 3)ajn)ifd)entreten fad^lid^er SBertörperung ge* 
fd^affen unb gebrandet n)irb. 

2ll§ ein SÄad^en [teilt ftc^ auc^ ba§ ©rauchen infofern bar, 
al§ man nic^t bie im 93rauc^en por ftc^ gel^enbe SSebürfniSbefrie« 
bigung, bie ©enu^empfinbung, fonbern bie reprobuftioe 35Jirfung, 
b. f). bie perfönlid^en ^rafterneuerungen burd^ ä3rauc^en unb bie 
gortfe^ungen gebraudjter ®üter in neuen ©adtigütem von anberer 
Sefdt|affenl&eit in§ Sluge fajst. Unb nic^t blo^ in ber ^erffeHung 
pon ©ac^gütern, fonbern aud^ in ber ©rjeugung aller perfönlid^en 
Oüter (ogl. ©. 103) ift ba§ 93raud^en jugleic^ ein ©dEiaffen, mie 
fein ©d^affen otine ein 33rau^en ift. 2)a§ aWadien ift alfo fitt* 
lid^ermeife au§nat|m§lo§ ©efd^äft unb SBerroenbung. 

2llle§ aJladien — ob e§ in (Semeinfdiaften ober in SBerfel^ren 
vor fic^ ge^t — l^at weiter eine breifact)e praftifdtje 33eftimmt^eit. 
@§ ift erften§ SKad^tübung, jmeiten§ Äunftübung (tieute Sed^nif, 
früher ^anbmert), brittenS 2Birtfd|aft§f ütirung (Cef onomü). 2«ad^t, 
2:ed^nif unb Defonofhit finb beftimmenb für alle§ 33raud^en wie 
für alle§ ©diaffen. S)ie brei 33egriffe l^eifdien fc^arfe ^Jeftlegung. 

äR a d^ t ift in ben 2lrbeit§energien unb im SBefi^ begrünbete 
gäl^igteit einer ^erfon, in ©emeinfc^aften unb in SSerfel^ren be* 
ftimmenben @influ§ ju üben. Dl^ne ba§ taufenbfad^e SSortianben* 
fein ber 2:räger oon ^erfonal« unb oon 93efi^mad^t märe 3«* 



— 142 — 

fammcnfaffung ju Ocmctnfd^aften unb SQäed^fetoirfung in SBcrfel^rcn 
unbcntbar. Unter aÄad^t wirb l^äufig, jcbod^ oiel ju eng, nur 
SWad^t burd^ ben (Staat unb über ben Staat oerftanben. 

Me ^^rajiS fe^t nid^t blo§ ÜWad^t t)orau§, fonbern ein Qxü^iU^ 
unb drittes : ein f unftgemä^e§ ÜRad^enf önnen (2:ed^nif) im einjel^ 
nen, fobann 2Birtfd)aft§fül^rung aU n)irlfamfte ©eftaltung attc§ 
@d^affen§ unb S8raud)en§ einer ^erfon im ganjen. 2:ed^nit 
ift ba§ für ben einjelnen Svotd erfoIgreid)fte SWad^en, 233 irt^^ 
f^aftSfül^rung bie ©umme mirffamfter @€fdt)äft§= unb 
SBraudtjted^nif einer ^erfon nad^ ber ©efamtl^eit itirer gegebenen 
«ebürfniffe unb aRittel. 

aWad^t, S^ec^nif, Oefonomif fmb jufammen erforberlid^ jum 
(Srfolge. 'Slaö) ber ^erfon tonnen fie gefd^ieben fein. S)er SWad^t* 
l^aber fann fein eigener S^ed^nüer unb 3Q3irtfc^aft§füt)rer fein; er 
fann aber aud| anbere at§ 2:ed^nit'er unb 3Birtfd^aft§fü^rer für 
fid^ burd^ feine ÜRad)t befteüen. 

93e]^errfc^t ift bie ^raji§ in allen brei Sftid^tungen burd) 2Ber* 
tungen. ^n ber 3Blrtfd^aft§fät|rung berüliren unb burd^bringen 
ftd| ^ra5i§ unb SBertung. 3)ie beutfd^e 93ejeid^nung äöirt*» 
fd^aft meift tiierauf beutlid) l^in. Dtine burc^greifenbe SDBertung 
im ©d^affen unb a3raudE)en ift 2Birtf(^aft§fü]^rung nid^t benfbar. 

^ienad^ fteUen mir afö fojiologifd^ gleid^mertigen S^eil ber 
Se^re Dom praftifd^en ^anbeln bie 2B e r t u n g ber ^ra^iS an 
bie ©eite. 2llle§ ©dtjaffen unb 93raud|en ift burc^brungen t)om 
SOBerten. ©ittlid^ermeife gibt eg fein anbere§ ^anbeln afö ba§* 
jenige, meld^e^ für ba§ ^anbelnbe ©ubjeft ben ^öc^ftmöglid^en 
SDBert t|at, unb bie ©eltenbmac^ung be§ 2Berte§ fetjt bie gäUung 
fubjeftioer 2BerturteiIe t)orau§. 

Qn ber 2:at: allem SKac^en get)t voxan, fteljt jur ©eite, folgt 
bie ©rmägung, ob ba§ ju 3)lad|enbe, ba§ in ber ^erfteUung ober 
Slu^ung 33egriffene, ba§ ©emadtjte überl^aupt eine 93ebeutung für 
bag ©ubjeft, unmittelbar jur eigenen SBermenbung ober mittelbar 
jur aSermenbung in aSerfe^ren, befi^e ober nic^t. 3Bie groJ3 ober 
mie flein biefe 93ebeutung fei, ob nid^t anbere^ oon größerer a3e* 
beutung juoor ju machen märe, ob ber Slu^en aud^ bie Opfer 



— 143 — 

lol^nc, ba§ ift bie mit aller ^rajig unjcrtrennlid) perfnüpfte 93Bcrt* 
gebung. S)ic SDBertgcbung, roeld^e aller ^rajiS ftd^ anl^cftet, ^at 
i^re SGBurjel im Seben^gefü^l, finbet jeboci^ ebcnfo eine Derftanbeg* 
mäßige aSeratung, roie bie ^rayig, für roeld^e ber aSerftanb bie 
93ere(^nung ber ted^nifd^en ä^^^rfi^ä^igteit liefert. 

3)ie SQBertgebung ift jundd^ft ein Söorgang im Innern 
ber l^anbclnben ^erfonen, gteidiroie e§ bie aSerftanbe^erroägung 
über bie 3"5^rfi^ä&igf^it be§ aWad)en§ ift. Slber im SWac^en ober 
9lic^tma^en äußert fie fid^. S)ie SBertgebung bleibt rein innere» 
lid^er SBorgang nur fo lange, al§ bie ©injelpcrfon lebiglic^ für 
ftd^, nid^t im SSerfe^r ober in ©emeinfc^aft l^anbelt. Qm le^teren 
gaUe, welcher ber meit überroiegenbe ift, fe^t ftd| bie innere SQBert* 
gebung in ein ber ^rajig parallele^ jmeite^ ^anbeln äußerer 
3lrt, in bie fojiale SBertgebung um. ®er SBert ber ^anblungen, 
ber a3eft^ftüdte unb ber Stu^ungen mirb ©egenftanb eine§ ^an* 
beln^ ber an ben ©emeinfd^aften unb an bcn aSerfe^ren teilnel^* 
menben ^erfonen unb finbet ben äußeren 2lu§brudE in ben Qn^ 
erfennungen, meldt) e in ben @emeinfct)aften unb in ben aSerfetiren 
gegeben merben, in ben SSer geltungen. 

@§ gibt jroei, aber aud^ nur jmei SJla^e ber SBertung unb 
bamit jmei SJlittel ber SSergeltung, ein perfönlidE)e§ unb ein befi^« 
lid^e§. ©ntmeber ift e§ perfönlic^e ©eltung, mel^e man für ftd^ 
in 2lnfprud^ nimmt unb oon anberen jugebilligt ertiält, ober e§ 
ift ein beftimmteg SKa^ oon ©adtigüterbefi^ , mag man al^ @nt* 
gelt forbert ober erhält. 

®ie erfte 9Irt ber ©eltung, bej. aSergeltung fommt jmar 
aud^ burc^ bie @^re, bie man beanfpruc^t unb erroeift, jum 2lu§* 
brudE. S)ie ©efellfc^aft ift ein allumfaffenbeS ©emebe oon äußeren 
Verehrungen, 9Inerfennungen unb aSerurteilungen. 2lt(ein bie per^^ 
fönlid^e ©eltung äußert fidt) nidt)t minber o^ne äußere 2lu§jeid^' 
nung unb SSere^rung unb mirb allgemeiner burc^ bie perfönlid^e 
2Id^tung unb 3wneigung, bie man fudE)t unb finbet, burc^ ben 
3)anf ber 9Jlit« unb SJiad^melt, auf meldien man Ijofft. @§ ftnb 
imponberable SDBerte unb bod| oon gewaltiger SQBirfung. 2)ie 
©ojiologie mirb auf bie Sauer ben a3lidE nid^t auf bie a3etrad|^ 



— 144 — 

tung ber befi^Ud^cn SBcrtung unb SBcrgeltung, bie @clbfd)d^ung 
unb bic ^reiSbilbung , fo roid^tig biefc nationalöfonomifd) finb, 
bcfd^ränfcn bürfcn. SltterbingS ift auä) bic pcrfönlid^e ßeiftung 
ber beft^lid^cn SBerocrtung fällig unb bcr ©elbbeiocttung bcbürf tig ; 
benn jcbc ^crf on ^at immerfort Sad^güter nötig ; itirc (£r jie^ung 
f)at @clb gctoftet ; i^r Untcrfialt erf orbert immer auf§ neue ©ac^* 
güterauf manb. 2lttein bie SBertung ber ^^Jerfonen, fei e§ ber 
ganjen ^erfon, fei*e§ einjelner fieiftungen ber ^erfon, reid^t über 
bie ©rfdieinungen ber beft^lidtjen @ntgettUd|f eit , ber 93eja]^tung 
unb ^reiSbilbung meit ^inau§. %ixx bie Stationatöfonomie ge* 
nügt, menigften^ ber §auptfadE)e x\a6), bie ©rfaffung ber SBert» 
fdEjä^ung unb SJergeltung, nimmer jeboc^ für bie ©ojiologie. — 

Slac^ biefer überfid^tHd^en g^eftfteHung ber ^auptbeftimmt* 
l^eiten be§ praftifc^en ^anbetn§ ift auf einige 93egriff§beftimmungen 
im einzelnen eingugetien. 

3xmädE)ft unb ^auptfäd^Iid) auf bie 3)ladt|t at§ befttmmen« 
ben @influ§, bie 9Jlac^t einer ®injets ober ©amtperfon in ben 
©emeinfd^aften unb in ben SBerfetiren. 

äBitt man ba§ SBefen ber aJlac^t fojiotogifd) rid^tig erfaffen, 
fo mu^ man einmal fx6) oor ben ju engen 2luffaffungen pten. 
3u eng ift bie 53eftimmung, mel^e SJlad^t nur in ber göl^igteit 
ber 9Ieu^erung oon beftimmenbem ®influ§ im ©taate unb burc^ 
ben ©taat erblidtt. ®er SSegriff t|at weiteren Umfang. 3)er ganje 
Sßolfeförper ift burc^au§ gemacht, nic^t natürtid) geworben, @r^ 
jeugni§ ber S:at burc^ aJiac^t. 3Kad|t ift alle fojiat mirtungS^ 
fäfiige mirflidje 2:attraft, aud^ menn fte fidE) in ©emeinfd^aften 
unb SBerfeliren nid^tftaatüd^er 3lrt äujsert. 

3u eng ift audEi bie Sluffaffung, meiere in ber SWad^t nur 
bie 3w)öng§mad^t erblidtt. Qnx ajlact)t gel^ört nur für gewiffe 
Sttrten oon ©emeinfd^aften unb 9Serfel|ren bie 2lu§rüftung mit 
3n)ang§mac^t. ©elbft bie mit 3«>öng§mad^t au^gerüfteten @e* 
malten äußern ba§ 53efte an 3)lac^t ol^ne 3w><Jn9- 3Jlad^t ift all* 
gemein nötig, aber nic^t bie SJlad^t burd^ 3«'öng. S)ie 9Jlad|t 
„mac^t" ganj übermiegenb 2)inge, meldie ©ematt meber ertragen 
noc^ f orbern, inbem fülirenbe ©eifter ba§ SBoüen, S)enfen unb 



— 145 — 

güfilcn be§ aSolfe§ einem beftimmtcn ^anbeln julenfen. ®te 
aWac^t 6emi§t fid^ uid^t in erfter Sinie nad) ber 3öt|I ber ©ol* 
baten unb ^rieg^fd^iffe, fonbern jalilreid^e ^eere unb glotten 
ftetien einer 9Jlad^t ju ©ebot, roenn fie bie Qnteteffen, bie .^erjen 
unb bie 3lnfid^ten ber Slngetjörigen für fid| ^at Slud^ bie Sin* 
fid^t, ba§ @eit)a(t in jenem weiteren (Sinn — ber ^f^neliabung 
t)on §err[d^aft nnb g^ü^rung — mit bem 93egriff ber ajlac^t fid^ 
bedfe, märe irrefülirenb; e§ t|at mad^tlofe ^errfrfjer unb SBorftanb* 
fd^aften immer gegeben. 

Tlan barf ben 33egriff ber SWac^t anbererfeit§ nict)t ju meit 
faffen. ^m eigentlid^en ©inne ift meber ber ganje SSorrat oon 
9laturenergien aJlad)t ju nennen, no^ fonn man geroattige 2ln=' 
fammlungen t)on Staturftoffen al§ „mäd)tig" im ftrengen SOBort* 
finne bejeid^nen. SUlac^t ift nid^t gteid^bebeutenb mit „Kraft" unb 
„Snergie" im ©inne be§ neueren ©pradt)gebraudt)e8 ber Statur* 
miffenfdEiaft. SBielmel^r ift burd^ biefe bie SBorfteHung ber XaU 
fraft entlelint unb auf jebe Slrt natürlicher KraftPorräte unb 
Kraftäu^erungen übertragen morben. ©igenttid^ fdtireibt man joen 
anorganifd^en Körpern nur Kräfte, nic^t 3)lad^t p. aSon 3)lac^t 
fpric^t man auc^ nidE)t mit a3ejiel|ung auf bie Kraftäu^erung ber 
^ftanjen, obmotil bie unbebeutenbften ajloofe langfam getfen 
fprengen unb ein SKaimonat eine taum bejifferbare ©umme 35Järme 
in mec^anifd^e Kraft üermanbelt. ajläd^tig werben auc^ bie 2:iere 
nidt)t genannt; menn unb fo meit e§ gefd^ie^t — etma mo t)on 
ber aWa^t ber ^Raubtiere gegenüber anberen Sebemefen bie 5Rebe 
märe — ift e§ für ba§ ©prad^gefül}! nur be§t|alb erträgli(^, roeil 
Siere fd^on metir ober meniger berou^te§ Sriebleben äujsern. ®ie 
bem ©prac^gebraud^ geneljme 93eäeic^nung für tierifc^e ©efamt- 
energie ift nidt)t 2Jlac^t, fonbern ©tärfe. ©elbftoerftänblic^ miU 
burc^ bie 3urüdEmeifung ber ©rroeiterung be§ 3Äac^tbegriffe§ jum 
naturmiffenfc^aftlic^en Kraftbegriff in feiner SBeife beftritten mer* 
ben, ba^ für bie 9Jlac^t biologifd^e, dtjemifdie unb pl|t)fifalifdt)e 
Energie al§ ajlittet benü^t merben. 3)ie 9Jlad|t löft Siaturenergien 
au§, meiere im menfdjli^en Organi§mu§, im ©adtigüteroermögen 
unb in ber freien 9tatur angehäuft finb. 

© d^ a f f l e , gr&rtl ber ©ojtoloflic. 1 



— 146 — 

©ine jToeite ©rroettcrung, rocld^c ber 93cgriff bcr aJlad^t im 
©prad^gcbraud^ erfahren ^at, wirb fojtologifd) abgclcl^nt rocrben 
muffen. aWan nennt ben @influ§ bcr SBetfettung unoorljcrfc^s 
baren 9tatur* unb ®efenfc^aft§gefdE)eI|en§, ®lüdf unb Unglüd, ba§ 
©d^idtfal ober gatum einer SMad^t. ©dritter fprid^t pon be§ Oe« 
fc^irfeS 9Kä(^ten, mit meieren fein eroger 93unb ju fled^ten fei. 
Slber ba§'SEBefen beS S^fößS ift eben, ba§ er Dom SDlenfd^en 
nic^t gemad^t ift, ba§ er n^iHfürlid^ in ben 93 unb ber SBoIfS^ 
gemeinfd^aft fid^ nic^t t)erfled|ten lä&t, ba^ er ba§ ©egenteil 
ber fojialen SWad^terfc^einungen bebeutet. 3)ie Slb^ängigfeit ber 
aWad^t pom Qn^afl wirb bei biefer 2lnfd^auung nidt)t beftritten 
(pgl. (5. 41 ff.). 

Qn miffenfd^afttid^ l^altbarem ©inne* ift SWad^t bie Äraft 'be§ 
^anbelnS, ein prattifdier, ettiifd^er, nid^t ein biologifd^er ober 
fonft naturn)iff enfd^aftlic^er , gefd^meige benn (2mmad)t @otte§!) 
metap^gftfd^er 93egriff. S)arauf meift anä) bie ©pract)e l^in. ÜRad^t 
ift ein tätiget Vermögen. S)iefen 93egriff oon ber 3Wad^t l|at 
nid^t blo§ bie beutfct)e ©pra^e. Qm ©riec^ifc^en finbet man 
56va|jic^, im ßateinifd^en potestas, im 3^ranjöftfdt|en pouvoir, im 
@nglifdt|en power. 

31I§ ajladtjt gilt im ©prad^gebraud^ bennod^ nic^t alle§ praf- 
tifd^e SBermßgen ober aJladE)en!önnen, nidt|t jegliche 9Ieu^erung 
menfd^üc^er Sattraft, fonbern nur bie bei oolftid^em S^f^mmen* 
mirten unb ©egeneinanbermirfen jur ©ettung gelangenbe. 

2^atfraft, ber in ©emeinfd^aften unb in SBerfeliren beftim^» 
menbe ©influ^ ber SMad^t, ift a(fo aud| nid^t ein allgemein ettji« 
fd^et, fonbern nur ein fojialet^ifdEier 93egriff. S)ie ©nergie, meldEie 
ber einjelne 3)lenfd^ au^er^Ib ber fojialen SQBec^felmirtungen jur 
©eltung bringt, mirb nidE)t aU ÜRac^t bejeid^net. 21I§ SJla^t mirb 
nur jene 2leu^erung oon 2^attraft angefel^en, meldte für ba§ prat* 
tifc^e aSöIfer-' unb aSoIt^motten im ©etriebe be§ fojialen §anbeln§ 
beftimmenb im ©ro^en unb im kleinen ju mirfen oermag. SJlac^t 
ift bie praftifc^e§ aSoIt^Ieben beftimmenbe ober mitbeftimmenbe 
S^atfraft. 3)a§ Qnbioibuum l^at für fic^ Seibe^:' unb ©eeten* 
ftärte; aber bie ^raft, meldte e§ abgefc^toffen oon ber SBolfS» 



— 147 — 

gemcinfd^aft au§juü6cn Dermag, ift nid)t eigentlich SWad^t. 3)a§, 
roaS ba8 ^nbiDibuum ganj für ftd^ allein pcrric^tet, ift im Seben 
be8 t)on Statur oolflid^en aQ3cfen§ an pc^ bürftig genug, ba§ rein 
tnbiüibueHe 3lrbeit§felb fel^r eng abgegrenzt, ©elegenttic^ wirb 
roo^l bie Selbftbelierrfc^ung „SWadit über ftc^ felbft", ber 3uftanb 
ber verlorenen (5inne§fräfte aber Otinmac^t genannt. Sluc^ biefe 
tropifc^e aSejeid^nung geflattet ber ©prad^gebrauc^ roefentlid^ bann 
unb barum, wenn unb weil bie ©elbftbel|errf(^ung im fojialen 
SBerfel&r auftritt; roo oon einer „förperlidien Ol^nmadit" bie SRebe 
ift, fd^mebt bag 93ilb t)on verlorener aWac^t ber ©eele im SReid^ 
ber Untertanen ©inne oor. 2luc^ bei ber fog. aWad)t be§ SWen* 
fc^en über bie 5iatur benft man bod^ nur an ba§, maS ber SÄenfd^ 
oolflid^ burc^ bie 2:ec^nif in ber SBolfömirtfc^aft unb in gemein«^ 
famen ©c^u^oorfetirungen über bie Statur oermag. 

S)er (Einengung beS ajlad^tbegriffc§ in ber SRic^tung, ba§ 
nur bie im ©taat befteüte SWa^t be§ ganjen SßolfeS, bie 3Wac^t 
be§ ©taateg unb im ©taat, al§ SRac^t anjuertennen märe, tommt 
ber ©prad^gebraud^ menigften§ nid|t jmingenb entgegen, ©enn 
man fpridjt auc^ oon mäd^tigen Qnbioibuen, gamilien, Klaffen 
unb ©täuben, 2lffojiationen unb Korporationen, oon ber SRac^t 
ber SBiffenfd^aft, ber Kunft, ber Kird^e. ^nbioibuen unb Sßer* 
einigungen finb beftimmenb für allerlei oolflid^e§ ^anbeln, meld^eS 
nid^t ftaatlid^er 2Irt ift, einerfeit§ burd^ itire SBiUen§f raf t , itir 
SQBiffen, il^ren ©lauben, anberfeit§ burd^ itiren 93eft^. Qmmtx^ 
l|in ift nid^t gu oerfennen, ba§ im gemeinen Seben ber ©pradi* 
gebraud^ einige Steigung ju noc^ weiterer ©inengung beS fojial* 
ettiifc^en jum blog ftaat^miffenfdtiaftlid^en 33egriffe jeigt. ^nter* 
national ^ei^en bie größeren ©taaten „bie ÜJtäc^te". 3)er ga=» 
milienoater ift eine ©emalt, aber feine ÜJtac^t, ein ben ©taat 
regierenbe^ gamilienoberl^aupt aber ift ber SWäditige fd^lec^t^in, 
ber Sgnaft. Unter allen Umftänben mirb in einem fgntl^etifd^en 
Seil ber ©ojiologie be§ »oße« ba§ Sßolt al§ ajla^t befonber§ 
tieroorjul^eben fein. 

3)ie bem ©prad^gebraud^ innemol^nenbe Steigung ber 9Ser* 
engung be§ 3Jtad^tbegriffe§ ju einem oormiegenb ftaat^miffeufd^aft* 

10* 



— 148 — 

liefen begriff ift ooHtommcn crflärlid^. 3)cr ©taat ftcttt bie 
intcnftoftc, gcgliebcrtftc, unioerfellftc, cinl^citlic^fte Drganifation bcr 
2;atfraft bc§ ganjen SBoItcg bar. 3)a^cr ift c8 eine erlaubte deno- 
minatio a parte potiori, ben ©taat bie SWad^t ju nennen. 

Slä^ere Seftimmung tieifc^t ni^t bIo§ ber Segriff ber SJlad^t, 
fonbern aud^ jener ber 2; e d^ n i t SJlanc^erlei Unflar^eit ift aud^ 
um it|n gewoben. 

@in erfte§ 9Wi^oerftänbni§ beftanb barin, ba^ bie S:ec^nif 
nur in ber ^unft beftel^e, 9iaturl^inberniffe ju überroinben. <Bä}on 
bie ©ac^güterprobuftion weift in ber Seitung unb SluSfü^rung 
oon ®ef(^äften ein funftgemä^e§ @inn)ir!en auf einjelne ^^erfonen 
unb ^^erfonenglieberungen auf. @§ gilt au^ ba, 2lrbeit§fräfte 
au^jubilben, nod^ ungefc^ulte Kraft jum Können fä^ig ju machen 
unb gefc^ult ju erl^alten. 3)iefe perfonale 2:ec^nif an (Seift unb 
Seib aller probuftioen 3Irbeit§fräfte, ber 2lrbeit§frSfte überhaupt, 
ift bie äJorau^fe^ung für aße Kunft, Jiatunoiberftanbe ju über* 
roinben unb bie baju erforberlid^en SBertjeuge, SJlafc^inen, 2lppa* 
rate, ^aupt* unb ^ilfgftoffe bereit ju ftellen. 

©in jn)eite§ 3Äi^oerftänbni§ ift bat)in gegangen, ber begriff 
ber 2:ed^nif fei auf bie Kunft ber ©ac^gütert)erforgung einjuengen. 
3Wan l^at bie 3;e^nif gegenftänblid^ mit ber SBottSroirtfc^aft fid^ 
bedten laffen. 3m öereic^e be§ immateriellen aSolE§leben§ treten 
aUerbingg nad^ beffen 3iatur bie S^ed^nif ber perfönli^en Oeftal* 
tung unb 3)arftellung unb bie Sei^nif ber ^erftellung oon fgmbo* 
lifd^en SBerten jeber 2lrt meitaug in ben Sßorbergrunb , mätirenb 
bie S^ec^nif ber Ueberroinbung natürli(^er SBiberftänbe jurüdtftel^t. 
Sfnbeffen ^at felbft bie SBolfömirtfc^aft genannte ©ac^güteroerfor* 
gung be§ 93olfe§ QxotXQt, in meldten bie ^erfonaltec^nif loeit 
übermiegt. ©o in allem ^anbel unb im 33ermittlung§gemerbe über* 
l^aupt mit i^rer oielgeftaltigen Sec^nif ber 93ere(^nung unb dtt6)^ 
nung, ber 33uc^l|altung unb 3Äeffung, 3öWung, Krebitierung unb 
3)ebitierung, 33ilanj, Qnoentarifation, Kaffen* unb Sagerbi§pofition. 
^ier mie in ber tJinanj ift e§ oormiegenb jmedmä^ige (Seiftet* 
arbeit, mag fi(^ geltenb mac^t. 

®in britter Irrtum ift bei SBürbigung ber S^ec^nif ju oer* 



— 149 — 

tncibcn. ®§ ift btc SBorftcßung, al§ ob bic 2:ed)mf ganj für ftd^ 
felbft — ol^nc SRüdtftc^t auf bic beftimmtcn 5ßcrfonen — baS fünft« 
U^fte ber möglichen SBcrfaliren jcbcr praftifc^cn Slufgabc gegenüber 
anjuroenben liätte. 3)ie 2:ec^ntf fteljt immer fonfreten ^ebürf« 
niffen gegenüber. 3)en reinen 2:ec^nifer gibt e§ überl^aupt nid^t. 
S)ie Se^rer ber ^unft an ben ted^uifc^en ^o(^fc^ulen ftnb e§ nic^t; 
benn fte finb eben Setirer ber ä^ec^nif unb fidbtn bafür il^re be» 
fonbere S e 1^ r ted)nif . 3)ie ©rfinber finb aud^ nid^t al§ „reine 
2:ec^nifer" anjufel^en; fte ftnb ©rforfd^er jmedtmä^iger SBerfal^» 
rung§meifen unb l^aben bol^l eine eigenartige Sed^ni! ber gor* 
fc^ung, mie fte alle ttieoretifc^e SBiffenfd^aft t|at; aber 2:ec^nifer 
ftnb fte ni(^t, beoor fie il^re ©rfinbung für beftimmte praftifc^e 
2lufgaben anjumenben finben. 3)er Ijöd^fte ®rab ber Künftlic^* 
feit, welcher non ben Äunftle^ren unb oon ben ©rfinbungen bereit 
gefteHt ift, nermag tatfäc^Ii^ nic^t oermenbet ju merben, menn bie 
aOBiberftänbe, mel^e fünftlic^ ju überminben finb, na(^ einfacheren 
SWet^oben bur(^ geringere Opfer bcfcitigt merben fönnen. 3)er 
befte aOBirt fann mit bem ©rabfd^eit nic^t baSfelbe erreid^en mie 
mit bem 3)ampf pflüg, unb ber Kleinbauer fann bie ^adte nic^t 
burc^ ben ©jftirpator erfe^en: barum arbeiten boc^ nic^t aßge* 
mein nur 3)ampfpflüge unb ©jftirpatoren. aWan fann mit ?ßfeil 
unb Sogen ni^t auSrid^ten, n)a§ mit ber Slrtißerie ausgerichtet 
werben fann; man barf aber „ni^t mit Kanonen auf ©pa^en 
f(^ie§en". 

©obalb ber ^rofeffor einer polgted^nifd^en ^od^fd^ule einen 
SBerfpIan ju entmcrfen ober aud^ bie 2lu§fü^rung ju leiten l^at, 
mirb er nid^t feinem ^efte ein beliebige^ ober jeneS SBerfal^ren 
entnetimen, meld^eS ba§ möglic^ft noHfommene ift, fonbern jene§ 
aSerfa^ren, melc^e^ ftd^ nac^ ber 3)edEe ber SRittel ber Sluftrag* 
geber, b. 1^. ber möglid^ mirtfd^aftlic^ften ©efamtbefriebigung 
ftredtt, alfo im gegebenen 3^aQe unb bei gegebenen 3JlitteIn be§ 
SBerflierrn ha§ jmedfmä^igfte ift. gür fi^ felbft finb aud^ bie 
2:ec^nifer unb bie auSfül^renben Slrbeiter non mirtfc^aftlic^en 3Jlo* 
tioen gegenüber ber ^erftellung§== ober 93rau^gemeinfd^aft, melc^er 
fte angel)ören, erfüllt; fie moÜen baran möglid^ft oiel nerbienen. 



— 150 — 

um ju genießen, ä^cd^nifcr unb 2lrbcitcr folgen oud^, fotocit fic 
in (Scmcinfd^aften mitroitfcn, bcm roirtfd^aftlic^ bcftimmcnbcn ©ub^ 
jeftc; alle aSerffü^rung unterfte^t ber SBirtfc^aftSfü^rung. 3)er 
%tä)mttx unb ber 2lrbetter fielen nur ju ber SBäirtfd^aftölettung, 
nid)t JU ber SBtrtfc^aft in einem (Segenfafe. 

SKuc^ über ha^ äJerl^ältniö ber 3;ec^nif jum @rfenntni§leben 
be§ SBoIfe§, l^ouptfäc^Iid^ jur berufsmäßigen SBiffenfdiaft l^errf(%t 
nlc^t t)oHe Älarl^eit. ©runblage ber S:ec^nif ift einmal bie Kennte 
niS ber Gräfte unb ©toffe ber Statur, meldte abjumel^ren ober 
in 9lufeung ju nehmen fmb. ©runblage ber S:ec^ntt ift aber nid^t 
minber bie Kenntnis ber perfönlic^en ©nergien, beren 3Biberftanb 
ju überminben unb beren 53ei^ilfe ju gewinnen ift. ®ie ©runb^ 
läge beS tec^nifd^en SQBiffenS ift ^iernad^ Statur* unb SJlenfc^en* 
fenntni§, ob fie empirifc^ au§ ber ^raji§ ober tl^eoretifc^ burd^ 
bie aSJiffenf^aft gewonnen ift. ®ie ganje S^aturmiffenfc^aft ein* 
fd^ließlid^ ber ^Biologie unb bie ganje SBiffeufd^aft nom ©eelen* 
unb ^ ® eifteSteben ber SUlenfd^en bilben ©runblagen be§ ted^nifc^en 
aOBiffenS. 2luf ber Unterlage ber S^aturroiffenfc^aft unb ber 
©eifteSmiffenfc^aft erl^ebt fic^ ba§ SSSiffen non ben SBerfa^rungS* 
meifen, bur^ mel^e ®rfolg§miberftänbe jmedtmäßig übermunben 
werben, unb ba§ SBiffen non ben aÄec^ani§men , aSBerfjeugen, 
2Ipparaten, gjJaterialien, mel^e ate äußere Hilfsmittel ber tec^ni* 
f^en Ueberminbung aßer SSBiberftänbe nermenbet werben fönnen. 
S)ie ©rrungenfdiaften an folgern ted^nifd^^^praftif^en SBiffen wer* 
ben geleiert, oerarbeitet, verbreitet non ben Äunftle^ren unb ber 
Äunftliteratur, Je^nologie, ^äbagogü, S)ibaftif, SR^etorif unb 
Don ben Sel^rinftituten ^iefür. 3ur 2:eci|nif getjören alle biefe 
Onftitutionen nur als befonbere Sftic^tungen ber g^orfc^ung unb 
Seigre, nic^t aU aftuelte Betätigungen ber Sed^nit Slud^ bie 
gorfc^ung für ben gortfc^ritt ber Sec^nif ober ha^ ®rpnben 
wenbet jwar ®yperimentaltec^nif an, ift aber, wie fc^on erwähnt, 
ni^t ganj 2:ed^ni!. 

2)ie ®ntwirfelung ber S:edönif ift oon bem ted^nif^en ®r* 
lenntniSprojeffe beS @rfinben§ abpngig. ®a§ ®rfinben ift 
Don jweierlei 2lrt, nämlic^ empirifd^ ober wiffenfc^aftlic^ rationell. 



— 151 — 

3mm«r mel^r gcrotimt bic rationelle SJed^nif über bic ©mptrie bie 
Dberl^anb. 3ln bie ©teile tec^nifc^er Ueberlieferung, bereu Qnl^att 
l^äufig blo§ burc^ glüdf liefen Qn^aü getoonnen mav, treten nun 
ted^nifd^e ©infi^ten oon n)iffenf(%aftli(%em ©el^alt. 3>iefe ©inftd^* 
ten fönnen rationell einer allgemeinen Slnroenbung jugefül^rt 
werben, geftatten freiet jielben)u^te§ Äonftruieren, machen oon 
ber ^Routine unabhängig, fönnen allgemein oerbreitet unb nimmer 
verloren merben. Keine früliere 3cit l)at fo oiele unb bebeutenbe 
©rfinbungen gemadjt, mie bie jüngfte SBergangen^eit ; feine ^at 
batier au^ fo gro^e Ummäljungen unb gortbilbungen ber 2:ec^nif, 
nid^t blo^ ber aSolf§n)irtfd^aft§te^nif, aufjumeifen. 

3)ie S:ed^nif im ganjen ift in ber gorm itirer D r g a n i * 
fation anwerft mannigfaltig, ^nl^aberin nielfältigfter Ud)nu 
fdier SluSftattung unb Trägerin oielfältigfter Kunftfertigfeit ift bie 
gamilie nac^ allen ©eiten i^re§ 3)afein§ unb SBirfeng. 3)er 
Sec^nif fmb au^er ber g^milie ?ßerfonen jeber Slrt, prioate unb 
öffentliche, Qnbioibuen mie (Sefeüf (Ruften , ®enoffenf(^aften, ju* 
gemenbet. 2)ie Slnnal^me, ba^ bie S:e^nif nid^t in ber gorm ber 
öffentlichen Drganifation felbftänbig auftrete, märe al§ in l^o^em 
®rabe befc^ränft anjufe^en. ©taat unb ©emeinbe, meltlic^e unb 
geiftlic^e Korporationen l^aben nid^t blo^ eine 2:ed^nif ber Seitung, 
9iormierung unb Sßermaltung, fonbern finb in erfter Sinie i^reg 
großen ted^nifd^en @rfolge§ megen organifiert. 3)ie Drganifation 
ber ©emalttec^nif fann nur im ©taat unb in ber ©cmeinbe, bie 
Se^rte^nif in öffentlictien Unterric^t§anftalten jur ooHfommenften 
©ntfaltung gelangen. 

Sticht minber bef darauf t märe bie anbere 2lnftc^t, ba§ e§ 
feinen felbftänbigen Qnbioibualbetrieb ber S:ec^nif gebe. 3)ie 
Künfte, mel^e eine bem ©injelnen günftige SQBirfung funftfertig 
l^erbeiiufül^ren l^aben, mie bie Kunft be§ 2lrjte§, bie Kunft ju 
lehren , Unterl|altung§fünfte u. f. m. merben mel^r ober weniger 
inbioibueU ausgeübt, ©ogar bie geiftige Slrbeit be§ tec^nif(^en 
Konftruieren§, @ntmerfen§, Panmad^en^, 3Weffen§ mirb für bie 
3mede ber ^robuftion, aber nid^t blo^ ber ^robuftion, gerabe 
in neuerer Qt'ü burc^ felbftänbige 3;ed^nifer unb tec^nifc^e 33ureauj 



— 152 — 

geübt. @inc 3Äaffc ber gemeinen, fog. ntec^antf(^en Kunfttätigfeit 
in allem Kleingefd^äft mirb felbftänbig betrieben unb mirb fort* 
beftelien bleiben, ha e§ nic^t benfbar ift, ba^ Sunftleiftungen für 
wec^felnbe 93cbürfniffe ©injelner jemals werben entbel^rt merben 
fönnen. 3)ie te^nifdie ©elbftänbigfeit non :3nbit)ibuen mirb nie 
ganj oerfd^minben. 

3)ie 33 ebeutung ber S^ed^ni! für bie Tla6)t eine§ 
aSolfe§ lä§t ftd^ einfach beftimmen. Qe me^r bie ganje ©lieberung 
be§ SBolfeS an fic^ felbft unb ber 2lu§enn)elt gegenüber funftfertig 
ift, je mel)r alle 93eftanbteile ber aSolfggemeinfdiaft für fid^ felbft 
burc^ 2:ec^nif mäditig finb, befto reichere unb mirffamere 33eiträge 
für bie SJlad^t oermögen fie bem ©taate ju leiften, befto ausgie- 
biger oermäg il)re 2:ec^nif ber 2:ec^nif ber ftaatlic^en 3Kac^t^ 
organifation beijuftel^en. Äein tec^nifdi jurüdfgebliebeneS SSolf 
oermag einen mäd^tigen ©taat ju bilben. -3e l^ö^cr bie 2:ec^nit 
fi(^ entmidEelt, je intenfioer fie ft^ gcftaltet, je mel^r fie überall 
3lrbeit§fräfte unb Hilfsmittel anl^äuft, gliebert, oereint, befto melir 
erjie^t fte bie ganse 35et)ötf erung , \xä) ftaatlid) jufammenfaffen, 
gliebern unb oereinlieitlid^en ju laffen, miDig unb mad)tbereit ju 
fein. 3)er ©taat ^at nebftbem, ha^ er auf bie bürgerlid^c 2:ed^nit 
fid^ flü^t unb 2:ed|niter aller 2lrt feiner Organifation einfügt, 
feine f elbftänbige Jec^ni! : eine eigene 2:ed)nif ber ^Regierung, ber 
©efe^gebung, ber SBermaltung, ber S:aftif unb ber ©trategif. ®ie 
eigenfte ftaatli^e ä^ec^nif ift, maS ben nic^t ber (Semalt gemibmeten 
aSoHflredEungSbienft betrifft, arm an bem, maS nüfelidie 2:ed()nit 
genannt morben ift. 3)a§ fann gar ni^t überraf d)en ; benn bie 
bem Jßolfe perfönlid^, nid^t ber äußeren Statur jugemenbete Staats* 
tätigfeit ift mefentlid^ geiftige Slrbeit, ber ©taatSbienft bal^er reid^ 
an 5ßerfonaltec^nif mit pgeliöriger ©gmbolit. @S märe barum 
bod^ nid)t rid^tig, ju fagen, im ©taate fterfe menig 2:e^nif. ^n 
ber Organifation ber jmingenben ©emalt, einerfeitS ber Statur, 
anbererfeitS äußeren unb inneren g^einben gegenüber, ftedft eine 
med^anifd^e 2:ed^nif oon fol(^er ®rö^e unb ^ntenfität, mie fie bei 
feiner UrprobuftionS^ gabrif* unb ÄaufmannSunternelimung an- 
antreffen ift. 



— 153 — 

3)ie ^ auptiüirlung bc§ tcc^nif^en gortfc^ritt§, nid^t 
nur bc§jenigcn, xütlijzx bic Slu^enroelt, fonbetn aud| be§j[cnigcn, 
Toclc^cr bcn ajlenfd^cu jum ©egcnftanb liat, ift Söefcitigung ber 
Slbtiängigfeit Don ber äußeren 9iatur, bcj. t)om pcrfönUd)cn ?la* 
tureH, ber gortf(^rttt Dom eftenftocn 93etricb, lücl^cr gcfd^e^cn 
laffcn mu§, xva^ bie 9latur bietet ober uerfagt, jum intenfben 
betrieb, in roeld^em menfc^Iic^e Kunft ber 9latur unb bem 9ta* 
turell ben l^öd)ften ©rfolg abjroingt. SBie gewaltig biefer g^ort* 
fd^ritt ift, jeigt fid^ barin, ba§ man tjeute in ben SRetorten ber 
©liemifer ^rojeffe ablaufen lä^t, n)eld)e oon 9latur nur auf bem 
2ldterfelb unb im ©talle be§ SanbmirtS oor fid) gel)en, ha^ man 
bie SBafferfraft eleftrifdf) burc^ bie Suft transportiert, ba§ man 
2:ag unb 9la(^t, ©ommer unb SBinter, o^ne Unterbredjung burc^ 
natürlid^e unb p^r)ftotogifc^e 5ßeriobijität arbeitet. 

9JJit ber 33efreiung oon ber 9iaturab^ängigfeit erfolgt burc^ 
allen te(%nifc^en g^ortfc^ritt eine fteigenbe aite^anifterung ber au§= 
fü^renben Slrbeit. ©igentli^ ift ba§ nur bie pofitioe ^el^rfeite 
be§ 2luft|ören§ ber Staturab^ängfeit, nämlic^ fteigenbe ©ienftbar* 
feit ber 9iatur für ben aJJenfdien.. 3)ie Sffle^anifterung ift bop* 
pelter Slrt. ©ie tritt auf als @rfa^ ber menf^Uc^en 3WuSfel* 
unb 9ieruenarbeit burd^ ein ni^t blo^ mol)lfeilereS, fonbern auc^ 
ftc^erereS unb ununterbrod^eneS SJßirfen ber unbelebten 9iaturfraft. 
S)ie fteigenbe 3Äe(^aniflerung jeigt fi^ aber auc^ an ber menfc^* 
lid^en Slrbeit felbft ; biefe mirft faft unbemu^t weiter, äl^nlic^ ber 
automatifd)en 93en)egung im SeibeSleben. ^mmer mel^r bemühtes 
(Seftalten meiert ber im weiteren ©inne med^anifd^en, b. 1^. nid^t 
fortlaufenb bemühten Slrbeit. ©elbft bie Sluf merf famf eit , mel^e 
erforbert wirb, um ben te(^nif(i)en ^rojefe jur regten Q^it ju 
unterbred^en ober mieber einjuleiten, bie Söeobad^tung tierauSju^ 
f orbern ober abjuftellen, ift burd^ umfaffenbeS, je^t namentlid^ 
eleftrif^eS ©ignalmefen erfe^t, meld^eS oline 3wtwn menfdölid)er 
©eifteSarbeit mec^anifdie 2lrbeit anregt ober unterbrid^t. 3)ennod^ 
l|at ber ©rajer ^rofeffor Kraft in feinem oierteiligen SOSerfe 
ü ber bie S:e ^nif^) in einer m. @. überjeugenben SBeife ben Söe- 
1) ®a§ ©gftem ber terf)ntfrf)en Slrbett, Setpstg 1902. 



— 1&4 — 

n)et§ bafür crbrad^t, ba^ auä) bic au§fül^renbc Slrbcit burc^ bic 
2:eci^nif ocrglcic^Sroeife el|cr ßciftigcn Qni)alt gewonnen, afö ®nt* 
geiftung erfahren ^ot. 

aOBeitere S^ftlcgung forbcrt auc^ bcr begriff bcr SBirt«: 
f(%aft§fül)rung. @r berührt ftd^ mit bcm begriffe bcr 
Scd^nif, fällt aber mit bicfcm nic^t iufammcn. (Scrabe im miffcn* 
fd^aftlic^en @pra(^gcbraud^ cntbelirt er bcr münfdöcn^mcrtcn ©d)ärfc. 
Klarheit mirb gcmonncn merbcn^ mcnn man jmifc^en SBtrtlic^tcit^ 
SaSirtf^aft (2Birtf^aft§fü^rung) , unb SBottSmirtfd^aft p untere 
fc^eiben ucrfte^t. ^ebcr bcr brci 33cgrtffc SBirtlic^fcit (Ocfo* 
nomif), SBirtf(^aft unb SBolfSmirtfc^aft ift je bcn bcibcn anbcrn 
gegenüber teite bcr engere, tcil§ bcr meiterc in feiner befonberen 
aOBcifc. 

®ie SB i r 1 1 i d^ f e i t ift nic^t Slnmenbung be§ tec^nifc^ oott« 
fommenften Kunftoerfa^renS, fonbern bic @rrci(^ung be§ einjcinen 
3merfc§ mit geringfter 2lufopferung an Slrbcit unb Siu^ung. 
aSBirtlic^feit in biefcm ©inne ^at in aDem ^anbeln ol^nc 2lu§na^me 
ju l^errfd^en. ^ein einjclne^ 2^un barf au§ bcr ©cfamtücrfügung 
über perfönlic^c 2lrbeit§fräfte unb über 33efi^nu^ungcn me^r Opfer 
in 2lnfpru(^ nel)mcn, at§ bafür eben nötig finb; benn anber§ 
wäre ein ^öd^ftma^ x)on perfönlic^em ©cfamtcrfolg im ©d^affen 
unb 53rau^cn oer^inbert. 

®ie aaSirtfiaft (SBirtf^aft^fütirung) ift e§, wcl^c bcm 
ganjen ^nxt unb Saffen einer ^erfon burc^ SBirtlid^tcit bei allem 
einjclnen ^anbeln bcn ^öc^ften perfönli(^en ©cfamtcrfolg bur(^ 
geringfte pcrf6nlid)e ©efamtauf Opferung fid^ert. aBirtf(^aft§füI|rung 
ift l^icnad^ auf SBirtti^feit be§ ©efamtt|anbeln§ ieber ^erfon in 
allen 3w)eigen i^rer 93etätigung, fo im ©cfc^äft mic im Srauc^cn, 
gerichtet, ©ic ift bic praftifd^c ©efamtmirtlid^fcit jeber ^^erfon. 

Unter jener „ 9S o l f § m i r t f (^ a f t ", mic fic bcn 9lational* 
ßfonomen oor 2lugen ftctjt, mirb für bic SRcgcl bic ©ad^güter* 
Dcrf orgung be§ ganjen aSolte§ ober, ma§ ba^fclbe ift, bic 93cr* 
mögcn§5 unb @infommcn§bilbung aller oolf^angcl^örigen ^erfoncn 
oerftanben ; babei mirb oorau^gefc^t, ba^ fic mirtlid) geregelt fei. 
95olf§H)irtf^aft in biefcm ©inne ftcHt l^ienac^ bcn engeren 35cgriff in* 



— 156 — 

fofcm bar, als fie bic roirtlic^ftc ^erftcKung, ©riperbung unb 
Äonfumtion bcr ©ad^güter (einfc^Iie^Iid^ totrtUd^fter Slnroenbung 
t)on Slrbcttcn unb Stauungen eben nur für bicfen 3w>^rf)/ itic^t 
bcn l)ö(^ftmöglic^cn ©rfolg be§ gefamtcn ©d^affcn^ unb 93raud^en§, 
nic^t aud^ bie aGßirtlic^fcit im Schaffen unb öraud^en pcrfönlid)cr 
©ütcr bejielt. 3)ic aSoIfgroirtfdiaft ftcOt aber bcr Sffiirtlic^fcit 
unb aSBtrtfc^aftSfül^rung gegenüber anä) ben wetteren begriff bar; 
benn bie ©ad^güterDerforgung be§ $ßoHe§ einfc^Iiepc^ ber baffir 
ftattfinbenben 93erfel)r§* unb bamit ber aSerteilung^porgange be* 
fdiräntt ftd^ eben nid^t auf bie SOäirtlic^teit, fonbern umfaßt bie 
ganje ©ac^güteroerforgung nad) i^rer Organifation in Stecht unb 
SWoral, nac^ i^ren SWa^toerliältniff en , i^rer 2:e^nif wie Oefo* 
nomif, iliren SBerfel^ren unb ©enteinfd^aften (Unternehmungen unb 
Slnftalten). S)ie SBolfSmirtfc^aft ift ba§ ganje Organ* unb 
f^unttionSfgftem ber ©ac^güteroerf orgung eine§ $ßoße§, ni^t 
SBirtlic^feit ber einjelnen ^anblung noc^ SSirtf^aft^fül^rung einer 
^erfon. 

2K§ eine Sßerirrung einjelner 3ßitgenoffen miß e§ mir er* 
fc^einen, ba§ fie alle fojialen 2:atfac^en aU unmittelbar ober 
mittelbar n)irtfd^aftlid)e auffaffen, alfo bie ©ojiologie in SlHmirt» 
fc^aft§tel^re, in „^anöfonomi§mu§" aufgellen laffen. SBeber mit 
ber aSBirtlidif eit , nod^ mit ber SQSirtfdiaftgfül^rung, nod^ mit ber 
SJolf^mirtfc^aft erfd^öpfen fid^ bie fojialen Statfadienfreife, unb 
roenn man fragen bürfte, morauf ber ganje moberne Umfd^mung 
ber SBolfSmirtfdiaf t fclbft berul^t, f o f önnte man fagen : er ift me* 
niger au§ ber Sßolf^mirtfd^aft felbft al§ au§ ber Staturmiffenfd^aft 
]^erau§ geboren morben. 

Sitten SRidjtungen be§ praftif^en $anbeln§ läuft beftimmenb 
jur ©eite bie SQBertung. Qu betonen ift noc^mal§, ba^ bie 
SQBertung nid^t blo^ innerer SBorgang, fonbern 33etätigung oon 
aOBcrturteiten in ber ^raji§ ift, unb ba^ ber befi^lic^en SBertung 
ber $rei§bilbungen ein ebenfo großer 9teic^tum oon ©rf^einungen 
ber ^:ßerfonaln)ertung jur ©eite fte^t (ogl. ©. 142 f.). 2)a§ SBerten 
reid^t weit über bie äSorgänge be§ ?ßrei§fc^luffe§ l^inaug in§ per*» 
fönlic^e greifen l)inein. e§ erfüHt ben ßultu§, bie ©otteSoer* 



— 156 — 

el)rung, tritt in g^cften aller 2lrt Ijcroor, pofitto al§ ^rämüerung 
in ber ®rjicl)ung unb im öffcntlid^en Seben unb negatio qI§ 3ÄitteI 
ber Slbf^recfung im ©trafmefcn (2lburtcilungen) ^). 

a) aSon bcn ©cmcinfd^aften. 

S)ic ^anblungen crmeifen ftd^ raeit übcrmiegcnb cntracber al§ 
Betätigungen in (Semeinfd^aften ober ate Betätigungen im 
aSerfel^re. 

Qn ben (Semeinfc^aften tritt eine 9We]^rI|eit von ©injelper^ 
fönen in geeinter 2lrbeit unb Befi^nu^ung auf, mätirenb bie SBer^ 
feiere in ben SJßec^felmirfungen ber ^erfonen beftetien. 

3uerft fommen bie (Semeinfc^aften in Setrad^t. 9iur barf 
man, inbem man oon ben aSerfel^ren vorläufig abfielet, ftc^ ni^t 
ber ajleinung Eingeben, ba§ bie Oemeinfc^aften unb bie aSerfe^re 
miberfpred^enbe, fic^ au§fc^Iie§enbe Segriffe feien. 3»ebe ©emein* 
fc^aft pflegt juglei^ einen boppelten Berte^r, einen äußeren mit 
britten ^erfonen, meldte il|r nic^t angepren, unb einen inneren 
jmifdöen ben 3WitgIiebern, ben l^errfd)enben unb ben bienenben je 
für fid^ unb untereinanber. S)ie Unterfud^ung mirb atebalb l^ierauf 
jurüdtfüiiren. 

3)ie (Semeinfc^aft jeglicher Slrt ift i^rem SSBefen nad^ ba* 

burc^ d)arafterifiert, ba^ fie eine Oemalt in irgenb meld^er 3^orm, 

(Semalt im ©inne Don ^errfc^aft, aSorftanbfc^aft, gü^rung, 3)ire!* 

tion befi^t. aSereinte§ SSBirten mel)rerer ©injelner für gemeinfame 

3n)edEe erforbert Uebereinftimmung ber SJlitglieber im ^anbeln, 

unb l^icfür i ft ein Koorbination§jentrum (Qnftanj) ober eine SRe^r« 

1) ^ie ^mgemeinl^eit ber Söertung ift fd^on in „f8au unb öeben" nad)^ 
brüdlid^ Iieroorgel&oben roorben (1. 21. I, @. 534 ff.). @§ gef^al) aUer^ 
btng§ in ber „©ojtalpfgd^ologie", n>elrf)er fie roenigfteng nad^ il)rer Organi* 
fation ntrf)t ange()ört. 2luf ben Söert überl^aupt für aße (Stl^t! I)atte 
frf)on §crbart mit ^a^^hxnd Iiingemiefen. Sn ber 1. 2lufl. von ;,5öau 
unb 2tbtn", I, 553f. rourbe feinSöort angefü()rt: „%tv allgemeine ijel)ler 
ber (Süter*, 3:ugejibs unb ^flid^tenlel&re liegt am 3:age. @ic aße !ennen 
nid^t§ al§ hm S© i 1 1 e n unb möd&ten il^n auf irgenb eine Söcife ju feinem 
eigenen Ülegulatit) macf)cn . . . 2lUe§ umfonft! @§ ift immer nur 2öiße, 
aber nie Söürbe beg 3öiUen§, xoa§ erreidE)t wirb. ®tn)a§ anbereS l^aben 
mir ju meden: ba§ Urteil über bie SKiUen". 



— 157 — 

l^cit folc^cr übcreinanber fte^cnbcr Sfflad^t* unb SeitungSjcntren 
erforberüd^. hierüber ift im Slbfc^nitt über ba§ ©cfcHfc^aftS* 
bctöu^tfcin bereite fleiianbelt (©. 47 ff.). 2lud^ bcr innere ober 
®emeinfc^aft§t)ertel|r [tetjt unter bem obenaufftel^enben unb [c^ü^en* 
bell @influ§ be§ gemeinfamen 2lftion§jentrum§. 3)ie äußeren 
Sßerfelire bagegen dfiarafterifiercn ftd^ ate SBed^fetoirfung felb* 
ftänbtger ^erfonen, erfolgen auf bem gu§e ber reinen Äoorbination 
unb entbel^ren irgenb melc^er Ocroalt. 

^ienac^ lä^t fid^ beftimmen, xoa§ ©emeinfd^aft unb maS 
aSerfe^r ift. ®ie greunbfdiaft mirb nur 95erfet|r fein; fte fann 
fogar ein bauert)after unb inl^altreid^er SSertel^r fein, dagegen 
mirb eine 95erfammlung, menn fie unter einem ^räfibium aud^ 
nur eine ©tunbe tagt, al§ flüd^tige ®emeinfc^aft anjufel^en fein. 
®in gefeßiger 3irtcl tt)irb Oemeinfd^aft bann fein, menn er fic^ 
irgenb meld^er Seitung unterorbnet. ^öwiilie unb @I|e mären (Sc* 
meinfc^aften, nic^t ba§ SSerlöbnig. 3)ie „2lnteifögemeinfd^aft" unb 
bie „©efeOfc^aft" unfere§ 35.0.93. (741 ff., 716 ff.) merben al§ 
©emcinfc^aften ju betraditen fein, menn fie bie aÄel^r^eit§ent* 
fd^eibung eintreten laffen. 

3)ie (Semeinfd^aften finb teil§ g^amiliengemeinfc^aften, teil§ 
rein fojiologifc^e äJereinigungen. 

®ie äJereinigungen finb teite einfad^er 9lrt ober aSer= 
binbungen, teil§ jufammengefe^ter 9Irt ober aSerbänbe. 

2ll§ einfache äJerbinbungen gelten im folgenben bie* 
jenigen, in meieren ein ©injelner unab^ngig oon ber übrigen 
aWitgliebfc^aft bie ©emalt ^at, al§ aSerbänbe biejenigen aSer= 
einigungen, in meldien bie 3Äitglieber oerfaffung^mä^igen @inf(u^ 
auf bie ®emalt befifeen. @ine ^rioatunternelimung ift einfache 
aSerbinbung einer allein fülirenben Unternel^merperfönlic^feit mit 
bienenben 2lrbeit§fräften unb leitenben Söefi^ern; eine politifd^e 
Partei bagegen ift 3Wad^toerbanb mit ©influ^ aller 3Äitglieber 
auf bie fjül^rung. 

S)ie aSereinigungen — äJerbinbungen unb aSerbänbe — jeigen 
im Seben ber heutigen ©efeUfc^aft eine gro^e 9Wannigfaltigfeit. 
3c^ unterfd^eibe nad^ ?5orm, Slu^bel^nung (Umfang), 3)auer: 



— 158 — 

1] tiad^ bcr gorm teite freie, b. 1^. red^tltc^ formlofe 93er* 

etnigungen, wie gefeHtge QxxUl, ^arteten — teil§ gebun* 

bene, red^töförmlid^e aSeremigungcn, unb jioar, roag bie 

(enteren betrifft: 

tette p r i a t e ober f reirüillige SSereintgungen : ©efeßf d^aften, 
(Senoff enfdiaften, äJeretne ; 

teils öffentliche SSereinigungen unb jwar 
entroeber für einen befonberen Qxütä ober fpejieUe 

aSereinigungen: Äörperfc^aften, Slnftalten, 
ober für mel^rere, bej. fämtlid^e Qmeät: Oemeinroefen 
(®emeinben — Staaten); 
2] nad^ ber 9lu§bel|nung ber SJJJitgliebfc^aft: gro^e unb 

f leine, 
nac^ ber (Sefc^Ioffen^eit unb Söetannt^eit ber 9Witgüebfd^af t : 

offene unb gefc^loffene, fic^tbare unb u n f i c^ t* 

bare (Semeinfc^aften, 
nac^ ber geograptjifc^en 2luSbel|nung : Sofal^ 93ejirf§*, 

^rooinjial-, SanbeS^, nationale ^Bereinigungen — inter* 

nationale aSereinigungen ; 
3] nad| ber Qzxt teil§ 3) a u e r oereinigungen : unauf(ö§Iid^e, 

auflösbare, 

teils üorübergelienbe: aSerfamntlungen, ^ongreffe, ®e* 

felligfeitSjirfel, Sieifegenoffenfd^aften u. a. 

Qn ber ©lieberung ber Oemeinfc^aftSerfd^einungen ftö^t man 
weiter auf einen großen Unterfc^ieb ber aSeroeggrünbe, um 
beren mitten ©emeinfd^aft begrünbet mirb, unb auf Unterfd^iebe 
beSjenigen Q n t e r e f f e S , metd^eS bie Oemeinfd^aft für bie ^xU 
glieber i|at. 3)anad^ ergeben fic^ u. a.: 

bie Unterfd^iebe ber gemeinnü^igen unb ber nid^tgemein* 
nü^igen ®cmcinfd)aften, 

bie Oemeinfd^aften ju einfeitigem aSorteil unb bie (Segen* 
feitigfeitS^^Semeinfdiaften. 

3ur ß^^fltißberung ber ©emeinfd^aftSerfd^einungen ift meiter 
l^eroorp^eben: eine unb biefelbe Oemeinfd^aft fann bie perfd^ie« 
benen attgemeinen 9tid|tungen beS ^anbelnS jum gemeinfamen 



— 159 — 

3tt)crf i^aben ; ftc f ann @cfci^äft§* unb S3 r a u d^ gemcinf d^aft 
jugletc^ fein, ^n ber älteren unb älteften ©tarnnte^^ unb 
gamiliengemeinfc^aft mag bie§ oorroiegenb ber gaU geroefen fein. 
Qmmer mel^r gel^t aber bie ©emeinf^aft in eine 2:rennung Don 
®ef(^aft§* unb öraud^gemeinfd^aft, jebe biefer beiben ©attungen 
in eine 3ÄannigfaItig!eit befonberer gef^äftUd^er unb befonberer 
53rauc^'®emeinfd)aften — mit bem Korrelat oerfnüpfenber, be* 
fonberer 93erfel)re — auSeinanber. 

Unb jmar in jebem befonberen ©efittunggbereic^ in eigen« 
artigen Spaltungen! 

3[ebe§ aSoIf ift ein mannigfaltige^ @anje§ fämtlic^er fjormen 
unb 2lrten oon ©emeinfd^aft, unb ba§ Qnbioibuum ift jumeift irgenb« 
mie an ©emeinfc^aft jeber 2lrt fü^renb ober in Unterorbnung be* 
teiligt. ^tbo6) maltet auf oerfc^iebenen ©tufen ber ©ntmidflung 
feine§meg§ ba§felbe ajlifc^ung§t)er^ltni§ ber gormen unb Slrten. 
®ie pl^ijfiofojiologifc^en fjormen ber ©emeinfc^aft ftel)en mel^r 
am 9lnfang, mäl^renb bie prioaten unb öffentlichen ^Bereinigungen 
fpäter fid^ immer ftärJer bifferensieren unb ©eltung erlangen. 
®ie Sßerbrängung ber naturalen ^au§mirtfd^aft bur(^ bie fapita* 
liftifc^e Unternehmung ift nur einer ber fJäDe biefer 2!enbenj. 

aSorfte^enbe ©^ftemifierung ber ©emeiufd^aftSarten unb bie fogio* 
logifc^e ©^arafterifierung jcber einzelnen ^rt ^aben einen großen Seit 
meiner ttjiffenfc^aftUc^cn Sebendarbeit in Slnfprud^ genommen, nament* 
lidö in meinem „33au unb Seben" einge^cnbe ^ije^anblung gefunbcn. 
©efonberö mit ber grage ber prioaten unb ber öffentlichen, ber fopitalifti* 
fd^en unb ber gcnoffenf^aftlic^en ^uSgeftattungcn in ber ©egenmart ^abc 
ic^ mtj^ einge^enb bef^öfttgt. ^ä) \^ah^ baoon nid^td jurüdF^une^men 
unb ^ätte nur menigeö crgänjenb beizufügen. Söleinc ^2lugfül)rungen 
moren burd^auö fojiologijc^ in bem ©inne, bafe bie oerfdöiebenen ®e= 
meinfd^aftgformen in i^rer allgemeinen Slnmenbung für jebeS ©ebiet 
ber ©efittung miffenfc^aftlic^er Öeflimmung unterzogen mürben. 

S)iefe aÖgemeine fo^iologif^c SBürbigung erfolgte o{)ne jebe Sei- 
äiefiung ber biologifc^en ^2lnalogie; bie organifc^c Sflatur bietet nichts 
5um aSerglcid^e. S)ennoc^ blieb ic^ nad^ ben ^ßrdbifaten ber Sfrititer, 
bie mic^ entmeber nid^t berfte^en moHten ober nic^t gelefen b^ben, ber 
„Drganifer" unb nicbtö al» „Drganifer". 

3lo6) fei 5ur SBaW ber Bezeichnungen für bie berfc^iebcnen 
formen ber ©emeinfc^oft einiget bemerft: 3)ie ©ejeic^nung ;,aSer* 
ciniguug" ift gemä^lt, obmo()l für biefelbe ©ac^e baS SBort ©emein- 
f c^ a f t nä^er ju liegen fd^eint. ^m gemeinen ©prad^gebraud^ ^at baS 



— 160 — 

ffiort ®cmcinfc^oft teil« einen üiel tpciteren, ben SSerfe^r unb bic 
gamilie einfdjliegenben ©inn, teil« ben üiel engeren priöotred^tlid^en 
Sinn ber Stu^ung einer gemeinfamen ©oc^e (^nteil«gemeinfc^aft, cora- 
munio). Da« SBort ® e f e U j (^ a f t ^ot cbenfafl« teil« ben öiel weiteren 
Sinn aller fojiologifc^en ©rfc^einnngen ber menfc^Iidöen ©efeüfd^aft er* 
langt, teil« $at e« ftd^ auf bie nic$t regiftrierten juriftifc^en ^erfonen 
für mirtfc^aftlic^en ®efdöäft«betrieb (ermerbSgefeüf^aft, ®enoffenfd)oft) 
eingeengt. 3)a« SBort SS e r c i n begreift bie @rf (Meinungen be« gamiüen* 
re^t« unb be« öffentlich-rechtlichen 3ttJong«öerbanbe« nid^t. 3)o« SBort 
SS e r b a n b ^at eine fe^r flüffige ^nmenbung, ift aber mefir unb me^r 
Söejcic^nung jeber nac^ äWitglieber^a^l unb 3lu«be^nung größeren ^n^ 
fantmengefegten SSereinignng gettjorben, int ®egcn}aft ju ben einfachen 
SSereinigungen ober ben SSerbinbungen. feienad^ murbc eine 93ejeiclönung 
(„SSereinignng'') angettjenbet, ttjeld^e bie SSerbinbungen unb bie 
SSerbänbe in fic^ befagt, aber bic ju meiten unb ^u engen ^o'rfteHungen 
au«}ctlie6t. ©elbftüerftänblic^ ift bie 3ijißi^«n9 be« S3egriff« unmag* 
geblic^ gemeint. 

93et)or bie öcirad^tung Don ben Oemeinfc^aften ju ben 9Ser* 
feliren fortfd^reitet, ift tjcrtjorjul^eben, ha^ alle ©cmeinfd^aft fetbft 
auf aSerfelir berul^t. Qebe ooDiietit fict) burd^ SBec^felroirfung 
bev fü^renben mit ben gefolgfamen aJlitgliebern unb roiebcr bicfer 
unter einanber. Qd) nenne biefcn 9Serfei|v ben inneren ober ®c«= 
meinfc^aft§t)crfel|r im ©egenfa^ ju ben äußern, oon ber S3e* 
l^errfc^ung burc^ gemeinfame ©ematt aufgenommenen $ßer!cl^ren^ 
weld^e jmifc^en felbftänbigen ^erfoncn ftattfinben. ®iefer innere 
9SerfeI|r mirb in fclir jufammengefefeten ©emeinfd^aften, mie im 
©taat unb in ber ©emeinbe, eine fcl^r tompleje ©rfd^einung. 
@§ finbcn Sienft* unb 35efi^beiträge feiten« ber SWitglieber, 
©injeU unb ©efamtgegenleiftungen feiten« ber ©emeinfd^aften an 
bie Sfflitglieber ftatt. S)ie ©cmeinfdiaften t)erfd)iebener g^orm unb 
2lrt l^aben fet)r oerfc^iebenartigen inneren 9Serfel|r. 3)ie ©emein* 
fc^aften treten mol^I in ben äußeren aScrfetircn al« ©in^eiten auf; 
in ilirer ^anblung«fäl)igteit [inb fte aber burd^ Seiftungen ber 9Jlit* 
glieber unb an bic SJlitgliebcr , b. i|. burc^ innere SSerfel^rc 
smifd^en ©injclperfonen vermittelt. Ob c« jmecfmä^ig ift, bie 
Söcjcic^nung „innerer" ober „®emeinfc^aft«Derfe^r" ju gebraud^cn, 
mag beftritten merben, bie 2:atfa(^e felbft, ba§ jeglid^c ®cmein* 
fd^aft burc^ Söec^fclmirfung unter einer ©emalt fid) ooUjicIit 
(ogl. ©. 36 ff.), ift nid|t ju beftreiten. 



— 161 — 

b) SBon bcn Sßcrfcl^ren. 
a) SKcfen unb ®runb be§ S5erfc^r§. 

Unter bcn Sßerfe^ren [inb l^icr unb rociterl^in nur bic äußeren 
aScrfc^rc, b. 1^. bic SBcrtctirc jroif^cn fclbftänbigcn ^crfonen, nic^t 
bic inneren ober ®emeinfci^aft§oerfel)re oerftanben. Sitte SBerfe^rc 
finb praftifdie SBertung^^, ®efd^äft§* unb 93rauc^erfd^cinungen 
jugleid^, inbem fie atte irgenbroie auf SSeränberung gerid^tet unb 
burd^ SBertungen beftimmt [inb. ®er aSerfel^r fann batjcr felbft 
jum Oefd^äft in atten formen ber ^^crfönlic^fcit werben unb ift 
ba§ gerabe in unferer ä^tt geworben, oon welcher man nic^t blo^ 
bejüglic^ be§ ©ac^gutocrfei|r§ anjuerfennen ^at, ba§ fie „im S^u 
ä)zn be§ Sßerfe^r§" (2Bort ^aif er ' SBit^eIm§ IL) fte^e. 

S)er aSerfcIir ift ba§ fojiale SBaltcn be§ aBettgefe^e§ ber 
SQBe^felmirfung felbftänbiger Steile. 2ll§ bic fclbftänbigcn Steile 
treten in bcn aSerfetiren iianbeinbe ©ubjette mit pcrfönlid^er @ncr« 
gie unb in 53efi^nu^ungen auf. 

aSBeil e§ felbftänbige Jeite firtb, meiere in bic SßJcd^felmir* 
fungen be§ 93erfel)r§ treten, oottjicl^t fi^ ber Sßcrfe^r auf bem 
fju^c ber Koorbination unb red)tlic^ übermiegenb in ber gorm bc§ 
SSertrage§. 3iur ift nid^t überliaupt jicbcr SBcrfel^r rec^tlic^ gebun^ 
bcn, unb fc^on barum ift nic^t atter SBcrfclir 95ertrag§ocrfe^r. 

SJlanc^crlci aSerfel)re finben unb benötigen bic SRcc^t^ocrbinb* 
lid^feit nic^t. ®ic 9Jlaffc attc^ gefettigen äJcrfel^rg, be§ pcrfönlic^cn 
Umgang^, ber frcunbfc^aftlid)en S3erül^rung, ber SÄittcilungSücr* 
lel^r laufen nic^t auf ben ©d^ienen be§ SRed^t§. ©omeit jebod^, 
als bie Sßerfelire be§ 9iec^t§ bebfirfen, erlangen fte — unb jmar 
für öffentlid^e mie für prioate ^erfonen — bie SRed^tSoerbinblid^^^ 
feit, für bie Siegel burd^ Sßertrag. 

®iefe ©eflaltung liegt mirMid^ in ber Äonfequenj be§ äujseren 
aSerfel^rS at§ einer SBed^felmirfung felbftänbiger ^erfonen. @§ 
ift jmar notmenbig, ba^ biefe einanber bei einer beftimmten 
SBittenMbereintunft feft^alten, alfo rec^tlic^ uerpflid^ten fönnen; 
aber bie red^tlid^e 93inbung bleibt mit ber ©elbftänbigfeit ber 

© d^ ä f f l c , SCbriB ber ©Oäiöloßie. 1 1 



— 162 — 

Seile nur bann Dercinbar, rocnn beibe 2!etle in freiet Ueberein* 
ftimmung ftc^ oerpflld^ten, b. 1^. nur unter ber gorm be§ aSertragS. 

5Ri^t al§ ob SRed^t^oerbinblic^feiten nid^t and) au§ unerlaubt 
Un ^anblungen, qu§ aSergeroaltigungen , au§ ungerechtfertigter 
Vereiterung (93.0.93. § 812—822), au§ ®efd)äft§fü^rung o^ne 
Sluftrag entftel^en fßnnten. Mein bie red^tlid^e Orunbform be§ 
Derpffic^tenben 93erfet|r§ ift ber äJertrag. 

S)er ®runb atte§ aSerfeI|r§ ift immer irgenb melc^eg 3»ntereffe 
Don ^Parteien, mel^e entmeber au§ eingegangener ©emeinfd^aft 
^erau§ ober in ergänjenbe (Semeinfc^aft l^inein ftreben. @§ ift 
bie in ber SQBeltfteKung ber Oefellfdiaft gegebene äJerfnüpfung oon 
Slbl^ängtgfeit unb ©elbftänbigfeit mec^felmirfenber Steile, morauf 
bie ©ntmirflung alle§ aSerfeI|r§ beruht. S)en Slnfto^ gibt allgemein 
allen ^erfonen ber aSorteil, welcher entmeber auf Befreiungen unb 
So^löfungen, ober auf SBerfnüpfungen unb ©rganjungen tjinbrängt. 
3Äit ber ©ntmidlung oon immer me^r eigenartiger Sed^nit, SJlad^t 
unb Oetonomif fteigt bie Unglei(^l|eit ber ^erfonen, bamit aber 
juglei(^ bie @rgänjung§fäl|igfeit unb bie @rgänjung§bebürftigteit. 

3)ie Einteilung ber g^ormen unb 2lrten be§ SSerfelirS ergibt 
biefelben Kategorien, meldte für bie Oemeinfd^aften tieroorgetre* 
ten finb: 

familienliafte unb rein fojiale, 

freie -unb red^tlid^ binbenbe, 

prit)atred)tli^e unb öffentli^ red^tlidie, 

au§gebel)nte unb lotale, 

®auer* unb 2lugenblid§==a3erfel^re. 

ß) Äommuttüation unb SßcrJel^r. 

SBir geben unb empfangen immerfort 3Jlitteilung oon 2lb=» 
fid^ten unb SBünfc^en, (Sefü^len unb Sßerturteilen, 2lnfic^ten unb 
(Sebanfen. Qebe biefer 9Jlitteilungen ift aSerfelir, unb jmar ber 
aßgemeinfte oon allen. Slud^ ber (Sprachgebrauch finbet in ber Äom= 
munifation aSerfe^r. ^n ber Slßgemeinlieit unb SlUtäglidifeit be§ 
3Witteilung§oerfe^r§ tritt eben bie 2:atfad^e ju S:age, baj3 aud^ 
ber Inbegriff aller SBedifelmirfungen ©rjeugniS bemühter Z&üq^ 



— 163 — 

feit, ba§ SßoH ftttlid^c, nic^t blo| biologifd^c Sebcnggcmeinfd^aft, 
pcrförperte§ SBctüu^tfcin ift. 

SJlitteilungen l^abcn aber nid^t immer Sßeränberungen burd^ 
SSSed^felmirtung jur g^olge. 9lid^t alte ^ommunifation löft 9teal* 
oerfel^r au§; fie fann bewirf en, ba^ 3lenberungen unterbleiben, 
l^emmenb, nic^t blo^ anregenb mirten. 2)ie ^ommunifation bleibt 
nid^t§ befto weniger bie allgemeine üßerfel^rgerfd^einung. 

®ennod^ mirb e§ jur SBermeibung Don Unflarl)eit jmedEmä^ig 
fein, ben ^ommunifation§Derfet|r al§ eine ©rfd^einung für fid| 
ou§8ufd^eiben. 2)er 33egriff be§ S8erfe]^r§ foH forttiin auf jene 
SSße^fetmirfungen eingef darauf t fein, metdje reale folgen äußern ^), 

y) ßeiftungS* unb 3lu§einanberfe^unö§t>er!e]&r. 

2)er Sßerfel^rgbegriff l^at fid^ noc^ weiter üerengt. 2Weift 
wirb al§ Qnl)alt unb Qxütä be§ 9Serfel^re§ ©rgänjung ober Unter* 
ftü^ung ber einen ober ber anbern S8erfe^r§partei ober beiber 
bur^einanber, ein Seiften, angenommen. S3ei näherer 93etrad^* 
tung ermeift p^ biefe SKuffaffung als ju eng. (£§ finben nic^t 
wenige SQ3edt)felwirfungen ftatt, weldtie ben Qvozd unb bie SSßirfung 
l^aben, ba§ bie ^Parteien fid^ au§einanberfe^en. S:rennung unb 
aSerbrängung fann beabfic^tigte ober ni^t beabfidjtigte 3^olge fein. 
®ie SBed^felwirfungen bebeuten aud^ im fojialen Äo§mo§ nid^t 
blo^ 2ln8iel|ung, fonbern audt) 2lbfto^ung ^). 

a3eibe 3lrten be§ S8erfel^r§ finb erforberlid^ jur 2lufredöter]^al« 
tung fowoljl ber ©elbftänbigfeit al§ ber ©olibarität ber fojialen 

1) %a§ SSort „S i> e e n t) e r ! e ]& r" würbe beibe§, ben aügemetnen 
9}httei(unö§t)er!e]&r unb bie burd^ ^ommunüation au^gelöften 9flealt)er» 
feiere öeiftigen Snf)alt§ in fid^ befaffen, wirb aber ebenbeSl&alb mit ^ox^ 
fi(^t anjuwenben fein. 

2) %a§ SBeltgefetj ber SSed^felwirfung nad^ feinen jwei SBirfungS- 
weifen — ber ©rgdnpng unb ber Trennung — barf meUeid^t afö ^ern 
ber §era!Iit'fd^en SJletopl&^fl! betrad^tet werben, wenn biefe in il^rer 
eigenartigen <St)mboIif ben ^rieg al§ „§8ater aUer 5)inge" erHärt, bie 
SBeltbewegung al§ SBerfnüpfung von ©d^wert unb 8eier fid^ »orfteUt, ben 
„SBeg nad^ unten" (Slbfonberung, ©elbftfud^t) h^m „sißeg nad^ oben" 
(^enbenj jur ©emeinfd^aft) gegenüberfteUt. S8gl. S8au u. ßeben, 1. 9lup, 
II, 489, 2. 9lup. I, 563 f. 

11 * 



— 164 — 

©elbfttpefen. SBielc auS bcm SBcrfctirc l^croorgcl^enbcn Serträge 
ftnb in ber Zat auf 2luflöfung oon ©emeinfd^aft (Siquibation) 
gerii^tet. ^tmx altumfaffenbe SBerfel^r, tüeld^er oben afö bloßer 
üWitteifungSoerfcl^r neben ben SRealöerfetiren l^eroortrat , bewirft 
taufenbfac^, ba§ e§ ju SBerf eieren überl^aupt nid^t fommt. 9Jlan 
tt)irb fagen tonnen, ba§ jebe 3ettung§nummer ebenfo fernbleiben 
i)on aU ©ntgegenfommen ju beftimmten Serfel^ren bewirft. 

Sm folgenben fmb für bie Siegel nur bie SeiftungSnerfel^re 
in§ SKuge gefaxt. 

b) ^ie materiellen, bie geiftigcn, bie gemifd^ten Söerfel^re. 

2)ie Seiftungen unb ©aben, roeldie ben ^nl^alt be§ Sßerfel^rg 
äwifdien ben Parteien bilben, l^aben jum Qxotdt, ben ^Parteien 
für i^re pnnlid^en 93ebürfniffe ober für bie geiftigen 93ebürfniffe 
ober für beibe jumal 93efriebigung ju Derfd^affen. ^z nad^bem 
ba§ eine ober ba§ anbere ber ^aü ift, l)at man materiellen, geifii* 
gen ober gemifd^ten SBertel^r oor fi^. S3eim ©egenfeitigfeit^oerfel^r 
(f. u.) mag ber Sßertel^r für bie eine ©eite materieller , für bie 
onbere geiftiger SBerfe^r, ober für bie eine Partei entmeber ma* 
terieHer ober geiftiger, für bie anbere 5ßartei bagegen gemif^ter 
aSerfe^r fein. 

©in aSerf el)r ift barum no^ nid^t materieller 2lrt, meil fein -3n« 
l^att ein ©eben oon ©adtigütern ober Ueberlaffen oon ©ad^güter* 
nu^ungen ift. @§ fommt barauf an, meldte 3lrt oon a3efriebi* 
gung ba§ Sackgut f^lie^lid^ geben fann unb mirflid^ gibt. 

©ine irrige SBorfteHung ift e§, ben Qxozd be§ aSerfe^rg l)aupt* 
fädt)lic^ in ber einfeitigen ober gegenfeitigen ©rgänjung für Qvotdt 
ber finnlid^en ©efriebigung ju finben. ®ie ©eifte§oerfe^re ge* 
minnen mit ber ©efittung immer größeren Umfang unb immer 
reid^eren 3»n^ölt. 

©igentümtidjfeit ber geiftigen Sßerfelire ift e§, bag e§ Q^^een* 
mitteilung ift, maS bie a3efriebigung be§ geiftigen aSerfel^rSbebürf» 
niffe§ mit entl^ätt. ©eifte^oerfel^re finb u. a. bie SJerfel^re jmifc^en 
©rjiel^er unb ö^gling, Selirer unb ©d^üter, Äünftler unb Äunft* 
publifum, jmifdien ben ^eitnel^mern jeber ©efetligf eit , jmifd^en 



— 165 — 

bcm ©cclenl^irtcn unb feiner ^erbe. ®iefe ®eifte8t)ertel^re ftnb 
ebenfo töie bie materiellen Sßerte^re burc^ Äommunifation Der« 
mittelt. 

e) ©infeitiger unb ö^ö^nfeitiget SSexfel^r. 

® a§ orbentUd^e aSerl^ältnig be§ a3erfet)r§ f ann, f oroeit ber ®runb 
be§ Sßerfel^rg bie ®rgänjung§bebürftigteit ift, nur baSjentge ber 
©egenfeitigfeit fein. SSSenn bie einen nur feiften würben, ol^ne ju 
empfangen, wären fie eyiftenjunfäl^ig. ®ie SWotwenbigfeit befielet, 
ba^ ni^t Ho§ bie eine 5ßartei Oeberin, bie anbere ©mpfdngerin 
fei, fonbern bag jebe gebe unb empfange. 

Sn ber %at trifft ©egenfeitigfeit in weit größerem Umfang 
ju, ate e§ ouf ben erften 95li(f erfd^eint. ©egenfeitigfeit ift au(^ 
bann oor^anben, wenn für materielle SWeid^ungen immateriell burd^ 
©l^re, 2lnerfennung, S^^^ifl^^S t)ergolten wirb. 2luf immaterielle 
aSergeltung finb nidt)t wenige Sttfte ber gteigebigfeit gerichtet. ;3e« 
neu Seiftungen, welche bie fd^wädtieren SÄitglieber oon ber gamilie, 
oon ber ©emeinbe, oom Staate empfangen, entfpred^en au^glei* 
d^enbe ©egenteiftungen be§ erwa^fenen gamilienmitgliebe§ unb 
93ürger§. 2)ie Unmünbigen, Äranfen, ©d^wadtien eine§ gamilien» 
t)erbanb§ ftel^en ben alimentierenben 95erwanbten nic^t DöHig fremb 
gegenüber, fonbern ftnb gleifd^ oom ^l^if^ ^^^ ®^iP ^^^ ®^ip 
ber ©eber ; ber 93efi^, au§ weldiem einfeitig gegeben wirb, ift t|ier 
etwa§ wie ©amtbefi^. Sßiele Sieic^ungen ber religiöfen unb ber 
l^umanen ?läd^ftenliebe ftnb eigenfte§ 33ebürfm§ ber ©eber. ©d^on 
biefe SKnbeutungen genügen, um ju jeigen, ba§ ©egenfeitigfeit 
ber Setftungen, mit weldtier bei allgemein wec^felfeitiger 93ebienung 
bennod^ jeber fidt) felbft üerforgt, in ber 2;at ba§ ©runboerl^ält« 
ni§ bilbet. 2)er SBerfel^r oerwirflic^t bie allgemeine ©olibarität, 
aber nidt)t ben Äommuni§mu§. 

©injelne aber finb immer ba, weld^e auf ba§ ©mpfangen 
angewiefen, unb anbere, weld^e einfeitig ju geben befäl^igt ftnb. 
93ei jeber ©attung äußerer unb innerer SBerfel^re ift au^ mel^r 
ober weniger ©infeitigfeit be§ ©eben§ ober be§ ©mpfangenS 
wal^rjunel^men. 



— 166 — 

@8 gibt weite 33ereid^e aud^ be§ ©cgenfeitigfeitSoerfel^rg, in 
iDeld^en nid^t baS Sfntereffe l^öd^fter ©egenleiftung beftimmenb ift. 
®a§ ftnb namentüd^ bic Sßcrfcl^re ju tüed^felfeitiger geiftiger 93e* 
friebigung. ^iel^er gcl^ört u. a. bie ©efeßigfcit oom einfa^ften 
täglichen Umgang an big jur öffentlichen ©efettigfeit. ®iefe SSer* 
feiere fmb jroar nic^t oon bem re^nenben S^t^^^ff^ o^ l^ödifter 
©egenleiftung beftimmt; e§ roirb geiftig unb nebenbei in 93en)ir* 
tung aud^ materiell ol^ne 3Ra§ gegeben unb genommen, ©ennod^ 
fann ba§ 3lbfe]^en auf SBergeltung — in anbetet g^tm — , auf 
©eltung bei ben (Smpfängetn unb in bet Oeffentlid&feit getidt)tet 
unb ba§ (Stteben na^ ®^te, din^m, ®influ§, äWac^t gewaltig im 
©piele fein. 93ei ben gefeHigen SBetfel^ten ift namentli(^ ba§ 
©tteben mal^tnel^mbat, petfönlid^en SBett jut 2lnetfennung ju 
btingen, aud^ in oetfc^iebenen gotmen ben ©enoffen bet ©efeUig« 
feit il^ten SBett ju bezeugen, j[ebenfatl§ geiftig aud^ ju empfangen^ 
nic^t blo^ ju geben ^). 

D^er allöemetneSnl&altbeg jroeifeittöenSSerfelirg. 

3Belc^e§ au^ bet befonbete ©efittung^beteic^ fei, in bem 
bet Sßettel^t fid^ bemegt, fo ift bo^ ein allgemein gleid^et ^ni)dlt 
oHet Sßetfel^t^leiftungen matjunelimen. 2)ie eine ^attei leiftet bet 
nnbetn, obet beibe leiften einanbet entmebet butc^ il^te^etfon 
obet butd^ i^ven 93efi^, b. f). entmebet butd^ einoetftänbli(^eg 
^anbeln, bej. Untetlaffen obet butd^ Uebetlaffung oon ©ac^gütetn. 
3)en Qnlialt bilben ein facere unb (ober) dare. 2)iefen Qnl^alt 
^aben gleidt)mä§ig bie (£infeitigteit§'= unb bie ®egenfeitigfeit§*, bic 
3lu§einanbetfe^ung§* unb bie ©tgänjunggoetfel^te. ^n ben ©egen^» 
feitigfeit§Detfe^ten ift bet ^ni)alt ein 2;un (petfönlic^e Seiftung) 
gegen ein 2;un, obet ein ©eben (fad^li^e Seiftung) gegen ein 
©eben, obet eine petfönlid^e gegen eine fad^li^e Seitung (facio ut 
facias, do ut des, do ut facias obet facio ut des). 

2)a§ allgemeine 5Red^t bet ^etfönlic^teit fd^lie^t e§ nac^ 2lb* 

1) ^d 91 r i ft 1 e I e § ber üorjüglid^e Untetf d^ieb bet ©ütergemein* 
fd^aft im intimen Greife (xotva xa ^Ucov) gegenüber bem gemeinen ^om* 
muni§mu§ (xa Ändvxwv). 



— 167 — 

fd^affung bcr (StlaDcrci aii§, ba§ bie ganjc ^erfon Dbjeft ober 
Qnl^alt be§ Sßcrtcl^rg tüirb. 9iur ein ^anbelrv ober Unterlaffen, 
nid^t fi^ felbft ganj unb gar !ann bie ^crfon leiftcn. ®ie @ad^« 
guter ieboc^, tüeld^e überlaffen werben, fönnen fowol)! jur fubftan« 
tteHen SBerfügung al§ jnr bloßen 91u^ung überlaffen werben. 

^iernad^ lä^t ftd^ ber ^ntialt be§ a5er!el|r§ aud^ breiteilig 
bejeidtinen : als Sßerfetir 1) in §anblungen ober ©ienften (perfön* 
lid^en Seiftungen, l^auptfä^lid^ 2lrbeit§leiftungen) , 2) in ©ad^* 
gutem, beweglichen unb unbewegli^en, 3) in 91u^ungen beweg« 
lid^er unb unbeweglid^er ©adigüter. 

ri) Unmittelbarer unb vermittelter SBerfel&r. Syiatural* 

unb ®elbt)erfel)r. 

3[e weiter bie ©efellfd^aftung unb l^ierntit bie 2lrbeit§teilung 
f ortf d^reitet , befto mel^r geftaltet fi^ audt) bie Sßermittelung beS 
aSerfel^rS ate felbftänbigeS @rwerb§gefc^äft. ®od| erlebt unfere 
3eit oud^ 2lu§fdt)altungen be§ S8er!e^r§gewerbe§ bur(^ genoffen* 
fd^aftlid^e SBereinigung unb gufton. 

aSiel Sßerfelir bleibt immerfort ein unmittelbarer; fo in per* 
fönlic^en 2)ienfien unb in ber ©efeHigteit. Unjugänglid) für bie 
gewerbsmäßige 95ermittelung finb aber auc^ bie immateriellen 
Sßerfel^re nidjt; ber S^^eaterbireftor, ber ^mprefario unb anbere 
93oltSfiguren erweifen e§. 

®en Äern be§ aSertetirS bilbet bie Seiftung einer fontreten 
93rauc^lic^!eit ; bie SÄilliarben jirtulierenben ^art* unb Ärebit* 
gelbes bilben bod^ nur wenige ^rojente beS SBolfSoermögenS, baS 
fie umfe^en. 3luf ®ienfte, Sackgüter, 9lu^ungen finb atle SSer* 
te^re le^tlid^ geridjtet. 3)er ©elboertel^r vermittelt nur ; 2luSgangS* 
punft unb ®nbiiel ift immer ein 9laturaloertel|r. 

^) ^er 9lblaufberS8er!e]&re. 

®er 2lblauf ber S8er!e^re ift ein fel^r oerfc^iebenartiger. 93ei 
ben immateriellen 9Ser!eI|ren ift er im ganjen einfad^er als bei 
ben materiellen; am glieberreidtiften unb oerwidEeltften ift er im 
@adt)güter*9Jlaffenoerfe^r. 2)ie ©runberfd^einungen bleiben jebodi 
immer biefelben. 



— 168 — 

(Eröffnet töirb aller SBerfel^r bur^ irgenb tücli^c üWitteilung, 
iDeld^c, fei e8 münblid^, fei e§ bur(^ ©d^rift ober anbete 3ci^cw 
ober burc^ eine fd^lüffige ^anblung oor ftd^ gel^t. ®§ ift bie S8er* 
fel^rSanfprai^e in Slngebot unb in ?lad^frage, bie öffentli(^e ober 
bie prioate. ®er Slnfprad^e folgt bie SBerl^anblung , biefer ber 
@ejd|äft8abfc^Iu§. S)a§ ©nbe ift bie (ärfättung ober wirtliche 
Seiftung: Sieferung unb 3ö^lung. 

2)iefe oerfd^iebenen SBerfel^r^ftabien fliegen bei einfallen, na* 
mentlidi einfeitigen SBerf eieren teilweife fo ineinanber, ba§ fie 
fd^roer auSeinanberju^alten finb. 93ei ©infeitigfeit^oertel^ren fommt 
e8 oft nur auf ber einen Seite jum Eintrag (Slnerbieten be§ 
©eberS), unb nidt)t immer fielet ein Sfnfinnen (93itte) ber anberen 
Partei gegenüber. SBerl^anblung unb Uebereinfommen fallen häufig 
in ber 3lugenblidE§anna^me jufammen. ®ie (ärfüHung fann bem 
Slntrag unb 3lbf^lu§ (Schlug) auf bem gu^e folgen. 

S)er aSerfel^r ift in allen oier ©tabien ber ^raji§ begleitet 
oon SBertungen, unb jmar fomo^l oon perfönlid^en al§ t)on be* 
fi^id^en SQßertungen, oon 5ßreifungen, mie Don 5ßrei§bilbungen 
(ogl. 8. 142 ff.)'. 

2)er SKblauf be§ S8ertel^r§ geftaltet fic^ fe^r oerfd^ieben, je 
nad^bem einjelne ^erfonen in SEBec^felmirfung treten, je nur eine 
^erfon Partei ift ober nid^t. ©inb e§ melirere im 2lngebot ober 
in ber Slac^frage, ober bod^ in 2lngebot unb 9lad|frage anberer, 
fo tritt bie SBertung unter ben @influ§ be§ SBettbemerbe^ ober 
ber Äonfurrenj. 2)ie Äonturrenj !ann felbft in ben ^^rioatoer* 
feieren aufgehoben merben burdb bie Koalition ber mehreren SBe* 
Werber in ber gorm ber ©enoffenfd^aft, be§ ^artell§ ober ber Sßer* 
tel^rSaUeingemalt, be§ SWonopote. 

O^ie SluSbeutung unb ber ©treit in benSBerfel^ren. 

®ie 93etrad^tung be§ Seben§ aud^ ber jioilifterten SBölfer l^at 
ju ber oon feinerlei Dptimi§mu§ megjuleugnenben ©inftd^t ge* 
ffl^rt, ^a^ ber Sßertel^r nid^t burd^au§ für beibe S:eile oorteill^aft, 
gefdtimeige in gleid^em 3Ra^e oorteilfiaft ift. ®ie eine ober bie 
anbere Partei fann ©d^aben nehmen. 2)ie mäd^tige Partei oer* 



— 169 — 

mag ben größeren Sßortcil ju jie^cn, fatin felbft einen Sömen* 
anteif gewinnen unb rei^t fold^en oft genug an fic^. 

SSßeiter ift e§ ridjtig, ba^ bie SBer^anblungen, roeld^e ben 
S8erfcl^r§abfci^lüffen Dorange^en, in großem Umfang mirflic^ ©treit, 
erbitterten unb l^a^ooHen ^ampf barfteHen, ob fte oon einzelnen 
ober in Koalitionen burd^gefül^rt werben, ©ine realiftifc^e QtiU 
rid^tung l^at ba^er baju beftimmt werben fönnen, ben ©treit unb 
Kampf, meld^er im SBerfel^r auftritt, al§ ben allgemeinen ©Iiarafter 
beS S8erfel^r§ anjufelien. Qn ben nationalen Sßertetiren wirb bann 
ber attgemeine latente 33ürgerfrieg, in ben internationalen S8er* 
feieren ber permanente SBölterfrieg, im ganjen Sßerf el^r 2lu§beutung 
oon 3JJenfc^en burd^ aWenfd^en erblidtt. 

®iefe SKnfid^t ermeift fid) at§ Uebertreibung, fobalb man bie 

©efamtl^eit aller SBerfel^re — neben ben gegenfeitigen aud^ bie 

einfeitigen, neben ben äußeren aud^ bie inneren, neben ben ma* 

terieHen and) bie geiftigen Sßerle^re — in§ SKuge fa^t. ©ine güHe 

wohltätiger unb ftreitlofer ©rweifung unb 93ewä]|^rung ift neben 

einem großen SUia^ tieftigen Streitet walirjunel^men. ©etbft, wo 

©treit unb Kampf ift, bilbet bie Slnwenbung oon (Sigenmad^t, 

^Brutalität unb Ueberliftung fowol^l im internationalen al§ im 

nationalen Sßerle^r lieute bie 2lu§nal^me. Qn ber Siegel ift ber 

Sßerfel^r ^rieben, nur au^nal^m^weife ift ber SSerfetir Krieg, ©o* 

weit ©treit unb 2lu§beutung im SBerfe^r ftattfinbet, ift nid^t ber 

SBerte^r, fonbern ber Oeift be§ 9Solfe§ im SSertetir — ^eute wie 

frül^er unb ^eute nid^t ftrenger al§ früher — oerantwortlid^ ju 

mad^en. 

Seit S)artt)in burd^ ^bic ®utfte{)ung ber Slrtcn" bie bcfanntc Um* 
tt)äl5UU9 in ber noturp^ilofoptiifdjcn SBcltanfc^auung herbeigeführt ^at, 
mirb gern aüeö ©efc^e^en, bagjenige in ber 9lotur unb baSjeiüge in 
ber menfd^lic^eu ©efeÖfd^oft, alö ein ^rojeg unb ein (SrgebniS beS 
S)afeingfampfeS jWifc^eu ben einfad)ften, äufammengefcjjtcren unb ju* 
fammengcfcfeteften SBefen — ha^ äufammengefefetefte ift bie menfc^üc^e 
©efeüfd&aft — bargefteüt unb al§ ein oberfter ®Iauben§fa^ ^inge* 
nommen. 2)a wirb aftronomifd^ öom „Sfampf um« S)afein am §immel", 
p^^fifalifc^ unb d&emifc^ öom Kampf ber Elemente, Stome, ^olefülc, 
biologifc^ öom Kampf ber gleid&artigen ^ßflanjen* unb SierjeUen, öom 
Kampfe biefer Qtütw mit frembartigen fleinlebigen ©inbringlingcn im 
lierleib, mit fcinbüc^en Kranf^eit^erregern im ^panjenförpcr, öon bcm 



— 170 — 

Kampfe ticrifcftcr unb jjftanjlid^er S^^i^i^wcn untcrcinanbcr gcfjjrod&cn. 
Sei bicfcr tampfotmenben SBeltanfdbouung bcr ©cgcniüart toor eS xoxxh 
lic^ nidbt fc^lüer, bei einer otogen SRaffc öon S^itgenoffcn bie inter« 
nationalen unb bie fojiaten griebcnSbeftrebungen, nid^t blog bie inter* 
notionale Slbrüftung, fonbern auc^ bie internationalen ©ojiolreformbc' 
ftrebungen mit ber Berufung abjufertigen, ber Krieg jmift^en SSöIfern 
unb bie gewolttätige ©treitfü^rung unter 93 olfSgen offen fei unb bleibe 
ein allen 33eftrebungen ber griebenSftiftung entrüdfteS SBettöerpngni^, 
fei nur bie ©onbererfd^einung einer bie ganje Schöpfung burd^maltenben 
abfoluten S^iftrac^t; ba^er fei Unfriebe jmifd^en äSöIfern unb jwifc^en 
aSolfggenoffen aud^ für alle Swfw^ft mit fataliftifdjem ©leid^mut ^inju^ 
nehmen unb auf ben „Sant" ber ©ojialreform SSerjic^t ju leiften^). 
SRaturmiffeufd^aftlidöe ©d^riftfteKer, welche für bie Soziologie aud^ bie 
bloße öeranfd^aulid^enbe Analogie mit Verbot belegen, follten mit i^rem 
„Kampf" am |)immel, ben S^ßcnfämpfen u. bgl. SÖlog l^alten. greunb* 
fd^aft unb geinbfc^aft, ©treit unb Kampf, grieben unb Krieg finb 
geiftig beftimmte, f oktale S33ed^feltt)irfungen ; bie SBec^felmirfungen ber 
©eftirne ober ber gellen finb eS nic^t. S)armin felbft ^at fic^ fold^en 
gabulierenö enthalten. 

x) 5)ie S^olgen ber Sßerfel&rc. 

2)ie aSerlclir^folgen finb immer mel)r grieben an ©teQe t)on 
Kriegen, immer mel)r ©emeinfdjaft an ©teile ber ©ntfrembung. 
®a§, voa§ jur ©ntmidfelung ju fagen ift, roirb e§ erroeifen. Slud^ 
tttetapl^tififd^ roirb eben bie©dt)openl|auc rfdtie SBeltmad^t, bie 
SBejal^ung be§ SBillen§ ju leben, bebuÜio baju füllten, ba§ 3Iu§* 
laufen ber fojialen S33e^feln)irfung in ©emeinfd^aft unb Soli* 
barität anjunel^men unb ®oetI|e§ „aller SBefen unliarmonifd^e 
9Jlengc", n)a§ ben ajlenfdt)cn betrifft, in ©efetlf^aftung auslaufen 
ju laffen. 2)er unbcjä^mbare S)rang, ju fein unb fid^ ju be* 
Iiaupten, verlangt ba bie tunlid^fte SBermeibung jerftörenber ©treit* 
fü^rung, eine 3wfammenlegung unb ein geroaltlofcg ©id^imfdjad^^ 
Iialten ber in SBcd^fetoirlung fte^enben ©injellräftc. 2)ie um* 
faffenbfte unb DoDrtommenfte ^ejaljung be§ 2Billen§ ju leben, b. \). 
möglid^ft glüdlidjeg Seben möglid^ft üieler ^nbiüibuen, ift praf* 
tifd^ nid^t bur^ ^ricg 3111er gegen 2llle mit all feiner SBerniditung 



1) 9lm meiteften ift bie tljeoretifd^e Söeftialifierung be§ fojialen %a^ 
fein§fampfe§ in Slnmenbung ©d^openl^auer^d^er 9J?etap]^t)fif t)on 9fletn]&olb 
(ogl. oben @. 29) getrieben morben. 



— 171 — 

unb 3lu§beutung ju erreid^en, fonbcm gcrobc umgefcl^rt burd^ 
tunlid^ftc Umlenfung alle§ ®afcin§fampfc§ in wcd^felfeitig nü^* 
lid^c Slrbcit. 2)ie ©trcitgcmeinf diaf t , raeld^c burd^ SBcreinigung 
glcid^artigcr ^ntercffen crmöglid^t unb burd^ ftaatUc^e 3ufammen= 
faffung fämtlid^cr SBolf strafte erjroungen tütrb, betüirtt e§ eben, 
ba§ bic a5erlel)r§partcicn geneigt werben, wed^felfcitig nü^lid^e 2ln* 
^)affungen immer mel^r einer t)ernidt)tenben, bie reid^ere „SebenSbe* 
jal^ung" ^emmenben gütirung ber 2)afein§fämpfe Dorjujic^en. 2)em 
€ntfprid&t bie ©rfatirnng. 2)ie Zat^aö)^ ber @cfellfdt)aft§bilbung 
— bie[e§ SBort im raeiteften ©inne oerftanben — bebeutet oon 
il^ren erften 2lnfängen an eine ootlftänbige SEBiberlegung be§ ©a^e§ 
Don ber immanenten Slotmenbigfeit friegerifd^er ober bod) frieg§* 
artiger 2)urd^fäl^rung ber fojialen SBed^felmirfungen. ^-w^wtc^ 
mel^r entftelit Seben^gemeinfd^aft ; ber Streit mirb immer melir 
ein unblutiger, gemaltlofer, medtifelfeitig nü^lid^er Kampf in ben 
IJormen be§ Sßertrage^ unb be§ SSßettftreite^ ; je weniger er e§ 
ober mirb, befto meniger ift Seben überliaupt unb reidt)e§, glüdf* 
Kd^e§ Seben in§befonbere möglid^. ®enau bas ©egenteil ber für 
bie fojialreaftionäre ^raji§ pe[fimiftifd^*metap^t|ftfd^ jured^tge^ 
mad^ten 2:^eorie! 2)odt) bebarf e§ einer metapl|t|fifd|en SEBiber* 
legung nic^t. ®ie ©ntmidfelungSlel^re mirb au§ ber ©rfal^rung 
bie ©eftätigung bafür beibringen, baj3 im Sßerfelir ber ©treit lang* 
fam jmar, bod^ immer mel^r bem ^rieben, bie Solibarität ber 
SKuSbeutung gemidtien ift. 

X) ^ie SBerfel^rSbegrif f e ber 3uri§prubena unb ber 

SRationalöfonomie. 

2)er 93egriff be§ S8er!e^r§ ift ät)nlid^ mie berjenige ber 9Jiad)t 
fojiologifd^ menig feftgelegt, obmotit ^eute Don Sßerfel^r unb üon 
SJJac^t faft mel^r bie JRebe ift, al§ üon allen übrigen S^atfad^en* 
freifen ber nationalen ©efeüfdtiaft. 

Qu i^rer SQ8eife allerbing§ ift bie \3uri§prubenj ber Sluf* 
faffung be§ S}ertef)r§ geredet geworben. Sie l^atte feit ^alirtaufen* 
ben bem 9iedt)t§bebürfni§ be§ praftifdtien 2eben§ SWed^nung ju 
tragen, unb fie l)at ha§ üerftanben. (Sie l^at im Dbli gationen^* 



— 172 — 

r c d^ t Slnfprüd^e unb Sßcrbinblic^fctten au§ üßerfcl^ren jcber — 
nid^t b(o§ oolt^tüirtfd^aftUc^er — 3lrt, fotücit fic rcc^tlid^ bin* 
benb ftnb, jufammen abgel^anbclt. (Sine üoHfommenc SBcrtcl^rS* 
leiste, tt)cl(^e fojiologifci^ genügen tonnte, l^at fie fo jroar ni^t 
l^etjuftettcn oermoc^t, aber oud^ nii^t l^erjufteHen gel^abt; bie nid^t 
wenigen SBerfel^re, wefd^e SRed^t^anfprfld^e unb Sie^töpfli^ten 
nid^t begrünben, mußten ber juriftifd^en Dbligationenlelire fern 
bleiben. 

®ie 91ationaIöfonomie l^at fid^, n)a§ S}er!et|r betrifft, bod^ 
]^Quptfäc^li(^ nur mit bem gewerbsmäßigen SBarenumfa^ be§ 
^anbelS unb einigen anberen 2lrten gemerbSmäßiger S8er!e^r§'» 
üermittefung, nid^t aber mit bem Sßerfetir nad| feinem ganjen 
Umfang befaßt. 

@ine fojiologifc^ genügenbe ©rmeiterung unb eine Klärung 
überl^aupt l^at fid^ aud^ burd^ bie neuefte nationalötonomifc^e 
Sluffaffung be§ Sßerfel^rS im ©inne Don einem ber aSertel^rSmittel^ 
bem S^ranSportmefen (9iaumoer!e^r), nic^t ergeben. SBerf et)r 
unb 2^ran§port finb aber nidt)t ba§felbe. ®er SBerfel^r ift mel^r al§ 
Jran§port. SBerfd^iebene 2:ran§porte finb l^ingegen nid^t üol!§* 
mirtfdjaftUc^er Sßerfe^r. ®er S:^eaterbefudt)er, welcher im SBagen 
jur Oper fä^rt, ber 2:ourift, ber im D-3uge nai^ bem 93erner 
Oberlanb eilt, bie ©ttbpolarejpebition, mel^c ©ele^rte unb 2lp* 
parate ju ben Kerguelen fütirt, unb taufenb anbere 2^ran§porte 
l^aben mit ber SBolfemirtfdjaft nid^t§ ju tun. ^d^ l^abe bie altge* 
meine unb felbftanbige fojiologif^e ©ebeutung be§ 2^ran§port* 
mefenS nac^brüdfUd^ betont, gaft Dergebfid^ ! (£§ ift eben immer 
basifelbe: 3l\xx feine (Sojiologie! Sieber ben l^anbgreiflic^ falfc^en 
5ßanö!onomi§mu§. 

SSBitl man ben „JRaumoertel^r" in bie 9lationalöfonomie l^in» 
einjmängen, fo müßte ba§ aud^ mit bem Qdtr)txlzf)x, b. i). mit jenen 
SBec^felmirJungen gefd^el^en, meiere ftattfinben, um jmifd^en ^er« 
fönen bie jeitlid^ üerfd^iebenen 33ebürfniffe auSjugleid^en. (£§ träfe 
baS alfo me^r al§ ba§ ganje Krebitmefen. 



— 173 — 

1. Sott bett Serattftaltttttgeit uttb bett f^uttltiottett ber uattottalett 

©efeUfc^itft. 

®incr ©ubjcttlclirc oon bcn 5ßerfonen unb Dom §anbcln t|at 
nod^ ber l^ier befolgten ©rimbeinteihmg eine Objettlel^re Don ben 
Slnftalten unb Sünftalt^oerri^tungen (gunüionen) jur (Seite ju 
ge^en (@. 136). Qm ®egen[a^ jur ^erfonenlel^re t|at fid) bie 
Slnftoltenle^re mit ben förpertiaften ©eftaltungen §u befaffen, 
welche auf ©rreid^ung von Qxüzdzn gerid^tet finb, nidjt mit ber 
formellen unb ber oirtueHen ^anblung§fät)igfeit ber ^erfonen. 

Slße 3JJitteI ber SBeranftaltung merben burd^ bie üielgeftaltis* 
gen (Energien ber 33eoößerung unb burd^ ba§ nid&t minber oiel* 
geftaltige im 93efi^e liegenbe SBottSoermögen geliefert, morüber bie 
^anbelnben ©ubjette in großer Ungleid^l^eit unb Ungleic^artigleit 
(@. 61) inbioibuetl unb gemeinf^aftlid) oerfügen. @o reid) eine 
^erfon perfönlid^ unb bep^lidt) ift, fo reid^ unb mannigfaltig ftnb 
bie SBeranftaltungen, in meldte fie fid) einjulaffen oermag. 91un 
fteigern unb oeratlgemeinern fid^ perfönlidtie 33ilbung unb 93efi^ 
mie bie 93ebürfniffe (ßmedEe). @ine madifenbe SÄannigfaltigfeit 
oon Slnftalten unb g^unJtionen tritt bamit ein. Siefe fteigenbe ajlan* 
nigfaltigf eit t)on Sßeranftaltungen ift eine notmenbige @rfdt)einung ; 
benn bie nationale ©efeUfd^aft ift nid^t ftabile§ ^erbenbafein, fon* 
bern SEBert be§ lange noc^ ni^t abgefd^loffenen 5ßrojeffe8 einer 
ftttlidtien Schöpfung. 

^n ben oerfd^iebenen formen ber ^ßerfönlidtifeit unb be§ 
^anbeln§ treten alle ^nbioibuen in ©emeinfdjaft unb SBertelir, 
je mit ben jebem Qxozdt bienlic^en Steilen ilirer 3lrbeit§energie unb 
i]^re§ 93efi^e§. gär jeglichen Qxütd mirlen bie üerfd^iebenen 3^or* 
mationen, familienliafte unb nid^t familienliafte, in einfad^en unb 
in jufammengefe^ten SBeranftaltungen jufammen. 2)iefe Verteilung 
jeber 2lufgabe an formell oerfdt)iebene S^räger ergibt eine mcitere 
2Wannigfaltig!eit ber SSeranftaltungen. 

2)er SSerfaffer Iiatte im „93au unb Seben" — unter bem 
©influg ber SBeranfd^auli^ung burd^ 2lnalogie — bie einfad^eren 



— 174 — 

aScranftaltungen al§ ©etüebc bejcid^nct unb biefe eingeteilt in ®e^ 
webe ber Jlieberlaffung, be§ ©d^u^e§, be§ ^au§]^a(te§, ber 2;ed^nif 
(Kunft unb aWad^t), ber 2lrbeit, bic „pfgc^opligfifi^en ©eroebe'' ober 
„geiftanftaltlic^ei»" ©runbeinrid^tungen. 2ltö ^auptanftalten, ote 
„Organe" unb „Organfgfteme" l^atte er baraufl^in — in beiben 
2luflagen auf fac^lic^ faft übereinftimmenbe SEBeife — aufgefteUt 
unb unterf d^ieben : A. 2)ie materiellen ober nad^ ber „SCu^enmelt" 
gerichteten ^-^fütutionen, nämlid^ 1) ba§ 9lieberlaffung§* unb 
ä^rangportmefen, 2) ba§ Sd^u^* unb ©id^er^eit^roefen, 3) bic 
SEed^nif, 4) bie a5ott§n)irtf(*aft (alg ©ojialftoffroed^fel) ; B. bie 
;3nftitutionen be§ geiftigen S8ol!§leben§ , nämlid^ 5) bie Sßeran* 
ftaltungen ber ©efeßigfeit, 6) ber 33ilbung, ber @rjiet)ung, be§ 
Unterri^teg (©d^ule), 7) ber SBiffenfdtiaft, 8) ber fc^önen fünfte, 
be§ ä[t^etif(^en SBolf^IebenS, 9) be§ religiöfen aSolMebeng, C. 
10) bie :3nftitutionen be§ einl^eitlid^en 2Botten§ unb S0lac^en§ 
(SÄac^t), b. ]^. bie ©taatg- unb Äommunaleinrid^tungen. ©ieSßer* 
anfd^aulid^ung burd) bie 3lnalogien au§ ber 93iologie — nämlid^ 
ber (Sdju^geroebe (:3ntegumente), ber ©tü^ung§organe, be§ (Stoffe 
wed^fete, ber beraubten (anima(en) unb ber unbemu^ten 93en)egung, 
ber Sieroenorgonifation — rourbe nun unter fortgefe^ten au§« 
briidEUdtien Sßerroatirungen gegen 3lnnal^me ber SBefen^gleid^^eit 
ber fxä) nur ä^nlid^en ©rfd^einungen ber §iftoIogie unb Slnatomic 
einer» unb ber ©ojiologie anbererfeit§ oerfud^t. ®ie nad^brüdt^ 
lidifte 95ern)al)rung be§ nid^t organifd^en 3Be[en§ alter @inric^= 
tungen unb SBerrid^tungen be§ fojialen Körpers war an ber ©pi^c 
be§ erften 93anbe§^) oorangegangen unb eben bort am ©d^luffe 
ber beffciptioen ©ojiologie^) fo entfd^ieben mieberl^ott morben, 
ba§ id^ nod^ immer nid^t ju begreifen oermag, mie e§ gef diesen 
fonnte, ba^ man einer Sßergleic^ung, meldte nur eine MaffififatOä» 
rifdtie ^fabfinbung erleichtern unb Slnfd^aulid^teit geben foDte, bic 
93el^auptung oon SBefenSgleid^l^eiten l^at unterlegen fönnen. SJiei» 
ner Slbmeifung ber UnfinnSanbid^tungen (oben ©. 48 f.) glaube id^ 
jebod^ an biefer ©teile meitereS nid^t ^injufügen ju muffen. 

1) 1. 3Iuf[. I, (S. 33 ff. 

2) 1. 3Iuf[. I, ©. 827 ff. 



— 175 — 

®inc anbete 'SxaQ^ ift e§, ob jene ^faffipfation unb ©gfte* 
mifierung bcr ©runb* unb ^auptanftalten, raeld^e fic^ an ber 
^anb ber biologifd^en Slnalogten ergaben, ftd& auc^ bann nod^ 
aufrecht erhalten laff en, wenn man, wie in ber gcgennjörtigcn neuen 
^Bearbeitung gefc^iel^t, jeber Slnle^nung an biologifd^e unb pfgdio* 
fogifd^c Slnalogien ft^ entfd^lägt. 5Jiun fteHc i^ nic^t in Slb* 
rebe, bag meine erfte Älafftfitation ber 2lnftalten unb gunftionen 
eine ooßftänbige unb gleid^mä^ige nid^t gemefen ift, unb ent« 
^alte mid^ jebe^ Urteile barüber, ob bie Sßerfud^e 2lnberer im ganzen 
DoHfommener gelungen finb; altein Don ben in „93au unb Seben" 
auf gefteUten Slnftalten unb gunftionen l^abe ic^ nid^t ein einjigeS ®lieb 
fallen ju laffen. Qä) l^alte fie fämttid^ aud^ im folgenben feft. 
<3nbeffen t|at mid^ weitere^ 91adt)benfen Dieler ^at)xt aller* 
bing§ auf SBerootlftänbigungen, ©gftemumfteUungen unb einige 
93erid^tigungen l^ingeleitet. ajleine nunmehrige ©gftemifierung ber 
OrganifationSlel^re mitt id^ burd^ bie folgenbe Ueberfid^t fo= 
gleidt) tlarftetten. Qä) unterfd^eibe: 
I. SBeranftaltungen für bie 33etätigung be§ Sßolfgbemu^tfeinS : 

©pra(^e, Siteratur, treffe, ^ublijität, Ueberlieferung, 
n. bie allgemeinen SBeranftaltungen alle§ ^anbeln§ unb bie be* 

fonberen SBeranftaltungen für einjelne ©efittunggjroedte ; ^ienad^ 

A. Sie @ e m e i n Deranftaltungen 

1. für 9led|t unb ajloral, 

2. für bie aWad^t, 

3. für bie Je^nif, 

4. für bie Oefonomi! (SBirtlidifeit), 

5. für bie SEBertgebungen, 

6. für ba§ Slaum* unb 3eitleben, unb 

B. bie be fonberen ® e f i 1 1 u n g § oeranftaltungen : 

1) für materielle Sßolt^intereffen, nämlid^ 

a. ba§ SBerfi^erung§roefen ober bie Sßorbeugung gegen 
mibrige Bufätte (oergl. ©. 41 ff.), 

b. für bie perfönlid^e gortpflanjung, ben Seibegunter* 
^alt, bie förperli^e ©rjiel^ung (ba§ natürliche g^a^^ 
milienleben). 



— 176 — 

c. für bie bd^arrlidic (Erneuerung be§ 93oItöt)ermögen§ 
ober bie a3ol!§n)irtfci)aft al§ ©ad^gutoerforgung 
beg SBoIfeS, 

d. bie Slnftalten jum ©d^u^ oon Seben unb ©efunb- 
l^eit gegen 9laturgefal^r, 

e. }um @ci)u^ be§ S8oIKt)ermögen§ unb be§ Sanbe§ 
gegen Slaturgefaliren, 

f. jum ©ci)u^ üon SBolf, Sanb unb SßoH^oermögen 
gegen äußere unb innere geinbe; 

2) bie Sßeranftaltungen für immaterieUe Qvotdt, 
nämlid^ 

a. f ür n) e 1 1 1 i d) e : Unterrid^tö- unb @r jie^ung§n)ef en, 

2Biffen[c^aft, 
^unft, 

©efeüigleit, 

b. für religiöfe: ben 95olf§glouben. 

©ernein* ober ©runboeranftaltungen wären t|iena^ bie ©in« 
ridtitungen für 9ied^t unb ©ittigung (S)i§jiplin), für bie ^aä)U 
betätigung, bie 2:e^nif, bie Oefonomü, bie SBertung, bie örtli^e 
Sage, bie jeitlidtie SBoroerforgung. 2)iefe ©runbanftalten feieren 
in iebem befonberen Krei§ oon ©efittungöoeranftaltungen lieber unb 
mad^en ben Körper forool^l jeber SBerfe^r§== aU jeber ©emein« 
fd^aft§ge[taltung au§, mit bem alleinigen Unterfc^ieb, ba^ fie in 
ben ©emeinfd^aften baju bienen, ein oereinteg Slrbeiten unter ©e* 
walten, in ben aSerfel^ren aber eine wed^felfeitige ©eeinfluffung 
ouf bem g^u^e ber reinen SEBed^felmirfung ju ermöglid^en. 21B 
öfonomifd^e ©runboeranftaltung oerftel^e id^ biejenige ber SBirt« 
lic^Ieit, nid^t bie ganje ©ad^güteroerf orgung (©. 154). 

®ie Sßeranftaltungen für bie -einjelnen ©efittung§jn)edEe er« 
geben fid^ baburdt), ba^ burd) oorroiegenben ©infa^ befonberer, 
bem fraglid^en ©eftttung§jn)edf geroad^fener 2lrbeit§!räfte unb 
93efit)teile bie 3lnftalten jufammen für ben befonberen Qxotä 
leiftunggfäl^ig gemad^t merben. 

§ienad^ ^abe ic^ bie frühere Sluffaffung aroar mobipsiert, 
bod^ ni^t überliaupt preiszugeben getiabt. 



— 177 — 

g^cftgel^alten wirb namentlich, ba§ fämtlid^c gormen ber 
^anblungSfätiigtcit unb beö ^anbeln^, bie fomittcnl^aften unb bie 
rein fojialcn, bie freien unb bie gebunbenen, bie prloaten unb 
bie öffentlidjen je ein 6efonbere§ Organfgftem ber ©efittung ju* 
fammenfe^en, fo bo^ in jeber gorm ber ber SlftionSfä^igteit eben 
biefer g^orm entfpredienbe Jeil ber ©efamtaufgabe 2)e(f ung finbet. 
©elbfi ba§ ©taat^feben ift ni^t bIo| öffentlidjen ^erfonen unb 
öffentlid^em 93efi^e anl^eimgegeben, a\x6) freie unb priöotred^tlid^c 
Sßereinigungen oon gefd^Ioffener unb nid^t gef^Ioffener 9Kitglieber* 
jqI^I — Parteien unb ^arteicereine — beteiligen fid^ gerabe an 
ber ^olitif. 

2)iefe 93emerfungen Dorangefd^idtt unb nadt)brüdEUd^ betont, 
mt e§ fd^on in „93au unb Seben" gefd^el^en ift, fann ic^ meine 
nunmehrige ©gftemifierung ber Organ^* unb gunftion^fgfteme be8 
Sßolt^törperg gliebroeife nät)er oerbeutlidtien. 

I.] 3ln bie Spi^e ber Organifation^lel^re fäme ber Qnbe* 
griff ber Sßeranftaltungen für 2leuj3erung beS Sßolf §ben)u§t* 
fein§, Sßolfgfprad^e unb QnQt})'6xiQt^, ju ftel^en. ®iefe 
©gftemfteHung entfpräd^e bem SBefen ber ©efettfd^aft als einer 
bemühten unb nur bemüht (oben, ©. 47) ausgeübten SebenSge* 
meinfd^aft. 

®ie ©rörterung mu^ oon ber SBoIfSfprad^e al8 oertörpertem 
Sßolfögeift aufgellen, aber bie gefamten 35eranftaltungen unb 
3Rittel i^rer 3lnn)enbung mit umfaffen. ©ine anbere 3lnorbnung 
ift in „93au unb Seben" angemenbet morben unb mar nid^t unju^ 
(affig, ajlan fann mit ber 2)arfteIIung be§ ©efeßfc^aftSbemu^t* 
fein§ foglei(^ ba§ ^auptmittel feiner 2leu^erung oertnüpfen. 
®iefen @ang l^abe id^, ba midi bie SEBa^mel^mung unioerfeßften 
®ebrauc^§ ber „Oüter ber ©arfteHung unb ber 3Witteilung" ju 
einem erften aSerfud^e ber ©ojiologie gefül^rt l^atte, einfc^lagen 
muffen. ®ie ©ntfte^ung ber Sprache f onnte id^ bann mit ben 
pfgc^ogenetifd^en Slnbeutungen über ba§ fprad^Iid^e SBerben ber 
inbioibueßen SBernunft oertnüpfen^). ^lunmel^r liafte ii^ e§ für 
angemeff en , ber Sprache unb ber aSeranftaltung beS ©prad^« 
1) „^au unb Seben" 2. 9luf[. II, @. 29 ff. 

@ « ä f f l e , Sbrii ber Gosiologie. 12 



— 178 — 

gcbrauc^cS eine abgcfonbertc Stellung p geben unb bic ©rotte:* 
rung über bic ©ntftcl^ung bcr ©prad^e an bic ©pi^c bc8 l^iftorifd^» 
politifdjcn ^auptabfc^nittc§ (VI) genereller ©ojiologie ju ücrrocifen. 

n A 1.] Unter ben®cmeint)eranftaltungen fonnen 
jene für ©rjeugung unb SBalirung be§ 9i c c^ t c § unb ber SU o * 
ral, forocit fle nid|t in bie S^l^erapof ojiologie ju [teilen finb, an 
erfter ©teile ju [teilen fommen. 2ln ber frül^eren ©ntroidfelung 
ber «egriffe Stecht unb SWoral felbft l^alte ic^ feft: Sftec^t ift 
aßiHen^befümmtl^eit üon anberen (au^en) l^er, SWoral SBiDen§* 
beftimmtlieit üon innen l|erau§, au§ bem ©eroiffen. Unjureid^enb 
njar „53au unb Seben" oielme^r barin, ba§ bie SBeranftaltungeu 
für 9ied|t unb ©ittlidjteit feine felbftänbige ©teHung erl^ielten, 
fonbern teil§ in bie „©ojialpfgd^ologie" Ijereingejogen , teil§ unb 
l^auptfäctjüd^ in bie ©taat^lel^re oerlegt würben. @§ tarn nid|t 
jum beftimmten 2lu§brudf, ba§ in allen formen ber ^erfönlid^feit 
aud^ für Sftec^t unb 9Koral gelianbelt wirb unb ba§ ba§ meifte wie 
befte bafür jeglid^e ^erfon für fid) — nid^t blo§ ber ©taat — 
8U leiften l^at. 

2.] ®ie jroeite ©teile unter ben ©emeinoeranftaltungen l|ätte 
bie Drganifation ber 9Kac^t einfc^lie^lid^ ber Drganifation ber 
3n)ang§gen)alt ju beanfpructien. ®ie Set)re oon ber 9Jlad^t roat 
in „S3au unb Seben" unjureid^enb, ber 53egriff nid|t fdiarf genug 
entroidfelt. 

Unter SÄad^t ift nun — nad) ber oben gegebenen 53egriff§« 
feftfteHung — im roeiteften ©inne überhaupt jeber ©emeinf^aften 
unb Sßer!el|re beftimmenbe @influ§ oon ^erfonen ju oerfte^en. 
®ie Drganifation ber aWac^t umfaßt alle§, roa^ 53egrünbung unb 
®r]^altung ber üJlad^t bewirft. 3)ie Seiire von ber Drganifation 
ber 9Jlac^t wirb alfo oon ber Unterfud^ung be§ @runbe§ ber 3)lact|t 
au§}ugel)en l^aben. 

53ei aller Sänerfennung be§ großen @influffe§, roeld^en ©lau* 
ben unb Säberglauben auf bie üJlad^tbilbung ju alten 3etten getiabt 
l^aben, l|at fid^ bie roiffenfc^aftlid^e Unterfud^ung be§ @runbe§ 
ber 9Jlad^t jeber 2lbleitung au§ bem Ueberfinnlid^en ju entlialten. 
„Sßon ©otte§ ©naben" pnb für ben waliren ©lauben auc^ bie 



— 179 — 

Dl^nmäditigcn, für ben Unglauben aber ntd^t einmal bie aWädjtig* 
ften. S)ie gottgefe^te „Ijöd^fte ©ojietät" ober bie Äird^e, bie 
„ewige", „abfolute Siebe", ben ©lauben an S^riftuS brandet man 
afö ©runb ber üJlad^t nid|t ^erbeijujie^en, e8 fei benn, ba§ man 
ben Slberglauben für aWadjtjmedfe nötig l^at. 3Jlaä)t mar, el|e e8 
Äird^e unb S^riftentum gab; fie ift burd^ ba§ Seittier felbft im 
ooroolflidien ^erbenjuftanbe oorl^anben. 

®ie 9Kad|t l^at jum ©runbe einmal irgenb meldie perfönlidie 
ober befi^lictie Ueberlegenl^eit auf ©eite ber einen ^erfonen, fo* 
bann bie 3^w)enbung ober ®efoIg§mittigfeit auf (Seite anberer 
^erfonen. 3)a§ ^wftanbefommen fomolil ber ÜÄad|t felbft atö 
ber Unterwerfung unter bie 9Jlac^t erflärt fict) au§ bem gemein=» 
famen S3ebürfni§ nad^ 3wf<^ini^cnfaffung ber Äräfte in ©emein« 
fd^aften unb in Sßerfeliren. 

S)ie fSflaift ift ^ienac^ ^robuft au§ jmeiertei gaftoren, mo=» 
üon ber eine auf ©eite ber ftärferen, ber anbere auf ©eite ber 
minber ftarten ©ubjefte mirffam ift. 

2luf ber einen ©eite entfpringt bie 9Kac^t au§ ber U e b e r * 
legenl^eit an perfönlid^er 33egabung unb an SBefi^ung, ent^» 
meber au§ beiben jugleid^ ober allein, fei e§ au§ ber ^erfönlid^* 
feit, fei e§ an§ bem 33efi^e. 

SSeibe Komponenten ber Ueberlegenlieit berut)en auf überlege* 
ner 2lffumulation, 93ilbung§== unb 53efi^ant)äufung, moju aud^ bie 
S3emal|rung (Ueberlieferung) ber ^erfonat^» unb 93efi^überlegent)eit 
gel^ört (f. unten ©. 182 ff.), ©omol^l bie perfönlii^e Ueberlegen* 
l^eit al§ bie 93efi^überlegen{)eit mirb burc^ ^Bereinigung unb burd^ 
Sßorred^te oerlängert; mit ben 3Jlad^toerftär!ungen burd^ SBereini* 
gung tritt juerft melir ber ftänbifc^e 3i*f<^^tt^^^f<^f ^& / i^^if* ^wf 
©runb oon 53ex)orred^tung ber ©tar!en unb ©ntred^tung ber 
©d^mad^en, Ijeroor, wogegen in weiterer ©ntwirfelung immer melir 
bie freie ^arteioereinigung unb bie Slffojiation be§ 33efi^e§ in 
©efeüfc^aften unb ©enoffenfd^aften @influ§ erlangt. 3)ie äft^e* 
tifd^e SBertgebung, weld^e aWäd^tigeren befonbere @l^re imb l|öl^ere§ 
3lnfel|en oerleil^t, ift ein nii^t gering ju fi^ä^enber Äoeffijient 
ber aWad^t. 

12* 



— 180 — 

SBa§ bic pcrfönlid^e Ucbcrlegenl^eil betrifft, fo 
ift jucrft Too^l ^auptfädilid^ Ieibltd|c, fpäter geroi^ immer mcl^r 
^eiftigc Ucberlegenlicit ©runblagc bcr aWadjt. ^xa 33crcici^c bcr 
immateriellen ©emeinfd^aften unb Sßerfelire ift e§ unb mirb e§ 
moljl immer me^r bie geiftige, namentlid^ inteHettueüe unb tec^* 
nifd^e Ueberlegen^eit fein, mag 3Ra(^t begrünbet. 

3)er 33 e f i ^ trägt jur ©eminnung ber aWad^t in jeber feiner 
gormen bei. 3uerft fteljt bei ber 3Rac^tbilbung obenan ber un= 
bemeglidie «eft^. Sie ftärffte SÄa^t, jene be§ @taate§, beruht 
l^eute nod^ im monardjifd^en Staate auf erblich befeftigtem ©runb* 
befi^ ber nod^ regierenben unb ber et)emaligen ©gnaftenfamilien. 
yiaä) immanentem ©efe^ ber oolt§mirtfd^aftlici^en ©ntmidfelung 
tritt fpäter bem ©runbbefiti mad^tgleii^ unb felbft mad^tüberlegen 
ber bemeglidie 53eft^, ba§ Kapital, jur ©eite. ©eine ungelieure 
SÄac^tfteigerung burc^ bie 2lff ojiation erleben bie S^itfl^ttoff en 
an ber ©ntfaltung ber priüatred^tlid^en ©efellfd^aft§* unb ©enoffen* 
fc^aft§bilbung unter Seitung von SHiüionären unb SffliHiarbären. 
3)er J^rebit ermöglid^t unb erleid^tert bie Steigerung ber 33eft^* 
mad|t. ®er 53efi^, jumal ber beoorrec^tete unb au^fd^lie^enbe, 
lann üJlai^t geben, aud) mo bie 93ilbung fe^lt. @r fann bie 
53ilbung burd^ 3Riete geiftiger 2lrbeit§fräfte feiner SKad^t bienen 
laffen. 3)ie 93efi^lofen finb einjeln olinmäi^tig unb fönnen aud^ 
nid^t auf anbere SÖSeife jur aWa(^t gelangen, ate menn fie unter 
gül^rung geiftig Ijeroorragenber Häupter jur ©rlangung ber SWad^t 
burd^ Koalition unb auf ©runb eine§ au^gebel^nten öffentlichen 
S8efi^e§ fid^ oereinigen. 

3)er burdö ©elb oermittelte, an jmei fd^einbar enblofen Ketten 
in ben Lieferungen ber SBare unb ben 3öt|titngen be§ ©elb* 
preife§ ablaufenbe SSerfe^r mirb eine fo maffige unb allgemeine 
©rfd^einung, ba§ an ben ©elboerfe^r juerft gebadet mirb, menn 
oon aSerfelir überliaupt bie Siebe ift. Qz me^r bie äußeren SSer* 
felire junel^men, je melir aud^ bie ©emeinfd^aften am äußeren 
aSerfelire fi(^ beteiligen, befto mannigfaltiger unb glieberreid^er 
merben bie Ketten be§ ©elboerfet)r§, meldte jmifc^en ben naturalen 
2lnfang§s unb ©nbpunften be§ Sßerfe^r§ fid^ au§fpannen. SÄan 



— 181 — 

tttöd^tc weinen, ba§ n)emgften§ im cinf eiligen Sßerfetir nie @elb 
ben ^vi)alt ber Seiftung bitbet; attein anä) ©d^enfungen werben 
in @elb gegeben, burc^ beffen ©ebraud^ e§ möglid) wirb, ben 
SBefd^entten über eine fonfrete SBraud^Iid^feit oerffigen p laffen, 
roeldie ber ©d^enfer felbft nic^t liefern fönnte. aWan möi^te weiter 
meinen, ba§ in ben inneren SSertel^ren jmifd^en ben 9KitgIiebem 
ber üerfdjiebenen 2lrten oon ©emeinfd^aften — gamilien, SBerei* 
nen, @ef eUfd^af ten , Rörperfdiaften — ber ©elbgebraud^ f eitlen 
fönne. @§ ift aber nid^t ber gaH, ba aud) bie ©emeinfdiaften melir 
unb mel^r am äußeren Sßerfelir ftd) beteiligen muffen, um il^re 
SBebürfniffe ju bedfen; atte ginanj mirb in fteigenbem 9Ka§e 
©elb^, bej. ^rebitmirtf^aft. 

93ei ooflfter SBürbigung ber 53ebeutung be§ ©etbeg für bie 
aWai^t bleibt e§ aber bod) fo — unb nur ba§ ift fojiologifc^ 
liier geltenb ju mad^en — ba^ ba§ 21 unb O alle§ a5erfet)r§ ber 
9^aturafoer!e^r, unb ber ©elboerfel^r nur Sßermittelung eine§ %txi& 
ber 9Jaturalt)erfel|re ift. 

®ie jmeite ©runboorauSfe^ung ber SWad^t liegt in ber Qu-- 
njenbung ber bilbung§* unb befi^fdimSc^eren ju ben ftärferen 
5ßerfonen. ®ie 3umenbung berulit auf ber ©rfa^rung be§ SBor* 
teil§. SReligiöfer ©en)iffen§än)ang, menn il^n bie 9fleligion bem 
nid|t religiöfen aWad^tjmedfe jur Sßerfügung fteHt, auc^ ber äußere 
3n)ang, geübt burd) bie QxüanQSQexoalten, ftnb SÄittel ber U n * 
termerfung unter bie 9Kad^t , aber f eineSmegg bie einjigen. 
98ielmet)r mirfen Zuneigung unb namentlid) UnterlialtSabl^ängigfeit 
in oerfd^iebenen formen minbeften§ ebenfo ftarf für Unterwerfung 
unter bie aWad^t. 3)ie aJlad^t bei Äapital§ über bie be^errfd^ten 
5ßerfonen beruht mefentlid^ auf ber SSermeibung be§ ^unger§ 
burd^ Solingemälirung an§ bem Kapital. „3)ur(^ junger unb 
burc^ Siebe erl^ält fid^ ba§ ©etriebe" (©d^iHer). 

^•mmer erjielt bie ©en)ot)n^eit ber ©efolgfd^aft unb be§ 
S)ienen8 eine befonbere SBerftärfung ber 3Wad^t. 3)a§ l^aben ge* 
rabe bie emporgefommenen 9Jlad^toirtuofen empfunben, mie 9ta* 
poleon, ber fo gerne fein @nfel gemefen märe (que j'etais mon 
petit-fils!) ober mie SBallenftein, meldten ©c^iHer fagen lä^t: 



— 182 — 

„SB[u§ ©cmcittcm ift ber SWenfd^ gemad^t, unb bic ©eiool^tt^cit 
nennt er feine 2lmme" . . . „9tid|t roa^ lebenbig, fraftooBl fx6) 
oerfünbet ift fürd|terlid|, ba§ ganj ©emeine ift§, ba§ eroig ©eftrige, 
xoa§ immer mar unb morgen gilt, meifg l^eute l^at gegolten". 

®ie 3itn)cnbung ber SBoIfömaffen jur 9Kac^t l^at ju oerfc^ie« 
benen 3^it^^ f^^^ oerfc^iebene gormen unb 2:riebfebern. ^n 
ariftofratifc^er 3eit ftüfet f\6) bie maäjt leicht auf ben S8o«§* 
glauben^ unb pe mag fo burd^ Qal^r^unberte bie „ftd^er tlironenbe" 
fein ; in bemofratif c^er Qext mu^ fte ber ftet§ erneuten 53ef ragung 
ber 9Kaffen in allerlei formen ber SBa^Ien unb ber SBoIfSabftims 
mung im ^arteifampfe abgewonnen merben. 

ajlac^t ift Sßorau^fe^ung nid^t bIo§ für bie ©eminnung oon 
©emalt in irgenb einer ©emeinfc^aft, fonbem auc^ für bie 53e= 
^errfdjung oon SBerfe^ren jeber ^rt. ^e Ieiftung§fäl|iger in ir* 
genb einem 53erufe eine ^erfönlid^teit ift, befto ftärferen ©influB 
oermag fie au^juüben, unb je melir 9Wad|t auf ©eiten betber 93er* 
fe^rgparteien ift, befto melir med^felfeitige gö^i^^^wng liaben beibe 
2:eile ju ermarten. 

2)ie Drganifation ber aWad^t befte^t l^ienai^ einerfeit§ in 
allen SSorfelirungen ber Slnl^äufung oon 53ilbung unb 93efi^ bei 
©injelnen, ©täuben unb klaffen, anbererfeit§ in alten jenen 9Sor* 
fe^rungen, burc^ meldte bie nid^t jur gö^^^ng befähigten 9Jlaffen 
beftimmt werben, fic^ unter bie gülirung ber überlegeneu ^erfonen 
JU begeben. 

aWad^torganifation finbet in aütn formen ber ^erfönlid^feit 
unb be§ ^efi^e§ ftatt. 9iebeneinanber ftelien familienmä^ige, freie, 
binbenbe, prioatred^tlid^e unb öffentlid^red^tlid^e 9Jlad^t. 3)ie oer* 
fi^iebenen formen ftü^en fict) unb fe^en einanber üorau§. 

Unter ben g^tmen ber SWad^tbilbung nimmt bie freie unb 
prioate SSereinigung jur ©eminnung unb 2lu§übung oon 9Jlad^t 
eine l^eroorragenbe ©teile ein burd^ ba§ ^arteimefen. 3)ie 
Parteien finb Sfflad^tgemeinfd^aften in ber ^^rm ber freien Sßer^ 
einigung. 

SÖSie e§ ber 9lame Partei ergibt, umfaßt bie ^^artei nur 
einen 2:eil aller an einer ©emeinfd^aft ober an einem aSerfelir 



— 183 — 

intcrcfftertcn ^crfoncn. 3)icfer S^cil gleid^intcreffierter ^crfonen 
fa§t fid^ jufammen, um beim SBiflcnSentfcl^Iu^ einer ©emeinfd^aft 
ober beim SSertrag^fd^Iu^ be§ Sßerfe^rg beftimmenben ©inftu^ ge* 
meinfam ju üben. 2lu§ ber SBed^felmirfung felbftänbiger Seile 
gelten aber alle ©ntfc^eibungen ^erüor. ^^arteien mirb eg in atten 
©emeinfd^aften unb bei aüen SBerfe^ren unter ber Sßorau^fe^ung 
geben, ba^ nid|t eine einjige ^erfon tatfädjlid^ mie re^tlic^ in 
©emeinfd^aften unb 5ßerfe^ren ade 3Slaä)t allein befi^t, mie ber 
gamilienoater in ber gamilie ober ber ^rioatunterne^mer in 
feinem ©efd^äft ober ba§ im Sßerfe^r auf ber einen unb auf ber 
anberen ©eite nid^t bIo§ oon einer einjigen ^erfon ber SßcrtragS* 
f^Iu§ betrieben mirb. @§ ift aber fo, ba§ oerbecfter SBeife felbft 
in irgenb meld^er Säutofratie ein ^arteitampf gefüt)rt wirb, menn 
mel^rere oerfd^iebene^ 3>ntereffe liaben, ben SBiflen be§ Slutofraten 
in entgegengefe^ter SRid^tung ju beeinfluffen. 

2)ie Partei ift l^äufig üon nur flüd^tigem 33eftanb. ^n ber 
aSerfel^rgparteiung mirb ba§ bie 9flegel fein, meil jieber S8erfe^r§* 
att mel^r ober weniger oorübergel^enb ift. ®ie Partei mirb aber 
fefte unb bauernbe ©eftalt annehmen, wo immerfort auf gleiche 
3iele ^injuarbeiten ift, alfo namentlid) innerl^atb ber 35auerge* 
meinfd^aften. 

3)ie 5o^in ber Partei wirb pufig bie ber freien Sßerbinbung 
mit offener 9JlitgIiebersaf|t fein, ba e§ fid) eben barum Rubelt, 
frei fo oiele ^erfonen al§ möglid^ jum Kampf um bie SWai^t bei 
ber ©ntfd^eibung p Dereinigen. 

3)ie ^attei al§ freie 5ßerbinbung oon ^erfonen ju oereinter 
©ntfc^eibung ber 93efd^lüffe in ©emeinfd^aften unb ber 2lbfd^Iüffe 
in aSerfeliren brandet i^re SÖSirtfamfeit nic^t auf eine beftimmte 
©emeinfd^aft ober einen beftimmten aSerfe^r ju befd^ränfen, bei* 
fpietemeife bIo§ religiöfe ober blo^ ftaatli^e ober bIo§ mirtfd^aft* 
lid^e Partei ju fein. ®ie @ntf d^eibungen , meldte für fe^r Der« 
fd^iebene 3^^^^ JU treffen fmb, fönnen in einer unb berfelben 
SRid)tung — be§ 5örtfd)ritte§ ober be§ a3eprren§ ober be§ SRüdE* 
fd^ritte§ — liegen, ©ine Partei mu^ mol^I eine beftimmte all= 
gemeine Sftid^tung t)aben , für meldte fie bie 3Wad^t ju oereinter 



— 184 — 

@tttfd)eibunfl fammelt ; aber btc Qxotdt, roofür fie arbeitet, f önnen 
fe^r mannigfaltig fein, unb biefe mögen nur ©d^ritt um ©d^ritt 
jur aSermirflid^ung gelangen. Qmmcr aber mu§ btr^^rm ber 
98erbinbung eine fold^e fein, meldte ben ^Beitritt für möglic^ft oiele 
offen l^ält. Um möglid^ft oiele ju gewinnen, mu§ bie gartet auf 
bie öffentlid^e SWeinung @influ§ ^aben, mie i^n benn jebe anfe^U:» 
lid^e Partei burd) ein ^re^organ fti^erjufteHen fui^t. 2lgitation 
ber öffentlii^en 9Jleinung für ©eminnung oon SWai^t bei ©emein* 
fd^aftgs unb Sßer!ebr§entfd^eibungen ift ba§ eigentlid^e ©efd^äft 
jeber Partei. 

53ei geftftellung be§ SBegriffeS ber üJlad^t ift bereit« eine 
SWeinung jurüdfgemiefen morben, meiere meite Sßerbreitung ^at. 
©ie beftelit barin, bie 9Kad|t in ber SwanQ^Qtvoalt ju erblidfen. 
Smangggemalt ift meit melir aU SBirfung benn ate Urfad^e ber 
aJlad^t anjufelien. 2)ie ©emalt im ©inne ber Seitung irgenb mel* 
d^er ©emeinfd^aft beruljt jmar immer auf 9Jlad^t; aber nur für 
bie ©emalten, meldten 3^<^^9^^oHftredfung übertragen ift, ift 
Smangggemalt n)efentlid)er Seftanbteit ber üJladEjt. gür fte ift 
Smangggemalt allerbing§ unbebingte Stotmenbigf eit ; benn oline fie 
märe il^re ©runbaufgabe, SBal^rung unb SBieberl^erftettung be§ 
grieben§ unbenfbar. ©l^e e§ eine felbftänbige Organifation be§ 
©taate§ gegeben I|at, mar immer irgenb eine 2:rägerfd^aft oon 
3mang§gemalt gegeben. 

9Die Säbmefenl^eit von Btt^öng^gemalt im S8oIf§= unb Sßölfer* 
leben ober bie Sänarc^ie — im ©inne eine§ ^roub^on ober im 
©inne ber S^eunbe be§ emigen 5^ieben§, ber allgemeinen 2lb* 
rüftung unb be§ obligatorifd^en aS(5l!erfd^ieb§gerid^te§ — ift Utopie. 
®er jmang§unfä{)ige ©taat mürbe nictjt bie attgemeine Sßertnfipfung 
im grieben, fonbern bie allgemeine ß^^Möftw^Ö/ ^^^ ^^^^9 Silier 
gegen Sitte, ba§ ^o\U-^ unb ba§ Sßölfer^aog ergeben. 

®ie ba§ menfd^lid^e ^erj elirenbe ©d^eu cor bem gortbeftanb 
oon QvoanQ^itmaÜ in ber ©efettfi^aft oergi^t e§, \)a^ bie QroanQ^^ 
gemalt, mie pe fortbeftel^t, auf bie übert)aupt mögliche ©infd^räntung 
be§ 3w>ange§ au§get)t. 2)ie öffentlid^e ^w^cmg^gemalt ermeift fid^ 
al§ mäd^tige ©infd^ränfung beö 3w)ange§. 3)ie§ fd|on baburd^, ha^ 



— 185 — 

fie bcn Sw^^^^S öKer übrigen ©etoalten, bie (Sigenmad^t allgemein 
au^fd^lie^t. ^n ber öffentli^en 3w)öng§gen)alt erfd^eint ber Sw'o^fl 
weiter baburi^ eingefd^räntt, ba§ bie Slnroenbung üon S^^ng an 
beftimmte, unparteiifd) ju prüfenbe SBorau^fe^ungen getnüpft, ein 
SRed^t für ben 3w)ang gefegt unb ein beftimmte§ 3Wa§ beS 
3n)ange§ einget)alten wirb. Unb nid^t blo§ baS Siecht, aud^ bie 
SWoral fe^t ©d^ranfen, burd^ bie öffentli^e SWeinung fogar felir 
roirffame ©d^ranfen. SBol^l roäre e§ ein ftarfer Optimismus, 
menn man annel^men moHte, ba§ SRed|t§pflege unb öffentlid^e 
SJleinung ben ©emaltmifebraui^ ganj auSfd^lie^en; eS märe ju 
fragen, ob in ben öffentlid^en ober in ben ^rioatgemeinfd^aften 
met)r Sug unb 2:rug, me^r Sßerleumbung unb S^rabfdineibung, 
met)r 3lu§beutung unb ©poliation mel^r oon ben Sonferoatioen 
ober mel^r oon ben SRabitalen betrieben mirb. S)ie in ber 9Ser» 
Ijüllung ber legalen ©taatSgemalt geübte, abfolute unb parlamen* 
tarifd^e ©igenmad^t fann ein fd^merereS Uebel werben als bie 
offene (gigenmad^t, unb fie ^at oft genug bie le^tere in allerlei reoo* 
lutionärer ©eftalt ^eroorgerufen. ®aran barf man bennod^ nid^t 
irre werben, bafe bie auSfc^Iie^lic^e Uebertragung ber 3w)öngS* 
befugniS an bie öffentlid^e ©emalt unb itire öffentlid^e SäuSübung 
burc^ biefe ©emalt unter ber ©arantie oon Urteilen ber Sted^tS^ 
pftege ben rld^tigen SOBeg für bie möglii^e ©infd^ränfung ber 
3n)angSübung im 95olfS=^ unb aSölferleben barfteHt. Unter allen 
üJläd^ten mirb biejenige, melctie ben SßolfSgefamtmiHen oertritt, 
für bie Siegel am meiften Steigung unb ©ignung befi^en, ben 
aWiPrauc^ ber 3wö"S^9^w)alt ju oermeiben. 

9Jlan t)at fi(^ oon ber SBorftellung ganj frei ju mad^en, ba§ 
bie Herbeiführung ober menigftenS bie SluSfül^rung oon 93efd)lüffen 
unb Säbfd^lüffen lebiglid) burd^ 3^öngSgemalt bewirft werbe. 2)ie 
meiften SSefi^lufefaffungen tommen — ni^t blo§ in ben ©emeinfd^af* 
ten beS ^rioat^ fonbern aud^ in jenen beS gamilien= unb ©taatS^* 
red^teS — entweber oline 3w>ang ober wegen 3Wangel an freier Ueber* 
einftimmung gar nic^t ju ©tanbe. ®aS ift bei htn meiften 
SÖSillenSentfd^eibungen beS ^ömilienlebenS, bei ^rioat* unb 'iSöU 
f eroerträgen , aud^ bei ben meiften ftaatlid^en SSefd^lu^faffungen 



— 186 — 

Tüa^rjunc^mcn. ^aS fonftitutionefle ©taatälcbcn ift auf SBcrciti:' 
batung jroifd^cn glcii^bercc^tigtcn ©eroaftcn, jtüifdien ^Regierung 
unb Sßolf^ocrtretung, jroifd^cn crftcr unb jiDcitcr Sammer angc* 
legt, unb bie 9KitteI aud^ für bie gü^rung ber ©taat^gcfd^äfte, 
einfd^He^Iii^ ber 53en)ifligung ber JRetruten unb ber Slu^gaben 
für ^eer unb glitte, unterliegen ber periobifd)en aSermiDigung 
üon aSertretunggförpern. Stte^nlid^ ift e§ im Sommunaimcfen, 
n)eld)eg nur teitmeife mit ßw^^^fl arbeitet. @ine SWaffe ber im 
öffentlidien Seben juftanbe fommenben SSefd^Iüffe, felbft ©efe^:^ 
gebungSbefdilüffe, ift auc^ it)rem -^^l^alt md) nid^t smingenb, 
roeber im gebietenben, nod) im oerbietenben ©inne. Qf^re SQSirfung 
erliaften bie meiften öffentlichen »efc^lüffe unb 3tbfd|Iüffe burc^ 
freie aSetätigung ber Qntereffenten. ®ie 9Jlaffe ber a3ubgetbefc^(üffe 
ift auf ein dürfen unb können, nid|t auf ein 3Küffen geri(^tet. 
aSenn jur ^erbeifütirung oon SSefd^Iüffen in ben ©emeinfd^aften 
unb oon Slbfd^Iüffen in ben aSerfeliren ©emalt für bie SRegel 
nid|t angemenbet mirb, fo tonnte immer nod^ gebadet merben, 
ba^ jur 2lu§fü^rung aOer »ef^Iüffe unb Slbf^lüffe ^mang malte. 
®ie ©rfa^rung jeigt jeboc^, ba§ biefe 2lnftd^t ein Qrrtum märe. 
SBiele a3efd^lüffe innerhalb be§ ©taate§, faft alle aufeer^alb be§ 
©taate§ merben nur au§gefül)rt, menn fie ofine B^^ng au§gefü^rt 
werben !önnen. ®amit bie 2lu§fül^rung gelinge, merben Ueber= 
rebung, Selel^rung, aSermeifung auf aSorteile unb 9tad^teile, Sob, 
^rämiierung unb anbere gemaltlofe Sieijmittel in Slnmenbung 
gebracht. O^tegrierenber aSeflanbteil aller 3Jla6)t ift ^iernad^ bie 
^wangggemalt ni^t. ®ie in ben öffentlidien ©emcinfd^aften tat» 
fäd^lid^ unb befonber§ bie red|tmäj3ig befte^enbe 3wang§gemalt trägt 
aber, obmol^l felbft nur au3 ber üJlad^t tjeroorgegangen, jur a3er= 
ftärfung unb @rl|altung ber ganjen SJlad^t ber öffentlidien Sei» 
tungen melir ober meniger bei. ©etunbär mirb l|ierna(^ bie 
3mang§gemalt aU 3Jiad|tfa!tor nid^t ju unterfd^ä^en fein. 

3.] 3luf bem ©runb ber 9Kad^t rut)t, mie bie @ntftet)ung 
unb ©i(^erung be8 9flec^te§, fo bie Organifation ber Xicd^nü. 

3[ebe befonbere aSeranftaltung oerlangt atö ©infa^ befonbere 
2lrbeit§fräfte unb aSefi^ftürfe, meldte nur au§ ^erfonal« unb a3e* 



— 187 — 

ft^mad^t gcfdjöpft werben fönnen. @ie muffen geeignet fein, bie 
befonberen SBiberftänbe, roeld&e ber ©rreid^ung eine§ Qxvtdt^ ent* 
gegenftelien, roirffamft ju überroinben. 3)ie aSoIföroirtfd^aft ^at 
für ^robuftion unb ^anbel anbere 2lrbeit3fräfte, SBerfjeuge unb 
Apparate, als irgenb eine ber fd^önen Äünfte, unb bei ben per* 
fönlid^en 2)ienftteiftungen, etwa be§ @eiftli(^en, Se^rer§, 2lrjte§, 
gorfd^erg, ift bie ted)nifct|e Sßeranftaltung roieber eine anbere ^). 
aiber oline ^erfonal« unb 93efi^mad^t ift !eine 2:ed|nif ein* unb 
burd^fü^rbar. 

4.] S^v ^adjU unb Äunftoeranftaltung fommt al§ weitere 
©emeinoeranftaltung bie ©inrid^tung einer SBirtfd^aft§fü^rung 
l^iuju. S)a§ SBefen ber (enteren ift ^inlänglidb ftargelegt (@. 154). 
©ie ift in aßen einfad^eren ©efdEjäften unb ^au^l^alten mit ber 
2:ed|nif üerbunben, forbert aber aud^ felbftänbtge ©eftaltungen. 
S)en d^arafteriftifd^en (ginfa^ ber Defonomif — nid^t ju t)er* 
med^feln mit ber SSoIfgmirtfd^aft — bilben bie ^erfonen unb ©ad^* 
güterbeftänbe ber Saltutation, ber SRed^nunggfül^rung, ber ^on* 
trolle, ber 53udöung, ber Qnoentarifation, ber 33ilanjierung. 

5.] 2ll§ ©rroeiterung ift fd^on bie 8el|re oon ber Drganifation 
ber perfönlid^en unb ber befi^U^en SÖSertungen erfd^ienen. 
53reit werben immer bie Sßeranftaltungen ber befi^lic^en 933er* 
tung ^eroortreten. 3^"t^oI^^f^^i^wng ift ber 9Äar!t unb üJlittel 
ber aOBertung ba§ (Selb al§ allgemeinfte§ SWittel ber 53efttin)ertung, 
ber ©d^ä^ung, ber ©rfüllung. 3)ie 93ebeutung be§ @elbe§ ift 
jmar l^auptfäd^lic^ bie eine§ 9Jlittel§ ber SBertung für ben unb in 
bem ©ad^güteroerfe^r. 3>^^beffen reidt)t bie Sebeutung fd^on be§ 
@elbe§ über bie ©igenfd^aft be§ allgemeinen 9Sergeltung§mittel§ 
unb S3Sertträger§ l^inau§. @§ ift au(^ allgemeine§ S3Sertma§ für 
blofee ©c^ä^ungen unb bient al§ @rfüllung§mittel (3a^lung§mittel) 
in allem, aud^ bem nic^t ber ©ad^güteroerforgung gemibmeten 
aSerfelir. 

3)ie Se^re t)on ber ^reiSbilbung ift jmar für bie 9lational* 
ötonomie bie bebeutf amfte ; aber für bie ©ojiologie erfd^öpft fie 



1) Sögl. „^an unb ßeben", 2. ^luflv II, @. 176-191. 



— 188 — 

bie SBertung^erfdieinungcn ttid^t. hieben bcr SBcfi^rocrtung na6) 
@elb liegt in melgeftaltiger Drganifation bic ^ c r f o n a toertung^ 
Toclc^e ftd^ unmittelbar anbetet äjlittel al§ be§ @elbe§ bebient. 
©ie umfaßt einmal bie eigene ©eltenbmac^ung bet @^te unb 
SBütbe, fobann bie @l|tung anbetet in aßetlei gotmen. ®ie ©elbft» 
el^tung unb bie S^tung anbetet üetfügt, abgefel^en oon ®elb, übet 
äu^ete 3Wittel, 3^^^^ ^^^ 2lnetfennung: ®mbleme, ©d^mud bet 
^etfon unb be§ öefit^eS, ßffentlidie 2lu§jeic^nungen, a;itel, Dtben, 
®enfmälet, geietn unb gefte. Äein petfönlid)et SBetfe^t ift oline 
bie 2ld|tung§bejeugung be§ @tu^e§ unb o^ne 33etunbung non 
©elbftactjtung butd^ bie Haltung. 

Sie fc^önen Äünfte ftnb e§ l|auptfäc^lid|, meldie bie 3Rittel 
bet S^tung unb SluSjeid^nung liefetn; bet äft^etifd^e ®enu§ 
läuft jmat feilt nat)e mit bem Qrotdz bet ©l^tungen jufammen; 
abet ba§ ganje 2lu§jeid|nung§n)efen ift bod) nid^t blo§ al§ äftl^e* 
tifdie ©tfdieinung, fonbetn ouc^ al§ ©tfc^einung bet petfönlidien 
SDBettung ju mütbigen. aSiele SBettbejeugung bebient ftd^ abet 
übettiaupt ni(^t anbetet aJHttel, fonbetn finbet meniget ftd^tbat 
ftatt (©. 143). 

Umfaffenb ttitt bie SBettung and) bei ben ©emeinfc^aften 
lietoot, nid|t blo§ au§ 2lnla| ilitet inneten unb anbeten Sßet« 
feilte, fonbetn auc^ bei aßet ben 93efci^lüffen t)otau§ge^enben 93e* 
tatung. ©o in^befonbete in ben 33ubgetbebatten. 

Seibe, bie ^etfonal^ unb bie 93eft^n)ettung, gteifen negatin 
mit ben S^ten* unb ben ©elbfttafen auc^ in ben öeteid^ bet 
tlietapofojiologifd^en 2:atfad)en ein unb finb 9Kittel bet ©anietung. 

©egenftanb htx SBettung finb ]^auptfäct|li(^ ^etfonen unb 
©ad^gütet, beibe beim Sluftteten fomol^l in ©emeinfd^aften al§ in 
aSetfel^ten. ®od^ roetben auc^ ©teigniffe unb ©tinnetungen an 
©teigniffe gefeiett unb geptiefen, felbft in allgemeinen SßoltS* 
unb gamilienfeften. 9tac^ @^te unb 9flut)m ttad^tet ba§ gauje Sßolf. 

5Da§ meifte an petfönlid^et SBettung leiftet anetfennenb unb 
abetfennenb bie öffentlid^e SJleinung in itjtet Otganifation butd^ 
bie ^teffe unb in SSetanftaltungen \)^x ©efeHigfeit. 

6.] 2ll§ le^te ©tunboetanftaltung finb noc^ bie 2lnftalten bet 



— 189 — 

Siaum« unb bcr Q z x tU^txx^iinnQ ]^en)orjufet)ren. 

@inc bcfonberc „©ojiologic beS 9laumc§" toirb nun oud^ 
von anbetet Seite al§ beted^tigt jugegeben. 3)ie ©ojiologie . f ann 
nut bei 3laä)t — b. 1^. bei panöfonomiftifd^et SSetbunfelung alle 
M^e gtau unb fd^roatj anfelienb — bie Siaum* unb 3^ito^i^<^tt' 
ftaltungen gang in bet Siationaföfonomie aufget)en laffen. ®et 
aSetfaffet i)at fid^ einet ©ojiologie be§ SRaumeS fd^on in bet 
etften unb jroeiten 2luflage oon „53au unb 2^bin" ju befleißigen 
gefüllt unb t)iefüt Slnetfennung bnxd) feinen ©etingeten al§ 
Sia^el gefunben. ®ie Seilte oon ©tabt unb Sanb ift bott 
aOetbingg in bie ©ojiologie be§ SftaumS oetrooben, roäl^tenb xä) 
fic nunmet)t innetl^alb h^x fgntlietifdien ©atfteßung (ogl. ©. 215) 
oetfelbftänbigen ntöd^te. 

Saum betül^tt in bet etften unb noc^ fel|t unoottftänbig ah' 
gel^anbelt in bet jroeiten 2luf[age von „a3au unb Seben" ift bie 
„©ojiologie bet QtxV\ ©ie ^at bie l^eufe mäd^tig cntroidfelten 
2lnftalten bet Sänfammtungen (Slftumulationen) unb bet VLthtX'' 
liefetungen t)etf(^iebenftet 2ltt ju umf äffen. 35ie ßeljten oon bet 
©tfpatung, Sapitalbilbung, bem Ätebit bilben nut a3tud^ftüdfe 
einet ©ojiologie bet 3ßit« 

3)a§ Seben bet aSöIfet ift wie jiene§ bet ©injetnen ein un* 
auf^ötlid^e§ 9ladE|einanbetgefc^el^en, wie ba§ aud^ bet Sauf i>zx 
Statut ift. Slbet jwifdEien Sßöüet^ unb Statutgefd^i^te ift bet 
unge^eute Untetfd^ieb, baß SSöItet unb ©iujelne oetnünftig tätig 
in ha^ ©efdEje^en eingteifen fönnen unb um i^tet ©tl^altung unb 
@ntfa(tung mitten eingteifen muffen. 2)a§ 2:un bet aSöIfet unb 
bet ©injelnen ift oon bet aSetgangent)eit in bie ©egenmatt ^etein 
oetbteitet unb teid^t au§ bet ©egentüatt in bie 3wfunft hinein. 
®a§ ganje SSoIf unb jebeö baju gehörige ©ubjeft finb mit pet* 
fönlid^en 2lnlagen unb mit bem a3eft^e ^tobuft unb @tbe bet 
aSetgangenlieit. 5ßon ftülieten ©enetationen üetfotgt, fotgt jebeS 
aSoIf immetfott füt bie fommenben ©efd^led^tet. ^ebe§ ^fnbloi:* 
buum, jebe gamilie, jebe ptioate unb j[ebe öffentlid^e 3ittftitution 
ftellt einen SSottat petfönlid^et 2ltbeit8ftäfte unb ©ad^gütetnut^un* 
gen bat, meieret t)on bet aSetgangenlieit ootfotglid^ gefammelt ift. 



— 190 — 

unb icbc§ ©ubjcft fammelt für feine unb ber ©einigen SBerfor* 
gung in ber ß^f^^f^- Ueber olle SBeränberungen im Statur* unb 
@ef(^ic^t§Iauf Ijinroeg erftredt fid^ ba§ Seben be§ SSoIfeg unb be§ 
®injetnen. ^m ganjen S^^f^ntmenl^ang be§ ©rbenroalleng ift fein 
3eitpunft für fid^ unb fann feiner unabhängig für fic^ gelebt 
werben. ^zi>e^ ^eute be§ Sßolfe§ voav fd|on im ©eftem, unb 
jebeS 9Korgen lebt fd^on im ^eute. SSöIter unb ©injelne ftnb 
ebenfomenig 2ltome in ber Qtxt at§ im Siaum. ©injelne imb 
©emeinfd^aften, meldte aufeinanber folgen, bitben einen cinjigen 
großen 3wfow^"^^^^ong be§ ^-üreinanberfein^ unb ^üxtinanh^x^ 
n)irfen§ im Slad^einanberfein unb 9tact|einanbergefd|et)en. S)ie 
aSertnüpfung ber ^erfonen unb ber aSer!el|r in ber 3«it ift ebenfo 
fel^r üolftid^e Slotmenbigteit mie bie Siaumoertnüpfung am SBoben. 

S)er ununterbrod^ene ßufammen^ang in ber 3^it mirb burd^ 
aSorforge jieber ©eneration bewirft, unb man fann oerfui^t fein, 
für ben «Inbegriff aller 3^it^<^^f^t|rungen fojiolögif(^ bie gemein* 
fame öejeidEinung aSerforgung ju roäl^len, wenn nur biefe§ SBort 
nid^t für oiete engere S^atbeftänbe ber g^ürforge von ber ©pradie be* 
reit§ oerbraud)t märe (aSerforgung^anftalt, aSerforgung ber Äin* 
ber u. a.). 2)ie S^atfai^e umfaffenber 3^itJ5ßrfnüpfung burd^ aSer* 
forgung ber t)erfd)iebenften 2lrt fpringt bennod^ in bie Singen unb 
reid^t meit über bie nationalöfonomifd^e ©rfd^einung ber Kapital* 
bilbung unb be§ Ärebite§ ]^inau§. @§ t|at nur bie Soziologie 
gefeljtt, bem gemaltigen, gleid^mertig neben bem 9lieberlaffung§* 
unb ^ran^portmefen baftefienben Äomplej ber 2lnfammlung§* unb 
^interlaffung^tatfad^en eine anerfannte ©efamtbejeid^nung ju oer« 
fd^affen. 

2)ie Sänfammlungen unb bie ^interlaffungen treten un§ an 
allen brei ©runbbeftanbteilen jebe^ a5olfe§ entgegen: einmal an 
ber Sanboerme^rung unb Sanboerbefferung (ogl. ben II. ^aupt* 
abf(^n.), ber Äolonifation, Äultioation, aWelioration, fobann an 
ber 3lnfammlung oon bemeglid^em aSermögen, bem ganjen ©amm=» 
lung^o ©par* unb 3>noeftition§mefen, enbli^ in ber a3olf§* unb 
a3ilbung§aunal|me. @§ ift immer ein unb bief elbe 2;atfad^e : 3ln= 
pufung unb ^interlaffung (aSererbung). aSefonbere aSeranftal* 



— 191 — 

tungcn ftnb für jeben Qxüzd biefer Sänfantmlung unb ^intcr* 
laffung jur SluSbilbung gelangt, ju !eincr Qtxt in fo gerpaltiger 
SBeifc Toie l^eutc. 

iBcfonbcrc ©cmciufci^aften nid^t Wo§, fonbern anä) eigene 
aSerfe^re oermitteln bie Slnfammtungen unb bie ^interlaffungen. 
^m ^rebit ftel^t ein mäd^tiger ^^riDatoerfe^r in Rapitalnu^ungen, 
im ©runbftüdfoerfelir ein fotd^er in ftelienbem aSermögen oor un§. 
Oeffentlid^e ©ammlungen finb ber ^erfteüung unb Ueberlaffung 
t)on ©ütern ber ©arfteHung geroibmet. ^n ber gömifie ooHaietit 
fid^ bie 9lnt)äufung unb ^interfaffung oon a3et)ölferung, a3ilbung 
unb a3eft^. Qn ben öffentlid^en ©emeinfd^aften erplt jebe @e* 
nerotion gro^c @(^ä^e gemeinfamen SSermögeng oon ben oorlier* 
gel^enben ®efd|Ied^tern oererbt, um ebenfolc^e ben fommenben 
©enerationen p t)interIoffen — eine 2lrt öffentlicher Qnir)txtti)x 
im großen! 

SlUe 3^itoeranftaltung oerjmeigt fxä) in bie jmei ©runboor* 
gänge ber Silbung oon SSorräten für bie ^^^fi^^ft ^^^ ^^^ ^'tu* 
^ung ber 3lnl)äufungen au§ ber Sßergangent)eit. 3)aran fnüpft 
fid^ein eigentümlid^er3eitoertet)r: jmif^en früt)eren Uebertaffungen 
unb fpäteren Sftüdfübertragungen. 2)er 3)Qrie^en§^ ber SJWiet- unb 
ber ^ai^toerte^r finb nur a3rud^ftüdfe eine§ allgemeinen Qzxtvzx^ 
U\)x§, meld^er nid^t blo§ in prioat^ fonbern aud^ in familien* unb 
öffentlidtired^tlid^er g^orm fid^ bewegt. 

Qebe ©attung oon ^erfonen fann burd^ ober oline Ueber* 
tragung bie SSerforgung ooüjiel^en. S)iefelbe ^erfonenart tann 
fomoljl bie a3ilbung§* oI§ bie öefi^oerf orgung , bie aSerforgung 
mit gemeinen ©ad^gütern unb mit ^beenjeid^en ober alle biefe 
oerfd^iebenen Svo^\Q^ ber aSerforgung jumal oofljielien. 9lormaler* 
roeife t)at jebe ^erfon anfammelnb unb nu^enb an jebem ber oer* 
f(^iebenen 3^eige in bem SJla^e il^reg aSerufeg Sänteil ju ne^* 
men nnb ju erhalten, ^eroorragenben 3lnteil mirb immer bie 
gamilie an ber Slnfammlung unb an ber ^interlaffung (aSerer* 
bung) oon a3ilbung unb a3eft^ bel^alten. 

S)ag ©elb gibt bie üJlad^t, atte 3lrbeit§Ieiftungen unb atte 
SRu^ungen, meldte nid^t burd^ Sffloral unb 9ie(^t ber freien, ent* 



— 192 — 

gcltlid^cn ober uncntgcitlidien Ucbcrtragung entjogcn ftnb, von 
irgenb einer p^gpfc^en ober jiuriftif(^en ^erfon^ toeli^e ben 38or=» 
rat bcft^t, auf eine anbere ju übertragen. @elb ift jebod) leinet- 
n)eg§ ba§ einjige aJltttel, SBorräte in ber einen 3^it i^ fammeln 
unb ju übertragen unb Oegenleiftungen ju einer anberen Qnt oom 
©mpfänger be§ Sßorrat§ l^erüorjurufen. ®a§ @elb ift ein l^er* 
t)orragenbe§ SRittel aud^ ber SBerforgung be§ ©taat§ mit 93efi^' 
mad^t; aber e§ ift feine§njeg§ ba§ einjige unb allgemeine üJlittel 
be§ 3^tti^"^fö^^^ ber perfönlic^en Kräfte unb ber ©ad^güter. 3)ie 
3Jlad^t be§ ©taat§ oerlangt oielmetir, ha^ gctoiffe öffentlid^e Sei« 
ftungen unb 9tu^ungen bem freien 3^itwmfa^ entjogen bleiben, 
SBa§ oom @elb ate allgemeinem ^lanierung§* unb Umfa^mittel 
im SRaum gilt, gilt oon il^m aud^ al§ allgemeinem 9Kittel ber 
gifierung unb ber Uebertragung in ber ^nt 

gür bie SBerforgung ift bie 2lrt, mie bie ©reigniffe eintreten 
unb auft)ören, oon nid^t geringer 53ebeutung. @§ mad^t einen 
erlieblid^en Unterf^ieb für bie Sßerforgung burd^ 2lnl|äufung unb 
^interlaffung, ob bie ©reigniffe immerfort unb gteidjmä^ig fid^ 
roieberl^olen, ob fie einmalig, au^erorbentlid^, ober ob fie bauernb unb 
alltäglid^ ober orbentlid^ fmb, ob fie im '^aÜz ber SBieberfiolung 
regelmäßig, periobifd^, ober unregelmäßig n)ieberfet)ren, ob i^r 
©intreten unb 2lufl|ören oorau^juerfennen unb ju lenfen ober 
„jufätlig" ift. @§ ift oon felbft einleud^tenb, baß bie Sßerforgung 
ben außerorbentlidEjen, unregelmäßigen unb unbe^errfd^baren @r* 
eigniffen gegenüber bie größeren ©d^mierigfeiten bietet unb 9lot* 
falloorräte ober 5Referoen erforberlid^ mad^t; man barf nid|t auf 
ba§ ©lüdf fid^ oerlaffen, fonbern muß mit bem Unglüdt redEjnen, 
menn man oerforgt fein mill. ®a§ SJerfid^erung^mefen rut)t ganj 
auf bem ©runb ber 5Referoen. 

3)a§ 93er^ältni§ ber Ueberna^me jur ^interlaffung ber 2ln= 
fammlungen ift ein oerfd^iebene§. ©ntmeber bedEt fid^ ba§, n)a§ 
jebe ^erfon ober jebe ©eneration eine§ Sßolf e§ — ©injel^ unb ©amt^ 
perfonen jufammen — übernommen l^aben, mit bem, mag fie 
l^interlaffen, ober bie ^interlaffenfc^aft becEt fid^ mit bem Ueber* 
tommenen nic^t, fonbern jeigt einen Ueberfd^uß ober einen 5^1^t 



— 193 — 

betrag. S)er eine %aU ergibt ben 93e]^arrung§juftanb , ber an« 
bere entroebcr 3unal^me ber SDlai^t ober 2l6na]^me ber SWad^t. ^m 
83el|arrung§juftanb crftattet ein SBolf ba§, roas e§ oon ben IBätern 
überfommcn \)at, an bie @n!el. Qm gortfi^ritt l^interlä^t eS einen 
2:eil ber gru(^t au§ ber 2:ätigfeit ber laufenben ©eneration an 
bie fommenben ®ef ci)led^ter ; im 9lüdffci)ritt geirrt e§ an bengrü^* 
ten ber SSergangenlicit, ol^ne ben fommenben ®e[(^ted^tern @r[a§ 
ju geben. 

3n feinem ber brei gäHe oermag eine ^erfon ober eine ganje 
Sßolf^generation nur ju braud^en, ma§ fie felbft gefd^affen l^at; 
jcbe ift t|iftorif(^ ©d^ulbnerin unb mirb ©läubigerin; feine f|at 
bie SWöglic^feit unb feine ben 2Infprud^, nur fi(^ felbft ju oer= 
forgen unb ben ^nlialt ber 2lnfammlung ganj ju bejiel^en^). @§ 
befielet burc^ bie 3^ito^^f"öpfw"9 ooUftänbige ©olibaritdt aller 
nad^cinanber fommenben ©efc^led^ter, mie burc^ bie dianmvtx^ 
fnüpfung ooUftanbige ©olibaritdt ber nebeneinanber mol^nenben 
^erfonen befielet. ®ie 3^it&änber be§ SBolfeS fpotten j[ebe§ 9Ser* 
fud^e§ ber S^^^ife^ng nic^t minber ate bie Slaumbänber. 

©ämtlid^e ©emcinocranftaltungen — bie ber ^ommunifation^ 
be§ 9led^t§ unb ber SKoral, ber 2:ed^nif unb ber Oefonomif, bie 
33Bertung§==, bie 9laum^ unb bie ^^it^^rfelirungcn — fmb gleid^ 
felir ben ©emeinfc^aftcn unb ben SSerfel^ren unumgänglid^e§ 83e* 
bürfni§. Ol^ne fie fann oolfli(^ nid^t gel^anbelt werben. 

<3nbeffen fommen in ben (Semeinfd^aften unb in ben 95er* 
feieren felbft weitere, nur ber ®emeinfdt|aft, bejiel^ung§meife nur ben 
aSerfel^ren gemibmete ©inrid^tungen l^inju. ^n ben ©emeinfc^af* 
ten bie ©eftaltungen oon ^errfdiaft (gül^rung) unb S)ienft, oon 
2lmt unb aScrtrctung, Stormierung unb SSermaltung, in ben Ser* 
feieren bie ©inric^tungen für Uebertragung unb SÖBertung ber 
2)ienfte unb ber »efi^ftüdEe. 

93ei jeglid^er 2Irt oon ©emeinfd^aften befielet für ^errfd^aft 

1) Malier aud^ feine aTiöglid^feit be§ ^iRcd^tS auf ben oollcn 2lrbcit§' 
ertrag"; ogl. m. ^Inscige in ber Stfd^r. für bie gef. @taat§n)., LVIII (1902), 
@. 737 ff. ©benbafclbft über ben 3in§ al§ immanente S^otmcnbigfeit in 
jebcm nxd^t abfolut bel^arrenben ®efcUfd^aft§äuftanb. 

e (^ ä f f ( e , StbriB ber @03toU)gte. 13 



— 194 — 

unb 3)icnft, 9lmt unb Vertretung, Slormgebung unb JBcrtoaltung 
eine gefd^riebene unb ungefd^riebene SBerfaffung. S)ie Sßerfaffung 
orbnet fie alle. ®a8 f olgenbe ©d^ema wirb einen für biefe ©teile 
jureid^enben Ueberblidt gewähren: 

3)ie 95orftanbfd^aft fann fein: aUein^errfd^aftüd^ — mel^r* 
l^errfd^aftlid^ (tollegial), 
ariftofratifd^ (Dor^errfd^aftlidti), 

bemotratifd^ (maffenl^errfd^aftlid^) uneingef darauf t, autofratifd^ 
(ol^ne aWitwirfung unb ÄontroHe einer Vertretung) — ein* 
gefd^räntt (t)erfaffung§mä^ig), geburt§abetöl^errf d^af tlid^ : bg* 
naftifi^, abel^ftänbifdti, — ober berutienb auf ©rnennung, 
auf SÖBa^l: 
birefte — inbirette SÖBal^l, 

aSolföroal^l Onbioibualroal^l), — 33Bal|l burd^ ©emeinfd^aften 
ate SBal^lförper. 

3)er 2) i e n [t tann fein : bureau!ratifdt| — totlegial, real — 
territorial gegliebert, in Ueberorbnung — in Äoorbinierung. 

3)ie Vertretung fann fein: ^lenaroertrefung : ©eneral» 
oerfammlung, ba§ Volt aU 2lbftimmung§förper u. a. — 
SBatiloertretung ober iWepraf entation : Veiroal^l — 3)litglieb* 

f(^aft§n)at|l, 
birette — inbirette, 

befdt|rän!te — allgemeine mit Vertretung§au§fc^äffen, al§^on* 
troHorganen — al§ ©enel^migungSorganen. 
3)ie 2:äti gleit ber ©emeinfd^aften ift: 
nad) bem ^nl^alt: Stormierung (©efe^gebung) — 2lu§s 
fülirung. Jlormtcrung in glei(^bered^tigtem ß^fow^^^^^tt^ii^tc^ 
oon Vorftanbfd^aft unb Vertretung, 
Seitung unb Verwaltung unter Kontrolle unb ©enel^migung 
ber Vertretung; 
nad^ bem Verlauf: bie Vefd^lu^faff ung auf ©runblage 
oon SßJertcrmägungen ober Veratungen (Debatten) — 2lu§* 
fülirung b\xx6) ben S)ienft auf ®runb oon Vorerl^ebungen 
unter VoHjug^einleitung (Sjefution) burd^ bie Seitung. 
ür bie Verfel^re befleißen befonbere (Einrichtungen für 



— 195 — 

SBcci)fcIn)ir!ung bcr aScrfel^rSpartctcn ^ fei e§, ba§ bic SBcrfc^re 
unmittelbar perfönlicft unb Qvlq um 3^8 ft(% ooUjie^en, fei eS 
burd^ 3)ajmif(^entreten bcfonbercr SßermtttlungSorgane. S)te @tn* 
ric^tungen liaben gleid^fel^r für bic Scrfel^rSgefdiäfte unb für bic 
aSer!e]^r§n)ertung, für 2lngebot unb Stac^frage (SRetlamc), für bic 
JBerl^anblung unb ben ©^lu§, für Seiftung unb B^^Iung ju bienen. 

gür bie materiellen Sßertel^re fommen bie fSfl&xttz jeber 2lrt 
mit allen itiren ©onbcreinrid^tungen einfd^lie^lid^ ber ^anbelS* 
ücranftaltungen, für bie immateriellen Sßerte^rc bie aSeranftaltun= 
gen ber SBcrfammlungen, ber 3iJ^örerfci)aft unb ber äiif^^öucr^ 
fd^aft in 83etra(^t. ^n ba§ ©gftem ber ©ojiologie werben fie 
bal^er an biefer ©teile einjureil^en fein. 

3)ie aSertel^rgoeranftaltungcn, bie aWärtte unb bie SBermitt«: 
lungSgemerbe, bie ©elb* unb Staturalocrfcl^rc ftnb fojiologifd^e 
Siatfad^entreife, meldte über ben 83ereid^ ber bloßen ©adtigüteruer« 
forgung be§ 3Solfe§, alfo ber 9lationalö!onomie, l^inau^rei^en. 

n B. ®te pr Äommunifation, jum SÖSirfen, jum iWec^t, jur 
SWa^t, jur S^ec^nit unb Detonomü, jur SßJertgebung unb SRaum^ 
3cit*93e^errfd^ung organifierten ©emeinfd^aften unb 3Ser!e]^re er* 
galten befonbere ©eftaltung nac^ bem ®efittung§ämedf, mcld^em 
fie bienen. ^ieburd^ ergibt fi6) eine je nad^ ber ^öl^e ber 9Solf§* 
cntmidElung einfad^ere ober rcid^ere ©lieberung befonberer Äultur* 
organifationen, bercn jiebe mit i^rem ^erfonal unb i^rem 83eft§e, 
in i^ren ©emeinf^aften unb iliren Söerte^ren auf ben befonberen 
Sroed angelegt ift. 

Unter ben Sßorau^fe^ungen ber mobernen ©efittung mirb bk 
oben (©. 175) entmorfene ©lieberung ber ^ulturf reife für bie 
nationale ©efeUfc^af t f aum oerf el|lt fein. SWan f ann unterfd^eiben : 

1. S)a§ aSerfid^erung^mefen al§ 93efämpfung aller 
mibrigen ^onjunfturen (I. ^auptabfd^.), geftü^t auf bie Organi* 
fation oon 2lnfammlungen unb ^interlaffungen üon bemeglid^em 
aSermögen. 

2. 3)ie aSeranftaltungen für gortpflanjung, für leib-- 
lid^en Unterlialt, für bie ©efunb^eit t)on aJlenfd^en unb Stu^tieren 
(§ggiene). 3)ie Sßeranftaltungen unter 2 t)aben e§ gemeinfam 

13* 



— 196 — 

mit einem 3)iettft für Vorgänge ptigftologifd^en ;3nt|alt§ ju tun 
unb fönnen bälget sufammengefa^t merben. ^^xz 2:ed^nit tft eine 
felbftänbige unb rcd^tfertigt bie 2lufftel(ung einc§ befonberen Or* 
ganft)ftem§. 3)ie ü6Ii(^e ältere Söerftreuung teit§ in bie ©rßrte^ 
rung be§ @idt|erl|eit§n)efen§, tcil§ in bie Stationalötonomie wirb 
aufgegeben werben fönnen unb foHen. ^n biefem 2ieil ber Dr* 
ganifation^Iel^re märe anä) t)oUer SRaum für bie fragen ber ;3n» 
jud|t unb ber Äreujung gegeben, o^ne ba^ man bie ©ojiologie 
in „politifdier ?lntl^ropoIogie" aufgellen ju laffen brandet ^). 

3. gür eine befonbere Se^re oon ben 9lnftalten ber @ i (^ e r* 
l^eit blieben immer nod^ bie ©inrid^tungen für ben ©d^u^ be§ 
9Sermögen§ gegen Jlaturf^äbigungen fomie für ben ©d^u^ t)on 
^erfonen unb Vermögen gegen innere unb äußere geinbe. @§ 
ift jeboc^ geftattet unb ba meiften^ ^eer unb flotte nid^t bIo§ 
jur 2lbme]^r beftimmt fmb, mol^I aud^ jmedfmä^ig, 

4. ben 2lnftalten ber militärifd^en unb ber jit)ilen 3 w) a n g §^ 
gemalt einen befonberen ^la^ in ber Organifation^Iel^re oor* 
jubel)alten. 9Wan mü^te benn oorjiel^en, mit Slüdfft^t barauf, 
ba^ äße 2lu§übung ber 3wang§gemalt bem ©taate üorjubel^alten 
ift, fte in bie ©taat^Iel^re ju oermeifen. 

5. ^ienad^ erübrigt unter ben 3>nftitutionen für materielle 
9Solf§jmedte immer nod^ ba^jienige, roa^ mir bie ©ad^güter* 
oerforgung be§ aSol!e§ ober bie Sßolt^mirtfd^aft genannt 
l^aben. 33Ba§ l^ierüber in „83au unb Seben" gefagt ift, glaube id^ 
aufreiht l^alten ju fönnen, andj menn ba§ 33ilb unb SlBort 
„©ojialftoffmed^fel" ben SBeräd^tern ber biologifd^en 2lnalogie ooH» 
ftänbig preisgegeben merben foH. ^n „53au unb Seben" ^) ift 
eingel)enb gel^anbelt oom SBefen, ben ©runbbegriffen, ber fojialen 
SBertbeftimmung, ben 93etrieb§formen, ber ®ntmidElung§gef(^id^te 



1) %xe 93ebcutung ber „poUtifd^cn Slntl^ropologie" im ©inne ber (Sd^rift 
von SBoItmann (ogt ohzn ©. 48) mirb oom ^crfaffer nid^t abgelelint. 
®en SBert ber crmälinten ©d^rift ftnbet er übrigeng mel^r in ber felir 
inftruftioen Darlegung be§ Iieutigen @tanbe§ ber @elcftion§leI|re al§ in 
ber SJelianblung ber [Raffenfragc. 

2) 3 m e i t c 3lufl. II, @. 192—343. 



— 197 — 

ber SBoIfSroittfd^aft bcr 95oIt§n)irtf^aft bcr freien SJonturrenj, 
bem RapitaH§mu§ unb ben fojialtftifdicn SSeftrebungen. 

3u ben ©onbetDeranftaltungen für bie materiellen fommen 
jene für bie immateriellen ^ulturintereffen ^inju. 3)asu gel^ören 
einmal 

6. bie Organifationen für U n t e r r i dt| t (©d^ule), gortbil« 
bung unb ©rjie^ung. @S märe ni^t auSgefd^loffen, biefen (Segen* 
ftanb in ben 83ereid^ ber S^itoeranftaltungen ju jie^en ; benn 9ln* 
pufung unb Ueberliefcrung oon 83ilbung ift ba§ ^\d biefer in 
„53au unb Seben" ^) felbftänbig gefteUten aSoIf§inftitutionen , in 
beren 9JJittelpuntt bie aSolf§*, bie 9JJittel* unb bie ^od^fd^ule 
fielen. 

7. "@in fiebente§ Drganfgftem ift ba^jenige ber äBal^rnel^* 
mung unb ber 83cobad^tung, ber gorfd^ung unb ber 33B i f f e n * 
f d^ a f t. @§ berül^rt fid^ namentlid^ in ben ^od^fd^ulen mit bem 
Dorigen, otine bod^ bamit jufammeujufaHen (^ripatforfd^ung, 95er* 
ein§forfd^ung, Slfabemien). 3ln biefer ©teile ift ben 2lu§fü^rungen 
t)on ;;93au unb Seben"^) nid^t§ beizufügen. 

8. SÖSeiter l^alte iä) al§ befonbere§ Organfgftem ba§jenige 
ber aSeranftaltungen für fämtli^e fd^önen fünfte (Äunft im 
e. ©.) unb für bie f d^ ö n e S i t e r a t u r im ganjen f eft, mie eS 
in „93au unb Seben" gefd^el^en ift^). @ine ©rmeiterung mirb 
meiter unten bie Seigre uon ber fc^önen ^unft baburd^ erfa^ren^ 
ba§ fte neben ber ©pradie al§ ©efül^tebanb ber nationafen ®e* 
fettf^aft gemürbigt mirb (u. @. 201 ff.). 

9. 3)em Äunftleben fte^t na^e bie ® e f e 1 1 i g f e 1 1 ^). @ie 
lie^e fxä) a\x6) al§ Organifation be§ immateriellen SSerfel^rS in 
95erfnüpfung mit ber ©emeinf^aft für immaterielle unb materielle 
aSolf^genüffe barftellen. @ie ift oon ^unft burd^tränft, unb man 
tann in bie SJerfud^ung !ommen, bie 93etrad^tung ber ©efeHigtett 
mit ber 93etrad^tung be§ äftlietifd^en Solföleben^ ju oerfc^meljen. 

1) 3 weite Slufl. II, @. 352 ff. 

2) 3n)cxte Slufl. II, @. 365 ff. 

3) Stoeite 3lufl. 11, @. 376 ff. 

4) @ r ft e Slufl. II, @. 344 ff. IV, @. 73 ff. 



— 198 — 

3)ic ©cfcHtgfcit reid^t icbod^ über bic SSercid^c bc§ immateriellen 
95erfet|re§ t|inau§, inbem fte gugleid^ ©pl^äre eines; Zexl^ beS 
materiellen ©enuffeS ift. ©ie ift überbie§ l^auptfad^lid^er 93oben 
ber perfönli^en SBertungen, ber ©elbftmertung burc^ ©d^mudt 
unb ®lanj unb ber SBertung (^reifung unb geftfeier) burd^ an* 
bete. 3)er SBerfaffer pit be§^alb baran feft, ber ©efeHigfeit 
eine felbftänbige Stellung in ber ©ojiologie be§ Sßolfeg einjuräumen. 
Unb ebenfo 

10. ben SBeranftaltungen für bie SReligion, meldte für 
bie Slbenblänber in ber d^riftlid^en ^ird^e gipfeln, ol^ne barin auf* 
jugetien. ^n beiben 2luflagen oon „93au unb Seben'' ift bie 
Äird^e einge^enb gewürbigt ^). ^ier mirb weiter nod^mal§ ju be- 
tonen fein, ba§ bie Kird^e in l^eroorragenbem @rabe aud^ al§ 
Slnftalt eigenartiger SBertungen fid^ erroeift, nämli(^ teite in ber 
^irc^enjud^t oom ©tanbpunft ber religiöfen aWoral, teife im Äultu§ 
ate @otte§t)ere]^rurig. 

2. Sie 9}er{nä:tifttngett uub ä$erftt{i:)ifitngi^tttittel ber ttatiottalen 

@efettfdiaft. 

3)ie „öänber" unb „83inbemittel" ber nationalen ©efellfd^aft 
werben äl)nlid^e§ Qfntereffe in 2lnfprud^ nelimcn bürfen, mie jene 
Äräfte, meldte im Unioerfum bie ^immefelörper, im Seibe§leben 
bie ©liebbeftanbteile im ^wfammenl^ang erl^alten. 9Wan mirb fid^ 
aber begüglidt) ber 83änber unb 83inbemittel be§ aSolf§!örper§ mit 
befonberer SBorfid^t einer medt|anif(^en 83etrad^tung enttjalten muffen. 
Stid^t oon befonbercn Kräften, meldje oon au^en bie ©liebteile 
oerlnüpfenb umfd^lingen, fonbern oon fold^en, meldje au§ ben 
eigenen 9lntriebcn ber Steile — im ©piel i^rer SBed^felmirfungcn, 
be§ äußeren unb inneren aSertet)r§ — ftd^ äußern, fommt ber 
fidlere S^fammenl^ang unb bie Harmonie ber 93en)egung. 3)er 
fojiale Ko§mo§ ift unb bleibt ®rjcugni§ ber fittlid^en SBBed^fel* 
mirlung aller feiner 2:eile, mie ber aÄa!rofo§mo§ immer ba§ 
^robuft ber p]^t)fi!alif(^en SßJec^felmirfung fämtlid^er ^immete^ 
förper bleibt. 

1) 3 to e i t c Slufl. II, @. 397 ff. 



I 



— 199 — 

2K§ ^auptocrfnüpfungcn ftnb bereite naml^aft gemad^t: bic 
aSctfnüpfung burd^ ©prad^c unb ^unft, fobann bic aScrtnüpfung 
burc^ 9lc(^t unb aJloral, roeitcr jene buri^ bic SWac^t ate.®runb 
aller O^ü^rung in (Scmcinfd^aftcn unb SBcrfclircn, bic SBcrfnüpfung 
burd^ Z^äfnit unb Octonomit, ferner bic SScrfnüpfung buri^ per« 
fönlid^c unb bcfi^lid)c SÖBcrtung (^reifuug unb ^rci§), cnblidt) bic 
raumjcitlid^c Söerfnüpfung. 

2lm meiften erfannt unb anertannt ftnb bic 93inbe!räftc bc§ 
9icd)tc§ unb bc§ 9lcc^t§jn)angc§ burd^ bic SJcd^tSpftcgc. ®ic Dcr*^ 
fnüpfcnbc aWad^t bc§ 9lcc^t§ unb bcffcn, roa^ juerft vot, al§bann 
neben bem 9iedt)tc ift, — nämtid^ ber ©itte — ift in „53au unb 
Seben" fo beftimmt nad^gcroiefen roorben, ba§ idt) mid^ auf ba§ 
3itat au§ ©d^iller§ „®emetriu§" befd^ränfen f ann : „® credit igfeit 
^ei^t ber funftreid^c 93au be§ aOSeltgcroöIbcg, wo Me^ @inc§, ©incg 
3tae§ ^ält, wo mit bem ®inen Mz^ ftürjt unb faßt" 0- 3" i^^^^ 
a5ertrag§f(^lu§ nimmt iebe ©injclperfon 3lnteil an ber SBer!nüpfung 
burc^ ba§ 9lcd^t§banb, in jeber @cmeinfdt|aft roirft ba§ cinjclne 
Syiitglicb für ba§ Siedet ber ©cmcinfd^aft in ber SBertretung. 

®ie au§fd^liepd^e Betonung aber be§ 9lcd^tc§ afö SWad^t 
tiarmonifd^en ^anbcln§ t)on feiten aller ^erfonen ift fd^ön barum 
unjureid^cnb, rocil ber ücrfnüpfenbc @inftu§ ber ©ittlid^feit, bic 
au§ bem Qnnern ober ©croiffen cine§ -3ebcn roirtt, überfelicn 
fein roürbe. S)ie aßücrbinbcnbc Äraft ber 'Sfloxal ift jcbod^ in „33au 
unb Seben" cbenfatt§ fo nad^geroiefen, ba§ an biefer ©tcUe nid^t§ 
l^inäUjufügen roäre. SBcnn 2lriftotele§ bemerft : „(Screc^tigfeit unb 
S:ugenb" feien ,,wo^ ba§felbe, aber in oerfc^iebener gorm", „bie 
2:ugenb auf anbere belogen" fei „©ered^tigteit", le^tere „bie 
2:ugenb afö frembe§ ®ut", fo ift eben ba^ SßorI)anbenfein ber 
2:ugenb oorau^gefe^t. ®ie Jugenb mu§ ba fein, bamit fie im 
SRei^t ba§ ®ut je eine§ anbern werben fönne. SlUe* SBeranftal- 
tungen, meldte moralifc^e ©efinnung erjeugen unb Unmoral bc*. 
fämpfen, wirfen nid^t minber al§ JBänber ber nationalen ©efeH:^ 
fd^aft wie bie ©efamt^eit ber SWec^t^erjeugung unb ber SWed^tgpftege. 



1) «gl. n^avi unb Sebcn" 1. 3luff. I, @. 624 



— 200 — 

3luc^ mit ber fSJloxal fmb nid^t alle Sßcrtnüpfungcn bc§ 
9Solt§!örpcr§ jur älnfc^auung gcbrad^t. Sßicl ju roenig aßgcmein 
erf annt ift e§, ba§ bic ÜR a c^ t als ©runblage ber @cn)alt in allen 
®emcinf(^aften unb als (Srunblage ber gü^rung in aßen SBerfet)=^ 
ren weitere ©d^roerpunfte einheitlicher ©ruppierung aller äBillen 
ergibt, ©ie ermöglid^t immerfort öemegungggleic^gemi^t burc^ 
SBed^felmirtung gmifd^en ben ©eroalten unb ben $ßer!el^r§parteien. 
3)ie üRac^t ift jmar grunboerberblic^en 9JJi^braudt|e§ faltig, nermag 
ben aSolf§einMang ju ftören unb ju jerftören, l)at \l)n oft genug 
anä) mirWid^ jerftört; aber an unb für ftc^ ift fte nid^t ju ner* 
n)ünfd^en unb tä^t fic^ aud^ nic^t megmünfd^en. 83ei 93etra(^^ 
tung ber SWad^torganifation ift e§ anfc^aulid^ geworben, ba^ bie 
aJlac^tträger felbft burd^ bie äBed^felmirfung mit ber Vertretung 
im ©d^ad) gehalten merben. . S)ie ftärffte aWad^t ift biejenige be§ 
ganjen aSoIfe§ in feiner inbioibucHen ^anblung§fä^igfeit, unb 
biefe ftärffte aWac^t, ber ©taat, t|at für bie Siegel nic^t bto§ 
©tärfe, fonbern anä) ^ntereffe genug, bie ©onbergeroalten im 
^rieben ju galten. SJlad^t ift bie ©runblage unb ©rö^e aud^ ber 
internationalen Harmonie (f. u. ©. 231 f.). 

9JJan mag bie ÜWad^t, roie fie einft burd^ ©rblid^teit ber 
SBürben unb aSeft^e befeftigt mar, für ^eute bi§ auf bie legten 
SRefte ablehnen, fo fann ho6) bie rabifatfte 3)emofratie bei einigem 
Stad^benfen ftdt) nid^t oerbergen, ba^ SWad^t e§ ift, voaS allgemein 
grei^eit unb ©leid^l^eit oerbürgt. ^n unferen S^agen ift e§ jioar 
nid^t bie erbliche, mol^l aber bie burc^ SSereinigung (viribus unitis) 
immer neu gefdtiaffene 3Jlad^t, xoaS ben SWaffen felbft 3wfammen* 
l^ang unb burd^ ^wfammenl^ang unter fid^ SKad^t auc^ im ©taute 
oerleil^t. ^n jeber einjelnen ©emeinfd^aft ift e§ bod^ nur bie 
SJlad^t, menn nid^t be§ öefi^eg, fo ber ^erfon unb i^rer öilbung, 
worauf bie Uebertragung ber fül^renben ©emalt berut)t. S)urd^ 
©ammlung ber bienenben ^erfonen unter ©emalten ergibt ft^ 
unb erl^ält fid^ eine ©lieberung be§ ganzen a?ol!e§. 

Mgemein ift bie oolt^oerfnüpfenbe SBirfung ber S^ec^nit 
unb ber Oefonomif ertannt. <3nbem jeber ted^nifd^ ben aSeruf 
übt, meld^er i^m baS erfolgreid^fte Äönnen ermöglid^t, unb inbem 



— 201 — 

er burd^ 3Q3irtfd^aft§fü{)rung — unter minbefter . Sluf Opferung bei 
l^öd^ftem Stufen — feine Seben^Ieiflung im ganjen jum tiöd^ften 
©rfotg ju bringen fud^t, mad^t er ftd^ jum ©lieb be§ ©anjcn unb 
ftrebt an jene ©teKe im ©anjen, wo er am meiften wirft. aSolf« 
oerfnüpfenbe SBirfung äußert bie prioatroirtf^aftüd^e ^Beteiligung 
an ®emeinf(^aften unb Sßerfeliren faft nod^ ftärfcr al§ bie 33e* 
teiligung an öffentlichen ©emeinfd^aften unb Sßerfe^ren. 3)ie @r* 
fenntni§ ber oolfoerfnüpfenben Sßirfung üon 2:e^nif unb Oefo* 
nomif ift oorjüglid^ fd)on burd^ o. 2: ^ ü n e n beobad^tet morben. 

aSerfnüpfung mirb audti burd^ alle Slrt ber SÖBertung be* 
mirft. 3)ie flaffterenbe ^raft be§ ^reife§ ift allgemein ertannt 
unb anerfannt. 2lber dud^ bie perfönlid^e SBBertung, ©Ijren unb 
SBürben, fidlem Orbnung unb Harmonie ber ©efamtbemegung, 
menn gleid^ nid^t immer bie befte unb gered^tefte. 

©emaltige SBBirfung aU ©änber unb 93inbemittel äußern bie 
Siaum* unb bie 3^it^^i^onft altungen. ©§ gefc^ielit 
burdt) ortfd^aftlid)e 2lneinanberbrängung unb burd^ eine bie 3^^=^ 
ftreuung überminbenbe aSereinigung im 9laum, fobann burd^ aSor* 
forge unb aSerforgtfein in ber 3^^*- ®o§ 9tieberlaffung§= unb 
ba§ Siran^portmefen einerfeit^, ba§ SJlnfammlung^mefen unb $in* 
terlaffung^mefen anbererfeit§ bienen ^eroorragenb bem 3iifömmen* 
l^ang ber nationalen ©efeHfd^aft, ganj befonber§ feit 2lu§bilbiing 
be§ 9tac^ri(^tentran§porte§ unb feit ber Organifation be§ @par^ 
a3anf= unb SSerftd^erung^mefen^. a3eiberlei aSeranftaltungen fmb 
t)om ajolfe felbft gefd^affene SSerfnüpfungen. 3)ie SSoß^genoffen 
fuc^en — 3Äann für 5Dlann — ben günftigften ©tanbort auf ober 
tialten ilin feft. Sitte finb al§ ©rblaffer unb al§ ©rben tätig, bie 
Kontinuität be§ SSotteS in ber Q^xt ju filtern. 

3)ie mäd^tigften aller Sänber nationaler ©emeinf^aft finb 
aSolf^fprad^e unb nationale ßunft. ©ie feien jule^t, 
aber au§fü^rlid^er l^eroorgeljoben ! S)er SSBirfung nac^ !ämen fie 
obenan ju ftel^en. 

S)ie geiftige ©inlieit unb 3ufammengel|örigfeit aller 2lnge^ö* 
rigen eine§ aSol!e§, fein ©efellfd^aft^bemu^tfein, oerförpert fi^ in 
ber ©pradtie unb in ben SSBerfen ber Kunft. Kunft ift l^ierbei al§ 



— 202 — 

Inbegriff ber [og. fd^önen Kunft im ©cgenfa^ ju bcr 2:e^nit unb 
jum Inbegriff bcr fog. nü^Iid^cn fünfte gebadet, ^n bcr ©prai^c 
^at unb äußert ein SBolt übcreinftimmcnb fein aSorftcttcn, in bcr 
Äunft fein übcrcinftimmcnbcg gül^len. 

©prad^c unb Äunft finb längft ©cgcnftanb bcfonbcrcr, mit 
oerfc^menbcrifd^cr Slufmenbung oon ®cift unb glci^ angebauter 
SBiffenfd^aften in ber ^l^ilologic unb in ber 2left^ctif geworben. 
Ob aber biefe S33iffenfdt|aften il^ren ©egenftanb jugleii^ nad^ feiner 
l^croorragenb fojiologifd^en 93ebeutung l^inrcid^enb gewfirbigt I)aben, 
fann bcjroetfelt merben. ©elbft einen Saien in ^^ilologic unb 
2lcft^etif, mag ber SBerfaffer ift, miß bcjüglidt) be§ intcreffanteften, 
aber audb fi^mierigften ZzxU^ beiber SBBiffenfc^aften — nämlid^ 
bejügtid^ ber Unterfud^ungen über ben Urfprung ber ©prai^e unb 
über ben ©runb be§ ®efaUen§ — einiget 33eben!en barüber be^ 
f d^leid^en , ob man ftd^ genugfam auf ben ©tanbpunft bcr 83c* 
trac^tung t)on ©prac^c unb Äunft ate Dcr!örpcrtcn @cfellf(^aft§* 
bemu§tfcin§, al§ jmeier S3änbcr geiftiger aSolf^Dcrfnüpfung gcftcUt 
l^abe. SBcrfaffcr t|at ben ^w^^if^t an ber fojiologifd^en Qnl&nqf^id)^ 
feit ber fraglid^en Untcrfud^ungen nid^t DöUig Io§mcrbcn lönncn, 
obmo^I er jene Unterfud^ungen tcilmcife bcmunbcrt. 

©prac^e unb Äunft merben al§ geiftige 33änbcr bc§ aSott^- 
förperg bem miffenfd^aftlid^cn 33Iidt junäd^ft auffällig, infofern fic 
bic ÜJlittcitung üon ©cbanfen unb ©cfül^lcn geftattcn, alfo SWittcl 
finb, um Slllc ober Sßicle ju bemfclben SSorftcllen, gü^lcn unb 
SBoUcn ju bringen. 3)a§ ift aber nid^t ba§ einjige, ma§ fic ju 
aSänbcrn be§ aSolf§förpcr§ mad^t. S)urd^ itirc ©prad^e unb iljren 
äft^ctif(^cn a3cfi^ finb alle ©lieber be§ SSolIeg gciftig cin§, inner* 
lid^ ju gleid^cr 2lrt bc§ SBollcn^, f?üt|lcn§ unb 3)cnfcn§ ücr* 
fd^moljcn, l^aben fic real ein gcmcinfd^aftlidöe§ 93emu§tfcin, ba§ 
SBol!§bcmu§lfcin. 9Ba§ bic ocrinüpfenbc Äraft ber ©prad^c imb 
ber Äunft au§mad)t, liegt alfo ni(^t allein barin , ba§ bic SSoltS* 
angeliörigen biefclben SGßortc fpred^cn, in benfclben Silbern fid^ 
i^rc @cfü{)le mitjuteilcn vermögen, fonbern ba§ fic barin logifdt) 
unb äfttjctifd^ aufeinanber geftimmt finb. 9Wit bcr lebcnbigen 
©pra(^c unb mit bem lebcnbigen Äunftgcfülil maltet für ein ic* 



— 203 — 

ftimmte§ SBoIf ju beftimmtcr Qzxt bcrfclbc ©cift in aKcn; burd^ 
aSott^Itcb, »olfgtans, 5Bolf§benfmaI, SSoßSgcbi^t geraten aße 2ln« 
getiörigen in biefelbe Stimmung. 93eibe, ©prad^e unb Sunft, ftnb 
nid^t blo^ aWittel ber 2leu^erung beS Sßolf Sbemu^tfein^ , fonbern 
felbft DerförperteS @efe[If(^aft§bemu§tfein. 9JJit bem ganjen geifti= 
gen gortfdtireiten ober SRüdf^reiten be8 SßoIfcS werben fie reid^ 
ober oerarmcn fte, oerooHtommnen ober oerfdiled^tern fie fid^, 
fiegen ober unterliegen fie. 2lud^ in ben genetifdien Unterfu* 
d^ungen über ©pradt)e unb Äunft mirb man fid^ aber baoor ju 
lauten l^aben, auf ber ©fel^brüdte ber 2lnna^me eines „urfprüng* 
lid^en 3)arftel(ung§triebe§" be§ menfd^Iid^en ©eifteS ftel^en ju 
bleiben. ®er menfd^Ud^e ©eift, bie Sßernunft, ift nid^t juerft 
fertig geworben, um ^emad^ ein 3)arftellung§bebürfni§ ju empfin^^ 
ben, fonbern — ba§ menigftenS t|at bie bemunberungSmürbige 
Slrbeit ber genetifc^en ©prad^forfd^ung oon ©teintl^al an 
feftgeftellt — Sßernunft unb ©prad^e ftnb miteinanber in bem 
9JJenfdt|en ate fortfd^reitenb gefeUfd^aftli^em SBefen geworben. 
S)a§ 3)arftellen in benfelben SGBorten unb ©ebilben liätte aud^ 
feine SßJirfung, wenn nid^t bie 3)arfieller unb bie ©mpfänger 
ber 3)arftellung in gemeinfamem SBolf§bewu^tfein jufammen^ingen 
(ogl. IL ^auptabfd^nitt). 

S)ie ©prad^e wirft nid^t in berfelben SBeife oerlnüpfenb wie 
bie Äunft. ©ie gibt oorwiegenb bie intetleftueUe, gebanfUi^e 9Ser= 
fnüpfung, unb bie ©pra^wiffenfd^aft !ann mit ®runb 5ß^ilo* 
1 g i e genannt werben, greilid^ fann bie ©prad^e au^ ©efül^Ie 
bef^reiben. ©o angewenbet, wie e§ in ber ©ic^ttunft gefd^ietjt, 
bient bie ©prac^e ber fünftlerifd^ fd^affenben ^l^antafte al§ SWittel, 
wie umgefef)rt im Set|rgebi(^t bie ^|5oefie eine in ben äftl^etifd^en 
2Ipparat be§ SSerSma^eS unb be§ SReimeS oerHeibete SßerftanbeS« 
fprad^e fein fann. Qm allgemeinen ift e§ fo, ha^ bie SSolf§fprad^e 
oerförperteS SBerftanbe§bewu^tfein eine§ SBoIfeS ift, wäl^renb bie 
SQSerfe ber fünfte bem 9SoIt§gefüt|le ©emeinfamfeit unb gemein^ 
oerftänblidtien 2lu§brudf geben. SSerftanb unb ©efü^I finb jwei 
gleid^ wefentlid^e ©pl)ären be§ SßolfSbewu^tfeinS; ©prad^e unb ^unft 
bilben balier bei aller SSerfc^ieben^eit, jebe in i^rer 2Irt, ein we* 



— 204 — 

fcntUd^c§ 93anb gcifttger SSerfnüpfung bc§ aSoI!§fßrpcr§. Sffienn 
in bcr ©prad^c jcbcr 9Solf ögcnoff c , n)ic man gejagt i)at, „laut 
bcntt"^ bcj. beim S)enfcn „leife fpric^t", fo mitb beim ^robu* 
jieren unb (Senie^en t)on ^unftmerf üon jebcm Sßolf^genoffen in 
berfetbcn SQScife „laut" ober „ftditbar gefül^lt". 

2ln unb für fid^ gibt e§ oerfd^iebene 9JJitteI, ben ©cb^nfen 
unb ©efü^Ien SluSbrud gu geben. 2lu§er bem ©prad^Iaut bienen 
tiieju bie ©ebfirbe, ba^ ©ignat, felbft bie 93etaftung. 93ei aßen 
95ölferu ift benno^ bie artifulierte Sautfprac^e jur ©prad^e fd^Iec^t« 
t|in geworben. Unter ©prad^e oerftc^t man bie SSoü^fprad^e unb 
unter biefer bie artifulierte SBortfprad^e, meldte bie ganje ©eifteS* 
arbeit ober bie aSolfSoergangenl^eit ju gemeinoerftänblid^en 93e^ 
griffen oerbic^tet ^at. ®iefe Sßerbid^tung tann nid^t immateriell 
genug fein. 3)er immaterieUfte 2lu§brudE oon ©ebanten ift ba§ 
unbilblid^e SQ3ort. Qt logifd^er ber aWenfd^engeift geworben ift, 
befto mel^r mu^te bie artifulierte, gcbanfenlautlic^e ©pred^meife 
jur ©eltung fommcn; bie Sogif l^at ftd^ am 8ogo§ (SBort), ba§ 
SBort an ber Sogif emporarbeiten fönnen. Qn SBorten fann man 
mirffidt) ebenfo laut benfen al§ ftiU fpred^en. Unb nid^t blo§ für 
3eitgenoff en ! 9Wit ^ilfe ber Ueberlieferung^mittel fönnen bie 
©ebanfen an bie fpäteften ©efd^led^ter gelangen. S)ie artifulierte 
Sautfprad^e ift ba^ geeignetfte 33anb be§ gebanflid^en Sßolf^bemu^t* 
fein§ jugleid^ in 9laum unb 3^it- 3Jlit bem SBort entfliegt ber 
©ebanfe in einem ^aud^ über ben „Sann ber Qä\)m" jum O^r 
be§ Stäc^ften unb erleibet aud^, menn er bem fpöten Sefer burd^ 
©dtirift ober 3)rudt oor§ 2luge tritt, eine S^rübung nid^t. 

3)ie ©prad^e ift fojiologifd^ immer al§ lebenbe ©prad^e ju 
benfen. 3)ie lebenbe ober mirfli^e aSolf§fprad^e ftimmt mit ber 
©^riftfprad^e nid^t ftreng überein. Qene flingt an oerfd^iebenen 
Orten bialeftifd), ja faft au§ jebem einjelnen aWunbe oerfc^ieben, 
unb oon ber ganjen ©pradtie f|at iebe§ Qnbioibuum nur fo oielc 
äBorte auf ber 3u"9^^ ^te e§ eben nad^ feiner ©teUung in ber 
©efeUfd^aft ju reben l|at. 3)ie ©inl^eit ber Sßolf^fprad^e ift nid^t 
aWonotonie unb fann ba§ niemals merben. S)ie Urfa(^e ber oer* 
fd^iebenen Klangfarbe liegt nid^t blo§ in ber p^gfiologifd^en ®e* 



— 205 — 

toöl^nung bcr förperlid^cn ©prcd^toerfscugc, fonbcrn in ber gcifti* 
gen ©tgcnart bcr ocrfd^iebcncn ^«Woibucn, Sßolföfd^ic^ten unb 
©intool^ncrf^aftcn. 

3n ber bialeftifd^cn Slbroanblung jcber SBoIf^fprad^e fommt 
bic für oerfd^icbcnc 93ct)öltcrung§fd^i(^ten unb Sanbc^tcilc ocr* 
fd^iebenc gärbung beg SBoH§bcn)u§tfein§ jum Slugbrudt. ®ie 
garbung wirb tro^ fortgefe^tcm SBanbcI überall auf lüeit jurüdf * 
rei^enber Ueberliefcrung berul^en. Qn ber ©rfd^einung ber ®ialefte 
roirb ein weiterer 93en)ei§ bafür ju erblidten fein, ba^ bie ©prad^e 
nid^t eine äuperlid^ an ba§ Sßolt^bewu^tfein ^erangefommene 
©ignaloerabrebung ift, fonbern ba^ fic bie geiftige ©in^eit beg 
aSol!e§ barfteHt. ^nnerlic^oerfd^moljenfinbnurbieSlngel^örigeneineg 
aSolfeg, n)ie e§ ju beftimmter 3^it ein einem beftimmten Orte lebt. 

®a]^er lä^t fi(^ aixä) nic^t eine „SÖSeltfprad^e" baburc^ erjeu« 
gen, ba^ man bie glcid^bebeutenben SBorte oerfd^iebener JBoltg- 
fprad^en burd^ ein^eitlii^e Saute erfe^t, wie eg in bem „SSolapüt" 
be§ babifd^en Sanbgeifttic^en uorgefd^lagen morben tft. Qthz 
©prad^e tann nur mit itirem aSoffgtum road^fen unb abnel^men. 
®ie ©prad^en ber roeltl^errfi^enben SSölfer werben bie Derbreitetften 
werben. ®ie einjige SßJeltfprac^e ift fo lange ein 2iraum, al§ e§ 
nid^t ha§ einjige SBeltDolf gibt; ein fold^eg lä^t fid^ jiebod^ über« 
i^aupt nidt|t abfeilen. SBag man SßJeltfprad^cn ^ei^t, ftnb aud^ 
nur Sprachen, mel(^e oon beftimmten aSolfefdt)id^ten — ®iplo* 
muten, Äaufleuten, ©elelirten, SWifftonären, Offijieren — bei ©er« 
fd|iebenen SJölfern oerftanben werben. S)ie ©prad^e, b. 1^. bic 
lebenbe ober SBolföfprad^e ift unb bleibt t)er!örperte§ aSolfgbewu^t* 
fein, unb jwar oorwiegenb bog oerlörpertc gebanllid^e 93ewu^tfein 
eineg beftimmten Sßol!e§ ju beftimmter Qät, unb eben weil pe 
ba§ ift, ba§ aSolföbewu^tfein aber ben aSolfgförper jufammen^ält 
unb beftimmt, ift fie ein ]^eilige§ (Eigentum beg Sßolfeg, ba§ SBa^r* 
jeid^en, ja ba§ äBefen ber Jlationalität. 

®ie üerfnüpfenbe Äraft ber ©prad^e t|at eine gewaltige Söer* 
ftdrfung burc^ äußere Hilfsmittel, erft burd^ bie © d^ r i f t , bann 
bur^ ben ®rudt erhalten. (Sebanfen, weld^e oom SWunbe jum 
D^re ge^en, finb weber einer großen SSlusbreitung im SWaum unter 



— 206 — 

aSielc, mä) einer reinen Uebertragung in ber 3«it perfid^ert. 3)ie 
©(^rift nämentlid^ aber ber S)rudt in feiner te^nifc^en @ntfa(tung 
burc^ bie polggrap^ifd^en ©enterbe unb ^anbetejroeige , \)at ben« 
felben ©ebanfen faft unbefd^räntt ©erbreitunggfäl^ig unb über== 
lieferunggfä^ig gemad^t, Siteratur erjeugt. S)a§ mäd^tigfte 
SBerfjeug ber literarif^en aSoIf§t)ertnüpfung ift bie 2:age§* 
p reffe geworben. S)ie ©ojiotogie wirb bie gewaltigen te^ni* 
fd^en ^i(f§mittel ber ©prad^Derfnüpfung jufammen mit ber ©prad^e 
befonber§ ju roürbigen l^aben. 3)en 3Iu§gang ber ©ntroidtetung 
tiaben bie Hilfsmittel ber ©pra^oerfnüpfung oon ben äußeren 
95eranftaltungen für bie Sßerfnüpfung Sßieler burd^ bie iWebe 
genommen. Äanjeln unb ^örfäle aller Slrt ftnb oor ©utenberg 
gemefen. Slud^ nad^ ber ©rfinbung ber 93udbbrudterfunft f)dbm 
bie 2lubitorien aller Slrt an 93ebeutung abfolut nid^t ab*, fonbern 
nur immer mel^r jugenommen. 

9Wan ginge ju meit, menn man fagen moHte, bie ©pra^e 
mirfe nur für gebanflid^e Söerfnüpfung ber 93et)ölf erung ^ oon 
melier fie gefprod^en mirb. ©emi^ aber ift, ba^ bie ©prad^e nid^t 
au§reid^t, ba§ ganje SBottSbemu^tfein ju umfaffen unb ju oermitteln. 
®em aSolfögefül^l ober Sßolfggemüt ift eine befonbere ©prad^e oer* 
Kellen, unb biefe ift ba§ jmeife mäd^tige ©eifte§banb geworben. 
3)a§ ift „bie Ä u n ft" al§ Inbegriff aUer fdiönen Äünfte. ^n 
ber SR^etorit unb in ber ^oefie ift bie ©prad^e felbft SJlittel ber 
Äunft. 3)ie Äunft ift unentbel^rlid^e ©rgänjung, baS jmeite ^aupt* 
ftüdf ber geiftigen 95olf§oerfnüpfung, unb in biefem ©inne mar 
t|ier oon bem fprad^lid^*äft^etifd^en ©efellfd^aft§banbe bie Siebe. 
Qfn feinen Äunftmerfen, 3Jlonumenten, Äunftbauten, Siebem, 2^on* 
bidjtungen, Siänjen, feiner fdiönen Siteratur unb, wenn man }u 
ben ^unfterfd^einungen bie nalieoermanbten ©piele l^injufügen miß, 
in feinen ©pielen finbet ein SBolf genie^enb eine unb biefelbe 
©emüt§ftimmung unter gemeinfamem ©d^auen, ^ören, ©id^beme* 
gen. @§ l^at gemeinfamen ©tolj auf bie ^enjorbringungcn ber 
SWeifter in jebcm S^^^is^ ^dmx ^unft. ^aum wirb beftritten 
werben, ha% bie ßunft ein jweite§ geiftige§ S3anb be§ SSolföförperS 
oon eigenartiger, mäd^tiger SBirfung ift. 



— 207 — 

3)cr Äunft tiaben bann au^ bic SSölfer cbcnfo bereitwillig 
n)ie ber ©prad^e bef onbere ^i(f ^mittel jur Söerf ügung gefteUt : in 
©alerien, 2luf* unb 2lu§ftellungen, Zi)eaUm, Äonjertfälen. 3)k 
Slnmenbung ber reinen ^unft auf bie Söerfd^önerung ber aHtäg* 
li^en (Semeinfd^aften unb Sßertel^re l^at im Äunftgenjerbe unb 
^unftlianbel eine Drganifation erlangt, roeld^e ben poh)g,xapi)u 
fd^en Hilfsmitteln ber SSoK^fprad^e an bie ©eite gefteHt mer« 
ben barf. 

SBorin beftelit bie eigenartige 3Bir!ung aller Äünfte? ®ie 
2Intn)ort ift längft gegeben : im ©efaHen, im ©d^önfein ber äBerfe 
]|ebe§ ^unftjmeigeS. 

©d^mer ift ju fagen, meSfjalb gerabe bie aWittel, meldte jebe 
^unft anmenbet, ein ©efaUen ^eroorrufen. 3)ie S33iffenf(^aft, 
meldte fid^ audti mit ber SÄuffinbung ber Urfadjen be§ ©efaUenS 
befaßt, bie 2left^eti!, ftel^t ^eute nod^ Dor ungelöften SRätfeln. 
3Jlänner oon l^eroorragenber Kenntnis ber 2left]^etif oertreten bie 
2lnfid^t, ba^ bie 2left^etif aU SQSiffenfc^aft tro^ bemunbernSmer* 
tem 2lufn)anb an (Seift boc^ nur f el^r menig erreid^t \)abt. © d^ u r § 
erlaubt fid^ ben 3^^if^t/ ^b bie neuerbing§ eingefd^lagene liifto* 
rifd^e SRid^tung ber äft^etifd^en gorfd^ung einen befriebigenben 
2lbfd^lu§ ergeben merbe. ®ie ©d^mierigteit liegt mol^l barin, 
ba§ bie Äunft — fclbft @efü^l§= unb ^^antafte^ nid^t ©ebanfen* 
fdt|öpfung — il^rer 9latur naä) fpröbe für bie äBiffenfd^aft ift. 

3)er fd^mäbifdtie 3™J^^i^"^^ip^^ ^Qt ^^ P<^ i^ t^i^t gemacht, in^* 
bem er bem fd^mäbift^en 2leftl|etiter aud) furjmeg ba§ ©el^eimniS 
entl^üllte: „xoa^ mir gefaßt, ift fd^ön, unb n)a§ mir fc^medft, ift 
gut". Hier aber genügt e§ ju fagen: in ben Seiftungen ber 
^unft äußert fi6) ba§ ©efüljt mittels ber frei geftaltenben ^^an^» 
tafie. 3)ie Äunft ift nid^t SßerftanbeS^ fonbern @efül|lsfprad^e. 
SBaS fie freigeftaltenb, fojufagen fpielenb äußert, befriebigt baS 
®emüt in bem 3Jla§e mel)r, als e§ ben t)on ber Äunft oerför* 
perten ^tiantafiebilbern gelingt, bie ©mpfinbung ber grei^eit 
gegenüber bem ®rudf unb ber SJlonotonie beS SebenS ju tx^ 
medfen, ba^ ^txi überftrömen, ben Sßerftanb aber rulien ju laffen, 
bie ©timmung eineS gemiffen geiftigen unb f.örperlid^en Äraftbe* 



— 208 — 

n)u§tfcin§ ju crjcugcn, 2lbn)ed^§Iung ju bieten. ®ie Äunft tft nid^t 
„göttlid^", aud| ni(^t bie einer SJtoa; aber ftc fd^afft ®cnuj3, ©r* 
l^olung oon ben SJlü^falen unb bcm 3)range ber 2lrbcit für ba§ 
^ublifum. Saj3 bie ^ünftler gerne mitgenie^en unb naä) alter 
@rfal|rung befonber§ oiele ©d^maro^er fteBen, tft oolf§pfpd^olo== 
gifc^ leidet ju oerfte^en. 

@8 finb nid^t bIo§ bie reinen Äunftroerfe, beren ©dtiauen 
unb ^ören ber äftlietifd^en 95erfnüpfung bicnt. 3)iefelbe, jebod^ 
oiel allgemeinere unb ftänbige SBirtung ^at ba§ ©djßne, ba§ 
bie angeroanbten fünfte über bie ganje äußere ©rfd^einung ber 
^erfonen unb be§ 93efi^e§ in güBe au^gie^en. Sie greube am 
©d^önen ift eine allgemeine unb gro^e. ^eber liebt e§, burd^ 
feine ^erfon, burd^ feine 93en)egungen ju gefallen. 3)ie fd^öne 
©rfd^einung tann balier 9Jlaffenerfd)einung werben. 3)ie ganje 
©efeCfd^aft, jebe ©^id^t in i^rer 938eife unb nad^ il^rer Slang* 
ftufe, ftrebt nad^ ©d^önl^eit im „Sleu^cren" ber ^erfon unb be§ 
93efi§e§. 

2)a§ ©treben nad) ber fdt)önen ®rfd^cinung ift nid^t blo^ 
überl^aupt allgemeine, fonbern einl^eitlidtie SJlaffenerfd^einung, all* 
gemeines ©treben nad^ bemfelben äftl^etifdt)en SCBerte. 3)icfe§ ©tre* 
ben äußert fid^, folange bie ©efcBfd^aft ftarte Unterfd^icbe unb 
lotale Slbgelegenl^eit jeigt, notmenbig in einer 9Jlannigfaltig!eit 
oon ©eftaltungen be§ 2leu§eren, meldtjc befto me^r beliarren, je 
mel^r bie fojialen Unterfc^icbe befeftigt ftnb. 3)a§ ein^eitli^e 
äftl^etifd^e 2luftreten äußert fi^ jebod^ anber§ in einer 3^^^ ber 
inbioibuellen TOoellierung unb ber 2luf^ebung lotaler Slbgefc^loffen* 
^eit burd^ ben SSerte^r. 2ltebann ergibt ftd^ bie äft^etifd^e ®in* 
^eitSftrömung ber 3Robc, meld^cr alle folgen. 93ei bem ©c^ön* 
^eit§bebürfni§ nad^ gefallenbem ^ontrafte ergibt fid^ in ber SJlobe 
audti ein rafdjer SBed^fel, fomcit biefen bie 2)ed^nif öfonomifd^ 
geftattet. 

3)ic ^unft mirb il^rem SQäefen nad^ notmenbig aud^ ein aJlit* 
tel ber SJlad^t unb ber SQSertung. 2J?an mürbe bie oottoerfnü* 
pfenbe ^raft ber ^unft bod^ nid^t ganj erfaffen, menn man nur 
in 93etrad^t jiel^en mürbe, ba§ ba§ ©d^önc allgemein gefällt unb 



— 209 — 

gemcinfam genoffen werben fann. SDlan wirb anä) ju bead)ten 
l^aben, ha^ ba§ ©d^öne 3JlitteI ift, anbeten ju gefallen unb @in* 
brurf auf anbete, tn^befonbete auf bie SJiaffen be^ SSolfe^ ju 
mad^en. 2)ie fd)öne äu^ete ®tfct)einung, roeld^e bie angeroanbten 
fünfte geben, einetfeitö, anbetetfeitS bie Pflege bet teinen ^unft 
finb 2Jiittel, ben eigenen SQSett ju bemonfttieten unb ftemben 
aOSett fid^ Iffejeugen ju laffen, Slnfel^en ju gewinnen unb SJlad^t ju 
ftatfen. ^ietbutd^ eben roitb bie ^unft aud^ 3Jlad^t- unb SB3et* 
tungSmittel. 

3)ie gefi^id^tlic^e SBittung unb ©eltung bet Sunft n)äte nid^t 
uoH JU oetfte^en, wenn man nic^t bead^ten wollte, ba§ bie Äunft 
SRittel ift, anbete, roeli^en man gefallen mill unb mitflid^ gefällt, 
an ftd^ ju tnüpfen. 3Ille§ (gefallen unb ©efaHenfinben bei an^' 
beten ift äft^etifdt)e§ ^effeln. Sebatf e§ tatfäd^lid^et Belege füt 
bie mäd^tige 93ebeutung bet ^unft aU 3JJittel§ bet SJiad^tbefun* 
bung? ©old^e Belege fmb mit ^änben ju gteifen. 3)ie 3lbfid^t, 
in 5ßu^, ^leibung unb Suju^ \tbzx 2ltt feinen eigenen SZBett 
au§jubtüdfen unb ju genießen, babei ben aJläd^tigften unb Sleid^* 
ften möglid^ft na^e ju etfd^einen, ift fo offenbat wie bie %aU 
fai^e, ba^ aud^ bie 3Jläd^tigften, meldte bem 33ilb]^auet, ^iftotien* 
malet, 3)id^tet, J^onbi^tet, SJlebailleut SDlaecenaten fmb, — nod^ 
einet anbeten 2lbfid^t al§ jenet bet Äunftfötbetung — bem SJiac^t* 
jmedf ftö^nen. 

®§ fmb namentlid^ jmei gto^e ©ebiete gefttteten 93olt^leben§, 
meldten bie Äunft al§ ajJittel bet SQSettung bient: ©efeHigfeit unb 
^Religion. 

S)ie ©efelligfeit ift n)edt)felfeitige§, namentlid^ gemüt* 
lid^e§ ©enie^en unb ©id^genie^enlaff en , petfönlid^e§ SBetten an* 
betet unb ©emettetmetben butd^ anbete. Qn il^tet einfad^ften unb 
alltäglichen 2lu§übung mitb batiet ®ef eHigfeit jum 93oben bet äftl^eti* 
fc^en ©enüffe, unb bei ben geften allet 2ltt gipfelt fte in 2)at* 
bietung oon ^unftgenüffen. 2)ie ©efelligteit leiftet ahtx i^tem 
SBefen nad^ ootmiegenb gemütli^e SSettnüpfung. 2)ie teinen unb 
bie angemanbten Mnfte oetmögen baliet butd^ bie SReije, meldte 
fie aller ©efelligfeit üetleil^en, in gtö^tem Umfang unb mit ge* 

@ (^ a f f l e , 9(brt^ ber ©osiologie. 14 



— 212 — 

Organismus einjclnc Drganc ~ im Heinftcn bic 3^0^^ — ol^nc jebc 
eigene ®mt)finbung ftnb, ift unfontrottierbar ; %at\a6)t ift, bag eS im 
SSoIfSförper, in ben ©cmcinfd^aften Oberhäupter unb in ben QtnttaU 
gettJalten beS Staates eine nationale Dbec^ouptfclööft gibt. 9?ur ^^^fio* 
logie unb Slnotomie ift ba nicftt unb fann nidö* f^^^- ®^^^ ^^it ^^^ 
biologifdö^ Slnalogic für mi(^ nie unb nirgenbS Homologie gewefen ift, 
blieb id^ babor bema^rt, baS bolflid^e unb baS tierif(^e äSemugtfein in 
ben ©pencer'fd^en (Scgenfafe ju fteßen. 2^atfac^e ift, bog im Solfe nid^t 
blog ÄoIIeftiöbemugtfein ber Seile bon einanber unb jebeS XeileS bon 
ficö befte^t, fonbern md^ ein Scntrolbemufetfein — was baS SBoffen 
betrifft, in ber 9iegierung — , menn gleich bie ÜKaffe ber fojialen Se« 
Regungen außerhalb beS 3^"traIbeh)u§tfeinS abläuft, unb bie meiften 
JReije nid^t über bie Seemeile beS StegierungSbemufetfeinS treten (bgl. 
@. 55 ff.). Spencer ift infolge feiner Ueberfd^äfei^ng beS fefunbären 
SKomenteS medöl^^eitiger Slb^ängigfeit einer boppeüen fc^iefen Sluffaffung 
verfallen. ®r mirft einmal baS Sewugtfein, baS jebeS gnbibibuum be* 
fifet, mit bem S^wtralbemugtfein jufammen, beffen Sräger auc^ fojial 
nur einjelne ber aftiben — $ßerfon genannten — ©lemente finb. (£r 
nimmt ferner nic^t mo^r, bag als b^ie parallele beS SSemufetfeinS ber 
Seile beS SSolfSförperS nidöt baS S^ntralbemufetfein beS meufd^lid^en 
gnbiöibuumS, fonbern eine möglid^c ^nnerlidö^eit ber einzelnen Sett^ti 
ober aieftejjentren anzufeilen fein würbe. Sluf feinem inbibibualipifd^- 
rationaliftifdö^w Stanbpunft, auf weld^em aud^ ©efeHfd^oft unb Staat 
5ßrobufte ber ©injeloernunft finb, fonnte eS afierbingS leidet gefc^etien, 
\>a% er an feiner ^uffaffung Rängen blieb, baS SBefen beS Drganif^en 
nid^t primär in ber pfH)fiologif(|en Slrt ber SluSwirfung bon SebenS* 
gemeinfc^aft, fonbern in ber wec^felfeitigen Slb^ängigfeit ber Steile ju 
crbliden. 

A. ^ie aHtneci^felfeitige Slbl^ftngigfeit (^fnietbe^penbenj) aUet @Keber 

nationaler ©efellfii^aft. 

3)ic ®inl^eit unb Unteilbarfeit ber SBölfer tritt in boppelter 
©eftalt ^eroor : einmal an ber 3lbl|ängt9!eit aller Elemente, ^er* 
fönen wie 93efi^e, ^anblungen unb S^u^ungen, 3lnftalten unb 
gunttionen t)on einanber — pietätooU tann man fie nad^ bem 
SSorgangc oon 31. ©omte bie „^nterbepenbenjen" nennen — , 
fobann an jenen ©ebilben, in roeld^en bie ©epttung ungebrodtien 
ftd^ barftellt : in ber ©efittung^einl^eit ber nationalen gamitie unb 
ber Oemeinroefen. 

3)ie ©ojiologie wirb fid^ Ijienad^ ftint^etifc^ jucrft mit ben 
S^nterbepenbenjen nä^er ju befaffen ^aben, junäd^ft mit bem, n)a§ 
bie nationale ©efeUfd^aft betrifft. 31ic^t weniger bebeutfam wer* 



— 213 — 

bcn fid^ aCcrbingS — jumal für bic Probleme bcr ^anbefö* unb 
„9Bclt"*^otitif — bic internationalen, roeitcrl^in bie l^iftorifd^*' 
potitifc^en, cnblid^ bie patl^o^ unb tl^erapofojiologifd^en ^»nterbe* 
penbenjen erroeifen. 

2ln biefer ©teile ift e§ au^gefd^toffen, ben Oebanfen ber aB» 
gemeinen nationalen ^»nterbepenbenj tn§ cinjelne ju entfalten. 
®enug, ba§ bie Seigre oon ben .^nterbepenbenjen einen fel^r rei* 
c^en ^xif)alt \)at ©^on bie Unterfud^ungen über bie Sße(^fel=* 
bejieljung jroifd^en ©runbbefit; unb Kapital, jroifdtjen „9Igrarftaat" 
unb „Qnbuftrieftaat", über haS Eingreifen be§ grunbari[to!rattfd^* 
flerifalen ^onferoati^muS in bic Sariffragen fönnen bie praftifd^c 
Sragroeite ber nationalen Sfnterbepenbenj felbft in ber Sßirtfd)aft§* 
politit erroeifen. S)ie Qnterbcpenbens ift jebod^ eine allgemeine 
Satfadtie. Qn einem SBerpltniS medtifelfeitiger Slbl^ängigfeit fte^t 
ba^ ganje 5ßol!§ben)u§tfein nom SBolf^förper, ftel^en bie brei 
©runbbeftanbteile be§ SBolte^: iJanb, Sßolfgoermögen unb 93e^ 
oölferung, fielen bie oerfd^iebenen formen ber perfönlid^en ^anb^ 
lunggfäl^igfeit, ftel^en ^erfonen unb Seft^e, ftelien bie oerfi^iebe» 
nen SWid^tungen be§ ^anbeln§: ^raji^ unb SBBertung, Ocfd^äft 
unb Sraud^en, SDlad^t, J^ed^nit unb SBirtfd^aft, enbli(^ fämtlid^e 
Organ- unb gunftion§ft)fteme ber Sßolt^gefittung. 

2)ie allgemeine Qnterbepenbenj ber nerfd^iebenen ©efittungS* 
organifationen lä§t fid^ nid^t blo^ an ber Sßolf^mirtfd^aft, bem 
9lieberlaffung§:= unb Sran^portmefen ^), fonbern aud^ an ben 
aSeranftaltungen für bie immateriellen aSolföjmedEe ermeifen. S)ente 
man an eine ber 2lnftalten be§ aSolföunterrid^teg, bie ^od^fi^ule. 
@ine Unioerfität ^at jum fpejififd^en ®infa^ Se^rfräfte in Sßer* 
binbung mit befonberen Sel^rmitteln (2lpparaten, ©ammlungen 
U. f. m.); iebe gafultät l^at biefen @infa^ in befonberer 2lbart. 
2)ie Sel^rfräfte unb Selirmittel bilben bic d^aratteriftifd^e ©runb^» 
neranftaltung, meldte fie oon allen nid^t jum Unterrid^t§n)efen 
geljörigen Qnftitutionen unterfd^eibet. @inc Unioerfität märe ie^ 
bod^ teiftung^unfäl^ig, menn fie nic^t mit 93eftänben aller fonftigen 



1) „f8au mt Scbcn", 2. Slufl. II, @. 192 ff. 104 ff. 



— 216 — 

betrifft, fo ift bafclbft gc^anbclt über 3^^*/ SB^fett, @ntftel|ung, bie 
grunb- unb l^auptanftattlid^e 3i^fö"^w^^"f^^i^"9 ^^^ ©taateS, bie 
Organe ber @taat§gen)alt, bie SSerf affung^f ormen , bie ©taat§* 
funttionen, ba§ internationale (3taat§Ieben. 

2)ie 95erfnüpfung fgntlietifi^er mit analptifi^er ©ojiotogie 
beS 95oIfe§ erforbert e§, baS in Ort§einn)0^nerfd|aften geglieberte 
JBoIf, bie Station üor allem al§ unteilbare^ ©anjeS ju erfaffen. 
Unfer erfter Sßerfud^ ift barin lürfenl^aft gemefen, ba§ er bie 
SanbeSeinmol^nerfd^aft nid^t afö nationaMoIale Oeftttung^einl^eit, 
fonbern nur at§ ©taat§== unb kommunal! örperfd)aften , nur al§ 
Organifation ber 938illen§* unb 3Jlad)tein^eit neben anberen Organ* 
fpftemen erfaßt l^at. 

2)er SJlangel an burdjgreifenber ©d^eibung jmifi^en ber na* 
tionaten unb ber internationalen ©efellfd^aft in ;,93au unb Seben" 
^at für bie Seiire oon ben jufammengefe^ten ©taatSmefen eine 
nadjteitige S^lge ergeben. Ser ©taat fann nid)t burd^auS nur 
aU 9lationalftaat auftreten. ®§ fte^en international nebeneinan* 
ber aud^ ooltlid^e ©ebilbe, meldte ben eigenen ©taat nid^t ertragen, 
ber ftaatlid^en 93et)ormunbung burd^ anbere SSölfer unb ber 5ßer* 
Inüpfung mit fremben Stationen bebürftig fmb. 2)ie ©taaten* 
bilbung l^at ftd^ nie ganj mit ber 93ilbung ber SSolf^tume ge* 
bedft, ja gar nid^t bedfen tonnen; beibe ftimmen aud^ ^eute nid^t 
genau überein unb merben fi^ aud^ tünftig nid^t immer unb 
überall bedfen. 

^n ber fpnt^etifd^en 2lbteilung einer ©ojiologie be§ 5ßolte§ 
mirb auger bem ©taate eine mirflidtie SBolfölel^re (3)emologie) unb 
eine mirflid^e Ortfd^aften*, in§befonbere ©täbtelel^re ungezwungen 
Unterfunft finben. 

2ll§ ®eftttung§einl^eiten fmb bie nationalen ©emeinmefen oon 
befonberen 2)i§5iplinen mirtli^ immer auf§ neue befd^rieben mor* 
ben, namentlid^ oon ber politifdt)en ®eograpl)ie, ber @tl^nograpl|ie, 
ber politifd^en ©tatiftü. 2)iefe 3)i§jiplincn werben immer mid^tige 
©runblagcn ber ©ojiologie bleiben. 2)ie generelle ©ojiologie mirb 
aber l^ier ebenfalls über bloge ©taat§= unb ^ommunalle^re ^inauS* 
jugreifen ^aben. gür bie generelle ©Ojiologie ^aben befonbere 



— 217 — 

Scbeutung: bic 9iationaUtät unb il^r 95crl^ältni§ jum Staat ba§ 
9tationalbcn)u§tfcin unb bic 5iationaImac^t. 

3] 2)a§ 5ßoIt§tum unb ba§ Statt on albcrou^tf ein. 

2)ic 9lationalität berul^t, ba baS Sßolf geiftberoirttcr 3wfam* 
mcnliang ift, auf ber gciftigcn ©inl^cit, unb bicfc ®inl|cit auf ber 
©inl^eit ber ©prad^e. 3)ie Stationalität ift bat)^x — n)enigftcn§ 
auf l^öl^erer ©tufe ber ©ntroirf lung — fpra^einJ^eitlii^e 3uföntmen* 
gel^örigteit. 3)ic SlbftammungS* ober 33tut§ein^eit, bej. bie 3lu§* 
geglid)ent|eit t)erfd)iebenen 33lut§, üerftärft jroar bie Stationatität, 
unb a3Iut§au§gleici^ung ooHsielit fid^, wenn i^r Qtxt gelaffen ift, 
mit ©id^erl^eit, foweit ni^t bie 9iaffenr)erfci^ieben]^eit eine tjielleid^t 
für immer unüberfd^reitbare @d^ran!e fe^t. Obmol^t ©tut „ein 
ganj befonberer ©aft" ift, fo ift bod^ ber ba§ SSoIt^tum beftim* 
menbe g^attor bie ©prad^e, n)enigften§ auf l^öl^eren Stufen ber 
©ntmidtlung. 

Qebe ^Rationalität erjeugt fubjettio ein Slationatbemu^tfein 
ober Slationalgefü^t. ®§ ift 93cn)u^tfein eine^ jeben non ber 3u* 
gel^örigfeit ju einem 93otf§tum, ju feinem Sßolt^tum. ®a§ 9la* 
tionatbcmu^tfein murjelt im Oefü^t unb finbet feine 93efriebigung 
burd^ bie ©eltung, bie in Siul^m unb @^re fid^ üolljiel^cnbe 2ln* 
erfennung be§ 9Berte§ ber Station. ®a§ Stationalbcmu^tfein ift 
ein ©eitenftüdf jum 3^amilien= unb ©emeinbebemu^tfein. 

4] Stationalität unb ^Territorium. 

2)er ©taat oerlangt ®ebiet§au§fd)(ie§lidt)feit (ogl. @. 90). 
^n feinem ©ebiete lönnen aber mel^rere SBoK^tume neben* ober 
burd^einanber mol^nen. Obmol^l nationale 3^^^iff^J^^^it ^^^ ^in* 
berni§ ber ©inl^eit unb 3Jlad)t bc§ ©taat§ ift, !ann ber national 
gemifd^te ©taat oolle 93ered^tigung liaben unb fogar eine 9tot» 
menbigfeit für fämtlid^e oerfd^iebenc Slationalitäten fein, meldte er 
in fid^ befaßt. Sie ©d^meij, 93elgieu, Oefterreid^! %üx bie Qn^ 
lunft ift fclbft an bie 2Jtöglidt)feit ju benfen, ba§ bie alten Kultur:» 
nationen oon SBefteuropa — ben in 93ilbung begriffenen 9Belt* 
reid^en gegenüber — einmal gejmungen fein fönnen, in mand^er 



— 220 — 

politifd^cn SJicnf^cnüerftanb^ für ben mit ber ©cfittung fteigcnbcn 
aaScrt bc§ a3obcn§. 

^icnad) fd^eint für ben ba§ Sanb bcl|crrfd|cnbcn Staat 
n)trfli(^ anberc§ nid^t übrig ju bleiben, al§ bie lüibertDärtige 
ajlinberl^eit fahren ju laffen, b. f), freitoiQig ober nad^ friegerifd^er 
©ntfd^eibung abzugeben. Qxü^x anbere Söfimgen finb bennod^ 
ntöglid^. ©nttoeber bie freiwillige aScrfd^metjung : ftammüd^ burd^ 
SQSed^fel^eiraten unb fprad^Ud^ burd^ langfamen ©ieg ber im aU* 
gemeinen SBerte^r oorteitl^afteren unb bal^er üon biefem SBertel^r 
au§ frei fid^ au^breitenben ©prad^e, ober eine 2)oppeIorganifation 
ber 93et)ölferung : juerft eine gemeinfame für bie ort§- unb lan* 
be^einmol^nerfd^aftlid^en , mirtlid^ fommunat* territorialen Singe* 
legenl^eiten unb bann je eine jmeite nationale befonber§ für bie 
^[ntereffen jeber nationalen Kultur. 

2)ie freiwillige SSerfd^meljung brandet nid^t weiter ju greifen, 
al§ bie gemeinfamen ^ntereffen reidien, unb !ann ftd^ auf bie 
beft^enben unb gebilbeten Klaffen bef darauf en, meldte in melir* 
fpradtjigen Sänbern ben SSertel^r, bie ©c^ule, bie Kird^e, bie 2lrmee 
leiten. 2)a§ eigene Qntereffe biefer Klaffen ergibt ©rlernung ber 
mel^reren Sanbe^fprai^en , b. 1^. ba§felbe, ma^ im 95erfel|r mit 
fremben aSölfern t)on jebem ®efd^äft§mann al§ felbftt)erftänblid^ 
angefelien wirb. 2)ie SSerfd^meljung wirb befto leidster oor fid^ 
gelten, je mel^r fprad^lid^e ©leid^bere^tigung unb \t weniger B^^^ng 
ftattfinbet. SJiit bem 2lbfd^lu§ ber SBerfi^meljung lann bie be* 
fd^räntte 3Jie]^rfprad^igfeit aufhören, ein a3ebürfni§ ju fein^). 

3)er jweite SBeg, bie 2lbtrennung ber fprad^lidtien t)on ben 
fommunal^jentralftaatlid^ gemeinfamen Slngelegenlieiten wäre auf 
©runb ber periobifd^en ©injeid^nung jebe^ ©rwad^fenen in feine 
SJiationalmatrifel au^fül^rbar. Qn ben tulturellen ^lationaloer* 
bänben gälte jwang^lo^ je bie befonbere 9tationalfprad^e ; bie 
SSorftänbe ber nationalen ßolal^ Krei^^ unb ^romnjialoerbänbc 

1) tiefer ßöfunö ^at für Defterretdö ber Sßerfaffer al§ SWitglteb be§ 
3Winifterium§ ^ol^enwart (1871) nadE^geftrebt, unb er \)at ftd& in 30 ^al^ren 
partcitofen 3ufd^auen§ jum bortigen 9^attonalitätenl6aber nur in ber 
Ueberjeugung il)rer SfltdE^tigfeit beftärft gefunben. 



— 221 — 

Töären bei bcn Äommunalförpcrfd^aftcn, bic SSorftanbc ber natio* 
naicn Slcid^gocrbänbe im gcfamtftaalUd)en ©efamtminifterium ocr» 
treten; bie 9Jle]^rfprac^ig!eit für bic Beamten mel^rfprad^iger Se«' 
jirfe unb Sänber, roeld^e mit allen ^lationaloerbänben gu tun 
l^aben, mürbe fid^ im Sfntereffc aller Seile oon felbft ergeben. 
Siejenige Station mürbe tatfäd^lid^ obenan tommen, meldte fultureH 
am meiften leiftet unb am meiften mel^rfprad^ige Slngel^örige ftellt ^). 

5] aWad^t unb 3«ad^ttun[t (^olitit). 

2J?äci^tig ju fein im SWationalbafein für fid^ unb international 
beim Slaten unb 2:aten ber SSölfer ift ba§ ©treben aller Stationen. 
SBorauf beruht bie 9iationalmadt|t? 

©ie ift fo menig mie bie unpolitifc^e SDlad^t be§ ©injetnen 
oon äugen gegeben, fonbern rul^t in ben Stationen felbft: geiftig 
in il^rem SJationalbemugtfein, materiell in Sanb, SSolf^oermögen 
unb aSeoölferung (33ilbung unb förperlid^er Süd^tigteit) aU SJiad^t* 
elementen, fobann in ber normalen unb oerl^ältniSmägigen ©ntmidf« 
lung aller mefentlidtien Organifationen unb gunftionen, enblid^ in 
ber J^üd^tigfeit ber 9Ser!nüpf ungen , namentlid^ ber fprad^lid^en 
JBertnüpfung. 

3)amit ift aber bod^ nur ba§ SJiaterial, bie ©ubftanj ober 
Duelle ber 9lationalmad)t bejeid^net. 2lnbere mefentlid^e 9Sorau§^ 
fe^ungen muffen bie nationale 9Wadt)t in§ Seben rufen. 

ßunäd^ft ift crf orberlic^ , bag bie ©emeinfd^aften für fid^ 
felbft unter fidler fü^renben ©emalten mächtig feien. 3llle ©täbe 
muffen ftarf fein, bamit ha^ ©täbebünbel ber Siationalmac^t e^ 
fein fönne. 

©obann muffen bie einjelnen J^räger t)on SJladtit im Sßolfe 
ben Prägern ber nationalen ^^ntralmad^t mit il^rem Sül^len, Senfen 
unb SBBoBen, mit allen il^ren ^ntereffen jugemenbet fein. 

SQ3enn bie eine ber beiben 9Sorau§fe^ungen für ©ammlung 
t)on 9tationalmadt)t in bem 93eftanb oon mä^tigen unb oerläg* 

1) SBgl. l&ierju meine Slnjeige ber @d)rift von Springer, »S)cr 
Äampf ber 5fterreid)ifd&ett Stationen um h^n «Staat" in ber 3tfd&r. f. b. 
gef. StaatSmiffenfd^aft LVIII (1902), S. 720 ff. 



— 222 — 

Itdictt ©iujelgcTDaltcn toirflid^ crblidtt roerben bavf, fo ift bamit 
a\x6) fd^on cntfd^icbcn, ba§ bic 9lationaImad|t nid^t in bcr 2luf* 
faugung aller 2^eilmäd^te in bcn (Staat, in bcr StaatSomnipotenj, 
nidjt in bcr Ucbertrcibung bcr SBerftaatlid^ungen ju fudjcn ift. 
9Benn c§ bcr 3wtunft überhaupt bcf Rieben fein foHte, wie e§ 
mandien 9lnfd^ein \)at, bcr prioaten ©elb^crrfd^aft me^r ßffentU^e 
Organifationcn entgegenjuftcllen, fo werben e§ e^er neben genoffen* 
fdiaftlid^cn bie lörperfd^aftlii^cn ©pejialgeftaltungen fein, roeld^e 
au§er bem ©taate ftcl^cnb bennod) beffen juoertäffigc ©tü^en fein 
tonnen. 

2)ie anbere SBorauSfe^ung ber 3Jlad^t ergibt ftc^ burd^ eine 
©taat^traft, roeld^e alle ^ntcreffen immerfort ben 2irägern ber 
©taat^gematt jumenbet. Qe länger ba§ gefd^el^en unb je älter 
l^ierburd^ bie SJiad^t geworben ift, befto ftärter ift aud^ biefe. 2)a§ 
„ewig ©eftrige" ift ba§ „ftd^er Slironcnbe" . 

2)ie bel^arrlid^e Slrbeit ber 3w^^nbung aller ^ntereffen an 
ben Sräger ber Slationalmad^t, bie ©taat§regierung, ift ber widti« 
tigfte 3nl|alt ber politifd^en 3Jlact)ttunft. 2)ic Ijiefür anjumenben* 
ben 2Jlittel finb auf oerfc^iebenen ©tufen ber ftaatlid^en ©ntmidf« 
lung unb nad) ber SScrfd^iebentieit ber ©taat^formen nid^t immer 
biefelben. @^ !ann notmenbig fein, ba^ ftdf) bie ^Regierungen 
auf bie 9leligion§*: unb 93efi^mäd^te ftü^en; bie ürd^lid^^befi^lid^e 
Uebermad^t ber ücrmeintlid^en „©tü^en ber %i)xom" fann aber 
aud^ ba§ SSerberben ber 5iationalmadt)t unb ilirer J^räger werben. 
2)ie aSerprtung ber SJlaffe alle§ @runbbeft^e§ in ber @ebunben= 
^eit ber toten unb ber lebenben ^anb, feine 3luffaugung äu Sati* 
funbien l^at — bi§ in unfere Sage — Slationalmai^t ebenfo oer* 
borben, wie juoor getragen unb geftärtt. 

Ob unter ben SSer^ältniffen ber Oegenwart unb nad^ ben ju 
erwartenben Oeftattungen ber näd^ften ßwtunft bie ©runbbeft^* 
mad^t ober bie ©elbmad^t, bie religiöfe ^onferoierung ober ber 
aufflärenbe ^ortfd^ritt al§ bie ftärfere ajlad^tgrunblage ju betradt}* 
ten fei, t)aben au^ SWonard^en fidt) ju fragen. 3)a§ widtjtigfte wirb 
immer fein, fie alle für bie SJlac^t }u gewinnen. 

SDie ftaatlidie 3«a(^tfunft ober ^olit« ift eine eigene Slrt 



— 223 — 

%z6)nit, nämlid^ S^cd^nif ber QSilbung, ©rl^altung unb Slnroenbung 
bcr 9)la^t burd^ bcn ©taat. (Sie ift l|cute nirf)t mel^r fo empi* 
rifd^ unb l^anbroerfSma^ig, wie ftc war; aber rationett ift fie m6)t 
unb fann fte ni(^t werben, bet)or bie ©inftd^ten in ba§ SBcfen 
bcr ©efettfd^aft t)en)otttommnet unb annäliernb ebenfo ©emeingut 
geroorbcn fein roerben, wie feit fünf jig ^al^ren unter bem ®influj3 
ber 5yiaturn)iffenf(i|aft bie ©infic^ten ber bürgerlid^en 2:e(i|nit e§ 
geworben ftnb*). 

©a^SBefen ber^ßolitil liegt für ha% öffentlid^e »ctougt* 
fein nod^ ftarf im Unflaren. äJlan toirb Klärung erreichen, rocnn jucrft 
beftimmt toirb, toad ^olitif n i c^ t ift. ^olitif ift einmal nid^t, wie e* 
im gemeinen Seben bennod^ fo oft aufgefaßt wirb, ein mac^tt)oQed 

tanbeln in atten, gleic^t)tel ob ftaatlid^en ober nic^tftaatUcben, fingen, 
war ift, weil äJiac^t weit über bcn Staat ^inau« waltet, auc^ 3Ra6)U 
fünft im weiteften Sinne crforberlicft unb gegeben; aber bie 5ßoIitif fann 
bod^ nie ftaatlic^e 9)tad^t(unft feigen. Wlan ^ört freiließ fagen, bog 
jcmanb im Seben ber Sir^e, im ©c^o6e bc^ Se^rför^jcriJ, im Äreifc bcr 
©efc^äft^mönner ein ^olitifu^ fei. Streng genommen ift biefc Segriff^* 
auSbc^nung nic^t juläjfig. ®cn orbentlic^en Segriff bcr 5ßoUtif wirb 
man auf bcn Streik bcr flaatlid^en ®rjc^einungcn, auf ba§ ^anbeln am 
Staat unb burdti bcn Staat cinfc^ränfen muffen, roa^ nidbt auSfd^Uefet, 
ba§ man im (Eigenleben beä Snbiöibuumö unb für baS ®igcnlebcn bcr 
nic^tftaatüd^cn ^örpcrfd^aftcn beS öffentlichen äled^tcS t)on äJiac^tfunft 
in ä^nlic^cm Sinne fprcd^en barf, wie ba, wo Staatsorgane als Sröger 
unb StaatSintcreffen als ©egcnftönbe bcS im eigentlichen Sinne $(5oUtif 
genannten |)anbeinS auftreten. ®anj abgefe{)en baöon, bafe aud) jene 
fför^jcr beS öffentlichen SJec^tcS, welche für bie engem Greife einer 
SSolfSgemeinfd^aft bem SBefen nad& baSfelbc finb unb Iciften, waS bcr 
Staot für bie SSolfSgemeinfd^aft im ganjen ift unb leiftet — bie ^om* 
munalför^jcr nämlid^ oon ber ^^Jroöinj bis jur DrtSgcmeinbc — als 
Sräger unb als ©egcnftänbc WirfUd^er 5ßolitif fidl) barftetten. SRacftt^ 
fünft ift allgemeines ScbürfniS; fic befc^ränft fid^ ba^er nid^t auf 
bie ftaatliclie 3Rad)tfunft ober „$(5olitif". 

SBoS ift nun im pofitiücn Sinne ^ßolitif ? 3^bc ber uncnblid) t)icl* 
gcftaltigcn ©rfc^cinungen ftaatlid^er Siätigfeit t|at jwei tatfäc^lic^ jwar 
in cinanbcr fic| ücrj^lingenbc, jcbod^ t^eoretifcft unb praftifd^ auScin* 
anber ju^altenbc Seiten : bie Seite beS jieroeiligen ©Icicligewid^tSjuftanbcS, 
bcS geftftc^cnS ober feftgeorbneten glcid^mäfeigcu gortlaufenS, unb eine 
jweite Seite ber Slüffigfeit, beS SBcrbcnS, ber äJeränberung, bcr erft 
im ®injelfaflc fertig ju bringenben ©ntfc^cibung, beS erft ju Schaffen* 



1) Ueber bzn „wiffenfd^aftl. begriff ber qjolitif" ogl. m. 5luffaö in 
ber 3eitf^rift für bie gef. ©taatgwiffenfd^aft LIII (1897), ©. 579 ff. 



— 224 — 

bcn, ober ber (Sr^altung aU cine^ fortcjcfc^tcn SReufd^affcn^. äRait 
!ann bcn tätigen Staat nac^ ber erften Seite bie toufenbe StoatStötig* 
feit nennen unb l)at bann bie anberc Seite aller feiner (Srfd^einungen 
aU ba^ Dbjeft ber $(5olitif ju bejeic^nen. 9lac^ ber einen Seite ttjirfen 
bie jeweils gegebenen Irager ber äJladit — oberfte ©etoalten, SSer^ 
tretungSf örper , Beamte, Parteien — als feftfte^enbc aRad^tgröfeen, 
meldte ein in bem gettjaltigen Äör^jer bcS ganjen ^jofitiüen SRec^teS feft* 
gelegtes gefamt&eitlic^eS SBotlen unüerrücfbar feft^alten nnb anf nteljr 
ober tt)eniger gleid^mägig tt)ieberfcl)renbc, aflfeitig feft normierte Se- 
bürfnisfäfle ftaatlid^er 9(rt anmenben. 3ta6) ber anberen Seite ergeben 
fämttid^e ®r|cl^einungen ftaatUcfter Iätig!eit bie Satfac^e, bag gejamt- 
^eitlictieS §anbeln nid^t ein für afle SJJcale im üorauS ^ergefteflt unb 
für immer gegeben ift, bag ©röße, 3lrt unb SSerteilung ber ^e^ 
famt^eitlid^en Sätigfeit auf berfc^jicbene Irager tt)ec^felt, ba| bie 
@inrid)tungen bcS Staats forgfältig erft ^u bilben unb immer 
neu }u gliebern finb, bag bie ftaatlid^ üermenbbaren Äröfte immer 
lieber neu gefammelt werben muffen, bag nid^t für jeben ein== 
gelncn SSebürfniSfaH bur^greifenb ein inS einzelne burd^reid^enbeS 
pofitibeS SRecftt fid^ im borauS auffteflcn lägt, ha^ erft im gegebenen gatt 
bie ftaatlid^ 5n)ecfmä6igfte unter mehreren möglid^en 9tnmenbungen beS 
®efamttt)iflenS ju finben, rein med^anifd^ laufenbe StaatStätig!eit über* 
]^aul)t auSgefcftloffen ift. 3n biefem Sinne werben jene (Srf^einungen, 
in weld^en ein SSetjorren unb gcftftel^en fid^ öugert, obwohl eS aud) im 
Staat abfolut ftabile ©leid^gewid^tSjuftänbe ni^t gibt, als baS f. j. f. 
me^anifdb fortlaufertbe, bis auf weiteres in feiner Slic^tung feft be* 
ftimmte Staatsleben, bon bem ©rfd^einungSf reife ber :politifd^en 2at* 
fairen burdige^enbS ju trennen fein, gleii^fe^r für bie ^rajis wie für 
bie SBiffenfc^aft. 

S)ie $ßolitif t|at l^ienad) eine allgemeine, allumfaffenbe unb jal&llofc 
befonbere Aufgaben ju i^rem S^^ö^t- ®^ 9itt einmal, überl^aupt 2Rad^t 
ju fd^affen unb ju erl)alten, weld^e üom gefamt^eitlid^en SBoIIen beS 
SSolfeS getragen unb in ben ©efift bon äußeren 3Ritteln gefegt ift, 
mittels bereu ber ein^eitlidöe ober metjr^eitli^e ©efamtwiHe jur ^2luSs 
fü^rung gebrad^t Werben !ann. Unb jweitenS gilt eS, für beftimmtc 
einzelne 8lufgaben gefamt^eitlidieS SBoßen ju erzeugen unb, fei eS frei, 
fei eS jwingenb, jur 8luSfü^rung ju bringen. 2)ie ftaatlidöe 2Rad^t^ 
bilbung über^au^jt, gleid^bebeutenb mit ber ©rünbung, bem SBad^Stum 
unb ber (Sr^altung ber Staaten ift baS 3Berf fortgefefeter l)olitifdöer 
Slrbeit ber ^a^r^unberte. ^n biefen ga^rl^unberten muffen alle Organe 
beS Staats, nid^t bloß bie regierenben ©ewalten, fonbern audö bie 
SSertretungSför^jer , bie Beamten, bie ^jolitifd^en 5ßarteien ^ergeftettt 
fein. 

2)ie ^olitif ^at f)ienad^ als bie fc^ö^jferifd^e Seite ber StaatSbe* 
tätigung i|rc breitefte (Srunblage unb i^ren reid^ften ^w^ait auf bem 
Soben ber %oxt^, Um= unb 9flüdbilbung beS Sefte^enben. ®afür gilt 
eS, gefamt^eitlic^eS SBoßen ju erzeugen unb bie jum S^^^ füftrenben 
aJiittel JU gewinnen, ftatt feftfte^enbeS Siecht mit f(^on gegebenen äRitteln 



— 226 — 

nad^ jcittDcitiö unöeränbcrlid^eu Siegeln jur OeUung ju bringen. S)er 
für jebe 3cit überaus in^altreic^e unb weite ffreis ber (Sntwicfelung 
beS ®anjen im ©injelnen unb bcd (Sinjctnen im ©anjen au« ber ©egen« 
tt)art ^erau§ in bie 3w'wnft t)inein, ba* ©ntfle^en* unb äöad^fenlaffen 
ani bem Sefte^enben ^erauÄ jiub bie an 5ßoIitif reid^ften ©ebiete ftaat« 
tidler Satfac^cn. gortbilbenbe , umbilbenbe, rüdbilbenbe Schöpfung 
ftaattic^er SDlac^t, fittltd) ben)irfte (Sntmicfelung ift immer unb überaß 
$au<)tleiftung ber 5ßoUtit, unb gerabe beÄ^alb, meil bie menfd^Uc^e ®c* 
feUfd^aft, bie ©efamt^eit ber SSoltegemeinfc^aften, alÄ bie relatiü minbeft 
abge(c^Ioffene, öielme^r in ben immer rareren ®ntmicfeIungSlauf ber 
3ibiUjation erft ^ineingeratenbe, aber praftifc^ auSjumirfenbe Stufe ber 
allgemeinen Sd^öpfung fic^ barfteHt, nimmt bie poütif^e, bie fc^öpferifd^c 
Seite ber Staat^tötiglfeit eine gemaltige, ejtenfiü unb intenfio mad^fenbe 
Stellung ein. 

®ic ©taatStätigfeit in „auSmörtigen 2tngelegen^eitcn" toirb oft 
^olitif fc^ted^t^in genannt, ^aran ift etmad S^id^tigeS. Siefelbe ent^ 
bet)rt 5tt)ar beS meÄanifdien, nic^tpolitifc^en 2)ienfteg j. 93. im ffonfular' 
mefen nid^t; aber fie ift, fomeit bie ^Regierung bie auSmortigen ^ilnge* 
legenl^^iten in ben §änben Ijat, mit innerer SRotmenbigfeit eigentU^e 
^olitif; benn in internationalen fingen n)altet nic^t eine einzige ^ac^t, 
fonbern ein ftetö erft neu ju ftimmenbeÄ Äonjert einanber fouöerän be* 
gegnenbcr unb pufig genug miberftrebenber ^olfö=@onbertt)ilIen. ®ad 
©emebe ber @taat§öerträge ift menig audgebe^nt, üon geringer geftig* 
feit unb atS ©runblage eine§ mit @id^er|eit gleidömöfeig fortlaufenben 
SSöllerrecötSlebenä nic^t entfernt bem Stamme pofitiüen 3lationalred^tS 
glcid^. 2)aju lommt, bag bie ju löfenben Aufgaben meit me^r mec^jeln, 
rajc^er auf* unb untertaud&en. S)ie StaatStätigfeit in auSmärtigen 2ln* 
gelegen^eiten ift eben übern^iegenb burc^ bie SlegierungSmad^t al§ Trägerin 
ber SSolteein^eit burdöjufü^ren, unb fie ift in ber $anb ^er Slegierung 
nac^ ber SRatur ber Sad^e gauj tibermiegenb 5ßolitif. — Slur foll man 
nic^t glauben, bag in ber inneren StaatStötigfeit ba§ ^olitifc^e öer« 
t)ältnigma6ig fo gar fe&r jurücftrete. 2(ud^ im gnneren ift bie Sftegie* 
rungS* unb ®efe|gebung§tätig!eit übermiegenb politifi^e Slrbeit. Selbft 
mo bie Slegierung nadö bem öuc^ftaben be« öffentlid^en Sled^tS abfolut 
ift, ^at fie beS fidleren SeftanbeS megen barauf ju fe^en, bafe fie für 
i^rc ©anbiungen unb geftfegungen bie 3"ftin^ntung beS SSolfeS befifee. 
Sie mug in StaatSüugl^eit bie Untertanen aufrieben erhalten. SSoßenod 
im Staate mit me^r ober meniger einflufereid^er SolfSüertretung, in 
toelc^em ein immer neues Slingen miberftrebenber Gräfte unb gntereffen 
meiten Spielraum ^at, finb bie fonftitutioneßen Äräfteparaßelogramme 
fortge(e^t in immer neue einheitliche äRittelrid&tungen umjufe^en. 3n 
ber Serabfc^iebung beS SSoranfd)lageS jumal erfd^eint atteS flüffig, bon 
ber erftmaligen ober erneuten SSermiüigung ber SRittel abhängig. 
(MegierungS- unb SertretungSfräfte fi^en ba um bie äÄajorität ringenb 
am politifc^en SBebftul)l ber 3^1^- — ®o(^ fe^lt auc^ ber SSermaltung 
bie politifc^e 3lber nidjt ganj. SBenn bie ric^terlid^e lätigfett bei ben 
UrteilSfdUungen fic^ ber ^olitit p^ic^tgemög gan} entjc^lögt, fo ift boc^ 

@ (^ ä f f [ e , Kbril ber @O)U)lo0te. 15 



— 226 — 

fd^on bie ^ö^erc guftistJcrmaUunfl, j. 8. bei Slu^übung be§ ScgnabigungS* 
rechtes, t)on ))oIitifd^en aRotit)en mitbestimmt, unb jebe^ ©utac^ten eine^ 
SRid^terfottegiumS über ju fd^affenbe ober abjufd^affenbe Swftisgefe^e 
läuft tief in bie $olitit hinein. Sle^nlid^ t)er^ölt ed fid) auc^ bei ber 
an ]xd) med&anifdö ftrengen |)eere§t)erh)altung. SSoHenbÄ bie fog. innere 
SJertt)altung ^eifc^t in i|ren öerfc^iebenen 3^^J9^n nthen bem med&ani* 
fc^en ®ienft metir ober weniger 5ßoIitif aud^ ber QU^füt)renben ^-öeamten, 
um für neue ginrid^tungen famt^eitüd^eS SBotten juftanbe fommcn ju 
laffen, wiberftrebenbe gntereffen unter einen put ju bringen, tt)ed^felnbe 
SBiberftänbe mit Sluöma^l ber äliittel ju übertt)inben, ftets aber bie 
Steigung be^JBoIfeS bem ©toate jugett)enbet ju erl^alteu; fie Reifet ba- 
l^er nid^t unrichtig „bie <)oIitifd^e aSertoaltuug" fd&led^tmeg, j. 89. in 
Defterreic^. 

®ie ^ier vertretene 2(uffaffung beS SBefen^ ber ^ßotitil finbet 
eine Seftätigung in htn Slnforberungen, tt)eld&e bie geläuterte SSoIföoor* 
pettung an ben Staatsmann im großen unb an ftaatSmönnifd&e§ SBirfen 
tm Hetnen fteüt. 

Slriftoteleg ^at für bie ©taatSmannfdiaft einen „ffenner be§ Seien* 
ben unb einen SRac^er beS ©einfoflenben" (^swpYjxtxög töv Svtwv, itpa- 
xTLxös Töv öeövTCDv) geforbert. 3n ber %at mufe ber Staatsmann Äenner 
beS Seftelienben, ni(|t blofe beS beftc^enben SiediteS, fonbern aud^ aÜeS 
beffen fein, tt)aS am S3efte|enben ber ^crfteßung beS ©etnfoHenben, ber 
fd^öpferifd&en ©taatstätigfeit, günftig ift ober toiberftrebt. SSor allem 
muß er fein SSolf fennen unb mit bem jetoeitS gegebenen Seben unb 
äBeben be§ SJolföbemufetfeinS vertraut fein, ben $)er5fd^tag beS festeren 
ftetS belaufeten, ®aäi' unb äReufd^enfenntniS im rei^ften SRage befi^en. 
®ie Sefanntfc^aft mit bem, maS ift, bilbet aber bod^ nur bie ©runb* 
läge für bie :^erftettung beffen, maS jum SBo^Ie beS SSoIfeS fein fofltc 
unb erft meiter ober immer neu ju madien ift. ®aS SBiffen unb 
Können ift im ©taatSmann boc^ nur bie Unterlage beS fd^öpferifd^en 
ÄönnenS, bie SRitgift bcS „3Jlad)erS von ©einfoüenbem'' (upaxxtxög tc5v 
ö6övT(ov). — S)aS ©einfoHenbc, maS ber ©taatSmann ju ma^en ^at, 
fann nur baS fein, waS feinem SSoIfe jur gegebenen 3cit ftaatlid^ mir!- 
lid^ ein ©ebürfnis, n^a^re SSebingung beS gortbeftanbeS unb ber gort* 
entwidEelung ift; baSjenige, ttJaS jur 3^it wnb nac^ bem <)ra!tif(^en 
StaatSbebürfniS beS SSoIteS fein foß unb ju geftalten ift, mad^t bie 
Stufgobe magrer ^olitif auS. 5)a§ ®enfen beS Staatsmannes ift ba^er 
nic^t baS <3romet^eif^e S)enfen beS feiner 3^^* *^cit öoraneilenben 
Sbealiften, melc^er bie erften guufeu öom ^immel ^olt, fonbern baS 
umfid^tige (Srfaffen ber Sebürfniffe, n^eld^e bereits im Solfe leben, 
beffen, maS eben je^t n^erben miß. Sbeologen finb nid^t ju Staats* 
männern gefc^affen unb berufen, gaft nod^ fi^Ummer als ber unpraf* 
tifd^e SbealiSmuS ift aber bie ööllige Sbeenlofigfeit. ®aS fd^Iauc Sid^* 
f)inbur(^betrügen burd^ ernfte Sagen, baS Sic^^erumbrüdEen um laut an 
bie $ßforte ber ©efcbid^te f(o<)fenbe S^^olfSbebürfniffe, boS, maS in Defter* 
reid) ein leitenber Sttinifier baS „gortmurfteln" unb „©td)burd^fretten" 
genannt ^aben foll, ift baS ©egenteil beffen, n)aS bom Staatsmann ju 



— 227 — 

Derlangcn ift unb loirKid^ Verlangt wirb. S)ic <)ralttfci^ mcife SBorforge 
unb SSorau^fic^t SSorfe^ung für bad gegebene SSolf unb bie gegebene 
Seit ift ftaatdmännifc^e ®röge, unb in biefer ^infid^t ^aben bie Körner 
bem, toa^ tt)ir l^eute ^oliti! nennen, ben Flamen ber „ftaatlic^en SSor« 
auÄpd^t" (civilis Providentia ober prudentia) — nur nid^t im ©inne 
ber ibeen* unb getoiffenlofen ^^Sd^Iaubergerei" — mit beftem ©runbe 
gegeben. 



15 



— 228 — 



V. 

@inc oom S3egriff be§ SBolfeS auSgcl^cnbc ©ojiologic l^at ftd^ 
jcbo^ ni^t blog mit ber nationalen, fonbcrn au^ mit bcr 
internationalen ©efeflf^aft, bcr ganjen 93öl!er* unb Sänberroelt, 
foroeit fie fd^on ^^fötnmenliang befi^t, ju befaffen. ®ie au8= 
n)ärtige ^olitit bewegt ft^ auf biefem SBoben ^) ; il^r aber ge* 
l^ören bie ©egenftänbe biefer unferer Unterfud^ung an. ^n „53au 
unb Seben" rourbe bie internationale ©efeDf^aft jroar ni(^t 
ignoriert ; aber fte war no^ nid^t auf einen Unterbau ber natio^ 
nalen ©efeOfc^aft geftettt. 

®ibt e§ roirftid^ eine internationale, eine mcnfd^lid^e Oefell* 
f^aft, einen äufammen^ängenben, f ojialen Körper ? ®§ ift neues= 
ftenS n)ieber beftritten roorben, unb wenn e§ mit ®runb gefd^el^en 
märe, fo mürbe e§ aud^ feine „8BBeltgef(^id^te" unb feine all* 
gemeine ^ulturgefd^itfite geben. 2lllein bie menf(^lid^e ©efell« 
fd^aft leugnen, miH un§ faft fo oerfel^lt erfd^einen, al§ menn man 
ben 2;ag leugnete, meil bie Sonne fd^eint. ®emi^ ift bie menfd^« 
lid^e ®efellf(^aft ni(^t ftabil; fie ift erft gemorben, roa§ fte lieute 
ift, unb il^re ^ulfe fd^lagen nid^t mel^r am 9lil unb am ©upl^rat. 
2)ie menfd^litfie ®efellf(^aft gcl^t eben in unferen 2^agen beifpiel* 
lofen aSeränberungen entgegen. SlHein eine menfd^li(^e ®efellfd^aft 
fiat e§ fd^on im allgemeinen 9laturt)olf§juftanbe gegeben, obgleid^ 
bamal§ bie abfto^enben SBed^fclmirfungen, nid^t ber pofitit)e 93er« 

1) SSgl. ^»au unb 2zhzn\ 2. Slufl. II, @. 593-656. 



— 229 — 

lelir, ber ^rtcg, nid^t bcr griebc bie Signatur gegeben liaben. 8BBa8 
unferc ©pod^e international fennjei^net, tft bie ©rfüttung ber 
beroolinbaren @rbe mit allgemein menfd^lid^er ©eftttung in poft» 
tit)en Oemeinfd^aften unb SBerfel^ren. 2)ie oiel genannte, aber 
menig Derftanbene „SBSeltpoIitif" ber neueren 3^^* — ^it ^^^ 
legten 9lufteitung ber ®rbe unter bie ^errf^aft unb SBormunb» 
fd^aft ber fül^renben Stationen — bemeift, ba^ eine im menfd^« 
l^eittid^en ©inne internationale ®e[ell[d^aft ftd^ menigfteng ftarf 
im 2lnjuge befinbet. 

2In bie ©pi^e einer ©ojiologie ber internationalen Oefell« 
fd^aft fönnte, mie an ber ©pi^e ber ©ojiologie überl^aupt ba§ 
®efell[d^aft§ben)u^tfein ju erfaffen ift, eine Seigre oom Jßölferbe* 
rou^tfetn, oon einer öffentlid^en SBBeltmeinung, einer allgemeinen 
internationalen SBertung alle§ 2:un§ ber jioilifierten SBelt ge* 
fleDt werben. 2llle§ internationale Xnn unb Saffen ber SBölter 
tft, mie baSjenige ber nationalen ©efeHfd^aft, ©emu^tfeinSbes 
tätigung unter ber 3lbl^ängigfeit oon KonjunWionen unb ^onjun!» 
turen. 

SBeim erften ©d)ritt oon ber 3>itnerlid)feit ju 2leu^erung be§ 
®e[ellfd^aftgben)u^tfein§ tritt aber ein mad^tiger Unterfd^ieb jrot* 
fd^en ber nationalen unb ber internationalen ©efellfd^aft lieroor. 
®a§ $ßol!§ben)u§tfein l|at [eine SBottSfprad^e ; eine gemeinfame 
©prad^e ber SBölter, eine SBeltfprad^e gibt e§ nid^t. ®er inter« 
nationale ©eifte^jufammenliang mirb bur^ bie SUationalfprad^en 
ber oerfeI|r§mäd^tigften aSöl!er oermittelt. 

@ine ©lementarlel^re oon ber internationalen ©efeUfd^aft 
würbe nid^t oom Sanbe, aSoltSoermögen unb einer SanbeSbe* 
oölferung, fonbern oon ber Sänberroelt ober bemol^nbaren ®rbe, 
oon ber internationalen Sßerteilung ber ©ad^güter, oon SBölfer« 
freifen au§jugel^en Iiaben ^). 

®rjeugt unb erl^alten tft bie internationale OefeUfd^aft oon 
ber ftd^ entmidelnben SJlenfd^l^eit, ilire ®rbgebunbenl|eit im ganjen 
ift aber nid^t geringer al§ bie Sanbgebunbenl^eit ber nationalen 



y «gl. «»au unb ^zUn'\ 1. 3lup. l, @. 71 ff., 2. 3luf[. I, @. 26 ff. 



— 230 — 

©efcafd^oft. ®er ©tl^nograpl^ O. ^ c f d^ c l l^at rid^tig gcfagt : 
„^ö^et at§ attc Umtiffc t)on Sanb unb aUccr, al§ ba§ ^ö^ftc 
fogor muffen wir bie 2;at percl^rcn." 2lIIcin nid^t minber SRed^t 
l^at ber SnttüidfelungSforfd^ct Ä. @. o. 93 a e r gcl^abt, tücnn er fagtc: 
„2K8 bie ©rbayc il^rc Jictgung crl^ielt, als ba§ fcftc Sanb oom 
aBaffet ftd^ fd^ieb, als bie SBergcS^öl^cn ftd^ l^obcn unb bie Sän^^ 
betgcbtete begrcujten, war baS g^tum bc§ aWcnfd^cngcfd^lc^tcS 
DorauSbcftimmt ^). ®tc äBcltgefd^i^tc ift lebiglid^ btc ©rfüllung 
bicfcS gatumS". 

2)ie elementare 93etrad^tung ber internationalen ©efellfd^aft 
begegnet aud^ mit SBejicl^ung auf ben afttpen ©runbbeftanbteil 
aller ©cfellfd^aft, bie 93epöl!erung, eigenartigen ©rfd^einungen. 
3flid^t bie ungeglieberte SWaffe t)on 1500 aWiHionen aWenf^en, 
meldte auf ber SBelt leben füllen, aud^ ni^t haS einjelne fprad^* 
einige SBolf, fonbern SRaffcnlreife oon SBölfern treten bem SBlidf 
entgegen. ®ie 9taffent)erfd^iebenl^eit liinbert bennod^ ba§ allmä^* 
li^e 3wftanbetommen einer internationalen Oefellfd^aft nid^t. 
äBie bie Staffenmifd^ung unb 9taffenabf(^leifung unter bem &xn^ 
f[u§ ber aSerfel^re ber 3ufunft fortf(^reiten mirb, vermag niemanb 
oorauSjufelien. Slber fd^on je^t fommt ein gorfd^er oon bem 
SRange Stapels in ber JRaffenforfd^ung ju bem ®rgebni§: „®ie 
©inlieit be§ aKenfd^engef(i|le(^te§ ift ba§ teUurifd^e unb plane* 
tarifd^e 9Jler!mal, baS ber ]^ö(^ften ©tufe ber ©d^öpfung aufge* 
prdgt ift. S)er SWenfd^ ift ein ©rbenbürger im meiteften ©inne 
beS SBorteS." Unter ben an ben ^oben gebunbenen SBefen ift 
er eines ber bemeglid^ften. ^n ber SRaffenoerfc^iebenl^eit mirb 
oieDcid^t für immer ein bie menfd^li^e ©taatSeinlieit auSf^lie^en* 
ber gaftor ju vermuten fein, nid^t aber ein ^inberniS intern 
nationaler ®efellf(^aft. 

Sluf bie Slnlage ber 3Jlenf^en jur internationalen OefeU« 
f(^aft roeift aud^ baS britte fojiale ©lement, baS SolfSoermögen, 
i|in. ©d^on baS Sanb f^lie^t bie oöUige Oleid^artigfeit ber 9SolfS* 

1) Sn ber 2. 2lup. von „f&au unb Seben", n, @. 604 ff. ift nad^ 
IRatjel bie geögrapI)ifd^sgcologifd^e SBcranlagung jur mcnfd^lici)cn ©efeU- 
frf)aft feftgefteUt worben. 



— 231 — 

vermögen, hiermit bic 2lutarfie irgcnb einer, anä) ber jal|l* unb 
lanbreid^ften SHation au8. 3lod) mz\)x gefd^iel^t bie§ burd^ bie 
]^iftortfc^spolitif(^e SBerf d^iebenl^eit , ba§ kleben* unb 2)urd^ein« 
anberltegen ber ®ntn)idEelung§ftufen. ®ie SSöüer unb 93ölfer!rei[e 
fielen nid^t jumal auf einer unb berfelben l^öd^ften ^ö^e beS 
SRattonaIrei(^tum§. 3)er aSerjid)t auf bie internationale @r* 
gänjung burd) materieDe unb immaterielle Sßerfe^re ift feiner 
SHation geftattet. 

2ln ber internationalen ®efellfd)aft treten al8 bie mirffamen 
Orunbeinl^eiten jmar aud^ nur ^erfonen je mit il^rem SBeft^e 
auf. @§ ftnb aber mel^r bie ©amtperfonen unb unter biefen 
fomol^l bie prioaten aU bie öffentlid^en. ©injelne ©d^id^ten ber 
SBeoölterung roibmen fid^ mel^r ober meniger auSfd^liejslid^ inter* 
nationaler S^ätigleit, nid)t blo§ im ^anbeteoerfel^r, meldjem 
2;rümmer lanb» unb fpradE)oerluftiger SBölfer mit befonberem ®e* 
fd^id fid^ liingeben. 

SRit 93ejug auf bie g^t^men ber ^anblungSfäl^igteit ift ha§ 
Iieroorragenbfte SJlerfmal ber internationalen ©efetlf^aft barin ju 
erfennen, bajs biefe ein ftaat§einige§ ©emeinmefen nid^t bilbet 
unb nid^t befi^en lann. ©ie lann nod^ ©pejialforporationen 
gemeinfam befi^en, eine gemeinfame Commune, ben gemeinfamen 
©taat niemals. Sßölfer ftelien ju Sßölfern nur auf bem Sßer* 
trag§fu§ ober bem %vl^ ber Unterwerfung, nid^t im 93erl|ältni§ 
ber Slbl^ängigfeit oon berfelben ©taatS- ober ^ommunalgemalt. 
3)ie Staaten werben smar immer größer unb fangen frül^er felb* 
ftänbige ©emeinmefen in fortfd^reitenb größeren Sßerbänben — 
unter melir ober weniger ©prad^auSglei^ung — auf. Qn einem 
gegebenen ©ntmidtelungSftabium aber ift bie internationale ®e* 
feltfc^aft ein ®anje§ fouoeräner ©emeinmefen. ®ie SSölfermelt 
I)at fid^ Ijienad^ frei oon einer gemeinfamen ©emalt al§ ein 
©gftem aufeinanber mirtenber felbftänbiger 2:eile immerfort er* 
Iialten, wie gro^ aud^ bie SGBanblungen ber einjelnen Söölfer ge* 
wefen finb. ®ie aHe ©emalteinlieit für bie Siegel auSfd^lie^enbe 
©elbftänbigfeit ober ©ouDeränetät, ba§ ftaatlid^e Stehenbleiben 
ber aSölfer auf bem SßertragSfu^, ift nur nid^t al§ eine abfon* 



— 232 — 

beruhe ©rfd^einung anjufcl^en. SBielmel^t tritt bamit an bcr ©pi^c 
beS menf(^K^cn ©efeUfd^aftSbaucig rein unb fd^arf jutagc, ba§ 
bic ©cfeDfd^aft ein ©gftcm fclbftänbig, übrigen^ fittlid^ tücd^fel« 
tüirfenber Steile ift. 2)ic allen ©emeinfd^aften eigenen ©eroalten 
felbft l^aben aud^ burd^auS nur al8 ÄoorbinationSjentren melge«» 
ftaltiger SBSedifelroirfung obrigfeitlid) ju walten; im ©efamtleben 
aller SBölfer ftnb bie (Staatsgewalten felbft nur fül^renbe Organe 
ber SBBed^felroirlung ganjer Sßölfer. SBebenft man, ba§ aud^ im 
inneren ©taatsleben bie SWad^t immerfort ber SBed^felmirfung 
felbftdnbiger Steile abgewonnen werben mu^, fo fann e8 nid^t oer=» 
wunbern, ba^ international au§ bem SRingen fouoeräner ©taat§* 
gemalten ber internationale ©lei^gewid^t^äuftanb, ba§ „SBölfer« 
lonjert", l^eroorgelien !ann unb wirHid^ l^eroorgelit ^). 

3)ie internationale ©efellfd^aft entbelirt tro^ bem SJlangel an 
internationaler ©ewalteinlieit be§ @d^u^e§ unb ber görberung 
bur^ öffentli(^e ©ewalt lommunaler unb ftaatlid^er 2lrt ni^t. 
©d^u^ unb görberung genießen bie gremben burd^ ©inräumung 
ber ©leid^bered^tigung mit ben ©inl^eimif ^en ; bie Organe beS 
©d^u^e§ unb ber ^örberung ftellt jeber nationale ©taat in jebem 
anberen burd^ 2lufftellung oon Sßertretern, ©efanbten, ^onfuln, 
internationalen Äommiffionen. 

3)er internationale ©d^u^ ift baburd^ gefid^ert, ba§ bie Sin* 
wenbung oon 3^öng§gewalt ben fouoeränen ©taat§gewalten 
oölferred^tli(^ oorbel^alten, ben Untertanen jebod) Derfagt ift. Ser 
nationale ©taat fülirt jwar ben äußeren Krieg nid^t fo, wie er 
ben „inneren Krieg" gegen SBerbred^er, ©auner unb anbere in^» 
länbifd^e ©d^äblinge fülirt ^) ; benn aud^ !rieg§red^tlid^, al§ geinbe, 
ftel^en bie fouoeränen ©taat§gewalten einanber auf bem ^rx^z ber 
©leid^bered^tigung gegenüber. 2lllein bie friegerifd^e QvoanQ^an^ 
wenbung ift bur^ bie 2lu§fc^liej3lid^!eit be§ fubjeftioen Kriegs» 
red^teS ber fouoeränen Staatsgewalten überl^aupt geregelt unb 
eingefd^ränft. 



1) „«au mt> ßeben'S 2. 5luf[., II, @. 546 ff. 

2) ^afelbft II, ©. 519 ff. 



— 233 — 

3)ic 2lnn)enbung bcr S^^^S^S^^^^ft fann in bcr internatio* 

nalen ©efcDfd^aft jroar ni(^t überl^aupt befeitigt tperbcn. SBBcnn 

bcnno^ ilire 3lufl|cbung ocrlangt ift, fo wirb nid^t bebad^t, ba^ 

bic 3w>ang§ann)cnbung bi§ jur aScrmögen§*, grcil^eit§« unb SebcnS«» 

bccintrad^tigung auä) in bcr nationalen ©cfcttfd^aft nid^t t)cr^ 

fd^roinbet. ®egen SBcrbred^cn jcbcr 2lrt tritt immerfort 3tt)<^i^9 i^ 

©trafjuftij unb ^olijei ein, unb jroar au§fd^lie|enb burd^ biefelbe 

©emalt mie im feinblid^en SBerle^r ber Sßölfer, bem Kriege. 

@id)erlid^ mürben bie ©eri^te ben inneren gneben nid^t mit @r* 

folg fd^ü^en fönnen, menn ni^t bie 3w>öng§oollftredEung ju ®e* 

bot ftünbe. ®er SBötterfrieben lann oI|ne bie 2lu§rüftung mit 

3mang§gemalt eben aud^ nid^t gefi^ert werben. 3)ie t)oHe SRü« 

ftung ift bie ftärtfte grieben§gemä^r. Si vis pacem, para bellum 

bleibt immer malir. 3)er Krieg ift alfo im Sölferleben bie tun* 

lid^ft ju meibenbe, er ift aber nid^t f^led^tl^in bie abnorme 3Ser« 

Iel)r§erfd)einung, unb oft genug ift er ba§ SJlittel gemefen, faulen 

burd^ gefunben g^ieben ju erfe^en. ®r fann bie fd^limmfte 

®ei§el ber 9JJenf^l)eit werben; aber er bleibt im 9Sölteroer!el)r 

jugelaffen mit SJlotmenbigteit. 

Slbrü ftung unb Slnard^i^mu^. ®ie „2lnard^iften" finb 
lonfequenter aU ber ®jar. S)er ^itn^önger beS obUgatorifclien Sölfer* 
fd^icb§geric^te§ mügte al§ ©eitenftüdf ju internotionalcr 9(brüftung aud^ 
bic ^bfd^affung aller inneren Söiilitär* unb ?ßolijeigen)alt anflreben. 
2)ie innere 2(brüftung ttiärc tatfäc^Ud^ bcr Slnard&iSmuS in ber natio* 
nalcn ^otenj. SBorum nur bic „oflgcmeinc 8lbrüftung", meldte ben 
9lnarcöi^mu^ in internationaler ^otcnj bebeutet? 2)ic Slufqabc ift 
international unb national ganj biefelbe unb bcftctjt nid)t barin, bafe 
aßcr ©treit auSgcfd^loffcn merbe, fonbern bafe bie UnterbrüdEung ber 
©igenmadit ber Parteien nur burd^ eine aller ^ßarteieigenmad^t über- 
legene, aber bem üRiPraud^ ber ©taatögctoalt für ^ßartcigtoedfc abgc* 
neigte einzige griebcnSgemalt für jebcö SSolf unb für ba§ aSölferlebcn 
burc^ ein ®leid&gctt)id^tSf^ftcm nationaier griebenggcmaltcn gelingt. 
S)aniit ift ba§ fafultatibe aSöIferfdöiebSgcric^t, nimmer aber ba§ allge« 
meine obligatorifi^e SSölferfc^icb^gcric^t o^ne allgemeine SSoürüftung 
vertraglich ^). S)ie grcunbc be§ ,,cn)igen grieben^" ober bcr allgemeinen 
Slbrüftung finb alfo nid^t fonfequent, menn fie nidbt audb für ba§ innere 
©taatslcben fid^ auf ben @tanbpun!t bcr ,,gcmütUc^cn 2lnard&ic" ftellen. 

1) ^gl. l&iesu meine ^Ibl^anblung in ber ßtfd^r. f. b. gef. ©taatSmiffen* 
fd^aft LV (1899), ©. 705 ff. 



— 234 — 

Sic müßten tDenigftcniJ ganj entfd^icben für pofitiöfte ©Ojidrcform fein, 
um ben 3uftt}sn)ang burd^ SSorbeugung gegen eigenmächtige, offen ober 
terbecft geübte Unterbrüdung jn er(e^en unb entbe^rlid^ ju machen. 
S)ie ©osialreform ^at jebenf aUiS einen SSorjug t)or bem ^u(tu^ be^ 
ctüigen griebenS burc^ ottgemeine 9Ibrüftung. Sie mutet ben Staaten 
nid^t ju, bafe fie burd^ Slbrüftung ber Suftij unb ber ^ßoltjei bie SBelt^ 
orbnung umftürjen unb ben ©d^lDac^en bie ©ewalt übertragen. 

3)ie internationale ©efettfd^aft \)at tulturett einen ebenfo oiel* 
feitigen, wenn aud^ nid^t ebenfo ootten Qntialt, wie bie nationale 
®efeHf(^aft. ^ür bie Sftegel ben!t man nur an internationale 
SBerlnüpfung in ©emeinftfiaften unb aSertel^ren für materiettc Qn* 
tereffen. S)a§ erfte genauere ^^if^^^^ ergibt bie gro^e S5e« 
fd^ränftl^eit einer fol(^en 2lnf(^auung. 3)ie ibeetten ®efittung§* 
berei(^e — 3teligion (üKiffton), Siteratur, Äunft, SBBiffenfd^aften, 
©efettigfeit — ergeben eine '^nU^ internationaler Sßergefettfd^af« 
tung in ben t)erf(^iebenen g^ormen ber ^anblung^fäl^igteit neben« 
einanber. 

®ie internationale ©efetlfd^aft fann mel^r ober weniger burd^ 
bie nationale ©efettfd^aft au^gefd^loffen werben. @§ ift gefd^e^en 
unb gefc^ieljt teitoeife immer nod^ burc^ 9Ser!e^r§l|emmungen. 

^e weiter jurüdf in ber ©efd^id^te ber ©efittung, befto melir 
^Jremben^aß unb 2lbfd^lie§ung, befto weniger ©inn für „bie 
^flid^ten ber aSerfe^r^gewä^rung" ! (91. o. 3Jl o l| l). S)ie ©egen* 
wart ift oom ©eifte ber internationalen a3ertel^r§I)emmung nod^ 
nic^t frei, barin fogar rüdfättig geworben, tro^, ja oietteid^t we« 
gen ber aSerfel|r§erleid^terungen, weld)e pon ber 2^ran§portted^ni! 
gebracht finb. Qvoax bie gciftigen SSölferperte^re laffen fid^ nid^t 
mel^r unterbinben, audb nid^t bie ^^erfonenoerfelire. 2lber ber 
internationale ©üteroerfe^r ftel^t nad^ einer ©pod^e be§ ^reitian* 
bel§ wieber ejtrem nationalem ^rol^ibitiom§mu§ unb ^roteftio« 
ni§mu§ gegenüber. 



— 235 — 



VI. 

®te nationole unb bic internationale OefeDfd^aft ftnb unter 
2lnna]^me ber gegebenen ßi^ilif^tion unb eine§ 93el|arrung8ju* 
ftanbe§ bi§ je^t angefelien roorben. Qn SBSirflid^feit war oon ben 
Drganifationen unb gunftionen ber ©egenroart nod) jur Qtxt, 
ba ba§ erfte Sic^t ber ®ef(^id^te auf bie SBötferwelt faßt — jur 
3eit ber @ippfd^aft§* unb ©tammeioerfaffung — leine einjige 
roa^rjunelimen^ unb unter unfern 2lugen l^at fid) an bem, xoa^ 
faum no^ war, faft aUt^ peränbert. ®§ gibt weniger benn je 
ben ftabiten ©efeDfd^aftSjuftanb. aiHe§ ift im gortfd^reiten ober 
im Stüdfd^ritt begriffen, unb fetbft alle ©r^altung ift nur burd^ 
ununterbrod^ene SReufd^öpfung (conservatio continua creatio). 
©elbft ba§ ©efeKfd^aftSbemu^tfein, ber ©eift ber Qnt, ift binnen 
wenigen SJlenfd^enaltern ein anbere§ geworben. S)ic ©efeDfd^aft 
ift bie Deränberlid^fte ©pl^äre ber ©d^öpfung, unb bie SBeränber* 
lid^feit nimmt mit itirer ©ntmidflung nur ju. SB3äl)renb bie un*' 
bemujste Variation bur(^ Äonjunfturen unb Qn^aU fortbauert unb 
bie pl^qftologifd^en 2lbdnberungen burd^ gortpflanjung , ^njud^t 
unb ^reujung i^ren @ang weiter gelien, treten immer mel^r be« 
wu^te 9Sariationen auf; bewußte 2lnt|äufungen t)on 93ilbung, 
SBoIfSoermögen unb Sanbbefi^ mad^en fid^ geltenb. ®ie ©ojio* 
logie bliebe ein J^orfo, wenn fie nid^t aud^ ben QanuStopf ber 
©efeUfi^aft nad^ feinen jwei ©eiten, feinem ©eworbenfein unb 
feinem unaustilgbaren SGBerbenSbrange , b. i). Iiiftorifd^ unb po* 



— 236 — 

fttifd^ crf äffen wollte. S)ie SBejeld^nung „polttif^** tütrb l^iebct in 
bem njciteften ©inn be§ ®efd^affenn)etben§ auS jeber @egen=» 
wart in jebe Qufunft liinein, nid^t blo^ be8 ©efd^affenroer^ 
ben§ im Staate unb burd^ ben (Staat {vqI ©. 221) Derftanben 
werben. 

3)ie generelle ©ojiologie fann jebod^ nid)t bie pofitipe ^unbc 
t)on allem aufnel^men, maS fd^on gemacht ift ober ju jeber Qtxt 
gemad^t werben fotl; fie l^at roeber pofitioe ©efd^id^tfd^reibung^ 
noc^ pofttioe ^olitif ju fein. Qä) möd^te il^r nod^ immer fo, mie 
e§ in „S5au unb Seben" gefdf)el|en ift, jmei ©runbaufgaben ftellen : 
einmal bie ©eminnung einer J^l^eorie ber fojialen ®nt* 
midfelung neben ben unb im ©egenfa^ ju ben naturmiffen* 
f^aftlid^en @d^öpfung§t^eorien, fobann bie ^erfteDung einer im 
©inne ber beffriptioen ©ojiologie einlieitlitfien unb ooDftänbigen 
Ueberfid^t über ben ©ntmidtelungggang ber ^er* 
fönen, be§ ^anbeln^, ber ©emeinfd^aften, ber SBerlel^re, ber jioi* 
len ©emein* unb ber fultureUen ©onberorganifationen. 

Älar ift ba^ bie 3)oppelaufgabe nur mit ^ilfe ber pofttit)en 
^iftori! unb ^olitif lösbar fein lann. 3)ie ©ojiotogie !ann ba* 
l^er nie eine Sßeräd^terin ber !^iftorifd^*potitifd^en ®i§jiplinen fein. 
3)er SBerfaffer l|at j. 33. für bie nationalölonomifd^e ©parte ber 
©ojiologie frül^er oon einem SR o f d^ e r unb ^ n i e §, neuerlid^ 
einem 93 ü d^ e r unb S a m p r e d^ t ebenfo ban!bar gelernt, mie 
oon einem o. ^ermann unb o. 2^ l| ü n e n. @r fann aber 
aud^ ber 3lnft(^t fid^ ni(^t entfd^lagen, ba§ einlieitlid^e ©ojiologie 
fomol^l für ben ^iftoriter al§ für ben ^olitifer, menn fie il^re 
©toffe unioerfell, atfo namentlid) nad^ ber ganjen :3nterbepenbenj 
ber oerfd^iebenen ©efittung§!reife ergrünben mollen, unfc^ä^baren 
3GBert erlangen !ann. Qt fqnt^etifd^er ^iftorif unb ^olitif oor* 
ge^en — SBelt^ unb SRationalgefd^id^te mie bie praftifd^e ^olitif 
muffen fo oorgelien — al§ befto juoerläffigerer unb inftruftioerer 
gülirer tann ©ojiologie für ben ^iftorifer unb ^olititer fid^ 
erroeifen. 

®ie erfte ber beiben 2luf gaben einer fojiologifd^en ©ntmidte* 
lung^lel^re ift f(^on in beiben 2luflagen t)on „93au unb Seben" 



— 237 — 

ju löfcn gcfud^t rootbcn ^). S)ic Krttitcr, rocld^e bcn SJerfaffcr afö 
„Organitcr" abgetan \)abzn, l^ätten n)cnigfteu§ feine @ntn)tcfe* 
lung^tel^re ^ad){\ä) anjufaffen geliabt; benn 2Äi^6tau(^ ber bio- 
logifd^en 3lnaIogie fonnten fte l^ier il^m nid^t jum SBorrourf mad^en, 
ba in ber ©ntroidelungSle^re bie biologifd^e 2lnaIogie nal^eju ganj 
uermieben war. 3lo6) mzt)xl 3lud^ einer Uebertragung ber bio* 
logifd^en ©ntroidelnngStl^eorie in bie @ojiaIn)iffenf(^aft war ent^ 
fd^iebenfter SJBiberfpruc^ entgegengefe^t, abgefe^en baoon, ba^ bie 
dio\ä)t rfd^e 2lnalogie mit ben pier Seben^attern Doßberougt ab= 
gelel^nt voax^). 2Äeine 2:]^eorie l|at fogar bal^ingeftellt fein laffen, 
ob 2) a r n) i n ober o. 93 a e r (mit ber 2lnnal)me einer möglidtien 
ginatität) Siedet l^abe. dagegen mar bie 95ebeutung ber b t-- 
mußten aSariation (3lnpaffung) unb ber bemühten 
Uebertragung (SBererbung) mit allem Jiad^brudt geltenb ge* 
mad^t unb ^eroorgel^oben morben, ba§ bie fojiale ©ntmidEetung 
fein bemujsttofer SBerbeproje^ , fonbern eine innerlialb ber na*' 
türlid^en aSeltoerfettung oon ftatten gelienbe fitttid^e ©d^öpfung ift. 
93efonbere 2lufmerffam!eit im ©inne einer mirttidt) fojiologi» 
f(^en @ntmidEelung§tl|eorie mar gemibmet morben, mie ben ®r* 
f(^einungen ber bemühten Variation unb aSererbung, fo bem 
Sßefen unb ber 3Kögliiteit oon gortfd^ritt unb StüdEfiritt, ben 
gormd^arafteren be§ gortfd^ritt^ unb be§ Siüdfd^ritt^, bem fort« 
gefegten ,,SBad^§tum ber 3Jla§ftäbe lebensfähiger 2lnpaffung", 
bem 5Rebeneinanber ober ber ©fala oerfd^iebener ®rabe ber ®nt= 
midelung, ber Ungteid^artigfeit in ber 3lufeinanberfolge ber @nt= 
midtelungSftufen. 

2)er ^ontroft einer tt)at)r^aft fojiologifd^en gegen bie joologijd&c 
6nth)icfeIung§t^eorie , ^at — meine id^ — fc^ärfer nid)t formuliert 
merben !önnen, aU e^ in jufammenfaffenbcr SBeife fd)on in ber erften 
Sluflagc t)on „35 a u u n b S e b e n" ^) gef diesen ift : @o bunfet bie erften 

1) 1. 5luf[. II. 93anb, 2. Slufl. I. «b., 2. Hauptabteilung. 

2) 1. 5lup. II, ©. 449 f. 

3) [%i^ nad^folgenben 3lu§fül)rungen entl^alten feine n)örtlirf)e SStebers 
gäbe, fonbern einen mel)rfad^ mobiftsierten 3lu§pg ber Darlegungen in 
,,»au unb 2^h^n'' II, ©. 47-55.] Die ^riti! ^at bzn „Organifer" ha 
ignoriert, mo er gegen bieOrganifer in jeber §infid^t gemefen ift. %a2 



— 238 — 

Slnfänjc bcr SiüUifation finb, f o betritt bic ©clcftionSlcl^rc mit 
ben ©efellfc^aftdtatfac^en einen günftigeren SBoben. Sßeber mit blogen 
^Q^ot^efen über 9lrtenbilbungen, bie auf ungeheure Qtxixavimt ftd^ er« 
ftrecfen unb ^ieburd^ ber SeftfteDung burd^ unmittelbare Beobachtung 
fi^ entjie^en, ^at ed bie fo^totogifc^e @nttt)icfelungdlel^re ju tun, nod^ 
finb bie ttbönberungen, bie fie ju beobachten ^at, bon finnlic^ unma^r« 
ne^mbarer Steinzeit, noc^ entfd^lüpft if)x bad geiftige äSerben. ^itU 
me^r läuft ber gefellfc^aftlid&e gortfd&ritt unb 3lficffd^ritt — jumal in 
unferer ©pod^e — rafcft bor unferem Sluge ab; eS bebarf nic^t ber 
ga^r^unberttaufenbe für bad SBegreifentönnen. S)ie ttiirtenben feelifc^en 
Iriebfebern finb ©igeufd^aften ber ©cele auc^ be^ gorfcftcr«. 

3)ie fojiale @nttt)icfe(ung erfolgt aüerbingd ebenfaO^ burd^ @ieg, 
©mporfommcn, SSererbung unb Ueberlieferung ber für ben 3)afein8fampf 
beftangepagten menf($Iic^en SBefen. Mein ber jiDiltfierenbe 
®afcinS!ampf jeigt eigentümliche ©ubjeftc, Drbnungen, Siele, 
SBaffen, ffiampfttjeifen, Slnpaffung«* unb SererbungSformcn, eigentüm* 
lic^e Slrten unb folgen ber @ntf(^eibung bed 3)afeind!ampfed. SBa^ 
bie ©ubjette betrifft, fo tämpfen nic^t blog ijnbiöibuen, fonbern gamilien, 
prioate unb öffentlid^c Scrbänbe bon öerfd&iebenartiger gorm unb 
»ac^fenbem Umfange : ©cfcHfc^aften, ©enoffenf^aften, SSereine, ®emcin* 
ben, Staaten. Ser ffampf ift übermiegenb ftampf mit vereinten Gräften, 
ÄoHeftiöfampf. Unb jttjar notmenbig; bic Xatfac^e ber OefeUfd^aft 
felbft unb mit biefer bie SSemunfl? unb ©prac^bcgabung tritt un§ als 
entmidfelungSgcfc^icJ^tlid^e Jiotnjenbigfeit entgegen. S)er menfc^lid^c S)a^ 
feindtampf ^at burc| 9ied|t unb äRoral auc^ eine gefeUfd^aftUc^e Drbnung. 
®r mirb mit eigentünilid^en äBaffen, in fteigenbem äRafee mit SEaffen 
bcS Oeifteä geführt, gene menfc^lii^en ©cmcinujefen, ttjeld^e ben ^öd^- 
ten @rab ber aOSiflenSfraft, bic feinfte gnteaigenj, bic ric^tigfte SBert* 
d^öfeung, bie rcic^fte lei^nif erlangten, !amen (fo bejeugt eS bic 
Sef^ic^tc) burc^ bie natürliche SluSlefc beS SafeinStampfeS obenan. 
Sluc^ bie Dbjefte unb ^ntcrcffen bc§ Kampfes njerben bö^er. ÜRe^r 
unb mefir wirb um anbereS al§ nur Söcfriebigung ber yiotburft unb 
beS ®ef^lec^t§trieb§ gerungen, felbft um ©eltung unb SluSbrcitung ber 
Sbeen gefämpft. ©igentümlic^ finb ferner bie gormen beä fojialen 
®afeinStampfe§. ®er lefetere ift nid)t bloß feinblic^er S)afein§!amt)f, 
Krieg in allen gormcn, fonbern me^r unb me||r ein ^Ringen beS SluS- 
träges unb beS SBettftreiteS, njorin bic ©unft einer britten — <)rit)aten 
ober öffentlichen — UrteitSinftauj bie ©ntfc^eibung gibt, ©nblic^ ift 

Sgnoricrtroerben b^t i^n iebod^ baoon nid^t überzeugen !önncn, ba^ feine 
a;beorte fojialer ©ntroidtelung eine oerfeblte geroefen fei. <Sie ^at ibn 
avi^ bei ber Söetrad^tung ber !ulturgefd^id^tlid^en @ntu)idCelung§g&nge 
nid^t oerlaffen. @r brandet feinen einzigen ©runbgeban!en feiner (§nxU 
n)idfelung§tbeorie preiszugeben, wenn er gleirf) jugibt, ba^ bie eine ober 
cmbere ber einzelnen SluSfübrungen eine anbere (Stellung beanfprud&en 
ober in b^n beffriptioen ^etl ber generellen (Soziologie oerlegt werben 
!önnte. 



— 239 — 

ber fojiale 2)afetndfamt)f eigentümlich auäj nac^ feinen f^olgen. @r 
enbet nic^t blofe mit SSernid^tung ober mit Serbrängung unb ©jjQltung, 
Quc^ nii^t bloß mit QUdtoeidjenbcr, fonbern anä^ mit njcd&felfeitig nü^* 
lieber Sibergenj ber Slnpaffung, b. ^. mit 9lrbeitSteiIung unb SSer* 
c^meliung, fei c8 Quf bem gugc ber grei^eit unb ber Sbenbürtigfeit, 
ei eiS in ben gormeu ber Unterwerfung unb ber Ausbeutung, ©erliefe« 
\d^ überwiegt immer me^r bie wec^felfeitig nü^Iic^e SInpaffung. ^ommt 
in ber organifc^en ©d^öpfung bie lenbenj fteigenber Ärtenfpaltung, fo 
fommt fojial bie 9lid)tung pofitiüer gntegrierung arbeitsteilig fi^ er« 
gänjenber ©lieber einer uniöerfeßen SebenSgemeinfc^aft, eben bie 
©efellfc^aftSbilbung felbft, jur Ocitung. Unb jttJQr mit entwidfelungS* 
gefefelic^er SRotioenbigfeit; nur fo ift Dbenanfommen unb ©r^altung 
an ber ©pi^e ber ©c^öpfung möglic^. 

3)er Apparat ber AuSlefe fiebert alfo nid^t bloß aud& ben gort* 
fdjrttt ber fittlic^en ©c^öpfung; biefer Apporat erfährt felbft fortgefefete 
SSerüoQfommnung in ber Stic^tung auf attgemeine SSertörpertic^ung, 
Siöilifation. 3)artt>in felbft Ijat eS auSgefpro(^en: „Säei ^oc^ jibili* 
fierten SRationen ^öngt ber beftänbige gortfdjritt in einem unterge* 
orbneten ©rabe öon natürli(%er ßuc^twa^I ab; benn berartige Stationen 
erfe^en unb öernid^ten einanber nid^t fo, tt)ie es milbc ©tämme tun''. 
S)ie ganje S^eorie rourbe Dou mir in ben einzigen ©a^f jufammengefagt: 
S)ie fortfc^reitenbc ©eieüfdöaftSbilbung ift unauSbleibli^eS ©rgebniS 
aller S)afeinS* unb gntereffenfämpfe, welche, mit mac^fenben SKitteln 
ber ©eifteSs fförper* unb SSermögenSauSftattung unb innerhalb ber 
burc^ atec^it unb ©itte gefegten ©treitorganifationen auSgefömpft, bur(^ 
ben Srieb inbiöibueller unb totleftiuer Selbfter^altung, ben SSerme^rungS* 
trieb, ben ©igennufe, bie gemeinnü^igen SSerbefferuug^beftrebungeu er== 
totdt unb in immer Ijö^erem ©rabe erneuert, um bie Sefriebigung nic^t 
bloß ber finnlic^en SRotburft, fonbern me^r unb mefjr um ein fteigenbeS 
fSta^ materieller unb ibeeUer SebenSanfprüc^e geführt, burd^ S^^aU, 

\ burdb ©piel, burd^ Krieg, burc^ freien Auftrag unb bielgeftaltige Ur=^ 

teilsinftanjen beS SBettftreitS entfc^ieben werben unb notmenbig ba^in 
führen, bag im einzelnen bie relatib beften Slnpaffungen fomot)l ange* 
regt, als jur |)errfc|aft, Ausbreitung unb Ueberlieferung gebrac^it, ba* 
gegen bie relatiü f(ftled)teften Anpaffungen, bie Entartungen unb fremb* 
artigen Silbungen öernic^tet unb abgeftoßen ober ju befferer Anpaffung 
genötigt werben, unb ba§ im gangen ein wadjfenbeS 3Ra§ ibeefler unb 
materieller Kräfte für bie fofle!tioe gü^rung beS menfd^lid^en S)afeinS:= 
tampfeS ftd& anläuft, bafe immer mc|r ©efeflfc^aftSbilbung, b. ^. immer 

! mel)r ©lieberung unb SSereinigung ber geiftigen unb ber p^i^fifd^en 

ArbeitSfräfte, fowie ber jugeljörigen ©üterauSftattungen ftattfinbet. 

3)ie jweite einer generellen ©ojiologic ber ©ntwidfelung ju* 

faHenbe Slufgabe erblidt ber SSerfaffer in ber ^erfteHung einer fojio^^ 

logifct) einl^eitlid^en unb gleid^mä^igeu Ueberfi(J)t über bie 

©ntroidelung ber formen, ber ©emei.norgani* 

fationen unb ^ulturfreife. 



— 240 — 

3)ie 2lufgabe ift nid^t bto§ umfaffcnb, obtDot)! Don bcr „^uU 
turgefd^ic^tc" vorbereitet ; fie ift auä) jurüdf in bie SSergangenl^eit 
unb l^inauS in bie 3wfunft in fteigenbem 9Jla§e fc^wierig. 9iic^t 
bfo§ mit ber g^age naä) bem legten SBol^in, fonbern au6) mit 
ber 5rage x\a6) bem erften SBol^er gerat bie Unterfuc^ung immer 
tiefer in§ 3)unfet. 

©ie ftel^t rüdfmärtg balb oor Oebilben, Don meieren bie Qu 
oilifation faum 5Refte übrig gelaffen l^at. 3)a§ eigentlii^e ©c^ö^* 
pfung^rätfet ber ©ojiologie mirb in ber ^rage liegen : mie ift e§ 
getommen, ba^ bie ^erbe ^orbe geworben, bem SJlenfd^en ber 
©c^ein be§ $immet§Iici^te§ aufgegangen, ber erfte ©tral^l ber 35er^ 
nunft aufgeleuchtet, bie ba§ SBoIf oon ber S^ierl^erbe unterfd^ei* 
benbe ©ntmidelungSfäl^igfeit erlangt roorben ift (ogl. @. 12 ff.). 
3)ie — oieDeic^t babrjlonifd^e — ©(^öpfung^bid^tung oom leben* 
bigen Obem, ben @ott unmittelbar bem ®rben!to§ eingebtafen, 
I|ält oor bem n)iffenfd^aftlid[)en 33ebürfni§ oon l^eute nic^t mel^r 
©tanb, fo fc^ön unb wa^r fie aU poetifc^e SSorfteHung ift. 3)er 
aSerfaffer bemunbert ben ©(^arffinn, u)eld)er oon ber ©prad^* 
forfd^ung unb oon ber Slrd^äotogie ber 9Ber!jeuge aufgemenbet 
morben ift, um in ber ©prac^e ober in ber S^ed^nif bie Keime 
ober SQBurjetn ber SSoIf* unb SBernunftentfteliung be§ aJlenfc^en 
ju gewinnen. 3)en 3^^ifßl ^^^ ^^ ober nid^t Io§ ju werben oer* 
mod)t, ob nur au§ einem einjigen ober jmeien 2lnfang§ftra^ten 
menf(^Ii(^er ®eifte§betätigung ba§ ooHe Sii^t über ben gangen 
gortgang be§ 2luffteigen§ oon ber ^erbe jum SSoIfe wirb gemon* 
nen werben fönnen, mit anberen SQBorten, ob nic^t eine wal^r^aft 
fojiologifd^e SSerooUftänbigung ber 3Jlet^obe erforberlic^ unb mög* 
Kc^ ift, um ha^ Problem ju bewältigen. 3)ie „Urgefd^id^te ber 
Kultur'' wirb nur in il^rem ganjen Umfang bem ©d^öpfunglrätfel 
be§ jweiten Kapitell be§ erften 93ud^e§ SJÄofe mit 9(u§fid)t auf 
®rfolg entgegengel^en fönnen^). 

1) Uebcr bie @ntftel)unö ber ©prarf)e unb mit il^r aud^ ber Sßemunft 
ogl. bie Sluffaffung @ t e i n 1 1) a l § in Söau u. 2^h^n 2. 2lufl. U, @. 31 ff. - 
Db ber erfte über ha^ §erbenbafein I)inau§liegenbe ®efellfrf)aft§pftanb 
bcr ber §orbe ober ber JJamilie, ber 3Watrtard^ie ober ber SJlännerlierr* 



— 241 — 

^oä) bunfler liegt bic 3«fwnft. 3)er ©lidf vertiert ftd^ fd^on 
für tial^c 3^itpunftc in hiebet unb ginfternig. 

3n)if<^en beiben ©nbpunften, bcn fernen Slnfängen unb ben 
na^en QitUn, liegt jeboc^ ein ungeheurer SHeft welcher fa^ar 
ift. 3)at)on finb bis je^t bie SBeranftattungen unb gunttionen ber 
immateriellen Äultur erfolgreid^er unterjuc^t al§ jene ber ma- 
terießen Kultur, fo oiel aud^ für bie festeren jüngft erreicht mor* 
ben ift. 3>i^tt^ß^^in mirb eine weitere ftarte Konjentration ber 
pofitiDen Oefi^id^tfd^reibung unb Kutturforfd^ung nötig fein, ba* 
mit jene fojiologifc^ einlieitlic^e unb ooUftänbige Ueberfic^t ber 
(gntmidfelung ber einjetnen fojialen ä^atfadientreife gelingen fönne, 
xod6)t un§ bie jmeite ©runbaufgabe genereller ©ojiotogie ber 
©ntmidfelung ju fein fc^eint. 

3)ie I)eute jur Entfaltung gelangten 2:atfad^enfreife lagen 
anfänglich noc^ in unentwideltem 3iift<i^^ß ^^i* ^^^ ineinanber; 
bie fojiate SBett mar flein geftattet, afö in ber Änofpe fte fid^ barg. 

2luf einen SSerfuc^, bie jmeite 2lufgabe an biefer ©teile ju 
lofen, mu§ Derjid^tet merben^). 



fd^aft geroefen fei, ift ni(f|t ju entfrf)eiben. Sitte ^arteinalime für bie eine 
ober anbere Sluffaffung erflärt and) 9^1 a tj e l (^oL @eo0rapl)te, 1. 91., 
@. 119 f.) für „ntetl^obifrf) I)aItIofe §9potl^efen". 

1) Sluf äwei Partien, bie ©ntroidelungSftufen ber SBoHSroirtfcfiaft unb 
bit ®ntn)icfelun0§ftufen beS @taat§, ift in ber 2. Sluflage oon „f8a\x unb 
Öeben", II, ©. 267 ff. unb @. 656 ff. eingegangen morben. 



© (^ ä f f I c , Slbriß ber ©oätoioßie. 16 



— 242 — 



vn. 

aWit bcn SBerbilbungen unb ben gunftionSftörungen bcr na* 
tionalen unb bcr internationalen ©efeUfc^aft foroie mit ben SBla^* 
regeln unb aWitteln i^rer öefömpfung, — aJla^regeln teite ber 
aSorbeugung, teils ber Unterbrüdtung (Leitung, Sanierung) — er* 
öffnen ftc^ bem 2luge bie legten iatfac^enfreife ber ©ojiologie. 

3)ie Störungen unb bie SWa^regeln il^rer Söetämpfung treten 
immer jufammen mit ben normalen Organifationen unb g^nf* 
tionen auf. @§ gibt meber eine abfotut normale, gefunbe, nod^ 
eine oödig abnorme ®ef eßf diaft ; bie le^tere märe an fid^ felbft 
ju ®runbe gegangen. 

gür bie metl^obifd^e Unterfuc^ung ber JBerbilbungen unb ber 
(Störungen, fomie ber aSer^ütung unb ber Unterbrüdung beiber 
mirb aber bie abgefonberte ©etrad^tung angemeffen fein, unb 
2lntäufe ju fojialer „^atl^ologie unb S^l^erapie" 
finb nic^t erft in ber ©egenmart genommen morben. 

3im erften fojiologifd^en aSerfuc^e be§ SSerfafferS finb bie 
?ßat]^o=©ojioIogie unb bie 2:l|erapo*@ojioIogie abfid^tüc^ jurüdf* 
gebrängt. @§ mürbe nur getegentlid^ auf Entartungen unb @tö* 
rungen ^ingemiefen. 3)er SBerfaffer ^at alfo jmar ®runb, auf bie 
güllung einer Sude in ber generellen ©ojiologie ^injumeifen; 
ben aSeräd^tern feiner ©ojiologie jebod^, fofern fte il^m bie 2ln* 
menbung ber biologifdien 2lnaIogie oormerfen, ptte er SRebe 
nic^t JU ftelien; benn er l^at biotogifd^e 2lnaIogien aud^ jur aSer* 
anfc^autic^ung für eine fojiale ^ranfl^eiten^^ unb ^eilfunbe ftc^ 



— 243 — 

tiid^t geftattet. @r ^ättc ^ienad^ feine SBeranlaffung, in biefer 
neuen ©el^anblung auf bie J^atfac^enfreife bcr Störung unb 
ber Seiben^befämpfung einjugel^en ^). 3)ennod^ foH n)enigften8 
ein Ueberblidt l^ier in aller Äürje ju gewinnen gefud^t werben. 

3)ie Störungen fmb im weiteren ©inne jü oerftel^en. Sieben 
ben gunftionSftörungen werben aud^ SBerbilbungen aller 
2lrt, OrganifationSfe^ler, Deformationen, Entartungen in§ 2luge 
}u faffen fein, ©ie finb teils plö^lic^ (afut), teils oon lange l^er 
(c^ronifd^), teils Rataftropl^en, teils J^rifen. 

3)er ®runb ber gunftionS» unb ber DrganifationSftörungen 
fann ein boppelter fein, inbem bie Störungen teils oon au^en 
^er burc^ ben 9laturlauf als äußere, teils auS ber ®ef eUfd^aft 
^erauS als innere Seiben entftel^en. 

3)ie inneren Störungen finb folc^e im ganjen ©efeUfd^aftS* 

bewugtfein; eS finb bie fd)limmeren unb fc^limmften oon allen, 

unb jwar Störungen beS SSoltSwillenS ober beS SBoltSinteHefteS 

(SBolfSoerbummung) ober beS SßolfSgefü^leS. Sie Störungen 

ber legten 2lrt treten namentlid^ als SBerberbung ber öffentlid^en 

SWeinung auf (S. 73 ff.). 3)ie inneren Störungen werben I)äufiger 

nur au f teilweifer SSerwirrung beS SBoltSgeifteS berul^en. 

1) fön ber 3eitfrf)rift 1904, ©. 202 l^atte ber SBerfaffer nod^ auf feine 
Sluffä^e über bie entn)i(ielung§0efrf)id&tIirf)e ©rflärung ber 2anbn)irtfcf)aftS* 
bebrängniS mit folgenben Sä^en SJejug genommen: ^ie Unterfucf)ungen 
gur Sanbn)irtf(f|aft§bebrängniS f)inbern eS gleid)n)oI)l, firf) ber 9flefignation 
l^injugeben. ^ie 2lgiparier ocriangen ftarle Hemmungen beS internationalen 
SSerlel^rS unb oer!nüpfen mit il)rer Slgrar« unb §anbelSpolitit eine weit* 
gel)enbe oerfaffung§poUtifcf)e, ürd&enpolitifd^e unb fonftige Umfel)r. ®a* 
l^er ift bie g^ragc nid^t abjulel^nen, ob bie fianbwirtfcfiaft geftört ober 
oerbilbet ift ober nirf)t, ob nirf)t !ran!I)afte „^omplüationen" — ^nter* 
htpmb^n^zn — mit au^erwirtf^aftlid^cn Störungen unb Sßerbilbungen 
oorliegen, namentUcfi aber, ob baS „frieren" ber Slgrarier „narf) il^rer 
Slrt" nirf)t wirllirf)e Störungen erzeugen mvi% inbem eS angeblirf)e ju 
befdmpfen fu(f|t. 9luf @rf)ritt unb ^ritt wirb bie Unterfurf)ung ju patl^o* 
unb tf)erapofo5iologifd^en S3etrad^tungen l^ingewiefen. ®ie I)ier p pflegen* 
ben Unterfu(i)ungen werben alfo erleirf)tert fein, wenn man auf einen 
Ueberblicf über bie Störungen — wir oermetben aUe biologifcfien 9lna* 
logien unb I)iermit ben 2luSbrucf ^ranflieit — unb über bie ^efämpfung 
ber Störungen ficf) ^u ftütjen oermag] 



— 244 — 

SBcrbilbungen unb ©törungcn f önncti jum ©egenftanb 
^aben: einen ber bret ©runbbeftanbteite ber nationalen ©efeH* 
fd^aft ober bie formen ber ^anbtungSfä^igfeit ober ©ernein* 
fd^aften unb äJerfe^re ober bie Oemeinoeranftattungen ober bie 
öänber unb öinbemittel ber SSerfnüpfung burd^ 5Red^t unb SJÄoral, 
burd^ 3Wad^t, burc^ Siec^nil unb Oefonomü, burd^ SBertung, burd^ 
haS 9liebertaffung§» unb baS 2!ran§portn)efen, bie 2lnfammlungen 
unb bie ^interlaff ungen, ober bie befonberen Äutturoeranftaltungen : 
ba§ aSerfic^erungSrcefen, ba§ p^gfifd^e Familienleben, bie @in* 
ric^tungen be8 ©d^u^e§, ber S^öngSooUpredtung, beS Unterrid^tS 
unb ber SSolt^bilbung, bie 2Biffenfd^aft bie Runft unb bie Site^^ 
ratur, enblid^ unb nic^t am menigften ben SBolt^glauben. 3)er 
aSolfgförper fann in allen feinen ©liebern leibenb merben unb 
ber ^eileingriffe bebilrfen. 

9lid^t feiten mirb bie eine Störung eine jroeite unb britte 
bebingen ; ©törung§fomplifationen merben al§ 2Bir* 
fung ber allgemeinen 3»^terbepenbenj auftreten. 

3)ie öefämpfung ber JBerbilbungen unb ber (Störungen 
ift teite aSerl^ütung, teils Unterbrüdfung ber abnormen 3iiftänbe. 
SJerl^ätung ift bie mid^tigere Seiftung. 

2)ie öefämpfung ber oon au^en fommenben (Störungen liegt 
bem ganjen (Sdju^* unb aSerfid^erungSmefen ob. 

®ie (Störungen, meiere au§ bem Unred^t unb ber Unmoral 
^eroorge^en, oerlangen anbere Eingriffe; aber 95e!ämpfung beS 
Unred^t§ unb ber Unmoral nad^ ilirem ganjen Umfange gehört 
ber pat^o* unb t^erapofojiologifcfien 93etrad^tung an. 

2Bie bie (Störungen burdf) ^erfonen jeber gorm oerurfac^t 
fein tonnen, fo liegt auc^ bie ganje Söefämpfung allen oerfd^ie« 
benen 2:rägern oon ^anblungSfä^igteit, jebem junäd^ft an fid^ 
felbft, ob. aSon ®runb oerfelilt ift bie SÄeinung, alle SBorbeu* 
gung unb alle (Sanierung fei nur bem Staate ober nur ber ^irc^e 
jusumeifen, unb befc^ränft ift bie SWeinung, bag burc^ Sieformen 
be§ 9led^t§ allein fdion ba§ ganje SBerf ber SSorbeugung unb ber 
Slöieberl^erftellung getan fei. 

Siiditig ift bagegen, ba^ ben 2:rägern ber öffentlichen ®e* 



— 245 — 

tpalt, bem Staate, bie SBorbcugung unb (Sanierung burdi QxüawQ^^ 
maßregeln — burc^ aJlUitärgeroatt, ^olijei* unb ©traf juftij — 
gegen äußere geinbe unb gegen gemeinfd^äblic^e Sßolt^glieber 
(SBerbrec^er, ©auner; Dgt. ©. 233) Dorbel^alten ift. 3)abei barf nur 
nid^t überfelien werben, ba§ bie 93efämpfung Don äußeren unb 
inneren geinben nur einen 2:eit, unb einen DerpltniSmäßig fleinen 
3;eil ber SBorbeugungS* unb SOBieber^erfteÜunggtlierapie be§ @taate§ 
ausmacht. 3)en 2lu§gang aHerbingS l^at ber fetbftänbige Staat 
oon ber btogen griebenSroa^rung genommen. 

3)ie (Störungen merben bei einem an fic^ gefunben SßoHe in 
ben meiften gäßen al§ @ntn)idlung§^ gortfc^rittS* ober diM* 
fd^rittSftörungen fid^ barfteHen. 2luflöfung§projeffe feilten rool^I 
niemals ganj („orientalifd^e fragen"). 

3)ie Iiauptfäd^tidien @ntn)idlung§ftörungen, bie in ber (Segen* 
mart bei jioilifierten Sßölfern Seiben l^eroorrufen, merben als 
gortbilbungSflörungen, at§ fojiale Sa3ac^§tum§fran!^ 
l^eiten ju oermuten fein. 3)ie notiere Unterfud^ung mirb ergeben, 
ba§ e§ namentlidf) ber auf ®runb ejafter 9laturn)iffenfc^aft ein« 
getretene gortfdiritt alter ^^edinif, in^befonbere ber S^ranSport* 
tec^nif geroefen ift, ber jroar nie bagemefenen gortfd^ritt, aber 
aud^ beifpiettofe Ummätjungen in ber ©taatenbitbung unb in ber 
aSottSroirtfc^aft ber Sßötter Iieroorgerufen l^at unb jmifd^en ben Sßöt* 
fern oon oerfdjiebener ©ntmidftungS^ötie, atten unb jungen Säubern, 
Spannungen unb 93ebrängniffe l^at entfte^en laffen. 3»nbeffen 
Iiaben an ber ,,9lot'', at§ metc^e aud^ Spannungen empfunben 
werben, nationale Ummätjungen ftd^ertid^ ebenfooiel 9(nteit, unb 
oon ^aufe au§ oerfe^tt mü^te eine 2;^erapie erfd^einen, roetdfie 
ganj auf internationaler 9Serfel|r§]^emmung begrünbet märe. 3)a§ 
l^auptfäd^lidf)e aWittel jur 2lbf)attung unb Sinfcftränfung ber inter^ 
nationalen StörungSinterbepenbenj, bie Hemmung be§ ©üteroer« 
Ui)x^ burdi ^^roteftion unb ^rol^ibition, ftellt fid^ unter bem nun 
geroonnenen meiteften fojiotogifc^en ®efid^t§punlte at§ ein beften 
5atle§ nur befd^ränfter SQBirfung fälligem Heilmittel nationaler 
^olitit bar. 



— 246 — 



^m^t. 



flbcrglauBe 178 f. 
2lb^dttgiö!eit 38, 312 f. 
Slbneigutigen 66. 
31 b out 70. 
Slbrüftung 233. 
Slbf^Iüffc 185 f. 
2lbftammunö§gemeinfanifcit 23. 
SlÄtuna 14, 143, 188. 
Slepcttf 202, 207. 
^Igglomcration, ftäbtifd^e 112. 
Slgttation 75, 184. 
3tffumulation, 2anb al§ 91. 102 f. ; 

SBoÜSocrmögen al§ 21. 115 f.; f&^^ 

obifcrung al§ 91. 122 ff.; 179, 

189 ff , 192. 
9l!ttongaentrum 157. 
9l!tioität 117. 
Sinologie, biologifd^e 1 f., 5 f., 7 f., 

10 f., 105, 116, 159, 174 f., 212, 

236. 
Slnard^ie 184. 
Slnard^tSmug 233. 
SlnMngcrfd^aften 71. 
Slttoäufung f. 3l!!umulation. 
Slnpaffung 237, 239; gciftige 57. 
2lnfamnilung§tr)cfcn 201. 
2lntci)auung§!raft 5. 
Slnftaltcn 132, 173; Slnftaltenlc^re 

173. 
Sltttciiggetneinfdiaft 157, 160. 
9lntbropogcograpf)ie 88. 
Slnt^ropologic 120. 
2(nt^ropofoätologic 32, 118 ff. 
Slngiefiung 34. 
Slrbeit 104, 114, 127, 131, 139 f. 

Slrbeitgfräfte 186 ff. 2lrbeit§tei* 

lung 6, 12, 14. 
2lrtftotelc§ 15, 60, 68, 166. 
Sluffaffung, cmpiriologtfd^c 2. 
Slugbcutung 168 f. 171, 239. 



2lu§bru(f§bctoegungen 11, 15, 126. 
5lu§einattberfe^unp§ocr!c^r 163 f. 
2lu§n)ir!ung, gcifttgc 19. 
Slugjeicfinung 188. 
Slutoritäten 71. 

» a c r , ^. @. 0. 230, 237. 

Söänbcr unb «inbemittcl 34, 198, 202. 

SBanftocfen 201. 

Söarbarcn 17. 

f&axt^, ^. 48. 

«ebürfttiffe 124, 138. 

«efd^lüffc 185 f. 

«8eft^ 136 ff., 173, 180, 186; fSt^ip 

lcl)re f. SBermögcnSlc^re; SBcfl^s 

ma(%t 192: Söcfitjtocrtung 188. 
^Betätigung für baS SßolfSoennögen 

113 ff. 
Söeoöllerung 118 ff.; ibre SöerooH* 

fommnung 121; SBcrmebrbarfeit 

121; alg 3lf!umulation 122, 230; 

93eoöl!erung§bcn)egung 121 f.; S8e* 

oöl!erung§lel)re 116 ff. 
Söerou^tbeit beS SBollS^ufammenbcms 

ge§ 16. 
«erouMein f- ®efeafrf)aft. 
Söilbung 180; Söilbung^anbdufung 

197; 93ilbung§mittel 112 f. 
95inbemittel f. Sßer!nüpfungen. 
^Biologie 1, 5. 
^iofo^iologie 32. 
93lutnitfcbung 23. 
©oben 21, 95, 97, 102- ©obennu^ung 

98 f., ©obenrentc 99; Söobenroert 

99, 219. 
93raucf) unb §er!ommcn 17. 
Söraud^en 113, 127 f., 140 f. 
93ürf)er 236. 

ö I) a m b e r l a i n 78, 94. 



247 — 



© b b c n 78. 
©omte 134, 212. 

^ a n t e 75. 

^arftcfiung, ®ütet berf. Ulf., 177. 

^ a r TD i n 5, 169, 237, 239. 

®afeittg!ampf 169, 171, 238 f. 

5)cmolo9ie 216. 

S)cmonftrationen 69. 

5)ienft 194; 5)ienfte 104, 167. 

3)omcfti!atton 11. 

%xviä 205 f. 

(gbtüarbg, aWUnc 6. 

@Jirc 143, ©brutto 188- 

@igetttttad)t 185. 

©inel^e 22. 

©ittbeit ber ttattottalett (^efeUfdbaft 
210 ff. ; 214. 

@iitiö!ett 63 f. 

@in!otttttictt§t)erteiluttg 114. 

©inridbtungctt 7. 

©ttiteiluttg ber ©oaiologie 7. 

@inäelbctt)ujtfcitt 51, 54 f., 71. 

©ittjcltüattberung 95. 

®ifcnbal)tt 93 f. 

©tttpirtologie 3. 

©ttcrgic 145 f., 173. 

@tttartunöctt 242 f. 

©tttfaltung ber ©efeafd^aft 33, 36. 

Chttaegettfe^ung 34. 

©ittfc^Iu^ 14. 

©ttttüidtlutig , I)iftortf(be utib poli* 
um 7; ber ©efeüfd^aft 235 ff., 
239; @tittoi(fIuttg§fäI)iöfeit 15 f., 
240; ®titn)idluit0§lebre 236 ff., 
240 f. : @ttttoicf lutigSftöruttgeit 245 ; 
(Sttttotcfluttggftufeti 240 f. 

©rfal^ruttg 4, 9. 

©rfiitbeti 150 f. 

©rbaltutig ber miUx 36. 

©rfpanmg 189. 

@fpitta§ 11 ff., 39. 

@t^tiograpI)ie 216. 

©jogatnie 23. 

gfatniUe 12, 134, 191, 214 f.; f. a. «er^ 

ftiüpfuttgett. 
, e db tt e r 27. 
reinbfrf)aftcn 66. 
reftfeter 198. 

ic^te 74. 
forberutigen 34. 



omi, fo^iologifd^e 132. 

ortbilbuttgiSftöruttgen 245. 
•ortpflattsuitg 195; g^ortpflan^ungg« 

Derbdnbe 12. 
JJortf^rttt 236, 237, 239, 246; ttdi^c 

nifd^er 153. 
fjreibeit 38 f.; fjreiljeit uttb ©(eidb* 

l^ett 139, 200. 
grreilattb 90, 95 ff., 100 f. 
•reiioiEigfeit 39 f. 

rettibtüelt voltlid^z 80. 

reuttbfdftaft 19, 66. 

tebeit 169 ff., 184, 200, 233. 

•ü^retibe ®etfter 56 f., 61, 71, 74, 

77, 144; Sflatiotieti 229. 
fjunfttoneti f. SBerrtd^tungett; Qrun!« 

ttongftöruttgett 242. 
fjüretitattberfetti 9 ff. 

^au^ 28. 

©ebtet 14, 21, 90 f. 

©efaKen 209. 

^efolgfcfiaft 181. 

®efoIg§tt)iaig!eit 179. 

®efü()Ie 204. 

®etft: ®eiftegeitt]&eit23; ®eifte§tdttg* 

feit itt ber ^efeEfdiaft 47 f.; ®et= 

fte§oer!e()re 164: ®eiftegtoiff ettf 4aft 

3 f., 82 f.; ©eiftoerfttüpfutig 35. 
(Mb 181, 187, 191 f.; ©elbttiad^t 

222 ; ©elboerf el&r 167 f., 180 f. 
®elegenl)eit 41, 44. 
©eltuttg 143, 166. 
©cttieittbe 135, 215. 
^ettieittgeift 63. 
®eitieiitf(f|aft 170, 193; ®ettteittfcf)af* 

teti f. ©atntperfotieti; ©etneitts 

fd&aft§bett)u^tfeiti 62 ff.; ^eitteitt* 

frf)art§t)er!e^r 160. 
©etttetttfitttt 60. 
©ettteittoerattftaltuttgett 175, 178 f., 

193. 
©eitteitttüefeti 134, natiottaleg 215 f. 
®eneratiotietitt)erf)fel 15. 
®en§ 214. 
©eogropliie 88, 216. 
©eofojiologie 87 f. 
©cfd^dft f. qjra^§. 
®efd^äft§s uttb 93rauci^gemeittf(f|aft 

159. 
®efcf)irf)te 189, 235; ©efd^id^tfd^rei* 

buitg 236. 
(S^efemgfeit 19, 166, 197 f., 209. 



— 248 — 



®efeEfcf)aft, normale unb abnorme 7 ; 
im fo^iologifcfien ©inne 8 f.; il^re 
Slnfänge 10, 14 f.; menfcf)Udbe 
25; 33 ff.; nationale 129 ff., 
157, 160; i^re @inbeit unb Un^^ 
teilbarfett 210 ff.; internationale 
228 ff,: i^re S8eränberlicf)!eit 235. 

©efettfcfiaftSberou^tfetn 14, 46, 49, 
127, 129, 201 f., 243; »egriff 50 ff.; 
3nl)alt 55 ff. ; ®ef d^id^te 77 ; ©ante* 
rung begf. 79 f. 

®efeafrf)aft§!5rper 47 ff., 81 ff. 

©efittung 17, 26 f., 33 ff. ; ©efittungS^ 
ein^eit 212, 214 f. ; ©efittungScer*. 
anftaltungen 175; ©efittunggjmecfe 
195. 

©eroalt f. ©errfcfiaft; öffentliche 185, 

224, 232. 
(Gewebe, pf^d^opl^gfifd^e 174. 
®en)iffen 3. 
®erool()nI)eit 181. 
©lauben 58, 178, 182, 198, 210. 
®leidbgen)id^t, internationales 232. 
©leidQQcit f. fjreibeit. 
müd 120. 
®oetI)e 29,75. 
©renje 91 f. 
©runoanftalten 175. 
©runbbefife 180; ©runbbefitjmad^t 

222. 

©runbeinridbtungen, geiftanftaltlirf)e 
174. 

©runbeinteilung 135 f. 

®üter, freie 22; perfönlid^e 103, 
116 f.; SBermeI)rbarfeit unb Un^ 
oermeI)rbar!ett 108 ff. ; ®. ber S)ars 
ftettung unb amtteilung 111 f. 

§anbeln 121, 139; ©lementartat- 

fadien be§f. 124 ff.; ft)mbolifieren= 

be§ 126 f. 
©anbiungen 130, 138 ff., 167. 
©anblung«fd^ig!eit 116 ff., 139, 200, 

230. 

►anbroer! 141. 
lauSbcilt f. 93raurf)en. 
>eer unb 3Jiarine 40, 196. 

e g e l 74. 
leilung 242. 

ellroalb 75. 

eraflit 163. 

erbart 70, 156. 
lerbe 11 ff., 15, 20 f., 23, 39, 240 . 



e r b e r 41, 70. 
>er!ommen 8, 58. 

ermann, v. 236. 
>errfrf)aft 13, 20, 35, 40, 145, 156 f., 

176, 182, 184, 200: $errfd^aft§:* 

oer^ältniffe 35, 37. 
lerftetten 113, 127 f. 

efiob 75. 

effe, 51. 48. 
)ierarci^ie 64. 
)ilfgn)iffenfd&aften 32. 
>interlaffung 190 ff., 201. 
Homologie 1, 4, 7, 10 f., 212. 
lorbe 15, 21, 240. 
)umanität 19. 

Sögerool! 21. 

gbeen 14; Sbeen^^lffoiiiation in ber 
®efellfc|aft 54; ^beenmitteilung 
11 f.; 3beenoerfel)r 52 f., 163 f. 

Smmobiliarbefi^ 22. 

Imperialismus 94, 101. 

Snbtotbualbemu^tfein 59 ff. 

§nbioibualifierung 61. 

Snbtoibualpfnd^obgie 56. 

Snfongruenj ber Sücaffen 70. 

Snftanaen 65 f., 156. 

§nftin!t 57 f. ; ool!lirf)er 17. 
nftitutionen f. ©inrid^tungen. 
Sntenfitclt ber Söobennu^ung 98 f. 
Snterbepenbens 44, 134, 212 f., 236. 
S u n ! e r 96. 
SuriSprubenj 171. 

Äampf 22. 

Kapital 104, 180 f. ; ^apitalbilbung 

189 f. 
^apttalifation beS SBolfögeifteS 24. 
mx(i)t 198, 213, 222. 
^nieS 236. 
Noblen 111. 

Ä'oEe!tioperfonen f. ©amtperfonen. 
^olontfaüon 100 f., 218. 
^ommenfualtSmuS U. 
^ommunifation 162 f. 
^onjunftionen unb ^onjunfturen 30, 

36, 41 ff. 
^onfurrena f. Söettberoerb. 
^onftitutionaliSmuS 186. 
^onfumtion f. S3raurf)en. 
^ontiguität 106, 132. 
^oorbination 65; ^oorbinationS* 

jentren 38, 65, 156, 232. 



— 249 — 



Äorp§öctft 63. 

Korruption 74, 79 f. 

Soften 104, 109 ff., 127. 

Kraft, 3W. 153. 

Kraft 146; KraftqucKcn 110 f. 

Kratt!^eitcn, fojialc 242. 

Kraufc 27. 

Krcbit 180, 189 ff.; Krebitroefcn 172. 

Krieg 170, 232 f. 

Kultur f. ©efittung; Kulturgefcfiicfitc 

228. 
Kunft' 201 ff., 206 ff., 210; ©rtjöne 

Künfte 24, 188, 197; Kunftübung 

141. 

Sage 91. 

ßamprerf)t 236. 

fianb 21, 85 ff.; al§ fojiologifd^er 

©Ictncntarbcgriff 86: al§ ©runb* 

beftanbteil bei S8oI!e§ 85 f., 92; 

feine SSermel^rbarfeit 94, al§ ®egen- 

ftanb ber SBoÜgbetdtigung 101 ff. ; 

als Slffumulation 102 f., 135; 

ßdnberroelt 87, 228 ff ; Sanbc§ein^ 

n)oI)nerf(i)aft 215 f.; Sanbgrö^e92; 

Sanbroert 99 ff. 
Sanbn)irtfrf)aft§bebrclngni§ 2, 243. 
Sänge 2. 
Saffalle 75. 
Satifunbien 222. 
SebenSgemeinf rf)aft 10 f. ; SebenSoer- 

fnüpfung 11. 
8 e i b n i 8 27. 
Seiftung 163, 166 f.; Seiftunggoer^ 

!e^r 163 f. 
2iegenfd^aften 108 f. 
Silienfelb, «p. o. 3, 116. 
Siteratur, fd^bne 197, 206. 
S ^ e 2, 28. 

3)1 a c d^ i a e H 42, 44. 

3Jlaci^e f. ^raji§. 

Tla6)m 20, 33, 126. 

fEfladiU ^erfonals unb93efi^mad^t34, 
40 ff. ; «egriff berf. 126, 139, 141 f., 
144 f. ; Söebeutung ber Sted^nif für 
bief. 152; Drganifation 178 ff., 
200, 209, 221 ff. ; iOlad^tfunft 221 ff. ; 
aRarf)ttrdger 224; SWaditübung 141; 
2)'^aci&tt)orräte44; 3yiarf)t5ufammen' 
faffung f. §errfd^aft. 

3Jlaltf)ug 6, 121. 

maxtt 187, 195. 



ajlaffen: SWaffenberou^tfein 67 ff. 
artaffenerfcfieinung 33, 44 f., 87 
128, 208; 3Jlaffen!ongruena 70 
SWaffenmeinen 71 ff.; iuiaffenwan 
berung 95 f.; ayiaffenTOoUen 71 p., 
SJlaff enjuf ammenlQclnge , geifttge 
70 f., 119. 

3Jlec|banif, ®efe^ ber 28. 

SJiednanifterung ber Slrbeit 153. 

aWeUoration 97 f., 100 ff. 

aJlenfAenraub 23. 

ayienfdQenool! 15. 

anetap^fi! 9. 

SJletafojioIogie 4. 

3JlineraIien Hl. 

iWitteilung 52* ®üter ber §m. 111 f., 
177; aWttteilung§oerfeI)r 162. 

3Jlobiliart)ermbgen 108 ff. 

aWobe 208. 

2«oraI 3, 20, 178, 199 f. 

SHorpIioIogie, fojiale 92. 

3«utualiSmu§ U. 

9lal)rung§mittel 110. 

Sriaüon 216. 

Sflational 84; S^ationalbeuju^tfein 

217; S^ationalntad^t 221 f.; $Ra* 

tionalftaat 216. 
Sriationalität 216 ff. ; fprad^lidbe 119; 

S^ationalitdtenpolitif 218 ff. 
Sriationalöfonomie 113, 187, 189. 
Sriatur 27; STlaturlanb 87 f., 102; 

S^aturoolf 228; S^aturoblfer 16 f. 
Sriaturaberfel^r 167 f., 181. 
Sriaturroiffenfcfiaft 31. 
9^eroenft)ftem 210. 
S^ieberlaffungSwefen 201. 
S^ie^fd^e 62. 
S^lotroel^r 40. 
g^^ung 131, 189, 191. 

Dbligationenred&t 171 f. 

Deffentarf)e SRetnung 71 ff., 184 f., 
188, 243. 

Deffentlirfifeit 68. 

Defonomi! 141 f., 200 f. 

Defumene 87. 

Defterreirf) 220. 

Dffupation 97. 

Drbnung 20, 34. 

Organ 6; Drganüer 5, 48 f., 90, 
105, 159, 237; Drganifation§IeI)re 
136, 173 ff. ; torganf^fteme 174. 

16* 



DrtSeiimn)f)nerfi^oft 216. 
OEtfd)aft 135; Drtfc^aftente^re 216. 

VanÖfonoiniSinuS 156, 172. 
^ciraritiiänmS 11, 86. 

ifflarteien 76, 157, 179, 182 fl. 
¥artialfgfteme 27 f., 42. 
atttofojioloaie 8, 242, 245. 
atriotiämui 19. 
eifonalnieitung 188. 
etfonen 20, 136 ff.; juriftif^e 137; 
ferfonenU^te 118, 130, 136 ff. 
q)ef4eI,D. 230. 
Spflansenlörpet 9 f. 
f^iloloflie 202 f. 

$ r o 1 74. 

$oefle 206. 
$oIiti! 221 ff., 236. 
^Bolflfloniie 22, 
SßrQEii 21, 33, 140 f. 

tretä 201; ^reiSbilbung 187. 
teifung 198. 
«reffe 19, 75, 188. 
$robultion f. fierfteaen. 
«romiSfuitat 22. 
«f^Äolonie 1, 4, 11, 31 f., 56. 
fubltgitat 67. 

SHnffen 96, 230; SKaffenle^te 120. 
JHo^el 49, 85 f., 89 f., 92, 189, 

230, 241. 
SHo^eniofer 4. 
giaum 201; 3laumbet|«rfd&wnfl 189; 

SRaumDeranftaltungen 201 ; 9iaum? 

oertetir 172; SRaumoerlnüpfung 20, 

35, 67, 93. 
Stecht 18, 178, 199; SHetfjtSpbilo; 

fopliie 3; 91e^t unb Sitte 3 f. 
SHegierung 186. 
aieint)öfb 29, 170. 
SHeligion 58, 198, 210. 
SHeferoen 43, 193. 
Mtietotit 206. 



Sacfabeft^e 2a 

©aftgütet 21, 35, 102 ff., 106, 148; 
Sacdgüterbefiti 22; ®ci(^gütet»ef 
Ufft 164; Sad^güteroerfoigung 196. 

©ammlungen 69, 191. 



®amtperfonen 20 ff., 87, 62, 137, 

156 ff., 281. 
Sanierung beä ®efea((löaftäberou§t= 

feinS 79 f , 242, 244. 
Sagung 20. 
©(Raffen 140. 
S (i) e I H n g 70, 76. 
©i^icCfat 41, 146. 
©c^ilUi 42. 
©c&Ön^eit 207 f. 
~i%openbouer 29, 170, 

Aöpfung 28. 

*rift 205 f. 
_ d^utt) 17 f., 58, 207. 
Sc^u^, iiiternotionaler 232: ©(^u^« 

miltel 110; ©^u^oeranftaltungen 

244. 
©<ftroänne H f. 



©elbftänbigfett 38. 

©elbft&ülfe 40. 

Selbftfinn 60 

©eteWonSlehte 238. 

©id)ei^eit 35; ©ic^er^eitganftalten 

196. 
©ippf<ftaft 214. 
©Ute 199. 
©ittli(^»eit 199 f. 
©([anerei 23. 
SoUbarität 38 f-, 170 f. 
©LH'tiitleu m 
©Li?iitH>i'unife:feiiislil)te f. @efell= 

idiafiöbetoiiBlfdn. 
©üViill'iiirfioIogie 46 f-, 49. 
Sß.iiLidiiiifeitfdjaft 32. 
©L\uodieinii; 3"-'. 
Sü,iii,-)fH,'i',lV'U->f|ic 3d. 

©L'liDUt'yiüiliE ß-. 

©ii,jii.>iü.iic 1 r., 4, 7 ff.; i£|te ®runb= 

huioii •^'> j.; i^re ^tlfSmiffeii' 

f(i)ttften 32. 
©ojiop&nfir 32. 
©parroefen 201. 
©pelulattonen , natuip^tlofop^ifc^e 

2 f. 
©peitcet 3, 106, 132, 211. 
©piete 206. 
©prad)e 20, 23 f., 177, 201 ff-, 217, 

219,240;©pta*iufQmmen6angll9. 
©tQot 144, 200, 216 ff., 222; ®taat§= 

einitett 230 f.; ©iaafcggebiet 217; 

©taatägeroalt 186; ©tootSmoiftt 

147; ©taalämann 44. 



— 251 — 



©tattbegberoujtfcin 19. 

©tftrfe 145 f. 

©tatiftt! 44 f., 216. 

©tcxn, 8. 6. 

©tetnt^al 203. 

©tbrungen 8; ber ©efcOfcfiaft 242 ff. 

streit 169 ff. 

©gmbiofe 86, 91. 

@t)mboIe 105. 

©gmpatl^ie 13, 18. 

Jagcgpreffe 206. 

3:ätigfeit 194. 

aatfraft 125, 144 ff. 

^erf)nif 20, 35, 126, 140, 142, 148 ff., 

186, 200, 223, 240, 245. 
a:cilf9ftcm f. ^artialfgftcm, 
Stcrritortalitdt 218. 
2:crritonaIpoItti! 218. 
3;erntorium 217. 
äl)erapofo5ioIogic 8, 240, 245. 
a H n c n , 0. 98, 201, 236. 
a:iere: Stier gefcUf^aft 11; a:ter!örper 

9 f. ; ^terool! 11, 14 f.: Stierftaaten 

12; aierftöcfe 10. ^ 
^rabition 67 ff., 179, 189, 204 f., 

gefci)id^tltd^c 19. 
Transport 201, 245; a:ran§portfort' 

fd^rittc 43. 
2:ugcnb 199. 
a i) 1 r 86. 

Ueberlegenf)ett 179 f., 221 f. 

Ucbertteferung f. ^rabition. 

Ucbcrmcnfd^en 61. 

Ueber* unb Unterorbnung 237. 

Uebcrtragung 237. 

Utt5lcid&f)eit geiftigc 61. 

Untocrfalgemetnfd^aftcn 64, 135. 

Unbcrfttclt 213. 

Unlanb 101. 

Unteilbarfeit b. nat. ® ef eUf rfiaft 210 ff. 

Utttermeufd^en 61. 

Unternebmung 157. 

Unterorbnung 13 f. 

Unterrid^t 197. 

Unterwerfung 179, 181, 22 L f., 239. 

Unoermebrbarfeit ber ®üter 109. 

Urgefd^i(i)te 240. 

Urprobuftion 110. 

Urjuftanb 15. 

S^ariation 237. 



Sßerdnberlicfifeit ber ®efeafrf)aft 235. 

SBeranlagung 118 f.; ber Snbioibuen 
61. 

SBerbänbc f. ^Bereinigungen. 

SBerbilbungen f. Störungen. 

SBerebrung f. Sld^tung. 

SSerein 160. 

SBereinigungen 22, 157 ff. 

Sßererbung 190 f., 237. 

Söerfaffung 194. 

Söergeltunp 143. 

SöerböngniS 41. 

Söerfe^r 20, 22, 34, 36 f., 64, 156, 
160 ff. , 180 ff., 187, 193 ff. ; SBef en 
unb ©runb beSf. 161 f.; ^om* 
munifation u. S8er!e^r 162 f.; 
Seiftunggs u. ^uSeinanberf e^ung^o. 
163 f.; materielle, geiftige u. pe* 
mifd^te S8er!e^re 164 f.; einfeittge 
u. gegenfeitige SB. 165 f.; »roei« 
feitige «. 166 f.; STlatural* u. 
®elbt). 167 f.; miauf ber SB. 

167 f.; SluSbeutung in ben S5. 

168 f.; SBer!eI)r§begriffe 171 f.; 
S8er!ebr8fotgen 170; ^er!el)r§]^enis 
mungen 245; SBerfebr^oeranftal« 
tungen 195. 

SBerfettungen f. SSerfnüpfungen. 
^erfnüpfungen 10 f., 22 f., 30 f., 

35 ff., 41 f., 132 f., 198 f., 201 ff.; 

internationale 234. ^er!nüpfung§* 

erfd^einungen 20; SBerfnüpfungg^ 

mittet 198, 206; ä?er!nüpfungg^ 

ujeifen 23. 
^ermebrbarfeit be§ 2anbt^ 94 f.; 

ber ®üter 108 ff., 111; ber 95e^ 

oöKerung 121 f. 
SBemtögen22, 104 f., 138; Kategorien 

be§f. 106 ff.; SBermögenSbeftänbe 

106 ff.; S8ermögen§IeI)re 130; 

SBol!§oermögen 173, 191. 
SBernunft 59 f.: SBernunftentftel^ung 

240; SBernunftl^anbetn 18. 
S8erri(i)tungen 7, 173 ff. 
SSerfamnttungen 68, 195. 
SBerfici)erung 43; SBerft(f|erung§n)efen 

192, 195, 201, 244. 
Söerforgung 190 ff. 
SBerftaatlic^ung 222. 
«ertrag 161 f., 171, 231. 
Vertretung 194. 
SSerooßfommnung ber ©eoölferung 

121 ; ber SBilbungSmittel 122. 



— 252 — 



«0« 9 f., 12, 14 f., 19 ff., 23, 25, 
84, 86 f., 210, 216: SJolteanfd^au^ 
ung 57; 3Jol!gbctättgutta 101; 
SBolfSbcrouMctn 177, 203 ff., 210; 
Sßoügbilbung 112; S5oI!§ein!ommen 
114; ^olUtmxqit, geiftige 69; 
^Jolfggctft 49, 53 ;%oltmTpzx 129 ff., 
132, 144; ^JoIfSranb 87, 90 ff., 
100 f.; SBoßSIeibenfd^aft 58; S8oK§* 
feele 19, 49, 53; SßoI!§tdttg!ctt 
119 ff.; 3JoI!gtum f. SRationalttät ; 
S3ol!goermdgcn 10, 22, 103 ff., 
113 ff., 115 f., 230; SBoI!§ocrtrctung 
186; «oII§roiae 71, 75; SßoIfSroirt^ 
frf)aft 20, 148, 154, 196; fßomxoixU 
fd^aft§tc]^re 113; SBoügpfammcn^^ 
l^ang 16. 

Sßöücrberou&tfcin 229; «ölfcrpft)^ 
^ologic 49; SööHcrocrfebr 234; 
SööKcrtoclt 8, 231; Sßölfcr unb 
Sdnberroelt 228 ff. 

«oaftrc(fung§tdtig!eit ber ©efeK^- 
fcfiaft 58. 

3Jorau§ftd^t 43. 

Vorbeugung 242, 244. 

Vorräte 191. 

Vorredet 179. 

Vorfel^ung 42. 

Vorfid^t f. Vorau§fid^t. 

Vorftanbfcfiaft 194. 

aBacf)§tum§fran!f)eiten 245. 
SÖabl, freie 14. 
SÖa^rne^mutigStätigfeit ber ©efeU- 

frf)aft 58. 
SÖanberung 95 f. 
aßafferfräfte 110 f. 
aöed^felroir!ung 37, 163, 176, 196, 

198 200 232. 
SÖelt:' Söeltbetrad^tutig 29; SBelten^ 

bau 28 f.; aöeltgefd^icfite 228; Söelt- 



meinung 229; aßeltrei* 93; SBeU^ 

ppliti! 229; SBeltfprad&e 206, 229; 

äöeltftellung ber menfd^I. ©efett* 

fd^aft 27. 
SBert 126; SBerturtcir, öffetitlid^cS 72. 
SBertung 18, 20 f., 34 f., 57, 125 ff., 

140, 142, 166, 168, 187 f., 198, 

201, 209; internationale 229; Sßer* 

tungSraittel 108. 
2Befen§dbnIid)!eit f. 2lnaIogic 
2öefen§gleid^]Öeit f. ©omologie. 
SÖettberoerb 168. 
SÖettftreit 171. 
SBilbe 17. 

SBiUen m leben 170. 
Sßidengbeftrebungen 35. 
2öirtlid&!eit 154. 
SBtrtfd^aftgfül^rung 141 f., 154, 187, 

200. 
Sßiffen§genteinfrf)aft 19. 
SlBiffenf(*aft 197. 
SBoItmann 48, 196. 
Sßort 204. 

3eit 189 f., 201; Seitbe^errfd^ung 
189; 3eitgeift 76 ff.; 3eitoeran^ 
ftaltungen 191, 201; Q^ito^xUf)x 
172, 191; geitoerfnüpfung 20, 35, 
69, 190, 193; 3eitx)or!el)rungen 190. 

leßenreid^e 9. 

lin§ 193. 

;it)i«faüon 24 f., 239. 

(ufall 41 ff., 146. 

[ufunftSftaat 9. 

iuneigungen 66 ff., 143. 

iufanimen()ang, fo^ialer 17 f. 

lufammenfe^ungöformen 34. 

iuftanb§erfd^einungen 7. 

Iroang 39 f., 181, 185 f. 

ln)ang§gen)alt (QrvanQ^mad^t) 144, 
178, 184 ff., 196, 232 f.