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i
36^0,9 3 y
Systematisches Handbuch
der
Deutschen Rechtswissenschaft.
Unter Mitwirkong '
der ProfeuoTen Dr. H. Bninn«r in BerUn, Dr. V. Ehrsnbarg in GKttingen, '
Dr. 0. Glerha in Berlin, deg General -Proknr&tors Dr. J. GIUM-, früher in Wi«n, {
der Profeasoren Ür. C. 8. flrOnhut in Wien, Dr. k. Haenel in Kiel, Dr. A, Html«- in
BubI, Dr. P. KrOgar in Bonn, Dr. F. V. Mvtlb in Berlin, Dr. 0. HllKr in
Leipiif , Dr. k. Mandeluolm Bullnldji in WDrabnr^, Dr. L. MlttaU in Leipng,
Dr. Th. ■OMDiMii, früher in Berlin, Dr. F. Oalksr in Wünbnr^, Dr. M. Plppanhalffl
in Kiel, Dr. F. Ragalabargar in Ofittin^en, Dr. Lothar Sauflart in München,
Dr. R. Sahn in Leiptig, Dr. E. Slrohal In Iieipiig, Dr. A. V. Tnhr in StraÜBborg,
Or, A. Wach in Leiprig, Dr. R. Wagnar, früher in Leipiig, Dr. C. Wialand in Buel,
Dr. Karl Binding,
PnfMioi in Lalpiig.
Ente Abteilang, dritter Teil:
Th. Mommsen, Abriss des römischen Staatsrechts.
Leipzig,
Verlag von Duncker & Humblot.
1907.
\\ V'
Binding: Handbucb der Deotscben Recbtswisseoscliaft
L m.
Abriss
römisohen Staatsrechts
von
Theodor Mommsen.
Zweite, mit einem ßegister versehene Äufli^.
Leipzig,
Verlag von Duncker & Humblot.
Abriss
römisclieii Staatsrechts
Theodor Mommsen.
Zweite, mit einem Register versehene Auflage:
Verlag toh Duncker & Homblot.
1907.
Vorwort zur ersten Auflage.
Der mir von massgebender Seite geäusserte Wunsch, das römische
Staatsrecht in ttbersichtliche und für Juristen, die nicht zugleich Philo-
logen sind, ausreichende Gestalt gebracht zu sehen, hat mich ver-
anlasst diesen kurzen Abriss desselben zu entwerfen. Dass fttr lebendige
Anschauung und principielles Verständnis des römischen Privatrechts
und Privatprozesses es nicht genügt zu wissen, dass der Prätor die
rechtsprechende Behörde ist und der Gescbworne itMlex heisst, ist
ebenso einleuchtend wie die Entbehrlichkeit für den Rechtskundigen
der meisten Spezialitäten des öffentlichen Rechts des Römerstaats und
seines ebenso nothwendigen wie beschwerlichen philologisch- anti-
quarischen Apparats. Hier ist der Versuch gemacht worden die
wesentlichen Momente des öffentlichen Rechts der Römer systematisch
zu ordnen unter Weglassung der knapper Zusammenfassung nicht
fähigen Belege. Wenn es unzulässig ist mit unbewiesenen Behaup-
tungen öffentlich aufzutreten, so wird es, wo mit Anschluss des
kurzen letzten Abschnitts die Belege in einem ausführlicheren Werk
vorgelegt sind, einer so anspruchslosen Arbeit, wie die vorliegende
ist, gestattet sein dafür auf dieses zu verweisen.
Untergegangen ist das öffentliche Recht der Römer so wenig wie
ihr Privatrecht. Die fachmässige bei aller Schädigung dennoch ge-
schlossene Ueberlieferung, welche uns von diesem geblieben ist, fehlt
allerdings für jenes; aber die historische und selbst die pseudo-histo-
rische Ueberlieferung tritt dafür deckend und in mancher Hinsicht
überlegen ein. Insbesondere von der ältesten Epoche, für welche die
privatrechtliche Kunde in der Hauptsache versagt, ist uns hier in Insti-
tutionen und Traditionen ein Abbild ohne Farben, aber nicht ohne
feste Umrisse aufbewahrt. Vor der Plattheit derjenigen historischen
Forschung, welche das was sich nie und nirgend begeben hat, bei
VIII Vorwort.
Seite lassen zu dürfen meint, schützt den Juristen seine genetisches
Yerständniss fordernde Wissenschaft.
Das römische Gemeinwesen vom König Romulus bis auf den
Kaiser Diocletian und in raschem Ueberblick auch die diocletianische
Restauration, die nach römischer Zählung anderthalb Jahrtausende
umfassende und wahrscheinlich von ihr eher verkürzte als verlängerte
ununterbrochene staatliche Entwickelung einer politisch hochbegabten
und mehr als irgend eine andere auf sich selbst gestellten Nation
ist der Gegenstand dieser Darstellung.
Wenn die rechte Ordnung alles Verständnisses Schlüssel ist, so
stellen sich dieser hier ungewöhnliche Schwierigkeiten entgegen. Noch
in höherem Grade als in dem Privatrecht sind wir hier auf uns selbst
angewiesen; eine auch nur annähernd systematische Ueberlieferung
aus dem Alterthum besitzen wir für das Staatsrecht nicht. Aber auch
in der Sache selbst liegen die Hindernisse. Die einzelnen Institute
sind historisch entstanden, also irrationell; man muss ein jedes sowohl
in seiner Selbständigkeit zusammenfassen wie auch nach seinen oft
sehr mannichfaltigen politischen Functionen auseinanderlegen. Vor
allem das Zusammenwirken der Magistratur mit den Gomitien und
dem Senat, der Angelpunct der römischen Ordnung erschwert die für
die Darlegung unerlässliche Trennung und Wiederholungen lassen
sich nur beschränken, nicht vermeiden.
In diesem Abriss habe ich, schärfer als in der an den Apparat
gefesselten ausführlichen Darlegung, versucht den systematischen
Zusammenhang klar zu stellen, im ersten Buch die Bürgerschaft und
das Reich, im zweiten die Magistratur allgemein, im dritten die ein-
zelnen Aemter, im vierten die einzelnen Amtsfunctionen, im fünften
die Gomitien und den Senat entwickelt. Vielleicht ist es ein Vorzug
der für diesen Abriss gebotenen Kürze, dass die staatliche Ordnung
dadurch in ihrer Gliederung deutlicher hervortritt.
Berlin, im Mai 1893. Mommsen.
Die zweite Auflage giebt einen unveränderten Abdruck der ersten,
nur dass ein Register zugefügt worden ist.
Leipzig, im Mai 1907. Binding.
Inhaltsverzeichniss.
Erstes Buch.
Die Bürgeraohaft und das Beioh.
S«ite
1. Das Geschlecht und das ursprüngliche Bürgerrecht . . 8 — 10
Oesohleoht and Gemeinde. — Begriff des Oesohleohts. — Frauen und
Kinder im Geschleoht. — Frauen und Kinder in der Gemeinde. — Schei-
dung der Geeohleohtegenossenechaft und des BQrgerrechts, — Hangelnde
Handlungsflhigkeit des Geschlechts. — Das Geschlecht im Privatrecht,
— Zutreten und Ausscheiden der Gesohlechter. — Zahl der Geschlechter*
— Yerleihung des Patriciats in der Eaiserzeit. — Eintritt in das Ge-
schlecht durch Geburt, — durch die Ehe, — durch Adrogation, — durch
testamentarische Adoption, — durch Adoption unter Lebenden. ~ Aus-
scheiden aus dem Geschleoht. — Plebejisches Geschlechtsrecht,
2. Die Gliederung der patricischen Gemeinde • 11—14
Ctiria der BürgertheiL — Die Zehnzahl der Gurion. — Die drei Tribus
und die dreissig Gurion. — Gentes minores. — Organisation der Ourie. —
Organisation der Tribus. — HUitlrisch-politische Verschmelzung der
Tribus. — Hangelnde Handlungsfähigkeit des Gemeindetheils.
5. Die Clientel 15—21
Begriff der Hörigkeit. — Bechtsgrflnde der Hörigkeit. — Der Patronat.
— Priratrechtliche Stellung der Hörigen. — Prozessschutz. — Rechte nud
Pflichten der Clientel. — Politische Stellung des Hörigen. — Schwinden
der Hörigkeit.
4. Die Civität 22—27
Das BOrgerrecht im Yerh<niss zum Patrioiat und zur Plebitftt. -> Er-
werbung der CiTitAt: Geburt und Adoption, — Uebersiedelung, — Frei-
lassung, — Yerleihung. -> Kennzeichen und Erweis des Bflrgerrechts. —
Yorlust der CivitAt : ausUüidische Unfreiheit, — Kriegsgefangenschaft. —
BOmische Unfreiheit, — ausllndisches Bürgerrecht, ^ Austritt, — Straf-
Terfahren.
h. Die Gliederung der patricisch-plebejischen Gemeinde 28—86
Geschlechtsordnung nach Gurion. — Ansässigkeit nach den Bezirken« —
Bodentribus. — Die vier städtischen Tribus. — Hinzutreten der länd-
lichen Tribus. — Die 85 Tribus geschlossen. — Uebertragung der Tribus
auf die Person. — Uebertragung der Tribus auf die nicht ansässigen
Bllrger. — Organisation der Tribus. — Politische Verwendung des Bezirks
im Steuerwesen. — aerarii. — Soldzahlung. — Bdrgerleistungen. —
X InhaltsYerzeichniss.
Seite
Frohnden. — Umlage. — Adndui. — Capite centtt proleiaHi. — DienBtpflioht.
— Centnrienordniuig. — Beformirte Centurienordnung und Anknflpfang
derselben an die 85 Tribns.
6. Die privilegirten Bürgerklassen 87—4$^
1. Der Patriciat S. 87.
PatridLsoher Erbadel.— Curienstimmreoht. — Patrioisohe Centurien. —
Patricisohe Priesterthtlmer. — Patrioiflohe Aemter. ~- Die Patrioier im
8enat.
2. Die NobiUtät S. 41.
Quaai-Patrioiat der NobUitAt.
8. Der Senatorenstand S. 42.
Abzeioben des Senators. — SohauplAtze. — Stimmreoht. — Aemter,
Botschaften, Priesterthtlmer. — Qesohwornenstellen.
4. Die Ritterschaft S. 44.
Qualifloation fOr das Ritterpferd. — Militärische Formimng. — Ab-
seichen der Bitter. -- Schauplätze. — Stimmreoht. — Offlzierdienst. —
Bitterämter der Eaiserzeit.
7. Die zarUckgesetzten Bürgerklassen 50 — 55
1. Die Plebejer S. 50.
Sonderstellung der Plebs. — Plebejische Quasi-Magistrate. — Plebe-
jische Quasi-Oomitien.
2. Die Freigelassenen und verwandte Klassen S. 52.
Bechtsungleichheiten der Freigelassenen.
8. Die HdbbOrger S. 54.
Cnes »ine tuffragio.
8. Die latinische Nation und der italische Bund 56—65^
Latium und Born. — Der latinisohe Städtebund. — Umfang des latini-
schen Rechts. — Verlust des Kriegs- und Yertragsrechts. — Römische
Gesetzgebung. — Sonveränetätsrechte der latinischen Gemeinden. —
Rechtsgemeinschaft der liatiner mit den ROmem. — Internationale Ver-
hältnisse. — Der italische Städtebund. — Italici, — Wehrpflicht der Ita-
liker. — Vorrechte der Italiker.
9. Das ausseritalische Herrschaftsgebiet 66—72
Ausseritalische Bundesstaaten« — KOnigsbündnlsse. — Verlust des
Kriegs- und Vertragsrechts. — Wehrgemeinsohaft. — Souveränetätsrechte
der ausser! talischen Bundesgenossen. — Ausseritalische ünterthanen. —
Dedition. — Protinda^ soeii. — Feldherrliches Provinzialregiment. — Pro-
Tisorische Quasi-Autonomie. — Provlnziales Bodeneigenthum. — Provin-
ziale Abgaben. — ReichsangehOrigkeit der ProTinzialen. — Sinken des
Internationalyerkehrs.
10. Die Städtische Gliederung des Einheitsstaats 78—77
Städtebund und Einheitsstaat. — Rechtliche und Ortliche Oentralisirung
der Bürgerschaft. — Entstehung der M tmicipalverfassung. — StaatsbOrger-
und Heimathsrecht. — Inhalt des Hunicipalrechts. — Erstreckung des
römischen Bürgerrechts auf den gesammten städtischen Beichsverband.
Zweites Buch.
Die Magistratur.
1. D^r Amtsbegriff 81—87
Begriff der GemeindeTertretung. — Hagistratisohe Gemeindevertretung.
— Verhältniss der Magistratur zu den Comitien. — Freiwillige Uebemahme.
•^ Die königliche Vollgewalt. — Die Bepublik. — impertum, pctestas. — magi-
stratuit honor. — Kategorien der Magistrate. — Amtsgewalt ohne Amt.
InbaltsverzeichnisB. XI
Saite
2. Das sacrale Regiment 88 — ^95
Magistratar und Priesterthum. — Gleichartige Insignien. — Personale
Oleichbehandlung. — LebenslAngliohkeit. — Behandlung der Gollegiali-
tJlt. — Ernennung der Priester. — Oberpontiflcat. — Priesterliche Anspi-
elen. — Priesterliohes Imperium.— Hagistratische und priesterliohe Sacral-
ordnungen. — Hagistratische und priesterliche Sacralhandlungen. —
Sacrale Finanzirung. — Pontiflcales Piacularverfahren. — Pontifioale
Bechtweisung.
8. Das städtische und das Kriegsregiment 96 — 101
Iwtperium domi und miUiiae, — Oertliohe Scheidung. — Städtische Amts-
handlungen Ältester Ordnung. — Comitien und Senat. — Schätzung und
Aushebung. — Privatprozess. — Strafprozess. — Spätere Modiflcationen. —
Städtischer ProYocationsprozess. — Verschiedene Behandlung der Annui-
tät. — Verschiedene Behandlung der OoUegialität. — Verschiedene Be-
handlung der Stellvertretung. — Kriegsfall in der Stadt. — Personale
ComblnatJon des städtischen und des Kriegsregiments.
4. Die Creirung der Beamten 102—110
Nothstandsoommando. — Bechtliche OontinuitAt des Oberamts. — Inter-
regnalordnung. — Creirung durch den Interrez, — durch den Vorbeamten.
— Gompetenz zur Creation. — Ausschluss der Collegialitat. — Mitwirkung
der Bürgerschaft. — AUmAhliohe EinfOhrung der Comitialwahlen bei
dem Oberamt, — bei den niederen Aemtern. — Senatorische Beamten-
wahl unter dem Principat. — Die iBkiatiye bei der Rogation. — Zeit
der Creirung. — Designation.
5. Die Qualification fbr die Magistratar 111 — 11&
Ausschluss von der Wählbarkeit. — Mangelndes Vollbflrgerrecht. —
EhrenschmAlerung. — Dienstpflicht. — Belatire Beziehungen der Aemter
zu einander. — Amtsalter. — Magistratische Feststellung der (^aliflca-
tion. — Beschränkte Wählbarkeit unter dem Principat.
6. Collegialitat und Collision der Beamten 117— 12T
Begriff der Collegialitat. — Die Collegialitat der KOnigszeit. — Die
Collegialitat der Republik. — Magistratische Collegialitat. — Stellenzahl.
— Par potcMiag. — Potestas maior und minor. — Rechtsfolgen : Cooperation,
— Turnus und Loosung, — Competenztheilung. — Collegialitat neben
gesetzlicher Competenz. — Zweck der Collegialitat. — Intercession bei
ungleicher Gewalt, — bei gleicher Gewalt. — Tribunidsche Intercession.
— Intercession und Competenz. — Intercession beschränkt im Kriegs-
regiment. — Schranken der Intercession. — Wirkung der Intercession.
— Zwangsrecht der Intercession.
7. Amtsantritt und Rücktritt 128—186-
Ursprüngliche Lebenslänglichkeit des Amts. — Transitorisches Mandat.
— Betagung. — Annuität. — Berechnung der Amtfrist. — Fizirung des
Amtjahrs. — Theilung des Consularjahrs. — Formalien des Antritts. -~
Antrittsauspicien. — Trenwort der Bürgerschaft. — Beamteneid. — For-
men des Rflcktritts. — Einiluss des Rflcktritts auf die Gültigkeit der
Amtshandlungen.— Rechnungslegung. — Verantwortlichkeit des Beamten.
8« Die magistratischen Ehrenrechte und Emolumente . . 187—142
Fasces. — Purpur am Gewand. — Beamtensitz. — Ehrenabzeichen des
gewesenen Beamten, — des Privaten. — Magistratische Dienerschaft. —
Vergütung des Gemeindedienstes. — Aufwendungen fflr die Magistratur.
— Emolumente der Magistratur.
9. Stellvertreter. Gehülfen. Rathmänner 148—152
Beamtenmandat. — Gehfllfen. — Stellrertretung. — Mandirung im
städtischen Regiment. — Auspicien, Comitien, Senat. — Coercition und
Strafgewalt. — Civilprozess. — Census. — Heerbildung. — Steuerhebung.
.— Eassenftthrung. — Feldherrliche Stellvertretung. — Feldherrliche
Kassenführung. — Hülfscommando. — Feldh^rrliche Rechtspflege. —
Rechtsstellung der Amtsgehülfen. — Consilium.
XII Inbaltsverzeichniss.
Seite
Drittes Buch.
Die einzelnen Aemter.
' Die einzelnen Aemter. ~ Spaltung der ursprünglich einheitlichen Ma-
gistratur. — Die Spaltung in Ober- und Unteramt.
1. Das Königthum 157
KOnigsrechte.
2. Consulat und Consulartribunat 158 — 161
Benennung. — Zahl. — Qualiflcation. — Creirung. — Oertlicher Amt-
kreis. — Amtsdauer. — Ehrenrechte. — Competenz. — Consulartribunat.
3. Die Dictatur 162—163
Einrichtung. — Benennung. — Qualiflcation. — Bangstellung. — Crei-
rung. — Oertliohkeit. — Zeitdauer. — Ehrenrechte. — Competenz.
4. Die Pr&tur 164—168
Yerhiltniss zum Consulat. — Benennung. — Entstehung und Stellen-
zahl. — Qualiflcation. — Creirung. — Oertlicher Amtkreis. — Zeitdauer*
— Ehrenrechte. — Competenz.
5. Der Tribunat der Plebs 169-171
Entstehung. — Stellenzahl. — Qualiflcation. — Creirung. — Stelle in
der Aemterfolge. — Amtkreis. — Amtsdauer. — Ehrenrechte. — Compe-
tenz.
6. Die Censur 172—176
Entstehung. — Stellenzahl. — Creirung. — Qualiflcation. — Platz in
der Aemterfolge. — Oertlicher Amtkreis. — Amtsdauer. — Ehrenrechte.
— Competenz. — Censorisches Ehrengericht. — Schwinden der Censur.
7. Die Aedilität 177—179
Entstehung. — Zahl und Qualiflcation. — Platz in der Aemterfolge. —
Creirung. — Oertlicher Kreis. — Zeitdauer. — Ehrenrechte. — Compe-
tenz.
8. Die Quästur 180-183
Entstehung. — Zahl. — Qualiflcation. — Platz in der Aemterfolge. —
Creirung. — Oertlicher Amtkreis. — Amtsdauer. — Ehrenrechte. — Com-
petenz. — Yerhiltniss zum Oberbeamten. — Geschäftskreise.
9. Die übrigen ordentlichen Beamten der Bepublik. . . . 184 — 185
Kriegstribune« — Bichtherren. — Italische Gerichtsverweser. — Zehn-
mftnner für den Freiheitsprozess. — Beamte fOr Strassenreinigung, —
für Mflnzpr&gung.
10. Die ausserordentlichen Magistraturen der Republik . 186 — 189
Ausserordentliche Beamte für ausserordentliche Amtsgesch&fte. —
Ausserordentliche Beamte ftlr ordentliche Amtsgeschifte. — Beamte mit
constituirender Gewalt.
11. Der Principat 190-203
Entstehung. — Der Principat bleibende Institution. — Der Principat
Magistratur. — Imperator deus. — Imperator dominus. — Der Kaiser durch
die Gesetze gebunden. — Personalbenennung. — Titulatur. — Uebernahme
des Imperium. — Mangelnde Succession und deren Surrogate. — Ueber-
nahme der tribunioischen Gewalt. — Weitere Attributionen der Kaiser-
gewalt. — Ausschluss der Qualifloationsnormen. — Lebensl&ngliohkeit.
— Ehrenrechte. — Mangelnde Eponymie. — Competenz. — Das kaiserliche
Commando. — Inhalt der tribunioischen (Hwalt. ~ GemelndesouveränetAt
unter dem Principat. — Secundäre Mitherrschaft. — Sammtherrschaft.
12. Die kaiserlichen Unterbeamten und Hausverwalter . . 204—212
Kaiserliche Selbstregierung. — Consilium des Kaisers. — Ständische
Qualiflcation der kaiserlichen Amtsgehülfen. — Haaptst&dtis;.che Ter-
Inhaltsverzeichniss. XIII
Seite
waltnng: VerpflegungsweBen. — Bauwesen. — Polizei. — Italische Ver-
waltung. — F^OYinzialYerwaltung. — Magistratisohe kgati. — Niohtmagi-
stratisohe kgati — Offiziere von Bitterrang, — Niedere Hülfsthitigkeit.
— Die kaiserliche VermOgensyerwaltung. — Die kaiserlichen Finanz-
beamten.
Tiertes Buch.
Die einzelnen Amtsfunctionen.
1. Die sacralen Magistratsgeschäfte 216 — 221
Magistratische Opfer und Spiele. — GOtterzeichen. — Gottlicher Ein-
spruch. — Erbetene Gotterzeichen. — Verfehlung gegen die GOtterzeichen.
— Saorales Begiment der Magistratur. — Die Priesterschaft und die
Beohtspflege.
2. Das Zwangs- und Strafrecht 222—236
Zwang und Strafe. — Oberamtliches Zwangs- und Strafrecht. — Gehülfen
des oberamtlichen Zwangs- \ind Strafrechts. — Quästoren. — Dreimlnner
fflr CapitaUachen. — Perduellionsprozess. — Tribunicisches Zwangs- und
Strafrecht. — Goeroltion der niederen Beamten. — Die der Goercition
unterworfenen Personen. — Die der Goercition unterworfenen Hand-
lungen. — Ungehorsam. — Schädigung der Gemeinde. — PerdiuUio. —
Mord und Brandstiftung. — Specialgesetze. — Zwangs- und Strafmittel.
— Szecution. — Mangelnde Prozessnorm. — Die Provocation. — Beding-
ungen der ProTooation. — ProTocationsprozess. — Quästionsprozess« —
Senats- und Kaisergerioht unter dem Principat. — Gericht des kaiser-
lichen Stadtpr&fecten.
3. Die Rechtspflege 237--256
Begriir der Beohtspflege. — Jurisdiction und Imperium. — Magistrate
für die Beohtspflege. — Autonome Gemeinde- Jurisdiction. — Personale
Grenzen der Beohtspflege. — Sachliche Grenzen der Beohtspflege. — Sach-
liche Theilung der Beohtspflege. — Vormundschaftsbestellung neben der
Jurisdiction. — Verfahren bei der Beohtspflege. — Prätorische Quaai-Legis-
lation. — Klagerecht. — Klagrertretung für die Gemeinde. — Klagerecht
im Quästionenprozess. — Ertheilung der formula. — Leifis actio sacrametito.
— Interdictum, — Begulirung der Parteirollen. — Entscheidung aller Einzel-
fragen durch Geschworne. — Geschwomenyerfahren. — Geschwornen-
emennung. — Ittdex untM. — Becuperatoren. — Decemvirn. — Centum-
yim. — Triumvirn. — Verfahren yor den Geschwornen. — Ezecution bei
dem Priyatdelict. — Ezecution im Quästionenprozess. — Ezecution im
Sohuldyerfahren. — Untergang des Geschwomenyerfahrens. — Appellation.
4. Das Heerwesen 257-^-265
Dienstpflicht und deren censoriscbe Begulirung. — Alter. — Dienst-
fähigkeit. — Vermögen. — Ehrenhaftigkeit. — Das censorische und das
militärische Heer. — Das militärische Imperium und dessen Abstufungen.
— Einberufung zum Dienst. — Offlziersernennung. — Umfang der Aus-
hebung und Dauer der Dienstpflicht. — Allgemeines Gommando und Com-
mandosprengelf — Militärische Justiz. ^ Militärische Kassenyerwaltung.
— Beziehungen zum yerbüodeten Ausland. — Beziehungen zum nicht
yerbündeten Ausland. — Siegerehren.
5. Das Gemeindevermögen 266^280
Gegensätzlichkeit des Gemeinde- und des priyaten Vermögensrechts. —
Scheidung der VermOgensyerwaltung und der Kassen fflhrung. — Ober-
amtliche und censorische VermOgensyerwaltung. — Instandhaltung und
Verwerthung des Gemeindeguts. — Umfang der Gemeindeleistungen unter
der Bepublik: — Bauten, — Getreide, — unter dem Principat: Bauten,
— Loschwesen, — Getreide, — Gemeindeschenkungen. — Adsignation
des Gemeindelandes. — Das Becht zu adsigniren. — Oberamtliche Verwal-
tung der Gemeindekasse. — Quästorische Kassenyerwaltung und ihr Ver-
XIV Inhaltsverzeichniss.
Seite
hältnies zur oberamtllohen. — Umfang der Kassengeschäfte. — Contraot-
liche Zahlung. — Der Mbuhu. — Strafgelder. — Ezeoution der Gemeinde-
forderung. — Gemeindeschnlden. — Die Oemeindekasse unter dem Prin«
oipat. — Kaiserliche Klasse.
6. Die Verwaltung Italiens und der Provinzen 281 — 290
Die st&dtisohe Autonomie. — Begriff der Autonomie. — Mllit&rgewalt. —
Jurisdiction. — Strafgewalt. — Sacralwesen. — Vermögensverwaltung.
— Verfall der italischen Municipalverwaltung. — • Italiens MilltArstellung.
— Italiens Steuerfreiheit. — Die Reichsbehörden und Italien. — Die Pro-
vinzen. — Der Statthalter. — Provinziale Munioipalautonomie. — Statt-
halterliohe Rechtspflege. — Statthaltercommando. — Strafrecht. — Statt-
halterUohe Verwaltung.
7. Die Beziehungen zum Ausland 291 — ^294
Kriegsvertr&ge. — Ewiges BOndniss. — Gemeindewille. — Vertrags-
formen. — Zustimmung der Gemeinde. — Ablehnung der Gemeinde. —
Kriegfflhrung. — Botensendung.
Fünftes Buch.
Die Comitien und der Senat.
1. Befragung der Bürgerschaft 299—305
Die Btlrgersohaft. — Oeffentliohkeit der Amtsth&tigkeit. — Gliederung.
— Hagistratisohe Berufung. — Ankflndigung der Versammlung. — Die
Tage der Comitien. — Versammlungsort. — Vorbereitende Discussion. —
Berufung. — Auspioation. — Leitung des Verfahrens. — Gliederung der
Abstimmung. — Abgabe der Stimmen. — Ermittelung und Renuntiation
des Ergebnisses. — Das Mithandeln der Comitien. — Veröffentlichung
der Volksschlflsse.
2. Der Senat und dessen Befragung 806 — 317
Der patricische und der patrioisch-plebejische Senat. — Titulatur. —
Mitgliederzahl. — Ständische Qualiflcation. — VerhUtniss der Senatoren
zu den Gesohlechtem. — KOniglioh-oonsularische Senatorenwahl. — Cen-
sorische Senatorenwahl. — Senatsbildung durch die Comitien« — Sena-
torische Cooptation unter dem Principat. — Decurien des Senats. — Corre-
late Ordnung der Comitien und des Senats. — Magistratische Berufung. —
Ankündigung. — Die Tage der Senatssitzung. — Versammlungsort. — Be-
rufung. — Auspication. — Leitung des Verfahrens. — Allgemeine Frage-
stellung. — Umfrage. — Reihenfolge der Umfrage. — Klassen der Sena-
toren. — Princept »enatus. — Specielle Fragestellung. — Abstimmung. —
Aufzeichnung der Beschltlsse. — Veröffentlichung der Beschlösse.
3. Competenz der Comitien 318—324
Begriff der Comitien. — Gesetz-, Gerichts-, Wahlcomitien. — Lex. —
Lex data, lex rogata. — Unabftnderlichkeit der bestehenden Staatsordnung.
— Privilegium, ~ Gesetzkreis der Republik. — Uebergriffe der Comitien
in die magistratische Competenz. — Collision der Volksschlttsse. — Vi-
tiOser Volksschluss. — Der politische Werth der Comitien. — Untergang
der Comitien.
4. Competenz des Senats 325—839
Mitwirkung des patricischen Senats bei dem Volksschluss. — Aiictoritai
patrutn. — Inhalt und Schwinden der aucioritas. — Mitwirkung des wei-
teren Senats bei dem magistratischen Decret. — Ausschluss des Senats
von der Mitwirkung bei der ordentlichen Amtsthitigkeit. — Facultative
Zuziehung des Senats. — Senatsgutachten. ~ Verhältniss des Magistrats
und des Senats. — Sacralwesen. — Gesetz. — Wahlen. — Strafe und
Polizei. — Rechtspflege. — Aufstellung der Truppen. — Instruction fflr
die Kriegfflhrung. — Die Senatsoommissarien bei den Heeren. — Ge-
meindefinanzen. — Gesandten verkehr. — Auswftrtige Angelegenheiten.
InhaltsYerzeichmss. XV
S«it6
5. Die Dyarchie des Principats 340—345
Stellting des Prinoeps. — Stellung des SensU. — Daa Seii«tsgut*oht6ii
unter dem Principat. — Crimin*]Jnttix des Sen«ts. — Appellation an den
Senat. — Senatorieche Beamtenwahl. — Kaiserliche Oommendation. —
Kaiserliche Adlection. — Senatorisohe Oesetagebang für den Einzelfall.
~ Kaiserllohe Legislative fttr die auswirtigen Angelegenheiten, — für
Ertheilung des Bürger- and des Stadtreohts. — Allgemeine Legislative der
Comitien unter dem Frineipat. — Faotische allgemeine Legislative des
Senats unter dem späteren Prinoipat. — Der Beohtskreis der kaiserlichen
Ediote und Erlasse.
Die Staatsordnung seit Diooletian 347—863
Zusammenbruch des BOmerstaats im 8. Jahrhundert. — Anfinge In
der republikanischen Zeit. — Das Beamtenregiment unter dem Principat.
— Die Wehrordnung unter dem Principat. — Diocletianus. — Die Kaiser-
gewalt. — Die Beligion. — Beiohstheilung. — Trennung der Civil- und
der Hilitlrimter. — Beiohskanzler- und Beichsfeldhermsohaft. — Prae'
fecU praeiorio, — FraefecU wrbi. — Yiearii. — Praeiides. — Bechtspflege und
Verwaltung. — Appellation. — Steuer- und Kassenwesen. — Wehr-
ordnung. — IhtcM limitwn, — Magittri müttwm. — Der Senat und der kaiser-
liche Staatsrath. — Die BegierungsthAtigkeit des Kaisers. — Gesammt-
ergebniss.
Sachregister 364—875
Erstes Buch.
Die Bürgerschaft und das Reich.
Binding, Handbneh. I. 8: Mommsen, Abrias d. £öm. StaftUre«bU. 2. Aufl. 1
*
^
i. Das Geschlecht und das ursprüngliche Bürgerrecht
Wenn das römische Staatsrecht, das wie alles Recht den Staat o«MUMht
voraussetzt, von Hypothesen Ober vorstaatliche Zustände abzusehen oem^nde.
hat, so wird es dennoch gestattet sein darauf hinzuweisen, dass das
sogenannte Mutterrecht, das heisst die Ignorirung der Zeugung für die
Rechtsstellung der Person und die Basirung der gesellschaftlichen
Ordnung lediglich auf die Geburt, als nächste Vorstufe des römischen
Staatswesens nicht gedacht werden kann, vielmehr die Ehe, und zwar
wahrscheinlich die monogamische, da auf einstmalige Polygamie keine
Spur hinfahrt, mit ihren rechtlichen Consequenzen die Keimzelle des
römischen Staats gewesen sein wird. Auf der Ehe ruht das auf
«
sich selbst gestellte Geschlecht, allem Anschein nach die Vorstufe
der römischen Staatsbildung ; der römische Staat der ältesten er-
kennbaren Zeit kann nur als die Zusammenfassung neben einander
stehender Geschlechter, aber auch umgekehrt das römische Geschlecht
nur als im Staate begriffen gedacht werden.
Das Geschlecht umfasst alle männlichen und weiblichen Personen, Begrür
dos O^'
welche von einem gemeinschaftlichen Stammvater in männlicher Linie scuedita.
durch rechte Ehe abstammen oder als von ihm abstammend gelten,
wobei, wo die Zwischenglieder nicht genügend nachgewiesen werden
können, eine namentlich in dem gleichen Geschlechtsnamen zum Aus-
druck gelangende Rechtsvermuthung zum Erweis der Zugehörigkeit
genügt. Die Zugehörigkeit ist nothwendig exciusiv; wie nur einen
Vater kann man nur ein Geschlecht haben. Obwohl die Geschlechts-
zugehörigkeit auf der Thatsache der Zeugung beruht, wovon auch
die Benennung entlehnt ist, ist sie dennoch ein Rechtsbegriif, da die
Zeugung in rechter Ehe mit den daran herkömmlich anknüpfenden
Rechtsvermuthungen dabei zu Grunde liegt.
Wie das Geschlecht selbst , so ist auch die Stellung der Person Frauen und
innerhalb desselben nicht im Staate erst entwickelt, sondern mit dem oesdiieW
\
LV
4 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
Geschlecht (übernommen worden. Sie wird bedingt durch das Ein-
greifen des Eigenthumsrechts, welchen ursprünglichen, in der griechi-
schen Entwicklung früh überwundenen Charakter die römische Haus-
herrlichkeit bis in späte Zeit bewahrt hat. Das Weib ist der Geschlechts-
gemeinschaft fähig und privatrechtlich dem Manne wesentlich gleich-
gestellt; aber obwohl sie selber Eigentum haben kann, ist sie eben-
falls Gegenstand des Eigenthums. Es wird dieser Begriff in so unver-
hüllter Nacktheit auf sie angewendet, dass noch nach Zwölftafelrecht
die Ehefrau wie jede andere bewegliche Sache durch jährigen Besitz
dem Manne erworben wird. Ja die Unterthänigkeit des Weibes kann
nach älterer Ordnung nur gewechselt, nicht gelöst werden: sie tritt
aus dem Eigenthum des Vaters in das des Gatten und , wenn beide
fehlen, in das der nächsten männlichen Verwandten, deren Gewalt
über die Frau, wie die Behandlung des Frauengutes und des Straf-
rechts über Frauen zeigt, ursprünglich eben auch eine hausherrliche
gewesen ist. Wenn ihr griechischer „Herr" (xvQiog) in geschichtlicher
Zeit nichts ist als ihr Vormund, so hat das Herrenrecht über die
Frau in der römischen Entwicklung, wie die allmähliche Beseitigung
des weiblichen Eigennamens und ihre Benennung nach der blossen
Geschlechtszugehörigkeit und der Nummer in der Kinderreihe dies
zeigt, wenigstens in der rücksichtslosen Folgerichtigkeit der Theorie
in der lebendigen Zeit der römischen Entwicklung sich eher verschärft
als gemindert, bis in dem späteren Reich die Gegenwirkung des
hellenischen Wesens auch auf diesem Gebiet sich geltend machte. —
Nicht geringer, ja privatrechtlich noch stärker ist die Gewalt des
Ascendenten über seine Descendenz: auch diese Hausherrlichkeit ist
einfach Eigenthum und gestattet dem Ascendenten sogar die Ver-
äusserung des Sohnes und des Enkels. Sie ist nach ältester Ordnung
ebenfalls insofern unlösbar, als ihr bei Lebzeiten des Vaters selbst
mit dessen Willen kein Ziel gesetzt werden kann. Wohl aber löst sie
sich durch den Tod des Vaters für mündige Kinder schlechthin, und
die für unmündige Kinder in solchem Fall eintretende Vormundschaft
ist von Haus aus eine blosse Hut und durch Endtermin begrenzt. Die
mündigen Geschlechtsangehörigen männlichen Geschlechts stehen un-
abhängig und gleichberechtigt neben einander.
^"^.ei' Indem das römische Volk das Geschlecht in sich aufnahm, wurden
und Kinder '
oimetSde ^^^^ Sätzo , dio Unf&higkeit der Frau zu eigener Gewalt und das
Eigenthumsrecht des Vaters an ihr und an dem Sohne wohl mit über-
nommen, aber zugleich blieb der letztere für die Rechtsstellung inner-
halb der Gemeinde ausser Anwendung. Es entwickelt sich der zwiefache
Begriff der vollen und der bloss politischen Rechtsfähigkeit: neben
1. Das Geschlecht und das ursprüngliche Bürgerrecht 5
dem Sklaven und dem Auslftnder, welche privatrechtlieh dem Eigen-
thum unterliegen oder in dasselbe eintreten können und denen die
private wie die staatliche Rechtsfähigkeit mangelt, stehen die Personen
in der Gewalt, welche ebenfalls privatrechtlich dem Eigenthum unter-
liegen, aber publicistisch rechtsfähig sind und darum im Gegensatz
zu den Sklaven des Hauses die Benennung liberi führen. Die Bürger-
schaft wird also gebildet aus sämmtlichen Genossen der staatlich ver-
einigten Geschlechter; die Zugehörigkeit zu derselben ist nichts als
die Zugehörigkeit zu einem von dem römischen Gemeinwesen um-
fassten Geschlecht, jeder gentüis als solcher quiris, welches die älteste
Bezeichnung des Bürgers ist, im Gegensatz sowohl zu dem dem
römischen Staat als Sache angehörigen Menschen, dem Sklaven wie
auch zu dem ausserhalb des römischen Staats stehenden Fremden.
Auch die Exclusivität überträgt sich von dem Geschlecht nothwendig
auf das Volk; die Gewinnung des römischen Bürgerrechts ist unver-
einbar mit dem Besitz eines anderen von Rom anerkannten, und um-
gekehrt hört das römische Bürgerrecht von Rechts wegen auf, wenn
der Bürger in nach römischer Anschauung rechtsgültiger Weise in eine
andere Bürgerschaft eintritt.
Als Geschlechtsgenossenschaft und Bürgerschaft aufhörten sich zu scheiduigd.
decken und der letztere Kreis, wie dies im vierten Kapitel gezeigt ^^'l^^^n^'
werden wird, einen weiteren Umfang erhielt, schwand die Bezeichnung dI?*BftJSä-
qwiHs vor der späteren ciwi und kommt für die [Geschlechtsgenossen, ^'^^^'
welche seitdem unter den Bürgern als Erbadel eine bevorzugte Stellung
einnehmen, im Anschluss daran, dass im strengen Sinn des Wortes
sie allein rechter Ehe und rechter Vaterschaft fähig sind, die distinc-
tive Bezeichnung auf der Väter, patres, welche in den Zwölftafeln
gebraucht wird, oder auch der Vaterkinder, patricii, welche späterhin
dafür eintritt.
Die Handlungsfähigkeit fehlt dem dem Staat einverleibten Ge- Manpiade
schlecht und ist, wenn sie in der vorstaatlichen Epoche ihm zukam, ^SU^St«
durch die Einverleibung ihm verloren und auf den Staat übergegangen. ^^'^ ^^*^**
Den Magistraten und den Gomitien des Staates gegenüber ist das
Geschlecht hauptlos und die Genossen desselben unfähig zur Beschluss-
fassung; es giebt für dasselbe wohl Gemeinschaftlichkeit der Gottes-
verehrung, aber keine sacrale Vorstandschaft, wohl Sondergebräuche,
aber keine Sondergesetze. Die Wahrung der Geschlechtsrechte sowie
die Festsetzung der nothwendig erscheinenden Abweichungen von der
allgemeinen Geschlechtsordnung liegen nicht dem einzelnen Geschlecht
ob, sondern, wie dies weiterhin entwickelt werden wird, der Gesammt-
heit aller Geschlechter, das heisst dem Staate durch seine Priester
6 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
und Beamte und schliesslich durch seine Gomitien. So wenigstens
tritt uns in historischer Zeit das Geschlecht entgegen. Wenn dieser
Unterwerfung desselben unter die Gesamtheit Kämpfe und Krisen
voraufgegangen sind, die Hauptlosigkeit des Geschlechts vielleicht erst
in harter Arbeit erstritten worden ist, so ist doch selbst die Erinnerung
an eine andere Ordnung verschollen; der grosse politische Grund-
gedanke, dass die staatliche Einigung die Selbständigkeit des einzelnen
Theils ausschliesst , ist sicher in Rom schon in diesem ersten und
vielleicht schwersten Abschnitt der politischen Entwicklung begriffen
Gerecht ^^^ durchgeführt worden. Privatrechtlich dagegen hat das Geschlecht
^^w^tf^ als einheitliches Rechtssubject sich länger und in gewissen Gonsequenzen
bis in die Kaiserzeit hinein behauptet. Für den privaten Territorial-
besitz ist ursprünglich wahrscheinlich nicht der einzelne Bürger der
Träger gewesen, sondern das Geschlecht ; und wenn, wie dies nicht wohl
anders gewesen sein kann, auch der Heerdienst einstmals allein den
Patriciern obgelegen hat, so ist er hienach darum nicht weniger auch
damals schon mit dem privaten Bodeneigenthum verknüpft gewesen.
Wenngleich dieser Geschlechtsgrundbesitz schon in vorhistorischer Zeit
dem individuellen Bodeneigenthum gewichen ist, so sind das Geschlechts-
erbrecht so wie die Geschlechtsvormundschaft sowohl in den zwölf
Tafeln anerkannt wie auch noch lange nachher praktisch angewandt
worden. Allerdings ist dabei wohl nicht das Geschlecht als solches als
Rechtsträger gedacht, sondern es werden die sämmtlichen Geschlechts-
genossen ebenso wie die rechtsgleichen Agnaten zur concurrirenden
oder electiven Ausübung dieser Rechte berufen. Auf eine auch
nur privatrechtliche Vertretung des Geschlechts als solchen führt
keine Spur.
Au^hdden I)äs Geschlecht kann durch den Staat und dessen Gesetz nicht
8chie(2tir. geschaffen werden ; wohl aber kann, soweit die nationale Gleichartig-
keit reicht, das einem stammverwandten Staat angehörige Geschlecht
aus diesem gelöst und mit dem römischen vereinigt werben, und
ebenso können mehrere stammverwandte Gemeinden sich zu einer
einzigen verschmelzen. Auf dem einen und dem anderen Wege hat
sich das patricische Rom allem Anschein nach lange Zeit hindurch
durch den Zutritt weiterer Geschlechter erweitert. Von solcher Ein-
reihung der Geschlechter, vor allem von dem Aufgehen dreier Ge-
meinden in Rom und von der Einzelaufnahme der Glaudier unter die
römischen Geschlechter haben sich in den Anfängen der historischen
Ueberlieferung Nachrichten erhalten, die ihrer Grundlage nach glaub-
würdig erscheinen. Indess fiel diese Reception neuer Geschlechter weg,
als die Patriciergemeinde, wie weiterhin gezeigt werden soll, das Recht
I
1. Das Geschlecht und das ursprüngliche Bürgerrecht. 7
der Gesetzgebung verlor und ttberhaupt zu funktioniren aufhörte : die
patridsch- plebejische Bürgerschaft konnte wohl dem Einzelnen das
Bürgerrecht verleihen, aber für die Aufnahme des Geschlechts in den
Patricierverband fehlte es seitdem an einem Organ und in historischer
Zeit hat sie nicht stattgefunden. — Wie das Geschlecht vom Staat
nicht geschaffen ist, kann es auch von ihm nicht aufgehoben werden ;
es bleibt, bis es ausstirbt. Ausscheidung dagegen durch Uebertritt eines
römischen in einen anderen Staatsverband ist rechtlich statthaft und
wird in ältester Zeit bei Gebietsabtretung auch vorgekommen sein,
wenngleich die patriotische Annalenredaction davon nichts weiss. — Eine ^^^^l'?«?^
geschlossene Zahl der Geschlechter kann es hiernach zu keiner Zeit ge-
geben haben. Die römische Ursprungslegende, auch hierin schematisch,
setzt als Keim der Gemeinde hundert keinem anderen Staat ange-
hörige Männer und hundert von diesen durch Raub gewonnene Weiber
an und verdeutlicht, indem sie diese hundert Paare als die älteste
Geschlechtergemeinde fasst, den dem Geschlecht zu Grunde liegenden
Begriff der agnatischen Descendenz. Diese Rechtsfiction darf daran
nicht irremachen, dass das Geschlecht auch nach römischer Auffassung
in seinem Bestehen und in seinem Vergehen vom Staat unabhängig und
also der legalen Normirung entzogen ist. Noch weniger kann bei den
Geschlechtem die Kopfzahl der Angehörigen jemals auch nur annähernd
gleich gewesen sein.
Das Geschlechtsrecht kann nur erworben werden durch Eintritt verieiknng
in ein bestehendes Geschlecht ; individuelle selbständige Erwerbung cuts in der
desselben würde auf die Schaffung eines neuen Geschlechts hinaus- ^ *^^'
laufen, welche nach dem eben Bemerkten rechtlich unstatthaft ist.
Darüber hat sich indess die beginnende Monarchie hinweggesetzt und
die individuelle Verleihung des Patriciats in der Weise zugelassen,
dass der neue Patricier gleich dem Senator des Romulus als Geschlechts-
haupt angesehen wird. Nachdem der Patriciat in der republikanischen
Entwicklung zum Erbadel geworden war, gesellte die Monarchie ihm
den erblichen Brief adel bei, ohne dass indess das Institut wesentliche
Bedeutung erlangt hätte. Durch Gonstantin wurden diese erblichen
Adelsrechte aufgehoben und es wird der Patriciertitel seitdem mit
gesteigertem Rang, aber als höchster Personenadel von der Regierung
verliehen.
Der Eintritt in das Geschlecht erfolgt regelmässig, gleich dem Eintritt
Eintritt in die väterliche Gewalt, durch Zeugung von einem, römischen oesehieeiit
Geschlechtsgenossen in rechter Ehe, wobei für den letzteren Begriff Geburt.
die zur Zeit bestehende Rechtsordnung zu Grunde gelegt wird; es
kommt also der Rechtsstand der Mutter nur insoweit in Frage, dass
8 Erstes Buch. Die Bargerschaft und das Reich.
sie zu dem Vater in EhegemeinBchaft (cannubium) gestanden haben
muss. — Abgesehen von der Zeugung kann der Eintritt in das
Geschlecht erfolgen:
darpii die 1. wahrscheinlich durch die älteste Ehe. Da die formale Ehe von
Rechts wegen die väterliche sowie bei der vaterlosen Frau die vor-
mundschaftliche Gewalt bricht und die eheherrliche begründet, so kann,
falls der Gatte einem anderen Geschlecht oder gar einem anderen Staat
angehört, das bisherige Geschlechts- und eventuell das Bürgerrecht
der Ehefrau nicht füglich fortbestanden haben. Die nicht formale Ehe
dagegen giebt die eheherrliche Gewalt nur dann, wenn sie durch Kauf
oder Ersitzung besonders begründet wird und hat daher wahrschein-
lich von jeher das Geschlechtsrecht der Frau nicht berührt; ja bei
dem frühen Zurücktreten der confarrecdio ist aus unserer Ueberliefe-
rung der Geschlechtswechsel durch Ehe überhaupt verschwunden und
lediglich eine freilich nicht wohl abzuweisende Vermuthung. — Wenn
hiedurch die Annahme nahegelegt wird, dass in ältester Zeit, als die
Geschlechtsgemeinschaft noch in voller Kraft stand, die Ehegemein-
schaft regelmässig auf das Geschlecht beschränkt und Uebertritt der
Frau in ein anderes Geschlecht exceptionell war, so findet dies eine
Bestätigung in der Behandlung des Frauenguts. Für die Ehe mit
einem Nicht-Geschlechtsgenossen bedarf die Haustochter nur, wie für
jede Ehe, der Zustimmung des Vaters, da sie eigenes Gut nicht haben
kann; bei der vermögensfähigen Frau dagegen wird nicht bloss die
Einwilligung der Vormünder, das heisst der nächsten Geschlechts-
genossen gefordert, sondern auch ein legislativer Act, welcher ihr das
Ausheirathen aus dem Geschlecht freigiebt.
dnreh 2. Dlo Annahme an Kindesstatt steht selbstverständlich der
"* Zeugung in der Sechtswirkung gleich und kann also auch den
Geschlechtswechsel herbeiführen, ist aber nur statthaft einerseits mit
Einwilligung des neuen Vaters und des neuen Kindes vor versammelter
Bürgerschaft, andererseits mit Einwilligung der Bürgerschaft selbst.
Dieser zunächst, solange die Geschlechtsgenossen allein Bürgerrecht
hatten, nur zwischen Patriciern statthafte Act, die adrogatio, ist später-
hin auch auf die Plebejer erstreckt worden, wahrscheinlich weil die
Curien, als sie die staatliche Gesetzgebung verloren, zunächst als
Patricierversammlung für diesen Legalact competent blieben und diese
Competenz auch dann behielten, als späterhin das Stimmrecht in den-
selben auf die Plebejer erstreckt ward. Immer aber blieben von
der Adrogation ausgeschlossen die Weiber, die Unmündigen und die
Nichtrömer, da diese in den römischen Comitien eine Erklärung
1. Das Geschlecht and das nisprangliche Bürgerrecht 9
nicht abgeben konnten, desgleichen die Haassöhne, weil diese selbst
mit Zustimmung des Vaters ttber sich nicht verfügen konnten.
8. Die Annahme an Kindesstatt kann auch nach dem Tode desduroh testa-
neuen Vaters in der Weise erfolgen, dass in dem Comitialact an die "^doption,^
Stelle der Erklärung des neuen Vaters dessen letztwillige Ver-
fügung tritt.
4. Das in der Gewalt stehende Hauskind kann wie der Sklave doroh Adop-
den Herrn wechseln und durch einen in der Form der Mancipation Lewen!
vollzogenen Privatact unbeschadet seiner bürgerlichen Freiheit zu
seinem Erwerber in dasselbe Verhältniss privatrechtlicher Unfreiheit
treten, in dem es sich seinem Vater gegenüber befunden hat. Hiebei
wurde nach den späterhin geltenden Ordnungen dem Erwerber ge-
stattet zu erklären, dass er das Hauskind nicht als Sklaven (m causa
mancipii)^ sondern als Haussohn übernehme und diese Uebernahme
(adoptio) in ihren Wirkungen der Adrogation dann gleichgestellt, wenn
durch dreimaligen Verkauf des Sohnes gemäss einer Bestimmung der
Zwölftafeln der Rückfall des aus der Gewalt gegebenen Sohnes an
den Vater definitiv beseitigt, ausserdem durch einen Scheinprozess der
neue Vater als solcher gerichtlich anerkannt war. Es kann auf diesem
Wege nicht bloss der Haussohn jedes römischen Bürgers, selbst des
Freigelassenen zum Patriciat, sondern selbst das Kind des Latiners
zum römischen Bürgerrecht gelangen und jede staatliche Mitwirkung
scheint dabei ausgeschlossen; doch mögen entsprechende Prohibitiv-
vorschriften uns unbekannt geblieben sein. Unter allen Umständen
ist diese Adoption sicher nicht ursprüngliches Becht, sondern eine der
zahlreichen juristischen Erfindungen, die das alte Geschlechtsrecht
sprengen halfen.
Das Ausscheiden aus dem Geschlecht, abgesehen vom Todesfall, AaBBoheidea
am dam
ist entweder als Geschlechtswechsel bereits erörtert oder stellt sich dar oeBcUeoiit.
als Verlust des ursprünglichen Bürgerrechts, mit dem das Geschlechts-
recht zusammenfällt. Dieser Verlust tritt ein sowohl bei der Gewinnung
des Plebejats wie bei dem nach römischer Auffassung rechtsbeständigen
Uebertritt in ein anderes Gemeinwesen mit oder ohne Verlust der Frei-
heit. Indess werden beide Fälle passender bei dem späteren Bürger-
recht (S. 25) erörtert, für das wir allein positive Zeugnisse besitzen.
Ausserhalb des patricischen Kreises giebt es eine römische Ge-Pi«b^i>^«
schlechtsgemeinschaft im strengen Sinn des Wortes nicht. Dennoch r«ciit.
bestehen auch innerhalb der plebejischen Bürgerschaft gleichartig ge-
ordnete und keineswegs bloss durch thatsächliche Verwandtschaft zu-
sammengehaltene Verbände, die zwar auch gentes heissen, in ge-
10 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
nauerem Sprachgebrauch aber diesen Namen nicht führen. Die von
einem patricischen Geschlecht abstammenden, in einer der später zu
erörternden Formen ihres Adels entkleideten plebejischen Häuser haben
die Gemeinschaft unter sich und selbst mit ihren patricischen Bluts-
genossen nicht fallen lassen und auch die zahlreichen Adelsfamilien
der dem römischen Staat einverleibten latinischen Städte werden die-
selbe bewahrt haben. Wenn der Patricier nothwendig Geschlechts-
genosse ist, so mag den Plebejern freigestanden haben, etwa nach
Anzeige und Ausweis bei dem PontificalcoUegium, geschlechtliche Ver-
bände mit privatrechtlicher Geltung zu constituiren. Von den den
eigentlichen Geschlechtsgenossen vorbehaltenen politischen [Rechten
sind die plebejischen Gentilen ausgeschlossen. Dagegen ist es nicht
unwahrscheinlich, dass das gentilicische Bodeneigenthum, so lange es
bestand, sich nicht auf die Patricier beschränkt hat; sicher kommt
das gentilicische Erbrecht und die gentilicische Vormundschaft nicht
diesen ausschliesslich zu.
2. Die Gliederung der patricisclien Gemeinde.
Wenn von den allem Anschein nach nur fQr sacrale Zwecke a«naaec
dienenden örtlichen Eintheilungen der Stadt in mantes und der Flur in
pagi sowie von den 27 Stadtbezirken der Argeerkapellen im Staats-
recht abgesehen werden kann, so gehört dagegen die politische Glie-
derung zum Wesen des Staatsbegriffs; die Handlungsfähigkeit der
Gesammtheit wird dadurch bedingt, dass sie in fest normirte Abthei-
lungen sich auflöst und die verschiedenen Abtheilungen gleichartig und
wo möglich gleichzeitig thätig werden. Die älteste und ursprünglich
einzige, allen latinischen Völkerschaften gemeinsame Bezeichnung des
integrirenden und zu politischem Handeln fähigen Theilverbandes der
Sammtgemeinde ist curia, verwandt mit der ältesten Bezeichnung des
Bürgers quiris. Auch dieser Verband ruht auf dem Geschlecht, in-
sofern einer jeden Curie eine gewisse Anzahl Geschlechter ein für
allemal zugeteilt ist, also wie der popülus die allgemeine, so die
curia die engere Geschlechtsgenossenschaft darstellt. Wenn insofern
die Curie als Personalverband auftritt, so ist sie doch, da die
Benennungen der römischen, soweit wir sie kennen, örtliche sind,
wenigstens anfänglich auch örtlich geschlossen gewesen ; es geht dies
vermuthlich darauf zurück, dass für das private Bodeneigenthum der
älteste Träger das Geschlecht gewesen zu sein scheint (S. 6) und
daher der Personalverband einer Anzahl Geschlechter nothwendig
zugleich Bodenverband ist. Indess nach der Individualisirung des
Bodeneigenthums ist diese Grundlage weggefallen und umfasst die ein-
zelne Curie wohl noch alle Aemilier oder alle Comelier, wird aber nicht
mehr auf den Boden bezogen. In personaler Beziehung gehen, dem
Verhältniss des Ganzen und des Theils entsprechend, Gemeinde und
Curie parallel und gehört jeder Bürger von Rechts wegen einer,
aber auch nur einer Curie an ; bei Erweiterung der Bürgerschaft durch
Zutritt neuer Geschlechter werden für diese entweder weitere Curien
eingerichtet oder sie in die bestehenden eingeordnet. So lange Ge-
schlechtsrecht und Bürgerrecht zusammenfallen, umfassten die Curien
X2 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Beich.
activ sämmtliche Patricier, passiv sftmmtliche Hörige derselben ; nach-
dem die letzteren zum Bürgerrecht gelangt sind, ist die active Zu-
gehörigkeit zu den Curien auch auf sie ausgedehnt worden. Wenn
also die Curie auf dem Geschlechtsbegriflf ruht, so verschwindet inner-
halb derselben das Geschlecht und das Haus ebenso wie innerhalb
des Populus ; sie besteht aus einer Anzahl unter sich gleichstehender
Geschlechtsgenossen.
Die Zehn- Die Gniudzahl der Volkstheilung ist, dem ältesten latinischen Deci-
cnrien' malsjstem entsprechend, die Zehnzahl : jede Gemeinde besteht aus zehn
Curien. Indess haben in frühester Zeit drei latinische Gemeinden, die
Titienses, Bamnes und Luceres, sich in der Weise zu einem Sammt-
Staat verschmolzen, dass eine jede ihre zehn Curien behielt und da-
raus eine Sammtgemeinde von dreissig Curien hervorging. Darauf
Die drei boruht der spätere Gegensatz von tribus, ursprünglich das Gemeinde-
die^^iMig gebiet , und popuhiSj zunächst das Gemeindeheer; beide Begriffe, an
sich wesentlich zusammenfallend, werden in historischer Zeit dahin
unterschieden, dass tribus jenen Mittelbegriff zwischen dem Ganzen
und dem Theil, das Drittel der Bürgerschaft und des Bodens, pcptdHs
die dreieinige Gemeinde ausdrückt. Was hierin angedeutet liegt, dass
diese Einigung keine vollkommene war und die einzelnen Drittel wenig-
stens anfilnglich eine gewisse Selbständigkeit bewahrten, findet darin
seine Bestätigung, dass in der Dreissigcuriengemeinde , soweit dies
unbeschadet des monarchischen Regiments möglich ist, namentlich in
der Bildung der Priesterschaften und in der militärischen Organisation,
die Procedur des Zusammenlegens gleichfalls hervortritt. Da die drei
Tribus in fester Folge auftreten, so mag darin eine gewisse Rangfolge
zum Ausdruck kommen, auch in mancherlei Einzelheiten, insbesondere
bei den sacralen Einrichtungen, Bevorzugung oder Zurücksetzung statt-
gefunden haben; die wesentliche Rechtsgleichheit aber aller Abthei-
lungen unter sich unterliegt keinem Zweifel. Nachher ist der gleiche
Weg der unvollkommenen Einigung nicht wieder beschritten worden.
Weitere Theilganze sind späterhin nicht gebildet, sondern alle in die
römische Bürgerschaft aufgehenden Gemeinden oder Gemeindetheile
in ihre Geschlechtsgenossenschaften aufgelöst und diese in die be-
Gmiis stehenden dreissig Verbände eingereiht worden. Allerdings scheint
nach deren Einrichtung, aber ebenfalls in sehr ferner Zeit, ein zweites
Gemeinwesen, vielleicht die Stadt auf dem Quirinal, mit der pala-
tinisch - capitolinischen in der Weise verschmolzen worden zu sein,
dass ihre Geschlechter unter sämmtliche dreissig Curien vertheilt und
in jeder derselben diese relativ neuen als gentes minores von den
älteren unterschieden wurden, was sich dann weiter auf die noch
minortt.
2. Die Gliederung der patriciscben Gemeinde. 13
später einzeln eingeordneten Geschlechter erstreckt haben wird und
für die Reihenfolge der Abstimmung im Senat massgebend geblieben
ist. Aber eine eigentliche Rechtsverschiedenheit zwischen den älteren
und den jttngeren Geschlechtern hat sicher nie bestanden. Die assimi-
lirende Macht der Gesammtheit, das Princip, dass die Gemeinde nicht
wieder aus Gemeinden, sondern nur aus Personen bestehen kann, hat
bis zum Untergang des Freistaats, ckessen letzte Krisen in der Municipal-
Ordnung die entgegenstehende Tendenz zum Ausdruck brachten (S. 73),
die staatliche Entwicklung Roms ausschliesslich beherrscht.
In Fortsetzung eben dieser principiellen Gestaltung wird zwar
die Gliederung der Gemeinde gestattet oder vielmehr gefordert, aber
für das einzelne Glied die Hauptlosigkeit und die Handlungsunfähig-
keit ebenso streng durchgeführt wie fQr das Geschlecht.
Die Curie hat wohl eine sacrale Organisation, wie ja auch dem ^^^"f^^
Geschlecht die sacrale Gemeinschaft zukommt, und sogar priesterliche c^^^-
Vorstände; aber von einem Sondercult der einzelnen Curie erfahren
wir wenigstens nichts, und es scheint diese Einrichtung hinauszulaufen
auf gemeinschaftliche, nach Curien gegliederte Gottesverehrung der
Gesammtheit. In politischer Hinsicht ist die Hauptlosigkeit der Curie
unbedingt durchgeführt; es giebt für die einzelne auch nicht die
Analogie einer Magistratur.
Nicht ganz dasselbe gilt fttr die drei Theilganzen, die ja in der ^^J^"^^^^
That dem Assimilationsprincip widerstreben. Die sicher zur Fest- i^nbas.
haltung der alten Sacra der vornehmsten Tribus eingerichtete Ge-
nossenschaft der titischen Brüder ist in ihrer Sonderstellung bemerkens-
werth. Ebenso giebt es, wie schon bemerkt ward, nach den ältesten
Ordnungen deshalb drei Pontifices, weil jede Tribus den ihrigen fordert.
Auch in politischer Hinsicht begegnet uns gleichartig der tribunus
müiium als der Führer des Fussvolkes, der tribunus celerum als der
Führer der Reiter eines jeden der drei Drittel; denn dies sind sie
ohne Zweifel ursprünglich gewesen. Indess in geschichtlicher Zeit ist
wenigstens die politische Sonderstellung der einzelnen Tribus bis auf die
Erinnerung hin ausgetilgt. Die Dreizahl ist bei diesen Institutionen
geblieben; aber der einzelne Pontifex gehört nicht notwendig einem
bestimmten Drittel an und vertritt nicht dieses, sondern die Gemeinde ;
die Tribüne brauchen ebensowenig nach den drei Tribus bestellt zu
werden und jeder von ihnen führt nicht das Contingent einer einzelnen
Tribus, sondern das Fussvolk oder die Reiter der Sammtgemeinde.
Somit ist die Hauptlosigkeit, wenn auch der Tribus schwerlich ur-
sprünglich eigen, doch im Laufe der Entwicklung auch für sie durch-
geführt worden.
14 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
Miuurisch- Aehnliche Erscheinungen zeigen sich bei derjenigen Gliederung der
^rschmei- Gesammtheit, welche uns einigermassen als Wehrördnung erkennbar ist,
^T^nJ! wahrscheinlich aber von Haus aus auch als Steuer- und Stimmordnung
gedient hat. Für die Epoche des Patricierstaates kann die Curie an-
gesehen werden als Aushebungsbezirk; jede stellt eine gewisse Zahl
von Fusssoldaten und Reitern, von denen jene im Kriegsfall eingerufen
werden, diese ständigen Dienst haben und dem entsprechende Emolu-
mente beziehen. Dem Schema nach stellt die einzelne Curie zehn
decuriae oder eine centuria zum Fuss- und eine dectma zum Rossdienst,
die einzelne Tribus zehn Centurien Fusssoldaten und eine Centurie
Reiter. Nach der Verdoppelung des Gemeinwesens durch das Hinzu-
treten der sogenannten kleineren Geschlechter ist die ständige Reiterei
in der Weise verdoppelt worden, dass jede Tribus zwei Centurien,
priores und posteriores, stellte. Ob bei politischer Anwendung der
angegebenen Grundzahlen die Einreihung der sämmtlichen Bürger in
die Centurien, die dabei nicht gefehlt haben kann, durch Festhaltung
der Zahl der Abtheilungen und Ueberschreitung der schematischen
Zahl oder umgekehrt durch Festhaltung der schematischen Zahl und
Bildung weiterer Centurien bewirkt ward, vermögen wir nicht zu sagen.
Wenn bei dieser Organisation die Theilganzen streng auseinander-
gehalten werden, so mag daran bei der politischen Anwendung der
Curienordnung um so mehr auch später festgehalten sein, als dieselbe
früh überhaupt so gut wie ganz beseitigt ward. Bemerkenswerth aber
ist es, dass in der militärischen Anwendung dieser Ordnungen, welche
in der ständigen Reiterei sich lange behauptet hat, die die Scheidung
nach den Tribus festhaltende und in der Stimmordnung beibehaltene
Centurie im efifectiven Kriegsdienst durch die umgekehrt aus einer
Zusammensetzung von je drei Decurien der drei Tribus gebildete
Turma ersetzt ward. Also auch in dieser Richtung ist die Assimi-
lirung der ursprünglich auseinander gehaltenen Theilganzen späterhin
durchgedrungen.
Haiuninde Dio Handlungsfähigkeit endlich kommt weder der Curie als solcher
^fliig'Kf'" noch der Tribus als solcher zu ; allem Anschein nach hat weder jener
^' ^üiiil!^^ noch dieser die Befugnis zugestanden einen Beschluss für sich zu
fassen, wie denn dies schon aus der.Hauptlosigkeit nothwendig folgt.
Nur insofern die Curie der rechtlich anerkannte Gemeindetheil ist und
insofern die Curien alle neben einander von dem Magistrat der Gesammt-
gemeinde berufen und befragt werden, wird der von der Mehrheit der
Abtheilungen gefasste Beschluss aufgefasst als Beschluss nicht einer
gewissen Zahl von Curien, sondern als Beschluss der Gemeinde.
3. Die Clientel.
Es hat vielleicht eine Zeit gegeben, in der den römischen Begriff der
Geschlechtsgenossen oder Genieindebürgern nur einerseits römische "^ ^' '
Unfreie, andererseits nichtrömische Ausländer gegenüberstanden. Aber
soweit unsere Kunde zurückreicht, steht zwischen der ersten und der
zweiten Kategorie eine zwischen Freiheit und Unfreiheit schwankende
Mittelklasse, für die es streng genommen an einer allgemein gültigen
Beziehung fehlt, die „Hörigen", clientes, oder die „Menge**, die
plebeii, Clientel und Plebität fallen ebenso begrifflich zusammen wie
factisch auseinander ; Clientel ist die mehr effective, Plebität die mehr
nominelle Hörigkeit, diese aus jener entwickelt, jene der Gegensatz
zum Bürgerrecht des ursprünglichen Geschlechterstaats, diese als
Gegensatz zu dem Altbürger- oder Adelsrecht die Trägerin des römi-
schen Bürgerrechts der historischen Zeit. Wenn das letztere im folgen-
den Abschnitt entwickelt wird, so soll in diesem die Entwicklung
dieser Verhältnisse in das Auge gefasst und zunächst die Hörigkeit
dargelegt werden. Auszugehen ist dabei davon, dass die Hörigen
ebenso den Ausländern gegenüberstehen wie die Vollbürger; die
Exclusivität der Gemeindezugehörigkeit gilt für beide Kategorien in
gleicher Unbedingtheit und soweit die römischen Hörigen als freie
Leute betrachtet werden können, sind sie nicht minder Römer wie
die Patricier.
Die Rechtsgründe der Hörigkeit sind die folgenden: seeiitfl-
1. Das ausser der rechtsgültigen römischen Ehe von einer Römerin ^figkeit.
geborene Kind steht ausserhalb der Geschlechtsgenossenschaft, gehört
aber keiner anderen Gemeinde an und hat auch keinen Herrn; es
ist wahrscheinlich von jeher als halbfrei angesehen worden.
2. Bei der Auflösung einer bis dahin selbständigen Gemeinde
können die bisherigen Bürger derselben entweder durch Aufnahme
unter die römischen Geschlechter römisches Bürgerrecht gewinnen oder
lg Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
nach Eriegsrecht zu Sklaven gemacht werden. Von der Dedition an
bis zum Eintreten der einen oder der anderen endgültigen Entscheidung
gelten, so lange das Verhältnis nur als transitorisches auftritt, diese
Individuen als keinem auswärtigen Staat angehörige Ausländer. Es
wird darauf in dem neunten Abschnitt (S. 68) zurückzukommen sein.
Aber in älterer Zeit sind diese Dedirten höchst wahrscheinlich häufig,
vielleicht regelmässig in ein dauerndes Schutzverhältnis eingetreten;
sie stehen innerhalb des römischen Gemeinwesens, aber ausserhalb
des Geschlechtsverbandes und ohne persönlichen Herrn. Sicher hat
die zur Schutzstellung führende Dedition für die römische Plebs einen
an Zahl wie an Ansehen bedeutenden Bestandtheil geliefert.
3. Der Ausländer, insbesondere der Latiner, welcher gemäss dem
zwischen seinem und dem römischen Staat bestehenden Vertrag unter
Aufgabe seines Heimathrechts nach Rom übersiedelt, geniesst dort
eine auf diesem Vertrag beruhende geschützte Freiheit.
4. Der durch Testament, das heisst durch Volksbeschluss frei-
gegebene römische Sklave erlangt im Augenblick des Todes Schutz
gegen dessen Rechtsnachfolger, so dass diese ihn nicht als Eigenthum
in Anspruch nehmen können, nicht aber Geschlechtsangehörigkeit und
Bürgerrecht.
5. Der Privatact der Freilassung kann ursprünglich rechtliche
Wirkungen nicht gehabt und den Herrn und dessen Rechtsnachfolger
in der Geltendmachung ihres Eigenthumsrechts nicht gehindert haben.
Indess ist in historischer Zeit diese Freilassung der eben erörterten
comitialen dann gleichgeachtet worden, wenn sie entweder in dem
späterhin dem comitialen gleichgesetzten Mancipationstestament an-
geordnet war oder der bisherige Eigenthümer die Freiheit des Sklaven,
sei es in einem vor dem Prätor angestellten fictiven Prozess , sei es
bei der Schätzung vor dem Censor anerkannt hatte. Die grosse Masse
der Plebejer wenigstens in historisch klarer Zeit ist aus derartigen
Freiheitsschenkungen der Herren hervorgegangen.
6. Die Freigebung des Sohnes durch den Vater ist an sich recht-
lich unmöglich, da derselbe die politische Freiheit bereits hat, die
väterliche Gewalt aber nach der ursprünglichen Auffassung nicht auf-
gehoben werden kann. Wenn indess, ähnlich wie bei der Adoption
(S. 9), der Rückfall des veräusserten Sohns an den Vater durch drei-
maligen Verkauf ausgeschlossen ist, so kann der letzte Erwerber des
Haussohns denselben freilassen, und hat der Haussohn bisher patrici-
sches oder latinisches Recht gehabt, so tritt er damit wie jeder andere
Freigelassene in die römische Plebs über. Dieser complicirte und
sicher gleich der Adoption zur Sprengung der gesetzlich unwandelbaren
Die Clientel. 17
Yäterlichen Gewalt von den Juristen ersonnene, aber bereits in den
zwölf Tafeln anerkannte Act, die Emancipation, thut dem factischen
Ansehen des Emancipirten keinen Eintrag und hat dem Plebejat einen
guten Theil seiner angesehensten Elemente zugeführt.
7. Der Uebertritt aus dem Patriciat zu der Plebs durch einfache
Willenserklärung ist wahrscheinlich nach strengem Recht unzulässig,
da das Bürgerrecht nicht durch Privatwillkttr aufgehoben werden kann.
Indess scheint ein solcher Act auch ohne Adoption oder Emancipation
öfter aus politischen Gründen wenigstens tolerirt worden zu sein.
8. Alle hier aufgeführten Rechtsursachen der Hörigkeit erstrecken
sich, da, wie gleich zu zeigen sein wird, die Ehefähigkeit zu den frühesten
den Hörigen erworbenen Rechten gehört, auf die Descendenz, und auch
innerhalb dieses Kreises folgt das Kind regelmässig dem Stande des
Vaters. Auch die der ehelichen Zeugung rechtlich gleichstehenden Acte
der Adrogation (S. 8) und der Adoption (S. 9) können bei dem Ple-
bejer in gleicher Weise zur Anwendung kommen, so wie die Voraus-
setzungen dafür vorhanden sind, also die Adrogation, nachdem der
Plebejer Stimmrecht in den Curiatcomitien erworben hatte, die Adoption,
nachdem dieser Privatact überhaupt als rechtsgültig angesehen ward.
Das Wesen des hybriden Institus der Hörigkeit besteht in der p^^Sat
Verbindung der persönlichen Freiheit einer- und der Abhängigkeit von
einem vollfreien Bürger andererseits. Es lehnt sich dasselbe insofern an
die Abhängigkeit, in welcher in dem Kreise der Vollfreien der Haus-
sohn zu dem Hausvater sich befindet; und selbst die technische Bezeich-
nung der politisch freien und persönlich abhängigen Hauskinder, Uberi,
mit ihrem Doppelgegensatz einerseits gegen den Sklaven, andererseits
gegen den selbständigen Bürger, wird, wie insbesondere die uralte
Formel der testamentarischen Freilassung lehrt, ebenfalls auf jene
Halbfreien übertragen. Wie die patricischen liberi unter dem pater, so
stehen die von dem Geschlechtskreis ausgeschlossenen liberi unter dem
paironus. Ohne Frage ist die Unterordnung eines jeden der letzteren
unter einen oder mehrere Patrone rechtlich nothwendig, und der eben
entwickelten Erblichkeit der Clientel entspricht die Erblichkeit des
Patronats. Insofern erstreckt sich die Geschlechtsordnung mit auf
die Hörigen und bezeichnet auch der Client wenigstens da, wo die
Beziehung zu dem Patron schärfer hervortritt, durch Annahme seines
Geschlechtsnamens sich als zugehörig zu dem Geschlecht. Indess ver-
mögen wir bei diesem Institut, das nur mit seinen schwindenden
Resten in die geschichtliche Zeit hinabreicht, nicht einmal mit Sicher-
heit nachzuweisen, wem bei allen oben aufgeführten Kategorien das
Patronatsrecht zugestanden hat. Auf das ausser der Ehe geborene
Blnding, Handbuch. I. 3: Mommsen, Abriss d. Römischen Staatsrdchts. 2* Aufl. 2
18 Erstes fiuch. Die Bürgerschaft und das Reich.
I
Kind wird die für die Mutter bestehende Gewalt oder Tutel ange-
wandt worden sein. Bei der Dedition führen die Spuren auf einen
Patronat desjenigen römischen Magistrats, der sie abgeschlossen hatte.
Von dem übersiedelnden Latiner ist ausdrücklich bezeugt, dass er sich
in Rom an einen Patron anzuschliessen hatte (applicatio). Bei den
verschiedenen Formen der Freilassung fällt der Patronat selbstver-
ständlich dem Freilasser und dessen Erben zu. Es liegt im Wesen
der Institution, dass die in derselben enthaltene Unterordnung sich
thatsächlich abstuft, wobei namentlich die Erblichkeit des Verhältnisses
dazu beiträgt dasselbe mehr und mehr zu lockern, und dass sie nach
der einen Seite hin der Unfreiheit sich nähert, nach der anderen in
die Vollfreiheit übergeht, wie dies schon in den Benennungen der
dientes und der phbeii sich spiegelt.
Den Rechtszustand der Hörigen innerhalb des Geschlechtsstaates
können wir, wie diesen selbst, nur annähernd und vermuthungsweise
ermitteln. Indess haben sich so zahlreiche und bedeutende Ueber-
reste der alten Hörigkeit bis in die historische Zeit hinein erhalten,
dass es möglich erscheint dieselbe wenigstens in ihren Umrissen zu
definiren.
^hST^*^ Privatrechtlich steht der hörige Römer dem Vollbürger insofern
^ HttSSn^" gleich, als alle Institutionen des Personal- und des Vermögensrechts,
Ehe, Hausherrlichkeit, Vormundschaft, Eigenthum, Forderung, Erbrecht
im Allgemeinen in der gleichei) Form auch auf ihn Anwendung finden.
Wenn die sacrale Form des Ehebündnisses wahrscheinlich wenigstens
in älterer Zeit den Plebejern verschlossen war, so wurde, wie schon
bemerkt ward, schon in frühester Zeit die formlose Consensualehe
hinsichtlich der Begründung der Vaterschaft der Confarreation recht-
lich gleichgestellt und die eheherrliche Gewalt zwar nicht an die
formlose Ehe geknüpft, aber die Erlangung derselben in den für den
Eigenthumserwerb geltenden Formen auch dem Hörigen ermöglicht.
Allerdings galt dies zunächst nur für die Ehen zwischen den Hörigen
selbst oder zwischen einem hörigen Mann und einer Bürgerin ; zwischen
einem Bürger und einer Hörigen ist die Ehegemeinschaft noch im
Zwölftafelrecht ausgeschlossen und erst nachher, angeblich im Jahre
309 (445 V. Gh.), durch Volksschluss zugelassen worden. Vermögens-
rechtliche Ungleichheit hat schwerlich bestanden, sondern es ist im
Handel und Wandel der Hörige dem Bürger gleichgestellt worden.
Grundbesitz hat allerdings ursprünglich wohl nur das Geschlecht haben
können und Nutzungsrecht an demselben kann zunächst den Hörigen
nicht zugekommen sein ; doch dürften die Grundherren den ihnen zu-
kommenden Antheil am Geschlechtsacker früh ihren Hörigen in der
3. Die Glientel. 19
Form des Bittbesitzes geöffnet und wenigstens factisch erbliche Sonder-
nutzung auch bei diesen sich festgestellt haben. Als dann das indi-
viduelle Bodeneigenthum eintrat, ist es vielleicht gleich von Anfang
an auch bei dem Hörigen zugelassen, auf jeden Fall in früher Zeit
auf diesen erstreckt worden. — Von den nutzbaren Rechten des
Bürgers, insbesondere von der Nutzung der gemeinen Weide durch
Hut und Trift und bei etwa beliebter Auftheilung an Gemeindeboden
von dem Antheil an dieser Landschenkung ist der Hörige ohne Zweifel
im Allgemeinen ausgeschlossen gewesen; indess sind dem Anschein
nach darüber regelmässig Verfügungen für den einzelnen Fall ergangen
und auf diesem Wege vielleicht schon früh auch Nichtbürger daran
betheiligt worden. — Erbrechtlich steht der Hörige, so viel wir sehen,
dem Bürger gleich, nur dass, wenn es an näher berechtigten Erb-
nehmern fehlt, der Schutzherr und demnächst seine Verwandten und
Geschlechtsgenossen berufen werden. So lange das Testament nur
durch Volksschluss errichtet werden konnte und die Plebejer von den
Guriatcomitien ausgeschlossen waren, war dasselbe allerdings den
Plebejern verschlossen; aber diese Schranken fielen früh und von da
an stehen dieselben auch in dieser Hinsicht den Vollbürgem gleich.
Wenn also privatrechtlich der Hörige von dem Bürger im Ganzen ^^fl'
genommen sich nicht unterschied, so hat bei der Geltendmachung wie
bei der Vertheidigung seiner Rechte zwar auch er Anspruch auf den .
Schutz der Gerichte der Gemeinde, ist aber dabei auf die Mitwirkung
seines Schutzherm angewiesen. Wie diese beiden Regeln gegen ein-
ander abgewogen wurden, vermögen wir nicht zu sagen. Es kann die
Mitwirkung des Patrons als mangelnde Selbständigkeit der Rechts-
verfolgung eine wesentliche Zurücksetzung des Hörigen gewesen sein ;
vielleicht aber war dieselbe mehr noch Herrenpflicht als Herrenrecht
und hatte der Hörige die Befugniss solchen Schutz zu erbitten, nicht
aber der Magistrat, wenn dieser nicht erbeten oder nicht gewährt
ward, das Recht dem Clienten die Rechtshülfe zu versagen.
Das Rechtsverhältniss des Patrons zu dem Hörigen ist hiermit im ^^^^^
Wesentlichen schon bezeichnet. Der Patronat und die Glientel wurden c^entei.
im Allgemeinen mehr vom sittlichen als vom rechtlichen Standpunkt
aufgefasst; der Schutzherr wie der Schutzbefohlene haben einander
die Treue (fides) zu halten. Auch die Abhängigkeit dieses von jenem
ist mehr factischer Art. Die ökonomische, welche aus dem Bittbesitz
der Kleinbauern nothwendig hervorging, ist vielleicht das Wesentlichste
dabei gewesen ; dabei muss wohl in irgend einer Form, sei es in der
der Frohnden oder der Abgabe eines Theils des Bodenertrags, der
Hörige dem Herrn dienst- oder zinspflichtig gewesen sein. ' Die sacrale
2*
20 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
Zugehörigkeit der dienten zu dem Geschlecht des Patrons findet ihren
Ausdruck in der Theilnahme derselben an den öffentlichen Festen in
der Curie ihrer Schutzherren. Von der prozessualischen Anlehnung
der Hörigen an den Herrn im Vermögensrecht ist bereits die Rede
gewesen. Eigentliche Gerichtsbarkeit über den straffälligen Hörigen
wird dem Patron nicht beigelegt werden dürfen; was derart dem
Freigelassenen gegenüber erwähnt wird, geht wenigstens mit darauf
zurück, dass der Freilassung unter Lebenden die Rechtsgültigkeit
bestritten werden konnte. Bezeichnend für das Wesen dieses
Schutzrechts ist die gesetzliche Untersagung der Rechtsyerfolgung
zwischen dem Patron und dem Clienten und die Auffassung der Ver*
letzung des Treueverhältnisses lediglich als Verbrechens. Den schul-
digen Clienten durfte in diesem Fall der Patron vielleicht selber be-
strafen; den schuldigen Patron war der Magistrat befugt vor das
Volksgericht zu ziehen. Für den wichtigen und häufigen Fall, dass
über den Gegensatz der Unfreiheit und der freien Hörigkeit selbst
gestritten ward (coMsa liberälisj, war vielfach, insbesondere durch das
in früher Zeit dafür eingesetzte Sondergericht (decemviri läiims tudi-
candis) demjenigen, der die freie Hörigkeit in Anspruch nahm, der
Rechtsschutz gesteigert.
Politische Dass alle politischen Rechte sowie alle diesen entsprechenden
Hörigen. Bürgerpflichten auf den Nichtbürger keine Anwendung gefunden haben,
versteht sich principiell von selbst. Aber thats&chlich ist dieses Princip
vielleicht niemals in vollem Umfang zur Anwendung gekommen und
sicher seine stufenweise Einschränkung und schliesslich thatsächliche
Beseitigung der wesentliche Inhalt der ältesten Volksentwicklung. Am
frühesten sind die Hörigen wohl für das Steuerwesen mit herangezogen
worden, wie denn die staatliche Leistungspflicht eines jeden dem Staate
angehörigen und von ihm geschützten Freien eigentlich selbstverständ-
lich ist. Die wohl in früheste Zeit hinaufreichende Bezeichnung des
ausserhalb des bürgerlichen Wehrbandes stehenden Römers als aerarius
spricht für eine in dem Geschlechterstaat dem Nichtbürger wohl für
die gesammte Habe auferlegte Steuer; indess ist unsere Kunde von
dem römischen Steuerwesen so dürftig, dass wir Näheres darüber an*
zugeben nicht vermögen. Sicherer ist es, dass, seit es ein personales
Bodeneigenthum gab und dieses auch von dem Hörigen erworben
werden konnte, die hauptsächlich auf der Bodenschätzung ruhende
Vermögensabgabe (tribtUttö) jeden Eigenthümer eines römischen Grund-
stücks traf, mochte er Vollbürger, Höriger oder latinischer Ausländer
sein. — Später gesellte sich dazu die Wehrpflicht und das Stimm-
recht, welche beide in Rom von jeher zusammenfielen. Lange Zeit
3. Die Clientel. 21
scheinen diese am Bürgerrecht gehaftet und also die Patricier allein
getroffen zu haben; als sie dagegen an den Grundbesitz geknüpft
wurden, trat jeder Ansässige, so weit er nicht Ausländer war, in die
Wehr- wie in die Steuerabtheilungen ein. Vielleicht hat sich dies
in Abstufungen vollzogen : es mag sein, dass die Hörigen zunächst als
Hülfsmannschaft neben der Legion Verwendung gefunden haben; ge-
endigt aber hat die Entwicklung mit der Gleichstellung der Altbürger
und der Hörigen im Wehr- und Steuerwesen wenigstens im Fussvolk,
während bei der Reiterei beide Massen nicht vollständig verschmolzen.
Damit sind die bisherigen Hörigen zu Gemeindebürgern geworden,
allerdings keineswegs gleichen Rechtes; ein bevorzugtes Stimmrecht
hat die Altbürgerschaft noch lange und nicht minder die alleinige
oder doch bevorzugte Besetzung der Aemter wie der Priesterthümer
behauptet. Aber der principielle Wandel ist damit eingetreten: die
Altbürgerschaft wird allmählich zum bevorrechteten Adel ; diejenigen
Schichten der bisherigen Hörigen, bei denen die personale Abhängig-
keit zurücktritt, stellen sich als plebes, plebeii neben jene patridi;
der quiris, die Sonderbezeichnung des patricischen Bürgers, ver-
schwindet; populus, vielleicht einstmals die Patriciergemeinde, be-
zeichnet jetzt die Gesammtheit der Patricier und Plebejer; als Uberi
gelten nicht mehr die Hörigen allein, sondern die Bürger insgemein ; .
es bildet sich für diese die damit zusammenfallende, Alt- und Neu-
bürger gleichmässig umfassende Bezeichnung dves. Diesen Begriff
entwickelt näher der nächstfolgende Abschnitt.
Die Clientel ist nicht eigentlich abgeschafft worden, vielmehr Jfgj^jjjft^
formell in Kraft geblieben. Noch in der marianischen Zeit wird der
Satz aufgestellt, dass der Plebejer aus der Clientel austritt durch Be-
kleidung eines römischen Amts wegen des mit diesem verbundenen
Quasi-Patriciats. Auch geht die Zurücksetzung der Freigelassenen, die
keinen Vater, sondern nur einen Patron haben, gegenüber den Frei-
geborenen, den mgenui, wenn sie gleich zum guten Theil auf späteren
Festsetzungen beruht, in ihrem Ursprung und ihrem Wesen zurück
auf die Clientel. Formale Scheidung der nicht mehr und der noch
abhängigen Clienten ist selbstverständlich ausgeschlossen; doch ver-
dient es Erwähnung, dass die Kinder ersten Grades der Freigelassenen
in älterer Zeit als abhängig, dagegen seit der Mitte des 6. Jahr-
hunderts d. St. als vollfrei angesehen worden sind. Die Nachkommen
der Freigelassenen in den entfernteren Graden werden in historischer
Zeit von den Patriciem, bei denen die Herkunft aus der Unfreiheit
überhaupt ausgeschlossen ist, rechtlich nicht unterschieden.
4. Die Civität
Durch den Wegfall der hybriden Kategorie der Hörigen kehrte
die römische Ordnung zu der ursprünglichen einfachen Festsetzung
zurück, dass es, von den den Sachen zugezählten Sklaven abgesehen,
nur zwei Kategorien von Personen giebt, Bürger und Nichtbürger.
Hier soll das Bürgerrecht erörtert und zunächst auseinandergesetzt
werden, aus welchen Gründen dasselbe gewonnen und verloren wird.
Das Bftrger. Dio ueuo Bürgerschaft ist eine Erweiterung der alten Geschlechter-
butm^M zBm gemeinde, so dass diese in jener mit begriffen ist, aber eine andere
^r piiMut.' Gesammtheit zu ihr hinzutritt. Beide Kreise schliessen insofern
einander mit rechtlicher Nothwendigkeit aus, dass kein Einzelner
beiden angehören kann, also wenn ausnahmsweise der Patricier zum
Plebejat oder der Plebejer zum Patriciat gelangt, beide damit ihre
bisherige Bürgerstellung aufgeben. Es schliesst daher, was über den
Erwerb wie über den Verlust des Bürgerrechts zu bemerken ist, sich
wesentlich an die gleichartigen Ausführungen über Patriciat und
Hörigkeit an; indess fallen sie doch nur theilweise damit zusammen.
Insbesondere führt die Dedition, die in älterer Zeit wahrscheinlich
nicht nothwendigy aber häufig die geschützte Hörigkeit zur Folge
gehabt hat, späterhin keineswegs die Erwerbung des aus dieser ent-
wickelten Plebejats herbei und wird von dieser, wie schon erwähnt
ward, bei den die Nichtbürger betreffenden Ordnungen die Rede sein.
Erwerbuig Dio Rechtsgrüude des Eintritts in die Bürgerschaft sind die
der CiTitfct. - , ,
folgenden :
Geburt und 1. Eholiche Geburt nach den für den Patriciat (S. 7) wie im
^^v^oix. '^gg^Qi^ij^.jjgß g^ß]^ fi;^^ (lie Hörigkeit (S. 17) geltenden Normen;
2. Aussereheliche Geburt nach den Normen der Hörigkeit
(S. U);
3. Annahme eines Haussohns latinischen Rechts an Kindesstatt
nach den für Patriciat und Plebejat geltenden Normen (S. 9. 17).
4. Die CivitÄt. 23
Adrogation (S. 8) setzt das Bürgerrecht des adrogirten Sohnes voraus
und kann dasselbe also nicht verleihen;
4. Uebersiedelung des Latiners nach Rom unter Aufgabe seines .i^^«^.
Heimathrechts, was indess in der späteren Republik vielfach beschränkt
und im Jahre 659 (95 v. Ch.) durch das licinisch-mucische Gesetz
abgeschafft ward. Wir kommen bei den Latinern auf dieses Privi-
legium zurück.
5. Freilassung sowohl aus der Sklaverei wie aus der Stellung des ?»»*»««.
Freien an Sklavenstatt nach den für die Hörigkeit geltenden Normen,
sei es durch Testament oder in den für die Freilassung unter Leben-
den vorgeschriebenen Rechtsformen (S. 6).
Es tritt bei diesen Festsetzungen die Tendenz hervor den stamm-
fremden Nichtbürgern den Eintritt in den Bürgerverband nicht zu
gestatten ; den Sklaven gegenüber fehlt es an einer gleichen Schranke.
Wenn femer die Erwerbung des Bürgerrechts, abgesehen von der
ordentlichen durch die Geburt, nach der Natur der Sache nicht ohne
Zustimmung der Bürgerschaft erfolgen kann und dies auch in dem
alten Bürgerverband durchgeführt wird, so finden wir die Erwerbung
der Civität ohne Befragung der Bürgerschaft zugelassen sowohl bei
der Adoption wie vor Allem bei der Freilassung, so weit sie nicht im
Gomitialtestament erfolgt. Die für die Hörigkeit nicht allzu befremd-
lichen Normen sind damit auf das Bürgerrecht übertragen, was nur
aus der ursprünglichen Geringschätzung desselben in den patricischen
Kreisen sich erklären lässt.
6. Die Verleihung des Bürgerrechts in der älteren Form der yeruamiir.
Aufnahme eines Geschlechts in den Patricierverband (S. 6) kommt
in der patricisch-plebejischen Gemeinde nicht mehr vor; es tritt dafür
ein die in dem Geschlechterstaat schwerlich statthafte individuelle
Verleihung des Plebejats. Für dieselbe wird durchaus die Einwilligung
der römischen Bürgerschaft gefordert, überdies bei Einzelverleihung
wahrscheinlich die Zustimmung der betreifenden Person so wie die
seiner bisherigen Heimathgemeinde, falls diese mit Rom in Vertrag
steht und dieser nicht dergleichen Verleihungen ein für allemal ge-
stattet; es ist auch vorgekommen, dass umgekehrt die römische Ge-
meinde sich einer anderen durch Vertrag verpflichtete, ihren Ange-
hörigen das Bürgerrecht nicht zu verleihen. Bei Verleihung des
Bürgerrechts an ganze Gemeinden ist um so mehr deren Einwilligung
rechtlich erforderlich, wofern nicht, wie dies bei der Dedition der
Fall ist, der dafür abgeschlossene Vertrag es in die Macht der römi-
schen Gemeinde stellt die Rechtsstellung der Angehörigen der auf-
24 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
gelösten Gemeinde nach Ermessen zu ordnen. — Der Form nach kann
unterschieden werden :
a) generelle Verleihung des Bürgerrechts geknüpft an gewisse
Bedingungen, welche indess kaum anders vorgekommen ist als zu
Gunsten der Latiner, namentlich nachdem das alte Uebersiedelungs-
recht beschränkt und schliesslich beseitigt worden war. Es wird
darüber bei dem latinischen Recht (S. 61) gehandelt werden.
b) specielle Verleihung an einzelne Personen oder auch an ein-
zelne Gruppen oder Bürgerschaften, welche auch bei collectiver Form
rechtlich individuell ist, insofern sie die Personen nur nicht mit Namen
aufzählt, sondern durch ein Rechtsmerkmal bezeichnet.
c) mittelbare Verleihung durch Vollmachtertbeilung an einen
einzelnen Beamten ist in republikanischer Zeit nur in beschränktem
Umfange vorgekommen, insofern den Goloniegründern und öfter auch
den Feldherren gestattet wurde, innerhalb gewisser Grenzen Nicht-
bürger in den Bürgerverband aufzunehmen. In der Kaiserzeit ist auf
Grund allgemeiner und unbeschränkter Ermächtigung das Bürgerrecht
ausschliesslich durch den Kaiser verliehen worden.
Kennieicheii Als äusscrliches Kenuzeicbeu des Bürgerrechts dient die Angabe
d?8 BtSJ53^ des weiterhin zu erörternden Bürgerbezirks, welcher deshalb bei Man-
nem dem Namen angehängt wird, während die Benennung sonst die
nationale, den latinischen Stämmen überhaupt gemeinsame Form trägt.
Dem entsprechend dient für die Constatirung des Bürgerrechts in
erster Reihe das bei der Schätzung nach jenen Bezirken aufgestellte
Bürgerverzeichniss, wie dies namentlich aus der durch Eintragung in
dasselbe bewirkten Manumissionsform hervorgeht. Nach Abkommen
des Reichscensus werden dafür die municipalen Schätzungen um so
mehr eingetreten sein, als damals das Reicrfasbürgerrecht regelmässig
mit der Zugehörigkeit zu einer römischen Bürgergemeinde zusammen-
fiel. Indess darf dies nicht so verstanden werden, als hätte die Ver-
zeichnung oder NichtVerzeichnung in diesen Bürgerlisten positiv oder
negativ definitiven Werth gehabt; vielmehr stand es in jedem Fall,
wo das Bürgerrecht in Frage kam, bei dem beikommenden Magistrat,
dasselbe für den vorliegenden Fall gelten zu lassen oder abzuweisen.
Es sind einzelne Einrichtungen gegen die Anmassung des römischen
Bürgerrechts getroffen worden: der verbündeten Gemeinde, deren
Bürger sich als Römer gerirt, wird eine Civilklage gegen denselben
gestattet, und in umfassender Weise ist in nachsullanischer Zeit jedem
freigestellt in dem verschärften Geschwomen verfahren (quaestio per-
petua) den fälschlich des römischen Bürgerrechts sich anmassenden
Peregrinen zu belangen. Doch macht der Mangel einer Stelle, welche
4. Die Civitat. 25
den Besitz des Bürgerrechts oder dessen Gegentheil ein fttr allemal
constatirte, in republikanischer Zeit sich fühlbar, wenn er auch durch
diese Anordnungen einigermassen gedeckt worden ist ; späterhin stand
es in der Macht des Kaisers zweifelhafte Fälle endgültig zu ent-
scheiden.
Verloren wird das Bürgerrecht, abgesehen vom Todesfall, ent- ^'«j}^*^^^'
weder durch den Eintritt des bisherigen Bürgers in die Sklavenstellung,
oder durch rechtsgültigen Uebertritt in einen anderen mit Rom im
Vertrag stehenden Staat auf Grund des Gesetzes der Incompatibilität
mehrerer Bürgerrechte. Die einzelnen Fälle sind wesentlich exempli-
ficatorisch und genügt es hier die wichtigeren zu erwähnen.
1. Wenn der in der Gewalt stehende oder an Sklavenstatt ge- i,^l^
haltene römische Bürger von seinem Gewalthaber an einen Ausländer infr««»»*-
anderer Nation durch einen nach römischer Auffassung gültigen Act
veräussert wird, macht dieser die Unfreiheit definitiv und geht also
das Bürgerrecht verloren. Gleichartige Selbstveräusserung kennt das
römische Recht nicht.
2. Bei der Kriegsgefangenschaft gilt, .wenn der Gefangene ent- Kneg»-
weder im Friedensveitrag dem Feind überlassen wird oder als Ge- ^chSft"
fangener stirbt, die Gefangenschaft als rechte Begründung der Un-
freiheit, also vom Eintritt derselben an das Bürgerrecht als verloren.
Wenn umgekehrt der Gefangene, sei es auf andere Weise, sei es im
Friedensvertrag aus der Gefangenschaft befreit wird, so tritt er bei
seiner Rückkehr (postliminium) von Rechtswegen in seine frühere
Stellung zurück und gilt die temporäre Unfreiheit als nicht vorhanden.
3. Wenn der selbständige römische Bürger durch Richterspruch unfräSt.
wegen eines Verbrechens oder einer Schuld einem anderen Römer
oder einem Latiner an Sklavenstatt (in causa mancipii^ zugesprochen
wird oder der hausunterthänige römische Bürger durch seinen Herrn
einem Römer oder Latiner an Sklavenstatt zu Eigenthum gegeben
wird, so wird nach der älteren Auffassung dieser Unfreie dem Kriegs-
gefangenen gleich geachtet, das heisst das Bürgerrecht so wie bei dem
Patricier das Geschlechtsrecht suspendirt. Jedoch ist diese Suspension,
so lange sie nicht den Uebertritt in die ausländische Unfreiheit herbei-
führt, keiner Begrenzung unterworfen und die Lösung jederzeit auch
für die Nachkommen zulässig, so dass bei Wiedergewinn der Freiheit
diese gilt als niemals verloren. Nach der späteren milderen Auf-
fassung übt die Versetzung an Sklavenstatt auf das Bürgerrecht über-
haupt keine Wirkung.
4. Die Gewinnung des Bürgerrechts in einer auswärtigen von Aas-
Rom anerkannten Gemeinde hebt das römische auf, wenn auch die Bflrg«rreeiit.
26
Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
Aastritt.
Straf.
Terfahren.
römische Bürgerschaft einverstanden ist, was insbesondere bei Grün-
dung neuer Bundesstädte latinischen Rechts zur Anwendung kommt.
Einseitige Verleihung fremden Bürgerrechts an einen Römer zerstört
dessen Bürgerrecht nicht.
5. Nach den Bundes vertragen, wie sie mit den latinischen Städten
und den übrigen Bundesstaaten besten Rechts geschlossen sind, be-
steht zwischen diesen Gemeinden Freizügigkeit, das heisst, es steht
jedem in einer derselben Heimathberechtigten frei, durch die Ueber-
siedelung in eine andere Heimath, ja schon durch die blosse Erklärung,
übersiedeln zu wollen, sein bisheriges Heimathrecht, einerlei ob Pa-
triciat oder Plebejat, zu lösen und als Bürger oder Schutz verwandter
in die neue Gemeinde einzutreten. Uebersiedelung in eine nicht in
derartigem Vertrag mit Rom stehende Stadt hebt das römische Bürger-
recht nicht auf, wenn nicht durch besonderen Beschluss die Bürger-
schaft diesen Austritt ausnahmsweise gelten lässt. Es ist rechtlich
gleichgültig, aus welcher Ursache dieser Austritt (exilium) erfolgt; in
späterer Zeit aber ist bei der gesteigerten Werthschätzung des römi-
schen Bürgerrechts derselbe nicht leicht anders vorgekommen, als um
einer durch das Bürgerrecht des Angeklagten bedingten gerichtlichen
Verurtheilung sich zu entziehen. Da dieser Austritt, wenn er zu-
gleich Uebertritt in eine latinische Gemeinde war, die Rückgewinnung
des römischen Bürgerrechts an sich nicht ausschloss, überdies aber
bei der von Rom der Regel nach auch dem Ausländer gewährten freien
Wahl des Wohnortes der also Ausgetretene an sich in der Lage war
wenigstens sein Domicil in Rom zu behalten, so wurde dem, welcher
ausgetreten war, um einer criminellen Verurtheilung sich zu entziehen,
Wasser und Feuer versagt und damit der also Ausgetretene und zum
Ausländer Gewordene der Sache nach aus Rom verbannt.
6. Dass durch Beschluss der Comitien das Bürgerrecht sowohl
einzelnen Personen wie auch ganzen Districten entzogen werden kann,
folgt aus dem Wesen der staatlichen Allmacht und aus den Acten der
Gebietsabtretung so wie der Dedition, und es ist auch einzeln davon
Anwendung gemacht worden. Aber das Volksgericht hat niemals in
dieser Weise gesprochen und dem Bürger wohl das Leben, aber nicht
Freiheit und Bürgerrecht aberkannt. Erst der spätere Criminalprozess,
vielleicht schon der sullanische, sicher der der Kaiserzeit, hat den
Verlust des Bürgerrechts unter Fortdauer der persönlichen Freiheit
unter die Strafmittel aufgenommen. Auch im Privatprocess kann dem
Bürger wohl die privatrechtliche Freiheit, aber nicht die bürgerliche
Stellung definitiv aberkannt werden ; nur bei der auf den qualificirten
Diebstahl gesetzten Addiction ist darüber gestritten worden, ob der
4, Die Civität. 27
davon Betroffene nicht der Sclaverei verfallen sei, und vielleicht ist
die Unverlierbarkeit des Bürgerrechts erst in dem hohen Schwung
der späteren republikanischen Entwicklung völlig durchgedrungen.
Blosser Verzicht auf das Bürgerrecht ist rechtlich unwirksam, da
weder der Bürger sein Verhältniss zu der Gemeinde einseitig lösen
kann, noch für die Bestätigung eines solchen lediglich negativen Acts
durch die Gemeinde eine Rechtsform vorhanden ist.
5. Die Gliederung der patricisch - plebejischen Gemeinde.
Geschieehtfl- Die Gliederung, durch welche die Bürgerschaft für die Zwecke
nacVGumn. der YerwaltuDg, insbesondere den Kriegsdienst und die Besteuerung
sowie für die Antheilnahme an dem Begiment fähig gemacht wird,
war bei der patricisch-plebejischen insofern von vornherein gegeben,
als die Curienordnung des Geschlechterstaats in der früher (S. 12)
bezeichneten Weise auch die Plebejer umfasste und insofern auf den
erweiterten Kreis der Bürgerschaft überging. Indess ist davon nur
für gewisse untergeordnete Begierungsacte ^ insbesondere für die
Adrogation und das Testament Gebrauch gemacht worden; die ge-
sammte Verwaltung und der wesentliche Theil der Selbstregierung,
Gesetzgebung und Beamtenwahlen sind in der neuen Bürgerschaft
auf ein anderes Fundament gestellt und es ist die Bürgerschaft dem
entsprechend neu gegliedert worden.
Dies Fundament ist die Ansässigkeit, das private Bodeneigenthum.
Neben der alle Bürger umfassenden Wehr- und Steuerpflicht ist der
Dienst mit eigener Waffe und die Bodensteuer an die Ansässigkeit
geknüpft und weiter die versammelte Wehrmannsschaft als die sich
selbst bestimmende Gemeinde behandelt worden. Damit ist die Curie
oder, was dasselbe ist, das Geschlecht politisch beseitigt: wenn einst-
mals nur der Patricier als solcher zu dienen und zu steuern berufen
war und sein Platz im Wehr- und im Steuerwesen ihm durch das
Geschlecht angewiesen ward, so kommt jetzt in der Hauptsache —
bei der Reiterei blieben den Geschlechtsgenossen gewisse Vorrechte —
es nicht weiter an auf den Unterschied der Adlichen und der Bürger-
lichen und giebt den Platz für einen jeden der Bezirk, in welchem
er ansässig ist.
Die Benennung für den Ansässigkeitsbezirk ist dieselbe, mit der
die drei zu einem Ganzen verschmolzenen ältesten Geschlechterstaaten
(S. 12) bezeichnet werden; aber diese neuen Tribus, die sogenannten
servianischen, sind von den romulischen im Wesen wie in der Zahl
Ansissiff-
keit VAcn
den Be-
sirlreii.
Boden-
tribnH.
5. Die Gliederung der patricisch-plebejiBchen GemeiDde. 29
voUst&ndig verschieden. Die alte Tribus ist ein Complex einer Anzahl
Geschlechter, also wesentlich personal, und örtlich geschlossen nur in
so weit und so lange, als diese Geschlechter in unveräusserlichem
Eigenthum neben einander sitzen blieben; die neue wesentlich local,
der Complex der auf einem bestimmten Theil des Staatsgebiets an-
sässigen Bürger und also in personaler Beziehung wandelbar. Wenn jene
eigentlich Staatsganze und nur durch die synökistische Entwickelung
zu Theilen geworden sind, so sind diese ohne Zweifel von Haus aus als
Bürgerquartiere gefasst worden. Dem entsprechend sind, während die
älteren Tribus in ihren Benennungen als Völkerschaften auftreten, die
Ansässigkeitsbezirke örtlich benannt und es haben jene drei Stämme der
Titier, Bamner und Lucerer nichts gemein mit den vier Quartieren
Sabarana, Palatina, Esquilina und GoUina, wie sie in ihrer ältesten ^^^^J^'^
Gestalt auftreten. Dass sie, wie diese Namen zeigen, zunächst Stadt- '^^^*
bezirke gewesen sind, ist vermuthlich darauf zurückzuführen, dass die
Entwickelung der Ansässigkeitsbezirke allem Anschein nach von Haus
aus mit derjenigen des Privateigenthums am Boden Hand in Hand ge-
gangen ist und dieses an Haus und Garten sich bei Weitem früher
festgestellt hat als an der Ackerflur. In dieser Gestalt mag die Quartier-
theilung bis in die Zeit des Geschlechterstaats zurückreichen und zu-
nächst ohne politischen Werth gewesen sein ; Vermuthungen über das
Yerhältniss zwischen den im Sonderbesitz stehenden Stadthäusern und
dem Antheil ihrer Inhaber an den Geschlechtsäckern (S. 6) aufzustellen
ist müssig, da keine Spur uns dafür auch nur die Richtung weist. Von
erkennbarer Bedeutung werden die Quartiere erst, als der Boden aus
dem Geschlechtsverband gelöst wird und jedes Stadthaus sowie jedes
Ackerstück bei freier Bodentheilung von jedem Bürger der patricisch-
plebejischen Gemeinde zu vollem römischen Eigenthum erworben werden
kann. Die gentilicische Wehrpflicht hing an dem gentilicischen Boden-
besitz ; das Privatbodeneigenthum forderte die private. Die geschicht-
liche Ueberlieferung reicht auf die Entstehung desselben nicht zurück :
aber die Einrichtung der zwanzig Tribus, gebildet aus den ursprüng-
lichen vier Stadtquartieren so wie aus sechzehn von den alten Ge-
schlechtsäckern benannten Landbezirken weisen deutlich auf diesen Hinzatreten
der
Vorgang hin, wobei, da die Zahl der Geschlechter eine viel grössere ^*^^^*^
war, jeder Bezirk eine Mehrzahl solcher Aecker umfasst und man die
Benennung nach den Aemiliern, Gorneliern, Fabiern und so weiter von
den ansehnlichsten derselben entnommen haben wird. Diesem Aus-
gangspunkt entsprechend hat die Bezirkseintheilung sich in der Weise
entwickelt, dass von dem römischen Gebiet jedes adsignirte, das heisst
durch den Staat dem Privateigenthum überwiesene Bodenstück einer
30 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
Tribus zugeschrieben wurde, während der Gemeindeboden ausserhalb
derselben steht. Zu diesem Behuf sind theils zu den ältesten zwanzig
späterhin neue Bezirke hinzugefügt worden, zuerst wahrscheinlich
im Jahre 283 (471 v. Ch.) die Grustumina, zuletzt im Jahre 513
(241 y. Ch.) die Yelina und die Quirina, mit deren Einrichtung die
«. ^v nicht überschrittene Gesammtzahl von 35 Bezirken erreicht war : theils
35 Tnbus '
geaciLiossen. wird das uou hinzutretoude Areal in einen schon bestehenden Bezirk
eingeschrieben. Oertliche Geschlossenheit kommt den vier ältesten
städtischen Tribus zu und mag auch bei der ersten Einrichtung der
später gebildeten zu Grunde liegen; sie ist aber nicht festgehalten
und namentlich seit der Schliessung der Tribuszahl im Jahre 513
(241 y. Ch.) gänzlich bei Seite gesetzt worden.
uebei- Wenn also die Tribus des patricisch-plebejischen Staats dem Boden
tntgQng der * * •»
diTpireo? zukommt und in Beziehung auf diesen unwandelbar ist, so überträgt
' sie sich weiter auf die Person, insofern diese als Eigentümer des
betreffenden Bodenstücks dem Staate leistungspflichtig ist. Darum
erleidet diese Uebertragung bald Erweiterung, bald Beschränkung:
der Haussohn des ansässigen Bürgers führt die Tribus gleich dem
Vater, da auch er wehrpflichtig ist; umgekehrt führt die grund-
besitzende Frau und der ansässige Latiner die Tribus nicht, da die
Wehrpflicht sie nicht trifit. Ebenso kann, wer in mehreren Bezirken
ansässig ist, wie nur in einem derselben seiner Dienstpflicht genügen,
so auch nur eine Tribus führen. Daran knüpft sich weiter die
Beilegung und Entziehung oder Wandelung der Tribus bei der
Schätzung; die Thatsache der Ansässigkeit kann die Behörde nicht
ändern, wohl aber deren rechtliche Consequenzen, insbesondere die
Dienstpflicht im einzelnen Fall modificiren. — Es hat sich danach in
der früheren Republik die Bürgerschaft geschieden in die beiden Ka-
tegorien der zum Dienst mit eigenen Waffen Berufenen und also zur
Führung der personalen Tribus berechtigten Bürger und derjenigen,
die nicht tribules sind und, weil sie hauptsächlich bei der Besteuerung
in Betracht kommen, aerarii genannt werden,
ueber- lu diosor Form hat der Gegensatz sich nicht behauptet. Wenn
^rSbSf »uf im Einzelnen yon jeher durch den Magistrat die Führung der per-
anA^i^n soualou Tribus dem Ansässigen yerweigert, yielleicht auch dem nicht
^^^ Ansässigen ausnahmsweise zugestanden worden war, so wurden im
Jahre 442 (312 y. Ch.) durch den Censor Appius Claudius allgemein
die nicht ansässigen Bürger, wie es scheint sämmtlich und mit will-
kürlicher Auswahl der Tribus, in dieselben eingeschrieben, die Dienst-
pflicht mit eigenen Waffen damit lediglich yon dem Vermögen und
nicht länger yom Grundbesitz abhängig gemacht und der Gegensatz
5. Die Gliederung der patricisch-plebejischen Gemeinde. 31
der trihul^ und der aerarii beseitigt. Zwar wurden bald darauf
durch die Gensoren des Jahres 450 (304 v. Gh.) die nichtansässigen
Bürger auf die vier städtischen Tribus beschränkt; indess blieb doch
die Tribus jedem römischen Yollbttrger und gab es also (abgesehen
von einer später zu erörternden Kategorie der Halbbürger) aerarii
nicht mehr, wie denn auch die Wehrpflicht fernerhin nicht den An-
sässigen allein traf. Politisch dagegen haben die ansässigen Bürger,
da die grosse Majorität der Stimmbezirke ihnen vorbehalten war,
auch späterhin die Oberhand behalten.
Von der Verknüpfung der Tribus mit der späteren Bürger-
gemeinde, wie sie namentlich in Folge des Bundesgenossenkrieges
sich entwickelte, und der Umwandelung der Tribus aus dem Kenn-
zeichen der wandelbaren Ansässigkeit in dasjenige des festen das
Reichsbürgerrecht bedingenden Heimathrechts ist in dem letzten Ab-
schnitt dieses Buches (S. 74) gehandelt.
Die örtliche Tribus entspricht im Wesentlichen der älteren Gurie, gau'S'air
nur dass sie, jünger und minder organisch gebildet, durchaus der ge- ""^"^^
meinschaftlichen Götterverehrung ermangelt. Das strenge Gesetz der
politischen Gentralisation, dass dem Staatstheil die Selbstbestimmung
nicht zugestanden werden kann, hat auch hier gewaltet. Wohl ist
die Tribus ursprünglich als Nachbarverband angelegt worden, und
sie hat, selbst nachdem das örtliche Nahverhältniss zurückgetreten
war, insbesondere wegen der darauf beruhenden Stimmgemeinschaft
und der Verwendung des einzelnen Bezirkes als selbständiger Wahl-
körperschaft diesen Gharakter einigermassen bewahrt. Aber wohl
erst die Organisirung der öffentlichen Spenden und Almosen nach
den Bezirken in der verfallenden Republik und mehr noch in der
Kaiserzeit hat denselben einen corporativen Gharakter gegeben, der
ihrem eigentlichen Wesen zuwider läuft. Vorsteher der einzelnen
Tribus hat es gegeben und sie sind besonders bei dem Steuerwesen
thätig gewesen; politische Bedeutung scheinen sie nicht gehabt zu
haben.
Der Bezirk ist bestimmt theils der Verwaltung, insbesondere iniyeJjj^^
Steuer- und im Kriegswesen, die nöthige Handhabe zu bieten, theils ^e« Bezirks,
den Gesammtwillen der Bürgerschaft durch die Gliederung in den
Comitien zum rechten Ausdruck zu bringen. Es kann die Gliederung
der patricisch-plebejischen Bürgerschaft nach den Tribus und den
mehr oder minder auf den Tribus beruhenden Genturien, so wie der
alles beherrschende Gegensatz der tribides und der aerarii nicht
anders dargelegt werden, als durch Eingehen auf die Steuer- und
vor Allem auf die Heerordnung der ältesten Epoche, insofern die
32
Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
im Steuer-
wesen.
aerant.
Sold.
Mblang.
Tribus der Aushebungsbezirk ist und zugleich fttr den .Sold der
Fusssoldaten und die damit zusammenhängende Umlage verwendet
wird, die Centurie in der ständigen Reiterei den effectiven Truppen-
körper, in dem nicht ständigen Fussvolk die für einen jeden Truppen-
körper rechtlich verfügbare Mannschaft umfasst, beide aber im Grossen
und Ganzen die Gesammtheit der dienstpflichtigen Bürger darstellen.
Darauf beruht die Verwendung der einen wie der andern Form für
die beschliessende Bürgerversammlung, die Comitien, deren Wesen im
fünften Buch erörtert werden wird.
Die Verwendung des Bezirks für die Oekonomie der Gemeinde
ist insofern exceptioneller Art, als ordentlicher Weise diese Oekonomie,
ebenso wie der Haushalt des Privaten, auf dem eigenen Vermögen
ruht, das heisst mit den Nutzungen des Gemeindebesitzes^ dem Hutgeld,
dem Fruchtzehnten, den Hafenzöllen und ähnlichen Abgaben, daneben
mit dem Eriegsgewinn die nach ältester Ordnung wenig umfassenden
ökonomischen Lasten der Gemeinde bestritten werden. Wie der Ge-
meindeboden ausserhalb der Bezirke steht, hat auch die Bezirksordnung
mit dieser Verwaltung des Gemein de Vermögens nichts zu schaffen.
Ständige ökonomische Belastung des Bürgers zu Gunsten der Gemeinde
begegnet nur als Ersatz für die mangelnde Wehrpflicht. In diesem
Sinn wird den im Besitz selbständigen Vermögens befindlichen Frauen
und Waisen die Soldzahlung für den Rossdienst auferlegt. Wahr-
scheinlich ist auch, so lange der Waffendienst ausschliesslich von
dem Ansässigen gefordert ward, also bis zur Mitte des 5. Jahrh. der
Stadt, dem nicht ansässigen Bürger eine ständige Abgabe auferlegt
gewesen und er davon aerarius benannt worden, wogegen von einer
gleichartigen ökonomischen Belastung des nach Gastrecht in Rom
lebenden Ausländers wenigstens keine Kunde uns überkommen ist.
Wohl aber begegnet in ältester Zeit eine wenigstens thatsächlich als
ständig zu bezeichnende ökonomische Districtslast in der Soldzahlung.
Die Löhnung für den Fussdienst ist ursprünglich, so weit sie nicht von
dem Feldherrn aus dem Eriegsgewinn geleistet ward, durch Umlage
innerhalb des Bezirks aufgebracht worden, vermuthlich in der Weise,
dass bei jedem Feldzug den nicht ausrückenden Wehrpflichtigen zu
Gunsten der ausrückenden eine compensirende Geldlast auferlegt ward,
und es heisst der Vorsteher desselben, der tribunus davon, dass er
diesen Sold dem einzelnen Bürger auszahlt, aeraritis. Nachdem, der
Angabe nach im J. 348 (406 v. Gh.), die Soldzahlung den Districten ab
und auf die Staatskasse übernommen war, blieb diese Einrichtung in
der Weise bestehen, dass seitdem die Staatskasse den Bezirksvorstehern
die entsprechenden Beträge überwies.
5. Die Qliedemng der patricisch-plebejischeii Gemeinde. 33
Wenn also ursprQnglich die Gemeinde als solche regelmässige s&rger.
ökonomische Leistungen von den Bürgern allgemein nicht erhob, so ^''"'^'^^°'
hat sie ausserordentlicher Weise dergleichen erfordern können, sowohl
Dienstleistungen (operae), insbesondere Hand- und Spanndienste für die
öffentlichen Bauten , wie auch Geldeinschuss (tributtts) , und jene wie
diese haben ohne Frage in den früheren Jahrhunderten Roms die
bürgerlichen Verhältnisse wesentlich bedingt Dennoch sind wir, da
die Frohnden früh abkamen und auch die ausserordentlichen Ein-
schüsse in die Staatskasse späterhin entbehrlich wurden, über das da-
bei beobachtete Verfahren theils gar nicht, theils ungenügend unter-
richtet, und können namentlich die Verwendung der Bezirksordnung
für diese Zwecke nicht genauer verfolgen.
Hinsichtlich der Frohnden gilt dies unbedingt. Von welchem Frohnden.
Gewicht sie gewesen sein müssen, lässt der Riesenbau der städtischen
Mauern ahnen, deren von den „Pflichten^ (moenia, munera) entlehnte
Benennung ihren Ursprung anzeigt ; dass sie in erster Reihe von dem
Ansässigen, auch dem grundbesitzenden Ausländer (municeps) gefordert
worden sind, ist wahrscheinlich ; aber über die Leitung und die Thei*
lung der Arbeiten fehlt es an jeder Ueberlieferung. Die historische
Zeit kennt für die Ausführung öffentlicher Arbeiten lediglich die
Form der Verdingung.
Die ausserordentliche Gemeindeumlage, der tributus, ist nicht umiage.
eigentlich eine Steuer, sondern ein Vorschuss, welchen die Gemeinde
im Fall zeitiger Zahlungsunfähigkeit von den Bürgern einzieht und,
falls sie nach ihrem Ermessen dazu im Stande ist, ihnen denselben
späterhin zurückzahlt. Die Befugnis dazu wird von jeher bestanden
haben; aber die Uebernahme des Soldes der Fusstruppen auf die
Gemeindekasse, welcher soeben gedacht ward, hat selbstverständlich
diese Belastung erheblich gesteigert. Die Benennung sowohl wie die
Verknüpfung dieser Umlage mit der nach den Districten abgenommenen
Schätzung lässt keinen Zweifel daran , dass die Districte für diese Hebungen
die Grundlage bildeten. Die Betheiligung der Tribusvorsteher bei der
Sehatzung ist bezeugt und auch die Hebung der Umlage sicher durch
sie bewirkt worden. Dass, so lange die Tribus nur die Ansässigen
umfassten, diese allein von dem Tributus getroffen wurden, fordert die
Consequenz, und kann auch nicht befremden, da es sich nicht um Steuer-
hebung, sondern um Zwangsanleihe handelt und anderweitige Belastung
der nicht ansässigen Bürger füglich daneben bestanden haben kann.
Nachdem um die Mitte des 5. Jahrh. der Stadt die Wehrpflicht den
Bürgern überhaupt auferlegt worden war und es aerarii im älteren
Sinn nicht mehr gab, trifft die Umlage jeden Bürger nach dem Masse
Binding, Handbuch. I. 8: Mommseii, Abriss d. Rom. StsaUreclit«. 2. Aufl. 3
34
Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
Ädtidui.
Dienat-
pflicht.
seines in der ihm zuständigen Tribus zu diesem Behuf abgeschätzten
Vermögens. Von relativ höherer Belastung der grösseren Vermögen
wird nichts gemeldet, wohl aber bestand eine Steuergrenze, insofern,
wer über 1500 As im Vermögen hat, als „stetiger" (adsiduus) oder
„zahlungsfähiger" (locuples) Mann der Umlage unterliegt, wer darunter
^1»«« cCTwi. geschätzt ist, nur „für die Person" (capite census) und als „Vater
proidarü. Seiner Kinder" (proletarius) in den Listen geführt, dagegen in steuer-
licher Beziehung als vermögenslos angesehen wird. Wenn während
der Jahrhunderte des Aufsteigens der römischen Macht die Umlage
häufig vorgekommen war und nicht selten die Bürgerschaft unter
dieser Last zu erliegen drohte, so hat die römische Gemeinde ihre
Weltmachtstellung vor Allem dazu benutzt, unter Befreiung ihrer Bürger
von allen ökonomischen Lasten allein mit ihrem eigenen Vermögen zu
wirthschaften. Nach dem J. 587 (167 v. Ch.) bis auf Kaiser Diocletian
ist die bürgerliche Umlage nur ein einziges Mal während der Wirren
nach Caesars Ermordung im J. 711 (43 v. Gh.) zur Hebung gekommen.
Aehnlich wie die Steuerpflicht ist auch die Dienstpflicht geordnet
und die Versammlung der wehrfähigen Bürger kann darum nach den
Tribus zusammenberufen werden. Aber wenn diese als Aushebungs-
centurien- bozirko auzusohen sind und sie insofern an die Stelle der Gurion treten,
ordniing.
SO liegt bei der militärisch geordneten Bürgerschaft, dem exercitus viel-
mehr, im Geschlechterstaat ebenso wie in dem patricisch-plebejischen,
als militärische Einheit zu Grunde die centuria für die Reiter wie für den
Fussdienst. Wenn letztere imFelddienst dortdurch dieTurma, hier durch
den Manipulus verdrängt wird, so kann diese Gliederung, da sie auf
die Gomitien nicht angewendet worden ist, als jüngere und rein mili-
tärische staatsrechtlich ausser Betracht bleiben. Der ursprünglichen
Theilung der Bürgerschaft in ansässige (tribules) und nicht ansässige
(aerarii) entspricht die Aufstellung von 188 Genturien zum Waffendienst
Pflichtiger Bürger, während fünf weitere Genturien theils die zum Heer
gehörigen Gewerke umfassen, die Zimmerleute (fäbri tignarü), die
Schmiede (fahrt ferrarit), die Trompeter (liticines oder tubictnes) und
die Hornbläser (comicines), theils in eine Genturie zusammengefasst
die gesammte Masse der unbewaffneten (velati) Ersatzmannschaften,
welche, als neben den Wehrpflichtigen verzeichnet (adcensi), nur aus-
nahmsweise und nicht auf eigene Kosten bewehrt gemacht und zum
Waffendienst herangezogen werden konnten. Insofern umfasst das
Bürgerheer alle erwachsenen männlichen Gemeindeglieder. Zu der
Tribus stand die Genturie in keinem festen Verhältnis, vielmehr
wurde regelmässig die einzelne Genturie aus Tribulen verschiedener
Bezirke zusammengesetzt, um militäriseh wie politisch dieselben mög-
5. Die Gliederung der patricisch-plebejischen Gemeinde. 35
liehst mit einander zu verschmelzen. Aus der Gesammtheit der Wehr-
pflichtigen wurde zunächst die ständige in 18 Centurien geordnete
Reiterei ausgeschieden, von denen sechs die beibehaltenen der patrici-
schen Gemeinde (S. 14) waren, die übrigen zwölf mit Rücksicht auf
Vermögen und Tauglichkeit persönlich für diesen vornehmsten Dienst
ausgewählt wurden. Die übrigen Wehrpflichtigen wurden nach dem
Lebensalter in ein erstes, die felddienstpflichtigen Mannschaften vom
beginnenden 18. bis zum beendigten 46. Lebensjahre umfassendes
Aufgebot, die iuniores, und ein zweites der älteren Leute, der seniores^
geschieden, und jedem Aufgebot 85 Centurien zugetheilt, jede dieser
Hälften aber nach dem Masse des Grundbesitzes geschieden in die
Volldienstpflichtigen oder die classici, welche 40, und die mit ab-
geminderter Rüstung dienenden (daher infra clas8em\ welche in vier
Abstufungen 10, 10, 10 und 15 Centurien stellten. Die Vertheilung
der für einen derartigen Centuriencomplex nach Alter und Vermögen
qualificirten Bürger unter die einzelnen Centurien scheint vom Er-
messen der Magistratur abgehangen zu haben. Da die Zahl der Ab-
theilungen ein für allemal feststand, so war, abgesehen von den stän-
digen und also militärisch geschlossenen Reitercenturien von je 100
Mann, die der Centurie zugetheilte Personenzahl nothwendig ungleich,
ja nach der ganzen Anlage dieser Ordnung diese Ungleichheit insofern
beabsichtigt, als die minder zahlreichen Mannschaften des zweiten
Aufgebots ebenso viele Centurien erhielten als die zahlreicheren des
ersten und vor Allem die Ansässigen wie in der Wehrpflicht so im
Stimmrecht so entschieden vorangestellt, dass die Wehrpflicht und das
Stimmrecht der nicht Ansässigen geradezu illusorisch erscheinen, wo-
gegen eine Bevorzugung der grösseren Besitzer gegenüber den Inhabern
kleinerer Bauerstellen aus unserer Ueberlieferung wenigstens nicht mit
Sicherheit erschlossen werden kann. Innerhalb der Centuriencomplexe
aber müssen die einzelnen Centurien an Kopfzahl ungefähr gleich
gewesen sein und Ordnungen dahin bestanden haben, dass beispiels-
weise die für die 40 Centurien des ersten Aufgebots erster Klasse
qualificirten Mannschaften nicht allzu willkürlich in dieselben ein-
getheilt wurden. — Die früher erörterte Einreihung der aera/rii unter .
die tribuies änderte diese Ordnung nur insofern, als an die Stelle der
Ansässigkeit in ihren verschiedenen Abstufungen entsprechend ab-
gestufte Censussätze traten und die fünf Nebencenturien nicht mehr
die nicht ansässigen, sondern die ärmeren unter dem niedrigsten zum
Wehrdienst qualificirenden Steuersatz von 11000, später 4000 As
geschätzten Bürger umfassten.
Diese Ordnung, die in militärischer Beziehung früh beseitigt Befonnbto
36 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
centurieu- wofdeii ist, hat in politischer bis auf den hannibalischen Krieg be-
Anknüpfang Standen und ist dann später von Sulla , freilich nur auf kurze Zeit,
dillöTribus. wieder ins Leben gerufen worden. Sie ist wahrscheinlich im Jahre
534 (220 V. Gh.) umgestaltet worden, hauptsächlich, wie es scheint,
um das active Wahlrecht der Bttrger von der Willkür der Censoren
und der wahlleitenden Magistrate unabhängiger zu stellen. Es ist
schon hervorgehoben worden, dass die ältere Heerordnung, indem sie
nur fttr die grossen Centuriencomplexe die Qualification nach Alter
und Vermögen feststellte, die Vertheilung der Borger in die einzelnen
Centurien wahrscheinlich der Magistratur ttberliess. Wenn auch
rechtliche und gewohnheitsmässige Normen wesentliche Ungleichheit
der den rechtlich gleichstehenden Centurien zugetheilten Personenzahl
verhindert haben werden, so lag es doch in der Tendenz der republi-
kanischen Entwickelung dem magistratischen Belieben auch auf diesem
Gebiet Schranken zu setzen. Dies wurde um so nothwendiger, nachdem
auch die nicht ansässigen Bürger in die Tribus eingereiht waren, da die
in der Tribusordnung so scharf zum Ausdruck gebrachte Zurücksetzung
derselben in den Centurien lediglich, vom Gutdünken der Magistratur
abhing. Es geschah dies wahrscheinlich dadurch, dass die bestehenden
170 Stimmkörper des Fussvolks mit den 35 Districten, deren Zahl eben
darum seitdem nicht weiter vermehrt worden ist, in gesetzlich feste Ver-
bindung gebracht wurden. Die Tribulen einer jeden Tribus wurden
nach dem Lebensalter in zwei Verbände der Jüngeren und der Aelteren
geschieden, und jeder dieser siebzig Verbände nach den bestehenden
fünf Vermögensstufen in fünf Centurien zerlegt, unter diese 350
Centurien aber jene 170 Stimmen in der Weise vertheilt, dass den
70 Centurien der ersten Klasse je eine Stimme beigelegt, aus den
280 übrigen durch eine im Einzelnen nicht nachweisbare Zusammen-
legung 100 Stimmkörper gebildet wurden. Die siebzig Verbände
traten gewissermassen an die Stelle der 35 Bezirke und die den Cen-
turien eines jeden derselben vorgesetzten Centurionen an die der
Tribtisvorsteher. Auf diese Weise wurde erreicht, dass das Ueber-
gewicht der den 31 ländlichen Tribus angehörigen Ansässigen über
die in die vier städtischen Tribus eingeschriebenen nicht grundbesitzen-
den Bürger, wie es wenige Decennien vorher für die Tribusversanun-
lung festgestellt worden war, fortan auch in der Centurienordnung
nicht auf dem willkürlichen Belieben der Beamten, sondern auf fester
Ordnung ruhte. Hinsichtlich der Reitercenturien blieb die bisherige
Ordnung in Kraft ; nur ging denselben wahrscheinlich gleichzeitig das
wichtige Vorstimmrecht verloren und stimmten sie fortan mit oder
nach den Voll wehrpflichtigen des Fussvolks.
6. Die priviiegirten BOrgerklassen.
Privilegirte Bürgerklassen hat, so viel wir sehen, das patricische
Rom nicht gekannt. In dem patricisch - plebejischen erseheinen als
solche, allerdings in sehr verschiedenen Epochen und in sehr mannich-
faltiger Gestalt, der Patriciat, die Kobilitftt, der Senatorenstand und
die Ritterschaft. Ihnen allen gemein ist es, dass sie nicht als
Körperschaften auftreten und weder Beschlussrecht noch Vorsteher
haben, also die innerliche Einheit des Gemeinwesens ihnen gegenüber
ebenso streng aufrecht gehalten wird wie gegenüber dem Theile der
Bürgerschaft (S. 6) ; die bezeichneten Kategorien sind lediglich durch
personale oder erbliche Privilegien ausgezeichnet, ihre Zugehörigen
Staatsbürger bessern Rechts.
1. Der Patriciat.
Der Patriciat, einstmals das Bürgerrecht schlechthin (S. 5), tritt ^^^l^l""^'
in der späteren Bürgerschaft als Erbadel auf. Begriff und Wesen
desselben sind dabei im wesentlichen unverändert geblieben, und es
kann dafür so wie für die mehr privatrechtlichen Ordnungen, ins-
besondere das strengere Eherecht und das Institut der Clientel auf die
früher gegebene Darstellung verwiesen werden. Hier verzeichnen wir
die in späterer Zeit den Patriciem zuständigen politisch«! Privilegien
einschliesslich derjenigen Stellungen, für welche im Laufe der Ent-
wickelung der Patriciat disqualificirt.
a) Die altpatrieischen Gomitien der Curien wie der Genturien curien-
haben, seit es eine patricisch-plebejische Bürgerschaft giebt, die gy. ■*^"*™'^««*'^-
gemeine legislative Gompetenz verloren ; nur für die wesentlich privat-
rechtlichen und hauptsächlich in die Geschlechtsordnung eingreifenden
Acte ist dieselbe den Gurion geblieben. Dass in diesen noch in der
patricisch - plebejischen Gemeinde eine Zeit lang die Patricier aus-
schliesslich stimmberechtigt waren, ist wahrscheinlich. Indess sieht
38 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
dies im Widerspruch mit dem Princip, dass die bevorrechtete Bürger-
klasse nicht als Körperschaft functionirt, und in historischer Zeit sind,
wie schon (S. 12) bemerkt ward, die Guriatcomitien ebenso patricisch-
plebejische wie die der Centurien und der Tribus.
patridsoiie b) In der ursprünglichen patricisch - plebejischen Wehr- und der
davon abhängigen Stimmordnung sind die sechs angesehensten Cen-
turien, die sex suffragia der Reiter, als procüm patrictüw den Pa-
triciem vorbehalten worden, und wahrscheinlich haben dieselben auch
gesondert und vor den übrigen zwölf der Reiter und denen des Fuss-
volks gestimmt. Indess ist dies Yorstimmrecht späterhin auf die zwölf
patricisch - plebejischen übergegangen, womit das Vorrecht in eine
Zurücksetzung umgewandelt ward. Noch später, wie es scheint im
J. 534 (220 V. Gh.), scheinen jene sechs Centurien selbst auch den
Plebejern geöffnet worden zu sein.
^priwtoJ* c) Die Unfähigkeit des Plebejers zur Verrichtung sacraler Func-
thümer. tloueu für dio Gemeinde ist ein Fundamentalsatz der ursprünglichen
patricisch-plebejischen Ordnung und bis in die Kaiserzeit hinein gilt
die Regel, dass zur Bekleidung eines jeden Gemeindepriesterthums
der Patricier schlechthin, der Plebejer nur auf Grund einer speciellen
gesetzlichen Anordnung fähig ist, wenn gleich thatsächlich . schon in
Folge des allmählichen Einschwindens des starr sich abschliessenden
Erbadels, diese Regel mehr und mehr zur Annahme wird. Für die
drei grossen Flaminate, die im Rang höchsten aller Priesterthümer,
und die beiden Collegien der Salier hat man die ganze Eaiserzeit
hindurch den Patriciat gefordert. Lange Zeit ist auch in Betreff der
beiden mitRom zugleich entstandenen und politisch wichtigsten Priester-
schaften der Pontifices und der Auguren und des jüngeren, aber auch
sehr alten, dem die Hut der Sibyllenorakel anvertraut war, der gesetzliche
Ausschluss der Plebejer festgehalten worden. Bei dem letztgenannten
wurde durch das licinische Gesetz vom J. 387 (367 v. Chr.) die Hälfte
der Stellen, bei dem Pontifical- und dem Auguralcollegium durch das
ogulnische vom J. 464 (300 v. Chr.) sogar die grössere Hälfte — da-
mals fünf von neun — den Plebejern gesetzlich vorbehalten, die übrigen
beiden Ständen gleichmässig geöffnet. Von dem vierten der grossen
Collegien, dem im J. 558 (196 v. Chr.) eingesetzten der Epulonen
scheinen die Patricier in republikanischer Zeit ausgeschlossen gewesen
zu sein. Die übrigen Priesterthümer, das Frauenpriesterthum der
Vestalinnen, die Genossenschaften der Fetialen und der Luperker, die
kleinen Flaminate erscheinen, so weit unsere Ueberlieferung zurück-
reicht, den Plebejern zugänglich ; ob in Beziehung auf diese, so weit
ihre Entstehung in die Epoche des Geschlechterstaats fällt, patricische
6. Die privilegirten Bürgerklassen. 39
Privilegien bestanden haben und beseitigt worden sind, lässt sich um
so weniger ausmachen, als bei manchen dieser Einrichtungen, nament-
lich bei den Vestalinnen nicht eigentlich Vertretung des Staats gegen-
über der Gottheit zu Grunde liegen mag, und daher vielleicht das
volle Bürgerrecht von Haus aus hier nicht gefordert ward.
d) Wenn mit der Zulassung des Plebejers zum Wehrrecht die p»tridBciie
Befähigung desselben zur Führung des Gommandos unter dem Magistrat
logisch und praktisch verbunden war, der Plebejer also seitdem auch
zum Legionsführer (tribuntts militum) ernannt werden konnte, so gilt
dies nicht von dem Magistrat selbst, ohne Frage deshalb, weil dieser
die Gemeinde auch den Göttern gegenüber zu vertreten hat. In
vollem Umfang findet dies Anwendung auf den König, der zugleich
Magistrat und Priester ist, und ist daher auch für das sacrale Schemen
desselben, den rex sacrorum bis in die Eaiserzeit hinein eingehalten
worden. Aber auch fQr die älteste Republik ist die Unfähigkeit des
Plebejers zur Bekleidung einer Magistratur der Eckstein der damaligen
Gemeindeordnung, und diese Vorschrift ist nur schritt- und stückweise,
ja principiell überhaupt nicht gefallen; insbesondere das Zwischen-
königthum ist noch am Ausgang der Republik ein patricisches Amt. Am
frühesten sind Plebejer zugelassen worden bei ausserordentlicher oder
stellvertretender Besetzung des Oberamts: unter den in den J. 303
(451 V. Chr.) und 304 (450 v. Chr.) fungirenden Zehnmännern für
Constituirung des Gemeinwesens^ finden sich Plebejer, und die
kurz nachher, vielleicht eben in Folge des Decemvirats, zugelassene
Verknüpfung der oberamtlichen Function mit der blossen Offizier-
stellung, der sogenannte Consulartribunat , ist recht eigentlich die
Zulassung des Plebejers zur Führung des Oberamts ohne Führung des
Titels. Unter den ordentlichen Aemtern macht den Anfang die Quästur,
insofern folgerichtig, als das Unteramt, wie seiner Zeit gezeigt werden
soll, streng genommen nicht als Magistratur betrachtet werden kann : im
Jahre 333 (421 v. Chr.) wurden mit der Vermehrung der Quästorenstellen
von zwei auf vier zugleich alle beiden Ständen freigegeben. Der ent-
scheidende Schritt geschah im Jahre 387 (367 v. Chr.) durch das lici-
nische Plebiscit : indem dies den Consulartribunat abschaffte, theilte es
die beiden Gonsulstellen zwischen den Ständen in der Weise, dass
die eine mit einem Patricier, die andere mit einem Plebejer besetzt
werden sollte. Allem Anschein nach ward gleichzeitig sowohl die alte
Dictatur wie auch die jetzt neu errichtete dritte Oberamtsstelle, die Prä-
tur beiden Ständen gleichmässig zugänglich gemacht, da die Ordnung
derQualification wahrscheinlich auf das Oberamt überhaupt gleichmässig
bezogen wurde. Selbst die einige Zeit vorher gleich der Prätur aus
40 Erstes Bach. Die Bürgpenchaft und das Reich.
dem Oberamt abgezweigte Gensur scheint schon in Folge des licinischen
Gesetzes den Plebejern in der Weise eröffnet worden zu sein, dass
ffir beide Stellen jeder Bürger wählbar war. Die ebenfalls im J. 387
(367 y. Chr.) eingerichtete Aedilitftt ist in ähnlichem Sinne zwischen den
beiden Ständen in der Weise getheilt worden, dass die beiden plebeji-
schen Aediles aus Sonderbeamten der Plebs in Beamte der Gemeinde
umgewandelt, die beiden neu eingerichteten curulischen Aedilen den
Patriciern entnommen wurden. Die hier angestrebte Rechtsgleichheit
der Adlichen und der Borgerlichen schlug bald in rechtliche Zurück-
setzung der ersteren um : Volksschlüsse aus den J. 412 (342 v. Chr.)
und 415 (339 v. Chr.) setzten für Consulat und Censur fest, dass je eine
dieser Stellen der Plebs vorbehalten, die zweite beiden Ständen offen sein
solle ; um dieselbe Zeit wurde für die curulische Aedilität der Turnus
eingeführt, so dass dieselbe in den var ronisch ungeraden Jahren der Stadt
mit Patriciern, in den varronisch geraden mit Plebejern besetzt ward,
während die plebejische den letzteren ausschliesslich verblieb. Ebenso
blieb der Yolkstribunat auch nachdem er thatsächlich aus einem Sonder-
amt der Plebs in ein Amt der Gemeinde umgestaltet war, den Adlichen
verschlossen. Indess diese Festsetzungen selbst legen Zeugniss davon
ab, dass die politische Vormachtstellung des Geschlechtsadels den Ver-
lust seiner Privilegien und selbst die rechtliche Zurücksetzung weit über-
dauert hat; nur auf jene gestützt hat sich der Patriciat in dem Sonder-
besitz der einen Consulstelle bis zum J. 582 (172 v. Chr.), der einen
Censorstelle bis zum J. 623 (131 v. Chr.) behauptet, und trotz des all*
mählichen Einschwindens der Zahl haben die alten Geschlechter durch
die ganze republikanische Epoche, ja noch darüber hinaus in der
ersten aus ihnen hervorgegangenen Dynastie der Julier und der
Claudier einen bestimmenden Eintluss behauptet, während der Erb-
adel der Kaiserzeit zu keiner politischen Bedeutung gelangt ist.
DiePfttricier o) Der Souat der patricischen Gemeinde ist in die patricisch-
"^ ^""^ ' plebejische insofern unverändert übergegangen, als auch in dieser die
formale Bestätigung der Volksschlüsse so wie das Zwischenkönigthum
den Patriciern als Reservatrechte verblieben. Für das eigentliche
Regiment der Gemeinde, welches mehr und mehr auf den Gemeinde-
rath überging, sind dagegen in der patricisch-plebejischen Staatsordnung
den patricischen patres, so viel uns bekannt von Anfang an, die plebe-
jischen canscripti zur Seite getreten, aber so wenig in gleichberech-
tigter Stellung, dass vielmehr der plebejische Beisitzer weder auf dem
Kamen noch auf die Ehrenabzeichen des Senators Anspruch hatte, und
er weiter wie in der Bürgerschaft das Stimmrecht ohne das Aeiiter*
recht, so im Senat das Stimmrecht ohne das Recht des BescUuss-
6. Die pri?ilegirten Bürgerklasseo. 41
▼0T8chIag8 erhielt. Rechtliche Gleichstellung mit den patrieiBchen haben
die plebejischen Senatoren auch später nicht erhalten. Erst in Folge
der Zulassung der Plebejer zum Oberamt im J. 387 (367 v. Chr.) ist
denen von ihnen, die dazu gelangt waren, die reditliche Gleichstellung
im Senat eingeräumt worden; da ein bevorrechtetes Vorschlagsrecht
für den Senator an das bekleidete Oberamt ohne Zweifel schon früher
geknüpft war, konnte der plebejische Gonsular bei den Senatsver-
handlnngen nicht Iftnger stummer Beisitzer bleiben. Allmählich ist
dann durch die mehr und mehr um sich greifende und schliesslich
alleinige Besetzung der Senatsstellen durch die Wahl zu einer
Magistratur die bevorrechtete Stellung des Adels im Senat beschränkt
und endlich beseitigt worden. Es wird darauf im fünften Buch bei
der Behandlung des Senats zurückzukommen sein.
2. Die Nobilität.
Die Nobilität ist ein erweiterter Patriciat und aus diesem ent- Quasi-
wiekelt, indem dieser Kreis die Patricier umfasst nebst den aus dem Nobiiftätr
Patriciat ausgetretenen oder den Patriciern in der Amtsehre gleich
geltenden Plebejern. Ausgegangen ist der Begriff wohl davon, dass
der durch Emancipation oder Austritt aus dem Geschlecht aus-
scheidende Adliche zwar seine Adelsrechte verliert, aber seinen
Geschlechtsnamen behält und auch ferner ein „namhafter" (nobilis)
Mann bleibt. Hauptsächlich aber findet er Anwendung auf diejenigen
Plebejer, welche nach dem licinischen Gesetz zu den bis dahin den
Patriciern vorbehaltenen Gemeindeämtern gelangen. Da diese Aemt^r
auch ferner noch als „patricische'' angesehen werden, so scheiden ihre
Träger von Rechtswegen aus der mit der Plebität rechtlich verknüpften
Glientel aus (S. 21) und stehen im Senat den Patriciern gleich ; daher
wird ein solcher „neuer Mann*" (hämo novus) zwar nicht selbst, wohl
aber seine Descendenz der Nobilität zugezählt, so dass also an die
Uebemahme eines curulischen Amtes sich für den Plebejer dieser
erbliche Quasi-Patriciat anknüpft. Rechtliche Privilegien, wie sie dem
Patriciat zustehen, hat die Nobilität nicht; die Befugniss von denjenigen
Ahnen, welche curulische Aemter bekleidet haben, die Bildnisse im
Haussaal aufzustellen ist wohl das Kennzeichen der NobilitAt, aber
doch mehr ein magistratisches Ehrenrecht als ein Standesprivilegium.
Aber wie bei der Aemterbewerbung , nachdem die rechtliche Bevor-
zugung des Adels beseitigt war, die gewohnheitsmässige noch lange
von mächtigem Einfluss blieb, so ist die letztere dem Quasi-Patricier
gleichfalls zu Statten gekommen, namentlich auch insofern, als der Adel
insgesammt der Plebs gegenüber insbesondere bei den Wahlen zu-
42 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
sammeDzuhalten pflegte. Die rechtliche Geschlossenheit des Patriciats
hätte nothwendiger Weise es demselben unmöglich gemacht das Adels-
regiment zu behaupten, wenn nicht durch die Quasi-Reception eines
jeden unter Sprengung des Adelsrings zur Magistratur gelangenden
Plebejers in den Erbadel selbst die Fortdauer der Adelsherrschaft
ermöglicht worden wäre. Die Rechtsgleichheit der Patricier und der
Plebejer, wie sie durch die ständischen Kämpfe herbeigeführt worden
war, wurde durch dieses Herkommen formell nicht alterirt, factisch
aber wesentlich beeinträchtigt, ja im Laufe der Entwickelung in der
That aufgehoben. Wie so oft im politischen Ausgleichungskampfe
wandelten die Sieger die erstrittene Gleichheit um in eine neue Form
der Privilegirung.
3. Der Senatorenstand.
Von der Zusammensetzung des Senats und seinem Antheil am
Regiment der Gemeinde wird im fünften Buch gehandelt werden.
Hier sollen die Vorrechte dargelegt werden, welche dem einzelnen
Senator, in späterer Zeit auch den Frauen der Senatoren und deren
Kindern bis zum dritten Grade beigelegt sind, soweit dieselben die
Rangstellung betreffen oder politischer Art sind; die Sonderstellung
der Senatoren im Ehe- und im Vermögensrecht kann hier übergangen
werden. Dem Senat als solchem stehen corporative Rechte so wie
eigenes Vermögen und eigene Kasse nicht zu.
Abzeichen a) Das ältosto äussoro Abzeichen des Senators, der Schnürenschub^
des
Senators, kommt aufaugs nur dem patricischen Senator zu, wie denn dieser
ursprünglich allein als wirklicher Senator angesehen wird. Weiterhin
finden wir dies Abzeichen, jedoch mit der Beschränkung, dass der
Halter (luntda) von Elfenbein dem patricischen Senator allein ver-
bleibt, im 6. Jahrh. ausgedehnt auf die zu curulischen Aemtern ge-
langten, also auf die quasi - patricischen , noch später auf sämmtliche
Senatoren. — Ob der rothe Streifen am Untergewand, wie ihn der
Ritter trug, von Haus aus auch dem Senator zukam oder erst von der
Ritterschaft auf den Senat übertragen ward, ist zweifelhaft. Als in der
gracchischen Zeit die Senatoren und die Ritter sich schärfer von einander
schieden, kam es auf, dass der Senator den Streifen breiter (latus davus)
trug, der Ritter schmaler (angustus clams) und dieses Distincti v der beiden
bevorrechteten Stände ist geblieben. — Der goldene Fingerreif ist erst
später und zwar zuerst für die Senatoren in Uebung gekommen und
hat sich dann auf die Ritter übertragen, bei denen wir auf denselben
zurückkommen. — Diese Abzeichen sind in republikanischer Zeit
personale; als aber Augustus einen Senatorenstand schuf, erstreckte er
6. Die privilegirten Bürgerklassen. 43
dieselben einerseits auf die Descendenten der Senatoren, andererseits
auf diejenigen jüngeren Männer des Ritterstandes, welche er in
Pflichten und Rechten diesen gleichstellte.
b) Gesonderte und bevorzugte Sitzplätze bei den öffentlichen s^u-
Btthnenspielen sind den Senatoren seit dem Jahre 560 (194 v. Chr.)
eingeräumt und es ist dies dann auf andere Volksfeste übertragen
worden.
c) Ein bevorzugtes Stimmrecht hat der Senator nur insofern, als stimmweht.
er bei der Bildung der Rittercenturien ^bevorzugt wird, worüber bei
der Ritterschaft zu handeln ist.
d) Auch bei der Aemterbewerbung ist der Senator als solcher g^Aemte^^
nicht bevorzugt; nach den späteren Ordnungen indess, welche als Quali- ^i'^-
fication für das höhere Amt die Bekleidung eines niederen mit der
Gewinnung des Senatssitzes verbundenen fordern, concurriren bei allen
wichtigeren Bewerbungen lediglich Senatoren. — In gleicher Weise
werden die vom Senat ausgehenden Abordnungen aller Art, die im
Regiment der Republik eine hervorragende Rolle spielen, wenn nicht
von Rechtswegen, so doch thatsächlich ausschliesslich aus dem Senat
genommen. — Noch in der Kaiserzeit wird für die Beamtenernennung,
soweit sie auf den Kaiser überge&t, sowie nicht minder für die Besetzung
der höchsten Offizierstellen, insbesondere der Legionscommandos, die
Zugehörigkeit zum Senat oder sogar zu einer bestimmten Klasse des-
selben als Qualification gefordert. — Für die Priesterthümer scheint
in republikanischer Zeit die Senatorenqualität rechtlich nicht erforderlich
gewesen zu sein; thatsächlich aber sind die höheren derselben schon
damals so gut wie ausschliesslich an Senatoren und Senatorensöhne
gegeben worden. Augustus wird dies dann rechtlich formulirt haben.
— Für die Anfangsämter und somit für den Eintritt in den Senat
selbst hat in republikanischer Zeit das allgemeine Bewerbungsrecht
nicht bloss formell fortbestanden, sondern es ist wahrscheinlich für
den neuen Mann nicht allzu schwierig gewesen dazu zu gelangen,
wenn gleich die der Nobilität angehörigen Bewerber auch dabei
factisch bevorzugt waren. Augustus hat dagegen nur einerseits die
Nachkommen der Senatoren, andererseits die von ihm in den Senatoren -
stand aufgenommenen jungen Männer zur Bewerbung um die Gemeinde-
ämter zugelassen, für welche sie zugleich zur Pflicht gemacht ward.
Dadurch wurde der Senatorenstand zu einer theils erblichen, theils
durch kaiserliche Ernennung ergänzten Pairie und lieferte diese Pairie
in der Kaiserzeit ausschliesslich die höhere Kategorie der Beamten.
e) Als Geschwornen im Civilprozess konnte der Magistrat Ursprung- oe-
lich wahrscheinlich von Rechtswegen jeden römischen Bürger berufen. ^^\™!''
pferd.
44 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und. das Reich.
Aber unter dem entwickelten aristokratischen Regiment macht sieh
der Anspruch der Senatoren auf ausschliessliche Berechtigung hiebet
geltend, namentlich seit dem Anfang des 7. Jahrh. d. St. hinsichtlich
der Geschwomenstellen in den aus dem Givilprocess entwickelten
politisch wichtigen Quästionenprocessen. Der im Gegensatz dazu er-
hobene gleichartige Anspruch der Ritterschaft rief dann einen das letzte
Jahrhundert der Republik ausfüllenden Interessenstreit der beiden
privilegirten Stände hervor. Sowohl in der Epoche vor Gaius Gracchus
wie auch wieder während der sullanischen Reaction wurden lediglich
Senatoren zu Geschwomen berufen, während in der gracchanischen
Epoche die Senatoren von diesen Stellen ausgeschlossen waren und in
der letzten Zeit der Republik vom J. 684 (70 v. Chr.) an ein Drittel
derselben mit Senatoren besetzt ward. In der Eaiserzeit, wo diese
Thätigkeit aus einem begehrten Recht zu einer lästigen Plflicht wurde,
ist dieselbe den Senatoren abgenommen.
4. Die Ritterschaft.
Qiiaii- Die Ritterschaft', welche, hervorgegangen aus der alten Bürger-
d^ sTtte^'^ reiterei, seit der mittleren Republik als bevorzugte Bürgerklasse auf-
tritt, bilden die Inhaber der Staatspferde, die eqttites Romani equopublico.
Wenn die Bürgerreiterei darauf angelegt zu sein scheint diesen an
sich schon und vor allem durch seine Ständigkeit kostspieligen Dienst
auch dem Unvermögenden einigermassen zu ermöglichen, da dem Staats-
pferdinhaber besondere Emolumente (S. 32), jedem anderen Reiter der
dreifache Sold des Fusssoldaten gewährt wurden , so ist nichtsdestoweniger
der Rossdienst früh als eine nur dem Vermögenden zuzumuthende Last
behandelt, zugleich aber auch, namentlich insoweit er ständig war,
des damit verbundenen Ansehens wegen von der reicheren Bürger-
schaft vorzugsweise begehrt worden, wobei noch hinzukam, dass von
den achtzehn Genturien der Staatspferdinhaber die sechs vornehmsten
dem Erbadel vorbehalten und selbstfolglich in den übrigen zwölf die
plebejische Nobilität und die allmählich neben diesem magistratischen
Adel sich entwickelnden Kreise der hohen Finanz vorzugsweise vertreten
waren. Somit stellte sich für den Rossdienst neben der ursprünglichen
Qualification nach dem Alter und der körperlichen Tüchtigkeit die
weitere nach Geburt und Vermögen ein. Die Ausschliessung der Frei-
gelassenen wurde hier mit voller Strenge durchgeführt und durch
Bevorzugung der Söhne solcher Väter, die selbst das Staatspferd
gehabt hatten, thatsächlich selbst eine gewisse Erblichkeit desselben
herbeigeführt, desgleichen nur zugelassen, wer den vierfachen Census
der vollen Wehrpflicht, das heisst ein Vermögen von 400000 Sesterzen
6. Die privilegirten Bürgerklasaen. 45
aufweisen konnte. Aus den sonach fttr den Reiterdienst qualificirt
erachteten Bürgern, welche auch wohl abusiv selber als Ritterschaft be-
zeichnet werden, wiirden theils von den Feldherrn die effectiven BQrger-
reiter ausgelesen, die Qbrigens ziemlich früh militärisch verschwanden,
theils durch die Censoren jene achtzehnhundert Staatspferdreiter,
die eigentliche Ritterschaft, welche zwar von Rechtswegen effectiven
Reiterdienst zu leisten hatte, aber mehr und mehr ohne Rücksicht
auf die militärische Brauchbarkeit gebildet wurde. Es blieb bei der
alten Ordnung, wonach die Censoren die Staatspferde an geeignete
Personen austheilten und die nicht mehr Dienstfähigen dieselben abzu-
geben hatten, und sie hat dazu geführt, dass diese zweite Adelsklasse
nicht wie der Patriciat auf der Geburt, sondern auf obrigkeitlicher
Verleihung beruht und späterhin sich zum Briefadel entwickelt. Aber
thatsäehlich ward diese Ordnung keineswegs innegehalten. Mehr noch
als bei der Zutheilung des Staatspferdes, welche die durchgängig aristo-
kratisch gesinnten und von jeder Verantwortlichkeit befreiten Censoren
nach politischen Rücksichten handhabten, scheint der Austritt aus
der Ritterschaft wegen des dieser zustehenden besseren Stimmrechts
bei der Nobilität häufig über die rechte Altersgrenze hinaus verschoben
worden zu sein; es ist sogar nicht unwahrscheinlich, dass in Folge
eines formellen Privilegiums die Consulare, Prätorier und Aedilicier
r^elmässig in den Rittercenturien verblieben, bis in der gracchischen
Zeit die Incompatibilität des Ritterpferdes und des Senatssitzes gesetz-
lich festgestellt ward. Sowohl diese Festsetzung wie auch die Be-
seitigung des patricischen Beservatreehts auf den dritten Theil dieser
Genturien haben dann dazu beigetragen die Ritterschaft, welche bis
dahin den Amtsadel und die von dem eigentlichen Regiment sich
fernhaltende Finanzaristokratie in sich vereinigt hatte, in der Weise
zur Trägerin der letzteren zu machen, wie sie uns im letzten Jahr-
hundert der Republik entgegentritt. Die suUanische Reaction war
wesentlich der Sieg der Nobilität über die Ritterschaft und stellte
auch die letztere insofern auf eine andere rechtliche Grundlage , als
die bisher durch die Censoren bewirkte Aufoahme unter die Staats-
pferdinhaber mit der thatsächlichen Beseitigung der Censur wegfiel.
Was dafür an die Stelle trat, ist nicht vollständig ermittelt ; sicher ist
und charakteristisch, dass seitdem dem erwachsenen Sohn des Senators
das Ritterpferd von Rechtswegen zukam, während wahrscheinlich dessen
Erwerbung noch an andere Momente, vielleicht an die Bekleidung
des Kriegstribunats geknüpft ward. Die Ausscheidung aus der Ritter-
schaft, abgesehen von dem Uebertritt in den Senat, scheint damit
überhaupt aufgehört zu haben. Indess hat es bei dieser Umgestaltung
46 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
der Ritterschaft im optimatischen Sinne keineswegs sein Bewenden
gehabt. Noch in republikanischer Zeit sind Versuche gemacht worden,
die Gensur wieder in das Leben zu rufen und in der augustischen
Reform ist die magistratische Verleihung des Ritterpferdes nicht blos
zu Gunsten des Kaisers wieder hergestellt, sondern auch durch Be-
seitigung der geschlossenen Zahl wesentlich gesteigert worden. Der
Gegensatz des erblichen Amtsadels, der den Senatorenstand bildet,
und der aus den Männern guter Geburt und namhaften Vermögens
durch kaiserliche Berufung ausgewählten Ritterschaft beherrscht vor
allem die Epoche des Principates. Dagegen ist Augustus Versuch,
den effectiven Rossdienst in der Weise zu erneuern, dass die Ritter-
schaft zu einem berittenen Offiziercorps ward, nur unvollkommen ver-
wirklicht worden. Es wurde die Aufnahme in die Ritterschaft wohl
bis zu einem gewissen Grade mit dem Offizierdienst verknüpft, wie
denn auch dem erwachsenen Senatorensohn zwar das Ritterpferd von
Rechtswegen zukam, er aber zugleich verpflichtet ward als Kriegstribun
zu dienen, und es wurde ferner in der besseren Kaiserzeit das Ritterpferd
vor erreichtem Dienstalter nicht ertheilt; allein häufig und in immer
steigendem Umfang ist das Ritterpferd einfach als personaler Adel
verliehen worden und die Lebenslänglichkeit ist, abgesehen von er-
wiesener UnWürdigkeit, damit verbunden geblieben.
Die politischen Privilegien, welche dieser zweiten Klasse der
römischen Aristokratie, allerdings zu verschiedenen Zeiten und in
sehr verschiedenem Grade zukamen, sind die folgenden:
Miiitirische a) Die militärische Gliederung, welche der ständigen Bürgerreiterei
omurung. g^i|jg^ygj.g^jjjji(.jj zugokommcu ist, ist der Ritterschaft, auch nachdem
dieselbe nicht mehr als Truppe betrachtet werden kann, dennoch ge-
blieben, und zwar wird dabei nicht die alte Genturie zu Grunde ge-
legt, sondern die im effectiven Kriegsdienst dafür eingetretene Turma
(S. 14). Augustus hat sogar der Ritterschaft in den sechs Führern
der sechs ersten Türmen quasi - magistratische jährlich wechselnde
Anführer gegeben. Verwendung findet diese Gliederung lediglich bei
gewissen Musterungen der Ritterschaft und bei Festlichkeiten. . Eine
Körperschaft ist die Ritterschaft nicht; sie tritt nicht zur Beschluss-
fassung zusammen und hat keine dafür competente Vorsteher noch
auch eigenes Vermögen und eigene Kasse.
Abzeichen b) Als äusseres Abzeichen scheint der Purpurstreifen am Unter-
gewand (clavtis) dem Reiter von jeher als Dienstabzeichen zugekommen
zu sein und er ist, späterhin neben einem gleichartigen, aber gesteigertem
Abzeichen des Senators, dem Ritter verblieben. — Der goldene Finger-
ring ist dagegen verhältnissmässig spät und zunächst als senatorisches
6. Die priyilegirten Bürgerklassen. 47
Abzeichen in Gebrauch gekommen (S. 42) ; erst seit der gracchischen
Zeit fahren denselben die beiden privilegirten Stände gleichmässig. Die
Verleihung des Ritterrechts an den Freigelassenen unter Fiction der
Ingenuität, welche in republikanischer Zeit überhaupt nicht und in der
besseren Kaiserzeit als seltene Ausnahme vorkommt, erfolgt in dieser in
der Form der Verleihung der Goldringe ; späterhin werden diese dem Frei-
gelassenen nicht selten gewährt, ohne dass damit die fictive Ingenuität
und der Standeswechsel verbunden ist. — Ob diese Ehrenrechte
lediglich dem Staatspferdinhaber zukamen oder auch, so lange es
eine Bürgerreiterei gab, dem ohne Staatspferd zu Boss dienenden
Bürger, ob sie ferner, bevor die Lebenslänglicbkeit der Ritterstellung
durchgeführt ward, auch nach Abgabe des Ritterpferdes fortbestanden,
lässt sich nicht mit Sicherheit entscheidtt^.
c) Abgesonderte Sitzplätze bei den fühnenspielen, die „vierzehn schau-
Reihen "", sind, nach dem Muster der Senatoren, den Rittern in der
gracchischen Fipoche, und, nachdem sie dieselben durch Sulla verloren
hatten, wieder im Jahre 687 (67 v. Chr.) durch das roscische Gesetz
verliehen worden. In der Kaiserzeit wurde dies auch auf die Renn-
und die Kampf spiele erstreckt.
d) Dass bei der Abstimmung nach Centurien den Staatspferd- s*ta»»w«ht,
inhabern von den 193 Stimmkörpem 18 reservirt waren, ist bereits
ausgeführt worden (S. 35). Es war dies Stimmrecht um so mehr
bevorzugt , als die Genturie der Reiter je 100 Personen zählte, wäh-
rend alle übrigen eine unbestimmte durchgängig sicher weit grössere
Zahl von Stimmberechtigten umfassten, und als denselben, wie es scheint
bis zum J. 534 (220 v. Chr.), das wichtige Vorstimmrecht zustand.
e) Der Offizierdienst ruht in republikanischer Zeit, so weit nicht ^|J*jjy'
die Volkswahlen eingreifen, auf der feldherrlichen Ernennung, insofern
der Feldherr den ihm unterstellten Soldaten wie im Gliede belassen,
so auch als Führer verwenden kann. Es liegt in der Sache, dass
die höheren Führer, namentlich die Kriegstribune und die diesen
gleichstehenden Offiziere, vorzugsweise aus der vornehmeren Reiterei
genommen wurden und es hat dies auch fortbestanden, nachdem die
Bürgerreiterei als effective Truppe aufgehört hatte, indem die zum Ross-
dienst qualificirten jungen Männer der besseren Stände, die sich dem
Feldherm zur Verfügung stellten, auch nachher der Bürgerreiterei
zugezählt wurden. Ob sie das Staatspferd besassen oder nicht, wird
dabei schwerlich in Betracht gekommen sein, auch die Offizierstellen
rechtlich denselben keineswegs ausschliesslich zugestanden haben. Dass
nach der sullanischen Ordnung umgekehrt der Offizierdienst das Staats-
pferd gab, ist vermuthungsweise schon ausgesprochen worden (S. 45).
48 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
Auguatus hat, wie für die höchsten Offizierstellen die Senatoren-
qualität, so für die Kriegstribune und die Auxilienführer das Staats-
pferd zur rechtlichen Qualifieation gemacht, deren Innehaltung frei-
lich nach der Beseitigung der geschlossenen Ritterzahl der freien
kaiserlichen Offizieremennung keinen Eintrag that.
Eitter&mter f) Wic dcr rittorlicho Offizierdienst durch Augustus rechtlich
u.Kaiserzeit.
fixirt worden ist, so sind auch die ritterlichen Beamten und die ritter-
lichen Priesterthümer eine Einrichtung des Augustus. Diejenigen
Aemter und mit amtlicher Gompetenz ausgestatteten Commandos, deren
Besetzung dem Kaiser zukam, theilte er ein für allemal zwischen den
beiden privilegirten Ständen, so dass weder das senatorische Amt einem
Ritter noch das ritterliche einem Senator übertragen werden durfte.
An die Ritter kamen auf diese Weise die Verwaltung der damals neu
eingerichteten Provinzen, ferner sämmtliche Finanz- und Palastämter und
sämmtliche in Italien functionirende Commandos, namentlich die dej
Garde und der Flotten. Sie erscheinen als dem Kaiser näherstehend
und unmittelbarer unterworfen als die senatorischen kaiserlicher Er-
nennung ; wenn die senatorischen mehr als Reichs-, werden die ritter-
lichen mehr als Hausbeamten gefasst, und wenn jene im Rang
höher stehen, überwiegen bei diesen die Emolumente. Rechtliche
Qualifieation, vom Ritterpferd selbst abgesehen, giebt es für die
Ritterämter nicht; thatsächlich indess bestand eine solche in dem
ritterlichen Offizierdienst, insofern die Ritterämter nach Art der
Yeteranenbelohnungen vorzugsweise an gewesene Offiziere vergeben
wurden ; doch konnte seit Hadrian auch bei der Verwaltung und der
Rechtspflege ein ähnliches Anrecht erworben werden. Es bildeten sich
für die Ritterämter ähnliche Abstufungen, wie sie für die senatorischen
bestanden, und eine ritterliche Aemterlauf bahn ; selbst eine ritterliche
Nobilität entstand, indem den Nachkommen der höheren Beamten von
Ritterrang das Ritterpferd ohne weiteres gewährt ward und sie inner-
halb der Ritterschaft eine hervorragende Stellung einnahmen. Analog
werden die Priesterthümer in senatorische und ritterliche geschieden.
Der Gedanke des Gaius Gracchus, dem Gemeinwesen einen doppelten
herrschenden Stand zu geben, ist durch Augustus in vollem Umfang
verwirklicht worden. Die Gleichberechtigung aller Bürger insbesondere
zur Uebemahme der Aemter und der Priesterthümer der Gemeinde
ist in dem patricisch-plebejischen Gemeinwesen, da der Patriciat darin
als Erbadel Platz gefunden hatte und der Quasi-Patriciat der plebe-
jischen Nobilität sofort sich neben ihm entwickelte, niemals effectiv
durchgeführt, aber beständig formell anerkannt worden; principiell
beseitigt hat die bürgerliche Gleichheit erst Augustus, indem er der
6. Die priTilegirten B&rgerklassen. 49
Ritterschaft eine dem Senatorenstand mehr co- als subordinirte Stellung
in dem Gemeinwesen anwies, die Beamten und die Priesterthümer
unter die beiden privilegirten Stände theilte und unter Beseitigung
der allgemeinen passiven Wählbarkeit die dem uterque crdo der Kaiser-
zeit nicht angehörige Bürgerschaft, die jetzige plebs von Rechtswegen
von denselben ausschloss.
Bin ding, Handbuch. 1.8: Mommsen, Abrisa d. Rflmiacben SUatsreelits. 2. Aufl.
7. Die zurückgesetzten BUrgerklassen.
Zurückgesetzte Btlrgerklassen treten in der patricisch-plebejischen
Gemeinde drei auf: die Plebejer, die Freigelassenen und die ver-
wandten Klassen und die vom Stimmrecht ausgeschlossenen Halb-
bürger (cives sine suffragio).
1. Die Plebejer.
Die dem Plebejer als solchem mangelnden politischen Rechte so
wie deren allmähliche Gewinnung und zum Theil ihre Verkehrung in
plebejische Vorrechte ergeben sich aus der Darlegung der Rechtsstellung
des Patriciats (S. 37). Hier sind diejenigen Sonderinstitutionen zu
betrachten, welche vor erlangter Gleichberechtigung die Plebs für sich
geschaffen hat ; insofern nach deren Erlangung dieselben zu Gemeinde-
organen umgewandelt worden sind, werden sie an ihrem Orte wiederum
zur Sprache kommen.
Sonder- Dio Kämpfe zwischen dem Erbadel und den Neubürgern zeigen
^^pi%. ^'eine doppelte Tendenz : einerseits das Bestreben nach Rechtsgleichheit
der beiden Stände, andererseits nach Gonstituirung der Plebs als eines
Staates im Staat mit eigener beschliessender Versammlung und
eigenen Vorständen. Beide Bewegungen schliessen im Ergebniss sich
aus, und wenn die erstere ein Mögliches erstrebt und schliesslich er-
langt hat, so verfolgte die letztere ein logisch und praktisch unerreich-
bares Ziel und ist demnach auch schliesslich resultatlos geblieben;
es konnte durch sie das bestehende Gemeinwesen vernichtet, nicht
aber innerhalb desselben und unter dessen Fortbestand ein anderes
geschaffen werden. In der That hat es für die also geschaffene Or-
ganisation, die Plebs als solche, kein Ausland, keine Rechtspflege, keine
Heerbildung, keine Finanzen gegeben; alle staatlichen Einrichtungen
bestehen lediglich und zu jeder Zeit für die patricisch-plebejische
Gemeinde. Die Plebs ist nichts als ein schwächliches Oompromiss
7. Die zurückgesetzten Bürgerklassen. 51
zwischen der bestehenden den Adel privilegirenden Staatsordnung einer-
und dem Ausscheiden der Neubürger aus dem Gemeinwesen anderer-
seits; eine Beschwichtigung der revolutionären Androhung dieses
Austritts durch die Organisirung jenes Scheinwesens. Die mächtigen
Leidenschaften, welche in dieser Bewegung brausen, dürfen über ihre
Ziellosigkeit nicht täuschen. Die auf diesem Wege geschaffenen Organi-
sationen bestehen in Quasi-Magistraten und Quasi-Gomitien der Plebs.
Jene sind in den beiden tribuni plebis das Abbild der Gonsuln, in den pieixgisehe
Qn&si-
beiden aedües plebis das Abbild der Quästoren. Befehlsrecht nehmen Magtstnt«.
die Tribüne nicht in Anspruch, sondern nur das Recht dem consu-
larischen Befehl durch ihr dem coUegialischen des andern Oberbeamten
nachgebildetes Einschreiten die Rechtskraft zu entziehen. Die Aedilen
sind, wie die Quästoren, ohne fest abgegrenzte Gompetenz wesentlich
bestimmt die Oberbeamten zu unterstützen, zunächst vielleicht die
Frohnden zu beaufsichtigen und dabei vorkommender Unbill wo nöthig
durch Anrufung ihrer Vorgesetzten zu steuern. Wenn der Gehorsam
gegen die staatlichen Ordnungen auf dem Gesetz ruht, so ruht der den
plebejischen schuldige nach der strengen römischen Rechtsauffassung
auf dem Sammteid, durch den die Plebejer sich und ihre Nachkommen
verpflichtet haben solchen Gehorsam zu erzwingen, insonderheit die Un-
verletzlichkeit, welche dem Gemeindemagistrat das Gesetz giebt, dem
plebejischen dadurch zu verbürgen, dass jeder Plebejer verpflichtet ist
die Verletzung der durch seinen oder seiner Vorfahren theuren Eid ge-
heiligten (sacrosanctus) plebejischen Vorsteher zu sühnen. Also Zwang
und Strafe ruht nach den plebejischen Ordnungen auf der Selbsthülfe,
und diese ist nur insoweit organisirt, als gegen den, der die Rechte
der Plebs oder ihrer Beamten verletzt, ein Quasi-Criminalprozess vor
der versammelten Plebs eingeleitet und eventuell die Quasi-Sentenz
durch die Beamten der Plebs vollstreckt wird. — Die Quasi-Gomitien ^^®^JJJ^**
der Plebs, welche anfänglich nach den Gurion stattfanden, aber, um den comitien.
Einflüss der abhängigen Glienten zu brechen, in Gemässheit des pobli-
lischen Gesetzes vom J. 283 (471 v. Gh.) an nach den Tribus abgehalten
und damit auf die ansässigen Bürger beschränkt wurden, nahmen neben
diesem Gegenbild des ältesten Griminalprozesses eine Quasi-Legislative
in Anspruch, welche nominell nur die eigenen Verhältnisse der Plebs
regeln will, der Sache nach aber in jedem einzelnen Fall in die Legis-
lative der Gemeinde übergreift und den Ans; ~uch erhebt diese zu binden.
Formell wurde sie anerkannt zunächst in der Beschränkung, dass der in
Uebereinstlmmung mit dem Senat von der Plebs gefasste Beschluss dem
Volksbeschluss gleichgestellt ward, dann durch das hortensische Gesetz
um das J. 468 (286 v. Gh.) allgemein durch rechtliche Gleichstellung des
4*
52 Erstes Buch. Die Bürgerschaft and das Reich.
Beschlusses der Plebs mit demjenigen der patricisch-plebejischen Ge-
meinde. Hiemit hat diese Bewegung mehr ihr Ende erreicht als ihr
Ziel; indem in derselben Epoche die Plebejer im wesentlichen politische
Rechtsgleichheit erlangten, war ihre Sonderversammlung nicht mehr
die einer zurückgesetzten Bürgerklasse, sondern es stimmte die Bürger-
schaft seitdem in den Comitien mit Einschluss, in der Plebejerversamm-
lung mit Ausschluss der Adlichen, und schwerlich hat dies praktisch
einen fühlbaren Unterschied gemacht. In ähnlicher Weise sind die
Magistrate der Plebs, ohne dass ihre Befugnisse sich wesentlich änderten,
durch die rechtliche Gleichstellung der Plebejer mit den Patriciem von
selbst der Sache nach zu Gemeindebeamten geworden: sie schützten
seitdem nicht mehr den Plebejer gegen den Patricier, sondern den
Bürger gegen den Magistrat und werden vor allem dazu verwendet
den dem Senat nicht botmässigen Beamten unter dessen wenig for-
mulirte Gewalt zu beugen. Die Plehs der historischen Zeit ist kein
Staat im Staate mehr und die aus der Zeit der ständischen Kämpfe
herrührenden Einrichtungen, die Modificationen der Stimmordnung und
der Ausschluss der Adelichen von der plebejischen Magistratur sind
politische Beminiscenzen.
2. Die Freigelassenen und verwandte Klassen.
it«eiit8- Obwohl in der patricisch-plebejischen Gemeinde dem aus der
"Seiten ' Sklaverei zur Freiheit gelangten Knecht das Bürgerrecht zusteht (S. 6),
geiMsenen. Unterliegt er dennoch mancherlei Zurücksetzungen und es erstrecken
sich diese zum Theil auch auf die Kinder desselben ersten Grades
und auf die unehelich von einer römischen Mutter Geborenen. Von
diesen nach Art und Zeit vielfach differirenden, uns auch sehr unvoll-
ständig bekannten Festsetzungen können hier nur einzelne mehr bei-
spielsweise vorgelegt werden. Von dem Gemeindeamt und dem Ge-
meindepriesterthum so wie von dem Sitz im Senat und vom Reiter-
dienst sind die oben genannten Kategorien in republikanischer Zeit aus-
geschlossen und in Betreff der Freigelassenen selbst gilt dies noch für
die Kaiserzeit. Hinsichtlich des Wehr- und des damit verbundenen
Stimmrechts war die bis zu der Mitte des 5. Jahrhunderts dafür be-
dingende Ansässigkeit dem Freigelassenen nicht verschlossen und viel-
leicht rechtlich nicht einmal erschwert und es mag sein, da die Zahl
der dazu gelangenden gewesenen Knechte damals nicht beträchtlich
gewesen sein kann, dass eine gesetzliche Zurücksetzung derselben in
dieser Hinsicht anfänglich nicht bestand; wenigstens ist aus der früheren
republikanischen Zeit nichts derartiges überliefert. Nachdem seit der
Mitte des 5. Jahrh. die Wehrhaftigkeit nur vom Vermögen abhing, wird
7. Die zarückgesetzten Bürgerklassen. 53
8ich dies geändert haben ; in der That wird zuerst unter dem J. 458
(296 y. Gh.) von einer Zurücksetzung der Freigelassenen bei der Aus-
hebung berichtet; wahrscheinlich hat sich damals der spätere Gebrauch
festgestellt dieselben nicht für die Legion, sondern für die Flotte aus-
zuheben. Von der Ausschliessung auch der grundbesitzenden Freige-
lassenen und Söhne von Freigelassenen aus den ländlichen Tribus und
ihrer Versetzung unter die den nicht ansässigen Bürgern überwiesenen
vier städtischen erfahren wir zuerst aus der Zeit kurz vor dem hanni-
balischen Kriege; für die Freigelassenensöhne wurde dies im J. 565
(189 V. Chr.) durch Volksschluss beseitigt, aber für die Freigelassenen
selbst ist diese Zurücksetzung unter häufigen Anfechtungen und mit viel-
fachen Modificationen im Einzelnen wesentlich aufrecht erhalten worden.
Die Kaiserzeit hat die Rechtsungleichheit eher noch gesteigert; ins-
besondere hinsichtlich der Führung der Tribus, wenn gleich diese jetzt
nichts war als das Kennzeichen des vollen Bürgerrechts, sind die Be-
stimmungen verschärft worden : die Freigelassenensöhne, die unehelich
Geborenen, die Schauspielerkinder, selbst die zum Bürgerrecht gelangten
geborenen Griechen werden wenigstens häufig in die städtischen Tribus
gewiesen, und die Freigelassenen selbst zwar aus diesen nicht entfernt
und also bei den nach den Tribus gemachten Getreidevertheilungen und
sonstigen Spenden mit zugelassen, aber allem Anschein nach ihnen die
Führung der Tribus im Namen untersagt Auch in dem Heerdienst dieser
Epoche walten die gleichen Tendenzen : jene in die städtischen Tribus
gewiesenen Bürger zweiter Klasse sind unfähig zum Dienst in der Garde
und in der Legion und dienen nur in der minder geachteten haupt-
städtischen Besatzung; die Freigelassenen als solche sind überhaupt aus-
geschlossen, obwohl sie späterhin unter fictiver Beilegung der Ingenuität
einen guten Theil der Flottensoldaten geliefert haben mögen. — Selbst
für die Municipalordnungen gelten im Ganzen dieselben Kegeln ; indess
ist hier, wo der Freigelassenenstand einen guten Theil der vermögen-
den Bürger in sich zu begreifen pflegt und dem municipalen Amtsadel
ähnlich gegenübersteht wie in der Hauptstadt dem Senat die Ritterschaft,
von Augustus in Nachbildung des quasi-magistratischen Sexvirats der-
selben (S. 46) eine ebenfalls quasi-magistratische, praktisch allerdings
nur für Schaufeste verwendete Institution, der Sexvirat der Augustalen
ins Leben gerufen worden. — Die Beseitigung des dem gewesenen
Knecht anhaftenden Makels durch Privilegien ist in der Republik nie
und auch in der besseren Kaiserzeit nur vereinzelt in der Form der
Verleihung der Goldringe, also des Ritterrechts, vorgekommen (S. 47);
directe Verleihung der fictiven Ingenuität (natälmm restitutio) begegnet
erst in der Epoche des Verfalls.
54 Erste» Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
3. Die Halbbürger.
mffla'io Während der mittleren Republik, etwa vom 4. bis zum 6. Jahrb.
der Stadt, sind eine Beihe mittelalterlicher Btlrgerschaften in der Weise
der römischen incorporirt worden, dass sie in diese nicht vollständig
aufgingen und ihre Angehörigen zwar römische Bürger, aber ohne
Stimmrecht waren (cives sine suffragio), welche hybride Bechtsstellung
wir als Halbbürgerrecht bezeichnen. Das politische Moment, welches
dabei zu Grunde liegt, ist das ablehnende Verhalten der latinischen
Nation gegen die etruskische und die oskische; es sollten deren Ge-
meinden auf diese Weise der führenden Gemeinde Latiums dienstbar
gemacht werden, ohne sich mit dieser zu vermischen, was sich deut-
lich darin ausdrückt, dass es dergleichen Gemeinden untersagt ward,
sich officiell der lateinischen Sprache zu bedienen. — Daher tritt
diese Institution ein, als die Waffen Boms die latinischen Grenzen über-
schritten und verschwindet späterhin, nachdem die entgegengesetzte
Tendenz der Latinisirung Italiens die Oberhand gewonnen hatte, indem
diese Ortschaften alsdann eine nach der anderen das volle Bürgerrecht
empfingen. Für jede in dies Yerhältniss eintretende Ortschaft ist das-
selbe durch römisches Localstatut geregelt worden und das Bechts-
verhältniss also wohl gleichartig, aber keineswegs bei allen das gleiche.
Durchgängig besteht für jede solche Ortschaft eine Sonderverwaltung.
Diese ist entweder rein römisch und schliesst die örtliche Selbstver-
waltung aus, wie dies für Caere und die gleichstehenden Gemeinden
geschehen ist, oder es bleiben die örtlichen Behörden, Magistrate,
Comitien und Senat, und theilen sich mit den römischen in die Ge-
schäfte, was insbesondere von Capua gilt. Die eigentlich souveräne
Gewalt bleibt selbstverständlich dem römischen Gemeinwesen und
dessen Gesetze sind schliesslich selbst für die Beschränkung oder Be-
seitigung des Halbbürgerrechts entscheidend. Das Sacralwesen einer
jeden Gemeinde wird den dafür bestellten Trägern unverändert ge-
blieben sein, wenn auch die Sacra dem Begriff nach als römische
gefasst wurden. Die Bechtspflege liegt der Begel nach bei dem
römischen Prätor, respective bei dem von diesem bestellten örtlichen
Vertreter (praefedus), so dass in dieser Hinsicht die Halbbürger und
die Vollbürgergemeinde sich wesentlich gleichstehen ; nur Capua scheint
neben dem römischen Gericht ein eigenes mit beschränkter Competenz
behalten zu haben. Die bürgerlichen Leistungen werden von den
Angehörigen der Halbbürgergemeinde, die insofern auch municipiufn
civium Ramanorum genannt wird, in vollem Umfang gefordert; sie unter-
liegen der Dienst- und der Steuerpflicht und also auch der Schätzung.
Wo, wie in Caere, die Selbstverwaltung fehlt, liegt die Schätzung den
7. Die zurückgesetzten Bürgerklassen. 55
römischen Censoren ob, welche diese ausserhalb der Tribus stehenden
und des Stimmrechts entbehrenden Bürger in einer besonderen Liste
(tabtUae Caeritum) verzeichnen, und auch die Aushebung und die
Steuereinziehung wird di^rch die römischen Behörden beschaflTt worden
sein; weshalb die Bezeichnung der von der Tribus ausgeschlossenen
und steuerpflichtigen Bürger (S. 32) als aerarii in späterer Zeit
diesen Halbbürgern beigelegt wird. Für Capua muss das Gegentheil
angeordnet worden sein, da die Gampaner neben den YoUbürgern in
eigenen Legionen dienen. Die aus dem Staatsbürgerrecht sich her-
leitenden Befugnisse, sowohl die eigentlich politischen wie das active
und passive Wahlrecht und die Provocation, wie auch die privatrecht-
lichen, wie die Fähigkeit zu römischem Eigenthum und römischer
Ehe, sind in dem Halbbürgerrecht nicht enthalten, wohl aber muss
einer jeden Ortschaft ein eigenes secundär römisches Gemeinde- und
Privatrecht und somit ihren Bürgern die Fähigkeit zu rechter Ehe
und rechtem Eigenthum zugestanden haben. In dieser Weise wird
diese Organisation, so weit sie nicht durch örtliche Festsetzungen
abgeändert ward, im Allgemeinen geordnet gewesen sein.
8. Die iatinische Nation und der itaiisclie Bund.
Laimm und Das Yolk voii Roiü ist ein Theil des latinischen Namens (namen
Latinum), eine der städtischen Wehrgenossenschaften (populi), in welche
die durch Sprach- und Sittengemeinschaft zusammengeschlossene,
möglicher Weise in ferner Vorzeit ungeschieden lebende Nation der
Latiner wie jede andere italisch-hellenische zerfiel. Die Intensität
und die Ewigkeit, welche staatsrechtlich dieser nationalen Zu-
sammengehörigkeit zukommt, geht weit hinaus über die euphemistische
Perpetuität des Staats Vertrags und ruht auf der Unauflöslichkeit
des Verhältnisses der Nation zu ihren Gliedern. Allerdings wird in
der trotzigen XJrsprungslegende diese Stellung Roms ignorirt. Da-
nach steht das römische Gemeinwesen lediglich auf sich selbst,
geschaffen von einem Göttersohn ohne irdischen Vater aus beimath-
losen Männern und geraubten Frauen, zunächst mit keinem anderen
Gemeinwesen vertragen und mit allen benachbarten in Fehde, über
die latinische Nation, die allerdings auch hier als geschlossene Einheit
auftritt, zur Hegemonie gelangend im Wege des Kriegsgewinnes. Aber
wir werden nicht irren, wenn wir in dieser die Rom einschliessende
latinische Nationalität ignorirenden und abwehrenden Darstellung das
Abbild derjenigen Verhältnisse erkennen, wie sie nach Auflösung des
latinischen Bundes im Anfang des 5. Jahrh. der Stadt den römischen
Siegern sich ergaben und uns dadurch nicht irren lassen in der ursprüng-
lichen Auffassung Roms als einer Stadt des latinischen Bundes.
D.iatiniBche Dio ursprüngHcheu Ordnungen des latinischen Namens sind ver-
schollen ; wir vermögen nicht zu sagen, wie die drei politischen Momente
der Selbständigkeit der einzelnen Gemeinde, der Gompetenz des Bundes
und der Sonderrechte der Vormacht in demselben gegen einander ab-
gewogen waren. Dass es eine führende Gemeinde in dem Bunde gab
und dies von Haus aus nicht Rom war, sondern Alba, darf der Ueber-
lieferung entnommen werden, schwerlich indess ist diese Vorstand-
8. Die latmische Nation und der italische Band. 57
Schaft mehr gewesen als ein Ehrenvorzug, die Ausrichtung des Bundes-
festes Jahr für Jahr auf dem albanischen Berge. Der Bund als solcher
scheint die gleiche Organisation und die gleiche Gompetenz gehabt zu
haben wie die einzelne Gemeinde, also eine ständige Magistratur und
eine den Comitien analoge Versammlung, Kriegserklärung und Friedens-
schi uss sowohl der Einzelgenieinde wie dem Bunde zugestanden zu
haben. Die Handhabung des Friedeusstandes unter den verbündeten
Gemeinden, welche nicht völlig gefehlt haben kann, wenn sie auch
die Kriegführung unter denselben nur erschwerte und nicht unbedingt
ausschloss, und die Aufnahme neuer Gemeinden in den Bund kann nur
durch dessen Organe bewirkt worden sein. — Die Festvorstandschaft
des Bundes scheint in sehr früher Zeit dadurch an die römische Ge-
meinde gelangt zu sein, dass die Nachbarstadt Alba von ihr zerstört
und ihr Gebiet mit dem heiligen Berg römisch ward. Die Auflösung
des latinischen Bundes selbst ist im J. 416 (338 v. Chr.) eingetreten,
allem Anschein nach in der Weise, dass die Bundesmagistrate und
die Bundescomitien wegfielen, deren Befugnisse aber auf die Magistrate
und die Comitien der römischen Gemeinde übergingen, so dass der
latinische Städtebund nicht eigentlich unterging, sondern nur die Or-
gane wechselte, wie denn auch das Bundesfest auf dem albanischen
Berge fortwährend abgehalten ward unter Betheiligung der sämmt-
lichen verbündeten Gemeinden. In dieser umgewandelten Gestalt,
welche die Machtmittel der Nation mit der Geschlossenheit des Einzel-
staats rechtlich und thatsächlich verknüpfte und deren Ergebniss, die
Herrschaft über Italien und weiter über den Kreis der antiken Welt,
mit gleichem Recht römisch und lateinisch genannt werden kann, er-
scheint der latinische Bund im klaren Licht der Geschichte.
Als Gemeinde latinischen Rechts gilt jeder selbständige zum ujjiJJfchJn'
Bündniss mit Rom zugelassene und dabei als gleicher Nationalität an- ^^cht*^-
erkannte Staat; die ohne Zweifel ursprünglich dem Bunde zu Grunde
liegende Gonföderation aller latinischen Gemeinden Gunter einander
ist aufgegeben. Somit gehören zu diesem Latium theils die von den
alten Grenzen des latinischen Namens umschlossenen Gemeinden (prisci
Latini)j theils die ausserhalb dieser Grenzen früher nach Bundesbeschluss,
später nach dem Willen Roms als selbständige Gemeinden latinischer
Nationalität gegründeten Städte (coloniae Latinae), theils die ursprüng-
lich stammfremden, aber von Rom als latinisirt anerkannten Bundes-
städte, wobei in späterer Zeit die effective Nationalisirung nicht selten
anticipirt ward. Die auf der nationalen Gleichheit ruhende Unabänder-
lichkeit dieses Rechtsverhältnisses ist insofern in Kraft geblieben, als
das latinische Bundesverhältniss nicht in eine andere uncl schwächere
58 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
Form der Verbündung umgewandelt werden kann; wohl aber kann
dasselbe untergehen durch Vernichtung der politischen Selbständigkeit
der Gemeinde, wie denn auf diesem Wege bekanntlich im Laufe des
Bundesgenossenkrieges die derartigen italischen Gemeinden sämmtlich
in das römische Bürgerrecht übergetreten sind. Wenn gleich die
Bürgerrechte der einzelnen latinischen Gemeinden wohl als latinisches
Recht zusammengefasst werden, so giebt es doch rechtlich ein solches
nicht ; die Latinität, abgelöst von dem einzelnen Stadtrecht, erscheint
erst unter den juristischen Missbildungen der Eaiserzeit.
Die besondere Rechtsstellung der latinischen Gemeinden setzt
sich zusammen einerseits aus der Schmälerung und Entziehung ge-
wisser an sich in der Gemeindesouveränität enthaltener Rechte, anderer-
seits aus der Erstreckung gewisser an sich dem römischen Bürger allein
zustehender Befugnisse an die Bürger der latinischen Stadt.
Die Beschränkung der souveränen Rechte, welcher die latinische
Stadt unterliegt, ist ohne Zweifel der ehemaligen Bundescompetenz
entnommen, wenn auch wahrscheinlich bei dem Uebergang derselben
auf Rom wesentlich gesteigert. Sie zeigt sich in zwiefacher Richtung :
in dem Verlust der selbständigen Beziehungen zu anderen Staaten
und in der Givilgesetzgebung.
Verlast des Wcnu dio voUe Souvoränotät vor allen Dingen in dem Rechte
vlfkng'^ der Kriegführung und des staatlichen Vertragsschlusses zu Tage tritt,
so kann die latinische Stadt selbständig weder Krieg führen noch,
abgesehen von dem Bündniss mit Rom, mit einer anderen Gemeinde,
nicht einmal mit einer latinischen, in Vertrag treten; dagegen wird
Krieg und Frieden und Staatsvertrag so, wie das römische Gemein-
wesen darüber bestimmt, selbstfolglich auf sie mit bezogen. — Eine
Gonsequenz davon ist die Verpflichtung derselben Rom Kriegshülfe zu
leisten. An sich ist diese durch das Eintreten des Kriegsfalls oder der
Kriegsgefahr bedingt ; aber ob eine solche besteht, haben die römischen
Autoritäten zu entscheiden und praktisch ist die Einberufung der Hülfs-
contingente behandelt worden wie die Einberufung der Bürgermiliz:
so weit unsere Kunde zurückreicht, ist beides Jahr für Jahr erfolgt
und der wenn auch nur nominelle Felddienst für die Bürger wie
für die Latiner nicht stetig, aber ständig. Dem Umfang nach scheinen
rechtliche Schranken nicht bestanden zu haben: der Staat kann wie
von seinen Bürgern, so auch von seinen Bundesgenossen die Wehr-
leistung vou Rechtswegen so weit fordern, wie dieselbe überhaupt mög-
lich ist, und nur das politische Masshalten zieht hier eine Schranke.
Das Contingent bleibt die Truppe einer selbständigen Gemeinde; der
römische Feldherr ernennt die der Gesammtheit der Contingente
8. Die la^inische Nation und der italische Bund. 59
vorgesetzten Offiziere, über die Auswahl der Mannschaften und die Er-
nennung der Contingentführer verfügt die Gemeinde und sie ist es, die
der Truppe den Sold zahlt. Allerdings ist die praktische Durchführung
dieser Ordnung nicht möglich ohne eine gewisse Aufsichtführung der
leitenden Stelle und es ist wahrscheinlich schon unter der Bundesordnung
die zunächst für die Wehrpflicht dienende Schätzung in diesem Sinne
gleichmässig gestaltet worden, da das Schatzungsverfahren der latinischen
Städte der älteren römischen Form vor der Trennung der Censur vom
Oberamt im J. 319 (435 v. Chr.) genau entspricht, auch die Periodicität
wesentlich analog ist. Es kann auch sein, dass die Römer über die
Durchführung und die Ergebnisse dieser Schätzung kraft ihrer hege-
monischen Stellung eine Controle ausgeübt haben ; bestimmte Zeugnisse
dafür fehlen.
Die römische Gesetzgebung hat sich im Allgemeinen auf die la- ^^''[?^®
tinischen Gemeinden nicht erstreckt; es fehlt nicht an Belegen dafür, »«bung.
dass römische Volksschlüsse auf die Latiner keine Anwendung gefunden
haben. Dem Yerlöbniss ist für Rom die ursprüngliche Klagbarkeit ent-
zogen worden ; in Latium ist sie in Kraft geblieben, bis die italischen
Latiner zu Römern geworden sind. Insbesondere kann die latinische
Gemeinde, so lange sie nicht durch Bundesbruch ihre Rechte verwirkt,
nicht durch römischen Beschluss einseitig aufgelöst werden. Dennoch
wird vielleicht bereits zur Zeit des latinischen Bundes sicher unter
der römischen Hegemonie die dem Bunde und später der führenden
Macht zustehende Autonomie die örtliche gebrochen haben. Die all-
gemeinen Rom und Latium gemeinsamen Institutionen, insbesondere
die Censur und die Aedilität, können nicht wohl auf anderem Wege
ins Leben gerufen worden sein, und manche einzelne Vorkommnisse,
zum Beispiel die Bestimmungen über das Geldschuldverfahren im
J. 561 (193 V. Chr.) und die bekannte über den Bacchuscult vom J. 568
(186 V. Chr.) lassen daran keinen Zweifel, dass die römische Regierung
die latinische Autonomie nur insoweit hat gelten lassen, als es ihr
mit der Wohlfahrt des Staates vereinbar erschien. Einen exceptionellen
Charakter haben alle diese Bestimmungen an sich, aber formale
Schranken haben dafür schwerlich bestanden.
Weiter in der politischen Beschränkung der latinischen Gemeinde- t|jJ*^^5J;j*^
freiheit ist weder der Bund noch sein römischer Erbe gegangen. ^^'^eÄ?
Es bleibt der Stadt die Staatsgewalt, eigenes Gebiet und damit Be-
freiung von römischer Einquartierung und römischen Zöllen, eigenes
Bürgerrecht, eigene Comitien uud damit mit der angegebenen Be-
schränkung die eigene Gesetzgebung, eigene Magistrate und damit
die eigene Gerichtsbarkeit, vor allen Dingen volles Steuerrecht und
60 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
abgesehen von den durch die Besoldung des Gontingents der Gemeinde
erwachsenden Kosten, Freiheit von jeder finanziellen Belastung zu
Gunsten Roms. Erst die in der Zeit der flavischen Kaiser ertheilten
lätinischen Städteordnungen weisen hinsichtlich der Gerichtsbarkeit
gewisse Modificationen auf, wodurch sie sich den Ordnungen der
Bürgermunicipien nähern.
B«oiit9ge- Diesen Beschränkungen und Belastungen gegenüber stehen die
^rLtiner dem Latiner und nur ihm mit dem römischen Bürger gemeinsamen
Römern. Rechte, welche, ruhend auf der Sprach- und Sittengemeinschaft, dem-
selben eine Mittelstellung zwischen dem Bürger und dem Ausländer
geben. Selbstverständlich stehen diese Befugnisse wie dem Latiner in
Roni, so dem Römer in jeder lätinischen Gemeinde zu.
1. Rechtsgleichheit im Verkehr in den dem römischen Verkehr
eigenartigen Formen (commercium), insbesondere der Eigenthumserwerb
und die Begründung der Geldschuld durch Kupfer und Wage, besteht
nicht für den im Uebrigen zur Verkehrsgemeinschaft zugelassenen
Ausländer, wohl aber zwischen Römern und Latinern. Dasselbe gilt
von der gleichen Behandlung im Prozess; der Latiner ist in dieser
Hinsicht wohl schon in der patricischen Epoche dem Plebejer gleich-
gestellt worden und hat mit diesem zugleich das Recht erlangt ohne
Zuziehung des Schutzherrn oder des Gastfreundes vor dem römischen
Gericht aufzutreten. Als späterhin die Prozesse zwischen Bürgern und
Peregrinen oder zwischen zwei Peregrinen an einen besonderen Fremden-
prätor gewiesen wurden, sind die Prozesse zwischen einem Bürger und
einem Latiner oder zwischen zwei Latinem wahrscheinlich dem für
die bürgerlichen Prozesse competenten Richter verblieben.
2. Eine Consequenz dieser Rechtsgemeinschaft ist die wesentliche
Gleichstellung des Latiners mit dem Römer im Personalrecht, auf der
es beruht, dass der Römer, welchen ein Latiner zum Eigen th um er-
wirbt, nur an Sklavenstatt, nicht Sklave wird, also Bürgerrecht und
Freiheit behält; dass, nachdem die Adoption aufgekommen ist, der
also in die väterliche Gewalt eines Römers eintretende Latiner das
Bürgerrecht gewinnt; dass zwischen Römern und Latinern Erbgemein-
schaft besteht, der Römer den Latiner und umgekehrt im Testament
bedenken kann, was von dem Ausländer nicht gilt. Dagegen hat Ehe-
gemeinschaft zwischen Römern und Latinern schwerlich allgemein
bestanden.
3. Eine weitere Consequenz dieser Rechtsgemeinschaft ist die
Fähigkeit des Latiners römischen wie des Römers latinischen Boden
zu vollem Eigenthum zu erwerben. In Folge der hiedurch ihm er-
wachsenden Verpflichtung insoweit die römischen Frohnden und die
8. Die latinische Nation und der italische Bund. 61
römischen Steuern zu leisten, wird er römischer municqps, und da
diese Fähigkeit jedem Latiner zukommt, heisst, analog der für die Halb-
bürgergemeinde üblichen Benennung fnunicy)ium civium Ronumorwn^
die latinische muncipium Latinum. — Insofern diese Bodengemeinschaft
nach Erstreckung des latinischen Rechts auf das cisalpinische Gallien
ganz Italien bis zu den Alpen umfasste, tritt sie späterhin als italisches
Bodenrecht auf, welche Bezeichnung dann auch und sogar vorzugsweise
auf diejenigen überseeischen Territorien Anwendung fand, welche aus-
nahmsweise in diese Bodengemeinschaft aufgenommen wurden.
4. Obwohl der Latiner der römischen Wehrpflicht nicht unter-
liegt und also, auch wenn er auf römischem Boden ansässig ist, die
Tribus nicht führt, wird er dennoch in mancher Hinsicht geradezu
als Bürger betrachtet. Die Kriegführung gegen eine bundesbrüchige
Latinerstadt gilt als Bürgerkrieg, und wenn das Aemterrecht dem
Latiner versagt wird, so fehlt das Stimmrecht wenigstens in der Tribus-
Versammlung ihm nicht; es werden bei jeder derartigen Abstimmung
die dabei anwesenden Latiner in einer dazu ausgeloosten Tribus zur
Abstimmung zugelassen.
5. Zur Gewinnung des römischen Bürgerrechts bedarf der Latiner
der Einwilligung der beiderseitigen Gemeinden nicht; vielmehr gilt
für die römischen und die latinischen Bürgerschaften die Regel, dass
niemand zweien derselben zugleich angehören, jeder aber nach der ur-
sprünglichen Ordnung dies Bürgerrecht nach Ermessen wechseln kann.
Es hängt dies vielleicht nicht einmal nothwendig ab vom Wechsel des
Wohnorts, sondern es genügt die betreffende Erklärung, die der Regel
nach bei der Schätzung abgegeben wird. Indess ist die latinische
Freizügigkeit nicht auf die Dauer geblieben. Für die seit dem Ende
des 5. Jahrb. mit latinischem Recht gegründeten oder bewidmeten
Städte ist nur den in einer jeden zur Magistratur gelangenden Per-
sonen die Gewinnung des römischen Bürgerrechts gewährt worden.
Den ursprtlnglich latinischen Gemeinden und den älteren Golonien
ist die volle Freizügigkeit gebliehen, bis im J. 659 (95 v. Chr.) ein
Volksschluss dies Privilegium aufhob, was die nächste Ursache zum
Bundesgenossenkrieg und weiterhin zu der Aufnahme aller dieser
Gem inden in den römischen Bürgerverband selbst geworden ist.
Diesem auf der Stammesgemeinschaft ruhenden, zu ewiger Rechts- inten&atio.
gemeinschaft geeinigten latinischen Verband gegenüber stehen die hUtoUM'
italischen Gemeinden verschiedener Nationalität und weiter das stamm-
fremde Ausland mit ihrem von Rechtswegen ewigen Kriegsstand. Jenseit
der Grenzen der latinischen Nation giebt es Bodeneigenthum nicht,
weder römisches noch ausländisches; der Bewohner des Gebiets, der
62 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
hostis, späterhin peregrinus, ist principiell recht- und friedlos; die
Unabänderlichkeit des Kriegsstandes der stammfremden Nation gegen-
über findet ihren Ausdruck darin, dass mit den etruskischen Städten,
in denen die verschiedene Nationalität den Römern zuerst gegenüber-
trat, Staatsverträge nicht anders geschlossen worden sind als mit festem
Endtermin. Die rechtliche Behandlung der Kriegsgefangenschaft auch
des Römers (S. 25) lehrt, mit welcher Schärfe die Römer diese Ver-
hältnisse nach beiden Seiten hin auffassten und behandelten. Ein
Intemationalrecht im heutigen Sinne, das Nebeneinanderstehen ver-
schiedener Nationen mit gegenseitiger Anerkennung staatlicher Gleich-
berechtigung und voller Autonomie läuft den römischen Ordnungen
streng genommen für alle Zeiten zuwider.
Aber internationales Recht und internationaler Verkehr hat es
dennoch bei den Römern nicht bloss gegeben, sondern sie haben in
der politischen Entwickelung Roms eine hervorragende Rolle gespielt.
Der principiellen Rechtlosigkeit des Ausländers geht eine weitherzige
Freigebung der Beziehungen zu demselben zur Seite. Es lag dies schon
in den geographischen Verhältnissen. Die latinischen Städte waren
gegenüber den etruskischen, samnitischen, hellenischen gar nicht in der
Lage, sich auf sich selbst zurückzuziehen ; die im Allgemeinen bei allen
diesen Nationen gleichartige städtische Ordnung führte nothwendig zu
Zwischenverkehr und Zwischengerichten. Mit dem formalen Kriegs-
stand fand man sich ab durch den formalen Waffenstillstand, geschlossen
auf eine lange Reihe von Jahren und nach Ablauf derselben der
Regel nach erneuert, berechnet darauf bis weiter den internationalen
Verkehr zu gestalten und zu regeln. Rechtlichen Anspruch auf feste Ver-
kehrsgemeinschaft konnte allerdings dem Ausländer nur ein derartiger
Vertrag gewähren; aber es zeigen sich keine Spuren des Begehrens
entsprechender Legitimation, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass
thatsächlich jeder Ausländer, der nicht einer besonders ausgenommenen
oder einer mit Rom factisch kriegführenden Nation angehörte, zur Ver-
kehrsgemeinschaft zugelassen ward. So wird der hostis aus dem Landes-
feinde zu dem nach Gastrecht lebenden Ausländer, und unsere ältesten
Rechtsquellen zeigen einerseits den Gegensatz des rechtsgleichen la-
tinischen und des ungleichen weiteren Verkehrs, andererseits Berück-
sichtigung und sogar Privilegirung des internationalen Rechtsverfahrens.
Vom Bodenbesitz, von der erwerbenden Verjährung, von Testaments-
und Adoptionsgleichheit, von allen durch Kupfer und Wage vollzogenen
Verkehrs geschäften, von dem Geschwornenverfahren der alten strengen
Form ist und bleibt der Ausländer ausgeschlossen; dennoch ist viel-
leicht nie eine Nation für Geschäftserleichterung und Rechtsfolge dem-
8. Die latinische Nation und der italische Bund. 63
selben so weit entgegen gekommen wie die latinische. Für die Be-
dürfnisse des Verkehrs, insbesondere für das Darlehn und den Kauf
¥nirden eigene vereinfachte Normen aufgestellt, und es entwickelt sich,
so weit der Verkehr reicht, neben dem nationalen römisch-latinischen
ein allgemeines ebenfalls positives Internationalrecht (ius gentium),
dessen Satzungen nicht den Einzelverträgen, sondern genereller römi-
scher Normirung entnommen wurden und das in den Festsetzungen
des römischen höchsten Gerichts sein legislatorisches Organ fand. Im
gleichen Sinne trat neben den für Bürger und Latiner geltenden Prozess
ein zweites freieres Rechtsverfahren mit kürzeren Fristen, Bevorzugung
der darin angesetzten Tagfahrten vor den mit dem Bürger festgesetzten
Terminen, vielleicht selbst aus beiden Nationen zusammengesetzten
Geschwomengerichten. Im Anfang des 6. Jahrh. d. St. wurde sogar
das Bürger- und das Fremdengericht getrennt und jedes einem eigenen
Pr&tor unterstellt, womit sowohl die Wichtigkeit und Häufigkeit des
Intemationalverfahrens anerkannt, wie auch für dasselbe eine selb-
ständige Codificationsstelle geschaffen ward. Zu Grunde liegt dieser
merkwürdigen und folgenreichen Rechtsgestaltung augenscheinlich die
dem früh entwickelten kaufmännischen Grosssinn der Römer ent-
springende Verkehrsfreiheit und das entsprechende Masshalten in der
Controlirung und Belastung des Verkehrs. Selbstverständlich hat der
römische Staat sich stets das Recht gewahrt, jeden Ausländer aus-
weisen zu können und an seinen Grenzen und Häfen Zölle zu er-
heben; aber so viel wir zu erkennen vermögen, haben die Römer
und die Latiner überhaupt wenigstens ebenso sehr den Ausländern
Handel und Wandel in Rom und Latium verstattet wie selber im Aus-
land betrieben, und ihrer Staatsordnung in der Epoche der Ent-
wickelung die Verkehrsfreiheit auch im stammfremden Ausland zu
Grunde gelegt.
Die nationale Conföderation, auf welcher die römisch-latinische i>er italische
St&dtebund.
Staatsordnung ruht, wird später auf die italische Halbinsel erstreckt ;
an den engeren Städtebund der Latiner schliesst sich der weitere
der Italiker. Abgesehen von der principiellen Umwandelung, durch
welche an die Stelle der national gleichen die politisch gleichartige
Stadt gesetzt wird, bleibt das Rechtsverhältniss im Allgemeinen
dasselbe.
Der italischen Conföderation gehören alle Städte des eigentlichen
Italien und des cisalpinischen Gallien an, welche mit Rom ein dem
latinischen gleichartiges ewiges Bündniss abgeschlossen haben« Auch
in diesem Kreis geht die römische Gemeinde ein solches nur mit der
einzelnen Gemeinde ein, und wo bis dahin Städtebünde bestanden
34 Erstes Buch. Die Bargerschaft und das Reich.
haben, wie zum Beispiel in Etrurien, ist deren politische Auflösung yor-
bediogend für den Vertrag mit Bom. Erfordert wird dafür eine der
republikanischen Roms gleich geachtete städtische Verfassung, mochte
diese übrigens hellenischer, sabellischer oder etruskischer Nationalität
sein; als Ausgangspunkt dafür darf das mit den campanischen Nea-
politanern im J. 428 (326 y. Chr.) abgeschlossene Bündniss angesehen
werden. Von Fürsten regierte Staaten oder nicht städtisch organisirte
Gemeinwesen, wie die der keltischen und ligurischen Völkerschaften
Oberitaliens, finden in diesem Bunde nicht Platz. Die staatsrechtliche
Bezeichnung dieser Confüderirten socii pflegt, dem realen Verhältniss
entsprechend, mit der der latinischen combinirt zu werden (nomen
Latinum ac 8ociQ\ nachdem dieser Kreis, stetig sich ausdehnend, die
Alpen einer- und das Meer andererseits erreicht hatte, kam für sie
liaud. und die italischen Latiner zugleich die Benennung lialici in Gebrauch.
Im Wesen dieser Conföderation liegt die Tendenz sich den Latinem
zu assimiliren; wie latinische Sprache und Sitte auf der Halbinsel,
namentlich in den nicht durch die höher stehende griechische Civil!-
sation geschützten Ortschaften, mehr und mehr sich ausbreiteten,
haben, wie schon bemerkt ward, einzelne latinisirte oder auch die
Latinisirung erstrebende Gemeinden den Eintritt in den engeren Ver-
band von den Römern erwirkt und die Grenze zwischen Latinem und
Italikern hat wahrscheinlich sich in dieser Weise stetig verschoben.
Die Rechtsstellung aber der conföderirten Gemeinden Italiens setzt
sich wie die latinische zusammen aus Abminderung der staatlichen
Selbständigkeit und Gleichstellung ihrer Angehörigen in gewissen Be-
ziehungen mit den römischen Bürgern.
Wehrpflicht Die Beschränkung der Souveränetät ist für diesen Kreis dieselbe
wie für den latinischen; das der italischen Gemeinde gewährte „gleiche
Bündniss** (foedus aeguum) schliesst sowohl den Verzicht auf eine selb-
ständige Rechtsstellung nach aussen ein, wie auch die Unterwerfung
unter die römische Gesetzgebung in den dort bezeichneten Grenzen.
Die bündische Wehrpflicht ist principiell von der latinischen nicht
verschieden; thatsächlich zerfallen die italischen Bundesstädte in dieser
Hinsicht in die zwei Klassen der zum Landdienst Pflichtigen togcUi
und der zur Stellung von Kriegsschiffen Pflichtigen griechischen Städte,
aus deren Gontingenten die auch in dieser Hinsicht nach griechischem
Muster gebildete römische Flotte in republikanischer Zeit sich vor-
zugsweise zusanim* nsetzte. Indess die für die Bildung einer ständigen
den Verhältnissen Italiens angemessenen Kriegsflotte getroffenen Ein-
richtungen blieben ohne dauernde Frucht, und dieser politische Fehler,
der schwerste, den die römische Republik je begangen hat, wirkte
8. Die latinisclie Nation und der italische Bund. 65
zurück auf die minder feste Fügung des hellenischen Theils der
städtischen Conföderation. Andererseits verbleibt diesen Staaten in
den hierdurch nicht getroffenen Beziehungen das volle Selbstregiment,
einschliesslich der Gerichtshoheit und der Befreiung von römischen
Steuern.
Die Vorrechte, die im überseeischen Handel und Verkehr aus vorreciite
der politischen Machtstellung Boms dem römischen Bürger erwuchsen,
insbesondere der Gerichtsstand vor den in dem römischen Macht-
gebiet residirenden römischen Beamten, so wie die Zollbegünstigungen,
scheinen durchaus auf sämmtliche Italiker erstreckt worden zu sein,
und Italien, schon bevor es rechtlich in das römische Bürgerrecht
aufging, im Handel und Wandel als einheitliche privilegirte Nation
dem eigentlichen Ausland gegenüber gestanden zu haben.
Die Privil^ien dagegen, welche zunächst auf Grund der gleichen
Nationalität dem Latiner eingeräumt werden, kommen dem hellenischen,
oskischen oder etruskischen Gonföderirten nicht zu, und im All-
gemeinen werden dieselben als Ausländer behandelt. Dennoch bahnt
sich auch für die nicht latinischen Italiker eine wesentliche Ver-
schiebung ihrer Rechtsstellung an. Nach der ursprünglichen lati-
nischen Ordnung giebt es wohl eine Bechtsgemeinschaft mit dem Aus-
länder, aber es mangelt ihr nothwendig das Fundament der ewigen
Rechtsgemeinschaft. Nachdem diese von der Nationalität abgelöst ist
und die Zusammenfassung aller Italiker unter die Führung Roms mehr
und mehr durchschlägt, können die Bürger der also mit Rom verknüpften
Gemeinden nicht mehr als Ausländer betrachtet werden; der Nea-
politaner ist seitdem wohl noch geringeren Rechts als der Pränestiner,
aber beide gehören gleichmässig dem dauernden Reichsverband an.
Wenn der Latiner von jeher betrachtet worden ist als dem von Rom
geführten Gemeinwesen ebenso, wenn auch mit geringerem Recht
angehörig wie der römische Bürger, so treten nun die Bürger der
gleichfalls ewig verbündeten nichtlatinischen Staaten Italiens gewisser-
massen als dritte Klasse hinzu und werden Glieder des römischen
Reiches. Die Bezeichnung peregrim^ die ihnen bleibt, wechselt ihren
Inhalt und wird wohl auch noch von dem Ausländer, aber über-
wiegend von dem Reichsangehörigen geringeren Rechtes gebraucht.
Die ehemals internationale Rechtsordnung, das ius gentium wird all-
mählich zu der für alle Reichsangehörigen geltenden die örtlichen
Ordnungen allgemein ergänzenden Norm.
Binding, Handbach. I. 8: Mommsen, Abriss d. Bdm. Staatsrechts. 2. Aufl. 5
. 9. Das ausseritaiische Herrschaftsgebiet
Das ausseritaiische Herrschaftsgebiet Roms setzt sich zusammen
aus den abhängigen Bundesstaaten und den unterthänigen Land-
schaften.
Ausseritoii- Die abhängigen Bundesstaaten Roms ausserhalb Italiens, Massalia,
sehe Bundes- ° ^ ' '
Staaten. Athen, Rhodos und so weiter haben in der Epoche, wo Rom sein
Machtgebiet auf Italien beschränkte, neben Rom gestanden als gleich
berechtigte und gleich autonome, wenn auch minder mächtige Yertrags-
staaten ; auch die Könige zum Beispiel von Numidien stehen zunächst
zu der römischen Republik keineswegs in einem dauernden recht-
lichen Schutzverhältniss. Aber im Laufe der Zeit entwickelt sich die
Herrschaft Roms über Italien zu einer solchen über das Mittelmeer-
gebiet, und davon war die nothwendige Gonsequenz die hier bestehen-
den Staaten entweder aufzulösen oder doch das bestehende Bundesver-
hältniss aus der factischen in die rechtliche Abhängigkeit überzuführen.
Charakteristisch dafür ist der in diesem Sinne den Rhodiern im J. 587
(167 V« Chr.) aufgenöthigte Vertrag, und er zeigt zugleich, dass diese
Tendenz nicht erst die Einrichtung ständiger römischer Gommandos
ausserhalb Italien abwartete. Allerdings aber hat die Einrichtung
dieser sogenannten Provinzen die Umgestaltung der bestehenden Bundes-
verhältnisse in dem angegebenen Sinne mächtig gefördert. So lange es
auf griechischem Boden eine ständige römische Magistratur nicht gab,
konnte die Republik Athen, wie geringfügig auch ihre Macht war,
die volle Autonomie behalten. Aber seitdem der gewaltige Verbündete
in der makedonischen Provinz selbst ein Commando eingerichtet hatte,
blieb sie ihr höchstens nominell; eigene Ausübung des Waffenrechts
zum Beispiel war damit unvereinbar. So ist es gekommen, dass in
dieser Epoche die effectiv gleichen Bündnisse überall beseitigt worden
sind und dafür diejenige Form eintritt, welche unter gleicher Be-
nennung der Sache nach auf das Gegentheil hinauskommt.
9, Das auBseritalische Herrschaftsgebiet. 67
Für die abhängigen Bundesstaaten ausserhalb Italien gelten
"wesentlich dieselben Normen, nach welchen die italische Conf&de-
ration geordnet ist; nur hat die Reichsangehörigkeit bei der ausser-
italischen ConfÖderation sich später und flacher entwickelt.
Wenn die italische ConfÖderation auf der städtischen Ordnung ^pj^^
sämmtlicher Glieder beruhte, so hat ausserhalb Italien Rom dergleichen
Verhältnisse auch mit Königreichen vereinbart. Freilich geht dabei
die Perpetuität insofern verloren, als nach römischer Auffassung der
mit dem König abgeschlossene Vertrag personal ist und bei ein-
tretendem Thronwechsel die Erneuerung fordert, welche demnach
hier auf eine Belehnung hinausläuft und, wo sie nicht gewährt wird,
die Einziehung des abhängigen Gebiets zur Folge hat.
Der Verlust des Kriegs- und Vertragsrechts ist das wesentliche g^^ust jm
Moment auch der ausseritalischen ConfÖderation : als rechtliche Fest- veitrMs-
^ rechts.
Setzung tritt sie namentlich bei der schon erwähnten Verhandlung mit
den Rhodiern uns entgegen. Vielfach aber mag man sich damit
begnOgt haben die Umgestaltung nur thatsächlich sich vollziehen
zu lassen. Formelle Gleichmässigkeit ist hier um so mehr aus-
geschlossen, als die Ordnung der Verhältnisse durchaus durch Special-
verträge erfolgte; der Sache nach sind Ausnahmen nicht zugelassen
worden und giebt es innerhalb des römischen Machtgebiets schon in
der späteren Republik keine Stadt und keinen Fürsten von wirklicher
Autonomie.
Die Wehrgemeinschaft mit Rom ist auch in diesem Rechtsver- wehrg».
hältniss gegeben, und die ausseritalischen Bundesgenossen Roms haben ^'"""^
demgemäss auch bei den römischen Kriegen sich betheiligt. Aber
von der factischen Ständigkeit der Kriegshülfe, welche der Con-
fÖderation der italischen togcUi ihren Charakter giebt, ist diese Be-
theiligung weit entfernt. Wie die italischen haben auch die ausser-
italischen zum Bündniss zugelassenen Griechenstädte, wie Rhodos und
Athen, Schiffe für die römische Flotte gestellt. Aber es ist schon
bemerkt worden, dass der rasche Verfall des römischen Seewesens bei
diesen Leistungen die Ständigkeit nicht hat aufkommen lassen, und
die damit gegebene militärische Annullirung der zum römischen Staat
gehörigen griechischen Städte hat ihre politische beschleunigt. Von
den abhängigen Königreichen ist die Kriegshülfe hauptsächlich in der
Form der Vertheidigung der Reichsgrenzen gefordert worden ; sie haben
daher mehr bedeutet als die Städte, aber noch weniger als diese an
der ordentlichen Kriegshülfe sich betheiligt.
Die Autonomie, so weit sie hiemach dem Bundesstaat verbleibt, soayer&ne.
wird wohl principiell auch dem ausseritalischen eingeräumt ; aber eine ^*^^w-
68 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
itaiiBchen der Wesentlichsten Consequenzen derselben, die Freiheit von unmittel-
Bundes-
genossen, bareu Geldleistungen ist der Sache nach bedingt durch die Be-
theiligung an der Eriegshülfe, und wo diese zurücktritt, begreiflicher
und nicht unbilliger Weise durch die Tributzahlung ersetzt worden. Es
hing hier alles von den Festsetzungen der Einzelvertrftge ab und wir
können die Entwickelung dieser Verhältnisse wenig verfolgen; aber
wenigstens den zum Bündniss zugelassenen und nicht zur ständigen
WajBTenhttlfe herangezogenen nicht städtischen Verbündeten ist wohl
durchaus eine Geldleistung auferlegt worden. — Andererseits freilich
greift in diesen örtlich dem römischen Gemeinwesen femer stehenden
und politisch incongruenten Kreisen die Autonomie thatsächlich weiter
als innerhalb der italischen oder gar der latinischen Coufoderation.
Verfügungen der Vormacht, welche in die innere Verwaltung dieser
Districte eingriffen, begegnen wohl, zum Beispiel hinsichtlich der Juris-
diction und des Prägerechts, und an Missachtung der erworbenen Rechte
und Uebergriffen der Vormacht hat es zu keiner Zeit gefehlt; aber
politische Ausgleichung in diesen Kreisen hat das republikanische Rom
nicht angestrebt. Erst unter dem Principat entwickelt sich die Ten-
denz nicht gerade die ausseritalischen Bundesstaaten schlechthin, aber
die den Provinzen enclavirten und factisch ihnen angehörigen Städte
den Unterthanengemeinden in der Weise zu assimiliren, dass sich
die Autonomie der Bundesstädte mindert und gleichzeitig die der
Unterthanen sich steigert.
▲nBseiw Aber nicht auf den Verbündeten mehr oder minder ungleichen
'unter- Rechts, sondern auf den Unterthanen ruht ausserhalb Italien die
Herrschaft Roms, und es ist dieser Begriff nun zu entwickeln.
Dedition. Das Untorthanenverhältniss beruht auf der Dedition, das heisst
auf der durch Rom bewirkten Auflösung eines bis dahin bestehenden
Gemeinwesens und der rechtlich unbeschränkten Unterstellung ihres
Gebiets und ihrer Zugehörigen unter die römische Staatsgewalt. In
dieser Lage befand sich jede Gemeinde, welche nach oder ohne
Gegenwehr sich den römischen Gewalten unterworfen hatte. Der De-
dition gleichartig war die über die römische Halbbürgergemeinde von
den Römern verhängte Entziehung des Bürgerrechts, wie sie im hanni-
balischen Krieg gegen die Gemeinde Capua verfügt ward. Wo die
Dedition nicht entweder zur Knechtschaft oder zur Verleihung des römi-
schen Bürgerrechts führte, was beides wenigstens in der patricisch-
plebejischen Gemeinde einen speciell darauf gerichteten Act erforderte
(S. 22), wurden die dediti selbst und ihre Nachkommen, die dediticü,
betrachtet weder als Bürger noch als Ausländer noch als Knechte,
sondern als Freie ohne Bürgerrecht, nicht eigentlich rechtlos, da in
9. Das ausseritalische Herrschaftsgebiet 69
dem römischen Machtbereich Personalschutz und Privatverkehr jedem
Freien zukam, wohl aber yon Rechtswegen aller an dem Bürgerrecht
haftenden Institutionen, insonderheit des Ehe- und des Erbrechts
entbehrend, und um so mehr vom Wehrdienst und überhaupt von
jeder staatlichen Betheiligung ausgeschlossen, überdies insofern rechtlos
gegenüber der römischen Gemeinde, als diese das ursprüngliche Recht
definitiver Verfügung über die abhängigen Leute dadurch nicht ver-
loren hatte, dass davon zunächst kein Gebrauch gemacht worden war.
In Italien ist dies Rechtsverhältniss, so viel wir wissen, seinem eigent-
lich provisorischen Wesen entsprechend nur transitorisch angewendet
worden; nur etwa in den subalpinen Landschaften mag dasselbe als
dauerndes gehandhabt worden sein. Dagegen beruht das überseeische
Regiment der Römer überwiegend auf der factischen Perpetuirung
der Dedition.
Die Benennung des überseeischen Unterthanenbezirks provmcia Pn»incia,
entnehmen die Römer dem Siegerrecht, welches ja allerdings in der *^*'
Dedition seinen rechten Ausdruck findet. Für die Unterthanen selbst
wird diese gehässige Bezeichnung vermieden, sondern, mit Rücksicht
auf die ihnen eingeräumte gleich zu erörternde Quasi-Autonomie, die
der wirklich autonomen Gemeinde zukommende der Bundesgenossen
(socii) euphemistisch auf sie erstreckt.
Das Regiment über die Unterthanen ist, der bezeichneten Rechts- Feidhen-
stellung entsprechend, die Perpetuirung des feldherrlichen Oberbefehls. Tinzüire^-
Wenn der Statthalter für die in dem Bezirk verweilenden Römer "^°*
gleich dem Prätor der Hauptstadt die Gerichtshoheit ausübt, so ist
er gegenüber den Unterthanen der Gommandant und nach Ermessen
zum Eingreifen in jeder Beziehung berechtigt.
Bis weiter aber bleibt die staatliche Einrichtung, wie der römische Pron-
Feldherr sie vorfindet, im Allgemeinen mit Zugrundelegung der helleni- ,_Q^j:
sehen Städteordnung, zumal da die in der ältesten römischen Provinz
Sicilien von den Römern vorgefundenen, wesentlich auch von den ihnen
voraufgehenden Fremdherrschem, den Karthagern aufrecht erhaltenen
griechischen Einrichtungen für die Ordnung des Provinzialregiments
bestimmend geworden sind. Wo Städtebünde sich vorfinden, werden
sie, wie bei der wirklichen Autonomie, regelmässig beseitigt. Be-
schliissrecht der Gemeindeangehörigen, Gem^inderath und Gemeinde-
obrigkeiten werden aufrecht erhalten ; der Gemeinde bleibt, nicht von
Rechtswegen begründet, aber bis weiter geduldet, das bisherige Per-
sonal- und Vermögensrecht und die bisherigen Gerichte. Wo das
römische Regiment die städtische Selbstverwaltung nicht vorfand, bei
den Kelten und Iberern, in Africa und im Orient, wurden die be-
Autonomie.
70 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das. Reich.
Stehenden Institutionen zunächst derselben accommodirt und schliesslich
zu einer solchen umgestaltet. Wo die römische Regierung auf könig-
liches Regiment traf, hat sie durchgängig dasselbe nicht als solches über-
nommen, sondern entweder Bundesrecht bewilligt oder das königliche
durch das städtische Regiment ersetzt, wie dies zum Beispiel im per-
gamenischen Staate geschah. Die einzige wesentliche Ausnahme macht
das unter Augustus zum Reiche gezogene ägyptische Königreich, in
welchem der neue Herrscher der römischen Gemeinde in die Rechte
der königlichen Vorgänger eintrat, obwohl auch hier im Laufe der Zeit
die Städteordnung wenigstens theilweise Wurzel grifif. Augustus ist so-
gar so weit gegangen die Städte der einzelnen Provinzen corporativ zu
organisiren und bis zu einem gewissen Grade die alten nationalen Städte-
bOnde wieder ins Leben zu rufen. Wenn dieser Autonomie mit dem
festen Rechtsboden auch die rechte Lebenskraft gefehlt hat und das
neben und über diesen quasi-autonomen Municipalbehörden fungirende,
aus dem Kreise der formellen bundesgenössischen Autonomie von Rechts
wegen ausgeschlossene römische Tribunal die Unselbständigkeit dieses
provinzialen Selbstregiments theoretisch und praktisch dauernd erläu-
terte, so hat dennoch die civilisatorische Mission des römisch-helleni-
schen Geistes in dieser Ordnung mächtig und segensreich gewirkt.
proTinziaiM Das Bodeneigeuthum haben die Römer zunächst ebenfalls so be-
eigentham. stcheu lasseu, wie sie es vorfanden, allerdings wie die Autonomie selbst
nur als vorläufig geduldet, da das Wesen der Dedition die rechtliche
Anerkennung ausschliesst. Aber wenn sie in Sicilien die volle Con-
sequenz des Eroberungsrechts nicht zogen, so ist dies nicht lange nach-
her in Kleinasien und fortan allgemein geschehen : dass das Bodeneigen-
thum der eroberten Gebiete ein für allemal dem römischen Volk er-
worben sei und dem bisherigen Eigenthümer nur ein bis weiter ge-
schützter und bis weiter auf die Erben übergehender Besitz nach Art
des römischen Precarium zukomme, ist seitdem ein Fundamentalsatz
des römischen Staatsrechts geblieben. Von den hieraus sich ergebenden
erschreckenden Rechtsfolgen, dass der Bodenertrag von Rechtswegen
dem römischen Gemeinwesen zustehe und dass der römische Staat in
dem gesammten überseeischen Gebiet den Boden ebenso zur Vertheilung
bringen könne wie in Italien das Gemeinland, ist allerdings die letztere
praktisch nur ausnahmsweise gezogen worden. Einerseits das Zurück-
schrecken vor einer derartigen universellen Expropriation, anderer-
seits und wohl vor Allem die gerechtfertigte Besorgniss das auf Italien
basirte Gemeinwesen durch überseeische Massenauswanderung zu ent-
wurzeln, führten vielmehr zu der Staatsmaxime, dass das überseeische
Bodeneigenthum des römischen Staats nicht wie das italische der Ad-
9. Das aosBeritalische Herrschaftsgebiet 71
signation an Private unterliege, woran in der repuUikanischen Zeit
durchaus festgehalten und wovon auch unter dem Principat nur hin-
sichtlich der nicht sehr zahlreichen Golonien italischen Rechts abge-
wichen worden ist Thatsächlieh also verhalten sich der italische und
der überseeische Grundbesitz zu einander ungefähr wie Eigenthum
und Erbpacht.
Vor Allem sind es die Leistungen an den römischen Staat, in ^j^^^'^^'^
welchen der Gegensatz der verbündeten und der unterthänigen Ge-
meinden zu Tage tritt.
Eine Wehrpflicht giebt es für die Unterthanen nicht. Eriegshülfe
kann nur ein Staat dem andern leisten und die entstaatlichten Dediticier
sind dazu rechtlieh unfähig, während auch aus praktischen Gründen
die römische Regierung den Provinzialen das WafFenrecht vorenthielt.
Dass der römische Commandant als Nothbehelf auch sie zu militärischen
Zwecken verwenden konnte, ändert an ihrer Rechtsstellung nichts. Erst
Augustus hat bei der neuen Ordnung der Militärpflicht die Unterthanen
theilweise mit herangezogen und damit wenigstens die active Reichs-
angehörigkeit dieser zurückgesetzten Klasse anerkannt.
Dagegen ist die Abgabenpflicht, welche bei den verbündeten Ge-
meinden eigentlich ausgeschlossen ist und höchstens als Surrogat der
Eriegshülfe auftritt, das rechte Kennzeichen der Unterthänigkeit. Die
Leistung, welche von den Provinzialen gefordert wird, ist zunächst,
wie die Provinz selbst als perpetuirtes Commando, gefasst worden als
perpetuirte Kriegscontribution, wovon sie auch die Benennung Stipen-
dium führt, da die Zahlung des Soldes an das siegreiche Heer für
die Kriegscontribution den Ausgangspunct bildet Ebenso liegt es im
Wesen derselben, dass die den früheren Regierungen entrichteten Ab-
gaben jetzt der Sieger für sich erhebt, wie dies vielfach in den römi-
schen Provinzialordnungen hervortritt. Aber nachdem der Provinzial-
boden als römisches Staatseigenthum aufgefasst ward, können die
darauf lastenden Abgaben als die dem Eigenthümer zukommende
Bodenrente {vectigäl) angesehen werden und diese Auffassung hat
späterhin vorgeherrscht.
Hinsichtlich der Reichsangehörigkeit stehen die ausseritalischen Beiduans*.
Bundesgenossen, nachdem das Reich sich über das Meer hin erweitert %▼!&- ^
hat, den nicht latinischen Italikem gleich und auch die Unterthanen,
mochte man sie als dediticischen Rechts oder als autonome Gemeinden
fassen, konnten, wie dies auch die übliche Bezeichnung socii ausdrückt,
nichtmehralsAusländergelten,sondem nur alsReichsangehörige schlech-
testen Rechts. In der That ist die Peregrinität der späteren Republik
und der Kaiserzeit durchgängig Reichsangehörigkeit zweiter Klasse.
72 Erstes Buch. Die Bürgerschaft und das Reich.
sinken^des Mit der Ausdehnuüg der Reichsangehörigkeit geht Hand in Hand
lu^tioMi- das Einschwinden, man könnte sagen der Wegfall des internationalen
Rechtsverkehrs. Es ist früher gezeigt worden, dass er in der Entwick-
lungsepoche Roms extensiv wie intensiv von höchster Bedeutung gewesen
ist, dass der latinische Bund auf Grund von Freundschaftsverträgen
mit Caere und Neapel, mit Massalia und Rhodos in Rechtsbeziehungen
stand, selbst der italische Bund noch auf solcher Grundlage mit den
Städten und Königreichen des griechischen Ostens verkehrte. Ver-
kehrsbeschränkungen , wie sie uns die karthagischen Verträge theil-
weise zeigen, scheinen Ausnahmen gewesen zu sein, durchgängig die
internationalen Ordnungen Roms eine weitgehende Verkehrsgemein-
schaft vorausgesetzt und gefördert zu haben. Aber die effective Rechts-
gleichheit der contrahirenden Staaten, von welcher diese Intemational-
verträge ausgegangen sein müssen, hielt dem stetigem Anschwellen
der römischen Uebermacht auf die Dauer nicht Stand. Das gleiche
Bündniss im rechten Sinne des Wortes verschwindet aus dem römischen
Staatsrecht; die spätere Epoche kennt das Bündniss nur noch als
milde Form der Unterthänigkeit , die sogenannten Fremden nur als
Reichsangehörige minderen Rechts. Der Römerstaat, erwachsen in
schrankenloser Verkehrsfreiheity schliesst gegen aussen sich ab, wobei die
ungeheure Ausdehnung seiner Grenzen und die so zu sagen offizielle
Gleichsetzung des Römerstaates mit dem Erdkreis (orbis terrarum) mit-
gewirkt haben. Wo thatsächlich Landgrenzen bestehen, wie in Africa,
in Aegypten, im Orient, wird der Handelsverkehr durch künstliche
Schranken und Zölle gefesselt. Die ursprüngliche Anschauung, dass
der stammfremde Mann ein Landesfeind und als solcher zu behandeln
ist, hat das Greisenalter des Staats Germanen und Persern gegen-
über wieder ins Leben gerufen.
10. Die städtische Gliederung des Einlieitsstaats.
Die Elitwickelung des Römerreichs ist hiermit dargel^t worden, suateband
Wenn in derselben die souveräne Gewalt an der Stadt haftet, so ist""' staat/
der ungeschmälerte und ausschliessliche Vollbesitz derselben das Vor-
recht der Stadt Rom und diese dadurch die Trägerin der Gentralisirung
in diesem politischen Bau, der Bau selbst aber eine städtische
Conföderation. Es gilt dies sowohl von dem latinischen wie von dem
italischen Städtebund, und auch die ausseritalischen Gemeinden sind
in den Formen entweder der rechtlich anerkannten oder mindestens
der faetisch zugelassenen Autonomie der Gentralgewalt angegliedert.
Nicht in gleicher Weise, aber mit analogem Gesammtergebniss liegt
die Zusammenfassung der städtisch geordneten Gemeinwesen unter
eine centrale Gewalt allen Gestaltungen und Umgestaltungen des
R&merstaates durch den tausendjährigen Verlauf seiner Geschichte zu
Grunde. Die Phasen der latinischen, der italischen, der überseeischen
Conföderation sind erörtert worden; es bleibt noch Obrig den daraus
schliesslich entwickelten Reichsverband, die Ausgestaltung der städ-
tischen Conföderation zu einem nach Stadtverbänden gegliederten
Einheitsstaat darzulegen.
Kein Axiom ist zunächst in der staatlichen Entwickelung Roms Bechtiiche
energischer festgehalten worden als die absolute jede Autonomie der "^ centrail ^
Theile ausschliessende staatliche Gentralisirung. Es zeigt sich dies ^Bfl^ler^"
sowohl in der danach geregelten Behandlung der Gurion (S. 13) und
der Tribus (S. 31) und der bevorrechteten Kategorien der Bürger-
schaft (S. 37), wie auch in dem Verlauf der dieser Einheit wider-
streitenden und darum sich selber vernichtenden Plebejerbewegung
(S. 50). Aber die thatsächliche Voraussetzung der staatsrechtlichen
war die örtliche Gentralisirung, und wo innerhalb der römischen
Bürgerschaft andere örtliche Mittelpunkte mit städtischer Sonder-
stellung sich entwickeln, beginnt das Schwanken des Fundaments,
Schaft.
74 Erstes Buch. Die BQrgerschaft und das Reich.
Die unseheinbaren Anfänge sind fast so alt wie Rom selbst. Als
Rom seinen Hafen erhielt und eine Anzahl zu bleibender Ansiedelung
(colonia) dorthin gesandter Bürger ein Sonderterritorium empfingen,
scheint die Siedelung für ihre gemeinschaftlichen Sacra eine nach dem
Muster der römischen geordnete Quasimagistratur erhalten zu haben ;
indess von localer Autonomie kann hier noch nicht die Rede sein.
Die Anfänge einer solchen begegnen uns im 5. Jahr der Stadt. Die
nach dem Muster Ostias gegründete Zweitälteste Bürgercolonie Antium
empfing nach glaubwürdigen Berichten zwanzig Jahre nach ihrer Grün-
dung im J. 437 (317 v. Chr.) ein Sonderstatut und eine eigene der römi-
schen nachgebildete Magistratur. Wenn diese örtlich geschlossenen
Bürgergemeinden unter staatlicher Autorisation entstanden, so scheinen
daneben vielfach bloss im Wege der Ansiedelung sich Märkte (forä) und
Sammelpuncte (concüiabülä) gleichfalls mit vorwiegender Bürger-
bevölkerung gebildet zu haben, die mehr oder minder zu gleichsam
städtischer Gemeinschaft erwuchsen. Von den um dieselbe Zeit be-
ginnenden Halbbürgergemeinden behielten, wie gezeigt ward (S. 54),
die besser gestellten von der Selbstverwaltung, welche sie vor dem
Eintritt in die römische Bürgerschaft gehabt hatten, wenigstens einen
Rest und dasselbe mag geschehen sein, wenn bisher autonome Ge-
meinden latinischen oder italischen Rechts in das römische Bürgerrecht
übertraten. Wenn aber auch die Zahl solcher mit einer gewissen
Selbständigkeit ausgestatteten Sonderkreise innerhalb der römischen
Bürgerschaft wohl in beständigem Zunehmen war, so ist die vollständige
Umgestaltung der bisherigen Ordnung, wodurch diese Ausnahme zur
Regel und das römische Bürgerrecht als der Inbegriff aller dieser
Sonderheimathsrechte zum Reichsrecht ward, erst durch den Bundes-
genossenkrieg und die daraus resultirende Aufnahme sämmtlicher
Italiker in die römische Bürgerschaft herbeigeführt worden.
Entstehung Zu Grundo liegt bei dieser Umgestaltung die veränderte Beilegung
cipaiTeV der Tribus, also eine Abänderung der Stimmordnung, insofern diese
fasanng. ^^ ^.^ Tribus odor dio durch die Tribus bedingte Centurie geknüpft
war. Wenn bis dahin der Regel nach der ansässige Bürger der Tribus
seines Grundbesitzes, der besitzlose einer der vier städtischen Tribus
zugeschrieben ward, so war schon vor dem Socialkrieg den Gemeinden,
die geschlossen in die römische Bürgerschaft eintraten, die Tribus nicht
bloss in dem Sinne beigelegt worden, dass ihr Territorium in eine der-
selben eingeschrieben ward, sondern es empfingen und behielten die
Angehörigen dieser Gemeinden für sich und ihre Nachkommenschaft in
derselben Tribus das Stimmrecht. Nachdem dann in Folge jener grossen
Revolution die grosse Mehrzahl der italischen Städte in den römischen
10. Die Bt&dtische Gliederung des Einheitsstaats. 75
Bflrgerverband geschlossen eingetreten waren und wahrscheinlich auch
diejenigen alteren Bürgergemeinden, die bis dahin des geschlossenen
Stimmrechtes entbehrten, dasselbe in gleicher Weise erhalten hatten,
wurde die einzelne Tribus aus einer örtlich geschlossenen Grundbesitzer-
Versammlung umgewandelt in einen Complex einzelner mit eigenem
Heimathrecht ausgestatteter Städte. Wer von einem durch die Auf-
nahme von Venusia zum Bürgerrecht gelangten B6mer abstammte,
stimmte ein für allemal in der horatischen Tribus, auch wenn er nicht
mehr in Venusia, ja wahrscheinlich selbst wenn er überhaupt nicht mehr
Grundbesitzer war. Die vier städtischen Tribus stehen ausserhalb
dieses Territorialsystems und es bleiben in denselben wesentlich nur
die nicht im Vollbesitz der Ehrenrechte befindlichen Bürger. Die stMts-
Comitien wurden fortan, wenigstens der Anlage nach, beherrscht durch HS^t£2^
die geschlossen stimmenden Stadtbürgerschaften. Der römische Bürger
besitzt also seitdem theils ein specielles Heimath-, theils das an dieses
geknüpfte allgemeine Staatsbürgerrecht, welchem von der Stadt Rom
nur noch der Name blieb. Allerdings ist diese neue Ordnung nicht
schlechthin allgemein durchgeführt worden: insbesondere die alten
keinem Municipium entsprossenen patricischen und plebejischen Adels-
geschlechter scheinen ausserhalb der Municipalverbände verblieben zu
sein und es sind auch sonst noch personale Ausnahmen vorgekommen.
Aber dass das neue römische Bürgerrecht in der That das Staats-
bürgerrecht war, tritt namentlich darin zu Tage, dass dasselbe wie
mit dem Heimathrecht einer Bürger-, so auch mit dem einer Nicht-
bürgergemeinde verknüpft werden kann, wobei dann freilich die Bei.
legung der Tribus nur personalen Charakter hat. Die Ausschliesslich-
keit des Stadtbürgerrechts überträgt sich auf das Heimathsrecht ; nie-
mand kann Bürger von Gapua und von Puteoli oder von Gapua und
von Athen sein; aber das römische Bürgerrecht kann jetzt auch der
Athener gewinnen, ohne sein athenisches darum zu verlieren.
Nachdem also, entsprechend der Auflösung der ursprünglich inbaitdM
zusammensiedelnden Bürgerschaft in zahlreiche , die ganze italische rochta. ~
Halbinsel erfüllende örtliche Mittelpuncte, die ursprüngliche Ordnung,
die dem Staatstheil jede Selbständigkeit nahm, in ihr Gegentheil
verkehrt worden war und die römische Stadt- oder vielmehr Reichs-
gemeinde aus einer Anzahl Stadtgemeinden sich zusammensetzte, ergab
sich die Aufgabe, die Autonomie der Reichs- und diejenige der ein-
zelnen Stadtgemeinde zu einander in das angemessene Verhältniss zu
bringen, das heisst, da an der rechtlichen und factischen Centralisirung
der Staatsgewalt auch bei dieser Umgestaltung unentwegt festgehalten
ward, dasjenige Mass der Rechte zu bestimmen, welches von der ehe-
76 Erstes Baeh. Die Bürgerschaft und das Reich.
maligen hündischen Autonomie der neuen ReiehsbOrgerstadt verbleiben
konnte. Also entwickelte sieb das neue Municipalrecht, das Stadtrecbt
im Staate. Die der Gentralgewalt der Bundesstadt gegenüber zustehenden
Rechte blieben nicht bloss ungeschmälert, sondern wurden gesteigert :
nach aussen hin giebt es nur das einheitliche Reich, keine einzelne Stadt,
und wenn die Reichsgesetzgebung schon früher in exceptioneller Weise
das Stadtrecht brach (S. 59), so ist dies jetzt regelmässig und selbst-
verständlich. Das bündische Yertragsrecht und die bündische Militär-
hoheit mussten fallen; die Bürgerstadt konnte nicht mit Rom in
Bündniss stehen und der in Präneste ausgehobene Reichsbürger war
nicht mehr pränestinischer , sondern römischer Soldat. Auch das
eigene Recht fiel wenigstens im Allgemeinen ; die römische bis dahin
von den Latinerstädten nicht angenommene Reehtsbestimmung, welche
dem Yerlöbniss die Elagbarkeit entzog, erstreckte sich auf sie mit
ihrem Eintritt in die römische Bürgerschaft. Dass mancherlei ab-
weichende Festsetzungen als Localstatute weiter bestanden haben,
ist wahrscheinlich; doch scheint die Nivellirung durchaus überwogen
zu haben. Die Gerichtshoheit, welche der Bundesstadt geblieben war,
ging der Bürgerstadt ebenfalls im wesentlichen verloren, und hatten
deren Angehörige der Regel nach vor den römischen Behörden Recht
zu nehmen ; doch ist theils die criminelle Gompetenz in bedeutendem
Umfang den Städten verblieben, theils ist für die minder bedeutenden
oder besonders dringlichen Privatprozesse, namentlich wohl diejenigen,
die in den älteren römischen Bürgergemeinden nicht nach Rom gezogen,
sondern durch den örtlichen Stellvertreter des römischen Prätors ent-
schieden wurden, wahrscheinlich bei dieser Gelegenheit die municipale
Jurisdiction ins Leben getreten. Dennoch sind der Bürgerstadt wesent-
liche Momente der ehemaligen Autonomie geblieben, oder auch, wo
sie ihr bisher gefehlt hatten, verliehen worden. Das Recht der
juristischen Person, welches nach der ursprünglichen römischen Auf-
fassung auf den Staat selbst beschränkt ist, die Fähigkeit Vermögen
zu besitzen, Erbschaften anzunehmen und Knechte freizulassen übt
auch die Bürgerstadt. Sie behält ihre Magistrate, ihren Gemeinde-
rath, ihre Gomitien für Wahlen und Satzungen, ihre Gemeindekasse
und damit die administrative und finanzielle Autonomie, wenngleich
die Befagnisse der Magistratur und der Gomitien nach dem vorher
Gesagten wesentlich gemindert sind.
Erstrecbuff Dio also oiu halbos Jahrhundert vor dem Untergang der römischen
^' Bfl^'^'' Freiheit für den Einheitsstaat gleichberechtigter Bürger gefundene
'^^mun'Form ist zunächst nur auf Italien angewendet worden und musste
'^RlB^ioht'''' im Wesentlichen darauf beschränkt bleiben , wenn das Fundament
verband.
10. Die städtische Gliederung des Einheitsstaats. 77
aller vollen politischen Einigung, die in Italien jetzt im Wesentlichen
durchgeführte Sprach- und Sittengemeinschaft festgehalten werden
sollte. Anwendbar indess war das System auch im überseeischen
Gebiet und es ist in allmählicher Erweiterung über die Halbinsel
hinaus ausgedehnt worden. Im Anfang des 3. Jahrh. n. Chr. wurden
dann die Städte latinischen und peregrinischen Rechts im ganzen Reich
zu Bürgerstädten gemacht und es ging damit die städtische Gonföderation
im weitesten Sinne in dem Reichsbürgerrecht auf. Ausserhalb der
Reichsbürgerschaft stehen fortan nur die nicht städtisch geordneten
in der Form der Föderation oder der tolerirten Autonomie dem
Reiche angeschlossenen geniiles, die Fürsten der Saracenen und der
Gothen, die Satrapen der Armenier, die Stämme an der africanischen
Grenze, die in Gallien und Italien angesiedelten Ausländer.
Zweites Buch.
Die Magistratur.
I. Der AmtsbegrifT.
Die HandluDgsf&higkeit, die Fähigkeit zu wollen and den Willen Beffriff der
zu äussern so wie demselben innerhalb der dem Wollenden gesetzten Tort^tTml*.
Machtgrenzen Geltung zu verschafFen, haftet naturgemäss an der phy-
sischen Person. Der Staatsbegriff der Römer beruht auf der idealen
Uebertragung dieser Handlungsfähigkeit auf die im ersten Buch ent-
wickelte Gesammtheit, die Borgerschaft, den populas, und auf der
Unterordnung des Einzelwillens aller der Gesammtheit angehörigen
physischen Personen unter diesen Gesammtwillen. Die Aufhebung der
individuellen Selbständigkeit gegenüber dem Gesammtwillen ist das
Kriterium der staatlichen Gemeinschaft und insbesondere dasjenige
Moment, das den Staat von der Corporation, zum Beispiel der Curie
und dem Senat unterscheidet.
Der Gesammtwille ist an sich, wenn es gestattet ist einen Aus-
druck des römischen Privatrechts darauf anzuwenden, eine staatsrecht-
liche Fiction. Thatsächlich wird dafür Vertretung erfordert, ähnlich
wie im Privatrecht für den nicht handlungsfähigen Mündel. Wie für
diesen der Vormund eintritt, so gilt staatsrechtlich als Willenshand-
lung der Gesammtheit diejenige eines in dem bestimmten Fall für
sie eintretenden Mannes. Indess geht die Gemeindevertretung inso*
fern weiter als die vormundschaftliche, als der Vormund die physisch
vorhandene, aber unvollkommene Handlungsfähigkeit ergänzt, der
Gemeindevertreter eine physisch nicht vorhandene ausübt. Immer ist
die staatliche Willenshandlung die Handlung eines einzelnen Mannes,
da das Wollen und Handeln an sich untheilbar ist; Gemeindehand-
lung durch Majoritätsbeschluss ist nach römischer Auffassung ein
Widerspruch im Beisatz. Der Gemein de Vertreter kann gewisse Hand-
lungen nur vollziehen, wenn die Mehrzahl der Abtheilungen der Bürger-
schaft oder die Mehrzahl der Senatoren ihn dazu ermächtigt; aber der
Binding, Handbuch. 1. 3: Mommsen, AbrUs des Römischen StMtsiechts. 2. Aufl. 6
82 Zweites Buch. Die Magistratur.
Beschluss der Bürgerschaft oder des Senats werden Gemeindeacte nur
dadurch, dass der Gemeindevertreter sie sowohl veranlasst wie voll-
zieht und logisch wie praktisch ist die also vollzogene Handlung zu-
nächst Handlung des Vertreters der Gemeinde.
^tS^chr" Insofern diese Vertretung der Gemeinde durch deren Verfassung,
v^tSng. s®i ®s allgemein, sei es in bestimmter Begrenzung, einer einzelnen
Person zugewiesen wird, ist ein solcher Gemeindevertreter Magistrat;
Handlung der Gemeinde ist eine jede, welche innerhalb der hiedurch
gezogenen Schranken von dem Vertreter selbst oder in seinem Auf-
trag vollzogen wird. Regelmässig wird für die Gemeindehandlung
eine fest geordnete Vertretung gefordert; nur in gewissen Fällen,
namentlich bei einer der Gemeinde zugefügten Schädigung, ermächtigt
die Vtdrfassung jeden Bürger zur Vertretung der Gemeinde, und in-
sofern kommt ausnahmsweise auch eine nicht magistratische Gemeinde-
vertretung vor.
^•rhäitmss Dlo Magistratur, die Verkörperung des StaatsbegrifiiB und die
M^stratnr Trägerin der Staatsgewalt kann hiienach nicht gefasst werden als
Gomitien. rechtUch beruhend auf dem Gesammt willen der Bürgerschaft, da dieser
ja für sich allein überhaupt nicht wirksam werden kann ; vielmehr ist
nach der römischen Auffassung die römische Magistratur älter als die
Volksgemeinde, welche siiB erst erschafft^ und das Mandat, ohne welches
allerdings eine Vertretung überall nicht gedacht werden kann, geht
von dem Vortnann an den Nachfolger, welche bei dem Zwischen-
königthum näher zu erörternde Ordnung sich bis zum Eintritt des
Principats auch thatsächlich ununterbrochen behauptet hat. Nach der
früh hinzutretenden Bindung des Vormanns in der Ernennung des
Nachfolgers durch die vorherige Befragung der Gomitien wirken die
Magistratur und die Gomitien bei dieser VoUmachtsertheilung zu-
sammen, und die&e Auffassung der Magistratur und der Gomitien als
gleichmäsaig selbständiger Träger des Gemeinde willens beherrscht das
Staatsrecht der Republik ; erst in der späteren Epoche derselben werden
die Gomitien mehi^ und mehr, wenngleich nie vollständig als die eigent-
liche Vertretung der Gemeinde betrachtet und wird die magistratische
Mitwirkung bei der Willensfindung derselben nicht mehr als Verein-
barung, sondern als Oeschäftsleitung aufgefasst.
Freiwillig« Die Uebemahme des Gemeindeamts ist an sich ebenso Recht wie
nAme. Pflicht des einzelnen Bürgers gleich dem Heerdienst und anderen
öffentlichen Leistungen. Es wird ursprünglich ein rechtlicher Zwang
zur Uebemahme desselben bestanden haben, wie er bei den Priester-
thümern nachweislich vorkam; dafür spricht, dass die römischen Ord^
nungen nichts wissen von einer förmlichen Annahmeerklärung des
1. Der Amtsbegiiff. 83
creirten Beamten und dass sie der Regel nach Greirung und Antritt
ohne Zwischenzeit verknüpfen. Indess in der historischen Zeit der
freien Republik wird bei sämmtlichen Gemeindeämtern, auch den keines-
wegs begehrten und.indirect mehr oder minder erzwungenen, officiell
die Pflichtigkeit nicht statuirt oder doch ignorirt. Darum ist auch
von rechtlichen BefreiungsgrQnden von der Uebernahme eines Ge-
meindeamtes nirgends die Rede, dagegen Ablehnung des Amtes vor
der Uebernahme so wie Niederlegung des übernommenen vor Ablauf
der Zeit jedem Bürger unbeschränkt gestattet. Es wird eine scharfe
Grenzlinie gezogen zwischen den öffentlichen Pflichtleistungen (munera)
und den Aemtern oder nach römischem Ausdruck den „Ehren"
(hcnores) ; für den stolzen Freistaat geziemt es sich nicht, die Führung
seiner Geschäfte als Pflichtleistung zu behandeln. Erst unter dem
Principat tritt mit dem Sinken des Gemeinsinns diese Auffassung
wiederum hervor.
Die Vertretung der Gemeinde durch ein Gemeindeglied fordert in Die könig-
ihrer ältesten und begrifflich reinsten Gestalt den einheitlichen Ge« voii^wait
meindeherm, welchem die für die ewige Gemeinde erforderte ewige
Dauer durch eine fest geregelte Successionsordnung verliehen wird.
Dies ist das Königthum, das regnum^ die älteste römische Staatsform.
Ob dabei die repräsentirte Gemeinde und die repräsentirende Person
als doppeltes Rechtssubject gefasst worden sind oder als einheitliches,
muss dahingestellt bleiben ; die dem König eigene Amtswohnung legt
allerdings die Vermuthung nahe, dass sein Vermögen und das der
Gemeinde rechtlich nicht geschieden waren. Die Vertretung der
Gemeinde durch ihren König ist vollständig; sie gilt gleichmässig
gegenüber den römischen Göttern und gegenüber dem Ausland wie
gegenüber den Bürgern des eigenen Staates, gleichmässig als Ober-
priesterthum, als Gerichtsbann, als Heerbefehl, als Verwaltung des
Gemeindevermögens. Aber weder rechtlich noch thatsächlich ist sie
eine unbeschränkte Gewalt. Der idealen Gemeinde steht, wie das
Recht der Gesetzgebung es fordert, die Bestimmung über Leben und
Vermögen des Bürgers schrankenlos zu; der Willensact ihres Ver-
treters ist nur dann Gemeindewille, wenn die durch die Satzungen der
Gemeinde geforderten Voraussetzungen erfüllt sind und namentlich
da, wo dies durch die Verfassung gefordert wird, Gemeinderath und
Bürgerschaft ihre Einwilligung gegeben haben. Wo der König nicht
in rechter Vertretung der Gemeinde handelt, ist seine Handlung nicht
Handlung der Gemeinde.
An das Königthum und die Königszeit reicht unsere Ueber- nje.
lieferung nicht hinan und eine geschichtliche Darstellung derselben
6*
g4 Zweites Buch. Die Magistratur.
lässt sich nicht geben, wenn gleich die daraus abgeleiteten Ordnungen
durchaus auf die ursprangliche Yollgewalt zurückführen. Dafür tritt
nach unserer Redeweise die Republik ein; den Römern, welchen res
publica, genau entsprechend dem englischen common tcedlthj das Ge-
meinwesen schlechthin bezeichnet, erscheint die geänderte Verfassung,
für die ein positiver Schlagname fehlt, negativ als die Beseitigung
der Einheitlichkeit und der Lebenslänglichkeit der Gemeindevertretung
sowie ihrer bisherigen Benennung ^ Die rechtliche Gleichartigkeit
des republikanischen Oberamts mit dem Eönigthum findet scharfen
Ausdruck in dem beibehaltenen interregnum. Die Auffassung der
neuen Ordnung als des Beginns der Volkssouveränetät, der wenigstens
theoretischen Allgewalt der Gomitien, ist, wie schon bemerkt ward, erst
die der sich demokratisirenden Republik ^. Noch minder correct ist
die Auffassung der Abschaffung des Eönigthums als Begründung der
Freiheit, der Ubertas; das Mass der Abhängigkeit des Bürgers von dem
Staat hängt weder von der Zahl der Vorsteher noch von der Dauer der
Vorsteherschaft ab und die Bürgerschaft Numas ist sicher den Nach-
fahren nicht als Sclavenschaft erschienen. Nicht gegen die Königs-
gewalt als solche richtet sich die die Consularherrschaft begründende
Revolution, sondern gegen den Missbrauch derselben, indem sie den
schuldigen Gemeindeherrn absetzt und die in der Einheitlichkeit und
Lebenslänglichkeit des Amtes erkannten Anlässe zu solchem Missbrauch
abstellt. Die Identification der republikanischen Ordnung mit der
'Freiheit' des Volkes gehört, ebenso wie die Auffassung des lebens-
läDglichen Herrschers als dominuSj das heisst als des „Eigentümers"
des Reiches, erst der Opposition der caesarischen und der Kaiserzeit
an, dem Gedankenkreise der Gaesarmörder und ihrer Laudatoren.
Es ist die Magistratur der Republik, welche in diesem Buche
geschildert werden soll. Dass die rechtliche Identification des Amtes
und des Beamten, welche bei dem Königthum vielleicht gegolten hat,
für den republikanischen Beamten nicht besteht, ist ausser Zweifel, wie
sie denn schon für den Zwischenkönig nicht passt und mit der Plurali-
tät der Magistrate völlig unvereinbar ist. Die Amtwohnung kommt
in der Republik nur dem verblassten Schattenbild des Königs zu, daa
die sacralen Ordnungen bewahren; in republikanischer Zeit gehören
die Locale der Amtsthätigkeit der Gemeinde und wohnt der Beamte
^ Diese tralaticische und richtige Auffassung findet sich bei Livius 2, 1.
* Diese Auffassung vertritt zum Beispiel Cicero de re p. 1, 81, 47. Uebrigens
wollten die Vertreter dieser Theorie die Eönigszeit keineswegs ausschliessen, da
sie die spätere SteUung der Gomitien auch in diese hineinbringen. Vgl. Hermes
16, 147.
1. Der Amtsbegriff. 85
in seinem Privathaus und verbleibt in seiner privatrechtlichen Stellung.
In unserer Darlegung sollen zunächst die Theilung des sacralen Regi-
ments zwischen den Priestern und der Magistratur (Abschn. 2), sodann
der Gegensatz des städtischen und des Kriegsregiments (Abschn. 3)
entwickelt werden. Weiter sollen behandelt werden die Creirung der
Beamten (Abschn. 4) und die dafür erforderliche Qualification (Abschn. 5) ;
die Gollegialität und die Gollision der Beamten (Abschn. 6); die Dauer
der Magistratur und der Antritt und Rücktritt der Beamten (Abschn. 7);
die magistratischen Ehrenrechte und Emolumente so wie die magi-
stratische Dienerschaft (Abschn. 8) ; endlich die Gehülfen, Stellvertreter
und Rathmänner der Magistrate (Abschn. 9). Die Darstellung der ein-
zelnen Magistraturen in ihrer historischen Besonderheit bleibt dem
dritten, die der einzelnen Amtkreise dem vierten Buch vorbehalten.
Indess erscheint es nothwendig diesen sachlichen Auseinandersetzungen
eine kurze Erläuterung der hier einschlagenden Terminologie voran-
zustellen.
Die Kundgebung des Gemeindewillens in dem vorher bezeichneten "'^;^*'"'
Sinne, das Recht im Namen der Gemeinde zu befehlen, bezeichnet
das etymologisch nicht hinreichend sicher erklärte Wort imperium.
Dies wird ausschliesslich gebraucht von der eminenten Gewalt des
Staats über den Bürger und nur dem beigelegt, dem diese vollständig
zusteht, so dass in diesem Worte der ursprüngliche Amtsbegriff ver-
körpert erscheint. Für die der ursprünglichen Ordnung fremde Ver-
tretung des Gemeindewillens mit beschränkter Gompetenz wird der
analoge, aber allgemeinere und auch dem Privatrecht geläufige Aus-
druck potestas verwendet.
Für den Träger dieses absoluten Gemeindewillens giebt es keine
andere Bezeichnung als die nach dem Sonderamt; eine zusammen-
fassende fehlt, da imperator im technischen Gebrauch früh verengert
und dem Inhaber des Imperium diese Benennung nur dann verstattet
worden ist, wenn sein Gemeindebefehl zum Siege in der Feldschlacht
geführt hat.
Magister, das nach dem nachherigen Sprachgebrauch jeden i»ui^-«(ra/u«.
Vorsteher, insbesondere den einzeln stehenden bezeichnet und mehr
in sacralen und privatrechtlichen Beziehungen als für staatliche Ver-
hältnisse gebraucht wird, muss der Träger des Imperium wohl in
älterer Zeit genannt worden sein, da das davon abgeleitete und noth-
wendig auf dieses Stammwort zurückgehende Abstractum magistrcAus
sämmtliche Inhaber des Imperium in sich begreift, selbst diejenigen,
welche, wie der Dictator, der Zwischenkönig, der ReiterfOhrer, der
Stadtverweser, nicht der Volkswahl unterliegen. Diese abgeleitete
86 Zweites Buch. Die Magistratur.
Bezeichnung hat den dem Stammwort verloren gegangenen staatlichen
Werth behalten und der scharfe Gegensatz des Staates gegen jede
andere Gemeinschaft in ihr seinen rechtlichen Ausdruck gefunden;
denn wenn von plebejischen und municipalen Magistraten gesprochen
wird, so drückt sich darin nur ^us, dass die Plebs ein Staat im Staate
sein wollte und dass die Stadt im Römerreich ein ehemals souver&ner und
nicht voUst&ndig in das römische Reich aufgegangener Staat ist. Aber
dass der Entwickelungsprozess des römischen Gemeinwesens den
Schwerpunct der souveränen Gemeindegewalt von dem Oberamt auf
die Bürgerversammlung wenigstens concurrirend verschoben hat, tritt
terminologisch darin zu Tage, dass die Bezeichnung magistratus zwar
den nicht von den Gomitien gewählten oben genannten Oberbeamten
verbleibt, aber zugleich erstreckt wird auf alle von den Gomitien ge-
wählten Auftragnehmer der Gemeinde, dagegen keinem weiteren von
den Beamten allein bestellten Auftragnehmer zukommt^ so dass bei-
spielsweise von den Stellvertretern des Prätors für die Jurisdiction und
von den Legionsführem bei völlig gleicher Gompetenz und gleichem
Titel allein die comitialen als Magistrate bezeichnet werden. In ahn-
homr. lieber, jedoch minder technischer Weise wird honor verwendet ; es be-
zeichnet dies das Amt, insofern dessen Uebertragung durch die Gomitien
eine Auszeichnung des Gewählten ist. In der weiterhin folgenden
Darstellung der Magistratur ist der Begriff im Allgemeinen in dem
späteren Sinne gefasst worden, obwohl die damit gezogene Grenze eine
äusserliche und es praktisch nicht durchführbar ist, die im Laufe der
Zeit der comitialen Ernennung unterworfenen Stellungen erst von
diesem Zeitpunct an und die nach dem Emennungsrecht getheilten
nur, so weit sie magistratisch sind, in die Darstellung aufzunehmen.
Kategorien Wenden wir uns zu den Kategorien der Gemeindebeamten, so
der
Magistrate, drückt der Gegensatz der magistratus patridi oder populi Ramani
und der magistratus plebeii oder plebis eigentlich nur aus, dass die
Vorsteher der Plebs, einstmals der Sache nach und formell auch
später, nicht als wirkliche Magistrate der Gesammtheit gelten. Für
den scharfen und wichtigen Gegensatz der ordentlichen und der ausser-
ordentlichen Magistratur gebricht es an einer entsprechenden Termino-
logie ; wir bezeichnen als ordentliche diejenigen Aemter, deren Gom-
petenz ein für allemal geordnet und mit der rechtlich festen Be-
nennung gegeben ist, als ausserordentliche diejenigen, deren Gompe-
tenz erst für den einzelnen Fall, sei es mit dem Wahlact zugleich,
sei es, wie dies die Regel ist, durch ein demselben voraufgehendes
Specialgesetz festgestellt wird und für die es daher auch an einer gene-
rellen Benennung fehlt. Zu der ersten Kategorie gehören zum Beispiel
1. Der Amtsbegriff. 87
das Consulat, die Dictatur, die GenBur, zu der zweiten beispielsweise
die Duovim für den einzelnen Hochverrathsprocess und die Zehnmänner
für Gonstituirung des Gemeinwesens. Die ordentlichen Aemter sind
entweder ständige, so weit sie verfassungsmässig immer in Thätigkeit
sein sollen und also aus regelmässigen Jahreswahlen hervorgehen
(magisiratns annui), oder nicht ständige, wie die an besondere Voraus-
setzungen geknüpfte Dictatur und die verfassungsmässig intervallirende
Censur. Höhere (magistratus maiores) und niedere Aemter (magistraim
minores) werden regelmässig nur relativ je nach dem Machtverhältniss
der in Beziehung gesetzten Magistraturen unterschieden ; indess gelten
die Inhaber des Imperium und die aus den gleichen Wahlen der Gen-
turien hervorgehenden Gensoren als im Besitz der auspicia maiora,
während den in Tribuscomitien gewählten Beamten nur auspieia minora
und Oberhaupt niederes Ansehen zukommt. Die von dem Gerichts-
stuhl entlehnte Benennung magistratus curules kommt allen an dem
Imperium theilhabenden Beamten, selbst den nur ein beschränktes
jurisdictionelles besitzenden Aedilen der vornehmeren Kategorie zu;
die Gensoren haben dieses Imperium nicht, mögen aber späterhin auch
dazu gerechnet worden sein.
Amt ohne Amtsgewalt kennt die republikanische Ordnung nicht -^^'^Hrejwmit
oder doch nur insoweit, als abgeschaffte Aemter im Sacralwesen fort-
geführt werden, wie im römischen Gemeinwesen der rex sacrorum
und in den in dasselbe aufgegangenen latinischen Staaten mancherlei
ähnliche Institutionen. Amtsgewalt ohne Amt kommt dag^en häufig
vor. Sie wird ausgedrückt durch die Bezeichnung pro magistratu
allgemein oder die entsprechende specielle pro eonsüle, pro praeiore
und so weiter und regelmässig gebraucht von dem Privaten mit amt-
licher oder, was auf dasselbe hinauskommt, von dem niederen Be-
amten mit höherer Function, ohne dass ein terminologischer Unter-
schied gemacht wird zwischen dem Privaten, der nach Ablauf der
Amtszeit von Rechtswegen die Function weiter führt und dem gemäss
dem Mandat als Beamter fungirenden Stellvertreter (Abschn. 9). Aber
auch exceptionell unter Beiseitesetzung der gesetzlichen Qualification
creirte Beamte, zum Beispiel die zur Verwaltung des Oberamts aus-
hülfsweise berufenen Kriegstribune, werden als Promagistrate be-
handelt. Diese Bezeichnung hat also im Staatsrecht nur negativen
Werth, insofern sie bei amtlicher Function das Fehlen des Amtes
oder, wenn die letzte Kategorie mit berücksichtigt wird, das Fehlen
des ordentlichen Amtes anzeigt.
2. Das sacraie Regiment
Magirtratur Wäre lu uüserer Ueberlieferung ein Abbild der ältesten Gemeinde-
priMter- otdnung enthalten, so würde wahrscheinlich ihr Princip die völlige
Durchdringung der göttlichen und der menschlichen Dinge sein, eine
nach beiden Seiten hin gleichartige und gleich mächtige, Priesterthum
und Magistratur einheitlich zusammenfassende Gemeindevorstandschaft.
Diejenige Ordnung des Gemeinwesens, welche wir im Gegensatz zu
der verschollenen Eönigszeit als die republikanische bezeichnen, zeigt
das Gegentheil : scharfe Scheidung des Gemeindepriesterthums, der
sacerdotes püblid popuU Romtmi, und der Gemeindemagistratur, der
magistraius publici poptdi Romani und analoge Behandlung beider
Kreise, aber nicht bloss vollständigen Ausschluss des Priesterthums
von dem Regiment in irdischen Angelegenheiten, sondern auch Unter-
ordnung desselben, so weit die einheitliche Gemeindeordnung dies
fordert, unter die Magistratur. Diese so weit möglich durchgeführte
Yerweltlichung der Magistratur ist vielleicht das wesentlichste Element
der republikanischen Neuordnung gewesen und hat wohl auch dem
römischen Gemeinwesen dasjenige Uebergewicht der Staatsallmacht
eingepflanzt, durch welches dasselbe im Lauf der Jahrhunderte zur
Vorherrschaft in der antiken Givilisation gelangt ist.
Gleichartige Dio aualogo Regelung der beiden Kreise tritt namentlich hervor
Insignien. o o o
in den den Priestern und den Magistraten gleichmässig zustehenden
äusseren Abzeichen. Dem Tempelpriester des Jupiter werden die
magistratischen Insignien, insbesondere der curulische Sessel zuge-
standen, vielleicht sogar der an das bekleidete Oberamt geknüpfte Sitz
im Senat. Dem Vorsteher des PontificalcoUegiums, welcher unter der
Priesterschaft eine ähnliche Stellung einnimmt wie die Consuln in der
Magistratur, stehen ebenso wie diesen das eigentliche Zeichen der
Amtsgewalt, die Lictoren (Itctores curiatii qui sacris publicis apparent)
zur Verfügung. Der Purpur am Gewand, ein Erbstück aus der könig-
lichen Vollgewalt, kommt Priestern und Magistraten zu; indess tragen
2. Das sacrale Regiment 89
jene die Prätexta Dur, während sie sacrale Handlungen für die Ge-
meinde vollziehen, diese immer, wo sie öffentlich erscheinen. Ehren-
rechtlich stehen beide Reihen sich insoweit gleich, dass keine der an-
deren formell vorgeht; doch überwiegt in der republikanischen Epoche
durchaus der Honor das Sacerdotium und erst in der Kaiserzeit kommt
die entgegengesetzte Schätzung auf, namentlich die Behandlung des
Oberpontificats als der höchsten Ehrenstelle im Staat in Benutzung
desselben für die Rangstellung des neuen Monarchen.
Auch personell fiel die Priesterschaft und die Magistratur im ^gi^lchl*
Allgemeinen zusammen; die politische Laufbahn ging ohne Unter- ^®*'*"^^'*'*-
schied der Epochen in beiden Richtungen regelmässig parallel. Die aus
dem späteren Gegensatz des Staats und der Kirche entwickelte Doppel-
aristokratie des Mittelalters ist dem gesammten Alterthum unbekannt,
dessen Götter überall und nothwendig innerhalb des Staates standen.
Wenn in dem alten Patricierstaat eine besondere Qualification wahr-
scheinlich weder für das Amt noch für das Priesterthum bestand, so
sind in dem patricisch-plebejischen, wie dies bereits entwickelt ward
(S. 38. 39), beide zunächst gleichmässig dem Adel vorbehalten und
haben die Bürgerlichen Schritt vor Schritt für die einzelnen Stellungen
entweder den Mit- oder selbst den Alleinbesitz gewonnen. Wenn die
Plebejer nicht so früh und nicht so vollständig der sacralen Stellungen
sich bemächtigten wie des Gemeinderegiments, so liegt dies weniger
an der Scheu in göttlichen Dingen zu neuern, obwohl diese mitgewirkt
hat, als an ihrem geringeren politischen Werth, woher denn auch
die in dieser Hinsicht gleichgültigen lediglich decorativen Priesterthümer
zum guten Theil dem Adel noch in der Kaiserzeit verblieben sind.
Dem Inhalt nach schliesst das Priesterthum der republikanischen
Zeit der ursprünglichen Ordnung sich enger an als die Magistratur
derselben; es bleibt lebenslänglich und einheitlich und in gewissem
Sinne selbst centralisirt.
Die bei der Magistratur der Republik streng durchgeführte i^etj^sitog-
Annuität hat sich auf die Priesterschaft nie erstreckt; die Lebens-
länglichkeit des Königthums ist hier als Regel festgehalten worden.
Dasselbe gilt von dem zweiten republikanischen Princip, der sich ^^^^^^^^
gleichstehenden und damit im Fall des Gonflicts sich selber aufheben- gionm.
den Collegialität. Die Gollegialität schlechthin, das blosse gleiche
Mandat, ist allerdings eben im Priesterthum zum frühesten und voll-
ständigsten Ausdruck gekommen; seit es ein dreieiniges Rom gab,
standen mehrere Vogelweise mit gleicher Autorität neben einander.
Aber wo es sich nicht um sacralen Rathschlag handelt, sondern um
die sacrale Handlung, liegt diese regelmässig dem Einzelpriester obi : : .
90 Zweites Buch. Die Magistratur.
wenn gleich ausnahmsweise zu gemeinschaftlicher Th&tigkeit berufeme
Gesammtpriesterthümer vorkommen, wie zum Beispiel im Marsdiensft
die Salier, so werden dagegen die Flaminate sämmtlich einfach be-
setzt, und vor allen Dingen steht dem sacralen Erben des Königthums,
dem Vorsteher des Pontificalcollegiums kein gleichberechtigter Priester
zur Seite und giebt es keine sacrale Intercession.
Ernennung Dlo Emeunung ist far das E&nigthum, wie schon bemerkt ward
r. ^^^ ^.^ unten weiter entwickelt werden soll, auf sich selbst gestellt
gewesen. Als in der Republik Priester th um und Magistratur sieb
schieden, ist das Recht der Nachfolgerbestellung bei der Magistratur
vielleicht sofort, mindestens frQh durch die Mitwirkung der Bürger*
Schaft gebunden und allmählich thatsHchlich beseitigt worden; daa
Priesterthum dagegen geht auch nach der republikanischen Ordnung
durchaus aus sich selbst hervor. Es ist bei der Greirung der Priester
dem Pontificalcollegium eine ähnliche, aber stärkere Stellung gegeben
worden wie bei der magistratischen dem patricischen Senat: dasselbe
hat das Recht der Selbstergänzung und die Wahl seiner Mitglieder
setzt der Priesterschaft ihr Haupt. Alle Qbrigen Gemeindepriester
erscheinen im Rechtssinn als Gehalfen dieses priesterlichen Gemeinde-
hauptes, eben wie die Offiziere des Bürgerheeres die Gehülfen der
Gonsuln sind, und im Allgemeinen werden wie die Priester des könig-
lichen Rom vom König, so die des republikanischen vom Oberpontifex
ernannt worden sein. Ausgenommen sind indess wohl von jeher die
sacralen MännercoUegien, für welche die Selbstergänzung ebenso wie
für die Pontifices in Uebung ist und die daher neben diesen factisch
selbständig auftreten. Bei anderen Ernennungen finden wir den Ober-
pontifex späterhin beschränkt durch Bindung an eine anderweitig
aufgestellte Gandidatenliste oder durch Anordnung der Loosung. Aus-
geschlossen aber ist bei der Priesterbestellung sowohl die magistra-
tische Ernennung wie das Eingreifen der Bürgerschaft, wobei die
Scheu vor dem Eingreifen der unkundigen Menge in den nur von
dem Wissenden recht zu handhabenden Götterdienst zusammengewirkt
haben wird mit dem politischen Gedanken der nothwendigen Schei-
dung des weltlichen und des sacralen Regiments. Wenn die souveräne
Gewalt der Bürgerschaft bei der Entwickelung der Magistratur in
immer steigendem Masse Ausdruck findet, so sind die Comitien von
Rechtswegen ausgeschlossen von der Einwirkung auf die sacrale
Ordnung; nur der gewählte Magistrat ist der Träger der comitialen
Volksgewalt, nicht der cooptirte oder ernannte Priester. Erst seit
dem ersten punischen Krieg fasste die Volkssouveränetät allmählich
' tFuss auch auf diesem bis dahin ihr verschlossenen Gebiet: zunächst
••
2. Das sacrale Regiment. 91
werden der Oberpontifex und die Vorsteher der anderen politisch
wichtigen GoUegien aus deren Mitgliedern, dann auch diese Mitglieder
selbst unter pontificaler Leitung von der kleineren Hälfte der Tribus
erw&hlt, wobei man sich mit dem alten Princip durch die Ausflucht
abfand, dass der Leiter des Acts nicht Magistrat und die kleinere
Hftlfte der Bürgerschaft nicht die Bürgerschaft sei.
Die dem Priesterthum der Republik zustehende Gewalt kann bei ob«r.
dem Haupte derselben der magistratischen formell insofern gleichgestellt i*^^^^^*^^*
werden, als die beiden wesentlichen Momente der magistratischen
Vollgewalt, Auspicium und Imperium, auch bei ihm auftreten und
seine Amtsthätigkeit in gewissen Beziehungen derjenigen der Ober-
magistrate gleich oder analog ist. Der Sache nach aber zählt gegen-
über dem generellen magistratischen Imperium die Competenz des
Oberpontifex nicht unter den effectiven politischen Grewalten.
Wo die Auspiden erforderlich sind, nimmt sie der Magistrat ^'y^^'
immer selber, für sich und für die Gemeinde, und mit Zuziehung der ^^^p^^^^-
Priester nur, so weit es ihm zweckmässig erscheint. Der Oberpontifex
nimmt die Anspielen nur ausnahmsweise, zum Beispiel, wenn er für
die Inauguration gewisser Priester unter Assistenz der Bürgerschaft
diese berufL
Das Imperium, das Recht Gehorsam zu fordern und nöthigenfalls ^eu!'~
zu erzwingen hat der Magistrat schlechthin ; dem Oberpontifex hat der inp*^^""-
Bürger nur in den besonderen Fällen Folge zu leisten, wo seine Stellung
ihm das Befehlsrecht giebt, insonderheit wenn es sich um Besetzung
einer Priesterstelle oder um Unbotmässigkeit eines Priesters handelt.
In diesem Falle steht ihm auch die magistratische Goercition zu, je-
doch nur die mindere auf Geldbusse und Pfändung beschränkte und
da gegen diese an die Bürgerschaft appellirt werden kann, kann er
in die Lage kommen, die dafür competenten Gomitien zu berufen und
mit ihnen zu verhandeln. Ebenso handhabt er über die Priesterinnen
der Vesta, da diese als solche aus dem Familien verband ausscheiden, das
bei den Frauen das ordentliche Griminalgericht vertretende häusliche
Strafverfahren, und es kann sich dies bei geschlechtlichen Verbrechen
auf die dabei betheiligten Mannspersonen erstrecken. Aber materiell
sacrale Verbrechen gehören nicht vor den Priester, sondern vor die
Magistratur, schon darum, weil in allen diesen Fällen nicht bloss die
Gottheit, sondern auch die Gemeinde geschädigt wird. Der Tempel-
diebstahl wird dem Landesverrath gleich geachtet ; der nächtige Dieb-
stahl der Feldfrüchte verletzt wie die Geres so nicht minder die Ge-
meinde; selbst das Verfahren gegen die Missgeburt kann nur auf-
gefasst werden als Beseitigung eines gemeinschädlichen Wesens. Daf^
92 Zweites Buch. Die Magistratur.
Gutachten der Priesterschaft mag in Fällen dieser Art factisch mass-
gebend gewesen sein ; aber das Einschreiten gebührt der Magistratur.
Das Recht mit dem Senat zu verhandeln hat der Oberpontifex nicht,
und das Hecht einen Beschluss der politischen Gomitien herbeizuführen
nur in dem oben angeführten Ausnahmefall. Die Gurion dagegen, die
in dem patricisch-plebejischen Gemeinwesen das politische Beschluss-
recht verloren haben, beruft der Oberpontifex und vereinbart mit ihnen
die ihnen verbliebene Bestätigung der als Privilegium behandelten
Privatacte, insbesondere der Testamente, bevor dafür die rein private
Form aufkam, und der Adrogationen.
Mairistra- Dio gosammto Ordnung der sacralen Angelegenheiten der Ge-
pVi^^sterudie meinde steht der Magistratur zu, eventuell unter Mitwirkung des
Ordnungen. Souats Und der Gomitien, wie dies in dem Abschnitt von den sacralen
Magistrats geschäften (Buch 4 Abschn. 1) weiter dargelegt werden wird.
Die Priester sind nicht befugt von sich aus derartige Anordnungen zu
treffen, nicht einmal für das ständige, aber kalendarisch nicht fixirte
Fest einen bestimmten Tag anzusetzen. Allerdings haben die ange-
sehenen Gollegien, obwohl ihre Mitglieder keineswegs als solche dem
Senat angehören, doch der Sache nach fungirt als ständige Gommissionen
des Senats, insbesondere die Pontifices für alle religiösen Angelegen-
heiten des Staats, die Augum für alle mit der Auspication zusammen-
hängenden staatsrechtlich häufig ungemein wichtigen Fragen ; es wer-
den ihnen nicht bloss die dahin einschlagenden Angelegenheiten zur
Yorberathung überwiesen, sondern sie haben auch in dergleichen Fällen
thatsächlich die Initiative geübt, da der Vorsitzende des Senats sich
nicht füglich weigern konnte, ihnen auf Verlangen über solche An-
gelegenheiten das Wort zu geben. Hierauf beruht hauptsächlich der
politische Einfluss dieser Priesterschaften ; staatsrechtlich aber haben
sie nie mehr in Anspruch genommen als höchstens das Recht der
Antragstellung im Gemeinderath.
Maffistn- So wouig wio dio Anordnung ist die Vollziehung der sacralen
priestoru^e Gemeindehandlungen ein priesterliches Recht; im Gegentheil steht
han^^en. &uch dioso, WO kciue andere Bestimmung getroffen ist^ von Rechtswegen
bei den zur Gemeindevertretung berufenen Magistraten. Die ständigen
Sacralhandlungen indess werden regelmässig mit der Einrichtung zugleich
ständigen Priestern überwiesen. Die meisten römischen Priesterthümer
sind in dieser Weise ins Leben getreten, sowohl die vom Oberpontifex er-
nannten Einzelpriester der ältesten Tempel wie auch eine Anzahl priester-
licher Genossenschaften, zum Beispiel die beiden der Salier für den
, ^arsdienst, die der Luperker für den des Faunus, die der Arvalen für
: ^en der Dea Dia. Auch die ständigen Spiele, welche nichts sind als
• •
••
2. Das sacrale Regiment. 98
eine Form der religiösen Feier, sind, so weit sie ständig sind, an-
fänglich in dieser Weise behandelt und von den Priesterschaften aus-
gerichtet worden, so die der Consualien, die Arval- und die Saecular-
spiele. Dadurch scheiden die ständigen Sacralhandlungen aus dem
Kreise der magistratischen Verrichtungen aus. Aber bei den ausser-
ordentlichen ist umgekehrt die Ausrichtung durch die Magistrate die
Regel und dies hat dazu geführt, dass die wichtigeren Spiele, die
aus der ausserordentlichen religiösen Siegesfeier sich zu ständigen
Volksfesten entwickelten, zunächst die römischen und die plebejischen
den Magistraten verblieben, während die damit verbundenen Gulthand-
lungen zum Theil den Priestern aberwiesen wurden, wie dies zum
Beispiel bei den Apollospielen für die Opfer angeordnet ward. Der
Vorsitz bei diesen Festen war ein begehrtes Ehrenrecht und förderte
die politische Laufbahn, so dass das Uebergewicht der Magistratur
über das Priesterthum auch hierin steigend zu Tage tritt.
Es braucht hiernach kaum noch besonders ausgeführt zu werden, ^^^^^
dass die sacrale Finanzirung wohl der Priesterschaft zu Gute kam,
aber nicht durch sie selber erfolgte. Die staatlichen Einrichtungen
sind dahin geordnet, dass den Priestern für die ihnen obliegenden Auf-
wendungen Deckung gewährt wird. Vermuthlich aus der Königszeit auf
die Republik übertragen erscheint eine Besteuerung der Givilprozesse zu
Gunsten der Pontifices, die jedem in einem solchen unterliegenden Theil
auferlegte Götterbusse (scuramenium)^ anfangs in Vieh-, später in
Geldansätzen, ohne Zweifel bestimmt für die öffentlichen Opfer, deren
Darbringung das GoUegium zu überwachen hatte, die nöthigen Schafe
und Rinder zu liefern. Daneben mögen in früherer Zeit die für die
einzelnen Heiligthümer erforderlichen Leistungen Jahr für Jahr nicht
durch die Priester, sondern durch die Magistrate auf einzelne Bürger
(moffistri fanorum) umgelegt worden sein. In der besser bekannten
Epoche macht die Tendenz die ständigen Lasten sowohl der Gemeinde-
kasse wie dem einzelnen Bürger möglichst abzunehmen auch in dieser
Hinsicht sich geltend und scheint man den Gemeindeheiligthümem
oder vielmehr den mit der Versehung des Gultus in einem jeden be-
auftragten Priestern so wie den sacralen Gollegien durch Ueberweisung
von nutzbaren Grundstücken dauernde Renten ausgeworfen zu haben,
wobei aber deren Verpachtung, da sie im Eigenthum des Staates ver-
blieben, nicht den Priesterschaften, sondern den Gemeindebeamten
oblag. Finanzielle Selbstständigkeit ist den Priesterschaften aller Art
niemals eingeräumt worden. Kommt es zu einem Rechtsstreit zwischen
dem Tempel und einem Privaten oder zwischen dem Tempel und der
Gemeinde, so wird darüber nicht im wirklichen Prozess durch Ge-
94 Zweites Buch. Die Magistratur.
schworne, sondern im Administrativverfahren durch den Magistrat
erkannt. Die Priesterschaften haben nicht bloss kein Besteuerangs-
recht, sondern es scheint auch Sportelnahme nicht geduldet worden
zu sein ; ebenso ist das Recht Erbschaften oder Legate zu nehmen in
republikanischer Zeit mit Ausnahme vielleicht der Vesta keiner einzigen
römischen Tempelgottheit eingeräumt worden.
Es bleibt noch übrig die Stellung nicht der Priesterschaft über-
haupt, sondern des Oberpontifex zu der sacralen oder privaten Rechts-
verletzung darzustellen.
^puiSSr^' Dass das eigentliche Strafrecht, abgesehen von den Priestervergehen
▼erfahren, und Verbrechen, dem Oberpontifex nicht zugestanden hat, vielmehr
das sacrale Unrecht, wo es criminelle Bestrafung forderte, gleich jedem
andern behandelt wird, ist schon bemerkt worden. Anders verhalt
es sich mit den sacralen Unrechtfertigkeiten und Verfehlungen, gegen
welche der Staat nicht einschreitet, die aber das Gewissen des
Handelnden belasten. Für diese bilden die vorzugsweise vom Ponti-
ficalcollegium bewahrten sacralen Normen und Traditionen gewisser-
massen ein Gesetz (jus poniificiim) — die sogenannten Königsgesetze,
die freilich vielleicht erst am Ausgang der Republik entstanden sind,
dürfen wohl als eine unter den Königsnamen von den Pontifices auf-
gestellte allgemeine Piacularordnung betrachtet werden — und das
Collegium selbst bildet dafür das entsprechende Gericht, von welchem
in mehr oder minder prozessualischer Form, hauptsächlich wohl im
Wege der Selbstanklage der Thatbestand festgestellt und dann er-
kannt ward, ob das begangene Unrecht einer Sühnung fähig sei oder
nicht und im ersteren Fall, was der Schuldige zu verrichten habe,
um die Strafe der Götter abzukaufen und sich also zu entsühnen
(ptare). Dasselbe Verfahren mag auch bei erst beabsichtigten Hand-
lungen insofern Anwendung gefunden haben, als zum Beispiel das
Collegium auf Anfrage die für die Verlegung einer Grabstätte er-
forderlichen Sühnehandlungen bezeichnete. Dass ein Spruch dieser
Art irgend welche formale Folgen gehabt hat, ist nicht zu erweisen.
Es kann sein, dass namentlich in den Fällen, wo bestehende feste
Ordnungen dem Spruch des Collegiums zu Grunde lagen, die erkannte
Busse im Wege der populären Ftivatklage beigetrieben ward. Auch
mag den Pontifices das Recht zugestanden haben den, der ein un-
sühnbares Unrecht begangen oder für das sühnbare die Busse nicht
geleistet hatte, im öffentlichen Gült zurückzusetzen oder von demselben
auszuschliessen. In der Hauptsache aber ist dies Piaeularverfahren
wohl wesentlich eine Gewissensjudication gewesen und wird als solche
für die voll gläubige Epoche gewiss von Bedeutung gewesen sein;
2. Das sacrale Regiment. 95
«ines Eingreifens desselben in die politischen VerhUltnisse wird
nirgends gedacht.
Die Einwirkung des PontificalcoIIegiums auf das Privatrecht und ^^^^^^^^^^
den Privatprozess wird vielleicht überschätzt. Die zunächst auf die Weisung.
Festtagsheiligung gerichtete Ealenderordnung und Kalenderunordnung
ist ohne Zweifel thatsächlich aus dem Pontiiicalcollegium hervor-
gegangen, wenn auch die dabei hauptsächlich zu Grunde liegende
schwankende Schaltung rechtlich sicher magistratisch fixirt ward ; und
die Prozesstennine richteten sich allerdings nach der jedesmaligen
Datirung. Aber die Gestaltung des Privatrechts hängt vom Kalender
fio wenig ab wie von der Abführung der Succumbenzbussen in die Kasse
der Priesterschaft ; und die Annahme, dass das Collegium nicht bloss
für das Götterrecht, sondern für die Rechtsnormen überhaupt Depositar
der Ueberlieferung gewesen und dass Rechtweisung von demselben ein-
geholt worden ist, entspricht wenig der ablehnenden Haltung, welche
die Magistratur der Republik auf dem weltlichen Gebiet gegen die
Priesterschaften eingenommen hat und ebenso wenig den für uns er-
kennbaren Spuren. Aus dem magistratischen Recht zu ediciren ist
das Privatrecht im wesentlichen hervorgegangen ; dem Pontiiicalcolle-
gium hat dies Recht nicht gefehlt, aber von Edicten desselben privat-
rechtlichen Inhalts begegnet nirgends eine Spur. Gutachten hat der
einzelne Mann, Beamter oder nicht, von dem Collegium schwerlich
einfordern können; es scheint vielmehr, dass diese collegialen Gutachten
nur dem Senat ertheilt wurden und dass die für die Entwickelung des
römischen Privatrechts seit frühester Zeit wesentlichen Rechtsgutachten
stets von Einzelnen abgegeben worden sind. Es mag sein, dass dies in
ältester Zeit vorzugsweise die Pontiiices gethan haben ; seit uns dafür
Namen genannt werden, gehören diese keineswegs alle diesem Colle-
gium an, zum Beispiel nicht der Verfasser der triperiita P. Aelius .
€atus Consul 552 (202 v. Chr.). Die gesammte Rechtsentwickelung,
selbst der früh sich einstellende Gegensatz des ius ponUficium und
des itis civile führen für das letztere nicht auf priesterlichen, sondern
iiuf magistratischen Ursprung.
3. Das städtische und das Kriegsregiment.
Ärw'd ^^^ Bürgerschaft ist eine Wehrgenossenschaft, geeinigt zu fried-
mimae, ]iehem Zusammenleben unter Ausschluss der Selbsthülfe durch das der
Obrigkeit eingeräumte Schiedsgericht, aber nicht minder geeinigt, um
erforderlichen Falls unter derselben Obrigkeit zur Yertheidigung oder
zum Angriff nach aussen hin zusammenzutreten. Die staatsrechtliche
Bedeutung des Mauerringes (pomerium), den sie sich schafft, beruht
darauf, dass der Friede und die Friedenshandlungen von Rechtswegen
auf den Schutz dieser Wälle angewiesen sind und demnach alle öffent-
lichen Geschäfte, insoweit sie nicht zur Kriegführung gehören, inner-
halb dieses Mauerrings vollzogen werden müssen. Die darauf be-
ruhende örtliche Zwiespältigkeit des Regiments, der Gegensatz des
imperium dornt und des imperium müitiae^ findet ihren lebendigen
Ausdruck in der magistratischen Ueberschreitung des Mauerrings unter
religiös-militärischen Formen.
Der Gegensatz des städtischen und des Kriegsregiments beruht
schaid^^ nicht auf der qualitativen Beschaffenheit der magistratischen Hand-
lung , sondern lediglich auf dem Orte ihrer Vollziehung. Jeder
innerhalb des Mauerrings vollzogene Act unterliegt den Gesetzen des
ersteren und im Allgemeinen gilt dies auch von dem Vorraum ausser-
halb der Mauer bis zu tausend Schritten von jedem der Thore oder,,
was dasselbe ist, bis zum ersten Meilenstein der von Rom auslaufen-
den Strassen. Jenseit dieser Grenze oder, wenn der Magistrat in
der oben erwähnten feierlichen Weise den Mauerring überschritten
hat, schon jenseit des Ringes selbst beginnt das Kriegsregiment,,
welchem also das Stadtgebiet so wie das gesammte Ausland unter-
liegen. Die factischen Grenzen einerseits der städtischen Ansiedelung^
andererseits des Gebiets, welche beide übrigens sich stetig verschieben,,
kommen für die Amtsführung rechtlich nicht in Betracht.
3. Das Bt&dtische und das Kriegsregiment 97
Dass die öffeDtlichen Geschäfte, 8o weit sie nicht dem Krieg ange- st&dtiscke
hören, in der Stadt zu vollziehen sind, ist ohne Zweifel eine Ursprung- iw^m
liehe mit der Entstehung des Mauerrings selbst gleichzeitige Ordnung, ordmug.
Sie drückt sich zunächst darin aus, dass diejenigen magi^tratischen Acte,
bei denen der Rath oder die Bürgerschaft mitwirken, zu allen Zeiten
in der Stadt vollzogen worden sind, der Senat wie die Gomitien im conütien
^ und Senat.
Kiiegsgebiet nicht Versammelt werden dürfen. In Betreff des Senats
ist hievon nie abgewichen und seihst den während der Revolutions-
epoche zuweilen ausserhalb der Hauptstadt auftretenden Gegensenaten
nie mehr als factisches Gewicht beigelegt worden. Dasselbe gilt von
den alten und feierlichen Formen der Bfirgerversammlung nach Curien
oder Centurien. Beschlussfassung der Bürgerschaft nach den Tribus
im Feldlager ist einmal versucht, aber durch Volksschluss im J. 397
(357 V. Chr.) untersagt worden und auch später ist man darauf nicht
zurückgekommen.
Die von dem Magistrat allein zu vollziehenden Friedensgeschäfte
haben nicht in gleicher Unbedingtheit an die Stadt gefesselt werden
können; indess tritt die principielle Gleichheit auch dabei namentlich
darin zu Tage, dass, wo dieselben im Kriegsgebiet stattfinden, sie
einen exceptionellen Charakter an sich tragen.
Am entschiedensten gilt die Bindung an die Stadt für die Bil- ^^^^^^^
düng des Bürgerheeres und alle damit unter dem Namen des Census hebung.
zusammengefassten Acte, wobei allerdings wesentlich mitgewirkt
hat, dass dieselben früh gü eigene nur in der Stadt functionirende
Beamte gewiesen worden sind. Auch die effective Indienststellung
der Bürger, vor allem die der Reiter, vollzieht sieh der Regel nach in
der Stadt; indess ist davon selbstverständlich oft abgewichen worden
und nimmt der Magistrat, wenn es erforderlich scheint, den dienst-
pflichtigen Bürger da, wo er ihn findet.
Auch das Gericht gehört von Rechtswegen in die Stadt; bis in prirat-
die Eaiserzeit hinein hat die Rechtsregel gegolten, dass der vollgültige ^'^'^''
Givilprozess (iudicium legitimum) nur in Rom geführt werden kann.
Einen Civilprozess im Lager hat die ältere Rechtsordnung schwerlich
gekannt oder doch, soweit er durch die Lagerzucht geboten war, zum
Beispiel bei dem Diebstahl, ihn nicht als Prozess im Rechtssinn be-
handelt. Wohl erst nachdem das überseeische Machtgebiet örtliche
Tribunale für die daselbst verweilenden römischen Bürger nothwendig
gemacht hatte, ist das feldherrliche Imperium auch für die Jurisdiction
benutzt worden ; andererseits wurde im Wege der durch exceptionelle
Legislation angeordneten Mandirung den städtischen Gerichtsherren
ein Theil ihrer Amtsgeschäfte von Unterbehörden abgenommen.
Binding, Handbneli, I. 3: Hommsen, Abriss des BDm. SiMtsrechta. 2. Aufl. 7
98 Zweites Buch. Die Magistratur.
Rechtlich aber ruht jeder Spruch dieser Art nicht auf dem Gesetz,
sondern auf dem Belieben der Oberbeamten (imperio cantinetur) und
steht bis in späte Zeit hinab dem st&dtischen in der Rechtskraft
nicht gleich.
straf. Mit dem Criminalverfahren wird es sich ähnlich verhalten haben.
Unbotmässigkeit und überhaupt jede Verletzung der militärischen
Disciplin in den durch den Feldherrn selbst dafür beliebten Grenzen
unterlag den Kriegsordnungen und die dafür von dem Feldherrn ver-
fügte Coercition gehörte nicht in die Stadt, wohl aber jedes andere
Einschreiten gegen den straffälligen Bürger. Dieser Gegensatz trat
wenig hervor, so lange das städtische Regiment in dieser Beziehung
ebenso unbedingt schaltete wie das militärische, wie dies wenigstens
als Ausgangspunct angenommen werden muss. Dennoch reicht sowohl
der logischen Entwickelung der Dinge nach wie nach der Ueber-
lieferung der Gegensatz des militärischen und des städtischen Straf-
verfahrens bis in die fernste Zeit zurück: Begnadigung des über-
wiesenen und verurtheilten Verbrechers konnte der Magistrat nur
mit Zustimmung der Bürgerschaft verfügen und war diese daher nur
bei dem städtischen Verfahren zulässig.
I^^^re Mo- Diese ursprünglichen mit der Machtfülle des königlichen Regiments
vereinbaren Unterschiede des städtischen und des Eriegsregiments
wurden bei dem üebergang zur Republik wesentlich dadurch gesteigert,
dass die damit eintretenden Beschränkungen der Magistratur auf beide
ungleich bezogen wurden und hauptsächlich nur das erstere trafen.
Es ist nothwendig, dies schon hier zu' specialisiren , obwohl dies nur
mit Vorgreifen auf die später folgenden Darlegungen geschehen kann.
st&dtischer Das so eben erörterte Coercitionsrecht der Magistrate blieb im
uo^ Eriegsregiment unbeschränkt, wurde aber in dem städtischen dadurch
wesentlich eingeschränkt, dass das alte Recht der Bürgerschaft dem
verurtheilten Verbrecher die Strafe zu erlassen von dem Belieben
des verurtheilenden Magistrats unabhängig gemacht und derselbe ver-
pflichtet ward der Anrufung der Comitien durch den Verurtheilten
Raum zu geben. Auch hier kommt es nicht auf die Qualität des
Verbrechens, sondern auf den Ort der Prozessführung an; der Feld-
herr kann nach Kriegsregiment nicht bloss gegen den Soldaten, son-
dern, wenigstens formell, gegen jeden einschreiten, umgekehrt wegen
militärischen Ungehorsams in der Stadt sich nicht über die Provo-
cation hinwegsetzen. Als äusseres Kennzeichen der also abgeminderten
magistratischen Gewalt dienen die abgeminderten Strafwerkzeuge der
Lictoren: dass diese im städtischen Regiment nur die Ruthen, nach
Kriegsregiment Ruthen und Beile führen und dass sie bei dem Austritt
proM88.
8. Das städtische und das Kriegsregiment. 99
des Magistrats aus der Stadt die Beile aufnehmen, vergegenwärtigt den
Gegensatz des bedingten bürgerlichen und des unbedingten soldatischen
Gehorsams. Von den weiteren Modalitäten dieses wichtigen Provo-
<»tionsrechts wird im vierten Buch (Abschn. 2) gehandelt werden.
Die neue Annuität der Magistratur wird zwar auf beide Amtskreise venchie-
06116 Be-
bezogen, aber nicht mit gleicher Unbedingtheit. In dem städtischen handlang
a6r
hört mit dem Eintritt des Endtermins das Amt von Rechtswegen auf Annoit&t.
und es tritt in dasselbe, wenn es an einem rechten Nachfolger fehlt,
ebenso von Rechtswegen der Zwischenkönig ein. Ueberschreitung der
Frist ist so schlechthin ausgeschlossen, dass nicht einmal die Comitien
dieselbe verfügt haben. Im feldherrlichen Amtskreis höii; im gleichen
Falle zwar auch, wenigstens nach der späteren Auffassung, das Amt
und der Amtstitel auf, nicht aber die Führung der Amtsgeschäfte und
der Amtsinsignien ; die. Promagistratur (S. 87) setzt sich fort bis zum
Eintreffen des Nachfolgers im Functionsgebiet und seiner persönlichen
Uebernahme des Commandos; das Interregnum greift hier nicht ein.
Erstreckung des Amts (prorogatio) bis zu einem späteren Termin, aller-
dings auch unter der abgeminderten Benennung, ist hier ziemlich früh
und zwar zunächst durch besonderen Yolksschluss, späterhin häufig durch
blosse Anordnung des Senats herbeigeführt worden. Praktisch ist die
Annuität ebenso streng im städtischen Regiment wie lax in dem feld-
herrlichen gehandhabt worden. Insbesondere wird in diesem nicht selten
die Prorogation des Amtes mit einem Wechsel der Competenz verbunden,
dem städtischen Beamten bei Ablauf seiner Amtzeit ein Commando
übertragen oder auch dem Commandoführer das Commando gewechselt,
was der Sache nach statt auf Amtscontinuirung vielmehr auf Beamten-
creirung hinausläuft und einer derjenigen Wege ist, auf denen der
Senat diese verfassungsmässig ihm nicht zukommende Befugnis sich
angeeignet hat.
Aehnlich verhält es sich mit der oberamtlichen Collegialität. Im venehie-
d6n6 Bd-
Städtischen Amtsgebiet wird sie principiell wie praktisch so weit irgend budinn^
möglich durchgeführt : hier zieht man die letzte Consequenz der Gol- nt&t.
lision gleichberechtigter Magistrate, die AnnuUirung des magistrati-
schen Befehls durch das Einschreiten (intercessio) des CoUegen und
wirkt daneben in aller Weise darauf hin, dass die beiden Ober-
beamten gemeinschaftlich fungiren und die Intercession thatsächlich
möglich bleibt. Umgekehrt wird im Eriegsregiment die coUegialische
Intercession principiell abgeschnitten durch Einführung eines wech-
selnden auch den Collegen bindenden Oberbefehls und thatsächlich
dem Nebeneinanderstehen gleichberechtigter Gewalten so weit möglich
ausgewichen durch Theilung der Truppen und der Commandokreise.:
7^
100 Zweites Bach. Die Magistratur.
Auch die der collegialischen nachgebildete tribunicische Inter-
cession, praktisch eine der wesentlichsten Schranken des Imperium,
ist beschränkt auf das städtische Regiment, wie denn überhaupt im
Eriegsregiment der Gegensatz des Adels und der Bürgerschaft niemals»
zu irgend welcher Geltung gelangt ist.
venchie. Eudlich führt das Princip, dass amtliche Function nur von dem
dene Be-
handln]^ Beamten ausgeübt werden darf, im städtischen Regiment zum Aus-
rertretung. schluss der gewillkürten Stellvertretung. Stellvertretung kann hier
nur stattfinden, so weit sie auch stattfinden muss, wie zum Beispiel
im Fall des Yerweilens sämmtlicher Magistrate im Ausland ein
Gerichtsverweser bestellt wird; wenn dagegen der Magistrat in
anderer Weise abwesend oder krank oder sonst wie behindert ist
ruht die Function. Im feldherrlichen Regiment wird jenes Princip
nicht mit gleicher Schroffheit durchgeführt, sondern dem Feldherrn
in solchen Fällen die Bestellung eines Stellvertreters gestattet, welcher
zwar nicht Magistrat ist, aber promagistratisch des Amtes waltet.
Kriegsfall in Unlougbar fordcm diese dem städtischen Regiment gezogenen
Schranken thatsächlich die Herrschaft des Friedens und der Gesetze
und stehen insofern in einem gewissen Widerspruch zu dem früher
entwickelten Princip, dass bei der Scheidung der beiden Amtkreise
nur auf den Ort, nicht auf die Beschaffenheit der Amtshandlung ge-
sehen wird. Für den Tag der Siegesfeier pflegt dem Magistrat durch
Privilegium die nach Kriegsregiment ihm zukommende Gewalt auch
innerhalb der Stadt eingeräumt zu werden, wobei zunächst an die
Beile der Lictoren gedacht sein wird ; um so mehr wird ein ähnlicher
Ausnahmezustand da erfordert worden sein, wo Eriegsverrichtungea
innerhalb des Mauerrings nothwendig wurden. Indess derartige An-
ordnungen sind nicht überliefert und die praktische Realisirung des
ewigen Friedens innerhalb des römischen Mauerrings gehört zu den
Glaubenssätzen des republikanischen Stolzes und der republikanischen
Hoffart. Allerdings hatte die gefestete römische Republik einigermassen
das Recht so Belagerung wie Bürgerkrieg zu ignoriren. Praktisch füllt
die Lücke bis zu einem gewissen Grad unter dem früheren Magistrats-
regiment das Institut der auch im städtischen Regiment competenten
Dictatur, welche wesentlich nichts ist als die von dessen Schranken
befreite feldherrliche Gewalt; unter der Herrschaft des Senats das von
diesem in Anspruch genommene Recht die fungirenden Magistrate im
Stadtkreis mit exceptioneller Gewalt auszustatten.
%mM-^ Hand in Hand mit der principiellen Scheidung der städtischen
sudtiichen und dor feldherrlichen Function der Beamten geht das Princip der
Krie^B-^ : personalen Einigung beider Verrichtungen. Wie das Eönigthum also
3. Das städtische und das Kriegsregiment. 101
gedacht ist, sind auch die ältesten Magistrate der Republik, Consuln
und Quästoren im Hause wie im Felde gleichmässig thätig und selbst
wo von Haus aus der militärische Zweck überwiegt , wie bei dem
Dictator, wird ihm das Stadtregiment damit keineswegs entzogen.
Indess ändert sich dies im Laufe der Entwickelung und scheiden die
beiden Amtskreise mehr und mehr sich auch personell. Die Vorsteher
der Plebs, die allerdings zunächst nicht Magistrate sind, sind die ersten,
welche nur für den Stadtkreis in Betracht kommen. Die Beschränkung
der plebejischen Aedilen auf die Stadt übertrug sich dann auf deren
jüngere patricische HalbcoUegen. Von der Gensur gilt, wie schon
bemerkt ward, dasselbe. Im Oberamt und bei der Quästur führte die
vermehrte Stellenzahl für eine Reihe von Posten die Beschränkung
auf die städtische Function herbei, während rechtliche Beschränkung
auf den Amtkreis militiae dem Wesen der römischen Magistratur
zuwiderläuft und bis in späte Zeit mit verschwindenden Ausnahmen
vermieden wird, so häufig auch einzelne Beamte vorzugsweise für
solche Geschäfte verwendet werden. Die bei einigen Magistraturen
vorkommende Bezeichnung uriani drückt, wie es scheint, nicht zu-
nächst die städtische Amtsverwaltung aus, sondern die diesen Magi-
straten im Gegensatz zu ihren CoUegen obliegende Verpflichtung
während der Amtszeit Rom nicht zu verlassen.
4. Die Creirung der Beamten.
Mmman"do*" ^^^ ^® Gemeinde ewig ist, fordert sie eine gleichfalls ewige
ununterbrochene Gemeindevertretung. Völlig indess kann die begriff-
liche Forderung praktisch nicht realisirt werden : wenn die Gewalt der
Thatsachen. Unterbrechungen der rechtlichen Folge herbeiführt, tritt,
wie in die Lücken des Rechtsschutzes die Nothwehr, so in die Lücken
der geordneten magistratischen Reihe das Nothstandscommando. Im
städtischen wie im militärischen Regiment ist, wo es an einem zur
Führung berufenen Beamten fehlt oder der berufene Beamte versagt,
ein jeder Bürger berechtigt an die Spitze der übrigen zu treten und
diejenigen Massregeln anzuordnen, welche die Nothlage erheischt, wo-
bei die angeseheneren Männer, in der Stadt die Senatoren, im Lager
die Offiziere vorzugsweise zur Führung berufen sind. In den militäri-
schen Verhältnissen ist dies, zumal da es den Römern an einer ge-
ordneten Offiziershierarchie gebricht, bei den nach dem Wegfall des
regelmässig einzigen Imperienträgers führerlos gewordenen Truppen-
abtheilungen häufig vorgekommen; aber auch im eigentlichen Regi-
ment haben solche Lücken und freihändige Deckungen derselben sich
eingestellt, zum Beispiel bei dem Erscheinen Hannibals vor den Mauern
Roms und bei den Katastrophen der Gracchen und ähnlichen revolutio-
nären Vorgängen, wobei freilich, wie bei aller Nothwehr, Gebrauch
und Missbrauch in einander laufen. Die Rechtsordnung der Ge-
meinde kann dergleichen exceptionelle und regelmässig transitorische
Zustände nicht schlechthin ignoriren; darzustellen aber hat sie nur
die geordneten Abwandelungen der Gemeindevertretung, die Normen
für den Wechsel der Magistrate.
oertiiche Dio Ununterbrochene Folge, welche die Gemeindevertretung fordert,
dei beschränkt sich auf das ständige Oberamt, in welchem ja die Ver-
' tretung eigentlich und wesentlich beschlossen ist. Hier ist sie unab-
4. Die Creirnng der Beamten. 103
hängig von dem Wechsel der Person, mag diese bei Lebenslänglichkeit
des Amtes regelmässig durch den Tod oder, wie bei dem Jahramt,
regelmässig durch den Ablauf der Amtsfrist eintreten; unabhängig nicht
minder von dem Wechsel der Benennung, indem die verschiedenen In-
haber des Oberamts, die Könige, die Zwischenkönige, die Consuln und
die dafür zeitweise eintretenden Beamten consularischer Gewalt eine
iQckenlos zusammenschliessende Reihe bilden. — Die ständigen Unter-
beamten, wie die Quästoren und Aedilen bilden zwar eine ähnliche
Reihe ; doch ist dieselbe, zumal da während des Interregnum die Unter-
ämter ruhen, keineswegs lückenlos und braucht es nicht zu sein, weil
die Stetigkeit der Gemeindevertretung an diesen Nebenämtern nicht
haftet. — Mit dem Volkstribunat verhält es sich insofern anders, als
die Plebs ein Staat für sich zu sein prätendirt und darum auch eine
stetige Staatsvertretung fordert; indess fehlt es dafür an einer dem
Interregnum analogen Institution und ist die Stetigkeit des Tribunats
nach der durch den Decemvirat herbeigeführten Unterbrechung nur
durch sorgfältige Ordnung und Handhabung der Nachfolge thatsächlich
erreicht worden. — Bei den nicht ständigen ordentlichen so wie bei
allen ausserordentlichen Magistraturen ist die Folge entweder unter-
brochen oder überhaupt ausgeschlossen.
Die Continuität des Oberamts der Gemeinde und , was dasselbe intem^nai-
ist, die gesicherte Wiederbeeetzung desselben ruht auf dem patricischen ^"^ ""°^'
Senat, welcher eben zu diesem Behuf unverändert in die patricisch-
plebejische Gemeindeordnung übergegangen ist. Indem wir für dessen
Zusammensetzung auf das fünfte Buch (Abschn. 2) verweisen, genügt
es hier darauf hinzuweisen, dass diese stetig ergänzte und auf ewige
Dauer angelegte Körperschaft das Königthum so zu sagen in sich
trägt. Allerdings können, da die königliche Gewalt die Einheitlich-
keit der Person fordert (S. 83), die Mitglieder dieser Körperschaft
nicht insgemein als Könige betrachtet werden; aber bei erledigtem
Königthum sind sie sämmtlich einer nach dem andern zur Nachfolge
berufen, wobei zugleich die Herrschaft eines jeden auf fünftägige
Dauer begrenzt ist. Die Reihenfolge der in die Vacanz eintretenden
Personen wird entweder durch das Loos bestimmt oder, was später-
hin Regel war, der erste Zwischenkönig wahrscheinlich durch Ab-
stimmung, der jedesmal folgende durch das Belieben des Vorgängers,
an seine Stelle gesetzt, nachdem dieser die Anspielen desswegen
befragt und sich der Zustimmung der Gottheit zu dieser Wahl ver-
sichert hat. Da die Bestellung des ersten Zwischenkönigs rechtlich
gedacht worden sein muss als der Zeit nach anschliessend an das er-
ledigte Imperium und es eine Zeitgrenze für diese Procedur nicht giebt,
104 Zweites Baeli. Die Magistratar.
80 war damit für die VerwesuDg des Amtes und die Lückenlosigkeit
der Reihe hinreichend Sorge getragen.
creinmg Aber die eigentliche Nachfolgercreirung war dies nicht, sondern,
iBterrex, wio dios sdiou dio Benennung des fünftägigen Herrschers ausdrückt,
eine interimistische die Bestellung des neuen Vorstandes vorbereitende
Einrichtung Die Rechtsform dabei ist die Ernennung durch den
derzeitigen Inhaber der obersten Gewalt; der Magistrat erschafit den
Magistrat. Von diesem fundamentalen Princip ist das römische Staats-
recht ausgegangen und es ist auch in der späteren Entwickelung
wohl verdunkelt, aber niemals aufgegeben worden. Indess hat dies
Ernennungsrecht dem lebenslänglichen Herrscher schwerlich anders zu-
gestanden als wenn er zugleich die Herrschaft niederlegte; eine ur-
sprünglich betagte Nachfolgerernennung verträgt sich weder mit der
allgemeinen Rechtsanschauung der Römer noch lässt sie sich mit dem
Interregnalverfahren vereinigen. Auch mag dabei die religiöse Vor-
stellung mitgewirkt haben, dass durch den nothwendigen Untergang
der individuellen Herrschergewalt und den Uebergang des Regiments
auf den patricischen Gesammtsenat die etwa von dem einzelnen Herrscher
begangene Verschuldung unter- und auf den neuen Gemeindevorstand
das Imperium rein und verjüngt übergeht. Dagegen ist der Zwischen-
könig recht eigentlich für diesen Act bestimmt. Allerdings wird der
erste desswegen ausgeschlossen, weil für seine Einsetzung die vorherige
Zustimmung der Götter nicht hat eingeholt werden können. Aber der
zweite und jeder folgende ist befugt und verpflichtet unter Beobachtung
der Auspication den Eintritt der ordentlichen Magistratur baldmög-
lichst herbeizuführen, welche, so wie die Ernennung vollzogen ist,
^*^*2i^^^ sofort in Function tritt und dem Interregnum ein Ende macht. —
Die ausschliessliche Creirung des Magistrats durch den Zwischenkönig,
auf welche die Ordnungen der Königszeit hinführen, ist in der repu-
blikanischen, vielleicht schon von Anfang an, aufgegeben und die regu-
läre Nachfolgeremennung mit entsprechender Betagung als einiger Er-
satz für die verlorene Lebenslänglichkeit des Amts dem Oberbeamten
selber übertragen woi^den, womit zugleich sich die Befugniss verband
bei partieller Erledigung des Amtes den CoUegen zu creiren. Sub-
sidiär kam die Interregnalordnung auch femer noch zur Anwendung.
Der Begriff der Vacanz, auf dem sie beruht, ist dabei auch gegen-
über der späteren Vielfältigkeit und Zersplitterung der Magistratur in
der alten Unbedingtheit festgehalten worden. Die Magistratur gilt
nicht als erledigt, so lange auch nur ein einziger wirklicher Magistrat
vorhanden ist und es wird dieser Begriff hier in dem späteren weiteren
Sinne verstanden, so dass zwar nicht die Promagistrate und die Magi-
I
4. Die Creirung der Beamten. 105
-strate der Plebs, wohl aber auch die niederen Aemter sämmtlich er-
ledigt sein müssen, bevor das Interregnum vorhanden ist. Allerdings
wird durch diese hyperbolische Prindpienstrenge das Wesen und der
Zweck der Institution zerstört ; wenn die Gonsuln fehlen und Prätoren
oder auch bloss Quästoren vorhanden sind, so fehlt es nicht bloss an
einer zur Creirung der Consuln competenten Stelle, bis es dem letzten
jener Beamten beliebt hat niederzulegen, sondern es ist auch die
Continuität des Oberamts wenigstens in dem letzteren Falle unter-
brochen.
Nach dem hier zunächst für die Succession im Oberamt ent- competem
wickelten Princip sind alle im römischen Gemeinwesen vorgenommenen
magistratischen Berufungen vollzogen worden; die ordentlichen wie
die ausserordentlichen, die höheren wie die niederen Magistrate werden
alle creirt durch das Oberamt. Nur der Gonsul einschliesslich der im
Stadtregiment für ihn eintretenden gleichgestellten Gewalten, der
Decemvim und der Eriegstribune , femer der Dictator so wie der
Interrex und der Prätor sind zur Creirung von Magistraten befugt,
jedoch auch sie nicht in gleichem Umfang. Unbeschränkt haben dieses
Recht nur der Consul und der Dictator, so dass sowohl dieser jenen
wie jener diesen creiren kann. Der Interrex ist nur competent zur
Creirung von Consuln. Dem Prätor steht nur die Creirung von Be-
amten niederen Rechts zu, so dass er streng genommen — Ausnahmen
sind vorgekommen — weder einen Dictator noch einen Consul noch
auch nur einen Prätor bestellen kann. Ausserordentliche Beamte für
magistratische Creation sind nur einmal in den Wirren nach Caesars
Ermordung und ohne Frage verfassungswidrig bestellt worden, da die
Verknüpfung der Beamtencreirung mit dem ordentlichen Oberamt
offenbar als eine auch die Comitien bindende Verfassungsnorm be-
trachtet ward. In wie weit unter dem Principat dem Princeps das
Recht der Beamtenemennung oder doch ein gesetzlich fixirter Einfluss
auf die Wahlen zusteht, wird zweckmässig in den von dem Principat
und dessen Gehülfen handelnden Abschnitten erörtert.
Bei diesem Act cessirt die Collegialität schlechthin: wie sie bei Ansschiass
der ältesten Bestellungsform durch den Interrex selbstfolglich aus- ^^um!^'^'
geschlossen war, wird auch die consularische und die prätorische
Creirung immer nur von einem einzelnen Beamten vollzogen, wie dies
allerdings bei scharfer Festhaltung des Creationsprincips nothwendig ge-
schehen musste. Dem Collegen steht hier nicht einmal die Intercession
zu. Die Entscheidung, von wem die Creation vorzunehmen ist, giebt,
wenn die Collegen sich darüber nicht vergleichen, das Loos. Auch
ist die Creirung namentlich von Collegen und Nachfolgern Ursprung-
106 Zweites Buch. Die Magistratur.
lieh wahrscheinlich mehr als Recht denn als Pflicht des Beamten an-
gesehen worden; es giebt kein verfassungsmässiges Mittel ihn zur
Vornahme dieser Acte anzuhalten und es scheint von Rechtswegen
dem competenten Beamten freigestanden zu haben bei unvollständigem
Collegium die Nachwahl zu unterlassen und hinsichtlich der Nach-
folgerbestellung das Interregnum herbeizuführen. Von besonderer
Wichtigkeit ist die Anwendung dieser Regel auf die Dictatur; obwohl
der Consul, der diesen Act vollzieht, damit eine ihm sowohl wie
seinem Gollegen übergeordnete Magistratur schafft, ist es dennoch
immer anerkannt worden, dass es verfassungsmässig kein directes
Mittel giebt den Consul dazu zu zwingen. — Alle übrigen Beamten
können weder sich selbst Gollegen oder Nachfolger noch andere Be-
amte creiren. Selbstverständlich aber nehmen bei der plebejischen
Quasimagistratur die Tribüne für die Creation dieselben Rechte in
Anspruch wie bei der wirklichen die Consuln.
Mitwirkung Wir weudou uns zu der Frage, seit wann und wie weit das
"^^Ichafr"^' magistratische Ernennungsrecht an den Beschluss der Bürgerschaft
gebunden und wie und in welchem Umfang die Creirung der Beamten
der Sache nach von der Magistratur auf die Comitien übergegangen
ist. Die Abnahme des Treu wertes (S. 132), durch welches die
dem Bürger obliegende Pflicht dem Magistrat zu gehorchen nach der
Creation eines neuen Oberbeamten von jeher bestärkt worden ist,
kann als Mitwirkung der Bürgerschaft bei der Beamtenernennung
nicht angesehen werden, wenn sie gleich zeigt, dass von Haus der
Gehorsam des Bürgers gegen den Magistrat nicht der des Sclaven ist,
sondern der des freien wohl staatlich verpflichteten, aber auch selbst
sich verpflichtenden Mannes. Jene Verfassungsänderung ist principiell
wie praktisch von entscheidendem Gewicht. Die Magistratur steht
auf sich selbst, so lange der Vormann den Nachfolger ernennt; indem
das Emennungsrecht auf die Comitien übergeht, werden diese die
Repräsentation der Gemeindegewalt und der Magistrat ihr Auftrag-
nehmer. Der Schwerpunct des Regiments wird also damit von der
Magistratur in die Comitien verlegt; die souveräne Stellung der
Bürgerschaft hängt in erster Reihe an der Einführung der comitialen
Beamtenwahl.
AUm&iiiiche Wenn unsere Ueberlieferung die Bindung des magistratischen
dercomitia!. Emennungsrechts durch vorherige Befragung der Comitien zurück-
führt auf den ersten creirten Magistrat, das heisst auf den König
Numa, so gehört dies unzweifelhaft zu den in der Legende so zahl-
reichen Redatirungen späterer Institutionen hinauf in die geheiligte
Urzeit. Ohne Zweifel ist die freie Creirung des Beamten durch den
Oberamt,
4. Die Creirung der Beamten. 107
Beamten der Ausgangspunct der Entwickelung und ist der wirkliche
römische König ebenso wenig aus wirklicher Yolkswahl hervor-
gegangen wie der Zwischenkönig und späterhin der das Eönigthum
formell repräsentirende Priester. Jene Bindung der Beamtencreirung
ist vielmehr zunächst exceptionell , dem herrschenden Adel durch
die patricisch - plebejische Bürgerschaft von Stelle zu Stelle ab-
genommen und schliesslich so weit geführt, dass die Ausnahme zur
Begel ward.
Auf das Oberamt insgemein ist diese Bindung insofern nicht er-
streckt worden, als die Ernennung des Dictators durch den Consul beidem
ohne Mitwirkung der Comitien bis in die Epoche des hannibalischen
Kriegs hinein festgehalten worden ist. Die zähe Yertheidigung dieser
Bestimmung sowohl, welche allerdings bei der geradezu auf die zeit-
weilige Unterstellung der Stadt unter die Feldherrngewalt gerichteten
Beschaffenheit des Amtes (S. 100) begreiflich genug ist, wie das Fallen-
lassen der Institution selbst, als die Yolkswahl von derselben nicht
länger abgewehrt werden konnte, zeigt deutlich die ungemeine politische
Wichtigkeit der Yolkswahl. Aehnlich wie mit der Dictatur ist mit
dem obersten Gehülfen des Dictators, dem Reiterführer und mit dem
Stadtverweser {praefedm wrhi) verfahren worden; beide Oberämter
(S. 85) sind der Yolkswahl nicht unterworfen, aber im Laufe der
Entwickelung beseitigt worden, das letztgenannte, von geringen Ueber-
resten rein formaler Beschaffenheit abgesehen, wahrscheinlich bei Ein-
richtung der dritten ständigen Oberamtsstelle oder der Stadtprätur,
das Reiterführeramt mit der Dictatur, zu der es gehörte. Mit der
Beseitigung dieser Aemter war allerdings, vom Zwischenkönigthum
abgesehen, das Oberamt schlechthin unter die Comitialwahl gezogen.
Wann dies für das ordentliche Oberamt, das Consulat wie die Prätur
festgesetzt worden ist, lässt sich nicht entscheiden. Da unsere Ueber-
lieferung die Comitialwahl der Magistrate bis in die Königszeit hinein
erstreckt und die freie Creirung bei dem ordentlichen Oberamt über-
haupt nicht kennt, so kann sie nicht als Zeugniss dafür gelten, dass
die erstere mit der Republik selbst aufgekommen ist; der Wechsel
ist vielleicht erst später, aber auf jeden Fall vor der Epoche der
eigentlichen historischen Ueberlieferung eingetreten. — So wenig wie
für die Consuln lässt sich für die Yolkstribune die Frage entscheiden,
ob die Bürgerschaft von jeher bei ihrer Wahl mitgewirkt hat; wir
wissen nur, dass späterhin, während bei jeder Wahl zum Oberamty
selbst bei der Ergänzung der unvollzähligen Magistratur die Comitien
mitwirken, den Yolkstribunen eine Zeitlang das Recht zugestanden
10g Zweites Bach. Die Magistratur.
hat in diesem Fall die fehlenden CoUegen frei zu creiren oder, wie
dies hier bezeichnet wird, zu cooptiren.
vei den Aber die Bindung des Oberamts durch die Mitwirkung der
j^mte?n. Comitieu bei der Bestellung von Collegen und Nachfolgern hat sich
bald weiter auf die Bestellung der Amtsgehülfen erstreckt. Diese
Tendenz der republikanischen Entwickelung hat die ursprünglich freie
Gehülfenwahl in steigender Progression eingeschränkt und schliesslich
für die den höheren Ständen angemessenen Gehalfenstellungen so gut
wie beseitigt. Den ersten Schritt auf dieser Bahn bezeichnet die
Bindung der Quästorencreirung um die Zeit des Decemvirats ; für die
weiteren ist auf die Einzeldarlegung im folgenden Buch zu verweisen.
Dass hiemit der ursprüngliche Begriff der Magistratur sich verschiebt,
der Inhaber des Imperium, bis dabin der alleinige unmittelbare Ge-
meindevertreter und für alle einzelnen öfifentlichen Functionäre der
Auftraggeber, fortan nur noch der vornehmste unter den Mandataren
der Gemeinde ist und der frühere Gegensatz des Amtes und der
Gehülfenstellung sich in den des Oberamts mit und des Unteramts
ohne Imperium umwandelt, ist hinsichtlich der Terminologie des
Wortes moffistratus bereits ausgeführt worden (S. 86) und wird sach-
lich in dem folgenden Buch im Einzelnen darzulegen sein.
senato- Dio Groirung der republikanischen Beamten, die unter Augustus
»mtenwau dou Comition verblieben war, wurde von Tiberius auf den Senat über-
i^inoiptt! tragen und kann, da dieser damals aus den gewesenen Gemeinde-
beamten gebildet ward, als Cooptation bezeichnet werden, in welche
indess, wie in einem späteren Abschnitte (Buch 5 Absch. 5) zu zeigen sein
wird, kaiserliche mehr oder minder directe Verleihung sei es des Amtes
selbst, sei es der an das geführte Amt geknüpften Rechte in weitem
Umfang eingriff. Die unter dem Principat neu geschafifenen Aemter,
über welche in dem Abschnitt von den kaiserlichen Unterbeamten
(Buch 3 Abschn. 12) gehandelt ist, werden durchgängig vom Kaiser
besetzt; indess ist für einen grossen Theil derselben die Bekleidung
eines der republikanischen Gemeindeämter die rechtliche Qualification,
und die effective Bedeutung der Wahlen namentlich zur Prätur und
zum Consulat beruht unter dem Principat weniger auf den Aemtern
selbst als auf diesen damit verknüpften Anwartschaften.
Di« Der Form nach erfolgt die Mitwirkung der Bürgerschaft bei der
i^i'da? Aemterbestellung, ebenso wie die ältere bei der Gesetzgebung, durch
Frage des Magistrats und Antwort der einzelnen Bürger, auf welche
Rogation dann die Ermittelung des Ergebnisses und dessen Ver-
kündigung, die Renuntiation folgt. Die Rogation aber hat wahrschein-
lich insofern den Inhalt gewechselt, als der Wahlvorschlag zuerst in
Bogation.
4. Die Creiruog der Beamten. 109
die Frage, später in die Antwort gelegt ward. Obwohl unsere lieber-
lieferung davon nichts weiss, ist allem Anschein nach bei d«m Auf-
kommen der Befragung der Bttrgen^chaft die Initiative dem zur Er-
nennung berufenen Beamten in der Weise geblieben, dass er die für
das Amt in Aussicht genommenen Personen den Bürgern bezeichnet und
diese dieselben annehmen oder ablehnen. Aber in historischer Zeit voll-
zieht der Wahlact sich vielmehr in der Form, dass der Fragende nur
das zu besetzende Amt bezeichnet und die Auswahl der Personen bei
dem einzelneu Bürger steht. Ueber das Verfahren im Einzelnen kann
auf die im fünften Buch entwickelte Comitialordnung verwiesen wer-
den ; hier sei nur erwähnt, dass die öfifentliche und mündliche Stimm-
abgabe lange Zeit in Uebung geblieben und erst im J. 615 d. St. (139
V. Chr.) durch die geheime Abstimmung ersetzt worden ist. Damit
ist das Recht des Beamten den Beamten zu creiren im Wesentlichen
herabgedrückt zu dem Recht die Comitialwahlen zu leiten, wenn gleich,
wie im folgenden Abschnitt gezeigt werden soll, dem wahlleitenden
Beamten, namentlich in der Befugniss die Qualification des Bewerbers
und den Verlauf des Wahlacts zu controliren, auch jetzt noch ein
wesentlicher Einfluss auf den Ausfall der Wahl verblieb. Die
Benuntiation nach gültig vollzogener Wahl ist für den wahlleitenden
Beamten obligatorisch, obwohl es allerdings kein Mittel giebt ihn dazu
zu zwingen und in einzelnen Fällen die Renuntiation verweigert
worden ist.
Der Zeit nach schliesst bei allen nicht nach dem Princip der zeit der
Annuität geordneten Aemtern an die Creation der Amtsantritt unmittel- ^""""^^
bar {ex templo) sich an. Es gilt dies für den König, den Dictator,
die Censoren, die zur Goloniegründung bestellten Beamten und so
weiter, ebenso für die Jahresämter, wenn ausnahmsweise deren Be-
setzung bis in das Amtsjahr hinein verzögert worden ist. Eine
Zwischen^seit zwischen Ernennung und Antritt begegnet hier nur in
seltenen Ausnahmsfällen. Die Ernennung der Jahresbeamten unter- Designation.
liegt dagegen von Rechtswegen der Anticipation oder, nach dem
römischen Ausdrucke, es tritt hier die Creation auf als Designation und
es liegt zwischen dieser und dem Antritt eine Zwischenzeit. Hinsicht-
lich der Dauer derselben scheint verfassungsmässig nur festgestanden
zu haben, dass sie kürzer sein muss als ein Kalendeijahr ; Designation
mit längerem Intervall, wie sie seit der caesarischen Dictatur einzeln
vorkommt, widerstreitet schon darin der bestehenden Ordnung, dass
sie das Ernennungsrecht des nachfolgenden Oberbeamten beeinträchtigt.
Wenigstens üblich war es die Ernennungen für das Folgejahr erst in
der zweiten Hälfte des Vorjahrs vorzunehmen, also die Anticipation
HO Zweites Buch. Die Magistratur.
auf höchstens sechs Monate zu beschränken. Die weitere Festsetzung
der Termine steht, so weit nicht Specialordnungen eingreifen, im Er-
messen des ernennenden Magistrats. Die Jahrbeamten sind in älterer
Zeit gewöhnlich nach der Rtlckkehr der Beamten aus dem Sommer-
commando, also meistens nicht lange vor Ablauf des Amtsjahrs be-
stellt worden; nachdem später, wahrscheinlich seit der suUanischen
Zeit, die Consuln regelmässig das ganze Jahr in der Stadt functioniren,
werden die Wahlen der Jahrbeamten der Regel nach so früh wie
möglich, das heisst im Juli vorgenommen. In ähnlicher Weise voll-
ziehen sich auch die plebejischen Wahlen.
5. Die QualMcation fOr die Magistratur.
Wenn eine Verpflichtung zur Uebernahme des Gremeindeamts in AuMchiuu
von der
der römischen Republik wenigstens in der uns geschichtlich bekannten wullba^
Zeit nicht anerkannt ward (S. 82), so fällt die Berechtigung dazu von
Haus aus zusammen mit dem BQrgerrecht; an sich haftet an diesem
wie das Stimmrecht so auch die Wählbarkeit. Aber im Laufe der
Zeit entwickelten sich zahlreiche Disqualificationen, die auch bei vor-
handenem Bürgerrecht die Creirung entweder nichtig machten oder
den creirenden Beamten verpflichteten oder mindestens berechtigten
sie abzulehnen. Die hierin angedeutete rechtliche Verschiedenheit
der Hinderungsgrtlnde ofifenbart sich namentlich hinsichtlich der Ent-
bindung von denselben. Einzelne darunter sind so absolut, dass Dis-
pensation dabei überhaupt ausgeschlossen ist ; von anderen kann durch
besonderen Yolksschluss Entbindung eintreten, wobei übrigens die
Regel gilt, dass der Wahlact selbst dafür nicht genügt ; noch andere
endlich berechtigen wohl den wahlleitenden Beamten zur Ausschliessung
des Candidaten, genügen aber nicht zur Vernichtung der sonst gültig
vollzogenen Wahl. Indess gestattet unsere Ueberlieferung nicht die
Distinction zwischen diesen Kategorien im Einzelnen zu verfolgen und
müssen wir uns bescheiden, die verschiedenen Disqualificationen ledig-
lich zusammenzustellen.
1. Auf das Fehlen oder die Mangelhaftigkeit des Bürgerrechts Mangelndes
lässt sich der Ausschluss der Wählbarkeit zurückführen bei unfreien ^rechu^"^'
und Ausländern; bei den Frauen; bei den Knaben bis zu derjenigen
Altersgrenze, mit welcher die Wehrfähigkeit und das Stimmrecht er-
worben wird, das heisst bis zum vollendeten siebzehnten Jahr; bei
den Bürgern ohne actives Stimmrecht (S. 54), da das passive an diesem
hängt; bei denen, denen strafrechtlich die Wählbarkeit entzogen ist,
was in der späteren Republik vereinzelt vorkommt.
112
Zweites Buch. Die Magistratur.
Ehren-
BchmUe-
rung.
Dienst-
pflicht.
2. Auf die ständischen Gegensätze geht es zurück, dass der
Plebejat in älterer Zeit ftlr das Gemeindeamt disqualificirt wie der
Patriciat für die plebejische Quasi-Magistratur. Ueber die fast voll-
ständige Beseitigung des erstgenannten Ausschlussgrundes ist im vorigen
Buch (S. 39) gehandelt worden. Es gehört ferner hieher die Unfllhig-
keit des Opferkönigs zur Uebemahme eines Gemeindeamts, weil der
patricische König für dasselbe nicht taugt. Zusammenstellen lässt sich
damit aus der Epoche des julisch-claudischen Principats die Di^uali-
fication der Transalpiner und vielleicht der Nicht-Italiker überhaupt,
3. Mangelnde Ehrenhaftigkeit steht der Wählbarkeit im Wege.
Es wird davon Anwendung gemacht auf die gewesenen Sklaven und
deren Kinder ersten Grades sowie auf die unehelich Geborenen (S. 52) ;
auf die Personen, deren Lebensstellung, insbesondere wegen Betrieb
eines Gewerbes mit der Beamten thätigkeit unvereinbar erscheint; auf
die wegen sittlichen Makels bescholtenen Personen. Die Handhabung
aber dieser sowohl in ihrem Umfang wie hinsichtlich der Gonstatirung
schwankenden Normen wird hauptsächlich vom Herkommen und weiter
von der Willkür des creirenden Beamten abgehangen haben. Der
Ausschluss derjenigen Bürger von der Wahl, welche nicht einen freien
Vater und einen freien Grossvater aufzuweisen vermochten, ist durch
Gesetz oder gesetzgleiche Gewohnheit festgestellt. Derjenige des Lohn-
arbeiters, in welchem die volle Hoffart des Sklavenregiments, aber
auch der volle Stolz der unbesoldet regierenden Aristokratie zum
Ausdruck kommt, ist wohl auch thatsächlich durchgeführt worden^
aber vielleicht nicht so sehr im Wege der formalen Abweisung als ver-
mittelst der thatsächlichen Aussichtslosigkeit derartiger Gandidaturen.
Für die Ausschliessung des bescholtenen Mannes fehlt in republikanischer
Zeit die formale Grundlage; erst unter dem Principat ist der Begriff
der infamia, wie er im Civilrecht bei Gelegenheit der prozessualischen
Stellvertretung sich fixirt hatte, als disqualificirend auch für das
Staatsamt anerkannt worden. Die Yerurtheilung wegen Diebstahls
oder ähnlicher ehrloser Handlungen, die censorischen Tadelsvermerke,
die militärische Degradation und ähnliche Momente werden bei dem
Ausschluss von der Candidatur in Erwägung gekommen sein ; schliess-
lich aber kann nur in jedem einzelnen Fall das Ermessen des creiren-
den Beamten nach beiden Seiten hin den Ausschlag gegeben haben.
4. Wahrscheinlich auf Grund des villischen Aemtergesetzes vom
J. 574 d. St. (180 V. Chr.) wird der dienstpflichtige, das heisst weniger
als 46 Jahre alte und körperlich taugliche Bürger zum Aemter-
bewerb nur zugelassen, nachdem er die gesetzlich vorgeschriebene
Zahl von Dienstjahren geleistet oder doch sich zur Leistung gemeldet
5. Die Qnalification för die Magistratur. 113
hat. Späterhin, vielleicht seit Sulla, wurde davon abgesehen, obwohl
herkömmlich auch jetzt noch dem Eintritt in die Aemterlauf bahn ein
Jahr des Soldaten- und ein zweites des Offizierdienstes voraufging.
Seit Augustus wird vor Uebemahme der Quästur Ableistung des
Offizierdienstes verlangt.
5. Gleichzeitige Bekleidung zweier ständiger Aemter ist unstatt- ReuüT« b«.
haft: die Wahl zur Prätur also disqualificirt für die Aedilenwahlen des- Aemt« n'
•iiuuider.
selben Jahres. Nicht ständige ordentliche sowie alle ausserordentliche
Aemter können sowohl mit ständigen wie unter sich cumulirt werden.
6. Bekleidung desselben Jahramts in zwei unmittelbar auf ein-
ander folgenden Jahren ist wohl von jeher als Umgehung der Annuität
gemissbilligt worden. Die Iteration mit Zwischenfrist, anfänglich ge-
stattet, wird seit dem Anfang des 5. Jahrh. für das Gonsulat durch
deren Normirung auf mindestens zehn Jahre beschränkt und weiter
für die Gensur am Ende des 5., für das Gonsulat in den ersten Jahren
des 7. Jahrh. gänzlich untersagt, wogegen Sulla für dieses wieder auf
das zehnjährige Intervall zurückkam. — Bei den niederen Aemtem
ist die Iteration wahrscheinlich rechtlich>icht beschränkt worden, aber
factisch ausser Gebrauch gekommen, da man sich in späterer Zeit um
diese hauptsächlich nur bewarb, um damit die Staffel für die höheren
zu gewinnen. — Bei dem Yolkstribunat wird bei sonst mangelnder
Bewerbung nicht bloss die Iteration, sondern selbst die Gontinuation
gestattet — Bei den ausserstädtischen Imperien wird in der späteren
Republik die nicht intervallirte Iteration häufig zugelassen in der
Form der Prorogation (S. 99).
7. Die Bekleidung verschiedener patricischer Jahrämter ohne
Zwischenfrist scheint im Anfang des 6. Jahrh. untersagt worden zu ' '
sein; diese Frist ist dann durch das villische Gesetz auf mindestens
zwei Jahre normirt worden.
8. Eine rechtlich feste Aemterfolge kennen die älteren Ordnungen
nicht, obwohl selbstverständlich regelmässig die Gehülfenstellungen
vor den Imperien übernommen wurden. Der Kriegstribunat ist noch
am Ende des 6. Jahrh. nicht selten nach dem Gonsulat geführt worden
und überhaupt die Verwaltung des niederen Amts nach dem höheren
nur ungewöhnlich, nicht unzulässig. Umgekehrt dagegen wird, wahr-
scheinlich seit dem villischen Gesetz vom Jahre 574 (180 v. Ghr.),
bei den ordentlichen patricischen Aemtem die Bekleidung der Quästur
als Bedingung für die Prätur, die der Prätur als Bedingung für das
Gonsulat gefordert. Augustus hat, jedoch nur für die Plebejer, zwischen
Quästur und Prätur die drei Aedilitäten und den Yolkstribunat alle
vier zu einer Stufe zusammengefasst, ferner als unterste für die Quästur
Binding, Handbnoh. I. 8t K ommsen, Ahriu de» BOm. Staatsrecht«. 2. Aufl. 8
114 Zweites Buch. Die Magistratar.
bedingende Stufe eine Anzahl unter dem Namen der Zwanzigmänner
zusammengefasster Anfangs&mter eingeschoben. Da in den beiden
untersten Stufen der Yigintivim und der Quästoren gleichm&ssig
zwanzig, in der dritten ädilicisch-tribunicischen sechzehn, in der vierten
prätorischen mindestens zwölf Stellen zu besetzen sind, so muss, um
die Quästoren wähl überhaupt möglich zu machen, eine Aushülfs-
massregel hinzugetreten sein und ist auch für die übrigen Stufen das
Wahlrecht kaum effectiv zu nennen ; es scheint der Zweck dieser An-
ordnung gewesen zu sein unter Beibehaltung der Wahlform der Sache
nach das Durchlaufen der Aemterstufen bis zur Prätur als normale
Ordnung herbeizuführen. Auf das Consulat hat sich dies auch, aber
in minderem Grade erstreckt, da nach der unter dem Principat ein-
tretenden Jahrtheilung (S. 130) in jedem Jahr zuerst vier, später
häufig sechs, freilich auch nicht selten mehr Gonsuln creirt wurden. —
Bei den ordentlichen nicht ständigen Aemtern, der Dictatur und der
Censur hat sich wohl nicht durch Gesetz, aber durch allmählich sich
fixirende Uebung die Regel festgestellt, dass sie nur nach bekleidetem
Consulat übernommen werden. — Die nach der augustischen Ordnung
dem Senat vorbehaltenen Aemter sind, wie schon bemerkt ward (S. 108),
durchgängig der durch jene Staffeln gegebenen Qualification unter-
worfen. Umgehung dieser Qualification durch fictive Beilegung des
bedingenden Amtes (adlectus tnter praetorios u. s. w.) kommt erst
unter dem Principat auf, ist aber unter diesem sehr häufig gebraucht
worden, namentlich um die durch die eben erwähnte Qualification
der kaiserlichen Beamtenemennung gezogenen Schranken zu durch-
brechen.
Aatsuter. 9. Dio übor dio Dienstpflicht (4) so wie über die nothwendige
Folge (8) und die Intervallirung der Aemter (7) gegebenen Vorschriften
zogen für die beiden Stufen des Oberamts, Prätur und Consulat gewisse
Altersgrenzen nach sich. Directe Festsetzungen über das Amtsalter hat
wahrscheinlich erst Sulla in Folge der Beseitigung der militärischen
Qualification getroffen und zwar für die Zulassung zur Quästur das
laufende 37. und damit folgeweise für die Prätur das laufende 40.
und für das Consulat das laufende 43. Lebensjahr als Minimal-
alter vorgeschrieben. Thatsächlich durchgeführt worden sind aber
nur die beiden letzten Grenzen; es scheint, vielleicht um für die in
der obligatorischen Reihe nicht stehenden, aber gewöhnlich nach der
Quästur verwalteten Aemter der Aedilität und des Volkstribunats
Raum zu schaffen, denen, die eines dieser Aemter oder beide zu über-
nehmen sich bereit erklärten, gestattet gewesen zu sein die Quästur
schon im laufenden 31. Lebensjahr zu übernehmen, und dies ist factisch
5. Die Qualification fOr die Magistratur. 115
die Regel geworden. AugastuB hat die Altersgrenzen herabgesetit
und wahrscheinlidi als Minimalalter für die Qnästur das laufende 25.,
für Aedilität und Tribanat, die er, wie gesagt, in die obligatorische
Folge aufnahm, das 27., für die Prätur das 30., für das Gonsulat das
33. Lebenqahr angesetzt.
Naeh diesen Regeln war also festzustellen, ob der einzelne Bürger Mwigtra-
bei der fraglichen Creirung in Betracht kommen könne oder nicht, ateuonflr der
Die Entscheidung zweifelhafter Fragen — in den meisten Fällen flestion.
werden die in Betracht kommenden Momente notorisch gewesen sein
oder waren doch die Belege leicht zu beschaffen — steht nicht der
Wahlkörperschaft zu, sondern es hat darüber der wahlleitende Beamte
im Wege des Administrativverfahrens zu befinden. Darauf offenbar
bezieht sich die schon früh aufkommende Meldung und Zulassung
des Candidaten (namen accipere)^ wobei, da die Frage, welchem Be-
amten die Vollziehung der Wahl oblag, oft erst unmittelbar vorher
entschieden ward, irgend welche Gemeinschaftlichkeit des Prüfungs-
verfahrens angenommen werden muss. Wer die Meldung unterliess
und sich der Zulassung nicht vorher vergewisserte, konnte selbst-
verständlich von dem wahlleitenden Beamten als nicht qualificirt be-
handelt werden; aber es stand diesem nicht minder frei ihn zuzu-
lassen, wenn er an d er Qualification keinen Zweifel hegte; auf diese
Weise sind Abwesende selbst ohne ihr Vorwissen nicht selten gewählt
worden. Erst in der letzten republikanischen Zeit ist die bis dahin
übliche Meldung den Candidaten in der Weise gesetzlich vorgeschrieben
worden, dass dieselbe mindestens 24 Tage vor der Wahl bei dem
Magistrat einzureichen sei; noch später, vielleicht im J. 692 d. St.
(62 V. Chr.), dass sie diese Einreichung persönlich in Rom vorzu-
nehmen hätten. — Die Ablehnung des Candidaten durch den wahl-
leitenden Beamten wird dadurch effectuirt, dass er die auf ihn etwa
fallenden Stimmen als nicht abgegeben behandelt.
Unter dem Principat ist die Qualification für das Gemeindeamt BMohr&nkt«
W&Ubarkftit
radical umgestaltet worden durch die Bildung einer allein zur Amt- nntsrdem
bewerbung berechtigten Pairie. Bereits unter dem Senatsregiment *'* *
waren die Aemter trotz der comitialen Wahl form in den grossen
Familien factisch erblich geworden; der Eintritt in die politische
Laufbahn und das Ersteigen der dafür geordneten Stufen war für
diese bis zu einem gewissen Grade durch die Verhältnisse gegeben
und wurde der Quästor, ja einigermassen auch der Prätor und der
Gonsul mehr geboren als gewählt, wenn gleich die gesetzliche Wahl-
fähigkeit jedes unbescholtenen Bürgers zum Gemeindeamt principiell
in Kraft blieb und auf Grund derselben zu dem erblichen Bestand
8*
116 Zweites Buch. Die Magistratur.
stetig einzelne neue Elemente hinzutraten. Augustus hat aber jenes
republikanische Princip beseitigt und das passive Wahlrecht, das fOr
die höheren Aemter längst durch die gesetzliche Aemterfolge den
NichtSenator ausschloss, auch für die niederen als Regel auf die
agnatischen Nachkommen der Senatoren beschränkt und damit den für
die Aemterbewerbung privilegirten^ zugleich aber auch zu dieser gesetz-
lich verpflichteten senatorischen Stand geschaffen. Der Eintritt in
diese Pairie konnte aber ausser durch die senatorische Herkunft auch
erfolgen durch kaiserliche Verleihung des senatorischen Standesrechts
(latus clavus), und namentlich jüngeren durch Geburt und Vermögen
zum Eintritt in die Pairie geeigneten Personen ist ausnahmsweise,
aber häufig also die politische Laufbahn eröffnet worden. — Auch für
die jetzt neu hinzutretende zweite Aemterklasse wurde als Qualification
das Bitterpferd gefordert, welches allerdings von der freien kaiserlichen
Verleihung abhing und insofern die kaiserliche Beamtenwahl nicht
einengte.
6. Collegialität und Colilsion der Beamten.
Die magistratische und sacerdotale Collegialität des römischen Berdfr der
Rechts — durchaus verschieden von dem heute unter diesem Namen huST.*'
gehenden Begriff — bezeichnet den an sich einheitlichen, aber mehreren
Personen gleichmässig ertheilten staatlichen Auftrag. Wie legahis der
Träger der lex ist, der staatliche Auftragnehmer, so sind conUgae
die staatlichen Sammtmandatare. Ausser der Staatlichkeit und der
formalen Gleichmässigkeit des Auftrags ist dafür wesentlich die Voll-
ziehung desselben nicht durch Gesammthandlung der Beauftragten,
wie diese der militärischen Truppe obliegt, sondern durch den ein-
zelnen Beauftragten ohne Mitwirkung der übrigen. Das Privatrecht
kennt nicht den Namen, aber in der überhaupt der Magistratur corre-
laten Tutel da, wo mehrere Vormünder mit gleicher Berechtigung
neben einander stehen, ein gleichartiges Sammtmandat. Am reinsten
tritt uns die Institution entgegen in ihrer ältesten Form, den grossen
Priestercollegieu : die Vögelschau für den Staat vollzieht der einzelne
Augur und jede derartige Handlung kann von jedem Mitglied gleich-
mässig geleistet werden. Der Begriff ist namentlich in sacraler
Anwendung früh verflacht und die Collegialität auf solche Gemein-
schaften angewandt worden, welche, wie zum Beispiel die Salier, nicht
einzeln functioniren ; nach dem älteren strengeren Sprachgebrauch
aber sind Collegien magistratisch wie sacral nur solche Gemein-
schaften, bei welchen jedes Mitglied zunächst zur Einzelhandlung be-
rufen ist, was natürlich nicht ausschliesst, dass sie unter Umständen
auch gemeinschaftlich rathen und thaten.
Den ursprünglichen römischen Ordnungen ist die Collegialität Die coiie-
fremd ; sie sind beherrscht von der Einheitlichkeit des Gemein weseüs. ^öaigneit!
Die Einheitlichkeit des ursprünglichen Regiments tritt vor allem in
dem Interregnum mit voller Schärfe zu Tage, zumal da es hier so
nahe lag den pätricischen Senat als Sammtkönigthum zu fassen. Sie
11g Zweites Boch. Die Magistratar.
ißt ferner in dem sacralen Regiment der Republik durchgeführt
namentlich in dem Oberpontificat, welche Stellung, dem Ursprung wie
dem Inhalt nach von der Mitgliedschaft des CoUegiums verschieden
in der Republik die königliche Sacralgewalt fortsetzt. Auch im Privat-
recht ist die eigentliche Hausgewalt über den Freien einheitlich und
bei der Tutel, welche eine ihrer Formen ist, die Mehrstelligkeit nicht
eigentlich beabsichtigt, sondern nur bei concurrirender Gleichberech-
tigung zugelassen. So weit in den patricischen Institutionen dieCollegia-
lität begegnet, in den Priesterschaften der Pontifices und der Augum,
in der Körperschaft der ursprünglichen Reiterobersten, ist sie wohl
uralt, aber nicht ursprünglich, sondern Consequenz des ältesten Synö-
kismus, der Umwandlung der einigen Zehncurien- in die dreieinige
Dreissigcuriengemeinde (S. 12), welche einen Rest oder doch eine
Erinnerung an die in die Gemeinschaft aufgegangenen Sondergemeinden
nicht im Regiment selbst, aber in der mehrfachen Besetzung der
wichtigsten sacralen und militärischen Hülfsstellungen bewahrt hat.
Immer aber liegt in diesen Einrichtungen der Beweis dafür, dass die
römischen Rechtslehrer die Einheitlichkeit der staatlichen wie der
privatrechtlichen Vertretung nicht unbedingt an die personale Aus-
schliesslichkeit knüpften, sondern eine Mehrzahl gleichberechtigter Ver-
treter zuliessen, obwohl dies der alten strengen Gewaltidee zuwider
und vielleicht weniger eine einfache Consequenz des Rechtsgedankena
als eine Concession an die realen Verhältnisse war.
Di» cou«- Die Anwendung der Mehrstelligkeit auf das Oberamt und weiter
^^biik/ auf das Amt und die öffentliche Thätigkeit überhaupt bezeichnen wir
als die Abschaffung des Eönigthums und die Einführung der republi-
kanischen Ordnung. Die beiden Romuluslegenden, sowohl die Zwillings-
erzählung wie das römisch-sabinische Doppelkönigthum sind aufgestellt
worden, um den Rechtssatz zu erweisen, auf dem die neue Ordnung
ruht, dass die Mehrstelligkeit auch mit dem Oberamt verträglich sei,
und wenn sie einmal zugelassen ward, konnte allerdings die Beschränkung
auf die Hülfsstellungen wohl praktisch, aber nicht logisch gerechtfertigt
werden. Die Kämpfe sind verschollen, die um die Einführung der
neuen Ordnung wohl ebenso mit dem Schwert wie mit den Waffen des
Geistes geschlagen worden sein mögen; für unser Wissen erscheint
das Princip der Collegialität als unbestritten anerkanntes Fundament
des republikanischen Staatsrechts, das mindestens durch ein halbes
Jahrtausend wohl in erkannter Unwirksamkeit, aber daneben in an-
' erkannter Wirksamkeit die Geschicke des mächtigen Staates mit be-
stimmt hat und dessen Zusammenbrach in der Wiederaufnahme dea
einheitlichen Regiments, der caesarischen Dictatur und dem augustischen
6. CoUegialititt und Gollfiion der Beamten. 119
Prindpat auch ftosserlich den Untergang der Republik kennzeichnet.
Von der Behandlung der CoUegialitftt in den sacerdotalen Ordnungen
ist bereits die Rede gewesen (S. 89); hier wenden wir uns dazu die
Anwendungen der magistratischen Collegtalitat zu entwickeln.
In der Magistratur wurde die Collegialitat nicht eingeführt ii^„2^f^i
die aus der älteren Ordnung herübergenommenen und prajctisch nicht gi«uuft,
wesentlich eingreifenden Institutionen, das Interregnum und die Stadt-
prftfectur. Dagegen ist sie für die mit oder in der Republik entstan-
denen Aemter durchgängig zur Anwendung gekommen, sowohl für das
ordentliche Oberamt, das sogar von ihr die übliche Benennung erhalten
hat, wie für alle übrigen höheren und niederen, ordentlichen und
ausserordentlichen Magistraturen ; selbst bei der Creirung von Beamten
für solche Einzelhandlungen, die nur ein einzelner Mann vollziehen
kann, wie die Judication im Hochverrathsprozess und die Dedication,
wird in der Form der Bestellung die Collegialitat gewahrt. Von
diesem starren Festhalten an der consecrirten Formel macht unter
den republikanischen Aemtem Ausnahme allein die Dictatur nebst
dem Reiterführeramt, und selbst diese sind vielleicht unter den weiter-
hin zu erörternden Begriff der ungleichen Collegialitat gezogen worden.
Auch in die nicht magistratische Hülfsthätigkeit hat dies Princip Ein-
gang gefanden. Zwar bei der Rechtspflege, die überhaupt demselben
sich am wenigsten gefügt hat, hat der alte Einzel geschworene sich stets
behauptet und auch das ohne Frage auf Majoritätfindung gestellte
Reeuperatorengericht gehört nicht hierher, aber die Sechszahl der
Legionsführer und die Doppelbesetzung des Centurionats sind nichts
als Anwendungen desselben Princips.
Die im Wesen der Collegialitat liegende Mehrstelligkeit lässt die suueuAU.
Zahl der Stellen frei, und für diese giebt es daher auch keine all-
gemein gültige Regel. Die dreistellige Collegialitat der patricischen
Ordnungen wird bedingt durch die Dreieinigkeit des patricischen Rom.
In dem patridsch-plebejischen Gemeinwesen herrscht zunächst als der
einfachste Ausdruck der Mehrstelligkeit die Doppelung; im Consulat
ist diese für aUe Zeiten geblieben und die übrigen ordentlichen patri-
dsehen so wie die plebejischen Aemter sind von der Zweistelligkeit
ausgegangen, wenn gleich dazu meistentheils später weitere Stellen
hinzugetreten sind. Insbesondere bei dem Collegium der Yolkstribune,
dessen ewige Dauer nicht auf organischem Wege fundamentirt war
(S. 103), ist zur Sicherung des Amtes gegen zufällige Erledigung
die Stellmizahl früh und stark vermehrt worden. In der q>ftteren
Republik überwiegen bei den neu eingerichteten oder den ausser-
120 Zweites Buch. Die Magistratur.
ordentlichen Aemtern in Folge des Glaubens an die glückbringende
Imparilität die. Drei- und die Fünfzahl.
Dem Princip entsprechend, dass bei dem mehrstelligen Amte jeder
Inhaber für sich allein jede Amtshandlung zu vollziehen befugt ist,
kommt das zufällige Fehlen eines oder mehrerer GoUegen rechtlich
nicht in Betracht. Wenn bei dem Antritt nur eine der Stellen
besetzt oder wenn während der Amtzeit durch Tod oder Rücktritt
eine der Stellen erledigt wird, kann der einzeln stehende Beamte
zwar die Ergänzung herbeiführen (S. 105), aber auch allein stehend
ist er im Vollbesitz der Amtsgewalt.
patpatssta$, Priucipiell fordert die Gollegialität die Gleichberechtigung der
neben einander stehenden Beamten, also gleichen Titel und gleiche
Amtsbefugnisse (par potesias), und in der Anwendung auf die Gonsuln,
Aedilen, Quästoren, Volkstribune und überhaupt die meisten ordent-
lichen und ausserordentlichen Beamten wird sie in dieser Weise ge-
handhabt. Gollegialität mit ungleicher Macht oder ungleicher Gom-
petenz ist genau genommen ein Widerspruch im Beisatz. Nachdem
das Bürger- und das Fremdengericht unter zwei verschiedene Prätoren
gestellt sind, kann von einem Sammtmandat an beide nur in so weit
gesprochen werden, als mit diesen Stellungen andere in der That
beiden gemeinschaftliche Befugnisse verbunden sind, nicht aber hin-
sichtlich der Jurisdiction.
Wenn weiter Gollegialität angenommen wird zwischen den Im-
iJ2p?^d perienträgem verschiedener Stärke {maiar und minor poiestas)^ wenig-
"^*^'"- stens zwischen dem Gonsul und dem Prätor, vielleicht auch zwischen
dem Dictator und dem Gonsul, so haben die römischen Staatsrechtlehrer
dies wohl hauptsächlich gethan, um die principielle Allgemeinheit
der magistratischen Gollegialität, welche bei dem Prätor wie bei dem
Dictator der Sache nach fehlte, wenigstens dem Namen nach fest-
zuhalten. Auch die Verschiedenheit der Titulatur, die den Dictator
von dem Gonsul von jeher geschieden hat und die auch bei den
Prätoren verschiedener Gompetenz so wie in Beziehung auf den
Gonsul und den Prätor früh sich eingestellt hat, spricht nicht für
die Einreibung dieser Verhältnisse in den Kreis der Gollegialität.
Es wird bei der weiteren Erörterung im Auge zu behalten sein, dass
der Begriff der Gollegialität nicht durchaus in seiner ursprünglichen
Schärfe festgehalten wird.
Beokts. Da die Gollegialität zugleich das Festhalten und die Aufhebung
der amtlichen Vollgewalt bezweckt, so ist damit schon ausgesprochen,
dass sie ihr Ziel nicht hat erreichen können und dieses republikanische
Ideal nur annähernd realisirt worden ist. Es zeigt sich dies in der
6. Collegialität und GoUision der Beamten. 121
dabei eintretenden Oescbäftsbehandlung. Diese kann dreifacher Art
sein : entweder Cooperation, oder Turnus mit Hinzunahme der Loosung
und des Intercessionsrechts, oder endlich Geschäftstheilung durch Fest-
setzung von Competenzgrenzen. Was wir darüber erfahren, bezieht
sich hauptsächlich auf das Oberamt; die ohne Zweifel wesentlich
analogen Bestimmungen über die niederen Aemter sind so wenig
bekannt, dass wir davon hier absehen.
Die Cooperation würde der vollkommene Ausdruck der Collegia- Cooperation.
lität sein, wenn sie nur möglich wäre. Mehrere Magistrate können
dasselbe befehlen , aber nur einer diesen Befehl zur Ausführung
bringen ; wo das Zwangsrecht des Magistrats zur Anwendung kommt,
hört die Cooperation auf. Es wird dies auch praktisch dadurch an-
erkannt, dass die Cooperation im Feldherrnregiment schlechthin und
im städtischen bei den wichtigsten Functionen, der Jurisdiction und
der Beamtencreirung ausgeschlossen ist. Wenn zu dem Edict, dem
Gesetz verschlag, der Senatsberufung, der Aushebung alle oder mehrere
CoUegen sich vereinigen, so werden auch dabei die Grenzen des
Zusammenhandelns ungebührlich ausgedehnt; indess hat dies, abge-
sehen von dem dem römischen Staatsrecht überhaupt eigenen Zurschau-
tragen dieses Palladiums der Republik, den praktischen Zweck, dass
die weiterhin zu erörternde collegialische Intercession durch den der
Handlung selbst inhärirenden Anschluss des Collegen in wirksamster
Weise ausgeschlossen ward. Auch Etikettenfragen, zum Beispiel über
den Wechsel des Vorsitzes im Senat, mochte wohl durch dieses Ver-
fahren die Spitze abgebrochen werden.
Den eigentlich praktischen Ausdruck findet die Collegialität in der Tam«« ud
Regel, dass die der Zeit nach theilbaren Geschäfte nach wechselnden ^*^**-
Fristen, die also nicht theilbaren nach Loosung von dem einen oder
dem andern Collegen vollzogen werden, wozu die den Collegen frei-
gegebene Vereinbarung {c<m/fiarare) so wie die später zu erörternde
Intercession ergänzend hinzutreten.
Der Wechsel begegnet im ältesten militärischen Regiment wie in
der ältesten Jurisdiction. Wenn auf dem gleichen Kriegsschauplatz
zwei gleich berechtigte Commandoführer neben einander stehen, so
wechselt der Oberbefehl von Tag zu Tag. Allerdings wird von dieser
Regel, deren Einhaltung Rom die Niederlage von Cannae verdankt,
praktisch wenig Gebrauch gemacht worden sein. Abänderung dieses
Wechsels durch Vereinbarung war zulässig und ist wahrscheinlich
häufig zwischen den beiden Consuln dahin getroffen worden, dass der
eine die Reiterei, der andere das Fussvolk und damit den Oberbefehl
übernahm. Sodann ist das Institut der Dictatur recht eigentlich dazu
122 Zweites Bach. Die Magistratur.
bestimmt die milit&rische Unzweckmässigkeit des Doppeloommandos
zu beschränken und in älterer Zeit ist davon, wo es Noth that, wohl
regelmässig in diesem Sinne Gebrauch gemacht worden. Endlich hat
die weiterhin zu erörternde Theilung der Truppen und der Kriegs^
gebiete wahrscheinlich schon früh bewirkt, dass zwei gleichberechtigte
Feldherren nicht leicht in die Lage kamen neben einander zu comman-
diren. — Von grösserer praktischer Bedeutung ist der Turnus im
städtischen Regiment gewesen. Die Jurisdiction geht um nach gewissen
der Zahl der betheiligten Beamten angepassten Zeitfristen und da
damit auch die Lictoren wechseln, wird dieser Wechsel auf die ge-
sammte Amtsthätigkeit in der Stadt zu beziehen sein. Die Givil-
jurisdiction wurde durch das licinische Gesetz vom J. 387 (367 v. Chr.)
anders geordnet; im Uebrigen ist der Wechsel wenigstens als Regel
wohl geblieben. Vereinbarung und Loosung werden in der städtischen
Amtsthätigkeit hauptsächlich nur zur Anwendung gekommen sein,
um die Folge der also successiv fungirenden Beamten festzustellen.
Nicht zu übersehen ist die qualitative Verschiedenheit des Wechsels
im militärischen und im städtischen Imperium; der zur Zeit zurück-
stehende Beamte hat dort zu gehorchen, hier nur sich der Function
zu enthalten. — lieber die Vollziehung derjenigen Amtshandlungen,
welche weder Cooperation noch Wechsel zulassen, zum Beispiel die
Greirung der Nachfolger, entscheidet schliesslich das Loos, wofern
nicht nach Vereinbarung der Goncurrent zurücktrat.
comMtenz. Dio dritte Form der Geschäftsbehandlung, die Theilung nach
Competenzen hebt die GoUegialität der Sache nach auf oder be-
schränkt sie mindestens auf die für die Beschränkung auf die engeren
Amtkreise erforderliche Uebereinkunft. Diese ist den GoUegen nicht
unbedingt erlaubt; es hat vielleicht kein Gesetz, aber eine gesetz-
gleiche Gewohnheit es den Consuln untersagt sich dahin zu verein-
baren, dass der eine das städtische, der andere das Feldherrnregiment
überninmit. Gemäss der früher (S. 100) erörterten verfassungs-
mässigen Zusammenschliessung der beiden Imperien vertauschen die
beiden Consuln das städtische mit dem feldherrlichen zwar nicht noth-
wendig gleichzeitig, sind aber doch regelmässig in dieser wie in jener
Function neben einander thätig. Mit dieser Einschränkung scheint, wie
über Abänderung des Wechsels und über Ausschliessung der Loosung,
so auch über gleichzeitige, aber getheilte Geschäftshandhabung die
Vereinbarung freigestanden zu haben, wobei auch zunächst durch Ver-
einbarung die Theilung festgestellt und dann um diese Theile geloost
werden konnte. Besonders häufig ist im Kriegsregiment also bei den
Truppen und wieder bei den Commandobezirken {prmnnciae) ein simol-
6. GoUegialit&t und Gollision der Beamten. 123
tanes, aber gesondertes Obercommando herbeigeführt worden. Bei
diesen Abmachungen, die mit den zwischen den Beamten und dem
Gemeinderath jährlich zu vereinbarenden militärischen und politischen
Massnahmen im engsten Zusammenhang standen, hat der Gemeinde-
rath auf die sachliche Theilung früh entscheidenden Einfluss gewonnen,
während er in die personale nach festem Herkommen nicht eingriff,
sondern es den Consuln überliess darüber sich zu vergleichen oder
zu loosen.
Wenn die auf Vereinbarung beruhende Geschäftstheilung zwar coueffuutät
nicht der vollkommenste Ausdruck der Collegialität , aber doch auf «»s^teiidier
diese basirt war, so wird dagegen durch gesetzliche Feststellung der **"p*^*"-
Competenz die Collegialität illusorisch. Dies trat bei dem Oberamt
ein, als durch die licinische Gesetzgebung eine dritte Stelle geschaffen
und diese insbesondere für die Kechtspflege bestimmt ward, und setzte
sich weiter fort, als successiv weitere Stellen für den gleichen Zweck
der hauptstädtischen oder der überseeischen Kechtspflege. eingeriehtet
wurden, wobei es keinen wesentlichen Unterschied machte, ob diese
Specialcompetenz den Beamten schon durch die Comitialwahl selbst
zugewiesen ward, wie dies bei der Einrichtung der dritten Stelle
geschah, oder ob, was bei den weiteren beliebt ward, die Wahlen auf
die Jurisdictionen allgemein gestellt und die einzelnen dann durch
das Loos unter die gewählten Beamten vertheilt wurden. Das Fun-
dament der oberamtlichen Collegialität, das volle Imperium eines
jeden Oberbeamten wurde allerdings auch bei diesen Einrichtungen
nominell festgehalten» indem man den beiden ersten Stellen nicht die
Jurisdiction selbst, sondern nur deren Ausübung untersagte, noch
weniger den später hinzutretenden Oberbeamten das Gommando nahm,
sondern nur durch die Vorschrift die Stadt während der Amtszeit
nicht zu verlassen oder auch von dem Gommando nur in dem über-
seeischen Sprengel Gebrauch zu machen dasselbe neutralisirte oder
localisirte. Aber die effective Collegialität des Oberamts war nichts
desto weniger durch diese Anordnungen beseitigt; es entstand damit
die schon früher (S. 120) bezeichnete sogenannte ungleiche, richtiger
nominelle Collegialität.
Bei der Einführung der Mehrstelligkeit in das Amt wird die zweck d«r
praktische Erwägung nicht gefehlt haben, dass die Stockung der utä?*'
Geschäfte bei Behinderung des Magistrats, welche namentlich bei
der fast gänzlich mangelnden Vertretung schwer empfunden werden
mosste, durch die Zweiherrschaft ferner gerückt ward. Aber das haupt-
sächliche Motiv für deren Einführung ist zweifellos die negative Con-
sequenz gewesen, die Schwächung des übermächtigen Königthums, die
124 Zweites Bach. Die Magistratur.
damit ermöglichte Brechung des Imperiums und tlberhaupt der Amts-
gewalt durch sich selbst. In der That war bei personeller Einheit-
lichkeit des Oberamts das Becht der Gemeinde sowohl wie die bürger-
liche Sicherheit des Einzelnen durch die ursprüngliche Fülle der könig-
lichen Gewalt so gefährdet, dass eine dagegen gerichtete principielle
Beform sich wohl erklärt. Die Mehrstelligkeit liess die Fülle unver-
ändert und machte die Brechung wenigstens möglich. Das Verhältniss
der privatrechtlichen Sammtmandatare zu einander ist nicht gleich-
massig geordnet; bei der testamentarischen Tutel genügt die Erklärung
eines einzelnen Vormundes, bei der agnatischen wird diejenige aller
Vormünder gefordert. Bei der magistratischen Collegialität ist der
Mittelweg eingeschlagen : der Befehl des einzelnen Magistrats genügt,
aber [der Widerspruch auch nur eines der CoUegen hebt ihn auf. Die
monarchische Vollgewalt ist dadurch ohne qualitative Schwächung in
den Stand gesetzt sich selbst zu beseitigen, das Unrecht, welches sie
anrichten kann, durch die gleichberechtigte Controle abzuwenden.
iiiterc«s8ion Dio ColUsion zwoior magistratischer Befehle, die Ausserkraft-
setzung eines solchen durch Gegenbefehl eines anderen Magistrats
oder nach dem römischen Ausdruck die Intercession kann vorkommen
entweder zwischen zwei im Verhältniss der Ueber- und der Unter-
ordnung zu einander stehenden Beamten (maior und minor potestas)
oder zwischen zwei gleich berechtigten Beamten. Beide Formen ge-
hören erst der republikanischen Epoche an.
bei Ueber- und Unterordnung der Magistraturen ist mit der Ursprung-
""^wiur liehen Einheitlichkeit des Amtes unvereinbar; die Ausserkraftsetzung
des von einem Gehülfen des Magistrats erlassenen Befehls durch diesen
selbst gehört so wenig hierher wie die Zurücknahme des Befehls durch
denselben Magistrat, da das Befehlrecht des Gehülfen aus dem seines
Mandanten abgeleitet ist. Die Unterordnung eines Magistrats unter
einen andern tritt zuerst auf in dem Institut der Dictatur, insofern
das Imperium des Dictators dasjenige des Gonsuls bricht; späterhin
wiederholt sich die gleiche Abstufung gegenüber dem Consul bei Ein-
richtung der Prätur. Im Feldhermregiment kann auch die hier zulässige
Stellvertretung zu dem gleichen Ergebniss führen ; wo ausnahmsweise
die Stellvertretung neben der gleichartigen wirklichen Magistratur fort-
besteht, ist sie schwächer als diese, weicht der Proconsul dem Consul.
Auf einem anderen Wege entsteht die Unterordnung durch die Um-
wandlung der Gehülfen des Oberamts in Magistrate : der Quästor ge-
horcht dem Consul ebenso wie der Eriegstribun , aber nachdem jener
sein Mandat unter Mitwirkung der Comitien empfängt, ist dies Ge-
horchen die Unterordnung des niederen Magistrats unter den höheren.
6. Collegialit&t und Gollision der Beamten. 125
Das Yerhältniss der gleichen Gewalten ist die eben entwickelte b«i gleicher
Collegi alitat. Danach hat der Consul die Interceasion gegen den
Consul wie der Quästor gegen den Quästor; zwischen Gewalten un-
gleicher Competenz findet sie nicht statt. Rangverschiedenheit ist
nicht Unterordnung ; der Censor ist angesehener als der Quästor, aber
nicht ihm vorgesetzt und kann seine Anordnung nicht cassiren.
Wesentlich erweitert wird der Kreis der zur Intercession berech- Tribani-
. cische Inter«
tigten Beamten durch das älteste verfassungsmässig anerkannte Sonder- ceasion.
recht der Plebs, das Intercessionsrecht ihrer Tribüne. Obwohl der Tribun
damals nicht und streng genommen niemals den Gemeindemagistraten
zugezählt worden ist und demnach das magistratische Befehlsrecht ihm
abgeht, wird ihm gegen jeden magistratischen Befehl das Verbietungs-
recht beigelegt und es ist diese tribunicische Intercession in solchem
umfang und mit solchem Nachdruck geübt worden, dass die eifective
magistratische dagegen zurücktritt.
Die Intercession ist wohl davon ausgegangen, dass für den in interceMion
Frage stehenden Act beide betheihgte Beamten competent sind; und competenz.
insofern das Unterlassen der Intercession als Zustimmung aufgefasst
werden kann, lässt sich sogar die coUegiale Intercession unter den
allgemeinen Begriff der Cooperation bringen. Aber es bleibt doch
zweifelhaft, ob der zur Zeit nicht fungirende Beamte als competent
angesehen worden ist ; und auf die Intercession der stärkeren Gewalt
passt diese Auffassung überall nicht. Auch der Dictator, welcher die
Civiljurisdiction nicht ausübt und der Consul, nachdem er gesetzlich
von deren Ausübung ausgeschlossen ist, behalten dem Prätor gegen-
über das Recht der Intercession, was sowohl auf das Recht der stärkeren
Gewalt wie auf die virtuell unverlierbare Fülle des Imperium zurück-
geht. Dem Volkstribun endlich fehlt die Competenz ebenso schlecht-
hin wie die Intercession ihm zukommt.
Die Intercession wird im Feldherrnregiment anders gehandhabt intercession
als in der Stadt. Die Abstufung der Gewalten, die Unterordnung des im^Kne«-
Prätors wie des Quästors unter den Consul kommt auch in jenem und "^™'* *
sogar vorzugsweise zur Anwendung; aber die collegialische und die
tribunicische Intercession finden in demselben keine Stätte. Wenn
ausnahmsweise zwei gleichberechtigte Feldherm neben einander stehen,
so tritt verfassungsmässig ein von dem städtischen qualitativ ver-
schiedener Turnus ein, welcher die Intercession ausschUesst (S. 122).
Insofern kann die Intercession mit Recht als eine dem städtischen
Regiment eigene Institution aufgefasst werden.
Auch in der Stadt sind der Intercession, deren absolute und rein schränken
negative Wirkung grosse Unzuträglichkeiten und Gefahren in sich cession.
126 Zweites Buch. Die Magistratar.
schliesBt, bestimmte allgemeine und zahlreiche specielle Schranken ge-
zogen. Bei der Zulassung der tribunicischen Intercession wurde sie dem
Dictator gegenüber ausgeschlossen, bei welchem die coUegiale von
selber wegfiel ; indess richtete sich begreiflicher Weise yor Allem da-
gegen der politische Ansturm und es scheint von diesem Privilegium
der Dictatur, wenn es auch nicht ausdrücklich abgeschafiPt ward, kaum
jemals nachhaltiger Gebrauch gemacht worden zu sein. Von grösserer
praktischer Bedeutung war die Umgrenzung des der Intercession
unterstehenden Gebiets. Alle nicht magistratischen Acte unterliegen ihr
nicht, namentlich nicht der Geschwornenspruch wahrscheinlich selbst
dann, wenn er von den grossen Geschwornengerichten des späteren
Rechts unter magistratischem Vorsitz gefällt wird; ebensowenig die-
jenigen magistratischen Acte, welche den einzelnen Bürger nicht be-
schweren, wie die Auspication, die Bestellung des Zwischenkönigs und
des Dictators, die Bestätigung der Yolksacte durch den patriciscben
Senat; selbst die censorische Schätzung und die censorische Notirung
werden, wohl weil ihnen die unmittelbare Rechtskraft fehlt, nicht unter
dieselbe gezogen. Dagegen unterliegen derselben die Vereinbarung des
Magistrats mit dem Senat nebst allen den Senatsbeschluss vorbereitenden
Handlungen y wobei indess einzelne Fälle, zum Beispiel die Senats-
beschlüsse über die den Consuln in der Kriegsfunction zuzutheilenden
Provinzen, durch Spezialgesetz ausgenommen sind; weiter alle die
Verhandlungen mit der Bürgerschaft einleitenden magistratischen An-
ordnungen, nur dass bei den Magistratswahlen wohl die tribunicische,
aber nicht die coUegialische Intercession zulässig ist. Gegen den ge-
fassten Beschluss der Bürgerschaft, Gesetz wie Wahl, kann nicht inter-
cedirt werden. In diesen Festsetzungen tritt das Bestreben hervor die
Intercession als Nomophylakie zu gestalten, aber nicht minder die durch
die ständischen Kämpfe hervorgerufene willkürliche Absteckung ihrer
Grenzen. Bestimmter zeigt sich namentlich bei der tribunicischen Inter-
cession die Tendenz auf diese Weise dem Missbrauch der Amtsgewalt
zu steuern, indem dem durch einen magistratischen Befehl beschwerten
Bürger auf Anrufen (appeUcUio) Rechtshülfe (auxürnm) gewährt wird.
Dahin gehören sämmtliche Acte der Giviljustiz so wie die des Ad-
ministrativverfahrens bei der Aushebung und der Steuereinziehung,
endlich die gesammte städtische Griminalrechtspflege und die Goerci-
tion. Wenn indess der Beamte bei einem solchen Verfahren Rathmänner
(consüttm) zugezogen hat, so ist die Intercession, wenn auch vielleicht
zulässig, doch nicht üblich^ da alsdann nicht wohl Beamtenwillkür
angenommen werden kann.
6. CoUegialitftt und Gollieion der Beamten. 127
Das Verfahren bei der Intercession ist die einfache Ausserkraft- wirkanff
der Intor*
Setzung des magistratischen Acts. Befugt dazu ist jeder einzelne o«fsioii.
der zur Intercession berechtigten Beamten und der Widerspruch der
GoUegen ist rechtlich gleichgültig, da die Ausserkraftsetzung nicht
wieder ausser Kraft gesetzt werden kann. Einer Motivirung bedarf
die Intercession nicht; in welcher Weise der Beamte, welcher sie
einlegt, sich von der Zweckmässigkeit derselben überzeugt hat, kommt
rechtlich nicht in Frage. Der Zeit nach soll die Intercession an den
Act, den sie ausser Kraft setzt, sich unmittelbar anschliessen ; eine
Maximal grenze für das Intervall muss, wenn nicht durch Gesetz, so
doch durch Herkommen fixirt gewesen sein.
Eine directe Nöthigung des Beamten, gegen den die Intercession ^^"{^^
gebraucht ward, sich ihr zu fügen liegt in der Intercession an sich iBt«.
nicht; als sie mit der Collegialit&t ins Leben trat, nahm der inter-
cedirende Consul dem Spruch des CoUegen eben nur die Rechtskraft.
Es ist wahrscheinlich auch der ursprüngliche Zweck der Institution
gewesen insbesondere den ungerechten Richterspruch lediglich un-
geschehen zu machen. Die tribunicische Momophylakie ruht auch
auf der einfachen Cassation. Indess die bloss cassatorische Wirkung
reicht schon im Civilprocess namentlich im Schuldverfahren praktisch
nicht aus und gegenüber der Coercition und der Aushebung und
zahlreichen anderen magistratischen Handlungen war sie illusorisch,
selbst wenn, wie wahrscheinlich, der Ungehorsam gegen die Inter-
cession von je her als Verletzung der Amtspflicht criminell strafbar
war. Es ist daher, als die durchaus von dem revolutionären Element
getragene tribunicische Intercession zu der collegialen hinzutrat, dem
intercedirenden Tribun das Recht oder was der Plebs als Recht er-
schien beigelegt worden den Ungehorsam des Beamten ebenso zu
brechen wie dieser den des Bürgers brach. Dasselbe gilt in allen
Fällen, wo die Intercession auf Grund der stärkeren Gewalt erfolgte,
da dieser gegenüber der niedere Beamte dem Privaten gleichsteht.
Für das Weitere verweisen wir auf den Abschnitt über das Zwangs-
und Strafrecht (Buch 4 Abschn. 2).
7. Amtsantritt und ROcktritt.
ursDrflng- Das römischo Amt ist der Anlage nach lebenslänglich ; das neben
i&ngiicbiceit der ältesten Magistratur mit fünftägiger Betagung auftretende Zwischen-
königthum charakterisirt sich als Ausbülf sstellung insbesondere dadurch,
dass dem Zwischenkönig das Treuwort nicht geleistet wurde. Alle
übrigen in die Königszeit zurückreichenden magistratischen und priester*
liehen Stellungen sind rechtlich der Gehülfenthätigkeit zuzuzählen und
insofern wohl aufzufassen als von Bechtswegen nicht fest betagt, aber
jederzeit widerruflich; eigentlich transitorisch ist nur die für die
Abwesenheit des Königs eingesetzte Stadtpräfectur.
Die Abschaffung des Königthums bestand wesentlich, neben der Be-
seitigung der Einheitlichkeit, in derjenigen der Lebenslänglichkeit der
Magistratur, und ebenso wird das Ende der republikanischen Ordnung
bezeichnet durch die Wiederaufnahme wie des einheitlichen so auch
des lebenslänglichen Begiments. Zum Wesen des republikanischen
Amtes, des hohen wie des niederen, des ordentlichen wie des ausser-
ordentlichen gehört eine von der Willkür des Beamten unabhängige
zeitliche Begrenzung. Wenn bei den ausserordentlichen mit constitui-
reader Gewalt ausgestatteten Aemtem, in älterer Zeit dem Decemvirat
für die Gesetzgebung, späterhin der sullanischen Dictatur für Gesetz-
gebung und Gonstituirung des Gemeinwesens und den analogen Ord-
nungen der caesarischen und der Triumvirakeit entweder die Ein-
haltung der Zeitgrenze von dem Belieben des Beamten abhängig ge-
macht ist oder der Endtermin ganz fehlt, so sind diese exceptionellen
Zustände eben nichts als Suspensionen der bestehenden Staatsordnung
und bestätigen nur die prindpielle Bedingtheit der Republik durch
die Befristung der Magistratur.
T'^itori- Die Befristung kann bei ausserordentlichen Aemtem sich auf
Mandat, dic Uobortragung eines transitorischen Geschäfts beschränken, zum
Beispiel der Weihung eines Tempels, der Gründung einer Colonie,
7. Amtsantritt und Rücktritt. 129
der Uebertragwg eines Gommandos. Da indesB in diesem Fall die
Beendigung des Amtes bis zu einem gewissen Grade von der Willkür
des Beamten abhängt, so wird diese Form für sich allein nur bei
politisch unwesentlichen Mandaten gebraucht, dagegen bei wichtigeren
Aufträgen, namentlich bei der Uebertragung eines Gommandos ver-
mieden oder in der Form der Promagistratur angewandt, deren In-
haber abzuberufen jederzeit möglich war.
' Bei den ordentlichen Aemtem durchaus und meistens auch bei B«ta«aDg.
den ausserordentlichen tritt die Befristung auf als Betagung. Bei
den nicht ständigen ordentlichen und den ausserordentlichen wird die
Betagung häufig mit dem transitorischen Mandat in der Weise ver-
bunden^ dass der Beamte entweder bei dessen Erledigung oder bei
Ablauf der Frist ausser Function tritt. So tritt schon der Zwischen-
könig ausser Function nach Vollziehung der Greirung des Königs
oder nach fünftägiger Amtsführung; der Dictator nach Erledigung
seines Auftrags oder nach sechs Monaten ; die Gensoren, wenn sie die
Schätzung vollzogen haben oder nach achtzehn Monaten. Hier also
ist die Betagung eine maximale. Die ständigen Beamten dagegen
fungiren regelmässig bis zu dem Endtermin, obwohl es ihnen nicht
verwehrt ist vor demselben das Amt niederzulegen (S. 83). Dass die
Befristung zwar sowohl für das städtische wie für das Kriegsregiment
zur Anwendung kommt, die Fortführung indess nicht des Amts, aber
der Amtsfunction über den Endtermin hinaus im städtischen Regiment
schlechthin ausgeschlossen, im feldherrlichen theils vorgeschrieben,
theils wenigstens zugelassen ist, ist bereits gezeigt worden (S. 99).
Obwohl für die Amtsfristen eine allgemeine Regel nicht besteht, AnnniMt.
überwiegt dabei die Annuität in der Weise, dass diese bei den
ständigen Aemtern durchaus zur Anwendung kommt und dass bei
exceptioneller Verlängerung der Feldhermgewalt ein längerer fester
Endtermin unzulässig ist. Die über diesen Termin hinausgreifenden
Imperien des Pompeius und der späteren Machthaber bezeichnen die
Agonie des republikanischen Regiments.
Das Amtjahr so wie die Amtfristen überhaupt werden nach dem Berechnong
officiellen Kalender in der Weise berechnet, dass weder dessen Neu- Amtsfrut.
jähr (1. März) noch die thatsächliche Ungleichheit der Kalender-
monate und der Kalenderjahre berücksichtigt, also jede Frist vom
Tage der Uebernahme des Amtes an bis zu dem gleichbenannten
des späteren Monats oder Jahres berechnet wird. Bei Ergänzung
eines unvollständigen GoUegiums galt indess der Endtermin des am
frühesten eingetretenen Beamten auch für die nachgewählten GoUegen,
B i n d i n g , Handbuch I. 3: Mommsen, Abriss des Bömischen Staatsrechts. 2. Anfl. 9
130 Zweites Buch. Die Magistratur.
und ebenso scheint der Antrittstag der Consuln der Regel nach auf
die übrigen Jahrbeamten mit bezogen worden zu sein, so dass die
Prätoren und wohl auch die Aedilen und die Quästoren, wenn sie
ausnahmsweise nicht mit den Gonsuln zugleich, sondern erst nach deren
Antritt ihre Function übernahmen, doch mit ihren Consuln zurück-
traten, wogegen in dem selbständigen Antrittstag der Magistrate der
Plebs, wenigstens der Tribüne ein Ueberrest dieses alten Staats im
Staate sich dauernd erhalten hat. Kalendarische Fixirung des Antritts-
tages ist bei dem Volkstribunat früh eingetreten; bei der aus dem
früher bezeichneten Grunde (S. 103) nach dem Sturz der Decemvirn
nicht mehr unterbrochenen Folge der Tribüne ist dafür von da an
der 10. December stetig eingehalten worden. Im Oberamt dagegen
Fixinair de« verschob sich die Amtjahrsberechnung von Rechtswegen durch jedes
^^^i*»*"- verspätete Antreten oder verfrühte Zurücktreten eines Consulpaars
und es bildeten also die Amtjahre weder eine feste Reihe, da zwischen
ihnen die InteiTegnalfristen ausfielen, noch eine Reihe gleicher Ein-
heiten ; die im Consulat zusammengefassten Abschnitte zweier Kalender-
jahre konnten verschiedener Länge sein und waren dem Anfang nach
unbestimmt, ausser etwa dass nach Herkommen die Consuln ihr Amt
regelmässig entweder mit dem Monatsanfang (kalendae) oder mit der
Monatsmitte (idus) antraten. Diese eigensinnige Handhabung des Amt-
jahres muss, namentlich in Verbindung mit der rechtlichen Jahr-
bezeichnung durch die Namen der Beamten, grosse chronologische Ver-
wirrung angerichtet und auch sonst arge Uebelstände herbeigeführt
haben, zumal da die an die gute Jahreszeit geknüpften ständigen Feld-
übungen und Feldzüge der Bürgerschaft einen Wechsel des Oberbefehls
während der Sommermonate kaum vertrugen. Indess scheint bis auf
den Beginn des hannibalischen Krieges principiell hierin nichts ge-
ändert zu sein : damals wurde der Antrittstag wenigstens thatsächlich
auf den 15. März fixirt, dieser aber dann abermals im J. 601 (153 v. Chr.)
zwei und einen halben Monat zurück auf den 1. Januar geschoben.
Von da an werden die Interregna dem Amtjahr zugezählt und aus
der Zeitrechnung beseitigt und tritt, wenn im Laufe eines Amtjahrs
beide Consulstellen erledigt werden, für den noch übrigen Jahresrest ein
Tteiiwiff des nachgewähltes Consulpaar ein. Die Theilung des consularischen Amt-
^jj^'" jahrs unter mehrere Collegien ist in republikanischer Zeit exceptionell,
seit dem Beginn des Principats aber Regel und es wird unter diesem
die Dauer der Function in ungleichmässiger, aber stetiger Steigerung
verkürzt. Es ist dies geschehen, um die Zahl der Consulare zu ver-
mehren, namentlich bei den auf solche beschränkten kaiserlichen Er-
7. AmtBantritt und Rücktritt. 131
nennungen fttr die Auswahl weiteren Spielraum zu gewinnen; das
Wesen des consularischeu Jahres wird dadurch nicht betroffen und
die eben erwähnte consularische Datirung hat sehr bald von der
Function abgesehen und das ganze Jahr nach den Consuln des 1. Jan.
benannt. — Das also fixirte Amtsjahr mit dem Neujahr des 1. Jan.
ist weiter unter Beseitigung des alten Märzneujahrs zuerst thatsäch-
lich und bald auch rechtlich zum Kalenderjahr geworden, wie es
dann sich weiter auf die Nachwelt vererbt hat und heute als Welt-
neujahr besteht. Dasselbe gilt gleichmässig auch für die Prätur und
die Aedilität, wogegen die Quästoren, wir wissen nicht seit wann,
schon an dem vorhergehenden 5. December ihr Amt übernahmen; es
mochte zweckmässig erscheinen, dass die neu eintretenden Oberbeamten
diese ihre hauptsächlichsten Gehülfen bereits angetreten vorfanden
und sofort ihre Dienste in Anspruch nehmen konnten. Der Antritt
des Beamten erfolgt immer von Rechtswegen, ohne dass es dazu eines
besonderen Willensacts desselben bedarf. Anfänglich durchaus und
principiell auch später fällt er mit der Greirung zusammen und tritt
er das Amt, nach dem römischen Ausdruck, von der Wahlstätte aus
{ex templo) an. Bei betagter Greirung indess muss der Eintritt des
Termins abgewartet werden und bei den ordentlichen ständigen Be-
amten der Republik bildet dies die Regel.
Die an den Antritt des Oberbeamten sich knüpfenden bürger- ^^o^iieo
liehen und religiösen Sollemnitäten, die Aufnahme der Fasces, die
Lösung der für das Gemeinwohl von Jahr zu Jahr den Göttern ge-
leisteten Opfergelübde und deren Erneuerung, die Abhaltung der
ersten Senatssitzung auf dem Gapitol, die Ansetzung und Vollziehung
der latinischen Nationalfeste in Lavinium und auf dem Albanerberg
haben staatsrechtlich keine wesentliche Bedeutung. Aber drei andere
den Antritt des Amtes begleitende Acte, die Einholung der göttlichen
Zustimmung zu der beginnenden Amtführung, die Abnahme des Treu-
worts der Bürgerschaft und die Ableistung des Beamteneides müssen
hier erörtert werden. Ihnen allen ist es gemein, dass der Beamte nicht
erst durch Vollziehung derselben in seine Function eintritt, sondern
sie vielmehr den geschehenen Antritt voraussetzen und der Beamte
nur verpflichtet ist baldmöglichst dazu zu schreiten.
Die Zustimmung der Götter zu der beginnenden Amtsführung a'J^*^^''"
holt der Beamte ein in der Stadt Rom bei Tagesanbruch durch Zeichen-
schau (auspicia). Es gilt diese Vorschrift für alle eigentlichen Beamten
ohne Unterschied des Ranges und es ist dieser Act also ein äusseres
Kriterium der Magistratur ; den Gehülfen, die keine eigenen Auspicien
9*
132 Zweites Buch. Die Magistratur.
haben, steht diese Zeichenschau nicht zu und ebenso wenig den
plebejischen Quasi-Magistraten. Die Zeichenschau muss, wie es im
Wesen des Acts liegt, baldthunlichst vorgenommen werden, also, wo
Creation und Antritt nicht zusammenfallen, am Morgen des ersten
Amtstags, wo beide zusammenfallen, wahrscheinlich am Morgen des
Folgetags. Verspätete Einholung wird möglichst vermieden worden
sein, wo dies aber nicht möglich war, wie zum Beispiel bei der
Greirung eines von Rom abwesenden Dictators, kann sie die Amts-
führung nicht suspendirt haben. Das Versagen der Zeichen kann in
der Theorie nur für den Beamten eine Gewissenspflicht begründet
haben das Amt niederzulegen; praktisch ist davon nicht bloss kein
Beispiel bekannt, sondern der Segen der Götter ist in der Weise
obligat geworden, dass, so weit uns von diesem Act berichtet wird,
die Götter das überhaupt günstigste Zeichen, den bei heiterem Himmel
von links nach rechts streichenden Blitz, von Jahr zu Jahr sämmtlichen
Beamten gewähren, so dass die Vögelschau rechtlich zur Himmels-
schau (de caelo servare) geworden ist.
^Trettwort^ lu ähulichor Weise ist der Magistrat gehalten der Bürgerschaft,
Schaft, welcher er vorzustehen hat, das Treuwort abzunehmen. Es geschieht
dies in den für die Vereinbarung, die lex zwischen Magistrat und
Bürgerschaft überhaupt gewiesenen Wegen durch Frage und Antwort,
wozu die Bürgerschaft in der Stadt oder innerhalb der Bannmeile
in der Regel nach den bürgerlichen Abtheilungen der Gurion (lex
curiata), ausnahmsweise, insbesondere für die Schatzungsbeamten,
nach den militärischen der Genturien (lex centuriata) zusammentritt
Erforderlich ist dies Treuwort eben wie die Anspielen für jeden
wirklichen Magistrat, während es weder dem nur interimistisch
fungirenden Zwischenkönig noch dem Priester noch den Vorständen
der Plebs geleistet wird ; diejenigen Beamten, welche befugt sind die
Bürgerschaft zu berufen, nehmen es dieser ab sowohl für sich selbst
wie für die nicht zur Berufung befugten Beamten. Gerichtet ist die
Frage auf die Leistung des durch die amtliche Function geforderten
Gehorsams und es kann die bejahende Antwort nicht verweigert
werden, da der Bürger zu diesem Gehorsam schon durch die Greation
selbst verpflichtet ist, derselbe auch dem vom Treuwort ausgeschlosse-
nen Zwischenkönig ebenso geleistet werden muss wie den zu diesem
Bestärkungsact befugten Magistraten. Darum wird dieser Act auch,
nachdem die effective Legislation den Gurien genommen ist (S. 28),
dennoch regelmässig von diesen vollzogen. Es gehört zu dem
Götzendienst der Formen, welcher mit dem realen Zusammenbrechen
der alten Ordnungen Hand in Hand ging, dass am Ausgang der
7. Amtsantritt und Rücktritt. 133
Republik den Beamten das Recht bestritten ward vor Abnahme des
Treuworts die Bürgerschaft für die Wahlen zu berufen und das mili-
tärische und jurisdictionelle Imperium auszuüben. Gleichzeitig er-
scheint der Act insofern als reine Formalität, als er nicht bloss für
alle Jahresbeamten zusammengefasst, sondern auch die einzelne Stimm-
abtheilung dabei ständig durch einen der magistratischen Officialen
repräsentirt wird.
Einen eigentlichen Beamteneid kennen die römischen Ordnungen b«»»*«»«»^
nicht. Dass nach entschiedener Wahl der wahlleitende Beamte, bevor
er die Greirung vollzog, dem Gewählten den Eid auf gewissenhafte
Führung des Amtes abnahm, war gebräuchlich, aber nicht rechtlich
erforderlich. Eidesleistung nach dem Amtsantritt kommt in den
letzten beiden Jahrhunderten der Republik in der Weise auf, dass
einzelne Yolksschlüsse den künftigen Beamten vorschreiben binnen
fünf Tagen nach dem Antritt sich auf die Einhaltung eidlich zu ver-
pflichten unter dem Präjudiz des Amtsverlustes. Diese in einen Act
zusammen gefasste Vereidigung auf eine gewisse Anzahl gesetzlicher
Vorschriften hat allmählich den Charakter eines Beamteneides ange-
nommen, namentlich nachdem zuerst Caesars Verfügungen und weiter
die der Kaiser allgemein in diesen Eid einbegriffen wurden.
Der Rücktritt vom Amt erfolgt, wenn er durch den Ablauf der K^öSSitÜf
Amtfrist erfordert wird, ebenso von Rechtswegen wie der Antritt, wo-
gegen, wenn der Beamte wegen Erledigung des ihm aufgetragenen
Geschäfts oder aus anderen Gründen vor der Zeit abtritt, selbstver-
ständlich er die Niederlegung des Amtes öffentlich zu erklären hat.
Dass auch im ersteren Falle der Beamte unmittelbar vor dem Rück-
tritt sich förmlich von der Bürgerschaft verabschiedet und zugleich
eidlich versichert wissentlich nicht gegen die Gesetze gehandelt zu
haben, ist üblich, aber nicht nothwendig und Rechtsfolgen knüpfen
daran sich nicht. Wider seinen Willen kann der Beamte nicht ge-
nöthigt werden sein Amt vor Ablauf der Frist niederzulegen; wenig-
stens sind vor dem Jahrhundert der republikanischen Agonie die
Beamten wohl öfter aufgefordert worden vor der Zeit abzutreten,
aber zu einer förmlichen Amtsentsetzung ist es nicht gekommen ; auch
die ursprüngliche Gleichstellung der Magistratur und der Bürgerschaft
fordert principiell die Unabsetzbarkeit wenigstens der Oberbeamten.
Die spätere Republik freilich hat in folgerichtiger Entwickelung der
comitialen Souveränetät die Abrogation des Amts auf diesem Wege
in der Theorie zugelassen und einzeln auch davon thatsächlichen Ge-
brauch gemacht. Auch dem niederen Beamten kann der höhere wohl
die Amtsführung untersagen, aber das Amt, das nicht er ihm verliehen
134 Zweites Buch. Die Magistratur.
hat, ihm nicht nehmen; nur den Reiterführer, dessen Stellung über-
haupt zwischen der magistratischen und der Hülfsthätigkeit schwankt,
weist der Dictator an von seinem Amte zurückzutreten.
An den Rücktritt des Beamten knüpfen sich die Fragen, wie weit
dadurch seine Amtshandlungen ihre Gültigkeit verlieren und inwiefern
er administrativ der Rechnungslegung und gerichtlich der Verantwort-
lichkeit für dieselben unterliegt.
BinfliMs des Sclbstverstäudlich berührt der Rücktritt des Beamten die von ihm
Rücktritts
oüui klit S^^^^S vollzogenen Amtshandlungen im Allgemeinen nicht, da dieselben
^der Amt»- ja im Rechtssinne Handlungen der Gemeinde sind. Aber ausgenommen
sind davon die rechtlich gestatteten, aber nicht vorgeschriebenen
Acte persönlicher Willkür. Das Ladungsrecht und das Recht der
Stellvertreteremennung erstrecken ihre Wirkung nicht über die Amts-
frist des Magistrats hinaus ; ist der ladende Beamte an dem betreffen-
den Tage ausser Function, so wird die Ladung nicht auf den Nach-
folger bezogen und ebenso wenig ist der Stellvertreter des abgegange-
nen Beamten der Stellvertreter des nachfolgenden. In gleicher Weise
haftet die Anordnung, welche der Beamte ohne gesetzliche Grundlage
vorgenommen hat (guae imperio continentur), an seiner Person und
bindet den Nachfolger nicht. Jede von der Willkür der Beamten
ausgehende Norm, also jedes Edict muss, um nach seinem Rücktritt
weiter zu gelten, von dem Nachfolger wiederholt werden. Es ist dies
namentlich für die Entwickelung des römischen Civilprozesses von
Wichtigkeit geworden, da der gerichtsleitende Magistrat nach römi-
scher Auffassung in der Determinirung und selbst in der Ausdehnung
der gesetzlichen Anordnungen eine weitgehende, aber durch diesen
ihren personalen Charakter wiederum wesentlich eingeschränkte Gom-
petenz gehabt hat.
K«ckiiiing8- YeiHichtung zur Rechnungslegung widerstreitet dem Wesen der
'^°'' römischen Magistratur. Weder das Königthum noch die Dictatur sind
derselben unterworfen und auch das ordentliche Oberamt nur indirect.
Von Rechtswegen verpflichtet dazu sind die Quästoren als Verwalter der
Staatskasse und zwar ursprünglich ohne Zweifel in der Weise, dass sie
nur ihren Mandanten, also den Oberbeamten Rechnung legten. Aber
seitdem die Quästoren nicht mehr von diesen allein, sondern unter
Mitwirkung der Gomitien ernannt wurden, hat die Rechnungslegung
insofern ihren Charakter verändert, als die städtischen Kassenführer
ihren Nachfolgern, die mit der Führung der Kriegskassen beauftragten
Quästoren der städtischen Hauptkasse Rechnung zu legen hatten und
in dieser Form die Rechnungen des Vorjahrs zunächst durch die Be-
amten des Folgejahrs und weiter durch den Senat controlirt wurden.
7. Amtsantritt and Rücktritt. 135
Da der Qaftstor für den Oberbeamten und nach dessen Anweisung die
Kasse führte, so lief die nominell quästorische Rechnungslegung der
Sache nach hinaus auf eine solche des Oberbeamten; da sie sich in-
dess nur auf die aus der Stadtkasse entnommenen Beträge erstreckte
und die in anderer Weise, namentlich aus dem Kriegsgewinne dem
Oberbeamten zufliessenden Gelder nicht nothwendig an die Quästoren
gelangten, so blieben insoweit die Oberbeamten in ihrer feldherrlichen
Stellung von dieser Controle frei^
Verantwortlich ist der Beamte für seine Amtshandlungen zunächst J^JJ^^
nicht mehr und nicht weniger und kaum anders als jeder Privatmann Beunten.
für sein Thun und sein Lassen.
Der auf die Provocation hinauslaufende ältere Griminalprozess,
sowohl der ursprüngliche wesentlich quästorische wie das durch den
Volkstribunat entwickelte Rechenschaftsverfahren werden auf das im
Laufe der Amtsführung begangene Verbrechen ebenso bezogen wie
auf jede Privathandlung, wenn auch begreiflicher Weise namentlich
das letztere am häufigsten gegen gewesene Beamte zur Anwendung
kam. Die Befreiung des Censors von der politischen Rechenschafts-
legung für seine Amtshandlungen ist eine Consequenz des zum Wesen
dieser Magistratur gehörigen freien Ermessens und überdies kein
gesetzliches Privilegium, sondern lediglich thatsächliche Uebung.
Dasselbe gilt von dem Civilverfahren in seinem ganzen die so-
genannten Privatdelicte einschliessen den Umfang; furtum und iniuria
in ihrem weiten römischen Sinne kann jeder Bürger oder Nichtbürger
auch gegen den Beamten einklagen und bis auf den Anfang des
7. Jahrh. d. St. wird formell in dieser Hinsicht kein Unterschied
gemacht zwischen dem Taschendieb und dem erpressenden Consul.
Damals ist für die Beamtenerpressung eine verschärfte Form des
Givilverfahrens aufgekommen und in der weiteren Entwickelung dieser
allmählich das alte Griminalverfahren ersetzenden Prozessform ist die
Verschärfung des Delicts durch die Beamteneigenschaft des Verbrechers
ein leitendes Motiv — auch das Verfahren wegen Unterschleifs öflfent-
licher Gelder, die quaestio peculatus und dasjenige wegen Landes-
verraths und was daran sich anschliesst, die quaestio maiestatis
richten sich vorzugsweise gegen Amtsmissbrauch.
Nur in Beziehung auf den Zeitpunct, in welchem der Schuldige
rechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, haben die Conse-
quenzen der magistratischen Hierarchie früh eine Scheidung zwischen
dem Beamten und dem Privaten herbeigeführt. Der Beamte kann
weder bei sich selbst noch bei einem Magistrat niederer oder gleicher
Gewalt, derjenige Beamte also, der keinen höheren bei sich hat, über-
136 Zweites Buch. Die Magistratur.
haupt erst nach seinem Rücktritt zur Verantwortang gezogen werden.
Für den niederen Beamten galt dies nicht; indess auch gegen ihn
wird einer solchen Klage regelmässig nur dann stattgegeben, wenn er
selber es wünscht, da der allgemeine Schutz der mit öffentlichen An-
gelegenheiten beschäftigten Personen vor Behinderung durch Prozess-
händel ihm regelmässig zur Seite steht.
8. Die magistratischen Eiirenreciite und Emolumente.
Von den Abzeichen und Ehrenrechten, welche die Magistrate der
Gemeinde dem Bürger gegenüber charakterisiren , können in dieser
kurzen Uebersicht nur die drei wichtigsten, die Ruthen und Beile, der
Purpur am Gewand und der Amtsstuhl berücksichtigt werden. Dass
dieselben, wenn auch in beschränktem Umfang, den Priestern mit den
Magistraten gemein sind, ist schon erwähnt worden (S* 88).
Die Ruthen und Beile, in Bündel (fasces) zusammengeschlungen, ^^^'^
sind der sinnliche Ausdruck des magistratischen Imperium, des An-
rechts auf Gehorsam und bei Versagung desselben der Befugniss den-
selben zu erzwingen (coercitiö) nöthigenfalls an Leib und Leben; die
Träger derselben (lictores) gehen darum dem Imperieninhaber von
Rechtswegen voraus und sind von dem öffentlichen Erscheinen des-
selben untrennbar. Diese Fasces sind zugleich, insofern in republi-
kanischer Zeit der Gonsul nur als Feldherr und in der Stadt nur der
Dictator die Beile führen darf, das Distinctiv zwischen dem militäri-
schen und dem ordentlichen städtischen Imperium (S. 98). Auch die
Abstufungen der Amtsgewalt finden in den Lictoren ihren greifbaren
Ausdruck. Die normale Zahl von zwölf Trägern — das ältere Decimal-
system ist in diesen Ordnungen nicht vertreten — drückt die Voll-
gewalt des Königs wie des Consuls aus und kommt nach augustischer
Ordnung auch dem Princeps zu. Die Doppelzahl ist in republikanischer
Zeit der Ausdruck der eminenten Gewalt des Dictators und späterhin
nach der charakteristischen Neuerung Domitians derjenigen des
Kaisers. Die Hälfte der Normalzahl bezeichnet die ebenfalls ober-
amtliche, aber schwächere Gewalt des Reiterführers und des mit
militärischem Imperium fungirenden Prätors; die Fünfzahl in der
Kaiserzeit ein abgemindertes prätorisches Commando; die Zweizahl
das städtische Imperium des Prätors und in der Kaiserzeit dasjenige
einer Reihe neu für Rom und Italien geschaffener Beamten. Allen
138 Zweites Buch. Die Magistratur.
aus der Gehülfenschaft entwickelten Beamten, selbst den Gensoren
und um so mehr den Quasi-Magistraten der Plebs mangelt wie das
Imperium so auch der Lictor.
to^nr am Das Gowaud ist dem Magistrat mit dem Bürger gemein ; aber die
rothe Farbe des Gewandes ist das Vorrecht und das Kennzeichen der
Magistratur. Befugt zu dieser Auszeichnung sind alle zur Führung von
Lictoren berechtigten Beamten und von den niederen die Gensoren
und die curulischen Aedilen, nicht aber die im Rang unter diesen
stehenden Gemeindebeamten und ebenso wenig die Vorsteher der
Plebs. Der Gegensatz des militärischen und des städtischen Im-
perium findet in republikanischer Zeit seinen Ausdruck auch in der
Tracht, insofern das rothe Gewand, welches der König wohl wie im
Felde so auch in der Stadt getragen haben mag, jetzt auf das militä-
rische Imperium beschränkt ist; hier hat aus dem kurzen purpur-
farbigen Kriegskleid sich die Feldhermschärpe (päludamenium) ent-
wickelt und daraus ist, als die Feldherrngewalt zum kaiserlichen
Reservatrecht ward, der Kaiserpurpur geworden. Aus der Stadt
war die rothe Amtstracht verbannt; die überhaupt zur Führung des
Purpurs berechtigten Magistrate trugen dort nur an dem weissen
Bürgergewand den rothen Saum (toga praetexta). Nur bei dem Auf-
zug des siegreichen Magistrats auf das Gapitol durfte das rothe
Kriegskleid und der volle Krieger- und Siegerschmuck in der Stadt
sich zeigen.
B«Mikt«n. Für den Verkehr zwischen dem Beamten und dem Bürger gilt
im Allgemeinen die Regel, dass, wo die Beschaffenheit des Acts es
gestattet, der Beamte sitzt und der Bürger steht. Dies erstreckt sich
selbst auf die öffentliche Hülfsthätigkeit , wie sie der Geschwome
leistet, und auf die plebejischen Quasi - Beamten ; wo diese indess in
der Mehrzahl thätig sind, sitzen sie auf Bänken (sttbseUia). Der
Einzelsitz dagegen ist das Kriterium der Magistratur und kommt selbst
dem Quästor in seiner amtlichen Thätigkeit zu. Die höheren Ord-
nungen werden ausgezeichnet durch die Form des Einzelsitzes. Zwar
der Lehnsessel, der vielleicht als Königssitz in Gebrauch gewesen ist,
ist in republikanischer Zeit verschwunden; aber der curulische Stuhl,
ein transportabler Elfenbeinstuhl ohne Lehne von bestimmter Form
kommt gleich dem Purpursaum den Imperienträgem so wie den Gen-
soren und den patricischen Aedilen zu.
Eiuren- Dio magistratischeu Ehrenrechte haften, wie der Amtstitel, nicht
^ 'des ^ an der Person , sondern an dem Amt und in republikanischer Zeit
^^nf wird im Allgemeinen weder dem gewesenen Beamten die Fortführung
noch dem Nichtbeamten die Führung derselben gestattet. Indess ist
8. Die magistratischen Ehrenrechte und Emolumente. 139
wohl schon früh hiervon die Ausnahme gemacht worden, dass bei
öffentlichen Festlichkeiten, wobei die Bürger die von Gemeinde-
wegen ihnen verliehenen Dekorationen, insbesondere die Ehrenkränze
fahrten , den gewesenen Magistraten ebenfalls gestattet . wurde das
früher getragene magistratische oder Triumphalgewand wiederum anzu-
legen, und insofern kann die Führung der Praetexta als lebensläng-
liches Ehrenrecht aufgefasst werden. In noch weiterem Umfang ist
das Magistratsgewand als Todtenkleid für die Bestattung zugelassen
worden. — Beilegung der Ehrenrechte des Amts ohne dieses selbst ist^MPriTÄten*
in republikanischer Zeit nur insofern vorgekommen, als, wenn Volks-
feste, wie sie die Magistrate zu geben pflegten (S. 93), von einem
Privaten angerichtet wurden, dem Festgeber die Führung zwar nicht
des magistratischen Titels, aber der magistratischen Insignien, selbst
der Lictoren für die Dauer der Festlichkeit verstattet zu werden pflegte.
In der Kaiserzeit ist es aufgekommen Personen, die das Amt nicht
geführt hatten und häufig nicht einmal führen durften, die nach
dessen Führung dem gewesenen Beamten verbleibenden Ehrenrechte
(orfMmenia z. B. praetaria) ausnahmsweise beizulegen.
Die Dienerschaft der Beamten ist namentlich für den städtischen Magutrati-
sche Diener-
Amtkreis fest geordnet. Verwendung von Sclaven für öffentliche •<*»«•
Leistungen hat bei den Wasserleitungen, bei dem Löschdienst, bei
Hausdienerthätigkeit und sonst stattgefunden; freie Nichtbürger
schlechtesten Bechts (Bruttiani) sind in der späteren Bepublik ausser-
halb Boms als Subalterne gebraucht worden. Aber für die Beziehungen
zwischen den Magistraten und den Bürgern werden Unfreie und Fremde
nicht verwendet; sogar bei der Kasse, deren Verwaltung in dem
römischen Hauswesen der historischen Epoche durchgängig Sklaven
anvertraut wird, da diese zu strengerer Verantwortung gezogen werden
können, werden nach den Ordnungen der Gemeinde, ohne Zweifel
nach dem Muster der alten ehrbaren Hausordnung, so viel wir wissen
ausschliesslich, freie Leute verwendet. Gewesene Sklaven freilich sind
von diesem Gemeindedienst nicht ausgeschlossen, welcher gelöhnt
wird und wie anderer Lohndienst in geringem Ansehen steht (S. 112);
aber schon die Art der Stellenbesetzung bringt es mit sich, dass die
Freigelassenen des fungirenden Magistrats dabei keineswegs berück-
sichtigt werden, ausser dass dem Oberbeamten gestattet ist einen seinem
Hausgesinde entnommenen Freigelassenen, den Accensus, seinem Amts-
gesinde einzuverleiben. Der Contract, auf dem dieser Dienst beruht,
wird auf das Amtsjahr gestellt und durchgängig von den abtretenden
Beamten für das Folgejahr abgeschlossen, so dass der antretende Be-
amte die Subalternen bereits vorfindet und nur den Accensus selber
140 Zweites Buch. Die Magistratur.
bestellt. Wiederannabme derselben Person ist nicht bloss zulässig,
sondern in dem städtischen Snbalterndienst früh Kegel geworden,
woraus sich dann die factische Lebenslänglichkeit, ja die Verkäuflich-
keit der hauptstädtischen Officien und die corporative Geschlossenheit
ihrer Officialen entwickelt hat. Ausser den schon erwähnten Lictoren
erscheinen unter diesen Subalternen besonders die Boten (viatares),
zunächst bestimmt für die Ueberbringung der magistratischen Kund-
gebungen an die einzelne Person, und die Ausrufer (praecones), zu-
nächst zur Verkündigung der für das Publicum insgemein bestimmten
obrigkeitlichen Mittheilungen; daneben finden sich für die sacralen
Verrichtungen Flötenbläser (ttbicines), Hühnermänner (jndlarii), Ein-
geweidebeschauer (hartispices) und andere Lohngehülfen mannichfaltiger
Art. Die wichtigste und angesehenste Kategorie aber bildeten die
bei dem Aerarium fungirenden Schreiber (scribae), welche von ihren
nächsten Vorgesetzten, 'den Quästoren und den curulischen Aedilen
den Namen tragen, in der That aber, insofern sie nicht bloss die
Staatsrechnungen führen, sondern die öffentlichen Listen und die
öffentlichen Urkunden insgesammt unter sich haben, der Magistratur
überhaupt und in erster Reihe den Gonsuln Hülfsdienst leisten. Das
gesammte öffentliche Rechnungswesen ist, namentlich in Folge der
Behandlung der Quästur als Jahr- und als Anfangsamt, diesen factisch
dauernden Subalternen anheimgefallen ; in welchem Grade dies der Fall
war, tritt deutlich darin hervor, dass zur Verrechnung der grossen
aus dem Aerarium den Provinzialstatthaltem vorschussweise gezahlten
Summen ausser den den Statthaltern zugeordneten Quästoren noch
einem jeden zwei quästorische Schreiber beigegeben wurden, um in
den Provinzen die Verausgabung und Verrechnung dieser Gelder zu
beaufsichtigen.
Yergatimg Bezahluug für die ihr gemachten Leistungen gewährt die Ge-
^'SelÄ**"nieinde, insoweit dieselben auf besonderem Vertrag beruhen, zum
Beispiel dem Unternehmer öffentlicher Arbeiten und dem Lictor.
Weiter ist für den Kriegsdienst wohl von jeher durch die einzelnen
Bezirke und schon früh aus dem Gemeindesäckel selbst Vergütung
gewährt worden. Auch dem Beamten mag , insofern er zugleich
Kriegsdienst leistet, von Rechtswegen der Sold, und zwar der höhere
des Reiters zugekommen sein ; aber einen besonderen Offiziersold kennt
die römische Ordnung nicht und vielleicht war derjenige Offizier, der
zugleich Magistrat war, eben darum gehalten den Dienst unentgeltlich
zu leisten. Ueber den Sold hinaus soll der Gemeindedienst dem
Leistenden vermögensrechtlich weder Einbusse noch Vortheil bringen.
Thatsächlich indess ist für den Beamten beides vielfältig eingetreten
8. Die magistratischen Ehrenrechte und Emolumente. 141
und zwar überwiegend Aufwendung bei der städtischen, Nutzung bei
der auswärtigen Amtsführung.
In der städtischen Amtführung wird im Aligemeinen die Regel ^^^j^^ ^^
durchgeführt, dass was für die Amtführung gebraucht wird, die Ge- jj^"\'^J|[«^^
meindekasse belastet und was die Amtführung einbringt, für die Ge-
meinde zu verwenden ist. Aber in Betreif der Volksfeste, so weit diese
von den Beamten auszurichten waren (S. 93), ist diese Regel bald bei
Seite gesetzt worden. Es kam früh auf oder galt vielleicht von jeher,
dass ihnen dafür eine feste Summe aus der Gemeindekasse überwiesen
und weder Rechnungslegung und Restzahlung gefordert noch Nach-
schuss gewährt ward, etwaiger Gewinn und Verlust also den aus-
richtenden Beamten persönlich traf. Wenigstens in historischer Zeit
ist diese Summe so niedrig bemessen, dass der Beamte damit nicht
ausreichte, vielleicht nicht ausreichen konnte und Zuschuss aus eigenen
Mitteln, wenn auch formell als Munificenz gefasst, vielmehr im Wesen
der Institution lag. Bei dem immer steigenden Wettbewerb um die
Aemter und bei dem mehr und mehr sich einbürgernden Missbrauch
den persönlichen Zuschuss zu den Volksfesten und die Wahl zum
Gemeindeamt gewissermassen als Leistung und Gegenleistung zu be-
handeln ist dies einer der hauptsächlichen Hebel der Plutokratie der
späteren Republik geworden. Die Kaiserzeit machte dieser ungesunden
Ambition ein Ende.
Die ausserhalb Rom fungirenden Beamten oder Beauftragten der Emoiamente
Gemeinde erhielten was sie brauchten theils durch Geldzahlung aus Mag istntiir.
der Gemeindekasse, welche meistens vorschussweise geleistet ward
und je nach Umständen die Verrechnung ein- oder ausschloss, theils
ergänzend mittelst des ihnen zustehenden Requisitionsrechts, wobei also
der Anlage nach auch sie weder verloren noch gewannen. Thatsäch-
lich aber wurde die letztere Befugniss, auch von eigentlichen Er-
pressungen abgesehen, durchaus zum Vortheil der römischen Beamten
gehandhabt. Es kam hinzu, dass in grosser Ausdehnung den Beamten
überlassen ward die Bedürfnisse sich selber zu beschaffen gegen eine
hier durchgängig zu ihrem Nutzen hoch gegriffene Geldentschädigung.
Dahin gehört das den Gesandten der Gemeinde ausgeworfene Reise-
geld (viaticum), die dem Statthalter zugebilligten Ausrüstungsgelder
(vasarium), die den Unterbeamten und Gehülfen von ihren Vorstehern
ausgesetzten Tagegelder (cibaria) so wie die analogen geradezu als
Gratificationen auftretenden Salz- (salarium) und Weingelder (con-
giarium), welche dem Oberbeamten gestattet ward bei der Rechnungs-
legung zu liquidiren. Hauptsächlich auf diesem Wege hat der römische
142 Zweites Buch. Die Magistratur.
Beamtenadel die politische Machtstellung des Staats für seine private
Bereicherung ausgenutzt und in Gemeinschaft mit der kaufmännischen
Speculation die finanzielle TJebermacht der herrschenden Nation herbei-
geführt. Auch hier aber hat der Principat ernstlich eingegriffen und
das altere an sich fehlerhafte und durch schweren Missbrauch herab-
gewürdigte System dadurch ersetzt, dass für die ausserhalb Roms
fungirenden Beamten die principielle Unentgeltlichkeit aufgegeben und
hoch gegriffene Besoldungssatze dafür eingeführt wurden.
9. Steilvertreter. GehDIfen. Rathmänner.
Das Befehlsrecht des Beamten dem Bürger gegenüber kann ebenso Beunten-
unmittelbar ausgeübt werden wie durch Vermittelung, durch Mandat.
Auf diesem beruht einerseits die Hülfsthätigkeit bei der Magistratur,
andererseits die magistratische Stellvertretung. Ohne Verwendung
von Gehülfen kann Amtführung überall nicht gedacht werden. Die aehflifen.
römischen Ordnungen unterscheiden, nicht terminologisch, aber sach-
lich, die Gehülfen höheren und niederen Ranges oder, genauer ge-
sprochen, die unentgeltlich fungirenden Gehülfen, bei deren Thfttigkeit
die Erfüllung der Bürgerpflicht vorwaltet, wie die Geschwornen und
die Offiziere, und die bezahlten, bei welchen das Lohnverhältniss
wenigstens mit in Betracht kommt, wie die Apparitoren und die Sol-
daten. Die hier eingreifenden Ordnungen sind freilich mit der speciellen
Organisation des Gemeinwesens so verwachsen, dass sie in dem all-
gemeinen Staatsrecht keinen Platz finden können, die Geschwomen-
ordnung zum Beispiel dem Prozess, der Soldatendienst der Darstellung
des Kriegswesens verbleiben muss. Die höheren Gehülfenstellungen
femer sind zum guten Theil in anderer Verbindung zu erörtern, da
aus ihnen die niedere des Imperiums entbehrende Magistratur hervor-
gegangen ist. Dennoch wird die Behandlung des mittelbaren Befehls-
rechts auch in der allgemeinen Darstellung der Magistratur nicht über-
gangen werden dürfen. Die Bindung derselben einerseits durch die
gesetzliche Untersagung, andererseits durch die gesetzliche Anordnung
der Mandirung gehört zu den ältesten und eingreifendsten Schranken
der Beamtengewalt; hauptsächlich auf diesem Moment ruht der Gegen-
satz der königlichen Gewalt und derjenigen der republikanischen Magi-
stratur, wie die Römer sie auff assten ; und ebenso findet der Gegensatz
des städtischen und des militärischen Imperium praktisch vor Allem
seinen Ausdruck in der verschiedenen Behandlung der Stellvertretung
und der Gehülfenschaft. Auch für das Verhältniss, in welchem die
144 Zweites Buch. Die Magistratur.
magistratische Selbstthätigkeit und die Macht der Gehttlfenschaft, das
heisst die Bureaukratie in dem römischen Gemeinwesen zu einander
gestanden haben, ist es nothwendig das mittelbare Befehlrecht von
allgemeinerem Standpunct aus zu betrachten. Wenn in republi-
kanischer Zeit die Bureaukratie nicht zur Entwickelung gelangt
ist, so beruht dies, neben der durch das unfreie oder halbfreie
Gesinde verstärkten Macht des Individuums, vor allem darauf, dass
der Gehfilfenstellung die Ständigkeit ebenso wenig zukam wie der
Magistratur, Berather, Geschworne, Offiziere mit dieser selbst stetig
wechselten. So wie dieser Wechsel wegfiel, wie dies bereits in republi-
kanischer Zeit bei den magistratischen Schreibern eintrat, beginnt
sofort das bureaukratische Element sich zu entwickeln und unter dem
Principat, wo derselbe mehr und mehr zurücktrat, ist es allmählich
zu derjenigen Macht erstarkt, die schliesslich im Byzantinismus das
eigentliche Regiment lahm legt.
st«u. Stellvertretung im vollen Sinne des Worts durch Mandat des
Ter re ung. ^^gig^-^^^g Q^^g j[q ^q^ Köuigszoit allgemein zulässig gewesen sein, das
heisst dem König freigestanden haben bei Behinderung namentlich
durch Abwesenheit oder Krankheit seine Amtsthätigkeit einem Vertreter
zu übertragen. In der republikanischen Ordnung erscheint ein der-
artiger Stellvertreter nur in einem einzigen Falle und zwar hier ent-
wickelt aus dem Gegensatz des städtischen und des militärischen Imperium
und der nothwendigen Gontinuität des ersteren. Wenn der oder die
Oberbeamten die Grenze des ursprünglichen Stadtgebietes überschreiten
und das städtische Amt länger als einen Tag factisch vacant ist, muss,
wer zuletzt aus dem Gebiet austritt, für die Dauer der Abwesenheit
von der Stadt einen Stadtverweser (praefectus urbi) bestellen, um
überhaupt die oberamtlichen Befugnisse auszuüben, vornehmlich aber
die Jurisdiction ohne Unterbrechung wahrzunehmen. Diese Institution
weist sowohl durch ihre monarchische Gestaltung wie durch ihre
Anlehnung an die älteste Gebietsgrenze in die Königszeit zurück, und
daraus wird es sich auch erklären, dass der Stadtverweser, obwohl
sein Imperium ein abgeleitetes ist, dennoch als Magistrat betitelt und
behandelt wird. Aber sowohl die Stellvertretung durch freies Mandat
wie nicht minder die Ausübung magistratischer Gewalt durch eine ohne
Mitwirkung der Comitien ernannte Person ist nicht im Einklang mit
der republikanischen Entwickelung und in Folge dessen diese Stadt-
meisterstellung in ähnlicher Weise wie die Dictatur früh ausser Kraft
gesetzt worden. Schon dem Gonsulartribunat wurde das consularische
Recht der Stellvertreteremennung versagt und bei der Beseitigung
jener Magistratur dasselbe auch den Consuln entzogen. Die Conti-
9. Stellvertreter. Gehalfen. Rathmänner. 145
nuität insbesondere der Jurisdiction wurde durch die Stellenvermehrung
bei dem Oberamt erreicht, indem von den Kriegstribunen immer einer
in Bom zurückBlieb und bei deren AbschaflFiing den beiden Consuln
ein dritter speciell für die Rechtspflege bestimmter und für die ganze
Amtszeit an Bom gebundener College zugegeben ward. Nur während
des in dem ehemaligen Gebiet von Alba gefeierten latinischen Festes,
dessen Ritual die Anwesenheit der gesamten römischen Magistratur
erforderte, wurde noch nach altem Herkommen ein Stadtverwalter
ernannt. Davon abgesehen ist im städtischen Regiment das ursprüng-
lich dem Oberamt zustehende Recht sich durch freies Mandat einen
Vertreter zu bestellen seit Einrichtung der Stadtprätur verfassungs-
mässig beseitigt. Selbst wenn die Stadtprätur durch den Tod des
Inhabers erledigt war oder der Stadtprätor ausnahmsweise ausserhalb
Roms fünctionirte, griff man nicht zurück auf die alte consularische
Mandirung, sondern lies das Amt vacant. Zulässig ist dagegen im
städtischen Regiment die collegialische Mandirung; seit in demselben
mehrere Prätoren mit getheilter Gompetenz neben einander fungiren,
können diejenigen, die nicht so wie der Stadtprätor von Rechtswegen
an die Hauptstadt gefesselt sind, diesem ihre städtische Amtsthätig-
keit übertragen, da diese Stellvertretung wohl eine Verschiebung der
Amtsgeschäfte, aber keine Uebertragung derselben an Nichtbeamte
herbeiführt. Durch diese Anordnungen in Verbindung mit der stricten
Durchführung des Annuitätsprincips und des Interregnalsystems im
städtischen Amtsgebiet ist die entwickelte Republik dahin gelangt,
dass die Amtsthätigkeit, wie sie verfassungsmässig feststeht, in der
Stadt lediglich durch wirkliche Beamte ausgeübt wird oder, wie dies
auch ausgedrückt werden kann, dass in der Stadt die Promagistratur
(S. 87) nicht functionirt.
Wenn also in der Stadt das Imperium allgemein nicht mandirt Hudiniiv
werden durfte, so gilt für die einzelnen auf dem Imperium beruhen- ^JJ^äf*
den Handlungen in derselben das Gesetz, dass der Imperien-
träger den Act entweder selber vollziehen muss oder ihn selber
nicht vollziehen darf, die amtliche Hülfsthätigkeit also entweder
gesetzlich ausgeschlossen oder gesetzlich nothwendig ist. Wenn
nach der allerdings weniger auf Tradition als auf Gonstruction be-
ruhenden römischen Rechtsanschauung es dem König freisteht im
Strafverfahren wie im Givilprozess selber den Spruch zu finden und
die Hülfsthätigkeit bei ihm facultativ gedacht wird, so erscheint
das Regiment mit also rechtlich gebundener Mandirung als das
eigentliche Wesen der republikanischen Amtführung, als imperium
legitimum oder iusium. Wesentlich ist dabei die Normirung der von
Bin ding, Handbaeh. 1. 8: Mommsen, Ibriaa d. BOmlsohen SUatsreehts. 2. lofl. 10
'
146 Zweites Bach. Die Magistratur.
dem Magistrat zu verwendenden Gehülfen nach Zahl und Art. Dass
die zunächst zur Unterstützung seiner persönlichen Th&tigkeit ihm
beigegebene Dienerschaft insbesondere für den städtischen Amtkreis
nach festem Schema geordnet war, ist bereits (S. 139) ausgeführt
worden; analoge Bestimmungen für die nicht auf diese Weise toU-
ziehbaren Amtsgeschäfte werden weiterhin entwickelt werden.
Es erscheint nothwendig die Behandlung der Hülfsthätigkeit im
städtischen Amtsgebiet für die wichtigsten Zweige der magistratischen
Thätigkeit zu spedalisiren.
Anspicien, Der Vcrkchr mit den Göttern im Wege der Auspicien so wie die
Senat. Verhandlung mit der Bürgerschaft und dem Senat können überall
nicht mandirt werden. Eine Ausnahme in Betreff der Bürgerschaft
wird sogleich bei der Strafgewalt erwähnt werden.
coerdtion Die lu dem Imperium enthaltene Zwangsgewalt ist selber eben-
und Stmf-
gewait. falls der Mandirung entzogen, während die Execution derselben, in-
sofern sie die Vergewaltigung des Ungehorsamen (coercitiö) erfordert,
an die geordnete Form der Apparition gebunden ist. Dagegen unter*
liegt die Strafgewalt, insofern sie Leib und Leben des Bürgers an-
greift, der obligatorischen Mandirung, indem der Imperienträger weder
selbst das Urtheil finden darf noch im Fall der eingelegten Provo-
cation dasselbe gegenüber der Bürgerschaft vertritt. Vielmehr hat er
hiefür, und zwar nach festen Formen, Mandatare zu bestellen, aus
denen früh, in Folge der darauf erstreckten Volkswahl, untergeordnete
Beamte geworden sind, wie dies bei der Strafrechtspflege (Buch 4
Abschn. 2) weiter darzulegen sein wird. In diesem Fall ist auch die
Berufung der Bürgerschaft durch die eben bezeichneten Mandatare
zulässig und geboten, und nicht minder ist der Gonsul verpflichtet
für die Handhabung der den Genturien vorbehaltenen Capitaljuris-
diction dem für deren Berufung von Amtswegen nicht competenten
Volkstribun auf dessen Verlangen das erforderliche Mandat zu ertheilen.
ciTiiproMss. Die Rechtspflege bei Streitigkeiten zwischen Privaten theilt sich in
die Prozessregulirung (iuris dictio) und die Urtheilsfindung (iudicium);
bei jener ist die Mandirung im Allgemeinen ausgeschlossen, bei dieser
geboten. Indess bedürfen beide Regeln näherer Bestimmung.
Die Jurisdiction steht im städtischen Regiment bei dem oder den
in Rom dafür thätigen Prätoren und den curulischen Aedilen; Man-
dirung ist, abgesehen von der collegialischen (S. 146), dabei ausge-
schlossen. So weit dagegen die Regel, dass es, von den Provinzen
abgesehen, kein römisches Gericht giebt ausserhalb Rom, in der
späteren Republik durchbrochen ist durch die Volksschlüsse, welche
in einer Anzahl italischer Ortschaften die Einsetzung von Gerichts-
9. Stellvertreter. Gehülfen. Rathmänner. 147
yerwesern (praefecti iure dicundo) anordneten, tritt die obligatorische
Mandirung ein: der Prfttor ernennt, zum Theil späterhin nach Be-
fragung der römischen Gomitien, diese seine Vertreter. In gleicher
Weise ist wahrscheinlich die nach der Aufnahme ganz Italiens in den
römischen Bttrgerverband den einzelnen Städten eingeräumte be-
schränkte Jurisdiction (S. 76) rechtlich aufgefasst worden als* prä-
torische durch die municipalen Gomitien gebundene Mandirung:
Dass die Urtheilfindung den Magistraten schlechthin entzogen ist,
gehört zu den Palladien der republikanischen Ordnung; es erstreckt
sich dies sogar auf denjenigen hauptstädtischen Civilprozess, bei
welchem beiden Parteien das Bürgerrecht mangelt und auf den spä-
teren aus dem Givilrecht entwickelten republikanischen GriminaK
prozess (quaestianes perpetuaeX denn wenn gleich bei diesem vielfach
der Magistrat den Prozess nicht bloss regulirt, sondern auch leitet,
so ist er darum nicht weniger von der Urtheilsfindung ausgeschlossen.
Die Auswahl der Richter steht dem Magistrat zu und wenn bei dem
Freiheitsgericht der Zehn- (decemviri Utibus iudicandis) so wie bei dem
Diebstahlsgericht der Dreimänner (tres viri noctumi), wahrscheinlich
auch bei dem Erbschaftsgericht der Hundertmänner (centumviri) die
magistratische Auswahl durch die Mitwirkung der Bürgerschaft ge-
bunden worden ist, so sind bei den Prozessordnungen für die Be-
stellung des Einzel geschworenen (iudex unus) und der Geschwornen-
coUegien (recuperatores) dem magistratischen Emennungsrecht nur
bestimmte Directiven gegeben. Der Untergang der Urtheilfindnng
durch Private und die unter dem Principat allmählich dafür ein-
tretende magistratische sind der rechte Ausdruck des Endes des re-
publikanischen Gemeinwesens.
Die Verzeichnung der dienstpflichtigen und die Einschätzung der censos.
steuerpflichtigen Bürger hat nach älterer Ordnung der Imperienträger
nothwendig selbst zu vollziehen, wogegen späterhin eigene Unter-
beamte dafür eintreten, bei welchen, da sie von Haus aus durch die
Gomitien bezeichnet werden, der oberamtliche Auftrag nicht hervor-
tritt, obwohl ohne Zweifel im Rechtssinn auch sie als obligatorische
Mandatare der Gonsuln zu fassen sind, die ihre Wahl bewirken. Die
ursprüngliche Ordnung hat sich insoweit auch später behauptet, als
die in dieser Gompetenz enthaltenen continuirenden Amtsgeschäfte
dann, wenn eigene Schatzungsbeamte nicht vorhanden sind, den Gon-
suln obliegen und, wo bei der Goercition die censorische Gompetenz
versagt, die Gonsuln sie ergänzen.
Die Aufstellung des Bürgerheeres, welche gleichfalls den Normen Heer-
des städtischen Amtkreises unterliegt (S. 97), ist der Mandirung '^'''^'
10*
148
Zweites Buch. Die Magistratur.
Steuer-
hebung.
Kassen-
fQhrang.
ebenso entzogen wie die Jurisdiction und die Schätzung. In der Aus-
wahl der Offiziere wie der Soldaten hat der Imperientrftger im Allge-
meinen freie Hand und auch die Gomitien haben nur in beschränktem
Umfang in die Ernennung der ersteren eingegriffen; allgemein aber
ist der Inhaber des Imperiums gebunden durch die Ordnungen, welche
die Zahl und die Grade der höheren wie der subalternen Offiziere
und in gewissen Grenzen auch die Zahl der Mannschaften ein für
allemal feststellen. Wie bestimmt hier das Herkommen den Magistrat
band, zeigt die dem Dictator obliegende, bei dem Consul nicht ein-
mal zulässige Bestellung eines obersten Geholfen für das Sammt-
commando der Reiter. So weit hier radicale Umgestaltungen ein-
getreten sind, wohin zum Beispiel die Auflösung der alten einheit-
lichen Legion in eine wechselnde Zahl gleichbenannter Truppenkörper
gehört, sind diese schwerlich durch einfaches magistratisches Belieben
in Kraft getreten.
Von der Steuerhebung ist die Manipulation wenig bekannt ; sicher
aber ist auch sie ähnlich wie die Heeresbildung durch Anordnung des
Imperien trägers und 'eine fest geordnete Gehülfenschaft in Vollzug
gesetzt worden.
Die Kassenverwaltung ist wahrscheinlich nebst der Criminaljustiz
am frühesten der Selbstthätigkeit des Imperienführers im Wege 3er
obligatorischen Mandirung entzogen worden. Es kann auf die Ein-
führung der Republik selbst zurückreichen, dass die Gonsuln ange-
wiesen wurden, die Gemeindekasse nach ihrem freien Ermessen, aber
nicht selbst zu verwalten, sondern durch zwei Gehülfen höherer Ord-
nung verwalten zu lassen, für deren Auswahl dann, vielleicht nicht
lange nachher, die Einwilligung der Gomitien gefordert ward. Bei
Vacanz der Quästur, die allerdings nicht wie bei der Censur regel-
mässig eintrat, sondern nur ausnahmsweise vorkam, mögen ihre Ge-
schäfte durch freies consularisches Mandat übertragen worden sein
und es ist diesen Mandataren vielleicht selbst in der Stadt die pro-
magistratische Titulatur eingeräumt worden.
Die Amtführung ausserhalb Rom ist zwar nach denselben Prin-
cipien geordnet, die Regeln aber dennoch wesentlich verschieden.
Stellvertretung ist im Allgemeinen auch dem Gommando fremd.
T^etung? Der in seinem Amtkreis verweilende Commandoführer kann dies Gom-
mando nicht beliebig durch Mandat übertragen und selbst bei ein-
tretender Handlungsunfähigkeit und im Todesfall giebt es keinen ver-
fassungsmässig vorgezeichneten Weg die Lücken zu füllen; es bleibt
nichts übrig als das Nothstandscommando dessen, der sich < dessen
untei*windet und Anerkennung findet (S. 102). Aber wie nach ältester
Feldherr-
9. Stellvertreter. Gehalfen. Rathm&nner. 149
Ordnung die in das Ausland sich begebenden Oberbeamten einen Stadt-
verweser mit magistratischem Recht bestellen, so hat der Commando-
fQhrer, wenn er seinen Gommandobezirk verlässt, das Recht und die
Pflicht einem Privaten, welchem der niedere Beamte in dieser Hinsicht
gleichsteht, sein Imperium interimistisch zu übertragen. Dieses im
städtischen Regiment factisch beseitigte Verfahren ist im militärischen
in Kraft geblieben. Es kommt dasselbe auch in der modificirten Form
vor, dass der in der Stadt verweilende Imperieninhaber das militärische
Gommando, welches er hat, aber nicht ausüben kann, einem Stell-
vertreter überträgt ; indess ist dies nur zulässig, so weit es nicht mit
der Regel collidirt, dass der Nachfolger im Gommando dasselbe von
dem Vorgänger persönlich übernehmen muss (S. 99) und dieser also
bis zum Eintreffen des Nachfolgers in seiner Stellung verbleibt. Der
in Rom verweilende Gonsul oder der Stadtprätor kann also nur ein
nicht besetztes Gommando einem Stellvertreter übertragen. Qualitativ
ist die Stellvertreterernennung insofern beschränkt, als der Stell-
vertreter, auch wenn ein Gonsul ihn bestellt, doch nie ein höheres
Imperium als das prätorische führt.
Die Hülfsthätigkeit bei dem militärischen Imperium ist überhaupt Feid-
und namentlich in älterer Zeit vor der Einrichtung der Provinzen in IZ^n"!
enge Grenzen gewiesen. Von den vorher aufgeführten Kategorien der "*"**
städtischen Amtsthätigkeit kommt bei der feldherrlichen als ständige
nur die Kassenführung in Betracht. Die Regel, dass diese einem
Gehülfen übertragen werden muss, gilt auch für den Feldherrn und
die Einwilligung der Gomitien wird auch für diese Quästoren erwirkt;
hier aber ist es ausser Zweifel, dass der Quästor zunächst ebenso wie
der Feldherr und wie jeder Offizier seine Function auch nach Ablauf
der Amtfrist fortführt, wenn aber dem Feldherrn der Quästor fehlt,
er wie berechtigt so verpflichtet ist einen Privaten zum Proquästor
zu machen.
Wenn die Aufstellung der Truppen in der Stadt Rom den stän- ^^^Jül^d^.
digen Ordnungen namentlich auch in der Offiziersernennung sich
streng conformirt, so wird im feldherrlichen Amtsgebiet das eflPective
Hülfscommando zwar unter Schonung der also gegebenen Normen, aber
doch thatsächlich mit grosser Freiheit behandelt. Die Unterordnung
des einen Offiziers unter einen andern in der formalen Hierarchie
zwar nicht unter ihm, aber doch ihm gleichstehenden und selbst die
Verwendung eines im Lager anwesenden Nichtoffiziers für die Be-
fehlsführung sind wohl von jeher im Feldhermrecht enthalten gewesen
und in späterer Zeit ist von der letzteren Befugniss namentlich für
die bei dem Heere befindlichen Senatsboten in weitem Umfang Ge-
brauch gemacht worden.
150 Zweites Buch. Die Magistratur.
Feldherr- RechtspflegB im militärisehen Amtsgebiet hat erst begonnen, nach-
pflege, dem in den Provinzialpräturen besondere Jurisdictionen für das über-
seeische Gebiet eingerichtet worden waren. Die Scheidung der Prozess-
regulirung und der Urtheilfindung und überhaupt die bei der haupt-
städtischen Rechtspflege geordneten Schranken der Amtsgewalt sind
auch für diese Nebengerichte massgebend gewesen. Aber wenn im
städtischen Regiment die Jurisdiction nicht mandirt werden kann, so
scheint diese Mandirung hier keiner Beschränkung unterlegen zu haben
und namentlich in Bezug auf den Quästor häufig vorgekommen zu sein.
Auch ist es mindestens zweifelhaft, ob bei Rechtssachen, an denen
römische Bürger nicht betheiligt waren, der Statthalter gesetzlich ver-
pflichtet war sich der eigenen Urtheilsfindung zu enthalten ; vielleicht
hat diese wohl immer mehr als Administrativact aufgefasste Recht-
sprechung dem Geschwornenzwang nicht unterlegen.
Rechte Die rechtliche Stellung des Gehülfen ist im Wesentlichen hiermit
Amt- *' gegeben. Innerhalb der für die einzelne Kategorie zur Anwendung
ge ü en. jj^jjjjjjgjj^jgj^ verfassungsmässigon Normen steht dem Imperienträger die
Ernennung des Gehülfen frei wie auch, da das Mandat jederzeit wider-
ruflich ist, dessen Entlassung ; indess ist er in zahlreichen Fällen bei
der Ernennung an die von ihm oder einem anderen Imperienträger er-
wirkte Zustimmung der Comitien gebunden, und so weit dies der Fall
ist, kann er den Gehülfen auch nicht einseitig aus seiner Stellung ent-
fernen. Die Competenz des Gehülfen giebt das Mandat. In der Ge-
schäftsführung bleibt der Gehülfe, mag er ohne oder durch die Comitien
bestellt sein, abhängig von dem Willen des Mandanten; der Quästor
leistet Zahlung, der Lictor vollstreckt den Spruch nach Anweisung
des Consuls und die Verantwortlichkeit trägt nicht der Mandatar,
sondern der Mandant. Auch Handlungen, zu denen der magistratische
Gehülfe als Magistrat befugt ist, zum Beispiel die Einholung von
Auspicien, die Abhaltung einer Volksversammlung kann der Vorgesetzte
untersagen. Ebenso kann der Mandant die Handlung des Mandatars«
insoweit er selbst zur Vollziehung derselben berechtigt ist, cassiren und
rectificiren ; darauf beruht es, dass der städtische Magistrat den Spruch
des von ihm eingesetzten Geschwomen abzuändern nicht befugt ist,
wohl aber, so weit Mandirung der Jurisdiction zulässig ist, von dem
durch den Mandatar herbeigeführten Spruch an den Mandanten Be-
rufung eingelegt werden kann, woraus im Laufe der Zeit sich das
Institut der Appellation entwickelt hat. Aeussersten Falls kann der
Mandant sogar dem magistratischen Gehülfen alle Amtsbandlungen
verbieten, also ihn vom Amt suspendiren.
Hülfsthätigkeit und eigene Amtsgewalt schliessen also logisch und
8. StellTertreter. Geh&lfen. Rathm&nner. 151
praktisch einander ans ; wer ein fremdes Imperium kraft des Mandats
seines Inhabers diesem ausüben hilft, kann eigenes nicht haben.
Wie indess diese Regel für die königliche Gewalt schwerlich gegolten
hat und sicher für die Dictatur nicht gilt, da dem yom Dictator er*
nannten Reiterführer eigenes Imperium so wie Titel und Insignien
der Magistratur beigelegt worden, so wird sie auch bei der Rückkehr
zur Monarchie ausser Kraft gesetzt. In dieser Hinsicht wie auch
sonst mehrfach knüpft die Beseitigung des republikanischen Princips
an Pompeius an : das ihm im J. 687 (67 v. Chr.) durch das gabinische
Gesetz eingeräumte Recht den von ihm für den Piratenkrieg ernannten
Unterbefehlshabern eigenes Imperium und magistratische Insignien zu
verleihen eröffnet das bald darauf in dem Principat durchgeführte
System des militärischen Reichsregiments durch von dem Monarchen
ernannte und dennoch mit eigenem Imperium ausgestattete Offiziere
(hgati Augusti pro praetore).
Es bleibt übrig von einer besonderen Form der Hülfsthätigkeit couiiium.
bei der Magistratur, dem consilium zu handeln.
Es ist in Rom herkömmlich gewesen wichtige in die Willkür
des Einzelnen gestellte Entscheidungen zunächst anderen zu diesem
Zweck zusammenberufenen Personen vorzulegen und erst nach Ein-
holung der Ansichten dieses consilium den endgültigen Entschluss zu
fassen. Auf diese Weise ist die hohe und freie Stellung des Haus-
vaters zugleich aufrecht erhalten und einigermassen vor dem lieber-
schlagen in leidenschaftliche Action und gewissenlose Willkür bewahrt
worden. Wie die Magistratur der Hausgewalt überhaupt nachgeschaffen
ist, hat sie auch diese Institution aufgenommen und damit Aehnjiches
erreicht.
Die Rathseinholung findet nur statt, wo die Entscheidung ge-
gründetem Zweifel unterliegt; bei einfacher Anwendung der gesetz-
lichen Norm, zum Beispiel bei Annahme der ordnungsmässig ein-
gebrachten Klage ist für sie kein Raum. Ebenso ist dieselbe, wenigstens
nicht üblich, wo die zu treffende Entscheidung nicht definitiv ist; so
nicht bei dem durch das Rechtsmittel der Provocation anfechtbaren
Criminalurtbeil, vielleicht nicht efnmal bei der magistratischen Ent-
scheidung, gegen welche tribunicische Intercession erbeten werden
kann. Unanwendbar ist sie ferner, wo die Entscheidung durch
Majorität gefunden wird. Im Civilprozess zieht der Einzelgeschworne
häufig Rathmänner zu, nicht aber thun dies die Recuperatoren. Schon
aus diesem Grunde, dann aber auch, weil die Zusammensetzung der
befragten Versammlung hier nicht von dem Befragenden abhängt, kann
die Befragung des Senats durch den Magistrat nicht hieher gezogen
152 Zweites Buch. Die Magistratur.
werden, wie denn auch dem Senat die Benennung cansüium nicht als
technische beigelegt wird. Noch weniger gehören in diesen Kreis die
grossen Geschwornenhöfe des Erbschaftsgerichts und der criminal-
rechtlichen Quästionen, obwohl sie ebenfalls consüia heissen, da die
hierin ermittelte Majorität den prozessleitenden Beamten bindet
Je mehr die Entscheidung der Willkür des dazu Berufenen Spiel-
raum giebt, desto mehr eignet sie sich für dieses Vorverfahren. In
dem Yerhältniss zwischen der Magistratur und dem Bürger gilt dies
vornehmlich theils von der Schätzung, theils von den nicht auf der
allgemeinen Bürgerpflicht beruhenden vermögensrechtlichen Ansprüchen
der Gemeinde an den Bürger und umgekehrt. Da nach der ursprüng-
lichen Ordnung der Bürger civilrechtlich die Gemeinde nicht verklagen
kann und auch umgekehrt eine analoge Forderung der Gemeinde an
den Bürger nicht leicht zur Givilklage führt, sind diese Controversen
regelmässig auf magistratische, also formell einseitige Entscheidung
angewiesen und hier vor Allem ist die Zuziehung von Rathmännern
zweckmässig und üblich. Die Auswahl derselben hat selbstverständ-
lich diejenige Person, welche den Rath erbittet; wenn dies ein Be-
amter ist, sind dies in erster Reihe die ihm gleich oder nahe stehen-
den Beamten. Einzelbefragung ist kein Gonsilium; Zusammentreten
mehrerer Personen und mündliche Verhandlung vor denselben gehört
zum Begriff, nicht aber nothwendig Majoritätfindung. Selbstverständ-
lich thut die NichtZuziehung des Gonsilium der Rechtskraft der Ent-
scheidung auch da keinen Abbruch, wo die Zuziehung angezeigt und
üblich ist, und noch weniger ist der von den Zugezogenen ertheilte
Rath . für den Berathenen obligatorisch ; er folgt dem Rath nur wenn
und so weit er will und bleibt für die Entscheidung auch dann ver-
antwortlich, wenn sie dem Rathe gemäss gefasst ist.
Drittes Buch.
Die einzelnen Aemter
An die Darstellung der Magistratur in ihrer Allgemeinheit ^^^^i^^^J^-
schliessen wir in diesem Buch diejenigen der einzelnen Aemter der Aemter.
Gemeinde einschliesslich deijenigen der Plebs, in dem folgenden die-
jenige der einzelnen Amtskreise an. Da jedes Amt eine Institution
mit eigener Entwickelung und eigener Geschichte ist, die Gompetenz
des einzelnen Beamten aber mehr oder minder in verschiedene Com-
petenzkreise eingreift, so kann die staatsrechtliche Entwicklung dieser
Incongruenz nur Rechnung tragen durch eine doppelte von jenem
zwiefachen Standpunct aus durchgeführte Darstellung, wobei Wieder-
holungen nach Möglichkeit vermieden, allerdings aber unvermeidlich
sind. In diesem Buch soll, so weit nicht die Verweisung auf die all-
gemeine Darstellung des vorigen Buches ausreicht, für jedes einzelne
Amt dargelegt werden die Benennung ; die Entstehung und Entwicke-
lung; die Stellenzahl; die ständische Qualification ; der Platz in der
magistratischen Hierarchie; die Bestellungsform ; die Amtsdauer; der
örtliche Kreis; die mit dem Amt verbundenen Ehrenrechte. Ueber
die Gompetenz wird am Schluss eines jeden Abschnitts eine kurze
Zusammenfassung gegeben, welche wesentlich auf die Ausführungen
im folgenden Buch verweist.
Die Spaltung der Magistratur, wie sie hier dargestellt wird, ist dem ^f* rtSfucb
ursprünglichen Wesen derselben fremd: es giebt zunächst nur einen u^ln*^
Beamten und viele Gehülfen. Herbeigeführt worden ist sie einerseits Magistratur.
durch die innerhalb des Imperium eintretenden Modificationen, welche
es rathsam machen Gonsulat, Dictatur und Prätur in der Darstellung
zu sondern, obwohl diese Imperienträger auch und vielleicht mit
besserem Recht als Inhaber eines und desselben wesentlich gleich-
artigen Amts gefasst werden dürfen, andererseits durch die Ent-
wickelung der des Imperiums entbehrenden oder, wie wir sie be-
zeichnen wollen, der Unterämter, welche Entwickelung sich vollzogen
hat theils durch Umwandlung ursprünglicher Gehülfenstellungen in
derartige Magistraturen, wie dies der Fall ist bei der Quästur, theils
156 Drittes Buch. Die einzelnen Aemter.
durch UebertraguDg einzelner Zweige der oberamtlichen Th&tigkeit
auf eigene des Imperiums entbehrende Beamte, auf welchem Wege
zum Beispiel die Censur entstanden ist. Allerdings hören diese
Unterämter durch die Aufnahme unter die Magistraturen nicht auf
Gehalf enstellun gen zu sein und die Abhängigkeit von dem Vorgesetzten
wird wenigstens in der Theorie durch den magistratischen Charakter
nicht gemindert, wie dies die aus magistratischen und nicht magi-
stratischen Stellen gemischten Kategorien der Kriegstribune und der
prätorischen Gerichtsverweser (praefecti iure dicundo) deutlich darthun.
Dennoch tritt der magistratische Charakter auch in dem Unteramt
deutlich zu Tage. Die Creirung des Beamten unter Mitwirkung der
Comitien versetzt, wenigstens nach der späteren republikanischen An-
schauung, den also Gewählten, mag seine Befugniss noch so unbe-
deutend sein, unter die Träger der souveränen Gewalt der Gemeinde,
und dem entsprechend hat auch der Inhaber des Unteramts eigene
Auspicien und zwar nicht eigenes Imperium, aber doch eigene Potestas.
Auch kann der Vorgesetzte den ihm untergeordneten Gehülfen, wie
er ihn einseitig ernennt, so auch beliebig entlassen, nicht aber den
ihm unterstellten Magistrat. Es werden daher in dieser Uebersicht
die sämmtlichen Ober- und Unterämter aufgeführt werden, so weit
sie wichtig genug sind, um in einem allgemeinen Ueberblick Platz
zu finden.
Die Hinsichtlich des Umfanges der Amtsthätigkeit besteht ein ur-
Spsltnng in w w
obw- und sprünglicher Unterschied zwischen dem Ober- und dem Unteramt
' nicht; das ursprüngliche Oberamt, das Königthum und das älteste
Consulat, kennen die Spaltung so wenig wie das ursprüngliche Unter-
amt, die Quästur. Erst im Laufe der Entwickelung hat sich in
beiden die Specialcompetenz ausgebildet und allerdings im Unteramt
schärfer als im Oberamt accentuirt; denn wenn die Spaltung des
ersteren in Consulat und Prätur nur sehr bedingt als Spaltung des
militärischen und des jurisdictionellen Imperium aufgefasst werden
darf, so hat dagegen die Specialcompetenz sowohl in der Quästur
Platz gegriffen wie alle Unterämter jüngerer Entstehung von Haus
aus beherrscht.
I. Das KSnigthum.
Schon in den Berichten, die uns über das ursprüngliche König- ^^^
thum zugekommen sind, überwiegt allem Anschein nach die rechtliche
Construction die geschichtliche Ueberlieferung, und unsere Forschung
geht noth wendig den gleichen Weg. Die Benennung rex, welche
keine einzelne Function des Imperium, sondern dessen Sammtbegriff
ausdrückt; die Ursprünglichkeit des Amtes, das die Tradition älter
macht als die Stadt selbst; die in dem Zwischenkönigthum bis in
die späteste Zeit der Republik hinab festgehaltene Einheitlichkeit des
Amtes unter Ausschluss nicht bloss der Gollegialität (S. 117), sondern
auch der Unterbeamten (S. 105. 145) ; die Creirung des Königs durch
den ihm vorhergehenden Zwischenkönig unter Ausschluss der Bttrger-
wahl (S. 104); die gleichmässige Function innerhalb und ausserhalb
der Bannmeile (S. 98); die Lebenslänglichkeit des Amtes (S. 128);
von Ehrenrechten die Amtswohnung am Markt (S. 83) und die Führung ^
des rothen Gewandes (S. 138) fassen ungefähr zusammen, was wir
bei den Namen Romulus und Numa uns zu denken vermögen. Der
Zuständigkeit nach mag die königliche Gewalt über das republika-
nische Imperium hinaus enthalten haben das sacrale Herrenrecht
(S. 88); die schrankenlose Gehülfenemennung mit der Befugniss das
Imperium wenigstens dem Stellvertreter als dessen eigenes zu ver-
leihen (S. 144); die freie Handhabung des Strafverfahrens wie des
Schiedsgerichts (S. 145) mit nur facultativer Anwendung in jenem
der Provocation an die Bürgerschaft, in diesem der Zuziehung von
Geschwornen; endlich die freie Verfügung auch über den Grund-
besitz der Gemeinde (S. 186).
2. Consulat und
Benenaung. Die gaDgbarste Benennung der an die Stelle des Eönigthums ein-
tretenden Magistratur con-sules^ die „Mitspringer**, ist entlehnt von
dem Moment, das sie von der älteren am sichtlichsten unterschied, der
CoUegialität, wobei, eben wie in der Bezeichnung rex^ der Sammt*
begriff des Imperium zu Grunde liegt. Daneben werden sie nach den
beiden hauptsächlichen Seiten desselben bezeichnet eA^ praetoreSy wahr-
scheinlich die Führer, und iudices, die Rechtsprecher; indess sind
beide Benennungen früh abgekommen und nur die erst erwähnte in
Gebrauch geblieben. Die Führung des Imperatortitels kommt dem
Inhaber des Imperium nach Herkommen nur dann zu, wenn er ent-
weder von den Soldaten auf der Wahlstatt oder, von dem Senat als
Sieger begrüsst worden ist, in welchem Fall der eigentliche Amtstitel
zaiii. abgelegt zu werden pflegt. — Die Zweizahl ist, wie mit dem Consulat
aufgekommen, so dafür bis in die spätere Zeit festgehalten worden. —
Qaaii- ' Das Amt, zunächst den Patriciem vorbehalten, ist im J. 387 (367 v. Chr.)
^"° zwischen den beiden Ständen getheilt, dann im J. 412 (342 v. Chr.)
auch die zweite Stelle den Plebejern eröffnet worden, die indeas that-
sächlich zuerst im J. 582 (172 v. Chr.) von einem zweiten Plebejer
bekleidet worden ist (S. 39). Die rechtliche Anknüpfung der Fähig-
keit zur Uebernahme dieses höchsten Gemeindeamts an die Bekleidung
eines niederen oder gar an ein bestimmtes Alter ist der älteren re-
publikanischen Ordnung fremd, ja die erstere Qualification schon
durch das Zahlenverhältniss der verschiedenen Aemter ausgeschlossen :
erst nachdem bei dem Festhalten der Zweizahl für das Consulat die
Zahl der prätorischen und der quästorischen Stellen diese um das
Drei- bis Vierfache überstieg, ist in der zweiten Hälfte des sechsten
Jahrh. der Stadt diese Reihenfolge der Gemeindeämter gesetzlich
creirung. fixirt wordsu. — Die Ernennung des Consuls und später die Leitung
der Consulwahlen kann allein der Consul oder der Dictator oder
2. Gonsalat und Consulartribunat 159
im Fall der Vacanz der Zwisehenkönig vornehmen (S. 105) und es .
kann dieselbe nur in Centuriatcomitien vollzogen werden. — Oertlich o^^rw^er
ist das consularische Imperium zwar durch den Gegensatz des städti-
schen und des feldherrlichen Regiments gebunden, aber sowohl insofern
allgemein, als jeder Consul successiv zuerst jenes und dann dieses fahrt,
als auch vor Allem in der Hinsicht, dass dem militärischen Imperium
dieses höchsten Beamten die örtliche Allgemeinheit von Rechtswegen
zukommt und die Sprengelschranken, wie sie dem sonst gleichartigen
prätorischen von Rechtswegen gesetzt sind, für das consularische nicht
bestehen. Dieses umfasst gleichmässig Italien und die Provinzen so
wie das Ausland und die Beschränkung auf einen engeren Kreis, welche
thatsächlich auch hier die Regel bildet, die consularische Provinz, ruht
in vorsullanischer Zeit auf dem freien wenn gleich in Uebereinkunft
mit dem Collegen und unter Einwirkung des Senats gefassten Ent-
schluss des höchsten Beamten selbst. — Die Dauer unterliegt zunächst Amtodaner.
dem Gesetz der Annuität nach den über den Anfangstermin früher
(S. 129) entwickelten Regeln, wobei indess unter dem Principat die
Fristen mehr und mehr verkürzt wurden und die Consuln oft nur
einige Monate fungirten. Andererseits tritt je nach Umständen, aber
früh und häufig im ausserstäd tischen Amtkreis nach den Regeln der
Prorogation Erstreckung ein. Durch Sulla ist dieselbe zur Regel und
das Amt in der Weise zweijährig geworden, dass das Amtsjahr hin-
durch der Consul als solcher in Rom die Geschäfte führt und im
Folgejahr als Proconsul eine der festen örtlich begrenzten Statthalter-
schaften übernimmt. Im Anschluss an eine im J. 703 (51 v. Chr.) ge-
troffene Einrichtung ist seit Augustus die Continuität der städtischen
und der provinzialen Function aufgehoben und zwischen Consulat und
Proconsulat ein mindestens fünfjähriges, regelmässig noch längeres
Intervall gesetzlich vorgeschrieben. Durch die rechtliche Fixirung der
Prorogation und durch die Intervallirung, welche beide gleichmässig
auf Consulat und Prätur sich erstrecken, nimmt die Provinzialstatt-
halterschaft, für welche die zweite Amtfrist bestimmt ist, den ur-
sprünglich ihr mangelnden Charakter eines selbständigen Amtes an,
für das auch, in Folge der bei der Verwaltung der prätorischen Provinz
sich einstellenden titularen Steigerung, die Benennung procanstd zum
allgemeinen Amtstitel wird.
Hinsichtlich der Ehrenrechte kann in Betreff der Fasces, des Ehrenreoht.
Purpurs am Gewand und des Amtstuhls auf den allgemeinen Abschnitt
(S. 137) verwiesen werden. Hinzu tritt der Triumph, der feierliche
Aufzug des siegreichen Magistrats auf das Capitol, und die Eponymie.
Eine officielle und allgemein gültige Jahresbezeichnung giebt es in dem
160 Drittes Buch. Die einzelnen Aemter.
römischen Staat nicht; im Privatverkehr wird sie gewohnheitsmftssig
vertreten durch die Namen der zur Zeit, oder, nach dem Eintreten
der verkürzten consularischen Function, der am 1. Januar eines jeden
Jahres (consules ordinarii) fungirenden Consuln, weshalb das Verzeich-
niss dieser Jahresbenennungen zu den Tagesnamen als zweiter Theil
des Gemeindekalenders (fasti) hinzutrat.
competenz. Eine cousularische Gompetenz giebt es insofern nicht, als der
Sammtbegri£f der magistratischen Gewalt, die Concentrirung des
obrigkeitlichen Befehlsrcchtes in einer und derselben Person bei dem
Consulat, vom sacralen Regiment abgesehen, ebenso zu Grunde gelegt
wird wie bei dem Königthum. Auch der ursprüngliche Gonsul ist
der Gemeindeherr im Gericht wie im Felde gleich dem König und
insofern der einzige Beamte, als ihm nur von ihm ernannte und ihm
gehorsamende Gehülfen zur Seite stehen. Dieser Vollgewalt thut es
wohl thatsächlich, nicht aber begrifflich Eintrag, dass im Laufe der
Zeit wichtige consularische Amtsgeschäfte entweder an Gehülfen ab-
gegeben werden, wie der Capitalprozess und die Kassenverwaltung
an die Quästoren und die Schätzung an die Censoren, oder auch an
mindere Collegen, wie die Jurisdiction an die Prätoren; diese Ein-
schränkungen, von denen übrigens die letztere da, wo der Gonsul
oder Consular als Statthalter einer festen Provinz fungirt, ausser
Kraft tritt, verhalten sich zu dem consularischen Imperium wie im
Givilrecht die Servituten zum Eigenthum und dem letzteren bleibt
immer die Vollständigkeit insofern, als jedes amtliche Geschäft in
ihm enthalten ist, über das nicht ein Specialgesetz anderweitig ver-
fügt hat. Thatsächlich liegt dem Gonsul hauptsächlich ob in dem
städtischen Regiment die Leitung der Verwaltung und der Polizei so
wie die Verhandlung mit dem Senat und der Bürgerschaft, ausserhalb
die Amtführung in Italien ausschliesslich der Jurisdiction und die
gesammte Kriegführung, so weit sie nicht innerhalb der einzelnen
Provinz erledigt werden konnte. Begrenzte Gommandobezirke werden
in der früheren republikanischen Zeit, wie oben gesagt ward, unter
Einwirkung des Senats durch Vereinbarung der Gollegen festgestellt,
in der späteren aus den Statthalterschaften durch den Senat ausgewählt.
In der Kaiserzeit ist dem Senat diese Auswahl entzogen und sind die
beiden nach den Erdtheilen benannten Statthalterschaften Asia und
Africa ein für allemal den Gonsuln als Folgeämter überwiesen, lieber
die Vertheilung der beiden unter die beiden zur Statthalterschaft ge-
langenden Gonsulare entscheidet die Vereinbarung oder das Loos.
conaaiar- In der frühorou republikanischen Epoche, vielleicht seit dem De-
cemvirat, ist das Oberamt häufig, aber immer exceptionell statt an die
2. Consulat und Consulartribunat. 161
regelmässigen zwei Gemeindevorsteher an die sechs Offiziere des da-
maligen Sammtheeres in der Weise gegeben worden, dass diese nicht,
wie es Regel war, von den Consuln des laufenden Jahres, sondern im
Yoijahr unter Mitwirkung der Gomitien creirt wurden und dann sie die
Geschäfte des Oberamts, nöthigenfalls neben ihrer militärischen Function,
als tribuni militum pro consulüms oder cansulari imperio verwalteten.
Nicht selten fangiren statt der sechs Vorsteher nur drei oder vier, wahr-
scheinlich nur desswegen, weil die erforderliche Majorität nur für eine
Minderzahl sich ergab und das Recht der coUegialischen Ergänzung
diesen Tribunen nicht so wie den Consuln zustand. Immer aber sind
ihrer mehr als zwei und damit hängt es zusammen, dass bei dieser
Vorsteherschaft der Stadtverweser wegfällt (S. 144) und einer der
Tribüne in Rom zur Erledigung der Justizgeschäfte zurückbleibt, was
ohne Zweifel wenigstens einer der Zwecke dieser Einrichtung gewesen
ist Zunächst aber ist diese Institution wohl hervorgegangen aus den
ständischen Kämpfen, indem zum Tribunat auch der Plebejer zuge-
lassen werden musste, also auf diesem Wege das Oberamt sich der
Plebs erschloss. Dazu passt es wohl, dass der Tribun nicht wie der
Consul zu der höchsten der Amtsehren, dem Triumph zugelassen ward
und auch die sonstigen namentlich bei ,den Senatsabstimmungen an
die Bekleidung des Oberamts geknüpften Vorrechte dem gewesenen
Tribun nicht eingeräumt wurden. Ebenso passt es dazu, dass mit
der Zulassung der Plebejer zum Consulat selbst diese Institution ver-
schwand.
Binding, Handbuch. I. 3: Mommsen, Abriss d. Rom. Staatsrechts. 2. Aufl. 11
3. Die Dictatur.
Einrichtung. Es Ist, Wahrscheinlich bereits bei der Beseitigung der Einherr-
schaft selbst, die Möglichkeit vorgesehen worden sie transitorisch zurück-
zuführen, indem jedem Gemeindevorsteher, dem Consul wie dem
Consulartribun, das Recht beigelegt ward unter Beseitigung der coUe-
gialischen Intercession nach seinem Ermessen einer dem ernennenden
sowohl wie seinem oder seinen Collegen übergeordneten Oberbeamten zu
Benennung, emenuen und auf diese Weise die Collegialität bis weiter zu beseitigen.
Die Benennung dieses Beamten ist magister populi, das heisst der Heer-
meister oder später gewöhnlich dictaior, für welche Bezeichnung es an
fl?attin ^^^^^ genügenden Erklärung fehlt. — Ohne Frage ist auch dies Amt wie
das Consulat zunächst den Patriciern vorbehalten gewesen, den Plebe-
jern aber wahrscheinlich zugleich mit dem Consulat zugänglich ge-
B»ng- worden. — Dass es in der Beamtenhierarchie die höchste Stelle ein-
stellung.
nimmt, folgt aus seiner Stellung über dem Consulat; darum ist auch
späterhin wer nicht Consul gewesen war, nicht leicht zum Dictator
bestellt worden, obwohl die Consularität nicht rechtlich als Qualification
creirung. fuj. digg A.mt bezoichnet werden darf. — Vor der Creirung des Dictators
werden die Comitien nicht befragt und besonders aus diesem Grund
hat der Kampf der Bürgerschaft um die souveräne und der Magi-
stratur überlegene Stellung sich hauptsächlich um dieses Amt bewegt ;
die Erstreckung der Comitienwahl auf die Dictatur um die Zeit des
hannibalischen Krieges machte der Institution rasch ein Ende, da sie
damit ihre politische Bedeutung verlor und nur die Gehässigkeit blieb.
Die später unter dem gleichen Namen eintretenden ausserordentlichen
oeruichkeit. Gewalten gehören nicht in diesen Zusammenhang. — Oertlich kann
die Dictatur ebenso im städtischen wie im militärischen Amtkreis
Zeitdauer, vetwondet wordou. — Die Zeitgrenzen sind, wie schon gesagt ward
(S. 129), für dieselbe enger gezogen als für das reguläre Oberamt;
der Dictator ist angewiesen nach Vollziehung des ihm übertragenen
8. Die Dictatar. 163
Geschäfts sein Amt niederzulegen, und sowohl bei dem Rücktritt des
Consuls, der ihn ernannt hat, wie auch mit Ablauf des sechsten
Monats nach seiner Ernennung erlischt dasselbe von Bechtswegen. —
Die Ehrenrechte theilt er nicht bloss mit dem Consul, sondern er Ehrenrechte
führt die doppelte Zahl der Fasces (S. 137), mehr also als einst der
König. — Eigenthümlich, aber aus der Ausserordentlichkeit des Amtes compoteM.
erklärlich, ist neben der staatsrechtlichen Vollgewalt die factisch damit
verbundene Gompetenz. Während der Dictator von Rechtswegen jedes
consularische Amtsgeschäft zu vollziehen befugt ist — der Ausschluss
von der Jurisdiction gilt, seit er für den Consul besteht, auch für ihn — ,
wird er in jedem einzelnen Fall eingesetzt für ein bestimmtes Geschäft.
Höchst wahrscheinlich hat dabei die Kriegführung bei weitem vor-
gewogen ; bei dieser mussten zumal bei den älteren engeren Verhält-
nissen die Nachtheile der CoUegialität am empfindlichsten sich geltend
machen und die durch die Dictatur gegebene Abhülfe ist dafür sicher
weit häufiger in Anwendung gekommen, als dies in unserer Ueber-
lieferung hervortritt. Dies zeigt schon die Benennung magister populi,
namentlich verglichen mit der correlaten des magister equitum^ und
mehr noch die Ordnung, dass jeder Dictator gehalten ist diesen bei dem
Gonsulat nicht vorkommenden Beiterführer zu creiren. In der Gom-
petenz tritt die Tendenz hervor den Dictator, wie er der CoUegialität
nicht unterliegt, so auch von den übrigen der republikanischen Magi-
stratur gesetzten Schranken zu entbinden und ihn dem König zu
nähern: der Beiterführer, obwohl von ihm ohne Mitwirkung der
Comitien ernannt, gilt doch als Träger eigenen Imperiums gleich dem
Stadtverweser; der Dictator ist befreit von der durch die Quästur
herbeigeführten mittelbaren Bechnungslegung ; ebenso ist er ursprüng-
lich in dem städtischen Zwangs- und Straf recht weder durch das
Provocationsrecht noch durch die tribunicische Intercession gebunden,
welche letztere weitgehende Befreiung allerdings schon in früher
Zeit, wie es scheint um die Mitte des fünften Jahrh. d. St. beseitigt
ward. Die Dictatur ist immer, und nicht mit Unrecht, von beiden
Seiten als eine monarchische Institution innerhalb der republikanischen
Ordnung angesehen worden und auch die Bückkehr zur Monarchie
hat, wenn gleich mehr nominell als thatsächlich , an sie angeknüpft.
11*
4. Die Prätur.
Yerh&itniBs Die PrätUF tritt formell nicht auf als selbständiges Amt, sondern
zun
coMuiat, als Erweiterung des Consulats durch Errichtung neuer Stellen über
die Zweizahl hinaus mit modificirter Competenz. Der Sache nach
indess wird die Auffassung der Prätoren als minderer Collegen
(collegae minores) der Consuln überwogen durch die factische Selb-
Benennung. stäudigkoit dos Amts. Es zoigt slch dies schon in der Benennung:
es ist dies wohl diejenige, die bis zur Errichtung der Prätur die Con-
suln neben der ihnen später verbliebenen geführt haben, aber sehr
bald stellt der Sprachgebrauch sich dahin fest, dass den höheren Be-
amten ausschliesslich die Bezeichnung consules gegeben wird, wie sie
denn auch für die monarchisch geordnete niedere Kategorie nicht
passt, und die Benennung praetor allein der letzteren verbleibt. Die
bei dem Consulat ausgeschlossene, mit der Prätur aber gesetzlich
verknüpfte Sondercompetenz findet ihren titularen Ausdruck darin,
dass von der Einsetzung des Amtes an dieser Beamte von seinen den
gleichen Titel führenden höheren Collegen als bestimmt für die städtische
Amtführung sich durch die Benennung praetor urbanus unterschied,
und nachher bei Einrichtung weiterer Stellen eine jede derselben von
Entstehung der ihr zugewiesenen Competenz benannt ward. — Hervorgegangen
steiienxau. ist die Prätur aus der Verselbständigung der Jurisdiction. Der ursprüng-
lichen Ordnung nach gehörte diese zu der Amtsthätigkeit des Königs
und der Consuln und war vermuthlich deren Ausgangs- und Augel-
punct. Aber die personale Verknüpfung derselben mit dem Feldherm-
amt muss bald ihre Nachtheile fühlbar gemacht haben, denen weder
durch die Institution des Stadtverwesers genügend abgeholfen ward
noch durch das nicht ständige Consulartribunat (S. 160) ; ebenso kann
die CoUegialität für die Civil rech tspflege kaum von Vortheil gewesen
sein. In Folge dessen wurde durch das licinische Gesetz vom J. 387
4. Die PrÄtur. 165
(367 y. Chr.) eine dritte Stelle des Oberamts zunächst für diesen Amt-
zweig eingerichtet und dem entsprechend deren Inhaber insoweit von
der CoUegialität entbunden und zu stetiger Ausübung seiner Amts-
thätigkeit, also zu dauerndem Verbleiben in Rom angewiesen, lieber
ein Jahrhundert ist dies Tribunal das einzige geblieben; erst in den
letzten beiden Jahrhunderten der Republik sind weitere derartige
Stellen eingerichtet worden, theils durch Theilung der hauptstädtischen
Prozesse nach bestimmten Kategorien, theils durch Einrichtung eigener
Obergerichte für die überseeischen Gebiete. In jener Reihe hat die
Theilung der zwischen Bürgern geführten Civilprozesse und derjenigen,
bei welchen eine oder beide Parteien das BürgeiTecht nicht hatten
(praetor inter cives et peregrinos^ abusiv praetor peregrinu8\ kurz nach
dem ersten karthagischen Krieg um das J. 512 (242 v. Chr.) den An-
fang gemacht; im letzten Jahrhundert der Republik sind dann für das
nun die Stelle des Criminalprozesses vertretende Anklageverfahren
eine Reihe von besonderen nach den einzelnen Verbrechen geschiedenen
Tribunalen errichtet worden (praetor repetwndis u. s. w.), bei denen
der Prätor, dem sie zugewiesen wurden, häufig ausser der eigent-
lichen Jurisdiction auch noch die Prozessleitung übernahm. Für das
abhängige Gebiet ist, da in Italien ausser den in Rom functionirenden
Prätoren nur deren municipale Stellvertreter (S. 146), aber keine Be-
amten mit eigenem Imperium die Rechtspflege übten, das älteste eigene
Tribunal das sicilische (praetor Sicütae) : dieses ist, nachdem ein Ver-
such das consularisch-quästorische Regiment, wie es in Italien bestand,
auf Sicilien zu erstrecken gescheitert war, wenig später als die Fremden-
prätur um das J. 527 (227 v. Chr.) eingerichtet worden, hauptsächlich
für die Civilprozesse, bei denen römische Bürger betheiligt sind und
die füglich weder alle nach Rom gewiesen noch den örtlichen Ge-
richten anheimgegeben werden konnten. Mit der Ausdehnung des
überseeischen Besitzes sind weitere Präturen eingerichtet worden;
jedoch ist in der republikanischen Epoche die Zahl der zu besetzenden
Stellen fast immer grösser gewesen als die Zahl der jährlich creirten
Prätoren und sind also Aushülfsmassregeln stetig erfordert worden. Die
Zahl hat vielfach geschwankt. Vor Sulla sind jährlich sechs Prätoren
gewählt worden, nach seiner Ordnung acht, unter Caesar bis zu sech-
zehn, unter dem Principat bis zu achtzehn, oft indes auch weniger.
Indess hat diese Stellenvermehrung dem durch das Wesen der Juris-
diction gegebenen monarchischen Charakter der Prätur keinen Ab-
bruch gethan; es giebt wohl später zahlreiche Oberrichter, aber
keiner von ihnen hat in seinem eigentlichen Amtsbereich einen
CoUegen.
166 Drittes Bach. Die einselnen Aemter.
Quaiu Da die PrAtur zugleich mit der Eröfbung des Oberamts für den
Plebejer ins Leben trat, so kann der Patriciat für dieselbe von Haus au»
nicht gefordert worden sein ; auch ist bereits im J. 417 (337 v. Chr.) ein
creining. Plebejer zu dieser Stellung gelangt — Für die Creirung gelten die für
das Consulat aufgestellten Regeln (S. 105), so dass die PrAtorenwahlen
nur von dem Consul, nicht vom Prätor selbst abgehalten werden
können. Creirung des Prätors durch den Interrex ist insofern aus-
geschlossen, als die Creirung des Consuln durch den Interrex dem
Interregnum ein Ende macht und die stets nachfolgende Prätorenwahl
also dem Consul obliegt. — In der Hierarchie steht die Prätur unter
den Oberämtem an letzter Stelle, aber vor allen Aemtem ohne
Imperium.
oertiicher Wie aus dom Gesagten sich ergiebt, ist dieser Form des Oberamts
Amtkreis. ^jg^jj ^j^ gesetzlicho Beschränkung des Prätors entweder auf den
städtischen Amtkreis oder auf einen anderweitig örtlich abgegrenzten
Sprengel.
Zeitdauer. Für dio Zeitliche Dauer der Prätur gelten die Normen des Con-
sulats (S. 129). Die von Sulla für das Oberamt eingeführte gesetz-
liche Zweijährigkeit tritt bei der Prätur in der Form auf, dass der
Beamte in seineäi Amtjahr als Prätor eine städtische Jurisdiction, im
Folgejahr als Proprätor oder, mit der schon in republikanischer Zeit
üblichen, später ständigen Rangerhöhung als (prätorischer) Proconsul,
eine Statthalterschaft übernimmt. Die Intervallirung zwischen dem
städtischen Amt und der Statthalterschaft ist unter dem Principat
bei der Prätur ebenso geordnet wie bei dem Consulat.
Ehrenrechte. Die prätorischou Ehrenrechte sind im Allgemeinen dieselben wie
die consularischen und der Prätor kann wie der Consul zum Triumph
gelangen und hat Antheil an der Eponymie. Indess führt er statt
der consularischen zwölf Fasces nur deren sechs, worin auch das titu-
lare Proconsulat nichts ändert, und die Eponymie ist nicht bloss auf
die beiden ältesten Präturen beschränkt, sondern auch bei diesen früh
ausser Gebrauch gekommen.
competenz. Dio Competonz des Prätors ist, wo derselbe neben dem Consul
amtirt, der consularischen untergeordnet, so dass er in diesem Falle
trotz seines eigenen Imperium als Gehülfe des höheren Collegen
functionirt. Im Uebrigen ist sie rechtlich der consularischen wesent-
lich gleich, insofern,, mit Ausnahme der Befugniss consularische und
prätorische Wahlcomitien abzuhalten, dem Prätor kein consularisches
Amtrecht mangelt, ja sie reicht insofern weiter, als die den Consuln
entzogene Jurisdiction dem Prätor zugetheilt ist. Es hat dies zur
4. Die Pr&tar. 167
Folge, dass, wenn die Consuln in Rom nicht anwesend sind, was bis
auf Sulla in der zweiten Hälfte der Amtzeit die Regel war, der Prfttor,
und zwar immer, auch als dort mehrere Prätoren fungirten, der
praetor urbantis den Vorsitz im Senat und die sonstigen consulari«*
sehen Geschäfte versah, was nicht eigentlich als Vertretung der Con-
suln gefasst werden darf, sondern darauf beruht, dass die Befugnisse des
schwächeren Collegen factisch so lange ruhen, als er neben dem stärkeren
steht und also nur in dessen Abwesenheit zur Geltung kommen. Die
zum Wesen des Oberamts gehörige rechtliche Totalität und örtliche
Universalität wird durch die Beschränkung der Prätur auf einen
gesetzlich begrenzten Sprengel eingeschränkt, aber nicht aufgehoben.
Auf jenem Grundbegriff beruht es, dass der einzelne Prätor successiv
verschiedene Sprengel verwalten kann und dass er ausnahmsweise, aber
nicht selten, vor TJebernahme seiner Sondercompetenz anderweitig
verwendet wird oder auch nach Uebemahrae derselben sie wechselt.
Vor Allem aber ruht es auf jener Totalität , dass der Prätor zwar
zunächst für die Jurisdiction bestimmt ist, dennoch aber keinem Prätor
das Commando fehlt. Die Provinzialprätoren haben dasselbe von
Rechtswegen in ihrem Sprengel, wenn gleich in wichtigen Fällen das
consularische Feldherrnamt auch in diesem eintreten kann, und selbst
die an Rom gefesselten Prätoren können von da aus diejenigen Be-
fugnisse des militärischen Imperium ausüben, die mit dem Aufenthalt
in Rom vereinbar sind. Nichts desto weniger beruht der wesentlichste
Gegensatz zwischen Consulat und Prätur darauf, dass von Rechtswegen
jenes den Competenzbegriff aus-, diese ihn einschliesst. Allerdings
werden, seit es mehrere Prätoren giebt, von den Gomitien nur die
Stellen überhaupt besetzt, nicht aber die Competenzen vergeben, son-
dern diese gewöhnlich erst nach dem Amtsantritt durch das Loos unter
die erwählten Prätoren vertheilt, was dem Senat eine Zeitlang er-
möglicht hat im Wege der Fixirung der Loose die Aemtervertheilung
willkürlich abzuändern. Indess ist das freie Schalten des Senats mit
den prätorischen Competenzen wohl nichts als ein Missbrauch und wie
der älteren Epoche vor Einrichtung der weiteren Prätorenstellen noth-
wendig fremd, so auch im letzten Jahrhundert der Republik wesentlich
beseitigt, während im sechsten davon in grossem Umfang Gebrauch
gemacht worden ist. Bei der Vertheilung der prätorischen Provinzen
concurriren die Consuln anfangs nicht, sondern es sind diesen das
italische Commando und die auswärtigen Kriege vorbehalten ; weiter-
hin aber nimmt der Senat mit Erfolg das Recht in Anspruch bei der
Feststellung der consularischen Commandogebiete nach seinem Er-
168 Drittes Buch. Die einzelnen Aemter.
messen in die Vertheilung der Statthalterschaften einzugreifen., wo
dann die den Consuln zugewiesenen für die prätorische Loosung aus-
fallen. Augustus hat, wie schon bemerkt ward (S. 160), als con-
sularische Provinzen ein für allemal Asia und Africa festgesetzt, so
dass um die übrigen, so weit sie nicht nach der Ordnung des Prin-
cipats unter ausschliesslich kaiserlicher Verwaltung stehen, die
Prätoren das Loos ziehen.
5. Der Tribunal der Plebs.
Ueber die Entstehung des Tribunats der Plebs kann auf die im Entatehimg.
ersten Buch gegebene Darstellung (S. 50) verwiesen werden. Der-
selbe ist aus den ständischen Kämpfen hervorgegangen und der AuS-
gangspunct der Constituirung der nicht adlichen Bürgerschaft als eines
Staats im Staate ; die überlieferte Ansetzung, dass die ersten Tribüne
im sechzehnten Jahre der Republik eingetreten seien, hat keine ge-
schichtliche Gewähr, aber die Entstehung dieser Vorstandschaft fällt
in die jenseit unserer Ueberlieferung liegende Anfangsepoche des
Ständekampfs. Die Benennung scheint nicht unmittelbar den Tribus
entlehnt zu sein, zu welchen diese Tribüne in keiner näheren Be-
ziehung stehen, sondern übertragen zu sein von der alten Titulatur
der Offiziere des Bürgerheers, zu welcher Stellung die Plebejer, seit
sie als Bürger anerkannt waren, haben gelangen können (S. 39). —
Der Zahl nach bestand die Yorstandschaft der Plebs , entsprechend steuenMW.
derjenigen der Bürgerschaft, aus zwei gleich den Gonsuln coUegialisch
neben einander stehenden Personen; indess ist, da der von ihnen er-
wartete Rechtsschutz durch Vervielfältigung der Stellenzahl stieg oder
doch zu steigen schien, diese bald auf vier, sodann noch vor dem
Zwölftafelgesetz auf zehn vermehrt worden, bei welcher es geblieben ist.
— Der durch die Entstehung geforderte Ausschluss des Patriciers vom qu»u.
Tribunat ist stets festgehalten worden. Die Rechtsungleichheit der ge- *^**®"-
wesenen Sklaven und der sonstigen zurückgesetzten Bürger (S. 52) hat
recht eigentlich ihren Ausgang genommen von ihrer Nichtzulassung zum
Volkstribunat. Die Wahl der Tribüne wird unter Ausschluss derPatricier creinm».
von der Gesammtheit der Plebejer anfänglich nach den Curien, später
nach den Tribus, im Uebrigen nach dem Muster der Consulwahlen durch
die Tribüne selbst vollzogen ; die in den Anfängen des Tribunats vorkom-
mende freie Cooptation bei mangelnder Vollzahl des Gollegiums ist früh
beseitigt worden und auch bei dem Tribunat die Nachwahl eingetreten.
170 Drittes Buch. Die einzelnen Aemter.
Ein Surrogat für das Interregnum giebt es nicht; indess ist, so viel
wir wissen, nach dem Decemvirat, während dessen der Volkstribunat
ruhte, die Continuität des Amts nicht wieder unterbrochen worden. —
stoue in der Ein fostor Platz in der Hierarchie kommt dem Tribun zunächst nur in
ftige*.'' so weit zu, als er dem plebejischen Vorsteher minderen Rechts, dem
Aedilen vorgeht. Auch nachdem die Plebejer zum passiven Wahlrecht
zugelassen sind, bleibt der Tribunat ausserhalb der Reihe der Ge-
meindeämter und kann von dem Plebejer an jeder beliebigen Stelle
in der Aemterlaufbahn übernommen oder auch übergangen werden.
Factisch nimmt er nach dem Ende des Ständehaders in der politischen
Laufbahn eine untergeordnete Stellung ein; meistens ist er als eine
der ersten Stufen derselben und in der Regel vor der Prätur, ja sogar
vor der plebejischen Aedilität verwaltet worden. Obligatorische TJeber-
nahme und fester Platz in der Hierarchie hat erst August us dem Volks-
tribunat gegeben ; seitdem wird der Tribunat in electiver Verbindung
mit den drei Aedilitäten von dem Plebejer zwischen Quästur und
Amtkreu. Prätur verwaltot. — Oertlich functionirt der Tribun ausschliess-
lich im städtischen Amtkreis; das militärische Imperium kennt ihn
Amtedauer. nlcht. — Dor Zeit nach folgt der Tribunat dem Muster des Consulats;
indess hat sich, nach dem eben Bemerkten, der Amtsantritt schon
seit dem Sturz der Decemvirn nicht eigentlich rechtlich, aber ununter-
brochen auf den 10. December fixirt.
Eimnreeiite. Die magistratischeu Ehrenrechte, Fasces, Prätexta und Amtstuhl
kommen dem Tribun der Plebs nicht zu , da er nicht als Gemeinde-
beamter eingesetzt und formell dies auch später nicht geworden
ist. Nur das Sitzrecht, die tribunicische Bank (S. 138) ist ihm ein-
geräumt.
competens. Magistratischo Competenz ist dem Tribun weder bei der Ein-
richtung des Amtes zugetheilt worden noch hat er sie in formeller
Allgemeinheit späterhin erworben. Aber er greift in die magistra-
tische Thätigkeit ein durch die Befugniss innerhalb der in anderem
Zusammenhang bezeichneten Grenzen (S. 124) das consularische Im-
perium durch sein Einschreiten (intercessio) ebenso zu entkräften, wie
wenn von den beiden Gonsuln der eine dem andern entgegentritt.
Weiter wird er in Betreff der Herbeiführung von Volks- und Senats-
schlüssen im Verlauf der Entwickelung dem Oberbeamten insoweit
gleichgestellt, dass dergleichen Acte zwar als exceptionelle gelten, aber
ebenso statthaft sind wie die regulären und mehr und mehr häufig
werden. Die Verhandlung mit der patricisch-plebejischen Bürgerschaft
blieb ihm allerdings verschlossen ; aber das von je her ihm zustehende
Recht für Wahlen oder Gerichte oder sonstige Beschlussfassung dild
5. Der Tribunat der Plebs. 171
Plebejer zu berufen wurde dem consularischen Comitialrecht dadurch
gleichgestellt, dass, wahrscheinlich durch das hortensische Gesetz um
die Zeit von 465/8 (289/6 v. Chr.), dem Beschluss der Plebs dieselbe
Rechtskraft beigelegt wurde wie dem der patricisch- plebejischen Ge-
meinde. Die Berufung des Senats und das Recht mit diesem Be-
schlüsse zu vereinbaren ist dem Tribun ungefähr um dieselbe Zeit
eingeräumt worden. Hinzu tritt endlich die aus der alten und keines-
wegs aufgegebenen tribunicischen Selbstvertheidigung (S. 51) und dem
damit verbundenen selbst dem consularischen Imperium überlegenen
Zwangs- und Strafrecht entwickelte Criminaljudication ; es ist schon
bemerkt worden, dass die Handhabung des politischen Rechenschafts-
prozesses wesentlich in der Hand der Volkstribune liegt (S. 135) und
selbst das Oberamt verpflichtet ist den den Genturien gesetzlich vorbe-
haltenen Gapitalprozess den Tribunen durch mandatarische Berufung der
patricisch-plebejischen Bürgerschaft zu ermöglichen (S. 146). — Wenn
während der ständischen Kämpfe das tribunicische Criminalverfahren
hauptsächlich gegen die Patricierherrschaft sich richtete, so hat es nach-
her, in Verbindung mit dem tribunicischen Intercessionsrecht, vorzugs-
weise dazu gedient die Magistrate in der Botmässigkeit des Senats zu
halten und den unrechtmässigen wie* den rechtmässigen Widerstand
derselben unter die Herrschaft der Oligarchie zu beugen. Allerdings
blieb der Volkstribunat auch in den Händen des Senats eine revolutio-
näre WaiFe und ist, je nach den Wechselfällen der politischen Parteiung,
auch gegen die Adelsherrschaft gebraucht worden. Erst Sulla hat den
gefährlichen tribunicischen Gapitalprozess dadurch wenigstens im wesent-
lichen beseitigt, dass er die politischen Prozesse (guaestio maiestatis) einem
der grossen Geschwornengerichte überwies. — Trotz der in der Theorie
weitgreifenden politischen Bedeutsamkeit auch des späteren thatsächlich
in die Gemeindeordnung eingefügten Tribunats ist dies Anfängeramt
nur ausnahmsweise zu bedeutender Wirksamkeit gelangt, hauptsächlich
weil regelmässige Amtsgeschäfte darin nicht enthalten waren und dieses
der Zahl nach stärkste der römischen Beamtencollegien seine Thätig-
keit entweder in ausserordentlichen Eingriffen oder gar nicht äusserte.
Dadurch ist es auch herbeigeführt worden, dass den Volkstribunen
bei der Bestellung von Vormündern, bei der Getreidevertheilung und
sonst durch Specialgesetz mancherlei Geschäfte überwiesen worden
sind, die ihrer eigentlichen Stellung fern liegen.
6. Die Censur.
Entstehung. Der ccfisus, wörtHch das „Ermessen^, die Feststellung der zu einer
bestimmten Zeit der Gemeinde angehörigen Personen und ihrer Habe
zur Regulirung der einer jeden obliegenden bürgerlichen Leistungen,
also vorbereitend zugleich für die Heerbildung wie für die Bürger-
schatzung, gilt den Kömem, und sicher mit Recht, als ursprüngliches
Attribut des Oberamts. Aus diesem gelöst in der Weise, dass die
Vornahme dieses Actes den Gonsuln schlechthin untersagt ward, wurde
die Censur der Ueberlieferung zufolge im J. 311 (443 v. Chr.), wahr-
scheinlich aber erst einige Jahre später im J. 319 (435 v. Chr.), viel-
leicht hauptsächlich desshalb, weil die Consuln nicht länger im Stande
waren das weitläufige und einen Wechsel der Leitung nicht wohl zu-
lassende Geschäft neben ihren anderen Obliegenheiten innerhalb ihrer
Amtfrist genügend zu verrichten; in den latinischen Gemeinden ist
steiienuiii, dassclbo stots dom Oberamt verblieben. — Die G^staltuns des Amtes
Creirung,
Qnaii- ist wesentlich dem Consulat nachgeschaffen : die Censoren sind immer
fication.
zwei und sie werden gleich den Consuln unter consularischer Leitung
in Centuriatcomitien gewählt. Da die Einsetzung eigener Censoren
vor die Epoche fällt, in welcher die Magistratur den Plebejern zu-
gänglich ward, so ist sie ursprünglich ins Leben getreten als patricische
Institution. Ob die Zulassung des Plebejers zum Consulat im J. 387
(367 V. Chr.) sich auf die Censur mit erstreckt hat, ist zweifelhaft;
thatsächlich hat der erste plebejische Censor im J. 403 (351 v. Chr.)
fungirt und ist bald darauf vorgeschrieben worden, dass der eine der
Censoren Plebejer sein müsse. Den den Census abschliessenden
sacralen Act, das Lustrum hat ein plebejischer Censor zuerst im
J. 474 (280 V. Chr.) vollzogen, zwei plebejische Censoren zugleich zu-
^^A^mter-*^^ erst im J. 623 (131 v. Chr.) fungirt. — In der magistratischen Hierarchie
folge, ist die Censur zunächst nur das höchste unter den das Imperium ent-
behrenden Aemtern und wird nicht selten vor dem Consulat über-
6. Die Censur. 173
nommen ; allmählich aber steigt das Amt, dem von jeher die Besetzung
der Ritterstellen zustand und dem auch die der Senatorenstellen früh
fibertragen ward, welches femer thatsächlich über die politischen
und die Ehrenrechte des einzelnen Bürgers ohne Appell entschied, in
der öffentlichen Geltung so, dass es mehr und mehr gilt als die höchste
Staffel der magistratischen Laufbahn und nicht leicht an andere ver-
geben wird als an gewesene Consuln.
Der Gensus kann nur im städtischen Amtkreis vollzogen werden oertucher
und die Amtsthätigkeit der Censoren ist, ähnlich wie die des Stadt-
prätors, an Rom gebunden, obwohl sie dies nicht hindert finanzielle
Anordnungen auch über das ausserhalb der Stadt belegene Gemeinde-
gut zu treffen.
Hinsichtlich der Dauer unterliegt die Censur eigenartigen Regeln. Amudauer.
Es ist die Aufgabe der Censoren den Personal- und den Vermögens-
stand der Bürgerschaft für den Moment zu fixiren, in welchem nach
Erhebung der erforderlichen Thatsachen der eine von ihnen vor der
versammelten Bürgerschaft mit der Sühnung (Ittötrum) durch das
Schwein-Schaf- Stieropfer (5uot;6^(mri7«a) den Census abschliesst; hieran
wird mit solcher Strenge festgehalten, dass alle von Rechtswegen in
dem Census enthaltenen Amtshandlungen durch diesen Act rechtlich
bedingt sind und, wenn er unterbleibt, nicht zur Geltung gelangen.
iStreng genommen also üben sie nicht eine fortlaufende amtliche Thätig-
keit aus, wie dies im Allgemeinen von den Magistraten gilt, sondern
haben einen auf einen bestimmten Moment gestellten Einzelact zu voll-
ziehen. Allerdings steht diese Auffassung des Amtsgeschäfts mit dem
Wesen desselben insofern im Widerspruch, als der factische Bestand
der Gemeinde noth wendig in stetigem Flusse ist und schon bei der
Fixirung auf das Lustrum die zwischen der Erhebung der Thatsachen
und diesem eingetretenen Veränderungen ignorirt werden; in noch
höherem Grade gilt dies für diejenigen, die zwischen dem Lustrum
und der praktischen Anwendung des Census sich ereignen. Die Folge
von beidem ist, dass der Census überall nur als vorbereitender Act
betrachtet wird und niemals anders als mit Hinzunahme der nach-
träglich eingetretenen Modificationen zur Anwendung kommen kann.
Damit ist weiter von selbst gegeben, dass jede Schätzung so lange
verwendet wird, bis eine folgende für sie eintritt. Es liegt also
zwischen den verschiedenen Schätzungen nothwendig ein bei der
Weitläufigkeit des Geschäfts nicht allzu kurz zu bemessendes Intervall.
In Rom ist dies Intervall, so viel wir wissen, niemals gesetzlich
fixirt worden, hat aber anscheinend normal anfänglich vier, später
fünf Jahre betragen. Die Fixirung für den einzelnen Fall hat wohl
174 Drittes Buch. Die einzelnen Aemter.
in älterer Zeit insofern bei dem Oberamt gelegen, als dieses zur
Anfertigung neuer Listen dann schritt, wenn die bisherigen nicht
länger brauchbar erschienen ; späterhin wird darüber factisch der Senat
entschieden haben. Gesetzlich fixirt worden ist dagegen die fttr die
Vorbereitungshandlungen dem mit diesem Geschäft beauftragten
Gollegium gewährte Frist; wenn, so lange dasselbe den Gonsuln oblag,
ohne Zweifel die dazu schreitenden Beamten den Gensus auch selber
zu vollenden hatten und wenn dies nicht geschah, die Nachfolger ihn
wohl wieder aufnehmen, aber nicht fortsetzen durften, so sind nach
der Verselbständigung des Amtes die Gensoren, ähnlich wie der Dic-
tator, angewiesen worden entweder mit Vollziehung des Lustrum oder
spätestens binnen achtzehn Monaten nach dem Antritt vom Amt zurück-
zutreten, so dass zwischen den einzelnen censorischen Functionen
immer mehrere Zwischenjahre lagen. Der Antrittstag ist rechtlich un-
bestimmt, fiel aber thatsächlich meistens in das Frühjahr, das Lustrum
in den zweitfolgenden Sommer.
Ehrenreciite. Dio dom Gonsor zuständigen Ehrenrechte stehen unter dem Ein-
fluss der hierarchisch und herkömmlich verschiedenartigen Schätzung
des Amtes. Die Fasces kommen ihm nicht zu und auch der curulische
Stuhl von Rechtswegen nicht; dagegen wird wenigstens bei der Be-
stattung dem Gensor allein von allen Beamten das Ganzpurpurgewand
eingeräumt.
competonz. Dio Gompoteuz der Gensoren ist von geringerer Intensität als
die in dem oberamtlichen Gensus enthaltenen. Den Bürger, der die
Schätzung unterlässt oder falsche Angaben macht, konnte der Gonsul
selber an Leib und Leben strafen, der Gensor dagegen, dem die volle
Goercition fehlt, nur durch den Gonsul zur Verantwortung ziehen ; die
Einrichtung also dieses Amts ist nicht bloss, wie die der Prätur, eine
Spaltung, sondern eine noch intensivere Schwächung der Magistratur.
Dieselbe Discrepanz zwischen dem censorischen Geschäft an sich und
der Befugniss der selbständigen Gensoren tritt darin hervor, dass dem
Gensor zwar das Imperium fehlt, er aber dennoch zum Zweck der
Lustration das Bürgerheer beruft. — Ueberall und noth wendig trägt jeder
censorische Act, wie dies schon aus dem Gesagten hervorgeht, den
Stempel der Vorläufigkeit in sich. Durch die Gensoren wird wohl das
Bürger- und das Stimmrecht zu- oder abgesprochen, die Dienst- und
die Steuerpflicht so oder anders geregelt ; aber alle diese Festsetzungen
sind im Rechtssinn nur Vorschläge für diejeuigen Magistrate, für deren
Amtsthätigkeit sie in Betracht kommen. Wie sie die nach Aufnahme
der fraglichen Liste eingetretenen thatsächlichen Veränderungen zu
berücksichtigen haben, so können sie auch aus anderen Gründen über
6. Die Censur. 175
die censorisehen Aufstellungen sich hinwegsetzen, ohne das Recht
damit zu brechen, und noch weniger sind spätere Censoren an das
^Ermessen" ihrer Vorgänger gebunden.
Die Competenz der Censoren beschränkt sich nicht auf dasjenige competonz.
Geschäft, von dem sie den Namen führen, auf die Verzeichnung der
dienst- und steuerpflichtigen Bürger, wovon die Bildung der Bürger-
reiterei oder der späteren Ritterschaft ein integrirender Theil ist,
sondern es liegt ihnen weiter die Regulirung des Gemeindehaushalts
in Einnahme wie in Ausgabe ob, so weit diese für längere Fristen
thunlich ist, während die dafür erforderliche ständige Thätigkeit nicht
so, wie der Gensus selbst, dem Oberamt entzogen ist, vielmehr in
den Pausen der Censur von den Consuln wahrgenommen wird. Im
Uebrigen ist dafür auf die Darstellung der Behandlung des Gemeinde-
vermögens im folgenden Buch zu verweisen. — Die Bestätigung oder
Ernennung der Senatoren, welche den Censoren erst im 5. Jahrhundert
durch das ovinische Gesetz beigelegt worden ist, wird in dem Ab-
schnitt vom Senat näher entwickelt werden.
Einer besonderen Erörterung bedarf das censorische Ehrengericht, cen-
Es ist hervorgegangen aus der censorisehen Ordnung des Bürger- Eiin»»-
heeres ; dabei wurden aus den Centurien der Reiter wie der zu Fuss
den ordentlichen Wehrdienst leistenden Bürgerschaft die bescholtenen
Personen ausgeschlossen, womit sie zugleich, da die Bürgerschaft nach
der gleichen Ordnung abstimmte, das Stimmrecht verloren. Wesentlich
gesteigert wurde dies Ehrengericht, als der senatorischen Stellung die
Lebenslänglichkeit entzogen und die Aufstellung der Senatsliste mit dem
Census verknüpft ward, indem von da an die Censoren verpflichtet
waren den bescholtenen Mann in die neue Senatsliste nicht wieder
aufzunehmen. Dieses Ehrengericht erstreckt sich, seinem militärisch-
politischen Wesen gemäss, lediglich auf Männer. Die rechtlichen
Folgen machen sich namentlich geltend bei den privilegirten Ständen
durch die Ausscheidung aus der Ritterschaft oder dem Senat; den
übrigen Bürgern kann der Censor nur das Stimmrecht entziehen oder
schmälern und sie im Heerdienst zurücksetzen, und auch in dieser
Hinsicht ist der Magistrat mit Imperium nicht formell an die cen-
sorische Festsetzung gebunden.
Ins Auge gefasst wurde bei dem Ehrengericht zunächst das Ver-
halten des Bürgers hinsichtlich seiner staatlichen Pflichten ; aber auch
die Ehrbarkeit des Privatlebens unterlag der magistratischen Würdigung.
Welche Handlungen als unehrenhaft und welche Beweise dabei als
genügend anzusehen sind, ist gleichmässig in das Gewissen der Magi-
strate gestellt ; factisch sind dabei häufig prozessualische Formen ange-
176 Drittes Buch. Die einzelnen Aemter.
wendet worden. Formalen Beschränkungen unterliegt dies völlig auf
das sittliche und politische Ansehen seiner Inhaber gestellte und in
der besseren Zeit der Republik auch in diesem Sinne gebandhabte
Ehrengericht nur insoweit, dass bei Aberkennung der Ehre die Be-
gründung in die Liste eingetragen werden musste und dass ausdrück-
liche Uebereinstimmung beider Gollegen erfordert ward. Definitiv ist
der Spruch so wenig wie überhaupt ein censorischer Act; vielmehr
verliert er bei jeder Erneuerung des Census von selber seine Kraft und
muss, um ferner zu gelten, von den neuen Gensoren ausdrücklich
wiederholt werden.
Schwinden Das römische Gensorenamt gehört insbesondere in seiner späteren
der cenaur. ^^^ genat gowissermasseu übergeordneten Gestaltung zu den eigen-
artigsten Organen des römischen Gemeinwesens, aber auch zu denen,
die am frühesten abgestorben sind. Nach Sulla ist die Gensur, ob-
wohl nicht eigentlich abgeschafft, nur noch ausnahmsweise in An-
wendung gebracht worden. Es haben dabei verschiedene Momente zu-
sammengewirkt : der factische Wegfall der Bürgersteuer, die veränderte
statt der alten Aushebung überwiegend auf freiwillige Meldung gestellte
Heerbildung, die Abneigung des strengen Optimatenregiments gegen
das freie Schalten der Gensoren mit den nur factisch lebenslänglichen
Senatorenstellen, vor allem aber die durch die Umwandlung des alten
stadtrömischen in ein Reichsbürgerrecht noth wendig bedingte Verlegung
des Gensus in die den Reichsbürgerverband bildenden Municipien. Der
Reichscensus konnte seitdem nicht viel anderes sein als eine Zu-
sammenfassung dieser particularen Erhebungen, und bei der Läss-
lichkeit der kaiserlichen Verwaltung und ihrem Mangel an straffer
Einheitlichkeit ist diese praktisch nicht unentbehrliche Zusammen-
fassung bald unterblieben, während die in republikanischer Zeit mit
dem Gensus verknüpfte Verwaltung des Gemeindevermögens an be-
sondere stetig functionirende Aemter überging und die Zusammen-
setzung des Senats und der Ritterschaft auf andere Basen gestellt ward.
7. Die Aedilität
Wenn der aedüis sprachlich nichts bezeichnen kann als den Haus- Enutehvng.
meister und Gebäudeherm, so ist die rechtliche Beziehung dieser Be-
nennung uns ebenso wenig mit Sicherheit bekannt wie der ursprüngliche
Geschftftskreis der also benannten Beamten. Es giebt deren drei Ka- •
tegorien, die nicht, wie die verschiedenen Präturen, als verschiedene
Competenzen derselben Magistratur aufzufassen sind, sondern als schon
bei der Comitialwahl selbst geschiedene Aemter : die mit dem Tribunat
der Plebs zugleich (S. 51) aus dem ständischen Hader entwickelten
aediles plehis oder plebeii; die im J. 387 (367 v. Chr.) zugleich mit
der Prätur als Beamte der patricisch-plebejischen Gemeinde eingesetzten
aediles cwnües, welche von dem ihnen beigelegten und den CoUegen
mangelnden Gerichtsstuhl den Namen führen : die erst von dem Dic-
tator Caesar geordneten seit dem J. 711 (43 v. Chr.) fungirenden aediles
plehis Cericdes, deren Benennung von der ihnen insbesondere obliegen-
den Aufsicht über die Getreidespenden entlehnt ist. Der Zahl nach zauund
werden für jede Kategorie zwei bestellt; sie hat nicht gewechselt, flcatioö.
Ständisch sind sowohl die plebejischen wie die Ceresädilen stets der
Plebs entnommen worden. Die curulische Aedilität ist, wenn die
Ueberlieferung nicht trügt, als patricisches Amt ins Leben getreten,
jedoch schon im zweiten Jahr auch den Plebejern in der Weise geöffnet
worden, dass, offenbar um die Eintracht in dem Collegium nicht zu
beeinträchtigen, abwechselnd in den varronisch ungeraden Jahren
zwei Patricier, in den varronisch geraden zwei Plebejer das Amt
verwalten, bis dann im Laufe des 7. Jahrhunderts d. St. dasselbe
beiden Ständen gleichmässig zugänglich wird, weiter Augustus auch
von dieser Aedilität die Patricier ausschliesst oder vielmehr be- puts in der
freit. — Hierarchisch müssen die plebejischen Aedilen, so lange *° **^
es nur solche gab, den Tribunen nach und ähnlich zu ihnen ge-
standen haben wie die Quästoren zu den Consuln. Bei der Ein-
B i n d i B g , Hftndbuok. 1.8: Mommsen, AbriBS d. Bömuchen StMtsreeliU. 2. Aufl. 12
178 Drittes Buch. Die einzelnen Aemter.
richtung der curulischen Aedilität hat diese in der Reihe der Gemeinde-
ämter ihren festen Platz über der Quästur und unter der Prätur er-
halten und es hat sich dies, wenn auch vielleicht erst allmählich,
auf die plebejische Aedilität ebenfalls erstreckt; indess sind beide
Aemter in republikanischer Zeit facultatiy, so dass, wer sie über-
nimmt, dies in der bezeichneten Reihenfolge thut, aber die Ueber-
nahme auch unterbleiben kann. Gegenüber dem Tribunat hat sich
die Stellung der plebejischen Aedilität in der Weise verschoben, dass
dieselbe höher als die formell überlegene Stellung geschätzt und regel-
mässig, wenn jemand beide verwaltete, nach dieser übernommen wird,
wie dies die facultative Uebernahme beider Aemter rechtlich gestattet.
Obligatorisch sind, wie schon bemerkt ward (S. 113), die Aedilenstellen
in Verbinduug mit denen der Volkstribune durch Augustus geworden,
so dass seitdem der Bewerbung des Plebejers um die Prätur die Be-
kleidung entweder einer der sechs Aedilen- oder einer der zehn
creining. Tribuneustelleu voraufzugehen hat. — Gewählt werden die beiden
curulischen Aedilen von den patricisch-plebejischen Tribuscomitien
unter Leitung eines Consuls oder eines Prätors, die plebejischen,
wenigstens die beiden älteren, von der plebejischen Tribusversamm-
lung unter Leitung eines Yolkstribuns.
oeruicher OortUch functionirou alle drei Aedilitäten lediglich im städtischen
Amtkreis.
zeiidaaer. Die Annuität gilt für die Aedilitäten wie für das Consulat und
den Volkstribunat. Der Antrittstag ist für die curulische Aedilität und
wahrscheinlich auch, wenigstens in späterer Zeit, für die beiden ple-
bejischen derjenige der Gonsuln.
Eiuren- Von dou magistratischou Ehrenrechten kommen den curulischen
Aedilen der Gerichtsstuhl und die Praetexta zu, aber schwerlich
Lictoren. Die plebejischen entbehren dieselben eben wie die Tribüne
der Plebs (S. 170).
comp«tenz. Uober die ursprüngliche Competenz der Aedilität fehlt es an
jedem genügenden Zeugniss. Vermuthen darf man, dass die Aedilen
den Tribunen allgemein als Gehülfen dienten, zunächst vielleicht
hauptsächlich bei den Frohnden den Plebejer vor Unbill beschützten,
ferner die im Cerestempel aufbewahrten die Rechte der Plebs ver-
briefenden Urkunden unter Oberaufsicht der Tribüne in ihrer Obhut
hatten, bei Capitalklagen dem Tribun, dem ja Quästoren und
Lictoren fehlten, hülfreiche Hand leisteten und Klagen auf Geld-
busse auch selbständig an die Plebejerversanmilung brachten, wie
denn die durch den Plebejereid gewährleistete Unverletzlichkeit
wie die Tribüne so auch die Aedilen schützte. Insofern mag die
7. Die Aedilitftt. 179
ursprüngliche Aedilität sich zu einer polizeilichen Aufsichtbehörde ent-
wickelt haben und es darauf beruhen, dass dann, als die patricisch-
plebejische Aedilität zu ihr hinzutrat, das Doppelamt, in sichtlichem
Anschluss an die hellenische Agoranomie, zunächst als Markt- und
Strassenpolizei auftritt. So weit an diese die Rechtsprechung sich
anknüpft, musste dieselbe den curulischen Aedilen vorbehalten werden,
da den plebejischen Quasi-GoUegen rechtlich der magistratische Cha-
rakter abging. Die denjenigen Aedilen, welche Gemeindebeamte sind,
eingeräumte Jurisdiction so wie die denselben zustehenden Insignien
fordern einen Antheil derselben an dem Imperium, also in gewissem
Sinne die Auffassung derselben als mindere Gollegen der Oberbeamten ;
und deutlich tritt diese Bechtstellung in der Municipalordnung hervor,
welche die beiden Oberbeamten und die beiden Aedilen in der Form des
Quattuorvirats als Gollegen wenn gleich ungleichen Ranges zusammen-
fasst. Indess in den eigentlich römischen Ordnungen ist, wahrscheinlich
weil in dieser neben den curulischen die plebejischen Aedilen standen,
die Aedilität nach dieser Richtung nicht entwickelt, sondern in der
Reihe der Unterämter belassen worden. — An die Aufsichtführung
bei den Volksfesten, welche in der polizeilichen Gompetenz der Aedilen
nothwendig begriffen war, hat sich weiter die Uebertragung der Aus-
richtung der Feste selbst so wie die Ueberweisung der dafür bestimmten
öffentlichen Gelder angeknüpft, worauf, da dies der formell legale Weg
war, um durch Aufwand für die Menge deren Gunst und damit die
Wahlstimmen zu erlangen, die spätere politische Wichtigkeit beider
Aedilitäten und der Zudrang zur Bewerbung um dieselben vorzugs-
weise beruht. — Zweifelhaft ist es, worauf die Befugniss aller Aedilen
beruht nicht bloss überhaupt zu multiren und zu pfänden, sondern auch,
wenn dabei dieProvocationsgrenze überschritten und Berufung eingelegt
ward, das oberamtliche Recht der Berufung der Bürgerschaft und der
Yertheidigung des Spruches vor dieser auszuüben, während sonst der
Aedilis weder die Gomitien noch den Senat berufen kann. Vielleicht
hat die Betheiligung der ursprünglichen Aedilen an der plebejischen
Justiz dazu geführt; wahrscheinlicher aber ist es, dass diese comitialen
Multklagen nicht auf specieller ädilicischer Gompetenz beruhen, son-
dern auf der zahlreichen Strafgesetzen der republikanischen Epoche
angehängten Glausel, dass zur Verhängung der darin ausgesprochenen
Geldstrafe und zur Vertheidigung dieses Spruchs vor der Bürgerschaft
jeder überhaupt zur Goercition befugte Magistrat competent sein solle,
wovon dann die vier Aedilen als die niedrigste hiedurch aufgerufene
Kategorie vorzugsweise Gebrauch gemacht hatten.
12*
8. Die Quästur.
Entstehung. Die BeneDuung der Quästoren kann sprachlich nur zurückgeführt
werden auf ihre strafrechtliche Thätigkeit (quaerere) und da diese in
ihrer Eigenart erst nach der Beseitigung des Königthums sich gebildet
haben kann, so ist die Quästur schwerlich älter als die Republik»
wahrscheinlich aber zugleich mit dieser eben durch die Abminderung
des Königthums zum Consulat entstanden. Auch die Ueberlieferung
knüpft zwar nicht die Entstehung der Quästur, aber die der obliga-
torischen ProYOcation im Griminalprozess, welche die Quästur fordert»
an die Abschaffung des Königthums an, und das Fehlen der Quästur
neben der Dictatur beweist dafür, dass jene mit dem vollen Imperium
unvereinbar und als Schranke desselben ins Leben getreten ist. —
Zahl. Die Zahl der Quästoren ist bedingt durch ihre Gehülfenstellung zu
dem Oberamt, wenn auch nicht schlechthin mit der Zahl der Ober-
beamten identisch. Vielmehr gilt dies nur für die älteste Zeit ; späte]^
hin werden theils dem einzelnen Consul mehrere derartige Gehülfen
zugeordnet, theils den auf städtische Function beschränkten Prätoren
Quästoren nicht beigegeben. Auf diese Weise sind zuerst im J. 333
(421 V. Chr.) jedem Consul zwei Quästoren, der eine für die städtische»
der andere für die militärische Amtführung beigegeben, dann im
J. 487 (267 V. Chr.) für die consularische Verwaltung Italiens vier
weitere Quästorenstellen eingerichtet worden, wodurch die Zahl der
Quästoren auf acht stieg. Als bald darauf die überseeischen Ober-
ämter eingerichtet wurden, geschah dies in der Weise, dass neben
jedem Inhaber eines solchen ein Quästor zu fungiren hatte; indesa
hat die Einrichtung neuer Quästorenstellen mit diesem Princip wahr-
scheinlich nur unvollständig Schritt gehalten und ist dabei viel*
fach die in dem militärischen Imperium enthaltene Befugniss in
Ermangelung des comitialen Quästors einen Proquästor mit gleicher
Function zu creiren (S. 149) zu Hülfe genommen worden. Wenn
8. Die Quästur. 181
Sulla die Zahl der jährlich zu creirenden Quästoren auf zwanzig ge-
ordnet hat und, nachdem die von dem Dictator Caesar verfügte Ver-
doppelung durch Augustus wieder abgeschafft war, daran unter dem
Principat festgehalten worden ist, so ist dies weniger mit Rücksicht
auf die verschiedenen Zweige der quästorischen Amtsthätigkeit ge-
schehen als um, nachdem der Eintritt in den Senat durch die Quästur
sich festgestellt hatte, auf diesem Wege die Ergänzung des Senats
rechtlich zu fixiren.
In ständischer Hinsicht ist die Quästur, da sie zunächst wie der Quau-
flcatiOD.
Kriegstribunat Gehülfenstellung ist, wohl dem Plebejer von je her
zugänglich gewesen und es gilt dies auch für die magistratische
Quästur, wahrscheinlich von Anfang an, sicher seit der Verdoppelung
der Quästorenzahl. — Dass hierarchisch die Quästur unter den Magi- ^^^^j^^jj^^®/
straturen an letzter Stelle steht, folgt schon aus der ihr von Haus
aus eigenen Hülfsthätigkeit ; nachdem sich eine feste Folge der Magi-
straturen entwickelt hat, gilt die Quästur als die erste Stufe der
politischen Laufbahn, woraus sich später die wichtige Gonsequenz
entwickelt hat, dass mit der Quästur die lebenslängliche Senatoren-
stellung verknüpft ist
Dass sich die Quästur aus der Gehülfenstellung zur Magistratur creirun«,
entwickelt hat, anfänglich also die Quästoren von den Gonsuln frei
gewählt worden sind, ist bereits hervorgehoben worden. Wann
dieselben hierin durch die Vorbefragung der Bürgerschaft beschränkt
worden sind, ist ungewiss; wahrscheinlich sind die Quästoren um die
Zeit des Decemvirats aus Amtsgehülfen in Magistrate umgewandelt
worden. Die Befragung richtet sich an die patricisch-plebejischen
Tribuscomitien und erfolgt selbstverständlich durch die Gonsuln oder
ausnahmsweise durch die Prätoren.
Oertlich ist der Amtkreis des ältesten Unteramts ebenso schranken- oeruicher
los wie der des ältesten Oberamts und functionirt der Quästor wie
der Gonsul zunächst successiv zuerst bei der städtischen, dann bei der
militärischen Amtführung. Bei der Vermehrung der Stellenzahl indess
sind, wie aus dem früher Bemerkten hervorgeht, die in der Stadt und
die ausserhalb derselben functionirenden Quästorenstellen von einander
getrennt worden. Die beiden für die städtischen Geschäfte bestimmten
Quästoren werden seitdem als quaestores urbani von den übrigen
unterschieden.
Hinsichtlich der Amtfrist gelten gleichfalls die Regeln des Ober- Amtsdaaer.
amts auch für die Quästoren, nur dass in der Epoche, wo die Gonsuln
am 1. Januar antraten, die Quästoren bereits an dem vorhergehenden
5. Dec. ihr Amt übernahmen (S. 131). Dass die ausserhalb Rom
182 Drittes Buch. Die einzelnen Aemter.
fuDgirenden Quästoren den Regeln der Prorogation S. 99) unterliegen,
versteht sich von selbst.
Ehrenrechte An den magistratischon Ehrenrechten hat der Quästor keinen
Antheil (S. 138), wie ihm denn auch das eigene Imperium und die
magistratische Coercition mangeln und er in gewissem Sinne auch
späterhin mehr als Gehülfe behandelt wird denn als Gemeindeherr.
corapetenz. Hinsichtlich der Gompetenz kommt in Frage theils die Zugehörig-
keit oder Nichtzugehörigkeit des Quästors zn dem einzelnen Ober-
beamten, theils die Feststellung der ihm zugewiesenen Geschäftskreise.
Verhältnisse ßie eugo Verknüpfung des einzelnen Quästors mit dem einzelnen
b^^amten. Oborbeamten liegt im Wessn der Gehülfenstellung; das in den römi-
schen Ordnungen einzig dastehende und selbst gesetzlich anerkannte
Nahverhältniss des Provinzialquästors zu dem Statthalter gehört sicher
zu dem ursprünglichen Wesen der Quästur überhaupt. Indess hat
sich dies nur da behauptet, wo das Oberamt unbeschränkt durch die
CoUegialität functionirt ; im städtischen und selbst im italischen Regi-
ment functioniren die Quästoren wohl als ünterbeamte der Consuln,
aber ohne dass in historischer Zeit die Unterordnung des einzelnen
Quästors unter den einzelnen Consul hervortritt ; ja in dem städtischen
Regiment äussert sich die Tendenz daa Oberamt durch dies Unteramt
zu beschränken vor allem darin, dass die personale Unterordnung,
wie sie bei der Abwesenheit der Consuln von Rom nothwendig weg-
fiel, 80 auch während ihres Verweilens daselbst sei es rechtlich, sei
es thatsächlich beseitigt worden ist.
oesoh&fts- Wenn das Wesen der Gehülfenstellung zu fordern scheint, dass
die quästorische Gompetenz sich wenigstens ursprünglich so weit er-
streckt hat wie die consularische, so trifft dies nur in beschränktem
Masse zu. Der Quästor wird wohl von Haus aus für sehr verschieden-
artige Geschäfte verwendet, aber keineswegs für alle consularische ;
ja in der städtischen Amtsthätigkeit ist umgekehrt die consularische
Function dem Quästor und die quästorische Function dem Gonsul ent-
zogen. Bei der privaten Jurisdiction, welche anfänglich die wesent-
lichste städtische Function der Consuln gewesen ist und dann auf die
Prätur überging, haben die Quästoren niemals Verwendung gefunden,
wohl aber theils bei der criminellen Coercition und Judication, so weit
sie der Provocation an die Comitien unterliegt, theils bei der Ver-
waltung der Gemeindekasse, welche beide Amtsthätigkeiten der directen
Handhabung durch die Oberbeamten gesetzlich entzogen sind. In der
sonstigen städtischen Amtführung tritt die Hülfsthätigkeit freier zu
Tage ; insbesondere bedienen sich die Oberbeamten der Quästoren bei
Erfüllung der gegen die Gäste der Gemeinde ihnen obliegenden
8. Die Quästar. 183
Pflichten. Dieselben Principien kamen im militärischen Imperium zur
Anwendung; da die Provocation hier ausgeschlossen ist, dient der
Quästor dem Feldherrn hauptsächlich als Verwalter der Eriegskasse
und ist als solcher auch hier rechtlich unentbehrlich (S. 149). Da-
neben indess hat die freie Hülfsthätigkeit hier breiteren Spielraum
und fungirt der Quästor thatsächlich regelmässig als der oberste unter
den dem Feldherrn unterstehenden Offizieren; es können aber auch
andere Geschäfte, selbst die Jurisdiction ihm durch Mandat überwiesen
werden. Im Uebrigen wird die quästorische Criminaljudication, wo-
nach die beiden ältesten Quästoren als quaestores parricidii bezeichnet
werden, bei der Strafrechtspflege, die Kassenverwaltung bei dem Ge-
meindevermögen, die Betheiligung an der Verwaltung Italiens und
der Provinzen in den betreffenden Abschnitten des folgenden Buchs
zur Sprache kommen. Ueber die Verwendung der Quästoren als Ge-
hülfen des Princeps, der quaestores Äugttsii^ nicht bei den provinzialen,
aber bei den hauptstädtischen Geschäften ist der Abschnitt von den
kaiserlichen Unterbeamten zu vergleichen.
9. Die übrigen ordentlichen Beamten der Republilc.
Ausser den bisher erörterten Magistraturen der römischen Republik
bat es namentlich am Ausgang derselben noch eine Reihe anderer ge-
ringeren Ranges und untergeordneter politischer Bedeutung gegeben,
bei denen zu verweilen für die gegenwärtige Darstellung nicht erforder-
lich ist. Sie sind überwiegend aus der Hülfsthätigkeit hervorgegangen.
Es scheint am Ausgang der Republik üblich, vielleicht sogar gesetzlich
vorgeschrieben gewesen zu sein sowohl eine der hierher gehörenden
Offizierstellen wie auch eines der Civilämter vor der Bewerbung um
die Quästur zu verwalten. Unter dem Principat sind diese Offizier-
stellen bald aus den comitialen Aemtem ausgeschieden, dagegen die
Civilämter dieser Kategorie unter dem Sammtnamen der Sechsund-
zwanzig- oder später nach Beseitigung einer Anzahl derselben der
Zwanzigmänner als Vorstufe der senatorischen Quästur behandelt
worden. Es gehören dahin die folgenden Stellungen.
Krieffs- Im militärischen Commando ist für einen Theil der Eriegstribunate
" "**' seit dem J. 392 (362 v. Chr.) die comitiale Creirung angeordnet
worden. Die Zahl der Stellen betrug anfangs sechs, späterhin vier-
undzwanzig; indess haben sowohl diese Ziffern geschwankt wie vor
allem mit der Zahl der von je sechs Kriegstribunen befehligten Legionen
deren Gesammtzahl. Mit dem Eintritt des Principats scheinen diese
comitialen Eriegstribune zunächst vom effectiven Dienst ausgeschlossen
worden zu sein und sind dann überhaupt beseitigt worden.
Bidithezren. Bei der Crimina^urisdiction sind die drei Richtherren (tres viri
capitales) zunächst bestimmt zur Aufsichtführung über das Gefängniss
und die Vollziehung der Todesurtheile, so weit sie im Eerker voll-
streckt wurden, womit sich weiter ein namentlich nächtlicher Sicher-
heitsdienst verbindet. Die Institution selbst geht ins fünfte Jahr-
hundert zurück, die Comitialwahl aber ist vielleicht erst ein Jahr-
hundert später auf diese Stellen erstreckt worden.
9. Die übrigen ordentlichen Beamten der Republik. Ig5
Bei der Jurisdiction werden von den Stellvertretern, die in Italien itoiuche
einzusetzen dem Prätor obliegt, die vier für Capua und Campanien Terweser.
bestimmten in späterer Zeit durch die Comitien ernannt. Nachdem
die prätorische Stellvertretung durch die municipale Jurisdiction über-
flüssig geworden war, hat Augustus diesen Quattuorvirat abgeschafft.
Bei der Judication ist insbesondere für den Freiheitsprozess schon zehnm&nner
für den Frei-
früh ein ständiges ZehnmännercoUegium (decemviri lüibus iudicandis) ^^itsv^z^^s
eingesetzt worden, das thatsächlich Geschwornendienst thut, aber,
nachdem die Gomitialwahl darauf erstreckt war, in republikanischer
Zeit unter den Magistraten seinen Platz hat, den diese Zehnmänner
unter dem Principat behaupten, aber mit geänderter Gompetenz, als
Leiter der dem Gentumviralgerichtshof überwiesenen Erbschaftsprozesse.
Ausserdem sind auch die oben erwähnten drei Richtherren bei dem
Civilprozess verwendet worden theils als Hülfsbeamte für Beitreibung
der Prozessbussen, theils in Geschwornenfunction für gewisse formell
civile, der Sache nach delictische Klagen.
Die Strassenreinigung wird unter Oberleitung der Aedilen in der ^f^^^*'
Stadt durch vier, in den Vorstädten durch zwei Beamte beschafft, von winiffung.
welchen die letzteren durch Augustus in Folge der Neuordnung des
italischen Wegewesens aufgehoben worden sind.
Die städtische Münzprägung, welche in der früheren Republik ^*\ijJ5"*-
der Gompetenz der ordentlichen Beamten entzogen gewesen und immer
durch ausserordentliche Anordnung vollzogen worden zu sein scheint,
ist in der letzten republikanischen Epoche drei eigenen Beamten
{tresviri aere argento auro flando feriundo) übertragen worden.
10. Die ausserordentlichen Magistraturen der Republik.
Ausserordentliche, das heisst auf dem gewöhnlichen Wege durch
Zusammenwirken der Magistratur und der Bürgerschaft, aber für den
einzelnen Fall creirte Beamte können in dreifacher Beziehung vor-
kommen : theils für die in der Gompetenz keines ordentlichen Amtes
liegenden und insofern als Reservatrecht'e der Gemeinde aufzufassenden
Geschäfte; theils für ordentliche, aber aus irgend einem Grunde den
beikommenden Beamten entzogene Verrichtungen; theils endlich für
Umgestaltung des Gemeinwesens überhaupt. Die erste Kategorie dieser
Magistraturen ist wohl ausserordentlicher Art, aber principiell im
Wesen der Gemeindeordnung gegeben ; die zweite ist ein Bruch, die
dritte die Suspension der bestehenden Gemeindeordnung.
Ausser. Die ausserordeutlicheu Aemter der ersten Kategorie betreffen die-
Beamte^^r jonigon Verrichtungen, welche die Gemeinde keinem Beamten generell
oidentuche Übertragen hat, sondern zu deren Vornahme es immer eines Gemeinde-
gesch&fte. beschlusses für den einzelnen Fall bedarf. Dieser Beschluss kann zu-
gleich die dafür bestimmten Personen bezeichnen; regelmässig aber
fällt derselbe mit dem Wahlact der betreffenden Magistrate nicht zu-
sammen, sondern ordnet diesen an. Nach ältester republikanischer
Ordnung — für das Königthum hat diese Beschränkung schwerlich
bestanden — unterliegen dieser exceptionellen Behandlung theils die
politischen Prozesse (perduellio), theils die unentgeltliche Weggabe von
Gemeindeboden sei es an einen Gott (duoviri aedi dedicandae), sei es
an Bürger oder Bundesgenossen (Beamte agris dandis adsignandis).
Auch für einzelne andere wichtige über die Gompetenz der Magistratur
hinausgehende Geschäfte, für den Abschluss von Friedensverträgen,
für die Gewährung von Darlehen aus der Staatskasse an Private,
auch wohl für die Münzprägung, bevor dafür ständige Beamte bestellt
wurden, ist durch Comitialbeschluss die Wahl von Specialbeamten
angeordnet und ihnen die Vollmacht normirt worden.
10. Die ausserordentlichen Magistraturen der Republik. 187
Wenn die Einsetzung von aussörordenttichen Magistraturen für ^««j'«'\
die der ordentlichen Beamteneompetenz entzogenen Verrichtungen der ^®*™*J.^^^
Verfassung entspricht und die Gomitien dabei nur von der ihnen zu- Amts-
kommenden Befugniss Gebrauch machen, so ist dagegen die Ueber-
tragung ordentlicher Amtsgeschäfte auf ausserordentliche Beamte inso-
fern ein Rechtsbruch, als die ordentliche Magistratur dadurch in ihrem
Recht verkürzt wird und liegt daher streng genommen ausserhalb der
Machtsphäre selbst der Volksgemeinde. Allerdings gilt dies nur von
dem Oberamt. Für Verrichtungen, die in die Competenz der Gensoren
und der Aedilen fallen, für grössere Bauten, für Massregeln in Betreff
des Getreidemarktes und der Komspeuden, überhaupt für Hülfs-
geschäfte jeder Art sind häufig specielle Guratoren erwählt worden,
ohne dass in einem solchen Volksschluss eine Verfassungsverletzung
gefunden wird. Aber wo das Imperium der Amtshandlung zu Grunde
liegt, ist die Uebertragung derselben an einen andern als den ver-
fassungsmässig beikommenden Beamten unzulässig. Im städtischen
Imperium ist wohl der einzige dagegen verstossende Act die Bestellung
von Zweimännem mit consularischer Gewalt zur Vornahme der Gonsul-
wahlen in dem Jahre nach der Ermordung des Dictators Caesar,
welche Ausnahme nach Zeit und Art die Regel bestätigt. — Auch
bei der feldherrlichen Amtführung zeigt sich in der Einhaltung des
Princips, obwohl dieselbe hier in jeder Weise schwierig und oft gefahr-
voll ist, die volle Strenge der politischen Zucht, auf welcher die Grösse
und die Macht Roms schliesslich ruht. Die erste uns bekannte und
vermuthlich die erste überhaupt vorgekommene Verletzung dieses Ge-
setzes ist die im J. 538 (216 v. Chr.) während des hannibalischen Krieges
und unter ganz eigenartigen politischen Verhältnissen erfolgte Ueber-
tragung consularischer Gewalt auf M. Marcellus. Diese wurde überdies
dadurch gemindert, dass derselbe das prätorische Imperium in ordent-
lichem Wege besass; und von solcher Ausstattung des Prätors mit der
Titulatur und theilweise auch mit den Insignien des höheren Oberamts
ist bei der wesentlichen Gleichheit der beiden Aemter von da an sehr
häufig Gebrauch gemacht worden. Aber wenn der praetor pro consule
nur im formalen Sinne gegen jenes Gesetz verstösst, so ist wirkliche
Verletzung desselben, Verleihung des militärischen Imperium an einen
Privaten in eigentlich republikanischer Zeit nur ein einziges Mal vor-
gekommen und zwar ebenfalls während des hannibalischen Krieges,
als unter noch schwererem politischen und personalen Druck im J. 543
(211 V. Chr.) das Commando in Spanien von den Gomitien dem Sohn
des dort gefallenen Feldherrn, dem amtlosen Jüngling P. Scipio über-
tragen ward. Mehr als ein Jahrhundert verging, bis die suUanische
188 Drittes Buch. Die einzelnen Aemter.
Oligarchie dem jungen Pompeius im J. 673 (81 v. Chr.) wieder ein ähn-
liches Mandat gab. Bald darauf machte der durch die kurzsichtigen
Sullanischen Ordnungen herbeigeführte Mangel eines ordentlichen all-
gemein competenten Gommandos , wie es das .ältere consularische ge-
wesen war, dem Piratenwesen gegenüber die Einrichtung ausserordent-
licher Imperien unvermeidlich, von denen das im J. 687 (67 v. Chr.)
angeordnete wiederum einem Privaten und zwar demselben Pompeius
übertragen wurde. Diese ausserordentlichen militärischen Imperien,
durch die Comitien vergeben und rechtlich auf deren YoUgewalt ge-
stützt, leiten nach Art und Zeit den Principat ein, dessen Wesen, wie
seiner Zeit dargelegt werden wird, eben in dem von der ordentlichen
Magistratur losgelösten schrankenlosen Militärcommando besteht.
nüt^c^JT- ^^® dritte Kategorie der ausserordentlichen Beamten bilden die
^^gSJJJu*" Beamten constituirender Gewalt. Wir fassen unter diesem Namen zu-
sammen den Decemvirat der Zwölftafelgesetzgebung, die suUanische
und die caesarische Dictatur, welche mit der älteren nur den Namen
gemein haben und den nach der Ermordung Caesars eintretenden
Triumvirat. In die Darstellung des Staatsrechts gehören sie insofern
nicht, als dieses nur die . geordneten Institutionen zum Gegenstand
hat, diese Aemter aber wenn nicht auf einer Negation, doch auf einer
Suspension der bestehenden Einrichtungen beruhen und es ihre Auf-
gabe ist Gesetze zu geben (leges scrihere) und das Gemeinwesen zu
ordnen (rem puhlicam constituere). Ihren Rechtsgrund haben sie we-
niger in den Comitialbeschlüssen, aus denen sie hervorgegangen sind,
da nach der bei den Römern durchaus überwiegenden Auffassung die
Verfassung auch die Comitien bindet, als in dem Nothstand, welcher
allerdings jede Illegalität und jede Revolution legitimirt. Eine Defini-
rung der constituirenden Gewalt lässt sich nicht geben ; ihr Wesen ist
die Schrankenlosigkeit und wir können nur das Fehlen jeder Macht-
wie jeder Zeitschranke exemplificiren. Die erstere tritt am bestimmtesten
hervor in der Befugniss auch ohne Zustimmung der Bürgerschaft Ge-
setze zu geben und Beamte zu ernennen ; in der der ordentlichen Magi-
stratur schlechthin entzogenen Verfügung über den Grundbesitz der
Gemeinde, woraus die sogenannten Militärcolonien der suUanischen
und der caesarischen Zeit hervorgegangen sind; in der nicht bloss
nicht durch das Provocationsrecht, sondern nicht einmal durch irgend
welche Rechtsform eingeschränkten capitalen Coercition und Judication,
wovon die suUanischen und die triumviralen Proscriptionen die folge-
richtige juristisch unanfechtbare Consequenz sind. Wie dem Inhalte
ist auch der Zeit nach die constituirende Gewalt rechtlich unbegrenzt;
wenn bei der Uebernahme derselben ein Endtermin bezeichnet ist, so
10. Die ausserordentlichen Maj^straturen der Republik. 189
ist damit lediglich die Absicht des Inhabers ausgesprochen und steht
es bei ihm diese zu andern. Allerdings ist die constituirende Gewalt
ihrem Wesen nach ephemer, insofern die Staatsordner verpflichtet
sind, wenn sie ihrem Auftrag genagt zu haben glauben, ihr Amt nieder-
zulegen und die neu geschafifene Ordnung walten zu lassen, wie dies
die Decemvim hatten thun sollen und Sulla und Augustus in der
That gethan haben. Schwerlich hat Caesar die Dictatur in gleicher
Weise aufgefasst, da er sie auf Lebenszeit abernahm; aber auch wenn,
wie dies wahrscheinlich ist, er das Amt als bleibendes hat gestalten
wollen, so kann doch auch seine Dictatur, da er über seinen Tod
hinaus keine Verfügung getro£fen hat, staatsrechtlich nur als ephemere
Einrichtung betrachtet werden, nicht als auf Dauer angelegte Um-
gestaltung der bestehenden Ordnung.
H. Der Principal
Entstehung. Der Priücipat des römischen Gemeinwesens ist hervorgegangen aus
einer der Formen der so eben entwickelten constituirenden Magistratur.
Nachdem das nach dem Tode des Dictators Caesar zur Ordnung des Ge-
meinwesens eingesetzte Dreimännerregiment durch den Wegfall der
beiden Gollegen thatsächlich zur Einherrschaft geworden war, legte
der allein übrig gebliebene Gewalthaber am 13. Jan, 727 (27 v. Chr.)
diese Ausnahmegewalt nieder und setzte in Erfüllung des ihm ge-
wordenen Auftrags die umgestaltete Gemeindeordnung in Kraft. Der
Rechtsgrund derselben ist, wie derjenige der Zwölftafelgesetzgebung,
die constituirende Gewalt ihres Schöpfers; die formale Bestätigung
durch die herabgewürdigten Comitien dieser Epoche würde dem Werk
des neuen Romulus nur den Stempel der Widerruflichkeit aufgedrückt
haben und ist unterblieben. Die Rechtsbeständigkeit der neuen Ord-
nungen ist niemals angefochten worden.
Bevor die Institution selbst dargelegt wird, sind die Vorfragen
zu erledigen, ob die Einführung eines Oberhauptes in die Gemeinde-
ordnuDg, wie sie in den augustischen Ordnungen enthalten ist, von
ihm als bleibende Einrichtung oder als Uebergangszustand ins Leben
gerufen ward und, wenn diese im ersteren Sinne beantwortet wird,
ob sie als Magistratur in dem bisher damit verbundenen Begriff ge-
fasst werden darf oder unter Aufgabe dieses Begriffs Rom damit zu
der nicht magistratischen Monarchie gelangt ist.
Der Dass der Principat nicht als organische Institution dem Gemein-
vi«ibende woseu olugofügt wordou ist, muss vom staatsrechtlichen Gesichtspunct
aus eingeräumt werden. Das Wesen der Republik beruht auf der
Collegialität und der Annuität des Oberamts (S. 84) und beiden
macht der Principat ein Ende. Diesen unausgleichbaren Gegensatz zu
verschleiern, den neuen Wein in alte Schläuche zu fassen war die
Tendenz des augustischen Regiments. Aus dieser Ursache fehlt der
11. Der Principat. 191
neuen Oberhanptstellung sowohl die formale Einheit wie deren staats-
rechtlicher Ausdruck, der Name, und vor allen Dingen die gesetzliche
Norm für die Wiederbesetzung im Falle der Erledigung. Indem eine
Successionsordnung, welche den formalen Bruch mit der zu Recht be-
stehenden Gemeindeverfassung ausgesprochen haben würde, nicht fest-
gesetzt wirdy stellt sich die Reihenfolge der Principate staatsrechtlich
dar als eine Kette auf einander folgender und gleichartiger, aber
ausserordentlicher Gewalten, und folgerichtig ist auch wie nach der
Ermordung des Dictators so nach derjenigen des letzten unwürdigen
Herrschers aus seinem Geschlechte die alte auf Annuität und Gollegiali-
tat des Oberamts basirte Staatsform wieder in ephemere, aber rechtliche
Wirksamkeit getreten. Die Verschiedenheit zwischen der caesarischen
Dictatur auf Lebenszeit und dem augustischen Principat mag wohl
hauptsächlich darin bestanden haben, dass von ihren Begründern jene
nur wenige Tage, dieser über ein Menschenalter hindurch geführt
worden ist. Aber in dem Gang der Geschicke entscheiden die That-
sachen. Augustus hat eine dauernde Staatsform nicht bloss schaffen
wollen, sondern geschaffen; diejenigen Momente, welche sie als Pro-
visorium kennzeichnen, sind in der einen oder der anderen Weise bei
Seite geschoben, selbst eine Quasi- Succession entwickelt worden. In-
sofern zählt der augustische Principat zu den staatsrechtlichen In-
stitutionen des römischen Gemeinwesens und er darf in gewissem Sinne
als Spitze und Vollendung der von dem Senatsregiment begründeten
Weltherrschaft angesehen werden.
Die weitere Frage, ob der Principat als Magistratur im republi- pri^cipat
kanischen Sinne angesehen werden kann, muss, wie gesagt, verneint ^"^'*™*'*'"
werden, wenn dabei, der ursprünglichen römischen Auffassung ent-
sprechend, die Gollegialität und die Annuität des Oberamts zu Grunde
gelegt wird ; insofern ist der Principat die Beseitigung der Republik.
Aber wenn, dem principiellen Standpunct der späteren Zeit ent-
sprechend, die Magistratur gefasst wird als Ausfluss und Organ der
Volkssouveränetät, so fällt unter diesen Begriff auch der augustische
Principat; wenigstens ist von den drei überhaupt möglichen Construc-
tionen der Monarchie, der Auffassung des Monarchen als des höchsten
Vertreters der souveränen Staatsgemeinde, der Auffassung desselben
als des Gottes auf Erden und deijenigen als des Herrn und Eigenthümers
der reichsangehörigen Personen und Sachen dem augustischen Principat
die erste wesentlich homogen, wenn gleich der einigermassen hybriden
von gegensätzlichen Tendenzen beherrschten Institution weder der
Monarch-Gott noch der Monarch-Herr schlechthin fehlen. Der Dictator Imperator
Caesar hat sich bei seinen Lebzeiten als Gott anbeten lassen, und
192 Drittes Bach. Die einzelnen Aemter.
wenn Augustus als Gottessohn in das politische Leben eintrat und er
nach seinem Tode wie auch regelmftssig seine Nachfolger unter die
Götter des Römerstaats eingereiht wurden, so ist dies die praktische
Durchführung des von der Monarchie nicht wohl zu trennenden
mystischen Moments, das den Herrscher auf die Scheide stellt zwischen
\Tmlnm ^röttem Und Menschen. Auch die rationellere, aber schroflFere Ge-
staltung der Monarchie nach Analogie der hausherrlichen Gewalt,
welche zu einem personalen Obereigenthum ihres Trägers an dem ge-
sammten Reichsbestande hinführt, ist dem Principat nicht völlig fremd
geblieben. Aber durchgeführt worden ist in demselben weder jene
noch diese Anschauung; vielmehr liegt hier die Scheide des augustischen
auf dem occidentalischen Gedankenkreis ruhenden Principats von der
diocletianisch-constantinischen Monarchie des Ostens, in welcher,
namentlich seit der Einfluss der christlichen Religion dem Monarchen-
Gott hindernd in den Weg trat, der Monarch-Herr logisch und prak-
tisch zu voller Entwickelung gelangte. Der Principat, wie Augustus
ihn geordnet hat, ist der Anlage nach wesentlich Magistratur, und
zwar nicht gleich der constituirenden eine über und ausser dem Gesetz
stehende, sondern durch die Gesetze begrenzt und gebunden. Selbst
^«^^auer den privatrechtlicheu Gesetzvorschriften sind die Kaiser nicht minder
Gesetze ^Is die Privateu unterworfen ; von den für Kinder- und Ehelose auf-
gestellten gesetzlichen Beschränkungen des Erbrechts haben die frühe-
ren Herrscher für ihre Testamente Befreiung bei dem Senat nach-
gesucht, und auch als späterhin das Recht von dem Gesetz im einzelnen
Fall zu dispensiren als ein Attribut der kaiserlichen Gewalt betrachtet
ward und die Rechtsgelehrten daraus mit Recht folgerten, dass jede
privatrechtliche Festsetzung des Kaisers die etwa erforderliche Dispen-
sation von Rechtswegen einschliesse, haben die Kaiser darum nicht auf-
gehört unter dem Gesetz zu stehen. Die criminelle Verantwortlichkeit
ruht schon nach republikanischer Ordnung bei dem höchsten Magistrat
während seiner Amtsführung und kann daher gegen den Kaiser nur
nach seiner Amtsentsetzung oder nach seinem Tode wirksam werden.
Für dieses wie für jenes Strafverfahren, die Aechtung des gestürzten
Herrschers bei seinen Lebzeiten und nach dem Tode die Aechtung
seines Gedächtnisses und die Cassation seiner Amtshandlungen fehlt
es in der römischen Kaisergeschichte nicht an Beispielen. Wichtiger
aber als die Belege für die Unterordnung des Kaisers unter die Ge-
setze ist für den magistratischen Charakter des Principats die Ein-
haltung der Competenzschranken, wie sie am Schlüsse dieses Ab-
schnitts dargelegt werden wird.
wein^SSi. ^^'^ kaiserliche Titulatur ist von der magistratischen der.Repu-
11. Der Principat. 193
blik insofern principiell verschieden, als die letztere den Eigennamen
unverändert Iftsst, dagegen die officielle Bezeichnung des neuen Staats-
oberhauptes vorzugsweise in der Modification des Eigennamens ihren
Ausdruck findet, worin das der Monarchie eigene personale Hinaus-
heben des Monarchen aus der bürgerlichen Gemeinschaft allerdings zu
scharfem und bezwecktem Ausdruck gelangt. In erster Reihe gilt
dies von der FQhrung desjenigen Beinamens, welchen der Senat zum
Dank für die Neuorcbiung des Gemeinwesens dem Urheber derselben
beilegte: die Benennung Äugustus^ das heisst der hehre und götter-
gleiche, bildet von da an, der sonst fQr das Cognomen geltenden
Erblichkeit entzogen, das Symbol der also geschaffenen Monarchie und
auch gegenüber den minderen Theilhabem an derselben das Distinctiv
der vollen Kaisergewalt Hinzu tritt nicht allein für den Kaiser, son-
dern auch für die Glieder des kaiserlichen Hauses, also bereits in
dynastischer Ausgestaltung, einerseits die Beibehaltung des Geschlechts-
namens lediglich für die aus der kaiserlichen abgeleitete Benennung
von Personen oder Institutionen, unter Abwerfung desselben in der
eigentlichen Namenführung, welche gleichfalls auf Augustus zurückgeht
und , allerdings mit einigen Ausnahmen , bis auf Hadrian die männ-
lichen Angehörigen des kaiserlichen Hauses von den übrigen Bürgern
scheidet, andrerseits das von dem Dictator Caesar auf den Stifter der
Monarchie vererbte Cognomen, welches nicht bloss unter der ersten
Dynastie, sondern auch unter den nachfolgenden die männlichen
agnatischen Angehörigen der Kaiserhäuser auszeichnet, bis es, wie
weiter gezeigt werden wird, ebenfalls durch Hadrian auf den desig-
nirten Nachfolger beschränkt ward.
Neben der personalen Nomenclatur fehlt, wie gesagt, dem neuen Ti<»i«tiir.
Monarchen ein adäquater Amtstitel. Princeps^ der erste Staatsbürger,
heisst in der besseren Kaiserzeit das Staatsoberhaupt vorzugsweise
und schon Augustus nennt sich selber so; aber nicht bloss drückt
diese Bezeichnung nur die Bangstellung und nicht die Competenz aus,
sondern sie wird auch lediglich enuntiativ, niemals titular verwendet.
Die dem Monarchen als solchem zukommenden Amtsbenennungen
sind, der weiterhin darzulegenden Doppelcompetenz entsprechend, ver-
schieden für das städtisch-italische und für das provinziale Regiment.
Für die erstere Competenz hat nach einigem Schwanken noch unter
Augustus selbst die der Republik fremde Bezeichnung der tribunicischen
Gewalt sich fixirt, welche seitdem als der die Monarchie am wenigsten
inadäquat bezeichnende Amtstitel gilt ; charakteristisch ist dabei, dass
in der kaiserlichen Titelreihe die tribnnicische Gewalt unter Augustus
hinter den republikanischen oberamtlichen Titulaturen des Consulats
B i n d i B g , Handbncli. I. 8: Mommsen, Abrus d. Bftm. SUatsrechts. 2. Aufl. 18
194 Drittes Buch. Die einzelnen Aemter.
und der feldherrlichea Acciamation , dagegen von Tiberius an vor
diesen beiden an erster Stelle steht. Ffir das provinziale Regiment
oder die feldherrliche Gewalt bot sich als titularer Ausdruck theils
die proconsularische, theils die Imperatorentitulatur, welche beide die
kaiserliche Militärgewalt in genagender Weise zum Ausdruck brachten.
Die erstere indess eignete wegen ihrer Beschrftnkung auf die Neben-
gebiete zu titularer Verwendung sich nicht und ist daher von den
früheren Kaisern titular überhaupt nicht, von den späteren von
Traianus an nur dann geführt worden, wenn sie ausserhalb Italien
verweilten. Aber auch die allgemeine Führung des Imperatortitels
gab insofern Anstoss, als das republikanische Princip des Ausschlusses
des militärischen Imperium von Rom und Italien auch in der augusti-
schen Verfassung festgehalten ward. Um das Commando, das that-
sächlich das Wesen des Principats in sich schloss, weder ohne Aus-
druck zu lassen noch verfassungswidrig zum Ausdruck zu bringen, hat
der Stifter der Monarchie schon in den ersten Stadien seiner politischen
Laufbahn den Imperatortitel seines Adoptivvaters als Erbnamen be-
handelt und ihn unter Abwerfung seines eigentlichen als Vornamen
geführt, worin seine Nachfolger, soweit sie sich nicht, wie insbesondere
Tiberius that, der feldherrlichen Benennung überhaupt enthielten, ihm
gefolgt sind. — Ausser diesen beiden Amtstiteln und dem von den
meisten Herrschern, wenn auch häufig nicht von Anfang ihres Regi-
ments an geführten Ehrenprädicat «Vater des Vaterlandes" werden von
den republikanischen Priesterthümem und Aemtem, die der Kaiser über-
nimmt, die vornehmeren, insbesondere der Oberpontificat, das Consulat,
die Gensur und die Feldherrnacclamationen auch von dem Kaiser,
und zwar nach der Weise dieser Epoche die Aemter auch nach der
Niederlegung unverändert, in der Titulatur geführt
ueternfthm« Wondou wir uns zu der Frage, in welcher Weise die monarchische
Imperium. Gewalt erworbou wird, so tritt auch hier wieder die die gesammte
Institution beherrschende Doppelcompetenz uns entgegen. Die Ge-
winnung des Gommandos und diejenige der tribunicischen Gewalt fallen
nicht nothwendig zusammen; wenn sie aber getrennt erworben werden,
so geht die erstere nothwendig vorauf und es besteht das monarchische
Commando ohne die tribunicische Gewalt, nicht aber diese ohne Com-
mando. Auf jenes hat die Magistratscreirung nach republikanischer
Ordnung keine Anwendung gefunden ; vielmehr lehnt die Gewinnung
des monarchischen Imperium äusserlich sich an diejenige Form an,
durch welche der republikanische Oberbeamte den Imperatorentitel
erhält, das ist thatsächlich entweder durch Zuruf der Truppen oder
nach Aufforderung des Senats, rechtlich nach eigener freier, durch
11. Der Principat. 195
die bezeichneten Acte lediglich gerechtfertigter Willkür. Aber wenn
nach der republikanischen Ordnung auf diesem Wege nicht das Com-
mando erworben, sondern nur der Amtstitel geändert wird, so über-
nimmt nach der neuen monarchischen auf die gleiche Weise ein
jeder, an den eine solche Aufforderung gerichtet und von dem sie
aufgenommen wird, auch der amtlose Private das im ganzen Reich
jedes andere ausschliessende Commando. Wohl wird dieses Imperium
gedacht als hervorgehend aus dem Volkswillen; aber es drückt sich
dieser dabei aus nicht in der geordneten Form der Comitien, sondern das
Volk wird hier repräsentirt sei es durch das Heer oder einen beliebigen
Heertheil, sei es durch den Gemeinderath. Hiermit wird also jede
Auflehnung gegen den derzeitigen Inhaber der Gewalt insoweit legali-
sirt, dass für die Rechts- vielmehr die Machtfrage eintritt; folgerichtig
aber ist diese staatsrechtliche Theorie, und die Geschichte des Princi*
pats ist ihr praktischer Ausdruck. Legitim ist jeder, der zum Augustus
ausgerufen wird, wenn er auch nur vorübergehend zum Besitz der
Macht gelangt, Galba ebenso wie Nero, Otho und Vitellius nicht
minder als Galba. Die römische Logik verschmäht die Illusionen.
Selbstverständlich macht das Bestreben sich geltend den Consequenzen
dieser selbstmörderischen monarchischen Succession praktisch einiger- Mangelnde
massen dadurch auszuweichen, dass der zeitige Monarch für den ulft^n
Todesfall die Succession sichert; aber auch dies wird dadurch er- ^''"^*®*
Schwert oder vielmehr verhindert, dass die Besetzung der höchsten
Stelle rechtlich nicht anticipirt werden kann. Der in der Uebernahme
des Imperium sich offenbarende Yolkswille wirkt nothwendig unmittel-
bar. Designation des Nachfolgers ist bei dem Principat nicht ein-
mal in der Form zulässig, dass der Princeps bei seinen Lebzeiten
die Nachfolge feststellt; die dem Principat mangelnde Continuität
schloss nicht die Wiederbesetzung aus, wohl aber deren Anticipation.
Dennoch hat die dynastische Tendenz, welche bei der Begründung
des Principats durch den Sohn des gewaltigen Caesar so mächtig
mitgewirkt hatte, nicht bloss in dem Kaiserhause selbst, sondern
auch bei den Getreuen der Monarchie dazu geführt, dass die Nach-
folge des Vaters von Rechtswegen dem Sohne zu gebühren schien,
und weiter, bei dem häufig eintretenden Fehlen leiblicher Söhne des
Princeps und bei der nach römischer Sitte allgemein zulässigen Adop-
tion, in dieser eigentlich privatrechtlichen Form zur factischen Wahl des
Nachfolgers durch den Vorgänger im Principat. Selbst wenn ein Kaiser
mit Hinterlassung mehrerer Descendenten gleichen Grades starb, ist
die Bestimmung des Haupterben in seinem Testament gewissermassen
als Präsentation für die Nachfolge auch in der Regierung aufgefasst
18*
196 Drittes Buclu Die einzelnen Aemter.
worden, wobei allerdings die enge Verknüpfung des kaiserlichen Privat-
vermögens und der kaiserlichen Herrscherstellung mitgewirkt haben
wird. Hadrian hat dann, wie schon gesagt ward, fttr die Bestimmung des
zeitigen Herrschers hinsichtlieh der Nachfolge einen formellen Aus-
druck festgestellt in der Beilegung des Gaesamamens. Aber alle diese
Auffassungen und Aeusserungen haben keinen weiteren Werth als die
Constatirung der Ansicht und der Absicht des zeitigen Herrschers
über den Regierungswechsel und ändern nichts an der Bechtsregel,
dass die Fixirung der Succession nicht anticipirt werden kann. Es
erstreckt sich dies sogar, wie weiterhin zu zeigen sein wird, auf die
Uebertragung der nominellen Mitregentschaft. Abgesehen von der
formell möglichen, aber dem Wesen der Monarchie zuwider laufenden
und erst spät zur Anwendung gelangenden Sanmitherrschaft giebt es
keinen Rechtsweg die Succession in dem römischen Principat vorweg
festzustellen.
4^trib^! Im Gegensatz zu dem militärischen Imperium wird die tribunicische
o^t ^^^^^^^ ihrem bürgerlichen Charakter entsprechend, auf Grund der
für diese Epoche überhaupt feststehenden legislatorischen Initiative des
Senats durch die Gomitien dem neuen Herrscher übertragen. Auch
diesem Act aber fehlt diejenige rechtliche Gontinuität, welche das
Kennzeichen der ordentlichen Magistratur ist und selbst bei den nicht
ständigen Aemtem, wie Gensur und Dictatur, eingehalten wird. Viel-
mehr folgt derselbe der für die ausserordentliche Beamtenemennung
geltenden Norm : die gesetzliche Feststellung der Gompetenz und der
Wahlact, ans welchen diese sich zusammensetzt, werden, wie dies
ausnahmsweise auch in republikanischer Zeit geschehen ist (S. 186),
hier zu einem Act zusammengefasst. Indem der Senat für jede ein-
zelne Ernennung die Gompetenz zu normiren hatte, war die Handhabe
gegeben mit dem an sich wenig bestimmten Begriff der tribunicischen
Gewalt beliebige Specialclauseln zu verknüpfen; und wahrscheinlich
sind diejenigen kaiserlichen Befugnisse, die nicht geradezu aus dem
Imperium resultirten, auf diesem Wege legalisirt worden. Anticipation
übrigens ist bei der Uebertragung der tribunicischen Gewalt ebenso
ausgeschlossen wie bei derjenigen des Imperium; der Antrag richtet
sich immer auf sofortige Uebemahme dieser Amtsgewalt.
Weitere Aussor dioson beiden dem neuen Herrscher die militärische und
tioBender difi bürgerliche Obergewalt verleihenden Acten werden für die In-
gew^r stallation desselben in den Vollbesitz seiner Macht- und Ehrenstellung
weiter gefordert die durch die dafür bestimmten Gomitien zu voll-
ziehende Wahl zum Oberpontifex , die Uebemahme des ordentlichen
Gonsulats an dem auf den Antritt nächstfolgenden 1. Januar und der
11. Der Principat. 197
Eintritt in sämmtlicbe angesehene sacrale GoUegien. Die auf diesem
Wege ihm erwachsenden Befugnisse sind, obwohl factisch standig,
doch rechtlich mit dem Principat nur personal verknüpft, welche
Verbindung allerdings namentlich bei dem Oberpontificat auch politisch
ins Gewicht fällt.
Eine rechtlich fixirte Qualification fttr den Principat wird durch ^"■■gUJSJ*
die oben bezeichnete Bestellungsform ausgeschlossen; es giebt dafür flcauon»-
keine Altersgrenze und es hat an Versuchen nicht gefehlt Frauen zu
dieser Stellung zu erheben. Dennoch verdient es erwähnt zu werden,
dass der Principat aus dem alten Adel hervorgegangen ist und dass,
als nach dem Ausgang der Julier und der Glaudier Plebejer dazu ge-
langten, diesen mit dem Amt auch der Patriciat verliehen wurde.
Dem senatorischen Kreise sind die Kaiser der ersten zwei Jahrhunderte
ohne Ausnahme entnommen worden; der erste aus dem Bitterstand
hervorgegangene ist M. Opellius Macrinus (217 n. Chr.).
Die lebenslängliche Dauer des Amtes gehört zu seinem Wesen; Lebensunr
weder das Imperium noch die tribunicische Gewalt sind jemals mit
Endtermin übertragen worden. Dass ein wichtiger Bestandtheil der
kaiserlichen Grewalt, die unmittelbare Verwaltung der kaiserlichen
Provinzen zunächst in dieser Weise übernommen ward, gilt nur für
die augustische Begierung selbst, und auch für diese nur formell, da
diese Verwaltung ständig prolongirt ward. Allerdings aber liegt es in
dem Gesagten, dass der Principat ausser durch den Bücktritt und den
Tod des Inhabers auch dadurch beendigt werden kann, dass ein
anderer sich zum Machthaber aufwirft und thatsächlich die Oberhand
gewinnt; wie der durch die Truppen oder den Senat manifestirte
Volkswille den Kaiser bestellt, so kann er auch durch die gleichen
Organe abgesetzt werden; eine andere Legitimität als die der That-
sächlichkeit hat der Principat nicht entwickelt.
Die kaiserlichen Ehrenrechte und Insignien sind im Allgemeinen Ehrearechto.
diejenigen der republikanischen Magistratur. Die persönliche Unver-
letzlichkeit und der von den Soldaten geforderte Treueid sind wesent-
lich schon in den früheren Ordnungen enthalten ; neu ist nur die durch
die dynastische Tendenz der Institution gegebene Erstreckung beider
auf das Kaiserhaus. Gleich dem Consul trägt der Princeps als Amts-
gewand die Toga mit dem Purpursaum. Die Zahl der Lictoren ist
unter den früheren Herrschern die consularische ; erst Domitian hat
sie nach dem Muster der suUanischen Dictatur verdoppelt. Als Amts-
sitz dient dem Kaiser wie dem Consul der curulische Sessel; nur
kommt ihm, wenn er mit den Consuln zusammen öffentlich erscheint,
der Mittelplatz zu. Unter den dem Princeps eigenthümlichen Ehren-
198 Drittes Buch. Die einzelnen Aemter.
rechten verdieBen ErwfthnuDg die Führung des Lorbeerkranzes und
die Bezeichnung der Münzen mit seinem Bilde, welche beide von dem
Dictator Caesar auf die Kaiser übergegangen sind. Neben diesen dem
bürgerlichen Regiment angehörigen Auszeichnungen führt der Kaiser
auch die feldherrlichen, insbesondere den Degen und die rothe Feld-
hermschärpe. Insofern das Commando dem provinzialen Amtkreis
angehört, sind diese Insignien in Rom und Italien nicht am Platz;
da aber der Kaiser daselbst von seiner Garde umgeben und sein Com-
mando nicht unbedingt auf die Provinzen beschränkt ist, so macht
mehr und mehr auch hier der Offizier sich geltend und namentlich
in der sinkenden Kaiserzeit wird die bürgerliche Amtstracht durch
Mangelnde jeuou Feldhormpurpur in den Hintergrund ge.drängt. Die Behandlung
der Eponymie ist charakteristisch für die unvollkommene Durchführung
der monarchischen Idee in ^dem römischen Principat. Eine Zählung
der Regierungsjahre ist in Anknüpfung an die tribunicische Gewalt
schon unter Augustus eingetreten, aber der Muth sie an die Stelle
der consularischen zu setzen hat ihm wie seinen Nachfolgern versagt.
Mitgewirkt hat dabei zunächst der dem Principat anhaftende Mangel
der rechtlichen Continuität und der dadurch herbeigeführte mit dem
Wechsel der Regenten wechselnde Jahranfang; aber auch nachdem
unter Nerva und Traianus die römischen Regierungsjahre an dem für
den Amtsantritt der Tribüne bestimmten 10. Dec. (S. 170) ein festes
Neujahr erhalten hatten und sie so gut wie die ägyptischen Königs-
jahre zur Jahrbezeichnung verwendet werden konnten, hat dennoch
die schwerfällige Jahrbezeichnung nach den Consuln des 1. Januar^
so zu sagen der rechtliche Ausdruck des formalen Fortbestehens der
Republik, sich die ganze Kaiserzeit hindurch im Reichsgebrauch be-
hauptet und nur in den ehemaligen Staaten der Seleukiden und der
Lagiden die provinziale Jahrbezeichnung sich an deren kaiserliche
Nachfolger angeschlossen. Das tribunicische Kaiserjahr bleibt im
praktischen Gebrauch beschränkt auf die Kaisertitulatur.
competenz. Dio dom Priuclpat beigelegte Amtsgewalt ist, wie dies schon
mehrfach hervorgehoben worden ist, theils militärisches Commando^
theils eine bürgerliche Machtstellung, wozu allerdings noch zahlreiche
aus dem Begriff des Imperium nicht zu entwickelnde und auch mit
der tribunicischen Gewalt wahrscheinlich nur äusserlich verknüpfte Be-
fugnisse hinzutreten. Indem für das Eingreifen des Principats in die
einzelnen Zweige des Regiments auf das folgende Buch verwiesen
wird, sollen hier die Grundlagen jener Doppelcompetenz zusammen-
^ ^ , gefasst werden.
Das Kaiser-
liehe Das kaiserliche Imperium ist organisch entwickelt aus der republi-
Commando.
11. D«r Principat. 199
kanischen Statthalterschaft, wie es denn auch mit deren Titulatur als
proconsularisehe Gewalt bezeichnet zu werden pflegt. Die Gollegialitftt
ist bei der Statthalterschaft der Republik principiell ausgeschlossen ;
die Annuität hat bei ihr in Folge des Gebrauchs und des Missbrauchs
der Prorogation nur unvollkommen functionirt. Die langjährigen
mehrere Provinzen gleichzeitig umfassenden und den Statthalter von
dem Verweilen in seinem Sprengel mehr oder minder dispensirenden
Provinzialcommandos der letzten republikanischen Decennien und mehr
noch die derselben Epoche angehörigen das gesammte Mittelmeergebiet
umfassenden ausserordentlichen Militärcommandos gegen die Piraterie
mit ihren Hülfsbeamten magistratischer Qualification (S. 151. 188) stehen
bereits dem kaiserlichen Imperium bei weitem näher als demjenigen
des ursprünglichen Prätors von Sidlien. Insofern ist das kaiserliche
Imperium, obwohl aus der Statthalterschaft der Bepublik hervor-
gegangen, doch in seiner Ausgestaltung eine Neubildung. Abgesehen
von der Perpetuität des Amtes und der bei dieser seiner Form selbst-
verständlichen örtlichen Befreiung von der Vorschrift, dass der Inhaber
des Imperium, um es auszuttben, sich innerhalb seines Sprengeis be-
finden muss, ist dasselbe qualitativ nach drei Bichtungen hin gesteigert :
durch die Erstreckung auf das gesammte ausseritalische Gebiet (tm-
permrn infinitum), während das republikanische Imperium durchaus
örtlich begrenzt ist; durch die Ueberlegenheit Ober jedes andere
Imperium bei eintretender Collision (infperium maius), während unter
den ordentlichen Imperien der späteren Bepublik in Folge ihrer Be-
grenzung die Collision principiell ausgeschlossen war; durch den
ausschliesslichen Besitz eigener Truppen, indem sämmtliche Reichs-
truppen auf den Namen des Princeps vereidigt sind, während in
republikanischer Zeit jeder Statthalter sein eigenes Heer hat oder
doch haben kann. Die Schranke, dass Born und Italien dem militä-
rischen Imperium nicht unterliegen, ist für das kaiserliche Imperium
ebenfalls massgebend und auch praktisch von grossem Einfluss ge-
blieben, wenn gleich sie dadurch eingeengt wird, dass der regelmässig
in Born verweilende Princeps nicht ohne Leibwache und Italien bei
seiner Lage nicht ohne Kriegshäfen bleiben konnte. Aber von der
Garde und den beiden Flotten abgesehen, ist Italien bis zum Anfang
des 3. Jahrh. n. Chr. nicht mit Truppen belegt worden. Formelle Aus-
schliesslichkeit kommt der kaiserlichen allgemeinen proconsularischen
Gewalt nicht zu; vielmehr bleibt das Commando einem jeden der
Proconsuln in seinem Bezirke. Aber da der Proconsul nicht bloss ein
schwächeres Imperium hat als der Kaiser, sondern auch die eigenen
Truppen ihm fehlen und er für sein militärisches Imperium auf
200 Drittes Buch. Die einzelnen Aemter.
geliehene kaiserliche Soldaten angewiesen ist, ist dies specielle Im-
perium von Haus aus ohne Bedeutung und wird sehr bald ein leerer
Name. — Dabei hat noch eine andere Steigerang der kaiserlichen
Befugnisse wesentlich eingegriffen. Nach der ursprünglichen augu-
stischen Ordnung sollten sämmtliche Reichsprovinzen für Jurisdiction
und Administration dem Senat und den aus der Consuln- und Pr&toren-
wahl hervorgehenden Statthaltern unterstellt werden, während die
in denselben stationirten Truppen dem Princeps unterstanden. Bis
weiter indess behielt der Kaiser mehrere derselben in eigener Ver-
waltung und dieses Provisorium wurde nicht bloss zum Definitivum,
sondern es wurde in kurzer Zeit durch Vertauschungen und andere
Manipulationen bewirkt, dass alle mit Truppen belegten Provinzen
auch unter unmittelbare kaiserliche Verwaltung traten , womit jenes
formale Doppelcommando des Kaisers und des Proconsuls beseitigt war
und das kaiserliche Commando zu voller Ausschliesslichkeit gelangte.
Wie weit aber auch die Befugnisse desselben sich erstreckten, muss
dasselbe dennoch, namentlich mit Rücksicht auf die Ausnahmestellung
Italiens, als ein gesetzlich begrenztes bezeichnet werden und es ist
wesentlich schwächer als dasjenige, welches aus Caesars Dictatur sich
hätte entwickeln müssen.
iii]iAitd«r Auch die tribunicische Gewalt des Kaisers knüpft wohl an an
cisehoir den republikanischen Volkstribunat, ist aber wie titular so auch quali-
tativ eine neue zuerst dem Dictator Caesar und sodann dem Augustus
und seinen Nachfolgern durch Volksschluss übertragene Befugniss.
Die zeitlichen, örtlichen und collegialischen Schranken, welche dem
Volkstribun gesetzt sind, fallen bei ihr ebenso hinweg wie der Aus-
schluss des Patriciers und ihr Inhaber muss bei GoUision mit dem Volks-
tribun diesem überlegen gewesen sein. Sie eignete sich zum Ausdruck
der neuen bürgerlichen Obergewalt theils durch die dem Volkstribunat
anhaftende eminente und demokratisch geheiligte Unverletzlichkeit,
theils durch die ideale Aufgabe des Volkstribuns ohne unmittelbare und
stetige Amtsthätigkeit als ständiger Beschützer der Verfassung der
Gremeinde sowohl wie der Rechte des einzelnen Bürgers überall als
höchstes Correctiv, gewissermassen als verfassungsmässige Ausnahme-
gewalt einzugreifen. Von den ausser dem Recht der Intercession darin
enthaltenen oberamtlichen Befugnissen kam für den Princeps nur etwa
die der Verhandlung mit der Plebs und dem Senat in Betracht. Aber
es ist schon darauf hingewiesen worden (S. 196), dass was unter dem
Namen der tribunicischen Gewalt dem Princeps übertragen ward, durch
die dem Vollmachtsgesetz einverleibten Specialclauseln weit hinausging
über die aus dem alten Tribunat herzuleitenden Rechte. Erwiesener-
11. Der Principat. 201
massen ist das Recht des Prineeps Krieg, Frieden und Vertrag zu
sehliessen auf diesem Wege legalisirt worden und dasselbe gilt wahr-
scheinlich von der obersten Criminal- und Civiljudication und von zahl-
reichen anderen Befugnissen, wobei die Regel, dass jede einem Prin-
eeps als solchem übertragene Befugniss für alle Nachfolger in Kraft
bleibt, wohl schon früh zur Geltung gekommen ist. In dieser Ueber-
sicht kann auf dergleichen Festsetzungen nicht weiter eingegangen
werden; die wichtigeren derselben werden ihren Platz im folgenden
Buch finden.
Wichtiger in diesem Zusammenhang als die Aufz&hlung einzelner G«»^id^^
positiver Befugnisse des Kaisers ist der Hinweis darauf, dass die Ge- ^^^^^^
meinde ihre souveränen Rechte, namentlich die Beamtenemennung
und die Gesetzgebung keineswegs verloren, sondern der Kaiser nur in
rechtlich festen Grenzen in dieselben eingegriffen hat Die Beamten-
ernennung ist unter dem Principat principiell von der Bürgerschaft
oder dem derzeitigen Repräsentanten derselben, dem Senat vollzogen
worden, so weit nicht specielle Ausnahmen gemacht worden sind (Buch 5
Abschn. 5). In gleicher Weise wird die allgemeine Gesetzgebung von
den Comitien und späterhin von dem Senat gehandhabt. Auch die
Privilegienertheilung steht von Rechtswegen bei dem Senat; in diese
freilich haben die Kaiser seit dem letzten Flavier vielfach eingegriffen
und dieselbe mehr und mehr an sich gezogen. Nur die Mitwirkung
des Senats und der Comitien bei Kriegserklärung und Staatsvertrag
nahm mit dem Principat ein Ende, und weiter wird diejenige Gesetz-
gebung, welche die Comitien der Republik einzelnen Beamten zu
delegiren pflegten, insbesondere die Ertheilung des Bürgerrechts und .
des Stadtrechts, jetzt allgemein und ausschliesslich vom Prineeps geübt.
Es bleibt noch übrig die neben dem Principat erscheinende un-
gleiche CoUegialität, die der kaiserlichen analoge, aber nachstehende
Amtsstellung, die Mitherrschaft, so wie die gleiche CoUegialität im
Principat, die Sammtherrschaft zu erörtern.
Die ungleiche CoUegialität im Principat, die Mitherrschaft, wie wir seeaitd&r«
sie in Ermangelung einer allgemeinen Benennung bezeichnen, ist mit ihm hemehaft
zugleich aufgetreten, trägt aber noch in stärkerem Sinne als der Principat
selbst den Charakter der ausserordentlichen Magistratur, insofern ihr
Eintreten von den jeweiligen Verhältnissen abhängt und ihr Fehlen nicht
als Vacanz erscheint. Es fehlt ihr auch an einer allgemein gültigen
Norm; sie besteht in der Beilegung einer der beiden wesentlichen
Bestandtheile der Kaisergewalt, der proconsularischen oder der tribu-
nicischen oder auch beider vereinigt, aber unter allen Umständen mit
Unterordnung unter den Prineeps, wobei überdies die mit jenen Attri-
202 Drittes Buch. Die einzelnen Aemter.
butionen verbundene Competenz allem Anschein nach in jedem ein-
zelnen Fall specieller Normirung unterlegen hat. Die Herbeiführung
einer solchen Stellung und die Festsetzung der ihr zuzutheilenden Be-
fugnisse hängt der Sache nach selbstverständlich von dem Willen des
Princeps ab ; formell scheint bei der proconsularischen Gewalt, da das
Imperium selbst dafür keine Handhabe bietet, der souveräne Senat den
Kaiser zu deren Ertheilung bevollmächtigt zu haben, während die
tribunicische Gewalt des Kaisers vermuthlich mit dem verschollenen
tribunicischen Cooptationsrecht ausgestattet ward. Die bei dem Prin-
cipat ausgeschlossene zeitliche Begrenzung ist hier vorgekommen so-
wohl für den Anfang der secundären Gewalt in der Form der Designation
wie für ihre Beendigung in der Verleihung auf Zeit. Die zum Wesen
des Principats gehörige Verbindung der beiden Gewalten ist hier
facultativ : bis auf Severus werden sie regelmässig gesondert verliehen
und zwar in der Weise, dass das proconsularische Imperium als das
geringere gilt und gewöhnlich die Vorstufe bildet für die Verleihung
der secundären tribunicischen Gewalt. Von da an scheint das pro-
consularische Imperium für sich allein nicht mehr vergeben worden
zu sein ; die Kebenherrscher des dritten Jahrhunderts treten durchaus
auf als Inhaber der tribunicischen die proconsularische anscheinend
einschliessenden Gewalt. Dem Inhalte nach haben diese secundären
Stellungen mit der des Princeps wohl die Beseitigung der Annuität und
die Erstreckung auf das gesammte Reichsgebiet gemein und scheiden
sich insofern principiell von der gewöhnlichen Magistratur; der In-
haber der secundären proconsularischen Gewalt hat eigenes Commando,
derjenige der tribunicischen das Recht den Senat zu berufen. Aber
wie beiden weder der Principat noch der Augustusname zukommt und
selbst die Benennung Imperator ihnen nur in einzelnen Fällen bei-
gelegt worden ist, haben sie auch an den eigentlichen Kaiserrechten
keinen Antheil. Eigene Truppen hat ein solcher Nebenherrscher so
wenig wie der senatorische Proconsul; in den kaiserlichen Erlassen
wird er in der besseren Kaiserzeit nicht mit genannt ; an der Verwal-
tung der kaiserlichen Provinzen, an der Ernennung der kaiserlichen
Beamten, an der Gerichtsbarkeit, an Kriegführung und Friedensschluss
hat er von Rechtswegen keinen Antheil. Freilich kann mit dieser
Stellung ein wirklicher Antheil an dem Reichsregiment verbunden sein ;
in dieser Gestalt ist die Institution zuerst bei Augustus und Agrippa
ins Leben getreten und auch im dritten Jahrh. n. Chr. ist sie zuweilen
in gleicher Weise verwendet worden. Aber dazu genügt die Stellung
selbst keineswegs, sondern es müssen die besonderen Mandate hinzu-
treten. In der That ist bereits seit der späteren Zeit des Augustus
11. Der Principat. 203
der politische Zweck dieser Institution vielmehr die möglichste Siche-
rung der Nachfolge durch Creirung eines nominellen obersten Herr-
schaftsgehülfen und Herrschaftsgenossen. Darum nehmen diese Neben-
herrscher thatsächlich Oberwiegend die Stellung machtloser Kronprinzen
ein und die der Institution des Principats an sich fremde dynastische
Tendenz gelangt vorzugsweise in dieser secundären Herrschergewalt
zum Ausdruck. Allerdings war eine derartige Creirung nicht mehr als
eine Anwartschaft, genau genommen die formelle Aeusserung des der-
zeitigen Herrschers über die von ihm gewünschte Nachfolge und es
ist schon darauf hingewiesen worden, dass bei Erledigung der Herr-
schaft der nominelle Mitregent keineswegs von Rechtswegen succedirt.
Thatsächlich indess ist die Uebertragung des Principats in der Regel
durch diesen vorbereitenden Act bestimmt worden.
Wenn die ungleiche Collegialität, wie sie eben dargelegt worden sammt^
ist, dem Wesen der Monarchie keinen Abbruch thut, so läuft dagegen
die gleiche Collegialität, obwohl sie formell bei dem Principat ebenso
herbeigeführt werden kann wie einstmals bei dem Königthum und bei
der Dietatur, dem Wesen desselben zuwider. Eingetreten ist dieselbe,
obwohl schon Augustus sie ins Auge gefasst zu haben scheint, erst
im J. 161, indem damals nach Pius Tode der von diesem in Aussicht
genommene Nachfolger Marcus die Regierung übernahm unter Bei-
gesellung des Bruders zu gleicher Machtbefugniss, weiter einige Jahre
später derselbe nach des Bruders frühem Tode seinem unmündigen
Sohn die gleiche Stellung übertrug. Ueberwiegend in der letzteren
Gestalt, wo der eine der beiden Sammtherrscher durch seine Jugend
vom wirklichen Antheil am Regiment ausgeschlossen, ihm aber für den
Fall der Erledigung der Thron formell gesichert ist, ist die Institution
in vordiocletianischer Zeit zur Anwendung gekommen und hat in-
soweit nach beiden Seiten hin ihren Zweck erfüllt, die Einheitlichkeit
des Regiments nicht aufgehoben und den Regierungswechsel geordnet.
Aber dass bei ernstlicher Gleichheit der Herrscher die Sammtherrschaft
entweder zum Bürgerkrieg oder zur Reichstheilung führt, erwies schon
die Katastrophe nach Severus Tode, und in der nachdiocletianischen
Epoche ist die Auflösung des Römerreichs zunächst durch das effectiv
gleiche Sammtregiment herbeigeführt worden.
12. Die kaiserlichen Unterbeamten und Hausverwalter.
Die republikanische Magistratur bleibt principiell auch unter dem
Kaiser in Function: das kaiserliche Rom wird verwaltet von seinen
Consuln, Prätoren und Aedilen, das kaiserliche Italien von seinen
Municipalitäten , ein beträchtlicher Theil der Provinzen auch in der
Kaiserzeit von den Proconsuln und ihren Quästoren und die Ober-
leitung bleibt in allen diesen Kreisen dem Senat. Thatsäehlich aber
macht das Eingreifen des neuen Staatsoberhaupts nach allen Seiten
hin sich geltend, theils durch seine persönliche Thätigkeit, theils
durch diejenige seiner Geholfen und Diener.
Kus^iiche Dem persönlichen Handlungskreis des Herrschers gehören an die
regierang. kaisorliche Reichsfeldherrnthätigkeit, der kaiserliche Vorsitz im Senat,
das Kaisergericht, die kaiserliche legislatorische Initiative, die kaiser-
lichen Constitutionen. Diese kaiserlichen Regierungshandlungen treten
nach aussen hin als personale auf und die dabei verwendete Hülfs-
thätigkeit entzieht sich der Darstellung. Die beiden dem Kaiser wie
dem Consul dieser Epoche beigegebenen Quästoren (guaestores Augusti)
haben wohl gleichsam als Civil adjutanten ihn bei seiner haupt-
städtischen Amtsthätigkeit unterstützt, aber eine feste Competenz
lässt auch für sie sich nicht erweisen. Die alte römische Sitte vor
des^^ai^e^s. wichtigon Entscheidungen geeignete Berather zu berufen und deren
Meinung zu hören (S. 151) ist für politische Fragen wohl vorüber-
gehend unter besonderen Verhältnissen zur Anwendung gekommen,
aber als feste Einrichtung hat ein politischer Staatsrath nicht be-
standen. Nur für das Kaisergericht und auch hier erst seit Hadrian
ist ein festes Consilium gebildet worden, in welches angesehene Männer
und insbesondere namhafte Rechtsgelehrte berufen wurden, um unter
dem Vorsitz des Kaisers oder eines Vertreters desselben die an diese
höchste Stelle gelangenden Rechtssachen zu behandeln. Dagegen ist das
mittelbare kaiserliche Regiment, die von den Gehülfen und Dienern des
Princeps ausgeübte öffentliche Thätigkeit hier eingehender zu entwickeln.
gnauiiMtion Dio kaisorlichen Unterbeamten sind theils Gehülfen bei dem
liehen Amts- Commando, der Verwaltung und der Jurisdiction, theils Hausdiener.
gehfllfen.
12. Die kaiserliehen Unterbeamten und Uausrerwalter. 205
Die der ersten Kategorie werden durchaus den beiden privilegirten
St&nden entnommen und auch innerhalb derselben ist die Qualification
fest abgegrenzt, wodurch das kaiserliche Recht der Gehülfenbestellung
in energischer Weise gebunden und insbesondere das Senatsregiment
weniger beschränkt wird als durchgeführt.
In der hauptstädtischen Verwaltung haben NichtSenatoren, von ^^^.^p^-
den bei der kaiserlichen Leibgarde und bei der städtischen Lösch- Verwaltung.
mannschaft fungirenden Offizieren und von dem mit der Beschaffung
des fttr die Hauptstadt erforderlichen Getreides betrauten Finanz-
beamten abgesehen, amtliche Thätigkeit unter dem Principat nicht
ausgeübt. Die neuen für hauptstädtische Geschäfte vom Kaiser er-
nannten Beamten werden durchgängig aus dem Senat ausgewählt
und auch die ihnen zugegebenen Subalternen nicht dem kaiserlichen
Gesinde entnommen, sondern nach dem republikanischen Muster
geordnet. Die Reichskasse blieb zunächst unter der Verwaltung der
republikanischen Magistrate ; erst Nero nahm sie diesen ab und stellte
sie unter eine Vorsteherschaft kaiserlicher Ernennung. Augustus war
allerdings damit schon insofern vorangegangen, als er bei Einführung
neuer Steuern eine zweite Reichshauptkasse (€ierarium müitare) mit
kaiserlicher Vorstandschaft eingerichtet hatte. Es wird darauf bei
dem Finanzwesen (Buch 4 Abschn. 5) zurückzukommen sein.
Das Verpflegungswesen der Hauptstadt nahm Augustus, insoweit ^'^'^'- ^
es sich dabei um die Beschaffung der Vorräthe handelte, wie so eben ''»»an-
gesagt ward, auf seine Hauskasse und entzog sie damit der senatorischen
Verwaltung. Aber die Vertheilung des Getreides wurde durch eine
nach den republikanischen Regeln bestellte und geordnete Magistratur
beschafft.
Das städtische Bauwesen und die Fürsorge für die italischen Baawesen.
Landstrassen, beide seit dem Verfall der Gensur verwaist, wurden den
Curatoren für die städtischen Gebäude, für die städtischen Wasser-
leitungen, für die städtischen Kloaken und den Tiberstrom, für die
italischen Landstrassen, neuen senatorischen Specialämtem kaiser-
licher Besetzung angewiesen.
Von wesentlicher auch politischer Wichtigkeit ist die durch Tiberius Poiizei.
imter dem Namen der verschollenen Stadtpräfectur ins Werk gesetzte
Einrichtung eines hauptstädtischen Polizeidirectors, welcher mehr und
mehr auch die Criminalsachen in der Hauptstadt in die Hand bekam
und allmählich überhaupt an die Spitze der hauptstädtischen Verwaltimg
gelangte. Diese Institution nahm, obwohl der Präfect selbst nicht
Offizier war, dadurch einen militärischen Charakter an, dass ihm eine
ansehnliche Truppe von etwa 5000 Mann zur Verfügung gestellt ward.
206 Drittes Buch. Die einzelnen Aemter.
luiische Bei weitem weniger als in die hauptstädtische hat der Principat
Verwaltung. .,.„,, ,,.,., r^, ./«. wv
m die Selbstverwaltung der italischen Städte emgegnffen. Das neue
Amt für die italischen Landstrassen kam mit diesen nur äusserlich in
Berührung. Erst seit der traianischen Zeit begegnen, ohne Zweifel
durch die bei jener Selbstverwaltung eingerissenen finanziellen Miss^
stände herbeigeführt, Aufsichtsbeamte über die Vermögensverwaltung
einzelner italischer Städte, vom Kaiser theils dem Senat, theils der
Ritterschaft entnommen.
Provinziai- Wenn in Rom und Italien der Kaiser nicht kraft seiner militärischen
Gewalt schaltete, so ruht dagegen sein Antheil am Provinziai r^ment
durchaus auf dem Imperium oder der proconsularischen Gewalt, und
seine Gehülfen in diesem Bereich sind, in scharfem Gegensatz zu
den italischen, durchgängig Offiziere. Dieselben zerfallen in drei
Klassen: die kaiserlichen Adjutanten (legati Augusti) senatorischen
Standes mit magistratiseher Qualität {pro praetore) , die nicht magi-
stratischen Adjutanten desselben Standes (legati) und die Offiziere
von Ritterrang , die tribuni und praefecti. Dass ihnen allen eigenes
Gommando fehlt, kommt in der im Gebrauch unserer Adjutantur
entsprechenden Bezeichnung legatus bei den höheren Kategorien zum
Ausdruck. Im Wesentlichen ist diese Ordnung der Militärhierarchie
der Republik entlehnt, in welcher der legatus der dem Feldherrn bei-
gegebene und schon damals häufig, wie in der Kaiserzeit durchaus,
als Corpschef functionirende Senator ist, der tribumis und der praefectus
entweder ein Sammtcommando bei der Legion oder das Einzel^
commando einer kleineren Truppe führt.
MagiBtra. Dio deu Sonatoreu vorbehaltene magistratische Adjutantur oder
i«c e <^i I. ^^^^ römischer Bezeichnung die legati pro praetore , ngeafievtal xai
awiazQdTTjYoi , welche nach dem Muster der dem Pompeins für den
Piratenkrieg gewährten Ausstattung (S. 151) dem Kaiser beigegeben
sind, stehen zu der republikanischen Ordnung in schärferem Gegen-*
satz als irgend eine andere dem Principat angehörige Institution, weil
damit der Kaiser in die Greirung der Magistratur eingreift und statt
der Comitien das Imperium verleiht. Insofern ist es bemerkenswerth,
dass in der ursprünglichen Gestaltung des Principats diese Kategorie
bezeichnet wurde als künftig wegfallend; wenn Augustus seiner Ver^
heissung entsprechend die vorläufig in seiner Verwaltung verbliebenen
Provinzen bei Eintritt des vorgesehenen Termins dem Senat zurück-
gegeben hätte, so wären damit diese Beamten ausser Function ge-
treten. Dazu aber ist es nicht gekommen und seit Tiberius erscheinen
diese vom Kaiser besetzten Statthalterschaften als definitive Reichs-
Institution. Der Competenz nach kommt einem solchen Statthalter in
12. Die kaiserlichen Uiiterbe*mteii und Hausverwalter. 207
Gommando, Rechtspflege und VerwAltung volles Statthalterrecht zu
und die höheren unter diesen Statthalterschaften, die Ton Germanien,
Syrien, Pannonien, Britannien werden, obwohl die Inhaber bloss pro-
prätorischen Rang haben und im Gegensatz zu den sechs Lictoren
führenden senatorischen Proconsuln nur fünf Fasces führen, ausschliess-
lich mit Gonsularen besetzt, die geringeren wenigstens nicht anders
als nach der Pr&tur verwaltet. Thatsächlich bilden jene jetzt die
höchsten Staffeln der militärisch-politischen Laufbahn. Die stärksten
römischen Heere, in der früheren Kaiserzeit bis zu vier Legionen oder
etwa 40000 Mann, seit Severus allerdings nur bis zu der halben
Stärke, stehen unter ihrem Gommando und wenn der Princeps nicht,
wie er allerdings eigentlich soll, selber als Beichsfeldherr functionirt,
80 pflegen grössere Reichskriege, so weit nöthig mit Erweiterung der
Gompetenz, einem solchen General übertragen zu werden.
Ebenfalls senatorische, aber nicht mit magistratischer Befugniss NiohtinMi*
ausgestattete Offiziere sind die kaiserlichen Gorpschefs, die legati '^k^.^
legianis, regelmässig Prätorier. Die Reichsarmee ist in der Haupt-
sache in Corps von durchgängig 10000 Mann Stärke eingetheilt, von
denen die Hälfte auf die Bürgerlegion fällt, die andere Hälfte aus den
übrigen Reichsangehörigen gebildet wird. Jurisdiction und Provinzial-
Verwaltung haben sie nur dann, wenn eine Provinz mit einer einzigen
L^ion belegt ist, was in früherer Zeit vermieden wird; wo mehrere
Legionen in derselben Provinz stationirt sind, sind deren Legaten dem
proprätorischen der ganzen Provinz unterstellt und wie sie sich bei
der Truppe befinden, sind sie zunächst für das Gommando bestimmt,
obwohl sie nach Auftrag des vorgesetzten Legaten auch für andere
Geschäfte verwendet werden können. In einzelnen kaiserlichen Pro-
vinzen erscheinen auch Legaten gleichen Ranges und gleicher Unter-
ordnung unter den der Provinz überhaupt vorgesetzten für die Hand-
habung der Rechtspflege (legati iuridiei) oder, jedoch nicht ständig,
für Revision der Einschätzungen (legati censibus accipiendis). Es ist
bezeichnend für den militärischen Charakter des kaiserlichen Provinzial-
regiments, dass auch diese Civilmandatare den Adjutantentitel führen.
Gegenüber diesen beiden Kategorien, welche etwa unserer Gene- offtsien tou
ralität verglichen werden können, stehen die Offiziere von Ritterrang, ****•"***■
die sechs Tribüne der Legion und die Tribüne oder Präfecten der
Auxilien, durchgängig als Einzelführer Abtheilungen 500 bis 1000
Mann vorgesetzt. Der Plebejer dieser Epoche (S. 49) darf als solcher
ein derartiges Gommando nicht führen, obwohl der Kaiser ihn durch
Verleihung des Ritterpferdes jederzeit dazu qualificiren kann ; ebenso
ausgeschlossen von diesen Stellungen ist der Senator, obwohl der
208 Drittes Buch. Die einzelnen Aemter.
juDge Mann senatorischen Standes, bevor er in den Senat eintritt^
regelmässig derartigen Offiziersdienst thut. Der Regel nach sind
diese Offiziere von Ritterrang den Offizieren senatorischen Ranges
untergeordnet. Aber es werden hiervon Ausnahmen gemacht, die in-
sofern von politischer Wichtigkeit sind, als darin die Tendenz zu Tage
tritt die militärischen Vertrauensstellungen dem senatorischen Gommando
zu entziehen und sie vielmehr mit Männern von Ritterstand zu be-
setzen. Es gilt dies zunächst von der in Rom stehenden Leibgarde
ungefähr von der Stärke eines legionaren Corps : diese wurde nicht ala
Legion formirt, sondern es standen die Tribüne ihrer Abtheilungen anfangs
unmittelbar unter dem Kaiser, seit den späteren Jahren Augusts aber
unter dem Sammtcommando zweier rechtlich gleich gestellter Offiziere
von Ritterrang, der praefecti praetorio. Ungefähr gleichzeitig wurde
die militärisch reorganisirte Löschmannschaft der Hauptstadt einem
auch dem Ritterstand entnommenen Befehlshaber (praefectus vigüum)
unterstellt. Die Kriegsflotten in den beiden italischen Meeren wurden
gleichfalls Offizieren von Ritterrang überwiesen. Wenn also, so weit
in Italien überhaupt militärische Stellungen sich befanden, bei keiner
derselben ein Mann senatorischen Ranges verwendet ward, so ist bei
einer Reihe von Königreichen und Fürstenthümem, die unter dem Prin-
cipat zum Reiche kamen, dasselbe geschehen und sind sowohl in Aegypten,
welches kein Senator auch nur betreten durfte, wie auch in Noricum
und den sonstigen zunächst an die Alpen grenzenden Landschaften
die Mitglieder des an dem Reichsregiment betheiligten Senats von
der Statthalterschaft ausgeschlossen worden. Selbstverständlich ist die
finanzielle oder militärische Wichtigkeit dieser Gebiete dabei bestimmend
gewesen ; staatsrechtlich wurde dies Verfahren dadurch legalisirt, dass
sie angesehen wurden als nicht eigentlich oder wenigstens nicht so-
fort mit dem römischen Imperium vereinigt, sondern, gewissermassen
durch dynastische Succession der römischen Herrscher, in einer Art
Personalunion mit demselben verknüpft. In diesen ehemaligen König-
reichen und Fürstenthümem wurden die Befugnisse der Statthalter-
schaft an die weiterhin zu erwähnenden kaiserlichen Obersteuer-
einnehmer von Ritterrang gegeben und, so weit diese Statthalterschaften
mit Truppen belegt waren, diese demselben unterstellt, in Aegypten,
das mit Legionen besetzt ward, sogar diese selbst so wie ihre hier
ebenfalls dem Ritterstand entnommenen Corpschefs. Durch diese
zahlreichen und wichtigen Ausnahmen wurde die den augustischen
Ordnungen zu Grunde liegende Regel, dass das Militärcommando in
höherer Instanz dem Senator zukommt, wesentlich eingeschränkt, bis
dann im Lauf des dritten Jahrhunderts der Senat allmählich aus
allen militärischen Stellungen ausgeschieden wird.
12. Die kaiserlichen Unterbeamten und Hausverwalter. 209
Wenn die bisher aufgeführten höheren kaiserlichen Gehülfen, Niedere
obwohl nur ausnahmsweise magistratischen Rechts, doch sämmtlich ^eit.
als Organe der Magistratur angesehen werden dürfen, so ist auch
der niedere Kreis der Hülfsthätigkeit bei dem kaiserlichen Regiment
in ähnlichem Sinn geordnet. Insofern diejenige Form der Monarchie,
welche als Gemeindevertretung gefasst und der Magistratur zugerechnet
werden darf, sich dadurch charakterisirt, dass sie den personalen
Dienst bei dem Herrscher von dem Staatsdienst scheidet, so besteht
der Principat auch in den von ihm verwandten niederen Hülfsieuten
die Probe und macht den rechten Gegensatz zu dem späteren
Byzantinismus. Insbesondere macht sich dies im Heerwesen geltend
und zwar in steigender Progression durch Ausstossung des in den
Anfängen des Principats dabei verwandten Gesindes. Die aus un-
freien Mannschaften überwiegend germanischer Herkunft gebildete
für den unmittelbaren Dienst bestimmte berittene Palastwache der
früheren Herrscher wird seit Traian ersetzt durch eine der Reiterei
peregrinischen Rechts entnommene Elitegarde. Die Mannschaften der
italischen Flotten, unter den julischen Herrschern kaiserliche Sclaven»
finden wir schon unter Claudius umgewandelt in eigentliche Soldaten
und aus den Flottenführern die kaiserlichen Freigelassenen verbannt
und dieselben sämmtlich dem Ritterstand entnommen. Ebenso werden
bei den kaiserlichen Statthaltern die Subalternen nicht genommen
aus dem kaiserlichen Gesinde, sondern ohne Ausnahme abcommandirte
Soldaten dafür verwendet. In steigendem Masse scheinen Hadrians
Verwaltungsreformen dem Uebergreifen des Kaisergesindes entgegen-
gewirkt zu haben ; charakteristisch dafür ist es, dass er die bis dahin
von dem Gesinde der Gemeinde auf das kaiserliche übergegangene
Ehrenauszeichnung der Zweinamigkeit dem letzteren entzog und den
Kaisersclaven anwies sich gleich dem des Privaten mit einem einzigen
Namen zu nennen. Es tritt diese auf Zurückdrängung des Gesindes
gerichtete Tendenz mit besonderer Schärfe hervor in der Behandlung
der kaiserlichen Correspondenz. Der dabei erforderliche Beistand gehört
nach der Ordnung des römischen Hauswesens zu den Gesindeleistungen
und wird auch bei der kaiserlichen zunächst überwiegend in dieser
Weise behandelt, wenn gleich auch Personen besseren Standes, wie
unter Augustus der römische Ritter Q. Horatius Flaccns, dazu berufen -
werden konnten. Aber indem allmählich der Gegensatz der amtlichen
und der [privaten Correspondenz sich geltend macht, insbesondere
die Briefe (qpistulae) von den Eingaben (Ubelli) geschieden werden,
tritt das kaiserliche Secretariat aus den personalen Dienstleistungen
in die amtliche Hülfsthätigkeit über, und es bezeichnet einen ent-
Binding, Handbach. I. 3: Mommsen, Abriss d. Römischen SUatsreehte. 2. AofU 14
210 , Drittes Buch. Die einzelnen Aemter.
schiedenen Fortschritt, dass mit Hadrian aus diesen Oehülfenstellungen
die Freigelassenen verschwinden und die kaiserlichen Eabinetssecretäre
fortan fast ohne Ausnahme dem Ritterstand angehören. Wohl hat da-
neben unter Claudius wie unter Domitian namentlich in der unmittel-
baren Umgebung des Kaisers das Bedientenregiment gewaltet, wie ja
denn jede schwache und jede nichtswQrdige Regierung durch dasselbe
gekennzeichnet wird; aber im Grossen und Ganzen Oberwiegt die
reformirende Tendenz, und es hat die ehrbare Ordnung in dieser
Hinsicht sich einigermassen behauptet, bis mit der Uebersiedelung
des Regiments nach dem griechischen Osten der kaiserliche Kammer-
diener unter die hohen Staatsbeamten eintrat.
^di^'e/T Es bleibt noch übrig die Htilfsthätigkeit bei der kaiserlichen
»^Mrer- Vermögensverwaltung in ihrer Eigenart zu charakterisiren. Zu Grunde
liegt dabei einerseits die strenge Scheidung des Staats (popiüus) und
des Herrschers (Caesar, fiscus), welcher vermögensrechtlich durchaus
als Privater behandelt wird, andererseits der vollständige Ausschluss
jeder finanziellen Controlirung des Staatsoberhaupts durch eine andere
staatliche Behörde, ähnlich wie dies zum Wesen der alten Dictatur
gehört (S. 134). Dies hat dazu geführt, dass die gesammte öffent-
liche Vermögensverwaltung, so weit sie in Einnahme wie in Ausgabe
dem Staatsoberhaupt zufällt, rechtlich behandelt wird als zum kaiser-
lichen Hauswesen gehörig, und da sowohl die bedeutendsten Aus-
gaben, insonderheit sämmtliche Aufwendungen für das Heer und für
die Verpflegung der Hauptstadt, unter dieselbe fielen wie auch dem
entsprechend die wichtigsten Einnahmen entweder an sich schon in die
kaiserliche Kasse flössen, wie namentlich die äg]rptischen, oder dem
Kaiser für Deckung jener Ausgaben überwiesen werden mussten, so
hat die kaiserliche Vermögensverwaltung, obwohl formell eine private,
die der Gemeinde der Sache nach von Haus aus überwogen und im
Laufe der Zeit die letztere immer mehr in den Hintergrund gedrängt.
Nicht das Staatsregiment überhaupt, wohl aber das Finanzregiment
bildet unter dem Principat thatsächlich einen Theil des kaiserlichen
Hauswesens.
Di«k»iMiw Wenn es hiemit ausgesprochen ist, dass bei den kaiserlichen
F^t Finanzen das Kaisergesinde nicht in der Weise principiell ausgeschlossen
war, wie dies von der Httlfsthätigkeit bei dem Gommando und den
sonstigen formell öffentlichen Geschäften der Fall ist, so ist dennoch
die Hülfsthätigkeit auch bei jenen keineswegs den unfreien und halb-
freien Kaiserleuten ausgeliefert. Wie von den grossen Privathäusem
dieser Epoche für die Vermögensverwaltung neben dem Gesinde der
Geschäftsführer (procurator) verwendet wird und in diesen Stellungen
beamtan«
12. Die kaiserlichen Unterbeamten und Hausverwalter. 211
zum Beispiel bei den kaiserlichen Damen selbst Männer von Bitter-
rang gefanden werden, so ist noch entschiedener die kaiserliche Ver-
mögensverwaltung von Haus aus so geordnet worden, dass, da die
Senatoren selbstverständlich bei derselben nicht betheiligt werden
konnten, alle der öffentlichen Thätigkeit angehörigen Stellungen mit
Männern vom Ritterstand besetzt wurden und insbesondere, so weit
diese Verwaltung mit den Bürgern in Berührung kam, das Gesinde
dabei nicht zum Vorschein kommen durfte. Bei der ungeheuren Aus-
dehnung der kaiserlichen Finanzverwaltung hat sich hieraus, in Ver-
bindung mit den nach dem früher Bemerkten dem Rittßrstand vor-
behaltenen Offiziers- und Statthalterstellen, eine zweite Beamten-
hierarchie entwickelt, die durch das geregelte Avancement und mehr
noch durch die hohen damit verbundenen Gehalte der senatorischen
Hierarchie ebenbürtig an die Seite trat und für das nicht militärische
Kaiserregiment mehr in Betracht kommt als die dem Senat angehörige
Beamtenschaft. Den ersten Platz in dieser Reihe behaupten die für die
einzelnen Provinzen bestellten kaiserlichen Obersteuereinnehmer. Den
Offizierstitel praefectus führten von denselben nur diejenigen, welche,
wie oben (S. 208) bemerkt, zugleich die Statthalterschaft versahen und
auch bei diesen überwiegt späterhin, von Aegypten abgesehen, die
Geschäftsführertitulatur. Der neben dem Statthalter in jeder Provinz
fungirende Obersteuereinnehmer, welcher sich als kaiserlicher Greschäfts-
führer (procurator Äugusti) bezeichnen darf, wird, obwohl er nicht
Offizier ist und keine eigene Truppe hat, doch insofern als Offizier
behandelt, als regelmässig Soldaten zum Dienst bei ihm abcommandirt
werden, und er gilt thatsächlich in der Provinz als der Zweithöchste,
wie er denn auch bei Vacanz des senatorischen oder des kaiserlichen
Vertreters interimistisch die Geschäfte zu führen pflegt. Von den
sonstigen Finanzbeamten führt den Offizierstitel nur der Verwalter der
hauptstädtischen Zufuhr (praefectus atmonae); die übrigen Aemter
sind durchgängig niederen Ranges und gehen in absteigender Folge
über in die Stellungen der kaiserlichen Freigelassenen und Sclaven.
Aber auch in diesem Kreise macht das Bestreben die der Sache nach
amtliche Thätigkeit dem Gesinde zu entziehen in steigender Intensität
sich geltend. Die Verwaltung der kaiserlichen Gentralkasse in Rom,
in welche die gesammte kaiserliche Finanzwirthschaft rechnungsmässig
ausgelaufen sein und die einigermassen den heutigen Finanzministerien
entsprochen haben muss, liegt in der claudischen Zeit in der Hand
eines dem Kaisergesinde angehörigen und rechtlich dem Kammerdiener
gleichstehenden Rechnungsführers (a rationihus)^ wobei die Oberauf-
sicht entweder des Kaisers persönlich oder eines von ihm bestellten
14*
212 Drittes Bach. Die einzelnen Aemter.
amtlosen Specialmandatars vorauszusetzen ist, im zweiten Jahrhundert
dagegen in den Händen des kaiserlichen Geschäftsführers für das
Rechnungswesen (procurator Augusti a raiionihus)^ eines angesehenen
römischen Ritters.
Wenige Seiten der Ordnungen des Principats verdienen so unein-
geschränkte Anerkennung wie die weise geordnete und folgerichtig
festgehaltene Selbstbeschränkung hinsichtlich der Auswahl der Unter-
beamten und der Gehülfen bei der Durchführung der umfassenden
dem Staatsoberhaupt zugetheilten Competenz. Wir haben wenigstens
in den Grundlinien dargelegt, wie die rechtlich freie Auswahl ge-
bunden ward durch nicht verbriefte, aber im Wesentlichen eingehaltene
Qualificationsnormen ; wie auch in den Gebieten, welche von Rechts-
wegen nicht staatlicher, sondern hauswirthschaftlicher Behandlung
unterliegen, die unter den bestehenden Verhältnissen unvermeidliche
Mitwirkung des halbfreien oder unfreien kaiserlichen Gesindes von
Haus aus in feste Grenzen gewiesen und im Laufe der Jahrhunderte
mehr und mehr eingeschränkt worden ;ist. Wesentlich auf diesem
Wege ist unter dem Principat die Mitherrschaft des Senats und die
Vorherrschaft der höheren Stände aufrecht erhalten und die alte
Aristokratie mit der neuen Monarchie zu einem Gesammtbau ver-
einigt worden, dessen innere Festigkeit und äussere Dauer der re-
publikanischen Weltherrschaft ebenbürtig zur Seite steht.
Viertes Buch.
Die einzelnen Amtsfunctionen.
Nachdem im vorigen Buch die römischen Magistraturen in ihrer
geschichtlichen Besonderheit ihren Hauptzügen nach entwickelt worden
sind, sollen in diesem in sachlicher Zusammenfassung die einzelnen
Amtsfunctionen dargestellt werden, in welche dieselben nach wesent-
lich nicht sachlich, sondern historisch bedingten, häufig geradezu zu-
fälligen Normen sich theilen. Ausgeschlossen sind dabei diejenigen
magistratischen Befugnisse, welche zweckmässig in anderer Verbindung
behandelt werden, insbesondere das Recht der Bestellung von Nach-
folgern, Gehtilfen und Stellvertretern, welches im zweiten, und das
Recht mit der Bürgerschaft Gesetze und mit dem Senat Beschlüsse zu
vereinbaren, welches im fünften Buch seine Stelle findet. Zur Dar-
stellung kommt hier die magistratische Betheiligung am Sacralwesen
(Abschn. 1); das Zwangs- und Strafrecht (Abschn. 2); die Rechtspflege
im Privatprozess (Abschn. 3); die HeerbilduDg und der Heerbefehl
(Abschn. 4); die Verwaltung des Gemeindevermögens und der Ge-
meindekasse (Abschn. 5); die Verwaltung Italiens und der Provinzen
(Abschn. 6); die Behandlung der Beziehungen zum Ausland (Abschn. 7).
Allerdings können diese Darlegungen im Rahmen des allgemeinen
Staatsrechts den Gegenstand nirgends erschöpfen, sondern wesentlich
nur bezeichnen, dass und wie die speciellen Ordnungen diesem sich
einfügen.
I. Die sacraien Magistratsgeschäfte.
Naehdem Magistratur und Priesterschaft sich von einander ge-
schieden haben, liegen selbstfolglich die sacraien Geschäfte überwiegend
bei den Priestern, deren sacrales Regiment bereits im zweiten Buch
(S. 88 fg.) entwickelt worden ist. Indess ist die Verweltlichung der
Magistratur keineswegs Ueberlieferung der staatlichen Götterverehrung
an die Priesterschaft ; es ist vielmehr das sacrale Regiment dieser in
der Hauptsache entzogen. Für die weitere Darstellung werden die
ordentlichen und ständigen ein für allemal angeordneten Sacralhand-
lungen und die nicht durch eine derartige Vorschrift gebotenen zu
unterscheiden sein.
Magiitn- Die hergebrachte oder dauernd neu hinzutretende Götterverehrung
iiDd 8p£ie' liegt nach Herkommen oder Festsetzung den Priestern ob, je nach
dem Ritual Priestercollegien oder Einzelpriestern. Auch mit der
Creirung der Priester, welche entweder durch collegialische Cooptation
oder durch pontificale Ernennung erfolgt, haben die Magistrate nichts
zu schaffen so wie auch die Auf Sichtführung über diese Verrichtungen
vom sacraien Standpunct aus dem hiefür mit Coercition ausgestatteten
Oberpontifex obliegt. Nur ausnahmsweise sind einzelne ständige
Sacralacte bestimmten Magistraten aufgetragen, so das latinische Fest
auf dem Albanerberg und das wenigstens factisch ständige bei Beginn
des Amtsjahres für dessen glücklichen Verlauf den Göttern darzu-
bringende Gelübde den Consuln, das Herculesopfer an der ara maxima
dem Stadtprätor. Von staatsrechtlicher Wichtigkeit ist nur die schon
erwähnte (S. 93) Ueberweisung der rechtlich den Sacralhandlungeu
zuzuzählenden ständigen Volksfeste der späteren Zeit an die Magistratur;
sie ist wesentlich daraus hervorgegangen, dass deren Veranstaltung
unter Zuschuss eigener Aufwendungen mehr und mehr als Wahl-
empfehlung behandelt ward, was sich auch deutlich darin zeigt, dass
bei dem ansehnlichsten dieser Feste den schon zum Ziel gelangten
1. Die sacralen Magistratsgesch&fte. 217
Consuln der Vorsitz, den nach demselben strebenden curulischen Aedilen
die Ausrichtung oblag. Ueberhaupt haben in der späteren Republik,
abgesehen von den durch den Stadtprätor ausgerichteten apollinarischen
Spielen, die vier Aedilen die Ausrichtung der Volksfeste beschafft;
Augustus aber hat sie, wohl eben wegen des daran sich knüpfenden
Ambitus, denselben entzogen und sie den Prätoren Übertragen.
Aber eine wichtige und allgemeine Ausnahme macht die Mit- oötter-
wirkung der Götter bei dem einzelnen magistratischen Act. Sie tritt
auf in zwiefacher Grestalt, entweder mit Initiative der Gottheit (dirae,
auch auguria oblativa) oder als Antwort der Gottheit auf die Frage
des Magistrats (auspicia impetrativa). In beiden Fällen kann die
besonders für die Deutung der Götterzeichen bestellte Priesterschaft
(augures) wohl um sachkundigen Rathschlag angegangen werden, aber
das Zeichen oder die Antwort geht an den Magistrat und die Be-
handlung desselben liegt in seiner Hand.
Gegen jeden öffentlichen Act, wozu in diesem Fall auch die Acte oöttiieher
EiDspnico«
der plebejischen Quasi-Magistrate gerechnet werden, kann die Gott-
heit Einspruch thun, das heisst dessen Unterlassung für den betreffenden
Tag fordern, wogegen die Wiederaufnahme desselben an einem anderen
dadurch nicht gehindert wird. Was der römischen Theologie als
Warnungszeichen gilt, ist hier nicht zu erörtern; ein während der
Volksversammlung sich entladendes Gewitter, Hinstürzen eines Epi-
leptischen in derselben, Versprechen in der Gebetformal werden nam-
haft gemacht. Dabei ist es rechtlich gleichgültig, ob der den öffent-
lichen Act vollziehende Beamte das Zeichen selbst wahrgenommen
hat oder durch Meldung (nuntiatio) eines der Anwesenden ihm davon
Kunde wird. Es steht an sich im Ermessen des Magistrats, in wie
weit er der Wahrnehmung Folge geben will oder nicht ; indess wurde
dies später dahin eingeschränkt, dass die Meldung berücksichtigt werden
musste, wenn sie entweder von einem anderen, wenn auch niederen
Magistrat kam, zum Beispiel dieser berichtete bei der Himmelsschau
(de cado servare) einen Blitz wahrgenommen zu haben, oder von
einem bei dem Act anwesenden Augur. In der besseren Zeit der Re-
publik, so lange diese Institution sich in ihren natürlichen Grenzen hielt,
hat sie schwerlich wesentliche Bedeutung gehabt. In der uns allein be-
kannten Denaturirung der spätrepublikanischen Epoche, bei welcher
neben üblem Herkommen auch dieses Herkommen sanctionirende und
vielleicht erweiternde Volksschlüsse mitgewirkt haben und bei denen
wesentlich der Zweck obwaltet, dem mit der magistratischen Initiative
und der comitialen Allmacht getriebenen Missbrauch durch einen an-
deren formell noch grelleren Missbrauch zu steuern, wird die Realität
218 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfun ctionen.
der Wahrnehmung gänzlich ignorirt und läuft insbesondere die Nun-
tiation aus auf ein Einspruchsrecht gegen den Act, bis sie dann in
den letzten Krisen der Bepublik allgemein untersagt ward.
Erbetene Bei Weitem wichtiger sind die magistratischen Auspicien, das heisst
aeidien. die Ordnuug, dass der Magistrat der Gemeinde — nicht derjenige der
Plebs — gehalten ist vor jedem wichtigeren öffentlichen Act durch
entsprechende an die Gottheit gerichtete Frage sich ihrer Zustimmung
zu der Vornahme desselben zu versichern. Dieser Act heisst die
„Vogelschau" (auspicia), die dabei zugezogenen Sachverständigen die
„Vogelführer** (augures), weil anfänglich diese Zeichen vornehmlich ge-
funden wurden durch Beobachtung der durch ein — auf dem Erdboden
wie in der Luft mittelst gedachter Linien abgegrenztes — Schauquadrat
(templum) fliegenden Vögel (signa ex avibtis) oder durchlaufenden
Thiere (signa ex guadrupedibus). In historischer Zeit wurde diese
Vögel- und Thierbeobachtung praktisch verdrängt durch gleichartige
Betrachtung der Himmelszeichen (signa caelestia), wobei unter Zuhülfe-
nähme auch hier des bedenklichen Satzes, dass rechtlich nicht das
Sehen gefordert werde, sondern die Behauptung gesehen zu haben,
das überhaupt günstigste aller antwortender Zeichen, der aus heiterem
Himmel von links nach rechts streichende Blitz, späterhin die Haupt-
rolle spielte. Diese drei Zeichenbeobachtungen, zusammengefasst als
die „Schau** (spectio) dienen für die Götterbefragung im städtischen
Amtkreis. Bei der gleichartigen Befragung im militärischen Gebiet
tritt regelmässig dafür die Hühnerbeobachtung (auspida pullaria) ein,
indem dazu mitgeführten Hühnern Futter vorgeworfen und aus der
Art des Fressens die Antwort der Gottheit erkundet wurde. In welcher
Form die Götter die an sie gerichtete Frage verneinen, ist hier nicht
weiter zu entwickeln; beispielsweise wird jedes die Schau störende
Geräusch als Abmahnung betrachtet und es muss der Act abge-
brochen, kann aber, wie bei der Warnung, an jedem folgenden Tage
erneuert werden. — Unter den magistratischen Acten, für welche die
Einholung der Anspielen gefordert wird, nehmen die schon erwähnten
(S. 131) des Amtsantrittes den ersten Platz ein; sie sind zwar nicht
für die Amtführung bedingend, sondern umgekehrt durch die Ueber-
nahme des Amtes bedingt, wohl aber ist der Magistrat verpflichtet
sich baldmöglichst des Wohlgefallens der Götter zu versichern und
wie die Anspielen der Magistratur die religiöse Weihe geben, gilt auch
das Recht sie zu nehmen als ihr legales Kriterium. Daher wiederholt
sich in diesen Anspielen die Magistratur in allen ihren Eigenheiten so
zu sagen in sacraler Spiegelung. Wie das Vollamt seinen Ausdruck
findet in dem auspicium imperiumque^ dem Recht die Götter zu be-
1. Die sacralen Magistratsgesch&fte. 219
fragen und den Bürgern zu befehlen, so zieht die Erweiterung des
magistratischen Begriffis diejenige der Auspicien mit Nothwendigkeit
nach sich und hat jeder Beamte der patricisch-plebejischen Gemeinde
wie eine gewisse Gewalt über die Bürger so auch das Recht den
Willen ihrer Götter zu erkunden. Das bis zur Bestellung des ersten
Zwischenkönigs bestehende Interregnum wird gefasst als Uebergang
der Auspicien auf den patricischen Senat (auspicia ad patres redeunt)^
die Collision der Beamten ungleicher Gewalt als Gegensatz der auspicia
maiora und minoraj die stellvertretende magistratische Gewalt als
auspicia aliena. Indess beschränkt sich die Verpflichtung zur Götter-
befragung keineswegs auf den Antritt des Magistrats; auch wenn
er die Bürgerschaft oder den Gemeinderath beruft oder zur Ueber-
nahme des Commandos aus der Stadt auszieht oder während der
Führung desselben einen Fluss überschreitet oder ein Treffen liefert,
hat er sich der Zustimmung der Gottheit auf diesem Wege zu ver-
sichern.
Bleibt die göttliche Warnung unbeachtet oder wird ein Act, für ^^'/^ä^Sf
welchen Auspicien erfordert werden, ohne deren Beobachtung oder im ^fohSn.
Widerspruch mit denselben vollzogen, so wird 'nach den Ordnungen
der ältesten Zeit, so weit er der Bestätigung des patricischen Senats
(patrum audoritas) unterliegt, diese verweigert. Wo der Act einer
solchen Bestätigung nicht unterlag und, nachdem diese Institution
nicht mehr functionirte, allgemein wurde derselbe behandelt einerseits
als formell rechtsbeständig, andrerseits als behaftet mit einem Fehler
(Vitium), das heisst er konnte nicht ungeschehen gemacht werden, aber
seine Folgen wurden, so weit thunlich, beseitigt. Wenn also Wahl-
comitien unter einem solchen Präjudiz stattgefunden haben, so sind
die also gewählten Beamten in ihrem Gewissen verpflichtet baldmög-
lichst niederzulegen und, indem also die Auspicien von den zu Un-
recht bestellten Inhabern an die rechte Stelle und schliesslich in der
Form des Interregnum an den Urquell zurückkehren, eine Erneuerung
derselben (renovatio auspiciorum) herbeizuführen. Das fehlerhaft be-
schlossene Gesetz ist rückgängig zu machen, wozu nach strengem
Recht wohl wiederum ein Yolksschluss erfordert ward, nach der Auf-
fassung aber des letzten Jahrhunderts der Republik die Constatirung
des begangenen Fehlers durch den Senat ausreicht. Im Uebrigen
konnte, abgesehen von der strafrechtlichen Verantwortung, die Ahn-
dung des Frevels nur den Göttern anheimgestellt werden, wie dies
zum Beispiel bei dem trotz der abmahnenden Zeichen von dem Consul
Crassus angetretenen Abmarsch zum parthischen Krieg nach der An-
sicht der frommen Gegenpartei mit gutem Erfolg geschah.
220 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfunctionen.
sacraie^ Aber Wenn bei den durch das Ritual geordneten Culthandlungen,
.der abgesehen von den eben bezeichneten Ausnahmen, die Magistrate nicht
betheiligt sind, so liegt, wie schon gesagt ward (S. 92), jede sacrale
Festsetzung, selbst wenn sie durch das Ritual vorgesehen ist, unter
Ausschluss der Priesterschaft lediglich bei der Magistratur, je nach
Umständen unter Mitwirkung des Senats und der Comitien. Dahin
gehören die Aufnahme neuer Götter; die Erbauung neuer Gottes-
häuser: die Einrichtung neuer Priesterthttmer und die Festsetzung
der dafür erforderlichen Qualification ; die Gelübde mit ihren weit-
reichenden Consequenzen ; die Festsetzung der ständigen, aber nicht
kalendarisch fixirten Festtage so wie die Ansetzung neuer ständiger
oder einmaliger Festtage und was dessen mehr ist. Die zuerst ge-
nannten Ordnungen gehören dem Kreise der Gesetzgebung an oder
wenigstens, da man es vermied die Comitien in Glaubensangelegen-
heiten abstimmen zu lassen, zu der senatorischen Competenz. Die
übrigen Geschäfte fallen unter die Befugnisse des Oberamts; ins-
besondere das Schenkungsversprechen an die Gottheit, das heisst das
Gelübde (votum) und die dasselbe erfüllende Weihung (dedicatio)
bleiben im Allgemeinen den Imperienträgem, welchen auch die ausser-
ordentlicher Weise für den letzteren Act creirten Zweimänner (S. 186)
zuzuzählen sind. Indess werden seit der Mitte des 5. Jahrh. d. St. auch
Censoren und Aedilen ausnahmsweise und nach besonderem Volksschluss
ebenfalls zur Dedication zugelassen, nicht aber Beamte niedrigeren
Ranges oder gar Private. Uebrigens greifen hier auch die Regeln
über das Gemeindevermögensrecht ein. So weit Gelübde und Weihun-
gen mit dem magistratischen Kriegs- oder Prozessgewinne bestritten
werden können, ist das Schalten des betrefifenden Magistrats nicht
beschränkt; wo das eigentliche Gemeindevermögen dabei in Frage
kommt, wird nicht selten die Einwilligung der Gemeinde, später regel-
mässig die Zustimmung des Senates eingeholt. Für den heiligen Lenz
wurde sogar begreiflicher Weise durchaus die Zustimmung der Co-
mitien erfordert.
Die Priester- Uober dlo Stellung der Priesterschaft zu der öffentlichen Rechts-
d?e Recht«, pflege ist in dem Abschnitt vom sacralen Regiment (S. 94) gesprochen
^ ^^^' worden. Abgesehen von dem durch die Regeln des Hausgerichts
bestimmten Strafverfahren des Oberpontifex gegen die Priesterinnen
der Vesta und von der aus der sacralen Oberaufsicht desselben
resultirenden Coercition gegen den unbotmässigen Priester greift das
Priesterregiment in das öffentliche Strafverfahren nicht ein. Vielmehr
ist, wo sonst das strafbare Unrecht eine Verletzung der Gottheit in
sich schliesst, wie zum Beispiel bei dem Tempelraub, das Verfahren
1. Die sacralen Magistratsgeschäfte. 221
kein anderes wie bei Verletzung der Gemeinde; nur mag in ge-
wissen Fällen, wo mehr die sacrale SQhnung als die eigentliche
Justiz in Frage kam, insbesondere in der Beseitigung der Missgeburt
und bei dem Frevel gegen den beschworenen Intemationalvertrag.
die Mitwirkung der Comitien ausgeschlossen gewesen sein und die
Aussetzung und die Auslieferung allein von dem Gutfinden der Ober-
beamten abgehangen haben. Noch weniger wird die magistratische
Judication im Privatprozess durch die sacralen Befugnisse des Ponti-
ficats beschränkt.
2. Das Zwangs- und StrafVecht
Zwang und Insofem die Gemeinde bei sich Herrenrecht fibt, ist ihr Vertreter
befugt und verpflichtet einerseits jede der Gemeindegewalt unter-
stehende Person zur Erfüllung der allgemeinen und besonderen Be-
fehle anzuhalten und nöthigenfalls den Ungehorsam zu brechen, andrer-
seits die Verletzung der Gemeinde dem Urheber zu vergelten. Was
in internationaler Hinsicht der Krieg ist, stellt innerhalb der bürger-
lichen Ordnung sich dar in dem öffentlichen Zwangs- und dem öffent-
lichen Strafrecht. Das magistratische Zwangsrecht, die coerdtio deckt
sich einigermassen mit der Polizeigewalt unserer staatlichen Ordnungen,
welche als besondere magistratische Function den römischen unbekannt
ist, auch in keiner einzelnen römischen Magistratur verkörpert auftritt,
wenn gleich die Aedilität mit einigem Recht als niedere Markt- und
Strassenpolizei aufgefasst werden kann. In der That sind darunter
begriffen alle präventiven oder coercitiven magistratischen Massregeln
zum Schutz der öffentlichen Ordnung; die Unbestimmtheit und die
Willkür, welche hierin enthalten ist, gehört zu ihrem eigensten Wesen.
Das magistratische Strafreeht dagegen richtet sich gegen diejenigen
Schädigungen der Gemeinde, wegen deren die Beamten derselben nach
den bestehenden Satzungen verpflichtet sind ohne weiteres den Thäter
zur Verantwortung zu ziehen. Begrifflich also lassen die beiden
Kreise sich wohl von einander trennen : der Zwang soll auf den Willen
des Ungehorsamen wirken, die Strafe an dem Frevler Rache nehmen ;
daher tritt auch die Verhaftung wohl als Zwangs-, aber nicht als
Strafmittel auf und daher weicht, je mehr in diesem Verfahren das
rechtliche Element zur Geltung kommt, namentlich in dem strenger
formulirten Stadium der Provocation, das Zwangsverfahren zurück und
überwiegt die Strafprocedur. Dennoch gehören systematisch beide
Kreise zusammen und auch terminologisch schliesst das magistratische
Zwangsrecht, die coerdtio das öffentliche Strafrecht ein, für das es an
2. Das Zvangs- und Strafrecht. 223
einem allgemein gültigen Ausdruck gebricht; denn poena ist zunächst
das Lösegeld des Privatrechts, multa beschränkt auf die öffentliche
Geldbusse.
Dieses Zwangs- und Strafrecht soll hier dargestellt werden. Dem
Privatrecht gegenüber charakterisirt es sich dadurch, dass, wie für
dieses der Kläger gefordert wird, so dieser hier noth wendig fehlt und
der Magistrat vielleicht auf Anregung eines Privaten, rechtlich aber
immer von Amts wegen handelt; ferner dadurch, dass das Zwangs-
wie das Strafrecht ausläuft auf die Provocation an die Comitien, der
Privatprozess dagegen auf den Geschwomenspruch , während mit
jenem die Geschwornen ebenso wenig zu schaffen haben wie mit
diesem die Comitien.
Das Zwangs- und Strafrecht ist der praktische Ausdruck des oberamt.
Herrenrechts und insofern nicht Function dieser oder jener Magistratur, zwmnM-imd
sondern allgemeine magistratische Function ; es giebt nach römischer
Auffassung keine Polizeibeamten, sondern der Beamte schlechthin hat
mehr oder minder die Polizeigewalt. Der Vollbesitz desselben ist das
Imperium, der Inhalt und das Kennzeichen des Oberamts ; eben darum
aber haben die Beschränkungen, durch die das Imperium allmählich
abgemindert worden ist, hauptsächlich gegen diese Manifestation des-
selben sich gerichtet. Die im zweiten Buch dargelegte Scheidung des
Imperium nach dem hauptstädtischen und dem militärischen Amtkreis
findet ihren wichtigsten Ausdruck in der Beschränkung des Zwangs-
und des Strafrechts in dem ersteren durch das Provocationsrecht,
welche weiterhin bei der Darlegung der Procedur erörtert werden
wird. Gegen den Spruch des Feldherrn hat allerdings niemals
Provocation eingelegt werden können; indess wird weiterhin gezeigt
werden, dass in der letzten republikanischen Zeit auch das feldherr-
liche Strafrecht in ähnlicher Weise beschränkt worden ist. Anderer-
seits aber ist in dem weiten Kreis, der der Provocation nicht unter-
lag, namentlich gegen den Nichtbürger das Zwangs- und Strafrecht
dem Oberamt unbeschränkt verblieben.
Hülfe leisten dem Oberbeamten namentlich bei seiner strafrecht- oehtufen
liehen Thätigkeit im städtischen Amtkreis theils die beiden Quästoren »i^uehen
ältester Creirung (S. 180), theils die Dreimänner für Capitalsachen srAtS^hta.
(S. 1 85), jene seit dem Beginn der Republik, diese seit der Mitte des
5. Jahrh. d. St. in Function, jene wie diese ursprünglich von den
Gonsuln ausgewählte Gehülfen, späterhin der Volkswahl unterworfen und
damit eingetreten unter die Magistrate. Der ursprüngliche Wirkungs-
kreis der Quästoren ist wenig bekannt; wahrscheinlich sind sie zunächst Qii&ctoren.
bestimmt gewesen die dem unmittelbaren Einschreiten der Oberbeamten
224 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfanctionen.
unterliegenden gemeinen Verbrechen aufzuspüren-- nach dem schwersten
in diesen Kreis fallenden Verbrechen werden sie auch als quaestores
parricidii bezeichnet — und, da sie selber Judication nicht hatten,
der Aburtheilung durch das Oberamt zu unterstellen. Als dann später,
wie wir weiter sehen werden, dem Oberamt die eigene Judication da,
wo die Provocation zulässig war, entzogen ward, wurde diese Judi-
cation anstatt der Consuln von den Quästoren ausgeübt. — Die Drei-
Dreiminner mänuer für Capitalsacheu haben zunächst die Aufsicht über die Ge*
für Capital- ^
Sachen, fäuguisso uud damit auch über die Hinrichtungen, da diese, abgesehen
von den tribunicischen und den feldherrlichen Todesurtheilen, regel-
mässig im Gefängniss oder vom Gefängniss aus vollstreckt wurden.
Weiter sind sie verwendet worden für den öffentlichen Sicherheits-
dienst, namentlich, aber keineswegs ausschliesslich, für den Nachtdienst^
wesshalb sie auch die Nacht-Dreiherren (tresviri nociumi) genannt
werden. Daran knüpfte sich die Befugniss Ruhestörer und Verdächtige
vorläufig festzunehmen und Contravenienten ihrem Stande entsprechend
abzumahnen oder zu züchtigen. Wie weit sie thatsächlich hierin ge-
gangen sind, muss dahin gestellt bleiben; formale Criminaljudication
haben sie selbst über den Sclaven nicht gehabt.
perduei- Für das schwerste aller Verbrechen, die Auflehnung gegen die
' Gemeinde (perduellio), worunter vermuthlich Hochverrath und Landes-
verrath und überhaupt der politische Capitalprozess verstanden ward,
sind nach republikanischer Ordnung, seit wann wissen wir nicht, weder
die Consuln competent noch deren Mandatare, die Quästoren. Diese
Judication ist in historischer Zeit durch Specialmandatare ausgeübt
worden, welche anfangs wohl auch aus consularischer Ernennung her^
vorgegangen sein werden; späterhin wird dafür ein Specialgesetz er-
fordert und ordnet dieses dann die Creirung von Zweimännern an
(S. 186), welche wie die Quästoren die Judication ausüben.
Tribuni- Dem plebejischen Oberamt ist das Zwangs- und Strafrecht auf
zwai^8.iind revolutionärem Wege, aber schliesslich in anerkannter Rechtsbeständig-
' keit erworben worden. Ausgehend von der Ahndung der dem unver-
letzlichen Volkstribun zugefügten Schädigung und überhaupt der Ver-
letzung der der Plebs eingeräumten Sonderrechte erstreckt sich, nach-
dem der Ständekampf beendigt und der Tribun thatsächlich zum
Gemeindebeamten und insbesondere zum Werkzeug des Senats ge-
worden war, dessen strafrechtliche Competenz auf die unmittelbare
Schädigung der Gemeinde allgemein, das heisst auf sämmtliche schwerere
politische Prozesse und es hat insofern der tribunicische Strafprozess das
alte Perduellionsverfahren thatsächlich ersetzt. Die Schrankenlosigkeit
des Strafkreises und die Abhängigkeit dieser Rechtsverfolgung von
2. Das Zwangs- und Strafrecht, 225
den politischen Leidenschaften hat derselbe mit allen Hochverraths-
ordnungen gemein. Vorzugsweise richtet er sich gegen Verletzung
der Verfassung und also hauptsächlich gegen Beamte, kann aber auch
gegen Private, zum Beispiel den feigen Soldaten und den betrüglichen
Lieferanten eintreten. Er ist dem consularischen nicht bloss quali-
tativ gleich, sondern insofern überlegen, als die Unzul&ssigkeit der
CoUision des consularischen Urtheils mit dem Spruch der Gomitien
far den Volkstribun nicht besteht und er also die Capitaljurisdiction
direct handhabt.
Den Beamten ohne Imperium fehlt die höhere gegen die Person coereition
^ ^ der niftatfen
gerichtete Coereition durchaus. Die niedere auf Geldbusse und Pfän- Beamten.
düng beschrftnkte steht innerhalb der weiterhin zu erörternden Provo-
cationsgrenze den Censoren und den Aedilen zu. Diese ihre Thätigkeit
ist insofern von der Gehülfenschaft der Quästoren für den Strafprozess
verschieden, als sie nicht auf consularischem Mandat, sondern auf der
eigenen Gewalt dieser Beamten beruht, auch die Consuln dadurch
keineswegs entlastet werden, sondern ihre Coereition mit deijenigen
der niederen Beamten concurrirt. Diejenige der Censoren ist insofern
secundär, als diese Beamten zunächst bestimmt sind das Gemeindegut
in rechtem Stand zu halten und nur folgeweise und beiläufig, zum
Beispiel in Betreff der Strassen und der Benutzung des öffentlichen
Wassers, in den Fall kommen Uebergriffen von Privaten zu steuern
Dagegen ist die römische Aedilität, wie schon gesagt ward, zunächst
bestimmt im Markt- und Strassenverkehr das niedere Zwangs- und
Strafrecht zu handhaben. Wenn wir absehen von der älteren ausser-
halb der Magistratur stehenden plebejischen Aedilität (S. 176) ist
dieses Amt, wahrscheinlich in Nachbildung der hellenischen Agoranomie,
am Ende des 4. Jahrh. ins Leben gerufen worden , um neben und
unter dem Oberamt den Verkehr in der mächtig sich entwickelnden
Stadt zu beaufsichtigen. Seiner Gompetenz sind also unterstellt alle
auf offenem Markt sich vollziehenden Handelsgeschäfte, insbesondere
Kauf und Verkauf von Sclaven und Vieh sowie der marktgängigen
Esswaaren, woran sich die Aufsicht über Masse und Gewichte und
die Handhabung der gegen den Tafelluxus ergangenen Gesetze an-
schlössen, Ueber die bei den curulischen Aedilen damit verbundene
Jurisdiction wird im Abschnitt von der Rechtspflege die Rede sein.
Weiter lag den Aedilen ob die Aufsicht über die Pflasterung und die
Reinigung der Strassen der Hauptstadt, wobei ihnen am Ende der
Republik sechs Beamte niederen Ranges, vier für die innere Stadt,
zwei für die Bannmeile zur Hülfleistung beigegeben waren (S. 185),
femer die Freihaltung der Strassen von schädlichen Thieren oder
Bindlng, Handbuch. I. 8: Mommsen, Abriss d. Böm. StAataiecbts. 2. Aufl. 15
226 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfunctionen.
sonst den Verkehr hemmenden Gegenständen. Auch das Löschwesen,
femer die öffentlichen Bittgänge, Leichenzüge und Schauspiele so
wie die Associationen aller Art, weiter die sämmtlichen öffentlichen
Gebäude so wie die dem Verkehr geöffneten Privathäuser, ins-
besondere Bäder, Speisehäuser und Bordelle standen unter der Auf-
sichtfQhrung zunächst dieser Beamten. Für die Abwartung dieser weit-
läufigen Geschäfte wurde wenigstens am Ausgang der republikanischen
Zeit die Stadt Rom in vier nach Loosung den einzelnen Aedilen unter-
stellte Amtsbezirke getheilt. Immer aber bleibt die ädilicische Function
eine untergeordnete Hülfsthätigkeit; insonderheit die Sicherheitspolizei
ruht durchaus in der Hand der höheren mit vollem Zwangsrecht aus-
gestatteten Beamten. Den Aedilen fehlt nicht bloss die capitale Goer-
cition schlechthin, sondern auch Auflegung von Geldbussen mit Ueber-
schreitung der Provocationsgrenze ist ihnen, wie es scheint, nur da ge-
stattet, wo durch Special gesetz die Magistrate aufgefordert wegen ge-
wisser gemeinschädlicher Handlungen dergleichen nach Ermessen zu
erkennen, von welcher gesetzlichen Aufforderung vorzugsweise die
patricischen und plebejischen Aedilen Gebrauch gemacht und alsdann
ihren Spruch vor den Comitien vertreten haben. Die Quästoren und
die diesen nahestehenden Beamten haben , abgesehen von ihrer Ver-
tretung des consularischen, eigenes Strafrecht überhaupt nicht.
Die d«r Dom Zwangs- und Strafrecht unterworfen ist wer in der Gewalt
^- der römischen Gemeinde steht, der Bürger wie der Nichtbürger, wobei
Personen. frelHch iu Betreff des letzteren das zwischen seiner Gemeinde und
der römischen bestehende Vertragsverhältniss den römischen Beamten
bindet. Gegen den Beamten selbst richtet sich dasselbe nach Mass-
gabe der hinsichtlich der Collision der Magistraturen entwickelten
Normen (S. 124); der Beamte schwächeren Rechts unterliegt dem
stärkeren Zwangs- und Strafrecht gleich dem Privaten. In dem
patricisch - plebejischen Gemeinwesen der historischen Zeit steht die
Coercition dem Volkstribun unbedingt zu gegen jeden Beamten, selbst
gegen den ursprünglich ausgenommenen Dictator, weiter dem Imperien-
träger besseren gegen den Imperienträger geringeren Rechts und gegen
den Beamten ohne Imperium. Gegen den gleichstehenden Beamten
kann die Coercition nicht angewendet werden und ebenso wenig von
einem Unterbeamten gegen einen anderen Unterbeamten verschieden-
artiger Competenz. In Anwendung dieser Coercition kann der höhere
Magistrat dem niederen, auch wenn er nicht sein Gehülfe ist, die ein-
zelne Amtshandlung wie die Amtführung überhaupt, ja sogar der in
dieser Hinsicht höchstgestellte Volkstribun allen Beamten zugleich die
Amtführung verbieten und die öffentlichen Geschäfte durch eine solche
2. Da8 Zwangs- und Strafrecht. 227
genei*elle Obstruction zum Stillstand bringen. Rechtlich genommen
ist dies Verbot nichts als die Androhung der Einsperrung und der
sonstigen Goercitionsmittel für den Fall des Zuwiderhandelns; wird
dem Verbot keine Folge gegeben, so ist die gegen den Befehl voll-
zogene Handlung keineswegs nichtig, wohl aber kann der Magistrat
mit dieser Drohung Ernst machen, falls er auf keine Intercession trifft.
Die dem Privatrecht eigene formale und rechtlich feste Abgrenzung ,!>•> der
des Unrechts ist dem öffentlichen Zwangs- und Straf recht fremd. Es unter/
ist die Selbsthttlfe der Gemeinde gegen den, der sich ihrem Befehl Hand-
nicht fügt oder sie schädigt; auf dieser Grundanschauung ruht die
Schrankenlosigkeit der Goercition.
Der Thatbestand des Ungehorsams gegen die Gemeinde entzieht un.
sich der Determinirung ; in dem Begriff selbst ist die Willkür noth-
wendig gegeben.
Was in dem an sich sehr verschiedener Auffassung fähigen Begriff .scii^i«iiiiff
der Schädigung der Gemeinde enthalten ist, ergiebt sich im Wesent- oemeinde.
liehen aus der Qualification der consularischen Gehülfen und der übrigen
hierbei thätigen Beamten. Auflehnung gegen die Gemeinde (perdadlio) Ptnimiuo,
steht dabei selbstverständlich an der Spitze. Dass in der Handhabung
des politischen Prozesses sowohl in dem Perduellions- wie in dem
tribunicischen Verfahren der Begriff des Staatsverbrechens sich auch
nur zu der an sich beschränkten Bestimmtheit entwickelt hat, deren
er fähig ist, darf bezweifelt werden ; vermuthlich ist man dabei, zumal
bei der weiterhin zu erörternden der formalen Fixirung ebenfalls
widerstrebenden Beschaffenheit des Volksgerichts, über Usualsätze und
Präcedenzfälle nicht hinausgekommen. Hinsichtlich der nicht poli«
tischen Unrechtfertigkeiten steht vor allem negativ fest, dass die Ver-
brechen, welche das römische Recht private nennt, insbesondere der
Diebstahl in dem weiten römischen Sinne und die Körper-, Sach- und
Ehrenschädigung, die römische iniuria, in den hier erörterten Kreis
nicht gehören. Dagegen fehlt es im römischen Privatrecht an jeder
Anknüpfung für die Ahndung des Mordes und es ist andererseits schon "^^^ «»d
Brand-
darauf hingewiesen worden (S. 183), dass die quästorische Criminal- Stiftung.
competenz wahrscheinlich von diesem Gebiet ausgeht. Sicher hat die-
selbe den Mord allgemein umfasst, insoweit er in dem römischen
Machtbereich an einem Bürger oder Nichtbürger begangen war, und
es scheint der Begriff so weit ausgedehnt zu sein, dass falsches
Zeugniss im Capitalprozess und vielleicht noch andere analoge Strafe
thaten darunter begriffen wurden. Auch die Brandstiftung, welche
nicht weniger als der Mord adäquater Behandlung im Privatprozess
unfähig ist 9 ist in gleicher Weise von Amtswegen verfolgt worden.
15*
228 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfunctionen.
Vielleicht ist dies auch bei Verletzung der Patronatspflichten und über-
haupt da eingetreten oder doch zulftssig gewesen, wo die Civilklage
versagte. Das Feldhermregiment ist hierin noch weiter gegangen;
was unter die Lagerzucht gezogen werden kann, selbst solche Vorgänge,
die nach civilen Nonnen nur eine Privatklage begründen würden,
wie zum Beispiel der Diebstahl, werden hier gefasst als öffentliche
^Äe" Vergehen. — Für diejenigen Multklagen, welche thatsächlich als
ädilicische auftreten, haben allem Anschein nach Specialgesetze über
Eom- und Zinswucher, Stuprum, Päderastie und ähnliche als gemein-
schädlich erachtete Handlungen den Thatbestand festgestellt. —
Uebrigens darf nicht übersehen werden, dass diese ältere Form des
römischen Strafverfahrens nur in der Epoche ihres Absterbens zu
unserer Kunde gelangt ist; es ist nicht unwahrscheinlich, dass zur
Zeit ihrer Vollwirksamkeit sie ihrem Zweck wenigstens ebenso sehr
genügt hat wie der uns besser bekannte Quästionenprozess.
z^wu^-uBd Hinsichtlich der Zwangs- und Strafmittel ist die Magistratur bei
aller Willkür insofern beschränkt, als nicht jedes überhaupt denkbare
Uebel in dieser Weise eintreten kann. Dass die Ehre wohl verloren,
aber nicht durch einen magistratischen Act entzogen werden kann, ist
allerdings mehr logische Consequenz als positive Satzung. Aber auch
an solchen, wenn gleich mehr gewohnheitsrechtlichen als gesetzlichen,
fehlt es nicht Ausweisung aus dem Staat kann gegen den Aus-
länder, aber nicht gegen den Bürger ausgesprochen werden. Körper-
verstümmelung, dem ältesten privaten Strafrecht nicht unbekannt, ist,
soviel wir wissen, im öffentlichen Verfahren niemals angewandt worden.
Das Bürgerrecht und die persönliche Freiheit können allerdings auf
diese Weise verloren gehen, aber nur wenn zugleich in rechts-
beständiger Weise die Unfreiheit im Ausland begründet wird (S. 25).
Gefängniss kana nach den Ordnungen dieser Epoche nie anders als
bis weiter und also nicht mit festem Endtermin und niemals mit £r^
schwerungen nach Art der Zwangsarbeit angeordnet werden. Somit
bleiben von allgemeinen Goercitionsmitteln — gewisse nur gegen den
Soldaten anwendbare werden hier nicht berücksichtigt — nur die
folgenden fünf, und auch diese, wie die folgende Auseinandersetzung
zeigen wird, keineswegs mit allgemeiner Anwendbarkeit.
1. Lebenstrafe, womit von Rechtswegen die Confiscation des Ver-
mögens verbunden ist. Die capitale Coercition beschränkt sich selbst-
verständlich auf die Oberbeamten einschliesslich der Volkstribune.
2. Körperliche Züchtigung, in früherer Zeit wahrscheinlich auch
im städtischen Regiment allgemein zulässig, ist in diesem, wie es
scheint, in früher Zeit dem Magistrat dem Bürger gegenüber unter*
2. Das Zvangs- und Strafrecht. 229
sagt worden, während sie in der militärischen Disciplin auch später
zugelassen wird.
3. Der Verlust des Bürgerrechts kann durch magistratischen Act,
wie schon gesagt ward, nur dann eintreten, wenn durch Verkauf oder
üebergabe an das Ausland die ausländische Unfreiheit in rechtsgültiger
Weise herbeigeführt wird, und wenigstens in historischer Zeit nur von
dem zur capitalen Coercition befugten Beamten und auch von diesem
nur wegen schuldhafter Nichtleistung der Dienstpflicht oder wegen
Verletzung des Völkerrechts.
4. Verhaftung (prensio), ebenfalls nur dem zur capitalen Coercition
ermächtigten Beamten gestattet, kann, wie gesagt, nur bis weiter
angeordnet werden und wird bei der rechtlichen Unbestimmtheit der
Grenze häufig gegen den Ungehorsamen, aber niemals im Wege der
delictischen Vergeltung angewendet. £twanige Festsetzung einer Zeit-
grenze bindet weder den Beamten, der sie verfügt, noch viel weniger
seine Nachfolger. Allerdings kann eben wegen der Unbestimmtheit
der Grenze thatsächlich auf diesem Wege ein längerer und selbst
lebenslänglicher Freiheitsverlust herbeigeführt werden.
5. Die Pfändung (pignoris capto) besteht in einer dem Contra-
venienten durch Wegnahme und Zerstörung einer ihm zugehörigen
Sache zugefügten Vermögensbeschädigung. Auch diese wird wie die
Verhaftung nur dem Ungehorsamen gegenüber, nicht im Straf wege
gehandhabt, steht aber allen überhaupt zur Coercition berechtigten
Beamten frei.
6. Die durch magistratisches Ermessen auferlegten schweren Ver-
mögensstrafen, das heisst diejenigen, welche die gleich zu erörternde
Provocationsgrenze überschreiten, sind in älterer Zeit wohl nur als
Milderung der capitalen Coercition vorgekommen und somit den Ober-
beamten vorbehalten. Daneben treten sie auf bei den durch Special-
gesetz angeordneten factisch ädilicischen Multklagen, bei denen übrigens
die Gesetze nicht selten durch Maximalsätze, namentlich Beschränkung
auf die Hälfte des Vermögens dem magistratischen Ermessen Grenzen
gesetzt hatten. — Gesetzlich fixirte Geldstrafen, im Privatprozess früh
und häufig auftretend, scheinen bei Contra ventionen gegen die Ge-
meinde in älterer Zeit nicht üblich gewesen zu sein und werden, so
weit sie vorkommen, lediglich als Forderungen der Gemeinde im
Administrativ- oder auch im Civilweg beigetrieben, gehören also nicht
in das öffentliche Strafrecht.
7. Die nach Ermessen des Magistrats unter dem zur Provocation
berechtigenden Maximum von zwei Schafen und dreissig Rindern, in
230 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfunctionen.
Geld ausgedrückt von 3020 schweren Assen (ungefähr 600 M.)« auf-
erlegte Geldbusse ist das gewöhnlichste und allen überhaupt zu
solchem Einschreiten berechtigten Magistraten gleichmässig zustehende
Mittel der Coercition.
Execution. Die Executiou der personalen Zwangs- und Strafmittel erfolgt
bei den Magistraten mit Imperium durch ihre Lictoren, während der
Yolkstribun, da seine Gewalt sich nicht auf die Subalternen überträgt,
sie persönlich zu vollziehen hat. Die Geldstrafen werden, so weit
nicht durch Special gesetz darüber anders bestimmt ist, gleich den Ge-
meindeforderungen von den Vorstehern des Aerarium beigetrieben. Die
bei dem Civilprozess schlechthin ausgeschlossene obrigkeitliche Nach-
sicht, die Begnadigung fordert im öffentlichen Verfahren ihren Spiel-
raum ; indess darf dies nicht allzu weit ausgedehnt werden, namentlich
nicht, wo die Coercition nicht den Ungehorsam bricht, sondern den
Frevel sühnt. Den Mörder hat der Magistrat zu verurtheilen und
Gnade walten zu lassen steht nicht ihm zu.
^»p^J^n^e Allgemeine Normen für die Auflegung dieser Zwangs- und Straf-
Bonn. mittel giebt es nicht. Sowohl im Fall des Ungehorsams wie bei der
Bestrafung, die rechtlich ungeschieden bleiben, wird für das Eintreten
des Strafübels im Allgemeinen nichts gefordert als die irgendwie fest-
gestellte Ueberzeugung des Beamten von dem geschehenen Unrecht.
Wenn auch derselbe zuweilen dem Ungehorsamen, regelmässig den Straf-
fälligen gegenüber Veranlassung hat eine Untersuchung des Thatbestan-
des (coffnitio) vorzunehmen, bevor er den Spruch thut, so giebt es
doch auch in diesem Fall keinen Kläger, keine formale Beweisführung,
keinen gesetzlich regulirten Prozess, keine formale Straf bemessung. Es
gilt dies principiell von dem Verfahren gegen den Bürger wie gegen
den Nichtbürger; und wenn bei jenem da, wo die Comitialverhand-
lung eingreift, die Formlosigkeit beschränkt wird, so ist dieselbe
dem Strafrecht sowohl in dem städtischen Amtkreis gegen den Nicht-
bürger geblieben wie auch allgemein im Feldhermrecht der früheren
Republik.
Die Eine festere Form erhält das Strafverfahren durch das Provo-
cationsrecht, die Zulässigkeit der Berufung von dem magistratischen
Spruch an die Comitien und deren Befugniss den Spruch zu annulliren.
Die gleichartige Behandlung des Ungehorsams und des Verbrechens,
die Willkür des magistratischen Einschreitens oder des Unterlassens
der Ahndung, die freie Normirung der Strafe werden dadurch nicht
geändert. Aber wenn die Provocation zugelassen wird, ist sie an
prozessualische Normen gebunden. Bedingt ist sie theils durch den
Personalstand der von dem Spruch betroffenen Person, theils durch
dingungen
der
ProToeatioQ.
2. Das Zwangs- und Strafrecht 231
den Amtkreis, in welchem derselbe ergeht, theils durch die Be*
schaffenheit des Strafübels nach den folgenden Nonnen.
1. Dem Personalstand nach ist zur Provocation an die Comitien Be
dingui
nur berechtigt, wer diesen Comitien angehört, Niohtbürger also nur^^dfr
in Folge eines personalen Privilegiums. Wenn Ober den Besitz des
Bürgerrechts Zweifel bestehen, muss die Entscheidung bei dem Magi-
strat gestanden haben, gegen dessen Spruch die Provocation eingelegt
wird, zumal da es in vorsullanischer Zeit keinen Rechtsweg giebt das
zweifelhafte Bürgerrecht in objectiv bindender Weise festzustellen. —
Frauen sind sonach, wo nicht Specialgesetze anders bestimmen, von
der Provocation ausgeschlossen. Der Priesterin der Vesta und in
Folge dessen auch dem männlichen Mitschuldigen steht die Provo-
cation gegen die hier capitale Coercition des Oberpontifex nicht zu.
2. Die Provocation ist nur zulässig gegen den im städtischen
Amtkreis ergangenen Spruch und auch hier ist nach der älteren Norm
der Dictatur der Spruch des Dictators der Provocation nicht unter-
worfen. In späterer Zeit kommt nur den durch die Verfassung nicht
gebundenen Magistraten constituirender Gewalt die Befreiung von der
Provocation von Rechtswegen zu. Allerdings nimmt in dem Parteien-
kampf der späteren Republik die Oligarchie es als Befugniss des
Senats [in Anspruch den zeitigen Oberbeamten für revolutionäre Krisen
mit der vollen dictatorischen Gewalt auszustatten und damit von der
Provocation zu befreien ; indess ist dies nicht bloss einseitige Auffassung
der Optimatenpartei, sondern auch lediglich Anwendung des durch die
Mitwirkung des Gemeinderaths gemilderten Nothwehrgedanken (S. 102)
und liegt, wie die Nothwehr selbst, ausserhalb des Staatsrechts. Um-
gekehrt hat auch die entgegenstehende Partei in ähnlicher Weise
ihren Tribunen die Befugniss vindicirt Angriffe auf ihre Unverletzlich-
keit unter Ausschluss der Provocation sofort capital zu ahnden. Gegen
den nach Feldhermrecht gefällten Spruch tritt, auch nachdem ihm die
Exequibilität entzogen ist, nicht Provocation ein, sondern es wird der
vom Feldherm Verurtheilte nach Rom geschickt und dort unter
Beiseitesetzung des ersten Spruches ein neues Verfahren gegen ihn
eingeleitet, das dann zur Provocation führen kann.
3. Dem Inhalt nach muss der Spruch, gegen den dies Rechts-
mittel ergriffen wird, entweder auf Todes- oder auf eine die Provo-
eationsgrenze übersteigende Geldbusse lauten. Der Verlust des Bürger-
rechts, so weit derselbe im Strafverfahren herbeigeführt werden kann,
berechtigt nicht zur Provocation und noch weniger gilt dies von den
übrigen Coercitionsmitteln. p^
Wo hienach der magistratische Spruch nicht definitiv ist, sondern ''•^Jjjj^f"
232 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfimctionen.
gegen dessen Vollstreckung an die Comitien Berufung eingelegt werden
kann, besteht für beide Instanzen ein fest geordnetes Verfahren. Der
patricische Oberbean^te unterliegt diesem Cassationsverfahren nicht;
es fällt unter dasselbe der Spruch seiner in diesem Fall obligatorischen
Vertreter, der Zweimänner fttr den Hochverrath oder der Quästoren,
ebenso derjenige der plebejischen Quasi-Magistratur, welche alle befugt
sind die capitale Goercition auszuüben, so wie die von dem Oberpon-
tifex, dem Gensor und insbesondere dem Aedilen, welchen allen die
capitale Goercition fehlt, auferlegte schwere Geldbusse. Der Magistrat,
der zu diesem Verfahren schreitet, hat zunächst darüber öffentlich
(in contione) zu verhandeln, das heisst an drei nicht unmittelbar auf
einander folgenden Tagen den Angeschuldigten vorzuladen, den Gegen-
stand der Anklage und die in Aussicht genommene Strafe anzugeben,
als Inquirent fungirend Beweis und Gegenbeweis zu verstatten und erst
nach der dritten Verhandlung (anqumtio) das Urtheil zu fällen, wobei
er an den vorher in Aussicht gestellten Strafantrag nicht gebunden ist.
Fällt das Urtheil zu Ungunsten des Angeschuldigten aus, so kann der-
selbe dagegen Berufung an die Bürgerschaft einlegen. Die Formen des
Volksgerichts sind genau die des Volksgesetzes und auch die ver-
schiedenen Gestaltungen der beschliessenden Gemeindeversammlung
finden hier Anwendung. Lautet das Urtheil auf Tod, so müssen die
Centurien einberufen werden, welche Einberufung für den Quästor
und den Volkstribun, die beide selber dazu nicht befugt sind, durch
einen Magistrat mit Imperium vermittelt wird und vermuthlich dem
Quästor auch verweigert werden konnte. Lautet das Urtheil auf eine
Geldstrafe, so geht die Provocation, je nachdem der erkennende Magi-
strat ein patricisch- plebejischer oder ein plebejischer ist, an die
patricisch - plebejischen Tribuscomitien oder an das plebejische Con-
cilium; den Beamten, die das Recht die Gemeinde zur Beschlussfassung
zu berufen im Uebrigen nicht haben, zum Beispiel den Aedilen, ist
es für diesen Fall beigelegt worden. In dem Schlusstermin scheint
ein eigentlich contradictorisches Verfahren nicht stattgefunden, son-
dern der erkennende Magistrat wesentlich seinen Spruch zur Be-
stätigung vorgelegt zu haben, da durch die demselben voraufgehenden
Verhandlungen vor der Gemeinde die abstimmende Bürgerschaft in-
formirt war. Principiell wie praktisch wird dies Verfahren durchaus
als Gnadeninstanz behandelt. Bei freisprechendem Erkenntniss erster
Instanz ist es ausgeschlossen; wo es eintritt, soll es nicht bloss dem
Unschuldigen Schutz gewähren, sondern auch dem Schuldigen die Mög-
lichkeit eröffnen wegen der begangenen Verletzung der Gemeinde von
dieser selbst Erlass der verwirkten und erkannten Strafe zu erbitten.
2. Das Zwangs- und Strafrecht. 233
Den patriotischen Schwestennörder muss der Richter erster Instanz
verurtheilen, die Bürgerschaft kann ihm die That verzeihen. Wenn
also dem Volksgericht die rechtliche Normirnng noch im höheren Grade
abgeht als dem magistratischen der ersten Instanz, was denn auch in
den über seine Handhabung uns vorliegenden Berichten durchaus sich
bestätigt, so erscheint dasselbe politisch als das rechte Kennzeichen
der souveränen Volksgewalt, des üebergewichts der Comitien über die
Magistratur, wenn gleich der Ausschluss des directen consularischen
Spruchs von diesem Verfahren dieses Uebergewicht einigermassen ver-
schleiert, und insofern ist es vielleicht nicht historisch, aber sicher
principiell zutreffend, dass das Eintreten der Provocation in der
Legende an die Entstehung der Republik angeknüpft wird.
Ein principiell abgegrenztes Strafrecht hat aus der bisher ge-
schilderten Goercition sich nicht entwickelt. Die derselben zu Grunde
liegende Zusammenfassung des zwiefachen Moments der Erzwingung
des Gehorsams und der Vergeltung des Unrechts ist in dem Provo-
cationsverfahren wohl insofern zurückgetreten, als darin der letzte
Gesichtspunkt überwiegt, aber keineswegs verschwunden. Aber auch
wenn nur das letztere Moment ins Auge gefasst wird, schliesst die
Beschränkung desselben auf den männlichen Bürger und auf den städti-
schen Amtkreis die principielle Regulirung geradezu aus ; und wenn in
der Beschränkung dieses Verfahrens auf diejenige Verletzung der Ge-
meinde, gegen welche der Magistrat von Amtswegen einzuschreiten
hat, eine Abgrenzung der Goercition gegen den Administrativ- und den
Givilprozess gegeben ist, unterliegt doch der Kreis der Handlungen,
die zum Amtsverfahren berechtigen, darum nicht weniger der Willkür.
In der That ist dies Verfahren ausser dem Einschreiten gegen Mord
und Brandstiftung und dem politischen Prozess hauptsächlich abhängig
von Specialgesetzen; und es ist daneben was wir Strafrecht nennen,
eum grössten Theil im Wege des Administrativ- und des Givilverfahrens
durchgeführt worden. Sulla hat dann dies Griminalverfahren beseitigt,
allem Anschein nach, um dem Volkstribunat den politischen Gapital-
prozess zu entziehen, und wenn auch seine gegen den Tribunat gerich-
teten Anordnungen formell wieder abgeschafft wurden und der alte Co-
mitialprozess bis ans Ende der Republik hie und da noch als Parteiwaffe
verwendet worden ist, so blieb dennoch bei der vollständigen Desorga-
nisation der Gomitialmaschine die sullanische Ordnung negativ wie
positiv im Wesentlichen in Geltung. Der Provocationsprozess ist seit-
dem thatsächlich antiquirt. Das magistratische Verfahren gegen den
Nichtbürger wurde dadurch allerdings nicht geradezu getroffen, aber
durch die Erstreckung des Bürgerrechts auf ganz Italien wesentlich
234 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfun ctionen.
in die Provinzen verschoben und auch als Statthalterrecht allmähHcb
strenger formulirt.
Qa&stions- Als Surrogat iür den untergegangenen comitialen Strafprozess
tritt praktisch das Quästionenverfahren ein ; das iudicium poptdi wird
ersetzt durch das iudicium publicum^ welches letztere allerdings einen
anderen und weiteren Kreis umfasst als das engbegrenzte ältere.
Formell ist dies ein qualificirter Givilprozess , bei welchem, wie in
jedem Civil verfahren , der private Kläger dem privaten Beklagten
gegenüber steht und der 8taat durch seine Magistratur und seine
Geschwornen das Schiedsrichteramt ausübt; es wird dies daher im
folgenden Abschnitt behandelt werden.
senat^- und Abor mit dem Untergang der Bepublik tritt neben das Quästionen-
gericiitunter verfahren , welches als das ordentliche Criminalverfahren betrachtet
PriDcipat. Wird, ein ausserordentlicher und befreiter Strafprozess einerseits vor
den Consuln unter Bindung ihres Spruchs an die Urtheilfindung des
Senats, andrerseits vor dem Princeps als dem alleinigen Richter. Es
lehnt sich dies Verfahren an an die ursprüngliche nicht durch die
Provocation gebundene magistratische Zwangs- und Strafgewalt, indem
bei dem Verfahren vor den Consuln die Berufung an die Comitien
ersetzt wird durch die Mitwirkung des Senats. Die rechtliche Gleich-
stellung des Princeps mit Consuln und Senat entspricht dem dyarchi-
sehen Grundgedanken des Principats.
Dieser ausserordentliche Strafprozess ist insofern facultativ, als
sowohl der Senat wie der Kaiser befugt sind jede Sache an sich zu
ziehen und jede Sache abzulehnen und sie damit dem ordentlichen
Gericht zu entziehen oder zuzuweisen, der Kaiser auch die Sache
an den Senat weisen kann. Es ist beiden höchsten Stellen auch ge-
stattet diese Befugniss zu mandiren und wenn der Senat von diesem
Recht nur beschränkten Gebrauch gemacht hat, so beruht die volle
Criminalgewalt über die römischen Bürger, wie sie unter dem Principat
in den Provinzen die mit dem Schwertrecht bekleideten Statthalter^
in Rom und Italien der Stadtpräfect und die Befehlshaber der Leib-
garde ausgeübt haben, formell auf derartiger kaiserlicher Delegation.
Das Wesen dieser Strafjustiz ist ihre Schranken- und Formlosig-
keit; es lässt sich dieselbe mehr erläutern als eigentlich definiren.
Jeder Reichsangehörige unterliegt dieser Justiz, der Bürger wie
der Nichtbürger, der Plebejer wie der abhängige Fürst« Ausgenommen
ist nur der Princeps selbst, insofern er als solcher nicht der senatorischen
Justiz unterstellt ist. Umgekehrt hat die Befreiung des einzelnen Sena-
tors von dem Kaisergericht zwar weder principielle noch praktische Gel-
tung gehabt; doch macht die dyarchische Tendenz sich geltend dem
2. Das Zwangs- und Strafrecht. 235
Kaiser die Capitaljurisdiction über den Senator zu untersagen und
seit Nerva sind derartige Zusicherungen bei dem Regierungswechsel
häufig gegeben, zuweilen auch mehr oder minder gehalten worden.
Jede Sache kann unter diese Strafjustiz gezogen werden« Diejenigen
Verbrechen, welche nach den im folgenden Abschnitt zu erörternden
Normen unter das formell private, materiell criminelle Quästionen-
verfahren fallen, können auch in dieser Weise strafrechtlich behandelt
werden. Aber auch Handlungen, die ausserhalb der Strafordnungen
stehen, unterliegen der Ahndung in diesen Gerichten. Zum Theil
sind beide, insbesondere das Verfahren vor dem Senat gebraucht
worden, um Mängel des ordentlichen Verfahrens zu beseitigen, zum
Beispiel eine thatsächlich unter zwei verschiedene Gerichte fallende
Straf handlung einheitlich zu entscheiden. Ueberwiegend angewendet
wird das Senatsgericht für schwere Beamtenvergehen und für Ehebruch
so wie für politische Prozesse. Die kaiserlichen Hausbeamten hatten
sich regelmässig vor dem Kaiser zu verantworten und Militärvergehen
sind niemals im Senat abgeurtheilt worden«
Die Verhandlung (cognitiö) vor dem Senat wie vor dem Kaiser
erfolgt, im Gegensatz zu dem ordentlichen Criminalprozess, durchaus
unter Ausschluss der Oeffentlichkeit, was bei dem Senatsgericht seiner
Beschaffenheit nach freilich nicht viel bedeuten will. An feste Formen
waren beide Gerichte rechtlich nicht gebunden; indess bewegten sie
sich der Regel nach in den für die Quästionen festgestellten, und eben
das bedenklichste Moment des Quästionenprozesses, das Eintreten des
Klägers und die Prämiirung desselben im Falle der erwirkten Ver-
urtheilung, wurde in diesen Prozessen auf den die Klägerrolle über-
nehmenden Denuntianten angewandt
Die Strafbemessung lag desgleichen von Rechtswegen in der Will-
kür der beiden mit der souveränen Staatsgewalt zugleich diese Criminal-
Justiz handhabenden Stellen. Wenn der Quästionenprozess , wie wir
sehen werden, zu einer niedrigen dem Verbrechen vielfältig wenig
adäquaten Strafansetzung geführt hatte und insbesondere die Todes-
strafe aus demselben verbannt war, so hat in diesen ausserordentlicheD
Gerichten strenge und häufig übermässige Straf bemessung vorgewaltet.
Die Wiederherstellung der Todesstrafe in diesen beiden Gerichten ist
eins der hervorragendsten Momente der Umwandlung des Freistaats
in die Monarchie.
So lange das königliche durch Augustus wiederhergestellte pro- Gericht
vocationsfreie Zwangs- und Straf recht nur einerseits von Consuln undiic^hensta^dl
Senat, andrerseits von dem Princeps oder dessen Special mandataren p'**^*^*®"-
ausgeübt ward, behielt es den Stempel der Ausserordentlichkeit und
236 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfunctionen.
funetionirte nicht als ständiges Organ des Gemeinwesens. Dies wurde
anders, als unter Tiberius, ebenfalls mit Anlehnung an die Ordnungen
der Königszeit, in der Hauptstadt dafür ein ständiger kaiserlicher
Stellvertreter, der praefectus urbi niedergesetzt ward« Mit der Ein-
richtung dieses Amtes war die monarchische Restauration vollendet.
Allerdings wurde dasselbe nur an Senatoren verliehen und auch inso-
fern mit Vorsicht gehandhabt, als es regelmässig an bejahrte am Ende
ihrer politischen Laufbahn stehende Männer gegeben und der Inhaber
nicht so häufig wie bei den übrigen kaiserlichen Aemtern gewechselt
ward; aber der Gompetenz nach schloss es die volle königliche Ge-
walt ein. Die gesammte Polizeigewalt, wie sie den republikanischen
Magistraten, den Aedilen wie ihren Vorgesetzten zugestanden hatte,
und die volle Strafgewalt, wie sie nach der eben gegebenen Entwick-
lung dem Kaiser selbst zukam, bilden die Gompetenz des kaiserlichen
Vertreters, welche also mit der eigenen des Kaisers so wie mit
derjenigen seiner übrigen Mandatare concurrirt. Wie das unmittel-
bare Kaisergericht ist auch das des Stadtpräfecten schrankenlos und
formlos. Räumlich wird dasselbe zwar vorzugsweise in der Haupt-
stadt gehandhabt, erstreckt sich aber über ganz Italien. Personale
Befreiung von der Verantwortung vor dem Stadtpräfecten scheint nicht
bestanden zu haben, obwohl ihm vorzugsweise die polizeiliche Thätig-
keit zugewiesen war und er also auch als Strafrichter wenigstens in
der früheren Kaiserzeit nur ausnahmsweise in die Lage kam Personen
aus den privilegirten Ständen abzuurtheilen. Für die Aufrechthaltung
der Ruhe in der Hauptstadt ist dem Stadtpräfecten, obwohl er selber
nicht Offizier ist, ein Theil der städtischen Besatzung, drei Gohorten
von je 1500 Mann zur Verfügung gestellt. Keine Institution der
Kaiserzeit hat die Beseitigung des consularisch - ädilicischen Stadt-
regiments und der republikanischen Rechtspflege so energisch wie die
Stadtpräfectur gefördert.
3. Die Rechtspflege.
Es ist die erste und höchste Aufgabe des Staats innerhalb seines BMrriff^der
Machtkreises keine Vergewaltigung der einen Person durch die pflege'!'
andere zuzulassen, sondern jedem, der gegen einen Staatsangehörigen
einen Anspruch erhebt, dessen Geltendmachung nur zu gestatten, nach-
dem der Staat in den dafür festgestellten Formen und innerhalb der
durch die Sachlage gewiesenen Grenzen sie zugelassen hat. Diese
staatlich regulirte Geltendmachung des privaten Rechtsanspruchs,
logisch und praktisch im scharfen Gegensatz zu dem auf der staat-
lichen Selbsthülfe ruhenden Zwangs- und Strafrecht, nennen wir die
Bechtspflege« Sie löst den vorstaatlichen auf Vergewaltigung und
Bache oder allenfalls auf Lösegeld (poena) auslaufenden Zustand der
freien privaten Selbsthülfe ab und charakterisirt sich dem öffent-
lichen Zwangs- und Strafrecht gegenüber durch die nothwendige An-
rufung der staatlichen Beilegung, das heisst durch die Nothwendigkeit
des Klägers. Eigenthümlich überdies ist der Rechtspflege die regel-
mässige Vermittlung durch die dem Zwangs- und Straf recht unbekannten
Geschwomen, wogegen das bei diesem eintretende Bürgerschaftsgericht
in der Rechtspflege nicht auftritt.
Es sollen hier die bei der Rechtspflege betheiligten Magistrate,
die Geschwomeninstitution, der Kreis der Rechtspflege und die Formen
derselben in deijenigen Kürze dargelegt werden, welche die Behand-
lung dieser Fragen im Staatsrecht erfordert.
Dass die Magistratur in ihrer Ursprünglichkeit gefasst wird als jurudiction
der Inbegriff der Rechtspflege und des Heerbefehls, jene in dem la^rium.
städtischen, diese in dem militärischen Imperium ihren wesentlichen
Ausdruck findet, ist früher (S. 96 fg.) auseinandergesetzt worden. Wenn
die Scheidung der beiden Kreise ursprünglich hauptsächlich bedingt
war durch das Verweilen des Oberbeamten entweder in der Stadt oder
238 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfunctionen.
ausserhalb derselben, so ist dies in der republikanischen Epoche von
Haus aus dadurch modificirt, dass der auch innerhalb der Stadt
functionirende Dictator an dem jurisdictionellen Imperium keinen
Antheil hat und weiter ist nach Einrichtung der dritten ordentlichen
auf städtische Function allein angewiesenen Oberamtstelle auch den
beiden Gonsuln dasselbe entzogen worden. Indess nimmt nach der
römischen Interpretation die Beschränkung des an sich untheilbaren
Imperium diesen Magistraten nur die Mitwirkung bei wirklichem
Rechtsstreit ; wo derselbe formaler Art ist und in der That zur Legali-
sirung einer von beiden Parteien gleichmässig beabsichtigten Bechts-
änderung angewandt wird, wie dies der Fall ist bei der Manumission,
der Emancipation und der Adoption, ist für diese, die sogenannte frei-
willige Gerichtsbarkeit auch der Dictator und der Consul competent.
Im Uebrigen gilt die Ausschliessung schlechthin und ohne Rücksicht auf
das örtliche Verweilen des Gonsuls; dass gegen den jurisdictionellen
Act des Prätors der Consul die Intercession einzulegen befugt i8t(S. 125),
kann ebenso wenig als Ausübung der Gerichtsbarkeit angesehen werden
wie die bei Ausübung der Lagerzucht vorkommende thatsächlich dem
Privatprocess entsprechende UrtheilsfäUung (S, 228).
Magis^ate Die Lcituug der Bechtspflege hat selbstverständlich ursprünglich
^IS^ dem König zugestanden, jedoch unter der Beschränkung, dass, wenn
er die ursprüngliche Landesgrenze überschreitet, er sie nicht mehr
selbst ausübt, sondern durch einen von ihm ernannten Vertreter
(praefectus iure dicundo), welcher für den Fall der Abwesenheit der
sämmtlichen Oberbeamten zur Feier des Latinerfestes bis in die
Eaiserzeit fortbestanden hat. Abgesehen von der königlichen und der
ursprünglichen consul arischen Jurisdiction liegt seit der Einsetzung
der Prätur und der curulischen Aedilität im J. 387 (367 v. Chr.) die
Rechtspflege bei den folgenden Beamten, deren Amtkreise theils all-
gemein, theils örtlich oder sachlich begrenzt sind.
1. Die städtische Bechtspflege liegt in der Hand des in Born ver-
weilenden Prätors, seit dem Anfang des 6. Jahrh. d. St. der mehreren
daselbst amtirenden Prätoren. Lange Zeit und in gewissem Sinne immer
hat die römische Bechtspflege sich in der Stadtprätur concentrirt und
ist, während die eben erwähnte freiwillige Gerichtsbarkeit an keinen
Ort gefesselt ist, die Ausübung des jurisdictionellen Imperium auf
die Stadt Bom beschränkt; ja es wird sogar als „rechter Prozess''
(iudidum legitimum) bis in die Kaiserzeit hinein nur der vor dem
städtischen Gericht geführte angesehen. Ueber die theils nach dem
Personalrecht der Parteien, theils nach dem Gegenstand der Klage ab-
gegrenzten Competenzen der in den beiden letzten Jahrhunderten der
3. Die Kechtspflege. 289
Republik neben einander in Rom fungirenden Prätoren wird weiterhin
gehandelt werden.
2. Mit der der Aedilität überwiesenen städtischen Polizei ist die zu-
nächst damit verknüpfte Rechtspflege, die Erledigung der aus dem
Geschäftsverkehr des Sclaven- und Yiehmarktes und der aus der Be-
lästigung des Strassenverkehrs entspringenden Rechtshändel ihr über-
wiesen, welche Jurisdiction indess, da die plebejischen Aedilen nicht
als Magistrate gelten, allein von ihren mit der Prätur zugleich ein-
gesetzten curulischen Collegen aasgeübt wird. Das jurisdictionelle
Imperium muss also auch diesen beigelegt worden sein, obwohl sie
nicht als Oberbeamte gelten. Wie man mit der sonst seit Einsetzung
der Prätur in der Rechtspflege beseitigten GoUegialität bei den Aedilen
sich abgefunden hat, vermögen wir nicht zu sagen.
3. Die Provinzialstatthalterschaften sind davon ausgegangen, dass
die Concentration der Jurisdiction auf die Stadt Rom für die in dem
überseeischen Gebiet befindliche römische Bevölkerung sich nicht
durchführen Hess. Es wurden demnach für die in Rom durch die
Prätur und die curulische Aedilität geleitete Rechtspflege dort Neben-
sprengel eingerichtet, deren beide Beamte, der Prätor und der Quästor,
wenn auch der letztere unter Vermeidung des rein städtischen Aedilen-
titels, die gleichen Gompetenzen übernehmen. Diese Gompetenz gilt für
sämmtliche Provinzialvorsteher ohne Unterschied des Titels, also auch
für die zur Verwaltung der Statthalterschaft in die Provinzen gesandten
Consuln oder Gonsulare, während die bloss für das Feldherrnamt be-
stimmten Oberbeamten daran keinen Antheil haben, ferner für die eben
deswegen den proprätorischen Titel führenden kaiserlichen Provinzial-
legaten und nach Specialgesetzen selbst für die Statthalter von Ritter-
rang, namentlich den kaiserlichen Präfecten für Aegypten. Für die
ädilicische Gompetenz fehlte es in den kaiserlichen Provinzen an
selbständiger magistratischer Vertretung. Indess hat die provinziale
Jurisdiction nicht bloss insofern als ausserordentliche gegolten, dass,
wie schon bemerkt ward, „gesetzlicher Prozess^ im strengen Sinne
nur der in Rom verhandelte ist, sondern sie hat auch praktisch der
städtischen gegenüber in zwiefacher Hinsicht eine secundäre Rolle
gespielt. Einerseits kann der in der Provinz domicilirte römische
Bürger, wenn er in Rom verweilt, in Folge des allgemeinen Heimath-
rechts vor dem städtischen Gericht belangt werden, sofern er nicht
durch Privilegium dagegen geschützt wird. Andrerseits hat wenigstens
in republikanischer Zeit der Statthalter das Recht gehabt eine bei ihm
angebrachte Klage, statt sie selbst zu entscheiden, an das haupt-
städtische Gericht zu weisen. — Dass in Folge des ausserhalb des
240 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfanctionen.
Städtischen Amtsgebiets minder beschränkten Mandirungsrechts der
Statthalter den ihm beigegebenen Gehülfen, insbesondere denen sena-
torischen Ranges die Jurisdiction häufig überträgt (S. 150), auch in
den kaiserlichen Provinzen neben und unter den Statthaltern eigene
Legaten mit jurisdictioneller Gompetenz vorkommen (S. 207), ist
bereits früher auseinandergesetzt worden.
4. Für die in Italien theils in geschlossenen Gruppen, theils zer-
streut lebenden römischen Bürger ist die Goncentrirung der Juris-
diction in der Stadt Rom seit dem Anfang des 5. Jahrh, gemildert
worden durch die bei der Stellvertretung (S, 146) erörterten Special-
gesetze, die den Stadtprätor anwiesen für bestimmte Oertlichkeiten
seine jurisdictionelle Gompetenz an von ihm theils frei, theils später-
hin unter Mitwirkung der Gomitien (S.185) ernannte Mandatare zu über-
tragen. Wie weit die Jurisdiction dieser praefecti iure dicundo sich
auf die Halb- und die Nichtbürger erstreckt und ob sie für die Yoll-
bürger der stadtrömischen gegenüber nicht durch eine Gompetenz-
grenze beschränkt war, lässt sich nicht ausmachen; die Institution
selbst verlor ihre Grundlage, nachdem ganz Italien in den römischen
Bürgerverband eingetreten war und hat der entwickelten municipalen
Jurisdiction Platz gemacht.
5. Die Anfänge der römischen Munidpalijurisdiction liegen im
Dunkeln. Den nicht völlig dem römischen Bürgerverband einverleibten
Bezirken besseren Rechts ist eine eigene Magistratur mit einer wenn
auch beschränkten Jurisdiction geblieben. Auch bei den YoUbürger-
gemeinden treten früh die Anfänge eigener Jurisdiction auf, nament-
lich hinsichtlich der Marktgerichtsbarkeit; Tusculum, unter den nicht
aus Ansiedelung hervorgegangenen Bürgerstädten die älteste, hat
offenbar mit der Ertheilung des römischen Bürgerrechts gleichzeitig
eigene Aedilen erhalten, da diese hier späterhin als Oberbeamte
fungiren. Allgemein ist die municipale Jurisdiction der Bürger-
gemeinde wahrscheinlich erst gewährt worden, als ganz Italien das
Bürgerrecht empfing und die römische Bürgerschaft in einen Gom-
plex von Bürgergemeinden umgewandelt ward (S. 74). Damals ist
vermuthlich einerseits durch Beschränkung der bis dahin mit voller
Jurisdiction versehenen latinischen und sonstigen autonomen Bürger-
schaften, andrerseits durch Ausstattung der bis dahin wesentlich
unselbständigen Bürgergemeinden mit einer beschränkten Autonomie
die spätere Municipaljurisdiction geordnet worden, deren staatsrecht-
liche Formulirung vermuthlich, ähnlich wie bei den Präfecturen, zu
fassen ist als generelle Delegation des städtischen Prätors an die von
den municipalen Gomitien creirten Prätoren und Aedilen oder unter
a Die Rechtepflege. 241
anderer Titulatur die gleichen Gompetenzen verwaltenden Magistrate.
Indess erstreckt sich die CSompeteuz dieser Beamten nicht auf die-
jenigen Acte, welche eine freiere niagistratische Action in sich schliesscn,
und ist auch bei der eigentlichen Rechtspflege beschränkt theils durch
den Ausschluss gewisser Prozesskategorien, theils durch Fiximng eines
nicht hoch gegriffenen Maximums des Streitobjects.
Zur Vervollständigung des Bildes, das wir uns von der Hand- ^J^JJ*
habung der Rechtspflege in dem weiten römischen Reich zu machen J^riBdiotioB.
haben, ist noch daran zu erinnern, dass dasselbe im Wesentlichen einen
Complex von Gemeinden bildet und dass diejenigen derselben^ welche
das römische Bürgerrecht nicht besitzen, sowohl die formell autonomen,
wie die latinischen und die föderirten, wie auch die nur mit geduldeter
Autonomie ausgestatteten die eigene Rechtspflege behielten, so weit
beide Parteien ausserhalb des römischen BQrgerverbandes standen,
während, wo beide Parteien oder auch nur eine derselben zu diesem
gehörten, der Regel nach die vorher genannten römischen Gerichte
competent waren. Uebergriffe der römischen Behörden in diese auto-
nome Jurisdiction sind, namentlich wo die Autonomie nur geduldet
war, oft genug, aber doch lediglich als Acte der Willk^kr vorgekommen.
Nachdem die bei der Jurisdiction betheiligten Magistraturen dar-
gestellt worden sind, ist der Kreis, den die private Rechtspflege um-
schreibt, theils persönlich, theils sachlich abzugrenzen.
Dass die Recht«;pflege zunächst ausgeht von dem Ausschluss der ^^^^^^
Selbsthfilfe zwischen Bürger und Bürger, drückt sich darin jius, dass^'^^"^
für das , rechte UrtheiP im strengen Sinn neben den früher bezeichneten
Momenten für beide Parteien die Bürgerqualität gefordert würd, wobei -
selbstverständlich der in Rom heimathberechtigte Plebejer von jeher
in den Bürgerbegriff eingeschlossen (S. 19), auch der Latiner ohne
Frage von jeher dem Bürger gleichgeachtet worden ist (S. 60).
Aber auch der einer andern Nation angehörende Ausländer ist, sei es
auf Grund des mit seiner Heimathgemeinde bestehenden Vertrags-
rechtes, sei es gemäss der den Ausländer wenigstens thatsächlich
nicht als rechtlos behandelnden römischen Praxis vor dem lömischen
Gericht rechter Kläger und, wenn er dort verweilt, auch rechter Be-
klagter und es kann in dieser Weise selbst ein zwischen zwei Aus-
lämiem schwebender Rechtshandel vor einem römischen Gericht zur
Entscheidung kommen. In welchem Umfang dies bei dem liberalen
Verfahren des Staats gegen die Fremden und der Entwicklung seiner
Machtstellung der Fall gewesen ist, zeigt die Theilung der Geschäfte
der Prätur in Rom nach dem Personalrecht der rechtssuchendeu
Parteien im Anfang des 6. Jh. der Stadt (S. 165). Indess sind auch
BiBding, Haadbnek. 1. 3: M OBBsen, AbriM 4M SöiiiiMh«ii StMtsredMs. 2. AmfL 16
242 Viertes Buch. Die eiazelnen AmtsfunctioDen.
späterhin. ihättfig dem zunächst fttr die Prozesse zwischen Bürgern be^
stimmten Prätor die llbrigen mit überwiesen und ausserhalb Rom eine
analoge Scheidung niemals vorgenommen worden.
SMhiicha Sachlich ' fällt unter die Rechtspflege zunächst und hauptsächlich
Grenzen der r- o r-
Eechts- die Rechtsforderung der einen Partei gegen die andere, einerlei ob
die letztere dieselbe bestreitet, wobei es also zur Klage kommt, oder
sie einräumt, aber sich ausser Stande erklärt dieselbe zu erfüllen, in
welchem Fall diese Einräumung gleiche Kraft hat mit dem dem Kläger
Recht gebenden Urtheil. Ein Unterschied hinsichtlich des Rechts-
grundes wird nicht gemacht; die Rechtsforderung wegen Diebstahl,
Sachbeschädigung, Real- und Verbalinjurien wird im Allgemeinen in
derselben. W^eise geltend gemacht wie diejenige wegen rechtlosen Inne-
habens einet Sache oder Nichterfüllung einer Forderung. Diejenigen
Rechtsverletzungen iaher, welche der Magistrat von Rechtswegen zu
ahnden gehaüdn ist (S. 227), liegen* ausserhalb der privaten Rechtsver-
folgung.: f Ausnahmsweise kann, wie weiterhin zu erörtern sein wird,
ein Anspruch der Gemeinde an den Privaten zwischen einem Vertreter
derselben »und dem Privaten in diesleir Form zum Austrag kommen;
in der Regel aber ist die Forderung der Gemeinde an den Privaten
und immer die "des Privaten an die Gemeinde, da der Privatprozess
in dem^ staatlichen Schiedsgericht zwischen zwei streitenden Parteien
besteht, solcher Behandlung nicht fähig und tritt dafür die in dem
Abschnitt vom Finanzwesen zu erörternde staatliche Administrativ-
justiz ein.
Sachliche Hinsichtlich der Theilung der Rechtspflege nach den verschiedenen
der rJ^ Prozesskategorien unter die Magistrate kennt die ältere Zeit neben
^ ^' der allgemeinen Civiljurisdictiön der beiden städtischen Prätoren als
geschiedene Competenz nur die ädilicische Marktgerichtsbarkeit. Im
letzten Jahrhundert der Republik treten mit den Specialordnungen
für einzelne qualificirte Klagen entsprechende Specialpräturen, zum
Beispiel für Erpressung (repetundae) ein, bis dann in der sullani*
sehen Zeit mit der Zweijährigkeit der Prätur die Verwendung aller
Prätoren im ersten städtischen Amtsjahr für die städtische Rechts-
pflege und deren Theilung in die beiden generellen Jurisdictionen
und die .Specialkategorien der Quästionen sich einstellt. In der
Kaiserzeit Wird auf diesem Wege noch weiter vorgeschritten und die
Regulirung der Freiheitsprozesse, die Regulirung und der Vorsitz im
Gen tum viral gericht und ähnliches mehr als prätorische Specialcompe-
tenz gestaltet. Als die in Bittform ausgesprochenen letzt willigen Zu*
Wendungen unter dem Prmcipat aus Gewissens- in Zwangspflichten
umgewandelt wurden, geschah dies unter Ausschluss des Geschwornen-
8. Die Rechtspflege. 243
Verfahrens im Wege einer anfangs den Gonsuln, späterhin einem oder
mehreren Prätoren überwiesenen dem magistratischen Ermessen Spiel-
raum bietenden Cognition.
Ueber die schiedsrichterliche Thätigkeit bei dem Privatstreit ^,^^1«!?'
geht das Eingreifen der Magistratur in die privaten Verhältnisse Jj'^j}^*^«^
insbesondere in älterer Zeit nicht hinaus. Charakteristisch dafür ist J«'i»^ction
insbesondere die Behandlung der VormOnderbestellung : sie ruht nach
den ursprünglichen Ordnungen lediglich auf allgemeinen gesetzlichen
Normen oder auf dem gesetzgleichen Privattestament. Erst allmäh-
lieh und ergänzend tritt die magistratische Ernennung des Vormundes
hinzu und keineswegs als Ausfluss der Jurisdiction, da neben dem
Prätor auch die Volkstribune und unter dem Principat anfänglich
die Consuln dabei betheiligt sind. Erst unter diesem wird schliess-
lich die magistratische Thätigkeit bei der Vormundschaft als Neben-
geschäft der Jurisdiction bebandelt und dieselbe, ähnlich wie das
FideieommissweseU) einem eigenen Prätor übertragen.
Wenden wir uns weiter zu dem bei der Rechtspflege einge- verfahren
haltenen Verfahren, so nähert sich die Regülirung des Klagerechtes Becht».
durch den prozessleitenden Magistrat insofern der gesetzgebenden
Gewalt, als derselbe zwar das bestehende Gesetz zu befolgen, aber
das Recht hat oder sich nimmt dasselbe nähe^ zu bestimmen und wo
das Gesetz schweigt, von sich aus Anordnungen zu treffen, wobei die
Vollziehung der Rechtsvorschrift in Erweiterung und selbst in Ab-
änderung derselben umschlagen kann. Beispielsweise hat im Erbgang Prätorisch»
der Prätor an sich die landrechtliche Ordnung zur Ausführung zu Legislation.
bringen; aber wo nach dieser Erblosigkeit eintreten würde, lässt er
im Wege des Besitzschutzes gesetzlich zur Ei'bfolge nicht berufene
Personen als successionsberechtigt zu und sieht sogar in manchen
Fällen, wo die landrechtliche Ordnung zu unbilligen Consequenzen
zu führen schien, nicht bloss bei der Besitzregulirung von derselben
ab, sondern verweigert sogar nachher dem nach Landrecht besser be-
rechtigten Erben die Klage. Auch äusserlich findet dies darin seinen
Ausdruck, dass in der späteren Republik die Magistrate mit Jurisdic-
tion, die Prätoren in Rom wie in den Provinzen und die curulischen
Aedilen bei Antritt ihres Amtes diejenigen Regeln, nach denen sie
die Rechtspflege auszuüben beabsichtigen, zusammenfassend öffentlich
bekannt machen; und diese von Rechts wegen kaum den Ansteller
utid noch weniger den Nachfolger bindenden Normen haben in that-
sächlicher Fixirung allmählich sich zu einer specialisirten Civilprozoss-
ordnung ausgestaltet.
Der einzelne Prozess wird immer hervorgerufen durch das An- Eiagereoht.
244 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfanctionen.
rufen der eine Rechtsschädigung geltend machenden Partei, durch»
die Klage. Wenn dazu principiell nur der Geschädigte selbst oder
dessen rechter Vertreter berechtigt ist^ so kann hier abgesehen werden
von der Frage, wer vor Gericht als rechter Vertreter eines Privaten
betrachtet wird; staatsrechtlich wichtig dagegen ist es festzustellen,' in
wie weit die Gemeinde in der Form der Civilklage vertreten werden
kann. Im Allgemeinen gehört, wie schon bemerkt ward, der Anspruch
Kia^- der Gemeinde an einen Privaten nicht in diesen Kreis; Civilklagen
Ar die dieser Art sind exceptionell und treten, wie es scheint, nur ein, wo
* entweder ein unter den Privatprozess fallendes Delict, insbesondere
Diebstahl und Sachbet^chädigung, gegen die Gemeinde verübt worden
ist oder wo ein Specialgesetz für gewisse Fälle, namentlich für die
auf diese oder jene Contravention gesetzte feste Geldstrafe, ein stell-
vertretendes Klagerecht anordnet. Bei der ersteren Kategorie scheint
der Regel nach jeder Bürger als klagberechtigt gegolten zu haben.
Bei der zweiten ist häufig dasselbe geschehen, zum Beispiel jedem
Bürger gestattet die auf öffentlichem Boden zu Unrecht vorgenom-
menen Privatbauten durch Civilklage zu beseitigen; nicht selten aber
werden nur die Magistrate zur Klagerhebung in den Formen des
Privatrechtes bevollmächtigt, welche Vollmacht auch electiv concur-
riren kann mit dem früher (S. 229) erörterten Recht der Auflegung
einer arbiträren Mult mit Provocation an die Comitien. — Aus dem-
Kia^recht gelbeu Gosichtspunct des öffentlichen Interesses ist dann bei dem
im *^
aa&8tionen-Quftgtionenprozess des letzten Jahrhunderts der Republik mit wenigen
Ausnahmen die Klage Vertretung dem Bürger ein für allemal freige-
geben worden. Hochverrath und Mord konnten überhaupt nur unter
Zulassung der Gemeindevertretung unter dies Klageverfahren gezogen
werden, und auch die Bestrafung der Erpressung und der meisten
übrigen gleichartig behandelten Verbrechen und Vergehen war in der
That nicht bloss Sache des zunächst Verletzten, sondern lag im Inter-
esse des Gemeinwesens. Es erwies sich sogar als nothwendig, da der
Privatkläger bei allen diesen ebenso nothwendigen wie beschwerlichen
und gehässigen Prozessen die Last und die Gefahr des Beweises auf
sich nahm und die edleren Motive dabei meistentheils versagten, dem
Kläger, wie dies bei bloss vermögensrechtlicher Schädigung des Ge-
meinwesens unbedenklich und seit langem üblich war, für den Fall
des Obsiegens politische und vor allen Dingen materielle Vortheile
in Aussicht zu stellen, wo dann freilich ein Uebel das andere ablöste
oder auch beide sich mit einander verbanden.
Ertheiiang Nach Einbringung der Klage und Anhörung des Beklagten erfolgt
^' die magistratische Prozessregulirung. Sie besteht in der Bezeichnung
3. Die Rechtspflege. 245
•des oder der Geschwomen und in der Aufstellung einer schriftlichen
Instruction (formula) welche die Personen des Klägers, des Beklagten
und des oder der Geschwomen namhaft macht, den Klaganspruch je
nach der Art des einzelnen Falles feststellt und den oder die Ge-
schwomen anweist diesen selbst so wie die etwa den Beklagten
schützenden Momente in Erwflgung zu ziehen und danach entweder
den Beklagten zu verurtheilen, welche Vemrtheilung an exceptionelle
Bedingungen geknüpft und dem Umfang nach fest oder maximal deter-
minirt werden kann, oder im entgegengesetzten Fall freizusprechen.
Auf diese bedingte Urtheilsfällung lauft die magistratische Instanz des
Privat Prozesses immer im wesentlichen hinaus, während die Formen,
in denen dies erreicht wird, sie häufig nur indirect enthalten.
Die älteste und vielleicht ursprünglich ausschliessliche Form des ^^« oeuo
Privatprozesses knüpft an die Prozesssteuer an, an die dem im
Rechtsstreit Unterliegenden zum Besten der Opferkasse der Gemeinde
auferlegte Vieh- oder Geldbusse (sacramenium). Beide Parteien wurden
vom Magistrat veranlasst diese Busse zu erlegen oder zu versprechen
unter Vorbehalt der Rücknahme der Leistung oder des Wegfalls der
Zusage im Fall des Obsiegens. Der Geschworne sprach alsdann
formell sich nur darüber aus, welche Partei die Busse verwirkt habe.
Dieses Verfahren ist noch für den ältesten Erpressungsprozess in An-
wendung gekommen, aber in der Folgezeit mit wenigen Ausnahmen
ausser Kraft getreten. Häufig aber begegnet im späteren Prozess
die prätorische Wette, die im Wesentlichen auf dasselbe hinauskommt,
nur dass die verwettete Summe hier nicht gezahlt, sondern nur durch
den darauf gestellten Sprach des Geschwomen das Eigenthum oder
was sonst der Gegenstand des Rechtsstreits ist der einen Partei zu-
gesprochen wird.
Es kann auch die Entscheidung der Geschwomen wie an die**^*^^^-
Wette, so an den magistratischen an die Parteien gerichteten Befehl
(inierdictum) anknüpfen. Wenn beispielsweise der Magistrat beide
Parteien anweist den bestehenden Besitz bis weiter gelten zu lassen
oder auch eine derselben den nach der Behauptung der Gegenpartei
auf incorrectem Wege gewonnenen Besitz aufzugeben, so stellt der
Geschworne im ersten Fall fest, welche der Parteien thatsächlich im
Besitz ist, im zweiten ob der fehlerhafte Besitz mit Recht oder mit
Unrecht behauptet wurde und declarirt also, zu wessen Gunsten der
Magistratsbefehl entschieden hat.
Die magistratische Regulirung des Klagerechts tritt häufig in ^^^'j!^^^^
bereitender Gestalt auf, namentlich in der Weise, dass für mehr oder* »>uen.
minder in Aussicht stehende Prozesse die Parteirollen im Voraus ge-
246 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfünctionen.
ordnet werden. Dies ist insbesondere der Fall bei dem Wechsel des
Gesammtvermögens hauptsächlich durch den Erbgang und durch den
Goncurs. Im Sterbefalle gestattet der Magistrat dem Erben, statt sich
auf eigene Hand in den Besitz des Vermögens zu setzen, seinen Erb-
schaftstitel vor Gericht geltend zu machen und darauf hin vom Magi-
strat den Besitz des Vermögens sich zusprechen zu lassen, wodurch
für den Fall, dass andere Personen dieselbe Erbschaft in Anspruch
nehmen sollten, diese angewiesen sind als Nichtbesitzer aufzutreten.
Es können auch verschiedene derartige einander ausschliessende Be-
sitztitel gegen einander stehen, in welchem Fall durch Geschwomen-
spruch gemäss den von der Magistratur in dieser Hinsicht aufgestellten
allgemeinen oder besonderen Normen dem Bestberechtigten der Besitz
der Erbschaft zugewiesen wird. Alle diese Regulirungen, selbst wenn
Geschwome dabei mitgewirkt haben, sind insofern provisorisch, als
der nach Landrecht besser berechtigte Erbe durch sie keineswegs aus-
geschlossen, sondern nur in dem darauf hin beginnenden Rechtsstreit
ihm die Klägerrolle zugetheilt ist Aehnlich wird im Goncurs verfahren.
Wenn* eine rechtlich anerkannte Forderung nicht erfüllt wird und dem
Gläubiger danach das Recht zusteht, das Gesammtvermögen des
Schuldners in Besitz zu nehmen, so hat er dafür bei dem Magistrat
die Einweisung zu erbitten, wobei ebenfalls Concurrenz mehrerer
Personen und Regulirung der Besserberechtigung durch Geschwomen-
spruch eintreten können, die Besitznahme selbst aber eben wie die
der Erbschaft formell nur den Zweck hat für die etwa eintretende
Civilklage die Parteirollen zu regeln. Noch deutlicher tritt die Re-
gulirung des Klagerechts durch vorbereitenden Geschwomenspruch auf
in dem sogenannten Präeiudicium : wenn eine Thatfrage, zum Beispiel
ob jemand Sohn oder Freigelassener einer bestimmten Person sei, für
> einen in Aussicht stehenden Prozess von Belang ist, so kann, schon
ehe dieser angestellt wird, der Magistrat dieselbe zur Entscheidung
an Geschwome weisen.
d^^loier Di^e Andeutungen, deren Ausführung im Staatsrecht nicht gegeben
EioM^- werden kann, werden genügen, um einigermassen zur Anschauung zu
oesohworiM., bringen, dass die magistratische Regulirung des Klagerechto in ihrer
praktischen Durchführung weit hinausgeht über die unmittelbare Festr
Setzung der Klagformel. Durch diese Ausdehnung wird die Mitwirkung
der Geschwornen viel mehr erweitert als beschränkt, insofern jede
dabei sich herausstellende zwischen den Parteien streitige Frage nicht
durch magistratische Cognition, sondern durch eigenen Geschwomen-
spruch zu erledigen ist. Beispielsweise wird, wenn die Parteien sich
yerpilicbtet haben an einem bestimmten Termin . vor dem Magistrat-
3. Die Rechtspflege. ■ « 247
zu erscheinen und für den Fall des Ausbleibens eine Busse (vadi-
momum) festgesetzt ist, die Entscheidung darüber, ob diese verwirkt
ist, nicht vom Magistrat allein gefunden, sondern wieder von ihm an
Geschworne gewiesen. Dabei hat allerdings die dem Magistrat ob-
liegende Arbeitslast mitgewirkt, welche fttr eigene Untersuchung that-
sächlicher Fragen geringen Spielraum liess; aber auch die politische
Tendenz im Privatprozess durch das private Schwurgericht das magi-
stratische Imperium möglichst zu binden, tritt deutlich hier zu Tage
und hat die Schwerfälligkeit der republikanischen Rechtspflege that-
sächlich zum guten Theil verschuldet.
Wenn die Leitung der Rechtspflege der Magistratur zusteht, so ^^^^
ist sie dagegen von der eigenen Ausübung derselben ausgetehlossen. "erfahren.
Der Magistrat führt den Spruch wohl herbei, dieser . selbst aber wird
von Privaten gefunden. Dies ist die Geschwomeninstitution , die
fundamentale Ordnung der Republik, wie die älteste so die dauerndste
Schranke des magistratischen Imperium. Die Einsetzung der Ge-
schwornen durch König Servius Tullius galt den Römern als der An-
fang des sich selbst regierenden Gemeinwesens; das Eintreten der
Magistratur in die Entscheidung, die Cognition in ihrem allmählichen
Umsichgreifen unter dem Principat und ihre im dritten Jahrhundert
n. Chr. feststehende Alleinherrschaft bezeichnet das Eüde des Römer-
staats.
Die Auswahl des oder der Geschwomen steht im Allgemeinen gchwSaen
dem Magistrat zu und bildet einen Theil der ihm obliegenden Prozess- «Nennung.
regulirung. Vereinbarung der Parteien mag häufig vorgekommen, kann
aber schon darum nicht rechtlich nothwendig gewesen sein, weil die
Erledigung des Rechtsstreits nicht von dem Belieben einer Partei ab-
hängig gemacht werden durfte. Der prozessleitende Beamte hat viel-
leicht ursprünglich bei der Auswahl insofern freie Hand gehabt, als
jedem römischen Bürger dies Mandat übertragen werden konnte, und
bei Prozessen, an denen Nichtbürger betheiligt waren, mögen selbst
solche nicht ausgeschlossen gewesen sein. Aber in der uns besser
bekannten Zeit ist in der Stadt Rom vor der Gracchenzeit Geschwomer
nur der Senator, so weit nicht specielle Regulative eingriffen oder,
was wohl auch angenommen werden muss, die Parteien von der
Qualification im einzelnen Fall absahen. Dieses senatorische Vor-
recht, das allerdings weniger in der eigentlich privaten Rechtspflege
als in den weiterhin zu erwähnenden factisch mehr oder minder
criminellen Specialquästionen zuir Anwendung kam, -ist. im letzten
Jahrhundert der Republik der Mittelpunet der Parteikämpfe gewesen;
durch C. Gracchus wurde für die QeschwomenemennuBg diQ censorische
248 Viertes Buch. Die einxelnen Amtsftmctionen.
Ritterliste der Senatsliste snbstitüirt , dureh Sulla dieser wieder die
alte Geltung zurückgegeben, endlich durch das aurelische Gesetz Tom
J. 684 (70 y. Chr.) eine gemischte Liste aufgestellt, welche aus dem
Senat, aus der Ritterschaft und aus den Spitzen der ausserhalb der
beiden privilegirten Stände stehenden Bürgerschaft durch den Stadt-
prätor zusammengestellt wurde. Unter dem Principat istdie gracchische
Ordnung mit der Einschränkung wieder hergestellt worden, dass nicht
die gesammte Ritterschaft dieser Epoche Geschwornendienst thut,
sondern der Kaiser aus den Rittern die Geschwornenliste bildet. —
In den Provinzen ist wenigstens in republikanischer Zeit für jede 6e-
richtsst&tte ein Verzeichniss der zu dieser Function geeigneten Bürger
aufgestellt worden; weitere Qualification als das römische Bürgerrecht
scheint hier nicht verlangt worden zu sein. — Noch weniger können
die hauptstädtischen Normen auf die municipale Jurisdiction An-
wendung gefunden haben, schon darum, weil es in den Municipien eine
der Ritterschaft vergleichbare Klasse nicht giebt ; vermuthlich hat auch
hier jeder in der Stadt wohnhafte römische Bürger als Geschwomer
bestellt werden können. — Neben diesen allgemeinen Normen haben
die für die einzelnen Prozesskategorien aufgestellten Regulative regel-
mässig die Geschwomenqualification determinirt; die einzelnen An-
ordnungen sind uns sehr unvollständig bekannt und können, auch so
weit sie bekannt sind, hier nur beiläufig berücksichtigt werden.
Die Geschwomeninstitution tritt in verschiedenen Formen auf
theils allgemeiner Anwendbarkeit, theils speciell für gewisse Prozess-
kategorien, welche hier dargelegt werden sollen.
luitx MNtM. 1. Die älteste und einfachste Form ist die Einsetzung des Einzel-
geschwomen (^äex unus); sie gilt so sehr als der rechte Ausdruck
der Institution, dass für den „rechten Prozess' neben der Führung
vor einem städtischen Gericht auch die Entscheidung durch den
Einzelgeschwornen gefordert wird.
Recupera. 2. Dio uicht ursprüngliche, aber sehr alte Ueberweisung der
^'*"' Urtheilsfällung an eine niedrig gehaltene und immer ungleiche Zahl
von Geschwomen, die recuperatores liegt ihrem Ursprung nach im
Dunkel. Wahrscheinlich ist sie aus dem internationalen Rechtsverkehr
hervorgegangen und ursprünglich auf die zwischen Bürgern obschweben-
den Rechtshändel nicht anwendbar gewesen; wie wir indess die Institu-
tion kennen, besteht diese Schranke für sie nicht, sondern wird sie auf
die verschiedensten Prozesskategorien angewandt und scheint es ledig-
lich von der allgemeinen oder speciellen Anordnung des prozessleiten-
den Magistrats abzuhängen, ob im einzelnen Fall der Einzelgeschworne
oder Recuperatoren entscheiden. Das Urtheil wurde ohne Zweifel
a Die Rechtspflege. 249
durch Abstimmung und Ermittelung der Majorit&t gefunden. Die
Leitung, die nicht gefehlt haben kann, scheint man der Vereinbarung
der berufenen Geschwomen überlassen zu haben.
3. Für den Freiheitsprozess, dessen Einleitung vor dem Magistrat Deo«mTini.
im Uebrigen den allgemeinen Ordnungen unterliegt, ist, wie dies bei
der politischen Wichtigkeit desselben für die aus der Unfreiheit hervor-
gegangenen Plebejer begreiflich ist, wahrscheinlich seit der Anerkennung
der Plebs selbst die gewöhnliche Form der Geschwomenernennung
beseitigt und die Entscheidung einem von Jahr zu Jahr allgemein
dafür bestellten GeschwomencoUegium von zehn nicht dem Senat an-
gehdrigen Männern, den decemviri litibus iudieandis überwiesen. Ob
dieselben ursprünglich von dem Prätor ernannt oder wie sie sonst
bestellt worden sind, wissen wir nicht ; am Ende der Republik werden
sie in Tribuscomitien gewählt und figuriren daher unter den Magistraten
(S. 185>. Dass auch andere Privatprozesse an sie kamen, wie man
aus der Benennung schliessen möchte, ist nicht zu erweisen. Der
Prozess wird unter Vorsitz, wie es scheint, eines der Zehnmänner vor
diesen insgesammt geführt und daher wie alle vor grösseren Ge-
schwomencollegien geführten Verhandlungen als quaesHo bezeichnet.
Attgustus hat den Freiheitsprozess auf die Formen des gewöhnliehen
Privatprozesses zurückgeführt und den Decemvim eine andere Ver-
wendung gegeben.
4. Aehnlich, aber erst in späterer Zeit, sicher erst nach dem <^Bt«aTink.
J. 513 (241 V. Chr.) ist das Erbschaftsgericht geordnet. Auch hier
tritt an die Stelle der Geschwornenbestellung für den einzelnen Fall
das Geschwornengericht der sogenannten Hundertmänner. Es sind
deren in republikanischer Zeit eigentlich 105, und zwar drei aus jeder
der fünfunddreissig Tribus, in der Kaiserzeit 180; über die Ernennung
ist nichts sicheres bekannt, doch sind sie eher von den einzelnen Tribus
als vom Prätor creirt worden. Ueber die Erbschaftsprozesse hinaus
scheint ihre Competenz nicht gegangen zu sein; wihrscheinlich aber
haben durch das Specialgesetz, das diese Institution ins Leben rief,
die Centumvim eine über die allgemeine Befugniss der Geschwomen
hinausgehende Gontrole über die Testamente erhalten und kraft der-
selben unbillige oder sittlich tadelnswerthe Erbeseinsetzungen und
Enterbungen cassirt. Obwohl sie für den einzelnen Prozess in Ab-
theilungen, anfangs vermuthlich drei von je 35, späterhin vier von je
45 Geschwofnen geschieden waren und nur ausnahmsweise, vermuth-
lich um bei Prozessen gegen mehrere Erben widersprechende Urtheils-
findung abzuwenden, diese Abtheilungen combinirt functionirten, fiel
dieses Verfahren noch mehr als der Freiheitsprozess in den Kreis der
250 VierteB Buch. Die einzelnen Amtsfunctionen.
quaestio und stand auch, wie es bei dieser gewöhnlich ist, unter ma-
gistratischem oder quasimagistratischem Vorsitz, und zwar in re-
publikanischer Zeit unter der der gewesenen Quästoren, nach den
augustischen Ordnungen unter einem besonders für die Erbschafts-
prozesse bestellten Prfttor (praetor hastarius) und neben diesem unter
den ihrer ursprünglichen Function enthobenen Decemvirn.
TrinsiTirn. 5. Die zunächst für die Aufsicht über die Gefängnisse und für
die Handhabung der Nachtpolizei creirten Dreimftnner haben zugleich
für Diebstahl und analoge unter das Civilyerfahren fallende Verbrechen
die Urtheilsfällung (S. 185). Es muss indess dahingestellt bleiben,
bis zu welchem Grade die Vorschriften des Giyilrechts über die
ElägerroUe und das Strafmass bei diesem Verfahren eingehalten
worden sind und ob ihre Thfttigkeit mehr als die eines Geschwomen-
collegiums oder mehr als Handhabung der Polizei aufzufassen ist;
theoretisch mag der erste, praktisch der letztere Gesichtspunkt vor-
gewaltet haben.
6. Aehnlich wie für den Freiheits- und den Erbschaftsprozess ist
im Laufe des letzten Jahrhunderts der Republik für eine Reihe von
Rechtshändeln von politischer Wichtigkeit (iudicia publica) durch
Special gesetze zuweilen für den einzelnen Fall, meistens für eine
bestimmte Kategorie ein Givilverfahren eingeführt worden, welches
durch verstärkte Geschwomenzahl bei der Urtheilfindung und durch
gesetzlich geordneten Vorsitz verschärft ist und das unter dem
Namen des Quästionenprozesses zu gehen pflegt. Ausgegangen ist
dies Verfahren von denjenigen Kategorien der Civilklage, bei denen
der Staat als solcher interessirt war, zunächst von der Beamten-
erpressung, für welches nach dem römischen System unter die Civil-
klage des Diebstahls fallende Verbrechen im Jahre 605 (149 v. Ghr.)
die erste derartige Prozessordnung erging.. Aehnlich ist alsdann der
Unterschleif behandelt worden. Späterhin, hauptsächlich durch Sulla,
ist diese verschärfte Civilklage angewandt worden auf eine Reihe
anderer Handlungen, die in der früheren Rechtspflege, so weit wir
sie kennen, entweder nicht individuell hervortreten, wie Münz-
fälschung, Testamentsfälschung, Vergewaltigung, Ehebruch, Amts-
erschleichung, Anmassung des Bürgerrechts, oder nachweislich unter
das öffentliche Strafverfahren fallen, wie der Landesverrath (maiestas)
und der Mord (quaestio de sicariis et veneficis). Insoweit also wird
durch diese neue Form das nicht mehr genügend functionirende
Provocationsverfahren ersetzt und auch sie scheint gleich diesem
nur gegen römische Bürger zur Anwendung gekommen zu sein;
wenn insofern nach der heutigen Auffassung des Gegensatzes von
3. Die Rechtspflege. 251
Civil- und Strafrecht des Quästionenverfahrens dem letzteren anzu-
- gehören scheint und materiell in der That ihm zugezählt werden
inuss, so kann doch formell dasselbe nur als qualificirter Privatprozess
aufgefasst werden. Diese Qualification besteht, wie gesagt, wesentlich
in der verstärkten Mitgliederzahl dieser Geschwornengerichte.und in
dem dadurch bedingten schärferen Hervortreten des Vorsitzes. Es
kann der Vorsitzende ein dem GoUegium selbst entnommener und
mitstimmender Vormann (quaesitar) sein; in der Regel aber tritt die
einzelne Quästion unter magistratische oder quasimagistratische Lei-
tung, wobei der Vorsitzende selber nicht stimmt. Beispielsweise wurde
der Erpressungsprozess zuerst unter dem Vorsitz des bisher für diesen
Civilfall competenten Peregrinenprätors, seit dem Jahre 631 (123 v. Chr.)
unter dem eines speciell für diese Quästion bestimmten Prätors ver-
handelt, während bei dem Mordprozess der Regel nach ein Gerichts-
leiter (iudex quaestionis) ädilicischen Ranges als Vorsitzender functio-
nirt, ähnlich wie den Erbschaftsprozess die Quästoren handhaben. Die
Geschwomen pflegen hier dem Vorsitzenden gegenüber als dessen
consüium bezeichnet zu werden, obwohl diese Bezeichnung streng ge-
nommen nicht passt (S. 151), da der Vorsitzende an die Majorität der
Stimmen gebunden ist und gewöhnlich selber nicht mitstimmt. Im
Uebrigen gilt hinsichtlich der Zusammensetzung des Gonsiliums im
Allgemeinen das früher Gesagte, während weiter für jede Quästion
das Specialgesetz darüber besondere Anordnungen tri£ft, unter denen
die : wichtigste vermuthlich die war, dass für die einzelnen Kategorien
aus der allgemeinen eine besondere Geschwomenliste ausgesondert
wird, hauptsächlich wohl um Gollisionen der verschiedenen prozess-
leitenden Behörden in der Auswahl der Urtheilfinder zu verhindern, —
Wenn diese Ordnungen zunächst für die hauptstädtischen Gerichte
erlassen sind, so müssen auch für die italischen Municipien ähnliche
ergangen sein; wenigstens Mord und Amtserschleichung sind, wenn
. ausserhalb der Stadt Rom verübt, nicht vor die hauptstädtischen Ge-
richte gezogen worden. In den Provinzen hat ein Quästionenverfahren
schwerlich stattfinden können; auf die Handhabung der Griminal-
prozesse daselbst kommen wir weiterhin in dem Abschnitt vom Pro-
vinzialregiment zurück. >
Bei dem Verfahren in twdicio ist der Geschwome selbstverständ- verfahren
vAw ^AR Oa*
-lieh an die Instruction gebunden, im Uebrigen aber nicht minder für sciiworneiL.
die Rechts- wie für die Thatfragen competent. Formale Vorschriften^
abgesehen von der auch hierbei erforderlichen Oefifentlichkeit, bestehen
dafür nicht; es bleibt dem Geschwomen überlassen sei es durch An-
hörung der Parteien, sei es durch eigene Fragstellung sich diejenige
252 Viertes Bach. Die einzelnen Amtsfunctionen.
Ueberzeugung zu verschaffen, die seinen Spruch bedingt. Ueber den
bei grösseren Collegien hinzutretenden Vorsitz, wo dann der einzelne
Geschworne sich schweigend zu verhalten pflegt, ist bereits gesprochen
worden.
^nSS'' ^^^ ^^^ Spruch des Schwurgerichts durch den Privaten herbei-
priTÄtdeHct. geführt wird, so liegt auch, abgesehen von der Einziehung der dem
Unterliegenden auferlegten Busse an die Opferkasse (S. 245), die
Execution des Geschwornenspruchs nicht der Gemeinde ob, sondern
dem obsiegenden Kläger. Dem Umfang wie der Rechtskraft nach
steht derselbe dem öffentlichen Straferkenntniss nicht nach, ist ihm
vielmehr insofern überlegen, als dieses in der Form der Provocation
eine Gnadeninstanz zulässt, dem obsiegenden Kläger aber auch die
Gemeinde nicht in den Arm fallen kann, wie denn in Rücksicht darauf
ausdrücklich ausgesprochen wird, dass nach den römischen Ordnungen
der Erntedieb des Givilrechts einen schwereren Stand hat als der Mörder
des Strafrechts. Wenn bei dem Privatdelict der uns besser bekannten
Zeit die adäquate Sühnung zurücktritt, so macht in der früheren
Epoche diese vielmehr in der Strafbemessung in hervorragender Weise
sich geltend. Nach Zwölftafelrecht wird der auf Diebstahl ergriffene
Freie nach Ermessen des Prätors gezüchtigt und, wenn er erwachsen
ist, dem Bestohlenen zu vollem Eigenthum zugesprochen, der Unfreie
hingerichtet. Bei nächtlicher Aneignung der Ernte auf offenem Feld
wird sogar der Freie, wenn er mündig ist, mit dem Tode bestraft. Die
ebenfalls im ältesten Landrecht anerkannte Vergeltung der Körperver-
letzung durch gleichartige Verstümmelung geht hinaus über alle uns
bekannten Strafen des öffentlichen Criminalrechts; und selbst die Verbal-
injurie wird, wenn durch Absingung von Spottliedern auf offener Strasse
verübt, mit dem Kopfe gesühnt. Mehr noch als die Schwere der Strafen
verdient es Beachtung, dass deren Vollziehung, wenn sie auch im All-
gemeinen wohl durch den Verletzten oder dessen Angehörige zu er-
folgen hat, wie dies von der Körperverstümmelung ausdrücklich bezeugt
ist, dennoch wenigstens Mitwirkung des Magistrats erfordert, trotzdem
das Urtheil ohne sein Zuthun gefällt worden ist. Indess ist dieser mit
der Staatsordnung schwer vereinbare Ueberrest der alten Selbsthülfe des
einzelnen Bürgers in historischer Zeit beseitigt Für den gewöhnlichen
Diebstahl haben schon die Zwölftafeln, die ältere Ordnung wahrschein-
lich nach solonischem Muster mildernd, dem Dieb die Lösung durch
doppelten Ersatz (poena dt^li) freigegeben; allmählich verschwan-
den durch Gesetz oder Gewohnheit jene das Leben oder den Körper
treffenden Privatstrafen sämmtlieh und wurde im Gegensatz dazu die
a Die Rechtspflege. 253
Regel aufgestellt, dass jedes privatrechtlich verfolgbare Unrecht durch
GeldleistuDg solle gesühnt werden können.
Wieder kam man mit diesem Satz, dass im Pf*ivatprozes8 über . ExeeaUoB
Werthersatz und Geldstrafe hinaus nicht erkannt werden könne, bei nenproMaB.
der Hineinziehung der im öffentlichen Interesse verschärften Quftstionen
ins Gedränge. Zwar bei der ältesten wegen Erpressung beschränkte
der Spruch sich anfangs auf einfachen und dann auf doppelten
Schadenersatz und hielt sich also innerhalb der Schranken des Privat-
prozesses, wobei bei dem Umfang, den die Beamtenerpressungen da-
mals angenommen hatten, eine derartige Verurtheilung wohl meistens
den Concurs nach sich zog. Aber bei Landesverrath und Mord
reichte die Geldbusse nicht aus; es ist nicht sicher bekannt, welche
Ahndung die sullanischen Ordnungen dafür festsetzten, doch dürfte
dies die Verbannung aus Italien gewesen sein, womit erst der Dictator
Caesar den Verlust des Bürgerrechts verbunden zu haben scheint
Auf die durchgängige Niedrigkeit der im Quästionenprozess ein-
tretenden Strafen und das gänzliche Fehlen der Todesstrafe hat die
dafür gewählte dem deiictischen Thatbestand wenig adäquate privat-
rechtliche Form wesentlich eingewirkt.
Wenn die geradezu delictische Strafe aus dem Privatrecht früh im^aSraSL
verschwand, so hat dagegen die Privatexecution gegen den nicht ''*'''^*^
zahlungsfähigen Schuldner, ohne dass der Rechtsgrund der Schuld
einen Unterschied macht, nicht bloss von Haus aus einen capitalen
Charakter gehabt, sondern diesen auch bis zum Ausgang der Republik
behalten. Im Eigenthumsprozess kann die Privatexecution dadurch
vermieden werden, dass der Geschwome angewiesen wird den be-
sitzenden und im Unrecht befundenen Beklagten freizusprechen, wenn
er auf den Zwischenentscheid hin vor dem endgültigen Spruch die
Sache zurückstellt; dessgleichen dadurch, dass die bei der Prozess-
regulirung zum Besitz der Sache zugelassene Partei sich zugleich für
den Fall des Unterliegens nicht dem Sieger, sondern der Gemeinde
unter Bürgschaftsstellung zur Ablieferung der Sache verpflichtet.
Aber der Privatexecution unterliegen nothwendig alle aus einer
Schuldforderung oder überhaupt einem Contract resultirenden so wie
alle auf Schadenersatz oder Geldbusse gerichteten Klagen, und auch
die Eigenthumsklage kann zur Privatexecution führen, wenn der zu
Unrecht besitzende Beklagte nicht vor dem Spruch die Sache zurück-
stellt und demnach von dem Geschwornen der erhaltenen Anweisung
gemäss auf deren in Geld angeschlagenen Werth verurtheilt wird.
Bei Nichterfüllung einer jeden durch Geschwornenspruch oder das
diesem gleichstehende Geständniss rechtlich festgestellten Forderung
254 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfunctionen.
ist der obsiegende Kläger befugt auf den Schuldner, wo er ihn trifft,
die Hand zu legen und nöthigenfalls Gewalt gegen ihn zu gebrauchen.
Zwar unterliegt diese rechtmässige SelbsthQlfe wie die Klage selbst
der magistratischen Regulirung. Der Kläger hat den Verurtheilten,
auf den er die Hand gelegt hat, abermals vor den prozessleitenden
Magistrat zu führen und erst wenn er vor diesem sich Qber den Sach-
verhalt ausgewiesen hatte, wobei unter Umständen wieder Ge&chwome
zugezogen werden mussten, und wenn die dem Verurtheilten gesetz-
lich zustehenden Fristen abgelaufen waren, sprach der Magistrat dem
Kläger den Schuldner so wie dessen Habe einschliesslich der in seiner
Gewalt stehenden Kinder zum Eigenthum zu. Diesem addicirten
Manne kam zwar die Regel zu Gute, dass innerhalb Latium kein
Bürger einer dazu gehörigen Gemeinde uüfrei werden kann (S. 25);
aber der obsiegende Gläubiger war befugt ihn und die Seinigen bis
weiter als Sclaven zu halten und zu behandeln und zu jeder Zeit
durch Verkauf in das Ausland den provisorischen Verlust der Freiheit
zum definitiven zu machen. Insofern ist der römische Privatprozess
überhaupt bedingt capital und kostet bei Nichterfüllung der. zuge-
sprochenen Forderung dem Verurtheilten die bürgerliche Existenz^
Allerdings; ist dieses strenge Schuldverfahren, das auch bei den poli-
tischen Kämpfen eine wichtige Rolle gespielt hat, im Lauf ddr re-
publikanischen Jahrhunderte wesentlich gemildert worden; aber die
Abschaffung desselben und die Beschränkung der bei Zahlungsun&big-
keit eintretenden Rechtsfolge auf die Abtretung des Vermögens sind
erst das Werk des Dictators Caesar.
unternng Dcr Fundamental satz der republikanischen Rechtspflege, dass der
•chwonien- llcchtsspruch durch den Magistrat herbeigeführt, aber von dem
°'* Schwurgericht gefällt wird, hat unter dem Principat sich insoweit be-
hauptet, dass der Geschworneninstitution im Allgemeiiien ihre Stellung
bleibt und die souveränen Gewalten, Gonsuln und Senat einer- und
der Kaiser andrerseits nur insoweit ihr Strafrecht reicht, mit derselben
concurriren. Anstatt des Quästionenprozesses kann das exoeptionelle
Verfahren vor diesen höchsten Stellen eintreten; einen eigentlich
privaten Rechtshandel können dieselben von Rechtswegen vielleicht
nicht einmal an sich ziehen, obwohl dies für den Kaiser zweifelhaft
ist und namentlich das Eingreifen des Stadtpräfeeten in die civile
Rechtspflege auch dieses zu fordern scheint, auf keinen Fall den im
Privatprozess gefällten Geschwornenspruch cassiren. Dennoch ist schon
bemerkt worden, dass die Geschworneninstitution unter dem Principat'
nicht eigentlich abgeschafft, aber ihr Gebiet allmählich verengt worden;
ist und dem ordentlichen Prozess mit magistratischer Einleitung, und:
8. Die Rechtspflege. 255
UrtheilsfinduDg durch das Spruchgericht das Verfahren mit rein magi-
atratischer Entscheidung (cognitio) zunächst als ausserordentlicher Pro«
^ess an die Seite getreten und schliesslich der ordentliche diesem ge-
diehen ist. Bei den erst unter dem Principat, aber bereits in dessen *
Anfängen in den Kreis des Privatrechts gezogenen Fideicommissen sind
niemals Geschwome verwendet worden. Bei der kaiserlichen Haus-
verwaltung, die der Sache nach überall in die staatlichen Ordnungen
eingreift, ist für das Geschwornenverfahren bereits unter Claudius die
€k)gnition eingetreten. Diejenigen Rechtshftndel, welche ein unmittel-
bares Eingreifen der Staatsgewalt erfordern, wie die sämmtlichen
iudicia publica und weiter der Diebstahl, konnten unter dem strengeren
Regiment der Monarchie nicht füglich bloss dann gerichtlich verfolgt
werden, wenn sich ein freiwilliger Staatsanwalt für jene einstellte oder
bei. diesem der Bestohlene als PrivatklAger auftrat. Zu Jer Beseiti-
gung des Geschwomenverfahrens im eigentlichen Privatprozess hat
auch die Umständlichkeit und Schwerfälligkeit desselben sicher wesent-
lich beigetragen. In seiner stufenweisen Entwicklung können wir den
Wandel der Rechtspflege, welcher ohne Zweifel in den Provinzen sich
früher vollzogen hat als in Rom und Italien, nicht genügend verfolgen
und am wenigsten in dieser Uebersicht weiter auf ihn eingehen ; am
Ende des dritten Jahrhunderts ist er vollendet und giebt es keine
andere Form des Rechtsspruchs als das magistratische Urtheil.
Aber wie das Eingreifen der mit dem Principat ins Leben treten- Appeiution
den Dyarchie das Strafrecht umgestaltet hat (S. 234), macht sich
im Givilrecht eine gleichartige Einwirkung derselben geltend in der
Appellation gegen das magistratische Decret. Der republikanischen
Ordnung ist dieselbe bekannt in dem Verhältniss des Mandatars zu
dem Mandanten (S. 150); aber erst seit in der neuen Ordnung des
Staatswesens zwei höchste souveräne Gewalten, Gonsuln und Senat
einer- und der Princeps andrerseits zur Geltung gekommen waren,
wurde daraus die Regel entwickelt, dass von jedem magistratischen
Decret an eine derselben oder an beide appellirt werden kann und
zwar in dem engeren Machtgebiet, das durch kaiserliche Mandatare
verwaltet wird, lediglich an den Kaiser, im Uebrigen sowohl an ihn
wie an Gonsuln und Senat. Die Annahme der Appellation ist auch
hier facultativ und Iftsst ebenfalls Stellvertretung zu. Die Appellation
an den Senat scheint regelmässig durch die Gonsuln allein erledigt
worden zu sein. Bei derjenigen an den Kaiser ist von jeher Delegation
in weitem Umfang zu Hülfe genommen worden; doch haben in der
besseren Zeit des Principats thätige Regenten sich dabei wesentlich
auch persönlich betheiligt, woraus späterhin die scheinhaft personale.
256 Viertes Bach. Die einzelnen Amtsfunctionen.
in der That von den Palastoffizieren gehandhabte kaiserliche Immediat*
Jurisdiction hervorgegangen ist. Hinsichtlich der dieser Institution
insbesondere durch kurze Befristung der Appellationseinlegung und
durch Geldstrafen für Missbrauch derselben gesetzten Schranken und
hinsichtlich ihrer sonstigen Modalitäten muss auf den Civilprozess ver-
wiesen werden ; hier heben wir nur noch hervor, dass die Appellation,
da sie nur gegen das magistratische Decret, nicht aber gegen den
Geschwornenspruch eingelegt werden kann, die unbedingte Herrschaft
in dem Gebiet des Privatrechts erst durch die Beseitigung der Schwur-
gerichte gewann. Wenn die Appellation begründet erscheint, so cassirt
der Gonsul oder der Kaiser nicht bloss das betreffende Decret, sondern
er setzt ein anderes an seine Stelle und wahrscheinlich ist in diesem
Falle regelmässig die Sache, auch wenn sie sonst vor Geschwome
gehört hätte, im Wege der Cognition definitiv entschieden worden.
4. Das Heerwesen.
Bürgerschaft und Bürgerheer fallen rechtlich und thatsächlich pienii-
zusammen. Wehrpflicht und Stimmrecht sind correlat, Frauen und deren
Knaben von beiden gleichmässig ausgeschlossen; die früher (S. 34) Beguiinmg.
entwickelte Gliederung der Bürgerschaft gilt ursprünglich gleichmässig
für den Kriegsdienst wie für die Tagungen der Gemeinde. Auch die
Stetigkeit ist dem Bürgerheer ebenso eigen wie der Bürgerschaft;
wenn der Act des „Ermessens", der Census (S. 172), die in längeren
Zwischenräumen stattfindende Feststellung des Personal- und Ver-
mögensstandes der Gemeinde oder, wie wir ihn eigentlich ungenau zu
bezeichnen pflegen, die Schätzung kann wohl im gewissen Sinne als
Heerbildung aufgefasst werden, hat aber in der That vielmehr den
Zweck das bestehende Bürgerheer zu ordnen als ein solches zu schaffen
und wird nur insofern als „ Gründung' (luskum conditum) bezeichnet,
als er die ursprüngliche Gründung der Bürgerschaft erneuert Von
diesem Act ist hier auszugehen, von der Vorbereitung der Einberufung
zum Heerdienst durch Feststellung der daftfr in Betracht kommenden
personalen Qualification. Die Zutheilung dieses Geschäfts an eigene
bei der Einberufung nicht mitwirkende Beamte, die seit dem Anfang
des 4. Jahrh. d. St. fungirenden Censoren hat diese Vorbereitung von
der Einberufung selbst scharf gesondert; sicher jim Zusammenbang
damit erscheint der Census der historischen Zeit nicht so sehr als
Vorbereitung für die Einberufung der Dienstpflichtigen denn als poli-
tisch Verzeichnung der stimmberechtigten Bürger. Gerichtet sind die
censorischen Aufnahmen hauptsächlich auf Feststellung der folgenden
vier Momente für den einzelnen Bürger.
1. Das Lebensalter ist für den Kriegsdienst schlechthin bedingend, Ait«r.
insofern er vor vollendetem 17« Lebensjahr nicht geleistet werden darf
und nach vollendetem 46. wenigstens nicht im Felde erfordert wird.
Bin ding, Handbuch. I. 3: Mommsen, Abriss d. BOm. Staatsrechts. 2. Aufl. 17
258 Viertes Bach. Die einzelnen Amtsfunctionen.
Die Feststellung dieser Altersgrenzen ist, da sie auch das Stimmrecht
bedingen, stets eine Hauptaufgabe der Schätzung geblieben.
Dienst- 2. Die körperliche Dienstfähigkeit hat bei der Reiterei beständig
der censonschen Prüfung unterlegen und dies ohne Zweifel ursprüng-
lich ebenfalls auf die zu Fuss dienende Bürgerschaft sich erstreckt
Innerhalb gewisser Grenzen mag auch schon bei dem Census festgestellt
worden sein, welche Personen aus diesem Grunde der Einberufung
nicht unterliegen. Im Allgemeinen aber ist die erforderliche körperliche
Prüfung wohl auf den Act der Einberufung übergegangen, wobei
namentlich mitgewirkt haben wird, dass die Dienstunffthigkeit wegen
Alters oder körperlicher Gebrechen die Dienstberechtigung und also
das politische Stimmrecht nicht aufhebt.
Yermdgen. 3. Dio Vermögenslage kommt für die Dienstpflicht nicht an sich
in Betracht, sondern nur insofern es sich um die Erfüllung derselboD
mit eigener Wehr handelt. Aber Heerdienst ohne Beschaffung eigener
Wa£fen kommt in älterer Zeit ausser bei gewissen Gewerken nur vor
in der Form der Einberufung für die unbewaffnete Ersatzmannschaft
oder in besonderen NothfäUen; Selbstausrüstung ist durchaus die Regel
und in diesem Sinne beschränkt sich die ordentliche Dienstpflicht in
älterer Zeit auf die Grundbesitzer einschliesslich des Geschlechter- und
später des Ascendentenbesitzes, seit dem 5. Jahrh. d. St. auf die Yer-
mögensbesitzer überhaupt nach gewissen in der Beschaffenheit der Aus-
rüstung zum Ausdruck gelangenden Abstufungen, welche bereits in an-
derer Verbindung zur Sprache gekommen sind (S. 35). Insofern, und
daneben allerdings mit Rücksicht auf die Vermögenssteuer, werden
in dem Bürgerverzeichniss die für die Modalität der Dienstpflicht mass-
gebenden Vermögensverhältnisse aufgeführt. Darum ergeht auch die
Ladung für den Census zunächst an diejenigen Personen, welche
selbständiges Vermögen haben oder doch haben können, so dass für
die Kinder in der Gewalt der Vater eintritt. Die Frauen und die
Unmündigen, so weit sie selbständiges Vermögen haben, werden, mit
Vertretung durch ihre Vormünder, bei der Schätzung ebenfalls, aber in
einer Nebenliste verzeichnet, welche insofern auch militärischen Zweck
hat, als der Rittersold auf diese gelegt ist. — Auch nachdem durch
Zulassung des Frei willigendienstes ohne solche Qualification die Ver-
mögenssätze ihre militärische Bedeutung verloren hatten, was indess
erst im letzten Jahrhundert der Republik eintrat, haben im Stimm*
recht jene Abstufungen und damit die censorisehen Vermögensauf-
nahmen sich behauptet.
Ehrm- 4. Die Ehrenhaftigkeit kommt ebenfalls nur für die ordentliche
haftigkeit. '^eiijpfliciit in Betracht, insofern es in älterer Zeit zu der Schätzung
4. Das Heerwesen. 259«
mit gehört aus dem Verzeichniss der zunächst dienstpflichtigen Grund-
l)6sitzer die bescholtenen Personen zu entfernen und sie in das der
bloss steuerpflichtigen {aerarii) zu übertragen (S. 30. 175). Nachdem
die ordentliche Dienstpflicht nicht mehr am Grundbesitz, sondern am
Vermögen haftete, ist zwar der Gegensatz der trtbules und der aerarii
beseitigt ; indess gehört es immer noch zu den censorischen Aufgaben
bei denjenigen Bürgern, denen das volle Ehrenrecht mangelt, zum
Beispiel den Freigelassenen (S. 52) dies zu constatiren und der Ein-
berufung derselben zum Dienst nach Möglichkeit vorzubeugen.
Aus der Schätzung ist ursprünglich die Bürgerschaft hervor- DMceaso-
gegangen als geordnetes Bürgerheer {exercitus centuriatus), geschieden ^ loint^
in Reiterei und Fussvolk, jene wie dieses gegliedert nach den mili-"
tärischen Abtheilungen, den Centurien mit Genturionen an ihrer Spitze ;
auch Waffenschau und Waffenprüfung war damit verbunden. Dennoch
liann die unmittelbare Verwendung dieses Heeres für den Dienst nur
stattgefunden haben unter Hinzutreten gewisser uns nicht überlieferter
Anordnungen hinsichtlich sowohl der nicht diensttauglichen wie der über-
zähligen Mannschaften ; und in historischer Zeit ist auf jeden Fall das
also in der Schätzung aufgestellte Heer unmittelbar nur für die Ab-
stimmung verwendet, das Eriegsheer nicht damit identificirt, sondern in
der weiterhin zu bezeichnenden Weise aus dem Bürgerheer entwickelt
worden. Dass die Ordner des Schatzungsheeres, nachdem sie eigene
Beamte geworden waren, das militärische Imperium nicht mehr be-
sassen, wird damit in Zusammenhang stehen. Nur bei der Reiterei
hat das ältere Verfahren Bestand gehabt.
Neben der Rechtspflege ruht die Magistratur auf dem Haftbefehl; Das miu-
aus beiden zusammen bildet sich der Begriff des Imperium^ der ur. i^rrSnfa^
sprünglichen Amtsgewalt und das Gommando haftet noch ausschliess- »tuf^ngen.
lieber als die Jurisdiction am Oberamt: es giebt kein Oberamt ohne
Gommando und kein Gommando ohne Oberamt. Dass bei den ver-
schiedenen Formen desselben das Imperium qualitativ dasselbe ist,
tritt namentlich darin zu Tage, dass der höchste formale Ausdruck
desselben, der Imperatorentitel und die Siegesfeier dem Dictator, dem
Gonsul und dem Prätor gleichmässig zugestanden werden. Die für den
Fall der Collision aufgestellte schon (S. 120) entwickelte Regel, dass
der Prätor dem Consul, der Gonsul dem Dictator weicht, ist mit der
Gleichartigkeit ihrer Imperien wohl vereinbar. Allerdings aber be-
steht zwischen dem Dictator und dem späteren Gonsul einer- und dem
Prätor andererseits insofern ein wesentlicher Gegensatz, als jene zu-
nächst für die militärische Thätigkeit berufen sind, dieser dagegen, so
weit seine Gompetenz nicht ausserordentlicher Weise anders normlrt
17*
260 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfonctionen.
wird, zunächst für die Bechtspflege, was insbesondere bei der Heer-
bildttng und bei der Festsetzung des Amtsbereichs weiterhin in
Betracht kommen wird.
x^me^t ^^^ Einberufung der Bürger zum Kriegsdienst ist Recht des Magi-
' strats, wie es Pflicht des Bürgers ist ihr Folge zu leisten. Der regel-
mässig von den einberufenen Büi^em auf den Namen des einberufenden
Magistrats geleistete Treueid, vergleichbar dem der Bürgerschaft bei
dem Amtsantritt abgeforderte Treuwort (S. 132), begründet nicht erst
die Pflicht militärischen Gehorsams, sondern hat nur bestärkende Kraft,
Die Einberufung kann, wo Gefahr im Verzug ist (fumidtm), von jedem
Imperienträger in der Weise vorgenommen werden, dass der Bürger,
dem das Commando zur Kenntniss kommt, demselben unmittelbar
Folge zu leisten hat, so weit er Waflfen besitzt oder ihm diese zur
Verfügung gestellt werden ; ja bei eigentlichem Nothstand kann sogar
jeder Private in gleicher Weise die Bürger unter die Waffen rufen.
Die ordentliche Einberufung aber kann nur im städtischen Amtsbereich
und nur durch die Consuln oder den Dictator vorgenommen werden ;
der Prätor ist dazu regelmässig nicht befugt, obwohl unter Umständen
insbesondere nach Anweisung des Senats auch er dazu schreiten kann.
Auch diejenigen Truppen, welche, wie dies später vielfach der Fall
ist , bestimmt sind unter prätorisches Commando gestellt zu werden,
werden regelmässig von den Consuln einberufen. Die einrufenden Magi-
strate legen dabei die letzten censorischen Feststellungen zu Grunde,
haben aber nicht bloss die in der Zwischenzeit eingetretenen Verände-
rungen zu berücksichtigen, sondern sind überhaupt nicht von Rechts-
wegen an diese Verzeichnisse gebunden. Ob die Centurien der für
den Felddienst geeigneten Fusstruppen in der Form, wie sie aus der
letzten censorischen Ordnung hervorgingen, jemals der unmittelbaren
Einberufung unterlegen haben, kann bezweifelt werden, zumal da der
Census nicht Jahr für Jahr stattfand und die letzte vorliegende Liste
schon insofern mehr oder minder der Modification unterlag. Sicher folgt
in historischer Zeit auf die an die censorischen Aufnahmen sich an-
schliessende Einberufung des Fussvolks die „Aus wahr (delectus), das
heisst es werden beispielsweise aus den 40 Centurien der jüngeren Mann-
schaft erster Klasse die für diesmal erforderliche Anzahl von Mannschaften
durch den Magistrat oder dessen Beauftragte ausgelesen, wobei sich dann
die Aussonderung der minder tauglichen Leute von selber ergab, und
diese Ausgelesenen ohne Rücksicht auf jene politische Centuriation nach
militärischer Ordnung centuriirt Nur die Centurien der ständigen
Bürgerreiterei hatte der Feldherr so zu verwenden, wie die letzten
Censoren sie geordnet hatten, und dass diese Ordnung oft eine Reihe
4. Das Heerwesen. 261
von Jahren zurücklag, auch andere als rein milit&rische ROeksichten
irohl bald in die Beiterwahl bedingend eingriffen, hat vermuthlich zu
dem frühen Zurücktreten der Bürgerreiterei in der effectiven Krieg-
führung seinen Theil beigetragen. Nachdem die censorische Fest-
stellung der Qualification zum Militärdienst gefallen war, lag die
Auswahl für den Dienst unbeschränkt in der Hand des Feldherm, was
namentlich hinsichtlich der Annahme von Freiwilligen zur Anwendung
ikam, aber auch bei zwangsweisem Aufgebot nicht anders gehalten ward.
Die Bezeichnung der Offiziere und der Unteroffiziere ist ein inte- ofuner»-
{[rirender Theil der Einberufung der Bürger zum Heerdienst und liegt
bei dem Magistrat, der sie vornimmt, so weit nicht, wie dies bei den
Eriegstribunen theilweise der Fall ist (S. 184), ihm seine Gehülfen
durch die Gomitien gesetzt werden.
Die Anzahl der jedesmal aufzubietenden Mannschaften und die umfang der
Termine der Einberufung wie der Entlassung setzt von Rechtswegen ^/ Jl*^"**^
allem Anschein nach der einrufende Magistrat fest. Der Bürger- pfitoht.
Schaft steht darauf keine Einwirkung zu, dem Senat nur innerhalb
gewisser Grenzen. Früh scheint als Pflicht und Recht der ordentlichen
Oberbeamten sich festgestellt zu haben, dass, so weit die Umstände
es gestatteten, jeder Consul gehalten war ein angemessenes Corps
— nach der späterhin geltenden Norm zwei Legionen jede von 4000
bis 5000 Mann — im Frühling einzuberufen und nach vollendeter
Felddienstübung oder Kriegführung, wie es eben fiel, im Herbst
wieder zu entlassen; sehr wahrscheinlich verdankt der Bömerstaat
seine militärischen Erfolge wesentlich dieser Stetigkeit der Einberufung
der Mannschaften zu regelmässig sechsmonatlichem Dienst. Auf-
stellung einer grösseren Truppenzahl, sei es durch Einberufung einer
grösseren Zahl von Dienstpflichtigen, sei es durch Erstreckung der
Dienstzeit der früher Einberufenen ist dagegen immer als ausserordent-
liche Massregel behandelt worden, auch als sie dies der Sache nach
längst nicht mehr war, und ist als solche von den Beschlüssen des
Senats mehr oder minder abhängig gewesen , bei dessen Competenz
wir darauf zurückkommen werden. Die Entlassung der Mannschaften
soll verfassungsmässig von Jahr zu Jahr stattfinden und dies ist bis auf
Augustus die Norm geblieben; aber der Dienst dauert, bis der ein-
berufende Magistrat oder sein Nachfolger die Mannschaften entlässt.
Von der hiemit gegebenen Befugniss den Dienst der unter Waffen
stehenden Truppen nach Ermessen zu verlängern haben die Magi-
strate nicht bloss da, wo die Kriegslage dies forderte, sondern auch
ohne solchen Zwang früh und umfassend Gebrauch gemacht, ohne
dass jemals darin eine Verletzung der Amtspflicht gefunden worden
gQ2 Viertes Buch. Die eiozelnen Amtsfuuctionen.
wäre; und auch der Senat hat hiebei in das Ermessen des Feldherm
in minderem Umfang als bei der vermehrten Aushebung eingegriffen.
Später hat zu der Verlängerung der Dienstzeit das Umsichgreifen de»
Freiwilligendienstes mitgewirkt, da diese Mannschaften nicht wie die
eigentliche Bürgermiliz die Beendigung der Dienstpflicht zu beschleu-
nigen bestrebt waren. Die Unregelmässigkeit der Entlassung hat
selbstverständlich auf die der Einberufung zurückgewirkt; am Ausgang
der Republik erfolgt auch diese schon exceptionell. Ueberhaupt ist
die Ständigkeit des bürgerlichen Kriegsdienstes mit der Fixirung durch-
gängig zwanzigjähriger Dienstzeit, wie Augustus sie festgestellt hat^
wohl eine der wichtigsten Neuerungen der beginnenden Monarchie,
aber dobh bereits in republikanischer Zeit vielfach vorbereitet und
in mancher Hinsicht anticipirt.
Allgemeines Oortlichc Grcuzeu sind, von der Stadt abgesehen, zunächst dem
<md Imperium nicht gesetzt; wenn der Consul diese verlassend dasselbe
spreDgei. übcmommen hat, kann er es ausüben, wo immer sich das Bedürfnis»
dafür geltend macht. Dies wird allerdings verdunkelt durch die
Consequenzen der CoUegialität (S. 122): sie hat dazu geführt, dass
die beiden Oberbeamten die militärische Thätigkeit, die ihnen oblagt
früh nach örtlichen Grenzen unter sich theilten. Auf die Verabredung
hat auch der Senat eingewirkt und sie allmählich in eine den Consuln
für ihre Amtsführung vom Senat ertheilte Instruction umgewandelt^
welche dann durch ein von C. Gracchus veranlasstes Gesetz für die
Gonsuln rechtlich verbindlich gemacht worden ist. Aber feste von
Rechtswegen gültige Ortsgrenzen für das Commando sind erst auf-
gekommen mit den überseeischen Präturen. Jedem Statthalter wurde
neben der in erster Reihe ihm obliegenden Rechtspflege in seinem
Sprengel und durchaus in gesetzlicher Beschränkung auf diesen auch
das Commando, je nach Umständen mit oder ohne Truppen, über-
tragen. Seitdem kam das allgemeine consularische Commando regel-
mässig nur zur Anwendung theils in Italien, theils gegen das Ausland;
bei schwereren Kriegen indess, für welche das eigentlich exceptionelle
prätorische Commando nicht genügte, haben die Consuln dasselbe
auch in den Provinzen übernommen. Es ist schon aus einander ge-
setzt worden (S. 198), dass, nachdem Sulla den Gegensatz der von
Fall zu Fall festgestellten consularischen Commandokreise und der
rechtlich festen prätorischen Sprengel beseitigt und auch jene als
förmliche Sprengel geordnet hatte, das Commando in dem eigentlichen
Italien und überhaupt das oberste Reichscommando als ordentliche
Institution wegfiel, bis dann unter dem Principat ein das gesammte
Provinzialgebiet umfassendes militärisches Imperium ins Leben trat
4. Deb Heerwesen. 263
und das Sprengelcommando verschwand, Rom und Italien, jetzt in der
Ausdehnung bis zur Alpengrenze, stehen noch unter dem Principat
formell ausserhalb des geordneten magistratischen Commandos.
Es bleibt noch fibrig kurz zu erinnern an die in anderer Ver-
bindung behandelten in dem Gommando enthaltenen Befugnisse in
Beziehung auf die Rechtspflege, die Geldverwaltung und die Ver-
hältnisse zum Ausland.
Dass in dem Gommando das Zwangs- und Strafrecht enthalten ist Miiiuriacke
und die das städtische Imperium fesselnden Provocationsschranken
den Feldherrn erst in späterer Zeit und in minderem Umfange banden,
ist in dem betreffenden Abschnitt entwickelt worden (S. 231). Der
Ausschluss des Beamten mit zunächst feldherrlichem Imperium von
der Jurisdiction gilt dagegen auch dann, wenn er im militärischen
Amtsbezirk verweilt, so weit nicht der allerdings dehnbare Begriff der
Lagerzucht darauf erstreckt werden kann (S. 238).
Die dem Oberamt dadurch gesetzte Schranke , dass dessen In- MiiitäriBeiia
haber die Gemeindekasse durch einen von ihm anfangs allein , sehr venraitiug.
bald nach Vorschlag der Gomitien ernannten KassenfQhrer , den
Quästor^ zu verwalten hat, ist im feldherrlichen Imperium zwar
nicht auf die Dictatur, aber wohl auf Gonsulat und Prätur erstreckt
worden. Wenn neben der obligatorischen Buchführung über die dem
Feldherm für die Kriegsbedürfnisse aus der Gemeindekasse über-
wiesenen Gelder und der daran hängenden Pflicht dieselben mit der
Gemeindekasse zu verrechnen der Quästor regelmässig auch als Zweit-
commandirender im Heer auftritt, so liegt dies nicht unmittelbar in
der Institution, sondern beruht auf der ständigen Verwendung des
freien militärischen Mandirungsrechts zu Gunsten des einzigen neben
dem Feldherm selbst bei dem Heer anwesenden Magistrats.
Den verbündeten auswärtigen Staaten gegenüber haben die Con- Beziehung»!!
suln .das Recht und die Pflicht die vertragsroässig zugesagte Waffen- deten au».'
hülfe einzumahnen, deren Umfang im Wesentlichen von ihrem Er-
messen, wenn auch unter Mitwirkung des Senats abhängt (S. 58. 67).
Aber wenn ein solcher Staat den bestehenden Vertrag gebrochen und
damit den Landesfeinden sich gleichgestellt hat, steht die Kriegs-
erklärung der Bürgerschaft zu, nicht der Magistratur, obwohl der
Magistrat in die Lage kommen kann schon vor derselben die Krieg-
führung zu beginnen. So wenig wie die Auflösung liegt der Abschluss
eines Vertrags mit einem anderen Staate ausschliesslich in der Hand des
Magistrats, sondern er bedarf dazu wenigstens nach strengem Recht der
Mitwirkung anderer Factoren, wie dies in dem betreffenden Abschnitt
264 Viertes Bach. Die einzelnen Amtsfunctlonen*
weiter entwickelt werden wird. Dagegen steht nach rechtlicher
Bezieiiiiiu|«n Aoffassimg das nicht durch Vertrag verbundene Ausland mit der
verbftndeton römischen Gemeinde von Rechtswegen im Krieg und der Inhaber
des Imperium ist demnach selbst ohne besondere Vollmacht befugt
gegen diese Landesfeinde (hostes poptdi Romam) die Waffen zu wenden,
auch nach Kriegsrecht Waffenstillstand und sonstige militärische Con-
ventionen zu schliessen so wie in diesem Ausland den Besitz der Ge-
meinde nach Vermögen zu mehren. Die dem Privatrecht fremde oder
doch höchstens darin als Verjährimgstitel zugelassene Occupation wird
im öffentlichen Recht auf bewegliches wie unbewegliches Gut bezogen.
Das im rechten Krieg gewonnene Gut, auch das bewegliche, wird
Eigenthum der Gemeinde , nicht des Soldaten oder des Feldherm,
wenn gleich der Feldherr über dieses freier als über sonstiges Ge-
meindegut und häufig zu Gunsten der Soldaten verfügt. Ebenso wenig
bedarf der siegreiche Feldherr für das Vorschieben der Grenze des
stets nach den Regeln des ager arci^nius behandelten Stadtgebiets zu
Gunsten Roms eines besonderen Auftrags, obwohl das Aufgeben oder
das definitive Festhalten des gewonnenen Gebiets selbstverständlich
nicht von dem einzelnen Magistrat abhängt.
sieg«r«hreB. Wonu das Commaudo zum Sieg in einer Feldschlacht geführt hat,
so erlangt dadurch der Feldherr das Recht den bisher geführten Amts-
mit dem Siegertitel imperatar zu vertauschen (S. 85); und wenn er
femer nach siegreicher Beendigung eines rechten Krieges — was der
Bürgerkrieg nicht ist — das Heer in die Stadt zurückführt, das Recht
daselbst die Siegesfeier (triumphus) abzuhalten. Titel wie Feier haften
durchaus an der Magistratur und es ist gleichgültig, ob der militärische
Erfolg durch den Beamten persönlich oder durch seine Untergebene
oder Stellvertreter herbeigeführt worden ist; diesen selbst wird, ab-
gesehen von der caesarischen und der Triumviralzeit, weder der Titel
noch die Feier gestattet. Sind bei dem Erfolg mehrere Magistrate
betheiligt gewesen, so kommt der Triumph nach strengem Recht nur
dem Höchstcommandirenden zu. Desshalb hat niemals ein Reiterführer
triumphirt ; indess ist bereits im ersten punischen Krieg der neben dem
Gonsul commandirende Prätor zum Triumph zugelassen worden. Nach
Ablauf der Amtzeit kann der Triumph unter der Voraussetzung gefeiert
werden, dass der Feldherr durch Ausnahmegesetz für den Tag des
Triumphs im Stadtgebiet von der Annuitätsschranke entbunden, der
Proconsul also als Gonsul angesehen wird ; auf ausserordentliche mili-
tärische Imperien aber, die nicht mit der rechten Magistratur begonnen
haben (S. 187), wurde dies erst in der republikanischen Agonie er-
streckt und bis auf Pompeius als Vorbedingung für den Triumph
4. Bas Heerwesen. 265
durchaus Dietatur, Consulat oder Prfttur gefordert, selbst dem Consular-
tribun derselbe wohl desswegen versagt, weil diese dem Plebejer zugäng-
liche Form des Oberamts nicht als rechte Magistratur angesehen ward
<S. 87. 161). Ob die gewonnene Schlacht fttr Annahme des Titels, der er-
langte Eriegserfolg f Qr die Siegesfeier ausreiche, bestimmt nach formellem
Recht der Feldherr selbst. Schicklich und üblich war es allerdings den
Imperatorentitel nicht anders anzunehmen als nach dem Zuruf des sieg-
reichen Heeres auf dem Schlachtfeld selbst oder auch nach dem Be-
schluss des Senats ; indess darf beides nicht als Beilegung des Titels
gefasst werden, sondern als das für den Entschluss des Feldherrn von
seinem Recht Gebrauch zu machen bestimmende Moment. Die Be-
nutzung dieser für die Annahme des Imperatorentitels geltenden
republikanischen Normen zur Formulirung des kaiserlichen Imperiums
ist bei diesem (S. 194) auseinander gesetzt worden. Auch über den
Triumph bestimmt von Rechtswegen der Feldherr mit gleicher Frei-
heit. Wenn er indess auf dem Capitol abgehalten wird, machen da-
bei, auch abgesehen von dem nach Ablauf der Amtfrist erforderlichen
Yolksschluss, die Schranken der städtischen Amtführung sich geltend ;
es konnte der Kostenbetrag vom Senat verweigert oder auch die tri-
founicische Coercition, die bis zur Verhaftung des Triumphators gehen
kann, dagegen eingelegt werden; wesshalb in der mittleren Republik
die Magistrate, welche sich dazu berechtigt hielten, aber Behinderung
voraussahen, nicht selten die Siegesfeier ausserhalb der Stadt auf dem
Albanerberge abgehalten haben. Thatsächlich kam die Entscheidung
Ober die Bewilligung oder Yersagung des Triumphs in späterer Zeit
an den Senat, woneben übrigens mehrfach versucht ward dem ein-
reissenden Missbrauch der Siegesfeier für geringfügige oder fingirte
Erfolge durch Regulative des Senats oder Gomitialgesetze Einhalt
zu thun.
5. Das GemeindevermSgen.
Gepusätz- Wenn die Grundbegriffe des Vermögensrechts gleichmässig auf die
Geufeind«^^ Gemeinde wie auf den einzelnen Bürger bezogen werden, Eigenthum^
priyaton Forderuug, Erbschaft auch auf den Staat Anwendung finden, so steht
^fr^ die positive Ausgestaltung derselben in den beiden Rechtskreisen fast
durchgängig mit einander in principiellem und praktischem Widerspruche
Wenigstens einige Grundlinien dieser nicht eigentlich im Staatsrecht
darzustellenden Gegensätzlichkeit sollen hier gezogen werden. Im
Eigenthum geht das Privatrecht aus von dem Vieh- und dem Sclaven-
stand und überhaupt dem beweglichen Gut, das Gemeindeeigenthum
umgekehrt vom Bodenrecht. Der Eigenthumswechsel wird im Privat-
recht hauptsächlich vermittelt durch den materiellen Wechsel des Be-
sitzes, durch das Zusammenkommen des aus- und des eintretenden
Eigenthümers an dem Ort, wo die Sache sich befindet ; im Gemeinde-
recht hauptsächlich durch den einfachen Willensact der Gemeinde oder
ihrer Auftragnehmer, die weiterhin näher zu erörternde Adsignation.
Der Erwerbstitel der Occupation ist ausschliesslich dem Gemeinderecht,
derjenige durch Verjährungsbesitz ausschliesslich dem Privatrecht eigen.
Erbberechtigt ist die Gemeinde von jeher, obwohl nach den Normen
des Privatrechts ihr zum Erbschaftserwerb die Fähigkeit fehlen würde.
Im Forderungsrecht sind die hauptsächlichen Titel des Gemeinderechts
dem Privatrecht fremd: die Frohnden haben in diesem schwerlich je
eine Rolle gespielt und für die staatliche Zwangsanleihe, das heisst
den tribuius, fehlt es an jeder privatrechtlichen Analogie. Die private
Besitzergreifung von öffentlichem Boden begründet für die Gemeinde
eine der späteren Pachtung auf Dauer analoge Forderung, der im Privat-
recht ebenfalls nichts Aehnliches entspricht. Schuld und Forderung
sind privatrechtlich unübertragbar ; im Gemeinderecht ist seit ältester
Zeit nichts gewöhnlicher als bei der Gemeindeschuld die Substituirung
eines anderen Schuldners, die zum Beispiel der ältesten Soldzahlung
5. Das Gemeindevennögen. 267
zu Grunde liegt , bei der Gemeindeforderung die Substituiruug eines
anderen Gläubigers, wie sie zum Beispiel bei der Zehntenhebung üblich
war. Anstatt des formalen Schuldvertrags des Privatrechts, des Nexum
und später der Stipulation walten im öffentlichen Recht von jeher
die thats&chlichen Rechtsverhältnisse, beruhend auf Herkommen und
„guter Treue^ {bona fide8\ der Kauf, die Pachtung, die Dienstmiethe,
die Arbeitsfibemahme. Endlich die personale Execution der Privat-
forderung, bei welcher der nicht zahlende Schuldner die Freiheit
und mit der Freiheit die Habe verliert, ist dem Gemeinderecht
fremd. Die Execution beschränkt sich häufig auf einzelne Theile des
Termögens theils in der Form des Verfalls des bei dem Abschluss
des Vertrages der Gemeinde gestellten Pfandes (praefvtjdium), theils
in der Form der Abpfändung von Sachen zum Zweck des Verkaufs
(pignoris capio^ nicht zu verwechseln mit der S. 229 erwähnten straf-
rechtlichen). Wo dies nicht der Fall ist, erfasst die Execution der
Gemeindeschuld wohl die ganze Habe des Schuldners und seiner
Borgen (prciefvijdes), aber nicht die persönliche Freiheit ; Schuldsclaven
hat, so viel wir wissen, die Gemeinde nie gehabt noch je den zahlungs-
unfähigen Bürger ins Ausland verkauft. Nach allen Seiten hin bewegt
sich das Gemeindevermögensrecht in denjenigen Formen, welche später-
hin im Privatverkehr das alte strenge Civilrecht verdrängt haben.
Eine eigentliche Klage kennt dasselbe als Regel weder activ noch
passiv. Im Privatverkehr steht die Gemeinde als Schiedsrichter über
den Parteien; wenn da, wo sie selber Partei ist, ihr Recht ihr von
dem Privaten nicht wird, bedient sie sich der Selbsthülfe; wo der
Private sich von ihr in seinem Recht verletzt findet, kann er nur bei
ihr selbst Abhülfe suchen. Durchaus fehlt wie die Sicherheit, so die
Härte der privaten Ordnung; die Stelle des tus und des ttidicium des
Privatrechts nimmt hier von Haus aus die magistratische Cogni-
tion ein.
Die Führung des Haushalts der römischen Gemeinde, welche Vermögens
hier darzustellen ist, scheidet sich in zwei scharf von einander ge- und Kassen-
sonderte Kreise : die Verwaltung des liegenden oder beweglichen Guts "'"^'
der Gemeinde und die Verwaltung der Kasse derselben mit Einschluss
ihrer Geldfordeiungen und Geldschulden. Diese Scheidung, die auch
der privaten Haushaltführung nicht fremd ist, hat sich in der Gemeinde-
ökonomie dadurch mit besonderer Schärfe entwickelt, dass beide
Kreise zwar ursprünglich in derselben Hand vereinigt sind, aber
schon in der frühen Republik unter Zurücktreten in beiden Kreisen
der oberamtlichen Einwirkung die Haushaltordnung auf die Censoren,
die Kassenführung auf die Quästoren übergeht.
268 Viertes Bach. Die einzelnen Amtsfunctionen.
Oberamt. lü die VefwaltuDg des Gemeindevermögens eingreifende Acte kann
cens^ri^he jeder Magistrat vomehmen, dessen Geschäfte einen solchen erfordern,
Temit?n|~ zum Bcispiel subalterne Geholfen gegen Lohn annehmen. Die Central-
verwaltung des Gemeindevermögens aber ist ein integrirender Theil
der oberamtlichen Competenz. Indess ist, wie eben bemerkt ward,
die periodische Regulirung des Gemeindehaushalts, wahrscheinlich gleich
bei der Einsetzung eigener Schatzungsbeamten , dem Oberamt ge-
nommen und den Censoren übertragen worden. Dies hat zur Folge
gehabt, dass, während bei dem Privathaushalt durchgängig die Jahr-
frist zu Grunde gelegt wird, im Gremeindehaushalt so weit möglich
die Verträge von Schätzung zu Schätzung laufen. Diejenigen Ge-
schäfte der centralen Vermögensverwaltung, welche nicht' mittelst der
periodischen Begulirung erledigt werden können, sind für die zwischen
den Censuren liegenden Zeiten dem Oberamt verblieben und werden
durch die Consuln oder, falls diese nicht in der Stadt anwesend sind,
durch den Stadtprätor geordnet.
instandhai- Dio Centrale Begulirung des Gemeindehaushalts umfasst alle Ge-
^AFer^"" Schäfte, welche die Instandhaltung und die Yerwerthung des Gemeinde-
^Lb q^ Vermögens, so weit dasselbe nicht in Geld und Geldforderungen besteht,
me n egn «. jjy^Qjj^jjjjg^jj erfordert. In diesen Kreis gehören alle Verfügungen über
die Nutzung des Gemeindebodens unbeschadet des Eigenthumsrechts,
insonderheit in älterer Zeit die Festsetzungen über das Triftrecht auf
der Gemeindeweide gegen Entgelt und über die Zulassung der Occu-
pation des Gemeinlandes gegen Abgabe einer Fruchtquote, welche
beide vom ökonomischen Standpunct nichts sind als modificirte Ver-
pachtungen. Auch die Hingabe von [Gemeinland an Gläubiger der
Gemeinde unter Vorbehalt des Eigenthumsrechts, wohin die sogenannten
quästorischen Verkäufe von öffentlichem Boden gehören, ist nichts als
eine Form der Zinsleistung und also der Verwerthung. Ueberwiegend
liegt in der späteren Bepublik diese Thätigkeit in der Hand der Cen-
soren. Ihnen liegt es ob den Bodenbesitz der Gemeinde zu ordnen
und die Verwendung desselben entweder direct zu öffentlichen Zwecken
oder zum Besten der Gemeindekasse zu regeln. Darauf beruht die cen-
sorische Terminirung und das censorische Eingreifen bei dem Strassen-
Wesen und den Flussläufen, wobei die für den privaten Grundbesitz
nothwendige Limitation insofern zu Grunde gelegt ward, als danach
jedes von den Gebietsgrenzen umfasste Bodenstück, so weit es ausser-
halb der Limitation stand, von Bechtswegen Gemeindeeigenthum war.
Dazu gehört weiter die censorische Aufsicht über das auf Kosten der
Gemeinde nach der Stadt Bom geleitete Wasser, dessen Verwendung,
resp. Verkauf in ihre Hand gelegt war. Von ihnen hing es weiter ab auf
5. Bas Gemeindevermögen. 269
der öffentlichen Strasse oder dem öffentlichen Ufer die Errichtung von
Läden oder sonstigen Anlagen je nach Umständen zu verbieten oder
unbeschadet des Eigenthumsrechts zu gestatten, in welchen Zusammen-
hang die Errichtung und das Abreissen der fttr die Volksfeste auf-
geschlagenen Schaubühnen gehört. Von besonderer Wichtigkeit sind
die auf dem Bodenrecht der Gemeinde ruhenden von Schatzimg zu
Schätzung sich erneuernden Untemehmerverträge, einerseits zu Lasten
der Gemeinde für Uebernahme der Unterhaltung der öffentlichen
Baulichkeiten, wodurch die Frohndenordnung in recht früher Zeit
beseitigt worden ist, andrerseits zum Nutzen der Gemeindekasse für
Gewährung der der Gemeinde zustehenden Bodennutzungen, welche
auftreten können in der Form eines bis weiter fixirten und unmittel-
bar an die Gemeinde zu entrichtenden Bodenzinses (solarium) oder
Hafengeldes (portartum) , gewöhnlich aber als Ueberweisung der un-
mittelbaren Nutzung oder der von den unmittelbaren Benutzern zu
leistenden Vergütungen an Private bis zur nächsten Schätzung gegen
entsprechenden Entgelt. Derartige von Schätzung zu Schätzung im
Wege der öffentlichen Licitation abgeschlossene Unternehmerverträge,
in welche Form allmählich die meisten onerosen wie lucrativen Gemeinde-
geschäfte gekleidet worden sind, haben in ihrer Entwickelung die capita-
listische Grossmachtstellung der römischen Bürgerschaft mit begründen
helfen. Diese ordentlichen Geschäfte der Censur sind wesentlich ge-
richtet auf Erhaltung des Gemeindeguts in seinem Bestände ; Kauf
und Verkauf sind dabei insoweit ausgeschlossen , als sie nicht, wie
zum Beispiel bei Ersetzung unbrauchbarer Sclaven und bei Weggabe
abgängigen Tempelguts, im Kreise der laufenden Verwaltung liegen.
Zu Handlungen, welche die Gemeinde ohne entsprechenden Ent-
gelt belasten, sind die Censoren von sich aus nicht competent; wohl
aber pflegt bei günstigem Stand der Gemeindekasse denselben vom
Senat eine grössere Summe zur Ausführung von baulichen Anlagen
überwiesen zu werden. Denn obwohl der römische Staat zu allen
Zeiten Werth darauf gelegt hat auch unvorhergesehene grössere
Ausgaben aus Baarmitteln bestreiten zu können, ist er keineswegs
in unbegrenztes Thesauriren verfallen , sondern hat auf dem bezeich-
neten Wege die Ueberschüsse verwerthet. Ueberall aber ist die Be-
fugniss der Censoren die Gemeinde zu verpflichten dadurch beschränkt,
dass sie nicht, wie früher die Consuln, von sich aus auf die Gemeinde-
kasse anweisen konnten, sondern dass ihnen von Consuln und Senat
für die ordentlichen wie eventuell für die ausserordentlichen Ver-
pflichtungen, welche sie für die Gemeinde einzugehen beabsichtigten,
ein fest begrenzter Credit auf die Gemeindekasse bewilligt ward und
270 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfunctionen.
deren Vorsteher nur innerhalb dieser Grenze auf die censoriscben
Anweisungen zahlte. Die technische Bezeichnung dieser Gelder als
„freie Verwilligungen" hebt die Abwesenheit jedes Rechtszwanges
zu solcherlei Leistungen staatsrechtlich hervor.
Alle in dem hier bezeichneten Kreis sich einstellenden Differenzen
werden, wie schon bemerkt ward, durch magistratische Cognition ent-
schieden und zwar, wenn es Gensoren giebt, durch diese, sonst durch
die sie vertretenden Oberbeamten. Eine Klage im Sinne des Privat-
rechts kann durch Substitution herbeigeführt werden, wenn zum Bei-
spiel bei der Steuerpacht zwei Private sich gegenüber stehen ; indess
wird der Geschworne alsdann vom Censor oder seinem Vertreter er-
nannt und instruirt.
umfanpr der Eiucr wonigsteus andeutenden Erörterung muss weiter die Frage
iei8tuii|en uuterworfen werden, wie weit der Kreis der zum Besten der Privaten
Republik, auf Gemoindokosten herzustellenden Leistungen bei den Römern gezogen
worden ist. Wie der Fortschritt der Civilisation sich überhaupt vorzugs-
weise in der steigenden Ausdehnung dieses Kreises geltend macht, so
zeigt sich dies auch in der römischen Entwickelung. Die Republik,
unter der diese Leistungen abgesehen von ausserordentlichen Aemtem
wesentlich durch die Gensoren bewirkt worden sind, hat sich in dieser
Bauten. Hiusicht fast ausschUessHch auf bauliche Anlagen beschränkt und hierin
allerdings, namentlich in Strassenbauten wie in Rom und Italien so im
ganzen Reich und in hauptstädtischen Wasserleitungen, Grosses ge-
leistet. Zu staatlicher Einwirkung auf den hauptstädtischen Getreide-
preis sind in republikanischer Zeit vielfach Anläufe gemacht und schon
früh ist in ausserordentlicher Weise bei Theuerungen eingegriffen
worden; im letzten Jahrhundert der Republik wurden sogar regel-
Getreide. mässig grosso Quantitäten Getreides an die hauptstädtische Bürger-
schaft unter dem Marktpreis oder umsonst abgegeben, wobei die
Leitung wahrscheinlich wie bei dem Marktwesen überhaupt den Aedilen
und weiter dem Oberamt zustand. Aber zu einer ständigen und all-
gemeinen Fixirung der Preise des hauptstädtischen Getreidemarktes
durch Eingreifen des Staats ist es in dieser Epoche nicht gekommen.
Unter dem Der Priuclpat ist in dieser Hinsicht weiter gegangen. Zunächst
Pnncipat. ^^.^gj^ ^jg jjj^y einschlagenden Zweige der censoriscben Thätigkeit,
die ohne Zweifel von dem Verfall der Censur mit eifasst und in
Stocken gerathen waren, in der Weise von dem Princeps übernommen«
dass er für das hauptstädtische Bauwesen, für die hauptstädtischen
Bauten. Wassorleitungon, für die hauptstädtischen Kloaken und den Tiberstrom
senatorische Specialämter einrichtete, ebenso die einzelnen grossen
italischen Chausseen unter eigene von ihm ernannte Curatoren stellte.
5. Das Gemeindevennögen. 271
und diesen Beamten, yermuthlich aus der Reichshauptkasse durch
den Senat, die erforderlichen Mittel anweisen Hess, wodurch für diese
gemeinnützigen 'Anstalten, anstatt der bisherigen Vernachl&ssigung
insbesondere während des Jahrhunderts der Bürgerkriege, eine neue
Epoche anhob.
In ähnlicher Weise wurde das hauptstädtische Feuerlöschwesen, Loschwes«ii.
welches bis dahin den Aedilen und den sonstigen zu polizeilicher
€oercition befugten Magistraten anheimgegeben und mit einer zu der
Anzahl der dafür competenten Beamten im umgekehrten Verhältniss
stehenden Liederlichkeit behandelt worden war, nach fehlgeschlagenen
Versuchen civiler Reorganisirung militärisch geordnet und einer dafür
speciell bestimmten Truppe unter eigenen Offizieren überwiesen.
Noch eingreifender aber war die staatliche Anerkennung des von Getreide.
der Demokratie stets verfochtenen Anrechts der hauptstädtischen
Bürgerschaft auf ständigen Schutz gegen hohe Getreidepreise, obwohl
dieser Schutz nicht bloss überhaupt in solcher Ausdehnung gemein-
schädlich, sondern auch namentlich für eine Epoche, in welcher von
der römischen Staatsbürgerschaft nur eine Minderzahl der Hauptstadt
angehörte, von schreiender Unbilligkeit war. Dennoch wurde die An-
forderung von den nur allzusehr auf hauptstädtische Popularität an-
gewiesenen Kaisern erfüllt durch entsprechenden Getreidebezug und
Magazinirung unter üeberweisung der Leitung dieses Geschäfts an
einen Hausbeamten (S. 208). Dagegen zeigen die mit Nerva und Alimentär-
Traianus beginnenden kaiserlichen Unterstützungsgelder für die Auf- **^^*'^"
Ziehung ehelicher Kinder in Italien , um auf diesem Wege dem Ver-
fall der Ehe und dem Schwinden der Bevölkerung der Halbinsel zu
steuern, die auch im Sinken nicht völlig sich verleugnende Weisheit
und Kraft des römischen Regiments.
Besondere Erörterung fordert die Yerschenkung des Gemeindeguts Gemeiade-
an Private. Im Allgemeinen genommen ist die Magistratur dazu nicht, k^ngeö.
auch unter Mitwirkung des Senats nicht competent ; sie steht zu dem
Gemeindevermögen ungefähr wie der Vormund zu dem des Pupillen.
Indess wird diese Vorschrift namentlich Ausländern gegenüber durch
die Regeln der guten Sitte und des öffentlichen Anstandes einge-
schränkt, ebenso wie bei Geschenken an die Gemeinde die Annahme
die Regel bildet, aber aus ähnlichen Gründen auch Ablehnung ein-
treten kann. Der Bürgerschaft gegenüber waltet in der besseren Zeit
die hausherrliche Strenge; allmählich aber, namentlich in dem Jahr-
hundert der Revolution, schwindet das Gefühl, dass es unanständig ist
öffentliches Gut sowohl zu verschenken wie sich schenken zu lassen, wo-
von die eben erwähnten immer häufigeren Abgaben von Getreide an die
272 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfonctionen.
einzelnen Bürger unter dem Marktpreis oder unentgeltlich die namhafteste
Ad»^ation Anwendung sind. Eigenartig aber und vor Allem wichtig ist die Weggabe
undfs*'''' des Gemeinlandes unter Aufgabe des staatlichen Bodeneigenthums. Ver-
kauf von Gemeindegrundstücken ist nur beiläufig vorgekonmien und
dann durch die Censoren bewirkt worden; aber die unentgeltliche Weg-
gabe von Gemeinland (cUUio adsignaUo) ist theoretisch wie praktisch der
Angelpunct des römischen Gemeinwesens, ohne Zweifel zunächst nicht
eigentlich als Verschenkung gefasst, sondern als dem Gemeinwesen
selbst besser als das directe Staatseigenthum frommende Bodennutzung.
Auf ihr ruht nach der römischen Auffassung das private Bodeneigen-
thum schlechthin; und wenn dieser Satz insofern wohl der Theorie
angehört, als das Bodeneigenthum des Geschlechts schwerlich aus dem
staatlichen abgeleitet ist, sondern diesem voraufgeht (S. 6), so mag schon
dessen Auftheilung unter die Geschlechtsgenossen (S. 29) sich wohl
unter staatlicher Autorität vollzogen haben, und sicher trifft diese
Auffassung zu bei dem gesammten zu dem ursprünglichen Gebiet
hinzugetretenen Neuland, indem jedes durch Eroberung oder auf an-
dere Weise in den römischen Staat aufgehende Territorium zunächst
diesem erworben wird, um dann, so weit es diesem beliebt, in
römisches Privateigenthum umgewandelt zu werden, wobei die fac^
tische Fortdauer älteren Eigenthums selbstverständlich nicht ausge-
schlossen ist. Wirthschaftlich ist die Umwandelung desjenigen staat-
lichen Bodeneigenthums, das der privaten Bewirthschaftung fähig ist
und dessen der Staat nicht für die Interessen der Gesammtheit un-
mittelbar bedarf, in Privatbesitz geboten, und sie ist dem Senat
gegenüber von der gracchanischen Oppositionspartei und schliesslich
dem Principat wenigstens für Italien durchgeführt worden.
Das R«cht In dem Recht zu solcher Weggabe findet ebenso die alte könig-
adsi^iren. licho Gowalt ihrou Ausdruck (S. 157) wie die spätere Souveränetät
der Comitien darin, dass keine ordentliche Magistratur dazu befugt
ist, sondern dafür immer Specialbeschluss der Bürgerschaft gefordert
wird (S. 186), welchen Cardinalsatz selbst der Senat in der Zeit
seiner Vollmacht nicht angetastet hat. — Principiell wird die Zu-
stimmung der Gemeinde auch für jede Einzelschenkung öffentlichen
Bodens erfordert, zum Beispiel für die Weggabe eines Bodenstücks
zur Errichtung eines Tempels oder eines Grabmals; indess ist die
Regel dabei nicht immer streng eingehalten worden. Dagegen hat
mehr oder minder generelle Vergabung von Gemeinland in republikani-
scher Zeit nie anders stattgefunden als auf Grund eines Specialbe-
schlusses der Comitien, in früherer Zeit regelmässig nach Yorbeschluss
des Senats, während der populären Opposition gegen dessen Regiment
6. Das QeneindeTeniiö^Bii. 273
li&ufig ohne und gegen dessen Willen. Mit der AoBfahruDg solcher
Beschlüsse sind in der früheren RepnUik wahrscheinlich durchgängig
die Oberbeamten beauftragt worden; seit der Mitte des fünften Jahr-
hunderts d. St forderte das gesteigerte Machtbewusstsein der Bürger-
schaft für die Ausübung dieses ihres Reservatrechts die Bestellung be-
sonderer Beamten, für die die Modalitäten von Fall zu Fall festgesetzt
und die nach dieser Festsetzung in einem zweiten Gomitialact gewählt
wurden. Die Z^hl ist ungleich; an der Collegialität aber wird fest-
gehalten, bis in der letzten republikanischen Epoche auch hierin die
Monarchie sich ankündigt. Die Amtsdauer ist ebenfalls ungleich ; es
pflegt, wie bei der Censur, neben der Beendigung des Geschäfts eine
Maximal grenze vorgeschrieben zu werden. Mit Annuität, welche für
diese Special mandate nicht passt, ist dies ausserordentliche Amt ein ein-
ziges Mal ausgestattet worden bei dem an Ti. Oracchus und seine Ge-
nossen ertheilten umfassenden und zeitlieh nicht wohl zu begrenzenden
derartigen Auftrag. Die Competenz dieser Beamten ist im Allgemeinen
der censorischen gleichartig; es fehlt ihnen das Imperium und überhaupt
die oberamtliche Befugniss ; die censorische Judication, das beisst daa
Recht eintretenden Falls zu entscheiden, ob das fragliche Grundstück
der Gemeinde gehöre und unter das Specialgesetz falle, ist diesen
Beamten bald versagt, bald zugestanden worden. Die zur Auftheilang
gelangende Landstrecke so wie die Qualification der Empfänger, welche
auch latinische Bundesgenossen sein können, werden in dem Special-
gesetz normirt. Je nach Umständen wird mit der Landesanweisung
auch die Gründung einer Ortschaft oder selbst die einer zu dem
latinischen Städtebund neu hinzutretenden selbständigen Gemeinde
verbunden, in welchem letzteren Fall das fragliche Territorium aus
dem römischen Gebiet ausscheidet. Die Nutzung, welche der römische
Staat von dem zur Auftheilung gelangenden Territorium bis dahin als
Grundherr bezog, fällt durch die Adsignation von Rechtswegen weg;
ei*st in der Spätzeit und nur ausserhalb Italiens sind dergleichen
Gründungen unter Vorbehalt des staatlichen Bodeneigenthums und
also unter Auflegung eines Bodenzinses gemacht worden. Die mit
solcher Ortschaftsgründung beauftragten Beamten heissen diavon colo-
niae Uli deducendae^ während die übrigen sich bezeichnen als agris
dandis adsigtumdis oder, wenn die Judication ihnen eingeräumt ist,
agris dandis iudicandis adsignamU§. Die Rückkehr zur Monarchie
drückt hinsichtlich der Adsignation des Gemeinlandes sieh mit gleicher
Schärfe aus in den sogenannten Militftrcolonien der sullanischen und
caesarischen Dictatur und des Principats, welche nichts sind als die
Handhabung jenes alten Königsrechts.
Binding« Handbuch. I. 8: Mommsen, Alnriu dai B4Vn« Staatsraohts. 2. Aufl. 18
274 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfunctionen.
oiMi^ Neben der Resulining des Gemeindehaushalts steht die Verwal-
amtliche
YenrsitaBg tung der römischen Gemeindegelder, die Führung der Gemeindekasse
o«meiBde. (oerariuiH pöpuK Romani) und die Einziehung der Forderungen der
Gemeinde so wie die Leistung der ihr obliegenden Ausgaben. Die
verschiedenen Kasten der römischen Priesterthümer , namentlich die
wichtigste der Pontifices, in welche die Prozessbussen flössen (S. 93)
und aus der die Kosten des regelmässigen Götterdienstes vorwiegend
bestritten wurden, können insofern auch als Gemeindekassen angesehen
werden, als das Gut der Gemeinde und das Gut der Gemeindegötter
mehr factisch als rechtlich geschieden waren, fallen aber nicht unter
die Verwaltung der Gemeindekasse, da sie mit dieser nicht in Ver-
rechnung standen. Dagegen werden die von den Districtsvorstehem
für die Soldzahlung erhobenen Steuergelder so wie die aus dem Ge-
meindeschatz den Feldherren zur Bestreitung ihrer Aufwendungen zur
Verfügung gestellten Summen wie überhaupt alle mit dem Aerarium
zu verrechnenden Gelder als demselben zugehörig betrachtet; auch in
dieser Hinsicht wie überhaupt im Vermögensrecht wird die Gemeinde
einheitlich gefasst. In die ursprüngliche königlich-consularische Com-
petenz fällt, wie schon hervorgehoben worden ist, auch dieser Zweig
der Staatsverwaltung und er ist auch bei der späteren Gestaltung des Ober-
amts unter Ausschluss der lediglich für die Jurisdiction bestimmten Ober-
beamten den verwaltenden , das heisst im städtischen Amtkreis den
Gonsuln oder ihren Vertretern, im Militärgebiet den daselbst fun-
girenden TiDperienträgem verblieben. Beschränkt worden aber ist die
oberamtliche Eassenverwaltung nach zwei Richtungen hin, theils durch
die noth wendige Zuziehung der quästorischen Gehülfen, theils durch
die Trennung der städtischen Kassenverwaltung vom feldherrlichen
Regiment.
Quteto- Die mit der Verwaltung der Gemeindekasse ohne Zweifel von
kmmd- jeher verbundene und vermuthlich schon früh regelmässig durch Ge-
sund ih^ hülfen der Oberbeamten beschaffte Buchführung über Einnahme und
rar ob?^' Ausgabe ist nach römischer Auffassung mit Einführung der Republik
*" *°* selbst, isicher in früh republikanischer Zeit obligatorisch geworden:
der Consul behält wohl freie Verfügung über die Kasse, aber er kann
die Ausgabe von Gemeindegeldem nur in der Weise bewirken, dass
er den buchführenden Gehülfen, den Quästor, unter Angabe des
Zweckes .anweist Zahlung zu leisten und diese Zahlung als auf
sein Geheiss geleistet zu verzeichnen. Vom Dictator abgesehen,
besteht diese Vorschrift auch für die ausserstädtische Kassen-
führung: sowohl dem ausserhalb Rom amtirenden Consul wie dem
Provinzialprätor und jedem Inhaber consularischer oder prätorischer
5. Das GemeindeTennögen. 275
Gewalt ist ein Quästor mit gleicher Gompetenz für die Buchführung
beigegeben. Bei der Ernennung haben die Cömitien früh mitgewirkt;
wo indess einem derartigen Beamten ein von der Gemeinde bestellter
Qu&stor fehlt, fallt die obligatorische Stellvertretung bei der Buch-
führung nicht weg, sondern es ist der Imperientrftger alsdann ver-
pflichtet der ursprünglichen Ordnung entsprechend sich selber einen
solchen Gehülfen beizuordnen. Der politische Zweck der Einrichtung
ist deutlich: da verantwortliche Rechnungslegung mit dem ursprüng-
lichen Wesen der Magistratur sich nicht vertrug, wurde die ofticielle
Constatirung einer jeden von dem Oberbeamten angeordneten Zahlung
und damit die Möglichkeit ihn selbst dafür zur Verantwortung zu
ziehen auf dem Wege der obligatorischen Beihülfe indirect herbei-
geführt. Hinsichtlich der aus der st&dtischen Hauptkasse geleisteten
Zahlungen ist ohne Zweifel bei dem Amtwechsel mit der Uebergabe
des Kassenbestandes die Rechnungslegung verbunden gewesen; hin-
sichtlich der Zahlungen aus den Feldhermkassen hatten die be-
treffenden Buchführer bei der Rückkehr des Magistrats nach Rom
sich mit der Hauptkasse zu verrechnen.
Es ist ferner die Verwaltung der hauptstädtischen Centralkasse in
der uns besser bekannten Zeit bedingt durch die Anwesenheit des
Oberbeämten in Rom. Noch in der früheren Consularzeit hat dies
schwerlich gegolten ; in den beschränkten Verhältnissen der beginnenden
Republik haben die Gonsuln wohl nicht regelmässig den Sommer über
die Stadt verlassen und mag die Stadtkasse zugleich die Kriegs-
kasse gewesen sein, die Kassenführung der beiden Quästoren also
sämmtliche Ausgaben gleichmässig umfasst haben. Aber in historischer
Zeit, namentlich seitdem durch die Verdoppelung der Zahl der Quä-
storen (S. 180) die Verwaltung der consularischen Kriegskasse von
der städtischen Kassenverwaltung getrennt war, geht, wenn die Gonsuln
Rom verlassen, mit den übrigen städtischen Geschäften die Verwaltung
der Stadtkasse auf ihren Vertreter über. Der ständige Wechsel in der
oberamtlichen Kassenleitung und die mindere Machtstellung des ver-
tretenden Prätors haben dazu beigetragen sowohl den städtischen
Quästoren dem Oberamt gegenüber grössere Selbständigkeit zu schaffen,
wie denn die Schlüssel des Aerarium bei ihnen und nicht bei dem
Oberbeamten sich befinden, wie auch den Einfluss des Senats auf die
Kassenverwaltung zu steigern , der allerdings in späterer Zeit auch
den anwesenden Gonsuln gegenüber massgebend ist.
Von der Vereinnahmung der öffentlichen Gelder, welche mit der vmt^ng a«
Kassenführung den Quästoren obliegt, sind ausgeschlossen theils der gJ^Sti
Kriegsgewinn, über welchen dem Feldherrn die Verfügung zusteht,
18*
276 Viertes Bach. Die einzelnen Amtsfunctionen.
theils die im comitialen Strafverfahren von den Magistraten, nament-
lich den Aedilen erstrittenen Bussen. Die letzteren werden regelmftssig.
nicht an das Aerarium abgeliefert, sondern von dem obsiegenden
Magistrat nach Ermessen im öffentlichen Interesse verwendet. Dem
Feldherrn ist es freigestellt entweder ebenso zu verfahren oder das-
Beutegeld und das sonstige bewegliche Beutegut ganz oder zum Theil
an das Aerarium abzuliefern, in welchem Fall es d^m Quästor ob-
liegt dies Beutegut sofort zu Gelde zu machen. Alle sonstigen For-
derungen der Gemeinde, Pacht- und sonstige contractliche Zahlungen,
Bürgerhebungen, Kriegscontributionen, endlich Strafgelder, so weit sie
nicht im Volksgericht auferlegt worden sind, fallen in das Aerarium
und also unter die Competenz der Quästoren, welche indess weiterer
Determinirung bedarf,
confaract- Dass bei contractlichen Forderungen die Feststellung den Gensoren
Zahlung, oder deren Vertretern obliegt, ist schon angegeben worden; den
Quästoren liegt nur die Realisirung der unbestrittenen oder in dieser
Weise liquidirten Gemeindeforderung ob, für deren rechtzeitige Hebung
die an sie abgelieferten censorischen Acten die Grundlage gaben. Aus-
nahmsweise können Forderungen der Gemeinde auch ohne Intervention
des Aerariums dadurch erledigt werden, dass der beikommende Magi-
strat für die Gemeinde einen anderen Gläubiger substituirt, zum
Beispiel der Aedil die von dem Hausbesitzer versäumte Pflasterung
an einen Unternehmer verdingt und der Unternehmer als Substitut
der Gemeinde den Betrag von dem Schuldner derselben einzieht und
eventuell im Privatprozess einklagt.
T}tT irünuui. Die römischo Contribution (tributus) ist, wenigstens so weit sie von
den Bürgern insgemein erhoben wird, nicht eigentlich Steuer, sondern
vielmehr eine im Nothfall eintretende von der Gemeinde bei der
Bürgerschaft gemachte Zwangsanleihe. Die ordentlichen Ausgaben
der Gemeinde finden ihre regelmässige Deckung in dem Ertrag dea
Gemeindegutes und die ausserordentlichen für Bauten und Krieg sind
ursprünglich so geordnet, dass sie mehr den einzelnen Bürger als die
Staatskasse belasten. Wenn dennoch in dieser ein Fehlbetnig sich ein-
stellte, was namentlich seit der Uebernahme der Soldatenlöhnung um
die Mitte des 4. Jahrh. d. St häufig der Fall war, wurde das Deficit auf
die einzelnen Bürger nach dem Vermögen repartirt, wofür die censorische
Aufnahme desselben die Grundlage bildete. Dass die Bürgerschaft ur-
sprünglich eine Bauernschaft war, erkennt man in der für den Grundbesitz
mit seinen Gerechtsamen und seinem Inventar angeordneten besonderen
Veräusserungsform vor Zeugen, welche keinen anderen Zweck gehabt
haben kann als die censorische Constatirung des bäuerlichen Eigen-
thums zu erleichtern, und zweifellos ist dieses auch bei der Contribution
5. Das GemeiDdevermögen. 277
jsunftchst ins Auge gefasst worden ; aber mit rechtlicher Ausschliesslichkeit
hatdieselhe, so viel wir sehen, nicht auf dem Grundbesitz gelastet, sondern
ist wesentlich eine Vermögenssteuer gewesen. Zur Erhebung derselben
uach den an das Aerarium abgelieferten censorischen Verzeichnissen
schreiten die Quärtoren auf Anordnung des Oberamts, wobei regel-
mässig der Senat mitgewirkt haben wird, w&hrend die Gomitien da-
für niemals befragt worden sind. Die Forderung ist liquid durch die
censorische Abschätzung des Vermögens und die oberamtliche Festsetzung
der im einzelnen Fall zu leistenden Quote desselben; dennoch ent-
stehende Zweifel entscheiden die Qu&storen durch ihre Cognition und es
giebt dagegen kein Rechtsmittel als die Anrufung der zur Intercession
berechtigten Beamten (S. 124). Die Leistung aber wird als Vorschuss
betrachtet und von der Gemeinde zurückgezahlt, wofür indess der
Termin von ihr selber bestimmt wird. — Dass neben dieser Gontribution
noch eigentliche regelmässige Steuern bestanden haben, namentlich
dass, so lange die bürgerlichen Grundbesitzer allein dienstpflichtig
waren, die latinischen Grundbesitzer und die nicht grundsässigen
Bürger einer solchen unterworfen worden sind, ist wahrscheinlich, lässt
sich aber nicht aui^reichend belegen. Sicher sind dagegen sowohl diese
Steuerpflichtrn , wenn es solche gab, wie auch jene exceptionelle
<;ontribution nach dem Ende des 6. Jahrh. d. St. nicht mehr vorge-
kommen und ist von da an die von Haus aus in den römischen Ord-
nungen enthaltene Befreiung des Bürgers von Leistungen an die
Gemeindekasse zu voller Wirksamkeit gelangt.
Strafgelder, mögen sie aus einem gegen die Gemeinde begangenen stnfjseidec.
Delict, zum Beispiel aus dem Diebstahl oder der Beschädigung einer
im Eigenthum der Gemeinde stehenden Sache entspringen oder her-
rühren aus einer in einem Gesetztt.^ bestimmte Gontravention fest-
igesetzten Geldbusse, bedürfen immer der Feststellung in der gewöhn-
lichen Form des Privatprozesses : es muss ein Vertreter der Gemeinde
-diesen ihren Anspruch vor dem Prätor geltend machen und vor Ge-
schwornen durchführen, worauf dann der Quästor den gerichtlich fest-
gestellten Betrag einzieht, so weit er nicht als Klagbelohnung dem Vertreter
<ler Gemeinde verbleibt. Bei denjenigen Verbrechen, die auch gegen
Private verübt werden können, zum Beispiel dem Diebstahl, wird nach
alter Ordnung jeder Bürger betrachtet als competent zur Vertretung
•der Gemeinde; bei den sonstigen Contraventionen entscheidet das
Sppcialgesetz, welches häufig die Anstellung solcher Privatklagen nur
Magistraten gestattet.
Wenn der Genaeinsehuldner nicht zahlungsfähig ist, so richtet sich, ExMnUon
-wie schon bemerkt ward (S. 267), die Execution nicht gegen die Person omnemdA.
des Schuldners, wohl aber ist seine gesammte Habe damit dem Staat *™'**
278 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfonctionen.
verfallen. Sie wird verwerthet durch Sammtverkauf in der Weise, dasB
der Käufer gegen Uebernahme der sämmtlichen Activen des Schuldners
sich verpflichtet die Passiven ganz oder zum Theil zu decken; es
scheint auch nicht, als ob in solchem Fall die Gemeinde sich fQr
ihre Forderung eine vor den übrigen Gläubigern bevorzugte Stellung
ausbedungen habe. Auch wenn durch strafrechtliche Gonfiscation oder
im Erbschaftsweg das Vermögen des Privaten oder eine Quote des-
selben der Gemeinde zufällt, wird jenes oder diese in ähnlicher Weise
zum Besten des Aerars gegen eine feste Summe verkauft.
wSdd^ Bei Gemeindeschulden bedarf der Quästor für die Zahlungsleistung
im Allgemeinen oberamtlicher Autorisation; wenn er der Regel nach
nur auf Beschluss des Senats zahlt, so ist der Senatsbeschluss zu-
gleich ein oberamtliches Decret und den Quä^tor deckt selbst der
einseitige consularische Zahlungsbefehl, so dass die Abhängigkeit der
Quästur vom Consulat unverändert fortbesteht. Anderen als den
Oberbeamten, zum Beispiel den Censoren zahlt der Quästor nur nach
besonderer oberamtlicher Anordnung. Dass die meisten Zahlungen
mittelbar geleistet werden, zum Beispiel dem Bauunternehmer von
den Censoren innerhalb des ihnen bei der Kasse eröffneten Credits sein
Geld angewiesen, die Soldzahlung fiüher durch die Dist riet Vorsteher,
später durch die Feldherren und deren Quästoren beschafft wird,
ändert rechtlich nichts. In gewissen Fällen mag auch dem Quästor
durch Gesetz ein für allemal Zahlungsbefehl ertheilt worden sein,
zum Beispiel zur Leistung der Besoldungen der Subalternen in 6e-
mässheit des von ihrem Vorsteher eingereichten Verzeichnisses und
zur Verabreichung der nach festem Satz den Gesandten der befreun-
deten Gemeinden zukommenden Gastgeschenke.
nie G«. Der Principat brach mit der republikanischen Befreiung dea
"vn^/ dem* Bürgerguts von |inanziellen Lasten zwar nicht geradezu, aber doch
raep». j^jji-^^j g^j^QQ unter Augustus, namentlich durch die in Folge der
Armeereorganisation angeordnete Erbschaftssteuer. Weiter ist unter
demselben die kaiserliche Beamtenernennung allmählich auf die
Finanz Verwaltung der Gemeinde erstreckt worden. Den ersten Schritt
dazu that ebenfalls Augustus, indem er für die Eingänge aus der
Erbschaftssteuer eine zweite Centralkasse (aerarium militare) ein-
richtete und diese unter Vorsteher zwar senatorischen Ranges, aber
kaiserlicher Ernennung stellte, welche über diese Steuergelder
ohne Zweifel lediglich nach kaiserlicher Anweisung verfügten. Mit
der Leitung der älteren Staatshauptkasse sind unter den juliseh--
claudischen Kaisern statt der unversuchten und durch das Loos be-
stimmten Quästoren theils vom Kaiser ausgewählte, theils Prätoren
5« Das Gemeindevenaög^iL 279
loeauftragt worden; der repüblikanischea Magistratur entzogen hat
diese Kasse erst Nero und sie gleich der Militärkasse Beamten von
senatorischem Rang, aber kaiserlicher Creirung übertragen. Die Ver-
fügung aber wenigstens über die Reichshauptkasse haben bis zum
Ende des Principats die Consuln und der Senat behalten und der
Princeps nur indirect durch Antragstellung bei dem Senat darauf
eingewirkt.
Mehr als durch diese directen Aenderungen hat das Finanzwesen Kajewiidi«
des römischen Staats unter dem Principat dadurch eine Umgestaltung
erfahren, dass die kaiserliche Privatkasse, nach der späteren Bezeich-
nung der fiscfM Caesaris der Sache nach zur Staatskasse ward und
allmfthlich zur Staatshauptkasse erwuchs« Der formale Gegensatz des
Gemeindevermögens wie zu dem eines jeden Privaten so auch zu dem
kaiserlichen ist dabei mit einer Schärfe durchgeführt worden, wie sie in
einem wirklich monarchisch geordneten Gemeinwesen nicht ausführbar
gewesen wäre, und er erscheint denn auch in der diocietianischen Staats-
ordnung in das directe Gegentheil umgewandelt. Aber die verschleierte
Monarchie des Principats beruht nicht zum wenigsten auf der rechtlichen
Behandlung aller materiell öffentlichen Einnahmen und Ausgaben,
welche der kaiserlichen Verwaltung unterlagen, als privater, wodurch
theils jede, auch die indirecte durch die Quästur und durch die
Senatsverhandlungen herbeigeführte Rechnungslegung ausgeschlossen,
theils dem factischen Herrscher eine Stellung im Staate gegeben ward,
welche über die des öffentliche Gelder verwaltenden Beamten weit
hinausging. In welcher Weise dies nach beiden Seiten hin ins Werk
gesetzt wurde, ist im Wesentlichen bereits in dem Abschnitt von der
kaiserlichen Vermögensverwaltung (S. 210) ausgeführt worden. Alle
mit den vom Kaiser übernommenen öffentlichen Geschäften verbundenen
Ausgaben, also insonderheit säramtliche Kosten des Heerwesens so
wie der hauptstädtischen Verpflegung stehen zu Lasten seiner Privat-
kasse; andererseits flössen in dieselbe nicht bloss die Abgaben Aegyp-
tens, das nicht so sehr der römischen Gemeinde, als den Nachfolgern
der Ptolemäer erworben worden war, sondern auch ein grosser Theil
der Steuergelder. Der Ertrag der Provinzen, die hauptsächliche Ein-
nahmequelle der römischen Gemeinde, wurde durchaus, wie wir sahen,
durch kaiserliche Hausbeamte eingezogen und wenigstens zu einem
beträchtlichen Theil von diesen an die kaiserliche Privatkasse ab-
geführt. Ja diejenigen Provinzen, welche unmittelbar der kaiser-
lichen Verwaltung unterstellt waren, gelten als gewissermassen durch
privat rechtlichen Fiduciarvertrag dem Kaiser übereignet, so dass er
hier die Bodensteuer als Grundherr bezieht. Die Consequenzen dieser
280 Viertes Bach. Die eiaceiiieii Amtsfan ctionen.
formalen Umwandlung des öffentlichen Vermögens in Privatgut zeigen
sich in der Rechtspflege. Sicherlich ist in Betreff der provinzialen
Steuern der Princeps niemals einfach als Bodenherr behandelt worden,
wie es hienach geschehen hätte müssen ; vielmehr wird die republika-
nische Ordnung, dass bei allen Steuern und Contributionen der Hebungs-
behörde luigleich für Streitigkeiten die Cognition zusteht, von Haus
aus auch auf die kaiserlichen Provinzialprocuratoren Anwendung ge-
funden haben. Wo kaiserliehe Vermögensverwalter andere als steuer-
liche Forderungen erhoben, konnte allerdings das Geschwomen verfahren
Platz greifen; aber schon unter Claudius wurde der Ausschluss des-
selben allgemein verfügt, und wenn Nero diese Streitigkeiten wiederum
dem ordentlichen Privatprozess unterwarf, ja sogar dafür einen eigenen
Prätor bestellte, so ist es mindestens zweifelhaft, ob diese Rückkehr
zu der alten Rechtsordnung dauernden Bestand gehabt hat Im Grossen
und Ganzen genommen hat unter dem Principat die formell private
Eaiserkasse mehr und mehr die Staatsausgaben wie die Staatsein-
nahmen an sich gezogen und dem seines centralen und principalen
Charakters allmählich verlustig gehenden (wraarimm pcpuli Bamani
sich substituirt. Wenn dies System nothwendig dazu geführt hat,
dass gewissenlose Herrscher über die öffentlichen Mittel schrankenlos
in ihrem Privatinteresse iwrfügten, so ist dasselbe doch weder zu
diesem Zwecke aufgestellt noch überwiegend in diesem Sinne gehand*
habt worden. Nicht bloss ist die subalterne Civillistenwirthschaft dem
vornehmen Wesen des römischen Regiments fremd geblieben, sondern
es hat auch bei dem von ihm befolgten Pinanzsystem das Gemein-
wesen von seinen Herrschern wahracheinlich mehr empfangen als
ihnen gegeben.
6. Die Verwaltung Italiens und der Provinzen.
Obwohl die bisher gegebene Darstellung der magiBtratiscfaen
Tunetionen sich nicht auf die Stadt Rom beschränkt, sondern den
gesammtf^n Umfang des Römerstaats ins Auge gefasst hat, so hat die
Ent Wickelung des Reichsregiments aus dem Regiment der Stadt noth-
wendig das Vorwiegen des letzteren Gesichtspuncts zur Folge gehabt.
Es erscheint daher zweckmässig diejenigen Einrichtungen, nach denen
Italien und die Provinzen verwaltet worden sind, hier theils rück-
weisend, theils ergänzend tibersichtlich zusammenzufassen.
Dass der Römerstaat im Allgemeinen genommen aufzufassen ist ^{^^
uls Inbegriff einer Anzahl unter der Vormacht Roms zusammengefasster Autonomie.
mehr oder minder selbständiger Stadtgemeinden, ist in dem Abschnitt
von der städtischen Gliederung des Römerreichs (S. 73) entwickelt
worden. Auch den exceptionell demselben angeschlossenen dynastisch
geordneten Bezirken kommt im Ganzen genommen die gleiche Selb-
ständigkeit zu; nur unter dem Principat und auch unter ihm- nur
AUKiahmsweise sind solche, namentlich das Königreich Aegypten in der
Weise mit dem Römerstaat vereinigt worden, dass die fortbestehende
königliche Verwaltung durch die römischen Beamten gehandhabt wird.
Wie verschieden aucJi die staatsrechtliche Grundlage jener municipalen
Selbstverwaltung ist, je nachdem die Gemeinde als aus römischen Voll-
bürgern bestehend nur exceptionell Qber sich selber verfügen kann, oder,
als mit der römischen rechtlich verbündet, sei es durch das auf nationaler
Gleichheit beruhende latinische Recht, sei es durch speciellen Staats-
vertrag, umgekehrt nur ausnahmsweise in ihrer Selbstverwaltung be-
schränkt ist, oder ohne rechtliche Anerkennung der Selbständigkeit
nur im factischeo Besitz der Selbstverwaltung belassen worden ist,
was von den meisten Provinzial gemeinden gilt, immer und überall
bildet diese Autonomie die Grundlage des römischen Regiments. Wenn
in Rom selbst die städtische Autonomie mit dem Reichsregiment so
282 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfanctionen.
zusammeDfäUt , dass die Magistratur, die Comitien, der Senat kaum
noch als Organe eines städtischen Selbstregiments angesehen werden
können, so hat die mehr oder minder beschränkte Selbstverwaltung
der italischen wie der provinzialen Stadtgemeinden im Gegensatz zu
den Reichsbehörden den eifectiven Charakter bewahrt.
B6|Tiff der Die muuicipale Selbstverwaltung der Gemeinden des Römerstaats
ist nach den verschiedenen Epochen desselben und den verschiedenen
Oertlichkeiten so mannichfaltig gestaltet, dass eine einigermassen
genügende Darstellung derselben in zusammenfassender Gestalt nicht
gegeben werden kann. Aber die Grundzüge dürfen auch hier nicht
fehlen. Dass die Stadt ihre eigenen Magistrate und ihren eigenen
Gemeinderath hat, auch wenigstens in republikanischer Zeit die Bürger-
schaft für Wahlen und Gesetzgebung zusammentritt, gilt der Regel nach
für jede Reichsgemeinde. Schlechthin ausgeschlossen aber ist bei dieser
Autonomie jede Beziehung zu einem anderen Staat als der römischen
Central gemeinde; Rom gestattet innerhalb seines Macht gebiets weder
den engeren Zusammenschluss verschiedener von ihm abhängiger
Gemeinden noch irgend welches unmittelbare Rechtsverhältniss einer
solchen zu einem ausserhalb des Reichs Verbandes stehenden Staat.
Mflit&r- Die militärische Autonomie ist den latinischen und den diesen
rechtlich gleichstehenden italischen Bundesstaaten in republikanischer
Zeit insofern geblieben , dass sie eigene Truppen unter eigenen Offi-
zieren behalten und diese als Zuzug zu dem römischen Bürgerheer
von der Centralgewalt verwendet werden. Mit der Ausdehnung des
römischen Personalrechts auf ganz Italien ist dies beseitigt. Den ausser-
italischen Gemeinden ist mit wenigen Ausnahmen nicht einmal diese
beschränkte Militärautonomie zugestanden worden; doch können die
Gemeindevorsteher im Nothfall die Bürgerschaft unter die Waffen
rufen und es soll alsdann der Führer dem römischen Kriegstribun
rechtsgleich sein,
jvi». Die Jurisdiction meistens in Verbindung mit dem obrigkeitlichen
^' Eingreifen in das Vormundschaftswesen ist in der municipalen Autonomie
immer einbegriffen, wenn gleich bei den Bürgergemeinden die früher
(S. 240) bezeichneten Beschränkungen Platz greifen, in den Nicht-
bürgergemeinden die Prozesse, bei denen römische Bürger betheiligt
sind, mehr oder minder der municipalen Gerichtsbarkeit entzogen sind.
stnfgvwait. Das Strafrecht ist der unter römischer Oberhoheit stehenden Ge-
meinde in republikanischer Zeit nur insoweit beschränkt worden, dass
die gegen den römischen Staat unmittelbar sich richtenden Verbrechen
selbstverständlich der municipalen Competenz nicht unterlagen, sondern
dagegen von römischer Seite meistens im Administrativweg einge*
6. Die Yerwaltung Italiens und der Provinzen. 283
schritten ward. Im Uebrigen ist zum Beispiel das Verfahren wegen
Mord und wegen Wahlbestechung den eigenen Behörden selbst in
der Vollbürgergemeinde gegen den römischen Bürger geblieben. Aber
ob unter dem Principat den Organen der italischen Municipien in der
Strafrechtspflege mehr als eine Hülfsthätigkeit zugestanden hat, ist
mindestens zweifelhaft und sicher haben damals sowohl das nominell
unmittelbare, factisch durch die Garde- und Hofbeamten gehand-
habte Kaisergericht wie auch dasjenige des Stadtpräfecten sich auf
Italien erstreckt, anfangs wie es scheint mit einander concurrirend,
späterhin mit getheilter Competenz, so dass bis zum hundertsten
Meilenstein der Stadtpräfect, darüber hinaus das Immediatgericht die
Criminaljustiz handhabte.
Das Sacralwesen steht in jeder Gemeinde zunächst unter deren SMni-
Behörden ; diese bezeichnen für eine jede ihre Götter, ernennen deren ^*'""
Priester und ordnen finanziell wie administrativ die Götterverehrung.
Die Reichsbeamten greifen dabei nur kraft ihres allgemeinen Aufsichts-
rechts und hauptsächlich prohibitiv ein.
Vor allem wichtig ist die eigene Vermögensverwaltung, die Ver- vermteM«-
werthung des Gemeindeguts (vedigaiiä) und die Führung der Gemeinde- ^*"'*
kasse. Auf das Gemeindegut sind eben wie die Reichs- so auch die
municipalen Finanzen hauptsächlich angewiesen und das städtische
Bauwesen und zum guten Theil auch die Veranstaltung der Volks-
lustbarkeiten in dessen Verwaltung einbegriffen. Obwohl dieselbe der
Gontrole in Italien durch Consuln und Senat, in den Provinzen durch
deren Statthalter von Rechtswegen unterlag, so stand doch thatsAch-
lieh die Gestion bei dem Gemeinderath und den Gemeindebeamten,
und wie dies ohne Zweifel wesentlich zur Hebung des municipalen oft
excentrischen und unverständigen Patriotismus beigetragen hat, so
zeigen sich auch hauptsächlich auf diesem Gebiet die Uebelstände und
die Gefahren des ungenügend controlirten städtischen Wirthschaftens
und im Rückschlag davon die Anfänge der Beschränkung der städtischen
Autonomie durch vom Kaiser ernannte städtische Beamte. Curatoren,
den bedeutenderen Städten vom Kaiser aus angesehenen der Bürger-
schaft nicht angehörigen Männern zur Gontrole der Verwaltung des
Gemeindevermögens gesetzt, begegnen seit Traianus, nicht ausschliess-
lich, aber hauptsächlich in Italien, wo die consularische Oberaufsicht
laxer war als die statthalterliche in den Provinzen.
Trotz mancher Anzeichen des nahenden Endes und trotz des all- verfaii a«
mählichen Zusammenschwindens der Bevölkerung (S. 271) und des wahr- MonieiiMi.
nehmbaren Rückgangs drr Bildung, für welchen in erster Reihe der
Niedergang der häuslichen Zucht und der kriegerischen Stählung so wie
284 Viertes Buch. Die eiozelnen Amtsfunctionen.
die mit der Monarchie eioreissende politische Apathie verantwortlich
zu machen sind, hat der italische Städteverband im Grossen und Ganzen
genommen bis gegen das Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. sich auf*
recht erhalten; erst mit den Kriegs- und Pestjahren unter Marcus
tritt der Verfall sichtbar und in immer steigendem Masse zu Tage
und führt im Ausgang des dritten zum völligen Zusammenbruch des
italischen Wohlstandes und der italischen Givilisation.
mm^ Die Sonderstellung Italiens ist zunächst militärischen Ursprungs.
«teuung. In vorsullanischer Zeit bildet Italien mit Einschluss Galliens bis zu
den Alpen, wenn den Consuln nicht ausnahmsweise ein anderer ange-
wiesen wird, den consularischen Commandobezirk , welchen die Con-
suln indess durch Verabredung unter sich zu theilen pflegen. Seit Sulla
so wie unter dem Principat gilt Italien, früher bis zu den Flüssen
Macra und Rubico, seit Caesar bis zu der Alpengrenze als dem mili-
tärischen Commando entzogen; der altrepublikanische Ausschluss der
feldherrlichen Gewalt aus der Stadt und der Bannmeile wird damit
auf die ganze Halbinsel übertragen. — Die Consequenz hiervon, dass
Italien in dem bezeichneten Umfang nicht mit Truppen belegt werden
kann, ist für die eigentliche Armee, die Legionen und ihre Auxilien,
im Wesentlichen durchgeführt worden ; eine Ausnahme machen indess
die kaiserliche Garde (S. 199. 208) so wie die dazu gehörigen dem Stadt-
präfecteu unterstellten Gehörten (S. 236) und die militärisch organi-
sirten hauptstädtischen Löschmannschaften (S. 208), femer die beiden
Centralstationen der Mittelmeerflotte in Misenum und Ravenna (S. 199.
208). Für den inneren Sicherheitsdienst sind innerhalb Italiens nur in
den noch unter der Nachwirkung der Bürgerkriege stehenden Anfangs-
zeiten des Principats kleinere Militärposten aufgestellt worden, was
dann während des Zusammenbrechens der Staatsordnung nach dem
Ende der severischen Dynastie wiederum wenigstens versucht ward.
luueitf Eingreifender noch als die Befreiung vom Truppenquartier, welehe
^SSi. Italien von Rechtswegen zukam, thatsächlich aber seit dem Ende der
julischen Dynastie alle nicht unter dem unmittelbaren Eaiserregiment
stehenden Provinzen mit ihm theilten, ist die Befreiung des italischen
Bodens von der Steuerpflicht. Die Steuer der republikanischen wie
der Kaiserzeit, nicht zu verwechseln mit der ehemaligen Gontribution
(S. 276), ist nach römischer Auffassung wesentlich die dem Grund-
herrn für die Bodennutzung zustehende Abgabe, der römisehe Boden
also, wenn er im Privateigenthum steht, davon befreit, wenn er der
Gemeinde gehört, steuerpflichtig. Nun war der italische Boden im
Laufe der republikanischen Entwickelung , wie früher geseigt ward
(S. 271), wesentlich Privateigenthum geworden; in den überseeischen
6. Die Yerw<ang Italiens und der Provinzen. 285
Besitzungen Roms dagegen, wenn man absieht von den Territorien
der formell souveränen mit Rom nur verbündeten Staaten, wurde der
Boden nicht bloss als Eigenthum der römischen Gemeinde, sondern
auch dieses als unveräusserlich behandelt, so dass hier römisches
Privateigenthum nicht entstehen konnte, der Boden also steuerpflichtig
war und blieb. Die Modalitäten dieser Ordnung und die Ausnahmen
von derselben können hier nicht dargelegt werden; die bevorrechtete
Stellung Italiens gegenüber den Provinzen beruht in der späteren
Republik und unter dem Principat vor allem auf dieser Befreiung
von der Bodensteuer.
Als Gontrolbehörde fungiren für Italien die Consuln oder deren nie Beicht-
Vertreter und der Senat. Dass in vorsullanischer Zeit jene der Regel «ba itaiiM.
nach für den Felddienst die Stadt verlassen und, wenn nicht ander-
weitig beschäftigt, die gute Jahreszeit hindurch mit ihren Quästoren
und Truppen in Italien einschliesslich des cisalpinischen Galliens ver-
weilen, bezweckt ein Eingreifen in die Verwaltung der Halbinsel nicht
unmittelbar, obwohl es darauf nicht ohne wesentlichen Einfluss ge-
blieben sein kann. Greradezu bestimmt dafür, namentlich für die Be-
aufsichtigung der den italischen Bundesstädten vertragsmässig ob-
liegenden Stellung von Kriegsschiffen sind die drei seit dem Jahre 487
(267 V. Chr.) in Ostia, Gales bei Capua und (wahrscheinlich) Ravenna
residirenden Quästoren, offenbar in Italien stationirte Unterbeamte
der jedesmaligen Consuln. Mit dem Verfall der römischen Kriegsflotte
und dem Wegfall der bundesmässigen Leistungen verloren diese Stel-
lungen ihren Zweck und sind dann von Kaiser Claudius aufgehoben
worden. Allem Anschein nach sind die italischen Städte, nachdem die
politische Einigung der Halbinsel unter Roms Vormacht unbestritten
feststand, sowohl unter der Republik wie unter dem Principat wesent-
lich sich selbst überlassen gewesen und hat die Umwandlung der for-
malen Autonomie in die rechtlich abhängigere Vollhürgergemeinde-
stellung schwerlich die factische Einwirkung der Oherbehörde gesteigert.
Eher dürfte das Gegentheil der Fall gewesen sein und dasjenige Re-
giment, welches der Senat der mittleren Republik über Italien aus^
übte und von dessen ernstlicher und sicher oft drückender Controle
zum Beispiel der Bacchanalienhandel zeugt, bei Weitem schwerer auf
Italien gelastet haben als die Herrschaft des Principats, wo mit der
Besorgniss vor der Auflehnung gegen die herrschende Stadt auch die
Fürsorge für gutes Municipalregiment der Reichsgewalt abhanden ge-
kommen war. Die Entbindung von den Reichsgesetzen, zum Beispiel
in Betreff der Beschränkung des Vereinswesens und der Volksfeste
hatte die Stadt bei dem römischen Senat zu erbitten und die Aufsicht-
286 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfonctionen.
führung stand den römischen Behörden ohne Zweifel zu; aber Consuln
und Senat haben nach dorn Socialkrieg davon geringen Gebrauch ge-
macht und auch die unter dem Principat hinzutretenden Reichs&mter in
die städtische Autonomie Italiens wenig eingegriffen. Die seit Hadrian
für die einzelnen italischen Landschaften vom Kaiser ernannten Rechts-
sprecher (iuridici), insbesondere für Fideicommisssachen und das Vor-
mundschaftswesen bestimmt, beschränken nicht so sehr die municipale
Jurisdiction als den Amtkreis der bis dahin für diese Angelegenheiten
competenten hauptstädtischen Prätoren. Die von Augustus den einzelnen
grossen Chausseen vorgesetzten Curatoren können als solche nur bei-
läufig mit den Municipien zu thun gehabt haben; in höherem Grade
wird dies der Fall gewesen sein, nachdem die zur Hebung der zurück-
gebenden Bürgerzahl von den Kaisern seit Nerva eingerichteten Ali-
mentarkassen (S. 271) an die Städte angeknüpft und hauptsächlich
unter die Leitung jener Strassencuratoren gestellt wurden« Weit fühl-
barer war das Eingreifen der kaiserlichen Gerichtsbarkeit theils in die
Strafrechtspliege wahrscheinlich seit den Anfängen des Principats,
theils seit dem Anfang des zweiten Jahrhunderts in die Vermögens-
verwaltung, welche beide bereits Erwähnung gefunden haben.
Di« Im Gegensatz zu dem der stadtrömischen Rechtspflege unter-
"' worfenen Italien sind die Provinzen die nach Erstreckung des römischen
Herrschergebiets über das Festland hinaus zunächst im überseeischen
Gebiet eingerichteten abgesonderten Gerichtsbezirke, zu denen unter
Sulla an der festländischen Nordgrenze das cisalpinische Gallien hinzu-
tritt, unter Caesar indess durch dessen Gleichstellung mit Italien und
Feststellung der italischen Alpengrenze wieder ausscheidet.
Der Der secundäre Gerichtsbezirk , die pravincia , steht unter einem
'* eigenen Gerichtsherrn, welcher ursprünglich ein Prätor oder ein ge-
wesener Prätor ist, späterhin, als bei allen Oberbeamten das eigent-
liche Amtjahr der städtischen Function vorbehalten wird und im
zweiten Amtjahr auch die Consulare Statthalterschaften erhalten
(S. 262), ein Proprätor oder ein Proconsul. Auch unter dem Principat
ist die Statthalterschaft eigentlich nichts als das zweite Amtjahr des
Prätors, nimmt aber durch die zwischen der Prätur und der Statt-
halterschaft jetzt eintretende mehrjährige Intervallirung so wie durch
die Erstreckung des Proconsultiteis auf die in Folge der Prätur ein-
tretenden Statthalter allmählich den Charakter eines selbständigen
Amtes an (S. 159. 166). Ausgeschlossen aber sind diese Proconsulate
bei den Provinzen, deren Verwaltung dem Inhaber der allgemeinen
proconsularischen Gewalt unmittelbar übertragen worden ist. Die Ver-
treter des Kaisers in diesen einzelnen Sprengein heissen, wenn sie
6^ Die Yerwaltung Italiens and der Provinzen. 287
Benatorisclieii Ranges sind, dessen Adjutanten (legati) und haben zu-
gleich den Titel der Proprätur, wenn ritterlichen, Commando- (prae-
fecti) oder GeschäftsfQhrer {procwraiores) des Kaisers ohne propr&tori-
schen Titel, jedoch im Wesentlichen mit der gleichen Befugoiss. Die
Wichtigkeit und das Ansehen dieser Stellungen ist bereits hervor-
gehoben worden (S. 207. 208). Ueberhaupt ist bei aller Verschiedenheit
in der Rangstellung und der Titulatur die Competenz der Vorsteher
der Provinzen, der praesides in der Hauptsache die gleiche. In
republikanischer Zeit, wo die Zahl der secundären Gerichtsbezirke
häufig die der zur Statthalterschaft berufenen Oberbeamten überstieg
und insbesondere im sechsten Jahrhundert d. St. die letzteren oftmals
ausserordentlicher Weise verwendet wurden, wird die regelmässige
Ordnung der Statthalterschaften vielfach gestört, namentlich durch
Erstreckung des Amtes über die Jahrfrist hinaus, daneben aber auch
durch ausserordentliche Verleihung der proprätorischen Gewalt zwar
nicht an Private, aber doch an die streng genommen ebenso wenig dafür
competenten Quästoren. In der Kaiserzeit ist umgekehrt sowohl die
Zahl der für die eigentliche Statthalterschaft wie auch die der für die
kaiserlichen Vertreterstellungen qualificirten Personen immer grösser
gewesen als die der zu besetzenden Stellen. Erstreckung der Jahrfrist
kommt daher bei der ersten Kategorie nur noch ausnahmsweise vor
und wird dann, der Auffassung der Statthalterschaft als eines selb-
ständigen Amtes entsprechend, als Iteration behandelt. Für die kaiser-
lichen Stellvertreter besteht wie für alle ohne Mitwirkung der Comitien
ernannten Amtsgehülfen die Jahrfrist überhaupt nicht, sondern es
fungiren dieselben immer so lange es dem Kaiser beliebt, regelmässig
auf einige Jahre, nicht leicht auf längere Zeit. — Als Gehülfe wird
dem Vorsteher des secundären Gerichtsbezirkes zunächst der Quästor
beigegeben theils zur Kassenführung (S. 183), theils zur Handhabung
der ä<lilicischen Jurisdiction (S. 239), daneben aber kraft des mit dem
feldherrlichen Imperium verbundenen freien Mandirungsrechts auch für
jede andere magistratische Thätigkeit verwendet (S. 183). Unter dem
Principat fehlt in den unmittelbaren Kaiserprovinzen wie der eigent-
liche Statthalter so auch der <2uästor und wird dit se Hülfsthätigkeit
hier durch die dem Statthalter beigegebenen Offiziere oder seine nicht
militärischen Beigegebenen (adsessores) geleistet.
Eingehende Darlegung der provinzialen Gemeindeautonomie kann Prorinriaie
in diesem Zusammenhang nicht versucht werden ; principiell ist sie theils fatoMfol'.
enger, theils weiter als die italische. Enger insofern, als bei bloss tolerirter
Selbstverwaltung ein Eingriff des Statthalters wohl von der römischen
Regierung getadelt und von den römischen Gerichten bestraft, aber nicht
288 Viertes Boch. Die einzelnen Amtsfanctionen.
von Seiten der Gemeinde als formaler Rechtsbruch bezeichnet werden
konnte. Weiter nicht bloss insofern, als die mit den föderirten Staaten
abgeschlossenen Verträge den Statthalter banden, soDdem vor alUm
insofern, als wenigstens lange Zeit hindurch die Bevölkerung hier
überwiegend das römische Bürgerrecht entbehrte und in Betreif der
Nichtbürger sicher die Gemeindebehörde bei weitem freiere Hand ge-
habt hat als wo es sich vorzugsweise um Bürger handelte. Ins-
besondere ist sehr wahrscheinlich die StrafrechtspHege über die
eigenen Angehörigen der peregrinischen Gemeinden, selbst denen nur
tolerirter Autonomie, länger und in grösserem Umfang verblieben als
den Gemeinden römischen Bürgerrechts.
Statthalter- Nebou uud übor den Gemeinden soll die Statthalterschaft in ihrem
liehe
Becht»- beschränkten Sprengel dasselbe leisten, was in dem Hauptverwaltungs-
bezirk der städtischen Magistratur obliegt. Zunächst ist der Vorsteher
Gerichtsherr und heisst auch so; ihre durchaus monarchische Ge-
staltung entlehnt die Statthalterschaft der Jurisdiction (S. lt>4). Der
Statthalter entscheidet in erster Reihe diejenigen Prozesse, welche in
Rom vor den Stadtprätor kommen würden, die in die Competenz des
Peregrinenprätors fallenden wenigstens in so weit, als der eines Partei
das römische Bürgerrecht zusteht. Prozesse unter Nichtbürgern liegen
der Regel nach ausserhalb seiner Competenz; Specialordnungen indess
haben hierüber öfter abweichend bestimmt und Eingriffe des Statthalters
in die Rechtspflege der Provinzial gemeinden nicht verbriefter Auto-
nomie können vom formalen Standpunkt aus kaum rechtswidrig genannt
werden. Für die ädilicische Jurisdiction tritt hier, wie gesagt, der
Quästor ein. Dass die Provinzialmagistrate nicht minder als die
städtischen durch die Geschwornen Ordnung gebunden waren, versteht
sich für die römische Bürger betreffende Civil rechtspflege von selbst.
stftUhaitei^ Für das Commando ist der Statthalter zunächst nicht be-
coBUDando.
summt; jeder also geordnete Sprengel gilt als befriedet und ähnlieh
wie Italien bürgerlicher Verwaltung fähig; bei ernsteren Kriegs-
fällen wird einer der Consuln in denselben entsendet (S. 262).
Entzogen ist indess dem Provinzialprätor das Commando nicht in
dem Umfang wie dem städtischen. Die ursprünglichen Ordner der
wichtigen Institution haben freilich erkannt, welche Gifahr diese
Nebenfeldherrschaften für die republikanische Verfassung in sich trugen
und sicher auch aus diesem Grunde es vermieden die Comitial wählen
auf die einzelnen Statthalterschaften zu stellen; indess war es viel-
leicht in Sicilien, aber nicht in Sardinien und noch weniger in Spanien
möglich eine lediglich civile Magistratur an die Spitze der Ver-
waltung zu stellen, und dass dem Provinzialprätor der den Stadt-
(k Die ¥«rwtltQig ItiJittiB «nd der ProTiasn. 289
prätorea fehlende und ftr die Fübrnng der Kriegskasae bestimmte
Qaftstor zugegeben ward, beweist für die von Hans ans in der Pro-
Yinzialpratur mit enthaltene militirische Bestimmung. Die Gautelen,
unter welchen die Statthalterschaft in die republikanische Ordnung
eingefügt ward, haben ihren Zweck erfüllt, so lange das consularische
Commando in Italien Bestand gehabt und die Nebencommandanturen
rechtlich und factisch überwogen hat Aber nachdem das eigentliche
Italien durch Sulla dem stftdtischen Friedensregiment ausgeantwortet
und die Reichstruppen unter die Terschiedenen Statthalterschaften
Tertheilt waren, sind die späteren Bürgerkriege regelmassig zwischen
den rivalisirenden Statthaltern nicht so sehr mit als um Italien ge-
führt worden, und aus der ProTinzialstattbalterschaft ist der Sturz
der Republik, aus dem Sondercommando des einzelnen Statthalters
das allgemeine proconsularische des Imperators hervorgegangen. Die
Verlegung der Truppenquartiere in die Provinzen unter Ausschluss
Italiens ist unter dem Kaiserregiment beibehalten worden ; theils aus
politischen, theils aus militärischen Gründen sind dabei weiter alle
nicht unmittelbar unter dem Kaiser stehende Provinzen ausgeschlossen
und vorzugsweise die der Deckung gegen das Ausland bedürftigen
Grenzdistrikte mit Truppen belegt worden.
Als Feldherrn kommt dem Statthalter das dem Oberamt bei- stnfteekt
wohnende Zwangs- und Strafirecht nicht bloss von Rechtswegen
ebenso zu wie dem stadtischen Beamten, sondern es ist in seiner
Hand ein bei weitem schärferes Werkzeug, schon darum, weil er
hauptsachlich mit Nichtbürgem zu thun hatte, deren Vergewaltigung
und Misshandlung nur als Amtsvergehen einer vornehmlich in re-
publikanischer Zeit lax gehandhabten strafrechtlichen Verantwortung
unterlag. Auch dem Bürger gegenüber kommt in Betracht, dass das
Provocationsrecht lange Zeit hindurch nur den stadtischen Beamten
band; späterhin freilich war auch ausserhalb Rom Leib und Leben
des Bürgers vor der Beamtenwillkür gesetzlich geschützt Eigent-
liches Strafrecht dem Bürger gegenüber hat der Statthalter nicht; es
wird als Regel angenommen werden dürfen, dass er gegen denselben
wegen nicht militärischer Verbrechen das Griminalverfahren nur ein-
zuleiten und denselben erforderlichen Falls zu verhaften und nach
Rom zu senden hatte. Die Handhabung dea Quastionenverfahrens,
welches in der spateren Republik und unter dem Principat den Criminal-
prozess vertritt, liegt nicht in der statthalterlichen Competenz. Wohl
aber ist bei mehreren Verbrechen, zum Beispiel bei Vergewaltigung
und Ehebruch, der Statthalter durch Clausein der Special gesetze und
in andern Fallen durch kaiserliche Instruction bevollmächtigt worden
Binding, Handbneh. I. 3: Mommaen, AMm d. B^alselieB Stafttanelite. 2. Auf. 19
290 Viertes Buch. Die einzelnen Amtefunctionen.
im Wege der Cognition mit Zuziehung seines Consilium, aber ohne
Bindung durch dasselbe, das Urtheil zu fallen. So weit er danach
spruchberechtigt ist, kann er nicht bloss auf die älteren minderen
Strafen erkennen, sondern auch auf die durch Sulla und unter dem
Principat neu hiazutretenden Formen der Freiheitsstrafe, die De-
portation und die Zwangsarbeit, nicht aber auf die den souveränen
Gerichten vorbehaltene Todesstrafe. Aber wenigstens im dritten Jahr-
hundert n. Chr. wird es Regel, dass der Kaiser das Schwertrecht über
die Personen niederen Standes dem Statthalter delegirt und nur an-
gesehenere Kategorien, die Offiziere und die chargirten Gemeinen so
wie die Mitglieder des Reichs- und der städtischen Senate davon in-
soweit ausgenommen blieben, dass die Todesstrafe nur nach Benach-
richtigung des Kaisers und mit Einwilligung desselben vollstreckt
werden durfte.
stattllftlta]^ Dio woiteron Schranken des statthalterlichen Regiments mögen
v«rw»ituig- formell wesentlich dieselben gewesen sein, welche dem consularischen
in Italien gesetzt waren ; überdies war dasselbe durch die Instructionen
theils des Senats, theils des Kaisers gebunden. Aber insbesondere der
nach der formalen Ordnung rechtlosen Gemeinde gegenüber hatten
diese Schranken in der Provinz thatsächlich wenig zu bedeuten. Schon
das Wesen des Specialamts, weiter das mit der Jurisdiction über die
römischen Bürger verknüpfte Verweilen des Statthalters in allen
grösseren Städten seines Sprengeis und die ihm obliegende Aufsicht-
ftthrung über sämmtliche Provinzialgemeinden gaben der statthalter-
lichen Vei*waltung ein der italischen geradezu entgegengesetztes
Gepräge, wodurch dieselbe in schlechten Händen und bei lässiger
Oberaufsicht zu einer entsetzlichen Geissei geworden ist, bei besserer
Führung und namentlich unter der strengeren Oberleitung des Prin-
cipats auch vielfältig sich zweckmässig und zuweilen segensreich er-
wiesen hat. Bei der geringen Stärke der Reichstruppen und dem
massigen Umfang der sonstigen öffentlichen Aufwendungen kann bei
normaler Beschaffenheit der Reichs- und der Gemeindeverwaltung der
Druck der öffentlichen Lasten kein allzu schwerer gewesen sein und
haben die zahlreichen dem römischen Herrscher gehorchenden Völker
für die Abendzeit der antiken Cultur unter diesem Regiment leid-
lichen Frieden gefunden.
BOndniM
7. Die Beziehungen zum Ausland.
Die Beziehungen der römischen Gemeinde zu den wirklich unab- ^^^
bftngigen Staaten, in ältester Zeit zu Caere und Capua, späterhin zu ^
Karthago und Makedonien, unter dem Principat zu den freien Ger-
manen und dem Partherstaat sind formell nicht hinausgekommen über
die den Landfremden gegenüber die Regel bildende Rechtlosigkeit,
welche am schftrfsten sich ausdrückt in dem ursprünglichen Rechtssatz,
dass mit etruskischen Gemeinden ewiger Vertrag rechtlich unstatthaft
ifit und thatsächlich dafür Waffenstillstand auf längere Zeit einzutreten
hat Eine Beschränkung erleidet diese Rechtlosigkeit nur hinsichtlich
der Specialverträge des Kriegsrechts, der Satzungen über Botschaften
und Waffenstillstand. Die ewigen Bündnissverträge, von welchen in J^^^^
dem nationalen Städtebund Latiums die römische Entwickelung aus-
geht und mittelst deren im Grossen und Ganzen genommen die Stadt
Rom sich zum römischen Reich entwickelt hat, sind nur nominell inter-
national, da in der römischen Handhabung mit der Ewigkeit die Ab-
hängigkeit rechtlich verknüpft ist, der also mit Rom verbündete Staat
damit dem freien Yertragsrecht entsagt und im Wehrrecht beschränkt
wird. Diese Verträge haben daher im ersten Buch bei der Reichs-
entwickelung ihre Stelle gefunden. Ein Intemationalrecht in dem
heutigen Sinn, dauernde Festsetzungen nicht kriegsrechtlicher Art
zwischen zwei Staaten formell gleicher Souveränetät hat die römische
Staatsordnung nicht entwickelt. Wenn hier von dem Verhältniss der
römischen Magistratur zu dem Ausland gehandelt wird, so ist dabei
das Ausland nicht im geschichtlichen Sinn, nicht der Inbegriff der
von Rom politisch unabhängigen Staaten gemeint, sondern im staats-
rechtlichen der Inbegriff der nicht im römischen Gemeinde- oder Privat-
eigenthum stehenden Territorien, und soll hier lediglich die Frage
beantwortet werden, in welcher Form und wie weit die römischen
19*
292 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfunctionen.
Magistrate mit den in diesem Sinne ausländischen Gewalten befugt
sind Verträge einzugehen.
*^ii?^ Wie bei den Verträgen der Gemeinde die formalen privatrecht-
liehen Normen überhaupt keine Anwendung finden, sondern sie von
jeher und durchaus in der Weise des privatrechtlichen Gonsensual-
Vertrags zu Stande kommen, so ist auch der mit einer anderen Ge-
meinde von der römischen abgeschlossene Vertrag einer derartigen
Fixirung weder bedürftig noch streng genommen fähig. Das rechtlich
entscheidende Moment ist durchaus der Wille der vertragschliessenden
Gemeinde. An sich können derartige Verträge von jedem Beauf-
tragten al^geschlossen werden und es sind solche von untergeordneter
Bedeutung häufig durch Personen ohne amtliche Stellung und form-
los eingegangen worden. Wichtigere staatliche Vereinbarungen pflegen
von den Magistraten mit Imperium in feierlicher Weise abgeschlossen
zu werden, Bündnissverträge von den nächst beikommenden Ober-
beamten, Unterwerf ungs- und Friedensverträge überhaupt von dem
Feldherm, der den Krieg zu Ende geführt hat; nur einmal, nach dem
ersten punischen Krieg, sind für den Friedensschluss eigene ausser-
ordentliche Beamte von den Comitien creirt worden. Von der Mit-
wirkung des Senats bei den Friedensverträgen durch die dem Feld-
herrn beigegebenen senatorischen Commissionen wird bei dem Senat
gesprochen werden.
^Jraif*" ^^^ Abschluss des Vertrags erfolgt regelmässig mündlich durch
Frage und Antwort und wird wie der mündliche Privatvertrag ge-
wöhnlich sofort schriftlich aufgezeichnet. Sollemnisirt wird der Staats-
vertrag, wie alle nicht dem Privatprozess unterliegenden und also
rechtlich nur das Gewissen bindenden Uebereinkünfte, durch den hin-
zutretenden Doppeleid (foedus). Jede der contrahirenden Gemeinden
übernimmt durch einen ihren Gebräuchen entsprechenden religiösen
Act die Verpflichtung den Vertrag getreu zu halten und ruft für den
Fall des Zuwiderhandelns die Verfluchung (execratio) der Götter, bei
denen geschworen wird, herab auf die Vertragsbrüchige Gemeinde.
Bei diesem bestärkenden Eidschwur handelt also jede Gemeinde für
sich, während der Act, der dadurch bestärkt wird, die Form des Ver-
trags hat. Gewöhnlich folgt auf diesen Vertrag die öffentliche Auf-
stellung der entsprechenden Urkunden zu bleibendem Gedächtniss, in
Rom der Regel nach auf dem Capitol am Tempel der Fides publica
popuii Romani,
zastimmnng Aber dor also abgeschlossene Staatsvertrag hat, wie bemerkt, nur
Gemeinde, insowolt Rechtskraft, als die Gemeinde mit demselben einverstanden
7. Die Beziehangen zum Ausland. 293
ist. Dies Einverst&ndniss ist selbstverständlich bei allen Offizier»- und
FeldhermTertrftgen, ohne die ein Gommando nicht geführt werden kann
and die der Eriegsgebrauch mit sich bringt ; nicht minder wo der Ge-
meinde der Vertrag lediglich zum Vortheil gereicht, wie zum Beispiel
bei dem Unterwerfungsvertrag von Seiten der obsiegenden Gemeinde.
Bei Verträgen anderer Art wird dagegen die Zustimmung der Ge-
meinde so weit möglich vor dem Abschluss des Vertrages eingeholt;
und nach römischem Gebrauch giebt sie dieselbe regelmässig durch
Entsendung zweier dem für den Intemationalverkehr eingerichteten
FetialencoUegium angehörigen Priester zur Vollziehung jenes Eid-
schwurs. Ueber diese Entsendung entscheiden nicht die Gomitien,
sondern die Gentralregierung, der Vorsitzende des Senats im Einver-
ständniss mit diesem. Es hat dies in Verbindung mit der die ent-
wickelte Republik beherrschenden Tendenz die auswärtigen Angelegen-
heiten im Senat zu concentriren dahin geführt, dass in der späteren
Zeit die kriegführenden Magistrate in den Verhandlungen mit dem
Feind sich auf militärische Abmachungen beschränkten und so weit
möglich selbst die Präliminarien nach Rom verwiesen, was allerdings
unter den erweiterten Verhältnissen, namentlich bei ausseritalischen
Kriegen nicht eingehalten werden konnte. Der Definitivvertrag bleibt
immer den römischen Behörden.
Den ohne Vorwissen der Gemeinde für diese von dem Feldherm AbiAkming
der
abgeschlossenen Vertrag kann die Bürgerschaft als nichtig behandeln, oemeinde.
wobei jedoch, namentlich wenn der Abschluss in sacraler Form ge-
schehen ist, alle diejenigen Personen, welche diesen Act vollzogen
haben, insbesondere der dabei mitwirkende Feldherr als persönlich
durch jene Execration belastet dem Staat, mit dem der Vertrag ab-
geschlossen ist, gleichsam wie Kriegsgefangene überliefert werden.
Für die Aufnahme der factischen Kriegführung, wo kein Vertrag ^Meir-
entgegensteht, bedarf der Feldherr der Zustimmung der Bürgerschaft
nicht. Aber zum Brechen des geschlossenen Staatsvertrags oder auch
nur zur Gonstatirung des von Seiten des anderen Gontrahenten er-
folgten Bruches und demnach zur Behandlung desselben als Landes-
feindes, das heisst zur Kriegserklärung ist der Magistrat von sich
aus nicht befugt, sondern hat den entsprechenden Antrag an den
Senat und die Bürgerschaft zu bringen, worüber weiterhin gehandelt
werden wird. Indess kann bei offenem Vertragsbruch und insbesondere
bei EröJBfhung der Feindseligkeiten von der andern Seite der Kriegs-
beginn der Kriegserklärung voraufgehen.
Zum internationalen Verkehr, wie er namentlich durch Entsendung ^f^j^^^'
und Empfang von Gemeindeboten sich vollzieht, ist im Allgemeinen
294 Viertes Buch. Die einzelnen Amtsfonctionen.
zwar jeder Magistrat befugt; indess wenigstens in historischer Zeit
ist diese Befugniss dadurch beschränkt, dass dieser Verkehr, so weit
die YerhältDisse dies gestatten, im Senden wie im Empfangen in
der Hauptstadt concentrirt, also dies magistratische Recht wesent-
lich nur von den zur Zeit dem Senat Vorsitzenden Oberbeamten
ausgeübt wird. .
Fünftes Buch.
Die Gomitien und der Senat.
Wenn das römische Gemeinwesen ins Leben getreten ist als fest
formulirte Monarchie und auch in der republikanischen Ordnung die
Magistratur auf sich selber ruhend der Bürgerschaft gegenüber
steht, so ist dennoch die Magistratur rechtlich gebunden sowohl dem
einzelnen Bürger gegenüber wie gegenüber dem Rath der Aeltesten
und der in rechter Form versammelten Gresammtheit der Bürger.
Die dem einzelnen Bürger zustehenden von der magistratischen
Willkür nicht abhängigen politischen Rechte, die Fähigkeit zum Ge-
meindeamt zu gelangen, der Anspruch auf die Wehrgemeinschaft und
auf die Rechtspflege sind in der Darstellung der magistratischen
Functionen mit entwickelt worden. Es bleibt noch übrig darzulegen,
in wie weit der Magistrat, ohne den keine Gemeindehandlung voll-
zogen werden kann, verpflichtet ist dabei die Mitwirkung der Ge-
meinde herbeizuführen, indem er entweder die versammelte Bürger-
schaft oder den Rath der Aeltesten um ihre Meinung befragt. Dabei
liegt ursprünglich das Princip zu Grunde, dass die Magistratur ver-
pflichtet und berechtigt ist die bestehende Rechtsordnung zu hand-
haben, aber eine Abweichung von derselben im einzelnen Fall, wie sie
zum Beispiel in der Kriegserklärung und im Testament enthalten ist,
um so viel mehr also eine allgemeine Abänderung derselben die Zu-
stimmung jener Factoren erfordert. Im Laufe der Entwickelung haben
die Gonsequenzen dieses Grundgedankens sich wesentlich verschoben.
Die Versammlung der Bürgerschaft machte sich frei von der Mit-
wirkung des Raths und wurde, obwohl der Magistratur die Initiative
blieb und die Gomitien niemals wie die hellenische Ekklesia formale
Omnipotenz erlangt haben, dennoch materiell mehr und mehr der
Träger der Gemeindesouveränetät. Der Rath der Aeltesten in seiner
ursprünglichen Gestalt verlor seinen Antheil am Gemeinderegiment,
gewann aber in der erweiterten patricisch-plebejischen Form dasselbe
298 Fünftes Bach. Die Gomitien und der Senat
zurück mittelst der in immer steigendem Umfang sich einstellenden
Bindung der Magistratur an seine Rathschläge. Endlich unter dem
Principat hörten die Gomitien auf zu functioniren und wurde der
Senat der rechte Träger der Volkssouveränetät, deren formale Voll-
endung mit der factischen Zurückführung der Einherrschaft Hand in
Hand ging. Es sind diese Verhältnisse, welche hier zur Darstellung
kommen.
I. Befragung der Bürgerschaft.
Von der rOmischen Bürgerschaft^ ist im ersten Buch gehandelt ^^^^jjjji^
worden. In der Ältesten vorhistorischen Epoche wird sie durch die
Gesammtheit der Geschlechtsgenossen, der Patricier gebildet, in
historischer Zeit durch die Gesammtheit dieser Patricier und der aus
der Hörigkeit hervorgegangenen Gemeindegenossen, der Plebejer. Eine
Sondergesammtheit der Patricier giebt es in dieser Epoche im poli-
tischen Sinne nicht, wohl aber eine Sondergesammtheit der Plebejer,
welche zwar nicht die Bürgerschaft ist, aber in mancher Hinsicht
gleich derselben functionirt
Eine gewisse allgemeine Mitwirkung der Bürgerschaft bei den^^^^^
öffentlichen Geschäften ist gegeben in der Untersagung der Vollziehung tuiyj^k^t.
derselben im privaten Raum; dieser Schranke, deren politische und
sittliche Bedeutung nicht leicht zu hoch angeschlagen werden kann,
ist die magistratische Thätigkeit, wo sie mit Privaten in Berührung
kommt, durchaus, namentlich bei der Rechtspflege und bei der Aus-
hebung unterworfen worden und unterworfen geblieben. Die Ver-
handlung vor dem Umstand (in conveniione oder contione) ist der
Regel nach insoweit formlos ; iDdess kommt sie auch, nameDtlich bei
den Sacralacten der ältesten Zeit, in der Steigerung vor, dass die
Bürgerschaft nach ihren Abtheilungen gegliedert einem öffentlichen
Act assistirt. In dieser Weise werden die Inauguration des Königs-
Priesters und der übrigen höchsten Priester der Gemeinde vollzogen
und wird die Schätzung mit feierlichem Sühnopfer abgeschlossen.
Die effective Mitwirkung der Bürgerschaft bei einem öffentlichen oiiedtnog.
Act, welche die Willensäusserun g jedes daran betheiligten Bürgers
einsehliesst, hat zu ihrer nothwendigen Voraussetzung ihr Zusammen-
treten in verfassungsmässiger Gliederung, die comitia^ deren Formen
im ersten Buch entwickelt worden sind. Zu Grunde liegt dabei
die bürgerliche und militärische Doppelform; insofern jeder Bürger
300 F&nftes Bach. Die Comitien and der Senat
auch Wehrmann ist, kann die Bürgerschaft entweder nach ihrer
bürgerlichen Gliederung zusammentreten, theils in den nach den
Geschlechtem geordneten Curien, theils in den in der Hauptsache auf
dem Wohnsitz ruhenden Tribus, oder nach den militärischen Ab-
theilungen, den GenturieUk In der patricisch-plebejischen Bürgerschaft
ist die Gurienversammlung zwar für gewisse mit den Geschlechts-
verhältnissen sich berührende Privatsachen in Kraft geblieben, aber
die Leitung derselben auf den Oberpontifex übergegangen (S. 28)
und zu den zwischen dem Magistrat und der Bürgerschaft zu verein-
barenden Acten können also die von den Curien bestätigten für die
republikanische Epoche nicht gerechnet werden. Die eigentlich poli-
tischen Comitien dieser Zeit treten entweder nach den Tribus oder
nach den Centurien zusammen. Die Plebs, welche als solche keine
Wehrmannschaft ist, tritt zusammen als eoncüium anfänglich nach den
Curien, später nach den Tribus« Die militärisch geordneten Comitien
sind langwieriger und förmlicher als die der bürgerlichen Ordnung,
aber auch vornehmer und aristokratischer. Es wird bei der Competenz
zu zeigen sein, dass eine Reihe von Beschlüssen nur in dieser Form
gefasBt werden konnte ; aber auch umgekehrt ist für andere Acte die
bürgerliche Form vorgeschrieben worden. Eine allgemeine Abgrenzung
zwischen den verschiedenen Formen hat wenigstens in der uns besser
bekannten Epoche nicht bestanden und auch von dem plebejischen
Coneilium gilt für die Epoche nach dem Abschluss der ständisdien
Kämpfe den Comitien gegenüber dasselbe. Wo Herkommen oder
Specialgesetz nicht anders bestimmen, hat die Bürgerschaft in jeder
der drei Formen befragt werden können.
K^jl^i^ Die Regel, dass jede Gemeindehandlung ein magistratischer Act
Beniftiiig. ist, gilt auch für die hier in Rede stehenden. Auch sie vollzieht
der Magistrat, aber er vollzieht sie nur nach erlangter Zustimmung
der Bürgerschaft. Die Berufung derselben zu diesem Zweck ist ohne
Zweifel nach der patricischen Ordnung Eönigsrecht. In der patricisch-
plebejischen steht die Berufung der Bürgerschaft, wenn von der in
dieser Epoche nur für Privatgeschäfte competenten unter der Leitung
des Oberpontifex zusammentretenden Curienversammlung abgesehen
wird, bei dem Oberamt, das heisst bei dem Consul, dem Interrex,
dem Dictator und dem Prätor so wie bei den Ausnahmebeamten
mit constituirender Gewalt und zwar ohne Unterschied der Form.
Den Censoren, den curulischen Aedilen und dem Oberpontifex ist
ausnahmsweise für die von ihnen auferlegten schweren Bussen die
Berufung der niederen Comitien eingeräumt. Dem Volkstribunen steht
nach Analogie der Consuln, den plebejischen Aedilen nach Analogie
1. Befragung der BQrgerschaft. 301
der eurulischen die Berufung der Plebs zu. Allen übrigen Beamten
so wie der Promagistratur mangelt das Recht im eigenen Namen die
Bürgerschaft zu berufen ; jedoch lässt das Strafverfahren insoweit Ver-
tretung zu, dass auf Geheiss eines Oberbeamten der Quästor, ebenso
durch Vermittelung eines Oberbeamten der Gemeinde der Volkstribun
die Bürgerschaft für diesen Zweck zusammenruft.
Die Modalitäten der Berufung und der Beschlussfassung der Bürger-
schaft und der Plebs fassen wir hier in der Weise zusammen, dass
die für die speziellen Formen geltenden Abweichungen, so weit sie
hier Berücksichtigung finden können, bei den einzelnen Stadien ange-
merkt werden.
Die Berufung der Bürgerschaft wird immer eingeleitet durch die g^^^ver-
magistratische Bekanntmachung des Gegenstandes und des Tages der »»™^'»"«-
Verhandlung.
Hinsichtlich des Gegenstandes genügt bei Wahlen und Gerichten
die allgemeine Ankündigung der beabsichtigten Vorlage. Der Gesetz-
entwurf muss nach den Ordnungen der historischen Zeit in seinem
Wortlaut schriftlich ausgehängt werden; Aenderung desselben nach
dem Aushang ist unzulässig. In der letzten Zeit der Republik ist
ausserdem Niederlegung einer Abschrift des Entwurfs im Archiv der
Gemeinde vorgeschrieben.
Gesetzlich feste Tage für die Comitien kennt nur die älteste ^coSTen!'
Ordnung für die der Gurion, welche in jedem Jahr am 24. März und
am 24. Mai zusammentreten insbesondere für die Gutheissung der
Testamente. Für die Bürgerversammlung der späteren Zeit setzt der
Magistrat den Tag nach Ermessen an; nur sind davon ausgenommen
theils die festen Gerichtstage (dies fasti), theils die Feiertage, mögen
dieselben kalendarisch fixiert sein {dies nefasii) oder ordentlicher oder
ausserordentlicherweise von der Magistratur angeordnet werden ; ferner
in der späteren Republik die Anfangstage der durch das Jahr laufenden
achttägigen Marktwochen. Zwischen dem Tag der Bekanntmachung
und dem der Verhandlung sollen, beide Tage eingerechnet, mindestens
drei solcher Wochen {trinum nundinum) liegen: indess haben, wo
Gefahr in Verzug war, die Magistrate von dieser Fristbestimmung
sich häufig dispensiren lassen oder sich selber dispensirt. — Die Ver-
handlung hat bei Tage stattzufinden und beginnt der Regel nach mit
Sonnenaufgang; vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang ist sie
nicht zulässig.
Oertlich kann die Bürgerschaft nur unter freiem Himmel zu-
sammentreten und nur so weit das städtische Amtsgebiet (S. 96) ^^^'^s'H!
reicht. Im Bereich des militärischen ist in der früheren Republik
302 Fünftes Buch. Die Gomitien und der Senat
Abhaltung einer BQrgerversammlung nach Tribus im Lager versucht,
aber alsbald untersagt worden und das Beginnen der Pompeianer in
der Agonie der Republik Centuriatcomitien auf makedonischem Boden
abzuhalten steht gänzlich vereinzelt. Im Besonderen tritt die bürger-
liche Versammlung der Gurion immer zusammen innerhalb des Mauer-
rings, in der Regel auf dem danach benannten comitium am Markt,
die militärische der Genturien immer ausserhalb desselben innerhalb
des ersten Meilensteins, in der Regel auf dem Marsfeld. Die minder
streng behandelte Versammlung der Tiibus, sowohl die der Bürger-
schaft wie das Goncilium der Plebs, kann im städtischen Amtbezirk
innerhalb wie ausserhalb der Mauern stattfinden; in der Regel tritt
sie in früherer Zeit zusammen auf dem Hofe des capitolinischen Jupiter-
tempels, späterhin für (jesetze auf dem Forum, für Wahlen auf
dem Marsfelde, wo in augustischer Zeit dafür ein eigener Stimm-
platz (saepta Itdia) nebst dem Auszählungsgebäude (diribüornm) ein-
gerichtet wurde.
bM^tTnde Hinsichtlich der vorbereitenden Discussion gelten verschiedene
Diseosrion. Orduungou, jo uachdom es sich um eine Wahl, um einen Prozess oder
um einen Gesetzentwurf handelt. Bei den Wahlen scheinen vor-
bereitende Erörterungen unter magistratischem Vorsitz sei es durch
Sitte, sei es durch Gesetz untersagt gewesen zu sein; die übrigens
herkömmliche und energisch entwickelte Aemterbewerbung ist allem
Anschein nach lediglich auf private Tätigkeit angewiesen gewesen.
Bei den Gerichtskomi tien ist umgekehrt, wie gezeigt ward (S. 332),
die vorherige Verhandlung der Sache in drei Terminen vor der Ge-
meinde durch den in erster Instanz entscheidenden Magistrat gesetz-
lich vorgeschrieben. Bei Gesetzentwürfen ist es nicht nothwendig,
aber zulässig und gewöhnlich, dass der Antragsteller und wem es
sonst von den zu öffentlicher Rede berechtigten Magistraten beliebt
sich darüber vor der Bürgerschaft empfehlend (suasitmes) oder ab-
rathend (disauasianes) äussert, auch nach Ermessen Privaten das Wort
darüber verstattet. Diese vorbereitenden Verhandlungen werden immer
vor der nicht gegliederten Gemeinde der Regel nach nicht an dem
Abstimmungstag selbst und meisten theils auf dem Markte abgehalten,
wo in ziemlicher Entfernung von den gewöhnlichen Abstimmungs-
stellen sich der regelmässig benutzte Sprechplatz (rosträ) befand.
'^*^'^'^' An dem Morgen des für die Abstimmung angesetzten Tages
wird die Bürgerschaft durch Heroldsruf aufgefordert sich zur Ab-
stimmung an dem vom Magistrat bestimmten Ort einzufinden.
Avfpieation. Gleichzeitig erbittet bei Berufung der Sammtgemeinde der die
Gomitien leitende Magistrat die Genehmigung der Götter durch
1. Befragung der Bürgerschaft. 303
Auspication (S. 219). Bei den Versammlungen der Plebs fällt diese
weg. Einspruch kann aber die Gottheit auch nach der Fragebeant-
wortung und wo die Befragung wegfällt während der Verhandlung jeder-
zeit thun und es muss in diesem Fall dieselbe abgebrochen werden. Aus
diesem Grunde ist es üblich bei jeder Versammlung Augurn zuzuziehen.
Der Magistrat leitet die Abstimmung sitzend auf einer erhöhten ^^J^^^^^
Estrade, auf welcher seine GoUegen und die oberen Magistrate über-
haupt, soweit sie zugegen sind,- ebenfalls Platz nehmen. Nach ver-
richtetem Gebet richtet er die zur Entscheidung stehende Frage an
die vor ihm stehenden Bürger. Er bestimmt sodann, wenigstens bei
der Tribusversammlung , durch das Loos, in welcher Abtheilung die
anwesenden stimmberechtigten, aber keiner Tribus angehörigen Bürger
der latinischen Bundesstädte für diesmal ihr Stimmrecht auszuüben
haben (S. 61). Alsdann weist er die bis dahin ungegliederte Bürger-
schaft an sich ein jeder in die ihm zukommende Stimmabtheilung zu
verfügen, wobei die verschiedenen Formen derComitien massgebend sind.
Die Abtheilungen stimmen nach der bürgerlichen Ordnung simultan, ^d!?^>^
nach der militärischen succesiv. Wie die dreissig Curien stimmen die ■**"™**«-
allmählich von einundzwanzig bis auf fünfunddreissig vermehrten Tribus
immer, so viel ihrer sind, gleichzeitig. Die Genturien dagegen stimmen
nach ihrer Gliederung und es hat wie in der Genturiirung selbst (S. 34 fg.)
so in der Gliederung für die Abstimmung die Ordnung gewechselt.
Nach der ursprünglichen Stimmordnung werden zuerst die Ritter-
eenturien aufgerufen und zwar in zwei Gliedern, so dass anfänglich
wahrscheinlich erst die sechs patricischen, dann die zwölf plebejischen,
späterhin umgekehrt erst diese, dann jene ihre Stimmen abgaben.
Danach folgten die Genturien des Fussvolks in fünf Gliedern, von
denen das erste die 81 Genturien der Vollbewaffheten^ die vier
folgenden die übrigen 94 Stimmabtheilungen umfasste, wobei indess,
wenn durch die Stimmen der höheren Glieder die absolute Majori-
tät erreicht war, die nachfolgenden ausfielen. Die spätere Stimm-
ordnung ist, wie früher angegeben ward (S. 36), namentlich modificirt
durch die Reduction der ersten Klasse des Fussvolks von 81 auf 70
und die Steigerung der vier niederen von 95 auf 105 Stimmen. Die
siebengliedrige Abstimmung ist geblieben, aber dahin abgeändert, dass
das Vorstimmreeht auf eine aus den 70 der ersten Stimmklasse des
Fussvolks jedesmal ausgelooste Centurie (centuria praerogativa) über-
tragen ist und die früher vorstimmenden zwölf plebejischen Rittercen-
turien mit den übrigen 69 der ersten Klasse zusammen in zweiter Reihe
stimmen, worauf die sechs patricischen Rittercenturien und auf diese
die vier letzten Stimmglieder folgen. Es wurde auf diese Weise theils
304 Fünftes Bach. Die Gomitien und der Senat
das wichtige Yorstimmrecht den Rittern entzogen, theils die Majorit&t*
findung, welche nach der alten Ordnung schon durch die Abstimmung
der ersten Stimmklasse des Fussvolks erreicht werden konnte, da
jetzt diese und die Bitterschaft zusammen von den 193 Stimmen nur
88 inne hatten, in der Weise geordnet, dass auf jeden Fall die zweite
dieser Stimmklassen zur ejOTectiven Stimmabgabe gelangte.
^sÄei? Die Abgabe der Stimmen, bei welcher alle Discussion aus-
geschlossen ist, besteht in der Antwort auf die Frage und zwar bei
dem Gesetz wie bei dem Prozess, das heisst bei den ursprtto glichen
Gomitien, schlechthin in dem einfachen Ja oder Nein. Auch von den
erst später eintretenden Wahlen gilt so lange dasselbe, als dem
Magistrat dabei der Vorschlag zusteht; über das spätere Wahlverfahren
mit Initiative der abstimmenden Bürger wird in dem Abschnitt von
der Gompetenz der Gomitien gesprochen werden. Formell wird die
Abstimmung in der Weise vollzogen, dass der einer jeden Stimm-
abtheilung angewiesene abgegrenzte Baum geschlossen wird und der
Stimmberechtigte, indem er aus demselben austritt, dem von dem
Magistrat der Abtheilung gesetzten „Frager*" (rogator) mündlich die
Antwort auf die Frage giebt, welche dieser auf der Stimm tafel ver-
zeichnet Im Laufe des letzten Jahrhunderts der Republik ist anstatt
der mündlichen die schriftliche Abstimmung aufgekommen und hat
schliesslich die ältere Form vollständig verdrängt. Für dieses Ver-
fahren wird am Ausgang des Stimmraumes ein Stimmkasten (cista)
aufgestellt, in welchen der Abstimmende seine Stimmtafel (tabeUa)
wirft, worauf dann das Ergebniss der Abtheilungswahl durch Aus-
zählung der Tafeln gefunden wird. Minimalzahlen kennt die römische
Ordnung bei den Gomitien nicht; die im einzelnen Fall erschienenen
Stimmberechtigten vertreten immer für jetzt und später die gesammte
Bürgerschaft. So weit relative Majorität vorkommen kann, was nur
bei den späteren Wahlcomitien der Fall ist, genügt für die Abtheilung
auch diese.
nSf^B^äSS Das von der Abtheilung gefundene Ergebniss wird dem vorsitzen-
En^tbnisBM. ^^° Magistrat mitgetheilt und, wenn sämmtliche zugleich stimmende
Abtheilungen diesen Bericht erstattet haben, das Ergebniss von dem Vor-
sitzenden verkündigt. Für das Gesammtergebnis wird die absolute
Majorität der Abtheilungen erfordert. Zu dessen Verkündigung ist der
Magistrat bei Gesetz- und Prozesscomitien unbedingt verpflichtet und
im Allgemeinen auch bei dem Wahlact, obwohl hier bei dem mit Initiative
der Bürgerschaft vollzogenen der Beamte in früherer Zeit öfter mit Erfolg
das Recht in Anspruch nahm die Verkündigung des Ergebnisses abzu-
lehnen. Wird keine Majorität erreicht oder gelangt aus anderen.
1. Befragung der Bürgerschaft 805
Gründen der Act nicht zum Ziel, so wird er als nichtig behandelt
und nicht an einem späteren Tag fortgesetzt, wohl aber nach Um-
ständen wiederholt.
Den gesammten Act beherrscht die Auffassung, dass die Betheiligung ^^^JJ^f^^^
der Bfirgerversammlung bei der Willensfindung für die Gemeinde wie comitien.
formell unentbehrlich, so materiell in den engsten Grenzen zu halten
ist. Alles Mitreden und Mitregieren der Bürger insgemein ist aus-
geschlossen. Befragung der einzelnen Personen und Majoritätfindung
liegt den beiden correlaten Institutionen der Comitien und des Senats
gleichmässig zu Grunde; aber im schärfsten Gegensatz antwortet auf
die magistratische Frage der Bürger mit Ja oder Nein, der Senator
mit seiner begründeten Meinung.
Abgesehen von der den Act abschliessenden Verkündigung des iJä'**^*'^
Ergebnisses durch den versitzenden Beamten, ist eine VerölBFentlichung ^^'J;
des Yolksschlusses zu bleibendem Gedächtniss im einzelnen Falle häufig
angeordnet, aber allgemein erst eingeführt worden, als es mit der
Republik zu Ende war, durch Caesar. Für die Constatirung der be-
stehenden Gesetze hat es die römische Republik an jeder geeigneten
Fürsorge fehlen lassen und auch die private Thätigkeit die Lücke
nur unvollkommen ausgefüllt. Erst unter dem Principat ist hiefür
wenigstens einigermassen das Erforderliche geschehen.
Binding, Handbuch. J. 8: Hommsen, AMsb des Böm. Staatsreehta. 2. Anfl. 20
2. Der Senat und dessen Befragung.
Der patii- Der Senat der römischen Gemeinde ist eine Doppelinstitution
oische und
der sowohl dor Zusammensetzung nach wie nach seiner im vierten Ab-
plebejische schuitt erörterten Competenz. Neben einander stehen der Senat der
patricischen Bürgerschaft und deijenige der patricisch- plebejischen
völlig verschieden in ihrer politischen Geltung. Der patricische
Senat ist, insofern jedes Mitglied desselben dem Begriffe nach
König ist und thatsächlich als solcher fungiren kann, der rechte
Träger der Magistratur, der lebendige Ausdruck des ewigen über der
Bürgerschaft stehenden Königthums, und zugleich, insofern jeder Schluss
der Bürgerschaft seiner Bestätigung unterliegt, die Controle und das
Gomplement der an der Bürgerschaft haftenden souveränen Gemeinde-
gewalt. Der patricisch-plebejische Senat ist nicht viel mehr als eine
ständig das Oberamt berathende Versammlung. Für die geschicht-
liche Zeit ist der patricische Senat eine abgestorbene Institution, der
patricisch-plebejische die factische Gemeinderegierung; jener hat die
Fülle der Rechte bei dem Mangel der Macht, dieser die Fülle der
Macht bei dem Mangel der Rechte. Dennoch sind beide nicht von
einander zu trennen, insofern der patricische Senat in dem patricisch-
plebejischen enthalten und dieser aus jenem erwachsen ist durch Er-
weiterung des Kreises wie der Functionen, von denen dann die an
sich schwächeren die alten verfassungsmässigen Befugnisse des engeren
Kreises überwachsen und überdauert haben.
TitviAtnr. Die Benennung senatus, der Rath der Aeltesten, ist der Körper-
schaft als solcher, so viel wir wissen, von jeher eigen gewesen, und
auch später für sie in ausschliesslichem Gebrauch geblieben. Aber die
officielle Anrede an den patricisch-plebejischen Senat, patres (et) con-
8cript% das heisst Patricier und Eingeschriebene soll ohne Zweifel aus-
drücken, dass nicht alle Eingeschriebene dem eigentlichen vollberech-
tigten Patriciersenat angehören, und wo dieser gemeint ist, werden auch
2. Der Senat und dessen Befragung. 307
in technischer Rede die pcdres allein genannt, eigentlich die Patricier,
in dieser Verwendung, welche erst nach der Aufnahme der dazu den
Gegensatz bildenden Plebejer aufgekommen sein kann, die patricischen
Senatoren. Für das einzelne Rathsmitglied fehlt es an einer officiellen Be-
zeichnung ; Senator^ ohne Frage die ursprüngliche Benennung des Mit-
glieds des engeren Raths, ist dem Plebejer von Rechtswegen nicht zu-
gekommen und um den persönlichen Gegensatz zu verschleiern, aus dem
officiellenGebrauch beseitigt, indemgewöhnlichen abusiv verallgemeinert
worden ; aus demselben Grunde hat man es auch vermieden der Sammt-
bezeichnung patres conscripii die Titulatur . des einzelnen Mitglieds zu
entnehmen. Unter dem Principat wird das Prädicat vir clarissimus
zur senatorischen Titulatur und ist gesetzlich als solche gegen das
Ende des zweiten Jahrhunderts festgestellt worden.
Die Mitgliederzahl wird von jeher als eine feste betrachtet und ^*^^*^
darin zunächst unterscheidet sich der Senat von dem magistratischen
in beliebiger Anzahl berufenen Geschäftsbeirath, dem consüitjfm. Als
normal gilt für die Urgemeinde die Zahl von hundert, also für das drei-
einige Rom der Titier, Ramner und Lucerer die von dreihundert. In
historischer Zeit unterliegt der patricische Senat in Hinsicht der Zahl
keiner gesetzlichen Fixirung, dagegen wird die Zahl dreihundert auf
den patricisch - plebejischen bezogen und ist für diesen lange Jahr-
hunderte in Geltung geblieben. Erst als in Folge der Neuordnung
des Strafverfahrens sich die Nothwendigkeit nicht abweisen Hess für
einigermassen genügende Besetzung der grossen Geschwomengerichte
den Senat erheblich zu verstärken, hat Sulla die Mitgliederzahl auf
sechshundert festgestellt und diese hat noch Augustus festgehalten.
Indess haben die weiterhin zu erwähnenden Momente, an welche
gesetzlich der Eintritt in den Senat geknüpft ist, eine Ueberschreitung
der Normalzahlen von drei- oder sechshundert häufig herbeigeführt.
Die effective Zahl der Senatoren scheint in republikanischer Zeit von
der normalen sich nicht wesentlich entfernt zu haben; unter dem
Principat hat, namentlich in Folge der kaiserlichen den ausserordent-
lichen Eintritt in den Senat herbeiführenden Anordnungen, die Effectiv-
zahl sich allmählich in dem Grade erhöht, dass die normale ihre Be-
deutung verloren hat.
Eine andere Qualification für den patricischen Senator als dieses sundisch»
älteste Bürgerrecht besteht nur insofern, dass allein seniores, das ^od.'
heisst über 46 Jahre alte und also vom Felddienst befreite Männer
befugt sind im Rathe zu sitzen. Dass die Plebejer , so lange sie
bloss Schutzgenossen waren, dem Senat nicht angehören konnten, ist
selbstverständlich; dass die Anerkennung ihres activen Bürgerrechts
20*
308 Fünftes Buch. Die Comitien und der Senat.
eben von ihrer Zulassung zum Senat ausgegangen ist, sie aber in
demselben zunächst eine untergeordnete Stellung eingenommen und
namentlich nur das Stimm-, nicht das Rederecht erhalten haben, wird
weiterhin bei der Geschäftsordnung auseinander gesetzt werden.
verii&itiiiss Die Zusammensetzung der ursprünglichen Bürgerschaft aus einer
Senatoren Auzahl geschlosseuer Geschlechter legt die Frage nahe, ob nicht ur-
schiechtern. sprüuglich der einzelne Senator aus dem Geschlecht ohne Mitwirkung
der Organe der Gemeinde hervorgegangen ist und der Senat in seiner
Gesammtheit weniger eine Gemeinde- als eine Geschlechtervertretung
gewesen ist. Indess die wenn nicht ursprüngliche, so doch jedenfalls
uralte energische Durchführung der staatlichen Einheit unter Beseitigung
aller Selbständigkeit der Gemeindetheile hat einer derartigen Ge-
schlechtervertretung, wenn sie je bestanden hat, in frühester Zeit ein
Ende gemacht. Die Ueberlieferung , selbst die in den Institutionen
bewahrte, weiss nichts von einer derartigen Senatorencreirung ; sie
kennt, ohne dass in dieser Hinsicht zwischen dem engeren und dem
weiteren Senat unterschieden wird, nur die drei Perioden der Sena-
torenbestellung durch oberamtliche Ernennung in der Eönigszeit und
der frühen Republik, derjenigen wesentlich durch die Comitien in
der späteren und derjenigen durch Selbstergänzung für den souveränen
Senat des Principats.
Köniflriich- Die Berufung des Bürgers in den Rath ist zunächst ein Attribut
'{j^«^s^des Oberamts, also des Königs und später der Consuln und es ist dies
Recht, wie schon bemerkt, von dem Alter und dem Vollbesitz der
bürgerlichen Ehrenrechte abgesehen, an Qualifications Vorschriften weiter
nicht gebunden. Berücksichtigung der Geschlechter und der danach
geordneten Gurion und Tribus wird zweckmässig erschienen sein, aber
von bindenden Normen in dieser Hinsicht ist, wie gesagt, nichts über-
liefert. Die Annuität der republikanischen Magistratur hat auf diese
Institution der Königszeit keine Anwendung gefunden; der Senator
wird immer ohne Zeitgrenze berufen. Allerdings ist in dem freien
Emennungsrecht des Magistrats auch dasjenige enthalten den Senator
ohne Angabe von Gründen auszuscheiden und die Stelle anderweitig
zu besetzen ; aber es ist dies Ausnahme und der wesentlichste Gegen-
satz des Senats zu dem magistratischen Consilium beruht neben der
fest geschlossenen Zahl darauf, dass jener nicht wie dieses von Fall
zu Fall nach Belieben von dem Magistrat zusammengesetzt wird. Die
factische bei allem Wandel der gesetzlichen Bestimmungen für den
Senat immer festgehaltene Lebenslänglichkeit liegt im Wesen der
Institution und es ist also, so lange die Senatorencreirung dem Ober-
amt verblieb, zu derselben nur geschritten worden, wenn ein Platz
2. Der Senat und dessen Befragung. 309
durch den Tod oder sonst erledigt war. -- Eine wesentliche Um- censonsche
gestaltung erfuhr der Senat, als um das J. 442 (312 v. Chr.) das ^^i^i-
ovinische Plebiscit das Recht den Senator sowohl zu creiren wie aus-
zuscheiden von dem Oberamt löste und es auf die Gensoren übertrug.
Dadurch wurde einerseits der Senat von dem Oberamt emancipirt
und auch formell politisch selbständig, andererseits der Senatssitz
damit dem Inhaber zwar nicht auf Lebenszeit, aber bis zum Eintritt
der nächsten Gensoren rechtlich gesichert; in den Zwischenzeiten der
intervallirenden Magistratur konnten Senatoren weder ernannt noch be-
seitigt werden. Folgeweise trat an die Stelle der früheren Ernennung
und Entlassung von Fall zu Fall jetzt die mit den — meist vier- bis
fünfjährigen — Schatzungsterminen verknüpfte periodische Revision
des Senatorenverzeichnisses. Durch jenes ovinische Gesetz, das „durch-
aus die besten Männer" in den Gemeinderath zu wählen vorschrieb,
wurde die freie Handhabung des Ausschliessungsrechts den Gensoren
eingeschärft und vielleicht thatsächlich dasselbe dem consularischen
gegenüber gesteigert. Das hohe Ansehen und die politische Macht der
Gensoren bis zum Ausgang der Republik beruht wesentlich auf der
Erstreckung ihres Ehrengerichts auf den Senatssitz; die regelmässige
Lebenslänglichkeit desselben blieb dabei unverändert. Das Er-
nennungsrecht ist den Gensoren niemals gesetzlich entzogen, aber
in der späteren Republik durch die gleich zu erwähnende gesetzliche
Anwartschaft auf diese Stellungen in Verbindung mit der geschlossenen
Zahl zuerst beschränkt und schliesslich beseitigt worden.
Den Gomitien steht nach der ursprünglichen Verfassung auf die seaat»-
Besetzung der Senatsstellen keinerlei Einwirkung zu und geradezu ist duciT^e
ihnen dieselbe auch später nicht zugewiesen worden. Aber nach Ab- ^^°***"'*'
Schaffung der Lebenslänglichkeit des Oberamts musste die magistra-
tische Senatorenernennung sich noth wendig vorzugsweise auf diejenigen
Bürger lenken, die das Jahramt in Ehren geführt hatten ; es ist sehr
wahrscheinlich, dass diese, auch wenn sie noch im dienstfähigen Alter
standen, dennoch in den Senat eintreten oder vielmehr in ihm bleiben
durften und zweifellos, dass die Zulassung der Plebejer zu vollem
senatorischem Recht durch ihre Zulassung zum Oberamt herbeigeführt
ward. Demnach hat wohl seit sehr früher Zeit die Gonsulwahl zugleich
als Präsentation für den Senatssitz functionirt. Dies hat sich allmählich
weiter entwickelt, theils indem diese Präsentation für den ernennenden
Magistrat bindend ward, ja der formalen Einwahl in den Senat der
factische Eintritt der „ebenfalls Stimmberechtigten'' (quibtis in senatu
sententiam dicere licet) vorherging, so dass die Gensoren einen solchen
nur in derselben Weise wie den auf der Liste stehenden Senator aus-
310 Fünftes Bnch. Die Gomitien and der Senat
scheiden durften, theils indem die Präsentation für den Senat mehr und
mehr sich vom Gonsulat auf die unter diesem stehenden Aemter über-
trug. Noch in der hannibalischen Zeit beschränkte sich die gesetzliche
Anwartschaft auf die gewesenen curulischen Beamten, also auf die ge-
wesenen Consuln, Prätoren und curulischen Aedilen. In der Folgezeit
ist sie weiter erstreckt worden ; zuerst auf die gewesenen plebejischen
Aedilen, dann durch das atinische Gesetz um die Mitte des siebenten
Jahrhunderts auf die gewesenen Yolkstribune, endlich durch Sulla auf
die gewesenen Quästoren. Durch diese gesetzlichen Anwärter und
deren sofortigen Eintritt in den Senat wurde die Normalzahl regel-
mässig erreicht oder vielmehr überschritten und wurde, wie schon
gesagt ward, die censorische Senatorenemennung gegenstandslos. In
der That wählt jetzt die Bürgerschaft weniger zum Quästor als zum
Senator und weiter durch Verleihung der höheren Aemter zu der mit
einem jeden derselben verbundenen Rangklasse. Es ruht also der
Senat in diesem Stadium wesentlich auf dem Princip der souveränen
Comitialgewalt und trotz der an die Wahl geknüpften Lebenslänglich-
keit darf der Senat als eine aus der Bürgerschaft hervorgegangene
Volksvertretung bezeichnet werden.
senato- Augustus hat, iu [scharfom Gegensatz gegen die von dem Dictator
coopution Caesar auf den Senat angewandte monarchische Ernennung, die sulla-
principat. nische Ordnung im Wesentlichen wiederhergestellt. Tiberius ist einen
Schritt weiter gegangen : entsprechend dem weiterhin zu entwickelnden
Princip der Uebertragung [der souveränen Gemeindegewalt von den
Gomitien auf den Senat hat er diesem die Creirung der republika-
nischen Gemeindebeamten überwiesen, worin die Verleihung des Sena-
torenrechts selbst und der senatorischen Rangklasse so wie nicht minder
die Verleihung der an diese Rangklasse geknüpften Anwartschaften auf
die republikanischen Statthalterschaften und die neuen kaiserlichen
Aemter zugleich enthalten waren. Hinsichtlich der Qualification gilt
wie in republikanischer Zeit, da der Eintritt in den Senat und dessen
Klassen an die Magistratur geknüpft bleibt, was über die Qualification
zur Magistratur und namentlich über deren Steigerung durch die fester
geschlossene Aemterfolge früher (S. 113) ausgeführt worden ist. Prin-
cipiell ward die Souveränetät des Senats vollendet durch diese Er-
gänzung desselben im Wege der Cooptation. Ernennung des Senators
durch den Kaiser ist grundsätzlich ausgeschlossen. Indirect allerdings
griff derselbe von Anfang an in die Ernennung ein durch die neben
dem wahlleitenden Beamten ihm eingeräumte Prüfung der Qualification.
Ausserdem haben die früheren Kaiser nicht als solche, aber als Cen-
soren, welches Amt sie zuweilen übernahmen, ohne Rücksicht auf die
2. Der Senat und dessen Befragung. 311
durch die Normalzahl gezogenen Schranken und mit freier Verfügung
auch über die Rangklassen innerhalb des Senats, die mit der Gensur
verbundene Senatorenemennung ausgeübt. Indem dann Domitian die
Gensur ein für allemal mit dem Principat verknüpfte, ist die Er-
nennung zum Senator unter Beilegung einer beliebigen Rangklasse in
die Rechte der Krone eingefügt worden. Das unmittelbare Eingreifen
des Kaisers in die Senatorencreirung durch Herbeiführung einer durch
den kaiserlichen Willen gebundenen Scheinwahl , das heisst durch
Gommendation wird weiterhin zur Sprache kommen. Directe Ein-
wahl in den Senat hat nur vereinzelt und durch den Senat selbst zu
Gunsten der Prinzen des Kaiserhauses stattgefunden. — Die Aus-
schliessung aus dem Senat ist von den Kaisern nur mittelst der Gen-
sur gehandhabt worden; doch kommt daneben in Betracht, dass theils
unter den gesteigerten Strafen der späteren Republik und der Kaiser-
zeit der Verlust des Senatssitzes nicht fehlt, theils von Augustus ein
senatorischer Census eingeführt ward und die Handhabung der Aus-
schliessung wegen gerichtlichen Urtheils oder wegen Verarmung bei
dem Kaiser lag.
Eine Gliederung des Senats in dem Sinn, wie die Bürgerschaft Decurien
gegliedert ist , besteht nicht ; der Senat f unctionirt immer als Ge-
sammtheit. Die Theilung der Senatoren in Decurien, das heisst dem
Wortsinn nach in Zehnmännerschaften , der Sache nach in zehn an
Kopfzahl gleiche Abtheilungen kommt nur zur Anwendung, wenn die
einzelnen Senatoren in fester Reihenfolge functioniren sollen und ist
politisch ohne Bedeutung. Die bei der Befragung einzuhaltende
Reihenfolge und die wichtigen daraus sich entwickelnden Rangklassen
werden bei der Geschäftsordnung zur Sprache kemmen.
Die Gomitien der Bürgerschaft und die Versammlung des Senats, comiate
insbesondere des ursprünglichen patricischen sind correlate Institutionen ^"cS^e^
und die Geschäftsordnung für beide deutlich in Beziehung auf einander ^s'lLto!
normirt. Wir wenden uns dazu die des Senats zu entwickeln; sie trägt
durchaus, namentlich in der Gestaltung der Umfrage den Stempel
ältester der Epoche des patricischen Staats angehöriger Entstehung
und im Wesentlichen einer Stabilität, die sich mindestens durch ein
Jahrtausend erstreckt.
Wie jeder Beschluss der Bürgerschaft, so ist auch jeder Beschluss Manitn.
des Senats zugleich der Act eines Magistrats; immer ist er es, der serafting.
handelt und der Senat hat, wie die Bürgerschaft, nur zuzustimmen
oder abzulehnen. Das Recht den Senat zu berufen fällt wesentlich
zusammen mit dem Recht der Berufung der Gomitien; regelmässig
beruft ihn der Gonsul oder in dessen Abwesenheit von Rom der
312 Fünftes Buch. Die Comitien und der Senat.
Stadtprätor. Die bei den Comitien zugelassene speciale Erstreckung
auf die Gensoren und die Aedilen und die Zulassung in gewissen Fällen
der Stellvertretung fallen bei der Senatsberufung weg. Den Volks-
tribunen fehlt von Rechtswegen die Berufung wie der Comitien so des
Senats; als indess dem Plebiscit mit dem wirklichen Bürgerschafts-
schluss gleiche Kraft beigelegt wurde, konnte ihnen auch das Keeht
nicht vorenthalten werden mit dem Senat zu verhandeln. Indess ist
die Berufung des Senats durch den Volkstribun immer exceptionell.
Aber dass ausser den zunächst zur Berufung und Leitung des Senats
competenten Imperienträgern auch sie denselben versammeln konnten,
hat dazu beigetragen den Senat von dem Oberamt zu emancipiren und
die von Rechtswegen ihm zustehende Hülfsthätigkeit bei demselben
in factisches Gemeinderegiment umzuwandeln.
^ ^- Die Verhandlungsgegenstände brauchen bei der Berufung des
Senats nicht angegeben zu werden. Ueblich ist es indess bei den die
Verhältnisse des Gemeinwesens allgemein ordnenden Verhandlungen
{de re publica), wie sie regelmässig am Anfang jedes Amtjahrs statt-
zufinden pflegten und weiter nach Bedürfniss angesetzt wurden, dies
den Mitgliedern vorher zur Eenntniss zu bringen.
Die Tage GesetzHch bestimmte Tage kennt die Republik so wenig für die
^^^liSnSg^ Sitzungen des Senats wie für die Comitien ; erst nach einer Anord-
nung Augusts tritt der Senat in jedem Monat an zwei festen Tagen
(senatus legitimus) zusammen. Gleichzeitige Abhaltung der Bürger-
und der Senatsversammlung ist wohl von jeher als unzulässig er-
achtet worden, schon weil die Oberbeamten bei beiden gleichmässig
betheiligt sind. Wenn es wahrscheinlich üblich war nach dem Schluss
der Comitien den Senat zu berufen, namentlich wo es sich darum
handelte für den gefassten Beschluss dessen Bestätigung zu erhalten,
so sind selbständige Senatssitzungen wohl immer vorzugsweise an
den für Comitien nicht geeigneten Tagen {dies fasti und nefasti) ab-
gehalten worden. Das im Jahre 600 ergangene pupische Gesetz hat
dies formell vorgeschrieben; ausnahmsweise hat aber auch nachher
der Senat sich zuweilen an den hiernach ausgeschlossenen Tagen ver-
sammelt. — Gleich den Comitien kann der Senat nur von Sonnen-
aufgang bis Sonnenuntergang sitzen und tritt gewöhnlich mit Tages-
anbruch zusammen.
versamm- OortUch darf auch der Senat nur in der Stadt Rom oder inner-
^^^^ ' halb des ersten Meilensteines verhandeln. Darin stehen Comitien und
Senat im correlaten Gegensatz, dass wie die Bürgerschaft nie, so der
Senat immer im geschlossenen Räume zusammentritt. Regelmässig
geschieht dies innerhalb des Mauerrings; von den beiden römischen
2. Der Senat und dessen Befragung. 313
Rathhäusern liegt das eine, die curia caldbra, auf dem Gapitol, das
andere, die curia Hostüia, später umgebaut curia lulia^ auf dem
Comitium, der ältesten Dingstätte der Curien. Indess kann für die
Senatsversammlung jedes zur Auspication eingerichtete und mit dem
nöthigen Sitzraum versehene öffentliche Gebäude benutzt werden ; der
Senat ist häufig in den capitolinischen Jupitertempel selbst und in
andere städtische Gotteshäuser berufen worden. Ausserhalh des Mauer-
rings giebt es ein festes Rathhaus nicht und der Senat wird auch nur
ausnahmsweise dahin berufen, insbesondere um Gesandtschaften der
mit Rom nicht verbündeten Staaten zu empfangen; späterhin sind
dafür in der Regel die vorstädtischen Tempel des Apollo und der
Bellona benutzt worden.
An die Stelle der bei den Gomitien erforderlichen Ladung durch Bemfang.
Herold ruf tritt bei dem Senat die einfache Ansage, welche der Magi-
strat sowohl durch Abkündigung wie in jeder anderen ihm beliebigen
Weise, auch durch Herumschicken in den Wohnungen der einzelnen
Senatoren bewerkstelligen kann. Um sie zu erleichtem, ist der Senator
gesetzlich verpflichtet seinen Wohnsitz in Rom zu nehmen. Ausserdem
halten die Senatoren, so weit es möglich und zweckmässig ist, sich
regelmässig auf dazu bestimmten Versammlungsplätzen {senacula) der
Ansage zum sofortigen Zusammentreten gewärtig.
Auch vor der Sitzung des Senats werden die Götter befragt, ob Anapication.
der Act ihnen wohlgefällig sei. Die dafür anfänglich übliche Vogel-
schau ist späterhin durch die handlichere der Eingeweide eines Opfer-
thiers ersetzt worden.
Wenn in den Gomitien die Bürger stehen und nur der Magistrat ^l^f^^^*
sitzt, so sitzen dagegen in der Senatsversammlung alle Betheiligten,
der oder die Vorsitzenden auf erhöhten Sesseln in der Mitte, die
Senatoren vor ihnen auf Bänken, übrigens ohne festen Platz weder
für die einzelne Person noch für die verschiedenen Rangklassen.
Die Reihenfolge der zur Verhandlung gelangenden Gegenstände
bestimmt der versitzende Magistrat; indess gehen die sacralen An-
gelegenheiten immer den übrigen vor.
Die Verhandlung über jeden Gegenstand zerfällt in vier Abschnitte:
die allgemeineFragestellung des Magistrats; die Aufrufung der einzelnen
Mitglieder zur Aeusserung ihrer Meinung über die vorliegende Frage
und deren Antworten; die aus diesen Meinungen sich entwickelnde
specielle Fragestellung des Vorsitzenden ; endlich die Abstimmung der
Mitglieder über die also gestellte Frage. Der Vorsitzende hat weder
das Recht seine Meinung zu äussern noch das Recht zu stimmen und
dasselbe gilt von allen anwesenden Magistraten ; dagegen kann er und
314 Fünftes Buch. Die Comitieu und der Senat.
■
ebenso mit seiner Einwilligung jeder anwesende Magistrat zu jeder
Zeit während der Verhandlung das Wort nehmen.
AUsremeine In dem orsteu Abschnitt stellt der Vorsitzende die Frage zur
Stellung. Verhandlung (consulere) unter Auseinandersetzung der dafür in Be-
tracht kommenden Verhältnisse (verba facere), welche Auseinander-
setzung er häufig durch andere Personen, namentlich Priesterschaften und
Gesandtschaften machen lässt. Der Vortrag soll von Rechtswegen nur
informatorisch sein und einen Vorschlag nicht enthalten, obwohl er
selbstverständlich der Sache nach häufig auf einen solchen hinauskam.
Umfrage. In der nun folgenden Umfrage hat jedes Mitglied über die im
vorliegenden Fall zweckmässig erscheinende Massregel seine Meinung
(sententia) zu äussern und nach Ermessen dieselbe zu begründen,
wobei ihm das Wort weder beschränkt noch entzogen werden kann.
Diese Umfrage durchläuft von Rechtswegen die ganze Reihe der zu
dieser Votirung berechtigten Mitglieder, wobei natürlich den später
aufgerufenen freisteht entweder einen anderen Vorschlag zu machen
oder sich einem der Vorredner anzuschliessen. Eine eigentliche Debatte
findet nicht statt, da jeder Votant nur einmal an seinem Platze in
der Reihe zum Wort kommt. — Falls der Vortrag des Magistrats
sachlich einen Antrag in sich schliesst und kein Mitglied Widerspruch
erhebt, kann die Umfrage wegfallen und sogleich zu der speciellen
Fragestellung und zur Abstimmung geschritten werden (senatus canr
sultum per discessionem).
Beibenfoige Auf dor bei diosor Umfrage beobachteten Reihenfolge und auf
derumfrage ^^^ Zulassuug odor Nichtzulassuug zu derselben ruht die ganze Ent-
wickelung der Institution und insbesondere die f actische Gliederung
des Senats in Rangklassen. Die Reihenfolge bei dem Aufruf ist fest
Klassen der uud für dou Vorsitzeudon gewohnheitsmässig obligatorisch. In dem patri-
cischen Senat stimmten zuerst die Senatoren der grösseren Geschlechter,
dann die der minderen, beide in der durch die dreissig Curien ge-
gebenen Folge (S. 12); da rechtlich das später abgegebene Votum
ebenso viel wie das an günstigerer Stelle abgegebene galt, so darf
eine eigentliche Rechtsungleichheit hierin schwerlich gefunden werden.
Aber als dann, nach unserer Ueberlieferung mit dem Eintritt der
Republik, der patricische Senat zum patricisch - plebejischen wurde,
wurden die plebejischen „Eingeschriebenen" von der Votirung aus-
geschlossen; nicht bloss der Name der Senatoren wurde ihnen
versagt, sondern als „Fussleute" (pedarii) durften sie nur bei dem
Auseinandertreten zur Abstimmung mitwirken. Das Votirungsrecht
erhielten die plebejischen Rathsmitglieder erst mit ihrer Zulassung
zum Consulat. Dass die gewesenen Consuln vor den nicht consula-
2. Der Senat and dessen Befragung. 315
Tischen Senatoren votirten, ist vermuthlich schon in der Epoche der
patricischen Magistratur aufgekommen; nach der Zulassung der Ple-
bejer zum Oberamt stellte für die Votirung sich die üegel fest, dass
zuerst die patricischen, dann die plebejischen Consulare, beide Gruppen
nach dem Amtsalter, alsdann die patricischen Senatoren nach der
Geschlechtsordnung ihre Voten abgaben. In der gleichen Tendenz
hat sich, schwerlich durch Gesetz, sondern zunächst durch das Be-
lieben 'der versitzenden Magistrate und weiter durch Herkommen, die
Reihenfolge der Votirung weiter entwickelt: in Folge des steigenden
Ansehens der Zensur wurden vor den Gonsularen die gewesenen
Censoren gefragt, nach ihnen die gewesenen Prätoren, Aedilen, Volks-
tribune und Quftstoren, in jeder Gruppe wie es scheint, mit Bevor-
zugung des Patriciats und in zweiter Reihe des Amtsalters. Die
Senatsmitglieder ohne Votirungsrecht, das heisst die nicht durch ein
Amt, sondern durch freie magistratische Ernennung in den Senat
aufgenommenen Plebejer, verschwanden, wie früher ausgeführt ward,
allmählich mit dieser Eintrittsform selbst und die zurücksetzende Be-
nennung der pedarii übertrug sich im gewöhnlichen Gebrauch auf
die in der Liste zuletzt stehende und damit vom effectiven Gebrauch
des Votirungsrechts so gut wie ausgeschlossene Amtklasse. Als Vor-
mann (princeps) des Senats fungirt hiernach der nach dem Amt- wS!
jähr älteste patricische Censor, und so ist es in der That bis zum
J. 545 (209 V. Gh.) gehalten worden. Von da an bis auf Sulla haben
die Censoren bei ihrer Revision der Senatsliste aus den patricischen
Censoriem den Vormann nach Ermessen ausgewählt. Sulla hat das
Vorzugsrecht der gewesenen Censoren und ebenso die feste Folge für
die Consulare beseitigt; einen festen Vormann bat der Senat seitdem
nicht mehr, sondern es werden zuerst die für das Folgejahr desig-
nirten den Gonsularen gleichgeachteten künftigen Consuln , ' wenn es
solche giebt, alsdann die Consulare in der unter den Consuln für das
laufende Jahr vereinbarten Folge aufgerufen.
Die bei der Umfrage vorgebrachten Vorschläge hat der Vorsitzende sjjcJ«^«
Magistrat in zweckmässiger Weise zu ordnen und alternativ oder suc- »*«"^n«-
cessiv zur Abstimmung zu stellen. Einwirkung auf die Fragestellung
steht den Mitgliedern nur insoweit zu, dass, wenn der Vorsitzende
mehrere Vorschläge zusammenfasst, was ihm freisteht und wodurch
die Verhandlungen sicher bedeutend abgekürzt worden sind, ein jedes
Mitglied berechtigt ist Theilung zu fordern.
Bei der Abstimmung (censere), an welcher auch die des Votirungs- ^^^^
rechts entbehrenden Mitglieder sich betheiligten , ist kein votirendes
Mitglied an sein Votum gebunden. Für die Beschlussfähigkeit des
316 Fanftes Buch. Die Comitien und der Senat.
Senats wird eine Mindestzahl von Stimmen gefordert, die je nach dem
Gegenstand der Verhandlung verschieden normirt ist ; indess wird in re-
publikanischer Zeit regelmässig bloss Majorität und Minorität constatirt
und kommt es zur Fesstellung der Beschlussfähigkeit nur dann, wenn
ein Mitglied auf Auszählung anträgt. Für die Abstimmung, welche
immer auf Annehmen oder Ablehnen gestellt wird, ist die regelmässige
Form der Platzwechsel, so dass die für und die gegen Stimmenden
sich auf die beiden Hälften des Locals vertheilen, was regelmässig
schon während der Yotirung sich vorbereitet. Geheime Abstimmung
ist in der Republik überhaupt nicht, unter dem Principat nur aus-
nahmsweise vorgekommen.
t^^d^ Aufzeichnung der gefassten Beschlüsse schreibt die Geschäfts-
ßescUüBse. orduung des Senats nicht vor, ja schliesst sie in officieller Form aus,
wenn gleich bei der Umfrage die Voten häufig niedergeschrieben und
in der Sitzung verlesen und dem Vorsitzenden eingereiht wurden,
auch dieser vielfach Aufzeichnungen zu jHülfe genommen haben wird.
Nichts desto weniger ist schon unter der Republik für die uns bekannte
Epoche die Niederschrift des Senatsschlusses ebenso nothwendig wie
bei dem Gesetz diejenige des Volksschlusses (S. 301). Wie dieser vor,
wird jener nach der Fassung aufgezeichnet, regelmässig sofort nach dem
Schluss der Sitzung durch den Vorsitzenden unter Zuziehung einiger in
derselben anwesenden Senatoren als Urkundszeugen. Ausserdem muss
der Beschluss, um rechtliche Gültigkeit zu haben, von dem Vorsitzenden
bei dem Aerarium der Gemeinde eingereicht und dort in die Bücher ein-
getragen werden, woneben während der ständischen Streitigkeiten eine
ähnliche, aber wohl auf gewisse Kategorien beschränkte Einreichung
der Senatsschlüsse bei den Aedilen der Plebs in Uebung gewesen ist. —
Die Niederschrift der zur Rechtfeitigung der Voten gehaltenen Vorträge
ist in republikanischer Zeit nur als Privatveranstaltung zu politischen
Zwecken vereinzelt vorgekommen, wogegen sie unter dem Principat
ständig wird, hauptsächlich um dem in der Regel nicht anwesenden
Herrscher über die Verhandlungen des Senats vollständige und authen-
tische Kunde zu verschaffen.
luS^'^tr Hinsichtlich der Oeffentlichkeit der Verhandlungen gilt im AUge-
BeschTflBse. kleinen, was auch von den Comitien gesagt werden kann; zugelassen
wird nur, wer dabei betheiligt ist, und wenn bei denen der Bürger-
schaft dieser Kreis ein weiterer ist, so liegt doch auch bei denen des
Senats Geheimhaltung keineswegs im Wesen der Institution. Ebenso
aber ist es durch die Verhältnisse gegeben, dass die Publication der
gefassten Beschlüsse, welche bei den Comitien angesehen werden
konnte als durch die Fassung selbst bewirkt, bei dem Senat nur
2. Der Senat nnd dessen Befragung. 317
aasnahmsweise und auf besondere Anordnung stattfand ; es gehört zu
den demokratischen Massregeln Caesars, dass er in seinem ersten
Consulat durch Anordnung einer solchen ständigen Publication den
Senat unter die Gontrole der Oeffentlichkeit stellte. Augustus hat,
als er bei seiner Reorganisation dem Senat formell die Herrschaft
zurückgab, diesem System entsprechend die Veröffentlichung der Senats-
acten untersagt.
eomitien.
3. Competenz der Comitien.
Begriff der Uoter der Competenz der Comitien verstehen wir ihre zu gewissen
magistratischen Acten erforderliche Zustimmung. Ausgeschlossen bleiben
also sowohl diejenigen Comitien, welche, wie bei der Inauguration der
Priester und der Lustration der Gemeinde, nur einen magistratischen
Act soUemnisiren, wie auch diejenigen, in denen der Magistrat nach
dem Antritt den Bürgern das Treuwort abnimmt (S. 132). Dem Gegen-
oeeetz-, Stande nach können Gesetz-, Gerichts- und Wahlcomitien unterschieden
Wahl- ' werden, wobei allerdings die erste Kategorie nicht eigentlich positiv de-
finirt wird, sondern jeden Volksschluss in sich begreift, welcher weder
ein Gerichts-, noch ein Wahlact ist. Aeusserlich unterscheiden sich
die drei Kategorien dadurch, dass der Comitialbeschluss nicht bei
dem Gericht und bei den Wahlen, aber bei dem Gesetz nach dem
Geschlechtsnamen des oder der antragstellenden Magistrate benannt
wird. Die Gesetz- und Gerichtscomitien dürfen als ursprünglich gelten ;
es hat die römische Bürgerschaft, so viel wir absehen von jeher, in die
Lage kommen können einen verurtheilten Verbrecher zu begnadigen
oder sonst in die bestehende Rechtsordnung abändernd einzugreifen.
Ob sie dabei von Haus aus als Trägerin der Gemeindegewalt gedacht
ist oder vielmehr die Auffassung zu Grunde liegt, dass die allgemeine
Verpflichtung der Bürger zum Gehorsam gegen den Beamten auf die
der Rechtsordnung zuwider laufenden Anordnungen sich nicht erstreckt
und ihre hierfür besonders eingeholte Zustimmung eine ergänzende
Verpflichtung in sich schliesst, mag dahin gestellt bleiben, obwohl die
Anlehnung an das Treuwort der letzteren Auffassung günstig ist. Die
Wahlcomitien, wenn gleich unsere Ueberlieferung auch sie auf die
Anfänge zurückführt, sind wahrscheinlich erst mit oder während der
Republik hinzugetreten (S. 106). Ueber die Gerichtscomitien, durch
welche auf Grund der Provocation die magistratische Strafsentenz
aufgehoben werden kann, ist in dem Abschnitt vom Zwangs- und
8. Competenz der Gomitien. 319
Strafrecht (S. 230), über die Wahlcomitien in dem Abschnitt von der
Creation der Magistrate (S. 106) gesprochen worden ; es wird daher hier
hauptsächlich von der generellen und prinzipiell wichtigsten Kategorie,
den Legalcomitien gehandelt.
Entsprechend der lex privata ist die lex publica die magistratische ^'
Festsetzung irgend welchen Inhalts, mag dies ein administrativer Act
sein oder was wir Gesetz nennen, die Feststellung einer von der be-
stehenden abweichenden Rechtsnorm sei es für einen einzelnen Fall (Pri-
vilegium), sei es allgemein für alle zukünftig eintretenden gleichartigen.
Der Magistrat ist befugt diese Festsetzung zu treffen entweder kraft seiner
Amtsgewalt (lex data) oder nur nach Befragung und mit Einwilligung ^'^ ''^^
der Bürgerschaft (lex rogata). An diesen vom Magistrate formulirten ^ ''^^'^*
Vorschlag, der bei den Gerichts- und den Wahlcomitien in gleicher
Weise nicht vorkommt, knüpft sich die, wie angegeben, von dem
Antragsteller entlehnte Benennung. Der die Bürgerschaft also be-
fragende Magistrat ist demnach immer seinerseits mit dem Antrag
einverstanden und daher auch befugt seine Meinung zu ändern und
die Befragung in jedem Stadium abzubrechen, damit also den Antrag
für diesmal oder überhaupt zurückzunehmen.
Aber auch mit Hinzuziehung der Bürgerschaft hat der Magistrat ikiS^etr^S'r
der bestehenden Rechtsordnung gegenüber keineswegs freie Hand. Im ^säS^*''
Gegentheil gilt diese, als nicht durch die Comitien geschaffen, auch '"^'''^•
nicht als von ihrem Belieben abhängig, vielmehr als ewig und unabänder-
lich. Das Recht des ursprünglichen Senats den Gomitialact zu bestätigen
oder zu cassiren ist ohne Zweifel in diesem Sinne geordnet und
ursprünglich geübt worden. Die fundamentalen Umgestaltungen der
Verfassung sind, ähnlich wie die Römer die Schöpfung derselben sich
dachten, durch einzelne mit constituirender Gewalt ausgestattete Bürger
ins Leben gerufen worden; es gilt dies sicher von derjenigen Ver-
fassungsreform, welche dem Königthum das Gonsulat substituirt hat
und innerhalb unserer geschichtlichen Ueberlieferung von der Zwölf-
tafelgesetzgebung ebenso wie von der Neuordnung des Gemeinwesens
durch Sulla und durch Augustus.
Indess wenn die Rechtsordnung ein für allemal feststeht, so ^»•'%'»«»«-
sind Ausnahmen von den Regeln derselben für den einzelnen Fall
von jeher zugelassen worden, und hieran knüpft die lex rogata an.
Die väterliche Gewalt und die Erbordnung ruhen von Rechtswegen
auf der Blutsverwandtschaft und dem entsprechend handhabt sie der
rechtsprechende Magistrat; die Annahme an Kindesstatt und die
Vergabung des Vermögens auf den Todesfall in einer von der Norm
abweichenden Weise kann er für sich allein nicht herbeiführen,
320 Fünftes Buch. Die Comitien and der Senat.
wohl aber mit Gutlieissuiig der Bürgerschaft. Auch die Begnadi-
gung des überwiesenen und verurtheilten Verbrechers gehört in
denselben Anschauungskreis; ohne Zweifel ist ursprünglich so erzählt
worden, dass der König sich nicht befugt erachtete den patriotischen
Schwestermörder von der Strafe zu entbinden, aber ihm gestattete die
Begnadigung von der Bürgerschaft zu erbitten. Vor allem deutlich
offenbart sich diese Auffassung bei der Kriegserklärung gegen den bis
dahin verbündeten Staat. Das ursprüngliche Bündniss ruht auf der
nationalen Gemeinschaft der Latiner und ist nicht abhängig von dem
Gutfinden der römischen Bürgerschaft; aber ob die Praenestiner oder
die Tusculaner dasselbe verletzt haben und also die Waffen gegen sie
gekehrt werden müssen, darüber entscheidet sie auf Antrag des Magi-
strats und unter Vorbehalt der Bestätigung durch den Senat. Durch-
aus geht die Comitialgesetzgebung, sowohl in den Privatverhältnissen,
welche auch in der späteren Zeit den Curien verblieben sind, wie in
den eigentlich politischen Fragen, aus von dem Ausnahmegesetz, dem
Privilegium.
d^^epSiik. Wenn diese Privilegien so alt sind, wie Rom selbst, so ist mit
dem Eintreten der republikanischen Ordnung und der darin ent-
haltenen Beschränkungen der Magistratur, der Kreis der von derselben
Magistratur unter Mitwirkung der Comitien zu vollziehenden Acte
einerseits beschränkt, andrerseits ausgedehnt worden.
Die Beschränkung ist herbeigeführt durch die Trennung der sa-
cralen und der bürgerlichen Gewalt : jener sind, wie wir sahen, die auf die
Geschlechtsordnung bezüglichen Privatacte, wesentlich Adrogation und
Testament verblieben, wofür die bisherige magistratische Initiative vom
König auf den Oberpontifex übergeht und die für die politischen Ab-
stimmungen ausser Kraft gesetzte Gurienversammlung der Bürgerschaft
auch femer competent bleibt. Vom Standpuncte des patricischen Ge-
meinwesens aus sind dies legislatorische Acte; aus der republikanischen
Legislative scheiden sie aus.
Andrerseits wird die Competenz der politischen Comitien der
Republik wesentlich und nothwendig erweitert. Für die Vornahme
derjenigen öffentlichen Acte, welche wohl in der ursprünglichen
magistratischen Competenz enthalten , aber keiner ordentlichen Magi-
stratur der Republik überwiesen sind, bedarf es eines ausserordent-
lichen Auftrags, und dieser Auftrag kann nur mit Gutheissung der
Comitien ertheilt werden, einerlei ob er einem ordentlichen Be-
amten gegeben oder, was später Regel ist, besondere Beamte dafür
von den Comitien bestellt werden. Dahin gehören namentlich die
Erhebung der Capitalklage gegen einen Bürger wegen Landesverrath
3. Gompetenz der Comitien. 321
(S. 186), die UeherDahme des höchsten aller Gemeindegel^bde, des
heiligen Lenzes (S. 220) und die unentgeltliche Weggabe von Gemein-
land durch Adsignation oder Golonisation (S. 272).
Hieran schliesst sich weiter die Abänderung der bestehenden
Gemeindeordnung durch Specialgesetz. Die Ewigkeit derselben war
wie man will ein Ideal oder eine Fiction, in gewissem Sinne principiell
von vornherein damit aufgegeben, dass Ausnahmen für den einzelnen .
Fall zugelassen wurden. Die praktische Nothwendigkeit so wie die
immer steigende Tendenz die Bürgerversammlung als die Trägerin
der Gemeindesouveränetät zu behandeln führten mehr und mehr dazu
den Kreis der comitialen Gesetzgebung so zu erweitem, dass zwar die
generelle und fundamentale Umgestaltung ausgeschlossen blieb, aber
jede specielle Neuerung auf diesem Wege statthaft erschien. Die dem
Zwölftafelrecht einverleibte Satzung, dass der spätere Volksschluss
die ältere Ordnung bricht, ist die zu ihrer Zeit keineswegs selbst-
verständliche Anerkennung dieser comitialen Souveränetät. In dieser
Weise ist alsdann in historischer Zeit die comitiale Gesetzgebung ge-
handhabt worden. Es werden vor die Gomitien gebracht die Ver-
leihung oder Entziehung des Bürgerrechts so wie die Erweite-
rung desselben durch Beilegung des Stimmrechts; die Einrichtung
oder Umgestaltung der Aemter wie der Offizierstellen, wohin auch
die Anordnung der Gompetenzerweiterung der ordentlichen sowie der
Greirung ausserordentlicher Beamten zu zählen ist; die Normirung
der Bechte und der Ptlichten der Bürger, wohin alle Neuerungen in
Betreff der Dienstpflicht, die Einführung neuer Steuern, die Ehegesetz-
gebung und unzählige andere Kategorien gehören. Nicht minder
gehört vor sie von Rechtswegen jede definitive Entbindung von den
derartigen Ordnungen, sei es für eine Kategorie, sei es für Individuen.
Diese lediglich exemplificirende Aufzählung wird den formaler Er-
schöpfung unfähigen Kreis derGomitialgesetzgebung in der entwickelten
Bepublik wenigstens verdeutlichen. Die Grenzen zwischen der magi-
stratisch-senatorialen und der magistratisch- comitialen Competenz sind
mehr durch Herkommen als principiell fixirt; es lässt sich beispiels-
weise erkennen, dass religiöse Angelegenheiten nur wo es unum-
gänglich schien, bei der Einrichtung neuer Priesterschaften und stän-
diger Volksfeste an die Comiiten gebracht worden sind. Uebrigens
wird auf die Abgrenzung weiterhin zurückzukommen sein bei dem
Uebergreifen des npätrren Senats und des Principats in die comitiale
Competenz namentlich in Betreff der Entbindung von dem Gesetz.
Uebergreifen der Gomitien, comitiale Anordnung innerhalb der der de?c^'£tiLn
magistratischen Action durch die Verfassung angewiesenen Thätigkeit ^Btriti^hS^'
Binding, Handbncli. I. 8; Mommsen, Abriss d. ROmiBchen Stoatsraohts. 2. Avfl. 21 Comp«t<fii2.
322 Fünftes Buch. Die Coäiitlen und der Senat.
läuft der römischen Ordnung zuwider und ist, abgesehen von der durch
die obligatorische Provocation gegebenen Beschränkung des magistra-
tischen Zwangs- und Strafrechts, durchaus unterblieben. Dies gilt
nicht bloss für die Rechtspflege, sondern ebenso für die Verwaltung;
trotz der oft unerträglich schweren Belastung durch Aushebungen und
Gontributionen sind die Comitien nie mit der Frage befasst worden,
ob und in welchem Umfang diese stattzufinden hätten. Die im Laufe
der Zeit sich einstellende Betheiligung der Comitien bei den wichtigsten
internationalen Acten kann nicht als Uebergreifen bezeichnet werden.
Den Friedens- und überhaupt den Internationalvertrag abzuschliessen
ist der Feldherr wohl an sich berechtigt; aber da dieser Vertrag
vollständig nur dann bindet, wenn er mit Vorwissen der Gemeinde
abgeschlossen wird (S. 292), so ist es nur in der Ordnung, dass die
Comitien dabei späterhin mitgewirkt haben, der erste Friede mit Kar-
thago unter Vorbehalt der Ratification der Gemeinde geschlossen ist
und von da an namentlich BQndnissverträge häufig an die Comitien
gebracht worden sind. Wirkliche Verfassungsverletzungen sind die
R( sciäsionen gerichtlicher Erkenntnisse und die Abänderungen das Ge-
meindevermögen betreffender rechtskräftiger Verträge, wie einzelne
Comitialbeschlüsse aus den Zeiten der republikanischen Agonie sie an-
geordnet haben.
dtJ^voikJ. Die Rechtskraft des Volksschlusses, mag derselbe Gesetz sein oder
Erkenntnis im Strafprozess oder Beamtenwahl, ist selbstverständlich
abhängig von der Einhaltung der für denselben in Betracht kommen-
den Normen; aber es ist häufig sehr schwierig zu bestimmen, ob die
älteren doch auch von der Bürgerschaft aufgestellten Normen den
späteren Volksschluss brechen oder durch ihn gebrochen werden.
Selbstverständlich wird die Bürgerschaft dadurch nicht gebunden, dass
das ältere Gesetz die Unwiderruflichkeit in Anspruch nimmt; so wenig
wie die einzelne Person kann die Gemeinde sich in bindender Weise
des Rechts der Wiilensänderung begeben. Die Clausel ist oft in
die Gesetze hineingesetzt worden und hat, vor allem wo eidliche
Verpflichtung der gesammten Bürgerschaft bestärkend hinzutrat, mora-
lische und politische Wirkung gehabt; rechtlich ist sie immer als
nichtig angesehen worden. Dagegen werden frühere allgemeine Gesetze
dadurch nicht abrogirt, dass ein späterer Comitialact dagegen
verstösst Kraft der gesetzlichen Untersagung der Zusammenfassung
disparater Bestimmungen in demselben Gesetz ist jeder derartige Volks-
schluss ungültig, kraft der gesetzlichen Vorschrift über das Minimal-
alter für die Amtsbewerbung der dawider verstossende Wahlact nichtig.
Andererseits kann die gesetzliche Vorschrift, dass Spezialgesetze zum
sehlüsae.
3. Competenz der Comitien. 323
Ifachtheil einer einzelnen Person nicht erlassen werden dürfen, nicht
viel mehr gewesen sein als eine politische Mahnung an die Bürger-
schaft ihre Gewalt nicht in dieser Art zu misshrauchen. Die Feststellung
der nothwendig schwankenden Grenze, die Entscheidung der schwerwie-
genden Frage, ob ein Comitialact rechtsgültig sei oder nicht, hat nach
der ursprünglichen Verfassung, wie im folgenden Abschnitt zu zeigen
sein wird, der patricische Senat. Indess dieses wesentliche Organ der
Staatsordnung ist bereits in der früheren Republik factisch ausser
Function getreten und die Lücke nicht wieder ausgefüllt worden. Von
allgemeinen Festsetzungen in dieser Hinsicht wissen wir nichts; es
muss in der späteren Epoche dem Ermessen des Einzelnen an-
heimgegeben gewesen sein einen Comitialact als nichtig zu be-
zeichnen und mit dieser seiner Ansicht durchzufallen oder durch-
zudringen. — Nur über die Gonsequeuzen religiöser Mängel sind vVik"^
wir einigermassen unterrichtet. Die in den Volksschlüssen ständige *^ *"'
Clause!, dass ein jeder nur insoweit gelten solle, als er nicht materiell
gegen die religiösen Normen Verstösse, zeigt mehr die Tendenz der
Gesetzgebung als eine wesentliche Einschränkung, obwohl zum Bei-
spiel bei Adsignation von Gemeinland sie wohl praktische Folgen ge-
habt haben mag. Politisch wichtiger war die Behandlung der bei
der jeden Comitialact einleitenden Auspication etwa begangenen Ver-
sehen (vitia). Es ist für die dem politischen Regiment der Römer bei
aller Gottesfurcht eigene Unabhängigkeit bezeichnend, dass dergleichen
Versehen, selbst wenn sie durch die beikommenden Priester constatirt
8ind, vielleicht einstmals den patricischen Senat bestimmt haben können
dem Act die Bestätigung zu versagen, aber in historischer Zeit formale
Rechtsfolge nicht nach sich ziehen. Das in dieser Weise fehlerhaft be-
schlossene Gesetz und der in dieser Weise fehlerhaft creirte Beamte sind
nichts desto weniger zu Recht erwählt; allerdings ist es Gewissenspflicht
einen derartigen Act zu beseitigen, indem das Gesetz aufgehoben wird,
die Beamten von ihrem Amt zurücktreten. Dass in der spätesten
Zeit der Republik der Senat sich das Recht vindicirt hat Gesetze
wegen eines solchen Fehlers ausser Kraft zu setzen, gehört zu den
Uebergriffen desselben in den Kreis der an sich ihm nicht zustehenden
Legislation.
Die Stellung der Comitien im römischen Staatswesen ist überwiegend tuch«??"rth
formeller Art. Der Magistratur gegenüber haben sie anfänglich nichts als comSen.
das Recht einen magistratischen Act zu verhindern und wenn bei Pro-
zessen und Wahlen die Bürgerschaft späterhin freiere Hand gewinnt,
so hat bei dem Gesetz den Comitien zu aller Zeit der Sache nach nichts
zugebtanden als das Veto. Sie stehen in der früheren Republik recht-
21*
324 Fünftes Buch. Die Gomitien und der Senat.
lieh, in der entwickelten thatsächlich unter der Vormundschaft de&
Senats; als dessen Regiment zu schwanken beginnt, sind die Gomitien
ein regelmässig willenloses Werkzeug in der Hand desjenigen Partei-
mannes, der sie zusammenruft und nur zu oft einfach der Hebel des
persönlichen Interesses einflussreicher Bürger. Ihre Competenz ist
anfangs wohl eingeschränkt, aber insofern effectiv, als bei der Hand-
habung der Geschlechtsordnung, bei der Ausübung des Gnadenrechtes,
bei dem Kriegsbeginn gegen die Nachbargemeinde die Selbstbestimmung
des einzelnen Bürgers den Ausschlag geben konnte und gegebea
haben wird; je mehr sie sich formell erweitert, desto weniger kann
der Beschluss der römischen Bürgerschaft als effectiver Willensausdruck
derselben angesehen werden; wie es denn dafür charakteristisch ist, dass
Ablehnung eines an die Gomitien gebrachten Antrags ungefähr so selten
ist wie heutzutage im constitutionellen Staat die Weigerung des Mon-
archen das beschlossene Gesetz zu vollziehen. Die dem streng ein-
heitlichen Königsregiment und den engen Verhältnissen «iner Land-
stadt angepasste Urversammlung erscheint in dem historischen Rom
als ein ursprüngliches durch die Macht der Entwicklung verkümmertes
Organ, dessen Function, wo sie nicht nominell ist, vom politischen
Zufall regiert dem Gemeinwesen zuweilen genützt, häufiger geschadet
hat und dessen bester Vorzug ist nicht mächtig genug gewesen zu
sein, um das Regiment an sich zu ziehen.
Untern» Mit der Republik sind die Gomitien nicht formell abgeschafft
aber beseitigt worden. Das Provocationsverfahren ist im Wesentlichen
der Sullanischen Gerichtsordnung gewichen. Die Beamtenwahlen gehen
bei Tiberius Regierungsantritt von den Gomitien über auf den Senat.
Die comitiale Gesetzgebung hat sich länger behauptet; bei den Ehe-
und den Steuergesetzen Augusts hat wenigstens in der ablehnenden
Haltung die Bürgerschaft noch einige Selbständigkeit entwickelt und
nachweisbar ist die comitiale Gesetzgebung bis auf Nerva; ja insofern
die bei dem Wechsel des Principats eintretende Volksbefragung mehr
ein legislatorischer als ein Wahlact ist , mag sich dafür die Gomitial-
ordnung noch längere Zeit formell behauptet haben. Der Sache nach
aber liegt auch die legislative Gewalt seit dem Beginn des Principats
bei dem Senat.
Gomitien.
4. Competenz des Senats.
Wie der Senat eine Doppel Institution ist, der engere patricische
Senat ein anderer ist als der weitere patricisch-plebejische, so ist auch
die Competenz der beiden Körperschaften vollständig verschieden,
wenn gleich, wie der weitere Senat den engeren einschliesst, so
auch die Competenz des weiteren an die des engeren anknüpft.
Abgesehen von der früher entwickelten Interregnalfunction, welche Jg'^iSSf
nicht dem Senat als solchem, sondern dem einzelnen Senator obliegt *^f5em**
(8. 103), fällt die Competenz des ursprünglichen Senats mit der Com- ™jj;
petenz der Cömitien zusammen. Bei dem engbrgrenzten ursprünglichen
Volksschluss, der Abweichung von den bestehenden Ordnungen für
den einzelnen Fall, der Ausnahme von der Geschlechtsordnung durch
Adrogation und Testament, von den Strafbestimmungen durch Be-
gnadigung, von dem ewigen Bünduiss durch Kriegserklärung, hat
der Magistrat den betreflfenden Antrag an die Bürgerschaft zu bringen
(ferre ad populum) und wenn diese zugestimmt hat, diesen Beschluss
weiter dem Senat vorzulegen (referre ad senatum) und im Wege der
Umfrage und der Abstimmung dessen Bestätigung zu erwirken. Auch
als mit der Einführung der obligatorischen Provocation, dem Ueber-
gang der Beamtenernennung vom Magistrat auf die Bürgerschaft und
der im vorhergehenden Abschnitt erörterten Erweiterung der comitialen
Legislation die Competenz der Cömitien grösseren Umfang annahm, ist
die Bestätigung des Senats allem Anschein nach in gleicher Weise
ausgedehnt, sicher namentlich auch auf die Wahlen angewandt worden.
Als zweite Instanz der Legislation wird der Senat nicht aufge- Auctwnta»
pairum.
fasst werden dürfen. Die technische Bezeichnung dieser Bestätigung,
die „Mehrung", auciaritas, deutlich hier staatsrechtlich ebenso ver-
wendet wie im Privatrecht bei der Vormundschaft, zeigt an, dass die
Bürgerschaft gleich dem Pupillen handelt, der Senat gleich dem
Tutor die der sicheren Handlungsfähigkeit entbehrende Gemeinde
326 Fünftes Buch. Die Comitien und der Senat
durch Versagung der Bestätigung vor Fehlschritten bewahrt. Immer
aber folgt hieraus die ursprQngliche Dreitheiligkeit der Gemeinde-
gewalt: in letzter Instanz findet sie ihren Ausdruck in dem Antrag des
Magistrats y dem Beschluss der Bürgerschaft und der Bestätigung des
Senats.
säwindlSn Allem Anschein nach liegt dieser BesUltigunp: die Prüfung des ge-
tme^itoi. fässten Beschlusses nicht nach seiner Zweckmässigkeit, sondern nach
seiner Rechts^ültigkeit zu Grunde. Die Institution ist hervorgegangen
aus der ehrfürchtigen Scheu vor der Verletzung göttlicher wie irdischer
Rechte. Nicht ob es verständig war dem Cornelier den Fabier zum
Sohn zu gehen oder den Praenestinem den Krieg zu erklären hatten
die alten Senatoren zu entscheiden, sondern nur, ob ein solcher Ge-
schlechtswechsel mit dem heiligen Herkommen sich vertrug und ob die
Bundesstadt rechten Grund zur Kriegführung gegeben hatte. Diese in
der Institution selbst gegebenen Schranken haben wahrscheinlich auch
bewirkt, dass in der uns bekannten republikanischen Zeit die In-
stitution wohl noch aufrecht steht, aber nicht mehr wirksam in die
politischen Verhältnisse eingreift. Dass seit der Mitte des 5. Jahrh.
die Bestätigung dem Comitialact nicht nachfolgte, wie es bis dahin
geschehen war, sondern voraufging, war mit dem Wesen der Institution
nicht unvereinbar; die Zulässigkeit eines beabsichtigten Gesetzes oder
einer angemeldeten Wahl konnte auch vorher beanstandet werden
und es mochte sogar zweckmässig erscheinen, die Bürgerschaft nicht
nach gefasstem Beschluss zu rectificiren, sondern an der Fassung
desselben zu verhindern. Aber offenbar ruht die Institution auf dem
ursprünglichen Glauben an die unabänderliche Geltung der römischen
Ordnungen und der frommen Scheu vor den Folgen der unrecht-
fertigen Verletzung derselben. Je mehr diese Grundlage schwand»
desto weniger wurde die politische Vormundschaft wie von dem Senat
in den rechten Grenzen geleistet, so von den Comitien in ihrem immer
steigenden Machtgefühl ertragen; wenn, wie wahrscheinlich, der Senat
berechtigt und verpflichtet war wegen eines Auspicationsfehlers den
betreflfenden Comitialact zu cassiren, so ^ab dieser Satz, nach politischem
Ermessen gehandhabt, allerdings die gesamnite Action der patricisch-
plebejischen Bürgerschaft in die keiner Controle unterliegende Gewalt
der patricischen Senatoren. Sei es durch Gesetz, sei es durch Ge-
wohnheit, das Bestätigungsrecht des patricischen Senats ist in histo-
rischer Zeit wohl noch formell geübt worden, aber tbatsächlich annullirt,
der dritte Factor der Gemeindegewalt verschwunden.
dM^itraS Wie die Competenz des patricischen Senats auf der Mitwirkung
dl^a^. bei dem vom Volk bestätigten, so ruht die des patricisch-plebejischen
4. Competenz des Senats. 327
auf der Mitwirkung bei dem dieser Bestätigung nicht unterliegenden ■*DeffSf°
magistratischen Decret. Wie in beiden Fällen die geschäftliche Form die-
selbe ist, so mag auch die letztere Thätigkeit ebenso alt sein wie die
erstere und demnach schon dem patricischen Senat zugestanden haben.
Personal scheiden sie sich mit dem Eintritt der Plebejer in den Senat,
indem diese bei der Bestätigung des Volksschlusses nicht mitwirken,
wohl aber, wenn auch anfänglich nur in untergeordneter Weise, bei
der Fassung des einfachen magistratischen Decrets, worin allerdings
auch sich deutlich zeigt, dass die letztere Thätigkeit ursprünglich se-
cundär und verfassungsmässig nicht streng nothwendig gewesen ist.
Aber keineswegs wirkt der Senat mit bei dem magistratischen deY^ut!
Decret überhaupt. Im Gegentbeil ist diese Mitwirkung bei der ordent- ^Jt^rlting
liehen Handhabung der Beamtenge walt verfassungsmässig ausgeschlossen, a^ntnohen
Das magistratische Imperium hat in der ihm angewiesenen Spliäre sich ^^^^^^v-
selbständig zu bewegen ; die Rechtspflege, die Heerführung, die Wahl
der ständigen Beamten, überhaupt alle Handlungen, welche der Magi-
strat pilichtmäsBig nicht unterlassen kann, dürfen nicht in das Er-
messen des Senats gestellt werden. Es steht dem Beamten frei be-
liebige Rathmfinner (consütum) zuzuziehen, nicht aber die die Gemeinde-
gewalt neben Magistrat und Comitien vertretende Körperschaft.
Somit bleiben für die Mitwirkung des Senats hei dem magistratischen
Decret diejenigen Acte, welche mehr oder minder von dem Ermessen
des Beamten abhängen und die im Allgemeinen als ausserordentliche
Amtshandlungen bezeichnet werden können. Vielleicht ist auch hie-
für der Volksschluss insofern der Ausgangspunct gewesen, als die An-
tragsstellung ein derartiges magistratiFches Decret ist. Es lag zum
Beit^piel bei der Kriegserklärung dem Magistrat nahe, eben weil die
Bestätigung des Senats erforderlich war, sich vor der Antragstellung
bei der Gemeinde der Zustimmung des Senats zu versichern, und die
den Senat von dem Consilium scharf scheidenden Formen, die feste
Zahl der Mitglieder, die thatsächliche Lebenslänglichkeit der Mitglied-
schaft, die ein für allemal normirte Geschäftsordnung, wie sie für die
Bestätigung geordnet waren, übertragen sich damit von selbst auch
auf die Befragung.
Indess ist die Befragung des Senats bei der ausserordentlichen ^\^^
magistratischen Amtshandlung nicht', wie der bestfttigende Act, ver- *•• ^•'***'
fassungsmässig nothwendig. Der Magistrat hat nach der ursprüng-
lichen Auffassung in solchem Fall wohl das Recht, aber nicht die
Pflicht, ehe er seinen Beschluss fasst, den Senat zu fragen; sein Be-
schluss gewinnt an Autorität, wenn die zur Wahrerin der Rechts-
ordnungen bestellte Körperschaft sich einverstanden erklärt hat, aber
328 Fanftes Bach. Die Cbmitien und der Senat.
von Rechtswegen kann d^ Beamte auch ohne Rathschlag des Senats,
und sogar gegen denselben beschliessen. Inf^ofern ist der Senat in
dieser seiner berathenden Thätigkeit nur thaU^chlich, nicht rechtlich
mehr als die vom Beamten zugezogenen Berather, wie er denn auch
nicht technisch, aber enuntiativ nicht selten als öcnsüium publicum be-
zeichnet wird. Dieses Berathungsrecht ist es, auf dem das spätere
gälten. Senatsregiment und die Weltstellung Roms beruhen. Der Beschluss
des patricisch-plebeijschen Senats ist ein yon dem höchsten Re-
gierungscollegium dem Executivbeamten auf dessen Verlangen
ertheiltes Gutachten; und die Entwickelung der Institution läuft
wesentlich darauf hinaus, dass die facultative Einholung und die
facultative Befolgung dieses Gutachtens im Laufe der Zeit mehr oder
minder obligatorisch werden. Dass der Act eine Vereinbarung des
Senats mit dem Magistrat in sich schliesst, tritt deutlich hervor in
der Bezeichnung desselben in der ältesten uns erhaltenen derartigen
Urkunde als consulis smatusque senteniia, wogegen allerdings in den
später ablieben Bezeichnungen die magistratische Mitwirkung zurücktritt
und im ecnsuUum wie in der sententia nur die Antwort auf die magi-
stratische Frage oder die geäusserte Meinung hervorgehoben werden.
Deutlicher noch tritt der ursprünglich facultative Charakter dieser
Gutachten darin zu Tage, dass der Senat niemals dem Beamten gegen-
über mehr in Anspruch nimmt als die audoräm, was im Gebrauch
ungefähr unserer „Empfehlung*' entspricht, und niemals ihm befiehlt,
wie dies der Volksschluss thut, sondern in Wendungen, die das magi-
stratische Belieben ausdrücklich wahren, ihn lediglich „ersucht. Aber
nicht bloss in der Form, sondern auch der Sache nach hält der Senat
hiebei eine wesentliche Schranke ein. Er richtet an den Beamten nur
sachliche Vorschlage, niemals personale. Er kann den Consuln ansinnen
durch Ernennung eines Dictators sich thatsächlich zu suspendiren, aber
ihnen nicht den geeigneten Mann bezeichnen. Er kann die Creirung ausser-*
ordentlicher Beamten dem Vorsitzenden und in Verbindung mit ihm den
Comitien vorschlagen, aber nur in politisch indifTerenten Dingen oder
in der Epoche der republikanischen Agonie werden die zu creirenden
Beamten in dem Gesetzvorschlag selbst mit Namen genannt. Er gut-
achtet über die Absendung und die Instruction der Gesandtschaften
und bestimmt die Gesandtenzahl, aber die Auswahl überlässt er dem
Magistrat. Et gutachtet über die Festsetzung der Geschäftskreise gleich-
berechtigter GoUegen; aber die Vertheilung derselben unter die ein-
zelnen Personen erfolgt durch Vereinbarung oder durch das Loos.
Indirect hat der Senat oft genug in Personalfragen eingegriffen;
aber in dem wichtigsten Fall, der Prorogation des militärischen
4. Gompetenz des Senats. 329
'Commändos geht formell der Senatsbeschluss nur auf Widerrathen
der Ablösung und ruht die Verlängerung des Amtes rechtlich
auf dem Gesetz. Direct personale Vorschläge macht er nicht
und fungirt in republikanischer Zeit niemals als Wahlkörperschaft.
Diese politisch ungemein wirksame Schranke der senatorischen Gom-
petenz ist zwar nur durch Herkommen gezogen, aber strenger ein-
gehalten worden, als dies bei gesetzlichen Competenzgrenzen der Fall
zu sein pflegt.
Die Unbestimmtheit der Grenzen zwischen dem magistratischen ^'des
Imperium und der Autorität des Senats, die sowohl hinsichtlich der ''^ad'^^^
Nothwendigkeit der Einholung wie hinsichtlich derjenigen der Nach-
achtung durch die ganze lange republikanische Zeit fortdauernde Ab-
hängigkeit dieser Abgrenzung von den jedesmaligen politischen und
personalen Verhältnissen gehört zum eigensten Wesen der von formaler
Normirung wenig beeinflussten und völlig von der Macht der Präce-
dentien beherrschten Institution. So weit es hienach möglich ist, ver-
sucht die folgende Darlegung die factische Gompetenz des Senats der
späteren Republik gegenüber der Magistratur in ihrer EntwickeTung
und in ihren Schwankungen einigermassen zur Anschauung zu
bringen, das heisst die allgemeine Regel, dass der zur Berufung
des Senats befugte Magistrat jede von seinem Ermessen abhängende
Frage vor der Beschlussfassung zur Begutachtung des Senats stellen
kann oder stellen muss, für die verschiedenen Kreise der oberamt-
lichen Thätigkeit zu specialisiren und zu exemplificiren. Es wird dabei
vorzugsweise diejenige Epoche ins Auge gefasst, in der, unter gegen-
seitiger Observanz der Rechtssphäre , der Senat mit und durch die
Magistratur den Staat regiert hat; die Uebergriffe der republikanischen
Agonie, in welcher im Gegensatz zu der sich von der Senatsleitung
^mancipirenden Magistratur die Oligarchie das formale Regimentsich vin-
4icirte, werden, so weit sie überhaupt in dieser Darstellung berück-
sichtigt werden können, zweckmässiger dem folgenden Abschnitt vor-
behalten, welcher das aus diesem Gonflict hervorgegangene Gompro-
missregiment behandelt.
1. In sacralen Angelegenheiten reicht die freie magistratische ^""^''"•°'
Festsetzung nur so weit, als es sich entweder um blosse Ausführung
feststehender Normen handelt, wie bei der Ansetzung der Wandelfeste,
oder die Nothlage sie rechtfertigt, wie bei dem während der Schlacht
geleisteten Feldherrngelübde. Dagegen pflegt der Senat gefragt zu
werden bei Einrichtung neuer Gultstätten oder Aufnahme neuer Götter
in den öffentlichen Cult; bei der Bezeichnung gewisser Tage als unheil-
bringend und ungeeignet für religiöse Veitichtungen; bei der Wieder-
GeseU.
330 Fünftes Buch. Die Comitien und der Senat.
holung eines religiösen Acts wegen vorgekommenen Versehens; bei
der Anordnung ausserordentlicher Festlichkeiten, wobei indess die
Festsetzung des Tages dem Magistrat verbleibt; bei der SQhnung der
zur Anzeige gelangenden Zeichen und Wunder; hei der Befragung
der siliyllinischen Bücher oder der etruski^chen Opferpriester; endlich
bei der Uebernahme magistratischer Geltibde und der Vornahme von
Weihungen, namentlich wenn sie die Gemeindekasse belasten oder das
Gemeindeverraögen verringern. Die Priesterschaften fungieren bei diesen
Geschäften gewissermassen als ständige Commissionen des Senats. Da
die Comitien bei sacralen Angelegenheiten nicht leicht befragt werden
(S. 321), so ist der von dem Magistrat und dem Senat in einer
sacralen Angelegenheit gefasste Beschluss in der Regel definitiv.
2. Die Vorberathung im Senat des von dem Magistrat an di^
Comitien zu bringenden Gesetzes in dem frQher (S. 319) bezeichnetei^
umfassenden römischen Sinne ist von jeher üblich und, wie schon
bemerkt ward (S. 327), vielleicht der AuFgangspunct der senatorischen
Begutachtung gewesen. Die überhaupt nothwendige und namentlich
bei der von Jahr zu Jahr wechselnden legislatorischen Initiative unent>-
behrliche Discussion der Gesetzentwürfe, welche durch dieVerkümmerung
der Vorerörterung und die Unzulässigkeit jedes Abänderungsvorschlags
aus dem Comitialverfahren so gut wie ausgeschlossen war, konnte nur
in dem Senat ihre Stelle finden, und wenn dies schon für die älteste
Zeit gilt, so hat die Noth wendigkeit dieser allgemeinen und stetigen«
Vorberathung sich weiter gesteigert durch die maasslose Vermehrung der
mit legislatorischer Initiative ausgestatteten Oberbeamten und die ent-
sprechende Ausdehnung des Intercessionsrechts. Daher ist denn die
factische Initiative des Senats auch auf die Beschlüsse der Plebs inso-
weit erstreckt worden, als diese der Sache nach unter die Gesetze
eintraten. Gesetzlich notwendig ist allerdings die Vorberathung im
Senat und dessen Zustimmung für das Comitialgesetz ni« mals gewesen
und für das Plebiscit nur theils in der Epoche vor dem hortensischen
Gesetz, während welcher die Verbindlichkeit desselben für die Ge-
meinde an die vorgängige Einwilligung des Senats geknüpft war
(S. 51), theils wieder während des kurzen Bestehens der suUa-
nischen diese Ordnung erneuernxlen Verfassung. Für die praktische
Politik der Republik ist es die Richtschnur, dass jeder vom Senat
widerrathene oder nicht in ihm vorberathene Gesetzentwurf vereitelt
W(rden muss, wozu namentlich die tribunicische Intercession die
Handhabe bot, und dass jeder gegen oder ohne den Willen des
Senats durchgebrachte Beschluss der Comitien der Gemeinde oder des
Coucilium der Plebs eine Auflehnung g( gen die Staatsregierang in
4. Competenz des Senats. 331
sich Bchliessty welche je nach der Parteistellung als unberechtigt oder
berechtigt betrachtet werden mochte.
3. Wenn die Wahl der ständigen Beamten der Vorberathung im ^*"*"'
Senat nicht unterstellt werden kann, so gilt das Gegentheil nicht bloss
von der ausserordentlichen Beamtencreirung, die in den Kreis der Ge-
setzgebung fällt (S. 186), sondern es ist auch in Betreff der Creirung
der ordentlichen nicht ständigen, der Dictatoren und der Censoren, da
diese allerdings von der Willkür des beikommenden Magistrats abhängt,
der Senat häufig, vielleicht späterhin regelmässig befragt worden. Die
Modalitäten auch der ordentlichen Wahlen, zum Beispiel die Ansetzung
des Wahltags, können wie jeder von dem Belieben des Magistrats ab-
hängige administrative Act im Senat zur Sprache kommen.
4. Bei der Ausbildung des Zwangs- und Strafrechts fällt der Per- ^*K[?^**
duellionsprozess kraft des dafür erforderlichen legislatorischen Voracts
(S. 224) in die Competenz des Senats. Dagegen hat er in das
quästorische Verfahren gar nicht eingreifen können, da die Quästoren
nicht in der Lage sind den Senat zu befragen und dasselbe gilt von
dem ädilici^chen Multverfahren und insofern auch von dem tribunici-
scben Strafprozess, als dieser älter ist als das Recht der Tribüne den
Senat zu berufen. Dagegen haben die Oberbeamten bei der ihnen ob-
liegenden allgemeinen Fürsorge für die öffentliche Ruhe und gute
Ordnung in wichtigeren Fällen namentlich der Sicherheits- und
der Religionspolizei ungemein häufig die Autorität des Senats zu
Hülfe genommen. Der Schrankenlosigkeit dieser magistratischen Com-
petenz entspricht in diesem Kreise das Fehlen jeder auch nur that-
sächlichen Abgrenzung zwischen der freien und der gebundenen magi-
stratischen Action; doch lässt sich erkennen, dass der Senat regel-
mäßig gefragt ward, wo der Magistrat aus Gründen des öffentlichen
Wohls von der Rechtsordnung abwich. So haben sich die Magistrate
durch ihn autorisiren lassen von der Vollstreckung eines rechtskräf-
tigen Todesurtheils abzusehen und dasselbe dadurch in lebenslängliche
Haft umzuwandeln; ferner dem Verbrecher aus besonderen Gründen
Straflosigkeit und freies Geleit zuzusichern. Wo die öffentliche Ord-
nung gefährdet erscheint, also insonderheit bei Banden- und bei poli-
tischen Verbrechen wird die consularische Repression regelmässig ge-
stützt durch den Senat; einen authentischen Beleg gewährt der uns
erhaltene Senatsschluss v. J. 568 (180 v. Chr.) gegen das gemein-
gefährliche an den Bacchuscult anknüpfende Sectirerwesen , welcher
zugleich zeigt, dass diese consularisch-senatorische Polizei sich über ganz
Italien erstreckte und auch die formell freien buudesgenössischen Ge-
meinden ihr unterlagen, wogegen in den Provinzen die Statthalter mit
332 Fünftes Buch. Die Comitien und der Senat
grösserer SelbstAndigkeit schalteten als die Consuln im HaupUand.
Angewendet auf die Parteipolitik erscheint diese senatorische Ober-
aufsicht- in dem Gebrauch eine geschehene oder beabsichtigte Hand-
lung durch Senatsbeschluss als ngemeinschadlich* (contra rempublieam)
zu bezeichnen, das heisst die sämmtlicben mit Zwangs- und Strafrecht
ausgestatteten Magistrate zur Anwendung desselben auf den fraglichen
Fall aufzufordern, was allerdings, nachdem dies Strafrecht durch Sulla
obsolet geworden war, in ein blosses politisches Tadelsvotum sich
umsetzte.
BAchtupflege. 5, gelu GoMet der magistratischen Thfttigkeit hat der senatorischen
Controle so wenig unterlegen wie die Rechtspflege. Allerdings hing
die in ausserordentlichen Fällen eintretende Si^tirung der Rechtspflege
(iustiiium) herkömmlich vom Senat ab und so lange er über die prä-
torischen Competenzen freie Verfügung behielt (S. 167), konnte er
von den beiden für die hauptsächliche Rechtspflege bestimmten Prfttoren
den einen anderweitig verwenden ; aber nicht bloss in die Handhabung
der Jurisdiction hat er nicht eingegriffen, was nur in der Ordnung ist,
sondern auch wo man sein Mitwirken erwarten sollte, bei der gene-
rellen Formierung der prätorischen Amtsthätigkeit, den ständigen
Edicten finden wir nicht, dass die Prätoren ihre häufig der Sache nach
legislatorischen Anordnungen auf den Senat gestützt haben.
AufsteUuiiff 6 In militärischer Hinsicht macht sich der Einfluss des Senats nach
Truppen, j^^j Richtungen hin geltend : bei der Einberufung der Dienstpflichtigen;
bei der Instruction der Commandotr A ger und bei der Kriegführung
selbst. — Die Einberufung der Dienstpflichtigen ist, da die Ordnungen
der Republik, abgesehen von der Reiterei, die Ständigkeit des Dienstes
nicht kennen, als formell ausserordentliche Massregel, wo sie nicht
durch den Nothfall erfordert wird, wohl von jeher von Rechtswegen
durch den Senat gegangen. Auch hinsichtlich der Qualification der
Soldaten wie der Offiziere ist der Senat compet'^nt und hat unter
Umständen die Einstellung nicht gedienter Mannschaften untersagt
und die Ernennung der Offiziere durch die Comitien zu Gunsten
der Feldherren eingeschränkt. Der Sache nach indess gehört in der
uns historisch bekannten Epoche die jährliche Einberufung der Dienst-
pflichtigen in der Höhe von etwa 10000 Bürgern für jeden der Consuln
nebst der entsprechenden der ungefähr gleich starken Bundescontingente
(S. 261) zu der ordentlichen Amtsfiinction; wahrscheinlich ist in der das
Amt'^jahr eröffnenden generellen Vereinbarung hinsichtlich der Jahres-
geschäfte die Bewilligung dieser Einberufungen mit begriffen gewesen
und wird vom Senat beschlossen worden sein, konnte aber schwerlich
. von ihm abgelehnt werden. Aber die^e Truppeuzahl hat schon in der
4. Competenz des Senats. 333
mittleren Republik dem Bedürfniss regelmässig nicht genügt und
wegen Ueberschreituug dieses Minimalsatzes, sei es durch stärkere
Einberufung, sei es durch Nicht entlassung der froher einberufenen
Mannschaften ist Jahr fQr Jahr im Senat verhandelt worden. Diese
senatorischen Festsetzungen der gewaltigen Republik haben lange
Jahre hindurch, indem sie die militärische BedUrfnissfrage und damit
Zahl und Vertheilung der Truppenmacht regeln, sowohl nach aussen
hin der grossen Politik Regel und Richtschnur gegeben wie in der
inneren Politik die Abhängigkeit der Magistratur von dem Senat zum
Ausdruck gebracht, wobei allerdings auch die weiterhin zu erörternde
finanzielle Competenz desselben wesentlich mitgewirkt hat.
Aber nachdem in den grossen Kriegen des sechsten Jahrhunderts
d. St. wesentlich durch das einträchtige Zusammenwirken der Magi-
stratur und des Senats der Sieg sich für die Römer entschieden
und ihre Weltherrschaft sich festgestellt hatte, kam die Abhängig-
keit des Provinzialregiments in der Truppenzalil von dem Senat ins
Schwanken. Es beruht dies in erster Reihe darauf, dass die jähr-
liche Auflösung und die jährliche Neubildung des BQrgeraufgebots
wohl als Regel im itali8chen, nicht aber im Provinzialregiment sich
durchführen Hess und sehr bald, namentlich in den beiden spanischen
Provinzen, der Sache nach ersetzt werden musste durch die regel-
mässige Erstreckung des Dienstes der Truppenkörper auf mehrere
Jahre unter Nachsendung von Ergänzungsmannschaften, wodurch
der Statthalter, zumal da auch seine Amtführung in gleicher Weise
regelmässig und zum Theil gesetzlich verlängert ward, von der
Gentralstelle bei weitem unabhängiger wurde als der Consul in seinem
italischen Commando es gewesen war. Es kam hinzu, dass bei der
Steigerung einerseits der Zahl der in den Provinzen wohnhaften
römischen Bürger, andrerseits der Verwendung der Reichsunterthanen
zu militärischen Zwecken die früher auch f actisch auf Italien be-
schränkte Aufstellung von Truppen mehr und mehr in den Provinzen
ebenfalls möglich ward und dass die finanzielle Abhängigkeit des Feld-
herrn von der Centralstelle, seitdem die römischen Staatseinnahmen
hauptsächlich aus den Provinzen kamen, nicht minder für deren
Vorsteher sich lockerte. Au dieser trotz aller Palliative aus dem
Provinzialregiment mit Nothwendigkeit sich entwickelnden militärisch-
finanziellen Emancipation der Statthalter ist das Senatsregiment zu
Grunde gegangen.
Wenn dem Wesen der römischen Magistratur nichts schärfer wider- imtmetioii
strebt als die Beschränkung hinsichtlich der ordentlichen Amt*<geschäfte Kri4-
durcb Instructionen des Senats und wenn wie der Prozess so auch
334 Fünftes Buch. Die Comitien und der Senat.
die EriegftthruDgy wo sie überhaupt zulässig sind, beide im Kreise
der ordentlichen Amtführung liegen, so hat nichts desto weniger der
Senat, ohne dieses oberste Princip geradezu zu verletzen, dennoch früh
im Wege der Feststellung der Commandobezirke den Feldherren die
allgemeine Instruction ertheilt. Es ist kein Raum für dieselbe gegen-
über dem einheitlichen Königscommando, und auch die Einführung der
Zweiherrschaft kann daran nicht viel geändert haben, so lange das
Bürgeraufgebot der Regel nach einheitlich blieb und die militärisch
unentbehrliche Einheit des Oberbefehls entweder durch Vereinbarung
der beiden Consuln oder durch Turnus herbeigeführt ward (S. 121).
Aber da die Vereinbarung thatsächlich die Zurücksetzung des einen
Collegen in sich schloss und der Turnus wie formell befriedigend, so
praktisch widersinnig war, stellte wohl schon vor der eigentlich histo-
rischen Zeit die Gewohnheit sich fest, dass für das jährliche Bürger-
aufgebot sowohl die Mannschaften wie das Operationsgebiet zwischen
den Consuln getheilt wurden, wobei nicht zu übersehen ist, dass die
Aufgebote Jahr aus Jahr ein wohl nur ausnahmsweise durch wirk-
lichen Kriegsfall bedingt, in der Regel als Felddienstübung angeordnet
worden sind. Von Rechtswegen hing die Bildung eines doppelten
Heeres so wie die getheilter Operationsgebiete im italischen Commando
und ebenso die Zutheilung beider an den einen oder den andern
Consul von der Vereinbarung der Collegen ab; aber sehr früh muss
es Regel geworden sein, dass dieselben bei ihrem Amtsantritt das
Gutachten des Senats hinsichtlich der für das beginnende Jahr zweck-
mässigen Operationsgebiete einforderten, wobei dann bei der Er-
streckung des römischen Machtgebiets über Italien hinaus selbstver-
ständlich die Frage mit einbegriffen war, ob ein consularisches Com-
mando ausserhalb Italiens erforderlich erscheine. Diese senatorischen
Gutachten über die beiden consulari sehen Commandos des laufenden
Jahres, welche auf die personale Theilung der consularischen Compe-
tenzen sich niemals erstreckten, aber die grosse militärisch-politische
Directive einschlössen, haben in geschichtlicher Zeit für die Magi-
stratur thatsächlich bindende Kraft; formell ist ihnen dieselbe durch
das Gesetz des C. Gracchus vom J. 631 (123 v. Chr.) beigelegt
worden, worin aber neben der rechtlichen Steigerung insofern eine
wesentliche Beschränkung der Befugniss des Senats lag, als dieser
angewiesen ward die Festsetzung vor der Wahl der betreffenden
Consuln vorzunehmen, also die bis dahin rechtlich ausgeschlossene,
factisch regelmässige Rücksichtnahme auf die Personen bei der Fest-
setzung der Competenzen wesentlich erschwert wurde. Aufgehoben
wurde die senatorische Direction des militärischen Regiments mit dem
4. Competenz des Senats. 335
consularisch-italischen Commando selbst durch Sulla, wobei dem Senat
freilich das Recht blieb bei eigentlicher Kriegsgefahr einem mit
Imperium ausgestatteten Beamten das Commando zu übertragen. —
Auf die ausseritalischen prätorischen Commandos, welche, wie wir
sahen (S. 286), zunächst der Civil Verwaltung angehören und nur
nebenbei als Commandobezirke gelten, hat der Senat von Rechts-
wegen keinen Einfluss. Sie sind gesetzlich ein für allemal fixirt und
ihre Statthalter werden durch die Comitien mit Zuhülfenahme des
Looses bestellt; bleibt es bei der Regel, so wird für sie ein sena-
torisches Gutachten nicht erfordert. Aber in dem Jahrhundert, in
welchem diese überseeischen Verwaltungsbezirke aufkamen, ist die
Ausnahme fast häufiger als die Regel und jede Abweichung von dieser
erfordert die Mitwirkung des Senats. Zunächst hat der Senat die Be-
fugniss gehabt oder doch ausgeübt unter die prätorischen Competenzen
neben den gesetzlichen noch ausserordentliche, zum Beispiel das Flotten-
Kommando aufzunehmen, wodurch dann für die gesetzlich geordneten
die Beamten fehlten; und als jene Befugniss dem Senat entzogen
ward, wurde durch die mit der Vermehrung der Provinzen nicht
Schritt haltende Vermehrung der Zahl der Piätoren bei der Besetzung
^er Statthalterschaften ein ständiges Deficit herbeigeführt, dessen
Ausfüllung unter Beiseitelassung der Comitien der Senat bewirkte.
Allerdings kann derselbe die ausseritalischen Commandos nur ent-
weder im Wege der Verlängerung des bestehenden oder allenfalls
durch Besetzung mit einem nicht zum Imperium berufenen niederen
Beamten, nicht aber an Private vergeben; nichts desto weniger liegt
hierin ein dauernder und wesentlicher, der Sache nach regelmässig
personaler Eingriff in die verfassungsmässig den Comitien vorbehaltene
Beamten-Creirung. Sulla hat, indem er die Zahl der Provinzen und
die der Prätoren ins Gleichgewicht setzte uud das zweite Amtsjahr
gesetzlich feststellte, der senatorischen Willkür durch strengere Ord-
nung Schranken gesetzt, wobei der Senat zum Ersatz der ihm ent-
zogenen Feststellung der consularischen Competenzen das Recht erhielt
aus sämmtlichen Provinzen zwei vorzugsweise wichtige den Consuln
eines jeden Amtjahrs vor deren Wahl zu ül)erweisen; um die übrigen
loosten alsdann die Prätoren des gleichen Jahres. Unter dem Principat
ist dem Senat auch diese Befugniss entzogen und sind die Provinzen
sämmtlich fixirt, so dass die Consulare um Asia und Africa, die
Prätoren um die übrigen das Loos ziehen.
Das eigentliche Feldherrnrecht, die Handhabung der militärischen nie senmt«.
Disciplin, die Führung der Operationen, die Verhandlung und das nen bm den
Uebereinkommen mit dem Feinde unterliegt dem Eingreifen des Senats
336 Fanftes Buch. Die Comitien und der SenAt.
weniger als die Heerbildung und die militärische Directive, indess macht
sein Einfluss namentlich in späterer Zeit auch in der Kriegführung
selbst sich geltend. In die Soldatenbelohnungen, sei es mit Ehren oder
mit Geschenken, hat der Senat schwerlich jemals eingegriffen; wenn es
bei den Strafen zuweilen geschehen ist, so ist dies wohl häufig im
Interesse, nicht selten vielleicht auf Veranlassung der Feldherm selbst
geschehen. Auch die Belohnungen des Feldherm selbst, der Imperator-
titel und der Triumph liegen nach älterem Brauch jener bei der sieg-
reichen Armee, dieser bei dem Feldherrn selbst; späterhin indess ist
jener auch vom Senat decretirt worden (S 265) und hat dieser wenig-
stens thatsächlich von ihm abgehangen (S. 264). Bei weitem wichtiger
ist der Einfluss, den der Senat auf den Gang der KriegfQhrung und
vor allem auf die den Krieg abschliessenden YertrSge durch die von
ihm zum Heere abgeordneten Commissarien (legaii) ausgeübt hat*
Botschaften hat die Centralregierung selbstverständlich von jeher an
ihre Feldherrn senden können und gesendet; in der späteren Republik
aber, wir wissen nicht seit wann, besteht der Gebrauch, dem Senat
entnommene Vertrauensmänner den verschiedenen Commandoführern
mit factischer Ständigkeit beizugeben, welche zwar officiell weder
civile noch militärische Gompetenz haben, aber dem Herkommen nach
während des Feldzugs an jedem Kriegsrath theilnehmen und häufig
als Unterbefehlshaber und Offiziere verwendet werden, auch bei der
Verwaltung in ähnlicher Weise sich betheiligen, und die nachher bei
allen die militärische oder administrative Amtführung des Statthalters
betreffenden Senatsverhandlungen mitzureden im Stande sind. Diese
Einrichtung, späterhin, als die Ernennung dieser Gehülfen vom Senat
an den Feldherm kam, einer der wirksamsten Hebel bei der Herbei-
führung des monarchischen Regiments (S. 204), ist für die Controle
der Statthalter von dem Senat geschaffen und gebraucht worden. In
weiterer Steigerung tritt diese Senatscontrole auf bei dem Abschluss
der Friedensverträge, welche durch Zuordnung derartiger Gommissionen
der Senat den Feldherrn aus der Hand genommen hat; es wird
darauf bei der Behandlung der auswärtigen Angelegenheiten zurück-
zukommen sein,
eemeind»- 7. Nach kein^ Seite hin ist das Oberamt so früh und so um-
flnanzen. » „ *
fassend an die Zustimmung des Senats gebunden worden wie hin-
sichtlich der Verfügung über das Gemeindevermögen und vor allem
über die Gemeindekasse. Es beruht dies zunächst darauf, dass diese
Verfügungen durchgängig ausserordentlicher Art sind. Was von den
ordentlichen Ausgaben der Gemeinde irgend durch Abgabe von «Ge-
meindegut oder von Steuererhebungen gedeckt werden kann, wird aus
4. Gompetenz des Senats. 337
(lern Gemeindehaushalt entfernt; zum Beispiel werden die Kosten des
Gottesdienstes durch die pontificale Prozesssteuer (S. 93) oder durch
Fundirung der Priesterthttmer mit Grundbesitz aufgebracht, der Reiter-
sold auf die Wittwen und Waisen gelegt. So lange das öffentliche
Bauwesen hauptsächlich durch Frohnden beschafft und dem Soldaten
der Sold nicht aus der Gemeindekasse gezahlt ward, müssen die
ordentlichen Ausgaben der Gemeindekasse verschwindend gering und
die Thesaurirung der Einnahmen die Regel gewesen sein. Regel-
mässig also war die Zahlung aus dem Gemeindeschatz, insonderheit
die theilweise Ausschüttung der Gemeindegelder für Bauzwecke, eine
ausserordentliche Finanzmassregel und fiel somit in die Gompetenz
des Senats. Dasselbe gilt für den Fall, dass die Gemeindekasse mit
ihren Mitteln nicht ausreicht, was, nachdem das Aerarium die Sold-
zahlung für die zu Fuss dienenden Bürger auf sich genommen hatte,
häufig genug eintrat ; die Contribution der Bürgerschaft, auf die als-
dann recurrirt wird, war immer eine ausserordentliche Aushülfe und
ist sicher von den Magistraten nicht leicht umgelegt worden ohne
vorherige Berathung mit dem Senat. Bei den späteren militärischen
Bewilligungen mag allerdings für die Summen, welche das regelmässige
Bürgeraufgebot erforderte, der Zahlungsbefehl mit bloss formeller Mit-
wirkung des Senats oder auch von den Consuln allein ertheilt worden
sein. Aber hinsichtlich der Militärkosten über diesen Bedarf hinaus
hat der Senat wohl von jeher um sein Gutachten befragt werden müssen.
Wenn also auch die Erhebung von Geldern aus der Staatskasse con-
sularisches Recht war und blieb, so hat dieses bei Zahlungen von Be-
lang nicht leicht anders ausgeübt werden können als nach eingeholter
Zustimmung des Senats, und ist dieser durchaus die eigentliche Stelle für
die Geldbewilligung. Indess hat der Senat diese Befugniss mit weiser
Selbstbeschränkung gehandhabt und die Zweckbestimmung der von
ihm bewilligten Summen in grosser Weite festgesetzt, insbesondere
bei Bau- und Kriegsgeldern die specielle Verwendung den betreffenden
Beamten anheimstellend. Von der Bedeutung und dem Alter dieser
Gompetenz zeugen die dadurch bewirkten Creirungen der Quästur und
der Gensur. Dass die Quästoren nicht allein, aber wesentlich mit dazu
geschaffen worden sind, um den Umfang und die Modalitäten der con-
sularischen Gelderhebung officiell zu constatiren und das consularische
Yerfügungsrecht über die Gemeindekasse ohne Aenderung desselben
unter Gontrole zu nehmen, ist früher (S. 274) ausgeführt worden;
ebenso dass das ursprüngliche Verfügungsrecht der Gonsuln über die
Gemeindegelder zu Bauzwecken, indem es auf die Gensoren übertragen
ward, vielmehr an den Senat kam, da die Gensoren nicht, wie die
Binding, Handbneh. 1.8: Mommsen, Abriss d. Römiaehen Staatsrechts. 2.Aiifl. 22
338 Fünftes Buch. Die Gomitien und der Senat.
Gonsuln, von sich aus Gelder erheben, nicht einmal, da sie das Recht
mit dem Senat zu verhandeln nicht erhielten, bei dem Senat einen
derartigen Antrag selber stellen konnten.
ö««ndton- 8. Die ausländischen und internationalen Verhandlungen und
Festsetzungen sind, so wenig der nur in der Stadt fungirende und
vielköpfige Senat dazu geeignet erscheint, dennoch in der Zeit der
Republik in demselben concentrirt worden, wobei unter dem Ausland
nicht bloss die reichsfremden, sondern auch die durch formalen
Bündnissvertrag von Rom abhängigen Staaten, ja selbst die nur zu
factischer Autonomie zugelassenen Unterthanengemeinden mit zu ver-
stehen sind. Es gilt dies von dem Gesandtschaftsverkehr wie von den
Staatsverträgen. Den Gesandtschaftsverkehr finden wir, so weit dies
irgend mit dem Commando vereinbar ist, ausschliesslich verknüpft mit
dem Vorsitz im Senat Botschaft an einen andern Staat kann, von rein
militärischen Abmachungen abgesehen, der Feldherr nicht entsenden,
noch weniger aber von sich aus der städtische Magistrat, sondern sie
wird vom Senat beschlossen und die Instruction im Senat festgestellt,
während der Vorsitzende die Personen bezeichnet. Regelmässig erhalten
die Boten nur den Auftrag die Beschlüsse des Senats mitzutheilen und
die darauf ertheilte Antwort diesem zu berichten, enthalten sich also,
so weit dies möglich ist, der eigenen Action und lassen die letzte
Entscheidung dem Senat. Umgekehrt werden die Gesandten fremder
Staaten durchaus nach Rom gewiesen und verhandeln hier officiell
nicht anders als mit dem Vorsitzenden Magistrat und dem gesammten
Senat. Dieser unmittelbare Verkehr der Gentralregierung mit dem
abhängigen wie mit dem freien Ausland, bei dem die leitenden Kreise
des Senats über die Instruirung wie über die Bescheidung der Ge-
sandtschaften bestimmten, hat in den auswärtigen Beziehungen den
Einfluss der Magistratur früh überwogen und namentlich für diejenigen
Jahrhunderte, in welchen die römische Republik dem Ausland das
Gesetz gab, das Schwergewicht der Weltherrschaft und die Bürg-
Answirtig» schaft ihrer Stabilität in den Senat gelegt. — Schon hiedurch ist
^toS!^ es gegeben, dass definitive Verträge mit dem Ausland in der späteren
Republik thatsächlich der Senat abgeschlossen hat, obwohl dem Feld-
herm die militärischen Abmachungen mit dem Gegner selbstverständ-
lich nicht verschränkt wurden, auch der Senat nach ausgebrochenem
Krieg sich auf Verhandlungen mit dem Gegner nicht anders einliess
als mit Vorwissen und Zustimmung des gegen ihn im Felde stehenden
Magistrats. Allerdings griff einerseits das magistratische Recht der
Gemeindevertretung, andrerseits die souveräne Stellung der Gomitien
in diese Vertragsschliessung ein. Aber es ist bereits auseinandergesetzt
4. Competenz des Senats. 339
worden (S. 291), dass das Recht der Feldherren mit Vorwissen der
Gemeinde unbedingt und auch ohne solches Yorwissen auf ihre Gefahr
hin definitive Verträge abzuschliessen im Laufe der Zeit ausser Ge-
brauch kam und die Vertr&ge von ihnen entweder unter Vorbehalt der
Ratification des Senats eingegangen oder, was das Gewöhnliche war,
die Vertreter der andern Macht überhaupt nach Rom gewiesen wurden,
wo dann der Senat die Verhandlung an sich nahm. Der magistratische
Eidschwur, durch den internationale Verhältnisse stabilirt werden,
wird alsdann erst nach der senatorischen Feststellung derselben ge-
leistet Wo, wie dies bei den ausseritalischen Kriegen häufig der Fall
war, das Friedensgeschäft eine umfassende und örtliche Revision der
bestehenden Verhältnisse nothwendig machte, pflegte diese dem be-
treffenden Feldherrn in der Weise übertragen zu werden, dass ihm
dafür eine Senatscommission meistens von zehn Mitgliedern zugeordnet
wurde, an deren Zustimmung er gebunden war. — Dass die Comitien
nach den ursprünglichen Ordnungen bei dergleichen Verträgen nicht
mitwirken, aber bei dem Umsichgreifen ihrer nominellen Souveränetät
theils die Ratification ihnen ausdrücklich vorbehalten wird, theils,
wenigstens nach der Auffassung der demokratischen Partei, die Be-
stätigung der Staatsverträge durch den Senat nur vorbereitend ist
und dieselben erst durch die Bürgerschaft definitive Geltung erhalten,
ist ebenfalls bereits ausgeführt worden (S. 322). Thatsächlich ist ihr
Eingreifen mehr formaler Art, da es äussersten Falls hinauskommt
auf das Recht der Bürgerschaft einen vom Senat abgeschlossenen
Staatsvertrag abzulehnen, wovon praktisch kaum jemals Gebrauch
gemacht worden ist.
22
5. Die Dyarchie des Principats.
Es bleibt schliesslich zu entwickeln, wie die in republikanischer
Zeit den Comitien und dem Senat zukommenden Befugnisse durch
die augustische Ordnung und die daran sich anschliessende monarchische
Entwickelung umgestaltet worden sind.
steUnngdM Dass dor Principat seiner Competenz nach zunächst sich damit
begnügte die vielgespaltene magistratische Competenz der Republik
zum guten Theil in sich zu vereinigen, namentlich die bisher jedem
Statthalter zuständige Militärgewalt zu monopolisiren, ist in dem be-
treffenden Abschnitt (S. 198) ausgeführt worden.
Stellung des Dio Yorhorrschaft, welche der Senat thatsächlich immer mehr
und namentlich in dem letzten Stadium der Republik immer unver-
hüllter sich vindicirt hatte, wurde ihm unter dem Principat in der
Weise formell verliehen, dass er seine frühere Machtstellung gleich-
zeitig verlor. Auf der einen Seite wurde ihm das aus dem Recht
die magistratischen Anträge zu begutachten entwickelte Gemeinde-
regiment nicht gerade aberkannt, wie es auch formell ihm nicht über-
tragen worden war, aber aus der Hand genommen ; andererseits sind
neben der durch die neue Erblichkeit (S. 143) gesteigerten privilegirten
Stellung die formalen Souveränetätsrechte, die freie Strafgewalt, die
Wahlen der Beamten, die Gesetzgebung auf ihn übergegangen, freilich
nicht ohne dass in jedes derselben die kaiserliche Befugniss übergriff
und das principiell hierin ausgesprochene System den Senat zum
Träger der Gemeindesouveränetät zu machen im Ergebniss mehr oder
minder eludirte. Also wurde aus dem senatas poptüi Romani der
früheren Republik der senatus populusque Romanus der letzten republi-
kanischen und der Eaiserzeit und wenn jener mit seinen „Rathschlägen'
die Welt regiert hatte, fiel diesem die Rolle zu als Figurant der
Souveränetät das grosse römische Weltschauspiel zu epilogiren.
i
5. Die Dyarchie des Principats. 341
Das Recht der oberen Magistrate in jedem ausserordentlichen Da« Senats-
^tachten
Fall das Gutachten des Senats einzufordern, die Grundlage des Senats- unter dem
Principat.
regiments ist formell unter dem Principat in Kraft geblieben; aber
die thatsächliche, rechtlich freilich nie formulirte Verwandlung dieses
Beamtenrechts in eine Beamtenpflicht hat mit dem Eintritt der Mo-
narchie ein Ende und darin liegt insofern ein vollständiger Umschwung
der Dinge, als die neue Monarchie sich von vorn herein der Bevor-
mundung durch den Senat ernstlich und völlig entzieht. Militärische
Angelegenheiten sind grundsätzlich nie vor den Senat des Principats
gebracht worden, Verhandlungen mit dem Ausland nur ausnahmsweise
und dann mit decorativem Zweck. Die Angelegenheiten der unter dem
Kaiser stehenden Provinzen so wie die gesammte kaiserliche formell
private Finanzverwaltung werden ausschliesslich vom Kaiser erledigt.
In Angelegenheiten Italiens und der nicht dem Kaiser überwiesenen
Provinzen wird auch jetzt noch der Senat befragt und zum Beispiel
die Aushebung in Italien regelmässig auf Grund eines Senatsschlusses
«angeordnet, ebenso, wenn bei der Besetzung dieser Statthalterschaften
ausserordentliche Massregeln nöthig werden, diese durch ihn verfügt.
Dessgleichen behält er die Verfügung über die allerdings durch die
Ueber Weisungen an den Kaiser sehr geschmälerte Reichshauptkasse.
Mehr als diese dürftigen Ueberreste des ehemaligen Reichsregiments
hat für die politische Machtstellung der Körperschaft die Vertretung
anfänglich der alten Aristokratie, nach deren Aussterben wenigstens
des hohen Beamtenadels, die Bewahrung der republikanischen Tra-
dition und Opposition, das Recht der Rede in grossem und thatsächlich
öffentlichem Kreise zu bedeuten gehabt und bei jeder politischen Krise,
namentlich bei dem Regierungswechsel ist der Senat, wenn nicht aus-
schlaggebend, doch in der Wagschale wiegend. Aber es gehört dies
mehr der Geschichte an als dem Staatsrecht.
Unter den erst mit der Monarchie dem Senat erworbenen Rechten criminai-
ist keines älter und principiell keines bemerkenswerther als die schon ^"senater
in anderer Verbindung (S. 234) erörterte senatorischc Criminaljustiz.
Sie lehnt sich zwar an an das alte freie consularische Strafrecht, ist
aber in dessen Bindung durch die Zustimmung des Senats vollständig
neu und allem Anschein nach schon von Augustus eingeführt, offenbar
zu dem Zweck durch diese Concession die Verleihung der gleichartigen
Strafgewalt an den Kaiser einigermassen zu neutralisiren, Dass die ^pjJ"^*^"*
gleichzeitig eingeführte Appellation gegen das magistratische Decret ^enat.
in Civilsachen ebenfalls auf den Senat erstreckt ward, ist gleichfalls
schon angegeben worden (S. 255). Politische Wichtigkeit hat von diesen
formalen Erweiterungen der Senatscompetenz nur die erste gehabt und
342 Fünftes Bach. Die Comitien und der Senat
auch diese nur insofern, als unter Qblem Regiment die mittelbare Des-
potie noch rücksichts- und schrankenloser gewaltet hat als die direete.
senatorische Nicht sofort mit dom Eintritt des Principats, sondern erst bei dem
wähl. Regierungsantritt des Tiberius sind die Wahlen der republikanischen
Beamten und, was damit zusammenfällt, die Ergänzung des Senats
selbst und das AufrQcken in die höheren Rangklassen desselben Yon
den Comitien auf den Senat übertragen worden. Dass dieses Wahl-
recht durch die unter dem Principat geschärften Normen Qber die
Wahlqualification in enge Grenzen gewiesen war und sowohl der erste
Eintritt in den Senat wie das Durchlaufen der Rangstufen mehr von
Rechtswegen als nach dem Belieben der wählenden Körperschaft sich
vollzogen, haben wir bereits gesehen (S. 113). Hier bleibt noch zu
entwickeln, in welcher Weise in dieses an sich schon verkümmerte
Wahlrecht die kaiserliche Gewalt eingegriffen hat. Es geschah dies
theils durch das Gommendationsrecht, theils durch die Adlection.
K^iwiiche Analog wie für den Dictator Caesar wurde für Augustus, als er
dAüon. mit der Einführung der neuen Reichsordnung die bis dahin kraft der
constituirenden Gewalt von ihm geübte Beamtenernennung aus der
Hand gab, die Festsetzung getroflfen, dass bei den Beamtenwahlen die
von ihm den Wählern empfohlenen Personen allein zu berücksichtigen
seien unter AnnuUirung der auf andere Gandidaten fallenden Stimmen.
Wahrscheinlich hat anfänglich diese Befugniss, welche übrigens den
Empfohlenen von der Qualification nicht entband, sich auf das Consulat
nicht erstreckt; aber vermuthlich schon unter Nero, sicher unter
Vespasian wird sie eben auf dieses in solcher Schärfe angewandt,
dass die bindende Empfehlung hier der Sache nach auf die einfache
Ernennung hinauskommt, wobei die Willkür in der Greirung nicht
so sehr von Gonsuln, als von Gonsularen noch gesteigert wird durch
das dem Kaiser ebenfalls eingeräumte Recht die Amtsdauer nach Er-
messen zu verkürzen. Bei den unter dem Gonsulat stehenden Aemteru
ist dagegen, sei es nach rechtlicher Vorschrift, sei es durch Selbst-
beschränkung, die Gommendation immer auf eine gewisse Zahl der
zu besetzenden Stellen, unter Tiberius zum Beispiel auf den dritten
Theil der Prätoren beschränkt worden.
KaiMTiiehe Vou der Adlectiou war bereits die Rede (S. 310). Sie ruht auf der
^^' kaiserlichen Gensur in der erweiterten Gompetenz, mit welcher dieses
Amt von einzelnen Kaisern des ersten Jahrhunderts übernommen und
in dieser Gestalt dann durch Domitian dem Principat ein für allemal
einverleibt ward. Sie besteht in der Befugniss dem Senator oder dem
NichtSenator ein nicht geführtes Amt als geführt beizulegen und ihn in
die entsprechende Senatsklasse einzuschreiben. Auf das Gonsulat ist
5. Die Dyarchie des Principats. 343
die Adlection erst spät und selten angewandt worden, da hiefür die
dem Kaiser gestattete Verkürzung der Amtsdauer ausreichte. Hinsicht-
lich der übrigen Aemter ist, so lange die kaiserlichen Censuren unstetig
und exceptionell blieben, von derselben ein bescheidener Gebrauch ge-
macht worden. Erst seit dem Ende des ersten Jahrhunderts haben die
Kaiser zu jeder Zeit und in bedeutendem Umfang derartige Adlectioneo
vorgenommen und es hat diese Einreihung neuer Leute in den Senat
dann nicht wenig beigetragen zu der Auflösung der geschlossenen
Beamtenaristokratie der Republik und des früheren Principats.
Von der Gesetzgebung ist ein wichtiger Theil, die Entbindung seM^toriMiie
von den bestehenden Ordnungen für den einzelnen Fall bereits in jebiuy fur
republikanischer Zeit auf den Senat übergegangen. Wenn das Privi- £inzeif»u.
legium nicht minder als das Gesetz selbst ein legislatorischer Act ist, so
haben doch selbstverständlich von je her die Magistrate in dringlichen
Fällen unter Vorbehalt der comitialen Ratification sich Abweichungen
von dem Gesetz gestattet und in solchem Fall zur Minderung der
eigenen Verantwortung, so weit dies möglich war, sich wenigstens der
Zustimmung des Senats versichert. Mit dem Einholen und selbst mit
dem Vorbehalten der comitialen Ratification ist es dann nicht streng
genommen und bei der suUanischen Verfassungsrevision dem Senat
wahrscheinlich ausdrücklich das Recht eingeräumt worden wenigstens
gewisse Gesetze für den einzelnen Fall definitiv ausser Anwendung zu
stellen. Dies ist geblieben, und durch die ganze Kaiserzeit hindurch
werden die Entbindungen von den Gesetzen über die Wahlqualification,
über die Rechtsnachtheile der Ehe- und Kinderlosigkeit, über die Be-
schränkung des Associationsrechts und der Volkslustbarkeiten bei dem
Senat nachgesucht. Auch die Bewilligung ausserordentlicher Sieges-
ehren (S. 265) und die Versetzung eines verstorbenen Herrschers oder
Gliedes des Herrscherhauses unter die Gottheiten der Gemeinde werden
unter dem Principat zwar auf Antrag des Kaisers, aber regelmässig
vom Senat beschlossen.
Weiter ist die gesetzgebende Gewalt für bestimmte Kreise des LäSäivJ
weiten nach der römischen Auffassung dazu gerechneten Gebiets auf '»^^JJ? •j^»-
den Monarchen übergegangen. Einmal ist die Ordnung der Be- ^^^J^""
Ziehungen zum Ausland, Kriegserklärung, Friedensschluss und Bünd-
niss unter Ausschluss der bisher dafür beikommenden Organe, der
Comitien (S. 322) wie des Senats (S. 338) der Entscheidung des
Princeps unterstellt worden. Ferner werden sämmtliche gesetzliche
Normirungen, welche nach republikanischem Gebrauch durch Special-
mandat an einzelne Beamte übertragen werden konnten, ein für alle-
mal unter die Gompetenz des Princeps gewiesen. Darunter fällt die
344 Fünftes Buch. Die Gomitien und der Senat
für Erthei- bishcr in der Regel von den Gomitien ausgeübte Verleihung des
Bürger- und römischen Bürgerrechts, welche anknüpft an die in republikanischer
rechts. Zeit einzelnen Feldherm gewährte Befugniss solcher Verleihung an
die unter ihnen dienenden Nichtbürger. Von den Kaisem ist dieselbe
vorzugsweise theils zu dem gleichen Zweck benutzt worden, theils um
in die aus römischen Bürgern bestehenden Truppenkörper Nichtbürger
einzureihen. Weiter fällt darunter die in republikanischer Zeit häufig
Specialcommissarien zugewiesene Ordnung der dem Reichsverband
angehörenden städtischen Gemeinwesen; unter dem Principat ist der
Kaiser berechtigt Gemeinden peregrinischen Rechts latinisches oder
römisches zu verleihen oder neue Gemeinden dieser Art ins Leben
zu rufen und die Municipalordnungen nach Ermessen zu gestalten.
Aiigjemeine Weuu durch die Ausscheidung dieser Kategorien das weite Gebiet
de^Bomitien der republikanischen Gesetzgebung auf einen massigen alle eigentliche
Principat. politische Action ausschliessenden Umfang zurückgeführt wird und die
Gesetzgebung unter dem Principat im wesentlichen auf das Privatrecht
mit Einschluss der Criminalordnungen beschränkt ist, so ist für diesen
Kreis die Gesetzgebung unter Festhaltung der Vorberathung im Senat
(S. 330) allem Anschein nach von Rechtswegen den Gomitien geblieben.
Augustus hat, nachdem er die constituirende Gewalt abgegeben hatte,
nur gleich den Magistraten der Republik die legislatorische Initiative
in Anspruch genommen und seine Gesetzgebung auf Grund der tri-
bunicischen Gewalt in der Form des Plebiscits ausgebaut. Aber seit
der zweiten Hälfte der Regierung des Tiberius versagt wenigstens
Factisehe der Sacho nach die comitiale Legislative (S. 324) und geht die Ge-
L^l^Äve setzgebung, so weit sie von Rechts wegen comitial ist, eflFectiv über
un^tJ^^dem auf deu Souat. Formell scheint ihm dieselbe nicht übertragen worden
Pr^indpat. ZU soiu, da dio rechtliche Gültigkeit der die alten Comitialgesetze
ablösenden Senatsconsulte noch in der Mitte des 2. Jahrh. nicht un-
angefochten feststand; aber deutlich wird für die bleibenden Normen
in Civilrecht und Verwaltung jetzt diese Form gebraucht und die
Kaiser haben dabei, wie früher bei dem Volksschlusse, sich auf die
Initiative beschränkt.
Der BMhts- Weuu dor Principat die gesetzgebende Gewalt allgemein niemals
kai?er'iicheii goübt uoch iu Auspruch genommen hat, so hat allerdings dem Kaiser
Eruss^!' das magistratische Recht zu ediciren, das heisst obrigkeitliche Regu-
lative zu erlassen, nicht gefehlt und bei der Perpetuität seines Amtes
war damit die Handhabe gegeben in die Gesetzgebung einzugreifen.
Er hat davon auch Gebrauch gemacht; das befreite Soldatentestament
zum Beispiel ist auf diesem Wege eingeführt worden. Aber wenn
es hier auf der Hand liegt, warum diese Neuerung nicht an den
«*). Die Dyarchie des Principats. 345
Senat gebracht worden ist, so lehrt namentlich die Geschichte des
Fideicommisses, mit welcher ZurQckhaltung die Kaiser in die eigent-
liche Gesetzgebung eingriffen. Dass bei der Anhaltung des Erben zur
Erfüllung der rechtlich formlosen, aber moralisch verbindlichen Auf-
lage seines Erblassers Augustus das Geschwornenverfahren ausschloss
und die Vorsitzenden des Senats anwies dies durch ausserordentliche
Cognition durchzuführen, zeigt deutlich, dass dies nicht so sehr eine
legislatorische Neuerung war als eine Uebertragung. der Gewissens-
pflicht in die Rechtssphäre und dass bei diesem Ueberschreiten der
strengen Rechtsgrenze die Mitwirkung des Senats nothwendig erschien.
Weiter hat die in dem einzelnen Fall von dem Kaiser getroffene
Entscheidung {constitutio) rechtliche Gültigkeit auf Grund der in sein
comitiales Wahl- und Vollmachtgesetz (S. 196) eingerückten Glausel,
dass er „das Recht und die Macht haben solle in göttlichen und
menschlichen, in öffentlichen und Privatangelegenheiten zu thun und
vorzunehmen, was ihm zum Frommen und zur Ehre des gemeinen
Wesens zu gereichen scheine.'' Aber ein Gesetz ist eine solche
kaiserliche Verfügung nicht; sie entscheidet die Angelegenheit, für
welche sie ergeht, hat aber weder beständige Dauer noch allgemeine
Anwendbarkeit. Die darin ausgesprochene Verleihung gilt immer
nur als gemacht bis weiter, kann also von Rechtswegen von dem ver-
leihenden Herrscher jederzeit zurückgenommen werden und tritt mit
seinem Tode von selber ausser Kraft, falls nicht der Nachfolger sie
erneuert. Der in einem kaiserlichen Erlass zur Anwendung gebrachte
oder auch ausdrücklich ausgesprochene Rechtssatz ist rechtlich nicht
mehr und will auch in der Regel nicht mehr sein als Präjudicat und
Interpretation. Nachdem wahrscheinlich seit Hadrian die Kaiser die
an sie gelangten Eingaben statt durch Privatbescheidung häufig im
Wege des öffentlichen Anschlags beantworteten, gingen diese promul-
girten Erlasse der Sache nach in die kaiserlichen Edicte über und da
sie grossentheils Rechtsfragen behandelten, wurden sie für die spätere
Kaiserzeit das rechte Organ der authentischen Interpretation und sind
auch wohl, wie dies bei aller autoritativen Rechtsanwendung der Fall
ist, benutzt worden, um in der Form der Erklärung das Recht zu
ändern. Reichsgesetze aber haben sie niemals sein wollen und sind
auch nie diesen zugezählt worden.
Die Staatsordnung seit
Diocletian.
Die Darstellung des römischen Staatsrechts, welche dieser Abriss ^JJ^^JJ-
giebt, schliesst ab mit dem Ende des 3. Jahrhunderts unserer Zeit- ^»ewj^t«
rechnung. Nachdem mit dem Tode Alexanders im Jahre 235 das
severische Herrscherhaus erloschen war, brach das römische Reich zu-
sammen. Das folgende halbe Jahrhundert ist eine Epoche der Agonie*
Eine Dynastie giebt es nicht mehr. Unter den Trägem des Kaiser-
namens, grossentheils geborenen Provinzialen und häufig gewesenen
Subaltemoffizieren, ist keiner, der auch nur zu Decennalien eigener
Herrschaft gelangt wäre, keiner, der nicht den Kaiserpurpur mit seinem
Blut gebüsst hätte, kaum einer, dem das aus einander fallende Reich
in seiner Gesammtheit botmässig gewesen wäre. Inländische und aus-
ländische Barbaren handhaben, ungefähr wie in Feindesland die Militär-
commandanten, im Reichsgebiet die Gewalt neben und gegen einander ;
der Antheil der Aristokratie am Reichsregiment, die Bildung der
höheren Klassen, der Wohlstand der Bevölkerung, die Sicherung der
Grenzen gehen gleichmässig zu Grunde. Die Bauten, die Münzen,
die Schriftwerke, die Inschriften dieser Epoche reden in ihrer ab-
schreckenden Form wie in ihrem kümmerlichen Bestand alle dieselbe
Sprache, das entsetzliche Stammeln der agonisirenden Givilisation. ^^^^
Die Ursachen, welche diese Katastrophe herbeigeführt haben, rerabiikani-
dürfen nicht in momentanen Complicationen gesucht werden; wenn
der morsche Baum zusammenbricht, wirft ihn freilich der letzte Wind-
stoss um, aber er fällt durch die innere Krankheit. Mehr noch als
bei dem einzelnen Menschen ist bei dem Volksganzen von einem sehr
frühen Stadium an die Entwicklung neben dem Steigen zugleich ein
Sinken, und dies gilt vor allem für Rom. Wenn in der Völker-
geschichte das schliesslich entscheidende Moment das Mitthun des
Bürgers bei dem Thun der Gemeinde ist, wenn Gemeinsinn, Wehr-
haftigkeit, Amtstüchtigkeit, Patriotismus jeder Art nichts sind als die
348 I^ie Staatsordnung seit Diocletian.
schöne Blüthe der bürgerlichen Selbstthätigkeit, so ist schon in der
späteren Bepublik diese im Schwinden. Es beginnt die Umwandlung der
alten Stadtbürgerschaft in eine staatsbürgerliche Gesammtheit und das
wesentlich dadurch bedingte Zurücktreten der Gemeinfreien gegen die
privilegirten Stände, auf dem politischen Gebiet die Vorherrschaft des
Amtsadels neben der um die Mitherrschaft ringenden hohen Finanz,
auf dem militärischen die Ersetzung der Bürgerschaft in Waffen durch
das geworbene Freiwilligenheer, der Einberufung der Römer insgemein
im Fall der Noth durch die dauernden Dienst thuenden Legionen.
dm^ Das politische Leben und Streben so wie der bürgerliche Waflfen-
regiment dioust, schou iu der letzten republikanischen Epoche beide im Schwanken
unter dem *
principat. und Verfallen, sanken weiter unter dem Principat. Der Ausschluss der
nicht den beiden privilegirten Ständen angehörigen Bürger von den
öffentlichen Aemtern (S. 48. 115) und die Feststellung der ständigen
Armee ohne Reserve (S. 262) sind wohl aus der republikanischen
Entwickelung erwachsen, aber in ihrer Formulirung und Fixirung
grundlegende Einrichtungen der neu geschaffenen Monarchie.
Das Sinken des politischen Lebens war die nothwendige Folge
des Eintretens der Einherrschaft; dass das Unkraut des republi-
kanischen Ehrgeizes nicht ausgerauft werden konnte, ohne auch die
edlen Lebenstriebe zu gefährden, hat Augustus wohl erkannt und
versucht entgegenzuwirken. Die Uebertragung der formalen Gemeindo-
gewalt auf den Senat (S. 340) hat allerdings praktisch nicht allzuviel
bedeutet, obwohl die darin enthaltene ausdrückliche Verzichtleistung
des neuen Gewalthabers auf die souveräne Herrschergewalt, zumal bei
der Macht des Rechtsbegriffs in dem römischen Gedankenkreis, ebenso-
wenig gleichgültig ist wie die Gonsequenzen dieses Senatsregiments,
namentlich das festgehaltene communale Selbstregiment Italiens und
die fortdauernde wie auch immer beschränkte Publicität der Regierungs-
acte. Aber ein effectives Mitregiment wurde der republikanischen
Aristokratie eingeräumt durch die Reservirung der wichtigsten Civil-
und Militärämter für die Mitglieder des Senats (S. 212); diese durch
alle Krisen mehr als zwei Jahrhunderte eingehaltene Schranke hat
in dem Commando wie in der Verwaltung und der Rechtspflege ein
Beamtenregiment herbeigeführt, das ohne die schweren Schäden des
republikanischen dem politischen Charakter dieser Epoche nicht allzu
fem stand und dem im wesentlichen der Principat sowohl seine Vor-
züge verdankt wie seine Dauer. Mit der Monarchie fand diese Aristo-
kratie insoweit sich ab, dass die retrospective Kritik der bestehenden
Ordnung allmählich verstummte und noch weniger an eine Beseitigung
derselben gedacht ward, wohl aber, wenn der Ausdruck gestattet ist,
Die Staatsordnung seit Diocletian. 349
ao eine Gonstitutionalisirung derselben, wofür namentlich die Versuche
bezeichnend sind die Griminaljurisdiction über die Mitglieder des
Senats diesem selbst unter Ausschluss des Kaisers zu vindiciren. Das
Misstrauen gegen den Senat und die Senatoren, welches in sehr ver-
schiedenen Formen und Graden durch das gesammte Eaiserregiment
sich durchzieht, ist der sicherste Beweis der fortdauernden Macht '
dieser Aristokratie und dieser Antagonismus gewissermassen die letzte
Aeusserung der politischen Lebenskraft Korns. Als in der wüsten Mitte
des 3. Jahrhunderts Kaiser Gallienus, nicht die unfähigste, aber wohl
die nichtswürdigste Figur in der langen Reihe dieser monarchischen
Garicaturen, die Senatoren von den Militfträmtern ausschloss und es
aufkam diese überwiegend mit gewesenen gemeinen Soldaten zu be-
setzen, machte er damit wohl der Senatsherrschaft ein Ende, aber
nicht minder der Dyarchie des Principats und damit diesem selbst.
Was hinsichtlich der Wehrhaftigkeit unter dem Principat ge- ^o^a^Jl^
schah, steht nicht auf der gleichen politischen Höhe wie die allge- pj-^jj^"
meine Führung des Regiments unter demselben. Die Schlagkraft der
republikanischen Epoche, wie sie noch in den mit der Gründung der
Monarchie endigenden Bürgerkriegen in nur allzu gewaltigem Umfang
sich erwiesen hatte, ist auf den Principat nicht übergegangen. Die
durch das Jahrhundert der inneren Kriege in der Bürgerschaft er-
zeugte Friedenssehnsucht und das Bedürfniss der neuen Monarchie
sich durch Volksfreundlichkeit zu legitimiren, dazu das völlige Fehlen
auch nur einigermassen ebenbürtiger Nachbarstaaten erklären wohl,
aber rechtfertigen nicht die sofortige thatsächliche Beseitigung der
bürgerlichen Wehrpflicht und die Beschränkung der Reichswehr auf
eine ständige Armee, die in der Stärke von etwa 300 000 Mann eben
genügte, um die durch die drei Welttheile sich erstreckenden Grenzen
des Staats einigermassen zu garnisoniren, welcher aber jeder Rückhalt
in der Masse der Bevölkerung fehlte. Um auch nur dieses zu er-
reichen, gab Augustus das Princip der Vertbeidigung des Römerreichs
ausschliesslich durch römische Bürger auf und warf die Hälfte der
Rekrutirungslast auf die dem Reich angehörigen Nichtbürger; auch
die immerhin durch diese Armeeorganisation wesentlich gesteigerte
Finanzlast wurde nicht ohne Schwierigkeit gedeckt durch die Aufgabe
der republikanischen Abgabefreiheit des römischen Bürgers (S. 277) und
die Wiedereinführung des alten Tributum in der Form der fünfprocen-
tigen Erbschaftssteuer. Wie ausschliesslich unter dem Principat mili-
tärisch allein die ständigen Truppen in Betracht kamen, zeigt die voll-
ständige Beherrschung und die häufige Vergewaltigung der Hauptstadt
mit ihrer Millionenbevölkerung durch die 10000 Gardesoldaten und
350 Die Staatsordnung seit Diocietian.
zeigt nicht minder die Vergleichung der ungeheuren Truppenmassen
des letzten republikanischen Bürgerkriegs und der gleichartigen nach
dem Ende der claudischen und dem der antoninischen Dynastie ledig-
lich zwischen den Corps der ständigen Armee geschlagenen Schlachten
um die Besetzung des erledigten Thrones. Wenn der „römische Erd-
kreis" (orbis Romanus), von dem bei der Zersplitterung der Völker-
schaften jenseit des Rheines und der Donau und dem tiefen Verfall des
Partherreichs allerdings mit einigem Recht gesprochen werden durfte,
an irgend einer Grenze die Botmässigkeit versagte oder, was trotz
der vorherrschenden Friedenspolitik nicht ganz ausblieb, die römische
Regierung die Annectirung eines barbarischen Nachbargebiets beschloss,
so konnte die auf irgend einem Punkt erforderte zeitweilige Vermehrung
der Streitkräfte nicht anders bewirkt werden als durch entsprechende
Entblössung eines andern und Verscliickung der dort stehenden Be-
satzungen in weite Entfernungen. An diesen mangelhaften Einrichtungen
Augusts ist dennoch durch die nächsten drei Jahrhunderte im Wesent-
lichen festgehalten worden. Selbst kriegslustige Herrscher, wie Traianus
und Severus, haben an dem System nichts gebessert und auch die
ständige Armee nur unwesentlich vermehrt. Verschoben hat sich nur
der Givilstand der Soldaten. Wenn nach den augustischen Ordnungen
die Armee zur Hälfte aus römischen Bürgern und insoweit damals vor-
zugsweise aus Italikem bestand, so wurde zwar für diese Hälfte auch
später an der Forderung des römischen Staatsbürgerrechts nominell
festgehalten; aber da dies Staatsbürger recht in immer steigendem
Masse auf die Provinzialen erstreckt, auch häufig eben für die Ein-
reihung in die Legion den desselben ermangelnden Rekruten verliehen
ward, weiter die Aushebung für die an den Grenzen stehenden Truppen
allmählich einen örtlichen Charakter annahm, so lieferte Italien bald
für das Heer nur noch die höheren und theilweise die niederen Offiziere
und die Gardesoldaten. Auch die höher civilisirten Provinzen ver-
schwinden allmählich aus dem Kriegsheer und wenn die civilisirte
Kriegskunst ihr Uebergewicht über die barbarische auch in dieser
Epoche durchaus behauptet, so bedient sie sich vorzugsweise der den
Barbaren nächst verwandten mehr dem Namen nach als thatsächlich
römischen Bestandtheile der Reichsbevölkerung. Dass dieses Militär-
system nichtsdestoweniger Jahrhunderte lang die Grenzen des Reichs
geschützt und hier und da erweitert hat, beruht weniger auf der
Kraft der Vertheidigung als auf der Schwäche der vereinzelten Angriffe.
Die lange verzögerte Katastrophe entlud sich, gefördert durch das
Erstarken der Perserherrschaft mit dem Emporkommen der Sassaniden
und durch den politischen Verfall des Regiments der gallienischen
Die Staatsordnung seit Diocletian. 351
Zeit, in dem zweiten Drittel des dritten Jahrhunderts mit elementarer
Unwiderstehlichkeit über das gesammte römische Reich. Antiochien
wurde von den Persem vergewaltigt, Ephesos von den Gothen, Tarraco
von den Franken ; alle Besitzungen jenseit der Donau und des Rheins
gingen verloren; in Italien selbst gelangten die Alemannen bis nach
Ravenna und noch stehen in Verona die Mauern, mit denen diese
Stadt, von dem Reiche keinen Schutz mehr erwartend, sich selber
der Germanen erwehrte. Der ferne Westen wie der ferne Osten
schienen vom Reich sich zu lösen; mit dem Blute des Kaiserenkels
begründete Postumus in Trier seine Herrschaft über den Westen und
während Kaiser Valerianus in persischer Kriegsgefangenschaft sein
Leben beschloss, stellte der römische Osten sich unter den Schutz
des Araberfürsten von Palmyra.
Das war die Agonie; aber die wunderbaren Geschicke Roms gioci»-
wendeten noch einmal den Tod ab. Es war dem Römerstaat noch
ein Herbstfrtthling beschieden, die schon von Aurelianus angebahnte,
in dem einundzwanzigjährigen Regiment des Kaisers Diocletianus
(284 — 305) vollendete Restauration des Reiches. Hier soll versucht
werden in kurzen Zügen die dabei zu Grunde liegende Reichsordnung
zu skizziren. Allerdings hat es ein Staatsrecht in dem Sinn, wie es
der älteren Epoche beigelegt werden darf, in dieser nicht gegeben,
kein Abwägen der verschiedenen höchsten Gewalten, überhaupt keine
feste das Regiment selber bindende Ordnung. Aber ein neues Staats-
wesen wird gebildet, mit hinreichender Bestimmtheit, in mancher
Hinsicht sicherer und vollständiger als die älteren Festsetzungen,
für uns zu erkennen. Neu ist darin so zu sagen alles. Es sind
vielleicht niemals, seit die Welt steht, die bestehenden Einrichtungen
von oben herab mit solcher Gewalt und mit solcher Vollständigkeit
und man muss hinzusetzen mit solcher Einheitlichkeit und Folge-
richtigkeit umgeworfen worden, wie in diesem wunderbaren den
Thron, die Religion, die Beamtenschaft, die Rechtspflege und die Ver-
waltung, das Heer- und das Steuerwesen gleichmässig umfassenden
TrOmmerbau und Neubau, für welchen allerdings die voraufgehende
fünfzigjährige Anarchie wenigstens die Stätte bereitet hatte.
Des Monarchen unbedingtes und unbeschränktes Herrenrecht Die Kaiser-
über die Personen wie über das Gut aller Unterthanen ist die durch
die Macht der Geschicke oder, wie es bald dafür heisst, durch den
göttlichen Willen nothwendig gegebene Staatsform. Die alte Titulatur,
der Spiegel des aus verschiedenartigen magistratischen Befugnissen zu-
sammengefügten Principats, weicht der einfachen Kaiserbezeichnung;
und nachdem der in diocletianischer Zeit vorwaltende lebendige Gott,
352 I^ie Staatsordnung seit Diocletian.
der Kaiser Jupiter und der Kaiser Hercules, die Göttersöhne und die
Götterväter unter der Einwirkung des Christenglaubens zurückgetreten
waren, beginnt — im Gebrauch Dritter schon früher, in eigener
Führung unter den Söhnen Gonstantins I. — die Bezeichnung des
Herrschers als des Staatseigenthtlmers (dominus^ das unverhüllte
Herrenthum die Titulatur zu beherrschen. Nicht nach dem Muster
des bisherigen Principats, sondern nach dem orientalischen des Perser-
Schahs ist dasselbe geordnet worden und auch die öffentliche Er-
scheinung des Monarchen, der nach Frauenart geordnete Schmuck
mit Perlen und Edelsteinen in der Kopftracht wie in der Beschuhung,
die orientalische Sitte der Kniebeugung, das Eintreten der Eunuchen
unter die Dienerschaft weisen nach dem Osten. Eine rechtlich feste
Thronfolge besteht jetzt so wenig wie früher und es würde auch die
Bindung des Monarchen durch eine Erbordnung mit der vollent-
wickelten absoluten Gewalt sich nicht vertragen. Nebenherrschaft
bleibt zulässig, giebt aber, wie die Katastrophe nach dem Tode Gon-
stantins I. dies zeigt, auch jetzt keinen rechtlichen Anspruch auf die
Nachfolge; die Sammtherrschaft wiegt vor, wird aber jetzt, wie wir
weiter sehen werden, nicht nothwendig, aber gewöhnlich mit der Reichs-
theilung verbunden. Der Regel nach creirt der Monarch den Monarchen,
auch nach der Reichstheilung der überlebende Theilherrscher den
Gollegen ; bei völliger Erledigung des Thrones, wie sie nach dem Tode
Gonstantins I. und dann nach dem Julians und Jovians eintraten, er-
folgt die Wiederbesetzung desselben ohne Mitwirkung des Senats durch
einen Wahlact der zur Zeit im kaiserlichen Hauptquartier anwesenden
Offiziere und Beamten, in dem die ehemalige Imperatorenacclamation
(S. 194) mit etwas geminderter Formlosigkeit sich erneuert. That-
sächlich hat das dynastische Element auch diese Monarchie beherrscht
und in dem constantischen sowie später in dem theodosischen Kaiser-
haus die Nachfolge des Blutes herbeigeführt; der Gultus des fiavischen,
das heisst des constantischen Hauses entspricht mit der dieser Epoche
angemessenen Verrohung der Verehrung des julischen Gestirnes.
Die Auch auf dem religiösen Gebiet beginnt ein grundsätzlich anderes
Regierungssystem und bald weicht wie in der monarchischen Spitze
so auch im Gultus der occidentalische Götterglaube der Religion
aus dem Osten. An die Stelle der religiösen Toleranz tritt die
Aufnahme eines formulirten Glaubens unter die von oben herab zu
erzwingenden Bürgerpflichten. Die Götter der römischen Gemeinde
sind unter der Republik wie unter dem Principat von Staatswegen und
auf Staatskosten verehrt worden, aber keinem Staatsbürger war es
verwehrt andere Götter daneben zu haben und diesen den Vorzug zu
Die Staatsordnung seit Diocletian. 353
geben. Dieses indifferente Verhalten kam unter dem Principat dem
neuen Christenglauben gegenüber insofern ins Gedränge, als dieser
neben dem seinigen einen andern nicht gelten liess und den Staats-
göttem die Verehrung ausdrücklich und oft unehrerbietig verweigerte;
die staatlichen Versuche diese Ehrerbietung zu erzwingen und der
dadurch hervorgerufene Widerstand führten zudem gefährlichen Conflict
nicht des Rechts mit dem Unrecht, sondern der Bürgerpflicht mit der
Gewissenspflicht Aber von staatlicher Seite war diese Anforderung
im Allgemeinen mit massigem Nachdruck und verständiger Inconsequenz
geltend gemacht und nie war unter dem Principat auch nur der
Versuch gemacht worden dem Staatsbürger eine bestimmte religiöse
Ueberzeugung aufzuzwingen. Diocletian, entsprungen der von religiöser
Gläubigkeit verschiedenster Art, aber gleichmässig mächtiger Innerlich-
keit durchdrungenen niederen Soldatesca, fanatischer Anhänger eines
wenigstens nominell dem alten Götterkreis angehörigen Glaubens, war
nicht umsonst ein lebendiger und strafgewaltiger Jupiter; und wo der
staatskluge Kaiser in seinen kräftigen Jahren bei der Ausführung dieser
Tendenz Mass gehalten hatte, da setzte dem bejahrten und kranken
Vater gegenüber und dessen Warnungen zum Trotz Jupiters Sohn, der
Jovier Galerius, hervorgegangen aus dem gleichen rohen Militärkreis, mit
wilder Unüberlegtheit eine Christenhetze ins Werk von einem Umfang
und einer Gewaltsamkeit, wie die früheren Jahrhunderte sie nicht
gesehen hatten. Mit diesem ernstlichen Einschreiten der Regierung
für den alten Götterglauben war mit dem alten System der religiösen
Indifferenz und der praktischen Toleranz gebrochen, und gebrochen
auf immer. Es wird einer der Fundamentalsätze der neuen
Monarchie, dass es Pflicht der Regierung ist den religiösen Glauben
der Staatsbürger zu flxiren und zu uniformiren. Allerdings ist nie
ein Pfeil ärger auf den Schützen zurückgeprallt als dieser. Was das
zusammenbrechende Heidenthum gegen den Christenglauben versucht
hatte, hat das dadurch in seinem Aufstreben nur gekräftigte Christen-^
thum gegen das Heidenthum durchgeführt und durch den Arm der
Regierung dasselbe erst geknebelt und dann ausgerottet. Ja folgerichtig
nahm der Staat weiter es als sein Recht in Anspruch den neuen Glauben
positiv zu formuliren. Der Gegensatz der den „allgemeinen Glauben '^
bekennenden Christen (catholici) zu den „Sondermeinenden" (haere-
tici)j zuerst unter Constantin I. aufgestellt, um den Kreis der den
Christen damals ertheilten staatlichen Privilegien rechtlich abzugrenzen,
wird seit Gratian in officiellen Erlassen auf alle Staatsbürger ange-
wandt und das Requisit der „Rechtgläubigkeit" (orthodoxid) in ebenso
unlogischer wie gemeinschädlicher Weise als Bedingung des vollen
B i n d i n g , Handbuch I. 8: Mommsen, Abriss des RAmiachen Staatsrechts. 2. Aufl. 23
354 ^16 Staatsordnung seit Diocletian.
Staatsbürgerrechts proclamirt. Es ist die Nemesis dieser Abdication
des Staats, dass von da an staatlicher Dogmenstreit und staatliche
Eetzereiermittelung die politische Geschichte so zu sagen verdrängen
und die Historie der Theologie den Platz räumt.
tSuS^. ^*® Reichseinheit, festgehalten wie unter der Republik so unter
dem Principat, wird aufgegeben und schon durch Diocletian die Sammt-
herrschaft als Theilherrschaft gestaltet (S. 203). Unter der constan-
tischen Dynastie ist freilich noch mehrmals das gesammte Reich
unter der Einherrschaft zusammengefasst worden; aber mit dem Er-
löschen derselben fällt dasselbe definitiv in zwei Hälften ausein-
ander^ deren Scheidung um so schärfer hervortritt, als die im Römer-
reich vereinigte Doppelcivilisation, die hellenische und die lateinische,
in ihr sich ebenfalls scheiden, der griechische Osten und der lateinische
Westen damit politisch sich von einander lösen. Allerdings hebt diese
Theilung die alte Gesammtheit nicht vollständig auf. Das imperium
Romanum bleibt nach der officiellen Auffassung dieser Epoche als
Einheit bestehen und zerfällt nur in die „Theile des Ostens"" (partes
Orientts) und die „Theile des Westens" {partes Occidentis). Von den
beiden Gonsuln, nach denen immer noch das Jahr officiell benannt
wird, ernennt zwar den einen die Regierung des Ostens, den andern
die des Westens, aber nach beiden zusammen wird im ganzen Reich
datirt. Auch die Gesetzgebung bleibt gemeinschaftlich, nicht bloss
hinsichtlich der älteren Rechtsnormen, sondern auch für die Anord-
nungen dieser Epoche, insofern jeder Theilherrscher jedem Erlasse auch
den Namen des Mitherrschers vorsetzt und jeder Erlass in beiden
Reichshälften Geltung hat oder doch haben soll. Nach Diocletians
Anordnungen sollte auch dem gesammten Reich die eine Hauptstadt
bleiben. Wie einst Italien als Hauptland neben den Provinzen, so
steht nach seinen Einrichtungen die Stadt Rom mit Sonderver-
waltung neben dem sonstigen Reich und seinen Behörden. Freilich
hat Diocletian dieselbe zugleich insoweit decapitalisirt, dass er für sein
neues Herrenthum die Residenz überhaupt beseitigte und dieselbe
ersetzte durch das Hauptquartier des neuen örtlich nicht gebundenen
Reichsheers; und dabei ist es insofern geblieben, als Rom nicht
wieder Herrschersitz geworden ist, der westliche Herrscher anfänglich
in Mailand, seit dem Anfang des 5. Jahrhunderts in Ravenna residirte,
der östliche seit dem ersten Gonstantin in dem alten Byzantium am
Hellespont, der neuen Constantinopolis. Diese Stadt wurde nicht
bloss zur Kaiserresidenz umgestaltet, sondern als das „neue Rom"" zu-
gleich zur zweiten Hauptstadt des Gesammtreichs gemacht, welche
bald, wie überhaupt in diesen Einrichtungen der Osten vorherrsdit,
Die Staatsordnung seit Diocletian. 355
die alte Tiberstadt überflügelt und durch ihre Gleichstellung mit
dieser vor allen Dingen dazu beigetragen hat die Reichseinheit so
gut wie völlig zum leeren Namen zu machen. In der Hauptsache
ist sie schon von Diocletian durch das Theilregiment ersetzt worden:
jeder Theilherrscher hat seine eigenen Truppen und seine eigenen
Beamten und soll das Regiment in Gleichstellung mit dem Col-
legen, aber mit rechtlicher Selbständigkeit verwalten, welche ideale
Durchdringung der Sammt- und der Theilherrschaft allerdings that-
sächlich entweder durch Fehde- oder durch Abhängigkeitsverhältnisse
-stetig modificirt wird.
Wenn das Reichsregiment wie in republikanischer Zeit so unter Jer ci^
dem Principat auf dem Fundament des einheitlichen Imperium, der Mmtir'
Untrennbarkeit des Commandos von Justiz und Verwaltung geruht *"*•'•
liatte, so übertrug die neue Staatsordnung den Gegensatz des
Bürgers und des Soldaten in die Magistratur und ordnete diese durch-
aus mit Scheidung der Civil- und der Militärgewalt, allerdings in
der bezeichnenden Form, dass die Givilgewalt nominell verschwand
und das Civilamt rechtlich aufgefasst ward als Soldatendienst (militiä)
ohne Waffen, darum auch das Bandelier des Offiziers {dngulum)^
jetzt von dem Civilbeamten gleichfalls geführt ward. Auch diese durch-
schlagende Neuerung ruht auf der innerlichen Steigerung der Monarchie.
Der frühere Statthalter ist innerhalb seines Sprengeis der Träger der
souveränen Staatsgewalt, auch unter dem Principat noch zwar durch
den ihm zur Seite gesetzten kaiserlichen Hausbeamten in der Finanz-
verwaltung beschränkt, aber immer noch mit dem vollen Imperium
ausgestattet. Die diocletianische Monarchie fasst die staatliche Sou-
veränetät in der Person des Herrschers zusammen und verwendet
neben diesem nur Gehülfen, und indem sie diese sachgemäss nach den
Geschäftskreisen gliedert, fallen das Commando und die Justiz, deren
Combination schon früher praktisch oft unbequem geworden war,
selbstverständlich aus einander. Die Durchführung dieser Scheidung
bis an die Stufen des Thrones selbst ist eines der wesentlichsten
Elemente der neuen Ordnung.
Damit in Verbindung steht die Erstreckung der offiziellen Gehülfen- ^^n^liJ^^i
Schaft auf dasReichsregiment als solches, die Entwicklung nach modernem f^y^j^,
Ausdruck der Ministerstellung. Wenn die ältere Staatsordnung, von dem »«^'*-
Princeps selbst abgesehen, allgemeine Reichsämter nicht, sondern ledig-
lich Sprengelämter kennt, so entwickelt diediocletianisch-constantinische
die Reichskanzlerschaft der ^ro^/ec^ijjrae^mo und die Reichsfeldherrn-
schaft der magistri militum, allerdings nicht in derjenigen vollen Un-
bedingtheit, welche diese Beamten zu civilen oder militärischen Reichs-
23*
356 ^ie Staatsordnung seit Diocletian.
herren gemacht haben würde, sondern mehr oder minder eingeschränkt
durch das Sprengelsystem, immer aber als regelrechte Oberbehörden
gestaltet, theils durch den über die engen Sprengelschranken der
älteren Ordnung weit hinausgehenden Umfang des einem solchen Be*
amten unterstellten Reichstheils, theils durch die Einrichtung ihmi
untergeordneter civiler oder militärischer Mittel- und Unterämter^
Diese Hierarchie ist gleichfalls eine Neuerung. Die Ordnung des
Principats kennt wohl die Berufung von dem Beamten an die Souveräne-
Gewalt, aber einen eigentlichen allgemeinen Instanzenzug hat erst die
diocletianische Monarchie entwickelt und dieser ist das hauptsächliche
Fundament der diese Staatsordnung völlig beherrschenden Bureau-
kratie. Dieselbe offenbart sich in der strengen Schematisirung und
dem festen Aufrücken sowohl der höheren Beamten selbst wie auch
des die Amtführung thatsächlich vielfach an sich ziehenden Subaltemen-
personals {officio) und in einer Rangordnung und einem Titelwesen
von einer Fülle und Strenge, dass dagegen alle spfteren Leistungen
auf diesem Gebiet dürftige Anfängerarbeit sind.
Die vielgegliederten und häufig wechselnden Formen der Civil-
und der Militärordnung dieser Epoche können hier nicht eingehend
entwickelt werden; wir beschränken uns darauf die Grundlinien zu
bezeichnen.
^23SS?. Der bürgerliche Oberbeamte, entwickelt aus dem Gardecomman-
danten des früheren Principats (S. 208), aber diesem kaum über den
Namen hinaus analog, namentlich der früheren GoUegialität und,
allerdings erst seit Gonstantin, aller militärischen Competenz entkleidet,
ist einem Reichstheil vorgesetzt, dessen Umfang öfter wechselt, aber dem
Herrschaftsgebiet gleich ist oder nahe kommt; beispielsweise haben in
den Jahren, wo Gonstantius II. die Ost-, Gonstans die Westhälfte des
Reiches beherrschte, drei Präfecten neben einander fungirt, der eine
für das ganze Ostreich, der zweite für Illyricum, Italien und Africa,
der dritte für Gallien, Spanien und Britannien. In diesen Verwaltungs-
kreis sind ausser den alten Sprengein kaiserlicher Verwaltung weiter
mit Ausnahme zweier kleiner den alten Proconsuln von Asia und
Africa belassener Distriete sämmtliche früher dem unmittelbaren Kaiser-
regiment entzogene Provinzen gezogen und nicht minder Italien unter
Aufhebung seiner althergebrachten Mutterlandsprivilegien in denselben
aufgenommen worden. Die bisherige Sonderstellung der Halbinsel
ward indess, wie wir sahen, nicht völlig aufgehoben, sondern beschränkt
^4^^'* auf die Stadt Rom. Zwar die Identificirung der stadtrömischen und
der Reichsbeamten, welche die Republik entwickelt und der Principat
tolerirt hatte, wird jetzt auch formell beseitigt; die Prätoren und
Die Staatsordnung seit Diocletian. 357
<}aftstoren der Stadt Rom werden aus dem Verzeichniss der Reichs-
würdenträger gestrichen und zu den Municipalbeamten gestellt. Aber
•die Stadt Rom selbst erhält an dem Polizeimeister des Principats, dem
praefecius urbi (S. 286) ein Stadthaupt, welchem alle Reichsbeamten
mit stadtrömischer Gompetenz, insonderheit der kaiserliche Getreide-
verwalter (S. 211. 271) und der Commandant der städtischen Lösch-
mannschaften (S. 208. 271) unterstellt wurden und der dem Präfecten
des Prätorium zwar in der Macht nach, aber im Rang zunächst
«tand. Nachdem durch Constantin I. das Reich eine zweite und der
Osten eine Sonderhauptstadt erhalten hatte, wurde diese Sonder-
^Stellung des alten Rom allmählich auch auf das neue abertragen.
Das Amtgebiet der Präfecten des Prätorium wird weiter getheilt ^*'""''*
in anfänglich zwölf, im Laufe der Zeit um einige Stellen vermehrte
Diöcesen, von denen einige durch die Präfecten unmittelbar, die meisten
•durch zwar als „Stellvertreter" derselben (vicarms praefectorum prae-
4orio) betitelte y aber obligatorische Mittelbeamte verwaltet werden.
Die Diöcese ist ihrem Umfang nach weit grösser als die alten Stadt-
Mi terbezirke; beispielsweise umfasst die Diöcese Gallien die alten
Provinzen Lugdunensis, Belgica, graische und poeninische Alpen (Sa-
voyen und Wallis), Unter- und den römisch gebliebenen Rest von
Obergermanien.
Die Unterbehörden bilden die bisherigen Provinzialstatthalter mit ^«•*'*«*
durchgängig gegen den früheren Umfang bedeutend eingeschränkten
^prengeln, so dass zum Beispiel in der Diözese Gallien aus jenen
alten fünf Provinzen durch Theilung dreier derselben acht geworden
sind, und mit gemindertem Rang, indem den meisten derselben statt
<les Legaten oder Proconsuls senatorischen Ranges nichtsenatorische
Statthalter, praesides, oder, wie sie in Italien betitelt zu werden
jpflegen, correctores vorgesetzt werden.
Die Rechtspflege und die Verwaltung werden durch die genannten ^•^\*nS**'*
•Ober-, Mittel- und Unterbeamten beschafft, v^rwaitunf.
Die Prozesse, die civilen wie die criminellen so wie alle Ver-
waltungssachen, welche zu contentiöser Verhandlung führen, gehen
in den beiden Hauptstädten an den Stadtpräfecten, so weit sie nicht
tin die Gompetenz eines seiner Unterbeamten fallen, im übrigen Reich
an den Statthalter. Die engeren Grenzen der Provinzen dieser
Epoche werden dem Statthalter es möglich gemacht haben die bei
>den früheren grossen Bezirken wahrscheinlich über die Gebühr
«ausgedehnte Delegation der Prozesse an beliebig ausgewählte Stell-
vertreter zu beschränken und seiner Amtspflicht der Regel nach
persönlich zu genügen. — Für die höheren Rangklassen bestehen
358 -^^6 Staatsordnung seit Diocletian.
Einschränkungen dieser Regeln. Der Angehörige eines städtische»
Gemeinderaths unterliegt zwar auch in Criminal Sachen dem Statthalter*
gericht; aber ein Todesurtheil kann gegen ihn nur vollstreckt werden
nach eingeholter kaiserlicher Bestätigung. Der Angehörige eines der
beiden Beichssenate hat seinen rechten Gerichtsstand nicht vor dem
Statthalter, sondern vor dem betreffenden Stadtpräfecten und kanni
wenigstens criminell nur von diesem verurtheilt werden, wobei über-
dies noch ein aus fünf Männern gleichfalls senatorischen Standes gebil-
detes Gericht zugezogen werden muss. Die Personen der ersten Bang-
klasse, das heisst alle mit dem hohen Personaladel des Patriciats-
ausgestatteten so wie alle zum Gonsulat oder zu einem der höchsten
Beichsämter gelangten, können criminell nur vor dem Kaiser selbst
und seinem Staatsrath (consistorium sacrum) zur Verantwortung ge-
zogen werden.
Appellation. jjj^ Appellationfgegeu das Erkenntnis erster Instanz wird auch jetzt
noch allgemein bezeichnet als kaiserliche Bectification desselben; indess
geht sie regelmässig nicht an den Kaiser unmittelbar, sondern an eine der
diesen vertretenden „mitkaiserlicher Gerichtsbarkeit(vtce5flM?ran*dicare>
ausgestatteten" Behörden. Von dem Untergericht wird entweder an die
Mittelinstanz, den Vicarius appellirt oder an die Oberinstanz, den Prä-
fecten des Prätorium, aus einzelnen Provinzen auch statt an diesea
vielmehr an den Stadtpräfecten. An denselben geht die Appellation
von den hauptstädtischen Untergerichten, so weit es deren giebt.
Von dem Spruch des Stadtpräfecten kann weiter appellirt werden
an den Kaiser und ebenso kann von dem Spruch des Vicarius nicht
an den Präfecten des Prätorium, wohl aber an den Kaiser Be-
rufung eingelegt werden. Der Spruch aber dieses Präfecten selbst ist
nicht appellabel und mit gewissen hier nicht zu erörtenden Aus-
nahmen definitiv, wie selbstverständlich immer der kaiserliche selbst^
Steuer- und Die Hebuug der Steuern und die Leistung der öffentlichen Aus-
weeen. gabou werdcu, so weit nicht besondere Anordnungen anders bestimmen,
im Allgemeinen durch die eben genannten Behörden beschafft Die-
Steuerlast selbst wurde nicht bloss auf Italien und in etwas verän-
derten Formen ebenfalls auf die Hauptstädte erstreckt, sondern auch
in dem übrigen Beich in grösstem Umfang gesteigert und neben dem
fixirten Betrag je nach Umständen durch mehr oder minder willkür-
liche Zuschläge erhöht. Der oberste Civilbeamte schreibt Jahr für Jahr
die Umlage aus und die Beitreibung derselben liegt in erster Beihe
dem Statthalter ob. Die provinzialen Obersteuereinnehmer des früheren
Principats sind beseitigt und ihre Geschäfte mit denen des Statthalters^
vereinigt — Daneben bestehen zwei besondere Finanzverwaltungen^
Die Staatsordnung seit Diocletian. 359
beide Beamten der ersten Rangklasse übertragen, die Gnaden- (largt-
tianes sacrae) und die Domanialkasse {res privatae). Der ersteren
sind die Bergwerke, die Grenzzölle, die Münzstätten und die kaiser-
lichen Fabriken überwiesen und sie ist in erster Reihe bestimmt für
die Leistung der kaiserlichen Gaben, namentlich der ständigen Gratiale
I so wie der ausserordentlichen Spenden an Beamte und Soldaten,
j während die immer grössere Ausdehnung annehmende Verwaltung der
' kaiserlichen Domänen bei dem anderen Oberamt centralisirt ist.
' Hinsichtlich der Landesvertheidigung blieb es bei der alten Be- oS5S^.
schränkung derselben auf die stehende Armee, wie dies unter den be-
stehenden Verhältnissen nicht anders sein konnte. Aber die noth-
wendige Verstärkung der Truppenzahl — nach den tadelnden Zeit-
genossen eine Vervierfachung — wurde von Diocletian bewirkt und
weiter der radicale Fehler des älteren Systems das Reich lediglich
durch Grenzgarnisonen zu vertheidlgen beseitigt. Es wurde neben
den stark vermehrten Grenzbesatzungen eine zu örtlich freier Ver-
wendung bestimmte Armee gebildet, zunächst gedacht als der Person
des residenzlosen Kaisers folgend (exercitus praesentalis). Dass bei
der Recrutirung der civilisirte Theil der Bevölkerung nicht in Betracht
kam, vielmehr die Mannschaften um so mehr galten, je roher sie
waren, kann nicht als Neuerung betrachtet werden, wohl aber das
mehr und mehr sich geltend machende Eindringen in das Reichs-
heer der eigentlichen Ausländer, der in sesshafter Leibeigenschaft
innerhalb der römischen Grenzen angesiedelten Barbaren, der kriegs-
gefangenen oder geworbenen Franken, Sachsen, Vandalen, Perser
damit also der definitive Verzicht auf die durch das Gesetz der Selbst-
erhaltung gebotene und auch unter dem verfallenden Principat nicht
offen aufgegebene Regel, dass die Reichsangehörigen und nur sie das
Reich zu vertheidigen haben.
Dass Diocletian den Statthaltern den bisher in den wichtigsten m^Smm.
Sprengein von ihnen geführten militärischen Oberbefehl nahm, ist
schon gesagt worden; um dieselbe Zeit sind die alten Legions-
commandos aufgelöst worden. An die Stelle der Legionslegaten wie
der commandirenden Provinzialstatthalter traten die „Grenzfeldherrn"
(duces limüum), deren zum Beispiel längs der Donau von der Augs-
burger Gegend bis zur Mündung acht eingesetzt und denen die Grenz-
truppen (milites limitanei oder riparienses) unterstellt wurden; diese
selbst wurden wie es scheint durchgängig in kleinere Corps von
500—1000 Mann nach der Art der bisherigen Gohorten und Alen auf-
gelöst und jeder solcher Abtheilung ein Offizier (tribunus oder prae-
fecius) vorgesetzt. Das Commando über das neue Feldheer blieb nach
360 Die Staatsordnung seit Diocletian.
Diocietians Anordnungen dem Kaiser und den zum Nebencommando
berufenen Mitregenten so wie unter ihnen den Präfecten des Prä-
jilS^, torium. Den letzteren hat dann Gonstantin die militärische Gompetenz
genommen und unter gleichzeitiger Verstärkung des Feldheers die
schon erwähnte Reichsfeldherrnschaft eingeführt, im Rang den höchsten
Givilämtem nachstehend, aber mit ihnen der ersten Aemterklasse
zugezählt. Zunächst sind für das vereinigte Reich oder bei bestehen-
der Theilung für den Reichstheil zwei Reichsfeldherren eingesetzt
worden, der eine für das Fussvolk (magister peditwn), der andere
für die Reiterei {magister equiium), beide unmittelbar den Feld-
truppen,' mittelbar durch die ihnen ijntergeordneten Duces auch
den Grenzbesatzungen vorgesetzt. In solcher Ausdehnung war das
Amt eine Gefahr für die Monarchie und sie steigerte sich, wenn
das Infanterie- und das Reitercommando mit einander combinirt ward ;
in dieser Stellung als magister utriusque müitia^e hat nach dem Tode
Theodosius I. Stilicho, ein Offizier deutscher Herkunft, mehr über als
unter dem Kaiser des Westreichs gestanden und dieser Reichsgeneralissi-
mat nicht wenig zu dessen rascher Auflösung beigetragen, während
im Ostreich gemäss den Anordnungen desselben Theodosius die Reichs-
feldherrschaft durch Spaltung und Beschränkung mit dem monarchischen
Regiment verträglich gestaltet ward. — Die criminelle Jurisdiction
über die Soldaten — die civile ist erst bedeutend später von den
Givilbehörden auf die militärischen übergegangen — steht nach der
diocletianisch-constantinischen Ordnung im Allgemeinen bei den Grenz-
truppen dem Dux zu, bei dem Feldheer dem Magister; die Appellation
geht von beiden an den Kaiser.
^nd^OT* Die unmittelbare Ausübung der souveränen Gewalt hat aus-
stoS^uf. schliesslich der Kaiser. Dass der Senat nicht einmal bei der Be-
setzung des Thrones gefragt wird, bedauert ein Schriftsteller aus der
Zeit Gonstantius IL, aber, setzt er hinzu, die Schuld trägt die faule
und feige Aristokratie selber, welcher der Genuss ihrer Reichthümer
über alles geht und die selber sich und ihren Nachkommen gemeine
Soldaten und Barbaren zu Herren gesetzt hat. Geblieben ist der
römische Senat und nach der definitiven Reichstheilung dem constan-
tinopolitanischen die gleiche Stellung im Osten eingeräumt worden;
aber factisch wie rechtlich sind die Senate dieser Epoche nicht
viel mehr als Publikationsstellen für die Kaisergesetze ; nicht einmal
für die Berathung bedient der Kaiser sich des Senats, sondern
vielmehr des schon mehrfach erwähnten kaiserlichen Gonsistoriums,
eines durch die eben anwesenden Beamten der ersten Rang-
klasse und eine Anzahl aus besonderem Vertrauen berufener Personen
Die
Die Staatsordnung seit Diocletian. 361
gebildeten Staatsraths. BeamtenemennuDg wie Gesetzgebung liegt bei
dem Kaiser, letztere wenigstens seit Constantin I., mit dessen Erlassen
die unter Theodosius IL veranstaltete Sammlung der Eaisergesetze
anhebt. Die Form der Erlasse ist insofern gleichgültig, als dabei nur
interpretatorisch gefragt wird, ob nach der Absicht des Kaisers die
Bestimmung als generelle oder als specielle anzusehen ist. Einen
gewissen Antheil an beiden Attributen der souveränen Gewalt haben
die höchsten Givilbeamten insofern, als sie die zu ernennenden Be-
amten vorzuschlagen pflegen und ihre allgemeinen Erlasse (formae)
Ahnlich wie die kaiserlichen gelten.
Dass der Herrscher in Rechtspflege, Verwaltung und Commando 5^^^,^^^
so weit eingreifen kann, wie es in jedem Fall ihm beliebt, folgt aus 4^g[{j,*J^^
<lem Wesen der absoluten Monarchie. So nothwendig freilich wie im
Principat (S. 204) ist die eigene Thätigkeit des Staatsoberhaupts in
dem neuen Herrenthum keineswegs. Dasselbe ist darauf eingerichtet
unfähige und nichtige Inhaber der Monarchie zu übertragen. Das neue
Ministerregiment schliesst die heimliche Mitregierung amtloser und
unverantwortlicher Individuen wenigstens einigermassen aus und nach-
dem die Reichskanzlerschaft und weiter die Reichsfeldherrnschaft con-
stituirt ist, sind die eigene Kriegführung, die eigene Rechtsprechung,
die eigene Staatsleitung des Monarchen wohl zulässig, aber nicht mehr
nothwendig. Bis zu einem gewissen Grade freilich wird auch bei
diesem Regiment persönliches Eingreifen des Regenten vorausgesetzt
und gefordert, indem die wichtigsten Yerwaltungshandlungen und nicht
minder nach dem früher Gesagten eine gewisse Zahl der Prozesse in
letzter oder auch in einziger Instanz vor dem Kaiser und dessen
Staatsrath zur Entscheidung kommen. In wie weit der Monarch in
diesen Vorsitz das Regiment legen will, hängt von seiner Persönlich-
keit ab; das Sinken des Systems zeigt sich am deutlichsten in der
Uebertragung auch dieser Thätigkeit auf die Regierungsgehülfen. Um
nicht von wichtigeren Arbeiten durch die Staatsrathsgeschäfte abge-
zogen zu werden, überwies Kaiser Theodosius IL, Kalligraph von Pro-
fession, die zur Entscheidung des Staatsraths stehenden Appellationen
«iner aus zwei hohen Beamten gebildeten Gommission, und dabei ist
«s geblieben.
Die neue Staatsordnung hat das Geschehene nicht ungeschehen ^S^
machen können. Einen nationalen Kern und eine nationale Religion
konnte keine Regierungskunst wieder schaffen ; als Surrogat für jenen
musste die hellenisch-lateinische oder vielmehr nach der Reichstheilung
im Osten die hellenische, im Westen die lateinische Civilisation dienen,
für diese das freilich aller Nationalität principiell absagende Christen-
23 ♦♦
362 I>ie Staatsordnung seit Diocletian.
tbum. Den Verfall der guten Sitte, der guten Kunst, der guten
Sprache, insbesondere innerhalb der flacheren Givilisation der latei-
nischen Beichshälfte, hat die Restauration auszugleichen nicht und
kaum aufzuhalten vermocht. Der römischen Menge, deren politischem
Bedürfhiss in Bettelbrot und Gratisschauspiel aufging, vermochte sie
in dem constantinopolitanischen einen gleichartigen Pöbel an die Seite
zu stellen, aber nicht ihn umzuschaffen. Dem einreissenden Verfall
des Ackerbaues suchte sie zu steuern durch die Beseitigung der Frei-
zügigkeit der kleinen Leute im Interesse des Grossgrundbesitzes und
die immer weitere Ausdehnung der an die Scholle gebundenen Leib*
eigenschaft, dem wirthschaftlichen Verfall durch die mehr und mehr
sich ausbreitende Aufhebung der freien Berufswahl, den Erbzwang bei
der Armee, bei den Subalternbeamten, bei den Gemeinderäthen der
Städte, bei den Bäckern, den Schiffern und zahlreichen anderen für
den Staat unentbehrlichen Gewerben. Die Lieferungen und Steuern,
welche die Armeeorganisation herbeigeführt hat oder die doch im
Verfolg derselben sich eingestellt haben, führten nicht allein, aber
wesentlich mit zu derjenigen allgemeinen Verarmung, wovon die
durch officielle Actenstücke zahlenmässig beglaubigte erschreckende
Ausdehnung der in sonst blühenden Landschaften von ihren Besitzern
verlassenen Oedäcker (agri deserii) ein nur zu beredtes Zeugniss ab-
legt. Dennoch ist durch die diocletianisch-constantinische Staatsreform
Grosses erreicht worden. Vor allen Dingen hat die Reorganisation
der Armee, um wie hohen Preis immer erkauft, dem Römerreich die
verlorene militärische Spannkraft zurückgegeben. Es wurde nicht alles
Verlorene wieder gewonnen ; das rechte Rhein- und das linke Donau-
ufer sind nicht wieder römisch geworden und das sichere militärische
Ueberge wicht, wie es das frühere Römerreich unentwegt besesseik
hatte, ist dem restaurirten Staat nicht zurückgekehrt. Aber die Ehr&
der römischen Waffen wurde in den Kriegen der diocletianischen Epoche
im Westen und Osten wiedei^ hergestellt und in diesem sogar die Reichs-
grenze über den Tigris hinaus erstreckt und längere Zeit behauptet.
Auch in dem inneren Regiment ist eine Besserung nicht zu verkennen.
Der banausische Ausschluss der Aristokratie vom Offiziersdienst ist
bald geschwunden und das neu geordnete Beamtenthum hat mit den
der Bureaukratie anhaftenden Mängeln auch Sachkunde, Tüchtigkeit
und Pflichttreue entwickelt. Selbst in der Finanzwirthschaft zeigt sich
wenigstens intermittirend ernstliches Bestreben die schwere Belastung
so weit möglich zu erleichtern; die Erbschaftssteuer hat die Re-
gierung, wahrscheinlich Diocletian selbst, bei der Erstreckung der
Grundsteuer auf Italien fallen lassen, im Ostreich Anastasius die ver-
Die Staatsordnung seit Diocletian. 363-
hasste und unbillige Gewerbesteuer (ehrysargyrum) aufgehoben ; Nieder-
schlagung der Steuerrückstände und Herabsetzung der Steuerbeträge
sind vielfach, vor allem von Kaiser Julianus in seinem nur zu kurzen
Regiment angeordnet worden. Wenn im Laufe des dritten Jahr-
hunderts die bimetallistische Münz Verschlechterung so weit vorge-
schritten war, dass Steuern und Besoldungen in Naturalien angesetzt
wurden und es Geld eigentlich nicht mehr gab, so ist die durch Dio-
cletian und mehr noch durch Constantin durchgeführte rationelle
Goldwährung und deren strenge Festhaltung in der Folgezeit ein
glänzendes Zeugniss gesunder Finanzwirthschaft, wenn gleich die Aus-
gabe einer der Sache nach dem heutigen Papiergeld gleichartigen
Creditmünze mit allen dabei schwer vermeidlichen Missständen da-
neben herging.
Die Feuerprobe der Zeit hat das diocletianische Herrenthum nicht
in dem Grade bestanden wie der augustische Principat. Das mili-
tärische und finanzielle Missregiment hat mehr und mehr darin die
Oberhand gewonnen; wenn ein Schriftsteller der justinianischen Epoche
den Sollbestand des Reichsheeres auf 645000 Mann, den effectiven
auf kaum 150000 angiebt, so ist damit allein hinreichend erklärt,
warum von den beiden Reichshälften die eine nach kaum zwei Jahr-
hunderten zusammenbrach, die andere, weniger unmittelbar den
Stössen der neu emporkommenden Nationen ausgesetzt und gestützt
auf die Unvergänglichkeit der hellenischen Geistesmacht, nach nicht
viel längerer Zeit die beherrschende Stellung einbüsste und ver-
kümmerte. Zu Grunde gegangen aber ist, wie der Römerstaat des
Principats, so auch der restaurirte Diocletians, welcher eben unter
Justinian noch kriegerische Erfolge aufzuweisen hatte, nicht durch,
die Barbaren, sondern an innerer Fäulniss.
Sachregister.
A.bgaben, provinziale 71.
AbslimmnDg in den Comitien 303; im
Senat 314 ff.
Abzeichen der Beamten 88 f. 137 f. ; der
gewesenen Beamten 138; d. Aedilen
178; d. Censoren 174; d. Consuln 159;
d. Dictators 163; d. Kaisers 197; d.
Königs 157; d. Pr&tors 166; d. Priester
88 f.; d. Bitter 46; d. Senatoren 42.
Adlection, kaiserl. 342 f.
Administrativprozess u. Civilprozess 242.
Adoption 9; Erwerb der Civität durch
A. 22. 23; A. eines Latiners durch
einen Römer 60; A. bei Plebejern 17.
Adrogation, Geschlechtswechsel durch
A. 8. 320. 325; Verb. z. Civität 23;
bei Plebejern 17.
adsessores 287.
4idsidui 34.
Adsignation von Gemeindeland 272 ff.
aediles cnrules 177; plebis, plebeii'51.
177; plebis Ceriales 177.
Aedilität 177 ff. 300. 310. 315; Coercition
d. Aedilen 225 f. ; Jurisdiction 239.
aerarii 30 ff. 175. 259 ; = Halbbürger 55.
Aerarium 316; militare 278; populi Bo-
mani 274. 280.
Jigris dandis (iudicandis) adsignandis 273.
Alba u. latin. Städtebund 56 f.
Alimentargelder 271.
Alimentarkassen 286.
Alter, Bedeutung f. Kriegsdienst 256 f. ;
s. Amtsalter.
Aemter 153 ff.; patric 39; Bes. durch
Ritter 48, durch Senatoren 43; Amts-
gewalt ohne Amt 87; s. auch Magi-
stratur.
Aemterfolge 113. 170. 172. 177. 181.
Amtsalter 114.
Amtsantritt 128 ff.; Antrittsauspicien
131; Formalien 131.
Amtsbegriff 81 ff.
Amtsdauer d. Aedilen 178; d. Censoren
173; d. Consuln 159; d. Dictatois
162 f.; d. Prätors 166; d. Quästoren
182; d. Tribuns 170.
Amtsfrist, Berechnung 129.
Amtsfunctionen 213 — ^298.
Amtsgehülfe 150.
Amtshandlungen, städt. (älterer Ord-
nung) 97.
Amtsjahr, Fizirung 130.
Amtskreis, örtl., d. Aedilen 178; d. Cen-
soren 173; d. Consuln 159; d. Dicta-
tors 162; d. Prätors 166; d. Tribuns
170.
Amtswohnung d. Königs 83. 157.
Ankündigung d. Comitien 301 ; d. Senats-
sitzung 312.
Anleihe s. tributus.
Annuität 99. 129. 308 f.
Ansässigkeit als Fundament d. Gliede-
rung d. Bürgersch. 28.
Appellation 126. 150. 255 f. 341 f. 358.
Attribute der Kaisergewalt 196.
auctoritas patrum 325 ff. 328.
Aufwendungen f. d. Magistratur 141.
Sachregister.
365
Aufeeichaang d. Senatsbeschlüsse 316;
d. Yolksbeschlusse 316.
augures 217 ff.
„AugastuB^ 193.
Aurelisches Gresetz 248.
Aushebung 97. 281 f.
Ausland^ Beziehungen zum A. 291.
338 f.
Ausländer 15 f. 62.
Auspication 219. 303. 313.
Auspicia 217 ff. (keine Mandirung) 131 ;
priesterl. 91; beim Amtsantritt 131.
Ausscheiden aus d. Geschlecht 9; von
Geschlechtem aus e. Staat 6.
AuBseiitalische Bundesstaaten 66; Herr-
schaftsgebiet 66 ff. ; Unterthanen 68.
Ausserordentliches Imperium 187. 264.
Ausserordentliche Magistraturen d. Re-
publik 186 ff. 264.
Austritt aus d. Gemeinde 26.
Auswärtige Angelegenheiten 338 f. 341.
Ausweisung 228. -
Autonomie in d. Gemeindejurisdiction
241; militärische d. Bundesstaaten 282;
d. MunicipaUA. 281 ff.; städtische
281 ff.; s. auch Quasi-A.
auxilium 126.
Bauten 270 f.
Bauwesen (Aemter z. Kaiserzeit) 205.
Beamte, Creirung 102 ff.; unter d. Prin-
cipat201; Ehrenrechte 137 ff. ; Emolu-
mente 141 ff.; Rechnungslegung 134 f.;
Verantwortlichkeit 135; Vergütung f.
d. Dienst 140; s. Amt, Magistratur.
Beamteneid 133.
Beamtenerpressung s. Erpressung.
Beamtenmandat 413 ff.
Beamtenregiment unter d. Principat
347 f.
Beamtensitz 138.
Beamten vergeheui Zuständigkeit 235.
Bergung d. Bürgerschaft 299; d. Se-
nates 306 f.
Befristung bei Aemtern 128 f.
Begnadigung 232. 318. 320.
Berufung d. Comitien 300; d. Senates
313; B. an die Comitien 230 ff.; s.
auch Appellation.
Betagung bei Aemtern 129.
Bezirk, politische Verwendung des B. 31.
Bodeneigenthum, Erwerb durch Latin er
60; d. Ausländers 61 f.; privates 272;
provinziales 70; Verb. z. Geschlecht 6;
Einfluss auf d. Gliederung d. patr.-
pleb. Gemeinde 28.
Bodenrecht d. Gemeinde 266. 269. 272.
Bodensteuer, Bezug durch d. Kaiser 279.
Bodentribus 28.
Bodenzins 71. 273.
bona fides 267.
Botensendung 293.
Botschaften, senatorische 43.
Brandstiftung 227. 233.
Bruttiani 139.
Bundesstaaten, ausserital. 66.
Bündnisse 343; ewige 291; Beziehungen>
z. verbünd. Ausland 263; Königs-
bündnisse 67.
Bündnissverträge, Form d. Abschlüsse»
292.
Bürgerklassen, priv. 37 ; zurückgesetzte
50.
Bürgerleistungen 83.
Bürgerrecht, ursprüngl. 3; Ausschliess-
lichkeit d. röm. B. 5. 25; Scheidung
von d. Geschlechtsgenossenschaft 5 7
Verhältniss z.Patriciat u. Plebität 22;
Ertheilung des B. 344; Erweis de&^
B. 24 f. ; Erwerb durch Latiner 60 ;
Kennzeichen 24 f.; Erstreckung d.
röm. B. auf d. gesammten städt.
Reichsverband 76 f.; B. und Wähl-
barkeit 111 ; Verlust des B. als Straf-
mittel 229. 253.
Bürgerschaft 5. 299 ff. ; B. u. d. Reich
1—77 ; Befragung 299 ff. ; Gliederung
299; Mitwirkung bei d. Beamten-
creirung 106.
Bussen, Verwendung 276.
Capite censi 34.
Capua, Sonderstellung 54 f.
Censur 172 ff. 268 ff. 300. 309. 311. 315 r
Schwinden der 0. 176.
Census 147. 257. 97.
Centralisirung d. Bürgerschaft im röm^
Einheitsstaat 73.
366
Sachregister.
centumviri 147. 249.
denturien, patricische 88.
Oentarienordnung 34 ff. ; reformirte 35 f.
Oivil&mter 355.
OivilprozesB 97. 146. 185. 228. 283 f.
237 ff. 277. 280. ; Scheidung vom Ad-
ministrativprozess 242.
-civis 5. 21 ; c sine suffragio 54 f.
Civität 22 ff.; Erwerbung 22 ff.; Ver-
lust 25.
clientes 15.
Coercition 222 ff.; (keine Mandirung)
146; der ausserord. Beamten 188;
gegen unbotmässige Priester 220.
€ognition 255. 267.
€ollegialität 117 ff. 122. 262; in d. Königs-
zeit 117; in d. Republik 118; magi-
stratische 119; imPrincipat, ungleiche
(s. auch Mitherrschaft) 201 ff., gleiche
203; oberamtliche, ihre verschiedene
Behandlung 99; Ausschluss bei d.
Creirung d. Beamten 105; im Priester-
thum 90; neben gesetzlicher Compe-
tenz 123; Zwöck der C. 123.
Oollision d. Beamten 117; d. Volks«
Schlüsse 322.
coloniae illi deducendae 273.
-Comitialwahlen , allmähl. Einfuhrung
106.
Comitien 295 ff. ; (keine Mandirung) 146 ;
Abstimmung 308 ff.; Ankündigung
301 ; Berufung durch d. Magistrat 300;
Competenz 318 ff.; Uebergriffe in d.
magistr. Competenz 321 ; Leitung 303 ;
Einfluss auf d. Senatsbildung 309;
Tage 301; Untergang d. Com. 824;
Versammlungsort 301. 97; s. auch
Quasicomitien.
Oommando, allgem. 262 f. 861 ; kaiserl.
198 ff.; Statthalter-C. 288.
Commandosprengel 262 f.
commercium der Latin er 60.
-Competenz d. Aedilen 178 f. ; d. Cen-
soren 174 f.; d. Comitien 318 ff.; d.
Consuln 160; d. Dictators 168; kaiser-
liche 198 ff.; d. Prätors 166 f.; d.
Quftstoren 182; Intercession u. C. 125;
Collegialit&t neben ges. Comp. 128.
Oompetenztheilung 122.
concilium 300.
Concurs (Parteirollen) 246.
consilium 151 f. 307 f. 327. (die Ge-
schworenen) 251; des Kaisers 204;
c. und Intercession 126; c publicum
328.
consistorium sacrum 858.
constituirende Gewalt, Beamte mit c.
G. 188.
constitutio 345.
Consul 164. 259 f. 265. 285. 288. 808.
314 f. 334 f. a38. 354; s. Consulat.
Consularjahr, Theilung 180 f.
Consulartribunat 160 ff.
Consulat 158 ff. 124. 155 ; Uebemahme
durch den Kaiser 194. 196.
Continuitat des Oberamtes 102 f.
Contribution 276 f.
Cooperation 121.
Cooptation in den Senat 309.
Creirung der Beamten 102 ff. 122. 201.
831. 336; Competenz zur C. 105; durch
den Interrez 104; durch d. Vorbeamten
104. 122; Zeit der C. 109; C. der
Aedilen 178; d. Censoren 172; d. Con-
suln 158; d. Dictators 162; d. Kriegs-
tribunen 184; d. Prätors 166; d.
•Priester 216; d. Quästoren 181 ; d. Se-
natoren 308 ff. ; d. Tribüne 169 f.
Criminaljurisdiction 171. 180. 182.
Criminalprozess 222 ff. 147. 186.
Criminalrecht s. Strafrecht.
Curia 11 ff.
Curienordnung der patric-pleb. Gem.
28. 300 ff.
Curienstimmrecht der Patricier 87.
curules magistratus 87.
I^ecemvirat d. Zwölftafelgesetzgebung
188.
decemviri litibus iudicandis 185.
Decurien d. Senates 311.
dediti 68.
dediticii 68.
Dedition 68 f.
Deportation 290.
Designation 109.
Dictator 100 f. 105 ff. 109. 265. 800; s.
Dictatur.
Sachregister.
367
Dictatur 162 ff. 124. 126. 128 f. 155.
Diebstahl 227. 252. 255; gegen eine Ge-
meinde 244.
Dienerschaft, magistratische 189.
DienstAhigkeit 258.
Dienstpflicht 257 ff.; Yoraussetzungen
257 f. ; Dauer 261 f. ; Nichtleistung 229 ;
Verh<niss zur Aemtererlangung
112 f.; s. Wehrpflicht.
Dienstzeit 261 f.
Diodetian, Staatsordnung seit D. 347.
Discussion, vorbereitende f. d. Comitien
302.
dominus 852.
Dreimänner 185. 228 f. 250.
Dreissigcuriengemeinde 12.
duces limitum 859.
duoviri 186. 224.
Dyarchie des Principats 840 ff.
Sdicte» kaiserliche 844 ff.
Ehe als Vorstufe des röm. Staatswesens
3; Eintritt in d. Geschlecht durch E.
8; Abhülfe gegen ihren Verfall unter
d. Principat 271.
Ehebruch 235. 250.
Ehefähigkeit d. Hörigen 17.
Ehrengericht, censorisches 175.
Ehrenhaftigkeit, Einfluss auf d. Dienst-
pflicht 258 f.
Ehrenrechte der Beamten 137 ff. ; d. ge-
wesenen Beamten 138; d. Aedilen
178; d. Censoren 174; d. Consuln 159;
d. Dictators 163; d. Kaisers 198; d.
Königs 157; d. Prätors 166; d. Quä-
storen (keine) 182 ; d. Siegers 264 f.
Ehrenschm&lerung, Disqualification far
ein Amt 112.
Eid, 8. Beamteneid.
Einberufung d. Dienstpflichtigen 260 ff.
382.
Einheitsstaat, städt. Gliederung 72 ff.;
Städtebund u. Einh. 72.
Emolumente d. Beamten 141 ff.
Eponymie, mangelnde im Principat 198.
Erbschaftsgerichte 249 f.
Erbschaftsprozess 250; (Parteirollen) 246.
Erlasse, kaiserl. 344 f.
Ernennung d. Offiziere 26 1 d. Priester 90.
Erpressung 250. 253.
Ezecution im Gemeindevermögensrecht
267. 277 f.; d. pönalen Zwangs- u.
Strafmittel 280; beim Privatdelict 252;
im Quästionenprozess 255; im Schuld-
verfahren 253.
ezilium 26.
Fasces 137 f.
Feldherr 228. 268 f. 359 ; Auswahl der
Krieger 261; Beuteverwaltung 276;
Kasse 275. 149; Provinzialregiment
69; Rechtspfl^e 150 ; Beichsfeldherm-
schaft 855 f.; Stellvertretung 148;
Verhfiltniss z. Senat (Instruction f. d.
Kriegführung) 833 ff.
Feuerlöschwesen 271.
Finanzbeamte, kaiserl. 210 ff.
Finanzwesen 362 ; Gemeindefinanzen
336 f.
Fiscus 210. 279.
Formalien des Amtsantrittes 131; des
Bücktrittes 133 f.
Formnla, Ertheilung der F. 244 f.
Fragestellung des Magistrats in den
Com. 303 f.; im Senat 813; specielle
315 f.
Frau, ihre ursprüngliche Stellung im
Geschlecht 8. 4; in d. Gemeinde 4 f. ;
Verzeichnung der Frauen beim census
258; Ausschluss vom Provocations-
recht 281.
Freigelassene 52 ff. ; Dienstpflicht 259.
Freiheitsprozess, Zuständigkeit 249.
Freilassung, Wirkungen 16. 18; Ein-
fluss auf Erlangung der Civität 28.
Freiwillige Gerichtsbarkeit 238.
Friedensverträge 292.
Frohnden 83.
Crabinisches Gesetz 151.
Geburt, Eintritt ins Geschlecht 7 ff.;
Erwerb der Civität 22.
Gefängniss 228 f.
Gehülfen d. oberamtl. Strafrechtes 228.
Geldbusse zwecks Coercition 280 ; C^kld-
strafen s. Vermögensstrafen.
Gemeinde, Auflehnung gegen die G.
227, s. perduellio; Schädigung der
368
Sachregister.
Gemeinde 227; Ungehorsam gegen
die G. 227.
Gemeindefinanzen 274 f. 278. 336 f.
Gemeindeschenkungen 271.
Gemeindesouveränität unter dem Prin-
cipat 201.
Gemeindevertretung 81 f.; magistrati-
sche 82.
Gemeindevermögen 266 fi'.; Gegensatz
zum Privatverm. 266 AFI; Vermögens-
verwaltung u. Rassenführung 267;
Instandhaltung u. Verwendung 268;
Ausschluss der Klage im Gem.-Verm.-
Recht u. Verfahren 269.
Gemeindewille 292.
Gemeinland, Adsignation 272 ff.
gentes minores 12.
gentiles 77.
Gerichtscomitien 230. 319.
Gerichtsverweser 156. 185.
Gesandtschaftsverkehr 338.
Geschlecht 3; als Vorstufe der röm.
Staatsbildung 3; das G. im Privat-
recht 6; Eintritt ins G. 7 f.; Aus-
scheiden aus dem G. 9; Zahl der G.
7; Senat u. Geschlechter 308.
Geschlechtsgenossenschaft , Scheidung
des Bürgerrechtes von der G. 5.
Geschlechtsordnung d. patr.-pleb. Gem.
28.
Geschlechtsrecht, Erwerb desselben 7;
plebejisches 9.
Geschworene 246 ff.: Ernennung 247;
Bevorzugung d. Senatoren als G. 48 ;
Verfahren 247. 251 ff., dessen Unter-
gang 254 f.
Geschworenenspruch, Ausschl. d. Inter-
cession 126.
Gesetz, fehlerhaft beschlossenes 323;
bindende Gewalt für den Kaiser 192.
Gesetzescomitien 318.
Gesetzentwürfe 302.
Gesetzgebung, Einfluss der Com. 318;
Einfluss des Senates 380; kaiserliche
343 ff. ; s. auch lex.
Getreidepreis, Schutz gegen hohen G.
270 f.
Gliederung der Abstimmung 303; der
Bürgerschaft 299; der patric. Ge-
meinde 11 ff. ; d. patric-plebejiBchen
Gem. 28 ff.
Götterzeichen 217; erbetene 218; Ver-
fehlung gegen die G. 219.
Göttlicher Einspruch 217 t
Grenzen d. Rechtspflege, personale 241 ;
sachliche 242.
Gutachten des Senats 341.
Halbbürger 55 f.
Handlungsfähigkeit der Greschlechter 5.
Handlungsfähigkeit, mangelnde d. Gre-
meindetheils 14.
Hauptstädtische Verwaltung unter dem
Principat 205.
Hausherrlichkeit im ältesten Recht 4.
Hausverwalter, kaiserl. 204 ff.
Heer, das censorische u. das milit. 25^
Heerbildung 147.
Heerwesen 257 ff.
Heimathsrecht 75.
Herrschaftsgebiet, ausserital. 66 ff.
Hochverrath 186. 224. 227. 253. 331.
honores 83. 86.
Hörige, ihr Verh. zur curia 12.
Hörigkeit, Begriff 15, poüt. Stellung 20,
privatrechtl. Stellung 18 f., Prozess-
schutz 19; Rechtsgründe der H. 15;
Schwinden der H. 21.
Hortensisches Gesetz 171.
hostes populi Romani 62. 264.
Hülfsthätigkeit niederer Organe unter
dem Principat 209.
Imperator 85. 264. 336.
imperator deus 191 f.; imperator domi-
nus 192.
imperium 85. 187. 199. 259.
Imperium u. Jurisdiction 237 f.
imperium domi u. militiae 96; Ab-
stufungen des milit. I. 259.
infamia, Disqualific. f. d. Staatsamt 112.
iniuria 227. 252.
lusignien s. Abzeichen.
Instruction für die Kriegsführung 333 ff.
Intercession 99 f. 124. 288 ; I. beschränkt
im Kriegsregiment 125 ; bei ungleicher
Gewalt 124; tribunicische 125. 170 f.;
Sachregister.
369
(Intercession) u. Competenz 125; Schran-
ken der Interc. 125; Wirkung der
Interc. 127; Zwangsrecht der Interc.
127.
Inteidictum 245.
Internationale Verhältnisse 61 f. 291 £P.
Interregnalordnnng 103 f.
Intervallirong der Aemter s. Zwischen-
zeit
Italici e^.
Italien, Militärstellnng 284; Reichsbe-
hörden 285; Steuerfreiheit 285.
Italische Gerichts Verweser 185.
Italische Verwaltung zur Raiserzeit 206*
281.
Iteration 118.
Iudex unus 147. 248; Beiziehung von
Rathmännem 151; s. auch Geschwo-
rene.
in iudicio, Verf. 251 f.
udicium legitimum 288.
Judicatur der ausserord. Beamten 188
der Aedilen 179; der Consuin 160
der Prätoren 167 ; der Quästoren 183
der Tribüne 171; des Zehnmänner-
collegiums 185; s. auch iudex u. Ge-
schworene.
in iure, Verf. 247.
iuridici 286.
Jurisdiction 164. 185.222f 237 f. 239.288ff.;
municipale Gerichtsb. 282; d. .Priester-
schaft 220; über die Soldaten 263. 360;
s. auch Judicatur.
ius gentium, Entwicklung 62. 63; all-
mähl. Aenderung des Begr. 65.
ius pontificium 94 f. ; ius civile 95.
Justiz s. Judicatur, Rechtspflege, Civil-
prozess, Strafrecht.
Maiser (s. kaiserlich, Principat, Impera-
tor) Bindung durch die Gesetze 192;
Einfluss auf die Senatorcreirung 311 ;
Regierungsthätigkeit 361.
Kaisergericht 234 f. 283.
Kaiserliche Edicte u. Erlasse 344 f.;
Finanzbeamte 210; Gesetzgebung
343 ff.; Kasse 279; Selbstregierung
204 f.; ünterbeamte u. Hausverwalter
204 ff. ; Vermögensverwaltung 210.
Binding, Handbuch. I. 3: Hommsen, Abriss
Kasse 139. 148. 182. 183. 205. 274. 358;
Gemeindekasse 267; kaiserliche 279;
Kriegskasse 263. 275. 149.
Klagerecht 243 f. ; im Quästionenprozess
244.
Klagevertretung für die Gemeinde 244.
Kolonien, röm. Bürgerkolonien 74.
König 308. 320; Leitung der Rechts-
pflege 238.
Königsbündnisse 67.
Königsgesetze 94.
Königthum 157 ff". ; königl. Vollgewalt 83.
Körperl. Züchtigung 228. 252.
Körperbeschädigung 227. 252.
Kriegsbeginn 293.
Kriegserklärung 263. 293. 320. 325.
Kriegsfall in der Stadt 100.
Kriegsfahrung 293; Instruction 333 ff.
Kriegsgefangenschaft 25. 62; Einfluss
auf d. Bürgerrecht 25.
Kriegsrecht, Verlust seitens der lat.
Städte 58, der ausserital. Bundes-
staaten 67.
Kriegsregiment 96 ff.; pers. Combin.
mit dem städt. 100.
Kriegstribun 124. 156. 184.
Kriegsverträge 291.
liändliche Tribus 29.
Latinische Nation 56 ff.; lat. Recht,
Umfang 57; lat. Städtebund 56 ff.
Latium und Rom 56.
Lebenslänglichkeit des Amtes 128; des
Pries terthums 89; des Principates 197;
der Senatur 308.
Lebensstrafe 228. 252.
Legalcomitien 318 ff.
legati 207 f. 287. 336; magistratische
206; nichtmagistratische 207.
Legis actio sacramento 245.
Legislation d. Comitien 344; kaiserl.
343 f; d. Senats 344.
Leitung d. Comitien 303; d. Senatsvers.
313 f.
Lex 319 f.; data 319; privata 319; pub-
lica 319; rogata 319 f.
liberi, als Begriff für die Bürger 21.
Licinisches Ges. 122. 123. 164 f.
lictores 137.
d. Römischen Staatsrechts. 2. Aufl. 24
370
Sachregister.
Loosung 121.
Löschwesen s. Feuerlöschwesen.
magister 85; m. populi 162.
Magistrate, Kategorien 86 f. ; f. Bechts-
pflege 238 ff.; Einflnss d. Senates auf
d. Amtsthätigkeit 826 ff.; s. Magi-
stratur.
Magistratische Gemeindevertretung 82.
Magistratsgeschäfte sacrale 216 ff.
Magistratur 81 — 152; Verh. zu den
Comitien 82; Uebemahme 82 f.; Qua-
lification zur M. 111 ff.; M. der Patri-
cier, allmähl. Zulassung der Plebejer
39; Besetzung mit Bittern 48; mit
Senatoren 43; M. und Priesterthum
88; sacrales Begiment 220; s. auch
Quasi-Magistratur.
magistratus 85 ; m. curules 87 ; maiores,
minores 86; patricii, plebeü 86.
magistri militum 355. 360.
maior potestas 120.
Mandirung im Amt 143 f.; im städt.
Regiment 145.
Mandirungsrecht 240. 287.
Marktpolizei 179.
Militärämter, Trennung von den Civil-
ämtem 355.
Militärische Autonomie der Bundes-
staaten 282; milit. Jurisdiction 263;
Kassenverwaltung 268.
Müitärwesen 355. 359. 363.
minor potestas 120; minores gentes 12.
Mitherrschaft im Principat 201.
Mitwirkung des patr. Senates bei dem
Yolksschluss 325; des weiteren Se-
nates bei dem magistr. Decret 326 f.
Mord 227. 233. 250 f. 253.
munera 83.
Municipaljurisdiction 240 f.
Municipalrecht, Inhalt dess. 75 f.
Municipal Verfassung , ihre Entstehung
74.
Municipalverwaltung 281ff.; deren Ver-
fall 283.
municipium civium Bomanorum 61; m.
Latinum 61.
Münzprägimg, Beamte für die Munzpr.
185.
Münzwesen 363.
Mutterrecht 3.
niedere Aemter s. Unteramt.
Nobilität 41 ff.
nomen Latinum 56.
nomen Latinum ac socii 64.
Nothstandscommando 102.
Oberamt, sacrale Gompetenz 220;
Zwangs- u. Strafrecht 223; Gehülfen
im oberamtl. Zwangs- u. Strafr. 228;
Continuität 102. 103; allmähl. Ein-
führung d. Comitialwahlen 107.
OberamtlicheVermögensverwaltung 268.
Oberpontifex 300. 820; Kaiser als O.
194. 196; s. Oberpontificat.
Oberpontificat 91; Einheitlichkeit des
0. 118.
Occupation 264. 266.
Oeffentlichkeit der Amtsthätigkeit 299.
ofificia 356.
OfQzierdienst 47.
Offiziere von Bitterrang zur Kaiserzeit
207.
Of&ziersemennung 261.
Opfer, magistrat. 216.
orbis Bomanus 350.
Ort der Abhaltung d. Comitien 301; d.
Senates 312 f.
Oertliche Grenzen d. Imperiums 262;
örtl. Scheidung durch d. pomerium 96.
Ovinisches Plebiscit 309.
Päderastie 228.
par potestas 120.
Parteirollen, Begulierung 245 f.
patres 5; p. conscripti 306.
Patriciat als Erbadel 37 ff.; Verleihung
in d. Kaiserzeit 7.
patricii 5.
Patricier und Senat 306. 307. 314. 315.
Patricisch- plebejische Gemeinde, ihre
Gliederung 28 ff.
Patronat 17.
Patronatspflichten, Verletzung 228.
pedarii 314.
perduellio 186. 224. 227. 244.
peregrinus 62. 65.
Sachregister.
371
Peregrinität der spät. Republik 71 f.
Pf&ndnng 229; im Gemeinderecht 267.
Piacnlarverfahren, pontificales 94.
Plebejer 50 ff.; PL u. Senat 306. 807.
309. 314. 315; Zulassung zur Magi-
stratur 39.
plebeii 15. 21.
plebejisches Geschlechtsrecht 9; Quasi-
magistrate 51; Quasicomitien 51;
Gliederung der patric - plebejischen
Gemeinde 28 ff.
poena dnpli 252.
Politischer Wert der Comitien 323 f.
Polizei 179. 222. 226. 236. 250. 331 ; Aus-
gestaltung der hauptstädt. P. zur
Kaiserzeit 205.
pomerium 96 f.
Pontifices 13; s. auch Oberpontifex u.
sacral.
Pontificales Piacularverfahren 94.
Pontificale Rechtweisung 95.
populus 12. 21 — 56 ; Gegensatz zu
tribus 12.
potestas 85; par p. 120; maior u. minor
p. 120.
praefecti: pr. iure dicundo238. 240; pr.
praetoriö 208. 355 f. ; praefectus urbi
144. 235 f. 356.
praesides 287. 357.
praetor 164 ff. 259 f. 265. 286. 315. 334.
335; Jurisdiction 238 f.; Quasilegis-
lation 243; praetor hastarius 250;
peregrinus 165; urbanus 164. 167; s.
Pr&tur.
Prätur 164 ff. 124; Verhältniss z. Con-
sulat 164 ff. ; s. auch praetor.
prensio 229. •
Priester, ihre Ernennung 90.
Priestercollegien: CoUegialit&t 117.
Priesterliche Auspicien 91.
Priesterliches Imperium 91.
Priesterschaft, Jurisdiction 220 f.
Priesterthum 88 ff.; in d. Municipien
283; Personale Gleichbehandlung mit
der Magistratur 89; Priesterthümer
d. Ritter 48; d. Senatoren 43; patri-
cische 38 f.; s. auch sacrales Regi-
ment, „Pontifical".
princeps 193; pr. senatus 315; s. Prin-
cipat.
Principat 190 ff. 340; Entstehung 190;
als bleibende Institution 190 f.; ob
Magistratur? 191. 192.
Privatexecution 253.
Privatrecht u. Prozess (s. auch Civil-
prozess) Gegensatz zum Strafrecht
222. 233.
privatrechtl. Stellung der Hörigen 18.
Privilegien der Italiker 65.
Privilegirte Bürgerklassen 37.
Privilegium 319 f.
pro (pro magistratu, pro consule) 87.
proconsul 159. 286 f.
Proprätor 286 f.
procurator Augusti 211.
proletarii 84.
proquästor 149.
Provinzen 69. 66. 286 ff. 281 ff. 279.
Provinzialen , ihre Reichsangehörigkeit
71.
Provinziale Abgaben 71.
Provinziales Bodeneigentum 70.
Provinzialregiment, feldherrliches 69.
Provinzialstatthalter, Jurisdiction 239 f.
8. Statthalter.
Provinzialverwaltung der Raiserzeit 206.
Provocationsprozess , -recht 98 f. 230 ff.
250. 252.
Prozess, örtl. Beschr. 97; Stellung d.
Latiner im Prozess 60; s. auch Civilpr.,
Strafr.
Prozessschutz der Hörigen 19.
Pupisches Gesetz 312.
Publication 805; s. Veröffentlichung.
Purpur der Beamten 138.
quaestio 249.
Quästor 80 ff. 124. 155. 263. 287. 288.
300. 310. 315 ; Kassenfahrung der Qu.
268. 274 f. 278; strafr. Thätigkeit
223 f. 226. 228; quaestores Augusti
204; parricidii 183. 224; urbani 181.
Quästionenprozess 284 f. 250 f. ; Klage-
recht 244; Ezec. 253.
Qualification för die Geschworenen 247;
für die Magistratur 111 ff.; für die
Aedilität 177; für die Censur 172;
24»
372
Sachregister.
(Qualification) für das Consulat 158; für
die Dictatur 162; far die Prätur 166;
für die Quästur 181 ; für den Militär-
dienst 257 ff.; für das Bitterpferd 44;
far den Principat 197; z. Senator
307 f. 310 ; der kaiserl. Amtsgebülfen
205.
Quasi -Autonomie, prov. in den Pro-
vinzen 69. 70.
Quasilegislation prät. 243.
Quasi-Magistrate der Freigelassenen 53;
der Plebejer 51.
Quasi - Patriciat der pleb. Notabilität
41. 48.
quiris 5. 21.
Rangstellung der Aedilen 176; der Cen-
soren 172; des Dictators 162; des
Quästors 181; des Tribuns 170.
Rathmänner 113 ff.
Bechnungslegung der Beamten 184 f.
Rechtsgemeinschaft der Latiner und
Römer 60 ff.
Rechtspflege 237 ff. 357. 361 ; Einfluss
des Senates 332; Grenzen, sachl. u.
persönl. 242 f.; Magistrate f. d. R.
238 ff.; militär. R. 263; Oeffentlich-
keit d. R. 299; Theilung d. R. 242;
Verfahren 243.
recuperatores 147. 151. 248 f.
Regierungsthätigkeit des Kaisers 861.
Regiment, sacrales 88 ff. 220; s. auch
Sacralwesen.
Regiment, städt. u. Kriegsreg. 96 ff.;
personale Combination 100.
Reich u. Bürgerschaft 1—77.
Reichsangehörigkeit der Provinzialen
71.
Reichskanzlerschaft 355 f.
Reichstheilnng 354.
Religion u. Staatsgewalt seit Diocletian
352 ff.; 8. auch sacral.
Renuntiation des Abstimmungsergeb-
nisses 304. 316.
Republik 83.
res publica 84.
Richtherren 184.
Ritterrang, Offiziere von Ritterrang zur
Kaiserzeit 207.
Ritterschaft 44 ff. ; Abzeichen 46 ; Aemter
d. R. 48; milit. Formirung46; Quali-
fication 44 f.
Rogation, Initiation bei der R. bei der
Aemterbestellung 108 f.
Rücktritt vom Amt 128 ff. ; Einfluss auf
die Gültigkeit der Amtshandlungen
134; Formen dess. 133.
Sachbeschädigung 227; gegen eine Ge-
meinde 244.
Sacralacte, Oeffentlichkeit 299.
Sacralangelegenheiten 313.
Sacrale Collegien, Eintritt des Kaisers
197; sacr. Finanzirung 93; sacr. Ge-
walt 320; Sacralhandlnngen 92 f.;
sacr. Magistratsgeschäfte 216 ff.;
Sacralordnungen 92; sacr. Regiment
88 ff. (s. auch Priesterthum), der Magi-
strate 219 f.; sacr. Strafrecht 94;
Sacralwesen in d. Municipien 283,
Einfluss d. Senats 829.
sacramentum 93. 245.
Sammtherrschaft 203. 354.
Schädigung der Gemeinde 227.
Schätzung 97.
Schau (spectio) 218.
Schauplätze, bevorzugte der Senatoren
43; der Ritter 47.
Schulden der Gemeinde 278.
Sclaven, ihre Verwendung im öffentl.
Dienst 139.
scribae 140.
Selbsthülfe 236. 252. 254; der Gemeinde
267.
Senat 285. 295. 146; Beamtenwahl 108;
Competenz 825 ff. ; Einfluss auf d.
Magistr. 326 ff. ; facultative Zuziehung
d. S. 327.
Senat u. kaiserl. Staatsrath 360; Mit-
gliederzahl 307; Patric. u. pleb. Senat
306. 40. 41; Qualification z. Senator
307. 308. 310; Stellung im Principat
340 ff.; Titulatur 306; Verhält z. d.
Geschl. 308; Versammlungsort 97;
Wahl 308 f.
Senatorenstand 42 ff.; Abzeichen 42 f.;
Competenz über die Sen. 358; Ent-
lassung d. Sen. 308. 809; Klassen d.
Sachregister.
373
Senatoren 814 f.; Lebensl&ngl. 308;
Qualification 307. 308. 310; Zahl der
Sen. 307; Titulatur des einselnen
Senators 807; Wahl 308 f.; Zahl der
Sen. 307.
Senatsbeschluss, Intercessionsrecht 126.
Senatsgericht unter d. Prindpat 284 £
Senatsgutachten 841.
seniores 307.
^iegerehren 264 f.
Sitzrecht 188. 170.
aocii 64. 69.
Bolarium 269.
Soldzahlung 32.
Souveränität der Gemeinde unter dem
Principat 201.
•Souveränitätsrechte der latin. Gemein-
den 59; d. ausserital. Bundesstaaten 67.
'-Spaltung der ursprnngl. einheitl. Magi-
stratur 155.
apectio 218.
Staatsbnrgerrecht 75.
Staatsordnung, Unabänderlichkeit 819.
^Staatsrath 360. 862.
Staatsverträge 292. 838; Ablehnung
eines St. durch die Gem. 298.
Stadt, Kriegsfall in der St. 100.
Städtebund, italischer 63 ff. ; latinischer
56 ff.
Städtische Autonomie 281 f.
Städtische Gliederung des Einheits-
staates 73 ff.
Städtisches u. Kriegsregiment 96 ff.;
ihre personale Combination 100.
Städtische Tribus 29.
Stadtpräfect, Gerichtsbarkeit (praefectus
urbi) 285.
Statthalter 286 ff. 262. 338. 385. 836;
Rechtspflege 288; Commando 288;
Verwaltung 290; s. auch legati.
Stellenzahl der Aemter 119 f.; bei Aedi-
lität 176; Censur 172; Consulat 158;
Prätur 164; Quästur 180 f.; Tribunat 169.
Stellvertreter im Amt 100. 143 ff.
Steuerwesen 14. 20. 82. 285. 858. 362 f.
Stimmordnung 14.
Stimmrecht 21. 86. 37. 48. 52 f. 54 f.
61 f. 74 f. ; Entziehung durch d. Censor
175.
Stipendium 71.
Strafgelder, Einziehung 227; Verwen-
dung 276. 277.
Strafmittel 228 ff. 252. 26. 27.
Strafrecht u. Strafrechtspflege 26 f.
222 ff. 9a 146. 282. 288. 290 f. 331.
341. 857 f.
Strafverfahren gegen den Kaiser 192.
Strassenpolizei 179.
Strassenreinigung, Beamte daf&r 185.
Stuprum 228.
Succession, mangelnde in dem Princi-
pat 195 f.
suffragium, cives sine sufiragio 54 f.
Tage der Comitien 801; der Senats-
sitzung 312.
Theilung der Civil- und MUitärämter
355.
Theilung des Reichs 854.
Theuerungen, Einwirkung gegen die-
selben 270 f.
Titulatur des Kaisers 192 f.; des Se-
nates 806.
Todesstrafe 290.
toga praetexta 138.
Transitorisches Amt 128 f.
Trennung der Civil- und Militärämter
855.
tres viri noctumi 147.
Treueid der einher. Bürger 260. 132.
Treuwort der Bürgerschaft beim Amts-
antritt 128. 132 f. 260.
Tribules 30 f. 259.
Tribunen 169 ff. 810. 815. 859; Berufung
der Plebs 800 f.; des Senates 812.
Tribunicische Gewalt, Uebem. durch
den Kaiser 196; Inhalt der tribun.
Gew. des Kaisers 200.
Tribunicisches Zwangs- und Strafrecht
224 f. 226.
tribunus celerum, Verh. z. d. Tribus 13.
tribunus militum; Verh. zu den Tribus
18.
tribunus plebis 51.
Tribus, Arten: Bodentribus 28; ländl.
Tribus 29 ; die vier städt. Tribus 29 ;
Gegensatz zu populus 12; Organi-
sation 18. 31; Uebertragung auf die
374
Sachregister.
Person 80; Uebertragung auf die
nichtansässigen Bürger 30; Verh. zur
Wehr-, Steuer- u. Stimmord. 14.
Tributus 83.
Triumphns 264. 836.
Triumvirat nach der Ermord. Caesars
188. 190.
Triumvim s. Dreimänner.
Truppen, Aufstellung der Tr. 883.
Turnus 121.
IJebergrifBB der Comitien in die magi-
stratische Oompetenz 822.
Uebemahme eines Amtes 82; des Im-
periums durch den Kaiser 194; der
tribunicischen Grewalt durch ihn 196.
Uebersiedelung, Einflnss auf den Er-
werb der Civität 28.
Umfrage im Senat 314 f.
Umlage 88.
Unabänderlichkeit der bestehenden
Staatsordnung 319.
Unfreiheit, röm. 25.
Ungehorsam, Thatbestand 227; Folgen
229.
Unteramt, allmähl. Entw. der Gomit.-
Wahlen 108; Spaltung der Aemter in
Ober- u. Unteramt 156.
Unterbeamte, kaiserl. 204 ff.; Goercition
der U. 225.
Unterstützungsgelder für die Auferz.
ehel. Kinder 271.
Unverletzlichkeit d. Kaisers 197. 200.
Tectigal 71.
Verantwortlichkeit der Beamten 185.
Verfahren bei der Bechtspfl. 248.
Vergütung des Gemeindedienstes 140 f.
Verhaftung 229.
Verhältniss des Magistrates u. des Se-
nates 829.
Verleihung des Bürgerrechtes 28; des
Plebejates 23.
Verlust der Givität 25.
Vermögen, Einfluss auf die Modalität
der Dienstpflicht 258; s. auch Ge-
meindevermögen.
Vermögensstrafen 229.
Vermögensverwaltung in den Muni-
cipien 288; kaiserl. 210.
Veröffentlichung der Volksschlüsse 805;
der Senatsbeschlüsse 816.
Verpflegungswesen der Hauptstadt in der
Kaiserzeit 205.
Versammlungsort der Gomit. 801; des
Senates 812 f.
Verschmelzung , militärisch - politische
der Tribus 14.
Vertragsformen 292.
Vertragsrecht, Verlust desselb. seiteo»
der ausserital. Bundesstaaten 67; der
lat. Städte 58.
Vertretung der Gemeinde 81 f.
Verwaltung Italiens. u. der Provinzen
281 ff.; s. auch S. 857. 861 u. Ver-
mögensverwaltung.
Verzicht auf das Bürgerrecht, unwirk^
sam 27.
vicarii 857.
Villisches Aemtergesetz 112.
vir clarissimus 807.
vitia 828. 326.
Vogelführer s. augures.
Vogelschau s. auspicia.
Volksfeste, Aufsichtsführung durch d»
Aedilen 179; als Mittel im Wett-
bewerb um die Aemter 141; Ueber-
weisung an die Magistratur 216 f.
Volksschluss , GoUision der Volks-
schlüsse 822; Mitwirkung des Senates
324; vitiöser 825.
Vollbttrgerrecht , Mangel des V. als
Ausschluss von der Wählbarkeit 111.
Vormundschaft 4. 248.
IVählbarkeit, Ausschluss von derselben
111; Beschränkung unter d. Principat
115.
Wahlen, Gompetenz des Senats 881;
Wahl der Senatoren 808 f.; Gomitial-
wähl 106; senatorische Beamtenwahl
108.
Wahlcomitien 106. 818.
Wahlrecht 86.
Wehrgemeinschaft mit den ausseritaL
Bundesstaaten 67.
Sachregister.
375
Wehrordnung 849. 859; Verhältniss z.
caria n. z. d. Trihos 14.
Wehrpflicht 80 f. 34; der Freigel. 52;
bändische d. Italiker 64; d. Latiner
64; der auBBerital. Unterthanen 71.
Wucher 228.
Zahlungen der Bussen 276; contractl.
276; d. Gemeindeschulden 278; d.
Stra%elder 276.
ZehmnännercoUeginm fOi d. Freiheits-
prozess 185.
Zehnzahl, als Grundzahl der Volks-
theilung 12.
Zölle 63. 72. 859; Begünstigungen der
Italiker 65.
Züchtigung 228. 252.
Zurückgesetzte Bnrgerklassen 51.
Zustimmung der Gemeinde zum Staats-
vertrag 292.
Zutreten von Geschlechtem z. Staat 6.
Zwangsarbeit 290.
Zwangsmittel 228 f.
Zwangsrecht s. Coercition.
Zweimänner 186. 224.
Zwischenfrist bei der Erlangung von
Aemtem 113.
ZwischenkGnigthum 128. 129. 157.
E6 P 1922
f J
Systematisches Handbuch
Untnr Mitwirkung
Profeiisnrsn Hr. H. llruiBer in Bariin, Dt. T. EbitgberE in OOttliissii,
Dr. O. (ikrkc in Berlin, des General -Proku »ton Dr. J. (ilMer, frflber in
Wien, der Profeuarau Dr. 0. 8. GrBDliat in Wien. Dr. 1. Hken«! io Kiel.
Dr. 1. Heoaler 1d Dual, Pr. P, Kr&Ker in Bopn. Dr. F. t. Mmrtlta in Serlin.
Dr. O. Mkf er in L«ipiii[, Dr. A. HcBdalHiokn Bartkolilr inWanburR, Dr. L. «llteli
In Leipzig, Dr. Th. Hnrnnien, rrUher in Berlin, Dr. F. Oalker in Wurxbur«,
Dr. n.PaiipaBbalniinKie], Di. F.RegelubargsTinODttingen, Dr. Lotb» Se nfeit
in Hflnaben, Dr. U. Hohra in l.alpzig. Dr. R. StroliBl in Leipzig, Dr. i. t. Tibr
iu Slral^bui^. Dr. 1. ITich io Leiptig, Dr. B. tttsnet, frahar in l^ipiig,
Dr. C. Wleluid in li«el.
herBHSgegabBn von
Dr. Karl Binding,
Ente AbMlnsg, drltWr Teil:
Th. Mommsen, Abriss des römischen Staatsrechts.
Zweite, mit einem Beglster verHeheue Auflagre.
Leipzig,
Verlag von Duncker & Humblot.
1907.
FianiHha Horbuohdruakarai Stephan Oaibal k Co. In Altoiifanrg.