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Full text of "Einführung in die Maxwell'sche Theorie der Elektricität. Mit einem einleitenden Abschnitte über das Rechnen mit Vectorgrössen in der Physik"

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EINFÜHRUNG 



IN DIE 



MAXWELL'SCHE THEOBIE 



DER 



ELEKTRICITlT. 



MIT EINEM EINLEITENDEN ABSCHNITTE 

ÜBER DAS 

RECHNEN MIT VECTORGRÖSSEN IN DER PHYSIK. 

VON 

De. A. FÖPPL, 

# PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG. 



MIT FIGUREN IM TEXT. 



LEIPZIG, 

DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER. 
1894. 



ALLE RECHTE, 
EINSCHLIESSLICH DES ÜBERSETZUNGSRECHTS, VORBEHALTEN. 



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Vorwort. 



Der Kreis der überzeugten Anhänger der Maxwell'schen 
Elektricitätslehre setzte sich bis vor einigen Jahren fast aus- 
schliesslich aus englischen Physikern zusammen. Schon früher 
schenkte man zwar auch, auf deutschem Boden dieser Theorie 
grosse Beachtung; man war aber noch zu sehr in dem Banne 
der Fernwirkungslehre befangen, um sich vollständig in, sie 
einleben zu können. Anfänglich richteten sich daher die Be- 
strebungen unserer Physiker vorwiegend dahin, eine Ver- 
söhnung beider Theorien herbeizuführen und womöglich ein 
allgemeines Schema aufzustellen, das beide als Specialfälle in 
sich fasste. Eine andere Folge davon war, dass man sich 
zuerst und am meisten mit jener Seite der Maxwell'schen 
Lehre Befreundete, die von der Ableitung der Gleichungen des 
elektromagnetischen Feldes aus den allgemeinen Principien 
der Mechanik handelt. Denn der Ideengangf, der dieser zu 
Grunde liegt, ist seinem Wesen nach # eng verwandt mit den 
älteren Untersuchungsmethoden, bei denen der Potentialbegriff 
die entscheidende Rolle spielte. 

Alle Bemühungen, die Faraday-MaxwelFsche Anschauung 
in den früheren Vorstellungskreis einzugliedern, ohne von 
diesem erhebliche Opfer zu bringen, mussten indessen in letzter 
Linie an den Verschiebungsströmen im freien Aether und an 
der endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit der elektromag- 
netischen Wellen scheitern. Kaum hatte daher Hertz diese 
Folgerung der Maxwell'schen Theorie durch seine entscheiden- 
den Versuche bestätigt, als er sich sofort dieser grundsätzlich 
zuwandte, nachdem er sich schon früher sehr mit ihr be- 
freundet hatte. 



cq~|54- 



IV Vorwort. 

Damit war der Wendepunkt gekommen. Heute denkt man 
kaum noch daran, in der Richtung des Weber ? schen Elementar- 
gesetzes weiter zu arbeiten, dessen Formulirung einst den Höhe- 
punkt der Entwicklung der älteren Vorstellungen gebildet hatte. 
Nachdem sich schon auf Grund der älteren Theorie die Un- 
haltbarkeit dieses Gesetzes definitiv herausgestellt hatte und 
sich kein Ersatz dafür finden liess, war die Leistungsfähigkeit 
der Fernwirkungstheorie erschöpft und ihre Unzulänglichkeit 
trat immer mehr zu Tage. Dadurch war der Boden für die 
Aufnahme einer grundsätzlich von jener verschiedenen Lehre 
wohl vorbereitet und unter dem Eindrucke der Hertz*schen 
Entdeckungen konnte sich der Umschwung der Meinungen 
daher mit ungewöhnlicher Schnelligkeit vollziehen. 

. So kam es, dass man heute der MaxwelFschen Lehre 
überall das lebhafteste Interesse entgegen bringt. Nicht nur 
der Physiker von Fach, der Lehrer und der Studirende der 
Physik, sondern namentlich auch Ser wissenschaftlich gebildete 
. Elektrotechniker sucht sich mit den Grundzügen dieser Theorie 
bekannt zu machen, in der man heute mit grosser Wahr- 
scheinlichkeit die bleibende Grundlage jeder physikalischen 
Forschung auf diesem Gebiete erblicken darf. 

Hiermit entstand auch das Bedürfniss nach einer möglichst 
allgemein verständlichen, dabei aber doch wissenschaftlich 
strengen Darstellung der Maxweirschen Theorie. Denn das 
Maxweirsche Originalwerk, das als Hauptquelle zur Verfügung 
stand, stellt nicht nur ziemlich hohe Anforderungen an die 
mathematische Vorbildung und vielfach auch an die Geduld 
des Lesers, sondern es enthält, wie ja den Umständen nach 
gar nicht anders zu erwarten, auch manche Irrthümer, die 
inzwischen berichtigt sind, und es schlägt viele Umwege ein, 
die seitdem abgekürzt wurden. 

Eine solche Bearbeitung hat Boltzman in den von ihm 
herausgegebenen Vorlesungen geliefert. Ich glaube aber nicht, 
dass dadurch eine anderweitige Behandlung des Gegenstandes 
entbehrlich gemacht wurde, obschon sich jenem Buche in 
seiner Art kaum etwas Besseres zur Seite stellen lassen wird. 



Vorwort. ' V 

Denn dieser Physiker hat, wenigstens in dem zur Einführung 
des Lesers bestimmten ersten Bande, sein Hauptaugenmerk 
auf die Ableitung der Gleichungssysteme des Feldes aus der 
Theorie der Oykeln gerichtet. Für den Anfänger scheint 
es mir aber nicht so sehr auf den Nachweis anzukommen, 
dass sich die Maxweirsche Theorie als Folgerung aus einem 
höheren Principe ableiten lässt, sondern ich halte es für viel 
wichtiger, ihm eine möglichst unmittelbare und deutliche Vor- 
stellung von den Begriffen und Auffassungen dieser Theorie 
zu geben, um ihn zu einem selbstständigen Arbeiten damit 
zu befähigen. Und ich bin ferner der Ansicht, dass die 
mechanisohen Analogien der Cyklentheorie dieses Ziel nicht 
so bequem erreichen lassen, als der Weg, den ich hier ein- 
geschlagen habe. 

Bei der Bearbeitung- dieses Buches Hess ich mich von 
jenem praktischen Beweggrunde in erster Linie leiten. Ich 
vermied es überall, die Energiebeziehungen zur Ableitung der 
Grundgesetze heranzuziehen, sondern stützte diese, soweit es 
irgend anging, unmittelbar auf die Erfahrungsthatsachen. 
Natürlich versäumte ich nicht, nachträglich den Nachweis zu 
liefern, dass das Energieprincip nun auch thatsächlich erfüllt 
wird. So habe ich auch die von Boltzmann vorangestellte 
Herleitung der Feldgleichungen aus den mechanischen Principien 
nur im letzten Abschnitte kurz berührt und ich hoffe, dem 
Leser die Einarbeitung in das ihm noch fremde Gebiet durch 
diese Anordnung erheblich erleichtert zu haben. Für die aus- 
führlichere Darstellung dieser gleichwohl sehr wichtigen Be- 
trachtungen verweise ich den Leser auf jenes vortreffliche 
Buch, behalte mir aber auch selbst noch vor, später ausführ- 
licher darauf zurückzukommen. 

An mathematischen Vorkenntnissen setzte ich bei dem Leser, 
um mich an einen möglichst weiten Kreis wenden zu können, 
nur die sichere Beherrschung der Anfangsgründe der Differential- 
und Integral-Rechnung voraus. Ich hoffe mit Zuversicht, dass 
meine Darstellung keinem Leser, der mit diesen genügend 
vertraut ist, besondere Schwierigkeiten bereiten wird. Bei 



VI Vorwort. 

der mathematischen Fassung der vorgetragenen Lehren habe 
ich mich allerdings überall der Bezeichnungen und Methoden 
des Vectorcalcüls bedient; im ersten Abschnitte sind diese 
aber, soweit als sie gebraucht werden ; in sehr einfacher und, 
wie ich unbedingt annehmen darf, auch sehr leicht verständ- 
licher Weise erörtert. 

Ich empfehle dem Leser, zunächst den ersten Abschnitt 
durchzusehen: er wird dort Vieles finden, was ihm ohne 
Weiteres vollkommen klar ist. Ueber das Andere möge er 
zunächst hinweggehen und sofort mit dem Studium der 
folgenden Abschnitte beginnen. Bei Gelegenheit der Rück- 
verweisungen auf die im ersten Abschnitte entwickelten Rechen- 
gesetze wird er dann schon von selbst darauf geführt werden, 
'die vorher überschlagenen Entwickelungen aufs Neue in Er- 
wägung zu ziehen und an der Hand der concreten Anwendungen, 
die davon gemacht werden sollen, wird er sich mit weit 
leichterer Mühe darin zurecht finden, als wenn die mathe- 
matischen Lehren losgelöst von diesen bewältigt werden müssten. 

Im Uebrigen habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, eine 
grössere Häufung von Formeln (abgesehen natürlich von der 
mathematischen Einleitung) thunlichst zu vermeiden und lieber 
mehr Text zur Wiedergabe meines Gedankenganges zu ver- 
wenden. Dieses Bestreben hat natürlich seine Grenzen, die 
durch die Rücksicht auf den präcisen Ausdruck gesteckt sind. 
Es wird aber ganz besonders unterstützt durch den Gebrauch 
der Vectoren-Gleichungen, die in ihrer einfachen Gliederung 
fast wie abgekürzte Sätze des Textes gelesen werden können. 

In der That gewiunt die Behandlung der Elektricitäts- 
lehre so ungemein an Klarheit und Durchsichtigkeit durch die 
Einführung der Vectorgrössen selbst an Stelle ihrer Compo- 
nenten, dass es im Ganzen entschieden weniger Anstrengung 
erfordern dürfte, sich zuerst mit den wenigen Rechengesetzen, 
um die es sich dabei handelt, vertraut zu machen und dann 
noch die Elektricitätslehre durchzunehmen, als wenn man 
diese allein mit Hülfe der gewohnten Cartesischen Darstellungs- 
methode studirt. Die auf das Studium der Vector-Analysis zu 



Vorwort. YII 

verwendende Mühe wird daher sofort durch einen entsprechenden 
Gewinn reichlich belohnt und ausserdem erzielt man damit 
den dauernden Vortheil, sich mit jener analytischen Darstellungs- 
form geometrischer Beziehungen vertraut zu machen, die 
zweifellos die mathematische Zeichensprache der Physik der 
Zukunft sein wird. 

Bei der Herausgabe dieses Buches befand ich mich in 
einer ähnlichen Lage, wie etwa Weisbach, als seine Mechanik 
zum ersten Male erschien. Damals wusste man in den tech- 
nischen Kreisen, für die sein Buch bestimmt war, noch wenig 
von der Differentialrechnung und er zog es vor, lieber einen 
einleitenden Abschnitt darüber vorauszuschicken, als auf deren 
Anwendung zu verzichten oder sich nur an solche Leser zu 
wenden, die schon damit vertraut waren. Heute ist dies nicht 
mehr nöthig; hoffentlich dauert es aber nicht mehr gar zu 
lange, bis auch ein solcher einleitender Abschnitt über die 
Rechnung mit Vectoren ebenso entbehrlich wird, und zwar 
auch bei uns in Deutschland, während es in England heute 
schon so ist. Das Land, das einen Grassmann hervorbrachte, 
sollte gegen das Geburtsland Hamilton^ mit der Einführung 
dieser wichtigen Verbesserung in den mathematischen Hülfs- 
mitteln der theoretischen Physik nicht länger zurückstehen. 

Am engsten .schloss ich mich bei der Darstellung des 
Rechnens mit Vectoren, wie in vielen anderen Punkten., an 
das von 0. Heaviside in seinen Abhandlungen, die vor Kurzem 
auch gesammelt im Buchhandel erschienen sind, gegebene 
Muster an. Von den Arbeiten dieses Meisters ist meine Dar- 
stellung überhaupt mehr beeinflusst als von denen irgend eines 
anderen Physikers, mit Ausnahme von Maxwell selbst natür- 
lich. Ich halte Heaviside für den hervorragendsten Nachfolger 
MaxwelFs nach der speculativ-kritischen Seite hin, wie es der 
uns leider so früh entrissene Hertz zweifellos nach der ex- 
perimentell-bestätigenden Seite hin war. 

Quellenangaben habe ich in diesem Buche grundsätzlich 
fortgelassen. Man wird mir daraus vielleicht einen Vorwurf 
machen, den ich bei einem wissenschaftlichen Werke im All- 



VIII Vorwort. 

gemeinen auch als sehr berechtigt anerkennen niuss. Ich hatte 
aber meine guten Gründe zu diesem Verfahren und ich hoffe, * 
dass mich ihre Darlegung in den Augen aller billig Denken- 
den rechtfertigen wird. Ich wollte kein Handbuch, sondern 
ein Lehrbuch schreiben, das möglichst aus einem Gusse sein 
sollte. De'shalb vermied ich es so viel als irgend thunlich, 
während der Bearbeitung die von mir früher gelesenen Schriften 
nachzuschlagen, um mich nicht unmittelbar von ihnen be- 
einflussen zu lassen. Von den Ent Wickelungen und den Er- 
gebnissen anderer Autoren wollte ich mich nur so weit leiten 
.lassen, als sie sich meinem Gedächtnisse fest eingeprägt und 
sich mit meinen eigenen Anschauungen innig verschmolzen 
hatten. Auf diese Art hoffte ich zu einer einheitlicheren und 
in sich besser gefügten Darstellung des ganzen Systems zu ge- 
lange^ als es im anderen Falle möglich gewesen wäre. 

Nach Beendigung der Arbeit schien es mir aber undurch- 
führbar, nachträglich genaue Rechenschaft darüber abzulegen, 
woher jeder einzelne Gedanke, den ich benutzte, ursprünglich 
stammte. Selbst über den Antheil, den ich für mich selbst 
in Anspruch nehmen darf, bin ich an vielen Stellen im Zweifel. 
Ich verzichte aber von vornherein gern auf die Erhebung aller 
Prioritätsanspruche und begnüge mich damit, nur auf die 
Darstellungsform Urheberrechte geltend zu machen. Eine 
Ausnahme davon bitte ich nur in Bezug auf die Behandlung 
der mit der magnetischen Härte zusammenhängenden Er- 
scheinungen machen zu dürfen, bei der ich kaum aus fremden 
Quellen schöpfte. 

Lehrbüchern von solcher Tendenz hat man übrigens von 
jeher gestattet, von der fortlaufenden Bezugnahme auf die 
Originalarbeiten abzusehen, während man sie für ein Hand- 
buch mit Recht als unerlässlich ansieht. Möge daher der 
Leser diesen Mangel, wenn er ihn als solchen empfindet, mit 
Nachsicht beurtheilen. 

Mit vollem Rechte hat Boltzmann die Physiker auf- 
gefordert, beim 'Anschreiben der Formeln sich möglichst der 
ursprünglichen Bezeichnungen Maxwell's zu bedienen, weil das 



Vorwort. IX 

Studium sehr dadurch erleichtert wird, wenn man von vorn- 
herein überall bekannte Symbole vorfindet. So weit es sich 
uin die Bezeichnung der Veetprgrössen selbst handelt, bin ich 
ihm auch gefolgt; für die Componenten habe ich aber überall 
dieselben Buchstaben, wie für die Vectoren gewählt (nur in 
anderer Schrift und mit entsprechenden Abzeichen), weil die 
Zahl der Zeichen, deren Bedeutung man sich zu merken hat, 
dadurch ganz erheblich vermindert wird. Ich suchte hierbei 
die Interessen der Anfänger wahrzunehmen, ohne die der schon 
Erfahrenen zu verletzen. 

Neuerdings bedienen sich die englischen Physiker, nach 
dem Vorgange von Heaviside, mit grossem Vortheile fetter 
Lettern zur Kennzeichnung der Vectorgrössen. Ich nahm 
diesen wichtigen Vortheil gleichfalls wahr, "bediente mich aber 
ausserdem, so wie Maxwell selbst, der Fracturbuchstaben für 
die Vectoren. .Jch halte es für einen Nachtheil, dass man in 
England hiervon abgegangen ist, weil dieses Kennzeichen auch 
in der Handschrift bestehen bleibt, in der man mit fetten 
Lettern u. dgf. nicht operiren kann. 

Für die Kennzeichnung des Vectorproducts Hess die Ver- 
lagsbuchhandlung mit dankenswerther Bereitwilligkeit das 
Operationszeichen V herstellen, das sich von dem in der Po- 
tentialtheorie oft gebrauchten gewöhnlichen Buchstaben V 
deutlich unterscheidet, so dass jedes Missverständniss ausge- 
schlossen ist. 

Alle Betrachtungen, die mir schwieriger und dabei für die 
erste Einführung in die Theorie entbehrlich zu sein schienen, 
habe ich aus diesem Buche fortgelassen.. Wenn sich die Er- 
wartungen erfüllen, die ich an die Herausgabe des Buches 
knüpfe, wenn es also namentlich in weiteren Kreisen Ver- 
breitung und Absatz und wenn ferner die von mir gewählte 
Behandlung den erhofften Beifall findet, beabsichtige ich, diesem 
Bande einen zweiten folgen zu lassen, der jene schwierigeren 
Theile behandeln soll. Es würde sich dabei nach meinem 
jetzigen Plane namentlich um die Behandlung der Vector- 
functionen (als Ergänzung des ersten Abschnitts) und der 



X Vorwort. 

äolotropen Körper und um die tiefer eindringende Darstellung 
der Elektrodynamik bewegter Leiter und der hier im letzten 
Abschnitte nur ganz kurz zusammengefassten Lehren (nament- 
lich der elektromagnetischen Wellen) handeln. 

Vor 11 Jahren kam ich, nachdem ich mich bis dahin aus- 
schliesslich mit den technischen Wissenschaften beschäftigt 
hatte, zu Herrn Geheimrath Prof. Dr. G. Wiedemann mit dem 
Entschlüsse, die Elektricitätslehre eingehend zu studieren und 
erbat mir seinen Rath über den dabei innezuhaltenden Plan. 
Dieser hervorragende Forscher, der mir seit jenem Tage ein 
überaus wohlwollender Lehrer, Förderer und Gönner war, wies 
mich schon bei meinem ersten Besuche u. A. lebhaft auf die 
Maxwell'schen Arbeiten hin. Zunächst freilich folgte ich ihm 
hierin nicht, es drängte mich mehr, in die Meisterarbeiten der 
deutschen Schule einzudringen, und erst nachdem ich hierbei 
die Ueberzeugung gewonnen hatte, dass auf diesem Wege kaum 
noch ein durchschlagender Fortschritt erhofft werden könne, 
war ich der Lehre des grossen Briten zugänglicher geworden. 

Dass ich mich schliesslich noch zur Bearbeitung dieses 
Buches entschloss, ist ganz wesentlich auf die Anregungen 
zurückzuführen, die mir im fortlaufenden Verkehre mit jenem 
bedeutenden Gelehrten, der mein Interesse der Maxwell'schen 
Theorie stets von Neuem wieder zulenkte, in reichem Maasse 
zu Theil wurden. Es möge mir daher gestattet sein, Herrn 
G. Wiedemann auch an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank 
für das Interesse auszusprechen, das er von Anfang an an 
mir und meinen Arbeiten nahm und das er oft genug durch 
die That zum Ausdrucke brachte. 

Der Verlagshandlung spreche ich meinen Dank und meine 
Anerkennung für die sorgfältige und gefällige Herstellung des 
Druckes aus. Schon in ihrem Interesse wünsche ich diesem 
Buche neben dem wissenschaftlichen — an dem mir natürlich 
am meisten gelegen ist — auch einen geschäftlichen Erfolg. 

Leipzig, im April 1894. # 

# A. Föppl. 



Inhaltsverzeichnis^. 

Seite 

Einleitung 1—4 

Erster Abschnitt, Die Algebra und Analysis der Vectoren . 5—88 

Erstes Capitel. Die elementaren Operationen 5 — 32 

Definition des Vectors 5 

Darstellung durch Strecken 6 

Vertheilung der Dimensionen hierbei 7 

Addition von Vectoren 8 

Die Grundvectoren t,j,f 9 

Componenten eines Vectors. . ., . 11 

Das scalare Product 12 

Arbeit einer Kraft.. 15 

Das Vectorproduct. . 15 

Coordinatentransformation 18 

Bewegung starrer Körper 21 

Producte aus 3 Vectoren 23 

Princip der virtuellen Geschwindigkeiten und Satz der 

statischen Momente 27 

Zweites Capitel. Die Differentialoperatoren 32—64 

Differentiirung nach einer scalaren Veränderlichen ... 32 

Krümmungshalbmesser einer Curve * 34 

Tangential- und Normalbeschleunigung . '.• 35 

Der Operator V • • - 35 

Der Operator (ttV) 39 

Die Operation V an einem Vector 40 

Die Operation div , 42 

Die Operation curl • 44 

Mechanische Bedeutung der Operation curl 47 

Die Operation (UV) an einem Vector ......... 49 

Raumdifferential eines Vectors . m 51 

Anwendung auf die Hydrodynamik (Wirbelbewegungen) . 51. 

Die Operation V 2 . . 57 

Verbindung mehrerer Operationen mit einander .... 60 



XII Inhalts verzeichniss. 

Seite 

Drittes Capitel. Linien-, Flächen-, und Raumintegrale. 

Das Potential . • 65—88 

Das Linienintegral eines Vectors . 65 

Definition des scalaren Potentials 66 

Satz von Stokes •. , 67 

Wirbellose Vertheilung eines Vectors als Bedingung 

für das Bestehen eines Potentials 69 

Definition des Oberftachenintegrals 70 

Linienintegral eines Sealars 71 

Vectorlinienintegral eines Vectors . 72 

Oberflächenintegral eines Vectors .......... 74 

Oberflächenintegral eines Sealars 78 

Ve et or oberflächenintegral eines Vectors ....... 79 

Das Potential 81 

Definition der zu einer wirbellosen Vectorvertheiiung 

gehörigen „Masse" 82 

Laplace'sche Gleichung und ihre Lösung 83 

Zweiter Abschnitt. Die Grundlinien der Maxwell'schen . 

Elektricitätslehre 89 — 174 

Erstes Capitel. Die in der Elektricitätslehre vor- 
kommenden Vectoren 89—120 

Kraft und Verschiebung im elektrischen Felde .... 89 

Der Kraftfluss, Satz von Gauss ..,..• 92 

Der Verschiebungsfluss 95 

Freie und wahre Elektricität . . 97 

Vergleich mit der Fernwirkungstheorie 99 

Satz von Green • 100 

Das elektrostatische Potential ist von den freien Massen | 103 
zu .bilden und auf die wahren zu beziehen . . . . J te uc k u*0 

Jjeiter der Elektricität 104 

Elektrostatik ". • 105 

Bildliche Wiedergabe von $ durch .\etherverschiebungen 106 

Der Condensator 110 

Gesetz von Coulomb • 113 

Maasseinheiten 117 

Dimensionen der elektrostatischen Grössen. ..... 118 

Zweites Capitel. Die magnetischen Grössen 121 — 142 

Das Heaviside'sche Dualitätsprincip 121 

Kraft und Induction im jpagnetischen Felde 122 

Definition der Permeabilität . 123 

Freier und wahrer Magnetismus 125 

Wahrer Magnetismus kommt in* der Natur nicht vor 126 



Inhaltsverzeichniss. ^ XIII 

Seite 

Kraft- und Inductionsfluss an der Grenze zweier Medien 126 

Magnetisch weiche und harte Körper 130 

Vergleich mit der Fernwirknngstheorie 134 

Unvereinbarkeit der Fernwirkungslehre mit der modernen 

Kraftlinienlehre 141 

Dimensionen der magnetischen Grössen 142 

Drittes Capitel. Wechselbeziehungen zwischen Elek- 

tricität und Magnetismus , , 143—174 

Art dieser Beziehungen .....* 143 

Elektrischer Strom und magnetisches Feld . ...... 144 

Ableitung der ersten Hauptgleichung " 146 

Erste Hauptgleichung 151 

Ohm's Gesetz 152 

Joule's Gesetz * 153 

Der wahre Strom 156 

Erweiterte Form der ersten Hauptgleichung 158 

Convectionsströme 159 

Der magnetische Strom .• 161 

Das Induktionsgesetz \ . 164 

Ableitung der zweiten Hauptgleichung *. 168 

Ampere's Schwimmerregel und ihre Verwandten . . . 169 

Zweite Hauptgleichung 171 

Tafel der Dimensionen 172 • 

Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems 175—266 

Erstes Capitel. Die elektrodynamischen und magneto- 
dynamischen Kräfte 175—184 

Ponderomotorische Kraft an einem Stromelement . . 175 
Differentialgesetz der elektrodynamischen Kräfte an 

Leitungsströmen . . . 179 

Magnetodynamische Kräfte. . . . 181 

Zahlenbeispiel 183 

Zweites Capitel. Die eingeprägten elektrischen und 

magnetischen Kräfte 184 — 214 

Definition der eingeprägten Kräfte 184 

Auffassung der inducirten elektrischen Kräfte als ein- 
geprägte. 186 

Die elektrische Contactkraft *. • . . 187 

v. Helmholtz'sche Doppelschichten 188 

Auffassung von Heaviside 192 

Die thermoetektrische Kraft . 197 

Die hydroelektrische Kraft . 201 

Eingeprägte Kräfte der inneren Magnetisirung .... 204 



XIV Inhaltsverzeichnisse 

Seite 

Zustandekommen des remanenten Magnetismus. . . . 207 

Eingeprägte Kraft der inneren Elektrisirung 212 

Die beiden Hauptgleichungen mit Berücksichtigung 

der eingeprägten Kräfte * 213 

Drittes Capitel. Das Vectorpotential 214—266 

Definition des Vectorpotentials 214 

Die Laplace'sche Gleichung für das Vectorpotential . 217 

Die div des Vectorpotentials 218 

Der curl des Vectorpotentials 222 

Berücksichtigung der eingeprägten Kräfte 225 

Darstellung von § und SB durch Raumintegrale . . . 226 

Vectorpotential von Magneten * 228 

Directe Bestimmung von $ Maxw 229 

Darstellung von § e als Vectorpotential 233 

Vertauschbarkeit der Zeichen pot und curl 235 

Darstellung von § m als Vectorpotential 236 

Der Vector Vcy 23 ? 

Zerlegung in Elementarmagnete 238 

Magnetische Intensität und Susceptibilität 243 

Aequivalenz eines Kreisstromes mit einer magnetischen 

Schale nach Ampere 244 

» Vectorpotential einer magnetischen Schale ...... 250 

Ersatz von Magneten durch elektrische Ströme . . . 253 
Ponderomotorische Wechselwirkung zwischen einem 

Magneten und einem Kreisstrome 260 

Tafel der Dimensionen 266 

Vierter Abschnitt. Die Etaergiebeziehungen im elektro- 
magnetischen Felde zwischen ruhenden Leitern . . 267 — 306 
Erstes Capitel. Einfache Anwendungen des Vector- 
potentials 267—293 

Begrenzte Anwendbarkeit der Potentialtheorie .... 267 
Ableitung der in ruhenden Leitern inducirten elektrischen 

Kraft aus dem Vectorpotentiale 269 

Das Linienintegral des Vectorpotentials 271 

Der Selbstinductionscoefficient 272 

Energie eines einfachen Kreisstromes 274 

Differentialgleichung für einen einfachen Kreisstrom . 278 

Selbstinductionscoefficient beim Vorkommen von Eisen 279 

Cfondensator im Stromkreise . . . . 280 

Oscillatorische* Entladung , 284 

Zahlenbeispiel "*. 286 



Inhaltsverzeichniss. XV 

Seite 

Wechselwirkung zwischen zwei einfachen ruhenden 

Kreisströpen 289 

Coefficient der gegenseitigen Induction 290 

Erhaltung der Energie 292 

Zweites Capitel. Der Poynting'sche Energiestrom . . 293 — 306 

Die Identität der Energie 293 

Energieströme der gewöhnlichen Mechanik 296 

Strom der elektromagnetischen Energie 299 

Energiestrom in der Umgebung eines stationären gerad- 
linigen elektrischen Stromes 303 

Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter . 307—355 
Erstes Capitel. Die durch Bewegungen inducirte elektro- 
motorische Kraft 307—330 

Relative pnd absolute Bewegung im Räume 307 

Gleitstellen 312 

Bewegter Magnet und ruhender Leiter 314 

Das Linienintegral von (£ ö . . .* 319 

Bewegter Leiter und ruhender Magnet. 321 

Auffassung der Kräfte dij, als eingeprägte 324 

Unipolare Induction 327 

Die Kraftlinien rotiren mit dem Magneten 329 

Zweites Capitel. Energiobeziehungen zwischen bewegten 

. Leitern . 330—348 

Ponderomotorische Arbeit an einem bewegten Leiter . 330 
Vergleich der ponderomotorischen mit der elektro- 
motorischen Arbeit 333 

Bewegung eines Drahtringes im magnetischen Felde 

ohne ^Berücksichtigung eingeprägter Kräfte .... 334 

Ruhender Drahtring im veränderlichen Felde .... 338 
Bewegung eines Drahtringes im magnetischen Felde 

mit Berücksichtigung eingeprägter Kräfte .... 339 

Zwei lineare Leiter mit eingeprägten Kräften .... 343 
Drittes Capitel. Die Elektrodynamik der magnetischen 

Ströme 349—355 

Vectorpotential magnetischer Ströme 349 

Die elektrostatische Energie aufgefasst als magneto- 
kinetische Energie . 351 

Inducirte magnetilche Kraft in Polge von Feldänderungen 354 

desgl. in Folge von Bewegungen 355 

Sechster Abschnitt. Gedrängte Uebersicht über die übrigen 

Theile der MaxwelFschen Theorie 35G — 390 

Vorbemerkungen ♦. 356 



XVI Inhaltsverzeichniss. 

Seite 

Erstes Capitel. Die Herleitung der Gleichungen des 
elektromagnetischen Feldes aus den allgemeinen 

Principien der Mechanik 357—367 

Bedingungen für die Möglichkeit einer solchen Ableitung 357 

Cyklische Bewegungen 360 

Gleichung von Lagrange 362 

Anwendung auf das Bicykel ..." 363 

Vergleich mit den früheren Ergebnissen 365 

Zweites Capitel. Der MaxwellVhe Zwangszustand . . 367 — 378 

Allgemeine Betrachtungen 367 

Zwangszustand im elektrostatischen Felde 372 

Zwangszustand im magnetischen Felde eines elektrischen 

Stromes 374 

Zwangszustand im Innern von Magneten. . . . # . . -376 
Drittes Capitel. Die elektromagnetischen Wellen in 

isotropen Medien 379—390 

Ebene Wellen in einem ruhenden, isotropen und homo- 
genen Dielektricum , 379 

Discussion der gefundenen Lösung . 382 

Ebene Wellen in Halbleitern 386 

Erklärung der Dispersion 389 

Schlussbemerkungen » . 389 

Anhang * 391-413 

I. Rückblick auf die Fassung der Elektrostatik 391 

IL Zerlegung eines beliebig im Räume vertheilten Vectors 
in einen wirbelfreien und einen solenoidalen Be- 
standteil : . . . 397 

III. Anziehung einer Kupferscheibe durch die Polfj£.ehe* 

eines alternirenden Magneten 398 

IV. Formelzusammenstellung * 401 



Einleitung. 



Die Mechanik der elektrischen und magnetischen Er- 
scheinungen gründete sich bis zum Auftreten MaxwelFs auf 
die Vorstellung von Fernwirkungen zwischen elektrisirten, 
magnetisirten oder von elektrischen Strömen durchflossenen 
Körpern. Nur die Anschauungen Faraday's wichen in dieser 
Hinsicht von denen aller anderen Physiker ab. Faraday war 
aber nicht genug Mathematiker, um seiner Auffassung eine 
nach allen Seiten erschöpfende und widerspruchsfreie Form 
zu geben, die sie zu dem Range einer Theorie erhoben hätte; 
obschon auch seine Art, die elektrischen Erscheinungen auf- 
zufassen und zu beschreiben, wie Maxwell bemerkt, eine 
mathematische war, ohne dafs er sich der gewöhnlichen mathe- 
matischen Zeichensprache bedient hätte. Erst Maxwell gelang 
dies und er schuf, indem er die Ideen Faraday's in strenge 
mathematische Formen brachte, ein Lehrgebäude, das schon 
in der Anlage von den Fernwirkungstheorien wesentlich ver- 
schieden war, bei seinem weiteren Ausbau aber sich immer 
weiter von diesen entfernte. 

Die Fernwirkungstheorien wurden namentlich von deut- 
schen Gelehrten (es genügt, hier die Namen von W. Weber, 
H. von Helmholtz, der beiden Neumann und G. Kirchhoff zu 
nennen) auf eine hohe Stufe der Vollendung gebracht. In 
den Hörsälen der deutschen Hochschulen haben sie daher bis 
vor Kurzem fast unbestritten das Feld behauptet. Seit den 
Hertz' sehen Entdeckungen, die den evidenten Nachweis er- 
brachten, dass sich in der That im Dielectricum (und auch, 

Föppl, MaxwelPsche Theorie der Elektricität. 1 



2 Einleitung. 

was wesentlich ist, in der Luft oder im Vacuum) elektro- 
magnetische Vorgänge abspielen, ist dies aber anders ge- 
worden. Selbst in Deutschland hat sich, wie es scheint, die 
Mehrzahl der Physiker seitdem der Maxwell'schen Theorie zu- 
gewendet. 

Das ist nicht so zu verstehen, als wenn diese Theorie 
in allen Stücken die wäre, die Maxwell selbst in seinem be- 
rühmten „treatise" entwickelte. Sie ist inzwischen nach manchen 
Seiten hin von seinen Nachfolgern, aber ihrem ursprünglichen 
Geiste gemäss, weiter ausgebildet worden, ohne desshalb, da 
die Grundlinien dieselben blieben, eine wesentlich andere ge- 
worden zu sein. Mit Rücksicht auf diese Unterschiede in 
ihrer heutigen Fassung ist es wünschenswerth, von vornherein 
die Hauptzüge der MaxwelFschen Lehre festzustellen und dabei 
hervorzuheben, was von ihnen wirklich wesentlich ist. Denn 
auch von den Hauptzügen, die der ursprünglichen Lehre 
MaxwelFs ihr Gepräge gaben, sind nicht alle wesentliche Er- 
fordernisse des ganzen Systems. Man kann einzelne fortlassen 
oder ändern, ohne desshalb den Zusammenhang in allen übrigen 
Theilen zu lösen. Wenn die wesentlichen Grundlagen der 
MaxwelPschen Theorie überall unbestritten angenommen sein 
werden, wie dies vielleicht von einer gar nicht fernen Zukunft 
zu erwarten ist, wird diese Theorie einfach die „Theorie der 
Elektricität" schlechtweg genannt werden und man wird dann 
den Namen MaxwelFs nur noch mit jener Darstellung ver- 
binden, die er selbst ihr gegeben hat. Solange indessen die 
Fernwirkungstheorien noch ihre Vertreter und Vertheidiger 
finden, ist es nöthig, zum Unterschiede von jenen mit dem 
Namen MaxwelFs auch jede auf seinen Arbeiten aufgebaute 
Theorie zu bezeichnen. So ist es auch zu verstehen, wenn 
ich diese Schrift als eine Einführung in die MaxwelFsche 
Theorie bezeichne. 

Als wesentliche Kennzeichen der MaxwelFschen Lehre in 
ihrer heutigen Fassung sehe ich die folgenden Vorstellungen an: 

1) Die Vorstellung, dass alle elektrischen und magnetischen 
Einwirkungen eines Körpers auf einen von ihm entfernten 



Einleitung. 3 

anderen, durch die Vermittelung eines Mediums (lin Vacuum 
durch die des Aethers) erfolgen, 

2) dass jedes Dielectricum , auch der Aether im Vacuum, 
in einen später noch näher zu definirenden Zwangszustand 
von elastischer Art versetzt wird, wenn magnetische oder 
elektrische Kräfte in ihm auftreten und dass damit eine An- 
häufung von Energie verbunden ist, 

3) dass die elektrische Strömung unter allen Umständen 
nur in geschlossenen Bahnen auftreten kann, dass sie aber 
nicht auf Leiter beschränkt ist, sondern dass auch die bei der 
Aenderung des Zwangszustandes im elektrischen Felde nach 2) 
entstehenden elastischen Verschiebungen mit zur Strömung zu 
rechnen sind, 

4) dass auch der Sitz der Energie bei rein elektrostatischen 
Feldern ausschliesslich, bei den anderen vorwiegend im um- 
gebenden Mittel zu suchen ist, 

5) dass die magnetischen Kraftlinien stets geschlossene 
Linien bilden, oder mit anderen Worten, dass nirgends wahrer 
Magnetismus auftreten kann. 

Hierzu kommen die durch die beiden später vorzuführenden 
Fundamentalgleichungen ausgesprochenen Wechselbeziehungen 
zwischen den elektrischen und den magnetischen Grössen. 

Eine wichtige Rolle spielen in der Maxwell'sehen Theorie 
ausserdem noch, ohne jedoch wie die vorigen unerlässlich zu 
sein, die folgenden Punkte: 

6) Die Ableitung der elektromagnetischen Gleichungen 
unmittelbar aus den Grundgesetzen der Mechanik, mit Hülfe 
der Gleichungen von Lagrange, oder anstatt derer des Prin- 
cips der kleinsten Wirkungen, des Hamilton ? schen Princips u. s. w., 

7) die speciellere Ableitung des Spannungszustandes des 
Mediums beim elektrischen oder magnetischen Zwange, 

8) die Auffassung des Lichtes als einer elektromagnetischen 
Wellenerscheinung im Aether, 

9) die Darstellung der mathematischen Beziehungen durch 
Gleichungen, in denen Vectoren auftreten. 

Diese Liste stelle ich übrigens mit dem Vorbehalte auf, 



4 Einleitung. 

dass sie lefcht in dem einen oder anderen Punkte beanstandet 
werden kann, da sie nur das Ergebniss einer Abschätzung 
bildet, bei der verschiedene Meinungen nicht ausgeschlossen 
sind. Namentlich bezieht sich dies auf die vier letzten Punkte, 
von denen der eine oder andere (besonders der achte) von 
vielen Physikern lieber zur ersten Gruppe der wesentlichen 
Bestandteile der Theorie gerechnet werden wird. 

Der zuletzt angeführte Punkt bezieht sich in gewissem 
Sinne nur auf eine Aeusserlichkeit; trotzdem glaube ich ihm 
eine grosse Bedeutung beimessen zu müssen. Maxwell selbst 
hat die Darstellung der Gleichungen nach der Quaternionen- 
theorie nur mehr nebenbei gegeben; in der Hauptsache be- 
diente er sich der Cartesischen Darstellungsweise. In dieser 
lässt sich aber weit schwieriger eine Uebersicht über den Zu- 
sammenhang aller Formeln gewinnen. Aus eigener Erfahrung 
weiss ich, wie sehr diese erleichtert wird, sobald man sich 
der Algebra der Vectoren bedient. Die Mühe, die es kostet, 
sich mit dieser vertraut zu machen, wird durch die Vortheile, 
die sich daraus ergeben reichlich aufgewogen. Es ist in der 
That die einzige Methode, die sich den Erfordernissen der 
Aufgabe willig anpasst, wenn es sich darum handelt, die 
Faraday'sche Idee des Kraftflusses möglichst getreu mathe- 
matisch wiederzugeben. Desshalb stelle ich hier eine Aus- 
einandersetzung über die Grundregeln der Vector- Algebra 
voran, indem ich mich dabei an das von 0. Heaviside in 
mehreren seiner Arbeiten gegebene Muster anlehne. In der 
Folge werde ich mich dann stets grundsätzlich dieser Dar- 
stellungsmethode bedienen, die auch in manchen anderen Ge- 
bieten der Physik, besonders in der Hydromechanik und der 
Elasticitätslehre mit grossem Vortheile angewendet werden kann. 



Erster Abschnitt. 
Die Algebra und Analysis der Vectoren. 



Erstes Capitel. 

Die elementaren Operationen. 

§ 1. Definition des Vectors. 

Ein Vector ist eine Grösse, der eine Richtung im Räume 
zukommt. Viele, ja fast die meisten der in der Physik vor- 
kommenden Grössen sind Vectoren, so namentlich die Kräfte, 
die Geschwindigkeiten, die Beschleunigungen; andere wie die 
Temperatur, die Masse, die Energie in allen ihren Abstufungen 
besitzen keine Richtung im Räume. Diese werden im Gegen- 
satze zu jenen Sealaren genannt. 

Zwei Vectoren unter sich oder zwei Sealaren unter sich 
sind desshalb noch nicht Grössen gleicher Art; es kommt 
dabei auch auf ihre physikalischen Dimensionen an, wie schon 
aus den angeführten Beispielen deutlich genug hervorgeht. 
Ein Vector und ein Scalar sind dagegen niemals Grössen 
derselben Art; eine Summe aus einem Vector und einem 
Scalar hat daher niemals eine physikalische Bedeutung. 

Der einfachste Scalar ist eine absolute Zahl; alle Sealaren 
lassen sich in diesem einfachsten Scalar, also durch gewöhn- 
liche algebraische Grössen ausdrücken, indem man eine Fest- 
setzung über die zu Grunde gelegten Maasseinheiten und 
hiermit auch über die physikalischen Dimensionen der aus- 
zudrückenden Grösse hinzufügt. Der einfachste Vector ist 
dagegen eine Strecke, der man eine bestimmte, etwa durch 



6 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

Beisetzung eines Pfeiles zu bezeichnende Richtung beilegt. 
Wie die Sealaren durch Zahlen, so lassen sich die Vectoren 
stets durch Strecken zur Darstellung bringen, indem man 
ebenfalls einen Maassstab, nach dem die Strecken auszumessen 
sind, hinzufügt. 

Auf die Lage der Strecken im Räume kommt in der 
Algebra der Vectoren nichts an: zwei parallele und gleich- 
gerichtete Strecken von gleicher Grösse gelten in jeder Hin- 
sicht als gleich. 

Die gewöhnliche Algebra beschäftigt sich nur mit scalaren 
Grössen. Will man mit ihrer Hülfe eine Aufgabe lösen, in 
der Vectoren vorkommen, so kann dies dadurch geschehen, 
dass man jeden Vector durch 3 scalare Grössen, etwa durch 
seine Componenten nach drei Coordinatenachsen, oder durch 
seine Grösse ohne Berücksichtigung der Richtung und zwei 
Richtungswinkel wiedergibt. Um eine Beziehung anzugeben, 
muss man dann 3 Gleichungen anschreiben, während eine 
einzige genügt, wenn man mit den Vectoren unmittelbar rechnet. 

Sieht man bei einem Vector von seiner Richtung ganz 
ab und begnügt sich damit, nur seine Grösse anzugeben, so 
nennt man diese den Tensor des Vectors; der Tensor ist 
demnach stets eine scalare Grösse. 

Zur Kennzeichnung der Vectoren sind in dieser Schrift 
ein- für allemal gothische Buchstaben angewendet, während 
die lateinischen oder griechischen Lettern wie gewöhnlich 
zur Bezeichnung von Scalaren dienen, so bezeichnet % oder tt 
einen Vector und A oder a seinen Tensor. 

Die Darstellung irgend eines Vectors, z. B. einer Kraft, 
durch eine gerichtete Strecke (wobei ein bestimmter „Kräfte- 
maassstab" zu Grunde zu legen ist), lässt sich algebraisch durch 
die Formel wiedergeben 

»— a--l, (1) 

die als die Definition der Zerlegung eines Vectors % in einen 
Scalar A (der für a = 1 zum Tensor wird), und einen zweiten 
Vector a anzusehen ist. 



Erstes Capitel. Die elementaren Operationen. 7 

Diese Zerlegung nach Gleichung (1) kann übrigens in 
verschiedener Weise erfolgen. Macht man ft gleich der 
Maasseinheit, nach der die Vectoren % auszumessen sind, 
z. B. gleich 1 Dyn in der betreffenden Richtung, wenn es 
sich um Kräfte handelt, so wird der Tensor A durch eine 
absolute Zahl ausgedrückt. Anstatt dessen kann man aber 
auch dem Tensor A eine physikalische Dimension beilegen. 
In diesem Falle ist der Vector ft nicht von gleicher Art mit 
dem Vector Ä. Bedeutet z. B. 9L eine Geschwindigkeit, so 
hat es die Dimension cm/sec; man kann dann a als gerichtete 
Strecke wählen, so dass es die Dimension cm hat, während 
für A die scalare Dimension sec -1 übrig bleibt.*) Dabei 
hat man bei einer solchen Zerlegung immer noch die Wahl 
frei, ob man a gleich der Längeneinheit machen will, wobei 
A den Tensor für die gewählte Zerlegung vorstellt, oder ob 
man die Grösse des Vectors $t ebenfalls durch tt zur Dar- 
stellung bringen soll. Im letzten Falle hat der Scalar A 
nur noch die Bedeutung eines Maassstab Verhältnisses, das bei 
der Darstellung der Vectoren von der Art Ä durch gerichtete 
Strecken et zu Grunde gelegt wird. Diese Art der Zerlegung 
ist namentlich bei der zeichnerischen Behandlung von statischen 
Aufgaben (in der Graphostati k) allgemein im Gebrauche. In 
der Algebra der Vectoren zieht man aber gewöhnlich die 
vorhergehende vor (so dass also ü = 1 ist), ohne dass jedoch 
zwischen beiden ein principieller Unterschied zu machen 
wäre. Welche Art der Zerlegung beim Anschreiben der 
Gleichung (1) gemeint ist, bedarf in jedem Falle einer be- 
sonderen Festsetzung, wenn diese nicht schon aus dem ganzen 
Zusammenhange hervorgeht. 



*) Die Lehre von den Dimensionen der physikalischen Grössen 
setze ich als bekannt voraus. — Im Anschlüsse an die Ausführungen 
des Textes sei hier flbch darauf hingewiesen, dass man bei der Fest- 
setzung der Dimensionen auch die Richtung der in ihnen vorkommenden 
Längen in Betracht ziehen kann,* wie dies in einer neueren Arbeit von 
W. Williams (Phil. Mag. (5) 34. p. 234. 1892) dargelegt ist. 



8 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Veetoren. 

§ 2. Addition von Veetoren. 

Zwei Veetoren % und 93, die von gleicher Art und gleich 
gerichtet sind, lassen sich ohne Weiteres addiren, indem man 
die Summe ihrer Tensoren nimmt und die Richtung ungeändert 
lässt. Bei entgegengesetzter Richtung tritt an die Stelle der 
numerischen die algebraische Addition, die die Subtraction in 
sich begreift. 

Veetoren ungleicher Art, z. B. eine Kraft und eine Ge- 
schwindigkeit lassen sich überhaupt nicht addiren. Sind die 
Veetoren aber von gleicher Art und unterscheiden sie sich nur 
durch ihre Richtung und ihre Grösse von einander, so lassen 
sie sich zwar nicht im Sinne der gewöhnlichen Algebra, wohl 
aber in einem erweiterten Sinne addiren, der aus den folgenden 
Festsetzungen, die als die Definition der Addition von Vee- 
toren anzusehen sind, hervorgeht. 

Sind zunächst, um mit dem einfachsten Falle zu be- 
ginnen $ und © zwei gerichtete Strecken, so versteht man 
unter ihrer Summe (zum Unterschiede von der numerischen 
Summe kann man sie die Vectorsumme, geometrische oder 
graphische Summe nennen, doch ist eine ausdrückliche der- 
artige Kennzeichnung überflüssig, sobald % und 83 als Vee- 
toren eingeführt sind) jene Strecke <£, die den Anfangspunkt 
von % mit dem Endpunkt von $ verbindet, nachdem 83 an % 
angereiht war. Mit anderen Worten heisst 
dies, dass der durch die nebenstehende Abbil- 
dung angegebene Zusammenhang der Strecken 
$, SB, 6 durch die Gleichung 

<£ = % + © (Abb. 1) . . . (2) 

dargestellt wird. 

Die geometrische Summe enthält die 

algebraische als speciellen^Fall in sich, denn 

t t sie geht in diese über, sobald % und 83 pa- 

Abb. 1. . . 

rallel zu einander sind. 
Die geometrische Summirung von Veetoren anderer Art 
lässt sich auf die von zwei Strecken zurückführen, indem 




Erstes Capitel. Die elementaren Operationen. 9 

man mit Hülfe von Gleichung (1) im vorigen § die Vectoren 
durch Strecken darstellt. Man setze etwa 

8( = m • a; §3 = m . Jj 

wo nun m ein Maassstab verhältniss und a und 6 Strecken sind; 
dann ist 

womit die Aufgabe auf die geometrische Summirung von ft 
und i hinausläuft 

Allgemein wird schon seit langer Zeit dieses Verfahren 
und der ihm zu Grunde liegende Begriff beim Zusammen- 
setzen der Kräfte angewendet. Die Construction eines Kräfte- 
parallelogramms, oder in reinerer Form (insofern als Ueber- 
flüssiges dabei vermieden ist) die eines Kräftedreiecks bedeutet 
ja nichts anderes als eine geometrische Summirung. In den 
Bezeichnungen der Vector- Algebra lässt sich der Satz vom 
Parallelogramm der Kräfte in seiner allgemeinsten Form durch 
die Gleichung 

ausdrücken, wobei natürlich Öl die Resultirende der ty be- 
deutet. Das Summenzeichen kann sich hier nur auf eine 
geometrische Summirung beziehen, da die dahinter stehenden 
Grössen -$P durch die Schrift als Vectoren kenntlich ge- 
macht sind. 

§ 3. Die G-rundvectoren t, j, f. 

Alle übrigen Vectoren lassen sich nach dem Vorigen 
durch Sealaren und Strecken ausdrücken. Alle Strecken 
lassen sich aber wiederum auf 3 Grundstrecken, die man be- 
liebig wählen kann (abgesehen davon, dass ihre Richtungen 
nicht alle in einer Ebene enthalten sein dürfen) zurückführen. 
Daraus ergiebt sich, dass sich alle Vectoren mit Zuhülfe- 
nahme von Sealaren aus drei Grundvectoren ableiten lassen. 
Man wählt hierzu drei wechselseitig auf einander senkrecht 
stehende Strecken von der Länge Eins und bezeichnet sie 
mit i, j, f. 



10 Erster Abschnitt, Die Algebra und Analysis der Vectoren. 



Die Grundvectoren bilden dann ein rechtwinkliges Achsen- 
systena mit einander. Dabei ist es aber noch von Wichtig- 
keit darauf zu achten, in welcher Weise die i, j, f in diesem 
Achsensystem aufeinander folgen. Bekanntlich lassen sich 
zwei rechtwinklige Achsensysteme XYZ nicht immer so zur 
Deckung bringen, dass alle gleichbezeichneten Achsen auf- 
einander fallen; es gibt vielmehr zwei Arten solcher Achsen- 
systeme, die man als Rechts- und Linkssysteme von ein- 
ander unterscheidet. Alle Rechtssysteme lassen sich unter 
sich zur Deckung bringen und ebenso alle Linkssysteme 
unter sich, aber nicht die einen mit den andern. Je nach- 
dem man sich für das eine oder andere System bei der 
Wahl der Coordinatenachsen entscheidet, fallen die Glei- 
chungen der analytischen Geometrie oder die der Mechanik 
etwas verschieden aus, und zwar unterscheiden sie sich in 
gewissen Fällen durch den Wechsel eines Vorzeichens. Es 
ist daher von grosser Wichtigkeit, dass man bei jeder Unter- 
suchung von vorn- 
% herein keinen Zweifel 

darüber aufkommen 
lässt, welche Achsen- 
richtung man zu 
Grunde legt. In dieser 
Schrift werde ich mich 
stets des von Maxwell 
(und den englischen 
Gelehrten überhaupt) 
gewählten Rechts- 
systemes bedienen. 

Durch Abbildung 2 
wird dieses in axono- 
metrischer Zeichnung 
zur Darstellung ge- 
bracht. Die Achsen, 
auf denen t, j, I gewählt sind, und die zugleich den Achsen 
der XYZ entsprechen mögen, folgen so aufeinander, dass 




Abb. 2. 



Erstes Capitel. Die elementaren Operationen. 11 

eine Drehung aus der i-Richtung in die J-Riehtung, verbunden 
mit einer fortschreitenden Bewegung in der I- Richtung zu 
einer rechtsgängigen Schraube führt. — Eine Vertauschung 
etwa von i mit j würde zu einem Linkssysteme führen. 

Hat man nun eine beliebig gerichtete Strecke ft (Ab- 
bildung 2), so projicire man sie, um sie auf die Grundvectoren 
zurückzuführen, zunächst etwa auf die XY- (oder ij) -Ebene 
und zerlege die Protection wieder in zwei Componenten nach 
den Coordinatenachsen. Die X-Componente von a bildet 
dann nur ein Vielfaches des gleichgerichteten Grundvectors i 
und lässt sich, wenn der Tensor mit a x bezeichnet wird nach 
Gleichung (1) durch a ± i darstellen. Nach der Definition der 
geometrischen Summe (Gleichung (2)) ist aber 

a = ai i + a 2 \ + a 3 l (3) 

Die Tensoren der Componenten a ± a 2 a s gehen aus dem 
Tensor a des ganzen Vectors durch Multiplication mit dem 
cos des betreffenden Richtungswinkels hervor. Ausserdem 
hat man nach dem Pythagoräischen Satze die Beziehung 

a 2 = < + «/ + < (4) 

Hiermit ist nachgewiesen, dass sich in der That jede 
Strecke auf die 3 Grundvectoren zurückführen lässt. Für 
irgend einen anderen Vector % setze man aber (wenn wie in 
§ 2 m das Maassstabverhältniss bedeutet) 

%== ma = ma^ -f- ma 2 \ + ma d t 

Die Vectoren we^i, ma 2 \ } ma 3 t bilden die Componenten 
des Vectors Ä; ma v ma 2) ma B sind die Tensoren dieser Com- 
ponenten, die man des kürzeren Ausdruckes wegen häufig 
auch selbst die Componenten nennt. Bezeichnet man sie mit 
A t A 2 A z , so wird 

« = A x i + A,J + 4,1 (5) 

Damit ist auch Ä auf die 3 Grundvectoren zurückgeführt. 



12 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

§4. 

Die geometrische Summe ist denselben Rechengesetzen 
unterworfen wie die algebraische Summe. Namentlich darf 
man die Reihenfolge der Glieder vertauschen, ohne das Resultat 
zu ändern. Für die Summirung des Vectors aus seinen Com- 
ponenten nach Gleichung (3) ergibt sich dies ohne Weiteres 
aus der Betrachtung der Abbildung 2, nachdem diese soweit 
als nöthig, noch durch Ziehen der übrigen Projectionsstrahlen 
ergänzt ist. 

Hat man aber irgend eine Vectorsumme % + SB + (£, 
so lässt sich diese durch Anwendung von (5) und rein 
algebraische Summirung der gleichgerichteten Componenten 
auf die Form bringen 

% + © + & = (4 + B, + C x ) i + (4, + B. 2 + C 2 ) j 

+ (A S + B a + C a )l . . (6) 
aus der die Vertauschbarkeit der Glieder in Ä + ® + ® so- 
fort hervorgeht. 

Ebenso ist es gleichgültig, ob man z. B. A t • i oder i • A t 
schreibt; der Sinn ist in jedem Falle der in Gleichung (1) 
definirte. Freilich gilt dies zunächst nur so lange, als von 
den beiden Factoren wenigstens einer ein Scalar ist. 

§ 5. Das scalare Product. 

In der Algebra der Vectoren bildet man auch Producte 
aus zwei Vectoren und zwar kann man aus den Vectoren 
% und SB auf zwei verschiedene Arten ein Product ableiten. 
Das eine, mit dem wir es hier zu thun haben, heisst.das 
scalare Product, weil es eine scalare Grösse liefert und das 
Product der gewöhnlichen Algebra aus zwei Sealaren als 
speciellen Fall in sich schliesst. 

Durch Definition setzen wir fest, dass das scalare Product 

3l.$ = *B.$l=:^.jBcos (»SB) .... (7) 

ist, wobei cos (8135) den Cosinus des Winkels zwischen den 

Richtungen der Vectoren 81 und SB im gewöhnlichen Sinne 



Erstes Capitel. Die elementaren Operationen. 13 

der Trigonometrie bedeutet. Sind 9t und $ gleichgerichtet, 
so wird 9t $ = AB und sind sie entgegengesetzt gerichtet, 
so ist, wie in der gewöhnlichen Algebra, ihr Product = — AB, 
weil der cos (91©) dann den Werth — 1 annimmt. 

Stehen die Vectoren 91 und SB senkrecht zu einander, 
so wird ihr scalares Product nach Gleichung (7) gleich Null. 
Wendet man dies auf die Grundvectoren i, j, f an, so erhält man 

tj = it = jf = (8) 

dagegen ist 

i.t = j.j = M = l - (9) 

Betrachtet man, wie in der Quaternionentheorie, die 
Grundvectoren als imaginäre Einheiten, so wird man dazu 
geführt, ihre Quadrate gleich — 1 anstatt gleich -j- 1 zu 
setzen. Ich folge indessen hier Heaviside, indem ich von 
dieser Beziehung zu imaginären Einheiten ganz absehe und 
für das scalare Product zweier Vectoren oder für das Quadrat 
eines Vectors nur die durch. Gleichung (7) ausgesprochene 
Definition als maassgebend ansehe. 

Führt man die Vectoren 91 und © auf die Grundvectoren 
zurück, und führt dann die Multiplication nach den Multi- 
plicationsgesetzen der gewöhnlichen Algebra aus, so erhält 
man mit Berücksichtigung von (8) und (9) 

m = ( Al i + A 2 \ + A 3 t) ftl + B 2 \ + B 3 t) 

= A x B t + A 2 B 2 + A 3 B S (10) 

Der hier für 9133 gefundene Werth steht aber mit dem 
in (7) festgesetzten vollständig in Uebereinstimmung, da nach 
einem bekannten Satze 

cos (91©) = cos (KZ) cos (ßX) + cos (91 T) cos (» Y) 

+ cos (%Z) cos (JBZ) .... (11) 
ist. Anstatt diesen Satz, wie es hier geschah, als bekannt 
vorauszusetzen, kann man ihn übrigens auch unmittelbar 
durch den Vergleich von (10) mit (7) beweisen, nachdem 
man vorher nachgewiesen hat, dass die Anwendung der ge- 
wöhnlichen Multiplicationsgesetze für die scalaren Producte 
berechtigt ist. 



14 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

Hiervon überzeugt man sich aber leicht, unabhängig 
von dem Vorhergehenden, durch die im Folgenden kurz an- 
gedeutete Reihe von Schlüssen. Es sei 6> = % + ® un< ^ a 
ein irgendwie gerichteter Einheitsvector, dann soll a(£ oder 
a(« + ») = ü% + aö sein. Nun ist aber afö nach (7) 
gleich der Projection von G> auf a und Gleiches gilt von 
ttÄ und aSB. Aus der unmittelbaren Anschauung ergibt sich 
aber, dass in der That die Projection von & auf jede 
beliebige Richtung gleich der algebraischen Summe der 
Projectionen von 51 und SB auf dieselbe Richtung sein muss, 
woraus die Behauptung folgt. Durch Multiplication mit 
irgend einem Scalar können wir den Einheitsvector a in 
einen beliebigen anderen Vector verwandeln, für den der 
Satz daher ebenfalls zutrifft. — Ferner ist 



(* +»)(« + ») = (« + 
= «<£ + 



+ (» + 0)25 

+ »2> + 82> (ll a ) 



u. s. 



an, 




§ 6. Einfache Anwendungen. 

Geben % und SB die beiden Seiten eines Parallelogramms 
so ist die von dem gemeinsamen Anfangspunkte von 
% und SB ausgehende Diagonale (Abb. 3) 
nach der Definition der Vectorsumme 
gleich 81 + SB und die andere gleich % — 83. 
Ferner ist 

(» + ®f = %2 + 2StSB + SB 2 
(* — SB) 2 = W - 2»S + SB 2 . 
Durch Addition beider Gleichungen jerhalten wir 
(* + SB) 2 + (« — SB) 2 = 2W + 28 2 . 
Das Quadrat eines Vectors ist aber nach Gleichung (7) 
gleich dem Quadrate seines Tensors und wir haben damit 
den Satz bewiesen, dass die Summe der Quadrate über den 
Diagonalen eines Parallelogramms gleich der Summe der 
Quadrate über allen vier Seiten ist. Ebenso findet man 
(» + SB) 2 -(»-») 2 = 4«SB, 



Erstes Capitel. Die elementaren Operationen. 15 

d. h. das scalare Product aus den Seiten eines Parallelogramms 
ist gleich dem vierten Theile von der Differenz der Quadrate 
der Diagonalen. Für ein rechtwinkliges Parallelogramm 
werden die Diagonalen gleich lang und das scalare Product 
der Seiten zu Null. 

Bezeichnet $ß eine Kraft und t) die Geschwindigkeit ihres 
Angriffspunktes (beide als Vectoren aufgefasst), so ist 5JJU die 
auf die Zeiteinheit bezogene Arbeitsleistung. Für die Arbeit 
der Resultirenden 91 von Kräften $ß, die an einem Punkte 
angreifen, erhalten wir durch Multiplication der schon früher 
aufgeführten Gleichung 9i = U ty mit fc das Princip der 
virtuellen Geschwindigkeiten 91 • t> == 2 SJJfe. Gerade diese An- 
wendungen auf die Arbeitsleistungen von Kräften machen 
das scalare Product so werthvoll für die Mechanik. 

§ 7. Das Vectorproduct. 

Durch eine von der vorigen völlig verschiedene Operation 
erhält man aus zwei Vectoren Ä und 89 einen neuen Vector (£, 
der das Vectorproduct der beiden genannt und in Zeichen 

<£=V$l» (12) 

geschrieben wird. Die Rechtfertigung dafür, dass man diese 
Operation ebenfalls als eine Productbildung ansieht, besteht 
darin, dass auch für sie im Allgemeinen die gewöhnlichen 
Multiplicationsregeln gültig bleiben, — allerdings, wie sich 
sofort zeigen wird, mit einer wichtigen Ausnahme. 

Das Vectorproduct © wird aus % und 8$ dadurch ab- 
geleitet, dass man zunächst die Richtung von ß> senkrecht 
zu beiden und zwar in dem Sinne wählt, dass die Aufeinander- 
folge Ä, SB, G> zu einem Rechtssysteme (vgl. § 3) im Räume 
führt. Der Tensor von HL ist aber gleich dem Producte von 
A und B und dem Sinus des von % und SB eingeschlossenen 
Winkels. Bezeichnet man diesen Winkel mit s, so ist demnach 

C = AB sin s (13) 

oder gleich dem Inhalte des durch % und SB bestimmten 



16 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

Parallelogramms und bei den in Abb. 4 gewählten Richtungen 

steht die Richtung von G> senkrecht zur Papierfläche und 

geht von dem Papiere aus nach dem Be- 

/ schauer hin. 

/ Aendert man die Reihenfolge der 

/ beiden Factoren im Veetorproducte, so 

->- kehrt sich nach diesen Festsetzungen zu- 

Abb 4 gleich die Richtung des Vectorproductes 

(£> in die entgegengesetzte um, denn dann 
muss die Reihenfolge 33, SC, 6 ein Rechtssystem im Räume 
ergeben. Wir haben also 

V3t» = — V»8l ...... (14) 

und das ist die vorher erwähnte Abweichung von den ge- 
wöhnlichen Multiplicationsregeln. 

Dagegen wird das Vectorproduct aus zwei geometrischen 
Summen nach denselben Regeln wie das Product aus zwei 
algebraischen Summen gebildet. Um dies zu zeigen, beweise 
ich zunächst, dass 

V(« + »)»-= V»2> + V»S> . . . (15) 

ist. Der Kürze halber sei % + SB = 6 gesetzt. Die vor- 
stehende Gleichung ist unabhängig von jeder Bezugnahme 
auf ein bestimmtes Coordinatensystem und einer der wichtig- 
sten Vorzüge der Vector- Algebra besteht eben in dieser 
Lostrennung von dem nothwendigen Zusammenhange mit 
einem willkürlich gewählten Achsensysteme, während sie doch 
einen Uebergang zu einem solchen in jedem Augenblicke ge- 
stattet, wenn sich daraus ein Vortheil für die Beweisführung 
ergibt. 

Auch hier wähle ich zur Vereinfachung des Beweises 
ein Coordinatensystem, dessen X- oder t-Achse in die Richtung 
des Victors 2> fallen möge. Der Vector V®2> fällt dann 
nach Definition in die YZ-Woene und steht zugleich senkrecht 
auf Ä, daher auch auf der Projection von % in der YZ-Ebene, 
die vorübergehend mit W bezeichnet sei. Der Tensor von 



Erstes Capitel. Die elementaren Operationen. 



17 



%' ist aber gleich A sin e, d. h. gleich A sin (Ä2>). Tragen 
wir daher diesen Tensor rechtwinklig zu Ä' ab, so muss 
er nur noch mit dem Tensor D multiplicirt werden, um 
sofort das V^2> anzu- 
geben. Nun war W = A^ \ 
+ A$ f. Der Vector, den 
wir erhalten, wenn wir $' 
um einen rechten Winkel 
drehen, ist daher (vgl. 
Abb. 5) gleich A z \ — A 2 \\ 
demnach 

V%$ = DA 3 i — BA 2 \. 

Dies bleibt gültig für 
jede Richtung, die wir dem 
Vector % geben mögen. 
Wir haben daher auch 

und 

y<&$ = DC s i-DC 2 .t. 

Beachten wir aber, 




Abb. 5. 



C 2 = A 2 + B 2 



wir 
und 



0, = 4 



8 + B 3 



+ 



war, so 



8 und 
folgt 



aus 



daher 
dem 



Vergleiche der gefundenen Werthe unmittelbar die aufgestellte 
Behauptung. 
Ebenso ist 

V(* + »)(« + ®) = V*(« + ®) + V»(« + D) 

= V»®+V*2)+V»ß+V»2) . . . . (16) 
u. s. f. 



§8. 

Wir wollen den soeben bewiesenen Satz dazu verwenden, 
um das Vectorproduct auf die Grundvectoren bei beliebiger 
Lage des Achsensystems zurückzuführen. Zunächst folgt aus 
der Definition des Vectorproducts 

Föppl, Maxwell'sche Theorie der Elektricität. 2 



18 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

Vii-i; Vi«-i; V« = i | 

Vit — f; V«i 1; V«= -i • • (i?) 

Vii=Vii=V« = o j 

Zur letzten Zeile ist noch hinzuzufügen, dass das Vector- 
product aus zwei gleichgerichteten Vectoren stets gleich Null 
ist. Man hat daher z. B. niemals Veranlassung, von dem 
Vectorquadrate eines Vectors zu reden, da dies immer Null 
wäre. — Ferner ist 

ym =v (Ai + A\ + At) (B t i + B,i + Bf) 

= iU,JB B - A a B t ) + HABi—ABJ+KAB»- A a BJ (18) 

wie man bei Ausführung der Multiplication mit Beachtung 
der durch (17) gegebenen Beziehungen erkennt. 

In Determinantenform lässt sich diese Gleichung wie 
folgt wiedergeben 

i i i 

AAA (!8 a ) 

2?! £ 2 B 3 
was sich dem Gedächtnisse leicht einprägt. 

§ 9. Anwendungen. 

In allen Theilen der mathematischen Physik macht man 
sehr häufig von der Transformation auf ein anderes Coordi- 
natensystem Gebrauch. Bei Anwendung der Vector- Algebra 
kommt dies seltener vor, da man von vornherein unabhängig 
von jedem Coordinatensystem ist und der Uebergang zu einem 
solchen von beliebig gewählten Achsenrichtungen ohne jede 
eigentliche Coordinatentransformation erfolgen kann. Wird 
es aber doch einmal nöthig, so lassen sich mit Hülfe des 
Vectorproducts die hierbei zu beobachtenden Beziehungen in 
viel einfacherer und eleganterer Weise herleiten als auf jedem 
anderen Wege. 

Man habe zwei Coordinatensysteme XYZ und X'Y'Z', 
die beide Rechtssysteme sein und im Ursprünge zusammen- 



Erstes Capitel. Die elementaren Operationen. 



19 



fallen sollen. Wir haben dann im Ganzen 9 Winkel zwischen 
je einer Achse des einen und des anderen Achsensystems, deren 
Cosinus die aus der folgenden tabellarischen Zusammenstellung 
ersichtlichen Bezeichnungen (a t u. s. f.) erhalten mögen: 





X 


Y 


Z 


X 


a t 


a 2 


« 3 


r 


ßi 


ß, 


ft 


Z 


Vi 


?2 


Y% 



Mit Hülfe dieser 9 Winkelcosinus lassen sich die Coordi- 
naten xy# irgend eines Punktes in dem einen Coordinaten- 
systeme durch die Coordinaten % y' % im anderen, und um- 
gekehrt, wie folgt, ausdrücken: 



x' = a x x + a 2 y + cc 3 

y — A* + hy + &* 



x = a t x' + ß t t/' + y x * 
y = a 2 x' + ß 2 y r + y 2 z' 



Von den 9 Winkelcosinus können aber nur zwei will- 
kürlich angenommen werden; die übrigen sind von diesen 
abhängig. Es handelt sich um die Ableitung der zwischen 
ihnen bestehenden Beziehungen. Wir nehmen dazu zwei 
Systeme von Grund vectoreu ijf und t'j'f an, die mit den 
Coordinatensystemen gleich gerichtet sind. Zwischen diesen 
bestehen dann dieselben Gleichungen wie zwischen xyg und 
x'y V \ also 

i' _ a x \ + « 2 J + o,l; i = aj + ftf + yj 
u. s. f., von denen die erste nur aussagt, dass t' gleich der 
Vectorsumme seiner Componenten nach den Richtungen der 
xy# sein muss. 

Das scalare Product von i' und \ oder von t' und I' u. s. f. 
muss = sein, da diese senkrecht zu einander stehen und 
wir erhalten daher 6 Gleichungen, von denen es genügt, die 
beiden folgenden anzuschreiben: 

«lft + «202 + «sft = 0; u x a % + ß t ß 2 + y t y 2 = 0. 

2* 



20 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

Sechs andere Gleichungen erhält man, wenn man beachtet, 
dass das Quadrat jedes Grundvectors = 1 sein muss, also 

a,' + «,» + *,'» 1 ; «,* + &» + yi « = 1 
u. s. f. 

Zu diesen Beziehungen, die leicht auch auf anderem Wege 
gefunden werden konnten, treten aber noch einige andere, zu 
deren Ableitung sich besonders . die Anwendung des Vector- 
products eignet. Nach Gleichung (17) ist Vi'j' = ? un( ^ 
daher, wenn wir i'j'f in ijf ausdrücken und das Vectorproduct 
nach Gleichung (18) entwickeln: 

i(« a j8 s — cc 3 ß 2 ) + i(«30i — «i A) + *OiA — «aA) 
Diese Gleichung zerfällt in die folgenden 3: 

Vi = «2 A — a » A ; r 2 = «s A — a i A 5 tt> = «i A — «*A- 

Ebenso erhält man aus V*l = ^ ? wenn man auf die Grund- 
vectoren i'j'f zurückgeht und wie vorher verfährt 

«i = Ar* — Aft 5 A = «2^1 — «i^; ri = «i A — ««A- 

Dazu kommen die durch cyclische Vertauschung aus 
diesen hervorgehenden Gleichungen. — Ebenso erkennt man 
nun leicht, dass die Determinante aller 9 Winkelcosinus 



= 1 



ist. Denn entwickelt man etwa nach den Unterdeterminanten 
von ^«g « 3 und beachtet die soeben abgeleiteten (durch 
cyclische Vertauschung aus den angeschriebenen hervorgehen- 
den) Beziehungen, so geht die Determinante auf den Werth 
a i + a 2 2 + «s 2 = 1 zurück. Hierbei ist aber wohl zu be- 
achten, dass diese Beziehungen nur dann gelten, wenn beide 
Coordinatensysteme, wie es hier vorausgesetzt war, Rechts- 
systeme (oder allgemein Systeme derselben Art) sind. Für 
die Transformation aus einem Rechtssystem in ein Links- 



«1 


«2 


«3 


ßl 


A 


A> 


Yi Yi Ys 



Erstes Capitel. Die elementaren Operationen. 



21 



systein würde die Determinante der Winkelcosinus den Werth 
— 1 annehmen, wie man leicht erkennt, wenn man beachtet, 
dass das Vectorproduct V* T gleich — f wird, wenn i'jj'f ein 
Linkssystem bilden. 



§ 10. Bewegung starrer Körper. 

Auch die Kinematik starrer Körper lässt sich durch die 
Benutzung des Vectorproductes sehr vereinfachen. In Ab- 
bildung 6 sei MN eine Achse, um die der starre Körper eine 
Drehung ausführt. Wir wählen die 
positive Richtung von MN so, dass sich 
eine rechtshändige Schraubenbewegung 
ergeben würde, wenn wir mit der wirk- 
lich ausgeführten Drehung eine Be- 
wegung iin Sinne von MN verbinden 
wollten. Tragen wir auf MN eine 
Strecke ab, die den so bestimmten 
Pfeil erhält und durch ihre Grösse die 
Winkelgeschwindigkeit der Drehung 
angiebt, so ist die Bewegung als Vector- 
grösse dargestellt, wobei indessen noch 
ein Punkt der Drehachse gegeben 
werden muss, da durch den Vector 
nur die Richtung und nicht die specielle Lage der Drehachse 
angegeben wird. 

Für den starren Körper sei jetzt der Punkt und die 
Winkelgeschwindigkeit tt als Vectorgrösse gegeben, man soll 
die Geschwindigkeit D irgend eines Punktes P nach Grösse 
und Richtung ermitteln, wenn die Lage von P zu durch 
den Vector x bestimmt ist. Man erkennt leicht, dass 

t> = Vut (19) 

denn zunächst bewegt sich P offenbar senkrecht zu der durch 
X und tt gelegten Ebene und der Pfeil ist, wie ein Blick auf 
die Figur lehrt, so gerichtet wie der des Vectorproducts. Der 




22 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

Grösse nach finden wir i) durch Fällen eines Perpendikels von 
P auf die Drehachse und Multiplication desselben mit der 
Winkelgeschwindigkeit; das gibt aber genau den Tensor 
ur sin (nt) des Vectorproductes, womit die Behauptung be- 
wiesen ist. 

Aus dem durch Gleichung (19) ausgesprochenen Satze 
folgt unmittelbar die Art der Zusammensetzung von mehreren 
Rotationen, wenn die Drehachsen alle durch denselben Punkt 
gehen. Man hat, wenn t) die Resultirende und öV ... die 
durch die Drehungen tt'tt" . . . hervorgebrachten Geschwindig- 
keiten angeben 

d. h. die Bewegung besteht in einer Drehung um eine gleich- 
falls durch gehende Achse, für die sich Richtung und 
Winkelgeschwindigkeit aus tt = tt' + tt" + ... bestimmt. 

Die allgemeinste Art der Bewegung erhalten* wir, wenn 
wir annehmen, dass der Körper neben der Drehung um die 
Achse MN zugleich noch eine Translation ausführt. Die 
Translationsgeschwindigkeit ist dann zugleich die Geschwindig- 
keit des Punktes 0, der nun ein beliebig gewählter Punkt des 
Körpers sein kann. Bezeichnen wir sie daher mit t) , so 
wird durch 

Ö = t. + Vttt (20) 

die Vertheilung der Geschwindigkeiten über die materiellen 
Punkte eines sich beliebig bewegenden Körpers in ihrer all- 
gemeinsten Form angegeben. 

Das zweite Glied auf der rechten Seite von Gleichung (20) 
nimmt für verschiedene Punkte P des Körpers alle möglichen 
Grössen und Richtungen an, nur mit der Beschränkung, dass 
es stets senkrecht zu tt bleibt. Falls tl ebenfalls senkrecht 
zu tt steht, kann man daher stets einen Punkt auffinden, für 
den Yut = — t> , also t) = wird. Die Bewegung ist dann 
eine einfache Rotation und wird durch Gleichung (19) zur 
Darstellung gebracht, indem wir den Punkt nach jenem 
Punkte verschieben. 



Erstes Capitel. Die elementaren Operationen. 23 

Im andern Falle, wenn also t> nicht senkrecht zu tt steht, 
kann man es in zwei Componenten zerlegen: ö = i> ' + t) " ; 
von denen t) ' parallel zu U geht und t) " senkrecht dazu ist. 
Auch dann lässt sich wieder ein Punkt ermitteln, für den 
D " = — Vtt*. Nehmen wir an, dass das aus dieser Be- 
dingungsgleichung bestimmte X gleich t sei, so geht Gleichung 
(20) in die folgende über 

t>_H' +Vii(r— r ). 

Die Vectordifferenz t — X gibt aber die Lage irgend eines 
dritten Punktes zum Punkte t an. Die Gleichung spricht 
daher aus, dass jede beliebige Bewegung in einem gegebenen 
Augenblicke als eine Schraubenbewegung aufgefasst werden 
kann. Die Momentanachse geht durch den Punkt t und 
wird durch die Richtung von tt bestimmt. 

Auch der Satz, dass aus zwei gleich grossen Rotationen 
um zwei parallele Achsen in entgegengesetzter Richtung eine 
Translation senkrecht zu der Ebene, die durch beide Achsen 
gelegt werden kann, hervorgebracht wird, lässt sich leicht 
auf dieselbe Art nachweisen. Zählt man die Abstände x 
und t' von zwei Punkten und 0' auf den parallelen Achsen, 
so ist mit tt' = — tt nach (19) 

t, = y tt t — Ynt f = Vu(t — O- 

Die Vectordifferenz t — x' ist aber gleich dem Abstände der 
Punkte 00'. Die rechte Seite der Gleichung ist daher un- 
abhängig von x oder von der Lage des Punktes; die Ge- 
schwindigkeit t) ist daher für alle Punkte gleich gross und 
steht senkrecht zu tt und zur Verbindungslinie 0', w. z. b. w. 

§ 11. Producte aus 3 Vectoren. 

Durch zweimalige Anwendung der vorhergehenden Product- 
bildungen kann man aus drei (auch der Reihenfolge nach) 
gegebenen Vectoren Producte von drei verschiedenen Arten 
aus 3 Factoren ableiten. Die sich hierfür ergebenden Rechen- 
gesetze sind zwar schon in den früheren enthalten, oder 



24 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Veetoren. 

lassen sich doch leicht auf diese zurückführen; zur Gewinnung 
einer besseren Uebersicht, und um später kurz darauf ver- 
weisen zu können, sollen diese 3 Producte hier indessen noch 
einzeln besprochen werden.*) 

Aus den 3 Veetoren Ä, SB, G> lassen sich, wenn man 
die angegebene Reihenfolge beibehält, die folgenden Producte 
ableiten: 

$ = «.©<£; 2>' = 8UB © 



In der ersten Zeile wird ein Vector mit dem scalaren 
Product aas zwei anderen Veetoren multiplicirt; wir haben 
es also hier mit einer gewöhnlichen Multiplication zu thun. 
Das Resultat ist wieder ein Vector $, der mit % oder $', 
der mit d- gleich gerichtet ist. Daraus erkennt man schon, 
dass $ und $' zwei völlig verschiedene Werthe sind. Wollte 
man einfach %%$(& schreiben, so hätte dies keinen bestimmten 
Sinn. Erst durch das Hinzutreten des Punktes, der hier als 
Trennungszeichen auftritt, wird dieser gegeben. An Stelle 
des Punktes kann man auch Klammern anwenden, um die 
Zusammengehörigkeit der Factoren anzugeben, also $ = % (83©) 
und 2)' = («SB) d. 

In der zweiten Zeile haben wir es mit scalaren Producten 
aus einem Vector und dem Vectorproducte der beiden anderen 
Veetoren zu thuu. Für E' schreibt man besser, um jeden 
Zweifel über den Sinn der Operation auszuschliessen 
(Vl®)"-<£. Doch kann die Klammer auch fortgelassen werden, 
da V (81 85 • <£) überhaupt keinen Sinn hätte, indem die Opera- 
tion V nur an zwe * Veetoren und nicht an dem Scalar ÄSB 
und dem Vector <S ausgeführt werden kann. 



*) Auf die in der Quaternionentheorie vorkommenden Producjje all- 
gemeiner Art aus 3 oder mehr Veetoren gehe ich hier gar nicht ein, 
da sie leicht entbehrt werden können. 



Erstes Capitel. Die elementaren Operationen. 25 

Hier führt die Productbildung zu den Sealaren E und E'. 
Während nun $ von $' völlig verschieden war, sind E und E' 
einander gleich; es ist 

»V®e==©V«» = öV«». . . (21) 

Diese Gleichung spricht einen wichtigen Satz aus, dem 
noch hinzuzufügen ist ; dass jedes dieser 3 Produkte den 
Inhalt des aus den Kanten 8tü8(S zusammengesetzten 
Parallelepipeds angibt. Um sich davon zu überzeugen, 
beachte man, dass nach Gleichung (13), S. 15, der Tensor 
von V85© den Inhalt der aus den Kanten 8 und & ge- 
bildeten Seitenfläche des Parallelepipeds darstellt. Die Richtung 
von V®® steht dagegen senkrecht zu diesem Parallelogramm 
und liegt mit % auf der gleichen Seite dieser Fläche, wenn 
die Aufeinanderfolge der x Kanten Ä, 85, 6 zu einem Rechts- 
system führt. Wir erhalten nun das scalare Product %V$&» 
wenn wir den Tensor von % mit dem Tensor von V$® un d 
dem Cosinus des Winkels zwischen % und jener Normalen 
multipliciren (§ 5). Das Product aus A und diesem Cosinus 
ist aber die Projection von % auf die Normale, d. h. die 
zur Seitenfläche 83 d gehörige Höhe des Parallelepipeds. 

Damit ist erstens bewiesen, dass äV®© * n der That den 
Inhalt des Parallelepipeds angibt, zweitens, dass $V$® 
einen positiven Werth hat, wenn die Kantenaufeinanderfolge 
$193© ein Rechtssystem bildet, einen negativen im entgegen- 
gesetzten Falle, und drittens, dass die Gleichung (21) erfüllt 
ist, indem für jedes der beiden anderen Producte dieselben 
Schlüsse gelten und weil die Aufeinanderfolgen <S>ÄJB oder 
83 (£91 gleichfalls zu Rechtssystemen führen, wenn dies für 
% öd zutrifft. 

Selbstverständlich ist, wie schon aus Gleichung (14) 
S.16 hervorgeht, »V»® — — »V©»- 

Wenn es sich nur darum gehandelt hätte, den durch 
Gleichung (21) ausgesprochenen Satz zu beweisen, wäre man 
auf rechnerischem Wege noch einfacher zum Ziele gelangt. 



26 Erster Abschnitt. Die Algebra und Aoalysis der Vectoren. 

Es wäre nur nöthig gewesen, die Vectorproducte nach 
Gleichung (18) S. 18 zu entwickeln und dann das scalare 
Product nach Gleichung (10) S. 13 anzuschreiben. Man wäre 
dann in allen drei Fällen zu demselben Resultate gelangt, 
das, wie aus Gleichung (18 a ) unmittelbar zu entnehmen ist, 
sich in Form der Determinante aller Componenten an- 
schreiben lässt: 



»v»& = &v*» = ®v©« 



A x A 2 A 3 

Bl ^2 ^3 

C x C 2 C 3 



(22) 



§ 12. 
Ich gehe jetzt über zur Betrachtung des Vectorproducts 

Zunächst erkennt man leicht, dass f£ in der durch die 
Vectoren 8$ und (£ bestimmten Ebene enthalten sein und 
dass es in dieser Ebene senkrecht zur Protection von % auf 
dieselbe stehen muss. Denn der Vector V$® steht senkrecht 
zur Ebene 5BG> und % steht senkrecht zu diesem Vector, liegt 
also in JB(S>. 

Führt man die Vectorproducte nach Gleichung (18) aus, 
so erhält man 

Der Klammerinhalt, der zu \ und l gehört, ergibt sich aus 
dem zu i gehörigen, indem man jeden Index um 1 bezw. 2 
erhöht, wobei ein Uebergang von 3 zu 1 als eine Erhöhung 
um 1 angesehen wird. Der zu i gehörige Klammerwerth 
lässt sich aber wie folgt ordnen 

BJAOi + AC, + Ä s C t ) - C l {Ä l B 1 + A,B 2 + A Z B Z ) 
und ähnlich bei den anderen Gliedern. Mit Rücksicht auf 
Gleichung (10) erhält man daher 

= \{B l ■ 316 - Ci • *») + i (B a ■ M - C 2 • «8) 

+ t(B 3 -m-c 3 



Erstes Capitel. Die elementaren Operationen. 27 

oder nach Auflösung der Klammern und Zusammenfassung 
der mit gleichen Facto ren Ä6> bezw. $3$ versehenen Glieder 

V»V«& = Ö »G - «■«». . . . (23) 

Damit ist der wichtige Satz bewiesen, dass ein Product 

dritter Art von den im Eingange von § 11 aufgezählten auf 

zwei Producte erster Art $ und $' zurückgeführt werden 

kann. Mit seiner Hülfe findet man auch leicht 

V«V®& + V«V*» + V»V<£* — o . . (24) 

indem man jedes der drei Glieder nach (23) entwickelt. 

Schliesslich betrachte ich noch das scalare Product aus 
zwei Vectorproducten 

Dieses ist von der Form 2?=9lV®® in § 11, wobei 
nur der Vector % selbst durch ein Vectorproduct ersetzt ist. 
Wir können daher die in Gleichung (21) ausgesprochene Um- 
formung darauf anwenden, also 

Der zweite Factor dieses scalaren Products lässt sich 
aber nach Gleichung (23) weiter umformen und man erhält 
dann für das ganze Product 

<£(«.82>-».«2>) 
oder, wenn wir die Klammer auflösen, 

V»»-V<S$-«6-8$-»G-«2> • • (25) 

§ 13. Prineip der virtuellen Geschwindigkeiten 
und Satz der statischen Momente. 

An einem starren Körper mögen sich die Kräfte $^2 $3 

im Gleichgewichte halten. Nach dem Prineip der virtuellen 
Geschwindigkeiten ist dann für jede beliebige Bewegung de3 
Körpers die algebraische Summe der von diesen Kräften ge- 
leisteten Arbeiten gleich Null. Diese Bedingung ist nicht 
nur nothwendig, sondern auch hinreichend für das Gleich- 
gewicht der Kräfte SJJ. 



28 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

Der Satz gilt ebensowohl für endliehe als für unendlich 
kleine Bewegungen des Körpers. Gewöhnlich wird er aber 
auf unendlich kleine Bewegungen angewendet und so soll es 
auch hier geschehen. 

Bezeichnen wir den Weg des Angriffspunktes 1 der 
Kraft $P X mit dtO ± , so ist die bei der unendlich kleinen Be- 
wegung des Körpers von !JJ 1 geleistete Arbeit (vgl. § 6) gleich 
dem scalaren Producte aus jp x und d\& i7 also gleich 

SM»! 

und der Satz lässt sich in der Form 

2ydto = 
aussprechen. — 

Der Beweguugszustand eines starren Körpers wird in 
seiner allgemeinsten Form durch Gleichung (20) ausgedrückt. 
Multipliciren wir diese Gleichung mit dem Zeitelemente dt, 
so geht bdt in dtO und tidt in d% über. Der unendlich 
kleine Vector d% gibt hier durch seine Richtung die Richtung 
der Momentanachse an und der Grösse nach gibt er den 
Winkel an ; um den sich der Körper im Zeitelemente dt um 
diese Achse drehte. 

Wir haben also 

diu = dto + V<Z * • *• 

Setzen wir dies in die vorhergehende Gleichung ein 7 so geht 
sie über in 

Diese muss für jedes beliebige dto und jedes beliebige 
d% erfüllt sein. Sie zerfällt also in die Gleichgewichtsbe- 
dingungen 

J£SP = und J^Vd3r = 0. 

Die erste kennen wir schon aus § 2 als die Formulirung 
des Gesetzes vom Parallelogramm der Kräfte, das sich hiermit 
als eine Folgerung des Princips der virtuellen Geschwindig- 
keiten darstellt. Die zweite Gleichung behandeln wir noch 



Erstes Capitel. Die elementaren Operationen. 29 

weiter, indem wir die in Gleichung (21) ausgesprochene Um- 
formung darauf anwenden. Sie geht dadurch über in 

Der Factor d% konnte vor das Summenzeichen gestellt 
werden, da er für alle Punkte des starren Körpers denselben 
Werth hat. — Die Gleichung muss aber, wie schon bemerkt, 
für jede beliebige Bewegung des starren Körpers, also auch 
für jeden beliebigen Werth von ä% erfüllt sein und sie lässt 
sich daher ersetzen durch 

J?Vt5P = (26) 

In dieser Form spricht sie aber den Satz von den 
statischen Momenten aus. Die in ihr vorkommenden Radien- 
vectoren r sind von einem beliebig gewählten Punkte aus 
nach den Angriffspunkten der Kräfte 5ß zu ziehen. 

Die Aussage des Satzes von den statischen Momenten 
weicht hier allerdings von der in der Cartesischen Dar- 
stellungsweise gebrauchten etwas ab. Der Unterschied bedeutet 
aber nur einen wichtigen Vorzug unserer Aussage vor dieser. 

Die statischen Momente sind hiernach Vectorgrössen, 
während sie bei der sonst üblichen Behandlung als scalare 
Grössen angesehen werden. Daher kommt es auch, dass bei 
der Cartesischen Behandlung der Mechanik die Momenten-Be- 
dingung stets auf 3 Achsen angewendet werden muss, während 
hier die einzige Gleichung (26) dafür an die Stelle tritt. 
Die Momente der gewöhnlichen Mechanik sind nämlich nichts 
anderes als die Componenten der Vectoren, die nach der hier 
behandelten Darstellungsform als die statischen Momente auf- 
zufassen sind. 

Der Momentensatz ist von so grosser Bedeutung für die 
Mechanik, dass es sich rechtfertigen wird, wenn ich hier noch 
etwas länger bei ihm verweile. — Am einfachsten gestaltet 
sich seine Anwendung in der gewöhnlich gebrauchten Form, 
wenn es sich nur um Kräfte handelt, die alle in derselben 
Ebene liegen. Statisches Moment ist dann das Product aus 
dem Tensor der Kraft und dem Hebelarm, d. h. dem Perpen- 



30 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

dikel vom Momentenpunkte auf die Kraftriehtung. Eine kleine 
Schwierigkeit, die aber leicht Oberwunden wird, tritt nur inso- 
fern noch auf, als man zwischen Momenten positiven und 
negativen Vorzeichens zu unterscheiden hat. 

Das Vectorproduct aus t und SJJ, das nach der Methode 
der Vectoren als das statische Moment von 5ß anzusehen ist, 
hat nach § 7 ebenfalls das Product aus Kraft und Hebelarm 
zum Tensor. Es ist aber selbst ein Vector, der zur Ebene, 
in der die Kräfte und der Momentenpunkt enthalten sind, 
senkrecht steht. Den entgegengesetzten Vorzeichen entsprechen 
hier die beiden Richtungen der Normalen. Da nur diese 
beiden entgegengesetzten Richtungen vorkommen, geht die 
geometrische Summirung in die gewöhnliche algebraische 
Summirung über. Insofern weichen also die Darstellungen in 
beiden Fällen nur unerheblich von einander ab. 

Anders ist es aber, wenn die Kräfte und der Momenten- 
punkt nicht mehr alle in derselben Ebene liegen. Für Momente, 
die nach der von den ebenen Problemen her gewohnten ge- 
wöhnlichen Definition von Momentenpunkten aus gerechnet 
werden, gilt er dann überhaupt nicht mehr. Er ist z. B. schon 
in dem einfachsten Falle nicht mehr erfüllt, dass sich drei 
in derselben Ebene liegende Kräfte an einem Punkte im 
Gleichgewichte halten, sobald der Momentenpunkt ausserhalb 
dieser Ebene gewählt wird. Der Grund dafür ist jetzt leicht 
ersichtlich: nicht die algebraische, sondern die geometrische 
Summe der als Vectoren aufgefassten Momente wird zu Null. 

Desshalb ist man in der Cartesischen Darstellungsweise 
genöthigt, die Momente von Kräften im Räume von einer 
Achse aus zu rechnen. Dass der Satz für diesen Fall wieder 
gültig ist und wie die statischen Momente dann zu bilden 
sind, ergibt sich leicht aus Gleichung (26), wenn man sie 
mit einem in beliebiger Richtung durch den Momentenpunkt 
gezogenen Einheitsvector c scalar multiplicirt. Man erhält 
dann (mit Anwendung von Gleichung 21) 



Erstes Capitel. Die elementaren Operationen. 31 

Der Hebelarm, mit dem der Tensor von $ zu multipliciren 
ist, um das auf die Achse c bezogene Moment zu erhalten, 
ist demnach die Projection des Vectors V** auf die Richtungs- 
linie von $p. 

Anstatt mit den Projectionen der Momente auf Achsen t 
oder, wie gewöhnlich, auf die drei Coordinatenachsen zu 
rechnen, ist es aber weit einfacher, ein für allemal die 
statischen Momente nur auf Momentenpunkte zu beziehen 
und sie demgemäss als Vectoren aufzufassen, unter dem 
Momente einer Kraft $ für einen beliebigen Momentenpunkt, 
von dem der Radiusvector x nach dem Angriffspunkte ge- 
zogen ist, also stets den Ausdruck 

zu verstehen. — Nebenbei wird dadurch auch der Vortheil er- 
reicht, den physikalischen Unterschied zwischen einem statischen 
Momente und der von einer Kraft geleisteten Arbeit deutlich 
vor Augen zu führen. Wenn beide sonst auch dieselbe physi- 
kalische Dimension besitzen, also in derselben Weise von 
den physikalischen Grundmaassen abhängen, so ist doch das 
statische Moment eine Vectorgrösse und eine Arbeitsleistung 
ein Scalar. 

Die Zerlegung und Zusammensetzung von Kräften an 
einem starren Körper beruht stets und ausschliesslich auf den 
beiden Sätzen vom Parallelogramm der Kräfte und von der 
Zulässigkeit der Verschiebung des Angriffspunktes einer 
Kraft. Es sei daher noch darauf hingewiesen, dass auch der 
letzte Satz sich leicht aus dem Momentensatze in Form der 
Gleichung (26) herleiten lässt. Verschieben wir nämlich 
den Angriffspunkt der Kraft $ längs deren Richtungslinie 
um Ji, so ist jetzt x in x + J) übergegangen uncl wir erhalten 
für das Moment nach der Verlegung 

V(t + #)^ oder VrSP+V**. 

Das zweite Glied dieser Summe ist aber nach der Definition 
des Vectorproducts gleich Null und das Moment ist daher 



32 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

für jede beliebige Lage des Momentenpunkts unverändert ge- 
blieben. Wenn vorher Gleichgewicht bestand, muss daher 
auch nachher noch Gleichgewicht bestehen. 

Bisher war immer nur von dem Gleichgewichtsfalle die 
Rede. Es folgt aber aus den Betrachtungen sofort auch, 
dass zwei Kräftesysteme an einem starren Körper nur dann 
äquivalent sein können, wenn ihre Momentensummen für 
jeden beliebigen Momentenpunkt gleich sind. Besonders muss 
auch, falls sich eine Resultirende für die Kräfte angeben 
lässt, deren Moment stets gleich der Summe der Momente 
aller dieser Kräfte sein. 



Zweites Capitel. 

Die Differential - Operatoren. 

§ 14. Differentiirung nach einer scalaren Veränderlichen. 

Die unabhängige scalare Veränderliche sei mit t be- 
zeichnet. Der Zuwachs des Vectors % für dt ist als ein 
Vectorzuwachs in demselben Sinne zu betrachten, wie die 
Addition von Vectoren in § 2 erklärt wurde; d. h. also 

<Ztt = \dA x + \dÄ 2 + tdÄ, .... (27) 

Die Grundvectoren i, J, t sind bei der Differentiation als 
constant anzusehen. Für 27 kann man auch schreiben 

Ä-ii^ + ji. + I.J, . . . . (27*) 

indem man die Differentiation durch Punkte (das Newton'sche 
Fluxionszeichen) bezeichnet, oder auch 

p-l-ipA + lpAt + lpAt . . . (27*) 

wo p für d/dt gesetzt ist. Gerade die letzte Schreibweise 
eignet sich für manche Untersuchungen der mathematischen 
Physik sehr gut und wird neuerdings vielfach angewendet. 



Zweites Capitel. Die Differential -Operatoren. 33 

Man kann in (27 b ) p als einen scalaren Operator be- 
zeichnen und den Satz dahin aussprechen, dass die Operation 
p so erfolgt, als wenn p ein Multiplicator wäre. 

Es bleibt nun noch festzustellen, was man durch die 
Operation p an einem scalaren oder Vectorproducte erhält. 
Eine einfache Betrachtung zeigt aber, dass hier genau die- 
selben Differentiationsregeln gelten, wie für die algebraischen 
Producte. Um z. B. das Differential von $133 abzuleiten, setze 
man (« + ä%) (ß + du) — «», führe die Multiplication 
nach Gleichung (11 a ) S. 14 aus und beseitige das Glied zweiter 
Ordnung. Dasselbe Verfahren bleibt nach Gleichung (16) S. 17 
auch für d V$3$ anwendbar. Man erhält so die Gleichungen 



bV»-V«"+V"-' 

denen hier noch die folgenden angefügt werden mögen 
^(WJ «) — « V »® + « V 8* + * V»& 

^y«y®e; =v*V ö ® +V*V* e +V*V Ö ® 



(28) 



(29) 



§ 15. Anwendungen. 

In den physikalischen Anwendungen ist die unabhängige 
scalare Veränderliche t, nach der man zu differentiiren hat, 
meistens die Zeit. Eine gleichfalls sehr nützliche geometrische 
Deutung des Differentialquotienten ergibt sich indessen, wenn 
der abhängige Vector als Radiusvector einer Curve angesehen 
wird, deren Bogenlänge durch die unabhängige Veränderliche 
gemessen wird. So wie jede Gleichung y = f(x) als Gleichung 
einer ebenen Curve, kann Ä = f(t) als Gleichung einer Raum- 
curve angesehen werden. 

In Abb. 7 (Seite 34) ist der veränderliche Vector mit 
X bezeichnet; er legt die Curvenpunkte von einem festen 
Anfangspunkte aus fest; mit s ist die scalare unabhängige 
Veränderliche bezeichnet, d. b. die Länge des von einem zweiten 

Föppl, Maxwell'sche Theorie der Elektricität. 3 



34 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

auf der Curve liegenden Anfangspunkte P aus gerechneten 
Bogens. Der Zuwachs von r, der einer Zunahme /\s ent- 
sprich^ oder /\t ist gleich der Sehne, die 
■"*"*^. zum Bogen /\ s gehört. In der Grenze fällt 

^T A r m ^ A s zusammen; aber auch dann 
VL ist noch ein Unterschied zwischen ihnen zu 
p machen. Wenn sie auch numerisch gleich 
sind, so ist doch /\t ein Vector und /\s 
ein Scalar; die Division von /\x durch /\s 
liefert daher wieder einen Vector, dessen 
Abb Tensor in der Grenze gleich 1 ist und dessen 

Richtung mit der Tangentenrichtung zu- 
sammenfällt. Bezeichnen wir diesen mit i l7 wobei der Index 1 
darauf hinweisen soll, dass der Tensor von t t immer gleich 
der Einheit ist, so gilt demnach die Gleichung 

'. = 5 ( 3 °) 

Der zweite Differentialquotient von t steht in engster 
Beziehung mit dem Krümmungshalbmesser der Curve. Dieser 
sei mit 81 bezeichnet, wobei schon durch die Schreibweise 
angedeutet ist, dass er als Vector aufgefasst werden soll. 
Dabei sei 8t vom Krümmungsmittelpunkte nach der Curve 
hin gerichtet. 

Zunächst ist 

ff!* = **i. 
ds 2 ds 

Die Aenderung von t x besteht aber nur in einer Richtungs- 
änderung, da der Tensor stets gleich 1 bleibt Das Differential di t 
muss daher senkrecht zu t x stehen. Es muss ferner auch in 
der durch i t und das darauf, folgende i x -f di t gelegten Ebene 
enthalten sein, d. h. in der Schmiegungsebene der Curve. Aus 
beidem folgt, dass die Richtungslinie von dt t mit der von 81 
zusammenfällt. Zugleich erkennt man aus der geometrischen 
Anschauung, dass di x einen dem von 81 entgegengesetzt ge- 
richteten Pfeil hat. Es bleibt nun nur noch die metrische 
Beziehung, die zwischen beiden besteht, festzustellen. Der 



Zweites Capitel. Die Differential- Operatoren. 35 

Tensor von di x ist aber gleich dem Tensor von i t mal dem 
Contingenz- Winkel der Curve dy } also einfach = d<p. Anderer- 
seits ist Bdcp gleich ds. Daraus folgt sofort, wenn wir be- 
achten, dass 91 und dt x entgegengesetzt gerichtet sind, 

^•S = -i ( 31 ) 

§16. 

Die vorher betrachtete Curve soll jetzt als die Bahn eines 
materiellen Punktes angesehen werden, der sich mit der Ge- 
schwindigkeit b darauf bewegt; der Vector t) ist dann gleich 
gerichtet mit i r Aus dem Begriffe der Geschwindigkeit folgt 

• dr dt_ ds^ , ds 

dt ds dt l dt 

ds 
Dies liefert uns nur den bekannten Satz, dass -r- den 

7 dt 

Tensor der Geschwindigkeit angibt. — Wir wollen jetzt aus 
dem Werthe von t) die Beschleunigung {J ableiten 

db dPt dti ds . . d 2 s 

*~~dt~W i ~ dt "di^ %1 dt 2 

dt t /dsV* ,i d*s 

~~~ds\di) "+" h \frj* 

oder mit Rücksicht auf die Entwickelungen des vorigen § 

m 1 /ds\ 2 , , d 2 S /r) ~ N 

wenn unter 9t x ein Einheitsvector in der Richtung von 91 
und unter JR wie gewöhnlich der Tensor von 91 verstanden wird. 
Die Gleichung zeigt, dass die Beschleunigung g sich aus 
2 Componenten zusammensetzt. Das ^rste Glied gibt die 
Normalbeschleunigung mit dem Tensor v 2 /B 9 das zweite die 
Tangentialbeschleunigung an. 

§ 17. Der Operator V. 

Eine Differentiation eines Vectors nach einem anderen 
unabhängig veränderlichen Vector kann im Allgemeinen nicht 

3* 



36 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

ausgeführt werden. Man kann zwar, wenn 9i = f(ß) } leicht 
die Differentiale d% und df8 und das Verhältniss beider bilden, 
aber der Werth dieses Quotienten würde nicht einer be- 
stimmten festen Grenze zustreben, wenn wir die Differentiale 
unendlich klein werden lassen, sondern diese Grenze würde 
sich verändern mit der Art, auf die wir dSS zu Null werden 
lassen. Nur wenn man die Vector- Algebra auf ein zwei- 
dimensionales Gebiet beschränken wollte, könnte man gewisse 
Functionen angeben, die eine solche Differentiation zulassen. 
Man käme damit auf die Theorie der Functionen complexer 
Variabein, mit der aber die Vector-Algebra in dem Umfange 
und in der Fassung, wie sie für die Behandlung physikalischer 
Probleme gebraucht wird, nur eine sehr entfernte Aehnlich- 
keit besitzt. 

Der Begriff der einfachen Differentiation muss 
daher in unserem Gebiete auf die in den vorher- 
gehenden § § erörterten Differentiationen nach sca- 
laren Veränderlichen beschränkt werden. 

Wenn auch eine Erweiterung der scalaren Differentiirung 
nicht möglich ist, so tritt doch eine erhebliche Bereicherung 
unserer Hülfsmittel durch die Einführung des Operators V 
ein, der jene in gewissem Sinne ersetzt. Der Operator V ver- 
hält sich zum scalaren Operator p wie ein Vector zu einem 
Scalar; er kann daher selbst als ein Vector-Operator be- 
zeichnet werden. Die Definition dieses durch Hamilton ein- 
geführten Operators wird durch die Gleichungen gegeben 

S7=W/dx + Wdy + W/d0 .... (33) 

oder VJ.'=i^ + i^ + l|^ (34) 

ex ' y oy ' dz v ' 

In Gleichung (34) ist die Operation V an einem Scalar 
A ausgeführt; sie gibt, wie man sieht, einen Vector. — Bei 
der in (33) und (34) gegebenen Rechenvorschrift zur Aus- 
führung der Operation V kommt die Beziehung auf ein be- 
stimmtes Coordinatensjstem vor, während V A selbst direct 
aus A hervorgegangen gedacht werden kann, ohne dass irgend 



Zweites Capitel. Die Differential- Operatoren. 37 

ein Coordinatensystem damit etwas zu schaffen hätte. Um 
sich hiervon zu überzeugen, muss man den Nachweis führen, 
dass V A ungeändert bleibt, wenn wir an Stelle des früheren 
Coordinatensystems irgend ein neues einführen. 

Zu diesem Zwecke greife man auf die Betrachtungen des 
§ 9 zurück. Bezeichnen wir den auf das zweite Coordinaten- 
system IT ' Z' bezogenen Operator V mit V', so wird mit 
Anwendung der früheren Bezeichnungen 

= (cc l X + cc 2 l + a 3 r)(d/ dx .a l +d/ d y^a 2 -j r d/ d 0.a 3 )+ . ■. . 

wobei nur das erste Glied {'d/d% entwickelt ist. Zieht man 
nun alle Glieder zusammen, die zu den gleichen Grundvectoren 
gehören, so erhält man 

V'= i{(« x 2 + ft 8 + Yx*) d /dx + («!«, + faß, + y lVa ) d/ d y 

+ («,«3 + ßiß* + m,) d fi>*)+U ) + «{• • • •! 

Dies vereinfacht sich aber durch die in § 9 zusammen- 
gestellten Beziehungen zwischen den Winkelcosinus zu 

V— Id/dx + \dfyy + ld/dz 

und damit ist der Satz bewiesen, dass V eine Operation ist, 
die unabhängig von jeder Wahl des Coordinatensystems immer 
zu demselben Resultate führt, oder 

V'=V (35) 

Dabei ist es gleichgültig, ob wir die Operation V an 
einem Scalar oder an einem Vector ausführen. 



§18. 

Die analytische Bedeutung von V A ergiebt sich aus der 
folgenden Betrachtung. Wenn der Scalar A eine Function 
der Coordinaten xyz ist, können wir ihn auch als Function 
des Radiusvector X ansehen, der von einem festen Punkte des 
Raumes aus nach dem variablen Punkte gezogen ist. Unter 



38 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

dx dy dz sind dann die Componenten des Vectorzuwachses dt 
zu verstehen, so dass 

dt = xdx + \dy + Idz. 

Multipliciren wir diese Gleichung der Reihe nach mit 
den Grundvectoren, so erhalten wir (vgl. § 5) 

dx = idt ; dy = \dt ; dz = tdt. 

Auf den rechten Seiten stehen die scalaren Producte 
aus dt und den Grundvectoren. Nun ist nach der Analysis 
der Scalaren 

d A = -ö— dx + -77- dy + -5— dz, 
dx ' dy y ' dz 7 

oder nach Einführung der vorher gefundenen Werthe für die 
dx dy dz 

dA = dt(l^ + i^ + l^) = dt-S/A . (36) 

\ ex ' * oy ' dz J v J 

VA ist also jener Vector, dessen scalares Product 
mit der unendlich kleinen Verschiebung des Punktes, 
auf den sich A bezieht, die zugehörige Aenderung von 
A angibt. 

Man könnte versucht sein, Vi hiernach einfach als den 
Differentialquotienten von A nach t zu bezeichnen. Das ist 
aber desshalb nicht richtig, weil auf der rechten Seite von (36) 
nicht ein gewöhnliches, sondern ein scalares Product steht. 
Aus der Gleichung 

4 — 8-« 

kann man Ö> nicht ermitteln, wenn A und © gegeben sind. 
Man kann daher auch den Werth von X7 A nicht aus (36) 
als einen Quotienten von dA und dt darstellen. Immerhin 
leistet der Vector V A ähnliche Dienste wie ein Differential- 
quotient. 

Aus (36) ergibt sich sofort noch eine weitere Eigenschaft 
von V A. Von einem Punkte des Raumes ausgehend, denke 
man sich alle übrigen Punkte aufgesucht, für die A den 
gleichen Werth behält. Alle diese Punkte werden auf einer 
Fläche enthalten sein, die man als eine Niveaufläche bezeichnet. 



Zweites Capitel. Die Differential- Operatoren. 39 

Aus (36) folgt nun sofort, dass Vi senkrecht zu der Niveau- 
flache steht, denn nur für den Fall, dass die Verschiebung dt 
rechtwinklig zu Vi steht, wird das scalare Product dt • V i 
zu Null. 

Zieht man eine Normale n zur Niveaufläche in der 
Richtung von Vi, so wird für dt = dtt 

dA = dn- (Vi) , 
wenn wir unter dn den Tensor von dn und unter (\/ A) den 
von Vi verstehen. Da wir es jetzt nur noch mit scalaren 
Grössen zu thun haben, können wir daraus weiter schliessen 

S = ( v ^ ( 37 > 

d.h. der Tensor von Vi ist gleich dem Differential- 
quotienten von i nach der Richtung der Normalen 
zur Niveaufläche. Zugleich erkennt man, dass der 
Vector Vi von der Stelle niederen zu der Stelle 
höheren Niveaus hin gerichtet ist. 

Auch aus diesen Betrachtungen folgt ohne Weiteres, 
dass V i eine . von jeder Beziehung auf ein bestimmtes 
Coordinatensystem unabhängige Bedeutung besitzt. Der im 
vorigen § gegebene analytische Nachweis hierfür wäre 
dadurch entbehrlich gemacht, wenn es sich nicht empfehlen 
würde, diese Beziehungen von mehreren Seiten her zu beleuchten. 

§ 19. Der Operator (ttV). 

Aus der Operation V geht die Operation nV hervor, 
worin tt irgend ein Vector ist. Der Sinn ist der, dass zunächst 
das scalare Product aus a und dem symbolischen Ausdruck 
von V (Gleichung 33, S. 36) genommen und die sich hieraus 
ergebende Operation ausgeführt werden soll. Für aV erhält 
man nach Gleichung (10) S. 13 

a V = a x d/dx + a 2 dfiy -f- a% ^/dz . . . (38) 
und, wenn wir die Operation an dem Scalar i ausführen, 

(aV)'A = aiJ ^ + a 2 -^ + a d jj. . . (39) 



40 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

Zu demselben Resultate wird man geführt, wenn man 
zuerst Vi bildet und dann erst das scalare Product hiervon 
mit a nimmt. Man hat also die Gleichung 

(öV)4 = a.Vi (40) 

die indessen nur so lange gültig bleibt als A, wie hier vor- 
ausgesetzt und durch die Schreibweise schon angedeutet ist, 
ein Scalar ist. 

Mit Benutzung der Operation a V lässt sich die Gleichung (36) 
des vorigen § noch in anderer Form anschreiben. Versteht 
man nämlich unter dr den Tensor von dt und unter t t einen 
in der Richtung von dt gezogenen Einheitsvector, so dass 
dt = t t dr ist, so erhält man aus (36) 

7F-(*.VM (41) 

Die Operation t^V, die an einem Scalar ausge- 
führt immer wieder einen Scalar ergibt, ist also 
gleich der Variation von A in der Richtung t v Wenn 
A ein Potential ist, lehrt sie uns also die Grösse der 
in die Richtung t x fallenden Kraft kennen. 

Führen wir die Operation aV an einem scalaren Pro- 
ducte aus, so erhalten wir 

(nV)*8 = *-(aV)8 + »-(ttV)« . . (42) 

Der Beweis ergibt sich leicht aus der Verbindung der 
Gleichungen (39) und (28). 

§ 20. Die Operation V an einem Vector. 

An einem Vector lässt sich die Operation V auf zwei 
verschiedene Arten ausführen. Der Operator V hat nämlich 
selbst die Form eines Vectors und seine Verknüpfung mit 
dem Vector, auf den er sich bezieht, kann entweder nach den 
Regeln der Bildung des scalaren oder des Vectorproducts er- 
folgen. Auf den ersten Blick erscheint es vielleicht will- 
kürlich in dieser Verknüpfung überhaupt eine Art der Pro- 
ductbildung zu erblicken. Man beachte aber, dass bei der 



Zweites Capitel. Die Differential- Operatoren. 41 

Durchführung der durch die Definition von V in Gleichung (33) 
gegebenen Rechenvorschrift sofort die Producte der Grund- 
vectoren auftreten und es bedarf daher in der That einer 
näheren Festsetzung, welche Art der Productbildung hierbei 
angewendet werden soll. 

Schreiben wir einfach V Ä, so ist damit die scalare 
Productbildung angezeigt. Im anderen Falle ist VVÄ zu 
schreiben. 

Von den beiden Wertheu, zu denen man so geführt 
wird, ist der erste ein Scalar, der zweite ein Vector. Beide 
sind für die mathematische Physik und besonders für die 
Elektricitätslehre von grösster Bedeutung. Es ist daher 
wünschenswerth, für sie noch besondere Operationszeichen zu 
besitzen, die an die Stelle der zuweilen unbequemen Schreib- 
weise, namentlich von VVÄ treten können. Diese hat 
Maxwell in der „Convergenz", abgekürzt „conv", und dem 
„curl u eingeführt. Heaviside hat dann noch für das Negative 
der Convergenz die „Divergenz" oder div gebraucht. Wein- 
stein, der Herausgeber der deutschen Uebersetzung des Max- 
well'schen Buches hat curl (wörtlich Locke oder Windung, 
Kräuselung) mit Rotation übersetzt. Ich sehe indessen keinen 
Vortheil darin, das eine Fremdwort durch ein anderes zu er- 
setzen. Besser würde es vielleicht noch sein, wenn man curl 
durch das stamm- und sinnverwandte deutsche Wort „Quirl" 
übersetzen wollte. Da aber curl allmählich zu einem Operations- 
zeichen geworden ist, das in die wichtigsten Gleichungen der 
Elektricitätslehre eintritt, halte ich es für das Richtigste, das 
englische Wort ohne jede Aenderung in den deutschen wissen- 
schaftlichen Sprachschatz aufzunehmen. 

Wir setzen also durch Definition fest 

div % = - conv % = V «1 

curl» = VV5l J . . . . («) 



42 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

§ 21. Die Operation div. 

Wir wollen die Operation div, also die scalar ausgeführte 
Operation V an irgend einem Vector % jetzt wirklieh vor- 
nehmen. Wir haben 

div$l = V% = (ffldx + \*/dy + W/dz) (AJ + A 2 \ + Ä,l) 

denn die scalaren Producte ij u. s. f. verschwinden (Gleichung (8) 
S. 13). 

Dieser Ausdruck hat aber eine wichtige geometrische 
Bedeutung, die man sich am besten klar macht, indem man 
annimmt, der Vector % bedeute die Geschwindigkeit einer 
Flüssigkeit an dem Orte des Raumes, auf den sich % bezieht. 
Es ist dabei keineswegs nöthig, dass % diese Bedeutung 
wirklich besitze. Es mag irgend eine Vectorgrösse darstellen: 
dann werden wir aber stets die Vertheilung des Vectors % 
im Räume durch das Bild der Geschwindigkeitsvertheilung in 
einer Flüssigkeit veranschaulichen können. Man kann mit 
anderen Worten jede Function, die in eindeutiger Weise für 
jeden Punkt im Räume einen Vector angibt, hydrodynamisch 
construiren. Diese hydrodynamische Veranschaulichung ist 
an sich zwar nur rein formaler Natur: sie erleichtert die Be- 
trachtung, ohne etwas üWfer die Gesetze auszusagen, denen der 
Vector % unterworfen ist. Zugleich bildet sie aber nach 
dieser Richtung hin ein so wichtiges Hülfsmittel, wie etwa 
die geometrische Veranschaulichung durch eine Curve für die 
Eigenschaften einer Function in den Anfangsgründen der 
Analysis oder für die Betrachtungen über Differentialquotienten, 
Maxima und Minima u. s. w. So wenig man dieses Hülfs- 
mittel vermissen möchte, so viel Werth ist auch auf die 
hydrodynamische Wiedergabe des Vectors % zu legen. Der 
„Kraftfluss" hat daher mit Recht von jeher in der Faraday- 
MaxwelFschen Theorie eine grosse Rolle gespielt. Auf dem 
Continent hat man sich lange genug gegen diese Fassung 



Zweites Capitel. Die Differential- Operatoren. 43 

gesträubt. Sobald man aber festsetzt, dass das Wort Kraft- 
fluss an sich gar nichts über den wirklichen Vorgang aus- 
sagt, sondern nur auf die Möglichkeit der hydrodynamischen 
Construction irgend eines Vectors hinweist, liegt selbst für 
den Gegner der Maxweirschen Theorie kein Grund vor, sich 
dem Gebrauche des Wortes und des dadurch ausgedrückten 
Bildes zu widersetzen. 

Wir denken uns also den Vector Ä in der eben er- 
läuterten Weise hydrodynamisch construirt, so dass er die 
Geschwindigkeit in einer fingirten Flüssigkeit vorstellt. In 
dieser 'Flüssigkeit denke ich mir ferner ein rechtwinkliges 
Parallelepipedum mit den Kanten dx dy dz abgegrenzt. Durch 
die dem Ursprung zunächst liegende, zur X-Achse senkrechte 
Fläche dy dz strömt eine Flüssigkeitsmenge in den Tnnenraum 
ein, die in jeder Secunde gleich dy dz • A x ist, wenn wie ge- 
wöhnlich Aj die X-Componente von 9L bedeutet. Aus der 
gegenüberliegenden Seitenfläche tritt zugleich eine andere Menge 

dA 
aus dem Parallepipedum aus, die gleich dy dz(A l + -^ * dx) 

ist. Der Ueberschuss der ausgeströmten über die eingeströmte 
Menge beträgt daher für dieses Paar gegenüberliegender Seiten- 
flächen ^^-i/dx • dx dy dz. Aehnliches gilt für die anderen 
Seitenpaare. Im Ganzen strömt daher in der Zeiteinheit und 
auf das Einheitsvolumen bezogen die Menge 

dA x . dA 2 . 3A 3 
dx * dy * dz 

aus dem Parallelepipedum mehr aus als ein, also gerade der 
durch div % dargestellte Betrag. Wir können diesen Ueber- 
schuss der Ausströmung über die Einströmung entweder 
dadurch erklären, dass wir annehmen, die Flüssigkeit expan- 
dire zu dieser Zeit (oder sie ziehe sich zusammen wenn div % 
negativ ist), — oder wir können die Flüssigkeit als incom- 
pressibel ansehen und im Innern des Parallelepipedums eine 
Flüssigkeitsquelle von der Ergiebigkeit div % annehmen. Einem 
negativen divÄ würde dann natürlich eine Versickerung — 
oder wie man diese fortwährende Beseitigung von Flüssigkeits- 



44 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Veetoren. 

menge aus dem Räume sonst nennen will — entsprechen. 
Gewöhnlich zieht man das letzte Bild vor. Man kann dann 
das gewonnene Resultat in der Form aussprechen: Die 
Divergenz eines Vectors gibt die Ergiebigkeit der 
zu dem Vectorflusse an der betreffenden Stelle und 
für die Volumeneinheit hinzutretenden Quelle an; die 
Convergenz die stattfindende Versickerung. 

Wo keine solche Quelle oder Versickerung auftritt, ist 
div % = 0. Es ist dies die bekannte Continuitätsgleichung 
der Hydrodynamik. 

Aus dieser geometrischen Bedeutung von divÄ folgt 
zugleich, dass es unabhängig von der Wahl eines bestimmten 
Coordinatensystemes sein muss. Dies folgt übrigens schon 
unmittelbar aus dem rein analytischen Beweise, der in § 17 
zu Gleichung (35) führte. 

Anmerkung. Im Maxweli'schen Buche ist der scalare Theil von 
VA als die Convergenz bezeichnet (anstatt wie hier als Divergenz). 
Mit Rücksicht auf die der Quaternionentheorie entnommene Beziehung 
i . i = — ± 9 anstatt wie hier (nach Heaviside) gleich + 1 i g t der 
scalare Theil bei Maxwell indessen das Negative von dem, was hier 
dafür gefunden wurde. Infolgedessen hat conv hier genau dieselbe 
Bedeutung wie bei Maxwell. Ein Vorzug dieser Bezeichnungen ist es 
übrigens, dass der Sinn sich ohne Weiteres aus dem Worte ergibt und 
die wirkliche Bedeutung so unzweideutig daraus hervorgeht, dass ein 
Irrthum im Vorzeichen, vor dem man sich in der mathematischen 
Physik nicht zu viel hüten kann, ganz ausgeschlossen wird. 

§ 22. Die Operation curl. 

Durch Ausführung der für die Operation V und die 
Bildung des Vectorproducts festgesetzten Rechenvorschriften 
erhalten wir 

curl«=VV*=V(i^ + \ d ldy + l^/dz)(Ä l i + A 2 \ + A,t) 

Symbolisch lässt sich dies auch durch die folgende Deter- 
minante darstellen 



Zweites Capitel. Die Differential- Operatoren. 45 

.... (46) 



* J f 

uun ^ = i d/d x d/$y dfi z 

I -^1 ^2 -^8 



durch die das Bildungsgesetz des curl dem Gedächtniss am 
besten eingeprägt wird. Ein Vergleich mit dem für V^® 
in Gleichung (18 a ) S. 18 gegebenen Ausdrucke zeigt zugleich 
die nahe Verwandtschaft beider Operationen. Man kann in 
der That, wie es vorher schon gelegentlich geschah, sagen, 
dass der curl das Vectorproduct des Operators mit dem 
Operanden bildet. 

Die blosse Angabe der analytischen Ableitungsart unter 
Zugrundelegung eines Coordinatensystems wie in Gleichung (45) 
und (46) gestattet zwar, mit dem curl zu rechnen, sie gibt 
aber durchaus keinen klaren Einblick in die geometrische 
Bedeutung dieser wichtigen Operation. Dass ihr eine solche 
Bedeutung zukommen niuss, lässt sich schon aus dem bereits 
in § 17 gegebenen Beweise erwarten, dass die Operation un- 
abhängig von der Wahl eines bestimmten Coordinatensystems 
ist. Zum mindesten wird man verlangen müssen, dass ein 
Weg zur Ermittelung von curlJK angegeben wird, der eben- 
falls keinen Bezug auf ein Coordihatensystem nimmt. 

Um diesen besseren Einblick zu erhalten, wollen wir 
zunächst annehmen, der Vector Ä sei überall gleich gerichtet 
und nur der Grösse nach veränderlich. Legen wir, um seinen 
curl zu ermitteln, die X-Achse iu die Richtung von 81, so 
vereinfacht sich Gleichung (45) hier zu curl $1 = \^A/dz 
— |0A/<9y. Der curl steht also in diesem Falle senk- 
recht zu dem Vector aus dem er abgeleitet wird. — 
Um seine Richtung noch näher zu bestimmen, drehe man 
das Coordinatensystem um die X-Achse so lange bis für die 
neue Lage dA/dy — wird. Falls nämlich % nicht gerade 
für den betrachteten Punkt ein absolutes Maximum oder 
Minimum annimmt, wird man immer zwei diametral entgegen- 
gesetzte Richtungen der Y- Achse finden können, längs deren 
81 sich (wenigstens für ein unendlich kleines Intervall) nicht 



46 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

ändert. Die Z-Aehse fällt dann in die Richtung, längs deren 
sich die Grösse von Ä am schnellsten ändert. Die Gleichung 

dA 
für den curl geht aber dann über in curlÄ = j-t— Sie 

zeigt uns ; dass curl Ä in eine der beiden vorher er- 
wähnten Richtungen fällt, längs deren sich % nicht 
ändert und zwar in jene, für die die Aufeinanderfolge 
der Richtungen Ä, curl Ä und der Richtung der zu- 
nehmenden % ein Rechtssystem bildet. Der Tensor 
von curl $1 wird durch die auf die Längeneinheit be- 
zogene maximale Zunahme von Ä bei einer Querver- 
schiebung des veränderlichen Punktes angegeben. 

Alle Differentiationen an einer Vectorsumme sind, wie 
aus den früheren Betrachtungen hervorgeht, auszuführen, indem 
man sie an jedem Gliede vornimmt. Man hat daher auch 

curl (« + ») — curl % + curl «... (47) 

wie die Entwickelung nach Gleichung (45) unmittelbar zeigt. 

Ein Vector, der sich in beliebiger Weise ändert, kann 
stets als die Vectorsumme von 3 Componenten angesehen 
werden, die nur ihre Grösse und nicht ihre Richtung ändern. 
Auf Grund des soeben angegebenen Verfahrens kann man 
von jedem dieser Componenten den curl bilden und den des 
ganzen Vectors dann durch geometrische Summirung aus den 
Einzelresultaten ableiten. Doch führt dies schliesslich wieder 
auf die Bestimmung nach Gleichung (45) zurück. 

Von speciellen Fällen sei hier zunächst noch der erwähnt, 
dass Ä stets zu einer festen Ebene parallel bleibt und sich 
in der Richtung senkrecht zu dieser Ebene nicht ändert. Das 
ist mit anderen Worten der Fall des zweidimensionalen 
Problems. 

Nehmen wir in diesem Falle die feste Ebene als X F-Ebene, 
so geht Gleichung (42) über in curl » = t(dÄ 2 föx — dAJdy). 
Also auch hier steht der curl senkrecht zu dem 
Operanden. In anderen Fällen trifft dies aber keineswegs 
zu; curl % kann sogar mit 91 in dieselbe Richtung fallen. 



Zweites Capitel. Die Differential -Operatoren. 47 

§ 23. Mechanische Bedeutung der Operation curl. 

Zunächst sei hier angenommeu, dass der Operand, von 
dem der curl genommen werden soll, ein Radius vecfcor ist. 
Nennen wir ihn r, so soll also r die Entfernung des bei der 
Differentiirung veränderlichen Punktes von einem festen Punkte 
des Raumes nach Grösse und Richtung angeben. Setzen wir 
X = \r 1 -f- \r 2 -f- lr 3 , so ist unmittelbar klar, dass z. B. 
d r i/dx = 1 und %*\jdy = ist. Setzen wir die Werthe für 
diese Differential-Quotienten in Gleichung (45) ein, so erhalten 
wir sofort 

curlt = (48) 

Diese Eigenschaft, dass sein curl gleich Null ist, theilt 
der Radiusvector übrigens mit einer grossen Zahl von Vectoren 
anderer Art, die für die Physik überhaupt und besonders für 
die Elektricitätslehre von grosser Wichtigkeit sind. Wir 
werden auf diese Classe von Vectoren im nächsten Capitel 
näher einzugehen haben. 

Nun erinnere man sich der in § 10 abgeleiteten Gleichung (20) 

b = *o+Vuf, 

die die Geschwindigkeit des materiellen Punktes eines starren 
Körpers bei einer beliebigen Bewegung dieses Körpers auf 
die Geschwindigkeit 1> eines als Anfangspunkt gewählten 
Punktes 0, auf die Rotationsgeschwindigkeit tt und den Radius- 
vector des betrachteten Punktes zurückführt. Führen wir auf 
beiden Seiten die Operation curl aus, so erhalten wir 

curlt) = curlVtt* = curl{i(t* 2 r 3 — u B r 2 ) + \{u^r l — %^ 3 ) 

+ !K^ 2 — Vi)}- 

Der curl von t> fällt' nämlich fort, da ö constant ist. Bei 
der weiteren Entwicklung beachte man, dass die Componenten 
von tt für alle Punkte des starren Körpers denselben Werth 
haben und dass die Differentialquotienten von r l r 2 r^ 7 wie schon 
oben erwähnt, gleich 1 bezw. gleich Null sind. 



48 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

curli) = lip/dyiu^ — u 2 r x ) — d/dzln^ — t^rj) 
+ K d /dz(u 2 r 3 — u s r 2 ) — d/dx^^ — u 2 r,)) + !(... .) 
= t • 2% + j • 2u 2 + I • ■ 2w s = 2 • u. 

Die hieraus hervorgehende Gleichung 

tt = |curlH (49) 

kann als die Umkehrung der Gleichung (20) angesehen werden, 
indem sie die Winkelgeschwindigkeit der Rotation nach Grösse 
und Achsenrichtung zu bestimmen gestattet, wenn die Ge- 
schwindigkeiten tJ der einzelnen Punkte bekannt sind. Zu- 
gleich gestattet sie den besten Einblick in die geometrische 
und mechanische Bedeutung der Operation curl, nämlich: 

Wenn ein starres System in relativer Bewegung 
zu einem andern ist, gibt der curl der Geschwindig- 
keit dieser Bewegung das Doppelte der Rotations- 
geschwindigkeit nach Grösse und Achsenrichtung an. 

Gleichung (49) folgt übrigens aus Gleichung (20) unab- 
hängig von der besonderen Bedeutung, die den Zeichen zu- 
kommt, falls nur t einen Radiusvector vorstellt. — Setzen wir 
den nun für U gefundenen Werth rückwärts in Gleichung (20) 
ein, so erhalten wir 

*^*o + IV curll, * t ( 5 °) 

als Bedingungsgleichung, der Ö genügen muss, wenn es sich 
durch Gleichung (20) darstellen lassen soll, oder, was auf 
dasselbe hinauskommt, als Bedingungsgleichung dafür, dass der 
Vector t» durch die Geschwindigkeiten der materiellen Punkte 
eines starren Körpers zur Darstellung gebracht werden kann. 
Nebenbei sei hier auch noch die div der Vectoren X 
und tJ gebildet; man findet leicht 

div X = 3; div t) = (51) 

Die letzte Gleichung kann übrigens schon als unmittel- 
bare Folgerung der für die div eines Vectors in § 20 ge- 
gebenen geometrischen Deutung ohne jede Rechnung an- 
geschrieben werden. 



Zweites Capitel. Die Differential -Operatoren. 49 

§ 24. Die Operation (aV) an einem Vector. 

Für den schon aus § 19 bekannten Operator (ftV) gilt 
auch hier, wo er auf eineD Vector bezogen werden soll, die 
durch Gleichung (38) festgesetzte Definition: 

•""^äS + ^ + ^äT 

Er ist hiernach ein scalarer Operator, der nach § 14 
an jeder Componenten des Vectors für sich auszuführen ist. 
Wir erhalten daher 

(a V)» - i • (a V)Ä t + j • (a V)A 2 + f . (a V)A Z . (52) 

Um die Bezugnahme auf ein Coordinatensystem zu um- 
gehen, forme ich diesen Ausdruck weiter um. Aus Gleichung (40) 
S. 40 und Gleichung (23) S. 27 folgt 

i . (a V)A X = i . a\/A 1 =- VÜx • a x + VaViV^ (53) 

Dieselbe Umformung ist auch auf jedes der beiden 
anderen Glieder anzuwenden. Zieht man dann zusammen, so 
kann man für 

S7A t • a t + \/A 2 • a 2 + V-4 3 • a 3 

zur Abkürzung V*(&il) schreiben. Der Zeiger % an V« gibt 
hier an, dass die Operation .V partiell an dem scalaren Pro- 
ducte 9La ausgeführt werden muss, so nämlich, dass nur 8t 
und nicht zugleich a als veränderlich mit dem Orte betrachtet 
werden darf. 

Für die Zusammenziehung der drei anderen Glieder 
machen wir von einer Formel Gebrauch, die sich leicht aus 
der Definitionsgleichung des curl in Gleichung (43) ableiten 
lässt. Man hat nämlich 

curl«=VV»=VV(t^ 1 +iJ 2 + f^ 3 )=VVi4 1 + VVj^ 2 

+Vvi4> = — Viv^-Viv^-Vfv^ • (54) 

Bei dem Uebergange zur letzten Form ist dabei der 
Operator V so wie ein gewöhnlicher Vector behandelt und 
in Folge der Vertauschung der Vectorfactoren im Vector- 

Föppl, MaxwelPsche Theorie der Elektricität. 4 



50 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

producte daher das Vorzeichen gewechselt worden. Ganz zu- 
verlässig ist dieses Verfahren nicht; man überzeugt sich aber 
nachträglich leicht von der Richtigkeit des gefundenen Resultats, 
indem man die Glieder nach den gewöhnlichen Rechenvor- 
schriften einzeln entwickelt. 

Setzt man dies ein, so geht Gleichung (52) über in 

(a V)» = V«(«a) + Vcurl % a ... (55) 

Die geometrische Bedeutung der Operation tt V tritt erst 
klar hervor, wenn wir voraussetzen, dass tt ein constanter 
Einheitsveetor sei. Bei der Anwendung der Operation trifft 
dies häufig oder sogar gewöhnlich zu. Der Vergleich von 
Gleichung (52) mit Gleichuug (41) lehrt uns dann sofort, 
dass (ttV)Ä die auf die Längeneinheit bezogene Aenderung 
von % für eine Verschiebung in der Richtung a bedeutet. 
Denn die Componenten von (ttV)Ä in Gleichung (52) geben 
nach Gleichung (41), in der r A dieselbe Bedeutung hat wie 
hier ri, die Aenderungen der Componenten von % unmittelbar 
an. Mit anderen Worten heisst dies, dass die Operation 
(aV), falls ft ein constanter Einheitsveetor ist, eine 
Differentiation nach der Richtung tt bedeutet. 

Die Differentiation d/dx u. s. f. nach einer Coordinaten- 
achse ist hiernach nur ein specieller Fall der Operation (ttV) 
und zwar ist 

Tritt dagegen an die Stelle des constanten Einheits- 
vectors irgend ein anderer Vector, der jetzt zum Unterschiede 
mit SB bezeichnet werden mag, so setze man $$ = B - a, wo 
jetzt tt ein Einheitsveetor ist, der mit 8 an jener Stelle des 
Raumes, für die wir (8V)$ berechnen wollen, gleichgerichtet, 
sonst aber constant ist. Dann ist 

(8V)« = B-(HV)« ; 

also gleich dem mit dem Tensor von 18 multiplicirten Differential- 
quotienten von % nach der Richtung von 8. 



Zweites Capitel. Die Differential- Operatoren. 51 

§ 25. Das Raum-Differential eines Vectors. 

Die unendlich kleine Aenderung d%, die ein stetig im 
Räume vertheilter Vector % bei einer unendlich kleinen Ver- 
rückung des Punktes erfährt, auf den er sich bezieht, lässt 
sich nach Gleichung (27) immer leicht durch die Differentialien 
der Componenten ausdrücken, also 

d% = xdA 1 + \dA 2 + tdA 3 . 

Dafür kann aber nach den Untersuchungen des vorher- 
gehenden § stets auch ein anderer Ausdruck gesetzt werden, 
der von der Bezugnahme auf ein bestimmtes Coordinaten- 
system frei ist. Versteht man nämlich jetzt unter a die un- 
endlich kleine Verschiebung jenes Punktes, so ist das zu- 
gehörige d% hiernach 

d% = (aV)« — V«*a + Veurl % • a. 

Für einen unendlich kleinen Bezirk in der Nachbar- 
schaft des Punktes 0, für den 9L den Werth 8t annimmt, 
hat man daher bis auf unendlich kleine Grössen höherer 
Ordnung 

« = » + Va«a+Vcurl».<t . . . (56) 

Diese Gleichung hat dieselbe Bedeutung für % wie die 
Entwickelung einer Function f(x) für ein unendlich kleines x 
nach dem Taylor'schen Satze in f(x) = f(0) + f(0) dx. Auch 
unabhängig von der hier gegebenen Ableitung kann man den 
Nachweis für ihre Gültigkeit durch unmittelbare Entwickelung 
der einzelnen Glieder nach den für sie gegebenen ßechen- 
vorschriften führen und es zeigt sich dann, dass Gleichung (56) 
in der That auf eine Entwickelung nach dem Taylor'schen 
Satze für drei unabhängige Veränderliche hinauskommt. 

§ 26. Anwendung auf die Hydrodynamik. 

Man denke sich 51, so wie es in § 21 angegeben wurde, 
hydrodynamisch construirt, so also, dass es die Geschwindig- 
keit in einer Flüssigkeit nach Grösse und Richtung angibt. 



52 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

Nach Verlauf eines Zeitelernentes dt hat sich der materielle 
Paukt, der erst in war, um die Strecke %dt verschoben. 
Die Verschiebung des Punktes, der sich zuerst am Ende der 
unendlich kleineu Strecke a befand, beträgt dann (Ä + d9L)dt. 
Der Theil d% dt hiervon gibt die Verschiebung da des einen 
Punktes relativ zum andern an. Nach Gleichung (56) ist 

rfa = ^(V«(«ii)+V(curHl.a)) . . . (57) 

Der Bewegungszustand in der Umgebung des Punktes 
lässt sich dadurch charakterisiren, dass man die Bewegung 
in 3 Componenten zerlegt. Diese Zerlegung kann nun in 
verschiedener Weise erfolgen. Die blosse Zerlegung in 
3 Componenten nach den Coordinatenachsen , wie sie zum 
Zwecke der Cartesischen Darstelluugs weise erfolgt, hat immer 
etwas Willkürliches und gibt keinen unmittelbaren Einblick 
in das Wesen der Sache. Hr. H. v. Helmholtz hat deswegen 
neben dieser Zerlegung, die er anwenden musste, um das 
Problem mit den Hülfsmitteln der gewöhnlichen Analysis 
verfolgen zu können und die nur als ein Rechenbehelf an- 
zusehen ist, eine andere angewendet, durch die es ihm in 
seiner berühmten Abhandlung über die Wirbelbewegungen 
gelang, die Hydrodynamik nfäehtig zu fördern. In einer 
Polemik, die sich an diese Abhandlung knüpfte, suchte der 
französische Physiker Bertrand die Berechtigung der v. Helm- 
holtz'schen Zerlegung, die ihm willkürlich erschien, zu be- 
kämpfen. Wenn dieser Widerspruch schliesslich auch ver- 
stummen musste, so ist sein Auftreten doch immerhin erklärlich 
genug: die Verquickung der rationellen Zerlegung, wie sie 
v. Helmholtz gab, mit der dem eigentlichen Wesen der Sache 
fremden Zerlegung nach drei Coordinatenachsen, führte fast 
mit Notwendigkeit zu solchen Zweifeln. Bei einer Dar- 
stellung des Vorgangs mit den Hülfsmitteln der Vector- 
Analysis wird diesen von vornherein jeder Boden entzogen 
und die Grössen, um die es sich handelt, werden ebenfalls 
von vornherein in ihrer wahren physikalischen Bedeutung 
erkannt. 



Zweites Capitel. Die Differential- Operatoren. 53 

Die Entwickelungen des vorigen §, die zu der Gleichung (56) 
führten, geben eine Art der Zerlegung des Vectors 91 in der 
Nachbarschaft des Punktes an, die frei von jeder Bezug- 
nahme auf ein willkürliches Coordinatensystem ist und daher 
an sich wohl als eine rationelle zu betrachten ist. Hier aber, 
wo es sich um die Anwendungen in der Hydrodynamik 
handelt, ist ihr eine andere weit vorzuziehen. 

Am natürlichsten erscheint es nämlich, aus der Gesammt- 
bewegung 81, zuerst eine solche abzuspalten, bei der sich die 
Flüssigkeit wie ein starrer Körper bewegt, während der Rest 
nur durch die Gestaltänderung der Flüssigkeit bedingt ist. 
Mit dem Verschwinden dieses Restes muss also eine Bewegung 
ohne Formänderung übrig bleiben. Wollte man nun etwa 
das erste und dritte Glied des Ausdrucks von 81 in Gleichung (56) 
für den ersten und das zweite Glied für den zweiten dieser 
Bewegungsantheile in Anspruch nehmen, so würde man sofort 
erkennen, dass beim Verschwinden des zweiten Gliedes die 
Gleichung (56) die in Gleichung (50) S. 48 aufgestellte Be- 
dingungsgleichung, der die Geschwindigkeiten in einem starren 
Körper genügen müssen, nicht erfüllt. 

Dieser Bedingung genügt dagegen die Zerlegung in die 
folgenden 3 Componenten * 

81 = 8t + 33 + <S . .. . . . (58) 

worin 

8= iY(curlH-a) (58 a ) 

und daher nach Gleichung (56) 

<£ = |y(curl * • *) + V«(*a) ... (58 b ) 

ist. Zunächst ist nämlich durch den Vergleich mit Gleichung (50) 
sofort festzustellen, dass die Bewegungsantheile 8t + ® e i ne 
Bewegung ohne Formänderung richtig wiedergeben, wenn ß> 
verschwindet. Denken wir uns ferner irgend eine Veränderung 
in dem Werthe des Antheils © vorgenommen, die mit der 
Definitionsgleichung (58 b ) verträglich ist, womit auch der 
ganze Vector 8t eine Veränderung erleidet, so hat dies 



54 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

weder auf $t noch auf SB irgend einen Einfluss. Der 
Ausdruck für SB in (58 a ) enthält allerdings das von der Ver- 
änderung berührte 31 und daher implicit ©. Explicit lässt 
sich dies dadurch erkenntlich machen, dass man für (58 a ) 
nach Einsetzen von $ aus (58) schreibt 

SB = }V( curl ö ' *) + IV( curl * - *)' 
Der curl von (£, der in dieser Gleichung vorkommt, ist aber 
gleich Null. 

Um diese wichtige Eigenschaft der Componenten CS> nach- 
zuweisen, bilde man zunächst den curl von V«ÄH. Dabei 
ist zu beachten, dass die Operation V« an 8Cft sich auf ein 
constantes a bezieht (vgl. die auf Gleichung (53) S. 49 
folgenden Bemerkungen), während bei der Operation curl die 
Lage des Punktes ft selbst veränderlich ist. Aus 

V.HI- »(«1^ + 01^ + ^) 



+ i(^^ + «.^ + «.^) + «(••••) 



dy 
erhält man 

curl V*«tt = 1(3/0,(0, ^ + a ^i + a3 ^s) 

-M* d -fc + *% + *%)} + K- ■ •) + '(• • ■ •> 

.Hierbei ist nun da l /^y = Q } d<h/dy = 1 u. s. f. zu setzen, da, 
wie bereits bemerkt, die Lage des Punktes a selbst ver- 
änderlich ist. Dadurch wird 

e OTl V.«.-.(^-^) + i(%-£) + «(^ -£), 

also, wie ein Vergleich mit Gleichung (45) S. 44 ergibt, 

curlVa«tt = -curl« (59) 

Nimmt man nun von Gleichung (56) den curl und setzt 
den hier gefundenen Werth ein, so erhält man sofort 

2 curl » = curl V(curl % . a) . ... (60) 



Zweites Capitel. Die Differential- Operatoren. 55 

Die beiden Gleichungen (59) und (60) sind auch unab- 
hängig von dem Zwecke der hier durchgeführten Betrachtungen 
von Werth. Die erste gilt, wie aus ihrer Ableitung hervor- 
geht, auch für endliche Werthe des Radiusvector a, die 
zweite, da sie sich auf Gleichung (56) stützt, nur für un- 
endlich kleine tt. Wir wollen ihnen noch zwei weitere hinzu- 
fügen, die gelegentlich nützliche Verwendung bei den ana- 
lytischen Umformungen finden können. 

Bildet man nämlich den curl von (n V) ft nach Gleichung (55) 
und setzt auf der rechten Seite die sich aus den Gleichungen (59) 
und (60) ergebenden Werthe ein, so erhält man 

curl((tV)» = curl», 

die indessen* wiederum nur für unendlich kleine ft anwendbar ist. 
Für endliche a tritt an ihre Stelle 

curl (ä V) « = curl % + (a V) curl » . . . (61) 

Man überzeugt sich von der Gültigkeit dieser Gleichung 
leicht durch Entwickelung der einzelnen Glieder, wobei man 
wie bei der Ableitung von Gleichung (59) auf die Werthe zu 
achten hat, die den partiellen Differentialquotienten der Com- 
ponenten von a mit Rücksicht darauf zukommen, dass ft auf 
jeden Fall ein Radiusvector sein soll. 

Um die oben aufgestellte Behauptung über die Eigen- 
schaft von <£ zu beweisen, genügt es jetzt, den curl von 
Gleichung (58 b ) zu nehmen und die aus (59) und (60) her- 
vorgehenden Werthe für die einzelnen Glieder einzusetzen. 
Man erhält dann sofort 

curl<£ = (62) 

Damit ist aber zugleich der Nachweis geliefert, dass bei 
der in der Gleichung (58) vorgenommenen Zerlegung der Ge- 
schwindigkeit % in der Flüssigkeit das dritte Glied (£ nichts 
zur Bewegung ohne Formänderung beiträgt, dass es also die 
Formänderungsbewegung ausschliesslich in sich begreift, während 
die beiden ersten Glieder ausschliesslich den von der Form- 
änderung unabhängigen Ortswechsel darstellen. 



56 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

Wir haben früher in Gleichung (50) die Bedingung auf- 
gestellt, der die Geschwindigkeit in einem starren Körper ge- 
nügen muss. Wir können ihr hier noch eine andere (64) und 
ebenso der in (62) für die durch das Glied 6> dargestellte Be- 
wegung eine zweite (63) zur Seite stellen. Zu diesem Zwecke 
denke ich mir die Bewegung $t -|- SB zuerst ausgeführt, so 
dass sie bereits erledigt ist und betrachte dann die ihr zu- 
zufügende Formänderungsbewegung (£ ohne Ortswechsel des 
Flüssigkeitsbezirks im Ganzen. Betrachten wir die Bewegung (5> 
isolirt, so ist für diese Bewegung jetzt (£ an die Stelle von 
% getreten; die Gleichungen (58), (58 a ), (58 b ) behalten auch 
jetzt noch ihre Gültigkeit für den vorliegenden Fall bei, wenn 
man in ihnen % durch (£ ersetzt. Gleichung (58 a ) ergibt 
für 83 mit Benutzung von Gleichung (62) folgerichtig den 
Werth Null; Gleichung (58 b ) geht dagegen über in 

« — V«(«a) . . (63) 

Ebenso ergibt sich für SB die weitere Bedingungsgleichung 
aus (58 b ) 

»«-V»(8«) (64) 

Während die Geschwindigkeitscomponente 6>, wie sich 
zeigte, die Bedingung erfüllt, dass ihr curl Null ergibt, gilt 
dies bei SB von der div (vgl. Gleichung 51). Für die div 
von (S> kann man aus Gleichung (63) leicht die Gleichung 
ableiten 

div<£ = nV 2 <£ (65) 

Das Operationszeichen V 2 findet seine Besprechung in 
den folgenden § §. Eine Bewegung, für die curl $8 und daher 
auch SB selbst überall gleich Null ist, erfüllt daher ebenfalls 
Gleichung (65). Zu einer Gleichung von dieser Form lässt 
sich aber, wie sich später zeigen wird, immer leicht eine 
Integralgleichung angeben. Desshalb sind die „wirbelfreien" 
Flüssigkeitsbewegungen der analytischen Behandlung leichter 
zugänglich und wurden vor der v. Helmholtz'schen Abhandlung 
fast ausschliesslich untersucht. 



Zweites CapiteL Die Differential- Operatoren. 57 

§ 27. Die Operation V 2 . 

Fasst man den Operator V als eine Vectorgrösse auf, 
so geht V 2 daraus nach den Regeln der scalaren Product- 
bildung hervor. Wir setzen hiernach 

V 2 = ay^» + d*/ df + ay 8j8 « .... (66) 

d. h. V 2 ist der nach Laplace benannte Operator. Er ist ein 
scalarer Operator und liefert bei Anwendung auf einen Scalar 
wieder einen Scalar, bei Anwendung auf einen Vector wieder 
einen Vector. 

Betrachten wir zunächst die Ausführung der Operation 
an einem Scalar. Nach (66) ist 

^ Ä " d ^ + w+.w • • • • < 67 ) 

Man kann sich dies dadurch entstanden denken, dass 
man aus A zunächst den Vector \7 A ableitet und dann an 
diesem die Operation V scalar vornimmt, d. h. also die div 
davon bildet. Man hat daher auch 

V 2 ^ = divV^ ...... (68) 

Die Frage liegt hier nahe, was man erhält, wenn die 
zweite Operation V nach Vector-Art an VA ausgeführt wird, 
d. h. wenn man den curl davon nimmt. Durch Entwickelung 
nach den für V und curl gegebenen Rechenvorschriften er- 
hält man sofort 

curlV^ = (69) 

Die Operation V 2 lässt daher von vornherein nur eine 
Deutung zu, wenn sie an einem Scalar vorgenommen 
werden soll. 

Anders ist es bei einem Vector. Nimmt man die 
Operation V zunächst einmal an diesem vor, so erhält man 
bei scalarer Ausführung die div, bei der nach Vector-Art den 
curl. Die zweite Operation V liefert dann von div nur ein 
Resultat: Vdiv; vom curl kann dagegen V wieder auf zwei 
Arten genommen werden, so dass man entweder div curl 



58 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

oder curl curl erhält. Im Ganzen würden wir daher, je nach 
den näheren Vorschriften, wie die Operation V jedesmal an 
den Vector- Operanden vollzogen werden soll, drei von einander 
verschiedene Resultate erhalten können. 

Wir werden uns sofort näher mit diesen 3 Werthen be- 
schäftigen. Mit keinem von ihnen fällt indessen V 2 zusammen. 
Dies liegt daran, dass, wenn wir V als einen fingirten Vector 
ansehen, V 2 Ä auf VV«Ä hinauskommt, was durchaus von 
V-VÄ u. s. w. verschieden ist (vgl. § 11). 

Die Differentiationen, aus denen sich V 2 zusammensetzt, 
sind, wie die Definitionsgleichung (66) zeigt, rein scalar. 
Solche sind aber (vgl. § 14) dadurch auszuführen, dass man 
sie an jeder Componente des Vectors für sich ausführt. Man 
hat daher 
V 2 » = i V 2 ^ + j V*Af'+ i V 2 A s | 

~~~ l \dx* "t" dy* ""■"" dz % )' r ^\dx t """" dy* ' 2W~ rH "" ; J 
Wenden wir uns jetzt zu den drei vorher erwähnten 
Werthen V • div X, div • curl % und curl 2 X, d. h. curl . curl % 
so erhalten wir zunächst leicht die wichtige Gleichung 

div curl» = (71) 

Bei der Ausführung der durch curl und div vorgeschriebenen 
Differentiationen an den Componenten von % heben sich 
nämlich alle Glieder identisch gegeneinander fort. 

Etwas ausführlicher sei hier die Ausrechnung von 
curl 2 Ä vorgeführt. Wir erhalten 

+i(M^-^)- 8 M%-^)!+'<-'> 

Für die i -Componente erhält man bei Auflösung der 
Klammern 4 Glieder, denen noch d*A/dx* einmal als posi- 
tives und dann noch zugleich als negatives Glied angereiht 
werden kann. Diese 6 Glieder lassen sich aber dann wie 
folgt gruppiren: 



Zweites Capitel. Die Differential -Operatoren. 59 

löx \dx "r dy "T dz) \dx* "*" d*/ 2 "T dz 2 ) 
oder mit anderen Zeichen 

3/0*. div «-V 2 ^ 
Die entsprechenden Umformungen lassen sich auch mit 
den j- und f-Componenten vornehmen, so dass schliesslich 
curl 2 9t übergeht in 

curl 2 % = \(d/ dx div » - V 2 ^) + J (^2/ div » - V 2 ^ 2 ) 

+ i(a/^div$i-v 2 ^3) 

= V-div» — V 2 5t (72) 

Durch diese Entwickelung sind wir zugleich zu dem 
dritten Werthe V • div a } um den es sich noch handeln 
könnte, gelangt. Die wichtige Gleichung (72) zeigt, in 
welchem Zusammenhange die Operation V 2 mit den Operationen 
steht, die durch zweimalige Anwendung der Operation V an 
einem Vector hervorgehen. 

Schliesslich sei noch auf eine interessante Beziehung 
zwischen Gleichung (72) und Gleichung (23) S. 27 hingewiesen. 
Ersetzen wir nämlich curl durch die Schreibweise VV und 
div durch V, so lautet Gleichung (72) 

VvVvä-v-v«— vv-« 

und hier kann sie als unmittelbare Folgerung aus Gleichung (23) 
angesehen werden, wenn man den Operator V so wie einen 
Vector behandelt. Natürlich kann dieser Hinweis den vor- 
her gegebenen directen Beweis für Gleichung (72) nicht er- 
setzen; er zeigt vielmehr nur, dass man im vorliegenden 
Falle in der That berechtigt gewesen wäre, auf die Ver- 
knüpfung des Operators V mit anderen Vectoren die für die 
Verknüpfung gewöhnlicher Vectoren unter sich gültigen 
Rechengesetze anzuwenden. 

Aus Gleichung (72) lässt sich übrigens auch sofort 
schliessen, dass V 2 eine Operation ist, die von dem ge- 
wählten Coordinatensysteme unabhängig ist, da dies 
von den übrigen Operationen , die in dieser Gleichung vor- 



60 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

kommen , schon früher erkannt war. — Auch direct kann 
dies mit Hülfe der in § 9 erörterten -Coordinaten-Transformation 
leicht bewiesen werden. 

§ 28. Verbindung mehrerer Operationen mit einander. 

In den vorhergehenden §§ sind alle wichtigeren Differential- 
Operationen der Vector-Analysis erörtert worden. Es unter- 
liegt daher keiner Schwierigkeit , nach den gegebenen Regeln 
auch mehrere Operationen hintereinander vorzunehmen. Zur 
Erleichterung für die Ausführung solcher Rechnungen dient 
es aber, wenn man einige häufiger vorkommende Verbindungen 
der Operatoren ein für alle Mal betrachtet und sich die er- 
haltenen Resultate zur späteren Verwendung notirt. Im 
vorigen § ergab sich uns schon Gelegenheit, einige wichtige 
Formeln dieser Art aufzustellen. 

Für alle Differential- Operationen gilt, wie sich schon 
zeigte, die Regel, dass sie an einer Vectorsumme ausgeführt 
werden, indem man sie an jedem Gliede vornimmt. 

Für ein Product AB aus zwei Sealaren ergibt sich 

sofort 

X/AB = A>VB + BVA .... (73) 

& . V AB = (6 V) • AB = A • (<S V) B + B • (<£ VA) (74) 
V\AB)=A-\J 2 B+2\7A-X7B + B -V 2 A . (75) 

Es ist nur nöthig, die Operationen nach den für sie fest- 
gesetzten Regeln auszuführen, um sich von der Allgemein- 
gültigkeit dieser Gleichungen zu überzeugen. Die Operationen 
curl und div lassen sich an dem Scalar AB überhaupt nicht 
ausführen; ebensowenig wie an dem scalaren Product ÄJB aus 
zwei Vectoren. 

Für VÄSS kann man setzen 

V«8 = VA X B, + VA 2 B 2 + VA S B 3 , 

wobei sich jedes Glied nach (73) weitei* entwickeln lässt. 
Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass die Operation V 
in gewissen Fällen auch partiell ausgeführt werden muss. So 



Zweites Capitel. Die Differential- Operatoren. 61 

kann man z. B. V8185 unter der Festsetzung .bilden, dass nur 
81 als variabel, 35 aber als eonstant anzusehen ist. Drückt 
man dies durch Beifügung des Zeigers 81 am Operator V aus, 
so hat man 

WJB=Vsr»8+V»-»» ) 

und . (76) 

V«*» = B 1 -V^ 1 + B 2 -VA 2 + B 3 -\/A 5 \ 

Ein Beispiel für eine partielle Ausführung der Operation V 
bildete bereits der in Gleichung (55) und den darauf folgenden 
vorkommende Ausdruck V«(8U), bei dem sich nach aus- 
drücklicher Festsetzung die durch V vorgeschriebenen Diffe- 
rentiirungen nur auf die Veränderlichkeit von 8t bezogen^ 
während a als ein constanter Vector anzusehen War. — 
Uebrigens wird, wenn tt, wie dort, ein einfacher Radius- 
vector ist, 

V tt 8ttt = «. 

Man kann daher auch Gleichung (56) ersetzen durch 

wobei jetzt die Operation V an 9t a total auszuführen ist. 
Immer wenn dies geschieht, lässt sich auf V 8185 Gleichung (69) 
anwenden. Man erhält also z. B. 

curlV8ta = 

anstatt des in Gleichung (59) aufgestellten Werthes, der für 
eine partielle Ausführung der Operation V ermittelt war. 

An dem Producte J.8J - aus einem Scalar und einem 
Vector* kann man die Operationen div und curl ausführen. 
Mit leichter Mühe leitet man hierfür die Formeln ab: 

div^» = ^.div» + 8.V^,. . . . (78) 

wofür man auch schreiben kann 

divJ.» = ^.div» + (»V)'-4. . . .(79) 
und 

curU« = A . curl SB + V(V^l) $ . . . (80) 



62 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

Auch an djem Vectorproducte aus zwei Vectoren kann 
man die Operationen div und curl vornehmen. Da man hier- 
durch zu zwei Formeln von Wichtigkeit gelangt, sei diese 
Entwicklung hier etwas eingehender wiedergegeben, obschon 
auch sie gar keine Schwierigkeiten bereitet und daher ebenso- 
gut dem Leser überlassen werden könnte. 

Aus 

V*9-i(A t B t -A t B,) + i(A t B l -A l B a ) + l(A 1 B a -A i BJ 

folgt 

divVÄÖ - ~(AB 3 - Ä 3 B 2 ) + ^(A 3 B t - A 1 B t ) 

-^^(Ä l B i -Ä 2 B l ) 

Löst man die Klammern auf und führt die Differentiationen 
der Producte aus, so erhält man im Ganzen 12 Glieder, die 
in der Weise geordnet werden sollen, dass zuerst die beiden 
mit dem Factor A u dann die mit A 2 u. s. f. genommen werden. 
So wird 

ftV w_^£-£) + 4(£-§) + 4(£-£) 

+ B f-£- > -M+B,t'4 i - ? r L )+B>fä 1 -¥ i )- 

1 l \dy dz) ' 2 \dz dx) ' 3 \dx dy I 

Die drei Klammern in der ersten Zeile geben aber, wie 
man sich sofort überzeugt (nach Gleichung 45), die Compo- 
nenten von curl ÜB mit gewechseltem Vorzeichen an, während 
die 3 Klammerwerthe in der zweiten Zeile ohne solchen Vor- 
zeichenwechsel die Componenten von curl % unmittelbar 
darstellen. Nach der Definition des scalaren Products hat 
man daher 

divV«» = »curl« — «curl SB . . . (81) 

Auch die Gültigkeit dieser Formel lässt sich, wie früher 
die von Gleichung (72) dadurch vorhersehen, dass man das 
Zeichen div durch das ihm gleichwerthige V ersetzt, dieses V 
als einen Vector betrachtet und dann auf V V$8J Gleichung (21) 
S. 25 zur Anwendung bringt. Dabei ist nur im Auge zu 



Zweites Capitel. Die Differential- Operatoren. 63 

behalten, dass V nach wie vor auf jeden Factor zu erstrecken 
ist, gleichgültig ob bei diesen Umformungen V vor oder 
hinter den Factor zu stehen kommt. Man kommt dann leicht 
auf Formel (81). Man muss sich indessen hüten, in einer 
solchen Herleitung einen Beweis der Formel zu erblicken. 
Der Werth dieses Verfahrens besteht nur darin, dass es in 
manchen Fällen einen Wink über mögliche Umformungen 
vorhandener Ausdrücke zu geben vermag. — Ganz dieselben 
Bemerkungen beziehen sich auch auf die jetzt abzuleitende 
Formel, die aus Gleichung (23) hergeleitet werden könnte. 
Wir haben 

curl V»» - W/dviABi - A,B X ) - SMABi - A X B Z )) 

Zur Vereinfachung wollen wir zunächst nur die Diffe- 
rentiationen nach 81 ausführen (bei constantem SB); wir er- 
halten so, wenn wir die oben bei V angewendete Schreib- 
weise beibehalten curl^V^®* I m Ganzen ist dann 

curlV»« = curlscV»» + curl©V*» • . (82) 

eine Formel, der sich übrigens eine gleichartige auch für die 
div zur Seite stellen Hesse (in der That gaben die beiden 
Zeilen des vorher für divV$® entwickelten Ausdruckes nichts 
anderes als die partiellen Divergenzen nach % und SB an). 

Nun haben wir zunächst für die i-Componente von 
curl Ä V^®; wenn wir B x dA/dx einmal als positives und 
zugleich als negatives Glied beifügen 

B^ + B^ + B^-B J^ + ^ + Q). 

1 dx ' 2 dy l B dz * \dx ' dy * dz / 

In derselben Weise lassen sich auch die beiden anderen 
Componenten entwickeln. Wir erhalten so 

curl« V»» — i{8 • V^ — B t div 51} 

+ j{».V^--2? 2 div»} +!(..,) 

Für SB •VA l kann man auch -(ÄV) A x schreiben, wobei 
nun die scalare Operation 8V an ^ auszuführen ist. Da 



64 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

aber jede sealare Operation an einem Vector dadurch aus- 
geführt wird, dass man sie an jeder Coniponenten vornimmt, 
hat man auch 

(JBV) « = i • (8V)^ + i • (8V)^ 2 + !(8V)4,. 

Damit geht der vorige Werth über in 

curl Ä V»8 = (8V)»-8div» . . . (83) 

Bei der Bildung von eurl#V^8 ist zu beachten, dass 
VäS5 das negative von V8Ä ^ un( ^ dass daher das vorige 
Bildungsgesetz zu benutzen ist, wenn nur die Vorzeichen um- 
gekehrt werden. Im Ganzen wird daher schliesslich 

curl V«® = « div 8 — 8 div « + (8 V) % — (« V) • 8 (84) 

wobei noch einmal daran erinnert werden mag, dass ÄV die 
Operation 

A x Z/dx + A 2 d/dy + A 3 tydz 

bedeutet und die Aenderung angibt, die der dahinter stehende 
Werth bei einer Verschiebung um % erleidet, falls man sich 
H als eine unendlich kleine gerichtete Strecke vorstellen darf. 
Mit leichter Mühe lässt sich auch in ähnlicher Weise die 
Formel ableiten 

V(curl % . 8) = (8V) • « — (B 1 VA 1 + B 2 -VA 2 + B z -VA S ), 

wofür man auch mit Berücksichtigung der Gleichungen (76) 
schreiben kann 

V(curl % • 8) = (8 V) • « - Va«8 . . : (85) 

oder auch mit Berücksichtigung von Gleichung (83) 

V(curl « • 8) = curl«V«8 + 8 div » - V«»8 . (86) 

Die Anwendung dieser Formeln gestattet in vielen Fällen, 
die Ausdrücke, mit denen man zu rechnen hat, zu vereinfachen 
oder sie auf eine für den gerade vorliegenden Zweck be- 
quemere Form zu bringen. 



Drittes Capitel. Linien-, Flächen- und Raumintegrale. Das Potential. 65 

Drittes Capitel. 
Linien-, Flächen- und Raumintegrale. Das Potential. 

§ 29. Das Linien-Integral eines Vectors. 

Unter % sei ein Vector verstanden, der für jeden Punkt 
eines Raumes eindeutig gegeben ist. Zwischen zwei Punkten 
P und P x dieses Raumes sei ferner eine zusammenhängende 
gerade oder krumme Linie gezogen, von der irgend ein 
Zwischenpunkt mit P bezeichnet sei. Den Radiusvectör von 
P nach P nennen wir x und das auf P folgende Linien- 
element d%, wobei auch d% als eine Vectorgrösse aufzufassen 
ist, deren Tensor ds ist. Nach § 15 ist dann 

dt = dg . 

Aus dem Vector 51 im Punkte P und dem Elemente d% 
bilde man das scalare Product und betrachte die dadurch 
gewonnene scalare, unendlich kleine Grösse als Element eines 
Integrals, das über die ganze Linie P P t zu erstrecken ist. 
Dieses Integral 

m (87) 

Ä 

wird das Linienintegral des Vectors Ä genannt. 

Hier sind nun zwei Fälle zu unterscheiden, je nachdem 
der Werth des Integrals Jo,i abhängig oder unabhängig von 
dem Integrationswege, d. h. von der speciellen Wahl der von 
P nach P x gezogenen Linie ist. Es hängt von der Art der 
Vertheilung des Vectors % in dem gegebenen Räume ab, 
welcher von diesen beiden Fällen eintritt. 

Ist J" ,i unabhängig vom Integrationswege, so ist 
das Linienintegral über eine geschlossene Curve, die von P 
über P x geht und dann nach P zurückkehrt, gleich Null, 
denn für die beiden Theile, in die der Integrationsweg durch 
den Punkt P ± getheilt wird, hat Jo,i denselben Werth, das 

Pöppl, Maxwell'sche Theorie der Elektricität. 5 



Jo,i =ß 



66 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

ganze Linienintegral zerfällt aber in die beiden Theile J" ,i 
und J"i i0? von denen Ji j0 entgegengesetzt gleich mit J" 0j i für 
denselben Integrationsweg ist, da bei Umkehrung der Richtung 
von d§ das scalare Product %d% sein Vorzeichen wechselt. 
In diesem Falle ist ferner Jo,i eine für jeden Punkt P x des 
betrachteten Raumes eindeutig bestimmte Grösse, wenn, wie 
hier stets vorausgesetzt war, dasselbe für % zutrifft. Für den 
Punkt P wird diese Grösse zu Null. Da die Wahl des 
Punktes P willkürlich war, wollen wir, um zu einer all- 
gemeinen Darstellung zu gelangen, eine neue Grösse V ein- 
führen, so dass 

F-Fo + Ji,! (88) 

ist. V Q ist für den ganzen Raum constant und gibt den 
Werth von V im Punkte P an. Wählen wir nun irgend 
einen anderen Punkt P 2 als Anfangspunkt, so wird 

V = Vo + *7o,2 + ^2,0 + ^0,1 = Vo + Jo,2 + ^2,1 

oder wenn wir die constante Grösse F + Jo,2, d. h. den 
Werth von V im Punkte 2 mit V2 bezeichnen 

v = v 2 + Jv . 

Damit ist gezeigt, dass die scalare Grösse V für jeden 
Punkt des betrachteten Raumes bis auf eine additive Constante 
durch die Vertheilung des Vectors % völlig bestimmt ist. 
Man nennt sie in der Theorie der Massenanziehung 
das zum Vector % gehörige scalare Potential. 

In der Theorie der elektrostatischen und der magnetischen 
Kräfte, bei denen eine Abstossung an Stelle der Anziehung 
tritt, ist man dagegen übereingekommen, das Negative des 
nach Gleichung (88) bestimmten Werthes von V als das 
Potential dieser Kräfte Ä zu bezeichnen. — Gleichung (88) 
geht, wenn man die Vorzeichen von V und daher auch von 
Vo umkehrt, über in 

F=Fo-Jo,i (88 a ) 

Auch hier können wir einen anderen Ausgangspunkt 
wählen und erhalten dann 

V = Vo — Jo,2 «72,0 c7o,l = V% — J^i. 



Drittes Capitel. Linien-, Flächen- und Raumintegrale. Das Potential. 67 

Diese veränderte Festsetzung des Vorzeichens hat den 
Zweck, in jedem Falle die Grösse V so zu definiren, dass 
sie bei passender Wahl der darin auftretenden Constanten in 
unendlicher Entfernung gleich Null gesetzt werden kann. In 
der Theorie der Gravitation sind die Kräfte % von Orten 
niederen zu Orten höheren Potentials und in der Theorie der 
abstossenden Kräfte entgegengesetzt gerichtet. 

Schreibt man Gleichung (88) in der Form an 

J"m = V— "Po 
oder Gleichung (88 a ) in der Form 

Jo,i=-(F- Vo) 

so sprechen sie aus, dass das Linienintegral, falls es in dem 
ganzen Räume von dem Integrationswege unabhängig ist, 
gleich dem positiv oder negativ genommenen Potentialunter- 
schiede zwischen Anfangs- und Endpunkt ist. 

§ 30. Der Satz von Stokes. 

Es sei jetzt eine solche Vertheilung des Vectors % an- 
genommen, dass das Linienintegral J" ,i (Gleichung 87) für 
verschiedene Integrationswege verschieden ausfällt. Erstrecken 
wir es über eine geschlossene Curve, so nimmt es jetzt einen 
von Null verschiedenen Werth an. Wir wollen diesen Werth 
näher ermitteln, zunächst unter der Voraussetzung, dass die 
geschlossene Curve eben ist und ein Flächenstück df von 
unendlich kleinen Abmessungen umschliesst. 

Innerhalb des Flächenstückes oder auf der Curve selbst 
wählen wir einen Anfangspunkt, von dem wir die unendlich 
kleinen Radienvectoren tt zählen. Wenn % im Anfangspunkte 
selbst den Werth $ annimmt, kann es innerhalb des un- 
endlich kleinen Bezirks, den wir betrachten (vorausgesetzt, 
dass es sich überall in demselben continuirlich ändert) bis 
auf unendlich kleine Grössen zweiter Ordnung durch eine 
der in den Gleichungen (56) oder (77) gegebenen Entwick- 



68 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

hingen dargestellt werden. Wir wählen die letzte*) und er- 
halten für das über die ganze Curve erstreckte Linienintegral J 

J = ±.ftu + V»a +V(curl II • o)) da . 

Nun ist zunächstj^dtt = 0, da für die geschlossene 
Curve fda gleich Null und der Factor U constant ist. Für 
das zweite Glied gilt dasselbe, denn \7%a da ist nach 
Gleichung (36) das vollständige Differential der Grösse Äa, 
das daraus zwischen beliebigen Grenzen genommene Integral 
daher gleich der Differenz des Anfangs- und des Endwerthes 
von $ta. Für die geschlossene Curve wird dieser Theil des 
Integrals also auch zu Null. Es bleibt demnach nur das 
dritte Glied in der Klammer übrig. Hierfür wenden wir die 
in Gleichung (21) S. 25 ausgesprochene Umformung an und 
erhalten 

j = lp tt V(curl % ■ a) = |/curl % -Y(aäa) . 

Setzen wir jetzt 

curl« = S 

und verstehen für die Folge unter 35 den Mittelwerth des 
damit neu eingeführten Vectors für den in Frage stehenden 
unendlich kleinen Bezirk, so wird 

J=®-\fV(ada). 

Das unter dem Integralzeichen stehende Element ist ein 
zu dem Flächenstücke df senkrecht stehender Vector. Nach 
§ 7 wird ferner der Tensor von j^ada durch die Fläche des 

Dreiecks angegeben, das von den Seiten a, da und a + da 
umschlossen wird oder mit andern Worten, dessen Spitze im 



*) Wählt man die andere, so ist zu beachten, dass V%Mada kein 
vollständiges Differential bildet. 



Drittes Capitel. Linien-, Flächen- und Raumintegrale. Das Potential. 69 

Anfangspunkte liegt und dessen Grundlinie das Linienelement 
da ist. Nun sind alle Vectoren VO*^*) unter sich gleich- 
gerichtet. Bei der durch das Integralzeichen vorgeschriebenen 
Sumroirung erhalten wir daher einen Vector, der ebenfalls 
und in derselben Richtung senkrecht zur Fläche df steht 
und dessen Tensor gleich der Summe aller jener Dreiecke, 
d. h. gleich der Fläche df ist. Bezeichnen wir also mit 91 
einen Einheits vector, der senkrecht zu df steht, so dass die 
Aufeinanderfolge a, da, 91 zu einem Rechtssysteme im Räume 
führt, so erhalten wir schliesslich 

J~df-91t (89) 

Das scalare Product 33$ ist nichts anderes als die Pro- 
jection des Vectors JB auf die zu df gezogene Normale jft. 

Nach dem bisher Bewiesenen sind wir zunächst im 
Stande, die Bedingung dafür anzugeben, dass der im 
vorigen § erörterte Fall vorliegt, dass nämlich J" 0j i vom 
Integrationswege unabhängig ist oder mit anderen 
Worten, dass sich der Vector 91 aus einem Potentiale V 
ableiten lässt. Die nothwendige und hinreichende 
Bedingung dafür ist, dass überall in dem betrachteten 
Räume 

Ö = curl3t = 

ist. Wir wollen eine Vertheilung des Vectors Ä, die dieser 
Bedingung genügt, eine wirbellose nennen, da bei der hydro- 
dynamischen Construction des Vectors % (§ 26) die Flüssig- 
keitsbewegung in diesem Falle wirbelfrei ist. 

Nun können wir aber auch leicht den Ausdruck für das 
über eine geschlossene Curve von endlichen Dimensionen ge- 
bildete Linienintegral J ableiten. Zu diesem Zwecke lege man 
durch die gegebene Curve eine beliebige Fläche, so dass die ge- 
gebene Curve den Rand dieser Fläche bildet und zerlege durch 
zwei Schaaren von Linien die ganze Fläche in unendlich kleine 
Elemente (Abb. 8 auf folgender Seite). Man erkennt sofort, dass 
das Linienintegral J über die Randcurve gleich der Summe der 
Linienintegrale über die Umfange aller Flächenelemente ist, 




70 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

wenn der Sinn der Umkreisung in jedem Falle mit dem der 
ganzen Fläche im Integral J übereinstimmt. Denn beim Zu- 
sammenziehen dieser Summe kommt jedes 
Linienelement der gezogenen Theilungs- 
linien zweimal mit entgegengesetztem 
Vorzeichen und mit dem gleichen Factor % 
behaftet vor, so dass sich alle Glieder 
bis auf die von den Elementen der 
Randcurve herrührenden gegeneinander 
fortheben. 

Es ist das, nebenbei bemerkt, die- 

Abb. 8. ' 7 

selbe Flächenzerlegung, die man an- 
wendet, um die Aequivalenz eines elektrischen Kreisstromes 
mit einer magnetischen Schale nach der Ampere'schen Theorie 
darzuthun. 

Für das über den Rand jedes unendlich kleinen Flächen- 
elementes erstreckte Linienintegral können wir aber den in 
Gleichung (89) gefundenen Ausdruck einsetzen; wir erhalten 
daher schliesslich 

Po 

J=f%d%=fm-df=fcmW.9tdf . . (90) 

Po 

Das Integral f189t • df ist über die ganze, von dem 
Integrationswege des vorhergehenden Integrals umschlossene, 
im Uebrigen aber beliebig gezogene Fläche zu erstrecken. 
Es wird das Oberflächenintegral des Vectors 85 über 
diese Fläche genannt. 

Gleichung (90) spricht den Satz von Stokes aus. 

Kommen in dem betrachteten Räume Unstetigkeitsstellen 
in der Vertheilung des Vectors % vor, so sind sie in be- 
kannter Weise auszuschliessen, bezw. zu umgehen. 



§ 31. Das Linienintegral eines Sealars. 

Ausser dem Linienintegrale eines Vectors, dessen Element 
ein scalares Product aus dem Linienelemente und dem ge- 



Drittes Capitel. Linien-, Flächen- und Baumintegrale. Das Potential. 71 

gebenen Vector bildet und das daher selbst zu einer scalaren 
Grösse führt, kommen, wenn auch seltener, noch zwei andere 
Linienintegrale bei den Anwendungen vor, die zu Ve'ctoren 
führen. 

Das hier jetzt zu behandelnde ist das Linienintegral eines 
Sealars, das wir uns von vornherein über eine geschlossene 
Curve ausgeführt denken wollen. Bezeichnen wir den Scalar 
mit A und das Integral mit 3> so ist nach Definition 

Po 

$=fAdZ (91) 

Po 

Falls A eine Constante ist, wird 3 natürlich zu Null, 
da die Summe aller d% für eine geschlossene Curve selbst 
Null ist. Im anderen Falle machen wir zur Berechnung von 
3 von dem Stokes'schen Satze Gebrauch. Allerdings kann 
dieser hier nicht unmittelbar zur Anwendung gelangen, da er 
sich auf das Linienintegral eines Vectors und nicht auf das 
eines Sealars bezieht. Ueber diese Schwierigkeit kommen 
wir indessen durch den Kunstgriff hinweg, dass wir die ganze 
Gleichung (91) mit einem constanten Vector r, den wir 
uns als Einheitsvector von beliebiger Richtung denken wollen, 
multipliciren. Wir erhalten dann 

Po 

$-t—f(At)ä» ...... (92) 

Po 

3 • t ist dann die Componente von 3 in der Richtung i 
und es genügt zur Ermittelung von 3 selbst offenbar voll- 
kommen, wenn wir für jede Richtung t die Componente an- 
zugeben vermögen. 

Nach dem Stokes'schen Satze erhalten wir aus Gleichung (92) 

%. t =fcm\(At)-9ldf (93) 

curl (At) lässt sich nach Gleichung (80) entwickeln; dabei 
ist zu beachten, dass c hier constant, sein curl also Null ist. 
Daher ist 

3.e=/R.V(V-4)e-<V (94) 



72 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Veetoren. 

Hierauf lässt sich noch die bekannte Transformation 
Gleichung (21) anwenden, so dass sich 3* auch noch unter 
jeder der beiden folgenden Formen darstellen lässt 

3. c ==| V A y t9ld /=c/V '* -VAdf . . (95) 

In der letzten Formel liess sich c als constanter Factor 
vor das Integralzeichen setzen. Beachten wir nun, dass 
dieser Ausdruck für jede Richtung von c gültig bleibt, so 
finden wir nun auch 3 selbst, wenn wir beiderseits c streichen. 

%=fV$l.VAdf. ..... (96) 

Diese Gleichung bildet in jeder Hinsicht ein Analogon 
zur Gleichung (90), denn, wie aus der Definition von curl 
hervorgeht, lässt sich curl selbst durch VV ersetzen. Führt 
man dies aus, so stimmen die beiden Gleichungen (90) und 
(96) den Zeichen nach fast völlig mit einander überein. 

So wie in § 29 für das Linienintegral eines Vectors 
könnte man auch hier für das eines Sealars die Frage auf- 
werfen, bei welcher räumlichen Vertheilung von A das Linien- 
integral für jede geschlossene Curve verschwindet. Die Be- 
dingung dafür ist offenbar 

V-4-0, 

d. h. A muss eine Constante sein. In jedem anderen Falle 
kann man geschlossene Linien angeben, für die das Linien- 
integral von Null verschieden wird. 

§ 32. Das VectorHnienüitegral eines Vectors. 

Das andere Linienintegral, das gleichfalls zu einem Vector 
führt, entsteht dadurch, dass man von dem Linienelemente 
und dem gegebenen Vector nicht das scalare, sondern das 
Vectorproduct nimmt. Es wird also definirt durch die Gleichung 

Po 

® =yV«Ä» (97) 

i'o 



Drittes* Capitel. Linien-, Flächen- und Raumintegrale. Das Potential. 73 

wobei das Integral jetzt zur Unterscheidung von dem vorigen 
Falle mit dem Buchstaben $ bezeichnet ist und sich ebenfalls 
auf eine geschlossene Curve erstreckt. 

Auch hier wenden wir zur Ermittelung von Ä denselben 
Kunstgriff an, wie im vorigen §, d. h. wir multipliciren mit 
einem constanten Vector c. 

Po 



$ c =ßy*di =Jrf»V**. 



Bei der letzten Umformung war wieder Gleichung (21) 
zu beachten. Auf der rechten Seite haben wir aber jetzt ein 
gewöhnliches Linienintegral und zwar das des Vectors V*^l 
stehen. Man kann also den Stokes'schen Satz anwenden 
und erhält 

®t=fcmlYt%-9tdf. 

Den curl entwickeln wir nach den Gleichungen (82) 
und (83), wobei zu beachten ist, dass c constant ist und dass 
daher der nach c genommene curl des Vectorproductes ver- 
schwindet. Man erhält so 

ttt=f{tiiY9i — (tV)W}9tdf . . . (98) 

Dieser Ausdruck zerfällt zunächst in zwei Glieder und 
das zweite Glied lässt sich nach Gleichung (42) noch weiter 
umformen. Nach dieser Gleichung ist nämlich 

(rV)* • 9t = t • V(*R) - » • (cV)*, 
womit der gefundene Werth übergeht in 

$c = c . [fdiv % • 9ldf—fV(*N)df} +f% • (tV)Mf (99) 

Für den besonderen Fall, dass das Linienintegral über 
eine ebene Curve erstreckt werden soll, und dass die Ober- 
flächenintegrale über das von dieser Curve eingeschlossene 
ebene Flächenstück genommen werden, fällt das letzte 
Glied dieses Ausdrucks fort, da 9t in diesem Falle eine Con- 



74 Erster Abschnitt, Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

stante ist. Unter dieser Voraussetzung lässt sich auch 
$ selbst angeben und zwar ist es 

«— y , (»diY«--V(«*))d!/ ? . . . (100) 

Auch hier stellt sich wieder die wichtige Frage ein, 
unter welchen Umständen das Vectorlinienintegral über eine 
geschlossene ebene Curve verschwindet. 

Falls dies nur für eine bestimmte Curve mit gegebener 
Richtung der Flächennormalen 91 zutreffen soll, genügt es, 
wenn überall auf der Fläche 

Hdiv* = V(*R) = N x -VA + N 2 • V-4* + N 3 . V4 8 

ist, wobei VH51 nach Gleichung (76) entwickelt ist. 

Soll es dagegen für jede Curve zutreffen, so müssen, 
wenn wir 9läiy% ebenfalls nach seinen Componenten ent- 
wickeln, die auf beiden Seiten mit denselben Componenten 
von 51 behafteten Glieder einzeln einander gleich sein. Es 
muss also z. B. 

idiv»=V^ 

sein, oder wenn wir für divÄ seinen Werth einsetzen 

l \dx "*" dy - 1 " dz ) l dx "»" * dy "* * dz ' 

Dies führt zu 

3Ä 1 _ dA t _ dA 2 , dA 3 _ q 
dy dz dy ' dz 

Schreibt man noch die entsprechenden Folgerungen aus 
der Gleichsetzung der mit N 2 und N B behafteten Glieder 
an, so folgt, dass das Vectorlinienintegral von 8t nur 
dann für jede geschlossene (ebene) Curve verschwinden 
kann, wenn Ä eine Constante ist. 

§ 33. Das Oberfläclienintegral eines Vectors. 

Von dem Oberflächenintegral gilt Aehnliches wie vom 
Linienintegral. Legen wir, wie es in § 30 beschrieben war, 
durch eine gegebene Linie eine Fläche, über die das Integral 



Drittes Capitel. Linien-, Flächen- und Raumintegrale. Das Potential. 75 

erstreckt werden soll, so kann das Integral entweder abhängig 
oder unabhängig von der speeiellen Wahl sein, die wir für 
diese Fläche getroffen haben. Es hängt dies von der Art 
der Vertheilung des Vectors ab, von dem das Integral zu 
bilden ist. — Das durch den Satz von Stokes eingeführte 
Oberflächenintegral des Vectors ÜB in Gfleichung (90) ist auf 
jeden Fall unabhängig von der speeiellen Wahl der Inte- 
grationsfläche (solange nur die Randcurve beibehalten wird), 
da es .für jede derartige Fläche, die wir ziehen mögen, gleich 
dem Linienintegrale des Vectors % über die Randcurve ist. 
Wir können daraus sofort weiter folgern, dass das über 
eine geschlossene Fläche erstreckte Integral des Vectors 33 gleich 
Null sein muss. Schliesst nämlich die Fläche einen einfach zu- 
sammenhängenden Raum ein, so können wir sie durch Ziehen 
einer in sich zurücklaufenden Linie in zwei getrennte Hälften 
spalten, so dass die Linie in dem früher erörterten Sinne eine 
Randcurve für jede Hälfte bildet. Nach dem Stokes'schen 
Satze, Gleichung (90), ist dann f®Wdf für jede Hälfte gleich 
gross. Hierbei bedeutet aber, je nach dem Umlaufssinn, den 
wir für das Umlaufen der gemeinsamen Randcurve bei der 
Bildung des Linienintegrals gewählt haben, 9t in der einen 
Hälfte der Fläche die nach innen und in der anderen die 
nach aussen gerichtete Normale. Bilden wir also f$9ldf für 
die ganze Fläche und verstehen unter 91 
überall die nach innen (oder überall 
die nach aussen) gerichtete Normale, 
so heben sich die beiden gleich grossen 
und entgegengesetzt bezeichneten An- 
theile gegen einander weg. — Bei einem 
mehrfach, z, B. zweifach zusammen- 
hängenden Räume legen wir ausser 
der als Randcurve dienenden Linie l 
noch einen Querschnitt q durch den Abb . 9# 

Raum (Abb. 9), wodurch dieser in 

einen einfach zusammenhängenden verwandelt wird. Das Ober- 
flächenintegral muss dann über den Querschnitt q in jedem 




76 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

Falle miterstreckt werden, dabei lieben sich aber die beiden 
auf q bezüglichen Glieder beim Summiren gegeneinander 
für sich fort, so dass der vorige Schluss unverändert be- 
stehen bleibt. 

Dies Alles gilt indessen nicht von dem Oberflächen- 
integrale eines beliebigen Vectors. Wenn nämlich auch % 
in Gleichung (90) einen Vector von beliebiger Vertheilung 
bedeutete, so ist der daraus abgeleitete Vector 83 doch nicht 
mehr ganz beliebig, d. h. man kann es nicht durch eine 
passende Wahl von 31 , obschon diese ganz frei steht, dahin 
bringen, dass SB eine vorher beliebig vorgeschriebene Vertheilung 
besitze. 

Wir wollen daher, um die Eigenschaften des Oberflächen- 
integrals weiter zu untersuchen, jetzt annehmen, dass es von 
einem ganz beliebig vertheilten Vector % genommen, und 
dass es von vornherein über eine geschlossene Fläche er- 
streckt werden soll. Den Raum, der von dieser Fläche ein- 
geschlossen wird, können wir durch 3 Schaaren von Flächen 
in unendlich kleine Abschnitte theilen. Wie in § 30 erkennen 
wir dann sofort, dass das Oberflächenintegral über die den 
ganzen Raum umschliessende Fläche gleich der Summe der 
Oberflächenintegrale über die Mantelflächen aller Raumelemente 
ist, in die wir diesen Raum zerstückelt haben. Wir schliessen 
daraus weiter, dass das Oberflächenintegral durch ein über 
den ganzen umschlossenen Raum erstrecktes Raumintegral 
ersetzt werden kann, d. h. mit anderen Worten, dass es sich 
als eine Summe einzelner Elemente darstellen lässt, von denen 
jedem Raumelemente eines zugehört. 

Die einfachste Theilung des eingeschlossenen Raumes ist 
die durch drei Schaaren auf einander senkrecht stehender 
Ebenen. Wir wollen diese Theilung wählen und da der Fall 
von selbst auf die Einführung eines Achsensystems hinführt, 
annehmen, dass die Ebenen parallel zu den Ooordinatenebenen 
gehen. Ueber eines der gebildeten parellelepipedischen Raum- 
elemente sei jetzt das Oberflächenintegral des beliebig (aber 
continuirlich) vertheilten Vectors % erstreckt. 



Drittes Capitel. Linien-, Flächen- und Raumintegrale. Das Potential. 77 

Die zur X-Achse senkrechte und dem Ursprung zunächst 
liegende Seitenfläche von der Grösse dy dz liefert zum Ober- 
flächenintegral, wenn wir unter 91 überall die nach innen 
gerichtete Normale verstehen und dafür 9ti schreiben , den 
Beitrag A t dy dz, da das scalare Product $L% hier die 
X-Coniponente A x von % ergibt. Für die gegenüber liegende 
Fläche wird dieser Beitrag gleich — {A x + dAJdx • dx) dy dz. 
Das negative Vorzeichen folgt daraus, dass die nach innen 
gerichtete Normale bei dieser Seitenfläche der positiven 
X-Achse und daher der Richtung, in der A x positiv gezählt 
wird, entgegengesetzt ist Die Summe beider Beiträge liefert 
— dAJdx • dx dy dz. In derselben Weise lassen sich auch 
für die beiden anderen Paare gegenüber liegender Seiten- 
flächen die Glieder ermitteln, die sie zum Oberflächenintegrale 
beitragen. Man erhält so für das Integral über die Ober- 
fläche des betrachteten Kaumelementes den Werth 

Da nun, wie wir sahen, das Integral über die Oberfläche 
des ganzen Raumes gleich der Summe der über die Ober- 
flächen aller Raumelemente erstreckten Integrale ist, folgt mit 
Berücksichtigung dessen, dass der in dem angeschriebenen 
Ausdrucke vorkommende Klammerwerth die div des Vectors % 
vorstellt (§ 21, Gleichung 44) 

f%%df=— f div %-dv (101) 

wo dv zur Abkürzung für das Raumelement steht. Die Inte- 
grale sind über die ganze Oberfläche bezw. über den ganzen 
umschlossenen Raum, und wo Stetigkeitsunterbrechungen 
vorkommen auch über die diese umgehenden Flächen zu er- 
strecken. 

Aus Gleichung (101) folgt nun auch ferner als not- 
wendige und hinreichende Bedingung dafür, dass das* Ober- 
flächenintegral von % über ein Flächenstück auf ein Linien- 
integral über die Randcurve zurückgeführt werden kann: 

div 81 = 0. 



78 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

Maxwell nennt diese Gleichung die solenoidale Be- 
dingung, der man den Vector % zu unterwerfen hat, damit 
sein Oberflächenintegral über eine geschlossene Fläche ver- 
schwinde. Die Bezeichnung erklärt sich daraus , dass bei der 
hydrodynamischen Construction des Vectors 81 in diesem 
Falle ebensoviele Stromfäden oder bei der später zu besprechenden 
geometrisch-mechanischen Construction ebensoviele Kraftlinien 
in den von der Fläche umschlossenen Raum ein- als aus- 
treten, dass also der ganze Kraftfluss gewissermaassen in festen 
Rinnen erfolgt. 

Dass der in § 30 eingeführte Vector 33, der als curl von 
81 erhalten war, die solenoidale Bedingung stets erfüllt und 
dass daher sein Integral über eine geschlossene Fläche stets 
gleich Null ist (wie wir schon im Eingange dieses § durch 
eine besondere Betrachtung feststellen konnten), ergibt sich 
nun auch leicht aus Gleichung (71) S. 58. 

§ 34. Das Oberflächenintegral eines Sealars. 

Auch der Begriff des Oberflächenintegrals lässt sich, 

wie der des Linienintegrals, über den ursprünglichen hinaus 

ausdehnen, wodurch man wiederum zu bemerkenswerthen Er- 

* 
gebnissen geführt wird. Auch hier soll immer nur von dem 

über eine geschlossene Fläche ausgedehnten Integrale die 

Rede sein. 

Das hier mit <§ bezeichnete Oberflächenintegral eines 

Sealars wird durch die Gleichung definirt 



$ =fA%df, 



in der A eine im ganzen Räume continuirlich veränderliche 
scalare Grösse bedeutet. Das Oberflächenintegral gibt, wie 
durch die Schreibweise angedeutet wird, einen Vector an. 
Es handelt sich darum, diesen Vector, ähnlich wie das Ober- 
flächenintegral in Gleichung (101) auf ein Raumintegral zurück- 
zuführen. Dazu wende ich denselben Kunstgriff an, der 
schon in den §§31 und 32 zur Lösung der entsprechenden 



Drittes Capitel. Linien-, Flächen- und Raumintegrale. Das Potential. 79 

Aufgabe für das Linienintegral führte. Ich multiplieire also 
beide Seiten mit einem beliebigen constanten Vector c und 
erhalte 

® t =f{tA)%df. 

Auf der rechten Seite steht jetzt das Oberfläehenintegral 
des Vectors tA } das sich nach Gleichung (101) auf ein Raum- 
integral zurückführen lässt. Man erhält 



@C = — fdiv(tÄ) dv. 



Die div von tA entwickele ich nach Gleichung (78), wobei 
zu beachten ist, dass div C hier gleich Null ist, da c constant ist. 
Demnach wird 

©c= — tfs/Adv 

und, da diese Gleichung für jedes c gelten muss, schliesslich 

« = -f^Adv (102) 

die der Gleichung (100) in jeder Hinsicht analog ist und bei 
der Schreibweise V$t für div % fast buchstäblich mit ihr 
übereinstimmt. 

Das Oberfläehenintegral eines Sealars A wird 
dann und nur dann für jede beliebige geschlossene 
Fläche zu Null, wenn \7A überall verschwindet, 
d. h. wenn A eine Constante ist. 

§ 35. Das VectoroberfLächenintegral eines Vectors. 
Ich betrachte ferner noch das durch die Gleichung 



X 



= fymidf 



definirte und über eine geschlossene Fläche erstreckte Vector- 
oberflächenintegral eines Vectors. Um es auf ein Raum- 
integral zurückzuführen, verfahre ich wie vorher und erhalte 
der Reihe nach 



80 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

% t =ßvm i df=f9t i yMdf, 

ferner nach Anwendung von Gleichung (101) 

2f = - fdivYtKdv, 
also nach Gleichung (81), da t constant ist, 

%t = 1 1 curl %dv = c /curl %.dv 

und, da dies für jedes beliebige constante t zutreffen muss, 

% =j"curl Wdv 



oder 



fVmidf=fcm\%-dv 



(103) 



Wir erkennen daraus noch, dass das Veetor- 
oberflächenintegral für jede geschlossene Fläche 
verschwindet, wenn curlÄ==0, also der Vector, von 
dem es genommen werden soll, im ganzen Räume 
wirbellos vertheilt ist, also gerade dann, wenn nach 
§ 30, das Linienintegral dieses Vectors für jede ge- 
schlossene Linie ebenfalls verschwindet. 

Gleichung (103) bildet insofern noch ein interessantes 
Gegenstück zu Gleichung (101), als diese das Raumintegral 
der div eines Vectors und Gleichung (103) das vom curl eines 
Vectors auf ein Oberflächenintegral über die den Raum ein- 
schliessende Fläche zurückzuführen lehrt 

Schliesslich sei noch darauf hingewiesen, dass bereits in 
Gleichung (96) ein Vectoroberflächenintegral, nämlich das 
des Vectors V A eingeführt wurde, das allerdings nicht über 
eine geschlossene Fläche, sondern nur über ein Flächenstück 
zu erstrecken war und dem Linienintegrale des Sealars A 
gleichgesetzt werden konnte. Aus der Möglichkeit dieser 
Gleichsetzung folgt schon, dass jenes Oberflächenintegral für 
eine geschlossene Fläche verschwinden muss und wir finden 
dies in der That dadurch bestätigt, dass der Vector \7A 
stets die oben genannte Bedingung erfüllt (vgl. Gleichung 69), 



Drittes Capitel. Linien-, Flächen- und Rautnintegrale. Das Potential. 81 

Eine Betrachtung derselben Art lehrt uns auch, weshalb 
es nicht möglich war, in § 32 das Vectorlinieiiintegral auf 
ein reines Oberflächenintegral eines Sealars (wie @ in § 34) 
zurückzuführen. Wenn dies möglich sein sollte, müsste 
nämlich das gesuchte Oberflächenintegral für eine geschlossene 
Fläche jedenfalls verschwinden, da es nur dann für alle 
durch die gegebene Curve gelegte Flächen zu demselben 
Werthe, nämlich zu dem des Vectorlinienintegrals führen 
könnte. Nach § 34 trifft dies aber nur dann zu, wenn der 
zugehörige Vector eine Constante ist. Im Allgemeinen ist 
aus diesem Grunde eine Transformation dieser Art für das 
Vectorlinienintegral nicht durchführbar. 

§ 36. Das Potential. 

Der durch Gleichung (101) ausgesprochene Satz nimmt 
eine für die Anwendungen häufig geschicktere Form an, 
wenn man ihn mit den Bemerkungen verbindet, durch die 
in § 29 der Begriff des Potentials eines Vectors $1 eingeführt 
wurde. Allerdings verliert er bei dieser Umwandlung die 
Allgemeingültigkeit, die Gleichung (101) zukam: er bleibt 
nämlich dann nur noch auf solche Vectoren St anwendbar, 
die überhaupt von einem Potentiale abgeleitet werden köuuen, 
d. h. deren curl = ist (§ 30). 

Ä sei jetzt ein solcher Vector und das ihm zugehörige 
Potential sei V. Dabei wollen wir wegen der Anwendungen, 
die wir hier davon zu machen beabsichtigen, das Vorzeichen 
von V so wählen, wie es durch die Definitionsgleichung (88 a ) 
S. 66 festgestellt ist. Daiyi ist nach § 29 



lbg = _(F-F ), 

Po 



ß 



also auch, wenn wir unter d% eine beliebige unendlich kleine 
Strecke und unter dV die zugehörige Potentialänderung ver- 
stehen, 

dV %d%. 

Föppl, Maxwell'sche ThSorie der Elektricität. 6 



82 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

Mit Rücksicht auf die in § 18 erörterten Eigenschaften der 
Operation V lässt sich dies dadurch ausdrücken, dass man 
setzt (Gleichung (36), S. 38) 

% = — VF (104) 

Setzt man dies in Gleichung (101) ein und beachtet, dass nach 
Gleichung (68) S. 57 div V zur Operation V 2 führt, so erhält man 

f\7V9tidf=-f\7 2 Vdv .... (105) 

Auch hier sind die Integrationen auf die Oberfläche und 
das Volumen eines beliebig abgegrenzten Raumes zu er- 
strecken, in dem keine Stetigkeitsunterbrechungen vorkommen. 

Gleichung (105) weist darauf hin, dass bei der voraus- 
gesetzten Vertheilung des Vectors % ausser der Hülfsgrösse V 
noch eine dritte Grösse eine wichtige Rolle zu spielen vermag, 
nämlich V 2 V. Wir werden in der That sehen, dass diese 
Grösse für die Potentialtheorie von geradezu fundamentaler 
Bedeutung ist und führen daher eine besondere Bezeichnung 
für sie ein. Durch Definition setzen wir fest, dass 

Q = -V 2 F=-divVF=div». . . (106) 

ist. Gleichung (105) nimmt dann die Form an 

fVVXiäf — —f%%df=f 9 dv. . . (107) 

Wenn 51 ursprünglich beliebig gegeben war, mit der 
Einschränkung, dass die Vertheilung eine wirbellose und 
stetige sein soll, ist zunächst das Potential V für jeden Punkt 
des betrachteten Raumes bis auf eine Constante durch die 
Untersuchung in § 29 und ferner q durch die Definitions- 
gleichung (106) eindeutig bestimmt. Ist andererseits V für 
jeden Punkt des betrachteten Raumes gegeben, so folgen 
daraus nach den Gleichungen (104) und (106) ebenfalls die 
beiden anderen Werthe. — Die Grösse q ist wie V eine 
scalare Hülfsgrösse, deren man sich zur Untersuchung der 
Eigenschaften der Vectorvertheilung & bedienen kann. 

Man kann nun aber auch die Aufgabe umkehren und 
verlangen, dass % und V berechnet werden, wenn für jeden 



Drittes Capitel. Linien-, Flächen- und Raumintegrale. Das Potential. 83 

Punkt des Raumes q gegeben ist. Dies kommt auf die Auf- 
lösung einer der Differentialgleichungen V 2 V = — q oder 
div 51 = q hinaus. — Dazu soll uns Gleichung (107) verhelfen. 

Der Umstand, dass die zu integrirenden Differential- 
gleichungen linear sind, hat zur Folge, dass, wenn q — Q t + q 2 
gesetzt wird, auch V und 51 in je zwei Glieder V 1 + F 2 bezw. 
% x + 5l 2 zerfallen, so dass V t die Lösung der Differential- 
gleichung \/ 2 V l = — q x bildet u. s. w. Wir werden daher 
jede gegebene Raumvertheilung der Grösse q in beliebiger 
Weise in mehrere Vertheilungen zerlegen und das zur ge- 
sammten Grösse q gehörige Potential durch Summirung der 
Einzelpotentiale ableiten können. 

Man grenze nun in dem Räume eine Kugel von dem un- 
endlich kleinen Halbmesser r ab. Innerhalb der Kugel be- 
zeichnen wir den Mittelwerth von q mit q^ ausserhalb der 
Kugel sei g t überall Null, d. h. Q t ist jener Theil von q, der 
nur zu dem Innenraume der Kugel beisteuert. Mit den vorher 
angegebenen Bezeichnungen erhalten wir aus Gleichung (107), 
wenn wir sie auf die Fläche und den Innenraum der Kugel 
anwenden 

f% i %df=—f(> 1 dv 

Die Kugel war unendlich klein angenommen. Wir können 
daher, falls keine Stetigkeitsunterbrechungen in ihr vorkommen, 
die Werthe von q für alle zum Kugelraum gehörigen Ele- 
mente gleich dem Mittelwerthe q ± setzen und aus Symmetrie- 
gründen folgt dann sofort, dass & x für alle Oberflächenelemente 
der Kugel gleich gross sein und in die Richtung des Radius 
fallen muss. Wenn wir das Raumintegral zur Abkürzung 
mit M bezeichnen, erhalten wir also 

«*— *£• 

5t x ist also nach dem Aussenraume hin gerichtet und kann 
auch 

*i--*iS?- •••■•. (108) 

6* 



84 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

gesetzt werden, da % in beiden Fällen den Tensor 1 hat 
und die Multiplieation damit sich nur auf die Richtung bezieht. 

Legen wir jetzt concentrisch zur ersten Kugel eine zweite, 
deren Halbmesser endlich ist und der immer noch mit r be- 
zeichnet werden mag, so jedoch, dass auch jetzt M sich nur 
auf das frühere Kugelvolumen bezieht, so gelten für das 
Integral über die neue Kugelfläche die soeben durchgeführten 
Schlüsse ohne jede Aenderung und wir erkennen daraus, dass 
durch Gleichung (108) Ä x überall ausserhalb des von M ein- 
genommenen Raumes richtig dargestellt wird. 

Um uns von der Beziehung auf die Oberflächennormale % 
frei zu machen, bezeichnen wir einen von dem Mittelpunkte 
der unendlich kleinen Kugel nach irgend einem Punkte des 
äusseren Raumes gezogenen Radius vector mit t\ dann ist 

t = — %r 
und. Gleichung (108) geht über in 

*i-*£? ( 109 ) 

Um für irgend eine Stelle des Raumes den Werth von % 
zu finden, der zu der ganzen Vertheilung von q gehört, ist 
es nur nöthig, nach Gleichung (109) die Werthe von Ä zu 
bilden, die sich auf alle fern gelegenen Raumtheile und die 
zu ihnen gehörigen Werthe M beziehen und sie sämmtlich 
zu summiren. Dazu kommt dann noch der Beitrag des un- 
mittelbar benachbarten Raumes, also etwa einer unendlich 
kleinen Kugel, die um den ins Auge gefassten Punkt als 
Mittelpunkt beschrieben ist. Dieser verschwindet aber, wenn 
wir die Kugel bis zum Mittelpunkt zusammenschrumpfen lassen, 
da M mit der dritten Potenz des Radius abnimmt. 

Als Lösung der Gleichung div % = q finden wir daher 



■/'Ä ( 110 > 



= / t 



Die Integration ist jetzt auf den ganzen Raum auszudehnen, 
über den sich die Vertheilung q erstreckt. Es würde uns 
frei stehen, eine Integrationsconstäßte, sowie ferner noch 



Drittes Capitel. Linien-, Flächen- und Raumintegrale. Das Potential. 85 

einen sonst beliebig vertheilten Vector % der Losung hinzu- 
zufügen, der den curl irgend eines anderen Vectors SB bildet, 
da nach Gleichung (71) dessen div Null ist, so dass die 
Gleichung div % = q auch nach der Beifügung eines solchen 
Gliedes zu 51 immer noch erfüllt bleibt. Wir sehen aber 
davon ab, weil wir es uns von vornherein zur Aufgabe ge- 
stellt haben, die Untersuchung auf wirbellose Vertheilungen 
des Vectors $ zu beschränken. Dass der durch Gleichung 
(110) gegebene Ausdruck in der That eine wirbellose Ver- 
theilung von Ä darstellt, ergibt sich sofort aus der Umformung, 
der wir ihn jetzt unterwerfen wollen, in Verbindung mit 
Gleichung (69). 

Um nämlich auch noch V zu ermitteln, haben wir das 
Integral der Gleichung 

aufzusuchen. Nun ist aber nach Gleichung (36) S. 38 

dr == \/r • dt . 

Wenn dt senkrecht zu t gewählt wird, verschwindet dr 
und es wird positiv, wenn dt in die Richtung von t fällt, 
weil dann eine Vergrösserung des scalaren Abstandes eintritt. 
Daraus folgt, dass der Vector S/r in die Richtung von t fällt. 
Da aber in dem zuletzt erwähnten Falle dr = tdt/r ist, er- 
gibt sich 

r 7 

was sich übrigens auch unabhängig von dieser Betrachtung 
leicht durch Zerlegung von t in seine 3 Componenten u. s. f. 
ableiten lässt. 

Hieraus folgt weiter 

Die Differentialgleichung für V geht damit über in 
•• J 4:1t r J 4:7tr 



86 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 



Sehen wir auch hier von der Beifügung einer Integrations- 
constanten ab, so haben wir als Lösung der Gleichung 
V 2 V = — q schliesslich 

"5S <»»> 



■-fi 



§37. 

Die Entwicklungen . des vorigen § haben uns in den 
Stand gesetzt, wenn irgend eine der drei Grössen, $, V } q für 
jeden Punkt des Raumes gegeben ist, daraus die beiden 
anderen zu berechnen. Dabei waren V und q blosse Hülfs- 
grössen, die mit der uns in erster Linie interessirenden Grösse 
% zunächst nur durch die bei dieser Betrachtung gefundenen 
analytischen Beziehungen zusammenhängen. Der Grösse V 
haben wir zwar die Bezeichnung Potential gegeben, ohne 
jedoch dadurch irgend etwas über die Bedeutung dieser Grösse 
auszusagen. Für q haben wir bisher überhaupt keinen Namen 
eingeführt. 

Es ist durchaus nöthig, dass man dieses rein geomet- 
rischen Zusammenhangs der drei Grössen eingedenk bleibt, 
wenn man zu den Anwendungen übergeht, da man sonst nur 
zu leicht zu falschen Vorstellungen über die Bedeutung des 
Begriffes der Masse (sei es der ponderabeln Masse oder der 
Elektricitäts- oder Magnetismusmenge) geführt wird. 

In der Nähe elektrisirter Körper z. B. treten an einem 
elektrisch geladenen materiellen Punkte Kräfte auf. Bringen 
wir den Punkt an verschiedene Stellen des Raumes, so wechselt 
die an ihm wirkende Kraft nach Grösse und Richtung. Jedem 
Punkte des Raumes oder des ; ,elektrostatischen Feldes" ent- 
spricht eine bestimmte Kraft und wir werden den Zustand 
des Feldes dann genau kennen, wenn die Vertheilung dieser 
Vectorgrösse im ganzen Räume bekannt ist. Durch die rein 
analytischen Entwicklungen des vorigen § sind wir dann auch 
in den Stand gesetzt, die dort mit V und q bezeichneten 
Grössen zu berechnen. Es steht uns ferner frei, die Grössen q 
als die primär gegebenen anzusehen und sie als die Ursachen 



Drittes Capitel. . Linien-, Flächen- und Raumintegrale. Das Potential. 87 

der Grössen % und V zu betrachten. Thun wir dies, so 
sehen wir die Kräfte % als Fernkräfte an, die von den 
„Massen" gdv oder Qäv/kit ausgehen. Wir sind zu dieser 
Auffassung berechtigt, da sie der anderen, die von der Be- 
trachtung der Vectoren % als der bedeutsanieren ausgeht 
mathematisch gleichwerthig ist und zu denselben Ergebnissen 
zu führen vermag. 

Anders ist es aber, wenn man die physikalische Bedeutung 
dieser Grössen ins Auge fasst. Es wäre ungerechtfertigt, 
aus dem Bestehen jener Identitäten den Schluss zu ziehen, dass 
sich die Grössen q und % in der That so gegenüberstehen, 
dass q physikalisch als die Ursache der Ä anzusehen ist; eben- 
sogut kann auch das Umgekehrte zutreffen. 

Wenn in der Maxwell'schen Elektricitätslehre von elek- 
trischen oder magnetischen Massen die Rede ist, geschieht 
es nicht wie in der Fernwirkungslehre in der Absicht, sie 
als die Ursachen der Erscheinungen hinzustellen oder über- 
haupt dadurch eine Vorstellung zu erwecken, die sich an den 
Begriff der ponderablen Massen anzulehnen hätte. Vielmehr 
sind darunter nur jene mathematischen Hülfsgrössen zu ver- 
stehen, die aus den rein geometrischen Betrachtungen der 
vorigen §§ hervorgingen. Die Frage, welche physikalische 
Bedeutung ihnen beizulegen sei, bleibt dabei zunächst voll- 
ständig offen. Jedenfalls ist es aber die ausgesprochene 
Tendenz der MaxwelFschen Theorie zur Darstellung der Er- 
scheinungen in erster Linie die Vectoren % selbst zu benutzen. 

Nach diesen Vorbemerkungen setze ich durch Definition 
fest, dass (zunächst vom Vorzeichen abgesehen) Qdv/4:7t die 
im Raumelemente dv enthaltene elektrische, magnetische oder 
ponderable Masse genannt wird, wenn die Vectoren % elek- 
trische, magnetische oder Gravitations- Kräfte sind, von denen 
wir annehmen, dass sie von diesen Massen ausgehen. Gleichung 
(108) spricht dann das Coulomb'sche (bezw. Newton'sche) 
Fernwirkungsgesetz aus. Schreibt man für 9/1% kürzer q', so 
ist demnach q' die Dichte einer räumlichen Massenvertheilung 
und wir haben, wenn ebenso auch M' für die in einem Raum- 



88 Erster Abschnitt. Die Algebra und Analysis der Vectoren. 

eleinente enthaltene Masse Mj± n geschrieben wird, für die 
von ihr ausgehende Kraft % nach (108) bezw. (109) 

«--Ifcjf-t^ (112) 

Diese Kraft ist, da t von der Masse M nach dem Punkte 
hingeht, auf den sieh % bezieht, eine abstossende: handelt es 
sich um die Darstellung anziehender Kräfte, so ist das Vor- 
zeichen von W umzukehren. Dasselbe gilt auch von dem 
Vorzeichen von q' in der Formel 



/q dv 



(113) 



Für viele Untersuchungen würde es sich mehr empfehlen, 
an Stelle von q' die ursprüngliche Grösse q selbst als Dichte 
der Masse zu bezeichnen. Es würde dies auf eine abgeänderte 
Festsetzung der Maasseinheiten hinauslaufen, in Folge derer sich 
die wichtigsten Gleichungen der Elektricitätslehre durch Unter- 
drückung der Grösse 4tf vereinfachten. 0. Heaviside hat dies 
in seinen neueren Arbeiten überall consequent durchgeführt. 
So gerne ich ihm auch in diesem Punkte folgen möchte, 
glaube ich doch hier davon absehen zu sollen, um nicht 
durch den Gebrauch eines Maasssystems, das von dem einmal 
eingeführten abweicht, den Leser zu verwirren. 

Die physikalische Bedeutung der Grösse V ergibt sich, 
für den Fall, dass 9t eine Kraft bedeutet, leicht aus den 
Gleichungen (87) und (88), bezw. (88 a ). Das Linienintegral J ,i 
oder der Potentialunterschied — {V — V ) im Falle ab- 
stossender Kräfte gibt die Arbeit an, die von der Kraft % 
beim Durchlaufen des Weges P P ± geleistet wird. Das 
Potential V kann also auch als die Arbeit definirt werden, 
die vermittelst einer Kraft fremden Ursprungs oder einer 
„eingeprägten" Kraft geleistet werden muss, um etwa einen 
elektrisch geladenen Punkt von ausserhalb her, wo das 
Potential Null war, nach der Stelle des Feldes zu bringen, 
wo es gleich V ist und um hierbei die sich dieser Bewegung 
widersetzende Kraft % zu überwinden. 



Zweiter Abschnitt. 
Die Grundlinien der Maxwell'schen Elektricitätstheorie. 



Erstes Capitel. 
Die in der Elektricitätslehre vorkommenden Vectoren. 

§ 38. Kraft und Verschiebung im elektrischen Felde. 

Eine Metallkugel sei mit einer Elektricitätsmenge geladen 
und rings entweder von Luft oder von^inem andern Dielek- 
tricum umgeben oder auch in einem Vacuum aufgestellt. Das 
Dielektricum (oder der Aether im sogenannten Vacuum) wird 
dann in einem Zwangszustand versetzt, wodurch in jedem 
Volumenelemente eine Aufspeicherung von Energie eintritt, 
die bei der Entladung der Metallkugel wieder freigegeben 
wird. Zugleich hat der Zwangszustand zur Folge, dass an 
einem kleinen geladenen Körperchen, das in das Feld gebracht 
wird, ponderomotorische Kräfte auftreten. 

Das Wort Zwangszustand ist zunächst nur bestimmt, den 
Zustand kurz zu bezeichnen, der durch die Ladung der Metall- 
kugel im Dielektricum hervorgerufen wird. Faraday und Maxwell 
haben die specielle Art des von ihnen angenommenen Zwanges 
zwar von vornherein angegeben. Es ist aber sehr zweifelhaft, 
ob diese Annahmen der Wirklichkeit entsprechen und man thut 
daher besser, die Frage offen zu lassen, worin der Zwang in 
dem bezeichneten Falle besteht. Nur -darauf ist Gewicht zu 
legen, dass er mit der Energieaufspeicherung im Dielektricum 
zusammenhängt. Freilich scheidet sich schon durch diese 
Festsetzung die MaxwelPsche Theorie vollständig von der 



90 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

Fernwirkungstheorie, die eine Anhäufung von Energie im Aether 
überhaupt nicht kennt. 

Ueberall, wo in der Natur eine Aufspeicherung von Energie 
eintritt, wird sie durch zwei Factoren bestimmt, einen 
Quantitäts- und einen Intensitätsfactor. So ist die lebendige 
Kraft das Product aus der Masse und dem halben Quadrate 
der Geschwindigkeit, die Wärme gleich dem Producte aus 
Wärmecapacität und Differenz der Temperaturen, die in einer 
gespannten Feder aufgespeicherte Energie für jede weitere 
Anspannung gleich dem Producte aus dem Wege und der 
Kraft (für die ganze Energie ist, wenn man unter Kraft die 
zuletzt erreichte Anspannung versteht, noch der Factor — bei- 
zufügen) u. s. f. Wir werden daher auch für eine hinreichende 
Characterisirung des Zwangszustandes im elektrostatischen 
Felde, wenn wir auch ganz darauf verzichten, sein eigentliches 
Wesen zu ergründen, doch mindestens zwei Grössen angeben 
müssen, aus denen der Energievorrath abgeleitet werden kann. 

Eine dieser Grössen ist die elektrostatische Kraft <g, 
die sich unmittelbar durch die Erfahrung darbietet und auf 
deren Beobachtung sich der ganze Inhalt der Elektricitätslehre 
in der ersten Zeit ihrer Begründung ausschliesslich stützte, bis 
sich daraus durch Abstraction der Begriff der elektrischen 
Masse entwickelt hatte. Die zweite Grösse ist die dielektrische 
Verschiebung 2>. Sie hängt von dem Werthe, den d an 
der betreffenden Stelle des Feldes erlangt hat, in derselben 
Weise ab, wie die Zusammendrückung einer Feder von der 
Grösse der sie treibenden Kraft. 

Die Einführung des Begriffes der dielektrischen Verschiebung 
erfolgte rein hypothetisch und in engster Anlehnung an das 
durch den Vergleich mit einer in Spannung versetzten Feder 
gegebene Vorbild. Sie bildet eine der Hauptgrundlagen der 
MaxwelFschen Theorie. Bis zu einem gewissen Grade kann 
nachträglich die Notwendigkeit der Einführung einer solchen 
Grösse durch die soeben durchgeführte Betrachtung über die 
Abhängigkeit der Energieansammlung von zwei Factoren be- 



Erstes Capitel. Die in der Elektricitätslehre vorkommenden Vectoren. 91 

# 

gründet werden. Eine wirkliche Rechtfertigung dafür bildet 
aber nur der Umstand, dass sich mit ihrer Hülfe die be- 
obachteten Erscheinungen am besten wiedergeben lassen. 

Auch die dielektrische Verschiebung $ muss eine Vector- 
grösse sein, wenn sie durch Hinzutreten zu ($ zu einer Energie, 
also zu einer scalaren Grösse führen soll. — Wenn @ gegeben 
ist, ist damit auch % für dieselbe Stelle des Feldes bestimmt 
oder es hängt wenigstens dann nur noch von den Eigen- 
schaften des Stoffes ab, in dem der Zwangszustand auftritt. 
Bei isotropen dielectrischen Körpern ist, wie schon aus 
Symmetriegründen hervorgeht, 2> mit % gleich gerichtet. Bei 
äolotropen Körpern bildet $ eine lineare Vectorfunction von <ü; 
dieser Fall ist von Wichtigkeit für die elektromagnetische 
Lichttheorie, speciell für die Behandlung der Krystalloptik. 
Auf diese werde ich mich aber in diesem Werke nicht ein- 
lassen und ich will mich daher von vornherein darauf be- 
schränken, isotrope Körper ins Auge zu fassen. 

Die Abhängigkeit der Verschiebung $ von (8 lässt sich 
in isotropen Körpern durch die Gleichung ausdrücken 

$ — c-<8 (114) 

wo c eine vom Material abhängige und, wie die Erfahrung 
lehrt, für dasselbe Material constante (d. h. von der absoluten 
Grösse von (S unabhängige) Grösse bedeutet 

An Stelle von Gleichung (114) kann man auch schreiben 

*> = £-® (115) 

wobei der Coefficient c durch -K/4* ersetzt ist. An und für sich 
ist es ganz gleichgültig, welchen der beiden Coefficienten und 
damit welche der beiden Gleichungen man zur Darstellung 
der Erscheinungen benutzen will. Man kann darüber nach 
Gutdünken verfügen, da c und K Grössen sind, die erst durch 
die Gleichungen (114) und (115) selbst ihre Definition erhalten. 
Wir werden uns hier der Gleichung (115) bedienen. Der in 
ihr vorkommende Coefficient hat den Namen Dielektricitäts- 
constante (oder auch specifische inductive Capacität) erhalten 



92 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der MaxweH'schen Theorie. 

und wird häufiger gebraucht als c. Diese Wahl hängt übrigens 
mit der zusammen, die wir in § 37 bezüglich der Massen- 
und Potentialeinheit getroffen' haben. Sie trägt zwar dazu 
bei, die Formeln durch Mitschleppen des Factors 4 7t zu be- 
lasten, hat aber andererseits den Vorzug, in Uebereinstimmung 
mit dem aus der Fernwirkungstheorie übernommenen Systeme 
elektrischer Einheiten zu stehen. 

Die in einem Raumelemente aufgespeicherte Energie er- 
fährt eine Vermehrung, wenn (S anwächst, die nach den vor- 
hergehenden Festsetzungen gleich dem scalaren Producte 
d(B • %dv ist. Daraus folgt, wenn man den linearen Zusammen- 
hang zwischen (S und $ (Gleichung 115) beachtet, durch Inte- 
gration sofort, dass die ganze Energie dT im Volumenelemente 
dv durch jeden der folgenden Ausdrücke wiedergegeben wird 

dT~\Q$dv = £Wdv = ?g&dv. . (116) 

§ 39. Der Kraftfluss. Satz von Gauss. 

Man denke sich irgendwo im elektrischen Felde ein 
Fläehenstück df abgegrenzt, dessen Normale 9t eine beliebige 
Richtung haben mag. Unter dem Kraftfluss durch die 
Fläche df versteht man den Werth des Ausdruckes (&9tdf. 
Öieser ist positiv oder negativ, je nachdem die Normale 91 
(deren Tensor = 1 ist) die Fläche im gleichen oder entgegen- 
gesetzten Sinne wie (£ durchsetzt. Der Kraftfluss durch eine 
endliche Fläche von beliebiger Gestalt wird daher durch den 
Werth des Oberflächenintegrals von (S über diese Fläche an- 
gegeben. 

Man gewinnt eine geometrische Darstellung von der Ver- 
keilung des Kraftflusses, wenn man Linien zieht, die in ihrem 
ganzen Verlaufe mit der Richtung von (S zusammenfallen. 
Die Zahl der Linien, die ein zu <S normales Flächenstück df 
durchkreuzen, wählt man überall proportional zu dem Tensor 
von (&. Die Kraftliniendichte, d. h. die Zahl der Kraftlinien 
die auf die Flächeneinheit kommt, wenn diese senkrecht zu Ü 
gelegt wird, ist daher = m E zu setzen, wo m den Maassstab 



Erstes Capitel. Die in der Elektricitätslelire vorkommenden Vectoren. 93 

dieser Dichte und E den Tensor von (S bedeutet. Steht die 
Fläche nicht normal zu (S, so ist die Zahl der sie durch- 
schneidenden Kraftlinien entsprechend geringer und zwar gleich 
dem Producte aus der Kraftliniendiehte, der Grösse der Fläche 
und dem Cosinus des Winkels zwischen der Normalen 9t und 
einem in der Richtung von <g gezogenen Einheitsvector (8 X . 
Dies gibt mE • df-9KB t oder nidf9tQb, d. h. die Zahl der 
Kraftlinien ist bei beliebiger Richtung der Fläche df gleich 
dem Kraftflusse multiplicirt mit dem der Darstellung zu Grunde 
gelegten Maassstabfactor m. Wir können daher den Kraftfluss 
überall im Felde durch die Zahl der Kraftlinien messen. 

Aus dem in § 33 bewiesenen Satze folgt, dass die Zahl 
der Kraftlinien für eine geschlossene Fläche gleich Null ist, 
wenn im umschlossenen Räume überall div (8 Null ist, oder 
mit anderen Worten die Zahl *der austretenden Kraftlinien ist 
in diesem Falle gerade gleich der Zahl der eintretenden. Solche 
Stellen des Raumes, in denen div® positiv ist, bezeichnen 
wir als Quellen des Kraftflusses, denn aus Gleichung (101) 
S. 77 folgt, dass durch eine Fläche, die eine solche Stelle 
umschliesst, mehr Kraftlinien aus- als eintreten. 

Nach der in § 37 eingeführten Bezeichnung q' für den 
Werth 1/4 * div Ä ; oder wie wir hier setzen wollen, um für die 
Folge den Index zu vermeiden, 

p == — div<g 
v 4# 

erhalten wir aus Gleichung (101) 

fH%äf= — kitfadv. 

Ersetzen wir hierin ferner noch die nach innen gezogene 
Normale 9t\ durch die nach aussen gezogene jW tt , so wird dies 

f%%df^4,7tf Q dv . . . . . (117) 

und diese Gleichung sagt aus, dass der aus der Fläche aus- 
tretende Kraftfluss oder der Ueberschuss der Zahl der austreten- 
den über die der eintretenden Kraftlinien gleich dem 4rt-fachen 
der von der Fläche umschlossenen Elektricitätsmenge ist. 



94 Zweiter Abschnitt. Grandlinien der Maxwell'schen Theorie. 

Falls q im Innern nirgends negativ ist, müssen die aus dem 
umschlossenen Räume stammenden Kraftlinien von deu Ladungen 
Qdv ausgehen, während die von ausserhalb kommenden den 
Raum in stetigem Laufe durchsetzen. Umschliesst die Fläche 
dagegen negative Ladungen, so bilden diese die Endpunkte 
elektrostatischer Kraftlinien. Die Zahl der eintretenden Kraft- 
linien überwiegt hier die der austretenden, weil einige von 
ihnen an den negativen Ladungen endigen. 

Die elektrischen Kraftlinien verbinden demnach Elektri- 
citätsmengen von gleicher Grösse und entgegengesetztem Vor- 
zeichen mit einander, so dass sie von positiven Mengen aus- 
gehen und in negativen Ladungen endigen, oder sie sind in 
sich geschlossene Linien. Wo geschlossene Kraftlinien auftreten, 
lassen sich die Kräfte nicht mehr von einem Potentiale ab- 
leiten, da das Linienintegral über eine geschlossene Kraftlinie 
von Null verschieden ist (§ 29 u. 30). Man kann daher auch 
ein solches Feld nicht mehr auf das Auftreten elektrischer 
Massen zurückführen. 

Wir werden später sehen, dass geschlossene elektrische 
Kraftlinien durch magnetische Ströme hervorgebracht werden. 
In den älteren Theorien hat man zwischen den beiden Arten 
elektrischer Kräfte streng geschieden und jene Kräfte (S, deren 
Kraftlinien elektrische Massen entgegengesetzten Vorzeichens 
mit einander verbinden als elektrostatische Kräfte, die 
durch magnetische Strbme hervorgebrachten, zu geschlossenen 
Kraftlinien gehörigen Kräfte (S dagegen als inducirte Kräfte 
bezeichnet. In der MaxwelFschen Theorie liegt aber gar 
kein Grund zu einer solchen principiellen Scheidung vor: 
welches auch der Ursprung der Kraft Ob sei, ob sie zu ge- 
schlossenen oder offenen Kraftlinien gehören mag, die Wirkung, 
die sie im gegebenen Augenblicke und an* der betreffenden 
Stelle des Feldes hervorbringt, ist davon ganz unabhängig 
und nur durch den Werth von 6 selbst bedingt. 

Wenn aber auch dieser Scheidung aus principiellen Gründen 
zu widersprechen ist, so empfiehlt es sich doch aus didak- 
tischen Gründen jene Fälle zuerst zu behandeln, bei denen 



Erstes Capitel. Die in der Elektricitätslehre vorkommenden Vectoren. 95 

man es nicht mit in sich geschlossenen Kraftlinien zu thun 
hat, d. h. wie es von jeher in der Elektricitätslehre üblich 
war, mit der Behandlung der Elektrostatik zu beginnen. 

Der durch Gl. 117 ausgesprochene Satz wurde zuerst von 
Gauss aufgestellt und wird daher als der Gauss'sche Satz 
vom Oberflächenintegral bezeichnet. 

§ 40. Der Versehiebungsfluss. 

Dieselbe geometrische Darstellungsmethode, die wir soeben 
auf den Vector © angewendet haben, lässt sich auf jeden 
anderen continuirlich im Räume vertheilten Vector, also auch 
auf die dielectrische Verschiebung $ anwenden. 

Bei isotropen Körpern, auf deren Betrachtung wir uns 
hier beschränken, gleicht der Versehiebungsfluss dem Kraft- 
flusse in hohem Grade. Wie aus Gleichung (115) hervorgeht, 
sind in diesem Falle die Verschiebungslinien überall gleich- 
gerichtet mit den Kraftlinien und wenn das Medium ausserdem 
auch homogen, d.h. K constant ist, wird der Versehiebungs- 
fluss durch genau dasselbe Liniensystem dargestellt wie der 
Kraftfluss, so dass nur der Maassstabsfactor m (§ 39) für 
beide von verschiedenem Werthe ist. 

Wir wollen indessen auch den Fall ins Auge fassen, dass 
K mit dem Orte veränderlich ist. Körper, innerhalb deren 
K verschieden ist, brauchen zwar kaum erörtert zu werden; 
wenn man anisotrope Körper nicht behandelt, könnte man 
erst recht auf die Besprechung der heterogenen Körper ver- 
zichten. Dagegen kommt es oft genug vor und zwar so oft, 
dass man auch bei einer summarischen Darstellung nicht 
davon absehen kann, dass zwei Körper an einander grenzen, 
für die K verschieden ist. Anstatt nun aber eine Stetigkeits- 
unterbrechung an der Grenzfläche anzunehmen, wollen wir in 
solchen Fällen voraussetzen, dass sich K an den Betfihrungs- 
stellen stetig, wenn auch sehr schnell von dem einen Werthe 
zum andern ändert. Zunächst ist diese Annahme an sich 
wahrscheinlicher als die vorige; scheinbar schroffe Ueber- 
gänge werden in der Natur meist (wenn nicht stets) in 



96 Zweiter Abschnitt. Grandlinien der Maxwell'schen Theorie. 

Wirklichkeit durch Uebergangsschichten vermittelt. Dann 
aber vermeiden wir damit die Weitläufigkeiten, die damit 
verbunden sind, den Discontinuitäten Rechnung zu tragen. 
Das schliessliche Resultat ist zudem unabhängig davon, 
welchen Modus des Uebergangs wir wählen. 

Sobald K als veränderlich angenommen wird, zeigen 
sich zwischen dem Kraftflusse und dem Verschiebungsflusse 
erhebliche Unterschiede. Die Linien von beiden sind zwar 
immer noch überall gleich gerichtet, aber das Verhältniss 
ihrer Dichten ändert sich von Ort zu Ort. Das wird durch 
zwei Gründe bedingt. Zunächst nämlich haben die Ver- 
schiebungslinien andere Anfangs- und Endpunkte als die 
Kraftlinien. Ist z. B. div (8 innerhalb eines gegebenen Be- 
zirkes überall Null, so gehen die Kraftlinien ununterbrochen 
durch den Bezirk hindurch; von den Verschiebungslinien gilt 
dies aber keineswegs, da div 2) nicht mit div (S zugleich ver- 
schwindet. Aus Gleichung (115) erhalten wir vielmehr bei 
Anwendung des in Gleichung (78) S. 61 ausgesprochenen 
Rechengesetzes 



div® = ±(K div C + « • VZ) 



4:7t 



(118) 



Dazu kommt aber noch ein anderer Umstand. Behandeln 
wir z. B. eine rein elektrostatische Aufgabe, also eine solche, 
bei der nach § 39 keine in sich geschlossenen Kraftlinien 
vorkommen, oder bei der curl (S überall Null ist, oder, was 
auch auf dasselbe hinauskommt, bei der sich <S von einem 
Potentiale ableiten lässt, so gilt dies Alles auch von der Ver- 
schiebung % an solchen Stellen des Raumes, in denen K 
constant ist. Es gilt aber nicht mehr dort, wo K veränder- 
lich ist. Unter der Voraussetzung curl <g = erhalten wir 
nämlich aus Gleichung (115) bei Anwendung des Rechen- 
gesetzes Gleichung (80) S. 61 



cur,2) = ÄV( VjB: )-«- 



Erstes Capitel. Die in der Elektricitätslehre vorkommenden Vectoren. 97 

Dies zeigt uns, dass auch bei elektrostatischen 
Problemen in den Uebergangsschiehten von einem 
Medium ins andere und überhaupt überall, wo K ver- 
änderlich ist, geschlossene Verschiebungslinien auf- 
treten müssen. 

§ 41. Freie und wahre Elektricität. 

Die Maxwell'sche Theorie (in ihrer heutigen Gestalt) 
kennt zwei völlig von einander verschiedene Arten von Grössen, 
die beide als Elektricitätsmengen bezeichnet werden. Wenn 
auch Maxwell selbst schon gelegentlich auf den Unterschied 
zwischen beiden hinwies, hat doch erst Hertz consequent 
zwischen ihnen unterschieden und für die in § 39 vorkommende 
Grösse q die Bezeichnung räumliche Dichte der freien 
Elektricität eingeführt. Diese freie Elektricität ist es, die 
mit dem Kraftflusse (§> in dem früher erörterten Zusammen- 
hange steht. 

Nun haben wir aber neben dem Kraftflusse noch den 
Verschiebungsfluss $ und wir können nach den im vorigen 
Abschnitte entwickelten Sätzen der Potentialtheorie ebensogut 
wie zu <S auch zum Verschiebungsflusse 2) fingirte Massen 
angeben, die als Ausgangs- und Endpunkte der Verschiebungs- 
linien dienen. Voraussetzung ist dabei zwar, dass keine ge- 
schlossenen Verschiebungslinien vorkommen. Solche müssen 
wir nun nach dem vorigen § wenigstens in den Uebergangs- 
schichten zwischen verschiedenen Medien erwarten. Wir 
wollen uns aber überall, wo dies zutrifft, die geschlossenen 
Verschiebungslinien von den übrigen ausgesondert denken, 
so dass 3) in die Vectorsumme £' + 2)" zerlegt wird*), wobei 
2' bei constantem K allein übrig bleibt und den Theil des 
Verschiebungsflusses angibt, dessen curl Null ist. Der andere 
Theil 2" bezieht sich dann ausschliesslich auf die geschlossenen 
Verschiebungslinien; er ist l/4rc • curl-^VCVüT) • <S, wenn 
mit curl" -1 die Operation bezeichnet wird, durch die man vom 

*) Vgl. den Anhang. 
Föppl, MaxwelPsche Theorie der Elektricität. 7 



98 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

curl zur Stammgrösse zurückgelangt. Bei der Ausführung dieser 
Operation wäre, wenn man sie in einem bestimmten Falle 
wirklich durchführen wollte, bei der Wahl der Integrations- 
constanten zu beachten, dass div $" überall Null sein muss. 
Der erste und Haupttheil $' des Verschiebungsflusses 
kann nun ebenso wie der Kraftfluss mit einer Massen- und 
einer aus ihr hervorgehenden Potentialvertheilung in Ver- 
bindung gebracht werden. Für diese Massen hat Hertz die 
Bezeichnung der wahren Elektricitätsmengen eingeführt. 
— Durch Definition setzen wir fest (vgl. Gleichung 118) 

((w = divS) = ^ / + ^e.V5:=^^^ (ii9) 

und nennen q w die räumliche Dichte der wahren Elektricität. 
Dabei ist an Stelle der früher mit einfachem q bezeichneten 
Dichte der freien Elektricität zur besseren Unterscheidung 
hier q f geschrieben. 

Zu beachten ist, dass q w und p/ sich nicht nur der Grösse 
und der räumlichen Vertheilung nach unterscheiden, sondern dass 
sie auch eine ganz verschiedene physikalische Bedeutung besitzen. 
Wir sind nämlich keineswegs berechtigt, die Dielektrieitäts- 
constante K, die wir durch die sie definirende Gleichung (115) 
einführten, als eine absolute Zahl anzusehen. Vielmehr 
spricht alle Wahrscheinlichkeit gegen diese allerdings oft ge- 
machte Annahme. Wenn aber die beiden Factoren 3> und GS, 
aus denen sich die Energie zusammensetzt, von verschiedener 
Art sind, trifft dies ebenso auch für die aus ihnen abgeleiteten 
Massen q w und Q/ zu. 

Dass überhaupt zwei ganz von einander verschiedene 
Werthe vorkommen, die nach dem herkömmlichen Gebrauche 
des Wortes beide mit demselben Rechte auf die Bezeichnung 
als Elektricitätsmengen Anspruch erheben können, weist schon 
darauf hin, mit welcher Vorsicht von diesem Begriffe der 
elektrischen Massen Gebrauch zu machen ist. Für die Max- 
welFsche Theorie sind die Elektricitätsmengen blosse Rechnungs- 
grössen, die zur Erleichterung der analytischen Behandlung 
in die Formeln eingeführt werden. 



Erstes Capitel. Die in der Elektricitätslehre vorkommenden Vectoren. 99 

§ 42. Vergleich, mit der Femwirkungstheorie. 

Die Femwirkungstheorie gründet sich aaf das Coulomb'sche 
Gesetz und baut die ganze Elektricitätslehre auf dem Funda- 
mente der Elektrostatik auf. Im Gegensatze dazu hat man 
heute vielfach die MaxwelPsche Theorie so dargestellt, dass 
die Elektrodynamik vorausgeht und das Couloinb'sche Gesetz 
als letzte Consequenz der ganzen Theorie abgeleitet wird. Der 
Nachweis , dass dies möglich ist, ist gewiss von Werth. 
Wenn man darin aber den natürlichen Entwickelungsgang 
der Theorie erblickt, vermag ich dem durchaus nicht zu- 
zustimmen. 

Man sagt wohl, dass ein höherer Grad der Gewissheit 
erreicht würde, wenn die ganze Theorie ausschliesslich auf 
die Lagrange'schen Gleichungen begründet wird. Aber auch 
hier laufen Voraussetzungen mit unter, vor allem schon die, 
dass überhaupt ein Substrat vorhanden ist, für das die 
Lagrange'schen Gleichungen gelten, die ursprünglich doch 
nur für die ponderable Materie bewiesen sind. Ich glaube 
daher nicht, dass diese Methode der Darstellung einen solchen 
besonderen Vorzug für sich in Anspruch nehmen darf: auch 
sie vermag nicht a priori den zwingenden Nachweis für die 
Richtigkeit des ganzen Systems zu führen und ist wie 
jede andere auf die Bestätigung durch die Erfahrung an- 
gewiesen. 

In der Vertheilung der Beweislast auf diese oder jene 
Gruppe von Behauptungen unter Einführung "dieser oder jener 
Voraussetzungen, für deren Zulässigkeit in letzter Instanz doch 
immer nur die Erfahrung den Ausschlag geben muss, vermag 
ich überhaupt nur eine Aeusserlichkeit und nicht den Kern 
der Maxweirschen Theorie zu erblicken. Ich halte es daher 
nicht nur für zulässig, sondern aus didaktischen Gründen 
auch für geboten, bei der Darstellung dieser Theorie von 
vornherein an elektrostatische Probleme und an die gewohntere 
Behandlung anzuknüpfen, die diesen von der Femwirkungs- 
theorie zu Theil wird. Der Vergleich der auf beiden Wegen 

7* 



100 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell 5 sehen Theorie. 

erhaltenen Ergebnisse kann nur zu klareren Anschauungen 
verhelfen. 

Zu diesem Zwecke leite ich zunächst den Green ? schen 
Lehrsatz ab. Aus Gleichung (78) S 61 folgt, wenn mau 
für A hier U und für SB hier VF schreibt, .wo U und Fzwei 
beliebige scalare Veränderliche sind 

div (UVF) = u- V 2 F + VJ7-VF 

Dabei war noch Gleichung (68) zu beachten. — Ich 
multiplicire jetzt diese Gleichung mit dem Kaumelemente dv 
und integrire sie über einen Theil des Raumes, der von einer 
bestimmten Fläche eingeschlossen wird. Bei der Ausführung 
dieser Integration erhält man auf der linken Seite einen Werth, 
für den man nach Gleichung (101) S. 77 setzen kann 

f div (U -VT) äv = -f(U'VV)9ti- df 

und daher schliesslich 

f\7U'W'dv+fU-V 2 Vdv+f(üVV)9tidf=0 (120) 

Diese Gleichung, in der die Integrale auf die Oberfläche und 
das Volumen des beliebig abgegrenzten Raumes auszudehnen 
sind, spricht den Green'schen Lehrsatz oder richtiger gesagt, 
einen der in enger Beziehung zu einander stehenden Green' 
sehen Sätze aus. Voraussetzung für seine Anwendung ist 
die Stetigkeit in der Aenderung von U 9 F, VC, VF. Im 
andern Falle sind die Unstetigkeitsstellen auszuscheiden und 
das Oberflächenintegral ist auf die diese Ausscheidung be- 
wirkenden Flächen mit zu erstrecken. 

Ich wende diesen Satz jetzt auf ein elektrostatisches Feld 
an, das von einer Vertheilung positiver und negativer freier 
Ladungen herrührt, deren Summe gleich Null ist. Damit ist 
schon ausgesprochen, dass geschlossene Kraftlinien nicht vor- 
kommen sollen und dass daher <S von einem Potentiale U 
abgeleitet werden kann. Wie wir früher sahen, können da- 
gegen geschlossene Verschiebungslinien vorkommen. Wir 
zerlegen aber dann 2>, wie in § 41, in zwei Componenten $' 



Erstes Capitel. Die in der Elektricitätslehre vorkommenden Vectoren. 101 

und $", von denen $" zu den geschlossenen Linien gehört. 
Zu $' lässt sich dagegen ein Potential angeben, das wir mit 
V bezeichnen, so dass 

ist. Wir wenden nun Gleichung (120) auf den ganzen un- 
endlichen Raum an, indem wir uns Unstetigkeitsstellen im 
Innern des Raumes durch continuirliche Uebergänge, wie es 
in § 40 erläutert wurde, vermieden denken. 

Da alle Kraftlinien und Verschiebungslinien im Innern des 
Raumes verlaufen (ausserdem auch ?7in unendlicher Entfernung 
zu Null wird), verschwindet in diesem Falle das Oberflächen- 
integral in Gleichung (120). Wenn wir noch V 2 F oder 
— div $ durch — q w (Gleichung 119) ersetzen, geht daher 
Gleichung (120) über in 

fö®äv=fUQ w dv (121) 

Die Integrale beziehen sich auf den ganzen unendlichen 
Raum; dabei ist wohl zu beachten, dass zwar die. ganzen 
Integrale, nicht aber ihre einzelnen, zu demselben dv gehörigen 
Elemente untereinander gleich sind. 

Nach Gleichung (116) ist die im ganzen Raum aufgespeicherte 
elektrostatische Energie 



T=±Jmdv = ±fv®dv + j /V 



Qbdv. 



Von diesen Ausdrücken unterscheidet sich die Hälfte der 
linken Seite von Gleichung (121) demnach durch das Fehlen 

des Gliedes y f &"(&dv. Ich werde aber jetzt beweisen, dass 

dieses den Werth Null hat. 

Zunächst erinnere man sich, dass der von $ abgetrennte 
Verschiebungsfluss 5>" nur zu geschlossenen Kraftlinien gehört, 
dass also div $" überall ist. Um das Raumintegral von 
£"(8 zu bilden, zerlege ich den ganzen Raum in geschlossene 
Röhren, deren Oberflächen aus Verschiebungslinien 2>" zu- 
sammengesetzt sind. Der Querschnitt einer solchen Röhre 



102 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der MaxwelFschen Theorie. 

sei df, ein Längenelement der Mittellinie sei als Vector be- 
trachtet mit d% } dessen Tensor mit ds bezeichnet. Zunächst 
tritt nun an die Stelle des Raumelementes dv das Product dfds. 
Für das Integral 

f%"%dfäs 

kann ferner, da nach der erfolgten Raumzerlegung d% überall 
in die Richtung von $" fällt, auch 

flT%dfä% 

geschrieben werden, wobei nun ZT der Tensor von $" ist. 
Für die ganze Röhre ist aber, nach ihrer Construction, der 
Verschiebungsfluss D' 'df durch alle Querschnitte constant. 
Er kann daher, wenn wir zunächst die Integration auf den 
ringförmigen Innenraum der Röhre ausdehnen, als constanter 
Factor vor das Integralzeichen gesetzt werden, so dass wir 
als Beitrag der Röhre zum ganzen Raumintegral erhalten 

D"dffm%. 

Nun sollte aber nach Voraussetzung <g zu einem rein 
elektrostatischen Felde gehören, also sein curl Null sein. Nach 
§ 30 ist aber dann das über die geschlossene Ringmittellinie 
erstreckte Integral f%d% gleich Null. Dies gilt für alle 
Röhren, in die sich der Raum zerlegen lässt und damit ist 
die vorhin aufgestellte Behauptung bewiesen. 

In Gleichung (121) gibt also die linke Seite für sich 
den doppelten Betrag der im Räume aufgespeicherten elektro- 
statischen Energie (wenn auch nicht in der richtigen Ver- 
keilung auf die einzelnen Volumenelemete) an. Dies gilt daher 
auch von dem Werthe auf der rechten Seite und wir erhalten 

T = ±j'üQ w dv (122) 

Diese Gleichung zeigt uns, dass ausser der nach der 
Maxweirschen Theorie vorausgesetzten Vertheilung der ganzen 
Energie auf die einzelnen Raumelemente noch eine zweite 
möglich ist, die im Einzelnen völlig von der vorigen abweicht, 



E rstes Capitel. Die in der Elektricitätslehre vorkommenden Vectoren. 103 

im Ganzen aber zu demselben Werthe führt. Es ist das die 
von der Fernwirkungstheorie angenommene Vertheilung. Um 
nämlich die elektrische Ladung herbeizuführen, kann man 
sich vorstellen, dass zuerst überall nur in davon vorhanden 
ist, wo n eine sehr grosse Zahl bedeutet. Dann führen wir 
das zweite ntel an seinen Platz u. s. f. Wenn dieser Process 
so weit vorgeschritten ist, dass die Ladung überall das #fache 
der Endladung beträgt, ist auch das Potential gleich x TJ y und 
um die nun folgende Erhöhung von xq w um dxg w durch- 
zuführen, muss für jedes Eaumelement die Arbeit xU • dxg^dv 
aufgewendet werden. Integriren wir dies nach x von bis 1, 
so werden wir unmittelbar zu dem oben stehenden Werthe 
von T geführt. 

Diese Betrachtung lehrt uns aber noch mehr als die 
blosse Möglichkeit; auf Grund der Fernwirkungstheorie den 
gesammten Energieinhalt zu berechnen. Sie zeigt uns 
nämlich auch, dass für die Bildung des Potentials TJ 
die freie Elektricität zu Grunde zu legen ist, während 
als Massen, auf die die daraus hervorgehenden 
Kräfte @ einwirken, die wahren Elektricitätsmengen 
angesehen werden müssen. 

Vertauscht man in der vorhergehenden Betrachtung die 
Bedeutungen von U und V miteinander, so erhält man 

f$'®dv = -füV 2 Vdv =fU47tQ f dv 

und nach Gleichung (119) 

9v — divS)' = div(- V TJ) — - V 2 U. 

Die Lösung der Gleichung \/ 2 U= — q w gibt aber nach 
Gleichung (111) S. 86 

J Aar 
und daher schliesslich 

T_i//S£.** (1H) 

was auf dasselbe hinaus kommt wie Gleichung (122). 



104 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

Man hat also entweder wie vorher das Potential 
von den freien Elektricitätsmengen zu bilden und 
die wahren Ladungen als Substrate der daraus her- 
vorgehenden Kräfte anzusehen oder umgekehrt, von 
den wahren Mengen das Potential zu nehmen und 
dieses auf die freien Ladungen anzuwenden. 

In dem zuletzt erwähntem Falle erhalten wir zwar bei 
Ausdehnung der Integration über den ganzen Raum den 
richtigen Werth der ganzen Energie T; die Vertheilung auf 
die einzelnen Raum demente weicht aber von der im anderen 
Falle ab, da die geschlossenen Verschiebungslinien $" aus dem 
Potentiale der wahren Elektricitätsmengen nicht ableitbar sind. 
Dies zeigt uns, dass wir zur Ermittlung der Vorgänge an 
einzelnen Stellen des Raumes immer nur das Potential der 
freien Ladungen zu nehmen und die wahren Ladungen als 
die zugehörigen Substrate anzusehen haben. 

Wenn ÜT überall constant ist, wird nach Gleichung (119) 

und man kann dann für (123) schreiben 

T = 1 Kff^fffdv = ijtff^Q*äv . (124) 

Stehen sich also zwei elektrisch geladene Hollundermark- 
kügelchen z. B. in Petroleum gegenüber und man soll angeben, 
wie sich die zwischen ihnen auftretende Kraft zu der in der 
freien Luft verhält, so muss unterschieden werden, ob sich 
dies auf gleiche freie oder auf gleiche wahre Ladungen der 
Kügelchen bezieht. 

§ 43. Leiter der Elektrieität. 

Elektrische Leiter sind solche Körper, die sich selbst über- 
lassen einen elektrostatischen Zwangszustand nicht dauernd auf- 
recht zu halten vermögen. War dieser zuerst auf irgend eine 
Weise herbeigeführt, so geht er, wenn der Körper dann sich 
selbst überlassen wird, langsamer oder schneller wieder zurück, 



Erstes Capitel. Die in der Elektricitätslehre vorkommenden Vectoren. 105 

wobei sich die damit verbundene Energie in Wärme verwandelt. 
Der Körper leitet um so besser, je schneller das Zurückgehen 
erfolgt. — Nach einiger Zeit ist Alles so ausgeglichen, dass im 
ganzen Innern des Leiters !$ und daher auch (S gleich Null sind. 
Man vermag aber auch solche Bedingungen herzustellen, 
die es verhindern, dass (8 im Innern eines Leiters verschwindet. 
Der dem (SS entsprechende Zwangszustand 2> ist dann wegen 
der Eigenschaften des Leiters in fortwährendem Zerfall, zu- 
gleich aber unter dem Einflüsse der äusseren Bedingungen, 
durch die wir das Verschwinden von Ob verhüten in stetiger 
Neubildung begriffen. Im Ganzen vermag er daher zwar 
ungeändert zu bleiben; aber auch in diesem Falle unter- 
scheidet sich der Leiter erheblich von einem Dielektricum. 
Der immer noch stetig fortdauernde Zerfall des Zwangs- 
zustanjles, der mit derselben Geschwindigkeit erfolgt, als 
wenn die im entgegengesetzten Sinne wirkenden Ursachen 
gar nicht vorhanden wären, bedingt eine Wärmeentwickelung, 
während mit diesen Ursachen selbst eine stetige Arbeits- 
leistung zur Neuschaffung der elektrostatischen Energie ver- 
bunden sein muss. Je besser der Körper leitet, d. h. je 
schneller der Zwangszustand im Dahinschwinden begriffen 
ist, desto grösser ist die Wärmeentwickelung und um so grösser 
muss daher auch die von jenen Ursachen gelieferte Energie 
sein, um die Kraft (S dauernd auf einer gegebenen Höhe zu 
erhalten. 

§ 44. Elektrostatik. 

Man spricht von einem Gleichgewichte der Elektricität 
gewöhnlich in dem Sinne, dass man dabei an eine Masse 
ähnlich der ponderablen Materie denkt, an der sich Kräfte im 
Gleichgewichte halten. Wenn man aber diese materialistische 
Vorstellung aufgibt, bedarf der Gleichgewichtsfall einer be- 
sonderen Definition. — Ein Dielektricum ist im elektro- 
statischen Gleichgewichte, wenn sich (S und daher auch $ 
im Laufe der Zeit nicht ändern. Bei einem Leiter müssen 
wir das Gleichgewicht aber anders definiren. Würden sich 



106 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der MaxwelFschen Theorie. 

nämlich (S und $ nicht ändern, so müsste, wie aus der im 
vorigen § gegebenen Definition des Leiters hervorgeht, der 
betreffenden Stelle, auf die sich @ und $ beziehen, fort- 
während Energie zugeführt werden, die sich dort in Wärme 
verwandelte. Wir können nun zwar einen solchen Zustand 
als einen constanten oder stationären, aber nicht wohl als 
einen Gleichgewichtszustand bezeichnen. Unter dem elektro- 
statischen Gleichgewichte versteht man vielmehr überall, 
gleichgültig welche Vorstellung man sonst mit diesem Worte 
verbindet, einen Zustand, bei dem keine Energieübertragungen 
oder Verwandlungen elektrostatischer Energie in Wärme vor- 
kommen. 

Nach der Definition des Leiters besteht der für diesen 
allein mögliche Gleichgewichtszustand darin, dass <S und $ 
im ganzen Inneren des Leiters gleich Null sind. Damit ver- 
schwinden auch die Divergenzen dieser Vectoren, d. h. im 
Gleichgewichtszustande kann im Innern eines Leiters weder 
freie noch wahre Elektricität enthalten sein. Wenn ein 
Leiter eine elektrische Ladung im Gleichgewichte enthält, 
kann sie daher nur an der Oberfläche ausgebreitet sein. 

Wenn wir uns für den Augenblick auf den Boden der 
materialistischen Auffassung der Elektricitätsmengen stellen 
wollen, können wir die Schwierigkeit, die sich für diese Auf- 
fassung durch die Concentrirung der elektrischen Massen auf 
Flächen ergibt, durch die folgende Betrachtung umgehen. 
Dabei sei die wahre Elektricität jene Grösse, die wir uns für 
den Augenblick als etwas Materielles vorstellen wollen. 

Nach Gleichung (119) ist q w = div$. Nehmen wir nun 
an, dass SD wörtlich eine Verschiebung einer den ganzen 
Raum ausfüllenden Masse, etwa des Aethers, bedeute, so dass 
die durch ein Flächenstück df hindurchgetretene Aethermenge 
= %>9tdf wäre, so folgt aus Gleichung (101) S. 77, dass eben- 
soviel Aether aus einer geschlossenen Fläche herausgetreten 
ist, als wahre Elektricität in den umschlossenen Raum auf 
irgend eine Weise hereingebracht wurde. Wir werden dann 
dazu geführt, die wahre Elektricitätsmenge selbst als eine 



Erstes Capitel. Die in der Elektricitätslehre vorkommenden Vectoren. 107 

solche Aethermenge aufzufassen, die wir durch besondere 
Mittel genöthigt haben, in den betreffenden Raum einzutreten 
und können Gleichung (101) dahin aussprechen, dass der 
Aether sich stets wie eine incompressible Flüssigkeit bewegt. 
Wahre Elektricität ist dann nicht ein Aetherüberschuss über 
den normalen Inhalt des Raumes, denn ein solcher kann 
überhaupt nicht zu Stande kommen, wenn der Aether sich 
nur wie eine unzusammendrückbare Flüssigkeit verschieben 
kann. Es ist vielmehr jener Aetherinhalt, der durch äussere 
Ursachen in den Raum eingedrängt wurde und der sich 
durch Verdrängung des früher dort befindlichen in die 
Nachbarschaft unter Ueberwindung einer dieser Verdrängung 
sich widersetzenden elastischen Kraft Platz schaffen musste. 
In den Leitern treten im ersten Augenblicke ebenfalls ela- 
stische Verschiebungswiderstände auf, die aber bei guten 
Leitern in sehr kurzer Zeit verschwinden, so dass im Gleich- 
gewichtsfall der Aether im Innern der Leiter nirgends an 
solchen in der Nachbarschaft angrenzt, der in elastischer 
Weise den früheren Ort wieder einzunehmen sucht. In dieser 
Lage ist nur der an den Grenzflächen zwischen dem Leiter 
und dem dielektrischen Medium vorhandene Aether. Wird 
der Leiter entladen, so wird die Verschiebung im Dielektricum 
überall rückgängig, dadurch tritt wieder Aether an den 
Grenzflächen in den Leiter zurück und zwar genau so viel, als 
auf andre Art durch die Entladung aus ihm entnommen wurde. 
Betrachten wir nun ein Stück df der Oberfläche eines kugel- 
förmigen Leiters vom Radius r und grenzen wir von df aus einen 
scheibenförmigen Raum ab, der sich um d\ in den Leiter 
und um dh 2 in das Dielektricum hinein erstreckt, so dass d\ 
und dh 2 senkrecht zu df stehen und das Volumen der Scheibe 
= {dh x + dhz) df ist. Wird die wahre Ladung der Kugel 
mit e bezeichnet, so kommt auf df der Betrag edf/± nr s t 
Der scheibenförmige Raum enthält genau soviel Aether wie 
im unelektrischen Zustande. Der in der äusseren Hälfte ent- 
haltene Aether sucht aber zum Theil in die innere Hälfte 
zurückzutreten und aus dieser die Menge ^^f/ijtr 2 zu ver- 



108 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

drängen. Es steht uns nun völlig frei, ob wir von dem 
Aetherinhalte der inneren Scheibenhälfte einen Theil, der 
gleich edf/± %r * ist, als die wahre Elektricität bezeichnen 
wollen, oder ob wir darunter eine ebensogrosse Aethermenge 
der äusseren Scheibenhälfte verstehen wollen, die in den 
Leiter zurücktreten muss, um den unelektrischen Zustand 
wieder herzustellen. Unter der Voraussetzung, dass d\ und 
dh 2 von vornherein gross genug gewählt waren, um mindestens 
die angegebene Menge edf/mr 2 zu umschliessen, ist es ganz 
gleichgültig, wie gross sie im Uebrigen gemacht waren. 

Verliert die geladene Kugel plötzlich die Eigenschaften 
eines Leiters und wird selbst zu einem Dielektricum, so hört 
die Möglichkeit der Entladung auf. Der elektrische Zustand 
bleibt dauernd erhalten, also sowohl die Verschiebung als 
die elektrostatische Energie im äusseren Dielektricum. Den 
Sitz des ganzen Zustandes bildet also offenbar dieses äussere 
Medium und das ist ein Grund dafür, dass wir besser die wahre 
Ladung in dieses Medium verlegen. 

Diese ganze Betrachtung soll aber nur dazu dienen, ein 
anschauliches Bild zu geben und dadurch die Vorstellungen 
zu erleichtern, — vielleicht auch, was sich ja bei allen 
solchen Versinnlichungsmitteln niemals ganz umgehen lässt, 
sie bis zu einem gewissen Grade zu leiten. Dagegen soll 
keineswegs damit behauptet werden, dass der Vorgang wirk- 
lich in der geschilderten Weise erfolgt. Die Betrachtung 
rührt in ihren Grundzügen von Maxwell selbst her und dieser 
Schöpfer der modernen Elektricitätslehre hat sich zweifellos 
bei allen seinen Untersuchungen von der Vorstellung leiten 
lassen, dass © eine elastische Verschiebung des Aethers 
ist und dass daher der Aether sich stets nur so zu bewegen 
vermag, dass sich seine Dichte nirgends ändert. 

§ 45. Fortsetzung. 

Zur weiteren Verdeutlichung des Unterschiedes zwischen 
wahrer und freier Elektricität betrachte man eine Metall- 



Erstes Capitel. Die in der Elektricit'ätslehre vorkommenden Vectoren. 109 

kugel, die zunächst von einer Kugelschale aus einem dielek- 
trischen Stoffe von der Dielektricitätscon stauten K t eingehüllt 
ist, während der ganze ausserhalb dieser Kugelschale liegende 
Raum bis auf weite Entfernungen von einem zweiten Medium 
mit der Constanten K 2 eingenommen wird. 

Der Metallkugel sei die wahre Elektricitätsmenge e w mit- 
getheilt. Die dielektrische Verschiebung ist dann in beiden 
Medien radial gerichtet und* im Abstände r vom Centrum 
gleich %/4?rr 2 . Sie erleidet keine Stetigkeitsunterbrechung 
beim Uebergange aus dem inneren in das äussere Medium 
und die Grenzfläche beider Medien ist daher frei von 
wahren Ladungen. Die wahre Ladung ist vielmehr aus- 
schliesslich auf die Grenzfläche zwischen der Metallkugel und 
dem an diese angrenzenden inneren Medium vertheilt. * Die 
Verschiebungslinien strahlen von ihr nach allen Richtungen 
gleichmässig aus und treten im weiteren Verlaufe ohne jede 
Aenderung in das äussere Medium über. 

Die elektrische Kraft (S erleidet dagegen beim Ueber- 
gang aus dem inneren in das äussere Medium eine Stetig- 
keitsunterbrechung. Unmittelbar vor der Grenzfläche (deren 
Radius = r 2 sei) im inneren Medium ist sie gleich ^ w lK x r 2 2 
(Gleichung 115, S. 91) und auf der anderen Seite nimmt sie den 
Werth e co/K 2 r 2 2 an. Daraus folgt, dass die Grenzfläche der 
Sitz einer Ladung mit „freier" Elektricität ist. Die Flächen- 
dichte dieser freien Ladung ergibt sich aus Gleichung (117) 
S. 93, wenn man sie auf einen scheibenförmigen Körper, wie 
er in § 44 betrachtet war, anwendet, gleich 



4:7tr 2 * 



U 2 KJ 



Wenn r t der Radius der Metallkugel ist, lässt sich für 
die Flächendichte der freien Ladung an der Oberfläche dieser 
Kugel in derselben Weise der Werth ableiten 

47rr 1 2 " K x * 



110 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

Die Summe der freien Ladungen beider Oberflächen 
oder die gesammte freie Ladung des ganzen Systems ej wird 
hiernach 

*-£ (125) 

d. h. das Verhältniss zwischen der wahren und der freien 
Ladung des ganzen Systems ist gleich der Dielektricitäts- 
constanten des äusseren Mecjiumj. Wie gross die des inne- 
ren schalenförmigen Körpers ist, kommt hierfür gar nicht in 
Betracht. 

Ist das äussere Medium Luft und setzt man für diese 
(durch passende Wahl der Einheiten, in denen <S und % aus- 
zumessen sind) ÜT 2 = 1, und fügt ferner noch die Annahme 
hinzu, dass K eine absolute Zahl, $ und <£ also Grössen 
gleicher Art seien, so kann man Gleichung (125) dahin aus- 
sprechen, dass die freie Ladung des ganzen Systems in diesem 
Falle gleich der wahren Ladung ist. Wie ich aber schon 
früher bemerkte, ist die erwähnte Annahme nicht nur will- 
kürlich, sondern auch durchaus unwahrscheinlich. Sie bildet 
ein Ueberbleibsel der Fernwirkungstheorie, das die Bildung 
klarer Begriffe erschwert und die Auseinanderhaltung von 
Grössen ganz verschiedener Art unmöglich macht. 

Was von den Ladungen gesagt war, gilt ebenso auch 
von den zu ihnen gehörigen Potentialen. Das Potential der 
wahren Ladungen ist überall ausserhalb der Metallkugel 
gleich e w /r. Das der freien Ladungen ist im inneren 
Medium gleich e w jr % • (}/K % — V^i) + e wJK^r und im äusseren 
gleich <y/r, d. h. gleich e w /K^ Für r = r 2 werden beide 
Ausdrücke einander gleich; die Differential quotienten erleiden 
aber an der Grenzfläche eine Stetigkeitsunterbrechung. 

§ 46. Der Condensator. 

Wir erhalten einen Condensator, wenn wir das äussere 
Medium des im vorigen § betrachteten Systems durch einen 
Leiter ersetzen. Es ist nicht nöthig, den ganzen äusseren 



Erstes Capitel. Die in der Elektricitätslehre vorkommenden Vectoren. 111 

Raum mit diesem Leiter auszufüllen, sondern es genügt schon, 
wenn wir das innere Medium mit einer dünnen Metallschicht 
bedecken, an die dann weiter nach aussen wieder Luft angrenzen 
kann. Die Zwischenschicht wollen wir uns sehr dünn im 
Vergleiche zu den Kngelradien r ± und r 2 vorstellen. Der zu 
einem kleinen Oberflächenstück df gehörige Theil des Con- 
densators kann dann ebensogut auch als Bestandtheil eines 
aus zwei benachbarten unendlich grossen ebenen Platten ge- 
bildeten Condensators angesehen werden. 

Durch experimentelle Hülfsmittel (Elektrisirmaschine oder 
galvanische Säule u. s. f.) ist es möglich, eine wahre Elek- 
tricitätsmenge e w von der äusseren Belegung auf die innere 
zu übertragen. Die wahre Ladung des ganzen Systems ist 
dann gleich Null. Der Verscbiebungsfluss geht in radialer 
Richtung und in symmetrischer Vertheilung von der inneren 
zur äusseren Belegung durch die dielektrische Zwischenschicht. 
Im ganzen übrigen Räume sind 3) und (8 Null. 

Für einen Punkt des Dielektricums im Abstände r vom 
Centrum hat die dielektrische Verschiebung wieder wie vorher 
die Grösse 0*0/4 «r*. Wir achten hier, wie in den vorigen 
Fällen, wieder nur auf die Tensoren, da die Richtungen von 
vornherein gegeben sind. Für E finden wir daher ^aJK x r 2 und 
für das Linienintegral von <S, d. h. für den Potentialunter- 
schied der freien Elektricitäten zwischen beiden Belegungen 
<SwJk x - (V/*! — yr 2 ). Die freie Elektricität der ganzen inneren 
Belegung ist ^JK X und die der äusseren ebensogross, aber 
negativ. Bezeichnen wir diesen Werth mit e^, so ist der 
Potentialunterschied auch gleich e f (}/r x — Vr 2 ). 

In § 42 war gezeigt, dass man entweder die Potentiale 
von den freien Elektricitätsmengen nehmen und als Massen, 
die der Wirkung der daraus hervorgehenden Kräfte unter- 
liegen, die wahren Elektricitätsmengen ansehen muss, oder 
umgekehrt, wenn die Potentialtheorie zur richtigen Darstellung 
der aufgespeicherten Energie führen soll. Wenden wir dies 
auf den Condensator an, so können wir sagen, dass die 
wahre Ladung e w einem Potentialunterschiede von der Grösse 



112 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell 1 sehen Theorie. 

^/üTj • (i/ Tl — l/ ra ) entspricht. Bezeichnen wir also als die 
Capacität des Condensators jene Grösse C, die mit dem von 
den freien Ladungen herrührenden Potentialunterschiede der 
Belegungen multiplicirt die Grösse der wahren Ladung an- 
gibt, so erhalten wir für den betrachteten Kugelcondeosator 

C=K^- = K ri .y .... (126) 

wenn zur Abkürzung das Verhältniss zwischen dem äusseren 
Kugelradius und der Dicke des Dielektricums mit y be- 
zeichnet wird. 

"Allgemein empfiehlt es sich, woran hier nochmals er- 
innert werden soll, die Potentiale stets von den freien 
Elektricitätsmengen zu nehmen und als Massen, die den 
Kräften (S unterliegen, demnach stets die wahren Elektricitäts- 
mengen anzusehen. Zunächst empfiehlt sich eine solche 
Festsetzung schon um Verwechselungen vorzubeugen. Ab- 
gesehen von der zu ihren Gunsten sprechenden Erwägung, 
die in § 42 erörtert wurde, ist aber die hier getroffene be- 
sonders noch dadurch gerechtfertigt, dass an der Grenzfläche 
von zwei dielektrischen Medien durch die blosse Ausbildung 
des elektrostatischen Feldes (durch Influenz), solange also 
nicht durch Vermittlung eines Leiters, der vorher an die 
Stelle gebracht wurde, eine Ladung unmittelbar durch Berührung 
mitgetheilt war, niemals wahre Ladungen auftreten können. 
Ferner sei noch darauf hingewiesen, dass C = Kr x wird, 
wenn r 2 = oo ist. Man drückt dies gewöhnlich so aus, dass 
für K = 1 die Capacität einer Kugel gleich dem Radius sei ; 
indessen ist hierbei das über die Dimensionen von K Gesagte 
wohl zu beachten. 

Dass die algebraische Summe der wahren Ladungen für 
ein vollständiges System stets gleich Null sein muss, geht 
schon unmittelbar aus dem Grundsatze hervor, dass die Aether- 
massen, durch deren Verschiebung wir uns die Ladungen 
hervorgebracht denken können, unzusammendrückbar sind. Von 
der Capacität einer isolirt aufgestellten leitenden Kugel kann 



Erstes Capitel. Die in der Elektricitätslenre vorkommenden Vectoren. 113 

man daher nur in dem Sinne reden, dass sie die eine Be- 
legung eines Condensators bildet, dessen andere Belegung 
sich in grosser Entfernung befindet. Um ein vollständiges 
System zu erhalten, müssen wir diese äussere Belegung noth- 
wendig mit in Rechnung ziehen. Bei der Art, wie das 
Experiment zur Bestimmung der Capacität der Kugel aus- 
geführt wird, bilden die Wände des Zimmers bezw. die im 
Zimmer vorhandenen Leiter die andere Belegung. 



§ 47. Das Gesetz von Coulomb. 

Das Coulorub'sche Gesetz bildet die experimentelle Grund- 
lage der Fernwirkungstheorie. In der MaxwelFschen Theorie 
kann es dagegen als eine Folgerung aus den Annahmen ab- 
geleitet werden, die dieser eigenthümlich sind. Es sind dies 
zwei Annähmen, nämlich erstens die Vorstellung über die 
Energievertheilung im elektrostatischen Felde, auf der die Auf- 
stellung von Gleichung (116) beruhte und zweitens die in § 44 
dargelegte Anschauung über die Eigenschaften des Vectors 2>, 
die in der Aussage gipfelt, dass innerhalb eines Dielektricums 
der Verschiebungsfluss durch eine geschlossene Fläche gleich 
Null ist, d. h. dass er die solenoidale Bedingung erfüllt. 

Wenn diese beiden hypothetischen Grundlagen gegeben 
sind, gelangt man daraus zunächst zum . Begriffe der freien 
und der wahren Elektricitätsmengen als Quellen für den Fluss 
der Vectoren (8 und $ und dann auch, freilich mit" Benutzung 
einer dritten Hypothese, zum Coulomb'schen Gesetze. Hierzu 
ist nämlich nur nöthig, den Ausdruck für die Energie des 
Feldes aufzustellen, das durch zwei sich gegenüber stehende 
Ladungen erzeugt wird und die Variation dieses Ausdruckes 
zu bilden, die durch eine kleine Lagenänderung der einen 
Ladung herbeigeführt wird. Nach dem Gesetze von der Er- 
haltung der Energie ist die berechnete Energieänderung 
ebensogross wie die Arbeit, die man zur Herbeiführung jener 
Lagenveränderung aufwenden muss, oder die man dabei ge- 
winnt. Damit ergibt sich die ponderomotorische Kraft zwischen 

Föppl, Maxwell'sche Theorie der Elektricität. 8 



114 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell' sehen Theorie. 

den Ladungen. Als dritte Hypothese kommt bei diesem 
Schlüsse, wie man sieht, noch die hinzu, dass andere Energie- 
umwandlungen ausser der zwischen der elektrostatischen 
Energie des Feldes und der geleisteten mechanischen Arbeit 
bei dem ganzen Vorgange nicht im. Spiele sind. 

Darum ist aber das Coulomb'sche Gesetz für die Max- 
welFsche Theorie nicht minder wichtig als für die Fern- 
wirkungstheorie. Es bestätigt, wenn auch nur in indirecter 
Weise, die Zulässigkeit der Hypothesen, die ihr zu Grunde 
liegen. Jede Theorie, die nicht zum Coulomb'sehen Gesetze 
führte, müsste von vornherein verworfen werden. Anderer- 
seits ist es aber natürlich auch nicht als ein Vorzug der 
MaxwelPschen Theorie aufzufassen, dass sie das Coulomb'sche 
Gesetz nicht als Hypothese oder als Erfahrungstatsache, 
sondern als Folgerung aus anderen Annahmen einführt. Ein 
Vorzug würde dies nur dann sein, wenn sich damit die Zahl 
der Hypothesen im Ganzen verminderte. 

Dagegen ist es als ein entschiedener Vorzug dieser Ab- 
leitung zu betrachten, dass der Einfluss des Mediums, in dem 
sich die beiden Elektricitätsmengen gegenüberstehen, dabei 
sofort zur Geltung gelangt. Die Fernwirkungstheorie vermag 
zwar auch anzugeben, wie gross z. B. die zwischen 2 geladenen 
Hollundermarkkügelchen auftretenden elektrostatischen Kräfte 
sind, die sich im Petroleum gegenüber stehen. Sie bedarf 
aber dazu einer verwickelten Betrachtung, die sich auch wieder 
auf eine Hypothese über die Constitution der Dielektrica 
stützen muss. 

Um die schon in ihren Umrissen beschriebene Herleitung 
wirklich auszuführen, stützen wir uns auf den in § 42 be- 
wiesenen Green'schen Satz, Gleichung (120). Dabei verstehen 
wir, wie dort, unter U das Potential der freien und unter V 
das der wahren Elektricitätsmengen. Die Energie des elektro- 
statischen Feldes ist nach Gleichung (116), mit Beachtung des 
in § 42 über den zu $" gehörigen Antheil Gefundenen, 



Erstes Capitel. Die m der Elektricitätslehre vorkommenden Vectoren. 115 

Wenn keine Leiter vorkommen, lässt sich dies, wie schon 
in § 42 gezeigt wurde, nach Gleichung (123) (bezw. mit Ver- 
tauschung in der Reihenfolge der Integration) auf 



■-M 



Q f dv 

Qwdv 



zurückführen. Bei einer Verschiebung, die wir dem einen 
Hollundermarkkügelchen so ertheilen, dass der Abstand a vom ' 
andern sich um da vergrössert, erhalten wir die Variation 
von T 

Die Ladungen, bezw. ihre Raumdichten Q f und q W7 haben 
sich bei der Verschiebung nicht geändert. 

Wenn das Medium nach allen Seiten unbegrenzt und K 
constant ist, brauchen wir nur auf die Ladungen zu achten, 
die an die Hollundermarkkügelchen selbst gebunden sind. Die 
Energie T besteht dann aus 4 Gliedern. Das erste Glied 
wird erhalten, wenn wir die Integrationen für die Q f und q w 
ausführen, die beide zum ersten Kügelchen gehören. Dieses 
Glied trägt nichts zu dT bei, da sich die Abstände r zwischen 
diesen Qfdv und Q w dv nicht ändern. Dasselbe gilt von dem 
zweiten Gliede, das durch die Combination der Ladungen des 
zweiten Kügelchens unter sich gewonnen wird. Zu dT tragen 
daher nur die beiden anderen Glieder von T bei, bei denen 
die freie Ladung des ersten Kügelchens mit der wahren 
Ladung des zweiten und umgekehrt combinirt ist. Wenn die 
Kügelchen klein genug im Vergleiche zu ihrem Abstände a 
sind, können wir bei der Ausrechnung von dT die Entfernung 
r zwischen je einem Qfdv des einen und Q w dv des anderen 
Kügelchens gleich a setzen und umgekehrt. Wird dann noch 
die ganze freie Ladung des ersten Kügelchens mit e} be- 
zeichnet u. s. w., so wird für eine in der Richtung von a er- 
folgende Verschiebung 



\T — — ( 1 Bf * e ™ j_ - 
'* \2 r 2 ~r 2 



8* 



116 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'sehen Theorie. 

Für ein positives da wird dT negativ, es wird also bei 
einer Vergrösserung des Abstandes eine äussere Arbeit ge- 
wonnen, d. h. die ponderomotorische Kraft besteht in einer Ab- 
stossung. 

' Beachtet man noch, dass nach Gleichung (125) e f = e w /K 
ist, so erhalten wir für die Grösse dieser abstossenden Kraft F 

e' e" e' f . e'J 

Führen wir die Kügelchen, die sich zuerst in Luft gegen- 
über standen, nachher in Petroleum über, ohne dass sie mit 
einem Leiter in Berührung kommen, so verkleinert sich dem- 
nach die ponderomotorische Kraft zwischen ihnen, da K für 
Petroleum (und überhaupt für alle flüssigen Dielektrica) grösser 
als für Luft ist. Bei der Ueberführung bleiben nämlich die 
wahren Ladungen e w ungeändert. 

Dagegen vergrössert sich die elektrostatische Kraft F in 
demselben Maasse wie JT, wenn wir die Kügelchen nachher 
wieder auf dasselbe Potential bringen, das sie in der Luft 
hatten. Denn das Potential ist von den freien Ladungen zu 
nehmen (§ 46) und für dieselbe Potentialvertheilung müssen 
daher die freien Ladungen, die sich in Folge des Eintauchens 
vermindert hatten, wieder auf den früheren Betrag gebracht 
werden. 

Gleichung (127) spricht das Coulonib'sche Gesetz in seiner 
verallgemeinerten Fassung aus. 

Die ganze Betrachtung ändert sich etwas, wenn die 
Kügelchen als Leiter aufzufassen sind. Diese Aenderung be- 
zieht sich indessen nur auf die Beweisführung, während das 
Schlussergebniss davon nicht berührt wird. 

In diesem Fälle wenden wir den Green'schen Satz auf 
den ganzen Raum mit Ausschluss der Leiter an. Im Innern 
des Dielektricums ist dann überall V 2 V = zu setzen und 
Gleichung (120) ergibt hier 

T = \Jmdv = \CvUVVdv = ±fu$9tidf. 



Erstes Capitel. Die in der Elektricitätslehre vorkommenden Vectoren. 117 

Das letzte Integral ist auf die beiden Flächen zu erstrecken, 
von denen die Leiter eingehüllt werden. Aus (8 = — \/U 

folgt \/ 2 U= — AitQf und U — I — — . Da der Durchmesser 

der Kugeln sehr klein sein sollte, können wir bei der Inte-, 
gration über eine jener Flächen U als constant ansehen. Da 
ferner f%%df gleich der wahren Ladung der betreffenden 
Kugel ist (denn % war bei der Anwendung des Green'schen 
Satzes die „innere" Normale für das Dielektricurn, bedeutet 
also für . den Kugelraum die nach aussen hin gehende), so folgt 

dT-^e'vdty + TeZdUt. 

Bei Ausführung der Variation an den Mittelwerthen U t 
und U 2 von U an den Kugeloberflächen kommt man genau 
wieder auf den früher für dT angegebenen Werth. Das Coulomb'- 
sche Gesetz ist demnach auch für diesen Fall eine Consequenz 
der Maxwell'schen Theorie. 

Man hätte diese ganze Betrachtung erheblich vereinfachen 
können, wenn man sofort auf die Definition zurückgegriffen 
hätte, durch die der Vector (& in § 38 eingeführt wurde. 
Dabei wäre indessen die Schwierigkeit aufgetaucht, welche 
Grösse als Substrat der Kraft (S zu betrachten wäre. Es 
hat sich jetzt herausgestellt, dass dies die wahre 
Ladung und nicht, wie man von vornherein hätte 
vermuthen können, die freie Ladung ist. 

§ 48. Maasseinheiten. 

Die bisherigen Entwickelungen sind ganz unabhängig 
davon, wie gross man die Maasseinheiten für die in ihnen 
vorkommenden Grössen wählen will. Ich beabsichtige auch 
nicht, hier eine bindende Festsetzung darüber zu machen. 
Nur daran soll ein für alle Male festgehalten werden, dass 
für die der gewöhnlichen Mechanik entnommenen Grössen 



118 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

das Centimeter-Gramm-Secunde-System (C.-G.-S.) gewählt wird. 
Die Einheit der Kraft ist daher 1 dyn und die Einheit der 
Energie 1 erg. 

Wählt man die Einheit der freien Ladung beliebig, so 
ist dadurch der Zahlenwerth des Coefficienten K (der Dielek- 
tricitätsconstanten für ein gegebenes Medium) nach Gleichung 
(127) mit bestimmt und ebenso folgt daraus die Einheit der 
wahren Ladung. Die verschiedenen Maasssysteme der elektro- 
statischen Grössen werden sich also dadurch characterisiren 
lassen, dass man den Werth von K für ein bestimmtes Medium 
angibt. 

Wählt man ÜT= 1 für das Vacuum, so erhält man das elek- 
trostatische Maasssystem. Im Vacuum gibt dann die Einheit der 
wahren Ladung zugleich die Einheit der freien Ladung an. Es ist 
in beiden Fällen jene Ladung, die auf eine ihr gleiche im 
Vacuum im Abstände von 1 cm eine ponderomotorische Kraft 
= 1 dyn ausübt. Diese Wahl vereinfacht zwar die Formeln 
der Elektrostatik ein wenig, sie hat aber den Nachtheil, dass 
sie den Unterschied zwischen freien und wahren Ladungen 
leicht verwischt. Wir werden daher K stets beibehalten. 

Viel mehr empfiehlt es sich, wie es J. J. Thomson ge- 
than hat, als die Einheit der wahren Ladung jene anzusehen, 
die bei der Elektrolyse durch je ein Jon übertragen wird. 
Indessen lässt sich, da wir nicht genau genug über die Zahl 
der Jonen in einem Gramm äquivalent unterrichtet sind, ihr 
genauer Werth vorläufig nicht feststellen. Es muss daher 
der Zukunft überlassen bleiben, jenen Werth von K für das 
Vacuum zu ermitteln, der aus dieser Festsetzung hervorgehen 
würde. 

§ 49. Die Dimensionen der elektrostatischen Grössen. 

Das Ziel der theoretischen Physik besteht darin, alle 
Naturerscheinungen auf die Gesetze der Mechanik zurück- 
zuführen, bezw. die Mechanik so zu erweitern, dass sie alle 
Phänomene zu erklären vermag. In der Mechanik kommen 
drei von einander unabhängige Arten von Grössen vor, aus 



Erstes Capitel. Die in der Elektricitätslehre vorkommenden Vectoren. 119 

denen sich alle übrigen ableiten lassen. Zwei davon sind die 
Zeit- und die Längehgrössen, als dritte Art kann man 
entweder Massen, Kräfte oder Energiegrössen (nach dem 
Vorschlage von Ostwald) wählen. Im C. - Gr. -S..- System ist 
als dritte Einheit die Masseneinheit gewählt; die Einheit der 
Kraft und die der Energie sind dann abgeleitete Einheiten. 

An sich wäre es nun wohl niörglich, dass bei einer Er- 
weiterung des Gebiets der Mechanik auch die Zahl der von" 
einander unabhängigen Fundamentalgrössen einer Erweiterung 
bedürfte. Man betrachtet es aber bis jetzt als wahrschein- 
lich, dass dies nicht zutrifft, dass vielmehr alle in der Physik 
vorkommenden Grössen aus den drei Grundmaassen abgeleitet 
werden können. Bis jetzt ist diese Ableitung für die elek- 
trischen und magnetischen Grössen nicht gelungen, d. h. man 
kennt ihre Dimensionen noch nicht. Willkürlich hat man 
zwar auf zwei verschiedene Arten diese Ableitung vor- 
genommen. Man unterschied zwischen den Dimensionen des 
elektrostatischen und des elektromagnetischen Systems. Selbst- 
verständlich kann es nur eine wahre Dimension für jede 
Grösse geben, woraus sofort zu schliessen ist, dass mindestens 
eines jener Systeme unzutreffend ist. Wahrscheinlich sind 
sie aber beide falsch. 

Nachdem lange Zeit hindurch ein unfruchtbarer, lang- 
wieriger Streit über diese Maasssysteme ausgefochten wurde, 
haben sich die Ansichten darüber in den letzten Jahren ge- 
klärt. Man sah ein, dass man vorläufig ganz darauf verzichten 
müsse, die elektrischen Grössen auf die drei Grundmaasse 
der Mechanik zurückzuführen, dass man vielmehr eine vierte 
Grösse, die vorläufig so wie eine neue Fundamentalgrösse zu 
behandeln ist, hinzu nehmen muss. Es bleibt dann der zu- 
künftigen Forschung die Entscheidung überlassen, ob diese 
vierte Grösse wirklich eine Fundamentalgrösse bildet, oder ob 
sie selbst auf die drei alten Grundmaasse der Mechanik zurück- 
geführt werden kann. 

Es steht uns auch hier wieder die Wahl frei, welche 
unter den in der Elektricitätslehre vorkommenden Grössen 



120 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

wir als vorläufig nicht weiter ableitbare Grösse behandeln 
wollen. Man thut indessen am besten, hierfür K zu wählen, 
weil man damit zu Ergebnissen gelangt, die sich ohne 
Weiteres mit den früher für richtig gehaltenen des elektro- 
statischen Maasssystems vergleichen lassen. 

Aus Gleichung (127) folgen dann sofort die Dimensionen 
der wahren und der freien Elektricitätsmengen, hieraus die 
Raumdichten der Ladungen, aus Gleichung (126) die Capa- 
cität, aus Gleiehung (119) die dielektrische Verschiebung u. s.w. 
Ich stelle diese Dimensionen in der folgenden Tabelle zu- 
sammen. 

Dimensionen der elektrostatischen Grössen. 

Energie ML 2 T~ 2 

Ponderomotorische Kraft .... MLI" 2 

i 1 -! i 
Wahre Elektricitätsmengen e w . . . M 2 L 2 T K 2 

1 _! _i i 
Raumdichte derselben q w . . . , M 2 L 2 T K 2 

1 i _x _i 

Freie Elektricitätsmengen e f . . . M 2 L 2 T K 2 

1 _± _! _± 
Raumdichte derselben f f M 2 L 2 I K 2 

Potential der freien Elektricität 7 . M 2 L 2 T K 2 

i _i _! i. 
Dielektrische Verschiebung 2) . . . M 2 L 2 T K 2 

Elektrische Kraft <g M 2 L 2 T K 2 

Elektrostatische Capacität G . . . L • K 
Dielektricitätsconstante K . . . . K. 

Man findet die wohl zweifellos irrthümlichen Angaben 
des elektrostatischen Maasssystems wieder, wenn man in dieser 
Liste überall K fortstreicht. Damit werden freie und wahre 
Elektricitätsmengen Grössen gleicher Art, ebenso die elektrische 
Kraft und die dielektrische Verschiebung. Dies alles ist-aber 
willkürlich und durchaus unglaubwürdig. Wahre und freie 
Elektricitätsmengen sind überall und namentlich auch in Be- 
zug auf die Dimensionen vollständig getrennt zu halten. 



Zweites Capitel. Die magnetischen Grössen. 121 

Zweites Capitel. 

Die magnetischen Grössen. 

§ 50. Die Dualität zwischen den elektrischen und den 
magnetischen Phänomenen. 

Aus der Geometrie der Lage ist das Gesetz der Dualität 

oder Reciprocität wohlbekannt. Nach ihm lässt sich durch 

blosse Vertauschung der Worte Punkt und Ebene u. s. w. zu 

jedem Lehrsätze der Geometrie des Raumes, der sich nicht 

auf metrische Verhältnisse bezieht, ein reciproker Satz angeben. 

Man schreibt dies oft in folgender Form an: Durch drei 

Punkte ,. , . -, T • • • ^ ^ • . eine 

— , die keine gerade Linie gemeinsam haben, ist — — , 

eine Ebene , . die , .. . Punkten 

und nur — : — ^ — =-r- bestimmt, - — den drei -= — — gemein- 
em Punkt der Ebenen ° 

sam zugehört. 

Man erhält zwei Sätze, je nachdem man die oberhalb 
oder unterhalb des Striches stehenden Worte wählt. Dabei 
ist dies Zusammentreffen nichts Zufälliges, es entspringt viel- 
mehr einer strengen Gesetzmässigkeit, die in den allgemeinen 
Eigenschaften des Baumes ihren Ursprung hat. Mit Hülfe 
der Lehre von den Polaren wird, diese Gesetzmässigkeit be- 
wiesen. 

Eine ganz ähnliche Dualität zeigt sich in der Elektricitäts- 
lehre zwischen den elektrischen und den magnetischen Grössen. 
Im Allgemeinen kann man aus irgend einem Satze der 
Elektricitätslehre einen neuen ableiten, der ebenfalls gültig 
bleibt, wenn man die Begriffe Elektricität und Magnetismus 
(und ebenso die zugehörigen) mit einander vertauscht. Nur 
soweit es sich um metrische Beziehungen handelt, lässt uns 
diese Regel im Stiche. So entsprechen z. B. den elektrischen 
Leitern keine magnetischen Leiter. Die Theorie lässt die 
Möglichkeit magnetischer Leiter bis zu einem gewissen Grade 
offen, die Erfahrung hat uns aber seither keine Körper dieser 



122 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der MaxwelFschen Theorie. 

Art geliefert. Man kann sagen, dass es sich hier um eine 
. rein metrische Beziehung handelt, insofern die magnetische 
Leitungsfähigkeit aller uns bekannten Körper den Werth 
Null hat. 

Wenn nun, von solchen Fällen abgesehen, eine Dualität 
zwischen Elektricität und Magnetismus besteht, die durchaus 
an das Dualitätsgesetz der Geometrie erinnert, so wird dadurch 
die Vermuthung geweckt, dass die eine Dualität in der 
andern ihren Grund hat. Ob und wie beide näher zusammen- 
hängen, vermag indessen vorläufig nicht entschieden zu 
werden. 

In jedem Falle wird aber die Betrachtung durch das 
Bestehen dieser Dualität sehr erleichtert. Die Zahl der 
Thatsachen, die man auf diesem Gebiete dem Gedächtnisse 
einzuprägen hat, wird dadurch fast auf die Hälfte vermindert. 
Weit wichtiger ist aber natürlich der Gewinn, der durch die 
auf der einen Seite erlangte Erkenntniss sofort auch für die 
andere Seite erzielt wird. Es ist eins der wichtigsten Ver- 
dienste, die sich 0. Heaviside um die Fortbildung der Max weg- 
sehen Theorie erworben hat, dass er diese Dualität scharf 
hervorhob und sie zum ersten Male in systematischer Weise 
beim Aufbau der ganzen Theorie verwerthet hat. 

§ 51. Kraft und Induetion im magnetischen Felde. 

Mit Rücksicht auf die besprochene Dualität kann dieses 
Capitel kürzer gefasst werden als das vorhergehende: es 
bildet nur das magnetische Analogon zu dem vorigen. 

Der elektrostatischen. Kraft (S entspricht hier die mag- 
netische Kraft $, die wir im magnetischen Felde beobachten. 
Auch sie bringt eine Art von Verschiebung zu Stande, die 
man aber hier als die magnetische Induetion ÜB bezeichnet. 
Dabei wird, wie früher 2), so hier SB dadurch eingeführt, 
dass es als der Factor bezeichnet wird, durch dessen Hinzu- 
treten zu*$, abgesehen von einem constanten Zahlenfactor, 
den wir beliebig beifügen dürfen und der nur auf die Fest- 



Zweites Capitel. Die magnetischen Grössen. 123 

Setzung der Einheiten von Einfluss ist, die magnetische 
Energie erhalten wird. Zwischen SB und § besteht in iso- 
tropen Medien die der Gleichung (114) oder (115) analoge 

» = [*.$, . . . . . . (128) 

Für anisotrope Körper gelten wieder dieselben Bemerkungen 
wie in § 38. 

Gegenüber Gleichung (115), S. 91 der wir dem Herkommen 
zuliebe den Vorzug vor Gleichung (114) einräumten, wird aller- 
dings durch Gleichung (128) eine Asymmetrie herbeigeführt, 
weil in dieser der Factor 1/4 it fehlt. Wir hätten dies ver- 
meiden können, wenn wir uns der Heaviside'schen Darstellungs- 
weise angeschlossen hätten. Indessen betrifft dies nur eine 
Aeusserlichkeit. 

Die durch Gleichung (128) definirte Grösse ft, die von 
dem Medium abhängt, wird die Permeabilität oder auch 
die Inductivität genannt. Zwischen beiden Bezeichnungen 
wird zuweilen ein Unterschied gemacht, insofern als man 
unter Permeabilität das Verhältniss p/p, , wo {i sich auf 
das Vacuum bezieht, verstanden wird. Die Permeabilität 
ist dann eine absolute Zahl, während die Inductivität eine 
physikalische Grösse von vorläufig unbekannten Dimensionen 
ist. Ich werde indessen einen solchen Unterschied hier nicht 
machen und beide Bezeichnungen als gleichwerthig ansehen. 
Selbstverständlich ist die Dimension von ji aber nicht zu ver- 
nachlässigen. 

An Stelle von Gleichung (116), S. 92 schreiben wir hier 
für die Energie im Volumenelemente 

dT-±B§äv-£Vdv-£mv. . (129) 

Es entspricht dies der oben für SB gegebenen Definition. 
Der Zahlenfactor 4tc ist in die Definitionsgleichung aus den 
vorher angegebenen Gründen eingeführt. 

Alles was früher über den Kraft- und den Verschiebungs- 
fluss im elektrostatischen Felde gesagt war, lässt sich ohne 
Weiteres auch auf den Kraft- und Inductionsfluss im magneti- 



124 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

sehen Felde übertragen. Namentlich bleibt die Veranschau- 
lichung, die von dem Verschiebungsflusse in § 44 gegeben 
wurde, ebenso auch für den Inductionsfluss anwendbar, mit dem 
einzigen Unterschiede, dass es nach unserer bisherigen Er- 
fahrung in der Natur keine magnetischen Leiter gibt. Als 
magnetischer Leiter wäre nämlich im Anschlüsse an den Be- 
griff des elektrischen Leiters ein Körper zu verstehen, in dem 
sich die Energie des magnetischen Zwanges mit einer von 
dem Grade der Leitungsfähigkeit abhängigen Geschwindig- 
keit in Wärme verwandelte, so dass wir dauernd Energie zu- 
führen müssten, um den magnetischen Zwangszustand aufrecht 
zu erhalten. Häufig wird das Wort freilich in einem anderen 
Sinne gebraucht und als magnetischer Leiter ein Körper be- 
zeichnet, der überhaupt magnetischen Kraft- oder Inductions- 
fluss aufzunehmen vermag. In diesem Sinne wären aber alle 
uns bekannten Körper und auch das Vacuum als magnetische 
Leiter zu bezeichnen. Es liegt daher gar keine Veranlassung 
zu einer solchen missbräuchlichen (weil mit dem Begriffe des 
elektrischen Leiters im Widerspruche stehenden) Anwendung 
dieser Bezeichnung vor. 

Da die Vorstellung einer Aetherverschiebung, wie sie in 
§ 44 dargelegt wurde, mit demselben Rechte für den mag- 
netischen Inductions- wie für den dielektrischen Verschiebungs- 
fluss in Anspruch genommen werden kann, liegt der Verdacht 
nahe genug, dass sie in keinem von beiden Fällen dem wahren 
Mechanismus des Vorganges entspricht. Sie ist aber auch 
nur als ein Veranschaulichungsmittel eingeführt worden ohne 
jeden Anspruch darauf, dass ihr .eine objeetive Bedeutung 
zukäme. 

§ 52. Veränderlichkeit von p. 

Die Permeabilität ft unterscheidet sich zunächst dadurch 
wesentlich von ihrem elektrischen Analogon -2/4«, dass sie 
bei den meisten Körpern* nur wenig von dem Werthe im 
Vacuum abweicht, bei einigen, den sogenannten diamagnetischen 
Körpern, um eine Kleinigkeit geringer als im Vacuum, bei 



Zweites Capitel. Die magnetischen Grössen. 125 

den magnetischen Metallen aber ganz bedeutend grösser wird 
und bei weichem Schmiedeeisen unter gewissen Umständen 
selbst einige Tausend mal so gross wird als für das Vacuum. 
Ausserdem ist sie aber auch, wenigstens bei den magnetischen. 
Metallen nicht constant. Unter verschiedenen Umständen 
vermag sich vielmehr ihr Werth für dasselbe Material in sehr 
weiten Grenzen zu ändern. 

Dieses Verhalten von ft hat zur Folge, dass die mag- 
netischen * Erscheinungen vielfach ein sehr verändertes Bild 
gegenüber den elektrostatischen darbieten und dass dadurch 
das enge Band zwischen den beiden Erscheinungsgruppen 
häufig verdeckt wird. Da es sich hierbei um metrische Be- 
ziehungen handelt, kann aber dadurch das in § 50 besprochene 
Reciproeitätsverhältniss nicht beeinträchtigt werden. 

In einem späteren Abschnitte werde ich auf dieses Ver- 
halten näher eingehen. 

§ 53. Freier und wahrer Magnetismus. 

Auch auf die Raumvertheilung der Vectoren 8$ und |> 
Hessen sich die Sätze der Potentialtheorie so wie früher zur 
Anwendung bringen, falls wie dort vorausgesetzt werden 
könnte, dass nur ungeschlossene Kraft- und Inductionslinien vor- 
kämen. Die Ausgangspunkte der Kraftlinien sind die fingirten 
Massen des „freien" Magnetismus. Bezeichnen wir dessen 
Kaumdichte mit 6 fl so ist ähnlich wie für q in § 39 zu setzen 

Gf = T~ div 6 . 

J 4:7t V 

Ebenso hat man für die Raumdichte des wahren 
Magnetismus durch Definition, in Anlehnung an § 41 

(S w = — div 33. 

Nun unterscheidet sich aber das Gebiet der magnetischen 
Erscheinungen dadurch von dem der elektrischen, dass keine 
magnetischen Leiter vorkommen. Wenn daher die in § 44 
entwickelte Anschauung über das Wesen der Verschiebung 



126 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der MaxwelFschen Theorie. 

auf das der Induction übertragen wird, gelangen wir sofort 
zu dein Schlussa, dass div $ gleich Null sein muss,.d. h. dass 
in der Natur wahrer Magnetismus überhaupt nicht 
.vorkommt. Die magnetischen Inductionslinien sind also 
sämmtlich in sich geschlossene Linien. Aufgaben, wie sie 
im vorhergehenden Capitel aus dem Gebiete der Elektrostatik 
behandelt wurden, bei denen stets vorausgesetzt wurde, dass 
geschlossene Kraftlinien nicht vorhanden wären, sondern dass 
alle im Felde vorhandenen von elektrischen Ladungen aus- 
gingen, fallen daher in der Lehre vom Magnetismus voll- 
ständig fort. Die Kräfte lassen sich nicht mehr in dem ganzen 
Gebiete von einem Potential ableiten (in einzelnen Theilen 
des Gebietes, z. B. in dem Luftraum ausserhalb eines Stahl- 
magneten ist dies zwar immer noch möglich), oder mit anderen 
Worten curl 3$ oder curl £ ist nicht mehr im ganzen Gebiete 
gleich Null. 

Die Aussage, dass ö w stets und überall gleich Null ist, 
oder mit andern Worten, dass in der Natur nur in sich ge- 
schlossene Inductionslinien auftreten können, ist eine der 
wichtigsten der Maxw einsehen Theorie in ihrer heutigen 
Fassung. In gewissem Sinne bildet sie eine neue Hypothese, 
insofern wenigstens, als angenommen wird, dass magnetische 
Leiter in der Natur überhaupt nicht vorkommen. Im andern 
Falle wäre wahrer Magnetismus möglich und man könnte 
durch Lostrennen sines Theiles von einem magnetisirten mag- 
netischen Leiter einen unipolaren Magneten erhalten, d. h. 
einen Körper, der sich im magnetischen Felde genau so ver- 
hielte, wie ein elektrisch geladenes Hollundermarkkügelchen 
im elektrostatischen Felde. Dies alles widerspricht aber der 
Erfahrung und man kann sagen, dass die Aussage <5 W = 
den Ausdruck dieser Erfahrung bildet. 



§ 54. Kraft- und Inchictionsnuss an der Grenze zweier Medien. 

An der Grenzfläche zweier Medien mit den Permeabilitäten 
p' und yJ f sei ein Flächenstück df abgegrenzt. W sei die in 



Zweites Capitel. Die magnetischen Grössen. 127 

das erste Medium hinein gerichtete Normale und 9t" = — 9t'. 
Die Induction 85' unmittelbar bei df im ersten Medium zer- 
legen wir in die Normalcomponente. 85« und die Tangential- 
componente SB/. Dieselben Zerlegungen seien auch mit 85 ", 
|>' und §" vorgenommen. 

Aus der im vorigen § begründeten Aussage, dass überall 

(^ = (130) 

oder, was auf dasselbe hinauskommt, div 85 = ist, folgt zu- 
nächst sofort 

83; = ©; (i3i) 

Grenzen wir nämlich einen scheibenförmigen Raum ab, 
dessen Mittelschnitt die Fläche df bildet und dessen zu df 
senkrechte Dicke unendlich klein zweiter Ordnung angenommen 
wird, so liefert die Anwendung von Gleichung (101) S. 77 
auf diesen Raum (da nur die beiden zu df parallelen Boden- 
flächen in Betracht kommen und div © = ist) 

Das scalare Product SB'JT gibt aber den Tensor von 85« 
an und ebenso 85" $' oder — 85" 9t" den von 85;, falls eine mit 9t' 
zusammenfallende Richtung der 85„ als positiv betrachtet wird. 
Da nun SB^ und 85»' jedenfalls gleich gerichtet sind und da sie 
auch, wie sich hier zeigte, gleiche Tensoren haben, so ist die 
durch Gleichung (131) ausgesprochene Behauptung bewiesen. 

Falls, wie wir annehmen, beide Medien isotrop sind, ist 
überall £ mit SB gleich gerichtet und 85 = pg. Aus Gleichung (131) 
folgt dann, dass 

p'$'n = [i"& (1§2) 

ist, d. h. die Normalcomponente von § erleidet an der Ober- 
fläche eine Stetigkeitsunterbrechung, indem sich ihr Werth beim 
Uebergang umgekehrt proportional zur Permeabilität ändert. 
Dieselbe Betrachtung bleibt übrigens auch dann noch 
anwendbar, wenn wir an Stelle der plötzlichen Aenderung 
von ft einen allmählichen Uebergang an der Grenzfläche vor- 
aussetzen, wie es im Allgemeinen einfacher ist und zweifellos 



128 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell' sehen Theorie. 

auch der Wahrheit besser entspricht. Man kann sich dann 
in der Uebergangsschicht Flächen von gleicher Permeabilität 
construirt denken. Gleichung (131) gilt dann in der ganzen 
Uebergangsschicht, wenn unter Jl die Normale zu diesen Flächen 
verstanden wird. Der vorher plötzliche Uebergang von $>» 
in §n 9 wie er durch Gleichung (132) ausgesprochen wird, ver- 
theilt sich hier auf die ganze Schichtdicke, ohne dass dadurch 
etwas am Endresultate geändert wurde. 

Setzt man in der Gleichung div 83 = für 83 den Werth 
l^£> ein und führt die Operation div nach Gleichung (78) S. 61 
aus, so erhält man 

j*div$ + §-Vp = (133) 

oder, wenn man div $ durch 4jr<7/ ersetzt und nach fy auflöst, 

ff _|yj, (134) 

wofür auch 6 f = — 83 V— geschrieben werden kann. 

Freier Magnetismus kann daher überall in der Natur nur 
dort vorkommen, wo sich p, ändert. Mit Rücksicht darauf, 
dass nach § 18 der Vector V/x senkrecht zu den Flächen 
gleicher Permeabilität steht und daher £>*V^ Null ist, lässt 
sich Gleichung (134) übrigens auch ersetzen durch 

<V = - %^ (134 a ) 

Bei ausschliesslich tangentialem Kraftflusse tritt daher an 
der Grenzfläche zweier Medien kein freier Magnetismus auf. 

Um zu erkennen, wie sich die tangentialen Componenten 
von $ und 83 beim Durchgange durch die Grenzfläche ändern, 
lege ich in beliebiger Richtung eine Ebene durch die Normalen 
W und W und betrachte die Schnittfigur, die diese Ebene 
mit dem vorher besprochenen scheibenförmigen Räume bildet. 
Sie bildet ein Rechteck, von dem zwei Seiten unendlich klein 
erster Ordnung sind, wovon eine im Medium 1 und die andere 
im Medium 2 verläuft, während die beiden anderen Seiten 



Zweites Capitel. Die magnetischen Grössen. 129 

von der zweiten Ordnung unendlich klein sind und die Grenz- 
schicht durchkreuzen. Auf den Umfang und die Fläche dieses 
Rechtecks wende ich den durch Gleichung (90) ausgesprochenen 
Satz von Stokes an. Falls in dem scheibenförmigen Räume 
überall curl £ = ist, d. h. falls in diesem Räume § von 
einem Potentiale abgeleitet werden kann, muss nach diesem 
Satze das Linienintegral f$d% über den Rechtecks umfang 
gleich Null sein. Dies gilt für jede Stellung der durch die 
Normale 91 geführten Schnittebene; daraus folgt, dass unter 
der bezeichneten Voraussetzung 

$; = $/'• (135) 

ist. Da die Fläche des Rechtecks unendlich klein zweiter 
Ordnung ist, gilt diese Gleichung bis auf unendlich kleine 
Grössen auch dann noch, wenn curl $ nicht Null, aber auch 
nicht sehr gross im Vergleiche zu $ ist. Wie sich später 
zeigen wird, trifft der hier ausgeschlossene Fall dann ein, 
wenn sich in der Grenzschicht eine Oberflächenvertheilung 
elektrischer Ströme concentrirt. In diesem Falle wird daher 
Gleichung (135) ungültig. In jedem andern Falle können 
wir aus Gleichung (135) weiter schliessen, dass 

»; : »/' = p' : p" (136) 

ist. Eine stetige Aenderung von $ t beim Durchgange durch 
die Grenzfläche, wie wir sie als Regel zu betrachten haben, 
die nur in gewissen Fällen eine Ausnahme erleidet, hat also 
eine sprungweise Aenderung von 83* zur Folge, so jedoch, dass 
sich diese plötzliche Aenderung nur auf den Tensor und nicht 
auf die Richtung von SB, bezieht. In dem scheibenförmigen 
Räume an der Grenzfläche ist daher curl 83 nicht Null, sondern 
sehr gross im Vergleich zu JB selbst, wenn curl § Null ist. 
JB kann daher in diesem Räume nicht von einem Potentiale 
abgeleitet werden, wenn dies von $ zutrifft. Auf jeder Seite 
der Grenzschicht für sich genommen, bleibt dies dagegen noch 
möglich: das fi-facbe des Potentials von $ (falls ein solches 
besteht) gibt dann auf jeder Seite das von SB an. 

Föppl, Maxwell'sche Theorie der Elektricität. 9 



130 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

§ 55. Magnetisch weiche und magnetisch harte Körper. 

Ein Körper werde als magnetisch weich bezeichnet, wenn 
innerhalb desselben curl § überall gleich Null ist, falls er 
sich im elektrischen Gleichgewichte (§ 44) befindet. Die 
magnetische Kraft $ kann unter dieser Voraussetzung in dem 
Körper von einem Potentiale abgeleitet werden. In der Fern- 
wirkungstheorie wird dies stillschweigend von allen Körpern 
vorausgesetzt. Der Erfahrung nach trifft es bei der Mehrzahl 
der Körner zu, aber nicht bei allen. 

Es muss nämlich auch magnetisch harte Körper geben, 
wie ich bei einer anderen Gelegenheit nachwies, also solche, in 
denen curl§ auch bei elektrischem Gleichgewichte nicht ver- 
schwindet, in denen sich also § auch in diesem Falle nicht 
mehr von einem Potentiale ableiten lässt. 

Um dies zu beweisen, ist es nur nöthig, die in § 42 für 
die elektrostatischen Vectoren $ und (SS durchgeführten Be- 
trachtungen auf die magnetischen Vectoren SB und £>, für die 
sie ebenso gültig bleiben, zu übertragen. Nach Gleichung (129) 
S. 123 ist die magnetische Energie im Volumenelement gleich 
y&x • SB§ • dv. Zerlegen wir wie in § 42 8} in 8' und SB", so ist, 
da wahrer Magnetismus nicht möglich ist, SB' gleich Null, d. h. 
SB hat von vornherein den Werth SB". Nehmen wir nun an, dass 
im ganzen magnetischen Felde nur magnetisch weiche Körper 
vorkommen, die sich im elektrischen Gleichgewichte befinden, 
so muss curl $ überall Null sein. Zerlegen wir daher den 
ganzen Raum in ringförmige Röhren, die dem Laufe der In- 
düctionslinien folgen, so finden wir, wie in § 42, dass das 
Integral 

)dv 



lf®"*< 



für jede Röhre und daher für das ganze Feld zu Null wird. 
Da aber zur Energie jedes Volumenelement im Ganzen ge- 
nommen nur einen positiven Beitrag liefern kann, so muss, 
wenn die Energie für den ganzen Raum zu Null wird, sie 
auch für jedes Volumenelement verschwinden, d. h. in einem 



Zweites Capitel. Die magnetischen Grössen. 131 

Felde, das nur aus magnetisch weichen Körpern im 
elektrischen Gleichgewichte gebildet ist, kann kein 
magnetischer Kraft- oder Inductionsfluss bestehen. 

Die Erfahrung lehrt aber, dass es Körper gibt — in 
erster Linie nämlich die Stahlmagnete — , die auch bei elek- 
trischem Gleichgewichte einen magnetischen Kraftfluss auf- 
recht zu halten vermögen. Diese sind also in dem hier defi- 
nirten Sinne magnetisch hart, d. h. die magnetische Kraft $ 
kann in ihnen jiicht von einem Potentiale abgeleitet werden, 
es kommen vielmehr in einem Systeme, das Stahlmagnete 
oder überhaupt remanente Magnete enthält, stets geschlossene 
Kraftlinien vor. 

Zur Pernhaltung von Missverständnissen sei noch darauf 
hingewiesen, dass die soeben durchgeführte Schlussweise, dass 
SB" und § überall Null sein müssen, wenn das Eaumintegral 
ihres scalaren Productes verschwindet, nur deshalb zulässig 
ist, weil SB" das ganze SB angibt, so dass SB" = ft§ gesetzt 
werden kann. Das scalare Product SB"# geht dadurch in 
p (|>) 2 über und dass eine Summe von lauter Quadraten nur 
dann verschwinden kann, wenn jedes Glied zu Null wird, ist 
ohne Weiteres klar. In § 42 hätte man dagegen nicht ebenso 
schliessen dürfen, dass 2>" und <S überall Null sein müssten, 
weil dort £)" nur einen Theil des ganzen Verschiebungsflusses 
ausmachte. 

Ausdrücklich sei übrigens noch bemerkt, dass die Unter- 
scheidung zwischen weichen und harten Körpern ebenso auch 
bei den dielektrischen Medien gemacht werden könnte. Wir 
haben wenigstens die Möglichkeit im Auge zu behalten, dass 
es auch dielektrische Medien geben könnte, die sich gegen 
den elektrischen Kraft- und Verschiebungsfluss ebenso ver- 
hielten, wie die verschiedenen Eisensorten gegen den mag- 
netischen Kraft- und Inductionsfluss. Auf den ersten Blick 
hat diese Annahme sogar viel Wahrscheinlichkeit für sich, 
wenn man das dielektrisehe Verhalten der Krystalle, nament- 
lich die pyroelektrischen Erscheinungen verfolgt. Der Turma- 
lin ist schon oft mit einem Magnete verglichen worden. 



132 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der MaxwelFschen Theorie. 

Man hätte dabei nur zu beachten, dass der Vorgang auf dem 
elektrischen Gebiete mit der Möglichkeit einer Leitung der 
Elektrieität complicirt ist. In der That sieht man leicht ein, 
dass z. B. ein Stahlmagnet sehr bald an der Oberfläche mit 
einer Schicht von wahrem Magnetismus belegt würde, die 
den Inductionsfluss aus dem Inneren des Magneten vollständig 
abfinge, falls die Luft, wenn auch nur in geringem Grade, 
(oder eine sich auf der Oberfläche condensirende Feuchtigkeits- 
schicht u. s. w.) magnetisch zu leiten vermochte. Aeusser- 
lich wäre von dem remanenten Magnetismus dann gar nichts 
mehr wahrzunehmen*, es könnte aber sein, dass etwa bei 
einer Erwärmung, bei der wir alle magnetischen Leiter sorg- 
fältig fern hielten, eine Veränderung in dem remanenten 
Inductionsflusse erfolgte, während die an der Oberfläche an- 
gesammelten wahren magnetischen Ladungen verhindert wären, 
sich damit ins Gleichgewicht zu setzen. Die Folge der Er- 
wärmung wäre daher ein Uebertreten der Inductionslinien in 
den vorher davor geschirmten äusseren Raum, d. h. wft* 
hätten damit ein magnetisches Analogon zur Pyroelektricität 
construiri 

Auch die Rückstandsbildungen bei der Entladung von 
Condensatoren könnten von einer „dielektrischen Härte" (ana- 
log der magnetischen Härte) herrühren und man könnte das 
Fehlen einer dauernden „Dielektrisirung" damit begründen, 
dass alle Dielektrica (mit Ausnahme des Vaeuums) zugleich, 
wenn auch nur in sehr geringem Grade elektrisch leiten. 

So nahe aber auch alle diese Annahmen liegen, so muss 
man doch auf die durch sie gebotenen Erklärungen jener 
noch wenig verstandenen Erscheinungen verzichten. Nament- 
lich muss man sich hüten, den sonst sehr # treffend gewählten 
Vergleich des Turmalins mit einem Magneten dahin zu er- 
weitern, dass man nach dem Reciprocitätsgesetze zwischen 
den elektrischen und den magnetischen Erscheinungen den einen 
in strengem Sinne als zugeordnet zu dem andern betrachtete. 

Verwehrt wird uns dies durch das Gesetz von der Er- 
haltung der Energie. Stellen wir uns nämlich vor, dass in 



Zweites Capitel. Die magnetischen Grössen. 133 

einem Systeme, das sich in stationärem Zustande, namentlich 
also auch im magnetischen Gleichgewichte (vgl. die Defini- 
tion des elektrischen Gleichgewichts in § 44) befindet, ge- 
schlossene Kraftlinien (S vorkämen, so könnten wir in einen 
Hohlraum, der einer solchen geschlossenen Kraftröhre folgte, 
ein mit wahrer Elektricität geladenes Hollundermarkkügelchen 
einsetzen und erhielten damit ein Perpetuum mobile. Das 
Kügelehen würde nämlich, wenn es die geschlossene Kraft- 
linie als Bahn verfolgte, unausgesetzt im Sinne der Kraft 
weiter gehen und es würde daher unaufhörlich Arbeit geleistet, 
die nach aussen entnommen werden könnte, ohne dass irgend 
ein Aequivalent dafür aufgewendet würde. (Vgl. indessen 
hierzu § 82; auf die thermoelektrischen und die .übrigen 
eingeprägten Kräfte ist bei dieser Betrachtung keine Rück- 
sicht genommen.) 

Wir können daher nicht annehmen, dass im Zustande 
magnetischen Gleichgewichtes geschlossene elektrische Kraft- 
linien in einem Systeme auftreten könnten, d. h. wir müssen 
annehmen, dass alle nichtleitenden Körper dielektrisch 
weich sind. So lange keine magnetischen Ströme vor-^ 
kommen, lässt sich also die elektrische Kraft (S stets von 
einem einwerthigen Potentiale ableiten, wie es von der Fern- 
wirkungstheorie von vornherein vorausgesetzt wird. 

Man könnte vielleicht meinen, dass der auf Grund des 
Energieprincips gegebene Beweis für die Unmöglichkeit ge- 
schlossener elektrischer Kraftlinien bei magnetischem Gleich- 
gewichte ebenso auch gegen den im Eingange dieses § nach- 
gewiesenen Schluss sprechen müsse, dass nämlich im Innern 
von Stahlmagueten auch bei elektrischem Gleichgewichte ge- 
schlossene magnetische Kraftlinien bestehen. In der That 
gleichen sich beide Fälle sonst vollkommen, es besteht nur 
der Unterschied, dass auf der magnetischen Seite dem elek- 
trisch geladenen Hollundermarkkügelchen kein Analogon zur 
Seite gestellt werden l^ann, da wahrer Magnetismus in der 
Natur nicht vorkommt (vgl. § 53). Dieses Fehlen des wahren 
Magnetismus hat daher einerseits, wie aus dem im Anfange 



134 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der MaxweH'schen Theorie. 

des § gegebenen Beweise hervorgeht, zur Folge, dass die 
Vertheilung der Kraft § in eintjm Stahlrnagnete auch bei 
elektrischem Gleichgewichte nicht wirbelfrei (also von einem 
Potentiale ableitbar) sein kann und sie verhindert andererseits 
zugleich auch, dass eine wirbelartige Vertheilung von $ mit 
dem ersten Hauptsatze der Energetik in Widerspruch geräth. 
Auch gegen die wirbelartige Vertheilung der elektrischen 
Verschiebung in den Uebergangsschichten, die wir in § 40 
nachwiesen, lässt sich diese Schlussweise nicht anwenden, da 
nach den auf Gleichung (123) S. 103 folgenden Bemerkungen 
die ponderomotorischen Kräfte stets so zu berechnen sind, dass 
sie von freien Ladungen ausgehen und auf wahre Ladungen 
einwirken. Sobald sich daher <£ von einem Potentiale ab- 
leiten lässt, ist ein solches Perpetuum mobile unmöglich, 
wenn auch $ eine wirbelartige Vertheilung besitzt. ' 



§ 56. Vergleich mit der Fernwirkungstheorie. 

Die zwischen zwei Magneten auftretenden Kräfte sind 
derart vertheilt, als wenn sie von positiven und negativen 
magnetischen Massen ausgingen, die Fernkräfte nach dem 
Coulomb'schen Gesetze auf einander ausübten. Es handelt 
sich hier darum, zu zeigen, wie die Vertheilung dieser Massen 
gewählt werden muss, damit übereinstimmende Ergebnisse er- 
halten werden. 

Wir stellen uns der Einfachheit wegen nur zwei Mag- 
nete M x und M 2 vor, die aufeinander wirken. Bei einer be- 
stimmten Lage kann dann nach unserer Auffassung die ge- 
sammte magnetische Energie zerlegt werden in die Bestandtheile 
T ± und T 2} die sich auf die von den Magneten selbst ein- 
genommenen Räume beziehen und den Bestandtheil T, der 
sich auf den Luftraum bezieht. Bei einer Lagenänderung der 
Magnete M t und M 2 möge sich deren Energieinhalt T x bezw. T 2 
nicht ändern, so dass nur die Aenderung von T in Betracht 
kommt. In der That wird auch in der Fernwirkungstheorie 
bei der Betrachtung der Kräfte zwischen zwei Magneten vor- 



Zweites Capitel. Die magnetischen Grössen. 135 

ausgesetzt, dass die beiden Magnete sieh in ihrer Magneti- 
sirung gegenseitig nicht beeinflussen, dass sie, wie man sagt, 
starr magnetisirt sind. 

Die ponderomotorischen Kräfte, die wir zwischen den 
Magneten annehmen, müssen nun jedenfalls die Bedingung 
erfüllen, dass für jede beliebige Lagenänderung die von ihnen 
geleistete Arbeit gleich der Aenderung der magnetischen 
Energie, also da T ± und T 2 unveränderlich bleiben sollten, 
gleich der Aenderung von T sein muss. Je zwei Systeme 
von Kräften, die diese Bedingungen erfüllen, sind (nach dem 
Principe der virtuellen Geschwindigkeiten) einander mechanisch 
äquivalent. 

Nach Gleichung (129) S. 123 ist T, von einem constanten 
Coefficienten abgesehen, gleich, dem über den ganzen Raum, 
mit Ausschluss der Magnete M x tind M 2 selbst genommenen 
Integrale aus dem scalären Producte von SB und #, also 



I-±fWv. 



Jedenfalls ist aber die Luft ein magnetisch weicher Körper. 
Setzen wir also elektrisches Gleichgewicht voraus, so ist in 
dem ganzen Räume, auf den sich T bezieht, sowohl SB als § 
wirbellos vertheilt. Aehnlich wie in § 42 $ und d, können 
wir daher hier SB und § von Potentialen ableiten, die jetzt 
allerdings nur für den Luftraum gültig bleiben. 

Setzen wir im Lufträume 

§= -VCT und SB = — VF 

und wenden den Green'schen Lehrsatz (Gleichung 120) S. 100 
an, so erhalten wir 

f®§dv—füdivf8dv-fü®9tidf=0. 

Das zweite Glied dieser Gleichung fällt aber hier fort, da 
nach der Grundlage der Theorie überall div 85 == ist. Hier- 
mit geht der für T vorher aufgestellte Werth über in 

T~±fmfraf ..... (137) 



136 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell' sehen Theorie. 

Die Integration ist auf die Grenzen des Luftraums, also 
auf die ^ Oberflächen der beiden Magnete und auf die den 
ganzen Raum von aussen umschliessende Fläche zu erstrecken. 
Falls äussere Störungen (z. B. das magnetische Feld der Erde) 
fern gehalten sind, kommt aber das zuletzt genannte Integral 
nicht weiter in Betracht, wenn wir uns die äussere Grenz- 
fläche weit genug abliegend denken, so dass JB und U auf 
ihr überall verschwinden. 

Gleichung (137) lehrt uns daher, dass die im Lufträume 
aufgespeicherte Energie demselben Betrage nach in jeder 
Lage auch .dadurch gefunden wird, dass man eine Massen- 
vertheilung von wahrem Magnetismus von der Grösse ®$i/4« 
auf der Oberfläche jedes Magneten annimmt und als Kraft, 
die an der Einheit dieser Massen wirkt, § ansieht. Denn 
aus den auf den jetzige'n Fall sofort übertragbaren Be- 
merkungen, die auf Gleichung (122) S. 102 folgten, geht sofort 
hervor, dass die äussere Arbeit, die geleistet werden muss, 
um die Massen — aus unendlicher Ferne her — an ihre 
Stellen zu bringen und dabei die proportional mit den je- 
weiligen Massenanhäufungen wachsenden Kräfte § zu über- 
winden, durch den angegebenen Ausdruck richtig dargestellt 
wird. Demnach ist auch, wie es vorher verlangt war, die 
einer beliebigen Lagenveränderung der Magnete entsprechende 
Aenderung in der potentiellen Energie gleich der Arbeit der 
an den fingirten Massen wirkenden Kräfte. 

Es bleibt nun noch übrig, eine Vertheilung freier mag- 
netischer Massen anzugeben, die zu dem Potentiale U im 
Lufträume und dem daraus entspringenden Kraftflusse $ führt. 
Aus den Sätzen der Potentialtheorie (§ 37) ergibt sich diese 
Massenvertheilung leicht, wenn der Kraftfluss zu einem Po- 
tentiale gehört und im ganzen Räume als gegeben angesehen 
werden kann. Hier haben wir aber mit der Schwierigkeit zu 
kämpfen, dass die Kraft § überhaupt nicht im ganzen Räume 
von einem Potentiale abgeleitet werden kann (§ 55). Zerlegen 
wir also § in eine wirbelfreie und in eine solenoidal ver- 
theilte Componente ; so vermögen wir vorläufig nur jene 



Zweites Capitel. Die magnetischen Grössen. 137 

Massenvertheilung zu finden, die zur ersten Componenten 
gehört. 

Diese lässt sich leicht ermitteln. Nach Gleichung (134) 
haben wir für die Raumdichte des freien Magnetismus 

J 4:7t fl 

Im Innern der Eisenmassen können wir p als constant* 
ansehen. Dort ist daher, wie sich schon in § 55 ergab, ö) 
überall gleich Null. Die freien magnetischen Massen ver- 
theilen sich ausschliesslich über die Grenzschichten, in denen 
p schnell bis auf den Werth jt , den es in der Luft annimmt, 
zurückgeht. Um zu berechnen, wie gross der freie Magnetis- 
mus ist, der zu einem Flächenelemente df der äusseren 
Grenzfläche des Magneten gehört, betrachte ich eine Inductions- 
röhre, die durch den Umriss von df geführt ist. Ein Vo- 
lumenelement dieser Röhre, das in der Grenzschicht liegen 
möge, kann gleich qd# gesetzt werden, wenn q den senkrecht 
zu 83 gezogenen Querschnitt der Inductionsröhre und dz den 
Abstand zwischen zwei auf einander folgenden Querschnitten 
bedeutet. Fassen wir diesen Abstand als Vectorgrösse auf, 
"so ist er mit t?j zu bezeichnen; da er mit © gleich gerichtet 
sein soll, haben wir 

Bd% = ®d0. 

Der Inhalt an freiem Magnetismus in dem beschriebenen 
Volumenelemente ist gleich 



ö 1 



Um die ganze zu df gehörende Masse zu erhalten, haben 
wir diesen Ausdruck über die Dicke der Uebergangsschicht 
zu integriren. Dabei ist aber Bq wegen der solenoidalen 
Vertheijung von B constant; das Product gibt die „Zahl der 
Inductionslinien" an, die schliesslich durch die äussere Grenz- 
fläche, also durch df in den Luftraum übertreten. Dem- 
nach ist 

Bq = Qfbdf 



138 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der MaxweH'schen Theorie. 

wo 0li ; wie in Gleichung (137) (deren Ableitung zu Folge) 
die innere Normale für den Luftraum, für den Eisenraum 
also die nach aussen gerichtete Normale bedeutet. 

Nach § 18 stellt ferner d $ • V- die Aenderung von l/f* 

für eine Verschiebung* um c?j dar. Für den Uebergang durch 
die ganze Grenzschicht ist daher das Integral davon gleich 
%1 //*o ~~ Vf*- ^ur Fläche df gehört also eine in der Ueber- 
gangsschicht enthaltene Belegung mit freiem Magnetismus 
von der Grösse 



d f.l^JbL. 

4:7t ' llll Q 

Die Belegung mit freiem Magnetismus ist also der vor- 
her gefundenen Belegung mit wahrem Magnetismus, an der 
die ponderomotorischen Kräfte angreifen, proportional und 
sie wird aus dieser durch Multiplication mit (p— f*o)/&p ge- 
funden. Führt man, .wie es später (in § 94) geschehen wird, 
noch einen mit SB und £ gleichgerichteten^ Vector 3 (die 
„Intensität der Magnetisirung") ein, der durch 



3 



i£-"i*o 



definirt ist, so lässt sich abgekürzt für die auf der Flächen- 
einheit der Magnetoberfläche enthaltene Menge an freiem 
Magnetismus auch 

3% 

setzen. — Es könnte scheinen, als wenn die Aufgabe hier- 
mit völlig gelöst wäre und gerade weil diese Vermuthung 
dem an die Vorstellungsweise der Fernwirkungslehre Ge- 
wöhnten so nahe liegt, war es nöthig, etwas näher darauf 
einzugehen. In Wirklichkeit trifft dies aber gar nicht zu, 
weil sich zu dem von einer Massenvertheilung ableitbaren, 
wirbelfrei vertheilten Kraftflusse nothwendig noch ein soleno- 
idal vertheilter hinzugesellt, über den die vorhergehende Be- 
trachtung nichts auszusagen vermag. 

Aus diesem Grunde sei jetzt die ganze Frage noch einmal 
von einer andern Seite her behandelt. Im Lufträume lassen 



Zweites Capitel. Die magnetischen Grössen. 139 

sich sowohl § als SB von einem Potentiale .herleiten; wir wollen 
jetzt annehmen, dass« dies auch im Innern der Magnete zu- 
treffe, indem wir eine passende Raumvertheilung nicht nur 
freier, sondern auch wahrer magnetischer Massen im Magnet- 
körper fingiren. Für uns, die wir das Auftreten wahrer 
magnetischer Massen als unvereinbar mit den Naturgesetzen 
ansehen, ist es zwar von vornherein ausgemacht, dass der 
sich hieraus ergebende Kraft- und Inductionsfluss im Innern der 
Magnete unmöglich mit der Wirklichkeit * übereinstimmen 
kann.- In Wahrheit kommt es aber jetzt auch nur auf das 
Feld im Lufträume an, da sich nur die in diesem aufge- 
speicherte Energie bei Verschiebungen der Magnete ändert, 
wenn wir diese als „starr magnetisirt" ansehen, wie es bei 
den Betrachtungen über die Kraftäusserungen zwischen 
Magneten gebräuchlich ist. 

Damit sich 88 und $ überall von demselben Potentiale 
ableiten lassen, ist es nöthig, dass wir ft als constant ansehen. 
Wir ersetzen also gewissermassen den Eisenkörper des Mag- 
neten durch einen Luftraum, in dem an passenden Stellen 
wahre und freie magnetische Massen aufgehäuft sind und be- 
gnügen uns damit, wenn der hierdurch erzeugte Kraftfluss 
überall im äusseren Räume mit dem wirklich * vorhandenen 
identisch ist. Von selbst hat dies dann weiter zur Folge, 
dass auch die ponderomotorischen Kräfte, die sich unter 
dieser Annahme ergeben, für jeden Magneten mechanisch 
äquivalent sind mit den daran thatsächlich auftretenden. 

Mit anderen Worten heisst dies, dass wir uns im Uebrigen 
jetzt völlig auf den Standpunkt der Fernwirkungstheorie stellen 
und nur an Stelle des Coulomb'schen Gesetzes den Ausdruck 
für die magnetische Energie im Volumenelemente des Luft- 
raumes der Betrachtung zu Grunde legen, dabei zugleich 
noch an dem Unterschiede zwischen wahrer und freier Elek- 
tricität und zwischen SB und g festhalten. Indessen ist jetzt 
überall SB = p §, daher auch div SB = p div$, so dass der 
genannte Unterschied sich nur noch auf die Dimensionen der 
Grössen und nicht mehr auf ihre numerischen Werthe bezieht. 



140 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxweirschen Theorie. 

In dem soeben, näher beschriebenen Falle können wir 
den Green'schen Lehrsatz auf den ganzen Raum mit Ein- 
sehluss des Innern der Magnete anwenden. Das darin vor- 
kommende Oberfläehenintegral fällt nun fort und wir finden 



fo$dv—fUAhBdv. 



Mit div 8 = 4,7tö w (nach § 53) erhalten wir demnach 
für die magnetische Energie im ganzen Räume 



~j Uö w dv . 



Das ist aber die mechanische Arbeit, die geleistet werden 
ruuss, um die Massen 6 w dv im Kraftfelde, dessen Potential 
U ist und das mit den Massen proportional anwächst, an ihre 
Stelle zu bringen. Daraus folgt, dass für jede Lagen- 
änderung die von den pondero motorischen Kräften geleistete 
Arbeit dadurch gefunden wird, dass man annimmt, an der 
Einheit der Massen 6 w dv wirke überall die Kraft — - V?7. 
Das Potential U gehört aber zur Vertheilung der Massen 6f 
und zwar so, dass überall 6 W = ti G f ist. Im magnetischen 
Maasssysteme ist ft = 1; vernachlässigt man ausserdem 
willkürlich die Dimension von ft , so sind die Massen, an 
denen die Kräfte — V U angreifen, überall identisch mit 
jenen, die das Kraftfeld erzeugen. Damit sind wir völlig 
bei der Darstellungsweise der Fernwirkungslehre angelangt 
und es zeigt sich, dass das Coulomb'sche Gesetz — denn 
dieses ist in den letzten Aussagen enthalten — aus der Max- 
weirschen Annahme über die Vertheilung der magnetischen 
Energie hergeleitet werden kann, ja dass selbst eine Ver- 
bindung der Vorstellungen über die Fernwirkung und über 
die MaxwelPsche Energie^ertheilung bis zu einem gewissen 
Grade möglich ist. 

Mit der Maxwell'sehen Theorie in ihrer heutigen Fassung, 
für die div 33 unbedingt überall Null ist, verträgt sich freilich 
keine der beiden vorhergehenden Darstellungsweisen. Max- 
well selbst hat sich auf dem magnetischen Gebiete noch 



Zweites Capitel. Die "magnetischen Grössen. 141 

vielfach der älteren Theorie angeschlossen; erst die Fort- 
bildung seiner Theorie durch seine Nachfolger liess den weit- 
klaffenden Unterschied zwischen den beiden Anschauungsweisen 
hervortreten. Für die Fernwirkungstheorie bildet die 
Möglichkeit des Auftretens von wahrem Magnetismus 
die Grundbedingung, während im Gegensatze hierzu 
die moderne Kraftlinienlehre des Magnetismus, wie 
sie sich aus der MaxwelPschen Theorie herausge- 
bildet hat, es als ein Naturgesetz ansieht, dass nur 
geschlossene Inductionslinien möglich sind. Beide 
stehen daher in einem principiellen Gegensatze zu einander, 
der jede Vereinigung ausschliesst, sobald wir den Inductions- 
fluss im Innern der Magnete zur Betrachtung heranziehen; 
im äusseren Räume kann dagegen auch von der Darstellungs- 
weise der Fernwirkungslehre unbedenklich überall Gebrauch 
gemacht werden, sobald sich ein Nutzen daraus ergibt. Nöthig 
ist dann nur, dass man dessen eingedenk bleibt, dass es sich 
hierbei nur um fingirte Massenvertheilungen handelt, die 
nach aussen hin den verlangten Erfolg herbeiführen, im Innern 
der Magnete aber zu Abweichungen führen. 

Anmerkung. Bei der Entwickelung, die zu Gleichung (137) führte, 
nahm ich an, dass £ und ÜB sich im Lufträume von einem eindeutigen 
Potentiale ableiten Hessen. Schon im Texte erwähnte ich, dass dazu 
jedenfalls elektrisches Gleichgewicht vorausgesetzt werden muss. Aber 
auch in diesem Falle trifft die Annahme nicht immer zu. Da die Luft 
zweifellos magnetisch weich ist, wird zwar curl $ und curi § in ihr 
dann stets zu Null. Trotzdem können in ihr geschlossene Kraft- und 
Inductionslinien auftreten, nämlich dann, wenn der von der Luft ein- 
genommene Raum ein zwei- oder mehrfach zusammenhängender ist und 
wenn der übrigbleibende, ebenfalls mehrfach zusammenhängende Raum 
von einem magnetisch harten Körper (Stahl) eingenommen wird, in dem 
$ und § nicht wirbelfrei vertheilt sind. Aus dem Stokes'schen Satze, 
Gleichung (90), geht dies sofort hervor. Das Linienintegral wird ver- 
schieden von Null für einen den magnetisch harten Körper umschlingenden 
Integrationsweg, weil jede Fläche, die wir durch die Linie legen, den 
magnetisch harten Körper durchkreuzen muss. 

Um ein Beispiel hierfür zu erhalten, denke man sich einen remanenten 
Ringmagnet, in dem ein ringförmiger Kanal ausgebohrt ist, dessen 
Achse mit der Ringachse zusammenfällt. In diesem Lufträume haben wir 



142 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der MaxweH'schen Theorie. 

auch bei elektrischem Gleichgewicht geschlossene Kraft- und Inductions- 
linien. 

Die vorhergehende Entwicklung bezog sich in stillschweigender 
Voraussetzung nur auf gewöhnliche Stabmagnete, die einen einfach zu- 
sammenhängenden Raum einnehmen. — In dem zuletzt besprochenen 
Falle wird die Behandlung mit Hülfe der Fernwirkungslehre überhaupt 
unmöglich. Da wir die Fernwirkungstheorie des Magnetismus als un- 
zulänglich verwerfen, brauchte hierauf im Texte nicht näher eingegangen 
zu werden; es handelte sich nur darum, zu zeigen, wie in den Fällen, 
die die Fernwirkungstheorie üherhaupt zu beherrschen vermag, der 
Uebergang von unserer Darstellungsweise zu- dieser bewirkt werden kann. 



§ 57. Die Dimensionen der magnetischen Grössen. 

Aus Gleichung (129) S. 123, in der die Dimension der 
Energie dT bekannt ist, könnte man leicht die Dimensionen 
von SB und § ermitteln, wenn die von p bekannt wäre. Setzt 
man willkürlich die Dimension von p zu Null, so erhält man 
das sogenannte magnetische Maasssystem. Dieses gibt aber 
die wahren Dimensionen der physikalischen Grössen ebenso- 
wenig richtig an 7 wie das elektrostatische Maasssystem raitir= 1. 
Behalten wir ft bei, so werden die Dimensionen: 



Magnetische Kraft £ . . . .-. . p *M 2 L *T 

Magnetische Induction 8 . . . . ^i 2 M 2 L 2 T . 

Bis zu einem gewissen Grade unabhängig von der Frage 
der Dimensionen ist die Wahl der Einheiten für die Aus- 
messung der Grössen. Man kann, wie im magnetischen 
Maasssysteme, der Permeabilität ft im Lufträume den nume- 
rischen Werth 1 beilegen, ohne darum etwas über die Dimen- 
sionen von [i auszusagen. Dadurch sind die Einheiten von 
SB und |> in Uebereinstimmung mit dem magnetischen C.-G.-S. 
festgelegt. 



Drittes Cap. WeehselbeziehuDg. zwisch. Elektricität u. Magnetismus. 143 

Drittes Capitel. 

Wechselbeziehungen zwischen Elektricität und Magnetismus. 

§ 58. Art dieser Beziehungen« 

Die elektrostatischen und die rein magnetischen Vorgänge 
laufen, wie sich zeigte, vollständig parallel mit einander, nur 
mit dem einen wichtigen Unterschiede, dass in der Natur zwar 
elektrische Leiter und daher wahre elektrische Ladungen, aber 
keine magnetischen Leiter (im eigentlichen Sinne dieses 
Wortes) und darum auch keine wahren magnetischen Ladungen 
vorkommen. Ausser diesen, auf einen gemeinsamen Ursprung 
beider Erscheinungsgruppen hinweisenden Dualitätsbeziehungen 
besteht aber noch ein wechselseitiger Zusammenhang derart, 
dass gewisse Erscheinungen der einen Gruppe nothwendig mit 
solchen der andern Gruppe verbunden sind, wobei auch hier 
eine strenge Reciprocität hervortritt. 

Man hat diese Erscheinungen die „elektromagnetischen" 
wegen des Doppelgesichts, das sie uns zeigen, genannt. Diese 
Bezeichnung hat namentlich den Vorzug, dass sie die beiden 
Seiten der Sache als gleich wer thig hervorhebt und nicht auf 
die Vorstellung hindrängt, dass die eine als untergeordnet 
zur andern aufzufassen sei. Ein Beispiel wird dies näher 
zeigen. Der durch einen Draht fliessende elektrische Strom 
übt nach der Fern wirkungstheorie in seiner Umgebung mag- 
netische- Kräfte aus und zwar wird in diesem Zusammenhange 
der Strom als die Ursache oder als das primär Gegebene und 
die magnetische Kraft' als die daraus hervorgehende Wirkung 
angesehen. Ja, nach der Fernwirkungstheorie spielt die 
magnetische Kraft" eine so untergeordnete Rolle, dass ihr 
Auftreten davon abhängt, ob in der Nähe des Drahtes ein 
Magnet oder doch ein magnetisirbarer Körper (d. h. einer, dessen 
Permeabilität von der der Luft verschieden ist) vorhanden 
ist. Ganz anders ist dagegen der Zusammenhang nach der 
Maxwell'schen Theorie. Ueberall wo elektrische Ströme vor- 



144 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

banden sind, bildet sich auch ein magnetisches Feld aus, 
welcher Art auch die Körper in der Nähe sein mögen. Dabei 
ist nicht der Strom als Ursache und das magnetische Feld 
als Folge anzusehen, sondern beides, der Zerfall und die da- 
neben hergehende Neubildung des elektrostatischen Zwangs- 
zustandes, die den Strom im Leiter ausmachen, einerseits 
(vgl. § 43), wie das magnetische Feld andererseits bedingen 
sich gegenseitig. 

Bei den heutigen Vertretern der Maxwell'schen Theorie 
macht sich sogar meist die Tendenz bemerkbar, das Ver- 
hältniss gradezu umzukehren, also den Zustand des Mediums 
in der Umgebung des Leiters als das Wesentliche und als 
die Ursache für den im Drahte stattfindenden Vorgang an- 
zusehen. Indessen ist dies nach meiner Ueberzeuguug kaum 
mehr^ gerechtfertigt als die entgegengesetzte Auffassung der 
Fernwirkungslehre. Es mag zwar sein, dass diese besonders 
von Lodge, Poynting, Heaviside und anderen englischen 
Physikern vertretene Ansicht dem wahren Verhältnisse in der 
Natur entspricht; vorläufig thut man aber jedenfalls besser, 
den Zustand des Feldes in der Umgebung des Drahtes 
und den Vorgang im Drahte selbst als coordinirte 
Erscheinungen aufzufassen. 



§ 59. Elektrischer Strom und magnetisches Feld- 
Rein statische Zustände elektrischer oder magnetischer 
Art haben keine noth wendigen Beziehungen zu einander. 
Dagegen ist jede Aenderung des elektrischen oder «magnetischen 
Zustandes mit einer Erscheinung der anderen Gruppe ver- 
knüpft, mag nun diese Aenderung in einer blossen Orts- 
änderung oder in einer Zustandsänderung der davon betroffenen 
Körper bestehen oder sich aus beiden combiniren. 

Alle diese Wechselbeziehungen lassen sich auf zwei ein- 
fache Gesetze zurückführen, die durch zwei nach dem Dualitäts- 
gesetz sich gegenseitig entsprechende Gleichungen ausgesprochen 
werden. Zu ihrer Ableitung müssen wir uns auf die Er- 



Drittes Cap. Wechselbeziehung, zwisch. Elektricität u. Magnetismus. 145 

fahrung berufen. Hier haben wir es zunächst mit dem mag- 
netischen Felde zu thun, das einen Leitungsstrom umgibt. 
Die Erfahrung lehrt, dass ein sehr langer, geradliniger con- 
stanter Strom von der Stärke I von einem magnetischen 
Felde umgeben wird, dessen Kraftlinien Kreise sind, deren 
Mittelpunkte auf der Drahtachse liegen. Im senkrechten Ab- 
stände a von der Drahtachse erlangt die Feldintensität § 
den Tensor 

#=v ( 138 ) 

In der That beruht die gebräuchlichste Art, die Stärke 
eines constanten Leitungsstromes zu messen, auf der Beobachtung 
des von ihm herrührenden magnetischen Feldes und wir 
können daher Gleichung (138) als ein unmittelbar durch die 
Erfahrung geliefertes Naturgesetz ansehen. Hinzuzufügen 
ist noch, dass die Beziehung zwischen H und I" ganz 
unabhängig von den durch die Constanten K und /x 
ausgedrückten Eigenschaften des Mediums ist. 

Gleichung (138) liefert zugleich die Definition für die 
Einheit des Leitungsstroms und lässt die Dimensionen von I 
erkennen. Aus der in § 57 aufgestellten Dimension von § 
folgt nämlich mit Rücksicht auf Gleichung (138): 

Dimension von I = p 2 M 2 L 2 T . 

Andererseits wissen wir aus der Erfahrung, dass ein 
Strom J, der durch einen Draht der einen Belegung eines 
Condensators zugeleitet wird, die wahre Ladung dieser Be- 
legung im Zeitelemente dt um Idt vermehrt. Diese Erfahrung 
bildet das Bindeglied zwischen den elektrostatischen und den 
elektrodynamischen Erscheinungen. Wir erhalten daher noch 
einen zweiten Ausdruck für die Dimension von J, wenn wir 
die in § 49 festgestellte Dimension von e w durch die Zeit T 
dividiren, also • 

1 1 - 2 1 
Dimension von I = M 2 L 2 T K 2 . 

Föppl, Maxwell'sche Theorie der Elektricität. 10 



146 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

Aus dem Vergleiche der beiden Ausdrücke ergibt sich 
die wichtige Beziehung 

t*K — L~ 2 T 2 (139) 

Das Product der beiden Constanten ft und K eines Mediums 
hat demnach die Dimensionen des Reciproken eines Ge- 
schwindigkeitsquadrats. Da p und K für ein gegebenes 
Medium völlig bestimmte Werthe sind, muss auch die hiermit 
gegebene Geschwindigkeit einen genau bestimmten Werth für 
das Medium besitzen. Es ist, wie hier vorweg bemerkt sein 
mag, die Geschwindigkeit, mit der sich elektromagnetische 
Störungen fortpflanzen. Bezeichnen wir sie mit v, so lässt 
sich Gleichung (139) auch schreiben 

tiKv 2 = 1 (140) 

Wenn die Dimension einer der beiden Constanten ft und K 
ermittelt würde, wäre damit nach Gleichung (139) auch die 
der anderen bekannt. Ferner können wir durch passende 
Wahl der Maasseinheiten einer der beiden Constanten einen 
beliebigen Werth (speciell den Werth 1 für den Luftraum) 
beilegen, wie es früher besprochen war. Dadurch ist aber 
der Werth der anderen Constanten für dasselbe Medium nach 
Gleichung (140) zugleich mit bestimmt, da v eine für das 
Medium charakteristische Geschwindigkeit bedeutet. 

§ 60. Ableitung der ersten Hauptgleichung. 

Aus Gleichung (138) folgt 

H2ita = 4:7t I. 

Die linke Seite dieser Gleichung stellt das Linienintegral 
des Vectors längs einer (den Draht umkreisenden) geschlossenen 
Kraftlinie dar. Ausserhalb des stromführenden Drahtes ist, 
falls keine magnetisch harten Körper vorkommen, curl # überall 
Null (§ 55) und daher ist auch das Linienintegral von § 
für jede geschlossene Curve gleich Null, falls diese die Strom- 
bahn nicht umschlingt. Bedeutet also in Abbildung 10 A den 




Drittes Cap. Wechselbeziehung, zwisch. Elektricität u. Magnetismus. 147 

Querschnitt durch den geradlinigen Leitungsdraht, BGDEFB 

den längs 'einer Kraftlinie gehenden Integrationsweg und 

BCDEGEB einen durch Zufügung 

der Fläche EGHBFE aus dem vorigen 

abgeleiteten Integrationsweg, so ruuss 

für diesen das Linienintegral von $ 

immer noch gleich 4^7 sein, da es für 

die geschlossene Curve EGHBFE zu 

Null wird. Daraus folgt, dass für jede 

beliebig gestaltete, in sich geschlossene 

und den Stromleiter A einmal umschlingende Curve das 

Linienintegral von $ 

yirf» — 4*1 (141) 

/ 

ist. — Bisher war vorausgesetzt, dass der Draht auf eine 
im Vergleiche zum Abstände a sehr grosse (eigentlich un- 
endlich grosse) Länge geradlinig sei, und dass die übrigen zur 
Herstellung eines geschlossenen Stromkreises erforderlichen 
Zuführungsdrähte als unendlich entfernt angesehen werden 
könnten. Gleichung (141) gilt aber auch dann noch, wenn 
dies nicht mehr zutrifft. Falls nämlich ein linearer Leiter 
einen endlichen Krümmungshalbmesser besitzt, können wir 
zuerst zur Ableitung des Linienintegrals von $ eine Kraft- 
linie BGBEF (Abb. 10) von unendlich kleinem Radius 
wählen. Im Verhältnisse zu diesem Radius ist der Krümmungs- 
halbmesser als unendlich gross, d. h. die Stromcurve in dem 
in Frage kommenden Bezirke als gradlinig anzusehen und 
die Gleichung (141) bleibt wie vorher anwendbar. Durch 
Anfügung weiterer Stücke, wie BHGE in Abbildung 10, 
können wir aber den vorigen Integrationsweg in einen be- 
liebig gestalteten anderen von endlichen Abmessungen trans- 
formiren, ohne an dem Werthe des Linienintegrals etwas 
zu ändern. 

Haben wir es schliesslich nicht mit einem linearen Strom- 
kreise, sondern mit einem stromdurchflossenen Leiter zu thuri, 

10* 



148 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxweirschen Theorie. 

dessen Querschnittsabniessungen von derselben Grössenordnung 
sind wie der Krümmungshalbmesser seiner Mittellinie, so 
lässt sieh derselbe vermittelst einer Unterteilung des Quer- 
schnitts in unendlich kleine Flächenelemente auf ein Bündel 
von Leitern, die sich alle in der Richtung der Stromlinien 
erstrecken, zurückführen, so dass für jeden einzelnen unter 
ihnen die vorige Betrachtung anwendbar bleibt. Hierbei ist 
zu beachten, dass § ein Vector, dass also das zu dem ganzen 
Strome gehörige # an jeder Stelle des Feldes gleich der 
Vectorsumme der Elementarwirkungen ist. Aus dieser Be- 
trachtung ergibt sich sofort, dass auch in diesem Falle 
Gleichung (141) zutrifft. Zugleich erhalten wir noch das 
weitere Resultat, dass für eine im Innern des Leiters ver- 
laufende Integrationslinie in Gleichung (141) unter I nur 
jener Theil des ganzen Stromes zu verstehen ist, der von dem 
Integrationswege umschlungen wird. 

Bei diesen Betrachtungen läuft die bisher nicht ausdrück- 
lich ausgesprochene Vorstellung mit, dass der elektrische 
Strom in einem Leiter eine räumlich vertheilte Vectorgrösse 
ist. Schon aus den in § 43 durchgeführten Betrachtungen, 
in denen der Begriff des elektrischen Leiters erörtert wurde, 
wird man zu dieser Anschauung geführt, da der elektrische 
Leitungsstrom hiernach durch die beiden anderen Vector- 
grössen 2) und (£ (ausserdem auch durch die Eigenschaften 
des Mediums) bedingt ist. Ferner wird sie durch die im 
vorigen § erwähnte Erfahrung über den Zusammenhang 
zwischen der Stromstärke und der elektrostatischen Ladung 
bestätigt. Den strengsten Ausdruck findet diese Aussage 
aber durch das Ohrn'sche Gesetz, zu dessen Aufstellung ich 
alsbald übergehen werde. 

Vorher sei noch darauf hingewiesen, dass I bei den vor- 
hergehenden Betrachtungen den Gesammtbetrag des im Drahte 
herrschenden Stromes bedeutete. Der Vector, aus dem sich 
I durch eine Summirung ergibt, d. h. die elektrische Strömung 
an einer bestimmten Stelle des Raumes sei jetzt mit i und 
der Tensor davon daher mit i bezeichnet. Falls i über den 



Drittes Cap. Wechselbeziehung, zwisch. Elektricität u. Magnetismus. 149 

ganzen Querschnitt des Drahtes dieselbe Richtung (nämlich 
die der Mittellinie) hat, wird I aus i gefunden durch 



I-ßdf, 



wobei die Integration über den ganzen Querschnitt auszudehnen 
ist. Diese Gleichung lehrt uns, in welchen Einheiten i zu 
messen ist, wenn die von I festgesetzt sind, und welche 
Dimensionen ihm zukommen (vgl. hierzu § 59). Sollte da- 
gegen, wie es bei schnell veränderlichen Strömen in Drähten 
vorkommt, i nicht über den ganzen Querschnitt gleich ge- 
richtet sein, oder sollte die Fläche des Querschnitts nicht 
genau rechtwinklig zur Drahtachse gezogen sein, so ist 
unter I das Flächenintegral des Vectors i zu verstehen, also 
(vgl. § 30) 

I^ßyidf ( 142 ) 

In einer Beziehung leidet die Fassung, die wir dem jetzt 
zu untersuchenden Naturgesetze in Gleichung (141) gegeben 
haben, noch einen Mangel. Es ist nämlich nicht darauf Rück- 
sicht genommen, dass her schnell veränderlichen Strömen für 
die Fortpflanzung der Störungen (also der elektromagnetischen 
Wellen) ein Zeitaufwand in Aussicht zu nehmen ist, dass 
also in einem gegebenen Augenblicke der auf der linken Seite 
der Gleichung vorkommende Vector $ und die Stromintensität 
auf der rechten Seite nicht immer genau genug correspon- 
dirende Werthe darstellen. Um dies zu vermeiden und zu- 
gleich um den einfachsten mathematischen Ausdruck für jenes 
Naturgesetz zu finden, gehen wir aus der ein Integralgesetz 
aussprechenden Formel (141) zu dem zugehörigen Differential- 
gesetze über, indem wir diese Formel nur auf ein im Innern 
des Leiters oder auch ausserhalb desselben liegendes Flächen- 
element df und seine Umgrenzung anwenden. 

Hiermit verbindet sich aber zugleich eine wichtige Um- 
gestaltung der Form von Gleichung (141). Nach dem Stokes'- 
schen Satze (§ 30, S. 70) lässt sich nämlich das Linienintegral 
von # ersetzen durch curlgv-JW/*, während zugleich die rechte 



150 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der MaxwelFschen Theorie. 

Seite von Gleichung (141) in 47ti9tdf übergeht. Bei An- 
wendung von Gleichung (141) auf einen unendlich kleinen 
Bezirk, d. h. durch den Uebergang aus dem Integral- zu dem 
Differentialgesetze erhalten wir daher als eine neue Form 
unseres Naturgesetzes die Gleichung 

curlg.jtt = 4rtm. 

Hierbei ist noch zu untersuchen, ob die auf beiden Seiten 
der Gleichung vorkommende Einheitsnormale 91 jedesmal den- 
selben Vector darstellt, d. h. ob nicht etwa die aus zwei von 
einander völlig unabhängigen Entwickelungen übernommenen 
91 entgegengesetzten Richtungen der Normalen zur Fläche df 
entsprechen. 

Bei Aufstellung von Gleichung (138) wurde nur auf die 
Tensoren des elektrischen Stromes und der magnetischen 
Kraft geachtet und nur nebenbei bemerkt, dass die Rich- 
tungen dieser beiden Vectoren senkrecht zu einander stehen. 
Gleichung (138) und die ganze sich daran schliessende Ent- 
wicklung bedarf daher noch einer Ergänzung, so dass die 
Richtung von $ eindeutig gefunden werden kann, wenn die 
von i gegeben ist. Dazu dient die Ampere 'sehe Regel, 
wonach für den in der Stromrichtung Schwimmenden § stets 
von rechts nach links gerichtet erscheint. Bezeichnet man 
den vom Mittelpunkte der Fläche df nach dem Umfange 
gehenden Radius vector, wie in § 30 mit tt, so lässt sich die 
Ampere ? sche Regel auch dahin ausdrücken, dass die 
Aufeinanderfolge a, $, i ein Rechtssystem im Räume 
bildet. 

Beachtet man nun, dass auf der rechten Seite der vor- 
hergehenden Gleichung 9t, wie aus Gleichung (142) hervor- 
geht, mit i gleichgerichtet zu nehmen ist, während auf der 
linken Seite nach § 30, S. 69 die Aufeinanderfolge a, da, 9t, 
also auch a, #, 9t ein Rechtssystem im Räume ergibt, so folgt 
durch den Vergleich mit der Ampere'schen Regel sofort, 
dass in der That 9t in beiden Fällen derselben Normalenrichtung 
zugehört. 



Drittes Cap. Wechselbeziehung, zwisch. Elektricität u. Magnetismus. 151 

Trotzdem würde es voreilig sein, wenn man nun in der 
vorhergehenden Gleichung den Factor 9t einfach streichen 
wollte. Die Gleichung sagt vielmehr zunächst nur dies aus, 
dass die Projection von curl § auf die Normalenrichtung 
4jrmal so gross und ebenso gerichtet ist wie die Projection 
von i. Nun gilt dies aber für jede beliebige Normalen- 
richtung, denn wenn auch bei Ableitung von Gleichung (141) 
ursprünglich vorausgesetzt war, dass der Integrationsweg 
senkrecht zur Stromrichtung stehe, so konnte doch mittelst 
der durch Abbildung 10 erläuterten Transformation die Ge- 
stalt des Integrationswegs so geändert werden, dass er aus 
der zur Stromrichtung senkrechten Ebene beliebig heraus- 
trat. Diese Erwägung führte schon zu der in Gleichung (142) 
gegebenen Rechenvorschrift für die Ableitung von I aus den i, 
während im andern Falle I durch eine rein numerische 
Summirung gefunden wird. 

Da also für alle Normalenrichtungen, bezw. für alle zu- 
gehörigen Stellungen des Flächenelementes df Sie Projectionen 
von curl $ und 4jti gleich sein müssen, so folgt, dass diese 
beiden Vectoren noth wendig auch selbst gleich sind, d. h. 
dass man in der That in der vorhergehenden Gleichung auf 
beiden Seiten den Factor 9t streichen darf. 

Das Differentialgesetz für den Zusammenhang 
zwischen einem Leitungsstrome und dem ihm zu- 
gehörigen Felde wird daher durch die Gleichung aus- 
gesprochen: 

curlg = 4*ri (143) 

Der bessern Unterscheidung wegen wollen wir sie die 
erste Hauptgleichung des Elektromagnetismus nennen. 

Ausdrücklich sei aber noch darauf hingewiesen, dass, wie 
aus einer im Eingange dieses § gemachten Bemerkung her- 
vorgeht, diese Gleichung nur im Innern magnetisch weicher 
Körper gültig bleibt. Bei der Besprechung der „eingeprägten" 
Kräfte im nächsten Abschnitte wird sich zeigen, wie sie in 
magnetisch harten Körpern zu modificiren ist. 



152 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

§ 61. Das Ohm'sclie Gesetz. 

Die bekannteste; wenigstens die in den elementaren 
Lehrbüchern der Physik gebräuchlichste Formulirung des 
Ohm ? schen Gesetzes 

1 = 1 ....... (144) 

wobei E „eine elektromotorische Kraft" d. h. in den gewöhn- 
lich vorkommenden Fällen eine Potentialdifferenz zwischen den 
Enden eines Leiters, oder allgemeiner das Linienintegral der 
von uns mit <S bezeichneten elektrischen Kraft für die be- 
treffende Drahtlänge und B den „Widerstand" bedeutet, stellt 
ebenso wie Gleichung (141) im vorhergehen § ein Integral- 
gesetz dar. Ebenso wird über die Richtung von I explicit 
nichts ausgesagt, wenn auch aus dem Zusammenhange folgt, 
dass I bei isotropen Körpern mit der Richtung des grössten 
Potentialgefälls (falls keine inducirten Kräfte wirken), oder 
allgemeiner mit der Richtung von (S zusammenfällt. 

Das Ohm'sche Gesetz bildet wie das Oerstedt-Ampere'sche 
Gesetz (wenn diese Bezeichnung für Gl. 141 zulässig ist, An- 
gesichts des Biot-Savart'schen Gesetzes, das nur eine andere 
Aussageform des ersteren ist) eine reine Erfahrungsthatsache 
und eine solche lässt sich wortgetreu nur durch ein Integralgesetz 
zum Ausdrucke bringen. Für die weitere Verwerthung eignen 
sich aber weit besser die Differentialgesetze, die man erhält, 
wenn man jene Integralgesetze auf unendlich kleine Gebiets- 
theile anwendet. Sie sind nicht nur in jeder Hinsieht besser 
zur Anwendung geschickt, sondern geben überdies das Natur- 
gesetz stets in strengerer Fassung wieder, da bei unendlich 
kleinen Gebietstheilen eine Reihe möglicher Complicationen 
vermieden wird, deren ausdrückliche Ausschliessung bei 
Leitern von endlichen Abmessungen nicht in allen Fällen zu- 
lässig ist. 

In Form einer Differentialbeziehung erhält man das 
Ohm'sche Gesetz, wenn man einen unendlich kleinen cylin- 
drischen Raum im Innern des Leiters abgrenzt, so dass die 



Drittes Cap. Wechselbeziehung, zwisch. Elektricität u. Magnetismus. 153 

Cylindererzeugenden mit der Richtung von (8 und daher auch 
von i zusammenfallen und die Formel (144) hierauf zur An- 
wendung bringt. Für B ist hier j-, zu setzen, wenn Je die 

speeifische Leituogsfähigkeit, l die Länge und f den Querschnitt 
bedeutet. Für E haben wir %l und für I den- Werth xf ein- 
zuführen. Gleichung (144) geht dadurch über in 

t — fc.« oder <g = i . . . . (145) 

Ein Differentialgesetz stellt diese Gleichung, obschon sie 
keine Differentialien oder Differentialquotienten enthält, deshalb 
dar, weil sie sich nur auf eine Stelle des Raumes bezieht und 
daher unmittelbar nur auf unendlich kleine Gebietstheile zur 
Anwendung gebracht werden kann. 

Ausdrückliche Voraussetzung für die Gültigkeit von 
Gleichung (145) ist übrigens die isotrope Beschaffenheit des 
Leiters. Bei äolotropen Körpern, wie bei den Krystallen, ist 
i eine lineare Vectorfunction von @, wie hier nebenbei be- 
merkt werden mag, obschon ein näheres Eingehen auf solche 
Fälle den gesteckten Rahmen überschreiten würde. 

Dagegen ist Je eine für jedes Material constante Grösse, 
insofern wenigstens, als es ganz unabhängig von (SS oder i ist. 
Es ändert sich wohl mit der Temperatur des Körpers, mit 
dem Drucke und vor allem mit der chemischen Zusammen- 
setzung, ist aber von den elektromagnetischen Feldgrössen 
direct ganz unabhängig. Nur eine indirecte Abhängigkeit 
kann insofern stattfinden, als durch den Strom Wärme u. s. w. 
erzeugt und dadurch seeundär Je beeinflusst wird. 



§ 62. Das Joule'sche Gesetz. 

Schon die in § 43 gegebene Definition des Leiters schliesst 
eine Wärmeentwickelung in dem elektrisch durchströmten 
Leiter in sich. Ueber ihre Grösse gibt entweder die unmittel- 
bare Erfahrung Aufschluss oder man vermag sie auch aus 
dem Ohm'schen Gesetz abzuleiten, sobald man die Erfahrung 



154 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

hinzunininit, dass ein elektrischer Strom, der durch einen 
Draht fliesst die wahre Ladung einer Condensatorbelegung, 
an der der Draht endet, proportional zur Stromstärke verändert. 
Im Zeitelemente dt beträgt nämlich die Ladungszunahme, 
wenn der Strom nach der Belegung hinfliesst, Idt Nach § 42 
kann der Energieaufwand, der mit der Bewegung dieser 
Elektricitätsmenge in dem Eraftfelde (& verbunden ist, dadurch 
berechnet werden, dass wir Idt mit dem zu (ü gehörigen 
Potentialunterschiede multipliciren, der bei dem Transporte 
der Elektricitätsmenge überwunden wird. Begnügen wir uns 
damit, den Transport von Idt durch ein bestimmtes Stück 
der Drahtleitung vom Widerstände R ins Auge zu fassen, so 
haben wir es nur mit solchen Kräften (S zu thun, die durch 
den Widerstand selbst bedingt sind, d. h. von denen die zu 
ihrer Ueberwindung verbrauchte Arbeit an Ort und Stelle 
zur Aufrechterhaltung des Zwangszustandes unter Wärme- 
entwickelung verwendet wird. Nach dem Ohm'sehen Gesetze 
ist der Potentialunterschied an den Enden des Drahtstückes 
E = IE und die im Zeitelemente dt entwickelte Joule'sche 
Wärme daher PR dt, woraus, wenn die in der Secunde ent- 
wickelte Wärmemenge mit Q bezeichnet wird, das Integralgesetz 

Q = PR ...... . (146) 

folgt. Die Einheit, in der Q auszumessen ist, wird durch die 
Gleichung mit definirt. 

Daraus lässt sich leicht, wie im vorigen §, das zugehörige 
Differentialgesetz 

Q _ <gi = { 1 = h . <g» (147) 

ableiten, wobei sich indessen jetzt Q auf die in der Volumen- 
und zugleich in der Zeiteinheit entwickelte Wärme bezieht. 
Einen anderen Werth von Q erhält man durch die folgende 
Entwickelung. Nach Gleichung 116, S. 92 ist die durch den 
elektrostatischen Zwang im Volumenelemente dv aufgespeicherte 
Energie 

OTt 



Drittes Cap. Wechselbeziehung, zwisch. Elektricität u. Magnetismus. 155 

Im Zeitelemente dt wird ein Bruchtheil dieser Energie, 
so wie es in § 43 erläutert wurde, in Wärme verwandelt. 
Es hängt von dem Grade der Leitungsfälligkeit des Körpers 
ab, wie gross dieser Bruchtheil ist. Setzen wir ihn gleich 

- f Vdv, 

T Sit 7 

so ist r eine der Leitungsfähigkeit des Körpers unter sonst 
gleichen Umständen umgekehrt proportionale, im Allgemeinen 
endliche Zeitdauer, nämlich jene Zeit, in der die Energie des 
elektrostatischen Zwangszustandes vollständig in Wärme ver- 
wandelt würde, wenn kein Ersatz stattfände und der Process 
der Umwandlung in gleich bleibender Intensität während t 
fortdauerte. An Stelle von Gleichung (147) erhalten wir auf 
Grund dieser Ueberlegung unmittelbar 

« = 8^ ( 148 > 

Die Gleichung unterscheidet sich von der früheren da- 
durch, dass die Materialconstante Je durch den Werth R/sat 
ersetzt ist. Beide Coefficienten müssen daher einander gleich 
sein und wir finden 

*«=~ öder t = 7t^- • • • • (149) 

Diese Betrachtung zeigt uns deutlich, wesshalb im elektro- 
statischen Maasssysteme dem speeifischen Widerstände 1/jfc die 
Dimension einer Zeit beigelegt werden musste, denn er wird 
zu einer Grösse gleicher Art mit r, sobald man die Dimension 
von K vernachlässigt. 



§ 63. Andere Form der ersten Hauptgleichung. 

Ersetzt man in Gleichung (143) i durch den sich aus 
dem Ohm'schen Gesetze, Gleichung (145), ergebenden Werth, 
so geht sie über in 

curl# = 4?r£<g (150) 



156 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

Wie die ursprüngliche Gleichung (143) gilt diese in- 
dessen nur für den Fall, dass ausschliesslich Leitungsströme 
vorkommen. 

§ 64. Der wahre Strom. 

Wie schon in der Einleitung hervorgehoben wurde, ge- 
hört es zu den wesentlichen Grundlagen der Maxwell'schen 
Theorie, dass sie neben die Leitungsströme die Verschiebungs- 
ströme stellt, die durch Aenderungen der elektrostatischen 
Verschiebung $ in einem Dielektricum gebildet werden. Selbst 
in den Leitern gehen nach dieser Theorie bei veränderlichen 
Zuständen Verschiebungsströme vor sich, die sich mit den 
Leitungsströmen zu einer gemeinsamen Wirkung vereinigen. 
Beide gehen überdies auch aus derselben Quelle hervor, denn 
wie sich aus der Besprechung der Strombildung in § 43 ergibt, 
entsteht auch der Leitungsstrom durch ein Dahinschwinden 
des elektrostatischen Zwangszustandes, der seinerseits zugleich 
immer wieder durch die Energiequelle neu ergänzt wird. 
Uebersteigt die Zufuhr von elektrostatischer Energie zum 
Volumenelemente in einem gegebenen Augenblicke den in 
Wärme umgewandelten Betrag, so haben wir einen mit dem 
Leitungsstrom gleich gerichteten Verschiebungsstrom und 
entgegengesetzt im andern Falle. Bezeichnen wir die Summe 
des Leitungs- und des Verschiebungsstromes als den „wahren" 
Strom, so steht dieser zur Energiezufuhr zum Volumenelemente 
in derselben Beziehung wie der Leitungsstrom zu der dort 
verwüsteten Energie. (In Anlehnung an den englischen Sprach- 
gebrauch sei unter „Verwüstung" der Energie deren Um- 
wandlung in Wärme verstanden.) 

Allerdings kennt auch die Fernwirkungslehre solche Ver- 
schiebungsströme, aber nur in Dielektricis, deren Dielektricitäts- 
constante grösser ist als 1, d. h. als die der Luft oder des 
Aethers. Durch die elektrostatische Kraft entsteht auch nach 
dieser Theorie z. B. in Glas eine Polarisation, deren Entstehen 
oder Verschwinden einen elektrischen Strom bedeutet. Denkt 
man sich einen Körper von kleinen leitenden Partikelchen 



Drittes Cap. Wechselbeziehung, zwisch. Elektricität u. Magnetismus. 157 

durchsetzt, während die isolirende Hülle, in die diese ein- 
gebettet sind, dieselben elektrischen Eigenschaften besitzt, wie 
das Vaeuuin oder wie die Luft, so hat man ein System, das 
sich nach der Fernwirkungslehre vollkommen in seinem Ver- 
halten mit dem des Dielektricums deckt. Die durch die 
Polarisation veranlassten Ströme sind hier sogar wirkliche 
Leitungsströme; elektrisch sind alle Nichtleiter an sich gleich- 
werthig und die Dielektricitätsconstante wird nur durch die 
verborgenen leitenden Theilchen sozusagen scheinbar über das 
normale Maass erhöht. 

Sobald es sich aber um Verschiebungströme im Vacuum 
oder in den Leitern selbst handelt, steht die Fernwirkungs- 
theorie der MaxwelPschen diametral entgegen. Nur die Maxwell' - 
sehe Theorie konnte daher dazu führen, das Licht als eine 
elektromagnetische Wellenerscheinung zu erklären. 

Es fragt sich nun aber, wie und in welchen Einheiten 
die Verschiebungsströme auszumessen sind, damit sie un- 
mittelbar mit den Leitungsströmen vergleichbar werden. Dazu 
ist es nur nöthig, den vorher in Worten durchgeführten Ver- 
gleich beider Stromarten zahlenmässig zu verfolgen. Für die 
Volumeneinheit ist die elektrostatische Energie T nach 
§ 38 gleich 

zu setzen. Ein Verschiebungsstrom in der Richtung von (8 
vermehrt T im Zeitelemente dt daher um 

4cit 7 

wobei <& für d®/dt gesetzt ist. — Andererseits ist die durch 
einen Leitungsstrom in der Volumen- und der Zeiteinheit 
verwüstete Energie nach dem Ioule'schen Gesetze (Gleichung 147) 

Falls nun bei gegebenem @ die durch den Verschiebungs- 
strom bedingte Energiezufuhr ebensogross werden soll, wie 
die vom Leitungsstrome in der gleichen Zeit verwüstete 



158 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

Energie, so muss, wie ein Vergleich von dT und Q lehrt 

K • 
i = — (S sein, d. h. die letztgenannte Grösse ist als das Maass 

4:7t ' & 

des Verschiebungsstromes, der dadurch zugleich auch der 
Richtung nach dargestellt wird, zu betrachten. 

Gebrauchen wir also für den wahren Strom durch eine 
gegebene Querschnittsfläche die Buchstaben (£ bezw. C und 
für den specifischen Strom an einer Stelle des Feldes c, 
so ist 

« = * + £« (151) 

An Stelle des zweiten Gliedes der rechten Seite kann 

man übrigens nach Gleichung 115, S. 91 einfacher $ schreiben, 
so dass auch 

c = i + i> (152) 

ist. Der Verschiebungsstrom ist daher in der That, auch 
der Grösse nach, nichts anderes als die Aenderung der Ver- 
schiebung, bezogen auf die Zeiteinheit. 



§ 65. Erweiterte Form der ersten Hauptgleichung. 

Die Gleichungen (143) und (150) sind nur unter der Be- 
dingung gültig, dass keine anderen als Leitungsströme im 
Felde vorkommen. Wir können sie aber jetzt leicht auch 
auf den Fall übertragen, dass daneben auch Verschiebungs- 
ströme bestehen, indem wir in ihnen i dufch c ersetzen. 
Denn da nach der MaxwelFschen Theorie Verschiebungs- und 
Leitungsströme als wesentlich gleichartige Vorgänge (wenig- 
stens insofern, als es sich um die Energiezufuhr aus dem 
äusseren Räume zu dem betreffenden Volumenelemente handelt) 
anzusehen sind, muss auch das ihnen im äusseren Räume 
entsprechende magnetische Feld in gleicher Weise in Be- 
ziehung zu ihnen stehen. 

Aus Gleichung (143) erhalten wir daher jetzt 

curlg = 4*e (153) 



Drittes Cap. Wechselbeziehung, zwisch. Elektricität u. Magnetismus. 159 

und bei Einsetzen der Werthe von c und i aus Gleichung (151) 
und Gleichung (145) 

curl§ = 4rtifc<g+Z<g (154) 

oder, wie man dafür auch in leichtverständlicher Abkürzung 
schreiben kann 

curl$ — (4»Ä + JT~)«, . . . (154 a ) 

Der Klammerwerth kann als der (von dem Peldzustande 
unabhängige) Operator bezeichnet werden, der uns aus (8 den 
curl von # kennen lehrt. 

§ 66. Convectionsströme. 

Ein elektrisch geladener, isolirter Körper bewege sich 
etwa im Lufträume oder in einem mit Petroleum gefüllten 
Gefässe u. s. w. Irgendwo in dem Medium sei eine geschlossene 
Fläche construirt. So lange sich der Körper ausserhalb der 
Fläche befindet, ist der gesammte von ihm ausgehende Ver- 
schiebungsfluss durch diese Fläche gleich Null (vgl. § 40). 
Sobald er in die Fläche eingetreten ist, wird der Verschiebungs- 
fluss, also das Oberflächenintegral der Verschiebung für die 
Fläche gleich der wahren Elektricitätsmenge, die mit dem 
Körper in den Raum übergetreten ist. Die Aenderung des 
Verschiebungsflusses bedeutet aber einen durch die Fläche 
tretenden Verschiebungsstrom. 

Nun gehört es, wie schon in der Einleitung festgestellt 
wurde, zu den wichtigsten Annähmen der MaxwelPschen 
Theorie, dass die elektrischen Ströme — falls man alle ihre 
Bestandteile sorgfältig in Rechnung zieht — stets geschlossen 
sind, oder dass sich das hypothetische Fluidum, das man sich 
im Strömen begriffen denken kann, wie eine incompressible 
Flüssigkeit bewegt. Wenn also, wie in unserem Falle, ein 
Strom — nämlich der Verschiebungsstrom — aus der ge- 
schlossenen Fläche ausgetreten ist, muss nothwendig auch ein 
Strom durch dieselbe Fläche in den inneren Räume ein- 
getreten sein. Dieser kann aber nur durch den Uebergang 



160 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell' sehen Theorie. 

der Ladung des Körpers mit wahrer Elektricität in den 
Innenraum dargestellt werden. 

Wir werden so zu dem Schlüsse geführt, dass jede Be- 
wegung wahrer Elektricitätsmengen durch den Raum einen 
elektrischen Strom — den Convectionsstrom — darstellt, mit 
allen Eigenschaften, die den Strömen im Allgemeinen zu- 
kommen. 

Abgesehen von dieser Beweisführung wird der Schluss 
auch von der Erfahrung bestätigt. So kann man einen Leitungs- 
strom in einem Leiterkreise unterhalten, der an einer Stelle 
unterbrochen ist, indem man in die Lücke einen Convections- 
strom einschaltet (elektrisches Glockenspiel). Nach den Ver- 
suchen von Rowland übt ein Convectionsstrom magnetische 
Wirkungen aus, u. s. w. 

Aus unserer Betrachtung ergibt sich auch das Maass 
des Convectionsstromes. Wenn die wahre Elektricitätsmenge 
e w in den Raum übergetreten ist, bildet ^zugleich das Maass 
für das Zeitintegral des im Ganzen aus der Fläche aus- 
getretenen Verschiebungsstromes. Der Strom selbst ist daher 
in einem gegebenen Augenblicke gleich de w /du Bezeichnen 
wir, wie früher, mit q w die räumliche Dichte von e w und mit 
tt die Geschwindigkeit, mit der sich der geladene Körper an 
der betreffenden Stelle bewegt, so gibt q w u den speeifischen 
Convectionsstrom an, d^in bei Multiplication mit der zu tt 
senkrechten Querschnittsfläche df und mit dem Zeitelemente 
dt erhält man in der That als Tensor die Elektricitätsmenge 
de w , die während dessen an der betrachteten Stelle durch 
die Fläche df hindurchgeführt wurde. Bezeichnen wir die 
Dichte des Convectionstromes daher mit I, so erhalten wir 

1 = Qw-u (155) 

Dieses Glied ist überall, wo Bewegungen wahrer Elek- 
tricitätsmengen vorkommen, dem wahren Strome hinzuzufügen. 
Aus Gleichung (152) wird daher 

c = i + 2> + q w ü = i + i) + ttdivS) . . (156) 



Drittes Cap. * Wechselbeziehung, zwisch. Elektricität u. Magnetismus. 1 61 

Die erste Hauptgleichung nimmt damit die neue, all- 
gemeinere Form an 

curl 6 = Atcx + Atc% + iitü div 2> ) 

. (157) 

= 4^@ + #<S + Zdiv<g.u + (@- VZ)tt) v J 

•§ 67. Der magnetische Strom. 

Von den drei Arten elektrischer Ströme, die ich in dem 
Vorhergehenden behandelte, hat nur einer, der Verschiebungs- 
strom, ein Analogon auf der magnetischen Seite. Magnetische 
Leitungsströme sind bisher niemals beobachtet worden und 
wahrscheinlich aus einem uns bisher verborgen gebliebenen . 
Grunde, der mit dem Mechanismus dieser Vorgänge zusammen- 
hängt, an sich unmöglich. 

Ein magnetischer Leitungsstrom wäre dann vorhanden, 
wenn der magnetische Zwangszustand allmählich unter Ver- 
wüstung der Energie dahinschwände, so dass, um ihn dauernd 
zu erhalten, dem betreffenden Körper unausgesetzt Energie 
zugeführt werden müsste. Manche Vorgänge können bei 
oberflächlicher Betrachtung den Anschein erwecken, als wenn 
dieser Fall in der That bei den in der Technik verwendeten 
Magneten zuträfe. So wird bei dem Magnetsysteme einer 
Dynamomaschine thatsächlich dauernd Energie aufgewendet, 
um den magnetischen Inductionsfluss aufrecht zu erhalten. 
Das geschieht aber nicht deshalb, weil .der Zwangszustand 
im Zerfall begriffen wäre, sondern weil er das elastische Be- 
streben zur Rückbildung hat und weil solche Bedingungen 
geschaffen werden müssen, die dies verhindern. Es ist so, 
als wenn man ein Gewicht frei schwebend erhalten will. 
Man braucht dazu keine Arbeit aufzuwenden und erspart sich 
jede Anstrengung, wenn mau es in geeigneter Weise auf- 
hängt (wie dies der Verwendung permanenter Magnete ent- 
spricht). Geht dies nicht an, so verursacht das Halten 
zwar eine Anstrengung, also auch einen Energieverbrauch in 
unserem Muskelsysteru, auf das getragene Gewicht geht aber 
nichts von dieser Energie über. 

Föppl, Maxwell'sche Theorie der Elektricität. 11 



162 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der MaxweU'schen Theorie. 

Noch näher liegt die Versuchung, einen magnetischen 
Leitungsstroru anzunehmen bei dem Kern eines Transformators 
oder überhaupt bei alternirenden Magneten. Denn bei diesen 
muss nicht nur Energie zugeführt werden, um den magne- 
tischen Zustand in der gewünschten. Weise pulsiren zu lassen, 
sondern diese Energie wird, wenigstens zum Theil, auch 
wirklich dem Körpervolumen zugeführt, um dessen Zustands- 
änderung es sich handelt und dort verwüstet. Selbst wenn 
man die Foucault'schen Ströme, von denen es klar ist, dass 
sie nur in seeundärer, von dem Hauptvorgange ganz un- 
abhängiger Weise Energie verzehren, durch passende Unter- 
theilung des Eisens vermeidet, bleibt noch eine aufs Engste 
von dem magnetischen Cykel abhängige Energieverwüstung 
übrig, die mit der Hysteresis zusammenhängt. 

Aber auch die durch Hysteresis verursachte Wärmeent- 
wicklung darf nicht mit jener verglichen werden, die einen 
magnetischen Leitungsstrom anzeigen würde. Abgesehen von 
allem anderen, besteht hier der grundsätzliche Unterschied, 
dass die Wärmeentwicklung durch Hysteresis eine Aenderung 
der Induction zur Bedingung macht und von dem Maasse 
dieser Aenderung abhängt, während ein magnetischer Leitungs- 
strom Energie ebenso bei constanter Induction verwüstete 
und von der Aenderung überhaupt nicht direct beeinflusst 
würde. 

Man muss daher annehmen, dass es in der Natur keine 
magnetischen Leiter gibt; dies führt dann von selbst weiter 
zu dem Schlüsse, dass kein wahrer Magnetismus zu Stande 
kommen kann. Dass von Anfang an solcher schon vorhanden 
gewesen sei, wird nicht angenommen. Damit fallen auch die 
magnetischen Convectionsströme im eigentlichen Sinne, wenn 
man auch von fingirten magnetischen Conveetionsströmen in 
demselben Sinne, wie im zweiten Capitel dieses Abschnitts 
von fingirten magnetischen Massen reden kann, die auf der 
Oberfläche oder im Innern der Magnete zur Erklärung der 
äusseren Wirkung angenommen wurden. 

Die Erfahrungen sind vielleicht bisher nicht ausgedehnt 



Drittes Cap. Wechselbeziehung, zwisch. Elektricität u. Magnetismus. 1 63 

und vielseitig genug, um die geschilderte Auffassung in allen 
Theilen sicher zu bestätigen. Jedenfalls bildet aber die An- 
nahme eine der Hauptgrundlagen der neueren MaxwelFschen 
Theorie, dass magnetische Leiter und wahre magnetische 
Massen in der Natur überhaupt nicht vorkommen. Die ganze 
Fassung der Theorie würde sich bis in das innerste Gefüge 
hinein ändern müssen, wenn der Nachweis eines magnetischen 
Leiters gelingen sollte. 

Dem elektrischen Verschiebungsstrome steht aber der 
magnetische Inductionsstrom (oder der magnetische Strom 
kurzweg, da ein solcher anderer Art nicht vorhanden ist), 
durchaus vollwerthig gegenüber und er bringt auch, wie aus 
der Erfahrung bekannt ist, genau analoge Wirkungen hervor. 

Für den Verschiebungsstrom fanden wir früher den Werth 
2>; für den magnetischen Strom haben wir daher analog den 

Werth SB zu wählen. Bezeichnet also g die Intensität des 
magnetischen Stromes an einer bestimmten Stelle des Raumes, 
so ist ß definirt durch 

B-© (158) 

Für den magnetischen Strom G durch eine bestimmte Quer- 
schnittsfläche setze ich ähnlich wie in Gleichung (142) S. 149 

G=f$9tdf=f&9tdf (159) 

Denkt man sich so, wie es früher auseinandergesetzt 
war ; die Vertheilung des Vectors SJ durch ein System von 
Inductionslinien dargestellt, so bedeutet ff89tdf die Zahl der 
•durch die betreffende Querschnittsfläche gehenden Inductions- 
linien und G gibt daher die Aenderung dieser Zahl, bezogen 
auf die Zeiteinheit, an. 

Nebenbei bemerkt, wird gerade bei den Betrachtungen, 
die wir jetzt im Auge haben, das Wort Inductionslinie häufig 
durch „magnetische Kraftlinie" ersetzt. Man ist dazu dadurch 
geführt worden, dass im magnetischen Maasssysteme die Con- 
stante p für die Luft = 1 gewählt und damit für den Luft- 

ll* 



164 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie, 

räum JB = § gemacht wurde, so dass in der Luft Kraft- und 
Inductionslinien sich völlig decken. Es ist aber nicht genug 
vor solchen Ungenauigkeiten in der Ausdrucksweise zu warnen, 
da sie nur zu leicht zu einer Verwischung der zugehörigen Be- 
griffe führen. 

In Worten lägst sich Gleichung (159) schliesslich noch 
dahin zusammenfassen: Der magnetische Strom durch 
ein gegebenes Flächenstück ist gleich der auf die 
Zeiteinheit bezogenen Aenderung des Inductions- 
flusses durch das Flächenstück. 

Da der magnetische Strom nur aus dem Inductionsstrome 

« 

besteht und die Inductionslinien an sich schon stets geschlossene 
Linien bilden, gilt dies auch von den magnetischen Strom- 
linien. Gerade wie dies von dem elektrischen Strome von 
vornherein vorausgesetzt wurde, gilt daher auch von dem 
magnetischen Strome, dass er überall die solenoidale Bedingung 
erfüllt, d. h. dass stets 

div 9 = . . . . . . . (160) 

ist. * 

§ 68. Das Inductionsgesetz. 

So wie der elektrische Strom mit einem magnetischen 
Felde, steht der magnetische Strom mit einem elektrischen 
Felde in nothwendigem Zusammenhange. Der ersten Haupt- 
gleichung ist daher eine zweite zur Seite zu stellen, die das 
Differentialgesetz dieses Zusammenhangs, oder, wie man es 
auch ausdrückt, das Differentialgesetz der elektrodynamischen 
Induction ausspricht. Das Wort Induction hat hier, wie be- 
kannt, eine durchaus verschiedene Bedeutung von der mag- 
netischen Induction. 

Mit Hülfe des Energieprincips kann man zwar die 
Inductionsgesetze als Correlate der Gesetze über die elektro- 
magnetischen und elektrodynamischen Kräfte ableiten. Dabei 
läuft aber in jedem Falle die Voraussetzung mit unter, dass 
andere mit Energieübertragungen oder Energieanhäufungen 
verbundene Vorgänge als die in Aussicht genommenen nicht 



Drittes Cap. Wechselbeziehung, zwisch. Elektricität u. Magnetismus. 165 

vorkommen. Es scheint mir daher, # dass die apriorische Ge- 
wissheit der auf diesem Wege gewonnenen Aussage über die 
Notwendigkeit des Auftretens von iuducirten Kräften nicht 
überschätzt werden darf. In jedem Falle bedarf vielmehr auch 
sie der Bestätigung durch die Erfahrung.* • 

Andererseits spricht aber das Faraday'sche Inductions- 
gesetz* eine so sicher und einwurfsfrei festgestellte Erfahrungs- 
thatsache aus, dass der Physiker, der seine erste Aufgabe in 
der möglichst getreuen und unmittelbaren Erfassung und Dar- 
stellung der Naturerscheinungen erblickt, nicht zu zögern 
braucht, sie ganz unabhängig von jedem weiteren Zusammen- 
hange in sein System aufzunehmen. Gewiss gehört es ebenso 
auch zu den Aufgaben des Physikers, die nothwendigen Be- 
ziehungen der einzelnen Erscheinungsgruppen zu einander auf- 
zudecken. Er vermag dieser aber ebensogut gerecht zu werden, 
wenn er in unserem Falle nachträglich den Nachweis führt, 
dass das -Energieprincip durch das Zusammenwirken aller 
mitwirkenden Vorgänge befriedigt wird. Ich werde daher die 
zweite Hauptgleichung hier unmittelbar aus dem Faraday'- 
schen Inductionsgesetze ableiten. 

In einem veränderlichen magnetischen Felde sei ein ge- 
schlossener linearer Leiter gegeben. Dieser Leiter bilde die 
Umfangslinie eines Flächenstücks, das so • gelegt ist, dass 
jede Inductionslinie des Feldes die Fläche nicht mehr als ein- 
mal durchschneidet. Nach dem Faraday'schen Inductions- 
gesetze wird dann in dem Leiter ein elektrischer Strom in- 
ducirt, dessen Stärke proportional der Aenderung der Zahl der 
Inductionslinien durch die Fläche, d. h. proportional dem mag- 
netischen Strome durch die Fläche ist. Ueber die Richtung 
dieses inducirten Stromes werden nachher weitere Angaben 
folgen. 

Wir erkennen hieraus zunächst, dass der magnetische 
Strom in nothwendigem Zusammenhange mit dem Auftreten 
elektrischer Kräfte in »einer Umgebung steht, dass er also 
von einem elektrischen Felde begleitet wird. Ferner lehrt 
uns jene Thatsache, dass das Linienintegral der elektrischen 



166 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der MaxweH'schen Theorie. 

Kraft (S längs der geschlossenen Curve proportional dem mag- 
netischen Strome durch die Fläche ist. Eine Aenderung der 
Gestalt der Fläche bringt, so lange wir die Umfangslinie bei- 
behalten, keine Aenderung in dem Betrage des magnetischen 
Stromes herbei, da der magnetische Strom, wie wir sahen, die 
solenoidale Bedingung erfüllt (vgl. § 33). Auch der in dem 
Inductionsgesetze vorkommende Proportionalitätsfaetor kann, 
soweit es sich um seine numerische Grösse handelt, der Er- 
fahrung entnommen werden. Ueber die Dimension, die ihm 
zukommt, gibt aber das, was aus den vorhergehenden Be- 
trachtungen über die Dimensionen der übrigen Grössen her- 
vorgeht, hinreichenden Aufschluss. 

Auf Grund dieser Vorbemerkungen lässt sich das Faraday'- 
sehe Inductionsgesetz für unseren Fall durch die Gleichung 



fkäi = 



G (161) 



zum Ausdrucke bringen. Sie ist in allen Stücken analog der 
Gleichung (141) S. 147, die den experimentell festgestellten Zu- 
sammenhang zwischen dem elektrischen Strome und der ihm 
zugehörigen magnetischen Kraft zum Ausdruck brachte. Es 
fehlt zunächst nur der Factor 4#, was in der unsymmetrischen 
Wahl der den Zusammenhang zwischen 33 und $ einerseits 
und 2) und (8 andererseits vermittelnden Coefficienten be- 
gründet ist. Für die früher erwähnten rationellen Einheiten 
Heavisides. verschwindet dieser Unterschied. Von fundamentaler 
Bedeutung ist dagegen die Aenderung des Vorzeichens auf 
der rechten Seite. Dies wird sich sofort näher zeigen, wenn 
auf die Betrachtung der Richtungen der vorkommenden Vectoren 
näher eingegangen wird. 

Der Proportionalitätscoefficient, von dem vorher die Rede 
war, hat in Gleichung (161) den Werth 1 erhalten. Wir 
betrachten dies als Ausdruck der Erfahrung für den Fall, 
dass alle Grössen im C.-G.-S.-System «ausgesprochen sind. Da, 
wie sich sofort zeigen wird, Gleichung (161) schon ohne Bei- 
fügung eines solchen Factors in Bezug auf die Dimensionen 



Drittes Cap. Wechselbeziehung, zwisch. Elektricität u. Magnetismus. 167 

homogen ist, hat er die Dimension Null und ist daher in 
jedem Maasssystem gleich der Einheit, wenn es in einem zu- 
trifft. Der vermuthete Proportionalitätsfactor ist daher, wie 
es in Gleichung (161) schon geschehen ist, ganz zu unter- 
drücken. Selbstverständlich müssen indessen alle Grössen in 
Gleichung (161) auf dasselbe Maasssystem bezogen werden, 
wenn dies zutreffen soll. Im sog. praktischen Maasssysteme 
tritt der Factor 10 — 8 in die Gleichung -des Inductionsgesetzes, 
wie sie gewöhnlich angeschrieben wird nur deshalb ein, weil 
diese unerlässliche Forderung nicht erfüllt ist. 
Nach § 49 hat nämlich (S die Dimensionen 

<g = \M*ir T T~ 1 ir'*) 

und nach § 57 sind die von JB 

Q = \li T M*L~~*T~ 1 ). 

Zwischen den unbekannten Dimensionen von p und K 
besteht der durch Gleichung (139) S. 146 ausgesprochene Zu- 
sammenhang. Führen wir der Einfachheit wegen p auf K 
zurück, so wird 

p — (ar-i//-»r*) 

und wenn man dies in SB einführt 

1 3 



\M 2 L *K »)■' 



Nach Gleichung (158) ergibt sich damit für die speci- 
fische Intensität g des magnetischen Stromes 



= \M 2 L 2 T. X K 2 ) 



.und hieraus weiter für den totalen magnetischen Strom 6r 
nach Gleichung (159) (wobei zu beachten ist, dass die Ein- 
heitsnormale 9t die Dimension Null hat) 



a 



= \M 2 L 2 T X K V' 



168 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell' sehen Theorie. 

In der That hat also, wie man aus dieser Zusammen- 
stellung erkennt, das Linienintegral von @S dieselbe Dimension 
wie G und die Gleichung (161) ist an sich schon homogen, 
so dass ein auf der rechten Seite etwa hinzutretender 
Facjtor nur eine absolute Zahl sein dürfte, wie es oben an- 
gegeben war. 

§ 69. Ableitung der zweiten Hauptgleichung. 

Hierzu verfolgen wir genau denselben Weg, der schon 
aus dem Integralgesetze der Gleichung (141) zu der ersten 
Hauptgleichung geführt hatte. Wie in § 58 finden wir bei 
Anwendung von Gleichung (161) auf ein unendlich kleines 
Flächenstück und dessen Umgrenzung, mit Berücksichtigung 
des Stokes ; schen Satzes, wonach f(8,d% durch curl (S • 9tdf 
ersetzt werden kann: 

curl@.*R = — o *ß. 

Das Minuszeichen auf der rechten Seite wurde hier ein- 
fach aus Gleichung (161) übernommen, obschon- es in jener. 
Formel noch gar keine Rechtfertigung erfuhr und, wenn 
Gleichung (161) für sich geblieben wäre, auch ebensogut weg- 
gelassen werden konnte. Wir werden aber jetzt erkennen, 
dass es eingeführt werden musste, wenn in der vorstehenden 
Gleichung 91 auf beiden Seiten dieselbe Normalenrichtung be- 
deuten soll. 

Zu diesem Zwecke muss eine der Ampere'schen Schwimmer- 
regel analoge Vorzeichenregel über die Richtung der mit 
einem magnetischen Strome verbundenen elektrischen Kräfte 
zu Hülfe genommen werden. Am besten eignet sich dazu 
das Lenz'sche Gesetz, wonach der inducirte elektrische Strom 
selbst eine magnetische Induction hervorruft, die* dem er- 
regenden magnetischen Strome entgegengesetzt gerichtet ist. 
— Die beste Uebersicht über diese Vorzeichenverhältnisse 
wird man aus den nachstehenden vier Figuren erhalten, von 
denen Abbildung 11 a die Ampere'sche Schwimmerregel für 
einen geradlinigen Strom vor Augen führt. Abbildung 11 b 



Drittes Cap. Wechselbeziehung, zwisch. Elektricität u. Magnetismus. 1 69 

zeigt, was aus der Ampere'schen Regel für die Richtung der 
von einem elektrischen Kreisstrome ausgeübten magnetischen 



CD CD 




CD 



Achse: elektr. Strom. Kreis: elektr. Strom. Achse: magn. Strom. Kreis: magn. Strom. 
Kreis: magn. Kraft. Achse: magn. Kraft. Kreis: elektr. Kraft. Achse: elektr. Kraft 

Abb. IIa. Abb. IIb. Abb. 11c. Abb. 11 d. 



Kraft folgt. Die beiden folgenden Abbildungen 11 c und 11 d 
stellen den entsprechenden Zusammenhang zwischen dem 
magnetischen Strome und der elektrischen Kraft dar und 
zwar ergibt sich die Richtung der beigesetzten Pfeile, um 
deren Feststellung es sich handelt, für Abbildung 11 c un- 
mittelbar auf Grund des Lenz'schen Gesetzes aus Abbildung 11 b 
und ebenso geht Abbildung 11 d aus Abbildung 11 a als Folgerung 
des Lenz'schen Erfahrungsgesetzes hervor. 

Die Gedächtnissregeln zur Feststellung der Richtung des 
unter gegebenen Umständen inducirten Stromes lassen meist 
viel zu wünschen übrig. Es möge daher hier darauf hin- 
gewiesen werden, dass sie durch die einfache Bemerkung er- 
setzt werden können, dass für den magnetischen Strom 
und die ihm zugehörige elektrische Kraft die Ampere'- 
sche Schwimmerregel sich genau umkehrt, d.h. dass 
die von einem magnetischen Strome ausgehende elektrische 
Kraft entgegengesetzt gerichtet ist wie die von einem elek- 
trischen Strome ausgehende magnetische Kraft. Allerdings 
lässt sich dies unmittelbar nur auf geschlossene elektrische 
Stromkreise und nicht auf einzelne Leitertheile, die sich in 
einem magnetischen Felde bewegen zur Anwendung bringen. 
Aber auch hier kann man sich immer leicht in der Weise 



170 Zweitor Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

helfen, dass man den bewegten Leitertheil mit beliebig ge- 
führten ruhenden Leitern, mit denen der bewegte Theil durch 
Schleifcontaete verbunden ist ; zu einem geschlossenen Strom- 
kreise ergänzt. Man ermittelt dann nach der Ampere'schen 
Regel- unter Berücksichtigung der (nach dem oben Be- 
merkten) vorzunehmenden Umkehrung die Richtung der in 
dem geschlossenen Kreise inducirten Kraft und beachtet, dass 
diese, wenn das Feld selbst unveränderlich ist, nur von dem 
bewegten Leitertheile herrührt. Nach meiner Erfahrung ist 
dieser Modus allen bisher vorgeschlagenen Gedächtnissregeln 
unbedingt vorzuziehen- 

Nach dieser Abschweifung kehre ich zur Prüfung der 
Vorzeichen in unserer Gleichung zurück. Der Fall, auf den 
sich die Gleichung unmittelbar bezieht, wird durch Abbildung ll c 
dargestellt. Nennen wir wieder, wie früher, a einen vom 
Mittelpunkt der Fläche df nach dem Umfange hingehenden 
Radiusvector, so ist die auf der linken Seite der Gleichung 
vorkommende Normale 9t in solcher Richtung zu wählen, 
dass a, da, 9t oder auch tt, @, 9t ein Rechtssystem im Räume 
bilden, denn diese Normale 91 kam durch die Anwendung 
des Stokes'schen Satzes in die Gleichung (vgl..§ 30). Ein 
Vergleich mit Abbildung ll c zeigt, dass diese Normalen- 
richtung der des magnetischen Stromes g entgegengesetzt ist. 
Behalten wir diese Bedeutung von 9t bei, so erhält die linke 
Seite der Gleichung jedenfalls, wie aus den Entwickelungen 
in § 30 hervorgeht, einen positiven Werth. Das scalare 
Product gSR andererseits würde einen positiven Werth an- 
nehmen, wenn man für 9t die mit dem magnetischen Strome 
gleichgerichtete Normale setzte. Soll also auf beiden Seiten 
der Gleichung 9t dieselbe Bedeutung besitzen (und zwar gleich- 
gültig, welche von beiden), so muss auf der. einen Seite 9t 
durch — 9t ersetzt werden. Auf diese Weise kommt in der 
That das Minuszeichen in die Gleichung. 

Beachten wir nun ferner noch, dass die Gleichung für 
jede Normalenrichtung, also für jede beliebige Stellung des 
Flächenstücks göltig bleibt, so können wir, wie in § 60, 



Drittes Cap. Wechselbeziehung, zwisch. Elektricität u. Magnetismus. 171 

schliessen, dass die Gleichung auch noch richtig bleibt, wenn 
wir den Factor 91 auf beiden Seiten streichen. Damit erhalten 
wir die zweite Hauptgleichung 

curl <g = - g (162) 

• Ersetzen wir hierin g nach Gl. 158 durch SB, so erhalten 
wir auch 

curl« = -8= — p$. . . . (163) 

Di^ Symmetrie der Formeln beim Vergleiche der beiden 
Hauptgleichungen wird dadurch etwas gestört, dass in Gleichung 
(153) der Factor 4# vorkommt, der in Gleichung (162) fehlt. 
Dies liegt aber nur an der wenig glücklichen Wahl der heute 
eingeführten Maasseinheiten, wie schon aus den Bemerkungen 
nach Gleichung (161) hervorgeht. 

§ 70. Zusammenstellung der Dimensionen der in diesem 
Abschnitte eingeführten Grössen. 

Bei allen unseren Formeln ist auf den Einfluss des 
Mediums gebührend Rücksicht genommen, d. h. es ist nirgends 
fi oder K vernachlässigt worden. Wollte man dies nachträg- 
lich noch thun, so würde man dadurch auf das im elektro- 
magnetischen bezw. elektrostatischen Maasssysteme ange- 
nommene System der Dimensionen gelangen. 

Wir thun dies aber nicht und erheben darum den 
Anspruch, dass die von uns ermittelten Dimensionen dem 
wahren physikalischen Character dieser Grössen entsprechen. 
Allerdings bleibt dabei vorläufig eine unbekannte Dimension 
in dem Systeme zurück. Man wird die wichtigsten Aufschlüsse 
davon erwarten dürfen, wenn es einst gelingt, diese fest- 
zustellen, und damit alle Dimensionen fehlerfrei (und nicht 
willkürlich, wie in den alten Systemen) auf die drei Grund- 
einheiten zurückzuführen. 

Man kann geradezu sagen, dass die Ermittelung dieser 
einen, uns noch unbekannten Dimension mit der anderen 
Aufgabe zusammenfällt, das Wesen der elektrischen Er- 



172 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 



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Drittes Cap. Wechselbeziehung, zwisch. Elektricität u. Magnetismus. 173 







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174 Zweiter Abschnitt. Grundlinien der Maxwell'schen Theorie. 

scheinungen zu ergründen. Beide Fragen werden zu gleicher 
Zeit ihre Beantwortung finden. Die Aufstellung der Dimensionen 
bildet daher eine Angelegenheit von nicht zu unterschätzen- 
der Wichtigkeit. Es wird sich daher rechtfertigen, wenn ich 
hier nochmals alle bisher in diesem Abschnitte aufgestellten 
Dimensionen zusammenstelle und .daran die bisher noch 
nicht aufgeführten anschliesse. 

Für jede Dimension werde ich der bequemeren Ueber- 
sicht und Vergleichbarkeit wegen, zwei Ausdrücke geben, 
indem ich einmal K und das andere Mal fi als die eine 
Grösse ansehe, über deren Dimension sich bisher nichts ent- 
scheiden liess. 

Die dritte Spalte harrt noch ihrer Ausfüllung. Ich habe 
sie herstellen lassen, obschon ich sie nicht auszufüllen ver- 
mag, theils um dem Leser Gelegenheit zu geben, dies nach- 
träglich 'zu thnn, sobald die Frage entschieden ist (oder auch 
hypothetisch nach den Conjecturen, die sich gerade über 
diesen Punkt so leicht anstellen lassen), namentlich aber um 
einstweilen den Leser stets, wenn er die Tafel zu Rathe zieht, 
daran zu erinnern, dass uns die wahre Abhäugigkeit aller 
dieser Grössen von jeder der drei Grundeinheiten vorläufig 
• noch unbekannt ist. 



Dritter Abschnitt. 
Weiterer Ausbau des Systems. 



Erstes Capitel. 
Die elektrodynamischen und die magnetodynamischen Kräfte. 

§ 71. Ponderomotorische Kraft an einem Stromelemente. 

Wie iin vorigen Abschnitte knüpfe ich auch in diesem 
wieder unmittelbar an die Erfahrung an. Dass die Erfahrung 
nothwendig zu den von ihr gelieferten Ergebnissen führen 
musste, wenn das Gesetz von der Erhaltung der Energie im 
Zusammenhange mit den früher festgestellten Beziehungen 
befriedigt werden sollte, wird sich dann nachträglich zeigen. 
— Es ist gewiss besser, die Zahl der Ausgangspunkte bei 
der Darstellung einer Theorie möglichst zu beschränken, wenn 
diese Ausgangspunkte hypothetischer Natur sind und durch 
jeden ein neues Element der Ungewissheit in das System 
hineingetragen wird. Das trifft aber hier keineswegs zu, wo 
nur ein mit aller Sicherheit festgestelltes Naturgesetz in Präge 
kommt. Ein Tadel über die von mir gewählte Behandlung 
kann sich daher höchstens gegen die Eleganz der Form richten 
und kann nicht zu einem Zweifel an der thatsächlichen Be- 
rechtigung der gewählten Grundlagen führen. Man bedenke 
aber dabei, dass ich mir die möglichst elementare und leicht- 
verständliche Behandlung des Gegenstandes zur obersten Richt- 
schnur machte, wenn ich dabei auch durchaus nicht gesonnen 
war, ihr die strenge Durchführung des ganzen Systems in 
irgend einem Punkte zum Opfer zu bringen. Das ganze 



176 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

Lehrgebäude kann aber nur an Klarheit und Durchsichtigkeit 
und zugleich wohl auch an Zuverlässigkeit gewinnen, wenn 
es sich überall möglichst unmittelbar auf die eigentlichen 
Erfahrungstatsachen, niit denen Jedermann wohl vertraut 
ist, stützt. 

Das Arnpere'sche Gesetz über die ponderomotorische 
Kraft zwischen zwei Stromelementen, das der Darstellung der 
Elektrodynamik sonst gewöhnlich zu Grunde gelegt wird, 
dürfte ich freilich nicht zu einem solchen neuen Ausgangs- 
punkte wählen. Denn dieses sogenannte Gesetz ist keineswegs 
der unmittelbare Ausdruck einer wirklichen Erfahrung, es ist 
nur eine auf hypothetischem Wege gewonnene Abstraction 
aus einer solchen. Die ponderomotorische Kraft zwischen 
zwei Stromelementen oder überhaupt zwischen zwei Strom- 
theilen ist der Beobachtung gar nicht zugänglich, da, wenigstens 
im Sinne der Maxwell'schen Theorie, ungeschlossene Ströme 
überhaupt nicht vorkommen. Schon der Umstand, dass das 
Grassmann'sche Gesetz der Pernwirkung zwischen Strom- 
elementen die wirklich beobachteten Erscheinungen ebensogut 
zu erklären vermochte, wie die Arnpere'sche Hypothese, zeigt 
dies deutlich genug. — Aber auch selbst wenn diese Unsicher- 
heit nicht hinzukäme, wäre das Arnpere'sche Gesetz ein durch- 
aus ungeeigneter Ausgangspunkt für die Darstellung der 
Maxwell'schen Theorie, da es sich nur auf die letzte Aeusserung 
und nicht auf die Art des Zustandekommens der pondero- 
motorischen Kraft durch die Vermittelung des Mediums bezieht. 

Ganz anders ist es mit der ponderomotorischen Kraft, 
die an einem Stromelemente wirkt, wenn sich dieses in einem 
magnetischen Felde befindet, das auf beliebige Art zu Stande 
gekommen sein kann. Dereui Grösse und Richtung wird in 
der That unmittelbar durch den Versuch bekannt. Zwar 
muss auch hier das Stromelement nothwendig zu einem ge- 
schlossenen Stromkreise gehören, wir können es aber mecha- 
nisch von dessen Rest so isoliren, dass die an ihm angreifende 
ponderomotorische Kraft der Messung unmittelbar zugänglich 
wird. Dazu ist nur nöthig, den betreffenden Stromtheil 



Erstes Capitel. Die elektrodynamisch, u. magnetodynamisch. Kräfte. 177 

mit dem Reste des Stromkreises durch Gleitstellen zu ver- 
binden: elektrisch hängen dann beide zusammen, mechanisch 
sind sie aber völlig getrennt. Verwirklicht wird diese An- 
ordnung in dem bekannten Ainpere'schen Fundamentalversuch. 
Das Ergebniss der auf diesem Wege gewonnenen Er- 
fahrung lässt sich ohne jede Hypothese wie folgt zusammen- 
fassen. Steht zunächst die Richtung des Stromelementes d% 
senkrecht zur Richtung des Feldes 85, so greift an ihm eine 
Kraft % an, rechtwinklig zu d% und 85 und zwar so, dass 
die Aufeinanderfolge d& } 85, $ ein Rechtssystem im Räume 
bildet, deren Tensor F ferner gleich IdsB ist, wenn mit I 
die Stromintensität bezeichnet wird. Vorausgesetzt wird dabei, 
dass d& in demselben Sinne wie die Stromrichtung gezählt 
wird. Wenn 85 zu d% gleich oder entgegengesetzt gerichtet 
ist, wird % zu Null. Bei beliebiger Richtung von SB 
und d% ist der Vector 85 in zwei Compönenten zu zerlegen, 
von denen eine in die Richtung von d% fällt und nichts zu f£ 
beiträgt, während die andere zu d% senkrechte Componente eine 
sich nach der vorhergehenden Regel bestimmende Kraft % 
hervorbringt. Alle diese Aussagen werden durch die folgende 
vereinigt wiedergegeben: 

g^I-Vd»» (164) 

Aus dem Begriffe des Vectorproducts (§ 7 S. 15) geht 
nämlich sofort hervor, dass die Gleichung das verlangte Resultat 
liefert, wenn 85 rechtwinklig zu d% steht. Ebenso wird, wenn 
85 und d% gleich oder entgegengesetzt gerichtet sind, ihr 
Vectorproduct zu Null. Bildet schliesslich 85 irgend eine 
Winkel mit d% } so geht das Vectorproduct bei der oben für 
85 angewendeten Zerlegung in V^885' + V^85" über, wovon 
das erste Glied, falls 85' die mit d% gleichgerichtete Com- 
ponente bedeutet, verschwindet. In jedem Falle wird daher 
die Kraft $ nach Grösse und Richtung durch Gleichung (164) 
in Uebereinstimmung mit der Erfahrung angegeben. 

Man könnte nur insofern im Zweifel sein, ob 85 oder $ 
zur Messung der Intensität des magnetischen Feldes zu ver- 

Föppl, Maxwell'sclie Theorie der Elektricität. 12 



178 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

wenden sei. Denn die Erfahrungen, um die es sieh hier 
handelt, sind, wenigstens der überwiegenden Mehrzahl nach, 
durch Beobachtungen im Lufträume gewonnen und in diesem 
ist unter Zugrundelegung des gewöhnlich, gebrauchten elektro- 
magnetischen Maasssystems $ von gleicher Grösse mit SB. 
Das gilt aber nur für dieses willkürliche Maasssystem, während 
Gleichung (164) ein von jeder derartigen Wahl unabhängiges 
Naturgesetz ausspricht. Man kann also leicht entscheiden, 
ob SB oder § in Gleichung (164) einzuführen ist, indem man 
prüft, ob sie in dem einen oder anderen Falle homogen in 
Bezug auf die Dimensionen ist. Setzt man die in § 70 zu- 
sammengestellten Dimensionen in Gleichung (164) ein, so 
erkennt man sofort, dass sie in dieser Form in der That 
homogen ist, während dies nicht zuträfe, wenn man 83 durch 
$ ersetzen wollte. 

Zugleich folgt aus dieser Betrachtung weiter, dass 
Gleichung (164) für jedes Medium gilt, welches auch die ihm 
zukommenden Werthe von K und p sein mögen. Im anderen 
Falle, wenn jB durch § ersetzt würde, könnte sie nur für 
ein bestimmtes Medium und für ein bestimmtes Maasssystem 
zutreffen. 

§ 72. Umformung von Gleichung (164). 

Gleichung (164) bezieht sich auf lineare Leiter und stellt, 
da I bei der Anwendung auf einen bestimmten Fall stets ein 
Oberflächenintegral über den Leiterquerschnitt bedeutet, kein 
eigentliches Differentialgesetz dar. Um ein solches aus 
Gleichung (164) abzuleiten, ist es nur nöthig, diese Gleichung 
auf ein körperliches Stromelement anzuwenden. In der Rich- 
tung der Strömung i denke ich mir in dem elektrisch durch- 
strömten Körper einen unendlich kleinen Cylinder von der 
Länge dl (scalar genommen) und dem Querschnitte df ab- 
gegrenzt. Für dieses Stromelement geht Id% in xdfdl über 
und Gleichung (164) liefert 

% — dfdlYW. 



Erstes Capitel. Die elektrodynamisch, u. magnetodynamisch. Kräfte. 179 

Das Product dfdl kann durch das Volumenelement dv 
ersetzt werden. Sobald dies geschehen ist, bleibt die vor- 
stehende Gleichung aber auch für jedes beliebig abgegrenzte 
• Volumenelement gültig. Denn ein solches lässt sich stets in 
Elemente höherer Ordnung von der früheren Abgrenzungsart 
zerlegen und die elektrodynamische Kraft an dem ganzen 
Elemente ist gleich der Vectorsumme der % an allen Theilen. 
Allgemein ist daher 

% = dvyw. 

Wir wollen aber von jetzt ab dem Buchstaben $ eine 
andere Bedeutung beilegen, nämlich die auf die Volumen- 
einheit bezogene ponderomotorische Kraft an der betreffenden 
Stelle des elektrisch durchströmten Leiters darunter verstehen. 
Hierbei ist nur zu beachten, dass $ dann nicht mehr die 
Dimension MLT~ 2 y sondern ML~ 2 T~ 2 hat und dass die 
mechanische Kraft aus ihm erst durch Multiplication mit 
einem Volumen gefunden wird. Man könnte daher $ i n seiner 
neuen Bedeutung als die specifische elektrodynamische 
Kraft bezeichnen. 

Unter diesen Pestsetzungen erhalten wir aus dem Vor- 
hergehenden als das Differentialgesetz der an Leitungs- 
strömen angreifenden elektrodynamischen Kräfte: 

S=Vi» (165) 

§ 73. Erweiterung des Satzes. 

Nach der MaxwelFschen Theorie stellt i nicht die wahre elek- 
trische Strömung, sondern nur einen Theil davon dar. Um den 
wahren Strom zu erhalten, müssen wir noch den Verschiebungs- 
strom 2D und den Convectionsstrom q w • tt mit einrechnen. Es 
ist eine der fundamentalen Hypothesen der ganzen Theorie, 
dass die beiden anderen Theile in jeder Hinsicht mit i gleich- 
wertige Grössen bilden und dass daher von ihnen überall, 
wo es sich um ihre Beziehungen zu den elektrischen, mag- 
netischen und elektrodynamischen Feldern handelt, dasselbe 

12* 



180 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

wie von i gilt. Auch Gleichung (165) bedarf daher einer 
Erweiterung, sobald neben i noch die anderen Bestandteile 
des wahren Stromes auftreten. Die erweiterte Gleichung 
bildet dann allerdings nicht mehr wie Gleichung (165) den . 
Ausdruck einer experimentell festgestellten Thatsache. Sie 
beruht daneben auf der genannten Hypothese: sie steht und 
fällt mit dieser, d. h. mit der MaxwelFschen Theorie überhaupt. % 
Nach der MaxwelPschen Theorie ist demnach Gleichung 
(165) zu ersetzen durch (vgl. § 66) 

5=Vf»=Vi»+V2)» + div2)Vtt» . (166) 

wofür auch mit Rücksicht auf die erste Hauptgleichung 
(Gleichung 153, S. 158) gesetzt werden kann 

» = ^V ourl 0-» ( 167 > 

Durch Anwendung der in den Gleichungen (85) und (86), 
S. 64 ausgesprochenen Eechengesetze kann man diese Gleichung 
noch auf eine der beiden folgenden Formen bringen: 

= curl£V£» + ödiv£-VsW ' 

Diese Gleichung gilt übrigens, wie die erste Haupt- 
gleichung in der ihr im vorigen Abschnitte gegebenen Form 
nur im Innern magnetisch weicher Körper (vgl. die Schluss- 
bemerkung von § 60). Ferner ist zu beachten, dass in iso- 
tropen Körpern zwar JB mit § gleichgerichtet und das Vector- 
product aus ihnen daher gleich Null ist, dass aber die 
Ausführung der partiellen Operation curlg daran trotzdem ein 
von Null verschiedenes Resultat liefert. Für das scalare Product 
§$5 kann man nach Gleichung (129), S. 123 S7tT schreiben, 
wenn unter T die auf die Volumeneinheit bezogene magne- 
tische Energie verstanden wird. Nun ist für isotrope Körper 
35 = ft$, und überall wo p constant ist B^Hi/dx «== HßBi/dx 
u. s. f., daher auch V§#8 = V©#8$. Die Summe beider Aus- 
drücke liefert aber das totale V$$. Beachtet man schliess- 



-i(»V)*- 


VT 


= ^curl # V§8 


-VT 


= i(#V)»- 


VT 



Erstes Capitel. Die elektrodynamisch, u. magnetodynamisch. Kräfte. 181 

lieh noch, dass divSB überall Null und für constantes p 
daher auch div # = ist, so folgt aus Gleichung (168) ferner 
noch 



(169) 



Diese Gleichungen gelten indessen nur für das Innere 
magnetisch weicher und isotroper Körper mit constanter 
Permeabilität. 

§ 74. Magnetodynamische Kräfte. 

Nach der zwischen den elektrischen und magnetischen 
Erscheinungen bestehenden Dualität müssen wir erwarten, 
dass auch an den von magnetischen Strömen durchflossenen 
Körpern ponderomotorische Kräfte auftreten. Allerdings be- 
stehen die magnetischen Ströme nur aus den Inductions- 
strömen, also jenen, die den Verschiebungsströmen der elek- 
trischen Seite entsprechen. Gerade für diese war aber das 
Gesetz der elektrodynamischen Kräfte nicht unmittelbar aus 
der Erfahrung bekannt, sondern erst auf Grund der Maxwell'- 
schen Hypothese über die Zusammensetzung des wahren 
Stromes erschlossen. Die jetzt aufzustellenden Gleichungen 
beruhen daher ebenfalls auf dieser Hypothese und auf dem 
Principe der Dualität zwischen den beiden Seiten des Elektro- 
magnetismus (man kann dieses der Kürze halber das Heavi- 
side'sche Princip nennen). Einer Prüfung durch die Erfahrung 
sind die „magnetodynamischen" Kräfte nicht zugänglich, da 
ihre aus der Theorie hervorgehende Intensität zu gering ist, 
um sich bemerklich machen zu können. Doch kann man, wie 
sich später zeigen wird, die Notwendigkeit ihres Auftretens 
ebenso aus dem Energieprincip ableiten wie die der elektro- 
dynamischen Kräfte aus den inducirten elektromotorischen 
Kräften oder umgekehrt, sobald nur zugegeben wird, dass 



182 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau cles Systems. 

die elektrischen Verschiebungsströrne ein magnetisches Feld 
hervorbringen, d. h. dass sie Bestandteile des wahren elek- 
trischen Stromes sind. — Die Fernwirkungslehre kennt 
natürlich keine magnetodynamischen Kräfte, ebensowenig wie 
elektrische Verschiebungsströme oder magnetische Ströme. 

Nach dieser Umschreibung der Stellung, die dem Gesetze 
der hypothetischen magnetodynamischen Kräfte in dem ganzen 
Systeme zukommt, schreibe ich in Anlehnung an Gleichung (165) 
bezw. (166) die Gleichung an, die es in Form eines Diffe- 
rentialgesetzes zum Ausdrucke bringt. Dabei ist nur zu 
beachten, dass, wie sich schon früher ergab, die von mag- 
netischen Strömen erzeugten elektrischen Kräfte gerade ent- 
gegengesetzt gerichtet sind wie die von elektrischen Strömen 
herrührenden magnetischen Kräfte (vgl. § 69). Man muss 
daher auch eine entgegengesetzte Richtung der pondero- 
motorischen Kräfte erwarten. Mit dieser Directive erhalten 
wir nach dem Dualitätsprincipe aus Gleichung (166) 

9' = -Vga>=V»B=Va>8 • • • (170) 

Diese Gleichung und namentlich auch das in ihr gewählte 
Vorzeichen wird späterhin noch eine weitere Rechtfertigung 
erhalten. 

Die magnetodynamische Kraft ist hier zum Unterschiede 
von der elektrodynamischen mit $' bezeichnet. Wenn in 
einem Körper gleichzeitig magnetische Inductions- und elek- 
trische Verschiebungsströme vorkommen, wie beim Fort- 
schreiten einer elektromagnetischen Störung in einem Dielek- 
tricum, haben wir im Ganzen die ponderomotorische Kraft 
$ + ST auf die Volumeneinheit bezogen. Aus Gleichung (166) 
und Gleichung (170) ergibt sich dafür (vgl. Gleichung 28, S. 33) 

* + S'-V»»+V»»-^V»8. . (171) 

Unter Berücksichtigung der zweiten Hauptgleichung, 
Gleichung (162), S. 171 kann man für $' ferner schreiben 

§'=Vcurl(g.2> (172) 



Erstes Capitel. Die elektrodynamisch, u. magnetodynamisch. Kräfte. 183 

woran sich wiederum weitere analytische Umformungen knüpfen 
lassen, genau wie im vorigen § an Gleichung (167). Es ge- 
nügt, zu bemerken, dass Gleichung (168) und (169) bei Unter- 
drückung des Factors 4 je die Werthe von* $' angeben, wenn 
man darin die magnetischen Grössen durch die entsprechenden 
elektrischen ersetzt. 

Vorher war schon bemerkt, dass ^' sich wegen seiner 
Kleinheit nicht beobachten lasse. Ein Zahlenbeispiel möge 
dies näher begründen. Die elektrische Stärke der Luft kann 
auf etwa 30 000 Volt für 1 cm gesetzt werden, d. h. wenn das 
elektrische Potentialgefäll diesen Werth übersteigt, tritt eine 
disruptive Entladung ein. (Nebenbei bemerkt, ist diese dis- 
ruptive Entladung im Sinne der MaxwelPschen Theorie zweifel- 
los als ein Leitungsstrom zu bezeichnen). Wir haben daher 
schon ein sehr hohes elektrostatisches Feld, wenn wir <S 
gleich 10000 Volt für 1 cm, d. h. in elektromagnetischen 
C.-G.-S/ Einheiten gleich 10 12 setzen. 2) wird dann nach 
Gleichung (115) gleich 10 12 K/i7t. Nun ist aber, wenn wir, 
wie hier, das elektromagnetische Maasssystem gebrauchen, 
ft für die Luft gleich 1 gesetzt, und da in der Luft die in 
Gleichung (140), S. 146 vorkommende Geschwindigkeit v zu etwa 
3 • 10 10 ermittelt ist, erhalten wir für K nach Gleichung (140) 
iT=y 10~ 20 . Für ein anderes Dielektricum ist K zwar 
grösser als für Luft; es wird aber nicht leicht den Werth 10"" 20 
übersteigen können. Es ist ferner mit Schwierigkeiten ver- 
bunden, eine Induction 3J hervorzubringen, die merklich grösser 
als 10 4 C.-G.-S. Einheiten ist (der grösste auf geringe Aus- 
dehnung hin überhaupt bisher erzielte Werth von SB beträgt 
davon das 3 bis 4-fache). Nehmen wir nun an, dass 8$ im 
hundertsten Theile einer Secunde von diesem Werthe bis auf 
Null abnimmt, so ist g = 10 6 zu setzen. Führt man diese 
Werthe in Gleichung (170) ein, so erhält man für f$' bei 
günstigster (nämlich rechtwinkliger) Lage zwischen g und $ 
ungefähr den Werth 0,0008 Dynen pro ccm des Mediums. 
Das macht, wenn das Medium das specifische Gewicht 1 hat, 



184 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

etwas weniger als den Millionsten Theil von dem Gewichte 
des Körpers aus und diese Kraft wirkt nur den hundertsten, 
bezw. fünfzigsten Theil einer Secunde auf den Körper ein. 
Dabei waren alle Bedingungen so gewählt, um einen möglichst 
grossen Werth der magnetodynamischen Kraft zu erzielen. 

Nur ein Mittel würde es gelten, die Kraft $' noch über 
den berechneten Werth hinaus erheblich zu steigern, nämlich 
wenn man eine schnellere Aenderung von 83 wählte. Man 
brauchte in der That unter den vorher angegebenen Umständen 
ÜB nur 100 Millionen solcher Viertelschwingungen in der 
Secunde ausführen zu lassen, um zu magnetodynamischen 
Kräften zu gelangen, die von gleicher Grössenordnung mit 
dem Gewichte der davon betroffenen Körper wären. Da diese 
Kräfte aber nur für so kurze Zeit andauern und dann in die 
entgegengesetzte Richtung verkehrt werden, können sie auch 
unter diesen Umständen keinen bemerkbaren mechanischen 
Effect hervorbringen. 

Auf die durch elektrische Verschiebungs- und Convection^- 
ströme hervorgerufenen elektrodynamischen Kräfte lässt sich 
natürlich diese Betrachtung ebenfalls anwenden: auch diese 
Kräfte fallen so gering aus gegenüber den durch elektrische 
Leitungsströme hervorgerufenen, dass es sehr schwierig ist, sie 
durch den Versuch unmittelbar nachzuweisen. 



Zweites Capitel. 

Die eingeprägten elektrischen und magnetischen Kräfte. 

§ 75. Definition der eingeprägten Kräfte. 

Schon die Mechanik der wägbaren Materie kennt den 
Begriff der eingeprägten oder, wie sie hier gewöhnlich ge- 
nannt wird, der äusseren Kraft. Man versteht darunter eine 
Kraft, die nicht durch die Bedingungen, denen das betrachtete 
System an sich unterworfen ist, mit bestimmt wird, sondern 



Zweites Capitel. Die eingeprägten elektrisch, u. magnetisch. Kräfte. 185 

die in willkürlicher Weise mit Hülfe von Mitteln, die in 
keinem noth wendigen Zusammenhange mit dem Systeme stehen, 
daran angebracht werden. So stehen in einem aus elastischen 
Körpern aufgebauten Systeme die darin auftretenden Spannungen 
oder inneren Kräfte in einem gesetzmässigen Zusammenhange 
unter sich und unter den elastischen Deformationen und den 
Beschleunigungen; äussere Kräfte können aber in ganz will- 
kürlicher Weise daran angebracht werden. Geschieht dies, so 
wirken sie allerdings auf den ganzen Verlauf der inneren 
Kräfte bestimmend ein, aber nur in dem Sinne, dass dadurch 
die Bedingungen, denen das System unterworfen ist, eine 
Aenderung erfahren haben. Die äusseren Kräfte stehen daher 
den Vorgängen im Systeme in dem Verhältnisse von Ursache 
und Wirkung gegenüber. 

Oft wird freilich auch in dem als Beispiel angeführten 
Falle, eine äussere Kraft nur zu dem Zwecke eingeführt, eine 
Bedingung anderer Art, der das System unterworfen ist, bei 
der Behandlung der Aufgabe zu ersetzen. So wird, wenn ein 
Punkt des Systems genöthigt ist, auf einer gegebenen Fläche 
zu bleiben, die Aufgabe oft so behandelt, als wenn diese 
Bedingung beseitigt wäre, dafür aber eine zur Fläche normale 
äussere Kraft an dem Punkte angenommen, deren Grösse 
nachträglich so gewählt wird, dass die Bedingung erfüllt 
wird. Hier fällt die Willkür in der Wahl der äusseren Kraft 
zuletzt wieder fort, die ganze Behandlung der Aufgabe erfolgt 
aber doch in der Art, dass die äussere Kraft ohne Rücksicht auf 
die übrig bleibenden Systembedingungen gewählt werden kann. 

Eine solche Behandlung hat sich in vielen Fällen auch 
in der Elektricitätslehre als vortheilhaft erwiesen. Wir be- 
trachten daher von jetzt ab auch solche Fälle, bei denen aus 
Veranlassungen, über die wir keine Rechenschaft geben wollen 
oder geben können, also gewissermaassen von aussen her, 
elektrische oder magnetische Kräfte in dem Systeme auftreten, 
die ohne Rücksicht auf die übrigen Systembedingungen be- 
liebig gegeben sein können. Diese Kräfte werden eingeprägte 
genannt. 



186 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

Wenn es uns bei der Einführung der eingeprägten Kräfte 
nur darum zu thun ist 7 die Aufgaben zu vereinfachen, wenn 
wir also zwar im Stande wären, die Umstände näher dar- 
zulegen, die zum Auftreten der Kräfte führten und führen 
niussten, und nur der vereinfachten Behandlung wegen davon 
absehen, eine nähere Rechenschaft darüber abzulegen, ist die 
Sache offenbar ganz unbedenklich. Misslicher ist es, wenn 
wir keine Rechenschaft darüber geben können. Die Ein- 
führung der eingeprägten Kräfte bildet dann ein Zugeständniss 
dafür, dass die Theorie in den wahren Zusammenhang dieser 
Dinge noch nicht einzudringen vermochte. Wir finden uns 
auf diesem Wege mit experimentell festgestellten Thatsachen, 
für die wir keine zureichende Erklärung haben, in summa- 
rischer Weise ab. Die eingeprägten Kräfte bilden daher in 
solchen Fällen nur einen Behelf bis auf Weiteres, bis es 
nämlich dem Fortschritte der Wissenschaft gelingen wird, 
weitere Aufschlüsse über sie zu geben. 

Auch für die äusseren Kräfte an dem vorhin betrachteten 
Systeme elastischer Körper trifft dies zu. Sind die äusseren 
Kräfte, z. B. Lasten, die wir in beliebiger Vertheilung auf- 
bringen können, so bildet die Veranlassung für ihr Auftreten 
die Thatsache der allgemeinen Gravitation der Körper in ihrer 
Anwendung auf die Schwerkraft. Wir haben ihr Auftreten 
hiermit auf eine allgemeinere Ursache zurückgeführt, die freilich 
selbst noch der weiteren Aufhellung harrt. 

Aus diesen Betrachtungen geht hervor, dass das Operiren 
mit eingeprägten Kräften grosse Vorsicht erheischt. Es 
bildet aber das einzige Mittel, um beim gegenwärtigen Zustande 
unseres Wissens die experimentell festgestellten Thatsachen 
im Rahmen einer Theorie möglichst vollständig wiederzugeben. 



§ 76. Auffassung der inducirten elektrischen Kräfte als 
eingeprägte Kräfte. 

Unter allen elektrischen Kräften sind es die in ruhenden. 
Leitern durch Veränderungen des magnetischen Feldes in- 



Zweites Capitel. Die eingeprägten elektrisch, u. magnetisch. Kräfte. 187 

ducirten Kräfte, für die wir die Bedingungen des Auftretens 
am besten kennen. Bei ihnen liegt daher am wenigsten Ver- 
anlassung dazu vor, sie als eingeprägte Kräfte zu behandeln. 
Freilich ist auch gerade darum diese Behandlung am wenigsten 
bedenklich, wenn sie nur zur Vereinfachung der Darstellung 
gewählt wird, denn wir sind in jedem Augenblicke, falls es 
sich als wünschenswerth herausstellt, im Stande, auf die tiefer 
liegenden Ursachen zurückzugehen. 

Sobald wir die in einem Stromkreise inducirten Kräfte 
als eingeprägte einführen, können wir den Strom verlauf in 
diesem Kreise in jedem Augenblicke auf Grund des Ohm'schen 
Gesetzes in seiner einfachsten Gestalt angeben, indem wir 
dabei weiterhin nur noch auf die Potentialdiflferenzen Rücksicht 
nehmen, die Aufgabe also so behandeln, als wenn gar keine 
Inductiön in Frage käme. An der Stelle, wo die eingeprägten 
Kräfte auftreten, fingiren wir dabei elektromotorische Kräfte 
von derselben Art, wie sie in einer galvanischen Batterie 
auftreten. In dieser Art wird die Aufgabe sogar gewöhnlich 
behandelt. Daher kommt es, dass die Schriftsteller der elektro- 
technischen Litteratur so häufig die elektromotorische Kraft 
einfach als ein Synonym der PotentialdifFerenz ansehen. 

In Wirklichkeit wird dabei freilich eine ihren Wirkungs- 
bedingungen nach vergleichsweise sehr gut bekannte elektrische 
Kraft durch eine andere, nämlich die galvanische Kraft, ersetzt, 
deren Wesen weit mehr in Dunkel gehüllt ist. Im Allgemeinen 
empfiehlt es sich desshalb nicht, die inducirten Kräfte als 
eingeprägte zu behandeln, wenigstens soweit es sich um die 
in ruhenden Körpern handelt. Dagegen dient es zuweilen zur 
Vereinfachung der Darstellung, die durch Bewegung von 
Körpern in magnetischen Feldern inducirten elektrischen Kräfte 
zu den eingeprägten hinzuzuschlagen. 

§ 77. Die elektrische Contactkraft. 

Die Erfahrung lehrt, dass ein Zink- und ein Kupferstück 
(oder überhaupt zwei Leiter verschiedener Art) die in innige 



188 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

Berührung zu einander gebracht, also etwa an der Berührungs- 
stelle zusammengeschmolzen werden, ein verschiedenes elektro- 
statisches Potential annehmen. Dabei sind noch die Fälle zu 
unterscheiden, dass entweder beide Körper metallische Leiter 
oder dass mindestens einer von ihnen ein Ektrolyt ist. Im 
letztern Falle wird die Contactkraft speciell als hydroelektrische 
Kraft bezeichnet. Nacb der (besonders von Exner vertretenen) 
Ansicht mancher Physiker sind zwar beide Fälle als identisch 
zu betrachten, indem auch bei der Berührung von Metallen 
eine (durch den Sauerstoff der Luft u. s. f. eingeleitete) chemische 
Umsetzung die Veranlassung zum Auftreten des elektrischen 
Spannungsunterschiedes bildete. Sollte diese Ansicht richtig sein, 
so würde die hier getroffene Unterscheidung hinfällig werden. 
Es scheint jedoch schwer möglich zu sein, ohne die Annahme 
einer elektrischen Contactkraft auszukommen, die von chemischen 
Umsetzungen unabhängig wäre. Wir werden daher hier voraus- 
setzen, dass solche Contactkräfte , die wir mit @S C bezeichnen, 
wirklich auftreten und sie sorgfältig von den hydroelektrischen 
Kräften (Sb h unterscheiden, die an chemische Umsetzungen ge- 
bunden sind. In diesem § soll nur von den Kräften (B G die 
Rede sein. 

Ueber das Auftreten der Kräfte <8 C haben sich bisher 
zwei verschiedene Anschauungen geltend gemacht, auf die 
etwas näher eingegangen werden soll. Die eine gipfelt in 
der v. Helmholz'sehen Theorie der Doppelschichten, die andere 
rührt von 0. Heaviside her. 

Man setae den Fall, dass die Elektricität — sei es die 
freie oder die wahre — materielle Existenz habe und dass 
diese Materie von dem einen Stoffe auf molekulare Abstände 
hin mehr angezogen werde als von dem anderen. Unter 
diesen Umständen wird an der Löthstelle eines vorher un- 
elektrisch gedachten Zink-Kupfer-Stabes eine Kraft auftreten, 
die eine elektrische Strömung nach der einen Seite (nach der 
des Zinks) hin bewirkt. Den Oberflächen beider Theile des 
verbundenen Körpers werden dadurch elektrische Ladungen 
zugeführt, so lange bis Gleichgewicht eingetreten ist. Im 



Zweites Capitel. Die eingeprägten elektrisch, u. magnetisch. Kräfte. 189 



Gleichgewichtsfalle, mit dein wir uns zu beschäftigen haben, 
ist im Innern beider Metalle <g sowohl als 9D überall Null. 
In den äusseren Raum erstreckt sich dagegen ein Kraft- und 
Verschiebungsfluss und vielleicht geht ein solcher auch an 
der Löthstelle zwischen den Grenzschichten hindurch. 

Anstatt an die Existenz eines elektrischen Fluidums an- 
zuknüpfen, wie es im Zusammenhange mit diesen Betrachtungen 
üblich ist, braucht man übrigens nur vorauszusetzen, dass an 
den Uebergangsstellen eingeprägte, also nicht durch irgend 
eine andere bekannte Ursache, sondern nur durch den Wechsel 
in der chemischen Natur des Körpers hervorgerufene elektrische 
Kräfte auftreten. Man ändert dadurch gar nichts an dem 
ganzen Zusammenhange und kann ebensogut wie vorher alle 
weiteren Folgerungen der Theorie der Doppelschichten daraus 
ableiten. Diese eingeprägten Kräfte sind die Contactkräfte <S C . 

Zur besseren Veranschaulichung sei angenommen, dass 
der Uebergang des einen Metalls in das andere ganz allmählich 
erfolge, dass er also durch eine der procentischen Zusammen- 
setzung nach continuirlich veränderliche Legirung aus beiden 
Metallen gebildet werde. Die Contactkräfte sind dann über 
eine endliche Länge 
hin vertheilt. Ab- 
bildung 12 bringe 
diese Vertheilung 
zur Darstellung. 
Die Abscissenachse 
gibt die Längs- 
ausdehnung des 
Körpers an; links 

von A haben wir reines Zink, rechts von C reines Kupfer 
und in der Mitte ein nach rechts hin immer zinkarmer und 
kupferreicher werdendes Messing. Die Ordinate zeigt die Grösse 
der Contactkraft <8 C an der betreffenden Stelle an. Die Richtung 
von <g c fällt natürlich in Wirklichkeit mit der Richtung der 
Abscissenachse zusammen. Auf den Maassstab und die absolute 
Grösse der Kräfte kommt es jetzt nicht an; die durch die 




190 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

Abbildung willkürlich angegebene Art der Vertheilung der 
Kräfte (SS C oder irgend eine ähnliche wird aber jedenfalls durch 
entsprechende Wahl der Art des Uebergangs zwischen beiden 
Metallen (also die Aenderungsgesch windigkeit in der Zusammen- 
setzung der Legirung) herbeigeführt werden können. 

Bezeichnen wir die elektrostatische Kraft mit Qb s und 
nehmen wir an, dass neben di s und % c keine elektrischen Kräfte 
anderen Ursprungs vorkommen, so ist die gesammte elektrische 
Kraft (8 zu setzen 

<g = @ 5 + <g c (173) 

Hier ist nun die Frage aufzuwerfen, ob die elektrische 
Verschiebung 2> durch das ganze % oder nur durch den Be- 
standteil (8, bedingt sein wird. Wenn man bedenkt, dass 
(& c anfänglich allein bestand, dass es dann zu elektrischen 
Strömungen, die nothwendig durch Verschiebungen $ ein- 
geleitet werden mussten, führte und dass sich erst in Folge 
dieses Vorgangs der Kraftfluss (S, zu @ c hinzugesellte, kann 
man kaum im Zweifel sein, dass die Verschiebung an jeder 
Stelle durch das ganze d bedingt ist. Der Leser wird vielleicht 
sogar den Eindruck erhalten, dass die Antwort so selbst- 
verständlich sei, dass es sich gar nicht lohne, die Frage 
überhaupt aufzuwerfen. Man bedenke aber, dass es sich hier 
um die eingeprägten Kräfte (8 C handelte, von denen nicht ohne 
Weiteres angenommen werden darf, dass sie sich allen Gesetzen 
ebenso fügen wie die anderen, besser bekannten elektrischen 
Kräfte. Durch die angeführte Ueberlegung wird aber wohl 
jeder Argwohn nach dieser Richtung zerstreut. 

Sobald nun Gleichgewicht eingetreten ist, muss im Innern 
des Leiters nothwendig !$ und daher, nach den vorhergehenden 
Bemerkungen auch <g überall Null sein. Wir finden also 
<g Ä = — <g c; d. h. Abbildung 12 gibt zugleich auch die Ver- 
theilung der elektrostatischen Kräfte in der Uebergangsstelle an. 

Nun beachte man, dass nach §39 div @ s = 4jtQf ist. 
Dort, wo <S, und <S C ihren grössten Werth BD angenommen 
haben (Abb. 12), hat (8, keine div, die elektrische Ladung ist 



Zweites Capitel. Die eingeprägten elektrisch, u. magnetisch. Kräfte. 191 

daher dort gleich Null. Links von B haben wir, da <S C vom 
Kupfer zum Zink hin wirkt und daher d 5 nach rechts gerichtet 
ist, eine positive div von Qb s und daher positive Ladungen 
mit freier Elektricität, die räumlich über das Innere der 
Legirung vertheilt sind. Auf der rechten Seite von B ist 
dagegen div <S, und daher ebenso die freie Ladung überall 
negativ. Die Raumdichte dieser Ladung ist der trigono- 
metrischen Tangente des Winkels a proportional, den die 
geometrische Tangente an die Curve der Abbildung 12 bei 
der zugehörigen Stelle mit der Abscissenachse bildet. 

Von Wichtigkeit ist die Bemerkung, dass trotz 
dieser Ladungen mit freier Elektricität, weil % überall 
Null ist, nirgends im Innern Ladungen mit wahrer 
Elektricität vorkommen. Man muss gerade in diesem 
Zusammenhange auf das Sorgfältigste zwischen diesen, ehemals 
für identisch gehaltenen Begriffen unterscheiden, wenn man 
nicht zu irrigen Schlüssen geführt werden will. 

Nach alledem haben wir also links von B eine Schicht 
freier positiver Elektricität von der Dicke BA, die sich bis 
in das reine Zink hinein (bei einfachem Zusammenschweissen 
der beiden Metalle aber wenigstens auf molekulare Distanzen 
hin) erstreckt und rechts davon ebenso eine Schicht negativer 
Elektricität. Beide zusammen machen die v. Helmholtz'sche 
Doppelschicht aus. Von den dadurch gebildeten Kraftcentren 
strahlen durch die Uebergangsschicht hindurch elektrostatische 
Kräfte aus, die vom Zn zum Cu hin gerichtet sind und sich, 
zusammen mit den von den Ladungen der freien Oberflächen 
beider Stabhälften herrührenden elektrostatischen Kräften, ins 
Gleichgewicht mit den eingeprägten Kräften <S C setzen. 
> Die v. Helmholz'sche Theorie der Doppelschichten lässt 
sich nach dieser Betrachtung im Allgemeinen ganz wohl in 
Einklang mit der MaxweU'schen Elektricitätslehre bringen. 
Es bleibt nur die eine Schwierigkeit zurück, dass im Innern 
der Leiter an der Berührungsstelle freie Elektricitätsmengen 
auftreten, die an diesen Stellen gar nicht von wahren Ladungen 
begleitet sind. Dieser Umstand kann aber, wie mir scheint, 



192 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

nicht als ein durchschlagender Grund gegen die Annahme der 
Doppelschichten geltend gemacht werden. — Berührt sich ein 
Metall mit einem schlechten Leiter, wie Glas (das unter ge- 
wöhnlichen Umständen als Isolator angesehen werden darf, 
in diesem Zusammenhange aber ausdrücklich als schlechter 
Leiter bezeichnet werden niuss), so wird, nachdem man beide 
Körper trennte, das Glas in den Ber,ührungsschichten wahre 
Elektricität enthalten. Das Metall zeigt sich nach der Trennung 
zwar ebenfalls mit einer gleich grossen Menge von wahrer 
Elektricität entgegengesetzten Vorzeichens geladen; diese 
stammt aber nicht von der Berührungsstelle, sondern von der 
vorher frei gebliebenen Oberfläche her. Auch die Erscheinungen 
der elektrischen Endosmose führen, so weit ich sehe, nicht 
zu unlösbaren Widersprüchen zwischen der Hypothese der 
Doppelschichten und den Grundlagen der MaxwelPschen 
Theorie. 

Von ganz anderen Gesichtspunkten geht die Heaviside'- 
sche Darstellung aus. Die Einwürfe, die dieser bedeutende 
Forscher gegen die Lehre von den Doppelschichten erhebt, 
vermag ich allerdings nicht als gerechtfertigt anzuerkennen. 
Sie beruhen nach meiner Ansicht auf Verwechselungen der 
Rollen, die den Bestandtheilen von 4§ zukommen, bezw. auf 
der Verwechselung der wahren mit der freien Elektricität. 
So kann man zwar auf dem Boden der Maxwell'schen Theorie 
kaum zugeben, dass sich in einem metallischen Leiter (bei 
Elektrolyten ist dies anders, vgl. § 79) wahre Elektrieitäts- 
mengen ansammeln könnten; wenn man daraus aber, wie 
Heaviside, ein Argument gegen die Doppelschichten ableiten 
will, übersieht man, dass wahre Elektricitätsmengen in diesen 
Schichten überhaupt nicht ins Spiel kommen, sondern nur # 
freie. Ebenso ist es, wenn gesagt wird, dass nach der Lehre 
von den Doppelschichten beim Uebergange eines elektrischen 
Stromes durch die Löthstelle eine Anhäufung oder Entziehung 
von Wärme analog dem Peltier'sehen Phänomen, aber von 
entsprechend grösserer Intensität stattfinden müsse. Denn 
dies widerlegt sich dadurch, dass das ganze <S, auf das es 



Zweites Capitel. Die eingeprägten elektrisch, u. magnetisch. Kräfte. 193 

hier allein ankommt, überall im Innern Null ist und dass 
daher keine Energieumsetzung erwartet werden kann. 

Wenn ich aber auch dieser Kritik der Doppelschichten 
nicht zustimmen kann, so muss ich doch die Heaviside'sche 
Auffassung der Kräfte <8 C als gleichberechtigt neben der 
v. Helmholtz'schen anerkennen. Man findet sie, wie- hier be- 
merkt sein mag, in 0. Heavisides Electr. Papers Bd. I, 1892, 
S. 348 u. f. ausführlich behandelt. 

Unmittelbar aus der Erfahrung ist ja über die Sache 
selbst in der That nur dies bekannt, dass sich ausserhalb des 
Zinkkupferkörpers ein elektrostatisches Feld ausbildet. Dazu 
kommt, dass nach dem, was wir über die Eigenschaften der 
Leiter wissen, der elektrostatische Zwang 2> und daher auch 
die ihm entsprechende elektrische Kraft im Gleichgewichts- 
falle überall im Innern des Leiters verschwinden muss. 

Verfolgen wir nun eine Kraftlinie in ihrem Verlaufe von 
der Zinkoberfläche durch die Luft zur Kupferoberfläche und 
schliessen sie durch eine willkürlich durch die Metallmasse 
gezogene Verbindungslinie ihrer beiden Endpunkte. Wir er- 
halten so einen geschlossenen Integrationsweg, für den das 
Linienintegral der elektrischen Kraft nothwendig vod Null 
verschieden und zwar positiv ist, wenn wir die Richtung der 
Linie im Lufträume vom Zn zum Gu hin zählen. Für sich 
genommen, würde dieses Verhalten dem Energieprincipe zu 
widerstreiten scheinen, denn man erhielte offenbar ein Per- 
petuum mobile, wenn man eine wahre Elektricitätsmenge 
auf der geschlossenen Bahn unter dem Einflüsse des be- 
sprochenen Kraftfeldes fortwährend kreisen Hesse. 

Es muss also noch etwas hinzukommen, was diesen 
Widerspruch aufhebt. Zunächst ist klar, dass die wahre 
Elektricitätsmenge bei dem geschilderten Laufe einmal aus 
dem Zink in die Luft und dann wieder aus der Luft in das 
Kupfer übertreten müsste, wobei neue Contactkräfte, nämlich 
solche zwischen Luft und Metall in Frage kommen, von 
denen bisher nicht die Rede war. Um deren Betrachtung zu 
umgehen, denke man sich aber eine Höhlung von kleinem 

Föppl, Maxwell'sche Theorie der Elektricität. 13 



194 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

Durchmesser längs des Integrationswegs im Metalle aus- 
gebohrt. Die wahre Elektricitätsmenge (also etwa ein ge- 
ladenes Hollundermarkkügelchen) kann jetzt den vorher be- 
schriebenen Kreislauf ganz in der Luft vollenden. Dabei 
fällt aber bei der Uebergangsstelle zwischen beiden Metallen 
in der Röhre die Kraft <S C jetzt fort, während der Fluss der 
elektrostatischen Kraft d 8 keine merkliche Aenderung erfuhr. 
Vorher compensirten sich <g c und <g s , jetzt bleibt nur <8 Ä und 
die Bedingungen sind hiermit so geändert, dass das Linien- 
integral für den geschlossenen Luftweg zu Null wird ; wie es 
von dem Energieprincipe gefordert wird. 

So gestaltet sich die Betrachtung nach der Theorie der 
Doppelschichten. Die Veranlassung, die wir zur Erklärung 
der Erscheinungen suchen, braucht aber ihren Sitz gar nicht 
unmittelbar an den Löthflächen zu haben, sondern sie kann 
auch über deren Grenzlinie vertheilt sein, also über die Linie, 
längs deren Zink, Kupfer und Luft zusammenstossen. Man 
fingire längs dieser Linie einen magnetischen Strom und die 
Erscheinungen sind vollständig erklärt. Der geschlossene 
Integrationsweg, von dem vorher die Rede war, umschlingt, 
wenn wir zunächst von dem Ausbohren eines Hohlweges ab- 
sehen, den magnetischen Strom und das Linienintegral von Ob 
muss daher nach Gleichung, (161) S. 166 in der That von Null ver- 
schieden sein. Zugleich folgt, dass für jede andere Integrations- 
linie zwischen Zink- und Kupferoberfläche das Linienintegral 
denselben Werth annehmen muss, d. h. dass eine constante 
Potentialdifferenz zwischen Zink und Kupfer besteht. Haben 
wir dagegen, wie vorher, einen Canal ausgebohrt, so tritt 
dort, wo die Löthfläche von der Canalwandung geschnitten 
wurde, abermals eine Linie auf, in der die 3 Medien (Zink, 
Kupfer, Luft) zusammenstossen. Wir müssen daher diese 
Linie gleichfalls als Bahn eines fingirten magnetischen Stromes 
von derselben Intensität, wie bei dem früheren betrachten, 
der aber wegen der geänderten Aufeinanderfolge der Medien 
im entgegengesetzten Sinne umläuft. Der durch die Höhlung 
geführte ^geschlossene Integratiousweg umschlingt daher zwei 



Zweites Capitel. Die eingeprägten elektrisch, u. magnetisch. Kräfte. 195 

magnetische Ströme, deren Summe Null ergibt und das Linien- 
integral der elektrischen Kraft wird, wie es von dem Energie- 
principe gefordert wird, wiederum zu Null. 

Erfolgt der Uebergang vom Zink zum Kupfer nicht 
plötzlich, sondern wie bei der Besprechung von Abbildung 12 
angenommen war, allmählich, so ist der fingirte magnetische 
Strom natürlich in entsprechender Oberflächen vertheilung über 
die ganze an die Luft grenzende Oberfläche des Uebergangs- 
stückes anzunehmen. An der Zulässigkeit der vorhergehenden 
Betrachtungen wird dadurch nichts geändert. 

Dieser fingirte magnetische Strom bildet übrigens, wie 
man leicht erkennt, in jeder Hinsicht und im Sinne des 
Dualitätsprincips das Gegenstück zu den fingirten elektrischen 
Strömen, die von Ampere zur Erklärung des Magnetismus 
angenommen wurden. So wie nach der Fernwirkungslehre 
ein geschlossener elektrischer Strom einer magnetischen 
Schale, also einer magnetischen Doppelschicht äquivalent 
ist, vertritt hier der magnetische Strom die supponirte elek- 
trische Doppelschicht. 

So wenig aber aus der Aequivalenz der Fern Wirkungen 
geschlossen werden darf, dass den Erscheinungen des Magnetis- 
mus thatsächlich elektrische Strömungen zu Grunde liegen, 
so wenig wird in unserem Falle behauptet, dass dem fingirten 
magnetischen Strom eine reale Existenz zukomme. Er soll 
vielmehr nur eine Veranschaulich ung dafür bilden, wie sich 
die Kräfte <B C nach der Heaviside'schen Hypothese vertheilen. 
Die Ausgangsstelle für den Kraftfluss Qb c — und dies allein 
wird von dieser Hypothese wirklich ausgesagt — wird von 
der Linie bezw. Fläche gebildet, mit der die Uebergangsstelle 
zwischen beiden Metallen an die Luft angrenzt. Durch 
Wirkungen, über die wir zunächst keine weitere Rechenschaft 
zu geben vermögen, jedenfalls aber in Folge des Zusammen- 
trittes der drei Medien (Zink, Kupfer, Luft) wird an dieser 
Stelle ein curl von <S C (also ein Wirbel) hervorgerufen. Von 
der Erregungsstelle aus pflanzt sich <$ c in den übrigen von 
den drei Medien eingenommenen Raum fort, so dass es sonst 

13* 



196 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

überall den Bedingungsgleiehungen curl (S c = und div <S C = 
genügt. Diese Vertheilung und die Art der Erregung ist 
genau identisch mit der, die von einem magnetischen Strom 
ausgehen müsste. 

Zu (S c tritt dann noch allenthalben die von den freien 
Ladungen herrührende elektrostatische Kraft <S 5 und die 
Ladungen vertheilen sich so, dass in den metallischen Medien 
die Vectorsumme Qb c + ®* zu Null wird. Da ferner überall 
div <S C Null ist, hat daher im Innern der Metalle auch Qk s 
überall die div Null, d. h. freie Ladungen kommen im Innern 
der Metalle, auch an den Uebergangs- oder Löthstellen nirgends 
vor. Die Heaviside'sche Hypothese ist daher in der That 
von der Hypothese der Doppelschichten durchaus verschieden. 

In allen der Beobachtung zugänglichen Fällen führen 
beide Anschauungen über die Vertheilung der Contactkräfte (& c 
im Wesentlichen zu Ergebnissen derselben Art. Eine ex- 
perimentelle Entscheidung zwischen beiden wird sich daher 
zunächst schwerlich herbeiführen lassen. Eine Abweichung 
würde sich zwar ergeben, wenn das eine Metall von dem 
anderen völlig eingeschlossen wäre. Im Gegensatze zu 
v. Helmholtz müsste man nach Heaviside annehmen, dass in 
diesem Falle kein Potentialunterschied zwischen beiden ent- 
steht. Durch die Beobachtung lässt sich dieser Fall aber 
nicht prüfen, denn sowie etwa von dem eingeschlossenen 
Metalle ein Draht zu einem Elektrometer geführt würde, 
kämen nothwendig Grenzlinien vor, in denen drei Medien zu- 
sammenstiessen. Aehnlich verhält es sich, soweit ich sehe, 
bei anderen Versuchsanordnungen, die etwa zur Entscheidung 
dieser Frage gewählt werden könnten. 

Ich habe mich bei der Besprechung dieser Frage länger 
aufgehalten, als es durch den Zweck dieser Schrift gerecht- 
fertigt erscheinen könnte. Die Frage hat aber eine grössere 
Tragweite als man zunächst anzunehmen geneigt sein möchte. 
Nur wenn man sich mit ihr hinreichend vertraut gemacht 
hat, wird man deutlich verstehen, wie es kommt, dass es bei 
den periodisch veränderlichen elektromagnetischen Vorgängen 



Zweites Capitel. Die eingeprägten elektrisch, u. magnetisch. Kräfte. 197 

weniger auf die Grösse der eingeprägten Kräfte selbst, als 
auf ihren curl ankommt. Ausserdem wird man nur dann zur 
weiteren Befestigung der MaxwelFschen Lehre in unserer 
Auffassung der Vorgänge gelangen können, wenn man ihre 
Consequenzen in allen solchen Fällen streng verfolgt. 

Im tlebrigen lasse ich es hier unentschieden, welche der 
beiden Annahmen über die Vertheilung der Kräfte Qt e das 
Rechte trifft. In jedem Falle rechne ich (8 C stets zu den ein- 
geprägten Kräften. 



§ 78. Die thermoelektrische Kraft. 

Ausser den vorher besprochenen Contactkräften treten 
an der Berührungsstelle von zwei Leitern noch andere Kräfte 
auf, die thermoelektrischen, die mit jenen nicht verwechselt 
werden dürfen. Die Vermuthung liegt zunächst allerdings 
nahe genug, dass die thermoelektrischen Kräfte mit den 
Contactkräften identisch seien, so nämlich, dass diese mit 
der Temperatur veränderlich wären und ihre Differenz für 
zwei auf verschiedener Temperatur' gehaltene Löthstellen 
die im Thermoelemente beobachtete elektromotorische Kraft 
hervorriefe. 

Wer an den Gegenstand neu herantritt, wird zunächst 
stets versuchen, ob er mit der soeben geschilderten Auffassung 
ausreichen kann. Von selbst drängt sich ja die Annahme 
auf, dass die elektrische Contactkraft von der Temperatur der 
Löthstelle abhängig sei und dass daher in einem aus zwei 
Metallen gebildeten Kreise, sobald die beiden Löthstellen auf 
verschiedenen Temperaturen gehalten werden, ein Strom zu 
Stande kommen müsse. Das ist aber gerade, was die Erfahrung 
bestätigt. Nur mit Widerstreben und unter dem Drucke der 
zwingendsten Gründe wird man daher diese so einfache Vor- 
stellung zu opfern bereit sein. 

Solche Gründe liegen aber vor und zwar werden sie durch 
das Peltier'sche Phänomen geliefert. Wenn die Löthstelle 
von zwei Metallen von einem elektrischen Strome durchsetzt 



198 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

wird, tritt je nach der Stromrichtung eine Wärmebindung 
oder umgekehrt eine Wärmeentwickelung ein, die der Menge 
nach von der Temperatur der Löthstelle abhängig, der Strom- 
stärke proportional und im Sinne des Energieprincips der 
Arbeit der thermoelektrischen Kräfte äquivalent ist. Hier- 
durch verräth sich aber die Grösse des durch die thermo- 
elektrischen Kräfte verursachten Potentialsprungs an jeder 
Löthstelle gesondert und zwar entspricht nach der Erfahrung 
die Menge der Peltier'schen Wärme stets Potentialunterschieden 
von derselben Grössenordnung, wie sie der resultirenden thermo- 
elektrischen Kraft eines Thermoelements zukommt. Käme der 
Strom nur durch eine Differenz der elektrischen Contactkräfte 
an beiden Löthstellen zu Stande, so müsste die Peltier'schg 
Wärme an jeder Löthstelle einer elektrischen Arbeit äquivalent 
sein, wie sie einem Potentialunterschiede von der Grössen- 
ordnung eines Volt entspricht. Anstatt dessen ist aber in 
den meisten Fällen der durch die Peltier'sche Wärme an- 
gezeigte Potentialsprung nur gleich einigen Tausendsteln 
eines Volt. . 

Die thermoelektrische Kraft % t unterscheidet sich daher 
von der Contactkraft @ c durchaus darin, dass mit ihrem Auf- 
treten in elektrisch durchströmten Leitern ein Energieumsatz 
verbunden ist, der neben der durch den Zerfall und die stetige 
Neubildung des elektrischen Zwangszustandes bedingten Energie- 
verwüstung (der Joule'schen Wärme) unabhängig nebenherläuft. 
Im Gegensatze zur Joule'schen Wärmeentwickelung stellt dieser 
Energieumsatz einen umkehrbaren Process dar. Der Mechanis- 
mus, durch den diese umkehrbare Verwandlung ermöglicht 
und bedingt wird, ist bisher noch vollständig in Dunkel ge- 
hüllt;' ebenso fehlt uns bisher jede zuverlässige Kenntniss 
über die Vertheilung der Kräfte (S* im Innern der Körper an 
der Löthstelle und fern von derselben. 

Ein zweiter Grund, der gegen die Identificirung der thermo- 
elektrischen Kräfte mit den Contactkräften spricht, fliesst aus 
dem zweiten Hauptsätze der Thermodynamik. Ein Thermo- 
element kann nämlich als eine Vorrichtung angesehen werden, 



Zweites Capitel. Die eingeprägten elektrisch, u. magnetisch. Kräfte. 199 

durch die Wärme in elektrische Energie und damit in Arbeit 
(da, von nebensächlichen Verlusten abgesehen, elektrische 
Energie mit Hülfe eines Elektromotors jederzeit vollständig 
in Arbeit verwandelt werden kann) umgewandelt wird, während 
zugleich, wie bei allen calorischen Maschinen, durch den 
Arbeitsprocess Wärme von der heissen zur kalten Löthstelle 
übergeführt wird. Wendet man auf diese calorische Maschine 
unter der Annahme, dass die thermoelektrische Kraft einfach 
gleich der Differenz der Contactkräfte zu setzen sei, den 
zweiten Hauptsatz an, so gelangt man zu dem Schlüsse, dass 
der Potentialsprung an der Löthstelle zweier Metalle der 
absoluten Temperatur proportional sein müsse. Das wird aber 
von der Erfahrung abermals nicht bestätigt. 

Freilich führt die zuletzt erwähnte Betrachtung, auf deren 
eingehendere Wiedergabe verzichtet werden kann, nicht nur 
zu dem Schlüsse, dass die Thermokräfte von den Contact- 
kräften verschieden sein müssen, sondern sie nöthigt zugleich 
auch dazu, die Löthstellen nicht als den alleinigen Sitz der 
thermoelektrischen Kräfte anzusehen, sondern solche auch 
zwischen verschieden warmen Stellen desselben Metalles, also 
überall in einem Metalle, dessen Temperatur mit dem Orte 
wechselt, anzunehmen. Dem Peltiereffecte gesellt sich so der 
Thomsoneffect hinzu, der von W. Thomson (Lord Kelvin) zuerst 
theoretisch erschlossen und dann experimentell bestätigt wurde. 

Der geordneten Einfügung der thermoelektrischen Kräfte 
in das System der eingeprägten elektrischen Kräfte steht die 
Schwierigkeit entgegen, die Möglichkeit der Energieumwandlung 
nachzuweisen. In der That muss ja, wie früher (S. 190) für 
die Kräfte <S C , so jetzt für die <S* geschlossen werden, dass 
sie solche Bestandteile der ganzen Kraft <S ausmachen, die 
an der Herstellung des elektrostatischen Zwanges $ betheiligt 
sind. Im Gleichgewichtsfalle ist also an der Löthstelle das 
ganze (8 gleich Null zu setzen und damit fällt jeder Anlaas 
für eine elektrische Arbeitsleistung, also für einen Energie- 
umsatz fort. Dieselben Erwägungen, die uns lehrten, dass 
für die Contactkräfte ($ c kein Anlass zu einer Energieumwandlung 



200 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

vorhanden sei, bleiben auch hier zunächst unverändert gültig, 
führen aber hier zu einem der Erfahrung widersprechenden 
Ergebnisse. 

Wenn man auch ganz auf die speciellere Untersuchung 
der Thermoelektricität verzichten will, bleibt man bei der 
Darstellung der allgemeinen Theorie nach dem MaxwelFschen 
Schema unter diesen Umständen doch mindestens verpflichtet, 
die Möglichkeit der Hebung dieses Widerspruches auf irgend 
eine Art nachzuweisen. Gleichgültig ist dabei, ob die gegebene 
Erklärung auch wirklich zutrifft: sie hat ja nur den Zweck, 
zu zeigen, dass die Schwierigkeit, die sich ergab, nicht un- 
überwindlich ist und dass daher aus ihr kein Argument gegen 
die Maxwell'sche Theorie abgeleitet werden kann. 

Zu diesem Zwecke greife ich auf die im vorigen § ge- 
gebene Heaviside'sche Darstellung über die Vertheilung der 
Kräfte <g c zurück. Der Draht sei also an den Löthstellen 
und überall, wo wegen des bestehenden Temperaturgefälles 
in jedem der beiden Metalle thermoelektrische Kräfte auf- 
treten, von magnetischen Strömen umgeben, die wir jetzt als 
Erreger der thermoelektrischen Kräfte betrachten wollen. 
Damit ist schon ausgesagt, dass die Stärke der magnetischen 
Oberflächenströme au jeder Stelle in fester Abhängigkeit von 
der Temperatur stehen muss. Wird nun der Draht von einem 
elektrischen Strome durchflössen, so geht von diesem eine 
magnetische Kraft aus, die je nach der Stromrichtung gleich 
oder entgengesetzt mit der Richtung des magnetischen Ober- 
flächenstromes läuft. Sie kann aber nicht dazu dienen, den 
magnetischen Oberflächenstrom unmittelbar zu verstärken oder 
zu schwächen, da dieser nach Voraussetzung mit der Wärme 1 - 
bewegung an der betreffenden Stelle in fester Verkuppelung 
steht. Durch den Mechanismus der Verkuppelung wird also 
die Arbeit der vom elektrischen Strome ausgehenden mag- 
netischen Kraft zunächst in Wärmebewegung umgesetzt und 
nur insofern, als damit zugleich eine Temperaturerhöhung er- 
zielt wird, zum Theile zur Aenderung des magnetischen Stromes 
selbst verwendet. 



Zweites Capitel. Die eingeprägten elektrisch, u. magnetisch. Kräfte. 201 

Die verlangte Erklärung ist hiermit geliefert. Man er- 
kennt die Möglichkeit einer umkehrbaren Energieabgabe oder 
-Aufnahme an der Löthstelle u. s. w., ohne dass eine resultirende 
elektrische Kraft <& oder ein elektrostatischer Zwang 2> während 
des Gleichgewichtszustandes angenommen werden müsste. Von 
den zur Veranschaulichung der Vertheilung der Contactkräfte 
(& c fingirten magnetischen Strömen unterscheiden sich die hier 
betrachteten wesentlich dadurch, dass von jenen anzunehmen 
ist, dass sie von der magnetischen Kraft des elektrischen 
Leitungsstromes gar nicht beeinflusst werden. Mit anderen 
Worten heisst dies, dass die dort fingirten Ströme eben nur 
für die kurzgefasste bildliche Wiedergabe einer bestimmten 
Vertheilungsart der Kräfte <8 C dienen konnten, mit wirklichen 
magnetischen Strömen aber sonst gar nichts zu thun hatten, 
während die für die Erklärung der Kräfte (& t angenommenen 
sich vollständiger mit dem wirklichen Verhalten magnetischer 
Ströme decken, indem sie auf magnetische Kräfte reagiren. 
— Constante und dauernde magnetische Ströme, wie sie hier 
verwendet wurden, sind uns in der Natur allerdings nicht 
bekannt. Als Demonstrationsmittel wird man sie aber etwa 
mit demselben Rechte wie die Ampere'schen Molekularströme 
benutzen können. 



§ 79. Die hydroelektrische Kraft. 

Wie die thermoelektrische unterscheidet sich die hydro- 
elektrische Kraft von der gewöhnlichen elektrischen Contact- 
kraft zwischen zwei Metallen dadurch, dass sie einen umkehr- 
baren Energieumsatz zur Folge hat, sobald der Raum, in 
dem sie auftritt, von einem elektrischen Strome durchflössen 
wird. Der Mechanismus, durch den dies ermöglicht wird, 
ist aber nicht in demselben Maasse in Dunkel gehüllt* 
wie im vorigen Falle. Wir sind nicht genöthigt, einen Zu- 
sammenhang frei zu ersinnen, nur um die Verträglichkeit 
der Erscheinung mit den Grundlagen der Theorie überhaupt 
darzuthun, sondern können uns dabei auf allgemein an- 



202 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

genommene Anschauungen stützen, deren Wahrscheinlichkeit 
durch eine Reihe von Thatsachen in hohem Maasse ver- 
bürgt ist. 

Von vornherein könnte man ebensogut eine Coexistenz 
der hydroelektrischen mit der gewöhnlichen Contactkraft er- 
warten, wie dies bei der thermoelektrischen Kraft angenommen 
werden musste. Der Vergleich, der an den Elektroden um- 
gesetzten Energiemengen mit den dort erzeugten Potential- 
unterschieden lehrt aber, dass die hydroelektrische Kraft in 
der That identisch mit der Contactkraft sein muss, sobald 
mindestens der eine der beiden Leiter ein Elektrolyt ist. 
Wenn dies nicht zuträfe, hätte der Versuch, die Potential- 
differenz aus den therruochemisehen Zahlen und den chemischen 
Aequivalenten zu berechnen, fehlschlagen müssen. Man kann 
dies wohl auch so ausdrücken, dass die gewöhnliche Contact- 
kraft fortfällt, wenn Elektrolyte ins Spiel kommen und dass 
dafür die hydroelektrische Kraft eintritt. Die Thermokräfte 
bestehen aber daneben weiter. Zugleich bildet dieser Zusammen- 
hang das gewichtigste Argument für die früher erwähnte 
Anschauung, dass den „gewöhnlichen" Contactkräften über- 
haupt keine reale Existenz zukomme, dass vielmehr die ihnen 
zugeschriebenen Erscheinungen in Wirklichkeit durch hydro- 
elektrische Kräfte bedingt seien. 

Zu der gewöhnlichen Contactkraft, wie sie in § 77 be- 
handelt wurde, verhält sich die hydroelektrische Kraft wie 
die Constitution des elektrischen Stromes in Metallen zu der 
in Elektrolyten. Es ist daher nöthig, zunächst auf diese 
etwas näher einzugehen. Im Lichte der Dissociationstheorie 
ist der elektrische Strom in den Elektrolyten der Hauptsache 
nach ein Convectionsstrom, indem die Ionen die an sie un- 
veränderlich gefesselten Ladungen mit sich fort führen. Mit 
dem Convectionsstrome combinirt sich aber, wie aus den Be- 
trachtungen in § 66 hervorgeht, stets noch ein Verschiebungs- 
strom, der diesen so ergänzt, dass der sich aus beiden zusammen- 
setzende wahre Strom auch im Innern der Elektrolyte überall 
die solenoidale Bedingung erfüllt. Das Lösungsmittel des 



Zweites Capitel. Die eingeprägten elektrisch, u. magnetisch. Kräfte. 203 

Elektrolyten (also etwa das chemisch reine Wasser) haben 
wir als ein Dielektricum zu betrachten. 

In einem Leiter von dieser Zusammensetzung steht 
offenbar der Grundsatz der Maxwell'sehen Theorie, dass die 
Elektricität sich stets wie eine incompressible Flüssigkeit be- 
wege, nicht in Widerspruch mit einer Ansammlung wahrer 
Elektricität im Innern des Leiters, worauf schon früher hin- 
gewiesen war. Besteht ferner ein elektrostatischer Zwang $ 
im Medium (also im Lösungsmittel), so gleicht er sich nicht 
in derselben Weise wie in den Metallen, falls er nicht an- 
dauernden Ersatz findet, durch allmählichen Zerfall aus, sondern 
dadurch, dass die Ionen von der zugehörigen elektrischen 
Kraft Bewegungsantriebe erhalten und dadurch Verschiebungen 
erfahren, womit eine Aenderung des elektrischen Kraft- und 
Verschiebungsflusses verbunderi ist, die so lange anhält, bis die 
Polarisirung des Mediums verschwunden ist. Die Joule'sehe 
Wärme hat in diesem Falle in der zur Verschiebung der Ionen 
in der gedachten Richtung erforderlichen Reibungsarbeit ihren 
Ursprung. 

Im Gleichgewichtszustande muss zwar auch hier die 
res ultir ende elektrische Kraft Qk gleich Null sein. Unter @ ist 
aber jetzt der Durchschnittswerth der elektrischen Kraft für 
ein Raumelement zu verstehen, dessen Dimensionen gross sind 
im Vergleiche zu den Abständen zwischen den Ionen. In 
kleineren Bezirken besteht auch im Gleichgewichtsfalle (diesen 
für den ganzen Leiter betrachtet) ein Kraft- und Verschiebungs- 
fluss, der stetem Wechsel unterworfen ist, der sich dabei aber 
stets so vertheilt, dass keine Richtung im Räume bevorzugt 
ist, dass also der Durchschnittswerth für jeden Bezirk höherer 
Grössenordnung verschwindet. Die Entnahme von Ionen 
derselben Arf aus einem solchen Bezirke bedeutet nicht nur 
einen elektrischen Strom, sondern zugleich auch einen chemischen 
Process, bei dem die molekulare Energie des chemischen Zu- 
sammenhanges frei wird. 

Betrachten wir nun eine Elektrode, von der ein unendlich 
kleiner Strom ausgeht. Der Strom soll unendlich klein sein, 



204 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

weil wir dann die elektrische Kraft und den elektrostatischen 
Zwang $ nahezu als Null betrachten, d. h. nahezu elektrisches 
Gleichgewicht voraussetzen können. Anstatt dessen könnte 
man die ins Auge zu fassende Zustandsänderung auch als 
eine virtuelle in dem aus der Mechanik bekannten Sinne be- 
trachten, die während des vollkommenen Gleichgewichts- 
zustandes ins Werk gesetzt wird. Die elektrische Kraft (S 
ist nun zwar im Mittel überall Null, die blosse Ueberführung 
eines Ion würde daher keinen Arbeitsaufwand verursachen, 
wohl aber die Loslösung aus dem molekularen Zusammenhange 
und der Eintritt in einen neuen, die für die Ueberführung der 
mit dem Ion verbundenen Ladung an die Elektrode nothwendig 
verbunden sind. Man versteht nun vollkommen, dass die be- 
trachtete virtuelle Zustandsänderung mit einem Energieumsatze 
verbunden, dass dieser Umsatz umkehrbar ist uud dass er, 
wenn eine Tendenz zu dem chemischen Processe nach einer 
bestimmten Richtung hin vorliegt, zu einer hydroelektrischen 
Kraft und damit zu einer Potentialdifferenz der beiden Körper 
führt. 

Wenn durch diese Betrachtung der innere Zusammenhang 
des ganzen Vorgangs auch verständlich gemacht und der 
Unterschied gekennzeichnet ist, der zwischen der hydro- 
elektrischen Kraft und der gewöhnlichen Contactkraft besteht, 
so sind wir doch von einer vollständigen Aufhellung der hier 
vorliegenden Beziehungen immer noch weit entfernt. Namentlich 
steht eine sichere Entscheidung über den Zusammenhang 
zwischen der chemischen Kraft und der elektrostatischen Kraft 
zwischen den Ionen noch aus, wenn auch bis zu einem gewissen 
Grade eine einfache Identität beider wahrscheinlich gemacht ist.*) 

§ 80. Eingeprägte Kräfte der inneren Magnetisirung. 

Auf der magnetischen Seite vermag man ohne eingeprägte 
Kräfte auszukommen, die den hydroelektrischen, thermo- 

*) Durch die neueren Arbeiten des Herrn H. Ebert wurde diese 
Annahme noch weiterhin bestätigt. 



Zweites Capitel. Die eingeprägten elektrisch, u. magnetisch. Kräfte. 205 

elektrischen oder Contactkräften analog wären. Der Grund 
für das Fehlen der entsprechenden magnetischen Kräfte liegt 
darin, dass keine magnetischen Leitungsströme vorkommen, 
während auch die erwähnten elektrischen Kräfte sich immer 
nur im Zusammenhange mit dem Auftreten von elektrischen 
Leitungsströmen bemerkbar machen. 

Nur zu der Contactkraft zwischen zwei dielektrischen 
Körpern wäre ein magnetisches Gegenstück möglich. Ob 
zwischen zwei im strengen Sinne nichtleitenden Körpern über- 
haupt eine elektrische Contactkraft auftritt, ist indessen noch 
sehr zweifelhaft; die der Wirkung der Contactkraft zuzu- 
schreibenden Erscheinungen der Reibungselektricität bei Körpern, 
wie Glas, Seide, Harz u. s. f. werden zweifellos nur dadurch 
ermöglicht, dass die an die Contactfläche unmittelbar an- 
grenzenden Theile dieser Körper in geringem Grade elektrisch 
leiten. Andererseits könnte sich aber, selbst wenn beim 
Contacte von zwei Körpern eingeprägte magnetische Kräfte # c 
vorkommen sollten, da jede magnetische Leitung in der Natur 
ausgeschlossen zu sein scheint, deren Auftreten für uns über- 
haupt nicht bemerklich machen. 

Nur eine Gruppe von Erscheinungen fügt sich auf der 
magnetischen Seite der Theorie nicht ohne Weiteres in den 
gegebenen Rahmen und fordert daher zur Aufstellung ein- 
geprägter magnetischer Kräfte heraus. Das sind die Er- 
scheinungen des remanenten und permanenten Magnetismus. 
Allerdings ist auch hier die Einführung der eingeprägten 
Kräfte, wie ich früher zeigte, entbehrlich, um die Erscheinungen 
zu erklären. Man braucht dazu nur zwischen weichen und 
harten Körpern zu unterscheiden und, wie es in § 55 besprochen 
wurde, unter den harten solche Körper zu verstehen, für die 
sich die elektrische Kraft # bei elektrischem Gleichgewichte 
nicht von einem Potentiale ableiten lässt. 

Die Entstehung des remanenten Magnetismus erklärt sich 
dann leicht durch die folgende Betrachtung. Zuerst sei unser 
System ganz frei von magnetischen Kraft- und Inductionslinien. 
Wir schliessen nun einen Stromkreis. Sowie der elektrische 



206 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

Strom entsteht, gehen von der Strombahn Induetionslinien 
aus, die diese zuerst eng umketten, bei wachsender Stromstärke 
sich dann allmählich erweitern, indem sie neu entstehenden 
Platz machen und sich so in den ganzen Raum ausbreiten. 
Wenn der Beharrungszustand erreicht ist, hat sich ein 
magnetisches Feld ausgebildet von der Art, dass in allen 
Theilen des Raumes, die von magnetisch weichen Körpern 
eingenommen sind, die Gleichungen 

» = fl §. divö = 0; curlg> = 

befriedigt sind. 

Die zweite von diesen Gleichungen kann man als das 
Differentialgesetz der longitudinalen und die dritte als das der 
transversalen Fortpflanzung des magnetischen Feldes bezeichnen. 
Nur daraus, dass diese Gleichungen an jedem Orte erfüllt sein 
müssen, folgt die Fortpflanzung durch den ganzen Raum von 
einem Erregungscentrum aus und zwar in der Art, dass immer 
nur unmittelbar benachbarte Gebietstheiie bestimmend auf 
einander einwirken und jede directe Fernwirkung vermieden 
ist. Der veränderliche Zustand, während dessen neue Induetions- 
linien aus der Strombahn hervorquellen und die alten ver- 
drängen und erweitern, stellt eine magnetische Welle dar. Die 
jeweilige Veränderung schreitet mit der Lichtgeschwindigkeit 
durch die Medien fort und macht sich an einem weiter ab- 
gelegenen Orte erst nach Verlauf der entsprechenden Zeitdauer 
bemerkbar. Die Fernwirkungstheorie nimmt in solchen Fällen, 
wie bekannt, eine instantane Uebertragung der Wirkung durch 
das ganze magnetische Feld an. 

So lange keins von den magnetischen Metallen im Räume 
vorhanden ist und so lange die Entstehung anderer elektrischer 
Leitungsströme neben dem Erregungsstrome vermieden ist, 
schreitet die magnetische Welle fast genau ebenso durch den 
Raum, als wenn dieser ein Vacuum darstellte oder nur von Luft 
erfüllt wäre. Sowie aber die Induetionslinien bei ihrer Aus- 
breitung auf Eisen treffen, wird der weitere Verlauf dadurch 
geändert. Wäre das Eisen absolut weich, so käme nur die 



Zweites Capitel. Die eingeprägten elektrisch, u. magnetisch. Kräfte. 207 

Aenderung der Permeabilität p zur Geltung. Der durch die 
vorher genannten drei Gleichungen regierte Vorgang müsste 
sich dann so gestalten, dass sich die Inductionslinien im Eisen 
mehr zusammendrängen, — eine Erscheinung, die jetzt nicht 
weiter erörtert zu werden braucht. 

Sobald das Eisen magnetisch hart ist, ändert sich aber 
auch die letzte der drei Gleichungen. Gerade der Umstand, 
dass ein curl von $ nicht bestehen konnte, veranlasste an 
jeder Stelle, an der die magnetische Welle anlangte, dass 
auch die benachbarten Inductionslinien etwas ausweichen 
mussten, bestimmte also mit anderen Worten die Portpflanzung 
in den weiteren Raum. Da diese Fortpflanzung hier recht- 
winklig zur Richtung der Inductionslinien erfolgt, bezeichnete 
ich vorher schon curl # = als die Gleichung der trans- 
versalen Portpflanzung des Kraftflusses. 

Inductionslinien, die bei ihrer Expansion auf absolut harte 
Körper auftreffen, werden an dieser Stelle einfach festgehalten. 
An der Grenzfläche bildet sich ein beim weiteren Auftreffen 
der nachfolgenden Inductionslinien immer mehr anwachsender 
curl von $ aus, ohne dass der betroffene Körper reagirtel 
Er vermag eben einen beliebig grossen Wirbel der Kraft § 
vermöge der Art seiner Zusammensetzung in seinem Innern 
(oder in der an die Luft angrenzenden Schicht) aufrecht zu 
erhalten. In Körper dieser Art vermöchte überhaupt kein 
magnetisches Feld einzudringen; sie wären vollständige Schirme 
gegen magnetische Wirkungen. 

Absolut harte Körper gibt es, soviel uns bekannt ist, 
nicht. Aehnlich verhält sich indessen harter Stahl, so lange 
die darauf auftreffenden Inductionslinien nur zu geringen 
Feldern gehören. Es findet dann nur ein Eindringen in die 
oberflächlichsten Schichten statt. Sowie die Feldstärke an- 
wächst, findet ein Eindringen in immer grössere Tiefen statt: 
der Stahl vermag zwar vermöge seiner magnetischen Härte 
an jeder Stelle einen gewissen Werth des Wirbels der mag- 
netischen Kraft (oder von curl$) zu ertragen, aber doch 
immer nur einen endlichen Werth, so dass die transversale 



208 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

Fortleitung des Kraftflusses zwar beschränkt, aber nicht ganz 
verhindert ist. Wir müssen indessen schon grosse Kräfte 
aufwenden, um überhaupt eine merkliche Zahl von Kraftlinien 
in Körper aus hartem Stahle einzudrängen. Bei sehr um- 
fänglichen Stahlstücken gelingt dies überhaupt nicht;, man 
vermag dann nur die oberflächlichen Schichten einigermassen 
mit Inductionslinien zu sättigen. Desshalb muss man grössere 
Stahlmagnete aus einer Anzahl von dünnen Lamellen herstellen, 
die einzeln magnetisirt werden. 

Wenn es uns nun durch den erregenden Strom auf diese 
Weise gelungen ist, eine grössere Zahl von Inductionslinien 
durch einen magnetisch harten Körper zu treiben, wollen wir 
den Strom wieder vermindern und ihn dann ganz eingehen 
lassen. Der Strom hielt dort, wo er floss, einen Wirbel von 
§ aufrecht. Dieser das ganze Feld erregende Wirbel ver- 
mindert sich zugleich mit dem Strome: die Kraftlinien ziehen 
sich zusammen und lösen sich gewissennassen im Leiter auf, 
indem sie die ihnen zugehörige Energie an den Strom zurück- 
erstatten (Selbstinduction). Zunächst beginnt dieser Process 
unmittelbar am Leiter, die weiter folgenden Inductionslinien 
drängen aber nach und ziehen sich ebenfalls zusammen. Der 
Grund besteht wieder darin, dass das Medium ausserhalb 
keinen Wirbel der Kraft § ertragen kann. Die Gleichung 
curl $ = gibt auch jetzt wieder die Eigenschaft des Mediums 
an, durch die die Uebertragung der magnetischen Welle nach 
rückwärts bedingt wird. 

Nur vor den magnetischen harten Körpern macht die 
Entmagnetisirungswelle Halt oder sie verändert wenigstens 
ihre Form. Vorher schützte den Stahl die Eigenschaft, dass 
er einen gewissen Werth von curl § zu ertragen vermochte 
vor einem stärkeren Eindringen des Inductionsflusses; jetzt 
wird dadurch umgekehrt der einmal eingedrungene Inductions- 
fluss zum grossen Theile zurückgehalten. Nach dem Er- 
löschen des erregenden elektrischen Stromes haben wir einen 
remanenten Magneten zurückbehalten. 

Nachdem ein solcher einmal gewonnen ist, vermögen wir 



Zweites Capitel. Die eingeprägten elektrisch, u. magnetisch. Kräfte. 209 

leicht auch ohne Dazwischenkunft eines elektrischen Stromes 
andere damit herzustellen. Im Allgemeinen werden sich ja 
die in dem ersten Magneten zurückgebliebenen Kraftlinien 
durch die Luft hindurch schliessen. Bringen wir nun in 
diesen Luftraum ein zweites Eisenstück, so wird dieses wieder ; 
wie vorher das erste, zunächst temporär, und wenn es mag- 
netisch Bart ist ; auch permanent magnetisirt. 

Aus dieser Darlegung erkennt man, dass die Ein- 
führung eingeprägter Kräfte zur Erklärung des 
remanenten Magnetismus in der That vollständig 
entbehrlich ist. Allerdings müssen wir den magnetisch 
harten Körpern zu diesem Zwecke solche Eigenschaften bei- 
legen, die verhindern, dass die magnetische Kraft § in ihnen 
von einem Potentiale abgeleitet werden kann und die ferner 
auch die Anwendung der ersten Hauptgleichung (§ 60, Schluss- 
bemerkungen) auf solche Körper nicht ohne Weiteres gestatten. 

Ich werde aber trotzdem jetzt eine, wenigstens formell, 
von der vorigen völlig verschiedene Darstellung der Er- 
scheinungen des remanenten Magnetismus geben, indem ich 
eingeprägte Kräfte zu Hülfe nehme. Damit ist nicht gesagt, 
dass diese Darstellung mit der vorigen concurrire. Die Zu- 
hülfenahme eingeprägter Kräfte ist ja, wie man sich erinnern 
wird, nur ein Auskunftsmittel, durch das wir Erscheinungen 
in unser System mit aufnehmen, für die sich bisher keine 
eigentliche Erklärung gefunden hat. Betrachten wir daher die 
vorhergehende Darlegung, die freilich noch der experimentellen 
Bestätigung bedarf, als die richtige Erklärung, so ist die Be- 
handlung mittelst eingeprägter Kräfte daneben trotzdem zu- 
lässig. Die eingeprägten Kräfte sind dann nur die Symbole, 
die in unseren Gleichungen die als magnetische Härte be- 
zeichnete Eigenschaft zum Ausdrucke bringen sollen. Daneben 
hat diese Behandlung den Vorzug, dass die Frage formell, 
d. h. in der Gestaltung unserer Gleichungen au einem gewissen 
Abschlüsse * gebracht wird, ohne dass damit weiteren Unter- 
suchungen über das Wesen des remanenten Magnetismus der 
Weg* versperrt würde. Denn jede andere eigentliche Erklärung 

Föppl, Maxwell'sche Theorie der Elektricität. 14 



210 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

des Thatbestandes, wie etwa die Ainpere'sche Hypothese der 
Molekularströme, neben der vorher gegebenen würde ebenso 
durch die eingeprägten Kräfte gedeckt werden, wenn den 
Symbolen selbst in diesem Falle auch eine andere Deutung 
zu geben wäre. 

Zum Unterschiede von anderen eingeprägten wollen wir 
die Kräfte, um die. es sich hier handelt, die eingeprägten 
Kräfte der inneren Magnetisirung nennen und sie mit 
§i bezeichnen. Wir nehmen in diesem Zusammenhange ferner 
an, dass der von elektrischen Strömen unmittelbar herrührende, 
sowie überhaupt jeder von angrenzenden Gebietstheilen über- 
tretende (also auch der von anderen mit remanentem Mag- 
netismus behafteten Gebietstheilen ausgehende) Kraftfluss sich 
durch magnetisch harte Körper nach denselben Gesetzen ver- 
breite wie durch magnetisch weiche, dass also, wenn £j den 
aus diesen Ursachen herrührenden oder, wie man sagen kann, den 
durch longitudinale und regelmässige transversale Fortleitung 
zu Stande kommenden Bestandtheil bezeichnet, curl §( = ist. 
Ferner setzen wir 

$ — #t + fri curl § — curl &; 

8 = f*$-P$, + f*#i = 8t + »i; div8 — div»i — div8, = 0. 

Nehmen wir an, dass zunächst überall § = war und 
führen wir jetzt in einem einzigen Volumenelemente eine ein- 
geprägte Kraft §t ein, so kommt in diesem Volumenelemente 
der Inductionsfluss 8$t = ft|>t zu Stande. Dieser bedeutet* eine 
innere Magnetisirung des Volumenelementes, die nur durch 
eine in ihm selbst wirkende (fingirte) Ursache $i bedingt ist. 
Daraus erklärt sich die für $ t gewählte Bezeichnung. Der 
durch $t erzeugte Inductionsfluss pflanzt sich dagegen weiter- 
hin in regelmässiger Weise fort, falls sich nicht in Folge 
davon auch an anderen Stellen des Körpers Kräfte §\ ein- 
stellen. 

Durch passende Verfügung über die Kräfte $j können 
wir offenbar einen vorher ohne solche gegebenen Inductions- 
fluss in beliebiger Weise modificiren und uns dadurch jedem 



Zweites Capitel. Die eingeprägten elektrisch, u. magnetisch. Kräfte.- 211 

beobachteten, von dem regelmässigen abweichenden Verhalten 
eines Körpers anpassen. Wenn es zweckmässig erschiene, 
könnte man dadurch sogar die Veränderlichkeit der Permea- 
bilität aus der Darstellung der Theorie entfernen. Man 
brauchte nur anzunehmen, dass das wechselnde Verhältniss 
zwischen SB und |> durch das Hinzutreten eingeprägter Kräfte 
bedingt wäre. Diese weitgehende Verwendbarkeit des Hülfs- 
begriffs der eingeprägten Kraft hängt von der Willkür ab, 
die mit der Einführung eingeprägter Kräfte überhaupt ver- 
bunden ist. Man darf aber nicht vergessen, dass es sich 
dabei nicht um eine wirkliche Erklärung der Erscheinungen, 
sondern nur um einen Rechenbehelf handelt, mit dem wir die 
Lücke in unserer Erkenntniss des wahren Zusammenhanges 
verdecken. 

Der wahre Zusammenhang ist auf diesem Gebiete noch* 
keineswegs so vollständig aufgehellt, dass man die definitive 
Fassung der Theorie mit* einiger Sicherheit voraussehen 
könnte. Nach der im Eingange dieses § gegebenen Dar- 
stellung, die mir den Thatsachen vorläufig am besten gerecht 
zu werden scheint, wenn sie auch für die Veränderlichkeit 
der Permeabilität in den magnetischen Metallen und für den 
auffallend hohen Werth, den sie in diesen annimmt, keine 
Erklärung liefert, kommt es nicht auf § t selbst, sondern auf 
dessen curl an. Durch eurl^i wird nämlich ein Maass dafür 
gegeben, bis zu welchem Grade und in welcher Richtung sich 
die Eigenschaft der magnetischen Härte in einem gegebenen 
Falle und an der betreffenden Stelle des Körpers geltend 
macht. 

In jedem Falle müssen wir annehmen, dass entweder § t 
selbst, oder, was auf dasselbe hinauskommt, der curl davon 
nicht nur von der Art des Körpers, sondern auch von dem 
in ihm bestehenden Inductionsflusse abhängig ist. Für die 
nähere Bestimmung des Gesetzes dieser Abhängigkeit fehlt 
aber bis jetzt jeder Anhaltspunkt. Den besten Weg zu seiner 
Erforschung scheint die Beobachtung der magnetischen Schirm- 
wirkungen darzubieten. Ein absolut weicher Eisenmantel um 

U* 



212 Drüter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

einen geradlinigen Strom vermochte den sich aussen an- 
schliessenden Luftraum gar nicht gegen den von dem Strome 
ausgehenden Inductionsfluss zu schirmen. Der Inductionsfluss 
würde überall in der Umgebung genau so gross, als wenn der 
Eisenmantel gar nicht vorhanden wäre. Ein magnetisch absolut 
harter Mantel würde im Gegensatze dazu gar keine Kraftlinien 
in den Luftraum übertreten lassen. Die Beobachtung des 
thatsächlichen Verhaltens (etwa mit Hülfe einer Prüfungs- 
spirale im äusseren Räume) bietet keine Schwierigkeiten und 
stellt nähere Aufschlüsse über diese wichtige Frage in Aussicht. 



§ 81. Eingeprägte Kraft der inneren Elektrisirung. 

Der Kraft #t stellen wir ihr Analogon Q£ t zur Seite, 
* freilich mit der ausdrücklichen Bemerkung, dass in isotropen 
und homogenen Körpern vermuthlich dt überall gleich Null 
zu setzen ist. Denn aus den Untersuchungen in § 55 folgte, 
dass wir die nichtleitenden Körper als dielektrisch weich be- 
trachten müssen. Es ist also wenigstens die Einführung einer 
eingeprägten Kraft (&i zur Berücksichtigung einer regelwidrigen 
transversalen Fortpflanzung des elektrischen Kraftflusses hier 
nicht wie bei den Problemen des remanenten Magnetismus 
erforderlich. — In Uebereinstimmung damit steht es, dass 
nach den vorliegenden Erfahrungen Rückstandsbildungen (wie 
sie bei den Entladungen eines Condensators beobachtet werden) 
in isotropen und homogenen Dielektricis nicht vorzukommen, 
dass diese vielmehr stets durch eine heterogene Beschaffen- 
heit (Einschluss leitender Partikelchen u. s. f.) des Mediums 
bedingt zu sein scheinen. 

Den bei der Erwärmung und bei einseitigem Drucke in 
krystallinischen Körpern auftretenden pyroelektrischen und 
piezoelektrischen Erscheinungen, — deren blosse Erwähnung 
hier genügen muss — denken wir^ uns dagegen stets durch 
die Einführung eingeprägter Kräfte in entsprechender Ver- 
theilung Rechnung getragen und betrachten diese als Bestand- 
theile von %. 



Zweites Capftel. Die eingeprägten elektrisch, u. magnetisch. Kräfte. 213 

§ 82. Die beiden Hauptgleichungen mit Berücksichtigung 
der eingeprägten Kräfte. 

Die Einführung der ersten Hauptgleichung in den Formen 
(143) und (153) erfolgte im vorigen Abschnitte unter der 
ausdrücklichen Voraussetzung, dass der Körper für den sie 
gelten sollte, magnetisch weich sei. Denn nur in einem 
solchen Körper bildet der Leitungsstrom i, bezw. der wahre 
Strom r die einzige Veranlassung für einen Wirbel in der 
Vertheilung der Kraft $. Nachdem wir, um den durch die 
magnetische Härte bedingten Wirbeln von $> Rechnung zu 
tragen, die eingeprägten Kräfte |>i einführten, können wir die 
frühere Betrachtung nun auch auf die magnetisch harten 
Körper ausdennen, indem wir g>i entsprechend in die Gleichung 
einführen. Gleichung (153) S. 158 geht hiermit über in (vgl. 
auch Gleichung 157) 

curl ($ - §,) = 4tcc = fah + K~j <g + 4*tt div $ (174) 

Auch die Ableitung der zweiten Hauptgleichung (163) 
S. 171 • beruhte auf der Voraussetzung, dass der curl der 
elektrischen Kraft <S ausschliesslich durch den magnetischen 
Strom bedingt sei, Sie muss daher ebenfalls eine Abänderung 
erfahren für den Fall, dass eine der vorher aufgeführten ein- 
geprägten Kräfte <S C , % h ü k} <g t oder eine Summe mehrerer 
in solcher Vertheilung auftritt, dass der curl davon von Null 
verschieden ist. Nach den am Schlüsse von § 55 durch- 
geführten Betrachtungen verstösst zwar eine solche Vertheilung 
zunächst gegen das Gesetz von der Erhaltung der Energie. 
Falls indessen mit der Bewegung der Hollundermarkkugel 
in dem dort erwähnten Canale, oder überhaupt mit einer 
elektrischen Strömung im Innern eines Körpers bei solcher 
Vertheilung der eingeprägten Kräfte ein besonderer Energie- 
umsatz verbunden ist, auf den bei jener Betrachtung keine 
Rücksicht genommen war, so fällt damit das dort vorgebrachte 
Argument fort. Wir können daher sehr wohl und müssen 
sogar annehmen, dass die Kräfte % und % h eine wirbelartige 



214 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des System«. 

Vertheilung besitzen, da mit ihrem Auftreten eine Energie- 
umwandhiDg verbunden ist, die den durch die Linienintegrale 
dieser Kräfte für geschlossene Integrationswege dargestellten 
Arbeitsgrössen äquivalent ist. Auch bei einzelnen Bestand- 
teilen von (Si könnte dies möglicherweise zutreffen. 

Um dem Rechnung zu tragen, fassen wir die Summe 
aller eingeprägten Kräfte (g c + ($b t + @a + $t zu @ e zusammen 
und geben dann der zweiten Hauptgleichung die Form 

curl («-« fi )=-B=-» . . . (175) 



Drittes Capitel. 
Das Vectorpotential. 

§ 83. Definition des Vectorpotentials. 

Bei der Darstellung der Elektrodynamik nach der Hypothese 
der unvermittelten Fernwirkungen spielt das Potential der 
Ströme und der Magnete aufeinander, bezw. das damit im 
Zusammenhange stehende Vectorpotential die Hauptrolle. Auch 
Maxwell selbst hat es als einen der wichtigsten Hülfsbegriffe 
in seine Darstellung der Theorie übernommen. Erst durch 
die späteren Bearbeitungen des Maxwell'schen Schemas von 
0. Heaviside, Hertz und Cohn wurde die Bedeutung des Vector- 
potentials für die Maxwell'sche Theorie vermindert. Es zeigte 
sich, dass die ganze Darstellung an Einheitlichkeit und un- 
mittelbarer Anschaulichkeit erheblich gewann, sobald man die 
Formeln so umgestaltete, dass das Vectorpotential daraus 
eliminirt wurde. 

Aus diesem Grunde habe ich in dem vorhergehenden 
Abschnitte die Einführung dieses Hülfsbegriffes völlig ver- 
mieden. Es würde aber einen nur schwer auszugleichenden 
Verlust für die ganze Theorie bedeuten, wenn man auf die 
Anwendung des Vectorpotentials ganz verzichten wollte. Für 
manche Betrachtungen und namentlich für die Lösung vieler 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 215 

Aufgaben eiguet es sich sehr gut, besonders in dem Sinne, 
dass es die Integrale der vorkommenden Differentialgleichungen 
zu finden lehrt. Dazu kommt noch, dass der überwiegende 
Theil aller übrigen Arbeiten über die Elektrodynamik und 
auch das Maxwell'sche Originalwerk für den mit dem Begriffe 
des Vectorpotentials nicht vertrauten Leser zunächst un- 
verständlich bleiben würde/ 

Im ersten Abschnitte dieses Buches wurde das Potential 
einer scalaren Grösse eingeführt und die durch die Laplace'sche 
Gleichung ausgesprochene wichtigste Eigenschaft dieses Poten- 
tials abgeleitet. Verstehen wir unter q eine stetig im Räume 
vertheilte scalare Grösse und setzen, so wie in § 36, von der 
anderweitigen Verfügung über den Factor 4tc abgesehen, 



-f 



r J 



so genügt, wie aus Gleichung (111) S. 86 und (106) S. 82 
hervorgeht, V der Laplace'schen Gleichung 

V 2 F= — ±KQ. 

Wir übertragen jetzt den Begriff des Potentials und den 
durch die letzte Gleichung ausgesprochenen Satz auf den 
Fall, dass an die Stelle des Sealars q eine stetig im Räume 
vertheilte Vectorgrösse tritt. Von vornherein wollen wir 
hierzu die Intensität c des wahren elektrischen Stromes wählen, 
obschon von jedem stetig im Räume vertheilten Vector im 
Allgemeinen dasselbe gilt. 

Durch Definition setzen wir also fest, dass unter 
dem Vectorpotentiale Ä eines vollständigen Systems 
elektrischer Ströme der Ausdruck 



» 



=J^ (176) 



verstanden werden soll. Wie früher bedeutet dabei r den 
scalar aufgefassten Abstand zwischen dem Raumelemente dv 
und dem Punkte des Raumes, für den Ä berechnet werden 
soll. Im Anschlüsse an eine von Boltzmann eingeführte Be- 



216 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

Zeichnung wollen wir diesen Punkt in der^olge kurz den Auf- 
punkt nennen. Die durch das Integralzeichen vorgeschriebene 
Summirung ist über den ganzen Kaum zu erstrecken, in dem 
i vorkommt und bedeutet, da das Element unter dem Integral- 
zeichen ein Vector ist, eine geometrische Summirung, die 
wieder zu einer Vectorgrösse führt, wie auch schon durch die 
Schreibweise von % angedeutet ist. 

Um Missverständnisse bei dem Verweise auf die im ersten 
Abschnitte entwickelten Rechengesetze zu vermeiden, bemerke 
ich noch, dass % dort überall einen beliebigen Vector bedeutete* 
(es war dort desshalb gewählt, weil % als erster Bachstabe 
des Alphabets am nächsten lag), mit dem hier eingeführten 
Ä also nicht verwechselt werden darf. 

Die Wahl des Buchstabens 8t für das Vectorpotential 
rührt von Maxwell selbst her. Allerdings ist der von ihm 
damit verbundene Begriff nicht völlig mit dem hier eingeführten 
identisch. Wenn ■ Maxwell auch gelegentlich selbst in der 
Definition des Vectorpotentials etwas schwankte, so ist doch 
überwiegend bei ihm das /x-fache des durch Gleichung (176) 
angegebenen We*thes darunter zu verstehen. Bei allen Auf- 
gaben, in denen die Permeabilität p überall als constant zu 
betrachten ist, wie bei den von der Fernwirkuogslehre ge- " 
wohnlich behandelten Problemen, macht dies zwar keinen 
Unterschied, wohl aber in allen anderen Fällen. 

Nur schwer entschloss ich mich zu dieser Aenderung in 
der Definition von %. Ich hielt mich zuerst in einer zur 
Einführung des Lesers in die MaxwelPsche Theorie bestimmten 
Schrift nicht für berechtigt, von der herkömmlichen Definition 
dieses wichtigen Hülfsbegriffs abzuweichen und hatte desshalb 
das ganze vorliegende Capitel zunächst auf Gruud der MaxwelF- 
schen Definition von % 

«««-p/t 5 ( 176a ) 

bearbeitet. Die Rücksicht auf die beträchtlich vereinfachte 
Darstellung im anderen Falle bewog mich aber schliesslich 



Drittes Capit'el. Das Vectorpotential. 217 

zu einer Neubearbeitung des Capitels auf Grund der vorher 
angegebenen Definition. Die Behandlung der Probleme, bei 
denen veränderliche Werthe von |x in Betracht kommen, wird 
dadurch ungemein erleichtert und zugleich die Analogie des 
Vectorpotentials mit dem scalaren Potential, die so viel zum 
Verständnisse der Sache beiträgt, viel klarer vor Augen ge- 
führt. Am Wesen der Sache selbst wird dadurch natürlich 
nichts geändert; man hat nur im Auge zu behalten, dass die 
hier gegebenen Werthe von % nachträglich überall noch mit 
f* zu multipliciren sind, um das Max wegsehe Vectorpotential 
zu erhalten. Ausserdem habe ich auch das MaxwelPsche 
Vectorpotential nach Gleichung (176 a ) bezw. in der etwas ab- 
geänderten Definition von Gleichung (200) überall mit geführt. 
Eine sorgfältige Unterscheidung beider Werthe erwies .sich 
dabei als unerlässlich und ich habe daher •überall, wo ich % 
in dem Sinne* Maxwell's gebrauchte, dies durch die Schreib- 
weise «Ma*w. angegeben. 

§ 84. Die Laplace'sche Gleichung für das Vectorpotential. 

Ersetzen wir die Vectoren % und c durch ihre Com- 
ponenten A 1 A 2 A S und c x c^c^ so zerfällt Gleichung (176) in 
die 3 scalaren Gleichungen 

4-/^, **-/¥> *—/*£ • 77 ) 

Die in irgend einer Richtung genommene Componente 
des Vectorpotentials bildet demnach das scalare Potential (oder 
das Potential im gewöhnlichen Sinne) der in derselben 
Richtung genommenen Stromcomponenten. In der That könnte 
z. B. A x als ein elektrostatisches Potential betrachtet werden, 
wenn man unter e t die Raumdichte einer elektrischen Massen- 
vertheilung verstehen wollte. Daraus folgt ohne Weiteres, 
dass der durch die Laplace'sche Gleichung ausgesprochene 
Zusammenhang zwischen V und q auch zwischen A 1 und c x 
u, s. f. besteht. Man hat also 

V 2 A 1 = -4:7tc 1 '(178) 



218 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

nebst den zwei entsprechenden Gleichungen für die beiden 
anderen Achsenrichtungen. Multipliciren wir diese Gleichungen 
der Reihe nach mit i ; j, I und addiren, so erhalten wir nach 
Gleichung (70) S. 58 

V 2 9l — - 4;rc (179) 

d.. h. die Laplace'sche Gleichung gilt für das Vector- 
potential elektrischer Ströme ebenso wie für das 
scalare Potential von Massen, die sich nach dem 
Coulornb'schen Gesetze abstossen. 

§ 85. Die div des Vectorpotentials. 

Durch Ausführung der Operation V an dem scalaren 
Potentiale gelangt man nach Gleichung (104) S. 82 zur Kennt- 
niss der in dem Eelde auftretenden Kraft. Um den innigen 
Zusammenhang beider Arten von Potentialen zu erkennen, 
müssen wir jetzt untersuchen, welche Eigenschaften des Vector- 
potentials dieser gegenüber zu stellen sind. Hierbei ist zu 
beachten, dass die Operation V an dem Vector % nach § 20 
auf zwei verschiedene Arten ausgeführt werden kann und 
jenachdem die div oder den curl davon liefert. Zunächst 
bilden wir hier die div von 9C. 

Bei dieser Ermittelung wollen wir aber von vornherein 
darauf Rücksicht nehmen, dass % nicht das Potential eines 
beliebigen Vectors bedeutet, der nur stetig im Räume ver- 
theilt zu sein braucht, sondern dass der Vector, von dem es 
genommen wird, die wahre elektrische Strömung c ist, der 
ausserdem die besondere Eigenschaft der solenoidalen Ver- 
keilung zukommt. Die Gleichung 

divc = 0, 
durch die dies ausgesprochen wird, bildet ja die fundamentale 
Voraussetzung der ganzen MaxwelFschen Theorie. Die be- 
sondere Bedingung,' der t unterworfen ist, führt auch zu be- 
sonderen Eigenschaften des Vectorpotentials elektrischer Ströme, 
die dem ganz allgemein aufgefassten Potentiale eines beliebigen 
Vectors nicht zukommen. 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 219 

Zur Ausführung der Differential-Operation div unter dem 
Integralzeichen in Gleichung (176) sind wir berechtigt, falls 
in dem Ergebnisse die Umgebung des Aufpunktes nicht un- 
endlich grosse Beiträge zu dem Integrale beisteuert. Es wird 
sich zeigen, dass dies nicht zutrifft, dass wir also die Operation 
in dieser Weise vollziehen können. 

Bei der Bildung dieser div ist ferner zu beachten, dass 
dabei c in Gleichung (176) als constant anzusehen ist, denn 
die Operation bezieht sich ja nur auf Veränderungen, die % 
bei Verschiebungen des Aufpunktes erleidet. Auf der rechten 
Seite der Gleichung (176) ändert sich aber in diesem Falle 
nur die Entfernung r des Aufpunktes vom Volumenelemente dv 
Zerlegt man zur weiteren Ausführung der Operation c in seine 
3 Componenten und zieht nachträglich wieder zusammen, oder 
bezieht man sich dabei, was noch einfacher ist, auf Gleichung 
(78) S. 61, so erhält man nun leicht 



div* — /Vv^cfo. 



Dass die Umgebung des Aufpunktes nur unendlich kleine 
Beiträge zu dem Raumintegrale liefert, dass wir also zur 
Ausführung der Operation unter dem Integralzeichen berechtigt 
waren, ergibt sich nun leicht aus der folgenden Hülfs- 
betrachtung. 

Die Operation V an i/ r führten wir schon in § 36 aus; sie führte zu 
— */rS wenn t den Radiusvector vom Volumenelemente zu dem Auf- 
punkte, oder zu t'/r*, wenn t' = — t den entgegengesetzt gerichteten 
Radiusvektor mit dein Tensor r bedeutet. Aus der Umgebung des Auf- 
punktes grenzen wir durch eine Kegelfläche mit der unendlich kleinen 
Oeffnung & einen Raumtheil ab, den wir weiter in Raumelemente zer- 
legen, so dass ein solches Element das Volumen &r 2 dr erhält. Für 
alle in dem Kegelraume liegenden Elemente hat *7 r denselben Werth; es 
bedeutet einen in der Richtung von r' (der Kegelachse) gezogenen Einheits- 
vector und tf/ r ist die Protection von c auf die Kegelachse. Der Bei- 
trag des betrachteten Raumelements zu dem oben stehenden Raum- 
integrale ergibt sich demnach zu 

- , er' 
aar • — , 



220 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

ist also in der That (solange nicht c selbst unendlich gross wird, was 
selbstverständlich auszuschliessen ist) unendlich klein von der Ordnung 
ädr, wenn auch r bis auf Null abnimmt. Damit ist die aufgestellte 
Behauptung bewiesen und unser Verfahren gerechtfertigt. 

Wie sich aus den vorhergehenden Bemerkungen ferner 
noch ergibt, kann man dem Werthe V(Vr) zwei verschiedene 
Bedeutungen unterlegen, je nachdem der eine oder der andere 
Endpunkt von r dabei als variabel angesehen wird ; d. h. je nach 
der Richtung von r bezw. r'; beide Werthe unterscheiden sich 
indessen nur durch das Vorzeichen von einander. — Nach dem 
Gange der Entwicklung war in der Gleichung für div % die 
Operation V(Vr) auf Verschiebungen des Aufpunktes zu be- 
ziehen. Wir können und wollen uns aber nun anstatt dessen 
V so ausgeführt denken, dass wir es auf Verschiebungen des 
Raumelementes dv beziehen. Schreiben wir zur Unterscheidung 
von der vorigen Gleichung in diesem Falle — V für V, 
so wird 

div« — — /cV'(-W 



■/•<)« 



Auch bei diesen Verschiebungen ist natürlich c immer 
noch als constant zu betrachten. In der That kommt der ganze 
Uebergang aus der einen Form der Gleichung in die andere 
nur darauf hinaus, dass wir, anstatt die Lage des Aufpunktes 
einer Variation zu unterwerfen, dem ganzen stromführenden 
Systeme eine Translation in der entgegengesetzten Richtung 
ertheilen. Die relative Lagenänderung, auf die es allein an- 
kommt, bleibt in beiden Fällen dieselbe. • 

Nach dem schon oben angezogenen Rechengesetze Gleichung 
(78), ist aber allgemein 



cV( — ) = div div c , 



wobei die Operationen V und div sich ebenso wie vorher V' 
auf Verschiebungen des Punktes beziehen, zu dem c gehört 
und wobei nun auf der rechten Seite c selbst als mit den 
zugehörigen Verschiebungen des Punktes veränderlich an- 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 221 

zusehen ist. Führen wir dies in die vorige Gleichung ein ; . 
so erhalten wir 

div 91 = fldiYtdv— fdivjdv .• . . (180) 

In dem besonderen Falle des Vectorpotentials wahrer 
elektrischer Ströme ist aber, wie schon bemerkt, div c = 0, 
so dass das erste Glied des gefundenen Ausdrucks ohne Weiteres 
gestrichen werden kann. Vom zweiten Gliede gilt zunächst 
wieder, wie sich dies auf dem vorhin erörterten Wege nachweisen 
lässt, dass die Umgebung des Aufpunktes keine unendlich 
grossen Beiträge zu dem Integrale liefert. Ferner lässt es 
sich mit Hülfe von Gleichung (101) S. 77 in ein Oberflächen- 
integral umwandeln, so dass 

div« = A*M/ . 

gefunden wird. 

Unter df ist das Element einer den ganzen betrachteten 
Raum einschliessenden Fläche zu verstehen. Schon bei der 
Aufstellung der Definitionsgleichung von % war aber fest- 
gesetzt worden, dass alle Theile des Raumes in Betracht zu 
ziehen sind, in denen c überhaupt vorkommt. An der diesen 
Raum umschliessenden Fläche ist daher i jedenfalls überall 
gleich Null und wir gelangen damit zu dem Endresultate 

div9t = (181) 

•Das von einem vollständigen Systeme wahrer 
elektrischer Ströme genommene Vectorpotential er- 
füllt demnach überall im Räume, wie diese Ströme 
selbst, die solenoidale Bedingung. 

Liesse man dagegen die beschränkende Voraussetzung fallen, dass 
das Potential von einem Vector genommen werden soll, der selbst die 
solenoidale Bedingung erfüllt, so würde div 31 durch das erste Glied der 
rechten Seite von Gleichung (180) dargestellt werden, d. h. div 9C wäre 
das scalare Potential der div des Vectors, dessen Vectorpotential % ist. 



222 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

§ 86. Der curl des Vectorpotentials. 

Die unmittelbare Ausführung der Operation curl an 
Gleichung (176) liefert Folgendes. Zunächst wird aus dem 
curl von </r, falls c constant ist, wie entweder aus Gleichung 
(80) S. 61 geschlossen oder auch durch directe Zerlegung in 
die Componenten leicht gefunden wird, 



-o-vk 1 ). 



Beziehen wir die Operation V auf Verschiebungen des zu 
dv gehörigen Endpunktes von r, so ist, wie im vorigen § das 
Vorzeichen zu wechseln und man erhält 

curl*=JVc(V*)^ = -JpVftr^. . (182) 

Wegen der Entwicklung von V(Vr) und des Nachweises, 
dass die Ausführung der Differentialoperation curl unter dem 
Integralzeichen zulässig war, verweise ich auf die entsprechenden- 
Bemerkungen im vorigen §, die auf den vorliegenden Fall 
leicht zu übertragen sind; unter r ist in Gleichung (182) jetzt 
der vom Aufpunkte nach dem Raumelemente dv hingehende 
Radiusveetor zu verstehen. 

Der Werth von curl % lässt sich aber auch noch 
durch eine zweite von dieser ganz unabhängige Ent- 
wickelung ermitteln. Der Vergleich der beiden Ergebnisse 
wird ans dann zu wichtigen Folgerungen führen. 

Nach Gleichung (72) S. 59 ist nämlich allgemein 

curl 2 »=V-div»— V 2 ». 

In unserem Falle ist aber % wie durch Gleichung (181) 
ausgesprochen wird, solenoidal vertheilt, so dass hier speciell 

curl 2 «=-V 2 « ' (183) 

zu setzen ist. Für V 2 Ä haben wir aber schon nach der 
Laplace'schen Gleichung einen Werth gefunden, den wir hier 
einsetzen können, so dass 

. curl 2 » = 4?rc (184) 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 223 

wird. — Es handelt sich jetzt darum, diese Gleichung zu 
integriren, um curl % daraus abzuleiten. Dazu verhilft uns 
die zweite Hauptgleichung. Nehmen wir zunächst an, dass 
in der unmittelbaren Umgebung des Aufpunktes keine ein- 
geprägten magnetischen Kräfte §i vorkommen, so wird diese 
durch Gleichung (153) S. 158 dargestellt. Wir erhalten also auch 

curl 2 « = curl £ (185) 

Die Integration liefert uns 

curl« = §+V^ (186) 

Das mit S/W bezeichnete Glied spielt hier die Rolle einer 
Integrationsconstanten; es ist indessen keine wirkliche Constante, 
sondern eine noch näher zu bestimmende Grösse, von der wir 
zunächst nur wissen, dass sie einen Vector bedeutet, dessen 
curl gleich Null ist. Ein solcher Vector lässt sich aber (vgl. 
Gl. 104 S. 82) aus einem, scalaren Potentiale W ableiten, 
wessbalb die Schreibweise V*P* in Gleichung (186) von vorn- 
herein gewählt werden konnte. 

. Eine weitere Eigenschaft des Vectors \/W ergibt sich, 
wenn wir Gleichung (186) der Operation div unterwerfen. 
Nach Gleichung (71) S. 58 verschwindet dann der Werth auf 
der linken Seite und man erhält mit fernerer Berücksichtigung 
von Gleichung (68) 

divV^ = V 2 ^ = — div£ . . . . (187) 

Nun ist stets div SB = und daher überall wo /x constant 
ist, auch div # = 0. In allen solchen Gebietstheilen ver- 
schwindet daher X/ 2 W. Trifft dies im ganzen Räume zu, so 
wird W zu einer Constanten und das Glied S/W fällt aus 
Gleichung (186) fort. Wir kommen damit auf den von der 
Elektrodynamik nach der Pernwirkungslehre mit Vorliebe, ja 
fast ausschliesslich behandelten .Fall, dass Ströme auf einander 
wirken, ohne dass Eisenmassen (bezw. Kobalt oder Nickel) 
ins Spiel kommen. In diesem Falle ist also 

curl« = § 1 

\ (188^ 

ö = ft curl % = curl ÄMaxw. J 



224 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

>' ! Die letzte Gleichung gibt an, wie sich diese Beziehung 
gestaltet, wenn man die in § 83 besprochene ursprüngliche 
Definition des Vectorpotentials (mit Äm ä xw. bezeichnet) zu 
Grunde legt. 

Dort, wo div |> nicht gleich Null ist, also an den Grenz- 
schichten zwischen Eisenmassen und Luft oder auch im Innern 
von Eisenmassen mit wechselnder Permeabilität kann man 
nach § 53 dafür setzen 

div§ = 4^<? /? 

worin 6 f die Raumdichte freier magnetischer Massen bedeutet. 
Setzt man dies in Gleichung (187) ein, so erhält man 

. V 2? F= — 4ÄCf/ (189) 

Das ist aber die Laplace'sehe Gleichung, die von dem 
scalaren Potentiale der freien magnetischen Massen erfüllt 
wird. Von einer Constanten, auf die es nicht ankommt ab- 
gesehen, lässt sich daher W darstellen durch 



2Jf 






Das Glied \7W in (186), auf dessen nähere Ermittelung 
es ankam, ist hiermit vollständig bestimmt. Nach Gleichung 
(104) in Verbindung mit dem für W hier gefundenem Werthe 
stellt nämlich — V^P* die von den freien magnetischen Massen 
(wenn wir diese, an die Begriffe der Fernwirkungslehre an- 
knüpfende Auffassung für den Zweck der Beschreibung der 
Erscheinungen zulassen wollen) herrührende magnetische Kraft 
dar. Bezeichnen wir diese für den Augenblick mit $ m , so 
lässt sich Gleichung (186) auch schreiben: 

#=#m + curl» 



8 = ® m + p, curl * = » m + curl * Maxw .-J ( ^ 

Der ganze Kraftfluss und der ganze Inductionsfluss werden 
dadurch in zwei Theile geschieden, von dejien der eine un- 
mittelbar von den elektrischen Strömen herrührt und bei allen 
Aufgaben, bei denen kein Eisen dazwischen kommt, allein 



Drittes Capitel. Das Yectorpotential. 225 

besteht, während der andere durch die Dazwischenkunft des 
Eisens bedingt ist und das von den magnetischen Massen aus- 
gehende Feld darstellt. Die Gleichungen (188) geben nur 
den speciellen Fall der Gleichungen (191) an ; in dem § m und 
JB m verschwinden. 

Durch diese Gleichungen findet die im Eingange 
von § 85 aufgeworfene Frage ihre Beantwortung. So 
wie die Operation V an einem scalaren Potentiale 
zu der im Felde auftretenden Kraft führt, erhalten 
wir durch dieselbe Operation, wenn wir sie an dem 
Vectorpotentiale elektrischer Ströme nach Vectorart 
ausführen (d. h. den curl nehmen), die von den elek- 
trischen Strömen unmittelbar (also ohne die Da- 
zwischenkunft freier Magnetismen) herrührende mag- 
netische Kraft. 

Die damit hervorgehobene wichtige Analogie zwischen 
den beiden Arten von Potentialen wird nur dadurch etwas 
gestört, dass in Gleichung (104), die als das Analogon von 
Gleichung (191) x zu gelten hat, ein Minuszeichen vorkommt, 
das in dieser fehlt. — Dass die Ausführung der Operation V 
an dem Vectorpotentiale nach scalarer Art, also die Operation 
div, zu Null führt, ergab sich, woran in diesem Zusammen- 
hange nochmals erinnert werden soll, schon in § 85. 

§ 87. Berücksichtigung der eingeprägten Kräfte. 

Die vorigen Betrachtungen werden nur dann ungenau, 
wenn der Aufpunkt -selbst im Innern eines magnetisch harten 
Körpers liegt. Daift im Felde überhaupt magnetisch harte 
Körper und in diesen eingeprägte magnetische Kräfte vor- 
kommen, hindert nämlich die Anwendbarkeit der vorher- 
gehenden Schlüsse nicht, falls nur der Aufpunkt selbst an 
einer Stelle des Feldes liegt, an der keine eingeprägten Kräfte 
auftreten. Wir wollen jetzt sehen, welche Aenderungen unsere 
Gleichungen im anderen Falle erfahren. 

Die erste Hauptgleichung wird dann durch Gleichung (174) 
S. 213 dargestellt. Setzen wir sie bei der im vorigen § durch- 

Föppl, Maxvrell'sche Theorie der Elektricität. 15 



226 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

geführten Betrachtung in Gleichung (184) ein, so geht diese 
über in 

curl 2 « = curl (£-&). 

Durch Integration findet man daraus wie vorher 

curl« = £ — & + VW .... (192) 

wo aber jetzt an Stelle von Gleichung (187) 

\7*W= div£i — div§ = divgh — 4^e> 

tritt. Zerlegen wir nun $ überall in die Bestandtheile 

& = #m + $i + §0, 

wo § e die von elektrischen Strömen unmittelbar herrührende 
Kraft bedeutet und rechnen zu § m wie seither, jenen Theil von 
§ f der zur Verth eilung freier magnetischer Massen gehört, 
so folgt div § = div § m und daher 

div§i = 0. 

Die eingeprägte Kraft $i ist daher überall solenoidal 
vertheilt. Demnach stellt — V*F in Gleichung (192) wie 
vorher die magnetische Kraft § m dar. Diese Gleichung geht 
also über in 

curl* = $— $*-,$*. 

Setzt man noch $i = curl *i, wozu wir berechtigt sind, 
da div§i Null war, so folgt 

curl(« + 8ti) = £-§ m , 

d. h. die Gleichungen (191) bleiben auch im Innern magnetisch 
harter Körper noch gültig, falls man inter * das Vector- 
potential *i mit einrechnet, aus dem sich die eingeprägten 
Kräfte $t ableiten lassen. Ueberall ausserhalb der magnetisch 
harten Körper fällt das Glied *i aus der Gleichung heraus, 
da sein curl dort verschwindet. 

§ 88. Darstellung von £ und SB durch Raumintegrale. 

In § 86 gelangten wir auf zwei verschiedenen Wegen zu 
zwei Werthen von gleichfalls ganz verschiedener Form für 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 227 

den curl des Vectorpotentials. Der Vergleich beider liefert 
uns eine Darstellung der magnetischen Kraft und der mag- 
netischen Induction in der Form eines Raümintegrales. Aus 
Gleichung (182) und Gleichung (191) erhalten wir in der 
That unmittelbar 

/■1T7 } ' ' ' (193) 

Von der veränderten Bezeichnungs weise abgesehen, ist die 
erste dieser Formeln genau der von der Fernwirkungslehre 
auf Grund des Biot-Savart'schen Gesetzes aufgestellte 
Ausdruck über die von elektrischen Strömen im Vereine mit 
Magneten (von denen das Glied § m herrührt) ausgehenden 
magnetischen Kräfte. Indessen ist daraus keineswegs zu 
schliessen, dass die Maxwell'sch'e Theorie zu dem genannten 
Elementargesetze führe, denn aus Gleichung (193) folgt noch 
nicht, dass bei einer Zerlegung von 83 in ebensoviele Elemente 
als Raumelemente dv vorkommen, nun auch das Element des 
Integrals das von dem betreffenden Raumelemente herrührende 
Element von © richtig wiedergebe. Die Gültigkeit der 
Gleichung ist vielmehr hier nur unter der ausdrücklichen 
Voraussetzung bewiesen, dass die Integration über den ganzen 
Raum ausgedehnt wird, in dem elektrische Ströme vorkommen. 
Auf Bruchtheile dieses Raumes und speciell auf einzelne Raum- 
oder Stromelemente kann sie daher nicht angewendet werden. 
— Ein solches Elementargesetz wie das Biot-Savart'sche hat 
übrigens in der MaxweH'schen Theorie überhaupt keinen 
Platz. Nach ihr sind ungeschlossene Stromelemente physi- 
kalisch nicht möglich, daher fehlt auch dem Begriffe der von 
einem solchen Stromelemente ausgehenden magnetischen Kraft 
jede physikalische Bedeutung. Jede Zerlegung der^pesammt- 
wirkung auf die einzelnen Elemente ist dadurch von vorn- 
herein als ein Act der Willkür gekennzeichnet, der weder 
bestätigt, noch durch die Erfahrung widerlegt werden kann, 
da er einen Fall setzt, der an sich ausgeschlossen ist. 

15* 



228 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems, 

Aus der ersten Hauptgleichung folgte schon, dass der 
curl von §, falls der Aufpunkt frei von eingeprägten Kräften 
ist, wieder zu 4^c führt. Wenn man versucht, dieses Resultat 
aus Gleichung (193) durch Ausführung des curl unter dem 
Integralzeichen abzuleiten, wird man daran dadurch gehindert, 
dass die Elemente des Integrals .in der unmittelbaren Nachbar- 
schaft des Aufpunktes unendlich grosse Werthe annehmen. 
Im Gegensatze zu dem in § 85 bei Untersuchung der Frage, 
ob dort die Ausführung der Operation div unter dem Integral- 
zeichen zulässig sei ; gefundenen Sachverhalte, würden wir bei 
der Wiederholung dieser Untersuchung für den jetzt vor- 
liegenden Fall finden, dass unendlich kleine Bezirke in der 
Nähe des Aufpunktes endliche Beiträge zu dem betreffenden 
Integrale lieferten, so dass die Ermittelung des wahren 
Werthes von curl § auf diesem Wege — wenigstens nicht 
ohne eine sorgfältige gesonderte Untersuchung dieser Verhält- 
nisse — nicht möglich ist. 



§ 89. Vectorpotential von Magneten. 

Die Gleichungen (191), die für den Fall, dass keine Magnete 
(d. h. hier magnetisch weiche oder harte Körper, deren Permea- 
bilität von der der Luft merklich verschieden ist) vorkommen, 
durch die einfacher gestalteten Gleichungen (188) ersetzt 
werden, lassen sich noch so umformen, dass sie sich auch in 
anderen Fällen der Form nach vollständig mit diesen decken. 
Dazu ist nur nöthig, dass wir dem Symbole $ in den Gleichungen 
(188) eine etwas erweiterte Bedeutung beilegen. Hierdurch 
werden wir auf den Begriff des Vectorpotential s von Mag- 
neten geführt. 

Beschränken wir uns nämlich zunächst auf die Betrachtung 
solcher Raumtheile, in denen ft constant ist, während wir 
ausserhalb dieser Gebietstheile fi als veränderlich ansehen, 
so lässt sich die in Gleichung (186) als Integrationsconstante 
eingeführte und später in Gleichung (191) als die von freien 
Magnetismen ausgehende magnetische Kraft § m erkannte 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 229 

Grösse — V^ nicht nur, wie es bisher besprochen war, von 
einem scalaren Potentiale, sondern ausserdem auch von dem 
Potentiale eines (vorläufig noch unbekannten) Vectors ab- 
leiten. Wir nennen diesen % n und setzen 

$„-— VV-curl** .... (194) 

Die Bedingung dafür, dass dies zulässig ist, besteht nach 
Gleichung (71) S. 58 darin, dass div§ m oder V 2 ^ Null ist. 
In dem Räume, den wir uns jetzt zur Betrachtung ausgewählt 
haben, trifft dies aber nach den auf Gleichung (187) folgenden 
Bemerkungen zu. Führen wir den Werth von § m in Gleichung 
(191) ein und bezeichnen wir zum Unterschiede von % m das 
von den elektrischen Strömen c herrührende Vectorpotential 
mit % e , die Summe beider aber mit Ä, so ist 

§ = curl % M + curl % = curl (% m + *,) = curl % ) 



[(195) 
© = |x curl % = curl $ Ma *w. J 

Das Glied %^ von dem in § 87 die Rede war, verschwindet 
*in dem Räume, den wir betrachten, ohnehin. 

Der Vector 9l m heisst das von der Anwesenheit der 
Magnete herrührende Vectorpotential, obschon er vorläufig 
noch nicht in jener analytischen Form dargestellt ist, die der 
Definition des Vectorpotentials in § 83 zu Grunde gelegt 
wurde. Wir kennen bisher überhaupt noch nicht jenen Vector, 
als dessen Potential % m aufgefasst werden könnte und werden 
ihn jetzt erst zu bestimmen suchen. 

Dieser Bestimmung stellt sich die Schwierigkeit entgegen, 
dass die Gleichungen (194) und (195) nicht für den ganzen 
Raum, sondern nur in den vorher näher bezeichneten Gebiets- 
theilen gültig sind. 

§ 90. Directe Bestimmung von &Maxw. 

Aus dem soeben angeführten Grunde fassen wir die Auf- 
gabe jetzt etwas anders an und bestimmen unmittelbar den 
Vector SÄMaxw. aus der Gleichung 

SB = CUrI »Maxw. (196) 



230 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

die nach Gleichung (195) zunächst überall dort gilt, wo fi 
constant ist. In dieser Form lässt sich die Gültigkeit der 
Gleichung aber auf den ganzen Raum ausdehnen, da nach den 
Grundlagen der Theorie wahrer Magnetismus nirgends vor- 
kommt, d. h. div 85 überall Null ist und weil daher die Be- 
dingung dafür, dass SB als curl eines anderen, noch näher zu 
bestimmenden Vectors $Maxw. angesehen werden kann, überall 
zutrifft. Von ÄMaxw. selbst wissen wir zunächst nur dies, 
dass es mit dem in Gleichung (176 a ) definirten Werthe 
zusammenfällt, so lange keine Magnete in dem Probleme 
auftreten. Jetzt aber, wo wir die Anwesenheit von Magneten 
voraussetzen und Gleichuug (196) auch selbst auf die Grenz- 
schichten zwischen Eisen und Luft u. s. w. angewendet werden 
soll, haben wir es ganz von Neuem zu bestimmen. 

In unserem gegenwärtigen Falle hat daher ÄMaxw. nur 
die eine Bedeutung einer Stammgrösse, aus der sich durch 
Ausführung der Operation curl die magnetische Induction 18 
überall im Felde ableiten lässt, d. h. ÄMaxw. wird durch 
* Gleichung (196) selbst definirt und ist vorläufig keinen weiteren 
Beschränkungen unterworfen. 

Gleichung (196) ist aber eine Differentialgleichung, aus 
der $Maxw., wenn 85 im ganzen Räume gegeben ist, durch 
eine Integration hervorgeht. Daraus folgt, dass es durch 
Gleichung (196) noch nicht vollständig definirt ist, indem bei 
der Integration noch eine willkürliche Grösse hinzukommen 
kann, die sich aus der Gleichung (196) wieder forthebt. 
Denken wir uns irgend eine Losung Ä der Gleichung (196) 
gefunden und fügen wir ihr einen Vector $ hinzu, so wird 
Ä + Ä auch eine Lösung der Gleichung sein, falls nur überall 
curl Ä = ist. Sonst ist der hinzuzufügende Vector $ keiner 
Beschränkung unterworfen; wir können ihn daher überall so 
wählen, dass seine div überall das Entgegengesetzte der div 
der ersten Lösung % und daher die div der neuen Lösung 
(» + Ä) überall Null ist. 

Die in dieser Weise specialisirte Lösung (ft + ft), oder, 
wie wir jetzt wieder dafür schreiben, ÄMaxw.j der Gleichung (196) 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 231 

wollen wir wählen und wir müssen auch gerade diese wählen, 
wenn wir erreichen wollen, dass für den schon früher be-, 
handelten Fall des Fehlens von Magneten im Felde die ge- 
fundene Lösung sich mit der für diesen Fall gegebenen Definition 
von ÄMaxw. deckt. 

Nach diesen Festsetzungen ist also überall im Räume 

div« M axw. = (197) 

Nach Gleichung (72) S. 59 ist daher hier 

CUrl 2 $Maxw. = — V 2 $Maxw. 

mit Berücksichtigung von Gleichung (196) also auch 

V 2 $Maxw. = — CUrl©. 

Setzen wir hier für SB den Werth fi§ und führen die 
Operation nach Gleichung (80) S. 61 aus, so erhalten wir 

V 2 «Maxw. = - ^ curl£ - V(Vfi) . 0. 
In diese Gleichung können wir nun ferner noch den 
Werth von curl$ aus der ersten Hauptgleichung einführen 
und zwar müssen wir hierbei, da die Gleichung im ganzen 
Räume gültig bleiben soll und in diesem auch magnetisch 
harte Körper vorkommen sollen (oder doch vorkommen können), 
von vornherein auch auf die eingeprägten magnetischen Kräfte 
Rücksicht nehmen, die erste Hauptgleichung also in der Form 
(174) S. 213 anwenden. Wir erhalten so 

V 2 »Maxw. = — 4*fie — p curl & — V (VfO • $ (198) 

Der Vergleich mit der Laplace'schen Gleichung (179) S. 218 

zeigt uns, dass damit der Vector gefunden ist, als dessen Potential 

^Maxw. zu betrachten ist. Setzen wir nämlich zur Abkürzung 

f^ + ^curl^ + ^-VO^S • • (199) 
so ist 

StMa*w. = /^ (200) 

womit die Aufgabe vollständig gelöst ist. Für den Fall, dass 
überall p constant und £>t gleich Null ist, geht dieser Werth 



232 Dritter Abschnitt. Weiterer Aasbau des Systems. 

in den durch die Definitionsgleichung (176 a ) gegebenen über. 
Wohl zu beachten ist indessen, da&s die Permeabilität 
ft in Gleichung (200) unter das Integralzeichen und 
nicht, wie dies bei der ursprünglichen Definition von 
Maxwell zutraf, vor das Integralzeichen zu setzen ist. 
Die auf der rechten Seite von Gleichung (199) auf c 
folgenden beiden Glieder haben dieselbe Dimension wie elek- 
trische Strömungen uud können daher durch fingirte Ströme 
ersetzt werden. Es könnte daher scheinen, als wenn dies die 
Ströme wären, die von Ampere zur Erklärung der magnetischen 
Erscheinungen benutzt wurden. Hier drängt sich indessen eine 
wichtige Bemerkung auf. Bilden wir nämlich von dem 
durch Gleichung (199) gegebenen Werthe von f die 
div, so finden wir, dass sie nicht überall im Räume 
verschwindet. Nach dem Grundsatze der solenoidalen Ver- 
keilung der wahren elektrischen Ströme (der übrigens für 
stationäre Ströme, wie sie hier in Betracht kommen, eine 
selbstverständliche Forderung jeder Theorie und nicht nur der 
Maxwell'schen bildet), trägt zwar das erste Glied nichts zu 
dieser div bei und ebensowenig das zweite, wie aus Gleichung 
(71) hervorgeht. Die div des dritten Gliedes verschwindet aber 
im Allgemeinen nur dort, wo /x constant ist. Nach den 
Rechengesetzen der Gleichungen (78) und (81) lässt sich dies 
leicht weiter ausführen. Nach einigen Umformungen erhält man 

divI = S V ^^ curl ^ + V(VF)^}=ivi.curl8 (201) 

Damit ist die ausgesprochene Behauptung bewiesen. 
Anders ist es mit der div. von ftf, also jenes Vectors, dessen 
Potential nach Gleichung (200) durch ÄMaxw. angegeben wird. 
Sie wird, wie man sich leicht überzeugt, in der That zu Null, 
d. h. der Vector /Ltf, der aber nicht als ein elektrischer Strom 
aufgefasst werden darf, da er von ganz anderer Dimension 
ist, also eine physikalisch von einem solchen durchaus ver- 
schiedene Grösse darstellt, erfüllt an Stelle des zur Er- 
klärung der magnetischen Erscheinungen etwa zu fingirenden 
Stromes die solenoidale Bedingung. 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 233 

Das Ergebniss dieser für die Theorie des Magnetismus 
überaus wichtigen Betrachtung besteht demnach darin, dass 
man zwar ein System elektrischer Strömungen angeben kann, 
das nach Multiplication mit der Permeabilität'^ einen Vector 
liefert, aus dessen Potential, ohne dass man daneben das Vor- 
handensein . magnetischer Massen anzunehmen brauchte, sich 
dieselbe *Vertheilung des Kraft- und Inductionsflusses ableiten 
lässt, wie sie sich sonst bei Berücksichtigung dieser Massen 
ergibt, dass aber zweitens die zu diesem Zwecke sp fingirenden 
elektrischen Ströme nicht überall solenoidal vertheilt sind. 
Die Hypothese, dass diese elektrischen Ströme physi- 
kalisch existirten und dass die etwa bei Stahl- 
magneten beobachteten magnetischen Wirkungen von 
ihnen wirklich hervorgerufen wären, oder mit ande.ren 
Worten, dass jene magnetischen Kräfte in Wahrheit 
von molekularen Strömen ausgehende elektrodyna- 
mische Kräfte wären, lässt sich daher nicht aufrecht 
erhalten. Dies wird sich auch aus den folgenden 
Untersuchungen noch weiter ergeben. 



§ 91. Darstellung von § e als Vectorpotential. 

Unter § e sei jetzt, wie schon in § 87, jene magnetische 
Kraft § verstanden, die von , elektrischen Strömen ohne Da- 
zwischenkunft magnetischer Massen ausgeht. Es ist also 
jener Theil von §, der in Gleichung (193) durch das zweite 
Glied in Form eines Raumintegrales dargestellt wurde und es 
wird mit dem ganzen # identisch, wenn in dem ganzen be- 
trachteten Räume fc. constant ist und keine eingeprägten mag- 
netischen Kräfte vorkommen. 

Für § e lässt sich ausser jen%m analytischen Ausdrucke 
noch ein anderer, aufstellen, der sich für die Zwecke mancher 
Untersuchungen besser eignet, weil er selbst die Form eines 
Vectorpotentials annimmt, auf das die Laplace'sche Gleichung 
angewendet werden kann. Der Vector, als dessen Potential 
§ ö angesehen werden kann, hat bisher keinen besonderen 



234 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

Namen erhalten, o))Schon er wegen des Nutzens, den seine 
Einführung der Theorie leistet, wohl einen solchen verdiente; 
es ist der curl des wahren elektrischen Stromes f. 

Zur Ableitung jenes Ausdrucks entwickle ich zuvor einen 
allgemein gültigen Satz der Potentialtheorie, dessen Anwendung 
uns dann sofort zum Ziele führen wird. Zunächst greife ich 
auf Gleichung (176) zurück, durch die das Vectorpotential $ 
definirt wurde 



«-/*£. 



Zur Abkürzung sei, indem ich hierin ebenso wie in der 
ganzen Ableitung des Satzes Heaviside folge, hierfür in den 
folgenden Betrachtungen 

$ = pote . (202) 

geschrieben, wodurch das Operationszeichen pot seine Definition 
erhält. 

Unter der Voraussetzung, dass der Vector i, worunter 
jetzt ein im Uebrigen beliebiger, aber stetig im Räume ver- 
teilter Vector verstanden werden kann, die solenoidale Be- 
dingung div c = erfüllt, ist nach Gleichung (181) S. 221 

div» = 0. 

Nach Gleichung (72) gilt dann die schon bei den Ab- 
leitungen der vorigen §§ benutzte Gleichung 

curl 2 » = -V 2 ». 

Dazu kommt die Laplace'sche Gleichung, Gleichung (179) 

V 2 «=-4*c. 

Ausser den Vectoren tl und c fassen wir nun ferner noch 

den Vector § 

§ = curl» 

ins Auge, der durch diese Gleichung vollständig definirt ist 
und, wie wir aus den Betrachtungen von § 86, speciell aus 
Gleichung (191) wissen, mit unserem § e identisch wird, wenn 
wir c die gewöhnlich damit verbundene Bedeutung unterlegen. 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential, 235 

Aus der letzten Gleichung folgt zunächst nach Gleichung (71) 

div$ — 0, 

also wiederum nach Gleichung (72) 

curl 2 g = -V 2 g. 

Andererseits erhalten wir aus der Definitionsgleichung 
von # 

curl 2 § = curl 8 * — curl (V 2 9) — 4* curl c, 

also auch 

V 2 g = — 4^ curl c. 

Das ist aber die Laplace'sche Differentialgleichung für 
ein Vectorpotential £> des Vectors curlc. Wir können daher 
ihr Integral unmittelbar angeben und erhalten 



#-/^.. 



<fo = pot • curl c • • . . (203) 

Da $ zugleich 

|> = curl Ä = curl • potc, 

so folgt damit der allgemeine Satz der Potentialtheorie, um 
dessen Ableitung es sich handelte, 

pot • curl c = curl • pot c . . . . (204) 

d. h. die Operationszeichen pot und curl sind f mit 
einander vertauschbar. Nebenbei bemerkt, gilt dieser 
Satz indessen auch unabhängig von der beschränkenden Vor- 
aussetzung div c = 0. Da er hier nur auf Grössen angewendet 
werden soll, die diese Voraussetzung erfüllen, sah ich indessen 
von dem allgemeinen Beweise ab, der sich von dem vorigen nur 
dadurch unterscheidet, dass an Stelle von divÄ der Ausdruck 
curl • V divÄ und zwar nach Gleichung (69) S. 57 verschwindet. 
Durch Gleichung (203) ist nun zugleich die Aufgabe ge- 
löst, &> in der Form eines Ve&torpotentials darzustellen. 
Geben wir nämlich jetzt t wieder die ihm gewöhnlich zu- 
kommende Bedeutung, so wird hiernach 

& = T^L C dv — pot curl c . . . . (205) 



236 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des System«. 



§ 92. Darstellung von % m als Vectorpotential. 

Auch der andere Bestandteil der ganzen magnetischen 
Kraft § in den Gleichungen (191) und (193), nämlich der 
von einem scalaren Potentiale ableitbare oder, wie man in der 
Sprache der materialistischen Auffassung sagt, der von freien 
magnetischen Massen herrührende p m lässt sich ebenso wie $,, 
in der Form eines Vectorpotentials darstellen. Dabei beruht 
diese Umformung ebenfalls auf einem allgemeinen Satze der 
Potentialtheorie und zwar diesmal der Theorie des scalaren 
Potentials, der das Analogon zu dem durch Gleichung (204) 
ausgesprochenen Satze bildet. Um der Ableitung ihre all- 
gemeine Gültigkeit zu bewahren, möge zunächst von der 
speciellen Bedeutung, die den vorkommenden Grössen hier 
beigelegt wird, abgesehen werden. 

Ich betrachte zwei stetig im Räume vertheilte scalare 

Grössen W und fy und einen ebenfalls stetig vertheilten Vector 

# m , die durch folgende Gleichungen mit einander verbunden 

sind: 

f 9 6fdv 
lF -J- r P'°ttf/ 

Das Operationszeichen pot bezieht sich diesmal auf einen 
Scalar, ist aber sonst ganz in demselben Sinne wie im vorigen § 
gebraucht. 

Nach Laplace folgt aus der ersten dieser Gleichungen 

Aus der zweiten erhalten wir durch Ausführung der 
Operation V 2 

Allgemein kann aber die Reihenfolge der beiden Ope- 
rationen V 2 und V vertauscht werden, wovon man sich durch 
die Entwicklung des Ausdrucks V 2 -V bezw. V-V 2 nach den 



Drittes CapiteL Das Yectorpotential. 237 

für V und V 2 gegebenen Definitionen sofort überzeugt. Man 
hat also auch 

Das ist abermals eine Laplace'sche Differentialgleichung 
für das Vectorpotential § m , das von dem Vector — Vfl/ ge- 
nommen ist. Als Lösung erhalten wir daher 

§ m = -J^dv~ -$ot -V6 f . . , (206) 

Der Vergleich mit dem zuerst für § m aufgestellten Aus- 
drucke liefert den Satz, der hier abgeleitet werden sollte: 

V.pot^ = pot.Ve> (207) 

d.h. falls es sich um die Potentiale scalarer Grössen 
handelt, sind die Operationszeichen pot und V mit 
einander vertauschbar. 

Zugleich ist, wenn wir den Buchstabenbezeichnungen nun 
die specielle Bedeutung, die sie überall hatten, wieder zu- 
erkennen, durch Gleichung (206) die Aufgabe gelöst, § m in 
der Form eines Vectorpotentials darzustellen. 



§ 93. Der Vector Vö>. 

Durch die vorhergehende Betrachtung wurden wir zu 
dem neuen Vector Vö/ geführt, dessen Eigenschaften von 
einiger Wichtigkeit für die Theorie des Magnetismus sind. 
Denken wir uns in einem magnetischen Felde ein Stück 
weiches Schmiedeeisen, dessen Permeabilität im Innern constant 
ist und in den Grenzschichten continuirlich bis zu dem Werthe 
abnimmt, den ja in der Luft hat. Freie magnetische Massen G f 
können dann nur in den Grenzschichten vertheilt sein; auf 
diese ist daher auch die Vertheilung des Vectors Vtf/ be- 
schränkt. Der Vector lässt sich mechanisch construiren, näm- 
lich durch ein Kraftfeld veranschaulichen, das zu dem Potentiale. 
— 6 f gehört. Die zugehörigen Kraftlinien gehen sowohl von 
der Eisenseite als von der. Luftseite der Grenzschicht in diese 



238 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

hinein, wenn 0/ dort positiv ist. Die Vertheilung des Vectors 
ist ferner eine wirbelfreie, aber sie ist nicbt solenoidal. 

Im Gegensatze hierzu steht der Vector curlc, als dessen 
Potential # e sich in § 91 ergab. Seine Vertheilung ist noth- 
wendig solenoidal, aber nicht wirbelfrei. Dasselbe gilt auch 
von den Grössen £ m und & selbst. Dieser Unterschied 
ist ein wesentlicher und er verhindert, dass § e und 
£ m im ganzen Räume identisch werden können, wie 
man auch 6 f und c wählen möge. 



§ 94. Zerlegung in Elementarmagnete. 

Ein Kunstgriff, der seiner analytischen Bedeutung nach 
auf eine partielle Integration hinauskommt, besteht darin, 
einen Magneten in Kaumelemente zu zerlegen, deren Ober- 
flächen mit freien magnetischen Massen belegt sind, und zwar 
auch dort, wo, wie im Innern magnetisch weicher Körper, gar 
keine freien magnetischen Massen in Wirklichkeit auftreten. 
Man kann dies ausführen, weil sich bei der Summirung an 
den Grenzflächen zweier Raunieleniente die dort fingirten 
magnetischen Belegungen entgegengesetzten Vorzeichens gegen- 
einander aufheben, entweder ganz oder nur zum Theile, wenn 
an dieser Stelle des Raumes schon ursprünglich eine freie 
magnetische Massenvertheilung gegeben war. 

Die materialistische Theorie wurde auf diese Zerlegung 
der magnetischen Massen, die im Wesentlichen darauf hinaus- 
läuft, dass man durch + m — m ersetzen kann und auf 
die Vorstellung, dass man durch eine solche gekünstelte Zer- 
legung dem wahren Sachverhalte näher komme als bei der blossen 
Betrachtung der resultirenden Massenvertheilung im Räume, 
durch die Notwendigkeit geführt, zu erklären, wesshalb die 
Stücke eines Stahlmagneten nach dem Bruche wieder voll- 
ständige Magnete sind, wie es also kommt, dass sich an den 
Bruchstellen neue Pole bilden und warum ferner keine uni- 
polaren Magnete vorkommen. 

Für die Kraftlinienlehre ist der Begriff des Elementar- 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 239 

magneten in diesem Sinne durchaus entbehrlich, da sie auch 
ohne dieses Hülfsmittel bei der natürlichen und ungezwungenen 
Entwicklung ihrer Vorstellungen von selbst zur Erklärung 
der genannten Erscheinungen geführt wird. Bis zu einem 
gewissen Grade steht jener Begriff des Elementarmagneten 
sogar im Widerspruche mit den Vorstellungen der Kraftlinien- 
lehre. Gewiss kann man sich zwar ein Volumenelement aus 
einem Stahlmagneten losgelöst denken und es als selbständigen 
Magneten betrachten. In dieser Isolirung ist es aber gerade 
in Bezug auf seine magnetischen Eigenschaften durchaus nicht 
mit dem identisch, was es vorher als Bestandtheil des ganzen 
Stahlmagneten war. Zum mindesten kommt, selbst wenn man 
annehmen wollte, dass sich an dem inneren Kraft- und 
Inductionsflusse nichts geändert haben sollte, doch der äussere 
Kraftfluss hinzu, der sich von dem früheren durchaus unter- 
scheidet und der doch ebensosehr zur Charakterisirung eines 
Magneten im Sinne der Kraftlinienlehre von Bedeutung ist, 
wie der innere. Durch nachträgliche Zusammenfügung solcher 
„physikalischer" oder „rationeller" Elementarmagnete gelangt 
man daher zu einem Ganzen, das in magnetischer Hinsicht 
nicht ohne Weiteres als gleichwerthig mit der Summe seiner 
Theile gesetzt werden darf. 

Ausser diesen „rationellen" kann man auch noch fingirte, 
nämlich physikalisch nicht realisirbare, aber analytisch und 
logisch mögliche Elementarmagnete anderer Art angeben, die 
mit denen der classischen Theorie des Magnetismus in etwas 
engerer Uebereinstimmung stehen. Man gelangt zu ihnen 
auf folgende Art. Nachdem der ganze von dem Kraft- und 
Inductionsflusse erfüllte Raum auf beliebige Weise, am besten 
jedoch dem Laufe der Inductionsröhren folgend, in einzelne 
Elemente zerlegt ist, betrachte man die Linienelemente einer 
bestimmten Kraftlinie, in die diese bei der Raumzerlegung 
zerstückelt wurde, als einzelne selbständige Kraftlinien, so 
nämlich, dass von den beiden Endpunkten jedes Linien- 
elementes der eine als Quelle, der andere als Versickerungs- 
stelle angesehen wird. Zu dem gemeinsamen Endpunkte 



* 240 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

zweier auf einander folgenden Elemente gehört dann zugleich 
eine Quelle und eine Versiekerung von derselben Grösse, so 
dass sich bei der Summirung beide gegeneinander aufheben. 

Anfangs- oder Endpunkte von Kraftlinien, die vorher im 
Innern des betrachteten Raumelementes lagen, denke man 
sich nach der einen oder anderen Seite hin bis zur Urnfangs- 
fläche verschoben. Das ist zulässig, weil es sich dabei nur 
um unendlich kleine Verschiebungen der ursprünglich im 
ganzen Räume vertheilten freien Massen handelt, die sich 
unter einander noch dadurch ausgleichen, dass man die eine 
Hälfte der Endpunkte in einem, die andere im entgegen- 
gesetzten Sinne verschiebt. Das abzuleitende Resultat kann 
daher hierdurch keine merkliche A ender ung erfahren. Man 
erreicht es durch diese Verschiebungen, dass auf dem Umfange 
jedes volumenelementes die Zahl der Quellen ebenso gross 
ist, als die Zahl der Versickerungen, während dafür die alge- 
braische Summe der Quellen und Versickerungen auf einem 
Flächenstück, in dem zwei aufeinanderfolgende Volumen- 
elemente aneinander grenzen, jetzt im Allgemeinen von Null 
abweicht. 

Ein einzelnes solches von selbständigen Kraftlinien durch- 
zogenes Volumenelement sei als ein fingirter Elementarmagnet 
bezeichnet. Für sich allein kann er allerdings nur dann ohne 
jede Aenderung bestehen bleiben, wenn wir uns erstens das 
Auftreten von wahrem Magnetismus an den Endflächen als 
möglich vorstellen und uns zweitens die regelmässige trans- 
versale Fortpflanzung des Kraftflusses nach aussen hin durch 
eine magnetische Härte des Materials aufgehoben denken. 
Physikalisch ist er also nicht möglich. Analytisch kann aber 
die Gesammtheit aller Elemente des Raumes durch die Summe 
dieser Elementarmagnete repräsentirt werden. 

Selbstverständlich müssen wir uns bei dieser Art der 
Zerlegung auch den Luftraum in der Umgebung eines Stahl- 
magneten aus solchen Elementarmagneten zusammengesetzt 
denken. Gerade um möglichst deutlich hervorzuheben, dass 
der Begriff des Elementarmagneten nicht an eine Eisenmasse 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 241 

u. dgl. gebunden ist, sondern auf alle Körper, die von einem 
Kraftflusse durchzogen sind, anwendbar ist, habe ich diese Zer- 
legung hier ausführlicher beschrieben. 

Die ursprüngliche Vertheilung der freien magnetischen 
Massen oder nach der Sprache der Kraftlinien der Quellen 
und Versickerungsstellen des Kraftflusses ist analytisch der 
jetzt angegebenen völlig gleichwerthig und man kann auf 
Grund der letzteren das bestehende magnetische Feld genau 
wie vorher nach dem Couloinb'schen Gesetze ableiten. 

Thut man dies, so stösst man allerdings auch im Luft- 
räume auf dieselbe Schwierigkeit, wie nach der gewöhn- 
lichen Theorie im Eisenraume, dass nämlich der Aufpunkt, 
für den wir die magnetische Kraft berechnen wollen, mitten 
in die fingirte Massenvertheilung von Magnetismus ab- 
wechselnden Vorzeichens hineinfällt. Man kann dies zwar 
wie dort dadurch umgehen, dass man um den Aufpunkt herum 
eine unendlich kleine Höhle herstellt und die magnetischen 
Belegungen der Höhlenfläche mit in Rechnung zieht. 

Einfacher ist es aber, diese Schwierigkeit wenigstens für 
den Luftraum ganz dadurch zu vermeiden, dass man eine 
noch etwas geänderte und der ursprünglichen ebenfalls ana- 
lytisch gleichwerthige Massenvertheilung vornimmt. 

Um diese möglichst anschaulich zu beschreiben, verfolge 
ich eine geschlossene Inductionsröhre, die theils im Lufträume, 
theils im Eisenraume eines magnetischen Feldes verläuft. Nach 
dem Gesetze der solenoiclalen Vertheilung von SB ist dann Bdf 
für jeden Querschnitt dieser Röhre gleich^ gross. Die Masse an 
den beiden Endquerschnitten jedes der Elemente, in die man die 
Röhre durch Quertheilung zerlegen kann, ist, da 6y = div#/4« zu 
setzen ist, bei der vorigen Massenvertheilung, vom Vorzeichen 
abgesehen, gleich Hdfßn oder gleich Bdf/iitp. Dieser Werth 
wechselt mit ^; er ist am grössten im Lufträume und am 
kleinsten im Innern des Eisenkörpers. An den Endquerschnitten 
aller Elemente denke ich mir nun noch die Massen — Bäfj± n ^ 
zu der vorigen Massenvertheilung über diese Endquerschnitte 
hinzugefügt, wobei mit p die Permeabilität des Luftraumes 

Föppl, MaxwelFsche Theorie der Elektricität. 16 



242 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

bezeichnet ist. Das ist zulässig , weil die angegebene Masse 
für alle Volumenelemente constant ist und weil daher an 
jedem Querschnitte df die von beiden Seiten her aufgelagerten 
Massen entgegengesetzten Vorzeichens sich genau gegen ein- 
ander fortheben. Das Minuszeichen in — Baffen^ soll natürlich 
nur die Bedeutung haben ? dass es an jedem Endquerschnitte 
eines Elementes eine der dort schon vorhandenen entgegen- 
gesetzte Masse angibt. Im Ganzen ist daher überall die neu 
aufgebrachte magnetische Masse genau gleich Null. 

Bei allen Volumenelementen im Luftraum verschwinden 
aber nun die Endbelegungen jetzt schon für sich genommen 
infolgedessen vollständig. Die Endbelegungen eines Volumen- 
elementes im Eisenraume, bezw. auch in den Grenzschichten, 
wo die Permeabilität continuirlich aus dem Werthe p in den 
für das Innere des Eisens gültigen übergehen mag, betragen 
dagegen jetzt + (Bdfknii — Bdfß n(lfQ ) 7 wofür auch 

' ±7t \[l J 

geschrieben werden kann. In Bezug auf das Vorzeichen be- 
merke ich, dass bei der vorher gewählten Massenvertheilung 
jener Endquerschnitt jedes Elementes der Inductionsröhre, auf 
den die Vectoren # und © hingerichtet waren, eine Ver- 
sickerungsstelle bildete, also mit negativer Masse belegt werden 
musste. Jetzt hat sich das Vorzeichen der neu angegebenen 
Massenvertheilung umgekehrt; an den in der Richtung von $ 
gelegenen Endquerschnitten hat man sich daher im Eisen- 
raume eine positive Masse von dem angegebenen absoluten 
Betrage aufgelegt zu denken. 

Durch diese neue, an sich völlig willkürliche, der ur- 
sprünglich gegebenen abSr analytisch gleichwertige Ver- 
keilung der magnetischen Massen, die nur zu dem Zwecke 
einer erleichterten Berechnung der schliesslich resultirenden 
magnetischen Kraft erdacht wurde, werden wir auf jenen Be- 
griff geführt, der für die classische Theorie des Magnetismus 
eine so fundamentale Bedeutung hatte, während er für die 
Kraftlinienlehre nur die Rolle eines ganz untergeordneten Hülfs- 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 243 

begriffes spielt. Es ist das die magnetische Intensität 
und mit ihr wird zugleich auch der Begriff der magnetischen 
Susceptibilität eingeführt. 

Unter der magnetischen Intensität 3 verstehen wir nämlich 
einen in isotropen Körpern mit JB und g gleichgerichteten 
Veetor, der mit § von derselben physikalischen Dimension ist 
und durch die Gleichung 



4tt^ 



(208) 



definirt wird. Der Factor von § in dieser Gleichung wird 
die magnetische Susceptibilät % genannt, so dass auch 



% 



47Tfl 



; 3 -*•$... . (209) 



dafür geschrieben werden kann. Mit SB = p§ geht Gleichung 
(208) ausserdem in die aus der gewöhnlichen Theorie wohl- 
bekannte 

8 = f*o(# + 4Ä3) (210) 

über, der hier nur der Factor f& (Permeabilität des Luftraumes) 
beizufügen war. Bei der Anwendung des üblichen magnetischen 
Maasssystems bleibt die Gleichung numerisch auch nach 
Streichung dieses Factors noch richtig. Ein Urtheil über die 
wahren Dimensionen der darin vorkommenden Grössen kann 
aber nur aus der vollständigen Gleichung (210) geschöpft 
werden. 

Da div JB überall Null und p constant ist, folgt aus 
Gleichung (210) ferner 

div£ = — 4*rdiv3 (211) 

and daher 

*,— — div3 ...... (212) 

Wir haben daher auf künstliche Art einen Vector 3 neu 
construirt, der im Lufträume nach Gleichung (208) überall 
Null ist und aus dessen div sich dabei ebensogut wie aus 
der div von § die freie magnetische Massenvertheiluug ab- 
leiten lässt. 

16* 



244 Dritter Abschnitt-. Weiterer Ausbau des Systems. 

Die eigentliche Bedeutung von 3 liegt aber nur in der 
erleichterten Berechnung des magnetischen Feldes nach dem 
Fernwirkungsgesetze auf Grund der zu diesem Zwecke aus- 
gedachten und vorhin näher beschriebenen Massenvertheilung. 
Am Endquerschnitte jedes Elementes einer Inductionsröhre, 
das in der Richtung der Vectoren 33, |> und auch 3 Hegt, hat 
man sich zu diesem Zwecke eine positive Masse von der 
Grösse Jdf, wo J den Tensor von 3 bedeutet, angebracht 
zu denken. 

Ausdrücklich mache ich noch darauf aufmerksam, dass 
man mit demselben Rechte und auch mit demselben Erfolge 
die Massen — ^^f/ln^ W o p e den constanten Werth, den ft 
etwa im Innern der Eisenmasse annimmt, an Stelle der Massen 
— Bdf/^x^ bei der vorigen m Betrachtung hätte hinzufügen 
dürfen. Man hätte dann erreicht, dass der ganze innere 
Eisenraum von magnetischen Belegungen der einzelnen Elemente 
frei geworden wäre und dass man dann für diesen den Vortheil 
einer vereinfachten Berechnung der magnetischen Kraft gehabt 
hätte. Luftraum und Eisenraum (mit Ausnahme der Ueber- 
gangsschichten) hätten dann einfach die Rollen getauscht. 

Aus dieser Erwägung geht auf das Deutlichste 
hervor, dass 3 keineswegs dieselbe fundamentale 
physikalische Bedeutung wie die Vectoren SB und § 
haben kann, dass es vielmehr nur ein durch will- 
kürliche Subtraction zweier physikalisch bedeut- 
samer Grössen geschaffener Hülfsbegriff ist, dem 
nur eine untergeordnete Rolle in einer geläuterten 
Theorie zugestanden werden kann. 

§ 95. Aequivalenz eines Kreisstromes mit einer magnetischen 
Schale nach Ampere. 

Bei der Behandlung des Vectorpotentials dürfen wir nicht 
versäumen, auch die wichtigsten Ergebnisse der Fernwirkungs- 
theorie in die Maxwell'sehe Theorie einzugliedern, soweit sie 
von dieser als gültig erkannt werden oder, falls dies nöthig 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 245 

ist, sie so umzugestalten, dass sie Sich in den gegebenen 
Rahmen fügen. Dazu gehört auch der in der Ueberschrift 
genannte Ampere'sche Satz. 

Unter einer Schale versteht man in diesem Zusammen- 
hange einen Raum, der von zwei unendlich benachbarten 
ebenen oder stetig gekrümmten Flächen und einer ent- 
sprechenden Randfläche, deren Erzeugende normal zu diesen 
Flächen stehen, eingeschlossen wird. Wenn eine der beiden 
Ansichtsflächen eine Belegung von freier positiver, die andere 
eine ebensogrosse von negativer magnetischer Masse trägt, 
hat man eine magnetische Schale. 

Aus einer solchen Schale grenze ich zunächst ein cylin- 
drisches Element ab, dessen Basisfläche df von sehr kleinen 
Abmessungen gegenüber der ebenfalls unendlich kleinen Dicke 
der Schale ist, die als Vector mit a bezeichnet werden soll. 
Die Dichte der magnetischen Flächen belegung sei + w& ; so 
dass das Raumelement an seinen Enden die magnetischen 
Massen + mdf und — mdf trägt. Den zu den Ansichtsflächen 
normal stehenden Vector a denke ich mir von der negativ 
belegten zur positiv belegten Ansichtsfläche hingerichtet. 

Die magnetische Kraft d§ my die im Aufpunkte durch den 
Verein der beiden Massen + widf und — mdf hervorgebracht 
wird, berechnet sich nach dem Coulomb'schen Gesetze zu 

d§ m = mäfl — mdf t + * 3 , 

(' + ") 

wobei der Radiusvektor t vom Aufpunkte nach dem. negativen 
Pole des Elementes hin gezogen ist. Kürzer lässt sich dies 
schreiben 

d§ m = — mdf(aV)p, 
oder, da nach § 36, S. 85. 

r r 

ist, auch 

d§ m = mdf(otf)'X7± (213) 



246 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

Durch Ausführung der Differentialoperationen oder auch 
unmittelbar durch Entwickelung des zuerst angegebenen Aus- 
drucks, wobei unendlich kleine Grössen höherer Ordnung zu 
vernachlässigen sind, erhält man dafür noch 

Damit ist dp m durch zwei- Componenten dargestellt, 
von denen eine in die Richtung von x und die andere in die 
Richtung von ft fällt. Bei der weiteren Betrachtung werde 
ich indessen von dem durch Gleichung (213) gegebenen Aus- 
drucke Gebrauch machen. 

Bei dieser Betrachtung war vorausgesetzt worden, dass 
die Querschnittsdimensionen des Raumelementes von höherer 
Ordnung unendlich klein seien als die Schalendicke ft. Dies 
geschah, um die Aenderungen, die t bei Verschiebungen des 
Punktes in der Querschnittsfläche selbst erfährt, gegenüber 
jenen, die der Längsverschiebung ft entsprechen, vernachlässigen 
zu können. Wir können aber jetzt den Ausdruck für d§ m 
in Gleichung (213) ohne Weiteres auch auf ein Schalen- 
element von grösserer Querschnittsfläche df anwenden, falls 
wir dann entweder unter t und seinen Ableitungen passend 
gewählte Mittelwerthe verstehen oder Gleichung (213) über 
die kleineren Elemente der neuen Querschnittsfläche integriren. 

Ich betrachte jetzt fernerhin ein solches grösseres Schalen- 
element und zwar so, dass die Basis df zwar immer noch 
unendlich klein ist, so dass sie, da sie zu einer stetig ge- 
krümmten Fläche gehört, als ebenflächiges Element angesehen 
werden kann, während ihre Abmessungen doch gross im Ver- 
gleiche zur Schalendicke sein sollen. Parallel zu den Basis- 
flächen denke ich mir einen Mittelschnitt durch das Element 
gelegt, der die Schalendicke ft halbirt. Die Grenzlinie der 
Mittelschnittfläche sei fortan kurz als die Randcurve des 
Schalenelementes bezeichnet. Längs dieser Randcurve denke 
ich mir um das Schalenelement einen linearen elektrischen 
Strom gelegt. Unter einem linearen Strome ist hierbei ein 
solcher zu verstehen, dessen Querschnittsfläche Null oder doch 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 247 

unendlich klein ist, während die Gesammtintensität tq f falls q 
hier die Querschnittsfläche des Stromes bezeichnet, doch 
endlich bleibt. Dazu gehört, dass die Stromdichte t unendlich 
gross ist. Physikalisch ist ein solcher linearer Strom natürlich 
nicht möglich; der Begriff bildet nur eine mathematische 
Abstraction, die sich aber für die theoretische Behandlung 
vieler Aufgaben von grossem Nutzen erweist. 

Den Umlaufssinn des Stromes denke ich mir so gewählt, 
dass die Aufeinanderfolge töd% ein Rechtssystem im Räume 
bildet, wenn unter tt wie vorher die Schalendicke, unter d% 
ein im Sinne des Stromes gezähltes Linienelement der Rand- 
curve und unter 6 ein Radiusvector verstanden wird, der von 
einem Punkte im Innern des Mittelschnitts nach d% hin ge- 
zogen ist. Für einen Beschauer, der die Schale so betrachtet, 
dass er die negativ belegte Ansichtsfläche vor sich hat, geht 
dieser Strom im Sinne des Uhrzeigers herum. 

An die Stelle von tdv in den früheren Formeln tritt in 
unserem Falle Cd%, wenn wir die ganze Stromstärke als 
Scalar, der nach dem Gesetze der solenoidalen Vertheilung 
von d% unabhängig ist, mit C bezeichnen. 

Ich behaupte jetzt, dass die magnetische Kraft § e , die 
von dem soeben näher beschriebenen Strome ausgeht, für 
jeden Aufpunkt, der sich in endlicher Entfernung von der 
Schale (mindestens aber nicht in dem Schalenelemente selbst) 
befindet, bei geeigneter Wahl von G identisch mit der Kraft 
§ m wird, die von den magnetischen Belegungen des Schalen- 
elementes ausgeübt wird. — Um dies zu beweisen, schreibe 
ich zunächst den Ausdruck für die Kraft § e an, der sich aus 
Gleichung (193) S. 227 ergibt. Das Glied § m in jener Gleichung 
fällt hier ganz fort und für tdv lässt sich, wie schon bemerkt, 
Cd% setzen, so dass man 



*.--CJ'p\Jd*.t 



erhält. Nach einem schon oft benutzten Satze über den Werth 
von Vtyr lässt sich dafür auch 



248 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

• 



schreiben. - Dieser Ausdruck bildet, von dem Factor G ab- 
gesehen, das über eine geschlossene Curve erstreckte Vector- 

linienintegral des Vectors V— und zwar kann nach dem vor- 
her Bemerkten die Curve als eine ebene angesehen werden. 
Wir können daher den in § 32 abgeleiteten und durch Gleichung 
(100) ausgesprochenen Satz auf den Ausdruck anwenden und 
diesen damit in ein Oberflächenintegral über die Fläche des 
Mittelschnitts transformiren. 

An die Stelle von div % in Gleichung (100) tritt hier 



l 



V 2 -— Zur Ausführung der Operation V 2 an i/r hat man in 



r 



der Potentialtheorie öfters Veranlassung. Es ist daher ein 
sehr bekanntes Resultat, dass sie Null ergibt. Das folgt schon 
aus der Laplace'schen Gleichung, wenn man sie auf das Kraft- 
feld rings um einen isolirten Massenpunkt anwendet. Um 
keine Lücke zu lassen, werde ich diesen Satz jedoch hier in 
aller Kürze nochmals ab ovo ableiten. Der Reihe nach ist 

r 2 = r x 2 + r 2 2 + r 3 2 ; 
dr dr dr 

dx\r) r*dx r 35 dy\r) r 3 ' dz\r] r 3 ' 

dy*\r) r 3 » r 5 > dz*\r) r 3 ' r 5 

Durch Addition der drei letzten Gleichungen finden wir 
also in der That 

V 2 (|) = (215) 

Bei Anwendung von Gleichung (100) auf unseren Fall 
verschwindet daher das erste Glied, 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 249 

Beachtet man noch, dass der Werth Ä in Gleichung (97) 
der Aufeinanderfolge %d% iin Vectorproducte- entspricht, 
während in Gleichung (214) der Factor d% vorn stand, was 
mit einem Vorzeichenwechsel verbunden ist, so erhalten wir 
nach Gleichung (100) 

& = c/V-(vf *)df .... (216) 

Der in dieser Gleichung vorkommende Einheitsvector 91 
ist zum ersten Male in § 30 unmittelbar vor Gleichung (89) 
eingeführt worden und zwar wurde damals festgesetzt, dass 
die Aufeinanderfolge der dort mit ft, dd f 9t, hier aber mit 
B, d%, Jt bezeichneten Grössen zu einem Rechtssysteme im 
Räume führen müsse. Andererseits setzten wir vorhin bei 
der Wahl des Umlaufssinnes von d% fest, dass die Aufeinander- 
folge aÜe?8 oder, was dasselbe ist, $d$b ein Rechtssystem 
bilden solle. Aus dem Vergleiche ergibt sich daher, dass 91 
mit a gleich gerichtet ist. Wenn der Tensor von a wie ge- 
wöhnlich mit a bezeichnet wird, kann man daher für 91 setzen 
<*/a. Für § e erhalten wir dann 

& = SJv(.t.v±)^ • • • • ( 21? ) 

Die Schalendicke ist hierbei als constant für das ganze 
Schalenelement betrachtet. — Nun ist aber die Reihenfolge 
der Operationen V und dV an einem Scalar stets mit ein- 
ander vertauschbar, wovon man sich durch einfache Ent- 
wicklung der Ausdrücke sofort überzeugt. Denken wir uns 
also Gleichung (213), die sich zunächst auf ein Flächen- 
element der kleineren Ordnung bezog, über die ganze Fläche 
des jetzt in Frage kommenden Schalenelementes integrirt, so 
wird % e in der That mit § m völlig identisch, falls man 

C=a*m (218) 

setzt. 

* Damit ist der Ainpere'sche Satz über die Aequivalenz 
der Fernwirkungen des Kreisstromes und einer von diesem 



250 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

begrenzten magnetischen Sehale zunächst für ein unendlich 
kleines Element der Schale bewiesen. 

Das Product am heisst das auf die Flächeneinheit be- 
zogene magnetische Moment der Schale. 

Um den Satz auch auf den Fall einer endlichen Flächen- 
ausdehnung der Schale, damit also auch auf die ganze ur- 
sprüngliche Schale zu übertragen, setzen wir voraus, dass das 
magnetische Moment am für die ganze Schale constant ist. 
Jedes Schalenelement kann dann in Bezug # auf seine Fern- 
wirkungen nach dem seither Bewiesenen durch einen Strom C 
von der ermittelten Stärke und Umlaufsrichtung ersetzt werden. 
Die ganze magnetische Schale ist dann dem Vereine aller 
dieser „Kreisströme", wie man sie nennt, ohne jedoch dabei 
vorauszusetzen, dass die Randcurven wirkliche Kreise seien, 
äquivalent. 

Denkt man sich nun die Mittelschnittfläche in derselben 
Weise, wie es in § 30 besprochen und durch Abbildung 8 
erläutert war, durch zwei Linienschaaren in die seither be- 
trachteten Elemente zerlegt, so heben sich auf jedem Rand- 
curvenelemente, das zwei benachbarten Flächenelementen ge- 
meinsam ist, die fingirten elektrischen Ströme C gegeneinander 
auf. Nach der Voraussetzung, dass am constant ist, haben 
nämlich die Ströme C, die beide Flächenelemente umkreisen, 
dieselbe Intensität und bei gleichem Umlaufssinne um beide 
Flächenelemente sind sie für das gemeinsame Randcurvenstück 
von entgegengesetzter Richtung. Beim Zusammenfassen aller 
Ströme bleiben daher nur jene Stromelemente übrig, die zu 
Elementen der Randcurve der ganzen Schale gehören. Diese 
zusammen ergeben aber einen in sich geschlossenen, die gatfze 
Schale längs ihrer Randcurve in dem früher festgesetzten 
Sinne umkreisenden linearen Strom von der Stärke C = am. 



§ 96. Das Vectorpotential einer magnetischen Sehale. 

Durch die vorhergehenden Untersuchungen sind wir jetzt 
auch in den Stand gesetzt, die Aufgabe, mit deren Besprechung 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 251 

wir in § 89 begannen, deren Behandlung wir aber dann ab- 
brechen mussten, zu lösen, nämlich das Vectorpotential eines 
Magneten zu bestimmen. Hier lösen wir diese Aufgabe zu- 
nächst für das Element einer magnetischen Schale und im 
unmittelbaren Anschlüsse daran für eine magnetische Schale 
von endlicher Flächenausdehnung. 

Es handelt sich also jetzt darum, einen Vector % m in 
Form eines Vectorpotentials darzustellen, so dass 

§ m = curl % m 

in allen Gebietsteilen ist, die ausserhalb der magnetischen 
Schale liegen. 

Zu diesem Zwecke forme ich den in Gleichung (213) ge- 
gebenen Werth der Kraft d§ m , die von dem dort betrachteten 
Schalenelemente herrührt, mit Hülfe von Gleichung (83) S. 64 
weiter um. Hiernach ist 

(aV) • V-*- = adivV^ + curl r y V~- a. 

Da div V an einem Scalar mit V 2 identisch ist, verschwindet 
hier das erste Glied auf der rechten Seite nach Gleichung (215). 
Wir erhalten daher aus Gleichung (213) 

d§ m = mdf curl r Y V- • tt. 

Die partielle Differentialoperation curl r bezieht sich hier 
auf Veränderungen, die der dahinter stehende Ausdruck erfährt, 
wenn man Verschiebungen des Endpunktes des Radiusvectors t 
vornimmt Wie schon in § 85 besprochen wurde, können 
wir uns dafür den Aufpunkt verschoben denken, falls wir das 
Vorzeichen des Ausdrucks umkehren. Schreiben wir in diesem 
Falle curlr und tragen dem Vorzeichenwechsel durch eine 
geänderte Reihenfolge der Factoren des Vectorproducts 
Rechnung, so erhalten wir 

d$ m = mdf curl^Y a • V-- 



252 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

Setzen wir also 

d% R - mdfY aV l ..... (219) 
so wird 

d§ m = cmldWmj 

denn die Operation curl bezieht sich in diesem Zusammen- 
hange an sich schon auf blosse Verschiebungen des Aufpunktes, 
hat also dieselbe Bedeutung wie vorher curl^. 

Das Vectorpotential % m der ganzen magnetischen Schale, 
also jener Vector, dessen curl überall ausserhalb der Schale 
die ganze von dieser herrührende magnetische Kraft § m liefert, 
ergibt sich nun ebenfalls, wenn wir Gleichung (219) über die 
ganze Schalenfläche integriren. 

$l w =r m ^y tt .VJ (220) 

Auch jetzt ist % m allerdings noch nicht speciell in jener 
analytischen Form dargestellt, die uns berechtigte, es als das 
Potential eines Vectors zu bezeichnen. Auch dazu verhilft 
uns aber eine fernere Umforjnung, die sich an dem gefundenen 
Ausdrucke mit Hülfe von Gleichung (96) in Verbindung mit 
der Definitionsgleichung (91) für das darin vorkommende 3 
vornehmen lässt. Verstehen wir, wie dort, unter 9t eine Einheits- 
normale, so ist ft = a9l. Falls demnach, wie bei einer mag- 
netischen Schale, wenn nichts anderes bemerkt wird, stets 
anzunehmen ist, am für die ganze Schalenfläche constant ist, 
lässt sich zunächst für Gleichung (220) schreiben 

% m = am fyK.V^df 

und nach den angezogenen Gleichungen geht dies über in 

% m = amfjd» (221) 

Das ist aber, wenn wir auf die Bezeichnungen des 
vorigen § und speciell auf Gleichung (218) zurückgehen, nichts 
anderes als 

%m=f°d$=Jjdv .... (222) 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 253 

Die Linienintegrale sind hier natürlich auf die Randeurve 
der magnetischen Schale zu erstrecken und wir sind damit 
zu dem Satze gelangt, dass das Vectorpotential einer 
magnetischen Schale durch das Potential der elek- 
trischen Strömung um die Randeurve angegeben wird, 
die nach dem Ampere'schen Satze in Bezug auf die 
Fernwirkungen der magnetischen Schale äquivalent 
ist. — Das ist natürlich nur eine ändere Form der Aus- 
sprache dieses Satzes und wir hätten in der That die Ent- 
wickelungen in § 95 als entbehrlich fortlassen können, falls 
es nur darauf angekommen wäre, den Satz selbst zu beweisen. 
Es schien mir aber wünschenswerth, diesen wichtigen Satz 
von allen Seiten her zu beleuchten. 



§ 97. Ersatz von Magneten durch elektrische Ströme. 

. Wiederholt ist schon darauf hingewiesen worden, dass 
man durch keine Art der Vertheilung ein System elektrische!: 
Ströme herzustellen vermag, das im ganzen Räume unter 
der Voraussetzung einer constanten Permeabilität genau den* 
selben Kraftfluss erzeugt, wie er etwa von einem Stahlmagneten 
ausgeht. Die Voraussetzung der constanten Permeabilität ist 
aber für die Fernwirkungslehre selbstverständlich, da sie den 
Factor /x in allen ihren Formeln unterdrückt. Die Hypothese, 
dass die magnetischen Kräfte im engeren Sinne (nämlich die 
Kräfte § m ) in Wirklichkeit von elektrischen Strömen her- 
rührten, ist daher unbedingt zu verwerfen. 

Man hat sich diesem Schlüsse zwar dadurch zu entziehen 
gesucht, dass man sagte, die Macht der Analyse höre auf, 
sobald man auf die molekulare Structur Rücksicht nehme. Die 
analytische Behandlung setze eine stetige Vertheilung der 
Ströme und magnetischen Massen im Räume voraus, die in 
Wirklichkeit nicht zutreffe. Sie könne uns daher keinen 
Aufschluss darüber geben, welcher magnetische Kraftfluss von 
den einzelnen Molekularströmen ausgehe. 

Das trifft nun zwar insofern zu, als man nicht aus den 



254 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

Formeln, die für grössere Raurngebiete gelten, Schlüsse auf 
einen rein molekularen Bereich ziehen darf. Ich glaube aber, 
dass der Einwand hinfällig wird, sobald man nicht mit solchen 
Formeln, sondern nur mit den einfachsten Begriffen operirt, 
die ihnen zu Grunde liegen. 

Auf jeden Fall unterscheiden sich nämlich alle Kraft- 
felder £>«,, die von einem Systeme elektrischer Ströme ausgehen, 
principiell dadurch von den Kraftfeldern § OT , dass § e im ganzen 
Räume solenoidal, |> m dagegen überall wirbelfrei vertheilt ist. 
Kraftfelder, die im ganzen Räume gleichzeitig solenoidal und 
wirbelfrei vertheilt wären, gibt es aber nicht. Wollten wir diese 
doppelte Bedingung auferlegen, so müsste # überall Null sein. 

Wetm ein Molekularstrom überhaupt ein elektrischer 
Strom mit den Kennzeichen sein soll, die mit diesem Begriffe 
sonst überall verbunden sind, so kann er nur in sich ge- 
schlossene Kraftlinien aussenden. Wie man nun auch eine 
beliebige Summe solcher Molekularströme gruppiren mag, 
man wird es niemals erreichen können, dass eine in sich nicht 
geschlossene Kraftlinie zu Stande käme. Die magnetischen 
Felder |> m sind aber gerade dadurch characterisirt, dass Kraft- 
linien-Quellen und -Versickerungen in ihnen auftreten. Durch 
diese Betrachtung ist auch für eine molekulare Vertheilung 
der Ampere'schen Ströme unwiderleglich nachgewiesen, dass 
sie nicht im Stande sind, das, was man als magnetische 
Massen bezeichnet, zu ersetzen oder überhaupt ein Kraftfeld 
§ m hervorzurufen. Wollte man aber bei dieser Schlussfolgerung 
die Prämisse beanstanden, dass ein Molekularstrom nur in 
sich geschlossene Kraftlinien aussende, so würde von dem 
Begriffe des Molekularstroms nichts übrig bleiben, was dazu 
berechtigte, ihn ferner noch als einen elektrischen Strom in 
dem mit dieser Bezeichnung sonst überall verbundenen Sinne 
anzusehen. Denn gerade durch das magnetische Kraftfeld, 
das er hervorruft, wird jeder elektrische Strom am besten 
characterisirt; vermittelst dieses Kraftfeldes schliessen wir auf 
seine Stärke und gerade das Kraftfeld ist es auch, das von 
allen Eigenschaften, die uns sonst von elektrischen Strömen 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 255 

bekannt sind, von der Ampere'schen Hypothese allein in 
Anspruch genommen wird. Aendern wir nun gerade in dieser 
hier ausschliesslich in Betracht kommenden Beziehung die 
Eigenschaften des Molekülarstroms vollständig gegen die 
Eigenschaften aller sonst bekannten Ströme, so haben wir 
ein Novum, das mit einem elektrischen Strome überhaupt 
nicht mehr verglichen werden kann. Die Ampere'sche Hypo- 
these, bezw. die Theorie der Molekularströme ging aber darauf 
hin, mit 1 den elektrischen Strömen im gewöhnlichen Sinne des 
Wortes zur Erklärung der Kraftfelder § m auszukommen und 
sie ist durch diese Ausführungen daher vollständig widerlegt. 

In der That hat es ja auch noch Niemand vermocht, auf 
der Oberfläche, bezw. in den Grenzschichten eines Eisenstücks 
eine solche Vertheilung elektrischer Ströme anzugeben, die 
gleichzeitig für den Luftraum und für den Eisenraum (man 
denke hier etwa an den weichen Eisenkern eines Elektro- 
magneten) unter der Voraussetzung, dass jx constant ist', zu 
derselben Kraftvertheilung führte, wie wir sie in Wirklichkeit 
beobachten. Nur dann, wenn wie bei einem Ringmagneten 
der Kraftfluss an sich 'nur auf den Eisenraum beschränkt ist 
und freie magnetische Massen überhaupt nicht ins Spiel 
kommen, gelingt ein solcher Ersatz. Scheinbar gelingt er 
bei einem unendlich langen Solenoid bezw. dem ihm gleich- 
werthigen unendlich langen Stabmagneten, aber auch nur 
desshalb, weil man sich hierbei der Betrachtung der Enden, 
wo die freien magnetischen Massen auftreten, enthebt. 

Man erkennt hieraus, auf einem wie unsicheren 
Boden man sich bewegt, wenn man die Theorie der 
magnetischen Erscheinungen an die gewöhnlicheElek- 
trodynamik, die keine Unterschiede in der Permea- 
bilität in Betracht zieht, dadurch anzugliedern 
sucht, dass man überall, wo Eisenmassen vorkommen, 
zu deren Berücksichtigung Ampere'sche Molekular- 
ströme einführt. 

Möglich ist ein solcher Ersatz dagegen, so lange man 
nur das Kraftfeld in der Luft im Auge hat. Möglich ist er 



256 Dritter Abschnitt. Weiterer Aasbau des Systems. 

auch, wenn es sich nur um das Kraftfeld im Innern eines 
weichen Eisenstücks handelt; aber in diesem Falle ist das 
nach Ampere zu fingirende Stromsystem von dem im vor- 
hergehenden Falle verschieden. 

Man wird nach den vorhergehenden Betrachtungen auf 
die Möglichkeit eines theilweisen Ersatzes der Wirkung der 
magnetischen Massen, wenn wir uns der Sprache der materia- 
listischen Theorie bedienen (oder des Ersatzes für den Einfluss, 
den die Verschiedenheit der Permeabilität ausübt, nach der 
Sprache der Kraftlinienlehre) durch ein System fingirter elek- 
trischer Ströme längst nicht mehr das Gewicht legen dürfen, 
das ihr in der älteren Theorie zugesprochen wurde. Aber 
schon des historischen Interesses wegen, das sich an diese 
Untersuchungen knüpft und mehr noch d esshalb, weil eine 
grosse Zahl von Physikern an dem Standpunkte der classischen 
Theorie immer noch unverrückt festhält, darf ich es nicht 
versäumen, diese Betrachtung bis zum Schlüsse hin durch- 
zuführen. 

Zu diesem Ziele gelangen wir jetzt leicht durch eine 
Verbindung der Untersuchungen über die Aequivalenz zwischen 
Kreisströmen und magnetischen Schalen mit der früher an- 
genommenen Zerlegung eines Magneten in sog. Elementar- 
magnete. In § 94 wies ich nach, dass es sich bei einer Zer- 
legung, wie sie nach der Fernwirkungslehre üblich ist, nur 
um eine für die weitere Betrachtung bequemere Reparation 
der freien magnetischen Massen handelt. 

Sobald das magnetische Feld im Lufträume ausschliesslich 
in Betracht kommt, gelangen wir zu einer für diese Unter- 
suchung bequemeren Massenvertheilung durch die Benutzung 
des durch Gleichung (208) S. 243 definirten Vectors & Jedes 
Raumelement in der Eisenmasse, das so wie in § 94 als unendlich 
kleiner Abschnitt einer Inductionsröhre gedacht werden mag, 
ist an den beiden Querschnittsflächen df mit entgegengesetzt 
gleichen freien magnetischen Massen von der Grösse Jdf be- 
legt zu denken. Die zum Luftraum gehörigen magnetischen 
Raumelemente erfahren gar keine Belegungen. Die Gesammt* 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 257 

summe aller Belegungen ergibt dagegen/ wie es für die Recht- 
fertigung der gewählten Massenzerlegung hinreichend und 
nothwendig ist, wieder genau jene Vertheilung der magnetischen 
Massen 6f im Räume, die durch die künstlich ausgedachte 
Vertheilung ersetzt werden sollte. 

Jedes Raumelement in der Eisenmasse ist aber dann 
identisch mit dem Elemente einer magnetischen Schale. Die 
Wirkung nach aussen kann daher durch einen Strom längs 
der Randcurve von der Stärke C = aJ oder, was dasselbe 
ist, gleich a3 ersetzt werden. 

Für die Aufstellung des Ausdrucks der im Luftraum er- 
zeugten magnetischen Kraft oder auch des Vectorpotentials 
steht es nun völlig frei, das soeben angegebene System elek- 
trischer Kreisströme oder die magnetischen Belegungen der 
Volumenelemente selbst zu Grunde zu legen. Die Integration 
der früher gegebenen Werthe über den ganzen Eisenkörper 
führt in jedem Falle zu dem verlangten Resultate. 

So erhält man aus Gleichung (213) 

$„ =fjdf • (• V) • v i =fj(j v) • vf «fo 

=JxI?(fv)-V^ (223) 

Unter %JH oder 3/j ist natürlich ein Einheitsvector in 
der Richtung des Kraftflusses zu verstehen. 
Nach Gleichung (214) erhält man 



$.-27t3jV*»-V± 



Das Integralzeichen bezieht sich hier nur auf einen 
Kreisstrom und das vorn stehende Summenzeichen gibt an, 
dass alle Kreisströme um die einzelnen Raumelemente in Be- 
tracht zu ziehen sind. 

Im Lufträume sind § m und § e überall genau gleich (im 
Eisenraume aber nicht). — Bei der Bildung von § e ist noch 
zu beachten, dass im Innern des Eisens, falls ft dort constant 
ist und keine eingeprägten Kräfte vorkommen, die Ströme C 

Föppl, MaXwell'sche Theorie der Elektricität. 17 



258 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

sich bei der Sumniirung vollständig gegeneinander aufheben. 
Um sich davon zu überzeugen , betrachte man zwei neben- 
einander liegende Raumelemente, die ein Stück der Randcurve 
gemeinsam haben und deren Mittelschnitte auf derselben Niveau- 
fläche liegen. Die in der Achse gemessene Dicke der einen 
Schale sei a, die der benachbarten a'. Die magnetische Kraft 
sei § m bezw. Q' m . Zwischen diesen Grössen und § e bew. $ e ' 
haben wir hier wohl zu unterscheiden, da wir jetzt das Innere 
der Eisenmasse betrachten. Da der Magnet (von den fingirten 
Strömen abgesehen) nicht elektrisch durchströmt wird und 
auch keine eingeprägten magnetischen Kräfte vorkommen 
sollten, muss das Linienintegral von $ m für eine geschlossene 
Curve verschwinden. Einen geschlossenen Linienzug, auf den 
wir diesen Satz anwenden wollen, erhalten wir, wenn wir 
die beiden Strecken a und a' durch zwei auf den Ansichts- 
flächen gezogene Linien mit einander verbinden. Die zuletzt 
genannten Linien stehen -aber senkrecht zu § m und tragen 
daher zu dem Linienintegrale nichts bei. Jener Satz (der ja 
nur die Bedingung dafür angibt, dass § m von einem scalaren 
Potentiale herrühre) lehrt daher, dass a$ m = ü'$m sein muss. 
Wenn % constant ist, hat dies aber zur Folge, dass auch 

<t3 = a'3' und daher = C 

ist. Es ist also bewiesen, dass auf dem gemeinsamen Stücke 
der Randcurve die Kreisströme sich gerade so gegeneinander 
aufheben, wie dies schon früher bei der Besprechung der 
magnetischen Schale gefunden worden war. Wo x (also wo [t) 
veränderlich ist oder wo eingeprägte Kräfte vorkommen, ver- 
liert diese Betrachtung ihre Gültigkeit. Das aus der Zu- 
sammenfassung aller einzelnen Kreisströme hervorgehende 
Stromsystem ist daher auf die Theile des Raumes, in denen 
die Permeabilität veränderlich ist u. s. w., bei weichen Eisen- 
massen also auf die Grenzschichten beschränkt. 

Auch für die Aufstellung des im Lufträume gültigen 
Werthes für das Vectorpotential eines Magneten kann man 
sowohl yon Gleichung (219) als von Gleichung (221) ausgehen. 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 259 

Man erhält so (da m = J, ferner J • a = 3 • a und adf '= c?t; 
zu .setzen ist) 

*»-=JV3-Vi-dt>. . . . . (224) 

Es ist dies zwar dem Wortlaute nach der von Maxwell 
selbst gegebene Ausdruck für das Vectorpotential eines 
Magneten. Dabei verwechselte Maxwell aber die Dimensionen 
insofern als er 3 als gleichartig mit 33 anstatt mit § betrachtete. 
Dass nur das letztere zulässig ist, ergibt sich daraus, dass 3 zu 
„freien" und nicht zu „wahren" magnetischen Massen führt und 
führen kann. Die Dimension von div 3 muss daher nothwendig 
mit der von div § übereinstimmen; also muss auch 3 selbst 
eine Grösse von gleicher Art mit § und nicht mit 95 sein. 

Um diesem Zusammenhange Ausdruck zu geben, schreibe 
ich noch die Gleichung 

»Ma*w. = Pü^V» • vf • dv. . . . (225) 

an, weil dieses $Maxw. ? obschon es von der eigenen Formel 
Maxwell's dem Buchstaben nach abweicht, doch das angibt, 
was Maxwell sonst überall unter dem Vectorpotentiale eines 
Magneten versteht. — Diese Verwechselungen kommen übrigens 
nur daher, dass der erhabene Urheber der heutigen Elektricitäts- 
lehre sich noch nicht zu der Anschauung durchgerungen hatte, 
dass der Permeabilität p nothwendig auch eine physikalische 
Dimension zugestanden werden müsse. Wäre p nur eine 
absolute Zahl, so könnte der Factor (i 0} der Wahl des mag- 
netischen Maasssystems entsprechend, in Gleichung (225) 
natürlich auch gestrichen werden, wie es Maxwell thatsächlich 
machte. 

Natürlich gilt Gleichung (225) ebenfalls nur für den 
Luftraum. Es wird dort, so lange es sich nur um Magnete 
handelt, identisch mit jenem anderen Ausdrucke für ÄMaxw., 
den wir in § 90 auf ganz anderem Wege abgeleitet haben 
(Gl. 200) und der für den ganzen Raum anwendbar ist. 

Aus Gleichung (221) erhält man schliesslich, wenn das 

17* 



260 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

Suinmenzeichen in dem bei £ e bezeichneten Sinne gebraucht 
wird 



.-»»/> 



ä$ (226) 



§ 98. Ponderomotorische Wechselwirkung zwischen einem 
Magneten und einem Kreisstrome. 

Bisher handelte es sich immer nur um den Nachweis, 
dass man unter gewissen Voraussetzungen ein Stromsystem 
anzugeben vermag, von dem dasselbe magnetische Feld ausgeht 
wie von einem Systeme freier magnetischer Massen, oder also 
auch wie von einem Stahlmagneten. Die ponderomotorischen 
Wirkungen auf einen zweiten Magneten oder einen anderen 
Strom sind aber nur durch das magnetische Feld bedingt; auch 
in dieser ponderomotorischen Hinsicht ersetzen sich daher der 
Magnet und das ihm äquivalente Stromsystem — immer inner- 
halb der Gültigkeitsgrenzen jener Betrachtung — vollständig. 

Von Wichtigkeit ist aber noch die Verfolgung der zwischen 
einem Magneten und einem elektrischen Strome (am einfachsten 
einem linearen „Kreisstrome") auftretenden ponderomotorischen 
Kräfte. Ersetzt man den Kreisstrom durch eine magnetische 
Schale, so erzeugt diese dasselbe Feld wie der Kreisstrom und 
sie bringt daher auch dieselben Kräfte am Magneten hervor. 
Nach dem Coulomb'schen Gesetze (§ 56) ist die Rückwirkung 
des Magneten auf die magnetische Schale der ersten Wirkung 
entgegengesetzt gleich. Insofern ist also das Gesetz der Action 
und Reaetion unmittelbar erfüllt. Es entsteht aber nun noch 
die Frage, ob dies auch vom Kreisstrome selbst gilt, ob also 
mit anderen Worten auch die ponderomotorische Wirkung an 
dem Kreisstrome in einem gegebenen Felde äquivalent im 
mechanischen Sinne mit der Wirkung auf die magnetische 
Schale ist. Eine bejahende Antwort auf diese Frage ist 
natürlich von vornherein (auf Grund des Trägheitsgesetzes) 
zu erwarten, da im anderen Falle ein aus dem Magneten und 
dem fest mit ihm verbundenen Kreisstrome gebildetes System 
sich selbst eine Beschleunigung zu ertheilen vermöchte. Die 



Drittes Capitel. Das Vectqrpotential. 261 

Behandlung der Frage hat daher für uns nur die Bedeutung 
einer Probe auf die Zulässigkeit der vorhergehenden Lehren, 
bezw. der Hypothesen, auf die sich diese stützen. 

Wie seither stets in diesem Capitel denke ich mir den 
Magneten durch ein System magnetischer Massen ersetzt, so 
wie es nach der Fernwirkungslehre üblich ist und in § 56 
näher beschrieben wurde. Der Raumdichte an freiem Mag- 
netismus ty entspricht dann eine Raumdichte an wahrem 
Magnetismus 6 W — (i ö/. Die erste Massenvertheilung bringt 
das vom Magneten ausgehende Feld hervor, die zweite bildet 
das Substrat für die am Magneten auftretenden ponderomotori- 
schen Kräfte. 

Für die an einem Stromelemente des Kreisstroms an- 
greifende ponderomotorische Kraft d% e haben wir nach 
Gleichung (164), falls wir die Stromstärke hier mit C be- 
zeichnen, den Ausdruck 

d% e = C V difS = G V cU (8 W + SB,). 
Die ganze Induction SB ist hier nämlich in die zwei 
Theile SB W und SB e zerlegt gedacht, so dass SB m von dem 
Magneten allein und SB e von dem Kreisstrome allein herrührt. 
Um den letzten Theil brauchen wir uns hier nicht weiter zu 
kümmern, da es sich jetzt nur um die Wechselwirkung zwischen 
Magnet und Kreisstrom und nicht um die zwischen einzelnen 
Theilen des Kreisstromes handelt. Nun ist SB m = f* t>m und 
jener Theil von $ m , den man sich durch die freie Masse fydv 
für sich zu Stande gekommen denken kann, gleich 6 f dv • V 1 //-, 
wo r vom Aufpunkte aus zählt und die Operation V sich auf 
Verschiebungen des Raumelementes dv bezieht. Setzen wir 
dies ein und integriren über den ganzen Raum des Magneten, 
so erhalten wir 

d% e = C\d% fwfdv • V-J- = C Yd$ f& w dv-V~- 

Für die ponderomotorische Kraft d% m an einem Raum- 
elemente dv des Magneten findet man andererseits 

d% m = 6 w dv(§ e + § m ). 



262 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

Hier handelt es sieh wieder nur um jenen Theil, der von 
aussen her auf den Magneten übertragen wird, also um den 
zu* $ e gehörigen. Mit denselben Bezeichnungen wie in § 95 
erhalten wir dafür nach Einführung des Werthes von $ e aus 
Gleichung (214) 



d% m = G«,dvCjy<te.\7± :i 



wobei sich jetzt die Operation V auf Verschiebungen des Ele- 
mentes d% bezieht, also V*/r das Negative des Werthes be- 
deutet, den es in der Formel für d% e hatte. 

Vergleichen wir die beiden Formeln für d% e und d% m 
mit einander, so bezieht sich die Integration im einen Falle 
auf den Stromleiter, im anderen Falle auf das Volumen des 
Magneten. Man könnte nun versucht sein, die Integralzeichen 
ganz zu löschen und in dem verbleibenden Differentialausdruck 
die Kraft zwischen der magnetischen Masse G w dv und dem 
Stromelemente Cd% zu erblicken. Man würde dann unter 
Berücksichtigung der vorhergehenden Bemerkung über das 
Vorzeichen von V*/r finden, dass d% m das Negative von d% e 
ist. Trotzdem aber würde zwischen den beiden Elementen 
das Gesetz der Action und Reaction nicht erfüllt sein, denn 
beide Kräfte stehen senkrecht zu der durch X und d% gelegten 
Ebene, bilden also ein Kräftepaar mit einander. Wäre also 
ein System physikalisch realisirbar, das nur ein Stromelement 
und einen Magnetpol enthielte, so würde sich dieses selbst 
in beschleunigte Rotation versetzen können, — im Wider- 
spruche mit dem Gesetze von der Erhaltung der Energie. 

Einerseits ist nun ein solches System physikalisch un- 
möglich und andererseits sind wir auch gar nicht zu einer 
solchen weiteren Zerlegung in einzelne Elemente berechtigt. 
Die einzige Bedingung, die erfüllt sein muss, besteht viel- 
mehr darin, dass das System aller Kräfte d% e am Stromleiter 
im Gleichgewichte mit dem Systeme der Kräfte d% m am 
Magneten ist. Um uns hiervon zu überzeugen, können wir 
uns entweder des Satzes vom statischen Momente oder des 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 263 

Princips der virtuellen Geschwindigkeiten bedienen. Wir wollen 
den ersten Satz wählen. 

Von einem beliebig gelegenen Momentenpunkte aus 
ziehe man den Radiusvector 81 nach d% und 91' nach äv\ 
dann ist 

Die geometrische Summe der Momente (vgl. § 13) der 
Kräfte d% e für den ganzen Stromleiter ist dann gleich 

und ebenso die Momentensumme für die Kräfte d% m 

jWä%m = cjj<> w dvywyd$ .y±- 

Um anzudeuten, dass V 1 /? im letzten Ausdrucke sich von 
dem im vorhergehenden durch das Vorzeichen unterscheidet, 
wurde ein Accent beigesetzt. 

Ich bilde jetzt die Momentensumme aller Kräfte. Wenn 
das Gesetz von der Action und Reaction (also auch das 
Energieprincip) zwischen Magnet und Kreisstrom erfüllt sein 
soll, muss diese Summe für jede beliebige Lage des Momenten- 
punktes verschwinden. Addirt man die beiden gefundenen 
Werthe und berücksichtigt den vorher für 9t' aufgestellten 
Ausdruck, so bleibt nach Wegheben des ersten Werthes gegen 
den ihm entgegengesetzt gleichen Bestandtheil des zweiten 
für die Momentensumme aller Kräfte der Ausdruck übrig 



cfftvdvYtVdi-y'j- 



Die einzelnen Elemente dieses Integrals verschwinden für 
sich genommen keineswegs. Um zu beweisen, dass ihre 
Summe verschwindet, führen wir vorläufig nur die Integration 
nach d% aus, nachdem der Differentialausdruck etwas um- 
geformt ist. Da V 1 //- = — x /r 3 und daher V'— = */r 3 > erhalten 
wir für diesen 

VrVrf'V'i-iVrV«*- 



264 Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 

Während nun der Anfangspunkt von X die Ourvenelemente d§ 
durchläuft, denken wir uns zur besseren Veranschaulichung 
gleichzeitig mit t einen starren Körper um den festen End- 
punkt der t (nämlich den Mittelpunkt des Raumelementes dv) 
gedreht, und zwar so, dass r eine in diesem starren Körper 
der Richtung nach festliegende Linie bildet, um die selbst 
der Körper sich nicht dreht. Die Drehachsen sollen vielmehr 
stets senkrecht zu x stehen. 

Während der Anfangspunkt von x um d% weiter rückt, 
führt der erwähnte starre Körper eine unendlich kleine Drehung 
um den festen Endpunkt der x aus, die als Vectorgrösse mit du 
bezeichnet sei. Nach Gleichung (19) ist der von irgend einem 
Punkte des starren Körpers in derselben Zeit beschriebene 
Weg dto 

dto =YdU't\ 

wobei r' vom Drehpunkte aus gezählt ist. — Nun erkennt 
man aber leicht, dass 

ist, denn zunächst steht der angegebene Werth senkrecht 
zugleich auf X und X + d%, entspricht also der Richtung nach 
der Drehachse für die Bewegung aus der einen Lage in die 
folgende und dann ist der Tensor des Vectorproducts gleich der 
doppelten Fläche des zwischen t, d% und t + d% eingeschlossenen 
Dreiecks und liefert also nach Division durch r* die Grösse des 
zwischen X und X + d% eingeschlossenen Winkels, d. h. den 
Tensor von rftt. Auch dem Vorzeichen nach stimmen beide 
Seiten überein; da es hierauf aber jetzt gar nicht ankommt, 
indem selbst ein Vorzeichenfehler an dieser Stelle keinen 
Schaden anrichten könnte, sei dies nicht weiter nachgewiesen. 
Der umzuformende Differentialausdruck geht dann über in 

Im letzten Ausdrucke ist an Stelle ton — xj T zur Ab- 
kürzung X r gesetzt; dieses r' ist also ein Einheitsvector, der 



Drittes Capitel. Das Vectorpotential. 265 

vom Volumenelemente dv aus gezählt und in jedem Augen- 
blicke nach dem Stromelemente d% hingerichtet ist. Der 
Endpunkt von r' fällt demnach stets mit demselben materi- 
ellen Punkte des sich mit x bewegenden starren Körpers zu- 
sammen. Verstehen wir jetzt unter dftt) speciell das von diesem 
materiellen Punkte beschriebene Wegeelement, so erhalten 
wir schliesslich für den umzuformenden Differentialausdruck 
den einfachen Werth dto und für die Momentensumme aller 
am Magneten und am Kreisstrome angreifenden Kräfte 



cC^dvCdtO. 



Nun ist fdto die geometrische Summe der von dem vor- 
her bezeichneten materiellen Punkte beschriebenen Wege- 
elemente für einen ganzen Umlauf längs des Kreisstromes. 
Nach dem Umlaufe kommt der Punkt aber wieder auf seinen 
früheren Platz zurück und daher ist fdtO gleich Null. 

Der verlangte Beweis, dass das Gesetz der Action und 
Reaction zwischen dem Magneten und dem Kreisstrome im 
Ganzen erfüllt ist, ist hiermit erbracht, denn aus der Be- 
trachtung geht hervor, dass die Momentensumme aller Kräfte 
für jeden beliebigen Momentenpunkt verschwindet. 

Betrachtet man die ponderomotorische Wechselwirkung 
zwischen dem Magneten und einer magnetischen Schale, die 
den Kreisstrom ersetzt, so ist zwischen diesen beiden das 
Gesetz der Action und Reaction schon von vornherein nach 
dem CoulomVschen Gesetze erfüllt. Verbindet man hiermit 
das soeben gefundene Resultat, so folgt ferner, dass auch die 
ponderomotorischen Kräfte an dem Kreisstrome und der ihn 
in Bezug auf die Fernwirkungen ersetzenden magnetischen 
Schale im Sinne der Mechanik der starren Körper einander 
äquivalent sind. — Umgekehrt hätten wir dies auch direct 
nachweisen und dann hieraus die Folgerung ziehen können, 
dass auch zwischen dem Kreisstrome und dem Magneten 
Action und Reaction im Gleichgewichte mit einander stehen. 



266 



Dritter Abschnitt. Weiterer Ausbau des Systems. 



§ 99. Zusammenstellung der Dimensionen der in diesem 
Abschnitte neu eingeführten Grössen. 

Im Anschlüsse an die in § 70 abgedruckte Tafel gebe 
ich hier in Form einer Portsetzung dieser Tafel die Dimensionen 
der neu eingeführten Grössen an: 



Ausgedrückt in 
K 



Ausgedrückt in 



Zurückgeführt auf die 
3 Grundeinheiten. 



Vectorpotential % 
elektrischer Ströme 
oder von Magneten 

Vectorpotential 



*Maxw. 



Intensität der Mag- 
netisirung 3 (wie §) 

Magnetische Suscep- 
tibilät h 



i i i _ 2 

K 2 M 2 L 2 T 

_ 1 _L l 
K ' I M 2 L~ J 

£ 1 1 _ 2 
K 2 M 2 L 2 T 



_J_ — JL 
p T M T L T T~ 



1 i 1 _! 

p, 2 M 2 L 2 T 



2 TW 2 



.af-L 'r 



Vierter Abschnitt. 

Die Energiebeziehnngen im elektromagnetischen Felde 
zwischen ruhenden Leitern. 



Erstes Capitel. 
Einfache Anwendungen des Vectorpotentials. 

§ 100. Begrenzte Anwendbarkeit der Potentialtheorie. 

Die Potentiale, die scalaren sowohl wie die Vectorpotentiale, 
sind ihrer ursprünglichen Definition nach Grössen, die durch 
Ausführung von Integrationen über den ganzen betrachteten 
Raum gewonnen werden. Bei ihrer Anwendung gilt daher 
als stillschweigende Voraussetzung, dass die zeitliche Aenderung 
aller bei dem zu behandelnden Probleme vorkommenden Grössen 
nur langsam im Vergleiche zur Portpflanzungsgeschwindigkeit 
der elektromagnetischen Störungen in jenem Räume erfolge. 
Denn nur in diesem Falle sind wir z. B. berechtigt, jenen 
Zustand des Feldes im Aufpunkte, der durch die Grössen 8$ 
und £> char^cterisirt ist, als durch die augenblicklichen Werthe 
der Grössen c und div |j in allen anderen Raumelementen 
eindeutig bedingt anzusehen. Bei schnelleren Aenderungen des 
Feldes wird dagegen der Vector $ im Aufpunkte nicht durch 
die augenblicklichen Werthe von t und div § im ganzen übrigen 
Felde bestimmt sein, sondern es kommen auch jene Werthe 
dieser Grössen in Betracht, die den augenblicklichen unmittel- 
bar vorhergingen. Nur dann, wenn diese Grössen sich innerhalb 
der Zeit, die zur Fortpflanzung einer elektromagnetischen 
Welle bis zum Aufpunkte von irgend einer Stelle des Feldes 



268 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

aus erforderlich ist, nicht merklich änderten, können wir genau 
genug für die Berechnung von #, also auch für die Berechnung 
des Vectorpotentials $1 die zur selben Zeit genommenen Werthe 
jener Grössen einsetzen. 

Diese Betrachtung setzt der Anwendung der Potentiale, 
so lange wenigstens als man ihre ursprüngliche Definition 
beibehält, unübersteigliche Schranken; namentlich für die 
Behandlung der elektromagnetischen Wellenflächen selbst sind 
sie nicht mehr verwendbar. 

Man kann diese Schwierigkeit allerdings dadurch umgehen, 
dass man die Definition dieser Grössen ändert, dass man also 
unter % z. B. überall dort, wo ft constant ist, jene Grösse, 
deren curl den Vector $, oder unter $Maxw. ini Sinne von 
§ 90 jene Grösse versteht, deren curl in jedem Augenblicke 
und an jeder Stelle des Feldes den Vector 33 ergibt. Durch 
diese Aenderung verlieren diese Grössen aber ihre Eigenschaft 
als Potentiale im eigentlichen Sinne des Wortes. Namentlich 
erfüllen siedann nicht mehr die Laplace'sehe Differen- 
tialgleichung. Gerade auf dieser Eigenschaft, die man bei 
der Aenderung der Definition opfern müsste, beruht aber der 
Nutzen, den die Potentiale für die analytische Behandlung 
der Probleme gewähren. Es ist daher ziemlich zwecklos, sie 
auch in solchen Fällen noch beizubehalten. 

Die Elimination des Vectorpotentials aus den funda- 
mentalen Gleichungen der MaxweH'schen Theorie, die Heaviside 
und nach ihm Hertz vollzogen, indem sie die hier als zweite 
Hauptgleichung bezeichnete Beziehung an die Stelle der bei 
Maxwell auftretenden, die das Vectorpotential einschloss, 
setzten, ist wegen des soeben erörterten Zusammenhanges als 
eine wissenschaftliche That von der grössten Bedeutung zu be- 
zeichnen. — Unverwehrt bleibt es ja freilich immerhin, neben 
den Grössen § und SB auch die zu ihnen gehörigen Stamm- 
grössen % und ÄM axw . beizubehalten. Man darf sie dann nur 
nicht fernerhin, wo es sich um elektromagnetische Wellen 
handelt, als Potentiale bezeichnen, denn ein Potential ist 
seinem Begriffe nach eine Grösse, bei der man von einer 



Erstes Capitel. Einfache Anwendungen des Vectorpotentials. 269 

Fortpflanzungsgeschwindigkeit nicht wohl sprechen kann; man 
sollte diese Beziehung vielmehr stets für jene Grössen reserviren ; 
die die Laplace'sche Gleichung erfüllen. Ich glaube aber, 
obschon unter diesen Voraussetzungen gegen die Beibehaltung 
der Grössen St und $Ma*w. nichts eingewendet werden kann, 
dass Heaviside Recht hat, wenn er die in diesem Sinne ge- 
änderten Begriffe als Schmarotzer erklärt, von denen kein 
Gewinn zu erhoffen ist. Es wird sich daher mehr empfehlen, 
entweder gar keinen Gebrauch von ihnen in diesem Sinne zu 
machen, oder ihnen doch wenigstens jene dominirende Rolle, 
die sie aus der classischen Theorie der Elektrodynamik ererbt 
hatten, nicht ferner einzuräumen. 

In diesem Abschnitte werde ich indessen nur langsam 
veränderliche Feldzustände in Betracht ziehen, auf die sich 
diese Bemerkungen nicht beziehen, so dass Ä und Ämexw. in 
ihrer ursprünglichen Bedeutung als Vectorpotentiale beibehalten 
werden können. 

§ 101. Ableitung der in ruhenden Leitern inducirten 
elektrischen Kraft aus dem Vectorpotentiale. 

Mit Berücksichtigung der eingeprägten elektrischen Kräfte 
(& e wird die zweite Hauptgleichung in der Form (175) S. 214 

curl(<g-<g € )=-g = -8 
dargestellt. Setzen wir nun nach Gleichung (196) 

85 = CUrl ÄMaxw.j 

so geht die zweite Hauptgleichung über in 

CUrl (<g — (& e ) = — CUrl ÄMaxw. • 

Die durch den Punkt angedeutete Differentiation d/dt nach 
der Zeit konnte, wie man leicht einsieht, mit der sich aus- 
schliesslich auf den Raum beziehenden Differentialoperation 
curl den Platz wechseln. Durch Integration erhalten wir aus 
der letzten Gleichung. 

(S = (B e — $Maxw. + $ 



270 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

wobei Ä einen Vector bedeutet, von dem wir zunächst nur 
wissen, dass sein curl verschwindet und von dem wir ebenso 
wie von den übrigen in der Gleichung vorkommenden Gliedern 
eine stetige Vertheilung im Räume voraussetzen dürfen. Das 
sind aber die Bedingungen dafür, dass sich $ von einem 
scalaren Potentiale ableiten lässt. Wir setzen also 

$ = — v# 

und führen, nachdem wir dies eingeführt haben, an der vorigen 
Gleichung die Operation div aus. Unter Beachtung von 
Gleichung (197) erhalten wir dann 

div(<g — <g,)=-V 2 0>. 

Nun war nach § 39 mit den in § 77 gebrauchten Be- 
zeichnungen div (& s = 4:itQ f . Nach Abzug der eingeprägten 
Kräfte d e enthält <g nur noch die elektrostatische # Kraft <S, 
und die durch magnetische Ströme inducirte, die wir jetzt 
ermitteln und mit <8 m bezeichnen wollen. Ebenso wie ein 
elektrischer Strom nur solenoidal vertheilte magnetische kann 
aber, nach dem Heaviside'sehen Princip, eine magnetische Strom- 
vertheilung auch nur elektrische Kräfte von solenoidaler Ver- 
theilung hervorbringen. Auch abgesehen hiervon ist indessen 
die nachfolgende Betrachtung schon durch die Definition 
von (B 3 gerechtfertigt. Daher ist div (ß — ß„) gleichbedeutend 
mit div <S S . Man hat also 

Diese Gleichung gilt für den ganzen betrachteten Raum 
und spricht daher aus, dass (P das elektrostatische Potential, 
® also die elektrostatische Kraft @ s bedeutet. Wir finden 
demnach 

6 = {§e -f" ®s — Äliaxw. 

oder 

@m = — «Maxw. • (227) 

Ueberall im Lufträume kann dafür auch 

«»—Po« ( 228 ) 

gesetzt werden. 



Erstes Capitel. Einfache Anwendungen des Vectorpotentials. 271 

Die Gleichungen (227) und (228) sind es, die bei der 
ursprünglichen Darstellung Maxwell' s an die Stelle der zweiten 
Hauptgleichung treten und aus denen diese durch Elimination 
von % mit Hülfe der Beziehung SB = curl $Maxw. wieder rück- 
wärts abgeleitet werden kann. 

» 
§ 102. Das Liniemntegral des Vectorpotentials. 

Das über den Bogen P P l einer Curve, die wir uns etwa 
als Bahn eines linearen elektrischen Stromes vorstellen können, 
erstreckte Linienintegral 



fi 



Po 

gibt eine scalare Grösse an, die mit einem Potentialunterschiede 
der beiden Punkte vergleichbar, wenn auch nicht in jeder 
Hinsicht dadurch ersetzbar ist. Dieser Werth heisst die in 
dem Bogen PqPj^ inducirte elektromotorische Kraft und 
tritt in die nach dem Ohm'schen Gesetze, wenn wir es auf 
den linearen Leiter in der Form eines Integralgesetzes an- 
wenden (vgl. § 61), anzuschreibende Gleichung als Summand 
zu dem Potentialunterschiede bezw. zu dem Linienintegrale 
der eingeprägten Kräfte hinzu. 

Aus Gleichung (227) erhalten wir 

Pi Px Px 

. ß® m d% = - J%U±*ß* = — ^ AtMaxw. • d* (229) 

Po Po P Q . 

oder auch nach Gleichung (228) für den Luftraum 
Pi p, 

J^M» — - ft> ^ f *e» .... (230) 

Po Po 

Wir werden damit auf den Begriff des Linienintegrals 
des Vectorpotentials geführt, das besonders für den Fall von 
Wichtigkeit ist, dass sich die Integration über eine geschlossene 
Curve erstreckt, die man als Bahn eines linearen Leiters be- 
trachten kann. 



272 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

Gerade in diesem Falle lässt sich aber das Linienintegral 
von ÄMaxw. nach dem Stokes'schen Satze Gleichung (90) S. 70 
durch ein Oberflächenintegral ersetzen. Man erhält 

Po 

f*iun.ai—fcml%MKw-Mf==f*1tdf . (231) 

Po 

und daher 

P ° 
f% m d% = -fmdf=-f%%df. . . (232) 

Po 

Damit werden wir aber nur wieder auf das Inductions- 
gesetz zurückgeführt, wonach die in einem geschlossenen 
linearen Leiter inducirte elektromotorische Kraft gleich dem 
magnetischen Strome durch eine Fläche ist, deren Randcurve 
der lineare Leiter bildet. 



§ 103. Der Selbstinductions-Coefficient. 

Im Lufträume sei ein linearer geschlossener Leiter gegeben, 
in dessen Strombahn eingeprägte Kräfte (z. B. hydroelektrische, 
wenn eine galvanische Zelle eingeschaltet ist) auftreten, die einen 
Strom darin unterhalten. Entweder die eingeprägten Kräfte 
oder der Widerstand des Leiters seien veränderlich, so dass 
sich auch die Stromintensität ändert, in der Art jedoch, dass 
diese Aenderungen im Sinne von § 100 als langsame^ betrachtet 
werden können. 

Das Linienintegral des Vectorpotentials &Maxw. oder das 
fA -fache des Linienintegrals von % ist dann in jedem Augen- 
blicke nach Gleichung (231) gleich der Zahl der Kraftlinien 
durch eine von dem linearen Leiter begrenzte Fläche, und 
andererseits nach der Definition von & proportional der Strom- 
stärke im linearen Leiter zu der gegebenen Zeit. Bezeichnen 
wir diese Stromstärke mit C und setzen wir 

Po 

N fnd»—jfBndf^C'L. . . . (233) 



'Erstes Capitel. Einfache Anwendungen des Vectorpotentials. 273 

so bedeutet L eine sealare Grösse, die nur noch von der 
geometrischen Configuration der Strombahn (bezw. wenn an 
die Stelle von Luft irgend ein anderes Medium von constanter 
Permeabilität tritt, auch von dem Werthe dieser Permeabilität) 
abhängt. Diese Grösse heisst der Selbstinductions- 
coefficient des linearen Leiters. 

Nach Gleichung (176) S. 215 ist für unseren Fall 

Po 



*-cfi 



Po 

daher 

Po Po Po Po 

J»Max W . dZ = (l J%d% = (l Cjä%f^ ■ 

Pq Po Po Po 

In abgekürzter Schreibweise lässt sich dieses Doppel- 
integral durch ein einziges ersetzen, wenn man für d% einmal die 
frühere Bezeichnung beibehält und sie für das andere Mal durch 
d%' ersetzt. Man hat dann noch eine zweite Definitionsgleichung 
für L in der sich aus Gleichung (233) ergebenden Beziehung 

du&' (234) 






Nach der Ableitung der Formel kommt jede Combination 
zwischen zwei Linienelementen doppelt in der Summe vor, so 
dass ein bestimmtes Element einmal als d% und das andere 
Mal als d% auftritt und umgekehrt das andere. Will man 
jede Combination nur einmal bei der Summirung nehmen, so 
ist dies besonders anzugeben, in diesem Falle aber der Factor 2 
vor das Integralzeichen zu setzen. 

Von dem Factor [i abgesehen, ist dies der von der Fern- 
wirkungstheorie gegebene Ausdruck. Das Hinzutreten von [i 
zeigt uns aber, dass der Selbstinductionscoefficient keineswegs, 
wie in dieser gelehrt wird, die Dimension einer Länge hat 
und daher auch nicht in cm (bezw. in Erdquadranten nach 
dem „praktischen" Maasssysteme) ausgemessen werden kann. 
Die wahre Dimension von L ist vielmehr 

(iL oder K^IT 1 !*. 

Föppl, MaxwelFsche Theorie der Elektricität. 18 



274 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

Eür die elektromotorische Kraft der Selbstinduction in 
dem geschlossenen linearen Leiter erhalten wir hier nach 
Gleichung (230) 

Po 



ß 



— ifl • • • • • (235) 



Der Selbstinductionscoefficient L hat stets einen positiven 
Werth; er kann zwar bei besonderer Form der Strombahn nahezu 
Null, aber niemals negativ werden. Aus der durch Gleichung 
(234) in (von [i abgesehen) rein geometrischer Form gegebenen 
Definition von L lässt sich dies nicht ohne Weiteres erkennen. 
Aus Gleichung (233) folgt es, wenn man auf die Beziehung 
zwischen der Normalenrichtung und der Stromrichtung (Vor- 
zeichen von C) achtet. Am einfachsten ergibt sich dies aber 
aus der jetzt einzuschaltenden Betrachtung über die Energie 
eines einfachen Kreisstromes. 



§ 104. Energie eines einfachen Kreisstromes. 

Unter einem „einfachen" Kreisstrome verstehe ich einen 
in sich geschlossenen linearen Strom von beliebig gestalteter 
Strombahn, die von einem Medium von constanter Per- 
meabilität umgeben ist, also einen solchen Strom, wie er 
schon im vorigen § betrachtet war. 

Im Allgemeinen ist die Energie eines solchen (ruhenden) 
Kreisstromes in zwei Theile zu spalten, in die magnetische 
und in die elektrische Energie. Denken wir uns nämlich den 
Kreisstrom durch eine eingeprägte Kraft unterhalten, die an 
einer bestimmten Stelle in die Strombahn eingeschaltet ist 
(etwa galvanisches Element), so entstehen freie elektrische 
Ladungen und in deren Folge ein elektrischer Kraftfluss, der 
zu einem elektrostatischen Potentiale gehört. Nur hierdurch 
wird der Strom dauernd aufrecht erhalten. Dem elektrostati- 
schen Felde entspricht aber eine Energie, die sich theils auf 
den Luftraum, theils auf die Strombahn selbst vertheilt. Der 



Erstes Capitel. Einfache Anwendungen des Vectorpotentials. 275 

letzte Theil ist es, dessen fortwährender Zerfall den elektrischen 
Leitungsstrom ausmacht und der daher durch die Arbeits- 
leistung der eingeprägten Kraft fortwährend ergänzt werden 
muss. Die Zuführung dieses Energieumsatzes zur Verbrauchs- 
stelle erfolgt durch die Verinittelung des elektrostatischen und 
des magnetischen Zwängszustandes im Felde. 

Wenn man von der Energie eines Stromes redet, denkt 
man aber meistens weder an den Energieumsatz, der sich durch 
die Joule'sche Wärme kundgibt, noch überhaupt an die elektro- 
statische Energie des gesammten Feldes. Die Joule'sche 
Wärme, die sich etwa in einer Minute entwickelt, stellt zwar 
einen verhältnissmässig bedeutenden Energiebetrag dar; es 
handelt sich aber hier um einen Betrag, der erst durch Multi- 
plicatiön mit einer Zeit gewonnen wird, der also nicht in 
Betracht kommt, wenn wir den augenblicklichen Energieinhalt 
feststellen wollen. Die elektrostatische Energie in einem ge- 
gebenen Augenblicke ist aber meist nur von geringer Grösse 
im Verhältnisse zu der magnetischen Energie, die man deshalb 
gewöhnlich allein als die Stromenergie bezeichnet. — Eine 
Ausnahme von diesem * Grössenverhältnisse beider Energien 
tritt jedoch ein, wenn die Strombahn aus einem schlechten 
Leiter gebildet wird. Um einen Strom von bestimmter Stärke, 
also auch ein magnetisches Feld von gegebener Grösse zu 
erzielen, bedürfen wir hier viel grösserer elektrischer Kräfte 
als bei einem guten Leiter. Die Energie des elektrostatischen 
Zwangszustandes wächst daher und zwar im quadratischen 
Verhältnisse mit dem Widerstände gegenüber der constanten 
magnetischen Energie an. 

Von solchen Fällen sehe ich indessen hier ab und ver- 
stehe, wie üblich, unter der Energie des Stromes ausschliesslich 
die Energie des von ihm erzeugten magnetischen Feldes. Um 
die elektrostatische Energie auch thatsächlicb möglichst aus 
dem zu behandelnden Probleme auszuschliessen, kann man 
übrigens annehmen, dass die den Strom, unterhaltende ein- 
geprägte Kraft nicht auf eine kurze Strecke concentrirt, sondern 
dass sie über die ganze Strombahn vertheilt ist. Bei passender 

18* 



276 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

Vertheilung kommt im äusseren Medium überhaupt kein 
elektrostatischer Zwang mehr zu Stande. 

Nach Gleichung (129) S. 123 erhalten wir für die Energie T 
des magnetischen Feldes 

T =Lf*% dv ( 236 > 

wobei die Integration über den ganzen Raum auszudehnen ist. 
Dieser Ausdruck lässt aber eine wichtige Umformung zu. 
Man kann nämlich von ihm unmittelbar zu jenem Werthe für 
die Energie des Kreisstromes gelangen, der von der Fern- 
wirkungstheorie dafür angegeben wird. Zu diesem Zwecke 
drücke man zunächst SB im Vectorpotentiale aus, setze also 
85 = curl &Maxw.. Dann wende man Gleichung (81) S. 62 an, 
wonach 

ö§ = § CUrI ÄMaxw. = ÄMaxw. • CUrl § + div V*Maxw.£. 

Hieraus ergibt sich aber 

T^iJlMaxw.curl^ . . . / (237) 

Auf der rechten Seite der vorhergehenden Gleichung 
stand ja allerdings noch das Glied divV^Maxw. • § und im 
Einzelnen ist daher § curl % keineswegs durch H curl § zu 
ersetzen. Bei der Integration über den ganzen Raum fällt 
dies aber fort. Bezeichnet nämlich SJ irgend einen im Raum 
vertheilten Vector, so ist das über den ganzen Raum ; in dem 
SB überhaupt vorkommt, erstreckte Integral 

fiivMv 
stets gleich Null. Jeder Quelle irgend einer Kraft- oder 
Stromlinie 85 muss in dem ganzen Räume auch eine ent- 
sprechende Versickerung gegenüberstehen, so dass die Ge- 
sammtsumme verschwindet. Es ist das ungefähr dasselbe, 
als wenn man sagt, dass dem Meere ebensoviel Wasser durch 
die Ströme, den Regen u. s. w. wieder zugeführt wird, als 
ihm durch Verdunstung entzogen wurde. — Abgesehen davon, 
geht dies aber auch aus GL (101) sofort hervor. 



Erstes Capitel. Einfache Anwendungen des Vectorpotentials. 277 

Im vorliegenden Falle kann für Äm»xw. der einfachere 
Werth ft Ä gesetzt werden, und für eurl# führen wir seinen 
Werth aus der ersten Hauptgleichung (GL 143, 153, 157, 174) 
ein. Wir erhalten dann 

T=±ti filtdv (238) 

Denken .wir uns die Stärke des Kreisstromes nur lang- 
sam veränderlich, so kommen die Verschiebungsströme im 
Dielektricum gegenüber dem Leitungsstrome im linearen Leiter 
nicht in Betracht. Wir können sie daher bei der Berechnung 
von T vernachlässigen und für tdv wieder Cd% setzen. Alle 
Volumenelemente, die nicht zu dem Leiter selbst gehören, 
tragen zu dem Werthe von T in Gl. (238) nichts bei. Damit 
geht T über in 

Po 

T=~^Gf%d% (239) 

Po 

Das Linienintegral des Vectorpotentials lässt sich nun 
noch durch den Selbstinductionscoefficienten nach Gl. (233) 
ersetzen, so däss* schliesslich 

T=±C 2 L ...... (240) 

ist. Da SB und § überall gleichgerichtet sind, muss T nach 
Gl. (236) nothwendig positiv sein. Aus Gl. (240) folgt dann 
weiter, . dass auch L immer nur einen positiven Werth an- 
nehmen kann, worauf schon am Schlüsse des vorigen § hin- 
gewiesen wurde. 

Die Berechnung der Energie nach Gl. (237) oder der 
»daraus abgeleiteten Gl. (240) führt zwar zu demselben Werthe 
wie Gl. (236). Die Energie ist aber in beiden Fällen in 
durchaus verschiedener Weise über die einzelnen Raumelemente 
vertheilt. Nach der Fernwirkungstheorie, die sich der Form 
(240) bedient, ist die Strombahn selbst der Sitz der Energie 
des Stromes; nach der MaxweH'schen Theorie vertheilt sie 
sich dagegen über das ganze magnetische Feld des Stromes. 



278 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

§ 105. Differentialgleichung für einen einfachen Kreisstrom. 

Die eingeprägte elektromotorische Kraft, also das Linien- 
integral der eingeprägten elektrischen Kräfte für die ganze 
geschlossene Strombahn sei jetzt mit E bezeichnet. Die 
inducirte elektromotorische Kraft wird durch Gl. (235) an- 
gegeben. Nach dem Ohm'schen Gesetze besteht^ dann für die 
Intensität des Kreisstromes 0, die sich mit der Zeit langsam 
(im Sinne von § 100) ändern mag, die Differentialgleichung 

*E — L^ = CR ..... (241) 

Sie lässt sich, wenn wir E und R als constant betrachten, 
leicht integriren und liefert 

C = ^ — Ke Lt (242) 

K ist die Integrationseonstante. Soll die Gleichung das 
allmähliche Anschwellen des Stromes nach dem Schliessen 
der Strombahn darstellen und rechnen wir die Zeit t vom 
Beginne an, so -rnuss die Constante K gleich E/b gesetzt 
werden, damit für t — die Intensität G = wird. Wir 
haben dann 



R 



T&-< L ) (248) 



Der Bruch L/b hat die Dimension einer Zeit. Man 
nennt diesen Werth die Zeitconstante des Stromkreises. 
Bezeichnen wir sie mit r, so ist auch 

C = |(l_<r<A) (244)* 

Um den Verlauf des Oeffnungsstroms analytisch dar- 
zustellen,, muss man Gl. (241) unter der Voraussetzung 
integriren, dass R veränderlich ist (nämlich während des 
Oeffnens schnell anwächst). Auch dies lässt sich leicht durch- 
führen. 



Erstes Capitel. Einfache Anwendungen des Vectorpotentials. 279 

§ 106. Selbstinductionscoefficient beim Vorkommen von 
Eisen im Felde. 

Auch in diesem Falle lässt sich die Energie des Kreis- 
stromes durch Gl. (237) darstellen. Wir dürfen aber $Ma*w. 
dann nicht mehr gleich p % setzen, sondern müssen darunter 
den in Gl. (200) S. 231 ermittelten Werth verstehen. An die 
Stelle von Gl. (239) tritt daher hier 

Po 

T = ~CßlM^dZ (245) 

Po 

Auch jetzt steht es uns frei, den Selbstinduetions- 
coefficienten L } wie in § 103, durch die Gleichung 

Po 

zu definiren und die Energie damit gleich 

" # T = ±C 2 L 

zu setzen. Hier hat aber L eine ganz veränderte Bedeutung; 
namentlich wird es nicht mehr durch den in Gl. (234) an- 
gegebenen Werth dargestellt. Im Allgemeinen ist es nämlich 
nicht mehr von der Stromstärke unabhängig. Dies trifft 
vielmehr nur dann noch zu, wenn in den Eisenmassen (oder 
überhaupt in jenen Theilen des Feldes, wo die Permeabilität 
verschieden von ^ ist) erstens keine eingeprägten Kräfte § t 
vorkommen (absolut weiches Eisen) und zweitens die Per- 
meabilität an jedem Orte des Feldes ihren Werth unabhängig 
von der wechselnden Feldstärke unverändert behält. In der 
Natur trifft es also überhaupt eigentlich niemals zu. 

Hierdurch verliert der Begriff des Selbstinductions- 
coefficienten jeden Werth für die Behandlung von Problemen, 
bei denen Eisenmassen ins Spiel kommen. An Stelle von 
Gl. (235) hätte man die elektromotorische Kraft der Selbst- 
induction 



280 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 






*%* — i%-o%- ■ <W 



zu setzen- anstatt dessen operirt man aber von vornherein 
einfacher mit dem magnetischen Strome durch die von dem 
linearen Leiter begrenzte Fläche. 

§ 107. Condensator im Stromkreise. 

Bei den vorhergehenden Betrachtungen war stets an- 
genommen worden, dass sich der lineare Strom G in einer 
geschlossenen Leiterbahn bewege und dass die daneben auf- 
tretenden Verschiebungsströme diesem gegenüber vernachlässigt 
werden dürften. Jetzt betrachte ich dagegen eine offene 
Leiterbahn, die an beiden Enden entweder in die sich gegen- 
über stehenden Platten eines Condensators oder überhaupt 
in zwei leitende Körper (etwa in zwei Metallkugeln) von 
grösserer Oberfläche ausmündet, so dass der Leitungsstrom 
erst durch den Verschiebungsstrom imVDielektricum zwischen 
diesen Körpern geschlossen wird. Der Verschiebungsstrom 
rückt dadurch in einen gleichen Rang mit dem Leitungsstrome 
ein und darf hier ebensowenig wie die Energie des elektro- 
statischen Feldes vernachlässigt werden. Um aber sonst 
möglichst einfache Bedingungen zu schaffen, setze ich voraus, 
dass die Permeabilität überall constant = p ist und dass 
auch die inductive Capacität K im Dielektricum (§ 38) 
constant ist. 

Das Problem, um das es sich hier handelt, ist besonders 
wegen des Zusammenhanges, in dem es mit den grundlegenden 
Versuchen von Hertz steht, von Wichtigkeit geworden. Auf 
irgend eine Art, die uns nicht kümmert, weil sie sich auf 
Vorgänge bezieht, die vor dem Zeitpunkte lagen, von dem 
an wir das Phänomen betrachten wollen, sei eine Ladung der 
Condensatorplatten, wie wir der Kürze wegen die vorhin er- 
wähnten beiden Körper nennen wollen, und in dem ver- 
bindenden Drahte ein Leitungsstrom zu Stande gebracht. Es 



Erstes Capitel. Einfache Anwendungen des Vectorpotentials. 281 

handelt sich darum, zu ermitteln, wie sich der Vorgang nun 
weiterhin abspielt. . 

Hier sind nun zwei wesentlich verschiedene Fälle zu 
unterscheiden. Je kleiner man die elektrostatische Capacität 
des Condensators macht, desto kürzere Zeit vergeht, bis sich 
die Ladungen ausgeglichen haben, um so schneller erfolgen 
überhaupt alle vorkommenden Aenderungen. Bei weiterer 
Verkleinerung der Capacität wird schliesslich die Länge der 
von dem Leiter ausgesendeten elektromagnetischen Wellen 
so klein, dass sie mit den Leiterabmessungen von gleicher 
Grössenordnung wird. Zur Erläuterung des hier eingeführten 
Begriffes der Wellenlänge bemerke ich nämlich, dass, wie 
sich alsbald zeigen wird, der ganze Vorgang ein oscillatorischer 
ist. Während der Zeit zwischen zwei correspondirenden Strom- 
phasen pflanzt sich die elektromagnetische Störung in dem 
umgebenden Mittel mit derselben Geschwindigkeit wie das 
Licht fort und, wenn die Zeit sehr kurz war, kann die Ent- 
fernung zwischen zwei in derselben Phase stehenden Stellen 
des Mediums, bis zu denen die Störungen von zwei aufeinander- 
folgenden Oscillationen gelangt sind — d.h. die Wellenlänge — 
nur wenige Meter, oder selbst nur Bruchtheile eines Meters 
betragen, während sie in den gewöhnlich vorkommenden Fällen 
nach Kilometern zählt. # 

Durch die Verkleinerung der Capacität erreichte Hertz 
bei seinen Versuchen gegenüber den früheren von Feddersen 
u. s. w. eine sehr vergrösserte Zahl von Schwingungen in der 
Secunde und eine dementsprechend verkleinerte Wellenlänge, 
die dadurch in den Bereich der Messbarkeit gerückt wurde. 
Zum ersten Male wurde dadurch der Nachweis geliefert, dass 
die Fortpflanzung elektromagnetischer Wirkungen durch das 
Medium (den Luftraum) Zeit erfordert, wie es von der Max- 
well'schen Theorie — und nur von dieser — vorausgesagt 
war. Mit Fug und Recht darf man das Ergebniss dieser 
Versuche nicht nur als eine Bestätigung der MaxwelPschen 
Theorie, sondern geradezu als den entscheidenden Beweis da- 
für betrachten, dass sie, im grossen Ganzen und von der 



282 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

speciellen Ausgestaltung im Einzelnen abgesehen, das Rechte 
trifft. 

Für die Behandlung der sehr schnellen Schwingungen 
eignet sich die Potentialtheorie aus den in § 100 dargelegten 
Gründen nicht. Die Aufgabe lässt sich dann nur durch die 
unmittelbare Integration der beiden Hauptgleichungen lösen, 
wie dies späterhin näher ausgeführt werden wird. Hier werde 
ich desshalb nur den anderen, den „vor-Hertz'schen" Fall 
ins Auge fassen, dass die Wellenlänge sehr gross ist im 
Vergleiche zu den Abmessungen des Leiters, dass die vor- 
kommenden Aenderuogen also im Sinne von § 100 als lang- 
same aufgefasst werden können. 

Die von der Zeit t unabhängige Capacität des Conden- 
sators sei mit Cap (die Anwendung des sonst gebräuchlichen 
einfachen C verbietet sich hier, da dieses schon den Strom 
bedeutet) und der elektrische Potentialunterschied zwischen 
beiden Belegungen zur Zeit t mit V bezeichnet. Um die 
Vorstellungen zu fixiren, wollen wir ferner annehmen, dass 
die eine Belegung mit der Erde verbunden sei, so dass ihr 
Potential stets Null ist, während das Potential der anderen 
in dem gegebenen Augenblicke an allen Stellen als gleich 
gross (nämlich gleich V) angesehen werden kann. Nach 
Gleichung (122) S. 102 l^nn dann die elektrostatische Energie 
zur gegebenen Zeit 

T e = \vf 9w dv 

gesetzt werden, wobei sich die Integration nur auf die isolirte 
Elektrode zu erstrecken braucht, da auf der andern V= ist. 
Nach der Definition der Capacität in § 46 ist 

j Q w dv = V* Cap, 
also 

T e = 4F 2 .Cap ......*. (247) 

Für die magnetische Energie können wir den in Gleichung 
(240) aufgestellten Ausdruck 



Erstes Capitel. Einfache Anwendungen des Vectorpotentials. 283 

hier ebenfalls verwenden. Falls die Enden des Leiters nur 
durch eine dünne dielektrische Schicht getrennt sind, wie 
es bei der Einschaltung eines eigentlichen Condensators zu- 
trifft, kann der Selbstinductionscoefficient genau genug nach 
Gleichung (234) wie für einen ganz geschlossenen einfachen 
Kreisstroni berechnet werden. Aber auch im andern Falle 
kann nach Gleichung (239) L immer so ermittelt werden, 
dass T m durch die vorstehende Gleichung richtig angegeben 
wird. Dabei ist, wie aus den mit der Ableitung von 
Gleichung (239) verbundenen Betrachtungen hervorgeht, das 
so bestimmte L immer noch unabhängig von C und daher 
von der Zeit. 

An die Stelle der eingeprägten elektromotorischen Kraft 
bei der Aufstellung der Differentialgleichung für den ein- 
fachen Kreisstrom in § 105 tritt hier die Potentialdifferenz V 
zwischen den Belegungen. An Stelle von Gleichung (241) 
erhalten wir daher jetzt 

V - L Tt = CB - ( 248 > 

wobei B den Leitungswiderstand des offenen Leiterkreises 
bedeutet. 

Der Leitungsstrom C ist aber ebensogross als der Ver- 
schiebungsstrom durch das Dielektricum zwischen den Be- 
legungen des Condensators, durch den er zu einem geschlossenen 
Strome ergänzt wird. Nach § 64 ist die specifische Intensität 

des Verschiebungsstromes gleich 2), die ganze Stärke daher 
gleich der Menge an wahrer Elektricität, die durch ihn in 
der Zeiteinheit von der einen zur anderen Belegung übergeht. 
Wir erhalten daher 

Gdt = — äf$ w dv = — Cap • d V . . . (249) 

Dag Minuszeichen tritt hier desshalb in die Gleichung: 
ein, weil C durch den Draht von der positiv zu der negativ 
geladenen Belegung fliesst, mit einem positiven C also eine 
Abnahme des positiven V verbunden ist. 



284 Vierter Abschnitt.' Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

Eliminirt man aus den Gleichungen (248) und (249) C, 
so erhält man eine einfache Differentialgleichung für V 

7+i-Cap.^ + i2.Cap^ = . . (250) 

und andererseits wenn man V eliminirt 

C+L-Cap.^+E.Cap^=0 . . (251) 

Die beiden Variabein G und V erfüllen demnach dieselbe 
Differentialgleichung nach der Zeit. Diese Gleichung ist von 
der Form 

V + ay" + ly = 

und ihr vollständiges Integral ist 

y — ^eM + ^e** (252). 

worin c x und c 2 die beiden Integrationsconstanten, \ und ft 2 , 
aber die beiden Wurzeln der quadratischen Gleichung 

1 + alc 2 + Ik — 

bedeuten. Setzt man die Werthe ein, die für a und b nach 
den Gleichungen (250) und (251) gelten und löst nach Je auf, 
so erhält man 

Beide Lösungen sind, so lange sie reell sind, negativ, die 
zugehörige Exponentialgrösse nimmt also mit der Zeit ab. 
In diesem Falle treten keine Oscillationen auf, sondern es 
findet nur eine einfache Entladung zwischen den Belegungen 
des Condensatörs statt. Je mehr wir den Widerstand B ver- 
ringern, dabei L vergrössern und Cap verkleinern, desto 
mehr nähern wir uns dagegen der oscillatorischen Entladung 
für die 

Cap 

sein muss. Für die oscillatorische Entladung, die uns hier 
besonders interessirt, erhalten wir durch Umformung der 



Erstes Capitel. Einfache Anwendungen des Vectorpotentials. 285 

Expoientialgrössen und indem wir die Constanten dusch andere 
ersetzen, so dass nur reelle Werthe vorkommen 

Hier kann y sowohl V als C bedeuten; die beiden Con- 
stanten A und B sind natürlich für. beide Fälle gesondert aus 
den Grenzbedingungen zu bestimmen. 

Das hier behandelte Problem geht übrigens in das 
früher in § 104 behandelte über, wenn man Cap = oo setzt. 
Gleichung (252) entspricht dann Gleichung (242); \ wird zu 
Null und \ = - B/l. 

Setzt man umgekehrt B = und rechnet man die Zeit 
von einem. Augenblicke ab, in dem der Strom C = war, so 
erhält man aus Gleichung (253) für C 

C=Bsin—L= (254) 

Das Phänomen ist dann ein rein periodisches ohne jede 
Dämpfung. Bei der allgemeinen Lösung in Gleichung (253) 
wird die durch Aufzehrung der anfänglich vorhandenen mag- 
netischen und elektrostatischen Energie durch die Joule 7 sche 
Wärmeentvvickelung eintretende Dämpfung durch den vor 
der Klammer stehenden Exponentialfactor zum Ausdrucke 
gebracht. Falls die Schwingungsdauer klein ist, kann indessen 
eine grössere Zahl von Schwingungen vergehen, ehe dieser 
Factor merklich kleiner als 1 geworden ist. 

Eine volle Schwingung hat sich vollzogen, sobald der 
Winkel, von dem in den Gleichungen (253) und (254) die 
Functionen sin und cos vorkommen, um 2tc angewachsen ist. 
Bezeichnet man die Schwingungsdauer mit t Q) so hat man 
demnach 



ÄVöi - w - 2 * oder 'o - M Vir=m* ( 255 ) 

Für den besonderen Fall, dass B = ist, vereinfacht 
sich dies zu 

t = 2itYZ~.~Cü[). 



286 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

Dass, diese Formeln homogen sind in Bezug auf die 
Dimensionen der in ihnen vorkommenden Grössen ergibt sieh 
leicht ; wenn man die in § 70 und § 103 aufgestellten Dimen- 
sionen einsetzt. Bei ihrer Anwendung dürfen natürlich alle 
Grössen nur auf dasselbe System von Einheiten bezogen 
werden. Häufig ist von vornherein die Capacität nach elektro- 
statischem Maasse gegeben, während L und R im magnetischen 
Maasssysteme ausgedrückt sind. Man muss Cap dann zuvor 
gleichfalls in das magnetische Maasssystem umrechnen. Für 
einen Kugelcondensator z. B. erhält man Cap aus den Dimen- 
sionen der Kugelradien und der Dielektricitätsconstanten un- 
mittelbar nach Gleichung (126). Hatte man hier z. B. in 
einem bestimmten Falle K = 5, r x = 10 cm, r 2 — 10 ; 2 cru, so 
folgt Cap = 2550 C.-G.-S. im elektrostatischen Maasse. Für 
die Umrechnung in magnetisches Maass beachte m#n, dass 
K = 5 eigentlich K — 5ÜT bedeutet, wo K die Dielektrieitäts- 
constante der Luft angibt, die im elektrostatischen Maasssysteme 
gleich 1 gesetzt wird. Ausführlicher und ohne Bezugnahme 
auf ein bestimmtes Maasssystem au geschrieben ist daher 
Cap = 2550 cm . K^ — Nach Gleichung (140) ist K Q = y^ v 2 . 
Setzen wir also, um zu dem magnetischen Maasssysteme über- 
zugehen, jetzt ja = 1 und v gleich der für den Luftraum 
auf experimentellem Wege zu. etwa 3 • 10 10 cm/ sec ermittelten 
charakteristischen Geschwindigke.it, so haben wir K = 1/(3 • io 10 ) 2 , 
also Cap = 283 - 10 ~ 20 zu setzen. 

Wenn eine Leydener Flasche von dieser Capacität durch 
einen einfachen Schliessungsbogen entladen wird, lässt sich 
das zugehörige L nach Gleichung (234) bestimmen, wobei 
wie vorher j£ = 1 zu setzen ist*. Es mag etwa L = 10 7 C.-G.-S. 
sein. Der Widerstand sei gleich 1 Ohm oder gleich 10 9 C.-G.-S. 
Dann wird t nach Gleichung (255) gleich etwa 0,000033 sec 
und die Wellenlänge der elektromagnetischen Störung im 
Dielektricum gleich etwa 10 Kilometern. In solchen Fällen 
sind wir zweifellos zur Anwendung der Potentialtheorie be- 
rechtigt; elektromagnetisch betrachtet erfolgen die Schwingungen 
äusserst langsam. So lange die Schwingungsdauer nicht kleiner 



Erstes Capitel. Einfache Anwendungen des Vectorpotentials. 287 

wird als etwa ein Milliontel Secunde (entsprechend einer Wellen- 
länge von 300 Metern) wird man überhaupt in den gewöhnlich 
vorliegenden Fällen (abgesehen von Telegraphen- und Telephon- 
leitungen) kaum nöthig haben, auf den Umstand Rücksicht 
zu nehmen, dass die Portpflanzung der Wirkung durch den 
Raum einen Zeitaufwand bedingt. 

Schliesslich sei noch auf den durch Gleichung (254) für 
den Fall, dass R = ist, dargestellten Schwingungsverlauf 
etwas näher eingegangen. Ganz so wie es diese Gleichung 
ausspricht, wird sich der Vorgang zwar niemals abspielen 
können; sehr oft trifft dies in hoher Annäherung zu, wie sich 
aus dem angeführten Zahlenbeispiel leicht ergibt. Der die 
Dämpfung der Schwingungen ausdrückende Exponentialfactor 
nimmt nämlich unter den gegebenen Verhältnissen (L = 10 7 , 
E = 10 9 ) erst nach 0,02 Secunden den Werth 1/2,718 ... an. . 
Während dieser Zeit erfolgen aber ungefähr 600 Schwingungen, 
so dass in der That für eine oder für eine kleine Anzahl 
aufeinander folgender Schwingungen eine kaum merkliche 
Dämpfung eintritt. Jener durch Gleichung (254) dargestellte 
Fall hat daher als Grenzfall, der sich oft in grosser An- 
näherung mit dem wahren Vorgange deckt, eine nicht zu 
unterschätzende Bedeutung. 

Die Integrationsconstante B bildet das Maass für die 
Intensität des ganzen Vorgangs; sie stellt den Maximal werth 
von G im Verlaufe einer Schwingung dar. Gleichung (248) 
geht in unserem Falle über in V = LdC /dt und liefert nach 
Einsetzen von C aus Gleichung (254) 

F= £.t/_^.cos-J = . • • (256) 
V Cap yL • Cap V J 



Der Maximalwerth von V ist daher gleich JB]A/Cap. 

Die gesammte Schwingungsenergie T setzt sich in jedem 
Augenblicke \xxs der elektrostatischen und der magnetischen 
Energie zusammen, für die wir die früher (Gl. 247) gegebenen 
Werthe benutzen können. Wir erhalten so 



288 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

T=y m + T e = } Cap • F 2 + 4 iC 2 . 

=-i-Cap{BV-cos 2 - : 4=l + 4z|£ 2 sin 2 - 7 J=l 
2 M ^P }/iCapP 2 \ j/ZCap) 

Diese Betrachtung lehrt uns, dass die ganze Energie sich 
unverändert in der Schwingung erhält, aber so, dass sie 
wechselsweise die Formen T m und T e annimmt. Das Wesen 
der Schwingung kann daher in dem sich fortwährend wieder- 
holenden Umsätze aus elektrischer Energie in magnetische 
und umgekehrt erblickt werden. Die Vertheilung der Energie 
auf den Raum ist in beiden Fällen durchaus verschieden. 
Die elektrostatische Energie hat ihren Sitz im Dielektricum 
des Condensators und die magnetische Energie vertheilt sich 
über das Medium (etwa den Eisenke'rn), das von den Windungen 
des Leiters umschlungen ist. Mit der Schwingung ist daher 
auch ein pulsirender Energiestrom von der einen Stelle zur 
andern durch die Vermittelung des ganzen Mediums verbunden. 

Die Betrachtung dieses Vorgangs ist von Interesse 
wegen des Zusammenhanges, in dem er mit den Hertz'schen 
Schwingungen und den Lichtschwingungen steht. Indessen 
darf hierbei nicht vergessen werden, dass beide sich zwar 
gleichen, dass sie aber nicht identisch sind, weil in dem jetzt 
behandelten Falle die Potentialtheorie angewendet wurde und 
daher die Voraussetzung zu Grunde gelegt werden musste, dass 
die vorkommenden Aenderungen nur langsam erfolgen. Dies 
hat u. A. zur Folge, dass die ganze Energie unverändert er- 
halten bleibt, wenn R = ist. Genau kann dieser Schluss 
offenbar nicht zutreffen, denn in den Wellen, die von der 
Schwingung in das unbegrenzt zu denkende Medium aus- 
gesendet werden, ist auch Energie enthalten und je weiter 
bei dem Fortgange der Schwingungen die Wellenzüge sich in 
den unendlichen Raum hinaus ausdehnen, um so mehr muss 
der ursprüngliche Energieinhalt der Schwingung dadurch auf- 
gezehrt werden. Die Potentialtheorie nimmt hierauf keine 
Rücksicht. 



Erstes Capitel. Einfache Anwendungen des Vectorpotentials. 289 

§ 108. Wechselwirkung zwischen zwei einfachen ruhenden 

Kreisströmen. 

Unterscheiden wir die beiden Ströme C t und C 2 durch 
Indices und alle anderen zugehörigen Grössen in derselben 
Weise von einander, so geht aus der Definition des Vector- 
potentials zunächst hervor, dass 

*=.*, + *, 

ist, wobei unter % das totale Vectorpotential zu verstehen ist. 
Daraus folgt weiter, dass auch § = $>!+ §2 un( ^ ® = ® x -f- © 2 
ist, dass also die beiden magnetischen Felder sich einfach 
superponiren. Die ganze Energie des durch die beiden Ströme 
geschaffenen magnetischen Feldes kann zunächst wieder durch 
Gleichung (236) ausgedrückt, dann aber weiter in 4 Glieder 
zerlegt werden: 

Die ersten beiden Glieder geben die Energie an, die den 
beiden Kreisströmen zukommt, wenn sie entfernt von einander 
sind; sie sind noth wendig positiv. Die beiden anderen Glieder 
sind von gleicher Grösse, da überall ^^ 2 = f*$i$g = $1^2 
ist. Ihre Summe gibt den Energiezuwachs an, der durch die 
Nachbarschaft der beiden Ströme bedingt wird; die Summe, 
also auch jedes ihrer Glieder, kann aber auch negativ werden, 
da ©j und $) 2 nicht mehr gleich gerichtet sind. 

So wie früher (in § 104) für einen einzelnen Kreisstrom, 
wollen wir hier ebenfalls den Ausdruck für T so umformen, 
dass er mit dem von der Fernwirkungstheorie gegebenen 
übereinstimmt. Die Betrachtung läuft dabei genau mit der 
in § 104 gegebenen parallel und kann daher jetzt unter dem 
Hinweise auf diese etwas kürzer gefasst werden. 

An Stelle von Gleichung (238) erhält man hier 

Föppl, Maxwell'sche Theorie der Elektricität. 19 



290 Vierter Abschnitt. .Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 
und hieraus, entsprechend Gleichung (239) , 

* 
Nach Gleichung (233) können das erste und vierte Glied 

dieser Gleichung Jmit Hülfe der beiden Selbstinduetionscoeffi- 

cienten L x und L 2 ausgedrückt werden. Für die beiden 

anderen Glieder findet man durch Einsetzen des Werthes von 

Ä aus dessen Definitionsgleichung 

cJtM», - c 2 f%d* 2 = c, c 2 j'j' d ^ ■ 

Begnügen wir uns wieder, wie in Gleichung (234), zur 
Abkürzung ein einziges Integralzeichen zu schreiben und setzen 
wir 

M 2)1 = Jf M = kJ*^ .... (258) 

so nimmt schliesslich der Ausdruck für die Energie des mag- 
netischen Feldes der beiden Kreisströme die Form an 

T-\C\L l + \C\L t + G l C i M^ . . (259) 

Die durch Gleichung (258) definirte Grösse M\$ 
oder lf 2 ,i heisst der Coefficient der gegenseitigen 
Induction zwischen den beiden Kreisströmen. 

Bei der Definition von Mt$ ist natürlich ebenso wie bei 
der Definition des Selbstinductionscoefficienten angenommen 
worden, dass entweder überhaupt kein Eisen vorkommt, oder 
dass doch die Permeabilität überall im magnetischen Felde 
als constant angesehen werden kann. Zuweilen nimmt man z. B. 
an, dass dies letztere im Kerne eines sog. Ringtransformators, 
wie er in der Wechselstromtechnik verwendet wird, zutreffe. 
Besser ist es aber meistens, in diesem Falle von der Ver- 
wendung des Begriffes eines Inductionscoefficienten ganz ab- 
zusehen und dafür unmittelbar mit den magnetischen Strömen 
zu rechnen. 

Für langsame Aenderungen der Stromstärken in beiden 



Erstes Capitel. Einfache Anwendungen des Vectorpotentials. 291 

Kreisen berechnet sieh die im ersten Kreise inducirte elektro- 
motorische Kraft nach Gleichung (230) zu 

Po Po 



Po Po 

dC i Cm C d ^ dC s Cm C 



ß 



--A^-Ä,»^ (260) 

Mit Rücksicht auf Gleichung (259) kann man dafür auch 
schreiben 

Po 

und dieselben Gleichungen gelten auch, wenn man die Indices 
1 und 2 mit einander vertauscht. Das Glied — L^Q/dt gibt 
die elektromotorische Kraft der Selbstinduction im ersten 
Kreise und das Glied — M^^i/dt die der Induction des 
zweiten Kreises auf den ersten an. 

Mit denselben Bezeichnungen wie in § 104 erhalten wir 
nun die Differentialgleichungen 

die an die Stelle von Gleichung (241) in dem dort behandelten 
Falle treten. 

Durch Elimination von C x erhält man für den Strom C 2 
daraus die Differentialgleichung 

^(L 1 L 2 + M^+^(L l R 2 -L 2 B 1 ) + R 1 {-E 2 -B 2 C 2 )=0 (263) 

und bei Vertauschung der Indices gilt diese auch für den 
ersten Kreis. Für ü#i )2 = M 2i i ist in diesen Gleichungen der 
Kürze halber einfach M geschrieben. 

19* 



292 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

Auch das Integral von Gleichung (263) lässt sich leicht 
mit Hülfe von Exponentialfunktionen, an deren Stelle eventuell 
wieder trigonometrische Funktionen treten, angeben. Hierauf 
beruht die elementare Theorie des Transformators. Es würde 
uns aber zu weit führen, wenn wir darauf näher eingehen 
wollten. 

Der in Gleichung (261) vorkommende partielle Differential- 
quotient ^T/d0 1 gibt nach Gleichung (232) den magnetischen 
Kraftfluss durch die von der Bahn des ersten Leiters um- 
schlungene Fläche an und sein Differentialquotient nach der 
Zeit daher den magnetischen Strom durch diese Fläche. In 
dieser Fassung spricht Gleichung (261) dann wieder das 
Inductionsgesetz in der einfachsten Form aus. 

§ 109. Erhaltung der Energie. 

Die Aenderung der Energie T des im vorhergehenden § 
betrachteten magnetischen Feldes im Zeitelemente dt ergibt 
sich aus Gleichung (259) zu 

dT = C x ät{L^ + **£) + C t dt(L^ + M<§) . 

Die Glieder sind hier schon so zusammengefasst, dass 
die beiden Klammerwerthe, vom Vorzeichen abgesehen 7 nach 
Gl. (260) die in den beiden Kreisen inducirten elektro- 
motorischen Kräfte angeben. Setzt man dafür die aus der 
Gl. (262), also aus dem Ohm'schen Gesetze ; hervorgehenden 
Werthe ein, so erhält man 

dT = d^E.C, — i^C; 2 ) + dt(E 2 C 2 - B 2 C 2 2 ) . . (264) 

Jedes der vier Glieder, in die sjch die rechte Seite zer- 
legen lässt, hat aber eine einfache physikalische Bedeutung. 
EyG-^dt gibt die von der eingeprägten elektromotorischen 
Kraft E t im ersten Kreise gelieferte und P^Cidt die daselbst 
in Joule'sche Wärme umgewandelte Energie an. Mit den 
sich auf den zweiten Stromkreis beziehenden beiden andern 
Gliedern verhält es sich ebenso. Demnach dient der Ueber- 



Zweites Capitel. Der Poynting'sche Energiestrom. 293 

schuss der von den einpeprägten Kräften gelieferten über die 
gleichzeitig in beiden Stromkreisen verwüstete Energie zur 
Erhöhung der Energie des magnetischen Feldes. Umgekehrt 
wird, wenn die durch E x und E 2 zugeführte Energie den 
gleichzeitigen Aufwand für die Joule'sehe Wärme nicht deckt, 
der Fehlbetrag aus der Energie des magnetischen Feldes 
entnommen. 

Gl. (264) spricht demnach das Gesetz der Erhaltung 
der Energie für das aus den beiden Stromkreisen 
bestehende System aus. 

Bei der von mir innegehaltenen Darstellung ist das 
Inductionsgesetz als Erfahrungstatsache von vornherein in 
das Lehrgebäude aufgenommen worden und erst nachträglich 
hat sich jetzt — zunächst wenigstens für den soeben be- 
handelten Fall — herausgestellt, dass es im Einklänge mit 
dem Energieprincipe steht. Umgekehrt kann man auch, wie 
zuerst von v. Helmholtz gezeigt wurde, das Inductionsgesetz 
aus Gl. (264), die nach dem Energieprincipe stets zutreffen 
muss, als Folgerung ableiten. An frühern Stellen erwähnte 
ich schon wiederholt, aus welchen Gründen ich von diesem 
Entwicklungsgange, der seither zu dem üblichsten geworden 
ist, hier abgewichen bin. 



Zweites Capitel. 

Der Poynting'sclie Energiestrom. 

§ 110. Die Identität der Energie. 

Seit langer Zeit verband sich mit der Auffassung der 
Naturerscheinungen eine meistens freilich recht unklare Vor- 
stellung von dem, was wir heute Energie nennen, — zum 
mindesten seit der Zeit, in der man zu der Ueberzeugung 
von der Unmöglichkeit eines perpetuum mobile gelangt war. 
Diese Vorstellungen wurden gerichtet und zum grossen Theile 
auch berichtigt durch jene grossen Entdeckungen in den 



294 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

vierziger Jahren unseres Jahrhunderts, besonders durch die 
v. Helmholtz'sche Schrift über die „Erhaltung der Kraft". 
Aber sie wurden dadurch noch nicht in feste, unveränderliche 
Formen gebracht. 

Während der letzten 50 Jahre haben wir uns immer 
mehr daran gewöhnt, der Energie die entscheidende Rolle bei 
allen Naturvorgängen zuzusprechen. Die Energie ist stets 
an einen Stoff gebunden; doch braucht dieser nicht eine 
„Materie" im engeren Sinne zu sein, da die Energie auch 
mit dem Aether verknüpft sein kann. Zuerst fasste man das 
Verhältniss so auf, dass die Energie eine Eigenschaft der 
Materie (oder des Stoffes) angebe, dann hielt man beide für 
gleichwerthig und jetzt sind manche Physiker schon dazu 
übergegangen, den Energiebegriff über den Begriff des Stoffes 
zu stellen, so nämlich, dass der Stoff nur noch die Bedeutung 
eines Substrates für die Energieäusserungen oder gar nur 
noch die einer Eigenschaft der angesammelten Energiemengen 
behält. 

Diese Entwickelung der Energievorstelluugen mag viel- 
leicht über das Ziel hinausschiessen; sie lässt sich, wie ich 
glaube, mit jener von den Vorstellungen über die Fernkräfte 
nach Newton in unmittelbare Parallele stellen. Für Newton 
selbst war der Begriff einer unvermittelten Wirkung in die 
Ferne noch unfassbar; die Fernkräfte waren für ihn nur 
Rechnungsgrössen, mit denen sich die beobachteten That- 
sachen am einfachsten wiedergeben Hessen. Die ihm folgen- 
den Generationen waren aber in der Vorstellung von der 
Fernwirkung aufgewachsen und fanden nichts befremdendes 
mehr darin. Auch die Zurückführung der elektrischen und 
magnetischen Erscheinungen auf Fernkräfte oder „Central- 
kräfte u schien, wenn sie gelang, die befriedigendste Lösung 
des Räthsels zu sein. Erst jetzt sind wir durch das üeber- 
gewicht der Faraday-MaxwelFschen Darstellung und in Ver- 
bindung damit durch die bahnbrechenden Versuche von Hertz 
zu den Vorstellungen über die Notwendigkeit eines raum- 
erfüllenden Mittels für die Uebertragung einer Wirkung in 



Zweites Capitel. Der Poynting'sche Energiestrom. 295 

die Ferne wieder zurückgelangt, die Newton selbst hegte, 
durch die er aber nicht daran gehindert wurde, daneben von 
dem Begriffe der Fernkräfte Gebrauch zu machen. 

So mag es auch vielleicht mit jenen weitgehenden Vor- 
stellungen über die Bedeutung der Energie sein, in die wir 
uns allgemach alle mehr oder weniger hineingelebt haben. — 
Wenn wir annehmen, dass die Energie der Materie mindestens 
gleichwerthig gegenüber steht, dass sie also wie diese den 
wahren Zustand der Dinge bedingt und ihn mit der Materie 
zusammen auch erschöpfend bestimmt, so nähert sich die 
Vorstellung, die wir uns von der Energie machen, damit 
immer mehr jener von der Materie, also etwa jener Vor- 
stellung von dem „Dinge an sich", die schon zu so vielen 
philosophischen Controversen Veranlassung gab. 

Wesentlich für den Begriff der Materie ist aber besonders 
die Möglichkeit, deren Identität festzustellen. Wir sind im 
Stande, zum mindesten in Gedanken, die Schicksale einer genau 
bestimmten Stoffmenge über lange Zeit und über viele Umwand- 
lungen chemischer und anderer Art hinaus zu verfolgen. In 
erster Linie hängt die Möglichkeit dieser Individualisirung 
der Materie damit zusammen, dass sich die Materie immer 
nur continuirlich durch den Raum zu bewegen vermag und dass 
sie ferner im Räume sich nicht übereinander zu lagern vermag 
(Undurchdringlichkeit der Körper). Gestützt wird die Vor- 
stellung ausserdem noch durch die Annahmen über den mole- 
kularen Aufbau der Körper. 

Sind wir nun auch im Stande, die Identität einer be- 
stimmten Energiemenge, wiederum wenigstens in Gedanken, fest- 
zuhalten? Die Antwort erscheint vorläufig noch sehr zweifelhaft. 
Wer dem Energiebegriffe eine Rolle zuspricht, die jener der 
Materie übergeordnet oder doch mindestens gleich ist, wird 
sie unbedenklich bejahen. Er wird sich den ganzen unveränder- 
lichen Energie vorrath des Universums in beständiger Bewegung 
begriffen denken und in diesen Ortswechseln der Energie- 
mengen das Wesen aller Naturerscheinungen erblicken. Der 
Begriff des Energiestroms wird ihm ebenso nahe liegen, wie 



296 Vierter Abschnitt. Knergiebeziehvmgen im elektromagnetisch. Felde. 

etwa der Begriff eines Luftstromes. Ein discontinuirlieher 
Uebergang mit Ueberspringung des dazwischen liegenden Raumes 
erscheint ihm aus denselben Gründen nicht denkbar, wie bei 
der Materie. Der Festhaltung der Identität einer bestimmten 
Energiemenge steht hiermit kein wesentliches Hinderniss mehr 
im Wege. 

Gegen diese Auffassung, der sich die Physiker mehr und 
mehr zuzuneigen scheinen, lassen sich nun allerdings noch 
manche Bedenken geltend machen. Zunächst vermögen sich 
in einem gegebenen Raumelemente mehrere Energiemengen 
über einander zu lagern, ohne dass beim Hinzukommen einer 
neuen die früher vorhandenen auf einen kleineren Raum zu- 
sammengedrängt werden niüssten, um dem Neuankömmlinge 
Platz zu schaffen. Da erscheint es doch sehr fraglich, ob 
eine Individualisirung zwischen diesen über einander gelagerten, 
den gleichen Raum ausfüllenden Energiemengen noch für 
durchführbar gehalten werden kann. Auch dass die Energie 
— soweit ist, wie es scheint, doch noch niemand gekommen, 
ihr auch diese Eigenschaft beizulegen — nicht aus „Energie- 
armen" zusammengesetzt ist, sondern unbegrenzte Theil- 
barkeit besitzt, warnt davor, die Materialisirung der Energie 
zu weit zu treiben. — Eine gewisse Vorsicht ist gegenüber 
den aus dem Begriffe der Energieströme gezogenen Schlüssen 
daher zweifellos gerechtfertigt. In diesem Capitel werde ich 
indessen die Möglichkeit, die Identität einer Energiemenge 
festzuhalten, voraussetzen. 

§ 111. Die Energieströme der gewöhnlichen Mechanik. 

Um eine klare Vorstellung von den Energieströmen zu 
gewinnen, ist es nützlich, sich zu vergegenwärtigen, wie sich 
die Energie im Bereiche der Mechanik der ponderablen Körper 
überträgt. Wenn man z. B. sagt, dass eine Welle in der 
Transmissionsanlage einer Fabrik so und so viele Pferde- 
stärken überträgt, lässt sich dies auch dahin ausdrücken, dass 
sie einen Energiestrom von entsprechender Grösse ihrer 



Zweites Capitel. Der Poynting'scke Energiestrom. 297 

Längsrichtung nach fortleitet. Bezeichnen wir das Torsions- 
moment der Welle mit M, die Winkelgeschwindigkeit mit u 
und den Energiestrom, also die in der Zeiteinheit von der 
Welle übertragene, oder wie wir sagen wollen, fortgeleitete 
Energie mit W 7 so ist offenbar 

W=Mu, 

oder, wenn SB und tt die zugehörigen Vectoren sind, 

2B = M tt, oder auch 2B = — Mu, 

je nach der Festsetzung des Vorzeichens von M. 

Hängt ferner ein Gewicht Q an einem Seile und wir 
ziehen das Gewicht damit in die Höhe, so geht von der 
Stelle, wo die eingeprägte Kraft wirkt (also etwa von der 
Winde aus) nach Q hin ein Energiestrom, der 

W=Qv 

ist, wenn mit v die Geschwindigkeit der Bewegung bezeichnet 
wird. Der Energiestrom ist hier der Bewegung des Seiles 
entgegengesetzt gerichtet. Allgemein lässt sich der Energie- 
strom, der von einem gespannten Seile fortgeleitet wird, in 
Vectorform 

SEB = — Qb 

setzen. Q ist hier, wie vorher M, eine scalare Grösse. 

Ein Riemen, der zwei Wellen mit einander verbindet, 
überträgt hiernach während des Ganges der Transmission 
zwei Energieströme, von denen der des stärker gespannten 
Theiles überwiegt. 

Hier war von dem ganzen übertragenen Energiesjä'ome 
die Rede; man kann ihn aber auch in einzelne Elemente zer- 
legen und unter SB die specifische Intensität dieses Stromes 
verstehen, also jene Energiemenge, die auf die Flächeneinheit 
des Riemen- Seil- oder Wellenquerschnitts berechnet in der 
Zeiteinheit übertragen wird. In dem zuletzt erwähnten Fall 
ist dabei zu beachten, dass den nach der Peripherie hin ge- 
legenen Flächenelementen des Wellenquerschnitts eine grössere 



298 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

Intensität 2B zukommt, als den näher am Mittelpunkte 
liegenden. 

In einer Röhrenleitung, die unter hohem Drucke stehen- 
des Wasser, das etwa zum Betriebe hydraulischer Hebewerke 
dienen soll, in horizontaler Richtung fortleitet, geht ein 
Energiestrom, der mit der Wasserbewegung gleich gerichtet 
ist und dessen Intensität 

2B=jpt> 

ist, wenn p den Wasserdruck in Dynen auf den qcm bedeutet. 

Die Arme eines Zahnrades oder einer Riemenscheibe 
leiten einen Energiestrom in radialer Richtung zu oder von 
der Welle, auf der sie festgekeilt sind. Die Berührungsflächen 
zwischen den Zähnen von zwei Zahnrädern, die im Eingriffe 
mit einander sind, bilden die Ein- bezw. Austrittsstellen des 
Energiestromes; sie sind mit den Gleitstellen zu vergleichen, 
die beim Fortleiten eines elektrischen Stromes z. B. zwischen 
dem Commutator einer Dynamomaschine und der Strom- 
abnehmerbürste vorkommen. 

Ein Theil des Energiestromes in der vollständigen 
Maschinenanlage einer Fabrik wird unterwegs verbraucht zur 
Ueberwindung der Reibung. Der Energiestrom hat hier 
Convergenzstellen, in denen ein entsprechender Theil erlischt. 
Der Rest gelangt zu den Werkzeugen der sog. Arbeits- 
maschinen, nämlich jener Maschinen, die wie z. B. die Dreh- 
bänke, die Webstühle u. s. f. das verlangte Fabrikat herstellen. 
Ein grosser Theil der zugeführten Energie wird auch an dem 
Werkzeuge noch in Wärme umgewandelt, der andere Theil 
gelangt in Form von potentieller Energie zur Aufspeicherung. 

Man könnte diese Beispiele leicht noch vermehren; die 
vorhergehenden Erörterungen werden aber schon zu dem 
Nachweise genügen, dass die beschriebene Auffassung der 
Vorgänge in der That von Nutzen ist und vielleicht mehr, 
als dies seither geschah, in der gewöhnlichen Mechanik ge- 
pflegt werden sollte. Diese Erkenntniss wird uns dahin 
führen, den nachfolgenden Betrachtungen über den Energie- 



Zweites Capitel. Der Poynting'sche Energiestrom. 299 

fluss ira elektromagnetischen Felde eine höhere Bedeutung bei- 
zulegen, als dies sonst vielleicht der Fall wäre. 

Vorher sei noch darauf hingewiesen, dass überall in der 
Mechanik der ponderablen Körper ein Energiestrom einen 
Spannungszustand des Energieleiters und zugleich eine Ge- 
schwindigkeit — also überhaupt eine Bewegung desselben — 
zur Voraussetzung hat.*) Man wird daher geneigt sein, einen 
solchen Zusammenhang auch für die Energieübertragungen im 
elektromagnetischen Felde anzunehmen. 

§ 112. Der Strom der elektromagnetischen Energie. 

Eine einfache Combination der beiden Hauptgleichungen 
in ihrer vollständigsten Form, Gleichung (174) und (175), 
führt zu dem Poynting'schen Energiestrome im elektromagne- 
tischen Felde. Diese Gleichungen lauteten 

curl (§ - § t ) = 4äC, 
curl (<g — <&) = — jj. 

Man multiplicire die erste scalar mit @ — % e und die 
zweite mit § — $j und subtrahire dann die zweite von der 
ersten. Man erhält 

(« - «,) cuil.($ - &) - ($ - $t) curl (<g - «,) 
_4«(« — «.) + »($ -ft). 
Auf die linke Seite können wir das durch Gleichung (81) 
ausgesprochene Rechen gesetz anwenden. Die Gleichung ver- 
einfacht sich dadurch wie folgt: 

divV(£ - §i) (ß - «0 — 47tt® — 47tt<& e + g£-9& (265) 

Jedes der vier Glieder auf der rechten Seite hat eine 
bestimmte physikalische Bedeutung. Betrachten wir zunächst 

*) Eine Ausnahme bildet zwar die Energieübertragung durch die 
Schwerkraft oder überhaupt durch Fernkräfte. Wir betrachten diese 
Ausnahme aber als eine scheinbare, die uns nur deshalb als solche er- 
scheint, weil uns der Mechanismus, durch den die Schwerkraft auf den 
gravierenden Körper übertragen wird, vorläufig noch verborgen ist. 



300 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

das erste Glied. Der wahre Strom t wird hier, wo wir von 
Bewegungen im Felde absehen, nach Gleichung (151) durch 

angegeben. Für e@ erhalten wir daher 

( <g = i@ + ^^!. 

1 87T dt 

Nach dem Joule'schen Gesetze, Gleichung (147) ist i(S 
die auf die Volumen- und die Zeiteinheit bezogene, an der be- 
treffenden Stelle des Feldes verwüstete Energie. Das andere 
Glied von cd stellt nach Gleichung (116) die Zunahme an 
elektrostatischer Energie dar. Das erste Glied auf der rechten 
Seite von Gleichung (265) gibt demnach das 4^-fache des 
Bedarfes an Energie für die beiden vorher genannten Zwecke an. 

Das dann folgende Glied 4:ti;c(S ö entspricht nach der schon 
bei der Besprechung von Gleichung (264) gegebenen Inter- 
pretation dem 4 ^-fachen der von der eingeprägten Kraft @ e 
gelieferten Energie. Dann kommt das Glied g§, wofür wir 
auch 

-TT- • v oder £ -~ 
dt ** 2 dt 

schreiben können. Nach Gleichung (129) ist dies das 4jr-fache 
des Zuwachses an magnetischer Energie. Das Glied g#j end- 
lich haben wir, analog der Deutung, die dem zweiten Gliede 
zu geben war, als jenen Theil des eben angeführten Energie- 
bedarfs zu betrachten, der von der eingeprägten Kraft §i ge- 
liefert wird. 

Alle diese Energiegrössen beziehen sich, wie schon bei der 
Besprechung des ersten Gliedes bemerkt war, auf die Volumen- 
und die Zeiteinheit an der betreffenden Stelle des elektromagne- 
tischen Feldes. Ihre Summe gibt demnach das 4^-fache des 
Energiebedarfs für die Erhöhung der elektrostatischen und der 
magnetischen Energie sowie für den Joule'scben Energie- 
verbrauch, vermindert um jene Beträge an, die durch die ein- 
geprägten Kräfte zugeführt werden, bezw. vermehrt um die 



Zweites Capitel. Der Poynting'sche Energiestrom. 301 

betreffenden Beträge, wenn die eingeprägten Kräfte stumpfe 
Winkel mit den Stromrichtungen c und g bilden, sodass für 
ihre Ueberwindung ein weiterer Aufwand veranlasst wird. Das 
ist also im Ganzen das Atc -fache des nicht schon an Ort und 
Stelle selbst gedeckten Energiebedarfs, oder auch, wenn die 
negativen Glieder überwiegen, des Energieüberschusses an der 
betreffenden Stelle des Feldes. Da der Energieinhalt des 
ganzen Systems constant bleiben muss, müssen sich die Ueber- 
schüsse und Fehlbeträge im Ganzen ausgleichen. In der That 
gibt auch das Raumintegral des Ausdrucks über den ganzen 
betrachteten Raum Null, denn dieses ßaumintegral ist gleich 
dem Raumintegrale der linken Seite von Gleichung (265) und 
dieses liefert nach den in § 104 nach Gleichung (237) ent- 
haltenen Ausführungen für den ganzen Raum den Werth Null. 
Bezeichnen wir wieder mit 2B die als Vectorgrösse auf- 
gefasste specifische Intensität der Energieströmung, so ist 
nach § 21 die rechte Seite von Gleichung (265) den vorher- 
gehenden Darlegungen entsprechend gleich — 4tf div 93B zu 
setzen. Gleichung (265) geht damit über in 

i_divV((S-^)(#~§i) = div2B . . (266) 

Dem Vorzeichenwechsel ist durch die * Aenderung der 
Reihenfolge im Vectorproducte Rechnung getragen. Die 
Integration von Gleichung (266) liefert 

»-^V(«-«-)(#-ft) + cnrlÄ. . (267) 

Das letzte Glied dieser Gleichung entspricht der Inte- 
grationseonstanten. Wir wissen zunächst von ihm nur, dass 
es ein Vector sein muss, dessen div verschwindet. Das ist 
aber die Bedingung dafür, dass wir diesen Vector als den curl 
eines anderen Vectors $ ansehen können, der seinerseits ganz 
beliebig im Räume vertheilt sein kann; von vornherein ist 
deshalb in der Formel die Integrationsconstante in der Form 
curl $ angeschrieben worden. 

Setzt man willkürlich curl Ä = 0, so erhält man 
den von Poynting angenommenen Energiestrom im 



302 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

elektromagnetischen Felde. Er gibt also zwar eine mit 
den Grundlagen der Theorie verträgliche, aber nicht eine mit 
Notwendigkeit aus ihnen folgende Vertheilung des Energie- 
stroms an. 

Diese Bemerkung ist namentlich aus dem folgenden Grunde 
von Wichtigkeit. Man betrachte ein System, das aus einem 
isolirten geladenen Leiter und einem in seiner Nachbarschaft 
aufgestellten permanenten Magnete gebildet wird. Im Luft- 
räume dieses gleichzeitig elektrostatischen und magnetischen 
Feldes wird, wenn man in Gleichung (267) das*Grlied curlÄ 
unterdrückt, 



4:7t 

Wir haben also einen in sich geschlossenen dauernden 
Energiestrom ohne jeden endgültigen Erfolg, da die Energie 
in jedem einzelnen Volumenelemente in dem betrachteten Falle 
ihren Werth überhaupt nicht ändert. Mit Recht hat man in 
Bezug auf diese Folgerung eingewendet, dass das Ergebniss 
sehr unwahrscheinlich und daher die Poynting'sche Vorstellung 
von der Vertheilung des Energiestromes nicht annehmbar sei. 

Dieser Einwand wird aber nur durch die willkürliche 
Unterdrückung des Gliedes curl® ermöglicht und richtet sich 
nicht gegen die vollständige Formel, Gleichung (267). Um 
dies einzusehen, beachte man nur, dass in dem angezogenen 
Falle sowohl t als g überall Null ist, und dass daher $ — § t 
und (S — Qbe nach den beiden Hauptgleichungen im ganzen 
Räume wirbelfrei vertheilt sind. Das ist die Bedingung dafür, 
dass sie von Potentialen abgeleitet werden können. Setzen 
wir also 

ft-ft— VF, «_«,-_ V*, 

so geht Gleichung (267) für unseren Fall über in 

aä> = ^yV*-V3 r +curl« . . . (268) 

Nun ist aber nach dem Rechengesetze Gleichung (80), S. 61 
cur! (<& V W) = 4> curl V V + V V «>V W . 



Zweites Capitel. Der Poynting'sche Energiestrom. 303 

wobei noch das erste Glied auf der rechten Seite nach Gleichung 
(69) zu streichen ist. Das erste Glied in dem Ausdrucke für SB 
lässt sich daher ebenfalls als ein curl darstellen und man er- 
hält damit 



aas = curi (^#v^+ä) . 



Um in dem betrachteten Falle überall den Energiestrom 
Null zu erhalten, genügt es nun schon, 

*--s® V3r -»-'*o-s® • • ( 269 > 

zu setzen. Im Lufträume ist dieser Vector also überall mit 
den magnetischen Kraftlinien gleich gerichtet und sein Tensor 
wird aus dem von § durch Multiplication mit dem elektro- 
statischen Potential und Division mit A% gefunden. — Indessen 
ist diese Lösung nicht einmal die einzige, die den Energie- 
strom Null ergibt; aus der Symmetrie des ersten Gliedes in 
dem Ausdrucke für SB Gleichung (268) in Bezug auf und W 
folgt sofort, dass (abgesehen von einem Vorzeichenwechsel) 
die magnetische und elektrische Kraft und die zugehörigen 
Potentiale die Plätze mit einander tauschen können. 

§ 113. Der Energiestrom in der Umgebung eines stationären 
geradlinigen elektrischen Stromes. 

Dass ein elektrischer Strom Energie — im Wesentlichen 
seiner Längsrichtung nach ■ — überträgt, bildet gerade das, was 
wir vom elektrischen Strome am genauesten und sichersten 
wissen. Fraglich ist nur, wie sich dieser Energiestrom im 
Einzelnen vertheilt, vor allem, ob die Fortleitung der Haupt- 
sache nach in dem Metall oder in dem umgebenden Dielektri- 
cum erfolgt. Früher galt es einfach für selbstverständlich, 
dass die Energie denselben Weg verfolge wie der elektrische 
Strom selbst, also durch die Kupfermasse hindurchgehe. Nach 
der Poynting'schen Theorie wäre im Gegensatze hierzu das 
Dielektricum als der Energieleiter zu betrachten. Man ging 
sogar so weit, zu sagen, dass der elektrische Strom in Wirklich- 



304 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

keit ein im Dielektricum sich abspielendes Phänomen sei, das 
durch den Draht nur in einer gegebenen Richtung geführt 
würde. Dabei vergisst man aber, dass das Wort Strom schon 
in ganz bestimmter Weise definirt ist, und dass hiernach in 
dem vorliegenden Falle, wo nur Leitungsströme vorkommen, 
die elektrische Strömung ausschliesslich auf die Kupfermasse 
des Drahtes beschränkt ist. Dass der Strom mit anderen 
Vorgängen in seinem magnetischen Felde causal zusammen- 
hängt, ändert daran nichts. — Der Energiestrom ist übrigens 
von dem elektrischen Strome durchaus zu trennen. So erfolgt 
ja auch, wie wir in § 111 sahen, der Energiestrom in einem 
Zahnrade oder in einer Riemenscheibe durch die Arme in 
radialer Richtimg, während die Bewegung, die zu dem Energie- 
strome Veranlassung gibt, eine Rotation ist. Bezeichnen wir 
die Bewegung eines ponderablen Körpers als einen „Massen- 
strorn", so können wir dies so ausdrücken, dass schon im 
Bereiche der gewöhnlichen Mechanik der Energiestrom nicht 
immer einfach gleich gerichtet mit dem Massenstrome ist, 
dass also die Energie nicht von den Massen wie in einem 
Vehikel mitgenommen wird, sondern unter Umständen ganz 
andere Bahnen einschlägt wie die Massen. So kann es daher 
auch bei dem elektrischen Strome sein. 

In der Umgebung eines stationären elektrischen Stromes, 
der in einer lang dahin gestreckten Leitung, etwa in einem 
Telegraphendrahte fliessen mag, bildet sich zugleich ein elektro- 
statisches und ein magnetisches Feld aus. Betrachten wir 
einen verhältnissmässig kurzen Abschnitt des Drahtes (etwa 
von einigen Metern Länge), so ändert sich das elektrostatische 
Potential darauf nur wenig. Die elektrischen Kraftlinien, die 
von den freien elektrischen Ladungen der Drahtoberfläche in 
die Umgebung ausgestrahlt werden, vertheilen sich daher in 
der nächsten Nachbarschaft des Drahtes, wo das elektrische 
Feld noch eine grössere Intensität hat, nahezu so, als wenn 
der ganze Draht zu demselben Potentiale geladen wäre und 
elektrisches Gleichgewicht herrschte. Diese Kraftlinien strahlen 
also nahezu senkrecht zur Drahtoberfläche oder sie gehen, 



Zweites Capitel. Der Poynting'sche Energiestrom. 305 

auf den Querschnitt des Drahtes bezogen, nahezu in radialer 
Richtung in das Dielektricuna aus. Die magnetischen Kraft- 
linien bilden dagegen bekanntlich concentrische Kreise. 

Wendet man nun auf dieses System Gleichung (267) an 
und unterdrückt dabei curlÄ, so erhält man einen Energie- 
strom, der senkrecht zu (5 und £ steht, nahezu also mit der 
Drahtachse parallel geht. Er erstreckt sich in der Haupt- 
sache auf das Dielektricum und ist in der nächsten Nachbar- 
schaft der Drahtoberfläche am grössten. Im Innern des Drahtes 
ist @ axial gerichtet, dabei aber viel kleiner als an der Ober- 
fläche. Der Energiestrom geht daher hier in radialer Richtung. 
Wie schon bemerkt, hat auch der Energiestrom im Dielektricum 
eine kleine radiale Componente; von dieser bildet der in der 
Metallmasse festgestellte Energiestrom die Portsetzung. Auf 
diesem Wege wird nämlich jedem Volumenelemente des Drah- 
tes vom Dielektricum her jene Energiemenge zugeführt, die 
es für die Bestreitung der Joule'sehen Wärme bedarf; Der 
Hauptstrom der Energie geht aber, wie man sieht, durch das 
Dielektricum und nach der Endstation des Telegraphendrahtes 
gelangt die Energie überhaupt nur auf diesem Wege. Die 
kleinen Abzweigungen von diesem Hauptstrome, also die Radial- 
componenten des Energiestromes, dienen nur zur Versorgung 
des Drahtes mit der Energie, die er zur Aufrechthaltung des 
Zwangszustandes in seiner Masse und daher auch im Felde 
bedarf. 

Diese ganze Schilderung des Vorgangs klingt sehr be- 
stechend; wir sehen ein klares und bis in die Einzelzüge hinein 
folgerichtig in sich zusammenhängendes Bild des Vorgangs vor 
Augen. Es mag ja auch sein, dass es die Wahrheit trifft; 
ich selbst vermag allerdings vorläufig nicht daran zu glauben. 

Wir dürfen nämlich nicht vergessen, dass diese ganze 
Betrachtung auf der willkürlichen Unterdrückung des Gliedes 
curl $ in Gleichung (267) beruht. Dabei gleicht aber der Fall 
in hohem Grade dem am Schlüsse des vorigen § behandelten. 
Dort lag es aber viel näher, über das Glied curl® so zu ver- 
fügen, dass der Energiestrom verschwand. — Auch hier bleibt 

Föppl, Maxwell'sche Theorie der Elektricität. 20 



306 Vierter Abschnitt. Energiebeziehungen im elektromagnetisch. Felde. 

in der Umgebung des stationären Stromes der Energieinhalt 
überall eonstant. Es liegt daher nahe genug, das Glied curl Ä 
so zu wählen, dass ? wie vorher, die Energieströmung im 
Dielekt&cum völlig verschwindet. Dies ist in der That stets 
möglich. 

Mit der MaxwelTschen Theorie ist daher die Ver- 
theilung des Energiestromes über die Massen des 
elektrischen Leiters ebensowohl vereinbar wie die 
von Poynting angenommene Vertheilung über das 
Dielektricum. 



Fünfter Abschnitt. 
Die Elektrodynamik bewegter Leiter, 



Erstes Capitel. 

Die durch Bewegungen inducirte elektromotorische Kraft. 

§ 114. Relative und absolute Bewegung im Baume. 

Den Untersuchungen der Kinematik, der allgemeinen Be- 
wegungslehre, liegt meistens das Axiom zu Grunde, dass es bei 
den Beziehungen der Körper zu einander nur auf die Relativ- 
bewegungen ankomme. Von einer absoluten Bewegung im 
Räume könne gar keine Rede sein, da je'des Mittel fehle, 
eine solche Bewegung zu konstatiren, wenn kein Vergleichs- 
körper vorhanden wäre, von dem aus sich die Bewegung be- 
obachten und ausmessen Hesse. * 

Bei der Aufstellung dieses Axioms stützt man sich auf 
den Begriff des leeren Raumes, wie er in den geometrischen 
Betrachtungen aufgefasst wird und der zweifellos als eine Ab- 
straction aus der Erfahrung anzusehen ist. Ich sage „zweifel- 
los", indem ich dabei an die Ueberzeugung denke, die der 
Physiker, gewinnt, wenn er Umschau darüber hält, wie die 
scheinbar unerschütterlich begründeten Anschauungen über die 
Körperwelt doch immer in stetiger Weiterbildung und Um- 
bildung begriffen sind, nicht an den Philosophen, nach dessen 
Ueberzeugung der Raumbegriff schon a priori vorhanden sein 
muss, um die Erfahrungen über die sich im Räume ab- 
spielenden Ereignisse erst zu ermöglichen. 

20* 



308 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

Sehen wir den Raum als vollständig^ leer an, so ist das 
angeführte Axiom der Bewegungslehre in der That eine selbst- 
verständliche und unerlässliche Forderung unserer heutigen 
Raumvorstellungen. Sowohl nach der Maxweirschen Theorie 
als nach den Lehren der Optik kommen aber „leere" Räume 
in der Wirklichkeit überhaupt nicht vor. Auch das sogenannte 
Vacuum ist noch mit einem Medium, dem Aether, angefüllt. 
Sobald wir dies beachten, wird aber der Begriff der absoluten 
Bewegung sofort verständlich: es ist die relative Bewegung 
zu dem den Raum ausfüllenden Medium. 

Hier ist jedoch noch eine weitere Bemerkung einzuschalten. 
Bis jetzt ist es nämlich noch zweifelhaft, ob wir uns 
vorzustellen haben, dass ein sich bewegender Körper 
den Aether in seinem Innern und theilweise auch den 
in seiner Nachbarschaft bei der Bewegung mit sich 
führt oder ob der Aether an den Bewegungen der 
Materie ganz unbetheiligt ist. Im letzten Falle würde 
man zu dem Schlüsse geführt, dass das Vorhandensein des 
Aethers den Raum überhaupt erst bedingt, dass die Vor- 
stellung eines Raumes ohne diesen Inhalt einen Widerspruch 
bedeutete, etwa wie wenn man sich einen Wald ohne Bä,ume 
denken wollte.*) Der absolut leere Raum wäre dann über- 
haupt kein Gegenstand einer möglichen Erfahrung mehr, oder 
mit anderen Wortefl, wir müssten die uns aus den vorher- 



*) Zum mindesten ist zu schliessen, dass ein Raum ohne Aether- 
inhalt ebensogut vierdimensional als dreidimensional sein könnte, denn 
die Annahme der vierten Dimension verstösst an sich, wie die Anläufe 
zu einer mehrdimensionalen Geometrie beweisen, nicht gegen die Denk- 
gesetze. Wenn ein Raum von vier Dimensionen irgendwo physikalische 
Existenz hätte, würde sich, wie hiernach anzunehmen ist, der menschliche 
Verstand auch in diesem ebenso wie jetzt in dem dreidimensionalen zu- 
recht zu finden wissen, — endgültig freilich nur mit Zuhülfenahme der 
Anschauung, also der Erfahrung. — Die Eigenschaft der dreifachen Aus- 
dehnung des Raumes ist eine Erfahrungsthatsache, die nur aus der Be- 
obachtung in dem uns erreichbaren physikalisch existirenden , äther- 
erfüllten Räume entnommen ist und daher keineswegs auf einen fingirten 
leeren Raum mit Notwendigkeit übertragen werden muss. 



Erstes Capitel. Die durch Bewegungen inducirte elektromotor. Kraft. 309 

gehenden Entwickelungszeiten menschlichen Denkens über- 
kommenen Raumvorstellungen einer durchgreifenden Revision 
unterziehen. 

Die Entscheidung der soeben berührten Frage bildet 
vielleicht die wichtigste Aufgabe der Naturforschung unserer 
Zeit. Wie diese Entscheidung aber auch ausfallen möge, der 
Begriff der absoluten Bewegung wird durch sie nicht gefährdet. 
Führt ein bewegter Körper einen Theil des Aethers mit sich 
fort, so ist als absolute Bewegung des Körpers jene zu ver- 
stehen, die er relativ zu dem nicht in Mitleidenschaft gezogenen, 
weiter ab liegenden Aether ausführt. 

Zu der Anschauung, dass es absolute Bewegungen im 
Räume geben muss, werden wir übrigens, worauf von C. Neumann 
längst hingewiesen wurde, mit Notwendigkeit durch das 
Gesetz der Trägheit geführt. Auch die Gültigkeit des Energie- 
princips ist davon abhängig. Von dem Gesetze der Trägheit 
erkennt man dies sofort, wenn man die Bewegung eines 
materiellen Punktes, der ganz sich selbst überlassen ist, 
relativ zu einem selbst in beliebiger Bewegung begriffenen 
Räume betrachtet. In der That gilt ja z. B. für den irdischen 
Raum, wie aus der Ablenkung des Foucault'schen Pendels u. s. w. 
bekannt ist, das Trägheitsgesetz überhaupt nicht streng; es 
gilt nur für den durch die Kopernikanischen Vorstellungen 
über die Bewegungsvorgänge im Sonnensysteme definirten 
Raum. Bis auf Weiteres müssen wir daher als absolute Be- 
wegungen jene relativ zu diesem Kopernikanischen Räume 
ansehen. 

§ 115. 

Wenn wir im Folgenden von den Sätzen der Kinematik 
über die Relativbewegungen Gebrauch machen wollen, müssen 
wir bei dieser Sachlage mit Vorsicht verfahren. Wir dürfen 
es nicht a priori als feststehend ansehen, dass es z. B. gleich- 
gültig ist, ob ein Magnet sich in der Nähe eines ruhenden 
elektrischen Stromkreises oder ob dieser sich bewegt, während 
der Magnet ruht, falls nur in beiden Fällen die Relativ- 
bewegung die gleiche ist. 



310 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

Um diese Frage zu entscheiden, betrachte man noch einen 
dritten Fall. Der Magnet möge sich nämlich so bewegen 
wie im ersten Falle und der Stromkreis entgegengesetzt wie 
im zweiten Falle. ßelativ zu einander sind dann beide Körper 
in Ruhe, zusammen führen sie aber eine absolute Bewegung 
im Räume aus. Andere als die von den beiden Korpern her- 
rührenden Einflüsse seien von dem raumerfüllenden Mittel 
hierbei ganz ferngehalten; wir abstrahiren also z. B. von dem 
magnetischen, elektrostatischen und auch von dem Gravitations- 
felde der Erde. Die Erfahrung weist uns darauf hin, dass in 
diesem Falle die absolute Bewegung für sich gar keine elek- 
trischen oder magnetischen Kräfte in den beiden Körpern zu 
Stande bringt. — Man könnte versucht sein, die Berufung 
auf die Erfahrung hier als entbehrlich anzusehen, indem man 
sich dafür auf das Energieprincip stützte. Aber auch dann 
läuft eine Voraussetzung mit unter, die der Bestätigung durch 
die Erfahrung bedarf, nämlich die, dass das Trägheitsgesetz 
.. in diesem Falle unverändert anwendbar bleibt, dass also keine 
Umwandlung von kinetischer Energie in elektrische und aus 
dieser in Joule'sche Wärme vorkommt. 

Nach den vorliegenden Erfahrungen dürfen wir es aber 
als festgestellt ansehen, dass sich die beiden Körper in dem 
dritten Falle nicht anders zu einander verhalten wie im Zu- 
stande der Ruhe. Daraus folgt dann, dass die Bewegung, 
die wir dem einen Körper in diesem Falle ertheilten, die Ein- 
wirkung der anderen gerade überall aufhebt und dass ferner 
in den beiden zuerst besprochenen Fällen das Resultat überall 
das gleiche ist. Erst nach diesem Ergebnisse sind wir zu 
der Annahme berechtigt, dass es bei der Wirkung der beiden 
Körper aufeinander in der That nur auf die Relativbewegung 
zwischen ihnen ankommt. 

Dass eine so sorgfältige Untersuchung durchaus er- 
forderlich war, erkennt man noch besser daraus, dass sie nicht 
in allen Fällen zu dem gleichen Ergebnisse führt. Man be- 
trachte z. B. zwei elektrisch geladene Körperchen (materielle 
Punkte), die sich in parallelen Bahnen mit gleicher Ge- 



Erstes Capitel. Die durch Bewegungen inducirte elektromotor. Kraft. 31 1 

schwindigkeit neben einander herbewegen. Sie sind in relativer 
Ruhe zu einander, dabei wirken sie aber mit ganz anderen 
Kräften aufeinander, als wenn sie auch in absoluter Ruhe 
wären. Die Bewegung durch das Medium führt hier zu 
elektrischen Convections- und Verschiebungsströmen und im 
Zusammenhange damit zu einem magnetischen Felde, das im 
Zustande absoluter Ruhe fehlt. Hier bringt also in der That, 
wenn wir auch alle äusseren störenden Einflüsse fern halten und 
uns die beiden Körperchen allein im äthererfüllten Räume 
denken, so dass gar kein Vergleichskörper vorhanden ist, von 
dem aus wir die Bewegung beobachten könnten, doch die 
absolute Bewegung für sich schon, — die nach dem im 
vorigen § besprochenen Axiome der Kinematik sich von dem 
Zustande der Ruhe gar nicht unterscheiden Hesse — einen 
ganz bestimmten Einfluss hervor. In Fällen dieser Art hängt 
die Wirkung der Körper aufeinander demnach nicht von ihrer 
Relativbewegung allein ab. 

Diese Betrachtungen zeigen deutlich, mit welchen Schwierig- 
keiten die Behandlung der Elektrodynamik eines Systemes 
bewegter Körper heute zu kämpfen hat. Vermeintlich sicher 
begründete Vorstellungen, mit denen wir wie mit Thatsachen 
zu rechnen gewohnt waren, erweisen sich als unzuverlässig, 
sobald wir das Material kritisch zu sichten beginnen und der 
Verdacht wird dadurch geweckt, dass vielleicht auch noch 
Manches von dem, was wir jetzt zu den unerschütterbaren Grund- 
lagen unserer Naturanschauung rechnen, im Laufe der spätem 
Entwickelung der Wissenschaft den Nimbus der unbedingten 
Gültigkeit verlieren könnte. Und doch sind es andererseits 
auch wieder gerade diese Schwierigkeiten, aus denen wir die 
zuversichtliche Hoffnung auf weitere Aufschlüsse schöpfen 
dürfen. Wenn die Frage, ob sich der Aether mit den Körpern 
bewegt oder sich indifferent zu den Bewegungen der Körper 
verhält, auf unsere Schlüsse ohne Einfluss bliebe und die 
Entscheidung nicht in manchen Fällen zweifelhaft Hesse, 
fehlte uns jedes Mittel, diese Frage ihrer einstigen Lösung 
entgegen zu führen. 



312 Fünfter Abschnitt, Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

§ 116. GleitsteUen. 

Ich betrachte jetzt einen ganz einfachen, aber principiell 
wichtigen Fall. Ein permanenter Magnet bewege sich irgend- 
wie im Räume; es handelt sich darum, die jetzt mit @t, be- 
zeichnete elektrische Kraft zu bestimmen, die dadurch in der 
Nachbarschaft inducirt wird. 

Diese Kraft äussert sich nicht in einem leeren Räume, 
sondern entweder in dem Aether oder in einem Körper. Nach 
dem, was in § 114 über den Aether bemerkt wurde, sind wir 
im Zweifel, ob die Relativbewegung des Magneten gegen den 
Aether in seiner Umgebung zugleich die absolute Bewegung 
des Magneten darstellt oder nicht. Wollten wir annehmen, 
dass der benachbarte Aether die Bewegung eines Körpers bis 
auf grössere Entfernungen mitmachte, so hätten wir zu 
schliessen, dass die Magnetbewegung keine elektrischen Kräfte <£» 
von merklichem Betrage im Aether induciren könne, da sich 
beide dort, wo das magnetische Feld von grösserer Intensität 
ist, nahezu in Ruhe relativ zu einander befinden. Wir wollen, 
um dieser Ueberlegung einen kürzeren und schärferen Aus- 
druck zu geben, sagen, dass der Magnet während der Be- 
wegung auf einen sich mit ihm zusammen bewegenden Raum 
keine inducirende Kraft ausübt (vgl. § 115). 

Nehmen wir dagegen in der Nachbarschaft des bewegten 
Magneten einen zweiten Körper an, der sich in Ruhe befindet, 
so brauchen wir nicht mehr im Zweifel zu sein, dass in diesem 
zugleich auch der Aether ruht. Denn entweder nimmt der 
Aether überhaupt nicht an den Körperbewegungen Theil, 
ruht also immer, oder er macht die Bewegung des- mit ihm 
räumlich zusammenfallenden Körpers mit, wird also auch, wenn 
dieser Körper ruht, von ihm in der Ruhe zurückgehalten. Die 
Aufgabe, um die es sich jetzt handelt, besteht besonders darin, 
die in dem ruhenden Körper oder, wie wir auch sagen können, 
die auf einen in absoluter Ruhe verharrenden Raum bezogene 
inducirte elektrische Kraft @t, zu ermitteln. Denn dass sie 
für den sich mit dem Magneten bewegenden Raum (oder mit 



Erstes Capitel. Die durch Bewegungen inducirte elektromotor. Kraft. 313 

anderen Worten für den von dem Magneten aus ausgemessenen 
Raum) gleich Null zu setzen ist, ergab sich schon vorher. 
Wie sich die Kraft <g ö nun in Wirklichkeit im freien Aether 
in der Nachbarschaft vertheilt, wissen wir nicht. Entweder 
ist es die Kraft relativ zu einem in absoluter Ruhe befindlichen 
Räume oder sie liegt zwischen dieser und Null, jenachdem 
die in § 114 erörterte' Frage, zu entscheiden ist. Darauf 
kommt es für unsere Zwecke vorläufig aber auch gar nicht 
an, da wir nur die in ruhenden Körpern inducirte Kraft er- 
mitteln wollen. 

Zugleich führt uns diese Betrachtung aber auf eine Be- 
merkung von grösster Wichtigkeit. Wenn sich nämlich ein 
Magnet bewegt, ist der Werth der von ihm inducirten elek- 
trischen Kraft abhängig davon, auf welchen Raum wir sie 
(in dem vorher erläuterten Sinne) beziehen. Ausser den 
beiden Räumen, die wir bisher betrachteten und von denen 
der eine absolut ruhte, der andere sich mit dem Magneten 
bewegte, können wir uns nämlich noch beliebige andere be- 
wegte Räume hinzudenken, die sich durch entsprechend bewegte 
Körper verwirklichen Hessen. Jenachdem ein gegebener Punkt 
zu dem einen oder anderen dieser Räume gerechnet wird, fällt 
die Kraft (£* verschieden für ihn aus. 

Diese Betrachtung entspricht genau einer aus der Mechanik 
des materiellen Punktes bekannten. Rechnen wir den Punkt 
zu einem anderen als dem vorher benutzten Räume, so müssen 
wir nach dieser eine mechanische Zusatzkraft anbringen oder 
auch mit andern Worten, die Resultirende aus allen Kräften 
an dem .materiellen Punkte nimmt verschiedene Werthe an, 
je nach der Zugehörigkeit des Punktes zu dem einen oder 
anderen dieser Räume. 

So ist es also auch mit den inducirten elektrischen 
Kräften. Betrachten wir nun eine Grenzfläche zwischen zwei 
Räumen, so also, dass auf der einen Seite alle Punkte zu 
einem, die auf der anderen Seite zu einem zweiten, unabhängig 
von dem ersten bewegten Systeme gehören; vorausgesetzt 
wird dabei, dass die Bewegung derart erfolge, dass sich eine 



314 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

solche Abgrenzung beider Räume dauernd aufrecht erhalten 
lässt. (Entlanggleiten längs der Grenzfläche, Drehung um 
eine gemeinsame Achse u. s. w.) 

Denken wir uns den einen Raum nach allen Seiten hin 
unbegrenzt fortgesetzt, so müssen wir annehmen, dass die 
inducirte Kraft @u für ihn überall solenoidal vertheilt ist, 
da sie von in sich geschlossenen und auf diesen Raum be- 
zogenen magnetischen Strömen herrührt, denn sie ist dann 
in jeder Hinsicht gleich werthig mit der im vorigen Abschnitt 
besprochenen inducirten Kraft <S m . Für den andern Raum 
gilt natürlich dasselbe. Nun sind die beiden Räume aber 
nicht in dieser unverkürzten Ausdehnung vorhanden. Der 
Kraftfluss (S& endet für jeden an der Grenzfläche, oder findet, 
wenn man will, seine Fortsetzung durch den Kraftfluss &t> im 
anderen Räume. An der Grenzfläche selbst haben wir eine 
Stetigkeitsunterbrechung. Wir können uns diese zwar, wie 
die früher betrachteten schroffen Uebergäuge, dadurch ersetzt 
denken, dass die Grenzfläche zu einer Grenzschicht erweitert 
wird, in der ein allmählicher Uebergang aus dem Bewegungs- 
zustande des einen Raumes in den des andern stattfindet. 
Dadurch ändern wir aber nichts an der Thatsache, 
dass wir nun in dem gemischten Systeme („gemischt" 
weil zwei zu verschieden bewegten Räumen gehörige Körper 
darin vorkommen) an der Uebergangsstelle Anfangs- 
und Endpunkte von Kraftlinien haben. 

In diesen Bemerkungen ist die Theorie der Gleitstellen ent- 
halten. Zwei Leiter können mechanisch getrennt, aber elektrisch 
verbunden sein, so dass sie einen einzigen Stromkreis aus- 
machen, während sie kinematisch betrachtet, ein „gemischtes" 
System bilden. Das Linienintegral der elektrischen Kraft (die 
elektromotorische Kraft) ist in solchen Fällen in so viele 
Theile zu zerlegen, als verschieden bewegte Räume vorkommen. 

§ 117. Bewegter Magnet und ruhender Leiter. 

Wir nehmen die im Eingange des vorhergehenden § er- 
örterte Aufgabe jetzt wieder auf und lehnen uns zur Er- 



Erstes Capitel. Die durch Bewegungen inducirte elektromotor. Kraft. 315 

mittelung der Kraft dt, an die Entwicklung in § 101 an. Wie 
dort handelt es siel* auch hier um die Induction in einem 
ruhenden Leiter; der Unterschied besteht nur darin, dass in 
§ 101 überhaupt keine Bewegungen von Körpern vorausgesetzt 
wurden, dass die Aenderung von 18 und % vielmehr durch 
andere Umstände bewirkt sein sollte. 

letzt nehmen wir umgekehrt an, dass in einem relativ 
zum Magneten ruhenden Räume die Induction JB und das 
Vectorpotential % constant seien. Die Differentialquotienten 
dieser Vectoren nach der Zeit für den ruhenden Raum lassen 
sich dann leicht mit Hülfe von Raumoperationen gewinnen, 
wenn die Bewegung des Magneten gegeben ist. Wird ein 
Punkt P im magnetischen Felde P t genannt, wenn er im ge- 
gebenen Augenblicke als zum Räume des Magneten gehörig 
angesehen wird, und P 2 , wenn wir ihn zum absoluten Räume 
rechnen, und nehmen wir ferner einen Punkt 1 auf dem 
Magnete an, von dem wir die Radienvectoren t rechnen, so 
kann nach § 10, Gl. (20) die Geschwindigkeit to von P x stets 

gesetzt werden, ist also bekannt, wenn die Vectoren t> , tt, t, 
wodurch die Bewegungsart des Körpers bezw. die Lage von 
P t bestimmt werden, gegeben sind. 

Im Zeitelemente dt verschiebt sich P x gegen den ruhen- 
den Raum um todt. Dabei ändert sich in P 2 der Vector 3$ 
um ebensoviel als wenn man im bewegten Räume von P x 
erstens um — bdt weiter geht und zweitens noch den bewegten 
Raum um ndt gegen den festen um den Punkt P 2 dreht. 
(Wegen der Constanz von u für alle Punkte des bewegten 
Körpers vergl. § 10.) Die erste Aenderung gibt, wenn man 
den scalaren Factor dt heraushebt, — (t)V)5B*^ nach dem 
Begriffe der Operation (t)V). Um die zweite Aenderung zu 
ermitteln, bei der nur die Richtung und nicht die Grösse von 
8 betheiligt ist, denken wir uns den Vector* SB vom Punkte 
P 1 aus durch einen Radiusvector bildlich dargestellt. Der 
Endpunkt dieses Vectors beschreibt bei der Drehung ndt 



316 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

ein Linienelernent, das nach der oben citirten Gleichung (20) 
durch m 

nach Grösse und Richtung dargestellt wird. Nach dem Ge- 
setze über die Addition von Vectoren ist aber der Vector in 
der neuen Richtung gleich der Summe aus dem Vector in 
der vorhergehenden Lage und aus dem eben bezeichneten 
Elemente. Dieses selbst stellt also die durch die Drehung 
im Zeitelemente dt bewirkte Aenderung von SB dar. 
Im Ganzen haben wir also hier 

« = _(tiV)»+Vtt» .... (270) 

wofür man in leichtverständlicher Abkürzung auch schreiben 
kann 

» — (— (*V)+Vtt)'». 

Der Klammerwerth gibt den zusammengesetzten Raum- 
operator an, der in unserem Falle der Differentiation eines 
Vectors nach der Zeit gleichwerthig ist. Ebenso ist natür 
lieh auch ^ 

«=-(t>V)«+V»»H-(* v )+V»)». 

Hierbei ist immer noch 

85 = CUrl «Maxw. • 

Man sieht dies ein, wenn man bedenkt, dass die Raum- 
operation, durch die « aus « gewonnen wird, einer Differen- 
tiation nach der Zeit äquivalent, von der Raum Operation curl 
daher ganz unabhängig ist, so dass die Reihenfolge zwischen 
beiden vertauscht werden kann. Will man ganz sicher gehen, 
so kann man sich aber auch die Mühe nehmen, die Operationen 
nach Anleitung des ersten Abschnittes dieses Buches sämmt- 
lich durchzuführen, indem man in Componenten zerlegt. Man 
wird sich dann überzeugen, dass in der That identisch für 
jeden Vector « 

(— (*V) +V») • curl« — curl . (— (üy) + V»)*-( 271 ) 



Erstes Capitel. Die durch Bewegungen inducirte elektromotor. Kraft. 317 

ist. — Für die zweite Hauptgleichung (175) erhalten wir 
demnach hier 

CUrl (ß — <&) = — CUrl (- (fc V) + Vtt)»Maxw. , 

woraus man, wie in § 101, durch Integration findet 

<g = % e + (öV)»Ma X w. -V««Maxw. + «• 

Anscheinend werden wir damit für (£» auf denselben Werth 
geführt, der in § 101 für @ m ermittelt wurde, nämlich auf den 

Werth — «Maxw. (vgl. GL 227). In Wirklichkeit trifft dies 
aber nicht zu und zwar deshalb nicht, weil für die Bestimmung 
der Integrationsconstanten Ä ein anderer Weg eingeschlagen 
werden muss. In der That ist ja hier keineswegs im ganzen 
Räume div $ = div % 8 und schliesslich Ä = % s , weil die Kraft 
@t, selbst nicht überall solenoidal vertheilt ist. Im Magnet 
ist (Sa Null und in der Oberfläche bezw. in den Grenzschichten 
hat @t, daher Divergenz- bezw. Convergenzstellen. Der Vector 
(St, lässt sich daher in zwei Theile zerlegen, von denen der 
eine solenoidal und der andere wirbelfrei ist. Der letzte Theil 
ist identisch mit einem elektrostatischen Kraftflusse, den man 
sich von fingirten Ladungen auf der Oberfläche des Magneten 
ausgehend denken kann. Nur der erste, solenoidal vertheilte 

Bestandtheil des Vectors (Sj, wird durch Äataxw. angegeben; der 
andere ist in Ä mit enthalten. 

Betrachten wir zunächst den ersten Bestandtheil von (£&, 
also jenen, für den die div zu Null wird und bezeichnen wir 
ihn mit Qb\ so erhalten wir aus dem vorigen 

%\ = — $Maxw. = (t»V)ÄMaxw. — V tt ^Maxw. . (272) 

Dieser Werth lässt sich weiter umformen und zwar führt 
allgemein der Operator, mit dem wir es hier zu thun haben, 
in allen Fällen zu demselben Werthe wie ein zweiter, den 
wir jetzt ableiten wollen. Um den Satz allgemein zu be- 
weisen, nehme ich einen beliebigen, stetig vertheilten Vector 
8 an und denke mir daran die Raumoperation {(&V)— V U J 



318 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

ausgeführt. Nun ist, wie aus der oben angeführten Gleichung 
für t) hervorgeht, 

Vv 2 = — \u 3 + lw 2 ; Vtfc = *% — * u i ; V^ 3 = — xu 2 + J% 
und daher nach Gleichung (76) 

V»8t>— V8« (273) 

Andererseits ist nach Gleichung (85) 

(öV)S=VcurlS.H+VaSt>. 

Im Ganzen ist daher 

(öV)8— Vtt8=Vcurl8.H+VSti . . (274) 

Im letzten Gliede ist nämlich nach der ersten der 
Gleichungen (76) das totale V für die Summe der beiden 
partiellen gesetzt. Achten wir nur auf die Operatoren und 
lassen den Vector 8 weg, so lässt sich dies auch in der Form 
anschreiben 

K*V)— V«} = {Vt>— V&curl}. • • (275) 

Auch abgesehen von dem hier behandelten Falle, kann 
diese Formel oft mit Vortheil verwendet werden. 

Bei Anwendung dieser Umformung auf Gleichung (272) 
erhalten wir 

@ö = V Carl «Maxw. • t) + V «Maxw.tl , 

oder auch, wenn wir im ersten Gliede der rechten Seite SB 
einführen 

«;=V»tl+V«Maxw.tJ .... (276) 

Ueberzeugen wir uns zunächst davon, dass dieser Theil 
von (Sit in der That solenoidal vertheilt ist; nebenher werden 
wir dabei zu einem Ergebnisse geführt, das für die weitere 
Betrachtung von Wichtigkeit ist. 

Nach Gleichung (81) ist 

div V»* = ö curl« — ® curl t> — ti curF » — 28tt (277) 



Erstes Capitel. Die durch Bewegungen inducirte elektromotor. Kraft. 319 

Im letzten Gliede ist für curl ö der nach Gleichung (49) 
sich dafür ergebende Werth 2tt eingesetzt. — Andererseits 
erhalten wir 

div V*MtaJI = V 2 »Maxw/ * = tl V 2 «Ma X w. + 2ttCUrl» M axw. (278) 

Bei Ausführung der Operation V 2 an All ist nämlich auch 
Ö als veränderlich anzusehen und für die partiellen Diflferential- 
quotienten der Componenten von t) sind die ihnen entsprechenden 
Componenten von tt einzuführen (vgl. die der Gleichung 273 
vorausgehenden Zeilen). 

Beachtet man noch, dass für Ämexw. nach Gleichung (72) 

curl 2 durch „— V 2 ersetzt werden kann, so erkennt man, dass 

in der That 

div 9i = 
ist. 

§ 118. Das Linienintegral von (§». 

Die Kraft (St, selbst lässt sich an dem ruhenden Leiter 
nicht beobachten; nur ihr über den ganzen geschlossenen 
Stromkreis erstrecktes Linienintegral oder die von dem Mag- 
neten inducirte elektromotorische Kraft macht sich durch den 
entstehenden Inductionsstrom bemerklich. Obschon wir bis 
jetzt (St, noch nicht vollständig bestimmt haben, da uns noch 
die Kenntniss des wirbelfreien Bestandtheiles (S»' fehlt, können 
wir doch für den jetzt behandelten Fall die elektromotorische 
Kraft leicht berechnen, da %* zu ihr nichts beitragen kann. 
Dies geht aus § 30 hervor; der curl von %* ist nämlich nach 
der Art der Zerlegung, die mit 6^ vorgenommen wurde, überall 
auf dem ruhenden Leiter unbedingt Null. 

Schreiben wir für die elektromotorische Kraft E 7 so folgt 
aus Gleichung (276) 

Po 



E=fd%ym. 



Das zweite Glied in Gleichung (276) trägt nämlich eben- 
falls nichts zu dem Integrale über eine geschlossene Curve 



320 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

bei. Denn nach der Definition der Operation V (bezw. nach 
Gleichung 36) ist 



ß 

P a 



also Null, wenn P x mit dem Anfangspunkte P des Integrations- 
weges zusammenfällt. 

Nach Gleichung (21) lässt sich der für E gefundene 
Werth noch auf eine etwas übersichtlichere Form bringen 

e— y»v»*» ( 279 ) 

Die geometrische Bedeutung des hierin vorkommenden 
Yectorproductes folgt leicht aus § 7. Denkt man sich nämlich 
zuerst mit dem Zeitelemente dt multiplicirt und dann wieder 
damit dividirt, so ist Ybdt'di nac ^ Gleichung (13) gleich 
dem Inhalte des Parallelogramms, das von dem Linienelemente 
d% relativ zu dem vom Magneten aus ausgemessenen Räume 
beschrieben wird und dabei senkrecht zur Fläche dieses 
Parallelogramms gerichtet. Die scalare Multiplication mit SB 
liefert daher die magnetische Induction durch dieses Parallelo- 
gramm (Oberflächenintegral von 18 über die Fläche erstreckt, 
oder $9tdf nach früherer Bezeichnung). Nach einer anderen, 
in der Technik gebräuchlichen Bezeichnung, stellt das Element 
des Integrals in Gleichung (279) die Zahl der Kraftlinien dar, 
die im Zeitelemente dt das Linienelement d% durchschneiden, 
diese dividirt durch das Zeitelement dt] oder wie man auch 
sagen kann, die Zahl der in der Zeiteinheit das Linienelemelit 
durchschneidenden Kraftlinien. 

Aus Gleichung (279) dürfen wir indessen zunächst noch 
nicht schliessen, dass das unter dem Integralzeichen stehende 
Element auch wirklich die auf d% für sich genommen ent- 
fallende elektromotorische Kraft sei. Bei dieser sind vielmehr, 
wie aus der Ableitung der Formel hervorgeht, noch andere 
Glieder zu berücksichtigen, die sich bei der Summirung über 
den ganzen geschlossenen Kreis hinwegheben. 



Erstes Capitel. Die durch Bewegungen inducirte elektromotor. Kraft. 321 

§ 119. Bewegter Leiter und ruhender Magnet. 

Nach § 115 lässt sich dieser Fall auf den vorigen zurück- 
führen, falls der lineare Leiter sich wie ein starrer Körper 
bewegt, falls also namentlich keine Gleitstellen in ihm vor- 
kommen. 

Verstehen wir jetzt unter fe die Geschwindigkeit eines 
Punktes des Leiters, so finden wir* (S& aus Gleichung (276) 
durch einen einfachen Vorzeichenwechsel der mit t) behafteten 
Glieder; also 

"V^Maxw. * .... (280) 



- Auch hier verschwindet das zweite Glied dieses Ausdrucks 
und ebenso die zweite bisher unbekannte Componente <S&' von 
<S Ö aus der Formel, wenn wir das Linienintegral der elektri- 
schen Kraft für einen geschlossenen. linearen Leiter berechnen. 
Anders ist es aber, wenn der Leiter im Sinne von § 116 
ein „gemischtes" System darstellt. Wir wollen jetzt annehmen, 
dass er aus zwei Theilen bestehe, von denen sich jeder für sich 
wie ein starrer Körper bewegt und die durch zwei Gleitstellen 
in elektrischem Zusammenhange stehen. Bezeichnen wir die 
Gleitstellen mit I und II und die Geschwindigkeiten in den- 
selben mit dem Index a oder &, jenachdem sie sich auf den 
einen oder anderen der auf einander gleitenden Körper be- 
ziehen, so wird jetzt das über* den ganzen elektrischen Kreis 
erstreckte Linienintegral (S^ gleich 

ßüä* — /rf*V»8 - **(t£ — **) - **(!** - kl 1 ) (281) 

Die Klammerwerthe in den beiden letzten Gliedern geben 
die relativen Gleitgeschwindigkeiten an den beiden Gleitstellen 
an. Die Glieder selbst sind von der Form, als wenn in den 
Gleitstellen elektromotorische Kräfte von den angegebenen 
Beträgen zu Stande kämen. Der Index Maxw. ist der Kürze 
halber bei den % fortgelassen. 

Um die ganze elektromotorische Kraft in dem geschlossenen 
elektrischen Kreise zu erhalten, niuss man aber noch das 

Föppl, Maxwell'sche Theorie der Elektrieität, 21 



B22 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

Linienintegral der bisher unbekannt gebliebenen Componente 
(Sa' hinzufügen. In jedem der beiden bewegten Räumen lässt 
sich diese von einem Potentiale ableiten, da ihr curl Null ist. 
Diese Potentiale sind aber in beiden Räumen verschieden. 
Bilden wir also das Linienintegral von d^ und bezeichnen 
wir jene Potentiale mit W a bezw. W b} so erhalten wir dafür 

Auch dieser Werth besteht aus der Summe von zwei 
Potentialunterschieden, also von zwei elektromotorischen 
Kräften an den Gleitstellen. Schreibt man der Kürze halber 
für die Differenzen an den Gleitstellen, z. B. für tJ a — % jetzt 
&«,&, so wird schliesslich die elektromotorische Kraft 



E -fi 



4 f Vi* - («X» + *y + (»X* + *5) ( 282 > 

Auch hier beziehen sich die Klammerwerthe wieder nur 
auf Differenzen der Werthe Stti + W an den Gleitstellen, die 
von der besonderen Form der Leiter ganz unabhängig sind. 
Sie entsprechen den elektromotorischen Kräften an „Strom- 
enden", zu denen man nach der Fernwirkungstheorie bei der 
Behandlung „offener" Stromkreise geführt wird. 

Nach dem Inductionsgesetze müssen wir aber schliessen, 
dass diese Glieder gleich Null zu setzen sind. Denn das 
Tnductionsgesetz sagt aus, dass für jeden elektrisch geschlossenen 
Kreis, wenn er auch wie hier aus zwei mechanisch getrennten 
Theilen besteht, die elektromotorische Kraft dem magnetischen 
Strome durch eine von dem Kreise umschlossene Fläche 
numerisch gleich ist. Aus den auf Gleichung (279) folgenden 
Erörterungen folgt aber, dass schon das erste "Glied diesen 
magnetischen Strom vollständig darstellt; die beiden anderen 
Glieder müssen also zusammen genommen verschwinden. Damit 
dies aber für jede beliebige Anordnung der Gleitstellen und 
für jede Art der Bewegung der beiden Körper zu einander 
möglich ist, müssen sie auch einzeln Null sein. In jedem 
Körper haben wir daher 



Erstes Capitel.* Die durch Bewegungen inducirte elekkoniotor. Kraft. 323 

und demnach 

<g;=V9tti. ...... (283) 

zu setzen. Die gesarnnite durch die Bewegung inducirte 
Kraft (8 Ö ergibt sich hiernach mit Rücksicht auf Gleichung 
(280) zu ' 

e t) =VtJ» (284) 

die mit Aenderung des Vorzeichens von i) auch für den im 
vorigen § behandelten Fall anwendbar ist. Zugleich findet 
damit das am Schlüsse des vorigen § erhobene Bedenken 
seine Erledigung. 

Aus Gleichung (278) folgt noch 

div(g i i' = tiV 2 » + 2tt» .... (285) 

Wir lernen damit auch die fingirten elektrischen Massen 
kennen,"* die einen dem ߣ' äquivalenten elektrostatischen Kraft- 
fluss hervorzubringen vermöchten. Ueberall wo curl JB Null 
ist, wo also in Medien von constanter Permeabilität keine 
elektrische Strömung auftritt, ist die zu fingirende Rauin- 
vertheilung freier elektrischer Massen gleich 11.8/2» oder, falls 
es sich nur um eine Translation handelt, gleich Null. 

Wird z. B. ein Gleitstück auf zwei parallelen geraden 
Schienen in einem constanten magnetischen Felde verschoben, 
so tritt in dem Gleitstücke, das die beiden ruhenden Schienen 
überbrückt, die durch Gleichung (284) angegebene inducirte 
Kraft auf. Sie hat für jede Längeneinheit des Gleitstückes 
denselben Werth und im Gleitstüclfe selbst keine Divergenz- 
oder Convergenzstellen, wohl aber an den beiden Gleitstellen. 
Hier beginnt, bezw. erlischt dieser Kraftfluss ' (£?* und die 
Intensität der Divergenz oder Convergenz ergibt sich aus den 
Differenzen der SAD. 

Auch wenn keine Gleitstellen im gewöhnlichen Sinne des 
Wortes vorkommen, treten in einem bewegten Leiter Divergenz- 
stellen des Kraftflusses (St, auf. Man verschiebe z. B. einen 
Drahtring parallel zu seiner Ebene im magnetischen Felde der 
Erde. Die inducirte elektromotorische Kraft für den ganzen 
geschlossenen Ring ist dann Null; dabei wird aber die eine 

21* 



324 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter -Leiter. , 

Hälfte des Drahtringes positiv, die andere negativ geladen. Zu 
dem Kraftflusse (Sa gesellt sich ein elektrostatischer Kraftfluss, 
so dass die Summe beider überall im Metalle zu Null wird. 



§ 120. Auffassung der Kräfte %* als eingeprägte. 

Das Resultat, zu dem wir durch die Untersuchung über 
die Kraft (Sti gelangt sind, ist unstreitig recht befremdend. 
Man denke an den in § 117 behandelten Fall; der Leiter 
ruhte hier und die Aenderung des Feldes wurde nur durch 
die Bewegung des Magneten veranlasst. Offenbar hätte man 
dieselbe Aenderung des Feldes in der Umgebung des Leiters 
auch auf andere Art herbeiführen können. Man konnte z. B. 
von vornherein den Magneten durch ein System Ampere'scher 
Ströme ersetzen und die Raumvertheilung dieser Ströme etwa 
durch Aenderungen im Leitungswiderstand des von ihnen 
durchflossenen Körpers in eine andere überführen. In diesem 
Falle hätten wir es nur mit ruhenden Körpern zu thun und 
für die inducirte Kraft, die dann als % m zu bezeichnen ist, nach 

den Lehren des vorigen Abschnitts (Gl/227) überall — $Maxw. 
zu s'etzen. Sobald aber dieselbe Feldänderung durch die Ver- 
schiebung des Magneten bewirkt wird, gilt dies nicht mehr, 
sondern wir haben noch C£' oder —VAU hinzuzufügen. 

Das ist offenbar schwer begreiflich, denn gerade nach 
der Maxweirschen Theorie muss man annehmen, dass nur 
der Zustand des Feldes Si der unmittelbaren Nachbarschaft 
die resultirende Wirkung an jeder Stelle bedingt, ohne Rück- 
sicht darauf, auf welche Ursachen in weiter abliegenden Theilen 
des Feldes dieser Zustand zurückzuführen ist. Oder sollten 
sich beide Fälle dadurch von einander unterscheiden, dass 
der bewegte Magnet den Aether der Nachbarschaft mit sich 
führt? Dann wäre freilich der Zustand des Feldes durch die 
Grössen SB, $, (S, S) noch nicht hinreichend bestimmt. Man 
könnte auch daran zweifeln, ob die vorliegenden experimen- 
tellln Thatsachen in der That hinreichen, um das Inductions- 
gesetz in seiner gegenwärtigen Form auch für den Fall, dass 



Erstes Capitel. Die durch Bewegungen inducirte elektromotor. Kraft. 325 

der Leiter Gleitstellen enthält, als streng bewiesen anzusehen. 
Sollten sich nicht vielleicht die auf die Gleitstellen bezüglichen 
Glieder in Gleichung (282) der Beobachtung bisher entzogen 
ha'ben?; Der winselnde Uebergangswiderstand an den Gleit- 
stellen könnte sie leicht verdeckt haben, denn wie die Durch- 
rechnung eines Zahlenbeispieles lehrt, wird nur in ausser- 
gewöhnlichen Fällen ÄU a ,&. für eine Gleitstelle mehr als 1 Volt 
betragen, gewöhnlich -aber viel kleiner sein. Auch der Ein- 
. wand, dass die Energiebeziehungen (der erste Hauptsatz) die 
Nichtexistenz dieser Glieder bestätigten, ist nicht stichhaltig, 
da sich ein entsprechender calorischer Effect (ähnjich dem 
Peltiereffect) an den Gleitstellen der Beobachtung *erst recht 
entzogen haben könnte. Eine dritte Möglichkeit zur Erklärung 
des Widerspruches würde sich dadurch ergeben, dass man 
annähme, auch schon die absolute Bewegung, die man einem 
Magneten und einem mit diesem fest verbundenen Leiter er- 
theilt, vermöge in diesem, entgegengesetzt der in § 115 er- 
örterten "Annahme, elektrische Kräfte zu induciren. Eine 
Consequenz hiervon wäre, dass auch schon ein sich allein im 
Aether, fern von allen anderen Körpern bewegender &tahl- 
magnet in Folge der Bewegung eine elektrische Ladung an- 
nehmen müsste. 

Alle diese Fragen müssen vorläufig unbeantwortet bleiben. 
Auf jeden Fall nehme ich indessen weiterhin an, dass das 
Inductionsgesetz ohne Aenderung auch für Leiter mit Gleit- 
stellen gültig bleibt und dass daher (St, durch Gleichung (284) 
richtig angegeben wird. Maxwell selbst und die meisten seiner 
Nachfolger haben diesen Werth von (g ö angenommen*) und ich 
schliesse mich ihnen an, nachdem ich darauf hingewiesen 
habe, dass immerhin noch ein gewisser Zweifel möglich ist, 
der nur ilurch das Experiment gehoben werden katfn. 

Von Gb m unterscheidet sich nun ®j, durch das neu hin- 
zugetretene Glied <SSi'. Es ist desshalb nicht mehr zulässig, beide 

*) J. J. Thomson- hat sich in seinen neuesten Arbeiten indessen im 
entgegengesetzten Sinne entschieden und betrachtet den in Gl. (280) ge- 
gebenen Werth von du als das totale (Ü&, setzt also (Sfo = 0. 



326 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

in allen Fällen zur gemeinsamen weiteren Behandlung zu ver- 
einigen, wie es sonst am nächsten liegen würde. Macht sich 
die Absonderung nöthig, so liegt es nahe, (St, sofort mit zu 
den eingeprägten Kräften <S„ zu schlagen. Jm Ganzen setzt 
sich ja nach den bisherigen Untersuchungen die ganze Kraft <g 
aus folgenden Theilen zusammen 

«-«* + «»+-«.■+«, .... (286) 
Das letzte Glied umfasst hierbei die Summe der hydro- 
elektrischen, thermoelektrischen, pyroelektrischen Kräfte u. s.w.,* 
die wir stets zu den eingeprägten gerechnet haben. Es steht 
uns aber" giuch frei, die durch Bewegungen der Körper inducirte 
Kraft @ b in die Summe der eingeprägten Kräfte mit ein- 
zurechnen. In der zweiten Hauptgleichung • 

curl (<g - @«) = - © 

ist in diesem Falle unter ÜB eine partiell nach der Zeit ge- 
nommene Differentation zu verstehen. 

Im anderen Falle gilt die zweite Hauptgleichung indessen 
ebenfalls unverändert; nur ist dann die Differentation an JB 
total auszuführen. Unterscheidet man wie gewöhnlich die 
partielle Differentation von der totalen durch runde #, so ist 
(vgl. § 117) 

ä = ı((*v)-V«). 

Das Vorzeichen vor der Klammer bestimmt sich danach, 
ob sich die Bewegung b auf den Körper bezieht, den wir be- 
trachten, oder auf das Feld. 

Bildet man den curl von (St, unmittelbar nach Gleichung 
(284)^ so erhält man nach dem Rechengesetze Gleichung (84) 

curl «» = (»V) tl -• (UV)», 
denn die beiden anderen Glieder in Gleichung (84) fallen hier 
fort, da nicht nur div SB, sondern auch div Ö (Gl. 51) Null ist. 
Für (SBV)to erhalten wir, wenn ^ir den Werth von t) aus 
Gleichung (20) einsetzen, 

' (8V)H = (»V)Vut— V*8 • • • ( 287 ) 



E rstes Capitel. Die durch Bewegungen inducirte elektromotor. Kraft. 327 

Der zuletzt angegebene Werth folgt nicht aus einer all- 
gemeinen Formel, sondern ergibt sich nur mit Rücksicht darauf, 
dass t ein Radiusvector und u für den ganzen Körper constant 
ist. Die wirkliche Durchführung der Operationen nach den 
dafür aufgestellten Rechenvorschriften liefert aber mit Leichtig- 
keit den Nachweis, dass der zuletzt angegebene Werth dem 
ihm vorhergehenden gleich ist. 

Im Ganzen ist daher 

curl@t, = — (W)»+Vu» 

und das ist in der That das. Negative jenes Theiles von SB 
der durch die Ortsänderung des Körpers bedingt wird. 

Dass diese Probe zutreffen müsse, geht übrigens schon 
daraus hervor, dass (£& von vornherein durch Folgerung aus 
der zweiten Hauptgleichung abgeleitet wurde und diese daher 
nothwendig erfüllen muss^ wenn kein Fehler in der Ableitung 
begangen wurde. 

Bei der Anwendung der zweiten Hauptgleichung steht 
demnach nichts im Wege, die beiden inducirten Kräfte (& m 

und (Si, zu vereinigen und dann unter SB den totalen Differential- 
quotienten nach der Zeit zu "verstehen. Dieses Vorgehen em- 
pfiehlt sich auch um so mehr, als nur dann 8$ den mag- 
netischen Strom g, bezogen auf den vom inducirten Körper 
aus ausgemessenen Raum darstellt. 

Sobald man aber von der zweiten Hauptgleichung zu 
ihrem Integrale übergeht, also mit dem Vectorpotentiale 
operirt, stellt sich der besprochene Unterschied ein und (S^ ist 
von @ m getrennt zu halten. 

§ 121. Unipolare Induction. 

Als unipolare Induction bezeichnet man das Auftreten 
inducirter elektrischer Kräfte in Folge der Rotation eines 
stabförmigen permanenten Magneten um die Stabachse. "Mit 
Recht hat man diesem Phänomen von jeher ein lebhaftes 



328 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

Interesse entgegen gebracht; es soll daher auch hier etwas 
eingehender behandelt werden. 

Zunächst ist zu erwähnen, dass die unipolare Induction 
nur dann zur Erzeugung eines Stromes führt und sich über- 
haupt nur dann bemerklich macht, wenn die geschlossene 
metallische Leitung im Sinne von § 116 ein gemischtes System 
bildet, also aus mindestens zwei Theilen besteht, die zu ver- 
schieden bewegten Räumen- gehören. Gewöhnlich ist der eine 
dieser beiden Theile der elektrisch leitende Körper des Magneten, 
selbst, der andere eine Drahtschlinge, die durch die eine 
Gleitstelle mit dem cylindrischen Mantel und durch die zweite 
mit der Polfläche (meist auf der Rotationsachse) des Magneten 
elektrisch verbunden ist. Fallen die Gleitstellen fort, rotirt 
also die Drahtschlinge mit dem Magneten, so tritt kein 
Inductionsstrom auf und dem entsprechend ist es auch für 
das Zustandekommen dieses Stromes gleichgültig, ob der 
Magnet feststeht und die Drahtschlinge in der einen Richtung, 
oder ob umgekehrt der Magnet in der entgegengesetzten 
Richtung rotirt und die Drahtschlinge ruht. 

Zweifelhaft könnte dagegen sein, ob auch in dem zweiten 
Falle ebenso wie unstreitig im ersten die Drahtschlinge aus- 
schliesslich den Sitz der elektromotorischen Kräfte @t, bildet, 
deren Linienintegral wir allein zu beobachten vermögen. Es 
kommt dies auf die Frage hinaus, ob wir, bildlich gesprochen, 
anzunehmen haben, dass die Kraftlinien mit dem Magneten 
rotiren, oder ob sie im äusseren Räume in Ruhe verharren, 
wenn der Magnet um seine Achse rotirt. 

Nach der modernen Auffassung des Magnetismus ist der 
Luftraum in der Umgebung des Magneten ebensogut mag- 
netisirt, wie dieser selbst. Der grössere Theil der gesammten 
Energie hat sogar seinen Sitz im. Lufträume. Von .vornherein 
könnte es daher ganz glaubhaft erscheinen, dass bei der 
Rotation des Magneten die Inductionslinien in der Luft ruhten 
und ihre Fortsetzungen im Magneten also ebenfalls in absoluter 
Ruhe verharrten oder relativ zum Magneten, um dessen Achse 
rotirten. In diesem Falle würden sich die Kräfte (S*, auf die 



Erstes Capitel. Die durch Bewegungen inducirte elektromotor. Kraft. 329 

Stahlinasse selbst vertheilen, so dass sie eine elektromotorische 
Kraft in radialer Richtung zwischen den peripherisch und den 
central gelegenen Theilen des Stahlkörpers hervorbrächten. 

Gegen diese Auffassung spricht * aber in eindringlicher 
Weise die folgende Erwägung. Verschieben wir den Magneten, 
so nimmt er seine Kraftlinien zweifellos mit sieh und der 
Grund hierfür liegt offenbar darin, dass die Stahlmasse den 
Sitz der eingeprägten magnetischen Kräfte bildet, die man 
als die Ursachen des Kraft- und Inductionsflusses ansehen 
kann. Dieser Fall unterscheidet sich aber kaum von dem 
vorhergehenden, wo die Bewegung des Magneten in einer 
Rotation um seine Achse bestand. Auch hier nimmt der Sitz 
der eingeprägten magnetischen Kräfte an der „Rotation Theil 
und wir müssen daher annehmen, dass auch alle Kraft- 
und Inductionslinien und zwar sammt ihrer Fort- 
setzung im'Lniftraume mit rotiren. Die Annahme nämlich, 
dass diese Linien zwar im Magneten rotirten, im Lufträume 
aber ruhten, dass die Stahloberfläche also eine Gleitfläche für 
diese Linienenden bildete, lässt sich' mit dem thatsächlichen 
Bestehen der unipolaren Induction nicht vereinigen, G^ wäre 
dann in beiden Theilen des ganzen Stromkreises überall Null, 
und die beobachtete Wirkung könnte dann höchstens in den 
Gleitstellen selbst zu Stande kommen, wogegen aber die Aus- 
führungen in § 119 (nach Gleichung 282) sprechen. 

Wir haben daher, wenn die Drahtschlinge rotirt und der 
Magnet ruht, die inducirte elektrische Kraft in der Draht- 
schlinge nach Gleichung (284) überall gleich V&® und im 
Magneten gleich Null zu setzen und genau dieselbe Vertheilung 
der inducirten Kräfte auch dann anzunehmen, wenn der Magnet 
rotirt und die Drahtschlinge ruht. Die elektromotorische 
Kraft ist daher gleich dem Linienintegrale von V^® übe* -den 
ganzen ungeschlossenen äusseren Theil der Leitung. 

Das reeiproke Phänomen, nämlich die Rotation der beiden 
Leitungstheile relativ zu einander in Folge eines Stromes, der 
durch eine eingeprägte elektrische Kraft in dem ganzen Strom- 



330 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

kreise unterhalten wird, erklärt sich leicht aus dem durch 
Gleichung (165) ausgesprochenen Differentialgesetze für die 
elektrodynamischen Kräfte. Diese ponderomotorischen Kräfte 
vertheilen sich zugleich auf die Stahlmasse und auf die Draht- 
schlinge und zwar so, dass die resultirende elektrodynamische 
Kraft an dem Magnete mit jener . an der Drahtschlinge ein 
Kräftepaar bildet, das nicht nur eine Verdrehung beider gegen- 
einander, sondern auch eine Rotation, des ganzen Systems zu 
bewirken sucht, wenn man die Gleitstellen unterdrückt. Dazu 
kommt aber nun noch die ponderomotorische Einwirkung des 
von dem Strome herrührenden magnetischen Feldes auf den 
Magneten, die mit dem besprochenen Kräftepaare am ganzen 
Systeme im . Gleichgewichte steht, wie aus der Untersuchung 
in § 98 hervorgeht. Beide Theile des Systems suchen sich 
daher nur noch gegeneinander zu verdrehen. 



Zweites Gapitel. 
Energiebeziehungen zwischen bewegten Leitern. 

§ 122. Die ponderomotorische Arbeit an einem 
bewegten Leiter. 

Ein linearer. Leiter erfahre in einem magnetischen Felde 
eine Verschiebung dtt). Wir wollen zunächst die Arbeit be- 
rechnen, die von der an einem Längenelemente d% angreifen- 
den elektrodynamischen Kraft bei dieser Verschiebung geleistet 
wird. Diese Kraft gelbst ist nach Gleichung (164), wenn die 
Stromstärke jetzt wieder mit G bezeichnet wird, 

$ = cydm. 

Nach § 6 ist die von fj bei der unendlich kleinen Ver- 
schiebung dto geleistete Arbeit gleich 

Nach Gleichung (21) kann dafür auch 

CQYdtod». 



Zweites Capitel. Energiebeziehungen zwischen bewegten Leitern. 331 

gesetzt werden. Dieser Ausdruck lässt aber eine einfache 
geometrische Deutung zu. Nach der Definition des Veetor- 
products ist nämlich der Tensor von ^Jdtod% gleich der Fläche 
des Parallelogramms, das von d% bei der Verschiebung eüto 
beschrieben wird; für ^JdtodS kann daher auch 9tdf gesetzt 
werden, wenn die Parallelogrammfläche mit df und die nach 
§ 7 bestimmte Eiuheitsnormale mit 91 bezeichnet wird. 9S9ldf 
ist hiernach die magnetische Induction durch die vom Strom- 
elemente d% beschriebene Fläche. Der Werth ist positiv, 
wenn die Aufeinanderfolge der Richtungen dto, d%, SJ zu einem 
Rechtssysteme im Räume führt, negativ im entgegengesetzten 
Falle und Null, wenn zwei der drei Richtungen mit einander 
zusammenfallen. 

Bei der Berechnung der von der elektrodynamischen Kraft 
geleisteten Arbeit ist nur auf die Translationsbewegung des 
Elementes d% zu achten; einer Drehung um den Mittelpunkt 
des Elementes entspricht, wie aus dem Ausdrucke für % her- 
vorgeht, die Arbeitsleistung Null-, wenn ÜB constant* ist und 
sonst eine gegen die vorige unendlich kleine Arbeitsleistung, 
die gegen diese stets zu vernachlässigen ist. 

Für jede Verschiebung eines geschlossenen linearen 
Leiters im magnetischen Felde, mit der auch eine beliebige 
Gestaltänderung des Leiters verbunden sein kann, ist demnach 
die algebraische Summe der von den elektrodynamischen 
Kräften geleisteten Arbeiten gleich dem Producte aus der 
Stromstärke in dem Leiter und der durch die Bewegung für 
sich genommen verursachten Aenderung der Incluetion durch 
den Leiter. 

Um dies in kürzester Form ausdrücken zu können, wollen 
wir die ganze Induction durch den Leiter mit & bezeichnen, 
d. h. Sl als den Werth des Oberflächenintegrals von SS über 
eine von dem linearen Leiter begrenzte Fläche definiren. 
Jener Theil von ß, der zum Inductionsstrome selbst gehört, 
der also auch vorhanden wäre, wenn alle Magnete und Strfcme 
mit Ausnahme des Inductionsstromes C aus dem Felde ent- 



332 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

fernt wären, sei mit £1' bezeichnet. Die beiden Grössen Sl 
und &' sind Sealaren, von denen wir £1' stets positiv rechnen 
und iß dann positiv, wenn es mit £1' gleich geht, wenn also 
das von fremden Erregern herrührende Feld sich zu dem von 
dem Strome selbst herrührenden auf der vom Strome um- 
schlossenen Fläche addirt. Aus der Ampere'schen Schwimmer- 
regel folgt dann sofort, dass Sl positiv ist, wenn der Umlaufs- 
sinn des Stromes^ C um die Fläche mit der Richtung der 
Induction durch die Fläche, bezw. mit der Richtung des über- 
wiegenden Theiles, wenn die Inductionslinien an verschiedenen 
Stellen in entgegengesetztem Sinne durch die Fläche gehen, 
eine rechtsgängige Schraubenbewegung bestimmt. 

Für A' lässt sich nach Gleichung (233) auch GL setzen, 
wenn L den Selbstinductionscoefficienten des bewegten Draht- 
ringes bedeutet. 

• Die vorhergehenden Betrachtungen lassen sich mit diesen 
Bezeichnungen zu dem^Ergebnisse -zusammenfassen', dass die 
von den elektrodynamischen Kräften während einer unendlich 
kleinen Bewegung des Drahtringes geleisteten Arbeiten wieder- 
gegeben werden durch 

Ponderomotorische Arbeit = C (d£l — d&) . . (288) 

denn der Theil dSV von dSl kommt nicht durch die Bewegung 
zu Stande*), und nur der Rest gibt die 
Summe der von allen Stromelementen d% 
durchschnittenen Inductionslinien an. Dass 
das Vorzeichen in Gleichung (288) richtig 
gewählt ist, lehrt ein Blick auf die neben- 
stehende Figur. Hat nämlich 8J die ein- 
gezeichnete ßichtung zu rfto und d% } so 
bilden dto } d%, SB ein Rechtssystem und die 
elektrodynamische Kraft leistet nach den 
vorher gefundenen Ergebnissen eine positive 

Abb. 13. ° ° 

Arbeit. Die linke Seite von Gleichung (288) 
nimmt also einen positiven Werth an. In der That ist aber 

*) Vgl« indessen § 127. 




Zweites Capitel. Energiebeziehungen zwischen bewegten Leitern. 333 

auch der Zuwachs, den & durch die Bewegung von d% erfährt, 
bei dieser Richtung von 85 positiv, denn man sieht ja sofort, 
dass die angenommene Richtung von 85 mit dem Umlaufssinn 
von C eine rechtsgängige Schraubenbewegung bestimmt. 

Gleichung (288) bleibt übrigens auch dann noch gültig, 
wenn Gleitstellen im Leiter vorkommen, da nach den bisherigen 
Erfahrungen besondere ponderomotorische Kräfte an den Gleit- 
stellen nicht auftreten, und der Ausdruck für die elektro- 
dynamische Kraft am Stromelemente nur von dem Zustande 
des Feldes am Orte des Stromelementes abhängt, so dass es 
hierfür ganz gleichgültig ist, wie sich an entfernteren Stellen 
die Verhältnisse gestalten. 

• Um die Arbeitsleistung an einem nichtlinearen Leiter zu 
berechnen, kann man sich die ganze Strömung in' geschlossene 
Stromröhren zerlegt denken, die als lineare Leiter aufzufassen 
sind und hierauf die ganze Arbeitsleistung durch Summirung 
des durch Gleichung (288). gegebenen Ausdrucks über .sämmt- 
liche Stromröhren ermitteln. Verschiebungs- und Qonvections- 
strome sind, wo sie vorkommen, hierbei natürlich mit ein- 
zurechnen. 

• 

§ 123. Vergleich der ponderomotorischen mit der elektro- 
motorischen Arbeit. 

Zunächst sei) da es von Wichtigkeit ist, genau auf das 
Vorzeichen der Induction Sl und ihrer Differentiale zu achten, 
noch auf einen Fall hingewiesen, an dem sich die Festsetzung 
des Vorzeichens leicht prüfen lässt. Hängt man nämlich einen 
linearen Leiter, in dem durch einjB eingeprägte Kraft (etwa 
durch eine Batterie) ein Strom dauernd unterhalten wird, be- 
weglich in einem Magnetfelde auf, z.B. so, dass er sich um 
eine gegebene Achse zu drehen vermag, so wird er sich von 
selbst stets so einstellen, dass <& möglichst gross und positiv 
wird. Denn bei einem positiven dSl leisten die elektrodynamischen 
Kräfte eine positive Arbeit, vermögen also äussere Widerstände, 
die sich der Bewegung entgegenstellen, zu überwinden. Eine 
Bewegung im entgegengesetzten -Sinne (negatives dSl) können 



334 Fünfter Abschnitt. .Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

wir nur durch eine äussere (eingeprägte mechanische) Kraft 
erzwingen. Die grösste positive Inductionslinienzahl umschliesst 
der lineare Leiter aber dann, wenn das von dem eigenen Strome 
herrührende Feld &' mit dem vom Magneten oder fremden 
Strömen ausgehenden Sl — &' gleichgerichtet ist. Wenn der 
Leiter sich selbst überlassen wird, wird er sich daher so drehen, 
dass diese Bedingung erfüllt wird. 

Nach dem Inductionsgesetze ist- das Linienintegral der 
inducirten Kraft gleich dem magnetischen Strome durch die 
umschlossene Fläche oder mit Berücksichtigung des Vorzeichens 
gleich — d®/dt. Dass das Vorzeichen richtig gewählt ist, 
ergibt sich daraus, dass in Uebereinstimmung mit dem Lenz'sehen 
Gesetze ein Anwachsen von £l\ mit dem & im gleichen Sihne 
gewählt wird, eine elektromotorische Kraft erzeugt, die dem 
Strome entgegen wirkt. Die auf. die Zeiteinheit bezogene elektro- 
motorische Arbeit der inducirten Kräfte ist gleich dem Producte 
aus der elektromotorischen Kraft .und der Stromstärke; für 
die Zeit, in der die unendlich kleine Lagenänderung, die wir 
betrachten, erfolgt also: 

Elektrom. Arbeit der inducirten Kräfte = — Cd£l (289) 

Die ponderomotorische Arbeit, die bei der unendlich 
kleinen Lagenänderung gewonnen wird, unterscheidet sich also 
von dem negativen Betrage der elektromotorischen Arbeit 
der inducirten Kräfte durch das Glied — Cd£l' , -wofür auch 
— LCdC oder — ~LdC 2 gesetzt werden kann, wenn sich 
der Selbstinduction&coefficient L während der Bewegung nicht 
änderte. 

§ 124. Bewegung eines Drahtringes im magnetischen Felde, 
wenn keine eingeprägten elektrischen Kräfte auftreten. 

Ein geschlossener linearer Leiter "führe jetzt eine beliebige 
Bewegung in einem von ruhenden permanenten Magneten oder 
ruhenden constanten Strömen geschaffenen magnetischen Felde 
aus. Es wird dann ein elektrischer Strom in ihm inducirt, der 
selbst wieder auf das magnetische Feld zurückwirkt. Nach der 



Zweites Capitel. Energiebeziehungen zwischen bewegten Leitern. 335 

soeben ausgesprochenen Voraussetzung ist aber die Aenderung 
des Feldes der Zeit nach ausschliesslich durch den inducirten 
Strom selbst bedingt. 

Da ausser der inducirten keine andere elektrische Kraft 
an dem Drahtringe auftreten soll (auch elektrostatische Kräfte 
mögen der Einfachheit wegen ausgeschlossen sein, obschon 
sie ohnehin nichts zu der ganzen elektromotorischen Kraft 
beitragen können) muss das Linienintegral der inducirten 
Kraft in der Stromrichtung genommen nothwendig positiv 
sein, denn der Strom kann immer nur in der Richtung der 
resultirenden elektrischen' Kraft zu Stande kommen. Auch 
die elektromotorische Arbeit ist daher in jedem Augenblicke 
positiv und" das Differential d£l nach Gleichung (289) demnach 
negativ, wenn £1, wie stets, auf den wirklich zu Stande kommenden 
Strom C bezogen '.wird. 

Der Bestandtheil GdSl der ponderomotorischen Arbeit 
(Gleichung 288) ist also hier negativ. Auch der andere Be- 
standtheil — Cd£l' ist negativ, falls die Stromstärke C während 
der Bewegung eine Zunahme erfährt, da &' stets positiv ist 
und mit C anwächst. Im Ganzen haben wir daher in diesem 
Falle eine negative ponderomotorische Arbeit, d. h. wir müssen 
von aussen her mechanische Arbeit an dem Drahtringe leisten, 
um ihn zu der verlangten Orts- und Formänderung zu nöthigen. 
Der erste Bestandtheil dieser von aussen zugeführten Energie 
ist von gleichem Betrage wie die gewonnene elektromotorische 
Arbeit, die nach dem Joule'schen Gesetze in Wärme umgewandelt 
wird. Der andere Theil wird dazu gebraucht, das Anwachsen 
der Stromstärke zu ermöglichen. 

Um dies klar einzusehen, nehme man an, der Drahtring 
werde nun weiterhin in seiner jetzigen Lage festgehalten. Dann 
ändert sich nur noch der Bestandtheil £1' von ß, daher ist 
dSl = d£l' und die im folgenden Zeitelemente in Joule'sche 
Wärme verwandelte elektromotorische Arbeit nach Gleichung 
(289) gleich — Cd&l'. Der Theil &' nimmt also stetig ab, 
so lange bis der Strom allmählich erloschen ist, womit ß' 
zu Null wird. Die von den äusseren Kräften geleistete Arbeit 



336 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

Cd£l' ist also in der That*jener Betrag von Energie, der im 
Medium aufgestapelt werden rnuss, um die Erhöhung der 
Stromstärke um dC im Drahtringe zu ermöglichen. Der ganze 
Betrag dieser aufgestapelten Energie wird in jedem Falle in 
irgend einer Form zurückgewonnen, wenn der Strom im Drahi> 
ringe wieder erlischt. Er geht vollständig in Joule'sche Wärme 
über, wenn der Drahtring festgehalten wird. In Form von 
mechanischer Arbeit wird er dagegen (wenigstens theilweise) 
zurück erhalten, wenn der Strom C während einer Bewegung 
des Drahtringes im magnetischen Felde abnimmt, denn in 
diesem Falle ist das Glied — Cd£l' in Gleichung (288) positiv. 

Aus diesen Betrachtungen folgt, dass das Energieprincip 
während des ganzen Vorgangs erfüllt ist. Während wir die 
Bewegung einleiten, müssen wir von aussen Energie in Form 
von mechanischer Arbeit zuführen; ein Theil hiervon wird 
unmittelbar in Stromwärme verwandelt und der andere Theil 
wird aufgespeichert. Beim weiteren Verlaufe kann dann wieder- 
um ein Bruchtheil der ursprünglich aufgespeicherten Energie 
zur Leistung äusserer Arbeit nutzbar gemacht werden, während 
der Rest noch vollends in- Joule'sche Wärme übergeht. 

Dass in der That nur ein Bruchtheil der aufgespeicherten 
Energie in Form von mechanischer Arbeit zurückerhalten 
werden kann, geht daraus hervor, dass nach Gleichung (289) 
Cd£l stets nothwendig negativ und dass daher die gewonnene 
ponderomotorische Arbeit nach Gleichung (288) stets kleiner 
als die bei einer Stromabnahme verfügbar werdende Energie 
— Cd& ist. 

Auf die kinetische Energie der ponderablen Massen des 
Drahtringes während des Bewegungsvorgangs ist hierbei keine 
Rücksicht genommen, das Problem also so behandelt worden, 
als wenn der Ring keine Masse hätte, weil aus den Be- 
trachtungen der gewöhnlichen Mechanik schon hinreichend 
bekannt ist, dass das Energieprincip für die hierbei ins Spiel 
kommenden Energieumsätze erfüllt wird. 

Von einigem Interesse ist in diesem Zusammenhange 
schliesslich noch der Fall, dass der Widerstand des Drahtes 



Zweites Capitel. Energiebeziehungen zwischen bewegten Leitern. 337 

gleich Null gesetzt werden kann. Physikalisch realisirbar 
ist dieser Fall zwar nicht und nach der Auffassung djer Max- 
w einsehen Theorie von der Strombildung ' in den Leitern er- 
scheint er sogar geradezu physikalisch unmöglich. Er kann 
daher nur die Bedeutung eines Grenzfalles in Anspruch nehmen, 
dem man sich bis zu einem gewissen Grade zu nähern ver- 
mag, ohne ihn jedoch völlig erreichen zu können. 

In diesem Falle fallt die Joule'sche Wärme fort und 
daher wird auch die ihr gleiche elektromotorische Arbeit zu 
Null. Nach Gleichung (289) verschwindet dann das Differential 
d£l) d. h. die Zahl der von der Drahtschlinge umfassten In- 
ductionslinien kann durch keine Bewegung im magnetischen 
Felde geändert werden. Der Strom G bildet sich nämlich 
während der Bewegung stets in solcher Richtung und Stärke 
aus, dass die resultirende Induction Sl constant bleibt. Gingen 
von Anfang an keine Inductionslinien durch die vom Ring 
umschlossene Fläche, so bleibt <ß stets gleich Null, wie man 
den Ring auch im magjietischen Felde bewegen möge. Die 
ponderomotorische Arbeit ist hier gleich — Cd£l'] sie wird 
vollständig wieder gewonnen, wenn der Ring in die Anfangs- 
lage zurückkehrt Wird der Ring sich selbst überlassen, so 
stellt er sich so ein, dass C zu Null wird, wenn dies .über- 
haupt in irgend einer Lage möglich äst, oder doch so, dass C 
den mit den Umständen verträglichen Minimalwerth annimmt. 
Der erste Fall tritt namentlich immer dann ein, wenn von 
Anfang an keine Inductionslinien vom Ringe umfasst wurden; 
er stellt sich dann so, dass die Kraftlinien des Feldes in die 
Ringebene fallen. 

Man sieht leicht ein, wie sich diese Aussagen abändern, 
wenn der Widerstand zwar nicht als Null aber als unendlich 
klein angesehen werden darf. Naherungs weise trifft dies z. B. 
bei gewissen, in letzter Zeit oft besprochenen Wechselstrom- 
versuchen von Elihu Thomson ein. 

Von rein physikalischem Interesse ist der Fall des wider- 
standslosen Ringes besonders desshalb, weil die schon oft be- 
rührte Ampere'sche Hypothese der Molekularströme um die 

Föppl, Maxwell'sche Theorie der Elektricität. 22 



338 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

Moleküle eines Magneten eine widerstandsfreie Strombahn 
voraussetzt. Auf die nähere Besprechung der Nutzanwendung 
des Vorhergehenden auf diesen besonderen Fall braucht aber 
hier nicht eingegangen zu werden. 

§ 125. Buhender Drahtring im veränderlichen Felde. 

Rührt die Veränderung des Feldes von Stromschwankungen 
in fremden Leitern her ; die selbst ruhen, so liegt der schon 
in § 109 behandelte Fall vor. Es ergab sich dort, dass das 
Energieprincip in diesem Falle erfüllt wird. Hier handelt es 
sich daher nur noch um die durch Bewegung von permanenten 
Magneten (oder einem äquivalenten Stromsysteme) erzeugten 
inducirten Ströme. Der Einfachheit halber sei nur von einem 
Magneten die Rede. 

Hier muss mechanische Arbeit an dem Magneten auf- 
gewendet werden, um dessen Bewegung gegen die Wirkung 
der magnetischen Kräfte zu erzwingen, die von dem im Draht- 
ringe inducirten Strome ausgehen. Sie wird theils in Form von 
magnetischer Energie umkehrbar im Medium aufgespeichert, theils 
unmittelbar in Joule'sehe Wärme im Drahtringe umgewandelt. 

Mit Rücksicht auf die Ausführungen über die Relativ- 
bewegung zwischen einem Magneten und einem Kreisstrome 
in § 115 lässt sich dieser Fall leicht auf den im vorigen § 
behandelten zurückführen. Es kommt dann nur noch der 
Unterschied in Betracht, dass die ponderomotorische Arbeit 
während einer unendlich kleinen relativen Lagenänderung jetzt 
am Magneten und nicht mehr am Kreisstrome geleistet wird. 
Aus der Untersuchung in § 98 ging indessen hervor, dass die 
ponderomotorischen Kräfte am Magneten mit denen am Kreis- 
ringe, falls beide Körper zu einem starren Systeme verbunden 
gedacht werden, im Gleichgewichte stehen. Die pondero- 
motorische Arbeit ist daher für jede relative Lagenänderung 
gleich gross, gleichgültig, wie sie sich im Einzelnen auf beide 
Körper vertheilt. 

Daraus folgt, dass das Energieprincip hier ebenso wie im 
vorhergehenden Falle erfüllt ist. 



Zweites Capitel. Energiebeziehungen zwischen bewegten Leitern. 339 

§ 126. Bewegung eines Drahtringes mit einer eingeprägten 
elektromotorischen Kraft im Magnetfelde. 

Von dem im § 124 behandelten soll sich dieser Fall nur 
dadurch unterscheiden, dass eine eingeprägte Kraft im Ringe 
auftritt, dass also etwa eine Batterie in den Stromkreis ein- 
geschaltet ist. Wird die elektromotorische Kraft der Batterie 
mit E bezeichnet, so tritt zur elektromotorischen Arbeit der 
inducirten Kräfte in Gleichung (289) noch die elektromotorische 
Arbeit der Batterie hinzu, die für das Zeitelement dt gleich 
CEdt ist. Diese ist positiv, wenn C in der Richtung von 
E geht. Die in Joule'sehe Wärme übergehende Arbeit der 
resultirenden elektromotorischen Kraft ist hier 

C(Edt — dSl). 

Sie ist immer noch nothwendig positiv; es folgt aber 
daraus nicht mehr, dass d&l negativ sein muss. Die pondero- 
motorische Arbeit wird dagegen immer noch durch den in 
Gleichung (288) gegebenen Werth 

C(dSl - d&') 

dargestellt. Die Bilanz der Energiemengen stellt sich hier 
wie folgt. 

Wir haben neu erhalten die Mengen: 

1) die von den elektrodynamischen Kräften geleistete 
(nach aussen hin abgegebene) mechanische Arbeit im Betrage 

C(d£l — d&'\ 

2) die in Form von Joule'scher Wärme im Stromkreise 
auftretende Energie 

C(Edt — da)] 

3) die Erhöhung der potentiellen Energie des magnetischen 
Feldes (von derselben Grösse wie im Falle von § 124) um 

Cda'. 

Die Summe dieser neu hinzugekommenen Energiemengen 
ergibt genau den Betrag CEdt der von der eingeprägten 

22* 



340 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

elektromotorischen Kraft E während des Zeitelementes dt ge- 
lieferten Energie. Wir sehen also auch hier das Energie- 
princip erfüllt. 

Ueberlassen wir den ganzen Drahtring (oder einen Theil 
davon, der mit dem Reste durch Gleitstellen verbunden ist und 
sich in gewissen Grenzen frei zu bewegen vermag) sich selbst, 
so wird er sich so einstellen, dass Sl den mit den Umständen 
verträglichen grössten positiven Werth annimmt. Wenn diese 
Bewegung beginnt, sinkt die Stromstärke, die vorher von der' 
elektromotorischen Kraft E constant im Kreise unterhalten 
wurde. Denn wenn auch d&l' in dem unter 1) aufgeführten 
Werthe zunächst möglicherweise positiv sein könnte, so muss 
doch in diesem Falle, damit die Bewegung nach 1) von selbst 
erfolgen kann, mindestens dSl positiv sein. Damit wird aber 
die resultirende elektromotorische Kraft E — dSl/dt kleiner 
als E und daher nimmt auch der Strom C ab. Mit G ver- 
mindert sich aber zugleich £1' und daher ist auf jeden Fall 
das Glied — Cd&l' in 1) positiv. Da nun festgestellt ist, dass 
der Strom auf jeden Fall abnimmt, folgt aus dem Ausdrucke 
für die resultirende elektromotorische Kraft sofort weiter, dass 
dSl nothwendig positiv ist. Beide Glieder in 1) tragen also 
zur Arbeitsleistung bei der Ueberwincjung der Bewegungs- 
widerstände bei und diese Energie wird zum Theile aus der 
Batterie entnommen, deren Arbeit während der Bewegung 
nicht ganz für die Lieferung der Joule'schen Wärme verbraucht 
wird und zum anderen Theile aus der magnetischen Energie 
des Stromes. Nachdem die neue Lage erreicht ist, wird diese, 
während der Strom allmählich wieder zu seiner normalen 
Stärke ansteigt, aus dem Ueberschusse der Arbeit der Batterie 
über die Joule'sche Wärme ergänzt. 

§ 127. 

Bei der vorhergehenden Betrachtung ist auf einen Umstand 

noch nicht genügend geachtet, der nun besonders betrachtet 

werden soll. Um ihn in ein möglichst helles Licht zu rücken, 

vereinfache ich das Problem in der Weise, dass die permanenten 



Zweites Capitel. Energiebeziehungen zwischen bewegten Leitern. 341 

Magnete und fremden Stromkreise ganz entfernt werden, so 
dass das magnetische Feld nur noch durch den Strom im 
Drahtringe selbst bedingt wird. Bewegungen des ganzen 
Ringes mit sammt der Batterie, die den Strom darin unter- 
hält, ändern dann nichts an dem elektrischen und magnetischen 
Zustande. Dagegen soll jetzt ein Theil des Stromkreises be- 
weglich und mit dem anderen feststehenden Th'eile des Kreises 
durch Gleitstellen verbunden sein. Dann treten erstens an 
dem beweglichen Theile und ebenso an dem festen elektro- 
dynamische Kräfte auf, von denen jene bei der Bewegung 
Arbeit leisten. Zweitens wird durch diese Bewegung eine 
elektromotorische Kraft des Stromes auf sich selbst inducirt 
und drittens ändert sich — was das eigentlich Characteristische 
des Falles ist — &' gleichfalls schon durch die Bewegung 
des einen Theiles, wenn auch selbst die Stromstärke dabei 
unverändert erhalten würde. 

Mit dem ebstracten Begriffe des linearen Stromes wird 
man bei der Behandlung dieser Aufgabe nicht fertig und zwar 
desshalb nicht, weil die specifische Stromstärke i des endlichen 
Stromes C hierbei unendlich gross wird, so dass auch der 
curl von 89 einen unendlich grossen Werth annimmt und das 
magnetische Feld daher bei der Strombahn eine Stetigkeits- 
unterbrechung erfährt. Die Berechnung der elektrodynamischen 
Kraft f£ an einem Stromelement nach Gleichung (164) be- 
gegnet daher der Schwierigkeit, dass man sich in Unsicherheit 
befindet, welcher Werth für ÜB einzusetzen ist. Rührt das 
Feld von fremden Strömen her, so kann man sich über diese 
Schwierigkeit leicht hinweghelfen, indem man den Strom G 
als unendlich klein ansieht, wie Mies ja auch für die einzelnen 
Stromfäden, in die man einen durchströmten körperlichen 
Leiter zefrlegen kann, unbedingt zutrifft. Anders ist es aber, 
wenn der lineare Leiter allein vorhanden ist, denn für einen 
unendlich kleinen Strom C wäre auch überall 95 unendlich 
klein und die Stetigkeitsunterbrechung in der Umgebung der 
Strombahn bliebe nach wie vor bestehen. 

In solchen Fällen ist daher von vornherein darauf zu 



342 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

achten, dass in Wirklichkeit ein Zusammendrängen der elek- 
trischen Strömung auf eine lineare Strombahn überhaupt 
unmöglich ist. Man weiss dann, dass SB sich auch im Innern 
des Leiters continuirlich ändert und man kann die elektro- 
dynamische Kraft an einem einzelnen Stromfaden leicht aus 
der Formel (164) berechnen. Für ein gegebenes Längenelement 
des Leiters erhält man die elektrodynamische Kraft alsdann 
als die Resultirende dieser Kräfte an den einzelnen Stromfäden. 
Auch für die Ermittelung der ponderomotorischen Arbeit 
kann man nun sofort die Entwickelungen in § 122 benutzen. 
In Gleichung (288) ist jedoch zu beachten, dass dSl — d£l' 
in der That nur jene Aenderung von Sl ausdrücken sollte, 
die durch einen Uebertritt vorhandener Inductionslinien in die 
vom linearen Leiter umschlossene Fläche bei der Bewegung 
bewirkt wird. Spalten wir daher von d&l' jetzt einen Theil 
d&" ab, der mit dem Uebertritte von Inductionslinien des 
eigenen Feldes in die vom Strome umschlossene» Fläche (worauf 
der Rest von dil' zurückzuführen ist) nichts zu schaffen hat, 
so tritt hier an die Stelle von Gleichung (288) 

Ponderom. Arbeit = C(d£l' — d£l") 

und an Stelle von Gleichung (289) ebenso 

Elektrom. Arbeit der inducirten Kräfte = — Cd£l' . 

Alle vorausgegangenen Betrachtungen bleiben daher auch 
für den jetzt behandelten Fall anwendbar, wenn man dort 
überall d& durch dSl' und d&l' durch d£l'[ ersetzt. Der 
physikalische Sinn dieses Wechsels in der Bezeichnungsweise 
ist leicht zu erklären. Er läuft darauf hinaus, dass, wenn wir 
genöthigt werden, uns auf die Betrachtung eines einzigen 
Stromfadens in einem körperlichen Leiter zu beschränken, alle 
übrigen Stromfäden als fremde zu betrachten sind, so dass 
die von ihnen ausgehenden Inductionslinien nicht mehr in £1' 
mit einzurechnen sind. 

Diese Betrachtungen bleiben selbstverständlich auch dann 
noch gültig, wenn das magnetische Feld nicht ausschliesslich 



Zweites Capitel. Energiebeziehungen zwischen bewegten Leitern. 343 

vom Strome C selbst hervorgerufen wird, wenn also z. B. 
daneben noch Magnete vorkommen. Man muss dann nur 
überall, wenn Formänderungen des Ringes vorkommen, an die 
Stelle von dSl' in den Formeln der vorhergehenden Paragraphen 
jenen Werth setzen, der hier als dSl" definirt ist. Der Rest 
des ursprünglichen d£l' führt ebenfalls zu mechanischen 
Arbeitsleistungen, so dass in Gleichung (288) von d£l nur 
noch d£l" zu subtrahiren ist. 

§ 128. Zwei lineare Leiter mit eingeprägten Kräften. 

Das magnetische Feld rühre jetzt nur von den beiden 
Drahtringen selbst her und diese mögen sich in einem Medium 
von constanter Permeabilität ft in beliebiger Weise bewegen, 
wobei sie auch ihre Gestalt ändern können. Fassen wir 
einen der beiden Ringe ins Auge, so unterscheidet sich der 
jetzt vorliegende Fall von dem in § 126 besprophenen dadurch 
für diesen Ring, dass das ihm zugehörige £1 nun auch noch 
von der Bewegung des zweiten Ringes und der Aenderung 
der Stromstärke in ihm abhängt. 

Jener Theil der Induction ß x durch den ersten Leiter, 
der von dem zweiten Leiter herrührt, verhält sich übrigens 
zu dem entsprechenden Bestandtheile ' von Sl 2 umgekehrt' wie 
die beiden Stromstärken. Wir werden dies leicht erkennen, . 
wenn wir die Werthe der &l mit Hülfe der Inductionscoefficienten 
L t L 2 und M ausdrücken. Nach Gleichung (258) sind nämlich 
die Coefficienten M V2 und M m von gleicher Grösse; für ihren 
gemeinsamen Werth schreiben wir einfach M. Für Sl x er- 
halten wir 

- IhOif^ + Pü^/^r 8 = G X L X + % M. 

Bei diesen Umformungen sind die Formeln (231), (276), 
(234) und*(258) verwendet; ebenso ist 

fii-C^ + QJf. 



344 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

Für das Differential von £l 19 das für die im ersten Strom- 
kreise geleistete elektromotorische Arbeit der indueirten Kräfte 
nach Gleichung (289) maassgebend ist, erhalten wir hier 

rfßj = C.dL, + L 1 A0 1 + C 2 dM + MdC 2 . 

Es fragt sich jetzt ; welchen Theil hiervon wir in Gleichung 
(288) zur Berechnung der ponderomotorischen Arbeit ein- 
zuführen haben. Es ist nur jener Theil, der ausschliesslich 
in Folge der Bewegung des Stromringes durch das Feld in 
die umschlossenene Fläche eintritt. Sicher können daher die 
Glieder L 1 dG i und MdC 2 nichts dazu beitragen, da sie gar 
keine Beziehung auf eine Lagenänderung enthalten. Nach 
den vorhergehenden Bemerkungen ist aber auch in Bezug 
auf die beiden anderen Glieder Vorsicht geboten und wir 
wollen daher zunächst einmal annehmen, dass nur der erste 
Stromring eine Bewegung ohne Formänderung ausführe, während 
die beiden Stromstärken (durch passende Verfügung über den 
Werth der eingeprägten Kräfte) constant erhalten • werden. 
Dann ist dSl x = C 2 dM und dieser Zuwachs von Sl t ist sicher 
ausschliesslich durch die Bewegung des ersten Ringes im 
Felde allein bewirkt, so nämlich, dass er die algebraische 
Summe der von den einzelnen Stromelementen durchkreuzten 
und hierdurch in die vom Ring umschlossene Fläche neu ein- 
tretenden Inductionslinien angibt; die austretenden sind dabei 
negativ einzurechnen. Hier wissen wir also nach den Unter- 
suchungen in § 122 genau, dass C^Sl^ oder C t C 2 dM die von 
den elektrodynamischen Kräften am ersten Ringe geleistete 
ponderomotorische Arbeit ist. Zugleich tat sich aber auch 
Sl 2 währenddessen um C x dM erhöht und dieser Erhöhung 
steht keine Arbeitsleistung gegenüber, da der zweite Ring in 
Ruhe blieb. Wir würden daher einen Fehler begehen, wenn 
wir diesem d& 2 ebenfalls eine Arbeitsleistung von dem Betrage 
C 2 dSl 2 anrechnen wollten, wie wir es hätten thun müssen, 
wenn die relative Lagenänderung beider Ringe zu einander 
durch eine Bewegung des zweiten Ringes veranlasst worden 
wäre, während deren der erste Ring in Ruhe geblieben wäre. 



Zweites Capitel. Energiebeziebungen zwischen bewegten Leitern. 345 

Die Arbeitsleistung im letzten Falle C 2 dSl 2 ist übrigens 
ebenfalls gleich C^dM, wie aus dem Werthe von Sl 2 hervor- 
geht und wir sind daher, nebenher zu dem Resultate geführt 
worden, dass das Gesetz der Action und ßeaetion zwischen 
zwei Stromringen im Ganzen ebenso erfüllt ist, wie dies durch 
eine besondere Betrachtung schon früher für die Kräfte zwischen 
einem Magneten und einem Ereisstrome nachgewiesen wurde. 

Ertheilen wir nun beiden Stromringen eine Bewegung, 
während deren sie ihre Form nicht ändern und während deren 
auch die Stromstärken constant erhalten werden, so wird an 
jedem eine ponderomotorische Arbeit geleistet. Wir dürfen 
aber für die Summe beider Arbeitsleistungen jetzt nicht ein- 
fach CidSljL + C 2 d£l 2 oder 2C 1 C 2 dM setzen, denn hierbei würde, 
wie aus der vorhergehenden Betrachtung folgt, jede Arbeits- 
leistung doppelt gerechnet. Der ganze Betrag der geleisteten 
Arbeit ist daher nur gleich der Hälfte dieses Werthes oder 
gleich C&dM. 

Jetzt vermögen wir uns auch leicht Rechenschaft darüber 
zu geben, wie gross wir die Arbeitsleistung bei der Form- 
änderung eines Ringes (z. B. bei der Verschiebung eines in 
ihn eingeschalteten Gleitstückes) zu setzen haben. Denn aus 
der Untersuchung des vorhergehenden Paragraphen folgt, dass 
wir den Leiter in einzelne Stromfäden auflösen müssen, um 
zu berechnen, wie viele Kraftlinien des eigenen Feldes bei der 
Formänderung von einem Stromfaden durchschnitten werden. 
Die anderen Stromfäden des Leiters stehen dem gerade be- 
trachteten dann genau so gegenüber wie bei der vorigen 
Untersuchung der erste und der zweite Leiter. Wir finden 
also gerade wie vorher die geleistete Arbeit ihrem doppelten 
Betrage nach, wenn wir nur einfach den Ausdruck CdSl für 
den seine Form ändernden Leiter bilden. Betrachten wir 
also einen Vorgang, während dessen nur der erste Leiter seine 
Gestalt ändert, während sonst alles unverändert bleibt, so ist 
die von den elektrodynamischen Kräften geleistete Arbeit gleich 

\C x d& x oder \C x *dL x , 



346 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

oder, wenn wir auch auf die Aenderung von M Rücksicht 
nehmen, die durch die Gestaltänderung herbeigeführt wird, gleich 

^dL, + C^dM 
zu setzen. 

Nach diesen Betrachtungen sind wir nun in den Stand 
gesetzt, die Arbeitsleistung der elektrodynamischen Kräfte an 
beiden Kreisen für eine beliebige Lagen- und Formänderung 
anzugeben; sie ist gleich 

jCfdLi + \C 2 HL 2 + G t C 2 dM. 

Ferner ist nach dem Inductionsgesetze die im ersten Ringe 
inducirte elektromotorische Kraft gleich — d®i/dt f wozu noch 
die eingeprägte elektromotorische Kraft E t kommt. Für beide 
Ringe zusammen ist also die in Joule'sche Wärme verwandelte 
elektromotorische Arbeit während des betrachteten Zeitelementes 
dt gleich 

C t (E t dt - da x ) + C 2 (E 2 dt — d& 2 ) 
oder gleich 

E x C t dt + E 2 C 2 dt — CfdLi - C 2 2 dL 2 - C 1 L 1 dC 1 - C 2 L 2 dC 2 
- 2C 1 C % dM - M(C x dC 2 + G 2 dC x ) 

zu setzen. — Mit der Lagenänderung und der Aenderung der 
Stromstärken in beiden Kreisen ist aber zugleich eine Er- 
höhung dT der potentiellen Energie T des magnetischen Feldes 
verbunden, die sich nach Gleichung (259) zu 

dT= C t L x dC x + C 2 L 2 dC 2 + \C*dL x + \C 2 2 dL 2 

+ M(C x dC 2 + C 2 dC x ) + G x C 2 dM 
ergibt. 

Die Summe dieser drei neu auftretenden Energiemengen 
gibt demnach * 

C x E x dt + C 2 E 2 dt 

d. h. genau jenen Betrag, der während derselben Zeit aus den 
beiden Batterien entnommen ist. Damit ist der Nachweis ge- 
führt, dass das Energieprincip auch in diesem Falle erfüllt ist. 



Zweites Capitel. Energiebeziehungen zwischen bewegten Leitern. 347 

Von besonderem Interesse ist noch die weitere Verfolgung 
des Specialfalles, von dem vorher schon die Rede war, dass 
nämlich die Stromstärken in den beiden Kreisen (durch ent- 
sprechende Verfügung über die Werthe der eingeprägten elektro- 
motorischen Kräfte E 1 und E 2 ) constant erhalten werden. Bei 
jeder Lagenänderung der beiden Kreise, die von selbst eintritt, 
oder bei der wir mechanische Arbeit . gewinnen, erhöht sich 
dann zugleich die magnetische Energie des Feldes um den- 
selben Betrag, denn der Ausdruck für dT wird dem für die 
ponderomotorische Arbeit genau gleich, wenn dC x und dC 2 
Null sind. 

Dieser Zusammenhang hat schon zu manchen Irrthümern 
und Verwirrungen Veranlassung gegeben. Denkt man sich 
nämlich die Stromringe durch magnetische Schalen ersetzt, so 
liegt die Vermuthung nahe genug, dass die mechanische Arbeit 
bei der Bewegung auf Kosten der potentiellen Energie des 
magnetischen Feldes gewonnen werden müsse. Nun sind aber, 
wie sich zeigte, beide Energiemengen, nämlich dT und die 
gewonnene Arbeit zwar von gleichem Betrage, aber nicht, 
wie man auf Grund dieser Vorstellung vermuthen sollte, von 
entgegengesetztem, sondern von gleichem Vorzeichen. Die 
potentielle Energie wächst während wir dem Systeme Arbeit 
entnehmen. Auf den ersten Blick scheint dies in der That 
dem Energieprincip zu widersprechen; der Widerspruch klärt 
sich aber sofort auf, wenn wir darauf achten, dass zugleich 
von der Batterie um so viel mehr elektromotorische Arbeit 
über die zur Lieferung der Joule'schen Wärme hinaus erforder- 
liche geliefert wird, um jene beiden Beträge zu decken. 

Um einen vollständigeren Einblick in diese Beziehungen 
zu gewinnen, betrachte man noch zwei widerstandslose Bahn- 
krfcise, ähnlich, wie dies schon in § 124 geschehen war. Die 
eingeprägten Kräfte haben wir dann gleich Null zu setzen. 
War die Induction durch die beiden Ringe von Anfang an 
gleich Sl t bezw. £l 2 > so behält sie nach § 124 diesen Werth 
stets bei; die Stromstärken ändern sich in jedem Kreise so, 
dass diese Bedingung stets erfüllt bleibt. Die Joule'sche Wärme 



348 ..5 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

wird zu Null und wir erhalten, wenn wir den für sie vorher 
aufgestellten Werth gleich Null setzen, 

C 1 L x dG 1 + C 2 L 2 dC 2 + M^dC, + C 2 dC x ) 
= - (C*dL x + C 2 2 dL 2 + 2C t C 2 dM). 

Führen wir dies in den Ausdruck für dT ein, so geht er 
über in 

dT= — \C 2 dL x -| C 2 2 dL 2 — C x C 2 dM. 

Für das in dieser Weise geordnete System gilt also in 
der That die vorher für das andere gehegte Verniuthung, dass 
nämlich die Aenderung der potentiellen Energie der gewonnenen 
mechanischen Arbeit entgegengesetzt gleich ist, so .dass also 
die Arbeit dem aufgespeicherten Energievorrathe entnommen 
wird Die beiden Ringe suchen sich jetzt im Gegensatze zu 
dem vorigen Falle, wo die Stromstärken constant erhalten 
wurden, so zu einander zu stellen, dass die potentielle Energie 
zu einem Minimum wird. 

Freilich ist die Bewegung, die sie hierbei ausführen müssen, 
genau dieselbe wie im vorigen Falle, wo mit dieser Bewegung 
ein Anwachsen der potentiellen Energie verbunden war. 

Für die Ampere'schen Molekularmagnete wäre dies der 
Gang der Sache; zu beachten ist indessen, dass während der 
Lagenänderung zwar die Zahl der durch jeden Ring gehenden 
Inductionslinien constant bleibt, aber keineswegs die Stärke 
der äquivalenten magnetischen Schale oder das magnetische 
Moment des Moleküls. 

Auch diese Bemerkungen zeigen von Neuem, wie wenig 
es durchführbar ist, die magnetischen Erscheinungen durch 
Molekularströme physikalisch vollständig zu erklären. 

In genau derselben Weise lassen sich, wie schliesslich 
noch bemerkt werden mag, die vorhergehenden Untersuchungen 
auf ein Feld, in dem drei oder auch beliebig viele Stromringe 
vorkommen, übertragen. Es würde indessen hier fast auf 
eine Papierverschwendung hinaus kommen, wenn ich die Be- 
trachtung in dieser allgemeineren Form nochmals wiederholen 
wollte. 



Drittes Capitel. Die Elektrodynamik der magnetischen Ströme. 349 



Drittes Capitel. 

Die Elektrodynamik der magnetischen Ströme. 

§ 129. Das Vectorpotential magnetischer Ströme. 

Nach dem Heaviside'schen Princip der Dualität zwischen 
den elektrischen und den magnetischen Erscheinungen müssen 
wir erwarten, dass sich zu den wohlbekannten Phänomenen, 
deren Besprechung den Inhalt dieses und des vorhergehenden 
Abschnittes ausmachte, reciproke Phänomene angeben lassen, 
die sich der Beobachtung bisher nur deshalb entzogen haben, 
weil die mit ihnen verbundenen Wirkungen zu gering sind. 
Der elektrodynamischen Kraft zwischen zwei elektrischen 
Strömen entspricht die schon in § 74 besprochene „magneto- 
dynamische" Kraft zwischen magnetischen Strömen; aber auch 
den durch Bewegung im magnetischen Felde oder durch Ver- 
änderung dieses Feldes inducirten elektrischen Kräften sind 
magnetische Kräfte gegenüber zu stellen, die durch Bewegungen 
in einem elektrostatischen Felde oder durch Veränderung des 
elektrostatischen Feldes inducirt werden. Auch hier sind die 
von der Theorie vorausgesagten Kräfte nur gering; besonders 
sind aber die Wirkungen, die von diesen inducirten Kräften 
hervorgebracht werden können, deshalb so geringfügig gegen- 
über jenen der inducirten elektrischen Kräfte, weil es uns an 
magnetischen Leitern fehlt, aus denen wir einen Multiplicator 
aufwickeln könnten, an dessen Polen das ganze Linienintegral 
der inducirten Kräfte ebenso concentrirt werden könnte, wie 
bei» einer gewöhnlichen Inductionsspule. 

Man verfährt am einfachsten, wenn man bei allen diesen 
Betrachtungen unmittelbar auf die Erörterung der thatsächlich 
beobachteten reciproken Phänomene zurückverweist und zu 
diesem Zwecke von vornherein einen möglichst engen Anschluss 
an diese herbeiführt. Dazu gehört, dass auch zu dem Vector- 
potentiale % der elektrischen Ströme das Analogon, also das 
Vectorpotential der magnetischen Ströme g, eingeführt wird. 



350 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

Zu diesem Zwecke gehe ich aus von der * Betrachtung 
eines elektrischen Feldes. Ist dieses rein elektrostatisch, so 
ist <S wirbellos vertheilt. Ein fortdauernd constantes elek- 
trisches Feld (S ist immer rein elektrostatisch, da unbegrenzte 
Zeit hindurch andauernde magnetische Ströme nicht möglich 
sind, indem es uns dazu an magnetischen Leitern fehlt. Für 
kürzere Zeiten lässt sich aber auch ein constantes elektrisches 
Feld realisiren, das nicht mehr rein elektrostatisch, in dem 
also (B nicht mehr wirbelfrei vertheilt ist. In diesem Falle 
setze ich für einen in absoluter Ruhe befindlichen Raum 

« = « m + «S„ 

wo Qb s wie früher die elektrostatische, Qb m die von magnetischen 
Strömen erzeugte elektrische Kraft ist, während eingeprägte 
Kräfte nicht vorkommen sollen. Hiernach ist 

curl <g, = ; div % m = . 

Der solenoidale Bestandteil <S m von <£ kann nun als 
curl eines Vectors angesehen werden, der mit $ bezeichnet 
werden mag. Ich setze also 

<g m = curl8; « — car!8 + «,. . . (290) 

Von der letzten Gleichung nehme ich den curl; iB» hebt 
sich dann aus ihr fort und wir erhalten 

curl 2 8 = curl<g. 

Hiermit verbinde ich die zweite Hauptgleichung des elektro- 
magnetischen Feldes, die hier, wo keine eingeprägten Kräfte 
vorkommen sollten, * 

curl <£ = — fl 

geschrieben werden kann, so dass die vorhergehende Gleichung 
übergeht in 

curl 2 8 = — jj (291) 

Vom Vector § war bisher nur verlangt, dass sein curl 
die elektrische Kraft <$ m liefere; wir können ihm daher nach- 



Drittes Capitel. Die Elektrodynamik der magnetischen Ströme. 351 

träglich einen beliebigen wirbelfrei yertheilten Vector $ hin- 
zulegen, ohne an der Gültigkeit der vorhergehenden Gleichungen 
dadurch etwas zu ändern. Diese Unbestimmtheit in dem 
Werthe von 8 sei aber von nun ab dadurch aufgehoben, dass 
wir $ so bestimmen, dass 8 + Ä die div Null hat. Weiterhin 
mag dann der in dieser Weise näher bestimmte Vector 8 + Ä 
für 8 eingeführt werden. Wir haben dann 

div$ = ....... (292) 

Mit .Rücksicht auf Gleichung (72), S. 59 und auf die 
soeben getroffene Aenderung in der Definition von 8 geht 
aber dann Gleichung (291) über in 

V 2 8 = g oder V 2 (— 4*8) = - 4* 9 

und diese sagt aus, dass — 4*8 e ^ zu 8 gehöriges Vector- 
potential ist (§ 84). Wir erhalten daher für 8 den Ausdruck 

3=-Ä/> (293) 

Das über das ganze Feld erstreckte Raumintegral 
ist nach der Definition in § 83 als Vectorpotential 
des magnetischen Stromes g zu bezeichnen. 

Für 2> m erhalten wir nach Gl. (290) und Gl. (115) 

2> m = ^curi3 (294) 



§ 130. Die elektrostatische Energie im Felde magnetischer 
Ströme aufgefasst als „magnetokinetische' 6 Energie. 

Nach dem Inductionsgesetze bringt ein magnetischer 
Strom ein elektrisches Feld (das Feld der Kräfte <S m ) hervor. 
Diesen Kräften (& /H entsprechen einerseits Verschiebungen $ m 
und andererseits Energieanhäufungen, die nach Gleichung (116) 
zu berechnen sind. Wir nannten diese Energie früher die 
elektrostatische; eigentlich trifft diese Bezeichnung hier nicht 
mehr zu, da die Kräfte <S m nicht mehr wirbelfrei vertheilt 



352 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

sind und daher nicht zu einem Potentiale gehören. Von dem 
verschiedenen Ursprünge abgesehen, sind die Kräfte (SS m den 
elektrostatischen Kräften Qk s aber physikalisch völlig gleich- 
wertig und wir können daher nicht nur die frühere Formel 
zur Berechnung der Energie hier unverändert verwenden, sondern 
man kann auch die Bezeichnung beibehalten, wenn man nicht, 
um jedes Missverständniss auszuschliessen, vorzieht, hier 
elektrische Energie dafür zu setzen. 

Ich nehme jetzt an, dass (& g im Felde überall Null sei, 
dass das elektrische Feld also ausschliesslich durch. die mag- 
netischen Ströme hervorgerufen sei. Im Allgemeinen setzt 
dies voraus, dass keine elektrischen Leiter im Felde vor- 
kommen, weil sich im anderen Falle alsbald ein elektrostatisches 
Feld durch die sich auf dem Leiter ansammelnden wahren 
und freien Elektricitätsmengen herausbilden würde. Ebenso 
soll die Dielektricitätsconstante K im ganzen Felde constant sein. 

Die elektrostatische (oder elektrische) Energie im ganzen 
Felde berechnet sich nach Gleichung (116) zu 



t/«» 



dv . 



Hierauf wollen wir dieselbe Umformung anwenden, wie 
in § 104 auf den durch Gleichung (236) gegebenen Ausdruck 
für die magnetische Energie eines elektrischen Stromes. Man 
hat nach Gleichung (294) und Gleichung (81) 

CS _ <g ^ curl 8 — ~ (S curl <g + divVS «). 

Bei der Integration .über den ganzen Raum verschwindet, 
wie in § 104, das letzte Glied und man erhält 

oder mit Berücksichtigung der zweiten Hauptgleichung 

T ~°-£fSt** ..... (295) 

Diese Gleichung ist in jeder Hinsicht der Gleichung (238) 
für die magnetische Energie im Felde eines elektrischen 



Drittes Capitel. Die Elektrodynamik der magnetischen Ströme. 353 

Stromes analog. Die Symmetrie der Formeln wird nur wieder 
wegen der unglücklichen Wahl des herrschenden Maasssystems 
durch den Factor A% gestört. Das Linienintegral von § über 
die Mittellinie eines in sich geschlossenen magnetischen Strom- 
fadens entspricht dem Inductionscoefficienten des ganzen Systems 
auf diesen Stromfaden. Hat man z. B. zwei magnetische Kreis- 
ströme (die von Hertz behandelten „verschwindenden Ring- 
magnete"), so lässt sich die elektrische Energie des von ihnen 
geschaffenen Feldes sofort nach Gleichung (259) berechnen, 
falls man unter den C jetzt die magnetischen Stromstärken 
versteht und in der Definition der Inductionscoefficienten L 
und M in Gleichung (234) und Gleichung (258) die Per- 
meabilität ft durch -S/(4ä) 2 ersetzt. 

Maxwell führte für die magnetische Energie im Felde 
eines elektrischen Stromes die Bezeichnung elektrokinetische 
Energie ein (vgl. § 133). Um die Analogie zwischen dieser 
und der hier betrachteten elektrischen Energie magnetischer 
Ströme möglichst deutlich hervorzuheben, kann man dieser 
die analog gebildete Bezeichnung „magneto kinetische' 4 Energie 
beilegen. 

In der That handelt es sich hier übrigens, wenn die 
MaxwelPsche Theorie richtig ist, wenn also die Richtigkeit 
der beiden Hauptgleichungen und der Formeln für die Energie 
im elektrischen und magnetischen Felde zugegeben wird, nicht 
nur um eine Analogie, die wohl im Allgemeinen zutrifft, im 
Einzelnen aber Abweichungen zulässt, sondern um die strengste 
Uebereinstimmung der Beziehungen im Sinne des Heaviside'- 
schen Dualitätsprincips. Auf diese Betonung ist um so 
mehr Gewicht zu legen, als alle Schlüsse, die wir 
auf Grund der Energiebeziehungen, im Besonderen 
auch auf Grund der Lagrange'schen Gleichung für 
die Erscheinungsgruppen der elektrischen Seite ab- 
leiten können, sofort auch auf die magnetische Seite 
anwendbar sind. 

Wer daher z. B. in der Ableitung der inducirten elek- 
trischen Kraft aus der Lagrange'schen Gleichung den un- 

Föppl, Maxwell'sche Theorie der Elektricität. 23 



354 Fünfter Abschnitt. Die Elektrodynamik bewegter Leiter. 

trüglichen Nachweis für die Richtigkeit des gewonnenen 
Resultats erblickt, kann mit demselben Rechte diese Gleichung 
auch zur Herleitung der durch Veränderungen eines elektro- 
statischen Feldes inducirten magnetischen Kraft benutzen. 
Dieser Zusammenhang gestattet uns hier eine kürzere Fassung; 
wir können z. B. zur Rechtfertigung der Annahme magneto- 
dynamischer Kräfte einfach darauf verweisen, dass sie aus 
denselben Gründen, wie die elektrodynamischen Kräfte auftreten 
müssen, um das Energieprincip zwischen zwei auf einander 
wirkenden magnetischen Strömen zu erfüllen. 

§ 131. Indueirte magnetische Kraft infolge von Aenderungen 
eines elektrischen Feldes ohne Bewegung. 

Hier schliesse ich mich eng an die analoge Betrachtung 
in § 101 an. Die erste Hauptgleichung lautet, da keine ein- 
geprägten Kräfte und auch keine Leitungs- oder Convections- 
ströme vorkommen, 

Nach Einsetzen von <S aus Gleichung (290) und mit 
fes = geht dies über in 

curl$ = jfcurl^l 

oder, nach Integration, 

Der curl der Integrationsconstanten Ä ist Null und ebenso 
seine Divergenz, da auch div § = div 8 = ist. Da dies im 
ganzen Felde gilt, ist $ selbst Null. Wir haben also 

*-*Tt W 

für die indueirte magnetische Kraft in dem hier bezeichneten 
Falle. 

Dass ein sich änderndes elektrisches Feld überhaupt 
magnetische Kräfte induciren muss, lässt sich übrigens schon 
aus den elementarsten Grundlagen der Theorie schliessen, 



Drittes Capitel. Die Elektrodynamik der magnetischen Ströme. 355 

denn mit jeder Aenderung der Feldstärke sind Verschiebungs- 
ströme verbunden, die ihrerseits ein magnetisches Feld her- 
vorrufen. Nur für die Ableitung des zahlenmässigen Werthes 
dieser Kräfte ist die Betrachtung erforderlich. 

§ 132. Durch. Bewegungen im elektrostatischen Felde 
inducirte magnetische Kraft. 

Für die Ermittelung dieser Kraft bildet § 117 das Muster. 
Wie dort setze man 

<g = - (UV)« +Vu@ = curl(~ (t> V)8 + Vag), 
womit die erste Hauptgleichung übergeht in 

curlg = JTcurl {- (t)V)g +V«S} , 

§ = z{_(t,V)8 + Vtt8} + Ä 

oder mit Rücksicht auf den durch Gleichung (274) aus- 
gesprochenen Satz 

§ - - ZVcurlgü — #V3t> + $ 
= -KM%* — KS/§* + ® . . . . (297) 
Der als Integrationsconstante auftretende Vector $ muss 
wirbelfrei vertheilt sein, ohne zunächst eine weitere Bedingung 
erfüllen zu müssen. Die genauere Bestimmung macht hier 
dieselben Schwierigkeiten, wie bei der Berechnung von (S ö . 
Folgt man den Erwägungen, die zu Gleichung (284) führten, so ist 

$ — -#V<Sö = 4jrV*2>. . . . (298) 
bezw. mit entgegengesetztem Vorzeichen, wenn die Geschwindig- 
keit Ö sich auf den Körper bezieht, für den wir § berechnen 
wollen (vgl. § 119). Es mag indessen sein, dass § auch in 
diesem Falle solenoidal vertheilt ist und in diesem Falle hätten 
wir Ä in Gleichung (297) gleich Null zu setzen, so dass 
ähnlich wie in Gleichung (296) 

$-Ä^-jq-0^)8+V»8}~-*V«»-*V8l (299) 
zu setzen wäre. 



23* 



Sechster Abschnitt. 

-Gedrängte Uebersicht über die übrigen Theile der 
MaxwelFschen Theorie. 



Vorbemerkungen. 

In den vorhergehenden Abschnitten habe ich die für die 
unmittelbare Anwendung wichtigsten Theile der Elektricitäts- 
lehre in jener Fassung, wie sie durch die MaxwelFschen 
Arbeiten begründet wurde, in grösserer Ausführlichkeit be- 
handelt. Der Leser sollte dadurch mit der Anschauungsweise 
und den wichtigsten Begriffen der MaxwelFschen Theorie so 
weit vertraut gemacht werden, dass er in den Stand gesetzt 
würde, sie bei seinen eigenen Arbeiten mit voller Sicherheit 
zu verwenden. Diese Sicherheit und das Vertrauen in die 
Zuverlässigkeit der gewählten Grundlagen wird aber in allen 
Gebieten der Wissenschaft durch eine möglichst elementare 
und leichtverständliche Behandlung des Stoffes am besten ge- 
wonnen. Eine solche bildet auch die beste Vorbereitung für 
das Studium der schwierigeren Probleme. Diese Rücksicht war 
für mich überall in diesem Werke die entscheidende. Jene 
Bestandtheile der MaxwelFschen Lehre, zu deren Behandlung 
ich jetzt übergehe, erscheinen von diesem Gesichtspunkte aus 
als die minder bedeutungsvollen, so wichtig auch in anderer 
Hinsicht namentlich die dazu gehörige Theorie der elektro- 
magnetischen Wellen ist. Eine erschöpfende Darstellung der 
Theorie dürfte über sie nicht so flüchtig hinweggehen, wie 



Erstes Capitel. Die Herleitnng der Gleich, des elektrom. Feldes etc. 357 

ich es hier thun werde. Dem Zwecke dieses Buches , das ja 
nur eine Einführung in die Maxwell'sche Theorie bilden sollte, 
entspricht es aber besser, wenn von jenen Theilen nur eiue 
kurz gedrängte Uebersicht gegeben wird. — Wenn ich später 
zur Bearbeitung eines zweiten Bandes Veranlassung finden 
sollte, werde ich auf diese Punkte ausführlicher eingehen. 



Erstes Capitel. 

Die Herleitung der Gleichungen des elektromagnetischen Feldes 
aus den allgemeinen Principien der Mechanik. 

§ 133. Bedingungen für die Möglichkeit einer solchen Ableitung. 

Die gewöhnliche Mechanik beschäftigt sich nur mit den 
ponderomotorischen Kräften und den durch sie hervorgerufenen 
Bewegungserscheinungen der. materiellen Systeme. Zunächst 
sind nur für diese allein ihre Sätze zuverlässig anwendbar, da 
die Voraussetzungen, aus denen diese Sätze hergeleitet sind, 
durch die Erfahrung überall bestätigt werden. In der Elektricitäts- 
lehre haben wir es aber nicht ausschliesslich mit pondero- 
motorischen, sondern daneben auch mit elektrischen und mit 
magnetischen Kräften zu thun. Es kann daher gewiss sehr 
zweifelhaft erscheinen, ob auch auf diese die Sätze der Mechanik 
ohne Weiteres übertragen werden dürfen. Selbst wenn wir ein- 
elektrisches Fluidum voraussetzen wollten, an dem die elektrischen 
Kräfte in analoger Weise wie die ponderomotorischen an der 
gewöhnlichen Materie wirken, bleibt doch noch der Zweifel 
offen, ob dieses Fluidum auch die Eigenschaft der Trägheit 
besitzt, die für die gewöhnliche Materie charakteristisch ist 
und die bei der Formulirung aller Sätze der Dynamik ent- 
scheidend mitwirkt. Der Zweifel ist nicht nur zulässig, 
sondern die Erfahrungsthatsachen führen eher dazu, ihn zu 
bestärken, als ihn zu widerlegen. So oft man wenigstens im 
Banne des Vorstellungskreises der materialistischen Theorie 
der Elektricität die von dieser nahezu geforderte oder doch 
als sehr wahrscheinlich hingestellte „Trägheit der Elektricität" 



358 Sechster Abschnitt. Gedrängte Uebersicht tlber die übrigen Theile. 

experimentell nachzuweisen suchte, wurde man zu negativen 
Ergebnissen geführt. 

Allerdings lag diesen Versuchen stets die Annahme zu 
Grunde, dass es sich beim elektrischen Strome nur um Be- 
wegungen im Inuern der stromführenden Leiter handle und 
man kann daher jene Misserfolge dahin deuten, dass diese 
Annahme unzulässig war, dass Bewegungen vielmehr auch 
überall im magnetischen Felde des Stromes auftreten. Dies 
führt dann von selbst dazu, in jedem magnetischen Felde, 
auch in dem von permanenten Magneten ausgehenden, Be- 
wegungen unbekannter Art vorauszusetzen, also etwa anzu- 
nehmen, dass das, was wir die magnetische Inductiou 83 nennen, 
in Wirklichkeit die Geschwindigkeit einer Bewegung (des 
Aethers) ist. 

Das, was wir jetzt als die magnetische Energie des Stromes 
bezeichnen, ist dann als die kinetische Energie jener Bewegung 
zu deuten. Hiermit erklärt sich die Thatsache, dass die Energie 
eines Stromes nicht ausschliesslich von der Stromstärke, der 
Länge und dem Querschnitte des Drahtes, sondern auch von 
der besonderen Gestalt der Drahtmittellinie und der Nachbar- 
schaft anderer Ströme oder Magnete, sowie von dem Medium, 
in dem er sich befindet, abhängt. Damit ist auch eine Träg- 
heit der sich bewegenden Substanz festgestellt, wenn auch in 
anderem Zusammenhange, als sie früher vermuthet wurde und 
wir dürfen nun wieder mit mehr Vertrauen den Versuch unter- 
nehmen, die für die träge Materie gültigen dynamischen Ge- 
setze auf diese Bewegungserscheinungen zur Anwendung zu 
bringen. 

Es ist hierfür nicht unbedingt nöthig, die Vorstellungen 
von der Art des Bewegungsvorganges so weit zu specialisiren, 
als es vorher angedeutet war. Nöthig ist zunächst nur, dass 
wir annehmen, die Energie im Felde eines Stromes sei kine- 
tischer Art, was zugleich einschliesst, dass irgend etwas, was 
der Trägheit • der ponderablen Materie mechanisch äquivalent 
ist, dabei mit ins Spiel kommt. Um dies auszudrücken, führte 
Maxwell für die magnetische Energie des Feldes die Bezeichnung 



Erstes Capitel. Die HeHeitung der Gleich, des elektrom. Feldes etc. 359 

elektrokinetische Energie ein. Ferner müssen wir, um 
den Thatsachen gerecht zu werden, annehmen, dass die Ge- 
schwindigkeit jener unbekannten Bewegung in der Umgebung 
eines oder mehrerer Ströme von den Stromstärken linear ab- 
hängig ist. Ueber den Mechanismus, durch den diese Abhängig- 
keit bedingt wird, bedürfen wir dagegen sonst keiner specielleren 
Voraussetzung. 

Es ist gewiss verlockend genug, die Consequenzen ab- 
zuleiten, die sich aus dieser Vorstellung von der Natur des 
elektromagnetischen Feldes ergeben, wenn wir die allgemeinen 
Gleichungen der Mechanik darauf zur Anwendung bringen. 
Und es ist ferner gewiss ein höchst bemerkenswerthes Resultat, 
dass diese Consequenzen mit den Erfahrungsthatsachen in 
Uebereinstimmung stehen. Würde man aber, wenn diese 
Prüfung an der Erfahrung nicht möglich wäre, den Resultaten 
jener Betrachtung unbedingte Zuverlässigkeit zuschreiben dürfen, 
die doch erstens darauf beruhen, dass Bewegungen im mag- 
netischen Felde vorkommen, die eine Trägheit des Bewegten 
und ferner noch voraussetzen, dass für das Bewegte dieselben 
Bewegungsgesetze wie für die ponderable Materie gültig sind? 
Die Antwort kann wohl nur eine verneinende sein, und wer 
diese Frage verneint, möge sich die zweite Frage vorlegen, 
ob es sich empfiehlt, die ganze MaxwelFsche Theorie auf 
derartige Betrachtungen zu gründen, da es doch, wie sich 
zeigte, möglichst ist, ihre charakteristischen Gleichungen ohne 
diese aus den einfachsten Erfahrungsthatsacten herzuleiten. 

Desshalb kommt diesen Betrachtungen doch eine grosse 
Bedeutung zu, nicht als Stützen des ganzen Systems, sondern 
als dem werthvollsten Mittel für die fernere Erforschung 
des wahren Mechanismus im elektromagnetischen Felde. Auf 
sie stützt sich auch unmittelbar eine der plausibelsten Vor- 
stellungen über diesen Mechanismus, nämlich die schon vorher 
erwähnte, dass im magnetischen Felde der Aether überall in 
der Richtung der magnetischen Inductionslinien in Bewegung 
ist. Freilich .erweist sich auch diese Vorstellung bei ein- 
gehender Prüfung nicht überall zulänglich und es ist bisher 



360 Sechster Abschnitt. Gedrängte Uebersicht über die übrigen Theile. 

überhaupt nicht gelungen, einen Mechanismus zu ersinnen, der 
das leisten könnte, was man von dem hypothetischen Mechanis- 
mus bei diesen Betrachtungen verlangt, so dass alle Erfahrungs- 
tatsachen daraus hinreichend erklärt werden könnten. 

§ 134. Cyklische Bewegungen. 

In einem constanten elektromagnetischen Felde ändert 
sich die Geschwindigkeit der von der dynamischen Theorie 
vorausgesetzten Bewegung der Zeit nach nicht. Sie ist, wie 
schon vorher bemerkt war, an jeder Stelle des Feldes eine 
lineare Function der einzelnen Stromintensitäten, deren Coef- 
ficienten von der räumlichen Anordnung des ganzen Systems, 
besonders auch der etwa vorkommenden permanenten Magnete 
u. s. w. und von der Lage des betrachteten Aufpunktes ab- 
hängig sind. Bleibt das Feld nicht constant, so wollen wir 
jedoch annehmen, dass die Geschwindigkeiten der hypothetischen 
Bewegung sehr gross sind im Vergleiche zu den vorkommenden 
Aenderungen, so dass für relativ kleine Zeiten die Bewegimg 
so vor sich geht, als ob das Feld constant wäre. In einer 
solchen kurzen Zeit soll also die Aenderung des Feldes nur 
unmerklich gegenüber den Wegen sein, die währenddessen 
von dem Bewegten infolge der hypothetischen Geschwindig- 
keiten zurückgelegt werden. 

Eine Bewegung dieser Art nennt man nach v. Helmholtz 
eine cyklische. Der augenblickliche Zustand des Systems sei 
durch eine gewisse Anzahl von Parametern definirt. Diese 
lassen sich in zwei Gruppen bringen. Die zur einen Gruppe 
gehörigen ändern sich während einer rein cyklischen Be- 
wegung gar nicht und nur langsam, falls die Bewegung sich 
wenigstens innerhalb kleiner Zeiten als eine cyklische in dem 
vorher erwähnten Sinne ansehen lässt; die anderen wollen 
wir die Coordinaten der cyklischen Bewegung nennen. Diese 
Coordinaten wachsen proportional mit der Zeit, aber so, dass 
der Zustand des Feldes dem Begriffe der cyklischen Bewegung 
entsprechend, nicht von dem Werthe der Coordinaten selbst, 
sondern von deren Differentialquotienten nach der Zeit abhängt. 



Erstes Capitel. Die Herleitung der Gleich, des elektrom. Feldes etc. 361 

Der Sinn dieser Festsetzungen ergibt sich deutlicher, wenn 
wir sie auf ein bestimmtes Beispiel beziehen und zwar wollen 
wir dazu ein System wählen, das aus zwei Stromringen mit 
eingeprägten elektrischen Kräften in einem Medium von con- 
stanter Permeabilität gebildet wird. Der eine Stroraring bleibe 
dauernd in Ruhe und der andere sei ohne Formänderung be- 
weglich. Jede Lage des beweglichen Stromringes lässt sich 
dann durch zwei Vectorgrössen eindeutig definiren, nämlich 
durch einen Radiusvector, der die Verschiebung eines beliebigen 
Punktes auf dem Stromringe aus der Anfangsanlage und einen 
Vector, der die Drehung angibt, die der Körper um jenen 
Punkt ausführen muss, damit er nach vollzogener Translation 
in die Endlage übergeführt wird. Bleibt die eingeprägte elek- 
trische Kraft in jedem Stromringe constant, so bilden diese 
beiden Vectoren die einzigen langsam veränderlichen Parameter 
des Systems. 

Bleiben beide Parameter längere Zeit hindurch constant, 
so gilt dies auch von dem elektromagnetischen Felde. Wir 
haben es aber hierbei nicht mit einem Ruhezustande zu thun, 
sondern mit einem stationären Zustande, währenddessen fort- 
während Energieumsätze stattfinden. Wir müssen daher an- 
nehmen, dass giewisse Grössen in einem mit der Zeit gleich- 
massig fortschreitenden Wachsthume begriffen sind, die zwar 
auf das elektromagnetische Feld selbst ohne Einfluss sind, 
deren Werthe aber zu jeder Zeit ein Maass für die bis dahin 
erfolgten Energieumsätze bilden. Sie sind die Coordinaten 
der cyklischen Bewegung oder kurz die cyklischen Coordinaten 
des Systems. 

Noch anschaulicher wird diese Betrachtung durch die 
Einführung des Begriffes der Antriebspunkte. In einem 
zwangläufigen Mechanismus, in dem nur ein Freiheitsgrad der 
Bewegung vorkommt, können wir irgend einen materiellen 
Punkt auf einem der bewegten Theile als den Antriebspunkt 
des Mechanismus betrachten, so nämlich, dass die Bewegung 
des ganzen Systems völlig bestimmt ist, sobald die Bewegung 
des Antriebspunktes gegeben ist. Irgend einer Kraft, die an 



362 Sechster Abschnitt. Gedrängte Uebersicht über die übrigen Theile. 

dem Mechanismus wirkt, lässt sich dann ferner stets durch 
eine am Antriebspunkte angreifende das Gleichgewicht halten, 
oder umgekehrt, alle Kräfte lassen sich durch eine einzige 
am Antriebspunkte vollständig ersetzen. Da der Antriebspunkt 
sich nur auf einer durch die Systernbedingungen unzweideutig 
vorgeschriebenen Bahn verschieben kann, kommt es hierbei 
nur auf solche Kräfte am Antriebspunkte an, die in die Richtung 
der Bahn fallen. 

Ein cyklisches System dieser Art heisst ein Monocykel. 
Als cyklische Coordinate wählen wir den Weg des Antriebs- 
punktes. — Das hier betrachtete System der beiden Strom- 
ringe hat zwei Antriebspunkte, deren Bewegungen unabhängig 
von einander erfolgen können. Wir haben daher auch zwei 
cyklische Coordinaten. Sie sind scalare Grössen, die wir mit 
y x und y 2 bezeichnen. So lange die Stromstärken constant 
sind, wachsen beide proportional mit der Zeit; wir können 
uns darunter die Elektricitätsmengen denken, die von An- 
beginn an durch jeden Querschnitt des betreffenden Strom- 
ringes flössen. 

Hieraus folgt, dass die Stromintensitäten selbst durch die 
Differentialquotienten von y t und y 2 nach der Zeit dargestellt 
werden. 

Denken wir uns die eingeprägten Kräfte an jedem Strom- 
ringe auf dessen Antriebspunkt in der vorher besprochenen 
Weise reducirt, so ist die geleistete Arbeit gleich dem Producte 
aus der so reducirten Kraft und dem Wege des Antriebspunktes, 
der im Zeitelemente dt am ersten Stromringe gleich dy x oder 
gleich y ± dt ist, wenn der Punkt wie gewöhnlich eine Diffe- 
rentiation nach der Zeit bedeutet. 



* § 135. Die Gleichung von Lagrange. 

Aus den Aenderungen der kinetischen Energie eines 
materiellen Systems, kann man mit Hülfe der Gleichung von 
Lagrange die an den Antriebspunkten wirkenden (oder auf 
sie reducirten) Kräfte berechnen. Für die Grösse der Kraft F r 



Erstes Capitel. Die Herleitung der Gleich, des elektrom. Feldes etc. 363 

am Antriebspunkte r gibt diese Gleichung (die hier als be- 
kannt vorausgesetzt wird), den Werth 

'-T,{lt)-li- ■ •'• • « 

Hierin ist für die kinetische Energie T ein Ausdruck ein- 
zusetzen, der durch Summirung von ~ mv 2 über alle Theile 
des Systems gewonnen werden kann. Unter q r ist jener 
Parameter zu verstehen, der den Weg des Antriebspunktes r 
angibt, q r ist daher die Geschwindigkeit dieses Antriebspunktes 
und die Geschwindigkeit v eines beliebigen Massenpunktes ist 
eine lineare Function der Geschwindigkeiten q. T ist daher 
eine quadratische Function der Geschwindigkeiten q, deren 
Coefficienten Functionen der Parameter q sind. — Durch 
Gleichung (300) wird zunächst nur der Tensor der Kraft F r 
bestimmt; die Richtung ist aber schon vorher bekannt, da sie 
in die Bahn des Antriebspunktes fallen muss, die durch die 
Systembedingungen zugleich mit gegeben ist. 

Gleichung (300) gilt unter der Voraussetzung, dass die 
Arbeit der Kräfte F vollständig zur Erhöhung der kinetischen 
Energie verwendet wird. Kommen Reibungswiderstände vor, 
so sind sie besonders in Rechnung zu stellen. 

" § 136. Anwendung auf das Bicykel. 

Uns interessirt jetzt nur die Anwendung, die sich von 
Gleichung (300) auf das in § 134 näher definirte System mit 
zwei cyklischen Coordinaten machen lässt, das man als Bicykel 
— oder auch nach dem Vorschlage von Ebert als Dicykel — 
bezeichnet. Für den Tensor vi der Geschwindigkeit irgend eines 
Massenpunktes wii erhalten wir hier unter Beibehaltung der Be- 
zeichnungen y x und y 2 für die beiden cyklischen Coordinaten 

Vi = ai}) x + hy 2 . . . . . . (301) 

Die Coefficienten a t und b t sind von den cyklischen Coordi- 
naten unabhängig, aber abhängig von den langsam veränder- 



364 Sechster Abschnitt. Gedrängte Uebersicht über die übrigen Theile. 

liehen Parametern, die die räumliche Lage des beweglichen 
Stromringes beschreiben. Für T erhalten wir 

Mit 

A^Zniicit, B = ZMib 2 i, C=27f»,a*&, . (303) 
geht dies in einfachster Schreibweise über in 

T=*\Ay\ + ±By\ + Cy x y,. . . . (304) 

Auch die jieu eingeführten Coefficienten A, B } C sind 
Functionen der langsam veränderlichen Parameter, sie sind 
aber unabhängig von den cyklischen Coordinaten, wie schon 
daraus hervorgeht, dass nach dem Begriffe der cyklischen Be- 
wegung T constant bleiben muss, wenn die Bewegung im 
strengsten Sinne cyklisch ist. 

Für die Kraft Y v die an dem zur cyklischen Coordinate y x 
gehörigen Antriebspunkte wirkt, erhalten wir nach Gleichung 
(300) 

*i dt\dyj dy x ' 

Das zweite Glied liefert nach den vorhergehenden Be- 
merkungen Null und aus dem ersten erhalten wir nach 
Gleichung (304) 



T l -f t (Äf fl + Cif % ) 
und ebenso 



(305) 



Auch für die räumliche Bewegung des einen Stromringes 
können wir uns Antriebspunkte in derselben Weise aus- 
gesucht denken; ihre Zahl ist, da wir von Formänderungen 
absehen wollten, gleich 6. Die zugehörigen Parameter sind 
nun scalare Grössen und die an den Antriebspunkten wirkenden 
Kräfte sind der Richtung nach bereits gegeben, so dass es 
sich nur noch um die Berechnung ihrer Tensoren handelt. 
Nennen wir die Grösse der am Antriebspunkt r angreifenden 



Erstes Capitel. Die Herleitung der Gleich, des elektrom. Feldes etc. 365 

Kraft X r und den zugehörigen Parameter x r , so erhalten wir 
aus Gleichung (300) 

x -=-H (306) 

denn T ist unabhängig von den Geschwindigkeiten x. Selbst- 
verständlich ist die kinetische Energie der ponderabeln Masse 
in dem Ausdrucke (304) nicht eingeschlossen; sie ist entweder 
ganz zu vernachlässigen mit der Begründung, dass die Para- 
meter x nur langsam veränderlich, die x also sehr klein sein 
sollten, oder sie muss, wenn man dies nicht voraussetzen will, 
besonders berücksichtigt werden. — Bei weiterer Ausführung 
der Differentiation erhält man 



§ 137. Vergleich mit den früheren Ergehnissen. 

Der durch Gleichung (304) angegebene Ausdruck für die 
elektrokinetische Energie des Systems der zwei Stromringe 
wird mit dem in Gleichung (259) aufgestellten Werthe der 
magnetischen Energie des Feldes identisch, sobald man setzt 

Ä = L 17 B = L 29 C=M, 

denn die Differeritialquotienten y x und y% der cyklischen Coordi- 
naten sind schon vorher als die Stromstärken gedeutet worden, 
entsprechen also den früher mit C x und C 2 bezeichneten Grössen. 

Der Differentialquotient ^ T /dy 1} also der Werth Ay x -f- Cy 2 , 
der auch als das elektrische Moment des ersten Stromringes 
bezeichnet wird, entspricht nun genau dem in § 128 mit ß x 
bezeichneten Werthe, stellt also die magnetische Induction 
durch den ersten Stromring dar. Die Gleichungen (305) 
sprechen also das Inductionsgesetz aus, wenn wir unter Y x 
die inducirte elektromotorische Kraft im ersten Stromringe 
verstehen. [Vgl. auch Gl. (261), S. 291.] 

X r ist eine Kraft, deren Antriebspunkt zu einem der 
Parameter gehört, die die sichtbare Bewegung des Systems 



366 Sechster Abschnitt. Gedrängte Uebersicht über die übrigen Theile. 

bestimmen ; also eine pondero motorische Kraft. Um uns zu 
überzeugen, dass sie in Uebereinstimmung mit den früher 
dafür aufgestellten Werthen steht, denken wir uns eine un- 
endlich kleine virtuelle Bewegung ausgeführt und ermitteln 
die von allen X hierbei geleisteten Arbeiten. Nach dem 
Princip der virtuellen Geschwindigkeiten ist das System der 
Kräfte X dem früher gefundenen mechanisch äquivalent, wenn 
die virtuellen Arbeiten in beiden Fällen gleich sind. 

Vorher ist indessen noch darauf hinzuweisen, dass X r 
hier eine von aussen her an dem Systeme anzubringende Kraft 
bedeutet, während früher umgekehrt die Kraft ermittelt wurde, 
die von dem Systeme nach aussen hin ausgeübt wurde. Dies 
hat natürlich einen Unterschied im Vorzeichen zur Folge. 

Nach Gleichung (306) ist die Arbeit der Kraft X r , wenn 
wir die virtuelle Verrückung des Antriebspunktes r mit 8x r 
bezeichnen, gleich 

_dT 

dx 'OXr, 
r 

die Arbeit aller ponderomotorischen Kräfte X also gleich 8T } 
wenn wir unter 8 jetzt eine Variation verstehen, die nur durch 
die Aenderung der Parameter x bei constanten Stromstärken 
zu Stande kommt. Dieser Werth stimmt aber, vom Vorzeichen 
abgesehen, genau mit dem in § 128 gefundenen Betrage der 
Arbeit der elektrodynamischen Kräfte für eine beliebige un- 
endlich kleine Bewegung (vgl, S. 346) 

{CldL 1 + ^C 2 2 dL 2 + C 1 C 2 dM 

überein, wenn man den Coefficienten von T die vorher fest- 
gestellte Bedeutung beilegt. Die Abweichung des Vorzeichens 
findet ihre Erklärung in einer vorhergehenden Bemerkung. 

Damit ist bewiesen, dass auch die ponderomotorischen 
Kräfte, auf die man durch die Anwendung der Sätze der ge- 
wöhnlichen Mechanik geführt wird, wenn man das System 
der zwei Stromringe als einen bicyklichen Mechanismus auf- 
fasst, den aus der Beobachtung hergeleiteten mechanisch 
äquivalent sind. 



Zweites Capitel. Der Maxwell'sche Zwangszustand. 367 

Wir dürfen daher mit einem gewissen Rechte vermuthen, 
dass ein von elektrischen Strömen gebildetes Feld in der 
That einen Mechanismus bildet, in dem sich imponderable 
Massen bewegen, der Art, dass mit dieser Bewegung eine kine- 
tische Energie verbunden ist und dass die Bewegung selbst den 
Sätzen der gewöhnlichen Mechanik unterworfen ist. 



Zweites Capitel. 

Der MaxweH'sche Zwangszustand. 

§ 138. Allgemeine Betrachtungen. 

Die Vorstellungen Maxwell's über die Natur des Zwanges, 
dem z. B. ein Dielektricum im elektrostatischen Felde ausgesetzt 
ist, knüpfen unmittelbar an die Auffassung der Spannungs- 
zustände in festen oder flüssigen Körpern an, deren man sich 
in der Elasticitätstheorie oder in der Hydraulik bedient. Wie 
z. B. auf einen in einer vollkommenen oder in einer zähen 
Flüssigkeit schwimmenden Körper von der Flüssigkeit Kräfte 
ausgeübt werden, die an jeder Stelle durch den Spannungs- 
zustand der Flüssigkeit bedingt sind, erfährt auch ein elektri- 
sirter Körper nach dieser Theorie von allen Seiten her, wo 
er an den Luftraum angrenzt, eine ponderomotorische Ein- 
wirkung dieses Dielektricums. In beiden Fällen ist der Spannungs- 
zustand über das ganze übrige Medium überall in stetiger 
Weise verbreitet; erst an der Grenzfläche offenbart er sich 
aber durch eine den Bewegungszustand des eingetauchten 
Körpers beeinflussende Oberflächenvertheilung von Kräften, 
die für diesen Körper als äussere Kräfte zu bezeichnen sind. 

Die Frage liegt hier nahe — und sie ist oft genug in 
einem der Maxwell'sehen Darstellung ungünstigen Sinne be- 
antwortet worden — , ob es gerade in einer Flüssigkeit mög- 
lich erscheine, dass neben dem hydrostatischen Drucke noch 
eine davon abweichende Spannungsvertheilung, wie sie die 
MaxwelFsche Theorie liefert, auftreten könne, ohne das Gleich- 



368 Sechster Abschnitt. Gedrängte Uebersicht über die übrigen Theile. 

gewicht der Flüssigkeit zu stören. Darauf ist aber zu er- 
widern, dass der von der Flüssigkeit eingenommene Raum 
zugleich noch vom Aether angefüllt ist, den wir überall als 
den eigentlichen Träger aller elektrischen und magnetischen 
Erscheinungen zu betrachten haben, lieber die näheren Be- 
ziehungen zwischen dem Aether und der ponderablen Materie 
ist uns vorläufig nichts Näheres bekannt, und es steht daher 
z. B. der Annahme nichts im Wege, dass sich bei den Er- 
scheinungen, die in der gewöhnliehen Hydraulik besprochen 
werden, der Aether ganz neutral verhalte, während er im 
Zustande elektrischer oder magnetischer Erregung eine Ab- 
weichung von dem dort gefundenen Druckvertheilungsgesetze 
hervorbringen könnte. In der That machen sich die elektrischen 
und magnetischen Kräfte ja auch noch, wie wir annehmen 
müssen, im sogenannten Vacuum geltend. 

Ein Einspruch aus dem bezeichneten Grunde lässt sich 
daher gegen die MaxwelPsche Darstellung nicht aufrecht er- 
halten. Immerhin erscheint es aus anderen Gründen nicht 
gerade sehr wahrscheinlich, dass der wahre Mechanismus der 
Kraftübertragung im elektrischen oder magnetischen Felde 
durch diese Darstellung getreu wiedergegeben würde. Wohl die 
überwiegende Mehrzahl der heutigen Anhänger der Maxwell'- 
schen Theorie betrachtet dies vielmehr als zweifelhaft und 
erblickt in der Maxwell'schen Spannungsvertheilung nur ein 
Beispiel für die Möglichkeit, die Kraftübertragung durch das 
Medium auf relativ sehr einfache Weise in Uebereinstimmung 
mit den wichtigsten Erfahrungstatsachen zu erklären. 

Um den Spannungzustand in einem festen Körper zu 
untersuchen, beginnt man in der Elasticitätstheorie damit, 
durch einen gegebenen Aufpunkt eine unendlich kleine Fläche, 
deren Grösse mit df bezeichnet sei, zu legen. Die durch df 
von einander getrennten Massentheilchen des Körpers üben 
Kräfte aufeinander aus, die nach dem Gesetze der Action und 
Reaction von gleicher Grösse aber entgegengesetzter Richtung 
sind, jenachdem wir die Wirkung auf die diesseits oder auf 
die jenseits gelegenen Massen ins Auge fassen. Ziehen wir 



Zweites Capitel. Der Maxwell'sche Zwangsznstand. 369 

eine Einheitsnormale 9t in einer der beiden Richtungen, so 
soll die durch die Fläche df übertragene Kraft, die auf jene 
Seite der Fläche einwirkt, für die 9t eine innere Normale bildet, 
durch den Ausdruck 

dargestellt werden, wobei 91 in tfn nur ein Index ist. Dies 
ist möglich, da die Kraft jedenfalls der Grösse der Fläche df 
proportional ist. Hierdurch wird der zur Einheitsnormale 9t 
gehörige Vector Jp% definirt; man nennt ihn die specifische 
(nämlich die auf die Flächeneinheit bezogene) Spannung des 
Körpers für die betreffende Normalenrichtung. Setzt man 
9t' = — 9t, so ist nach dem Gesetze der Action und Reaction 

■N = — H' . 

Für jeden Aufpunkt ist p von der Richtung der gezogenen 
Normalen $ abhängig, und zwar bildet es, wie sich sofort 
zeigen wird, eine lineare Vectorftmction von 9t Ich habe nicht 
die Absicht, hier näher auf die Theorie dieser Functionen ein- 
zugehen und gebrauche diesen Ausdruck daher nur zur ab- 
gekürzten Bezeichnung des weiter folgenden Zusammenhanges. 

Der nächste Schritt der Elasticitätstheorie (ebenso auch 
der Hydraulik) besteht darin, ein unendlich kleines Element 
und zwar gewöhnlich ein rechtwinkliges Parallelepipedum, oder 
ein Tetraeder mit drei zu einander senkrechten Seitenflächen, 
im Körper abzugrenzen und die Gleichgewichtsbedingungen für 
die daran wirkenden Kräfte aufzustellen. Betrachten wir der 
Einfachheit halber ein solches Tetraeder, von dem drei Seiten- 
flächen zu drei rechtwinkligen Coordinaten-Ebenen parallel 
gehen und von dem die zu einander rechtwinkligen Kanten die 
Längen d%, dy, dz haben, so haben wir die Gleichgewichts- 
bedingung 

\dyde • fr + \dxds • fr + \dxdy • fr + df • fr* = , 

wobei df die Fläche der vierten Tetraederseite und 9t die zu 
dieser gehörige innere Normale bedeutet. Die Seitenfläche 
dydz/2 ist die rechtwinklige Projection der Fläche df auf die 

Föppl, Maxwell'sche Thoorie der Elektricität. 24 



370 Sechster Abschnitt. Gedrängte Uebersicht über die übrigen Theile. 

«/#-Ebene und daher gleich df mal dem Cosinus des Winkels 
zwischen beiden Flächen. Dieser aber ist ; nach der Definition 
des scalaren Products, gleich — \% Setzt man diesen Werth 
und entsprechend die beiden andern in die vorhergehende 
Gleichung ein, so erhält man 

** — fc-« + »ri» + fc-M» • • • (308) 

Hiermit ist ^ als Function der Normalen 9t dargestellt, 
und der Spannungszustand in einem gegebenen Punkte ist 
daher vollständig durch drei Vectoren ty, Jij, fa, bezw. durch 
neun scalare Grössen, nämlich durch die im Allgemeinen von 
einander unabhängigen Componenten dieser Vectoren definirt. 

In die Gleichgewichtsbedingung am Tetraeder treten die 
an der Masse des Tetraeders wirkenden Kräfte (auch die Trägheits- 
kräfte, Centrifugalkräfte u. s. w., falls sich der Körper in un- 
gleichförmiger Bewegung befindet) nicht ein, da sie, wie das 
Tetraedervolumen, unendlich klein dritter Ordnung und daher 
gegen die nur von der zweiten Ordnung unendlich kleinen 
Grössen der auf die Seitenflächen wirkenden Spannungen zu 
vernachlässigen sind. 

Für das Gleichgewicht der Kräfte an einem rechtwinkligen 
Parallelepipedum von den Kantenlängen dx 7 dy, d0 erhält man, 
wenn die auf das Einheitsvolumen wirkende Massenkraft mit 
ff bezeichnet wird, 



dyd* • JJt — dydt\pi+-rfödxj + dxd» • fo — dxdgfa+jjdy) 
+ dxdy • $t — dxdy{jft + j-^ • de) + %dxdydz = . 



Hier bleiben nur die von der dritten Ordnung unendlich 
kleinen Glieder übrig und man erhält 

s-S + ^ + S-'- • • •■ • <w 

Hierbei ist % die von der Fernwirkungstheorie angenommene 
Fernkraft (mit Einschluss der Trägheitskraft bei ungleich- 
förmig bewegten Körpern), bei den gewöhnlichen Anwendungen 



Zweites Capitel. Der MaxwelFsche Zwangszustand* 371 

der Elasticitätslehre die Schwerkraft, mit der die Spannungen 
im Gleichgewicht stehen müssen. Soll dagegen, wie hier, eine 
scheinbare Fernkraft als Resultirende von Spannungskräften 
erklärt werden, so ist das Vorzeichen des Ausdrucks für % in 
Gleichung (309) umzukehren. 

Ausser der Kraft fj, die durch den Mittelpunkt des 
Parallelepipedums geht, kann im Allgemeinen (nämlich bei 
Magneten) noch ein statisches Moment auf die Körpermasse 
einwirken, das eine Drehung des Körperelements herbeizuführen 
strebt. Bezeichnen wir dieses auf den Mittelpunkt bezogene 
Moment mit Wldxdydz, so erhalten wir als zweite Gleich - 
gewichtsbedingung der Spannungen mit den äusseren pondero- 
motorischen Einwirkungen durch Anwendung des Momenten- 
satzes für den Mittelpunkt 

8« = Vi* + Vi*i + V**. .... (310) 

Auch hier sind die Vorzeichen auf der rechten Seite um- 
zukehren, wenn SB mit den Momenten der Spannungen nicht 
im Gleichgewichte steht, sondern vielmehr als die Resultirende 
daraus erklärt werden soll. 

Zerlegt man die tf in ihre Componenten, setzt also z. B. 

so lässt sich Gleichung (310) nach Ausführung der Vector- 
producte auch schreiben 

S» = ICfts ~ Ph) + l(Ph — Ä») + *(ft» - fli) ■ -( 311 ) 

Bei den gewöhnlichen Anwendungen der Elasticitätstheorie 

kommt eine verdrehende ponderomotorische Einwirkung von 

aussen her nicht vor, SB ist also gleich Null und man hat 

an Stelle von Gleichung (311) 

Pte = Ph 7 Ph = Ph 7 Pi2 = Pix • 

Der Spannungszustand an jeder Stelle des Körpers wird 

dann nur noch durch sechs von einander unabhängige Spannungs- 

componenten definirt. Bei dem Maxwell'schen Zwangszustand 

trifft diese Bedingung aber nicht immer zu und wir haben im 

24* 



372 Secteter Abschnitt. Gedrängte Uebersicht über die übrigen Theile. 

Allgemeinen alle neun Spannungscouiponenten beizubehalten. 
Bei den Fällen, die hier behandelt werden sollen, ist indessen 
SR immer gleich Null. 



§ 139. Der Zwangszustand im elektrostatischen Felde. 

Hier beschränke ich mich auf die Betrachtung des Falles, 
dass die Dielektricitätsconstante K überall denselben Werth 
hat. Die wahre Ladung ist dann überall das IT-fache der 
freien und für die an einem Volumen-Elemente dv auftretende 
elektrostatische Fernkraft erhält man 

— W-Q w dv oder —K.\7WQ f äv, 

wenn W das von den freien Ladungen ausgehende elektro- 
statische Potential bezeichnet. Mit Hülfe des Laplaee'schen 
Satzes lässt sich dies überführen in 

Die vorher mit % bezeichnete Fernkraft an der Volumen- 
einheit ist daher hier 

§ = AV^-V 2? F (312) 

und das Moment SR ist hier gleich Null. 

Soll nun das Zustandekommen der scheinbaren Fern- 
kraft % durch einen Spannungszustand im Dielektricum er- 
klärt werden, so müssen die Vectoren fy, {ij, pt bezw. ihre 
Componenten so in W ausgedrückt werden, dass Gleichung (309) 
erfüllt ist und SR nach Gleichung (310) zu Null wird. Zu 
diesem Zwecke muss der in Gleichung (312) vorkommende 
Ausdruck \7W*S7 2 W weiter umgeformt werden. Für die i-Com- 
ponente dieses Vectors lässt sich aber schreiben 

W V72 m = 1 i. ( d JL\* j_ A (d* ?Z\ ii A?\ 2 
dx' V 2 dx\dx) "r" dy\dx dy) *dx\dy)~ 

+ dz \dx dz) *dx\dz) * 



Zweites Capitel. Der Maxwell'sche Zwangszustand. 373 

Im Ganzen erhält man daher 

~ *[dx*\\dx) \dy) \dz) )~T~dy\dx dy)' t dz\dx dz)} 
^l\dx\dx dy)^dy^\\dy) \dx) \dz) ) + dz\dy de)] 

+ l \dx\dx dz)^ r dy\dy dz)^~ dz 2 \\dz) \dx) \dy) )\ 

Dieser Werth kann noch in anderer Weise geordnet werden, 
wie folgt: 

~ dx[ 1 ' 2 \[dx) \dy) \dz) )~rl dx dy~*~ l dx dz) 
+ dy[ X dx dy~rl' *\\dy) \dx) \dz) / ""•" l dy dz] 

+ d* I 1 £# dz "+" * 0y 8£? "•" l " 2 \\dz) \dx) \dy) )]' 

Damit ist die verlangte Umformung vollzogen und Gleichung 
(309) ist ebenso wie Gleichung (310) ohne Weiteres erfüllt, 
wenn wir setzen 

__ jKV. l/7^\ 2 /^\ 2 _/^ 2 \ 1 .dWdW , f dWdW\ 
W— 4n\ X '*\\dx) \dy) \dz) J^hx dy mjr% dx oz) 

Vi = - Sfe^+1'i^j ~\dx~) — \dJ) J^ 1 !^ dz)^ ölö) 

W~ ±A X dx dz + *dy dz~r l 'z\\dz) \dx) \dy) ) 

Die Minuszeichen auf der rechten Seite erklären sich 
durch die auf Gleichung (309) folgenden Bemerkungen. 

Die Richtung der Ooordinatenachsen war beliebig. Um 
eine nähere Vorstellung von der Art des durch die Gleichungen 
(313) dargestellten Zwangszustandes zu erhalten, wollen wir 
jetzt annehmen, dass die t-Richtung mit der Richtung der 
elektrostatischen Kraft zusammenfalle. Bezeichnen wir den 
Tensor dieser Kraft mit F, so ist dann F = — ^^/dx f während 



374 Sechster Abschnitt. Gedrängte üebersicht über die übrigen Theile. 

W/dy und dw/gg zu Null werden. Für diese specielle Wahl 
der Achsenrichtungen erhält man daher 

TT 72 7P% 7F% 

d. h. diese 3 Spannungen stehen sämratlich senkrecht zu den 
zugehörigen Flächen, sie sind nach den Bezeichnungen der 
Elasticitätstheorie die drei Hauptspannungen an der betreffenden 
Stelle des Körpers. Ferner sind alle drei von gleicher Grösse. 
Nur im Vorzeichen findet eine Abweichung statt, um uns 
über die Bedeutung dieser Vorzeichen Rechenschaft zu geben, 
bedenken wir, dass fa entgegengesetzt gerichtet ist wie die 
innere Normale i jener Seite der Schnittfläche, zu der J)* ge- 
hört, dass es also eine Zugkraft ist. Bin positives Vorzeichen 
wie bei fa und pj gibt dagegen Druckspannungen an. 

Der Zwang im elektrostatischen Felde besteht 
demnach in einer Zugspannung längs der Kraftlinien, 
verbunden mit einem nach allen Seiten hin gleichen 
normalen Seitendrucke zwischen den einzelnen Kraft- 
röhren; dem absoluten Betrage nach sind beide unter 
einander gleich und zwar kommt auf die Flächeneinheit 
die Kraft F*K/ S „. 

§ 140. Der Zwangszustand im magnetischen Felde eines 
elektrischen Stromes. 

Die magnetische Permeabilität p sei im ganzen Felde 
constant; ebenso sollen nirgends eingeprägte magnetische 
Kräfte vorkommen. Ueberall ist dann div $ = 0, d. h. die 
Kraftlinien sind hier ebenso wie sonst stets die Inductions- 
linien in sich geschlossene Curven. Die ponderomotorischen 
Kräfte, die jetzt als Ergebniss eines Zwangszustandes erklärt 
werden sollen, sind die elektrodynamischen Kräfte an den 
elektrisch durchströmten Körpern. Für % haben wir daher 
nach Gleichung (167) zu setzen 



Zweites Capitel. Der MaxwelFsche Zwangszustand. 375 

Das Moment SB ist hier wie im vorhergehenden Falle gleich 
Null zu setzen. Zur Bestimmung der Spannungen Jh, Jij, pi 
nach Gleichung (309) muss abermals eine entsprechende Um- 
formung des Ausdruckes für $ vorgenommen werden. 

Für die i-Componente von V cur l§*§ erhält man 

und dies lässt sich umformen in 



H t H 2 idHS idH 2 * tdH 3 * ^/dH, . dH 2 dH 3 \\ 
dy "a dx 2 dx 2 dx ■ 1 \dx~ r dy' T dz)\ 



dH x H 3 , dH 1 H 2 , idH^ idH 2 * idH 3 

dz 



Der in der runden Klammer stehende Werth bildet die 
div von $ und ist daher nach den vorhergehenden Bemerkungen 
gleich Null. Formt man entsprechend auch die anderen Com- 
ponenten um, so erhält man 

V i^ V \ dz T dy -T 2 d x 2 dx 2 dx J 

A dB 1 H 2 dH 2 H 3 . idH,* idH,* idH 3 *\ 
" t " I l dx "*" dz "*" 2 dy 2 dy * dy } 

f l dH 2 H 3 dH,H 3 idH 3 * 1 dH l * idH 2 *\ 

"*" [ dy ' dx ' 2 dz 2 dz 2 dz j" 

Ordnet man dies noch etwas anders, so erhält man für % 

+ £^{iflifii + i -JW - Jai» - a, 2 ) + ifliJi,} 

+ ^{i^H, + i^Ä, + f.i(^-^-^)). 

Der Vergleich mit Gleichung (309) zeigt uns, welche Werthe 
wir den Spannungen $ beilegen müssen, damit $ als deren 
Folge erscheint, nämlich 

l h --£{iH 1 H a + l.±(H > >-H'-H t ') + tE t H t } (315) 



376 Sechster Abschnitt. Gedrängte Uebersicht über die übrigen Theile. 

Lassen wir die i-Richtung mit der Richtung yon $ zu- 
sammenfallen, so geht dies über in 

*-- l £pi >i = if^; fc = 0- ( 31ß ) 

Der Zwangszustand gleicht also völlig dem im elektro- 
statischen Felde auftretenden. An die Stelle der Intensität 
des elektrostatischen Feldes tritt hier die Intensität des mag- 
netischen Feldes und an die Stelle der Dielektricitätsconstanten K 
die Permeabilität" ja. 

Für den Tensor der Hauptspannungen J^V/8» lässt sich 
übrigens auch ®§/8n schreiben, d. h. die Hauptspannungen 
sind numerisch gleich dem auf die Volumeneinheit bezogenen 
Inhalte an magnetischer (oder elektrokinetischer) Energie. — 
Eine analoge Bemerkung lässt sich übrigens auch an den 
Ausdruck (314) für die Hauptspannungen im elektrostatischen 
Felde knüpfen. 

Die vorhergehende Betrachtung bleibt übrigens auch dann 
noch gültig, wenn das magnetische Feld nicht ausschliesslich 
von Strömen in einem Medium von constanter Permeabilität 
herrührt, falls nur an jenen Stellen, für die wir die fi be- 
rechnen wollen, die Permeabilität constant ist und keine ein- 
geprägten magnetischen Kräfte auftreten. 

§ 141. Zwangszustand im Innern von Magneten. 

Als Magnete sind hier Körper zu verstehen, in denen 
entweder eingeprägte magnetische Kräfte vorkommen oder 
doch Körper, deren Permeabilität zum mindesten von der des 
umgebenden Mediums verschieden ist. Die Fernwirkungstheorie 
denkt sich diese Körper mit einer Vertheilung magnetischer 
Massen belegt, ohne auf die Unterschiede in der Permeabilität 
weiterhin Rücksicht zu nehmen. Dass es möglich ist, für alle 
ponderomotorischen Erscheinungen auf diese Weise Rechen- 
schaft zu geben, ist längst nachgewiesen und durch den Ver- 
gleich mit der Erfahrung bestätigt. Wir wollen daher hier 
daran anknüpfen und untersuchen, wie der Zwangszustand 



Zweites Capitel. Der Maxwell'scho Zwangszustand. 377 

beschaffen sein rauss, um zu denselben Kraftäusserungen am 
Elementarparallelepipede eines Magneten zu führen. 

Hierbei sei die in § 94 beschriebene Massenvertheilung 
zu Grunde gelegt. Die im Volumenelemente dxdyds enthaltene 
freie magnetische Masse setzen wir also gleich — div %dxdyd$ 
(nach Gleichung 212) und die wahre magnetische Masse ist 
das ft-fache davon. Die Oberflächenbelegung von freiem 
Magnetismus auf der dem Coordinatenursprung zunächst ge- 
legenen Rechteckfläche ist gleich — J 1 dyd0 7 wenn J t die 
i-Componente der magnetischen Intensität 3 bedeutet; auf 
der gegenüberliegenden Seite haben wir eine Belegung vom 
entgegengesetzten Vorzeichen. 

An den zum Volumenelemente gehörigen Massen wirken 
nach der Fernwirkungstheorie ausser der Kraft 

— p div %dxdydz • £> , 
die an dem wahren Magnetismus im Innern des Parallel- 
epipedums angreift, noch drei Kräftepaare an den Oberflächen- 
belegungen. Das statische Moment des an den beiden zur 
i-Richtung senkrechten Seitenflächen angreifenden Kräftepaares 
für irgend einen Momentenpunkt (denn für ein Kräftepaar ist 
das statische Moment bei jeder Lage des Momentenpunktes 
gleich gross) beträgt 

Vi$ • pJidxdydz. 

Der Factor ft kommt dadurch in den Ausdruck, dass die 
ponderomotorische Kraft an der Belegung mit wahrem Mag- 
netismus angreift, die das ft-fache der früher angegebenen 
Belegung mit freiem Magnetismus bildet. Stellen wir den 
entsprechenden Ausdruck auch für die beiden anderen Krafte- 
paare auf, addiren, ziehen dabei iJ^ + j<7 2 + ^3 zu $ un ^ 
fi§ zu SB zusammen, so erhalten wir für das auf die Volumen- 
einheit bezogene statische Moment SW der ponderomotorischen 
Fernwirkung 

SB = V3» (317) 

Wir haben uns seither stets darauf beschränkt, solche 
magnetische Körper ins Auge zu fassen, für die © und § und 



378 Sechster Abschnitt. Gedrängte Uebersicht über die übrigen Theile. 

daher auch 3 gleich gerichtet sind. Bei hartem Eisen braucht 
dies nicht zuzutreffen. Wir wollen aber jetzt, wie seither 
überall in diesem Buche, davon absehen, auf jene Fälle ein- 
zugehen, bei denen eine Abweichung zwischen der Bichtung der 
Kraft und der des entsprechenden Flusses (§ und 83, bezw. (8 
und $) vorkommt, indem wir diese Fälle einer besonderen 
Behandlung vorbehalten. 

Nach der Definition des Vectorproducts wird in unserem 
Falle SM zu Null. Für $ erhalten wir 

§ = _ ^divS • § = ^ divg ■ §. 

An Stelle von 3 ist hierbei wieder mit $ülfe von Gleichung 
(211) $ eingeführt. Von elektrischen Strömen soll der Magnet 
nicht durchflössen sein. § lässt sich daher, wenigstens in 
jenen Räumen, für die wir uns interessiren, von einem 
Potentiale ableiten, das mit VF bezeichnet werden mag. 
Damit wird 

ff = -^Var- V 2 3*\ 

V 4:7t 

Dieser Ausdruck unterscheidet sich aber nur dadurch von 
dem in Gleichung (312) für die elektrische Kraft im elektro- 
statischen Felde gegebenen, dass K durch sein magnetisches 
Analogon jx ersetzt ist. Wir können daher die dort gefundene 
Lösung unmittelbar auf den hier vorliegenden Fall übertragen. 
Besonders gelten also die Gleichungen (313) und (314) sofort 
auch für das magnetische Feld, wenn man K durch ft ersetzt 
und unter F jetzt H versteht. 

Der Spannungszustand, zu dem wir jetzt geführt wurden, 
ist vollständig mit dem in § 140 gefundenen und durch die 
Gleichungen (315) und (316) ausgedrückten identisch. Wir 
mussten dies auch von vornherein erwarten, da es sich im 
einen wie im anderen Falle darum handelte, ponderomotorische 
Kräfte in einem magnetischen Felde zu erklären. 

Die drei in § 139, 140 und 141 behandelten Fälle können 
auch combinirt vorkommen. Die betreffenden Zwangszustände 
superponiren sich dann einfach. 



Drittes Capitel. Die elektromagnetisch. Wellen in isotropen Medien. 379 

Drittes Capitel. 
Die elektromagnetischen Wellen in isotropen Medien. 

§ 142. Ebene Wellen in einem ruhenden, isotropen und 
homogenen Dielektricum. 

Die beiden Hauptgleichungen des elektromagnetischen 
Feldes lauten hier (vgl. Gleichung 154 und Gleichung 163) 

curl£ = Z^ (318) 

^•--"--*t£- • • • W 

Dazu kommt, da p constant ist, 

div£ = (320) 

und, da keine wahren elektrischen Ladungen im Innern des 
Dielektricums vorkommen können und zugleich K constant ist, 

div <$ = (321) 

Mit Hülfe dieser Gleichungen, * die die Hauptwurzeln der 
ganzen MaxweH'schen Theorie bilden, lässt sich der Verlauf 
der elektromagnetischen Wellen im Dielektricum leicht ver- 
folgen. Eliminirt man <S aus den beiden Hauptgleichungen, 
indem man von der ersten den curl nimmt, die zweite nach t 
differentiirt und beide addirt, nachdem vorher die zweite noch 
mit K multiplicirt ist, so erhält man 

curl»$~-*j*|£ (322) 

Nach Gleichung (72) geht dies mit Rücksicht auf 
Gleichung (320) über in 

V 2 § = ür^ (323) 

Umgekehrt kann man auch # eliminiren, indem man 
Gleichung (318) mit ft multiplicirt und nach t differentiirt, 



380 Sechster Abschnitt. Gedrängte Uebersicht über die übrigen Theile. 

hierauf von Gleichung (319) den eurl nimmt und sie dann von 
der ersten subtrahirt. Man erhält dann 

curl 2 ® = — Ktijff 

oder mit Rücksicht auf Gleichung (321) 

V 8 e = iT^ (324) 

Die Vectoren $ und 6, die den Zustand des elektro- 
magnetischen Feldes in Verbindung mit den constanten Coef- 
ficienten K und ft für jeden Augenblick und für jede Stelle 
des Feldes vollständig definiren, erfüllen demnach beide die- 
selbe Differentialgleichung. Näheren Aufschluss über die Art 
der elektromagnetischen Wellen, die dieser Gleichung unter- 
worfen sind ; erhalten wir, wenn wir partikuläre Integrale der 
Differentialgleichung bilden. 

Hier handelt es sich nur um den einfachsten Fall. Auf 
diesen wird man geführt, wenn man setzt 

# = rsin2«(f + |) (325) 

wobei $° einen dem Räume und der Zeit nach constanten 
Vector, x den senkrechten Abstand des Aufpunktes von einer 
beliebig gewählten Ebene, t die Zeit und X und x zwei Con- 
stanten bedeuten. Dieser Werth bildet nämlich in der That 
ein Integral der Differentialgleichung (323), wenn man über 
die Constanten A und r in passender Weise verfügt. Man 
erhält nämlich, wenn die erwähnte Ebene zur YiT-Ebene ge- 
nommen wird, aus Gleichung (325) 
d 2 & /2«\2, 






sowie 

d 2 $ /2tt\2 



Gleichung (323) ist also erfüllt, wenn wir setzen 

i = l.^ oder A = t]/^. . . (326) 



Drittes Capitel. Die elektromagnetisch. Wellen in isotropen Medien. 381 

Bisher war über den constanten Vector #° nichts voraus- 
gesetzt; einer einschränkenden Bedingung wird er aber dadurch 
unterworfen, dass # zugleich Gleichung (320) erfüllen muss. 
Führt man die Operation div an Gleichung (325) aus und 
bezeichnet die X-Componente von g>° mit H\, so erhält man 
nach Gleichung (320) 

di.»_a!^-.*«(J + i)-fl}¥~(! + j)-o- 

Da dies für jedes x und für jedes t zutrifft, muss 

j?j = (327) 

sein, d. h. #° muss parallel zur YZ- Ebene sein. Schreiben 
wir also 

so geht Gleichung (318) hiermit und nach Einsetzen des 
Werthes von § aus Gleichung (325) über in 

Durch Integration erhalten wir hieraus 

<g - ^(- \E\ + IflJ) sV*g + 7) + «. • (328) 

wobei die Integrationsconstante Ä zunächst unabhängig von 
der Zeit ist. Setzt man den Werth von % in Gleichung (324), 
so wird diese, wie man sich leicht überzeugt, erfüllt unter 
der Bedingung, dass V 2 Ä gleich Null ist. Auch Gleichung (319) 
wird durch die Lösungen von <S und # befriedigt, falls curl Ä 
Null ist. Diese beiden Bedingungen sprechen aus, dass $ zu 
einem der Zeit nach constanten elektrostatischen Felde gehört, 
das von Massen herrührt, die ausserhalb des von uns be- 
trachteten Feldbezirks liegen. Ein solches constantes elektro- 
statisches Feld hat also gar keinen Einfluss auf die Wellen- 
bewegung. Ebenso könnte der Lösung von $ irgend ein 
der Zeit nach constanter Vector zugefügt werden, der dieselben 
beiden Bedingungen erfüllt, ohne dass sich der Vorgang im 



382 Sechster Abschnitt. Gedrängte Uebersicht über die übrigen Theile. 

Uebrigen änderte. Magnete und elektrische Ladungen sind 
also auf die Fortpflanzung der ebenen magnetischen Wellen 
unter den hier vorliegenden Bedingungen ohne Einfluss. — 
Da es auf Ä demnach nicht weiter ankommt, setzen wir es 
der Einfachheit halber gleich Null. 

Die für Ob gefundene Lösung sei symmetrisch zu Gleichung 
(325) in der Form geschrieben 

<g = <g°sin2rt(f + !) C 329 ) 

Unter @° ist demnach ein der Zeit und dem Räume 
nach constanter Vector zu verstehen, dessen Componenten 
sich aus dem Vergleiche mit Gleichung (328) ergeben zu 

^° = 0, El = -^.Hl, K = i^m . (330) 

Der hierbei vorkommende Coefficient */ik kann nach 
Gleichung (326) durch "j/ft/z" ersetzt werden, hängt also nur 
von dem Medium ab. 

Auch der Vector (8° geht demnach parallel zur YZ- Ebene 
und zwar steht er senkrecht zum Vector #°, da, wie man 
sofort erkennt, das scalare Product beider zu Null wird. 

# 
§ 143. Discussion der gefundenen Lösung. 

Analytisch ist hiermit die Aufgabe, ein particuläres 
Integral der Differentialgleichung der elektrodynamischen 
Wellen zu bilden, vollständig gelöst; es handelt sich jetzt noch 
um die Besprechung der physikalischen Bedeutung dieser 
Lösung. 

Nach den Gleichungen (325) und (329) haben wir es hier 
mit einem rein periodischen Vorgang zu thun. Zu einer ge- 
gebenen Zeit hat der Vector # an allen Stellen des Feldes, 
die auf einer zur YZ- Ebene parallelen Ebene enthalten sind, 
dieselbe Grösse und Richtung. Der grösste Werth, den er 
annimmt ist $°; dies trifft in einem Augenblicke zu, wo 
x /x + */r für das betreffende x gleich n + V* * s t> W( > w eine 



Drittes Capitel. Die elektromagnetisch. Wellen in isotropen Medien. 383 

beliebige ganze Zahl bedeutet. Während die Zeit weiter 
fort schreitet ; nimmt § ab; es wird zu Null, wenn a/x -f" t/t 
— n + V 2 ^ un< ^ kehrt darauf die Richtung in die entgegen- 
gesetzte um. Man erkennt aus dieser Betrachtung, dass t die 
Schwingungsdauer einer vollen Periode ist, denn sobald t 
sich um % vermehrt, wächst n wieder um 1 an und der Vorgang 
beginnt von Neuem. 

Anstatt wie soeben den Blick auf eine bestimmte Stelle 
des Feldes zu fesseln und die Veränderungen während des 
Verlaufes der Zeit an dieser Stelle zu beachten, wollen wir 
jetzt umgekehrt den Zustand des Feldes an verschiedenen 
Stellen zur gleichen Zeit ins Auge fassen. Auch dem Räume 
nach ist § periodisch; es nimmt den Maximalwerth §° überall 
dort an, wo %/x + */* = n + V 4 * s *5 wächst dieser Betrag 
auf n + 3 A an, so ist $ ebenso gross, aber entgegengesetzt 
gerichtet. Hieraus erkennt man die Bedeutung der Con- 
stanten A: diese gibt die Wellenlänge an, denn sobald wir 
in der Richtung x um X weiter gehen, hat sich der Bogen, 
dessen sinus in Gleichung (325) vorkommt, um 2ä vermehrt, 
wodurch an dem Werthe von # und ebenso nach Gleichung 
(329) an dem von <S nichts geändert wird. 

Man betrachte ferner die Aenderung von $, wenn man 
zur selben Zeit um das unendlich kleine Stück dx vorwärts 
geht und vergleiche sie mit der Aenderung, die $ an demselben 
Orte während der unendlich kleinen Zeit dt erfährt; man hat 

Beide Werthe sind einander gleich, falls zwischen dx 
und dt die Bedingung 

dx/i = dt/ t 

erfüllt ist. Aus dieser Betrachtung erkennt man zweierlei. 
Zunächst ist die von uns angenommene Richtung der x ent- 
gegengesetzt der Fortpflanzungsrichtung der Wellen, denn 



384 Sechster Abschnitt. Gedrängte Uebersicht über die übrigen Theile. 

jener Zustand, der im Abstände + dx zur Zeit t herrsehte, 
tritt nach der Zeit t -}- dt im Aufpunkte ein. Zugleich ergibt 
sich aber daraus noch die Geschwindigkeit, mit der dieser 
Zustand durch das Medium fortschreitet, also mit anderen 
Worten die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Wellenbewegung. 
Nennen wir diese v, so muss, wenn dx und dt gleichen 
Aenderungen entsprechen sollen, 

dx = vdt 

sein. Vergleichen wir dies mit der vorher direct gefundenen 
Beziehung zwischen beiden und beachten zugleich Gleichung 
(326), so erhalten wir 

— 7-1/5 331) 

Schon früher (§ 59), bei der Untersuchung über die 
Dimensionen der Coefficienten K und ft waren wir zu dem 
Resultate gelangt, dass ihr Product das Reciproke vom Quadrate 
einer Geschwindigkeit darstelle. Jetzt ist jene Betrachtung 
dahin ergänzt, dass diese Geschwindigkeit die Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit der elektromagnetischen Wellen (oder auch 
die des Lichtes, das nach Maxwell als eine elektromagnetische 
Wellenerscheinung betrachtet wird) in dem betreffenden 
Medium ist. 

Will man die x in der Richtung der fortschreitenden 
Wellen zählen, so ist Gleichung (325) zu ersetzen durch 

*-#««in2*(i-£) 

und entsprechend bei (S. 

Der Inhalt an magnetischer und elektrostatischer Energie 
in einem Volumenelemente dv ist für einen gegebenen Augen- 
blick (Gl. 116 und Gl. 129) 

Setzt man die Werthe von § und ($ ein und nimmt 
dabei auf die durch die Gleichung (330) gegebenen Werthe 



Drittes Capitel. Die elektromagnetisch. Wellen in isotropen Medien. 385 

der Componenteri von (S° Rücksicht, so ergibt sich nach ein- 
facher Ausrechnung, dass beide Glieder von dT von gleicher 
Grösse sind, dass also die elektrostatische Energie im Volumen- 
elemente in jedem Augenblicke ebenso gross ist als die mag- 
netische. 

Die Fortpflanzungsrichtung der Welle kann zugleich als 
die Bahn eines Energiestromes aufgefasst werden. Durch 
einen der Flächeneinheit gleichen senkrechten Querschnitt 
wandert in der Schwingungsdauer r so viel Energie, als bei 
demselben Querschnitt über eine Längenwelle hinweg in jedem 
Augenblicke im Medium verbreitet ist. Dies ist der Betrag 

x 



£«/«n«2*(l + f)<i*, 



wofür man durch Ausführung der Integration leicht erhält 

Die mittlere Intensität des Energiestromes ergibt sich 
hieraus sofort durch Division mit %. 

Eine ähnliche Betrachtung liefert leicht auch die augen- 
blickliche Intensität des Energiestromes. Von besonderem 
Interesse ist es, hier an die Untersuchungen in § 112 über 
den Poynting'schen Energiefluss anzuknüpfen. Setzen wir die 
Integrationsconstante curlS in Gleichung (267) gleich Null, 
so entnehmen wir daraus in unserem Falle für den Energie- 
strom SB 

Für V®of?o erhält man aber mit Berücksichtigung der 
Gleichungen (330) und (327) 

Demnach wird SB 

Föppl, MaxweH'sche Theorie der Elektricität. 25 



386 Sechster Abschnitt. Gedrängte Uebersicht über die übrigen Theile. 

Dieser Werth deckt sich vollständig mit dem durch die 
vorhergehende Betrachtung gefundenen; speciell wird man 
auch genau auf den vorher gegebenen Mittelwerth von S& 
geführt, wenn man Gleichung (332) über eine Schwingungs- 
dauer integrirt und dann durch t dividirt. Man muss beim 
Vergleiche nur auf die durch Gleichung (326) ausgesprochene 
Beziehung zwischen den Constanten achten. 

Dieser Vergleich lehrt uns, dass im vorliegenden Falle 
die von Poynting vorgenommene Unterdrückung derlntegrations- 
constanten Ä in Gleichung (267) in der That vollständig ge- 
rechtfertigt ist. 

Das negative Vorzeichen des Ausdruckes von äß in 
Gleichung (332) weist uns darauf hin/ dass die Richtung der 
Energiefortpflanzung der i- Richtung (also der Richtung der 
positiven x) entgegengesetzt ist. In Verbindung mit einem 
schon vorher über die ^-Richtung gefundenen Resultate heisst 
dies, dass sich die Energie in derselben Richtung fortpflanzt, 
wie die Wellen selbst. Im Sinne der elektromagnetischen 
Lichttheorie wird daher die Richtung eines Licht- 
strahles durch die Richtung des damit verbundenen 
Energieflusses bestimmt. 

Ein Strahl, der die hier besprochenen Gesetze befolgt, bei 
dem also die Richtung von # stets in dieselbe Gerade und 
die von % stets in eine dazu senkrechte Gerade fällt, heisst ein 
planpolarisirter Strahl. Ob $ oder $ in jene Ebene fällt, 
die man in der Optik die Polarisationsebene eines eben polari- 
sirten Lichtstrahles nennt, ist noch zweifelhaft. 



§ 144. Ebene Wellen in Halbleitern. 

Wenn das Medium, in dem sich eine elektromagnetische 
Welle fortpflanzt, zugleich (wir wollen jetzt annehmen nur 
in geringem Grade) elektrisch leitet, hat man die Haupt- 
gleichungen an Stelle von (318) und (319) zu schreiben (vgl. 
GL 154 und 163) 



Drittes Capitel. Die elektromagnetisch. Wellen in isotropen Medien. 387 
curl$-=4**e + .K'4? 



dt 



curl« — p^ f 



wozu noch die Gleichungen (320) und (321) treten. 

Durch Elimination entweder von <S oder von $ in der- 
selben Weise wie in § 142 erhalten wir die für diese beiden 
Vectoren gültigen Differentialgleichungen, die hier an Stelle 
der früheren Gleichungen (323) und (324) treten. Sie lauten: 



v«-4**,»U + ,jr*£j 



Jeder Vector erfüllt dieselbe Differentialgleichung. Setzt 
man an Stelle von Gleichung (325) 



$~$ *" 8 in2*(f + 4), 



so hat man eine particuläre Lösung der Differentialgleichung 
für £, die sich von der früher betrachteten Lösung für den 
Fall h = nur durch das Hinzutreten des Factors e ax unter- 
scheidet. Dieser Factor spricht aus, dass eine Dämpfung der 
Ausschläge beim Fortschreiten der Wellen stattfindet. Die 
Lösung bleibt natürlich auch noch gültig, wenn man den sin 
durch den cos ersetzt. 

Eine wesentliche Abweichung gegenüber dem früher be- 
trachteten einfacheren Falle stellt sich hier insofern ein, als 
der correspondirende Werth von <g 



<g = <gV*sin2*(f + |) 



nun nicht mehr, wie man nach den früheren Ergebnissen 
vermuthen möchte, mit § zusammen eine Lösung des Problems 
bildet. Die Differentialgleichungen (333) werden zwar beide 
erfüllt; aber nicht mehr die beiden Hauptgleichungen selbst, 
wenn man die gewählten Werthe einsetzt. Man setze daher 

26* 



388 Sechster Abschnitt. Gedrängte Uebersicht über die übrigen Theile. 

* -#V.{«n2*(£ + i) + 0cos2*(f + {)}' 

\ (334) 
<g = «0c«*{sin2*(J + 7) + ycos2rt(J + |) J 

Hierbei sind ß und y zwei neueingeführte Constanten ; die 
man als Tangenten von Winkeln betrachten kann. Diese 
Winkel sind die „Phasenverschiebungswinkel" der Lösungen 
(334) gegenüber den früher betrachteten und da ß von y 
nothwendig verschieden sein muss, damit die Hauptgleichungen 
erfüllt werden, ergibt sich aus dieser Betrachtung, dass $ 
und <S in absorbirenden Mitteln nicht mehr in gleicher 
Phase stehen. 

Das Hinzukommen der mit ß und y behafteten Glieder 
in Gleichung (334) stört nicht, dass die Differentialgleichungen 
(333) immer noch erfüllt werden; wir haben nur etwas ver- 
allgemeinerte Lösungen dieser Differentialgleichungen heran- 
gezogen. Setzen wir die Werthe (334) in die Gleichungen (333) 
ein, so erhalten wir zwei Bedingungsgleichungen zwischen 
den Constanten a, A und r, in denen sich ß und y völlig 
herausheben. Setzen wir hierauf die Werthe (334) in die 
Hauptgleichungen ein, so erhalten wir zwei Bedingungs- 
gleichungen, aus denen sich ß und y (als Lösungen von 
Gleichungen dritten Grades) berechnen lassen. Da diese Lösung 
etwas verwickelt ist, möge darauf jetzt nicht weiter einge- 
gangen werden. 

Die beiden Bedingungsgleichungen zwischen den Con- 
stanten a, X und t, denen diese genügen müssen, damit die 
Differentialgleichungen (333) erfüllt werden, ergeben sich leicht 
wie folgt 

"•-(¥)' + MV")' -°| . . . (335) 

Eine dieser Constanten kann demnach beliebig gewählt 
werden, z. B. A oder r. Die anderen und daher auch das 
Verhältniss ty, das nach der Betrachtung, die zu Gleichung (331) 



Drittes Capitel. Die elektromagnetisch. Wellen in isotropen Medien. 389 

führte, die Portpflanzungsgeschwindigkeit der Wellenbewegung 
angibt, sind von der getroffenen Wahl abhängig, d. h. in 
absorbirenden Mitteln ist diese Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit eine Function der Wellenlänge. Dieses 
Resultat ist namentlich desshalb bemerkenswerth, weil man 
in der Optik die Dispersion der Lichtstrahlen durch Differenzen 
in der Fortpflanzungsgeschwindigkeit verschieden langer Wellen 
erklärt. 

Die Auflösung der Gleichungen (335) liefert, wenn man 
X als die beliebig zu wählende Constante ansieht und be- 
achtet, dass a nach der von uns getroffenen Festsetzung der 
Vorzeichen (die es mit sich bringt, dass die Fortpflanzungs- 
richtung der Wellen mit der negativen X-Achse zusammen- 
fällt) jedenfalls positiv ist: 

2n 2nfiJc 



1/W 



tik 2 



(336) 



Die Absorption macht sich also um so weniger bemerklich 
(a ist um so kleiner) je grösser die Wellenlänge *A ist. Daher 
kommt es, dass dicke Platten aus Holz, Pech u. s. f. die 
Hertzschen Wellen ohne starke Absorption durchlassen, während 
die viel kürzeren Lichtwellen vollständig darin verlöschen. 

Für die Fortpflanzungsgeschwindigkeit v = y* erhält man 
aus der zweiten der Gleichungen (335) 

v = ^r-= , 1 .... (337) 

Falls entweder k selbst schon sehr klein oder falls X so 
klein ist, dass das Glied X 2 p 2 k 2 gegen Kp verschwindet, geht 
v wieder in den früher (Gl. 331) gefundenen Werth über. 



Schlussbemerkungen. 

Aus den früher angeführten Gründen gehe ich hier nicht 
weiter auf die Theorie der elektromagnetischen Wellen ein. 
Ich bemerke nur noch, dass man aus der verschiedenen Fort- 



390 Sechster Abschnitt. Gedrängte Uebersicht über die übrigen Theile. 

pflanzungsgeschwindigkeit in zwei aneinander grenzenden 
Medien auf die Bichtbreehung zwischen ihnen schliessen 
kann. Maxwell benutzte zu dem Vergleiche des Brechungs- 
index mit der Dielektricitätsconstanten Gleichung (331), die in 
vielen Fällen zu einer befriedigenden Uebereinstimmung führt. 
Im Allgemeinen wäre sie indessen durch Gleichung (337) zu 
ersetzen; doch ist mit Rücksicht auf den molekularen Aufbau 
der lichtbrechenden Körper auch hier keine volle Ueber- 
einstimmung zu erwarten. — Für weitergehende Untersuchungen 
ist es auch unerlässlich, die Theorie auf äolotrope Körper 
auszudehnen, wovon der Einfachheit halber in diesem Buche 
überall grundsätzlich abgesehen wurde. 

In guten Leitern erlangen die den ersten DifFerential- 
quotienten nach t enthaltenden Glieder in den Differential- 
gleichungen (333) das Uebergewicht über die mit dem zweiten 
Dififerentialquotienten behafteten. Die Fortpflanzung der Störung 
erfolgt dann wie die Ausbreitung der Wärme nach der Fourier ? - 
schen Theorie Ein vollkommener Leiter (h = <x>) würde 
überhaupt keine Störung in sein Inneres dringen lassen. 



Anhang. 



I. Rückblick auf die Fassung der Elektrostatik. 

Man kann oft genug die Aeusserung hören, dass die 
Elektrostatik das schwierigste Kapitel der MaxwelPschen 
Theorie bilde. Bei der Abfassung dieser Schrift habe ich aber 
eine solche Schwierigkeit kaum empfunden, und es will mir 
daher scheinen, dass sie überhaupt nicht in der Sache, sondern 
nur in unserer Gewohnheit, mit den Begriffen und Vorstellungen 
der Fernwirkungstheorie zu operiren, ihren Ursprung hat. Um 
dies deutlicher hervortreten zu lassen, wird es sich empfehlen, 
hier noch einmal eine kurze Analyse des ganzen Gedanken- 
gangs zu geben, wobei sich mir auch Gelegenheit bieten wird, 
noch einige weitere Bemerkungen dem Früheren beizufügen. 

Der erste Schritt bestand in der Einführung des Vectors 
<S (der elektrischen Kraft) im Dielektricum. In der Luft oder 
in flüssigen Nichtleitern ist das Kraftfeld <S unmittelbar durch 
die Erfahrung gegebeu; aber auch die Uebertragung der Vor- 
stellung vom Kraftfelde auf feste Dielektrica ist ein so un- 
bedenklicher Schritt, dass er bisher wohl von Niemand 
beanstandet wurde. Dass zur Einführung von <S die vorher- 
gehende Definition der Elektricitätsmenge (wie in der Fern- 
wirkungslehre) keineswegs erforderlich ist, scheint mir fast 
selbstverständlich zu sein, da es zunächst nicht auf ein Messen 
von <S in absolutem Maasse ankommt. Für den Anfang ge- 
nügt irgend eine willkürliche Einheit; später ergibt sich dann 
aus den Betrachtungen über die Energie des Feldes von selbst 
das Mittel zur Zurückführung auf absolutes Maass. Einen 



392 Anhang. 

ausführlichen Nachweis für die Berechtigung dieses Vorgehens 
hat Vasehy kürzlich gegeben (C. R. 116. p. 1286. 1893). Bei 
der Abfassung des Textes würde ich diese Darstellung gern 
mit benutzt haben, wenn sie mir damals schon bekannt ge- 
wesen wäre. 

Der Vector $ wird freilich rein hypothetÄch eingeführt. 
Seine Einreihung bildet das wichtigste Merkmal der ganzen 
Maxwell'schen Theorie, durch das sich diese von allen früheren 
Theorien am wesentlichsten unterscheidet. Durch die Be- 
merkung, dass die Energiegrössen auch sonst überall durch 
zwei Pactoren bestimmt werden, kann nachträglich bis zu einem 
gewissen Grade die physikalische Existenz von © wahrschein- 
lich gemacht werden. Wirklich gerechtfertigt wird die An- 
nahme aber nur durch den engen Anschluss der daraus gezogenen 
Folgerungen an die Erfahrungsthatsachen. Wenn aber auch 
unbedingt zuzugeben ist, dass die Annahme, der physikalische 
Zustand eines elektrostatischen Feldes erfordere zu seiner voll- 
ständigen Charakterisirung stets zwei Vectoren, ganz hypo- 
thetisch ist und ihre Rechtfertigung erst a posteriori erhalten 
kann, so ist doch andererseits auch keine Erschwerung der 
Vorstellungen darin zu erblicken. Denn der zwischen den 
Kräften und den elastischen Formänderungen der gewöhnlichen 
Mechanik bestehende Zusammenhang bildet ein so getreues 
Analogon dazu, dass wir niemals im Zweifel über den Sinn 
bleiben können, in dem die beiden Vectoren $ und (g neben 
einander gebraucht werden. 

Die heute gebräuchliche Definition des Leiters (§ 43) ge- 
stattet eine einfache Uebertragung der beim Dielektricum ge- 
wonnenen Begriffe. Dass in einem elektrisch durchströmten 
Leiter ein elektrostatischer Zwangszustand besteht von der- 
selben Art. wie im Dielektricum, ist zwar experimentell bisher 
nicht in directer Weise bewiesen. Die damit zusammen- 
hängende Definition des Leiters scheint mir aber darum nicht 
minder berechtigt, als die von der Fernwirkungslehre gegebene, 
wonach ein Leiter ein Körper sein soll, in dem sich die 
Elektricität frei zu verschieben vermag. Denn auch dass 



Anhang. 393 

sich irgend etwas wirklich frei im Leiter verschiebe, ist nicht 
experimentell bewiesen; es ist dies nur eine Vorstellung, die 
uns zu den experimentell beobachteten Thatsachen eine mög- 
liche Erklärung liefert. Dasselbe leistet aber auch die moderne 
Definition des Leiters. Hierbei ist noch darauf hinzuweisen, 
dass es in der Natur keine scharfe Grenze zwischen Leitern 
und Nichtleitern gibt. Sobald wir aber einen continuirlichen 
Uebergang annehmen, also so etwa, dass ein Körper bei 
einer bestimmten Temperatur nicht leitet und bei einer 
anderen (wie z. B. Glas bei einer Erwärmung) leitet, die 
Leitungsfähigkeit also eine stetige Function der Temperatur 
bildet (die von einer bestimmten Grenze an Null ergibt), folgt 
daraus sofort, dass unsere Vorstellung über den im elektrisch 
durchströmten Leiter bestehenden elektrostatischen Zwangs- 
zustand richtig sein muss, falls dies für das Dielektricum 
zugegeben wird. 

Zunächst fehlt hierbei allerdings ein Mittel, um die In- 
tensität der Vectoren $ und <S im Innern eines Leiters aus- 
zumessen. Das traf aber für einen festen Nichtleiter gleichfalls 
zu, und wie bei diesem das der Beobachtung zugängliche Maass 
der aufgehäuften Energie, so gibt bei dem Leiter die Be- 
obachtung der in ihm in Wärme verwandelten elektrostatischen 
Energie das Mittel an die Hand, die Grösse der Vectoren $ 
und (S nachträglich zu bestimmen, wobei wie im vorigen Falle 
die Eigenschaften des Mediums mit in Betracht kommen. In 
einem elektrischen Felde, das frei von magnetischen Strömen 
ist, kommt hierzu der aus den späteren Erörterungen folgende 
Umstand, dass das Linienintegral der elektrischen Kraft für 
eine geschlossene Curve verschwindet, wodurch wir das Messen 
von Ob im Metall durch ein Messen im angrenzenden Luft- 
räume ersetzen können. 

Der nächste Schritt besteht in der Zerlegung des Vectors 
<S (falls dieser in beliebiger Weise im Raum vertheilt ist), in 
zwei Componenten, wovon die eine wirbelfrei und die zweite 
solenoidal ist. (Vergl. hierzu auch Anhang IL) Diese Zer- 
legung bildet eine rein analytische Operation. Dann wird 



394 Anhang. 

durch Definition festgesetzt, dass die Elektrostatik die Lehre 
von den elektrischen Feldern bildet, in denen <S der Zeit nach 
constant und dem Orte nach wirbelfrei vertheilt ist. Dafür, 
dass es solche Felder gibt und dass sie bei den Erscheinungen 
der Reibungselektricität vorkommen, kann auf die Erfahrung 
verwiesen werden. Die Eigenschaft der in diesem Falle 
wirbelfreien Vertheilung lässt sich indessen auch schon aus 
dem Energieprincip schliessen. — Im Innern der Leiter muss 
in elektrostatischen Feldern (8 überall Null sein. Träfe 
dies nämlich nicht zu, so hätten wir einen stationären 
elektrischen Strom, der nur längs geschlossener Bahnen 
möglich ist. Das Linienintegral von (8 für eine solche ge- 
schlossene Strombahn müsste aber dann nothwendig von 
Null verschieden sein (da (S mit dem Strome überall gleiche 
Richtung hat), was gegen die Voraussetzung der wirbelfreien 
Vertheilung ist. 

Für ein wirbelfreies @ gelten ferner die Sätze der Potential- 
theorie. Man gelangt damit auch zu jenen Werthen, die man 
in Anlehnung an die Newton'sche Gravitationstheorie als 
„Massen" bezeichnet, ohne dass indessen irgend eine Veranlassung 
zu der Annahme vorläge, dass diese elektrischen Massen in 
dem Sinne eine materielle Unterlage hätten, dass sie mit den 
ponderablen Massen der Mechanik verglichen werden könnten. 
Namentlich erscheint die Anwendbarkeit der Sätze der Mechanik 
auf die an solchen „Massen" angreifenden ponderomotorischen 
Kräfte zunächst ganz zweifelhaft. Die Massen spielen dagegen 
in der Maxwell'sehen Theorie eine andere sehr wichtige und 
unmittelbar evidente Rolle, nämlich als Quellen und Ver- 
sickerungsstellen des ihnen zugeordneten Kraftflusses. Wie zu 
(g die „freien", so gehören zu £ die „wahren" Elektricitäts- 
mengen, zwischen denen sorgfältig zu unterscheiden das Be- 
streben jedes Physikers sein sollte. Die Gegenüberstellung 
der beiden Begriffe verhindert zugleich, dass einem von ihnen 
je wieder eine solche dominirende Rolle zugeschrieben werden 
könnte, wie den elektrischen Massen der älteren Theorie; 
damit wird zugleich die grob-materialistische Auffassung der 



Anhang. 395 

Elektricität, zu der die ältere Theorie geradezu herausforderte, 
mehr in den Hintergrund gedrängt. 

Nachdem der Boden soweit vorbereitet ist, folgt in § 44 
die Betrachtung über das Zustandekommen und die Vertheilung 
der Elektricitätsmengen in einem geladenen Leiter. Um hier- 
über eine klare Vorstellung zu gewinnen, müssen wir ein 
mechanisches System angeben können, das in seinem Verhalten 
mit dem elektrischen Systeme, um das es sich handelt, eng 
verglichen werden kann. 

Dazu genügt es, an den schon von vornherein benutzten 
Vergleich der elektrischen Verschiebung $ mit einer elastischen 
Verschiebung wieder anzuknüpfen. So lange wir nur Nicht- 
leiter haben, kann nirgends eine wahre Ladung auftreten. 
An der Grenzfläche der Leiter besteht im ersten Augenblicke, 
nachdem eine Polarisirung des ganzen Gebietes erfolgte, eben- 
falls noch keine wahre Ladung: sie bildet sich erst im Ver- 
laufe einer gewissen (wenn auch sehr kurzen) Zeit aus, indem 
der elektrostatische Zwang im 'Leiter allmählich erlischt, 
während er im Nichtleiter nur durch ein Rückgängigmachen . 
der elastischen Verschiebung aufgehoben werden könnte. 

Warum ist nun mit dem Erlöschen des elektrostatischen 
Zwanges im Leiter nicht auch ein Zurückgehen der elastischen 
Verschiebung im angrenzenden Nichtleiter verbunden; wodurch 
wird der — nach unserem Bilde — aus dem Leiter in den 
Nichtleiter unter Ueberwindung eines elastischen Widerstandes 
verdrängte Aether verhindert, in den Leiter zurückzutreten, 
nachdem der elektrostatische Zwang im Leiter aufhörte? Die 
Antwort darauf ist leicht zu geben: der Aether unseres Bildes 
ist incompressibel. Wer mit dieser Antwort nicht zufrieden 
ist, wird weiter schliessen, dass eine Art hydrostatischen 
Druckes (bezw. Zuges) im Aether auftreten müsse, um den 
Zwang an der Leitergrenzfläche aufrecht zu erhalten. In der 
That ist ja in dem Begriffe der Unzusammendrückbarkeit 
schon der vom Auftreten eines Widerstandes gegen jede 
Volumenänderung mit enthalten. Hier mag man es nun ver- 
missen, dass die Theorie von den Folgen des Auftretens eines 



396 Anhang. 

solchen Druckes gar nicht weiter Notiz nimmt. Indessen, 
wenn der Aether vollkommen incompressibel ist, können durch 
diese Druckkräfte keine Longitudinalwellen (bezw. nur solche 
mit unendlich grosser Fortpflanzungsgeschwindigkeit) hervor- 
gebracht werden. Id jedem Augenblicke regeln sich, unab- 
hängig von der Geschwindigkeit, mit der eine Aenderung des 
Zustandes erfolgt, an allen Stellen des Feldes die Verhältnisse 
so, dass die solenoidale Bedingung für den wahren Strom 
überall streng erfüllt ist. Hierin besteht die einzige physi- 
kalische Aufgabe jenes Druckes (oder Zuges) und auch die 
alleinige physikalische Wirkung, die er auszuüben vermag. 
Wir tragen ihm daher schon vollständig Rechnung, wenn wir, 
ohne weiter von ihm zu reden, überall von der genannten 
Bedingung Gebrauch machen. 

Die mechanische Erläuterung des Vorganges lässt daher 
kaum etwas zu wünschen übrig. Sie gestattet uns, eine 
deutliche Vorstellung von den Bedingungen zu gewinnen, 
unter denen die elektrischen Ladungen zu Stande kommen, 
, die in engster Uebereinstimmung mit den Erfahrungsthatsachen 
steht. Das ist aber zugleich Alles, was wir von dem ge- 
brauchten Vergleiche erwarten können und erwarten dürfen. 
Bei dem gegenwärtigen Stande unseres Wissens müssen wir 
uns damit zufrieden geben, wenn wir irgend ein mechanisches 
System angeben können, das uns ein übersichtliches Erfassen 
und Begreifen des Herganges bei der elektrischen Ladung in 
Uebereinstimmung mit den Grundlagen der ganzen übrigen 
Theorie gestattet. Die Möglichkeit anderer Erklärungsweisen 
ist ausdrücklich offen zu lassen und die Aufgabe, alle Vor- 
stellungen, die dasselbe leisten, aufzusuchen und die stich- 
haltigste unter ihnen auszuwählen, der zukünftigen Entwicklung 
der Wissenschaft anheimzugeben. 

Genau dieselbe Betrachtung bleibt dann ferner auch auf 
den Magnetismus anwendbar. 



Anhang. 397 

IL Zerlegung eines beliebig im Räume verteilten Vectors in 
einen wirbelfreien und einen solenoidalen Bestandteil. 

Von einer solchen Zerlegung ist in diesem Buche oft 
genug Gebrauch gemacht worden; es mag daher am Platze 
sein, hier noch einmal etwas näher darauf einzugehen. Unter 
« sei ein stetig, aber sonst beliebig im Räume vertheilter 
Vector verstanden, d. h. zu jedem Punkte des Raumes gehöre 
ein bekannter Werth von « und in Nachbarpunkten sei « 
nur unendlich wenig verschieden. Verlangt wird, « an jeder 
Stelle in zwei Componenten X und $ zu zerlegen, so dass I 
eine wirbelfreie und $ eine solenoidale Vertheilung im Räume 
besitzt. 

In Gleichungen ausgesprochen heisst dies 

* + §-* . • («) 

curl* = 0, div$ = (ß) 

Um diese Gleichungen nach den Unbekannten % und $ 
aufzulösen, beachte man, dass £ nach der ihm auferlegten 
Bedingung von einem scalaren Potentiale V und $ von einem 
Vectorpotentiale 81 abgeleitet werden kann, so dass (§ 36 u. 86) 

» — —VF, © = eurl» 
ist. Die beiden neuen Unbekannten V und Ä lassen sich aber 
leicht ermitteln. Man nehme von Gleichung (a) die div, so 
erhält man mit Berücksichtigung der Gleichung (ß) und der 
Definitionsgleichung für V 

div n = — divVF= - V 2 F= div«. 
Damit erhalten wir die Laplace'sche Gleichung für das 
gesuchte scalare Potential V, deren Lösung nach Gleichung 
(111) S. 86 

4äJ r 

ist. Auf dieselbe Weise erhält man auch Ä; nach Gleichung (a) ; 
mit Berücksichtigung der Bedingungsgleichung für % und der 
Definitionsgleichung von Ä wird nämlich 

curl$==eurl 2 » = curl«. 



398 Anhang. 

Setzen wir fest (da in dieser Hinsicht der Willkür in 
Bezug auf die Hilfsgrösse % Spielraum gelassen ist), dass 
div % verschwinden soll, so ist nach Gleichung (72) S. 59 

curl 2 » = — V 2 » 

und die vorhergehende Gleichung liefert die Laplace'sche 
Gleichung 

V 2 »=-curlÄ, 



deren Lösung nach §§ 84 und 83 

^curl I 



4äJ r 



dv 



lautet. Unsere Aufgabe ist hiermit vollständig gelöst. Denn 

setzen wir 

Ä 1 „ /MivÄ , . 1 t AurlH , 
$ = — — V f dv + t— curl I av, 

so ist diese Gleichung zunächst identisch erfüllt, wie man mit 
Hülfe von Gleichung (72) und der Laplace'schen Gleichung 
erkennt und zugleich ist der erste der Bestandteile, in die Ä 
dadurch zerlegt wird, wirbelfrei und der andere solenoidal 
vertheilt, wie es verlangt war. — Dass die Grösse Ä die ihr in 
der vorhergehenden Betrachtung auferlegte Bedingung div Ä=0 
nach ihrer Ermittelung auch wirklich erfüllt, folgt sofort aus 
§ 85. 

Bedeutet $ einen beliebig gegebenen elektrischen Ver- 
schiebungsfluss, wie $ in § 41, so stellt das erste Glied des 
für $ gegebenen Ausdruckes jenen Theil des Verschiebungs- 
flusses dar, der von wahren elektrischen Massen ausgeht. In 
§ 40 wurde bewiesen, dass auch in rein elektrostatischen 
Feldern, falls nicht K überall constant ist, neben jenem auch 
noch geschlossene Verschiebungslinien auftreten. Setzt man 
den Werth von curl $ auf S. 96 in die oben abgeleitete Formel 
ein, so* erhält man für den in § 41 mit %" bezeichneten 
Antheil von 2> 



>ß 



2>" = -^-. curl / ±± — i dv, 



Anhang. 399 

was sich nach Gleichung (204) S. 235 und Gleichung (84) S. 64 
auch noch weiter ausführen lässt. 

Um ein Missverständniss zu vermeiden, das, wie ich nach- 
träglich bemerke, ziemlich nahe liegt, erwähne ich noch, dass 
der Ausspruch am Schlüsse von § 40 natürlich nicht so zu 
verstehen ist, als wenn die geschlossenen Verschiebungslinien 
von elektrostatischen Feldern ihrem ganzen Verlaufe nach in 
die Uebergangsschichten fielen. Der Satz bezieht sich vielmehr 
nur darauf, dass die geschlossenen Verschiebungslinien sich 
innerhalb der Uebergangsschicht schliessen, dass also innerhalb 
eines Gebietsteiles, in dem K constant ist, keine in sich zu- 
rückkehrenden Verschiebungslinien vorkommen. 



III. Anziehung einer Kupferscheibe durch die Polfläche eines 
alternirenden Elektromagneten. 

Eine Kupferscheibe oder ein Drahtring wird von der Pol- 
fläche eines alternirenden Elektromagneten im Allgemeinen ab- 
gestossen. Schon in §§ 124 u. 128 ist diese Erscheinung er- 
wähnt und dahin gedeutet worden, dass sich der geschlossene 
Leiter stets so einzustellen sucht, um den durch die umschlossene* 
Fläche gehenden magnetischen Wechselstrom möglichst klein 
zu machen. Unter besonderen Umständen wird die Wirkung 
aber in ihr Gegentheil verkehrt, nämlich dann, wenn die 
Kupferscheibe einen merklich kleineren Durchmesser hat als 
die Polfläche des Magnetkerns und ihr in geringem Abstände 
gegenüber gestellt wird. Die Scheibe wird dann angezogen 
und haftet ziemlich fest an der Polfläche. Eine Beschreibung 
des Versuchs findet man z. B. in der Elektrotechnischen Zeit- 
schrift, Bd. 14, S. 238, 1893. Auch die Erklärung, die der 
Entdecker dieses Phänomens, Elihu Thomson, dafür gegeben 
hat, wird dort auseinandergesetzt; ich vermuthe indessen, dass 
der Leser von dieser Erklärung ebensowenig befriedigt sein 
wird, als ich selbst. 

Es möge mir daher der Hinweis gestattet sein, dass sich 
die Anziehung im vorliegenden Falle ganz einfach aus dem- 



400 Anhang. 

selben Grunde erklärt, wie vorher die Abstossung. Wenn die 
Kupferscheibe auf der Mitte der Polfläche haftet, wird sie von 
einem geringeren magnetischen Wechselstrome durchsetzt, als 
wenn sie um ein nicht zu grosses Stück von der Polfläche 
entfernt ist. Das Eisen ist nämlich nicht absolut magnetisch 
weich; die inneren Schichten stehen daher unter dem Einflüsse 
der Schirmwirkung der äusseren und werden dementsprechend 
schwächer magnetisirt. Beim Uebertritt des Inductionsflusses 
in die Luft an den Polflächen gleichen sich diese Unterschiede 
dagegen aus. — Haftet die Scheibe auf der Polfläche, so be- 
wirkt der in ihr inducirte elektrische Wechselstrom eine Ver- 
drängung der Inductionslinien nach den peripherischen Schichten 
des Magnetkerns und er wird dabei durch die Schirmwirkung 
dieser Schießten unmittelbar unterstützt. Die Scheibe wird 
daher nur von einem verhältnissmässig geringen magnetischen 
Wechselstrome durchsetzt. Aehnlich vollzieht sich zwar der 
Vorgang auch noch, wenn die Scheibe in kleinem Abstände 
vor der Polfläche steht; hier kann sich aber der Einfluss der 
Schirmwirkung der äusseren Schichten des Magnetkerns nicht 
mehr in demselben Maasse geltend machen. Der schliesslich 
tioch durch die Scheibe gehende magnetische Wechselstrom 
wird daher grösser als im vorigen Falle und die Scheibe sucht 
in die vorige Lage zurückzukehren. 

Auf eine ausführliche mathematische Analyse des ganzen 
Vorganges möchte ich jetzt nicht eingehen. Zur besseren Er- 
läuterung der vorhergehenden Ausführungen bemerke ich in- 
dessen noch, dass auch in unmittelbarer Nähe der Polfläche 
eines mit Gleichstrom erregten stabförmigen Elektromagneten 
die Induction © auf Punkten, die in der Magnetachse liegen, 
anwachsen muss, wenn wir uns von der Polfläche entfernen. 
Wäre das Eisen absolut weich, so müsste SB zwar abnehmen, 
wenn wir von der Polfläche abrücken, wegen der Ausbreitung 
des Inductionsflusses über einen grösseren Querschnitt. An 
den Randschichten trifft dies auch thatsächlich zu. Wenn 
der Kern aber von merklicher Härte ist, ändert sich dies an 
den centralen Theilen der Polfläche dadurch, dass beim Ueber- 



Anhang. . 401 

gang in die Luft der Inductionsfluss eine wirbelfreie Vertheilung 
annimmt, die er im Eisen nicht hatte. Es wird daher eine 
Ablenkung der Induetionslinien der äusseren Schichten zunächst 
theilweise auch nach der Mitte hin stattfinden, ehe bei grösserer 
Entfernung von der Polfläche auch hier eine Ausbreitung nach 
aussen hin erfolgt, womit dann wilder eine Abnahme von SB 
verbunden ist. — An der Stelle, wo diese Umkehrung eintritt, 
ist das Kupferscheibehen des E. Thomson'schen Versuchs im 
labilen Gleichgewichte. 

Diese ganze Betrachtung beruht nur auf einer einzigen 
Voraussetzung, an deren Berechtigung man etwa zweifeln 
könnte: nämlich auf der von mir in diesem Buche vertretenen 
Anschauung über die durch die magnetische Härte des Eisens 
bedingten Erscheinungen, Ich glaube indessen, dass man sich 
der Erkenntniss nicht verschliessen wird, dass diese Anschauung 
aus den experimentellen Daten über die magnetische Härte, 
mit denen sich die Fernwirkungstheorie in keiner Weise 
befriedigend abzufinden wusste, mit Noth wendigkeit folgt, 
dass es sich hier in der That gar nicht um eine Hypothese 
sondern nur um die correcte Formulirung der thatsächlichen 
Beobachtungen handelt. 

In dem hier erörterten Verhalten des Kupferscheibchens 
in dem E. Thomson'schen Versuche glaube ich eine unmittel- 
bare Bestätigung dieser Anschauung erblicken zu dürfen. 



IV. PormelzusammeÄstellttng. 

A. Allgemeine Gesetze für das Rechnen mit Vectorgrossen. 

a) Bezeichnungen. 

Alle Vectoren sind durch Fracturbuchstaben kenntlich 
gemacht, wie tl, ®, a u. s. f.; die zugehörigen Tensoren sind 
mit A, JBj a, die Componenten in den Richtungen der drei 
Grundveetoren i, j, t mit A x A 2 A 3 u. s. f. bezeichnet. Das 
scalare Product wird ÄJB, das Vectorproduct Y%$ geschrieben. 

Föppl, MaxweU'sche Theorie der Elektricität. 26 



402 



Anhang. 



ß) Elementare Operationen. 
= ®» = AB cos (**) .... (Gl. 7, S. 12) 
(G1.'14,S.16) 

V(« + »J(« + a>) 

= V*« + V»2)+V»« + V®S) . (Gl. 16, S. 17) 

i i I 

AAA • (Gl. 18», S. 18) 

B 1 B 2 B 3 

Der Tensor von V*» ist gleich J.J5sin£ (Gl. 13, S. 15) 
«V8G = GV*8 = »V«*. •■■ • (Gl- 21,8. 25) 

Jedes dieser 3 Producte gibt den Inhalt des aus den 
Kanten %$(£ gebildeten Parallelepipeds an; ferner ist 

(G1.22,S.2Ö)* 



(Gl. 23, S. 27) 
(Gl. 25, S. 27) 



y) Differentialformeln. 

Der Hamilton'sche Operator V = i tydx + \ tyd y + i s /ds 
an einem Scalar ausgeführt, ergibt einen Vector. An einem 
Vector kann er entweder auf scalare oder auf Vectorart aus- 
geführt werden; man erhält jenachdem 



A 


A 


A 


#i 


B, 


B* 


(k 


<h 


c s 






di v « = V« 



curl8t = VV»== 



dx ' dy ' dz 



i I « 

/dx d/dy d /dz 



A t A 2 A% 



(Gl. 44, S. 42) 
(Gl. 46,8.45) 



Für die Differentiirimg nach einer scalaren Veränderlichen 



gelten die Formeln 



Anhang. 403 



d /w«i\ «*<*», <g« 






(Gl. 28, S. 33) 



Vw-v«S+V"«J 

dA = dx^A . (G1.36,S.38) 

(dA ist die Aenderung des Sealars A bei einer Verschiebung 
um dt)] hieraus folgt 

^ = ( V ^)o • • *• (GL 37,8.39) 

Operator (ttV) 

•V=~ai d /8* + <h d föy + at d /de ■ ■ ■ (Gl. 38, S. 39) 

(aV)A = a-X7A (Gl. 40, S. 40) 

(gilt nur für Scalaren, wie Ä). 

(•V)*8-*-(«V)8 + 8.(»V)*. . (Gl. 42, S. 40) 

• (ttV)« = V Ä *a + Vcurl8l.ft . . . (Gl. 55, S. 50) 
Laplace'scher Operator 

V* = d>/ dx , + dy 8y *+d>/ dls , .... (Gl. 66, S. 57) 

divV^=V 2 ^ (Gl. 68, S.57) 

curl-V^ = . (G1.69, S.57) 

V 2 « = iVM x + JV% + fV 2 4, . . (Gl. 70, S. 58) 

divcurl» = 0. . (Gl. 71, S.58) 

curl 2 « = V-div»— V 2 « (Gl. 72, S. 59) 

(In der zweiten Zeile nach Gleichung 72 ist auf Seite 59 ein 
sinnstörender Druckfehler stehen geblieben, indem a anstatt 51 
gesetzt ist) 

div^8 = 4div8 + 8VJ. (Gl. 78, S. 61) 

curM8 = ^curl8-|-V(V^)-8 . . (Gl. 80, S. 61) 

divV «8 = 8 curl * - « curl 8 . . . (GL 81, S. 62) 

curlV*8 

— *div8 — 8div» + (8Vj* — (* V)8 (GL 84, S. 64) 

26* 



404 Anhang. 

V(curl*-») = (8V)*-V«WB . . (Gl. 85, S. 64) 

V(curl«.») 
= curl«V«W + 8div«-V«*8 . . (Gl 86,8.64) 

ä) Anwendungen auf die Mechanik. 
Für Kräfte am Punkte gelten die Gleichungen 9t = JE$; 
9tH = 27$pt) (S. 15). Die Geschwindigkeit to für irgend einen 
Punkt eines sich* bewegenden starren Körpers ist 

t, = t, +Vttt (G1.20,&22) 

Gleichgewichtsbedingungen für Kräfte 5ß am starren Körper : 

27$rfto = und 2JVt$ = 0. . . . (Gl. 26,8. 29) 
Umkehrung von Gleichung (20): 

tt = }curlH . " '. . . . (Gl. 49, S. 48) 

Zerlegung der Geschwindigkeit % einer Flüssigkeit in* der 
Nachbarschaft eines Punktes, von dem die unendlich kleinen 
Radien vectoren a gerechnet sind: 

« = « + » + <£ 

8 — 4V( curl *' ft ) r- • • (Gl. 58, S. 53) 

<S=iy(curl».<t)+Va9U 

Hiervon stellt ß die* Formänderungsbewegung dar, für 
die curl© = ist; curl % = curl SB gibt das Doppelte der 
Winkelgeschwindigkeit der Wirbelbewegung an. 

B. Formeln der Potentialtheorie. 
Satz von Stokes: 

Po 

f%di=f<nu\%-Xäf .• . . . . (Gl. 90, S. 70) 

Po 

Po 

fAd$=ßj9t-VAdf (Gl. 96, S. 72) 



Anhang. 405 
Satz von Gauss: 

ßkn t df=4*ß,dv (Gl. 117, S. 93) 

fUXiäf^-rffailL-dv. .... (Gl. 101, S. 77) 

fA9l i df=-ß/A • dv . .... .' (Gl. 102, S. 79) 

JV*.*itf/"= t /curl* • dv.-.' . . . (Gl. 103, S. 80) 
Satz von Green: 

f7U -VF • dv +fu • V 2 F • dv 
+f(lT7V)® i df=0 
Gleichung von Laplace: 

V 2 F=-p oder V 2 F=-4jt 9 . 
Sie hat die Lösung 

V= ߣ bezw - r -ß? (GU11,S.86,113,S.88) 



(Gl. 120, S. 100) 



Definition: 



Vectorpotential. 



'ß 



tdo 
r 



(Gl. 176. S. 215) 



Laplace'sche Gleichung: 

V 2 «=- 4»t . ... . . . 

Falls div c = ist div » — 



. (Gl. 179, S. 218) 
. (Gl. 181, S. 221) 

curl» = - fpY.ttdv ..... (Gl. 182, S. 222) 

pot-curlr = curl-potc (Gl. 204, S. 235) 

V-pot<> = P ot-Vtf (Gl. 207, S. 237) 

C. Formeln des zweiten Abschnittes. 

Bezeichnungen: ($ elektrische Kraft, $ elektrische Ver- 
schiebung, § magnetische Kraft, 3$ magnetische Induction, 



406 Anhang. 

K inductive Capacität (Dielektricitätsconstante), ja Permeabilität, 
Qf q w <5y ö w die Raumdichten einer Vertheilung von freien oder 
wahren elektrischen (p) oder magnetischen (tf) Massen,, T 
Energie, i elektrischer LeituDgsstroni, c wahrer elektrischer 
Strom, 9 magnetischer Strom, ifc specifische elektrische Leitungs- 
fähigkeit, F mechanische Kraft. 

2) = ^.@ (GL115, S.91) 

dT === ±®%dv =^Wdv ==~% 2 dv (Gl. 116, S.92) 

div2>==# P/ + ^@. VK . . . . (Gl. 118, S. 96) 

#P/ = Jl div <g ; Pw = div 2> . . . . (Gl. 119, S. 98) 



T = \ff^. Qf dv (Gl. 123, S. 103) 

Coülomb'sches Gesetz: 

F-^^K. 6 ^- (Gl. 127, S. 116) 

» = ffg. (Gl. 128, S. 123) 

dT-±*9dv - £& ■ dv = ±-Wäv (Gl. 129, S. 123) 
.ö w = . . (Gl. 130, S. 127) 

< r / = _i^ = J-lBVi (G1..134,S.128) 

Inductionsgesetz: 

Po 

fed% = ±%J (Gl. 141, S. 147) 

Erste Hauptgleichung, 1) falls nur Leitungsströme vor- 
kommen: 

curl§ = 4jri (Gl. 143, S. 151) 

2) mit Berücksichtigung der Verschiebungsströme: 
curl§ = 4*c — 4**« + !T^ . . (Gl. 154, S. 159) 



Anhang. 407 

3) zugleich mit Berücksichtigung der eingeprägten Kräfte 
in magnetisch harten Medien und der Convectionsströme: 

curl($ — $0 
= 4*rc = (4** + 2^)« + 4*n div» (Gl. 174, S.213) 

Ohm'sches Gesetz: 

x = m (GL 145, S. 153) 

Ioule'öches Gesetz: 

Q = m = m 2 = ^ <£ 2 (G1. 147, S. 154, Gl. 148 S. 155) 

Magnetischer Strom: 

B = ^ • (Gl. 158, S. 163) 

divg = (Gl. 160, S. 164) 

Zweite Hauptgleichung, 1) ohne Berücksichtigung der 
eingeprägten elektrischen Kräfte: 

curl <g = - 9 = T ^ = _^ . (Gl. 163, S. 171) 
2) mit deren Berücksichtigung: 

curl («-«,) — - B = _i?. . . (Gl. 175, S. 214) 
Tafel der Dimensionen siehe S. 172, 266 und 273. 

D. Formeln des dritten Abschnittes. 
Elektrodynamische Kraft: 

$=V*» (Gl. 166, S. 180) 

Magnetodynamische Kraft: 

8'— -V»» (Gl. 170, S. 182) 

♦Im Dielektricum ist 

8 + 8'=^V»8. ...... (Gl. 171,8.182) 



408 Anhang. 

Herleitung der magnetischen Kraft aus dem Vector- 
potentiale der elektrischen Ströme: 

8 = »r+ f» curl * - »„ + curl » B «». I (GL 191, S " 224) 

$ — §m-f£yttdv. .... . (Gl. 193, S. 227) 

Directe Bestimmung von 91m»xw. für den allgemeinsten Fall : 

9tMaxw.=/^ (Gl. 200, S. 231) 

wobei I = c + ^ curl & +■ JLy (V>) § (GL 199, S. 231) 

und divl=^V--curl» (Gl. 201, S. 232) 

also nicht gleich Null ist. 

&=J^EEL£rft> — potcurle. . . . (Gl. 205, S. 235) ' 

§,„==-/ ^- f dv = - pot, Vtf, . . (Gl. 206, S. 237) 
Intensität der Magnetisirung: 

3-$^- (G1.208 ; S.243) 

^^-divS (GL 212, S. 243) 

Vectorpotential eines Magneten für den Luftraum: 

« a = rV3*Vi-dt> (Gl. 224, S. 259) 

«itew. - (*o/ V3 • Vy • Ät; . . . . (Gl. 225, S. 259) 

E. Formeln des vierten Abschnittes. 

Bezeichnungen: Coefficient der Selbstinduction L, der 
gegenseitigen Induction JK , Capacität eines Condensators Cap, 
Widerstand R } Strom C, Energie T, Zeit t. 

Ableitung der inducirten elektrischen Kraft bei 
ruhenden Leitern aus dem Vectorpotentiale: 



Anhang. 409 

(| w = _ d%Msp. _ _ ^ « (QL 227 u> 228? g< 27()) 

Lzs=s ^C^K (Gl. 234, S. 273) 

Elektromotorische Kraft der Selbstinduction: 

Po 

J^g=_L^ (Gl. 235, S. 274) 

Energie eines einfachen Kreisstromes: 

T = l^f®® dv " Ä/* M — curl §fo~Tthp***<> 

Po 

= T^o Cf%ä% = |C 2 £ . ' (Gl. 236 bis 240, S. 276) 

Po 

m 

Zeitconstante $ines Kreisstromes % = -E/ß. 
Anwachsen des Stromes nach Schliessung des Stromkreises: 

0— J(l-e-'A) (GL 244, S. 278) 

Langsame elektrische Schwingungen in einem einfachen 
Stromkreise, der einen Condensator enthält, 

für B = 0: G = JS-sin -— * — . . (Gl. 254, S. 285) 

# 2? ist hier eine Constante und gleich der Maximalintensi- 
tät von G. 

Schwingungsdauer t == 2^]/L • Cap . 

und, falls R nicht vernachlässigt werden kann 



t = 4*lY a l ^ a | acap (Gl. 255, S. 285) 

B%r ein System aus zwei Kreisströmen: 

M 2 , 1 = M 1 , i = N ß-^ .... (Gl. 258, S. 290) 

T = 4 Ol A + j <7* £ 2 + C, 2 M 1>2 {Gl. 259, S. 290) 



410 Anhang. 

M (Gl. 260 u. 261, S. 291) 

dt\dCj 

Intensität des Energiestromes im elektromagnetischen 
Felde: 

m = h V(* ~ •*) @ _ &) + curl ft ( GL 267 > s - 301 ) 

F. Formeln des fünften Abschnittes. 

Bewegter Magnet und ruhender Leiter: 
8 = _(t>V)8+Vtt» (Gl. 270, S. 316) 

{(UV) — Vu} = { V» — V*eurl} . (Gl. 275, S.318) 

. Für den solenoidalen Bestandtheil ($i der inducirten Kraft 
(S ö erhält man 

@H = — ÄMaxw. 

= (t>V)«Ma X w. -Vu«Maxw. . . . . (Gl. 272, S. 317) 

= V»to+V «Maxw.ü (Gl. 276, S.318) 

Wenn umgekehrt der Magnet ruht und der Leiter sich 
bewegt, kehrt sich das Vorzeichen von b in dieser Formel um; 
für einen Stromkreis mit zwei Gleitstellen wird die inducirte 
elektromotorische Kraft 

E-fa»V*tb -(**.,+ *ü 

+ (* n H° + a*) .. (Gl. 282, S. 322) 

Auf Grund des Inductionsgesetzes wird hieraus geschlossen 

*F=— »b ; @; = v»ti, <gt,=V*» (G1.283,284,&323) 

(Diese Formeln sind indessen einstweilen noch streitig; 
vergl. Fussnote auf S. 325). 

Energiebeziehungen. & bedeutet den Inductionsfluss 



Anhang. 411 

durch eine Drahtsehlinge, 9! den Theil davon, der durch den 
Strom in der Schlinge selbst bedingt wird. 

Ponderomotorische Arbeit für eine unendlich kleine Ver- 
schiebung = C (du — d£l') (GL 288, S. 332) 

Elektromotorische Arbeit der inducirten Kräfte 

~-CdSl . . . (Gl. 289, S. 334) 

Die Summe beider giebt — CdQI und dies entspricht der 
Energieänderung des magnetischen Feldes. Bei Formänderungen 
der Drahtschlinge ist noch zwischen d£l' und d&l" zu unter- 
scheiden, so dass d£l' — d&l" den durch die Formänderung^ 
in die Schlinge übertretenden Zuwachs von £l' } dagegen d£l" 
den durch Veränderung von C bedingten bedeutet (§ 127). 

Vectorpotential magnetischer Ströme: 

S--kJ* dv ••••••• (Gl- 293, S. 351) 

@ m = curlS; « = cnrl8+*«. . . (Gl. 290, S. 350) 
divg = (Gl. 292, S. 351) 

S> m = ^curl8 ........ (Gl. 294, S. 351) 

T=-^J^dv ....... (Gl. 295, S. 352) 

— -fff • • • (Gl. 296, S. 354) 

Durch Bewegung im elektrostatischen Felde inducirte mag- 
netische Kraft 

§ = 4»Vt>2> (Gl. 298, S. 355) 



Gr. Formeln des sechsten Abschnittes. 
Gleichung von Lagrange: 

*-*©-!!;' (Gl. 300, S. 363) 

T = k Ä y\ + \ B yl + c kyi • • • (Gl. 304, S. 364) 



412 



Anhang.- 



r i'=Ä(^ + ^) 



TT 8T 



i .2^-4- i >%dB 

Zwangszustand: 

H = pi ■ m + fc • \% 

an, d h d h 

V = är + ST7 + 



. . dC 



+ *>».*» 



dy ^ dz 



. . (Gl. 305,8.364) 
(Gl. 306 u. 307, S. 365) 



(Gl. 308, S. 370) 
(Gl. 309, S. 370) 
(Gl. 310, S. 371) 



* = - &*i fc = iJ-JT; * = & JT (Gl. 314, S. 374) 



8tf 



8?r 



Diese Formeln geben (Jen Zwangszustand im elektro- 
statischen Felde an, wenn i in der Richtung der elektro- 
statischen Kraft geht und,JF den Tensor dieser Kraft bedeutet; 
ersetzt man jP durch H und K durch ft, so erhält man den 
Zwangsznstand im magnetischen Felde (Gleichung 316, S. 376). 

ä»=V3» • ' (Gl. 317, S. 377) 

Elektromagnetische Wellen: 

V 2 § - Zu ^|, V 2 « = Kp f| (Gl. 323 u. 324, S. 379) 
§ = §°sin2tf(f + 4); 

<g = <g°sin2jr(f + ^-); 



,tf 3 <> + l^H* 



(Gl.325-330) 



x = x Vh 

Fortpflanzungsgeschwindigkeit : 



Kp 



(Gl. 326, S. 380) 



(Gl. 331, S. 384) 



Anhang. 413 

Energiestrora: 






- 1 - sin 2 27t (| + -) • § 2 (<H- 332, S. 385) 

4:71 \ * t / 

Ebene Wellen in Halbleitern: 

v ^ = 4Ä ^« + ft Z^ • • • (Gl. 333,8.387) 

§= i ^ e -j S in2 3 t(|+^) + ^cos2 Ä (| + {)}(G1.334,S.388) 

a _ 2 *^ • (GL 336, S. 389) 

(Gl. 337, S. 389) 



V^V** + E> 



Yerlag von B. GL Teufoner in Leipzig. 



Physik. 

1. Mathematische Physik. 

Bohn, über Linsenzusammenstellungen u. s. w. 

Dronke, Einleitg in d. anal. Theorie der Wärme nach Beer u. Plücker. 

Gleichen, die Haupterscheinungen d. Brechung u. Reflexion des Lichtes. 

Häufsler, Beiträge zur mechanischen Wärmetheorie. 

Helm, Elemente der Mechanik und mathematischen Physik. 

Herwig, physikalische Begriffe und absolute Mafse. 

Holzmüller, Einführung in die Theorie der isogonalen Verwandtschaften. 

Januschke, Prinzip der Erhaltung der Energie in der Elektricität. 

Kahl, mathematische Aufgaben aus d$r Physik. 

Kirchhoff, Vorlesungen über mathematische Physik: Mechanik. 

Optik, herausgegeben von Hensel. 

— - Elektricität und Magnetismus, herausgeg. von Planck. 

Theorie der Wärme, herausgeg. von Planck. 

Kötteritzsch, Lehrbuch der Elektrostatik. 

Krebs, Einleitung in die mechanische Wärmetheorie. • 
Matthiessen, Grundrifs der Dioptrik geschichteter Linsensysteme. 
Neumann, C, die Haupt- und Brennpunkte eines Linsensystems. 

die elektrischen Kräfte. 

Vorlesungen über die mechanische Theorie der Wärme. 

einige Notizen hinsichtlich der gegen die Gesetze von Ampere und 

Weber erhobenen Einwände. 

Beiträge zu einzelnen Teilen der mathematischen Physik. 

Neumaifn, F., VorlesungeÄ über mathematische Physik : Magnetismus. 

Einleitung in die theoretische Physik, herausgeg. von Pape. 

— — elektrische Ströme, herausgegeben von "VonderMühll. 

theoretische Optik, herausgegeben von Dorn. 

, — Elasticität, herausgegeben von 0. E. Meyer. 

Potential und Kugelfunktionen, herausgeg. von C. Neumann. 

Capillarität, herausgegeben von A. Wangerin. 

Planck, Prinzip der Erhaltung der Energie. 

Po'ckels, über die^ partielle Differentialgleichung Ku-\-h l u = 0. 

Keusch, Theorie der Cylinderlinsen. 

Konstruktionen zur Lehre vom Linsensystem. 



Röthig, Probleme der Brechung und Reflexion. 

Schmidt, W., Brechung des Lichts in Gläsern. 

Steinhauser, Lehre von der Aufstellung empirischer Formeln. 

Tumlirz, elektromagnetische Theorie des Lichtes. 

Volkmann, Vorlesungen über die Theorie des Lichts. 

Waltenhofen, v., Grundrifs der allgemeinen mechanischen Physik. 

Wand, Prinzipien der mathematischen Physik und Potentialtheorie. 

Weber, EL, der Rotationsinduktor. 

Weickert, aus dem Gebiet der Influenzelektricität. 

Weyrauch, Prinzip der Erhaltung der Energie. 

Witt wer, die Molekulargesetze dargestellt. 

2. Experimentalphysik. 

Kahl, mathematische Aufgaben aus der Physik. 
Klein, EL, Leitfaden und Repetitorium der Physik. 
Kohlrausch, Leitfaden der praktischen Physik. 
Lorenz, Lehre vom Licht. 

Ruete, das Stereoskop. # * 

Steinheil und Voit, Handbuch der angewandten Optik. 
Weber, H., der Botationsinduktor. 
WüTlner, Lehrbuch der Experimentalphysik. 

Kompendium der Physik. 

Einleitung in die Dioptrik des Auges. 

Zahn, v., Untersuchungen über Kontaktelektricität. 



Nähere Angaben über Umfang, Preis u. s. w. obiger Bücher 
giebt Teubners Verlagsverzeichnis auf dem Gebiete der Mathe- 
matik, der technischen und Naturwissenschaften. Dieses Ver- 
zeichnis versendet die Verlagsbuchhandlung B. G. Teubner in 
Leipzig, Poststrasse 3, gratis und franko auf Verlangen. 



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